Silke Bernhart Reziproke Effekte durch Sportberichterstattung
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Silke Bernhart
Reziproke Effekte durch S...
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Silke Bernhart Reziproke Effekte durch Sportberichterstattung
VS RESEARCH
Silke Bernhart
Reziproke Effekte durch Sportberichterstattung Eine empirische Untersuchung von Spitzensportlern
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Jürgen Wilke
VS RESEARCH
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag und VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Christina M. Brian / Britta Göhrisch-Radmacher Der Deutsche Universitäts-Verlag und der VS Verlag für Sozialwissenschaften sind Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-7019-6
Geleitwort
Silke Bernhart hat sich an ein schwieriges Thema herangewagt: Sie untersucht, welche Wirkungen die Massenmedien und ihre Berichterstattung auf (Spitzen-) Sportler haben. Es geht folglich um einen Beitrag zur Erforschung „reziproker Effekte“, also jener Medienwirkungen, die nicht bei den Rezipienten, sondern bei den Akteuren der Berichterstattung auftreten. Obwohl deren Entdeckung nicht ganz neu ist, gibt es dazu bisher doch kaum empirische Studien, und wenn, dann eher auf Politiker bezogen. Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass durch die Expansion der Sportberichterstattung zunehmend auch Leistungssportler von solchen Effekten betroffen sind. Indizien dafür liegen inzwischen in einer Vielzahl von Interviews mit Sportlern vor. Ich selbst habe solche Belege über Jahre hinweg gesammelt, sozusagen als erste Materialgrundlage für eine künftige weiter reichende Arbeit. Davon ist einiges auch in die vorliegende Untersuchung eingegangen. Die Idee „reziproker Effekte“ führt Silke Bernhart in ihrem forschungsgeschichtlichen Rückblick auf die McArthur-Day-Studie von Lang & Lang (1952) zurück und ordnet dieses Konzept in die Wirkungsforschung ein. Dabei folgt sie vor allem den Vorklärungen von Hans Mathias Kepplinger. So gelingt der Verfasserin eine klare Darstellung der bei reziproken Effekten beteiligten Variablen und ihrer Beziehungen. Forschungsleitend ist vor allem, dass sie sich der in der Literatur vorgezeichneten zeitlichen Abgrenzung von drei Phasen des Auftretens solcher Wirkungen anschließt, nämlich der reaktiven, der interaktiven und der pro-aktiven. Auf dieser theoretischen und systematischen Grundlage entwickelt Silke Bernhart ihr eigenes Forschungsvorhaben. Als Ziel ihrer explorativen, qualitati-
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Geleitwort
ven Studie hat sie sich vorgenommen, eine bestimmte Anzahl von Spitzensportlern hinsichtlich ihrer Einschätzung der Medienwirkungen und ihres Umgangs mit den Medien zu befragen. Eine größere standardisierte Befragung schied aus mehreren Gründen aus. Einer davon war die Abgrenzung und Erreichbarkeit der Befragtengruppe. In der Tat erwies es sich als ein großes Problem, Spitzensportler für die Interviews zu dem Thema zu gewinnen. Die ursprünglich sehr hoch angesetzten Erwartungen erfüllten sich nicht. Zu mehr als 60 Sportlerinnen, Sportlern und Trainern suchte Silke Bernhart Kontakt, zumeist mit negativem Ergebnis. Die ganze Aktion zog sich mehrere Monate hin und stellte die Geduld der Verfasserin sehr auf die Probe. Sie ließ sich dadurch aber nicht entmutigen, sondern hielt hartnäckig an ihrem Untersuchungsplan fest. Letztendlich hatte sie elf Zusagen – erfreulicherweise gemischt nach Alter, Geschlecht, Sportart, Funktion, Prominenz. Immerhin fanden sich die Olympiasieger Ulrike NasseMeyfarth, Michael Groß und Gunda Niemann-Stirnemann zu Interviews bereit, auch der Davis Cup-Sieger Carl-Uwe Steeb und der zu Fernsehprominenz gelangte Mainzer Fußballtrainer Jürgen Klopp. Dass durch die Zusammensetzung der Gruppe gleichwohl Einschränkungen bedingt sind, dessen war sich Silke Bernhart bewusst, und sie hat das selbst in ihrer Arbeit angesprochen. Den Sportlern, die sich zur Mitwirkung bereit fanden, sei hier gedankt, auch dass sie einer Veröffentlichung der Aussagen, die sie gemacht haben, zustimmten. Im methodischen Kapitel hat sie einen nach den Phasen reziproker Effekte gegliederten Fragebogen entworfen und darin die relevanten Indikatoren „verpackt“. Sie diskutiert offen Gütekriterien einer solchen Befragung und geht auf Probleme der Gesprächsführung ein. Schließlich erläutert sie ihre Auswertungsstrategie, die ebenfalls von dem Bemühen um wissenschaftliche Durchdringung und Einordnung der ihr in den Interviews erteilten Antworten geleitet ist. Im fünften Kapitel schildert Silke Bernhart die Ergebnisse ihrer Befragung. Sie stellt zunächst die Befragten vor und berichtet von deren eigener Mediennutzung. Die eigentlich reziproken Effekte werden dann wieder zunächst für die „reaktive“ Phase, anschließend für die „interaktive“ Phase und letztendlich für die „pro-aktive“ Phase dargestellt. Der Verfasserin gelingt es in hervorragender
Geleitwort
7
Weise, Einzeleffekte zu isolieren und dazu die jeweils passenden Belege aus den Interviews anzuführen. Die Fülle der hochinteressanten Befunde muss der Leser des Buches sich selbst erschließen. Generell gab die Mehrzahl der Befragten an, fast nur positive Erfahrungen mit Medien und Journalisten gemacht und gute persönliche Beziehungen zu Journalisten aufgebaut zu haben. Dies scheint darauf hinzudeuten, dass reziproke Effekte im Sport anders aussehen als z.B. in der Politik. Dennoch sprachen die Befragten den Medien auch die Macht zu, einen Sportler zu schwächen und zu versunsichern. Kritisiert wird insbesondere die unkorrekte Wiedergabe von Aussagen in Interviews. Und als problematisch wahrgenommen wird die Einbeziehung des Privatlebens in die Berichterstattung. Es macht den wissenschaftlichen Wert dieser Studie aus, dass ein sehr differenziertes Bild von den reziproken Medienwirkungen auf Sportler entsteht. Denn im Einzelnen waren die Erfahrungen der befragten Sportler mit den Medien sehr unterschiedlich, und sie wechselten auch situationsbedingt und umständehalber. Die Sportart, Persönlichkeitsfaktoren, der Zeitpunkt der Karriere, der Leistungsstand usw. spielen eine maßgebliche Rolle. Dennoch gelingt es Silke Bernhart immer wieder, auch Ähnlichkeiten aufzuzeigen und die Befragten hinsichtlich bestimmter Merkmale zu gruppieren und am Ende jedes Teilkapitels das aufgespürte „Variablensystem“ schematisch zusammenzufassen. So werden aus den individuellen Fällen generelle Erkenntnisse gewonnen. Jürgen Wilke
Auch der Fußball-Nationalspieler Miroslav Klose hat dies in einem Interview anlässlich seiner „Torflaute“ und seines Wechsels zum FC Bayern München in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ (5.6.2007) seinerseits erkennen lassen: „Wenn die Kritiken in der Presse positiv sind, dann freue ich mich natürlich, aber ich lasse das nicht so nah an mich ran. Genauso ist es umgekehrt. … Das Schlimmste waren die Lügengeschichten, die über mich und mein Privatleben in die Welt gesetzt wurden, diese Schmutzkampagne. Was da auf mich, meine Familie und mein Umfeld eingeprasselt ist: das Gerede darüber, dass meine Frau schwanger wäre von einem Mitspieler und all das Zeug. Ich stehe über diesen Dingen.“
Danke
Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine explorative, qualitative Studie, die ursprünglich als Magisterarbeit erstellt wurde. An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Personen bedanken, die mich tatkräftig unterstützt haben. Vielen Dank an alle Sportler, die sich die Zeit dazu genommen haben, mir Rede und Antwort zu stehen. Schon allein dadurch heben sie sich von der Masse der Spitzenathleten ab. Ein besonderer Dank gilt Herrn Professor Dr. Jürgen Wilke. Sowohl in der teilweise zähen Phase der Datenerhebung als auch bei der Vorbereitung der Buchveröffentlichung hat er mich sehr unterstützt. Rita Walldorf hat mir beim Versand der Interviewanfragen geholfen, zahlreiche meiner Freunde haben die Arbeit Korrektur gelesen oder mir Kontakte zu Athleten vermittelt. Britta Göhrisch-Radmacher stand mir für das Buchprojekt als Lektorin zur Seite. Auch dafür vielen Dank! Eher im Hintergrund haben mich meine Familie und Daniel begleitet. Danke für Euren Zuspruch, Euer Vertrauen und Eure Geduld. Silke Bernhart
Inhalt
1
Einleitung ....................................................................................... 17
2
Reziproke Effekte .......................................................................... 23
2.1
Reziproke Effekte in der Medienwirkungsforschung ...................... 23
2.2
Definition und Wirkungsmodell ...................................................... 25
2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.3.1 2.2.4
Unabhängige Variablen ................................................................... 27 Intervenierende Variablen ............................................................... 28 Abhängige Variablen ....................................................................... 29 Reaktive, interaktive und pro-aktive Effekte ................................... 31 Zusammenfassung ........................................................................... 32
2.3
Erklärungsansätze ............................................................................ 33
2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4
Persönliche Relevanz....................................................................... 33 Geringe Selektion ............................................................................ 34 Attribution ....................................................................................... 35 Wahrgenommene und vermutete Reaktionen Dritter ...................... 36
2.4
Forschungsstand .............................................................................. 37
2.4.1 2.4.2
Reziproke Effekte in Politik, Wirtschaft, Justiz und Medien........... 37 Reziproke Effekte im Sport ............................................................. 41
3
Sportberichterstattung .................................................................. 47
3.1
Zum Verhältnis von Sport, Medien und Wirtschaft......................... 47
3.2
Sport in den Medien – Die Mediensportrealität............................... 51
3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4
Umfang ............................................................................................ 52 Inhaltliche Schwerpunkte ................................................................ 53 Formale Aspekte.............................................................................. 56 Zusammenfassung ........................................................................... 57
12
Inhalt
3.3
Akteure ............................................................................................ 58
3.3.1 3.3.1.1 3.3.2 3.3.3 3.3.3.1 3.3.3.2
Sportjournalisten.............................................................................. 58 Allgemeine Merkmale ..................................................................... 58 Einstellung zu Sportlern .................................................................. 60 Spitzensportler ................................................................................. 62 Begriffsbestimmung ........................................................................ 62 Das Bild der Sportler in den Medien ............................................... 64
4
Zum Forschungsprojekt................................................................ 67
4.1
Forschungsziel und Forschungsfragen............................................. 67
4.2
Forschungsansatz............................................................................. 70
4.2.1 4.2.2
Das qualitative Interview ................................................................. 72 Verlässlichkeit der Aussagen........................................................... 74
4.3
Durchführung................................................................................... 76
4.3.1 4.3.2
Auswahl und Rekrutierung der Gesprächspartner ........................... 76 Leitfaden und Gesprächsführung..................................................... 78
4.4
Auswertungsstrategie....................................................................... 80
5
Ergebnisse....................................................................................... 85
5.1
Befragte ........................................................................................... 85
5.2
Mediennutzung ................................................................................ 89
5.2.1 5.2.2
Mediennutzungsverhalten allgemein ............................................... 89 Interesse an Berichterstattung über die eigene Person..................... 91
5.3
Reaktive Phase................................................................................. 95
5.3.1 5.3.1.1 5.3.1.2 5.3.1.3 5.3.2 5.3.2.1 5.3.2.2
Einstellung zu Medien ..................................................................... 95 Wahrnehmung des Medieninteresses............................................... 95 Bewertung von Sportberichterstattung ............................................ 99 Einschätzung des Medieneinflusses im Sport................................ 101 Verhältnis zu Sportjournalisten ..................................................... 103 Bewertung der Arbeitsweise.......................................................... 104 Konfrontation mit Journalisten nach Berichterstattung ................. 107
Inhalt
13
5.3.3 5.3.3.1 5.3.3.2 5.3.3.3 5.3.3.4 5.3.4 5.3.4.1 5.3.4.2 5.3.4.3 5.3.4.4 5.3.4.5 5.3.4.6 5.3.5
Einflüsse im Privatleben ................................................................ 109 Schule, Universität und Beruf........................................................ 109 Familie, Freunde und Bekannte ..................................................... 112 Unbekannte.................................................................................... 115 Persönliche Entwicklung ............................................................... 117 Einflüsse im sportlichen Bereich ................................................... 119 Wissen um Leistungsbewertung, Erwartungen und Stimmungen . 120 Wissen um die Bewertung der Leistung anderer ........................... 122 Emotionale Verfassung.................................................................. 123 Druck und Motivation.................................................................... 126 Trainingsablauf.............................................................................. 128 Wettkampfablauf ........................................................................... 130 Zusammenfassung und Wirkungsmodell....................................... 132
5.4
Interaktive Phase............................................................................ 135
5.4.1 5.4.2 5.4.2.1 5.4.2.2 5.4.2.3 5.4.3 5.4.4
Anwesenheit von Medienvertretern............................................... 135 Interviews und andere Medientermine........................................... 138 Einflüsse durch Sportlermerkmale................................................. 139 Einflüsse durch Journalistenmerkmale .......................................... 141 Äußere Umstände .......................................................................... 142 Folgen der Interaktion für die Sportler .......................................... 144 Zusammenfassung und Wirkungsmodell....................................... 147
5.5
Pro-aktive Phase ............................................................................ 150
5.5.1 5.5.2 5.5.3 5.5.3.1 5.5.3.2 5.5.3.3 5.5.4
Professionelle Unterstützung ......................................................... 150 Institutionalisierte Interaktion........................................................ 153 Konkrete Beeinflussung der Berichterstattung .............................. 155 Zurückhaltung................................................................................ 155 Aktive Themensetzung .................................................................. 157 Aktive Imagebildung ..................................................................... 160 Zusammenfassung und Wirkungsmodell....................................... 163
6
Fazit .............................................................................................. 167
7
Literaturverzeichnis .................................................................... 175
8
Zeitungsartikel und Homepages................................................. 185
Anhang
....................................................................................................... 189
Tabellen und Abbildungen
Tabellen Tabelle 1: Befragte ............................................................................................. 87 Tabelle 2:Interesse an Berichterstattung über die eigene Person........................ 92 Tabelle 3: Häufigkeit des Angesprochenwerdens............................................. 117 Tabelle 4:Beeinträchtigung der Trainingsroutine durch Medienanfragen ........ 129 Tabelle 5: Planung der Aussagen in Interviews................................................ 159
Abbildungen Abbildung 1: Basis-Feedback-Modell reziproker Effekte .................................. 26 Abbildung 2: Einflussgrößen und Reaktionen im reziproken Wirkungsprozess 32 Abbildung 3: Wirkungsprozesse in der reaktiven Phase................................... 134 Abbildung 4: Wirkungsprozesse in der interaktiven Phase .............................. 149 Abbildung 5: Wirkungsprozesse in der pro-aktiven Phase ............................... 165
1 Einleitung
Es ist Mittwoch, der 22. März 2006. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat gerade mit 4:1 ein Freundschaftsspiel gegen die USA gewonnen. Bundestrainer Jürgen Klinsmann, schon seit Wochen aufgrund seines Wohnsitzes (USA), der ungeklärten Torhüter-Frage (Kahn oder Lehmann?) und schwacher vorangegangener Spiele (1:4 gegen Italien) im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion, tritt im Presseraum des Dortmunder Stadions vor die Journalisten. Die Süddeutsche Zeitung berichtet, wie er all dem Unmut Luft macht, der sich, wie es scheint, über Monate in ihm aufgestaut hatte: „Was er nach dem 1:4 in Florenz gegen Italien, wo es nichts zu loben gab, habe lesen müssen, ‚war teilweise unter der Respektsgrenze’. ‚Man’ habe ‚beinahe die WM riskiert durch puren Pessimismus, durch negative Aggressivität, die von gewissen Leute gekommen ist. Man hat Politik gemacht, die zu weit geht, um Stimmung zu machen beim Publikum. Wir wissen, wo die Leute sitzen, die uns nicht wohlgesonnen sind und uns Knüppel zwischen die Beine werfen’. […] ‚Es ist Zeit’, hielt Klinsmann dem verdutzten Journalisten-Auditorium mittels Generalverdacht vor, ‚dass Ihr Euch Gedanken macht, was Ihr für einen Einfluss habt auf die Spieler und ihre Familien’“ (L. Schulze, SZ, 24.03.2006).
Genau dieser Einfluss soll Thema der vorliegenden Arbeit sein. Viel wird gemutmaßt über die Wirkungen, die Medien und ihre Berichterstattung auf Sportler, Trainer und deren Angehörige haben. Auch Versuche dieser Akteure, sich Medienberichterstattung zunutze zumachen, werden häufig thematisiert. Gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse gibt es dagegen keine. Die im Folgenden entwickelte Studie soll dazu beitragen, diese Lücke zu schließen.
18
Einleitung
Erklärungsansätze und Theorien der Medienwirkungsforschung wurden bisher meist zuletzt auf den Bereich Sport übertragen.1 Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass Prozesse und Ereignisse hier von geringerer gesellschaftlicher Relevanz und Verbindlichkeit sind als zum Beispiel in Politik und Wirtschaft. Vermutlich spielen auch finanzielle Aspekte eine Rolle: Besonders von Seiten der Politik werden häufig Forschungsprojekte gefördert, die Aufschluss darüber geben sollen, wie sowohl das Auftreten vor der Kamera als auch die politische Berichterstattung auf potenzielle Wähler wirkt (H. Bonfadelli 1999: 11). Während jedoch die Rezipienten von Sportberichterstattung mittlerweile in zahlreichen Untersuchungen Berücksichtigung fanden (H. Schramm 2004), wurden Einflüsse auf die Akteure dieser Medienbotschaften bisher so gut wie gar nicht behandelt.2 Ein Grund für dieses Defizit ist, dass in der Wirkungsforschung das Wechselspiel zwischen Personen öffentlichen Interesses und Medien sowie Medienvertretern – zusammengefasst unter dem Begriff „reziproke Effekte“ – insgesamt vernachlässigt wurde: In einem unveröffentlichten Research Proposal von 2004 kritisiert KEPPLINGER, dass es bisher weder eine Dokumentation der vereinzelten Studien zu dem Thema noch eine Typologie der direkten und indirekten Wirkungen gibt (H.M. Kepplinger 2004). Die vergleichsweise wenigen veröffentlichten Arbeiten befassen sich außerdem vorwiegend mit Medieneinflüssen auf Entscheidungsträger. Athleten treffen dagegen nur selten verbindliche Entscheidungen: Für den gesamten Sport oder einzelne Sportarten relevante Maßnahmen werden von Sportfunktionären bestimmt. So können Medieneinflüsse auf Sportler auch weniger an konkreten Entscheidungen oder Handlungen festgemacht werden als zum Beispiel in Politik und Wirtschaft, wo ständig neue Richtlinien hervorgebracht oder Abwägungen über Investitionen und Personalpolitik getroffen werden. Dies erschwert die Forschung. 1 In einem Sammelband von Hackforth wurden erst 1988 erstmals empirische Studien vorgestellt, die sich explizit mit Wirkungen von Sportberichterstattung beschäftigten (J. Hackforth 1988a). 2 Von den 14 Aufsätzen des oben erwähnten Sammelbandes von Hackforth beschäftigt sich nur ein einziger mit Einflüssen von Sportberichterstattung auf die Sportler selbst. Dieser Aufsatz ist die Zusammenfassung einer quantitativen Befragung von 1985, die in Kapitel 2.4.2 als einzige empirische Studie vorgestellt werden wird. Auch zehn Jahre später weist Görner auf das weiterhin bestehende Forschungsdefizit hin (F. Görner 1995: 284).
Einleitung
19
Dennoch darf das Wechselspiel zwischen Medien und Sportlern in der Kommunikationswissenschaft nicht unberücksichtigt bleiben. Der Sport ist schon lange nicht mehr nur die schönste Nebensache der Welt, sondern nimmt in der modernen Gesellschaft eine zentrale Rolle ein. Die Fußballweltmeisterschaft in Deutschland 2006 ist dafür das beste Beispiel: Die Veranstaltung selbst sowie die Spiele der Nationalmannschaft lösten innerhalb der deutschen Bevölkerung eine derartige Euphorie aus, dass heftige Diskussionen um ein neues deutsches Selbstbewusstsein und einen wiederentdeckten Nationalstolz aufkamen und das politische Tagesgeschehen in den Hintergrund gedrängt wurde (D. Kurbjuweit 2006: 70). Das Halbfinal-Spiel zwischen Deutschland und Italien brach alle Zuschauerrekorde und erzielte während der Verlängerung sogar eine Einschaltquote von 91,2 Prozent (ZDF-Homepage 18.6.2006). Im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit standen die Trainer und Spieler der Mannschaft. Ihr Erfolg erlangte nicht zuletzt durch die Medienberichterstattung eine Bedeutung weit über das rein Sportliche hinaus. Spitzensportler gelten als Idole und Bezugspersonen, sie setzen Trends und beeinflussen Stimmungen, ihre Leistung kann weltweite Aufmerksamkeit hervorrufen, kann nationale Erwartungen erfüllen oder enttäuschen. Zahlreiche Sportler nehmen nach ihrer sportlichen Laufbahn öffentliche Ämter wahr und profitieren hier noch im Nachhinein von ihrer Popularität: Der ehemalige Fußballprofi George Weah kandidierte 2005 in Liberia für die Präsidentschaft (T. Scheen, F.A.Z., 08.09.2005), der Brasilianer Pélé, dreimaliger Fußball-Weltmeister, wurde 1995 Sportminister seines Landes. Sein ehemaliger Mitspieler und Teamkapitän Sócrates stellte in einem Interview fest: „Die Jugendlichen [in Brasilien] hören eher einem Fußballer zu als dem Präsidenten der Republik“ (J. Glüsing und A. Weinzierl, Der Spiegel, 29.04.2006). Diese wenigen Beispiele sollten genügen, um aufzuzeigen, welche zentrale gesellschaftliche Position sowohl aktive als auch ehemalige Spitzensportler häufig einnehmen. Popularität und öffentliche Wahrnehmung von Sportlern sind in erster Linie geprägt durch die Medien, welche außergewöhnliche sportliche Leistungen durch ihre Berichterstattung erst überregional bekannt machen. Doch wie bewer-
20
Einleitung
ten die Athleten selbst die Rolle der Medienberichterstattung in ihrem Leben? Wie empfinden sie öffentliches Lob und öffentliche Kritik? Wie erleben sie den Umgang mit Journalisten, wie ihr eigenes Auftreten in Interviews? Und wie bewerten sie ihre Möglichkeiten, die Macht der Medien aktiv für sich zu nutzen? All diesen Fragen soll in der vorliegenden Arbeit mittels einer explorativen qualitativen Studie auf den Grund gegangen werden. Die Arbeit ist gegliedert in drei verschiedene Teile. Zu Beginn wird der theoretische Rahmen der Studie dargelegt, anschließend wird das methodische Vorgehen beschrieben und zum Schluss folgt die systematische Auswertung der erhobenen Daten. In Kapitel 2 soll zunächst der Ursprung des Begriffs „reziproke Effekte“ als Bezeichnung für wechselseitige Prozesse zwischen Medien und den Protagonisten der Medienberichterstattung vorgestellt werden. Es folgt eine Einordnung dieses Untersuchungsgegenstands in den Bereich der Medienwirkungsforschung. Anschließend wird anhand bestehender Erkenntnisse und theoretischer Überlegungen ein allgemeines Modell reziproker Effekte entwickelt, das Wirkungsrichtungen und Einflussfaktoren systematisch zusammenfasst. In einem weiteren Abschnitt sollen Erklärungen dafür geliefert werden, warum Wirkungen auf Akteure von Medienberichterstattung als höher einzuschätzen sind als Wirkungen auf Rezipienten. Das erste Kapitel endet mit einer Zusammenstellung der wenigen und bisher eher unsystematischen Arbeiten zu reziproken Effekten in unterschiedlichen gesellschaftlichen Teilbereichen. Besonderes Augenmerk liegt hier auf dem Bereich Sport, für den auch die Sportberichterstattung selbst herangezogen wird, um wechselseitige Einflüsse darzustellen. Zur Erklärung der Wirkungen von Medienberichten auf Sportler sowie umgekehrt des Einflusspotenzials von Sportlern auf Medieninhalte muss ein Überblick über die Eigenschaften und Besonderheiten von Sportberichterstattung gegeben werden. Da der Sport nicht als isoliertes System, sondern nur im Wechselspiel mit Medien und Wirtschaft betrachtet werden kann, beginnt Kapitel 3 mit einer Darstellung des Verhältnisses zwischen Sport, Medien und Wirtschaft. Anschließend soll verdeutlicht werden, durch welche quantitativen, inhaltlichen und formalen Merkmale sich die Berichterstattung über den Sport in Deutsch-
Einleitung
21
land auszeichnet. Zuletzt erfolgt eine Vorstellung der zentralen Akteure: der Journalisten und der Sportler selbst. Von Interesse sind hier zum einen die Arbeitsbedingungen und -auffassungen von Sportjournalisten und zum anderen die institutionellen Rahmenbedingungen für Spitzensportler sowie die Art und Weise, wie erfolgreiche Athleten in den Medien präsentiert werden. Kapitel 4 behandelt schließlich die Phase der Datenerhebung. Zunächst wird das Erkenntnisinteresse konkretisiert und anhand dessen die Wahl einer qualitativen Vorgehensweise begründet. Ein Abschnitt widmet sich dabei den Besonderheiten qualitativer Untersuchungen allgemein sowie der hier angewendeten Methode qualitativer Interviews. Herausgestellt werden muss auch, wie Elemente verschiedener Formen qualitativer Interviews an das Forschungsziel der vorliegenden Arbeit angepasst wurden. Anschließend wird die Durchführung der Untersuchung offen gelegt. Dazu gehören die Erarbeitung eines InterviewLeitfadens, Auswahl und Rekrutierung der Gesprächspartner und Elemente der Gesprächsführung. Zuletzt wird die Vorgehensweise bei der Auswertung der erhobenen Daten beschrieben, um die Nachvollziehbarkeit der Erkenntnisse zu gewährleisten. Nachdem so das nötige Hintergrundwissen geliefert wurde, folgt in Kapitel 5 die systematische Darstellung der Ergebnisse aus Interviews mit elf aktuellen und ehemaligen deutschen Spitzensportlern und Trainern. Dabei soll nicht nur ein umfassender Überblick über wechselseitige Wirkungen zwischen Medien und Sportlern gegeben werden. Ziel ist es auch, das zu Anfang der Arbeit vorgestellte Modell zur Systematisierung reziproker Effekte an die Besonderheiten im Bereich Sport anzupassen. Somit können allgemeine theoretischer Überlegungen hinsichtlich des Wechselspiels zwischen Medien und den Protagonisten ihrer Berichterstattung erweitert und konkretisiert werden.
2 Reziproke Effekte
Zu Anfang der vorliegenden Arbeit werden bisherige Erkenntnisse zu wechselseitigen Wirkungen zwischen Medien und Akteuren der Medienberichterstattung im Mittelpunkt stehen.3 So soll das theoretische Hintergrundwissen vermittelt werden, auf dem die durchgeführte Studie basiert und das im Auswertungsteil um neu gewonnene Erkenntnisse ergänzt wird.
2.1 Reziproke Effekte in der Medienwirkungsforschung Der Begriff reziproke Effekte wurde erstmals verwendet im Rahmen einer Studie von LANG & LANG im Jahre 1952 (K. und G.E. Lang 1960: 544-560). Die Autoren nahmen eine Parade zu Ehren des Generals Douglas MacArthur in Chicago zum Anlass, Unterschiede zwischen der Wahrnehmung des Ereignisses durch die Zuschauer vor Ort und die Fernsehzuschauer zu untersuchen. Eher als Randnotiz hielten sie fest, dass die Präsenz von Fernsehkameras an bestimmten Punkten der Parade Reaktionen der Schaulustigen auslöste: “The camera selected shots of the noisy and waving audience, but in this case, the television camera itself created the incident. The cheering, waving, and shouting was often largely a response to the aiming of the camera. The crowd was thrilled to be on television, and many attempted to make themselves apparent to acquaintances who might be watching.” (K. und G.E. Lang 1960: 557)
3 Im Folgenden werden die Begriffe Akteure oder Protagonisten synonym zur Bezeichnung derjenigen Personen verwendet, die selbst Inhalt von Medienberichterstattung sind..
24
Reziproke Effekte
Dieses Phänomen bezeichneten LANG & LANG als „reciprocal effects“, ins Deutsche auch übersetzbar als „wechselseitige Effekte“: Medienpräsenz beeinflusst diejenigen, über die berichtet wird, und deren Reaktion wiederum löst erneut Medieninteresse aus. Obwohl die Studie zum MacArthur Day bereits mehr als 50 Jahre zurück liegt, muss man feststellen, dass die Forschung zu reziproken Effekten seitdem keine großen Fortschritte gemacht hat. „Reciprocal effects“ blieben eine Nebenerkenntnis, die, mit Ausnahme von vereinzelten Fallstudien, in anschließenden Untersuchungen kaum wieder aufgegriffen wurde. Im Zentrum der Wirkungsforschung standen bisher mehr oder weniger unbeteiligte Rezipienten der Medienbotschaften und nicht diejenigen, die Thema von Medienbotschaften sind. Ein Grund dafür ist eine scheinbare Irrelevanz: Nur eine verschwindend kleine Minderheit ist selbst von Medienberichterstattung betroffen. Doch zu dieser Minderheit gehören eben jene Personen, die in der Gesellschaft wichtige Positionen innehaben: Entscheidungsträger in Politik, Wirtschaft und Justiz, Prominente aus Sport und Unterhaltung. Bisher war die vorherrschende Auffassung, der Medieneinfluss auf politische Entscheidungsträger bestehe nur indirekt und werde vor allem durch die wahlberechtigten Bürger vermittelt (H.M. Kepplinger und E. Noelle-Neumann 2002: 625). Direkte Einflüsse der Medien und ihrer Berichterstattung wurden dagegen vernachlässigt, Handlungen der Entscheidungsträger wurden auf die Personen selbst und nicht auf ihren Medienkontakt zurückgeführt. Dies lässt sich besonders gut am Beispiel der Agenda-Setting-Forschung verdeutlichen: Lange Zeit stand im Zentrum der Forschung die Frage, welchen Einfluss Medienberichterstattung auf die Themenagenda der Bevölkerung hat. Impliziert wurde erst als zweiter Schritt eine Wirkung der Bevölkerungsagenda auf die Politik. Der direkte Einfluss der Medienagenda auf Entscheidungsträger wird erst seit Anfang der 90er Jahre thematisiert (H.-M Kepplinger und E. Noelle-Neumann 2002: 615-616). Weitere Gründe für das Forschungsdefizit sind praktischer Natur. Zunächst ist es aufgrund der geringen Anzahl von Betroffenen allgemein schwierig, aussagekräftige quantitative Studien durchzuführen. Unbekannte Akteure von Medienberichten sind nicht leicht ausfindig zu machen, zu
Reziproke Effekte in der Medienwirkungsforschung
25
prominenten Akteuren erhält man nur schwer Zugang. Wenn der Kontakt zu Letzteren doch hergestellt werden kann, muss man außerdem damit rechnen, dass viele Auskünfte eher diplomatisch und weniger selbstkritisch sind.4 In der Medienwirkungsforschung unterscheidet man zwischen lerntheoretischen und kognitionstheoretischen Ansätzen. Während bei den lerntheoretischen Modellen unterschiedliche Ergebnisse des Medieneinflusses im Vordergrund stehen, integrieren kognitionstheoretische Modelle zusätzlich Informationsverarbeitungsprozesse der Rezipienten (H.M. Kepplinger und E. Noelle-Neumann 2002: 611-631). Reziproke Effekte sind eher den lerntheoretischen Ansätzen zuzuordnen, denn im Vordergrund steht die Frage nach konkreten Folgen der Medienwirkungen. Zunehmend werden jedoch auch Annahmen zu emotionalen und kognitiven Verarbeitungsprozessen in Modelle zu reziproken Effekten integriert (H.M. Kepplinger 2007: 3-23). Die intensivere Auseinandersetzung mit dieser Form der wechselseitigen Einflüsse wurde erst in den letzten zehn Jahren vorangetrieben. Eine systematischere Vorgehensweise fordert vor allem KEPPLINGER. Seine Überlegungen werden im Folgenden bei der Vorstellung der für reziproke Effekte relevanten Einflussgrößen und der Erarbeitung eines allgemeinen Modells wechselseitiger Wirkungen integriert.5
2.2 Definition und Wirkungsmodell Reziproke Effekte beschreiben direkte Einflüsse von Medienberichten auf die Personen, die im Zentrum der Medienberichterstattung stehen. Diese Personen können sowohl Prominente sein, zum Beispiel Politiker, Unternehmer, Künstler oder Sportler, als auch Unbekannte, zum Beispiel Kriminalitätsopfer. In herkömmlichen Modellen der Wirkungsforschung tauchen diese Einflüsse bisher nur als indirekte Effekte auf, vermittelt durch die Reaktionen der Rezipienten.
4
Zur Rekrutierung von Interviewpartnern für die vorliegende Studie siehe Kapitel 4.3.2. Als Basis dienen die bereits zitierten Aufsätze von Kepplinger (H.M. Kepplinger 2007 und 2004). Diese werden durch eigene Überlegungen und Recherchen ergänzt. 5
26
Reziproke Effekte
Abbildung 1:
Basis-Feedback-Modell reziproker Effekte
Ereignisse/ Handlungen/ Protagonisten
Bericht
Rezipienten/ Öffentliche Meinung
Direkte Effekte Indirekte Effekte
Quellen: Kepplinger 2004/2005 und 2007. In einem „Feedback-Modell“ führt KEPPLINGER den alten Ansatz und das neue Konzept reziproker Effekte zusammen (H.M. Kepplinger 2007: 9). Dabei kann auch bei reziproken Effekten zwischen direkten (primären) und indirekten (sekundären) Effekten unterschieden werden. Direkte Effekte sind hier jedoch die angesprochenen Wirkungen auf die Hauptpersonen der Medienbotschaften, und indirekt beeinflusst werden diejenigen, die mit den Reaktionen der Protagonisten konfrontiert werden – sei es durch persönlichen oder medialen Kontakt (H.M. Kepplinger 2007: 6-7). Das Modell in Abbildung 1 verdeutlicht den auf Wechselseitigkeit beruhenden, interaktiven Charakter jeglicher Einflüsse von Medienberichterstattung: Direkte und indirekte Effekte von Botschaften rufen zugleich neue Berichte hervor, Ursachen und Wirkungen sind nicht eindeutig voneinander zu trennen. Im Folgenden soll jedoch aus Gründen der Übersichtlichkeit trotzdem eine formale Unterscheidung von unabhängigen, intervenierenden und abhängigen Variablen vorgenommen werden.6
6 Die Ausführungen dienen einer systematischen Darstellung und einem Überblick über Einflussfaktoren. Sie haben einen eher allgemeinen Charakter und sollen möglichst knapp gehalten werden, um Ergebnissen der vorliegenden Studie nicht vorweg zu greifen. Im Auswertungsteil in Kapitel 5 werden ausführlichere Wirkungsmodelle vorgestellt, die anhand der neuen Erkenntnisse erarbeitet wurden.
Definition und Wirkungsmodell
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2.2.1 Unabhängige Variablen Sowohl Journalisten als auch Protagonisten von Medienberichterstattung schätzen das Wirkungspotenzial von Medien auf Akteure und Rezipienten höher ein als die Einflussmöglichkeiten dieser Personengruppen auf die Medien und deren Inhalte (M. Linsky 1986: 92 und S. Peter 1998: 90-105). Obwohl die Wirkungen grundsätzlich wechselseitiger Natur sind, kann Medienberichterstattung also formal als unabhängige Variable betrachtet werden. Entscheidend für die Stärke ihres Einflusses sind einerseits Eigenschaften der Medien und andererseits Eigenschaften der Botschaften. Zur Systematisierung von Medien existieren zahlreiche Typologien (H. Bonfadelli 2002: 18-24). Am hilfreichsten für die vorliegende Arbeit ist eine Abgrenzung anhand der jeweiligen Übertragungstechnik. Zunächst zu nennen sind hier Kommunikationsmittel, die in persönlicher Interaktion gebraucht werden: Gestik, Mimik und Sprache. Des Weiteren gibt es die Gruppe der Printmedien: Sie vermitteln Informationen in gedruckter Schrift. Elektronische Medien wie Fernsehen, Hörfunk und Internet schließlich verschlüsseln Botschaften mittels technischer Geräte. Zum Empfang dieser Botschaften benötigt man ebenfalls technische Hilfsmittel (H. Pross 1972: 127-128). Printmedien und elektronische Medien können auch als Massenmedien bezeichnet werden, da sie Aussagen öffentlich, indirekt und einseitig mit Hilfe von technischen Verbreitungsmitteln an ein disperses Publikum vermitteln (G. Maletzke 1963: 32). Die Mediengattungen werden hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit und ihres Einflusspotenzials unterschiedlich eingeschätzt und haben somit eine unterschiedliche Rolle im reziproken Wirkungsprozess (S. Peter 1998: 90-105).7 Bei den Eigenschaften der Botschaften kann man unterscheiden zwischen ihren inhaltlichen (Thema, Tendenz) und ihren formal-gestalterischen (Prominenz, Stil, Aufmachung) Strukturen. Welche Botschaftsmerkmale konkret für die
7 Auch den Interviewten der vorliegenden Arbeit wurde die Frage gestellt, welches Medium ihrer Meinung nach den größten Einfluss im Spitzensport hat. Die Auswertung dieser Frage folgt in Kapitel 5.
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Reziproke Effekte
Wirkungsforschung interessant sind, ist abhängig von der theoretischen Perspektive (H. Bonfadelli 2002: 33-52). Bei der Untersuchung von reziproken Effekten ist die Perspektive nur insofern eingeschränkt, als dass allein die Protagonisten der Berichterstattung im Mittelpunkt stehen. Die Wirkungsausprägungen sind jedoch in ihrer Gesamtheit von Interesse, so dass auch die Strukturen der Medienbotschaften umfassend in Betracht gezogen werden müssen. Im Falle der reziproken Effekte im Bereich Sport kann die Sportberichterstattung verschiedener Medien als unabhängige Variable gelten. Sie wird in Kapitel 3.2 ausführlich vorgestellt.
2.2.2 Intervenierende Variablen Aus Gründen der Übersichtlichkeit und Einheitlichkeit sowie aus forschungspraktischen Gründen sollen in der vorliegenden Arbeit lediglich die Intensität des Medienkontakts und daraus folgende Verarbeitungsprozesse als intervenierende Variablen betrachtet werden.8 Die Intensität des Medienkontakts stellt den einzigen Faktor dar, der formal relativ eindeutig von der Phase der Medienwirkung abgegrenzt werden kann. Es ist anzunehmen, dass der Einfluss der Medienberichterstattung allgemein umso höher ist, je intensiver der Rezipient die Medien nutzt. Bei Protagonisten können schon geringe Dosen des Medienkontakts Reaktionen auslösen (H.M. Kepplinger und E. Noelle-Neumann 2002: 627). Des Weiteren sind die Einflüsse auf Protagonisten abhängig davon, wie der Medieninput vom jeweiligen Protagonisten verarbeitet wird. Emotionale und kognitive Prozesse beeinflussen sich dabei gegenseitig (J. Nerb und H. Spada 2001: 525-526). Medieninhalte werden vor allem bei der Meinungsbildung im Wechselspiel zwischen bereits bestehenden Kenntnissen,
8 Kepplinger integriert noch weitere intervenierende Faktoren in sein Wirkungsmodell. Um die Ausführungen prägnant und übersichtlich zu gestalten und außerdem die Perspektive der qualitativen Studie nicht zu stark einzuschränken, wird hier darauf verzichtet, alle diese Faktoren im Detail vorzustellen. Einige von ihnen werden jedoch in Kapitel 2.3 zur Erklärung starker Medienwirkungen auf Protagonisten herangezogen und nicht als intervenierende Variablen betrachtet.
Definition und Wirkungsmodell
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Einstellungen und emotionalen Reaktionen weiterverarbeitet: „Many of the ambiguities surrounding the interpretation of existing research concern the causal priority of affective and cognitive factors in the judgement process. That is, it is unclear exactly when cognitions determine affective responses and when they are simply the rationalized consequences of these responses” (V.C. Ottati und R.S. Wyer Jr. 1995: 313). Es ist anzunehmen, dass Persönlichkeitseigenschaften der Protagonisten einen entscheidenden Faktor bei der Verarbeitung von Medieninhalten darstellen. Dies kann anhand der vorliegenden Studie geprüft werden.
2.2.3 Abhängige Variablen In der vorliegenden Arbeit stehen die abhängigen Variablen im Mittelpunkt des Forschungsinteresses. Hierbei kann angelehnt an das Feedback-Modell unterschieden werden zwischen primären (direkten) und sekundären (indirekten) Effekten. Aus theoretischen und forschungspraktischen Gründen wird ein möglichst weites und umfassendes Verständnis von primären Effekten gewählt, die bei den Protagonisten durch Medien und Medienberichterstattung hervorgerufen werden: Wenn schon eine formale Trennung von Einflussfaktoren und Wirkungen vorgenommen wird, sollte jegliche Reaktion der Protagonisten zu den abhängigen Variablen gezählt werden. Dies ist auch deswegen sinnvoll, weil sich nicht nur Ursachen und Wirkungen gegenseitig beeinflussen, sondern auch die unterschiedlichen Formen der Reaktionen Einfluss aufeinander haben. Demnach werden hier als abhängige Variablen alle innerlichen oder äußerlichen Veränderungen der Protagonisten gelten, die auf den Kontakt mit Medienberichterstattung über die eigene Person zurückzuführen sind. 9 Konkret geht es neben Verhaltensänderungen auch um Veränderungen von Meinungen, Vorstellungen und Einstellungen sowie um emotionale Reaktionen. Meinungen spiegeln die 9 Kepplinger zählt zu den abhängigen Variablen lediglich beobachtbare Veränderungen des Verhaltens (Kepplinger 2007: S. 13-15).
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Reziproke Effekte
Wertvorstellungen der Protagonisten wider, Vorstellungen beschreiben empirisch überprüfbare Vermutungen und Kenntnisse, Einstellungen umschreiben „relativ dauerhafte Dispositionen, die das Verhalten steuern“ (H.M. Kepplinger und E. Noelle-Neumann 2002: 597-598). Emotionale Reaktionen nehmen in der Reihe der oben genannten Effekte eine Sonderstellung ein. Erst spät erkannte man ihre Bedeutung vor allem für Prozesse im Bereich der politischen Kommunikation (H.M. Kepplinger und E. Noelle-Neumann 2002: 598), wo sie als intervenierende Variablen betrachtet werden, die eine wichtige Rolle im Meinungsbildungsprozess spielen (R.D: Masters und D.G. Sullivan 1995: 176179 und H.M. Kepplinger 2007: S. 12-17). In der vorliegenden Arbeit soll formal eine Unterscheidung zwischen emotionalen Prozessen bei der Verarbeitung von Medieninhalten und Emotionen als Resultat dieser Verarbeitung des Medieninputs vorgenommen werden. Sie können schließlich auch die alleinige Folge von Medienberichterstattung sein. Meist gehen sie jedoch, je nachdem, von welcher Intensität und Qualität sie sind, einer Veränderung der anderen oben genannten Merkmale voraus (H. Bonfadelli 1999: 205-206). Diese wiederum sind unterschiedlich leicht beeinflussbar: Vorstellungen können durch Medienberichterstattung schneller verändert werden als Meinungen, vor allem, wenn die Meinungen persönliche Wertvorstellungen wie Glauben oder ähnliches betreffen. Einstellungs- und Verhaltensänderungen sind noch seltener zu beobachten (J. Klapper 1965: 43-47). Sekundäre Effekte spielen im Rahmen der vorliegenden Arbeit nur am Rande eine Rolle, sollen jedoch der Vollständigkeit halber in das Wirkungsmodell integriert werden. Sie bezeichnen die Folgen, die direkte Reaktionen der Protagonisten auf Medien und Berichterstattung sowohl für die Protagonisten selbst als auch für ihr Umfeld haben. Dazu zählen im Bereich der Politik die Veränderungen, die ein neues Gesetz mit sich bringt, welches auf Mediendruck hin erarbeitet wurde. Im Bereich Sport kann die Entlassung eines Trainers aufgrund seiner Interviewaussagen als sekundärer Effekt bezeichnet werden.
Definition und Wirkungsmodell
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2.2.3.1 Reaktive, interaktive und pro-aktive Effekte Man kann die Folgen des Medieneinflusses anhand des Zeitpunktes, zu dem die sie auftreten, in Phasen einteilen. So wird unterschieden zwischen reaktiven, interaktiven und pro-aktiven Effekten. Bei reaktiven Effekten handelt es sich zuvorderst um Reaktionen der Protagonisten auf konkrete Medieninhalte. Dazu zählt der Rücktritt von einem Amt aufgrund der Aufdeckung eines Skandals durch Journalisten. Doch auch Reaktionen auf funktionale Medieneinflüsse – Durchsetzung von Medienwünschen etc. – können zur reaktiven Phase gezählt werden. Im Vordergrund stehen also Ursache-Wirkungs-Beziehungen (H.M. Kepplinger und E. Noelle-Neumann 2002: 627). Zur Erklärung müssen kausale Theorien herangezogen werden. Als interaktive Effekte werden Einflüsse auf die Protagonisten bezeichnet, die unmittelbar durch ihre Interaktion mit Journalisten, Kameraleuten, Fotografen etc. bedingt sind. Es ist anzunehmen, dass gerade hier die bereits angesprochene emotionale Komponente von Bedeutung ist: Das verbale und nonverbale Verhalten von Journalisten löst beim Gegenüber positive oder negative Emotionen aus, die wiederum Einfluss auf dessen Verhalten haben können (R.D: Masters und D.G. Sullivan 1995: 160-164). In dieser Phase bestimmen besonders die primären Medien Gestik, Mimik und Sprache die Art der Reaktionen. Pro-aktive Effekte gehen der Berichterstattung voraus und sind zurückzuführen auf bestehende Erfahrungen der Protagonisten mit Medienberichterstattung. In diese Kategorie fallen zum Beispiel so genannte Pseudo-Events, die Berichterstattung generieren sollen, oder die Thematisierung bestimmter Probleme in einem Interview in der Hoffnung, dass diese in die Medienagenda aufgenommen werden (H.M. Kepplinger 2007: 13-14). Pro-aktive Effekte beschreiben eine „Zweck-Mittel-Relation“ (H.M. Kepplinger und E. Noelle-Neumann 2002: 627). Das Wissen um institutionelle Gegebenheiten der Medien wird dabei zum eigenen Vorteil verwendet. Maßnahmen müssen vorwiegend unter funktionalen Gesichtspunkten analysiert werden: Welche Strukturen entwickeln Politik, Wirtschaft oder der Sport, um sich die Medien zu Nutze zu machen?
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Reziproke Effekte
2.2.4 Zusammenfassung Reziproke Effekte beschreiben wechselseitige Wirkungen zwischen Medienberichterstattung und Protagonisten und erweitern die bestehenden Ansätze der Wirkungsforschung somit um eine bisher vernachlässigte Perspektive. Aufgrund zahlreicher Rückkopplungsprozesse kann nur eine formale Trennung zwischen unabhängigen, intervenierenden und abhängigen Variablen vorgenommen werden. Medienart und Inhalte von Berichterstattung werden als Wirkungsursache betrachtet, die Intensität des Medienkontakts als intervenierende Variable, alle durch Medienkontakt hervorgerufenen Veränderungen gelten hier als abhängige Variable. Die abhängigen Variablen kann man anhand einer zeitlichen Abgrenzung in pro-aktive, interaktive und reaktive Effekten unterteilen. Abbildung 2:
Einflussgrößen und Reaktionen im reziproken Wirkungsprozess
Unabhängige Variablen Medien und Botschaft
Medien
Intervenierende Variablen Medienkontakt und Verarbeitungsprozesse
Botschaft
Primäre Effekte
Gestik Mimik Sprache
Intensität Medienkontakt Form
Reaktionen auf Medienberichte oder Medienvorgaben
Interaktiv
Prozesse durch Medienpräsenz und Kontakt mit Journalisten
Pro-aktiv
Maßnahmen zur Beeinflussung der Berichterstattung
Kognitionen
Elektronische Medien
und
Reaktiv
Emotionen
Inhalt Printmedien
Abhängige Variablen Befindlichkeits-, Bewusstseins- und Verhaltensänderungen
wechselseitige Wirkungen
Eigene Darstellung in Anlehnung an Kepplinger 2004/2005 und 2007.
Sekundäre Effekte
Folgen direkter MedienEinflüsse für alle Betroffenen
Erklärungsansätze
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2.3 Erklärungsansätze Diejenigen Personen, die im Zentrum der Medienberichterstattung stehen, sind zugleich Protagonisten und Rezipienten. Dies bedeutet, dass die bestehenden Theorien der Wirkungsforschung auch zur Erklärung reziproker Effekte herangezogen werden können, besonders hinsichtlich der kausalen Effekte, die in der reaktiven Phase zu beobachten sind. Erkenntnisse zur verbalen und nonverbalen Kommunikation sind hilfreich, um interaktive Effekte nachzuvollziehen. Zum Verständnis pro-aktiver Effekte können Theorien der Public Relations dienen, die sich unter anderem damit beschäftigen, wie Protagonisten versuchen, Medien und Medienberichterstattung zu ihrem eigenen Vorteil zu nutzen. Es ist im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht möglich, alle Erklärungsansätze vorzustellen. Im Folgenden sollen deswegen lediglich Theorien und Modelle berücksichtigt werden, die Aufschluss darüber liefern, warum der Einfluss der Medien auf Protagonisten höher einzuschätzen ist als ihr Einfluss auf vergleichsweise unbeteiligte Rezipienten.
2.3.1 Persönliche Relevanz In der Persuasionsforschung beschäftigen sich zahlreiche Studien aus unterschiedlichen Perspektiven mit der Frage, welche Faktoren ausschlaggebend dafür sind, in welcher Form Medieninhalte weiterverarbeitet werden. Es gilt mittlerweile als nachgewiesen, dass das Einflusspotenzial von Berichten umso größter ist, je relevanter ihre Botschaft für den Rezipienten ist: „When people hear messages that affect them in important ways, they pay more attention to the messages and put more mental energy into considering their content“ (E. Perse 2001: 88). Diese Erkenntnis bezieht sich zwar nicht auf die Akteure der Berichterstattung, kann aber auf sie übertragen werden: Botschaften, die für die Protagonisten
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Reziproke Effekte
nicht nur inhaltlich von Interesse sind, sondern sogar konkret ihre Persönlichkeit, ihr Handeln oder ihren Zuständigkeitsbereich thematisieren, rufen bei ihnen vermutlich intensivere Verarbeitungsprozesse hervor als bei anderen Rezipienten. Somit ist vermutlich auch das Einflusspotenzial dieser Medieninhalte auf die Akteure vergleichsweise größer.
2.3.2 Geringe Selektion Einen Einschnitt in der Medienwirkungsforschung bedeutete 1957 die Theorie der kognitiven Dissonanz. FESTINGER stellte die These auf, Personen versuchten in einer dissonanten Situation aktiv, Informationen zu meiden, die ihren eigenen Vorstellungen und Einstellungen widersprechen (L. Festinger 1957: 3). Dementsprechend wurde davon ausgegangen, dass Medien Einstellungen von Rezipienten nicht verändern können, da diese sich Medien nur selektiv und in Übereinstimmung mit bestehenden Prädispositionen zuwenden (H. Bonfadelli 1999: 30). DONSBACH relativierte diese Vermutungen in einer mehrmethodischen Untersuchung der Zuwendung von Zeitungsinhalten, indem er inhaltliche und formale Merkmale von Zeitungsartikeln herausarbeitete, die die Selektion einschränken. Im gleichen Zug nannte er jedoch auch Faktoren, die ein selektives Nutzungsverhalten der Leser begünstigen (W. Donsbach 1991). Es ist sehr wahrscheinlich und plausibel, dass Protagonisten sich hinsichtlich der Berichterstattung über ihre eigene Person oder Themen, die sie persönlich betreffen, kaum selektiv verhalten. Dies gilt sowohl für die Phase der Zuwendung zu als auch für die Phase der Wahrnehmung von Mitteilungen (W. Schulz 2002: 178). Für Personen des öffentlichen Lebens, vor allem für Politiker, ist es beruflich notwendig, sich mit dem gesamten Spektrum der Berichterstattung über die eigene Person auseinanderzusetzen. In einer Befragung von Bundestagsabgeordneten und Pressesprechern bestätigten 84 Prozent, dass sie regelmäßig einen Pressedienst nutzen (S. Peters 1998: 41). Nicht zuletzt ist es auch die Neugierde, die besonders Medienunerfahrene dazu treibt, sich gezielt mit Medieninhalten, die sie selbst the-
Erklärungsansätze
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matisieren, zu beschäftigen. So ist davon auszugehen, dass die Protagonisten einen intensiven Medienkontakt haben, was das ohnehin hohe Wirkungspotenzial von Berichterstattung über die eigene Person noch erhöht.
2.3.3 Attribution Im Zentrum der Attributionstheorie steht die für Menschen geradezu zwanghafte Frage nach Kausalität: Warum passiert etwas? HEIDER war der erste, der sich damit auseinandersetzte, welche Prozesse bei der Begründung von eigenem und fremdem Verhalten in Kraft treten (F. Heider 1944: 358-374). Alle folgenden Arbeiten und Forschungsrichtungen basieren auf seinem Ansatz. Für die vorliegende Arbeit ist vor allem die These von JONES und NISBETT relevant: Akteure sehen die Ursache ihres Handelns grundsätzlich eher bei Bedingungen, Beobachter machen jedoch die Person selbst verantwortlich (E.E. Jones und R.E: Nisbett 1972: 93). So ist es auch zu erklären, dass Journalisten als professionelle Beobachter häufig Schuldige nennen, wenn sie über Missstände berichten, während die Akteure selbst glauben, die Situation hätte ihnen keine Handlungsalternative geboten (H.M. Kepplinger 2005: 93-94). Dies bestätigte eine schriftliche Befragung von Personen, die sich beim Deutschen Presserat beschwert hatten: Über die Hälfte der Befragten hatte das Gefühl, dass ihnen Fehler unterstellt wurden, die sie nicht begangen hatten und dass die Umstände, die zu ihrem Handeln geführt hatten, in der Berichterstattung nicht ausreichend Berücksichtigung fanden (H.M. Kepplinger und S. Glaab 2005: 126). Welche Faktoren für eine bestimmte Handlung tatsächlich ausschlaggebend sind, ist dabei nebensächlich. Entscheidend ist, dass die unterschiedlichen Attributionen von Akteuren und Beobachtern bei den Akteuren negative Emotionen hervorrufen, die weitere Handlungen auslösen können.
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Reziproke Effekte
2.3.4 Wahrgenommene und vermutete Reaktionen Dritter Nicht nur die Personen, die selbst von den Medien thematisiert werden, verfolgen intensiv die Berichterstattung. Freunde, Verwandte und Bekannte sind aufmerksamer, wenn in den Medien Personen auftreten, die sie kennen, und das Interesse an Berichterstattung über Prominente ist ohnehin hoch. Die Reaktionen Dritter können die Wirkungen der Medienberichterstattung auf die Akteure verstärken oder neue Effekte hervorrufen. Doch auch bereits bloße Vermutungen darüber, wie andere reagieren werden, beeinflussen die Akteure der Berichterstattung. DAVISON stellte 1983 in einer Zusammenfassung mehrerer Beobachtungen und kleinerer Experimente Folgendes fest: „…people will tend to overestimate the influence that mass communications have on the attitudes and behavior of others“ (W.P. Davison 1983: 3). Dieses Phänomen nannte er Third Person-Effect. Zahlreiche Folgestudien bestätigten den Ansatz grundsätzlich, machten jedoch Einschränkungen. So haben sowohl Eigenschaften des Themas selbst als auch der Quelle und des Rezipienten Einfluss auf die Stärke des Effekts (R.M. Perloff 1993: 172-179). Letzteres ist nicht unerheblich für die vorliegende Studie: Je enger der Bezug des Rezipienten zum Thema der Botschaft, umso eher überschätzt er deren Einfluss auf Dritte (R.M. Perloff 1989: 255). Dabei steigt der vermutete Einfluss mit der Größe und der Distanz der Vergleichsgruppe (D. Tewksbury 2002: 259-261). Da Protagonisten der Berichterstattung vermutlich einen starken Bezug zum Medieninhalt haben, kann davon ausgegangen werden, dass sie den Einfluss des Inhalts auf andere als stark einstufen. Dies wiederum beeinträchtigt ihr weiteres Handeln. Die Überschätzung des Einflusses auf Dritte wird auch als Folge einer Unterschätzung des Einflusses auf sich selbst betrachtet R.M. Perloff 1993: 177).
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2.4 Forschungsstand In der Forschung zu reziproken Effekten dominierte bisher die Aufzählung von Einzelfällen, einige qualitative und quantitative Studien widmen sich einzelnen Phänomenen wechselseitiger Wirkungen (H.M. Kepplinger 2004: 2). Im Folgenden sollen die wichtigsten Erkenntnisse dieser Arbeiten kurz vorgestellt werden. Dabei werden sie geordnet anhand des Teilbereichs, den sie betreffen – Politik, Wirtschaft, Justiz, Medien und Sonstiges. Zum Schluss folgt ein Überblick über reziproke Effekte im Sport. Aufgrund des Mangels an wissenschaftlicher Literatur soll hier vor allem Sportberichterstattung herangezogen werden, die explizit wechselseitige Einflüsse von Medien und Sportlern thematisiert.10
2.4.1 Reziproke Effekte in Politik, Wirtschaft, Justiz und Medien Die Rolle der Medien im politischen Entscheidungsprozess ist vergleichsweise intensiv beleuchtet worden. KEPPLINGER und FRITSCH befragten bereits 1979 Mitglieder des Deutschen Bundestags zu ihren Erfahrungen im Umgang mit Journalisten (interaktive Effekte) (H.M. Kepplinger und J. Fritsch 1981). Thematisiert wurden dabei unter anderem die Intensität informeller Kontakte, Zufriedenheit mit der Berichterstattung und Einflüsse verbalen und nonverbalen Verhaltens von Journalisten auf die Abgeordneten in Interviews. LINSKY untersuchte 1984 den Einfluss der Presse auf politische Entscheidungsprozesse in den Vereinigten Staaten. Viele der Befragten der mehrmethodisch angelegten Studie sprachen den Medien eine entscheidende Rolle in der Festsetzung von Themen zu (Agenda Setting), die später in die Gesetzgebung integriert wurden (reaktive Effekte). Eigene Versuche, Themen auf die Medien-Agenda zu bringen (pro10 Berücksichtigt wurden Artikel aus der FAZ, der Süddeutschen Zeitung und dem Spiegel, die sich im Vergleich zu anderen Medien intensiver mit Hintergründen des sportlichen Geschehens beschäftigen. Die drei Medien wurden stichprobenartig nach relevanten Inhalten durchsucht.
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Reziproke Effekte
aktive Effekte), wurden als relativ erfolglos bewertet (Gefühl der Machtlosigkeit). Ähnliches gilt für Versuche, die Art und Weise der Diskussion bestimmter Themen zu bestimmen (Framing) (M. Linsky 1986: 92-107). PROTESS et al. verglichen den Einfluss von investigativer Berichterstattung auf die öffentliche Wahrnehmung und auf politische Entscheidungsträger. Sie konnten feststellen, dass die Berichterstattung in allen drei untersuchten Fällen eine gewisse politische – wenn auch oft nur symbolische – Reaktion auslöste. Die Autoren führen diesen politischen Aktionismus unter anderem darauf zurück, dass die Entscheidungsträger vermuteten, die Wähler erwarteten von ihnen eine Reaktion auf die Berichte – bei der Öffentlichkeit selbst waren jedoch gar keine Einstellungsoder Verhaltensänderungen nachzuweisen (Third Person-Effect) (D. Protess et. al. 1987). RIVERS geht sogar soweit, die Medien aufgrund ihres Einflusses als Schatten-Regierung zu bezeichnen. Er beruft sich dabei jedoch nicht auf eigene Untersuchungen, sondern zählt einzelne Beispiele zur Stützung seiner These auf. So zitiert er einen ehemaligen Senatoren, der aussagt, das Wissen der Abgeordneten stamme ebenso wie das der Wähler in erster Linie aus Medienberichterstattung (Einfluss auf Wissen) – was die Macht der Medien hinsichtlich Agenda Setting und Framing erklären kann (W.L. Rivers 1991: 155). LIVINGSTONE beschäftigte sich mit dem Einfluss von Medienberichterstattung auf außenpolitische Entscheidungen in den USA. Er kommt anhand einer Literaturstudie ebenfalls zu dem Schluss, dass Medien besonders nach dem Kalten Krieg die Themenagenda und -prioritäten in der Außenpolitik bestimmen und Prozesse sowohl beschleunigen als auch behindern konnten (S. Livingstone 1997). Eine Untersuchung von Medieneinflüssen auf Entscheider in der Wirtschaft von KÖBKE differenziert erstmals zwischen reaktiven, interaktiven und proaktiven Effekten (U. Köbke 2001). Allerdings wird diese Einteilung bei der Auswertung der Befragung von Unternehmen nicht wieder aufgegriffen. Köbkes Untersuchung bestätigt sowohl Third Person-Effekte bei negativer Berichterstattung als auch Fehlattributionen. Medien und Öffentlichkeit werden zunehmend im Entscheidungsprozess berücksichtigt (pro-aktive Effekte) (U. Köbke 2001: 138).
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Auch die Medien selbst reagieren auf Medienberichterstattung, wie FISHMAN 1980 konstatierte: „As journalists notice each other reporting the same news theme, it becomes established within a community of media organizations“ (M. Fishman 1980: 8). 1976 griffen die New Yorker Medien sukzessive das Thema einer Gewaltwelle gegen ältere Mitbürger auf, obwohl die Anzahl der gemeldeten Gewaltanwendungen zu dem Zeitpunkt sogar rückläufig war (M. Fishman 1980: 4-10). Ähnliches beobachteten 1986 auch PROTESS und seine Kollegen: Die Chicago Sun-Times veröffentlichte 1982 eine Exklusivserie zum Thema Vergewaltigung. Während die zweite örtliche Zeitung, die Chicago Tribune, sowohl vor als auch nach Erscheinen der Serie ähnlich über das Thema berichtete, konnte bei der Sun-Times selbst anschließend ein deutlicher Anstieg der Thematisierung von Vergewaltigungen festgestellt werden – obwohl der Polizei nicht mehr Übergriffe gemeldet wurden als vorher (D.L. Protess et. al. 1986). Die Medien haben also nicht nur einen Einfluss auf die Themen-Agenda der Öffentlichkeit oder Politik, sondern auch auf ihre eigene. Allerdings muss hinzugefügt werden, dass Medien und ihre Berichterstattung nicht Thema der untersuchten Artikel der oben genannten Studien waren. Ein Sammelband von BEUTHNER und WEICHERT dagegen beschäftigt sich explizit mit dem Medienjournalismus und hier unter anderem mit der Frage, wie die Thematisierung der eigenen Produkte und Arbeit Medien und Journalisten selbst beeinflusst (M. Beuthner und S.A. Weichert 2005). SCHADER fand in Interviews mit Ressortleitern und Medienverantwortlichen heraus, dass diese durch die Zunahme der kritischen Betrachtung der eigenen Arbeitsweise ein verändertes Selbstverständnis beobachteten. Einige Befragte vermuteten sogar einen Rückgang journalistischer Fehlleistungen aufgrund der Möglichkeit einer öffentlichen Sanktionierung (reaktive Effekte) (P. Schader 2005). Der Beitrag BLÖMERS verdeutlicht dagegen, dass der Medienjournalismus durchaus auch als PR-Strategie von Medienkonzernen zu verstehen ist (pro-aktive Effekte): Berichterstattung kann gezielt in den eigenen Medien platziert werden, um andere, eigene Medienangebote bekannt zu machen oder ein Produkt in mehreren Medien des Konzerns abzusetzen (N.S. Blömer 2005).
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Auch im Bereich der Justiz spielt die Medienberichterstattung eine große Rolle. WASSERMANN betonte bereits 1980 die Notwendigkeit einer aktiven Öffentlichkeitsarbeit der Justiz. Er nennt zahlreiche konkrete Maßnahmen wie Interviews, Pressekonferenzen oder Vortragsveranstaltungen, anhand derer auf eine gezielte, knappe und anschauliche Darstellung der juristischen Prozesse eingewirkt und falsche oder unsachdienliche Berichterstattung vermieden werden könne (pro-aktive Effekte) (R. Wassermann 1980: 145-179). HAMM berichtet von Hintergrundgesprächen zwischen Strafverteidigern, Staatsanwälten oder deren Pressesprechern mit Journalisten, in denen häufig Vertraulichkeiten preisgegeben werden (interaktive Effekte). Strafverteidiger erhoffen sich dadurch unter anderem eine positive mediale Darstellung ihrer Mandanten (pro-aktive Effekte) (R. Hamm 1997: 40). Die Notwendigkeit dieser Maßnahmen verdeutlichen die Arbeiten WAGNERS und GERHARDS. Beide weisen zwar auf den Mangel an empirisch gesicherten Erkenntnissen hin, berichten jedoch von zahlreichen Beispielen des Medieneinflusses auf die Autonomie der Rechtsprechung, die Atmosphäre bei Verhandlungen, die Urteilsabfassung und sogar das Strafmaß (J. Wagner 1987 und R. Gerhardt 1990). Nicht zuletzt geraten auch Privatpersonen, meist unverhofft oder unerwünscht, durch Medienberichterstattung in das Zentrum des öffentlichen Interesses. KEPPLINGER und GLAAB stellten 2005 die Ergebnisse einer Befragung von Personen vor, die sich beim Deutschen Presserat beschwert hatten. Besonders Medienunerfahrene begründeten ihre Beschwerde mit einer Verletzung ihrer Intimsphäre und einer diskriminierenden Berichterstattung. Bei ihnen rufen die Berichte auch mehr negative Emotionen hervor als bei den medienerfahrenen Befragten. Über die Hälfte aller Probanden gab an, dass ihnen die mediale Thematisierung der eigenen Person auch noch längere Zeit nach der Veröffentlichung ziemlich nahe ging (H.M. Kepplinger und S. Glaab 2005: 125-135). KUNCZIK und BLEH befragten 1993 Kriminalitätsopfer zu ihrer Einschätzung der anschließenden Zeitungsberichterstattung. Als ausschlaggebend für Art und Intensität der Reaktionen eins Opfers auf das Medieninteresse konnten das empfundene Ausmaß der Berichterstattung, die Bewertung der Berichterstattung, die
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Persönlichkeit des Opfers und die Wahrnehmung der Reaktionen des Umfeldes auf die Medienberichte herausgearbeitet werden (M. Kunczik und W. Bleh 1995).
2.4.2 Reziproke Effekte im Sport Es existiert lediglich eine veröffentlichte Studie von VOM STEIN, durchgeführt 1985, in der insgesamt 113 Fußballer, Leichtathleten und Turner schriftlich zum Thema „Medien und Profisportler“ befragt wurden. Untersucht wurden neben dem Mediennutzungsverhalten vor allem Einflüsse der Berichterstattung auf die Leistungsmotivation sowie auf das Wissen um Leistungsnormen (reaktive Effekte) (A. vom Stein 1988: 273-274). Die Interaktion mit Journalisten sowie Versuche der Sportler, selbst auf die Medien einzuwirken, wurden dagegen nicht berücksichtigt. VOM STEIN konstatierte, dass 80 Prozent der Befragten eine genaue Vorstellung davon hatten, welche Leistung sie erbringen müssen, damit die Medienberichterstattung über ihre Person zunimmt (Wissen um Leistungsnormen). Der Einfluss auf das Verhalten stellte sich dagegen als geringer heraus: Nur knapp 20 Prozent gaben an, Medieninhalte hätten auf sie eine motivierende Wirkung. Eine demotivierende Wirkung dagegen konnte gar nicht beobachtet werden. Ausmaß und Art und Weise der Mediennutzung spielten keine Rolle für das Einflusspotenzial der Medien (A. vom Stein 1988: 356-359). Die Ergebnisse VOM STEINS sind heute allerdings nur noch bedingt gültig, da sich in den vergangenen 20 Jahren sowohl die Medienlandschaft (Etablierung des dualen Rundfunksystems) als auch der Leistungssport (Abschaffung des Amateurstatus bei Olympischen Spielen, Professionalisierung) stark verändert haben. Aktuellere empirische Daten liegen jedoch nicht vor. Das Wechselspiel zwischen Sportlern und Medien wird in wissenschaftlichen Arbeiten eher in Nebensätzen erwähnt. BABIN vermutet, dass durch die Erfüllung von Medien- und Sponsorenwünschen mittlerweile die Regenerationsphase der Athleten in Mitleidenschaft gezogen wird (funktionale reaktive Effekte) (J.-U. Babin: 1995: 116). HACKFORTH hält
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die Annahme für plausibel, dass sich das Verhalten von Sportlern verändert, sobald Medienvertreter vor Ort sind (interaktive Effekte) (J. Hackforth 1988b: 17). Bei der Betrachtung von Medienberichterstattung über reziproke Effekte muss man differenzieren zwischen der Auffassung der Journalisten und der Auffassung der Sportler oder Trainer, die in Interviews zu Wort kommen. Journalisten bewerten ihren Einfluss auf Sportler aus der Beobachterperspektive, Athleten beschreiben das Einflusspotenzial der Medien aus ihrer eigenen Erfahrung heraus. Ihre Aussagen müssen jedoch nicht ihrer tatsächlichen Einschätzung entsprechen, sondern können auch konkrete Beeinflussungsversuche sein. Medienberichte thematisieren einerseits die Mediennutzung von Sportlern und Trainern, die in Kapitel 2.2.2 als intervenierende Variable definiert wurde. Im Fußball scheinen die Spieler vom Verein oder Verband mit Medieninformationen versorgt zu werden: „Normalerweise liegen bei der Nationalmannschaft griffbereit die aktuellen Zeitungen, und dann schaue ich da schon mal hinein“ (Jens Lehmann im Interview mit M. Ashelm, F.A.Z., 30.05.2006). Auch für die Spieler des FC Bayern München werden in der Mannschaftskabine Zeitungen ausgelegt (A. Burkert, SZ, 10.01.2006). Während einige Sportler in Interviews allgemeines Interesse an Sportberichterstattung bekunden - Bastian Schweinsteiger, Fußballer: „Ja, ja, ja, also, ich guck’ schon gern Fußball“ (Bastian Schweinsteiger im Interview mit P. Selldorf, SZ, 03.06.2006) - weisen andere darauf hin, dass sie nur die Berichterstattung bestimmter Medien verfolgen: „Die Süddeutsche habe ich seit vier Jahren abbestellt, weil ich mich nicht mehr ärgern wollte. Jetzt habe ich die FAZ und ich lebe wunderbar“ (Franz Beckenbauer im Interview mit R. Wiegand und P. Selldorf, SZ, 07.04.2001). Wieder andere Athleten versuchen sogar, gar keine Zeitungen zu lesen und kein Fernsehen zu schauen (Jens Lehmann im Interview mit M. Ashelm, F.A.Z., 30.05.2006). In diesem Verhalten wird das Einflusspotenzial von Medienmeinungen deutlich, von dem Klinsmann in eingangs zitierter Pressekonferenz sprach. Vielleicht ordnete der mittlerweile zurückgetretene Bundestrainer auch aus diesem Grund an, während
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der Weltmeisterschaft im Mannschaftsquartier keine Zeitungen auszulegen (K. Brinkbäumer, Der Spiegel, 12.06.2006). Auch konkrete Einflüsse der Medienberichterstattung in der reaktiven Phase werden in den Medien selbst zum Thema. Die Süddeutsche Zeitung schrieb den freiwilligen Verzicht eines serbischen Nationalspielers auf die Teilnahme bei der Fußball-WM der heftigen Medienkritik an seiner Nominierung zu – der Spieler ist der Sohn des Nationaltrainers (o.V., SZ, 08.06.2006). Dieselbe Zeitung veröffentlichte auch einen Artikel, in dem beschrieben wird, wie der Golfprofi Jack Nicklaus die Rücktrittsforderungen zahlreicher Medien zum Anlass nahm, es „sich und allen anderen noch einmal [zu] beweisen“ (P. Himmel, SZ, 07.04.2006). Während negative Berichte hier auf den Sportler anscheinend motivierend wirkten, führten bei dem Fußballspieler Bastian Schweinsteiger die Medienspekulationen um seine Verwicklung in einen Wettskandal laut FAZ zu einer „Stimmung der völligen Verunsicherung“ (M. Ashelm, F.A.Z., 24.03.2006). Als sekundäre Effekte können hier die Maßnahmen des deutschen Fußballbundes, Schweinsteiger vor einem Länderspiel gegenüber den Medienvertretern abzuschirmen, bezeichnet werden. Ebenso wie die Münchner tz, die sich anschließend öffentlich bei den Spielern entschuldigte, die sie mit dem Wettskandal in Verbindung gebracht hatte (tz-Homepage, 06.03.2006), räumte im Jahr 2000 auch die Münchner Abendzeitung ihre Schuld bei einem Streit zwischen Christoph Daum und Uli Hoeneß ein. Der Streit endete bekanntermaßen mit einem positiven Drogenbefund Daums und damit, dass er das Amt als FußballNationaltrainer nicht antreten konnte (o.V., F.A.Z., 12.10.2000). Ein SpiegelArtikel beschäftigt sich explizit mit den psychischen und physischen Belastungen von Fußball-Trainern, die noch mehr als ihre Spieler im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stehen. Zwar werden Schlafstörungen, Herzinfarkte und Gefühle der Leere und des Ausgebranntseins nicht explizit auf Medienberichterstattung zurückgeführt. Doch sowohl der Autor des Artikels als auch die zu Wort kommenden Trainer nennen den öffentlichen Druck als einen der ausschlaggebenden Faktoren (J. Kramer, Der Spiegel, 26.09.2005). Bei einigen Sportlern ruft die mediale Aufmerksamkeit aber auch positive Emotionen hervor: „Ich kann
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Reziproke Effekte
auch nicht leugnen, dass es schön ist, wenn man erkannt wird oder wenn man mit einem Interview in der F.A.Z. erscheint“ (Mark Warnecke im Interview mit G. Schneider, F.A.Z., 27.1..2005). Auch die Aussagen Klaus Allofs, Sportdirektor von Werder Bremen und selbst ehemaliger aktiver Fußballer, legen die Vermutung nahe, dass viele Spieler es als Ehre empfinden, in der Berichterstattung eine zentrale Rolle zu spielen: „Sie haben es auf die Klatsch-Seite der „Bild“Zeitung geschafft, ihre Frauen und Freundinnen werden abgelichtet, auf einmal sind auch ihre Tattoos ein Thema. Das geht in Richtung Popstar“ (Klaus Allofs im Interview mit J. Kramer und M. Wulzinger, Der Spiegel, 31.07.2006). Sportler und Trainer äußern in Interviews außerdem Selbstkritik, was ihr Auftreten bei Medienterminen betrifft (interaktive Phase): Jürgen Klinsmann war zum Beispiel unzufrieden mit seiner Körpersprache bei der Pressekonferenz nach dem bereits erwähnten Italien-Spiel (M. Ashelm und M. Horeni, F.A.S., 19.03.2006). Der Fußballspieler Christian Wörns wollte sich eigentlich zu seiner Nicht-Nominierung für die Weltmeisterschaft mit Kommentaren zurück halten. „Bei der ersten Journalisten-Anfrage ist mir das noch gelungen. Aber dann ist es doch aus mir rausgeplatzt.“ (Christian Wörns in einem Artikel von F. Röckenhaus, SZ, 06.03.2006). Mit seiner Kritik an Klinsmann verbaute er sich endgültig seine Rückkehr in die Nationalmannschaft. Der neue brasilianische FußballNationaltrainer und ehemalige Nationalspieler Carlos Dunga kritisierte die zahlreichen Medienauftritte und das Interview-Verhalten vieler brasilianischer Spieler bei der Weltmeisterschaft. Dieses spiegele für ihn die Einstellung der Mannschaft wider und sei eine der Ursachen für das schlechte Abschneiden (T. Kistner, SZ, 26.07.2006). Dass allzu intensiver Medienkontakt nachteilig sein kann, bestätigen auch die Erfahrungen des ehemaligen Fußball-Nationaltrainers Franz Beckenbauer. Er bezeichnet es als Fehler, bei der WM 1986 die Presse ins Mannschaftsquartier gelassen zu haben: „Es war ein täglicher Kampf gegen die Medien, ein Kampf, den man nicht gewinnen kann“ (Franz Beckenbauer im Interview mit J. Kramer, Der Spiegel, 29.05.2006). Fußball-Torwart Frank Rost entschied sich dazu, in der Hinrunde der Bundesligasaison 2005/2006 gar keine Interviews mehr zu geben: „Für mich war das Schweigen die einzige Möglich-
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keit, dem Klischee entgegen zu wirken, das es um meine Person gibt“ (Frank Rost im Interview mit C. Biermann, SZ, 27.04.2006). Rosts Verhalten kann auch der pro-aktiven Phase zugeordnet werden. Medien unterstellen Sportlern und Trainern häufig Kalkül, wenn sie über deren Medienauftritte berichten: „Ballack hatte seinen Wunsch, beim Eröffnungsspiel mitzumachen, am Vorabend in die Öffentlichkeit getragen, was dringend den Eindruck erweckte, er wollte Klinsmann unter Druck setzen“ (P. Selldorf, SZ, 12.06.2006). Doch auch Athleten, Trainer und vor allem Funktionäre bemerken, dass sie mit ihrem öffentlichen Auftreten ein Ziel verfolgen. So stellte DFBPräsident Gerhard Meyer-Vorfelder fest: „Ich sage, tue Gutes und rede darüber, und zwar pausenlos. Wir leben in einer Medienlandschaft, und was nicht in den Medien ist, ist nicht in der Welt. Deshalb muss man in der Öffentlichkeitsarbeit ein Stück umdenken“ (Gerhard Meyer-Vorfelder im Interview mit R. Zorn, F.A.Z., 28.04.2006). Klinsmann erzählte im Spiegel, er habe auf Anraten Oliver Bierhoffs, Manager der Nationalmannschaft, vor der Weltmeisterschaft noch einmal Zeit investiert, um Medienvertretern Maßnahmen zu begründen und Ziele zu verdeutlichen. Die Süddeutsche Zeitung griff besonders sein Zusammentreffen mit dem Springer-Vorsitzenden Matthias Döpfner auf, dessen Bild-Zeitung vor der Weltmeisterschaft durch starke Kritik am Bundestrainer aufgefallen war (L. Schulze, SZ, 27.06.2006). Thematisiert werden außerdem Strategien, Sportler auf den Umgang mit Journalisten vorzubereiten, um so zu einer besseren medialen Präsentation der Athleten und der Sportart selbst beizutragen. Der Deutsche Leichtathletik-Verband rief zusammen mit einem Hauptsponsoren eine Akademie für hoffnungsvolle Talente ins Leben, bei der unter anderem ein angemessenes Verhalten in Interviews gelehrt wurde (G. Pfeil, Der Spiegel, 30.10.2004). Auch dem Fußballspieler Miroslav Klose soll laut Spiegel von seinem Berater nach der WM 2000 ein Medientraining verordnet worden sein (J. Kramer, Der Spiegel, 15.05.2006).
3 Sportberichterstattung
Fast täglich sind Spitzensportler mit Medien, Medienberichterstattung und Journalisten konfrontiert. Wie bereits in Kapitel 2 verdeutlicht, stellt diese Berichterstattung formal die unabhängige Variable im Wirkungsprozess dar. Um Art und Intensität von reziproken Effekten verstehen und analysieren zu können, sollen im Folgenden Rahmenbedingungen und Merkmale von Sportberichterstattung aufgezeigt und die zentralen interagierenden Akteure, Journalisten und Spitzensportler, vorgestellt werden.11
3.1 Zum Verhältnis von Sport, Medien und Wirtschaft Mit der Behauptung, Sport, Medien und Wirtschaft seien mittlerweile untrennbar miteinander verbunden, läuft man wohl kaum Gefahr, auf Widerspruch zu stoßen. Ein beliebter, aber wenig aussagekräftiger Begriff zur Beschreibung der Beziehungen ist der des „magischen Dreiecks“ (M. Bruhn 1987: 26, T. Knobbe 2000: 60 und I. Priebus 1999: 176). SCHAUERTE bedient sich der Sprache der Systemtheorie und spricht der „Sport-Medien-Wirtschafts-Allianz“ sogar symbiotischen Charakter zu. Er kritisiert die Betrachtung der drei Teilbereiche als voneinander unabhängige Systeme, da sie sich gegenseitig beeinflussten und Entwicklungen nur vor dem Hintergrund der Verflechtung und Abhängigkeit zu verstehen seien (T. Schauerte 2004: 39-40). Im Folgenden sollen die Einführung des dualen Rundfunksystems und die damit verbundene gesteigerte Konkurrenz 11
Die im Sport ebenfalls relevanten Personengruppen der Sponsoren, Funktionäre, Zuschauer etc. spielen für die vorliegende Arbeit keine entscheidende Rolle und werden deswegen ausgeklammert.
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Sportberichterstattung
um Sportübertragungsrechte als Ausgangspunkt der Diskussion gewählt werden.12 NAUSE stellte bereits 1988 die These auf, das Aufkommen privater Programmveranstalter führe zu einer immer engeren Verknüpfung zwischen Sportlern, Werbetreibenden und Sportjournalisten als Akteuren der Teilbereiche (M. Nause 1988: 229). Auch SCHAUERTE begründet den grundlegenden Wandel des Medien-Sport-Verhältnisses mit der Einführung des dualen Rundfunksystems (T. Schauerte 2004: 41). Bis 1988 war die Übertragung von Sportveranstaltungen allein den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vorbehalten. Schnell erkannten jedoch auch die privaten Sendeanstalten das Potenzial des Sports, „das Massenpublikum des Fernsehens für sich zu gewinnen“ (F. Pleitgen 2000: 29) Spätestens die RTLÜbertragung der Wimbledon-Siege von Steffi Graf und Boris Becker 1989 zeigte, welchen Beitrag die Sportberichterstattung leisten kann, um das Profil eines Senders zu schärfen und Zuschauer zu binden (T. Schauerte 2004: 41). Seitdem befinden sich die Fernsehsender in ständigem Kampf um die Übertragungsrechte für sportliche Großveranstaltungen, besonders um die Rechte zur Übertragung von Fußballspielen, die jährlich teurer werden. Für die Ausstrahlung der Bundesliga-Spiele der Saison 2006/2007 bezahlte die ARD 100 Millionen Euro, die Live-Berichterstattung kostete den neuen Pay-TV Sender Arena sogar 250 Millionen Euro (F.A.Z.-Homepage, 25.12.2005). Grund für diese hohen Summen ist das Ungleichgewicht zwischen der Vielzahl unterschiedlicher Interessenten auf Seiten der Medien und einer begrenzten Anzahl an Sportereignissen. Der Sport profitiert durch ständig steigende Einnahmen von seiner Monopolstellung: Einerseits kommen ihm die Gelder für die Rechte zugute, andererseits steigt die Popularität der Sportarten, Mannschaften und Sportler, die in den Medien präsent sind, sodass Merchandising-Produkte abgesetzt werden können (T. Schauerte 2004: 41-42). Zugleich begibt sich der Sport aber auch in eine Abhängigkeit vom Mediensystem. Sportarten, die keine mediale Berücksichtigung finden,
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Die beschriebenen Entwicklungen können zwar nicht vollständig auf Print, Hörfunk und Internet übertragen werden, sind aber vorwiegend genereller Natur und somit auch in diesen Mediengattungen beobachtbar.
Zum Verhältnis von Sport, Medien und Wirtschaft
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kommen in der Öffentlichkeit sozusagen gar nicht vor. Einige Sportverbände zahlen Zuschüsse, damit von ihren Veranstaltungen live berichtet wird (G. Trosien und M. Dinkel 1999: 24). Mitunter wurden sogar Veränderungen des Regelwerks vorgenommen: Im Volleyball sollen zum Beispiel seit 1998 eine verkürzte Tiebreak-Zählweise und knappere Kleidung der Spielerinnen für mehr Medieninteresse sorgen (M. Lamprecht, H. Stamm 2000: 147). Außerdem unterliegt die mediale Aufbereitung des Sports allein den Medien. SCHAUERTE beobachtet eine deutliche Veränderung der „inhaltlichen und ästhetischen Präsentation [des] „Guts Sport“ (T. Schauerte 2004: 45). Grund für diese Veränderungen ist unter anderem die Abhängigkeit der Medien von der Wirtschaft. Die hohen Kosten für die Übertragungsrechte rentieren sich nicht allein durch ein verbessertes Senderimage, sondern müssen besonders von den Privatsendern zusätzlich durch Werbeeinnahmen gedeckt werden.13 Die Höhe der Einnahmen ist zuvorderst abhängig von der Einschaltquote. Fernsehanstalten betrachten den Sport diesbezüglich als Produkt, das möglichst öffentlichkeitswirksam verkauft werden muss. Dabei bleibt ihnen laut MICHLER nichts anders übrig, als Bilder zu inszenieren, „denn ansonsten sehen bei der aktuellen Programmvielfalt kaum Zuschauer mehr zu“ (K. Michler 1999: 61-62). Die neuen Formen der medialen Präsentation des Sports bedeuten eine zusätzliche finanzielle Belastung (M. Lamprecht und H. Stamm 2000: 138-139). Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk kann sich diesen Entwicklungen nicht ganz entziehen. Zwar ist eine Angebotsvielfalt verfassungsmäßig verordnet, doch dürfen darüber hinaus nicht die Publikumspräferenzen vernachlässigt werden, die auch geprägt sind durch Angebotsformen des privaten Rundfunks (M. Lamprecht und H. Stamm 2000: 53). Für die Unternehmen auf der anderen Seite sind Medienkampagnen bereits seit langem fester Bestandteil ihrer Marketingstrategie. Sportberichterstattung eignet sich wie kaum ein anderes Programmumfeld für Werbeinvestitionen: Hohe Einschaltquoten sind vorhersehbar – besonders
13 Auch die privatwirtschaftliche Presse finanziert sich zu über 50 Prozent aus Werbeeinnahmen. Mit der Auflage steigt der Werbepreis, sodass Zeitungen und Zeitschriften immer auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten arbeiten müssen (Schauerte 2004: 52-53).
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Sportberichterstattung
beim Fußball –, die Zuschauer werden stark emotional angesprochen und sind dem Sport gegenüber meist positiv eingestellt (M. Bruhn 1998: 67). Die positiven Assoziationen, die der Sport hervorruft, sind auch zentrales Bindeglied zwischen der Wirtschaft und dem Sport selbst – womit wir bei der dritten Achse des „magischen Dreiecks“ angekommen wären. Lange galt der Amateurstatus als Ehrensache, doch seit Mitte der 80er Jahre ist es weithin akzeptiert, dass Spitzensportler durch die Ausübung ihrer Sportart Geld verdienen. Ihre sportliche Leistung wird aus marktwirtschaftlicher Sicht als Produkt betrachtet, das meistbringend verkauft werden soll. Sponsoring und klassische Werbung sind – neben dem Verkauf von Fan-Artikeln und Übertragungsrechten – die Haupteinnahmequellen. Doch nicht nur die Leistung selbst, sondern auch die Sportler als Produzenten dieser Leistung sind Teil unternehmerischer Kommunikationspolitik (J.-U. Babin 1995: 44). Mit den finanziellen Zuwendungen wollen die Firmen die steigende Abneigung gegenüber klassischen Werbeformen umgehen und von der positiven Grundhaltung gegenüber dem Sport profitieren (M. Bruhn 1991: 32-34). Je professioneller eine Sportart ausgerichtet ist, je höher die Einnahmen und Ausgaben eines Verbands oder Vereins sind, umso größer ist die Abhängigkeit dieser Sportart von der Wirtschaft. Bestes Beispiel dafür ist erneut der Fußball: „Nur wenn eine ausreichende Finanzkraft sichergestellt ist, sind Vereine in der Lage, im nationalen und internationalen Wettbewerb zu bestehen…“ (T. Schauerte 2004: 48). Hier schließt sich der Kreis: Der professionalisierte Sport kann im Zuge der Kommerzialisierung bereits selbst als Wirtschaftsfaktor betrachtet werden (J.-U. Babin 1995: 8-10) und versucht zunehmend, Medienberichterstattung für seine ökonomischen Ziele zu vereinnahmen. Dies führt zu Konflikten zwischen Verbreitungsinteressen der Medien auf der einen Seite und Verwertungsinteressen des Sports auf der anderen Seite. Die Live-Übertragung von FußballBundesliga-Spielen ist beispielsweise seit der Saison 2000/2001 Pay-TVSendern vorbehalten. Öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk bleibt allein die Vor- und Nachberichterstattung, aber die Bundesliga profitiert finanziell vom Verkauf der Exklusiv-Rechte (T. Brinkmann 2000: 491-492).
Zum Verhältnis von Sport, Medien und Wirtschaft
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Es lässt sich festhalten, dass das Verhältnis von Sport, Medien und Wirtschaft geprägt ist von gegenseitigen Abhängigkeiten, die aufgrund einer Vielzahl von Entwicklungen in den letzten 20 Jahren immer stärker wurden. In Zukunft werden die Versuche, die jeweils anderen Teilbereiche für eigene Zwecke zu nutzen, vermutlich noch intensiviert werden: „Sport und Massenmedien profitieren voneinander, existieren nur schwerlich ohne einander und entwickeln sich miteinander – unterstützt von der Wirtschaft – in kommerzielle Höhen“ (F. Görner 1995: 34).
3.2 Sport in den Medien – Die Mediensportrealität Der Begriff „Medienrealität“ ist begründet in der Annahme, dass es weder dem Individuum selbst noch den Medien möglich ist, Realität in all ihren Facetten objektiv zu erfassen. Medien wählen Berichterstattungsgegenstände aus (Selektion), sie entscheiden, welche Zusammenhänge von Relevanz sind (Interpretation) und liefern eine Einschätzung von Ursachen und Konsequenzen (Bewertung) (W. Früh 1994: 21-26). Die einen betrachten die von den Medien geschaffene Realität als „unabdingbare Voraussetzung und wertvolle Hilfe beim individuellen wie kollektiven Bemühen um Orientierung“ (W. Früh 1994: 29), die anderen werfen den Medien Verzerrung und Unausgewogenheit vor. Auch der Sport kann unmöglich in seiner Gesamtheit abgebildet werden. Sowohl Nachrichtenfaktoren als auch organisatorische und finanzielle Aspekte spielen eine Rolle dabei, von welchen Veranstaltungen und Personen wie berichtet wird. Nicht zu vernachlässigen ist hier die Rolle der Nachrichtenagenturen: Diese versorgen die Medien laufend mit Meldungen über Sportereignisse und treffen so bereits eine Vorselektion. Vorwürfe einer in allen Medien einheitlich selektiven Sportberichterstattung werden besonders hinsichtlich ihrer Wirkungen auf die Rezipienten laut (Hackforth 1988b: 28). Doch auch Medienwirkungen auf die Sportler selbst sind bedingt durch Merkmale der Medieninhalte. Aus diesem Grund sollen Eigenschaften von Sportberichterstattung nun genauer betrachtet werden.
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Sportberichterstattung
3.2.1 Umfang Sportredaktionen werden häufig zuerst von Nachrichtenagenturen über aktuelle Ereignisse informiert. Dabei liefert der Sportinformationsdienst (SID) die meisten Sportmeldungen – im Januar 1996 waren es täglich knapp 300 und damit fast doppelt so viele wie bei der Deutschen Presse Agentur (dpa) (M. Niemeyer und J. Wilke 1998: 38-40). Im Vergleich zu anderen allgemein informierenden Agenturen hat der Sport bei der dpa jedoch trotzdem einen hohen Stellenwert: Er war im September 1995 Hauptthema von 15 Prozent aller Meldungen. Bei Reuters, Agence France-Presse (AFP) und Associated Press (AP) spielt der Sport nur eine geringe Rolle (J. Wilke und D. Schmidt 1997: 80-84). Im deutschen Fernsehen hatte der Sport 2002 den insgesamt fünfthöchsten Programmanteil, was einer Summe von 14080 Programmstunden entspricht. Trotzdem sind es regelmäßig Übertragungen von Sportveranstaltungen und hier im Besonderen von Fußballspielen, die die vordersten Plätze von Ranglisten der meistgesehenen TV-Sendungen einnehmen (D. Kühnert 2004: 8-9). Am meisten Sport sendeten erwartungsgemäß die Sportkanäle DSF und Eurosport (71 Prozent der gesamten Sportsendezeit). Sportliche Großereignisse wie die Olympischen Winterspiele und die Fußball-WM führten dazu, dass der Sportanteil von ARD und ZDF 2002 im Vergleich zu 1999 deutlich stieg, und zwar auf 11 beziehungsweise 9 Prozent des Gesamtvolumens. Sie berichteten damit von allen gemischten Programmen am meisten über den Sport. Bei RTL und Sat.1 belief sich der Sendeanteil des Sports auf 3 Prozent (A. Rühle 2003: 216-230). Eine geringere Bedeutung hat der Sport im Hörfunk. Sowohl Bundesrundfunk- als auch Landeshörfunkanstalten bestreiten regelmäßig weniger als zwei Prozent ihres Gesamtprogramms mit Sportberichterstattung, es dominiert das Musik- und Politik-Angebot. Die Sender selbst berichten zwar regelmäßig vom Sport, weisen ihm aber (mit Ausnahme der Bundeshörfunkanstalten) in einer Rangfolge der Wichtigkeit unterschiedlicher Programmbestandteile nur den zehnten Rang zu (M. Schaffrath 1996: 235-266).
Sport in den Medien – Die Mediensportrealität
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Auch in vielen Printmedien ist der Sport fester Bestandteil. Die größte Fläche in den Tageszeitungen nimmt die Sportberichterstattung am Montag ein, wenn über die Ereignisse des Wochenendes geschrieben wird. Grundsätzlich liegt der Anteil der Sportseiten am Gesamtumfang bei den überregionalen Zeitungen zwischen fünf und acht Prozent. Einen noch größeren Stellenwert hat der Sport bei den Boulevardmedien. Fast ein Viertel jeder Ausgabe der Bild-Zeitung und immerhin 11,2 Prozent des Kölner Express sind dem Sport gewidmet (W. Loosen 1998: 93-94). An Sportzeitschriften existierten laut Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) Ende 2002 insgesamt 64 Titel, von denen im vierten Quartal des Jahres zusammengerechnet. 3,5 Millionen Exemplare verkauft wurden (IVW-Auflagenliste 4/2002: 9). Das Internet bietet mittlerweile eine umfassende Ergänzung zur Sportberichterstattung der klassischen Medien. Es ist jedoch schwierig, wenn nicht unmöglich, eine genaue Zahl deutschsprachiger Sportangebote im Netz zu nennen. BRAUN kam bei seinen Recherchen zu dem Schluss, dass „im Oktober 1998 […] mindestens 289 sportjournalistische Angebote im World Wide Web“ (O. Braun 1999: 59) existierten. Urheber von fast der Hälfte dieser Angebote waren Zeitungen, 16 Prozent gehörten zu Zeitschriften (O. Braun 1999: 100).
3.2.2 Inhaltliche Schwerpunkte Der langjährige RTL-Geschäftsführer Helmut Thoma benannte in einem viel zitierten Interview mit dem Kölner Stadtanzeiger die für das Fernsehen interessantesten Sportarten einmal wie folgt: „Ich habe früher immer gesagt, es gibt vier Sportarten fürs Fernsehen: Fußball, Fußball, Fußball und Tennis. Das hat sich inzwischen geändert. Heute gibt es Fußball, Fußball, Fußball, Boxen, Formel 1 und dann erst Tennis“ (Helmut Thoma in einem Interview mit dem Kölner StadtAnzeiger, G.T. Tillmann 1997: 15). Tatsächlich ist Fußball die Sportart, von der am meisten berichtet wird. Im Jahr 2002 entfielen fast ein Viertel aller Sportsendeminuten der größten deutschen Fernsehsender auf den Fußball. Die Weltmeis-
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terschaft generierte dabei jedoch verstärkt Berichterstattung. Die Privatsender beschränkten sich in ihrer Programmgestaltung tatsächlich, so wie das Zitat vermuten lässt, auf sehr wenige Sportarten. Sat.1 berichtete fast ausschließlich vom Fußball, da der Sender im Jahr 2002 noch die Rechte für die BundesligaBerichterstattung besaß (mittlerweile liegen diese wieder bei der ARD), RTL übertrug Formel 1, Fußball und Skispringen. Das Sportangebot der öffentlichrechtlichen Sender ist durch eine größere Vielfalt gekennzeichnet. Diese ist unter anderem durch den Auftrag der Grundversorgung und eine größere Orientierung an den weit gefächerten Publikumswünschen begründet. Die Sportsender DSF und Eurosport berichten von der größten Bandbreite an Sportarten, ihr Schwerpunkt liegt ebenfalls auf dem Fußball (Eurosport: 20%, DSF: 30% der Gesamtsendedauer) (A. Rühle 2003: 223-229). Auch wenn man die weiteren Mediengattungen betrachtet, zeigt sich ein ähnliches Bild: Die wichtigsten Sportarten sowohl für den öffentlich-rechtlichen als auch den privaten Hörfunk sind Fußball, Handball, Leichtathletik, Tennis und Eishockey. So gut wie gar nicht berücksichtigt werden Randsportarten oder Freizeitsportaktivitäten der Bevölkerung (M Schaffrath 1996: 285-288 und 394). Im Sportteil der Zeitungen ist der Fußball ebenfalls klar die Nummer eins. Besonders in den Kaufzeitungen Bild und Express macht diese Sportart über 50 Prozent der gesamten Sportberichterstattung aus.14 Das Internet kann als Ergänzungsmedium betrachtet werden, das vor allem von Zeitungen genutzt wird, um über ihr Print-Angebot hinaus über Sport zu berichten. Trotzdem nimmt auch hier der Fußball den bei weitem größten Anteil der Berichterstattung (31,8 Prozent) ein. Auf Platz zwei liegt mit großem Abstand die Formel 1 (5,7 Prozent), gefolgt von Handball, Tennis, Sport allgemein, Eishockey und Tischtennis (O. Braun 1999: 122-127). Die Konstanz hinsichtlich der meistbeachteten Sportarten in allen Mediengattungen kann unter anderem als Folge des Informationsangebots der Nachrichtenagenturen betrachtet werden: Sowohl SID als auch dpa 14 Bereits 1974 untersuchte Quanz inhaltsanalytisch inhaltliche und formale Merkmale der Sportberichterstattung der Bild-Zeitung (L. Quanz 1974). Neuere Studien zeigen, dass die Ergebnisse – Dominanz unterhaltender Stilformen, hoher Anteil an Human-Interest-Geschichten, Idolisierung der Sportler, Skandalisierung – auch heute noch als aktuell betrachtet werden können.
Sport in den Medien – Die Mediensportrealität
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versendeten 1996 zu mehr als einem Viertel Fußballmeldungen, gefolgt von Eishockey- (SID: 13 Prozent, dpa: acht Prozent) beziehungsweise Tennismeldungen (jeweils elf Prozent) (M. Niemeyer und J. Wilke 1998: 46). Es sind jedoch nicht nur die immer gleichen Sportarten, von denen bevorzugt berichtet wird. Auch die bereits angesprochenen Selektionsmechanismen, anhand derer entschieden wird, welches Ereignis berücksichtigt wird, ähneln sich bei jeder Mediengattung. Von zentraler Bedeutung, besonders bei Einzelsportarten, ist das Auftreten erfolgreicher nationaler Sportler, die schnell zu Superstars hochstilisiert werden (H. Woratschek und G. Schafmeister 2004: 66). Dies lässt sich wahrscheinlich am besten am Sportprogramm des Kölner Senders RTL demonstrieren: RTL berichtete vom Tennis, als Steffi Graf und Boris Becker ihre größte Siege feierten, es übertrug die Box-Kämpfe von Henry Maske, als dieser wiederholt Weltmeister wurde, es begleitete Michael Schumacher bei seinen mittlerweile sieben WM-Titeln in der Formel 1 und zeigte live, wie Sven Hannawald 2000/2001als erster Skispringer alle Springen der Vierschanzentournee gewann. Eine Studie zu den ARD- und ZDF-Übertragungen von den Olympischen Winterspielen in Sarajevo 1984 stellte fest, dass auch bei den öffentlichrechtlichen Sendern „erfolgversprechende Sportarten wie Biathlon und Nordische Kombination“ (P. Kappe und C. Schönebeck 1988: 104) überbewertet wurden. Bei der Printberichterstattung dominieren ebenfalls die Nachrichtenfaktoren Personalisierung und Elite (W. Loosen 1998: 199-200). Doch auch wenn keine nationalen Sportler teilnehmen, wird von Sportveranstaltungen berichtet, sofern sie von hoher internationaler Relevanz sind. Sowohl die Rundfunk- als auch die Printberichterstattung sind gekennzeichnet durch eine „Orientierung am Spitzenbzw. Leistungssport, vor allem auf der internationalen und nationalen Ebene“ (U. Gleich 2000: 511).15 Als Beispiel ist die jährliche Übertragung des ChampionsLeague-Finales im Fußball zu nennen, an dem seit 2002 keine deutsche Mannschaft teilgenommen hat. Sogar im Internet findet „national-internationaler, männlicher Wettkampfsport“ (O. Braun 1999: 47) die größte Beachtung. 15 Vergleiche dazu. auch M. Schaffrath 1996: 395 für Hörfunk, W. Loosen 1998: 199-200 für Zeitungen und M. Kleinjohann 1987: 246+247 für Zeitschriften.
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Sportberichterstattung
3.2.3 Formale Aspekte
Wenn man sich mit Sportberichterstattung beschäftigt, trifft man immer wieder auf den Begriff der „1:0-Berichterstattung“, zu verstehen als Kritik an einer reinen Ergebnisorientierung, einer oberflächlichen Betrachtungsweise und fehlender Hintergrundinformationen. Bei eingehender Betrachtung gelangt man jedoch zu einer differenzierteren Bewertung. Im Fernsehen entfielen 2002 insgesamt 94 Prozent der ausgestrahlten Sendezeit auf informationsorientierte Angebote, nur sechs Prozent konnten eher unterhaltenden Formaten zugeordnet werden. Bei ARD und ZDF nahmen die Übertragungen von sportlichen Großveranstaltungen rund die Hälfte der gesamten Sportsendezeit ein. Das zweithäufigste Format waren Magazine auf einem festen Sendeplatz, erst an dritter Stelle folgten Hintergrundberichte in Form von Reportagen oder Dokumentationen. Dafür zeichneten sich die Dritten Programme durch einen zahlreiche Hintergrundberichte aus. Auch die reinen Sportsender wiesen einen hohen Anteil an Hintergrund- und Begleitberichterstattung auf, wobei das Programm des DSF zugleich das mit dem höchsten UnterhaltungsAnteil war (A. Rühle 2003: 221-223). In der hier angeführten Untersuchung nicht berücksichtigt wurden allerdings unterhaltende Elemente bei LiveBerichterstattungen oder in Magazinen. Diese müssen jedoch im Zuge von Kommerzialisierung und Entertainisierung der Berichterstattung gerade beim Medium Fernsehen erwähnt werden. So werden beispielsweise bei der Zusammenfassung eines Fußballspiels bestimmte Spielszenen selektiert, dramatisiert, mit Musik unterlegt, vom Kommentatoren bewertet und mit Geschichten rund um die Spieler personalisiert (D. Kühnert 2004: 39-42, M. Dannebohm 1988: 147-159 und L. Rademacher 1998: 40-42). Viele Autoren kommen zu dem Schluss, die „Fernsehkopie [sei] meist besser als das Original“ (J. Hackforth 1999: 46).16
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Vergleiche dazu auch O. Penz 1992: 33.
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Auch im Hörfunk findet der Sport meist in Form von Meldungen, Berichten und Live-Reportagen Beachtung. „Glossierendes ist ebenso selten zu hören wie Investigatives, Kritisierendes oder Kontrollierendes“ (M. Schaffrath 1996: 391). Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt LOOSEN für die Printberichterstattung. Zwar enthielten mehr als die Hälfte aller Artikel Rückblicke oder Hinweise auf frühere Aktivitäten. „Allerdings sind die Ausprägungen, die sich tatsächlich auf Rückblicke außerhalb der Aufarbeitung eines sportlichen Wettkampfes und damit auf komplexere Zusammenhänge beziehen, sehr viel schwächer ausgeprägt“ (W. Loosen 1998: 100). Für Sportzeitschriften konstatiert KLEINJOHANN ebenfalls einen „überwiegend faktenwiedergebenden und berichtenden Journalismus“, der „deutliche Parallelen zur oft kritisierten Sportberichterstattung in den anderen Medien“ aufweise (M. Kleinjohann 1987: 247). Das Internet kann aufgrund technischer Gegebenheiten die ausführlichsten Hintergrundinformationen liefern. Neben Statistiken und umfassenden Archiven findet der Nutzer hier auch interaktionsorientierte Angebote (C. Bieber und E. Hebecker 2002: 213-218).
3.2.4 Zusammenfassung Sicher muss man differenzieren zwischen dem Sportangebot der unterschiedlichen Fernsehsender, Zeitungstypen, Hörfunksender und Sport-Homepages. Insgesamt lässt sich jedoch eine hohe Konsonanz hinsichtlich der berücksichtigten Sportarten und Themen und sowie ihrer medialen Aufbereitung feststellen. Als Gründe dafür können Konformitätsdruck, die wirtschaftliche Notwendigkeit, Botschaften zu verkaufen und Schwierigkeiten, sich gegen allgemein anerkannte Betrachtungsweisen und Bewertungen zu richten, angeführt werden. Der immer wiederkehrende Vorwurf der „1:0-Berichterstattung“ hat zumindest teilweise seine Berechtigung, so zum Beispiel bei der Berichterstattung einzelner Fernsehsender und den Boulevardzeitungen, deren Sportberichterstattung zum einen ergebnis- und zum anderen personenorientiert ist. Rezipienten und Spitzensportler selbst werden also permanent mit ähnlichen Inhalten konfrontiert.
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Sportberichterstattung
3.3 Akteure Im Wechselspiel zwischen den Systemen Medien und Sport nehmen Sportjournalisten und Spitzensportler als Akteure die zentrale Rolle ein. Ihre Handlungen und ihre Interaktion bestimmen die Berichterstattung. Im Folgenden soll deswegen genauer darauf eingegangen werden, durch welche Merkmale sich die beiden Personengruppen auszeichnen.
3.3.1 Sportjournalisten Lange Zeit galten Sportjournalisten als „Außenseiter der Redaktion“ (S. Weischenberg 1976). Der Begriff wurde geprägt von WEISCHENBERG, der Ende der 70er Jahre bei Angehörigen dieser Berufsgruppe ein Gefühl mangelnder Anerkennung, eine eher negative Selbsteinschätzung sowie eine mangelhafte Vorund Ausbildung festgestellt hatte (S. Weischenberg 1983: 126-129). Unterschiedliche Folgestudien relativieren dieses Bild jedoch (M. Nause 1988: 244 und S. Weischenberg 1994: 450). Die aktuellste und umfassendste Studie zu diesem Thema wurde 1995 von GÖRNER vorgelegt. Er führte erstmals eine Vollerhebung aller Sportjournalisten in Deutschland durch und stellte repräsentative Ergebnisse einer vorwiegend quantitativen Befragung vor. Die folgenden Ausführungen werden vorwiegend auf seinen Erkenntnissen basieren.
3.3.1.1
Allgemeine Merkmale
Die Struktur der Sportjournalisten in Deutschland hat sich deutlich gewandelt. Das Durchschnittsalter ist im Vergleich zu den Zahlen der WEISCHENBERGStudien gesunken und liegt bei 38 Jahren. Noch immer ist die Mehrzahl der Sportjournalisten männlich: Der Frauenanteil liegt bei 6,3 Prozent, wobei in der Gruppe der unter 30-Jährigen bereits elf Prozent Frauen arbeiten. Insgesamt ist
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das Ausbildungsniveau deutlich gestiegen – nur 2,4 Prozent aller Befragten konnten keine journalistische Ausbildung nachweisen. Je jünger die Sportjournalisten sind, umso höher ist ihr Ausbildungsgrad. Über die Hälfte aller deutschen Sportjournalisten arbeitet für eine Zeitung, zehn Prozent sind beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk angestellt, acht Prozent schreiben für Zeitschriften. Ein Viertel aller Befragten arbeitet ausschließlich für das SportRessort, weitere fünfzig Prozent wechseln nur selten oder gelegentlich in andere Bereiche (F. Görner 1995: 154-228). „In Konsonanz zu den konstatierten Veränderungen im allgemeinen Journalismus ist der Sportjournalismus in Deutschland auf dem Weg ins Jahr 2000 durch vier wesentliche Merkmale gekennzeichnet: 1. Generationswechsel, 2. Professionalisierung, 3. Akademisierung und 4. Spezialisierung“ (F. Görner 1995: 241). Die These des „Außenseiters der Redaktion“ ist nicht länger haltbar. Das Sportressort ist in der Hierarchie gestiegen, das Ansehen der Sportjournalisten hat sich verbessert, Sportjournalisten fühlen sich allgemein anerkannt und sind hochgradig zufrieden mit dem eigenen Beruf: mehr als zwei Drittel würden ihn sofort wieder wählen. Als ihre Hauptaufgabe bezeichnen fast alle Sportjournalisten das Informieren (99,2 Prozent), gefolgt vom Kritisieren von Missständen (83 Prozent – Mehrfachnennungen waren möglich), die Unterhaltung nimmt den dritten Platz ein (71,1 Prozent). Von Sportjournalisten des privaten Fernsehens wird sie häufiger genannt als die Kritik an Missständen (F. Görner 1995: 246-322). Dies kann zurückzuführen sein auf den hohen ökonomischen Druck, unter dem Journalisten dieses Mediums generell stehen: Unterhaltende Berichterstattung gilt als Mittel, um das Publikum an den Sender zu binden (S. Weischenberg 1993: 447). Damit spiegelt sich auch in der Selbsteinschätzung der Sportjournalisten der Trend zur Entertainisierung wider, der Widerspruch zwischen Informations- und Unterhaltungsfunktion, der in früheren Studien noch zu Dissonanzen im Selbstbild führte, hat sich anscheinend aufgelöst.
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3.3.2 Einstellung zu Sportlern Besonders wichtig für die vorliegende Arbeit ist die Frage, wie Sportjournalisten das Verhältnis zu denjenigen empfinden, über die sie berichten. Fehlende kritische Distanz zu den Sportlern ist ein permanenter Vorwurf, mit dem sie sich auseinander setzen müssen. Nicht zuletzt die Tatsache, dass ein Großteil aller Sportjournalisten einmal im Wettkampf- oder Leistungssport aktiv waren (F. Görner 1995: 209), lässt auf einen engen persönlichen und emotionalen Bezug zum Gegenstand ihrer Berichterstattung schließen. In Kapitel 2.2.3 wurde bereits gezeigt, dass kritische Kommentare und Bewertungen vergleichsweise selten vorkommen. Häufig wird in diesem Zusammenhang das Thema Doping angeführt. Dieses werde von Sportjournalisten mit zu großer Zurückhaltung behandelt: Aktuell ist die Diskussion um den ARD-Sportkoordinatoren Hagen Bosdorf, der sich durch enge Beziehungen zum Radsport, vor allem zum T-Mobile Team (ehemals Team Telekom), auszeichnet.17 Der Molekularbiologe Werner Franke wirft dem Journalisten und seinem Sender vor, das Thema Doping in der Berichterstattung systematisch ausgeklammert zu haben (A. Burkert, SZ, 13.04.2006). Die Erinnerungen von Sportjournalisten in einem Sammelband von HACKFORTH machen ein gewisses Pflichtbewusstsein der Journalisten gegenüber den Sportlern deutlich: „Ein Aktiver muß sich auf den Reporter verlassen können, muß ihm auch einmal etwas erzählen können, was nicht am nächsten Tag in den Gazetten steht“ (D. Schott 1998: 48). Dieses Pflichtbewusstsein ist jedoch nicht zuletzt bedingt durch das Wissen darum, dass man als Sportjournalist häufig auf das Wohlwollen der Sportler angewiesen ist (M. Nause 1988: 242). Der einzelne Sportler hängt weniger als zum Beispiel ein Politiker von positiver öffentlicher Wahrnehmung ab und muss sich somit dem Journalisten gegenüber auch weniger kooperativ zeigen. Die Nähe der Journalisten zu den Sportlern kann also als zweckrationales Handeln gewertet werden, das den Zugang zu wichtigen Informationsquellen sichert. Schließlich sind es trotz allem häufig die Medien, die Missständen im Sport auf den Grund gehen: Journalisten der franzö17
Bosdorf hat auch die Biographie von Jan Ullrich mit geschrieben.
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sischen Sportzeitung L’Equipe deckten mittels investigativer Recherchen positive Dopingproben des siebenfachen Tour de France-Siegers Lance Armstrongs auf (G. Pfeil und P. Truckendanner, Der Spiegel, 17.09.2005), das ARDFernsehen hat – womöglich als Reaktion auf die Kritik an zurückhaltender Berichterstattung – den Sportreporter Hans-Joachim Seppelt mit der Recherche zum Doping-Skandal um den spanischen Arzt Eufemiano Fuentes beauftragt (ARDHomepage, 17.08.2006). So muss die These der mangelnden Distanz relativiert werden. Wie bereits erwähnt sehen über 80 Prozent der Sportjournalisten es ebenfalls als ihre Pflicht an, Kritik auszuüben. Ein weiterer entscheidender Aspekt hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Journalisten und Sportlern ist das Ausmaß, in dem Journalisten bereit sind, Verantwortung für Wirkungen ihres Handelns zu übernehmen. KEPPLINGER und KNIRSCH stellten fest, dass die Mehrheit einer in ihrer Studie befragten PrintJournalisten allgemein der Aussage zustimmte, sie trügen auch für unbeabsichtigte Folgen ihrer Berichterstattung die Verantwortung (56 Prozent uneingeschränkte, weitere 28 Prozent eingeschränkt Zustimmung). Vor konkrete Situationen gestellt war jedoch ein weitaus geringerer Anteil der Probanden dazu bereit, sich für die Konsequenzen ihres Handelns verantwortlich zu zeigen (42 Prozent) (H.M. Kepplinger und K. Knirsch 2001: 12-14). Ähnliche, wenn auch weniger differenzierte Ergebnisse liefert die GÖRNER-Studie. Eine überwältigende Mehrheit der Befragten (85 Prozent) schätzte die Macht der Medien, die öffentliche Meinung über Sportler zu beeinflussen, als sehr groß oder groß ein (F. Görner 1995: 284).18 Die Bereitschaft, für die Folgen ihrer Berichterstattung Verantwortung zu übernehmen, ist jedoch weitaus geringer. Der Aussage „Sportjournalisten machen aus Sportlern Helden“ stimmten 56 Prozent zu. Noch weniger Befragte sehen sich in der Verantwortung, wenn durch ihre Berichte aus Sportlern Opfer werden (38 Prozent Zustimmung zu der Aussage „Sportjournalisten machen aus Sportlern Opfer“). Das vergleichsweise geringe Verantwortungsbe-
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Auf den tatsächlichen Einfluss von Sportberichterstattung auf die Rezipienten kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht näher eingegangen werden. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die bereits zitierten Sammelbände von Hackforth (Hackforth 1988a) und Schramm (Schramm 2004).
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wusstsein ist unter anderem dadurch zu erklären, dass Folgen von Berichterstattung selten auf einen Journalisten allein, sondern meist auf „die Medien allgemein“ zurückgeführt werden (H.M. Kepplinger und K. Knirsch 2001: 18). Das Problem oberflächlicher Berichterstattung, fehlender kritischer Distanz und journalistischer Ethik führte Anfang 2006 zu zahlreichen Austritten aus dem Verband Deutscher Sportjournalisten (VDS) – bis dahin alleiniger Interessenvertreter der Sportjournalisten – und der Gründung des „sportnetzwerks“, einer Initiative für kritischen Sportjournalismus. In einem offenen Brief wird dem VDS vorgeworfen, den „Rückgang kritischer, undistanzierter Berichterstattung“ anstandslos hinzunehmen. Das sportnetzwerk steht nach eigenen Angaben für „…einen Sportjournalismus, der in der Lage ist, angemessen die gesellschaftliche Bedeutung des Sports zu behandeln und sich mit der Berichterstattung auseinanderzusetzen“ (Offener Brief an den VDS, Homepage des Sportnetzwerks, 23.04.2006). Es wird deutlich, dass sich viele der Sportjournalisten der Kritik bewusst sind, die ihnen entgegen gebracht wird. Ob mit der Gründung des sportnetzwerks ein Wandel der Berichterstattung einhergeht, bleibt abzuwarten.
3.3.3 Spitzensportler Im Mittelpunkt des folgenden Abschnitts stehen die Rolle von Spitzensportlern im Sport allgemein sowie die Art und Weise, wie Medien von ihnen berichten.
3.3.3.1 Begriffsbestimmung Der Hochleistungs- oder Spitzensport ist nur ein Teilbereich des Gesamtsystems Sport und lässt sich von anderen Teilbereichen wie dem Freizeit- und Breitensport abgrenzen anhand der Ausprägung von Merkmalen wie Zielen, Motivationen, Bedingungen, Konsequenzen und Kosten (A. vom Stein 1988: 23). Eine exakte Trennung der Bereiche kann jedoch immer nur idealtypisch erfolgen, da
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häufig Überschneidungen vorliegen. Der Faktor, der wohl am besten geeignet ist, um eine Abgrenzung vorzunehmen, ist die Leistung. Im Spitzensport dominiert das Leistungsprinzip: „…das Erreichen bestimmter Leistungsnormen ist der Primärzweck sportlicher Aktivität in diesem Sportbereich“ (A. vom Stein 1988: 25). Strenge Organisationsstrukturen bestimmen die Prozesse im Leistungssport. Die Spitzensportler als Teil dieses Leistungssystems müssen sich in die Strukturen einfügen. Diese sind umso gefestigter und verbindlicher, je höher der Professionalisierungsgrad einer Sportart ist. Unter Professionalisierung versteht man die „Konsolidierung von Berufen in feste Berufsbilder“ (K. Heinemann 1998: 244). Sie geht einher mit festen Zugangsvoraussetzungen und formalisierten Qualifikationsanforderungen. Im Bereich des Spitzensports wird der Begriff jedoch vor allem in Abgrenzung zum Amateursport verwendet und bezeichnet die Tatsache, dass die erfolgreichsten Sportler der meisten Sportarten mittlerweile mit der Ausübung ihres Sports ihren Lebensunterhalt verdienen. Auch die Höhe des Einkommens ist abhängig vom Professionalisierungsgrad der jeweiligen Sportart (K. Heinemann 1998: 244 und 25-29). Die regelmäßigen Einnahmen setzen sich zusammen aus Gehaltszahlungen der Vereine und Sponsorengeldern. Für Spitzensportler, die sich nicht allein dadurch finanzieren können, besteht die Möglichkeit, von der „Stiftung deutsche Sporthilfe“ unterstützt zu werden oder der Sportfördergruppe der Bundeswehr beizutreten, die sich selbst als „einer der größten Förderer des Hochleistungssports in der Bundesrepublik Deutschland“ (Homepage der Bundeswehr, 16.08.2006) bezeichnet. Voraussetzung ist ein entsprechendes Leistungsniveau (Homepage der Bundeswehr und Homepage der Stiftung deutsche Sporthilfe, 16.08.2006). Vereinfacht ausgedrückt kann man davon ausgehen, dass Sportler umso weniger auf externe finanzielle Unterstützung angewiesen sind, je präsenter die Sportart, die sie betreiben, in den Medien ist.
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3.3.3.2 Das Bild der Sportler in den Medien Im leistungsorientierten, personenzentrierten Mediensport stehen die Spitzensportler im Mittelpunkt der Berichterstattung. KNOBBE unterscheidet vier unterschiedliche Stereotypen des Sportlers in den Medien. Demnach werden die Aktiven entweder als „Angepasste“ oder als „Außenseiter“ präsentiert, die wiederum als arriviert oder aufgestiegen bezeichnet werden können. Als „aufgestiegene Außenseiter“ gelten zum Beispiel jene Sportler, die ein hohes Konfliktpotenzial besitzen. Vom Publikum werden sie geliebt, weil sie das sagen und tun, was sie denken, Journalisten hofieren sie, weil sie häufig für Schlagzeilen sorgen (T. Knobbe 2001: 84). Das Bild des Sportlers in den Medien ist außerdem gekennzeichnet durch Idolisierung. Diese äußert sich in übertriebenen und unsachlichen Darstellungen und wird deutlich in Ausdrücken wie „Bomber Müller“, „Kaiser Franz“ oder ähnlich plakativen Bezeichnungen (D. Kroppach 1978: 135). Dieser Starkult wird noch verstärkt durch sehr positive Berichterstattung über die Sportler. Er zeigt sich bei fast allen Medien, ist aber am stärksten ausgeprägt bei den Boulevardzeitungen (A. vom Stein 1988: 93). Grundsätzlich hat jeder Spitzensportler das Potenzial, zum Star zu werden. Doch: „Welcher Typ beim Publikum am besten ankommt, welche Masche sich am besten verkaufen lässt, darüber entscheiden letztlich die Gewaltigen der Kommunikationsindustrie“ (L. Quanz 1974: 61). Wieder entscheidet also die Medienpräsenz darüber, ob ein erfolgreicher Athlet auch in der Öffentlichkeit eine herausragende Position einnimmt (R. Horak, O. Penz und I. Peyker 2005: 113-123). Als Voraussetzung für Medieninteresse gelten neben guten sportlichen Leistungen zunehmend Faktoren wie Attraktivität, Konfliktpotenzial und Charakter.19 Medien können aus Sportlern jedoch nicht nur Stars, sondern auch Opfer machen. Bleibt die Leistung einmal aus, wird der eben noch bejubelte Sportler 19 Dies trifft zwar auf die Berichterstattung über beide Geschlechter zu, ist aber noch immer besonders ausgeprägt bei der Thematisierung von Sportlerinnen. Zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit dem Thema Sportlerinnen in den Medien können die Arbeiten von S: Baus 2003 und I. Hartmann-Tews und B. Rulofs 2002 herangezogen werden.
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plötzlich stark kritisiert – so geschehen zum Beispiel bei Ulrike Meyfarth, die im Jahr nach ihrem Hochsprung- Olympiasieg an der Qualifikationsnorm für die Weltmeisterschaften scheiterte. Auch Jan Ullrich wurde nach seinem Tour-Sieg 1997 erst zum Helden auserkoren und dann aufgrund von Gewichtsproblemen permanent als undiszipliniert abgestempelt (T. Knobbe 2001: 91-92). Es bleibt festzuhalten, dass die Präsenz und das Bild der Sportler in den Medien sowohl durch leistungsabhängige als auch durch außersportliche Faktoren geprägt werden. Da auf eine überschwängliche Bewertung schnell ein vernichtendes Urteil folgen kann, stellt die Berichterstattung trotz ihres grundsätzlich eher unkritischen Charakters für die Sportler stets einen Unsicherheitsfaktor dar.
4 Zum Forschungsprojekt
Die Qualität einer Untersuchung wird nicht allein bestimmt durch die Ergebnisse und ihre Interpretation, sondern basiert in entscheidendem Maße auf einer dem Untersuchungsgegenstand und dem Untersuchungsziel angemessenen Forschungsmethode. Im Folgenden soll deswegen zunächst verdeutlicht werden, welches das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Studie ist. Aufbauend darauf folgt eine genauere Beschreibung der Vorgehensweise bei der Datenerhebung.
4.1 Forschungsziel und Forschungsfragen Im Zentrum der vorliegenden Arbeit stehen Reaktionen von Spitzensportlern auf Medien und Medienberichterstattung sowie umgekehrt Versuche und Strategien der Sportler, Medien und Medieninhalte selbst zu beeinflussen. Bisherige Erkenntnisse zu wechselseitigen Wirkungen in anderen gesellschaftlichen Teilbereichen sollen dabei ergänzt werden um Beobachtungen, die auch oder ausschließlich auf den Bereich Sport zutreffen. Diese Beobachtungen werden anhand bereits existierender Systematisierungen geordnet und sollen zusätzlich die Erweiterung und Verfeinerung des bereits vorgestellten Wirkungsmodells vorantreiben. Ziel ist es, ein möglichst breites Spektrum reziproker Effekte in unterschiedlichen Lebensbereichen der Sportler zu erfassen und Bedingungen für das Auftreten und die Intensität dieser Effekte vorzustellen. Die Studie hat einen eindeutig explorativen Charakter. Sie dient weniger dazu, konkrete Vermutungen zu bestätigen oder zu widerlegen als vielmehr dazu, Hypothesen zu entwickeln, die als Basis für weitere Forschungsprojekte und die Entwicklung theoretischer
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Zum Forschungsprojekt
Konzepte herangezogen werden können – ganz gemäß dem qualitativen Paradigma, demnach Forschung „nicht als hypothesenprüfendes, sondern hypothesengenerierendes Verfahren“ (S. Lamnek 1995: 32) verstanden wird. Offen formulierte Forschungsfragen dienen zur Strukturierung der Untersuchung und Verdeutlichung des Erkenntnisinteresses. Sie orientieren sich an der Einteilung in reaktive, interaktive und pro-aktive Effekte. Reaktive Phase Frage 1: Wann und wie reagieren Spitzensportler auf Medien und ihre Berichterstattung? – Von Interesse sind jegliche Reaktionen von Spitzensportlern, die durch Medien und Medienberichterstattung ausgelöst werden. Dazu zählen einerseits Anpassungen des Sports an die Strukturen des Mediensystems, von denen Sportler direkt betroffen sind (funktionale Effekte). Andererseits und vorwiegend geht es jedoch um Reaktionen der einzelnen Sportler auf konkrete Inhalte von Medienberichterstattung (kausale Effekte). Frage 1a: Welche Art von Berichterstattung ruft welche Reaktionen hervor? – In diesem Zusammenhang stellt sich zum Beispiel die Frage, wie sich positive und negative Artikel oder Sendungen auf die sportliche Leistung der Athleten auswirken. Frage 1b: Welche Faktoren beeinflussen Art und Intensität der Reaktionen? – Faktoren wie persönliche Eigenschaften der Athleten sowie Reaktionen des Umfelds oder der Zeitpunkt der Karriere haben vermutlich einen Einfluss darauf, wie Medienberichte auf die Sportler wirken. Ziel ist es, alle Einflussgrößen zu erfassen und in Beziehung zu den letztendlichen Reaktionen zu setzen.
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Interaktive Phase Frage 2: Welche Reaktionen ruft die Interaktion mit Journalisten, Kameraleuten oder Fotografen bei Spitzensportlern hervor? – Hier geht es um alle Reaktionen, die im direkten Kontakt von Spitzensportlern mit Medienvertretern auftreten oder auf diesen zurückzuführen sind. Im Mittelpunkt stehen dabei Interviews für Rundfunk, Print oder Internet, doch auch die Einflüsse durch die Anwesenheit von Fotografen oder Kameraleuten sind von Interesse. Frage 2a: Welche Reaktionen ruft dieMedienpräsenz bei Spitzensportlern hervor? – Untersucht werden soll, wie die Sportler die Anwesenheit von Medienvertretern vor allem bei sportlichen Wettkämpfen wahrnehmen und bewerten. Frage 2b: Welche Effekte treten bei Sportlern während und im Anschluss an Interviews auf? – Im Mittelpunkt steht die Frage nach konkreten Reaktionen der Sportler auf verschiedene Interviewsituationen während und nach dem Gespräch mit Journalisten. Frage 2c: Welche Faktoren beeinflussen die Interaktion zwischen Sportlern und Journalisten? – Hier geht es zum Beispiel um die schon angesprochenen persönlichen Beziehungen zwischen Sportlern und Journalisten oder Persönlichkeitsmerkmale der Sportler. Pro-aktive Phase Frage 3: Wann und wie versuchen Spitzensportler, selbst Einfluss auf Medien und Medienberichterstattung zu nehmen? – In der pro-aktiven Phase geht es vor allem um funktionale Effekte: Untersucht werden soll, wie Sportler ihre eigene oder die Erfahrung anderer im Umgang mit Medien nutzen, um Medien für ihre eigenen Ziele zu instrumentalisieren. Dabei interessieren sowohl die Strukturen, die von Seiten der Sportler für die Interaktion mit den Medien geschaffen werden, als auch Versuche, konkrete Inhalte der Medienberichterstattung zu beeinflussen.
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Frage 3a: Welche Maßnahmen ergreifen Spitzensportler, um sich im Zusammenspiel mit den Medien einen Vorteil zu verschaffen? – Stichwort Professionalisierung: Beschäftigen die Sportler zum Beispiel einen Pressesprecher oder verfolgen sie klare Regeln im Umgang mit den Medien? Frage 3b: Wie versuchen Spitzensportler, Inhalte von Medienberichterstattung zu beeinflussen? – Hier geht es um nicht institutionalisierte Formen der Einflussnahme, zum Beispiel das geplante oder bewusste Ansprechen konkreter Probleme oder Ziele in Interviews. Frage 3c: Welche Umstände veranlassen die Spitzensportler zur aktiven Einflussnahmen auf Medien und Medienberichterstattung? – Herausgearbeitet werden sollen die Faktoren, die ausschlaggebend dafür sind, wie intensiv Spitzensportler welche öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen ergreifen.
4.2 Forschungsansatz Zur Untersuchung der oben genannten wechselseitigen Einflüsse wurde eine qualitative Herangehensweise gewählt.20 Der Begriff „qualitative Sozialforschung“ beschreibt keinen einheitlichen Ansatz, sondern fasst eine Vielzahl unterschiedlicher Forschungsmethoden zusammen. Qualitative Methoden und Techniken wurden vor allem in Abgrenzung zu quantitativer Forschung im Rahmen einer „qualitativen Wende“ (P. Mayring 1989) in den letzten 40 Jahren stark verbessert und weiterentwickelt. Die wesentlichen Grundzüge des qualitativen Paradigmas hat MAYRING in fünf Postulaten zusammengefasst: Qualitative Ansätze zeichnen sich demnach zum einen durch ihre Subjektbezogenheit aus: In 20
Dieser Einblick in die qualitative Sozialforschung und die Methode qualitativer Interviews kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit nur ansatzweise und ohne Anspruch auf Vollständigkeit geschehen. Hervorgehoben werden vor allem Aspekte, die von Relevanz für die Untersuchung sind. Ähnliches gilt für die folgenden Abschnitte in Kapitel 4. Für eine Vertiefung der Ausführungen kann die angegebene Literatur herangezogen werden.
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der Sozialforschung berücksichtigt werden Menschen mit all ihren individuellen Merkmalen und Besonderheiten. Bevor die Daten einer Studie ausgewertet werden können, muss zunächst eine vollständige Deskription des Gegenstandsbereichs der Untersuchung erfolgen, da Phänomene oder Prozesse nie isoliert betrachtet werden dürfen. Es ist darauf zu achten, dass die Datenerhebung in der alltäglichen Umgebung der Probanden stattfindet: „Humanwissenschaftliche Gegenstände müssen immer möglichst in ihrem natürlichen, alltäglichen Umfeld untersucht werden“ (P. Mayring 2002: 22). Nur so können Phänomene realitätsnah analysiert werden. Eine zentrale Rolle in der qualitativen Forschung nimmt außerdem die Interpretation ein: Bedeutungen von Handlungen und Interaktionen unterliegen immer der Interpretation der Beteiligten und können somit vom Forscher ebenfalls nur durch Interpretation erschlossen werden. Die Begründung der Verallgemeinerbarkeit kann nur schrittweise erfolgen und ist nicht, wie in quantitativer Forschung üblich, bereits durch repräsentative Stichproben oder ähnliche Verfahren gewährleistet (P. Mayring 2002: 19-24).21 Qualitative Methoden dienen oftmals dazu, einen Forschungsbereich zu erschließen, über den bisher wenig bekannt ist. Dies trifft, wie bereits erwähnt, auch auf den Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit zu. Die theoretische Generalisierung befindet sich noch im Anfangsstadium und deckt Besonderheiten wechselseitiger Einflüsse im Bereich Sportberichterstattung nicht ab. Während eine quantitative Studie nur das hervor bringen kann, was zugrunde liegende Modelle bereits beschreiben, bietet ein qualitativer Ansatz durch den Grundsatz der Offenheit die Möglichkeit, Neues zu entdecken (U. Flick 2005: 5 und T. Brüsemeister 2000: 21-22). Außerdem weist der Untersuchungsgegenstand selbst Eigenschaften auf, die am besten mit einer qualitativen Studie erfasst werden können: Bereits der Begriff reziprok verdeutlicht, dass nicht von einem linearen Wirkungsmodell ausgegangen werden kann, sondern dass wechselseitige Prozesse erfasst werden müssen. Zwar soll hier nur eine Seite – die Seite der
21 Es muss darauf hingewiesen werden, dass quantitative und qualitative Forschung einander keinesfalls widersprechen, sondern einander oft ergänzen. Häufig werden quantitative und qualitative Methoden sogar miteinander kombiniert, um umfassende Forschungsfragen zu bearbeiten.
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Sportler – betrachtet werden, doch damit der Forscher diese verstehen und erklären kann, muss er Interaktionsprozesse und die Bedeutungen, die die einzelnen Sportler ihnen zuweisen, nachvollziehen können. Eine qualitativer Ansatz scheint dazu besonders geeignet (T. Brüsemeister 2000: 33-35).
4.2.1 Das qualitative Interview Zur Untersuchung reziproker Effekte im Bereich Sport wurden offene, halbstandardisierte qualitative Interviews durchgeführt. Unter einem qualitativen Interview versteht HOPF „das von der entsprechenden Forschergruppe selbst durchgeführte, wenig strukturierte Interview, das, von lockeren Hypothesen angeleitet, der Exploration eines bestimmten, wissenschaftlich wenig erschlossenen Forschungsfeldes dienen soll […]“ (C. Hopf: 1978: 99). Der Begriff „offen“ weist darauf hin, dass die Befragten in ihren Antworten nicht durch Vorgaben eingeschränkt waren – nur bei wenigen Fragen wurde um eine Antwort in vorformulierten Kategorien gebeten. „Halbstandardisiert“ bedeutet, dass im Vorfeld der Interviews ein Leitfaden entwickelt wurde, der während der Gespräche Anhaltspunkt für den Forscher war.22 Der Leitfaden diente im vorliegenden Fall der Erfassung eines konkreten Handlungs- oder Problembereichs: Erfahrungen aktueller und ehemaliger deutscher Spitzensportler mit Medien, Journalisten und Sportberichterstattung. Bei seiner Erstellung wurde darauf geachtet, bereits vorliegende Systematisierungsansätze und Erkenntnisse zu reziproken Effekten im Sport zu berücksichtigen und zugleich genügend Raum für neue Aspekte zu lassen. Für eine derartige Vorgehensweise prägte WITZEL den Begriff „problemzentriertes Interview“ (A. Witzel 1996: 52). Mit Hilfe des Leitfadens sollten in den Gesprächen alle relevanten Themenbereiche abgedeckt und die Interviewpartner auf bestimmte Probleme hingelenkt werden. Zudem musste er die Offenheit der Antworten gewährleisten (P. Mayring 2002: 69 und S: Lamnek 1995 Bd. 2: 78). 22
Der Leitfaden für die Interviews befindet sich im Anhang.
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Da für die vorliegenden Studie nicht nur von Interesse war, wie einzelne Artikel und Berichte auf den jeweiligen Sportler gewirkt haben, sondern zudem, welche Einflüsse von Medien insgesamt auf Sportler ausgehen23, waren die Befragten sowohl in ihrer Rolle als Betroffene als auch in ihrer Rolle als Experten von Bedeutung. Aus diesem Grund wiesen die Interviews auch die von MEUSER und NAGEL beschriebenen Eigenschaften von ExpertInneninterviews24 auf: „Als Experte wird angesprochen, wer in irgendeiner Weise Verantwortung trägt für den Entwurf, die Implementierung oder die Kontrolle einer Problemlösung, oder wer über einen privilegierten Zugang zu Informationen über Personengruppen oder Entscheidungsprozesse verfügt“ (M. Meuser und U. Nagel 1991: 442). Sportlerinnen und Sportler sind Teil des Sportsystems. Sie erleben selbst, wie Medienberichterstattung und Medien insgesamt das Sportlerleben beeinflussen können. Zusätzlich verfolgen sie jedoch auch die Sportberichterstattung insgesamt, sie tauschen sich mit Kollegen aus, mit Managern, Pressesprechern, Trainern und Funktionären – Personen, die im Sportsystem viele unterschiedliche Funktionen erfüllen. Daraus entwickelt sich schließlich eine Perspektive, die über persönliche Erfahrungen hinausgeht. Dieses Zusatzwissen – von MEUSER und NAGEL Betriebswissen genannt – sollte im Rahmen der Interviews ebenfalls erfragt werden. Ein Beispiel hierfür war die Frage danach, welches Medium in den Augen des Sportlers den größten Einfluss im Spitzensport hat. Der Leitfaden stellte auch hier sicher, dass das Gespräch problem- und sachorientiert verlief. Indem in die Fragen das Hintergrundwissen des Forschers mit einfloss, sollte der Leitfaden zusätzlich Kompetenz des Fragenden vermitteln und so zu einem intensiveren Gespräch beitragen (M. Meuser und U. Nagel 1991: 445-448).
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Vergleiche dazu die Forschungsfragen in Kapitel 4.1. Im Folgenden wird aus Gründen der Lesbarkeit auf die Integration der weiblichen Form verzichtet und der Begriff „Experteninterviews“ verwendet.
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4.2.2 Verlässlichkeit der Aussagen Repräsentativität (Verallgemeinerbarkeit), Validität (Gültigkeit) und Reliabilität (Verlässlichkeit) werden als Gütekriterien quantitativer Forschung bezeichnet. Auch in der qualitativen Sozialforschung existieren Maßstäbe, anhand derer die Qualität einer Studie bewertet werden kann. Sie unterscheiden sich jedoch vor allem inhaltlich und mitunter auch begrifflich von den weitestgehend konstant verwendeten Gütekriterien für quantitative Untersuchungen. Wie bereits zu Beginn dieses Kapitels erläutert, wird die Verallgemeinerbarkeit von Aussagen in qualitativen Interviews nicht dadurch sichergestellt, dass die Befragten mittels statistischer Stichproben ausgewählt werden. Interpretationen, die sich auf eine größere als die Gruppe der Befragten beziehen, müssen vielmehr durch eine ausführliche Verfahrensdokumentation sowie eine argumentative Begründung, die zwar flexiblen, aber systematischen Regeln folgt, nachvollziehbar gemacht werden. Auch die Gültigkeit von Ergebnissen wird nicht durch die Anwendung bewährter Messinstrumente und -techniken gewährleistet, sondern durch die Nähe des Forschers zum Untersuchungsgegenstand, den Dialog mit den Probanden und das Heranziehen zusätzlicher Datenquellen (P. Mayring 2002: 140148).25 Ein besonderes Problem ergibt sich bei der vorliegenden Arbeit hinsichtlich der Verlässlichkeit der Aussagen der Gesprächspartner. In der quantitativen Forschung wird unter Verlässlichkeit der Grad der Genauigkeit verstanden, mit dem eine Methode einen Sachverhalt erfasst. Er steigt mit der Anzahl der gleichsinnigen Beobachtungen und ist anhand statistischer Methoden messbar (S. Lamnek 1995: 159-160). Im Falle von qualitativen Interviews bedeutet dies sehr vereinfacht ausgedrückt: Entsprechen die Antworten der Befragten der Wahrheit? Dass damit nicht die objektive Beschreibung einer außerhalb des Individuums existierenden Realität gemeint ist, sollten die bisherigen Ausführungen 25 Den Anforderungen an qualitative Untersuchungen wird in der vorliegenden Studie durch eine ausführliche Darstellung der Vorgehensweise, Offenlegung des Vorwissens (Kapitel 2 und 3) und Beschreibung der Auswertungsstrategie (Kapitel 4.4) Rechnung getragen.
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verdeutlicht haben: Die Selbstauskünfte der Interviewpartner können nur als subjektiv und abhängig von Persönlichkeitsmerkmalen und Lebensumständen verstanden und bewertet werden. Dies allein ist jedoch nicht problematisch, sondern wird von den Vertretern qualitativer Forschung sogar ausdrücklich gefordert. Schwierigkeiten ergeben sich dagegen hinsichtlich der Aufrichtigkeit der Befragten einerseits und der verzerrten und selektiven Wahrnehmung und Erinnerung – besonders an weit zurück liegende Ereignisse – andererseits. Bereits in Kapitel 2.1 wurde darauf hingewiesen, dass Selbstauskünfte bei Untersuchungen zu reziproken Effekten mit Problemen behaftet sind: Es ist zu vermuten, dass die Protagonisten der Berichterstattung den Einfluss der Medien auf ihr eigenes Handeln herunterspielen. Auch für die vorliegende Studie muss dies als mögliche Fehlerquelle bei der Datenerhebung berücksichtigt werden. Die Gefahr unaufrichtiger Antworten ist hier jedoch aus mehreren Gründen als relativ gering einzuschätzen: Sportler treffen in ihrer Position im Gegensatz zu Politikern, Unternehmern oder auch Richtern keine für andere Personen verbindlichen Entscheidungen, sondern erbringen eine sportliche Leistung, die formal nur für sie selbst von Bedeutung ist. Einflüsse von Medienberichterstattung können von ihnen als äußerer Faktor und somit als Rechtfertigungsargument für Erfolge und vor allem Niederlagen herangezogen werden. Die Orientierung von Entscheidungsträgern an Medieninhalten dagegen wird vergleichsweise kritischer bewertet und muss von ihnen unter Umständen begründet werden. Durch eine intensive Auseinandersetzung mit den Lebensläufen der Befragten wurde zusätzlich bewusst falschen Antworten und dem Problem der selektiven Wahrnehmung und Erinnerung vorgebeugt: Nachfragen bei unstimmigen Antworten, das Heranziehen von anderen Datenquellen sowie eine größtmögliche Offenheit sollten dazu beitragen, dass möglichst alle Facetten wechselseitiger Effekte subjektiv wahrheitsgetreu erfasst wurden.
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4.3 Durchführung Im Folgenden wird die Phase der Datenerhebung beschrieben. Sowohl bei der Auswahl der Gesprächspartner als auch bei der Vorbereitung und Durchführung der Interviews und der Erarbeitung der Auswertungsstrategie wurde darauf geachtet, die zuvor vorgestellten Gütekriterien empirischer Sozialforschung zu berücksichtigen.
4.3.1 Auswahl und Rekrutierung der Gesprächspartner In der qualitativen Forschung hängt die Auswahl derjenigen Akteure, die untersucht werden sollen, stark von der Forschungsfrage ab (T. Brüsemeister 2000: 23-25). Im vorliegenden Fall war die Zielgruppe somit die Gruppe derjenigen, die im Vordergrund von Sportberichterstattung stehen: Spitzensportler und Trainer – eine im Vergleich zu anderen Studien leicht identifizierbare Gruppe, denn ihre herausgehobene Präsenz in den Medien hat einen hohen Bekanntheitsgrad zur Folge. Allgemein musste darauf geachtet werden, möglichst viele unterschiedliche Sportler verschiedener Sportarten in die Untersuchung mit einzubeziehen, um eine möglichst breite Perspektive zu gewährleisten (M. Bock 1992: 91-92). Natürlich konnten nicht alle Sportler, die jemals Erwähnung in überregionalen Medien gefunden haben, angeschrieben werden. Angenommen wurde deshalb zum einen, dass die in ihrer jeweiligen Sportart besonders erfolgreichen Sportler auch diejenigen sind, die am häufigsten in den Medien vertreten sind. Diese Annahme ist gestützt durch die Erkenntnis, dass Sportberichterstattung in erster Linie leistungsbezogen ist. Da oft zusätzlich gerade Persönlichkeitsmerkmale und „kleine Geschichten am Rande“ entscheidend für das Interesse der Medien sind, wurde außerdem nach Sportlern gesucht, die sich von ihren Kolle-
Durchführung
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gen durch bestimmte Eigenschaften oder Erlebnisse abheben.26 Anhand dieser Auswahlkriterien wurden im November und Dezember 2005 schließlich insgesamt 64 Anfragen an aktuelle und ehemalige deutsche Spitzensportler und Trainer sowie an Pressesprecher von Vereinen und Verbänden 16 verschiedener Sportarten verschickt. Weitaus schwieriger als die Identifizierung der Personengruppe, die befragt werden sollte, war es, von den ausgewählten Sportlern und Trainern Zusagen zu einem etwa einstündigen Interview zu erhalten. Da Antworten auf die Briefe nur sehr zögerlich kamen, wurde telefonisch und per E-Mail wiederholt nachgefragt. Später wurden noch einmal auf dem elektronischen Wege Pressesprecher von fünf Fußball-Bundesliga-Vereinen angeschrieben. Die Phase der Suche nach Sportlern, die sich zu einem Interview bereit erklären, erstreckte sich über fast vier Monate. Letztendlich ergaben sich daraus insgesamt elf Zusagen. Der Kontakt zu drei Sportlern konnte über Freunde und Bekannte hergestellt werden. Einige Sportler meldeten sich gar nicht auf die Anfrage, viele sagten ab und gaben als Grund fast ausschließlich Zeitmangel an. Auch wenn anzunehmen ist, dass Zeitmangel bei manchen Absagen nur ein Vorwand war, muss darauf hingewiesen werden, dass die Trainings- und Wettkampfphasen in den verschiedenen Sportarten im Verlaufe eines Jahres variieren und es deswegen für Sportler einiger Sportarten vergleichsweise schwieriger war, an der vorliegenden Studie teilzunehmen. Die Wintersportler erreichten die Anfragen direkt zu Beginn der olympischen Saison, die Radsportler waren zum Zeitpunkt der Briefwellen im Trainingslager in der südlichen Hemisphäre, und Tennisspieler spielen im Winter ebenfalls Turniere in wärmeren Gebieten. Als größtes Problem stellte sich jedoch die nahende Fußball-Weltmeisterschaft heraus. Leider war es nicht möglich, vor dieser Veranstaltung ein Interview mit einem einzigen aktuellen oder ehemaligen Spieler oder Trainer der Nationalmannschaft zu bekommen. Selbst die Kontaktaufnahme zum Mediendirektor des
26 Siehe dazu Kapitel 2.2 dieser Arbeit. Der Langstreckenläufer Dieter Baumann zum Beispiel machte im Jahr 1999 vor allem dadurch auf sich aufmerksam, dass er den Grund für eine positive Dopingprobe in einer manipulierten Zahnpasta-Tube suchte.
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Zum Forschungsprojekt
Deutschen Fußballbundes und Pressesprechern von Bundesliga-Vereinen verlief weitgehend erfolglos. Schließlich konnten mit Trainer Jürgen Klopp und dem Spieler Marco Rose vom 1. FSV Mainz 05 aber doch zwei männliche Fußballer interviewt werden.27
4.3.2 Leitfaden und Gesprächsführung Wie bereits erwähnt spielte der Leitfaden sowohl für die Durchführung als auch für die Auswertung der Interviews eine entscheidende Rolle. Er wurde entwickelt, indem sowohl Erkenntnisse zum Untersuchungsgegenstand als auch relevante Inhalte von Sportberichterstattung berücksichtigt wurden, und war gegliedert in die drei Phasen reziproker Effekte, Oberthemen und einzelnen thematischen Aspekten. Die Fragen des Leitfadens wurden zunächst in Fragen zu reaktiven, interaktiven und pro-aktiven Effekten aufgeteilt. Innerhalb dieser drei Phasen gab es wiederum Fragen zu unterschiedlichen Oberthemen: Erfahrungen mit Medien und Journalisten allgemein, Einflüsse auf die sportliche Leistung, Reaktionen des Umfelds, Verhalten vor der Kamera und Tendenzen der Professionalisierung sowie Versuche, Berichterstattung zu beeinflussen. In diesen Themenblöcken wurden einzelne thematische Aspekte zusammengefasst. Bei den Einstellungen zu Journalisten interessierten zum Beispiel Eigenschaften, die Sportler an Journalisten besonders schätzen, Unterschiede zwischen Journalisten verschiedener Mediengattungen und positiven und negativen Erfahrungen im Umgang miteinander. Die konkrete Fragestellung war angelehnt an Erkenntnisse anderer empirischer Untersuchungen und an Aussagen von Sportlern in Zeitungsinterviews, die Medieneinflüsse thematisieren.28 Die Fragen zu den drei Wirkungsphasen thematisierten sowohl kausale als auch zu funktionale Effekte. Um das Gespräch nicht zu eintönig zu gestalten, wechselten sich diese ab. Emo27 Die weiteren Interviewpartner werden in Kapitel 5.1 aufgelistet. Hier wird auch darauf eingegangen, wie die Zusammenstellung der Gruppe der Befragten hinsichtlich des Forschungsziels zu bewerten ist. 28 Beide wurden in Kapitel 2.4 der vorliegenden Arbeit ausführlich vorgestellt.
Durchführung
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tionale Reaktionen wurden in einem Gesprächsabschnitt gezielt angesprochen und in Fragen der unterschiedlichen Themenbereiche mit erhoben, da sie wie bereits angesprochen häufig weitere Reaktionen bedingen. In jedem Interview wurde zunächst dieselbe Einstiegsfrage („Können Sie sich an einen Moment Ihrer Karriere erinnern, an dem Ihnen zum ersten Mal bewusst wurde, wie sehr sich die Medien für Sie interessieren?“) gestellt, außerdem wurden die Oberthemen in derselben Reihenfolge behandelt. So sollte eine Vergleichbarkeit der Interviews gewährleistet werden. In den ersten Interviews war die Gesprächsführung noch sehr eng am Leitfaden orientiert. Im Laufe der Erhebungsphase stellte sich zum einen heraus, dass bestimmte Fragen kaum neue Erkenntnisse brachten. So verneinten alle Sportler die Frage vehement, ob sie schon einmal sportliche Kritik der Medien im Training aufgegriffen hätten, sodass diese Frage später nicht mehr gestellt wurde. Außerdem entwickelte sich ein Gespür dafür, welche Themenbereiche im Verlauf des Interviews bereits erschöpft behandelt wurden, sodass am Ende des Gesprächs Fragen, die inhaltlich schon beantwortet wurden, ebenfalls weggelassen wurden. Dafür konnten andere Aspekte, die sich in vorangegangenen Gesprächen als fruchtbar erwiesen hatten, gezielter und ausführlicher angesprochen werden, zum Beispiel die Frage, ob im Anschluss an negative Leistung Interviews schwieriger sind und überlegter geführt werden müssen, als nach einer guten Leistung. Jedes Gespräch entwickelte seine eigene Dynamik, was den Prozess- oder zirkulären Charakter der vorliegenden Studie verdeutlicht: „…this circularity is one of the strength of the approach, because it forces the researcher to permanently reflect on the whole research process and on particular steps in the light of other steps […]” (U. Flick 2005: 43). In den Interviews wurde versucht, eine angenehme Atmosphäre zu schaffen. Die Befragten durften sich nicht ausgehorcht fühlen. Ihnen musste das Gefühl vermittelt werden, dass sie sich darauf verlassen können, dass die Informationen ausschließlich für wissenschaftliche Zwecke bestimmt sind. Das Gespräch sollte sich von einem Medieninterview deutlich unterscheiden.
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Zum Forschungsprojekt
4.4 Auswertungsstrategie Besonders bei einer qualitativen Untersuchung ist es entscheidend, das Verfahren zur Auswertung der Daten eindeutig zu definieren und transparent zu machen. Nur ein methodisch exaktes Vorgehen kann einen tatsächlichen Erkenntnisgewinn sichern und zugleich die intersubjektive Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse gewährleisten (S. Aufenanger 1995: 31 und M. Meuser und U. Nagel 1991: 453). In der qualitativen Sozialforschung gibt es jedoch ebenso wenig einen vereinheitlichten Weg der Datenauswertung wie der Datenerhebung. Untersuchungsgegenstand und Methode bestimmen die Auswertungsstrategie (A. Witzel 1996: 49). Die vorliegende Arbeit integriert unterschiedliche Auswertungsansätze, vorwiegend orientiert sie sich jedoch an den Vorschlägen WITZELS sowie MEUSERS und NAGELS, da die Interviews der vorliegenden Studie Elemente der von ihnen behandelten Interviewformen aufweisen.29 Zu unterscheiden ist zwischen der Vorbereitung der Auswertung und der Analyse der Daten. Vorbereitung Transkription. Grundlage der Analyse waren vor allem die transkribierten Interviews. Auf eine vorzeitige Reduktion des Datenmaterials durch Ausklammern möglicherweise irrelevanter Gesprächsabschnitte wurde verzichtet: Eine relativ strenge Orientierung am Leitfaden sowie das Interesse an Betriebswissen sollten dazu führen, dass der Großteil der erhobenen Daten von Bedeutung für das Forschungsinteresse ist. Da im Mittelpunkt der Untersuchung vor allem thematischinhaltliche Äußerungen stehen, wurden die Aussagen in normales Schriftdeutsch übertragen und Fehler im Satzbau und Dialekt nicht berücksichtigt. Nur in Ausnahmefällen, zum Beispiel bei besonders langen Überlegungspausen oder lautem Lachen, wurden in Klammern Kommentare hinzugefügt (P. Mayring 2002: 8992 und M. Meuser und U. Nagel 1991: 455).
29
Siehe dazu Kapitel 4.2.2 dieser Arbeit.
Auswertungsstrategie
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Postskripte und Athletenportraits. Zusätzlich zu den Transkriptionen flossen sowohl kurze Beschreibungen der Interviewsituationen, so genannte Postskripte, die direkt im Anschluss an die Gespräche formuliert wurden, als auch biographische Daten der Befragten in die Auswertung mit ein (A. Witzel 2000: Absatz 10). Details über Lebensweg und Karriere waren unmittelbar von Relevanz für die Interviewgestaltung und konnten, da es sich bei den Befragten durchweg um prominente Persönlichkeiten handelt, bereits im Vorfeld der Gespräche anhand einer ausgiebigen Internetrecherche zusammengestellt werden. Analyse Kommentierung der Transkriptionen. WITZEL betont den engen Zusammenhang zwischen Erhebungs- und Auswertungsphase und schlägt im nächsten Schritt eine „Markierung des Textes mit Stichworten aus dem Leitfaden“ (A. Witzel 2000: Absatz 20). vor. So wurde jedes transkribierte Interview nach Sequenzen durchsucht, in denen für die Studie relevante Themen angesprochen wurden. Am linken Rand des Transkripts wurde unabhängig von der Zuordnung der vorangegangenen Frage vermerkt, welchem Themenbereich beziehungsweise thematischen Aspekt des Leitfadens sich die Aussagen zuordnen lassen – ob also zum Beispiel Einflüsse auf die sportliche Leistung und hier auf die Motivation, den Wettkampfablauf oder die Trainingsgestaltung erwähnt werden. Um dem Prinzip der Offenheit gerecht zu werden, mussten zudem Schwerpunkte, die der Interviewte selbst im Gespräch setzt, kenntlich gemacht werden. Diese Schwerpunkte glichen nicht notwendigerweise Themen und Kategorien, die auch im Leitfaden Eingang fanden. In der Spalte am rechten Rand des Transkripts war Raum für eine Zuweisung der angesprochenen Themen zu den drei Phasen reziproker Effekte (A. Witzel 1996: 58-60). Bei dieser Kommentierung ging es allein um die formale Zuordnung von Aussagen.
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Zentrale Effekte. Anschließend wurden diese thematischen Einheiten, noch immer für jedes Interview einzeln, unter einer Gesamtüberschrift zu zentralen Effekten zusammengefasst und damit zu einer prägnanten Aussage verdichtet. Die Kommentierung am linken Rand des transkribierten Interviews war hilfreich, um verschiedene beobachtete Reaktionen denselben zentralen Effekten zuzuordnen. So konnte sowohl eine theoriegeleitete als auch eine induktive Themenbildung erfolgen.30 Entscheidend für den gesamten Auswertungsschritt war eine permanente Validierung der von Witzel auch Deutungshypothesen genannten zentralen Effekte am Text. „Eine Deutungshypothese wird dann beibehalten, wenn sie ‚empirisch gesättigt’ ist, d.h., wenn keine weitere Gegenevidenz im Datenmaterial gefunden werden kann“ (A. Witzel 1996: 66) Die Entwicklung der zentralen Effekte gleicht einer Spiralbewegung: Das Vorverständnis und Gegenstandsverständnis beeinflussen sich gegenseitig. Einflussfaktoren. Da nicht nur von Interesse ist, welche Effekte auftreten, sondern auch, durch welche Faktoren sie bedingt sind, wurden im nächsten Schritt den einzelnen zentralen Effekten die Einflussgrößen zugeordnet, die ausschlaggebend sind für Art und Intensität der Wirkungen. Postskripte und Athletenportraits dienten besonders in diesem Arbeitsschritt zur Explikation einzelner fraglicher Textpassagen, denn sie konnten Aufschluss über wesentliche Persönlichkeitsmerkmale der Befragten geben. Fallvergleich. Des Weiteren stand dann nicht mehr der Einzelfall im Mittelpunkt der Betrachtung, sondern es wurde nach personenübergreifenden zentralen Effekten gesucht. Die Suche nach Gemeinsamkeiten konnte zugleich zur Entdeckung von Unterschieden und Widersprüchen führen. Gleiche oder ähnliche Wirkungen wurden durch gemeinsame Überschriften vereinheitlicht. Die Liste der Einflussfaktoren wurde bestätigt oder durch neue Aspekte erweitert.
30
Siehe dazu Mayrings Ausführungen zur qualitativen Inhaltsanalyse (Mayring 2002:114-115).
Auswertungsstrategie
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Kategorisierung. Anschließend wurden die zentralen Effekte verschiedenen Oberthemen, auch Kategorien zu nennen, zugewiesen.31 Es war zu prüfen, ob die induktiv und deduktiv aus dem Datenmaterial herausgefilterten zentralen Effekte den im Vorfeld formulierten Kategorien untergeordnet werden konnten, ob diese neu geordnet oder durch zusätzliche Kategorien erweitert werden mussten. Die Kategorisierung diente als „expliziter Ersatz für ‚Verallgemeinerung’ […], welche ein zentrales Gütekriterium qualitativer Forschung ist“ (T. Brüsemeister 2000: 35). Wichtig war dabei, dass alle beobachteten zentralen Effekte berücksichtigt werden, und nicht nur die, die bei vielen oder allen Befragten auftauchten. LAMNEK begründet dies folgendermaßen: „Ziel der Typisierung ist die Identifikation eines Sets von sozialen Handlungsmustern in einem Feld. Dies geschieht erstens mit der Einschränkung eines Verzichts auf die Quantifizierung der Muster (wieviele Personen sich gemäß einem Muster verhalten, ist nicht von Belang) und zweitens eingedenk der Tatsache, daß ein Muster ein wissenschaftliches Konstrukt ist, das in der empirischen Wirklichkeit nicht immer in allen Einzelheiten den Handlungsfiguren entspricht.“ (S. Lamnek 1995 Bd. 2: 204). Zusammenfassung und Erstellung der Wirkungsmodelle. Alle beobachteten Formen der Wirkungen – gegliedert in thematische Aspekte und Oberthemen – wurden den verschiedenen Phasen reziproker Effekte zugeordnet, wobei die Kommentierungen am rechten Rand der Transkriptionen zu Hilfe genommen werden konnten. Zum Schluss wurden die Erkenntnisse zu reaktiven, interaktiven und pro-aktiven Effekten im Rahmen der Beantwortung der jeweiligen Forschungsfragen kurz zusammengefasst. Zusätzlich wurden Modelle erarbeitet, die graphisch die relevanten Einflussfaktoren in den einzelnen Phasen darstellen. Diese Modelle sind angelehnt an das in Kapitel 2.2.4 vorgestellte allgemeine Wirkungsmodell und integrieren somit die bereits bestehenden und die durch diese Studie neu gewonnenen Erkenntnisse.
31 Bei Witzel heißt diese Phase der Auswertung Typologisierung, da die Fragestellung in seinem Fallbeispiel eher biographieorientiert ist (Witzel 1996: 65+71). In der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine themenorientierte Fragestellung, sodass anstelle einer Typologisierung eine Kategorisierung erfolgt.
5 Ergebnisse
Im Folgenden werden die Ergebnisse der Interviews präsentiert. Der Auswertungsteil beginnt mit einer kurzen Vorstellung der Befragten sowie einer Zusammenstellung der Erkenntnisse aus den Reaktionen auf die Interviewanfragen. Anschließend folgt ein Abschnitt, in dem die Mediennutzung der Sportler allgemein sowie ihr Interesse an Berichterstattung, die sie selbst betrifft, dargestellt werden. Der Hauptteil der Auswertung ist entsprechend der im vorangegangenen Kapitel vorgestellten Vorgehensweise in drei Phasen eingeteilt. Alle beobachteten reaktiven, interaktiven und pro-aktiven Effekte werden thematisch gegliedert und zusammen mit den Faktoren vorgestellt, die Einfluss auf Art und Intensität ihres Auftretens haben. Am Ende der drei Abschnitte werden die Erkenntnisse zusammengefasst und schematisch dargestellt. Auch hier muss wieder betont werden, dass die Zuordnung allein formaler Natur ist. In der Auswertungsphase wurde deutlich, wie eng und fast schon untrennbar Reaktionen, Interaktionen und Pro-Aktionen miteinander verbunden sind. Einige Phänomene werden deswegen in mehreren Phasen angesprochen.
5.1 Befragte Insgesamt wurden schließlich elf Sportler und Trainer – drei weibliche, acht männliche – aus acht verschiedenen Sportarten interviewt: Fußball, Handball, Basketball, Leichtathletik, Schwimmen, Tennis, Radrennsport und Eisschnell-
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Ergebnisse
lauf.32 Vier von ihnen waren zum Zeitpunkt der Befragung noch sportlich aktiv, zwei weitere als Trainer (Klopp) beziehungsweise Sportlicher Leiter (Bölts) beschäftigt. Fünf der Befragten haben ihre sportliche Karriere mittlerweile beendet, wobei einer (Steeb) zwischenzeitlich auch eine Position als Team-Kapitän innehatte. Das Alter der Gesprächspartner reichte von 49 Jahren (Meyfarth33) bis 26 Jahren (Künzer). Dementsprechend waren die Sportler auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. In Tabelle 1 sind die Interviewten mit ihren Erfolgen und einer kurzen Skizzierung ihres Verhältnisses zu den Medien aufgelistet. Wie bereits in Kapitel 4.3.1 beschrieben, wurden 64 Anfragen an Deutschlands erfolgreichste Sportler und Trainer der letzten 40 Jahre versendet. Aus der geringen Anzahl an Zusagen kann man mehrere Erkenntnisse ziehen: Sowohl Training und Wettkämpfe als auch die Tätigkeiten, die nach der sportlichen Karriere ausgeübt werden, beanspruchen einen Großteil der Zeit der aktuellen und ehemaligen Spitzensportler. Aus diesem Grund können sie nicht allen Anfragen gerecht werden, die an sie gerichtet werden: Sie müssen selektieren und weisen Anfragen unterschiedliche Prioritäten zu.34 Für die Unterstützung wissenschaftlicher Arbeiten scheint den meisten Sportlern entweder die Zeit oder das Interesse zu fehlen. Hinsichtlich der vorliegenden Studie kann festgehalten werden, dass fast alle Sportler, die sich zu einem Interview bereit erklärt haben, auch sonst versuchen, möglichst vielen Interview- und sonstigen Anfragen gerecht zu werden. Eine Ausnahme bildet Groß, der sowohl während als auch nach seiner sportlichen Karriere relativ wenige Interviewtermine wahrnahm. Bei ihm ist die Zusage zur Mithilfe auf persönliches Interesse an dem Thema zurückzuführen, was auch in der Bitte um Zusendung der vollständigen Arbeit deutlich wurde. 32
Die Phase der Datenerhebung erstreckte sich über einen Zeitraum von einem halben Jahr: Das erste Interview fand am 29.12.2005 statt (Michael Groß), das letzte Interview am 24.05.2006 (Marco Rose). 33 Die Hochspringerin Ulrike Meyfarth nahm nach ihrer Hochzeit mit dem Rechtsanwalt Roland Nasse 1987 den Nachnamen ihres Mannes an. Als Sportlerin ist sie jedoch unter ihrem Mädchennamen bekannt, weswegen dieser Name auch im Folgenden verwendet wird. 34 In Kapitel 5.5.2 wird ausführlich darauf eingegangen, wie die Befragten dieser Studie mit Medienanfragen umgehen.
Befragte
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Tabelle 1: Befragte Name Udo Bölts, Radsport
Frank Busemann, Leichtathletik
Michael Groß, Schwimmen Jürgen Klopp, Fußball Nia Künzer, Fußball
Ulrike Nasse-Meyfarth, Leichtathletik Gunda NiemannStirnemann, Eisschnelllauf Pascal Roller, Basketball Marco Rose, Fußball
Größte Erfolge 3x DM-Sieg im Straßenrennen; 12x in Folge Teilnahme bei der Tour de France; Helfer bei Jan Ullrichs Tour-Sieg Junioren-Weltmeister über die Hürden; Olympia-Silber im Zehnkampf, WM-Bronze im Zehnkampf 3x Olympia-Gold; 15 Weltrekorde; 4x Sportler des Jahres; 2x Weltschwimmer Aufstieg in die 1. Bundesliga mit Mainz 05 Weltmeisterin 2003 (schoss Golden Goal); 3x Deutsche Meisterin, 4x Pokalsiegerin mit dem FFC Frankfurt 2x Hochsprung-Olympia-Gold im Abstand von 12 Jahren; 5x Deutsche Meisterin; Weltrekordhalterin 3 Gold-, 4 Silber-, 1 BronzeMedaille bei Olympischen Spielen; 19x WM-Gold WM-Bronze; EM-Silber; Deutsche Meisterschaft mit den Frankfurt Skyliners Aufstiege in die 1. Bundesliga mit Hannover 96 (2002) und Mainz 05 (2004)
Carl-Uwe Steeb, Tennis
3 Titel bei ATP-Turnieren; 2facher Sieger des Davis Cups
Daniel Stephan, Handball
Olympia-Silber, EM-Gold, Silber und –Bronze; Deutscher Meister und Europokal-Sieger; erster deutscher Welthandballer
Medienpräsenz vor allem als Helfer von Jan Ullrich im Medieninteresse; bekannt für Kampfgeist; im Gespräch zurückhaltend beliebter, offener und emotionaler Gesprächspartner; kaum schlechte Presse; „Strahlemann“-Image galt als schwierig, arrogant, kritisch; überzeugte aber immer durch Leistung Liebling der Medien; für Aufstieg sehr gelobt; sehr emotional und impulsiv Golden Goal machte sie berühmt; „hübsches Gesicht“ des Frauenfußballs als 16-Jährige plötzlich berühmt; Prominenz eher belastend; Privatleben stand sehr in der Öffentlichkeit eine der erfolgreichsten deutschen Sportlerinnen; gute Zusammenarbeit mit Medien beliebter Gesprächspartner; überregional bekannt durch Nationalmannschaftserfolge wenig überregional präsent; angenehmer Gesprächspartner; in Mannschaft keine herausragende Position stand meist im Schatten von Boris Becker; „Held von Göteborg“ bei Davis CupSieg; im Gespräch ruhig und sachlich ruhiger Gegenpol zum exzentrischen Stefan Kretzschmar; äußert auch kritische Meinung;
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Ergebnisse
Auch Bölts gab an, bei Anfragen stark zu selektieren. Während des Interviews zeigten sich sowohl sein Wille zur Unterstützung der Studie einerseits als auch seine Abneigung gegenüber Verpflichtungen, die ihn in seinem Arbeitsalltag stören, andererseits. Die Mehrzahl der Befragten gab an, fast nur positive Erfahrungen mit Medien und Journalisten gemacht zu haben, berichtete von guten persönlichen Beziehungen zu Medienvertretern und nannte überwiegend zeitliche Gründe dafür, dass nicht alle Interviewanfragen wahrgenommen werden können. Diese grundsätzlich positive Einstellung gegenüber den Medien ist vermutlich sowohl Ursache als auch Folge einer Wertschätzung der Sportjournalisten und einer positiven medialen Darstellung der Sportler. Im Gegensatz dazu haben alle der angeschriebenen Sportler, die auch durch negative Berichterstattung bekannt wurden, ein Interview abgelehnt oder sich gar nicht auf die Anfrage gemeldet: Grit Breuer oder Dieter Baumann zum Beispiel gerieten wegen Dopingmissbrauchs in die Schlagzeilen, Stefan Effenberg oder Mario Basler mussten sich nach provokanten Äußerungen und Gesten ebenfalls mit kritischer Berichterstattung auseinander setzen, von Franziska van Almsick wurde, so scheint es, jedes Detail des Privatlebens ausgeleuchtet. Es ist bedauerlich, dass keiner dieser Sportler sich zu einem Interview bereit erklärte – schließlich war im Vorfeld der Studie zu erwarten, dass besonders negative oder das Privatleben thematisierende Berichte einen hohen Einfluss auf die Sportler ausüben. So ist anzunehmen, dass die Ergebnisse der Studie Medieneinflüsse auf Spitzensportler nicht in ihrer größtmöglichen Intensität widerspiegeln: Es stellte sich als großes Problem heraus, so genannte Superstars des Sports für die Studie zu gewinnen. Von den Befragten können hinsichtlich ihrer Erfolge und ihrer Medienpräsenz nur Meyfarth und Groß und mit Abstrichen Klopp als ehemalige oder aktuelle Sportstars bezeichnet werden. Die Medienerfahrungen der Erstgenannten liegen jedoch schon mehrere Jahre zurück und stammen vorwiegend sogar noch aus der Zeit vor der Einführung des dualen Rundfunksystems. Keiner der Befragten ist durch Skandale in das öffentliche Interesse gerückt. Die vorliegende Untersuchung hätte gerade diesen Personen die Möglichkeit geboten, ihre Sicht der Dinge darzustellen. Dass sie die Möglichkeit nicht genutzt haben, bes-
Befragte
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tätigt die Auffassung von Groß, dass jeder Sportler überwiegend selbst für die Berichterstattung über seine Person verantwortlich ist. Dementsprechend gilt auch: „Wenn viele unabhängig voneinander schreiben, dass man gewisse Eigenschaften hat und Sachen macht oder nicht macht, dann muss man auch mal hinterfragen, ob da vielleicht was dran ist.“ (P. Roller)
Im direkten Umgang mit den befragten Sportlern deckte sich mein persönlicher Eindruck zu großen Teilen mit dem medial vermittelten Bild der Sportler, das ich während meiner Recherchen im Vorfeld wahrgenommen hatte.
5.2 Mediennutzung In Kapitel 2 wurde die Mediennutzung formal als intervenierende Variable bezeichnet. Sie soll auch hier gesondert von den drei Phasen reziproker Effekte behandelt werden. Tatsächlich ist jedoch bereits die Zuwendung zu bestimmten Medien und Medieninhalten geprägt von bisherigen Erfahrungen der Sportler mit Medienberichterstattung. Aus diesem Grund werden die Ausführungen in diesem Abschnitt möglichst kurz gehalten und beziehen sich allein auf die allgemeine Mediennutzung sowie die Nutzung von Medieninhalten, die die eigene Person thematisieren.
5.2.1 Mediennutzungsverhalten allgemein Die Befragten unterscheiden sich deutlich hinsichtlich der Anzahl der genutzten Medien und der Intensität, mit der Medienberichterstattung allgemein verfolgt wird. Klopp gab an, zur Information „eigentlich alles“ an Medien zu nutzen, was sich ihm bietet, von zwei Tageszeitungen über Fernsehsendungen bis hin zum Internet. Einziges Medium, das er dabei explizit ausklammert, ist die BildZeitung, die seiner Meinung nach Sachverhalte nicht objektiv, sondern zu extrem
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negativ oder positiv darstellt. Die Nutzungsgewohnheiten anderer Befragter sind ähnlich: Die Tagszeitung dient als Grundinformationsmittel, zusätzlich wird die Berichterstattung im Fernsehen verfolgt, und wer spezifische Informationen sucht, nutzt das Internet (Stephan und Roller). Zwei Sportler berichten von Versuchen, sich ganz von Medienberichterstattung abzuschotten: Rose erwähnte, insgesamt so wenig wie möglich Zeitung zu lesen, Niemann-Stirnemann räumte ein, es sei ihr nicht gelungen, vor wichtigen Wettkämpfen der Zeitungsberichterstattung ganz auszuweichen. Bei beiden wirkte sich die Befürchtung, auf Inhalte zu stoßen, die sie persönlich betreffen und irritieren könnten, auf ihre allgemeine Mediennutzung aus. Auch bei Bölts hatte die Erfahrung mit Berichterstattung über seine eigene Person eine veränderte Mediennutzung zur Folge. 1999 hatte er zusammen mit seinem Team Telekom den Spiegel gerichtlich dazu gezwungen, eine Gegendarstellung zu einem Artikel mit Dopingvorwüfen zu veröffentlichen. „Ja, ich habe seitdem eine andere Einstellung. Ich lese Berichte sehr viel genauer und ich achte auch darauf, ob es Gegendarstellungen gibt. Ich lese seitdem auch häufig die Leserbriefe in den Medien, in denen ich mich informiere. Und ich versuche, wenn ich mir nicht ganz sicher bin, mir noch eine Meinung über ein anderes Medium zu holen.“ (U. Bölts)
Insgesamt ist festzustellen, dass die Interviewten die Medien vorwiegend für sportspezifische Informationen nutzen. Dabei suchen die meisten gezielt nach Neuigkeiten, die ihre eigene Sportart betreffen. Besonders Klopp betonte, wie wichtig es für ihn als Trainer sei, genau bescheid zu wissen über die Stimmung in seiner eigenen Mannschaft und im gegnerischen Team.35 Roller besucht für aktuelle Basketball-Nachrichten sowohl deutsche als auch ausländische SportHomepages.
35
Siehe dazu ausführlicher Kapitel 5.3.4.1.
Mediennutzung
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5.2.2 Interesse an Berichterstattung über die eigene Person Das Interesse an Medieninhalten, die den Sportler selbst in seiner Leistung oder Persönlichkeit thematisieren, variiert von „sehr stark“ bis „wenig“. Keiner der Befragten gab an, sich im Verlaufe seiner Karriere überhaupt nicht für Berichterstattung über seine eigene Person interessiert zu haben. Die meisten Sportler wollen ziemlich genau wissen, was über sie veröffentlicht wird (sieben Befragte äußerten mindestens starkes Interesse). Nur Groß und Künzer verfolgten die Berichterstattung über sich selbst wenig. Alle Befragten gaben an, dass sich ihr Nutzungsverhalten, was Medieninhalte über die eigene Person betrifft, im Laufe ihrer Karriere verändert hat. Bei einigen schwankte das grundsätzliche Interesse: „Am Anfang gar nicht, dann sehr stark. Also, das war sehr, sehr stark, dass mich das interessierte. Auch selber: ‘Welchen Prozess durchlaufe ich da?’ […] Und zum Schluss war es so, dass ich schon starkes Interesse hatte, es aber nicht mehr so nah an mich herankommen lassen habe.“ (G. Niemann-Stirnemann)
Bei allen Sportlern veränderte sich unabhängig vom Interesse an der Berichterstattung der Stellenwert, den sie der Medienmeinung zuwiesen. Am Anfang der Karriere spielt für die Sportler die Bewertung der sportlichen Leistung oder der Persönlichkeit noch eine vergleichsweise große Rolle. Die folgenden Ausführungen werden zeigen, dass die Medien gerade in dieser Phase ihr größtes Einflusspotenzial haben. Nicht zuletzt deswegen bereuen Steeb und Meyfarth rückblickend wohl auch die intensive Verfolgung der Berichterstattung: „Ja ja, man liest dann eigentlich viel zu viel. Vielleicht sollte man das alles gar nicht gelesen haben, aber irgendwie kann man sich davon nicht so distanzieren“ (Meyfarth). Tabelle 2 fasst die Antworten der Interviewten zusammen. Aufgelistet ist die Antwort, die auf die jeweiligen Sportler für die meiste Zeit ihrer Karriere zutrifft.
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Tabelle 2: Interesse an Berichterstattung über die eigene Person Antwort Befragte
sehr stark stark mittelmäßig wenig Busemann Stephan Bölts Groß Klopp (Trainer) Roller Rose Künzer Meyfarth Klopp (Spieler) Niemann-Stirnemann Steeb Antworten auf die Frage: „Wie stark interessieren Sie sich für Berichterstattung über Ihre eigene Person?“ – Antwortvorgaben: sehr stark, stark, mittelmäßig, wenig, überhaupt nicht. Neben dem Zeitpunkt der Karriere sind auch die sportliche Leistung und die Art der Berichterstattung Faktoren für die Intensität des Interesses an Berichterstattung. Während seiner Laufbahn als Spieler hatte Klopp die Berichterstattung über ihn als zu 70 Prozent negativ wahrgenommen und dies als eine Phase beschrieben, „in der man wenig drüber liest.“ Ein großer sportlicher Erfolg und im Zuge dessen ein erhöhtes Medieninteresse sowie positive Berichterstattung können die Aufmerksamkeit immens steigern: „Und dann kam die Phase als Trainer, direkt am Anfang, es lief ja von Anfang an sehr gut, und das war eine Zeit – eigentlich neige ich dazu nicht, aber damals war es definitiv so –, da bin ich gleich morgens an den Computer und habe erstmal geguckt, was die Zeitungen schreiben. Das war eine Lobhudelei und eine Beweihräucherung in der Anfangsphase, da habe ich richtig gemerkt, das tut brutal gut. Glücklicherweise konnte ich mich davon wieder lösen.” (J. Klopp)36 Nur eine Befragte, Künzer, gab an, dass sie vor allem wissen will, wenn etwas Negatives über sie berichtet wurde: „Wenn mich irgendjemand darauf ansprechen würde, muss ich ja wissen, worum es geht.“ Bölts bemerkte außerdem, dass für ihn bei der Selektion von Medienberichten Medium und Autor eine Rolle spielen. Er bevorzugt tiefgründige Berichterstattung und scheint aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen zu wissen, von welchen Journalisten und Medien er diese erwarten kann. Der ehemalige Radrennfahrer erwähnte wiederholt lobend 36
Niemann-Stirnemann berichtete von ähnlichen Erlebnissen.
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die Fachjournalisten. Nicht zuletzt hat auch die Funktion des Befragten Einfluss auf die Art der Mediennutzung. Sowohl Klopp als auch Steeb betonten, dass sie in ihren Rollen als Fußball-Trainer und Kapitän des Davis Cup-Teams ein ganz anderes Interesse an Medienberichterstattung haben beziehungsweise hatten, als in ihrer Rolle als Sportler. Inhalte über die eigene Person rücken in den Hintergrund, entscheidend sind Informationen über die Mannschaft. Die Selektion nimmt ab, alle Informationen sind relevant, werden aber unter rein professionellen Aspekten bewertet: „Zeitung ist mir deshalb wichtig, weil ich wissen muss, was die Jungs sagen. Es geht einfach darum, was für Stimmungen es gibt. Ich habe 25 Spieler und kann nicht jeden Tag mit jedem Einzelgespräche führen. Und wenn dann mal eine Aussage kommt, die ich vielleicht auch repräsentativ werte, dann ist es natürlich wichtig, da Einfluss nehmen zu können. […] Deswegen informiere ich mich. Aber ganz anders, als das früher der Fall war. Also, ob heute positiv geschrieben wird oder negativ, ist mir nicht mehr wichtig, weil ich weiß, dass ich vorbereitet bin.“ (J. Klopp)
Entsprechend dem grundsätzlichen Interesse an Berichterstattung über ihre eigene Person suchen einige Sportler gezielt nach Informationen, andere stoßen mehr oder weniger zufällig auf Medieninhalte und wieder andere versuchen, Medienberichte ganz zu ignorieren. Roller nutzt zum Beispiel die Möglichkeit, sich digital alle Artikel zusenden zu lassen, die im Umkreis von Frankfurt über seinen Verein veröffentlicht wurden. Stephan hat anfangs alle Sendungen aufgenommen, in denen er zu Gast war. Außerdem hat er Artikel gesammelt und auf seiner Homepage veröffentlicht. Und wenn die Sportler selbst keine Artikel und Sendungsmitschnitte archiviert haben, dann taten dies in jedem Fall Eltern, Freunde, Fans oder Vereinsverantwortliche. Allein die Artikel aus Klopps aktiver Zeit als Spieler füllen „die komplette untere Hälfte des Wohnzimmerschranks“ seiner Eltern. Steeb erhielt nach seiner Karriere von einem Fan 25 Ordner mit Zeitungsberichten. Diese Beispiele verdeutlichen, dass die Intensität, mit der die Befragten in Kontakt mit Medieninhalten kommen, die sie betreffen, relativ unabhängig von dem eigentlichen Interesse an dieser Berichterstattung betrachtet werden muss. Lediglich Groß gab an, nie in den Artikeln geblättert zu haben, die seine Familie für ihn gesammelt hat. Künzer
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dagegen, die sich grundsätzlich ebenfalls wenig interessiert, bemerkte, dass man der Berichterstattung eigentlich nicht ausweichen kann. Niemann-Stirnemann gab an, sofort gespürt zu haben, wenn sie irgendwo zu sehen oder irgendwo etwas über sie zu lesen war: „Ich habe sofort von den Menschen das Feedback bekommen“ und: „Du wirst immer damit konfrontiert.“ Rose berichtete davon, dass Berichterstattung auch in Gesprächen unter den Spielern ein Thema ist: „Du musst nur mal bei uns in der Kabine gucken. Da hängen auch Zeitungsartikel, die irgendwie witzig sind, an irgendwelchen Kabinen und Spinden. Ja, das spielt schon eine Rolle.“ (M. Rose)
Zusammenfassend lässt sich Folgendes festhalten: Das Interesse an Berichterstattung über die eigene Person ist bei den Befragten unterschiedlich stark ausgeprägt und abhängig von den Faktoren Zeitpunkt der Karriere, eigene sportliche Leistung, Tendenz der Berichterstattung, Medium und Journalist des Berichts sowie Funktion im Sport. Das Mediennutzungsverhalten entspricht dem Interesse: je mehr ein Sportler an Berichten interessiert ist, die ihn selbst thematisieren, umso mehr sucht er nach diesen Informationen. Unabhängig davon sind Sportler während ihrer gesamten Karriere häufig, wenn nicht ständig, mit Medienberichterstattung konfrontiert, da sie von ihrem Umfeld oft auf bestimmte Artikel oder Sendungen hingewiesen werden. Dies ist umso bemerkenswerter, als dass wie bereits erwähnt vermutlich geringe Dosen von Berichterstattung ausreichen, um Reaktionen bei den Protagonisten auszulösen.
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5.3 Reaktive Phase Der reaktiven Phase wurden während der Auswertung jegliche auf Medien und Medienberichterstattung zurückführbare Veränderungen von Meinungen, Vorstellungen, Einstellungen, Verhalten und Emotionen der befragten Sportler zugeordnet. Diese Reaktionen sind gegliedert in vier Kategorien. Die ersten beiden fassen alle Aussagen zusammen, die Einstellungen von Sportlern zu Medien allgemein und Journalisten im Speziellen beinhalten. Die letzten zwei Kategorien gliedern die Einflüsse anhand des Lebensbereichs der Sportler, den sie betreffen: das Private und das Sportliche.
5.3.1 Einstellung zu Medien Im Folgenden soll Aufschluss darüber gegeben werden, wie die befragten Sportler das mediale Interesse, die Medienberichterstattung und die Medienmacht im Bereich Sport wahrnehmen und bewerten. Da alle Befragten mehrere Jahre aktiv im Leistungssport tätig sind oder waren, muss davon ausgegangen werden, dass ihre Einstellungen geprägt sind durch Erfahrungen im Umgang mit Medien und Medienberichterstattung. Diese These wurde in vielen Interviews bestätigt, sodass die Kategorie der reaktiven Phase zugeordnet werden kann.
5.3.1.1 Wahrnehmung des Medieninteresses Zu Beginn jedes Interviews wurde den Sportlern die Frage gestellt, wann sie zum ersten Mal bewusst wahrgenommen haben, wie sehr sich die Medien für sie interessieren.37 Die Antworten verdeutlichen, dass die Sportler sehr unterschiedliche und subjektive Maßstäbe bei der Bewertung gesteigerten Medieninteresses 37 Unter dem Begriff Medieninteresse werden im Folgenden sowohl das Ausmaß der Medienberichterstattung als auch die Höhe der Medienanfragen verstanden.
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anlegen. Einige nannten als einschneidenden Moment die exklusive Berichterstattung eines besonderen Mediums (Steeb: erstes Radio-Interview; Busemann: erste Titelseiten-Präsenz auf dem Fach-Magazin Leichtathletik). Für Roller, Rose und Stephan war der Wechsel von regionaler zu überregionaler Berichterstattung bemerkenswert. Insgesamt verbinden alle Befragten die Phasen des größten Medieninteresses mit den erfolgreichsten Phasen ihrer sportlichen Karriere. Groß und Meyfarth waren schon sehr früh mit starkem Medieninteresse konfrontiert, da sie bereits im Schüleralter Weltbestleistungen erzielten. Bei den meisten Befragten steigerte sich die Anzahl der Medienanfragen jedoch kontinuierlich und nahm dann stark zu, wenn sie einen besonderen Erfolg erzielten. Grundsätzlich hoch ist die Aufmerksamkeit der Medien außerdem bei sportlichen Großereignissen. Stephan berichtete, dass er gerade während der Olympischen Spiele zahlreiche Medientermine wahrgenommen hat. Künzer gab an, dass im Frauenfußball das DFB-Pokalfinale und Uefa Cup-Spiele vom Fernsehen live übertragen werden. Alle Sportler nehmen zudem eine gesteigerte Aufmerksamkeit wahr, wenn sie mit der Nationalmannschaft ihrer jeweiligen Sportart Wettkämpfe bestreiten. Dass das Medieninteresse schnell abnehmen kann, wenn die Leistung ausbleibt, bekam besonders Meyfarth zu spüren. Nach dem frühen Scheitern bei den Olympischen Spielen in Montreal 1976 und der Leistungsstagnation schwand auch das öffentliche Interesse. Deshalb wusste sie: „[…] bei mir zählt die Leistung, und sobald ich meine Leistung bringe, bin ich für die Medien interessant.“ Auch Klopp gab an, dass er erst mit den Erfolgen als Trainer große Medienaufmerksamkeit gespürt habe. Diese sei jedoch durch die Tatsache, dass er direkt vom Spieler zum Trainer befördert wurde, noch verstärkt worden: “Die Geschichte war ja von Anfang an nicht uninteressant. Ein Spieler wird Trainer, steigt nicht ab, steigt fast auf. Aber da liegen schon anderthalb Jahre dazwischen. Es hat sich kontinuierlich entwickelt dahin, dass das Interesse an meiner Person immer ein bisschen größer wurde. […] Danach wurde es erst wieder etwas ruhiger. Dann haben wir uns langsam wieder rangehangelt, und schließlich steigen wir doch auf. Und in dem Augenblick war das die Geschichte schlechthin.” (J. Klopp)
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Andere Sportler haben ebenfalls das Gefühl, dass interessante Geschichten am Rande des sportlichen Geschehens die Aufmerksamkeit der Medien zusätzlich steigern. Künzer berichtete, dass nach dem WM-Titel außergewöhnlich viele Medienvertreter ein Spiel der Frauen-Nationalmannschaft gegen eine männliche Jugendmannschaft verfolgten. Außerdem seien die Medien interessiert an außergewöhnlichen Persönlichkeiten: „Das Normale reicht halt nicht, um die Aufmerksamkeit der Zuschauer und der Leser zu bekommen. Und dann muss man sich irgendwie Personen mit besonderen Geschichten raussuchen“ (Künzer). Bei dem Radfahrer Bölts verhielt es sich sogar so, dass das Medieninteresse an seiner Person nicht zuvorderst durch seine eigene Leistung gesteigert wurde, sondern durch den Tour de France-Sieg von Jan Ullrich. Von der allgemein größeren Medienaufmerksamkeit im Radsport waren so also auch Rennfahrer betroffen, deren Leistung sich gar nicht verändert hatte. Genau umgekehrt verhält es sich in den Augen Steebs im Tennis: Seit seiner aktiven Zeit habe das Medieninteresse an dieser Sportart extrem abgenommen. Grund dafür ist vermutlich das Karriereende der erfolgreichsten deutschen Tennisspieler Boris Becker und Steffi Graf und der Mangel an Spielern, die diese Lücke schließen können. Die befragten Sportler, die ihre aktive Laufbahn bereits beendet haben, nahmen das Medieninteresse nach ihrem Rücktritt unterschiedlich wahr. Zwar bestätigten viele, dass die Phase des Rücktritts selbst noch einmal starke Medienberichterstattung hervor rief und das Medieninteresse anschließend abnahm (Bölts, Busemann und Stephan). Für Niemann-Stirnemann war mit dem Abschied vom Leistungssport jedoch gleichzeitig ein kompletter Abschied aus dem Leben in der Öffentlichkeit verbunden, das Medieninteresse ließ bei ihr „auf einen Schlag“ nach. Bölts dagegen berichtete, dass er aufgrund seiner jetzigen Tätigkeiten (Buchveröffentlichung, Radsportexperte bei der ARD, sportlicher Leiter des Teams Gerolsteiner) noch immer viele Medienanfragen erhält. Busemann betrachtet seine Beschäftigung beim ARD-Morgenmagazin als Mittel und Grund dafür, auch nach seiner Karriere noch öffentlich präsent zu sein und im Gespräch zu bleiben. Entscheidend für die Aufrechterhaltung eines kontinuierlichen medialen Interesses ist also die Art der Tätigkeit nach der Karriere als Ak-
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tiver, wie Bölts prägnant zusammenfasst: „Wenn ich mich in den Keller setze und Autoreifen verkaufe, dann wird das Medieninteresse irgendwann abnehmen.“ Groß und Meyfarth waren die einzigen Befragten, bei denen die sportliche Laufbahn schon über zehn Jahre zurück liegt und die mittlerweile einen Beruf abseits des öffentlichen Interesses gewählt haben Beide erhalten heute noch Medienanfragen, wenn auch weitaus seltener als zu ihrer aktiven Zeit. Sie nehmen diese Anfragen als anlassbezogen wahr: „Wenn man im Sport im Rampenlicht steht, dann hat man natürlich ein gewisses Interesse der Öffentlichkeit, mit dem man umzugehen hat. Wenn diese Zeit vorbei ist, sinkt automatisch dieses Interesse und reduziert sich auf die anlassbezogenen Dinge. Wie zum Beispiel im letzten Jahr, 20 Jahre Olympische Spiele in Los Angeles im Kontext mit Athen. Und dieses Jahr kam jemand aus Bulgarien und sagte – was ich nicht mal wusste –, dass 1985 in Sofia die Europameisterschaften waren, 20 Jahre Europameisterschaften in Sofia. Das interessiert hier keinen Menschen, aber offensichtlich in Sofia.” (M. Groß)
Meyfarth hat 2006 viele Interviews zu den Olympischen Spielen 1972 in München gegeben: „Jetzt dieses Jahr ist komischerweise das Attentat ein Thema, weil der Spielberg da so ein Filmchen gedreht hat […].“ Alle Befragten nehmen das Medieninteresse also zunächst als leistungsbezogen und als mit der Bedeutung des Wettbewerbs steigend wahr. Weitere Faktoren, die als entscheidend für die Medienaufmerksamkeit genannt wurden, sind außergewöhnliche Persönlichkeiten, Geschichten oder Ereignisse. Außerdem ist für das Interesse an den einzelnen Sportlern die Höhe des Interesses an der Sportart insgesamt von Bedeutung. Dabei spielt eine Rolle, ob in der Sportart nationale Idole aktiv sind. Nach der sportlichen Karriere kann eine Tätigkeit in der Öffentlichkeit die Aufmerksamkeit der Medien aufrechterhalten. Unabhängig davon steigt das Medieninteresse auch nach dem Rücktritt dann an, wenn die Sportler mit besonderen Anlässen assoziiert werden. Diese Einschätzung der Befragten deckt sich fast komplett mit den Inhalten von Sportberichterstattung, die in Kapitel 3.2.2 vorgestellt wurden.
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5.3.1.2 Bewertung von Sportberichterstattung Der folgende Abschnitt beschäftigt sich mit der Frage, wie die Befragten die Berichterstattung über Sport im Allgemeinen und über ihre eigene Person bewerten. Zunächst kann festgehalten werden, dass alle Interviewpartner grundsätzlich eine positive Einstellung gegenüber dem Sportjournalismus haben. Busemann gab an, „unverschämtes Glück“ gehabt zu haben. Er kann sich nur an einen einzigen wirklich verletzenden Artikel erinnern. „[…] ansonsten bin ich immer sehr, sehr gut und fast zu fair behandelt worden.“ Auch die anderen Befragten bewerten die Berichterstattung über ihre eigene Person zum überwiegenden Teil positiv: „Es ist definitiv nicht so, dass die Medien einem immer was Schlechtes wollen. Wirklich nicht“ (Klopp). Sachliche Kritik trifft bei allen Gesprächspartnern auf Verständnis: „Also, es ist ja eine Kernfunktion des Journalisten, ein waches Auge zu haben und dann durchaus auch Kritik zu üben. Damit muss man umgehen können. Dass man beispielsweise einen fünften Platz bei Olympischen Spielen als Niederlage bezeichnet.“ (M. Groß)38
Roller empfindet die Berichterstattung der Medien über den Basketball als realitätsgetreu und lobte vor allem das Engagement des Senders Premiere. Bölts lobte die Arbeit der Fachmedien, Groß die sachliche Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung und der F.A.Z. Die meisten Befragten können nur drei bis vier konkrete Fälle nennen, in denen einzelne Berichte oder die Berichterstattung zu einem Thema für sie sehr belastend war.39 Trotz ihrer grundsätzlich positiven Einstellung gegenüber dem Sportjournalismus äußerten die Befragten jedoch auch Kritik an bestimmten Eigenschaften und Inhalten von Sportberichterstattung. Diese spiegelt häufig die persönlichen Erfahrungen der Athleten mit den Medien wider. Stephan empfindet es als ungerecht, wenn bei schlechter sportlicher Leistung gleichzeitig auch 38 Auch die Aussagen von Klopp, Stephan und Busemann lassen auf eine ähnliche Einstellung schließen. 39 Die Reaktionen auf diese Berichterstattung werden in den Kapiteln zu Einflüssen im Privatleben und im sportlichen Bereich thematisiert.
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die Persönlichkeit des Sportlers kritisiert wird (Stephan). Mehrere Sportler berichteten, dass ihre Interview-Aussagen wiederholt nicht korrekt wiedergegeben wurden: „Etwas aus dem Zusammenhang zu reißen ist fast schon eine Sportart“ (Klopp).40 Rose empfindet die Berichterstattung allgemein als zu polarisierend.“41 Klopp kritisierte dieses Phänomen ebenfalls, räumte jedoch ein, dass diese schwarz-weiß Berichterstattung vorwiegend in den Boulevardmedien zu finden sei. Auch Groß wies auf Gefahren hin, die die Art der Berichterstattung der Bild-Zeitung mit sich bringt: „Wird natürlich zugespitzt, und manchmal, bei so einer Gratwanderung der Zuspitzung, fällt man leider auch auf der anderen Seite runter.“ Außerdem bemängelte er den allgemeinen Trend zu Boulevardisierung, der auch in anderen Medien zu beobachten sei. Ein weiterer Kritikpunkt, den viele Befragte äußerten, ist die Arbeit der Medien mit Klischees: „…man wird da schnell in irgendwas reingepresst, in dem man sich selber gar nicht wieder findet. Das ist eben auch so bei uns der Journalismus“ (Bölts).42 Meyfarth bedauerte, dass Medien nicht immer genug Rücksicht auf das Alter und die Unerfahrenheit junger Sportler nehmen. Hinsichtlich der Thematisierung des Privatlebens lagen die Auffassungen der Sportler weit auseinander. Einige der Befragten befürworten eine Sportberichterstattung, in der neben der Leistung auch die Persönlichkeit der Sportler eine Rolle spielt. Dazu gehören Busemann, Niemann-Stirnemann und Meyfarth. Sie haben in den Medien auch bis zu einer gewissen Grenze selbst private Details preisgegeben. Bölts, Groß und Steeb lehnen dagegen jeglichen Einblick in die Privatsphäre ab: „Die Menschen haben so ein Mitteilungsbedürfnis. […] Ist doch viel schöner, wenn man auch ein paar Dinge nicht weiß“ (Bölts). Es lässt sich festhalten, dass die Befragten überwiegend positive Erfahrungen mit Sportberichterstattung allgemein und Berichterstattung über ihre eigene Person gemacht haben. Die mediale Aufmerksamkeit wurde als zufrieden stellend bewertet, wenn sie korrekt, fachlich fundiert und sachlich war, wenn sport-
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Auch Roller hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Vgl. Rose, Zeile 32+33. Roller konnte ähnliche Beispiele nennen.
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liche Kritik ausgeübt wurde und nicht persönliche, wenn die sportliche und persönliche Entwicklung differenziert betrachtet und keine Stereotypen der Sportler aufgegriffen wurden und wenn bei der Berichterstattung über Privatangelegenheiten die Grenzen eingehalten wurden, die die Sportler selbst gesetzt haben.
5.3.1.3 Einschätzung des Medieneinflusses im Sport Nachdem soeben darauf eingegangen wurde, wie die Befragten das Medieninteresse im Sport wahrnehmen und wie sie die daraus resultierende Berichterstattung bewerten, soll nun zusammengefasst werden, welche Einflussmöglichkeiten sie den Medien im Sport allgemein zuweisen und welche Mediengattung ihrer Meinung nach das größte Einflusspotenzial besitzt. Bei der Frage nach dem Medium mit der größten Macht im Sport nannten acht der Befragten das Fernsehen, nur Klopp, Rose und Steeb sahen die größte Macht bei den Printmedien. Diese prägten durch tägliche Berichterstattung das Bild der Sportler in der Öffentlichkeit (Rose). Als besonders einflussreich sowohl hinsichtlich der öffentlichen Meinung als auch der Meinung der Sportler selbst wird dabei die Bild-Zeitung hervorgehoben. „Ja, man weiß ja selber, auf was man guckt, wenn die Bild-Zeitung was schreibt. Wenn in der Bild-Zeitung was drin ist, ist das immer eine Schlagzeile. Und deshalb schauen die Sportler da extrem drauf. Zumal der Sportteil in der Bild-Zeitung auch wirklich Aussagen hat und angesehen ist. Deshalb wird das ernst genommen.” (C.U. Steeb)43
Steeb schreibt auch der Frankfurter Allgemeinen, der Süddeutschen, den Sonntagszeitungen sowie der Sportbild einen großen Einfluss zu. Insgesamt wird die Macht der Printmedien vor allem aufgrund ihrer Bedeutung für die öffentliche Wahrnehmung der Sportler thematisiert. Es handelt sich also hier um kausale Effekte, die durch konkrete Berichterstattung hervorgerufen werden. Die Macht des Fernsehens dagegen wird von den Befragten überwiegend unter funktionalen 43
Auch Klopp und Stephan führten die Berichterstattung der Bild-Zeitung als Negativbeispiel an.
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Gesichtspunkten bewertet. Zwar spricht Klopp auch die hohe Reichweite dieses Mediums an und somit die Tatsache, dass bestimmte sportliche Ereignisse von sehr vielen Zuschauern verfolgt werden, was ebenfalls einen Beitrag zur Meinungsbildung leistet. Meyfarth konstatiert: „Die Leute haben mich gesehen und konnten sich ein Bild von mir machen.“ Vorwiegend hoben die Befragten jedoch funktionale Einflüsse des Fernsehens im Sport hervor, zum Beispiel Eingriffe in den Wettkampfablauf.44 Viele Befragte bewerten außerdem das Ausmaß der Fernsehpräsenz als ausschlaggebend für das Interesse der Öffentlichkeit allgemein, weiterer Medien und vor allem der Sponsoren an der entsprechenden Sportart und den Sportlern selbst (Bölts, Busemann, Künzer, Roller und Steeb). Bemerkenswert ist, dass es in den Augen vieler Sportler zunächst keine Rolle spielt, ob die Berichterstattung negativ oder positiv ist – die Aufmerksamkeit nimmt in jedem Fall zu, und der Sportler profitiert von dem gesteigerten Interesse potenzieller Geldgeber (Bölts, Niemann-Stirnemann und Rose).45 Ausnahme ist hier die Thematisierung von Doping-Vergehen. Groß betonte, dass der ImageSchaden, den die Medienberichterstattung hervorruft, für die Sportler weitaus schwerwiegender sei als die Doping-Sperre. Zum Abschluss jedes Interviews wurde den Sportlern die Frage gestellt, ob sie glauben, die Medien hätten die Macht, das Leben eines Sportlers oder Trainers völlig zu verändern. Diese Frage bejahten alle Gesprächspartner eindeutig. Dabei führten viele von ihnen Beispiele aus dem Leben anderer Sportler an: „Gut, das wird ja jetzt nicht geschrieben oder gedruckt, aber ich weiß nicht, ob der Christoph Daum jemals Koks genommen hätte, wenn er nicht täglich…“ (Bölts). Groß betonte vor allem den Verstärkereffekt der Medien. Sie seien weniger Auslöser als vielmehr Beschleuniger bestimmter Prozesse. Obwohl viele Befragte im Gesprächsverlauf von Beispielen berichteten, in denen Medienberichterstattung in gewissem Maße Einfluss auf ihr Leben nahm, räumten in der Antwort auf die konkrete Frage nach der Medienmacht nur wenige ein, dass die Medien auch in ihrem Leben Veränderungen herbeigeführt hätten. Dies kann 44 45
Siehe dazu Kapitel 5.3.4.6 der vorliegenden Arbeit. Dieser Aspekt wird in Kapitel 5.5.3.3 noch einmal angesprochen.
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darin begründet sein, dass sie mit Eingriffen der Medien vor allem negative Veränderungen verbinden: „(…) es gibt sicher Menschen, die so bloß gestellt wurden, dass es hinterher nicht mehr alles zu regeln war“ (Klopp). Möglicherweise wollen sie sich von dieser Beeinflussbarkeit ausnehmen, wobei die in Kapitel 2.3.4 angesprochenen Third Person-Effekte zum Tragen kommen. Nur NiemannStirnemann wies darauf hin, dass die Medien in ihren Augen nicht nur die Macht haben, einen Sportler zu schwächen, sondern auch zu stärken. Sicher muss zudem das Ausmaß des medialen Interesses an den interviewten Sportlern berücksichtigt werden. Viele der Befragten bemerkten, dass sie nie so massiv im öffentlichen Interesse standen wie andere Athleten ihrer Sportart (Bölts, Roller und Steeb). So berichtete alleine Meyfarth, dass das Medieninteresse nach ihrem Olympia-Sieg in München als 16-Jährige viele Veränderungen in ihrem Leben mit sich brachte.
5.3.2 Verhältnis zu Sportjournalisten Der Kontakt zwischen Sportlern und Sportjournalisten ist das Bindeglied zwischen dem Mediensystem auf der einen und dem Sportsystem auf der anderen Seite. Im Folgenden soll betrachtet werden, wie konkrete Erfahrungen im Umgang mit Journalisten und mit Sportberichterstattung das Bild der Sportler von den Sportjournalisten prägen. Dabei steht im Mittelpunkt des Interesses, welche Faktoren genau die Bewertung des Verhältnisses zueinander beeinflussen. Die Erkenntnisse werden für die Ausführungen zur konkreten Interaktion zwischen Sportlern und Sportjournalisten in Kapitel 5.4 hilfreich sein. Es folgt ein Abschnitt, der thematisiert, in welchen Fällen Berichte einen veränderten Umgang der Sportler mit Journalisten zur Folge hatten.
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5.3.2.1 Bewertung der Arbeitsweise In Übereinstimmung mit der überwiegend positiven Einstellung zu Medien und Sportberichterstattung allgemein bewerten die Befragten auch die Arbeitsweise der Sportjournalisten grundsätzlich positiv. Bis auf Niemann-Stirnemann berichteten alle Sportler, dass sie mit einigen Medienvertretern besonders gerne zusammen gearbeitet und zu diesen auch eine persönliche Beziehung aufgebaut haben: „Es gibt den einen oder anderen Journalisten, mit dem man abends auch mal weggeht (…)“ (Rose).46 Zwischen einigen Sportlern und Journalisten entwickelten sich Freundschaften. Busemann hebt hier einen Journalisten hervor, der ihn über einen längeren Zeitraum hinweg gefilmt hat. „Das ist auch ein Freund geworden mit den Jahren. Das geht dann auch nur auf einer freundschaftlichen Vertrauensbasis. Wenn man so lange begleitet wird, dann kann man nicht begleitet werden von jemandem, bei dem man immer ein mulmiges Gefühl hat.“ Bei den meisten Befragten geht die positive Einstellung einher mit einer allgemein offenen und positiven Grundhaltung gegenüber den Journalisten und guten Erfahrungen im Umgang miteinander: Viele Befragte haben das Gefühl, dass die Journalisten ihr generelles Mitteilungsbedürfnis und ihre Offenheit zu schätzen wissen und weisen außerdem darauf hin, dass das gute Verhältnis zueinander zu gleichen Teilen vom Sportler und vom Journalisten abhängt (Busemann, Groß, Klopp, Roller und Rose). Positive Erlebnisse führen zum Aufbau eines Vertrauensverhältnisses. Ein Faktor, der dabei eine besondere Rolle spielt und von allen Befragten genannt wird, ist die Verschwiegenheit der Journalisten. Sportler verhalten sich dem Gesprächspartner gegenüber umso offener, je sicherer sie sich sind, dass vertrauliche Informationen nicht weiter gegeben werden. „Der Herr Daniels ist zum Beispiel jemand, der sich auf die Fahne geschrieben hat, journalistisch korrekt zu arbeiten. Mit ihm kann man auch gut mal neben dem offiziellen Text reden und sich sicher sein, dass das nicht geschrieben wird. Dass er die Information nur benutzt, um ein bisschen tiefer zu graben und andere Informationen zu bekommen. Bei ihm weiß man sehr gut, was man erwarten kann.“ (P. Roller) 46 Bölts und Roller berichteten ebenfalls, dass sie zu bestimmten Journalisten ein besonders gutes Verhältnis pflegen.
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Von einigen Befragten wurde außerdem positiv hervorgehoben, wenn Journalisten darauf verzichten, in ihrer Berichterstattung emotionale Aussagen der Sportler zu verwenden, die sie später bereuen könnten (Busemann und Roller). Bölts lobte die Journalisten von ARD und ZDF, die jährlich von der Tour de France berichten und sich bereits am Anfang des Jahres der Mannschaft vorstellen. Obwohl er die Berichterstattung über sein Privatleben eigentlich strikt ablehnt, ließ er es zu, dass diese Journalisten für Portraits auch seine Familie filmten. In diesem Verhalten wird ein gewisses Pflichtgefühlt gegenüber den Medienvertretern deutlich, das auch andere Sportler mehr oder weniger explizit äußerten: „(…) als ich mir dann – in Sevilla war das – bei den Weltmeisterschaften eine Faszie abgerissen habe, sind die Ärzte und Funktionäre raus gegangen und wollten die alle wegschicken. Und da habe ich auch gesagt: ‚Ich muss da hin! Die stehen da seit zwei oder drei Jahren immer, wenn es bei mir gut läuft. Da muss ich da jetzt auch hingehen und mit denen reden, wenn es schlecht läuft.’“ (F. Busemann)
Obwohl die positiven Erfahrungen überwiegen, kritisierte doch jeder Befragte in Einzelfällen auch die Arbeitsweise der Journalisten. Es waren besonders diese negativen Beispiele, die bei Befragten dazu führten, dass Einstellungen überdacht und Verhaltensweisen geändert wurden. Ein grundsätzliches Problem scheint die unkorrekte Wiedergabe von Aussagen in Interviews zu sein. Die meisten Befragten unterstellten den Journalisten dabei keine böse Absicht. Einige äußerten jedoch den Vorwurf, dass Journalisten nur an den Inhalten interessiert sind, die Aufmerksamkeit erregen: „Na gut, man kennt ja auch die Journalisten. Und die möchten ja das weglassen oder das drin haben, was danach möglichst Schlagzeilen kreiert“ (Steeb). Grundsätzlich kritisierten die Sportler an Journalisten die Eigenschaften, die sie auch bei Sportberichterstattung allgemein bemängelten. Hierzu zählen fehlendes Fachwissen und ungenaue Recherche (Bölts, Groß und Rose). Stephan und Steeb berichteten zudem von Journalisten, deren Berichterstattung aus ihrer Sicht voller Vorurteile war und ein unkorrektes Bild der Situation wieder gab. Es seien häufig dieselben Journalisten, die von einer Sportart berichten, sodass man im Laufe der Zeit lerne, diese einzuschätzen. „Und dann weiß man auch, dass jemand auf eine Situation wartet, wo er
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einem mal wirklich Druck geben kann“ (Steeb). Auch das ständige wieder Aufgreifen von Klischees empfinden manche Sportler als Zeichen mangelnden Interesses der Sportjournalisten (Bölts, Roller, Stephan). Grundsätzliches Misstrauen gegenüber den Journalisten der Bild-Zeitung äußerte Klopp: „Also, die Aussage, die dann da kommt, ist: ‚Wenn Du nicht mit machst, dann schreiben wir einfach, was wir wollen.’ Das ist Fakt. Die Aussage steht so.“ (J. Klopp) Diese kritische Einstellung ist genau so wie die anderen zuvor genannten Kritikpunkte fast ausschließlich auf persönliche Erfahrungen zurück zu führen. Alle Befragten gaben an, dass unkorrekte Berichterstattung sie dazu veranlasst habe, Interviews vor der Veröffentlichung gegen zu lesen. Allgemein führten negative Erfahrungen jedoch eher zu einem zurückhaltenderen Umgang mit den betreffenden Journalisten. In extremen Fällen lehnten die Athleten zukünftig jegliche Zusammenarbeit ab (Groß und Niemann-Stirnemann).47 Zusammengefasst bietet sich folgendes Bild der Einstellungen von Sportlern gegenüber Journalisten: Die Befragten bewerten sowohl Arbeitsweise als auch Berichterstattung der Sportjournalisten überwiegend positiv. Die positiven Erfahrungen werden zurückgeführt auf Eigenschaften der Sportler auf der einen und Eigenschaften der Journalisten auf der anderen Seite. Die Sportler bewerten den Grad der Offenheit und den Grad der Auskunftsbereitschaft ihrerseits als wichtig für ein gutes Verhältnis. Von Journalisten erwarten sie Diskretion, Interesse, Sachlichkeit und Fachkenntnis. Ein Vertrauensverhältnis zwischen Sportler und Journalist steigert die Offenheit und Auskunftsbereitschaft der Sportler zusätzlich. Negative Erfahrungen dagegen können sowohl zu Konfrontationen als auch zu größerer Zurückhaltung bis hin zur Verweigerung der Zusammenarbeit führen. Sie werden allein auf Arbeitsweise und Berichterstattung der Journalisten zurückgeführt. Kritikpunkte sind unsaubere Recherche, vorurteilsbelastete Berichterstattung, Sensationslust, unkorrekte Wiedergabe von Aussagen und Fakten, Arbeit mit Klischees sowie Rücksichtslosigkeit. 47 Auf Situationen, in denen die Befragten die direkte Konfrontation mit Journalisten suchten, wird im folgenden Kapitel näher eingegangen.
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5.3.2.2 Konfrontation mit Journalisten nach Berichterstattung Persönliche Erfahrungen mit Sportjournalisten und deren Berichterstattung führten also bei den meisten Befragten lediglich dazu, dass Einstellungen gegenüber Journalisten überdacht oder revidiert wurden. Einige Sportler unternahmen allerdings auch Maßnahmen, um sich gezielt gegen bestimmte Berichte zur Wehr zu setzen. Die Konfrontation war in allen Fällen durch aus der Sicht der Sportler kritikwürdige Berichterstattung bedingt. Rose, Stephan und Groß haben verantwortliche Autoren bereits auf ihre Berichte angesprochen: Rose fühlte sich in einem Artikel ungerecht behandelt und rief daraufhin bei dem betreffenden Journalisten an. Stephan stellte einen Redakteur zur Rede, der in seinem Beitrag eine angebliche Geliebte des Handballers erwähnt hatte. Dieser Beitrag wurde während einer Live-Sendung im DSF ausgestrahlt, bei der neben Stephan selbst auch seine Familie und seine Freundin zu Gast waren. Bei diesen beiden Sportlern waren also die Privatsphäre oder die Persönlichkeit verletzende Medieninhalte der Grund für Beschwerden. Groß versuchte, durch Richtigstellung von unwahren Medieninhalten zu vermeiden, dass Journalisten Fehlinformationen voneinander abschreiben. Im Gespräch erwähnte er mehrere Artikel, die falsche Informationen über seine Sponsoren verbreitet hatten. Er suchte schließlich selbst die Quelle der unkorrekten Angaben. Es ist zu vermuten, dass gerade Artikel, die in irgendeiner Weise auf den finanziellen Verdienst der Sportler Einfluss nehmen könnten, die Sportler zur Kritik an Journalisten veranlassen. Dies wäre bei falschen Sponsoreninformationen der Fall. Ähnlich verhält es auch sich bei der Berichterstattung über Vereinswechsel, die ja häufig mit hohen Ablösesummen und einem veränderten Einkommen der Athleten einhergehen. So bewerteten sowohl Roller als auch Stephan die Medienberichterstattung über ihre Wechselpläne als problematisch, unternahmen jedoch keine konkreten Maßnahmen, um auf die Arbeit der Journalisten Einfluss zu nehmen. Interessant für die vorliegende Arbeit sind vor allem die Fälle, in denen die Konfrontation auch konkrete Folgen für die Journalisten hatte. Grundsätzlich vertreten viele Befragte die Auffassung, dass sie als Sportler der Journalisten-
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meinung relativ machtlos gegenüber stehen, wenn diese erst einmal veröffentlich ist (Groß, Klopp, Steeb und Stephan). Bölts und Steeb berichteten jedoch von Ausnahmen, in denen sie sich vehement gegen die Berichterstattung gewehrt und damit auch Erfolg gehabt haben. Beim Radfahrer Bölts handelte es sich dabei um den bereits erwähnten Spiegel-Artikel über angebliche Dopingvergehen im Team Telekom. Die Fahrer des Teams inklusive Bölts verklagten damals das Magazin: „Wir haben uns einen Anwalt genommen und eine eidesstattliche Erklärung abgegeben. Und der Anwalt hat den Spiegel verklagt. Wir haben den Prozess gewonnen und es gab eine Gegendarstellung und eine Geldzahlung des Spiegel.“ (U. Bölts)
Besonders die Brisanz des Themas Doping und der Imageschaden, der für die Protagonisten zu befürchten war, gaben in diesem Fall wohl den Ausschlag für das Ausmaß der Reaktion der betroffenen Sportler. Kein anderer Befragter hat sich jemals rechtlich gegen Medieninhalte gewehrt. Die Ereignisse können sehr gut zur Verdeutlichung der Wirkungskette von Medienberichterstattung herangezogen werden: Ein Artikel löst bei den Protagonisten Handlungen aus, die zu Interaktionen zwischen den Sportlern und den verantwortlichen Redakteuren führen. Die Redakteure müssen ihrerseits handeln, und so entsteht letztendlich erneut Berichterstattung. Nach den Dopingvorfällen im Sommer 2006, aufgrund derer mit Jan Ullrich und Oscar Sevilla schließlich doch Fahrer des T-Mobile Teams (Nachfolger des Teams Telekom) von der Tour de France suspendiert wurden, sieht sich der Spiegel in seinen damaligen Vorwürfen bestätigt: „Der Sponsor reagierte nach einem Einblick in das Ermittlungsdossier mit einem strikten Krisenmanagement – im Gegensatz zu 1999, als der SPIEGEL von Insidern Hinweise erhielt, dass im Team Telekom gedopt wurde. Dezidiert beschrieb das Magazin Methoden der Leistungssteigerung, konnte aber keine gerichtsrelevanten Beweise vorlegen und musste eine juristische Niederlage hinnehmen.“ (D. Hacke, Der Spiegel, 10.07.2006)
Auch bei Steeb waren gemeinschaftliche Anstrengungen aller Spieler des Davis Cup-Teams notwendig, um Einfluss auf die Berichterstattung eines Redakteurs der Welt am Sonntag zu nehmen. Sie wendeten sich schließlich sogar an den Chefredakteur der Zeitung und drohten: „ ‚Wenn der noch einmal übers Tennis
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schreibt, werden wir der Welt am Sonntag nicht ein Wort mehr sagen’“. Die Spieler bemängelten vor allem die voreingenommene Berichterstattung des Journalisten. Trotz des zweimaligen Gewinns des Davis Cups habe dieser ihre Leistung permanent negativ bewertet. Nach der Kritik wurde der betreffende Redakteur nicht mehr für die Tennisberichterstattung eingesetzt.48
5.3.3 Einflüsse im Privatleben Der folgende Abschnitt wird Reaktionen der Befragten thematisieren, die im weitesten Sinne das Leben der Sportler abseits des Sports betreffen: Schule, Universität oder Beruf, das soziale Umfeld, den Umgang mit Unbekannten sowie die persönliche Entwicklung. Diese Veränderungen können sowohl auf Berichterstattung über das Privatleben und die sportliche Leistung zurückzuführen sein als auch auf funktionale Medieneinflüsse, die vor allem die Zeiteinteilung der Athleten betreffen. Die Kategorisierung erfolgte also anhand des Lebensbereiches, in dem die beobachteten Reaktionen auftraten, und nicht anhand von Eigenschaften der Berichterstattung, die die Reaktionen auslöste.
5.3.3.1 Schule, Universität und Beruf Die sportliche Karriere der meisten Befragten startete nach der schulischen Laufbahn. Fast alle Athleten verdienen oder verdienten sich mit der Ausübung ihrer Sportart ihren Lebensunterhalt. Die Berufsausbildung oder das Studium waren bei den meisten entweder vor dem größten Erfolg abgeschlossen oder wurden aus Zeitgründen abgebrochen.49 Deswegen berichteten nur wenige der
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Die erzwungene Gegendarstellung im Spiegel sowie der Rückzug des erwähnten Redakteurs von der Tennis-Berichterstattung können als sekundäre Effekte bezeichnet werden, die eine Folge der direkten Reaktionen von Sportlern auf Sportberichterstattung sind. 49 Die Entscheidung zum Abbruch der Ausbildung allein auf die Zunahme des Medieninteresses zurück zu führen wäre wohl übertrieben. Möglicherweise spielten funktionale Medieneinflüsse eine
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befragten Sportler explizit von funktionalen und kausalen Medieneinflüssen zu Schul- oder Universitätszeiten oder im Berufsleben. Zu diesen Sportlern gehören Groß und Meyfarth, die bereits im Schüleralter große Erfolg feierten und anschließend ein Universitätsstudium abschlossen. Busemann absolvierte eine Ausbildung zum Bankkaufmann und Künzer ist Studentin der Pädagogik. Die folgenden Ausführungen werden auf die Erfahrungen dieser Sportler gestützt sein.50 Sowohl Groß als auch Meyfarth waren 16 Jahre alt, als sie mit außergewöhnlichen Leistungen das Interesse der Öffentlichkeit auf sich zogen. Meyfarth gewann 1972 die olympische Gold-Medaille im Hochsprung, Groß schwamm 1980 bei einer Parallelveranstaltung schneller als der Olympia-Sieger in Moskau. Zwar liegen acht Jahre zwischen diesen Erfolgen, es ist jedoch zu vermuten, dass das Medieninteresse ähnlich war, da die Erfolge ähnlich zu bewerten sind und die Medienlandschaft sich in diesem Zeitraum nicht sehr stark verändert hatte. Bemerkenswert ist, dass die plötzliche Medienaufmerksamkeit sich auf das Leben der beiden Sportler gänzlich unterschiedlich auswirkte. Groß berichtete, dass sein Alltag von seinen Erfolgen im Großen und Ganzen unbeeinflusst blieb: „Das war bei mir sicherlich relativ außergewöhnlich, auch für heutige Zeiten, dass ich hier in Frankfurt, was ja eine sehr emotionslose Stadt ist, was solche Prominenz betrifft, ein ganz normales Dasein fristen konnte. Ein Beispiel: Man kommt von irgendeiner Weltmeisterschaft wieder, Doppelweltmeister geworden – das war 1982 – großer Empfang wie bei Fußballweltmeisterschaften, Flugzeug im Vorfeld geparkt, 50 oder 100 verschiedene Journalisten da, riesiger Aufstand. Die Schulklasse war da – es hatte schon eine Woche Schule stattgefunden –, riesen Empfang bereitet. Und dann wird an dem Tag noch ein bisschen gefeiert, und am nächsten Tag ist ganz normal wieder Schule. Das heißt, mein großer Vorteil war, dass ich ein ganz normales, vom Sport völlig unbeflecktes soziales Umfeld gehabt habe.“ (M. Groß)
Für Meyfarth dagegen wirkte sich ihre Prominenz problematisch auf ihren Schulalltag aus. Sowohl der Umgang mit den Mitschülern als auch mit den Lehrern wurde erschwert. Während Groß der eigenen Medienpräsenz scheinbar Rolle bei der Entscheidung. Dieser Aspekt war allerdings weder Bestandteil der Fragen des Leitfadens, noch wurde er von den Sportlern selbst angesprochen. 50 Siehe dazu auch die Lebensläufe der Befragten im Anhang.
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keine große Bedeutung zuwies, verursachte diese bei Meyfarth Unsicherheit und Orientierungslosigkeit: „Das kann dann auch ein bisschen viel werden. Wenn man dann versucht, im normalen Alltag wieder Fuß zu fassen und dann immer wieder raus gerissen wird aus dem Schulalltag, dann ist das gar nicht so einfach. Man muss den Mitschülern irgendwie gerecht werden. Ich hab versucht, denen irgendwie klar zu machen, dass man noch der ist, der man vorher war. Die sehen aber nur, dass ich wieder irgendwo in der Zeitung stehe und da und dort rum flippe in den Medien. Da habe ich mir auch oft überlegt: ‚Mensch, wie schaffst Du es eigentlich, normal zu bleiben, nicht arrogant zu erscheinen oder abgehoben?’ […] Und geholfen wurde mir da auch nicht. Es haben zwar alle gesagt: ‚Wir helfen unserer Ulrike’, aber das wurde irgendwie nie in die Praxis umgesetzt, hat keine konkreten Formen angenommen.“ (U. Meyfarth)
Diese Probleme Meyfarths setzten sich auch zu Beginn ihres Studiums fort. Sie erhielt trotz ihrer sportlichen Erfolge zunächst keine Zulassung zum DiplomSportstudium in Köln, was eine große Diskussion innerhalb und außerhalb der Medien auslöste. Von dieser Diskussion war Meyfarth vor allem emotional betroffen. Eine Rolle spielten dabei auch die Reaktionen Dritter: „Das war für mich hart, das zu erleben und dann eben auch in meinem Umfeld die Meinungen darüber zu hören.“ Die Thematisierung des Problems in den Medien hatte jedoch auch konkrete Folgen für die Sportlerin: Meyfarth konnte in ihrem ersten Semester nicht wie viele andere Gast-Studenten ohne Zulassung unerkannt an praktischen Kursen teilnehmen, sondern wurde von den Mitgliedern des Studentischen Ausschusses gebeten, die Kurse zu verlassen. Auch Groß ist der Meinung, dass seine Prominenz den Universitäts-Alltag für ihn nicht erleichtert hat. Er weist ebenso wie Meyfarth darauf hin, dass erfolgreiche Sportler zu ihrer Zeit mitunter auf Widerstand stießen, da sie als Symbole für die Leistungsgesellschaft betrachtet wurden. Während Groß jedoch diese Widerstände positiv bewertete, da sie seine Bodenhaftung bewahrten, empfand Meyfarth sie als belastend und als negativen Nebeneffekt ihrer Prominenz. Nicht unerwähnt bleiben sollte auch die Tatsache, dass Meyfarth angab, sich sehr stark für Berichterstattung über ihre Person interessiert zu haben, Groß jedoch nur wenig verfolgte, was über ihn berichtet wurde. So war die Hochspringerin stärker mit möglicherweise belastenden Inhalten konfrontiert.
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Künzers Studium dagegen ist von Folgen der Medienberichterstattung gänzlich unbeeinflusst. Ihr Bekanntheitsgrad ist jedoch auch weitaus niedriger als der von Groß und Meyfarth. So empfindet sie sich selbst an ihrem Fachbereich eher als „eine unter vielen“ und ist sich unsicher, ob ihre Dozenten überhaupt von ihrer sportlichen Karriere wissen. Auch Busemann berichtete nicht davon, dass Medieninhalte oder seine Bekanntheit allgemein den Verlauf seiner Ausbildung beeinflusst hätten. Aufgrund seines Bemühens, viele Medienanfragen wahrzunehmen, traf er jedoch mit seinen Vorgesetzten die Absprache, früher gehen zu können, wenn Termine dies erforderten. Medienaufmerksamkeit und Medienberichterstattung sowie die dadurch bedingte Prominenz der Befragten führte also nur in Ausnahmefällen dazu, dass die schulische, universitäre oder berufliche Ausbildung der Befragten beeinträchtigt wurde. Entscheidend für die Intensität des Einflusses ist zunächst das Ausmaß der Berichterstattung. Außerdem spielt die Persönlichkeit der Sportler eine Rolle: selbstsichere Athleten haben weniger Probleme, im Alltag Fuß zu fassen als jene, die das Interesse an ihrer Person stark verunsichert. Die Intensität des Kontakts mit Berichterstattung stellt hier ebenfalls einen Faktor dar. Zusätzlich sind Reaktionen des Umfelds von Bedeutung. Dabei spielen sowohl Vermutungen über mögliche Reaktionen als auch die tatsächlichen Reaktionen eine Rolle. Die Reaktionen Dritter werden von den Befragten zum einen auf äußere Umstände (Groß: Frankfurt als unaufgeregte Stadt, Studienzeit allgemein geprägt von Kritik an Leistungsdenken) als auch auf persönlichkeitsbezogene Faktoren (Meyfarth: Versuch, normal zu bleiben, nicht abzuheben) zurückgeführt. Es scheint, als fiele es den Athleten leichter, mit Veränderungen umzugehen, wenn diese auf äußere Umstände zurückgeführt werden können.
5.3.3.2 Familie, Freunde und Bekannte Wie bereits in Kapitel 5.3.1.3 erwähnt, stellte kaum einer der Befragten rückblickend fest, dass Medien die Macht hatten, in ihrem engeren sozialen Umfeld
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Veränderungen herbei zu führen. Tatsächlich lassen sich aus ihren Erzählungen keine Beispiele herausfiltern, die darauf schließen lassen, dass Beziehungen zu Familie oder dem Freundeskreis durch Medieneinwirkung stark beeinflusst wurden. Selbst Meyfarth, die als diejenige Sportlerin bezeichnet werden kann, in deren Leben die Aufmerksamkeit der Medien am meisten Veränderungen bewirkt hat, konstatierte: „Ach, so im inneren Freundes- und Bekanntenkreis ist alles so geblieben. Da kannte man mich ja.“51 Ausschlaggebend ist hier unter anderem sicherlich die Tatsache, dass die Reaktionen des engeren Umfelds zunächst als überwiegend positiv wahrgenommen wurden: Herausragende Leistungen führten zu euphorischer Berichterstattung, und beides rief bei den Familienmitgliedern Stolz hervor. Des Weiteren ist anzunehmen, dass die Athleten davon ausgehen, negative Berichte würden gerade von der Familie und Freunden differenziert bewertet und könnten das Vertrauensverhältnis nicht beeinträchtigen. Dennoch lassen sich anhand der Erzählungen der Befragten unterschiedliche Formen des Medieneinflusses auch im engeren Umfeld festmachen. Am häufigsten sind funktionale Einflüsse: Der zum Teil massive Anstieg des Medieninteresse und die dadurch bedingte Zunahme der Zahl der Medienanfragen haben zur Folge, dass die Sportler bei der Bewältigung dieser Anfragen Unterstützung brauchen. Diese erhalten sie von Familienmitgliedern. Busemanns Vater hat für seinen Sohn als eine Art Manager gearbeitet, Klopps Frau kümmert sich halbtags um alle Anfragen, die ihr Mann erhält, und Meyfarths Mutter hat die Fanpost ihrer Tochter beantwortet.52 Diese Veränderungen im Umfeld werden als notwendig betrachtet und lösen bei den Befragten keine emotionalen Reaktionen hervor. Anders verhält es sich, wenn die Sportler sich mit konkreten Inhalten von Berichterstattung auseinander setzen müssen: Die beobachteten oder vermuteten Reaktionen von Familie, Freunden und Bekannten können unter Umständen eine zusätzlich Belastung für die Sportler sein. Bölts, NiemannStirnemann und Steeb äußerten die Sorge, die Familie könnte unter der Medien-
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Auch Künzer und Stephan bestätigten diese Aussage. Auf die Art der Unterstützung, die die Befragten im Umgang mit Medien und Sponsoren erhielten, wird im Kapitel 5.5 noch näher eingegangen. 52
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berichterstattung über ihre prominentes Familienmitglied leiden. Während sich für Niemann-Stirnemann die Sorge als unbegründet heraus stellte, beobachteten Bölts und Steeb, dass das Medieninteresse an ihnen eine Belastung für die Ehefrau und Kinder (Bölts) sowie Geschwister (Steeb) bedeutete: „Was mich gestört hat, war, wenn dann aus irgendwelchen Gründen über Familienmitglieder berichtet wird. Die sind ja auch sehr empfindlich und sind das gar nicht gewöhnt“ (Steeb).53 Beide Befragte äußerten außerdem eine allgemeine Unzufriedenheit mit dem Bild, das die Medien von ihnen vermittelten und berichteten, dass es auch für andere schwierig sei, mit dieser undifferenzierten Berichterstattung umzugehen: „Gerade für meine Frau, die hatte mit meiner Popularität schon irgendwo auch ein Problem. Sie kennt mich natürlich ganz genau. Sie sagt dann: ‚Das ist immer der große Udo. […]’ Und: ‚Der steht immer gut da in der Presse. Aber so ist er manchmal gar nicht zu Hause’“ (Bölts). Sie sind jedoch die Einzigen, die explizit auf derartige Probleme hinweisen. Die meisten Interviewpartner berichten lediglich von Einzelfällen, in denen bestimmte Artikel oder Sendungen Reaktionen ihres näheren Umfelds hervorriefen und mitunter zu Konflikten führten. Es handelt sich dabei meist um Aussagen, die sie in Interviews getätigt haben und auf die sie von Bekannten angesprochen werden. Roller wurde vom Manager der Frankfurt Skyliners zu einer Aussprache gebeten, nachdem er sich öffentlich zu den PR-Maßnahmen des Vereins geäußert hatte. Bei Busemann hatten sein Auftreten in der Öffentlichkeit und die Thematisierung seiner Verletzungen einen Konflikt mit dem Bundestrainer zur Folge. Bei Stephan sorgte der bereits erwähnte Bericht über eine angebliche Geliebte für Erklärungsbedarf. Obwohl also keiner der Befragten explizit entscheidende Veränderungen in seinem engeren sozialen Umfeld erwähnte, waren doch in unterschiedlichem Maße Einflüsse auf den Umgang mit Familie, Freunden und Bekannten festzustellen, die sowohl durch den Anstieg der Medienanfragen und den Anstieg der Berichterstattung allgemein sowie durch konkrete Inhalte der Berichterstattung 53 Zwar gehört Steeb zu den Befragten, die den Medien auch auf die eigene Person einen recht großen Einfluss zuschreiben. Trotzdem lassen seine Aussagen darauf schließen, dass die Einschätzung von Medienwirkungen nicht nur im Vergleich mit anderen Sportlern (siehe Kapitel 5.3.1.3), sondern auch im Vergleich mit Familienmitgliedern von Third-Person-Effekten geprägt ist.
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hervorgerufen wurden. Die in Anspruchnahme der Unterstützung der Familie bei der Bewältigung des öffentlichen Interesses erschien als unvermeidbar und erfuhr keine Bewertung. Andere Entwicklungen wurden als positiv wahrgenommen. Ausschlaggebend waren die positiven Reaktionen des Umfelds, meist bedingt durch Erfolge und positive Berichterstattung. Das mediale Interesse führte jedoch auch zu Schwierigkeiten und somit negativen Reaktionen des Umfelds. Diese entstanden, wenn die Prominenz allgemein als belastend empfunden wurde, wenn die Sportler oder ihre Familie die mediale Darstellung des Athleten negativ bewerteten oder wenn Aussagen und Auftreten in Interviews auf Ablehnung stießen.
5.3.3.3 Unbekannte Mit dem Anstieg der Berichterstattung beobachteten alle Befragten auch ein erhöhtes öffentliches Interesse an ihrer Person allgemein. Einerseits hatten alle befragten Sportler das Gefühl, dass sie auf der Straße zunehmend auch von Fremden erkannt wurden. Busemann, Niemann-Stirnemann und Stephan führen den Anstieg der Erkennungsrate explizit auf vorangegangene Medienpräsenz zurück. Andererseits wurden die Sportler immer häufiger von Unbekannten angesprochen: „Manchmal ist es auch passiert, dass einer in den Aufzug kommt und sagt: ‚Ach, wie geht’s denn?’ Und ich guckte dann ein bisschen komisch, und er: ‚Wir kennen uns doch, Mensch!’ Und da brauchte ich dann drei Minuten, den davon zu überzeugen, dass ich ihn noch nie gesehen habe (lacht).“ (F. Busemann)
Die wahrgenommene Intensität der öffentlichen Aufmerksamkeit allgemein ist ein Faktor bei der Bewertung des gestiegenen Interesses. Roller freut sich darüber, wenn er auf der Straße erkannt wird, weil die öffentliche Aufmerksamkeit im Basketball insgesamt noch „absolut im erträglichen Rahmen“ ist. Rose äußerte die Vermutung, ein Artikel über seinen Discobesuch interessiere nach drei Tagen niemanden mehr. Klopp dagegen glaubt, dass er bei einem Unfall mit
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Trunkenheit am Steuer mittlerweile deutschlandweit Diskussionen hervorrufen würde. Besonders Bölts empfindet die intensive Aufmerksamkeit als Belastung: „Man lebt in so einer Glaskugel, und durch die Popularität – je nachdem, wie stark sie ist – kann man manchmal auch gar nicht man selber sein. Also, ich kann es mir nicht zu Hause erlauben, auf der Straße mal auszuflippen.“ Einige Befragte berichteten, sie hätten erst im Laufe der Zeit gelernt, sich ihren Freiraum wieder selbst zu schaffen (Klopp, Stephan). Ausschlaggebend für die Bewertung des öffentlichen Interesses ist außerdem die Art der Reaktionen. Viele Befragte haben vor allem nach guten Leistungen Lob und Zuspruch erfahren. Busemann und Niemann-Stirnemann freuten sich außerdem über die Reaktionen nach dem Rücktritt (Busemann) und der Geburt der Tochter (Niemann-Stirnemann). In Zeiten sportlicher Misserfolge dagegen wird eine größere Zurückhaltung wahrgenommen: „Also, du spürst sehr deutlich in der Reaktion deines Umfeldes, wie dein jetziger Leistungsstand ist“ (Steeb). Dies ist unter anderem deswegen interessant, weil viele Sportler besonders am Anfang ihrer Karriere besorgt sind darüber, wie die Medienberichterstattung über sie auf Rezipienten wirkt. Aus diesem Grund wird die Reaktion Dritter auch anhand des Berichtes oder der Situation bewertet, die die Reaktion auslöste: „Es kam ganz drauf an, was das für ein Artikel war. Wenn der sachlich oder objektiv über meine Leistung berichtet hat, war mir das egal. Aber wenn das dann irgend so eine Homestory war, dann war mir das eigentlich nicht so egal. Dann habe ich gesagt: ‚Schmeißen Sie den Artikel weg’ (lacht).“ (U. Meyfarth)
Die Bewertung der Berichterstattung spielt also ebenfalls eine Rolle: Besonders die Befragten, die mit der Darstellung ihrer eigenen Person in den Medien eher unzufrieden waren (Bölts, Steeb), empfanden die Reaktionen auf die Thematisierung des Privatlebens als unangenehm.54 Hinzu kommt die Befürchtung, die Rezipienten könnten die Darstellung der Medien unreflektiert übernehmen (Bild der Sportler von den Rezipienten) (Klopp). Insgesamt war festzustellen, dass die Athleten es umso positiver bewerten, angesprochen oder erkannt zu werden, je seltener dies vorkommt. 54
Vgl. dazu die Ausführungen im vorangegangenen Kapitel.
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Tabelle 3: Häufigkeit des Angesprochenwerdens Antwort Befragte
Sehr häufig Bölts, Busemann, Klopp
Häufig Meyfarth, Steeb
Ab und zu Selten Groß, NiemannKünzer, Stirnemann, Rose Roller Stephan Antworten auf die Frage: Wie häufig werden Sie auf Berichte über Sie in den Medien angesprochen? – Antwortvorgaben: sehr häufig, häufig, ab und zu, selten oder nie. Busemann und Klopp stellen hier eine Ausnahme dar. Beide scheinen die öffentliche Aufmerksamkeit sogar zu genießen. Dies kann damit zusammen hängen, dass sie auch die Berichterstattung über ihre eigene Person als sehr positiv empfinden und sich zudem allgemein durch ihre Offenheit im Umgang mit anderen auszeichnen. Abgesehen von einigen schwierigen oder unangenehmen Situationen gab jedoch die Mehrheit der Befragten an, ihre Prominenz habe den Umgang mit Dritten eher erleichtert als erschwert. Die Tatsache, dass andere sie bereits durch die Medien kannten, habe häufig dazu beigetragen, dass ihnen Fremde freundlicher und mit mehr Respekt gegenüber traten und dass die erste Hemmschwelle im Umgang miteinander schneller überwunden wurde. Sogar Steeb, der das öffentliche Interesse in vielen Situationen als Belastung empfand, wies auf die Vorteile hin, die seine Bekanntheit für ihn hatte.55 5.3.3.4 Persönliche Entwicklung Ein Aspekt, der in den Interviews explizit nur von Niemann-Stirnemann angesprochen wurde, ist der Einfluss der Medienberichterstattung und die Interaktion mit Medienvertretern auf die persönliche Entwicklung. Negative Medieninhalte haben sie weniger verunsichert als vielmehr zur Selbstreflexion veranlasst.
55 Busemann, Künzer und Stephan nannten ebenfalls Beispiele für Situationen, in denen ihre Prominenz für sie von Vorteil war.
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Ergebnisse „Ich habe versucht, denjenigen, der negativ berichtet hat – aus welchen Gründen auch immer – zu hinterfragen: ‚Warum? Warum gibst du so ein Bild von mir ab?’ Dass ich die Chance habe zu wissen, warum. Und dann habe ich natürlich auch versucht, etwas anzunehmen –, wenn das nicht auch einfach mein Naturell ist. Das hat ja auch immer beidseitige Gründe.” (G. Niemann-Stirnemann)
Ihre Persönlichkeit sei gerade zu Beginn ihrer Karriere, als die ersten Erfolge ein hohes Medieninteresse mit sich brachten, noch nicht gefestigt gewesen. Den Umgang mit Medienvertretern habe sie als Herausforderung und als Möglichkeit betrachtet, sich selbst besser kennen zu lernen. Die Medienberichterstattung diente in dieser Phase als Anhaltspunkt dafür, wie sie auf andere wirkt. „Du wolltest schon wissen: „Was schreiben die über mich?“ Und dadurch hat man kennen gelernt, was für ein Bild man macht. Was für ein Bild mache ich für die Außenwelt? […] Es ist schon eine Wahrheit dabei. Und es war auch so, dass ich mich noch gar nicht gefunden hatte.“ (G. Niemann-Stirnemann)
Das Ausmaß, in dem Niemann-Stirnemann den Medien eine Rolle in ihrer persönlichen Entwicklung zuschreibt, könnte unter anderem dadurch begründet sein, dass sie im Laufe ihrer Karriere immer viel wert darauf gelegt hat, wie sie auf andere wirkt. Medienauftritte waren für sie ein Mittel, um sowohl Familie, Freunde und Bekannte als auch die breite Öffentlichkeit anzusprechen und für sich zu gewinnen. Die genaue Beobachtung des Bildes, das die Medien von ihr vermittelten sowie der Versuch, das eigene Verhalten daran auszurichten, können auch als öffentlichkeitswirksame Maßnahmen verstanden werden. Keiner der anderen Befragten beschrieb in den Interviews ähnliche von Medienberichterstattung ausgelöste Entwicklungen. Trotzdem sind die Selbstbeobachtungen Niemann-Stirnemanns bedingt auch auf die anderen befragten Athleten übertragbar: In fast allen Interviews wurde deutlich, dass Berichterstattung umso mehr Unsicherheit und Selbstzweifel auslöst, je jünger und unerfahrener die Sportler sind. Ein Faktor ist dabei auch die Tatsache, dass Sportler am Anfang ihrer Karriere besorgter sind um die öffentliche Wahrnehmung ihrer Person (Klopp, Künzer, Meyfarth, Stephan).56 Alle Befragten gaben an, aus dem Um56 Eine Ausnahme bildet Groß, dessen Selbstsicherheit scheinbar schon in jungen Jahren so ausgeprägt war, dass ihn die öffentliche Aufmerksamkeit wenig beeinträchtigte.
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gang mit Berichterstattung und Journalisten gelernt zu haben. Sie empfanden sich selbstbewusster und souveräner als am Anfang ihrer Karriere, sowohl in Interviews als auch im Auftreten allgemein. Die Veränderungen stehen im engen Zusammenhang mit der Fähigkeit, sich den Freiraum, den die öffentliche Aufmerksamkeit zunächst einschränkt, wieder für sich zurück zu erobern (Künzer, Stephan).57 Sicherlich sind diese Entwicklungen nicht allein auf den Erfahrungen im Umgang mit Journalisten und Medienberichterstattung zurück zu führen. Es ist allerdings plausibel anzunehmen, dass hier die Funktion der Medien als Beschleuniger bestimmter Prozesse zum Tragen kommt. So kann kritische Berichterstattung die Unsicherheit junger Sportler noch verstärken, während positive Berichterstattung die Selbstsicherheit fördert.
5.3.4 Einflüsse im sportlichen Bereich Training und Wettkämpfe bestimmen einen Großteil des Tagesablaufes von Leistungssportlern. Mit Ausnahme von Meyfarth und Groß, die sich zumindest zu Beginn ihrer Karrieren noch dem Amateurstatus verschreiben mussten, verdienen oder verdienten sich alle Befragten im weitesten Sinne mit der Ausübung ihrer Sportart ihren Lebensunterhalt. Es ist deswegen besonders wichtig, die Einflüsse von Medienaufmerksamkeit und -berichterstattung zu erfassen, die in irgendeiner Weise die sportliche Leistung der befragten Athleten betreffen. Im folgenden Kapitel werden zunächst alle Reaktionen auf Sport- und sonstige Berichterstattung thematisch zusammengefasst (kausale Effekte). Anschließend wird kurz auf Einflüsse eingegangen, die das Medieninteresse allgemein auf die Trainings- und Wettkampfgestaltung der Athleten hat (funktionale Effekte).
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Siehe dazu auch die Ausführungen im vorangegangenen Kapitel.
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5.3.4.1 Wissen um Leistungsbewertung, Erwartungen und Stimmungen Bereits in der eingangs zitierten Studie von VOM STEIN wurde hervorgehoben, dass Medienberichterstattung für die damals befragten Sportler eine zentrale Rolle bei der Wahrnehmung von Leistungsnormen und Erwartungen einnahm (A. vom Stein 1988: 309-313). Auch für die vorliegende Untersuchung kann festgehalten werden, dass die Gesprächspartner Medienberichterstattung als Indikator dafür heranziehen, wie andere ihre sportliche Leistung bewerten. Ein Faktor ist dabei wie bereits in Kapitel 5.3.1.1 verdeutlicht die Höhe des Medieninteresses. Die Athleten beobachten, dass in Phasen schlechter oder stagnierender Leistungen auch die mediale Aufmerksamkeit nach und nach abnimmt. Noch deutlicher wird die Medienmeinung jedoch in der Tendenz der Berichterstattung, die auf einen konkreten Wettkampf folgt. Bereits die Ausführungen zu Eigenschaften von Sportberichterstattung in Kapitel 3 konnten aufzeigen, dass Erfolge von den Medien häufig überschwänglich gefeiert werden. Diese Erfahrung machten auch viele der Befragten (Busemann, Niemann-Stirnemann, Klopp, Künzer). Dabei war die Bewertung der Leistung meist umso euphorischer, je überraschender der Erfolg war: „Ja, mit 14 war ich Schüler-Rekordlerin, mit 15 war ich Deutsche Vizemeisterin mit 1,80 m, und das war dann schon eine kleine Sensation, das wurde schon veröffentlicht in den Gazetten. Ja, und das war nicht unangenehm, da war ich stolz drauf. Das war durchweg positiv.“ (U. Meyfarth)
Viele Befragte haben jedoch auch miterlebt, wie Medien über einen Misserfolg ein vernichtendes Urteil fällen können: „Ich war die Gefeierte, das Interesse war da und es gab auch eine gewisse Langeweile, weil ich immer und immer wieder gewonnen hatte. Und dann kam Olympia, der Sturz und somit die Zeile: ‚Versagt’, ‚Enttäuscht’. Das war für mich ein riesiger Lernprozess.” (G. Niemann-Stirnemann)58
58 Groß und Meyfarth berichteten ebenfalls davon, wie auf große Erfolge schlechtere Leistungen folgten, die übermäßig kritische Berichterstattung auslösten.
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Die Mannschaftssportler Klopp (Fußball) und Roller (Basketball) beobachteten, dass die Berichterstattung bei schlechter Leistung dann weniger kritisch ausfällt, wenn vorher bereits große Erfolge erzielt wurden: „Es heißt dann nicht gleich, man ist in der Krise […]“ (Roller). Die Einzelsportler Groß, Meyfarth und Niemann-Stirnemann dagegen berichteten, dass sie starke Kritik hinnehmen mussten, nachdem sie ihre Olympia-Siege nicht wiederholen konnten. Diese Erfahrungen verdeutlichen, dass Medien nicht nur Leistungen bewerten, sondern den Sportlern außerdem vermitteln, was von ihnen erwartet wird. Im ersten Fall ist zu vermuten, dass die Journalisten von einer baldigen Leistungssteigerung ausgehen, im zweiten Fall haben die Sportler die Erwartungen, die in sie gesetzt wurden, enttäuscht. Keiner der Befragten räumte jedoch explizit ein, dass Medienberichterstattung bei der Bewertung der eigenen Leistung eine Rolle spielt. Im Gegenteil: Viele Befragte gaben an, entscheidend sei für sie allein, wie sie selbst und ihr Trainer ihre Erfolge einschätzen (Große, Niemann-Stirnemann, Stephan). Interessant ist in diesem Zusammenhang die Perspektive von Steeb und Klopp als Mannschaftsverantwortliche: Zwar wiesen auch sie der Medienberichterstattung keine Rolle bei ihrer persönlichen Bewertung der Leistung ihrer Teams zu. Sie berichteten aber, dass sie die Medien nutzen oder nutzten, um Stimmungen der Spieler wahrzunehmen und auf Entwicklungen innerhalb der Mannschaft eingehen zu können. Ausmaß und Tendenz der Medienberichterstattung sind für die Befragten also einerseits ein Indikator dafür, wie andere ihre Leistung bewerten. Andererseits geben sie Aufschluss darüber, welche Erwartungen in die Athleten gesetzt werden. Mannschaftsverantwortlichen dienen Medieninhalte zusätzlich dazu, sich über die emotionale Verfassung ihrer Schützlinge zu informieren.
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5.3.4.2 Wissen um die Bewertung der Leistung anderer Viele der befragten Sportler wurden durch Medienberichterstattung nicht nur mit der Bewertung ihrer eigenen Leistung, sondern auch mit der Bewertung der Leistung potenzieller Gegner konfrontiert. Wie bereits erwähnt können Sportler Berichten, die sie selbst thematisieren, nur schwer ausweichen. Ähnlich, wenn auch nicht ganz so extrem, verhält es sich mit der Berichterstattung über Kontrahenten. Klopp, Rose und Stephan gaben an, sich mit Hilfe der Medien gezielt über andere Mannschaften zu informieren: „Also, generell verschafft man sich natürlich einen Überblick über alles, was passiert. Aber in der Woche, bevor man auf einen Gegner trifft, möchte man dann schon wissen, wie da die Stimmung ist, worum da gekämpft wird, also, das sollte man dann schon wissen.“ (J. Klopp)
Roller bemerkte, dass in seinem Verein die Co-Trainer für die Auswertung der Berichte über gegnerische Mannschaften verantwortlich sind. Diese wird den Spielern dann zur Verfügung gestellt. Auch Steeb verfolgte die Berichterstattung über Gegner. Während er den Artikeln und Sendungen jedoch keine große Bedeutung zuwies, berichtete Klopp, dass Neuigkeiten über Stimmungen und Entwicklungen in anderen Teams einen starken Einfluss auf Mannschaftssitzungen haben. In Einzelfällen kann die mediale Leistungsbewertung auch weiter reichende Konsequenzen haben. Busemann erzählte vom Trainer einer Fußballmannschaft, der von einem Redakteur so unter Druck gesetzt wurde, dass er seine Mannschaftsaufstellung schließlich nach der Berichterstattung richtete. Rose weiß aus eigener Erfahrung, welchen Stellenwert die Medienmeinung bei Personalentscheidungen haben kann: Zu seiner Zeit in Hannover konnten die Spieler anhand der Berichterstattung über ihren Trainer erkennen, ob dieser kurz vor der Entlassung steht: „Es war halt so, dass normale Journalisten berichtet haben, und sobald es eng wurde und der Chefredakteur von der Bild-Zeitung dachte, er müsse jetzt auch mal schreiben, wusste man, dass der Trainer wahrscheinlich nicht mehr lange da sein wird. Das war in Hannover schon eine Gesetzmäßigkeit.“ (M. Rose)
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Auch hier scheint der Druck der Medien zur Beschleunigung von Entscheidungsprozessen beigetragen zu haben. Allgemein ist die Medienrecherche offenbar besonders in Mannschaftssportarten wichtig. Dies ist verständlich, da die Leistung des eigenen Teams immer abhängig ist von taktischen und personellen Entscheidungen der gegnerischen Mannschaft. Auch im Tennis kann das Spiel durch den Gegner bestimmt werden, im Schwimmen, in der Leichtathletik, im Eisschnelllauf und Radsport dagegen ist zuvorderst die eigene Form ausschlaggebend. Bemerkenswert ist, dass Medienberichterstattung häufig die einzige Quelle zur Leistungsbewertung anderer Sportler darstellt, da es nur selten möglich ist, alle Wettkämpfe live zu verfolgen. Während also die eigene Leistung unabhängig von der Medienmeinung bewertet wird, ist zu erwarten, dass die Wahrnehmung der Erfolge anderer stärker von der medialen Bewertung geprägt ist.
5.3.4.3 Emotionale Verfassung Wie bereits erwähnt kann sportliche Leistung als das vom System Sport hervor gebrachte Produkt betrachtet werden. Im Gegensatz zu Erlassen und Gesetzen als Produkten des politischen Prozesses sowie Entscheidungen über Unternehmensführung, Personal- und Standortpolitik im wirtschaftlichen Prozess ist die sportliche Leistung stark beeinflussbar von der Gefühlslage ihrer Produzenten: der Sportler. Deswegen können jegliche Medieninhalte, die die Emotionen der Sportler in irgendeiner Weise ansprechen, auch einen Einfluss auf ihre Trainings- und Wettkampfleistung haben: „Klar, man ist als Sportler sehr abhängig von seiner psychischen oder emotionalen Verfassung. Und deshalb hat das, wenn einen was belastet hat, absolut Auswirkungen auf die Leistung, hundert Prozent!“ (C.-U. Steeb)
Grundsätzlich muss dabei wie bereits erwähnt festgehalten werden, dass Sportler unterschiedlich stark emotional auf Berichterstattung reagieren. Die Beeinfluss-
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barkeit im sportlichen Bereich weist Parallelen zur Beeinflussbarkeit im privaten Bereich auf. Entscheidend ist zum einen die Persönlichkeit der Sportler. Sportler, die Medieninhalten keine große Bedeutung zuweisen, können als emotional stabiler bezeichnet werden als jene, die Wert auf die Medienmeinung legen. Busemann berichtete, dass ihn einige Artikel unabhängig von der eigenen Zufriedenheit mit seiner Leistung noch lange beschäftigt haben. Auch Rose räumte ein, dass Medienberichterstattung das Potenzial hat, ihn zu verunsichern: „Ich meine, jeder sagt dann zwar: ‚Es irritiert mich nicht, was in der Zeitung steht.’ Aber wenn du das liest –, du bist ja auch nur ein Mensch –, dann machst du dir da schon deine Gedanken drüber“ (Sensibilität). Bei Groß dagegen scheinen Medieninhalte kaum emotionale Reaktionen hervorgerufen zu haben. Er führt dies darauf zurück, dass er sich mit seiner Ausbildung abseits vom Sport ein zweites Standbein gesichert hatte (Grad der Abhängigkeit vom sportlichen Erfolg). Künzer berühren Berichte über ihre Person wenig, da sie aufgrund des geringen öffentlichen Interesses am Frauenfußball kaum Konsequenzen für sie haben (Grad der wahrgenommenen Aufmerksamkeit). Ein weiterer Faktor ist der Zeitpunkt der sportlichen Karriere. Die meisten Sportler berichteten, sie hätten anfangs stärker emotional auf Medienberichte reagiert (zum Beispiel Niemann-Stirnemann, Roller und Stephan).59 Steeb hat sogar erst nach seiner aktiven Laufbahn gelernt, Artikel und Sendungen mit Abstand zu betrachten. Als Davis Cup-Kapitän hat er Inhalte, die sowohl seine Position als auch die Spieler betrafen, weniger persönlich genommen und eher unter professionellen Gesichtspunkten bewertet. Ähnliches berichtet auch Klopp. Die Funktion des Befragten (Sportler oder Trainer) beeinflusst die Intensität der emotionalen Reaktionen also ebenfalls. Von Bedeutung ist nicht zuletzt auch der Inhalt der Berichterstattung. Dabei muss zunächst unterschieden werden zwischen der Thematisierung der sportlichen Leistung und der Thematisierung des Privatlebens. Das öffentliche Interesse an sportlichen Erfolgen und Misserfolgen an sich wird als im Spitzensport 59
Siehe auch Kapitel 5.2.2.
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unvermeidbare und sogar notwendige Nebenerscheinung betrachtet. Sportberichterstattung allgemein ruft aufgrund dessen also zunächst keine emotionalen Reaktionen hervor. Entscheidend dafür, ob die Gefühle der Athleten angesprochen werden, sind die Tendenz der Bewertung der sportlichen Leistung sowie die Begründung der sportlichen Leistung. Artikel oder Sendungen, in denen Wettkampfergebnisse oder die sportliche Haltung der Athleten gelobt werden, rufen fast ausschließlich Stolz und Freude der Athleten hervor: „Wie gesagt, im positiven Fall, wenn man gefeiert wird und alles ist Friede, Freude, Eierkuchen, dann kann man das sehr schön genießen“ (Meyfarth). Nur in Ausnahmefällen, vor allem bei als überhöht empfundenem Lob, folgt Skepsis und das Gefühl verstärkten Drucks (Klopp, Rose und Steeb).60 Kritik dagegen hat nicht immer einen Einfluss auf die psychische Verfassung der Sportler. Wenn sie als berechtigt und sachlich empfunden wird, erfolgt sogar Zustimmung. Viele Athleten betonen, dass Medien in ihren Augen die Aufgabe haben, sportliche Leistung zu bewerten (Busemann, Groß, Meyfarth, Künzer, Roller und Stephan). Empfinden die Athleten die Kritik jedoch als unberechtigt, unkorrekt oder unsachlich, ruft dies Emotionen wie Unverständnis, Ärger und Hilflosigkeit hervor: „Dass die Presse viel an Leistung geht oder nicht Leistung. Man bleibt ja aber der gleiche Mensch. Und man versucht, gleich zu kämpfen. Aber wenn man verliert, heißt es auch, man hat nicht gut gekämpft. Und das ist manchmal eben ein bisschen ungerecht.“ (D. Stephan)
Die emotionalen Folgen durch private Berichterstattung dagegen sind zunächst abhängig davon, welche Einstellung zur Thematisierung des Privatlebens die Sportler haben. Emotionale Reaktionen sind umso stärker, je kritischer die Befragten die Veröffentlichung von Persönlichem bewerten.61 Während Busemann Spekulationen über Heiratspläne amüsant fand und Klopp nichts gegen ungeplante Fotos seiner Hochzeit einzuwenden hatte, empfindet Bölts es als belastend, wenn sein Privatleben thematisiert wird. Vermutlich ist hier auch der Anlass der Berichterstattung (erfreuliches/unerfreuliches Ereignis) von 60 61
Siehe zum Thema Druck das folgende Kapitel. Siehe dazu Kapitel 5.3.1.2.
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Bedeutung: Steeb erzählte, dass es ihn „wahnsinnig gestört“ hat, als Medien die Scheidung seiner Eltern aufgriffen. Allgemein nehmen die Befragten die Einbeziehung von Familie und Freunden in die Berichterstattung als problematisch wahr, wenn diese die Aufmerksamkeit nicht wünschen oder nicht gewöhnt sind.62
5.3.4.4 Druck und Motivation Während im vorangegangenen Kapitel allgemein dargestellt wurde, wie Medien und Medienberichterstattung die emotionale Verfassung von Sportlern beeinträchtigen können, soll im Folgenden aufgezeigt werden, wie und unter welchen Umständen Medieninhalte konkret die Wettkampfeinstellung der Athleten beeinflussen. Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass alle Befragten den persönlichen Ehrgeiz und die damit verbundenen persönlichen Ziele als entscheidende Motivation für ihre sportliche Karriere betrachten (zum Beispiel Busemann, Groß und Niemann-Stirnemann).63 Es wurde jedoch auch deutlich, dass Medienberichterstattung die Sportler sowohl zusätzlich anspornen als auch unter Druck setzen kann. Groß und Künzer sind entsprechend der vorangegangenen Ausführungen die einzigen Befragten, bei denen keine Beispiele dafür gefunden werden konnten, dass Medieninhalte Einfluss auf ihre Wettkampfeinstellung hatten (Gründe: Unabhängigkeit von sportlichem Erfolg bzw. geringe wahrgenommene Aufmerksamkeit). Alle anderen befragten Sportler haben Medienberichte mitunter als zusätzliche Motivation oder Druck empfunden. Meyfarth betrachtet ihr Olympia-Gold im Alter von 16 Jahren eher als Geschenk. Sie berichtete, dass sie sich aufgrund der häufig als unsachlich empfundenen Kritik über ihre anschließenden Misserfolge vorgenommen hatte, sich die Anerkennung erneut zu erarbeiten: 62
Siehe dazu Kapitel 5.3.3.2. Auch vom Stein konstatierte in seiner Arbeit, dass „Spitzensportler vornehmlich intrinsisch […] motiviert sind“ (A. vom Stein 1988: 354): Selbstzufriedenheit wird als entscheidendes Motiv bezeichnet. 63
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„Ja, so nach dem Motto: ‚Die bringt sowieso nichts mehr’ – das war schon ein Ansporn für mich, diese Eintagsfliege, die ich mir auch gar nicht so bewusst erarbeitet habe, diesen Olympiasieg, noch einmal zu bestätigen. Das hatte ich also immer im Hinterkopf.“ (U. Meyfarth)
Auch Busemann sagte sich nach einigen Artikeln, die ihm rieten, seine Karriere aufgrund seiner zahlreichen Verletzungen zu beenden: „Na wartet ab. Ich habe noch jede Menge mehr drauf.“ Doch auch positive Berichterstattung kann Athleten motivieren. Stephan und Roller empfanden Berichte als Ansporn, die Zuversicht darüber äußerten, dass sie nach ihren Verletzungspausen zur Leistungssteigerung ihrer Mannschaften beitragen würden. Steeb beschrieb die euphorische Berichterstattung, die sein Davis Cup-Sieg über den Weltranglisten-Ersten Mats Wilander auslöste, sowohl als Motivation als auch als Belastung. “Da hat jeder erwartet, dass ich im nächsten Jahr unter den ersten 20 stehen muss, nach der Leistung, die ich aufgebracht habe. Das war schon ein großer Druck. Ein großer Druck, aber auch eine Erleichterung, so etwas Großes schon geschafft zu haben. Und das hat dann auch einen wahnsinnigen Leistungsschub gegeben.” (C.-U. Steeb)
Es ist zu beobachten, dass das Vertrauen in die eigene Leistung ein entscheidender Faktor bei der Verarbeitung von Medienberichterstattung ist. Wenn die Sportler sich zutrauen, den Erwartungen der Medien gerecht zu werden oder wenn sie glauben, sie würden unterschätzt, dann können sowohl positive als auch negative Berichte in Motivation umgewandelt werden. In Phasen dagegen, in denen die Sportler mit ihrer Leistung unzufrieden und ratlos sind, erhöht Berichterstattung eher den Druck (Rose). Hohe Erwartungen werden außerdem umso eher als Belastung empfunden, je größer die Bedeutung der medialen Präsenz für die Einnahmen des Sportlers ist. Ein interessanter Aspekt ist die Rolle, die Sponsoren in diesem Zusammenhang spielen. Bölts spürte nicht so sehr den direkten Druck der Medien, sondern vielmehr den Druck seiner Geldgeber. Da diese positive Berichterstattung über die Sportler wünschen, die sie unterstützen, fordern sie gute Leistungen. Auch Roller wies darauf hin, dass es besonders für Sportler mit einem IndividualSponsorenvertrag wichtig ist, häufig in der Berichterstattung erwähnt zu werden.
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Als etwas geringer einzuschätzen, aber trotzdem nicht zu vernachlässigen ist der Druck, der auf den Sportlern lastet, die einen Großteil ihrer Einnahmen von ihrem Verein beziehen (zum Beispiel Klopp, Roller und Stephan). Sponsoren geben ihre Leistungserwartungen nicht direkt an diese Sportler, sondern zunächst an den Verein weiter.
5.3.4.5 Trainingsablauf Wie bereits eingangs erwähnt kann die Beeinflussung der Trainingsroutine durch Medienanfragen als funktionaler Effekt bezeichnet werden. Sportler sind nach Erfolgen mit steigendem öffentlichen Interesse konfrontiert und müssen einen Weg finden, dieses zu bewältigen. Natürlich geht mit der Veränderung der Trainingszeiten und -abläufe nicht zwangsläufig eine Verbesserung oder Verschlechterung der sportlichen Leistung einher. Die zunehmende zeitliche Belastung lässt jedoch zumindest auf eine gewisse Beeinträchtigung schließen. Dies bestätigen auch die Aussagen der Interviewpartner. Zunächst muss darauf hingewiesen werden, dass die Koordination und Festlegung von Medienterminen nicht immer in der Hand der Athleten liegt. Besonders Anfragen an Mannschaftssportler (Klopp, Künzer, Roller, Rose und Stephan) werden überwiegend vom Pressesprecher des jeweiligen Vereins geregelt. Es kann also sein, dass Medientermine für den Verein eine andere Priorität haben als für die Sportler selbst. Die Sportler müssen sich meist dem Willen des Vereins beugen (Rose). Grundsätzlich zeigten sich die Befragten jedoch zufrieden mit der Art und Weise, wie im Verein Anfragen und Training koordiniert werden (Künzer, Stephan).64 In den Interviews wurde deutlich, dass Sportler Medienterminen eine unterschiedliche Bedeutung zuweisen. Dies führt dazu, dass die Bereitschaft, Trainingsroutinen an Medienwünsche anzupassen, unterschiedlich stark ist. Einige 64
In Kapitel 5.5 wird noch genauer darauf eingegangen, wie und mit welcher Unterstützung die Sportler Medientermine handhaben.
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Befragte gaben an, ihr Training nie nach Anfragen von Journalisten zu richten oder gerichtet zu haben, andere dagegen versuchten, Training und Medientermine miteinander abzustimmen, um vielen Anfragen gerecht werden zu können. Tabelle 4: Beeinträchtigung der Trainingsroutine durch Medienanfragen Antwort Befragte
Nein, nie In Ausnahmefällen Ja, häufiger Bölts, Roller, Busemann, Groß, Rose, Künzer, Klopp, Stephan Meyfarth, Steeb Niemann-Stirnemann Antworten auf die Frage: Kam es auch vor, dass durch Medientermine Ihre Trainingsroutine beeinträchtigt wurde? – Keine Antwortvorgaben, Kategorisierung der Antworten anhand der Interpretation der Aussagen. Die Gründe für den unterschiedlichen Umgang mit Medienanfragen werden in Kapitel 5.5 genauer erläutert. Entscheidend ist hier, wie die Befragten den Einfluss der Medientermine auf ihr Training bewerten. Klopp betonte, dass alle Aktivitäten seiner Arbeit als Trainer untergeordnet werden müssen: „Ich brauche meine volle Konzentration für das hier. Alles, was mich davon ablenken würde, mache ich nicht.“ Auch die Aussagen der anderen Befragten lassen darauf schließen, dass sie mit einer Veränderung der Trainingsroutine negative Folgen assoziieren (Bölts, Steeb und Stephan). Tatsächlich berichteten Busemann, Meyfarth und Niemann-Stirnemann, dass die vielen Medientermine mitunter eine Belastung darstellten: „Ja, wenn man erfolgreich ist und oben auf der Welle schwimmt, ist das wirklich gar nicht so einfach, dieses Problem zu regeln. Man muss ja regelmäßig sein Training haben und dann auch noch zwischendurch seine Pausen. Wenn man irgendwo beim Fotografen im Studio steht und dauernd von der Stelle ab hoch springen muss für irgendein scheiß Motiv, weil man eben Hochspringerin ist, dann kann man das schon als Training bezeichnen. Ja, das habe ich schon alles erlebt. Und hab gemosert und geschimpft und gesagt, jetzt muss ich aber aufhören und nach Hause, ich muss trainieren. Das haben die alles nicht so richtig kapiert (lacht).“ (U. Meyfarth)65
65 Auf die Reaktionen während und im Anschluss an Interviewtermine wird in Kapitel 5.4 noch näher eingegangen.
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Es kann also festgehalten werden, dass funktionale Medieneinflüsse auf das Training der Athleten auch das Potenzial haben, die Leistung der Sportler zu beeinflussen. Damit steigt die Bedeutung der Einführung klarer Regeln und Prioritäten im Umgang mit Medien.66
5.3.4.6 Wettkampfablauf Während der Einfluss der Medien auf das Training weitestgehend vom Athleten selbst oder seinem Umfeld bestimmt werden kann, haben Sportler bei der Erfüllung von Medienwünschen hinsichtlich Wettkampfansetzungen und -abläufen meist kein Mitspracherecht. Die Ausrichter eines Wettbewerbs – Vereine, Verbände, kommerzielle Veranstalter –, sind häufig auf Fernsehübertragungen angewiesen und müssen den Wünschen der TV-Stationen entgegen kommen. Dies ist auch den Athleten bewusst. So rufen funktionale Einflüsse auf Wettkampfplanung und -gestaltung nur selten heftige Reaktionen bei den Sportlern hervor. Viele Befragte äußerten Verständnis dafür, wenn in ihrer Sportart Veranstaltungen so gelegt werden, dass möglichst exklusives Medieninteresse gewährleistet ist (Groß, Niemann-Stirnemann, Roller). Eingriffe in den Zeitplan werden ebenfalls meist ohne Widerwillen hingenommen: „Naja, wenn Anstoßzeiten oder so verlegt werden, dann, denke ich, hat jeder dafür Verständnis. Wir wollen ja auch, dass der Frauenfußball weiter Schritte nach vorne macht“ (Künzer). Vermutlich ist die Koordination von Medien- und Verbandswünschen besonders in den medienwirksamen Sportarten schon so eingespielt, dass Einflüsse kaum mehr spürbar sind. Zudem besitzen diese Verbände wahrscheinlich ein größeres Mitspracherecht als die Verbände weniger medienwirksamer Sportarten. Klopp, Rose und Steeb, zu dessen aktiver Zeit der Tennissport noch im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stand, berichteten somit auch nicht von konkreten Situationen, in denen sie sich den Medienvorstellungen beugen mussten.
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Siehe zum Thema Institutionalisierte Interaktion Kapitel 5.5.2.
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Nur in Ausnahmefällen rufen massive Medieneingriffe den Ärger der Athleten hervor, was dann auch zu einer Leistungsbeeinträchtigung führen kann. Groß kritisierte die Wettbewerbszeiten bei den Olympischen Spielen in Seoul: „Wir mussten damals zu einer ziemlich beschissenen Zeit schwimmen, auf gut Deutsch gesagt, nämlich um 12 Uhr mittags. Das ist für den Biorhythmus eine wirklich blöde Zeit. […] Aber das war eine Zeit, die diktiert worden ist durch das amerikanische Fernsehen, damit man in den USA zur besten Abendzeit das Schwimmen, die Finalwettbewerbe, zeigen kann.“ (M. Groß)67
Der Schwimmer betonte jedoch auch, dass derartige Maßnahmen in seinen Augen seltener geworden sind: „Das hat jetzt nachgelassen, weil man gemerkt hat, dass man im Prinzip mit so einer Einflussnahme auf das Produkt auch das Produkt selbst schädigt, und wenn das Produkt geschädigt wird, hat natürlich auch das Fernsehen weniger davon.“68 Busemann schreibt in seiner Biographie davon, dass eine Verlegung des Speerwerfens bei den Olympischen Spielen in Sydney ihn bei seiner Vorbereitung auf den Wettbewerb in Zeitnöte brachte. Im Interview darauf angesprochen relativierte er jedoch seine Kritik und wies darauf hin, dass man als Athlet während des Wettkampfes meist so konzentriert ist, dass man kaum wahrnimmt, wenn etwas auf Initiative der Medien hin verändert wird. Außerdem sei jeder Athlet von Verschiebungen ja gleichermaßen betroffen. Auch die Antworten der anderen Befragten machen deutlich, dass sie durch funktionale Medieneinflüssen ihre Wettkampfleistung grundsätzlich nicht beeinträchtigt sehen.
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Niemann-Stirnemann und Roller führten ähnliche Beispiele an. Im Vorfeld der Buchveröffentlichung wies Groß darauf hin, dass bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking die Schwimmfinals aufgrund von TV-Wünschen erneut für den Vormittag angesetzt sind. Dies verdeutlicht einmal mehr die herausgehobene Bedeutung des Fernsehens für den Sport. 68
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Ergebnisse
5.3.5 Zusammenfassung und Wirkungsmodell Für die reaktive Phase kann festgehalten werden, dass in allen Lebensbereichen der Befragten funktionale und kausale Medieneinflüsse festzustellen sind: Frage 1: Wann und wie reagieren Spitzensportler auf Medien und ihre Berichterstattung? – Sowohl die Einstellungen von Sportlern zu Medien und Journalisten als auch ihr Privatleben und ihre sportliche Leistung sind mehr oder weniger stark durch konkrete Medieninhalte oder das Ausmaß des medialen Interesses allgemein geprägt. Frage 1a: Welche Art von Berichterstattung ruft welche Reaktionen hervor? – Medien thematisieren einerseits das Privatleben und die Persönlichkeit und andererseits die Leistung der Sportler. Die Befragten bewerteten den Einfluss des Inhalts und der Tendenz von Medienbotschaften jedoch unterschiedlich. So kann zwar festgehalten werden, dass Merkmale der Medienberichterstattung relevant sind für Medienwirkungen, die konkreten individuellen Reaktionen der Protagonisten jedoch durch weitere intervenierende Variablen beeinflusst werden. Diese Reaktionen umfassen zunächst veränderte Einstellungen und Verhaltensweisen gegenüber Medien und Journalisten. Außerdem können Wirkungen auf die Befragten im Bereich der schulischen, universitären oder beruflichen Ausbildung werden. Auch eine Veränderung im Umgang mit Dritten kann als Folge von Medienberichterstattung auftreten. Eine Befragte wies auf den Einfluss der Medien auf ihre Persönlichkeitsentwicklung hin. Von besonderer Bedeutung sind jedoch vor allem die Reaktionen der Befragten im sportlichen Bereich: Medienwirkungen betreffen sowohl Emotionen als auch Wissen und Einstellungen der befragten Sportler und können laut eigenen Aussagen Leistungssteigerungen oder -abnahmen zur Folge haben. Außerdem beeinträchtigen funktionale Medieneinflüsse mitunter die Trainingsroutine und den Wettkampfablauf der Athleten.
Reaktive Phase
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Frage 1b: Welche Faktoren beeinflussen Art und Intensität der Reaktionen? – Die Verarbeitungsprozesse der Protagonisten im Anschluss an ihren Kontakt mit Medienberichterstattung werden durch zahlreiche Faktoren bestimmt. Relevant sind zunächst die Intensität – nicht zu verwechseln mit dem Interesse an Berichterstattung – und der Zeitpunkt – Karrierephase, vorangegangene Leistung etc. – des Medienkontakts. Des Weiteren ist die Persönlichkeit eines Athleten von Bedeutung, besonders hinsichtlich des Ausmaßes an Selbstsicherheit und Sensibilität. Die Bewertung der Quelle der Botschaft sowie der Botschaft selbst beeinflussen die Verarbeitungsprozesse ebenso wie die Bewertung der eigenen medialen Präsenz und die Bedeutung, die diese Präsenz für den Sportler hat. Zusätzlich ist ausschlaggebend, wie die Sportler die Reaktionen Dritter wahrnehmen. Auch die Funktion eines Befragten in seiner Rolle als Trainer oder Sportler beeinflusst seine Reaktionen. Die folgende Abbildung 3 verdeutlicht die Wirkungsprozesse in der reaktiven Phase noch einmal graphisch. Neben den Eigenschaften der Botschaft und des Mediums gelten auch Eigenschaften des Journalisten als unabhängige Variable: Es zeigte sich, dass die Befragten diese als ausschlaggebend für die Art ihrer Reaktionen empfanden. Als intervenierende Variablen werden die Intensität und der Zeitpunkt des Medienkontakts definiert. Formal getrennt von den tatsächlichen Eigenschaften der unabhängigen Variablen wird die Bewertung dieser durch die Sportler. Sie wurde genau wie alle anderen für die Verarbeitungsprozesse relevanten Faktoren den intervenierenden Variablen zugeordnet. Jegliche Formen der Reaktionen werden thematisch gegliedert als abhängige Variable betrachtet.69
69 In diesem sowie in den folgenden Wirkungsmodellen wurde darauf verzichtet, sekundäre Effekte in die Systematisierung mit einzubeziehen. Diese wurden an gegebener Stelle im Text erwähnt, stehen jedoch nicht im Mittelpunkt der Ausführungen. Sie in die Wirkungsprozesse zu integrieren würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit überschreiten.
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Ergebnisse
Abbildung 3:
Wirkungsprozesse in der reaktiven Phase
Unabhängige Variablen Urheber und Botschaft
Intervenierende Variablen Medienkontakt
Verarbeitung durch Sportler Persönlichkeit (Selbstsicherheit/ Sensibilität)
Inhalt der Botschaft Eigenschaften Medium Form der Botschaft Eigenschaften Journalist Tendenz der Botschaft
und
Eigene Darstellung
Reaktive Phase
Einstellung zu Medien
Bewertung von Medieninteresse/ Berichterstattung/ Medienmacht
Einstellung zu Journalisten
Bewertung der Arbeitsweise/ Konfrontation
Einflüsse im Privatleben
Schule/Uni/Job Familie/Freunde Unbekannte
Einflüsse im sportlichen Bereich
Wissen Emotionen Einstellungen Leistung Routinen/Abläufe
Rolle (Sportler/Trainer) Zeitpunkt des Medienkontakts
Intensität des Medienkontakts
Bewertung von Medium/Journalist/ Botschaft Bewertung und Bedeutung medialer Präsenz Bewertung und Bedeutung öffentlicher Meinung Bewertung und Bedeutung der Reaktionen des Umfelds
wechselseitige Wirkungen
Interaktive Phase
135
5.4 Interaktive Phase
Im Folgenden wird der Fokus auf der Phase der Interaktion zwischen Sportlern und Journalisten liegen. Der Abschnitt beginnt mit der Beschreibung und Bewertung von Situationen, in denen die befragten Athleten allein mit der Präsenz von Journalisten, Fotografen und Kameraleuten konfrontiert waren, ohne dass eine verbale Kommunikation stattfand. Anschließend wird auf Interaktionen eingegangen, die von den Journalisten initiiert wurden. Konkret handelt es sich hier fast ausschließlich um Interviewsituationen. Schließlich wird aufgezeigt, wie die Befragten ihren psychischen und physischen Zustand im Anschluss an Interaktionen beschrieben.
5.4.1 Anwesenheit von Medienvertretern Die Gespräche mit den Befragten machten deutlich, dass bereits allein die Präsenz von Kameras, Fotografen und Journalisten bei Sportlern Reaktionen hervorrufen kann. Diese Reaktionen wurden in der vorliegenden Arbeit der interaktiven Phase zugeordnet, da sie nicht durch konkrete Berichterstattung und Anpassungen an Strukturen der Medien hervorgerufen werden, sondern direkt im Moment der nonverbalen Interaktion entstehen. Besonders die Bilder der alljährlichen Fernsehübertragungen von der Tour de France, der prestigeträchtigsten Radrundfahrt der Welt, zeugen von der unmittelbaren Nähe zwischen Sportlern und Medienvertretern während eines Wettkampfes. Doch auch Wettbewerbe, die auf einem begrenzten Feld stattfinden, werden dem Zuschauer zu Hause durch zahlreiche fixierte und mobile Kameras in jeder erdenklichen Perspektive präsentiert. Während und nach den Veranstaltungen drängen sich Fotografen um das beste Foto, Journalisten bewerten auf ihren Kommentatorenplätzen die Leistung der Sportler oder warten am Rande des Spielfelds auf eine Aussage der Sportler.
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Ergebnisse
Bei den Befragten löst der direkte Kontakt mit Medienvertretern unterschiedliche Reaktionen aus. Von Bedeutung ist zunächst der Zeitpunkt der Medienpräsenz: Sportler bewerten die Anwesenheit von Medienvertretern in konkreten Wettkampfsituationen positiver als ihre Anwesenheit abseits des Sportplatzes. Im Rahmen von Sportveranstaltungen hat zum einen das Wettkampfverhalten der Sportler einen Einfluss auf die Art der Interaktion zwischen Sportlern und Medien. Einige Befragte gaben an, während des Wettkampfes so konzentriert und in sich versunken zu sein, dass sie die Präsenz von Kameraleuten, Fotografen und Journalisten gar nicht wahrnehmen (Groß und Klopp). Andere dagegen sagten, ihnen sei bei Wettkämpfen das Ausmaß des Medienzuspruchs durchaus bewusst und sie könnten die Medienpräsenz auch spüren. Die Anzahl der Medienvertreter war neben der Zuschauerunterstützung sogar ein Faktor, den Bölts, Künzer, Niemann-Stirnemann und Steeb als motivierend bezeichneten. Zwar wies Busemann darauf hin, dass das Medieninteresses mit der Bedeutung des jeweiligen Wettkampfes steigt, so dass die Quelle der Motivation nicht eindeutig auszumachen sei. Vermutlich ist der Siegeswille tatsächlich zuvorderst durch die Wertigkeit einer Sportveranstaltung für den jeweiligen Athleten bedingt. Steeb berichtete jedoch, dass der Grad der öffentlichen Aufmerksamkeit bei verschiedenen Spielen sogar die Wettkampfeinstellung im Rahmen ein und desselben Turniers verändern kann: „…es macht einen Unterschied, ob ich bei den US Open auf Platz 23 ohne Kamera spiele oder auf dem Centre Court mit Kameras. Einen riesen Unterschied für die Motivation des Spielers. Es sollte eigentlich nicht der Fall sein. Ich muss mich auf Platz 23 auch anstrengen. Aber wenn auf Platz 23 irgendwas passiert, kann es gut sein, dass der Spieler die letzten zehn Prozent vielleicht nicht aus sich raus holt, was aber dann auf dem Centre Court der Fall ist.“ (C.-U. Steeb)
Auch Niemann-Stirnemann wollte sich bei Wettkämpfen, die vom Fernsehen übertragen wurden, besonders gut präsentieren, da sie wusste, dass zu Hause Familie, Freunde und Bekannte zuschauen. Das Motivationspotenzial der Medienpräsenz ist also anscheinend zusätzlich abhängig davon, welche Bedeutung die Sportler ihrem Bild in der Öffentlichkeit zuschreiben: Sowohl Steeb als auch Niemann-Stirnemann gehören zu den Sportlern, denen es laut eigenen Aussagen
Interaktive Phase
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wichtig war oder ist, wie die Zuschauer sie wahrnehmen. Bemerkenswert ist, dass Bölts sogar den engen Medienkontakt während eines Radrennens als Ansporn empfand: „... das sieht von außen so aus, als würde man da behindert werden. Je mehr um die Rennfahrer herum los ist – Zuschauer, die schreien, Motorräder und so – umso mehr stimuliert das, heizt dich das an, motiviert dich das.“ Die Vermutung, die Nähe der Kameras könne die Sportler beeinträchtigen, wurde durch seine Aussage also nicht bestätigt. Die Erfahrungen Busemanns machen jedoch deutlich, dass ausschlaggebend für die Bewertung der Nähe von Medienvertretern der Grad der Behinderung ist. Motivierend ist die Medienpräsenz nur dann, wenn sie sich nicht negativ auf die Leistung auswirkt. Der Zehnkämpfer Busemann wurde während des Diskuswerfens einmal durch ein Blitzlicht so geblendet, dass er anschließend zwei Jahre lang Probleme bei dieser Disziplin hatte, weil er befürchtete, der Vorfall könne sich wiederholen. Dieses Beispiel lässt darauf schließen, dass besonders die Interaktion zwischen Fotografen und Sportlern während der Wettkämpfe aus Sicht der Sportler nicht ausreichend reglementiert ist. Die Präsenz von Medienvertretern bei Sportveranstaltungen wird also überwiegend positiv bewertet. Situationen, in denen Journalisten, Kameraleute und Fotografen die Sportler auch abseits des Sportplatzes begleiteten, wurden nur in den Interviews mit Künzer und Stephan angesprochen. Beide berichteten davon, dass sie im Rahmen von Turnieren auch vor und nach den Spielen von Journalisten und Kamerateams begleitet wurden, und beide empfanden dies eher als Belastung. Ihre Aussagen bestätigen die Erkenntnisse der vorangegangenen Kapitel: Das Medieninteresse wird von Sportlern vornehmlich dann als positiv, notwendig oder zumindest akzeptabel bezeichnet, wenn es konkret auf die sportliche Leistung gerichtet ist. Je weniger sich die Aufmerksamkeit auf den eigentlichen Wettkampf bezieht, umso unangenehmer ist sie den Sportlern. Mit Ausnahme von Klopp und Meyfarth sprach keiner der Befragten Vorfälle an, bei denen sie auch im Privatleben von Fotografen oder Kameras verfolgt oder belästigt wurden. Viele betonten, dass sich das Interesse an ihnen in der Hinsicht „absolut im erträglichen Rahmen“ (Roller) bewegt. Sie verglichen ihre Lage
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häufig mit dem Schicksal noch bekannterer Sportler und kamen zu dem Schluss, dass diese einen Großteil der Aufmerksamkeit auf sich konzentrieren (Bölts, Busemann, Künzer, Roller und Steeb). Allein die Antworten von Meyfarth lassen darauf schließen, dass sie phasenweise tatsächlich unter der intensiven Medienbeobachtung abseits des sportlichen Geschehens gelitten hat. Das öffentliche Interesse an ihr war nach ihrem sensationellen ersten Olympiasieg wahrscheinlich höher als die Aufmerksamkeit, mit der die meisten anderen Befragten sich auseinander setzen mussten. So spiegeln die hier vorgestellten Ergebnisse der Befragung zwar vermutlich die Einschätzungen der meisten Spitzensportler wider, die extremen Erfahrungen von so genannten Superstars wie Franziska van Almsick, Jan Ullrich oder Boris Becker können sie jedoch nur ansatzweise abdecken.
5.4.2 Interviews und andere Medientermine Im Mittelpunkt des folgenden Abschnitts steht die Frage, wodurch das Auftreten von Sportlern bei Begegnungen mit Journalisten, die von den Medienvertretern zum Zwecke der Berichterstattung initiiert wurden, geprägt ist. Es stellte sich im Verlauf der Gespräche heraus, dass das verbale und nonverbale Verhalten von Journalisten selten heftige beobachtbare Reaktionen der Befragten hervorrief: Wutausbrüche oder Gesprächsabbrüche wurden so gut wie nie erwähnt. Nur Klopp, der als sehr impulsiv bekannt ist, berichtete davon, dass er im Laufe seiner Karriere vier oder fünf Mal Journalisten vor laufender Kamera heftig kritisiert hat. Niemann-Stirnemann rechtfertigte sich im Rahmen einer Pressekonferenz gegenüber einer Journalistin, die ihre Leistung aus ihrer Sicht zu Unrecht negativ bewertet hatte. Diese konkreten Konfrontationen, die als Ausbrüche aus dem üblichen Interaktions-Schema „Frage-Antwort“ bezeichnet werden können, waren jedoch die Ausnahme. Aus der Sicht der Befragten variierte vielmehr allein ihr Antwortverhalten: die Auskunftsbereitschaft allgemein, die Ausführlichkeit und der Ton der Antworten. Ähnlich wie die Einstellung der Sportler zu
Interaktive Phase
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Journalisten ist auch der Umgang miteinander abhängig von der Person der Sportler auf der einen und der Person der Journalisten auf der anderen Seite. Hinzu kommen situative Gegebenheiten. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden die Ausführungen in diesem Kapitel anhand dieser unterschiedlichen Einflussfaktoren gegliedert.
5.4.2.1 Einflüsse durch Sportlermerkmale Schon die Ausführungen in Kapitel 5.3.2 verdeutlichen, dass die Athleten der Zusammenarbeit mit Medienvertretern überwiegend positiv gegenüber stehen. Interviewtermine, Pressekonferenzen oder Dreharbeiten an sich werden als unabdingbarer Teil der Tätigkeit als Spitzensportler betrachtet, und die meisten Befragten sind zunächst um eine gute Zusammenarbeit mit den Journalisten bemüht. Das konkrete Verhalten in Interviews ist jedoch unter anderem abhängig von der Persönlichkeit der einzelnen Sportler. Zunächst unterscheiden sich die befragten Athleten hinsichtlich ihres grundsätzlichen Mitteilungsbedürfnisses. Busemann gab an, dass er nach Wettkämpfen immer gerne über seine Leistung gesprochen hat und seine Antworten meist ausführlicher waren als die manch anderer Sportler. Er hat Journalisten deswegen immer als dankbare Gesprächspartner empfunden. Auch Klopp berichtete, dass er sich gerne dafür Zeit nimmt, Dinge zu erklären und Interviews zu geben. Steeb dagegen glaubt, dass er nicht zu den Spielern gehörte, die von Journalisten bevorzugt um ein Interview gebeten wurden: „Ich habe konkret und auf den Punkt geantwortet, aber denen jetzt keine riesigen Storys geliefert. Deswegen waren andere vielleicht interessanter als ich.“ Groß hielt die Diskussion von Wettkampfergebnissen ebenfalls gerne so kurz wie möglich. Dass er seine Prinzipien häufig rigoros durchsetzte, habe auch einen Einfluss darauf gehabt, wie Journalisten ihm gegenüber traten. Ein Faktor, der erklärt, warum sich das Verhalten von Athleten gegenüber Journalisten im Laufe ihrer Karriere verändert, ist das Alter der Sportler. Es steht
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häufig in engem Zusammenhang mit ihrer Selbstsicherheit. Allgemein kann gesagt werden, dass die Befragten ihr Auftreten umso souveräner empfanden, je älter und je erfahrener sie im Umgang mit Medien waren. Die Unsicherheit am Anfang der Karriere führt zum einen dazu, dass die Sportler Probleme haben, ihre Position gegenüber den Journalisten zu vertreten. Dies äußert sich häufig in dem Gefühl, den Fragen des Gegenübers hilflos ausgeliefert zu sein (NiemannStirnemann und Steeb). Erst mit zunehmendem Selbstbewusstsein lernten viele der Befragten, in Interviews klar zu sagen, wenn sie auf eine Frage keine Auskunft geben möchten (Meyfarth, Roller und Steeb). Nur Groß beschrieb eine eher umgekehrte Entwicklung: Er sei im Laufe der Zeit in Interviews gelassener geworden und habe nicht mehr so häufig das Bedürfnis gespürt, die Konfrontation zu suchen. Andererseits hat die Unsicherheit von Sportlern einen Einfluss auf ihr Antwortverhalten. Einige Sportler präsentierten sich eher wortkarg und hielten sich mit Meinungsäußerungen zurück, weil sie Angst vor den Folgen ihrer Aussagen hatten: „Ich hatte ja so ein bisschen den Ruf, zurückhaltend zu sein, nicht viel zu erzählen. Das hat sich dann in meinem reiferen Alter etwas verbessert. […] Das ist natürlich – wenn du als junges Mädel lernst, du musst bei dem oder dem aufpassen, musst dir überlegen, was du denen sagst, dann wirst du eben ein bisschen mundfaul.“ (U. Meyfarth)
Bei Niemann-Stirnemann dagegen äußerte sich die Unerfahrenheit vor der Kamera eher durch Hyperaktivität. Sie habe bei Medienauftritten anfangs eine Rolle gespielt, die ihre eigentliche Persönlichkeit nicht immer widerspiegelte. Sowohl übermäßige Zurückhaltung als auch Offensivität sind zusätzlich bedingt durch die große Bedeutung, die die Befragten vor allem in jungen Jahren der öffentlichen Meinung zuweisen. Auch der persönliche Nutzen, den die Sportler mit ihrem Medienauftritt verbinden, kann einen Einfluss darauf haben, wie sich die Sportler in Interviews verhalten. Niemann-Stirnemann gab an, das Medieninteresse als Möglichkeit zur Selbstdarstellung betrachtet zu haben, was sich darin äußerte, dass sie in Interviews offen war und versuchte, den Wünschen der Journalisten entgegen zu
Interaktive Phase
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kommen. Auch Busemann spricht der Medienpräsenz einen Einfluss sowohl auf den Bekanntheitsgrad als auch auf den finanziellen Verdienst der Sportler allgemein zu, was bei ihm persönlich zu einem Pflichtgefühl gegenüber Journalisten führte: „Die Medien machen einen groß. Und erfolgreiche Sportler verdienen viel Geld und haben in der Bevölkerung ein gewisses Ansehen, baden sich im Ruhm. Sprich: Das ist der Erfolg der Medien. Ganz klar. Wenn keiner darüber berichten würde, würde keiner merken, dass da jemand 9,30 m weit gesprungen ist. Und dementsprechend ist es, glaube ich, auch wichtig, wenn es nicht so gut läuft, sie daran teilhaben zu lassen.“ (F. Busemann)
Groß dagegen, zu dessen aktiver Zeit die Verdienstmöglichkeiten für erfolgreiche Sportler noch vergleichsweise gering waren, betrachtete den Sport vor allem als Hobby und nicht als Mittel zur Sicherung seines Lebensunterhalts. Mit seinem abgeschlossenen Studium war er weniger als andere auf Medienpräsenz angewiesen und zeigte sich Journalisten gegenüber nicht immer kooperativ: „Obwohl der große Star der Spiele, lehnte Groß es ab, sich zum Medienliebling der Nation machen zu lassen. Medienvertreter wies er oft schroff ab; zu vielen Dingen äußerte er kritisch seine Meinung.“ (Lenz und Jordan 1994: 193)
5.4.2.2 Einflüsse durch Journalistenmerkmale Zunächst muss unterschieden werden zwischen der Interaktion mit den Sportlern bekannten und unbekannten Journalisten. Bereits in Kapitel 5.3.2 wurde beschrieben, welche Eigenschaften die befragten Sportler an Journalisten schätzen. Wenn sich Athlet und Journalist bereits vor einem Aufeinandertreffen kennen, beeinflusst also zunächst die Voreinstellung des Sportlers sein Interviewverhalten: Er zeigt sich umso offener und auskunftsfreudiger, je mehr die oben genannten Faktoren seiner Meinung nach auf den Gegenüber zutreffen (Busemann, Groß, Rose). Im Gegensatz dazu gaben viele Befragte an, Gespräche so kurz wie möglich zu halten, wenn ihnen der Journalist zuvor negativ aufgefallen ist: „Ja, es gibt so ein paar Spezialisten, wenn ich die sehe, dann mache ich immer einen
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Bogen. Weil teilweise nachgestochert wird, um irgendwelche Enthüllungen auszupacken, die gar nicht da sind“ (Busemann).70 Wenn Sportler den Journalisten vor dem Zusammentreffen nicht kennen, dient ihnen dessen Fragestellung als Anhaltspunkt für die Bewertung seiner Person und Arbeitsweise. Wie im vorangegangenen Kapitel dargestellt gibt es einige Themen, die die Befragten grundsätzlich nicht gerne besprechen. Doch auch die Art und Weise, wie bestimmte Themen angesprochen werden, haben einen Einfluss auf das Verhalten der Sportler. Für viele Befragte gilt trotz ihres grundsätzlichen Bemühens um eine gute Zusammenarbeit: „Blöde Frage, blöde Antwort. Ganz einfaches Spiel“ (J. Klopp). Stephan ärgern Fragen, die immer wieder auf sein Verletzungspech anspielen. Auch Fragen, die sich auf angebliche Aussagen Dritter beziehen, können zu zurückhaltenden Auskünften führen (Niemann-Stirnemann und Steeb). Roller ist enttäuscht, wenn er im Gespräch erkennt, dass die Journalisten sich keine Zeit genommen haben zu recherchieren: „Ja, man versucht, das dann schnell rum zu bringen. Dann gehe ich auch nicht weiter in die Tiefe und hole dann aus, sage, was es Neues gibt, sondern beantworte einfach die Fragen, und dann hat sich das für mich.“ Von Bedeutung für das Sportlerverhalten ist außerdem die Art und Weise der Kontaktaufnahme durch die Journalisten. Steeb bezeichnete die Methoden, mit denen versucht wurde, von ihm etwas über die Scheidung von Boris und Barbara Becker zu erfahren, sogar als „kriminell“.
5.4.2.3 Äußere Umstände Zuletzt haben immer auch die Umstände, unter denen Sportler und Journalisten aufeinander treffen, einen Einfluss darauf, wie die Zusammenarbeit verläuft. Interessante Beobachtungen diesbezüglich machten vor allem NiemannStirnemann und Rose. Sie wiesen darauf hin, dass Eigenschaften der nationalen und regionalen Medienlandschaft den Umgang von Journalisten und Sportlern 70
Die Aussagen von Bölts, Klopp und Steeb zeugen von einer ähnlichen Einstellung.
Interaktive Phase
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miteinander beeinflussen. Die Eisschnellläuferin verglich die Arbeitsweise deutscher, japanischer und US-amerikanischer Journalisten und bemerkte, dass die Interaktion mit diesen Medienvertretern grundsätzlich unterschiedlich verläuft: „In Asien zum Beispiel haben sie eine wahnsinnige Achtung. Da musst du aufpassen, dass sie sich nicht total verknicken. Dann hast du in Amerika dieses Feuer für Sensationen. […] Die wollen Schweißtropfen sehen. Die wollen Show. Ich meine, du bleibst immer du selbst, aber ich weiß, die kommen anders. Die fragen auch ganz anders. Und dann gibt es unsere fachliche Presse.“ (G. Niemann-Stirnemann)
Der Fußballer Rose war vor seinem Wechsel nach Mainz in Hannover unter Vertrag und empfand die Presse dort als wesentlich aggressiver. Aufgrund dessen war er mit seinen Aussagen grundsätzlich vorsichtiger als in Mainz. Eine Rolle spielt auch das Medium, für das ein Journalist arbeitet. Von Bedeutung ist für einige Sportler zunächst die Mediengattung. Viele Befragte berichteten, dass Interviews für Printmedien ungezwungener und angenehmer verlaufen als Fernsehinterviews, weil die Möglichkeit besteht, Aussagen zu relativieren: „Die Zusammenarbeit mit den Printjournalisten war sicherlich ein bisschen intensiver, weil man mit denen zusammen hockt, so wie mit Ihnen jetzt, und quatscht. Da kommen immer wieder neue Formulierungen, und Dinge werden aus neuen Perspektiven beleuchtet. Und das TV-Medium ist halt ein bisschen oberflächlicher. Da geht man hin, setzt sich vor die Kamera und quatscht. Man muss sich natürlich auch überlegen, was man sagt, denn wenn etwas einmal gesagt wurde, dann ist es eben gesagt. Und beim Print kann immer noch mal überlegen, ob es richtig ist oder nicht. Da kann man ein bisschen vorsichtiger walten.“ (U. Meyfarth)71
Busemann dagegen genoss besonders die Geschäftigkeit und Aufregung bei Fernsehauftritten. Aber auch die Erfahrungen, die ein Sportler bereits mit einem bestimmten Mediengenre gemacht hat, haben einen Einfluss auf ihr Auftreten. Viele Befragte zeigten sich so vor allem im Umgang mit Journalisten von Boulevardzeitungen zurückhaltend.72 Eigenschaften der Medienlandschaft, der Mediengattung und des Mediengenres werden im Folgenden formal zu den unab-
71 72
Rose und Steeb bestätigten diese Einschätzung. Siehe dazu Kapitel 5.5.3.1.
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Ergebnisse
hängigen Variablen gezählt, da sie relativ konstant und auch abseits des Moments der Interaktion wirken. Schließlich gibt es auch Faktoren, die die konkrete Interviewsituation betreffen. Alle Befragten verwiesen auf Momente, in denen es für sie vergleichsweise leichter oder schwerer ist, sich in Interviews zu äußern. Ausschlaggebend ist zunächst der Zeitpunkt des Interviews: Klopp berichtete, dass er besonders vor Spielen weniger auskunftsfreudig ist, weil er nicht alle Informationen hinsichtlich der taktischen Aufstellung preisgeben kann. Viele befragte Athleten bemerkten außerdem, dass es nach einer enttäuschenden Leistung schwerer ist, sich den Journalisten zu stellen. Ihre Antworten fallen dann oft zurückhaltender und kürzer aus (Klopp, Künzer und Roller). Außerdem spielt für die Mitteilsamkeit der Sportler die Anzahl der Interviews eine Rolle. Bei vielen Befragten kann festgestellt werden, dass sie umso wortkarger werden, je mehr Fragen unterschiedlicher Journalisten sie bereits beantwortet haben. Dies verdeutlichen besonders die Erfahrungen Klopps: „Es gibt Erstliga-Spieltage, da ist es so, dass man vor dem Spiel DSF und Premiere ein Interview gibt und nach dem Spiel DSF, Premiere, ARD und ZDF – also Fernsehstationen. Dann allen Radiostationen – also die, die grad da sind, die örtlichen. Und danach kommt erst die Pressekonferenz. Das heißt also, dass man alles, was man in der Pressekonferenz gefragt wird, schon vorher vier, fünf, sechs Mal gesagt hat. Und das ist unangenehm. Ich glaube, dass ich einen halbwegs ausgeprägten Wortschatz habe, aber irgendwann gehen dir Dinge definitiv aus.“ (J. Klopp)
5.4.3 Folgen der Interaktion für die Sportler Bereits in Kapitel 5.3.4.5 wurde erwähnt, dass Medientermine für Sportler eine Belastung darstellen können. Im Folgenden soll ausführlicher darauf eingegangen werden, von welchen konkreten Reaktionen im Anschluss an die Interaktion mit Medienvertretern die Befragten in den Interviews berichteten. Die Folgen von Medienauftritten können unterteilt werden in physische und psychische Reaktionen. Alle Befragten wiesen vor allem auf die körperliche Anstrengung hin: „…das Problem an diesen ganzen Terminen ist ja diese aufkommende Müdigkeit
Interaktive Phase
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[…]“ (Busemann). Diese Erschöpfung kann mehrere Ursachen haben: Zum einen haben die Dauer und der Charakter einzelner Veranstaltungen einen Einfluss auf die physische Verfassung der Sportler. Bereits zitiert wurde das Beispiel von Meyfarth, die sich für Fotomotive häufig sportlich betätigen musste. Zum anderen spielt die Anzahl der wahrgenommenen Medientermine eine große Rolle. Klopp vermutet, er habe in der Sommerpause nach dem Aufstieg in die erste Bundesliga rund 500 bis 600 Interviews gegeben: „Ich war wie erschlagen. Von dem Tag praktisch von null auf hundert in drei Wochen.“ Auch Künzer empfindet Wochen, in denen sie viele Termine wahrnehmen muss, als anstrengend. Ein weiterer Faktor ist zudem der Zeitpunkt der Interaktion mit Medienvertretern. Wie bereits erwähnt waren viele Befragte von dem großen Medieninteresse, das ihnen nach ihren größten Erfolgen entgegen schlug, überrascht und überwältigt. Die guten Leistungen einerseits und die ungewohnte Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit andererseits führten gerade am Anfang zu einem Zustand großer Euphorie. Aufgrund dessen wurden die zahlreichen Medientermine weniger als Belastung wahrgenommen: „Also, direkt nach der WM habe ich sowieso gar nichts gerafft. Da bin ich vom einen zum anderen. Das ging alles so schnell, war so viel. Da habe ich alles gemacht. Ich bin auch da, glaube ich, recht unkompliziert und hab das halt gemacht“ (N. Künzer). Busemann bestätigt diese Aussage: „In dem Moment war ich ja wie in einem Traum. Da habe ich überhaupt nichts mehr realisiert. Da hätten die mich auch vierteilen können und hätten sagen können, das muss man so nach den Olympischen Spielen, das ist normal.“ Zu anderen Zeitpunkten wird das starke Interesse jedoch kritischer bewertet. Einige Befragte betonten, dass Medientermine den Athleten besonders vor wichtigen Wettkämpfen die nötige Spannung nehmen und so die Wettkampfleistung beeinträchtigen können (Groß, Meyfarth und Stephan). Auch direkt nach dem Wettkampf oder dem Training verzögern Interviews die Regeneration der Sportler. Während Groß deswegen nach seinen Wettbewerben häufig keine Interviews gab, fiel es Niemann-Stirnemann lange schwer, Journalisten abzuweisen, die nach dem Training auf sie warteten.
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Emotionale Folgen von Medienterminen resultieren vor allem aus der Reflektion über das eigene Auftreten. Die Befragten zeigten sich sehr selbstkritisch und erwähnten, dass sie mitunter unzufrieden mit ihrem verbalen und nonverbalen Verhalten waren. Künzer und Stephan berichteten von Interviews, in denen ihnen ihre Ausdrucksweise nicht gefiel. Beide bezeichneten dies jedoch nicht als problematisch. Andere Befragte ärgerten sich eher über Inhalte ihrer Aussagen (Niemann-Stirnemann, Roller und Rose). Ausschlaggebend für das Ausmaß der emotionalen Belastung war auch hier wieder die Selbstsicherheit der einzelnen Athleten. Meyfarth und Steeb berichteten sogar von dem Gefühl, sich für einige Termine verkauft und prostituiert zu haben. Meyfarth bezog sich dabei explizit auf ein Interview mit der Bild-Zeitung. Auch bei Steeb handelte es sich um Berichterstattung, die vornehmlich seine Persönlichkeit oder sein Privatleben thematisierte. Die Interaktion mit Medienvertretern ruft jedoch nicht nur negative Gefühle hervor. Es wurde bereits erwähnt, dass einige Sportler durchaus Spaß daran haben, in Sendungen zu Gast zu sein, Interviews zu geben oder sich für Fernsehaufnahmen zur Verfügung zu stellen. Zufriedenheit stellt sich anschließend besonders dann ein, wenn das eigene Auftreten positiv bewertet wird. Für Bölts war es wichtig, sich nicht zu verstellen und authentisch zu bleiben. Busemann und Niemann-Stirnemann betrachteten die Auftritte als persönliche Herausforderung. Beiden dienten sie zur Selbstbestätigung und dem Aufbau von Selbstvertrauen, wenn sie die Art und Weise, mit der sie sich präsentiert hatten, positiv bewerteten. Auch Roller freut sich, wenn ihm ein Interview gut gelungen ist. Ausschlaggebend sei unter anderem, wie intensiv das Gespräch und wie gut vorbereitet der Journalist war. Unabhängig vom konkreten Verlauf der Interaktion bemerkte jedoch die Mehrzahl der Befragten, dass sie am Ende eines Termins vor allem Erleichterung empfinden oder empfunden haben: „…ich war immer froh, wenn es vorbei war“ (Bölts). Die Dauer der emotionalen Verarbeitung von Medienauftritten hat wiederum einen Einfluss darauf, wie sehr diese Auftritte auch zu einer körperlichen Belastung werden:
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„…dann wühlt einen das emotional auf, weil irgendwas passiert ist. Man schläft zwei Stunden kürzer oder nicht so ganz entspannt, und das geht natürlich alles auf den Körper. Irgendwann muss der seine Ruhe haben, und wenn dann eine hohe Belastung drauf gesetzt wird, kann es schon mal brenzlig werden.“ (F. Busemann)
Physische und psychische Folgen von Medienauftritten hängen somit eng zusammen.
5.4.4 Zusammenfassung und Wirkungsmodell Die interaktive Phase im reziproken Wirkungsprozess beschreibt das direkte Aufeinandertreffen von Sportlern und Medienvertretern. Aus Sicht der Befragten bestimmen zahlreiche Faktoren den verbalen und den nonverbalen Umgang miteinander. Frage 2: Welche Reaktionen ruft die Interaktion mit Journalisten, Kameraleuten oder Fotografen bei Spitzensportlern hervor? –Die Präsenz von Medienvertretern und das Gespräch mit Journalisten können bei den Sportlern sowohl positiv als auch negativ zu bewertende Reaktionen auslösen. Frage 2a: Welche Reaktionen ruft die Medienpräsenz bei Spitzensportlern hervor? – Solange Medienvertreter die Sportler nicht bei der Ausübung ihrer Sportart behindern, wird ihre Anwesenheit bei Wettkämpfen überwiegend als positiv und sogar motivierend beschrieben. Die Präsenz von Journalisten abseits des sportlichen Geschehens dagegen empfinden Sportler eher als störend und unangenehm. Frage 2b: Welche Effekte treten bei Sportlern während und im Anschluss an Interviews auf? – Freude oder Zufriedenheit stellen sich ein, wenn Sportler mit dem eigenen Interviewauftreten zufrieden sind. Gespräche, die ihre sportliche Leistung thematisieren, werden als Routine betrachtet und rufen keine weiteren Reaktionen hervor. Gesprächsabbrüche und emotionale Ausbrüche kommen sehr selten vor. In den Augen der Athleten variieren bei ihrem Interviewverhalten
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lediglich Auskunftsbereitschaft, Ausführlichkeit und Ton der Antworten. Unabhängig vom konkreten Verlauf des Aufeinandertreffens verspüren die meisten Befragten jedoch im Anschluss an die Interaktion in unterschiedlicher Form und Intensität sowohl emotionale als auch körperliche Erschöpfung. Frage 2c: Welche Faktoren beeinflussen die Interaktion zwischen Sportlern und Journalisten? – Reaktionen der Athleten werden sowohl durch Merkmale beider Interaktionspartner als auch durch die äußeren Umstände der Begegnung beeinflusst. Relevant sind neben dem Alter der Sportler Persönlichkeitseigenschaften wie der Grad des empfundenen Pflichtgefühls und ihre grundsätzliche Mitteilsamkeit. Hinzu kommt die Bedeutung, die sie der öffentlichen Meinung einerseits und der medialen Präsenz andererseits zuweisen. Auf Seiten der Journalisten halten die Befragten Interesse, Sachlichkeit, Fachkenntnis und Diskretion für wichtig. Die Art der Fragestellung und die Art der Kontaktaufnahme dienen den Sportlern als Anhaltspunkte bei der Bewertung eines Journalisten. Von Bedeutung sind weiterhin Eigenschaften des Mediums, für das ein Journalist tätig ist. Dazu zählen Merkmale der regionalen und nationalen Medienlandschaft, spezifische, häufig technische Anforderungen unterschiedlicher Mediengattungen und die Reputation eines Mediengenres. Zeitpunkt eines Medienauftritts und Anzahl der vorher absolvierten Termine spielen ebenfalls eine Rolle. Für die folgende Abbildung 4 dienten die bereits vorgestellten Wirkungsmodelle aus Kapitel 2.2.4 und 5.3.5 als Vorlage. Es mussten jedoch Veränderungen vorgenommen werden: Eigenschaften des Journalisten sowie medienspezifische Besonderheiten gelten formal weiterhin als unabhängige Variable, aber es entfallen die Eigenschaften der Botschaft: Die Botschaft ist in der interaktiven Phase veränderlich und wird in der Interaktion zwischen Sportler und Journalist entwickelt. Von besonderer Bedeutung sind somit die intervenierenden Variablen: Jegliche Formen der Reaktionen der Sportler während und nach der Interaktion entspringen einem permanenten Wechselspiel zwischen dem Verhalten des Journalisten und individuellen Verarbeitungsprozessen der Sportler. Alle hier relevanten Einflussgrößen werden deswegen als intervenierende Variable definiert.
Interaktive Phase Abbildung 4:
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Wirkungsprozesse in der interaktiven Phase
Unabhängige Variablen
Intervenierende Variablen Kontakt mit Journalisten
Zeitpunkt
Eigenschaften Medium
Eigenschaften Journalist
Verarbeitung durch Sportler
Medienpräsenz
Persönlichkeit (Mitteilsamkeit/ Pflichtgefühl/ Selbstsicherheit)
Ansporn
Bedeutung öffentl. Meinung Inhalt der Fragen
Bedeutung medialer Präsenz
Art der Fragen
Bewertung von Medium/Journalist Bewertung der Interaktionssituation
wechselseitige Wirkungen
Eigene Darstellung
Verbale Interaktion
verändertes Antwortverhalten
Häufigkeit
Art der Kontaktaufnahme
und
Abhängige Variablen
Behinderung
Auskunftsverweigerung
Konfrontation Belastung
Reaktionen im Anschluss
Emotionale Reaktionen
Körperliche Erschöpfung
Geistige Erschöpfung
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5.5 Pro-aktive Phase Schließlich soll nun die Phase vor der Interaktion und Berichterstattung thematisiert werden, in der die Sportler die Möglichkeit haben, selbst Einfluss darauf zu nehmen, wann, was und wie über sie berichtet wird. Während die ersten beiden Abschnitte des folgenden Kapitels eher die Anpassung der Befragten an funktionale Medieneinflüsse sowie ihre Maßnahmen zur Verbesserung der eigenen Position bei der Zusammenarbeit mit den Medien thematisieren, wird anschließend genauer darauf eingegangen, wie Sportler versuchen, direkt auf Inhalte der Medienberichterstattung einzuwirken.
5.5.1 Professionelle Unterstützung Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, in welcher Form die Befragten sich hinsichtlich der Zusammenarbeit mit den Medien um professionelle Unterstützung bemüht haben. Dabei wird unterschieden zwischen der Beratung zum Zwecke der Verbesserung des eigenen Auftretens bei Medienterminen und der Hilfe bei der Wahrnehmung und Koordination von Medienanfragen. Angesichts der wichtigen Rolle, die die befragten Athleten den Medien im Sport zuweisen, ist es erstaunlich, dass mit Bölts nur ein einziger Befragter an einem Training im Umgang mit Medien teilgenommen hat. Das Training wurde vom ehemaligen Redenschreiber Helmut Kohls durchgeführt, die Organisation übernahm der Arbeitgeber von Bölts, das Team Telekom. Der Radfahrer bewertet diese Maßnahme ausschließlich positiv: „Der hat uns sehr viel beigebracht über das Auftreten gegenüber Journalisten – Körpersprache, alles, was dazu gehört. […] Ich hätte mir gewünscht, ich hätte das schon am Anfang meiner Karriere gelernt. Dann wäre mein Auftreten wahrscheinlich auch ein bisschen sicherer und selbstbewusster gewesen.“ (U. Bölts)
Steeb berichtete, dass der internationale Tennisverband ATP mittlerweile für jeden jungen Spieler ein Medientraining an zwei Wochenenden zur Pflicht
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gemacht hat. Unterrichtet werde unter anderem das korrekte Verhalten vor der Kamera allgemein, in Pressekonferenzen oder nach einem Turniersieg. Steeb musste zu seiner Zeit diese so genannte „Summer University“ jedoch noch nicht besuchen. Bemerkenswert ist, dass die Initiative zur Verbesserung des Auftretens anscheinend weniger von den Sportlern selbst ausgeht, sondern vielmehr von den Verantwortlichen der Teams, Vereine oder Verbände. Dies hat unterschiedliche Gründe. Die Befragten, die grundsätzliches Interesse an einem Medientraining signalisierten, hatten zu spät von der Möglichkeit erfahren, sich nicht rechtzeitig anmelden können oder zu den angebotenen Terminen keine Zeit gehabt (zeitlicher Aspekt) (Künzer, Niemann-Stirnemann und Roller).73 Roller bemerkte jedoch, dass bereits die Themen auf einer Einladung zu einem derartigen Seminar ihm Anregungen zur Verbesserung seines Interviewverhaltens gegeben hätten. Grundsätzlich gehört der Basketballspieler aber zu den Befragten, die Zufriedenheit mit dem eigenen Auftreten äußerten und deswegen ein Medientraining nie für unbedingt notwendig hielten. Rose berichtete, dass in seiner Mannschaft bisher niemand eine derartige Veranstaltung besucht habe und begründete dies mit der geringen Bedeutung von Medienauftritten allgemein. Groß, Meyfarth und Stephan äußerten sogar eine gewisse Skepsis gegenüber einem Medientraining und betonten die negativen Folgen. Stephan bemängelte einen Verlust an Spontaneität die oft standardisiert klingenden Antworten der Sportler, die ein derartiges Training besucht haben. Die beiden ältesten Befragten Groß und Meyfarth äußerten die Befürchtung, dass derartige Maßnahmen sich gerade bei jungen Sportlern unvorteilhaft auf die Persönlichkeitsentwicklung auswirken könnten. Eine gewisse charakterliche Festigung sei Voraussetzung dafür, dass ein Medientraining den Sportlern nicht zu Kopf steige und die gewünschten Wirkungen erziele. Ihre Aussagen verdeutlichen die zu ihrer aktiven Zeit eher skeptische Einstellung gegenüber Medienprominenz.
73 Alle drei Sportler werden oder wurden von der Stiftung deutsche Sporthilfe gefördert, die regelmäßig Seminare zum Umgang mit Medien anbietet.
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Auch hinsichtlich der Bewältigung von Medienanfragen kümmerten sich erstaunlich wenige Befragte aktiv um professionelle Unterstützung. Die Pressearbeit für die Mannschaftssportler Klopp, Künzer, Roller, Rose und Stephan wird in den jeweiligen Vereinen geregelt, und auch Bölts berichtete, dass die Teams im Radsport seit dem verstärkten Medieninteresse nach Ullrichs Tour-Sieg einen Pressesprecher beschäftigen. Wie bereits in Kapitel 5.3.4.5 erwähnt, nehmen die Pressesprecher den Aktiven zwar eine Menge Arbeit ab, vertreten jedoch nicht zuvorderst die Interessen der einzelnen Sportler, sondern die des Vereins oder, im Falle von Bölts, des Sponsoren. So werden nicht immer die Sportlerwünsche berücksichtigt, die Möglichkeit zur Selbstbestimmung nimmt ab. Trotzdem greifen die befragten Mannschaftssportlern nur in Sponsoren- oder Vertragsangelegenheiten auf professionelle Hilfe zurück (Stephan, Roller und Rose). Allein Klopp, der als Trainer eine herausragende Stellung im eigentlichen Mannschaftssport Fußball inne hat, berichtete, dass er zur Bewältigung von Medienanfragen zusätzlich von seiner Frau unterstützt wird. Sie kümmere sich halbtags um die Beantwortung von E-Mails und die Terminkoordination. Auch bei den Individualsportlern erledigen vorwiegend Familienmitglieder die Pressearbeit. Meyfarth nahm selbst im jungen Alter Termine alleine wahr und wies auch die Ratschläge eines befreundeten Journalisten zunächst oft zurück. Nur Niemann-Stirnemann und Steeb beschäftigten einen Manager, der explizit auch für den Pressekontakt zuständig war. Die Eisschnellläuferin betonte, in ihrer Sportart als erste mit einem Manager zusammen gearbeitet zu haben. Sie sei dabei auf viele Widerstände gestoßen, doch letztendlich habe die neue Aufgabenverteilung für sie nur Vorteile mit sich gebracht. Zusammenfassend muss hervorgehoben werden, dass nicht alle befragten Sportler von der Notwendigkeit eines Medientrainings oder professioneller Unterstützung im Umgang mit Medien überzeugt sind. Diejenigen, die eine derartige Hilfe in Anspruch genommen haben, betonten jedoch die Vorteile, die für sie damit verbunden waren. Berücksichtigt man außerdem, dass viele Befragte den Medien im Sport ein großes Einflusspotenzial zuschreiben und einige Sportler beklagten, der Medienmacht relativ hilflos gegenüber zu stehen, kann konstatiert
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werden, dass Athleten ihre eigenen Einflussmöglichkeiten nicht genügend ausschöpfen. Die Ergebnisse der Interviews lassen darauf schließen, dass die Professionalisierungstendenzen im Sport deutlich weniger ausgeprägt sind als in der Politik und dass die Initiative zur Verbesserung der Position des Sports gegenüber den Medien eher von Funktionären als von den Sportlern selbst ausgeht. Die folgenden Ausführungen werden diese These weiter stützen.
5.5.2 Institutionalisierte Interaktion Mit dem Begriff institutionalisierte Interaktion werden zusammengefasst alle Maßnahmen der Sportler bezeichnet, die Bearbeitung, Koordination und Wahrnehmung von Medienanfragen und Medienterminen zu ihrem Vorteil zu organisieren. Die Befragten haben im Laufe ihrer Karriere unterschiedliche Wege gewählt, um mit den zahlreichen Medienanfragen umzugehen. Während zuvor beschrieben wurde, mit welcher Unterstützung sie die Termine koordinieren, wird nun verdeutlicht, welche Grundsätze sie bei der Wahrnehmung von Rundfunk- und Presseterminen verfolgen. In der Phase nach dem ersten großen sportlichen Erfolg waren viele der befragten Sportler zunächst von dem großen öffentlichen Interesse an ihnen überwältigt. Die meisten von ihnen nahmen anfangs nach eigenem Empfinden sehr viele Anfragen wahr. Erst im Laufe der Zeit entwickelten sie Strategien, um die Zusammenarbeit aus ihrer Sicht bestmöglich zu regeln. Eine Maßnahme, die unter anderem zur Entlastung der Athleten beitragen soll, ist die Einrichtung einer eigenen Homepage. Von den befragten Sportlern sind Busemann, Künzer, Niemann-Stirnemann, Rose und Stephan mit einem eigenen Webauftritt im Internet präsent. Besonders Busemann und Künzer betonten, dass die Homepage ihnen viel Arbeit abnimmt.74 Weitere Maßnahmen betreffen die Regelung der Wahrnehmung von Medienanfragen. Athleten wie Busemann, Klopp, Meyfarth 74 Als weiterer Grund für die Einrichtung einer Homepage wird die Präsentation der eigenen Person genannt. Dieser Aspekt wird in Kapitel 5.5.3.3 noch genauer thematisiert.
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und Niemann-Stirnemann, die grundsätzlich Freude an der Interaktion äußerten, versuchten auch weiterhin, vielen Anfragen gerecht zu werden: „Das ist ein Teil meiner Persönlichkeit. Ich habe von den Medien auch gut gelebt, das muss man ganz klar so sagen. Und weil ich nicht nein sagen kann, haben die sich auch so gerne mit mir unterhalten“ (Busemann). Wie bereits beschrieben hatte dies bei einigen Sportlern jedoch auch zur Folge, dass die Medientermine mitunter zur Belastung wurden. Niemann-Stirnemann führte erst mit ihrem Manager klare Regeln für Interviewtermine ein und empfand dies als Maßnahme zur Bewahrung ihrer Selbständigkeit, die sie sehr positiv bewertete. Groß betonte, dass es sehr wichtig ist, sich als Sportler eine deutliche Linie im Umgang mit den Medien zu erarbeiten: „… man braucht klare Richtungen, eine klare Strategie.“ Der Schwimmer gab während der letzten vier bis sechs Wochen vor einem wichtigen Wettkampf grundsätzlich keine Interviews und war auch nach Wettkämpfen nur zu kurzen Aussagen bereit. Er würde das immer wieder so handhaben und ist fest davon überzeugt, dass es an jedem Sportler selbst liegt, wie sehr die Medien sein Leben beeinflussen. Kein anderer Befragter berichtete von ähnlich strikten Prinzipien. Bestimmte Grundsätze zur Selektion von Anfragen haben jedoch alle Gesprächspartner. Ausschlaggebend ist zunächst der Zeitpunkt der Medienanfrage. Stephan lehnt zum Beispiel vor und während eines Spiels jegliche Interviews ab, wofür er sich anfangs häufig rechtfertigen musste. Außerdem spielt eine Rolle, von welchem Medium die Anfrage kommt: Roller gibt in der Halbzeitpause von Spielen nur Premiere Interviews, Steeb bevorzugte Spiegel- oder SternInterviews gegenüber Interviews für Frauenzeitschriften. Auch das Thema der Anfrage hat einen Einfluss auf die Bereitschaft der Sportler zuzusagen (Künzer). Alle Befragten gaben an, besonders hinsichtlich der Berichterstattung über das Privatleben eine klare Grenze zu setzen, was die Zusammenarbeit mit Journalisten betrifft. Während die einen grundsätzlich keine Termine vereinbaren, bei denen es um Privates gehen soll, sind die anderen bis zu einem gewissen Grad bereit, der Öffentlichkeit Einblick zu gewähren. Kein Befragter definierte jedoch, wann bei ihm diese Grenze überschritten sei.75 75
Siehe zu diesem Thema Kapitel 5.3.1 und 5.3.3 der vorliegenden Arbeit.
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Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Gesprächspartner sich im Umgang mit Medien überwiegend passiv verhalten: Lediglich das Einrichten einer Homepage wird von der Mehrzahl der Befragten als Möglichkeit genutzt, um Journalisten Informationen zentral zur Verfügung zu stellen. Nur wenige Sportler stellten selbst klare und umfassende zeitliche, inhaltliche und formale Regeln auf, die sie gegenüber den Medienvertretern konsequent durchsetzen. Meist wird über Anfragen eher spontan entschieden. Diejenigen, die bestimmte Prinzipien einführten, stießen zunächst auf Widerstand, was erklären könnte, warum die meisten befragten Athleten sich eher davor scheuen, ihre Position deutlicher zu vertreten. Grundsätzlich machten sie damit aber positive Erfahrungen, was dafür spricht, dass eine klare Strategie langfristig für die Sportler von Vorteil ist.
5.5.3 Konkrete Beeinflussung der Berichterstattung Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, ob und wie Athleten versuchen, direkt Einfluss auf Medieninhalte zu nehmen. Die folgenden Ausführungen sind gegliedert in unterschiedliche Maßnahmen zur Verhinderung von Berichterstattung, zur Themensetzung und zur Imagebildung.
5.5.3.1 Zurückhaltung Die mit Abstand häufigste Maßnahme der Befragten zur Beeinflussung von Berichterstattung ist die Zurückhaltung im Umgang mit Journalisten und bei Interviewaussagen. Fast alle Gesprächspartner sahen sich bereits dazu veranlasst, die Zusammenarbeit mit Medienvertretern abzubrechen, nachdem sie mit diesen schlechte Erfahrungen gemacht hatten: „Das war dann so – das weiß ich noch genau –, dass ich einer Bild-Reporterin, gesagt habe: ‚Hör zu, mit Dir mache ich nichts mehr.’ Das gab es auch, klar. Dass man einfach gesagt hat: ‚Hört zu, Leute, also, so geht’s nicht.’ Und die einzige ‚Waffe’, die man da hat, ist eben, sich rar zu machen.“ (M. Groß)
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Auch andere Sportler betrachten die Verweigerung von Interviews als einzige Möglichkeit, zukünftig negative Artikel zu vermeiden (NiemannStirnemann und Steeb).76 Klopp veranlasste sogar, dass ein 16-jähriger Spieler, der in einem Trainingslager mit der Mannschaft trainieren durfte, keine Interviews gibt, um ihm den Stress und die Aufregung zu ersparen. Dass dies mitunter auch negative Folgen haben kann, beweisen die Erfahrungen von Klopp selbst und von Stephan: Dem Fußballtrainer wurde von der Bild-Zeitung bereits angedroht, ohne seine Mitarbeit und sein Einverständnis Artikel zu veröffentlichen, der Handballspieler musste starke Kritik der Sportbild hinnehmen, weil er sich geweigert hatte, zu einer Trainerentlassung Stellung zu nehmen. Auch Steeb bereut mittlerweile, dass er sich zu seiner aktiven Zeit häufig bewusst von Journalisten fern gehalten hat aus Angst vor dem, was sie schreiben könnten. Diese Beispiele verdeutlichen einerseits, dass anscheinend besonders die Boulevardmedien den Sportlern Anlass zur Aufkündigung der Zusammenarbeit bieten. Andererseits lassen sie darauf schließen, dass die gänzliche Verweigerung von Aussagen häufig nicht den gewünschten Effekt erzielt, nämlich eine aus Sicht der Athleten angemessenere oder zumindest zurückhaltendere Berichterstattung. Weniger konfrontativ und meist erfolgreicher ist die Maßnahme, in Interviews bestimmte Fragen nicht zu beantworten oder bestimmte Themen bewusst auszuklammern. Zuvorderst ist hier wieder einmal das Thema Privatleben zu nennen. Viele Befragte äußern sich dazu nicht oder bitten die Journalisten im Gespräch unter vier Augen darum, private Aussagen nicht zu verwenden (Klopp, Roller, Steeb und Stephan). Diese Vorgehensweise kann durchaus als sinnvoll bezeichnet werden, denn die meisten der betreffenden Befragten bemerkten, dass sie mit der Veröffentlichung intimer Details bisher kaum Probleme hatten (Groß, Klopp, Roller und Stephan). Meyfarth dagegen war besonders am Anfang ihrer Karriere zu unsicher und unerfahren, um sich gegenüber den Medienwünschen zu behaupten. Nicht zuletzt deswegen nahm sie wohl auch das Medieninteresse häufig als Belastung wahr. Ausschlaggebend ist hier allerdings zusätzlich das Ausmaß der öffentlichen Aufmerksamkeit: Neben Meyfarth schafften es auch 76
Siehe dazu auch die Ausführungen in Kapitel 5.3.2.
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Klopp und Steeb trotz zurückhaltender Auskünfte nicht immer, ihr Privatleben aus der Medienberichterstattung heraus zu halten. Niemann-Stirnemann dagegen bewertete die Tatsache, dass sie ihre kleine Tochter nicht mit ins Training genommen hat, als gelungene Maßnahme, um sie vor Fotografen und Journalisten zu schützen. Das Interesse an der Eisschnellläuferin beschränkt sich offenbar vor allem auf ihre sportliche Leistung. Auch im sportlichen Bereich gibt es Aspekte, die die Befragten in Medieninterviews bewusst nicht thematisieren. Vorsicht gilt zunächst bei der Kritik an Mannschaftsmitgliedern (Stephan). Besonders Klopp und Steeb betonten, wie sehr Interviewaussagen die Stimmung in einer Mannschaft beeinflussen können und versuchen deshalb auch selbst, Kritik nur intern zu äußern. Groß, Klopp und Stephan wiesen darauf hin, dass für sie Informationen hinsichtlich der Wettkampf- oder Spielstrategie nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Zurückhaltung erfolgt bei den Befragten also zum einen themen- und zum anderen situationsabhängig. Vorsichtige Aussagen führen in den meisten Fällen dazu, dass die ausgeklammerten Aspekte wie gewünscht nicht Eingang in die Medienberichterstattung finden. Ausschlaggebend ist hier das Ausmaß des öffentlichen Interesses an der Information und die Möglichkeit der Journalisten, sich die Information anderweitig zu beschaffen. Außerdem spielt die Art des Mediums eine Rolle dabei, ob die Journalisten die Grenzen, die die Sportler setzen, respektieren. Die Verweigerung von Aussagen oder die Aufkündigung der Zusammenarbeit können besonders hinsichtlich der Berichterstattung der Boulevardmedien für die Sportler negative Folgen haben.
5.5.3.2 Aktive Themensetzung Zwar berichteten viele Befragte, dass sie sich vor Interviews schon einmal vorgenommen hatten, bestimmte Aspekte gezielt anzusprechen (zum Beispiel Niemann-Stirnemann, Rose und Stephan). Die wenigsten von ihnen haben diesen
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Plan jedoch in die Tat umgesetzt. Allein Roller bemerkte, dass er bei Medienauftritten mitunter die Möglichkeit nutzt, Themen zu platzieren: „Es kommt auf den Rahmen an, in dem das Interview stattfindet. Aber wenn das ein Zeitpunkt ist, an dem ich auch selber ein bisschen Zeit mitbringe, Zeit investieren kann, dann mache ich das eigentlich schon. Dann versuche ich auch, auf eine Frage, die zum Beispiel die Weihnachtsspiele betreffend gestellt wird, zu sagen, dass es da ja auch noch andere Sachen gibt, die uns interessieren. Und dann kann man ein bisschen ausholen.“ (P. Roller)
Der Basketballer hat die Erfahrung gemacht, dass Journalisten meist dankbar für Zusatzinformationen sind. Niemann-Stirnemann glaubt, dass ihre Konkurrentinnen Anni Friesinger und Claudia Pechstein den Streit miteinander bewusst in der Öffentlichkeit ausgetragen haben. Zum einen sei dies ein bekanntes Mittel, um die Gegnerin zu schwächen, zum anderen hätten die beiden Sportlerinnen bemerkt, dass sie dadurch das Interesse an ihnen und ihrer Sportart steigern können.77 Niemann-Stirnemann selbst gab jedoch an, in Medienauftritten nicht gezielt Einfluss auf die Inhalte der Berichterstattung zu nehmen. Auch die Aussagen der anderen Befragten lassen darauf schließen, dass sie sich in Interviews eher reaktiv als pro-aktiv verhalten (Bölts, Busemann, Groß, Klopp, Künzer, Meyfarth und Steeb). Stephan bezieht zum Beispiel vor allem dann Stellung zu Problemen, mit denen sich die Verantwortlichen im Handball seiner Meinung nach auseinandersetzen müssen, wenn er konkret darauf angesprochen wird. Bölts nutzte die Medien zwar gezielt zur Verbreitung seiner Vorschläge zur Bestrafung von Dopingsündern, sprach diese jedoch ebenfalls nur dann an, wenn er zu dem Thema befragt wurde. Groß wies darauf hin, dass er als Sportler vor allem die Möglichkeit genutzt hat, den Zeitpunkt der Berichterstattung zu bestimmen. So hat er die Nachfrage nach Fotos von seiner Familie dadurch befriedigt, eine einzige Aufnahme für alle Interessenten zur Verfügung zu stellen.
77 Der öffentlich ausgetragene Konflikt kann auch als Maßnahme zur Imagebildung verstanden werden (vgl. Kapitel 5.5.3.4).
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Tabelle 5: Planung der Aussagen in Interviews Antwort Befragte
genau Steeb
mal so, mal so –
wenig überhaupt nicht Groß, Bölts, Künzer, Busemann, NiemannKlopp, Stirnemann, Meyfarth, Roller, Rose, Stephan Antworten auf die Frage: „Wie genau planen Sie ihre Aussagen bei Interviews insgesamt?“ – Antwortvorgaben: sehr genau, genau, mal so, mal so, wenig, überhaupt nicht. Tabelle 5 bestätigt die vorangegangenen Ausführungen: Bis auf Steeb antworten die Befragten in Interviews eher spontan. Besonders wenn sich die Medientermine allein um den Sport drehen, fühlen sich die Athleten so sicher, dass sie keine Vorbereitung brauchen und auch nur in Ausnahmefällen überhaupt wissen wollen, welche Themen im Interview angesprochen werden (Roller, Rose und Stephan). Dies könnte erklären, warum die Sportler selten bewusst eigene Schwerpunkte setzen. Groß liefert einen weiteren Grund: „Erstens mal, weil Sie es schon sagen: Es geht eigentlich beim Sport nur um banale Sachen und insofern nicht um große Politik. Ich habe jetzt als Sportler nicht bewusst Informationen eingesetzt oder zurückgehalten oder gespielt, um bestimmte Dinge zu erreichen. Letztlich, und das ist im Schwimmsport ganz extrem, muss man am Ende des Tages selber schnell schwimmen oder nicht schnell schwimmen und fertig. Alles andere ist irrelevant.“ (M. Groß)
Vermutlich bewerten auch andere Befragte Probleme nicht als schwerwiegend genug, um sie gezielt anzusprechen. Es kommt hinzu, dass viele Sportler Aussagen vermeiden, die Konflikte hervorrufen könnten.78 Die Tatsache, dass sich einige Befragte gegenüber den Medien relativ machtlos fühlen, könnte außerdem dazu führen, dass Themensetzungsversuche als wenig Erfolg versprechend bewertet werden. Man kann wieder einmal den Vergleich mit der Politik ziehen: Politische Akteure betrachten ihre Auftritte häufig als Mittel, um die eigene 78
Siehe dazu die Ausführungen im vorangegangenen Kapitel.
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Position zu verdeutlichen. Die befragten Sportler dagegen sehen ihre Aufgabe nicht darin, in der Öffentlichkeit Stellung zu beziehen, sondern Erfolge aufzuweisen (Klopp, Meyfarth und Steeb). Medienberichterstattung wird dabei als wenig beeinflussbare Konstante im Sportleralltag betrachtet. Die Beispiele von Groß, Roller und Stephan zeigen jedoch, dass Athleten durchaus die Möglichkeit haben, zu ihrem eigenen Vorteil auf Inhalte der Berichterstattung einzuwirken. Diese Chance nehmen allerdings nur wenige Befragte wahr, was auch auf das bereits angesprochene fehlende Medientraining zurückzuführen sein kann.
5.5.3.3 Aktive Imagebildung Unter aktiver Imagebildung werden im Folgenden Versuche der Befragten zur Präsentation der eigenen Person oder Sportart in den Medien verstanden. Dabei kann unterschieden werden zwischen der Selbstdarstellung bei Medienauftritten einerseits und der Provokation von Berichterstattung andererseits. Zwar waren nicht alle Gesprächspartner der Auffassung, dass sie selbst darauf Einfluss nehmen können, wie sie in den Medien präsentiert werden. Besonders Bölts kritisierte, dass man als Sportler häufig „in eine Schublade gesteckt“ wird und sich nicht immer auch selbst mit diesem Image identifizieren kann. Die meisten Befragten betonten jedoch, dass Sportler selbst verantwortlich dafür seien, wie über sie berichtet wird und dass das Bild, was von ihnen in der Öffentlichkeit entsteht, ihr Verhalten und ihren Charakter häufig angemessen widerspiegelt (Busemann, Groß, Niemann-Stirnemann, Roller und Steeb). So waren ihre Bemühungen, sich selbst gut darzustellen, ausgeprägter als die Versuche, konkrete Themen zu platzieren. Die meisten Befragten betrachteten vor allem das Auftreten in Interviews als Möglichkeit, die Gunst der Rezipienten für sich zu gewinnen. Bereits in den vorangegangenen Kapiteln wurde hervorgehoben, dass Busemann, Klopp und Niemann-Stirnemann ihre grundsätzlich offene Art im Umgang mit Medienvertretern allgemein als vorteilhaft für ihre mediale Präsenz betrachten. Während dieses Auftreten jedoch weniger als Strategie und
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vielmehr als Teil ihrer Persönlichkeit betrachtet werden kann, berichtete Steeb, dass er sich als Davis Cup-Kapitän genau überlegt hat, welches Bild von sich er der Öffentlichkeit vermitteln will. Das Bewusstsein, darauf Einfluss nehmen zu können, sei bei ihm erst nach seiner aktiven Karriere entstanden. Auch Klopp versucht als Trainer gezielter, seinen Verein zu repräsentieren und positiv darzustellen. Unter anderem aus diesem Grund nahm er eine Einladung zur Talkshow TV total bei Stefan Raab an: „…wir sind aufgestiegen, und dann dachte ich: ‚Ja, alles klar. Da gehe ich mal hin. Verkaufe mal Mainz 05.’“ Stephan berichtete, dass er gerade bei Olympischen Spielen das erhöhte Medieninteresse genutzt hat, um seine Sportart zu bewerben: „Weil man nicht nur sich in den Fokus der Öffentlichkeit stellen muss, sondern auch den Handball-Sport, damit der eben auch in der Öffentlichkeit ist. Auch für Sponsoren und so weiter.“ Die soeben beschriebenen Versuche zur Imagebildung erfolgten ähnlich wie die meisten Themensetzungsversuche eher spontan. Einige Befragte ergriffen jedoch auch selbst die Initiative, um sich den Medienvertretern und Rezipienten bekannt zu machen. Eine bereits in Kapitel 5.5.4 angesprochene Maßnahme ist eine eigene Homepage: „Es war eigentlich so eine Vorstellung von mir. Mich zu präsentieren, mich zu zeigen” (Niemann-Stirnemann). Roller berichtete außerdem, dass die Spielervereinigung der Basketball-Bundesliga, in der er Mitglied ist, die Fernsehübertragung eines Spiels an den Weihnachtsfeiertagen forciert hat. Die Medienpräsenz soll genutzt werden, um das Interesse für die Sportart zu fördern. Busemann hat nach seiner aktiven Karriere ein Buch mit dem Titel „Aufgeben gilt nicht“ veröffentlicht, mit dem er sein „Strahlemann“-Image relativieren wollte. Noch häufiger als die Sportler selbst werden jedoch ihre Pressesprecher, Manager oder Sponsoren aktiv, um die Athleten, ihre Sportart oder ihre Vereine der Öffentlichkeit zu präsentieren:
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Ergebnisse „Und es gibt Momente, da wünscht man sich einen anderen Pressesprecher, oder man wünscht sich gar keinen, weil eben Meldungen so verdreht werden, dass sie aus der Sicht des Sponsors irgendwo hin passen. Das können Pressesprecher ganz gut. Und man selber fängt dann an nachzudenken, und man kommt dann auch zu der Meinung: ‚Okay, wenn es der Sponsor so will…’ – man lebt ja auch vom Sponsoren. Aber es ist ja ganz klar, das ist der Pressesprecher vom Team Telekom, oder von Bayern München – ist ja egal –, der vertritt ja die Interessen des Vereins, und der muss die Dinge eben auch so darstellen, dass es für den Sportler oder für den Verein, für das Ganze, passt. Das ist halt so. Aber es ist eben jemand vorgeschaltet, der parteiisch ist.“ (U. Bölts)
Dieses Zitat verdeutlicht erneut die eher passive Grundeinstellung einiger Sportler. Auch Stephan berichtete, dass sein Image als ruhiger Gegenpol zu Stefan Kretzschmar gezielt von seinen Sponsoren vermarktet wurde: „Ich habe da einfach so mitgespielt. Mir war das eigentlich relativ egal, wie man dann dargestellt wird.“ Bereits angesprochen wurde außerdem die Tatsache, dass einige Befragte mitunter Termine wahrnehmen müssen, die weniger für sie selbst als vielmehr für ihre Sponsoren von Bedeutung sind. Entscheidend ist hier vor allem, dass die Medien berichten. Der konkrete Inhalt ist zunächst nebensächlich. Viele Befragte weisen wohl auch deswegen darauf hin, dass Sportler kritische, das Privatleben thematisierende und Aufsehen erregende Berichterstattung nicht immer negativ bewerten (Bölts, Groß und NiemannStirnemann). Sie wissen schließlich, dass derartige Berichte das öffentliche Interesse an ihnen steigern und dass sie vor allem finanziell von der Aufmerksamkeit profitieren. Die vorangegangenen Kapitel sollten jedoch verdeutlicht haben, dass Medieninhalte die Sportler in gewissen Situationen trotz steigender Einnahmen verärgern, verunsichern und hemmen können. Diese Emotionen beeinflussen die sportliche Leistung, und die sportliche Leistung ist die Grundvoraussetzung für das mediale Interesse. Langfristig kann sich die Verbreitung eines bestimmten Images für die Sportler somit auch nachteilig auswirken.
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5.5.4 Zusammenfassung und Wirkungsmodell Für die pro-aktive Phase lässt sich zusammenfassend festhalten, dass Sportler sowohl die Möglichkeiten als auch die Notwendigkeit, selbst aktiv auf Medienberichterstattung einzuwirken, als eher gering einschätzen. Frage 3: Wie versuchen Spitzensportler, selbst Einfluss auf Medienberichterstattung zu nehmen? – Trotz der eher geringen Bedeutung, die die Befragten der eigenen Einflussnahme auf die Medien zusprechen, lassen sich doch einige Beispiele für das Ergreifen von Maßnahmen finden, die aus Sicht der Sportler zu einem verbesserten Umgang mit Medienanfragen und Medienvertretern geführt haben. Hierzu zählt besonders die Entwicklung von Strukturen, die für die Athleten die Interaktion mit Journalisten vereinfachen. Nur in Ausnahmefällen wurde auch von einer aktiven Einflussnahme auf die Inhalte von Berichterstattung berichtet. Frage 3a: Welche Maßnahmen ergreifen Spitzensportler, um sich im Zusammenspiel mit den Medien einen Vorteil zu verschaffen? – Die meisten Athleten erhalten für die Bewältigung von Medienanfragen Unterstützung aus dem familiären Umfeld. Mannschaftssportler nutzen bereits bestehende Strukturen des Vereins oder Teams. Aktiv werden sie nur bei der Suche nach professioneller Hilfe bei Vertrags- und Sponsorenangelegenheiten. Auch ein Medientraining halten sie nicht für unbedingt notwendig. Einige Befragte richteten eine Homepage ein, um Journalisten Informationen zur Verfügung zu stellen. Außerdem stellten manche Sportler zeitliche, inhaltliche und formale Regeln für die Zusage zu Medienanfragen auf. Diese wirkten sich für sie durchweg positiv aus. Die meisten Interviewten entscheiden über Zu- und Absagen jedoch eher spontan. Eine fehlende klare Linie wirkt sich in Einzelfällen belastend auf die Athleten aus. Frage 3b: Wie versuchen Spitzensportler, Inhalte von Medienberichterstattung zu beeinflussen? – Aktive Beeinflussungsversuche sind bei den Befragten selten. Besonders die Möglichkeit, in Interviews Themen selbst zu setzen, wird kaum genutzt. Meinungen werden meist nur dann geäußert, wenn sie vom Journalisten
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erfragt werden. Häufiger sind dagegen Maßnahmen zur Imagebildung, wozu unter anderem die Einrichtung einer Homepage oder Versuche zur Steigerung der eigenen medialen Präsenz zählen. Diese Maßnahmen werden allerdings besonders von Team- oder Vereinsverantwortlichen sowie von Sponsoren gefordert oder durchgeführt, die Sportler nehmen eine passive Rolle ein. Als einzige Möglichkeit der Einflussnahme auf Medieninhalte betrachten viele Befragte die Zurückhaltung im Umgang mit Journalisten allgemein sowie bei Interviewaussagen. Dieses Verhalten kann jedoch auch negative Folgen für die Sportler haben. Frage 3c: Welche Umstände veranlassen die Spitzensportler zur aktiven Einflussnahmen auf Medien und Medienberichterstattung? – Das geringe Eigenengagement der Sportler in der pro-aktiven Phase ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen und Ergebnis einer Kosten-Nutzen-Kalkulation. Von Bedeutung sind dabei die Bewertung der Erfolgswahrscheinlichkeit und der zu erwartende zeitliche Aufwand. Außerdem hat das Ausmaß des öffentlichen Interesses – besonders das Ausmaß von Medienanfragen – einen Einfluss darauf, ob die Sportler es für notwendig halten, Maßnahmen zu ergreifen. Auch die Zufriedenheit mit dem eigenen Auftreten und der eigenen Medienpräsenz sowie die Bedeutung dieser Präsenz für den Sportler sind in diesem Zusammenhang zu nennen. Die konkrete Beeinflussung der Berichterstattung erfolgt situations- und themenabhängig. Eine entscheidende Rolle spielen außerdem Team- und Vereinsvertreter und Sponsoren: Diese veranlassen die Sportler mitunter zu öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen, verstärken jedoch noch deren reaktive Haltung. Für Abbildung 5 wurden erneut Veränderungen des Wirkungsmodells vorgenommen: Alle strukturellen Anpassungen sowie konkrete Beeinflussungsmaßnahmen gelten als abhängige Variablen. Unabhängige Variablen sind nun nicht mehr Medium, Journalist oder Botschaft – diese sind ja schließlich Ziel der Beeinflussungsversuche – sondern Eigenschaften des Medieninteresses allgemein. Zusätzlich sollen die Wünsche von Sportfunktionären im weitesten Sinne (Pressesprecher, Teammanager, Verbandsvorsitzende etc.) sowie Sponsorenforderungen als unabhängige Variable definiert werden, da sie wie bereits dargestellt
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häufig Auslöser für Handlungen von Sportlern sind. Intervenierend beeinflussen erneut besonders kognitive Verarbeitungsprozesse der Athleten ihr letztendliches Verhalten. Abbildung 5:
Wirkungsprozesse in der pro-aktiven Phase
Unabhängige Variablen Medienaufmerksamkeit
Zeitpunkt
Ansprüche Dritter
Forderungen von Funktionären
Häufigkeit
Thema
Forderungen von Sponsoren
und
Eigene Darstellung
Intervenierende Variablen Verarbeitung durch Sportler
Bewertung der Einflussmöglichkeiten Bewertung des zeitlichen Aufwands Zufriedenheit mit Medienpräsenz Bedeutung der Medienpräsenz
wechselseitige Wirkungen
Abhängige Variablen
Medienberatung
Regeln für die Interaktion
Persönl. Umfeld
Zentrale Information (Homepage)
Team/ Verein/ Verband
Zeitliche Regeln
Beeinflussung der Berichterstattung
Themensetzung
Imagebildung Management
Inhaltliche Regeln
Medientraining
Formale Regeln
Zurückhaltung
6 Fazit
An den Anfang der vorliegenden Arbeit wurde ein Zitat des ehemaligen FußballBundestrainers Jürgen Klinsmann gestellt. Er forderte Journalisten dazu auf, sich intensiver mit den Folgen ihrer Berichterstattung für die Sportler auseinander zu setzen. Auch in der Wissenschaft wurden Wirkungen von Medienberichterstattung auf die Protagonisten bisher kaum untersucht. Der Bereich Sport wurde sogar fast vollständig ausgeklammert. Die hier vorgestellte Studie hatte zum Ziel, diese Forschungslücken ansatzweise zu schließen. Die theoretischen Ausführungen begannen mit dem Hinweis darauf, dass der Begriff „reziproke Effekte“ bereits auf das Jahr 1960 zurückzuführen ist. Es musste konstatiert werden, dass es der wissenschaftliche Forschung zu diesem Untersuchungsgegenstand seitdem an einem einheitlichen und systematische Ansatz mangelt. Für die vorliegende Arbeit wurden Überlegungen von KEPPLINGER herangezogen, die, ergänzt durch eigene Überlegungen, zur Erarbeitung eines allgemeinen Wirkungsmodells reziproker Effekte dienten. Es wurde formal unterschieden zwischen unabhängigen, intervenierenden und abhängigen Variablen. Die abhängigen Variablen wiederum konnten in drei Phasen unterteilt werden: reaktive, interaktive und pro-aktive Effekte. Das Modell bildete sowohl den theoretischen Rahmen als auch die Basis für die empirische Untersuchung. Eigenschaften von Sportberichterstattung, die als unabhängige Variable im reziproken Wirkungsprozess definiert wurden, standen im Mittelpunkt der anschließenden Ausführungen. Es konnte aufgezeigt werden, dass die unterschiedlichen Mediengattungen sowohl inhaltlich als auch formal ähnlich über den Sport berichten. Schließlich wurde ein kurzer Abschnitt den zentralen Akteuren
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Fazit
im reziproken Wirkungsprozess, den Sportjournalisten und Spitzensportlern, gewidmet. Sportjournalisten zeichnen sich durch einen vergleichsweise engen Bezug zum Gegenstand ihrer Berichterstattung aus. Zwar sehen sie es auch als ihre Aufgabe an, zu kritisieren und Missstände aufzuzeigen, relativ gering ist dagegen die Bereitschaft, für unbeabsichtigte Folgen ihres Handelns die Verantwortung zu übernehmen. Diese Folgen betreffen überwiegend die Protagonisten ihrer Berichterstattung, die Spitzensportler. Spitzen- oder Leistungssportler sind finanziell abhängig von der medialen Präsenz, müssen sich jedoch auch mit der Unberechenbarkeit der Medienmeinungen auseinandersetzen: Sie können sowohl zu Stars hochstilisiert als auch als Versager abstempelt werden. Das Ziel der vorliegenden empirischen Studie war es nun, reziproke Effekte durch Sportberichterstattung möglichst vollständig und systematisch darzustellen. Angesichts dieses relativ neuen und komplexen Untersuchungsgegenstands schien es angemessen, einen qualitativen Ansatz zu wählen. So wurden schließlich elf aktuelle und ehemalige deutsche Spitzensportler und Trainer in circa einstündigen qualitativen, leitfadengestützten Interviews zu ihren Erfahrungen mit Medien, Journalisten und Medienberichterstattung befragt. Jegliche Reaktionen der Sportler, die direkt auf Einflüsse der Medien allgemein oder auf Medienberichterstattung zurückzuführen waren, wurden der reaktiven Phase reziproker Effekte zugeordnet. Zunächst wurde dargestellt, in welcher Form die persönlichen Erfahrungen der Befragten mit Sportberichterstattung sowohl ihre Einstellung zu Medien als auch zu Journalisten prägen: Die meisten Athleten bewerteten das Medieninteresse an ihnen überwiegend positiv und assoziierten die Phase der größten Aufmerksamkeit mit dem Zeitpunkt ihrer größten sportlichen Erfolge. Trotz dieser positiven Grundeinstellung schrieben sie den Medien jedoch auch die Macht zu, einen Sportler sehr zu schwächen und zu verunsichern. In diesem Zusammenhang wurde besonders die zentrale Rolle der Printmedien bei der Meinungsbildung hervorgehoben. Die Macht des Fernsehens wurde dagegen eher unter funktionalen Gesichtspunkten bewertet. Grundsätzlich schätzten die Befragten vor allem eine korrekte, fachlich fundierte, sachliche, differenzierte und diskrete Sportberichterstattung. Es ist nicht ver-
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wunderlich, dass ähnliche Eigenschaften auch bei der Bewertung der Arbeitsweise von Sportjournalisten hervorgehoben wurden. Nur in Ausnahmefällen machten die Sportler negative Erfahrungen im Umgang mit Journalisten. Auslöser waren die Privatsphäre oder die Persönlichkeit verletzende Medieninhalte oder Fehlinformationen, die besonders heikle Themen wie Doping oder Sponsorenverträge betrafen. In diesen Fällen suchten die Befragten die Konfrontation mit den Journalisten: Sie stellten sie zur Rede, verlangten eine Gegendarstellungen oder sogar den Abzug eines Sportjournalisten von der Berichterstattung über eine Sportart. Auch im Privatleben der befragten Athleten ließen sich zahlreiche Beispiele für Medieneinflüsse finden. Die Prominenz kann sich erschwerend auf den Schulalltag, das Studium oder die berufliche Ausbildung auswirken. Ausschlaggebend sind hier der veränderte Umgang mit Mitschülern und Kommilitonen sowie die zeitliche Belastung durch Medien- und andere Termine. Im näheren persönlichen Umfeld beobachteten die Befragten dagegen kaum durch Medieneinflüsse bedingte Veränderungen. Nur Bölts und Steeb bewerteten ihre Prominenz als belastend für ihre Familienmitglieder. Grundsätzlich führte das hohe mediale Interesse bei den meisten Befragten lediglich dazu, dass sie auf familiäre Unterstützung bei der Bewältigung von Medienanfragen angewiesen sind. Dies empfinden sie jedoch überwiegend ebenso wenig als negativ oder belastend wie die Tatsache, dass sie zunehmend von Fremden erkannt und angesprochen werden. Nur in Ausnahmefällen wird die Prominenz als beengend wahrgenommen. Es stellte sich heraus, dass auch die sportliche Leistung von Medienberichterstattung beeinflussbar ist. Medieninhalte dienen den Befragten als Anhaltspunkt dafür, wie sowohl ihre eigene sportliche Leistung als auch die Leistung ihrer Konkurrenten bewertet wird. Trainer nutzen die Medien dafür, sich über Stimmungen in der eigenen Mannschaft zu informieren. Außerdem äußern Medien Leistungserwartungen. Dies kann für die Athleten sowohl Druck als auch Motivation bedeuten. Besonders beeinflussbar sind jedoch vor allem die Emotionen der Sportler. Dies muss als zentrale Erkenntnis hervorgehoben werden, da sich alle Befragten darin einig sind, dass ihre sportliche Leistung stark von ihrer
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emotionalen Verfassung abhängt. Neben kausalen Medieneinflüssen konnten auch funktionale Einflüsse der Medien auf den Trainings- und Wettkampfablauf festgestellt werden. Wann und wie die einzelnen Sportler konkret auf Medieneinflüsse reagieren, ist abhängig von zahlreichen unterschiedlichen Faktoren, die am Ende des Abschnitts zu reaktiven Effekten in einem Wirkungsmodell systematisch zusammengefasst wurden. Entscheidend sind zunächst sowohl Eigenschaften des Mediums und des verantwortlichen Journalisten als auch Eigenschaften der Medienbotschaft. Diese gelten formal als unabhängige Variablen. Als intervenierende Variablen wurden diejenigen Faktoren bezeichnet, die im Moment des Medienkontakts und während der Verarbeitung der Medieninhalte durch den Sportler wirken. Dazu zählen einerseits die Intensität und der Zeitpunkt des Medienkontakts (Zeitpunkt der Sportlerkarriere, vorher erbrachte Leistung etc.). Andererseits spielen die Persönlichkeit des Athleten, seine Funktion als Sportler oder Trainer, seine Einstellung zur Quelle der Botschaft (Medium und Journalist) und zur Botschaft selbst eine Rolle. Auch die Bewertung der eigenen medialen Präsenz, der öffentlichen Wahrnehmung und der Reaktionen des direkten Umfelds sowie die Bedeutung, die diese Faktoren für die Sportler haben, haben einen Einfluss auf ihre Reaktionen. Im Mittelpunkt der Ausführungen zur interaktiven Phase standen alle Wirkungen auf die befragten Sportler, die auf den unmittelbaren Kontakt mit Journalisten zurückzuführen sind. Konkret ging es dabei zunächst um Einflüsse, die allein die Präsenz von Medienvertretern auf die Sportler ausübte. Es konnte festgestellt werden, dass die Anwesenheit von Kameraleuten, Fotografen und Journalisten bei Sportereignissen auf die meisten Befragten vor allem motivierend wirkt. Nur wenn die Sportler in der Ausübung ihrer Sportart behindert werden, bewerten sie die Nähe von Medienvertretern negativ. Je weniger sich das Medieninteresse jedoch auf den sportlichen Wettbewerb konzentriert, umso unangenehmer empfinden es die Befragten, von Journalisten oder Kameraleuten begleitet zu werden.
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Die verbale Interaktion mit Journalisten in Interviews wird von den Gesprächspartnern überwiegend als Routine betrachtet. Spaß an Interviewterminen empfinden sie vor allem dann, wenn sie mit ihrem eigenen Auftreten zufrieden sind. Nur wenige Befragte berichteten von Situationen, in denen sie aus dem üblichen Interaktions-Schema „Frage-Antwort“ ausbrachen und im Rahmen eines Interviews die Konfrontation mit dem Journalisten suchten. Grundsätzlich variieren aus ihrer Sicht im Gespräch mit Medienvertreten lediglich ihre allgemeine Auskunftsbereitschaft, der Ton und die Ausführlichkeit ihrer Antworten. Die Sportler nehmen somit eine passive, reaktive Rolle ein. Trotzdem können im Anschluss an die verbale und nonverbale Interaktion Anzeichen von emotionaler und körperlicher Erschöpfung auftreten. Die Einflussfaktoren in der interaktiven Phase unterscheiden sich von denen der reaktiven Phase. Zwar sind auch hier zunächst Eigenschaften des Journalisten und des Mediums, für das er tätig ist, ausschlaggebend für die Reaktionen der Sportler. Die Medienbotschaft kann jedoch nicht mehr unabhängig vom Moment der Interaktion betrachtet werden. Sie entsteht erst während des Kontakts zwischen Sportlern und Journalisten und wird deswegen ebenso als intervenierende Variable betrachtet wie die Faktoren, die einen Einfluss darauf haben, wie der Sportler die Interaktionssituation verarbeitet. Im Moment des Kontakts mit Journalisten sind der Zeitpunkt, die Häufigkeit vorheriger Medientermine, der Inhalt und die Art der Fragen sowie die Art der Kontaktaufnahme durch den Journalisten ausschlaggebend für das Interaktionsverhalten des Sportlers. Die Verarbeitungsprozesse sind geprägt durch seine Persönlichkeit, die Bedeutung, die er seiner medialen Präsenz und der öffentlichen Meinung zuweist und die Art und Weise, wie er den Journalisten, dessen Medium und die Interaktionssituation insgesamt bewertet. Für die pro-aktive Phase wurden einerseits alle Maßnahmen der befragten Sportler zusammengefasst, die aus ihrer Sicht den Umgang mit Medienanfragen und Medienvertretern verbessern sollen. Andererseits wurden Versuche thematisiert, konkrete Inhalte von Medienberichterstattung zu beeinflussen. Es konnte festgestellt werden, dass die Notwendigkeit professioneller Unterstützung für die
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Pressearbeit und für Medienauftritte als gering eingeschätzt wird. Die Mehrzahl der Sportler greift bei der Bearbeitung von Medienanfragen entweder auf die Hilfe von Familienmitgliedern oder auf bereits bestehende Strukturen im jeweiligen Verein (Pressesprecher) zurück. Für ein Medientraining war meist keine Zeit, einige Befragten betonten die negativen Folgen einer derartigen Maßnahme. Für die Bearbeitung von Medienanfragen und die Interaktion mit Journalisten stellten nur wenige Sportler konkrete Regeln auf. Auch hinsichtlich der Beeinflussung konkreter Medieninhalte verhielten sich die Befragten eher passiv. Grundsätzlich üben sie sich in Zurückhaltung, um zu vermeiden, dass bestimmte Informationen Eingang in die Berichterstattung finden. Nur in Ausnahmefällen sprechen sie in Interviews gezielt Themen an. Ausgeprägter sind die Versuche, die eigene Präsenz in den Medien zu steigern und sich bei Medienauftritten positiv darzustellen. Für die vergleichsweise passive Grundhaltung der Sportler gibt es unterschiedliche Gründe. Allgemein muss man konstatieren, dass eine positive mediale Präsenz für die Sportler hinsichtlich der Ausübung ihres Berufes tatsächlich von vergleichsweise geringer Bedeutung ist: Um gute sportliche Leistungen zu erzielen, müssen sie nicht beliebt oder bekannt sein. Zu hohes Medieninteresse kann sich hier sogar negativ auswirken. Außerdem sind Sportler im Vergleich zu Politikern, Unternehmern oder Sportfunktionären keine Entscheidungsträger und müssen somit die öffentliche Meinung auch nicht als Druckmittel einsetzen, um bestimmte Ziele zu erreichen. Aus diesem Grund wurden im Wirkungsmodell für die pro-aktive Phase neben allgemeinen Eigenschaften des Medieninteresses an einem Sportler auch Forderungen von Funktionären und Sponsoren als unabhängige Variablen definiert, da letztere einen Sportler häufig erst dazu veranlassen, aktiv zu werden. Als intervenierende Variablen gelten allein die Faktoren, die die Abwägungen eines Sportlers hinsichtlich des Ergreifens öffentlichkeitswirksamer Maßnahmen beeinflussen: Die Bewertung der Einflussmöglichkeiten und des zeitlichen Aufwands sowie die Zufriedenheit mit der medialen Präsenz und die Bedeutung, die dieser zugewiesen wird. Reaktionen sind dann Ergebnis einer Kosten-Nutzen-Kalkulation.
Fazit
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Die vorgestellte Untersuchung sollte verdeutlicht haben, in welch vielfältiger Form Medien und ihre Berichterstattung Sportler in ihrem privaten und sportlichen Leben beeinflussen können und welche Möglichkeiten sich im Gegenzug den Sportlern bieten, das Medieninteresse positiv für sich zu nutzen. Das Modell reziproker Effekte, das zu Anfang der vorliegenden Arbeit vorgestellt wurde, erwies sich als geeignet, um auch die neuen Erkenntnisse zu den drei Phasen wechselseitiger Wirkungen systematisch darzustellen. Es mussten jedoch jeweils Veränderungen und Anpassungen vorgenommen werden, die eine Integration aller herausgearbeiteten wechselseitigen Einflussfaktoren zu reaktiven, interaktiven und pro-aktiven Effekten in ein einziges Wirkungsmodell fast unmöglich erscheinen lassen. Die allgemeinen und überblickartigen Ausführungen zu reziproken Effekten aus Kapitel 2 behalten weiter ihre Gültigkeit. Für eine intensivere Auseinandersetzung mit dem komplexen Untersuchungsgegenstand sollte in Zukunft jedoch, angelehnt an die neuen Erkenntnisse, eine differenzierte Herangehensweise gewählt werden: Trotz des wechselseitigen Charakters der Wirkungen müssen Prozesse in der reaktiven, interaktiven und pro-aktiven Phase getrennt voneinander betrachtet werden. Aufschlussreich wären sicherlich vergleichend angelegte Untersuchungen, die Medieneinflüsse auf Protagonisten unterschiedlicher gesellschaftlicher Teilbereiche thematisieren. Für Einflüsse im Bereich Sport könnten quantitative Studien Aufschluss über Prioritäten von Einflussfaktoren und Häufigkeitsverteilungen der Wirkungen auf das Privatleben oder die sportliche Leistung geben. Mit Hilfe der vorliegenden Studie kann schon einmal Folgendes konstatiert werden: Medien und Medienberichterstattung haben die Macht, das Leben eines Sportlers völlig zu verändern – wenn die Sportler dies zulassen.
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Zeitungsartikel und Homepages
Kramer, Jörg und Wulzinger, Michael: „In Richtung Popstars“. Interview mit Klaus Allofs. In: Der Spiegel Nr. 31, 31.07.2006, S. 110+111. Kramer, Jörg: Der unscheinbare Star. In: Der Spiegel Nr. 20, 15.05.2006. S. 144. Kramer, Jörg: „Am 10. Juli gehe ich nach Hause“. Interview mit Franz Beckenbauer. In: Der Spiegel Nr. 22, 29.05.2006, S. 70. Kramer, Jörg: Alarmzeichen auf der Bank. In: Der Spiegel Nr. 39, 26.09.2005, S. 132134. Kurbjuweit, Dirk und andere: Deutschland, ein Sommermärchen. In: Der Spiegel Nr. 25, 19.06.2006, S. 70. o.V.: Kurzmeldungen. In: Süddeutsche Zeitung, 08.06.2006, S. 29. o.V.: Die Münchner „AZ“ entschuldigt sich bei Daum. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.10.2000, S. 45. Pfeil, Gerhard und Truckendanner, Petra: „Das fehlende Teil im Puzzle“. Interview mit Claude Droussent, Chefredakteur der L’Equipe. In: Der Spiegel Nr. 38, 17.09.2005, S. 130+131. Pfeil, Gerhard: Red Bull statt roter Asche. In: Der Spiegel Nr. 45, 30.10.2004, S. 162-163. Röckenhaus, Freddi: Ein Tor von Wörns. In: Süddeutsche Zeitung, 06.03.06, S. 24. Scheen, Thomas: Alles, was schlecht ist. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.09.2005. S. 35. Schneider, Gerd: „Ich mache nichts anderes als ein Taubenzüchter“. Interview mit Mark Warnecke. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.11.2005, S. 25. Schulze, Ludger: Go for it! In: Süddeutsche Zeitung, 27.06.2006, S. 39. Schulze, Ludger: Wie Eiswürfel im Whiskeyglas. In: Süddeutsche Zeitung, 24.03.2006, S. 31. Selldorf, Philipp: Das geometrische Problem. In: Süddeutsche Zeitung, 12.06.2006, S. 37. Selldorf, Philipp: „Mama, Mama, lass mich raus“. Interview mit Bastian Schweinsteiger In: Süddeutsche Zeitung, 03.06.2006, S. 37.
Zeitungsartikel und Homepages
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Wiegand, Ralf und Selldorf, Philipp: „Wenn ich gewollt hätte – ich wäre heute noch Teamchef“. Interview mit Franz Beckenbauer. In: Süddeutsche Zeitung, 07.04.2001, S. 45. Zorn, Roland: „Warum ich so polarisiere, weiß ich selber nicht“. Interview mit Gerhard Mayer-Vorfelder. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.04.2006, S. 39.
Homepages Homepage der ARD: o.V.: Deutscher Komplize identifiziert. 17.08.2006, http://sport.ard.de/sp/radsport/news200608/17/deutscher_komplize.jhtml, 24.08.2006. Homepage der Bundeswehr: http://www.bundeswehr.de/portal/a/bwde/kcxml/04_Sj9SPykssy0xPLMnMz0vM0Y_QjzKLd4w3DPIBSYGZbn76kTCxoJRUfVP_NxUfW_9AP2C3IhyR0dFRQCiMdX8/delta/base64xml/L3dJdyEvd0ZNQUFzQ UMvNElVRS82X0FfMVRE, 16.08.2006. Homepage der F.A.Z: o.V.: ARD und Arena kaufen Bundesliga-Rechte, 25.12.2005: http://www.faz.net/s/RubEC1ACFE1EE274C81BCD3621EF555C83C/Doc~ED012D2C5 A35A4E56AC2231865BB403DF~ATpl~Ecommon~Sspezial.html, 24.08.2006. Homepage sportnetzwerk: Offener Brief an den Verband Deutscher Sportjournalisten http://www.sportnetzwerk.org/index.php?art_id=10, 23.04.2006. Homepage der Stiftung deutsche Sporthilfe http://www.sporthilfe.de/index.php?page=2.2.2, 16.08.2006. Homepage der tz: o.V.: In eigener Sache, 06.03.2006 http://www.tz-online.de/tzheute/art1061,205588.html, 18.03.2006. Homepage des ZDF: o.V.: Neuer Rekord. Knapp 30 Millionen verfolgen WM-Halbfinale im ZDF, 05.07.2006 http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/15/0,1872,3953167,00.html, 18.08.2006.
Anhang
Inhalt
A
Allgemeine Version der Interviewanfragen
B
Angeschriebene Sportler, Trainer, Pressesprecher
C
Interviewleitfaden
D
Portraits der Sportler
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Anhang
A Allgemeine Version der Interviewanfragen
Sehr geehrte/r Frau/Herr…, seit vielen Jahren stehen Sie als Spitzensportler/in im Lichte der Öffentlichkeit. Erfolge und Misserfolge sind in der Berichterstattung der Medien intensiv dargestellt und kritisch gewürdigt worden. Die Karriere von Sportlern ist ohne die Medienaufmerksamkeit heute nicht mehr denkbar. Welche Folgen diese Medienaufmerksamkeit für die Sportler hat – sowohl was die Leistungen als auch das persönliche Leben angeht -, darüber wissen wir leider bisher aber wenig. Uns interessiert genau diese Frage: Wie gehen die Spitzensportlerinnen und -sportler selbst mit Medienberichterstattung um? Wie wird in Zeiten des Erfolgs das Interesse der Öffentlichkeit empfunden, und wie, wenn die Leistung einmal nicht stimmt und auf Lob Kritik folgt? Welchen Einfluss hat der permanente öffentliche Erwartungsdruck auf die Leistung und das Leben der Sportlerinnen und Sportler? Und was passiert, wenn plötzlich nicht nur die sportliche Karriere allseits diskutiert wird, sondern sogar das Privatleben? Am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz werden die Wirkungen der Medien und der Öffentlichkeit systematisch erforscht. Im Rahmen eines Projekts möchten wir uns mit der oben skizzierten Fragestellung beschäftigen. Das geht aber nur, wenn sich Spitzensportlerinnen und -sportler bereit finden, über Ihre Erfahrungen mit der Öffentlichkeit zu berichten. Deshalb wenden wir uns heute auch an Sie. Wir sind nämlich davon überzeugt, dass Sie zu diesem Thema sehr viel sagen können. Konkret geht es darum, dass Sie uns Zeit für ein etwa einstündiges Interview mit Ihnen einräumen. Uns ist klar, dass in Ihrem Terminkalender wenig Platz ist. Dennoch hoffen wir sehr, dass Sie uns möglichst bald die Chance zu einem solchen Interview geben können. Ihre Auskünfte sind lediglich für die Projektarbeit bestimmt, die die Medieneffekte auf Spitzensportler untersuchen soll. Wir bitten Sie um baldige Antwort, damit wir unser weiteres Vorgehen planen können. Vielen Dank schon im Voraus! Mit freundlichen Grüßen,
Silke Bernhart
Prof. Dr. Jürgen Wilke
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B Angeschriebene Sportler, Trainer, Pressesprecher Franziska van Almsick, Schwimmen Mario Basler, Fußball Dieter Baumann, Leichtathletik Franz Beckenbauer, Fußball Boris Becker, Tennis Timo Boll, Tischtennis Udo Bölts, Radsport Andreas Brehme, Fußball Grit Breuer, Leichtathletik Frank Busemann, Leichtathletik Wojtek Czyz, Leichtathletik Ulrich Dost, Bayer Leverkusen Heide Ecker-Rosendahl, Leichtathletik Stefan Effenberg, Fußball Martina Ertl, Ski alpin Henning Fritz, Handball Michael Groß, Schwimmen Regina Halmich, Boxen Sven Hannawald, Skispringen Fabian Hambüchen, Turnen Thomas Hässler, Fußball Anke Huber, Tennis Steffi Jones, Fußball Oliver Kahn, Fußball Nicolas Kiefer, Tennis Ulf Kirsten, Fußball Jürgen Klopp, Fußball Stefan Kretzschmar, Handball Nia Künzer, Fußball Tim Lobinger, Leichtathletik Henry Maske, Boxen Lothar Matthäus, Fußball
Meredith Michaels-Beerbaum, Reiten Sabrina Mockenhaupt, Leichtathletik Andreas Möller, Fußball Gerd Müller, Fußball Ulrike Nasse-Meyfarth, Leichtathletik Gunda Niemann-Stirnemann, Eisschnelllauf Michael Novak, 1. FC Kaiserslautern, Tino Polster, Werder Bremen Maria Riesch, Ski alpin Pascal Roller, Basketball Franziska Schenk, Eisschnelllauf Martin Schmitt, Skispringen Paul Schockemöhle, Reitsport Michael Schumacher, Formel 1 Rainer Schüttler, Tennis Uwe Seeler, Fußball Katja Seizinger, Ski alpin Tobias Sparwasser, Mainz 05 Carl-Uwe Steeb, Tennis Harald Stenger, DFB Daniel Stephan, Handball Michael Stich, Tennis Hannah Stockbauer, Schwimmen Jan Ullrich, Radsport Sandra Völker, Schwimmen Gerd Voß, Schalke 04 Markus Wasmeier, Ski alpin Jens Weißflog, Skispringen Kati Wilhelm, Biathlon Jörn Wolf, HSV Erik Zabel, Radsport Christian Zeitz, Handball
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Anhang
C Interviewleitfaden Überblick 1. Reaktive Effekte a) Einstellung zu bestimmten Medien b) Einstellung zu Journalisten c) Einfluss auf sportliche Leistung d) Emotionale Reaktionen e) Reaktionen des Umfelds 2. Interaktive Effekte a) Reaktionen während Interviews, Live-Übertragungen 3. Pro-aktive Effekte a) Professionalisierung im Umgang mit Medien b) Versuch der Steuerung von Berichterstattung 4. Langzeiteffekte, Vergleich mit Kollegen, allgemeines
Einstiegsfragen 1. Gab es in Ihrer Karriere einen Moment, an dem Ihnen zum ersten Mal so richtig bewusst wurde, wie sehr sich die Medien für Sie interessieren? (Erster großer Erfolg etc.) 2. Haben Sie sich als junger, unbekannter Sportler vorgestellt, einmal so im Interesse der Öffentlichkeit zu stehen, wie Sie es dann taten? 3. Waren Sie in irgendeiner Form auf einen Ansturm der Medien vorbereitet, oder übertrafen die Anfragen/die öffentliche Aufmerksamkeit Ihre Erwartungen?
1. Reaktive Effekte a) Einstellung zu bestimmten Medien 1. Welche Medien nutzen Sie selbst (Print/TV/Internet)? 2. Wie stark interessieren Sie sich für Berichterstattung über Ihre eigene Person? Sehr stark Stark Mittelmäßig Wenig Überhaupt nicht
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3. Sammeln Sie Artikel/Aufzeichnungen von Interviews? 4. Haben Sie schon mal bestimmte Medien ignoriert, weil Ihnen deren Berichterstattung nicht gefiel? 5. Welche Art der Medienberichterstattung über den Sport allgemein und über Sie persönlich würden Sie sich wünschen (nur sportliche Infos, auch Hintergrundberichte mit Einverständnis des Sportlers etc.)? 6. Finden Sie, Medien vermitteln ein realitätsgetreues Bild vom Spitzensport? 7. Welches Medium hat den größten Einfluss im Spitzensport, was denken Sie? Fernsehen Hörfunk Printmedien Internet Alle gleich
b) Einstellung zu Journalisten 1. Welche Eigenschaften schätzen Sie an Journalisten besonders? 2. Können Sie sich an besonders prägende persönliche Erfahrungen mit bestimmten Medienvertretern erinnern? 3. Welchen Einfluss hatten diese auf Ihren weiteren Umgang mit Journalisten? 4. Haben sich Journalisten schon einmal bei Ihnen für ihre Berichterstattung entschuldigt? 5. Würden Sie sagen, Sie arbeiten mit z.B. Printmedien und deren Journalisten lieber zusammen als mit TV-Journalisten, oder gibt es da keinen Unterschied? 6. Haben Sie manchmal das Gefühl, Journalisten überschreiten bei der Berichterstattung Ihren Kompetenzbereich/Zuständigkeitsbereich? Können Sie dafür Beispiele nennen? 7. Haben Sie sich jemals auch rechtlich gegen Berichterstattung über Sie gewehrt?
c) Einfluss auf sportliche Leistung 1. Wenn Medien in ihrer Berichterstattung Ihre Leistung kritisieren, wie sehr beeinflusst Sie das in Ihrer sportlichen Leistung?
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2. Empfinden Sie negative Berichterstattung eher als Ansporn oder eher als Beeinträchtigung? 3. Kam es schon einmal vor, dass Sie Kritikpunkte aufgenommen haben und im Training gezielt versucht haben, an diesen zu arbeiten? 4. Haben Sie sich durch Medienspekulationen über Ihre eigene Leistung schon einmal verunsichert gefühlt? 5. Welcher Druck wiegt schwerer: Der Druck der Öffentlichkeit, oder der Druck, den Sie selbst und Ihr Trainer aufbauen? 6. Kam es mitunter vor, dass durch Medientermine Ihre Trainingsroutine beeinträchtigt wurde, oder ging das Training immer vor?
d) Emotionale Reaktionen 1. Andrea Nahles, SPD-Politikerin, sagte einmal, Medienauftritte seinen für sie ein Lusterlebnis. Andere bezeichnen sie sogar als Droge. Kennen Sie ähnliche Empfindungen auch von sich selbst? 2. Haben sich diese Empfindungen im Laufe Ihrer Karriere verändert? 3. Wenn Sie insgesamt über Themen der Berichterstattung über Sie denken, über welche Art von Beiträgen ärgern Sie sich am meisten/ haben Sie sich rückblickend am meisten geärgert? (Verbreitung falscher Tatsachen, Verletzung der Intimsphäre...) 4. Welche Reaktionen rufen positive Artikel bei Ihnen hervor, welche Reaktionen negative? 5. Haben Sie das Gefühl, Medien kritisieren Sie zu stark für Dinge, die außerhalb Ihrer Macht liegen? (Stichwort: Hilflosigkeit) 6. Haben Sie schon einmal eine öffentlich getätigte Aussage/Kritik bereut?
e) Reaktionen des Umfelds 1. Wie reagiert Ihr persönliches Umfeld (Freunde, Verwandte, Bekannte) auf Ihre Prominenz? Wie war es am Anfang Ihrer Karriere, wie am Ende?
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2. Wie häufig werden Sie auf Berichte über Sie in den Medien angesprochen – so nach dem Motto „Ich hab da gestern wieder was über Dich gelesen/gesehen...“? Sehr häufig Häufig Ab und zu Selten Nie 3. Welche Reaktionen erfahren Sie im Anschluss an positive Berichterstattung, welche nach negativer? 4. Wird durch Ihre Prominenz/Ihre Bekanntheit Ihren Umgang mit anderen eher erschwert oder eher erleichtert? 5. War von Medienberichterstattung über Sie auch schon einmal Ihr persönliches Umfeld direkt betroffen (Berichte über Familie, Angehörige, Spekulationen etc.)?
2. Interaktive Effekte a) Reaktionen während Interviews, Live-Übertragungen 1. Sind Sie sich während Wettkämpfen der Tatsache bewusst, wie viele Menschen Ihnen in dem Moment vor Ort oder im Fernsehen zuschauen? 2. Würden Sie sagen, Sie sind eher zurückhaltend im Umgang mit Medien, oder suchen Sie auch selbst den Medienkontakt und genießen das Interesse an Ihnen? 3. Von welchen Faktoren hängt es ab, ob Sie sich in einem Gespräch/Interview mit Journalisten wohl fühlen? 4. Wie oft kam es vor, dass Sie ein Interview abgebrochen haben? Häufig Gelegentlich Eher selten Nie 5. Nutzen Sie die Präsenz von Kameras, um Botschaften zu senden (Grüße nach Hause, Sponsoren-Hinweise...)?
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3. Pro-aktive Effekte a) Professionalisierung im Umgang mit Medien 1. Haben Sie jemals so etwas wie ein Training im Umgang mit Medien besucht? Wenn ja, warum, wenn nein, warum nicht? 2. Arbeiten Sie zusammen mit einem Manager? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht? 3. Welche Aufgaben übernimmt Ihr Management für Sie? 4. Wie häufig erhalten Sie Anfragen für Interviews, Einladungen zu BenefizVeranstaltungen etc.? laufend häufig ab und zu selten nie 5. Welche Möglichkeiten nutzen Sie, um sich selbst direkt an die Öffentlichkeit/Ihre Fans zu richten? Welche Rolle spielt das Internet hier für Sie?
b Versuch der Steuerung von Berichterstattung 1. Betreiben Sie selbst gezielt Öffentlichkeitsarbeit, um positive Medienberichterstattung zu forcieren? 2. Halten Sie sich in öffentlichen Statements manchmal bewusst zurück, oder sagen Sie immer genau das, was Ihnen in dem Moment gerade in den Sinn komm? 3. Wie genau planen Sie Ihre Aussagen bei Interviews insgesamt? Sehr genau Genau Mal so, mal so Wenig Gar nicht 4. Haben Sie schon einmal bewusst versucht, der Öffentlichkeit ein bestimmtes Bild von sich zu vermitteln?
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4. Langzeiteffekte, Vergleich mit Kollegen, allgemeines 1. Welche Rolle haben die Medien allgemein in Ihrer Karriere gespielt? 2. Würden Sie sagen, die Medien haben Ihnen auch geholfen, dort zu sein, wo Sie jetzt sind? 3. Wie sehr ist der professionelle Sport allgemein abhängig von Medienberichterstattung, wie empfinden Sie das? 4. Haben Sie schon einmal andere Sportler um ihre Position in den Medien beneidet oder bemitleidet? 5. Glauben Sie, dass Medienberichterstattung die Macht hat, das Leben eines Sportlers oder Trainers völlig zu verändern?
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D Portraits der Sportler Udo Bölts, Radsport Udo Bölts wurde am 10. August 1966 in Rodalben in der Pfalz geboren. Sein älterer Bruder Hartmut, der selbst zwei Mal Deutscher Meister im Straßenradfahren wurde, brachte ihn zum Radrennsport. Vier Jahre lang war Udo Bölts als Amateur aktiv und konnte unter anderem einen dritten Platz bei der Rheinland-Pfalz-Rundfahrt verbuchen, bei der viele namhafte und erfolgreiche Rennfahrer aus dem damaligen Ostblock am Start waren. 1989 wurde er Profi beim Team Stuttgart, aus dem zwei Jahre später das Team Telekom hervor ging. 1990 gewann Bölts den Titel bei der Deutschen StraßenMeisterschaft. Auch in den Jahren 1995 und 1999 entschied er dieses Rennen für sich. Zu seinen weiteren Erfolgen bei Einzelrennen zählt der Gewinn einer Etappe beim Giro d’Italia 1992 und der Sieg der Clásica San Sebastian 1996, einem anspruchsvollen Traditionsrennen. Bei der einwöchigen Rundfahrt Dauphiné Liberé gewann er 1997 die Gesamtwertung. Im selben Jahr wurde Bölts bei der Straßenrad-Weltmeisterschaft Vierter. Er war Kapitän des deutschen Teams und verpasste erst im Schlussspurt eine Medaille.79 Bekannt wurde Udo Bölts jedoch vorwiegend durch seine Einsätze bei der Tour de France. Von 1992 bis 2003 nahm er zwölf Mal in Folge an der härtesten Radrundfahrt der Welt teil, und jedes Mal erreichte er das Ziel Paris – kein anderer Deutscher schaffte dies bisher.80 Seine beste Platzierung erreichte er 1994 mit Rang neun. Vorwiegend übernahm Udo Bölts jedoch Helferaufgaben. 1997 unterstützte er Jan Ullrich, als dieser als erster und einziger Deutscher die Tour gewann. Sein Ausspruch „Quäl Dich, Du Sau!“, in Folge dessen Jan Ullrich sich in einer Vogesen-Etappe wieder an die Führungsgruppe heran kämpfte, wurde weltberühmt. „... schon verrückt, dass man dadurch bekannter wird, als durch sportliche Erfolge“81, sagte Udo Bölts rückblickend. Im Jahr 2004 wurde Udo Bölts sportlicher Leiter des Team Gerolsteiner, für das er 2003 noch selbst fuhr. Von diesem Posten trat er 2007 zurück, nachdem er unter großem öffentlichen Druck gestand hatte, während seiner Karriere zeitweise unerlaubte leistungssteigernde Mittel eingenommen zu haben. 79 Vgl. o.V.: Udo Bölts: Der Unkaputtbare. Auf: Radsport-Seite.de, http://www.radsport-seite.de/fahrer/boeltsudo.html, 07.02.2006. 80 Vgl. Wikipedia: Udo Bölts, http://de.wikipedia.org/wiki/Udo_B%C3%B6lts, 07.02.2006. 81 Udo Bölts im Interview mit Lücker, Björn: „Das Duell Armstrong Ullrich wird zu hoch gespielt“. Auf :Onsport T-Online, http://www2.onsport.t-online.de/dyn/c/46/09/66/4609668.html, 07.02.2006.
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Frank Busemann, Leichtathletik Frank Busemann wurde am 26. Februar 1975 in Recklinghausen geboren. Schon mit 7 Jahren trat er der Leichtathletik-Trainingsgruppe seines Vaters bei. Als Jugendlicher verbesserte er die deutschen Rekorde über 60 m Hürden in der Halle und 110 m Hürden im Freien. 1994 wurde er in dieser Disziplin Junioren-Weltmeister. Gesundheitliche Probleme veranlassten ihn Ende dieses Jahres, zum Mehrkampf zu wechseln. Bereits bei seinem ersten Zehnkampf war er besser als einige Wochen zuvor der Junioren-Weltmeister. Nur zwei Jahre später, im Alter von 21 Jahren, gewann er bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta überraschend die Silber-Medaille. Über Nacht wurde er zum Liebling der Öffentlichkeit. Journalisten, denen er stets freundlich, gut gelaunt und sehr offen gegenüber trat, wählten ihn im selben Jahr zu Deutschlands Sportler des Jahres. 1997 gewann Busemann das Mehrkampfmeeting in Ratingen und den U23-Europameister-Titel über die Hürden. Bei den Weltmeisterschaften in Athen belegte er den dritten Platz.82 Trotz herausragenden Talents und großen Ehrgeizes schaffte der Leichtathlet es nicht, an die Erfolge der Jahre ´96/´97 anzuknüpfen: „Sein Körper dokumentiert seinen Widerwillen gegen den Hochleistungssport [...] regelmäßig durch vielfältigste Verletzungen […].“83, schrieb der Journalist Friedrich Bohnenkamp, der Busemann zwischen Atlanta und Sydney vier Jahre lang mit der Kamera begleitete. In den Medien standen so bald Schilderungen seiner Krankheiten und nicht mehr die sportliche Leistung im Vordergrund, was nicht unkritisiert blieb. Der Bundestrainer habe ihm vorgeworfen, seine „Wehwehchen allzu gern in der Presse auszubreiten“84, berichtet Busemann in seiner Biographie, die er geschrieben habe, um „das Prädikat ‚Strahlemann’ ein wenig zu relativieren.“85 Aufgrund fortwährender Verletzungen trat Frank Busemann 2003 als Leistungssportler zurück. Nicht zuletzt wegen seines guten Verhältnisses zu Medien und Journalisten ist er jedoch weiterhin als Experte oder Talkshow-Gast öffentlich präsent.
82 Vgl. Homepage Frank Busemann, http://www.frank-busemann.de/html/Personliches/Erfolge/hauptteil_erfolge.html, 25.11.2005. 83 Bohnenkamp, Friedrich: Busemanns Leiden. Der Körper des Zehnkämpfers ist seinem Talent nicht gewachsen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.05.2002. 84 Busemann, Frank(2003): Aufgeben gilt nicht. Köln: Deutscher Sportverlag: 222. 85 Ebenda, S. 252.
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Michael Groß, Schwimmen Michael Groß wurde am 17. Juni 1964 in Frankfurt am Main geboren. Schon früh machte er mit außergewöhnlichen Leistungen auf sich aufmerksam. Als Deutschland im Jahr 1980 – Groß war damals 16 Jahre alt – die Olympischen Spiele in Moskau boykottierte, schwamm er nur einen Tag nach dem Olympia-Rennen über 100 m Delphin schneller als der Olympia-Sieger. Mit 17 wurde Groß erstmals Europameister, ein Jahr später folgten zwei Gold-, eine Silber- und zwei Bronzemedaillen bei den Weltmeisterschaften in Guayaquil, Ecuador. Bei den Deutschen Meisterschaften 1983 schwamm Michael Groß seinen ersten von insgesamt 15 Weltrekorden.86 Als Höhepunkt seiner sportlichen Karriere bezeichnet Michael Groß die Olympischen Spiele in Los Angeles. Groß gewann dort zwei Gold- und zwei Silbermedaillen. Durch einen Fernsehkommentar des ARD-Journalisten Jörg Wontorra allgemein bekannt wurde hier auch sein Spitzname „Albatros“, den er 1983 aufgrund der enormen Spannweite seiner Arme von einem französischen Reporter der Sportzeitung L’Equipe bekommen hatte.87 Zahlreiche Medaillen bei Europa- und Weltmeisterschaften folgten. 1988 in Seoul gewann Michael Groß einen weiteren olympischen Titel. Er beendete seine sportliche Karriere 1991 im Anschluss an die Weltmeisterschaften im australischen Perth. Der Schwimmer galt bei Journalisten als schwieriger Gesprächspartner: „Obwohl der große Star der Spiele, lehnte Groß es ab, sich zum Medienliebling der Nation machen zu lassen. Medienvertreter wies er oft schroff ab; zu vielen Dingen äußerte er kritisch seine Meinung.“88 Trotzdem wurde er insgesamt vier Mal von Sportjournalisten zu Deutschlands Sportler des Jahres sowie 1983 und 1985 zum Weltschwimmer gewählt. Michael Groß absolvierte 1984 sein Abitur und studierte anschließend Germanistik, Politik und Medienwissenschaften an der Universität Frankfurt, wo er 1994 auch promovierte. Er ist heute ist Chef der PR-Agentur Peakom in Frankfurt am Main.
86 Vgl.: Lenz und Jordan (Hrsg.) (1994): Die 100 Sportler des Jahrhunderts. Hamburg: Rowohlt:. 192. 87 Vgl.: Kasprzak, Martina: Schwimm-Olympiasiger in Los Angeles und Seoul ist heute Chef einer PR-Agentur in Frankfurt/Main. In: Schweriner Volkszeitung online, http://www.svz.de/sport/wiedererkannt/gross.html, 09.12.2005. 88 Lenz und Jordan (1994): 193.
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Jürgen Klopp, Fußball Jürgen Klopp wurde am 16. Juni 1967 in Stuttgart geboren. Seine Karriere als Fußballer begann in regionalen Vereinen der Umgebung seiner Heimatstadt. 1987 wechselte er zu den Amateuren von Eintracht Frankfurt, drei Jahre später unterschrieb er nach Zwischenstationen in Sindlingen und bei der SG Rot-Weiß 01 Frankfurt einen Vertrag beim Lokalrivalen 1. FSV Mainz 05. Sein Name ist seither untrennbar mit diesem Verein verbunden. Klopp absolvierte bis 2001 insgesamt 325 Spiele für die Zweitliga-Mannschaft und schoss 52 Tore.89 Im Februar 2001 wurde der diplomierte Sportwissenschaftler direkt vom Spieler zum Trainer der damals abstiegsbedrohten Mainzer befördert. Er schaffte den Klassenerhalt und verpasste in den folgenden zwei Jahren nur knapp den Sprung in die erste Bundesliga. Aufgrund seines trotz dieser Enttäuschungen sportlich fairen und vorbildlichen Verhaltens verlieh der Verband deutscher Sportjournalisten Jürgen Klopp 2004 den Fairness-Preis.90 Im Sommer 2004 schaffte der 1. FSV Mainz 05 schließlich den Aufstieg in die erste Liga. Dort belegte der Verein zwei Mal in Folge den 11. Platz. Klopp war zu dem Zeitpunkt mit 39 Jahren der jüngste und zugleich nach Thomas Schaaf dienstälteste Trainer der Bundesliga. 91 2007 stieg Mainz 05 nach langem Abstiegskampf wieder in die zweite Liga ab. Spekulationen um einen Vereinswechsel wurden laut, doch Klopp blieb den Mainzern trotz dem verpassten Klassenerhalt treu. Sein Vertrag läuft noch bis 2008. Zusätzlich zu seiner Trainer-Tätigkeit beweist sich Jürgen Klopp als TV-Analyst beim ZDF.92 Nicht nur von seinen Kollegen dort, sondern auch von anderen Journalisten wird er für seine positive Art und Leidenschaft gelobt: „Er ist Idealist. Es macht unheimlich Spaß, ihm zuzuhören.“93
89
Vgl. o.V.: Authentisch und erfrischend anders. Auf: ZDF online, 10.12.2005, http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/19/0,1872,2293299,00.html, 06.03.2006. 90 Vgl. Zorn, Roland: Mit Klasse und Anstand – alle Achtung, Jürgen Klopp. Auf: F.A.Z. online, 27.04.2004, http://www.faz.net/s/Rub6CA0075ACD054684B48CD743621C3DEB/Doc~E240EFAA903DD4A74 96BAFC080F7706C1~ATpl~Ecommon~Scontent.html, 06.03.2006. 91 Vgl.: Zitouni, Mounir: Mainz: FSV-Trainer Jürgen Klopp im kicker-Interview. Auf: yahoo.de, 09.0.12006, http://de.sports.yahoo.com/060109/51/6exf.html, 06.3.2006. 92 Vgl. Brandt, Chris: „Klopp kennt keinen Stress“. Auf: ZDF online, 27.06.2005, http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/19/0,1872,2327187,00.html, 06.03.2006. 93 Vgl. o.V.: Authentisch und erfrischend anders. Auf: ZDF online, 10.12.2005 (s.o.).
202
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Nia Künzer, Fußball Nia Künzer wurde am 18. Januar 1980 in Mochudi, Botswana, geboren, wo ihre Eltern zu dem Zeitpunkt als Entwicklungshelfer tätig waren.94 Später zog sie mit ihrer Familie in die Nähe von Wetzlar. Bis zum Alter von 15 Jahren spielte sie bei der Eintracht Wetzlar ausschließlich in Jungen-Mannschaften. 1996 wechselte sie zum VfB Gießen, ein Jahr später zum FFC Frankfurt. Beim FFC Frankfurt wurde sie 1999 zur jüngsten Kapitänin der Bundesliga gekürt. Im selben Jahr gewann die Mannschaft sowohl die deutsche Meisterschaft als auch den DFB-Pokal. Es folgten 2001 bis 2003 drei weitere deutsche Meister-Titel sowie 2000 bis 2003 vier DFB-Pokalsiege in Serie.95 Ins Zentrum des öffentlichen Interesses rückte Nia Künzer, die bisher 34 Spiele mit der A-Nationalmannschaft absolviert hat, nach der Fußball-Weltmeisterschaften 2003 in den USA. Dort erzielte sie in der Verlängerung des Finales das entscheidende Golden Goal und sicherte Deutschland damit den WM-Titel. „Selbst eine Institution wie der ‚Tatort’ wurde damals wegen der Live-Übertragung verschoben, die Begegnung hatte mehr TV-Zuschauer als das EM-Qualifikationsspiel der Männer einen Tag zuvor.“96 Mit diesem Sieg schaffte es der Frauenfußball, aus dem Schatten des Männerfußballs hervor zu treten.97 Die Frauen-Nationalmannschaft wurde 2003 zur Mannschaft des Jahres gewählt, Nia Künzer gewann mit ihrem Golden Goal als erste Frau die ARD-Abstimmung zum Tor des Jahres.98 Nach ihrem vierten Kreuzbandriss Ende 2003 dachte Künzer kurzzeitig an ein Karriere-Ende. Doch im März 2005 feierte der „Superstar des deutschen Damenfußballs“99 nach mehr als einjähriger Verletzungspause ihr Comeback für den FFC Frankfurt. Neben dem Sport studiert sie in Gießen Heil- und Sonderpädagogik.
94 Vgl. o.V.: Nia Künzer. Fußball. Auf: ZDF online, http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/2/0,1872,2177762,00.html, 26.01.2006. 95 Vgl. Kittmann, Matthias: Nia Künzer-Story. Auf: Homepage von Nia Künzer, http://www.nia-kuenzer.de/n/cms/front_content.php?client=1&lang=1&idcat=22, 26.01.2006. 96 Brichzi, Dirk: Glückskind mit Pechsträhne. Auf: Spiegel online, 18.04.2004, http://www.spiegel.de/sport/fussball/0,1518,299390,00.html, 26.01.2006. 97 Ashelm, Michael: Werbeverträge statt Kaffeeservice. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.12.2003. 98 Vgl. o.V.: Pendeln zwischen den Extremen. Auf: ARD online, 11.01.2004, http://sport.ard.de/sp/fussball/news200401/09/nia_kuenzer_tor_des_jahres.jhtml, 26.01.2006. 99 Sportinformationsdienst (SID): Nia wollte hinschmeißen. Auf: Focus online, 23.03.2005, http://focus.msn.de/hps/fol/newsausgabe/newsausgabe.htm?id=12864,, 26.01.2006.
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Ulrike Nasse, geb. Meyfarth, Leichtathletik Ulrike Meyfarth wurde am 4. Mai 1956 in Frankfurt am Main geboren. Im Alter von 13 Jahren begann sie mit der Leichtathletik und hier im Besonderen mit dem Hochsprung. Ihr Talent, ihre ungewöhnliche Größe – sie war schon als Teenager 1,86 groß – und ein neuer Sprungstil, der Fosbury-Flop, verhalfen ihr schnell zu beeindruckenden Erfolgen. Mit 16 Jahren qualifizierte sie sich als Dritte der deutschen Meisterschaften für die Olympischen Spielen 1972 in München, wo ihr die große Überraschung gelang: Sie gewann mit übersprungenen 1,92 m und Einstellung des Weltrekords die Gold-Medaille. Damit ist sie noch immer die jüngste Sportlerin, die je einen olympischen Einzel-Titel in der Leichtathletik gewann.100 Doch: „Dieser frühe sensationelle Erfolg mit all seinen Begleiterscheinungen in der Öffentlichkeit hat ihre sportliche Karriere eher belastet als beflügelt.“101 1973 gewann sie zwar ihren ersten deutschen Meister-Titel, doch dann folgten Enttäuschungen. Bei den Olympischen Spielen 1976 in Montreal scheiterte sie schon in der Qualifikation. Außerdem wurde sie aufgrund ihres schlechten Notendurchschnitts nicht zum Sportstudium in Köln zugelassen, was heftige öffentliche Proteste auslöste. Ein Eintrag in einem Notizblock verdeutlicht die Einstellung Meyfarths zu diesem Zeitpunkt: „Sie kann mich ja eigentlich am Arsch lecken, die breite Öffentlichkeit.“102 Erst nach einem Trainerwechsel verbesserten sich ihre Leistungen wieder. 1979 bis 1983 wurde sie vier Mal in Folge deutsche Meisterin, 1982 holte sie sich mit neuem Weltrekord von 2,02 m den Europameisterschafts-Titel. In Los Angeles 1984 gewann Meyfarth nach 12 Jahren mit 2,02 m noch einmal olympisches Gold.103 Sie wurde in den Jahren 1981 bis 1984 zu Deutschlands Sportlerin des Jahres gewählt.
Ulrike Meyfarth schloss schließlich doch erfolgreich ihr DiplomSportstudium ab und heiratete 1988 den Rechtsanwalt Roland Nasse, mit dem sie zwei Kinder hat. Sie arbeitet heute in der Talentsichtung und Jugendförderung beim TSV Bayer 04 Leverkusen.
100
Vgl. Busch, Andrea C.: Porträts: Ulrike Meyfahrt. Auf: Sportsfrauen.de, http://www.sportsfrauen.de/portraets/meyfarth.html, 05.12.2005. 101 Probst, Ernst: Ulrike Nasse-Meyfarth: Das „Wunderkind des Hochsprungs“. Auf: Helloarticle, http://www.helloarticle.com/de/print251.html, 05.12.2005. 102 Vgl.: Hartmann, Robert (1993): Die großen Leichtathletik-Stars. München: Copress: 109. 103 Vgl.: Lenz und Jordan (1994): 64-65.
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Gunda Niemann-Stirnemann, Eisschnelllauf Gunda Niemann-Stirnemann, geborene Kleemann, wurde am 7. September 1966 in Sondershausen, Thüringen geboren. Nachdem sie erst Volleyball und dann Leichtathletik betrieben hatte, wechselte sie relativ spät, im Alter von 18 Jahren, zum Eisschnelllauf. Bereits vier Jahre später gewann sie bei den Europameisterschaften die Silbermedaille und wurde daraufhin für die Olympischen Spiele 1988 in Calgary nominiert – damals noch für die Mannschaft der ehemaligen DDR. Hier belegte sie über 1500 Meter und 5000 Meter jeweils den siebten Platz.104 1999 gewann sie in Lake Placid ihre erste Weltmeisterschafts-Medaille: Silber im Mehrkampf. Mit den Erfolgen in den darauf folgenden zehn Jahren wurde Niemann-Stirnemann zu einer der erfolgreichsten deutschen Sportlerinnen überhaupt. Insgesamt holte sie 19 Mal den Weltmeistertitel, davon acht Mal in Folge (1991 bis 1999) den Mehrkampf-Titel, bei dem die Leistungen über 500, 1500, 3000 und 5000 Meter addiert werden. Die wohl bedeutendsten Titel errang die Eisschnellläuferin jedoch bei Olympischen Spielen. In Albertville 1992 siegte sie gleich zwei Mal. In Lillehammer 1994 stürzte sie über ihre Parade-Strecke, die 3000 Meter, doch vier Jahre später konnte sie über dieselbe Strecke erneut Gold gewinnen. Außerdem holte sie vier weitere olympische Silber- und eine Bronze Medaille. Damit war sie bis zu den Olympischen Spielen 2006 in Turin die erfolgreichste deutsche Olympia-Teilnehmerin.105 Gunda Niemann-Stirnemann wurde im Sommer 2002 Mutter einer Tochter und konnte deswegen nicht wie geplant an den Olympischen Spielen 2002 in Salt Lake City teilnehmen. Anstelle dessen begleitete sie die ZDF-Übertragungen als CoKommentatorin. Der Versuch eines Comebacks nach der Schwangerschaft schlug fehl. Nach mäßigen Erfolgen und gesundheitlichen Problemen gab die Sportlerin Ende 2005 ihren Rücktritt bekannt. Sie arbeitet weiterhin als Co-Kommentatorin für das ZDF und ist als Trainerin tätig.106
104
Vgl. o.V.: Frauenbiographien. Auf: beepworld online, http://www.beepworld.de/members81/frauenbiografien12/niemann-stirnemann.htm, 23.04.2006. 105 Vgl. Homepage Gunda Niemann-Stirnemann, www.gundaniemann.de, 23.04.2006. 106 Vgl. o.V.: Gold-Gunda tritt zurück. Auf: ZDF online, http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/0/0,1872,2390048,00.html, 23.04.2006.
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Pascal Roller, Basketball Pascal Roller wurde am 20. November 1976 in Heidelberg geboren. Der nur 1,80 m große Basketball-Spieler begann seine Karriere beim USC Freiburg, mit dem er 1997 in die Bundesliga aufstieg. Als 1999 in Frankfurt/Main die Skyliners gegründet wurden, wechselte Roller zu dem neuen Verein, der sich hohe Ziele gesetzt hatte. Schon ein Jahr darauf gewann die Mannschaft den Pokal des Deutschen Basketball-Bunds (DBB). In der Saison 2002/2003 steigerte Roller sich auf durchschnittlich 15,8 Punkte pro Spiel, und eine Saison danach holte er mit den Frankfurt Skyliners nur vier Jahre nach Vereinsgründung den deutschen Meistertitel. Außerdem wurde er 2004 von den Fans zum besten Spieler der Liga gewählt. Auch bei Journalisten ist er beliebt und wird häufig zum Gespräch gebeten. 107
In der Saison 2006/2007 nahm Roller eine Option in seinem Vertrag mit den Skyliners wahr und spielte im Ausland für den italienischen Erstligisten Angelica Biella, mit dem er die Play-Offs erreichte.108 Seinen ersten Einsatz in der Basketball-Nationalmannschaft hatte Pascal Roller 1999. Es folgten kurze Einsätze bei der Weltmeisterschaft 2002, als Deutschland die Bronze-Medaille gewann. Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten mit dem damaligen Trainer Henrik Dettmann erklärte er anschließend zunächst seinen Rücktritt aus dem National-Team. Unter dem neuen Trainer Dirk Bauermann kehrte er zurück und gehört nun auch in der Nationalmannschaft zu den Leistungsträgern. Bei der Europameisterschaft 2005 war Roller mit durchschnittlich 7,5 Punkten pro Spiel drittbester deutscher Werfer und hatte so maßgeblichen Anteil am Vize-Titel.109 Roller hat nach seinem Abitur ein Lehramtsstudium in den Fächern Englisch und Sport begonnen, bisher aber nicht beendet. Aufgrund seiner Bildung und der Berufe seiner Eltern (Mutter Oberstudienrätin, Vater Publizist und Philosoph) wird Roller häufig als „Basketball-Professor“ bezeichnet. Er gilt als „mediales Aushängeschild“ seiner Mannschaft. Mitunter moderiert er beim Regionalsender rheinmaintv das hauseigene Programm der Skyliners.110 107
Vgl.: Wikipedia: Pascal Roller. http://de.wikipedia.org/wiki/Pascal_Roller, 09.01.2005. Vgl.: Rybicki, Marc: „Ich habe meinen Horizont erweitert“. Auf: Homepage der Deutsche Bank Skyliners, http://www.deutsche-bank-skyliners.de/6503.html, 04.06.2007. 109 Vgl.: Deutscher Basketball-Bund: Spielerportraits – Pascal Roller. Auf: Homepage Deutscher Basketball-Bund, http://www.basketball-bund.de/basketball-und/de/teams/a_nationalmannschaft_herren/portraets/ 1385.html, 09.01.2005. 110 Vgl. Gehrmann, Sebastian: Die Reifeprüfung – der Basketballprofessor. In: Basketball-Magazin, April 2004. Gefunden auf : Homepage der Deutsche Bank Skyliners, 108
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Marco Rose, Fußball Marco Rose wurde am 11. September 1976 in Leipzig geboren. Im Alter von 8 Jahren trat er dem Fußballverein Rotation 1950 Leipzig bei. Die Wahl der Sportart war geprägt durch die Erfolge seines Großvaters, der Fußballprofi bei der Spielvereinigung Leipzig und 1937 sogar Mitglied der deutschen Nationalmannschaft war.111 Bis zum Jahr 2000 blieb er seiner Heimatstadt treu und spielte seit 1987 für den VfB Leipzig (ehemals 1. FC Lokomotive Leipzig). Für den VfB bestritt er zehn Spiele in der zweiten Bundesliga, bis er 2000 zum Zweitliga-Konkurrenten Hannover 96 wechselte. Mit diesem Verein feierte er seinen ersten großen Erfolg: In der Saison 2001/2002 stieg die Mannschaft in die erste Fußball-Bundesliga auf. Rose wurde daraufhin jedoch an den Zweitliga-Verein 1. FSV Mainz 05 ausgeliehen und erhielt so zunächst keinen Erstliga-Einsatz. Bei den Mainzern wechselte er vom Mittelfeld in die Abwehr. In seiner ersten Saison bei den Rheinhessen verpasste er nur knapp den erneuten Aufstieg in die erste Liga. Ein Jahr später schaffte der FSV schließlich die Qualifikation für die höchste deutsche Spielklasse und Rose war mit 32 Einsätzen maßgeblich daran beteiligt. 112 Aufgrund seiner guten Leistungen wurde er von dem Verein fest verpflichtet. Seit dem Aufstieg bestritt er insgesamt 37 Spiele in der ersten Liga. Marco Rose hat vor seiner Karriere als Profifußballer sein Abitur bestanden und anschließend eine Ausbildung als Sozialversicherungskaufmann abgeschlossen. Er gilt innerhalb der Mannschaft als vergleichsweise unauffälliger und ruhiger Spieler. In Interviews wird besonders häufig sein christlicher Glaube thematisiert. Rose ist seit 1999 mit der Handball-Nationalspielerin Nicola Pietzsch liiert.113
http://www.deutsche-bank-skyliners.de/1304.html, 09.01.2006. 111 Vgl. Rose, Marco: “Knocking on Rose’s door.” Auf: Homepage der Stiftung Marburger Medien, http://www.marburger-medien.de/shop, 20.06.2006. 112 Vgl. Fußballdaten.de, http://www.fussballdaten.de/spieler/rosemarco/, 20.06.2006. 113 Vgl. Homepage von Marco Rose, http://www.marco-rose.de/, 20.06.2006.
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Carl-Uwe Steeb, Tennis Carl-Uwe Steeb wurde am 1. September 1967 in Aalen geboren. Bereits im Alter von 7 Jahren begann er mit dem Tennis, zwei Jahre später wurde er Mitglied im württembergischen Nachwuchskader. Seine Profi-Karriere begann er 1986.114 Insgesamt gewann er drei Titel: 1989 in Gstaad, 1991 in Genf und 1995 in Moskau. Seine beste Platzierung in der Tennis-Weltrangliste war im Jahr 1990 die Position 14.115 Das Interesse der Öffentlichkeit zog Carl-Uwe Steeb jedoch vor allem durch seine Auftritte im Davis Cup – der bedeutendsten Mannschafts-Meisterschaft im internationalen Tennis – auf sich. 1988 besiegte er im Davis Cup-Finale in Göteborg überraschend den damaligen Weltranglisten-Ersten Mats Wilander in fünf Sätzen. Damit legte er als „Held von Göteborg“ den Grundstein für den ersten Davis Cup-Sieg Deutschlands.116 Diesen Erfolg konnte Steeb zusammen mit Boris Becker, Patrik Kühnen und Eric Jelen auch 1989 wiederholen.117 Nach zehn Jahren beendete Steeb 1996 seine Karriere als Aktiver. 1998 übernahm er zusammen mit Boris Becker das Amt des Davis Cup-Kapitäns. Als Deutschland 1999 schon in der ersten Runde ausschied, wurden interne Probleme offensichtlich. Steeb kritisierte danach, dass viele Differenzen in der Öffentlichkeit ausgetragen wurden.118 2001 legte er das Amt des Team-Kapitäns nieder. „Das öffentliche Gerede um seine Person hat ihn stark verunsichert“ 119, so Georg von Waldenfels, Präsident des Deutschen Tennis Bunds (DTB). Heute ist Carl-Uwe Steeb Inhaber einer Sportmanagement- und Marketing-Agentur und betreibt die Tennis-Trainer-Akademie des Robinson Clubs.120
114
Vgl. o.V.: Zu Gast: Carl-Uwe Steeb. Auf: Radio Berlin-Brandenburg online, http://www.rbb-online.de/_/zibb/vip_jsp/key=beitrag_3633403.html, 26.01.2006. Vgl. o.V.: Carl-Uwe Steeb. Auf: Lexikona online, http://carl-uwe_steeb.lexikona.de/art/Carl-Uwe_Steeb.html, 26.01.2006. 116 Vgl. Leopold, Jörg: Tennis: Die großen deutschen Davis Cup-Schlachten. Auf: Wortwelt, 23.09.2005, http://wortwelt.blogg.de/eintrag.php?id=82, 26.01.2006. 117 Vgl. Deutscher Tennis Bund: Davis Cup Geschichte. Auf: DTB online, http://www.dtb-tennis.de/5751_5291.php?selected=1096&selectedsub=1129, 26.01.2006. 118 Vgl. Bern, Angela: “Zukunft hängt nicht an einem Match”. In: Rhein-Zeitung, 21.09.1999. 119 o.V.: Carl-Uwe Steeb tritt als Kapitän zurück. In: Berliner Zeitung, 05.09.2001. 120 Vgl. Robinson Club: Tennistrainer-Akademie mit Carl-Uwe Steeb in der ROBINSON TrainerAkademie. Auf: Robinson Club online, http://www.robinson-club-spezialist.de/webdocs/presseindex.php?text_id=64, 26.01.2006. 115
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Daniel Stephan, Handball Daniel Stephan wurde am 3. August 1973 in Rheinhausen geboren. Schon im Alter von fünf Jahren bestritt er dort sein erstes Handballspiel und wurde mit dem OSC Rheinhausen zwei Mal deutscher Jugendmeister. 1994 wechselte er zum TBV Lemgo, wo er noch bis 2008 einen Vertrag hat. Mit dem TBV gewann er 1995 den Pokal des Deutschen Handball-Bundes (DHB), 1996 den Europapokal der Pokalsieger, und 1997 wurden die Ostwestfalen deutscher Meister. Stephan war in dieser Saison Torschützenkönig, wurde zum ersten von drei Malen zum besten deutschen Spieler gewählt und von deutschen Journalisten als einziger Spieler mit dem Prädikat „Weltklasse“ versehen. 1998 kürte ihn die International Handball Federation (IHF) als ersten Deutschen zum Welthandballer.121 Mit der Nationalmannschaft bestritt Daniel Stephan insgesamt 184 Länderspiele, zahlreiche davon als Kapitän. Zu seinen größten Erfolgen zählen EM-Bronze 1998, Silber 2002 und -Gold 2004. Bei den Olympischen Spielen in Sydney belegte er mit dem deutschen Team Platz fünf, in Athen trug er maßgeblich zum Gewinn der Silber-Medaille bei.122 Bei Weltmeisterschaften konnte er jedoch aufgrund von Verletzungen kein einziges Spiel bestreiten.123 Trotzdem hasst er es, ständig als Pechvogel bezeichnet zu werden.124 2005 gab er seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft bekannt. Obwohl Daniel Stephan als eher ruhiger Gegenpol zum exzentrischen Stefan Kretzschmar, ehemals Freund der Schwimmerin Franziska van Almsick, galt, machte er doch mit provokativen Aussagen auf sich aufmerksam. In einer Sportbild-Kolumne kritisierte er 1999 die Aufstockung der Handball-Bundesliga von 16 auf 18 Teams scharf und wurde dafür vom Ligaausschuss gescholten.125
121
Vgl. Homepage Daniel Stephan: Erfolge, http://www.daniel-stephan.de/Home/Fact/Biografie/biografie.html, 26.01.2006. Vgl. Deutscher Handballbund: Der Kader der Männer-Nationalmannschaft. Auf: DHB online, http://www.deutscherhandballbund.de/frame.php?c=n_m_mannschaft&u1=nationalteams&u2=n_ma enner&u3=n_m_mannschaft#, 26.01.2006. 123 Vgl.: o.V.: Abschied statt Comeback. Auf: ZDF online, 22.11.2005, http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/4/0,1872,2399172,00.html, 26.01.2006. 124 Vgl. Klimke, Barbara: „Positives in den Kopf ballern“ – Interview mit Daniel Stephan. In: Berliner Zeitung, 06.08.2003. 125 Vgl.: o.V.: Stephans Kritik ruft Ligaausschuss auf den Plan. In: Handball-Woche, 26.10.1999. 122