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→ <sch> → →
[] [] [] [] [] [] […] [] [] [] []
(primär) (sekundär) (primär) (sekundär)
/ PW__ (primär)
Neben eindeutigen Regeln (7a) sind auch unterdeterminierte wie in (7b) anzunehmen, bei denen nicht entschieden werden kann, welche Korrespondenz in einer bestimmten Schreibung einschlägig ist, wie die Schreibungbelegt, die Nennform des Verblexems RASTEN oder eine Präteritalform des Verblexems RASEN sein kann, mit variierender Aussprache bei gleicher Schreibung (graphematische Beschränkungen, die die Phänomene Dehnung und Schärfung erfassen, tragen zu einer Reduzierung dieser globalen Unterdeterminiertheit bei). Die Unschärfe im Regeltyp (7c) ist dagegen phonologisch gesteuert und letztlich vollständig determiniert, da die korrespondierenden Phone in einer Rangfolge stehen. Diese Notation ist so zu lesen, dass in einer bestimmten Schreibung zunächst die primäre Korrespondenz gewählt
Die Schreibung nicht-narrativer Einheiten in einer Schriftsystemtheorie
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wird. Nur wenn das Ergebnis an der entsprechenden Stelle phonologisch ungrammatisch ist, wird die sekundäre Korrespondenz aktiv, wie gut an der Schreibungzu sehen ist: Da *[] wegen der unterbliebenen Auslautverhärtung keine mögliche phonologische Form eines Worts im Deutschen ist, wird hier bei der Rekodierung des Buchstabens auf seine sekundäre Korrespondenz zurückgegriffen. Das korrespondierende Element kann statt eines Phons auch eine Null sein wie z. B. bei den russischen Härte- und Weichheitszeichen. Im Deutschen findet sich eine Nullkorrespondenz nie durchgehend, aber als sekundäre Korrespondenz z. B. beim Buchstaben (vgl (7d)), wie sie etwa bei der Rekodierung von , aber auch von aktiv wird. Dieses Fremdwort ist damit graphematisch als vollständig integriert anzusehen. Anders sieht es mit einem Wort wie aus. Hier kann nicht einfach die Nullkorrespondenz des Buchstabens herangezogen werden, weil der Buchstabe nicht wie üblicherweise als [] rekodiert wird. Vielmehr liegt hier eine gegenseitige Bedingtheit der Rekodierung zweier Buchstaben vor, die im Rekodierungsmodell so erfasst wird, dass z. B.
als eine Einheit besonderer Art, als eine feste Buchstabenverbindung, angesetzt wird, der eine eigene Korrespondenzregel zukommt (vgl. (7e)). Damit verhält sich genauso wie z. B. und kann als Element der deutschen Graphematik eingestuft werden, auch wenn es überwiegend in Fremdwörtern genutzt wird (aber auch in weniger fremden Namen wie Stephan), in Fremdwörtern freilich, die in ihrer Aussprache nicht eindeutig der Quellsprache folgen. In diesem Sinne verfolgt das Rekodierungsmodell das Ziel, Regularitäten mit möglichst großer bzw. möglichst eindeutiger Reichweite zu erfassen. Dabei ist nicht a priori festgelegt, welche Aspekte von Schreibungen in Form einer Korrespondenzregel erfasst werden sollen. Die Grenze liegt dort, wo sich Korrespondenzen in Wörtern, die aus einer fremden Sprache stammen und die weitgehend wie in der fremden Sprache ausgesprochen werden, nicht geradlinig in das System der deutschen Korrespondenzregeln einfügen. Geradlinig heißt hierbei zumindest widerspruchsfrei, aber es ist nicht vorbestimmt, in welchem Ausmaß besonderer Aufwand für besondere Korrespondenzen in Fremdwörtern zu betreiben ist. Dies illustrieren die Korrespondenzregeln (7f und g) genauer. Für den Buchstaben ist ganz problemlos eine eindeutige Regel anzusetzen, die auch für die Rekodierung in Familiennamen wie Leclerq und fremden Ortsnamen wie Qumran gilt. In letzterem Fall ist ohnehin nicht von einer Fremdkorrespondenz auszugehen, weil die Aussprache in der Gebersprache (die in diesem Fall nicht einmal eindeutig zu bestimmen ist) im Deutschen weitgehend unbekannt sein dürfte. Weiterhin gelten manche Korrespondenzen nur in bestimmten graphematischen Kontexten. Das gilt z. B. für die Korrespondenz von <sch> zu [] in (7g), die es zwar nur in Fremdwörtern gibt (schon
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Martin Neef
weil es den Laut nur in Fremdwörtern gibt), die aber dennoch in das System der deutschen Graphematik aufzunehmen ist, weil sie zum einen in diesem Kontext durchgehend zu beobachten ist, was eine widerspruchsfreie Modellierung ermöglicht, und weil zum anderen die Schreibung (wie auch die Lautung) nicht der in den Gebersprachen folgt (Dschungel statt jungle etc.), womit die fragliche Korrespondenz ohnehin als Bestandteil der deutschen Graphematik ausgewiesen ist. Die Graphematik definiert mittels des Systems der Korrespondenzregeln in Verbindung mit graphematischen Beschränkungen, was eine systematisch mögliche Schreibung für eine bestimmte Lautung ist, nämlich jede Schreibung, die als die gefragte Lautung rekodiert werden kann. Üblicherweise gibt es sehr viele mögliche Schreibungen für eine bestimmte Lautung, besonders eingedenk Interjektionsschreibungen, bei denen mitunter viele gleiche Buchstaben in einer Reihe stehend problemlos rekodiert werden können. Dies kann durchaus graphematisch als regelhaft analysiert werden. Insgesamt spielt dabei in der Graphematik die Frage, ob ein Wort als nativ oder als nicht-nativ einzustufen ist, noch keine Rolle. Dies ändert sich in der Orthographie.
4.
Orthographie als wortschatzebenensensitives Auswahlverfahren
Die Graphematik definiert also den Lösungsraum zur Schreibung eines Worts mit einer bestimmten Lautung. Beispielhaft analysiere ich im Folgenden den graphematischen Lösungsraum einer bestimmten Lautung, um zu demonstrieren, wie die Orthographie aus diesem Lösungsraum bestimmte Auswahlen trifft. Diese Auswahlprozedur konzipiere ich als sensitiv für Teilbereiche des Wortschatzes. Die Untersuchung motiviert damit eine Unterteilung des Wortschatzes in signifikante Teilbereiche, die günstigstenfalls auch für Untersuchungen anderer Art, bevorzugt für morphologische Untersuchungen, relevant sein sollten. Hierbei kommen mehrere zu unterscheidende Typen von Fremdwörtern ins Spiel. Die Analyse ist nicht systematisch, sondern nur illustrativ; sie ist anhand einer größeren Datenmenge zu prüfen und zu verfeinern. Als Material dienen folgende 48 Schreibungen, die ein signifikanter Teil des graphematischen Lösungsraums für die Lautung [] sein sollen. Nach der zugrundegelegten graphematischen Analyse in Neef (2005a) können all diese Schreibungen mit der fraglichen Lautung rekodiert werden. Wenn die Analyse adäquat ist, sollten kompetente Sprachbenutzer des Deutschen zum selben Ergebnis kommen. Unwichtig ist in diesem Zusammenhang, ob die eine oder andere Schreibung auch noch anders rekodiert werden kann. Außerdem
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gehe ich davon aus, dass der graphematische Lösungsraum für die besagte Lautung letztlich wesentlich größer ist. (8)
Graphematischer Lösungsraum für die Lautung [] (Ausschnitt) 1.1 1.2 1.3 1.4
Teip Teipp Teib Teibb
Theip Theipp Theib Theibb
Teihp Teihpp Teihb Teihbb
2.1 2.2 2.3 2.4
Taip Taipp Taib Taibb
Thaip Thaipp Thaib Thaibb
Taihp Taihpp Taihb Taihbb
3.1 Teyp
Theyp
Teyhp
4.1 Tayp
Thayp
Tayhp
3.2 Teypp 3.3 Teyb
Theypp Theyb
Teyhpp Teyhb
4.2 Taypp 4.3 Tayb
Thaypp Thayb
Tayhpp Tayhb
3.4 Teybb
Theybb
Teyhbb
4.4 Taybb
Thaybb
Tayhbb
Wenn jede aufgeführte Schreibung eine mögliche Schreibung für ein Wort mit der fraglichen Lautung ist, sollte ein Modell der Orthographie erklären können, warum viele dieser Schreibungen für bestimmte Wörter des Deutschen nicht vorstellbar sind. Für native Appellativa kommen nur ganz wenige dieser Schreibungen in Frage, für nicht-native Appellativa eine größere Zahl hiervon und für heimische Eigennamen möglicherweise alle. Dabei haben Eigennamen keine beliebigen Schreibungen, aber sie schöpfen aus einem größeren Reservoir an Schreibungen als Gattungsnamen. Dies lässt sich modellieren, indem die Orthographie so konzipiert wird, dass sie für distinkte Teilbereiche des Wortschatzes unterschiedliche Ausschnitte des graphematischen Lösungsraums als zugelassene Schreibungen zur Verfügung stellt. Das entsprechende theoretische Modell des Wortschatzes, das den Status einer wissenschaftlichen Hypothese hat und dessen Motivation und Reichweite im Folgenden genauer erörtert wird, sieht wie folgt aus: (9)
Schriftsystematisch relevante Gliederung des deutschen Wortschatzes fremdsprachliche Wörter DEUTSCHER WORTSCHATZ Interjektionen, dialektale/ umgangssprachl. Schreibungen, fremde Eigennamen ORTHOGRAPHISCHER WORTSCHATZ indigene Eigennamen KERNWORTSCHATZ assimilierte Fremdwörter HEIMISCHER WORTSCHATZ
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Dieses Modell ist als ein Inklusionsmodell zu verstehen: Der als ‘deutscher Wortschatz’ markierte Bereich umfasst auch den ‘orthographischen Wortschatz’ etc. Auf der äußersten Schale stehen Fremdwörter, die so fremd sind, dass sie nicht zum deutschen Wortschatz zu zählen sind, auch wenn sie von Sprechern der deutschen Sprache benutzt werden mögen und möglicherweise sogar in einschlägigen Wörterbüchern verzeichnet sein können. Diese als ‘fremdsprachliche Wörter’ bezeichneten Elemente unterliegen keinen Beschränkungen seitens des Schriftsystems des Deutschen. Sie können Zeichen enthalten, die es im Deutschen nicht gibt, und sie können über Rekodierungseigenschaften verfügen, die nicht in der Graphematik des Deutschen verankert sind, sondern typischerweise den Eigenschaften der Quellsprache folgen. Beispiele hierfür sind folgende: (10) Fremdsprachliche Wörter a. Französisch: b. Englisch:
Habitué Portemonnaie Thriller London type
[] [] [] [] []
Der ‘deutsche Wortschatz’ zeichnet sich dadurch aus, dass hier die Rekodierung nach den Regeln der Graphematik des Deutschen geschieht. Hier sind also genau alle Elemente des graphematischen Lösungsraums einer Lautung enthalten. Auf der äußersten Schale des deutschen Wortschatzes befinden sich Wörter, die keinen weitergehenden Anforderungen genügen, die also lediglich graphematisch geschrieben werden. Interjektionen sind hierfür besonders typisch, da sie zwar regelmäßig rekodiert werden können, ihre Schreibung aber ansonsten besonders vielfältig ist und sie insbesondere nicht dem Gebot der Konstanzschreibung folgen (vgl. aah gegenüber aaaah neben bummm und rrratsch). Fremde Eigennamen unterscheiden sich von fremdsprachlichen Eigennamen dahingehend, dass sie, bei möglicherweise gleicher Schreibung, nach den Regeln der deutschen Graphematik ausgesprochen werden, dass hier also Schriftaussprachen vorliegen. Beispiele sind London mit der Aussprache [] oder der slowakische Familienname Hrbaty in der deutschen Form []. Die Orthographie des Deutschen hat keinen Einfluss auf diese Schreibungen, aber die Regularitäten der Graphematik sorgen für eine Ausspracheangleichung. Ob überdies dialektale und umgangssprachliche Schreibungen tatsächlich auf dieser Ebene des Wortschatzes anzusiedeln sind, bleibt genauer zu erforschen. Der nächstfolgende Teilbereich des Wortschatzes ist derjenige, auf den die Orthographie Einfluss hat und den ich deshalb als ‚orthographischen Wortschatz‘ bezeichne. Die Daten in (8) sind so zu verstehen, dass sie genau den
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Bereich von Schreibungen abdecken, der für den orthographischen Wortschatz zur Verfügung steht. An dieser Stelle ist dies eine nicht weiter begründete Behauptung, von der ich deshalb ausgehe, weil die Diskussion um Fremdwortschreibungen üblicherweise diejenigen Wörter betrifft, die ich als assimilierte Fremdwörter bezeichne. Für diesen Wortschatzbereich gilt es dann, Abgrenzungen nach oben und nach unten zu ziehen, weshalb sich die detaillierte Diskussion sinnvollerweise nur innerhalb des orthographischen Wortschatzes bewegt. Auf der äußersten Schale dieses Teilbereichs liegen heimische Eigennamen. Die Hypothese dabei ist, dass heimische Eigennamen aus einem größeren Bereich des graphematischen Lösungsraums schöpfen können als Wörter der tieferliegenden Ebenen, dass also viele der oben aufgeführten Schreibungen für die Lautung [] zwar für Eigennamen möglich sind, nicht aber für assimilierte Fremdwörter (und den heimischen Wortschatz). Tatsächlich unterscheiden sich Eigennamenschreibungen gern von Schreibungen von Gattungsnamen, aber nicht notwendig: Jede Gattungsnamenschreibung ist auch eine mögliche Eigennamenschreibung, nur nicht umgekehrt. Ein signifikantes Beispiel sind Diphthongschreibungen mit dem Buchstabenals Zweitelement, die (innerhalb des orthographischen Wortschatzes) nur für Eigennamen möglich sind, wie folgende Ortsnamen demonstrieren: (11) Ortsnamensschreibungen mit Diphthongen mit a. Bayenthal, Bayreuth, Bullay, Mayen, Sayn b. Alzey, Breyell, Eiserfey, Freyung, Loreley, Rheydt, Speyer Diese Diphthongschreibungen finden sich heutzutage noch in Namenwörtern, aber nicht in appellativischen Nomen. Vor dem Hintergrund des skizzierten Wortschatzmodells lässt sich dies so erfassen, dass es eine orthographische Beschränkung gibt, die diese Diphthongschreibungen ausschließt. Die fragliche Beschränkung gilt für den Kernwortschatz (und mithin auch für den heimischen Wortschatz als Teilbereich dessen), nicht aber für die Wörter des orthographischen Wortschatzes, die nicht auch zum Kernwortschatz zählen, also für indigene Eigennamen (und ebenso wenig für Wörter, die im Wortschatz noch weiter außen stehen). Diese Art der Konzeption der Orthographie vertraut also darauf, dass es eine vorrangig (nämlich durch die Graphematik) definierte Menge möglicher Schreibungen für einen bestimmten Fall (ein Wort mit einer bestimmten Lautung) gibt. Aufgabe der Orthographie ist es, die Menge dieser möglichen Schreibungen zu reduzieren für Wörter, die näher dem Zentrum des Wortschatzes stehen. Dabei gelten die meisten Beschränkungen für den innersten Bereich des Wortschatzes, also den heimischen Wortschatz. Die fragliche Beschränkung kann auf unterschiedliche Weise formuliert werden. Die folgenden Formulierungen folgen den theoretischen Rahmenbe-
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dingungen, die durch das Rekodierungsmodell gesetzt sind, und übernehmen insbesondere die dort definierte Terminologie. (12) Orthographische Beschränkung: Schreibung vonnach Vokalbuchstaben Die Schreibung des Buchstabens nach einem Vokalbuchstaben ist ausgeschlossen, wenn er als Vokal rekodiert wird. Geltungsbereich: Kernwortschatz Wenn das Wort mit der Lautung [] dem Kernwortschatz angehören soll, verbleiben für seine Schreibung damit nur die Hälfte der diskutierten Schreibungen: (13) Graphematischer Lösungsraum für die Lautung [] (Ausschnitt) 1.1 Teip 1.2 Teipp
Theip Theipp
Teihp Teihpp
2.1 Taip 2.2 Taipp
Thaip Thaipp
Taihp Taihpp
1.3 Teib 1.4 Teibb
Theib Theibb
Teihb Teihbb
2.3 Taib 2.4 Taibb
Thaib Thaibb
Taihb Taihbb
3.1 Teyp
Theyp
Teyhp
4.1 Tayp
Thayp
Tayhp
3.2 Teypp 3.3 Teyb
Theypp Theyb
Teyhpp Teyhb
4.2 Taypp 4.3 Tayb
Thaypp Thayb
Tayhpp Tayhb
3.4 Teybb
Theybb
Teyhbb
4.4 Taybb
Thaybb
Tayhbb
Bei den verbleibenden Schreibungen in (13) fällt die letzte Zeile der beiden Blöcke auf. Im Kernwortschatz darf kein Wort mit doppeltem enden bzw. allgemeiner mit einem doppelt geschriebenen Buchstaben für stimmhafte Plosive, also mit . Selbst unter den Ortsnamensschreibungen kommt eine solche wortfinale Doppelschreibung so gut wie nie vor (außer bei z. B. Brigg), aber möglicherweise erlauben Familiennamen dies. Damit ist ausgesagt, dass die folgende Beschränkung sicher für den Kernwortschatz gilt, möglicherweise sogar für den gesamten orthographischen Wortschatz. (14) Orthographische Beschränkung: zwei finale Buchstaben für stimmhafte Plosive Die wortfinale Schreibung zweier Buchstaben für stimmhafte Plosive ist ausgeschlossen. Geltungsbereich: Kernwortschatz Bei der Orthographiereform von 1996 wurden einige Fremdwörter in ihrer Schreibung angeglichen, um dem Prinzip der Morphemkonstanz stärkere Geltung zu verschaffen. Diese Angleichung hat genau dort halt gemacht, wo die
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Beschränkung (14) berührt wird. Dabei wurde diese Beschränkung im Reformkontext aber nicht explizit diskutiert. (15) Angepasste Schärfungsschreibungen von Anglizismen (Duden 1996) alt a. Mop Tip b. Job Mob
neu
(Verb)
Mopp Tipp *Jobb *Mobb
(moppen) (tippen) (jobben) (mobben)
Damit verkleinert sich die Menge möglicher Schreibungen für ein Wort des Kernwortschatzes weiter: (16) Graphematischer Lösungsraum für die Lautung [] (Ausschnitt) 1.1 Teip 1.2 Teipp
Theip Theipp
Teihp Teihpp
2.1 Taip 2.2 Taipp
Thaip Thaipp
Taihp Taihpp
1.3 Teib 1.4 Teibb
Theib Theibb
Teihb Teihbb
2.3 Taib 2.4 Taibb
Thaib Thaibb
Taihb Taihbb
Auch die Fälle in der zweiten Zeile sind nur in Eigennamen möglich. Diese Daten sind dadurch charakterisiert, dass zwei gleiche Konsonantenbuchstaben nach einer Diphthongschreibung bzw. nach dem Buchstabenstehen. Dergleichen ist in Eigennamen möglich: (17) Namenschreibungen mit Doppelkonsonanzschreibung nach Diphthong oder Konsonant a. Kauppen, Eitting b. Schrempp, Württemberg Die diese Daten erfassende Beschränkung lässt sich folgendermaßen formulieren: (18) Orthographische Beschränkung: Konsonantenbuchstaben mit Nullkorrespondenz Die adjazente Schreibung von zwei Konsonantenbuchstaben, wobei dem hinteren eine Nullkorrespondenz zukommt, ist ausgeschlossen, wenn sie nicht einem einzelnen Vokalbuchstaben folgt. Geltungsbereich: Kernwortschatz Wenn das Wort mit der Lautung [] dem Kernwortschatz angehören soll, verbleiben damit noch maximal zwölf Schreibungsmöglichkeiten:
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(19) Graphematischer Lösungsraum für die Lautung [] (Ausschnitt) 1.1 Teip 1.2 Teipp 1.3 Teib
Theip Theipp Theib
Teihp Teihpp Teihb
2.1 Taip 2.2 Taipp 2.3 Taib
Thaip Thaipp Thaib
Taihp Taihpp Taihb
Die vier Fälle in der jeweils dritten Spalte der beiden Blöcke sehen für den Kernwortschatz ebenfalls ungewöhnlich aus. Hierzu ließe sich technisch leicht eine passende Beschränkung formulieren, doch angesichts von formal recht ähnlichen Schreibungen wieals Element der heimischen Wortschatzes überblicke ich nicht recht, welche Reichweite die fragliche Beschränkung haben muss, weshalb ich die Diskussion dieser Daten hier ausspare. Für die dann verbleibenden acht Schreibungsvarianten möchte ich überlegen, welche davon als Wortschreibung für Elemente des heimischen Wortschatzes in Frage kommen. Hierbei geht es natürlich um die Buchstabenfolge , die ein typisches Kennzeichen für assimilierte Fremdwörter ist, aber dagegen nicht für den heimischen Wortschatz anzusetzen ist. Ein Fall wie ist auf dieser Basis folgendermaßen einzuschätzen: Entweder wird er der Klasse der heimischen Wörter zugeordnet. Dann ist seine Schreibung mit unregelmäßig und könnte sinnvollerweise im Zuge einer Reform zu verändert werden. Oder er wird der Klasse der assimilierten Fremdwörter zugeordnet mit angemessener Schreibung. Dies ist sprachhistorisch untermauert, auch wenn der Fremdwörter-Duden (1994) dieses Datum nicht als Lemma führt. Neben gibt es noch zahlreiche analog funktionierende Cluster aus Konsonantenbuchstabe plus ; lediglich die Verbindung aus und ist für den heimischen Wortschatz typisch. (20) Schreibungen mit Konsonantenbuchstabe plus mit Nullkorrespondenz Joghurt, Khaki, Rheuma, Theater, Whisky Damit gilt es, für heimische Schreibungen alle Verbindungen aus Konsonantenbuchstabe plus auszusortieren außer und <sch>. In diesen beiden Fällen errechnet sich das korrespondierende Phon nicht aus den Korrespondenzregeln der einzelnen Buchstaben, sondern sie müssen (wie ) als feste Buchstabenverbindungen angesehen werden. Damit lässt sich folgende Beschränkung formulieren, die die festen Buchstabenverbindungen nicht betrifft. Dass allerdings auch nicht im heimischen Wortschatz anzutreffen ist, wird dabei von dieser Beschränkung nicht erfasst, könnte aber leicht in einer weiteren Beschränkung nachgetragen werden.
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(21) Orthographische Beschränkung:nach Konsonantenbuchstaben Die Schreibung des Buchstabens mit Nullkorrespondenz ist ausgeschlossen, wenn er einem Konsonantenbuchstaben folgt. Geltungsbereich: heimischer Wortschatz Für den heimischen Wortschatz verbleiben damit zumindest die vier Schreibungen , , und . Hierbei sind die Schreibungen mit sicher markiert gegenüber denen mit <ei>. Zwar sind beide Schreibungen möglich, aber die mit <ei> stellen (für Wörter des heimischen Wortschatzes) den Normalfall dar. Dies müsste in das Beschränkungsmodell aufgenommen werden, ist aber für die Frage der Fremdwortschreibungen irrelevant. Weiterhin ist von den gegebenen Fällen eine Schreibung mit finalem immer dann richtig, wenn es im Flexionsparadigma eine Form gibt, in der der korrespondierende Laut stimmhaft ist. Wenn z. B. der Plural des Worts die Teibe ist, ist die Schreibung mit finalem richtig, sonst eher die mit finalem . Wenn es keine Flexionsformen gibt, sind beide Schreibungen möglich.
5.
Fazit
In diesem Text habe ich die Orthographie als ein System von Beschränkungen rekonstruiert, die für bestimmte Schichten des Wortschatzes spezifisch sind. Dabei zeichnet sich der heimische Wortschatz dadurch aus, dass für ihn die größte Anzahl an Beschränkungen gilt. Die Orthographie des Deutschen steckt damit den meisten Aufwand in den heimischen Bereich. Fremdwörter dürfen im Prinzip genauso aussehen wie heimische Wörter (vgl. Terme), sie dürfen aber, wenn es ihre Herkunftsschreibung nahelegt, auch fremder aussehen, das heißt bestimmte Beschränkungen nicht befolgen, eben jene, die ausschließlich für den heimischen Bereich gelten. Welche dies sind, habe ich in der vorgestellten illustrativen Analyse nur angedeutet. Um zu einem vollständigeren Bild zu kommen, sind weitere Analysen notwendig. Die Fremdheit der assimilierten Fremdwörter hat aber auch ihre Grenzen; es gibt andere Wortschatzbereiche, die noch weniger streng geregelt sind. Dabei fallen Wörter, die als irgendwie fremd zu klassifizieren sind, nicht nur in einen Wortschatzbereich, sondern verteilen sich auf verschiedene Ebenen, die ansatzweise genauer charakterisiert sind, wobei hier sicher weitere Präzisierungen vorzunehmen sind. Insbesondere die Grenze zwischen heimischen Eigennamen und assimilierten Fremdwörtern ist noch wenig erforscht. Für die Integration von Fremdwörtern sagt das Modell voraus, dass der Integrationsweg von außen nach innen gehen sollte mit dem Effekt, dass die
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Schreibungen in Einklang mit den Beschränkungen gebracht werden, die für innere Wortschatzbereiche gelten. Ob die grundsätzliche Unterteilung in orthographischen Wortschatz vs. heimischen Wortschatz sinnvoll ist, bleibt durch weitere Untersuchungen zu prüfen. Auch wenn für den heimischen Wortschatz nach diesem Ansatz am meisten zu lernen ist, hat dies doch auch funktionale Vorteile, denn für ein heimisches Wort zu einer bestimmten Lautung gibt es gewöhnlich weniger mögliche Schreibungsalternativen als für ein Wort weiter am Rande des Wortschatzes. Das vorgestellte Orthographiemodell (im Sinne einer systematischen Orthographie) sagt nämlich nur voraus, dass ein assimiliertes Fremdwort mit der Lautung [] aus einer Menge von zwölf möglichen Schreibungen wählen darf. Die Analyse geht nicht so weit, dass die konventionell richtige Schreibung eindeutig vorhergesagt werden kann. Dies mag aus theoretischer Sicht unbefriedigend sein, scheint mir aber genau die Verhältnisse in einem natürlichen Schriftsystem widerzuspiegeln.
6.
Literatur
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Voeste, Anja (2008): Orthographie und Innovation. Hildesheim etc.: Olms (Germanistische Linguistik Monographien 22). Wiese, Richard (1989): “Schrift und die Modularität der Grammatik.” In: Peter Eisenberg, Hartmut Günther (eds.): Schriftsystem und Orthographie, 321–339. Tübingen: Niemeyer (RGL 97). – (2004): “How to optimize orthography.” In: Martin Neef, Beatrice Primus (eds.): From Letter to Sound. Special Issue of Written Language and Literacy 7, 305–331.
Horst Haider Munske
o.k. [o'ke:] und k.o. [ka'o:] Zur lautlichen und graphischen Integration von Anglizismen im Deutschen
1.
Einführung
Der Umgang mit Entlehnungen aus dem Englischen hat zwei Seiten: teils werden Lautung, Schreibung, Flexion und Bedeutung eines Wortes übernommen, d. h. ins Deutsche transferiert (Transferenz genannt), teils werden sie dem Deutschen angepaßt, d. h. ins Deutsche integriert (Integration genannt). Die beiden Begriffe deuten die Richtung der Interferenz, d. h. des Sprachwandels durch Sprachkontakt, an. Entweder ist die deutsche Sprache betroffen, indem ihr durch Entlehnung etwas hinzugefügt wird, oder die entlehnten Wörter sind betroffen, indem sie Anpassungen an die aufnehmende deutsche Sprache erfahren. Was konkret transferiert oder integriert wird, ist etwas komplizierter, weil in den Bereichen Lautung, Schreibung, Flexion und Bedeutung unterschiedliche Wege eingeschlagen werden. So ist der Gebrauch eines englischen Wortes im Deutschen zunächst immer eine lexikalische Transferenz, in der Regel in nur einer Bedeutung. Das Ende des 19. Jh.s entlehnte Wort Streik (aus engl. strike) hat nur im Deutschen die Bedeutung ‘gewerkschaftlich organisierte Arbeitsniederlegung von Arbeitnehmern’. Mit der Sache wurde damals auch das Wort aus der englischen Arbeiterbewegung ins Deutsche übernommen.1 Andere ältere Bedeutungen von engl. strike wie ‘Schlag, Treffer, Angriff’ verbinden wir nicht mit Streik.2 Ausdrucksseitig läßt sich an diesem Wort vor allem zweierlei beobachten: die lineare Struktur von Lautung und Schreibung wurde aus dem Englischen übernommen, einzelne Laute und Schriftzeichen aber wurden dem Deutschen angepaßt, d. h. integriert. Vergleichen wir dazu engl. strike [strak] und dt. Streik [traik]! Anglisten und Englisch-Lerner wissen, daß das englische Phonem /r/ andere Varianten (Allophone) hat als das deutsche /r/. Vor allem fehlen im Englischen der im Deutschen meistverbreitete uvulare Vibrant [ʀ] bzw. der 1 2
Zur Entlehnungsgeschichte siehe Anglizismenwörterbuch: 1438. Eine neuere, noch in keinem Wörterbuch genannte Bedeutung von strike entstand an der Börse (‘Basispreis für das Ausüben einer Option’). Diesen Hinweis und zahlreiche andere Verbesserungsvorschlage danke ich Dr. Hubert Gburek, Institut für Anglistik und Amerikanistik der Universität Erlangen-Nürnberg.
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Horst Haider Munske
Frikativ [ʁ]. Auch der Diphthong und der Verschlußlaut werden in beiden Sprachen leicht verschieden artikuliert. Dies ist an den Ausspracheangaben von deutschem Lehnwort und englischem Vorbild im Anglizismenwörterbuch abzulesen. Wir können hierzu verallgemeinernd feststellen: bei der Aufnahme eines englischen Lehnworts werden die englischen Allophone durch die deutschen Allophone des entsprechenden Phonems ersetzt. Da sich Deutsch und Englisch hinsichtlich des Phoneminventars sehr ähneln, beschränken sich die meisten lautlichen Integrationen auf diesen Bereich unterschiedlicher allophonischer Realisationen. Anders ist dies bei Phonemen des Englischen, die dem Deutschen fehlen: der Frikativ [] wird entweder transferiert wie in Thriller [rl] oder der fremde Laut wird durch einen nächst benachbarten deutschen ersetzt, z. B. durch [s] wie in [srl]. Im Fall von Streik [traik] liegt jedoch noch eine weitere, oft unterschätzte Form der Integration vor. Wie erklärt sich hier der Ersatz von anlautendem englischem [s] durch deutsches [], wo es doch das Phonem /s/ auch im Deutschen gibt? Der Grund liegt in den unterschiedlichen phonotaktischen Regeln beider Sprachen. Im vorliegenden Integrationsfall kommt die deutsche Regel zur Anwendung, nach der anlautend vor /t/ nur ein s-Laut möglich ist: [] wie in Stroh [:], Stall [tal], stoßen [:].3 Die Regel gilt im übrigen noch für weitere Anlautkombinationen, nämlich sp-, sm- sn-, sv-, sr- wie in Spiel, schmal, Schnee, Schwamm, schreiben. Nur im Fall von sp- und st- wird der Laut [] nicht als <sch> geschrieben, eine Eigenart deutscher Rechtschreibung, die wir hier nicht erörtern können (vgl. dazu Munske 2005:52f.). Soweit zur lautlichen Transferenz und Integration. Engl. strike, erstmals 1844 im Deutschen belegt, behielt zunächst seine englische Schreibung bei, so auch das Verb striken. Ab 1890 begegnet die integrierte Schreibung <Streik>. Zweierlei weicht ab: die Großschreibung des Substantivs – dies ist eine regelhafte fast immer durchgeführte Form der Integration, welche die Wortart festlegt – und die Wiedergabe des inlautenden Diphthongs durch das entsprechende, am häufigsten gebrauchte Graphem <ei>. Dies nennen wir (etwas vereinfacht) ‘graphische Integration’,4 weil die Lautfolge nach den Regeln der aufnehmenden Sprache graphisch wiedergegeben wird. Damit wird die dem Englischen entsprechende Aussprache gesichert und vermieden, daß <strike> irrtümlich als [trikə] ausgesprochen wird. Wir werden sehen, daß solche Wiedergabe der transferierten Schreibung nach deutschen Regeln recht häufig 3 4
Nur die regionale norddeutsche Aussprache (niederdt. Substrat) kennt anlautend [st] und [sp]. In Munske (1983) wurde eine etwas aufwendigere Terminologie vorgeschlagen und auch von anderen Autoren, u. a. Volland (1986) und Inhult (2002), übernommen. Sie hat ihren Sinn, wenn es um die Systematik von Transferenzen und Integrationen geht, war aber für die vorliegende Übersicht entbehrlich.
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vorkommt. Parallelen solcher Integration finden sich in vielen europäischen Sprachen. Görlach (2001: 309) nennt z. B. für engl. <strike> folgende Äquivalente: norweg. <streik>, isländ. <strkur>, poln. <strajk>, kroat. <štrajk>, ungar. <sztrájk>. Im vorliegenden Fall war die Gefahr einer ‘falschen’ Aussprache besonders groß, da die kombinatorische englische Ausspracheregel dem Deutschen (wie auch anderen Sprachen) fremd ist. Solche graphische Integration stellt jedoch bei deutschen Anglizismen eher eine Ausnahme dar, ganz im Gegensatz zu Entlehnungen aus dem Französischen. Mit dem Hinweis auf eine ‘falsche’ Aussprache haben wir bereits einen weiteren Integrationstyp erwähnt: die sog. ‘Leseaussprache’, für die ich früher auch den Terminus ‘grapho-phonemische Integration’ benutzt habe (Munske 1983, 1988). Dies läßt sich sehr schön am Beispiel des Lehnworts Jazz illustrieren, das heute allgemein als [ds] gesprochen wird, fachsprachlich (unter Kennern) aber noch immer [jats] heißt, wie auch das Verb jazzen [jatsən]. Diese Aussprache geht auf die schnelle Rezeption in der Nachkriegszeit, vielleicht aber schon in den 20er Jahren zurück (Erstbeleg 1926/29 AWB: 720). Der umgangsprachliche Name ‘Leseaussprache’ deutet an, daß ein entlehntes Wort gesprochen wird, wie man seine Buchstaben im Deutschen liest, d. h. nach den deutschen Laut-Buchstaben-Beziehungen (auch Graphem-PhonemKorrespondenzregeln genannt). Im Englischen heißt dies ‘spelling pronunciation’, wörtlich ‘Aussprache nach der Rechtschreibung’. Die Bezeichnung ‘graphisch-lautliche Integration’, die ich im folgenden benutze, soll im Wort sichtbar machen, daß hier eine lautliche Integration erfolgt, die aber auf dem Umweg über eine Interpretation der entlehnten Schreibung nach den orthographischen Regeln der Empfängersprache zustandekommt. Der Titel dieses Beitrags nimmt am Beispiel von o.k. und k.o. auf die beiden häufigsten Integrationsformen Bezug, die lautliche, [ '] zu [o'ke:] und die graphisch-lautliche (Leseaussprache), ['] zu [ka'o:]. Sie stehen auch deshalb im Vordergrund, weil sie ebenso beim Fremdsprachenlernen auftreten. Nur gelten Integrationen hier als Fehler, weil sie die Normen des Englischen verletzen. Weniger beachtet, aber nicht weniger wichtig sind die Tranzferenzerscheinungen. Wir hatten schon erwähnt, daß die Wortentlehnung in dieser Terminologie als ‘lexikalische Tranzferenz’ bezeichnet wird. Mit ihr werden aber, gleichsam huckepack, auch lautliche und graphemische Erscheinungen ins Deutsche transferiert, z. B. der Frikativ[], wenn wir das Wort Thriller als [rl] aussprechen oder der Dipththong [:] in Girl. In diesem Fall erhält das Zeichen den zusätzlichen Lautbezug [:], wodurch das Schreibsystem des Deutschen erweitert und kompliziert wird. Ziel der folgenden Untersuchung ist es, anhand der Belege des Anglizismenwörterbuchs die auffälligsten Typen der lautlichen und graphischen Tranzferenz und Integration von Anglizismen im Deutschen darzustellen und
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einen Eindruck von ihrer Entwicklung zu gewinnen. Deshalb sind in Klammern (nach Anglizismenwörterbuch, Stiven 1936 und Paul/Henne 2002) Angaben über die Erstbelegung aufgenommen. So läßt sich ein Profil der Anglizismen-Integration im Deutschen entwerfen. Wie verschieden diese in anderen europäischen Sprachen ist, zeigt das Dictionary of European Anglicisms von Manfred Görlach (2001). Bei dem Nebeneinander der beiden häufigsten Integrationsformen englischer Entlehnungen, der lautorientierten und der schriftorientierten, muß man sich vor Augen halten, daß uns heutzutage Entlehnungen in der Regel in doppelter Form zugänglich sind, in ihrer lautlichen und ihrer geschriebenen Form. Würden wir Anglizismen nur im mündlichen, im auditiven Sprachkontakt übernehmen, dann gäbe es nur lautliche Integrationen. Wir wissen das nicht nur aus früheren, sondern auch aus jüngsten Sprachkontakten, in denen die visuelle Kenntnis eines Lehnworts ausgeblendet ist, weil die betreffende Sprache andere, z. B. kyrillische, griechische, chinesische Schriftzeichen benutzt. Umgekehrt kommen Entlehnungen auch nur über den Schriftkontakt zustande. Bei mangelhafter Kenntnis des Englischen erfolgt dann leicht eine entsprechende Integration, so wenn Fußballfreunde in den 70er Jahren witzelnd reimten Berti Vogts und Heynckes Jupp holten den UEFA-CUP. Es besteht, das läßt sich schon jetzt verallgemeinernd vorausschicken, eine Korrespondenz zwischen Art und Umfang der Integration einerseits und der Verbreitung der betreffenden Fremdsprache in Wort und Schrift im Lande der aufnehmenden Sprache. Eine letzte Vorbemerkung ist über die Grundlagen dieser Auswertung zu machen. Ich beziehe mich bei allen Angaben auf das dreibändige Anglizismenwörterbuch (AWB), das dankenswerterweise sowohl die integrierte deutsche Aussprache und Schreibung, z. T. mit Varianten, und überdies nach Everyman's English Pronouncing Dictionary (1977, 1988) die englische Standardlautung (ohne Varianten) verzeichnet. Über die deutsche Aussprache wird in der Einleitung des AWB (80*f.) ausführlich berichtet. Den Verfassern ist dabei bewußt, daß eine feste Norm häufig noch nicht existiert. Sie haben in ihren Angaben “den Endpunkt eines phonetischen Integrationsprozesses abgebildet” (AWB: 81*), d. h. relativ weitgehende Integrationen, die mancher Kenner des Englischen zu vermeiden versucht. So wird die deutsche Aussprache von Baby als [be:bi] vermerkt, im Englischen als [beb]. Hier mag sich aber auch mancher Sprecher irren, der glaubt einen Diphthong zu produzieren und doch nur einen Langvokal erreicht.5 5
Das Thema dieses Beitrags ist erstmals von Fink (1980), später in einer Erlanger Zulassungsarbeit, (Zweier 1996), behandelt worden. Fink hat eine Gruppe von Paderborner Probanden 51 Anglizismen aus der Gemein- und Werbesprache vorgelegt und kommt zu dem Ergebnis, daß die wahren Quellen für die Aussprache von eng-
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2.
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Lautliche und graphische Integration und Transferenz in englischen Entlehnungen
2.1. Lautliche Integration Die Integration einer gehörten Lautfolge durch einen Nicht-Muttersprachler stellt nichts anderes als eine unvollständige Imitation dar. Sind Quell- und Empfängersprache eng verwandt, so beschränken sich die meisten Verschiedenheiten auf den Allophonbereich, d. h. auf die sprachspezifischen Lautvarianten der Phoneme. Quellsprachige Allophone werden durch empfängersprachliche ersetzt. Diese phonetischen Integrationen betreffen fast jedes Lehnwort. So gleicht keine einzige phonetische Umschrift des deutschen Lehnworts im AWB der Umschrift des englischen Modells, die dort verzeichnet ist. Wir behandeln dies Thema hier nur kursorisch (2.1.1), da die kontrastive Phonetik nicht unser Thema ist. Nur in wenigen Fällen kommt es zu einer phonemischen Substitution, weil das englische Phonem kein Pendant im Deutschen hat (2.1.2), weil phonotaktische Regeln eine Integration erzwingen (2.1.3) oder weil das deutsche Lehnwort eine andere Betonung erhält, also prosodisch integriert wird (2.1.4). Die vier Fälle werden im folgenden durch Beispiele belegt.
2.1.1.
Phonetische Integration
Die kontrastive Phonetik vergleicht Artikulationsbasis, Inventar und FormantStruktur der jeweiligen Konsonanten und Vokale sowie prosodische Regeln zweier oder mehrerer Sprachen. Zumeist dienen solche Vergleiche dem Sprachunterricht, um die üblichen Übertragungen von einer Ausgangssprache (L1) auf eine Zielsprache (L2) sichtbar zu machen und Strategien ihrer Vermeidung zu entwickeln.6 Eben diese üblichen lautlichen Fehler sind die phonetischen Integrationserscheinungen im Lehnwortschatz. Beispielhaft seien hier nur die verschiedenen r-Allophone im Deutschen und Englischen, englisch clear l und dark l, die verschiedene Qualität von engl. [] und dt. [], von engl. [] und dt. [a], engl.[] und dt. [] usw. genannt. Hinzu kommt, daß auch –––––––—––
6
lisch-sprachigen Originalquellen (z. B. engl. Rundfunkanstalten in der Besatzungszeit) bis zu deutschsprachigen Quellen, z. B. Popsängern und Tennisprofis, stammen. Zweier hat die ersten beiden Bände des Anglizismen-Wörterbuchs ausgewertet und den konstrastiven Aspekt stärker betont. Die ersten Gesamtdarstellungen von Moulton (1962) und Burgschmidt/Götz (1974) sind bis heute unersetzt.
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die Lehnwörter den Sonderregeln landschaftlicher Aussprache des Deutschen unterworfen werden. Am besten erkennt man die übliche phonetische Integration, wenn sie unterbleibt, z. B. wenn ein Engländer deutsch spricht und dabei auf englische Lehnwörter stößt. Er wird sie unwillkürlich englisch aussprechen und damit die Integrationsnorm des Deutschen verletzen.
2.1.2.
Phonemische Integration
Ein Vergleich der Phoneminventare des Deutschen und Englischen zeigt auf beiden Seiten Lücken. Dem Deutschen fehlen im Konsonantismus bekanntlich die beiden interdentalen Frikative // und //, das stimmhafte // und die Affrikate //, im Vokalismus vor allem zahlreiche Diphthonge. Diese Phoneme werden zuweilen transferiert, meist aber durch ähnliche Phoneme des Deutschen substituiert. Nicht alle begegnen in Lehnwörtern. Ich bespreche hier nur die häufigsten Fälle von Phonemsubstitution: // zu /:/, // zu /:/, // zu // und // zu //. Das Anglizismenwörterbuch nennt bei den Diphthongen stets diese weitestgehende Integration, obwohl es – je nach Englischkompetenz des Sprechers – unterschiedliche Annäherungen an die beiden englischen Diphthonge gibt. Bei der englischen Affrikate /d/, die im Deutschen selten ist, werden stets beide Substitutionen, // zu // als Varianten genannt. (1)
// zu /:/: Aids, Baby, Blazer, Catering, o.k., Cocktail, Container, email, Display, Elder Statesman, Entertainer, Facelifting, Fading, Keks (s. u. 2.4), Lady, gay, homemade, Interface, Label, Mainstream, Makeup, Laser, Layout, Paper, Playback, Safe, Tape.
(2)
// zu /:/: Approach, Bowling, Broker, Bungalow, Coach, Coca Cola, Code, Controller, Floating, homemade, Koks (s. u. 2.4), Mobil, Show, Petticoat, Poker, Toast.
(3)
// zu //: Manager ['] neben ['], ähnlich Engagement. Zu Image, College, Lounge s. unten (5). In Dschungel ['dʒə] wird die Affrikate durch die graphische Integration gestützt (s. u. 2.4).
(4)
// zu //: Champion, Chart, Check, Chip, Choke, Chopper, Clinch, Franchise, Lunch.7 Die Integration betrifft vorallem den Anlaut, wo /t/ dem Deutschen fehlt.
7
Bei Clinch und Lunch gelten auch im Englischen von jeher beide Aussprachen: [] und [], [ʌ] und [ʌ] (freundlicher Hinweis von Hubert Gburek).
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2.1.3.
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Phonotaktische Integration
Zwei charakteristische Erscheinungen des deutschen Lautsystems wirken sich nachhaltig auf die Integration aus, die Auslautsverhärtung der stimmhaften Obstruenten, d.h. der Verschlußlaute /b, d, g/ und der Frikative /v, z, /, und die Stellungsregeln für die Frikative /s/, // und /z/, konkret die Palatalisierung von anlautendem [] zu [] vor p und t sowie der Zwang zu anlautendem [z] vor Vokal wie in so [zo:], sieben [zi:bən] und intervokalisch wie in Hase [ha:zə]). Dazu Beispiele: (5)
Auslautsverhärtung: Club engl. [], dt. [], Job, Lob, Pub, Snob; Band engl. [], dt. [], Cord, Egghead, Guide, homemade, Overhead, Trend, Tweed, Happy End; Bag engl. [], dt. [b], Hotdog, Smog; College engl. ['], dt. [']; Image engl. ['], dt. [']; Lounge engl. [l]; dt. [], Pakage, Trench; Aids engl. [e], dt. [e:ts]; Fizz engl. [], dt. []; Kids engl. [], dt. [], Kingsize, Quiz; live engl. [l] dt. []; Groove engl. [:],dt. [:f].
(6)
Palatalisierung vor p und t: die Mehrzahl der Lehnwörter mit anlautendem sp- sind im AWB mit beiden Aussprachen [-] und [-] belegt : Spike [], [] (1934), Spleen (18. Jh.), Split, Spoiler, Sponsor, sportiv (1828), Spot, Spray (1904), Sprint (1890); bei etlichen Belegen wird nur die Aussprache [-] angegeben (z. B. Speech, Spacelab, Speed, Special, Spenzer, Spiritual), nur bei wenigen gilt allein integriertes []: Sparring, Sprinkler(anlage) (1929), Spurt. Ähnlich ist das Bild bei Entlehnungen mit anlautendem st-. Bei der Mehrheit der Belege und ihren Ableitungen werden beide Aussprachen, [] und [] angegeben: Stampede, Star (1909), Starlet, Starfighter, Start (1971), Statement, Steak (1871), Steamer (1830), Step (1929), wenige haben nur [] wie Stagflation, Straps, Streik (1865), einige nur [] wie Standby, stone-washed, Straddle, Streetworker, Stretch.
(7)
Tranzferenz des anlautenden engl. [s] oder Integration zu [z]: Meist bleibt, auch in häufigen Wörtern wie (Baby)sitter, Sandwich, Server, Set, Sex, Single, soft, Song, sorry, Sound stl. [s] erhalten, nur selten erfolgt Integration zu [z] wie in Safari, Sensor, Sulky, Leasing, Nonsens. Beide Varianten werden z. B. bei surfen genannt: [':ə] bzw. [':ə]. In einem Fall gibt es sogar ein Minimalpaar: Sex /sks/ vs. sechs //.
Fazit: Die phonotaktischen Auslautsregeln des Deutschen in (5) werden strikter auf Entlehnungen angewandt als die Anlautsregeln in (6) und (7). Hier konkurieren häufiger integrierende und transferierende Variante. Das Alter der Entlehnungen (in Klammern genannt) spielt dabei keine entscheidende Rolle.
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2.1.4.
Prosodische Integration
Englische Entlehnungen fügen sich prosodisch, wegen der Sprachverwandtschaft, relativ leicht ins Deutsche ein. Nur englische Latininismen sind, vor allem wegen des abweichenden deutschen Fremdwortakzents, einer durchgreifenden prosodischen Integration ausgesetzt, wie z. B. Modem, engl. ['], dt. [':, ':], Modul engl. ['], dt. [':], Deodorant engl. [di:'ədərənt] , dt. [']. Dieser Wechsel von Hauptund Nebentonakzent wirkt sich natürlich auf Quantität und Qualität der Vokale aus.
2.2. Graphisch-lautliche Integration (Leseaussprache) Alle Vokalzeichen und einige Konsonantenzeichen in englischen Entlehnungen sind der Leseaussprache ausgesetzt, d. h. sie werden nicht nach den LautBuchstaben-Beziehungen des Englischen, sondern denen des Deutschen ausgesprochen. Dadurch erhalten die betreffenden Entlehnungen eine andere, oft völlig verschiedene Lautung. Ich vermerke im folgenden für jeweils ein Segment die deutsche und die englische Aussprache. (8)
: deutsch [a], engl. [, nebentonig ] brandneu, Grafitti, Hacker [a] oder [ɛ], Hamburger [a] oder [ɛ], Jacuzzi, Jazz [a] oder [ɛ] (1926), jazzen, Kantersieg (1871), k.o. [ka'o:], engl. [ke'ə], Plattform, Hacker, Tank (1920), Tram (1909). Hierzu gehören auch die entlehnten Rufnamen Harry und Fanny. Hinzu kommen Entlehnungen, die im Deutschen als Latinismen erkannt und entsprechend mit [a] ausgesprochen werden wie Adapter, Additiv, AfroLook, Album, Ambulanz, Aquaplaning engl. ['], Astronaut, Betablocker engl. [bi:tə-], Compakt-Disc, Deodorant engl. [di'ədərənt], Expander, Paragliding, Professional [':], auch [ə'fə], Safari, via (engl.['ə]), Vitamin.
(9)
: deutsch [], engl. [], [j:], [:] Bungalow (1915), Club (1908), Dschungel engl.[g] (1909), Filibuster, Jumbo, jumpen, Juppie, Mumps (19.Jh.), Puck (1871), Punsch (1658), Putt, putten, Puzzel (1880), Spurt engl. [ɜ:]; dazu Latinismen wie Multimedia, nuklear engl. nuclear [ju:],8 Musikbox engl. [ju:].
8
Im Amerikanischen ohne j, “einer der berühmten systematischen Unterschiede zwischen brit. und am. Englisch” (Hinweis von Herbert Gburek)
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(10): deutsch [],[:], engl. [ə], [ə] Deodorant engl.[di'ədərənt], Hormon, engl. hormone [':ə], Klon, k.o. engl. ['ə], Ko-Autor, Kondom engl. condom ['ɒə], Logo, Modem engl. ['ə], Nobody, open-, Overal. Hinzu kommen Latinismen auf kon-, kom- u. a. (deutsch [], engl. [ə]) wie Computer, Kompiler, Monopoly, Motocross, Professional, Rotary. (11) : deutsch [], engl. [] HiFi ['] oder ['], engl. [ '], ['], via (engl.[]). (12) <e>: deutsch [], engl. [] Essential ['()əl] engl. ['], Report(er), Recorder, Reaktor, Rezession; die meisten Entlehnungen auf re- wie Recycling, Receiver folgen der engl. Lautung. (13) <ea>: deutsch [e:], engl. [] Steak (1909), Break (19. Jh.) (14) <j>:deutsch [], engl. [] Jacuzzi, Jockey [] oder [] (1913), Jumbo, jumpen [ə] oder [ə], Jumper [] oder [] (1929), Windjammer engl. [ə] (ein hübsches Zitat in AWB: 1721f. erläutert die englische Zusammensetzung aus wind und to jam ‘pressen’). (15) :deutsch [ts], [z], engl. [z] zappen [], [], [], Zapping, Zip [], [], Zoom [:], [:], zoomen, Zombie [],[] (16) : deutsch [r], [ʀ],[] , engl. stumm Orbit [:], engl. [:], parken, Report(er), Sensor [':], engl. [ə] u. a. (Die Leseaussprache tritt hier etwas verborgen auf, das erscheint in der vokalisierten Variante nach Vokal.) Diese Liste ist nicht vollständig, zeigt aber die wichtigsten Tendenzen an. Häufig sind beide Integrationsvarianten, die lautliche und die schriftbezogene, belegt. Leseaussprache zeigen viele ältere Entlehnungen. Die Tendenz zielt heute auf Vermeidung von Leseaussprache. Der feine Mann sagt [], nicht [], wenn er seinen Fernseher bedient. Dies hängt sicher auch mit der weiteren Verbreitung des Englischen zusammen. Was im Fremdsprachunterricht als falsch gilt, wird nicht als Integration ins Deutsche zugelassen. Insofern geraten hier zwei Normen, der Fremdsprache und der Muttersprache, in Konflikt. Einen Sonderfall bilden die Initialwörter englischer Herkunft wie UNO, NATO, USA, VSPO. Sie werden fast immer nach den Regeln entsprechender deutscher Bildungen ausgesprochen, d. h. buchstabenweise mit dem deutschen
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Buchstabennamen wie VDS [o:'] – das gilt z. B. für BMX, CD, HFTV, LP, OECD, UHF, UN, US-, VSOP – oder phonetisch gebunden wie TÜV [] – für AWACS, CD-ROM, NASA, NATO, OPEC, RAM, ROM, UFO, UEFA, UNCTAD, UNESCO, UNO u.v.a. Neuerdings ist bei einigen auch die englische Aussprache üblich, wie z. B. PR [:'a:] neben [:'], VIP [:':] neben [], IBM [:'] neben [::'], nur originalnah wird die amerikanische Nachrichtenagentur ausgesprochen: UPI [::').
2.3. Graphische Integration Mit diesem Terminus erfassen wir alle Änderungen in der Schreibung des Lehnworts, im Vergleich mit dem englischen Modell. Man kann es auch orthographische Anpassung oder orthographische Eindeutschung nennen. Hier können wir (ähnlich wie im Lautbereich) zwischen zwei Arten von Integration unterscheiden: die eine betrifft einzelne Segmente, z. B. beim Wort streiken aus engl. strike die Schreibung des Diphthongs. Daneben gibt es in beiden Sprachen Regeln, die die Schreibung in bestimmten Positionen bestimmen. Dazu gehört im Deutschen die Großschreibung der Substantive und substantivierten Wörter, die Schreibung von Komposita, die in beiden Sprachen unterschiedlich geregelt ist (Zusammenschreibung, Getrenntschreibung, Bindestrichschreibung) und die Schreibung von Doppelkonsonanten nach Kurzvokal (Stopp) bzw. (in der bisherigen Orthographie) von ß statt ss im Auslaut. Die Substantiv-Großschreibung der Lehnwörter bedarf keiner näheren Erörterung, weil sie obligatorisch gilt. Groß- und Kleinschreibung dienen in der deutschen Rechtschreibung der Signalisierung der Wortart (s. Munske 2005: 73ff.). Auch für deutsche Komposita gibt es zwingende Regeln: Zusammenschreibung oder Bindestrichschreibung. Im Englischen gibt es zahlreiche Komposita, deren Konstituenten getrennt geschrieben werden. Man vergleiche engl. happy ending und deutsch Happy-End, engl. desktop publishing und deutsch Desktop-Publishing. (Die sog. Rechtschreibreform hat sich auch dieses Problems angenommen und zunächst ganz unnötigerweise zahlreiche Mammutwörter produziert, wie z. B. Desktoppublishing, von denen später wieder Abstand genommen wurde.) Die Neuregelung der Rechtsschreibung hat lediglich Stopp, Splitt und Tipp früher Stop (1929), Split und Tip (1915) - durchgesetzt, dagegen ist in Flip, Flop, Strip, Spot u. a. die englische Schreibung mit einfachem p bzw. t erhalten geblieben. Das AWB verzeichnet noch zahlreiche Wörter mit auslautendem ß entsprechend den bisherigen Regeln (Boß, Dreß, Fairneß, Hosteß, Miß). Die aktuellen Rechtschreibwörterbücher haben hier alle ß durch ss ersetzt.
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Bei den Graphemen gibt es seit Beginn des intensiven englisch-deutschen Sprachkontakts im 18. Jh. zahlreiche Integrationen vom Typ Streik < strike, die jedoch nur gelegentlich, niemals systematisch durchgeführt sind. Darin unterscheidet sich die Behandlung von Anglizismen grundlegend von der der Gallizismen, die viel häufiger eine graphische Integration erfahren haben (z. B. Bluse/blouse, Perücke/perruque, Plüsch/peluche, Möbel/ meuble usw.).9 Das AWB enthält relativ wenige Beispiele, weil hier im wesentlichen nur Material seit 1945 aufgenommen wurde. Die Fremdwörterbücher des 19. und 20. Jh.s belegen viele weitere Fälle, die weitestgehend in der ertragreichen Dissertation von Stiven (1936) genannt sind. Diese sind hier aufgenommen. Angaben zur Erstbelegung sind Paul/Henne (2002) entnommen. (17) Dt. <sch> aus engl. <sh>,, <s> : Dt. <sch//> aus engl. <sh//>: fesch (1830) < engl. fashionable, Schal (18. Jh.) < engl. shawl, schamponieren (19. Jh.) < engl. shampoo, Schelf (1929) < engl. shelf, Scherbet (19. Jh.) < sherbet; engl. zu dt. <sch//>: Punsch (1658) < engl. punch, Scheck (1830) < engl. check; engl. anlautend <sn/n/>, <sr/r/>zu dt. <schn/n/>, <schr/r/>: Schnappschuß (1910) < engl. snapshot, Schrappnell (1804) < engl. srapnel. (18) Dt. aus engl. : Konzern < engl. concern, Rezession < engl. recession, Spenzer (um 1800) < engl. spencer, Zelluloid (1870) < engl. celluloid. (19) Dt. aus engl. : Kabine (1618) < engl. cabin, Keks (1929) < engl. cakes, Klon < engl. clone, Kondition (1909) < engl. condition, Koks (um 1800) < engl. cokes, Kosmetik < engl. cosmetics, kraulen < engl. crawl, Kreditkarte < engl. credit card (oder Lehnübsersetzung mit Kredit und Karte), Kybernetik < engl. cybernetics [n]. (20) Dt. aus engl. <j//>: Dschungel (1838) < engl. jungle. (21) Dt. <ei/ai/> aus engl. : Streik, streiken (1810) < engl. strike. (22) Dt. aus engl. : Bumerang (1866) < engl. boomerang, Känguruh (1770) < engl. kangaroo. (23) Dt. aus engl. : kraulen (1934) < engl. crawl [kr:l] Selten sind Fälle, in denen einer phonemischen Integration auch eine graphische folgt. Neben Keks [ke:ks] aus engl. cakes [kks] sowie Koks [ko:ks] aus 9
Vgl. dazu erschöpfend Volland (1996). Sehr nützlich ist das Wortregister S. 190211, das jeweils die französische und deutsche Schreibung und Aussprache aller behandelten Lehnwörter dokumentiert.
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engl. [kəks] (s. o. 2.1.2) wird im AWB an/ab-törnen [t:nə] aus engl. turn on/off [:], bei Stiven (1936) ein heute wieder durch Curry ersetztes Körry ['kri] aus engl. curry ['] genannt. Diese repräsentativen, aber nicht vollständigen Belege lassen sich wie folgt kommentieren: (a) Fast alle Beispiele stammen aus der Frühphase des deutsch-englischen Sprachkontakts im 18. und 19. Jh., als Englisch nur einer Minderheit der Deutschen als Fremdsprache vertraut war. Seit den 50er Jahren des 20. Jh.s hat es kaum noch graphematische Substitutionen englischer Grapheme gegeben. Einige ältere ‘Eindeutschungen’ wurden rückgängig gemacht. (b) Der häufigste Fall, die Integration zu <sch> beseitigt eine charakteristische englische Graphie (<sh>) und ersetzt sie durch eine charakteristisch deutsche. Neuere Entlehnungen bewahren jedoch <sh> wie in Shop, shoppen, Shorts. (c) Die Substitution vondurch bzw. folgt der entsprechenden ambivalenten Integration lateinischer und französischer Entlehnungen.
2.4. Lautliche Transferenz Es geht hier um die Frage, in welchem Umfang die Spezifik der englischen Lautung, d. h. der Allophone, des Phoneminventars, phonotaktischer und prosodischer Regeln mit der Entlehnung übernommen, d. h. nicht durch Integration substituiert wurde. Dies ist das Gegenstück zur Integration und gibt wesentlichen Aufschluß über den Charakter des Sprachkontakts. Wie bereits in den Kapiteln zur Integration erwähnt, gibt es wenige Transferenzen im Lautbereich, die sich als Erweiterungen oder Ergänzungen des deutschen Lautsystems charakterisieren lassen. Zu nennen sind hier jedoch einige englische Phoneme, die nicht immer substituiert, d. h. integriert werden: Engl. // in Jackpot, Jazz, Jeans, Jeep, Jet-Lag, Job, Jockey, joggen, Joint, Dow-Jones-Index, Joystick, Juice, (Bungee)-Jumping, Junkie; Gentleman, Gin, Manager. Auslautend wird diese stimmhafte Affrikate meist der deutschen Auslautverhärtung unterworfen und zu // integriert (s. o. 2.1.3). In der Wortfamilie Manager ist // teils erhalten, teils substituiert. Engl. // bzw. // z. B. in Thriller, on the rocks wird wohl nur von sehr sprachbewußten Deutschen ‘richtig’ ausgesprochen. In Fällen wie Synthesizer ['] erfolgt Integration nach dem Vorbild deutscher Fremdwörter mit. Im Vokalismus findet durch englische Lehnwörter eine Ergänzung um die ungespannten Langvokale /:/ und /:/ statt, z. B. in Shorts [:], Board, Brainstorming, Callgirl, Fallout bzw. Girl [:], engl. [:l], Birdie, Cur-
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ling, Cursor. Dies erfolgt problemlos, da // und // als Kurzvokal bereits vorhanden sind und lediglich eine symmetrische Erweiterung im System der Langvokale erfolgt (s. Munske 1988: 56, auch Munske 1997: 109ff.). Deshalb kann man ihnen Phonem-Status zuweisen, auch wenn es keine Minimalpaare gibt. Komplizierter ist die Transferenz phonotaktischer Regeln nachzuweisen. Ich nenne hier nur einen eindeutigen Fall: die Aufnahme von anlautendem [s] vor Vokal wie in Sex (gegenüber sechs). Neben den oben (2.1.3) angeführten Fällen sind auch solche mit der Graphieanzuführen wie Center, Cinemascope, Circuit-Training, City, Dancing.
2.5. Graphische Transferenz Werden englische Wörter in ihrer originalen Schreibform ins Deutsche aufgenommen, so kann das entweder dazu führen, daß sie entsprechend den deutschen Laut-Buchstaben-Beziehungen gedeutet werden, dann wird das engl. in club als /a/ wiedergegeben, aus dem engl. [] wird ein deutscher []. Dies haben wir oben als ‘Leseaussprache’ bzw. graphisch-lautliche Integration beschrieben. Die Schreibung bleibt, die Lautung wird entsprechend indigenen Regeln abgewandelt. Wenn diese Form der Integration nicht erfolgt, also die Lautung und Schreibung der Quellsprache (im wesentlichen) beibehalten werden, hat dies Folgen für das Schreibsystem der Empfängersprache. Denn neben die indigene Regel (wie z. B. im Wort Bus) tritt jetzt die Regel wie in Cup. Das deutsche Schreibsystem erfährt eine Erweiterung und Komplizierung. Denn dieses Schreibsystem leitet sich ab aus den Schreibungen der im Deutschen gebräuchlichen Wörter, natürlich auch der Fremdwörter. So haben bereits die unzähligen Latinismen im Deutschen das Schreibsystem um folgende besonders häufige Laut-Buchstaben-Beziehungen erweitert:(z. B. in System, Physik, Symbol), (z. B. in privat, Universität, Revolution), (z. B. in Philosoph, Photo, Katastophe), (z. B. in Theater, Thema, Apotheke). Auch die Anglizismen haben zu ähnlichen Erweiterungen geführt. Da das englische Schreibsystem selbst recht kompliziert ist, teils weil es ein spätmittelalterliches Stadium des englischen Lautsystems (vor dem Great Vowel Shift) repräsentiert, teils weil es durch lateinische und französische Entlehnungen mitgeprägt ist, sind auch die graphischen Transferenzen, die die Anglizismen mit sich bringen, recht kompliziert. Ich führe im folgenden die häufigsten mit einigen Beispielen an.
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(24) Entlehnte Vokalgrapheme in Anglizismen (Baby), (Fan, Camping, Happy-End),(fair, Airline), (Teenager, Jeep, Meeting), <ea/i:/> (Team, Jeans, Hearing), <ea//> (Skinhead), <ea/e:/> (Steak), <ey/i/> (Jersey, Volleyball, Hockey),10 <ew/u:/> (Crew), <er/:/> (Jersey), (Pipeline, Insider, live), (Design), (Copyright, Starfighter, high), (Recycling, Nylon), (Saloon, Pool), (New Look), (Toast, Trenchcoat), (Bungalow, Know-how), (Clown, (Know-)how, Power), (Couch, Foul, Sound), (Boykott, Boy), (Computer, Musical), (Blues). (25) Entlehnte Konsonantengrapheme in Anglizismen: (City, Center, Cent), (Chip, Trenchcoat), (Gin, Teenager, Manager), <j//> (Jazz, Job, Jeep, Jeans, Pyjama), (Know-how), <sh//> (Sheriff, Show, Workshop, Finish), <wh/v/> (Whisky), (Yard, Yacht), (Jazz, Quizz). Diese Liste ist nicht vollständig, 11 insbesondere sind noch die zahlreichen Fälle von stummem -e hinzuzufügen wie in Service, Code, Image, Make-up, Comeback, Pipeline, Software. Die Zahl der neuen Fremdgrapheme steht jedoch in umgekehrtem Verhältnis zu ihrer Häufigkeit. Während die oben genannten Fremdgrapheme in Latinismen in meiner Statistik (als Tokens) sehr häufig belegt sind – z. B. 26.388 mal, 12.040 mal, (z. B. in Nation) 40.808, 6.993 mal – liegen die häufigsten Vorkommen der englischen Fremdgrapheme unter 300 (z. B. bei 266). Zur Bewertung ist anzuführen, daß von den hier genannten 33 Graphemen etwa die Hälfte eine Entsprechung im indigenen System hat. Man vergleiche dazu (Wald, alle), <ee/e:/> (Beet, leer) usw. mit (Camping), <ee/i:/> (Jeep) usw. Im Bereich dieser Konkurrenzen kommt es häufig zur Leseaussprache wie in Tram, Club, zappen (s. o. 2.2). Die zusätzlichen Lautwerte einiger Zeichen haben in wenigen Fällen zu homographen Wörtern mit unterschiedlicher Aussprache und Bedeutung geführt: z. B. Band [bant] und Band [] ‘Musikgruppe’, Gang [] und Gang [] ‘Verbrecherbande’. Auf der anderen Seite gibt es Wörter wie Fakt [fakt] und Fact [] mit gleicher Bedeutung, aber unterschiedlicher Herkunft (aus lat. factum bzw. engl. fact) oder ähnliche Wörter wie abstrakt [ap'strakt] und
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i-Aussprache hier wegen unbetonter Stellung. Eine ausführliche Darstellung der ‘Fremdgrapheme’ findet sich in Munske (1997: 109-148).
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Abstract ['] ‘Inhaltsangabe eines Artikels’ oder Akt [akt] und Act [] ‘Bühnenauftritt eines Pop- oder Rockmusikers’. In allen diesen Fällen begründet der verschiedene Lautbezug von als [a] oder [] die unterschiedliche Aussprache bei gleicher oder ähnlicher Schreibung.
3.
Auswertung
Die Ergebnisse dieser Recherche sind nur scheinbar kompliziert. Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen. (a) Bei der Beschreibung der lautlichen und schreibsprachlichen Sprachkontaktphänomene, die von Entlehnungen ausgelöst werden, ist stets zweierlei zu beachten: Transferenzen, d. h. Übernahmen quellsprachlicher Erscheinungen in die Empfängersprache, und Integrationen, d. h. Substitutionen quellsprachlicher Erscheinungen durch das System der Empfängersprache. Etwas verwickelt werden die Verhältnisse durch den Umstand, daß die Entlehnungen in doppelter Existenzform, lautlich und graphisch, transferiert bzw. integriert werden können. Während wir in der Darstellung oben die beiden Prozesse getrennt behandelt haben, führen wir sie hier wieder zusammen, um das charakteristische Profil der Anglizismen im Deutschen beschreiben zu können. (b) Zu den Konstanten des Sprachkontakts gehört die weitgehende lautliche Integration von Entlehnungen. Im Grunde ist hier eine Unterscheidung phonetischer und phonemischer Integration überflüssig, da es in jedem Fall um eine Identifikation zwischen zwei Lautsystemen geht (Haugen: interlingual identification). Der Ersatz eines r-Allophons ist nichts grundsätzlich anderes als der Ersatz eines Diphthongs durch einen Langvokal. (Anders ist dies beim L2-Erwerb, da phonologische Fehler kommunikativ relevant werden können.) Gleichwohl hat es Sinn, phonemische Integrationen gesondert zu behandeln. Während die englischen Varianten eines interlingual gleichen Phonems (z. B. von dt. und engl. /r/) automatisch durch die deutschen Varianten ersetzt werden, kann es bei Phonemen, die der Empfängersprache fehlen (wie z. B. // oder //) auch zur Übernahme (Transferenz) kommen. Das zeigen die vielen Schwankungsfälle (s. o. 2.1.2). Offenbar hängt die Frage von Transferenz oder Substitution auch von der Struktur des empfängersprachlichen Phonemsystems ab. So fügen sich /:/, /:/ und // in die Symmetrie des deutschen Phonemsystems ein, // war bereits durch zahlreiche französische Entlehnungen (wie z. B. Genie, Ingenieur, Blamage) als stimmhaftes Pendant von // aufgenommen worden, hier konnten die englischen Entlehnungen anknüpfen (vgl. Munske 1988: 52ff.). Auch die Erweiterung der Anlautregeln um anlau-
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Horst Haider Munske
tendes /s-/ vor Vokal und vor p und t ([sks], [spoil], [:]) ist keine wesentliche Neuerung, unterliegt gleichwohl Schwankungen. Dies mag sich auch daraus erklären, daß die beiden s-Laute hier als Allophone erscheinen, ihre Unterscheidung also als kommunikativ irrelevant gilt. Andererseits war zu beobachten, die die Auslautsverhärtung strikt eingehalten wird, die phonotaktische Auslautregel also wesentlich stabiler ist als die Anlautregeln. (c) Varianten sind überhaupt ein typisches Sprachkontaktphänomen. Sie zeigen die unterschiedlichen Grade der Imitation, der Transferenz und Integration an. Hier sind standardisierende Regelungen fehl am Platz. Man kann sagen, daß der Gebrauch eine Norm einpendelt. Dazu gehört auch, daß die Mehrzahl von Entlehnungen nach einer Weile überhaupt wieder außer Gebrauch gerät. Die lexikalische Fluktuation ist hier am größten (vgl. Munske 1992). Normwörterbücher zu Aussprache und Schreibung haben nur die Aufgabe, den Sprachgebrauch zu dokumentieren, nicht ihn zu regulieren. (d) Charakteristisch für den Umgang mit englischen Entlehnungen im Deutschen ist die Beibehaltung (Transferenz) der englischen Schreibung. Beispiele für graphische Integration (Streik, Keks, Punsch usw.) stammen zum großen Teil aus dem 18. und 19. Jh., sind aber auch damals nicht die Regel. Weshalb französische Entlehnungen viel häufiger integriert wurden, darüber lassen sich vorerst nur Vermutungen abgeben. Der deutsch-französische Sprachkontakt beginnt viel früher (17. Jh.) und wird im 19. Jh. weitgehend vom deutsch-englischen abgelöst.12 Inzwischen waren die Printmedien weiter verbreitet, während ein unmittelbarer mündlicher deutsch-englischer Sprachkontakt auf den engeren Kreis der Sprachkontaktleute, insbesondere Kaufleute, beschränkt war. Im 19. Jahrhundert und unter dem Einfluß des Allgemeinen deutschen Sprachvereins hat es Versuche zu stärkerer graphischer Integration gegeben. Sie sind jedoch weitgehend gescheitert oder rückgängig gemacht worden. Heute werden graphische Integrationen von Lehn- bzw. Fremdwörtern nicht mehr akzeptiert. Das hat auch die Rechtschreibreform gezeigt. Getto (statt Ghetto) gilt als falsch, weil es die Norm des italienischen Originals verletzt. Dabei hat dasdort lediglich die Funktion, eine palatale Aussprache des zu verhindern. Da es eine entsprechende Palatalisierung im Deutschen nicht gibt, ist das hier überflüssig. An solchen Debatten kann man erkennen, wie stark die Normgläubigkeit gegenüber der Schreibform ist, aber auch, wie sehr sich diese Haltung als verbindlich gegenüber Entlehnungen durchgesetzt hat. So macht sich heute nur lächerlich, wer z. B. die Schreibung von Handy zu Händi ändern wollte. Die Laut-Buchstaben-Beziehung ist durch zahlreiche Lehnworte derart
12
Dazu ausführlich von Polenz (2000 und 1994).
Zur lautlichen und graphischen Integration von Anglizismen im Deutschen
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etabliert, daß eine Substitution durch <ä//> überflüssig erscheint. Das gleiche gilt für das auslautende. (e) Die Beibehaltung der Schreibform hat zur Folge, daß ein anderer Typ von Integration, die Leseaussprache, an Bedeutung gewonnen hat. Sie führt zu einer Interpretation der Schreibung nach Regeln der Empfängersprache und damit zu einer Änderung der Lautung. So entsteht die Divergenz in der Aussprache der Zeichen und in o.k. [o'ke:] und k.o. [ka'o:]. Im ersten Fall wird die englische Lautung (hier mit phonemischer Integration) übernommen, die Buchstaben (bzw. die Lautfolge von okay) werden nach englischen Regeln wiedergegeben, im zweiten Fall werden die Buchstaben nach deutschen Regeln wiedergegeben, so ändert sich die Aussprache. Wie ist diese unterschiedliche Integration zu erklären? k.o. ist bereits seit 1934 belegt und wurde vielleicht bereits als Abkürzung (mit Leseaussprache, s. o. 2.2) entlehnt. o.k. hingegen ist erst aus der Nachkriegszeit belegt (AWB: 987f.), entlehnt und integriert wurde wohl zuerst die Langform okay. (f) Das Profil der Anglizismen im Deutschen läßt sich kurzgefaßt mit folgenden Stichwörtern umschreiben: weitgehende phonetische und phonemische Integration, weitestgehende Beibehaltung der englischen Schreibung (außer Integration zur Großschreibung), viele Fälle von Leseaussprache, doch Tendenz zu deren Vermeidung. Insgesamt herrscht heute das Bemühen vor, englische Lehnwörter möglichst quellsprachennah zu gebrauchen.
4.
Ausblick
Wie sind die Ergebnisse dieser Recherche im Zusammenhang der gegenwärtigen Anglizismendebatte zu bewerten? Sind sie der fortschreitenden Anglisierung des Deutschen förderlich? Oder lassen sich daraus Folgerungen für deren Abwehr ziehen? Zweierlei ist wohl unstrittig: Entlehnungen aus dem Englischen und die Debatte um sie haben eine über 100-jährige Tradition in der deutschen Sprachgeschichte. Beides gehört zusammen. Entlehnungen sind eine ganz normale Folge intensiver wirtschaftlicher, politischer, kultureller Kontakte, aber auch ihre Abwehr ist ein ganz normales Verhalten. Sie ist in vielen Sprachgemeinschaften sehr ausgeprägt und dient oft der Verteidigung der eigenen Identität. Eine in vielen Sprachen verbreitete Abwehrstrategie, die graphische Integration, hat bei uns keine Tradition und keine Zukunft. Entsprechende staatliche Maßnahmen finden in Deutschland wenig Zuspruch. Das hat auch die mißlungene Rechtschreibreform gezeigt. Der Unmut gegen Anglizismen findet jedoch breiten Widerhall in den Medien und hat u. a. zur Gründung des Vereins für deutsche Sprache geführt. Dessen Anglizismenindex
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Horst Haider Munske
bietet Ersatzwörter für Anglizismen an. Damit wird ein Weg beschritten, der sich seit dem 18. Jahrhundert als die erfolgreichste Form der Integration erwiesen hat: die Lehnübersetzung oder Lehnübertragung (vgl. Munske 2004). Es liegt ganz in der Hand der Deutschen, der Österreicher und der DeutschSchweizer, ob sie solche Vorschläge akzeptieren und damit zur Erhaltung genuiner deutscher Wissenschafts- und Geschäftssprachen beitragen. Nur so ist zu verhindern, daß ganze Domänen der Kommunikation zum Englischen übergehen. Damit würde auf lange Sicht das Deutsche zu einem Dialekt des Englischen (dazu Munske 2008).
4.
Literatur
AWB = Anglizismenwörterbuch. Der Einfluß des Englischen auf den deutschen Wortschatz nach 1945 (1993–1996). Begr. von Broder Carstensen, fortgef. von Ulrich Busse. 3 Bde. Berlin/New York: de Gruyter. Der Anglizismen-Index (2005). Folgeausgabe 2005 der VDS-Anglizismenliste. Hg. von Gerhard H. Junker in Verbindung mit dem VDS-Arbeitskreis Wörterliste und dem SKD-Sprachkreis Deutsch, Bern. Paderborn: IFB-Verlag. Burgschmidt, Ernst/Götz, Dieter (1974): Kontrastive Linguistik Deutsch-Englisch. München: Hueber. Gimson, A.C.( 41989; 1962): An Introduction to the Pronunciation of English. Revised by Susan Ramsaran. London u.a.: Arnold. Everyman's English Pronouncing Dictionary (141988): London [u.a.] (Jetzt ersetzt durch: Cambridge English Pronuncing Dictionary. Ed. by Peter Roach and James Hartman. Cambridge 2003.) Fink, Hermann (1980): “Zur Ausssprache von Anglo-Amerikanismen im Deutschen.” In Wolfgang Viereck (Hg.): Studien zum Einfluß der englischen Sprache auf das Deutsche, 109–184. Tübingen: Narr. Görlach, Manfred (2001): A Dictionary of European Anglicisms. A Usage Dictionary of Anglicisms in Sixteen European Languages. Oxford: Oxford University Press. Haugen, Einar (1950): “The Analysis of Linguistic Borrowing.” In: Language 26, 210– 231. Ingult, Göran (2002): Neue Anglizismen im Deutschen und Schwedischen 1945–1989. Transferenz und Integration aus kontrastiver Sicht. Stockholm: Almqvist & Wiksell. Moulton, William G. (1962): The Sounds of English and German. Chicago/London: The University of Chicago Press. Munske, Horst Haider (1983): “Zur Fremdheit und Vertrautheit der 'Fremdwörter' im Deutschen. Eine interferenzlinguistische Skizze.” In: Dietmar Peschel (Hg.): Germanistik in Erlangen. Hundert Jahre nach der Gründung des Deutschen Seminars, 559–595. Erlangen: Universitätsbund Erlangen-Nürnberg (Erlanger Forschungen, Reihe A, Bd. 31).
Zur lautlichen und graphischen Integration von Anglizismen im Deutschen
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– (1988): “Ist das Deutsche eine Mischsprache? Zur Stellung der Fremdwörter im deutschen Sprachsystem.” In: Horst Haider Munske et al. (Hgg.) Deutscher Wortschatz. Lexikologische Studien. Ludwig Erich Schmitt zum 80. Geburtstag von seinen Marburger Schülern, 46–74. Berlin/New York: de Gruyter. – (1992): “Über Konstanz und Wandel des deutschen Wortschatzes in 120 Jahren. Ein Wörterbuchvergleich.” In: Festschrift für Norbert Morciniec, Hg von. St. Predota, , 259–275 (Acta Universitatis Wratislaviensis 1356). – (1997): Orthographie als Sprachkultur. Frankfurt am Main [u.a.]: Lang. – (2004): “Englisches im Deutschen.” In: Horst Haider Munske (Hg.): Deutsch im Kontakt mit germanischen Sprachen, 155–14. Tübingen: Niemeyer. – (2005): Lob der Rechtschreibung. Warum wir schreiben, wie wir schreiben. München: Beck. – (2008): “Wird das Deutsche ein Dialekt des Englischen?” In: Verein deutsche Sprache e.V. Sprachnachrichten Nr. 38, 8f. Paul, Hermann (102002): Deutsches Wörterbuch. Bedeutungsgeschichte und Aufbau unseres Wortschatzes. Überarb. und erw. von Helmut Henne, Heidrun Kämper und Georg Objartel. Tübingen: Niemeyer. Polenz, Peter von (22000, 1994, 1999): Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart. 3 Bde. Berlin/New York: de Gruyter. Stiven, Agnes Bain (1936): Englands Einfluß auf den deutschen Wortschatz. Zeulenroda: Sporn. Volland, Brigitte (1986): Französische Entlehnungen im Deutschen. Transferenz und Integration auf phonologischer, graphematischer, morphologischer und lexikalischsemantischer Ebene. Tübingen: Niemeyer. Zweier, Stephan (1996): Anglizismen im Deutschen. Transferenzen und Integrationen auf phonologischer und graphematischer Ebene. Zulassungsarbeit der Ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien in Bayern. Erlangen.
Evan-Gary Cohen
Predicting Adaptation Patterns: Multiple Sources of Hebrew Vowels in English Loanwords*
1.
Introduction
When integrating foreign words into a language, non-native segments in the donor language (L2) may undergo adaptation in order to comply with some (or all) native (L1) phonological restrictions.1 Consonants are almost always borrowed uniformly (one-to-one), showing little or no variation during the adaptation process, i. e. a single input has a single output (e.g. Arabic []lHebrew //). Vowels, however, do not demonstrate such systematic adaptation. A single input may have different outputs (see (1) below) and different inputs may have the same outputs (see (3) below). The latter is to be expected, since English and Hebrew vowel systems differ considerably, and Hebrew speakers borrowing English vowels have to map a 12–22 vowel system (depending on the dialect and its phonological analysis) into Hebrew's 5 vowel system (/ieaou/). All loanword analyses account for L2-L1 adaptation on the basis of L2-L1 similarity. However, the notion of similarity is often treated abstractly, without a model for its evaluation and quantification (Paradis/Lacharité 1997, Kenstowicz 2001/2003, Hyman 1970, Holden 1976, Silverman 1992 inter alia). In this paper, I formally define the role of similarity in loanword phonology, presenting a concrete and quantifiable definition of phonological similarity. I account for loanword data in Hebrew with a perception-based model, explaining how perception-based adaptation works. My analysis focuses on the adaptation of English vowels in Hebrew. I start with a presentation of the facts in §2, followed by a description of the data sources in §3. In §4, I introduce the theoretical background for the constraint-based perceptual model proposed in §5. The following §6 demonstrates the model's predictions, assuming a strictly-ranked system of constraints. In * I would like to thank Outi Bat-El for her contribution to this study, and Paul
1
Boersma and Paula Escudero who collaborated with me in the research. I would also like to thank the anonymous reviewer whose comments were most insightful. The usual disclaimers apply. In this paper, I do not concern myself with the question of whether the adaptation grammar of loanwords differs from the native grammar.
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Evan-Gary Cohen
§7, an alternative model, assuming stochastically-ranked constraints, is presented with its predictions. Concluding remarks are given in §8.
2.
What an adaptation model has to account for
The primary concern for loanword study is the separation between adaptations with non-perceptual sources and adaptations governed by perception. As reviewed below, several different sources can be shown to play a role in adaptation. The focal point of this study is the perception-based adaptations in §2.3.
2.1. Orthography-based adaptation In many cases, the orthographic and perceptual sources converge, making it difficult to determine whether the source of the adaptation is orthographic or perceptual (e. g. English [] <set> is adapted as Hebrew []). It is, however, possible to identify the source as orthographic if: (a) the orthographic representation bears no resemblance to the L2 pronunciation yet does resemble the L1 adaptation and (b) no paradigmatic relationships among words can be referred to in order to recover a segment. The following table (1) presents some examples in which the Hebrew form is based on English orthography. (1)
Orthography-based adaptation English a. [] [] b. [] [] c. [] []
Hebrew <Evan><sponsor> <user>
[] [] [] [] [] []
The words in each pair of L2 words in (1) have identical phonetic outputs in English ([] in (1a) and (1b), and [] in (1c)), yet are adapted differently into Hebrew ([e] vs. [] in (1a), [o] vs. [e] in (1b) and [i] vs. [o] in (1c), respectively). At the very least, the two Hebrew vowels in each of the three pairs must have different sources, with the Hebrew [] in(English []), the Hebrew [o] in <sponsor> (English []) and the Hebrew [i] in (English []) being derived from the orthography. The [] in <Evan> is clearly not
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Multiple Sources of Hebrew Vowels in English Loanwords
orthography-based, otherwise it would surface as []. Approximately 25% (346/1383) of the words in my corpus (see §3) are the result of orthographybased adaptations.
2.2. UG or grammar-based adaptation There are cases in which the loanword reflects universal principles or language-specific inviolable constraints. (2)
UG or grammar-based adaptation English a. [] b. []
Hebrew <Earl Grey>
[] [wod]
In accordance with the Sonority Sequencing Generalisation (e. g. Steriade 1982), sequences of sonorant consonants in Hebrew are avoided by epenthesis, where the standard epenthetic vowel in Hebrew is []. The highlighted vowel in (2a) has no correspondent in the L2 input, and therefore can only be accounted for by appealing to a native Hebrew phonological process. The story in (2b), however, is different. The Hebrew output [] cannot be accounted for by appealing to epenthesis (otherwise, we would get []). Nor can the [o] be attributed to orthography (otherwise, we would get [a]). Apparently, the English [] in (2b) is substituted by [] in Hebrew due to either harmony or consonant-vowel labial attraction, neither of which is a native process in Hebrew, hence the appeal to UG (see also Shinohara 2004).2 About 2% of the loanwords in my corpus (see §3) are grammar-based adaptations.
2.3. Perception-based adaptation Perception-based adaptations display two phenomena: (a) 2-to-1 adaptation, as in (3a) and (3b), in which different L2 source vowels have identical surface forms in L1. This is to be expected, as there are far more English vowels than Hebrew vowels. However, what is surprising is the 1-to-2 adaptation in (3c) and (3d). Identical L2 source vowels have different surface forms in L1. In my corpus (see §3), approximately 70% of the loanwords can be accounted for perceptually. 2
There are no phonotactic restrictions in Hebrew which might block [-we-] or [-wa-].
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Perception-based adaptation English a. b. c. d.
Hebrew
[] [] [] []