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Überlappungen und Simultansprechen kurze, mittlere Pausen Dehnung, Längung, je nach Dauer para- und außersprachliche Handlungen und Ereignisse interpretierende Kommentare mit Reichweite piano, leise crescendo, lauter werdend
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Nike die Marke der Sieger
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Wie sich den Worten des Sprechers entnehmen lässt, berichtet dieser Spot über ein geheimes Turnier, das abseits der Öffentlichkeit im Inneren eines Hochseetankers, der vor einer Küste ankert, ausgetragen wird. An diesem Turnier beteiligen sich 24 Fußballstars, die in acht Mannschaften im Modus drei gegen drei um den Sieg kämpfen. Das Spielfeld ist auf allen Seiten und nach oben von einer käfigartigen Eisenkonstruktion begrenzt, die von den Spielern als Bande für alle Kunststücke mit dem Ball genutzt werden darf. Gespielt wird auf zwei sehr kleine Tore, einen Torwart gibt es nicht, so dass Tore von allen Spielern einer Mannschaft verhindert werden dürfen, jedoch mit der Einschränkung, dass sie nicht wie ein regulärer Torhüter zur Abwehr die Hände zu Hilfe nehmen dürfen. Einen regelrechten Anstoß gibt es nicht, denn der Ball wird von Schiedsrichter Éric Cantona durch eine Luke im Käfig von oben eingeworfen. Alle Spieler, die der Erzähler zu Beginn des Spots als elite players bezeichnet, sind herausragende Fußballstars verschiedener National- und Vereinsmannschaften, die alle bei Nike unter Vertrag stehen. Für den Zuschauer wird dies dadurch deutlich, dass alle 24 Spieler in Trikots und Schuhen auflaufen, die mit dem Swoosh gekennzeichnet sind. Das Markenzeichen wird wiederholt bei Nahaufnahmen der einzelnen Spieler, beispielsweise vor dem Finalspiel, als alle auf den Einwurf des Schiedsrichters warten, in Szene gesetzt oder durch die Körperhaltung einzelner Spieler nachgezeichnet. Das Finale bestreiten die Spieler Henry, Totti und Nakata auf der einen und Figo, R. Carlos und Ronaldo auf der anderen Seite. Bevor der Ball ins Spiel gebracht wird, flüstert Henry seinem Mitspieler Totti etwas ins Ohr und zum Erstaunen der gegnerischen Mannschaft
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bückt sich Totti daraufhin Sekunden vor dem alles entscheidenden Moment: Er gibt vor, sich die Schuhe binden zu müssen. Dem Zuschauer und auch den Gegnern wird schnell klar, dass es sich bei der kurzen conversation um eine gezielte taktische Absprache handelte: Henry nutzt den Rücken des Mitspielers als ‚Sprungbrett‘, um nach einer Großaufnahme des Fußballschuhs mit dem Swoosh den von oben eingeworfenen Ball so früh wie möglich zu treffen und so über die Gegner hinweg direkt ins Tor zum Sieg zu köpfen. Bezieht man nun die Musik in die Analyse mit ein, so fällt auf, dass an vielen Stellen der gesprochene Text, die Aktionen auf dem Spielfeld, die Musik und die Lyrics exakt aufeinander abgestimmt sind. Nach der düsteren Einleitung ändert sich, als die Spieler den Platz betreten, durch das gleichzeitig einsetzende instrumentale Vorspiel die Stimmung – die Musik scheint Spielfreude zu signalisieren und die groovy night (18) kann beginnen. Die Lyrics fordern a little less conversation a little more action (7), und exakt mit diesen Worten wird nach der langen Vorrede der Ball ins Spiel gebracht. Das erste Tor fällt nach spark (11) und das zweite zu use it (18). Da man die vorangehenden Worte I can show you how to (18) nicht sehr deutlich hört, könnte man dieses use it auch auf das Nutzen der Torchance beziehen. Die Szene, in der mehrere Spieler verbissen um den Ball kämpfen, fällt mit bite (24) zusammen und ist vor den Worten a little less fight (26) wieder beendet. Der Tanz eines Spielers mit dem Ball und zwei Gegnern wird von einem Schlagzeug-Solo (37), das sehr an Sambatrommeln erinnert, begleitet. Dieses solistische Intermezzo führt jedoch nicht zum Ziel. Ein anderer Spieler ist erfolgreicher: Mit einem ‚swooshartigen‘ Schlagzeugeffekt in der Musik fliegt der Ball durch die Luft (39) und landet im Tor (40). Das Tor wird akustisch durch den Einsatz des E-Basses verstärkt. Der wiederholten Aufforderung come on (4955) folgt ein Spieler, indem er anfängt zu sprinten. Das jeweils erste come tritt durch die Betonung durch einen Akkord der E-Gitarre deutlich vernehmbar in den Vordergrund. Ein Crescendo in der Musik fördert den Spannungsaufbau zusätzlich. Der krönende Abschluss dieser Aktion ist das Tor, das nach dem letzten Imperativ genau mit dem ersten ah des Chores (57) zusammentrifft. Das letzte Tor vor dem Finale fällt dann exakt zur akzentuierten Silbe in satisfy me (72). Durch das Tor kann der Spieler dieser Aufforderung nachkommen und alle Zuschauer – die anderen Spieler am Spielfeldrand, den Schiedsrichter und die Zuschauer vor dem Bildschirm – zufriedenstellen. Nach einer kurzen Spannungspause setzt die Musik genau mit dem Einwurf des Balls zum Finale wieder ein. Die Zeilen a little less conversation a little more action please lassen sich als Kritik an den beiden ‚schwätzenden‘ Spielern verstehen. Das Wort action (80) wird dabei genau in dem Moment gesungen, als der Spieler im Finale den entscheidenden Kopfball ansetzt. Durch die kurze
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taktische Absprache wird der Sieg erst möglich. Anders als der Songtitel vermuten lässt, kann folglich a little more conversation der Ausgangspunkt einer erfolgreichen Aktion sein und zum Sieg führen. Die Einblendung des Markenzeichens (93) beginnt mit satisfy me (94) und dauert so lange, bis passend zum Siegeszeichen die Worte respect (95) und bravo (97) gesprochen sind. Am Ende des Spots steht der Solo Swoosh. Der Markenname ist in der Internetadresse für die Homepage zu lesen, die mit dieser Kampagne eingeführt wurde. Die auf diesen Spot folgende Fußballweltmeisterschaft war für Nike ein Erfolg: “For eight years we were a distant number-two in the world’s biggest sport, football. This year [2002] we came away from the sport’s premier event with the best team, the best player, the best shoe and the best communications. We’re still number-two, but we are now on the front lines.” 24
Dieses gute Ergebnis wirkt sich wiederum positiv auf das Markenimage und damit auch auf das Kaufverhalten der Verbraucher aus. Die Fans der Mannschaft Südkoreas haben sich von der Fußballbegeisterung anstecken lassen: Statt, wie von Nike erwartet, 14.000-mal hat sich das Trikot des Ausrichters 150.000-mal verkauft.25 Im Spot dominiert im gesprochenen wie im gesungenen Text der Modus der Aufforderung. Alle Imperative richten sich an die Spieler, doch auch die Zuschauer vor dem Bildschirm könnten – ganz nach dem Motto a little less conversation a little more action please – mit diesen Imperativen dazu aufgefordert werden, nicht so viel vor dem Fernseher auf dem Sofa sitzend die Spiele zu kommentieren, sondern selbst aktiv zu werden. Auch diesem Appell sind viele gefolgt: Sie besuchten die Internetseite, um virtuelle Turniere zu spielen.26 Außerdem veranstaltete Nike weltweit Fußballturniere, um in demselben Modus wie im Spot die beste Mannschaft zu ermitteln.27 Mit diesem Werbespot hat Nike Trends im Sport gesetzt – in der virtuellen und in der realen Welt. Aus dieser Werbekampagne ging noch ein weiterer Sieger hervor: Der Song stürmte die Charts. Er war in 20 Ländern Nummer 1 und damit einer der größten Singleerfolge des Jahres 200228. Werbung mit einem Song kann also auch Wer-
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http://media.corporate-ir.net/media_files/irol/10/100529/Areports/ar_02/letter.html. Vgl. http://media.corporate-ir.net/media_files/irol/10/100529/Areports/ar_02/year_in_review.html. Vgl. http://media.corporate-ir.net/media_files/irol/10/100529/Areports/ar_02/year_in_review. html. Vgl. http://www.nikebiz.com/company_overview/timeline/. Vgl. http://www.sonybmg.de/company.php?id=22&infoid=2&newsid=358 und http://www. sonybmg.ch/artists2.php?iA= 4&artist=8044.
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bung für einen Song sein. Mit diesem Werbespot hat Nike auch außerhalb der Welt des Sports die Gesellschaft beeinflusst.
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Nike – Die Marke der Sieger
Nike arbeitet seit 1982 mit der Werbeagentur Wieden+Kennedy zusammen.29 Den Verantwortlichen soll sich der Firmengründer mit folgenden Worten vorgestellt haben: „I’m Phil Knight, and I hate advertising.“30 Trotzdem wurde durch die Werbestrategie sehr konsequent das Markenimage von Nike aufgebaut: Nike steht für Sieg. Der Markenname fördert dieses Image genauso wie die grafische Gestaltung des Logos. Auch dadurch, dass Nike von Anfang an mit siegreichen Ausnahmeathleten Ausrüstungsverträge geschlossen hat, sendet diese Marke folgende Botschaft (vgl. Fritz 1994) an den Verbraucher: Nike ist die Marke der Sieger. Das ist der Zusatznutzen, den die Werbung vermittelt. Selbst wenn die Zielgruppe die Verbindung zum Wert des Sieges über den Markennamen und den Bildungsinhalt der antiken Mythologie möglicherweise nicht herstellen kann, ist die Botschaft über die Testimonialwerbung zu entschlüsseln. Je mehr Medaillen und Titel Nike-Athleten gewinnen, desto besser passen Wunsch und Wirklichkeit zusammen und desto glaubwürdiger ist die Werbebotschaft. Nicht nur der Markenname, sondern die gesamte Markenkommunikation dient der Werbestrategie, „den Verbrauchern […] zu suggerieren, dass sie durch den Erwerb des bezeichneten Produktes eine persönliche Identität erlangen werden, die ihnen besonders erstrebenswert erscheint“ (RonnebergerSibold 2007: 155). Und welcher Sportler träumt nicht davon, auf dem Siegerpodest ganz oben zu stehen? In dieser Anzeige (Süddeutsche Zeitung (Hrsg.): golfspielen 3/2008, 53) stellt Nike explizit den Sieg in den Mittelpunkt und verspricht dem Sportler: „At Nike Golf, we innovate for what matters most. We innovate to win.“
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Vgl. http://www.nikebiz.com/company_overview/timeline/. http://www.nikebiz.com/company_overview/timeline/.
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Abbildung 4:
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Nike Golf
Wenn Nike-Athleten – wie Tiger Woods – siegen, vermittelt sich das Markenimage glaubwürdig, die Verkaufszahlen steigen und auch Nike gewinnt. Dass der Satz aus Swoosh + finitem Verb im inneren Kreis der golfballähnlichen Abbildung oben rechts von den Rezipienten der Anzeige als Nike wins gelesen wird, hat Nike durch die in der Werbung über viele Jahre konsequent aufgebaute Markenpersönlichkeit erreicht. Der Swoosh symbolisiert weltweit die Marke der Sieger.
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Literatur Eichler, Ernst/Brendler, Andrea/Brendler, Silvio (Hrsg.) (2004): Namenarten und ihre Erforschung. Ein Lehrbuch für das Studium der Onomastik. Festschrift für Karlheinz Hengst zum 70. Geburtstag. Hamburg. Fanderl, Harald Sebastian (2005): Prominente in der Werbung. Empirische Untersuchungen zur Messung, Rezeption und Wirkung auf der Basis der Markenpersönlichkeit. Wiesbaden. Felser, Georg (2007): Werbe- und Konsumentenpsychologie. 3. Aufl. Heidelberg. Fritz, Thomas A. (1994): Die Botschaft der Markenartikel. Vertextungsstrategien in der Werbung. Tübingen. Goldman, Robert/Papson, Stephen (2004): Nike Culture – the Sign of the Swoosh. London. Herbst, Dieter/Scheier, Christian (2004): Corporate Imagery. Wie Ihr Unternehmen ein Gesicht bekommt: Orientierung und Vertrauen durch starke Bilder. Berlin. Janich, Nina (2005a): Werbesprache. Ein Arbeitsbuch. 4. Aufl. Tübingen. Janich, Nina (Hrsg.) (2005b): Unternehmenskultur und Unternehmensidentität. Wirklichkeit und Konstruktion. Wiesbaden. Nielsen, Martin (Hrsg.) (2003): Wirtschaftskommunikation im Wandel. Dynamik, Entwicklung und Prozessualität. Wiesbaden. O’Shaughnessy, John/O’Shaughnessy, Nicholas J. (2003): The Marketing Power of Emotion. Oxford. Ottmers, Clemens (1996): Rhetorik. Stuttgart. Pringle, Hamish (2004): Celebrity Sells. Chichester. Ronneberger-Sibold, Elke (2004): Warennamen. In: Eichler et al. (2004): 557603. Ronneberger-Sibold, Elke (2007): Wunschidentitäten im Wandel. Deutsche Markennamen aus sieben Jahrzehnten. In: Ronneberger-Sibold/Kazzazi (2007): 135158. Ronneberger-Sibold, Elke (2008): Bildungsinhalte in deutschen Markennamen für Lebensmittel. Ein historischer Überblick über das zwanzigste Jahrhundert. In: Szurawitzki/Schmidt (2008): 233258. Ronneberger-Sibold, Elke/Kazzazi, Kerstin (Hrsg.) (2007): Identität und Differenz. Ein Kolloquium zu Ehren von Wolfgang Huber. Tübingen. Rühle, Alex (2008). Da haut dir der Schuh nicht mehr ab. Programmierte Suchtgefahr: Der Nike-Laufschuh, der iPod und das Web haben sich zu einem perfekten Überwachungssystem für Sportler vernetzt. In: Süddeutsche Zeitung Nr. 85, Freitag 11. 4. 2008. 13. Scheier, Christian/Held, Dirk (2007): Was Marken erfolgreich macht. Neuropsychologie in der Markenführung. Freiburg et al. Schmidt, Christopher M. (2003): Der Markenslogan als Instrument unternehmenskultureller Persuasions-Strategien aus kognitionslinguistischer Perspektive. In: Nielsen (2003): 79105. Schmidt, Christopher M. (2005): Markenslogan und Markenpersönlichkeit: bild-schematische Konzeptualisierung als Erfolgskriterium unternehmensexterner Kommunikation. In: Janich (2005b): 171187.
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„Das unmögliche Möbelhaus aus Schweden“ Jörg Meier
Abstract "Das unmögliche Möbelhaus aus Schweden": With this Slogan IKEA promoted at the beginning of its track record in Germany. Meanwhile, the name IKEA is well-known in the whole world and nearly everyone can say something about it. IKEA was founded in 1943 by Ingvar Kamprad in Sweden. It is an acronym formed from the initials of the founder’s name (Ingvar Kamprad), the farm (Elmtaryd) and the village where he grew up (Agunnaryd, in Småland). Today, IKEA is one of the largest, most successful privately held companies in the world, and Ingvar Kamprad is one of the world’s richest men. The company distributes its products through its retail stores. IKEA now has 296 stores in 36 countries, and Germany, with 44 stores, is the biggest market, followed by the USA, with 36. The Swedish company belongs to the brands with the best images in Germany, but the high degree of brand awareness of 89 % did not develop automatically. IKEA publishes an annual catalogue. First published in Swedish in 1951, the catalogue is now published in 55 editions, in 27 languages for 36 countries, and is considered to be the main marketing tool of the retail giant, consuming 70 % of the company’s annual marketing budget. With a print run of 191 million copies the IKEA catalogue is the most widely distributed commercial publication in the world. The present study focusses on the following questions:
Corporate-Identity and the "Bullerbü-factor" Where is Klippan and who is Billy? – Product Names "Entdecke die Möglichkeiten" – IKEA-Slogans "Siezt du noch, oder duzt du schon?" Lebst du schon? – The "Bible-factor" Denkst du noch? – Summary and Perspective
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Jörg Meier Einführung
Mit dem Slogan „Das unmögliche Möbelhaus aus Schweden“, den ich als Überschrift für meine Ausführungen gewählt habe, warb IKEA zu Beginn seiner Erfolgsgeschichte in Deutschland in den 1970er-Jahren. Mittlerweile ist der Name IKEA in der ganzen Welt bekannt und fast jeder kann etwas dazu sagen und in nahezu jedem deutschen Haushalt findet sich vermutlich irgendetwas von IKEA. Die Abkürzung IKEA bedeutet nicht Interessengemeinschaft für kostengünstige Einrichtungsalternativen, sondern hinter dem Akronym verbergen sich, seitdem die Firma 1943 in das Handelsregister eingetragen wurde, bekanntermaßen die Initialen des Gründers Ingvar Kamprad sowie die Anfangsbuchstaben des elterlichen Hofes Elmtaryd und der Pfarrgemeinde Agunnaryd, zu der das Gut gehörte, auf dem Kamprad aufwuchs. Der mittlerweile 81 Jahre alte Unternehmensgründer ist – laut Taxierung des US-Magazins Forbes – mit geschätzten 31 Mrd. $ derzeit der siebtreichste Mensch der Welt. IKEA ist heute die größte Haushaltsmöbelmarke der Welt und setzte im Geschäftsjahr 2007 rund 19,8 Mrd. Euro um. Der Konzern beschäftigt rund 118.000 Mitarbeiter/innen in 40 Ländern und derzeit gibt es 296 IKEA-Einrichtungshäuser in 36 Ländern (vgl. http://www.ikea.com; Jungbluth 2008: 9 ff.). Für das Unternehmen ist Deutschland – mit 17 Prozent des gesamten Konzernumsatzes – der wichtigste Markt, denn in keinem anderen Land der Welt verkauft IKEA mehr von seinem insgesamt 12.500 Produkte umfassenden Sortiment. Wenngleich in den vergangenen Jahren in Deutschland immer weniger Geld für Möbel ausgegeben wurde, wuchs IKEA immer weiter und übertraf mit seiner achtprozentigen Steigerung des Umsatzes – auf 3,2 Mrd. Euro – beispielsweise den der RTL-Gruppe oder von McDonald’s. Das schwedische Unternehmen gehört zu den Marken mit den besten Images in Deutschland, im Bereich Handel sogar als einsamer Tabellenführer. Der hohe Bekanntheitsgrad von 89 Prozent ist selbstverständlich nicht von selbst entstanden (vgl. Jungbluth 2008: 9 ff.). Welche Rolle dabei die Werbung und ihre Sprache spielt, wollen wir im Folgenden näher betrachten.
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Corporate Identity und der „Bullerbü-Faktor“
Unter Corporate Identity, oder auch Unternehmensidentität, wird der abgestimmte Einsatz von Verhalten, Kommunikation und Erscheinungsbild nach innen und außen verstanden. Typischerweise umfasst die Unternehmensidentität u. a. die Philosophie des Unternehmens, das Leitbild, die Begrifflichkeiten, die Handlungsrichtlinien, den Namen, das Logo, weitere visuelle und unter Umstän-
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den auch akustische Zeichen sowie alle weiteren Unterscheidungs- und Alleinstellungsmerkmale des Unternehmens als Marke. In einer näheren Differenzierung werden daher häufig u. a. die Bereiche Corporate Design, also die visuelle Identität, Corporate Communication, die gesamte Unternehmenskommunikation, und auch Corporate Text unterschieden (vgl. u. a. Kroehl 2000; Birkigt et al. 2002; Regenthal 2003; Paulmann 2005; Herbst 2006). Ikeas Corporate Design, seine Farben in der Welt, sind Blau und Gelb, die Farben der schwedischen Nationalfahne. Auch das Logo und die Außenwände der kastenförmigen Einrichtungshäuser sollen den Kunden die schwedische Identität vermitteln. Die Mitarbeiter/innen tragen gelbe Poloshirts und blaue Hosen, auf Fotowänden sind typisch schwedische Landschaften abgebildet und der Kinderspielraum heißt Småland. Bereits in den 1970er-Jahren formulierte Ingvar Kamprad in seinem „Testament eines Möbelhändlers“ die Philosophie und das Leitbild des Unternehmens. Darin heißt es u. a.: „Das Grundsortiment soll in Skandinavien für ‚typisch Ikea‘ stehen und außerhalb von Skandinavien für ‚typisch schwedisch‘.“ (zit. nach Jungbluth 2008: 187) Für eine Marke auf dem internationalen Markt ist es im Allgemeinen von erheblichem Vorteil, eine nationale Identität aufzuweisen, denn auf dem Weltmarkt prägen nicht nur die Qualität und die Werbung das Bild einer Marke oder eines Produktes, sondern auch das Image des jeweiligen Heimatlandes. Das ist – wie auch in anderen Beiträgen dieses Bandes deutlich wird – selbstverständlich nicht nur bei IKEA zu beobachten, sondern auch bei anderen erfolgreichen Unternehmen. Schweden ist nicht nur – aber besonders – für viele Deutsche das „BullerbüLand“ Astrid Lindgrens, deren Bücher allein in Deutschland eine Auflage von 20 Millionen Exemplaren erreichen und die selbstverständlich auch in allen IKEAHäusern zu kaufen sind. Von dem Bild einer heimeligen Welt mit einer intakten und glücklichen Familie wie in Bullerbü versucht auch IKEA zu profitieren (vgl. hierzu u. a. http://www.ikea.com; Jungbluth 2008: 187 f.).
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Wo liegt Klippan und wer ist Billy? – Produktnamen
Da Ingvar Kamprad sich zwar Preise und Kontonummern sehr gut merken konnte, aber Artikelnummern nur recht schwer, und er zudem intuitiv begriff, dass es beim Verkaufen darauf ankommt, die Kundschaft auch emotional anzusprechen, bekamen alle Möbel von Anfang an Namen (vgl. Jungbluth 2008: 50, 194 ff.). Die Namensgebung von IKEA-Waren richtet sich heute nach den unterschiedlichen Produktkategorien. Die gewählten Namen werden weltweit einheitlich verwendet und sind zumeist skandinavischen Ursprungs. Zwei Mitarbeite-
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rinnen des Unternehmens sind ausschließlich damit beschäftigt, auf Landkarten und in Kalendern, in Wörterbüchern, Synonymlexika und anderen Nachschlagewerken, aber auch z. B. in Geburtsanzeigen, nach potenziellen Produktbezeichnungen zu suchen. Juristen überprüfen selbstverständlich alle Namensvorschläge, um Warenzeichenschutzproblemen vorzubeugen, denn „Produkt- und Markennamen genießen in Deutschland einen ausgedehnten Rechtsschutz durch das Markengesetz“ (Janich 2003: 52; vgl. auch http://www.ikea.com). Im Allgemeinen dient ein Produktname zur Identifizierung einer Ware und zur Abgrenzung gegenüber der Konkurrenz. Ein Produkt soll möglichst mit einer bestimmten Marke verbunden werden. „Produktnamen nehmen eine Zwischenstellung zwischen Eigennamen und Appellativen ein, da sie einerseits wie Eigennamen Einzelobjekte identifizieren […], andererseits aber auch wie Appellative ganze Klassen von Gegenständen mit bestimmten Eigenschaften benennen […].“ (Janich 2003: 51)
Außer zur Produktidentifizierung und zur impliziten Informationsvergabe dienen Produktnamen auch der Imagepflege. Der Produktname soll dazu beitragen, „dass sich beim Rezipienten ein positives Image und ein bestimmtes Vorstellungsbild mit dem Namen verbinden“ (Janich 2003: 53). Gerade gegenüber sogenannten No-name-Produkten wird damit Qualität und eindeutige Herkunft des Markenprodukts unterstrichen. Entscheidend für die Auswahl eines Produktnamens ist aber nicht nur die Wirkung, denn wenn eine Ware international vermarktet wird, müssen auch kulturelle und sprachliche Tabus berücksichtigt werden. Wenn Produktnamen originell, expressiv, aufwertend und unter Umständen auch informativ gestaltet sind (vgl. Platen 1997: 4568), können sie die folgenden Funktionen übernehmen: produktbezogen Identifikation (Abgrenzung zu anderen Produkten) Aufwertung durch Konnotation/Assoziation Information über Produkte oder Produkteigenschaften
Abbildung 1:
senderbezogen Identifikation (Handhabung als Name)
empfängerbezogen Identifikation (Wiedererkennung)
Werbefunktion, Imagefunktion gesetzl. Schutzfunktion gegenüber anderen Produkten
Signal-/Appellfunktion Qualitäts- und Herkunftsgarantie
Funktionen von Produktnamen (nach: Janich 2003: 53)
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Das System der Namengebung bei IKEA lässt sich folgendermaßen darstellen: Artikel
Beispiele
Ursprung des Namens
Polstermöbel, Couchtische, Rattanmöbel, Bücherregale, Musikmöbel, Türknöpfe
Lervik, Klippan, Karlstad
Schwedische Ortsnamen
Esstische und -stühle
Jämsunda, Jokkmokk
Schwedische und finnische Ortsnamen
Betten, Kleiderschränke, Dielenmöbel
Hemnes, Gutvik, Leksvik
Norwegische Ortsnamen
Bücherregalserien
Magiker, Expedit
Berufe
Badezimmerartikel
Vättern, Rönnskär
Skandinavische Seen, Flüsse und Meeresbuchten
Küchen
Värde, Bravad, Faktum
Grammatikalische Begriffe, gelegentlich auch andere Namen
Stühle, Schreibtische, Regalsysteme
Lauri, Ivar, Gorm, Billy
männliche Vornamen
Stoffe, Gardinen, Decken
Indira, Emilia, Andrea
weibliche Vornamen
Bettwäsche, Decken, Kissen
Bomull, Mistel
Blumen, Pflanzen, Edelsteine
Gardinenzubehör
Index, Deka
Mathematische u. geometr. Begriffe
Gartenmöbel
Gullholmen, Tullerö
Schwedische Inseln
Teppiche
Roskilde, Valby
Dänische Ortsnamen
Beleuchtung
Kvart, Radium
Musik, Chemie, Meteorologie, Maße, Gewichte, Jahreszeiten, Monate, Tage, Seemannssprache
Kinderartikel
Mammut, Kritter, Korall
Säugetiere, Vögel, Adjektive
Küchenutensilien (Besteck, Geschirr, Textilien, Glas, Porzellan, Tischdecken, Servietten u. a.), Dekorationsartikel (Kerzen, Vasen, Geschenkartikel u. a.)
Optimal, Delikat, Tindra, Smycka
Fremdwörter, Gewürze, Kräuter, Fische, Pilze, Früchte oder Beeren, Funktionsbeschreibungen
Schachteln, Wanddekoration, Bilder und Rahmen, Uhren
Lingo, Dynäs
Umgangssprachliche Ausdrücke, auch schwedische Ortsnamen
Tabelle 1: Namengebung bei IKEA
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Wenngleich (nicht nur) im deutschsprachigen Raum einige IKEA-Produktbezeichnungen seltsam wirken oder missverständlich aufgefasst werden können, wie z. B. ein Bettenmodell namens Rekdal, ein Bettwäsche-Set mit dem Namen Kaktus oder die Badezimmerausstattungsserie Viren, bietet die Produktbezeichnung mit Namen anstelle von Artikelnummern viele Vorteile. In der internen Kommunikation wird viel Geld und Zeit gespart, weil keine langen Zahlenreihen in die Computersysteme eingegeben werden müssen, und auch die Kundinnen und Kunden brauchen sich nur einen Namen zu merken und fühlen sich, anders als es sonst in Möbelhäusern üblich ist, persönlicher mit einem Produkt verbunden. Die Namen sind somit ebenfalls ein wirkungsvolles Instrument der IKEA-Verkaufspsychologie. Auch in Deutschland sind einige Produkte mittlerweile in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen, so wird beispielsweise durchaus häufig nicht von Bücherregalen, sondern von Billys gesprochen. Wenn ein Produktname allmählich zur Bezeichnung für den Gegenstand wird, wie z. B. Tempo für ein Papiertaschentuch oder Tesa für ein Klebeband, können wir von einer Deonymisierung sprechen.
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„Entdecke die Möglichkeiten“ – IKEA-Slogans
Zu den beliebtesten und am intensivsten erforschten Bereichen der Werbesprachenforschung zählt der Slogan (vgl. u. a. Klotz 1975; Möckelmann/Zander 1975; Baumgart 1992). Obwohl der Begriff Claim in Werbung und Marketing, besonders in der Medienbranche, häufig synonym zum Begriff Slogan verwendet wird und die Bezeichnungen für Werbeslogans im Ausland vielfältig sind, ist Slogan nach wie vor der Grundbegriff, der weltweit am häufigsten verwendet wird (vgl. u. a. Zielke 1991: 85 ff.; Schmidt 2003: 79 f.). Unter Slogan versteht man „eine oft formelhaft kurze, graphisch (oder sprecherisch) und bedeutungsmäßig meist isoliert erscheinende Textzeile, die in der Regel längere Zeit benutzt wird, damit diese Aussage und der Produktname bei vielen im Gedächtnis bleiben“ (Sowinski 1998: 59). Ein Slogan soll in kompakter Form eine Aussage vermitteln und das Publikum sehr schnell beeinflussen. „Das Hauptmerkmal des Slogans besteht in seiner Funktion, die Wiedererkennung eines Produkts, einer Marke oder eines Unternehmens zu ermöglichen und zu stärken und dabei imagebildend zu wirken […]. Dies kann er nur, weil er wiederholt wird und sich daher in allen Anzeigen zu einem Produkt“, einer Marke oder einem Unternehmen findet (Janich 2003: 48). Für Werbefachleute ist der Slogan sehr wichtig, da ihm mehrere Funktionen zugeschrieben werden, manchmal sogar sämtliche, was recht problematisch ist. Selbst „bei größter Textreduktion (in visuellen Werbemitteln) wird auf ihn selten
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verzichtet“ (Reimann 2008: 167). Manche Slogans sind so einprägsam, dass nahezu jeder sie kennt, wie augenblicklich z. B.: BILD Dir Deine Meinung! oder Alles Müller, oder was? Einige Slogans sind sehr bekannt und entwickeln sich zu wahren ‚Klassikern‘, so dass sie auch ohne Erwähnung eines Namens richtig zugeordnet werden können (Hellmann 2003: 284), wie z.B.: Alle reden vom Wetter. Wir nicht (Deutsche Bahn), Quadratisch, praktisch, gut (Ritter Sport) oder Nicht immer, aber immer öfter (Clausthaler Alkoholfrei). Ein wirksamer Slogan folgt in der Regel mehreren der folgenden Richtlinien:
Er spricht von den Vorteilen des Produkts, der Person oder Idee. Er formuliert einen Unterschied zur Konkurrenz. Er macht eine einfache, direkte, prägnante und treffende Aussage. Er kann witzig sein. Er hat etwas Persönliches und Besonderes an sich. Er vermittelt einen glaubwürdigen und anschaulichen Eindruck von Produkt, Person oder Idee. Er gibt dem Konsumenten ein gutes Gefühl. Er bringt den Konsumenten dazu, einen Wunsch oder Bedarf zu spüren.
Mit folgenden Haupt-Slogans hat IKEA in Deutschland seit 1974 geworben: Das unmögliche Möbelhaus aus Schweden
19741982
Mehr Geschmack als Geld
19831987
Nicht für die Gleichgültigen
19881989
Erfülle Deine Träume. Lebe heute
1990
Schwedische Individualität kostet weniger
1991
Ein reicheres Leben
19921993
Clever einrichten
19941996
Entdecke die Möglichkeiten
19972002
Wohnst du noch oder lebst du schon?
Seit 2002
Slogans können in die Alltagssprache eingehen, wie der IKEA-Slogan Wohnst du noch oder lebst du schon? Wer z. B. bei Google nachschaut, findet, dass die-
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ser Slogan mittlerweile schon wie ein Sprichwort in allen möglichen und unmöglichen Zusammenhängen benutzt und zum Teil mehr oder weniger kreativ abgewandelt wird. Unter dem Suchbegriff Wohnst du noch oder lebst du schon? habe ich immerhin mehr als 23.300 Einträge finden können (Stand: 22. September 2008). Hier eine kleine Auswahl:
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Wohnst du noch oder lachst du schon? (Hamburger Abendblatt, 31. August 2007: Artikel über den IKEA-Katalog) Lebst du noch oder wohnst du schön? (Hamburger Abendblatt, 6. September 2005: Artikel über Zweitausendeins und Manufactum) Kaufst du noch oder lebst du schon? (Absatzwirtschaft, 2005, 70-72: Artikel über Vertriebs-Tools) Wohnst du schon? Oder lebst du noch? (http://www.uni-muenster.de: Bericht über den Hörspiel- und Kurzgeschichtenwettbewerb 2007 des Senatsausschuss zum Thema Ver-, Mit-, Vor-, Nach-, Zwischen- und Untermieter) Wohnst du noch – oder lebst du schon? (http://www.lebensbrot.podspot: Predigt zur Jahreslosung 2006: Jesus sagt: Ich lebe und ihr sollt auch leben!) Lebst du noch oder wohnst du schon? Wohnen in Deutschland (http://www.arbeiterfotographie.com: Ankündigung und Programm einer Ausstellung in Köln, 2004) Wohnst du noch, oder lebst du schon auf der Straße? (Junge Welt, 21. Januar 2004: Artikel über Obdachlosigkeit) Schraubst du noch oder wohnst du schon? (Berliner Zeitung, 9. Mai 2003: Artikel über vergleichende Werbung, in dem auch ein Rechtsstreit eines Münchner Möbelhauses mit IKEA vorkommt)
Siezt du noch oder duzt du schon?
So lautete der Titel einer Zwiebelfisch-Kolumne von Bastian Sick aus dem Jahre 2006, in der es um die Wahl des richtigen Anredepronomens in Deutschland ging, wobei natürlich auch IKEA erwähnt wurde (vgl. Sick 2006). Bei IKEA gibt es nämlich, so Werner Besch (1996: 79), ein „verordnetes Du“. Alle Beschäftigten haben sich über Hierarchiegrenzen hinweg mit Vornamen und Du anzureden. Dies folgt dem Sprachgebrauch in Schweden, wo seit der Du-Reform der 1960er-Jahre das Siezen aus der Alltagssprache verschwunden ist. Von dieser
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Regel wird bei IKEA – auch bei ausdrücklichem Wunsch – keine Ausnahme gemacht, weil es dem Konzern hilft, die „egalitäre schwedische Konsenskultur“ zu exportieren (Jungbluth 2008: 221). Auch wenn das Vorname/Du-Modell eher eine „Übernahme schwedischer Praxis als ein Reformmodell war“, erhielt es in Deutschland durchaus „einen progressiven Anstrich“ (Besch 1996: 80). In einer IKEA-Information heißt es: „Für uns ist Duzen eine Möglichkeit, Werte wie Offenheit, Toleranz und Zusammengehörigkeit mit Leben zu erfüllen“ (zit. nach Jungbluth 2008: 221). Nichtsdestoweniger ist IKEA natürlich ein Arbeitgeber wie jeder andere auch, was nicht erst durch einen ZDF-Bericht Ende April 2008, in dem es um Ausbeutung und Überwachung von Mitarbeiter/-innen ging, deutlich wurde. Bei einem Blick hinter die Kulissen des Konzerns wird wohl kaum jemand so naiv sein zu glauben, dass Möbelhandel eine „gemütliche“ Angelegenheit ist. Das Duzen ist aber nicht nur ein Teil der Betriebskultur, auch die Kunden werden bei IKEA ständig und fast überall geduzt, in den Einkaufshäusern, in der Werbung und in Katalogen. Im Deutschen kann das Anredepronomen du als Ausdruck der Vertrautheit und des Wohlwollens, aber auch als Ausdruck der Geringschätzung verwendet werden, was durchaus zu Missverständnissen führen kann (vgl. Kohz 1982: 60). Bei IKEA ist natürlich die freundliche und private Atmosphäre gemeint. Ob das immer von jedem richtig interpretiert wird, bedarf sicherlich noch einer ausführlicheren Untersuchung. Nicht jeder mag vielleicht die doppelte Indiskretion der Frage: „Wann hast du eigentlich das letzte Mal deine Matratze ausgewechselt?“
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Lebst du schon? – Der „Bibel-Faktor“
Das wichtigste Marketinginstrument des Konzerns ist eindeutig der einmal jährlich erscheinende IKEA-Katalog. Er wird in 27 Sprachen in 36 Ländern verteilt und hat eine Gesamtauflage von 191 Millionen Exemplaren. Damit ist der IKEA-Katalog weltweit die Werbepublikation mit der höchsten Auflage überhaupt. Allein die deutsche Ausgabe hat eine Auflage von 31,7 Millionen. Seine Verbreitung ist nur noch mit den Harry-Potter-Büchern (bisher 25 Millionen), dem deutschen Telefonbuch (32 Millionen) und der Bibel vergleichbar (vgl. http://www.ikea.com). Der Katalog erscheint nicht zufällig immer im Herbst, wenn „sich das Leben der Menschen wieder stärker auf das Haus oder die Wohnung zu konzentrieren beginnt“ (Jungbluth 2008: 204 f.). Die für IKEA tätigen Werbepsychologen „bemühen sich, dieses Einigelgefühl noch zu verstärken“, und der „Rückzug in die eigenen vier Wände“, den Trendforscher mit dem Begriff des „Cocooning“
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bezeichnen, kann als ein Leitmotiv des IKEA-Katalogs angesehen werden (Jungbluth 2008: 204 f.), denn in letzter Zeit veränderte IKEA seine Werbestrategie. Zu den eher jungen, frechen und auf das Wesentliche reduzierten Werbelinien kam inzwischen eine Orientierung in Richtung Familie und Heim hinzu, die sich eher konservativen und familienorientierten Werten angepasst hat. Seither gibt es beispielsweise auch die „Ikea-Family-Card“. Im Jahr 2007 warb Ikea u. a. mit dem Slogan Weil Zuhause der wichtigste Platz auf der Welt ist. Wie keine zweite kommerzielle Publikation findet der IKEA-Katalog auch in den Medien immer wieder Beachtung. „Wenn eine neue Auflage erscheint, kann man in den Feuilletons jedes Mal eine ganze Reihe lesenswerte Rezensionen finden“ (Jungbluth 2008: 209). So wurde beispielsweise 1998 im Tagesspiegel vom IKEA-Katalog als einem soziologischen Meisterwerk gesprochen, der „kommenden Forschergenerationen mehr Aufschluss über die Alltagskultur unserer Epoche geben“ kann „als so manches andere Dokument“ (Fetscher 1998). Eine sprachliche Analyse der Kataloge, die hier nur noch in Ansätzen skizziert werden kann, wäre eine außerordentlich lohnende Aufgabe; besonders eine diachrone Untersuchung aller deutschsprachigen Kataloge von 1974 bis zum Jahr 2008. Der Titel des Katalogs aus dem Jahre 2007 lautete: Lebst du schon? Darauf wird im Innenteil des Umschlags keine Antwort gegeben, sondern vielmehr wird die Frage ergänzt: Oder worauf wartest du? Antworten bekommen wir, wenn wir den Katalog durchblättern. Der IKEA-Katalog ist soziologisch und sprachlich ein hochinteressantes Dokument. Er sagt uns, wie wir sind, oder, wenn wir nicht so sind, wie wir sein sollten, und dazu ist die Sprache das wichtigste Instrument.
Abbildung 2: Das Titelblatt des IKEA-Katalogs 2007
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Arbeiten, machen, tun, hierhin hetzen, dahin hetzen – wo ist es geblieben, das herrliche Nur-Zu-Hause-sein im gemütlichen Nest daheim? Stell dir vor, wie das wäre: einmal einen Termin sausen lassen, einen Krümel übersehen, eine Fernsehsendung auslassen, ein Telefonklingeln überhören. Schon hast du kostbare Zeit gewonnen, um sie mit den wichtigsten Menschen der Welt zu genießen: deinem Partner, deinen Kindern, dir selbst. (Umschlag-Innenseite).
Und weiter heißt es: Worauf wartest du dann: Das Leben ist nicht irgendwo auf einem anderen Stern, in einem anderen Millennium – sondern genau hier und jetzt. Höchste Zeit, dass wir es uns daheim wieder richtig schön machen. So schön, dass wir dort nicht nur Tage, Stunden und Minuten verbringen, sondern unser Leben. (Umschlag-Innenseite).
Das kannst du auch, scheint der Katalog uns zu sagen: Richte dein Heim auf deine Weise ein. Stell die Möbel zusammen, wie es dir gefällt. Dekoriere die Zimmer mit den Stoffen, Farben und Mustern die du schön findest. Gar nicht so leicht? Bei uns findest du jede Menge Ideen. Es ist dein Zuhause, dein Stil, dein Leben. Vertrau auf dein Gefühl und leg los! (Seite 1; Hervorhebungen vom Verf.).
Hier begegnet uns eine Mischung aus poetischer Sprache, Standardsprache und Umgangssprache. Bei einer Analyse der Sprache im IKEA-Katalog sind des Weiteren vor allem folgende Elemente zu finden:
Schriftsprache Rhetorische Stilmittel Lückenhafte Sprache Fachsprache Fremdsprache
Alle Zusammenstellungen rhetorischer oder sprachlicher Mittel von Werbeanzeigen besitzen in der Regel nur einen eingeschränkten Wert. Häufig werden sie auf Grund von mehr oder weniger sinnvollen statistischen Erhebungen gemacht und begründen die darauf aufbauende Auswahl. Werbeanzeigen werden – wie wir gesehen haben – nicht nur durch die Verwendung bestimmter oder einer bestimmten Auswahl rhetorischer oder sprachlich-stilistischer Mittel bestimmt. Dennoch sind derartige Zusammenstellungen, die in der werbewissenschaftlichen wie in der linguistischen Literatur seit den sechziger Jahren zu finden sind, für die praktische Werbeanalyse, vor allem in einem didaktischen bzw. schulischen Zusammenhang, im Allgemeinen durchaus gut zu verwenden. Die
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nachfolgende exemplarische Zusammenstellung führt deshalb eine Auswahl der wichtigsten rhetorischen Mittel auf, die sich im IKEA-Katalog finden lassen. Hinzuweisen ist darauf, dass sich diverse Beispiele unterschiedlichen rhetorischen Figuren zuordnen lassen.
Wiederholung (Endlich am schönsten Ort der Welt sein! – Endlich wieder Zeit für magische Momente! – Endlich wieder eine gute Nacht haben! – Endlich wieder Raum für mich!) Wortspiel (Arbeiten mit IKEA. Willkommen im Wohnfühlbüro! – Mit Rationell kannst du jetzt reinen Schrank machen! – Sparbeitsplatz!). Personifikation (Der Verwandlungskünstler unter den Bücherregalen. – Ein Pax Kleiderschrank ist immer gut angezogen. – So ein begehbarer Kleiderschrank steht dir ungemein.). Alliteration (Küchen. Lebe lieber lecker! – Textilien. Auffrischen. Auflockern. Auffallen! – Was wäre, wenn …). Metapher (Der Frühling ist noch genau einen Besuch bei IKEA entfernt – Wenn deine Küche eine Suppe ist, dann ist IKEA 365+ das Salz – Bei einem so aufgeräumten Innenleben ist jeder Psychologe sprachlos). Antithese (Kinder wollen klettern, toben, singen, klecksen, krümeln, laut sein und Quatsch machen. Eltern wollen Kinder, die lesen, schreiben, rechnen, malen, aufräumen, leise sind und schlafen. Unvereinbar? Nicht wenn man ein Zuhause hat, in dem sowohl Kuschelhasen, Raumschiffe, versteckte Süßigkeiten, Höhlen, Monsterfallen und Prinzessinnengewänder als auch Schulbücher, 1000-Teile-Puzzles, Briefe und Tagebücher Platz finden. Ein Universum, in dem sich sowohl kleine als auch große Engel und Bengel wohl fühlen.). Paradoxon (Komisch: Je mehr du in diesen Raum hineinstellst, desto größer wird er. – Es gibt nur einen Weg, deinen Job zu verbessern: geh nach Hause.). Rhetorische Frage (Wer sagt, dass Qualität teuer sein muss?).
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Denkst du noch? – Resümee und Ausblick
Wie wir gesehen haben, werden Innovation und Einzigartigkeit nicht mit ideenlosen, beliebig austauschbaren Worthülsen kommuniziert, sondern mit einer innovativen Sprache, mit der eine Marke aufgebaut wird. Erfolgreiche Marken wie IKEA gestalten ihre Sprache mit Corporate Text. Ein Profil erhält ein Unternehmen nur dann, wenn es sich eindeutig positioniert, auch mal provoziert und sich so ein unverwechselbares Image erarbeitet. Sprache macht authentisch, denn
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so wie Farbwahl, Formgebung und Bildwelt eine Marke bestimmen, kann eine besondere Sprache einer Marke Identität verleihen.
Literatur Baumgart, Manuela (1992): Die Sprache der Anzeigewerbung. Eine linguistische Analyse aktueller Werbeslogans. (Konsum und Verhalten 37). Heidelberg. Besch, Werner (1996): Duzen, Siezen, Titulieren. Zur Anrede im Deutschen heute und gestern. Göttingen. Birkigt, Klaus/Stadler, Marinus/Funck, Hans J. (2002): Corporate Identity. Grundlagen, Funktionen, Fallbeispiele. 11., überarb. und aktualisierte Aufl. München. Hellmann, Kai-Uwe (2003): Soziologie der Marken. Frankfurt am Main. Herbst, Dieter (2006): Corporate Identity. 3. Aufl. Berlin. Janich, Nina (2003): Werbesprache. Ein Arbeitsbuch. (Narr Studienbücher). 3., unveränderte Aufl. Tübingen. Jungbluth, Rüdiger (2008): Die 11 Geheimnisse des IKEA-Erfolgs. Vollständige Taschenbuchausg. Bergisch Gladbach. Klotz, Volker (1975): Slogans. [Nachdruck]. In: Nusser (1975): 96104. Kohz, Armin: (1982) Linguistische Aspekte des Anredeverhaltens. Untersuchungen am Deutschen und Schwedischen. Mit einer selektiven Bibliographie zur Linguistik der Anrede und des Grußes. (Kommunikation und Institution 5). Tübingen. Kroehl, Heinz (2000): Corporate Identity als Erfolgskonzept im 21. Jahrhundert. CI 21. München. Möckelmann, Jochen/Zander, Sönke (1975): Form und Funktion der Werbeslogans. Untersuchung der Sprache und werbepsychologischen Methoden in den Slogans. (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 26). 3. Aufl. Göppingen. Nielsen, Martin (Hrsg.) (2003): Wirtschaftskommunikation im Wandel. Dynamik, Entwicklung und Prozessualität. (Europäische Kulturen in der Wirtschaftskommunikation 3). Wiesbaden. Nusser, Peter (Hrsg.) (1975): Anzeigenwerbung. Ein Reader für Studenten und Lehrer der deutschen Sprache und Literatur. (Kritische Information 34). München. Platen, Christoph (1997): „Ökonymie“. Zur Produktnamen-Linguistik im Europäischen Binnenmarkt. (Beiheft zur Zeitschrift für romanische Philologie Band 280). Tübingen. Paulmann, Robert (2005): Double Loop. Basiswissen Corporate Identity. Mainz. Regenthal, Gerhard (2003): Ganzheitliche Corporate Identity. Form, Verhalte und Kommunikation erfolgreich gestalten. Wiesbaden. Reimann, Sandra (Hrsg.) (2008a): Werbung hören. Beitrage zur interdisziplinären Erforschung im Hörfunk. (Medien: Forschung und Wissenschaft 17). Berlin: Reimann, Sandra (2008b): Es gibt immer was zu tun. Eine Kriteriologie zur Bestimmung des Slogans im Hörfunk. In: Reimann (2008a): 167187.
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Schmidt, Christopher M. (2003): Der Markenslogan als Instrument unternehmenskultureller Persuasions-Strategien aus kognitionslinguistischer Perspektive. In: Nielsen (2003): 79105. Sowinski, Bernhard (1998): Werbung. (Grundlagen der Medienkommunikation 4). Tübingen. Zielke, Achim (1991): Beispiellos ist beispielhaft oder: Überlegungen zur Analyse und zur Kreation des kommunikativen Codes von Werbebotschaften in Zeitungs- und Zeitschriftenanzeigen. (Medienwissenschaft 5). Pfaffenweiler.
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Internet (Stand: 22. September 2008) http://www.arbeiterfotographie.com http://www.ikea.com http://www.lebensbrot.podspot http://www.uni-muenster.de Sick, Bastian (2006): Siezt du noch, oder duzt du schon? In: Der Spiegel vom 26. 12. 2006: http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/0,1518,455733,00.html
Kommunikationsstrategie in Zeiten von Web 2.0 am Beispiel der Ford Werke Deutschland GmbH Matthias Fank und Wolfgang Riecke
Abstract By establishing the Europe-wide claim "Feel the difference" Ford has been facing current challenges and thereby amended its communication strategy. Since 2004, Ford Germany is cooperating closely with the University of Applied Sciences Cologne in the field of online communications. Extensive Internet research has been done to analyze the online occurrence of Ford as a brand and to take steps on the Web. A number of questions have been answered like: "What are the three biggest autonomous Internet forums regarding Ford?" "How many domains have been registered so far using Ford in their URL?" "How many reviews are being posted on a review portal per month?" In order to answer these questions, an analysis model and a valuation method have been developed and a number of chosen forums on specific topics have been observed. There are numerous examples of companies that failed with a basically good idea. Variables that have to be considered in online measures are the purpose of a message, status of the author in the community, the public perception of the company, the state of the market regarding the brand, etc. The FanAward was first to be launched in 2006 by Ford Motor Company Germany. The best Ford fan website was elected. By rewarding the fans, the FanAward creates a high customer loyalty by establishing an emotional link and making the customers feel appreciated. The FanAward is a project led by Ford’s corporate communications department in close cooperation with the marketing department. Most activities regarding the Internet are being accomplished in direct coordination with corporate communications and marketing. When it comes to a successful online marketing process, marketing has already realized that online advertisement only is not enough. At the same time, public relations have realized that the integration of online journalists into a mailing list is also not enough. The internet offers new possibilities, yet also demands new ways of approaching the company’s objectives. The experiences and the concept of Ford Motor Company and the FanAward are the key subjects of this work.
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Matthias Fank/Wolfgang Riecke Kommunikationsstrategie
Die Ford-Werke GmbH sind bereits Anfang 2000 im Rahmen der sogenannten „Europäischen Transformationsstrategie“ durch eine grundlegende Phase der Strukturierung gegangen. Kernelemente dieser Neuausrichtung waren folgende: 1. 2. 3. 4.
Anpassung der Kapazitäten an die Nachfrage, Verschlankung der Kostenstrukturen mit dem Prinzip einer flexiblen, hocheffizienten Produktion in den europäischen Werken, Definition einer markenorientierten Produktentwicklung und entsprechende Investition in neue, marktgerechte Produkte, Umsetzung des Slogans „Feel the Differenc“ als pan-europäische Markenidee in Produkt und Kommunikation mit den Kern-Markenattributen dynamisch, individuell und selbstbewusst.
Die Marke Ford gilt es zu emotionalisieren, einerseits durch die neue DesignSprache und andererseits durch umweltgerechte und zukunftsorientierte Motoren- und Sicherheitstechnologien sowie durch Nachhaltigkeit und Infotainment. Dabei sind vor allem „White-Space-Products“, also Produkte in bisher nicht erkannten Nischen-Segmenten wie Ford S-MAX oder C-MAX, von besonderer Bedeutung. Erste Signale einer Verbesserung des Markenimages sind spürbar: weg von der einseitigen Preis-/Leistungs-Betrachtung hin zur emotionsgeführten, dynamischen, individuellen und selbstbewussten Markenführung unter dem Motto „Feel the difference“. Entsprechend dieser Neupositionierung der Marke und damit einer veränderten Ansprache neuer Kundengruppen muss sich auch die Pressekommunikation auf neue Vorgehensweisen einstellen. Sicher bleiben auch die traditionellen automobilen Medien wie ADAC-Motorwelt, auto motor und sport, Auto Bild, Auto Zeitung, Auto/Straßenverkehr und Bild/Bild am Sonntag die tragenden Säulen einer wirkungsvollen Produktkommunikation. Doch mit den neuen Käufergruppen gewinnen sogenannte „Lifestyle-Medien“ wie Bunte, Intouch, Instyle und Frauenmedien wie Freundin, Glamour, Cosmopolitan etc. für die ‚unbezahlte‘ Kommunikation erheblich an Bedeutung. Vor allem auch die Onlinekommunikation auf Websites und in Foren wird ständig wichtiger und muss in der entsprechenden Gesamtkommunikation prominent gewürdigt werden. Teilten sich 1976 die Kommunikationsinvestitionen zwischen Print und TV noch im Verhältnis von 70 zu 30 auf, macht Print 2008 gerade noch 35 Prozent aus, hat TV auf rund 50 Prozent zugelegt und Online macht bereits 15 Prozent aller Kommunikationsaufwendungen aus. Diese Entwicklung wird sich zukünftig fortsetzen und in der Kommunikationsstrategie ihren Niederschlag finden.
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Forschungsprojekt der FH Köln mit Ford
Die Tatsache allein, dass das Internet mit seiner Fülle an Informationen noch nicht einmal von Google vollständig erfasst werden kann, erforderte in einem ersten Schritt eine Systematisierung, nach der Inhalte recherchiert und analysiert werden sollten. 2005 begann die Forschungskooperation zwischen der Fachhochschule Köln und den Ford Werken. Das Projekt wird auch 2009 fortgesetzt und hat für beide Seiten beachtliche Erkenntnisfortschritte gebracht, über die hier auszugsweise berichtet wird. Ein Überblick über das Themenspektrum liefert die folgende Abbildung.
Abbildung 1:
Themenspektrum der Forschungskooperation
Die Recherche wurde in die folgenden fünf Teilprojekte unterteilt: Presseportale, Webforen, Bewertungsportale, Domainanalyse und Fanseiten.
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Presseportale
Das Teilprojekt „Presseportale“ hatte die Aufgabe, möglichst vollständig Nachrichten veröffentlichende Webauftritte im deutschsprachigen Internet zu finden und zu bewerten. Zunächst stellte sich die Frage, welche Webauftritte für Ford relevant sind, um in einem späteren Schritt auf die Präsenz von Artikeln über
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Ford im Vergleich zu anderen großen Automarken überprüft zu werden (Benchmarkanalyse). Die Presseportale wurden in die Kategorien Allgemeine Presse und Autopresse unterteilt. Die Recherche erfolgte über freie Suchmaschinen und Linklisten, wobei ausschließlich nach deutschsprachigen Seiten gesucht wurde. Das Suchergebnis über Suchmaschinen betrug ohne Dubletten bei den AutoPresseseiten 312 Treffer. Nach genauerer Betrachtung dieser Seiten wurden schließlich 19 Treffer einer tiefer gehenden Untersuchung unterzogen. Alle anderen Seiten eigneten sich nicht für die Bewertung, da sie beispielsweise lediglich Linklisten enthielten oder aber keinerlei eigene Inhalte veröffentlichten. Dies entsprach auch der Vorgehensweise bei der Suche nach allgemeinen Presseseiten. Die Ergebnisliste ohne Dubletten betrug über Suchmaschinen 411 Treffer, wobei hiervon schließlich 18 weitergehend bewertet wurden. Die Gesamtzahl der weiterführend untersuchten Treffer über Suchmaschinen betrug damit 37. Für die Auto-Presseseiten wurde das Linkverzeichnis auf www.allesauto.de analysiert. Von 21 gelisteten Links wurden sechs zum Einpflegen aufgenommen. Bei den allgemeinen Presseseiten wurden sieben Linklisten aufgenommen. Insgesamt wurden 13 Treffer, die über Linkverzeichnisse gefunden wurden, eingepflegt. Das Ergebnis der Recherche waren 59 Webseiten. Die Presseseiten wurden einem Bewertungsraster unterzogen. Anschließend wurde eine Benchmarkanalyse über verschiedene Automarken erstellt. Wie die Untersuchung zeigt, erreicht Ford mit einem Anteil von durchschnittlich 10 Prozent auf den reinen Online-Nachrichtenportalen einen der geringsten Anteile von allen untersuchten Automobilherstellern. In der Berichterstattung der Nachrichtenportale mit Printhintergrund erreicht Ford mit durchschnittlich 8,7 Prozent sogar den geringsten Anteil von allen untersuchten Automarken. Eines der Hauptziele, die sich aus diesen Untersuchungsergebnissen ableiten lassen, ist die Erhöhung des Anteils von Ford an der Online-Berichterstattung.
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Webforen
Foren haben sich in den letzten Jahren als sehr geeignete und beliebte Form des Informations- und Meinungsaustausches zwischen Gleichgesinnten erwiesen. Einer der Gründe für diese Entwicklung ist sicherlich die Möglichkeit, mit einem Posting innerhalb eines Threads eine enorm große Anzahl an Menschen zu erreichen. Motor-Talk, das größte Internetforum in der Automobilbranche, hatte im April 2008 ca. 750.000 Mitglieder mit über 15 Mio. Posts. Ein weiteres wichtiges Merkmal von Webforen ist, dass trotz asynchroner Kommunikation eine relativ schnelle Reaktionsgeschwindigkeit erreicht wird – bei den untersuchten
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Foren wurden teilweise Durchschnittsreaktionszeiten von ca. 25 min. festgestellt, wobei in diesen Wert auch Antwortzeiten von ein bis zwei Minuten einfließen. Diese zwei Merkmale – Reichweite und Geschwindigkeit der Informationsverbreitung – machen Foren zu einem Massenmedium mit Meinungsbildungsmacht und kaum kontrollierbarer Informationsstreuung. Zur Identifizierung möglichst aller Foren zum Thema Ford im deutschsprachigen Internet wurden Searchstrings entwickelt, die bei verschiedenen Suchmaschinen im Web eingesetzt wurden. Gleichzeitig mit der Ermittlung der Forenseiten wird mit den Searchstrings ein nahezu optimales Ausschließen aller irrelevanten Treffer gewährleistet. Die durchgeführten Suchen haben zu einer Treffermenge von rund 750 Links geführt. Diese sind im ersten Schritt um doppelt bzw. mehrmals vorkommende Links bereinigt worden. Hieraus ergab sich eine Treffermenge von 247 Foren. Diese 247 Links wurden anhand einer speziell entwickelten Matrix analysiert, die verschiedene Merkmalskategorien enthält, nach denen eine Auswertung der erhaltenen relevanten Treffer vorgenommen wurde. Es wurden Merkmale zu den folgenden übergeordneten Kategorien erfasst: Aussehen, Struktur, Inhalt, Extras, Produktmerkmale, Geschäftsmodell und PageRank. Dabei hat sich herausgestellt, dass die 20 Top-Foren zum Thema Ford über eine beachtliche Anzahl von Usern verfügen – die Gesamtanzahl der Nutzer der Top-20-Foren zum 6. Juni 2005 betrug 319.331. Diese User stellen eine positiv eingestellte Interessenten- bzw. Kundengruppe dar, die potenziell über die Foren-Plattformen erreicht werden kann.
Abbildung 2:
Forenmonitoring-Statistik
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Im zweiten Schritt erfolgte ein Monitoring der Top-3-Foren beispielhaft an der Markteinführung des neuen Ford S-Max und des neuen Ford Galaxy (s. Abb. 2). Hierzu wurden monatliche Reports angefertigt, in denen alle wichtigen Fakten aus den drei Top-Foren zu den beiden neuen Modellen zusammengefasst sind. Der monatliche Report gliedert sich in drei Teile: Kennzahlen, Themenbildung und Stimmung in den Foren. Dabei beschreiben die Kennzahlen die Anzahl der Themen (Threads), Beiträge und Visits, die in dem jeweiligen Monat neu hinzugekommen sind, sowie die kumulierten Werte für 2006. Schon zu Beginn der Untersuchung wurde klar, dass der neue S-Max das Interesse auf sich zog. Im Gegensatz zu dieser komplett neuen Markteinführung existiert beim Galaxy ein Vorgängermodell. So gab es die ersten Beiträge zum S-Max in den Foren schon einige Monate vor der Untersuchung, teilweise auch zu Designstudien und Vorab-Presseberichten. Interessant wurden dann Mitte Juli die ersten Erfahrungsberichte, die auch begierig von den Nutzern der Foren aufgenommen wurden. Hier wurden bisherige Interessenten zu Kunden und letztendlich auch zu Experten, die mit detaillierten Fragen rund um die neuen Modelle konfrontiert wurden.
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Bewertungsportale
Online-Bewertungsportale sind Internetplattformen, auf denen Verbraucher Informationen und Erfahrungen zu Produkten und Dienstleistungen austauschen können. Dabei werden keine Experteninformationen zur Verfügung gestellt, sondern Bewertungen auf der Basis individueller Erfahrungen durch die Verbraucher selbst. Jeder, der über einen Internetzugang verfügt, kann einer solchen Community beitreten, seine Erfahrungen mit Produkten und Dienstleistungen in Form von Erfahrungsberichten einstellen sowie Kommentare und Bewertungen zu den Berichten anderer Teilnehmer abgeben. Die Recherche erfolgte analog zu den Webforen, sie begann mit der Entwicklung von Searchstrings und endete mit der Bewertung von Portalen. Das Bewertungsportal Ciao.com wurde für eine detaillierte Untersuchung einzelner Erfahrungsberichte ausgewählt, da es aufgrund der hohen Mitgliederzahl, der Anzahl der aufliegenden Erfahrungsberichte sowie seiner Nutzungsstatistik das in Deutschland bedeutendste Bewertungsportal darstellt. Im Oktober 2004 lagen bei Ciao.com nach Angaben von Nielsen NetRatings ca. 3,6 Millionen Bewertungen mit durchschnittlich 30 Kommentaren auf. Die von den Ciao-Mitgliedern verfassten Berichte umfassen die Zeitspanne von November 1999 bis August 2005. In der Produktkategorie Auto werden bei Ciao.com insgesamt 68 Autohersteller berücksichtigt. Ford ist dabei mit insgesamt 142 Automodellen
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(Stand: 05/2005) vertreten. Von allen erfassten Ford-Berichten entfielen im Gesamtzeitraum 36,3 Prozent auf die Bewertung „sehr gut“ (5 Sterne), 39,9 Prozent auf „gut“ (4 Sterne) und 14,2 Prozent auf die Wertung „mittel“ (3 Sterne). Eine schlechte Gesamtbewertung des Produktes (2 Sterne) enthielten 6,6 Prozent der Berichte, eine sehr schlechte Bewertung mit 1 Stern nur 3,1 Prozent. Dies ergibt im Durchschnitt eine positive Gesamtbewertung von 4,0 (gut) im gesamten Zeitraum. 2006 bestand das Ziel darin zu analysieren, wie sich Ford-Modelle auf Ciao.com entwickeln und welche am häufigsten bewertet werden. Darüber hinaus sollte analysiert werden, wie das Unternehmen Ford mit seinen Modellen im Einzelnen vertreten ist. Für den Bereich Bewertungsportale wurden ebenfalls monatliche Reports erstellt. Im Zeitraum von Januar bis November 2006 wurden 104 Erfahrungsberichte erfasst. Bewertungsportale spielen im Rahmen einer beständig zunehmenden Nutzung von Online-Angeboten eine immer wichtigere Rolle. Durch die Verknüpfung von Erfahrungsberichten, Preisvergleichen und Verweisen auf entsprechende Online-Shops können direkt Kaufentscheidungen beeinflusst werden.
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Domainanalyse
Das Projekt ist auch der Frage nachgegangen, wie viele registrierte Ford.deDomains im World Wide Web betrieben werden, wobei das gleiche Researchvorgehen wie bei den Webforen und Bewertungsportalen gewählt wurde. Der Research-Stand Sommer 2005 erbrachte 230 registrierte Internetadressen. Die Ergebnisse zeigten klar, dass durch Ford-Fans die meisten Internetadressen registriert wurden. 2006 wurde auf Basis der bestehenden Erkenntnisse von 2005 die Analyse der Domains, die den Namen Ford enthalten, um die einzelnen Markennamen der Ford-Werke GmbH erweitert. Als Grundlage der speziellen Domainanalyse wurde das deutsche Modellsortiment anhand der Auflistung des Interntauftrittes von Ford herangezogen, wobei nur der Modellreihenname erfasst wurde. Die Analyse hat gezeigt, dass ein Markenschutz im Internet aktiv betrieben werden sollte. Es ist in erster Linie empfehlenswert, jene Webseiten, die kritisch zu betrachten sind, in regelmäßigen Abständen zu beobachten und zu analysieren, um einer Abwerbung von Kunden im Neu- und Gebrauchtwagensegment oder einer Imageschädigung entgegenzuwirken. Des Weiteren sollte der Prozess der Domainanalyse in vier- bis sechsmonatigen Intervallen durchgeführt werden. Nur so können eventuelle Gefahren im schnelllebigen Umfeld des Internets rechtzeitig erkannt und analysiert werden.
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Die Domainanalyse hat auch gezeigt, dass sehr viele Domains von Fans der Automarke Ford registriert wurden. Daher wurde im Projekt aus dem Jahr 2005 die Empfehlung ausgesprochen, eine Auszeichnung der besten Webseite durchzuführen, den Ford FanAward. Dies wurde 2006 und 2008 mit großem Erfolg umgesetzt (www.ford-fanaward.de).
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Fazit
Das gemeinsame Praxisprojekt zwischen der Ford Werke Deutschland GmbH und der Fachhochschule Köln ist ein Versuch, die frei im Internet zugänglichen Informationen für ein Unternehmen sinnvoll aufzubereiten. Dabei wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Zu schnell sind die Entwicklungen und Möglichkeiten, die das Internet bietet. Neue Medienformate wie Podcast, Online Video Sharing oder Second Life werden aufgenommen und auf ihre Relevanz für Ford geprüft. Ford hat erkannt, dass es wichtig ist, das Internet und insbesondere die Bereiche im Internet, die außerhalb des Einflussbereiches von Ford liegen, systematisch zu beobachten. Das Internet ist bereits heute das meinungsbildende Medium. Immer stärker wird die Kaufentscheidung durch das Internet beeinflusst und imageschädigende Informationen haben ihren Ursprung im Internet. Daher ist es für Unternehmen unabdingbar, Informationen aus dem Internet systematisch zu recherchieren und zu analysieren, damit sie in Entscheidungen Eingang finden.
Vom Verkaufslastwagen zum „orangen Riesen“ – eine Untersuchung zur Werbesprache der Migros Laetizia Christoffel
Abstract What once started with a lorry and the six products rice, sugar, farinaceous foods, coconut grease, coffee and soap, has now advanced to the biggest Swiss retail business group. When five lorries drove out on August 25th, 1925 to sell those six products in the streets of Zurich it brought out enormous rejection, even riots and boycott. Back then nobody suspected this small company to develop into a huge wholesale trading company. The advertising contributed to the development, too: Migros is the most active advertiser of Switzerland and thanks to its humorous advertisements it has a positive image. Next to trademark and slogans like "Migros got it" or "you better buy at Migros" another notion established in the media: references about the "orange giant", which need no additional explanations. This notion was never communicated by the company itself, but became popular in the media because of the consistent use of the orange coloured business logo for decades – a proof in the power of trademarks. The company itself promoted its products from 1942 onwards in its own weekly magazine. I analysed the food advertisings of the company from 1947 to 2002 in periods of five years. The advertising of the company was – contrary to the facts in the literature – already in 1947 very emotional. In literature you find statements that the early advertising is informative, later, when the informative advertising got less important, it gradually became emotive. This is not the fact for Migros: The early advertisements speak about paradise, they create perfect worlds and personalize the products strongly. The analysis of the key words proved that – as expected – quality and sensory aspects were used most often in the advertisements over the 55 years period, but in 1977 and in 1992 aspects of health were also mentioned; low costs were important in 1982, astonishingly at a time when the world economy was not in a crisis.
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Laetizia Christoffel Der Anfang einer Idee
Am 25. August 1925 begann die Geschichte der Firma Migros. An diesem Tag fuhren fünf Lastwagen zum ersten Mal in die Zürcher Quartiere. Die Lastwagen führten sechs Produkte mit sich: Reis, Zucker, Teigwaren, Kokosfett, Kaffee und Seife. Ziel war es, diese Produkte den Stadtbewohnern in den Wohngebieten zu verkaufen. Diese neuartige Distributionsart führte damals zu Aufsehen und Widerstand, bis hin zu Straßenschlachten und Boykotten über mehrere Jahre hinweg. Dass das damalige Kleinstunternehmen Migros trotzdem eine Entwicklung in Richtung Großkonzern nehmen würde, ahnte zu jener Zeit wohl kaum jemand. Trotzt aller Hindernisse schaffte es der Firmengründer Gottlieb Duttweiler, das kleine Unternehmen wachsen zu lassen: 1926 eröffnete er das erste Verkaufsgeschäft in Zürich und 1948 erregte er Aufsehen mit dem ersten Selbstbedienungsgeschäft. Die Verkaufsstellen wurden nach und nach mit einem reichhaltigen Sortiment und verschiedenen Abteilungen ausgebaut, so dass die Migros zur führenden Warenhauskette in der Schweiz avancierte, welche vorwiegend eigene Produkte herstellt und verkauft, seit 2002 aber auch vereinzelt Markenartikel vertreibt. Kerngeschäft ist nach wie vor die Lebensmittelbranche mit firmeneigenen Produktionsbetrieben für Backwaren oder Dosenkonserven und vieles mehr; inzwischen führt das Unternehmen aber neben Lebensmitteln auch Wohn- und Bürobedarf, Bekleidungsartikel sowie Elektrogeräte und betreibt eigene Reisebüros, Treibstoffvertriebe und eine Buchhandelskette oder bietet Dienstleistungen an wie Kursangebote oder Finanzgeschäfte. Für seine Firma warb Duttweiler in den Anfängen mit ganzseitigen Informationsanzeigen und Stellungnahmen zu verschiedenen Themen in den Zeitungen – war er doch auch Gründer einer eigenen politischen Partei – und ab 1942 gab er eine eigene Wochenzeitung1 für die Genossenschafterinnen und Genossenschafter der Firma Migros heraus, in welcher neben einem redaktionellen Teil für Angebote und Produkte der Firma geworben wurde.2 Außerdem hat die Werbekommunikation des Unternehmens zur Entwicklung von den Verkaufslastwagen zum marktführenden Großverteiler beigetragen: Ist die Migros doch inzwischen das Unternehmen der Schweiz, welches am intensivsten Werbung betreibt. Und aufgrund seiner humorvollen Werbung genießt das Unternehmen ein nachhaltig positives Image.3 Wegen des orangefarbenen 1
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Heute ist das Magazin mit einer beglaubigten Auflage von 1.579.796 Exemplaren eine der größten Zeitschriften der Schweiz. Das anfänglich als Aktiengesellschaft gegründete Unternehmen wurde 1941 in eine Genossenschaft umgewandelt. Diesen juristischen Status hat das Unternehmen noch heute. Hier sei vor allem auf die Kino- und Fernsehwerbung verwiesen, die in weiten Teilen der Bevölkerung bekannt ist und auf Wohlwollen stößt. Allerdings sei hier noch erwähnt, dass auch die Anzeigenwerbung der Firma oft mit Humor arbeitete.
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Firmenlogos hat sich auch der Begriff „oranger Riese“ etabliert, obwohl das Unternehmen selbst nie explizit mit diesem Begriff geworben hat. Diese Bezeichnung hat sich durch die Medien etabliert.
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Die Untersuchung
Wie aber warb das Unternehmen selbst für seine Produkte? Für die Untersuchung dieser Frage wurden die Anzeigen für Lebensmittel aus der firmeneigenen Wochenzeitung Wir Brückenbauer4 einer stichprobenartigen Analyse unterzogen. Für die Stichprobe wurden in Schritten von jeweils fünf Jahren ein bis zwei Monate der Jahrgänge 1947 bis 2002 untersucht.5 Die Datenanalyse sollte zwei Richtungen aufzeigen: Einerseits wurden die Anzeigen auf ihren Gehalt an informativen Aussagen und an emotionalen Sprachelementen untersucht, andererseits wurden die von den Anzeigen vermittelten sozialen Werte betrachtet. Zur Bewertung des Untersuchungsmaterials wurden Kriterien und Kategorien aufgestellt, anhand welcher die in den Anzeigen vorgefundenen Elemente eingeteilt werden konnten. Die Werbetexte wurden einerseits einer qualitativen Prüfung unterzogen, andererseits wurden die Daten quantitativ erfasst. Bei der qualitativen Untersuchung wurden die Werbetexte und – bei einem Zusammenhang von Bild und Text – auch die in den Anzeigen verwendeten Bilder auf Elemente hin untersucht, die den Kundinnen und Kunden Informationen liefern oder solche, die Emotionen erzeugen. Folgende Inhalte wurden als Indizien für informative Werbung bewertet: Preisinformationen, Nennungen zur Erhältlichkeit eines Produkts, Angaben über Zahlungsmodalitäten oder über Inhaltsstoffe sowie Herkunftsangaben und Produktionsmethoden. Dennoch, einige dieser Werbeargumente wurden von den Werbern nicht nur zu informativen Zwecken eingesetzt, sondern auch, um bei den Rezipientinnen und Rezipienten Eindruck zu machen. Als Emotionen erzeugende Elemente werden häufig Sprachspiele eingesetzt, worunter mehrere rhetorische Mittel zusammengefasst werden können wie eine individuelle Rechtschreibung, die Verwendung von Dialektismen, der Gebrauch von emotionsgeladenen Wörtern sowie von doppel- und mehrdeutigen Wörtern, die Verwendung steigernder Kompositionen, aufwertender Appellative oder die Benennung der Ware mit Hochwertwörtern, der Gebrauch von Superla4 5
Später wurde die Wochenzeitung Migros-Magazin genannt. Je nach Anzeigenmenge in den einzelnen Jahrgängen wurden ein oder zwei Monate als Untersuchungseinheit genommen, so dass die Stichprobe für alle Jahrgänge eine relevante Datenmenge aufwies. Für eine weiterführende Untersuchung zur Werbesprache werden zurzeit unter anderem auch spätere Jahrgänge des Migros-Magazins analysiert.
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tiven und Komparativen, Übertreibungen, das Verdrehen von Aussagen, der Gebrauch und die Abwandlung von Phraseologismen, ironische Aussagen sowie das Auseinanderklaffen von Bild- und Textaussage (Bild-Text-Schere). Dazu können aber auch Appelle an die Sensorik und Genussbeschreibungen gerechnet werden, und stark emotional beladen sind die Personifizierung von Produkten, die Verwendung von Kindchenschemen, die Schilderung von angenehmen Situationen und die Erschaffung von Scheinwelten. Bei der quantitativen Untersuchung wurden die Hochwert- und Schlüsselwörter der Anzeigen auf verschiedene Richtungen sozialer Werte hin untersucht. Es wurden die sieben folgenden Wertekategorien festgelegt: Nennungen von Qualität, Preisvorteilen, Komfort, ökonomischer Verwendung des Produkts, sensorischen Merkmalen, Genuss sowie Ernährungs- und Gesundheitsbewusstsein.
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Die Werbesprache des Unternehmens
Die qualitative Untersuchung zeigte, dass schon in der frühen Werbung Elemente benutzt wurden, die Emotionen erzeugen. Bereits in den Anzeigen aus dem Jahr 1947 wurden sowohl mit der Sprache als auch mit Bildern Stimmungen und positive Situationen geschaffen. Als Beispiel sei an dieser Stelle eine Anzeige für eine Orange – ebenfalls aus dem Jahr 1947 – erwähnt: In der Werbung wird die Frucht beschrieben, als sei sie direkt aus dem Paradies oder aus Arkadien in die Verkaufsgestelle der Migros gekommen. Mit Worten wird eine Scheinlandschaft, ein Schlaraffenland geschaffen, aus welchem die Frucht stammt: „dem Land der Sonne und des ewigen Frühlings“ (Wir Brückenbauer, 14. März 1947). Den Kundinnen und Kunden wird schnell klar, dass sie mit dem Genuss der Frucht direkt Anteil nehmen können an diesem süßen Paradies. Zu bedenken ist, dass diese Werbung nur kurze Zeit nach Kriegsende erschienen ist. Obwohl die Schweiz nicht direkt in den Krieg involviert war, spürten die Menschen auch hier die Auswirkungen des Krieges durch die Rationierung von Lebensmitteln, die nach dem Kriegsende nur nach und nach aufgehoben wurde. Die widrigen Umstände des täglichen Lebens lassen sich aus den Anzeigen herauslesen: Immer wieder wurde in der Nachkriegszeit darauf hingewiesen, dass ein bestimmtes Produkt wieder erhältlich ist oder es wurde auf „echte“ Inhaltsstoffe der Produkte hingewiesen im Gegensatz zu den Ersatzstoffen, mit welchen die Lebensmittel während der Kriegsjahre ergänzt wurden. Der Anzeigentext über die paradiesische Frucht muss damals einen enormen Gegensatz zum ärmlichen Alltag dargestellt haben und veranschaulicht vielleicht auch das Verlangen nach Frieden und Ruhe. Erstaunlich mag es allerdings klingen, dass noch in den späteren An-
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zeigen mit dem Schlaraffenland und dem Paradies geworben wurde: „Schlemmen wie im Schlaraffenland“ (Wir Brückenbauer, 12. März 1982) und „Sowas gibt’s eigentlich nur im Paradies. Oder eben in der Migros.“ (Wir Brückenbauer, 22. Oktober 1997). Neben diesen fiktiv geschaffenen Landschaften wurden reale Herkunftsangaben eines Produkts gedruckt. Hierbei kann festgestellt werden, dass die Werbung im Laufe der Zeit genauer wird, indem beispielsweise statt des Herkunftslandes die Herkunftsregion, das Produktionsgebiet oder der Verarbeitungsort genannt werden. Bis in die sechziger Jahre steigt die Verwendung von Taktiken, die Emotionen erzeugen konstant an. Ende der siebziger und anfangs der achtziger Jahre dominiert dann die informative Werbung in den Anzeigen des Unternehmens; emotional wird die Anzeigenwerbung erst wieder in der darauf folgenden Zeit. Bei der Verteilung der Hochwert- und Schlüsselwörter auf die verschiedenen Wertekategorien, konnte festgestellt werden, dass in der Anzeigenwerbung bis anfangs der siebziger Jahre Qualität und sensorische Wahrnehmungen dominieren. 1977 und nochmals 1992 kommt allerdings auch ein Gesundheitsbewusstsein auf: In beiden Jahrgängen wird hauptsächlich mit Appellen an die Gesundheit geworben. Anfangs der achtziger Jahre ziehen anscheinend auch Preisvorteile, da die Werbung damit argumentiert – interessanterweise wurde der Preis in der Werbung zum Thema, als die Wirtschaft weit entfernt war von einer Krise. Neben sensorischen Merkmalen werden in den Anzeigen von 1997 der Genuss und die Lebensfreude, die der Verzehr eines bestimmten Produkts bereitet, am zweithäufigsten genannt und in den Anzeigen aus dem Jahr 2002 wird neben Qualitätsargumenten auch der Komfort erwähnt, den das Produkt bei der Zubereitung bietet. Zusammengefasst kann gesagt werden, dass die Anzeigen der Migros die Kundinnen und Kunden stark mit Emotionen zu überzeugen versuchten: Sehnsüchte und Wünsche wurden schon früh geweckt, wozu heile Welten geschaffen oder Produkte personifiziert wurden. Allerdings muss an dieser Stelle noch gesagt werden, dass die Werbung damals auch sehr informativ war: Inhaltsstoffe eines Lebensmittels wurden vor allem in der Nachkriegszeit, aber auch Ende der siebziger und achtziger sowie anfangs der neunziger Jahre erwähnt, als das Ernährungs- und Gesundheitsbewusstsein wichtig wurden. Anhand der Anzeigen der Migros kann aufgezeigt werden, dass die informative Werbung nicht linear abnahm und die emotionale Werbung nicht dementsprechend häufiger eingesetzt wurde: Emotionale und informative Werbung wechseln sich eher intervallartig ab, und ausgerechnet in den Anzeigen aus jüngster Zeit wird wieder häufiger auf informative Werbeargumente zurückgegriffen.
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Quellen Wir Brückenbauer (später Migros-Magazin), Zürich, 1942–2007.
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Vom Verkaufslastwagen zum „orangen Riesen“
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Börsenmarken und Markenprodukte der Börse – Analyse einer Insidersprache Simone Walter
Abstract Today the stock exchange has become an indispensable market instrument and thus also a target of advertising messages. Beside special brands like the DAX, which is already a registered trademark, there are specialized stock exchange trademarks which have individual services such as commodity future transactions at futures exchanges. The stock exchange has developed into an extraordinarily complex structure that is and will become more difficult to understand completely and correctly, both as well organizationally and linguistically. If German is as a foreign language to the reader, it becomes even more difficult. Within the field of linguistics the language of the stock exchange has already been described in different ways. With the help of the German research into collocations a new way to analyse linguistic structures can be found. The paper, which also considers collocations theoretically, shows on the basis of a study of stock exchange market reports published in the trade paper Handelsblatt , how insider language can become more transparent.
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Problematik
Wörter können in unterschiedlicher Weise miteinander verbunden werden. Manche Kombinationen werden als relativ fest angesehen, andere weniger. Diese Wortverbindungen sind für jede Sprache individuell und charakteristisch. Insbesondere an Nicht-Muttersprachler stellt das Erkennen, Erfassen, Erlernen und Anwenden dieser Wortverbindungen hohe Anforderungen. Der Schwierigkeitsgrad wächst desto mehr, je tiefer in Fachsprachen mit einer spezialisierten Fachterminologie eingedrungen wird. Wenn die Fachtermini nicht mit der richtigen Wortumgebung angewendet werden, kann ein Text schnell unprofessionell wirken oder sogar Missverständnisse hervorrufen. Eine spezielle Form der charakteristischen Wortverbindungen wird Kollokation genannt.
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Simone Walter Theoretisches zur Kollokation
Die linguistische Erforschung der deutschen Sprache bietet noch vergleichsweise wenige Veröffentlichungen zu Kollokationen.1 In der jüngeren Vergangenheit haben sich Hausmann (2004), Helbig (2006) und Burger (2006, 2007) intensiver mit diesem Thema auseinandergesetzt, doch die Frage nach einer Definition ist nicht so leicht zu lösen. Bis heute gibt es keine befriedigende Antwort.2 Interessant ist der Ansatz von Hausmann (2004), der sich auf die Struktur der Wortverbindung bezieht. Eine Kollokation besteht aus zwei Komponenten: einer Basis und einem Kollokator. Die Basis ist hierbei für einen Fremdsprachler relativ leicht zugänglich, während der Kollokator insbesondere beim Formulieren schwerer zu handhaben ist. Als Beispiele werden hier Anker lichten und himmelweiter Unterschied genannt. Anker und Unterschied sind die leicht nachzuschlagenden Basen, lichten und himmelweit stellen jedoch typisch deutsche Verbindungen zu diesen Basen dar (Hausmann 2004: 311).
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Zur Börsensprache
Ein kleiner holländischer Handelsplatz3 aus dem 14./15. Jahrhundert hat sich zu einem weltumspannenden Netz von Börsenhandelsarenen im Computerzeitalter entwickelt – entsprechend bildete sich eine börsenspezifische, hoch verdichtete Sprache heraus, die nur noch dem Insider wirklich zugänglich ist. Fluck (1996: 61–62) hat einige Merkmale der Börsensprache beschrieben, die hier kurz aufgeführt werden. Zunächst besticht die Sprache durch eine beeindruckende Konzentration an Fachtermini wie Industrieanleihe, Kassakurse, Lombardsatz oder Warentermingeschäfte. Metaphorische Formulierungen insbesondere aus den Bereichen der körperlichen Verfassung (gut erholt, sich bessern, beruhigen), des Kampfes (sich behaupten, nachgeben), des Sports (zu den Spitzenreitern zählen) oder der Bewegung (fallen, zurückgehen) umkleiden diese Termini. Die Börsenlage wird oft mit einer menschlichen Stimmung wie freundlich, lustlos oder verstimmt gezeichnet. Bewegung und dynamische Veränderung sollen ausgedrückt werden, ohne dass man den Grund dafür preisgeben muss, spezielle häufig gebrauchte reflexive Verben (sich halten, sich bessern, sich abschwächen) unterstützen dieses Ziel. Als eine besondere Eigenart der Börsensprache beschreibt Fluck die fast durchgängigen Personifizierungen (die Märkte 1
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In der Anglistik beispielsweise ist die Kollokationsforschung sehr viel ausgeprägter. Vgl. z. B. Rothkegel (1994) und Wotjak (1994). In dieser Fragestellung hilft auch die Anglistik wenig weiter. Der Name Börse leitet sich wahrscheinlich von der Brügger Kaufmannsfamilie van der Burse ab.
Börsenmarken und Markenprodukte der Börse
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schlossen lustlos, der Dollarkurs erfreute sich einer Wiederbelebung). Als fachspezifisch sieht er auch die oft vorkommenden prädikativen, modalen Adjektive oder modalen Adverbialbestimmungen (Stahlaktien tendierten schwächer, Autoaktien notierten leichter) an.
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Korpus und Methode
Das Untersuchungsmaterial besteht aus zehn, nach dem Zufallsprinzip ausgedruckten Börsenmarktberichten der Online-Version des Handelsblattes vom 4. bis 27. November 2007. Die heute größte deutschsprachige Wirtschafts- und Finanzzeitung Handelsblatt spricht die Sprache einer anspruchsvollen Leserschaft. Neben Bereichen wie Unternehmen und Politik hat die Börse eine eigenständige Rubrik aufzuweisen. Sie ist gegliedert in Marktberichte, Börse Inside, Kurse + Charts, Neuemissionen, Rohstoffe + Devisen und Dax-Sentiment. Die Marktberichte bieten neben den vielen knappen Aktienanalysen des Tages aktuelle, ausführlichere Börsenberichte. Die Tendenzen an der Börse werden beleuchtet, beeinflussende Faktoren werden betrachtet und Kursverläufe in Augenschein genommen. Daher können diese Börsenmarktberichte als repräsentativ für die aktuelle Börsensprache angesehen werden. Die Börsenmarktberichte wurden systematisch auf das Vorhandensein von fachsprachlichen Kollokationen untersucht. Die Bestimmung der Kollokation erfolgte nach der unter Punkt 2 beschriebenen Theorie Hausmanns (2004). Problematisch ist insbesondere die Abgrenzung einer Kollokation. Vorhandene deutschsprachige Wörterbücher eignen sich nicht zur Überprüfung, da diese nur unvollständig mit Kollokationen ausgerüstet sind, fachsprachliche Kollokationen sind kaum vermerkt. Die Entscheidungen beruhen daher auf meiner langjährigen praktischen Erfahrung sowohl durch die anspruchsvolle Tätigkeit in der deutschen Wirtschaft als auch durch das Unterrichten von Wirtschaftsdeutsch an einer Universität im Ausland.
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Ergebnisse und Beispiele
Bereits Fluck (1996) hat, wie unter Punkt 3 beschrieben, für die Börsensprache charakteristische Wortgruppen markiert, die nach der Theorie von Hausmann (2004) als Kollokation identifiziert werden können. Kollokationen haben mit einer Basis und einem Kollokator normalerweise eine binäre Struktur. Doch im anspruchsvolleren Sprachgebrauch weist Hausmann (2004: 316) auf das Vorhandensein von Tripelstrukturen wie konkrete
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Simone Walter
Hilfe leisten hin und schließt quartäre Einheiten nicht aus, was sich in dieser Untersuchung bestätigte. So sind für die insgesamt 297 aufgetretenen fachsprachlichen Mehrwortkollokationen der relativ hohe Anteil an Tripelstrukturen mit 18,9 Prozent und selbst die 3 Prozent an sogar quartären Kollokationen nicht wirklich überraschend, da für die Börsensprache ein Komplex ausgefeilter Formulierungen typisch ist. Einige Beispiele für den Dax sind hier aufgeführt: DAX DAX DAX DAX
beendet gut behauptet gibt ab notiert bei startet tiefer
DAX DAX DAX DAX
büßt ein geht aus dem Handel legt zu stürzt ab
Durch das Aufbrechen der Börsensprache in Kollokationen wird diese klarer und besser verständlich. In verschiedener Weise lassen sich die Kollokationen z. B. noch gruppieren und Kernaussagen sind ableitbar; für den Fremdsprachenerwerb bietet sich die Möglichkeit, entsprechende Übersetzungslisten anzufertigen und letztlich bieten die Kollokationen hier eine effektive Grundlage für die Sprachproduktion. Diese Publikation gehört in den Bereich der fachsprachlichen Analysen, die sich auf ein Gebiet innerhalb der Fachsprache der Wirtschaft konzentriert hat. Die Kollokationsanalyse nach Hausmann (2004) hat sich dabei als vorteilhafte Methode erwiesen. Allerdings muss auf dem Gebiet der theoretischen, germanistisch-linguistischen Forschung zur Kollokation noch erhebliche Forschungsarbeit geleistet werden, bevor sie als Standardmethode eingeführt werden kann.
Literatur Breuer, Ulrich/Hyvärinen Irma (Hrsg.) (2006): Wörter – Verbindungen. Festschrift für Jarmo Korhonen zum 60. Geburtstag. Frankfurt am Main. Burger, Harald (2006): Zur Phraseologie des Wetters. In: Breuer et al. (2006): 135–151. Burger, Harald (2007): Phraseologie. Eine Einführung am Beispiel des Deutschen. Berlin. Fluck, Hans-Rüdiger (1996): Fachsprachen. Einführung und Bibliographie. Tübingen/Basel. Hausmann, Franz Josef (2004): Was sind eigentlich Kollokationen? In: Steyer (2004): 309–334. Helbig, Gerhard (2006): Funktionsverbgefüge – Kollokationen – Phraseologismen. Anmerkungen zu ihrer Abgrenzung – im Lichte der gegenwärtigen Forschung. In: Breuer et al. (2006): 165–186. Rothkegel, Annely (1994): Kollokationsbildung und Textbildung. In: Sandig (1994): 499523.
Börsenmarken und Markenprodukte der Börse
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Sandig, Barbara (Hrsg.) (1994): Europhras 92: Tendenzen der Phraseologieforschung. Bochum. Steyer, Kathrin (Hrsg.) (2004): Wortverbindungen – mehr oder weniger fest. Institut für deutsche Sprache. Jahrbuch 2003. Berlin/New York. Wotjak, Gerd (1994): Nichtidiomatische Phraseologismen. In: Sandig (1994): 651677.
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V. Institutionen und ‚Orte‘ als Marken
Universitäre Corporate-Identity- und Markenbildung als Diskurs – diskurslinguistische Analysezugänge Patrick Bal
Abstract Due to changing general conditions in the policy of higher education and increased competition on the national and international education market German universities carried out extensive corporate identity formation and branding processes within the last years. It became clear that strategies and instruments of communication which may work well in commercial enterprises cannot easily be adopted. In fact, to eventually be successful, they have to be adapted to the structural characteristics of institutions such as a university. Therefore, often it is even necessary to consider new instruments of communication and to put these to the test. Research on this current topic is not only of interest from the point of view of economics or communication studies, but also from a linguistic perspective. This paper presents such a linguistic approach, taking the corporate identity and branding process of the TU Darmstadt which started in the spring of 2006 as an example. I will describe how methods of linguistic discourse analysis and text (type) linguistics may be applied as a possibly rewarding approach for research on such processes of corporate identity formation and branding that universities undergo. The present study focuses on these main questions: How is the concept of a (brand) identity of the TU Darmstadt negotiated and constituted by the participating stakeholders by means of specific text types in the course of the process up to the publication of a final mission statement? What are the reasoning patterns specific stakeholders use to justify or criticize particular concepts in the course of the process? The concept of 'services' offers an example for analysis to be presented in this article.
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Einleitung
Die deutschen Universitäten und Hochschulen haben in den letzten Jahren aufgrund veränderter bildungspolitischer Rahmenbedingungen (z. B. Hochschulautonomie, Studiengebühren, Bologna-Prozess) und eines zunehmenden Wett-
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Patrick Bal
bewerbs auf dem nationalen und internationalen Bildungsmarkt verstärkt umfangreiche Corporate-Identity-(CI)- und Markenbildungsprozesse durchgeführt1. Das zentrale Ziel solcher strategischen Marketing-Maßnahmen zum Aufbau einer starken Universitätsmarke ist es, die Universität und ihre Leistungen auf dem Bildungsmarkt langfristig gut zu positionieren und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit der Institution auszubauen und zu stärken. Bei der Planung und Durchführung von universitären Corporate-Identityund Markenbildungsprozessen hat sich gezeigt, dass Strategien und Instrumente der CI- und Markenbildung, die sich bei Unternehmen bewährt haben, nicht ohne Weiteres übernommen werden können. Sie müssen – sollen sie erfolgreich greifen – den strukturellen Gegebenheiten und Eigenheiten von Universitäten angepasst werden. Insbesondere folgende zwei Umstände sind hierbei besonders zu beachten:
Die internen und externen Anspruchsgruppen – Stakeholder – einer Universität sind vielfältig und äußerst heterogen (vgl. Gerhard 2004: 120125); sie differieren nicht nur nach Statusgruppen wie z. B. wissenschaftlichem und administrativem Personal, (potentiellen) Studierenden, Alumni, Unternehmen etc., sondern weiter nach Fachbereichen bzw. Fächerkulturen und zahlreichen weiteren – oft schwer identifizierbaren – Gruppierungen (z. B. hochschulpolitischen Interessensgruppen). Ein universitärer CI- und Markenbildungsprozess, der zu einem gewissen Grad der Marktorientiertheit von Unternehmen und den Prinzipien der Unternehmenskommunikation folgt, ist für viele Universitätsmitglieder in Deutschland bislang eine neue, ungewohnte Maßnahme, die Veränderungswillen abverlangt. Vorbehalte und auch Widerstände sind daher zu erwarten.
Eine primär „top-down“ verordnete Corporate Identity und Markenidentität werden aufgrund dieser Umstände in der Regel wenig erfolgreich sein. Zum einen würden sie der Vielzahl der Positionen einer Universität nur wenig gerecht werden, zum anderen würden die Universitätsmitglieder sie wohl auch nur bedingt akzeptieren. Beispiele aus der Praxis wie der CI- und Markenbildungsprozess „markant“ der Technischen Universität Darmstadt zeigen, dass es daher erforderlich ist, Formen der Beteiligung wie z. B. Foren oder Umfragen in solche Prozesse einzubinden (vgl. Erhardt et al. 2008: 101). 1
Zu dem Bereich Hochschulmarketing einschließlich des Themas universitäre Markenführung sind angesichts der Aktualität in den letzten Jahren zahlreiche Publikationen erschienen (z. B. Gerhard 2004; DAAD 2006; Voss/Gruber 2006; Wefers 2007; Siebenhaar 2008) und zudem auch mehrere Konferenzen abgehalten worden (z. B. Januar 2007 in Münster, ausgerichtet vom CHE).
Universitäre Corporate-Identity- und Markenbildung als Diskurs
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Neben dem großen organisatorischen Aufwand, der damit einhergeht, bringt die Einbindung solcher Beteiligungsprozesse einige Probleme mit sich. So verfolgen auf der einen Seite das Präsidium und die Marketingabteilung in der Regel das betriebswirtschaftliche Ziel, eine einheitliche kollektive (Marken-)Identität der Universität ‚herzustellen‘. Dem stehen auf der anderen Seite die Vielzahl von Positionen – also zahlreiche individuelle Identitäten – innerhalb der Universität gegenüber, denen gerade durch die Beteiligungsprozesse eine öffentliche Stimme gegeben wird. Aus dieser Diskrepanz sind Konflikte zu erwarten. Wie sollte auf solche Konflikte nun aber am Besten reagiert werden? Ist z. B. die diskursive Suche nach Kompromissen die beste Strategie oder ist es eventuell sinnvoller, der Vielfalt an Positionen nicht allzu viel Gewicht zu geben, diese höchstens als ein Korrektiv heranzuziehen? Um auf solche strategisch wichtigen Fragen gesicherte Antworten zu finden, ist es notwendig, die Eigenarten und die Komplexität von universitären CI- und Markenbildungsprozessen besser zu kennen und zu verstehen, als dies gegenwärtig noch der Fall zu sein scheint. Es besteht somit Bedarf, solche Prozesse oder einzelne Aspekte davon näher zu untersuchen und zu evaluieren. Zudem handelt es sich aufgrund des institutionellen Veränderungscharakters, der hier deutlich sichtbar ist, um ein gesellschaftlich höchst aktuelles Thema (Schlagwort: „Ökonomisierung von Bildung“). Untersuchungen hierzu bieten sich nicht allein aus einer z. B. betriebswirtschaftlichen, pädagogischen oder kommunikationswissenschaftlichen Perspektive, sondern auch aus einem verstärkt sprachwissenschaftlichen – hier vor allem aus einem diskurslinguistischen – Blickwinkel an:
So handelt es sich bei universitären CI- und Markenbildungsprozessen und deren Ergebnissen wie Leitbildern oder Marken um komplexe zeittypische Wissensformationen. Wissen wird, wie Busse (2008: 85) es auf den Punkt bringt, „nur in und durch Sprache als Wissen konstitutiert“ und gelangt „damit in den Status der Ausdrückbarkeit und Kommunizierbarkeit“. Universitäre CI- und Markenbildungsprozesse zeichnen sich durch eine Vielzahl von beteiligten Akteuren bzw. Akteursgruppen aus, die über unterschiedliche Rollen, Interessen und Privilegien verfügen. Es sind gerade die Akteure, „vermittels derer Sprache und Wissen verschränkt sind“ (Warnke/ Spitzmüller 2008b: 16).
Es bietet sich demgemäß an, solche universitären CI- und Markenbildungsprozesse sprachwissenschaftlich als Diskurse zu betrachten also als kommunikative Größen, die sich aus einer im Grunde offenen Menge von Äußerungen und
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Texten zusammensetzen, die „sich mit einem als Forschungsgegenstand gewählten Gegenstand, Thema, Wissenskomplex oder Konzept befassen, untereinander semantische Beziehungen aufweisen und/oder in einem gemeinsamen Aussage-, Kommunikations-, Funktions- oder Zweckzusammenhang stehen“ (Busse/Teubert 1994: 14). Der vorliegende Beitrag möchte exemplarisch an dem konkreten CI- und Markenbildungsprozess „markant“ der TU Darmstadt skizzieren, wie sich Methoden einer Diskurslinguistik nach Foucault (vgl. Warnke 2007b; Warnke 2008; Warnke/Spitzmüller 2008b) unter Umständen gewinnbringend für die Erforschung universitärer CI- und Markenbildungsprozesse anwenden lassen. Folgende Fragestellung bildet den Ausgangspunkt für eine solche beabsichtige methodische Annäherung: Wie und auf welche Art und Weise wird das thematisierte Konzept einer „(Marken)Identität der TU Darmstadt“, das eine komplexe zeittypische Wissensformation darstellt, von den beteiligten Akteuren bzw. Akteursgruppen im Verlauf des Prozesses bis zur abschließenden Veröffentlichung eines Leitbildes sprachlich mittels Texten bzw. Textsorten konstruiert, diskursiv ausgehandelt und konstituiert? Dieser Frage wird sich in diesem Artikel beispielhaft an dem Subkonzept „Dienstleistung“ mittels zweier Analyseverfahren diskurslinguistisch genähert. Diese Verfahren sind zum einen die Untersuchung von Frames bzw. Wissensrahmen und zum anderen die Analyse von Argumentationstopoi.
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Grundlagen und Methoden der Diskurslinguistik nach Foucault
2.1 Der Begriff des Diskurses Bei dem Begriff Diskurs handelt es sich in den Geistes- und Humanwissenschaften um einen „höchst ambigen Begriff“ (Warnke 2002: 128). Es existieren daher zahlreiche, einander auch widersprechende Diskurskonzepte. Allein in der Linguistik finden sich, wie Warnke (2008: 3637) hervorhebt, drei zentrale Bedeutungsdimensionen von Diskurs. Neben den Auslegungen von Diskurs als satzübergreifende Struktur im Sinne von Text und von Diskurs als gesprochene Alltagssprache im Sinne von Dialog oder Gespräch dürfte derzeit in der Linguistik vor allem das Diskurskonzept, das am Foucault’schen Diskursbegriff des Poststrukturalismus anknüpft, am bekanntesten und einflussreichsten sein. Danach werden Diskurse als eine über den Einzeltext hinausgehende kommunikative Größe im Sinne von textübergreifender – transtextueller – Struktur bzw. textübergreifendem Verweiszusammenhang verstanden. Unter dem Gesichtspunkt der textübergreifenden Zeichenorganisation lassen sich Diskurse
Universitäre Corporate-Identity- und Markenbildung als Diskurs
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sprachstrukturell somit als prinzipiell offene Mengen von thematisch-funktional zusammenhängenden und aufeinander bezogenen Äußerungen und Texten beschreiben. Grundlegend für einen solchen Diskursbegriff ist die Alltagserfahrung, dass Texte als grundlegende „Instrumente kommunikativen Handelns“ (Heinemann/Heinemann 2002: 2) in der Regel keine isolierten Größen darstellen, sondern vielmehr „in übergreifende interaktionale Text-Zusammenhänge“ (ebd.: 112) eingebettet sind und sich dadurch in gewisser Weise dialogisch verhalten. So kann z. B. ein Text bzw. eine Textsorte auf vorhergehende Texte/ Textsorten verweisen und schafft überdies auch die Vorrausetzung für potenzielle oder erwartbare Folge-Texte oder Folge-Textsorten. Solche Relationen zwischen Texten oder Textsorten werden unter dem schillernden Begriff der Intertextualität zusammengefasst (vgl. Janich 2008b). Ein Diskurs ist aber, wie Adamzik klar herausstellt, mehr als nur eine Menge von Texten, die sich in irgendeiner Form intertextuell aufeinander beziehen bzw. vernetzt sind: „Es handelt sich [bei Diskursen] nicht um objektiv gegebene und (streng) gegeneinander abgegrenzte Komplexe, sondern um Zusammenhänge, die eine Kommunikationsgemeinschaft im gesellschaftlich-historischen Prozess als geistige Ordnungsgrößen konstitutiert, vor deren Hintergrund einzelne Äußerungen und Texte produziert und rezipiert werden oder, um eine modische Formulierung zu benutzen, in die sie sich einschreiben.“ (Adamzik 2004: 254)
Diskurse als geistige Ordnungsgrößen und sprachdeterminierende Formationssysteme spiegeln folglich das Wissen und die Einstellungen einer Kommunikationsgemeinschaft zu bestimmten Themen, sie prägen aber auch jenes Wissen und jene Einstellungen und wirken „dadurch handlungsleitend für die zukünftige Gestaltung der gesellschaftlichen Wirklichkeit in Bezug auf dieses Thema“ (Gardt 2007: 30).
2.2 Diskurslinguistik nach Foucault Eine Diskurslinguistik nach Foucault, wie sie Warnke (2007b; 2008) theoretisch begründet, folgt Foucaults Arbeiten nicht nur zeitlich nach, sondern sie sieht sich vor allem auch „in einer von Michel Foucault geprägten wissenschaftsgeschichtlichen Tradition […], welche das heuristische Potenzial dieser Arbeiten erkennt und welche ihre Konzepte und Gegenstandsbereiche gemäß den dort entwickelten Theoremen organisiert […]“ (Warnke/Spitzmüller 2008b: 67). Für die methodologische Begründung einer solchen Diskurslinguistik sind insbesondere die vier Prinzipien Umkehrung, Diskontinuität, Spezifizität und Äußerlichkeit wich-
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tig, die Foucault (1974) als die entscheidenden methodischen Grundsätze der Diskursanalyse benannt hat. 1.
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Umkehrung „als Frage nach den Bedingungen, unter denen eine Aussage zustande kommt“ (Warnke 2008: 44): Foucault lehnt eine gängige Sichtweise, die Aussagen als intendierte individuelle Sprachprodukte sieht, ab. Vielmehr versteht er Aussagen als diskursive Effekte in einem komplexen Feld von Diskursbedingungen, das u. a. durch spezifische Haltungen und Einstellungen, Macht und Regulierung geprägt und strukturiert ist. Diskontinuität „als Frage nach den Brüchen in Diskursen“ (Warnke 2008: 45): Dieses Prinzip besagt, dass es kein kontinuierliches Bedeuten der Welt, sondern Brüche im Diskurs gibt. Aussagen sollten demgemäß stets in ihren Widersprüchen zueinander betrachtet werden. Spezifizität „als Absage an die Annahme von konstantem Sinn jenseits diskursiver Aushandlung“ (Warnke 2008: 45): Foucault lehnt die Vorstellung eines ursprünglichen, eindeutigen Sinns von Wörtern und Aussagen ab. Bedeutung ist, wie Warnke/Spitzmüller (2008b: 7) hervorheben, „immer spezifisch, nur im Diskurs gegeben und resultiert aus einer Kontextualisierung im verstehensrelevanten Wissen“. Eine linguistische Diskursanalyse nach Foucault muss daher über den Text als alleinigen Rahmen/Kontext für die Bedeutungskonstruktion hinausgehen und textübergreifende Strukturen von Sprache als Untersuchungsgegenstand in den Blick nehmen. Äußerlichkeit „als Frage nach den Möglichkeitsbedingungen von Aussagen“ (Warnke 2008: 45): Da im Diskurs von den Akteuren ausgehandelt und reguliert wird, was einen diskursiven Status erlangt und was somit überhaupt zu wissen ist, wird für eine linguistische Diskursanalyse nach Foucault „die Suche nach den Bedingungen von Aussagen relevant“ (Warnke 2008: 45). Den Ausgangspunkt für solche Untersuchungen bilden stets die sprachlichen Oberflächenstrukturen.
Oft liegt das wissenschaftliche Interesse diskurslinguistischer Untersuchungen, die sich an Foucault orientieren, auf der Beschreibung und Offenlegung von verstehensrelevanten Wissensbeständen bestimmter gesellschaftlich aktueller Debatten (z. B. Migrations-, Atomenergie- oder Genetikdiskurs). Eine solche Diskurslinguistik kann als Epistemologie verstanden werden; sie ist, wie Warnke und Spitzmüller (2008b: 15) anmerken, „in erster Linie Teil einer Semantik, die verstehensrelevantes Wissen rekonstruiert, das jenseits intendierter Bedeutungen operiert“. Bei solchen epistemologischen Untersuchungen kann die sprachliche Struktur von Äußerungen und Texten und deren bedeutungs- und funktionstragenden Elemente selbstredend nicht außer Acht gelassen werden, da „die Zu-
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gänglichkeit und Identifizierbarkeit von Wissen nur über Darstellungsformate gegeben“ (Busse 2007: 61) ist – zu denen neben sprachlichen Formaten (wie z. B. Begriffen, Prädikationen, Frames oder Textmustern) ferner auch Bilder, Raumformen und praktische Handlungen zu rechnen sind (vgl. Warnke 2008: 43). Eine diskurslinguistische Analyse nach Foucault, die Sprache als ein Teil sozialer Praktiken der Wissensgenese und Wissensformation untersucht, muss demgemäß sprach- und wissensbezogene Diskursanalyse methodisch zusammenführen. Als Methode untersucht die linguistische Diskursanalyse, wie Gardt zusammenfasst (2007: 35), die semantische Dimension sprachlicher Äußerungen „auf grundsätzlich allen Ebenen des Sprachsystems, mit einem Schwerpunkt auf der lexikalischen Ebene, und jenseits der Systemebenen, mit einem zweiten Schwerpunkt auf der Ebene der Textgestaltung, nicht im Sinne einer transphrastischen Textgrammatik, sondern im Sinne eines pragmatisch-funktionalen Textverständnisses“. Hierzu kann – natürlich abhängig vom jeweiligen Erkenntnisinteresse und Ziel der Diskursanalyse – auf eine Vielzahl semantischer Analyseansätze zurückgegriffen werden: z. B. Isotopieanalyse, Präsuppositionsanalyse Frame- bzw. Wissensrahmenanalyse oder die Analyse von Argumentationstopoi. Bei der methodischen Umsetzung einer Diskurslinguistik nach Foucault sind zudem insbesondere auch die Rolle der Handelnden, also der Diskursakteure, und deren Handlungen zu berücksichtigen. Es sind, wie Warnke und Spitzmüller (2008b: 16) betonen, nämlich die Diskursakteure, die Sprache in der Kontextualisierung jeweiliger Wissensbestände gebrauchen, um Wissen wiederum zu generieren, zu reformulieren, zu bestätigen oder abzulehnen. Die Diskursakteure und ihre Handlungen stellen demgemäß eine wichtige Schnittstelle zwischen dem einzelnen Text und dem Diskurs als transtextuelle Struktur bzw. als textübergreifenden Verweiszusammenhang dar: Sie entscheiden durch ihre Handlungen, sowohl was aus einem Diskurs in singuläre Texte eingeht, als auch welche Aussagen und Texte überhaupt in den Diskurs eingehen und somit diskursiven Status erhalten. Dementsprechend sollten bei einer Diskursanalyse auch die spezifischen handlungsbezogenen Diskursbedingungen untersucht werden, die einerseits Aussagen und Texte des Diskurses prägen und die andererseits den Diskurs regulieren; Warnke und Spitzmüller (2008b: 32) sprechen hier von TextDiskurs-Filtern. Es ist u.a. danach zu fragen, „wer zu wem spricht, in welchen sozialen Bereichen Sachverhalte ausgehandelt werden, wer hier besondere Anerkennung genießt und damit auch den Diskurs ideologisch prägen kann, wer überhaupt eine Stimme im Diskurs hat, welche Medien zur Verbreitung von Wissen genutzt werden, wie und wo kommuniziert wird und schließlich welche Intentionen von Akteuren geteilt werden“ (Warnke 2008: 48).
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2.3 Methoden der linguistischen Diskursanalyse Es handelt sich bei Diskursen im Allgemeinen um komplex strukturierte, multidimensionale Gegenstände, die aus einer Fülle von bedeutungs- und funktionstragenden Elemente bestehen: „Neben verschiedenen Komplexitätsformen von Elementen des Sprachsystems – denn keineswegs sind Wörter prädestinierte Objekte der Diskurslinguistik – sind dies insbesondere visuelle Kommunikate, Raumstrukturierungen und Handlungen von Diskursakteuren.“ (Warnke/Spitzmüller 2008b: 8)
Eine diskurslinguistische Analyse wird sich aufgrund der komplexen Morphologie von Diskursen immer auf Teilgegenstände beschränken müssen. Hier sollte sie sich zudem – will sie ihren fachwissenschaftlichen Kompetenzrahmen nicht überschreiten – im Wesentlichen auf sprachliche Diskursdimensionen konzentrieren. Da Sprache häufig aber nur ein Teilmedium bei der Symbolisierung von Diskursen darstellt und zudem in Diskursen verschiedene semiotische Systeme oft miteinander vernetzt sind (z. B. Text-Bild-Relationen), kann es bei gewissen diskurslinguistischen Fragestellungen auch notwendig sein, nicht-sprachliche Diskursdimensionen oder Dimensionsvernetzungen in die Analyse miteinzubeziehen (vgl. Warnke/Spitzmüller 2008b: 814). Aufgrund der Komplexität von Diskursen und der Vielzahl der daraus resultierenden Fragestellungen kann es nicht genau die ‚eine‘ diskurslinguistische Methode oder ‚den‘ Analyseansatz geben. Je nach Fragestellung und Ziel werden bestimmte (sprachliche) Aspekte mehr im Vordergrund stehen und daher auch bestimmte Analyseansätze und -zugänge aus einem breiten Spektrum von Möglichkeiten geeigneter als andere sein. Gerade deshalb ist ein diskurslinguistisches Methodensystem erforderlich, auf dessen Grundlage sich gezielt methodische Entscheidungen für spezifische Fragestellungen treffen lassen und das, wie Warnke und Spitzmüller (2008b: 56) betonen, auch die Einhaltung der wissenschaftlichen Prinzipien von Validität und Reliabilität sichern sollte. Diesbezüglich sind unlängst mehrere Modelle entwickelt worden. Hier sind u. a. das diskursanalytische Mehrebenenmodell von Spieß (2008) und das Modell für eine diskurslinguistische Mehr-Ebenen-Analyse – kurz DIMEAN – von Warnke und Spitzmüller (2008b: 2345) zu nennen. In diesem Rahmen sollte obendrein das ganzheitliche Modell von Janich (im Druck) für die Analyse von Textsorten-Intertextualität erwähnt werden: „Das Analysemodell stellt handlungsorientiert die Perspektive der Kommunikationsteilnehmer in den Mittelpunkt, um über deren kommunikative Aufgaben und Probleme im Rahmen ausgewählter Handlungsfelder zu einer systematischen Beschreibung von Textsortenvernetzungen und einer empirischen Analyse der aus diesen Netzen resultie-
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renden konkreten Textrealisationen zu gelangen“ (Janich 2008b: 194). Auch wenn es sich hierbei nicht vordringlich um ein diskursanalytisches Modell handelt, so stellt es aufgrund seines differenzierten Blicks auf die Intertextualität von Textsorten dennoch eine wertvolle Ergänzung zu diskursanalytischen Modellen dar. Abschließend soll das erwähnte DIMEAN-Modell von Warnke/Spitzmüller kurz beschrieben werden, da dieses sich auch für die diskurslinguistische Untersuchung von CI- und Markenbildungsprozessen, wie sie im dritten Kapitel des Artikels praktisch skizziert wird, als sehr hilfreich erweist. DIMEAN ist, um der komplexen Morphologie von Diskursen zu entsprechen, als Mehrebenenmodell konzipiert: „Das Mehrebenenmodell ermöglicht für konkrete empirische Untersuchungen die Auswahl je relevanter Gegenstandsbereiche bei gleichzeitiger Benennbarkeit dessen, was nicht im Fokus des Interesses liegt. Eingebunden ist das Mehrebenenmodell in ein konsekutives Verfahren der Textanalyse, also eine Stufenfolge diskurslinguistischer Untersuchung.“ (Warnke/Spitzmüller 2008b: 24)
DIMEAN differenziert zwischen drei Ebenen der Analyse, die diskurslinguistisch relevant sind. Dies sind die intratextuelle Ebene, die Ebene der Akteure und schließlich die transtextuelle Ebene. Jede der Ebenen zeichnet sich durch spezifische analytische Kategorien und Phänomenklassen aus, die bei der Textanalyse je nach Fragestellung berücksichtigt werden können oder auch nicht. Die intratextuelle Ebene umfasst neben der wortorientierten Analyse (u. a. Schlüsselwörter und Stigmawörter) ferner die Analyse von Propositionen (z. B. Kategorien wie Syntax, rhetorische Figuren, Präsuppositionen, Implikaturen, Sprechakte) sowie von Textstrukturen (sowohl die textuelle Meso- und Makrostruktur – z. B. lexikalische Felder, Themenentfaltung oder Textsorte – als auch die visuelle Textstruktur wie Layout und Text-Bild-Beziehungen). Die dort ermittelten Daten dienen der Beschreibung von Sprache in den Teildiskursen des Diskurses. Da der einzelne Text mit dem Diskurs bzw. der transtextuellen Struktur durch die Diskursakteure und deren Handlungen verbunden ist, werden auf der Ebene der Akteure verschiedene handlungsbezogene Kategorien näher untersucht: z. B. Autor(schaft), antizipierte Adressaten, soziale Stratifizierung, Diskursgemeinschaften, Ideology Brokers, Medium, Kommunikationsformen und -bereiche. Die eigentlich diskurslinguistische Dimension ergibt sich, wie Warnke und Spitzmüller (2008b: 39) herausstellen, erst durch Behandlung der transtextuellen Ebene, worunter beide eine Strukturmanifestation von Sprache verstehen, „(…) deren Konstitutenten singuläre Texte, verstreute Aussagen, Gespräche und nicht-sprachliche Zeichenträger sind“ (ebd.). Die Untersuchungen auf der intratextuellen Ebene und der Ebene der Akteure erfolgen stets vor dem Hintergrund,
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relationale transtextuelle Strukturen ‚sichtbar‘ und beschreibbar zu machen. Wichtige Kategorien, die bei der diskursorientierten Analyse in Betracht kommen, sind u. a. Formen der Intertextualität, Schemata (Frames/Skripts), Argumentationstopoi, Sozialsymbolik oder Ideologien.
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Der CI- und Markenbildungsprozess „markant“ der Technischen Universität Darmstadt als institutioneller Diskurs
3.1 Ziele des CI- und Markenbildungsprozesses „markant“ Das primäre Ziel der ersten Phase des Projekts „markant“2, das hier im Fokus der Untersuchung steht, war es, ein klares fachübergreifendes Selbstverständnis mit positiver Identifikation („Wofür stehen wir?“) und eine präzise Positionierung („Was macht uns einzigartig?“) der Technischen Universität Darmstadt als Basis für den weiteren strategischen Markenaufbau zu erarbeiten. Auch wenn Corporate Identity (CI) und Marke in der Unternehmenspraxis eng miteinander verknüpft sein können und beide wie z. B. auch in dem Projekt „markant“ oft nicht klar voneinander getrennt werden, so handelt es sich hierbei dennoch um zwei verschiedene betriebswirtschaftliche Konzepte:
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Corporate Identity: kann gemäß der Definition bei Birkigt und Stadler (1994: 18) als das Management von Identitätsprozessen einer Organisation verstanden werden: sie ist „die strategisch geplante und operativ eingesetzte Selbstdarstellung und Verhaltensweise eines Unternehmens nach innen und außen auf Basis einer festgelegten Unternehmensphilosophie, einer langfristigen Unternehmenszielsetzung und eines definierten (Soll-)Images – mit dem Willen, alle Handlungsinstrumente des Unternehmens in einheitlichem Rahmen nach innen und außen zur Darstellung zu bringen“. Leitbilder/Mission Statements formulieren die angestrebte oder gewünschte Identität der Organisation. Marke: Die Marke hat im Gegensatz zur Corporate Identity nur eine Bezugsgruppe: den Markt. Eine Marke ist ein Zeichen, das zur Kennzeichnung der Leistungen eines Anbieters und zur Abgrenzung dieser gegenüber der Konkurrenz dient. Sie verkörpert dabei alle bei den Marktteilnehmern verankerten Kenntnisse über die mit dem Anbieter verbundenen Leistungen und Einstellungen. Danach ist die Marke auch ein Bild oder Image im Kopf der Marktteilnehmer, das sich aufgrund der Identität der Marke entwickelt. Diese Phase begann im Frühjahr 2006 und wurde im Februar 2007 mit der inneruniversitären Veröffentlichung eines Leitbildes abgeschlossen.
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Die Markenidentität legt den Kern der Marke fest; sie schließt alle essentiellen, wesensprägenden und zeitlich stabilen Merkmale ein, die aus Sicht der internen Zielgruppen nachhaltig den Charakter der Marke formen. Wie Produktmarken – z. B. Zigarettenmarken – zeigen, müssen Marken nicht zwingend an die Identität des Unternehmens gekoppelt sein. Die Markenidentität von Produktmarken ist im Großen und Ganzen von der CI unabhängig, ohne gegen deren Werte und Ziele zu verstoßen. Da für Universitäten einschließlich der TU Darmstadt in der Regel eine Dachmarkenstrategie – also die Führung aller Leistungen der Universität unter einer einheitlichen Marke – am sinnvollsten ist (vgl. Gerhard 2004: 138-142), ist es notwendig, die Organisationsidentität (CI) und die Markenidentität der Universität weitestgehend strategisch anzugleichen; beide sollten so weit wie möglich identisch sein und keine großen Brüche haben. Aus diesem Grund wird in diesem Artikel – der Einfachheit – von einer universitären (Marken-)Identität gesprochen. Die Universität als Dachmarke entsteht durch eine aktive Inszenierung der Universitätsidentität, die sich an die vorhandenen Images und Erwartungen ihrer Öffentlichkeit, also den verschiedenen internen und externen Anspruchsgruppen, orientiert. Die (Marken-)Identität der Hochschule drückt sich, wie Gerhard (2004: 142) darlegt, durch eine Vielzahl von Facetten und dazugehörigen Elementen aus: hierunter fallen physische Eigenschaften wie Organisationsstruktur, Schwerpunkte, Standort, Qualität und Preis, der ‚Charakter‘ der Universität (z. B. Forschungsschwerpunkt Grundlagen- vs. Auftragsforschung), die Kultur (z. B. Forschungskultur, Lehrkultur), der Bezug zu den Anspruchsgruppen, die Wunschvorstellungen (z. B. Karriereziele) und spontane Zuordnungen der Anspruchsgruppen.
3.2 Skizzerung des Diskurses „markant“ Das Textkorpus für die Diskursanalyse besteht aus schriftlichen Kommunikaten3 bzw. Texten, die zeitlich alle der ersten Phase des Projekts „markant“ zuzuord3
Es liegen von den mündlichen Kommunikaten des Diskurses größtenteils keine Aufzeichnungen vor. Die Diskursanalyse muss sich daher auf schriftliche Kommunikate beschränken. Da aber wichtige schriftliche Kommunikate des Diskurses (z. B. Sitzungsprotokolle, Memos) auf mündlichen Kommunikaten basieren, sind solche Bedingungszusammenhänge zwischen mündlichen und schriftlichen Kommunikaten – sofern dies eindeutig möglich ist – bei der Diskursanalyse stets nachzuzeichnen und darzustellen. Die Unvollständigkeit der Kommunikate und auch die nachträglich kaum mehr ermittelbare Rolle der informellen Kommunikation sind neben Geheimhaltungs- und Anonymisierungspflichten häufige Probleme, mit denen solche institutionellen Diskursanalysen konfrontiert sind und für die entsprechende individuelle Lösungen gefunden werden müssen.
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nen sind. Der zu analysierende Diskurs zeichnet sich dadurch aus, dass er multimedial, multithematisch und multifunktional ist und des Weiteren ein breites, äußerst heterogenes Spektrum an Akteuren und eine Vielzahl von eingesetzten, miteinander vernetzten Textsorten umfasst. Diese besondere ‚Beschaffenheit‘ des Diskurses und die damit einhergehenden Diskursbedingungen sind bei der Analyse miteinzubeziehen:
Multimedial: Zahlreiche der schriftlichen Kommunikate des Diskurses sind multimedial gestaltet, in ihnen werden neben der Schriftsprache auch Bilder und Grafiken eingesetzt. Neben den klassischen Printmedien wurden zudem digitale Medien und Online-Textformen (z. B. PowerPoint-Präsentation, elektronischer Newsletter, Online-Befragung) eingesetzt, deren mediale Besonderheiten bei der Analyse zu beachten sind. Multithematisch: Neben dem Hauptthema bzw. zentralen Strang des Diskurses „Welche (Marken-)Identität hat die TU Darmstadt?“ finden sich weitere Nebenthemen/Nebenstränge, die mit dem Hauptthema eng verknüpft sind. Hierunter fallen solche Themen wie „Weshalb ist eine universitäre Markenbildung notwendig?“, „Was ist eine (Universitäts-)Marke?“ oder „Warum braucht eine Universität eine Corporate Identity?“ Diese Themen sind innerhalb des Diskurses – je nach kommunikativer Situation – unterschiedlich gewichtet; recht oft treten sie in einzelnen Kommunikaten gemeinsam und miteinander verknüpft auf. Multifunktional: Ebenso wie das Themenspektrum des Diskurses ist auch die Bandbreite der erkennbaren kommunikativen Aufgaben und Absichten der Diskursakteure, die diese durch sprachliche und nichtsprachliche Handlungen zu realisieren versuchen, äußerst groß. So informiert z. B. der Akteur Präsidium bzw. die für den Prozess verantwortliche Kommunikationsabteilung über das Projekt und einzelne Phasen, sie bewirbt den Markenbildungsprozess, erklärt, was Markenbildung und eine Marke ist, argumentiert, weshalb ein solcher Prozess notwendig ist, verfasst und veröffentlicht Kernbotschaften zu der Markenidentität und stellt diese zur Diskussion, entwirft und gibt ein Leitbild heraus und so weiter. Breites, heterogenes Spektrum an Diskursakteuren: Neben dem bereits genannten Diskursakteur Präsidium finden sich im Diskurs weitere interne als auch externe Akteure bzw. Akteursgruppen (z. B. Berateragenturen), die durch ihre sprachlichen und praktischen Handlungen jeweils bestimmte Zwecke und Ziele verfolgen. Entsprechend der Komplexität der Institution „Hochschule/Universität“ ist der Diskurs durch ein breites, heterogenes Spektrum von internen Akteuren gekennzeichnet, die nicht nur als Textrezipienten, sondern durchweg auch als Textproduzenten auftreten. Hier sind
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u. a. zu nennen: Präsidium, Kommunikationsabteilung und weitere zentrale Verwaltungsabteilungen, Professoren, wissenschaftliche Mitarbeiter, administrative-technische Mitarbeiter, Studierende und Doktoranden. Ferner können alle diese Akteure verschiedene (hochschulpolitische) Funktionen und Rollen – zum Teil auch mehrere gleichzeitig – einnehmen: z. B. Mitglied in der Universitätsversammlung, Mitglied im Senat, Dekan eines Fachbereichs, Mitglied des Personalrats, Geschäftsführender Direktor eines Instituts, Mitglied im Fachbereichsrat, Referent des AStA, Mitglied in bestimmten Kommissionen und verschiedene mehr. Den Akteuren eröffnen sich je nach Statusgruppe und den Rollen und Funktionen, die sie wahrnehmen, unterschiedliche Handlungs- und Entscheidungsspielräume; zudem beeinflussen diese Faktoren auch das Hintergrund- und Kontextwissen der Akteure zu dem Projekt im Allgemeinen und im Besonderen. Es kommt ferner hinzu, dass die Positionen und Handlungen der Akteure in der Regel durch unterschiedliche Fächerkulturen, (hochschul-)politische Einstellungen/Ideologien, persönliche Ansprüche und Interessen geprägt sind. Es sollte deutlich geworden sein, dass die Beschreibung der Akteursebene sich als äußerst komplex gestaltet. Methodische Ansätze zur Differenzierung von Interaktionsrollen, wie z. B. der Ansatz von Adamzik (2002b), dürften sich hierbei als hilfreich erweisen. Textsortenvielfalt: Schließlich ist noch die Vielfalt der eingesetzten Textsorten hervorzuheben, zwischen denen unterschiedliche Formen der intertextuellen Vernetzung zu beobachten sind (vgl. Janich 2008b; Janich im Druck). Gegenwärtig lassen sich im Korpus weit über 50 verschiedene Textsorten (u .a. Newsletter, FAQ zum Newsletter, Leitbild, Kernbotschaft, Slogan, Experteninterview, Präsentation) ausmachen, die sowohl von der jeweiligen Textmenge (ein Exemplar, z. B. Slogan, bis weit über 1000 Exemplare, z. B. ausgefüllter Fragebogen) als auch vom Umfang der Texte (wenige Wörter, z. B. Slogan, bis mehrere Textseiten, z. B. Zwischenbericht) stark differieren.
Eine Analyse des beschriebenen Diskurses wird schon alleine aufgrund des Umfangs des Korpus nicht alle Kommunikate/Texte bzw. Teiltexte erfassen und untersuchen können. Es muss daher eine Textauswahl getroffen werden, die insbesondere die Texte einschließen sollte, denen innerhalb des zentralen Diskursstranges „Welche (Marken-)Identität hat die TU Darmstadt?“ eine diskursstrukturierende Funktion zufällt, d. h., die den Verlauf des Stranges maßgeblich beeinflussen (vgl. Girnth 2005: 39).
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3.3 Zentrale Prozessschritte des CI- und Markenbildungsprozesses „markant“ Die (Marken-)Identität der TU Darmstadt wurde bis zu ihrer abschließenden Konkretisierung in einem Leitbild4 von der Kommunikationsabteilung der Universität in Zusammenarbeit mit externen Berateragenturen systematisch in mehreren Prozessschritten diskursiv ‚entwickelt‘. Hierbei wurden in unterschiedlicher Form interne Anspruchsgruppen der Universität aktiv miteingebunden. Die einzelnen Prozessschritte zeichnen sich durch Inventare spezifischer Textsorten aus; Formen der intertextuellen Vernetzung von Texten und Textsorten sind nicht nur innerhalb der jeweiligen Prozessschritte, sondern auch über die Prozessschritte hinaus, also zwischen diesen, zu beobachten und zu untersuchen. Im Folgenden werden die einzelnen Prozessschritte und die kommunikativen Aufgaben, die diese kennzeichnen, kurz dargestellt: 1.
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Analyse der Ist-Situation (Schwerpunkt: Februar bis April 2006): Es wurden verschiedene Erhebungen (u. a. Experteninterviews, Rankinganalyse, Medienresonanzanalyse, Befragung der Dekane, Konkurrenzanalyse) durchgeführt, um das Profil der TU Darmstadt mit ihren Stärken und Schwächen, Herausforderungen und Möglichkeiten näher zu erfassen. Formulierung von Markenleitgedanken, Festlegung der Markenidentität (April 2006): Auf der Basis der Analyseergebnisse wurden sechs Thesen zu Markenmerkmalen der TU Darmstadt formuliert, die auf einer zweitägigen Strategieklausur von ca. 20 ausgewählten Mitgliedern der Universität diskutiert und präzisiert wurden. Validierung der Markenidentität (Mai bis Juli 2006) Auf der Grundlage der Diskussionsergebnisse der Strategieklausur wurden vier Kernbotschaften zu der Markenidentität ausgearbeitet. Diese wurden mittels einer OnlineBefragung unter allen Universitätsmitgliedern ‚getestet‘; über 2500 Mitglieder beteiligten sich an der Umfrage. Nach der Auswertung der Befragung wurden die Kernbotschaften korrigiert und präzisiert. Daraufhin wurden in fünf Foren mit je 20 Teilnehmern (Dezernatsebene, Studierende, Professoren, wissenschaftliche Beschäftigte und administrativ-technisches Personal) die Ergebnisse der Online-Befragung und die präzisierten Leitgedanken vorgelegt und diskutiert. Konsolidierung der Ergebnisse (Juli 2006): In einer zweiten Klausurtagung mit ca. 20 ausgewählten Universitätsmitgliedern wurden die bisherigen Ergebnisse vorgestellt und von den Teilnehmern bewertet, ergänzt und korrigiert. Auf der Basis einer vom Präsidium erstellten SWOT-Analyse wurden Vgl. http://www.tu-darmstadt.de/universitaet/profil_1/identitaet/index.de.jsp (13.02.2009).
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schließlich die Ergebnisse zu Eckpunkten für eine Kernidentität und Positionierung der TU Darmstadt zusammengeführt. Entwurf des Leitbilds (Mission Statements) (Spätherbst 2006): Das erhobene Material wurde letztlich in Zusammenarbeit mit einer PR-Agentur mittels der Methode des Storytellings zu einem Leitbild verdichtet. Dieses wurde im Frühjahr 2007 veröffentlicht.
Des Weiteren wurde universitätsintern kontinuierlich über den Prozess informiert. Hierzu wurde ein elektronischer Newsletter eingesetzt (insgesamt acht Ausgaben, sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch), der an alle Universitätsmitglieder verschickt wurde. Ferner wurde im Rahmen verschiedener Versammlungen (z. B. Senat, Hochschulrat, Universitätsversammlung) der Prozess mittels einer PowerPoint-Präsentation vorgestellt.
3.4 Frames und Argumentationstopoi als diskurslinguistische Analysezugänge Unter diskurslinguistischer Perspektive bietet es sich an, die beschriebene Prozessschrittfolge, die sich sprachlich als eine Sequenz von intertextuell vernetzten Aussagen und Texten bzw. Textsorten manifestiert, als ein sprachliches Aushandeln des Konzepts „(Marken-)Identität TU Darmstadt“ zu untersuchen. Dieses komplexe Konzept lässt sich in die vier Subkonzepte Ausbildung, Forschung, Dienstleistung und Kultur ‚aufbrechen‘, welche von der Kommunikationsabteilung der Universität und der beteiligten Beratungsagentur als Kernbereiche der (Marken-)Identität bestimmt wurden. Die inhaltliche (Aus-)Gestaltung dieser Subkonzepte wurde mit Vertretern verschiedener interner Anspruchsgruppen in mehreren Schritten sprachlich ausgehandelt. Dementsprechend kann man hier von einem mehrstufigen gesteuerten Prozess der Bedeutungskonstruktion und -konstitution sprechen. Durch die verschiedenen beschriebenen Beteiligungsformen (Strategieklausuren, Online-Umfrage, Foren) wurde der Diskurs für weitere Akteure bzw. Akteursgruppen geöffnet. Diese hatten in unterschiedlicher Art und Weise die Möglichkeit, sich zu den zur Diskussion gestellten Wissensbeständen zu einzelnen Subkonzepten/Themen zu äußern und diese somit zu kontextualisieren, um sowohl ‚neue‘, von ihnen als wichtig erachtete Wissensbestände zu generieren als auch bereits präsente Wissensbestände zu reformulieren, zu bestätigen oder gar zurückzuweisen. Die den Diskurs steuernden Akteure wiederum waren gefordert, auf diese Wissensformationen zu reagieren, zum Beispiel indem sie einzelne aufgekommene Wissensbestände – unverändert oder umgestaltet – ‚aufnahmen‘ und sie für die anderen Diskursakteure öffentlich sichtbar machten oder indem sie diese aus bestimmten Gründen lieber ‚unter
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Verschluss‘ hielten. Einige Ausschnitte aus dem verhandelten Subkonzept Dienstleistung sollen diesen komplexen Prozess der Bedeutungskonstruktion und -konstitution verdeutlichen: Im Anschluss an die erste Strategieklausur mit ausgewählten Vertretern verschiedener interner Anspruchsgruppen wurde auf Grundlage der durchgeführten Analyse der Ist-Situation von der Agentur zusammen mit der Kommunikationsabteilung folgende Kernbotschaft zu dem Subkonzept Dienstleistung formuliert: „Als Dienstleister vertrauen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft auf unser Wissen, unsere Erfahrung und unsere Forschungsarbeit. Darunter verstehen wir, dass wir engagierte Partner sind, deren Kooperation und Rat gesucht wird – vor allem, weil wir uns auf praxisnahe Problemlösung verstehen.“
In einer uniweiten Online-Umfrage wurde diese Kernbotschaft dann – sowie drei weitere Kernbotschaften zu den anderen Subkonzepten – ‚getestet‘. Die Universitätsmitglieder wurden gefragt, wie sie ihre persönliche Kernbotschaft zur Dienstleistung an der TU Darmstadt formulieren würden und woran sie dies festmachen würden. Diskurslinguistisch besonders interessant ist, dass zahlreiche Teilnehmer das Textfeld dazu nutzten, um die Botschaft zu kommentieren, anstatt eine eigene Kernbotschaft zu formulieren. Hierzu einige Beispiele: „Die Formulierung find ich gut, allerdings sollte beim Thema Dienstleistung auch der ‚Partner‘ Student auftauchen. Als Kunde der Universität. Und das sollte dementsprechend auch umgesetzt werden.“ „[…] wie wird mit der Freiheit der Forschung umgegangen? Wenn sich die Forschung nur noch als Dienstleister versteht, bleibt die Grundlagenforschung auf der Strecke. Aus ihr aber erwachsen echte Innovationen.“ „Für Geisteswissenschaftler gilt das in Bezug auf die Wirtschaft nur eingeschränkt.“ „Warum soll die Uni Dienstleister sein? Sie dient der (Aus-)Bildung …!“
In diesen Kommentaren werden in Verbindung mit Zustimmungen und Ablehnungen zahlreiche zeittypische Wissensaspekte zu dem Konzept Dienstleistung sprachlich thematisiert, die interessante Einblicke in das existente verstehensrelevante Wissen einer Gesellschaft zu einem wichtigen hochschulpolitischen Gegenstand ermöglichen. Die Kommunikationsabteilung der Universität und die Agentur reagierte nun in den an die Umfrage anschließenden Diskussionsforen – wie der nachfolgende Folienauszug zeigt – folgendermaßen auf die geäußerten Meinungen:
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„Offene Fragen/Widersprüche: Wie verhalten sich Anspruch und Wirklichkeit hinsichtlich angemessener Strukturen und Haltungen? Inwieweit wird die TU als Dienstleister internen wie externen Ansprüchen gleichermaßen gerecht? Welcher Begriff kann ‚Dienstleistung‘ in seiner internen und externen Dimension ersetzen?“
Das Ergebnis dieser geführten Diskussion war schließlich, dass der Begriff Dienstleistung durch den Begriff Kooperation ‚ausgetauscht‘ und die Kernbotschaft folgendermaßen reformuliert wurde: „Wirtschaft, Politik und Gesellschaft vertrauen auf unser Wissen, unsere Erfahrung und unsere Forschung“. Auch im Leitbild finden sich die Bezeichnungen Dienstleistung und Dienstleister nicht mehr. Um sich einem solchen skizzierten Prozess der Bedeutungskonstruktion und -konstitution diskurslinguistisch zu nähern und diesen angemessen beschreiben zu können, bieten sich zwei semantische Analyseverfahren an, die sich in mehreren diskurslinguistischen Arbeiten bewährt haben. Dies sind einerseits die Analyse von Frames bzw. Wissensrahmen (vgl. Fraas 1996; Busse 2007, 2008; Ziem 2008) und andererseits die Analyse von Argumentationstopoi (vgl. Wengeler 2003, 2007, 2008). Frames oder Wissensrahmen spielen in der kognitionslinguistisch begründeten Analyse von Wissensformationen eine zentrale Rolle. Stark vereinfacht können Frames als semantische Repräsentationsformate all des bedeutungsrelevanten kollektiven Wissens verstanden werden, das von Akteuren mit der Verwendung einzelner Lexeme ab- und aufgerufen wird. Frames bestehen, wie Ziem (2008: 98) darlegt, aus drei Strukturelementen und der Menge ihrer Beziehungen zueinander: „Strukturelemente sind: (i) Leerstellen (‚slots‘), die in Gestalt von sinnvoll zu stellenden Fragen identifiziert werden können; (ii) konkrete Füllwerte (‚fillers‘) dieser Leerstellen, die der Menge der in der gegebenen Datenbasis enthaltenen Informationseinheiten (das Gesagte, das Gesehene, das Gehörte) entsprechen; (iii) Standardwerte (‚default values‘), das sind vorausgesetzte und prototypisch erwartbare Füllwerte der Leerstellen, die zwar in der gegebenen Datenbasis nicht auftreten, dennoch aber verstehensrelevant sind. Jeder konkrete Füllwert und jeder Standardwert bildet dabei selbst wiederum einen Frame, so dass Frames insgesamt in einer netzwerkartigen Struktur miteinander verbunden sind […].“ (Ziem 2008: 98)
In einer Frame-Analyse könnte nun beispielhaft untersucht werden, welche Prädikate dem abstrakten Referenzobjekt Dienstleistung/Dienstleister innerhalb des Diskurses häufig zugeschrieben werden (z. B.: Die Universität ist Dienstleister für die Wirtschaft) und welche Akteure es genau sind, die diese Prädikate dem Lexem Dienstleistung zuschreiben – in diesem Fall würde die Auftretenshäufig-
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Patrick Bal
keit von konkreten Füllwerten untersucht werden (vgl. Ziem 2008: 106110). Je häufiger die Akteure bestimmte Prädikate dem Referenzobjekt zuschreiben, desto geeigneter stellen diese Füllwerte gute Kandidaten für Standartwerte dar, die in gewissem Sinne wichtige ‚Identitätsmerkmale‘ ausdrücken. Neben der Auftretenshäufigkeit von konkreten Füllwerten kann des Weiteren auch die Auftretenshäufigkeit der Leerstellen analysiert werden; es wird folglich nach den Wissensaspekten von Dienstleistung/Dienstleister gefragt, die im Diskurs von bestimmten Akteuren besonders häufig thematisiert werden. So betrifft z. B. die genannte Prädikation „ist Dienstleister für die Wirtschaft“ die Leerstelle „Kunden des Dienstleisters“. Von diskursanalytischem Interesse kann es nun sein, besonders danach zu schauen, welche Leerstellen (bei welchen Akteuren) innerhalb des Diskurses gar nicht oder kaum relevant sind oder welche dagegen im Zentrum stehen. An diese Untersuchungen ließen sich folgende weitere Fragen anschließen: Welche Leerstellen werden im Verlauf des Prozesses besonders problematisiert und daher von den Funktionsträgern (Kommunikationsabteilung etc.) durch die ‚Tilgung‘ präsenter Leerstellen oder die Aktivierung neuer Leerstellen bzw. durch die Hinzunahme von bestimmten Füllwerten ‚überarbeitet‘? In welcher Form lässt sich im Leitbild das korrigierende Input – sowohl Leerstellen als auch konkrete Füllwerte – der Diskursakteure (noch) feststellen? Die Analyse von Argumentationstopoi gehört, wie Warnke und Spitzmüller (2008b: 41) betonen, zum Grundwerkzeug für die Untersuchung impliziter Diskursmuster. Die Beschreibung kontextspezifischer Argumentationstopoi in Diskursen, wie sie von Wengeler (2003, 2007, 2008) in verschiedenen empirischen Arbeiten praktiziert wurde, kann Aufschluss geben über „typische, wichtige oder dominante Denkweisen, Sichtweisen, Wahrnehmungsmuster bestimmter Gruppen, in einem bestimmten Zeitraum, bezogen auf ein bestimmtes Thema“ (Wengeler 2003: 67). Solche spezifischen Argumentationstopoi, verstanden als Schlussregeln mit einem gewissen Abstraktionsgrad, können in Äußerungen explizit als auch in angedeuteter Form (Implikationen, Präsuppositionen) wahrgenommen werden. Für die Untersuchung von universitären CI- und Markenbildungsprozessen wie dem der TU Darmstadt könnten sich unter Umständen besonders folgende Fragestellungen als diskurslinguistisch lohnend erweisen: Mit welchen Argumentationstopoi rechtfertigen oder kritisieren Diskursakteure einzelne strittige Konzeptentwürfe? Zeigen sich hier bestimmte Verteilungsunterschiede bei den verschiedenen Akteursgruppen? Kommt einzelnen Argumentationstopoi eine bestimmte tragende Funktion im Verlauf des Prozesses der Bedeutungskonstruktion und -konstitution zu?
Universitäre Corporate-Identity- und Markenbildung als Diskurs
283
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Media Relations for Places – A Case Study Christina Blake
Abstract The practice of PR for places can in fact be traced back over centuries and is becoming more and more important today with national and international business locations competing fiercely for investors. Cities as well as regions and countries need to position themselves as attractive brands for which strategic media relations as part of public relations can play an important role in addressing and persuading the target groups. However, this article, which is a condensed version of my Master thesis I handed in at the University of Stirling in 2002, identifies a lack of corresponding concepts and experiences in existing PR literature. Therefore, the purpose of this study is to explore and analyse the conceptualisation and the effects of media relations for places by focussing on the press event Media City Day, which took place as the major press event in the year 2001 designed to promote Hamburg as the German media city. My main research question is: "What are the opportunities and particularities of media relations for places and what are the possible outcomes and effects?" In order to provide a comprehensive insight into the field of media relations for places, this case study covers the conceptualisation, implementation and the impact of this cross-media event, under careful consideration of the deteriorating economic situation which was prevalent in the local and national media sector at that time. This single embedded case study focuses on several units of analysis, which can be categorised into three groups: the organisers of the event, the communicators and the target group of the communication activity. The main emphasis is on the target group, consisting of 15 journalists out of a group of 17 who attended the event. The empirical findings of this case study (quantitative and qualitative analysis of media coverage/qualitative interviews with the journalists) reveal a vast and far-reaching communication potential of media relations for places, which to an extent would also be valid for other media relations topics. When related to corresponding findings in the PR literature, it becomes apparent that conventional methods of PR monitoring and control can only record a limited scope of the effects of PR efforts.
286 1
Christina Blake Introduction The need for the study
Rather than identifying the problem of the study, the term need for the study is more appropriate to explain the motivation for my research project (Creswell, 1998: 94). There is a large body of literature on place marketing (Kotler, Balderjahn etc.) while there seems to be a considerable gap in literature on public/media relations for places. With this research project structured as a case study I intended to explore the field of media relations as an integral part of public relations for places in order to gain an insight into its practice and its huge communication potential for the promotion of places. Furthermore, as most of the literature on PR evaluation concentrates merely on immediate output in media coverage, I found it necessary to explore further effects, such as effects on the journalists’ attitude etc., because they are the primary target group in the chain of publics which media relations activities seek to influence.
1.1 Case study context Following the trend of the late nineteen-nineties, which were marked by a thriving digital economy in Germany, the City of Hamburg tried to position itself as the New Media City of Germany – a process, which was accompanied by successful PR campaigns. However, the worldwide cyclical downturn of the Internet economy did not leave Hamburg untouched and even forced some of the very well-known companies into receivership. Almost at the same time, some longestablished traditional media companies from the music, print and TV segments announced their migration from Hamburg to Berlin or Munich. This was particularly damaging not only because of its effect on the image of Hamburg, but also because the presence of traditional media companies is seen as a basis, if not a precondition, for the attraction of new media investors (Wille 1999: 80). Following these developments, the regional and national media ran very negative headline, and the potential risk was that the negative press coverage could become a national media trend with messages implying that Hamburg’s media economy was losing its importance and its attraction to new investors.
Media Relations for Places – A Case Study
Figure 1:
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Case study context
Therefore, the communication task for Hamburg’s Ministry for Trade & Industry and the PR team responsible was to set up a counterweight to the prevailing negative media coverage and to communicate the message 'Hamburg is a media city with a sound, diversified business foundation and good future prospects'. This was to be done by providing a target group of up to 15 journalists from selected regional and national economic and special interest media with reliable data and facts on the city’s media economy. Since the strategy was to visualise the significance of Hamburg’s media sector by demonstrating its different business pillars in a relaxed atmosphere, it was agreed that four selected companies1, each representing a core business area of the media economy, were to be visited with the journalists. Their CEOs were to act as communicators, since they represented the perspective of the concerned publics. Thus, the idea of the one-day cross-media event (Media City Day) to promote Hamburg as media city was born. The programme of the day was to be enriched by data and figures on Hamburg’s media economy, supplied by the independent research institute Michel Medienforschung & Beratung (MMB) and Hamburg’s Chamber of Commerce. With the exploration of media relations for places as the focal point of my case study, I will start with a review of literature on place marketing/PR for places before attempting to transfer the concept of linkages from systems theory 1
These were Intershop AG (Internet/e-commerce), Warner Music (music business), Springer & Jacoby (at that time a well-reputed German advertising agency) and Spiegel TV (TV programme belonging to the famous and well-reputed German news magazine Der Spiegel).
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to media relations for places. A brief reference to the basic elements of communication theory and the exploration of general PR evaluation models helped to identify a basis for the subsequent analysis of my case under study. After detecting shortcomings regarding the assessment of media relations in the evaluation literature, I turned to the field of media analysis and some theoretical approaches to journalism. Considering the limited scope of the study, it was only possible to identify implications and certain recommendations for further research, rather than drawing general conclusions from the findings.
2
Literature Review
For the purpose of this case study I reviewed literature from the fields of place marketing & public relations for places, evaluation of communication activities including public/media relations, crisis communications and journalism. However, due to the brevity of this paper, I will only deliver a brief overview of my findings from the literature about marketing & public relations for places as well as journalism & public relations.
2.1 Place marketing and public relations for places Most books on place marketing present marketing concepts for places which include strategies to attract tourism and new investors, as well as recommendations to retain companies or even recover leaving companies (Balderjahn 2000; Kotler 1994; Konken 1996). These authors concentrate on classic marketing instruments such as product policy, communication, pricing and distribution, which they transfer to the field of place marketing. The function of PR is reduced to one aspect of marketing activities, as distinct from advertising, direct marketing, sales promotion and personal selling (Kotler 1994: 206214). Even though these authors stress the importance of media relations in order to increase awareness for a particular location amongst potential investors and communicate its advantages through a positive image (Balderjahn 2000: 139/140; Kotler 1994: 212), they do not deliver any detailed conceptual ideas. Looking at locations from the perspective of systems theory, I hold that Esman’s concept of linkages (Esman 1972: 1940) can be easily transferred from organisations to cities, as these also have enabling linkages, normative linkages, diffused linkages and functional linkages. Considering the economic and socio-political aspects of a city’s business activities, companies have a dou-
Media Relations for Places – A Case Study
289
ble status in this system: they are at the same time input linkages (internal publics) as well as output linkages (customers). Therefore, following the thoughts of Grunig/Hunt (1984: 142), they have effects on a city.
2.2 Journalism and public relations While there is one group of authors which assign the media a receptive and rather passive role as mediators of information within the public communication process (Ronneberger 1991: 11; Baerns 1991: 6687; Langenbucher 1991: 34), the other party (Mathes 1991: 28; Lambeck 1992: 5355; Münch 1991: 100101) stresses the media’s importance as 'creator of reality'. Wagner (1995: 2527) holds that the profession of journalism developed as a tool in order to facilitate public communication in large societies. The role of the journalist in this 'communication through distance' is that of a moderator in a discussion, who decides whose turn it is to speak (Wagner 1995: 37/38). Thus, the journalist authorises the access of the communication partners to the media platform, which is also defined as a 'gate-keeper-role' (Nissen/Menningen 1977: 159; Kristen 1972). This perspective assigns journalists a more active and realistic role in the communication process than that of a mere mediator. According to Wagner (1995: 358360), public relations developed as a tool of the communication partners in order to rationalise their communication activities and adapt them to the technical requirements of journalism. Thus, public relations professionals are charged with optimising the communication partners' chances of communicative success.
3
Methodology
In order to provide a comprehensive insight into the field of media relations for places, the focus of this research project is on the press event Media City Day, which took place in August 2001 – designed to promote Hamburg as the location with a long-established media substance. The basic research question this study intended to answer is: "What are the opportunities and particularities and what are the outcomes and effects of media relations for places?" As I was to explore and evaluate a human event and its effects on the participants and on the media coverage, I chose a qualitative paradigm as my theoretical framework. My major objective being to investigate and evaluate the outcomes and effects of the selected press event, I followed an inductive approach, moving from my empirical observation to the construction of explana-
290
Christina Blake
tions about the observed phenomenon (Creswell 1994: 145). In order to cover the contextual conditions, which – in line with the findings of Windahl/Signitzer (1992: 22) and Kepplinger/Habermeier (1996: 265) – I assumed to be pertinent to the phenomenon of my study, I chose the case-study approach (Yin 1994: 13). As suggested by Bissland (1990: 28 pp.), Cutlip et al. (2000: 436/437) and Lindenmann (1997: 30/31) I categorised the criteria for the evaluation of the event into three groups: the conceptualisation (including the organisation and all designed messages and information material), the implementation (covering the audience’s attendance and reaction as well as feedback of all participants) and the impact. Following Grossenbacher (1991: 4249) the impact includes media coverage and social empirical research methods (i.e. interviews with the journalists to assess any further identifiable effects). These interviews took place three months after the event, between November 24 and December 10, 2001. Of 17 journalists who attended the event, 15 granted me an interview under the precondition that they would remain anonymous. In addition, after having found contrasting opinions in my literature review, I thought it necessary to explore the journalists’ perception of their role within the process of this communication activity, since they were the primary target group in the chain of publics which was to be addressed. This single embedded case study focused on several units of analysis: the journalists who attended the event, the CEOs of the companies, who were visited and who acted as communicators, the PR agency2 that organised the event and prepared the information material as well as the representatives of the Hamburg Ministry for Trade & Industry and the related new media initiative3, the original senders of the message in this communication activity. For the data collection I referred to video tapes recorded during my direct observation of the event and interviews with all units of analysis. Furthermore, I analysed the written documents (i.e. the PR concept and all information material) as well as media documentation (content prior to the event and measured outcome – qualitative and quantitative in terms of media coverage for 14 weeks after the event). To increase the reliability and credibility of the data collected, data-source triangulation as well as methodological triangulation were applied in order to cross-verify interim results with those of different data collection methods (Robson 1993: 383).
2 3
This was the agency Faktor 3, Hamburg. This initiative started as a public-sector and private-sector partnership between the State of Hamburg and Hamburg-based companies from the traditional electronics and media sectors in 1997 and was branded Hamburg newmedia@work. Its name was changed to Hamburg@work in 2002.
Media Relations for Places – A Case Study 4
291
Data report and analysis
4.1 Communication concept and implementation of the event The communication process of the message 'Hamburg is a media city with a sound diversified business foundation and good future prospects' involved a clear definition of roles with the journalists as multiplicators to the mass public being the receiver group of the message and Hamburg’s Department for Trade & Industry and the related new media initiative being the senders, who stayed in the background and performed a rather indirect role. The CEOs of the visited companies acted as communicators. They corroborated the message with their own viewpoint as affected company. In addition to that, the director of the independent research institute presented the latest job market study4 on the status of Hamburg’s media economy and its future perspectives (figure 1). The communicators were chosen to make the message more credible and authentic, and it is important to note that they all had a certain legitimacy based on their position within Hamburg’s business community. They are not be confused with pseudo-communicators such as TV or sports stars acting as testimonials in PR or advertising campaigns. The message was communicated by news on Hamburg’s media economy and by a wide variety of background material, backed up by solid data and facts from reliable sources (i.e. the above mentioned research institute MMB and Hamburg’s Chamber of Commerce5). Asked about how they see their role within the communication process, the CEOs of the visited companies independently said they enjoyed the opportunity to present their companies and at the same time they appreciated this activity, since it showed that the Senate of Hamburg engaged itself for the media economy. In individual interviews, three of the company CEOs complained about Hamburg’s reticence in advertising its own media potential, e.g.: "… Berlin trumpets its own media community and Hamburg is always so reserved in its hanseatic way …", and they wished such events would take place more regularly. Apparently, there is a strong synergy factor as side-effect in the constellation of this media event. The companies felt supported by the City and at the same time had the desire to support Hamburg themselves by acting as communicators. They even perceived their roles as communicators and wanted to stress the positive factors of the city as media location, such as the "vibrant creative scene" or the "high educational level of Hamburg’s workforce". Considering the 4
5
This study was based on an online survey amongst 719 new media companies (services/production) in the Hamburg region, of which 260 responded. They supplied latest figures on newly-established companies within Hamburg's media sector.
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systems theory and Esman’s concept of linkages the companies belong to the functional linkages of the system 'City of Hamburg'. Moreover, they have a double status in this system being at the same time input linkages (internal publics) as well as output linkages (customers). As such, they have effects on the City, so their motivation should be highly regarded. Evaluation of press event + General approval (11); + Good organisation (6) + Variety of information (8); + Good selection of speakers (4); + New contacts (11); + Relaxed, open atmosphere (3) + Informal contacts (2)
Evaluation of information + Good quality (9) + Fact-oriented (6) + Useful background materials to be kept (5) + Useful for short- and midterm Coverage (8) + Helpful for future articles (7)
Limited news value ( 3); Event had PR character (2) One-day event too long (4)
Limited credibility (4)
Figure 2:
Journalists’ evaluation of this activity (excerpts)
The journalists appreciated this event in particular for the variety of quality information and personal contacts to the speakers, allowing to "feel the vibrations of the visited companies" and to "enter into conversations which would not be possible in press conferences within a limited time frame". They showed a high regard for the scope, the depth and the fact orientation of the material, which they evaluated as having been prepared according to their anticipated needs. It was kept for future reference. "What I do not use now, will be used later; that will be kept for further articles …" So, the analysis of the qualitative interviews with the journalists already reveals that this event created a large potential for short and long-term media coverage. However, while the event on the one hand was appreciated for the scope of high quality information and background material, the limited news value was criticised on the other hand. "… there was not enough news value for an article" and "I would not use such an event as primary source of information". Furthermore, the credibility of the speakers – to a certain extent remained an issue. "I rate the credibility 236, in particular concerning the comparison of Hamburg to Berlin …" 6
This is to be understood on a scale of 1 – 6 downwards, with 3 meaning mediocre.
Media Relations for Places – A Case Study
293
4.2 Analysis of media coverage Media (articles) Daily newspapers (7) Weekly magazine (1) Online media (2) Figure 3:
Copies sold Advertising value 5,360,035 70,356.30 € 21,863 14,191.30 € Information on page Data could not be reliably visits not available. calculated.
Quantitative media analysis
Within 14 weeks, a total of 10 articles could be traced back to the event, with the total equivalent amount of print advertising cost adding up to more than 84,000 €. Such figures, even though still commonly used today, are certainly not very meaningful without looking at the qualitative evaluation of the media coverage. Using Weber’s (1990) tools of 'key-words-in-context' and 'category counts', I tried to identify key messages in the media coverage (figure 4). In this context I would like to point out that the expression 'Media City Hamburg' was used in six articles, however, a comparison between the use of key-words and categories shows that it was obviously much more difficult to transport the messages 'Hamburg’s media economy has a sound business foundation' and 'Hamburg’s media economy has prospects' directly than having them communicated indirectly backed up by facts and figures from the above mentioned sources.
Figure 4:
Qualitative media analysis: key-words-in-context & categories.
294
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In order to examine the use of the information material provided, I applied the input/output analysis (DPRG 2000: 20; DPRG stands for 'Deutsche Public Relations Gesellschaft': This is the German association of PR professionals from companies as well as PR consultancies. Its code of conduct is very similar to the one of the Public Relations Society of America - PRSA) and complemented these findings with an assessment of the tendency of the articles. Figure 5 shows that almost all of the articles based their argumentation on facts supplied in the various information material on that day. The DPRG (2000: 20), Lindenmann (1997: 32) and Cutlip et al. (2000: 437) regard the communication of supplied messages and material as first level of success in a PR campaign. However, this chart also shows that regarding the pro-Hamburg arguments supplied by the companies, the journalists preferred to stick to their own research. The tendency of the articles was assessed as positive when positive evaluations were made by journalists, such as "the new economy continues to grow steadily", which were found in six articles. Furthermore, the tendency was assessed as positive where communicators stated: "The continuous growth in newly-established companies shows that Hamburg provides a highly conducive business environment and has excellent prospects", backed up by corresponding data, which could be found in seven articles. The tenor of the coverage was positive, with the number of positive quotations from the communicators about Hamburg’s media sector being almost congruent with the number of positive evaluations drawn by the journalists themselves. Positive evaluations without references appear as facts in the media (Schröter 1988: 191) and can thus cause a stronger impact on the readers. Media relations can obviously positively influence the headlines even in a tense business environment.
Figure 5:
Qualitative media analysis: input/output & tendency of articles
Media Relations for Places – A Case Study
295
4.3 Effects of the event on the journalists Apart from the outcome in media coverage, I thought it necessary to explore further effects the event might have had on the journalists. I was in particular interested in whether the event did change the journalists’ attitude towards Hamburg and what they communicated amongst their colleagues. The majority of the journalists had been positively-minded towards the media location Hamburg. As such, the event did not change their attitude, but according to the interviews, it helped to get a "more distinct overview". It changed to the positive for two journalists, who claimed they now had "a closer, more detailed view of Hamburg’s importance as a media city." As such, the event helped to reduce their uncertainty as it is defined by Wersig (1974: 73) and Heath/Bryant (1992: 92). The Media City Day was a topic of conversation amongst 50 % of the attendants. Amongst other things, the journalists talked about the good organisation and the individual companies visited. As such, this event ensured multiplication of the communicated messages far beyond the original group of participants.
Figure 6:
Effects of the event on the journalists (excerpts)
In view of the fact that the event took place against the backdrop of economic slowdown it seemed justified to investigate to what extent the situational context influenced the outcome in media coverage. At the same time – since I had found
296
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controversial opinions in my literature review regarding the role of journalists, I found it necessary to explore their understanding of their professional role in order to find out to what extent this might also influence media coverage.
4.4 Factors which might influence media coverage Figure 7 shows that journalists obviously can not free themselves from the influence of the situational context. In fact, according to the interviews, the negative economic situation had affected the image of Hamburg in previous media coverage, e.g.: "Current hot news about dot.com bankruptcies has influenced the press coverage for a certain period already …" and some journalists even acknowledged the fact of negative media trends: "There are days and weeks when the trend of the media coverage is so explicitly negative that it is difficult to launch a positive story."
Figure 7:
Influence of situational context
Journalists’ role perception
While there seems to be no consistent pattern of the journalists’ perception of their professional role, essentially three different positions can be stated concerning media relations for the City of Hamburg: there were journalists who admitted their preference for Hamburg and wanted to strengthen its image in the media: "My preference for Hamburg influences my writing …", while others claimed a more constructive role implying their demand for necessary changes from the Senate and initiating reflection amongst the readers. In this context, I would like to present two extensive quotations from daily newspaper journalists: "My role or my task on the one hand is to describe the current status; on the other hand, it is to reveal deplorable states of affairs and call for appropriate steps that Hamburg has to take in order to strengthen its location."
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"As journalists, we have an internal and an external role. While our internal function is to address the reader’s identification with Hamburg in order to strengthen their loyalty to our newspaper, the external function aims to initiate a continuous reflection on the location of Hamburg amongst our readers. The citizens of Hamburg are our target group, and we give them a platform for discussion. In the end this strengthens Hamburg as a business location …"
These two roles also imply a certain responsibility for the location of Hamburg. One third of the respondents saw their role as critical observers, or gate-keepers of information, e.g.: "I am a multiplicator and a gate-keeper of information …" or: "My role is critical reporting nothing will be swept under the carpet!" One journalist even confirmed a more commercial, reader-oriented role by saying: "I represent the reader. My role is to hold back my opinion." All of these roles go far beyond simply mediating messages.
5
Conclusion
The practice of media relations for places can involve a complex communication process, with the sender of the message performing a rather indirect role and choosing selected stakeholders as legitimate communicators to make the message more authentic. While the concept of pseudo-communicators is already quite common in communication literature (Windahl/Signitzer 1992: 9) and PR practice, in my opinion the concept of legitimate communicators needs further and more detailed theoretical and practical exploration, as it is also an ideal tool for B2B communication. As the primary target group within this communication process, journalists performed quite an active role. Essentially, three role patterns could be established, all of them extending far beyond the role of mere mediator of messages, as established e.g. by Ronneberger (1991: 11) and Schröter (1988: 176). Considering that journalists can not free themselves from the influence of situational context, a fact which was also identified by Kepplinger/Habermeier (in Mast 1996: 261-271), the key messages within press activities have to be carefully considered, and the thorough preparation of reliable information material should always be the prime concern in media activities, as it was also established by Lambeck (53; 157). Within a period of fourteen weeks, the event triggered ten mainly positive articles, all of them based on facts and information supplied during the Media City Day. To some extent, this PR activity did build a counterweight to the previously negative headlines and this shows that it is possible to achieve media coverage against the trend, if the material supplied is reliable, fact-oriented and prepared according to the journalists’ anticipated needs (Grossenbacher 1991:
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43). This study, however, also showed that even then, the credibility of sources remain an issue, which is in line with the findings of Mathes et al. (1991: 115117) and Barth/Donsbach (1992: 151165). The relaxed atmosphere of such an event was highly regarded by the journalists, because it enabled them to establish a variety of informal contacts which are seen as useful for several articles. In combination with the supply of background material, such an event can not only trigger short-term and mid-term coverage, but can also establish an ongoing basis for interactivity between communicators and journalists, thus contributing to further, long-term media coverage. This aspect seems to be omitted in literature on PR evaluation and in shortterm media controlling. It could well be a topic for further research, which might reveal a hitherto unexplored but vast communication potential of media relations in general. With the journalists acting as multiplicators of information amongst their colleagues, there is another strong communication potential whose scale can not really be evaluated with the methods currently available. Considering the extent of interpersonal contacts and the interactive platform created by this event, I have concluded that the effects of PR, particularly media relations, are often underestimated and can not extensively be measured by conventional PR monitoring methods. I would welcome a consideration of new tools and approaches to measure these far-reaching communication opportunities more precisely.
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Städte und Regionen als Marke – Konzepte, Pfade, Probleme Gerhard Mahnken
Abstract Public Branding is a research field that focuses on spatial branding processes. Social, cultural and economic parts of a spatial brand are seen as special domains of knowledge. The main questions are: Which interpretations of space are developed through branding processes and which groups and institutions communicate and reconstruct relevant knowledge for spatial brands? The new aspect in this research approach is a discourse-analytical focus in the field of city and regional marketing. The concept is not that much interested in strategic marketing, but in everyday communications and in social spaces. Public Branding is part of an interdisciplinary and practise-oriented basic research. The aim is to explain conditions for the emergence of brand knowledge in the multilevel context of local, regional and supraregional knowledge spaces and economic spaces.
1
Einleitung
Der vorliegende Beitrag plädiert für den Forschungsansatz Public Branding for Towns and Regions, ein Konzept, das im Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS)1 in Erkner bei Berlin entstanden ist. Was verbirgt sich konkret dahinter? Zunächst sind hier in Anlehnung und Weiterführung der Konzepte Stadt- und Regionalmarketing aus den achtziger und neunziger Jahren kollektive Marken- und Profilbildungsprozesse (Brandings) im sozialen Raum gemeint. Die Grundidee dabei ist, dass es sich bei
1
Das Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) erforscht sozial- und wirtschaftsräumliche Grundlagen zur Stadt- und Regionalentwicklung (www.irs-net.de). Zum Forschungsansatz Public Branding, zum methodischen Vorgehen und zur Empirie siehe Mahnken 2006 ff.
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Brands, die sich auf den sozialen und kulturellen Raum2 beziehen, um einen kommunikativen Aushandlungsprozess zwischen Top-down- und Bottom-upEntwicklungen handelt (s. Abb. 1).
Abbildung 1:
Public Branding im sozialräumlichen Kontext. Grafik: IRS/G. Mahnken
Ein bestimmter Raum, ein Standort, der sich als Marke behaupten soll, wird danach nicht allein politisch von ‚oben‘ vorgeschrieben. Denn Raummarken, so die Annahme, wirken durch eine kollektive Identität der Menschen, die in einem bestimmten Raum leben und arbeiten oder die ihn kennen lernen wollen. Somit wäre die Entstehung und Pflege einer Raummarke im Idealfall ein dauerhafter, öffentlicher Markenbildungsprozess, in dem kollektives Wissen über eine Raummarke ständig generiert, überprüft und weiterentwickelt wird. Raummarken werden im Konzept Public Branding deshalb als ein öffentliches Wissensreservoir erforscht. In diesem Reservoir bündeln sich Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Marke. Wenn wir also über das Branding eines Raumes, einer Stadt, eines Quartiers, einer Region, einer Nation oder auch eines Staatenbundes verhandeln, so gelten hier grundsätzlich andere Regeln als bei der Markenentwicklung von Produkten, Gütern oder Dienstleistungen. Anders als etwa langlebige 2
Darunter wird hier auch der wirtschaftliche, kulturelle und politische Raum verstanden.
Städte und Regionen als Marke
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Gebrauchsgüter sind Raummarken zugleich der Spiegel und das Produkt anthropogener Selbstbeschreibungsprozesse. Es ist hier deshalb die Frage relevant, welche strategischen Ansätze wir bei der Generierung räumlich bezogener Marken vorfinden, wie sie sich von anderen Markenbereichen unterscheiden und wo deren Grenzen sind. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass wir für die vergangenen zwanzig Jahre einen Trend verzeichnen können, der sich bis in die Gegenwart hineinzieht und sich wahrscheinlich nicht so bald einstellen wird: Es handelt sich um eine Entwicklung mit dem Primat der Außenwirkung sozialer Räume und mit dem vorrangigen Ziel, im weltweiten Wettbewerb der Regionen zu den Gewinnern zu gehören. Intraregionale Verlierer-Gewinner-Probleme und deren sozialräumliche Brisanz und Sprengkraft geraten hierbei leicht in den Hintergrund. Ob sich der Markenbildungsprozess im Raum indes so steuern lässt, wie es die mittlerweile unüberblickbare Flut an inflationären Raummarken3 belegen möchte, bleibt fraglich. Bisher finden wir überwiegend normative Zugänge. Es fehlt noch an Erfahrungswissen darüber, wie Raummarken letztlich aktiv und reaktiv wirken und welche gewollten und ungewollten Effekte sie in sich bergen. Mittlerweile hat sich eine ganze Industrie auf diesem strategisch konnotierten Feld entwickelt, die ihre Interessen in Politik, Wirtschaft und Kultur eingebracht hat: Agenturen, Fachmedien4, Kongresse sowie öffentlich inszenierte Leitbildprozesse und Kampagnen spiegeln diese Entwicklung in letzter Zeit vor allem in der Diskussion um Metropolregionen und deren strategische Positionierungen und Zielsetzungen im determinierenden Umstrukturierungsprozess der Europäischen Union wider. Dabei wird so getan, als sei der soziale Raum als Marke strategisch unbedingt steuerbar. Das ist das Versprechen im Transformationsprozess. Doch zeichnet sich auch ein raumpolitisches Problem immer mehr ab, das durch einen Agon gekennzeichnet ist: Sollen die Menschen in einem bestimmten sozialen und kulturellen Raum durch Beschreibungsstrategien, die hauptsächlich nach außen zielen, überzeugt werden oder ist es nicht umgekehrt: Müssen sich Markenentwickler nicht noch mehr als bisher an vorhandenen, gelebten sozialkulturellen Wahrnehmungs- und Deutungsmustern orientieren? Um diesen Problemzusammenhang weiter zu extrapolieren, ist es sinnvoll, wenn man sich anschaut, unter welchen Kontextbedingungen die Vorläuferkonzepte des Public Brandings, die da heißen Stadt- und Regionalmarketing, in den siebziger und
3
4
Gemeint sind in diesem Zusammenhang oberflächliche, austauschbare sozial- und wirtschaftsräumliche Positionierungen nach dem Muster: die Stadt am Wasser, die Stadt des Wissens oder die Stadt zwischen Wäldern und Seen, die Urlaubsregion, die Erlebnisregion u. Ä. Vgl. dazu etwa die Zeitschrift Place Branding and Public Diplomacy.
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achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts entstanden und wie deren kommunikative Grundmuster beschaffen sind.
2
Public Branding als kommunikativer Entwicklungspfad
Mit dem Konzept Public Branding wird im Zusammenhang mit der kommunikativen Steuerung des Raums im IRS nun seit 2006 in ersten Schritten die Diskussion um räumliche Markenbildungsprozesse erweitert. Public Branding ist der Versuch, die Steuerungsansätze Stadt- und Regionalmarketing theoretisch zu vertiefen, denn es sieht inzwischen danach aus, dass hiermit verbundene Desiderate, Fehleinschätzungen und auch Überschätzungen in der Diskussion bislang eher ausgeblendet wurden. Im Wechselverhältnis von Kommunikation, Kultur und Identität müssten in einem nächsten Anlauf von daher nicht mehr nur Pläne, Strategien und Leitbilder, sondern kommunikative Re-Konstruktionen im Sozialraum auf der Agenda stehen (siehe dazu vor allem Christmann 2004). Dies wäre in neuen Arenen und Konstellationen die raum- und kulturpolitische Eingangssituation: Nicht das rhetorisch-strategische Überzeugen nach außen und innen, sondern ein Wiederentdecken kulturräumlicher Pfade, auch deren Friktionen und das Verhandeln darüber, werden wichtiger und rücken ins Zentrum von Analysen, In-Wert-Setzungen – und somit in den kulturräumlichen Markenkern. Die Raummarke ist demgemäß als kollektiver Wissensvorrat immer heterogen strukturiert. Das unterscheidet sie grundlegend von Produktmarken. Es geht nicht mehr vorrangig um das Erreichen des viel zitierten strategischen Ziels der Unverwechselbarkeit oder um „Komplexitätsreduzierung“, sondern gerade um das Zulassen von Komplexität im Prozess der Generierung des räumlichen Markenkerns. Die Markierung von Räumen wird seit jeher in politischadministrativen, kulturellen und wirtschaftlichen Akteurskonstellationen entwickelt, wobei sich diese im besten Fall ergänzen und Raumwissen darin diffundieren kann. Von daher wird schon seit Längerem vermutet, dass sich belastbare Markenbildungsprozesse in neutralen, heterogenen Arenen, die für möglichst viele unterschiedliche Akteure offen sind, am ehesten durchführen lassen. Ob das der neue Weg sein kann, muss sich noch zeigen. ´ Ein Fallbeispiel für eine solche heterogene Strategie ist die im Jahr 2008 angelaufene Kampagne be Berlin. Dabei handelt es sich um eine Strategie, die in einem mehrstufigen Verfahren Berlin als Marke entwickeln will. Wenn man sich die bisherigen Erfolge anschaut, drängt sich aber der Verdacht auf, dass es wieder einmal der geübte Griff in den herkömmlichen Werkzeugkasten sein könnte, mit dem sich marketingtechnisch alles mühelos richten lässt. Die Arena des Aushandelns bleibt indes zwangsläufig virtuell in dieser unüberschaubar großen
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Stadt. Eine erste Stufe der Kampagne setzte zwar bewusst auf öffentliche, narrative Beteiligung über die Print- und elektronischen Medien und erst in einer zweiten Phase stand dann die Positionierung Berlins auf überregionaler Ebene an.5 Bei aller Skepsis ist dennoch zu sehen: Solche qualitativ orientierten Formen der Beteiligung sind und waren bisher nicht die Regel. Das lässt sich durch die Entstehungsgeschichte des Stadt- und Regionalmarketings und der hiermit verbundenen historischen Umfeldbedingungen zeigen. Der Begriff Stadtmarketing taucht in der raumwissenschaftlichen Literatur verstärkt Anfang der 1980er-Jahre auf. Einige Städte suchten damals „in den Bereichen Stadtentwicklung, Wirtschaftsförderung, Standortwerbung und Öffentlichkeitsarbeit“ nach neuen Entwicklungsansätzen (Grabow/HollbachGrömig/Birk 2006: 19). Nach einer Phase der Implementierung im deutschen Städtesystem, die sich im Wesentlichen über das Jahr 2000 hinaus halten konnte, wird Stadtmarketing inzwischen kritischer gesehen und nach seiner von Optimismus gekennzeichneten, längeren Verbreitung wurde es Ende der 1990erJahre dann schon als „Modeerscheinung“ deklariert (Grabow/Hollbach-Grömig 1998: 10). Stadtmarketing ist im Nachhinein zu sehen als eine „Reaktion auf die umfassende Stadtentwicklungsplanung der 1970er-Jahre, die sich als umsetzungsfern und teilweise überfordert erwiesen hatte“ (Birk/Grabow/HollbachGrömig 2006: 309). Es ist somit einer der frühen kommunikativen Antwortversuche des politisch-administrativen Raums auf die Krise und den Strukturwandel der Stadt der 1970er-Jahre gewesen. Wegbereiter dieses ‚Krisen-Diskurses‘ waren Karl Ganser (1970) und Klaus Zimmermann (1975). Beide gingen damals davon aus, dass der Krise der Stadt durch Imagepolitiken zu begegnen sei. Ganser sah „Image als entwicklungsbestimmendes Steuerungselement“ (Ganser 1970: 104 f.) und Zimmermann entwarf sein Konzept zur „Imageplanung von Städten“ (Zimmermann 1975: 249). Die hierbei problematisierten Strukturumbrüche wurden von Zimmermann seinerzeit auf konkrete Problemfelder bezogen. Sie sind – und das ist bemerkenswert in der Diskussion um die Entwicklung zukunftsfähiger Wirtschaftsstandorte und Kulturräume bis heute leitend geblieben.
5
Auf der entsprechenden Homepage www.sei.berlin.de heißt es dazu vom Oberbürgermeister: „sei stadt, sei wandel, sei berlin“. Anfang März 2008 rief der Berliner Senat die Hauptstadtkampagne „be Berlin“ ins Leben: „Mit der Aufforderung be Berlin (sei Berlin) wird unsere Stadt künftig national und international für sich werben. Bewusst beleuchtet die Kampagne nicht die offizielle Seite des Hauptstadtgeschehens. Herzstück der Kampagne sind vielmehr die vielen individuellen Geschichten, die Berlinerinnen und Berliner zu erzählen haben.“ An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass eine kritische Evaluation der internen Rezeption und Wirkung der Kampagne bisher noch aussteht.
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Zu den ‚klassischen‘ Anwendungsfeldern des Stadtmarketings gehören danach:
die interregionale Konkurrenz um das Bevölkerungswachstum, der Bedeutungszuwachs des Dienstleistungsbereichs und schließlich die Bedeutung attraktiver Wohnorte für qualifizierte Arbeitskräfte.
Aus diesen Handlungsfeldern resultierte in den 1980er-Jahren dann eine noch unerfahrene Standort- und Imagepolitik, die sich vorwiegend an betriebswirtschaftlichen Maßstäben orientierte. Diese Politik propagierte eine marktorientierte Führung. „Damit verknüpft waren Leitbilder wie ‚Stadt als Unternehmen‘, aber auch ‚Stadt als Produkt‘ (Birk/Grabow/Hollbach-Grömig 2006: 309)6. Von der verkehrs- und autogerechten Stadt die bis heute mit ihren Verwundungen ringt – ganz zu schweigen. Denn von ‚Nachhaltigkeit‘ war damals nicht die Rede. Vorwiegend handelte es sich um eine ökonomisch orientierte Politik mit überhöhten kommunikativen Erwartungen an Handelnde im Umfeld des Marketings: also an Bürgermeister, Dezernenten, Wirtschaftsförderer, Pressevertreter, Tourismusmanager, Einzelhändler und last but not least an Kulturschaffende. Es wird unterdessen im Umfeld der neueren Stadtforschung, etwa im IRS oder im Deutschen Institut für Urbanistik (DifU), bemängelt, dass Kommunikation in dieser fast dreißig Jahre währenden Marketing-Phase immer noch nicht gebührend als Prozess diskutiert wird, in dem die autochthone Bevölkerung als Wissensträger adäquat – das heißt in transparenten Verfahren zwischen Topdown- und Bottom-up-Beschreibungen eingebunden wird. Ähnlich sieht es beim Regionalmarketing aus, dessen Grundmuster sich nicht wesentlich vom Stadtmarketing unterscheidet. Hier kommt allerdings noch die in territorialer Hinsicht schwierigere Erfassbarkeit und Abgrenzbarkeit des Raumes ins Spiel. Städte oder urbane Räume (auch Quartiere) können in der Regel klarer als kommunikative Einheit gedeutet werden als Regionen. Die Marke einer Region lässt sich deshalb unter erschwerten Bedingungen re-konstruieren, denn Akteure im Umfeld von Regionalmarketing sind besonders stark eingebunden in heterogene soziale, wirtschaftliche und kulturelle Akteursgruppen. „Wer sich mit Regionalpolitik und Regionalmarketing befasst, muss zunächst feststellen, dass es in Wissenschaft und Praxis keine saubere Definition gibt, was eine Region ausmacht“ (Melzer 2007: 19). Regionalmarketing-Beauftragte und diese Erkenntnis muss sich in einer nächsten Phase erst noch durchsetzen – agieren heute parallel auf mehreren Raumebenen (Multi-Level): 6
Zur Problematik von Raum und Produkt als kommunizierbare Kategorien siehe Manschwetus 1995.
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„Die Bandbreite des Gebrauchs des Begriffs ‚Region‘ reicht von dem Europa der Regionen über Metropolregionen, Regionen der Zukunft, Raumordnungsregionen, Planungsregionen, Verwaltungsregionen, Technologieregionen, Stadtregionen bis hin zu peripheren, ländlichen Regionen.“ (Melzer 2007: 19)
Für das Public Branding ergeben sich damit eine Reihe von Problemen und Herausforderungen, die in letzter Zeit auch von den ‚Machern‘ neuer räumlicher „Images“ selbst kritisch reflektiert werden. Damit verbunden scheint ein neuer Trend, der sowohl tieferen lokalen Analysen als auch europapolitischen Kontextualisierungen einen ebenbürtigen Stellenwert beimisst. Konzeptuell wäre der überzeugende Klang und das schöne Bild eines Raumes demnach zu bereichern um die Tiefenschichten der sozialen und kulturräumlichen Identität und Authentizität, die Ulf Matthiesen nach dem sogenannten Systemwechsel Ende der achtziger Jahre in die raumwissenschaftliche und raumpolitische Debatte eingebracht hatte. Darüber – nämlich über die Diskussion räumlich bezogener Identität und deren wirtschaftsräumliche, politische und planerische Relevanz brach der publizistische und auch der politisch-administrative Raum noch Mitte der neunziger Jahre in schallendes Gelächter aus.7
3
Raum und Bild: Das Image und das Imaginäre
Wie geht es nun in den Städten und Regionen nach einigermaßen ungestümen Anfängen und Irrtümern einer ‚One-size-fits-all‘-Marketing-Phase weiter? Für die Zukunft einer strategisch orientierten Kommunikations- bzw. Markenpolitik findet in diesem Zusammenhang seit geraumer Zeit das Konzept der Raumbilder Anklang in der Theoriebildung und auch in der Praxis. Raumbeschreibungen werden hierbei nicht mehr unter rein rationellen Verwertungslogiken verhandelt. Sie bieten vielmehr die Möglichkeit, den Raum in seiner Symbolik und auch in seiner Tiefenstruktur zu deuten und zu analysieren. Es lassen sich hierüber Diskurse beobachten, die den Zusammenhang von Marke und Raum herstellen. Auf internationaler Ebene setzte der Diskurs über Raumbilder Ende der fünfziger Jahre ein.
7
Vgl. dazu etwa die Bauwelt vom 25. 11. 1994, die sich auf eine raumwissenschaftliche Veranstaltung des IRS im gleichen Jahr bezog und den Begriff der regionalen Identität satirisch deutete, indem sie ihre Berichterstattung mit dem Foto eines Mannes zu bereichern wusste, der, in bayrische Tracht gewandet, Weißbiergläser aus einer Spülmaschine nimmt und dabei mit schlichtem Ausdruck behütet in die Kamera blickt. Die Bildunterschrift lautete süffisant: „Ein schönes Beispiel für einen lebensweltlichen Vorgang aus der ‚Typik des Problematischwerdens regionaler Identität’ zeigt diese Abbildung. Foto: Miele.“
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Den Auftakt machte eine viel beachtete Buchveröffentlichung von Kevin Lynch mit dem Titel The Image of the City (1959). Mit Beginn der sechziger Jahre wurden dann im Dunstkreis des Joint Center of Urban Studies erstmals Forschungen publiziert, die sich um „städtische Image(s) im Wandel der Zeit“ rankten. Damit war der Grundstein für einen Planungs- und auch für einen Forschungsgegenstand gelegt, der sich bis heute stetig weiterentwickelt. Der Zusammenhang von Raum und Bild hat die Diskussion über symbolische Kodierungen und die „steigende Bedeutung des Lokalen“ seither stark mit geprägt (Keim 2003: 52 ff.). In Deutschland wurde diese Diskussion Ende der achtziger Jahre vor allem durch die Kasseler Schule um Detlev Ipsen (1987 und 1997) angestoßen. Raumbilder werden seitdem zunehmend in ihrer Prozesshaftigkeit, Eigensinnigkeit und Vielschichtigkeit als metaphorische Provisorien diskutiert. Für die seitherige marktorientierte Raumpolitik birgt dieses Wissen um den temporären Faktor ‚Image‘ die Chance, dass Deutungen von Raumbildern künftig über rein verwertungsorientierte Planungen und Erwartungen an schnelle Erfolge hinausreichen können. Denn es kommen mit den Raumbildern qualitative weiche raumpolitische Problemfelder ins Spiel, die mit ihren neuen Möglichkeiten – aber auch mit deren Konfliktfeldern bisher unterschätzt wurden.8 Sowohl die theoretische als auch die praktische Auseinandersetzung mit Raumbildern ist bis in die Gegenwart hinein mit dem Problem verbunden, dass der Raum als kulturelles und gesellschaftliches Phänomen „weitgehend unberücksichtigt“ geblieben ist (Wagner 2006: 6). Das Ausblenden bzw. die Vernachlässigung provisorisch gedachter Zugänge hat seinen Grund nicht zuletzt in einer idealistisch geprägten Genealogie des Begriffs. Der oben erwähnte Kevin Lynch orientierte sich nämlich stark am Bild der mittelalterlichen und der europäischen Stadt: „Zum Gegenstand und Ideal einer prägnanten Stadtgestalt wird die mittelalterliche und frühneuzeitliche europäische Stadt, werden Florenz und Venedig, die Lynch Anfang der 1950er-Jahre aufgesucht hatte und die offensichtlich sein eigenes imaginäres Image von Stadt geprägt haben.“ (Wagner 2006: 7)
Das frühe Interesse an Raumbildern in den 1950er-Jahren und am „Image of the City“ hängt einerseits mit der starken Verbreitung der Bildmedien Film und Fotografie in dieser Zeit zusammen. Ein weiterer Grund liegt jedoch in der zunehmenden Industrialisierung, „die mit ihren Auswirkungen auf Landschaft und Stadt eine gestalthafte Wahrnehmung herausfordert“ (Wagner 2006: 6). Demgegenüber stand und steht die Vorstellung und Sehnsucht nach der intakten Stadt
8
Vgl. dazu Mahnken et al. (im Erscheinen).
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und ihrer Umgebung, die Lynch nach seiner europäischen Studienreise am Beispiel von Florenz wie folgt beschreibt: „Florenz ist eine ungewöhnliche Stadt. Visuell hochgradig befriedigende Stadtbilder sind selbst außerhalb der Vereinigten Staaten eine Seltenheit. Einprägsame Dorfbilder oder Stadtviertel findet man häufig, aber es mag vielleicht zwanzig bis dreißig Städte auf der Welt geben, die ein durchgehend starkes Image aufweisen. Und selbst diese wenigen Beispiele umfassen nur jeweils einige Quadratkilometer Fläche.“ (Lynch 1965: 112)
Raumbilder wurden durch den amerikanischen Einfluss von Lynch vor diesem historischen Hintergrund bisher auch in Deutschland vorwiegend aus einer ‚BestPractice-Planungsperspektive‘ heraus und mit entsprechenden Erwartungen verbunden. Die kommunikative und rekonstruktive Perspektive bleibt dabei jedoch meist theoretisch unterbelichtet. Höpner (2005) zum Beispiel spricht aus eben dieser rein planerischen und standortpolitischen Sicht in Anlehnung an Ganser (1970) und Zimmermann (1975) von Imageproduktion und bringt damit das Selbstverständnis herkömmlicher Entwicklungsansätze auf den Punkt: Seither war die Frage, welchen ökonomischen bzw. planerischen Nutzen Raumbilder als inszenierte ‚Produkte‘ in Spacing- und Place-making-Prozessen haben (Löw 2001: 267; Keim 2003: 75). Ihr Stellenwert als latente Orientierungs- und Ordnungsmuster mit ihren intendierten und auch nicht intendierten Entwicklungsund Steuerungsoptionen bleibt ebenfalls im Dunkeln. Der soziale Raum als Marke durch Bildproduktion ist deshalb zweideutig: Ist damit gemeint, dass sich Raumbilder anthropogen herstellen lassen, oder ist umgekehrt beabsichtigt, dass sie als latente Strukturen sozialer und kultureller Räume Orientierung gebende Eigenarten bergen? Zur Rolle von Raumbildern als Wissens- und Re-Konstruktionsressourcen zeichnen sich dazu zwei Hauptlinien ab: Einmal finden wir jene normativ, imagepolitisch ausgerichtete Vorstellung. Sie orientiert sich am semantischen Umfeld von Leitbildern und raumpolitischen strategischen Zielsetzungen. Raumbilder werden nach dieser Lesart als Reservoir von Steuerungs-, Handlungs- und Strukturierungswissen begriffen und eingesetzt. Hierbei steht nach innen und außen der Anspruch auf einen höchstmöglichen Konsens im Vordergrund: Das Wissen über Raumbilder ist dann auf Konvergenz im Sinne vorgegebener strategischer Ziele und weniger auf Divergenz und kollektive ReKonstruktion ausgerichtet. Färber unterscheidet in Anlehnung an Lindner (2003) in diesem Zusammenhang zwischen dem Image und dem Imaginären. Das Imaginäre bezeichnet dabei die reflektorische Vertiefung des Raumes (Färber 2008: 281 f.). Wenn wir das Bild eines Raumes in diesem Sinne relational nach innen denken, spielen längerfristige Prozesse der Bildentwicklung und Diskurse dar-
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über eine größere Rolle als herkömmliche ‚Markenversprechen‘. Raumbilder ermöglichen zunächst einmal „in provisorischer Weise, die Einheit des Gegenstands herzustellen“ (Luutz 2007: 39). Damit kommen zeitlich und räumlich begrenzte Institutionen und deren Kommunikatoren ins Spiel, die zwischen Staat und Gesellschaft Raumbilder aushandeln und über deren Qualität, Inhalte, Diskurse sowie über deren sozial- und kulturgeschichtsräumliche Relationen kommunizieren. Der Raum als Marke bleibt damit – trotz aller kurzfristigen Versprechungen als eigensinniger Re-Konstruktionsprozess dem Einfluss der Agora dauerhaft und aufs Engste verbunden.
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Kommunikation komplexer Markenarchitekturen: Eine Analyse am Beispiel der Marketingkommunikation von Schweizer Tourismusdestinationen Dorothea Schaffner, Michael Boenigk und Urs Wagenseil
Abstract The term brand architecture describes the organising structure of a brand portfolio and specifies the nature of relationships between brands (Aaker/Joachimsthaler 2000). The brand architecture of a tourism destination communicates the relationship between the individual local destination (e.g. St. Moritz), the region (e.g. Engadin) and a nation (e.g. Switzerland). For example, the destination brand of glamorous St. Moritz activates different associations when communicated on its own as compared to being a part the Swiss Alps. The communicated brand architecture influences their perception by target groups. Notwithstanding its importance, the communication of brand architectures in the context of tourism destination management has not yet been analysed systematically. Therefore, the following basic research questions apply: 1. 2.
How is the brand architecture of tourism destinations communicated in practise? What are the challenges for communicating brand architectures in the context of tourism destinations?
The question regarding the challenges for communicating brand architectures has been analysed on the basis of an extensive literature research. The literature holds that the communicated brand architecture must be in line with the intended positioning, the brand image of the involved brands, the requirements and expectations of the target groups. The question of how the brand architecture is communicated in practise is addressed with a content analysis of the marketing communication of 23 selected Swiss tourism destinations. From the analysis a number of types of specific brand architectures emerge. Challenges for the communication of brand architectures of tourism destinations are developed on the basis of the research findings.
314 1
Dorothea Schaffner/Michael Boenigk/Urs Wagenseil Einführung
Die Marke ist schon seit geraumer Zeit in den Mittelpunkt des Interesses von Marketingpraktikern und -forschenden gerückt. Marken helfen bei der Verankerung von Wissen und Erwartungen über ein Produkt oder eine Leistung und vereinfachen so die Kaufentscheidung (Keller 2003). Somit sind Marken gerade in gesättigten Märkten von zentraler Bedeutung, da sie der Identifikation und Differenzierung von Produkten und Dienstleistungen dienen (Esch 2007: 1). Eine in diesem Zusammenhang wesentliche Entwicklung ist die wachsende Zahl von Leistungsangeboten und damit einhergehend die Entwicklung einer Vielzahl von Marken und komplexen Markenarchitekturen. Unter einer Markenarchitektur versteht man die Systematisierung unterschiedlicher Marken in einem hierarchischen Ordnungsrahmen (Aaker/Joachimsthaler 2000), welcher auch deren Wahrnehmung durch die Anspruchsgruppen bestimmt. Marken und entsprechend die strategische Markenführung gewinnen für Tourismusdestinationen stark an Bedeutung. Auch im Tourismusbereich ist eine Entwicklung hin zu zunehmend komplexeren Markenarchitekturen zu beobachten. Die Tourismusdestination ist ein Teilsystem des Tourismus und bietet Gästen ein immer unüberschaubares Leistungsbündel an, welches durch eine Vielzahl von Leistungsträgern erbracht wird (Bieger 2004). Als Folge resultiert in vielen Destinationen eine komplexe, oftmals historisch gewachsene und wenig strategisch geplante Markenarchitektur. Die Markenarchitektur von Tourismusdestinationen legt die Beziehung zwischen den einzelnen Leistungsträgern (z. B. Hotels oder Bergbahnen), lokalen Destinationen (z. B. St. Moritz) und der Region (z. B. Engadin) sowie der Nation (z. B. Schweiz) fest. Die Frage der adäquaten Kommunikation der Markenarchitektur tangiert bei Tourismusdestinationen eine Vielzahl von unternehmerischen und politischen Gesellschaftsbereichen von lokaler bis internationaler Tragweite. Schlussendlich bestimmt die Kommunikation der Markenarchitektur die Wahrnehmung und Beurteilung einer Tourismusdestination seitens der Zielgruppen. Beispielsweise löst die Destinationsmarke St. Moritz andere Assoziationen und Präferenzen aus, wenn sie als Teil der Schweizer Alpen vermarktet wird, als wenn die Urlaubsdestination mit ihren Luxushotels und Golfplätzen kommunikativ alleine auftritt. Trotz ihrer zentralen Bedeutung hat sich bisher weder die Praxis noch die angewandte Wissenschaft systematisch mit zentralen Fragen der Kommunikation von Markenarchitekturen für Tourismusdestinationen auseinandergesetzt. Dieser Artikel nimmt sich daher der folgenden Forschungsfragen an:
Kommunikation komplexer Markenarchitekturen 1. 2.
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Wie werden Markenarchitekturen von Tourismusdestinationen in der Praxis kommuniziert? Welche Herausforderungen stellen sich bei der Kommunikation der Markenarchitektur von Tourismusdestinationen?
Ausgangspunkt der Forschung bildete eine Analyse der Marketingliteratur zu Markenarchitekturen. Diese Erkenntnisse wurden als Grundlage für die Analyse der Markenarchitekturen von Tourismusdestinationen in der Praxis eingesetzt. Aus der Analyse lassen sich die Herausforderungen und Bedingungen für die Kommunikation von Markenarchitekturen für Tourismusdestinationen ableiten.
2
Theoretische Grundlagen zu Markenarchitekturen
2.1 Marke und Markenarchitektur In der Literatur findet sich eine Vielzahl von Definitionen des Markenbegriffs (Burmann/Meffert 2005). Je nach Perspektive wird zwischen dem klassischen, dem rechtlichen, dem objektbezogenen, dem anbieterorientierten, dem nachfrageorientierten und dem integrierten Ansatz unterschieden (Baumgarth 2004; Esch 2007). Der vorliegenden Arbeit soll der nachfrageorientierte Ansatz der Markendefinition zu Grunde gelegt werden (z. B. Kirchgeorg 2005; Esch 2007). Dieses Markenverständnis hat sich in den 1980er-Jahren durchgesetzt und interpretiert die Marke aus der Sicht der Abnehmer als „Vorstellungsbilder in den Köpfen der Anspruchsgruppen, die eine Identifikations- und Differenzierungsfunktion übernehmen und das Wahlverhalten prägen.“ (Esch 2007: 22). Der Begriff Markenarchitektur bezeichnet die Systematisierung unterschiedlicher Marken in einem hierarchischen Ordnungsrahmen (Aaker/Joachimsthaler 2000). Die Markenhierarchie ergibt sich vielfach aus der Unternehmenshierarchie resp. der Organisationshierarchie. Mit der Markenarchitektur werden die Anordnung der Marken und deren Positionierung durch die Bestimmung der Rollen der Marken und ihrer Beziehung untereinander aus strategischer Sicht festgelegt (Esch et al. 2004). Die festgelegte und kommunizierte Markenarchitektur bestimmt somit die Wahrnehmung und Beurteilung der Marken durch die Konsumenten. Entscheidungen in Zusammenhang mit der Markenarchitektur sind insofern zentrale Entscheidungen für die Markenstrategie und Markenführung (Tomczak et al. 1998; Kotler 2002; Haedrich et al. 2003; Baumgarth 2004; Linxweiler 2004; Kühn et al. 2006).
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2.2 Grundoptionen der Markenarchitektur In der Literatur werden für die Gestaltung der Markenarchitektur vier strategische Grundoptionen unterschieden (Esch et al. 2004: 757; Aaker/Joachimsthaler 2000). Die zwei Pole bilden auf der einen Seite die Dachmarkenstrategie und auf der anderen Seite die Einzelmarkenstrategie. Dazwischen werden zwei Mischformen unterschieden. 1. 2. 3. 4.
Dachmarkenstrategie (Branded House Option, Corporate-Brand-Strategie): Alle Leistungen werden unter der Dachmarke vermarktet. Einzelmarkenstrategie (House of Brand Option, Produktmarke, Monomarke): Alle Leistungen werden unter einer eigenen Marke vermarktet. Submarkenstrategie (Subbrands): Die Dachmarke dominiert den kommunikativen Auftritt der Submarken. Empfehlungsmarkenstrategie (Endorsed Brands): Die Submarken dominieren den kommunikativen Auftritt.
Diese Grundoptionen bilden die Grundlage für die Analyse und Identifikation von Markenstrategien in der Praxis
2.3 Hierarchieebenen der Markenarchitektur Die strategischen Grundoptionen umfassen zwei Hierarchieebenen der Markenarchitektur: die Unternehmensmarke und die Produkt- oder Dienstleistungsmarke. Gerade bei größeren Unternehmen umfasst die Markenstrategie jedoch über die Ebenen der Unternehmensbereiche, Produktkategorien und Produktlinien eine Vielzahl von Hierarchieebenen. Somit werden in der Praxis der Gestaltung von Markenstrategien die Grundoptionen zu komplexen Markenarchitekturen kombiniert (Esch 2007). Vergleichbar dem Aufbau von Markensystemen der Unternehmenswelt lassen sich die Marken von Tourismusdestinationen hierarchisch ordnen. Dabei werden in der Regel sechs Hierarchieebenen unterschieden (Hopper 2002). Abbildung 1 (s. folgende Seite) veranschaulicht diese Hierarchieebenen am Beispiel der lokalen Destination St. Moritz. Als Beispiel für einen Leistungsträger auf der sechsten Hierarchieebene wird die Veranstaltung „St. Moritz Festival“ aufgeführt. Dieser Ebene werden auch Einzelbetriebe wie Hotels, Verkehrsbetriebe, Freizeitveranstalter etc. zugeordnet. St. Moritz als lokale Destination auf der fünften Hierarchieebene ist seinerseits in die Region Engadin auf der vierten Hierarchieebene integriert, welche
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wiederum in die Makroregion Graubünden auf der dritten Hierarchieebene eingebettet ist. Auf der zweiten Hierarchieebene wird in dieser Darstellung das Land resp. die Tourismusmarke des Landes verortet. Davon unterschieden wird auf der ersten Ebene die Marke des Landes oder der Nation. Die Ebenen 1 und 2 der Markenhierarchie von Tourismusmarken stimmen dabei oftmals überein.
Abbildung 1:
Hierarchieebenen der Markenführung von Tourismusdestinationen (in Anlehnung an Hopper 2002)
Diese Hierarchieebenen sind für alle Tourismusdestinationen – teilweise in verkürzter oder in verlängerter Form – gegeben. Welche dieser Hierarchieebenen mittels der Marketingkommunikation kommuniziert werden, ist Teil der Markenstrategie der Tourismusdestination.
2.4 Formen und Wirkung der Markenarchitektur Im Folgenden werden die Merkmale, Rahmenbedingungen und Wirkungen der Dach- und Einzelmarkenstrategie dargelegt. Für die Mischformen wird der Fokus auf die Merkmale und die ergänzenden Rahmenbedingungen gelegt, da sich die weiteren Elemente in der Tendenz aus der Analyse der Dach- und Einzel-
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markenstrategie ergeben. Zentral ist die Übersetzung der Erkenntnisse zum Einsatz der einzelnen Grundoptionen der Markenstrategien in den Bereich der Kommunikation von Markenstrategien von Tourismusdestinationen.
2.4.1 Dachmarkenstrategie Bei der Dachmarkenstrategie werden alle Leistungen eines Unternehmens oder einer Organisation unter einer einheitlichen Marke geführt. Hier steht das Unternehmen resp. seine Kompetenz, Sympathie und Vertrauenswürdigkeit im Vordergrund (Becker 2004). Dementsprechend ist der Einsatz dieser Strategie sinnvoll, wenn die Zielgruppen und die Positionierung der Einzelleistungen unter der Dachmarke sich nur geringfügig unterscheiden. Aus diesem Grund wird diese Strategie vor allem bei Dienstleistungen (z. B. UBS) oder bei Investitionsgütern (z. B. Siemens) verwendet. Übertragen auf Tourismusdestinationen bedeutet das, dass alle Leistungen und Angebote der Tourismusregion unter der Dachmarke der Tourismusdestination vermarktet werden. Hier gilt es zu berücksichtigen, dass Tourismusmarken auf unterschiedlichen Ebenen als Dachmarken fungieren können. Im Folgenden werden die Grundlagen auf Basis der fünften Ebene (lokale Destination) formuliert. Denkbar sind auch Dachmarken auf der fünften oder sechsten Hierarchieebene. Der kommunikative Auftritt unter einer Dachmarkenstrategie kann für eine Tourismusdestination mehrere positive Auswirkungen haben (Aaker/Joachimsthaler 2000; Becker 2004; Joachimsthaler/Pfeiffer 2004; Esch 2007):
Die Dachmarke schafft Sichtbarkeit durch die größere Verbreitung. Die Dachmarke schafft Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Bei der Marketingkommunikation können Synergien genutzt werden.
Die negativen Auswirkungen einer Dachmarkenstrategie ergeben sich aus der Zusammenfassung unterschiedlicher Leistungsangebote unter einer Marke (Aaker/Joachimsthaler 2000; Becker 2004; Joachimsthaler/Pfeiffer 2004; Esch 2007):
Keine klare Profilierung der Einzelleistungen möglich. Nur unspezifische Positionierung möglich. Konzentration auf bestimmte Zielgruppen ist stark eingeschränkt. Negative Wirkungen einer Leistung breiten sich auf die Gesamtmarke aus.
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2.4.2 Einzelmarkenstrategie Die Einzelmarkenstrategie ist der markenstrategische Extremtypus als Gegenstück zur Dachmarkenstrategie (Becker 2004). Im Rahmen dieser Strategie werden alle Einzelleistungen eines Unternehmens unter einer eigenen Marke geführt (Esch 2007). In diesem Fall entspricht die Marke einer Leistung und entsprechend einem Leistungsversprechen (Becker 2004). Die Einzelmarkenstrategie ist darauf ausgerichtet, eine klare, unverwechselbare Markenidentität zu schaffen. Diese Strategie bietet sich vor allem an, wenn das Leistungsangebot des Unternehmens sehr heterogen ist bzw. wenn die einzelnen Leistungsangebote unterschiedlich positioniert und unterschiedlichen Zielgruppen kommuniziert werden (Becker 2004). Somit findet sich diese Strategie vor allem auch im Konsumgüterbereich (z. B. Procter & Gamble) (Aaker/Joachimsthaler 2000). Im Kontext von Tourismusdestination bedeutet dies, dass alle Leistungen und Angebote einer Tourismusdestination unter einer eigenen Marke vermarktet werden. Auch hier hängt die Markenstrategie von der als Analysegrundlage definierten Hierarchieebene und dem als Einheit definierten Raum ab. Die positiven Auswirkungen der Kommunikation mittels einer Einzelmarkenstrategie sind verbunden mit den Möglichkeiten der Profilierung der Einzelleistungen (Aaker/Joachimsthaler 2000; Becker 2004; Joachimsthaler/Pfeiffer 2004; Esch 2007):
Klare und spezifische Positionierung und Nutzenversprechen eines Leistungsangebotes möglich. Konzentration auf eine spezifisch definierte Zielgruppe möglich. Eignung für die Positionierung von Nischenprodukten.
Die Nachteile der Einzelmarkenstrategie ergeben sich vor allem aus dem größeren Aufwand für die Vermarktung der einzelnen Leistungen oder Destinationen (Aaker/Joachimsthaler 2000; Becker 2004; Joachimsthaler/Pfeiffer 2004; Esch 2007):
Ein Leistungsangebot muss den gesamten Markenaufwand alleine tragen. Eine Markenidentität muss aufgebaut werden.
2.4.3 Empfehlungsmarkenstrategie oder Anlehnungsmarkenstrategie Bei der Empfehlungsmarkenstrategie überwiegt das Markenbild der Produktmarke, während der Einfluss der Dachmarke minimal ist (Burmann/Meffert
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2005). Die Produktmarke wird durch einen Hinweis auf die Zugehörigkeit zur Dachmarke ergänzt (z. B. KitKat von Nestlé). Der Hinweis auf die Dachmarke dient dabei der Schaffung von Glaubwürdigkeit hinsichtlich der Leistungserbringung (Aaker/Joachimsthaler 2000). Im Markensystem des Tourismus wird weniger von Empfehlung als von einer Anlehnung gesprochen. Die Marke der Tourismusdestination dominiert den Auftritt und lehnt sich an Marken auf übergeordneter Ebene an. Diese Anlehnung kann an eine oder mehrere Dachmarken erfolgen. Im Falle der Anlehnungsmarkenstrategie lassen sich die Wirkungen vorwiegend an der Einzelmarkenstrategie ablesen. Wichtiger Vorteil dieser Strategie gegenüber der Einzelmarkenstrategie ist jedoch, dass die Einzelmarken von der Glaubwürdigkeit und Kompetenz der Dachmarke profitieren können (Aaker/Joachimsthaler 2000).
2.4.4 Submarkenstrategie Bei der Submarkenstrategie dominiert die Dachmarke das kommunizierte Markenbild (Burmann/Meffert 2004). Bei dieser Strategie wird die Dachmarke durch einen spezifischen Zusatz im Sinne einer Untermarke ergänzt (z. B. HP Deskjet). Oftmals bezieht sich der Zusatz auf ein charakteristisches Leistungsmerkmal der Untermarken (z. B. Nike Force). Die Beziehung zwischen der Untermarke und der Dachmarke ist relativ eng (Aaker/Joachimsthaler 2000). In diesem Sinne ist die Wirkung der Dachmarke stärker und die Möglichkeit der Herausbildung einer distinkten Markenpersönlichkeit des Subbrands ist eingeschränkt (Aaker/Joachimsthaler 2000). Das heißt für das Markensystem Tourismus, dass die Dachmarke der Tourismusdestination den Auftritt der Submarken der einzelnen Angebote dominiert. Bei der Übertragung in den Kontext der Tourismusdestination ergeben sich wiederum verschiedene Formen der Submarkenstrategie in Abhängigkeit der Hierarchieebene. Die Dachmarke kann auf unterschiedlichen Ebenen angeordnet sein.
3
Markenarchitekturen in der Praxis
Auf Basis der in der Theorie ausgearbeiteten Markenarchitekturen wurde im Rahmen einer empirischen Studie überprüft, welche Markenarchitekturen sich in der Praxis der Markenführung von Tourismusdestinationen beobachten lassen. Ziel der explorativen Studie war es, einen Überblick über die kommunizierten
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Markenarchitekturen zu erhalten und Herausforderungen und Chancen der Gestaltung von Markenarchitekturen für Tourismusdestinationen aufzuzeigen.
3.1 Vorgehen und Methodik Die Kommunikation der Markenarchitekturen in der Praxis wurde auf Basis einer systematischen Analyse der Marketingkommunikation von 23 Schweizer Tourismusdestinationen analysiert. Die 23 Destinationen wurden so ausgewählt, dass sowohl städtische wie auch ländliche Destinationen, Berg- wie auch Seedestinationen sowie kleine mittlere und große Destinationen aus allen Sprachregionen vertreten sind. Analysegrundlage waren die erste Seite des im Zeitraum der Untersuchung eingesetzten Hauptprospekts oder der Imagebroschüre sowie die Einstiegsseite des Internetauftritts. Das Analyseraster erfasste die Anzahl und Art der kommunizierten Marken sowie die Positionierung der Bilderwelten. Auf Basis dieser Daten wurden die Markenarchitekturen der analysierten Destinationen kategorisiert und nach Möglichkeit den strategischen Grundoptionen der Markenarchitektur zugeordnet.
3.2 Erkenntnisse aus der Analyse Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass bei der Kommunikation von Markenarchitekturen von Tourismusdestinationen Mischformen das Bild dominieren. Ein überwiegender Teil der Destinationen kommuniziert eine Markenarchitektur, die sich am ehesten einer Anlehnungsmarkenstrategie zuordnen lässt. Seltener werden Markenarchitekturen der Form der Submarkenstrategie kommuniziert. Bei den Zwischenformen der Markenarchitekturen lässt sich eine große Vielfalt unterschiedlicher Formen beobachten. Häufig werden die unterschiedlichen Formen der Markenarchitektur kombiniert. Die beiden Extremformen der Markenarchitektur, die Dachmarkenstrategie sowie die Einzelmarkenstrategie, sind in der Praxis nicht oder selten beobachtbar. Ob von einer Dachmarkenstrategie oder einer Einzelmarkenstrategie ausgegangen werden kann, hängt von der als Analyseebene definierten Hierarchieebene der Markenführung von Tourismusdestinationen ab (s. Abb. 1).
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3.2.1 Dachmarkenstrategie Unter den 23 analysierten Destinationen konnte ein kommunikativer Auftritt mit einer reinen Dachmarkenstrategie identifiziert werden: Die Region am Fuße des Berges Rigi tritt unter der Dachmarke „Weggis – Vitznau – Rigi“ auf. Die Destination ist auf der vierten Hierarchieebene – der Ebene der Region – einzuordnen. Die einzelnen lokalen Destinationen (Weggis, Vitznau oder die Rigi) treten kommunikativ ausschließlich unter der Dachmarke auf (s. Abb. 2). Einschränkend ist festzuhalten, dass es sich bei der Dachmarke um ein Konglomerat handelt, welches die Namen der Einzeldestinationen enthält. Somit werden – trotz der Dachmarkenstrategie – die Einzelleistungen hervorgehoben. Zudem konnte die Dachmarkenstrategie in Kombination mit anderen Formen der Markenarchitektur beobachtet werden. Beispiele hierfür sind „St. Gallen – Bodensee“ oder „Montreux – Vevey – Riviera-Lavaux“.
Abbildung 2:
Beispiel Dachmarkenstrategie
Auf dieser Basis lassen sich einige generalisierbare Erkenntnisse für die Gestaltung von Markenarchitekturen ableiten: Eine Dachmarkenstrategie wird nicht nur eingesetzt, wenn die Dachmarke über eine hohe Bekanntheit verfügt, sondern auch, wenn die Einzeldestinationen nur von geringer Bekanntheit sind. Zudem kann auch die geografische Nähe ein Beweggrund für den Zusammenschluss sein.
3.2.2 Einzelmarkenstrategie Bei der Einzelmarkenstrategie werden alle Leistungen oder Angebote einer Tourismusdestination unter einer eigenen Marke vermarktet. Diese Form der Markenarchitektur ist in der Praxis schwer zu identifizieren. Grundsätzlich kann
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323
festgehalten werden, dass die Einzelmarkenstrategie auf der sechsten Hierarchieebene der Markenführung auf der Ebene Leistungsträger kaum beobachtbar ist, da für die meisten Destinationen eine Marke existiert. Eine Ausnahme bilden sehr kleine Destinationen. Auf der fünften Hierarchieebene – der lokalen Ebene – wird die Zuordnung von Destinationsmarken zur Einzelmarkenstrategie problematisch. Die Einzelmarkenstrategie kann nur in Abhängigkeit von der als grundsätzlich zusammengehörenden Region identifiziert werden. Eine klare und objektive Zuteilung ist aber aufgrund der mangelnden Klarheit bei der Definition dieser Regionengrenzen schwierig. Ein mögliches Beispiel für eine Einzelmarkenstrategie ist der kommunikative Auftritt von Zürich. Einschränkend ist jedoch festzuhalten, dass auch bei dieser kommunizierten Markenarchitektur über den Claim eine Anlehnung an die Nationsmarke stattfindet.
Abbildung 3:
Beispiel einer Einzelmarkenstrategie
Bezeichnend ist jedoch, dass die Einzelmarke Zürich eine starke Marke ist, die über eine eigene Identität verfügt.
3.2.3 Anlehnungsmarkenstrategie Die Anlehnungsmarkenstrategie zeichnet sich durch einen dominanten Auftritt der Marke der Tourismusdestination aus. Gleichzeitig wird in der Marketingkommunikation ein Bezug zu Marken auf übergeordneten Hierarchieebenen hergestellt. Diese Form der Markenstrategie ließ sich bei den analysierten Tourismusdestinationen mit Abstand am häufigsten beobachten. Dabei konnten in der Praxis drei Subformen der Anlehnungsmarkenstrategie identifiziert werden. Bei der einfachen Anlehnungsmarkenstrategie lehnt sich die Destinationsmarke an einer übergeordneten Marke an. Abbildung 4 zeigt das Beispiel der Destination Genf, welche sich an die Tourismusmarke der Schweiz anlehnt.
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Abbildung 4:
Dorothea Schaffner/Michael Boenigk/Urs Wagenseil
Beispiel einer einfachen Anlehnungsmarkenstrategie
Bei der Doppelanlehnungsmarkenstrategie lehnt sich die Destination entsprechend an zwei, bei der mehrfachen Anlehnungsstrategie an drei oder mehr übergeordnete Marken an. Abbildung 5 zeigt das Beispiel der Destination Lugano im Süden der Schweiz, welche sich an drei übergeordneten Ebenen anlehnt.
Abbildung 5:
Beispiel der mehrfachen Anlehnungsmarkenstrategie
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Die übergeordneten Marken fungieren als Dachmarken und spenden der hier dominanten Destinationsmarke Lugano Glaubwürdigkeit, Vertrauenswürdigkeit und möglicherweise Bekanntheit. Gleichzeitig kann die Vielzahl der verwandten Marken auch zu einer unklaren Positionierung und Verunsicherung der Zielgruppe führen. Die Dachmarke kann sinnvoller eingesetzt werden, wenn mindestens eine Positionierungs- oder Imagedimension mit der Submarke übereinstimmt. In der Praxis der Markenarchitekturen von Tourismusdestinationen kann zudem beobachtet werden, dass der Dachmarke „Schweiz“ eine große Bedeutung zukommt. In manchen Fällen konnte auch eine flexible Anpassung der Anlehnungsmarkenstrategie mit der Marke „Schweiz“ an den Zielmarkt beobachtet werden. Hier gilt: Je weiter weg die Zielgruppen räumlich entfernt sind, umso größer ist die Bedeutung der Marke auf der Ebene des Landes. Bei der Anlehnungsmarkenstrategie liegt die Vermutung nahe, dass übergeordnete Marken nicht nur aus markenstrategischen Gründen, sondern auch aus wirtschaftlichen, historischen oder politischen Gründen in die Marketingkommunikation integriert werden.
3.2.4 Submarkenstrategie Im Rahmen der Submarkenstrategie dominiert die Dachmarke der Tourismusdestination den Auftritt der Submarken der einzelnen Angebote oder Leistungen. In dieser reinen Ausprägung konnte diese Form der Markenarchitektur in der touristischen Praxis nicht beobachtet werden. Die Submarkenstrategie konnte nur in Kombination mit einer Anlehnungsmarkenstrategie beobachtet werden. Auch diese Form ist als eher selten zu beurteilen. Abbildung 6 zeigt am Beispiel der Bergdestination Engelberg die Dominanz der Destinationsmarke „Engelberg“ gegenüber den Submarken der Leistungsträger und die Anlehnung an die Dachmarke des Landes. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass bei der Submarkenstrategie der visuelle Auftritt der Submarken die Zugehörigkeit zur Dachmarke vermittelt. Die Submarken verfügen über eine große Übereinstimmung mit der Dachmarke hinsichtlich der Positionierung und des Zielmarktes. Es zeigt sich außerdem, dass sich einerseits nur starke Marken als Dachmarken im Rahmen einer Submarkenstrategie eignen. Andererseits ordnen sich vermutlich ausschließlich Marken mit geringerer Bedeutung einer Dachmarke unter.
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Abbildung 6:
4
Beispiel der Submarkenstrategie mit Anlehnung
Herausforderungen für die Kommunikation komplexer Markenarchitekturen von Tourismusdestinationen
Auf Basis der Erkenntnisse aus der Theorie und der Praxis der Kommunikation von Markenarchitekturen lassen sich Herausforderungen für die Gestaltung sowie eine Reihe von Bedingungen für die Kommunikation von Markenarchitekturen von Tourismusdestinationen ableiten.
4.1 Herausforderungen für die Gestaltung von Markenarchitekturen für Tourismusdestinationen Aus den Beobachtungen in der Praxis kann geschlossen werden, dass im Kontext der Kommunikation von Markenarchitekturen von Tourismusdestinationen Besonderheiten zu berücksichtigen sind. Im Unterschied zur Markenführung von Unternehmen gibt es bei Tourismusdestinationen in der Regel keine einheitliche und lineare Führungshierarchie mit Führungsinstanzen, welche die Kommunikation der Markenhierarchie von Tourismusdestinationen bestimmen. Die Markenführung von Tourismusdestinationen wird durch eine Vielzahl von Entscheidungsträgern und Akteuren mitbestimmt. So wird die Markenarchitektur einer Tourismusdestination oftmals durch eine Vielzahl unterschiedlicher politischer
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und wirtschaftlicher Akteure beeinflusst. Damit einhergehend sind oftmals wirtschaftliche Überlegungen und Abhängigkeiten für den kommunikativen Auftritt von Tourismusdestinationen verantwortlich. Eine weitere Besonderheit hängt mit der Tatsache zusammen, dass viele Markenarchitekturen von Tourismusdestinationen historisch gewachsen sind. Schlussendlich ist die Markenführung von Tourismusdestinationen im Gegensatz zur Markenführung bei Produkten und Unternehmen an geografische Gegebenheiten gebunden, welche durch den unterschiedlichen Aktionsradius der Gäste nicht eineindeutig abgegrenzt werden kann. Diese Abhängigkeiten von unterschiedlichen Entscheidungsträgern, Akteuren und die historische Entwicklung spiegeln sich in der Komplexität der kommunizierten Markenarchitekturen wider. Aus dieser Perspektive ist es wenig erstaunlich, dass in der Praxis die klassischen Formen der Markenarchitekturen selten, dafür aber viele Mischformen beobachtbar sind. Zugleich erschweren diese Abhängigkeiten die Definition und Umsetzung strategisch sinnvoller Markenarchitekturen und ihnen muss bei der Entwicklung oder Neukonzeption der Kommunikation von Markenarchitekturen Rechnung getragen werden.
4.2 Bedingungen für den Einsatz der Grundoptionen der Markenarchitektur Die Grundoptionen der Markenarchitektur werden in der Praxis zumeist in Kombination eingesetzt. Die Bedingungen für die Kombinationen lassen sich aus den Bedingungen für die jeweiligen Grundoptionen folgern.
4.2.1 Bedingungen für den Einsatz der Dachmarkenstrategie Die Bedingungen für den Einsatz der Dachmarkenstrategie ergeben sich aus Kontextfaktoren innerhalb der Tourismusdestination und aus Kontextfaktoren im Markt sowie aus deren Zusammenspiel. Der Einsatz einer Dachmarkenstrategie empfiehlt sich, wenn:
die Tourismusdestination hohe Kompetenzen zur Erbringung der verschiedenen einzelnen Leistungen aufweist (Joachimsthaler/Pfeiffer 2004), die Tourismusdestination große Vertrauenswürdigkeit im Leistungsbereich aufweist (Becker 2004; Aaker/Joachimsthaler 2000), die Assoziationen der Dachmarke mit den Einzelleistungen positiv sind (Esch 2007),
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Dorothea Schaffner/Michael Boenigk/Urs Wagenseil die Einzelleistungen eine gemeinsame Imagedimension besitzen (Esch et al. 2004), sich die Positionierung der Einzelleistungen nur geringfügig unterscheiden (Becker 2004), die Einzelleistungen über kurze Lebenszyklen verfügen oder Modeströmungen unterliegen (Becker 2004) und somit Stabilität benötigen, die Zielgruppe ausreichend homogen ist.
4.2.2 Bedingungen für den Einsatz der Einzelmarkenstrategie Die Bedingungen für den Einsatz der Einzelmarkenstrategie lassen sich ebenfalls sowohl in der Tourismusdestination als auch im Markt verorten. Der Einsatz einer Einzelmarkenstrategie ist sinnvoll unter der Bedingung, dass:
die Einzelleistungen über ein großes Marktvolumen und eine große Markenstärke verfügen, die Tourismusdestination ein heterogenes Leistungsbündel anbietet (Becker 2004), die einzelnen Leistungen über eine unverwechselbare Markenidentität verfügen und unterschiedlich positioniert sind (Becker 2004), die unterschiedlichen Leistungen miteinander inkompatibel sind (Aaker/ Joachimsthaler 2000), die Leistungen einen ausreichend langen Produktlebenszyklus aufweisen (Becker 2004), die Leistungen unterschiedliche Zielgruppen ansprechen (Becker 2004), mit den Leistungen ein eigenständiges Marktfeld (Nische) besetzt wird (Aaker/Joachimsthaler 2000; Becker 2004).
4.2.3 Bedingungen für den Einsatz der Anlehnungsmarkenstrategie Bedingungen der Anlehnungsmarkenstrategie stehen in einem engen Zusammenhang mit der Einzelmarkenstrategie. Die Anlehnungsmarkenstrategie ist zusätzlich angebracht, wenn:
die Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit der Dachmarke für die Einzelleistungen von Bedeutung ist, die Bekanntheit der Dachmarke für die Einzelmarke von Bedeutung ist.
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4.2.4 Bedingungen für den Einsatz der Submarkenstrategie Die Kontextbedingungen dieser Strategie lassen sich vorwiegend aus den Elementen der Dachmarkenstrategie ablesen. Hervorzuheben ist die Möglichkeit, mit dem Hinweis auf ein charakteristisches und spezifisches Leistungsmerkmal der Einzelleistung die Positionierung der Leistung zu schärfen. Eine Submarkenstrategie ist zu empfehlen, wenn:
das Image der Dachmarke auch für die Submarken von Relevanz ist, die Zielsegmente sich nur geringfügig unterscheiden (Esch et al. 2004).
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Fazit und weiterführende Fragen
Die Kommunikation der Markenarchitektur ist von zentraler Bedeutung bei der Wahrnehmung und Beurteilung von Tourismusdestinationen durch die Zielgruppen. In der Praxis der Kommunikation von Markenarchitekturen zeigt sich ein komplexes Bild. Am häufigsten treten Tourismusdestinationen mit einer Anlehnung an eine oder mehrere übergeordnete Dachmarken auf. Dabei wird die Wahl der Markenstrategien nicht nur auf Basis marketingstrategischer Überlegungen, sondern oftmals in Abhängigkeit von unterschiedlichen politischen und wirtschaftlichen Akteuren und Rahmenbedingungen gefällt. Im Kontrast dazu steht die Bedingung, dass die Wahl einer Markenarchitektur auf Basis von Positionierungsüberlegungen, des Images bestehender Marken, der Zielgruppen sowie der Zielmärkte gefällt werden. Vor diesem Hintergrund stellt sich die weiterführende Frage, welche Wirkungen die Kommunikation der unterschiedlichen Markenarchitekturen für Tourismusdestinationen bei den Zielgruppen erzielt.
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Place Branding und Medientechnologie im Kontext der Globalisierung Luisa Conti und Francisco Javier Montiel Alafont
Abstract Developments in communication technology together with the growth and consolidation of global economic structures have fostered renewed interest not only in the way individual and collective identities are constructed but also in the strategical development of country, region and city images. This identity-image complex represents the main challenge of an activity like place branding, which is itself based on marketing strategies. The Internet has become a central medium for this purpose: not only do nearly all countries, regions and cities maintain web pages in order to persuade national and international stakeholders of their strengths, but many of them have already begun to tap into the potential of Web 2.0. In this way, users themselves become the creators of the brand. Based upon a number of case studies, this article analyzes the conditions and consequences of this new form of place branding and how it is being implemented today. Afterwards, from a theoretical point of view, the phenomenon of place branding will be examined within the context of globalization. Based upon the concept of 'authenticity', this work discusses the function of 'place branding 2.0' as a means to the creation of plural identities and social cohesion. The analysis is based on Luhmann’s idea of 'legitimation by practice', which allows the establishment of efficient collective identities in a 'cross-cutting-cleavage constellation'. Finally we formulate hypotheses regarding the role of 2.0-image-development in transnational or transcultural communication contexts.
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Einleitung
Die Entwicklung der Kommunikationstechnologie im Zusammenhang mit Wachstum und Verdichtung globaler Wirtschaftsstrukturen rechtfertigt eine erneute Untersuchung, wie individuelle und kollektive Identitäten konstruiert werden, und damit verbunden eine Betrachtung der neuen Formen der internationalen Vermittlung von Länder- und Standortimages. Eine auf Marketingstra-
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tegien beruhende Aktivität, welche den Komplex von Identität und Image zu ihrem Gegenstand macht, stellt das Place Branding1 dar. Zum dafür bevorzugt genutzten Medium ist mittlerweile das Internet geworden: Inzwischen machen nahezu alle Länder, Regionen und Städte davon Gebrauch, um internationale Zielgruppen von ihren Stärken zu überzeugen und lokale Zielgruppen in Multiplikatoren zu verwandeln. Der Einsatz der Möglichkeiten, die das Web 2.0 bietet, markiert einen vergleichsweise neuen Trend. Nutzer werden damit selbst zu Gestaltern der Landes-, Region- oder Stadtmarke. Worin die Bedingungen und die Konsequenzen dieser neuen Form des Place Brandings bestehen und wie es konkret implementiert wird, soll in diesem Beitrag zunächst anhand unterschiedlicher Fallstudien diskutiert werden. Im Anschluss daran wird das Phänomen auf theoretischer Ebene innerhalb des aktuellen Globalisierungsdiskurses betrachtet. Ausgehend vom Konzept der Authentizität werden die Möglichkeiten erörtert, Place Branding 2.0 als Mittel zur Generierung pluraler Identitäten in einer Cross-Cutting-Cleavage-Konstellation aufzufassen, die dank einer ‚Legitimation durch Verfahren‘ leistungsfähige kollektive Images ermöglicht. Schließlich werden Hypothesen formuliert, welche Rolle auf diese Weise ‚ausgehandelte‘ Images in transnationalen bzw. transkulturellen Kommunikationsprozessen spielen können.
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Wandel der Gesellschaft und der Medientechnologie
„Die aktuelle empirische Sozialforschung vermittelt den Eindruck, dass wir gegenwärtig in einer Zeit beschleunigten sozialen Wandels leben.“ So beginnt Nicola Ebers 1995 sein Werk „Individualisierung. Georg Simmel – Norbert Elias – Ulrich Beck“. Individualisierung, Fragmentierung und später Modularisierung sind die zentralen Begriffe, wenn von diesem „beschleunigten sozialen Wandel“ die Rede ist. Eine wichtige treibende Kraft hinter diesen Prozessen ist der technologische Fortschritt, der ständig neue Bedürfnisse schafft und gleichzeitig befriedigt2. Die wichtigste medientechnologische Innovation, die mit diesem
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Wir verwenden den Begriff Place Branding als Oberbegriff des semantischen Netzwerkes, das Konzepte wie Country, Nation, Region, und City Branding verbindet (Montiel et al. 2008: 422). Die aktuelle Terminologiedebatte (u. a. Anholt 2007) kann hier nicht vertieft werden. Mobiltelefone (wie auch andere Medien) sind heutzutage unhinterfragter Bestandteil unseres Daseins: Immer und überall erreichbar zu sein, ist ein Bedürfnis, das die Technologie überhaupt erst geschaffen hat, um es dann zu befriedigen. 2008 hat der italienische Oberste Gerichtshof das Mobiltelefon als fundamentales Recht eines Kindes anerkannt. Die Eltern müssen also dafür sorgen. (Urteil 45809/2008 [online]
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gesellschaftlichen Wandel einhergeht, ist die sukzessive Erweiterung des ehemals statischen World Wide Web durch die dynamischen Elemente des Web 2.0.
2.1 Die Phase der Fragmentierung und des WWW „Pluralisierung der Lebensstile“ (Zapf 1983: 56 ff.), Verschiebung der Pflichtund Akzeptanzwerte zugunsten der Selbstentfaltung (Inglehart 1980: 145, Klages 1984: 17 ff.) und „Individualisierung und Diversifizierung von Lebenslagen und Lebensstilen“ (Beck 1986: 122) sind signifikante Dynamiken der modernen Gesellschaften, die sich nach Baethge (1985: 301) auf einer sozialstrukturellen Ebene und einer individuellen Ebene fragmentiert entfalten: Die klassen- und schichtenspezifischen Sozialisationsmuster verlieren an Bedeutung und Identitätsbildung findet zunehmend unabhängig von traditionellen Kontexten statt. Die klassischen Lebensformen der Industriegesellschaft (wie z. B. Kleinfamilien und Geschlechterrollen) lösen sich auf und neue biografische Modi und Verläufe entstehen (vgl. Beck/Beck-Gernsheim 1994: 2).3 Individualisierte Menschen sind „Bastler“ (Hitzler/Honer 1994: 310): Ihre Biografien sind, wie auch die Sozialität selbst, von Diskontinuität bestimmt. Diskontinuität, Fragilität und Flexibilität schwächen traditionelle Bindungen (Bauman 1997: 184 ff.) zugunsten von punktuellen Beziehungen, deren Bezugspunkt situativ übereinstimmende Interessen und kurzfristig geteilte Kontexte sind. Einerseits wird die so entstandene Nachfrage nach vielfältigen Inhalten durch das WWW bedient, indem unzählige Webseiten Zugang zu allen erdenklichen Informationen und Produkten bieten. Da sich jeder User des Internets unabhängig von seinem physischen Kontext partikular weiterentwickeln kann, hat das Internet andererseits zweifellos selbst den Prozess der Individualisierung vorangetrieben: „Ein weltweiter Prozess, in dessen Verlauf sich das Netz in unseren Alltag ‚herunterlädt‘.“ (Thiedeke 2008: 47)
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Die Ursachen dieser Prozesse sind vielfältig. Bei Scholz und Hartzog findet sich folgende Aufzählung: “In the United States, many people are physically isolated due to urban sprawl, a culture of fear, overly controlling parental behaviour, a lost sense of place, and the nature of the job market, as well as widespread individualism. People move for new jobs and have extremely short vacations (an average of two weeks total in the US). Therefore they simply don’t have enough time to meet former friends or neighbours. Real life public spaces are not built to accommodate meaningful face to face encounter but instead serve as transitional zones of commerce.” (Scholz/Hartzog 2007)
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2.2 Die Phase der Modularisierung und des Web 2.0 Die technologischen Entwicklungen der letzten Jahre ermöglichen den Nutzern heute, nicht nur das Netz in ihren Alltag ‚herunterzuladen‘, sondern auch ihre Privatheit ins Netz ‚hochzuladen‘. Die Inhalte einer Webseite müssen nicht mehr vom Betreiber bestimmt werden: Nutzer können auch ohne Spezialwissen ihre eigenen Texte und Dateien im Netz veröffentlichen und teilweise sogar das Layout gestalten. Das ist nach O’Reilly (2005) eines der Kennzeichen des sogenannten Web 2.0, welches zwar auf solchen technischen Möglichkeiten basiert, seine entscheidende Qualität allerdings auf der sozialen Ebene gewinnt.4 Für Ebersbach ist Web 2.0 sogar „keine neue Internet-Architektur und auch keine neue World-Wide-Web-Software, sondern eher eine neue soziale Bewegung“ (Ebersbach et al. 2008: 9). Erstaunlich ist faktisch der Erfolg von sogenannten Social-Network-Sites,5 deren Integrationskraft den Isolationstendenzen unserer fragmentierten Gesellschaft entgegenwirkt (Ebersbach et al. 2008: 198). Der Begriff Modularisierung (Bolten 2008: 79) bezeichnet genau diese neue Tendenz zu Vergemeinschaftung, die sich im Cyberspace entwickeln kann: dort werden alte Beziehungen wieder aufgenommen und neue Beziehungen geknüpft, Netzwerke aufgebaut und weiterentwickelt.6 Web 2.0 macht es möglich, wieder Teil einer Community zu sein, und zwar eines sozialen Systems, das „eine spezifische Antwort auf die eigenen Umweltbedingungen darstellt“ (Thiedeke 2008: 48). Die Bedürfnisse nach etwas, was im Englischen mit ‚social‘7 bezeichnet wird, die das Social Web befriedigen kann, entfalten sich sowohl auf der Ebene des Gesellschaftlichen als auch auf der Ebene des Gemeinschaftlichen: Mitmachen aus rationalem Kalkül oder aus emotionalem Impuls ist dank eines breiten Spektrums an Plattformen und Arten der Teilnahme möglich (Ebersbach et al. 2008: 30). Die multimedialen Interaktionsmedien ermöglichen Interaktionen von virtuellen Identitäten und Lebenswelten. Darüber hinaus können genau wie physische Gemeinschaften auch virtuelle Gemeinschaften,8 die potenziell milieuüber4
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„Von Vertrauen ist die Rede, von Reputation und Authentizität. Die Änderungen sind so gravierend, dass viele bereits vom ‚Web 2.0’ sprechen.“ (Sixtus 2005) Das auf 2.0-Technologien basierende Social Web beschreibt „webbasierte Anwendungen, die für Menschen den Informationsaustausch, den Beziehungsaufbau und die Kommunikation in einem sozialen Kontext unterstützen“ (Hippner 2006: 7). Facebook ist ein bekanntes Beispiel für erfolgreiche Plattformen dieser Art. Das Konzept des englischen social hat mehrere Bedeutungen und muss in diesem Zusammenhang auf Deutsch mit zwei verschiedenen Begriffen wiedergegeben werden: gesellschaftlich und gemeinschaftlich. Nach Luhmann (1984: 16) sind Gemeinschaften soziale Sinnsysteme der Kommunikation, die sich von Umwelten unterscheiden, die u. a. andere Kommunikationsgrenzen aufweisen und sich z. B. mit anderen Themen beschäftigen, anders miteinander umgehen, über andere Aufnahmebedingungen bzgl. neuer Mitglieder verfügen, die andere Werte, Normen und Ziele haben.
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greifend und grenzüberschreitend sind, auf die „Produktion und Reproduktion von Gemeinsamkeiten“ zielen (Thiedeke 2008: 51): Es ist also das Prinzip Gemeinsamkeiten in der Vielfalt, welches das Web 2.0 ermöglicht und ausmacht.
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Place Branding 2.0
Gemeinsamkeiten in der Vielfalt zu finden und nach außen zu tragen ist auch Aufgabe des Place Brandings, das heute versucht, ein Bild des Standortes zu verbreiten, das gleichzeitig kohärent und kohäsiv9 ist. Traditionell wird das Image eines Standortes von dafür beauftragten Kommunikationsexperten entwickelt: Ein wiedererkennbares, präzises, attraktives Bild entsteht, das den Standort von anderen genau differenziert. Heutzutage ist eine alternative Tendenz zu beobachten: Das Place Image wird geöffnet, wird demokratisiert10. Es wird also dem 11 die Chance gegeben, das Image des Standortes mitzugestalten. Dabei wird der geografischen Einheit eine als fortwährend gegeben betrachtete Vielfalt zugestanden und Raum für deren Entfaltung geschaffen. Als Bezeichnung für diese neue Dimension des Place Brandings erscheint der Begriff Place Branding 2.0 zutreffend, da das Web 2.0 die Bedingung für eine solche Demokratisierung darstellt. Der Internetauftritt ist seit einigen Jahren integraler Bestandteil des Standortmarketings: Jede Stadt, jede Region, jedes Land verfügt heutzutage über eine oder mehrere Webseiten,12 bei denen der Großteil der Kommunikation allerdings einseitig verläuft. Solche Webseiten entsprechen dem klassischen World Wide Web, da die Betreiber die einzigen sind, die Einfluss auf deren Inhalte haben. Heute entscheiden sich immer mehr Standorte, ihre klassische Webseite um Web-2.0-Anwendungen zu erweitern. Verschiedene Tools des Web 2.0 ermöglichen unterschiedlich starke Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger: von Mitge9
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Kohärenz und Kohäsion sind Begriffe, die in der Literatur für verschiedene Zusammenhaltsmodi einer Einheit stehen: Kohärenz als Zusammenhalt homogener Elemente; Kohäsion als Verbindungskraft heterogener Einzelheiten. Das Standortmarketing führt heutzutage die zwei Konzepte zusammen, indem es ein homogenes, wiedererkennbares, präzises Bild verbreitet, aber gleichzeitig die teilweise widersprüchliche Komplexität der Einheit vermittelt. Das Web 2.0 wird als demokratisch wahrgenommen, da „alle teilhaben“ und alle zu ihm „beitragen“ (Stöcker 2006). Demokratie ist von den altgriechischen Wörtern: – Volk und ó – Macht abgeleitet. Jeder Nationalstaat hat zumindest eine Webseite, mit der er sich profiliert. Normalerweise richtet sie sich an potenzielle Touristen (http://www.germany-tourism.de/). Einige Länder haben auch eine spezielle Webseite für potenzielle Investoren (http://www.invest-in-germany.com). Es werden auch, abhängig von den spezifischen kulturellen Besonderheiten der Zielgruppe, ad hoc Seiten aufgebaut (http://germanoriginality.com) und oft wird in kampagnenbezogene Webseiten investiert (http://researchingermany.com).
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staltung der Webseite bis hin zur Formgebung des Standortimages. Folgende Beispiele zeigen unterschiedliche Grade der Öffnung gegenüber den Nutzern:
Favoritenwahl: Das brasilianische Tourismusministerium ist Betreiber einer Webseite13, in der die Nutzer ihre Lieblingsortschaften wählen dürfen: Die Favoriten verschiedener Kategorien werden auf der Startseite gezeigt. Diese Öffnung im kleineren Rahmen verstärkt das Zugehörigkeitsgefühl eines Individuums sowohl gegenüber seiner Heimatstadt als auch gegenüber anderen Städten, die es mag. Dieser Effekt funktioniert auf zwei Ebenen: Wenn der Nutzer sieht, dass „seine“ Stadt beliebt ist, also viele Stimmen auf sich vereint, wird er sich bestätigt fühlen, ist sie in der Rangliste eher weit unten platziert, so ist er erst recht motiviert, daran durch seine Stimmabgabe etwas zu ändern. Außerdem soll eine Seite auf diese Weise persönlicher und damit wahrhaftiger werden.14 Gästebuch: Die Italienische Zentrale für Tourismus betreibt eine klassische Webseite15, die den Nutzern aber die Möglichkeit gibt, eine kurze Botschaft in einem Gästebuch zu veröffentlichen. Beim Lesen der Mitteilungen fällt auf, dass es sich hauptsächlich um positive Kommentare zu Italien, den Italienern oder der Webseite selbst handelt. Es finden sich aber auch kritische Einträge, die eher ein abschreckendes Bild Italiens zeichnen. Mitte August 2008 schrieb z. B. ein Nutzer: „Italien hat mich schwer enttäuscht. Überall Verbote, die völlig überzogen sind: Nimmt man auf öffentlichen Plätzen, vor Denkmälern etc. einen Schluck Wasser gegen den Durst = 50 Euro! Kauft man sich ein Eis im Hörnchen – Verbot = 50 Euro! Dann bitte konsequent kein Eisverkauf mehr an Vorübergehende. Uns so geht’s endlos weiter! Mein Fazit: Nie mehr Italien!“16
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Die Intention des Absenders ist interpretierbar: Die Leser können diese ernst nehmen oder nicht, aber sie können – wegen der spezifischen Struktur des genutzten Tools – seine Aussage weder öffentlich hinterfragen noch verwerfen. Forum: Deutschland hat dem US-amerikanischen Publikum eine Webseite17 gewidmet. Auf der Startseite ist das Wort „Community“ zu lesen: Nutzer werden eingeladen, an Foren über bestimmten Themen (s. Abb. 1) teilzu„Ministério do Turismo”: http://www.turismobrasil.gov.br. Wie Vertrauen sich in virtuellen Gemeinschaften entfaltet, wird gerade intensiv erforscht (u. a. Bolten 2008). „Italienische Zentrale für Tourismus ENIT“: http://www.enit-italia.de. Online-Quelle:
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nehmen. Die Beschränkung auf bestimmte Themen hilft kontroverse Gesprächsthemen zu vermeiden.
Abbildung 1:
Startseite des Forums German Originality18
Blog: Die Betreiber der offiziellen Webseite19 Südtirols haben die klassische, informierende Seite um einen Blog20 erweitert. Jeder Nutzer kann einen oder mehrere Berichte über seine Ausflüge in Südtirol veröffentlichen. Vor der Veröffentlichung im Netz wird vom Betreiber beurteilt, ob der Bericht den Regeln21 entspricht. Die Kommentarfunktion ermöglicht den Aufbau eines echten Netzwerkes, indem man nicht nur Anmerkungen oder weitere Informationen weitergeben, sondern auch seine persönliche Daten (wie E-Mail und Telefonnummer) veröffentlichen kann. Durch das Blog „Südtirol Reiseberichte“ wird dem Nutzer ein vielseitiges Bild der Region vermittelt, wahrhaftiger, als es ein Werbetext vermitteln könnte, und gleichzeitig menschlicher, da man die Autoren und ihre Geschichten, die man dank der Kommentarfunktion kennenlernt, mit dem Gebiet in Verbindung bringt und vielleicht ihretwegen bzw. aufgrund ihrer Erzählungen dorthin reist.
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Luisa Conti/Francisco Javier Montiel Alafont Posting22: Die kolumbianische Präsidentschaft hat eine Kampagne gestartet, in der das Internet23 eine wichtige Rolle spielt. Der Titel und der Claim der Imagekampagne lauten: „Colombia es Pasión“ („Kolumbien ist Leidenschaft“). Oberstes Ziel der Kampagne ist es, den Grad des Vertrauens der Kolumbianer gegenüber ihrem Land zu steigern: Sie sollen selber Multiplikatoren eines positiven Images Kolumbiens werden. Auf der Seite ist zu lesen: „Die Leidenschaft eint uns, zeichnet uns als Kolumbianer aus. Sie ist nicht aufgesetzt oder gespielt, sie ist natürlich, Teil unserer DNA. Wir sind nicht ohne Grund eines der glücklichsten Länder der Erde, wir sind es dank der Leidenschaft, die wir für das Leben, die Arbeit, die Familie, den Frieden verspüren. Die Botschaft von Colombia es Pasión ist, dass wir unterschiedliche Menschen sind, die durch Leidenschaft verbunden sind: dass wir zwar ein Land mit Schwierigkeiten sind, wir aber Menschen sind, die bereit sind, die Welt mit offenen Armen aufzunehmen.“24
Dafür wurde Kolumbianern die Möglichkeit gegeben, ihre Antwort auf die Frage „¿Por qué Colombia es Pasion?“ zusammen mit ihrem Bild und ihrem vollständigen Namen zu veröffentlichen. Wie man in Abbildung 2 (s. folgende Seite) sehen kann, identifiziert sich eine Nutzerin so sehr mit ihrem Land, dass sie sich mit der Fahne in Herzform virtuell darstellt. Sie beschreibt Kolumbien und Kolumbianer – genauso wie viele andere Mitbürger – als einzigartig, grundverschieden von allen anderen lateinamerikanischen Ländern und Bewohnern. Eine weitere Nutzerin belegt ihre Leidenschaft für Kolumbien mit seiner Vielfältigkeit: „Porque es un pais lleno de diversidad humana.“25
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In der Country-Branding-Kampagne von Kolumbien wird eine Web 2.0-Anwendung verwendet, die eine ganz besondere Mischform zwischen einem Gästebuch und einem Forum ist. Hier wird dem Nutzer genau wie in einem Gästebuch keine Möglichkeit gegeben, sich mit anderen Nutzern direkt auszutauschen; anderseits genau wie in einem Forum wird er dazu gebracht, seine Meinung zu der vom Betreiber angegebenen Fragestellung abzugeben. Um keine falschen Assoziationen zu wecken, haben wir den Terminus Posting ausgewählt. „Colombia es pasión”: http://www.colombiaespasion.com. Online-Quelle:
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Abbildung 2:
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Post „Warum ist Kolumbien Leidenschaft?“26
Diese Kampagne fand überall auf der Welt Resonanz. Es gibt mehrere deutsche Blogs, die sich mit „Kolumbien ist Leidenschaft“ befassen. Das beste Beispiel ist der Blog „Kolumbien 2007 Colombia es Pasion“27, in dem man Folgendes lesen kann: „Kolumbien ist die Nation, welche mich mit ihrer so eigenen Magie […] verzaubert hat. Doch ist es auch ein Land der Gegensätze […] auch das ist Colombia … Eines jedoch steht für mich fest … Colombia es Pasión (Kolumbien ist Leidenschaft).“28
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Social Network: Das virtuelle Bild der Hauptstadt Spaniens können die Nutzer selber gestalten. Es wurde dafür eine Social Website29 zur Verfügung gestellt: Dort kann jeder Videos und Bilder von anderen Nutzern betrachten. Der User hat auch die Chance, Teil eines Social Networks zu werden, indem er sein Profil gestaltet, in Kontakt mit anderen Nutzern tritt, seine Bilder und Videos über Madrid selbst hochlädt und kommentieren kann. Es ist auch möglich, Mitglied einer oder mehrerer Gruppen zu werden. Madrid Babel ist der Name einer dieser Gruppen, sie besteht aus in Madrid lebenden Ausländern. Somit ist die Leitidee des Place Brandings 2.0 erfüllt: Gemeinsamkeit in der Vielfalt. Online-Quelle:
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Abbildung 3:
Webseite mit von Nutzern hochgeladenen Bildern und Videos über Madrid (li.). Das Portal der in Madrid lebenden Ausländer (re.).30
3.1 Risiken & Chancen Immer mehr Unternehmen31 entscheiden sich für Werbekonzepte, die Anwendungen des Webs 2.0 einbeziehen. So beginnt auch das Place Branding mit diesen Technologien zu experimentieren, um seine Ziele zu erreichen. Worin bestehen die Risiken und Chancen, das Image eines Landes, einer Region, einer Stadt zu demokratisieren? Nach einer Untersuchung der ausgewählten Beispiele kristallisieren sich folgende Erwägungen heraus.
3.1.1 Risiken
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Nicht erreichte kritische Masse: Die kritische Masse nicht zu erreichen kann ein Zeichen dafür sein, dass das Setting nicht zweckmäßig konstruiert ist und dadurch eine schwache Anziehungskraft ausübt. Es kann aber auch sein, dass die Beteiligung nicht genug gefördert worden ist oder dass die angesprochene Zielgruppe nicht erreicht wurde.32 Damit wird das Potenzial Online-Quelle:
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des Web 2.0 nicht ausgeschöpft und die positiven Effekte werden nicht erzielt. Loyalität aufzubauen ist einer der Wege, eine hohe Zahl von Nutzern zu erreichen, die konstant dabeibleiben.33 Dafür muss der Nutzer das Gefühl haben, ernst genommen zu werden; das kann z. B. dadurch erreicht werden, dass abgeschickte Kommentare oder hochgeladene Dateien schnell veröffentlicht werden. Deswegen bedeutet Offenheit oft auch hohe Dynamik der Inhalte (vgl. Ebersbach et al. 2008: 190). Nicht übereinstimmende Ziele: Sich für Place Branding 2.0 zu entscheiden, bedeutet auch, das Risiko einzugehen, dass die Ziele der Nutzer nicht mit den Zielen des Marketings übereinstimmen. Das kann dazu führen, dass die Plattform anders genutzt wird als vom Betreiber konzipiert. Um dies zu vermeiden, kann der Betreiber versuchen, die Aktivitäten der Nutzer zu lenken34 oder ihren Aktionsbereich einzugrenzen35. Kontrollverlust: Den Nutzer aktiv zu involvieren stellt einen automatischen Verlust der Kontrolle über den Prozess dar. Letztendlich kann dies den Aufbau und die Verbreitung eines negativen Images verursachen. Um zu vermeiden, dass die Webseite sich abweichend vom ursprünglichen Konzept entwickelt, wird die Veröffentlichung von Materialien der Nutzer an bestimmte Bedingungen geknüpft.36 Wenn solche Regeln nicht transparent kommuniziert werden oder der Nutzer das Gefühl bekommt, dass negative oder alternative Botschaften zensiert werden, wird das bindende Vertrauen zerstört. Ein negatives Image verbreitet sich.
3.1.2 Chancen
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Verbundenheit: Durch die Interaktion der Akteure und ihre aktive Teilnahme am Prozess des Place Brandings wird der Aufbau eines Verbundenheitsgefühls ermöglicht. Wie wir am Anfang des Artikels gezeigt haben, Der Südtiroler Blog oder das Madrid-Portal sind so aufgebaut, dass Beziehungen zwischen den Nutzern entstehen können; dies bindet Nutzer an die Seite. Das ist der Fall beim Forum Germanoriginality und bei dem Posting Kolumbien ist Leidenschaft: Im ersten Fall werden neutrale Themen vom Betreiber vorgeschlagen. German History ist beispielsweise nicht als Diskussionsthema zu finden, da vermieden werden soll, dass alte, negative Stereotypen über Deutschland und die Deutschen in die Auseinandersetzung einfließen. Im Fall des Postings wird vorausgesetzt, dass Kolumbien Leidenschaft ist, anstatt Menschen ergebnisoffen zu fragen, was sie über ihr Land denken. Ein gutes Beispiel dafür ist der Blog von Südtirol. Dort kann man sich nur über Südtirol austauschen, im Rahmen von Reiseberichten. Als Beispiel kann hier der Südtiroler Blog dienen.
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Luisa Conti/Francisco Javier Montiel Alafont entspricht das Gefühl, Mitglied einer Community zu sein, heutzutage einem stark wiederkehrenden Bedürfnis. Seine Erfüllung wird in unserer Gesellschaft u. a. durch die Technologie 2.0 ermöglicht, da sie z. B. nicht an Ort und Zeit gebunden ist. Vielfältigkeit: Ein weiterer Vorteil des Place Brandings 2.0 ist das vielfältige Bild, das durch diese Öffnung entsteht. Auf der virtuellen Plattform werden unterschiedliche Facetten eines Standortes gezeigt: Jeder Nutzer bringt potenziell eine neue Perspektive ein. Vielfältigkeit zu vermitteln ist auch deswegen positiv, weil sie für Wahrhaftigkeit steht. Die gemeinsame Erfahrung der Teilnahme schafft eine neue Lebenswelt (Schutz/Luckmann 2003), die soziale und kulturelle Spaltungen überbrückt. Authentizität: Das Gefühl zu vermitteln, dass jeder Nutzer frei ist, seine Wahrheit, seine Geschichten und seine Erlebnisse zu erzählen, schafft Authentizität, die es ihrerseits wiederum ermöglicht, Vertrauen aufzubauen und als Ehrlichkeit wahrgenommen zu werden. Deswegen ist Zensur keine geeignete Antwort auf Kontrollverlust.
In unserer Zeit, in der die virtuelle Dimension dem Bedürfnis nach Modularisierung Befriedigung bietet, stellt die Wahl für Place Branding 2.0 eine strategische Entscheidung dar. Ein Standort, der sich für eine Demokratisierung des eigenen Images entscheidet, muss Steuerung und Eigendynamik ausbalancieren: Je mehr man den Prozess steuern will, um das Risiko eines negativen Images zu verringern, desto weniger Erfolg wird die Maßnahme haben, da u. a. Verbundenheit und Authentizität in geringerem Maße vermittelt werden.
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Place Branding 2.0: Eine theoretische Perspektive
Verbundenheit, Vielfältigkeit und Authentizität stellen die Hauptchancen einer erfolgreichen Politik des Place Brandings gerade deswegen dar, weil sie gleichzeitig wichtige Prozesse der Identitätsbildung einer Gesellschaft ausmachen. In diesem Sinne kann eine theoretische Perspektive dazu beitragen, Verbindungen zwischen 2.0-Aktivitäten des Place Brandings und bereits beschriebenen Formen gesellschaftlichen Handelns zu erkennen und ihre Bedeutung innerhalb von Globalisierungsprozessen zu erörtern.
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4.1 Authentizität Authentizität ist eine Eigenschaft, die bis heute weniger Aufmerksamkeit bei der Analyse von Identitätskonstruktion erweckt hat. Wir haben sie jedoch in Montiel et al. (2008) als Eckpfeiler der Dynamik zwischen Marke und Identität postuliert. Aus der Sicht der Kohärenz kann das Ziel des Place Brandings als die Abstimmung zwischen sozialem Handeln und Kommunikationsstrategie definiert werden. In diesem Zusammenhang übernimmt die Authentizität die Rolle einer Schnittstelle: Sie löst das Wechselspiel zwischen Imagestrategie und Identitätskonstruktion aus. Letztere bietet den Rahmen der Möglichkeiten für das Design einer Imagestrategie an, während die Durchführung einer solchen Strategie Einfluss auf den stetigen Prozess der Aushandlung der sozialen Identität nehmen kann. Die Spielregel wird dabei als die gleichzeitige Aufrechterhaltung einer Selbst- und einer Fremdwahrnehmung von Authentizität formuliert. Auf einer Ebene der Kohäsion lässt sich eine neue Kategorisierung der Authentizität dergestalt entdecken, dass sie in der Lage ist, pluralistische Weltbilder zu unterstützen. In enger Verbindung mit dieser Neukategorisierung ist festzustellen, dass kohärente Brandingtechniken, die darauf abzielen, ein konstantes und märkteübergreifend gleiches Bild eines Landes (bzw. Standortes) zu vermitteln, das sich in einer einzigen zentralen Aussage zusammenfassen lässt, in jüngster Zeit immer mehr in den Hintergrund rücken. Das Phänomen deutet nämlich auf einen Wandel in der Art und Weise hin, wie Identitäten erschaffen werden, die mit dem Paradigmenwechsel der Moderne im Rahmen des Globalisierungsprozesses einhergeht.
4.2 Der Globalisierungsprozess Drechsel et al. (2000: 135 f.) beschreiben Globalisierung mit einem umfassenden Modell, das drei Phasen ausmacht. In der Ersten Moderne konstituiert sich Internationalität als der Raum, in dem sich der Austausch zwischen geschlossenen Nationalstaaten abspielt. In der Postmodernen Moderne fängt Transnationalität an, nicht nur Internationalität aufzulösen, sondern auch die Exklusivität und Homogenität des Nationalstaates ins Wanken zu bringen. Die Zweite Moderne ist dadurch gekennzeichnet, dass Transnationalität darüber hinaus Internationalität in eine Residualkategorie transformiert: Sie konfiguriert sich als geronnene Trans-Nationalität zwischen Nationalstaaten, die eine neue Konstitution aufweisen, insofern als ihre Souveränität nun im Kontext der Globalisierung entstanden ist.
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Luisa Conti/Francisco Javier Montiel Alafont
In einer auf diese Weise charakterisierten Entwicklung lässt sich ein Öffnungsprozess erkennen, der heterogene und vielfältige Weltanschauungen ermöglicht und fördert. Dementsprechend kann die Authentizität sozialen Handelns nicht mehr durch eine monolithische Einheitlichkeit der Sinnproduktion, sondern durch einen produktiven Konflikt (der als plausibler Zusammenhalt aufzufassen ist) von unterschiedlichen Realitätswahrnehmungen vermittelt werden. Bezüglich der Teilnahme an kollektiven Handlungen erkennen darüber hinaus Drechsel et al. eine neue Form der Demokratisierung: „Was sich herausbildet, ist eine neue ‚Politik der Politik‘, die bekannte Demokratisierungen übersteigt. Es kann sich nur um eine neue Form von ‚Demokratisierung‘ handeln, die ‚gewaltengeteilte‘ Herrschaft nicht mehr voraussetzt, sondern im globalen Markt fortwährend als ‚unsichtbare Hand‘ induziert.“ (Drechsel et al. 2000: 136)37
Zur gesellschaftlichen Verbundenheit tragen an erster Stelle Legitimationsprozesse bei, die denselben Autoren folgend ab der Postmodernen Moderne ausschließlich in der Form von Legitimation durch soziales Verfahren erfolgen.
4.3 Legitimation durch soziales Verfahren Die Legitimation durch Verfahren in sozialen Systemen hat Niklas Luhmann anhand rechtlicher Verfahren in seinem Werk „Legitimation durch Verfahren“ (1969)38 untersucht. Der Autor betrachtet Legitimation im Sinne einer Übernahme bindender Entscheidungen in die eigene Entscheidungsstruktur (Luhmann 1989: VII f.). Das Ziel eines öffentlichen Verfahrens ist dabei, „Reduktion von Komplexität intersubjektiv übertragbar zu machen“ (Luhmann 1989: 26). Die Ungewissheit des Ausgangs dieses Verfahrens und die Offenheit von Verhaltensalternativen werden in den Handlungszusammenhang hineingenommen und dort abgearbeitet. Selektive Entscheidungen der Beteiligten treiben das Verfahren voran: Sie eliminieren Alternativen, reduzieren Komplexität, absorbieren
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An dieser Stellte erscheint es angemessen, Folgendes zu bedenken: Wenn Souveränität und Demokratisierung erst im globalen Kontext entstehen, kann der Versuch, scharfe Trennlinien zwischen beispielsweise Place Branding, Country Branding und Nation Branding zu ziehen, der Realität nicht mehr Rechnung tragen. Nachfolgend wird nach der Auflage von 1989 zitiert. Die Übertragbarkeit der Überlegungen Luhmanns vom rechtlichen Kontext auf andere Bereiche des sozialen Lebens wird an dieser Stelle als sinnvoll angenommen und nicht weiter diskutiert.
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Ungewissheit und verwandeln unbestimmte Komplexität in greifbare Problematik (Luhmann 1989: 40). Die Parallelen mit den im Abschnitt 3 beschriebenen Vorgehensweisen des Place Brandings 2.0 sind evident. Seine Social-Networking-Aktivitäten stellen einen offenen Rahmen zur Verfügung, in dem identitätsstiftende Verhaltensalternativen diskutiert werden. Komplexitätsreduktion findet dabei insofern statt, als lebensweltliche Unterschiede, die nicht aufeinander abgestimmt werden können, nicht ignoriert, sondern in greifbare Opposition oder gar Konflikte transformiert werden. Allein die Beteiligung an solchen Prozessen garantiert eine Verbindlichkeit der Ergebnisse seitens breiter und verschiedener Teile der Gesellschaft. In diesem Sinne lässt sich auch die Ausführung Luhmanns anwenden, dass im Verfahren Kritik und Alternativen eigendynamisch erzeugt werden. „Verfahren können daher Funktionen übernehmen, die einfacheren Systemen verschlossen sind, namentlich Funktionen der kooperativen Wahrheitssuche von divergierenden Standpunkten aus und Funktionen des Darstellens und Austragens von Konflikten.“ (Luhmann 1989: 50)
4.4 Cross-Cutting Cleavage Aus der Politikwissenschaft stammt ein weiteres theoretisches Modell, das den sozialen Umgang mit Vielfältigkeit beleuchten kann. Es wurde in den 1960erJahren von Lipset und Rokkan (1967) entwickelt, um die politischen Systeme sowie die Wählerverteilung in den westeuropäischen Ländern zu erklären. Sie definierten in diesem Zusammenhang zwei soziokulturelle Konfliktlinien, sogenannter Cleavages. Das territoriale Cleavage unterscheidet einerseits Oppositionen zwischen regionalen Interessen und zentralen Machtpositionen und andererseits Konflikte über national dominante Vorstellungen von politischen Zielen, politischer Organisation und Kontrolle. Das funktionale Cleavage kreuzt rechtwinklig die territoriale Achse und definiert an einer Seite Oppositionen – vor allem wirtschaftlicher Natur – zwischen spezifischen Interessengruppen (z. B. zwischen Arbeitsnehmern und Arbeitgebern) und an der anderen Seite ideologische Konflikte, die mit Moral oder Weltanschauung (z. B. religiösen Konflikten) verbunden sind (Lipset/Rokkan 1967: 9 ff.). Sicherlich lässt sich aus politikwissenschaftlicher Sicht darüber diskutieren, inwieweit das Modell für die parteipolitischen Entwicklungen ab den 1990erJahren noch ausreichend ist. Für seine Anwendung auf den Bereich der Identitätskonstruktion und deren Auswirkung auf die Produktion von Länderbildern erscheint jedoch der Unterschied von höherer Relevanz, welchen die Autoren zwischen Reinforcing und Cross-Cutting Cleavages erkennen. Bei ersteren han-
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delt es sich um Konfliktlinien, die sich überlappen, so dass als Ergebnis Konflikte verstärkt werden. Im Fall von Cross-Cutting Cleavages überschneiden sich dagegen die Konfliktlinien; Auseinandersetzungen werden somit gemildert und Brücken über divergierende Interessenlagen geschlagen. Diese zweite Art von Cleavages zeichnet sich dadurch aus, dass Bipolarisierung weitgehend vermieden werden kann. Gesellschaftliches Handeln gestaltet sich stattdessen entlang einer Linie von Konflikt-Konsens-Beziehungen (Lipset/Rokkan 1967: 41). Auf Place Branding 2.0 angewandte soziale Software – sei es in konsekutiven Formen, wie Blog und Gästebuch, oder auf komplexen Hypertext-Strukturen basierend, wie etwa das Wiki oder das Social Networking – stellt ein geeignetes Instrument dar, um zwei Arten von gesellschaftlichen Prozessen in Gang zu bringen. Einerseits können unterschiedliche Blickpunkte sowie lebensweltliche Differenzen thematisiert und ausdiskutiert werden. Für eine breite Beteiligung quer durch das soziale Spektrum sorgen die Ubiquität und die Durchdringung der Technologie. Ergebnis dieses Prozesses ist nicht das Einebnen von Diversität, sondern vielmehr ihre Bekanntheit, was einen ersten Schritt zu ihrer Akzeptanz bildet. Anderseits entwickeln die Menschen multiple virtuelle Identitäten, die sich teilweise unabhängig voneinander konstituieren und in verschiedene Gemeinschaften eingliedern. Diese Vermehrung, Vernetzung und spontan organisierte Gestaltung der Identitäten wurde bereits unter 2.2 bei der Beschreibung des Modularisierungsprozesses der Gesellschaft angesprochen. Der Zusammenhalt der modularisierten Gesellschaft beruht folglich auf der Entstehung von Cross-Cutting Cleavages neuer Konfiguration. Eine ihrer wesentlichen Eigenschaften – wie das angeführte Beispiel der Madrid-Babel-Community belegt – ist die Transkulturalität. Sie ist ohne Zweifel eine Konsequenz der grenzüberschreitenden Ausgestaltung der Medientechnologie, gleichzeitig aber als Ergebnis der im globalen Kontext entstandenen Demokratisierung aufzufassen.
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Zusammenfassung und Hypothesen
Abbildung 4 liefert eine grafische Darstellung der Entsprechung zwischen gesellschaftlichen Praktiken der Identitätskonstruktion in der Ersten und in der Zweiten Moderne. Die Positionierung der vier Beispiele entspricht den im Abschnitt 3 angesprochenen unterschiedlichen Graden der Öffnung (bzw. der Transnationalität).
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Abbildung 4:
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Place Branding von der Ersten zur Zweiten Moderne
Neben der zentralen Funktion der Authentizität als Bindeglied zwischen Landesimage und kollektiver Identität wird mit dieser Schematisierung postuliert, dass die Anwendung von 2.0-Kommunikationstechnologie auf das Place Branding Legitimationsprozesse des Landesimages durch soziale Verfahren begünstigt. Darüber hinaus und im Einklang mit dem Wandel der Zweiten Moderne ermöglicht und fördert diese Technologie die Entwicklung von transkulturellen Identitätskonstruktionen im Sinne von Cross-Cutting Identities.39 Eine relevante Differenz innerhalb der unterschiedlichen Phasen der Globalisierung besteht im Umgang mit Komplexität und Vielfältigkeit. In der Ersten Moderne existierten Mechanismen der sozialen Kohäsion, welche Komplexität und Diversität zwar zuließen, aber auch beschränkten. Die Mechanismen der Zweiten Moderne verstärken Komplexität und Diversität und setzen sie innerhalb eines transkulturellen Szenarios in Gang. 39
Der Begriff stammt von Drechsel et al., die diesbezüglich schreiben: „Nicht nur liegen permanenter Wechsel und Übergänge vor, sie scheinen ebenso fortwährend vielfältige Identitäten zu kreieren und zugleich zu stabilisieren. Die Grenzen und ihr Wechsel stabilisieren eine Vielfalt von Identitäten, diese Grenzwechsel und Übergänge bedeuten aber auch permanente Konflikte.“ (Drechsel et al. 2000: 22).
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Instrumente des Place Brandings 2.0 als neues Handlungsmuster sind die Anwendung ‚sozialer Kommunikationstechnologie‘ sowie eine Neudefinition von Authentizität, welche nicht auf Übereinstimmung, sondern auf Differenz beruht. Im Ergebnis entstehen kollektive Selbstbilder, die auf pluralen, nicht konkurrierenden Identitäten basieren, in Wechselwirkung mit kollektiven Fremdbildern, welche die Attribute Kohäsion und Authentizität aufweisen. Die Zweite Moderne als Paradigmenkorrektur unternimmt eine Neuinterpretation der Ersten Moderne. Die Mitglieder der Gesellschaft werden von Strukturen, die ihr Weltbild steuerten, freigestellt. Demzufolge sind sie dazu gezwungen, ihre Lebenswelt, ihre Identität, ihre Gesellschaft selbst neu zu definieren und zu deuten bzw. neu zu erfinden. Ebenso lässt sich Place Branding – zu dem auch Begriffe wie Country und Nation Branding zu zählen sind – als die Neuerfindung der Nation auffassen, insofern, als sie an der Schnittstelle zwischen transkultureller, pluralistischer Identität, authentischem, vielfältigem Bild, sozialem Marketing und Demokratie der Globalisierung erschaffen worden ist.
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Verzeichnis der Autorinnen und Autoren Patrick Bal M. A. studierte Germanistik, Anglistik und Pädagogik (TU Darmstadt und University of Surrey/UK). Dissertationsprojekt: „Universitäre Corporate-Identity- und Markenbildung als institutioneller Diskurs. Eine diskurslinguistische Untersuchung von Textsorten in Vernetzung“. Forschungsschwerpunkte: Text(sorten)- und Diskurslinguistik, Institutionelle Kommunikation. Christina Blake, MSc., war lange in der Internationalen Kommunikation bei den deutschen bzw. europäischen Zentralen multinationaler Unternehmen tätig, dort sowohl für Corporate Communications und Media Relations als auch für Consumer PR und B2B-Kommunikation verantwortlich. Master-Arbeit „Media Relations for Places“ an der Universität von Stirling, Schottland im Juni 2002. Prof. Dr. Michael Boenigk leitet den Kompetenzbereich Unternehmenskommunikation am Institut für Kommunikation und Marketing der Hochschule Luzern – Wirtschaft. In der Forschung beschäftigt er sich mit Fragestellungen der Planung und Umsetzung integrierter Kommunikationskonzepte, des Einsatzes der Neuen Medien sowie mit Fragen der Markenpolitik. Petra von Borstel ist CSR-Managerin bei Sanofi Pasteur MSD GmbH in Leimen. Sie verantwortet seit 2002 die Projektleitung der Initiative kinderwelten und hat dazu beigetragen, dass der bundesweite Schulwettbewerb „Teilen lohnt sich“ ins Leben gerufen wurde. Dr. Dr. h. c. Jürgen Brandt, Honorarprofessor, studierte Betriebswirtschaftslehre, Arbeitswissenschaft, Pädagogik und Ingenieurwissenschaften. Er war viele Jahre leitend in der produzierenden Industrie national und international tätig. Er gehörte bei drei Handelskammern mehreren Prüfungsausschüssen an, ist Mitglied einer Rechtsanwaltskammer und Auditor für Qualitätsmanagementsysteme. Laetizia Christoffel studierte Germanistik, Publizistik und Kunstgeschichte an der Universität Zürich. Lizentiat 2002. Nachdiplomkurs an der HTW Chur in Museologie. Seit 2006 Geschäftsführerin des Dachverbandes Museen Graubünden. Sie schreibt eine Dissertation über den sprachlichen und sozialen Wandel der Gesellschaft, untersucht an der Werbesprache von Lebensmittelanzeigen. Dr. Cathrin Christoph hat Deutsche Philologie sowie Allgemeine und Historische Sprachwissenschaft studiert. Seit 2001 arbeitet sie als PR-Beraterin; Promo-
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tion: „Die Pressemitteilung. Textsorte zwischen Wirtschaft und Journalismus“. Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte: Textlinguistik und Systemtheorie, Textsorten der PR, PR als strukturelle Kopplung von Wirtschaft und Journalismus. Luisa Conti ist seit 2006 wissenschaftliche Mitarbeiterin „Interkulturelle Wirtschaftskommunikation“ der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Forschungsschwerpunkte: Internationales/interkulturelles Marketing; Interkulturelle Kommunikation in virtuellen Räumen; Interkultureller Dialog und soziale Kohäsion. Sie führt interkulturelle Trainings/Beratung für diverse Organisationen durch. Prof. Dr. Matthias Fank studierte Betriebswirtschaftslehre und promovierte zum Dr. rer. pol. Anschließend arbeitete er mehrere Jahre als Unternehmensberater. Von 1994 bis 1999 war er Professor für Informationsmanagement an der FH Stralsund. Seit 1999 ist er Inhaber der Stiftungsprofessur für Informationsmanagement der FH Köln. Sein Forschungsgebiet bezeichnet er als „Webknowledge“. Dr. Franziska Große ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Georg-AugustUniversität Göttingen, Abteilung Germanistische Linguistik. Sie promovierte im Februar 2009 zum Thema „Bild-Linguistik. Grundbegriffe und Methoden der linguistischen Bildanalyse in Text- und Diskursumgebungen.“ Aktuelle Forschungsschwerpunkte bilden Hypertext- und Diskurslinguistik. Jörg Hoepfner M. A., studierte Kommunikations- und Medienwissenschaft, BWL und Soziologie an der Universität Leipzig. Er ist selbstständiger Kommunikations- und Marken-Berater, promoviert am Lehrstuhl Öffentlichkeitsarbeit/PR der Universität Leipzig zum Thema „Public Relations für Marken“ und publiziert zu Markenstrategie, Markenwert, Markenkommunikation/Marken-PR. Dr. Inga Ellen Kastens ist Autorin von „Linguistische Markenführung. Die Sprache der Marken Aufbau, Umsetzung und Wirkungspotenziale eines handlungsorientierten Markenführungsansatzes“. Sie ist Hochschuldozentin und im Rahmen der Geschäftsleitung der Agentur crossMATRIX als Markenverantwortliche für Beratungsprojekte im On- und Offline-Bereich verantwortlich. Manuela Lackus M. A. schloss in Zürich Medien- und Kommunikationswissenschaft mit einer Masterthesis zu Integrierter Unternehmenskommunikation ab, seit 2006 Forscherin im interdisziplinären Forschungsprojekt DE|RE|SA (Design Research Salzburg) im Studiengang Design und Produktmanagement. Dissertationsprojekt: Schnittstellenkommunikation in Produktentwicklungsprozessen.
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Gerhard Mahnken ist stellvertretender Leiter der Forschungsabteilung „Kommunikations- und Wissensdynamiken im Raum“ im Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung in Erkner bei Berlin. Arbeitsschwerpunkte: Markenentwicklung für Räume, Public Branding, raumbezogene Kommunikationsforschung, Raumpioniere, Stadt- und Regionalkulturen. Prof. Dr. Jörg M. Meier, studierte Germanistik, Ev. Theologie, Pädagogik, Philosophie. 1990/91 und 1995/96 Immanuel-Kant-Stipendiat. Seit 1991 Lehre und Forschung, Universität Bochum, 19931997 und 20032005 auch Universität Münster, 2007/08 Gastprofessor in Wien. Seit 2003 verantwortlich für Germanistische Linguistik und Historische Sprachwissenschaft, Universität Leiden. Bernd M. Michael, Inhaber BMM Büro für Markenarchitektur, Präsident Deutscher Marketing-Verband, Ex-Europa-Chef Grey Worldwide GmbH, ist als Dozent an Universitäten und Business Schools in Europa und China tätig. Er agiert als Business Angel in Marketing-Service- und New-Media-Agenturen und ist als Aufsichtsrat in verschiedenen Unternehmen tätig. Dr. Francisco Javier Montiel Alafont ist seit 2000 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet „Interkulturelle Wirtschaftskommunikation“ der FriedrichSchiller Universität Jena. Seine Forschungsschwerpunkte sind u. a.: transkulturelles Marketing, kulturelle Stile in der Werbung und deutsch-spanische Wirtschaftskommunikation. Dr. Markus Nickl gründete 1998 die doctima GmbH in Erlangen. Textoptimierung, Technische Kommunikation und Wissensmanagement bilden die Schwerpunkte seiner Arbeit. Er forscht und publiziert zu wirtschaftslinguistischen Themen. Vom Fachverband tekom wurde er 2005 zum Experten für Textverständlichkeit benannt. Nickl ist im Redaktionsbeirat mehrerer Fachzeitschriften. Dr. Wolfgang Riecke ist Direktor für Öffentlichkeitsarbeit der Ford Werke Deutschland GmbH. Studium der Betriebswirtschaftlehre und Promotion, 1981 begann er bei der DaimlerChrysler AG/Daimler-Benz AG in Stuttgart. Von 19972000 Pressechef von Micro Compact Cars smart GmbH, danach bei Ford. Er hat Lehraufträge an der Wilhelms-Universität Bonn und der FH Köln. Dr. Dorothea Schaffner, Projektleiterin und Dozentin am Institut für Kommunikation und Marketing der Hochschule Luzern – Wirtschaft, leitet Forschungsprojekte zu Markenführung, Innovationskommunikation, Marktforschung und
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Konsumentenverhalten. Daneben unterrichtet sie im Bachelor und Master of Science in Business Administration Forschungsmethoden und Marketing. Prof. Dr. Florian U. Siems ist Inhaber der durch die „Exzellenz-Initiative“ geförderten Juniorprofessur für Business-to-Business-Marketing an der RWTH Aachen University. Vorherige berufliche Stationen waren u. a. die Universität Basel, die TU München und die FH Salzburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind Relationship Marketing, Kundenzufriedenheit und Preismanagement. Dr. Marcus Stumpf ist Fachbereichsleiter Marketing und Relationship Management an der Fachhochschule Salzburg. Zuvor war er u. a. Geschäftsführer der Service GmbH des Deutschen Turner-Bundes sowie Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Marketing an der Universität Basel. Seine Forschungsschwerpunkte sind u. a. Integrierte Kommunikation und Markenmanagement. Prof. Dr. Peter Szyszka ist Mitherausgeber „Handbuch der Public Relations“, Professor für Public Relations/Kommunikationsmanagement, PRVA-Stiftungslehrstuhl, Universität Wien. 20002004 Professor für Marketing und Kommunikationsmanagement, FH Osnabrück; 20052009 Professor für Organisationskommunikation, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Winterthur. Kathrin Vogel M. A., 2001 bis 2007 Magisterstudium Germanistik, Psychologie und Wirtschaftswissenschaften an der TU Darmstadt. 2004/2005 Studienaufenthalt an der Åbo Akademi in Turku/Finnland. 2008/2009 Lehraufträge am Institut für Sprach- und Literaturwissenschaften an der TU Darmstadt. Dissertationsprojekt: „Sprachstil und Identität in der Unternehmenskommunikation“. Prof. Urs Wagenseil leitet den Kompetenzbereich Tourismus am Institut für Tourismuswirtschaft der Hochschule Luzern – Wirtschaft. Er lehrt in den Fächern Destinationsmanagement, Kooperationsmanagement und Unternehmensstrategien im Tourismus und leitet Forschungs- und Beratungsprojekte im Inund Ausland zum Thema Destinationsmanagement. Sabine Wahl M. A., M. St., ist Doktorandin und wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Deutsche Sprachwissenschaft an der KU Eichstätt-Ingolstadt (Magisterarbeit: just BUY it – Der Kaufappell in der deutschen, englischen und spanischen Werbung). 20062007 University of Oxford, Master of Studies in European Literature – German. Promotionsprojekt zur Hörfunk- und Fernsehwerbung.
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Simone Walter ist Deutschlektorin im Zentrum für Sprachen und Wirtschaftskommunikation an der Hanken School of Economics in Vaasa/Finnland (mündliche und schriftliche Geschäftskommunikation, interkulturelle Kommunikation und professionelle Unternehmenspräsentationen/Geschäftsverhandlungen). Dissertationsprojekt: „Kollokationen in der Fachsprache Wirtschaftsdeutsch“. Dr. Antje Zilg schloss ihr Dissertationsprojekt mit dem Titel „Markennamen im italienischen Lebensmittelmarkt“ 2005 ab. Seit dem 1. 10. 2007 ist sie am Institut für Romanistik der Justus-Liebig-Universität Gießen beschäftigt, seit dem 1. 11. 2008 als akademische Rätin auf Zeit. Forschungsergebnisse wurden bereits auf nationalen und internationalen Symposien und Tagungen vorgestellt.