Nicolai Scherle Bilaterale Unternehmenskooperationen im Tourismussektor
mirl
Management International Review
Herausg...
6 downloads
868 Views
32MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Nicolai Scherle Bilaterale Unternehmenskooperationen im Tourismussektor
mirl
Management International Review
Herausgeber / Editors:
Prof. Dr. Profs, h. c. Dr. h. c. Klaus Macharzina Universitat Hohenheim, Stuttgart
Prof. Dr. Martin K.Welge Universitat Dortmund
Prof. Dr. Michael Kutschker Universitat Eichstatt-lngolstadt
Prof. Dr. Johann Engelhard Universitat Bamberg
In der mir-Edition werden wichtige Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung sowie Werke erfahrener Praktiker auf dem Gebiet des internationalen Managements veroffentlicht. The series mir-Edition includes excellent academic contributions and experiential works of distinguished international managers.
Nicolai Scherle
Bilaterale Unternehmens kooperationen im Tourismussektor Ausgewahlte Erfolgsfaktoren
GAB1£R
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothel< verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet iJber abrufbar. Bibliographic information published by Die Deutsche Bibliothek Die Deutsche Bibliothek lists this publication in the Deutsche Nationalbibliografie; detailed bibliographic data is available in the Internet at .
Dissertation an der Katholischen Universitat Eichstatt-lngolstadt, 2005, unter dem Titel: Scherle, Nicolai: Bilaterale Unternehmenskooperationen im Tourismussektor vor dem Hintergrund ausgewahlter Erfolgsfaktoren
Dr. Nicolai Scherle ist wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl fur Kulturgeographie an der Katholischen Universitat Eichstatt-lngolstadt. Er ist Mitglied der Royal Geographical Society und des Kompetenznetzwerks fur interkulturelle Kommunikation (FORAREA). Dr. Nicolai Scherle is Senior Lecturer in Cultural Geography at the Catholic University of Eichstattlngolstadt. He is a fellow of the Royal Geographical Society and the Network for Intercultural Communication (FORAREA).
Abonnenten von mir - Management International Review erhalten auf die in der mir-Edition veroffentlichten Bucher 10% Rabatt. Subscribers to mir - Management International Review are entitled to a 10 % price reduction on books published in mir-Edition. 1. Auflage Juli 2006 Alle Rechte vorbehalten © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Ulrike Lorcher / Renate Schilling Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschlief^lich aller seiner Telle ist urheberrechtlich geschutzt. Jede Verwertung auRerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vevielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden durften. Druck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed In Germany ISBN-10 3-8349-0243-8 ISBN-13 978-3-8349-0243-6
Vorwort der Herausgeber Die Internationale Geschaftstatigkeit ist fur Unternehmen, die davon beriihrten Lander und die Weltwirtschaft zum Schliisselfaktor des Erfolgs geworden. Die Herausgeber beabsichtigen mit der Schriftenreihe mir-Edition, die multidimensionalen Managementanforderungen der internationalen Unternehmenstatigkeit wissenschaftlich zu begleiten. Die mir-Edition soil zum einen der empirischen Feststellung und der theoretischen Verarbeitung der in der Praxis des internationalen Managements beobachteten Phanomene dienen. Zum anderen soUen die hierdurch gewonnenen Erkenntnisse in Form von systematisiertem Wissen, DenkanstoEen und Handlungsempfehlungen verfiigbar gemacht werden. Diesem angewandten Wissenschaftsverstandnis fiihlt sich seit nunmehr dreifiig Jahren auch die in iiber 40 Landern gelesene und jiingst von 1380 US-Professoren als „best rated journal" im internationalen Management platzierte Internationale Fachzeitschrift mir - Management International Review - verpflichtet. Wahrend dort allerdings nur kurzgefasste Aufsatze publiziert w^erden, soil hier der breitere Raum der Schriftenreihe den Autoren und Lesern die Moglichkeit zur umfanglichen und vertiefren Auseinandersetzung mit dem jeweils behandelten Problem des internationalen Managements erofFnen. Der Herausgeberpolitik von mir entsprechend, soUen auch in der Schriftenreihe innovative und dem Erkenntnisfortschritt dienende Beitrage einer kritischen OfFentlichkeit vorgestellt werden. Es ist beabsichtigt, neben Forschungsergebnissen, insbesondere des wissenschaftlichen Nachwuchses, auch einschlagige Werke von Praktikern mit profundem Erfahrungswissen im internationalen Management einzubeziehen. Das Auswahlverfahren sieht vor, dass die Herausgeber gemeinsam iiber die VerofFentlichung eines in der Reihe erscheinenden Werkes entscheiden. Sie laden zur Einsendung von Manuskripten in deutscher oder englischer Sprache ein, die bei Auswahl jeweils in der Originalsprache publiziert werden. Die Herausgeber hofFen, mit dieser Schriftenreihe die fachliche Diskussion und praktische Losung von Problemen des internationalen Managements zu stimulieren, und wunschen der mirEdition eine positive Aufnahme in den Zielgruppen von Wissenschaft, Praxis und Studium des internationalen Geschafts.
Klaus Macharzina, Martin K. Welge, Michael Kutschker, Johann Engelhard
Foreword of the Editors Recognizing the importance of international business for firms, countries and the global economy at large, the Series aims at covering the managerial requirements, objectives and tools of international business activity from the standpoint of applied research. The goal of mir-Edition is to explore and analyze the real world phenomena of international management and to offer on a more general level systematic knowledge and advice in terms of practical recommendations to problem solution. This basic understanding of research has also guided the editorial policy of mir - Management International Review - which has had its readers in more than 40 countries for thirty years. While in the Journal naturally there is only room for relatively short treatment of the respective subject matters the Series opens up the possibility for comprehensive and in-depth study and discussion of international management problems. Similar to the editorial policy of mir the volumes of the Series should contribute in an innovative manner to the progress of discovery both in the theoretical and practical dimension. It is therefore intended to include in the Series excellent academic contributions, particularly of the young generation of researchers, but also experiential works of distinguished international managers. Similar to the high aspiration level which has been achieved in mir and which has led to the Journal being ranked number one in International Management by 1380 US professors recently, only contributions of very high quality will be accepted in the Series. The selection decision will be made collectively by the Editors. Manuscripts are invited in English and German; they will be published in the original form. The Editors sincerely hope to stimulate the discussion and to assist in the solution of problems in the area of international management by way of the Series. They wish that mir-Edition will receive a positive welcome among the major target groups which comprise academics, students and managers in international business.
Klaus Macharzina, Martin K. Welge, Michael Kutschker, Johann Engelhard
Geleitwort Tourismus verkorpert in vielerlei Hinsicht Globalisierung par excellence: So sind nicht nur Angebot und Nachfrage weitestgehend globalisiert, sondern es gehort auch zum wesendichen Merkmal der Diensdeistung als solcher, dass Grenzen iiberwunden werden, wobei vor allem innovative Technologien im Transport- und Kommunikationsbereich eine essentielle RoUe spielen und Raum und Zeit schrumpfen lassen. Zudem manifestieren sich in der weltweiten Inwertsetzung touristischer Potentiale geradezu paradigmatisch die komplexen Prozesse einer kulturellen Globalisierung, unter deren Einfluss sich Erwartungshaltungen, Leitbilder und Stereotype ausbilden sowie vorhandene transformieren. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen steigen zum einen die Anforderungen an die beteiligten Akteure, zum anderen sind forschungsorientierte Institutionen zunehmend gehalten, die vielschichtigen Konsequenzen dieser Prozesse zu analysieren und entsprechend zu reagieren. Genau hier setzt die vorliegende Studie von Nicolai Scherle an, mit der insofern wissenschaftliches Neuland betreten wird, als zum ersten Mai die interkulturelle Dimension bilateraler Unternehmenskooperationen im Tourismussektor thematisiert und anhand ausgewahlter Erfolgsfaktoren untersucht wird. Eingebunden in die kulturtheoretische Wende in den Sozialwissenschaften und aufbauend auf dem Leitkonzept des von der Bayerischen Staatsregierung in dankenswerter Weise grof?zugig geforderten interdisziplinaren Forschungsverbunds FORAREA vertritt der Verfasser den Standpunkt, dass okonomisches Handeln in regionale und kulturelle Beziige eingebunden ist. Dabei werden Kultur beziehungsweise interkulturelle Kompetenz als zentrale Ressourcen rezipiert, die letztendlich eine nachhaltige Investition in das qualitative Wachstum von Unternehmen darstellen. Auch aus einer tourismuswissenschaftlichen Perspektive kann man die Untersuchung als Pionierleistung bezeichnen, da sie interkulturelle Aspekte nicht - wie die meisten interkulturellen Studien mit touristischem Hintergrund - zni host-guest relations reduziert, sondern erstmalig die supply-side in das Zentrum des Erkenntnisinteresses riickt. Die Arbeit besticht nicht nur durch eine systematische Auseinandersetzung hinsichtlich der relevanten theoretischen Themenkomplexe, sondern sie zeichnet sich auch durch Eindringlichkeit und Plastizitat der generierten empirischen Ergebnisse aus, wobei Letztere den interkulturellen Kooperationsalltag der touristischen Akteure in seiner schwer zu konzeptualisierenden Komplexitat vor dem Hintergrund ausgewahlter Erfolgsfaktoren transparent werden lassen. Bei seiner problemzentrierten Analyse agiert der Autor mit groSer Empathie als Mediator zwischen den Kulturen, ohne dabei seine wissenschaftliche Distanz aufeugeben. In diesem Rahmen erweist sich der innovative methodische Ansatz der Biperspektivitat als ideales kultursensibles Instrumentarium, um den ausgesprochen reichen interkulturellen Erfahrungsschatz der aus Deutschland und Marokko stammenden Gesprachspartner zu erschliefien. Gleichzeitig
Geleitwort
sensibilisiert er fiir den fremden Erfahrungskontext und eroffnet die Moglichkeit, die eigene kulturelle Weltsicht zu reflektieren. Dem Verfasser gelingt ein bemerkenswerter Spagat in Hinblick auf die Verzahnung von Theorie und Anwendungsbezug. Die gewonnenen Erkenntnisse bieten einen ungemein reichen Fundus aus systematisiertem Wissen, innovativen Denkanstossen und Handiungsempfehlungen. Diese diirften gerade in Bezug auf den zukunftstrachtigen Aspekt der interkulturellen Kompetenz, der in die systemimmanente Dialektik des Verstandnisses von Eigenem und Fremdem eingebunden ist, noch lange Zeit Referenzcharakter besitzen. Nicolai Scherle legt eine Studie vor, in der einerseits zentrale Theorien in der Kultur- und Managementforschung fundiert behandelt und kritisch beleuchtet werden, die andererseits aber auch eine hochst interessante Fallstudie hinsichdich der grenziiberschreitenden Dimension der Tourismusbranche darstellt. Dariiber hinaus zeigt die Untersuchung einmal mehr, dass interdisziplinare und transregionale Forschungsansatze, wie vom Verfasser realisiert, auEerordentlich anregend und produktiv sind - und zwar nicht nur fiir die Wissenschaft, sondern vor allem auch fiir die Wirtschaft, die sich den komplexen Herausforderungen einer zunehmend giobalisierten Welt stellen muss und auf Kooperation mit der scientific community angewiesen ist. Nicht zuletzt deshalb ist die vorhegende Dissertation 2005 mit einem von der Volksbank gestifteten Preis fiir das beste interdisziplinare Projekt an der Katholischen Universitat Eichstatt-Ingolstadt ausgezeichnet worden. Dass Interdisziplinaritat, die sich wie ein roter Faden durch das Werk zieht, in diesem Fall nicht nur als Schlagwort fiingiert, zeigt sich auch darin, dass eine von einem Geographen verfasste Arbeit in einer hoch angesehenen okonomischen Reihe publiziert wird. Zweifelsohne ist es immer subjektiv, ein Werk als Pflichtlektiire zu empfehlen. Die vorliegende Grundlagenarbeit kann jedoch mit guten Griinden all jenen aus Wissenschaft und Praxis zur Lektiire ans Herz gelegt werden, die sich aus einer tourismuswissenschaftlichen Perspektive mit interkulturellen Fragestellungen im internationalen Management auseinander setzen woUen.
Hans Hopfinger
Vorwort „There are friends and enemies. And there are strangers." Zygmunt Bauman „Die Welt riickt zusammen!", so dachte sich auch ein junger angehender Buchhandler, der Anfang der 1990er Jahre in Begleitung dreier KoUegen aufbrach, um eine Destination zu bereisen, die aus einer europaischen Perspektive haufig ausgesprochen pauschal mit BegrifFen wie „fremd" oder gar „exotisch" etikettiert wird: Marokko. Ausgestattet mit einem Interrailticket, einem Reisefiihrer und einem iiberdimensionierten Rucksack konnte dieser Buchhandler zum damaligen Zeitpunkt noch nicht im Geringsten ahnen, dass er eine Dekade spater wieder in diesem Land unterwegs sein wiirde - allerdings unter deutlich modifizierten Vorzeichen! Aus dem Buchhandler war zwischenzeitlich ein Geograph geworden, bei dessen Reiseutensilien es sich inzwischen um ein Flugticket, ein Reisestipendium und eine Liste mit marokkanischen Incoming-Agenturen handelte, wobei Letztere fiir ein Forschungsprojekt gewonnen werden soUten. Als einziges Relikt seiner ersten Reise ins maghrebinische Konigreich war jener Rucksack iibriggeblieben, der bis zum heutigen Tag seinen Dienst erfiillt. Der eben vorgestellte Protagonist ist auch der Autor der vorliegenden Dissertation, die sich aus einer interkulturellen Perspektive mit Unternehmenskooperationen im Tourismussektor beschaftigt und in deren Mittelpunkt das Kooperationsgeschehen zwischen deutschen und marokkanischen Reiseveranstaltern steht. Dabei wird von der Erkenntnis ausgegangen, dass Akteure, die in einem internationalen Kontext agieren und die sich den immer komplexeren Herausforderungen einer zunehmend vernetzten Welt stellen woUen, nicht umhinkommen, iiber eine entsprechende interkulturelle Kompetenz zu verfiigen. Gerade mit der Aufnahme grenziiberschreitender Geschaftsaktivitaten zeigt sich im Vergleich zu rein national tatigen Unternehmen eine nicht zu unterschatzende Heterogenisierung der fur die unternehmerischen Entscheidungstrager relevanten Umwelten. Dass eine Ignoranz dieser Reflexionen ausgesprochen negative Konsequenzen zur Folge haben kann, beweist die Tatsache, dass in den letzten Jahren zahlreiche Internationale Kooperationen gescheitert sind, die unter Beriicksichtigung rein 5konomischer Faktoren hatten erfolgreich sein miissen. Im Fokus der vorliegenden Arbeit stehen Menschen, die in einer Branche arbeiten, die in vielerlei Hinsicht geradezu paradigmatisch Globalisierung verkorpert: So sind im Tourismus nicht nur Angebot und Nachfrage weitestgehend globalisiert, sondern auch die Dienstleistung als solche beruht immer haufiger auf der Uberwindung von Grenzen. Hinzu kommt, dass gerade diese Branche wie kaum eine andere von den Innovationen im Kommunikations- und Transportbereich profitiert hat. Der spezifische Charme hinsichtlich der in dieser Studie relevanten Untersuchungsobjekte ergibt sich insbesondere vor dem Hintergrund, dass die entsprechenden Akteure im Outgoing- beziehungsweise Incoming-Tourismus bereits aufgrund ihres geschaftlichen Selbstverstandnisses ganz unmittelbar mit den komplexen Aspekten interkultureller
XII
Vorwort
Kommunikation konfrontiert sind. Deren Wirken unter den Konditionen ihres interkulturellen Kooperationsalltags ist die folgende Dissertation gewidmet. Damit tragt sie nicht zuletzt dem Umstand Rechnung, dass die Geographie der Freizeit und des Tourismus, aber auch die meisten anderen tourismusspezifischen Disziplinen entsprechenden Problemstellungen auf der supply-side bis dato so gut wie keine Aufmerksamkeit geschenkt haben. Vorworte wecken im Ideaifall nicht nur ein erstes Interesse fiir die anstehende Thematik, sondern sie bieten auch dezidiert die Moghchkeit, innezuhalten und jenen Menschen zu danken, die einen wahrend der letzten Jahre im Rahmen des Forschungsprozesses begleitet haben: Mein aufrichtiger Dank gilt zunachst meinem Doktorvater, Prof. Dr. Hans Hopfinger, Lehrstuhhnhaber fur Kulturgeographie an der KathoHschen Universitat Eichstatt-Ingolstadt. Ein mit vereinten Kraften konzipierter Projektantrag miindete nicht nur in unser gemeinsames Forschungsprojekt, das dutch den interdisziphnaren Bayerischen Forschungsverbund Area-Studies (FORAREA) getragen wurde, sondern bildete auch das Fundament fiir die vorhegende Dissertation. Prof. Dr. Hans Hopfinger hat mir bei deren Ausarbeitung ein hohes MaE an wissenschafthcher Freiheit eingeraumt, mich gieichzeitig aber auch in unermiidhcher Art und Weise durch seine inhalthchen und methodischen Impulse bei der Bearbeitung der komplexen Thematik unterstiitzt. Prof Dr. Vincent Houben vom Lehrstuhl fiir Geschichte und Gesellschaft Siidostasiens an der Humboldt-Universitat in Berlin danke ich fiir die freundliche Ubernahme des Koreferats. Als ehemaliger Projektleiter bei FORAREA zeichnete er sich in Kooperation mit Prof Dr. Hans Hopfinger fiir jenen Themenkomplex verantwortlich, der sich mit Konfliktsituationen in interkulturellen Unternehmenskooperationen beschaftigt und in der vorliegenden Arbeit einen zentralen Part einnimmt. Die zahlreichen Diskussionen mit ihm und seinen beiden Mitarbeitern, Dipl.-Kulturwirtin Claudia Ruppert und Dipl.-Kulturwirt Steffen Henkel, iiber die entsprechende Thematik stellten eine schier unerschopfliche Inspirationsquelle fiir den Forschungsprozess dar. Die interdisziplinare Projektgruppe von FORAREA umfasste noch drei weitere Teilprojekte, deren Mitgliedern ich mich gleichfalls zu aufrichtigem Dank verpflichtet fiihle. Bei verschiedenen Arbeitstreffen und Konferenzen zeigte sich in so manch kontroverser Diskussion, dass die im Rahmen des Projekteverbunds postulierte komplementare Interdisziplinaritat mehr als ein blof?es Lippenbekenntnis darstellte. Eine dadurch implizierte Polyphonic konterkarierte zwar mitunter mein Zeitmanagement, eroffnete mir aber auch neue inhaltliche und methodische Horizonte, die ich heute nicht mehr missen mochte. Dafiir danke ich - in alphabetischer Reihenfolge der einzelnen Teilprojekte - Prof Dr. Dieter Fricke und Dr. Tina Babo (Projekt Fo3A), Prof Dr. Hans-Dieter Haas und Dr. Johannes Rehner (Fo3B) sowie Prof Dr. Torsten Kuhlmann, Dr. Harald Dolles und Dipl.-Sportokonom Oliver Schumann (Fo3F). An dieser Stelle sei auch noch einmal ganz herzlich dem Bayerischen Forschungsverbund Area-Studies (FORAREA) gedankt, der in grof?ziigiger Weise die interdisziplinare Projektgruppe zv^ischen
Vorwort
XIII
Mai 2000 und April 2002finanzierte.Prof. Dr. Horst Kopp als Sprecher sowie Dr. Sonja Hock als Geschaftsfiihrerin von FORAREA schufen die Basis, dass die am Projekteverbund beteiligten Wissenschaftler in jeglicher Hinsicht hervorragende Forschungsbedingungen vorfanden. Prof. Dr. Mohamed Berriane und seine Mitarbeiterin H. Damghi von der Facuite des Lettres et des Sciences Humaines der Universite Mohammed V in Rabat agierten als lokale Kooperationspartner in Marokko und leisteten einen nicht zu unterschatzenden Beitrag fiir die erfolgreiche Umsetzung des Forschungsprojekts. Gerade vor dem Hintergrund eines erfolgreichen managing across cultures war ihr Wirken bei meinen Feldaufenthalten im maghrebinischen Konigreich unentbehrlich. Wahrend meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl fur Kulturgeographie hatte ich das Gliick, von KoUegen umgeben zu sein, die mit grofier Anteilnahme den Fortschritt meiner Dissertation verfolgten. In diesem Zusammenhang mochte ich mich vor allem bei Dr. Gabriele Obermaier, Jiirgen Amann, Dr. Christian Berndt, Dr. Marc Boeckler, Emad Hejazeen und Dr. Stefan Kiiblbock bedanken, deren Anregungen in den einschlagigen KoUoquien, aber auch in privaten Gesprachen stets eine wichtige Bereicherung darstellten. Prof Dr. Hans Hunfeld, emeritierter Lehrstuhlinhaber fiir Didaktik der englischen Sprache und Literatur an der Katholischen Universitat Eichstatt-Ingolstadt, zahlt nicht nur zu den fuhrenden Vertretern einer hermeneutischen Fremdsprachendidaktik, sondern er setzt sich auch seit Jahrzehnten in seinem wissenschaftlichen Werk dafiir ein, dass wir zunehmend von einer positiv zu bewertenden Normalitat des Fremden sprechen konnen. Seinem Einsatz verdanke ich, dass die vorliegende Dissertation zusatzlich von einem grofiziigigen Forschungsstipendium der Maximilian Bickhoff-Universitatsstiftung unterstiitzt wurde. Die beiden Geographen Prof Dr. Denis Cosgrove und Prof Dr. Tim Unwin pragten wahrend meines Auslandsstudiums an der University of London nachhaltig meine Begeisterung fiir ein Each, das wie kaum ein Zweites in der Lage ist, Studenten fiir eine holistische Perspektive zu sensibilisieren, die gerade vor dem Hintergrund einer zunehmend geforderten Interdisziplinaritat immer mehr an Bedeutung gewinnt. Wahrend Prof Dr. Denis Cosgrove zu den profiliertesten Wegbereitern einer New Cultural Geography zahlt, zeichnet sich Prof Dr. Tim Unwin nicht zuletzt dutch seine hervorragenden didaktischen Fahigkeiten aus, mit denen er unzahlige Studenten in seinem von einem globalplayer gesponserten Nischenseminar „Historical Geography of Viticulture" begeistert hat. Dr. Tim Coles, Business Research Fellow an der School of Business and Economics der University of Exeter, steuerte in diversen Gesprachen zahlreiche instruktive Anregungen bei. Zudem verdanke ich ihm wertvoUe Quellen- beziehungsweise Literaturhinweise aus dem angelsachsischen Raum, die ausgesprochen fruchtbar fiir die vorliegende Dissertation in Wert gesetzt werden konnten.
XIV
Vorwort
Dr. StefFen Wippel, Research Fellow am Zentrum Moderner Orient (ZMO), danke ich fur die akribische Durchsicht des Manuskripts. Auch er begleitete - nicht zuletzt aufgrund seiner ausgepragten Affinitat zum Untersuchungsraum - mit groEem Interesse das Forschungsprojekt. Sonja Ludwig und Faisal Jorio vom Staadichen Marokkanischen Fremdenverkehrsamt (O.N.M.T.) in Diisseldorf hatten stets ein ofFenes Ohr in Hinblick auf alle Aspekte, die in irgendeiner Weise den Marokkotourismus betrafen. Dankenswerterweise stellten sie und ihr Team mir zahlreiche Unterlagen zur Verfiigung, die mir ansonsten verborgen geblieben waren. Monika Riviere von der Deutschen Industrie- und Handelskammer in Casablanca und Helga Weber von der Deutschen Botschaft in Rabat verdanke ich zahlreiche Kontakte zu marokkanischen Ansprechpartnern aus Wirtschaft und Politik. Gleichfalls konnte ich dutch ihre Gastfreundschaft wertvolle Einblicke in die Alltagskultur der deutschen Diaspora in Marokko gewinnen. Sandra Sigl, ehemalige Sekretarin am Lehrstuhl fur Kulturgeographie, erklarte sich spontan bereit, einen nicht unerheblichen Teil der umfangreichen Transkriptionsarbeiten zu iibernehmen. Jeder, der mit den Miihen dieser Tatigkeit vertraut ist, v^ird nachvoUziehen konnen, dass ein entsprechendes Angebot keine Selbstverstandlichkeit darstellt. Natalie Walter, Philippe Chesser und Philippe Kersting nahmen sich als natives sehr gewissenhaft der franzosischen Transkriptionen an. Alexandra Kaiser, Dipl.-Kartographin am Lehrstuhl fiir Kulturgeographie, zeichnete sich in gewohnter Professionalitat fiir die ansprechende graphische Umsetzung der vorliegenden Abbildungen und Karten verantwortlich. Dubravko Dolic, M. A., und Dr. Matthias Schlagmiiller gaben so manchen instruktiven Hinweis in Hinblick auf die quantitative Ausw^ertung der Ergebnisse. Den Herausgebern der Management International Review Edition, Prof Dr. Johann Engelhard, Prof Dr. Michael Kutschker, Prof Dr. Klaus Macharzina und Prof Dr. Martin Welge, sei ganz herzlich fiir die Aufnahme der vorliegenden Dissertation in ihre Reihe gedankt. Nach Abschluss des Auswahlverfahrens betreute Renate Schilling vom Gabler Verlag den weiteren Publikationsvorgang, wofiir ich ihr an dieser Stelle sehr herzlich danken mochte. Sich mit einer kulturellen Thematik auseinander zu setzen, impliziert in erster Linie, sich mit Menschen respektive ihren Beziehungen zu beschaftigen. Wahrend meiner Promotionszeit hatte ich demgegeniiber jedoch gerade fur jene Menschen, die mir besonders am Herzen liegen, nur sehr wenig Zeit. Dafiir, dass sie mir als Freunde trotzdem gewogen blieben und letztendlich immer fiir mich da waren, mochte ich mich ganz herzlich bei Dr. Almut Dunnington, Kerstin Melchior, Mareike Notarp, Veronika Pabst, Christiane Strotkotter, Dr. Ingo Bartha, Dr. Bernd
Vorwort
XV
Birgmeier, Manfred Nagl, Leo Pabst, Udo Pabst, Markus Pillmayer, Winfried Schillinger und Volker Schlehe bedanken. Grofiter Dank gebiihrt meinen Eltern - Dipl.-Kfm. Crete Scherle und Dr. Arthur Scherle, der leider viel zu friih verstorben ist - sowie Alexandra Scherle und Dr. Tassilo Scherle, die nicht nur das Fundament und die Voraussetzungen fiir meine Ausbildung respektive meinen akademischen Werdegang geschafFen, sondern mich auch kontinuierlich auf diesem Weg begleitet und unterstiitzt haben. Sie haben mir jene Rahmenbedingungen ermoglicht, die nach Abschluss dieser Arbeit den Unterschied zwischen blofier Erleichterung und Freude ausmachen. Nicht zuletzt mochte ich einen aufrichtigen Dank an meine Interviewpartner aus den deutschen und marokkanischen Unternehmen richten. Das Gleiche gilt in Bezug auf die an dieser Studie partizipierenden Experten. Wohl wissend, dass Gesprache der zentrale Schliissel zum Erlebten sind, liefien sie mich - im Sinne eines wisdom is wealth, so share it - an ihrem reichen Erfahrungsschatz teilhaben. Rund 250 Zitate erschliefien Mosaikstein fiir Mosaikstein diesen Erfahrungsschatz, der in Analogic zu einem realen Mosaik mitunter ausgesprochen komplex anmutet, sich dafiir aber auch dezidiert neuen Entdeckern offnet, die bereit sind, erganzende Mosaiksteine hinzuzufiigen. Ich widme diese Arbeit meinen Gesprachspartnern, die einen Schatz gehoben haben, der einen Beitrag dazu leisten moge, dass interkulturelle Interaktionen im okonomischen Kontext vermehrt mit positiven Konnotationen assoziiert werden.
Nicolai Scherle
Inhaltsverzeichnis
Vorwort der Herausgeber
V
Foreword of the Editors
VII
Geleitwort
IX
Vorwort
XI
Abbildungs- und Kartenverzeichnis Tabellenverzeichnis
XXI XXIII
I
Konzeptionelle Einfiihrung in die Arbeit
1
1.1
Problemstellung
1
1.2
Zentrales Anliegen und forschungsleitende Fragestellungen
5
1.3
Faden der Ariadne
10
1.4
Forschungsstand
14
II
Going international - Unternehtnenstadgkeit im Globalisierungszeitalter unter besonderer Beriicksichtigung der Tourismusbranche
18
II. 1
Grundlagen der Phanomene Globalisierung und Internationalisierung
18
11.2
Internationalisierung von Unternehmenstatigkeit aus historischer Perspektive
25
11.3
Herausforderungen und Ziele internationaler Unternehmenstatigkeit vor dem Hintergrund von Internationalisierung respektive Globalisierung
29
11.4
Zentrale Theorien der internationalen Unternehmenstatigkeit
33
11.5
Internationalisierung mittels bilateraler Kooperationen
38
11.6
Internationalisierung der Tourismuswirtschaft unter besonderer Beriicksichtigung der Reiseveranstalterbranche
44
Strukturen und Implikationen einer fortschreitenden Internationalisierung der Tourismuswirtschaft in Entwicklungslandern
50
III
Kultur, Interkulturalitat und interkultureile Kompetenz
56
111.1
Mysterium und Schliisselbegriff Kultur
56
111.2
Cultural turn ~ Renaissance des Kulturellen in den Humanwissenschaften?
64
111.3
Kultur als Faktor im Kontext des internationalen Managements
G7
111.4
Zwischen Eigenem und Fremdem - Fremderfahrung und Fremdverstehen versus Normalitat des Fremden
73
11.7
111.5
Managing across cultures - interkultureile Kompetenz
80
XVIII
rV
Inhaltsverzeichnis
Projektrelevante strategische Erfolgsfaktoren im interkulturellen Kooperationsalltag aus theoretischer Perspektive
89
IV. 1
Vertrauen
89
IV.2
Konfliktmanagement
96
IV3
Kundenorientierung respektive Beschwerdemanagement
103
IV4
Reiseleiter
112
V
Die Incoming-Destination Marokko im Uberblick
118
VI
Natiirliches und kulturelles Tourismuspotential
118
V.2
Tourismusentwicklung in Marokko aus historischer Perspektive
120
V.3
Okonomische Bedeutung des marokkanischen Tourismus und aktuelle Tendenzen in der Tourismusentwicklung
123
Vision 2010 - Reformen und Zieie der marokkanischen Tourismuspolitik vor dem Hintergrund des Masterplans von Marrakech
127
VI
Methodische Umsetzung des Forschungsprojekts
132
VI. 1
Qualitative Sozialforschung
132
VI.2
Methodologische Prinzipien und Formen des qualitativen Interviews
134
VI.3
Methodenwahl
136
VI.4
Das problemzentrierte Interview und seine Erhebungsinstrumente
138
VI.5
Struktur und Inhalte der Befragungen
142
VI.6
Zielgruppe
147
VII
Partizipierende Kooperationsuntemehmen und Gesprachspartner im Uberblick
151
VII. 1
Zentrale Strukturmerkmale der Kooperationsuntemehmen
151
VII.2
Zentrale Strukturmerkmale der Gesprachspartner
160
VIII
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag zwischen deutschen und marokkanischen Reiseveranstaltern
166
V.4
VIII. 1
Prdludium (I) - Chancen und Risiken einer grenziiberschreitenden Zusammenarbeit
166
VIII.2
Claims ahstecken - Kooperationsrelevante Ziele
173
VIII. 3
Auf der Suche - Partnersuche und Kooperationsentscheidung
178
VIII.4
Let's go - Implementation der Kooperation vor dem Hintergrund ausgewahlter okonomischer respektive kultureller Aspekte
190
Unser Produkt - Die bilaterale touristische Angebotsgestaltung
200
VIII.5
Inhaltsverzeichnis
XIX
VIII.6
An der Schnittstelle - Interkultureller Mediator Reiseleiter
VIII.7
Vom ewigen Norgkr und vom Kunden als Konig — Das Beschwerdemanagement
213
Zwischen Betroffenheit und Ignoranz - Soziokulturelles und 5kologisches Engagement im Kontext des marokkanischen Incoming-Tourismus
224
VIII.8
206
VIII. 9
Ohne Idufi gar nichts - Vertrauen
231
VIII. 10
Jetzt wird's ernst (I) - Konflikte und Konfliktlosungsansatze
240
VIII. 11
Am Ziel der Wunsche? - Erfolgsbilanzierung
251
VIII. 12
Aus erster Hand (I) - Akteurspezifische Ratschlage fur die bilateraie Zusammenarbeit
263
Top oderflop - Bewertung des Marokkotourismus und seiner Zukunftsperspektiven
273
Einschatzungen des bilateralen Kooperationsgeschehens und des Marokkotourismus im Spiegel projektrelevanter Institutionen
284
Prdludium (II) - Chancen und Risiken geschaftlicher Aktivitaten in Marokko unter besonderer Beriicksichtigung der Tourismusbranche
284
Jetzt wirds ernst (II) - Ausgewahlte Konfliktfelder in der deutschmarokkanischen Zusammenarbeit
289
Bridging the gap - Relevanz der Faktoren Kultur und interkulturelle Kompetenz im bilateralen Kooperationsgeschehen
295
Hier hapert's - Charakteristische Defizite marokkanischer Tourismusstrukturen
304
VIII. 13
IX IX. 1 IX.2 IX. 3 IX.4 IX. 5
GroJ^er Wurfoder alles nur Papier? - Der Masterplan von Marrakech
IX.6
Aus erster Hand (II) - Empfehlungen und Perspektiven im Kontext des
X
313
aktuellen Marokkotourismus
319
Resiimee
328
Literaturverzeichnis Anhang
337 371
Abbildungs- und Kartenverzeichnis Abbildungen Abb. 1:
Konzeptionelles Selbstverstandnis der Arbeit vor dem Hintergrund des Leitkonzepts von FORAREA
4
Abb. 2:
Systematisierung zentraler Internationalisierungstheorien
35
Abb. 3:
Matrix der Kooperationsformen
42
Abb. 4:
Zentrale Akteure, Ebenen und Verflechtungen im Internationalisierungsprozess der Tourismuswirtschaft
Abb. 5:
Problemfeider im Kontext interkulturelier Uberschneidungssituationen im Arbeits- und Geschaftsleben
Abb. 6:
47
84
Modell des Beschwerdeverhaltens bei Kundenzufriedenheit beziehungsweise Kundenunzufriedenheit
109
Abb. 7:
Altersstruktur der Unternehmen
157
Abb. 8:
Anzahl der Mitarbeiter in den Unternehmen
157
Abb. 9:
OfFerierte Reisesparten der Unternehmen
158
Abb. 10:
Dauer der bilateralen Kooperationen
159
Abb. 11: Vorhandensein eines kooperationsspezifischen Mitarbeiters
159
Abb. 12: NationaUtatenstruktur der Gesprachspartner
160
Abb. 13: Altersstruktur der Gesprachspartner
161
Abb. 14:
161
Funktionen der Gesprachspartner innerhalb der Unternehmen
Abb. 15: Berufliche Qualifikationen der Gesprachspartner
162
Abb. 16:
Kooperationsspezifische Ziele
173
Abb. 17:
Formen der Kontaktaufnahme
188
Abb. 18: Kooperationsformen Abb. 19:
Interkukurelle Vorerfahrungen der Gesprachspartner in den bilateralen Kooperationen
Abb. 20:
189
194
Interkukurelle Vorbereitungen der Gesprachspartner in den bilateralen Kooperationen
194
Abb. 21: OfFerierte Reisesparten in den bilateralen Kooperationen
201
Abb. 22: Verantwortungsbereiche im Kontext der touristischen Angebotsgestaltung
202
Abb. 23: Die Relevanz ausgewahlter Vertrauensmerkmale in den bilateralen Kooperationen
233
Abb. 24:
Prototypische Konfliktfelder in den bilateralen Kooperationen
242
Abb. 25:
Konfliktlosungsansatze in den bilateralen Kooperationen
250
XXII
Abb. 26:
Abbildungs- und Kartenverzeichnis
Einschatzung der Zielerreichung in Hinblick auf die wichtigsten Kooperationsziele
Abb. 27:
252
Entwicklung von Umsatz beziehungsweise von Gew^inn und Verlust in den bilateralen Kooperationen
253
Abb. 28:
Stelienw^ert der bilateralen Kooperationen fiir die Unternehmen
254
Abb. 29:
Bereitschaft der Unternehmen, die bilaterale Zusammenarbeit auszubauen
255
Abb. 30: Attraktivitat der einzelnen Reisesparten fiir eine zukiinftige touristische Inwertsetzung in den bilateralen Kooperationen
283
Karten Karte 1: Karte 2:
Die raumliche Verteilung der partizipierenden deutschen Kooperationsunternehmen
151
Die raumliche Verteilung der partizipierenden marokkanischen Kooperationsunternehmen
152
Tabellenverzeichnis Tab. 1:
Zentrale forschungsleitende Fragestellungen
7
Tab. 2:
Zentrale Ziele einer Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten
32
Tab. 3:
Zentrale Bedingungen sowie Einfluss- und Erfolgsfaktoren bei Kooperationen
43
Tab. 4:
Die Transformation vom Fordismus zum Postfordismus aus touristischer Perspektive
48
Tab. 5:
Positive und negative Implikationen des Tourismus in Entwicklungslandern
54
Tab. 6:
Zentrale Phasen der Kulturforschung im internationalen Management
69
Tab. 7:
Charakteristika des universalistischen und des kulturalistischen Ansatzes
71
Tab. 8:
Personale Erfolgsvoraussetzungen im Kontext eines managing across cultures
Tab. 9:
Zentrale Wirkungen von Vertrauen in Kooperationen
87 93
Tab. 10: Ausgewahlte MaEnahmen und Verhaltensmuster zur Konstitution von Vertrauen in partnerschaftlichen Kooperationen Tab. 11: Zentrale positive und negative Wirkungen von Konflikten in Kooperationen
95 99
Tab. 12: Ausgewahlte Pramissen im Kontext eines kultursensiblen Konfliktmanagements Tab. 13: Besonderheiten der Qualitatsv^ahrnehmung bei Dienstleistungen Tab. 14:
102 108
Operative Zielsetzungen eines systematischen und aktiven Beschwerdemanagements
Tab. 15: Zentrale KennzifFern des marokkanischen Tourismus
110 124
Tab. 16:
Der Masterplan von Marrakech und seine zentralen strategischen Richt-
Tab. 17;
linien bis zum Jahr 2010
128
Tab. 18
Erhebungsinstrumente des problemzentrierten Interview's
140
Tab. 19
Zentrale Strukturmerkmale der deutschen Unternehmen
154
Tab. 20:
Zentrale der marokkanischen Zentrale Strukturmerkmale Strukturmerkmale der GesprachspartnerUnternehmen aus den deutschen Unternehmen
155
Tab. 21:
Zentrale Strukturmerkmale der Gesprachspartner aus den marokkanischen Unternehmen
163 164
I
Konzeptionelle Einfiihrung in die Arbeit
1.1
Problemsteilung
„Wer ein Problem definiert, hat es schon halb gelost." Julian Huxley Saas-Fee oder Schanghai, Pinzgau oder Patagonien - der touristischen Inwertsetzung des Globus scheinen, zumindest aus raumlicher Perspektive, keine Grenzen mehr gesetzt zu sein. Selbst peripherste Orte erobern im Zeitalter miiheloser Fortbewegung und globaler Verflechtung zunehmend die Hochglanzprospekte von Reiseveranstaltern oder zieren die gangigen touristischen Medien (vgl. HENNIG 1999a, SCHERLE 2001b und FREYER/SCHERLE 2003). Wahrend noch vor etwas mehr als drei Jahrzehnten Reisen in aufiereuropaische Destinationen zu den groKen Ausnahmen gehorten, zahlen sie zu Beginn des dritten Jahrtausends zu jenen Selbstverstandlichkeiten, die unsere heutige Gesellschaft nicht mehr missen mochte. Der Tiibinger Kulturwissenschaftler BAUSINGER (1991, S. 344) skizziert diese Entwicklung mit den Worten: „Der Versuch, von uberfiillten Ferienregionen auf weniger besuchte Landschaften auszuweichen, aber auch die Marktgesetzlichkeit, welche die Suche nach immer neuen profitablen Objekten anheizt, fuhrt zur Uberwindung riesiger Distanzen und zur touristischen Erschliefiung letzter Reservate." Von der raumlichen Expansion des Tourismus sind zu einem nicht unerheblichen Teil die so genannten Schwellen- und Entwicklungslander betrofFen. Angesichts ihrer vielschichtigen und tief greifenden Probleme, wie Massenarbeitslosigkeit, Verelendung rapide wachsender Bevolkerungsschichten, Verscharfung sozialer und raumlicher Disparitaten, verstarkte Ressourcenzerstorung, gravierende Verschuldung sowie steigende Zahlungsbilanzdefizite, sehen zahlreiche Regierungen dieser Lander im Tourismus ein praktikables Vehikel, um ihre okonomische Entwicklung anzukurbeln. Haufig koUidieren jedoch - insbesondere in Anbetracht der Multidimensionalitat von Entwicklung - die okonomischen Entwicklungsziele mit den soziokulturellen, politischen und okologischen Elementen von Entwicklung (vgl. VORLAUFER 1996). Dennoch wird dieser Umstand immer wieder billigend in Kauf genommen, da man sich nicht selten erhofft, dass eventuelle NegativefFekte dutch den wirtschaftlichen Nutzen kompensiert werden. Die herausragende Bedeutung des Tourismus aus soziookonomischer wie aus interkultureller Perspektive manifestiert sich auch in den Forschungsaktivitaten des Bayerischen Forschungsverbunds Area-Studies (FORAREA), in die die vorliegende Dissertation im Zeitraum von Mai 2000 bis April 2002 eingebunden war. So forderte dieser ausgesprochen interdisziplinare Forschungsverbund - auf dessen konzeptionelles Selbstverstandnis im Verlauf dieses Kapitels noch naher
Kapitel I
eingegangen wird - seit dessen Griindung Mitte der 1990er Jahre acht tourismuswissenschaftliche Projekte, deren Forschungsanliegen primar interkulturelle und okonomische Fragestellungen aufgrifFen und sich zu einem iiberwiegenden Anteil auf Entwicklungslander erstreckten (vgl. Popp 1999a). Konkret bildete die vorliegende Arbeit einen integrativen Bestandteil einer von FORAREA getragenen Projektgruppe, die sich aus einer muitiperspektivischen Sichtweise mit Chancen und Risiken interkultureller Unternehmenskooperationen auseinander setzte. Die an der entsprechenden Projektgruppe beteiligten Wissenschaftler erforschten internationale Kooperationen deutscher Unternehmen in ihren Formen, Voraussetzungen, Auswirkungen und Gestaltungsmoglichkeiten, wobei sich jedes Teilprojekt zum einen auf eine bestimmte Region konzentrierte, zum anderen federfiihrend einen spezifischen inhaltlichen Themenkomplex betreute. Die inhaltliche Vernetzung der einzelnen Teiiprojekte wurde von vier eng aufeinander abgestimmten Themenkomplexen getragen, die - aus unterschiedHchen diszipUnaren BUckwinkeln und unter Verwendung verschiedenartiger Methoden - zentrale Aspekte einer grenziiberschreitenden Zusammenarbeit abdecken sollten. Die vier Themenkomplexe umfassten die Bedeutung von Netzwerkstrukturen beim Eintritt in auslandische Markte, die bilaterale Aufgabenverteilung und deren Erfolgsbewertung, die Konstitution von Vertrauen sowie potentielle Konfliktfelder in der interkulturellen Zusammenarbeit und Ansatze zu deren Losung. Bevor wir uns im Folgenden dem konzeptionellen Selbstverstandnis von FORAREA zuwenden und damit einhergehend die Problemstellung vertiefen, gilt es zunachst, auf die in dieser Dissertation relevanten Akteure einzugehen. Als zentrale Untersuchungsobjekte in Hinblick auf die zu analysierenden Kooperationen fungieren touristische Unternehmen, die ihre Dienste im Outgoing-Tourismus des Herkunftsiandes in Kooperation mit touristischen Unternehmen im Incoming-Tourismus des Zieilandes anbieten, wobei in diesem Fall Erstere aus Deutschland und Letztere aus Marokko stammen. Diese auch als Reiseveranstalter - und im englischen Sprachraum als tour operators - bezeichneten Unternehmen kombinieren verschiedene touristische Teilleistungen zu einem neuen Produkt, das man landlaufig unter dem Begriff Pauschalreise kennt (vgl. Kapitel VI.6). Vor dem Hintergrund der Entfaltung des Tourismus zu einer der v^eltweit fiihrenden Wirtschaftsbranchen haben die entsprechenden Akteure in den letzten Jahrzehnten einen bemerkenswerten Entwicklungsprozess durchlaufen, der ihnen langst eine exzeptionelle Stellung im touristischen System einraumt. So konstatiert IOANNIDES (1998, S. 139), der die in dieser Arbeit relevanten Untersuchungsobjekte treffend als gatekeepers of tourism bezeichnet: „Over the last three decades, tour operators have emerged as key players in the international tourism arena. Together w^ith the airline sector, these ^wholesalers of the travel industry are strategically placed as ,gatekeepers' exercising enormous influence over the geography of origin-destination tourist flows and, ultimately, the fortunes of individual destinations. (...) Their competitive advantage derives from their pivotal position as coordinators responsible for packaging into single products the various elements serving the travel experience (i.e. flights, accommodation, tours, ground transfers), and selling these either through travel agents or directly to consumers at a single, discounted price."
Konzeptionelle Einfiihrung in die Arbeit
3
Ungeachtet ihrer zentralen Bedeutung, die Reiseveranstalter im Kontext des internationalen Tourismus einnehmen, hat man den entsprechenden Akteuren seitens der scientific community bislang verhaltnismaEig wenig Aufmerksamkeit geschenkt (vgl. auch IOANNIDES 1998, WAHAB/ COOPER 2001 und SCHERLE 2004). Einige ausgewahlte Ausnahmen stellen die Beitrage von BRITTON (1982a), VORLAUFER (1993a), SHAWA)C^ILLIAMS (1998) und GO/APPELMAN (2001)
dar, wobei man sich nach wie vor relativ haufig auf die so genannten globalplayers konzentriert. Dieser Umstand ist insbesondere auf folgende zwei Aspekte zuriickzufiihren: Zum einen assoziiert man die Expansion des Tourismus im Zeitalter von Internationalisierung beziehungsweise Globalisierung immer noch primar mit global agierenden Reisekonzernen und Hotelketten, deren Labels an den Stranden von Acapulco genauso prangen wie an den Trekkingrouten des Annapurna. Zum anderen lasst sich anhand entsprechender Akteure - insbesondere wenn man einen kritischen Standpunkt gegeniiber einschlagigen Entwicklungen einnimmt - trefflich auf die Implikationen einer Branche hinweisen, die gerade im Kontext der Entwicklungslanderforschung immer wieder mit negativen Konnotationen etikettiert wird. Angesichts der Tatsache, dass die Tourismusbranche - ungeachtet aller Konzentrationstendenzen wahrend der letzten Jahre - nach wie vor eine vergleichsweise klein- und mittelstandisch gepragte Branche darstellt, soil im Rahmen der vorliegenden Studie ein Fokus auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU) gelegt werden, ohne dabei die touristischen global players, die gerade in Deutschland eine zunehmend wichtigere RoUe spielen, zu iibergehen. Damit tragt die Dissertation nicht zuletzt dem Umstand Rechnung, dass in jiingster Zeit verstarkt kleine und mittlere Unternehmen ihre Internationalisierung forciert haben. Gleichwohl soUte man in diesem Zusammenhang nicht unerwahnt lassen, dass gerade bei diesen Akteuren der Internationalisierungsspielraum aufgrund zahheicher hmitierender Faktoren ausgesprochen begrenzt ist. Man denke diesbeziiglich an KMU-typische Aspekte wie knappe Eigenkapitalausstattung, Restriktionen bei der ICreditbeschaffijng oder enge Personalkapazitaten. FORAREA versteht sich von seinem konzeptionellen Selbstverstandnis als ein anwendungsbezogener Forschungsverbund, in dem sich Regionalwissenschaftler unterschiedlicher fachlicher Provenienz zusammengeschlossen haben, um ihre Forschungskompetenzen iiber aufiereuropaische Regionen, vorwiegend in Hinblick auf Schwellen- und Entwicklungslander, zu biindeln. Im Kontext der Arbeit von FORAREA geht es einerseits datum, mit interdisziplinarer Grundlagenforschung - im Sinne einer komplementaren Interdisziplinaritat - Synergieeffekte zu erzielen, andererseits aber auch einen konkreten Beitrag zur Intensivierung interkultureller Unternehmenskooperationen zu leisten. Dabei lasst sich entsprechender Forschungsverbund, der seit 2003 als eingetragener Verein unter dem Namen Kompetenznetzwerk fur interkulturelle Kommunikation firmiert, von folgenden konzeptionellen Eckpunkten leiten:
Kapitel I
Abb. 1:
Konzeptionelles Selbstverstandnis der Arbeit vor dem Hintergrund des Leitkonzepts von FORAREA
Quelle: Imagebroschure von FORAREA (2001) Aufbauend auf den konzeptionellen Eckpunkten des Leitkonzepts von FORAREA wird im Rahmen der voriiegenden Dissertation die These vertreten, dass Erfolg respektive Misserfolg einer grenziiberschreitenden Zusammenarbeit nicht alleine auf ein rein okonomisches Verstandnis zuriickzufiihren ist. Vieimehr gilt es, auch die kulturelle Dimension eines grenziiberschreitenden Kooperationsgeschehens zu beriicksichtigen, da eine ausschliefilich okonomische Perzeption bilateraler Unternehmenskooperationen nur allzu leicht die veranderten interkulturellen Anforderungen an die Interaktionspartner iibersieht, die mit den Zv^angen giobaler Wettbev^erbsfahigkeit einhergehen (vgl. FioPFiNGER/ScHERLE 2003). In diesem Zusammenhang v^ird nicht zuletzt an neuere Forschungsergebnisse aus der komparativen Managementforschung angekniipft, die verstarkt einen universalistischen Managementansatz in Frage stellen. Dieser Ansatz, der v^eitgehend einem technizistischen Paradigma folgt, basiert auf der Annahme, dass Wirtschaften im globalen Rahmen auf universellen Prinzipien beruhe und ein entsprechendes Management eine kulturunabhangige Variable darstelle. Zumindest wenn man - im Sinne von MACHARZINA (1999) - eine holistische Perzeption von Unternehmensfiihrung vertritt, so kommt man in einer zunehmend vernetzten Welt nicht umhin, sich auch im okonomischen Kontext verstarkt mit kulturellen respektive interkulturellen Aspekten auseinander zu setzen. Gerade die in dieser Arbeit relevanten grenziiberschreitenden Kooperationen implizieren, dass die betroffenen Akteure adaquat mit interkulturellen Uberschneidungssituationen umgehen konnen und im Idealfall iiber interkulturelle Kompetenz verfiigen. Eine wachsende Sensibilisierung in den Unternehmen fiir ein kulturbezogenes Management ist vor allem durch die Dynamik, Komplexitat und das starker v^erdende Gewicht einschlagiger Umfeldfaktoren, die auf die Unternehmen einwirken und eine adaquate inside-outsidePerspektive erfordern, hervorgerufen worden. Im Kontext der in dieser Arbeit relevanten grenziiberschreitenden Kooperationen kommt hinzu, dass Internationalisierungsstrategien, die unter Einbezug rein okonomischer Faktoren batten erfolgreich sein miissen, in der Praxis jedoch
Konzeptionelle Einfiihrung in die Arbeit
gescheitert sind, den Schluss zulassen, dass ein Vorhandensein von Erfolgsbedingungen wirtschaftlicher Art eine notwendige, keinesfalls aber eine hinreichende Bedingung fiir erfolgreiche Partnerschaften ist. Ein managing across cultures^ das inharente kulturelle Divergenzen iibersieht, lauft somit Gefahr, an EfFektivitat zu verlieren und im schlimmsten Fall zu scheitern (vgl. Kapitel IIL3). Konsequenterweise wird deshalb in Wissenschaft und Praxis immer nachdriicklicher gefordert, Akteure, die in einem internationalen Kontext agieren, fiir betrefFende Problemstellungen zu sensibilisieren. An diesem Punkt setzt auch das konzeptionelle Selbstverstandnis von FORAREA respektive der vorliegenden Dissertation an, das Kultur nicht nur als Ressource begreift, sondern gleichfalls davon ausgeht, dass interkulturelle Kompetenz vor dem Hintergrund einer zunehmend vernetzten Welt ein unverzichtbares Qualifikationsmerkmal darstellt. Bevor im nachfolgenden Kapitel auf das zentrale Anliegen respektive die forschungsleitenden Fragestellungen der Arbeit eingegangen wird, sei abschliefiend kurz skizziert, weshalb sich touristische Unternehmen - die ihre Dienste im Outgoing-Tourismus des Herkunftslandes in Kooperation mit touristischen Unternehmen im Incoming-Tourismus des Ziellands anbieten - geradezu idealtypisch fiir eine interkulturelle Studie eignen. Zunachst einmal gilt ganz grundsatzlich festzuhalten, dass die Tourismusbranche Globalisierung in Reinkultur verkorpert: So sind Angebot und Nachfrage weitestgehend globalisiert, die Dienstleistung als solche besteht aus einem wachsenden Teil in der Uberwindung von Grenzen, und zudem darf nicht vergessen werden, dass gerade diese Branche wie kaum eine andere von den Innovationen im Kommunikations- und Transportbereich profitiert hat. Der spezifische Charme in Hinblick auf die projektrelevanten Untersuchungsobjekte ergibt sich aber nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass die relevanten Unternehmen bereits aufgrund ihres geschaftlichen Selbstverstandnisses ganz unmittelbar mit den komplexen Aspekten interkultureller Kommunikation konfrontiert sind. Im Zentrum entsprechender Kooperationen steht nicht der Austausch von Giitern, sondern die Vermittlung von Reisedienstleistungen, die von Akteuren mit divergierendem kulturellem Hintergrund angeboten beziehungsweise nachgefragt werden.
1.2
Zentrales Anliegen u n d forschungsleitende Fragestellungen
,Alles Wissen und alle Vermehrung unseres Wissens endet nicht mit einem Schlufipunkt, sondern mit Fragezeichen. Ein Plus an Wissen bedeutet ein Plus an Fragestellungen, und jede von ihnen wird immer wieder von neuen Fragestellungen abgelost." Hermann Hesse Wie bereits im vorherigen Kapitel angedeutet wurde, geht im Kontext einer Internationalisierung von Geschaftsaktivitaten im Vergleich zu rein national agierenden Unternehmen eine Heterogenisierung der fiir die betroffenen Akteure relevanten Umwelten einher. Diese spiegelt sich nicht zuletzt in einer erhohten Handlungskomplexitat wider, deren integrative Handhabung zu den Grundproblemen der internationalen Unternehmenstatigkeit zahlt und damit auch als
Kapitel I
Keimzelle respektive Kristallisationspunkt einer entsprechenden wissenschaftlichen Erkenntnisintention gelten sollte (vgl. MACHARZINA/OESTERLE 2002). Wurde im vorherigen Kapitel in zentralen Punkten mit dem inhaklichen Fokus der voriiegenden Arbeit vertraut gemacht, so gilt es im Folgenden, das Anliegen beziehungsweise die forschungsleitenden Fragestellungen der Untersuchung vorzustellen. Ausgehend von dem Faktum, dass nach wie vor ein eklatantes Missverhaltnis in Bezug auf die Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten und dem verfiigbaren Wissen iiber interkulturelles Management besteht (vgl. HOLZMULLER 1997, STUDLEIN 1997 und BITTNER
2002), setzt sich die vorliegende Studie das Ziel, eine Analyse bilateraler Unternehmenskooperationen vorzunehmen. In diesem Kontext stehen Unternehmen aus der Tourismusbranche, die ihre Dienste im Outgoing-Tourismus des Herkunftslandes in Kooperation mit touristischen Unternehmen im Incoming-Tourismus des Ziellandes anbieten, im Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses. Diese Untersuchungsobjekte bieten sich nicht nur aufgrund ihres geschaftlichen Selbstverstandnisses, das ausgesprochen interkulturelle Ziige tragt (vgl. Kapitel I.l), fiir ein entsprechendes Forschungsprojekt an, sondern sie sind auch von der einschlagigen scientific community weitgehend ignoriert worden. Wahrend im Zusammenhang tourismusspezifischer Studien, die sich mit interkulturellen Fragestellungen beschaftigen, host-guest relations einen vergleichsweise wichtigen Stellenwert einnehmen, ist eine entsprechende inhaltliche Auseinandersetzung mit der supply-side bislang ausgeblieben (vgl. REISINGER/TURNER 2003 und ScHERLE 2004). Diesbeziiglich sei auch explizit auf Kapitel 1.4 verwiesen, in dem noch einmal ausfiihrlich auf den aktuellen Forschungsstand eingegangen v^ird. Die Analyse der in dieser Dissertation relevanten bilateralen Unternehmenskooperationen zWischen deutschen und marokkanischen Reiseveranstaltern konzentriert sich auf den konkreten interkulturellen Kooperationsalltag der betroffenen Akteure aus den jeweiligen Unternehmen. Zu diesem Zv^eck werden im Rahmen der voriiegenden Arbeit Befragungen in den projektspezifischen Unternehmen durchgefiihrt. Dabei geht die Studie in Analogic zu MOOSMULLER (1997) vom Erleben des Einzelnen aus und versucht, einen Einblick in das gemeinschaftlich konstruierte „Bedeutungsgewebe" (GEERTZ 1995) zu erlangen. Der Einzelne wird in diesem Kontext sow^ohl als Produkt w^ie auch als Produzent von Kultur gesehen. Er ist in seinem Wahrnehmen, Denken und Fiandeln von der Kultur, in der er enkulturiert v^urde, gepragt, zugleich produziert und reproduziert er als kommunikativ handelndes Wesen Kultur. Eine entsprechende Sichtweise impliziert, dass Kultur primar als personales System rezipiert wird, das sein determinierendes und generierendes Wirken im Subjekt entfaltet. Da es sich im Kontext einer Kooperation in der Regel um ein prozessuales Phanomen handelt, das von der Konzeption iiber die Implementation bis zur eigentlichen Kooperation reicht, wird bei den Unternehmensbefragungen auf einer allgemeinen inhaltlichen Ebene eine chronologische Ausdifferenzierung vorgenommen. Dabei zeichnet die strukturelle Anordnung der gestellten Fragen im Wesentlichen den Entwicklungsprozess des interkulturellen Kooperationsgeschehens nach, wobei die Ubergange der einzelnen Phasen, die man keinesfalls als statische Einheiten auffassen sollte, fliefiend sind und sich mitunter iiberschneiden konnen.
Konzeptionelle Einfiihrung in die Arbeit
7
Auf einer eher spezifischen inhaltlichen Ebene rollt die vorliegende Dissertation projektrelevante strategische Erfolgsfaktoren auf, die einerseits in engem Konnex mit den anderen Teilprojekten des Forschungsverbunds FORAREA stehen (vgl. Kapitel I.l), andererseits aber auch dem branchenspezifischen Selbstverstandnis der Untersuchungsobjekte gerecht werden. In Bezug auf die im Rahmen dieser Arbeit relevanten strategischen Erfolgsfaktoren Vertrauen, Konfliktmanagement, Kundenorientierung respektive Beschwerdemanagement sowie Reiseleiter gilt Folgendes anzumerken: Bei den ersten beiden Erfolgsfaktoren handelt es sich um Themenkomplexe, die zum integrativen Bestandteil der Forschungsaktivitaten der Projektgruppe gehoren und von denen angenommen wird, dass sie einen elementaren Einfluss auf die Ausgestaltung des interkulturellen Kooperationsgeschehens ausiiben (vgl. Kapitel IV. 1 und IV.2). Die beiden anderen Erfolgsfaktoren greifen Themenkomplexe auf, die vor dem Hintergrund struktureller Veranderungen im Tourismus zunehmend an Bedeutung gewinnen und in letzter Konsequenz der Wettbewerbssicherung der partizipierenden Akteure dienen (vgl. Kapitel IV.3 und IV.4). Ausgehend von den skizzierten Forschungsanliegen ergeben sich folgende Leitfragen, die im Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses stehen: Tab. 1:
Zentrale forschungsleitende Fragestellungen
•
Wie gestaltet sich die Konzeption der interkulturellen Zusammenarbeit vor dem Hintergrund kooperationsrelevanter Ziele respektive einer entsprechenden Partnersuche beziehungsweise Kooperationsentscheidung?
•
Wie gestaltet sich die Implementation der Kooperation vor dem Hintergrund okonomischer und kultureller Aspekte?
•
Welche Formen der Aufgabenverteilung haben sich in den relevanten Kooperationen herauskristallisiert beziehungsweise wie spiegeln sich diese in der entsprechenden touristischen Angebotsgestaltung wider?
•
Welchen Stellenwert nehmen Reiseleiter als zentraler strategischer Erfolgsfaktor unter besonderer Beriicksichtigung ihrer interkulturellen Mediatorenfunktion in den jeweiligen Kooperationen ein?
•
Wie gestaltet sich das interkulturelle Beschwerdemanagement.^
•
Welche Mafinahmen unternehmen die Kooperationspartner, um die soziokulturellen und okologischen Auswirkungen, die ein touristisches Engagement in der relevanten IncomingDestination impliziert, moglichst vertraglich zu halten?
•
Welche Aspekte verlmiipfen die partizipierenden Akteure mit dem strategischen Erfolgsfaktor Vertrauen beziehungsweise welche Erfahrungen haben sie diesbeziiglich in ihren jeweiligen Kooperationen gesammelt?
•
Mit welchen prototypischen Konfliktsituationen werden die Kooperationspartner in der Praxis ihrer interkulturellen Interaktionen konfrontiert und welche Ansatze verfolgen sie, um entsprechende Konflikte zu beheben?
•
Wie wird der Erfolg der jeweiligen Kooperation eingeschatzt?
Quelle: Entwurf des Autors
Kapitel I
Wie die vo ranges tell te Tabelle transparent macht, handelt es sich um ein ausgesprochen komplexes Biindel an Fragestellungen, die inhaltlich so aufeinander abgestimmt wurden, dass sie die zentralen Aspekte des interkulturellen Kooperationsgeschehens widerspiegeln. Dabei ist die Heterogenitat der in den Unternehmensbefragungen aufgeworfenen Themenkomplexe nicht zuletzt das Resultat der facheriibergreifenden Zusammenarbeit, die im Rahmen der Projektgruppe einer komplementaren Interdisziplinaritat verpflichtet ist (vgl. FRICKE et al. 2002). Bei den an dieser Projektgruppe partizipierenden Wissenschaftlern handelt es sich in erster Linie um Geographen, Historiker, Wirtschaftswissenschaftler und Psychologen, die hinsichtlich ihrer Forschungsaktivitaten seit Jahren einen Schwerpunkt auf interkulturelle Fragestellungen legen. Vor dem Hintergrund des von FORAREA postulierten Anwendungsbezugs beinhaltet die Studie auch eine Frage, in der die Akteure - basierend auf ihren einschlagigen Kooperationserfahrungen - gebeten werden, Ratschlage fiir jene Unternehmen zu geben, die eine bilaterale Kooperation anvisieren. Diesbeziiglich sei an dieser Stelle angemerkt, dass Kooperationen nach wie vor ein vergleichsweise ambivalenter Ruf vorauseilt: Zum einen setzt kooperatives Handeln eine klare Definition von Eigeninteressen voraus, zum anderen aber auch die Bereitschaft, Kompromisse eingehen zu konnen. Gekoppelt ist das Zustandekommen einer Kooperation an die Annahme reziproken Verhaltens, welches mit gegenseitigem Vertrauen verbunden ist, das allerdings als riskante Vorleistung aufgrund opportunistischen Verhaltens jederzeit enttauscht werden kann (vgl. LUHMANN 1989 und SARETZKI/WILKEN/WOHLER 2002). Zu guter Letzt wurde im Sinne eines Ausblicks eine Sonderfrage aufgenommen, die eine Einschatzung der Zukunftsaussichten fiir die Tourismusdestination Marokko sowie hinsichtlich der deutsch-marokkanischen Zusammenarbeit im Tourismussektor intendiert. Diese Frage hat im Verlauf des Projekts - nicht zuletzt angesichts der anvisierten Reformen seitens der marokkanischen Tourismuspolitik, aber auch eingedenk der Implikationen, die mit den verstarkten terroristischen Anschlagen seit dem 11. September 2001 einhergehen - erheblich an Brisanz gewonnen. Erganzend zu den Befragungen in den projektrelevanten Unternehmen wurden Expertengesprache durchgefuhrt, um das in den Institutionen verankerte Wissen fiir die vorliegende Studie in Wert zu setzen und um einen noch breiteren Zugang zum Forschungsfeld zu erlangen. Expertengesprache sind fiir spezifische respektive praxisrelevante Fragestellungen von hohem Wert und ermoglichen zudem Diskussionen iiber in der Literatur vernachlassigte Aspekte. Bevor im Folgenden dargelegt wird, wie die methodische Umsetzung der forschungsleitenden Fragestellungen erfolgen soil, sei auf Kapitel VI. 5 verwiesen, das ausfiihrlich Struktur und Inhalte der projektspezifischen Befragungen aufroUt. Eine zur Bearbeitung der aufgeworfenen Fragestellungen geeignete Erhebungsmethode muss nicht nur in der Lage sein, Handlungssituationen beziehungsweise Handlungskontexte vor dem Fiintergrund interkultureller Uberschneidungssituationen nachzuzeichnen, sondern auch
Konzeptionelle Einfiihrung in die Arbeit
die Sichtweisen, Deutungsmuster und Denkschemata entsprechender Situationen zu rekonstruieren. Vor diesem Hintergrund stiitzt sich die Studie im Rahmen ihrer methodischen Umsetzung primar auf Instrumentarien der qualitativen Sozialforschung, die eine perspektivische und interpretierende Herangehensweise ermoglichen (vgl. Kapitel VI.3). Wahrend standardisierte Verfahren eine bestimmte Giiederung der sozialen Wirkiichkeit fesdegen, wird der Befragte bei qualitativen Verfahren veraniasst, seine eigenen Giiederungspunkte ins Spiel zu bringen und damit selbst anzuzeigen, was fiir ihn auf welche Art und Weise relevant ist. Urn entsprechenden methodischen Anforderungen gerecht zu werden, greift die vorliegende Dissertation in erster Linie auf problemzentrierte Interviews zuriick, die sich insbesondere bei cross-culture-Projektcn bewahrt haben (vgl. Kapitel VIA). Angesichts der Komplexitat des Forschungsprojekts, das ausgesprochen explorative Ziige tragt, aber auch eingedenk dessen methodischer Implikationen, wird das Sample bewusst iiberschaubar gehalten, womit die Studie einen deutlichen Fallstudiencharakter aufweist. Die Bearbeitung der projektrelevanten Fragen folgt dezidiert dem Prinzip der Biperspektivitat, was bedeutet, dass fiir jede Fragestellung sowohl die Sichtweise der deutschen als auch der marokkanischen Akteure eingefangen wird. Um dem interkulturellen Charakter des Untersuchungsgegenstands gerecht zu werden, wird zudem darauf geachtet, multiperspektivisch vorzugehen, Aussagen zu relativieren und das Bias moglichst gering zu halten. Insgesamt konnten im Verlauf der knapp zweijahrigen Feldforschungen jeweils 30 problemzentrierte Interviews bei deutschen und marokkanischen Reiseveranstaltern durchgefiihrt werden. Die aus diesen Interviews generierten Ergebnisse bilden das Kernstiick der projektrelevanten Empirie und werden im Rahmen von Kapitel VIII dokumentiert. Die bereits erwahnten Experteninterviews wurden in der Endphase der empirischen Erhebungen durchgefiihrt. Sie dienen primar der inhaltlichen Abrundung der aus den Unternehmensinterviews gewonnenen Resultate und fokussieren ausgewahlte Aspekte zum deutschmarokkanischen Kooperationsgeschehen sowie zu aktuellen Entwicklungen in Hinblick auf den Marokkotourismus. Die entsprechenden Ergebnisse werden im Rahmen eines separaten empirischen Kapitels vorgestellt (vgl. Kapitel IX). Zudem wurden noch einige ausgewahlte Experteninterviews zum interkulturellen Beschwerdemanagement durchgefiihrt, deren Ergebnisse in Kapitel VIII.7 integriert sind. Bei der Auswahl der Experten, die in enger Absprache mit den KoUegen von FORAREA erfolgte, wurde darauf geachtet, eine moglichst grofie Vielfalt an Perspektiven und Erfahrungen in den Forschungsprozess einfliefien zu lassen. Insgesamt konnten 23 Experten fiir eine Partizipation am vorliegenden Forschungsprojekt gewonnen werden, wobei analog zu den Unternehmensbefragungen problemzentrierte Interviews zum Einsatz kamen. Vor dem Hintergrund des forschungsleitenden Prinzips der Biperspektivitat erschien es - nicht zuletzt im Sinne eines bridging the gap - essentiell, aus der relevanten Zielregion einen lokalen KoUegen in das Projekt zu integrieren. Diesbeziiglich konnte mit Prof Dr. M. Berriane von der Universite Mohammed V in Rabat ein Wissenschaftler gewonnen werden, der zum einen
10
Kapitell
mit interkulturellen Themenkomplexen vertraut ist und zum anderen zu den profiliertesten Tourismuswissenschaftlern im Maghreb zahlt. Prof. Dr. M. Berriane und seine wissenschaftliche Mitarbeiterin, H. Damghi, begleiteten die Studie nicht nur im Rahmen der eigendichen Feldarbeit, sondern sie wirkten auch bei der Konkretisierung der zentralen Forschungsfragen sowie bei der Ergebnisinterpretation mit.
1.3
Faden der Ariadne
„Die Ordnung der Ideen muss fortschreiten nach der Ordnung der Gegenstande.'" Giambattista Vice Um die in Kapitel I.l skizzierte Probiemstellung respektive die in Kapitel 1.2 aufgeworfenen Fragestellungen adaquat bearbeiten zu konnen, wurde die vorliegende Arbeit in zehn iibergeordnete Kapitel gegliedert. In einer pragnanten Tour d'horizon soil im Folgenden die inhcJtliche Struktur der Studie vorgestellt werden. Das erste iibergeordnete Kapitel dient - wie die beiden vorangegangenen Unterkapitel bereits deutlich gemacht haben - in erster Linie einer konzeptionellen Einfiihrung in die Arbeit, wobei das nachfolgende Unterkapitel 1.4 noch einen konzisen Uberblick iiber den aktuellen Forschungsstand zur relevanten Thematik vermittelt. Vor dem Hintergrund des konzeptionellen Selbstverstandnisses von FORAREA, in dessen Forschungsaktivitaten die vorliegende Studie eingebunden war, setzt sich das zweite iibergeordnete Kapitel aus einer theoretischen Perspektive mit internationaler Unternehmenstatigkeit im Zeitalter von Internationalisierung beziehungsw^eise Globalisierung auseinander. In diesem Kontext wird zunachst auf die beiden SchlusselbegrifFe Globalisierung und Internationalisierung eingegangen (vgl. Kapitel II. 1). Eingedenk der Komplexitat dieses Sujets handelt es sich im Rahmen des entsprechenden Kapitels primar um einen pragnanten Uberblick iiber die mit diesen Phanomenen assoziierten Tendenzen. Wenn aus Sicht so manchen Unternehmers ein derart komplexes Phanomen wie die Globalisierung als Beginn einer neuen Epoche gefeiert wird, so ist eine solche Feststellung nur dann moglich, wenn man das Neue dem Bisherlgen gegeniiberstellt. Vor diesem Hintergrund bietet das nachfolgende Kapitel eine Tour d'horizon iiber die historische Entwicklung der Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten (vgl. Kapitel II.2). An der Schwelle zum dritten Jahrtausend verkorpert die Internationalisierung von Unternehmenstatigkeit weder unternehmerischen Selbstzweck noch standortbedingten Exodus, sondern sie ist vielmehr ein konstitutives Moment im Aktionsrahmen einer kontinuierlich steigenden Anzahl von Unternehmen. Mit welchen Herausforderungen Unternehmer im Kontext internationaler Unternehmensaktivitaten konfrontiert werden und welche konkreten 2'iele sie mit einem entsprechenden Engagement verbinden, soil in Kapitel 11.3 aufgerollt werden. Kapitel II.4 widmet sich zentralen Theorien der internationalen Unternehmenstatigkeit und
Konzeptionelle Einfiihrung in die Arbeit
11
leitet schliefilich zur Internationalisierung mittels bilateraler Kooperationen iiber, die in den letzten Jahrzehnten angesichts eines verstarkten going international zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Diesbeziiglich werden unter anderem unterschiedliche Kooperationsformen sowie zentrale Einfluss- und Erfolgsfaktoren bei grenziiberschreitenden Kooperationen erortert (vgl. Kapitel II.5). Die beiden letzten Unterkapitel beschaftigen sich explizit mit der Internationalisierung der Tourismuswirtschaft, da in der vorliegenden Studie touristische Akteure im Zentrum des Erkenntnisinteresses stehen. Kapitel II.6 stellt zunachst zentrale Akteure, Ebenen und Verflechtungen im Internationalisierungsprozess der Tourismuswirtschaft vor, wobei ein Schwerpunkt auf den projektrelevanten Reiseveranstaltern liegt. Diesbeziiglich wird aufgezeigt, dass der Tourismus nicht nur in hohem Ma6e von einer zunehmenden Internationalisierung betrofFen ist, sondern sie in vielerlei Hinsicht geradezu paradigmatisch verkorpert: So sind Angebot und Nachfrage weitgehend globalisiert, und die Dienstleistung als solche beruht zu einem wachsenden Teil in der Uberwindung von Grenzen; ein Umstand, der sich nicht zuletzt im geschaftlichen Selbstverstandnis von Reiseveranstaltern manifestiert, deren Produkt - sofern sie ihre Dienste im Outgoing-Tourismus des Herkunftslandes in Kooperation mit einem entsprechenden counterpart im Incoming-Tourismus des Ziellandes anbieten - einen dezidiert interkulturellen Charakter aufweist. Da zu einem nicht unerheblichen Teil Entwicklungslander, wie das dissertationsrelevante Marokko, von den skizzierten Entwicklungen betrofFen sind, widmet sich das abschlieKende Unterkapitel den Strukturen und Implikationen einer fortschreitenden Internationalisierung der Tourismuswirtschaft in den entsprechenden Landern (vgl. Kapitel II.7). Das dritte iibergeordnete theoretische Kapitel greift mit den Themenschwerpunkten Kultur, Interkulturalitat und interkulturelle Kompetenz Aspekte auf, die ebenfalls konstitutiv fur das konzeptionelle Selbstverstandnis von FORAREA sind. Zunachst gilt es, aus einer interdisziplinaren Perspektive eine Standortbestimmung in Hinblick auf das fiir diese Arbeit relevante Kulturverstandnis vorzunehmen (vgl. Kapitel III.l). Vor dem Hintergrund einer sich sukzessive verstarkenden konzeptionellen Neuausrichtung zahlreicher Humanwissenschaften auf kulturrelevante Aspekte anthropogener Lebensbedingungen und Praktiken spricht man seit geraumer Zeit von einem cultural turn. Eingedenk seiner Implikationen auf die Geographie und nicht zuletzt angesichts der engen Verkniipfung von Kultur und unternehmerischem Handeln werden in einem eigenstandigen Kapitel zentrale Aspekte des cultural turns erortert (vgl. Kapitel III.2). Das sich anschlieEende Kapitel beleuchtet die Relevanz des Faktors Kultur im internationalen Management (vgl. Kapitel III.3). Darauf aufbauend wird infolge des ausgesprochen interkulturellen Charakters jeglicher Interaktionen in bilateralen Kooperationen ein eigenes Kapitel dem Forschungsbereich Interkulturalitat gewidmet, wobei ein Schwerpunkt auf den Aspekten Fremderfahrung respektive Fremdverstehen liegt. In diesem Zusammenhang wird nicht nur der Frage nachgegangen, was sich hinter dem komplexen Phanomen der Fremde verbirgt, sondern auch, inwieweit man angesichts weltweiter Transformationsprozesse bereits von einer gewissen Normalitat des Fremden sprechen kann (vgl. Kapitel III.4). Einhergehend mit der fortschreitenden Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten wachsen auch die Herausforderungen an die von diesem Phanomen betroffenen Akteure. Gerade aus einer unter-
12
Kapitell
nehmensspezifischen Perspektive ist man immer haufiger bereit, kulturelle Verschiedenheit zu akzeptieren und fruchtbar in Wert zu setzen. In diesem Kontext werden kulturelle Divergenzen nicht nur hingenommen, sondern positiv bewertet und als potentieller strategischer Wettbewerbsvorteil gesehen, wobei der entsprechende Bedarf an interkultureller Kompetenz nicht zuletzt vom Internationalisierungsgrad des jeweiligen Unternehmens abhangig ist. Vor dem Hintergrund dieser Reflexionen ist auch das abschliefiende Kapitel zu sehen, das sich mit dem TKemenkomplex interkulturelle Kompetenz auseinander setzt (vgl. Kapitel III.5). Das anschlieEende iibergeordnete Kapitel IV widmet sich aus einer theoretischen Perspektive den projektrelevanten strategischen Erfolgsfaktoren im interkulturellen Kooperationsalltag. Die Kapitel IV. 1 und IV2 greifen in diesem Zusammenhang die Aspekte Vertrauen respektive Konfliktmanagement auf, die einen konstitutiven Bestandteil der Forschungsaktivitaten von FORAREA bildeten. Damit trug FORAREA dem Umstand Rechnung, dass bis dato beiden Aspekten - ungeachtet ihrer Relevanz vor dem Hintergrund interkultureller Fragestellungen - seitens wissenschafthcher Forschungsvorhaben kaum Aufmerksamkeit zuteil wurde. Die beiden folgenden Unterkapitel IV3 und IV4 riicken mit den Aspekten Kundenorientierung beziehungsweise Beschwerdemanagement sowie Reiseleiter Erfolgsfaktoren in den Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses, die - korrespondierend mit den projektrelevanten Akteuren - einen vorwiegend touristischen Background aufweisen. Beide Erfolgsfaktoren werden gerade im interkulturellen Kontext haufig unterschatzt, obw^ohl sie fiir Reiseveranstalter und IncomingAgenturen hervorragende Moglichkeiten bieten, ihr Unternehmen im Sinne einer kundenorientierten Unternehmensfiihrung zu positionieren. Gegenstand des fiinften Kapitels ist der im Kontext dieser Arbeit relevante Raum, die Destination Marokko, wobei ein Schwerpunkt auf dessen touristischer Inwertsetzung liegt. Zunachst wird das natiirliche und kulturelle Tourismuspotential der Destination vorgestellt (vgl. Kapitel V.l). Das anschlieEende Kapitel V 2 vermittelt einen Riickblick auf die touristische Entwicklung des maghrebinischen Konigreichs und leitet zu einem Kapitel iiber, das iiber die okonomische Bedeutung des marokkanischen Tourismus sowie iiber aktuelle Tendenzen in der Tourismusentwicklung informiert (vgl. Kapitel V.3). Das darauf folgende Kapitel stellt in Grundziigen den Masterplan von Marrakech vor, dessen Reformen und Ziele eine deutliche Verbesserung der bis dato vorwiegend kritisch bewerteten marokkanischen Tourismusstrukturen intendieren und die nordwestafrikanische Destination fiir die Herausforderungen eines zunehmend harteren Wettbewerbs riisten sollen (vgl. Kapitel V4). Kapitel VI ist der methodischen Umsetzung des Forschungsprojekts gewidmet. Um eine kultursensible, auf weitgehend ganzheitliche Erfassung ausgerichtete Problemanalyse durchfiihren zu konnen, wird in dieser Studie primar auf Instrumentarien der qualitativen Sozialforschung zuriickgegriffen, die eine perspektivische und interpretierende Herangehensweise ermoglichen (vgl. Kapitel VI. 1). In diesem Kontext kommen primar qualitative Interviews zum Einsatz, die den Prinzipien von Offenheit, Flexibilitat, Kommunikation, Reflexivitat und Explikation verpflichtet sind und zudem dem Prozesscharakter von Forschung und Gegenstand Rechnung tragen (vgl. Kapitel VI.2). Eine im Rahmen dieser Arbeit adaquate Erhebungsmethode muss
Konzeptionelle Einfiihrung in die Arbeit
13
nicht nur in der Lage sein, Handiungssituationen beziehungsweise Handlungskontexte vor dem Hintergrund interkultureller Uberschneidungssituationen nachzuzeichnen, sondern auch die Sichtweisen, Deutungsmuster und Denkschemata entsprechender Situationen zu rekonstruieren. Wahrend standardisierte Verfahren eine bestimmte Gliederung der sozialen Wirklichkeit fesdegen, wird der Befragte bei qualitativen Verfahren dazu veranlasst, seine eigenen Gliederungspunkte ins Spiel zu bringen und damit selbst anzuzeigen, was fiir ihn auf welche Art und Weise relevant ist (vgl. Kapitel VI.3). Vor dem Hintergrund der eben skizzierten Anspriiche beziiglich einer methodischen Umsetzung des Forschungsprojekts erweist sich das problemzentrierte Interview als besonders geeignet. Kapitel VI.4 macht nicht nur mit dem problemzentrierten Interview und seinen Erhebungsinstrumenten vertraut, sondern erlautert auch die Auswertung der im Rahmen dieser Methode generierten Daten. Die beiden abschliefienden Kapitel stellen in Grundziigen Struktur und Inhalte der Befragungen sowie die entsprechende Zielgruppe vor (vgl. Kapitel VI.5 und VI.6). Das siebte iibergeordnete Kapitel, das auch das erste empirische Kapitel der vorliegenden Arbeit ist, macht in seinen beiden Unterkapiteln mit den zentralen Strukturmerkmalen der an dieser Studie partizipierenden Kooperationsunternehmen und Gesprachspartner vertraut. Die im Rahmen der Kapitel VII. 1 und VII.2 prasentierten quantitativen Strukturdaten soUen in erster Linie dem Leser eine erleichterte Kontextualisierung der qualitativen empirischen Ergebnisse ermoglichen. Die qualitativen Ergebnisse der vorliegenden Studie werden im Rahmen von Kapitel VIII vorgestellt, wobei diese um weitere ausgewahlte quantitative Ergebnisse abgerundet werden. Im Mittelpunkt der sich auf 13 Unterkapitel erstreckenden Ausfiihrungen steht der interkulturelle Kooperationsalltag zwischen den projektrelevanten deutschen und marokkanischen Reiseveranstaltern. Da ein eigenstandiges Kapitel Struktur und Inhalte der Befragungen vorstellt (vgl. Kapitel VI.5), konnen die Darlegungen zu diesem iibergeordneten Kapitel knapp gehalten werden. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass die Anordnung der einzelnen Unterkapitel der Struktur des Gesprachsleitfadens folgt, der das Kooperationsgeschehen von der Konzeption iiber die Implementation bis zur eigentlichen Kooperation nachzeichnet. Wie bereits in Kapitel 1.2 angedeutet wurde, fanden erganzend Expertengesprache statt, um das in den Institutionen verankerte Wissen fiir die vorliegende Studie in Wert zu setzen und um einen noch breiteren Zugang zum Forschungsfeld zu erlangen. Entsprechende Experteneinschatzungen, die sich primar auf das bilaterale Kooperationsgeschehen respektive den Marokkotourismus erstrecken, sind in sechs Unterkapiteln des iibergeordneten Kapitels IX dokumentiert. Die inhaltlichen Schwerpunkte der Expertenbefragungen werden - analog zu den Unternehmensbefragungen - ebenfalls in Kapitel VI.5 aufgeroUt. Das Resiimee stellt angesichts der ungemeinen Komplexitat dieser Studie in erster Linie den Versuch einer kritischen Synthese dar. In diesem Kontext soUen nochmals zentrale Ergebnisse der Untersuchung abschliefiend diskutiert werden, wobei selbstverstandlich interkulturelle Aspekte im Fokus stehen.
14
1.4
Kapitel I
Forschungsstand
,Jede Wissenschaft hat ihre Zeit." Francesco De Sanctis In Anbetracht der Tatsache, dass jeglicher wissenschaftlicher Erkenntnisfortschritt im Fluss ist und ein Mehr an Wissen stets auch ein Mehr an Fragestellungen generiert, kann es sich im Kontext einer Darlegung des Forschungsstands allenfalls um einen konzisen state-of-the-artUberblick handeln. Dennoch erscheint eine entsprechende Momentaufnahme sinnvoll, da sie dem Leser einen orientierenden Einstieg in die jeweilige Thematik ermoglicht. Angesichts der Komplexitat des vorliegenden Forschungsvorhabens konnen nicht samtliche Aspekte, die im Kontext der vorliegenden Arbeit von Relevanz sind, im Rahmen eines einleitenden Forschungsiiberblicks aufgeroUt werden. Dies verbietet sich alleine schon deshalb, weil der Umfang eines als Einfiihrung konzipierten Kapitels gesprengt wiirde. Vor diesem Hintergrund ist eine Konzentration auf besonders relevante Schv^erpunkte dringend geboten. Wie sieht die entsprechende inhalthche Fokussierung aus? Zunachst einmal gilt es, einige zentrale Reflexionen zur kultur- beziehungsweise sozialgeographischen Forschung iiber den islamischen Orient darzulegen, in die die vorliegende Studie eingebunden ist. In einem zv^eiten Schritt wird schlie{?lich auf das nach wie vor vergleichsweise neue interdisziplinare Wissenschafts- und Anwendungsfeld der Interkulturellen Kommunikation eingegangen. In diesem Kontext soil unter anderem aufgezeigt werden, inwieweit entsprechende Fragestellungen beziehungsweise Themenkomplexe Einzug in die einschlagige Forschung gehalten haben. Die kulturgeographische Orientforschung weist in der deutschsprachigen Geographie eine altehrwiirdige Tradition auf. Dabei standen iiber Jahrzehnte hinweg eine Analyse, Typisierung und Interpretation kulturlandschaftlicher Sachverhalte im Vordergrund. Als ein besonders herausragendes Beispiel kann man die Forschungen von Eugen Wirth in Hinblick auf Struktur und Entwicklung der traditionellen islamisch-orientalischen Stadt anfiihren (vgl. WIRTH 1975). Wahrend sich die meisten Autoren alterer Provenienz primar dem materiellen Substrat als dem Resultat menschlichen Handelns zuwandten, dominiert seit etwa zwei Jahrzehnten eine sozialgeographische Betrachtungsweise, die das anthropogene Handeln an sich in den Fokus des Erkenntnisinteresses riickt (vgl. POPP 1999b). Einhergehend mit dieser Hinwendung zu den Akteuren selbst konnten sukzessive auch Fragestellungen an Bedeutung gewinnen, die in der klassischen Kulturlandschaftsforschung nicht aufgegriffen wurden, wie etwa der Diskurs iiber die Interdependenz von Eigenem und Fremdem. Seit einigen Jahren lasst sich vor dem Hintergrund des sich in den Humanwissenschaften vollziehenden cultural turns eine verstarkte Hinwendung zu kulturspezifischen Fragestellungen beobachten, wobei in diesem Zusammenhang insbesondere die kulturelle Bedingtheit sozialer Phanomene in den Betrachtungsmittelpunkt geriickt wird. Diesbeziiglich ist nicht nur eine
Konzeptionelle Einfiihrung in die Arbeit
15
forcierte Beriicksichtigung von Kultur als Erklarungsfaktor fiir soziale, okonomische und politische Phanomene zu verzeichnen, sondern auch eine deudich starkere Akzentuierung raumiicher Aspekte bei der Neuverhandlung dieses zentralen sozialwissenschafdichen SchliisselbegrifFs (vgl. Kapitel III.l und IIL2). Entsprechende Entwickiungslinien manifestieren sich auch in jiingeren kultur- beziehungsweise sozialgeographischen Arbeiten, die sich mit dem islamischen Orient beschaftigen, wobei die Renaissance raumUcher Fragestellungen nicht zuletzt mit den Diskursen um Phanomene wie GlobaUsierung und Regionalisierung korrespondiert. Die meisten dieser Studien integrieren in ihren Forschungsansatzen moderne soziologische respektive anthropologische Konzepte, zudem wird verstarkt iiber Methoden reflektiert und die qualitative Sozialforschung ausgesprochen fruchtbar fiir die Disziplin in Wert gesetzt. Als ausgewahlte Beispiele seien insbesondere die Beitrage von LINDNER (1999), MEYER (1999) und BOECKLER (2005) erwahnt. Langst verbirgt sich hinter dem Terminus cultural turn eine facheriibergreifende Bewegung, die - ausgehend von entsprechenden Trends innerhalb der Ethnologic, verstarkt dutch den postkolonialen Selbstbehauptungsdiskurs und nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer zunehmenden Sensibilisierung fiir kulturelle Divergenzen im Spannungsfeld fortschreitender Globalisierungsund Regionalisierungstendenzen - eine beachtliche Bandbreite unterschiedlicher Phanomene subsumiert (vgl. Kapitel III.2). In diesem Kontext konnte sich in den meisten kultur- beziehungsweise sozialgeographischen Studien, die sich mit dem islamischen Orient beschaftigen, ein interpretativ-konstruktivistisches Kulturverstandnis durchsetzen. Insbesondere im internationalen Kontext wird Kultur als ein ausgesprochen fluides Phanomen rezipiert, das die Konturen von Kulturen zunehmend diffliser und durchlassiger erscheinen lasst. Gleichwohl bleibt Kultur, nicht zuletzt nach dem Selbstverstandnis der vorliegenden Arbeit, an eine gewisse Territorialitat gebunden, wobei diese auch weiterhin einen nicht zu unterschatzenden Einfluss auf Werte und Einstellungen respektive auf Denken und Handeln von Menschen ausiibt. In diesem Zusammenhang sei auf BRAH (1996), MOOSMULLER (1997) und DRECHSEL (1999) verwiesen, die in ihren Arbeiten eindrucksvoU aufzeigen, dass lokale Kulturen im globalen Kontext - ungeachtet der Diskussionen um eine vermeintliche/?^zx transcultura, die in letzter Konsequenz in eine Aufhebung der Kongruenz zwischen Territorium und Kultur miindet (vgl. WELSCH 2000) - nichts von ihrer Bedeutung verloren haben. Kultur setzt vor dem Hintergrund ihres Prozesscharakters, der gerade in der heutigen Zeit angesichts fortschreitender Globalisierungsprozesse zum Tragen kommt, eine interkulturelle Perspektive voraus, wodurch Interkulturalitat langst keinen besonderen Bereich der Kulturwissenschaft, sondern vielmehr eine konstitutive Bedingung ihres Gegenstandes darstellt. Kultur ist letztendlich, im Sinne von DRECHSEL, SCHMIDT und GOLZ (2000), immer schon Interkulturalitat. Entgegen dieser Einsicht gingen gerade in den Wirtschaftswissenschaften Jahrzehnte ins Land, bis der Faktor Kultur und dessen Relevanz fiir Managementprozesse Beriicksichtigung fanden. So konzediert der Dortmunder Okonom MEISSNER (1997, S. 2) in einem Beitrag, der den bezeichnenden Titel „Der Kulturschock in der Betriebswirtschaftslehre" tragt: „Die Entfal-
16
Kapitel I
tung des betriebswirtschaftlichen Denkens und damit die Entwicklung betriebswirtschaftiicher Theorien erfolgte in der historischen Perspektive in einem im wesendichen kulturfreien, systemindifFerenten Raum, d. h. es wurde weder die Kultur der einzelnen Unternehmung reflektiert, noch wurden die kulturbezogenen Einfliisse des Umfeldes, z. B. bei den Verbrauchern, den Mitarbeitern, den Lieferanten oder im weiteren Raum der politischen und sozialen OfFendichkeit beriicksichtigt." Bis weit in die zweite Halfte des 20. Jahrhunderts war die Managemendehre weitgehend einem technizistischen Paradigma mit einer funktionalistischen Sichtweise verschrieben, das Unternehmen primar auf Grundiage der SteuerungsgroEen Ertrag und Kosten analysierte. Zumindest wenn man sich, in Analogie zu MACHARZINA (1999), eine holistische Sichtweise von Unternehmensfiihrung zu Eigen macht, so kommt man in einer zunehmend vernetzten Welt nicht umhin, sich verstarkt mit kulturellen respektive interkulturellen Aspekten auseinander zu setzen. Die verstarkte Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten vor dem Hintergrund einer fortschreitenden Globalisierung bringt es mit sich, dass kuiturelle Unterschiede, die die Unternehmensfiihrung in vielfaltiger Art und Weise pragen, immer augenscheinlicher zu einem Diskussionstopos in Wissenschaft und Praxis werden. Insbesondere fiir die betrofFenen Akteure in der Wirtschaft haben sich die entsprechenden Aufgaben und Herausforderungen in den letzten Jahren nachhaltig verandert. Sie sind jetzt nicht mehr nur mit den konventionellen Problemfeldern der Unternehmensfiihrung konfrontiert, sondern miissen sich dariiber hinaus mit kulturellen Unterschieden im Management beschafi:igen. Der skizzierten Problemlage stehen allerdings nach wie vor Forschungsaktivitaten gegeniiber, die vielfach in den Anfangen stecken, auch wenn eine Ignoranz kultureller Fragestellungen vor dem Hintergrund jiingster Erkenntnisse in der interkulturellen Managementforschung als nicht mehr zeitgemafi anzusehen ist (vgl. STUDLEIN 1997,
HASENSTAB 1999,
HOLZMULLER/BERG 2002 und
SCHNEIDER/BARSOUX
2003). Interkulturelle Kommunikation als Wissenschaft ist die Frucht mehrerer Disziplinen und entstand wahrend der 1950er Jahre in den Vereinigten Staaten in einem Stadium, in dem interkulturelle Begegnungen noch nicht so selbstverstandlich waren wie zu Beginn des dritten Jahrtausends (vgl. insbesondere ROTH 1996 und MOOSMULLER 2000). Als Griinder dieses Wissenschafts- und Anwendungsfelds gilt der US-amerikanische Kulturanthropologe Hall, der zwischen 1950 und 1955 am Foreign Service Institute tatig war und sich in diesem Kontext fiir die Entwicklung von Programmen verantwortlich zeichnete, die Mitarbeiter von Regierungsinstitutionen auf ihre Mission im Ausland vorbereiten sollten. In seinem Standardwerk „The Silent Language" geht HALL (1959) davon aus, dass Kultur weitgehend eine verborgene Dimension darstellt und die Menschen steuert, ohne dass sie sich dessen bewusst sind. Wer jedoch, so Hall, der stark von der Psychoanalyse beeinflusst wurde, seine unbewussten Motive nicht kenne, konne auch kein Verstandnis fiir die Handlungen und Motive Anderer aufbringen. Grundlegend ist fiir den Nestor dieser Disziplin, den Verstehensprozess der unbewussten kulturellen Determinierungen anzuregen, wobei er in diesem Zusammenhang vor allem interkulturellen Trainings eine zentrale RoUe zuschreibt. In den Grundannahmen Halls wird
Konzeptionelle Einfuhrung in die Arbeit
17
deutlich, dass man kulturelle Divergenzen als systemimmanentes Phanomen respektieren muss, sich gleichfalls aber auch darum bemiihen sollte, mit diesen moglichst efEzient und erfoigreich umzugehen. Als einer ausgesprochen anwendungsbezogenen und relationalen Wissenschaft geht es der Interkulturellen Kommunikatlon nicht um den Vergleich von Kulturen, sondern um die Interaktionen zwischen ihnen. Im Fokus des Erkenntnisinteresses steht stets die Frage, was vonstatten geht, wenn Akteure mit divergierenden Codes miteinander kommunizieren respektive sozial interagieren (vgl. Kapitel III.4). Bevor wir uns im nachfolgenden Kapitel den fiir diese Arbeit zentralen SchliisselbegrifFen Globalisierung beziehungsweise Internationalisierung sowie den mit diesen Phanomenen assoziierten Tendenzen zuwenden, sei abschliefiend noch die Frage aufgeworfen, welche RoUe interkulturelle Aspekte in der Geographie der Freizeit und des Tourismus spielen? Zunachst mochte man meinen, dass diese - nicht zuletzt eingedenk des ausgepragten Internationalisierungsgrads der entsprechenden Branche - eine eminent wichtige RoUe einnehmen, sondiert man jedoch die zu dieser Thematik vorhandene Literatur, so kommt man zu zwei diametralen Ergebnissen: Wahrend host-guest relations nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Diskurse um einen nachhaltigen Tourismus einen vergleichsweise wichtigen Stellenwert in der Forschung einnehmen, ist eine entsprechende inhaltliche Auseinandersetzung mit der supply-side bis dato ausgeblieben (vgl. REISINGER/TURNER 2003 und SCHERLE 2004). Unlangst erschienene Standortbestimmungen und diszipUnhistorische Riickblicke, etwa von SHAW/WILLIAMS (1998/2002), POPP (2001a), BERRIANE (1999a/2003), HOPFINGER (2003), JURCZEK (2003) und WACHOWIAK (2003), besta-
tigen dieses Forschungsdefizit, das keineswegs nur auf den deutschsprachigen Raum beschrankt ist. Hinsichtlich der in dieser Arbeit relevanten Reiseveranstalter, die sich in Bezugnahme auf loANNIDES (1998) trefflich als gatekeepers of tourism bezeichnen lassen, standen bislang primar Struktur und Raummuster vor dem Hintergrund fortschreitender Konzentrationsprozesse im Fokus des Erkenntnisinteresses. Beispielhaft sind in diesem Zusammenhang vor allem die Beitrage von VORLAUFER (1993a/1998), WILLIAMS (1995) und SHAW/WILLIAMS (1998) anzufuhren. Interkulturelle Themenkomplexe, die sich angesichts der in den letzten Jahrzehnten zu konstatierenden globalen Diffusion touristischer Strome geradezu aufgedrangt hatten, wurden im Kontext einer supply-side analysis allenfalls tangiert, nicht jedoch im Rahmen einer eigenstandigen Studie erortert.
II
Going international- Untemehmenstatigkeit im Globalisierungszeitalter unter besonderer Beriicksichtigung der Tourismusbranche
11.1
Grundlagen der Phanomene Globalisierung und Internationalisierung
„Wenn einmal die Geschichte des Begriffs der Globalisierung geschrieben wird, konnte man sie mit dem 20. Juli 1969 beginnen lassen. An diesem Tag setzte der erste Mensch seine plumpen, in seinem Raumanzug wohlverpackten FiiCe auf den Mond. Neil Armstrong sah, was wir Zuriickgebliebenen eher noch klarer auf unseren Fernsehschirmen betrachten konnten: die Erde, also unsere Welt, als Ganze, als Globus mit vertrauten Strukturen, aber aus unvertrauter Perspektive. Der andere Himmelskorper, von dem dieser Anblick sich ergab, machte die Einheit unseres so vielfaltigen, ja in nahezu jeder Hinsicht uneinheitlichen Planeten sichtbar." RalfDahrendorf Perspektivenwechsel tun Not - gerade dann, wenn man sich mit BegrifFen beschaftigt, die nicht nur in aller Munde sind, sondern die sich vor allem dadurch auszeichnen, dass sie polarisieren. 1st iiber die entsprechende Thematik nicht bereits genug geschrieben worden, und sind die zentralen Standpunkte nicht langst integrativer Bestandteil ofFentlicher Diskussionen? Verkorpert Globalisierung vielleicht sogar eine Art ,Naturereignis', dem niemand entrinnen kann, wenn HELBRECHT (1998, S. 101) konstatiert: „Es regnet zur Zeit Globalisierung"? Die ,Mondperspektive' von DAHRENDORF (1998, S. 41) besticht primar dadurch, dass sie unseren MaEstab beziiglich der entsprechenden w^issenschaftlichen Diskurse zurechtriickt. Gelegentlich mag einfach nur ein neuer, zumindest ungew^ohnter Blickwinkel auf scheinbar Bekanntes geniigen, um einen Aspekt in einem anderen Licht zu sehen, denn eines ist sicher: Die Schatten in Platons Hohle als Abbilder der Wirklichkeit sind niemals deckungsgleich, variieren sie doch stets nach der subjektiven Qualitat unseres geistigen Auges. Dazu bedarf es - ungeachtet der Eindringlichkeit des Zitats von Dahrendorf - noch nicht einmal einer ,Mondperspektive', sondern eines Rekurses auf zwei Orte, in deren zentralen Veranstaltungen sich geradezu paradigmatisch divergierende Sichrweisen auf laufende Globalisierungsprozesse w^iderspiegeln: Davos und sein World Economic Forum respektive Porto Alegre und sein Forum SocialMundial. Wahrend das beschauliche schweizerische Stadtchen fiir sich beansprucht, die Wlrtschaftselite mit den w^ichtigsten politischen Entscheidungstragern zusammenzufiihren, versammein sich in der siidbrasilianischen Millionenmetropole Anhanger jener transnationalen Protestbev^egung, die, trotz ihrer ungemeinen Heterogenitat, haufig ausgesprochen pauschal mit dem Terminus Globalisierungsgegner etikettiert w^erden. Dass die mit dem Megatrend Globalisierung verbundenen komplexen Transformationsprozesse v^iderspriichliche Implikationen und Reaktionen hervorrufen, liegt auf der Hand, macht aber auch eine Auseinandersetzung mit der entsprechenden Thematik zu einem schw^ierigen Unterfangen. Folgendes Kapitel geht nicht nur auf die SchliisselbegriflFe Globalisierung beziehungsw^eise Internationalisierung ein, sondern erortert auch die mit diesen Phanomenen assoziierten Tendenzen.
Going international
19
Dies geschieht insbesondere vor dem Hintergrund, dass die vorliegende Arbeit ein ausgesprochenes ,Globalisierungsprodukt' darstelit, namlich ais Teilprojekt eines Forschungsverbunds (FORAREA), der einerseits Globaiisierung als eine unternehmensspezifische Herausforderung begreift, andererseits den betrofFenen Akteuren diesbeziiglich eine entsprecliende Sachkompetenz vermittein mochte (vgl. Kapitel I.l). Angesichts der Kompiexitat des Sujets soUte man sich bewusst sein, dass die nachfolgenden Ausfiihrungen alienfalls einen konzisen Uberblick gewahren konnen: eine entsprechende Perspektivenvielfalt ist in diesem Zusammenhang nicht nur das Resultat oftmals erbitterter Poiarisierungen zwischen Kritikern und Befiirwortern von Globaiisierung, sondern auch die Konsequenz eines in der Tat interdisziplinaren Forschens. Seit den 1990er Jahren ist der GlobalisierungsbegrifF massiv in den Fokus des politischen und wissenschaftlichen Diskurses geriickt. Wie man aus der Geschichte ofFentlich wirksam gewordener BegrifFe weiS, spiegelt eine entsprechende Situation stets reale Sachverhalte wider. Problematisch wird das „Plastikwort" (LEGGEWIE 2003, S. 17), wenn es ausschliefilich mit dem Prozess einer globalen Homogenisierung verbunden wird, wodurch ein fragwiirdiges, gegebenenfalls sogar falsches Weltbild entsteht (vgl. SENGHAAS 2002). Globaiisierung ist jedoch nicht, wie haufig von Globalisierungskritikern angefiihrt wird, ein monolithischer Prozess der Vereinheitlichung oder Standardisierung, sondern vielmehr ein multidimensionales Phanomen, das vor allem im Kontext der kulturellen Globaiisierung zum Tragen kommt (vgl. insbesondere Kapitel III.l, in dem dezidiert auf den Aspekt der kulturellen Globaiisierung eingegangen wird). APPADURAI (1990, S. 295 f.) konstatiert in diesem Zusammenhang: „The central problem of todays global interactions is the tension between cultural homogenization and cultural heterogenization. (...) The new global cultural economy has to be understood as a complex, overlapping, disjunctive order, which cannot any longer be understood in terms of existing center-periphery models (even those that might account for multiple centers and peripheries)." Vor diesem Hintergrund soUte man stets, im Sinne des niederlandischen Soziologen NEDERVEEN PiETERSE (1998), von Globaiisierung im Plural ausgehen, wobei die unterschiedlichen Formen und Prozesse in bestimmten Verhaltnissen zueinander stehen, die sich iiberlappen, erganzen, widerstreiten und brechen konnen. Globaiisierung fungiert als SammelbegrifF fiir konkret beschreibbare Strukturen und Interaktionen, die - wie der Terminus als solcher impliziert - eine globale Dimension aufweisen. Gerade bei einem solch umfassenden BegriffsoUte man sich jedoch vor einer ausschlieElichen Verdinglichung hiiten und immer wieder darauf hinweisen, dass auch Makroprozesse Resultate individuellen respektive koUektiven Handelns sind (vgl. OSTERHAMMEL/PETERSSON 2003). Globale Verflechtungen werden von Staaten, Unternehmen, Gruppen und Individuen aufgebaut, erhalten, modifiziert und unter Umstanden zerstort. Sie sind Gegenstand von Interessenkonflikten und generieren Gewinner wie Verlierer. Dabei sind, wie LEGGEWIE (2003) eindrucksvoU aufgezeigt hat, selbst Globalisierungskritiker noch ein zentraler Bestandteil dieses komplexen Phanomens, weswegen es wenig Sinn macht, per se gegen die Globaiisierung zu sein. Hinzu kommt, dass das, was wir haufig Globaiisierung nennen, einen Prozess der Ausbreitung bestimmter regionaler Phanomene - etwa jene besonders gerne angefuhrte Amerikanisierung - darstelit (vgl. HELBRECHT 1998).
20
Kapitel II
Lange Zeit wurde Globalisierung vorwiegend auf primar okonomische Konnotationen reduziert, die die seit einigen Dekaden ablaufenden weltwirtschafriichen Strukturveranderungen umschreiben. Dazu zahlen, um nur einige Beispiele anzufiihren, die zunehmend weltweite Verflechtung von Produktion, Handel und Finanzwesen, die Institutionalisierung iiberstaadicher Wirtschaftsregionen, die sukzessive Transformation einer fordistischen zu einer postfordistischen Weltwirtschaft, die Entstofflichung respektive Virtualisierung der Okonomie sowie eine verstarkte internationale Ausdehnung und Vertiefung der zwischenbetrieblichen Arbeitsteilung (vgl. insbesondere DUNNING 1993a, H E I N 1995, MENZEL 1995, BERNDT 1996 und KUTSCH-
KER 1999). Der GlobalisierungsbegrifF ist jedoch im Kontext einer Beschreibung Grenzen transzendierender okonomischer Prozesse zu einseitig, weil er eine sozial homogene Dynamik impliziert, innerhalb derer alle gesellschaftlich relevanten Bereiche gleichermafien in einen globalen Markt integriert werden. Im Gegensatz hierzu geht man heute vor allem im sozialwissenschaftlichen Globalisierungsdiskurs davon aus, dass gerade die okonomische Globalisierung einen zutiefst widerspriichlichen Prozess darstellt, der sich in einer Koinzidenz von integrierenden und fragmentierenden sozialen Prozessen ausdriickt (vgl. NEVER 1995, ALBROW 1998 und MiTTELSTRASS 1999). Dessen ungeachtet wird, nicht zuletzt von Globalisierungskritikern, immer wieder primar die okonomische Dimension von Globalisierung angefiihrt, um die ablaufenden Transformationsprozesse auf den Punkt zu bringen. Gegen diesen weit verbreiteten Okonomismus lasst sich anfiihren, dass das 20. Jahrhundert alien Krisen zum Trotz eine zunehmende Universalisierung der Menschenrechte, den technisch-wissenschaftlichen Fortschritt und vor dem Hintergrund ansteigender grenziiberschreitender Verflechtungen die sukzessive Entstehung einer Weltgesellschaft voranbrachte (vgl. LEGGEWIE 2003). Diese Aspekte, obgleich okonomisch und politisch bestimmt, definieren nicht nur eine okonomische und politische Dimension, sondern auch allgemeine gesellschaftliche und kulturelle Dimensionen, die ihrerseits Spannungen, Widerspriiche, Konflikte und Verwerfimgen generieren. Selbstverstandlich stellt sich die Frage, ob Globalisierung einer bestimmten territorialen Logik folgt. Bislang richtete sich der Diskursfokus vorwiegend auf die globale Ebene, v^eniger auf Prozesse in subnationalen und lokalen Kontexten. Dabei gibt es keine spezifische territoriale Logik ablaufender Globalisierungsprozesse, da heute nichts mehr eindeutig lokal oder global ist, v^obei lokale Kultur schon immer iiberlokale Strukturen beeinflusst hat und umgekehrt. Um die Dialektik des Globalen und des Lokalen verstehen zu konnen, geniigt es nicht, die jeweiligen Mafistabsebenen gegeneinander auszuspielen, da sonst die Vielschichtigkeit der Akteure, Situationen und Einfliisse iibergangen wiirde (vgl. HELBRECHT 1998 und MULLER-MAHN 2002). Differenzierter umschreibt moglicherweise die von ROBERTSON (1998) gepragte Paronomasie „Glokalisierung" das kontinuierliche und systematische Zusammenspiel globaler und lokaler Faktoren, mit der der Autor eine Briicke zwischen den vermeintlich gegensatzlichen Tendenzen von Homogenisierung und Heterogenisierung bauen mochte. Dies geschieht insbesondere vor dem Hintergrund, dass beide Tendenzen in letzter Konsequenz haufig komplementar sind und sich durchdringen. Selbst wenn man kein Anhanger von Wortneuschopfungen ist, soUte man in diesem Kontext bedenken, dass entsprechende Tendenzen zwei Seiten desselben Vorgangs darstellen, v^ie auch das nachfolgende Zitat von GERNDT (2002, S. 262) treffend illustriert: „Globalisierung wirkt sich in unzahligen Aspekten direkt auf unseren Alltag aus. Wir emp-
Going international
21
fangen die ganze Welt digital im Wohnzimmer und kdnnen sie wahrend unseres Urlaubs (zumindest potentiell) bis in alle Winkel erkunden. Der Globalisierungsvorgang, die Entgrenzung von kulturraumlichen und nationalstaatlichen Gebilden, betont aber nur einen Teilaspekt des Gesamtgeschehens; ihm korrespondieren genauso machtige gegenlaufige Phanomene. Die Internationalisierung der Lebensverhaltnisse hat spiegelbildlich zu einer Aufwertung des lokalen und regionalen Umfeldes gefuhrt. Region als Heimat, als Brennpunkt familiarer und sozialer Beziige, starkt Zugehorigkeitsgefiihle und bietet Orientierungssicherheit." Die ganze Komplexitat und Widerspriichlichkeit an Formen, Reichweiten und Ausdrucksweisen von Globalisierung kulminiert in der von BARBER (1996) vorgenommenen Gegeniiberstellung von „McWorld" und „Dschihad" (vgl. auch Kapitel III.l). In ihr spiegelt sich, zweifelsfrei in iiberspitzter Form, geradezu paradigmatisch die Paradoxie der Megatrends von Globalisierung und Fragmentierung wider: Auf der einen Seite beobachten wir einen Trend zur verstarkten okonomischen Integration, zur Zivilisierung von Weltpolitik sowie zur Universalisierung und Sakularisierung von Kultur und Wertesystemen. Auf der anderen Seite sind wir Zeugen eines zunehmenden Fragmentierungsprozesses, einer Renaissance von staatlicher Zersplitterung und Ethnoprotektionismus sowie kultureller Exklusionen und zivilisatorischer Regressionen, die Schlagworte wie Weltgesellschaft, Weltwirtschaft und Weltkultur deutlich konterkarieren (vgl. MENZEL 1998). Hinzu kommt, dass das vor allem von neoliberalen Protagonisten verkiindete Positivsummenspiel - mit einer erfolgreichen wirtschaftlichen Entwicklung sowohl in den entwickelten als auch in den unterentwickelten Staaten - bis dato weitgehend Makulatur geblieben ist. So hat der Boom der 1990er Jahre, der geradezu paradigmatisch mit der so genannten new economy assoziiert wird, nicht nur das Nord-Siid-Gefalle kaum abbauen konnen, sondern auch die sozialen Disparitaten innerhalb der entwickelten Lander vergroEert. Die Dialektik der skizzierten Prozesse erinnert - wie SCHOLZ (2000/2002) im Kontext seiner Theorie der fragmentierenden Entwicklung aufeeigt - an jene Zeiten, in denen sich ebenso diametral die Vertreter der Modernisierungs- und Dependenztheorien bei der Erklarung respektive Uberwindung von Unterentwicklung gegeniiberstanden. Die Implikationen dieser Entwicklungen konnen derzeit kaum in ihrer ganzen Tragweite abgeschatzt werden. Man kann jedoch davon ausgehen, dass so manche wirtschaftswissenschaftlichen Grundsatze neu geschrieben werden miissen und dass gerade in Landern der so genannten Dritten Welt die soziookonomischen Disparitaten zunehmend demokratiegefahrdende Dimensionen annehmen, da das Vertrauen in demokratische Systeme als Lebens- und Herrschaftsform sinkt. In diesem Kontext sei - unter expliziter Bezugnahme auf das in dieser Arbeit relevante Marokko - die Frage aufgeworfen, ob es wirklich Zufall ist, dass ein Grofiteil jener Attentater, die sich fiir die terroristischen Anschlage von Casablanca und Madrid verantwortlich zeichnen, aus den bidonvilles marokkanischer GrofSstadte stammt. Insbesondere Tanger mutiert immer mehr zu einem Sammelbecken von Desperados aus ganz Nordafrika, die haufig nur darauf warten, von Schleppern endlich das ersehnte Signal zu erhalten, die gefahrliche Reise iiber die Strafie von Gibraltar antreten zu diirfen - wohl wissend, dass dieser keineswegs nur imaginare „Limes" (vgl. RUFIN 1993) ihre personliche Schranke zum vermeintlichen Gliick bildet. Wahrlich eine gewaltige Flerausforderung fiir eine vermeintlich offene Weltgesellschaft!
22
Kapitel II
Dem Leser diirfte aufgefallen sein, dass bis dato ausschlief?lich von Globalisierung, nicht jedoch von Internationalisierung gesprochen wurde. Sowohl in der ofFendichen Diskussion als auch in der wissenschaftlichen Literatur werden beide BegrifFe haufig synonym verwendet, ohne in Bezug auf deren Bedeutungsinhalte eine nahere Abgrenzung vorzunehmen. Gelegendich kann man auch den Eindruck gewinnen, Globalisierung verdrange als neues Modewort, das niemand genau definieren, geschweige denn messen kann, sukzessive den wesendich traditionsreicheren Terminus Internationalisierung (vgl. insbesondere GERMANN/RAAB/SETZER 1999, ScHMiD 2000 und MULLER/KORNMEIER 2001). Auf alle Falle weist der Globalisierungsbegriff ein wesentlich groEeres Polarisierungspotential auf und wird dementsprechend gerne von unterschiedlichen Pressuregroups instrumentalisiert. In primar okonomisch konzipierten Publikationen, die sich sowohl aus einer einzel- als auch gesamtwirtschaftlichen Perspektive mit der entsprechenden Thematik beschaftigen, wird Globalisierung in erster Linie als eine Steigerung beziehungsweise als der weitreichendste Grad von Internationalisierung angesehen. So interpretieren beispielsweise WELGE, BOTTCHER und PAUL (1998, S. 1) Globalisierung als „die geographisch weitreichendste Form internationalen Marktengagements im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtung des Weltmarktes." Ungeachtet aller Tendenzen hin zu einer zunehmend globalen Weltwirtschaft ist Globalisierung auch im okonomischen Kontext vielfach ein (utopischer) Idealzustand, der den realen Grad internationaler Verflechtungen kaum in adaquater Weise abbildet. Gerade die okonomische Globalisierung verlauft nicht wirklich, wie der Terminus suggeriert, flachenhaft global, da nicht alle Raume der Welt aktiv an diesen besser als ,Triadisierung' zu bezeichnenden Prozessen partizipieren (vgl. insbesondere MENZEL 1998, SCHOLZ 2000/2002 und LEGGEWIE 2003). Eine weltweite Verflechtung oder gar Verschmelzung aller Markte respektive aller Bereiche von Unternehmungen diirfte letztendlich ein illusorisches Konstrukt bleiben. Eingedenk dieser Uberlegungen soUte man eher vom Trend der Globalisierung oder - will man ganz korrekt sein - von einer moglichen Entwicklung in Richtung Globalisierung sprechen (vgl. ERNST 1999 und SCHMID 2000). Im Rahmen der vorliegenden Arbeit finden beide Termini Verwendung. Dabei soil - vor allem vor dem Hintergrund eines raumdifferenzierenden Blicks und im okonomischen Kontext - Internationalisierung eher den realiter ablaufenden Prozess weltweiter Verflechtungen widerspiegeln, wahrend Globalisierung deren konsequente Weiterentwicklung in ihrer weitreichendsten Form darstellt. Dies impliziert, dass Internationalisierung Globalisierung mit einschlieEt. Beide BegrifFe, deren Abgrenzung nicht zuletzt unter semantischen Gesichtspunkten haarspalterisch wirken mag, sind untrennbar mit einem weiteren Terminus, der Regionalisierung, verbunden, auch wenn - wie GERMANN, RAAB UND SETZER (1999) ZU Recht konstatieren - entsprechende Zusammenhange vergleichsweise selten aufgezeigt werden. Verkorpern Globalisierung und Regionalisierung vor allem Entgrenzungsprozesse, so reprasentiert Regionalisierung das genaue Gegenteil, namlich Begrenzungsprozesse. Doch handelt es sich in diesem Fall nur um einen vermeintlichen Gegensatz, denn Globalisierung und Internationalisierung implizieren sowohl auf einer politisch-okonomischen als auch auf einer kulturellen Ebene keinesfalls einen automatischen Bedeutungsverlust des Regionalen, sondern vielmehr stehen die jeweiligen Entwicklungen in einem dialektischen Verhaltnis zueinander (vgl. insbesondere KRATKE 1995,
Going international
23
NuHN 1997 und BREIDENBACH/ZUKRIGL 2002). Diesen Umstand kommentiert MITTELSTRASS (1999, S. 223) vor dem Hintergrund seiner Reflexionen iiber die Befindlichkeit des Denkens in einer Informations- und Innovationsgesellschaft wie folgt: „Tatsachlich bildet Regionalitat ein notwendiges Komplement zur Globalitat, nicht nur im allgemein kulturellen, sondern auch im wirtschaftlichen Sinne, oder pointiert ausgedriickt: Gerade Globalisierung bedarf der Regionalisierung, wenn sie nicht selbst orientierungslos, d. h. in diesem Falle wirtschaftlich erfolglos, sein will." Wie zeigen sich konkret die Tendenzen einer Regionalisierung? Aus einer politisch-okonomischen Perspektive sind in diesem Kontext vor allem die Zusammenschliisse zu Freihandelszonen respektive zu Wirtschaftsgemeinschaften zu nennen, aber auch die Bildung regionaler Netzwerke von spezialisierten Unternehmen im Kontext flexibler Produktionssysteme. Regionalisierung als zentripetaler Prozess zielt in diesem Fall „auf die Vergrofierung der koUektiven Starke und der politischen Souveranitat gegen den Rest der Welt. Sie ist damit eine Antwort auf Globalisierung und zugleich ein Prozefi der Starkung der eigenen Krafte fiir den Globalisierungsprozefi." (KAPPEL 1995, S. 82). Eine „Renaissance des Regionalen" (KRATKE 1995, S. 212) ist aber auch aus einer kulturellen Perspektive zu verzeichnen. Man denke, um nur einige ausgewahlte Beispiele zu nennen, an die Wiederbelebung regionaler Traditionen, an das verstarkte Interesse fiir Heimatgeschichte und Heimatliteratur, an die Ruckbesinnung auf regionale Rezepte und nicht zuletzt an den Boom der so genannten heritage industry, wobei sich insbesondere letzteres Phanomen zu einem ausgesprochen prosperierenden Wirtschaftszweig entwickelt hat. Gerade die zunehmende Ausbreitung westlicher Konsumgiiter und Kulturmuster geht mit einer deutlichen Ruckbesinnung auf regionale kulturelle Traditionen einher. WAGNER (2001, S. 15) schreibt in Bezug auf diese Entwicklung: „In Anbetracht des Vereinheitlichungsdrucks weltweit gleicher Kulturangebote werden die Besonderheiten der eigenen Kultur gegeniiber anderen Kulturen hervorgehoben. Kulturelle Identitatssuche in lokalen, regionalen und nationalen Beziigen zur Selbstvergewisserung bildet nicht nur bei Migranten, nationalen Minderheiten und in Landern des Sixdens die andere Seite der kulturellen Internationalisierung. Lokal- und Nationalkulturen als Ausdruck kultureller Traditionen soUen dabei ein Zusammengehorigkeitsgefiihl vermitteln und dadurch den Menschen in den kulturellen Globalisierungsprozessen einen Orientierungspunkt und Identitatsanker bieten." Die bisherigen Ausfiihrungen zu Globalisierung beziehungsweise Internationalisierung machen deutlich, dass angesichts der Komplexitat und Widerspriichlichkeit dieses Themenfeldes eine koharente theoretische Auseinandersetzung sehr schwierig ist, sich beide Phanomene mitunter sogar einer geordneten Beschreibung entziehen. Um die multiplen Strukturen und Prozesse dieses Sujets zu begreifen, miissen - im Sinne von HELBRECHT (1998, S. 107) - „viele Geschichten, viele Geographien und viele Ebenen und Handlungsfelder von Gesellschaft beriicksichtigt werden." Wie lassen sich die wich tigs ten Grundannahmen des dieser Arbeit zugrunde liegenden Verstandnisses beider Schliisselbegriffe auf einen Nenner bringen? Im erkenntnistheoretischen Kontext gehe ich - wie NASSEHI (1999) im Rahmen seiner Reflexionen zum Globalisierungsbegriff - davon aus, dass es sich allenfalls um Beobachtungsbegriffe handeln
24
Kapitel II
kann, die ein Biindel von miteinander verwobenen Prozessen subsumieren. Vor diesem Hintergrund sind auch die nachfolgenden acht Thesen zu sehen, die nicht nur das grundlegende Verstandnis von Globalisierung respektive Internationalisierung darlegen, sondern auch eine weiterfiihrende Standortbestimmung unter besonderer Beriicksichtigung der in dieser Arbeit besonders relevanten interkulturellen Perspektive ermoglichen: -
-
-
Globalisierung respektive Internationalisierung verkorpern zuallererst Resultate einer kontinuierlichen time-space compression (HARVEY 1990), die mit einer sukzessiven Entgrenzung der Welt einhergehen. Dieser komplexe, in der Kegel asymmetrische Entgrenzungsprozess verlangt immer seltener den Beherrscher des Territoriums und zunehmend haufiger den Meister der Geschwindigkeit (vgl. MENZEL 1998). Globalisierung respektive Internationalisierung implizieren eine verstarkte Intensivierung und Verflechtung weltweiter sozialer Beziehungen, die sich auch dezidiert in einer Zunahme interkultureller Begegnungen widerspiegeln (vgl. MATTHES 1993 und GIDDENS 1995). Dieser Umstand generiert ein verstarktes Bewusstsein von der ,einen Welt', die - zumindest aus einer normativen Perspektive - einer globalen Verantwortung bedarf. Globalisierung respektive Internationalisierung verkorpern Prozesse, die in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen und auf verschiedenen raumlichen Ebenen stattiSnden. Angesichts ihrer multiplen Strukturen und mehrdimensionalen Prozesse gleichen sie einem ,dynamischen, richtungslosen Flachenmosaik' von Stromen, Netzwerken, Akteuren und Institutionen, die sich iiberlappen, erganzen, widerstreiten und brechen konnen (vgl. HELBRECHT 1998).
-
-
-
-
Globalisierung respektive Internationalisierung stellen fiir die betrofFenen Akteure aufierst ambivalente Phanomene dar. Die mit ihnen assoziierte Ambiguitat von Homogenitat und Heterogenitat beziehungsweise von Universalismus und Partikularismus manifestiert sich geradezu paradigmatisch in der von ROBERTSON (1998) gepragten Paronomasie ,Glokalisierung', die das Zusammenspiel globaler und lokaler Faktoren im Kontext einer sich sukzessive herauskristallisierenden Weltgesellschaft abbildet. Globalisierung respektive Internationalisierung lassen sich langst nicht mehr ausschliefilich aus der Perspektive eines weit verbreiteten Okonomismus betrachten (vgl. LEGGEWIE 2003). Entgrenzung der Welt impliziert somit nicht nur einen okonomischen, sondern auch einen soziokulturellen Intensivierungsprozess. Anders ausgedriickt: Wenn man von Weltmarkt spricht, kommt man nicht umhin, auch von Weltgesellschaft, global governance oder Weltkultur zu sprechen. Globalisierung respektive Internationalisierung stehen in enger Wechselwirkung mit kulturellen Bestanden, sie beeinflussen diese und werden ihrerseits wiederum von ihnen beeinflusst. Die entsprechende Interdependenz lost die Abgeschlossenheit kultureller Systeme auf, ohne jedoch zwangslaufig deren Existenz auftuheben (vgl. SEIFERT 2000). In diesem Kontext kommt es insbesondere zu einer Intensivierung der Interaktionen, der Querverbindungen und der Interdependenzen, die von einem standigen Oszillieren zwischen Entgrenzung und Begrenzung begleitet werden. Globalisierung respektive Internationalisierung stellen fiir die betrofFenen Akteure in jeglicher Hinsicht eine Herausforderung dar. Ob diese - im Sinne der Globalisierungsbefiir-
Going international
-
25
worter - eher mit Chancen oder - im Sinne der Globalisierungskritiker - eher mit Risiken behaftet ist, lasst sich angesichts der Komplexitat der Thematik nur von Einzelfall zu Einzelfall entscheiden. Viel wichtiger erscheint mir in diesem Kontext, dass die jeweiligen Akteure auf die entsprechende Herausforderung adaquat vorbereitet werden. Dieser Aufgabe miissen sich in erster Linie die Bildungseinrichtungen - Schule und Universitat gleichermafien - stellen, wobei dem ,Bruckenfach' Geographie vor dem Hintergrund seiner ausgepragten Interdisziplinaritat und seiner Kompetenz hinsichtlich raumbezogener Aspekte eine besondere Verantwortung zufallt. Globalisierung respektive Internationalisierung erfordern - ungeachtet einer zunehmenden „Normalitat des Fremden" (HUNFELD 1996) - ein gewisses Ma6 an interkultureller Kompetenz, will man die mit diesen Phanomenen einhergehenden komplexen Strukturen und Prozesse nicht nur besser verstehen, sondern auch aktiv gestalten (vgl. THOMAS 1993/1999/2003b und MOOSMULLER 1996/1997). Im Kontext einer zunehmenden Internationalisierung des Wirtschaftslebens, die sich nicht zuletzt in einer deutlichen Zunahme an bilateralen Unternehmenskooperationen widerspiegelt, bedeutet dieser Umstand, dass man Kultur - im Sinne des Leitkonzepts von FORAREA - als Ressource begreifen soUte, wobei kulturelle Unterschiede nicht nur neue Anforderungen stellen, sondern auch potentielle Wettbewerbsvorteile generieren konnen.
11.2
Internationalisierung v o n Unternehmenstatigkeit aus historischer Perspektive
„Nicht die grofien Ereignisse machen die Geschichte, sondern das vereinzelte Tun zerstreuter Menschen bestimmt das Geschehen durch die Art, wie es auf die anderen wirkt, und durch den Geist, der davon ausgeht." Albert Schweitzer Wenn ein derart komplexes Phanomen wie die Globalisierung als eine Erscheinung der letzten Jahrzehnte, vielleicht sogar als Beginn einer neuen Epoche bezeichnet wird, so ist eine solche Feststellung nur dann moglich, wenn man das Neue dem Bisherigen gegeniiberstellt. Leider wird jedoch nach wie vor - gerade in betriebswirtschaftlich ausgerichteten Beitragen - allzu haufig iibersehen, dass heutige Internationalisierungs- beziehungsweise Globalisierungsaspekte das Resultat des Zusammenwirkens und der gegenseitigen Verstarkung langerfristiger Prozesse darstellen (vgl. EDELMAYER/LANDSTEINER/PIEPER 2001 und OSTERHAMMEL/PETERSSON 2003).
Gleichwohl hat vor allem die Entstehung der new economy in ihrer Gegeniiberstellung zur Wirtschaft des Industriezeitalters ein neues Interesse an der Entwicklung der Wirtschaft in friiheren Epochen hervorgerufen. DULFER (2002, S. 71) konstatiert in diesem Zusammenhang: „Das ist ein weites Feld, in dem aber zu alien Zeiten ein dynamisches Element ins Auge fallt: der Unternehmer und seine Unternehmenstatigkeit, die infolge ihres innovativen Charakters schnell auch geographisch-politische Grenzen iiberschreitet. Zwar ist das Unternehmen im Sinne der
26
Kapitel II
„autonomen Unternehmung" der mikrookonomischen Wirtschaftstheorie ohne Zweifel erst ein Geschopf des wirtschaftlichen Liberalismus im 19. Jh., also einer geistigen Entwicklung, die durch Renaissance, Reformation und Aufklarungsphilosophie gepragt war und die zu einer fortschreitenden politischen Verselbstandigung des Individuums fiihrte. Aber auch in alteren politischen und wirtschaftlichen Ordnungen gab es schon deutliche Vorlaufer, die auf der genialen Erkenntnis eines bestimmten Bedarfs in der Gesellschaft oder bei den Herrschenden beruhten und deren Leistungsangebot ihren Urhebern eine ansonsten unzulassige, individuelle Handlungs- und Verhandlungsfreiheit ermoglichte." Die nachfolgenden Ausfiihrungen bieten eine historisch konzipierte Tour d'horizon liber die Entwicklung der Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten, wobei exemplarisch einige Meilensteine aus den zentralen Epochen von der Vorantike bis zur Neuzeit herausgegrifFen werden. Die Anfange internationaler Unternehmenstatigkeit reichen weit in die Zeit der Vorantike zuriick. Insbesondere die Stadtkulturen im Zweistromland generierten erste Fernhandelsunternehmer, auch wenn die entsprechenden Aktivitaten hochgradig von staatswirtschaftlicher Seite gesteuert wurden und die spezifisch unternehmerische Pragung in der personellen Anbindung an einzelne Personlichkeiten und deren Strategiekonzepte fehlten (vgl. MOORE/LEWIS 1998, MOORE/LEWIS 1999 und DULFER 2002). Die Zeiten, in denen scheinbar ausschliefilich immobile und agrarisch orientierte Gesellschaften das Bild der vorantiken Welt pragten, neigen sich sukzessive ihrem Ende entgegen, auch wenn die bescheidene Quellenlage eine Erforschung grenziiberschreitender Kontakte in dieser Epoche deutlich erschwert. In der griechischen und romischen Antike expandierten die internationalen Unternehmensaktivitaten vor allem in raumlicher Hinsicht; ein Umstand, der sich unter anderem in vermehrten Handelsverbindungen mit Afrika und Indien widerspiegelt. Zudem wurde sukzessive der Tauschhandel vom Ware-gegen-Geld-Geschaft abgelost. Auch diese Epoche ist nach wie vor von einer starken Durchdringung okonomischer Aktivitaten durch politische Herrschaftsstrukturen gepragt. Dieser Aspekt trifFt insbesondere auf das romische Reich zu, was WALLERSTEIN (1986, S. 27 f.) in seiner kontrovers diskutierten Theorie der Weltsysteme zu folgender Aussage veranlasst: „Seine Starke bestand darin, daf? es [das romische Reich, Anm. d. Verf.] durch Gewalt (Tribut und Besteuerung) und durch monopolistische Handelsvorteile den Fluf? der Wirtschaftsstrome von der Peripherie zum Zentrum garantierte. Seine Schwache lag darin, daE die durch die politische Struktur notwendig gemachte Biirokratie dazu neigte, zu viel vom Profit zu absorbieren, besonders dann, wenn Repression und Ausbeutung Revolten nahrten, was dann wiederum zur Erhohung der militarischen Ausgaben fiihrte. Politische Reiche sind ein primitives Instrument okonomischer Herrschaft." Das friihe Mittelalter bot im Einflussbereich der romischen Kirche nur ein bedingt geeignetes Betatigungsfeld fiir unternehmerische Aktivitaten. Zum einen lag die landwirtschaftliche Produktion in rural gepragten Raumen in den Handen adliger Grundbesitzer, die vorwiegend konsumtive Ziele verfolgten, zum anderen war die fast ausschliefilich handwerkliche Produktion in den Stadten vergleichsweise strengen Konventionen der Ziinfte und Gilden unterworfen, die
Going international
27
ihr jeweiliges Monopol vor lastiger Konkurrenz schiitzten und damit einen innovativen Wettbewerb unterbanden. SCHULTZ (1997, S. 102) schreibt trefFend iiber die damalige Ausweitung des Zunftwesens: „Die Ziinfte verkorperten die BCraft der Schwachen, die aus dem Zusammenschluf? wachst." Doch es gab auch Ausnahmen in Hinblick auf wirtschaftliche Aktivitaten mit grenziiberschreitendem Charakter: Die von Nordafrika nach Spanien iibergesetzten Mauren bo ten christlichen respektive jiidischen Handwerkern und Kiinstlern Beschaftigungsmdglichkeiten, und in der Dogenrepublik Venedig betrieben kaufmannische Patrizierfamilien einen lukrativen grenziiberschreitenden Seehandel mit vorwiegend islamisch gepragten Landern (vgl. DuLFER 2002). Im Hoch- und im Spatmittelalter setzte sich schlieElich eine zunehmende regionale Spezialisierung und Arbeitsteilung der europaischen Wirtschaft dutch. Das europaische Wirtschaftsgefiige Ende des 15. Jahrhunderts mit dem Handelssystem der Hanse im nordeuropaisch-baltischen Raum, dem Handel der oberitalienischen Stadte mit der Levante, einer zunehmenden Stabilitat von Fernhandelsbeziehungen nach Mittel- und Ostasien sowie einer Verbindung der bedeutenden Wirtschaftszentren in Norditalien und Siiddeutschland etablierte zwar noch keine Weltwirtschafr, wohl aber ein regional diversifiziertes europaisches Wirtschaftssystem, in dem innovative Unternehmer konsequent komparative Vorteile nutzten. Die friihe Neuzeit ist nicht nur untrennbar mit dem Aufstieg eines okonomisch potenten Patriziertums in den Stadten verbunden, sondern auch mit der endgiiltigen Durchsetzung des Kolonialismus, der gerade in seinen Anfangen dezidiert von handelsspezifischen Interessen gesteuert wurde. Nicht selten schufen privatwirtschaftliche Unternehmen und Handelsgesellschaften mit ihren informellen Handelsstiitzpunkten die Voraussetzung zur Etablierung eines politisch-institutionalisierten^rw2^/ empires und fungierten somit als wichtige Instrumente der staatlichen Wirtschaftspolitik. Diese Expansion europaischer Strukturen wird in der heutigen Zeit - nicht zuletzt vor dem Hintergrund eines deutlichen zeitlichen Abstands - in der Regel kritisch bewertet, wie unter anderem das folgende Zitat von LANDES (1999, S. 79) beweist: „Die Erschliefiung der Neuen Welt (fiir Europa war sie neu) hatte zwar die Form eines Austausches, aber eines asymmetrischen. MaEgebend war die europaische Sicht. Europa brachte die Sache in Gang, reagierte auf die Entdeckung und entschied iiber die Richtung der weiteren Entwicklungen. Handlungspraktisch betrachtet - wer wirkt auf wen ein? - war dies ein einseitiges Unterfangen." Eine zentrale prozessuale Markierung innerhalb der Neuzeit verkorpert die industrielle Revolution, in der sich sukzessive die Ideen eines wirtschaftlichen Liberalismus durchsetzten. Innovative Produkte, die sich vorwiegend in technischen Erfindungen manifestierten, wurden zunachst in Europa, schliefilich in Ubersee vermarktet. DUNNING (1993b, S. 99) vermerkt iiber die Implikationen der industriellen Revolution: „The industrial revolution dramatically changed both the ability and the incentive of firms and countries to engage in trade and colonizing activities. The 19th century also led to a massive cross-border movement of people, especially from Europe to North America. Capital, technology, management and entrepreneurship all followed to support and sustain these activities." So entstand im 19. Jahrhundert eine ganz neue Epoche internationaler Unternehmenstatigkeit, diesmal - im Gegensatz zu Schumpeters
28
Kapitel II
Betonung der Innovation - auf Grundlage technologischer Erfindungen und Entwicklungen (vgl. DuLFER 2002). In diese Zeit fallt auch die Geburtsstunde erster multinationaler Unternehmen, die ein weit verzweigtes Netz von Niederlassungen im Ausland aufbauten, um ihre Produkte zu vermarkten, deren Anwendung zu demonstrieren, sie bei Bedarf zu installieren und weitere Kundendiensdeistungen anzubieten (vgl. CHANDLER 1989). Zumindest aus Perspektive von Wirtschaftshistorikern ist heute kaum noch umstritten, dass die Jahrzehnte vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges eine Epoche weitgehender Globalisierung markierten. Diese Globalisierungswelle ebbte jedoch in Hinblick auf die wirtschaftliche Vernetzung zwischen den beiden Weltkriegen ab. Diejenigen Branchen, in denen bereits eine Internationale Strategie verfolgt wurde, bewegten sich nach und nach auf eine landerspezifische Struktur zu. Des Weiteren verwandelten sich viele multinationale Unternehmen in einen Verbund relativ selbstandiger Tochterunternehmen. Die Ursache fiir diese Entwicklung resultierte vor allem aus einem deutlichen Anstieg nationalistischer Tendenzen und den damit einhergehenden ZoUschranken, beides zum groEen Teil verursacht dutch die Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre sowie die beiden Weltkriege (vgl. PORTER 1989 und OSTERHAMMEL/PETERSSON 2003). Von einer ausgepragten Umkehrung der eben skizzierten Entwicklungstendenzen und einer echten Neuentwicklung internationaler Untetnehmensaktivitaten kann erst wieder seit Ende der 1940er Jahre die Rede sein. Diese wird nicht zuletzt von der sukzessiven Implementierung eines rechtlichen und institutionellen Rahmens fiir eine freie Weltwirtschaft getragen, dessen zentrale Saulen wie Weltbank, internationaler Wahrungsfond (IWF) und General Agreement on Tariffs and Trade (GATT) die okonomische Globalisierung bis heute nachhaltig formen (vgl. FISCHER 1998). Zudem sind in den letzten Jahrzehnten regionale Wirtschaftsgemeinschaften entstanden, die eine Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten - zumindest zwischen den jeweiligen Mitgliedslandern - deutlich erleichtert haben. Neben wirtschaftspolitischen Liberalisierungstendenzen sind als weitere wichtige Pushfaktoren fiir eine Intensivierung grenziiberschreitender Unternehmensaktivitaten die Innovationen im Kommunikations- und Transportsektor zu nennen, so dass die jeweiligen Globalisierungskrafte langst eine Eigendynamik entwickelt haben, die seit geraumer Zeit zunehmend auch kleine und mittlere Unternehmen tangiert (vgl. PORTER 1989). Seit dem Ende der bipolaren Teilung der Welt Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre konnten sich peu a peu - in durchaus unterschiedlichen Varianten - marktwirtschaftliche Ordnungen durchsetzen; ein Umstand, der sich besonders deutlich in der Aufnahme der meisten Transformationslander in die Europaische Union widerspiegelt. Die Herausforderungen, vor denen Unternehmer mit internationalen Ambitionen stehen, sind an der Schwelle zum dritten Jahrtausend angesichts einer bis dato nicht gekannten Intensitat weltweiter Vernetzungen in politischer, okonomischer und kultureller Hinsicht immens und greifen, wie das folgende Zitat verdeutlicht, weit iiber originar betriebswirtschaftliche Aspekte hinaus: „Ob allerdings die Kommunikationspartner sich dabei auch richtig verstehen, nicht nur sprachlich, sondern vom Inhalt, von der Intention her und angesichts unterschiedlicher Wertvorstellungen, ist eine ganz andere Frage. Hier wird deutlich, dass mit diesen Veranderungen auch neue Anforderungen
Going international
29
in der interkulturellen Unternehmenstatigkeit auf die Partner zukommen. Je konkreter und intensiver die geschaftliche Beziehung ist, desto deutiicher werden kulturelle Divergenzen in der alltaglichen Begegnung spiirbar. Deshalb ist die Beriicksichtigung der gesamten kulturellen Umfeldeinflusse im Auslandsgeschaft aktueller denn je." (DULFER 2002, S. 93). Diese Aussage macht nicht nur deutiich, dass die Managementlehre verstarkt mit neuen, insbesondere interkulturellen Fragestellungen konfrontiert wird, sondern sie zeigt auch, dass sich Unternehmer in der heutigen Zeit eine interkulturelle Ignoranz kaum mehr erlauben konnen. Der historische Riickblick auf die Internationalisierung von Unternehmenstatigkeit zeigt einerseits, dass das Globalisierungsphanomen primar das Resultat des Zusammenwirkens und der gegenseitigen Verstarkung langerfristiger Prozesse darstellt, andererseits wird evident, dass kreative Unternehmer zu alien Zeiten - wenn auch in unterschiedlicher Intensitat und nicht immer vor dem Hintergrund optimaler politischer und okonomischer Pramissen - grenziiberschreitenden Kontakten nachgingen. Somit manifestiert sich in Globalisierung weit mehr als nur ein BegrifF der Gegenwartsdiagnose, sondern vielmehr ein historischer ProzessbegrifF (vgl. OSTERHAMMEL/PETERSSON 2003). Mit welchen konkreten Herausforderungen Unternehmer angesichts fortschreitender Globalisierungsprozesse konfrontiert werden beziehungsweise welche Ziele sie mit einer Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten verkniipfen, wird im folgenden Kapitel aufgeroUt.
II.3
Herausforderungen und Ziele intemationaler Unternehmenstatigkeit vor dem Hintergrund von Internationalisierung respektive Globalisierung
„Das Wissen um das Ziel setzt den Drang nach dem Ziei voraus." Oswald Spengler Die Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten gehort zu den wohl grofiten Herausforderungen fiir die Unternehmensfiihrung im 21. Jahrhundert (vgl. RIEHLE 1997, BERGER 2002 und KRYSTEK/ZUR 2002). Wer sich als Unternehmer den entsprechenden Herausforderungen stellen will, kann sich immer seltener erlauben, eine Unternehmenspolitik zu betreiben, die ausschliefilich auf den Heimatmarkt fokussiert ist. Vor diesem Hintergrund ist Internationalisierung weder unternehmerischer Selbstzweck noch standortbedingter Exodus, sondern vielmehr ein konstitutives Moment im Aktionsrahmen einer sukzessive steigenden Anzahl von Unternehmen. Reduzierte man die Internationalisierung von Unternehmenstatigkeit bis weit in die 1990er Jahre vorwiegend auf multi- und transnationale Konzerne, so ist heute weitgehend unumstritten, dass dieses Phanomen, gerade im Tourismus, nicht unerheblich von kleinen und mittleren Unternehmen getragen wird (vgl. SMERAL 1998, PETERS 2001 und EDEN 2002). Dabei setzt der aus Unternehmensperspektive wichtigste Effekt fortschreitender Internationalisierungsprozesse, namlich die Intensivierung und raumliche Ausdehnung des Wettbewerbs durch zunehmend vernetzte Markte, vor allem klein- und mittelstandische Ak-
30
Kapitel II
teure in Entwicklungslandern einem enormen Druck aus, der im schlimmsten Fall zum Verlust der unternehmerischen Unabhangigkeit fiihren kann: „More specifically, the independence of thousands of small and medium-sized enterprises (SMEs), including hotels and tour operators, is at risk, when compared with the multinationals. While globalization of tourism and hospitality will certainly create jobs and boost investment, many developing countries are facing the prospects of a huge growth in leakage of foreign exchange earnings in a sector that has long prided itself on being the biggest foreign exchange generator. (...) The critical issue that does emerge, however, is the impact of globalization on leakage of foreign exchange and on small and medium-sized enterprises, essentially the family-owned companies facing the same pressures as in Europe and North America. While the total sell-out of a company leaves the owner with no fijrther financial risk, the primary downside is the large outflow of income from tourism." (KNOWLES/DIAMANTIS/BEY EL-MOURHABI 2001, S. 12 f). Mit welchen Herausforderungen
Unternehmer im Kontext internationaler Unternehmenstatigkeit konfrontiert sind und welche konkreten Ziele sie mit einem entsprechenden Engagement verbinden, soil nachfolgend aufgeroUt werden. Fiir Unternehmen ist ein going international in der Kegel ein Prozess, der sich aus angestammter, nationaler Unternehmenstatigkeit heraus entwickelt, wobei der Internationalisierungsprozess als solcher ein multidimensionales Konstrukt darstellt, das aus ganz unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden kann (vgl. BAURLE 1996, MACHARZINA 1999 und SWOBODA 2002). Teils getrieben von der skizzierten Intensivierung des Wettbewerbs, teils angezogen von den Chancen zusammenwachsender Markte sind seitens der Unternehmen in den letzten Jahren zahlreiche Formen eines internationalen Engagements eingeleitet worden, wobei im Rahmen von Internationalisierungsstrategien insbesondere die Bedeutung bilateraler Kooperationen zugenommen hat (vgl. Kapitel II.5). In jedem Fall impliziert die Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten neben einer quantitativen VergroEerung der zu bewaltigenden Fiihrungsaufgaben auch eine qualitative Zunahme an Problemstellungen und Losungsanforderungen (vgl. KRYSTEK/ZUR 2002). Das Eindringen auslandischer Wettbewerber auf dem Heimatmarkt respektive der Wegfall nationaler Nischenmarkte, die verstarkte Konkurrenz bei der Bearbeitung auslandischer Markte und last but not least ein deutlicher Wandel von Konsummustern markieren zentrale Herausforderungen im Kontext einer internationalen Unternehmenstatigkeit. Gerade in den exportorientierten Landern der Europaischen Union gehoren grenziiberschreitende Geschaftsbeziehungen zum integrativen Bestandteil betrieblicher Aktivitaten. In Deutschland pflegen heute schatzungsweise rund 80 Prozent der circa 3,2 Millionen Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistung aufienwirtschaftliche Beziehungen (vgl. EDEN 2002). Insbesondere beziiglich kleiner und mittlerer Unternehmen hat sich bei der Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten immer wieder herausgestellt, dass personliche Werthaltungen, auslandsbezogene Einstellungen und Risikoabneigungen der Akteure von zentraler Relevanz sind. Hinzu kommen objektive EinflussgroEen wie beispielsweise fehlende zeitliche Manage-
Going international
31
mentkapazitaten, begrenzte finanzielle Ressourcen, ein Mangel an auslandsqualifiziertem beziehungsweise interkulturell geschultem Personal sowie haufig ein ausgepragtes Informationsdefizit hinsichtlich institutioneller, rechtlicher und marktspezifischer Auslandsgegebenheiten (vgl. KoHLER 1998). Das Besondere der komplexen Herausforderungen eines internationalen Engagements liegt nicht zuletzt in einer deutlichen Ausweitung des Chancen- und Risikopotentials vor dem Hintergrund gestiegener Erwartungen. KRYSTEK und ZUR (2002, S. 13) konstatieren in diesem Zusammenhang: ,,Angesichts der vielfaltigen Unwagbarkeiten internationaler Unternehmenstatigkeit kann von einer Gleichverteilung der Chancen und Risiken oder einer hinreichenden Einschatzung ihrer Eintrittswahrscheinlichkeiten kaum mehr gesprochen werden. Damit wird Internationalisierung zu unternehmerischer Herausforderung im urspriinglichsten Sinne, und Pioniergeist sowie Risikofreude werden Tugenden, die analytischem Denken und der Beherrschung moderner Managementinstrumente in nichts nachstehen." Innovation und WissensdifFusion sind in der heutigen Zeit mehr denn je die zentralen Determinanten fur die Wettbewerbsfahigkeit von Unternehmen. Insbesondere angesichts starker Konzentrationstendenzen, die die meisten Branchen erfasst haben, stehen gerade kleine und mittlere Unternehmen vor einem hohen Anpassungsdruck. Im Tourismus zeigen sich die Konsequenzen einer fortschreitenden Internationalisierung beziehungsweise Globalisierung auf der Anbieterseite vor allem darin, dass zunehmend transnationale Konzerne mit ihren global distribution systems die touristischen Strome kontrollieren und eine entsprechende Verhandlungsmacht generieren. Umgekehrt ist das Potential klein- und mittelstandischer Unternehmen - mit ihrer niedrigen Wertschopfungs- und Produktivitatsrate sowie ungiinstiger Kostenentwicklung bei Produktionsfaktoren - , economies of scale zu realisieren, sehr gering, und die Verwendung Non computer reservation systems steckt nach wie vor in den Anfangen. Auch in Bezug auf das human resource management sind die Unternehmen vor neue Herausforderungen gestellt; in diesem Zusammenhang seien exemplarisch Aspekte wie Flexibilisierung, Spezialisierung und nicht zuletzt interkulturelle Kompetenz erwahnt (vgl. BAUM 1999 und LEE-ROSS 1999). Nur ausgesprochen innovative Unternehmen sind heute noch in der Lage, erfolgreich im globalen Wettbewerb zu bestehen, wobei gerade im Kontext von Entwicklungslandern iiber Innovation, Ausbildung, Wisstns-spillover und technologische Diffusionen catching ^/-Prozesse gefordert werden konnen (vgl. KAPPEL 2003). Die Motive einer Internationalisierung konnen einerseits unternehmensintern, andererseits unternehmensextern sein, wobei es in der Regel zu einer Uberschneidung der beiden Motivationsebenen kommt (vgl. ERNST 1999). Die unternehmensinterne Motivation basiert primar auf der Realisierung von Umsatz- und Wachstumspotentialen respektive der Verwirklichung der Unternehmerpersonlichkeit. Im Kontext der unternehmensexternen Motivation stehen vorwiegend AnpassungsmaEnahmen vor dem Hintergrund sich verandernder Wettbewerbs- und Marktbedingungen im Vordergrund (vgl. Kapitel II.6). In den letzten Jahren hat beispielsweise der horizontale Wettbewerbsdruck kleine und mittlere Unternehmen zunehmend dazu veranlasst, sich auf ein Nischenprodukt zu konzentrieren; eine Entwicklung, die sich in der Tourismusbranche geradezu paradigmatisch verfolgen lasst.
32
Kapitel II
Wirft man einen Blick auf die mit einer Internationalisierung verbundenen Ziele, so ergibt sich ein ausgesprochen vielschichtiges Bild, das nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Unternehmensstruktur, der Branche sowie der jeweiligen Internationalisierungsmotive zu betrachten ist. In diesem Kontext gilt auch zu beriicksichtigen, dass international tatige Unternehmen seit geraumer Zeit mit fundamentalen Wandlungsprozessen konfrontiert sind, die sich in tief greifender und nachhaltiger Weise auf die Internationalisierungsentscheidungen sowie das Management internationaler Aktivitaten auswirken (vgl. HOLTBRUGGE 1996). So hat etwa die Intensivierung des internationalen Technoiogie- und Zeitwettbewerbs dazu gefiihrt, dass traditionelle Vorteile der Internationalisierung, wie die Ausnutzung von Kostendegressions- und Standortvorteilen, sukzessive an Bedeutung verloren haben. Auch wenn aufgrund spezifischer struktureller Dimensionen einer Unternehmung sowie divergierender Rahmenbedingungen die Internationalisierungsziele verschiedene Auspragungen annehmen konnen, so lassen sich dennoch drei grundlegende Oberziele identifizieren, die in gegenseitiger Beziehung zueinander stehen: das Gewinnziel (Rentabilitatsstreben), das Unternehmenssicherungsziel sowie das Unternehmenswachstumsziel. Aus diesen drei formalen Oberzielen leiten sich modular die Ziele einer internationalen Unternehmenstatigkeit ab und tragen zu deren langfristigen Erfiillung bei (vgl. SCHARRER 2000). Hinsichtlich der in dieser Arbeit relevanten bilateralen Kooperationen konnen unter anderem die in folgender Tabelle gelisteten Ziele eine zentrale Rolle spielen: Tab. 2:
Zentrale Ziele einer Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten
marktorientierte Ziele: etwa durch eine effizientere Marktdurchdringung, die sich an den spezifischen lokalen Anforderungen orientiert, kostenorientierte Ziele: etwa durch eine Ausnutzung von SynergieefFekten bei der Produktentwicklung oder durch eine Amortisation beziehungsweise Reduktion von Fixkosten, kompetenzorientierte Ziele: ersva durch eine Schliefiung von Wissensdefiziten in Bezug auf produktspezifische Inhalte und Technologien, zeitorientierte Ziele: etwa Zeitvorteile bei einer gemeinsam beschleunigten Produktentwicklung und Vermarktung, sicherheitsorientierte Ziele: etwa durch eine Risikostreuung bei der komplementaren Verkniipfung verschiedenster Wertschopfungsaktivitaten, ressourcenorientierte Ziele: etwa durch eine ErschlieEung von Humankapital und Infrastruktur, macht- beziehungsweise prestigeorientierte Ziele: etwa durch eine Festigung der Einflussposition gegeniiber Konkurrenten oder durch eine Steigerung des Unternehmensimages mittels der Prasenz auf prestigetrachtigen Auslandsmarkten.
Quelle: Entwurf des Autors in Aniehnung an KAUFMANN (1993), ERNST (1999) und MULLER/KORNMEIER (2002)
Going international
33
Die Tabeile diirfte deutlich gemacht haben, dass es aus unternehmensspezifischer Perspektive eine ungemein diversifizierte Bandbreite an Zielen gibt, die mit einer Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten einhergehen konnen. All diesen Zielen ist gemeinsam, dass sich die betrofFenen Unternehmen von deren erfolgreicher Umsetzung strategische Vorteile versprechen, die sie auf anderem Wege nur unter wesentlich grofierer Anstrengung oder moglicherweise uberhaupt nicht realisieren konnten. Dass die Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten nicht nur ein wichtiges Thema bei den Entscheidungstragern der Wirtschaft darstellt, sondern seit geraumer Zeit auch das Interesse der scientific community weckt, macht das nachfolgende Kapitel transparent, das sich mit den zentralen Theorien einer internationalen Unternehmenstatigkeit auseinander setzt.
II.4
Zentrale Theorien der internationalen Unternehmenstatigkeit
„Das Hochste ware: zu begreifen, dass alles Faktische schon Theorie ist." Johann Wolfgang von Goethe Wie bereits in Kapitel II.2 dargelegt wurde, stellt die Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten keinesfalls ein grundlegend neues Phanomen dar, allenfalls hat sich deren Intensitat in den letzten Dekaden deutlich gesteigert. So kann es kaum verwundern, dass auch die entsprechenden theoretischen Erklarungsansatze eine ausgesprochen traditionsreiche Vergangenheit aufweisen, die bis zu den Merkantilisten zuriickreicht. Einige traditionelle Ansatze wie die Theorien der absoluten (vgl. SMITH 1775/1976) beziehungsweise komparativen Kostenvorteile (vgl. RiCARDO 1817/1988) zahlen auch heute noch zum Standardprogramm der akademischen Ausbildung von Okonomen, auch wenn diese Theorien im Kontext ihrer Entstehungszeit zu betrachten sind und nur noch bedingt mit der Realitat zu Beginn des dritten Jahrtausends in Einklang zu bringen sind. Die zentrale Bedeutung der Internationalisierungsentscheidung fiir die Unternehmen sowie ihre weitreichenden volkswirtschaftlichen Implikationen fiir die betrofFenen Lander, die Internationale Ressourcenallokation und soziale WohlFahrt begriinden nicht nur ihre praktische, sondern gleichFalls ihre theoretische Relevanz. Die Anerkennung als gerechtFertigter Forschungsgegenstand maniFestiert sich nicht zuletzt in zahlreichen Bemiihungen zur Analyse und Prognose von Verhaltensmustern international agierender Unternehmen (vgl. MACHARZINA 1982).
Um es vorweg zu nehmen: Die Komplexitat des Erkenntnisgegenstands in Bezug auFklassische und neuere Internationalisierungstheorien ist geradezu legendar, auch wenn bis zum heutigen Tag kein integratives Theoriegebaude existiert. Zumindest aus einer postmodernen Wissenschaftsperspektive ist dieses Faktum nicht iiberzubewerten, da man sich zunehmend von universalistischen Erklarungsversuchen, jenen beriihmten Meta-Erzahlungen, verabschiedet und die Fruchtbare Heterogenitat konkurrierender Paradigmen und Methoden nutzt. FFOLTBRUGGE (1996, S. 283), der sich als einer der wenigen deutschen Okonomen mit den Implikationen
34
Kapitel II
der Postmoderne fur die internationale Unternehmenstatigkeit auseinander gesetzt hat, leitet aus seinen Reflexionen pragmatische Konsequenzen fur ein going international ab: „Die als zentrales Anliegen der Postmoderne herausgearbeitete Aufgabe obsolet gewordener Ganzheitsund Universalitatsanspriiche erfordert von international tatigen Unternehmen vor allem, die Pluralitat und Widerspriichlichkeit der Realitat nicht zu verdrangen, sondern anzuerkennen und positiv nutzbar zu machen. Durch die radikaie Veranderung der Umweltbedingungen wird die statische Dichotomie von DifFerenzierung oder Unifikation, global oder lokal, integration or responsiveness [im Original sind die englischen Termini hervorgehoben, Anm. d. Verf.] durch die Gleichzeitigkeit unterschiedlicher strategischer Ausrichtungen in unterschiedlichen Unternehmensbereichen, Geschaftsfeldern, Regionen und Internationalisierungsstadien iiberwunden. Der Erfolg international tatiger Unternehmen hangt damit weniger von der richtigen Entscheidung zwischen vermeintlich grundsatzlichen Alternativen, als vielmehr von der Fahigkeit zur simultanen Verfolgung komplementarer Strategien ab. Unternehmen und Mitarbeitern wird dabei eine gleichermaEen hohe Ambiguitatstoleranz und Fahigkeit zum integrativen Denken abverlangt, da nur dadurch der gerade fur international tatige Unternehmen fatalen Tendenz zur Partikularisierung entgegengev^irkt werden kann." Die meisten Theorien der internationalen Unternehmenstatigkeit sind untereinander derart stark divergierenden Fragestellungen verhaftet, dass sich die dadurch implizierte Vielfalt an Reflexionen und Interpretationen einer problembezogenen Analyse weitgehend entzieht (vgl. ENGELHARD/DAHN 2002). Als einigende Klammer der meisten Theorien fungiert jedoch deren Intention, die Wirkungsweise einer der zahlreichen Einflussfaktoren auf die Internationalisierung zu modellieren. In diesem Kontext liefern sie - anhand unterschiedlicher Annahmen, Analyseebenen und Erklarungsfaktoren - mehr oder weniger Partialansatze fiir das Internationalisierungsverhalten von Unternehmen, wobei nur wenige, insbesondere im Falle der klassischen Theorien, klare Entscheidungshilfen fur die entsprechenden Akteure bieten (vgl. KAUFMANN 1993 und PETERS 2001). Die nachfolgenden Ausfiihrungen intendieren einen kritischen Uberblick iiber zentrale Internationalisierungstheorien, wobei sich hinsichtlich deren Systematisierung die Form der internationalen Unternehmenstatigkeit anbietet. Ein Schwerpunkt liegt in diesem Zusammenhang auf Theorien, die der wachsenden Bedeutung von so genannten non-equity forms of international cooperation Rechnung tragen (vgl. WELGE/HOLTBRUGGE 2003) und Internationalisierung als einen Prozess begreifen (vgl. Kapitel II.3). In Anlehnung an KUTSCHKER und SCHMID (2002) lassen sich drei zentrale Theoriestromungen ausgliedern, deren zentrale Erklarungsansatze iiberblicksartig in Abbildung 2 festgehalten sind. Die Abbildung vermag einen Einblick in die groCe Bandbreite der wichtigsten Internationalisierungstheorien bieten, der Versuch einer umfassenden Darstellung der einzelnen Ansatze und Theorien wiirde jedoch unweigerlich den Rahmen dieser Arbeit sprengen - ganz abgesehen davon, dass an derartigen Beitragen inzwischen kein Mangel mehr zu bestehen scheint (vgl. MACHARZINA 1982, BREIT 1991, GLAUM 1996, PERLITZ 2000 und SWOBODA 2002). Die im
Anschluss naher vorgestellten Ansatze und Theorien sind den ubergreifenden Internationalisierungstheorien zuzuordnen, die sich in der Regel nicht auf eine der beiden klassischen Formen
Going international
35
der internationalen Unternehmenstatigkeit, den Aufienhandel und die Direktinvestitionen, beschranken, sondern vielmehr, unabhangig von der Wahl der Internationalisierungsform, der Frage nachgehen, unter welchen Konditionen eine Internationalisierung stattfindet. Ein Schwerpunkt der Ausfuhrungen liegt in diesem Zusammenhang auf der Internationalisierungsprozessforschung der so genannten Uppsala-Schule, dem verhaltenstheoretischen Ansatz und der postmodernen Theorie des internationalen Managements. Abb. 2:
Systematisierung zentraler Internationalisierungstheorien
Quelle: KUTSCHKER/SCHMID (2002)
PETERS (2001) hat in seiner Studie iiber das Wachstum touristischer Unternehmen ausdriicklich darauf hingewiesen, dass die klassischen makrookonomischen Ansatze der Theorien des internationalen Handels zur Erklarung des Internationalisierungsverhaltens von Dienstleistungsunternehmen - zu denen auch die in dieser Arbeit relevanten Reiseveranstalter zahlen - nur bedingt in Frage kommen, da sie sich in der Regel auf den AuKenhandel von Produktionsgiitern beziehen (etwa RICARDO 1817/1988, HECKSCHER 1919/1949, O H L I N 1931 und LINDER
1961). So sind Erklarungsansatze, die ausschliefilich Export als Internationalisierungsmoglichkeit anfiihren, fiir Dienstleistungen von vergleichsweise geringer Relevanz, da bei einer Vielzahl von Dienstleistungen der direkte Kontakt zwischen Anbieter und Konsument notwendig ist. Hingegen konnen sich aus den entsprechenden Theorien, zumindest teilweise, fruchtbare Aussagen hinsichtlich Faktorausstattung und Technologievorteilen ableiten lassen. PETERS (2001, S. 61) konstatiert in diesem Kontext: ,Auch wenn Exporte fiir Dienstleistungen in vielen Fallen auszuschliefien sind, lassen sich wichtige Push- oder PuUfaktoren des Wachstums erkennen:
36
Kapitel II
vorteilhafte Faktorausstattung, das innovative differenzierte Produkt selbst oder aber interne Kapazitaten im Sinne von LernefFekten geben AnstoE, international zu wachsen." Eine der interessantesten Internationalisierungsansatze - da in diesem Fall das Erkenntnisinteresse direkt auf die Unternehmerpersonlichkeit gerichtet ist - stellt die verhaltensorientierte beziehungsweise behavioristische Theorie von AHARONI (1966) dar, die trotz ihrer Fokussierung auf Direktinvestitionen wesentlich allgemeiner konzipiert ist und daher auch andere Formen der internationalen Unternehmenstatigkeit zu erklaren vermag (vgl. PETERS 2001 und KUTSCHKER/SCHMID 2002). Aharoni legte seiner Arbeit verbaltenswissenschaftlicheAnnahmen zugrunde und „warf' - wie BAURLE (1996, S. 50) es formuliert - „die restriktiven und vereinfachenden Annahmen der klassischen okonomischen Theorie iiber Bord." Im Mittelpunkt seiner Betrachtungen stehen dabei Entscheidungsprozesse innerhalb der Unternehmung, von denen angenommen wird, dass sie nicht zwangslaufig rational ablaufen, sondern vielmehr irrationale und schwer kalkulierbare Ziige aufweisen. Dabei wird das klassische in der Okonomie gepflegte Menschenbild des rational agierenden economic man durch das des behavioral man ersetzt, der nur iiber unvoUkommene Informationen respektive begrenzte Informationsverarbeitungs- und Problemlosungskapazitaten verfiigt und Entscheidungen nicht zwangslaufig unter dem Primat eines optimizing fallt. AHARONI (1966, S. x) vermerkt in diesem Zusammenhang: „Behavior that had seemed baffling and irrational began to make sense when the decision process as a whole, taking part within an organization and a cultural system, was considered. Once my preconceived notions about how organizations should behave were erased, an orderly system of behavior began to be apparent." Im Kontext des Entscheidungsprozesses hinsichtlich einer Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten zeigt Aharoni auf, dass unter anderem Sozialisationsaspekte, Auslandserfahrungen und damit einhergehend ein gewisser interkultureller Erfahrungshorizont, aber auch vermeintlich uberraschende Motive wie Reiselust oder Prestigedenken eine zentrale Rolle spielen. Bei einer pessimistischen unternehmerischen Einschatzung in Hinblick 2xA€vi\ going international\yt6i2sit% nicht selten so genannter initial forces, etwa unternehmensexterner Vorschlage oder Mitlaufereffekte {bandwagon-effects), die dann letztendlich den entscheidenden Stimulus fur ein Auslandsengagement beisteuern. Der Ansatz von Aharoni ist insbesondere deshalb interessant, weil er im Kontext des Internationalisierungsverhaltens den Blick auf verhaltensspezifische Aspekte legt - die inzwischen integrativer Bestandteil des Erkenntnisinteresses des interkulturellen Managements sind - und somit eine sinnvoUe Erganzung zu rein okonomisch ausgerichteten Internationalisierungstheorien darstellt. Zudem beriicksichtigt er, ahnlich wie die nachfolgend erlauterte Theorie der Uppsala-Schule, den dynamischen Charakter einer Internationalisierung, wobei durchaus kritisch anzumerken ist, dass sich bestimmte Verhaltensannahmen - entsprechend ihres komplexen Charakters - nur schwer operationalisieren lassen (vgl. BAURLE 1996 und SWOBODA 2002). Dem Internationalisierungsprozessansatz von JOHANSON und V\HLNE (1977) kommt das gro6e Verdienst zu, als einer der ersten Ansatze dargelegt zu haben, dass die Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten einen Prozess darstellt, in dessen Verlauf die jeweilige Unternehmung sukzessive ihr commitment 2i\x^2M'^2indiis,<^^vs. Markten erhoht (vgl. insbesondere BAURLE 1996).
Going international
37
Der entsprechende Ansatz ist zwischenzeitlich mehrfach von beiden Autoren selbst, aber auch von weiteren, vorwiegend skandinavischen Wissenschaftkrn modifiziert und weiterentwickelt worden, so dass man inzwischen von einer eigenen Schule - der bereits erwahnten UppsalaSchule, dem akademischen Wirkungskreis der beiden schv^edischen Wissenschaftler - sprechen kann. Johanson und Vahlne gehen in ihrem Ansatz von einem inkrementalen und sequenziellen Internationalisierungsprozess aus, in dessen Mittelpunkt organisatorische Lernprozesse stehen. Dabei nimmt der Faktor Wissen im Sinne von internationaler Erfahrung eine zentrale RoUe ein. Die Konsequenz ist, dass Internationalisierungsmuster nicht ausschliefilich das Ergebnis einer bewussten Strategie verkorpern, die auf eine Optimierung der Ressourcenallokation hinauslauft, sondern vielmehr das Resultat eines inkrementalen Anpassungsprozesses an umweltbedingte Veranderungen. Ein entsprechendes Wissensdefizit zu Beginn des Internationalisierungsprozesses impliziert zunachst ein sukzessives Vorantasten, um dann im Laufe der Zeit mit wachsender Erfahrung in ein grofieres Engagement zu miinden. JOHANSON und \kHLNE (1977) umschreiben den inharenten Prozesscharakter wie folgt: „We also think that a dynamic model would be suitable. In such a model the outcome of one decision - or more generally one cycle of events - constitutes the input of the next. (...) To clarify, we can say that the present state of internationalization is one important factor explaining the course of following internationalization (...)." Das theoretische Modell postuliert, dass der Internationalisierungsprozess primar durch einen interdependenten und zirkularen Wirkungszusammenhang zwischen der jeweiligen Form der Marktbindung (market commitment)y dem erworbenen Marktwissen {market knowledge), den laufenden Geschaftsaktivitaten {current activities) und den Internationalisierungsentscheidungen {commitment decisions) charakterisiert wird. Auch wenn der theoretische Ansatz der Uppsala-Schule als Wegbereiter des Prozessgedankens im Sinne einer prozeduralen Planungsrationalitat bei der Internationalisierung inzwischen mehrfach empirisch bestatigt wurde, so gibt es dennoch einige Einschrankungen, die nicht unerwahnt bleiben diirfen (vgl. BAURLE 1996 und KUMAR/EPPLE 2002). Ein zentraler Kritikpunkt besteht darin, dass sich die Theorie primar auf das Anfangsstadium des Internationalisierungsprozesses iibertragen lasst, in dem eine unzureichende Auslandserfahrung in der Tat ein limitierender Faktor beim going international darstellt. Weiterhin kann man eine weitgehende Aufierachtlassung voluntaristischer Ziige des Managements sowie der Produktkategorie monieren; letztere fand schliefilich bei einem ahnlichen Ansatz von LUOSTARINEN (1979) Beriicksichtigung. Abschliefiend sei auf die postmoderne Theorie des internationalen Managements verwiesen, die nicht zuletzt vor dem Hintergrund des bereits skizzierten Abschieds von den universalistischen Erklarungsansatzen zu sehen ist. Zentraler Ausgangspunkt dieser Theoriestromung bildet die sich sukzessive durchsetzende Erkenntnis, dass die tief greifenden und nachhaltigen politischen, okonomischen, technologischen und nicht zuletzt kulturellen Entwicklungen eine zunehmende Komplexitat und Widerspriichlichkeit der Umweltbedingungen im globalen Wettbewerb implizieren (vgl. CLEGG/GRAY 1996 und WELGE/HOLTBRUGGE 1999). Die zentralen Leitmotive des entsprechenden Wandlungsprozesses manifestieren sich in einer zunehmenden Schrumpfung
38
Kapitel II
des Raums, in einer Verdichtung der Zeit und in einer fortschreitenden Individualisierung der Referenzsysteme (vgl. AUGE 1994 und HARVEY 1994).
Weiciie Implikationen ergeben sich aus diesen Entwicklungen fiir die internationale Unternehmenstatigkeit? Die pragmatischen Implikationen erfordern zunachst einmal, die Pluralitat und Widerspriichlichkeit der Realitat anzuerkennen und sich den entsprechenden Herausforderungen zu stellen. So zwingt beispielsweise die deudiche Intensivierung des Wettbewerbs die Unternehmen zu einer standigen Rekonfiguration ihrer Wertaktivitaten unter globalen Effizienzgesichtspunkten. Weiterhin fuhren - in Bezugnahme auf den Faktor Zeit - Beschleunigung, Diskontinuitat, Instabilitat und Simultanitat von widerspriichlichen Entwicklungen dazu, dass die Intervalle weitgehend konstanter Umweltkonstellationen immer kiirzer werden und lineare Ursache-Wirkungs-Zusammenhange zunehmend dutch chaotische Entwicklungen uberlagert werden konnen. Die Individualisierung der Referenzsysteme spiegelt sich nicht nur in einer verstarkten Ausdifferenzierung der Nachfragemuster, sondern auch in einer ansteigenden Heterogenitat der Bediirfnisse und Qualifikationen der Mitarbeiter wider (vgl. HOLTBRUGGE 1996). Zudem sind bestimmte Phanomene wie das lifestyle entrepreneurship, das gerade im Tourismus eine immens wichtige RoUe spielt (vgl. ATELJEVIC/DOORNE 2000), untrennbar mit den oben skizzierten Wandlungsprozessen verbunden. In Hinblick auf die theoretischen und methodologischen Implikationen gilt es, die Vielfalt konkurrierender Paradigmen im Sinne eines pluralistischen Wissenschaftsverstandnisses anzuerkennen und starker qualitative respektive projektive Untersuchungsmethoden zu beriicksichtigen. Letztgenannter Aspekt ist vor allem deshalb eine Conditio sine qua non, da eine einseitige Fokussierung auf standardisierte Methoden primar das Regelmafiige und Durchschnittliche erfasst, jedoch immer mehr - nicht zuletzt angesichts einer zunehmenden Individualisierung der Referenzsysteme - an empirischer Relevanz einbiifit und somit zur Erklarung internationaler Unternehmensaktivitaten nur noch bedingt herangezogen werden kann (vgl. HOLTBRUGGE 1996 und SCHMID 1996).
11.5
Intemationalisierung mittels bilateraler Kooperationen
„Der Zweck einer Sache, die nicht blol? ein totes Mittel ist, muss in ihr selbst liegen." Johann Gottfried Herder Die Bedeutung internationaler Kooperationen als Option im Rahmen der Internationalisierungsstrategien von Unternehmen hat in den letzten Dekaden deutlich zugenommen (vgl. HEMM/DIESCH
1992, KUTSCHKER/MOSSLANG
1996 und BORSIG/BAUMGARTEN 2002). Fiir
den Zuwachs bilateraler Kooperationen gibt es eine Reihe von Faktoren, die primar im Lichte veranderter soziookonomischer Rahmenbedingungen, welche sich vor dem Hintergrund des Globalisierungsphanomens ergeben, zu betrachten sind. So begiinstigen beispielsweise die veranderten Bedingungen des internationalen Wettbewerbs - wie die regionenbezogene Erweiterung der Markte (etwa EU und NAFTA) bei gleichzeitiger Intensivierung des Wettbewerbs
Going international
39
- die Reduzierung von Markteintrittsbarrieren und damit einhergehend die Bildung entsprechender Kooperationen. Ebenso konnen die Erganzung von Ressourcen, die zum Angebot von Systemlosungen notwendig sind oder einer effizienteren Marktdurchdringung dienen, sowie die Risiko- beziehungsweise Kostenteilung das Fundament von Kooperationen bilden. Last but not least erhofFen sich zahlreiche Unternehmer mittels Implementierung einer bilateralen Kooperation eine Verkiirzung der Entwicklungs- und Markteinfiihrungszeiten. Insbesondere der letztgenannte Faktor hat in den letzten Jahren in Anbetracht abnehmender Amortisationszeiten fur die Erzielung von Wettbewerbsvorteilen sukzessive an Bedeutung gewonnen hat. Wie die vorangestellten Beispiele zeigen, decken die Motivlagen fur Kooperationen ein ausgesprochen heterogenes Spektrum ab, das ressourcen-, zeit-, kosten-, markt- und nicht zuletzt spekulationsrelevante Aspekte beinhalten kann, die sich zudem haufig noch iiberschneiden (vgl. ZENTES/SWOBODA 1999 und WELGE/HOLTBRUGGE 2003). Letztendlich erweisen sich Kooperationen immer dann als sinnvoU, wenn die betrofFenen Akteure gemeinsame oder auch komplementare Ziele durch ihre jeweilige Kooperation besser realisieren konnen als alleine (vgl. BACKHAUS/PILTZ 1990, BACKHAUS/PLINKE 1990 und KUTSCHKER 1994). So schreibt OHMAE
(1990, S. 12) aus der Perspektive eines Reprasentanten einer der weltweit fuhrenden strategischen Unternehmensberatungen und unter dezidierter Bezugnahme auf die Konsequenzen einer borderless world: „In a complex, uncertain world filled with dangerous opponents, it is best not to go it alone. This lesson, long understood by the leaders of nations, is beginning to take hold of corporate leaders, too. After all, the striking of an alliance - making common cause with others whose interests run parallel with one's own - is a requisite part of every good strategists repertoire." An dieser Stelle sei zuerst ein Blick auf den Kooperationsbegriff geworfen, der in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur mit einer Vielzahl von Bedeutungen und divergierenden Sachverhalten belegt ist, wobei zunachst einmal jede Art der Zusammenarbeit von Personen und Institutionen im Wirtschaftsleben als Kooperation bezeichnet werden kann (vgl. MECKL 1993 und KAUFMANN 1993). Im Rahmen dieser Arbeit - und in expliziter Anlehnung an das primar betriebswirtschaftlich konzipierte Kooperationsverstandnis der einzelnen Teilprojekte von FORAREA - werden mit dem Kooperationsbegriff folgende Aspekte assoziiert (vgl. in diesem Kontext auch SELL 1994, HAUSSMANN 1997, KOHLER 1998 und PERLITZ 2002):
-
-
eine zwischenbetriebliche Zusammenarbeit, Freiwilligkeit der Zusammenarbeit vor dem Hintergrund einer weitgehenden wirtschaftlichen und rechtlichen Selbstandigkeit der Kooperationspartner (mit der Option einer einseitigen Kiindigung), explizite Vereinbarung einer Kooperation, gemeinsame Zielsetzung und Durchfiihrung von Aufgaben, ex-ante-Koordination im Sinne einer wechselseitigen Abstimmung und Anpassung der gemeinsamen Aktivitaten, eine zumindest nicht kurzfristig konzipierte Zusammenarbeit.
40
Kapitel II
Im Kontext dieser Arbeit handelt es sich zudem um grenziiberschreitende Kooperationen, die in der einschlagigen Literatur vorwiegend ais internationale Kooperationen, interkulturelle Kooperationen oder bilaterale Kooperationen bezeichnet werden, wobei haufig eine synonyme Verwendung der entsprechenden BegrifFe stattfindet. PERLITZ (2002) subsumiert die BegrifFe unter dem Leitterminus „Kooperative Internationalisierungsformen", die dadurch charakterisiert sind, dass es sich zumindest fiir einen der Partner um eine grenziiberschreitende Zusammenarbeit handek. Die Internationaiitat der entsprechenden Kooperationen basiert zum einen darauf, dass die jeweiiigen Partner von unterschiedHchen Standorten aus operieren, zum anderen, dass das Produkt in verschiedenen nationalen respektive internationalen Markten abgesetzt wird (vgl. HEMM/DIESCH 1992). Somit weist nicht nur die Zusammenarbeit, sondern auch das generierte Produkt einen dezidiert internationalen beziehungsweise interkulturellen Charakter auf. In der Managementforschung wurde internationalen Unternehmenskooperationen lange Zeit nur eine vergleichsweise geringe Aufmerksamkeit geschenkt. Haufig hat man in ihnen allenfalls eine second-best-alternative gesehen, so etwa in Landern, deren Investitionsgesetzgebung die Errichtung von hundertprozentigen Tochtergesellschaften unterband. Der Grund liegt, nach WELGE und HoLTBRUGGE (2003), nicht zuletzt darin, dass sich bilaterale Kooperationen durch eine inharente Ambiguitat von kooperierenden und konkurrierenden Beziehungen auszeichnen, die haufig zu Planungs-, Organisations-, Personal- und KontroUproblemen fuhren und - insbesondere in Krisensituationen - die Effizienz und Stabilitat der Zusammenarbeit gefahrden konnen. Hinzu kommt, dass vor dem Hintergrund des interkulturellen Charakters dieser Kooperationen die betrofFenen Akteure mit besonders komplexen Managementherausforderungen konfrontiert werden. Dies ergibt sich vor allem aus dem Umstand, dass die Rahmenbedingungen im Vergleich zu nationalen Kooperationen deutlich schwieriger einzuschatzen sind. Man denke in diesem Zusammenhang an die raumliche Distanz, an Divergenzen hinsichtlich der Rechtssysteme oder an die Verschiedenartigkeit im soziokulturellen Bereich (vgl. BORSIG/ BAUMGARTEN 2002).
Letztendlich zeichnet sich jede Kooperation, egal ob sie eine nationale oder internationale Auspragung aufweist, durch eine, zumindest partielle, Preisgabe von Unabhangigkeit zugunsten eines koordinierten Verhaltens aus; ein Faktum, das KUTSCHKER (1994, S. 124 f.) Wit folgt beschreibt: „Die erwarteten Koordinationskosten werden niedriger bewertet als der daraus resultierende Nutzen. Die Verteilung des gemeinsam erreichbaren Nutzens und der einzeln zu erbringenden Beitrage implizieren, dafi Kooperationen immer zugleich in unterschiedlichem Umfange konfliktare Beziehungen beinhalten." Im Gegensatz zu einer reinen Preis-Markt-Koordination wird in einer Kooperationsbeziehung die Anonymitat der Unternehmen aufgehoben, wobei eine Informationskopplung entsteht, die iiber den Preis als den einzigen Informationstrager hinausgeht. Die entsprechende Koordination erfolgt nicht nur iiber eine ex-post-Abstimmung durch Marktpreise, sondern auch durch eine ex-ante-Koordination im Sinne einer wechselseitigen Abstimmung und Anpas-
Going international
41
sung gemeinsamer Unternehmensaktivitaten (vgl. KAUFMANN 1993). Die Selbstandigkeit der Unternehmen einerseits und eine bewusst intendierte Interdependenz andererseits bilden die konstitutiven Merkmale einer jeden Unternehmenskooperation, die in Abhangigkeit zu ihrer jeweiligen Ausgestaltung zwischen eher marktspezifischen oder eher hierarchischen Koordinationscharakteristika pendeln kann. Kooperationen konnen aus der Perspektive zahlreicher theoretischer Ansatze betrachtet werden, die jeweils unterschiedliche Aspekte beriicksichtigen, um Kooperationsvoraussetzungen und Kooperationswirkungen zu erklaren (vgl. KOHLER 1998, LUBRITZ 1998 und KUTSCHKER/
ScHMiD 2002). Hierzu zahlen unter anderem transaktionskostentheoretische und produktionskostentheoretische Ansatze, die Spieltheorie, die Principal-Agent-ThconQ sowie die Theorie des organisationalen Lernens. Wahrend transaktionskosten- und produktionskostentheoretische Ansatze insbesondere auf die SynergieefFekte von Kooperationen verweisen, hat die Spieltheorie unter anderem versuciht zu eruieren, unter welchen Bedingungen die kooperierenden Partner von opportunistischen Verhaltensmustern absehen und damit einhergehend eine win-win-Situation herbeifuhren, die eine zentrale Bedingung fiir jede erfolgreiche Unternehmenskooperation darstellt. Die Prindpal-Agent'liiconc zielt auf eine Analyse von Vertragsbeziehungen und hat - vor dem Hintergrund opportunistischer Verhaltensmuster - potentielle Zielkonflikte zum Gegenstand, die aus dem Vertragsverhaltnis zv^ischen den Partnern resultieren. Die Theorie des organisationalen Lernens sieht in Kooperationen primar ein Instrument, mit dessen Hilfe man ZugrifF auf das in der Partnerunternehmung gespeicherte BCnow-how erlangt, wobei die Zusammenarbeit einen kontinuierlichen Lernprozess verkorpert. Insbesondere Dienstleistungsunternehmen, zu denen die in dieser Arbeit relevanten Reiseveranstalter zahlen, haben in den letzten Jahren verstarkt grenziiberschreitende Kooperationen eingeleitet und damit ihre Internationalisierung forciert. Die entsprechende Dynamik lasst sich einerseits auf die bereits skizzierten veranderten Rahmenbedingungen, andererseits aber auch auf einen gewissen Nachholbedarf zuriickfiihren (vgl. KUTSCHKER/MOSSLANG 1996). Anzumerken ist in diesem Kontext, dass jahrelang Internationalisierung mittels Kooperationen primar mit Grofiunternehmen assoziiert wurde, ungeachtet der Tatsache, dass auch immer mehr klein- und mittelstandisch strukturierte Unternehmen entsprechende Aktivitaten entfaltet haben (vgl. PETERS 2001, WEBER 2002 und HOPFINGER/SCHERLE 2003). Die Ziele, die von
Unternehmerseite mit bilateralen Kooperationen verbunden werden, sind auSerst diversifiziert und unterscheiden sich unter anderem in Hinblick auf Branche beziehungsweise Produkt, UnternehmensgrofSe sowie Internationalisierungsstrategie. Im Wesentlichen lassen sich die Ziele jedoch danach differenzieren, ob durch eine Zusammenarbeit - im Sinne einer Effizienzsteigerung - Bisheriges besser oder schneller erreicht werden kann, wobei in diesem Fall das Streben nach Kostenvorteilen ohne die Betonung wettbewerbsmaEiger Ziele dominiert, oder ob die Zusammenarbeit - im Sinne einer qualitativen Expansion - auf die Moglichkeit abzielt, etwas voUig Neues zu kreieren, wobei in diesem Zusammenhang das Erreichen eines hoheren Zielniveaus durch die Kombination sich erganzender Potentiale im Vordergrund steht (vgl. HEMM/DIESCH 1992).
42
Kapitel II
So kompiex der KooperationsbegrifF als solcher ist, so vielfaltig sind auch die Kooperationsformen, die im Laufe der Zeit entstanden sind. Die von KUTSCHKER (1994) konzipierte Matrix der Kooperationsformen ermoglicht eine strukturierende DifFerenzierung und Systematisierung von Kooperationen, wobei er zw^ei Dimensionen ausgliedert, namlich die Kooperationsgrundlage sowie die Anzahl der Kooperationspartner und -beziehungen: Abb. 3:
Matrix der Kooperationsformen
Quelle: KUTSCHKER/MOSSLANG (1996) Die Grundlage einer Kooperation kann nicht-vertraglicher, vertraglicher oder kapitalmafiiger Natur sein. Tendenziell gilt, dass die Bindungsintensitat zwischen den Kooperationspartnern von den nicht-vertraglichen Bindungen zu den kapitalverflochtenen Beteiligungen zunimmt, da selbstverstandlich das in die Kooperation eingebrachte und zu erhaltende Kapital das Eigeninteresse an einem kooperativen Wohlverhalten vertieft. Alle drei Bindungsarten sind nicht unabhangig voneinander zu betrachten: Das Eingehen von Vertragen erfordert ein Mindestmaf? an Koorientierung. Ebenso impliziert die ErfuUung von Vertragen, ob mit oder ohne Kapitaleinsatz, Riickwirkungen auf die nicht-vertraglichen Beziehungen. In Bezug auf die zweite Dimension, die Zahl der Kooperationspartner und der daraus resultierenden Beziehungen, ist zwischen bilateralen und trilateralen Bindungen respektive zwischen einfachen und komplexen Netzwerken zu unterscheiden. Die Dimension verkorpert ein Kontinuum von einer bis n Beziehungen, wobei die einzelnen Stufen einen Wechsel in der Beziehungsqualitat zwischen den jeweiligen Akteuren signalisieren sollen. Letztendlich stellt die von Kutschker konzipierte Matrix einen positiv zu wertenden Vorstof? dar, Transparenz iiber die ungemeine Vielfalt unterschiedlicher Kooperationsformen zu vermitteln, auch wenn nicht der Anspruch erhoben wird, alle denkbaren Varianten aufz;uzeigen. Auch wenn bilaterale Kooperationen lange Zeit aufgrund zahlreicher Faktoren - etwa in Hinblick auf komplexere Entscheidungsprozesse oder einen moglichen Wissensabfluss - als secondbest-alternatives gewertet wurden, liegen deren Vorteile auf der Hand: So sprechen insbesondere
Going international
43
der Faktor Geschwindigkeit und der RiickgrifFauf die Erfahrungen des Partners - nicht zuletzt in Bezug auf lokale Besonderheiten oder, im Kontext von Investitionen, auf Beziehungen zu ofFentlichen Institutionen - fiir eine entsprechende Zusammenarbeit (vgl. KUTSCHKER/MOSSLANG 1996 und BORSIG/BAUMGARTEN 2002). Um den mit bilateralen Kooperationen verbundenen Herausforderungen gerecht zu werden, die mit einer Preisgabe von Unabhangigkeit zugunsten eines koordinierten Verhaltens einhergehen und deshalb auch ein nicht zu unterschatzendes Konfliktpotential bergen, gilt es fiir die Akteure, bestimmte Bedingungen, Einfluss- und Erfolgsfaktoren zu beachten, damit der Kooperationsalltag von Erfolg gekront wird. Die nachfolgende Tabelle gewahrt diesbeziiglich einen idealtypischen Uberblick: Tab. 3:
Zentrale Bedingungen sowie Einfluss- und Erfolgsfaktoren bei Kooperationen
Quelle: Entwurf des Autors in Anlehnung an HEMM/DIESCH (1992), BORSIG/BAUMGARTEN (2002), KUTSCHKER/SCHMID (2002) und WELGE/HOLTBRUGGE (2003)
Insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich Kooperationen dutch eine inharente Ambiguitat von kooperierenden und konkurrierenden Beziehungen auszeichnen, aber auch angesichts interkultureller Herausforderungen, die sich aufgrund einer kulturellen Durchdringung des Kooperationsgeschehens stellen (vgl. STUDLEIN 1997), ist es fiir die beteiligten Akteure essentiell, die Kooperation als Lernprozess zu begreifen, der den Akteuren eine permanente Anpassung abverlangt. Ein rein opportunitatsorientiertes Verhalten - im Sinne eines ,Herr im Hause'Standpunkts (vgl. HAUSSMANN 1997) - reduziert die Steuerbarkeit des bilateralen Kooperationsgeschehens und belastet nachhaltig eine Internationalisierung mittels Kooperation, die doch konstitutiv von Charakteristika wie Pluralitat, Integrationsbedarf und Risikoteilung gepragt ist. Wie sich die Internationalisierung der Tourismuswirtschaft, deren Dienstleistung zu einem wachsenden Teil in der Uberwindung von Grenzen besteht und die in vielerlei Hinsicht Globalisierung par excellence verkorpert, ausgestaltet, macht das nachfolgende Kapitel deutlich.
44
11.6
Kapitel II
Internationalisierung der Tourismuswirtschaft unter besonderer Beriicksichtlgung der Reiseveranstalterbranche
„Der Tourismus ist die Volkerwanderung der Neuzeit." Halldor Laxness Mogen die Implikationen einer fortschreitenden Globalisierung nach wie vor primar in den Diskursen innerhalb der scientific community erortert werden, so sind die Ikonen dieses komplexen Phanomens langst als omniprasenter Bestandteil im Bewusstsein des ,gemeinen' Burgers verankert: Grundschiiler tauschen sich die Abziehbildchen von Donald Duck und Britney Spears aus, pubertierende Halbwiichsige inhalieren jenen Qualm, der auch die Lunge des Marlboro-Manns ruiniert hat, Geschaftsleute benutzen jene Software aus Seattle, ohne die fast gar nichts mehr lauft, und Hausfrauen philosophieren iiber die Vor- und Nachteile von Tupperware, deren Siegeszug inzwischen langst Petropawlov^sk und Pitcairn erreicht hat. Auch wenn sich die Tourismusv^irtschaft in den letzten Jahrzehnten zu einem der wichtigsten und dynamischsten Zweige des Weltwirtschaftssystems entwickelt hat, so spielen die treibenden Akteure dieser Entwicklung im Bev^usstsein der meisten Zeitgenossen allenfalls eine marginale RoUe. Touristische Unternehmen, wie Accor, Hilton, Kuoni oder TUI, die zu den etablierten Grofien der internationalen Tourismuswirtschaft gehoren, konnten die oben skizzierte omniprasente Bewusstseinsverankerung nie, auch nicht in Ansatzen, erreichen, sondern fungieren im Bild der OfFentlichkeit vielmehr als vergleichsweise gesichtslose Dienstleister; ein Umstand, der in ausgepragtem Gegensatz zu ihrem gemeinhin als schillernd und exotisch etikettierten Produkt steht, das sich - wie HENNIG (1999b) anschaulich dargelegt hat - primar im Spannungsfeld kulturell vermittelter Phantasien und realer Ortsveranderung entfaltet. Die nachfolgenden Ausflihrungen skizzieren zentrale Aspekte einer fortschreitenden Internationalisierung der Tourismuswirtschaft, die, ungeachtet ihrer momentan attestierten Krisensymptome, auch in Zukunft zu den grof?ten Wirtschaftszweigen weltweit zahlen diirfte. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf Reiseveranstaltern, die nicht nur im Fokus der vorliegenden Studie stehen, sondern die dariiber hinaus als gatekeepers of tourism gelten (vgl. IOANNIDES 1998) und in entscheidender Art und Weise die zunehmende Internationalisierung der Tourismuswirtschaft vorantreiben, Der Tourismus ist in hohem MaEe von einer zunehmenden Internationalisierung betroffen, er verkorpert sie in vielerlei Hinsicht geradezu paradigmatisch. Dabei verstarkt er diesen Prozess, gleichzeitig wird er aber auch direkt wie indirekt von den entsprechenden Folgen beeinflusst. So sind Angebot und Nachfrage weitgehend globalisiert, und die Dienstleistung als solche beruht zu einem wachsenden Teil in der Uberwindung von Grenzen. Dieses Faktum manifestiert sich nicht zuletzt im geschaftlichen Selbstverstandnis von Reiseveranstaltern, deren Produkt, sofern sie ihre Dienste im Outgoing-Tourismus des Herkunftslandes gemeinsam mit einem entsprechenden counterpart im Incoming-Tourismus des Ziellandes anbieten, einen ausgesprochen interkulturellen Charakter aufweist. Die verstarkte Internationalisierung des touristischen Marktes wird einerseits vermehrt von Entwicklungslandern getragen, andererseits ist
Going international
45
der Globalisierungsprozess im Kontext des internationalen Tourismus nach wie vor dadurch charakterisiert, dass er sich vorwiegend unter den entwickelten Landern mit ahnlichen Nachfragepraferenzen und Angebotsstrukturen abspielt (vgl. KELLER 1996, FAYED/FLETCHER 2002 undRiTTER2003). Zunachst einmal stellt sich die Frage, welche EfFekte den Aufschwung der Tourismuswirtschaft zu einer der zentralen Leitindustrien ermoglicht haben, insbesondere wenn man bedenkt, dass das Reisen iiber Jahrtausende hinweg primar ein Privileg begiiterter Schichten verkorperte und erst im 19. Jahrhundert zu einem Ausdruck biirgerlicher Emanzipation avancierte (vgl. ZiMMERS 1995 und SCHERLE 2000). Tourismus als Massenphanomen ist untrennbar mit der zweiten Halfte des 20. Jahrhunderts verbunden, dessen Entwicklung dutch spezifische Boomfaktoren - etwa eine allgemeine Wohlstandssteigerung, eine forcierte Verstadterung, eine zunehmende Motorisierung und nicht zuletzt eine Abnahme der Arbeitszeit - gekennzeichnet ist (vgl. MuLLER 1991 und SHAW/WILLL\MS 2002). Die skizzierten Boomfaktoren sind ein wichtiger Aspekt im Kontext einer zunehmenden Expansion des Tourismus, allerdings reichen sie kaum mehr aus, um die derzeitigen Dimensionen einer internationalisierten Tourismuswirtschaft zu erklaren. Dies soUte man insbesondere dann beriicksichtigen, wenn man, wie KELLER (1996), Globalisierung als „tourismusrelevanten Megatrend" etikettiert, der sukzessive die Strukturen des internationalen Tourismus - etwa dutch den Eintritt neuer Destinationen auf dem touristischen Parkett und die damit verbundene verscharfte Konkurrenz in Bezug auf Preise und Qualitat - verandert. WAHAB und COOPER (2001, S. 5 f.) listen weitere Faktoren auf, die untrennbar mit der Internationalisierung der Tourismuswirtschaft verbunden sind: „The continued expansion of tourism in the world due to world population growth, increasing affluence of many nations, the expansion and diversification of travel motivations and expectations, great technological achievements in information and communication, the fierce competition between an increasing number of tourist destinations, and deregulation movements, is an important playground for global forces." Die fortschreitende Internationalisierung der Tourismuswirtschaft, als dessen Basis und Motor - im Zeichen eines zunehmenden, wenn auch nicht unumstrittenen Neoliberalismus - die deregulierten und internationalisierten Finanzmarkte fiingieren, voUzieht sich, nach VORLAUFER (1998), auf nachfolgend skizzierten Stufen der touristischen Wertschopftingskette, zwischen denen fijnktionale beziehungsweise kapitalmafiige Verflechtungen bestehen: -
-
die Reiseveranstalter und Reisebiiros als zentrale Akteure der Erschliefiung touristischer Markte und der Vermarktung touristischer Ziele respektive als Glieder zur Verkniipfiing der touristischen Nachfrage mit dem touristischen Angebot, das Luftverkehrswesen als wichtigster Trager der globalen Reisestrome, die Hotellerie als wesentliche Komponente des sekundaren touristischen Angebots, die globalen Telekommunikations- und Computerreservierungssysteme als Medien der Vernetzung von Leistungen der Tourismuswirtschaft untereinander und mit der Nachfrage.
46
Kapitel II
Mit den deregulierten und internationalisierten Finanzmarkten geht nicht nur ein bargeldloser, freier Erwerb und Transfer von Devisen einher, sondern der Tourismuswirtschaft wird auch eine erleichterte KapitalbeschafFung auf den vernetzten Finanzmarkten ermoglicht. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der in den letzten Jahren gerade bei global players verstarkt feststellbaren Expansionsstrategien, die sich insbesondere bei Reiseveranstaltern in Fusionen respektive Ubernahmen widerspiegeln und haufig einen exorbitanten Kapitalbedarf implizieren, sind diese strukturellen Veranderungen auf den Finanzmarkten von zentraler Bedeutung (vgl. VoRLAUFER 1993a und KNOWLES/DIAMANTIS/BEY EL-MOURHABI 2001). Dieser Konzentrationsprozess, der in einem nicht zu unterschatzenden MaEe von Grofibanken, die die entsprechenden Kapitalmarkte dominieren, gesteuert v^ird, diirfte sich auch w^eiterhin bei gleichzeitig verscharfter Konkurrenz und hohem Kapitalbedarf fur Investitionen fortsetzen. Jene w^eltweit agierenden, horizontal und vertikal integrierten Reisekonzerne, die in den letzten Jahren sukzessive an Einfluss gewonnen haben, sind nicht nur Determinante, Resultat und Begleiterscheinung des rasanten Wachstums, den der internationale Tourismus in den letzten Jahrzehnten durchlaufen hat, sondern sie evozieren auch immer w^ieder deutliche Kritik (vgl. BRITTON 1982b, HALL 1996 und SUCHANEK 2001). Gleichwohl ist der Reiseveranstaltermarkt in den meisten Landern nach Wit vor vergleichsweise klein- und mittelstandisch strukturiert, und selbst im europaischen Raum, ^o die bedeutendsten Reiseveranstalter agieren, stehen landeriibergreifende Geschaftsaktivitaten erst am Anfang (vgl. FREYER 2000/2002). Einen Uberblick iiber die wichtigsten Akteure, Ebenen und Verflechtungen im Internationalisierungsprozess der Tourismuswirtschaft vermittelt Abbildung 4 auf der folgenden Seite. Der Internationalisierungsprozess der Tourismusw^irtschaft wird des Weiteren von einer zunehmenden Universalisierung und Konvergenz in Hinblick auf Konsum- und Verhaltensmuster begleitet, die zu einer deutlichen Standardisierung bestimmter touristischer Angebote gefiihrt hat. Gleichzeitig impliziert aber auch eine fortschreitende Pluralisierung der Lebensstile eine zunehmende Segmentierung des Reisens, die sich in einer bis dato nicht gekannten Vielfalt an unterschiedlichen Reiseformen und Reisestilen widerspiegelt (vgl. ASPER 1997 und FAYOSSOLA/BUENO 2001). So haben SMERAL (1996) und BUHALIS (2001) explizit auf eine sich sukzessive verandernde Nachfrage hingewiesen, die sich unter anderem darin manifestiert, dass die vier Klassiker des stationaren Badetourismus seay sun, sand und sex sowie ihre entsprechenden Pendants des Stadtetourismus sightseeing, shopping, shows und short break zugunsten von segmentation, specialisation, sophistication und satisfaction an Bedeutung verlieren. Weitere Trends, die sich hinsichtlich des Nachfrageverhaltens abzeichnen und in engem Zusammenhang mit aktuellen soziookonomischen Veranderungen stehen, sind unter anderem eine kritischere Einstellung gegeniiber Massentourismus, eine starkere Fragmentierung des Jahresurlaubs und eine deutlich gewachsene Reiseerfahrung, die in der Regel mit einem Mehr an Qualitatsbewusstsein einhergeht (vgl. VANHOVE 1996). Die skizzierten Entwicklungen konnen durchaus auch Nischenanbietern unter Voraussetzung einer innovativen Geschaftsidee ein Auskommen ermoglichen. VORLAUFER (1993a, S. 281) vermerkt in diesem Zusammenhang: „(...) mehr und mehr Klein- und Kleinstveranstalter konnen sich auf dem Markt behaupten, da sie - derTendenz zur Individualisierung entgegenkommend - oft hochspezialisierte Angebote auch fur Kleinstgrup-
Going international
47
pen anbieten, haufig sehr spezifische, ausgefailene oder sogar skurriie Marktsegmente abdecken und sich zudem optimal und flexibel auf Kundenwiinsche ausrichten konnen." Ein Blick in die einschlagigen Adressenverzeichnisse und Kataloge bestatigt, dass es wohl kaum ein Marktsegment gibt, welches nicht in irgendeiner Form bei Reiseveranstaltern Beriicksichtigung fande: Flitterwochenarrangements in Sachsen, Pilgerwanderungen auf den Spuren irischer Monche, Incentivereisen fiir gestresste Manager, Ayurvedakuren in Kerala, Reisen fur Behinderte, Singles oder Senioren, Trekkingtouren durch das Atlasgebirge und interkulturelle Begegnungsreisen, um nur einige ausgewahlte Beispiele zu nennen. Abb. 4:
Zentrale Akteure, Ebenen und Verflechtungen im Internationalisierungsprozess der Tourismuswirtschaft
Quelle: VORLAUFER (1998) Die Veranderungen touristischer Konsummuster sind nicht zuletzt vor dem Hintergrund theoretischer Diskurse iiber eine sukzessive Transformation von der Moderne zur Postmoderne und dem damit assoziierten Regimewechsel vom Fordismus zum Postfordismus zu sehen (vgl. MENZEL 1995/1998, IOANNIDES/DEBBAGE 1998 und STEINBACH 2003), der die Anbieterseite
mit einer Vielzahl neuer Herausforderungen konfrontiert. So konstatieren FAYOS-SOLA und BuENO (2001, S. 48): „Thus, it is increasingly seen that, in recent decades, mass tourism business strategies (the Fordian Era of Tourism) - and especially profit-making through economies of scale and the consequent standardization of rigid tourism packages - are giving way to a new paradigm shaped by the segmentation of the new consumer demands, new technologies, new forms of business production and management and new framework conditions." Einen Uber-
48
Kapitel II
blick iiber die zentralen Veranderungen, die sich vor dem Hintergrund der Transformation vom Fordismus zum Postfordismus beziigiich touristischer Produktionsprozesse, Arbeitspraktiken und Konsummuster ergeben, gewahrt in idealtypischer Form die nachfolgende Tabelle: Tab. 4:
Die Transformation vom Fordismus zum Postfordismus aus touristischer Perspektive
The production
process
• Economies of scale
• Economies of scale and scope
• Mass, standardized and rigidly packaged holidays
• Emergence of specialized operators, tailor-made holidays
• Packaged tours, charter flights
• Market niching
• Narrow range of standardized travel products
• System of information technologies (SIT) (CRS technology, teleconferencing, videotext, videobrochures, satellite printers, etc.), front and back-office automation, Internet, World Wide Web
• Holding holidays ,just-in-case' • Tour industry determines quality and type of product • Industrial concentration (horizontal and to lesser extent vertical integration
• Custom-designed, flexible holidays • Tourists determine product type • Horizontal integration, subcontracting • Adoption of regionally based, integrated, computer information systems and strategic network alliances in the airline industry
Labour p radices • Low labour (functional) flexibility • High labour turnover, labour is seasonal, low wages • Mostly unskilled labour force
• Functionally flexible (skilled) year-round employees flanked by peripheral, numerically flexible, unskilled workers
The consumption • Mass tourists Tourists are psychocentrics (inexperienced, predictable), sun-lust, motivated by price
process
• Independent tourists • Experienced, independent, flexible (sun-plus) travellers • Fewer repeat visits • Demand for ,green tourism' or other alternative forms (e.g. ecotourism)
Quelle: Modifizierte Z u s a m m e n s t e l l u n g in A n l e h n u n g an I O A N N I D E S / D E B B A G E (1998)
Die Herausforderungen, die sich angesichts einer fortschreitenden Internationalisierung und der damit implizierten strukturellen Veranderungen fiir die Tourismusbranche ergeben, sind fur die betroffenen Akteure immens. HALL (2001) spricht in diesem Kontext von einem „changing the ,rules of the game'", das sich in einem verscharften Ringen um Wettbewerbsvorteile zwischen den jeweihgen Firmen respektive Destinationen manifestiert. FAYOS-SOLA und BUENO
Going international
49
(2001) gehen sogar von einem „New Age of Tourism" aus, dessen Implikationen nachhaltig Geschaftsstrategien sowie Aufbau und Politik touristischer Organisationen verandern. Gerade kleine und mittlere Unternehmen sind angesichts zahlreicher limitierender Faktoren - wie knapper Eigenkapitalausstattung, Restriktionen bei der KreditbeschafFung oder enger Personalkapazitaten - mit besonderen Schwierigkeiten konfrontiert, die den Internationalisierungsspielraum deutlich einschranken konnen (vgl. SMERAL 1996/1998). Kooperationen, Produktinnovationen, Spezialisierungen, aber auch die in letzter Zeit viel beschworene Beschrankung auf Kernkompetenzen konnen in diesem Zusammenhang erfolgsversprechende Ansatze sein. Nicht zuletzt in Hinblick auf das human resource management, das angesichts der skizzierten Transformationsprozesse verstarkt von Aspekten wie Geschwindigkeit, Flexibilitat, Integration und Innovation gepragt ist, stellen sich fiir die betroffenen Akteure neue strategische Anforderungen (vgl. KNOWLES/DIAMANTIS/BEY EL-MOURHABI 2001, S. 177):
-
-
die Fahigkeit, mittels innovativer human resources policies und adaquater SchulungsmaEnahmen (insbesondere durch Schulungskonzepte, die internationale Standards in Einklang mit lokalen Gepflogenheiten bringen) Produkte bereitzustellen und Ideen in Dienstleistungen umzusetzen, eine effektive und flexible Beschaftigungspolitik, Wissens- und Informationsverbreitung, Entdeckung und Forderung von Talenten.
Inwieweit die jeweiligen Akteure vor dem Hintergrund fortschrei tender Globalisierungsprozesse iiberhaupt noch autonom agierende Einheiten sind, ist nicht nur bei Globalisierungsgegnern aufierst umstritten. Gegenw^artig ist jedenfalls noch nicht abzusehen, inv^iev^eit sich auf den Reisemarkten angesichts einer sich sukzessive verscharfenden Konkurrenzsituation oligopolistische Strukturen durchsetzen w^erden - die eigentliche Herausforderung fiir kleine und mittlere Unternehmen (vgl. VORLAUFER 1993a). Die ausgesprochen ambivalente Auspragung einer sich verstarkenden Globalisierung zeigt sich deutlich im folgenden Zitat: „With each wave of global forces, competition has intensified and structural adjustments have been needed. This is because drivers of globalization are often outside the control of individual enterprises or nations, creating both opportunities and threats and demanding a response by enterprises, governments and communities." (KNOWLES/DIAMANTIS/BEY EL-MOURHABI 2001, S. 197).
Die vorangegangenen Ausfiihrungen haben einige zentrale Einblicke in die komplexen Strukturen und Prozesse einer fortschreitenden Internationalisierung der Tourismuswirtschaft vermittelt, wobei ersichtlich wurde, dass diese deutlich iiber eine rein raumliche Durchdringung der Welt mittels Erschliefiung neuer Destinationen in der Peripherie hinausgeht (vgl. BAUSINGER 1991). Die sich vor dem Hintergrund der skizzierten Internationalisierung der Tourismuswirtschaft ergebenden Strukturen und Implikationen in Entwicklungslandern soUen im kommenden Kapitel naher thematisiert werden.
50
IL7
Kapitel II
Strukturen u n d Implikationen einer fortschreitenden Internationalisierung der Tourismuswirtschaft in Entwicklungslandern
„Tourismus ist wie Feuer: Man kann seine Suppe damit kochen. Man kann aber auch sein Haus damit abbrennen." Asiatisches Sprichwort Von der fortschreitenden Internationalisierung der Tourismuswirtschaft sind zu einem groSen Teil Entwicklungslander betroffen. Die an der Schwelle zum neuen Jahrtausend vom Studienkreisfur Tourismus und Entwicklungm Kooperation mit dem Bundesministerium fur wirtschaftliche Zusammenarheit und Entwicklung vorgelegte Studie iiber Tourismus in Entwicklungslandern macht deutlich, dass inzwischen etwa ein Drittel aller internationalen Touristenankiinfte in Entwicklungslandern registriert wird. Ein Blick auf die durchschnittlichen jahrlichen Wachstumsraten gestaltet sich nicht weniger beeindruckend, liegen diese doch seit Anfang der 1990er Jahre mit 4,84 Prozent deutlich liber jenen des Weltdurchschnitts mit 3,98 Prozent (vgl. ADERHOLD et al. 2000, S. 20). Inzwischen ist der Blick auf entsprechende Zahlen, die allenfalls - nicht zuletzt aufgrund des Fehlens einer verbindlichen Definition von Entwicklungslandern sowie angesichts divergierender statistischer Erfassungs- und Auswertungsmethoden - Tendenzen widerspiegeln konnen, deutlich getriibt. Hintergrund fiir diesen Umstand ist nicht ausschlieElich, wie so manche mediale Schlagzeile suggerieren mag, der Terroranschlag vom 11. September 2001 in New York, sondern vielmehr handelt es sich um ein komplexes Biindel an Faktoren, das sich fiir eine verstarkte Etikettierung des Entwicklungslandertourismus mit Krisensymptomen verantwortlich zeichnet. Man denke in diesem Zusammenhang beispielsweise an touristenfokussierte Anschlage und Entfiihrungen, an die Ausbreitung von Seuchen oder an die haufig diskutierten negativen soziokulturellen Auswirkungen. Die nachfolgenden Ausfiihrungen sollen - nicht zuletzt vor dem Flintergrund der projektrelevanten Destination Marokko - in Grundziigen mit wichtigen Strukturen und Implikationen des Tourismus in Entwicklungslandern vertraut machen, die sich angesichts einer fortschreitenden Internationalisierung der Tourismuswirtschaft in den entsprechenden Landern ergeben. Entwicklungslandern als Tourismusdestinationen wird seit geraumer Zeit eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Dies trifft nicht nur in Bezug auf Vertreter der scientific community zu, sondern auch auf politische Entscheidungstrager sowie potentielle Investoren. Im Kontext der Entwicklungslanderforschung haben die letzten Jahrzehnte zwei zentrale theoretische Ansatze dominiert: Wahrend Vertreter modernisierungstheoretischer Ansatze von einer nachholenden Entwicklung ausgehen, die weitgehend westlichen Produktions- und Konsummustern folgt, vertreten Anhanger dependenztheoretischer Ansatze die Ansicht, dass die in den Tourismus gesetzten Fioffungen fiir eine okonomische Entwicklung der Dritten Welt nur bedingt, teilweise iiberhaupt nicht erfiillt worden sind: einerseits aufgrund kapitalismusimmanenter Mechanismen, andererseits aber auch - wie radikale Stimmen formulieren - aufgrund eines ungleichen, mehr oder weniger ausbeutenden Austauschs zwischen industrialisierten Staaten und den Staa-
Going international
51
ten der Peripherie (vgi. HALL 1996, VORLAUFER 1996 und MOWFORTH/MUNT 2003). Bei-
de Ansatze verbindet mehr als die kontroversen Diskussionen zwischen den Vertretern beider Lager vermuten lassen. HARRISON (1992, S. 9) schreibt in diesem Zusammenhang: „Although M T and U D T [Die Abkiirzungen stehen fiir modernisation theory und underdevelopment theory und verkorpern die angelsachsischen Aquivalente zu den modernisierungs- beziehungsweise dependenztheoretischen Ansatzen, Anm. d. Verf.] have been regarded as mutually exclusive paradigms (...), they have much in common: both are Eurocentric; both embody the notion of transition from one state to another, and both accommodate the idea of a world system - disagreeing, though, on how it is to be envisaged. Finally, both virtually ignore the wants and ambitions of those about to be developed." Vor dem Hintergrund des Scheiterns grofier Theorien (vgl. MENZEL 1992), aber auch angesichts einer zunehmenden Anzahl empirischer Studien, die positive wie negative Implikationen des Entwicklungslandertourismus aufeeigen, hat sich ab Mitte der 1980er Jahre sukzessive eine pragmatische Bewertung durchgesetzt, die dutch eine partielle Synthese beider Ansatze gekennzeichnet ist. Einhergehend mit dem Wegfall des Ost-West-Dualismus und im Zuge einer fortschreitenden Liberalisierung der Markte, erleben seit einiger Zeit auch wieder rein neoklassische Wachstumstheorien eine Renaissance. Die 1990er Jahre waren insbesondere von intensiven inhaltlichen Auseinandersetzungen hinsichtlich der Themenkomplexe Nachhaltigkeit und - angesichts einer doch deutlich feststellbaren kulturwissenschaftlichen Neuausrichtung der Freizeit- und Tourismusgeographie - soziokulturelle Auswirkungen des Entwicklungslandertourismus gepragt, wobei die entsprechenden Diskurse langst noch nicht verstummt sind (vgl. VORLAUFER 1996, HERDIN/LUGER 2001, SUCHANEK 2001 und HOPFINGER 2003). Besonders
lohnenswert ist in diesem Kontext ein Blick auf die bedeutendsten Kongresse und Konferenzen, die sich einer kritischen Diskussion in Bezug auf den Entwicklungslandertourismus verschrieben haben, spiegeln sich doch in ihnen die eben skizzierten Debatten wie dutch ein Brennglas wider (vgl. ADERHOLD et al. 2000): -
-
-
-
Lanzarote (1995): Weltkonferenz iiber vertraglichen Tourismus, auf der eine 18-PunkteCharta fiir einen nachhaltigen Tourismus verabschiedet wurde, die sowohl Umwelt- wie Entwicklungsaspekte beinhaltet; Stockholm (1996): Die Ecumenical Coalition on Third World Tourism (ECTWT) veranstaltete einen Weltkongress iiber die sexuelle Ausbeutung von Kindern und beschloss in diesem Zusammenhang einen entsprechenden internationalen Aktionsplan; Berlin (1997), Bratislava (1998) und Nairobi (2000): Vertragsstaatenkonferenzen, die unter dem Topos nachhaltiger Tourismus beziehungsweise biologische Vielfalt tagten, wobei sich die einzelnen Vertragsstaaten sukzessive darauf verstandigten, im Rahmen der Biodiversitatskonvention einen Beitrag zur Entwicklung globaler Richtlinien fiir einen nachhaltigen Tourismus zu leisten; Santiago de Chile (1999): Die Welttourimusorganisation (WTO) verabschiedete einen globalen Kodex fiir Ethik im Tourismus, intendiert ist in diesem Kontext unter anderem die Schaffung eines Weltkomitees fiir Tourismusethik.
52
Kapitel II
Wenden wir uns an dieser Stelle konkret den Entwicklungslandern zu, deren touristische Inwertsetzung untrennbar mit den aktuellen Entwicklungen in der Verkehrs- und Kommunikationstechnologie sowie den weitreichenden Deregulierungstendenzen der Welttourismuswirtschaft verbunden ist (vgl. VORLAUFER 2003). Die Faktoren, die Entwicklungslander in Hinblick auf eine touristische Entwickiung interessant machen, sind sowohl in den Industrielandern, als auch in den Entwicklungslandern zu suchen. Wahrend die Nachfrageentwicklung seitens der Industrielander unter anderem vor dem Hintergrund eines Zuwachses an Einkommen, Freizeit, Bildung und Informationen zu sehen ist, bieten die meisten Entwicklungslander ein komplexes Biindel an natiirlichen, kulturellen und soziookonomischen Faktoren, die sie fur eine touristische Inwertsetzung pradestinieren (vgl. GORMSEN 1983). Angesichts ihrer vielschichtigen und tief greifenden Probleme, wie Massenarbeitslosigkeit, Verelendung rapide wachsender Bevolkerungsteile, Verscharfting sozialer und raumlicher Disparitaten, zunehmende Ressourcenzerstorung, steigende Zahlungsbilanzdefizite sowie gravierende Verschuldungsprobleme, sehen die meisten Regierungen in Entwicklungslandern im Tourismus ein praktikables Vehikel, um ihre okonomische Entwickiung anzukurbeln (vgl. VORLAUFER 1996). Dass genau die eben erwahnten soziookonomischen Probleme letztendlich zu einem groEen Teil auf die einstigen Kolonialmachte, die heute als zentrale Quellgebiete des Entwicklungslandertourismus fungieren, zuriickzufiihren sind, ist insbesondere bei Vertretern dependenztheoretischer Ansatze common sense, wie die nachfolgende Aussage von BRITTON (1982b, S. 333) dokumentiert: „The origins of these problems lie in the collective experience of poor countries. Their history has been one of exposure, to one degree or another, to various forms of colonial or imperialist domination. This domination is directly attributable to the global expansion of European mercantilism and then capitalism. Peripheral countries were articulated with the core capitalist economies in such ways that the former had imposed upon them forms of production, social organisation, and trading patterns designed to meet the economic and political requirements of the colonial powers." Die Ziele, die seitens der meisten Entwicklungslander mit Tourismusforderung verbunden werden, sind primar wirtschaftlicher Natur. Bei Abwagung aller positiven wie negativen Auswirkungen ist heute weitgehend unumstritten, dass der Ferntourismus einen durchaus positiven Beitrag zum wirtschaftlichen Aufschwung von Entwicklungslandern zu leisten vermag, wobei dieser jedoch - je nach Tourismusform, Gr56e und Entwicklungsstand der jeweiligen Volkswirtschaft - sehr unterschiedlich ausfallen kann (vgl. ADERHOLD et al. 2000 und SHAW/ WILLIAMS 2002). So verwundert es kaum, dass immer mehr Entwicklungslander Tourismus als eine Schliisselbranche ansehen. Zu den zentralen okonomischen Zielen, die mit einer touristischen Forderung verbunden werden, zahlen vor allem eine Generierung von Devisen und Beschaftigung, eine Diversifizierung der Wirtschaftsstruktur, MultiplikatorefFekte fiir andere Wirtschaftssektoren sowie last but not least Impulse fiir die Entwickiung peripherer Regionen. Die fortschreitende Internationalisierung der Tourismuswirtschaft in Entwicklungslandern wird in der Regel mit einer zunehmenden Dominanz global agierender, horizontal und vertikal integrierter transnationaler Reisekonzerne und Hotelketten in Verbindung gebracht (vgl. VOR-
Going international
53
LAUFER 1993a/1993b/1996). In diesem Zusammenhang stehen insbesondere Fragen nach den entsprechenden Zahlungsbilanz- und BeschaftigungsefFekten im Vordergrund, wobei gerade von dependenztheoretischer Seite immer wieder die mit der verstarkten Durchdringung des Entwicklungslandertourismus einhergehende Abhangigkeit der Entwicklungsiander von den Schaltzentralen des internationalen Kapitals bekiagt worden ist: „With consistent increases in the volume of tourist travel, and its profitability as a trade, the industry has become more competitive and comprehensive. Three resulting trends within the industry have had important repercussions for the organization and structuring of the industry: greater firm size, increasing horizontal and vertical integration, and the penetration of non-tourism capital. (...) The key integrative force within international tourism has become those large companies capable of organizing, co-ordinating, creating and marketing the diverse inputs that constitute the various tourist products available. (...) The tendencies towards the concentration and centralization of commercial power within metropolitan tourism capital facilitates the inclusion of Third World countries within international tourism through external commercial controls. More and more frequently, this control is exercised through the agency of the multinational corporation." (BRITTON 1982b, S. 336 f).
Tabelle 5 auf der folgenden Seite stellt stichwortartig einige zentrale positive wie negative Implikationen des internationalen Entwicklungslandertourismus vor. Dabei beriicksichtigt sie auch ausgewahlte Ergebnisse einer in Kooperation zwischen dem Studienkreis fur Tourismus und Entwicklungxxnd dem Bundesministerium fur wirtschaftliche Zusammenarheit und Entwicklungimjshre 1999 durchgefiihrten Expertenbefragung, deren Ziel darin bestand, Einschatzungen hinsichtlich des Tourismus in Entwicklungslandern bei deutschen Reiseveranstaltern und auslandischen Tourismusbiiros einzufangen (vgl. ADERHOLD et al. 2000, S. 73 ff.). In diesem Zusammenhang sei vermerkt, dass aus pragmatischen wie inhaltlichen Gesichtspunkten in der Tabelle ausschliefilich die Aussagen von Reiseveranstalterseite beriicksichtigt wurden, da diese - im Gegensatz zu den auslandischen Tourismusbiiros - im Fokus der vorliegenden Arbeit steht. Hinzu kommt, dass bei Urlaubsreisen in Entwicklungsiander nach wie vor mit iiber 80 Prozent Pauschalreisen vorherrschen, deren Organisation und Vertrieb in der Kegel iiber Reiseveranstalter abgewickelt werden. In der Studie wurden mit Hilfe eines offenen Fragenkatalogs die Meinungs- und Einstellungsdimensionen zum Entwicklungslandertourismus von insgesamt 24 Vertretern der Reiseveranstalterbranche eingefangen, wobei das Spektrum der partizipierenden Unternehmen vom Nischenveranstalter bis zum global player reichte. Ausgehend von der Frage nach positiven und negativen Implikationen des internationalen Entwicklungslandertourismus, wurden die Experten unter anderem gebeten, mogliche Qualifizierungsbeitrage der im Kontext des Entwicklungslandertourismus beteiligten Akteure und Institutionen zu benennen. Insgesamt hat die Studie gezeigt, dass die meisten Vertreter der Reiseveranstalterbranche fiir die einschlagige Thematik inzwischen wesentlich starker sensibilisiert sind, als dies noch vor einigen Jahren der Fall war; ein Umstand, der sich auch in den angefiihrten Zitaten widerspiegelt. Inwieweit allerdings eine entsprechende Sensibilitat auch ihren Niederschlag in der Unternehmensphilosophie beziehungsweise im konkreten Arbeitsalltag findet, sei dahingestellt. An dieser Stelle sei jedoch dezidiert darauf hingewiesen, dass eine entsprechende Frage Bestandteil der vorliegenden Studie darstellt, deren Ergebnisse im empirischen Teil vorgestellt werden.
54
Tab. 5:
Kapitel II
Positive und negative Impiikationen des Tourismus in Entwicklungslandern
Quelle: Entwurf des Autors in Anlehnung an ADERHOLD et al. (2000), SHAW/WILLIAMS (2002), VORLAUFER (2003) und JOB/WEIZENEGGER (2003)
Going international
55
In der Diskussion iiber Tourismus in Entwicklungslandern werden zwei Aspekte leider haufig nur gestreift, teilweise sogar voUig iibergangen: Erstens erlangt in zahlreichen Entwicklungslandern die Inwertsetzung des Binnentourismus eine zunehmend groEere Bedeutung (vgl. BERRIANE 1992 und OPPERMANN 1996); ein Umstand, der sich zukiinftig noch verstarken diirfte: zum einen eingedenk der Tatsache, dass das entsprechende binnentouristische Potential trotz steigender Nachfrage bislang kaum in Wert gesetzt wurde, zum anderen aber auch vor dem Hintergrund, um die meistens unkalkulierbaren internationalen Nachfrageschwankungen besser ausgleichen zu konnen. Zweitens partizipieren immer haufiger kleine und mittlere Unternehmen am Entwicklungslandertourismus, wobei deren Agieren mitunter nur sehr schwer in den Kontext klassischer Entwicklungstheorien einzuordnen ist (vgl. GARTNER 1999). Bedauerlicherweise steckt die Erforschung von Strukturen und Relevanz kleiner und mittlerer Unternehmen im Rahmen einer fortschreitenden Internationalisierung der Tourismusv^irtschafr in den Landern der Dritten Welt nach w^ie vor in den Kinderschuhen; ein Umstand, der ihrer eigentlichen Bedeutung kaum mehr gerecht werden diirfte. Bevor im nachfolgenden Kapitel auf einen der zentralen SchliisselbegrifFe dieser Arbeit - das Mysterium Kultur - eingegangen wird, sei abschliefiend noch eine Anmerkung zum Entwicklungslandertourismus gemacht. Aus einer tourismuswissenschaftlichen Perspektive gibt es wohl kaum einen Forschungsgegenstand, der einerseits derart deutlich polarisiert, andererseits aber auch normative Einstellungen evoziert, wie man sie im Wissenschaftsbetrieb sonst nur selten antrifft. So schreiben JOB und WEIZENEGGER (2003, S. 639): ,Auf eine einfache Formel gebracht, geht es heute wie morgen darum, negative EfFekte zu minimieren und positive EfFekte zu maximieren. Dafiir ist es notwendig, weiter zu kritisieren. Konzepte zu liefern, ist Aufgabe der Wissenschaft, deren Umsetzung liegt an den Akteuren. Und zwar nicht nur an den Menschen im Zielgebiet und den Anbietern und Mittlern, sondern auch auf der Nachfrageseite, bei den Reisenden selbst."
Ill
Kultur, Interkulturalitat und interkulturelle Kompetenz
III. 1
Mysterium und SchlusselbegrifF Kultur
„Culture, like God and politics, is ,everywhere'." Gilbert Adair Nach gutem akademischem Brauch wird eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem KulturbegrifF in der Regel mit einer Klage iiber dessen Vielfalt, Komplexitat und Uniibersichtlichkeit eingeleitet. Will oder kann man diesen Umstand der scientific community iiberhaupt veriibeln, und bringen es nicht AJIFERUKE und BODDEWYN (1970, S. 154) auf den Punkt, wenn sie konstatieren: „Culture is one of those terms that defy a single all-purpose definition, and there are almost as many meanings of "culture" as people using the term."? Ich erinnere mich noch lebhaft an Diskussionen mit einem Kollegen, der im Kontext der Begrifflichkeit von Kultur fast immer mit melancholischem Unterton zu sagen pflegte: „Das ist doch wie einen Pudding an die Wand nageln!" Studenten, die ich hinsichtlich dieser Thematik im Rahmen eines kulturgeographischen Proseminars zu Ad-hoc-Befragungen auf die Strafien einer beschaulichen bayerischen Universitatsstadt schickte, bemerkten bei ihrer anschlieEenden Auswertung ziemlich schnell, dass die eingefangenen Impressionen ein durch und durch heterogenes Bild ergeben, das sich - trotz Beriicksichtigung der entsprechenden Fachliteratur - nur schwerlich konzeptionalisieren lasst. Das einstige „Mysterium" Kultur (vgl. BAUSINGER 1980) ist an der Schwelle zum dritten Jahrtausend omniprasent, so dass man gelegentlich geneigt ist, von einem Zeitalter der Kultur zu sprechen (vgl. STEINMETZ 2001 und BUKOW 2002): Globale Kultur, regionale Kultur, Multikulturalitat, Interkulturalitat, Transkulturalitat, aber auch Begriffe wie politische Kultur, Unternehmenskultur, Reisekultur, Fernsehkultur, Sexkultur, Fufiballkultur und feministische Kultur sind Schlagworte, die sukzessive Einzug in unseren Wortschatz gehalten haben. Gleichwohl war es bis dahin ein langer und haufig beschwerlicher Weg, den zudem nicht jeder einschlagen wollte: Das eingangs angefiihrte Zitat von ADAIR (1992, S. 3) im Kontext seiner Reflexionen iiber Kultur im Zeichen der Postmoderne trifft den heutigen Zeitgeist wesentlich besser als noch so manch traditionelle Auffassung von Kultur, die haufig nicht nur mit elitaren Konnotationen belegt wurde, sondern auch - zumindest auf einer impliziten Ebene - zur Exklusion bestimmter Kulturtrager fiihrte. Die nachfolgenden Ausfiihrungen stellen den Versuch einer Standortbestimmung in Hinblick auf das fiir diese Arbeit relevante Kulturverstandnis dar. Sie konnen und sollen auch nicht die derzeitige Kulturdiskussion in toto abbilden, vielmehr gilt es, spezifische Leitreflexionen darzulegen, um eine erleichterte Kontextualisierung dieses komplexen Sujets zu ermoglichen. In diesem Zusammenhang soil zunachst ein Uberblick iiber ausgewahlte Facetten der historischen Entwicklung des Kulturbegriffs gewahrt werden. Dies ist aus zwei sich bedingenden Griinden eine Conditio sine qua non, die bedauerlicherweise immer wieder iibersehen wird, obwohl inzwischen weitgehend unumstritten ist, dass Kultur ein prozessuales und kein stati-
Kultur, Interkulturalitat und interkulturelle Kompetenz
57
sches Phanomen verkorpert: Erstens ist BegrifFsbildung kein Vorgang aufierhalb von Zeit und Raum, sondern ein historischer Prozess, der sich im Laufe der Zeit im wissenschaftlichen Diskurs einer scientific community voUzieht, wobei BegrifFe im Wechselspiel von intensive! Gegenstandsbetrachtung generiert sov^ie sukzessive akzentuiert und prazisiert werden. Da sich gewohnlich in jeder Diszipiin die beiden wichtigsten Elemente einer Fachidentitat, namlich der entsprechende Fachgegenstand und das fachspezifische Erkenntnisinteresse, immer wieder verandern, wandeln sich auch die zentraien Fachtermini (vgl. GERNDT 2002). Zv^eitens sind die aktuellen Kulturdebatten und Kukurkonzepte davon gepragt, dass sie sich in der Kegel exphzit von traditionellen Kulturbegriffen lossagen und in einer entsprechenden Distanzierung beziehungsweise Uberwindung ihre Legitimation verankern. Dem historischen RiickbUck folgt eine Auseinandersetzung mit der Kukurthematik vor dem Hintergrund gegenv^artiger Diskussionen iiber die Phanomene InternationaUsierung respektive Globahsierung und der mit ihnen verbundenen Transformationsprozesse, die in zahheichen DiszipUnen eine Renaissance kukurrelevanter Fragestellungen eingeleitet haben. Dies geschieht insbesondere eingedenk des Faktums, dass ein zeitgemafier KukurbegrifF nicht nur ein hohes Mafi an DifFerenziertheit und Reflexion voraussetzt, sondern ohne eine interkukurelle Bedingtheit kaum noch vorstellbar ist (vgl. DRECHSEL 1999 und ADERHOLD/HEIDELOFF 2001). Traditionelle Kukurbegriff^e konnen aktuellen Konzepten von Interkulturalitat und Transkulturalitat nicht mehr gerecht werden - insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich die entsprechenden Transformationsprozesse in einem hochgradig dialektischen Prozess manifestieren. Am Ende des Kapitels werden zentrale Aspekte des dieser Arbeit zugrunde liegenden Kukurverstandnisses aufgeroUt, das sich nicht nur den komplexen Globalisierungsherausforderungen stellen mochte, sondern bei dem auch davon ausgegangen wird, dass okonomisches Handeln in regionale beziehungsweise kukurelle Beziige eingebunden ist. Eine Retrospektion iiber das „Schlusselwort" Kultur (GREVERUS 1978) fiihrt zunachst einmal in die Zeit der Aufldarung, in der jener KukurbegrifF entsteht, den wir heute - vor dem Hintergrund eines deutlichen historischen Abstands und nicht selten aus einer despektierlich anmutenden Perspektive - als traditionellen KukurbegrifF bezeichnen. Unweigerlich fallen in diesem Kontext die Namen Samuel PuFendorf, der die cultura animi von einem status naturale abgrenzt, und Johann GottFried Herder, dessen KukurbegrifF- vor allem von Vertretern eines transkulturellen Ansatzes - mit Attributen wie soziale Homogenisierung, ethnische Fundierung und interkulturelle Abgrenzung etikettiert wird (vgl. KRETZENBACHER 1992 und WELSCH 1999/2000). In Bezug auF Herder soUte man, bei aller berechtigten Kritik, dennoch eine deutlich difFerenziertere Position einnehmen, insbesondere wenn man bedenkt, dass er nicht nur die kukurelle Authentizitat jedes Zeitalters gegen den Stolz der Aufklarer verteidigt, sondern auch die MannigFaltigkeit der Kukuren anerkennt und sich dadurch dezidiert von Vertretern einer universalistischen Variante der Aufldarung unterscheidet, denen - wie beispielsweise Kant - der Plural von Kultur irrelevant ist. Die gelegentlich kolportierte Unterstellung kulturdeterministischer Implikationen kann nicht zuletzt insoFern widerlegt werden, als Herder primar von einer tatigen, teils schopFerischen Aneignung kukureller Traditionen ausgeht (vgl. insbesondere KRAMER 1999 und AUERNHEIMER 2002).
58
Kapitel III
Die kontroverse Diskussion iiber das in jeglicher Hinsicht polarisierende Kulturverstandnis von Herder kann und soil an dieser Stelle nicht fortgesetzt werden, auch wenn es in fast alien Kulturdiskursen als zentrale Referenz herangezogen wird - und sei es nur als bewusste Abgrenzung zum eigenen Kulturbegriff. Wenn man jedoch den traditionellen KulturbegrifF- der im spaten 18. Jahrhundert entstanden ist und dessen Persistenz bis weit in die zweite Halfte des 20. Jahrhunderts hineinreicht - bei all seiner Heterogenitat auf einen Nenner bringen will, dann lasst er sich am Besten iiber seine Dichotomien kennzeichnen, denen ein deudich wertender Charakter immanent ist (vgl. unter anderem KRETZENBACHER 1992, HANSEN 2000a und SCHERLE 2000): Die Dichotomic Kultur versus Natur, die ihren Ursprung in der entsprechenden Unterscheidung des bereits erwahnten Samuel Pufendorf hat, betont hauptsachlich den kulturellen Fortschritt anthropogener Handlungen iiber die Naturkrafite; eine geradezu erstaunliche Persistenz dieser Dichotomie manifestiert sich in der strukturellen Aufteilung der allgemeinen Geographic in einen kultur- und physiogcographischen Zweig. In diesem Zusammenhang sei auf POPP (1993) verwiesen, der sich intensiv mit dem konzeptionellen Selbstverstandnis der heutigen Kulturgeographie beschaftigt hat. Die zweite Dichotomie unterscheidet zwischen einer in der Regel positiv bewerteten Hochkultur und einer zumeist negativ etikettierten Massenkultur, wobei man die erste Kategorie haufig mit Elite gleichsetzt, wahrend die zweite Kategorie nicht sei ten auf die ,Unkultur' der Masse reduziert wird; eine Unterscheidung, die unter Umstanden noch so manch konservativer Bildungsbiirger pflegt, die aber realiter langst obsolet geworden sein diirfte. In diesem Kontext sei unter anderem an die nachhaltigen Auswirkungen eines zunehmend demokratisierten Kulturbegriffs als Resultat der Achtundsechzigerbewegung erinnert, die sich nicht zuletzt in dem von HOFFMANN (1979) gepragten Postulat einer „Kultur fiir alle" widerspiegeln. Weiterhin kommen beispielsweise die haufig egalisierenden Krafte des Tourismus hinzu, die zwar - in Analogic zum Terminus Massenkultur - in einem nicht zu unterschatzenden MaKc Masse produzieren, deren Primat aber nicht irgendeine wertende Zuschreibung von Kultur ist, sondern vielmehr Kommerz, der sich, alien Kassandrarufen zum Trotz, am effektivsten iiber eine moglichst viele Konsumenten erreichende Popularkultur einstellt (vgl. KAGELMANN/SCHERLE/SCHLAFFKE 2003). Die dritte Dichotomie, die zwischen Kultur und Zivilisation unterscheidet und einen entsprechenden Antagonismus konstruiert, der sich in diamctralen Begriffspaaren manifestiert, ist eine spezifisch deutsche Erscheinung, die in ihrer ausgepragtesten Form bei SPENGLER (1923) anzutreffen ist und bis zu Vertretern der Frankfurter Schule tradiert wurde. Noch Ende der 1960er Jahre stellte MARCUSE (1968, S. 150) - ungeachtet seiner konzeptionellen Bedenken gegeniiber traditionellen Kulturbegriffen - Zivilisation und Kultur gegeniiber: 2^vilisation materielle Arbeit Arbeitstag Arbeit Reich der Notwendigkeit Natur operationelles Denken
Kultur geistige Arbeit Feiertag Muf^e Reich der Freiheit Geist nichtoperationelles Denken
Kultur, Interkulturalitat und interkulturelle Kompetenz
59
Der Philosoph SCHNADELBACH (1991, S. 528) bringt es auf den Punkt, wenn er in leicht zugespitzter Form schreibt: „Kultur und Zivilisation, das ist: Goethe und die Eisenbahn, Blockflote und Fufiball, Evangelische Akademie und Sechstagerennen, Schreiben mit dem Fuller und mit dem Kugelschreiber. Immer meinte Kultur das ,Hohere', die ,ewigen Werte', die wahre Bildung, das Seelisch-Tiefe, wahrend Zivilisation in der Regel mit dem Technischen, blofi Funktionalen, blofi Niitzlichen und kommerziell Erfolgreichen assoziiert wurde." Die Griinde fiir diese dritte Dichotomie sind nicht zuletzt in der historisch-politischen Entwicklung Deutschlands zu suchen, in der ein aufstrebendes Biirgertum zwar vergleichsweise friih einen beachtlichen kulturellen Impetus beisteuern konnte, dem aber sehr lange die politische Partizipation verwehrt blieb, was zu einer Kompensation der Staats- dutch eine Kulturnation fiihrte. Hinzu kam eine gerade im imperialistisch gepragten Kaiserreich weit verbreitete Tendenz, hoher bewertete kulturelle Leistungen fast ausschliefilich der eigenen Nation zuzugestehen (vgl. GREVERUS 1978 und HANDSCHUH-HEISS 1997). Uber Jahrzehnte hinweg verhinderten die skizzierten Dichotomien eine qualitative Aufwertung des KulturbegrifFs hin zu einem erweiterten KulturbegrifF, der die entsprechenden Dichotomien iiberwindet. Noch Ende der 1970er Jahre stellte die Kulturwissenschaftlerin GREVERUS (1978, S. 57), eine der engagiertesten Vertreterinnen eines erweiterten KulturbegrifFs, fest: „Solange Kultur nur als Uberschreitung der Grenzen des Notwendigen, als Gegenpart oder als Voraussetzung dieses Bereiches oder als Uberwindung von Unkultur (sei diese „Natur", Zivilisation, Massenkultur oder „imperialistische Unkultur") definiert wird, werden nicht nur ganze Menschengruppen, sondern auch weite Bereiche menschlichen Verhaltens aus einer Kulturforschung ausgeklammert." Es war vor allem die von Greverus erwahnte Desintegrierung menschlicher Verhaltensmuster im Kontext der skizzierten Dichotomien, die eine qualitative OfFnung des KulturbegrifFs in den Kulturwissenschaften unterband. Erst ein erweiterter KulturbegrifF konnte sich zur Grundlage des Forschungsgebiets Interkulturelle Kommunikation entwickeln. Dabei steht Kultur, die sowohl sichtbare Objektivationen (Artefakte, Handlungen, Verhalten) als auch unsichtbare Subjektivationen (Werte und Normen, Einstellungen und Vorstellungen, Ideen und Haltungen) subsumiert, dem Menschen nicht gegeniiber, sondern ist vielmehr integrativer Bestandteil seines Menschseins (vgl. KRETZENBACHER 1992 und ROTH 1996). In den letzten Jahren ist von einigen Autoren, unter anderem von GEERTZ (1996), BREIDENBACH/ZUKRIGL (1998) und DRECHSEL/SCHMIDT/GOLZ (2000), die Globalisierungsdebatte fruchtbar fiir den KulturbegrifF in Wert gesetzt worden. Gerade aus kultureller Perspektive erweist sich das Globalisierungsphanomen als ein zutiefst dialektischer Prozess: Homogenisierung und AusdifFerenzierung, Kulturkonfhkt und Kulturmelange, Globalisierung und Regionalisierung stellen keine einander ausschliefSenden Entwicklungen dar, sondern bedingen und verstarken sich gegenseitig. Bestimmte Konzepte und Strukturen des modernen Lebens werden im Kontext von Globalisierungsprozessen weltweit verbreitet - „McDonaldization" (RITZER 1993) und „McWorld" (BARBER 1996) lassen gruf?en - , zugleich nehmen kulturelle Spezifika durch die Relativierung regionaler Lebensweisen vor dem Hintergrund globaler Strukturen
60
Kapitel III
scharfere Konturen an oder geraten erneut ins Blickfeld. Man denke in diesem Zusammenhang beispielsweise an die aktuellen Diskussionen in Bezug auf Kopftuch oder Dschihad (vgl. MENZEL 1998, WAGNER 2001/2002 und BREIDENBACH/ZUKRIGL 2002). Diese aus scheinbar
paradoxen Prozessen resultierende Uniibersichdichkeit macht es sehr schwierig, wenn nicht sogar unmoglich, Kuitur im Globalisierungszeitalter auf einen nur annahernd geeigneten Nenner zu bringen; ein Umstand, der sich auch trefflich im nachfolgenden Zitat von GEERTZ (1996, S. 29) manifestiert: „Es gibt, um auf ein beriihmtes Bild von Wittgenstein zuriickzugreifen, den einzigen Faden nicht, der dutch sie alle hindurchhefe, sie definieren und zu einem Ganzen machen wiirde. Es gibt nur Uberlagerungen verschiedener sich kreuzender, verschlungener Faden, deren einer ansetzt, wo der andere abreifit, die in Spannung zueinander stehen und einen zusammengefiigten, lokal disparaten und global integralen Korper bilden." Wie das Phanomen Globalisierung insgesamt, so ist auch die kulturelle Globalisierung ein Prozess mit ausgesprochen kontradiktorischen Formen, Reichweiten und Ausdrucksweisen, der sich einer eindeutigen Kennzeichnung entzieht, weshalb es sich im Kontext einer entsprechenden terminologischen Annaherungen eher um Arbeitsbezeichnungen als um eindeutig definierte Begriffe handelt. Der Diskurs iiber kulturelle Globalisierung verkorpert deshalb auch eine Art Suchbewegung, in der sich - nicht ohne Widerstande - ein neuer, vielfach anderer, aber stets wandelnder Blick auf aktuelle und vergangene kulturelle Probleme und Rahmenbedingungen entwickelt (vgl. HIPPE 2001 und WAGNER 2001). Dabei ergeben sich durchaus frappierende Analogien, wie die Diskussion um das Verhaltnis zwischen Globalem und Lokalem zeigt: „Die Nachbildung der deutschen Unterscheidung zwischen Kuitur und Zivilisation auf globaler Ebene stellt eine interessante Variante dieser allgemeinen Sichtweise dar: Die alte Vorstellung von der (,guten') Kuitur wird gegen die (,schlechte') Vorstellung von Zivilisation ausgespieit. Aus dieser traditionell deutschen Perspektive wird aus lokaler Kuitur im Endeffekt nationale Kuitur, wahrend Zivilisation einen entschieden globalen, weltweiten Anstrich erhalt." (ROBERTSON 1998, S. 199).
Jene Zeiten, in denen Kuitur als blof?es Attribut von Gesellschafr beziehungsweise als eines ihrer AuEerungsformen betrachtet wurde, diirften unwiderruflich vorbei sein. Kuitur mutiert - insbesondere fiir jene Zeitgenossen, denen es vor einer apokalyptischen Homogenisierung im Sinne einer westernization grant und die man unter Islamisten genauso findet wie unter der sehr heterogenen Spezies der Globalisierungskritiker - vielmehr zu einem der sichtbarsten Bereiche, in denen sich die Krafte des Widerstandes gegen die sich sukzessive durchsetzenden Globalisierungstendenzen biindeln (vgl. KRAMER 2001, STEINMETZ 2001, ZUKRIGL 2001 und
BREIDENBACH/ZUKRIGL 2002). Vor diesem Hintergrund kann Kuitur dezidiert als Bezugsrahmen fungieren, wobei eine weitergehende Instrumentalisierung von Kuitur mit einem neuen Bewusstsein fiir die eigenen Spezifika einhergeht. STEINMETZ (2001, S. 108) vermerkt in diesem Kontext: „Zugehorigkeit zu einer bestimmten Kuitur schiitzt oder kann schiitzen nicht nur gegen Heimatlosigkeit und Entwurzelung, sondern erlaubt auch so etwas wie Selbstvergewisserung, beinahe so etwas wie Sicherheit angesichts einer auswuchernden Delokalisierung des Einzelnen, des „disembedding" („Entbettung"), wie Anthony Giddens es genannt hat." Gerade
Kultur, Interkulturalitat und interkulturelle Kompetenz
61
eine (ibermaCige Herausstellung kultureller Eigenheiten birgt aber auch die Gefahr einer Verabsolutierung kultureller DifFerenzen, die eine zunehmende Normalitat des Fremden, welche mit einem Verwischen der Grenzen zwischen Eigenem und Fremdem einhergeht, konterkariert (vgl. in diesem Zusammenhang auch Kapitel III.4). In den kulturwissenschaftlichen Diskursen der letzten Jahre hat sich nach und nach die Erkenntnis durchgesetzt, dass Kulturen angesichts fortschreitender internationaler Vernetzungstendenzen keine homogenen, in sich geschlossenen Gebilde mehr darstellen, wobei sich in diesem Kontext natiirlich sofort die Frage aufdrangt, ob sie dies jemals waren. Vielmehr spricht man aufgrund eines zunehmenden Austausches zwischen den Kulturen, der mit einer wechselseitigen Durchdringung unterschiedlicher Strukturen und Logiken einhergeht, von Hybridisierung respektive Kreolisierung, die zu einer sukzessiven Unterminierung nationalstaatlicher Ordnungen fiihren kann (vgl. DRECHSEL/SCHMIDT/GOLZ 2000, HANSEN 2000a und BREIDENBACH/ZUKRIGL 2002). Das Wort „kann" ist in diesem Zusammenhang durchaus bewusst gewahlt, hat doch der letzte Golfkrieg einmal mehr bewiesen, dass - zumindest auf einer politischen Ebene - nationalstaatliches Agieren kein ausschliefiliches Relikt vergangener Zeiten darstellt. Vor dem Hintergrund der oben skizzierten Tendenzen sind auch die Reflexionen von WELSCH (1999/2000) zu sehen, der mit seinem Transkulturalitatsansatz - der in expliziter Abgrenzung zum traditionellen Kulturbegriff entwickelt wurde - fiir eine Neukonzeptionalisierung von Kultur eintritt. In diesem Kontext pladiert er unter anderem dafur, Kulturen jenseits des Gegensatzes von Eigen- und Fremdkultur zu denken, da seiner Ansicht nach eine Trennscharfe zwischen den jeweiligen Polen nicht mehr gegeben sei. Insbesondere eingedenk Migration und neuer Kommunikationstechniken gibt es fiir Welsch - wobei er in diesem Punkt durchaus einraumt, dass er iibertreibt - nichts mehr originar Fremdes respektive Eigenes. Authentizitat sei allenfalls Folklore beziehungsweise simulierte Eigenheit. Es ist sicherlich das zentrale Verdienst von Welsch, dass er deutlich die unbestreitbare Verbundenheit und Verflochtenheit heutiger Kulturen aufgezeigt hat, die folgerichtig nicht mehr mit traditionellen KulturbegrifFen in Einklang zu bringen sind. Dabei kreist sein Ideal, wie DRECHSEL (1999) konstatiert, um einen Zustand jenseits kultureller DifFerenzen, tm^pax transculturUy in der die entsprechenden DifFerenzen zum sich selbst transzendierenden Medium eines neuen, transkulturellen Lebensspiels geworden sind und die in letzter Konsequenz in eine Aufhebung der Kongruenz zwischen Territorium und Kultur miinden. Zweifelsfrei sind die Rander heutiger Kulturen difFuser und durchlassiger geworden, doch gibt es nicht auch umgekehrt das Phanomen, auFdas STEINMETZ (2001) hinweist, dass Menschen - wie wir tagtaglich in unserer direkten Umgebung miterleben konnen - in kulturelle Konflikte geraten, weil sie in mehreren kulturellen Kontexten leben beziehungsweise leben miissen? Weiterhin kommt hinzu, dass sich, wie DRECHSEL (1999) am Beispiel von Siidafrika nachweist, kulturelle Identitaten verstarken als auch DifFerenzen zwischen den Kulturen an Intensitat zunehmen - ganz abgesehen davon, dass es immer Mitglieder von Kulturen geben wird, die eine Abgrenzung gegeniiber Mitgliedern anderer Kulturen einfordern und somit eine zunehmende Normalitat des Fremden konterkarieren (siehe auch Kapitel III.4). Und fimgiert nicht verschiedentlich - wie TERKESSIDIS
62
Kapitel III
(2001) im Kontext reaktionarer Forderungen nach ,Leitkultur' aufeeigt - jener oft und nicht zuletzt von Welsch gescholtene Herder als Pate hiesiger Kulturdiskussionen? Der Transkulturalitatsansatz zeichnet sich dutch einen vielfach visionaten Chatakter aus; ein Umstand, der nicht nut aus einer normativen Perspektive zu begtiifien ist, sondetn det auch dezidiert von WELSCH (2000, S. 339) - zumindest im Kontext der Makroebene, also jener Ebene der Kulturen - eingeraumt wird: „Man mag meinen, ich wiirde iibertreiben. Gew^iss. Aber erstens muss man, wenn man iiberhaupt etwas sagen will, iibertreiben. Und zweitens ist Ubertreibung ein Prinzip der Wirklichkeit selbst; die morgige Wirklichkeit w^ird die Ubertreibung der heutigen sein. Das ist es, was man Entwicklung nennt." Zu dieser Aussage kann man stehen wie man will, die zentrale Frage ist nut, ob die von Welsch skizzierten transkulturellen Strukturen in der Realitat bis dato eher eine Ausnahme - sozusagen ein Vorbote zukiinftiger Entwicklungen - oder vielmehr eine ubiquitare Selbstverstandlichkeit verkorpern. Trotz Bedenken, dass DifFerenzdiskurse unter Umstanden auf Ausgrenzungstendenzen hinauslaufen konnten - was aber anwendungsorientiert denkende Interkulturalisten mittels Vermittlung von cultural awareness beziehungsweise interkultureller Kompetenz gerade nicht intendieren - , kommt man dennoch nicht umhin, den Kern dieser Diskurse, die Frage nach Zugehorigkeit und Identitat, ernst zu nehmen. So schreibt die in Afrika aufgewachsene, in den Vereinigten Staaten ausgebildete und in Grofibritannien lehrende Inderin BRAH (1996, S. 234), die geradezu paradigmatisch eine transkulturelle Vita verkorpert: „Culture is essentially process, but this does not mean that we cannot talk about cultural artifacts, such as those understood in terms of customs, traditions and values." Kulturelle Differenzen sind das Resultat historischer Prozesse und koUektiver Wiederholungshandlungen, wobei nicht die kulturellen Praxen an sich die DifFerenz kreieren, sondern der ihnen zugeschriebene Sinn innerhalb bestimmter okonomischer, kultureller und politischer Domanen. So wichtig es einerseits ist, artikulierte Bedenken beziiglich eventueller Ausgrenzungstendenzen ernst zu nehmen, so wichtig ist es gerade angesichts zunehmender Migrationsstrome - andererseits, das Vorhandensein kultureller Gruppierungen als Tatsache anzuerkennen und sich nicht in Theorien jenseits empirischer Wirklichkeit zu fliichten (vgl. MOOSMULLER 2000). Das Konzept der Trankulturalitat miisste sich - wie DRECHSEL (1999, S. 179) konstatiert - „mit radikalen Differenzen und kulturellen Inkommensurabiiitaten versohnen lassen. Es ist sonderbar, da6 Welsch dies hinsichtlich der Kulturen iibergeht, obwohi er es in seinem Fiauptwerk zur postmodernen Philosophic, der »Transversalen Vernunft«, im Hinblick auf Rationalitatstypen geleistet hat. (...) Im Kapitel zur Interkulturalitat weist er ausdriicklich auf die Diversitat der Rationalitatstypen hin, doch im Bereich der Kulturen scheinen Briiche und Abgriinde plotzlich verderblich und ein Anzeichen von bornierter Kulturtiimelei zu sein." Bevor im nachfolgenden Kapitel die vielfach beschworene Renaissance kultureller Fragestellungen vor dem Hintergrund der Diskurse um einen cultural turn erortert wird, soUen abschlief$end die zentralen Grundannahmen des dieser Arbeit zugrunde liegenden Kulturverstandnisses dargelegt werden:
Kultur, Interkulturalitat und interkulturelle Kompetenz
63
Kultur wird - im Sinne der Praambel von FORAREA - als Produkt und Prozess gesehen, wobei Kultur menschliches Handeln beeinflusst und ebenso von menschlichen Handlungen generiert wird. In diesem Kontext soil Kultur weder vor dem Hintergrund postmodern-dekonstruktivistischer Diskurse aufgelost werden, noch eine unkritische Rezeption traditioneller KulturbegrifFe stattfinden. Wahrend einige Wissenschaften, etwa die Philosophic, eine eher selbstreflektorisch-ideologiekritische Perspektive einnehmen, verfolgen andere Wissenschaften, beispielsweise die Okonomie, eine eher pragmatisch-erklarende Perspektive. Fiir das im Rahmen dieser Arbeit vertretene Kulturverstandnis sind beide Positionen gleichermafien relevant, kann es doch weder darum gehen, ein rein intellektuelles Konzept zu vertreten, das sich einer Operationalisierung widersetzt, noch ausschliefilich auf ein rein anwendungsbezogenes Konzept zu setzen, das einer Verflachung Vorschub leistet (vgl. MOOSMULLER 1999). Kultur ist, zumindest auf einer impliziten Ebene, funktionsbehaftet: Sie kann den jeweiligen Akteuren Orientierung und Identitat stiften, zudem erleichtert sie, im Sinne einer Komplexitatshandhabung, das Zusammenleben von Individuen einer sozialen Einheit. Kultur dient aber auch - und dieser Umstand soUte nicht nur abgelehnt, sondern nachdriicklich, sofern iiberhaupt moglich, iiberwunden werden - als bewusst instrumentalisiertes Mittel zur Ab- und Ausgrenzung. Kultur setzt vor dem Hintergrund ihrer Prozesshaftigkeit, die gerade in der heutigen Zeit angesichts fortschreitender Globalisierungsprozesse zum Tragen kommt, eine interkulturelle Perspektive voraus, wodurch Interkulturalitat langst keinen besonderen Bereich der Kulturwissenschaft, sondern vielmehr eine konstitutive Bedingung ihres Gegenstands darstellt (vgl. DRECHSEL 1999, DRECHSEL/SCHMIDT/GOLZ 2000 und HANSEN 2000b).
Kultur ist insbesondere im internationalen Kontext ein zunehmend fluides Phanomen, das die Konturen von Kulturen - die wohl niemals als homogene Einheiten existiert haben diirften - zunehmend difFuser und durchlassiger erscheinen lasst. Nichtsdestoweniger ist es notwendig zu verstehen, dass Kultur, der in der Regel auch eine Orientierungsfiinktion zufallt, trotz oder gerade aufgrund sich intensivierender Globalisierungsprozesse an eine gewisse Territorialitat gebunden bleibt und damit weiterhin einen nicht zu unterschatzenden Einfluss auf Werte und Einstellungen respektive Denken und Handeln von Menschen ausiibt (vgl. MOOSMULLER 1996/1999 und STEINMETZ 2001). Kultur ist nicht nur vor dem Hintergrund theoretischer Diskurse zu sehen, sondern verlangt auch - besonders im Rahmen interkultureller Fragestellungen - , die konkrete Alltagspraxis in den Blick zu nehmen. In diesem Zusammenhang kann nicht ausschliefilich das Verstehen anderer Kulturen hilfreich oder gar ausschlaggebend sein, sondern vielmehr die jeweiligen Interaktionen mit ihnen. Vor diesem Hintergrund konnen Verstehensprozesse allenfalls ein erster Schritt sein, die im Idealfall zu Fortschritten in den jeweiligen Interaktionen fuhren (vgl. WELSCH 1999/2000 und BUKOW 2002). Kultur respektive deren Relevanz im Kontext interkultureller Interaktionen wird haufig nicht zuletzt im Bereich internationaler Geschaftsbeziehungen - unterschatzt. Im Rahmen der vorliegenden Studie wird davon ausgegangen, dass der Umgang mit kulturbedingten Differenzen hinsichtlich Einstellungen und Handlungsweisen nur bedingt auf Basis einer
64
Kapitel III
abstrakten Toleranz moglich ist. Vielmehr bedarf es interkultureller Kompetenz, die ein nicht zu unterschatzender Erfolgsfaktor darstellt, um effizient und angemessen mit Partnern interagieren zu konnen, die einen divergierenden kulturellen Background aufweisen (vgl. COLLIER 1989/2000, THOMAS 1993/1999, MOOSMULLER 1996/1997 und STUDLEIN
1997). Kultur soilte im internationalen Kontext - und nicht zuletzt im Sinne des Leitkonzeptes von FORAREA - als Ressource begrifFen werden, wobei sich mit den entsprechenden kulturellen DifFerenzen nicht nur neue Anforderungen fur die betrofFenen Akteure einstellen, sondern auch dezidiert potentielle Wettbewerbsvorteile ergeben konnen. Kultur respektive deren Wahrnehmung ist in der Regel an DifFerenzerfahrungen und damit einhergehend an entsprechende Fremd- und Selbstthematisierungen gebunden; ein Umstand, der - wenn er schon nicht auFgelost werden kann - zumindest einer kontinuierlichen Reflexion bedarf Im Kontext interkultureller Begegnungen kann es daher nicht sosehr darum gehen, wie die jeweils andere Kultur ,wirklich' ist, sondern wie sie von den jev^eiligen Akteuren wahrgenommen wird und wie entsprechende Wahrnehmungsmuster gedeutet und in Handeln umgesetzt werden (vgl. ROTH 1996 und SCHMIDT/PROMBERGER 1999).
III.2
Cultural turn - Renaissance des Kulturellen i n d e n Humanwissenschaften?
„In Zeiten der Kultur steht jeder Mensch an seiner richtigen Stelle." Paul Ernst Kulturspezifische Debatten sind in der heutigen Zeit langst nicht mehr primar auf Vertreter der scientific community beschrankt, sondern erfreuen sich auch in einer breiteren OfFentlichkeit zunehmender Beliebtheit. HUNTINGTON und sein „Clash of Civilizations" (1993), der immer dann besonders gerne rezipiert wird, wenn wieder einmal ein Anschlag auf das Konto muslimischer Glaubensanhanger zuriickgefuhrt wird, ist das wohl bekannteste, wahrlich aber nicht das einzige Beispiel. Im akademischen Kontext spricht man vor dem Hintergrund einer sich verstarkenden konzeptionellen Ausrichtung zahlreicher Humanwissenschaften auf kulturrelevante Aspekte anthropogener Lebensbedingungen und Praktiken von einem cultural turn. Angesichts seiner nicht zu unterschatzenden Implikationen auf die Humanwissenschaften und nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Verhaltnisses von Kultur und unternehmerischem Handeln (vgl. PuTZ 2003a/2003b) sollen im Folgenden zentrale Aspekte des cultural turns aufgerollt werden. Zunachst einmal gilt festzuhalten, dass es sich beim cultural turn und der mit ihm implizierten starkeren Ausrichtung von Forschungsaktivitaten auf kulturrelevante Themenkomplexe keineswegs um einen eindeutigen, homogenen und klar definierbaren Terminus handelt, sondern
Kultur, Interkulturalitat und interkulturelle Kompetenz
65
vielmehr um einen komplexen DachbegrifF, der eine nicht zu unterschatzende Vielfalt an unterschiedlichen und nicht immer widerspruchsfreien theoretischen und methodischen Ansatzen umfasst. CRANG (1997) spricht in diesem Zusammenhang im Plural von cultural turns. Langst verbirgt sich hinter dem Phanomen cultural turn eine facherubergreifende Bewegung, die - ausgehend von entsprechenden Trends innerhalb der Ethnologie, verstarkt durch den postkolonialen Selbstbehauptungsdiskurs und nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer zunehmenden Sensibilisierung fiir kultureile Divergenzen im Spannungsfeld fortschreitender Globalisierungsund Regionalisierungstendenzen - eine beachtliche Bandbreite unterschiedlicher Phanomene subsumiert. Zu diesen zahlen unter anderem die explizite Einbeziehung kultureller Forschungsgegenstande, die Beriicksichtigung kultureller Einfliisse auf Gesellschaft und Okonomie, die Verwendung qualitativer beziehungsweise interpretierender Methoden, die Akzentuierung des Idiographischen sowie eine kritische Distanz gegeniiber strukturalistischen Erklarungsansatzen (vgl. LACKNER/WERNER 1998 und BLOTEVOGEL 2003).
In der wissenschaftshistorischen Diskussion um den cultural turn wird haufig iibergangen, dass bereits Ende des 19. Jahrhunderts ein erster cultural turn vonstatten ging, der - eingebettet in die so genannte Historismusdebatte - eine Emanzipation der Geistes- von den Naturwissenschaften intendierte. Primar auf einer methodologischen Ebene angesiedelt, bestand die von Wilheim Dilthey vorgetragene und von Max Weber schUeKlich umgesetzte Forderung darin, dass fiir die Erforschung aller anthropogen hervorgebrachten Aufierungen das Verstehen das angemessene Verfahren der SinnerschlieKung darstellt. Mit dieser dezidierten Abgrenzung vom naturwissenschaftlichen Anspruch der (Kausal-) Erklarung wurde fiir die Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften nunmehr ein eigenstandiger Bereich wissenschaftlicher Forschung erschlossen, der die Entstehung der Kulturwissenschaften prinzipiell erst ermoglichte (vgl. WERLEN 2003). Auf diese wissenschaftstheoretischen Vorleistungen konnten sich die sich peu a peu emanzipierenden geisteswissenschaftlichen Disziplinen argumentativ stets beziehen. Die zweite kulturalistische Wende, auf die sich die Ausfuhrungen in diesem Kapitel konzentrieren, ist untrennbar mit der raumlichen und zeitlichen Entankerung der sozial-kulturellen Praxis vor dem Hintergrund einer fortschreitenden Globalisierung verbunden, die in zunehmendem Mafie unsere sozialen Interaktionen aus ihren ortsgebundenen Interaktionszusammenhangen lost (vgl. GiDDENS 1995). WERLEN (2003, S. 42) schreibt in diesem Kontext: „Die als Konsequenz der raumlichen und zeitlichen Entankerungen angesprochene kultureile Vielfalt lokaler Kontexte wird in der jiingsten Kulturalismusdebatte zu einem zentralen Thema gemacht. Die Erfahrung der kulturellen Vielfalt verlangt auf der Alltagsebene nach kultureller Kompetenz. (Kulturelles) Fremd-Verstehen ist damit nicht nur in der Feme, sondern auch in der Nahe gefordert." Der zweite cultural turn geht nicht nur mit einem interpretativ-konstruktivistischen Kulturverstandnis einher, das eine verstarkte Hinwendung zur Hermeneutik einlautet, sondern nimmt auch Abschied von einem Kulturverstandnis, das im Sinne des traditionellen kulturgeographischen Paradigmas von der Landerkunde bis zur Kulturerdteillehre von territorial verankerten und primar mit materiellem kulturellen Substrat etikettierten Lebensraumen ausgeht (vgl. LACKNER/WERNER 1998 und BOECKLER/LINDNER 2000).
66
Kapitel III
Die Griinde fiir eine sukzessive Diffusion des zweiten cultural turns in den Humanwissenschaften lassen sich, in Anlehnung an BLOTEVOGEL (2003), in wissenschaftsexterne und wissenschaftsinterne Griinde aufteilen, die nachfolgend kurz skizziert werden soUen. Kommen wir zunachst auf die wissenschaftsexternen Griinde zu sprechen: Das Ende des Koionialismus in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg evozierte in weiten Teilen der scientific community zunehmend ein Bewusstsein, dass ein Grofiteil der bislang stattgefundenen Forschung in den kolonisierten Landern aus der Perspektive einer wesdichen Kulturhegemonie entstanden war. Einen weiteren zentralen Impetus gab das Koilabieren des Ost-West-Dualismus, der ein ideologisches Vakuum hinterlieE, das durch eine verstarkte Ethnisierung der politischen Diskurse gefiillt wurde und zu einer Renaissance kulturraumspezifischer Konzepte fuhrte (vgl. MENZEL 1998). Von zentraler Bedeutung sind weiterhin eine deutliche Zunahme weltweiter Mobilitat sowie eine verstarkte globale Prasenz bestimmter Massenmedien, die eine nicht zu unterschatzende RoUe fiir die Bewusstwerdung kuitureller Divergenzen impiizieren. Weitere wichtige Aspekte markieren eine zunehmende Relevanz expressiver, asthetisierter Lebensaufierungen anstelle tradierter normengebundener Verhaltensweisen - Stichwort: struggle for distinction - sowie eine verstarkte Auflosung der Grenzen zwischen den institutionellen Ordnungssystemen von Wirtschaft und Kuitur; ein Umstand, der sich nicht zuletzt darin widerspiegelt, dass zunehmend Kultur okonomisiert und Okonomie kulturalisiert werden. Mit Bezug auf die wissenschaftsinternen Griinde ist zu konstatieren, dass es vor allem die Krise der Geisteswissenschaften an sich und die damit einhergehenden Versuche einer Neubestimmung als Kukurwissenschaften waren, die eine Diffusion des cultural turns begiinstigten. In diesem Zusammenhang seien exemplarisch die sprachanalytische Wende, die Phanomenologie, der Konstruktivismus und die Postmoderne erwahnt, die in der Wissenschaftstheorie die Grundfesten der modernen, von den Naturwissenschaften entscheidend beeinflussten Epistemologie erschiitterten und zu einer neuen Hermeneutik fiihrten. Diese Hermeneutik setzt am Sinnverstehen des Alltagsbewusstseins und der lebenswelthchen Praxis der Menschen an und untersucht die sinnhafte Produktion der Welt durch die symbol- und zeichengeleitete Handlungspraxis. Welche Tendenzen und Impiikationen bringt der cultural turn fiir die Kulturgeographie mit sich? In HinbUck auf die Methoden gilt zunachst festzuhalten, dass vor dem Hintergrund des sozialen und kulturellen Konstruktcharakters geographischer Wirklichkeiten qualitative Methoden, wie etwa teilnehmende Beobachtung oder probiemzentriertes Interview, zunehmend an Bedeutung gewinnen. Seibstredend erfordern entsprechende Ansatze vom Forschenden eine erhohte Selbstreflexivitat, die gerade im Kontext von area studies ein verstarktes ,Forschen mit' anstatt eines ,Forschens iiber' impiizieren soUte (vgl. LACKNER/WERNER 1998). Auf einer inhaltlichen Ebene lasst sich eine forcierte Hinwendung geographischer Forschung zu kulturwissenschaftlichen Fragestellungen beobachten, die - insbesondere vor dem Hintergrund eines gewandelten Kulturverstandnisses - einen Perspektivenwechsel induziert hat, der beispieisweise Wirtschaftssubjekte als handelnde Akteure ernst nimmt anstatt sie einseitig auf die Rolle eines homo oeconomicus zu reduzieren (vgl. BLOTEVOGEL 2003). Besonders erfreulich stellt sich fiir die kulturgeographische Forschung im Kontext des cultural turns der Umstand dar, dass die Grenzen zu den kultur- und gesellschaftswissenschaftlichen Nachbardisziplinen durchlassiger
Kultur, Interkulturalitat und interkulturelle Kompetenz
(fJ
geworden sind. Dabei bieten sich vor allem im Rahmen von area studies interdisziplinare Kooperationen an, um konsequent an einer Erschliefiung der Konstitution und Reproduktion des Kulturellen zu arbeiten (vgl. LACKNER/WERNER 1998 und WERLEN 2003). Die vorliegende Studie ist ebenfalls vor dem Hintergrund der skizzierten Tendenzen und Implikationen des cultural turns zu sehen: Zum einen folgt sie auf einer inhaldichen Ebene jener oben skizzierten verstarkten Hinwendung geographischer Forschung zu kulturwissenschaftlichen Fragestellungen, indem anerkannt wird, dass okonomisches Handeln in einen regionalen beziehungsweise kulturellen Kontext eingebunden ist. Zum anderen ofFnet sie sich auf einer methodischen Ebene dezidiert qualitativen Methoden, die das interpretierende Sinnverstehen fokussieren. AbschlieCend steilt sich die Frage, ob man angesichts der tief greifenden Tendenzen und Implikationen des cultural turns bereits von einem Paradigmenwechsel im Sinne KUHNS (1973) sprechen kann, der in der angelsachsischen Geographie eine mit neuen Inhalten gefiillte new cultural geography etabliert hat (vgl. MEYER 1999). Blotevogel weist beziiglich der deutschsprachigen Humangeographie zu Recht darauf hin, dass die empirische Basis fiir eine entsprechende Bewertung noch entschieden zu schmal ist, um dann fortzufiihren: „Es kann jedoch kein Zweifel daran bestehen, dass die Kulturalisierung der Humangeographie inzwischen auch im deutschsprachigen Raum soweit vorangeschritten ist, dass die aus dem cultural turn hervorgegangene Neue Kulturgeographie inzwischen eine prominente Position in der aktuellen Paradigmen-„Landschaft" des Faches einnimmt." (BLOTEVOGEL 2003, S. 21). Mag die Kulturalisierung der Humangeographie inzwischen weit fortgeschritten sein, so ware es dennoch voreilig, bereits von einem dominierenden kulturalistischen Paradigma im Sinne von Kuhn zu sprechen. Nach wie vor zeichnet sich die Situation innerhalb des Faches durch eine erstaunliche Paradigmenvielfalt aus (vgl. WEICHHART 2000), die von den meisten Fachvertretern eher als Belebung denn als Hypothek verstanden wird (vgl. WARDENGA 2000 und WERLEN 2000).
IIL3
Kultur als Faktor i m Kontext des internationalen Managements
„Die Konzentration auf das Nur-Okonomische im uberkommenen Sinn fuhrt auf Dauer zu einer geistigen Verengung, mit der Manager sich disqualifizieren." Alfred Herrhausen Alfred Herrhausen, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, zahlt aus einer unternehmensspezifischen Perspektive fraglos zu den bedeutendsten deutschen Nachkriegsmanagern, da er bereits zu einem friihen Zeitpunkt internalisiert hatte, dass Unternehmensfiihrung, im Sinne von MACHARZINA (1999), das Ganze verantwortet. Nach der Ermordung von Herrhausen durch Mitglieder der Roten-Armee-Fraktion diirfte so manchem Zeitgenossen bewusst geworden sein, welches intellektuelle wie moralische Vakuum der einstige Vorstandsvorsitzende hinterlassen hat - insbesondere dann, wenn man sich die Chuzpe seiner Nachfolger im grofiten deutschen Bankinstitut in Erinnerung ruft, die man nicht zuletzt mit dem englischen Wort
68
Kapitel III
Peanuts respektive mit einer im Kontext eines Strafprozesses bekundeten Gestik verbindet, die Churchill einst zur Aufmunterung seiner kriegsgedemiitigten Landsleute instrumentalisierte. Macht man sich eine holistische Perzeption von Unternehmensfiihrung zu Eigen, so kommt man in einer zunehmend vernetzten Welt nicht umhin, sich verstarkt mit kulturellen Aspekten auseinander zu setzen. Die verstarkte Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten vor dem Hintergrund einer fortschreitenden Globalisierung (vgl. insbesondere Kapitel II.3) bringt es mit sich, dass kulturelle Unterschiede, die die Unternehmensfiihrung in vielfaltiger Art und Weise pragen, immer augenscheinlicher zu einem Diskussionstopos in Wissenschaft und Praxis werden (vgl. HOLZMULLER/BERG 2002 und SCHNEIDER/BARSOUX 2003). Gerade fur die betroffenen Akteure in der Wirtschaft haben sich die entsprechenden Aufgaben und Herausforderungen in den letzten Jahren nachhaltig verandert. Sie sind jetzt nicht mehr nur mit konventionellen Problemen der Unternehmensfiihrung konfrontiert, sondern sie miissen sich dariiber hinaus mit kulturellen Unterschieden im Management auseinander setzen (vgl. KUMAR 1988); ein Faktum, das MEAD (1993, S. 4) v^ie folgt kommentiert: „(...) the ethnocentric manager who is unable to or does not v^ish to deal v^ith members of another culture is increasingly at risk of greatly restricted career opportunities. A failure in an overseas posting costs your organization money and will perhaps cost you your job." Gerade die in dieser Arbeit relevante Internationalisierung mittels bilateraler Kooperation (vgl. Kapitel II.5) impliziert, dass die jeweiligen Akteure mit interkulturellen Uberschneidungssituationen umgehen konnen und im Idealfall interkulturelle Kompetenz aufweisen (vgl. Kapitel III.6), die unter anderem Toleranz und Einfiihlungsvermogen sowie Phantasie und schnelles Orientierungsvermogen auf unbekanntem Terrain beinhaltet (THOMAS/HAGEMANN 1996 und BOSCH 1997). Die nachfolgenden Ausfiihrungen zeigen nach einem pragnanten Riickblick iiber die Entwicklung kulturspezifischer Forschung in den Wirtschaftswissenschaften die Relevanz des Faktors Kultur im internationalen Management auf Die Beriicksichtigung des Faktors Kultur im Kontext von Betriebs- und Volkswirtschaftslehre ist ein vergleichsweise junges Phanomen, insbesondere wenn man bedenkt, dass sich Kulturanthropologie und Soziologie schon seit langem mit der kulturellen Pragung des menschlichen Handelns befassen. Das wohl bekannteste Beispiel des friihen 20. Jahrhunderts markiert die Studie von WEBER (1920) iiber die protestantische Ethik und den Geist des Kapitalismus, in der der Soziologe einen engen Zusammenhang zwischen religiosen Werthaltungen und okonomischem Handeln aufzeigt. Bis weit in die zweite Halfte des 20. Jahrhunderts war die Managementlehre weitgehend einem technizistischen Paradigma mit einer funktionalistischen Sichtweise verschrieben, das Unternehmen primar auf Grundlage der Steuerungsgrofien Ertrag und Kosten analysierte. Die Griinde lagen unter anderem in einem ungetriibten Fortschrittsglauben, in dem paradoxen Bemiihen, sich das Image einer von unwagbaren Storfaktoren unbeeinflussbaren Disziplin zu wahren, sowie in der Schwierigkeit, zwischen der Sensibilitat fiir kulturelle Pragungen und der ethnozentrischen Bewertung von Kulturdifferenzen zu unterscheiden (vgl. BOSCH 1996/1997). Die nachfolgende Tabelle zeichnet in idealtypischer Form die Entwicklung der Kulturforschung im internationalen Management nach:
Kultur, Interkulturalitat und interkulturelle Kompetenz
Tab. 6:
69
Zentrale Phasen der Kulturforschung im internationalen Management
Quelle: SCHMID (1996)
Wie die Tabelle verdeudicht, unterliegt die entsprechende Forschung seit dem sukzessiven Einzug des Faktors Kultur in die Managementlehre in den 1960er Jahren einem ausgepragten Wandel, wobei die entscheidenden Impulse stets aus dem angelsachsischen Raum kamen. Dominierten in den 1960er und 1970er Jahren landerkulturbezogene Beitrage der cross-culturalrespektive der comparatwe-management-Forschungy so riickten in den 1980er Jahren in erster Linie Fragen der Unternehmungskultur in den Fokus des Erkenntnisinteresses. Erst seit den 1990er Jahren ist ein verstarktes Bemiihen festzustellen, landes- und unternehmungskulturelle Aspekte zu verbinden. Die Mitte der 1990er Jahre eingeleitete jiingste Phase zeichnet sich dadurch aus, dass sie diverse kulturelle Problemfelder integriert und, aus einer methodischen Perspektive, einer eher qualitativen Ausrichtung den Vorzug gibt (vgl. SCHMID 1996). Dieser Umstand ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Implikationen des cultural turns in den Humanwissenschaften zu sehen (vgl. Kapitel III.2), wobei in diesem Kontext auch nicht vergessen werden darf, dass eine primar quantitativ konzipierte Forschung nur bedingt der Komplexitat kultureller Systeme respektive menschlicher Verhaltensmuster gerecht werden kann. Besonders stimulierend fiir ein zunehmendes Bewusstsein in Hinblick auf interkulturelle Fragestellungen waren die Konjunkturschwankungen in den klassischen Wohlstandslandern wahrend der 1970er und 1980er Jahre, die verstarkt eine vermeintliche Uberlegenheit der eigenen Managementpraktiken in Frage stellten, worauf man den Blick vor allem nach Japan richtete, das als vergleichsweise ressourcenarme Volkswirtschaft in wenigen Jahrzehnten den Aufstieg zu einer Wirtschaftsmacht par excellence voUzogen hatte (vgl. BOSCH 1997 und DULFER 2001).
70
Kapitel III
Den unbestritten wichtigsten Pushfaktor fur eine weitgehende Akzeptanz von Kultur als betriebswirtschaftlich relevanten Einflussfaktor - MEISSNER (1997) spricht in diesem Kontext sogar von einem Paradigmenwechsel, der die Betriebswirtschaft aus ihrer reduktionistischen Orientierung befreit habe - bildeten jedoch die mit dem Globalisierungsphanomen verbundenen Implikationen (vgl. insbesondere APPADURAI 1990, ROBERTSON 1998 und DAHRENDORF
1998). Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive erforderte in erster Linie die immense Ausweitung der internationalen Geschaftsaktivitaten eine verstarkte interkulturelle Ausrichtung des Managements. Vielfach wird seit dieser Zeit die Erzielung einer interkulturellen Handlungsfahigkeit neben der Beherrschung des komplexen internationalen Unternehmensverbunds als zentrales Problem des internationalen Managements und der darauf ausgerichteten Forschung angesehen (vgl. MACHARZINA 1995). Ungeachtet eines sukzessiven „Siegeszugs" (vgl. BOSCH 1997) des Faktors Kultur in den Wirtschaftswissenschaften konnte bis zum heutigen Tag die zentrale Frage der cross-cultural-Vorschung nach Kulturgebundenheit oder Kulturneutralitat betriebswirtschaftlicher Strukturen und Prozesse nicht zufrieden stellend beantwortet werden (vgl. insbesondere MACHARZINA 1995, FISCHER 1996 und BRAUN/WARNER 2002). In diesem Kontext muss auch das Forschungsinteresse der interkulturellen Managementlehre im Lichte zweier unterschiedlicher theoretischer Ausgangspositionen betrachtet werden, deren jeweilige Uberzeugungen ganz unmittelbar das Selbstverstandnis in der Forschung bestimmen: Wahrend Vertreter der culturebound-lhtsc, die so genannten Kulturalisten, die Ansicht vertreten, dass der jeweilige kulturelle Kontext eines Raums die okonomischen Strukturen und Prozesse der dort tatigen Unternehmen beziehungsweise Akteure substantiell beeinflusst und sich dementsprechend auf deren organisatorische Gestaltung auswirkt, postulieren die Verfechter der culture-free-Jhcsty die so genannten Universalisten, Managementtechniken seien - nicht zuletzt iiber einen Verweis auf die Logik des Internationalisierungsprozesses - universell und ubiquitar und somit in letzter Konsequenz unabhangig von kulturspezifischen Einfliissen. Beide Stromungen, deren Debatten von einer aufiergewohnlichen Pluralitat gekennzeichnet sind, unterscheiden sich dariiber hinaus in ihrer AufFassung hinsichtlich des Verhaltnisses zwischen Kultur und Gesellschaft (vgl. OsTERLOH 1994 und SCHMID 1996): auf der einen Seite die Sichtweise der Universalisten, die - unter Riickgriff auf einen wesentlich engeren Kulturbegriff - davon ausgehen, dass Kultur ein Teilsystem der Gesellschaft neben anderen darstellt (Gesellschaft hat eine Kultur), auf der anderen Seite der Standpunkt der Kulturalisten, die Kultur als einen Oberbegriff sehen, der die Gesellschaft umfasst (Gesellschaft ist eine Kultur). Die divergierenden Auffassungen beider Stromungen implizieren zudem zwei kontrare Annahmen in Hinblick auf das Management: one best way im Sinne einer Monofinalitat versus several good ways im Sinne einer Aquifinalitat (vgl. KUMAR 1988).
Unweigerlich stellt sich die Frage, wie sich das entsprechende Spannungsverhaltnis zwischen den beiden Stromungen auflosen lasst. CHILD (1981) hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass sich die Universalisten primar auf Phanomene der Makroebene, etwa strukturelle Faktoren oder technologische Aspekte, konzentrieren, wahrend die Kulturalisten die
Kultur, Interkulturalitat und interkulturelle Kompetenz
71
Mikroebene in den Mittelpunkt ihres Erkenntnisinteresses riicken. Eine zweite Variante geht davon aus, dass die Frage nach der Giiltigkeit der culture-bound-lhcse beziehungsweise der culture-free-lhese davon abhangt, was innerhalb der Betriebswirtschafts- und Managemendehre betrachtet wird. In diesem Kontext werden die ,harten' Elemente der Betriebswirtschaftslehre den Universalisten und die vermeindich ,weichen' Elemente der Managemendehre den Kulturalisten zugeordnet (vgl. SCHMID 1996). In der folgenden Tabelle sind noch einmal die zentralen Charakteristika der beiden Stromungen zusammengefasst: Tab. 7:
Charakteristika des universalistischen und des kulturalistischen Ansatzes
Quelle: Modifizierte Zusammenstellung in Anlehnung an KUTSCHKER (2001) Eine abschliefiende Klarung der Kontroverse zwischen den Verfechtern der culture-bound-'These und denjenigen der culture-free-Thtse ist bisher nicht in Sicht (vgl. STUDLEIN 1997); ein Umstand, den man zumindest aus einer postmodernen Wissenschaftsperspektive durchaus begriiKen kann, da eine dadurch implizierte Forschungspluralitat eine fruchtbare Konkurrenz unterschiedlicher theoretischer Ansatze und Methoden generiert. Vielmehr zeigt sich eine Weiterentwicklung des Diskurses auf einer dynamischen Ebene in Hinblick auf die Frage, ob es im globalen Kontext vor dem Hintergrund der derzeitigen Internationalisierungsprozesse eher zu einer kulturellen Konvergenz (convergence-Thcse) oder Divergenz {divergence-Thesc) von Managementpraktiken kommt (vgl. MACHARZINA 1995, PUGH/HICKSON 2002 und BRAUN/
^^RNER 2002). Dieser Diskurs steht in engem Konnex mit der Globalisierungsdebatte und deren Inwertsetzung fiir den KulturbegrifF (vgl. Kapitel III.l). Geht man davon aus, dass das Globalisierungsphanomen einen zutiefst dialektischen Prozess verkorpert, dann soUte man ei-
72
Kapitel III
ner entsprechenden Dichotomisierung differenziert gegeniiberstehen. Ahnliches gilt selbstverstandlich auch in Bezug auf die Frage, ob man eher ein Anhanger des kulturalistischen oder des universalistischen Ansatzes ist, da ansonsten unter Umstanden falsche oder zumindest missverstandliche Vorstellungen evoziert werden. SCHMID (1996), der sich zu den Verfechtern der culture-hound-lhesc zahlt, hat zu Recht auf die starken Interdependenzen zwischen einer eher kulturinvarianten Betriebswirtschaftslehre und einem eher kulturabhangigen Management verwiesen. Dementsprechend stellt sich in letzter Konsequenz nicht mehr die Frage, ob Kultur von Reievanz ist, sondern vielmehr wie stark die Signifikanz kultureller Aspekte in den jeweiUgen Bereichen des Managements ist. Wie bereits eingangs erwahnt wurde, implizieren die fortschreitenden Internationalisierungsprozesse mit ihren komplexen Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen neue Fierausforderungen, die sich gerade aus einer interkulturellen Perspektive bemerkbar machen. AugenscheinHchstes Sinnbild dieser Entwicklungen ist eine deuthche Zunahme und VariabiUtat interkultureller Kontakte, die sich insbesondere in einem ostentativen Wandel des Anforderungsprofiis an die betroffenen Akteure widerspiegeln (vgl. Kapitel III.5). Dabei ist jede wirtschaftiiche Aktivitat, die Grenzen iiberschreitet - gleichgiikig, ob im Rahmen einer Niederlassungsgriindung, von mergers and acquisitions, Exportleistungen oder der in dieser Arbeit relevanten bilateraien Kooperationen - , notwendigerweise interkuiturell variablen Determinanten ausgesetzt (vgl. BERGEMANN/SOURISSEAUX
1996, HASENSTAB 1999 und KNAPP
1999). Ein entsprechendes managing across cultures, das inharente kulturelle Divergenzen iibersieht, laufi: Gefahr, an Effektivitat zu verlieren und im schlimmsten Fall zu scheitern. STUDLEIN (1997, S. 7) konstatiert in diesem Kontext unter dezidierter Bezugnahme auf die Unternehmensstrategie einer Kooperation: „Das Scheitern von Kooperationen, die unter Heranziehung rein wirtschaftlicher Faktoren batten erfolgreich sein miissen, aber auch die inharenten interkulturellen Problempotentiale internationaler Allianzen lassen den Schluss zu, dass ein Vorliegen von Erfolgsbedingungen wirtschaftlicher Art eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung fiir erfolgreiche Partnerschaften ist. Vielmehr kann eine - in Erganzung zu den notwendigen okonomischen - „kulturelle" Bedingung vermutet werden." Die in dieser Aussage enthaltene Erkenntnis, dass okonomische Internationalisierungsprobleme keineswegs lediglich auf ,harte' Faktoren reduziert werden konnen, lasst sich auch auf zahlreiche konkrete Fallbeispiele aus unterschiedlichen Branchen iibertragen und rechtfertigt die culture-bound-lhcse, die einen entsprechenden konzeptionellen Zugang zu interkulturellen Fragestellungen eroffnet (vgl. insbesondere BOLTEN 1999, MACHARZINA 1999 und COLLIER
2000). Ein zentraler Grund dafiir, dass Internationalisierungsgrenzen haufig falsch eingeschatzt oder sogar iibersehen werden, besteht in der Transmissionsperspektive, aus der heraus Internationalisierungsstrategien in der Regel initiiert werden: Bei diesem Verfahren steht nicht die Frage im Vordergrund, wie sich in der bilateraien Interaktion eigene „territoriale Grenzen" (GOFFMAN 1982, S. 54 ff.) herausbilden und einschlagige Verhaltensspielraume markieren, sondern die Intention, Eigenkulturelles - etwa bestimmte Organisationsprinzipien oder Fiihrungsstile - moglichst reibungslos und effizient in Fremdkulturelles zu implementieren. Um das Risiko
Kultur, Interkulturalitat und interkulturelle Kompetenz
73
des Misslingens interkultureller Interaktionen kalkulierbar zu machen, ist es notwendig, die Jewells kulturgebundenen Akzeptanzgrenzen der Interaktlonspartner zu kennen und hlnslchdlch ihrer Impllkatlonen auf das gemeinsame Handeln bestlmmen zu konnen (vgl. BOLTEN 1999). In dlesem Kontext sei angemerkt, dass gerade In multinationalen Unternehmen zunehmend erkannt wlrd, human resources als zentralen strateglschen Erfolgsfaktor zu begrelfen (vgl. HENTZE/KAMMEL 1994, CUSHNER/BRISLIN 1996 und COLLIER 2000). Angesichts der Komplexitat
dieser Thematik versteht es sich von selbst, dass interkulturelle VorbereitungsmaEnahmen, etwa interkulturelle Trainings, allenfalls ein erster Schritt auf dem Weg zu einer erfolgreichen grenziiberschreitenden Zusammenarbeit darstellen konnen (vgl. Kapitel III.5). Selbstredend ist auch das Faktum, dass Themenkomplexe, die in einen interkulturellen Kontext eingebunden sind, in der Kegel kontroverser diskutiert werden als Aussagen zu den klassischen Problemfeldern der Okonomie. Ein Umstand, der nicht zuletzt darauf zuriickzufiihren ist, dass Kulturen komplexe und sich kontinuierlich wandelnde Systeme verkorpern, die sich zudem noch in diverse mikrokulturelle Subsysteme aufgliedern (vgl. Kapitel III.l und III.4). Dieser Aspekt soUte auch stets beriicksichtigt werden, wenn man sich auf die Werke der so genannten Interkulturalisten, etwa HOFSTEDE (1982), HALL (1990) oder TROMPENAARS (1993) bezieht, die - basierend auf meta-universalistischen Grundannahmen - unterschiedliche kulturelle Dimensionen identifizieren. Das grofie Verdienst dieser Arbeiten liegt, bei aller berechtigten Kritik im Detail (vgl. diesbeziiglich insbesondere SCHMID 1996 und APFELTHALER 1998), in erster Linie darin, dass sie die Dringlichkeit einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Faktor Kultur transparent gemacht haben. Vor diesem Hintergrund ist auch MOOSMULLER (1997, S. 54) zuzustimmen, der explizit darauf hingewiesen hat, dass die entsprechenden Werke unter der Pramisse einer kritischen Rezeption im Kontext kultureller Divergenzen wichtige Impulse beisteuern konnen. Wie komplex und dementsprechend selten widerspruchsfrei Aspekte der Interkulturalitat sind, soil im folgenden Kapitel aufgeroUt werden, das sich, eingebunden in die Dialektik des Verstandnisses von Eigenem und Fremdem, mit der Thematik der Fremderfahrung beziehungsweise des Fremdverstehens beschaftigt.
III.4
Zwischen Eigenem u n d Fremdem - Fremderfahrung u n d Fremdverstehen versus Normalitat des Fremden
„Fremd ist der Fremde nur in der Fremde." Karl Valentin Was verbindet den bayerischen Volksschauspieler und Komodienautor Karl Valentin, dessen literarisches Erbe vorwiegend mit Miinchner Bierschwemmen und Kleinkunstbiihnen assoziiert wird, mit dem marokkanischen Prix Goncourt-Vrdstr'iger Tahar Ben Jelloun, dessen Biicher zu den bedeutendsten Werken der jiingsten arabischen Literatur zahlen und der von der U N O mit dem Global Tolerance Award ausgezeichnet wurde? Auf den ersten Blick, mochte man meinen.
74
Kapitel III
wohl nicht viel, doch lassen wir, nachdem wir zunachst Karl Valentin mit seinem pfiffigen Aper^u den Vortritt gelassen haben, den Meister personlich zu Wort kommen - und zwar im trauten Gesprach mit seiner kleinen Tochter Meriem, die ihren Vater, wie viele Kinder in ihrem Alter, mit einigen ausgewahlten Fragen Jochert'. Anlass fiir das entsprechende Gesprach war die gemeinsame Teilnahme an einer Demonstration gegen einen Gesetzesentwurf der franzosischen Regierung, der Auslandern die Einreise und den Aufenthalt in Frankreich erschweren sollte (BEN JELLOUN 1999, S. 17 f.):
Meriem: „Was genau ist ein Fremder?" Tahar Ben Jelloun: „Der Wortstamm »fremd« bedeutet sowohl »von weit her« als auch »nicht dazugeh5rig«. Ein Fremder kommt also auch aus der Feme, aus einem anderen Land, manchmal auch nur aus einer anderen Stadt oder einem anderen Dorf. Und ein Fremder ist kein Angehoriger der Familie, des Klans oder des Stammes. Wenn heute jemand sagt, dass ihm envas »fremd« sei, dann meint er damit, dass es sehr anders ist als das, was man jeden Tag sieht, dass es demnach irgendwie ungewohnlich ist, aus der Reihe Fallt. Das Wort »seltsam« kann manchmal etwas Ahnliches ausdriicken." Meriem: „Bin ich eine Fremde, wenn ich zu meiner Freundin in die Normandie fahre?" Tahar Ben Jelloun: „Fur die Leute aus der Gegend dort ganz bestimmt, denn du kommst von weiter weg, aus Paris, und du bist zudem eine Marokkanerin. Weif^t du noch, als wir nach Senegal geflogen sind? Fiir die Senegalesen waren wir Fremde." Meriem: „Aber die Senegalesen batten keine Angst vor mir und ich auch nicht vor ihnen!" Tahar Ben Jelloun: „Das stimmt, denn deine Mutter und ich batten dir erklart, dass du vor Fremden keine Angst zu haben brauchst, ganz egal, ob sie reich oder arm, grof^ oder klein, weif? oder schwarz sind. Vergiss das nicht! Jeder von uns ist ein Fremder oder ein Auslander fiir jemand anderen, denn Menschen aus einer anderen Kultur oder Gegend empfinden uns immer als fremd, als seltsam." Die Auseinandersetzung mit der Fremde respektive mit dem Fremden zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Menschheit und kann - wie zu Beginn dieses Kapitels - Personlichkeiten zusammenfiihren, die in Kombination zunachst einmal eher paradox erscheinen. Doch kann man in der heutigen Zeit, an der Schwelle zum dritten Jahrtausend, und vor dem Hintergrund fortschreitender Globalisierungsprozesse im Sinne einer Raum-Zeit-Verdichtung und der mit ihr implizierten Zunahme interkultureller Kontakte iiberhaupt noch von der Fremde oder dem Fremden sprechen? Gibt es nicht vielmehr bereits eine gewisse Normalitat des Fremden (vgl. FIUNFELD 1996), moglicherweise sogar einen sukzessiven Abschied von ihr, die allenfalls als Klischee-Fremdheit zu einer strategischen Spielmarke mutiert (vgl. TERKESSIDIS
Kultur, Interkulturalitat und interkulturelle Kompetenz
75
2002)? Die nachfolgenden Ausfiihrungen beleuchten einige zentrale Facetten des komplexen Forschungsbereichs Interkulturalitat, wobei ein Schwerpunkt auf den Aspekten Fremderfahrung beziehungsweise Fremdverstehen liegt. In diesem Kontext wird nicht nur der Frage nachgegangen, was sich hinter dem mehrdimensionalen Phanomen der Fremde verbirgt, sondern auch, inwieweit man angesichts weltweiter Transformationsprozesse bereits von einer gewissen Normalitat des Fremden sprechen kann. Des Weiteren gewahrt das Kapitel einen Einblick in die Stereotypenforschung, die in engem Konnex mit der entsprechenden Thematik steht. Interkulturalitat und die mit ihr untrennbar verbundenen Aspekte Fremderfahrung und Fremdverstehen zahlen nicht erst seit der im Kontext des cultural turns feststellbaren Renaissance kultureller Fragestellungen zu den popularsten und umstrittensten Sujets, die mit Kultur zu tun haben, vielmehr gab es bis dato eine ganze Reihe prominenter Vorganger, die sich Gedanken iiber das Fremde gemacht haben; man denke beispielsweise an Goethe (West-ostlicher Divan), Lessing (Nathan der Weise) oder Boll (Das irische Tagebuch). Nichtsdestoweniger wird bis in die heutige Zeit beklagt, dass Interkulturalitat nur unzureichend definiert worden sei und die entsprechende Forschung erst am Anfang stiinde. Weitgehend unumstritten ist hingegen der Umstand, dass Interkulturalitat dutch eine DifFerenzerfahrung zwischen Eigenem und Fremdem charakterisiert wird, wobei interkulturelle Kontakte stets mit einem Uberschreiten von Systemgrenzen einhergehen, da divergierende Codes, Konventionen, Einstellungen und Verhaltensmuster zumTragen kommen (vgl. MALETZKE 1996, WALDENFELS 1999/2000, HANSEN 2000a/2000b, STEINMETZ 2001 und BOESCH 2003).
Wer sich mit Aspekten der Fremderfahrung und des Fremdverstehens vor dem Hintergrund kultureller Divergenzen beschaftigt, kommt nicht umhin, darauf hinzuweisen, dass es im Rahmen interkultureller Fragestellungen nicht primar um den Vergleich von Kulturen - die sich zudem, wie bereits skizziert, seit jeher durchdringen und aufierst heterogene und prozessuale Systeme darstellen - geht, sondern um die Interaktion zwischen ihnen. Im Zentrum des Erkenntnisinteresses einer relationalen Kulturwissenschaft namens Interkultureller Kommunikation, die sich als ausgesprochen interpretative und diskursive Disziplin versteht, steht stets die Frage, was geschieht, wenn Akteure mit verschiedenen kulturellen Codes, Konventionen, Einstellungen und Verbaltensmustern untereinander kommunizieren und sozial interagieren. In diesem Kontext geht es ihr nicht um eine Einebnung kultureller Divergenzen zugunsten kultureller Universalien, sie setzt sich jedoch durchaus fiir eine Uberwindung monokultureller und ethnozentrischer Sichtweisen ein. Die entsprechende Forschung ist dabei permanent mit dem Spannungsverhaltnis zwischen der realen Komplexitat von kulturellen Systemen und menschlichem Verhalten sowie der notwendigen Eigenschaft des Menschen, diese Komplexitat in seiner Wahrnehmung zu reduzieren und iiberschaubare Kategorien zu bilden, konfrontiert: Steht auf der einen Seite die Komplexitat und Dynamik kultureller Makrosysteme (etwa auf nationalstaatlicher Ebene) mit all ihren mikrokulturellen Subsystemen (beispielsweise Regional- und Subkulturen), so steht dieser Komplexitat die Neigung des Menschen gegeniiber, sowohl von der eigenen, aber noch viel ausgepragter von der fremden Kultur simplifizierte - in Anlehnung
IG
Kapitel III
an LipPMANN (1964) -pictures in our heads zu entwickeln und zu tradieren (vgl. ROTH 1996 und VESTER 1996); ein nicht zu unterschatzender Aspekt, auf den im Verlauf dieses Kapitels noch naher eingegangen wird. Wie EscHER (1999) im Kontext seiner Reflexionen iiber das Fremde konstatiert, erzeugen die raumliche und zeidiche Nahe des Eigenen und Fremden ein explosives Spannungsverhaltnis, wobei gerade alltagliche Konfrontationen - die sich in der haufig problembeladenen Interaktion sich gegenseitig fremder Menschen widerspiegeln - motivieren konnen, neu iiber menschliches Handeln sowie iiber lebensweldiche Orientierungen zu reflektieren. Erst dadurch, dass unsere Lebensbereiche angesichts fortschreitender Internationalisierungsprozesse in immer geringerem Maf?e zwischen einem Jnnen' und Aufien' getrennt sind und sich folglich mehr und mehr Uberschneidungsbereiche herausbilden, wird erfahrbar, dass Fremdheit ein Beziehungsverhaltnis darstellt, das sich - so paradox es auch klingen mag - durch Nahe intensiviert. Vor diesem Hintergrund konnen die zunachst latent zugrunde liegenden Divergenzen eine soziale Bedeutung erlangen und sich zu personlichen, gruppenbezogenen, politischen, okonomischen oder kulturellen Reibungsflachen aufbauen (vgl. SCHAFFTER 1991/1997). Das Fremde ist kein objektiverTatbestand, sondern vielmehr eine Einschatzung, eine Zuschreibung, wenn man so will, eine Etikettierung nicht oder nur unzureichend vertrauter Strukturen, die subjektiv vonstatten geht und in ihrem Ergebnis selten als eindeutig einzustufen ist. Das Fremde ist letztendlich ein vergleichsweise abstraktes Konstrukt, das in Abgrenzung zum Eigenen entsteht und somit erst mit unserer Beteiligung kreiert wird. Der Gegensatz zwischen Eigenem und Fremdem entspringt keiner ausschlie{?lichen Abgrenzung, sondern vielmehr einem Prozess der Ein- und Ausgrenzung (vgl. WALDENFELS 2000). Dabei sind die Grenzlinien zwischen Eigenem und Fremdem labil und verschiebbar, sie sind integrierender Teil der Uberlieferung, in der das Eigene jeweils neu umgesetzt und das Andere, das Fremde in verschiedenerlei Hinsicht ausgegrenzt wird - letzten Endes: was hier fremd ist, kann dort vertraut sein (vgl. HAMMERSCHMIDT 1997).
Der Konstruktcharakter des Fremden im Kontext interkultureller Aspekte ist in Kreisen der scientific community spatestens seit der von SAID (1979) verfassten Studie „Orientalism" common sense-, ein Umstand, der sich auch in zahlreichen Publikationen widerspiegelt, die in die Dialektik des Verstandnisses von Eigenem und Fremdem eingebunden sind und deren Grundlage eine imaginare Geographie darstellt (vgl. HENNIG 1998, SCHERLE 2000 und SCHMIDT 2001). In diesem Zusammenhang sollte man auch stets bedenken, dass entsprechend konstruierte Identitaten - in der Regel vor dem Hintergrund kultureller Divergenzen gezimmert - haufig als Instrumente von Macht und Interessenpolitik fiangieren, in denen das Selbstverstandnis positiv und das nicht oder nur unzulanglich Vertraute des Fremden negativ besetzt werden (vgl. KRAMER 1999 und RUSEN 1999). Der manipulative Charakter entsprechender Konstruktionen hat im Verlauf der Geschichte zu den unterschiedlichsten ingroup-outgroup-Konstdhtionen gefiihrt, die, zumindest im Einflussbereich repressiver Regime, nicht selten politisch instrumentalisiert wurden und im schlimmsten Fall in Verfolgungen miindeten. Auch wenn das Eigene vielfach
Kultur, Interkulturalitat und interkulturelle Kompetenz
11
nach wie vor intakt erscheint - selbst in vermeintlich transkulturell gepragten Gesellschaften trifft man immer wieder auf die meistens nicht expressis verbis geaufierte Uberzeugung, wer nicht ,hierher*, wer nicht zu ,uns' gehort, ist fremd (vgl. TERKESSIDIS 2002) - , so lassen sich einschlagige Konstruktionen vor dem Hintergrund fortschreitender Globalisierungsprozesse immer schwieriger aufrecht erhalten. Dazu bemerkt REICH (2002, S. 183): „Je traditioneller und hegemonialer eine Kultur ihre Weltkonstruktionen als Realitat verpflichtend machen will, desto systematischer muss sie Mythen und Rituale, Praktiken, Routinen und Institutionen betreiben, die eine distanzierende Reflexion begrenzen und Liicken gegeniiber Fremdartigem schliefien. Solche Abkapselung ist gegenwartig aber nur dann in der Postmoderne viabel, wenn eine Gesellschaft oder Gemeinschaft sich fundamental der Globalisierung verweigert. Dies aber ist weltweit gesehen immer schwieriger geworden, weil die Ekstasen der Markte, der Medien und Informationen, die Wanderungsbewegungen - insbesondere der Arbeit und des Tourismus - abgekapselte Systeme massenhaft und penetrant subvertieren." Fremderfahrung schlieKt immer auch die Moglichkeit der Erfahrung ihrer Ambivalenz als Bereicherung und als Gefahr ein (vgl. WIERLACHER 1993 und BOESCH 2003). Das Fremde gilt dabei in der Regel als das Abweichende von der eigenen Norm, sozusagen als DifFerenzerfahrung, die unterschiedliche Erfahrungsmodi des Fremderlebens generiert, wobei der Fremde traditionell eine singulare und aufiergewohnliche Stellung eingenommen hat: der Exotische mittels Stilisierung, der Idealisierte mittels Ubersteigerung, der Minderwertige mittels Herabsetzung, der Ausgebeutete mittels Benutzung, der Feindliche mittels Bekampfung und der Kolonisierte mittels Unterwerfung (vgl. SCHAFFTER 1991 und HUNFELD 1996). Als das primar gesellschaftlich und psychologisch produzierte Andere kann das Fremde aufgelost werden, nicht jedoch eine systemimmanente kulturelle Verschiedenheit (vgl. MOOSMULLER 1997). Dabei nimmt, wie 'WALDENFELS (1990/1997) herausgearbeitet hat, die Fremdheit des Anderen in dem Mafie ab, in dem die Gemeinsamkeit zunimmt und die Grenzen der eigenen Lebensformen iiberschritten werden. Beste Voraussetzungen, mochte man meinen, fiir eine gewisse Normalitat des Fremden, die an der Schwelle zum dritten Jahrtausend infolge weltweiter Vernetzungstendenzen vor dem Hintergrund einer Raum-Zeit-Verdichtung Einzug halt? In der Tat, noch nie war die direkte wie indirekte Kommunikation zwischen Menschen, die einen divergierenden kulturellen Background aufweisen, so ausgepragt wie in der heutigen Zeit. Das Fremde, sofern man es verorten will, scheint ein ubiquitares Phanomen geworden zu sein. Migration, Massenmedien, Popkultur und nicht zuletzt Tourismus implizieren eine geradezu inflationare Vielfalt fremdkultureller Eindriicke und Bilder (vgl. TERKESSIDIS 2001/2002), so dass eine landlaufige Reduktion des entsprechenden Phanomens auf das Ausland obsolet geworden ist - konkret: Das Fremde spiegelt sich eben nicht nur in der indischen Tempeltanzerin mit ihrem kunstvoUen Sari vor der Stupa wider, die von einem Pauschaltouristen abgelichtet wird, sondern artikuliert sich auch im marokkanischen Unternehmer, der im Frankfurter Bahnhofsviertel einen Einzelhandelsladen betreibt, bei dem die Angestellten aus den umliegenden Geschaftsbanken ihre Besorgungen machen.
78
Kapitel III
Zumindest in westlich gepragten Industriestaaten hat sich im Laufe der Zeit eine gewisse Normalitat des Fremden durchgesetzt, was HUNFELD (1996, S. 2) wie folgt kommentiert: „Der fremde Andere ist keine aufiergewohnliche, sondern alltagliche Erscheinung, die Fremderfahrung im eigenen Kontext ist zur Normalitat geworden. Die Nachbarschaft des vielfaltig Fremden lasst sich nicht langer dominieren aus der Seibstsicherheit iiberlegener Distanz, die nicht nur raumUch inzwischen aufgelost ist. Das Fremde artikuhert sich selbst, fiigt sich nicht mehr stellvertretender Rede und will gehort werden." Ein trauriges Phanomen dieser - nichtsdestoweniger vermeintlichen - Normalitat des Fremden steUt der Umstand dar, dass es in unserer Gesellschaft nach wie vor Menschen gibt, die sich der Nachbarschaft des vielfaltig Fremden verschhefien oder sie sogar ablehnen. Als ein geradezu paradigmatisches Symbol von DifFerenzerfahrung, die in weiten Teilen der bundesrepubhkanischen Gesellschaft auf Skepsis stof?t, kann die jiingste Diskussion iiber das Kopftuch betrachtet werden. Umgekehrt wird aber auch, wie TERKESSIDIS (2002) im Kontext von Massenkultur aufgezeigt hat, das Fremde bewusst in Wert gesetzt: Werbung, Fernsehen und nicht zuletzt Popmusik sind ohne Elemente des Fremden kaum mehr denkbar, wobei das entsprechende Bediirfnis nach ,echter' DifFerenz in der Konsumsphare vorwiegend durch Klischees befriedigt wird. Auch wenn die Erfahrung von DifFerenz ein konstitutives Merkmal der Fremderfahrung darstellt, bedeutet dies keineswegs, dass Eigenes und Fremdes einander gegeniibertreten wie Monaden, die in sich abgeschlossen sind. Eigenes und Fremdes sind, wie WALDENFELS (2000, S. 250) aus einer philosophischen Perspektive aufieigt, vielmehr miteinander verflochten: „Eigenes, das mit dem Fremden gleichurspriinglich auftritt und aus der Absonderung von Fremdem entsteht, gehort einem Zwischenbereich an, der sich stets mehr oder weniger ausdifFerenziert. Am Anfang steht nicht die Einheit einer eigenen Lebensform, auch keine Pluralitat von Lebensformen und Kulturen, in denen die Einheit sich lediglich vervielfaltigt, sondern am Anfang steht die Differenz. Nicht nur das Attribut ,fremd', sondern auch das Attribut ,eigen' hat einen relationalen Charakter. Wer ware ich und was ware mir zu Eigen, wenn sich meine Eigenheit nicht von anderem absetzen wiirde? (...) Die „Urscheidung" von Eigenem und Fremdem, die sich bei Husserl ebenfalls findet [insbesondere in seinen 1950 erschienenen „Cartesianischen Meditationen", Anm. d. Verf.], allem „transzendentalen Solipsismus" zum Trotz, setzt als Prozess der DifFerenzierung eine gewisse IndifFerenz voraus. Sie setzt voraus, dass Eigenes und Fremdes bei aller Absonderung mehr oder weniger ineinander verflochten und verwickelt sind." Dieses von Waldenfels skizzierte Ineinander schlief?t eine voUige Deckung beziehungsweise Verschmelzung von Eigenem und Fremdem ebenso aus wie eine vollkommene Disparitat, wodurch weder im interpersonalen noch im interkulturellen Bereich von einem absolut Fremden die Rede sein kann. Geht man von der Pramisse einer Verflechtung von Eigenem und Fremdem aus, dann besagt dies zugleich, dass das Fremde in uns selbst beginnt und nicht auKerhalb von uns (vgl. KRISTEVA 1990, KRAMER 1999 und WALDENFELS 1999). Wer sich jetzt an Freud erinnert, der liegt insofern richtig, da entsprechende Ansatze meistens auf den Pionier der Psychoanalyse zuriickgefiihrt werden. Auch wenn die psychoanalytische Perspektive, wie HANSEN (2000a) zu
Kultur, Interkulturalitat und interkultureile Kompetenz
79
Recht konstatiert, in mancherlei Hinsicht viel zu resignativ ist, um fiir die komplexe Thematik des bilateralen Kuiturkontaktes hilfreich zu sein, so ergibt sich dock - vorausgesetzt man kann sich mit den entsprechenden psychoanalytischen Grundannahmen arrangieren - eine Denkfigur von erstaunlicher Eieganz. Lassen wir den Autor in seiner bekannt pointierten Art und Weise selbst zu Wort kommen: „Das Verhaltnis zum Fremden spiegelt das Verlialtnis zu uns seibst. Fremdenfeindlichkeit erscheint ais verscliobene Selbstverachtung, wodurch aus einem ehemals moralischen Vergehen ein psychisclier Defekt wird. Dementsprechend kann diese letzte Ursache interkulturelier Problematik nur durch eine Analyse, also die langen Lehrjahre auf der Couch, beseitigt werden, der dann aber zugetraut wird, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Durch die therapeutische Reise ins innere Ausland lose sich die verdrangte Fremdheit auf, so daf? man sich selbst kennenlernt und die negativen Projektionen auf das aufiere Fremde unterbleiben." (HANSEN 2000a, S. 320). Im Kontext interkulturelier Fragestellungen ist die so genannte Stereotypenforschung mit ihrem Erkenntnisfokus auf Images, Stereotypen und Vorurteilen von wesentlich grofierer Bedeutung als die Psychoanalyse (vgl. insbesondere BAUSINGER 1988, GAST-GAMPE 1993, HANSEN
2000a und SCHERLE 2000). Entsprechend einer Definition von BERGLER (1966, S. 100) handelt es sich bei den eben erwahnten Begriffen, die unter dem Oberbegriff „stereotype Systeme" subsumiert werden, um verfestigte, vereinfachte, gefiihlsgesattigte, dynamische, ganzheitlich strukturierte Systeme zur Bewaltigung allgemeiner aber auch spezieller Situationen personaler wie apersonaler Art in einer standig begegnenden Welt, denen jedoch eine objektive, notwendige empirische Begriindung fehlt. Sie sind das Resultat des bereits skizzierten Spannungsverhaltnisses zwischen der realen Komplexitat von kulturellen Systemen und menschlichem Verhalten sowie der immanenten Eigenschafi: des Menschen, diese Komplexitat in seiner Wahrnehmung zu reduzieren und iiberschaubarere Kategorien zu bilden. Vor diesem Hintergrund geht es bei der Interaktion von Menschen, die einen divergierenden kulturellen Background aufweisen, nicht so sehr darum, wie die jeweils fremde Kultur wirklich ist, sondern wie sie wahrgenommen wird und wie diese Wahrnehmungen gedeutet und in Handeln umgesetzt werden (vgl. ROTH 1996). Die Ambivalenz stereotyper Systeme liegt auf der Hand: einerseits weisen sie eine gewisse, nicht unumstrittene, Orientierungsfunktion im Sinne einer Komplexitatsreduktion auf, andererseits kreieren sie eine Diskrepanz zwischen objektiver Beschaffenheit von Realitat und der subjektiven Kenntnis iiber sie. Interkulturelles Fremdverstehen verlangt stets eine kritische Uberpriifiing des fiir selbstverstandlich gehaltenen eigenen Kulturdiskurses und die Bereitschaft, auf die Diskurse der anderen Kultur einzugehen. Andererseits geht es nicht allein darum, das Fremde zu verstehen, sofern dies iiberhaupt in toto moglich sein sollte, sondern es geht in gleicher Weise darum, aus der Begegnung mit dem Fremden fiir das Eigene zu lernen (vgl. STEINMETZ 2001). In diesem Kontext ist auch das von WIERLACHER (1992) vertretene erneuerte Toleranzkonzept zu sehen, das - im Gegensatz zu einer ,passiven' Toleranz des Erduldens - fiir eine ,aktive' Toleranz eintritt, die in eine Anerkennung von Pluralitat und Alteritat miindet. Unabhangig davon handelt es sich bei Toleranz weitgehend um eine Haltung respektive um ein Postulat, das dem Engagement des
80
Kapitel III
Einzelnen iiberlassen ist und darum jederzeit revidierbar bleibt. Toleranz ist somit in jeglicher Hinsicht dem Einfluss politischer Bediirfnisse und gesellschaftlicher Entwicklungen unterworfen (vgl. SCHNEIDER 1999 und STEINMETZ 2001).
Aus programmatischer Perspektive gilt festzuhalten, dass interkuiturelles Fremdverstehen vor dem Hintergrund der komplexen Herausforderungen einer zunehmend internationalisierten Alltagskultur kaum auf Basis einer abstrakten Toleranz moglich ist, sondern vielmehr einer anwendungsbezogenen interkulturellen Kompetenz bedarf. Interkulturalitat sollte man in diesem Kontext durchaus im Sinne eines interkulturellen Handelns beziehungsweise eines managing across cultures begreifen. Das nachfolgende Kapitel stellt zentrale Aspekte dieser wohl wichtigsten Aufgabe einer angewandten Interkulturellen Kommunikation vor.
III.5
Managing
across cultures - interkulturelle Kompetenz
„Zusammenkommen ist der Anfang. Zusammenarbeiten ist der Erfolg." Henry Ford Ein franzosischer Entwicklungshelfer koordiniert mit seinem spanischen KoUegen ein Wasserbauprojekt einer US-amerikanischen Entwicklungshilfeorganisation in Mali. Eine brasilianische Wissenschaftlerin forscht als Gastdozentin an einer deutschen Universitat iiber Aspekte der interkulturellen Kommunikation. Ein indischer Manager zeichnet sich fiir die Expansionsstrategie eines britischen globalplayers in der Telekommunikationsbranche verantwortlich. Eine mit einem Marokkaner verheiratete Schwabin ist Geschaftsfiihrerin einer marokkanischen Incoming-Agentur. Diese ausgewahlten Fallbeispiele machen deutlich, dass in der heutigen Zeit interkulturelle Uberschneidungssituationen fiir viele Menschen zum konstitutiven Merkmal ihres Berufsalltags gehoren. Insbesondere in Anbetracht einer zunehmenden Internationalisierung von Geschaftsaktivitaten (vgl. Kapitel II.3), die sich mit der zum 1. Mai 2004 voUzogenen EU-Osterweiterung noch einmal deutlich intensiviert hat, nehmen Diskurse iiber kulturelle Divergenzen, die die Unternehmensfiihrung in vielfaltiger Art und Weise pragen, einen immer wichtigeren Stellenwert in Wissenschaft und Praxis ein. Wahrend es seit geraumer Zeit zum akzeptierten Wissensbestand gehort, dass im Rahmen einer Auslandsbearbeitung einschlagige Planungsschritte auf der Basis einer moglichst umfassenden Analyse des kulturellen Umfelds erfolgen sollten - etwa damit die Gestaltung kulturadaquater Produkte, entsprechender Distributionskonzepte und Werbekampagnen erfolgreich vonstatten geht - , sind Vorstellungen von kulturspezifischen Fiihrungsverhalten, Motivationsmustern und Entscheidungsprozessen in weitaus geringerem Ausmaf? in die Gestaltung internationaler Managementkonzepte eingeflossen (vgl. DINGES 1983, KUHLMANN 1995 und HOLZMULLER/BERG 2002). Dieser Um-
stand diirfte nicht zuletzt darauf zuriickzufiihren sein, dass es fiir die mit interkulturellen Uberschneidungssituationen konfrontierten Akteure haufig nahe liegender und einfacher erscheint, von den eigenkulturellen Bedingungen auszugehen und diesen Orientierungsrahmen auch auf
Kultur, Interkulturalitat und interkulturelle Kompetenz
81
fremdkulturelle Umfelder zu transferieren; ein Aspekt, der untrennbar mit dem komplexen und systemimmanenten Spannungsverhaltnis zwischen Eigenem und Fremdem verbunden ist (vgl. Kapitel III.4). Mit der sukzessiven Internationalisierung des Berufsalltags wachsen nicht nur die Anforderungen an die involvierten Akteure, sondern auch die Anspriiche an berufsqualifizierende Institutionen, die vielschichtigen Konsequenzen dieses Prozesses zu analysieren und entsprechend zu reagieren. Gemeint sind insbesondere die in den letzten Dekaden verstarkt auftretenden kulturell bedingten Kooperationsprobleme, die in den einschlagigen Publikationen unter anderem mit Rufen nach so genannten ,Euromanagern' oder ,Globalpreneurs' quittiert werden - und zwar aus der Erkenntnis heraus, dass zahlreiche internationale Kooperationsprojekte vor allem darunter leiden, dass die sie tragenden Akteure zwar vielfach ausgewiesene Fachleute sind, jedoch nur unzureichend die ungemein komplexen Schwierigkeiten einschatzen konnen, die sich dutch die Zusammenarbeit von Menschen ergeben, deren Handlungen sowie Kommunikations- und Orientierungsmuster einen nicht vertrauten kukurellen Background aufweisen (vgl. MuLLER 1993, KRAMER 1999 und ROTHLAUF 1999). Dabei ist die Internationalisierung beziehungsv^eise Interkulturalitat vieler Gesellschaften bereits soweit fortgeschritten, dass man sich diesem Phanomen nur schv^er entziehen kann. THOMAS (2003b, S. 434) konstatiert in diesem Zusammenhang: „Jeder, der in einer solchen Gesellschaft lebt, der sich in ihr zurechtfinden will, der ein MindestmaS an KontroUbewusstsein behalten und sogar gestaltend eingreifen will, muss bereit und fahig sein, sich iiber andere Kulturen zu informieren, Denk- und Verhaltensweisen auslandischer Mitbiirger zu verstehen, iiber seine eigenen kulturell gepragten Merkmale zu reflektieren, ethnozentrisches Denken und Handeln abzubauen, xenophobische Einstellungen zu iiberwinden, um iiber interkulturelles Lernen interkulturelles Verstehen zu gewinnen und so interkulturelle Handlungskompetenz als Schliisselqualifikation aufbauen zu konnen." Besonders aus einer unternehmensspezifischen Perspektive ist man immer haufiger bereit, kulturelle Verschiedenheit zu akzeptieren und fruchtbar in Wert zu setzen. In diesem Kontext werden kulturelle Divergenzen nicht nur hingenommen, sondern positiv bewertet und als potentieller strategischer Wettbewerbsvorteil gesehen, wobei der entsprechende Bedarf an interkultureller Kompetenz in erster Linie vom Internationalisierungsgrad des jeweiligen Unternehmens abhangig ist (vgl. HOLZMULLER 1997 und MOOSMULLER 1997). Im Folgenden soil in Grundziigen auf den SchliisselbegrifF der interkulturellen Kompetenz eingegangen werden. In diesem Zusammenhang werden auch Aspekte aufgeroUt, die untrennbar mit diesem Terminus und der Frage verbunden sind, was geschieht, wenn Menschen mit divergierendem kulturellem Background miteinander kommunizieren und sozial interagieren: Dazu zahlen zum Beispiel interkulturelle Uberschneidungssituationen, das Phanomen des Ethnozentrismus und die Kulturschockproblematik. Die zentrale Relevanz dieses Kapitels basiert zum einen auf dem Faktum, dass die Vermittlung interkultureller Kompetenz zu den wichtigsten Anliegen des Forschungsfelds Interkulturelle Kommunikation zahlt (vgl. ROTH 1996), zum anderen ist sie vor dem Hintergrund des konzeptionellen Selbstverstandnisses des Forschungsverbunds FORAREA zu sehen, der sich dezidiert der Aufgabe verschrieben hat.
82
Kapitel III
Wirtschaftsakteuren interkulturelle Sachkompetenz zuganglich zu machen. Last but not least vertrete ich - wie bereits in meinen friiheren interkulturellen Publikationen aufgezeigt (vgl. ScHERLE 200lb/2003/2004) - den Standpunkt, dass sich die Auseinandersetzung mit kultureller DifFerenz nicht ausschlieElich auf Basis einer abstrakten Toleranz bewerkstelligen lasst, sondern vielmehr konkreter Hilfestellungen bedarf, die die betrofFenen Akteure fur die entsprechende Thematik sensibilisieren. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex interkulturelle Kompetenz weist, zumindest in Deutschland, keine lange Tradition auf. In den letzten Jahren haben vorwiegend die zunehmenden okonomischen Verflechtungen vor dem Hintergrund fortschreitender Internationalisierungsprozesse wesentliche Impulse beigesteuert, sich verstarkt diesem Sujet zuzuwenden (vgl. GLASER 1999). So sieht RUBEN (1989, S. 229), einer der profiliertesten Vertreter der interkulturellen Kompetenzforschung, den Ausgangspunkt der entsprechenden Forschungsarbeiten in erster Linie in „project failures", „botched negotiations", „early return of workers" und nicht zuletzt in „lost time and money". Auch wenn sich die interkulturelle Kompetenzforschung, gerade aus einer anwendungsbezogenen Perspektive, inzwischen zu einem Kernbereich der Interkulturellen Kommunikation entwickelt hat, so steht deren Konzeptualisierung nach wie vor in den Anfangen. Die meisten Ansatze zielen primar auf die Entwicklung von Verhaltensmerkmalen und Fertigkeiten wie Anerkennung und Wertschatzung kultureller Besonderheiten, Toleranz, gegenseitiges Verstehen, Solidaritat, Sensibilisierung fiir gemeinsame Grundwerte, Normen und kulturelle Ahnlichkeit, Entdeckung von Moglichkeiten gegenseitiger Erganzung und Bereicherung sowie den Aufbau eines interkulturellen Erfahrungs- und Handlungswissens. In diesem Kontext sollen dutch interkulturelles Lernen respektive Handeln unter anderem interkulturelle Informationsdefizite, Dominanz- und Uberlegenheitsintentionen, Bedrohungsangste, destruktive Stereotypisierungen und Vorurteile sowie latente Angste gegeniiber Fremdkulturellem abgebaut werden (vgl. KOESTER/WISEMAN/SANDERS 1993, KUHLMANN/STAHL 1998 und THOMAS 1997/2003b).
In Anlehnung an RUBEN (1989), KOESTER/WISEMAN/SANDERS (1993) und MOOSMULLER
(1997) sowie unter besonderer Beriicksichtigung des Forschungsanliegens der vorliegenden Arbeit verstehe ich unter interkultureller Kompetenz all jene Fahigkeiten und Fertigkeiten, die ein Individuum benotigt, um mit Personen einer anderen Kultur effizient und angemessen interagieren zu konnen. Effizienz impliziert in diesem Fall, dass die jeweiligen Ziele der betroffenen Akteure realisiert werden. Angemessenheit manifestiert sich in dem Umstand, dass entsprechendes Handeln nicht die Bediirfnisse der interagierenden Individuen verletzt beziehungsweise den Rahmen des in einer Kultur ,Ublichen' iiberschreitet. Diese Sichtweise von interkultureller Kompetenz bedingt, dass die Akteure sukzessive, zumindest in Ansatzen, eine Beziehungskompetenz (positive Sozialbeziehungen zu bilden und aufrechtzuerhalten), eine Informationstransferkompetenz (Informationen mit einem Minimum an Verlust und Verzerrung zu transmittieren) sowie eine Zielerreichungskompetenz, die einen bestimmten Grad an Kooperation und Einverstandnis sichert, entwickeln. Die vorliegende Konzeption von inter-
Kultur, Interkulturalitat und interkulturelle Kompetenz
83
kultureller Kompetenz geht davon aus, dass es sich um einen kontinuierlichen Lernprozess handelt, der insbesondere durch konkrete Erfahrungen, reflektierendes Beobachten, abstrakte Konzeptualisierung und aktives Experimentieren determiniert ist. Lernen im interkulturellen Kontext erfordert somit von den betrofFenen Akteuren nicht nur die Fahigkeit, sich konstruktiv mit anderen Kulturen auseinander zu setzen, sondern auch eine kulturelle Bewusstheit, die eine Einsicht in die Reiativitat der eigenkulturellen Realitat und das Vermogen, von den eigenkultureilen Perzeptionen und Wertesystemen Abstand zu gewinnen, umfasst (vgl. STUDLEIN 1997). Die bisherigen Ausfuhrungen haben deudich gemacht, dass die Aneignung interkultureller Kompetenz nicht nur einen nie enden woiienden Prozess darstelit, sondern auch einer gehorigen Portion Eigeninitiative bedarf. Vor diesem Hintergrund kann es sich allenfalis um eine graduelle Annaherung an andere Kulturen handein, nie jedoch um ein universelles Verstehen nicht vertrauter Handlungsmuster. Der bekannte engUsche Schriftsteiler Somerset Maugham, dessen kosmopohtisches Werk immer wieder fur seine groEe Kukursensibiiitat geriihmt wird, hat in diesem Kontext einmai trefFend vermerkt: „It is very difficult to know people and I don't think one can ever really know any but one s own countrymen. For men and women are not only themselves; they are also the region in which they were born, the city apartment or the farm in which they learnt to walk, the games they played as children, the old wives' tales they overheard, the food they ate, the schools they attended, the sports they followed, the poets they read, and the God they believed in. It is all these things that have made them what they are, and these are the things you can't come to know by hearsay, you can only know them if you have lived them. You can only know them if you are them." (MAUGHAM 1972, S. 2 £). Es versteht sich von selbst, dass es im Kontext interkultureller Themenkomplexe nicht um eine Einebnung kultureller Divergenzen zugunsten kultureller Universalien gehen kann, sondern vielmehr um ein pragmatisches bridging the gap (vgl. APFELTHALER 1998) respektive managing across cultures (vgl. SCHNEIDER/BARSOUX 2003), das im Idealfall zu einer Uberwindung monokultureller beziehungsweise ethnozentrischer Sichtweisen fiihrt. Dabei fallt, gerade auf einer kommunikativen Ebene, dem entsprechenden handling kultureller Divergenzen, wie CASMIR und ASUNCION-LANDE (1989, S. 284) konstatieren, eine entscheidende RoUe zu: „Cultural differences will have a negative effect if they impede the flow of communication between participants. They will have a positive effect if they motivate two individuals to work harder at understanding each other. Thus the crux of the whole process is H O W rw/fwm/differences are managed by the participants in any act of communication. It is this phenomenon that is used to further distinguish intercultural communication from other forms or contexts of communication." Bevor ich auf ausgewahlte personale Erfolgsvoraussetzungen im Kontext interkultureller Kompetenz zu sprechen komme, soil nachfolgend auf zentrale Problemfelder interkultureller Uberschneidungssituationen eingegangen werden. Diesbeziiglich haben HENTZE und KAMMEL (1994) vor dem Hintergrund neuer Herausforderungen im internationalen Management und unter besonderer Beriicksichtigung interkultureller Fiihrungskompetenz vier Problembereiche ausgegliedert, die in der anschliefienden Abbildung naher skizziert werden:
84
Abb. 5:
Kapitel III
Problemfelder im Kontext interkultureller Uberschneidungssituationen im Arbeitsund Geschafrsleben
Zentrale Problemfelder im Kontext interkultureller Uberschneidungssituationen im Arbeits- und Geschaftsleben
Quelle: HENTZE/KAMMEL (1994) Interkulturelles Handeln - dies diirfte auch die vorangestelite Abbildung deudich gemacht haben - findet stets in einer kulturellen Uberschneidungssituation start, in der gewohnte, eigenkultureli gepragte Verbaltensweisen, Denkmuster und Emorionen mir ungewohnren Verhalrensweisen, Denkmusrern und Emorionen fremdkuirurell gepragrer Inrerakrionsparrner zusammenrrefFen. Dabei isr inrerkulrurelles Handeln in ein Kraftedreieck eingebunden, das sich aus den Dererminanren „kulrurelle Unrerschiede" (bedingr durch verschiedene Orienrierungssysreme), „individuelle Unrerschiede" (bedingr durch Personlichkeirsmerkmale und lebensgeschichrliche Enrwicklung) sowie den vorhandenen „inrerkulrurellen Kennrnissen und Erfahrungen" konsriruierr (vgl. THOMAS/HAGEMANN 1996). Ein nichr zu unrerscharzender Fakror, der inrerkulrurelles Handeln iiberlagern kann und im worst case eine Enrwicklung inrerkulrureller Komperenz erschwerr oder sogar verhinderr, verkorperr der Erhnozenrrismus. Dieser srellr sich primar dann ein, wenn Menschen mir unrerschiedlichen kulrurellen Pragungen zusammenarbeiren oder zusammenleben. Dabei implizierr Erhnozenrrismus in der Kegel eine Legirimarion beziehungsweise Verschleierung der narurgemafi gegebenen Begrenzungen des eigenen Denk- und Handlungsspekrrums. MOOSMULLER (1997) bar in diesem Zusammenhang explizir darauf hingewiesen, dass auch inrerkulrurelle Trainings nur bedingr in der Lage sind, dieses Problem zu losen. Dabei kommr es in ersrer Linie darauf an, die kogniriven und afFekriven Aspekre der durch den Erhnozenrrismus verursachren Blockaden zu begreifen
Kultur, Interkulturalitat und interkulturelle Kompetenz
85
und in sinnvoUe Trainings umzusetzen. Ein zentrales Phanomen, das im Kontext interkultureller Uberschneidungssituationen haufig iibergangen wird, markieren Machtunterschiede, die zwischen Kulturen bestehen und die sich gleichermafien in subjektiven Kuituren, alierdings unterhalb der Bewusstseinsschwelle der Kulturtrager, wiederfinden. BOURDIEU (1989, S. 14) hat diesen Gesichtspunkt wie folgt beschrieben: „Wenn also ein Franzose mit einem Algerier spricht, so sind das letzten Endes nicht zwei Leute, die miteinander reden, sondern es ist Frankreich, das mit Algerien spricht, es sind zwei Geschichten, die miteinander sprechen, es ist die ganze Kolonisation, die ganze Geschichte eines zugieich okonomischen, kuitureilen ... Herrschaftsverhaltnisses. Und dasselbe passiert zwischen einem Amerikaner und einem Franzosen." In biiateralen Interaktionssituationen mit inkongruenter Machtverteilung bleibt dem iiberiegenen Partner der Machtaspekt oftmals verborgen, da ihm der Anlass zur Reflexion, etwa dutch unangenehme Gefiihle, fehit. Dagegen falit dem unteriegenen Partner die MachtdifFerenz zwar unangenehm auf, jedoch wird auch er es in der Regei vermeiden, sich dieser fur ihn peinhchen oder gar entwiirdigenden Tatsache einer, wie auch immer gearteten, kukurellen Unteriegenheit bewusst zu werden (vgi. MOOSMULLER 1997). Wahrend im interdisziplinaren Diskurs um interkuhurelle Fragestellungen Machtaspekte nach wie vor stiefmiitterUch behandek werden, spieit die Kuiturschockthematik - nicht zuletzt im Kontext des interkulturelien human resource managements (vgi. insbesondere KUHLMANN 1995, SCHRODER 1995 und SCHNEIDER/BARSOUX 2003) - eine zentrale Rolie. Aufgrund der komplexen Anpassungsanforderungen, die mit interkulturelien Kontakten verbunden sind, kann es unter Umstanden bei den betroffenen Akteuren zu Akkulturationsbelastungen kommen; ein Aspekt, der alierdings vorwiegend auf jene Menschen zutrifft, die mit einer langeren Auslandsentsendung konfrontiert werden. Im Rahmen der entsprechenden Forschungen zur Akkulturationsproblematik haben sich primar die so genannten Verlaufsmodelle, die unterschiedliche Phasen respektive Stufen ausgliedern, durchgesetzt. In diesem Zusammenhang ist vor allem das Kulturschockmodell von OBERG (1960) zu nennen: Nach einer euphorischen Anfangsphase {honeymoon) folgt eine Phase starker Anpassungskrisen {crisis), die zu unterschiedlichen Erlebens- und Verhaltenssymptomen - etwa Misstrauen gegeniiber Vertretern der anderen Kultur oder Leistungsdefizite - fiihren kann. Diese zweite Phase wird in der Fachdiskussion auch als Kulturschock bezeichnet, der je nach Personlichkeitsstruktur, Situation und Kultur von unterschiedlicher Dauer und Intensitat sein kann. Die dritte Phase {recovery) ist dadurch gekennzeichnet, dass sich zunehmend ein fremdkulturelles Eingewohnen einstellt, bis schliefilich in der vierten Phase {adjustment) der Anpassungsprozess auf hohem Niveau zum Abschluss kommt. Wurde der Kulturschock lange Zeit primar mit negativen Konnotationen etikettiert, so hat sich in den letzten Jahren weitgehend die Erkenntnis durchgesetzt, dass dieses Phanomen ein essentieller Prozess darstellt, dutch den eine erfolgreiche Anpassung uberhaupt erst ermoglicht wird (vgi. WEAVER 1993, ANDERSON 1994 und WARD/BOCHNER/FURNHAM 2001).
Wie die bisherigen Schilderungen gezeigt haben, stellen interkulturelle Uberschneidungssituationen eine nicht zu unterschatzende Herausforderung fiir die betroffenen Akteure dar. Die angesprochenen Problemquellen der interkulturelien Interaktion sind anthropologisch tief ver-
86
Kapitel III
wurzelt und konnen ohne entsprechende Mafinahmen in der internationalen Geschafts- und Arbeitswelt nicht zuriickgedrangt werden. Gerade dies scheint aber in hohem MaEe erstrebenswert, da okonomisch motivierte Prozesse - gerade auf der Ebene der in dieser Arbeit reievanten bilateralen Kooperationen - nachhaltig gestort werden konnen und somit unter Umstanden schwerwiegende Wettbewerbsnachteile nach sich ziehen, die vermeidbar waren, wenn die betrofFenen Akteure neben fachlichen skills auch iiber interkulturelle Kompetenz verfugten (vgl. BoLTEN 1998, WARD/BOCHNER/FURNHAM 2001 und HOLZMULLER/BERG 2002). Die aus die-
sen Reflexionen abzuleitende Konsequenz liegt auf der Hand: Der MaEstab des Managements bilateraler Kooperationen soilte sich nicht mehr ausschhefilich an der okonomischen Effizienz orientieren, sondern miisste auch - wie es vor allem KEALEY/RUBEN (1983), MACHARZINA (1995) und STUDLEIN (1997) postulieren - in seiner kulturellen Funktionalitat gesehen werden. Dies impUziert, dass die Erzielung einer interkulturellen Kooperationsfahigkeit als zusatzliche zentrale Aufgabe des Managements von Unternehmen angesehen wird, die in einer bilateralen Kooperation involviert sind respektive diese intendieren. Im Kontext des Tourismusmanagements haben FREYER und POMPL (2000) auf das nach wie vor eklatante Defizit bei der Vermittlung interkultureller Kompetenzen hingewiesen, wobei sie sich in diesem Fall vorwiegend auf die klassischen Ausbildungsgange beschranken. In diesem Zusammenhang weisen beide Tourismuswissenschaftler explizit darauf hin, dass vor dem Hintergrund einer fortschreitenden Internationalisierung der Aktionsfelder von Tourismusakteuren generelle Managementkompetenzen alieine nicht mehr ausreichen, um den komplexen operativen und strategischen Anforderungen gerecht zu werden. Auch auf einer unternehmensspezifischen Ebene ist in der Tourismusbranche noch nicht hinreichend die Relevanz kontinuierlicher interkultureller FortbildungsmaKnahmen erkannt worden: Einerseits scheint man touristisch ausgebildete Mitarbeiter - nicht zuletzt aufgrund des Berufsprofils und seiner haufig landerkundhchen und fremdsprachlichen Schwerpunktsetzungen - per se fiir interkulturell beschlagen zu halten, andererseits scheuen auch viele Unternehmen, gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, entsprechende finanzielle Kosten fiir vermeintliche soft skills. Die Frage, welche personalen Erfolgsvoraussetzungen ein Individuum dazu pradestinieren, in interkulturellen Uberschneidungssituationen effizient und angemessen zu interagieren, hat in den letzten Dekaden rege Forschungsaktivitaten stimuliert (vgl. STAHL 1995). Aus einer eigenschaftstheoretischen Perspektive lasst sich in Anlehnung an KEALEY und RUBEN (1983, S. 165 f) der Prototyp eines interkulturell kompetenten Akteurs wie folgt umschreiben: „The resulting profile is of an individual who is truly open to and interested in other people and their ideas, capable of building relationships of trust among people. He or she is sensitive to thefrelings and thoughts of another, expresses respect and positive regard for others, and is nonjudgmental. Finally, he or she tends to be self-confident, is able to take initiative, is calm in situations of frustration of ambiguity, and is not rigid. The individual also is a technically oi professionally competent pcvson." Basierend auf dieser Charakterisierung haben KUHLMANN und STAHL (1998) im Rahmen ihrer Studien zur interkulturellen Kompetenz Determinanten bestimmt, die fiir eine interkulturelle Eff^ektivitat von essentieller Bedeutung sind:
Kultur, Interkulturalitat und interkulturelle Kompetenz
Tab. 8:
87
Personale Erfolgsvoraussetzungen im Kontext eines managing across cultures
•
Ambiguitatstoleranz: Die Neigung, in komplexen - insbesondere von Unsicherheit und Mehrdeutigkeit gepragten - Situationen angemessen zu reagieren beziehungsweise sich zumindest nicht beeintrachtigt zu fiihlen,
•
Verhaltensflexibilitat: Die Fahigkeit, sich schnell auf veranderte Situationen einzustellen und in diesem Kontext auf ein breites Verhaltensrepertoire zuriickzugreifen,
•
Zielorientierung: Die Fahigkeit, auch unter erschwerten Bedingungen zielstrebig auf die Erreichung der gestellten Aufgaben hinzuarbeiten,
•
Kontaktfreudigkeit: Die Neigung, soziale Kontakte aktiv zu erschUeEen und bestehende Beziehungen aufrechtzuerhalten,
•
Einfiihlungsvermogen: Die Fahigkeit, Bediirfnisse und Handlungsabsichten von Interaktionspartnern zu erkennen und situationsadaquat darauf zu reagieren,
•
Polyzentrismus: Vorurteilsfreiheit gegeniiber divergierenden Meinungen, Einstellungen und Handlungsmustern, insbesondere fremdkultureller Pragung,
•
Metakommunikative Kompetenz: Die Fahigkeit, in schwierigen Gesprachssituationen steuernd einzugreifen und Kommunikationsstorungen zu beheben.
Quelle: KUHLMANN/STAHL (1998) Diese idealtypischen Determinanten markieren eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung fiir erfolgreiche interkulturelle Uberschneidungssituationen. Im konkreten Einzelfall definieren aufgaben-, unternehmens- und landerspezifische Besonderheiten zusatzliche Anforderungen oder Gewichtsverschiebungen. So komplex das Konstrukt einer interkulturellen Kompetenz auch sein mag, so wenig steht in Frage, dass man, zumindest in Ansatzen, den produktiven Umgang mit kultureller Verschiedenheit nicht lernen konnte. Kulturunterschiede sind letztendlich iiberwindbare Hindernisse fiir eine eiFektive und erfolgreiche Partnerschaft in einer bilateralen Kooperation (vgl. insbesondere CUSHNER/BRISLIN 1996, STUDLEIN 1997, APFELTHALER 1998 und HOGEN 1998). Die Basis, auf der sich interkulturelle Kompetenz sukzessive entw^ickeln kann, lasst sich unter anderem durch interkulturelle Trainings schaffen. Diese verschafFen, v^ie MOOSMULLER (1997) hervorhebt, die Moglichkeit, sich kognitiv und affektiv mit den allgemeinen und spezifischen Aspekten kultureller Verschiedenheit auseinander zu setzen und sich auf die entsprechenden Fierausforderungen einzustellen, die mit interkulturellen Uberschneidungssituationen einhergehen. Bevor im folgenden Kapitel mit Vertrauen der erste projektrelevante Erfolgsfaktor naher vorgestellt wird, gilt festzuhalten, dass es - nicht zuletzt vor dem Flintergrund der Kontextabhangigkeit von Zeit, Raum und Akteuren - eine abschlieKende Antv^ort auf die Frage nach einem erfolgreichen Umgang mit kulturellen Divergenzen nicht geben kann. Vor diesem Fiintergrund pladiere ich - in Anlehnung an ADERHOLD und HEIDELOFF (2001) - fiir einen offenen Perspektivenwechsel im Umgang mit Eigenem und Fremdem, der einer blofien Abgrenzung beziehungsw^eise Assimilation und Akkommodation entgegenwirkt. Man konnte dieses handling
Kapitel III
mit kulturellen Grenzen auch als Oszillieren beschreiben. Bestehende kulturelle Divergenzen werden deudich markiert, dadurch aber auch verhandelbar, wobei ein pragmatisches bridging the gap respektive managing across cultures keinesfalls eine Preisgabe kultureller Divergenzen zugunsten kultureller Universalien bedeuten kann. Die DifFerenz als DifFerenz bleibt stets erhalten - die Paradoxie interkultureller Kommunikation im Allgemeinen und interkultureller Kompetenz im Besonderen.
IV
Projektrelevante strategische Erfolgsfaktoren im interkulturellen Kooperationsalltag aus theoretischer Perspektive
IV. 1
Vertrauen
„Vertrauen ist das Gefiihl, einem Menschen sogar dann glauben zu konnen, wenn man weifi, dass man an seiner Stelle liigen wiirde." Henry Louis Mencken Es ist ein ofFenes Geheimnis, dass sich die betriebswirtschaftliche Forschung im Kontext von Unternehmertum zu lange primar auf die vermeintlich rationale, instrumentale Seite beschrankt hat und einseitig A^r^^r^orientiert war. Dabei schien mehr und mehr in Vergessenheit zu geraten, dass es letztendlich Menschen sind, die im Mittelpunkt des unternehmerischen Geschehens stehen und seine Entwicklung steuern. Vertrauen als Basis erfolgreicher strategischer Unternehmensfuhrung spielte kaum eine RoUe, vielmehr gait, wie KRYSTEK und ZUMBROCK (1993, S. 2) konstatieren, die Maxime Lenins: „Vertrauen ist gut, KontroUe ist besser." Auch wenn die Untersuchung vertrauensrelevanter Aspekte im Kontext okonomischer Fragestellungen noch keine lange Tradition aufweist, so ist die Bedeutung von Vertrauen als Erfolgsfaktor in und zwischen Unternehmen von der jiingeren Literatur weitgehend erkannt worden (vgl. HosMER 1995, DAS/TENG 1998, DONEY/CANNON/MULLEN 1998, JONES/GEORGE 1998, R I P -
PERGER 1998, APELT 1999, KRYSTEK 1999/2002 und KLAUS 2002).
Diesem Umstand trug auch FORAREA Rechnung, indem ein eigenstandiges Teilprojekt ausgegliedert wurde, das sich im Rahmen des interkulturellen Kooperationsgeschehens dezidiert mit dem Themenkomplex Vertrauen beschaftigte (vgl. KUHLMANN/SCHUMANN 2003). Dies geschah nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass sich Vertrauen langst - ahnlich wie das Konfliktmanagement (vgl. Kapitel IV.2) - zu einem kritischen Erfolgsfaktor im Kontext der Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten entwickelt hat. KRYSTEK (2002, S. 819) vermerkt in diesem Zusammenhang unter expliziter Bezugnahme auf Misstrauen, das „funktionale Aquivalent" (LuHMANN 1989, S. 78) von Vertrauen: „Speziell im Rahmen von Internationalisierungsprozessen mu£ befiirchtet werden, daf? bestehende (nationale) Mifitrauensorganisationen iiber Grenzen hinweg ausgedehnt werden und MiEtrauen als eher diffuse Grundhaltung oder als bewuEte Strategic dutch die Begegnung mit fremden Personen, Systemen und Kulturen neue Nahrung erhalt. So wird leicht eine Falle des Mifitrauens aufgestellt, in der sich ansonsten aussichtsreiche Internationalisierungsprozesse verfangen konnen. (...) Zu den Herausforderungen der Internationalisierung diirfte zukiinftig eine wesentlich hohere Bereitschaft zu Vertrauensinvestitionen ebenso gehoren wie die Fahigkeit, Mifitrauen in Grenzen zu halten." Die folgenden Ausfiihrungen beschaftigen sich zunachst mit Terminologie respektive mit zentralen theoretischen Ansatzen zu Vertrauen. In einem zweiten Schritt wird auf die Wirkungen von Vertrauen eingegangen, bevor dann abschliefiend ausgewahlte Mafinahmen und Verbal-
90
Kapitel IV
tensmuster zur Konstitution von Vertrauen vorgestellt werden, die - nicht zuletzt im Rahmen eines Internationalisierungsprozesses - zur Begrenzung von Vertrauensrisiken beitragen konnen. Vertrauen, so erscheint es landlaufig, ist ein ubiquitares Phanomen: Sei es, um nur einige Beispiele zu nennen, dass v^ir der Freundin ein Geheimnis, dem Babysitter unser Kind, dem Arzt unsere Gesundheit oder der Bank unser Geld anvertrauen. „Leben Sie. Wir kiimmern uns um die Details." - Dieser markige Werbespruch einer fiihrenden deutschen Bank impliziert, dass man als Kunde eine gehorige Portion Vertrauen in das entsprechende Geldinstitut steckt. Doch wie kann sich Vertrauen hinsichtlich einer Institution und deren Mitarbeitern entwickeln, wenn man zunehmend dazu angehalten wird, man moge doch - um nur ein Beispiel von vielen zu nennen - seine Geldgeschafte am Automaten beziehungsweise online erledigen? Das Primat des Okonomischen vor dem Hintergrund fortschreitender Rationalisierungsprozesse vertragt sich eben nicht automatisch mit einer haufig primar aus Imagegriinden postulierten Vertrauenskultur. Wie die vorangestellten Beispiele deutlich machen, funktionieren selbst einfachste zwischenmenschliche Beziehungen nicht ohne ein MindestmaS an Vertrauen. Vertrauen verkorpert ein elementares Prinzip im Umgang mit anderen. Dabei besteht zwischen der zentralen Rolle, die das Phanomen Vertrauen in zwischenmenschlichen Bereichen des alltaglichen Lebens im Allgemeinen und in wirtschaftlichen Austauschbeziehungen im Besonderen spielt, und seiner sozialwissenschaftlichen Erfassung und Erklarung eine erstaunliche Diskrepanz. Begriffliche Unklarheiten sowie paradigmenbedingte Unstimmigkeiten dariiber, ob Vertrauen eher als eine subjektive Erwartungshaltung oder aber als objektiv sichtbares Verhalten zu interpretieren sei, stehen der Bildung eines gemeinsamen sozialv^issenschaftlichen Verstandnisses von Vertrauen im Wege und werden zudem noch durch nach wie vor erhebliche Forschungsdefizite in der okonomischen Theorie verstarkt (vgl. RIPPERGER 1998). Im Fokus der sozialwissenschaftlichen Erorterung von Vertrauen stehen - ungeachtet der Heterogenitat fachspezifischer BegrifFsdeutungen - das Verhaltnis zwischen einer vertrauensvollen Einstellung und einem vertrauensvollen Handeln sowie das Verhaltnis zwischen individuellem und organisatorischem Vertrauen (vgl. APELT 1999). Eine Erfassung beziehungsweise Erklarung des Phanomens Vertrauen als elementares Ordnungsprinzip zwischenmenschlicher Austauschbeziehungen liegt aber bis dato nicht vor. Gerade in den Wirtschaftswissenschaften wurde Vertrauen iiber Jahrzehnte hinweg vergleichsweise stiefiniitterlich behandelt. In diesem Kontext diente die entsprechende Thematik allenfalls als ein mogliches Explanans fiir kooperatives Verhalten, sie wurde jedoch nicht selbst als Explanandum betrachtet (vgl. RIPPERGER 1998). Dieser Umstand ist besonders auf die einst pradominierende Stellung neoklassischer Ansatze zuriickzufiihren, die aufgrund ihrer idealtypischen Pramissen in Bezug auf Markte respektive Akteure ohne den Faktor Vertrauen auskamen, da letztendlich fiir einen homo oeconomicus alle Partner gleich sind. Erst mit der sukzessiven Etablierung der neuen Institutionenokonomie gestand man auch den jeweiligen Akteuren eine begrenzte Rationalitat sowie die Moglichkeit eines opportunistischen Verhaltens zu. Gerade diese Annahmen schafFen Raum fiir subjektive Unsicherheit und damit die Moglichkeit eines Irrtums als eine notwendige Voraussetzung von Vertrauen (vgl. ALBACH 1991, LOOSE/SYDOW 1994 und MEIFERT 2003).
Projektrelevante strategische Erfolgsfaktoren
91
Um sich den „multidimensionalen BegrifF' (BIERHOFF 1995, Sp. 2149) konzeptionell zu erschliefien, empfiehlt sich ein Rekurs auf LUHMANN (1989), der im Rahmen seiner systemtheoretischen Reflexionen die Funktion von Vertrauen fiir den Erhalt sozialer Systeme analysiert hat (vgl. in diesem Kontext insbesondere KLAUS 2002 und BACHMANN/LANE 2003). Nach Ansicht von Luhmann sind moderne Gesellschaftssysteme nicht zuletzt dadurch charakterisiert, dass das einzelne Individuum in der Interaktion mit seiner Umwelt auf eine unendiiche Vielzahl an Handiungsalternativen trifft, weshalb sich der Mensch gezwungen sieht, Verhaltensmuster zu entwickeln, die es ihm ermogUchen, mit dieser Kompiexitat adaquat umzugehen beziehungsweise diese auf ein iiberschaubares Ausmai? zu reduzieren. Somit fiingiert Vertrauen primar als ein Mechanismus zur Reduktion sozialer Kompiexitat, wobei das Entgegenbringen von Vertrauen durchaus eine riskante Vorleistung darstellt, da es prinzipiell moglich ist, dass sich derjenige, dem man Vertrauen schenkt, als vertrauensunwiirdig erweist. Das tragende Medium dieser intersubjektiven Komplexitatsreduktion ist die Wahrheit. LUHMANN (1989, S. 56) konstatiert in diesem Zusammenhang: „Vertrauen ist iiberhaupt nur moglich, wo Wahrheit moglich ist, wo Menschen sich mit Verbindlichkeit fiir Dritte iiber ein Selbes verstandigen konnen. Wahrheit erleichtert diese Verstandigung und damit die Reduktion der Kompiexitat, dutch die Unterstellung, daE auch Dritte diese AufFassung fiir richtig halten wiirden. Hierbei muK jeder einzelne den Wahrheitsbezug der Orientierung des anderen voraussetzen konnen. Die gesellschaftlich verfiigbare Kompiexitat ist iiberwaltigend grofi. Der einzelne kann sie daher nur nutzen, wenn sie ihm in schon reduzierter, vereinfachter, zurechtgemachter Form angeliefert wird. Er mu£, mit anderen Worten, sich auf fremde Informationsverarbeitung stiitzen und verlassen konnen." Vertrauen griindet somit dezidiert in der Erwartungshaltung des Vertrauenden, dass sich der andere als vertrauenswiirdig erweist und dementsprechend auf opportunistisches Verbal ten verzichtet. In jedem Fall muss ein Akteur, der eine Entscheidung fallt, ob er vertraut oder nicht, mit der Moglichkeit rechnen, dass ihm, falls er vertraut, daraus Nachteile erwachsen konnen. Ein entsprechendes Vertrauensverhalten ist demnach, in Bezugnahme auf KRYSTEK und ZuMBROCK (1993, S. 5), ein Verhalten, das -
die eigene Verwundbarkeit steigert, gegeniiber einer Person erfolgt, die nicht der personlichen KontroUe unterliegt, und in einer Situation erfolgt, in der der erlittene Schaden, wenn ein anderer diese Verwundbarkeit ausniitzt, groEer ist als der gewonnene Vorteil, wenn der andere sie nicht ausniitzt.
Selbstverstandlich bedarf Vertrauen, dass man, gerade auf einer geschaftlichen Ebene, seine eigene Risikobereitschaft unter KontroUe behalt. Dies impliziert - und sei es nur zur Selbstvergewisserung - , sich zu vergegenwartigen, dass man nicht bedingungslos vertrauen soUte, sondern in Grenzen und nach MaKgabe bestimmter, nicht zuletzt kontextabhangiger Erwartungen, ohne deswegen gleich eine Misstrauenskultur heraufeubeschworen. Geschenktes Vertrauen verkorpert stets ein aufierst fliichtiges Gut: Wird es enttauscht, so fiihlt sich der Vertrauensgeber, der im Sinne von LUHMANN (1989) eine riskante Vorleistung eingegangen ist, nur zu leicht versucht, von diesem Zeitpunkt an Misstrauen waken zu lassen; in Bezug auf den Stellenwert von Misstrauen im Kontext von Unternehmensfiihrung sei auf die einschlagigen Publikationen von KRYSTEK (1995/2002) verwiesen. Vertrauen bleibt ein Mittel zur Erreichung okonomi-
92
Kapitel IV
scher Ziele und muss als solches - aufgrund seiner Bedingtheit - immer wieder von Neuem im Vergleich zu alternativen Optionen als geeignet ausgewiesen werden (vgl. LUHMANN 1989, WuRCHE 1994 und BLEICHER 1995). Einen weiteren wichtigen theoretischen Baustein im Rahmen der Konzeption von Vertrauen liefert die strukturationstheoretische Perspektive von GIDDENS (1984), wobei sich der britische Soziologe primar auf theoretische Uberlegungen aus der Sozialpsychologie und der Psychoanalyse stiitzt (vgl. in diesem Kontext insbesondere LOOSE/SYDOW 1994 und KLAUS 2002). In seinem Werk „Konsequenzen der Moderne" akzentuiert GIDDENS (1995) vor allem die Notwendigkeit von Vertrauen in alien Prozessen der Systemreproduktion, da diese durch korperliche Abwesenheit von Akteuren, Nichtsichtbarkeit ihrer Aktivitaten, Unklarheit ihrer Intentionen und Gedanken sowie Unkenntnis von Systemprozessen gekennzeichnet sind. Vertrauen wird somit immer dann erforderlich, wenn Wissen respektive Informationen fehlen, wobei sich dieses Vertrauen gleichermaEen auf Personen wie Systeme erstrecken kann. GIDDENS (1995, S. 49) definiert Vertrauen „als Zutrauen zur Zuverlassigkeit einer Person oder eines Systems im Hinblick auf eine gegebene Menge von Ergebnissen oder Ereignissen, wobei dieses Zutrauen einen Glauben an die Redlichkeit oder Zuneigung einer anderen Person bzw. an die Richtigkeit abstrakter Prinzipien (technischen Wissens) zum Ausdruck bringt." Untrennbar mit dieser Sichtweise von Vertrauen ist das Problem der doppelten Kontingenz verbunden: Dieser Aspekt impliziert, dass die handelnden Akteure grundsatzlich in der Lage sind, anders zu reagieren, als man es von ihnen erwarten wurde und somit das vermeintlich vorhandene Wissen iiber ihre Reaktions- und Handlungsmoglichkeiten immer auch konterkariert werden kann. Ahnlich wie LUHMANN (1989) fiihrt Giddens Vertrauen als besondere, rekursive Form des Handelns ein, bei der der Akteur seine Zuversicht auf die Verlasslichkeit anderer Personen beziehungsweise Systeme griindet. Diese Zuversicht ihrerseits ist entweder das Resultat praktischer Erfahrungen oder sie basiert auf dem Glauben an die Redlichkeit und Integritat anderer Akteure, an die Verlasslichkeit ihres Handelns respektive an die Richtigkeit, Giiltigkeit und Adaquanz abstrakter Prinzipien. Vertrauen reprasentiert aus einer strukturationstheoretischen Perspektive somit immer das Ergebnis einer sozialen Konstruktion der Akteure. Diese vergleichsweise abstrakten Ausfuhrungen, die zentrale Einblicke in ausgewahlte theoretische Ansatze zum Themenkomplex Vertrauen ermoglicht haben, werden in einem zweiten Schritt - aus einer eher anwendungsbezogenen Perspektive - um die konkreten Wirkungen von Vertrauen im Kontext der Internationalisierung von Unternehmen erganzt. Angesichts der Komplexitat des Sujets soUen an dieser Stelle noch einmal in komprimierter Form - unter RiickgrifF auf die bahnbrechenden Arbeiten von GIDDENS (1984/1995), LUHMANN (1989), KRYSTEK/ZUMBROCK (1993) und RIPPERGER (1998) - die wichtigsten Aussagen zum Verstandnis von Vertrauen in der vorliegenden Studie dargelegt werden: Vertrauen stellt fiir die jeweiligen Akteure zunachst ein Mechanismus zur Stabilisierung unsicherer Erwartungen und zur Verringerung von Handlungskomplexitat dar. In diesem Kontext geht der Vertrauensgeber eine freiwillige, aber durchaus riskante Vorleistung in Erwartung spaterer, giinstigerer Ergebnisse ein, wobei auf einer impliziten Ebene erwartet wird, dass der Vertrauensnehmer auf opportunistisches Verhalten verzichtet. Somit lasst sich Vertrauen - nicht zuletzt im Rahmen einer
Projektrelevante strategische Erfolgsfaktoren
93
strategischen Unternehmensfuhrung - als eine grundsatzlich frei wahlbare Strategic bezeichnen, bei der das erhohte Vorleistungsrisiko einer Chance der Honorierung von erwiesenem Vertrauen dutch Gegenvertrauen gegeniibersteht. Vertrauen weist einen deutUch prozessualen Charakter auf und wird dutch Handeln ptoduziett und teptoduziett. Vetttauen ist keine Ressoutce, die dutch ihten Gebtauch gleichzeitig vetbtaucht wiirde, vielmehr vermag sie aufgtund ihtet schopfetischen Ktaft eine potenzietende Witkung zu entfachen. Dies gilt insbesondete vot dem Hintetgtund, dass die Votteile von Vetttauen in det Kegel als ein Insttument det Vetpflichtung dienen, und zwat im Sinne eines ,Vetttauen etzieht*, wobei die Ambiguitat det doppelten Kontingenz als systemimmanentes Phanomen bestehen bleibt. Angesichts det mit Vetttauen vetbundenen Unwagbatkeiten, die nicht zuletzt vot dem Hintetgtund einet Votleistung in Etwattung spatetet, giinstigetet Etgebnisse einhetgehen, dtangt sich die Ftage auf, welche konkteten Gtiinde fiit Vetttauen als zenttalen Etfolgsfaktot in bilatetalen Koopetationen sptechen. Bettachtet man namlich Koopetationen aus det Petspektive einet ptoblembehafteten Ptaxis, so kann ihte Eigenatt getade datin gesehen wetden, dass fiit beide Pattnet unspezifiziette Handlungsspieltaume bestehen, die im Sinne einet koopetativen Pattnetschaft ausgefuUt wetden konnen, abet keinesw^egs miissen. Andets ausgedtiickt besteht das zenttale Ptoblem einet Pattnetschaft letztendlich datin, dass - getade in einem gtenziibetschteitenden, intetkultutellen Kontext - ein nicht unetheblichet Teil det Handlungen des Pattnets wedet iibetwacht noch etzwungen wetden kann, obwohl getade diese Handlungen die Etteichbatkeit det eigenen anvisietten Ziele nachhaltig beeinflussen (vgl. WURCHE 1994). KiJHLMANN und SCHUMANN (2003, S. 357) vetmetken in diesem Zusammenhang untet dezidiettet Bezugnahme auf iht intetkultutelles FORAREA-Fotschungsptojekt: „Behaviotal uncettainty in co-opetations is due to the freedom of action that both pattnets possess. It is difficult to check and to enforce if this freedom is used in a mutually beneficial way. Thetefote, thete is no petfect guatantee that the pattnet actually complies to the agteed upon objectives of the co-opetation." So kann untet Umstanden, um nut ein Beispiel zu nennen, ein Pattnet seinen Handlungsspieltaum einseitig insttumentalisieten, um auf Kosten des Pattnets seinen eigenen Votteil - etwa in Fotm det Wettbewetbsposition - zu optimieten. Im Kontext det Intetnationalisietung von Untetnehmensaktivitaten lassen sich folgende positive Witkungen von Vetttauen bestimmen: Tab. 9:
Zenttale Witkungen von Vetttauen in Koopetationen
1) Komplexitdtsreduktion Die zunehmende, kaum noch in toto zu beherrschende Komplexitat wird als eine der zentralen Herausforderungen im Management angesehen. Die fortschreitende Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten steigert diese Komplexitat noch einmal betrachtlich. An diesem Punkt setzt Vertrauen als eine mogliche Strategie zur Komplexitatsreduktion an. Durch Vertrauen werden gewisse Entwicklungsmoglichkeiten von der Beriicksichtigung ausgeschlossen. So werden einige Konfliktfelder neutralisiert, die zwar nicht zur Ganze ausgeraumt werden konnen, aber das Handeln nicht beiasten soUen.
94
Kapitei IV
2)
Ansporn zur Ubernahme von Verantwortung Das Entgegenbringen von Vertrauen kann als ein Geschenk interpretiert werden, das zudem den Beschenkten in seinem Selbstvertrauen starkt und zur Ubernahme von Verantwortung anspornt. Anders ausgedriickt: Wem nicht viel zugetraut wird beziehungsv^eise wer sich auch selbst nichts zutraut, der kann und will keine Verantwortung iibernehmen. Somit ermoglichen erst Vertrauen und das damit einhergehende Selbstvertrauen eine erfolgreiche Delegation von Aufgaben.
3)
Verbesserung von Kommunikation Vertrauen erhoht den kommunikativen Austausch der Kooperationspartner, etwa dutch eine grof^ere Offenheit fiir den Einfluss des Kommunikationspartners, eine groEere Akzeptanz gegenseitiger Abhangigkeiten, eine Freisetzung von Kreativitat durch den Wegfall von Misstrauen, eine grof^ere Bereitschaft zu wahrheitsgemaf^er und zeitgerechter Informationsweitergabe einschlieElich einer Verringerung von Informationsfilterung sowie eine Vergrof^erung der Moglichkeit, reale Probleme ausfindig zu machen und diese in wechselseitig akzeptabler Weise zu losen.
4)
Verbesserung von Kooperation Vertrauen ist Basis und Stimulus von Kooperation in und zwischen Unternehmen. Als Alternative zur Konkurrenz auf personaler Ebene gilt Vertrauen - nicht zuletzt aufgrund seiner komplexitatsreduzierenden Wirkungen - dabei als grundsatzlich iiberlegen und vorziehenswiirdig, Vertrauende Partner verhalten sich vergleichsweise selten unkooperativ, wobei kooperativ in diesem Kontext auch bedeutet, zugunsten langfristig besserer Ergebnisse auf kurzfristig maximalen Gewinn zu verzichten. Einschrankend muss jedoch betont werden, dass Vertrauen alleine kein Garant fiir eine erfolgreiche Kooperation sein kann. Voraussetzung ist vielmehr, dass die Partner auch gleichgerichtete Kooperationsziele verfolgen.
5)
Verringerung von Kosten Viele der dargestellten Wirkungen von Vertrauen tragen direkt und indirekt zu einer Kostenverringerung bei; ein Effekt, der vor allem im Rahmen der Transaktionskostenanalyse (implizit) beriicksichtigt wird. Die theoretische Diskussion iiber die Bedeutung von Vertrauen als ,Schmiermittel' okonomischer Austauschprozesse birgt aber auch die Gefahr, Vertrauen ausschlief^lich als rationalistisches Kalkiil zu instrumentalisieren, das von den Akteuren beliebig aufgebaut und genutzt wird.
6)
Wirkungen von Vertrauen zwischen Unternehmen Speziell bezogen auf Beziehungen zwischen Unternehmen konnen noch weitere Vorteile von Vertrauen als Grundhaltung oder Strategie genannt werden, beispielsweise die Erleichterung von Planung und Realisation koUektiver Strategien, die Koordination okonomischer Aktivitaten zwischen Unternehmen, die Forderung interorganisationalen Lernens und last but not least der Ausbau einer interorganisationalen Konfliktlosung respektive eines organisatorischen Wandels.
Quelle: Komprimierte und modifizierte Zusammenstellung in Anlehnung an KRYSTEK (2002) W i e die bisherigen Ausfiihrungen gezeigt haben, spieien beim Erfoigsfaktor Vertrauen moralisch-ethische Gesichtspunkte eine nicht zu unterschatzende Rolie. Dies zeigt sich insbesondere in d e m U m s t a n d , dass m a n den Terminus vorwiegend mit normativen Aspekten in Verbindung bringt, auch w^enn Vertrauen letztendlich - im Sinne von L U H M A N N (1989) - stets ein Wagnis bleibt (vgl. insbesondere FiosMER 1995 u n d C R E E D / M I L E S 1996). Gerade im Kontext betriebsv^irtschaftlicher Fragestellungen wird i m m e r wieder erortert, w^ie d e n n ein optimales Vertrau-
Projektrelevante strategische Erfolgsfaktoren
95
ensverhaltnis zwischen kooperierenden Akteuren beschafFen sein miisste. Diesbeziiglich haben WICKS, HERMAN und JONES (1999, S. 103) folgende Sichtweise entwickelt: „OptimaI trust exists when one creates (and maintains) prudent economic relationships biased by a wiUingness to trust. That is, agents need to have stable and ongoing commitments to trust so that they share afFect-based belief in moral character sufficient to make a leap of faith, but they should also exercise care in determining whom to trust, to what extent, and in what capacity. Optimal trust is an embedded construct, suggesting that it is determined in context and shaped by a variety of factors, such as the trustworthiness of the agent, local and broader social norms regarding trust, and other features of the relevant structure(s)." Auch wenn Vertrauen ein vergleichsweise abstraktes, deutlich normativ gepragtes Konstrukt darstellt, so diirfte aufier Frage stehen, dass gerade das Vertrauen in Vertrauen eine wesentliche Voraussetzung menschlicher Interaktion ist und damit aus psychologischer, sozialer, moralischer und nicht zuletzt okonomischer Sicht erstrebenswert bleibt (vgl. RIPPERGER 1998). Die in nachfolgender Tabelle vorgeschlagenen ausgewahlten Mafinahmen und Verhaltensmuster zur Konstitution von Vertrauen in partnerschaftlichen Kooperationen kniipfen an diese Sichtweise an. Dabei subsumieren sie zentrale Erkenntnisse aus der psychologischen, soziologischen und betriebswirtschaftlichen Forschung (vgl. insbesondere LUHMANN 1989, KLAUS 2002, KRYSTEK
2002 und KUHLMANN/SCHUMANN 2003), wobei man sich in diesem Zusammenhang stets die Kontextabhangigkeit und Prozessualitat von Vertrauen vergegenwartigen sollte: Tab. 10: Ausgewahlte Mafinahmen und Verhaltensmuster zur Konstitution von Vertrauen in partnerschaftlichen Kooperationen Berechenbarkeit anstatt Opportunismus in Bezug auf Handlungen und Zusagen Transparenz hinsichtiich der vereinbarten Ziele und der entsprechenden Zielverfolgung Sicherstellung von Information und Kommunikation Bereitschaft zur Teilung von Verantwortung im Sinne eines partnerschaftlichen empowerments Bereitschaft zu (Fremd-) Kontroliverzicht Bereitschaft zu einer mittel- bis langfristigen Partnerschaft im Sinne eines relationship marketings systemimmanente Konflikte nicht nur als (schwierige) Herausforderung, sondern auch als Chance begreifen interkulturelle Kompetenz als Schliisselqualifikation einer partnerschaftlichen Kooperation begreifen Quelle: Entwurf des Autors Im engem Konnex mit Vertrauen steht auch der im folgenden Kapitel erorterte zweite Erfolgsfaktor im interkulturellen Kooperationsalltag, der Umgang mit Konflikten, denn dieser ist - trotz der zu konstatierenden Ambiguitat eines vertrauensbewussten Managements - ohne ein Mindestmafi an Vertrauen kaum vorstellbar.
96
IV.2
Kapitel IV
Konfliktmanagement
,Alien am Konflikt Beteiligten muss klargemacht werden, dass Konflikte nichts ,Unanstandiges' sind, sondern dass sie Motor fiir positive Anderungen sein konnen." RolfKiechl Konflikte sind ein universelles und in alien Bereichen menschlichen Lebens anzutrefFendes Phanomen, wobei es sich in diesem Kontext um ein Phanomen handelt, das haufig - nicht zuletzt im Vergleich zur Vertrauensthematik des vorherigen Kapitels - mit negativen, zumindest zwiespaltigen Konnotationen belegt wird. Einige Konflikte lassen sich verhindern, viele jedoch auch nicht. Letztendlich sind Konflikte vor allem dann unvermeidlich, wenn Akteure mit divergierenden Werten, Interessenlagen, Bediirfnissen und Zielen interagieren. Kollidieren diese, so ist der entsprechende Konflikt bereits vorprogrammiert. An konkreten Beispielen aus dem Alltagsleben herrscht wahrlich kein Mangel: hier der renitente Schiiler, der partout nicht einsehen will, warum seine Lehrerin ihn mit einem Verweis nach Hause schickt, dort die frustrierte Gattin, die langst kein Verstandnis mehr dafiir hat, wieso die Samstagabendunterhaltung primar von der Sportschau dominiert sein sollte; hier der Parteivorsitzende, dessen Konflikt mit der Basis langst integrativer Bestandteil der Medienberichterstattung ist, dort der Konflikt zwischen autochthoner Bevolkerung und Einv^anderern, der seit geraumer Zeit nicht mehr nur mit Verbalattacken, sondern auch mittels Molotov^cocktails ausgetragen v^ird. Dabei konnen Konflikte, so paradox es furs Erste auch klingen mag, durchaus konstruktiv sein, wenn die betrofFenen Akteure ihre unterschiedlichen Interessen vorbringen, miteinander verhandeln und eine Einigung erzielen, die im Idealfall die Grundbediirfnisse beider Konfliktparteien befriedigt und - wie das oben angefiihrte Zitat von KIECHL (1990) skizziert - als Motor fiir positive Anderungen fungiert. Die Intention dieses Kapitels liegt zunachst darin, mit der systemimmanenten Konfliktproblematik vertraut zu machen; in diesem Kontext soil insbesondere auf Ursachen und Wirkungen von Konflikten eingegangen werden. Vor dem Hintergrund des konzeptionellen Selbstverstandnisses dieser Arbeit liegt ein weiterer Schwerpunkt auf Konflikten im internationalen Unternehmenskontext und deren Einbettung in einen interkulturellen Rahmen. Abschlief?end soil diskutiert werden, wie ein kultursensibles Konfliktmanagement aussehen konnte, da im Rahmen der vorliegenden Studie explizit der Standpunkt vertreten wird, dass ein konstruktiver Umgang mit Konflikten durchaus positive Konsequenzen fiir die jeweiligen Unternehmen respektive deren Akteure haben kann (vgl. SCHERLE 2003). Um sich den Terminus Konflikt konzeptionell zu erschlief?en, empfiehlt sich zunachst einmai dessen etymologische Herleitung, die im Konnex mit dem lateinischen Substantiv conflictus ~ was soviel wie Zusammenstofi oder Kampf bedeutet - steht. Ungeachtet dieser eindeutigen etymologischen Herleitung fehlt in der interdisziplinaren Konfliktforschung eine allgemein akzeptierte Definition des KonfliktbegrifFs. Dieser Umstand ist primar auf die nicht mehr zu iiberblickende Vielfait an Begriffsvarianten in den einzelnen Disziplinen zuriickzufiihren. Seit
Projektrelevante strategische Erfolgsfaktoren
97
geraumer Zeit werden vorwiegend in Psychologic, Soziologie und Politologie, aber inzwischen auch verstarkt in den Wirtschaftswissenschaften kontroverse Diskurse in Hinblick auf diese Thematik gefuhrt (vgl. insbesondere REGNET 1992, GLASL 1994, FOLGER/POOLE/STUTMAN
1997 und BCREIKEBAUM/BEHNAM/GILBERT 2001). Im Rahmen dieser Arbeit, die einen dezidiert interdisziplinaren Charakter aufweist, vertrete ich - in Anlehnung an GILBERT (1998, S. 33) - einen holistischen KonfliktbegrifF, der sich insbesondere im Kontext interkultureller Themenkomplexe bewahrt hat. Ein Konflikt wird demnach als ein Spannungszustand verstanden, der aufgrund unvereinbarer Handlungsalternativen, Werte, Normen, Interessen oder Anspriiche entsteht, die verschiedene Akteure verwirklichen woUen. Sind sich die von einem Konflikt tangierten Akteure ihrer ,Gegnerschaft* (noch) nicht bewusst, so liegt ein latenter Konflikt vor. Wird der Konflikt von den Betroffenen hingegen subjektiv registriert und zeigt sich der Spannungszustand in einem entsprechenden Konfliktverhalten, so ist der Konflikt manifest. Fiir einen Konflikt bedarf es somit eines aufeinander bezogenen Kommunizierens oder Handelns. Im Rahmen dieser Studie wird ausschliefilich von wahrgenommenen Konflikten ausgegangen, das heiSt, von Konflikten, die fiir die beteiligten Akteure psychologisch existieren und die auch entsprechend kommuniziert werden. Dies geschieht nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass eine Operationalisierung von latenten Konflikten nicht moglich ist, solche Konflikte letztendlich nicht mehr uberpriiflDar sind und somit reine theoretische Konstrukte bilden (vgl. REGNET 1992). Diese Einschrankung ist zudem fiir das Konfliktmanagement von zentraler Bedeutung, denn wie sollte ein Konflikt, der im subjektiven Erleben nicht prasent ist, bewaltigt werden? Wie durch die bisherigen Ausfiihrungen evident geworden sein diirfte, stellen Konflikte ein systemimmanentes Phanomen dar. Die auKerordentliche gesellschaftliche Relevanz von Konflikten manifestiert sich dabei auch dezidiert im Kontext von Unternehmen (vgl. GILBERT 1998). In der klassischen und neoklassischen Betriebswirtschaftslehre reduzierte man auftretende Konflikte lange Zeit primar auf einen dysfunktionalen Charakter: Als effizienzmindernde Krisen soUten sie moglichst erst gar nicht auftreten, haufig wurden sie unterdriickt oder sogar negiert (vgl. insbesondere OECHSLER 1974/1992, KIECHL 1990 und GILBERT 1998). Demnach storen und unterbrechen Konflikte die Arbeitsablaufe innerhalb und zwischen Unternehmen und fiihren zu negativen Auswirkungen hinsichtlich der okonomischen und sozialen EfEzienz. In diesem Zusammenhang sei, um nur einige Beispiele zu nennen, an eventuelle Leistungs- und Qualitatsminderungen, an die Vergeudung von Ressourcen, an Storungen im Organisationsablauf, an den Motivationsverlust betroffener Mitarbeiter sowie last but not least an potentielle Imageeinbuf?en erinnert. Klassische betriebswirtschaftliche Modelle - wie jenes des homo oeconomicus - schlieKen in der Regel von vornherein Konflikte aus, da der Aspekt Unsicherheit keine RoUe spielt. Dabei schien man nahezu vollig das Faktum zu iibersehen, dass sich dort, wo es Interessen gibt, Gegensatze manifestieren und ein entsprechendes Konfliktpotential ausbilden kann. Gerade privatwirtschaftliche Unternehmen sind durch zahlreiche, beabsichtigte wie unbeabsichtigte, Beziehungen mit ihrer Umwelt vernetzt. Dass es in diesem Zusammenhang zu Konflikten kommt, in denen Akteure gegensatzlicher Interessen ihr Anliegen vorbringen und vertreten, ist Ausdruck des pluralistischen Demokratieverstandnisses unserer Gesellschaftsordnung (vgl. JESCHKE 1993). Der wissenschaftsprogrammatische Ansatz, Konflikte in die Erkla-
98
Kapitel IV
rungs- und Gestaltungsaufgabe der Betriebswirtschaftslehre zu integrieren, ist letztendlich eine Konsequenz der verhaltenswissenschaftlichen Stromung innerhalb der Disziplin. Je mehr rein okonomistische Tendenzen zuriickgedrangt werden, desto eher werden sozialwissenschaftliche Kategorien, wie beispielsweise die in dieser Arbeit relevanten Erfoigsfaktoren Vertrauen und Konfliktmanagement, iibernommen (vgl. BRAUN 1979). Vor dem Hintergrund einer verstarkten Globalisierung und der damit einhergehenden Zunahme internationaler Unternehmensaktivitaten ist das inhaltliche Interesse an Konflikten und deren konkreten Handhabung deutlich gestiegen. Urn den entsprechenden Herausforderungen gerecht zu werden, miissen die betrofFenen Unternehmen respektive deren Akteure ihre Strukturen an die Erfordernisse der „neuen Weitwirtschaft" (MENZEL 1995) anpassen und lernen, mit einer Zunahme an interkulturellen Divergenzen umzugehen, denn der in der Okonomie feststellbare Trend zur globalen Integration wird synchron von einer fortschreitenden kulturellen Fragmentierung begleitet (vgl. insbesondere STEINMANN/SCHERER 1997 und GILBERT 1998). Somit stellt sich fiir international agierende Unternehmen die Frage, v^elche spezifischen Konflikte in einem interkulturellen Kontext auftreten konnen beziehungsweise w^ie sich diese moglichst effizient handeln lassen. Dieser komplexen Fragestellung trug auch FORAREA Rechnung, indem zwei eigenstandige Teilprojekte ausgegliedert wurden, die sich im Rahmen des interkulturellen Kooperationsgeschehens mit Konflikterfahrungen und dem Umgang mit Konflikten beschaftigten (vgl. HOPFINGER/SCHERLE 2003 und HOUBEN/HENKEL/RUPPERT 2003). Ausgangspunkt fiir eine Untersuchung dieser Thematik war nicht zuletzt die Erkenntnis, dass sich ein erfolgreiches Konfliktmanagement immer mehr zu einem zentralen Erfolgsfaktor im Kontext der Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten entwickelt. Welche Ursachen liegen Konflikte zugrunde? Eine vermeintlich einfache Frage wirft in diesem Fall grofie Schwierigkeiten auf, da streng genommen jede Frage nach der Ursache eines Konflikts zu einem unendlichen Regress fiihrt. Letztendlich lassen sich fiir jede Konfliktursache weitere Ursachen bestimmen. Ursache und Wirkungen - Letztere werden im Verlauf des folgenden Abschnitts vorgestellt - von Konflikten beschreiben in der Regel wechselseitige Prozesse und eine Ursachenanalyse findet keinen Anfang und kein Ende. Ein weiteres Problem im Kontext der Analyse von Konfliktursachen resultiert aus dem Umstand, dass es in der unternehmerischen Praxis eine unbegrenzte Anzahl potentieller Ursachen fiir Konflikte gibt und diese nicht in toto identifizierbar sind (vgl. GILBERT 1998). In diesem Zusammenhang sei erwahnt, dass diesem Faktum im Rahmen der vorliegenden Arbeit aus methodischer Perspektive Rechnung getragen wurde, indem die befragten Akteure aus den Unternehmen gebeten wurden, spezifische Konflikte in einem konkreten Fallbeispiel aufzurollen. So konnen beispielsweise Konflikte ihre Ursache in der Personlichkeitsstruktur der Betroffenen haben, aber auch - basierend auf defizitaren Kommunikationsstrukturen - in Missverstandnissen, die sich unter Umstanden dutch eine angemessene Kommunikation beseitigen lassen. Als ein weiteres Beispiel lieEen sich ausgewahlte strukturelle Konfliktursachen anfiihren, etwa die Organisationsstruktur international tatiger Unternehmen, die zu unterschiedlichen Interaktionsbeziehungen fiihrt. Vor dem liintergrund grenziiberschreitender Kooperationen spielen last but not least kulturbedingte
Projektrelevante strategische Erfolgsfaktoren
99
Konflikte eine zentrale RoUe, wobei einige Autoren sogar davon ausgehen, dass diese im internationalen Kontext die haufigste Konfliktform darstellen (vgl. insbesondere RAHIM 1986, MORAN/HARRIS/STRIPP 1993 und KREIKEBAUM/BEHNAM/GILBERT 2001). Eine entsprechende DifFerenzierung soil natiirlich nicht aussagen, dass Konflikte ausschliefilich das Resultat der angefuhrten Ursachen sein miissen, da diese selten in einer theoretisch reinen Form auftreten. Konflikte und ihre jeweiligen Ursachen sind stets mehrdimensionale Phanomene, die sich einer monokausalen Erklarung verschlieEen. Zwischen den verschiedenen Konfliktursachen bestehen Interdependenzen, die nicht nur problembezogener, sondern, wie insbesondere GLASL (1994) aufgezeigt hat, auch zeitlicher Natur sein konnen, da Konflikte aufgrund ihres Prozesscharakters kein statisches Ereignis verk5rpern. Angesichts der Fokussierung dieser Arbeit auf interkulturelle Aspekte soil im Folgenden noch einmal expUzit auf die Relevanz kulturbedingter Konflikte eingegangen werden, die, in Bezugnahme auf STUDLEIN (1997), selbst bei einem hohen Grad an interkultureller Kompetenz nicht vollstandig vermieden werden konnen. Werfen wir zunachst noch einen Blick auf die zentralen, durchaus ambivalenten Wirkungen von Konflikten in bilateralen Unternehmenskooperationen, die in nachfolgender Tabelle aufgelistet sind: Tab. 11: Zentrale positive und negative Wirkungen von Konflikten in Kooperationen Positive Wirkungen von Konflikten: •
Konflikte decken Unterschiede in den Perzeptionen, Vorstellungen und Praferenzen der betroffenen Akteure auf und fordern die gemeinsame Auseinandersetzung mit denselben; eine kreative Suche nach Handlungsalternativen kann eine Verbesserung der zukiinftigen Zusammenarbeit zur Folge haben.
•
Konflikte fordern Ideenvielfalt und Kreativitat und konnen zu einer Verbesserung von Problemlosungsprozessen fiihren, weil die Parteien gezwungen sind, sich mit anderen, nicht vertrauten oder vernachlassigten Denk- und Bezugssystemen auseinander zu setzen.
•
Konflikte konnen ein treibender Impetus fur konstruktive Veranderungen im Kooperationsgeschehen sein. Die Unterdriickung von Konflikten zementiert den status quo, bremst die Effektivitat und erschwert die Entwicklung der bilateralen Zusammenarbeit.
•
Ein konstruktives, kultursensibles Konfliktmanagement fordert die Selbstwahrnehmung und damit die kulturelle Selbstbewusstheit der Parteien sowie das Verstandnis fiir die Verhaltensmuster der Gegenpartei und damit die kulturelle Fremdbewusstheit.
Negative Wirkungen von Konflikten: •
Konflikte fiihren zu Konfusionen im Kooperationsfeld und zu Instabilitat in der bilateralen Zusammenarbeit.
•
Konflikte evozieren Stress, Spannungen und Frustrationen und bringen als Konsequenz Motivationsprobleme mit sich.
•
Konflikte fiihren in der Regel nicht nur zu einer Interaktionsabnahme und zu Kommunikationsstorungen, sondern auch zu Wahrnehmungsverzerrungen und - aus einer interkulturellen Perspektive - zu Stereotypen und Vorurteilen.
100
KapitellV
Konflikte haben Storungen im Arbeitsverlauf respektive Reibungsverluste zur Folge und implizieren dadurch die Vergeudung von Ressourcen. In Konfliktsituationen kommt es in der Regel zu einem Aufbau an Emotionalitat und zu einem Abbau von Rationalitat.
Quelle: STUDLEIN (1997)
Kulturbedingte Konflikte haben ihre Ursache primar in subjektiv empfundenen Unvereinbarkeiten kultureller Annahmen, Werte und Normen respektive der von ihnen gepragten Denkmuster, Vorstellungen, Wahrnehmungen und Gefiihle, v^obei man in der Praxis von einer komplexen Vernetzung kulturspezifischer und kuiturunabhangiger Konfliktursachen ausgehen muss. Die steigende Komplexitat bei der Analyse von Konfliktursachen in international tatigen Unternehmen ergibt sich in erster Linie aus einer Zunahme potentieller Anspruchsgruppen mit divergierendem kulturellem Background (vgl. GILBERT 1998). Gerade in interkulturellen Uberschneidungssituationen erscheint es fur die betroflFenen Akteure meistens nahe liegender und einfacher, von den eigenkulturellen Bedingungen auszugehen und diesen Orientierungsrahmen auch auf das fremdkulturelle Umfeld zu transferieren (vgl. Kapitel III.4 und III.5), ungeachtet der Tatsache, dass Konflikte nur gemeinsam verhindert und gelost w^erden konnen. In diesem Kontext diirfen keinesfalls die interkulturellen Unterschiede in der Perzeption und im Umgang mit Konflikten iibersehen v^erden: Gelten beispielsv^eise - aus einer idealtypischen Perspektive in Anlehnung an KOPPER (1996) - in individualistisch gepragten Kulturen Konflikte als vergleichsw^eise produktiv und steht die entsprechende Handlungsmaxime unter dem Primat der Konfliktlosung, so werden umgekehrt in kollektivistischen Kulturen Konflikte als eher destruktiv empfunden und die entsprechende Handlungsmaxime folgt einer Konfliktpravention. Wahrend in Ersteren Konflikt und Person w^eitgehend getrennt v^erden, sind diese in Letzteren haufig eng miteinander verbunden. Diese Unterschiede miinden im Rahmen von Konfliktlosungen auch in divergierende Vorgehensw^eisen, die einerseits oflFen und direkt, andererseits ambig und indirekt sind. Die konkreten Spannungsfelder im interkulturellen Kontext lassen sich angesichts der Komplexitat der Thematik kaum auf einen gemeinsamen Nenner bringen, auch w^enn von auslandserfahrenen Mitarbeitern, internationalen Unternehmensberatern und im Rahmen diverser Studien bestimmte Konfliktherde immer w^ieder besonders hervorgehoben v^erden: Arbeits- und Fiihrungsstil, Umgang mit Zeit, Akzeptanz von Hierarchien und nicht zuletzt Kommunikationsmuster (vgl. JIN 1994, KNAPP 1996, KRAMER 1999, HOPFINGER/SCHERLE 2003 und HOUBEN/HENKEL/RUPPERT 2003).
Mogen die Ursachen und Wirkungen von Konflikten in einer bilateralen Zusammenarbeit auch noch so komplex sein, entscheidend ist letztendlich, dass die betroflFenen Akteure angemessen und eflSzient mit dieser Problematik umgehen. BERGMANN und VOLKEMA (1989, S. 7) konstatieren in diesem Zusammenhang: „Conflict that is not identified, understood and managed effectively can lead to ineflScient use of organizational resources, stress on the conflicting parties, and misdirection of the energies of those affected by the conflict situation. On the
Projektrelevante strategische Erfolgsfaktoren
101
other hand, conflict that is effectively managed can result in increased creativity and innovation, a rethinking of goals and practices, and a better informed w^ork group." Spatestens seit der bahnbrechenden Studie von DEUTSCH (1976) iiber Konfliktregelung herrscht in der scientific community v^eitgehend Konsens, dass ein nicht erkannter oder unbewusster Konflikt diffiziler zu bewaltigen ist als ein Konflikt, der von den betroffenen Akteuren v^ahrgenommen wird. Auch das Negieren von Konflikten hat allenfalls, im Sinne einer Symptomverschiebung, eine retardierende Wirkung, die in der Kegel zu weiteren Spannungen und Ressourcenbindungen fiihrt (vgl. insbesondere HOCKER/WILMOT 1995, D E DREU 1997 und WERPERS 1999). Genau
an dieser Stelle setzt das Konfliktmanagement ein, also jene konstruktive Intervention auf den Konfliktprozess, so dass die Konflikte einen moglichst positiven Verlauf nehmen. In diesem Kontext zielt das Konfliktmanagement nicht primar auf die Vermeidung, sondern vielmehr auf das rechtzeitige und effiziente handlingYon Konflikten - stets unter der Pramisse, die Konfliktkosten respektive die Konfliktfolgekosten zu minimieren und eine Konfliktlosung zu erreichen, die im Idealfall alle betroffinen Akteure nachhaltig zufrieden stellt (vgl. URY/BRETT/GOLDBERG 1991, GLASL 1994 und FOLGER/POOLE/STUTMAN 1997). Von zentraler Bedeutung im Rahmen eines erfolgreichen Konfliktmanagements ist nicht zuletzt das Moment, einerseits Konflikte als systemimmanentes Phanomen anzuerkennen, andererseits deren positive Wirkungen trotz ihres ambivalenten Charakters zu registrieren (vgl. Tab. 12). In dem Mafie, wie es den Akteuren gelingt, Konflikte zu kanalisieren und zu regeln, werden sie kontroUierbar und ihre schopferische Kraft vermag den jeweiligen Unternehmen niitzen. Es versteht sich von selbst, dass der Umgang mit Konflikten im interkulturellen Kontext zusatzlich an Brisanz gewinnt, da es in diesem Fall weder eine kongruente normative Basis noch international einheitliche Gesetze gibt, die Orientierungspunkte fiir die Koordination konfligierender Interessen off^erieren konnten. GILBERT (1998, S. 20) skizziert diese Problematik wie folgt: „Konfliktpotentiale entstehen vorwiegend aus den interkulturell voneinander abweichenden Norm- und Wertvorstellungen international tatiger Unternehmen und lokaler Anspruchsgruppen, die haufig nicht miteinander vereinbar sind. In solchen Konflikten fehlt den Entscheidungstragern eine einheitliche Moralvorstellung, an der sie ihre Entscheidungen ausrichten konnen. Handlungen, die in einem Land als moralisch einwandfrei akzeptiert v^erden, konnen in einem anderen Land inakzeptabel und unmoralisch sein. Es stellt sich mithin die Frage, welche Normen und Werte Entscheidungstrager international tatiger Unternehmen bei der Handhabung von Konflikten als Orientierungsrahmen verwenden sollen." Diese Reflexionen machen evident, dass ein Konfliktmanagement im internationalen Unternehmenskontext kaum ohne eine entsprechende interkulturelle Konfliktkompetenz auskommen kann. Eine so verstandene Konfliktkompetenz bedarf zum einen der Fahigkeit, kulturbedingte wie kulturunabhangige Konflikte weitgehend zu minimieren und auftretende Konflikte konstruktiv zu bewaltigen, zum anderen der Sensibilitat, den Fokus entsprechend dem spezifischen interkulturellen Rahmen auf Konfliktpravention respektive Konfliktbewaltigung zu legen (vgl. STUDLEIN 1997). Obwohl bei der Bewaltigung von Konflikten stets situativ vorgegangen werden soUte, erscheint es gerade im interkulturellen Konfliktmanagement sinnvoU, wenn sich die Akteure auf eine kompromissorientierte beziehungsweise kooperative Strategic einlassen, die auf einen
102
KapitellV
dialogisch-partizipativen Interessenausgleich bedacht ist. Wenn man davon ausgeht, dass im Umgang mit anderen Kulturen zunachst die Suche nach Gemeinsamkeiten ein Orientierungsmuster darstellt, dann eriibrigt sich die Frage, wieso man im Kontext von Konflikten nicht auch nach etwaigen Ubereinstimmungen in einem schwelenden Konfliktherd Ausschau halten sollte (vgl. HoGEN 1998 und KREIKEBAUM/BEHNAM/GILBERT 2001). Welche Aspekte konnte ein kultursensibles - auf Vertrauen basierendes - Konfliktmanagement, das sich dezidiert gegeniiber einer positiv konnotierten „Konfliktkultur" (REGNET 1992) ofFnet, beinhalten? Die in folgender Tabelle subsumierten Pramissen aus der theoretischen und anwendungsbezogenen Konfliktforschung stellen einen moglichen Orientierungsrahmen dar, der den Konfliktprozess von der Konfliktwahrnehmung iiber die Konfliktbearbeitung bis hin zur Konflikdosung begleiten kann (vgl. insbesondere DEUTSCH 1976, REGNET 1992, BECK/SCHWARZ 1995, FOLGER/POOLE/STUTMAN 1997, GILBERT 1998 und SCHERLE 2003). Intention dieser
Pramissen ist nicht zuletzt, zu verhindern, dass Konflikte in der bilateralen Zusammenarbeit einen dysfiinktionalen Charakter annehmen: Tab. 12: Ausgewahlte Pramissen im Kontext eines kultursensiblen Konfliktmanagements Konflikte sind als eine alltagliche Dimension menschlicher Kommunikations- und Interaktionsprozesse zu begreifen. Konflikte soUten trotz ihres ambivalenten Charakters auch dezidiert hinsichtlich ihrer positiven Wirkungen gewtirdigt werden, um sie, gerade im geschaftlichen Kontext, von ihrer nach wie vor primar negativen Konnotation zu befreien. Konflikte sind verstarkt aus einer hoiistischen Perspektive zu kontextualisieren, da sie nicht nur struktur- und strategieinduzierte, sondern auch kulturelle Ursachen aufweisen konnen. Konflikte und deren Ursachen konnen verstandhcher werden, wenn man auch mal einen Perspektivenwechsel vornimmt, indem man sich in die Position des counterparts hineinversetzt. Konflikte und deren Losungen erfordern nicht nur ausreichend Zeit und Ressourcen zur konstruktiven - von Offenheit gepragten - Austragung, sondern auch die Schaflling einer symmetrischen Kommunikationsbeziehung. Konfliktlosungen soUten weitgehend von Problemorientierung und nicht von PersonaHsierung gepragt sein. Konflikte im interkuiturellen Kontext bediirfen einer kritischen Reflexion eigenkukureller Normenund Wertsysteme sowie einer expliziten Absage an ethnozentrische Positionen. Konflikte, die sich - aus welchen Griinden auch immer - einer gemeinsamen Losung entziehen, konnen notfalls mittels der Unterstiitzung eines externen Mediators angegangen werden. Quelle: Entwurf des Autors Von Konflikten und deren handling ist es traditionell nicht weit zu Beschwerden, in diesem Fall zum Beschv^erdemanagement, das im folgenden Kapitel als dritter Erfolgsfaktor vorgestellt v^ird.
Projektrelevante strategische Erfolgsfaktoren
IV.3
103
Kundenorientierung respektive Beschwerdemanagement
„Hier einige Tips fur alle, denen gute Beschwerden ein ernstes Anliegen sind: • Nehmen Sie einen Zollstock, ein Tonbandgerat und Ihren Anwalt mit in den Urlaub. Lassen Sie zur Not Taucherbrille, Biicher und Kinder zu Hause. • Verhindern Sie den Abflug Ihres Flugzeuges (acht Stunden Verspatung konnen 120 Mark bringen). • Falls Sie am Urlaubsort keinen Grund zur Klage finden, belauschen Sie die Gesprache an den Nebentischen. Irgend jemand ist immer unzufrieden. • Verschwenden Sie Ihre Kleinbild- und Videofilme nicht mit Aufnahmen von idyllischen Stranden und wasserplantschenden Partnern. Fotografieren und filmen Sie Insekten im Hotelzimmer (Makro-Objektiv!), toUpatschiges Personal (Rein stellen!!) und Miillcontainer (Fotomontage!). • Locken Sie mittels einer Marmeladenspur Ameisen an Ihr Bett (kann bis zu 20 Prozent Reisekostenerstattung bringen). • Haben Sie vier Kakerlaken im Zimmer, so besorgen Sie sich noch zwei zusatzliche (ab sechs Kakerlaken ebenfalls 20 Prozent). Aber: • Aufpassen! SoUte ein Gecko in Ihrem Zimmer wohnen, schmeiEen Sie ihn schnell raus. Der Insektenfresser konnte Ihnen die 20 Prozent schnell wieder zunichte machen (so ein Richterspruch). • Verlangen Sie einfach, daE alles so wie zu Hause ist. • Wenn alles so wie zu Hause ist, bestehen Sie einfach darauf, dafi alles exotisch sein mu£. • Seien Sie am Urlaubsort 24 Stunden auf den Beinen, um Mangel zu finden. Schlafen konnen Sie daheim." Peter Pursche Es gibt wenige Sujets im Tourismus, die derart haufig glossiert werden wie Aspekte zur Kundenzufriedenheit beziehungsweise zum Beschwerdemanagement. Jene eingangs angefiihrten ,Handlungsempfehlungen' fiir potentielle Beschwerdefuhrer, die in einem der fiihrenden deutschsprachigen Reisemagazine abgedruckt wurden (PURSCHE 1996, S. 87), verkdrpern die vermeintlich humoristische Seite eines zunehmend an Relevanz gewinnenden strategischen Erfolgsfaktors in der Tourismusbranche. Die ernste Seite dieser haufig mit Anekdoten assoziierten Thematik erschliefit sich spatestens dann, wenn man sich eine unternehmensspezifische Perspektive zu Eigen macht. Mit zunehmender Marktsattigung, immer anspruchsvolieren und kritischeren Kunden, die zudem in bis dato nicht gekanntem Ausmafi ihre Konsummuster andern, vielfacher Austauschbarkeit der Angebote sowie einer verstarkten internationalen Konkurrenz werden Dienstleistungsqualitat, Kundenorientierung sowie ein kundenorientiertes Beschwerdemanagement zu zentralen strategischen Erfolgsfaktoren, vielfach sogar zur Conditio sine qua non unternehmerischen Uberlebens (vgl. STAUSS 1992, HOMBURG/RUDOLPH 1998, WiLLiAMs/BuswELL 2003, HINTERHUBER/MATZLER/PECHLANER/ROTHENBERGER 2004 und KAISER 2004). Erschwerend kommt zurzeit fiir zahlreiche touristische Unternehmen eine sta-
104
KapitellV
gnierende, mitunter sinkende Nachfrage hinzu, die nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer angespannten Konjunktur und der Konsequenzen terroristischer Anschlage zu sehen ist. In dieser schwierigen Situation lassen sich neue Kunden haufig nur dutch eine Fotcietung det Wetbeausgaben gewinnen, deten zeitliche Amottisation jedoch meistens untetschatzt witd. Des Weiteten hat sich in den letzten Jahten sukzessive die Erkenntnis durchgesetzt, dass sich langfristige Kundenbeziehungen dutch hohete Ptofite auszeichnen als kutzftistig ttansaktionsotientiette Geschaftsbeziehungen. Angesichts dieset Entwicklungen etlangt eine kundenotientiette Untetnehmensfuhtung einen immet wichtigeten Stellenwett. Konsequente Kundenotientietung und die damit anvisiette Kundenzuffiedenheit bieten fiit Untetnehmen - neben entsptechenden UmsatzefFekten - zahlteiche Votteile, so untet andetem Kostenteduzietungen, cros5-selling-^St\
Projektrelevante strategische Erfolgsfaktoren
105
ternehmensaktivitaten reprasentiert, sondern zudem unternehmerische Tatigkeit mit Aspekten wie Beschwerdeverhalten, Einstellungsanderungen und Markenloyalitat verbindet. Jeder Geschaftsmann - auch ohne einschlagige akademische Vorbildung - weiE, dass Kundenzufriedenheit zu den wichtigsten Faktoren eines nachhaltigen Geschaftserfolgs zahlt. Diese Einsicht ist keineswegs neu, sondern gehort seit jeher zum Credo erfolgreicher Unternehmer: So bringt man beispielsweise Robert Bosch mit der Aussage „Lieber Geld veriieren als Vertrauen" in Verbindung, und iiber Henry Ford, den Nestor der standardisierten Massenproduktion, wird kolportiert, er habe sich fiir jedes nicht funktionierende Produkt seines Unternehmens personiich verantwortiich gefiihlt (vgl. SIMON/HOMBURG 1998). Die Konsequenzen, die dutch eine unzureichende customer care evoziert werden, sind eindeutig: no customers, no business, no employment. Gerade in Zeiten niedriger Wachstumsraten kann man sich dem Konstrukt Kundenzufriedenheit, das als eine fundamentale Steuerungs- und Orientierungsgrofie im Rahmen einer kundenorientierten Unternehmensfiihrung gilt, langst nicht mehr verschliefien. H I N TERHUBER, HANDLBAUER und MATZLER (1997, S. 8) vermerken in diesem Zusammenhang: „In dem Mafie, in dem sich die Intensitat des Wettbewerbes verscharft, erhoht sich aber die Bedeutung der Kundenbindung und -zufriedenheit als OrientierungsgroEe der Strategieformulierung. Das strategische Ziel besteht weniger darin, einen groEeren Marktanteil zu erreichen als die Konkurrenten, sondern vielmehr darin, in den Segmenten, in denen das Unternehmen tatig ist, aufbauend auf die Kernkompetenzen eine Position der Einzigartigkeit zu erreichen und die Kunden besser und schneller zufriedenzustellen als die Konkurrenten." Ungeachtet der enormen Bedeutung von Kundenzufriedenheit fur die strategische Unternehmensfiihrung besteht bis in die heutige Zeit keineswegs ein Konsens iiber deren konzeptionelles Verstandnis, auch wenn sich auf recht abstraktem Niveau ein Kern an Ubereinstimmung finden lasst (vgl. HOMBURG/STOCK 2001 und STAUSS/SEIDEL 2003). Danach kann man Kundenzufriedenheit primar als ein Nachkaufphanomen auffassen, in dem sich manifestiert, wie der Kunde Produkte respektive Dienstleistungen beurteilt, mit denen er zuvor seine Erfahrungen gesammelt hat. Insofern stellt Zufriedenheit stets das Resultat einer ^x-^^#-Beurteilung mittels eines Vergleichsprozesses dar und setzt ein konkretes, selbst erfahrenes Konsumerlebnis voraus. Diese vergleichsweise abstrakten Reflexionen soUen nachfolgend anhand eines konkreten Fallbeispiels, das sich auf die in dieser Arbeit relevanten Reiseveranstalter bezieht und den Prozesscharakter des Dienstleistungskonsums im Tourismus widerspiegelt, transparent gemacht werden: Ein Kunde, der ein Reisebiiro aufsucht, um einen Pauschalurlaub in Marokko zu buchen, verkniipft - bereits im Vorfeld des eigentlichen Konsums - mit dem touristischen Produkt respektive den entsprechenden Dienstleistungen, die seitens des Reiseveranstalters angeboten werden, bestimmte Erwartungen. Diese basieren nicht nur auf eigenen Bediirfnissen und Erfahrungen, sondern sind in der Regel auch das Resultat von Mundpropaganda beziehungsweise Werbung. Die vor Ort, in diesem Fall in Marokko, wahrgenommenen Leistungen werden dann mit den erwarteten Leistungen verglichen. Werden diese aus Kundenperspektive nicht erfiillt, so entsteht Unzufriedenheit. Eine Erfiillung der Erwartungen impliziert jedoch gerade im Tourismus - nicht zuletzt basierend auf spezifischen Charakteristika der Qualitatswahrnehmung
106
KapitellV
bei Dienstleistungen - keineswegs ein Gefiihl wirklicher Zufriedenheit, sondern vielmehr ein Gefuhl der IndifFerenz, das das entsprechende Produkt ziemlich schnell austauschbar erscheinen lasst. Erst wenn die wahrgenommene Leistung die antizipierten Erwartungen iibertrifft, entsteht beim Kunden wirkliche Zufriedenheit (vgl. HINTERHUBER/MATZLER/PECHLANER/ RoTHENBERGER 2004). Somit ist die Qualitat einer Dienstleistung umso hoher, je geringer die Diskrepanz zwischen erwarteter und erlebter Dienstleistung ausfallt. Das Konzept der Kundenzufriedenheit erfordert von den beteiligten Leistungstragern eine konsequente Kundenorientierung, unter der, in Anlehnung an BRUHN (2002, S. 37), eine grundsatzliche Ausrichtung der Unternehmensaktivitaten auf die Bediirfnisse der Kunden, die bei Planung und Ersteilung der unternehmerischen Leistungen Beriicksichtigung finden, verstanden wird. Im Zentrum einer kundenorientierten Unternehmensfiihrung steht stets das Ziel, iangfristig stabile und okonomisch vorteilhafte Kundenbeziehungen zu etablieren. Kundenorientierung bedingt somit konsequenterweise eine Haltung, die im kundengerichteten Verhalten und Handeln samtlicher Akteure eines Unternehmens zum Ausdruck kommt. Was jedoch letztendlich Qualitat ist, bestimmt nicht die betrieblich dokumentierte Ubereinstimmung einer Leistung mit vorgegebenen Standards, sondern vielmehr der Markt, sprich der Kunde. STAUSS (1994, S. 31) konstatiert in diesem Zusammenhang: „Qualitat heifit somit primar: die vom Kunden v^ahrgenommene Quahtat. Wer es mit Qualitatspolitik ernst meint, mu6 sich somit die Frage stellen, wie der Prozel? der Qualitatsw^ahrnehmung von Konsumenten verlauft und welche Besonderheiten sich bei der Wahrnehmung von Dienstleistungs-Qualitat ergeben." Das Postulat, den Markt vom Kunden aus zu betrachten, ist untrennbar mit dem aus den Verhaltenswissenschaften stammenden Konzept der Perspektiveniibernahme verbunden, das ein mehrdimensionales Konstrukt aus sozial-kognitiven Fahigkeiten darstellt. Dazu gehoren vor aliem PerspektivendifFerenzierung, Perspektivenv^echsel, rekursives Denken, zeitliches Ordnen, Kausalitatsdenken und Vorstellungsvermogen (vgl. TROMMSDORFF 1998). Kundenorientierung verkorpert demnach eine spezielle Auspragung der Perspektiveniibernahme, namlich das virtuelle Hineinversetzen in den Kunden, um einerseits dessen Perspektive und das daraus resultierende Handeln zu antizipieren und um andererseits die entsprechenden Konsequenzen fiir das eigene Handeln abzuleiten. Wie bereits im Kontext des Konstrukts Kundenzufriedenheit angedeutet wurde, gibt es beziiglich der Qualitatswahrnehmung bei Dienstleistungen - vor allem in Relation mit Sachglitern - charakteristische Spezifika, die man als Leistungstrager im Tourismus beachten soUte. In diesem Zusammenhang sind insbesondere deren Intangibilitat, aber auch die unmittelbare Interaktion zwischen Anbieter und Nachfrager, die Gleichzeitigkeit von Produktion und Konsum, die Standortgebundenheit, das erhohte MaK an Individualitat sowie last but not least die Kundenbeteiligung an sich zu nennen. Im Folgenden soil - in Anlehnung an STAUSS (1994) respektive STAUSS und SEIDEL (2003) - explizit auf die Besonderheiten der Aspekte Intangibilitat und Kundenbeteiligung eingegangen werden, da diesen in der Regel der wichtigste Einfluss auf die kundenspezifische Qualitatswahrnehmung zugeschrieben wird: Die Intangibilitat einer Dienstleistung wird geradezu paradigmatisch an einem Reiseangebot sichtbar, das im Gegen-
Projektrelevante strategische Erfolgsfaktoren
107
satz zu einem Sachgut nicht physisch prasent ist und somit ganz erheblich durch die Imagination der Touristen konstituiert wird. Aufgrund der Intangibilitat eines Reiseangebots ist der Anteii an so genannten Suchmerkmalen - also an Eigenschaften, die ein Tourist vor seinem Reiseantritt iiberpriifen konnte - aufierst gering. Demgegeniiber ist der Anteii an Qualitatsaspekten, die man als Tourist erst wahrend der Reise erfahren kann und auf deren Vorhandensein beziehungsweise Giite man grundsatzlich vertrauen muss, ausgesprochen groE. Welcher Tourist wiisste nicht um die spezifischen Tiicken einer Pauschalreise, deren Anekdotencharakter so manches BetrofFenenseminar mit reichlich GesprachsstofF versorgen konnte? So hat sich fiir uns Reisende - um nur zwei Beispiele zu nennen - bereits so manche im Hochglanzprospekt mit den Attributen „ansprechend" und „individueir' etikettierte Hotelanlage als eher konventionelles setting eines standardisierten Massentourismus entpuppt, und die vermeintliche Freundlichkeit des Personals verkorpert haufig doch nicht mehr als bestenfalls Dienst nach Vorschrift. Der entsprechend grofie Anteii an so genannten Erfahrungs- und Glaubensmerkmalen hat nicht nur Konsequenzen fiir die spatere Qualitatsbeurteilung, sondern bedingt auch, dass der Kunde ein tendenziell erhohtes subjektives Kaufrisiko eingeht. Vor diesem Hintergrund orientiert er sich bei seiner Bewertung primar an erkennbaren Aspekten des Leistungsumfelds und verwendet sie im Sinne von Schlusselinformationen als Qualitatsindikatoren. Zudem erlangt im Dienstleistungskontext die personliche Kommunikation - man denke insbesondere an Mundpropaganda - einen nicht zu unterschatzenden Stellenwert, da diese fur den Kunden eine weitaus gr5Kere Glaubwiirdigkeit besitzt als die marktfokussierte Kommunikation des Anbieters (vgl. DREYER/DEHNER 2003). Das zweite zentrale Dienstleistungsmerkmal neben der Intangibilitat verkorpert die Kundenbeteiligung, in der zum Ausdruck kommt, dass eine Leistungserstellung im Dienstleistungssektor in der Regel nicht moglich ist, ohne dass sich der nachfragende Konsument selbst respektive eines seiner Giiter in den Prozess einbringt. Mit Bezug auf den in dieser Arbeit relevanten touristischen Kontext bedeutet dies, dass eine Reise ohne Reisenden als Dienstleistung nicht stattfindet. Somit wird die entsprechende Dienstleistung im Interaktionsprozess zwischen dem Personal des Anbieters und dem Konsumenten erstellt. STAUSS (1994, S. 33) leitet vor diesem Hintergrund folgende Implikationen fiir die Qualitatswahrnehmung ab: „Damit wird die Qualitatswahrnehmung wesentlich vom Verhalten des Kundenkontaktpersonals bestimmt, und zwar auch dann, wenn der Kontakt relativ kurzzeitig ist, wie etwa beim Kauf einer Bahnkarte, bei der Information im Fremdenverkehrsbiiro, beim Check-in im Hotel. In all diesen Fallen machen Kunden ihre qualitative Einschatzung der Dienstleistung und ihr Wiederkaufverhalten davon abhangig, wie positiv oder negativ sie diesen Kontakt erlebt haben, obwohl die eigentliche Kernleistung des Unternehmens davon oft gar nicht tangiert wird." Der groKe Einfluss des Personalverhaltens geht in der Regel mit einem prozessorientierten Qualitatserleben seitens des Kunden einher. Als potentielle Qualitatsstorungen, die im Rahmen einer Pauschalreise auftreten konnen, sind beispielsweise die Ausstattung der Hotels, die Serviceorientierung der Mitarbeiter, die Beschaffenheit der Transportmittel oder die Kompetenz
108
KapitellV
der Reiseleitung (vgl. Kapitel IV.4) zu nennen. Hinzu kommt, dass gerade in Entwicklungslandern Reiseveranstalter fiir vermeindiche Qualitatsbeeintrachtigungen verantwordich gemacht werden, die man nicht oder nur bedingt zu ihrem eigentiichen Verantwortungsbereich zahlen kann. Man denke in diesem Kontext beispielsweise an ambulante Handler mit ihrem haufig als insistierend empfundenen Verkaufsverhalten oder an Defizite einer nur rudimentar entwickelten Infrastruktur aufierhalb der Hotelanlagen. Bevor im Folgenden ausgewahlte Aspekte des Beschwerdemanagements erortert werden, seien noch einmal abschlieEend die zentralen Besonderheiten der Qualitatswahrnehmung bei Diensdeistungen zusammengefasst: Tab. 13: Besonderheiten der Qualitatswahrnehmung bei Dienstleistungen
Quelle: STAUSS (1994)
Wie die bisherigen Ausfuhrungen gezeigt haben, besteht im Tourismus ein ausgesprochener Synchronismus von Leistungserstellung und Inanspruchnahme der Leistung, wodurch fehlerhafte Produkte nicht im Rahmen einer QualitatskontroUe - wie im produzierenden Gewerbe - ausgemustert werden konnen. Die Konsequenz ist, dass Leistungen direkt an den Kunden gehen, wobei im Dienstleistungsbereich die Produkte iiberwiegend von Menschen erbracht werden und weshalb eine vollkommene Fehlerfreiheit keinesfalls garantiert werden kann und sollte. Vorrangiges Ziel eines kundenorientierten Beschwerdemanagements muss es stets sein, unerfiillte Qualitatsversprechen durch eine reibungslose Beschwerdeabwicklung zum Positiven zu wenden und dadurch zufriedene Kunden hervorzubringen. Um die Quantitat und Qualitat von Beschwerden als Information iiber bestehende Unzufriedenheit realistisch einschatzen und ein entsprechend efFektives handling von Beschwerden betreiben zu konnen, bedarf es nicht zuletzt moglichst detaillierter Kenntnisse iiber das Beschwerdeverhalten der Kunden (vgl. H A N SEN/JESCHKE 2000 und DREYER/BORN 2004).
Anhand nachfolgender Abbildung soil der Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit beziehungsweise Kundenunzufriedenheit und den Alternativen hinsichtlich des Beschwerdeverhaltens transparent gemacht werden:
Projektrelevante strategische Erfolgsfaktoren
Abb. 6:
109
Modell des Beschwerdeverhaltens bei Kundenzufriedenheit beziehungsweise Kundenunzufriedenheit
Quelle: HANSEN/JESCHKE (2000) Letztendlich manifestiert sich in jeder Beschwerde eine Artikulation von Unzufriedenheit gegeniiber einem Unternehmen beziehungsweise einer Drittinstitution, die kommuniziert wird, um auf ein subjektiv als schadigend empfundenes Verhalten eines Anbieters aufmerksam zu machen, Kompensation fiir erlittene Beeintrachtigungen zu erreichen und eine Anderung des kritisierten Verhaltens zu bewirken (vgl. STAUSS/SEIDEL 2002). Wenn anzunehmen ist, dass Unternehmen Zufriedenheit ihrer Kunden intendieren, dann konnte man eine Beschwerde als Indikator fiir eine negative Zielabweichung aufFassen und ihr kame somit eine Art KontroUfunktion fiir negative Entwicklungen in der wahrgenommenen Leistungsqualitat zu. Dabei setzt sich im Kontext einer kundenorientierten Unternehmensfiihrung immer mehr die Erkenntnis dutch, dass Beschwerden durchaus eine Chance fiir den betrofFenen Leistungstrager darstellen, da diesem dezidiert die Moglichkeit eingeraumt wird, den Grund der Unzufriedenheit zu erfahren, diesen zu beseitigen und aus dem Beschwerdefiihrer - mittels professioneller und erfolgreicher Abwicklung der Beschwerde - einen zufriedenen und loyalen Kunden zu machen (vgl. BORN 2000, STAUSS 2002 und BORN/DREYER 2003).
110
KapitellV
Die nicht selten kolportierte Ansicht, geringe Beschwerdezahlen implizierten automatisch einen hohen Grad an Zufriedenheit, ist ein Trugschluss, da sich haufig nur ein Bruchteil der unzufriedenen Kunden beschwert, die Majoritat hingegen Abstand vom entsprechenden Leistungstrager nimmt und sich eher fur negative Mundpropaganda verantwordich zeichnet. Geht man der Frage nach, warum Kunden trotz Unzufriedenheit keine Beschwerde artikulieren - man spricht in diesem Fall auch von einer so genannten versteckten Beschw^erde - , stodt man auf ein ungemein diversifiziertes Spektrum an Faktoren: So scheut - um nur drei ausgewahlte Beispiele zu nennen - mancher Kunde die materiellen wie immateriellen Kosten, andere zweifeln, im Sinne einer resignativen Einstellung, an der Reaktion seitens des Unternehmens und wieder andere unterlassen eine Beschwerde, weil sie nicht um ihre Rechte wissen respektive v^eil sie auf keine spezifischen MaEnahmen der Beschv^erdestimulierung treffen (vgl. HINTERHUBER/HANDLBAUER/MATZLER 1997 und DREYER/BORN 2004).
Bevor im folgenden Abschnitt auf die konkreten Aufgaben eines kundenorientierten Beschw^erdemanagements eingegangen wird, seien noch einmal dessen zentrale Zielsetzungen dargelegt, die einmal mehr zeigen, dass eine vorwiegend negative Perzeption dieses nicht zu unterschatzenden Erfolgsfaktors jeglicher Grundlage entbehrt: Tab. 14: Operative Zielsetzungen eines systematischen und aktiven Beschv^erdemanagements 1.
Wiederherstellung von Zufriedenheit: Herstellung von Beschwerdezufriedenheit eines Beschwerdefiihrers als zentrale Grundlage fiir Einstellungsverbesserungen, Kundenbindung und Markentreue
2.
Vermeidung von negativen Reaktionen unzufriedener Kunden fiir das Unternehmen
3.
Umsetzung und Verdeutlichung einer kundenorientierten Unternehmensstrategie
4.
Schafhing zusatzlicher akquisitorischer Effekte durch Anregung positiver, personlicher Kommunikation der Beschwerdefiihrer (Weiterempfehlung)
5.
Ausnutzung und Nutzung der in Beschwerden enthaltenen Informationen fiir Verbesserungen (Qualitatsmanagement)
6.
Reduzierung interner und externer Fehlerkosten
Quelle: GUNTER(2001)
Die Behandlung von Reaktionen unzufriedener Kunden durch einen Leistungstrager kann entweder passiv-reaktiv und in diesem Fall eher unsystematisch erfolgen oder aktiv auf der Basis eines geplant gestalteten Beschwerdemanagementsystems. Ziel ist in beiden Fallen die Herstellung beziehungsw^eise Wiederherstellung von Kundenzufriedenheit (vgl. GUNTER 2001). Im Kontext einer Systematisierung des Beschv^erdemanagements ist vor dem Hintergrund der Problematik versteckter Beschwerden darauf zu achten, dass fiir die Kunden leicht zugangliche Kommunikationskanale eingerichtet werden, iiber die sich potentielle Beschwerdefiihrer mit ihrer Kritik an das Unternehmen wenden konnen. Diese Beschwerdestimulierung fungiert zunachst als erster Schritt des direkten Beschwerdemanagementprozesses. Danach erfolgt die
Projektrelevante strategische Erfolgsfaktoren
111
Beschwerdeannahme, in der es primar um die Organisation des Beschwerdeeingangs respektive die Erfassung der Beschwerdeinformation geht. In einem dritten und vierten Schritt schlieEen sich Beschwerdebearbeitung und Beschwerdereaktion an, wobei als Reaktionsformen in der Regel drei Typen von MaEnahmen zur Verfiigung stehen: finanzielle, materielle und immaterielle Reaktionen. Letztere sind grundsatziich angebracht, unabhangig davon, ob die eigendiche Problemlosung noch eine weitere Reaktionsform erforderlich macht, da der Leistungstrager mit einer Entschuldigung nicht nur die Verantwortung fur das aufgetretene Problem iibernimmt, sondern auch dezidiert dazu beitragt, auf emotionaler Ebene Unzufriedenheit abzubauen (vgl. STAUSS/SEIDEL 2002).
In der Tourismusbranche hat sich - nicht zuletzt vor dem Hintergrund ihres spezifischen Dienstieistungscharakters und angesichts des Faktums, dass der Kunde bei der Leistungserstellung personlich prasent ist - weitgehend eine Beschwerdeiosung en route durchgesetzt. Eine entsprechende customer satisfaction on the spot ist in der Regel nicht nur die schnellste und damit kundenfreundlichste, sondern in den meisten Fallen auch die fur den Reiseveranstalter kostengiinstigste Losung, da sie vielfach einer langwierigen juristischen Auseinandersetzung vorbeugt (vgl. PoMPL 1997 und SCHARF 2000). Es versteht sich von selbst, dass ein kundenorientiertes Beschwerdemanagement nicht nur einer positiven Einstellung in Hinblick auf den Umgang mit Leistungsmangeln bedarf, sondern auch ein entsprechendes empowerment der Kundenkontaktmitarbeiter voraussetzt. Vor dem Hintergrund der bisherigen Schilderungen kann man unter Umstanden den Eindruck gewinnen, die Implementation eines kundenorientierten Beschwerdemanagements sei ausschliefilich mit einer groEen Personaldecke durchfiihrbar und komme somit primar fiir groEere Reiseveranstalter in Frage. Dieser Eindruck erweist sich insofern als unbegriindet, da gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen haufig ein besonders intensiver Kontakt zwischen Leistungstrager und Kunde vorliegt, der eine ausgesprochen personalisierte Form von Beschwerdemanagement ermoglicht. So steht nicht nur so mancher Geschafrsfiihrer eines Nischenveranstalters in standigem personlichem Kontakt mit seinen Kunden wahrend der Reise, um eventuellen Beschwerden vorzubeugen, sondern man kann auch oft davon ausgehen, dass eine Beschwerde zur Chefsache erklart und somit nicht ausschlieElich von Mitarbeitern unterer Hierarchiestufen bearbeitet wird. Bevor im folgenden Kapitel mit dem Themenkomplex Reiseleiter der vierte projektrelevante strategische Erfolgsfaktor vorgestellt wird, soUen an dieser Stelle noch einige abschlieEende Anmerkungen zur internationalen beziehungsweise interkulturellen Dimension des Beschwerdemanagements gemacht werden (vgl. LIEB 1997, MANG 1998, STAUSS 1999 und WEGMANN
2001). In diesem Kontext gilt nicht nur zu beachten, dass es mitunter ausgepragte interkulturelle Unterschiede bei Kundenerwartungen und -wahrnehmungen hinsichtlich Produkten und Dienstleistungen gibt, sondern ebenfalls in Bezug auf die kooperationsrelevante Frage, welche Beschwerden - vor allem angesichts eventueller Folgekosten - aus Sicht der Interaktionspartner wirklich berechtigt sind und wie man diese gemeinsam angeht. Gerade das neuralgische Pro-
112
KapitellV
blemfeld des Quaiitats- und Beschwerdemanagements verkorpert eine nicht zu unterschatzende Schnittstelle, an der sich auch dezidiert Starken und Schwachen einer biiateralen Zusammenarbeit aufeeigen lassen. Eine Losung entsprechender Kooperations- und Koordinationsprobleme unter Einbeziehung kulturspezifischer Besonderheiten stellt somit in letzter Konsequenz eine der zentralen Herausforderungen im Management touristischer Produkte dar.
IV.4
Reiseleiter
„Mein Gott, was fur ein herrliches Leben Sie fiihren! Immer auf Reisen zu sein, das ware mein Ideal. Ich frage mich, ob Sie Ihr Gliick iiberhaupt zu schatzen wissen!" Guy Abecassis „Ob man", wie SCHUTZE (1999, S. 26) konstatiert, „alten Spuren folgt oder Neuland betritt: Das Ziel jeder Reise ist die Fremde." Diese erschiief^t sich nicht nur schwer, vielmehr will sie entdeckt, umworben, bewahrt und vertieft werden, kurzum man muss an ihr arbeiten. Dabei sind wir jedoch - spatestens seit Aufkommen der Grand Tour - zutiefst davon iiberzeugt, durch Reisen Fremdheit abbauen zu konnen: Warum ist die Welt woanders anders, inwiefern ist sie anders, und was konnen wir als Reisende aus diesem anderen Erfahrungskontext lernen? Die Geschichte des Reisens hat uns stets gelehrt, dass kollektive und individuelle Identitaten aus Prozessen wechselseitiger Reflexion und Identifizierung entstehen und von diesen Prozessen wiederum beeinflusst werden. Weder die kollektive noch die individuelle Identitat sind vorgegeben, sondern werden durch die Beziehungen zu Anderen geformt. LEED (1993, S. 33), dessen essayistische Kulturgeschichte des Reisens weitaus profundere Einblicke in das komplexe Phanomen des Tourismus vermittelt als so manches Standardlehrbuch, schreibt in diesem Kontext: „Die Erfahrung der Reise (...) erzeugt ein koUektives Identitatsbewufitsein, indem es den Reisenden aufs genaueste ihre AhnUchkeit, aber auch ihr Anderssein gegeniiber einer fremden Welt vor Augen fiihrt." Die Dialektik dts Verstandnisses von Eigenem und Fremdem verkorpert somit ein konstitutives Merkmal jeder Reise, die in einen interkulturellen Kontext eingebunden ist. Das vorliegende Kapitel mochte mit jenen zentralen Akteuren von Reiseveranstaltern vertraut machen, die uns Reisenden als „interkulturelle Mediatoren" (NONNENMANN 2004, S. 15) andere Kulturen erschlieEen und somit einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, dass wir in der heutigen Zeit vielfach von einer - positiv zu bewertenden - Normalitat des Fremden sprechen konnen (vgl. Kapitel III.4). Reiseleiter fungieren nicht nur als Mediatoren im interkulturellen Kontext, sondern sie sind auch das wichtigste Scharnier zwischen Veranstaltern, Incoming-Agenturen und Reiseteilnehmern (vgl. SCHERLE/NONNENMANN 2004). Bei etwaigen Problemen sind sie alleinige Ansprechpartner fiir alle Parteien und miissen mit gro£em Geschick und einer gehorigen Portion Empathie zwischen den einzelnen Akteuren vermitteln. Es gibt also geniigend Griinde,
Projektrelevante strategische Erfolgsfaktoren
113
weshalb man Reiseleiter als einen zentralen Erfolgsfaktor im Kooperationsalltag von bilateral kooperierenden Reiseveranstaltern betrachten kann. In diesem Zusammenhang sei auch explizit an Werner Kubsch erinnert, der in der Nachkriegszeit eines der bedeutendsten deutschen Reiseveranstalterunternehmen gegriindet hat und der iiber die Rolle von Reiseleitern zu sagen pflegte: „Der Reiseleiter einer Studienreise ist nicht nur Erfiillungsgehilfe des Veranstalters, sondern zugleich auch deren Schliisselfigur. Er setzt die Unternehmensphilosophie vor Ort in die Tat um." (KUBSCH 1991, S. 427). Die folgenden Ausfiihrungen gev^ahren einerseits einen pragnanten Einblick in das komplexe Anforderungsprofil von Reiseleitern, andererseits soUen sie vor dem Hintergrund des konzeptionellen Selbstverstandnisses dieser Studie dezidiert mit deren interkulturellen MediatorenroUe vertraut machen. Ungeachtet ihrer herausragenden Stellung, die Reiseleiter im Tourismussystem einnehmen, hat man sich diesen Akteuren aus wissenschaftlicher Perspektive bisher vergleichsweise rudimentar gewidmet. Grundlegend sind nach wie vor die Arbeiten von DATZER und LOHMANN (1981) SOwie von COHEN (1985) iiber berufliches Selbstverstandnis beziehungsv^eise iiber Aufgaben und Funktionen von Reiseleitern. Des Weiteren existieren einige vorwiegend anwendungsbezogen konzipierte Handbiicher, die diverse Themenkomplexe von der Durchfiihrung einer Reise iiber didaktische Fragestellungen bis hin zum Reiserecht aufgreifen (vgl. beispielsw^eise SCHMEERSTURM 1990/2001, KIRSTGES/SCHRODER/BORN 2001 und GUNTER 2003). Die unlangst von
NoNNENMANN (2004) ZU dieset Thematik erschienene Publikation setzt sich insbesondere mit dem Lebensalltag von Studienreiseleitern auseinander und bringt diesen mit aktuellen regionalen und globalen Entwicklungen in Verbindung. In diesem Kontext greift sie auch explizit die Rolle von Reiseleitern als interkulturelle Mediatoren auf; ein Aspekt, der diese Studie auch besonders wertvoll fiir die vorliegende Arbeit macht. Wie bereits eingangs angefiihrt, fungieren Reiseleiter als zentrales Bindeglied zwischen Veranstaltern, Incoming-Agenturen und Reiseteilnehmern. In der Regel sind sie zudem die einzigen Reprasentanten eines Reiseveranstalters, mit denen der Kunde direkt in Kontakt tritt. Die Wurzeln dieser beruflichen Tatigkeit sind im 17. und 18. Jahrhundert zu suchen, als es sich zum Branch entwickelte, junge Adelige in Begleitung eines Tutors auf eine zwei- bis dreijahrige Bildungsreise durch Europa zu schicken. Als w^ichtigste Destinationen dieser als Grand Tour bezeichneten Bildungsreise, die im Rahmen eines humanistischen Bildungsideals zum integrativen Bestandteil der Ausbildung wurde, galten insbesondere das Rheintal, die Schweiz und nicht zuletzt Italien mit seinen antiken Ausgrabungsstatten und prachtigen Renaissancestadten. Gleichwohl waren diese Reisen - ungeachtet ihres hehren Anspruchs - nicht unumstritten, brachte doch so mancher Akteur von der Reise neben einer laxen Moral auch eine Geschlechtskrankheit mit. Die Tutoren agierten auf den entsprechenden Reisen primar als pathfinder und mentor, zwei RoUen, die - wie COHEN (1985, S. 9) skizziert - auch fiir den heutigen Reiseleiter noch konstitutiv sind: „The role of the modern tourist guide combines and expands elements from both antecedents, that of the pathfinder and that of the mentor. This confluence is neatly expressed in the Hebrew term for the role, moreh-derech, i.e., ,teacher of the way'. The two, however, do not necessarily merge harmoniously; rather there exist incongruencies and tensions
114
KapitellV
between these two major components of the modern role, which at least partly account for its developmental dynamics as well as its further differentiation," Vor dem Hintergrund sich immer schneller wandelnder Anspriiche an das Reisen haben sich auch die Anforderungen an Reiseleiter geandert. Als Organisatoren, Betreuer, gegenwartsorientierte Experten ihrer Destinationen sowie als Kulturvermittler fallen ihnen die unterschiedlichsten Rollen und Aufgaben zu. Die heute meistens sehr reiseerfahrenen Kunden fordern mittlerweile nicht mehr nur eine perfekte organisatorische Leistung und profundes Wissen iiber die jeweilige Destination, sie erwarten gleichfalls eine gewisse freizeitpadagogische Kompetenz und eine urlaubsadaquate Wissens- und Erfahrungsvermittlung. In diesem Kontext sollen Reiseleiter moglichst nicht als Dozenten, sondern als Freund und Partner auf Reisen und als interkulturelle Mediatoren auftreten. Von ihnen wird erwartet, dass sie den Reisenden sensibel in eine nicht vertraute Kultur einfuhren, ihm die Schwellenangst nehmen und Erlebnisse vermitteln, die moglichst den konventionellen Rahmen des Alltaglichen sprengen (vgl. NONNENMANN 2 0 0 4 ) .
Wer heute iiber das Anforderungsprofil respektive die komplexen Aufgaben von Reiseleitern reflektiert, wird dies stets in Verbindung mit der Entwicklung des Veranstaltertourismus tun miissen, ohne dessen Existenz die Ausiibung dieser beruflichen Tatigkeit kaum mehr vorstellbar ist. Infolge des Aufschwungs des Pauschaltourismus in den 1950er und 1960er Jahren stieg auch der Bedarf an Reiseleitern. Das wachsende Interesse an neuen Tourismusformen fiihrte in den folgenden Jahrzehnten zu nachhaltigen Veranderungen im Tatigkeitsbereich von Reiseleitern, wobei die Anforderungen deutlich vielfaltiger wurden und eine sukzessive Spezialisierung Einzug hielt (vgl. DATZER/LOHMANN 1981). Als wichtigste Arbeitgeber von Reiseleitern sehen sich Reiseveranstalter zunehmend einer verscharften Konkurrenzsituation ausgesetzt, die in den letzten Jahren zu einem ausgepragten Verdrangungswettbewerb gefuhrt hat. Vor diesem Hintergrund entwickeln sich mehr und mehr innovative Urlaubskonzepte, eine konsequente Serviceorientierung und nicht zuletzt der Erfolgsfaktor Kundenzufriedenheit zu alles entscheidenden Garanten fur Erfolg und Uberleben der Anbieter (vgl. Kapitel II.6 und IV.3). Dabei ist der Reiseleiter zweifelsfrei das wichtigste Bindeglied zwischen Veranstalter, Programm und Kundenzufriedenheit. Dementsprechend komplex ist auch das Anforderungsprofil, das an diese Berufsgruppe, die wie kaum eine Zweite an der Kundenfront agiert, gestellt wird: Fiihren und Betreuen, Verwalten und Organisieren, Beraten und Innovationen hervorbringen sowie last but not least Erklaren und Vermitteln (vgl. KIRSTGES/SCHRODER/BORN 2001). Ungeachtet der zentralen Bedeutung von Reiseleitern im touristischen System sowie der komplexen Anforderungen an die entsprechenden Akteure gibt es bis dato in Deutschland keine verbindliche Ausbildung, geschweige denn ein klar umrissenes Berufsbild. Die Einfiihrung eines Reiseleiterzertifikats vom Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschafi in den 1990er Jahren stellt einen ersten Schritt zu einer Professionalisierung dar, auch wenn die meisten arbeitsrechtlichen, finanziellen und sozialen Unzulanglichkeiten, die diese berufliche Tatigkeit mit sich bringt, kaum abgefedert werden konnten. Letztendlich bleiben, wie das nachfolgende
Projektrelevante strategische Erfolgsfaktoren
115
Zitat von KLINGENSTEIN und M U N D T (2000, S. 273) deutlich macht, primar die Reiseveranstalter gefordert, den Arbeits- und Sozialstatus von Reiseleitern aufeuwerten: „Gerade well es so schwierig ist, das Berufsfeld des Reiseleiters zu definieren, ist es die Pflicht der Reiseveranstalter, als Arbeitgeber wenigstens finanzielie Verhaltnisse zu schafFen, die eine Identifizierung mit dem Beruf mogiich machen. Von schlecht bezahlten Mitarbeitern kann man keine quaiifizierte Tatigkeit erwarten, die neben Fachkenntnis und sozialer Kompetenz auch ein erhebliches Mafi an Engagement und eine hohe Motivation voraussetzt." Wie bereits im ersten Abschnitt angedeutet wurde, nehmen Reiseleiter - gerade aus Perspektive von Studienreiseveranstaltern - eine ausgesprochene Mediatorenrolle zwischen den Kulturen ein, vieifach wird die interkuiturelle Vermittlung sogar als deren zentraie Aufgabe angesehen (vgl. NoNNENMANN 2004). „Es gilt", wie SCHRUTKA-RECHTENSTAMM (1999, S. 101) im Kontext ihrer Reflexionen uber interkuiturelle Beziehungen im Tourismus darlegt, „die Wirklichkeit der bereisten Kultur zu verstehen und die Grenzen zur anderen Kultur aufzubrechen. Erwartet wird von Seiten der Touristen ein authentischer Blick, und die Vokabeln echt und unverfalscht werden zu Schliisselwortern, sobald die Grenze zv^ischen Arbeitsalltag und Urlaubsreise iiberschritten ist." Die Funktion von Reiseleitern als interkuiturelle Mediatoren ergibt sich nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass diese Berufsgruppe wie kaum eine Zweite in die Dialektik des Verstandnisses von Eigenem und Fremdem eingebunden ist (vgl. SCHERLE/NONNENMANN 2004). Dutch ihre Reiseaktivitaten und ihre interkuiturelle Vermittlungsfunktion sind Reiseleiter unmittelbar den jeweiligen kulturellen Einfliissen auf lokaler, regionaler und globaler Ebene ausgesetzt, wobei ihnen als ,Wanderern zwischen den Welten' dezidiert die Aufgabe zufallt, Verstandnis fiir das Fremde zu wecken und ihre Gaste fiir kulturelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu sensibilisieren. In diesem Kontext soil ten sie sich aber gleichfalls ihrer eigenen personlichen, kulturellen und sozialen Identitat bewusst sein. Gerade im Rahmen von Studienreisen, die liber einen langeren Zeitraum von ein und derselben Reiseleitung begleitet werden, ist es essentiell, die Erwartungen, Bediirfnisse, Wiinsche und Reisemotive der Gaste zu kennen, wobei man als Faustregel festhalten kann: Je intensiver eine Reisegruppe an ihre Reiseleitung gebunden ist, desto groEer ist der mogliche Einfluss des jeweiligen Reiseleiters auf die Realisierung von interkulturellen Begegnungen und damit auch auf das Gelingen der Urlaubsreise (vgl. KOSTERKE 2003). Auch wenn der Reiseleiter als Kulturvermittler Verstandnis zwischen Gasten und Gastgebern schafFen mochte, so wird eine interkuiturelle Begegnung im touristischen Kontext in der Regel nur dann erfolgreich sein, wenn beide Seiten dies wirklich woUen. Insbesondere als Reisender wird man dabei nicht umhinkommen, vertrautes touristisches Terrain zu verlassen und mit Aufgeschlossenheit die neuartigen Eindriicke, die Land und Leute bieten, aufeunehmen. Deshalb ist es auch ausgesprochen schwierig, dieses Anliegen als Programmpunkt zu institutionalisieren (vgl. SCHERLE 2000/200la und KIENAST 2003). SoUte es eine Berufsgruppe geben, die, zumindest in Ansatzen, dem von WELSCH (1999/2000) postulierten Konzept der Transkulturalitat gerecht wird, so ist es jene der Reiseleiter, deren Akteure sich sowohl in ihrem Arbeits- als auch in ihrem Privatleben permanent im Spannungsfeld divergierender Kulturen und ihrer jeweiligen Stromungen befinden (vgl. SCHERLE/NONNEN-
116
KapitellV
MANN 2004). Vor diesem Hintergrund kann man Reiseleiter, im Sinne von HANNERZ (1992), auch dezidiert als cosmopolitans bezeichnen. Was verbirgt sich hinter diesem so weldaufigen Begriff, der langst - Dank eines Hochglanzmagazins - Einzug in die Alltagssprache gefunden hat? Der in Schweden lehrende Sozialanthropologe HANNERZ (1992, S. 252 f.) beschreibt die Attribute eines cosmopolitans wie folgt: „There is, first of all, a willingness to engage with the Other, an intellectual and aesthetic stance of openness toward divergent cultural experiences. There can be no cosmopolitans without locals, representatives of more circumscribed territorial cultures. But apart from this appreciative orientation, cosmopolitanism tends also to be a matter of competence, of both a generalized and a more specialized kind. There is the aspect of a personal ability to make one's way into other cultures, through listening, looking, intuiting, and reflecting, and there is cultural competence in the stricter sense of the term, a built-up skill in maneuvering more or less expertly with a particular system of meanings. In its concern with the Other, cosmopolitanism thus becomes a matter of varieties and levels." Vor dem Hintergrund ihres Pendelns zwischen den Kulturen sowie ihrer Einbindung in die Dialektik des Verstandnisses von Eigenem und Fremdem formt sich bei Reiseleitern eine spezifische Identitat aus, die keine klaren Grenzen mehr zu kennen scheint. So werden Reiseleiter als klassische Grenzganger zwischen Heimat und Fremde immer wieder mit dem Phanomen konfrontiert, dass Heimat mitunter fremd und Fremde vermeintlich vertraut erscheint (vgl. NONNENMANN 2004). Wie das vorangestellte Zitat deutlich macht, erfordert cosmopolitanism nicht nur eine entsprechende Disposition respektive Einstellung, sondern auch interkulturelle Kompetenz, deren Aneignung zum einen ein nie enden woUenden Prozess verkorpert, zum anderen aber auch einer gehorigen Portion Eigeninitiative bedarf Nur wer iiber diese Schliisselqualifikation verfiigt, kann vermitteln, kann zum Mediator zwischen divergierenden kulturellen Systemen werden. Letztendlich kann es sich aber auch fur einen cosmopolitan nur um ein graduelles Annahern an andere Kulturen handeln, das, wie HANNERZ (1992, S. 253) anschaulich darlegt, von einer scheinbar paradoxen Dialektik zwischen mastery und surrender iiberlagert wird: „Competence with regard to alien cultures for the cosmopolitan entails a sense of mastery. His understandings have expanded, a little more of the world is under control. Yet there is a curious, apparently paradoxical interplay between mastery and surrender here. It may be one kind of cosmopolitanism where the individual picks from other cultures only those pieces which suit himself In the long term, this is likely to be the way a cosmopolitan constructs his own unique personal perspective out of an idiosyncratic collection of experiences, although such selectivity can operate in the short term, situationally, as well. In another mode, however, the cosmopolitan does not make invidious distinctions among the particular elements of the alien culture in order to admit some of them into his repertoire and refuse others; he does not negotiate with the other culture but accepts it as a package deal. But even this surrender is a part of the sense of mastery. The cosmopolitan's surrender to the alien culture implies personal autonomy vis-a-vis the culture where he originated. He has his obvious competence with regard to it, but he can choose to disengage from it. He possesses it, it does not possess him. Cosmopolitanism becomes proteanism."
Projektrelevante strategische Erfolgsfaktoren
117
Bevor im kommenden Kapitel die fiir diese Arbeit relevante Destination vorgestellt wird, sei abschlie£end die Frage aufgeworfen, wie aus Kundenperspektive die RoUe von Reiseleitern im interkulturellen Kontext eingescliatzt wird? Geht man wie in dieser Arbeit davon aus, dass die Qualitat eines Reiseleiters nicht nur davon abhangt, inwieweit er Fachwissen vermitteln, sondern auch - zumindest in Ansatzen - Verstandnis fiir die Spezifika einer fremden Kultur wecken kann, so gewinnt diese Frage eine zentrale Bedeutung. Auch imTourismus des 21. Jahrhunderts treten AbstoKung und Anziehung dutch das Fremde prononciert hervor, gleichwohi sind inzwischen negative Klischees fast voUig aus den offentlichen Diskussionen verbannt (vgl. HENNIG 1999b). Inwieweit Tourismus iiberhaupt einen positiven Beitrag zur interkulturellen Kommunikation leisten kann, wird seitens der scientific community seit jeher ambivalent gesehen. Alle bisherigen Untersuchungen haben jedenfalls gezeigt, dass die Wahrnehmung der Reisenden und damit ihre Eindriicke von den jeweils besuchten Landern von einer Vielzahl an Faktoren abhangen, die eine pauschale Antwort verbieten (vgl. insbesondere SCHRUTKA-RECHTENSTAMM 1999, HARTMANN 2003, KOSTERKE 2003 und REISINGER/TURNER 2003). Das nachfolgende
Zitat eines Touristen aus der Studie von NONNENMANN (2004, S. 259) zeigt exemplarisch, welche positive RoUe Reiseleiter als Kulturvermittler einnehmen konnen: ,Atif einer Reise durch Siidafrika wechselten nicht nur die lokalen weiSen RL [Reiseleiter, Anm. d. Verf], sondern auch die farbigen Busfahrer. Unser StRL [Studienreiseleiter, Anm. d. Verf] versuchte auch, die fur uns spiirbare Spannung zwischen burenstammigen RL und farbigen Busfahrern durch objektive Vortrage und anschliefiende Diskussion aller Reiseteilnehmer abzubauen. Fiir ihn war es selbstverstandlich, dass er mit den Reisefiihrern und den Busfahrern an einem Tisch die Tagesmahlzeiten einnahm." Diese Aussage macht geradezu paradigmatisch transparent, wie es einem Reiseleiter auf kultursensible Art und Weise gelingt. Impulse beizusteuern, sich als Reiseteilnehmer mit einer Kultur auseinander zu setzen, die sich bis in die heutige Zeit vor allem durch ihre innere Zerrissenheit auszeichnet. Im diesem Zusammenhang agiert der Reiseleiter nicht zuletzt als Interpret, der im Sinne von COHEN (1985, S. 15) die „strangeness of a foreign culture into a cultural idiom familiar to the visitors" iibersetzt und damit zu einem Abbau bestehender Vorurteile beitragt.
V
Die Incoming-Destination Marokko im Uberblick
V. 1
Natiirliches und kulturelles Tourismuspotential
„Oase fiir die Sinne" Aktueller Werbespruch des marokkanischen Fremdenverkehrsamts Sonne, Strand und Meer, vielleicht noch eine Prise Exotik, die dann in einen mehr oder weniger markigen Werbespruch verpackt werden - fehlen eigentlich nur noch die Touristen. Hat man die vermeinthchen Alleinstellungsmerkmale mediterraner Destinationen nicht schnell aufgezahlt und kann somit getrost zum nachsten Kapitel iiberleiten? So einfach ist es dann doch nicht, denn eines sollte man stets bedenken: Das natiiriiche und kulturelle Tourismuspotential ist die Visitenkarte einer Destination, die sich einem zunehmend harteren Wettbewerb um Marktanteile in einer weitestgehend globalisierten Branche stellen will. Auf dieses Potential aus Natur- und Kulturfaktoren (vgl. GORMSEN 1983) miissen sowohl die nationalen Fremdenverkehrsamter als auch die in dieser Arbeit relevanten Reiseveranstalter zuriickgreifen, um ein entsprechendes touristisches Produkt zu kreieren. Und dabei kann man sich, insbesondere vor dem Hintergrund sich wandelnder Nachfragemuster, langst nicht mehr ausschliefilich auf die Klassiker des stationaren Badetourismus - seUy sun, sand und sex - verlassen. Nachfolgend soil in Grundzugen das kulturelle und natiiriiche Tourismuspotential des Maghreblandes, das in den einschlagigen Katalogen der Reiseveranstalter mit Werbebotschaften wie „Im Reich der Sinne" oder „Land der tausend Gesichter" etikettiert wird, vorgestellt werden. Auf aktuelle Entwicklungen, die derzeit im Marokkotourismus ablaufen und die mit einer veranderten Nachfrage (vgl. SMERAL 1996 und BUHALIS 2001) einhergehen, wird primar in Kapitel V.3 Bezug genommen. Unabhangig davon, welchen Betrachtungsaspekt man im Kontext einer touristischen Inwertsetzung Marokkos heranzieht, bietet das Land, das sich auch im Vergleich zu potentiellen Konkurrenzdestinationen dutch seine frappanten Gegensatze auszeichnet, eine reiche Vielfalt an Erscheinungen im naturraumlichen wie im kulturellen Bereich und dementsprechend auch ein beachtliches Potential fiir touristische Aktivitaten (vgl. MOLLER-HOHENSTEIN/POPP 1990 respektive TROIN 2002). Zu den naturraumlichen Potentialen muss man insbesondere die geringen Niederschlagswerte sowie die hohe Sonnenscheindauer, beides zentrale Pullfaktoren fiir sonnenhungrige Touristen aus den vorwiegend nordlichen Quelllandern, attraktive Kiistenabschnitte sowohl am Atlantik als auch am Mittelmeer, das Hochgebirge des Atlas, welches im Sommer zum Trekking und im Winter zum Skifahren einladt, sowie die von vielen Touristen als besonders ,exotisch' empfundenen Halbwiisten- und Wustenlandschafren zahlen. Neben die naturraumlichen treten kulturelle Potentiale, die sich in zahlreichen Artefakten von der romisch-phonizischen iiber die arabisch-islamische bis hin zur kolonialen und postkolonialen
Die Incoming-Destination Marokko im Uberblick
119
Zeit widerspiegeln, wodurch sich ideale Voraussetzungen fixr einen Kultur- beziehungsweise Studienreisetourismus ergeben (vgl, BERRIANE 1999b). Besonderer Attraktivitat erfreuen sich in diesem Kontext unter anderem die Konigsstadte, deren bipolare Stadtstrukturen sich vielfach geradezu lehrbuchmafiig bis in die heutige Zeit erhalten konnten, die romischen Ausgrabungen von Volubihs und Lixus, die Ksour und Kasbahs im Siiden des Landes sowie einige bemerkenswerte postkoloniale Bauwerke, von denen die Ende der 1980er Jahre in Casablanca errichtete Moschee Hassan II sicherlich das spektakularste Beispiel darstellt. Last but not least sind die Bewohner des Landes einschlief?lich ihrer okonomischen und kulturellen Tatigkeiten zu nennen; Popp konstatiert diesbeziiglich: „Die optischen Eindriicke, die vielfaltigen Geriiche, das Drangen und Feilschen beim Gang dutch einen stadtischen Basar sind von ebensolcher Exotik wie der Besuch eines landhchen Souks', die fremdartig v^irkende Verschleierung der Frauen in den Stadten und die farbenfrohen Trachten silberschmuckbehangener Berberfrauen im Gebirge sind ebenso uniibersehbar wie die pragende Wirkung des Islam im Alltagsleben, sei es daf? der Muezzin zum Gebet ruft, sei es daf? ein religioses Pest (...) bevorsteht, sei es dafi der Fastenmonat Ramadan gerade praktiziert wird." (MULLER-HOHENSTEIN/POPP 1990, S. 185). Dass dieser vermeintlich typische Moroccan way of life seit der Zunahme islamistischer Anschlage, von denen auch das Maghrebland nicht verschont blieb, durchaus ambivalent gesehen wird, darf auf keinen Fall verschwiegen werden. In diesem Kontext sei beispielsweise - ohne an dieser Stelle in die komplexe Thematik einsteigen zu woUen - an die derzeitigen Diskussionen iiber das Kopftuch erinnert. Vor dem Hintergrund des skizzierten marokkanischen Tourismuspotentials haben sich in den fiinf Jahrzehnten seit der Unabhangigkeit des Landes im Jahre 1956 verschiedene Tourismusformen herauskristallisiert, die mit der Generierung dreier divergierender Typen von touristischen Zentren einherging (vgl. WIDMER-MUNCH 1990): Erstens ein stationarer Badetourismus, den man im Kontext des Incoming-Tourismus fast ausschliefilich mit Agadir assoziiert; ein Umstand, den die fiihrenden Reprasentanten der marokkanischen Tourismuspolitik so schnell wie moglich andern woUen (vgl. Kapitel V.3 und V.4). Zweitens ein Rundreisetourismus, dessen Klientel sich vorwiegend aus Teilnehmern von Studienreisen rekrutiert und der insbesondere die vier Konigsstadte des Landes (Rabat, Meknes, Fes und Marrakech) sowie die so genannte Strafie der Kasbahs abdeckt. Drittens ein Biindel vergleichsweise neuer Tourismussegmente, etwa der Incentive-, Wiisten- und Trekkingtourismus, die die bereits erwahnten Tourismusformen abrunden und, zumindest teilweise, zu einer touristischen Erschliefiung peripherer Regionen gefiihrt haben (vgl. KAGERMEIER 1999 und POPP 2001b). Im Gegensatz zu Tunesien ist Marokko durch eine wesentlich starkere raumliche Streuung des touristischen Angebots gekennzeichnet. Deren Wurzeln sind vor allem in der historischen Tourismusentwicklung des Landes zu suchen, da Marokko bereits zu Protektoratszeiten einen Rundreise- und Stadtetourismus ins Landesinnere aufweisen konnte, die bei seinem maghrebinischen Konkurrenten zu jener Zeit fast ganzlich unbekannt waren (vgl. BERRIANE 1990). Die zentralen Etappen der Tourismusentwicklung, die die Basis fiir die heutigen Tourismusstrukturen gelegt haben, werden im folgenden Kapitel dargelegt.
120
V.2
KapitelV
Tourismusentwicklung in Marokko aus historischer Perspektive
„Die meisten Reisenden werden sich auf den Besuch von Tanger, den Ausflug nach Tetuan oder auf die wegen der haufigen Stiirme nur in der besseren Jahreszeit (April - Sept.) empfehlenswerte atlantische Kiistenfahrt bis Rabat oder Mogador beschranken. Reisen im Innern des Landes sind fiir Europaer hochstens im Blad el-Machsen moglich, in Nordmarokko nur aufierhalb der Periode der Winterregen anzuraten. Sie erfordern bei dem Mangel an StraEen, Briicken und Wirtshausern kostspielige Vorbereitungen, Mitnahme von Zelten und Feldbetten, von Koch- und E%erat, Lebensmitteln (Brot, Konserven, Tee, Zucker, MineraWasser), von Kerzen, Arzneien, Insektenpulver u.a., Begleitung dutch einen Koch, Fiihrer oderTreiber, Dolmetscher und einen Schutzsoldaten (Mokhasni). Maultiere (einschl. Treiberlohn und Futter taglich 4-5 Peseten) sind v/egen ihres sicheren Ganges und ihrer grof^eren Zahigkeit Pferden (tagl. mindestens 5 p.) vorzuziehen. Die Beihilfe und Auskiinfte der Konsuln oder anderer landeskundiger Europaer sind bei den Reisevorbereitungen ebenso von Wert, v^ie ihre Empfehlungsschreiben an die Behorden (Kaid, Bascha, Amel) oder an sog. Schutzbefohlene (Semsar, Mochalat)." Auszug aus dem Baedeker Reisefuhrer „Mittelmeer" von 1909 Wer miisste bei dem aus heutiger Perspektive doch recht skurrii anmutenden Zitat aus einem Reisefuhrer, dessen Akribie teils bev^undert, teils belachelt wird, nicht innerlich schmunzeln, beschw^drt es doch jene vermeintlich goldene Zeit des Reisens herauf, in der man seine Destination mittels Eisenbahn oder DampfschifF erreichte, mit grofiem Gepack, in der Regel jenen nicht gerade handlichen SchrankkofFern, durch die Lande zog, und abends, man zahlte sich ja immerhin zu den Distinguierten, in Abendgarderobe beim Diner die Eindriicke des Tages Revue passieren lie£. Abenteuer, die in unserer heutigen Erlebnisgesellschaft vielfach aufwendig geplant v^erden miissen, waren zu jener Zeit alltaglicher Bestandteil der meisten Reisen. Marokko bildete diesbeziiglich keine Ausnahme, im Gegenteil, vielfach w^ar es ja gerade das mit Attributen v^ie Abenteuer und Exotik etikettierte Image, das die Attraktivitat dieser Destination generierte - ein Image iibrigens, das nicht zuletzt von zahlreichen Kiinstlern und Fremdenlegionaren kreiert und tradiert wurde, auf die Marokko bis zum heutigen Tag eine geradezu magische Anziehungskraft ausiibt. Das folgende Kapitel bietet eine Tour d'horizon iiber die Tourismusentwicklung in Marokko von der prakolonialen Epoche bis zur Schwelle des neuen Jahrtausends, genauer gesagt bis zum Jahr 1999, in dem der Machtwechsel von Konig Hassan II. zu seinem Sohn Muhammad VI. stattfand. Ein Schw^erpunkt liegt dabei auf der postkolonialen Zeit, in der sukzessive jene Tourismusstrukturen geschaffen v^urden, die w^ir heute mit dem Terminus Massentourismus assoziieren. Da der unter Muhammad VI. im Januar 2000 verabschiedete Masterplan von Marrakech angesichts seiner w^eitreichenden Reformen und Ziele eine w^ichtige Zasur in der marokkanischen Tourismuspoiitik darstellt, erscheint eine entsprechende zeitliche Abgrenzung sinnvoll. Vor Beginn der franzosischen und spanischen Protektoratszeit, die 1912 im Rahmen des Vertrags von Fes formell eingelautet v^urde, gab es in Marokko allenfalls einen rudimentar ausge-
Die Incoming-Destination Marokko im Uberblick
121
pragten Tourismus. Der Auslandertourismus spielte zu dieser Zeit so gut wie iiberhaupt keine Roile, und der Binnentourismus einer noch weitgehend tribalistischen Agrargesellschaft erstreckte sich primar auf religios motivierte Wallfahrten (Moussem) sowie Nzahate, eine Art Wochenendausflug mit Picknick-Charakter (vgl. MULLER-HOHENSTEIN/POPP 1990 und BERRI-
ANE 1992). Es versteht sich von selbst, dass diese Aktivitaten nur sehr bedingt mit heutigen Sichtweisen von Freizeit und Tourismus kompatibel sind. Die Protektoratsphase fiihrte seit den 1920er Jahren allmahlich zu einem bescheidenen Aufschwung des Auslandertourismus, wobei als treibende Krafte dieser Entwickiung vor allem franzosische Reiseveranstalter und Transportgesellschaften fiingierten. Meistens handelte es sich um Studienreisen, die von einem finanziell potenten Kundenkreis gebucht wurden (vgl. WEISS 1998). In diese Zeit fallt auch die Errichtung jener luxuriosen Hotels - von denen das Mamounia in Marrakech sicherlich das bekannteste ist - , die heute als InbegrifF von Tausendundeiner Nacht in den einschlagigen Reiseveranstalterkatalogen vermarktet v^erden, teilweise jedoch inzwischen einen etwas morbiden Charme ausstrahlen. Nicht jede dieser Herbergen konnte, wie etwa das Mamounia, iiber die Dekaden hinweg den einstigen Standard erhalten. Wer einmal das Vergniigen hatte, in einem der entsprechenden Hauser zu logieren, wird moglicherweise bestatigen konnen, dass man sich gelegentlich nur sehr bedingt wundern wiirde, wenn plotzlich einer jener skurrilen Protagonisten aus Thomas Manns „Zauberberg" in der Lobby auftaucht und den Portier mit ausladendem Gestus um den Zimmerschliissel bittet. In den 1930er Jahren und insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg nahm die Zahl auslandischer Touristen in Marokko sukzessive zu; eine Entwickiung, die sich auch in einer Ausweitung und Diversifizierung des Hotelangebots widerspiegelte. Positiv auf die weitere touristische Entwickiung des Landes wirkte sich nicht nur die Etablierung neuer Tourismusformen aus, sondern auch die 1936 erreichte endgiiltige Pazifizierung des Siidens, die eine Erschliefiung bis dato touristisch nicht in Wert gesetzter Gebiete ermoglichte (vgl. MULLER-HOHENSTEIN/POPP 1990). Ungeachtet des skizzierten Aufschwungs nahm seitens der franzosischen Protektoratsverwaltung die Tourismusforderung im Rahmen ihrer offiziellen Wirtschaftspolitik eine ausgesprochen bescheidene Stellung ein; ein Sachverhalt, der auch dezidiert in einem fiir die Jahre 1949 bis 1952 verabschiedeten Investitionsprogramm zum Ausdruck kommt, in dem gerade einmal 1,24 Prozent fur die Vermarktung des Tourismus reserviert waren (vgl. BERIOANE 1980 und WiDMER-MuNCH 1990). Ein haufig unterschatzter Aspekt, der die touristische Inwertsetzung des Landes wahrend der Protektoratszeit begleitet hat, stellte der Binnentourismus der in Marokko wohnhaften Europaer dar (vgl. MULLER-HOHENSTEIN/POPP 1990). Dieser unterschied sich nicht grundlegend von jenem Binnentourismus kolonialer Pragung, wie man ihn in zahlreichen Landern findet, die einer kolonialen Verwaltung unterstanden. Vor dem Hintergrund dieser kolonialzeitlichen Tourismusentwicklung, die fast ausschliefilich auf die Bediirfnisse der europaischen Okkupanten ausgerichtet war, wurden touristische Strukturen implementiert, die in weiten Teilen der marokkanischen Bevolkerung kaum, teilweise gar nicht bekannt waren. In diesem Zusammen-
122
KapitelV
hang sei exemplarisch auf die Erschliefiung von Kiistenzonen zwecks eines stationaren Badetourismus (beispielsweise in Skhirate und Temara) oder die Errichtung so genannter stations de vacances in Gebirgsregionen (etwa Azrou und Ifrane) hingewiesen, in denen sich unter anderem ein fiir nordafrikanische Verhaltnisse auEergewohnlicher Wintersporttourismus etablieren konnte. Im Anschluss an die marokkanische Unabhangigkeit im Jahr 1956 forcierte die Regierung den Ausbau des internationalen Tourismus, wobei Tourismus im Sinne des damals vorherrschenden modernisierungstheoretischen Paradigmas als ein Instrumentarium gesehen wurde, um dem jungen Staat eine an wesdichen Industrielandern orientierte nachholende Entwicklung zu ermoglichen (vgl. KAGERMEIER 1999). So waren in den 1960er Jahren ein Fiinf- und ein Dreijahresplan verabschiedet worden, die eine Tourismuspolitik einleiteten, welche explizit - unter besonderer Forcierung des Incoming-Tourismus - folgende Ziele verfolgte: Steigerung der Deviseneinnahmen, Ankurbelung des Binnenmarkts und nicht zuletzt die SchafFung neuer Arbeitsplatze. Der Wiederaufbau der 1960 durch ein Erdbeben fast volistandig zerstorten Stadt Agadir zum bedeutendsten Zentrum des marokkanischen Incoming-Tourismus entwickelte sich fiir den jungen Staat zu einem nationalen Kraftakt, der bis in die heutige Zeit propagandistisch instrumentalisiert wird. Trotz der verstarkten Forderung des Tourismus lagen die Einreisezahlen auslandischer Touristen bis Mitte der 1960er Jahre bei weniger als 0,5 Millionen, und die Deviseneinnahmen betrugen selbst zu Beginn der 1970er Jahre noch unter 1 Milliarde Dirham (vgl. MULLER-HOHENSTEIN/POPP 1990). In jener Zeit wurden nicht nur die Grundlagen fiir die Entwicklung Marokkos zu einer bedeutenden Destination des internationalen Pauschaltourismus geschaffen (vgl. BERRIANE 1990), sondern das maghrebinische Konigreich iibte auch eine verstarkte Anziehungskraft auf jene Zeitgenossen aus, die man gemeinhin der so genannten Hippie-, Kiffer- und Aussteigerszene zuordnet. Diese Entwicklung erhielt iibrigens in den 1970er Jahren mit der Einfiihrung des preiswerten Interrailtickets zusatzliche Impulse, da Marokko in das entsprechende Streckennetz integriert wurde. Zu den bekanntesten Aussteigern in jenen Tagen zahlte eine gewisse Esther Freud aus London, Enkelin jenes beriihmten Psychologen Sigmund Freud, die auf der Suche nach personlichem, nicht zuletzt spirituellem, Seelenheil ihre biirgerlichen Wurzeln abstreifte. Freuds marokkanisches Aussteigerleben und die entsprechende Klientel sind im Jahr 2000 im Film „Marrakesch" verewigt worden. Die 1980er und 1990er Jahre fiihrten in Marokko zu deutlichen Steigerungsraten hinsichthch der Einreisezahlen auslandischer Touristen sowie der Deviseneinnahmen: Besuchten im Jahr 1982 noch etwa 1,3 Millionen auslandische Touristen das Konigreich, so lag der entsprechende Wert im Jahr 1998 bereits bei circa 2,1 Millionen. Die Deviseneinnahmen konnten im gleichen Zeitraum von circa 2,5 auf 16,4 Milliarden Dirham steigen. Nicht weniger beeindruckend gestaltet sich die quantitative Entwicklung der in Marokko agierenden agences de voyages-. Zahlte das Land 1982 gerade mal 100 agences de voyages, so waren es
Die Incoming-Destination Marokko im Uberblick
123
Ende der 1990er Jahre bereits weit iiber 500 (vgl. SEBBAR 1999). Die Folgen der Golfkrise in den Jahren 1990 und 1991, die sich bei den meisten arabischen Landern dutch dtastische Besuchetfiickgange bemerkbat machten, konnte das Konigteich wie kaum eine zweite Destination kompensieten. Hintetgrund wat eine politische Annaherung zwischen Matokko und Algerien, die eine OfFnung der Grenzen zur Folge hatte, was wiederum eine wachsende Zahl von Einreisen aus dem Nachbariand ausloste. Seit Mitte der 1990er Jahre ist der marokkanische Tourismus durch eine forcierte thematische und regionale Diversifizierung des touristischen Angebots gekennzeichnet (vgl. BERRIANE/POPP 1999, BARBIER 1999, POPP 1999a und PFAFFENBACH 2001); ein Umstand, der sich in einem zunehmend heterogenen Spektrum an Tourismusformen widerspiegelt. Diese Entwicklung kommt nicht nur einem zunehmend hybriden Konsumentenverhalten entgegen, sondern auch der Veranstalterseite bei der Erschliefiung neuer Produkte.
V.3
d k o n o m i s c h e Bedeutung des marokkanischen Tourismus u n d aktuelle Tendenzen in der Tourismusentwicklung
„Willkommen im Land „wo die Zitronen bliihen". Nirgendwo auf dem nordafrikanischen Kontinent werden die Kontraste so eindriicklich eriebbar wie in Marokko. Ein edies Land voll GroEe, Wiirde und Weisheit. Hier werden Sehnsiichte erweckt, hier findet der Individualreisende Refugien fiir 1000 und eine Mogiichkeit." Auszug aus dem Katalog eines deutschen Reiseveranstalters Wie das vorangegangene Kapitei dargeiegt hat, verlief die touristische Entwicklung Marokkos ausgesprochen dynamisch. Inzwischen verkorpert der Tourismus fiir das maghrebinische Konigreich eine Schliisselbranche, der zukiinftig eine noch grofiere Prioritat eingeraumt werden soil. Vor dem Hintergrund der nur vergleichsweise schwach ausgebildeten anderen Wirtschafi:szweige spiek gerade der internationale Tourismus fiir Marokko eine zentrale volkswirtschaftliche RoUe, so dass sich Nachfirageschwankungen unmittelbar fiir die Nationalokonomie bemerkbar machen (vgl. PFAFFENBACH 2001). Die folgenden Ausfiihrungen zeigen zunachst anhand einiger ausgewahlter touristischer Indikatoren den okonomischen Stellenwert des Tourismus in Marokko. AnschUeEend werden neuere Tendenzen in der marokkanischen Tourismusentwicklung vorgestellt, die nicht zuletzt fiir die in dieser Arbeit relevanten Akteure von zunehmender Bedeutung sind. Zwecks einer erleichterten Kontextualisierung der aktuellen marokkanischen Tourismusstrukturen sei zunachst ein UberbUck iiber die wichtigsten tourismusspezifischen KennzifFern gewahrt:
124
KapitelV
Tab. 15: Zentrale KennzifFern des marokkanischen Tourismus •
Prozentualer Anteil des Tourismus am Bruttoinlandsprodukt [2003]: 7 %
•
Stellung des Tourismus entsprechend der zentralen Deviseneinkiinfte [2000]: Rimessen von Emigranten: 22,4 Mia. DH, Tourismus: 21,6 Mia. DH, Phosphatexport: 13,0 Mia. DH
•
Absolute Anzalil der durch den Tourismus generierten Arbeitsplatze [2003]: 650 000 (davon 70 000 direkte und 580 000 indirekte Arbeitsplatze)
•
Prozentualer Anteil der im Tourismus Beschaftigten an der aktiven Bevolkerung [2003]: 6 %
•
Prozentuale Anteile der Quellmarkte [2002]: Europa: 84,10 %, arabische Staaten: 6,36 %, Amerika: 5,37 %, sonstige Staaten: 4,17 %
•
Durchschnitdiche Ausgaben pro Ankunft: 496 US $
•
Aufteilung der klassifizierten Beherbergungseinrichtungen [2003]: 5 Sterne: 37 (17 174 Betten), 4 Sterne: 125 (33 657 Betten), 3 Sterne: 134 (17 796 Betten), 2 Sterne: 153 (12 434 Betten), 1 Stern: 115 (6 371 Betten), Feriendorfer und Pensionen: 65 (22 183 Betten)
Quelle: Entwurf des Autors in Anlehnung an LOVERSEED (2002) und eine Pressemappe der O.N.M.T (2004)
Wie eingangs erwahnt wurde, verlief die touristische Entwicklung Marokkos seit seiner Unabhangigkeit im Jahr 1956 ausgesprochen dynamisch. Dieser Umstand spiegelte sich iiber Jahrzehnte binweg in steigenden Besucherzahlen und Deviseneinnahmen wider. Gleichwohl unterliegt diese Entwicklung ausgepragten Nachfrageschwankungen, von denen die Destination seit den 1990er Jahren verstarkt betrofFen ist. Wahrend 1993 noch iiber vier Millionen auslandische Gaste das maghrebinische Konigreich besuchten - und man damit nach dem mageren Golfkriegsjahr 1991 wieder an das Vorkriegsniveau ankniipfen konnte - , waren es in den darauf folgenden Jahren nur noch knapp drei Millionen. Hinsichtlich der Einreisezahien europaischer Touristen gilt anzumerken, dass diese ausgesprochen abhangig von den politischen Rahmenbedingungen sind. So hat sich Marokko bis zum heutigen Tag nicht von den Implikationen terroristischer Anschlage, die die Weltgemeinschaft seit einigen Jahren erschiittern, erholen konnen. Bezogen auf den Quellmarkt Deutschland sank - nach Angaben eines leitenden Reprasentanten des marokkanischen Fremdenverkehrsamts in Diisseldorf- die Zahl der Einreisen von 196 700 im Jahr 2001 auf 172 860 im Jahr 2002. Im Jahr 2003 wies die Destination nur noch 129 000 Besucher aus Deutschland auf. Die entsprechenden prozentualen Veranderungen betrugen jeweils ein Minus von 12,1 beziehungsweise 25,4 Prozent. Gleichwohl ware es zu einseitig, diese Entwicklung, die auch bei den meisten anderen europaischen Quellmarkten festzustellen ist, ausschlieElich in einen politischen Kontext einzubetten. Vielmehr evozieren die marokkanischen Tourismusstrukturen an sich Kritik, wie auch die Ergebnisse der vorliegenden Studie noch zeigen werden. In diesem Zusammenhang sei vor allem auf die Kapitel VIII. 13 und IX.4 verwiesen, in denen entsprechende Einschatzungen aus Unternehmens- und Expertenperspektive aufgerollt werden.
Die Incoming-Destination Marokko im Uberbiick
125
Wie man am Fallbeispiel von Marokko geradezu paradigmatisch beobachten kann, erlebt der internationale Tourismus in Entwickiungslandern seit einigen Jahren eine au8ergewohnliche thematische und regionale Diversifizierung (vgl. VORLAUFER 1996 und AIT HAMZA/POPP 2000). Waren es zunachst primar Studien- und Kulturreisen, die zum alles dominierenden stationaren Badetourismus hinzukamen, so sind es heute, um nur einige ausgewahlte Beispiele zu nennen, Wiistenreisen, Trekkingtouren, Photoreisen, Thalassokuren oder interkulturelle Begegnungsreisen. Die neuen Tourismusformen zeichnen sich in der Kegel dadurch aus, dass sie nicht als Massenphanomen auftreten und meistens nur vergleichsweise geringe Investitionen in die tourismusbezogene Infrastruktur benotigen. Des Weiteren sind sie meistens ein Phanomen peripherer Raume, die zu den Problemregionen des Landes zahlen. Vor diesem Hintergrund sieht man auf Regierungsebene in den neuen Angeboten in der Kegel eine optimale Erganzung beziehungsweise Alternative zu konventionellen Tourismusformen, wobei man sich auch dezidiert positive wirtschaftliche Impulse fiir die Kegionalokonomie verspricht. Last but not least bieten die neuen Tourismusformen eine vergleichsweise gute Moglichkeit, lokale Akteure in den touristischen Markt zu integrieren (vgl. POPP 2001b). Ein Faktum kann man an dieser Stelle festhalten: Mag Marokko, was die Entwicklung des stationaren Badetourismus betrifft, anderen Destinationen um Jahre hinterher sein, so haben es zahlreiche marokkanische Tourismusakteure in den letzten Jahren durchaus erfolgreich verstanden, eine Diversifizierung des touristischen Angebots voranzutreiben, um die das Konigreich mitunter auch von der Konkurrenz beneidet wird. Auch wenn das eingangs angefiihrte Zitat aus dem Katalog eines deutschen Keiseveranstalters ein wenig pathetisch klingen mag, so spiegelt sich in ihm doch trefflich die Vielfalt des derzeitigen touristischen Angebots in Marokko wider. Einige ausgewahlte Beispiele soUen im Folgenden kurz vorgestellt werden: Da ist zunachst der Trekkingtourismus im Hohen Atlas zu nennen, der primar auf ein franzosisch-marokkanisches Projekt zur endogenen Kegionalentwicklung zuriickzufiihren ist und heute vielfach als ein erfolgreiches Exempel fiir nachhaltigen Tourismus angefiihrt wird (vgl. AIT HAMZA/POPP 1999 und KAGERMEIER/POPP 2000). Bildete der Trekkingtourismus in den Anfangen seiner touristischen Inwertsetzung weitgehend die Domane einiger weniger Nischenveranstalter, so zahlen entsprechende Angebote inzwischen zum Standardrepertoire. Dieser zeichnet sich in Marokko - vor allem im Vergleich zu Nepal - durch eine relativ bescheidene Infrastruktur aus, wobei erfreulicherweise ein nicht unerheblicher Anteil der tourismusbezogenen Einnahmen in der Kegion respektive bei den relevanten Akteuren bleibt. Auch wenn der Trekkingtourismus in den letzten Jahren sukzessive an Bedeutung gewinnen konnte, so stellt er mit etwa 70 000 auslandischen Trekkern nach wie vor ein vergleichsweise iiberschaubares Marktsegment dar, dessen Potential allerdings noch langst nicht ausgeschopfi: sein diirfte (vgl. AIT HAMZA/POPP 2000 und KAGERMEIER/POPP 2000).
Ein weiteres zunehmend an Bedeutung gewinnendes Tourismussegment ist der Wiistentourismus, der sich vor allem auf die Kegion des Tafilalet konzentriert. In diesem Kontext profitiert das Konigreich von dem Umstand, dass die Gebiete mit dem flachenmafiig ausgedehntesten
126
KapitelV
Anteil an Sandwiiste - die fiir diese Tourismusform am attraktivsten ist - in Landern liegen, die lange Zeit aus politischen Griinden nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen bereist werden konnten (vgl. POPP 2000 und PFAFFENBACH 2001). Wie BIERNERT (1998/1999) in ihrer Untersuchung eruieren konnte, zeichnet sich der Wustentourismus in Marokko durch eine deudiche Standardisierung des Besuchsprogramms aus. Hinsichdich der lokalen Akteure gilt festzuhalten, dass die okonomischen Implikationen dieses Tourismussegments weitgehend positiv bewertet werden, umgekehrt aber die soziokulturellen Folgen verstarkt Kritik evozieren. Einige Reiseveranstalter haben in den letzten Jahren den Golftourismus - haufig in Kombination mit Incentivereisen - in ihr Programm aufgenommen, und das marokkanische Fremdenverkehrsamt wirbt inzwischen in seinen Broschiiren mit dem Slogan „Ein Konigreich fur Golfer". Mittlerweile verfiigt Marokko iiber annahernd 20 Golfplatze, wobei sich selbstverstandlich die Frage aufdrangt, ob Golfanlagen in Regionen vertretbar sind, die, wie im Raum Ouarzazate, einen Jahresniederschlag von 100 bis 200 mm aufweisen. KAGERMEIER (1999) hat anhand von Ouarzazate eindringlich auf die entsprechenden Schwachpunkte bei der touristischen Erschlie{?ung peripherer Raume in Marokko hingewiesen. Die im Kontext des Golftourismus erwahnten Incentivereisen gehoren zwar nicht zum klassischen Repertoire von Reiseveranstaltern, jedoch hat dieses Segment - gerade bei Spezialreiseveranstaltern - wahrend der letzten Dekade eine zunehmend wichtige RoUe gespielt. Das Wort „hat" ist in diesem Zusammenhang primar aus zwei Griinden entscheidend: Einerseits erlaubt die angespannte konjunkturelle Lage derzeit immer weniger Unternehmen, entsprechende Reisen durchzufiihren, andererseits hat gerade diese Reiseform besonders ausgepragt unter den Folgen islamistischer Anschlage zu leiden; ein Umstand, der einmal mehr zeigt, dass Tourismus ein ausgesprochen „risikosensibles Geschaft" (VESTER 2001) ist. Trotz alledem konnte sich insbesondere Marrakech in den 1990er Jahren als feste Gro{?e des internationalen Incentivetourismus etablieren, wobei derzeit noch nicht abzusehen ist, wie die diesbeziigliche Entwicklung weitergeht. Bevor im nachfolgenden Kapitel die aktuelle marokkanische Tourismuspolitik einschliefJlich ihrer ambitionierten Ziele und Reformen vorgestellt werden, sei noch auf zwei weitere Phanomene verwiesen, die in den letzten Jahren im Kontext einer touristischen Inwertsetzung Marokkos sukzessive an Bedeutung gewonnen haben: Zum einen ist eine forcierte touristische Durchdringung der Medinas zu konstatieren, in denen Telle der stadtischen Wohnkultur eine touristische Umwidmung erfahren. Entsprechende Sanierungen orientieren sich dabei relativ selten an traditionellen Mustern marokkanischen Bauens, sondern vielmehr an orientalistischen Impressionen europaischer Kiinstler des spaten 18. und friihen 19. Jahrhunderts (vgl. ESCHER/PETERMANN/CLOS 2001). Zum anderen erfolgt unter dem Label des Ethnotourismus eine verstarkte Inwertsetzung der Berberkultur, die - wie BARTHA (2004/2006) aufseigt - in den seltensten Fallen der Fieterogenitat der berberischen Kultur gerecht wird, dafiir umso mehr eine von Inszenierungen kreierte touristische Scheinwelt generiert.
Die Incoming-Destination Marokko im Uberblick
V.4
127
Vision 2 0 1 0 - Reformen u n d Ziele der marokkanischen Tourismuspolitik Yor d e m Hintergrund des Masterplans v o n Marrakech
„Si nous voulons faire du tourisme une veritable locomotive du developpement, il appartient a chaque Marocain de se considerer comme un promoteur touristique mobilise pour gagner le pari." S. M. le Rot Muhammad VI. Jener 10. Januar 2001 soUte ein grofier Tag fiir Marrakech und ein noch grofierer Tag fiir Marokko, vielmehr fiir den marokkanischen Tourismus im Speziellen werden. Konig Muhammad VI., der weltliche und geistliche Fiihrer {amir al-muminiri) des Landes, der wie Abdallah II. in Jordanien, Hamad bin Isa in Bahrein und Bashar al-Asad in Syrien zu einer neuen, reformorientierten Riege arabischer Herrscher gezahlt wird, hielt an besagtem Tage eine viel beachtete Rede vor den wichtigsten Vertretern der marokkanischen Tourismusbranche. Er, der vv^ie kaum ein anderer Staatslenker davon iiberzeugt ist, den politischen Rhythmus seines Landes zu reprasentieren und sich mit Beginn seiner Regentschaft im Jahr 1990 einer vorsichtigen Reformpolitik verschrieben hat, hatte zu diesem Zeitpunkt bereits einige Zeichen gesetzt, die eine Wende vom autoritaren Despotismus seines verstorbenen Vaters, Konig Hassan II., signalisierten (vgl. PERTHES 2002). So hatte der mitunter auch als ,Konig der Armen' apostrophierte Herrscher zum Zeitpunkt seiner Rede in Marrakech bereits die jardins secrets ofFnen lassen, deren euphemistische Umschreibung nichts anderes reprasentiert als jene beriihmt-beriichtigten Gefangenenlager, in denen Hassan II. Oppositionskrafte inhaftieren lieiS, und eine durchaus progressive Familienrechtsreform auf den Weg gebracht, die unter anderem ein Ende der Polygamic intendierte. Auch v^irtschaftspolitisch setzt der in Frankreich ausgebildete Muhammad VI. auf Reformen, die dem maghrebinischen Entv^icklungsland Anschluss an die Herausforderungen einer zunehmend globalisierten Welt ermoglichen soUen, wobei nicht zuletzt, wie das eingangs angefuhrte Zitat deutlich macht, der Tourismus als Schliisselbranche betrachtet w^ird. Die Rede des Konigs, die in der „La Vie Touristique Africaine" vom 15. Januar 2001 abgedruckt v^urde, reprasentiert die eine Seite der Medaille jener ersten nationalen Tourismuskonferenz in Marrakech. Die andere Seite der Medaille, die w^eniger staatstragend und dafiir umso programmatischer ist, reprasentiert die Verabschiedung eines Masterplans, der die strategischen Richtlinien in Hinblick auf die marokkanische Tourismuspolitik fiir den Zeitraum von 2001 bis 2010 vorgibt. Im Folgenden soUen die v^ichtigsten mit diesem Masterplan verbundenen Reformen und Ziele vorgestellt w^erden, die die Destination nicht nur fiir die Herausforderungen eines zunehmend harteren Wettbew^erbs riisten soUen, sondern die auch eine deutliche Verbesserung der bis dato vorwiegend kritisch bew^erteten marokkanischen Tourismusstrukturen anvisieren; eine ausfiihrliche Wiirdigung des Masterplans aus Unternehmens- und Expertenperspektive erfolgt im empirischen Teil der Arbeit. Als Basis fiir die Verabschiedung jenes Masterplans fiingierte nicht zuletzt ein internes - dem Autor vorliegendes - Dokument der Confederation Generate des Entreprises Marocaines (CGEM),
128
KapitelV
das den ein wenig pathetisch klingenden Titel „Le tourisme: une vision, un defi, une volonte" tragt (vgl. CGEM 2000). Das mehr als 100-seitige Dokument vom Juni 2000 verkorpert nach Ansicht des Unternehmerverbands eine „synthese de plusieurs mois de reflexion, de debats et d'echanges, dans ie cadre d'une demarche concertee entre les operateurs publics ou prives du secteur et les principaux responsables du Ministere de tutelle." Zu den zentralen Inhalten des Dokuments zahlen unter anderem eine Art Bestandsaufnahme hinsichtlich der marokkanischen Tourismusentwicklung wahrend der letzten Jahrzehnte und der dadurch implizierten Tourismusstrukturen sowie die so genannte „Vision 2010", die ein ambitioniertes Szenario darstellt, wie sich der marokkanische Tourismus vor dem Hintergrund tourismusspezifischer Tendenzen und projektierter Reformen bis zum Jahr 2010 entwickeln konnte. Im Resiimee kommen die Reprasentanten des Unternehmerverbands zu einem Ergebnis, das, wie das nachfolgende Zitat zeigt, fiir sich spricht: „Le developpement volontaire de I'industrie touristique est probablement la seule et 1'unique solution a court et moyen terme, pour declencher la profonde dynamique de croissance economique et sociale que le Maroc recherche toujours en vain, apres quinze annees d'ajustements et de reformes structurelles...!" (CGEM 2000, S. 90; im Original ist die zitierte Passage unterstrichen). In diesem Kontext versprechen sich die Urheber nicht nur eine starkere Anbindung des Konigreichs an die Lander der Europaischen Union, sondern auch einen gewissen Schutz vor den Konsequenzen einer fortschreitenden Globalisierung. Nur wer um die seit jeher aufiergewohnHche Machfulle des marokkanischen Konigs und seines makhzens weif? (vgl. FAATH 1987), vermag in etwa einzuschatzen, v/ie eminent v^ichtig es v^ar, Muhammad VI. und die entsprechende politisch-administrative Nomenklatura fur die „Vision 2010" zu gewinnen; ein Aspekt, den zumindest meine marokkanischen Gesprachspartner in den Interviews immer wieder durchbhcken HeKen. Dass der Masterplan angesichts seiner ambitionierten - Kritiker wiirden sagen utopischen - Richtlinien nicht unumstritten ist, soil an dieser Stelle nicht verschwiegen werden. Die wichtigsten strategischen Richtlinien werden in nachfolgender Tabelle auszugsweise dokumentiert: Tab. 16: Der Masterplan von Marrakech und seine zentralen strategischen Richtlinien bis zum Jahr2010 Steigerung der auslandischen Besucherzahlen von circa 2,2 Mio. (2003) auf 10 Mio., um in die Liga der 20 weltweit fiihrenden Tourismusdestinationen aufzuriicken Erhohung des tourismusspezifischen An tells am Bruttoinlandsprodukt von ca. 7,0 % (2001) auf 20,0 % Errichtung von 80 000 neuen Gastezimmern bei einem geschatzten Investitionsvolumen von circa 30 Mia. Dirham Erschlief^ung neuer Seebader mit einem Volumen von 160 000 gegeniiber circa 30 000 Betten (2000) Generierung 600 000 neuer tourismusspezifischer Arbeitsplatze SchafFung von Investitionsanreizen fiir auslandische Unternehmer, etwa durch eine teilweise Ubernahme der Grunderwerbskosten bei Hotelinvestitionen
Die Incoming-Destination Marokko im tJberblick
129
•
Dezentraiisierung der touristischen Administration mitteis regionaler Tourismuskorperschaften
•
Liberalisierung des Luftverkehrs
•
Professionalisierung der tourismusspezifischen Ausbildungsgange
•
Forcierung und Neustrukturierung der Marketingaktivitaten bei gleichzeitiger Anhebung des entsprechenden Etats
Quelle: Entwurf des Autors in Anlehnung an CGEM (2000) Wie die Tabelle zeigt, handelt es sich bei den verabschiedeten Richtlinien um ein ausgesprochen heterogenes Portfolio unterschiedlicher Ziele und Reformen. In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass seit der ersten nationalen Tourismuskonferenz im Januar 2001 drei weitere Konferenzen - in Marrakech (25. Januar 2002), in Agadir (14. Februar 2003) und in Casablanca (12. Februar 2004) - folgten, die ausdriicklich die Ziele und Reformen des Masterplans von Marrakech bestatigten. Die mit dem Masterplan von Marrakech verbundenen Ziele und Reformen sind nicht nur vor dem Hintergrund der zunehmend globalen Herausforderungen, denen sich Destinationen an der Schwelle zum 21. Jahrhundert stellen miissen, zu sehen, sondern auch in Anbetracht der enormen Defizite, die das Konigreich hinsichtlich seiner touristischen Strukturen aufweist. Insbesondere letztgenannter Aspekt wird in geradezu frappierender Offenheit und unter expliziter Bezugnahme auf die wichtigsten marokkanischen Konkurrenzdestinationen vom Zentralverband der marokkanischen Unternehmen angesprochen: ,A partir de 1992, la nature de la crise du tourisme national s'est progressivement transformee: d'une crise de la demande, le secteur est passe a une crise de I'offre, notamment caracterisee par une grave crise financiere de surendettement, une crise de Tinvestissement a partir de 1995 et une stagnation des capacites hotelieres, et ce, dans un contexte general marque par Tabsence d'une vraie politique de gestion de la crise de 1987 a 1995 et le renforcement de la concurrence turque, egyptienne et tunisienne." (CGEM 2000, S. 17; im Original ist die entsprechende Passage unterstrichen). Im Kontext der Nachfragekrise verweisen die Autoren der Confederation Generale des Entreprises Marocaines auf eine ganze Reihe von Faktoren, die sich fiir die Defizite marokkanischer Tourismusstrukturen verantwortlich zeichnen: das hohe Alter der meisten Hotelanlagen (ein Umstand, den man nicht zuletzt auf eine mangelnde Investitionsbereitschaft: zuriickfiihren kann), das vergleichsweise hohe Preisniveau der Destination, die unzureichende Vermarktung der Destination in den zentralen Quellmarkten und last but not least das desolate Image des touristischen Produkts als solches. Ein Spiegelbild dieser strukturellen Defizite offenbart sich in der Entwicklung des entsprechenden touristischen Investitionsvolumens. Dieses hatte 1995 noch einen Wert von fast 1,5 Milliarden Dirham erreicht und war schlieKlich im Jahre 1998, also zwei Jahre vor Veroffentlichung des Rapports, auf einen Wert von circa 250 Millionen Dirham gesunken; ein Wert, der in etwa jenen Investitionsvolumina entsprach, die Anfang bis Mitte der 1980er Jahre gangig waren.
130
KapitelV
Angesichts der skizzierten Defizite kann es kaum verwundern, dass sich Marokko im Laufe der Jahre unter Tourismusakteuren, insbesondere auf Veranstalterseite, den Ruf eines Lands des „touristischen Stillstands" beziehungsweise einer „Monodestination" erworben hat (vgl. UNGEFUG 2001 und PFINGSTEN 2001). Der touristische Stillstand des Landes spiegelt sich dabei nicht nur in den skizzierten strukturellen Unzulanglichkeiten der Destination wider, die mit einem exorbitanten Investitionsriickgang einhergegangen sind, sondern manifestiert sich geradezu paradigmatisch in dem Faktum, dass Marokko mit Agadir bis dato nur ein einziges nennenswertes Seebad aufweisen kann, das einigermafien internationalen Standards gerecht wird. Ein Vergleich mit Tunesien oder der Tiirkei spricht Bande: Wahrend Marokko lediglich Agadir in seinem PortfoHo hat, findet man in den entsprechenden Konkurrenzdestinationen dutzende solcher touristischer hot-spots, in denen sich in den letzten Dekaden internationale Investoren ein Stelldichein gegeben haben. Es ist weitgehend ein ofFenes Geheimnis, dass Marokko angesichts einer bislang vergleichsweise konturlosen TourismuspoHtik Gefahr lauft, im internationalen Kontext den Anschluss zu veriieren (vgl. CGEM 2000 und UNGEFUG 2001). Dabei hat, wie im vorherigen Kapitel ersichtlich wurde, das Konigreich ein durchaus interessantes und vielfaltiges touristisches Potential, das sich, im Gegensatz zu manch anderer Destination, eben nicht nur auf einen vom stationaren Badetourismus - an dem vor allem global players aufgrund entsprechender SkalenefFekte profitieren - dominierten Tourismus reduzieren lasst. Positiv betrachtet kann man natiirlich konstatieren, dass sich gerade vor dem Hintergrund des Spannungsverhaltnisses einer bislang nur rudimentar erfolgten Inwertsetzung touristischer Strukturen und den sich daraus ergebenden Moglichkeiten ein interessantes Betatigungsfeld fiir Unternehmer erschliefit. Neben auslandischen Investorengruppen, die primar in die im Vergleich zu Tunesien und Agypten stark vernachlassigte Hotellerie investieren woUen, versprechen sich vor allem marokkanische Incoming-Agenturen kraftige Impulse fur ihr Geschaft. Seitens der marokkanischen TourismuspoHtik erhofft man sich zudem eine verstarkte Nachfrage aus Deutschland, dessen Pauschaltouristen - insbesondere im Vergleich zum franzosischen Quellmarkt - traditionell starker nach Tunesien orientiert sind (vgl. O.N.M.T. 2000). Angesichts der in den letzten Jahren zu beobachtenden Diversifizierung touristischer Angebotsstrukturen ergeben sich nicht zuletzt fiir kleine und mittlere Reiseveranstalter neue Geschaftsperspektiven. Dies betrifft besonders den Kulturtourismus und das Incentivegeschaft, aber auch Nischensegmente wie den Wusten- und Trekkingtourismus. In diesen Bereichen bietet das Konigreich aufgrund seiner - in Kapitel V.l skizzierten - natiirlichen und kulturellen PuUfaktoren ein im Vergleich zu anderen Destinationen beachtliches Potential. Die Defizite marokkanischer Tourismusstrukturen sind mit der Verabschiedung des Masterplans seitens der betroffenen Akteure erkannt worden, auch die Umsetzung der entsprechenden Ziele und Reformen scheinen liber den Status einer blofien Bestandsaufnahme hinausgekommen zu sein. LOVERSEED (2002, S. 31) vermerkt in diesem Zusammenhang: „There is no doubt that the Moroccan government has the vision, and the will, to achieve these tourism projects.
Die Incoming-Destination Marokko im Uberblick
131
However, in the coming decade, there are likely to be strong demands on the public purse, fuelled by the country's social problems, the high unemployment rate and ongoing labour disputes which, in the past, has diverted funds from tourism development. Further privatisation could, however, alleviate that problem, as would the sale (at least in part) of state-owned Royal Air Maroc, a long-standing goal of the government." Inwieweit sich aber die mit dem Masterplan verkniipften Erwartungen erfiillen lassen, wird nicht zuletzt davon abhangen, ob dieser im anvisierten Umfang und Zeitraum umgesetzt werden kann und ob es dem Konigreich gelingt, sich moglichst ziigig von den fatalen Folgen islamistischer Anschlage zu erholen.
VI
Methodische Umsetzung des Forschungsprojekts
VI. 1
Qualitative Sozialforschung
,Jeder, der eine Zeit lang auf dem redlichen Forschen verharrt, muss seine Methode irgendeinmal umandern." Johann Wolfgang von Goethe Die qualitative Sozialforschung, die vor allem der geisteswissenschaftlichen Tradition der deutschen Soziologie, der Chicago School und der Kulturanthropologie verpflichtet ist, umfasst ein komplexes methodologisches und methodisches Spektrum verschiedener Ansatze einschliefilich der dazugehorigen wissenschaftstheoretischen Begriindungen. Der Zusammenhalt der entsprechenden Verfahren liegt dabei weniger in einer geschlossenen und einheitlichen Konzeption als vielmehr in einer gemeinsam geteilten Abgrenzung zu traditionellen quantitativ-statistischen Vorgehensweisen (vgl. GARZ/KRAIMER 1991). In den letzten drei Jahrzehnten hat die quahtative Sozialforschung sukzessive an Bedeutung gewonnen, wobei diese Entwicklung nicht zuletzt in engem Konnex mit den Implikationen des cultural turns in den Kultur- und Sozialwissenschaften steht (vgl. Kapitel III.2). Mit diesem sind verstarkt qualitative, insbesondere interpretierende Methoden, etwa Textanalyse, teilnehmende Beobachtung, leitfadengestiitzte Interviews sowie die Diskursanalyse, in den Vordergrund getreten. BLOTEVOGEL (2003, S. 11) konstatiert in diesem Zusammenhang: „Hinter dieser Wende zu qualitativen empirischen Methoden steht ein tiefgreifend verandertes methodologisches Programm, das weit iiber eine lediglich pragmatisch begriindete Wahl bestimmter empirischer Methoden hinausreicht. Mit dem cultural turn erfolgt eine Hinwendung zur Hermeneutik, zu interpretativen Methoden der SinnerschlieKung, der Re- und Dekonstruktion der Bedeutung von Handlungen, Handlungsartefakten und Texten, ja von ganzen Handlungssystemen und Sinnordnungen." Diese Verschiebung umfasst eine gew^andelte Auffassung vom Sein der Forschungsgegenstande (Ontologie) und von der Moglichkeit ihrer Wahrnehmung und Beschreibung (Epistemologie), wobei es in diesem Kontext nicht um die Erfassung der - vom Menschen und speziell vom beobachtenden Wissenschaftler als unabhangig existent angenommenen - Realitat, sondern um die Reinterpretation der von den Menschen bereits vorinterpretierten Wirklichkeiten geht. Auch wenn der Trend zu qualitativen Erkenntnismethoden in den letzten Jahrzehnten nachhaltige Veranderungen innerhalb der Sozialwissenschaften evoziert hat, so darf man sich nicht dariiber hinwegtauschen, dass die Kontroverse um quantitative beziehungsweise qualitative Methoden seit jeher wie kaum eine Zweite polarisiert: Das eine Extrem steht fur die Auffassung, zu objektiver Erkenntnis des sozialen Lebens gelange man primar durch Klassifizieren, Messen, Tabellieren und die Anwendung statistischer Methoden. Das andere Extrem reprasentiert die Ansicht, nach der quantitative Methoden eine wesensfremde Struktur und Form an das Geflecht des sozialen Lebens herantragen, das vielmehr nur in seiner einzel- und ganzheitlichen
Methodische Umsetzung des Forschungsprojekts
133
Komplexitat erfassbar sei. Die entsprechenden Diskurse innerhalb der scientific community Ytileihen den jeweiligen Positioner! nur vordergriindig Kontur, da die Interdependenz der Methoden in der Praxis weitgehend als selbstverstandlich gilt. Der amerikanische Soziologe WILSON (1982, S. 488) bemerkt diesbeziiglich: „Die meisten Sozialwissenschaftler neigen wohl zu einer gemafiigten AufFassung zwischen dem quantitativen und dem qualitativen Extrem, vor allem dann, wenn man sie nicht zu einem wissenschaftlichen OfFenbarungseid drangt. Auch wenn sie in ihrer eigenen Arbeit die eine oder die andere Orientierung bevorzugen, sind sie doch bereit, auch andere Methoden als notwendig anzuerkennen, und sie greifen zur Erganzung und Deutung ihrer eigenen Ergebnisse auch auf ganz anders orientierte Untersuchungen zuriick." Qualitative Forschung erhebt die Bedeutungsstrukturierung sozialen Handelns zum theoretischen Ausgangspunkt wie auch zum methodologischen Leitfaden der Sozialforschung und raumt dem methodisch kontrollierten Fremdverstehen eine zentrale Rolle ein. Si^ empfiehlt sich vor allem bei Forschungsvorhaben, in deren Fokus die ErschlieKung eines bislang noch wenig erforschten Wirklichkeitsbereichs mit Hilfe sensibilisierender Konzepte steht (vgl. BLUMER 1976, HoFFMANN-RiEM 1980, LAMNEK 1995a und FLICK/KARDORFF/STEINKE 2000). Im Rahmen der vorliegenden Arbeit, in der es vor dem Hintergrund eines interkulturellen Kontexts um Schilderungen und Interpretationen bestimmter Situationen und Handlungen seitens der projektrelevanten Interaktionspartner geht, kommt primar der qualitative Ansatz zum Tragen, da eine Analyse entsprechender Deutungsschemata - will sie nicht reduktive Menschenbilder im Sinne eines homo oeconomicus generieren - letztendlich interpretierender respektive verstehender Verfahren bedarf. Diese haben sich gerade in solchen Studien bewahrt, die in einen inter- beziehungsweise transkulturellen Kontext eingebunden sind und darauf achten miissen, multiperspektivisch vorzugehen, Aussagen zu relativieren und das Bias moglichst gering zu halten (vgl. BOSCH 1996, KOPP 2003 und PUTZ 2004).
Die Komplexitat und der Prozesscharakter sozialwissenschaftlicher Forschungsgegenstande, die insbesondere bei kulturellen Aspekten menschlichen Handelns zum Tragen kommen, verschliefien sich einer Aufstellung universeller Kausalgesetze. Bereits WEBER (1920, S. 222 f.) hat explizit darauf hingewiesen, dass der Versuch, soziales Handeln auf Gesetze zu reduzieren, sinnlos sei, da „keine Erkenntnis von Kulturvorgangen anders denkbar ist, als auf der Grundlage der Bedeutung, welche die stets individuell geartete Wirklichkeit des Lebens in bestimmten einzelnen Beziehungerrfiir uns hat. In welchem Sinn und in welchen Beziehungen dies der Fall ist, enthiillt uns aber kein Gesetz, denn das entscheidet sich nach den Wertideen, unter denen wir die »Kultur« jeweils im einzelnen Falle betrachten." In diesem Kontext gilt auch dezidiert festzuhalten, dass sozial- respektive kulturwissenschaftliche Theorien und Analysen nicht wie jene in den Naturwissenschaften axiomatisiert sind. Dieser Umstand bedeutet, dass es sich nicht um Theorien handelt, die dutch Gesetze und Definitionen bestimmt sind. Vielmehr sind entsprechende Theorien dadurch charakterisiert, dass sie aus deskriptiven Fragestellungen und Uberlegungen bestehen, die sich auf konkrete soziale und historische Situationen beziehen (vgl. GIRTLER2001).
134
KapitelVI
Bevor im nachfolgenden Kapitel auf die methodologischen Prinzipien und Formen des qualitativen Interviews eingegangen wird, seien abschlieEend noch einige Anmerkungen zur RoUe des Forschers im Rahmen der qualitativen Sozialforschung gemacht. Es ist weitgehend common sense, dass der Sozialforscher im Rahmen seiner Arbeit selbst aktiv ist, da er die gewonnenen Daten auswahlt und interpretiert. Sein Alitagswissen (Vorverstandnis) spielt daher bei der Forschung eine nicht zu unterschatzende Rolle, was in der traditionellen Sozialforschung bei der Operationahsierung und Erstellung von Messinstrumenten kaum, teilweise iiberhaupt nicht beriicksichtigt wird. Die Beziehung des Forschers zu seinem Gegenstand sollte nach qualitativem Denken auf keinen Fall statisch gesehen werden, da sich beide durch den Forschungsprozess laufend verandern. Die Interaktionsprozesse von sich verandernden Forschern und Subjekten sind die eigenthchen Daten der Sozialwissenschaften im Sinne quaUtativer Forschung, weshalb man in diesem Zusammenhang auch von qualitativer Forschung als Dialog sprechen kann (vgl. MAYRING 1999 und GIRTLER 2001).
VI.2
Methodologische Prinzipien und Formen des qualitativen Interviews
„Berucksichtigen Sie die BeschafFenheit der empirischen Welt und bilden Sie eine methodologische Position aus, um diese Beriicksichtigung zu reflektieren." Herbert Blumer Das Eingangszitat, mit dem BLUMER (1976, S. 143 f) einen Beitrag iiber den methodologischen Standort des Symbolischen Interaktionismus resiimiert, kann auch dezidiert als Leitlinie fiir die vorliegende Arbeit gelten. Vorgefertigte Theorien und Methoden sind demzufolge keine zweckmafiigen Mittel, um sich die soziale Welt in ihrer Komplexitat zu erschlieGen. Vielmehr lautet das zentrale Postulat, dass sich empirische Studien an die Eigenschaften ihres Untersuchungsgegenstands anpassen miissen. Dies bedarf, in Anlehnung an FROSCHAUER und LUEGER (2003), in erster Linie folgender Pramissen: Erstens ein Grundverstandnis iiber den moglichen Aufbau des fokussierten sozialen Systems, um iiberhaupt in die empirische Analyse einsteigen zu konnen. Zweitens ein methodisches Instrumentarium, das diesem Grundverstandnis entsprechend in hohem Mafie offen gegeniiber den Spezifika des Untersuchungsgegenstands ist. Drittens miissen anhand der reflexiven Beriicksichtigung der BeschafFenheit der empirischen Welt sowohl das Grundverstandnis als auch die angewandten Verfahren modifizierbar sein. In diesem Sinne dienen die im Verlauf der Untersuchung sukzessiv gewonnenen Ergebnisse einer laufenden Neubestimmung und Modifikation der Anforderungen an die Erhebungs- und Interpretationsverfahren. Umgekehrt wiederum eroffnet eine entsprechende Justierung der gewahlten Forschungsverfahren die Chance, neue Erkenntnisse zu gewinnen. Qualitative Befragungen, die im Fokus der vorliegenden Arbeit stehen, miissen als Verfahren zur sprachlichen Erfassung von Sichtweisen, Deutungsmustern und Denkschemata den methodologischen Prinzipien von OfFenheit, Flexibilitat, Kommunikation, Reflexivitat und Explika-
Methodische Umsetzung des Forschungsprojekts
135
tion entsprechen. Des Weiteren gilt es, dem Prozesscharakter von Forschung und Gegenstand Rechnung zu tragen (vgl. HOFFMANN-RIEM 1980 und LAMNEK 1995a). Dabei kreisen sie stets um die Frage, was die befragten Akteure fur relevant erachten, wie sie ihre Welt beobachten und was ihre jeweilige Lebenswelt charakterisiert. In diesem Zusammenhang geht es insbesondere darum, zu verstehen, was Menschen in einem sozialen Kontext dazu bringt, in einer bestimmten Art und Weise zu handeln, welche Dynamik dieses Handeln im sozialen Umfeld auslost und wie diese auf die Handlungsweisen zuriickwirkt. Vor diesem Hintergrund fokussieren qualitative Analysen die gesellschaftliche Verankerung der Praxis menschlichen Handelns, sozialer Ereignisse und deren Entwicklungsdynamik und versuchen, diese einem theoretisierenden Verstandnis zuzufuhren. Der Erhebungsmethode fallt dabei die Funktion zu, jene Materialien zu beschafFen, die diesem Anspruch gerecht werden, wobei der Datengewinnungsprozess als kommunikative Leistung angesehen wird, bei der die entsprechenden umgangssprachlichen AuEerungen und (Alltags-) Handlungen nur aus dem Verstandnis fur den Gesamtkontext der Erhebungssituation heraus zu begreifen sind (vgl. KROMREY 2002 und FROSCHAUER/LUEGER 2003). Entscheidet man sich als Forscher fiir den Einsatz interpretierender und verstehender Verfahren, die sich vor allem im Kontext komplexer und noch vergleichsweise wenig erforschter Fragestellungen bewahrt haben (vgl. Kapitel VI. 1), so spielt das qualitative Interview eine zentrale RoUe. Wahrend in einer quantitativen Befragung mit ihrer weitgehenden Standardisierung der Forscher mit einem theoretischen Konzept, das er selbst und gewissermaKen unabhangig vom zu untersuchenden Objektbereich entwickelt hat - also mit seiner operationalisierten ,Wirklichkeitsdefinition' - , zum Befragten kommt und diesem dann das Schema des Forschers vorgegeben wird, hat der Befragte im qualitativen Interview dezidiert die Moglichkeit, seine ,Wirklichkeitsdefinitionen' dem Forscher mitzuteilen (vgl. LAMNEK 1995b). Aus der Ablehnung dieser Pradetermination dutch den Forscher ergibt sich das mit Sicherheit wichtigste methodologische Prinzip eines qualitativen Interviews, namlich das Prinzip der OfFenheit, das im Folgenden - neben den anderen Prinzipien - kurz umrissen werden soil. Das Prinzip der OfFenheit manifestiert sich vor allem in einer expliziten AufForderung an den Forscher zur Uberwindung seines eigenen Vorverstandnisses mittels einer entsprechenden AuFgeschlossenheit hinsichtlich Forschungsgegenstand, Forschungsorganisierung, Gesprachsfuhrung und Interpretation (vgl. KLEINING 1982 und FROSCHAUER/LUEGER 2003). Eng mit diesem Prinzip ist das Prinzip der Flexibilitat verbunden, das insbesondere in der jeweiligen Interviewsituation zum Tragen kommen soUte, will man sich als Forscher moglichst uneingeschrankt und variabel auf Lebenswelt und AusFiihrungen des Befragten einlassen. Das Prinzip der Kommunikation als Basiselement sozialer Systeme basiert auF der Annahme, dass ein Forscher den Zugang zu bedeutungsstrukturierten Daten im Allgemeinen nur dann gewinnen kann, wenn er eine Kommunikationsbeziehung mit dem Forschungssubjekt eingeht und dabei das kommunikative Regelsystem des Forschungssubjekts gelten lasst (vgl. HOFFMANN-RIEM 1980). Die Prinzipien Explikation respektive Refliexivitat Fungieren insbesondere als Komponenten der Qualitatssicherung, da hermeneutische Analysen keine technischen Regeln an-
136
KapitelVI
bieten, wie man zu verlasslichen Resultaten kommt: Das erstgenannte Prinzip kann sich im Kontext qualitativer Interviews etwa dadurch manifestieren, dass die Auswahl der zu interviewenden Akteure anhand der Vielfalt des untersuchten Phanomenbereichs sukzessive festgelegt, erweitert und an den Interpretationen des Forschungsgegenstands angepasst wird. Das zweitgenannte Prinzip spiegelt sich vornehmlich in einer permanenten kritischen Uberpriifung des Forschungsgegenstands sowie der Forschungsorganisierung wider (vgl. FROSCHAUER/LUEGER 2003). Last but not least ist der Prozesscharakter eines qualitativen Interviews zu nennen, wobei der entsprechende Konstitutionsprozess von sozialer Realitat dutch das qualitative Interview dokumentiert, rekonstruiert, interpretiert und letztlich auch erklart wird. LAMNEK (1995b, S. 62) erlautert diesen Umstand wie folgt: „So wie im Alltag die Konstitution und Definition von Wirklichkeit prozeEhaft erfolgt, geschieht dieser Vorgang im Prozefi des Interviews ganz analog. Die zu einem bestimmten Zeitpunkt gegebenen Antworten der Befragten sind nicht einfach Produkt einer unabanderlichen AufFassung, Meinung oder Verbaltensweise, sondern sie sind prozeJ?hafigenerierte Ausschnitte der Konstruktion und Reproduktion von sozialer Realitat.''' Das qualitative Interview umfasst eine Vielzahl ahnlicher, aber nicht identischer Erhebungsverfahren auf der Basis qualitativer Methodologie, wobei man, in Anlehnung an LAMNEK (1995b), fiinf Formen unterscheiden kann: das narrative Interview, das rezeptive Interview, das problemzentrierte Interview, das fokussierte Interview und das Tiefen- beziehungsweise Intensivinterview. Da die einzelnen Formen qualitativer Interviews in den einschlagigen Publikationen umfassend erlautert und gewiirdigt worden sind, brauchen sie im Rahmen dieser Arbeit nicht mehr grundsatzlich diskutiert werden (vgl. insbesondere GIRTLER 1992, LAMNEK 1995b und HoPF 2000). Im folgenden Kapitel ist daher primar die Wahl der fiir die vorliegende Untersuchung relevanten Methode zu begriinden, bevor dann diese inklusive deren Erhebungsinstrumente vorgestellt werden.
VI.3
Methodenwahl
„Zur Erforschung der Wahrheit bedarf es notwendig der Methode." Rene Descartes „Ich meine mit Max Weber, daf? der Mensch ein Wesen ist, das in selbstgesponnene Bedeutungsgewebe verstrickt ist, wobei ich Kultur als dieses Gewebe ansehe. Ihre Untersuchung ist daher keine experimentelle Wissenschaft, die nach Gesetzen sucht, sondern eine interpretierende, die nach Bedeutungen sucht." Sowenig man, im Sinne des bedeutenden amerikanischen Ethnologen GEERTZ (1995, S. 9), Kultur in abstrakte Regeln zusammenfassen kann, sowenig vermag man menschliches Handeln im Kontext sozialer Realitaten in GesetzmaEigkeiten einzuordnen. Eine fur diese Arbeit geeignete Erhebungsmethode muss nicht nur in der Lage sein, Fiandlungssituationen und Handlungskontexte vor dem Hintergrund interkultureller Uberschneidungssituationen nachzuzeichnen, sondern auch die Sichtweisen, Deutungsmus-
Methodische Umsetzung des Forschungsprojekts
137
ter und Denkschemata entsprechender Situationen zu rekonstruieren. Wahrend standardisierte Verfahren eine bestimmte Gliederung der sozialen Wirklichkeit fesdegen, wird der Befragte bei qualitativen Verfahren in der Regel veranlasst, seine eigenen Gliederungspunkte ins Spiel zu bringen und damit selbst anzuzeigen, was fiir ihn auf welche Art und Weise relevant ist (vgl. ASCHENBACH/BILLMANN-MAHECHA/ZITTERBARTH 1985).
Basierend auf diesen Reflexionen und eingedenk der bis dato nur rudimentar entwickelten Forschungsaktivitaten hinsichtlich des Gegenstands liegt es nahe, die Untersuchungen weitgehend interpretierend zu gestalten und der nachtraglichen Rekonstruktion von Deutungen und Reprasentationen der Akteure Vorrang vor allzu friiher analytischer Fixierung zu geben. In diesem Kontext spielt der Kommunikationsaspekt eine zentrale RoUe, da Kommunikation gemeinhin als das zentrale Fundament aller sozialen Systeme gilt (vgl. LUHMANN 1984). Gerade aus einer sozialwissenschaftlichen Perspektive verkorpert Kommunikation wesentlich mehr als ausschliefilich einen Akt der Informationsiibertragung. Vielmehr handelt es sich um einen Prozess der Bedeutungsproduktion auf der Basis von Mitteilungshandlungen. Somit nehmen Gesprache als unmittelbare Kommunikation zwischen Forschern und Befragten eine Schliisselstellung ein, wobei Letztere im Rahmen qualitativer Forschungsgesprache grundsatzlich einen Expertenstatus in Hinblick auf ihre Lebenswelt bekleiden (vgl. FROSCHAUER/LUEGER 2003). Eine Methode, die dem in qualitativen Interviews zentralen Kommunikationsaspekt in angemessener Art und Weise Rechnung tragt, stellt das so genannte problemzentrierte Interview nach WiTZEL (1982/1985) dar. Das problemzentrierte Interview wahlt dezidiert einen sprachlichen Zugang, um die jeweilige Fragestellung vor dem Hintergrund subjektiver Bedeutungen zu eruieren. Wie bereits der Begriff deutlich macht, kreist das problemzentrierte Interview um eine bestimmte Problemstellung, die der Forscher einfuhrt und auf die er im Verlauf des Gesprachs immer wieder zuriickkommt. Auch wenn es sich in der Regel um eine halbstrukturierte Befragung handelt, so wird explizit das Erzahlprinzip herausgestellt, wobei die Bedeutungsstrukturierung der sozialen Wirklichkeit allein dem Gesprachspartner vorbehalten bleibt. Dieser Umstand ermoglicht dem Befragten, seine Ansichten und Erfahrungen zu artikulieren und vom Interviewer nicht beachtete Problemsichten und Losungsansatze einzubringen. Das narrative Interview, das als Interviewform in der Regel komplett auf standardisierte Fragen verzichtet und stattdessen den Befragten auffordert, mittels freien Erzahlens den jeweiligen Gegenstand aufeuroUen, wird vor allem in der Biographie- beziehungsweise LebenslauflForschung eingesetzt (vgl. insbesondere GIRTLER 2001 und PUTZ 2004). Im Rahmen dieses Projekts, wie auch der meisten anderen Teilprojekte von FORAREA, ist diese Methode nur supplementar zum Tragen gekommen. Nach der Exploration des Problemfelds - die unter anderem von einem Reisestipendium nach Marokko begleitet wurde, um erste Sondierungsgesprache mit potentiellen Interviewpartnern von Unternehmensseite zu fiihren - ist letztendlich die Entscheidung fiir den Einsatz des problemzentrierten Interviews gefallen. Die im Vorfeld der eigentlichen Erhebungsphasen gewonnenen Eindriicke hinsichtlich narrativer Interviews vor dem Hintergrund der projektspezifischen Zielgruppe decken sich weitgehend mit jenen Erfahrungen, die
138
KapitelVI
BOSCH (1996, S. 146) im Rahmen ihrer interkulturellen Managementstudie gesammelt hat: „Das narrative Interview erwies sich in diesem spezifischen situativen Kontext und in Anbetracht des jeweils begrenzten Zeitrahmens als ungeeignet. Zudem widersprach diese Methode auch den common-sense-Konstrukten der Manager in Hinblick auf den ,typischen Verlauf von Interviews' („Haben Sie nichts zum Kreuzchen machen?"). Eine betont passive Gesprachsfuhrung („Erzahlen Sie doch mal...") hatte ihre Kooperationsbereitschaft iiberstrapaziert und ware anstatt als ,positive Sanktion' vielmehr als Konzeptlosigkeit der Befragung interpretiert worden." Erschwerend kommt bei narrativen Interviews eine vergleichsweise einseitige Materialorientierung hinzu, die sich den Widerspruch leistet, eine fehlende Systematik und intensive Abklarung von Problembereichen in der Erhebungsphase durch von aufien herangetragene Kategoriensysteme in der Auswertungsphase zu erganzen (vgl. MUHLFELD et al. 1981, WITZEL 1982 u n d AUFENANGER 1991).
Das problemzentrierte Interview bietet sich hinsichthch potentieller Anwendungsgebiete - gerade im Vergleich zum narrativen Interview - vor allem bei einer starker theoriegeleiteten Forschung mit spezifischeren Fragestellungen sowie umfangreicheren Stichproben an (vgl. MAYRING 1999). Ungeachtet ihres ausgesprochen quahtativen Charakters bietet diese Methode dem Forscher zusatzlich die MogUchkeit, geschlossene Fragen zu integrieren. Diese Teilstandardisierung erleichtert die Vergleichbarkeit mehrerer Interviews deutUch. Dabei konnen die ofFenen und geschlossenen Fragen sowohl in komplementarer als auch in kontrollierender Absicht eingesetzt werden, wobei das Erzahlprinzip stets erhalten bleibt. Im folgenden Kapitel wird nicht nur das problemzentrierte Interview als spezifische Methode der qualitativen Sozialforschung erlautert, sondern auch die entsprechenden Erhebungsinstrumente vorgestellt, die in der vorliegenden Arbeit Beriicksichtigung finden.
VI.4
D a s problemzentrierte Interview u n d seine Erhebungsinstrumente
„Zur Methode wird nur der getrieben, dem die Empiric lastig wird." Johann Wolfgang von Goethe Das problemzentrierte Interview als integrativer Bestandteil einer problemzentrierten Forschungstechnik versteht sich primar als forschungspraktische Einlosung der Kritik an standardisierten Messverfahren der empirischen Sozialforschung. In diesem Zusammenhang folgt es der Erkenntnis, dass der komplexe und prozessbehaftete Kontextcharakter sozialwissenschaftlicher Forschungsgegenstande kaum durch eine normierte Datenermittlung zu erfassen ist, sondern vielmehr situationsadaquate, flexible und die Konkretisierung fordernde Methoden notwendig sind (vgl. WITZEL 1982). In der multimethodischen Konzeption des problemzentrierten Interviews raumt Witzel dem qualitativen Interview einen zentralen Part ein; diesem sind auch die nachfolgen Ausfiihrungen gewidmet. Zunachst wird die mit dieser Methode
Methodische Umsetzung des Forschungsprojekts
139
verbundene Programmatik skizziert, bevor dann in einem zweiten Schritt die entsprechenden Erhebungsinstrumente vorgestellt werden. In diesem Kontext erfolgt auch eine Ihematisierung der im Rahmen des problemzentrierten Interviews propagierten Kommunikationsstrategien. Abschiiefiend soil in Grundziigen auf die Auswertung der im Rahmen des problemzentrierten Interviews generierten Daten eingegangen werden. Die Programmatik des problemzentrierten Interviews konstituiert sich, in Bezugnahme auf WiTZEL (1985, S. 230 fF.), aus drei Grundprinzipien: Die Problemorientierung als erstes Prinzip beinhaltet, dass an gesellschaftlich relevanten Problemstellungen angesetzt werden soil, deren wesentliche Aspekte der Forscher bereits im Vorfeld der Interviewphase sondiert hat, wobei die Konzeptgenerierung durch den Befragten grundsatzlich bestehen bleibt. Aus einer methodologischen Perspektive wird die im narrativen Interview streng induktive Vorgehensweise ohne Pradetermination durch den Forscher beim problemzentrierten Interview durch eine Kombination aus Induktion und Deduktion mit der Chance auf Modifikation der theoretischen Konzepte abgelost (vgl. LAMNEK 1995b). Das zweite Prinzip, die Gegenstandsorientierung, richtet sich gegen die haufig geiibte Praxis, entweder ausgefeilte Forschungsmethoden unabhangig vom Gegenstand zu entwickeln oder deren Eignung fiir den zu untersuchenden Gegenstand mit dem Verweis auf ein gangiges Verfahren stillschweigend vorauszusetzen. Im dritten Prinzip, der Prozessorientierung, geht es schlieKlich um die flexible Analyse des wissenschaftlichen Problemfelds sowie eine sukzessive Gewinnung und Priifiing des empirischen Materials, wobei sich Zusammenhang und Beschaffenheit der einzelnen Elemente erst langsam und in standigem reflexiven Bezug auf die dabei verwandten Methoden herauskristallisieren. Entsprechend den methodologischen Prinzipien qualitativer Interviews folgt das problemzentrierte Interview dem Prinzip der Offenheit (vgl. Kapitel VI.2). Ausgehend von einem relativ offenen theoretischen Konzept, verbunden mit den zentralen forschungsleitenden Fragestellungen, wird dementsprechend auf eine explizite Hypothesenbildung ex ante verzichtet, da der empirische Erkenntnisgewinn nicht durch ein der Untersuchung a priori vorgegebenes Kategoriensystem begrenzt werden soil. Dabei wird der Forschungsprozess dezidiert auf die Problemsicht der Subjekte fokussiert, um schrittweise ein adaquates Verstandnis iiber die Problemsicht des Befragten zu entwickeln (vgl. BLUMER 1976 und STRAUSS 1991). Das Prinzip der Offenheit und der kommunikative Charakter der Datengewinnung erfordern, dass in dieser Methode zwischen Forscher und Gesprachspartner eine moglichst symmetrische - nicht zuletzt von Vertrauen gepragte - Kommunikationssituation gegeben ist. In diesem Kontext wird unter anderem intendiert, den Befragten als gleichberechtigten Partner anzusehen, ihm sozusagen eine ExpertenroUe zuzuschreiben (vgl. Kapitel VI.3). Vor diesem Hintergrund ist es grundsatzlich hilfreich, wenn die entsprechenden Interviews im alltaglichen Milieu der Befragten stattfinden. Nachdem in Grundziigen die Programmatik des problemzentrierten Interviews aufgeroUt wurde, stellt sich die Frage, welche Erhebungsinstrumente im Rahmen des problemzentrierten
140
KapitelVI
Interviews z u m Einsatz k o m m e n . Die nachfolgende Tabelle stellt in komprimierter Form die entsprechenden I n s t r u m e n t e vor, die allesamt einen integrativen Bestandteil des Forschungsprozesses der vorliegenden Arbeit biiden: Tab. 17: •
Erhebungsinstrumente des problemzentrierten Interviews
Kurzfragebogen
Fiir die Verwendung eines - in vorwiegend qualitativ ausgerichteten Studien vergleichsweise seiten anzutrefFenden - Kurzfragebogens sprechen in erster Linie zwei Faktoren: Einerseits ermoglicht der Kurzfragebogen eine erste Beschaftigung des Gesprachspartners mit der Thematik und lenkt somit seine Aufmerksamkeit auf das entsprechende Problemgebiet, andererseits sollen sozialstatistische Daten des Befragten bereits im Vorfeld des eigentlichen Gesprachs eruiert werden, um seine anschlie^enden Ausfiihrungen nicht unterbrechen zu miissen. •
Gesprdchsleitfaden
Der Gesprachsleitfaden fungiert als Orientierungsrahmen beziehungsweise Gedachtnisstiitze fiir den Interviewer und dient der Unterstiitzung und Ausdifferenzierung von Erzahisequenzen des Interviewten. In ihm ist der komplette Problembereich in Form von einzelnen, tiiematischen Feidern formuliert, unter die in Frageform gefasste Inhalte des jeweiligen Feldes subsumiert sind. Die unter die jeweilige Thematik fallenden Fragestellungen dienen als Leitfaden fiir die Problemzentrierung des Interviewers, sie sollen jedoch keinesfalls dem Gesprachspartner aufoktroyiert werden. •
Tonbandaufzeichnung
Der Vorteil des Einsatzes eines Tonbandgerats liegt vor allem darin, dass der gesamte Gesprachskontext und damit auch der Part, den der Interviewer im Gesprach einnimmt, erfasst wird. Hinzu kommt, dass sich der Forscher auf das Gesprach konzentrieren sowie gleichzeitig situative und nonverbale Elemente besser wahrnehmen kann. •
Postskriptum
Das Postskriptum liefert dem Interpreten im Anschluss an das Interview wichtige Informationen, die dazu beitragen konnen, einzelne Interviewsequenzen besser zu interpretieren sowie das Gesamtbild der Thematik inhaltlich abzurunden. Dazu zahlen unter anderem nonverbale Elemente, themenspezifische Vermutungen und Situationseinschatzungen sowie Interaktionsverlaufe vor und nach dem eigentlichen Interview. Ein wichtiger positiver Effekt des Postskriptums besteht nicht zuletzt darin, dass dessen Erstellung den Interviewer fiir eine kritische Haltung gegenuber situativen Momenten sensibilisiert.
Quelle: Zusammenstellung des Autors in Anlehnung an WITZEL (1982)
Z u den zentralen gesprachs- u n d verstandnisgenerierenden Kommunikationsstrategien, die im Kontext des problemzentrierten Interviews z u m Tragen k o m m e n , zahlen primar folgende Fragetypen: Sondierungsfragen ebnen den Einstieg in die jeweilige Thematik u n d bieten sich besonders zu Beginn eines Interviews an, u m zu eruieren, welche subjektive Bedeutung das T h e m a fiir den Gesprachspartner hat. In diesem Z u s a m m e n h a n g empfiehlt sich vor allem eine allgemein gehaltene Frage, die erzahlerisch ausgestaltet ist u n d Interesse fiir das Sujet beim Befragten evoziert. Leitfadenfragen sind den spezifischen Problembereichen der zu untersu-
Methodische Umsetzung des Forschungsprojekts
141
chenden Thematik gewidmet. Sollten wahrend des Gesprachsverlaufs widerspriichliche Antworten oder ausweichende Aufierungen auftauchen, konnen diese gegebenenfalls um spontane Verstandnisfragen erganzt werden. Da das problemzentrierte Interview dem Befragten reichlich Gelegenheit zur Selbst- und Verhaltnisreflexion bietet, werden unter Umstanden Aspekte aufgeroilt, die nicht im Gesprachsleitfaden verzeichnet sind. In diesem Fall besteht fiir den Forscher die Mogiichkeit, Ad-hoc-Fragen zu formulieren, um sich die entsprechenden Aspekte inhaltlich zu erschlieKen (vgl. WITZEL 1982 und MAYRING 1999). Bevor ich im nachfolgenden Kapitel die wichtigsten Themenkomplexe beziehungsweise Fragesteliungen von Gesprachsleitfaden und Kurzfragebogen darlege, soUen abschliefiend noch einige zentrale Anmerkungen zur Auswertung des generierten Datenmaterials gemacht werden. Die bei problemzentrierten Interviews typische Kombination qualitativer und quantitativer Untersuchungstechniken bedingt, dass die Aufarbeitung der entsprechenden Daten sowohl qualitativer als auch quantitativer Auswertungsmethoden bedarf. Neben der Kombination qualitativer und quantitativer Untersuchungstechniken ist die vorliegende Arbeit dadurch charakterisiert, dass sie der Interkulturalitat des Untersuchungsgegenstands gerecht werden muss. Dieser Umstand erfordert ein multiperspektivisches Vorgehen, wodurch die Daten kontrastiv und vergleichend erhoben beziehungsweise ausgewertet wurden. Zunachst wurden die geschlossenen Fragen mittels des Statistikprogramms SPSS ausgewertet. Die mit den KoUegen aus den anderen Teilprojekten von FORAREA durchgefiihrte Auswertung beinhaltete Elemente der deskriptiven und bivariaten Statistik, wobei die gewonnenen Daten zwecks einer Aufdeckung von Zusammenhangen im kulturiibergreifenden Vergleich untereinander ausgetauscht wurden. In diesem Zusammenhang sei auch expUzit auf den gemeinsamen Abschlussbericht der Projektgruppe verwiesen, der ausfiihrlich auf diesen Aspekt eingeht (vgl. FRICKE et al. 2002). Die Auswertung der Transkripte orientierte sich primar am Regelkanon der qualitativen Inhaltsanalyse nach MAYRING (1997). In diesem Kontext stand zunachst eine Reduktion des umfangreichen Datenmaterials von insgesamt 60 Gesprachen im Vordergrund. Primares Ziel einer ersten zusammenfassenden Analyse war es, das generierte Material mittels reduktiver Prozesse - insbesondere durch Paraphrasierung, Generalisierung, Selektion und Biindelung - so zu komprimieren, dass ein iiberschaubarer Textkorper entsteht, in dem sich aber immer noch das Abbild des einstigen Grundmaterials widerspiegelt. Die anschliefiend erfolgte explizierende Inhaltsanalyse diente vor allem einer Prazisierung unklarer Textpassagen. Abschliefiend fand eine inhaltliche Strukturierung statt, in der das relevante Datenmaterial den jeweiligen Inhaltsbereichen zugeordnet wurde. Vor dem Hintergrund der Biperspektivitat der Arbeit ist zu konstatieren, dass gerade das qualitative Datenmaterial nur in enger Kooperation mit den marokkanischen KoUegen ausgewertet werden konnte, da man als Forscher der Kulturbedingtheit seiner eigenen Perzeptionen, Interpretationen und Bewertungen unterliegt. Diesem Problem kann letztendlich nur dadurch entgegengesteuert werden, als wahrend des gesamten Forschungsprozesses die eigene kulturelle Bedingtheit sowie diejenige der counterparts bedacht wird (vgl. STUDLEIN 1997).
142
VI. 5
KapitelVI
Struktur und Inhalte der Befr^;ungen
,Jedes Fragen ist ein Suchen." Martin Heidegger Wie bereits in Kapitel VI.4 skizziert wurde, stiitzen sich die Einzelbefragungen der vorliegenden Studie auf die Methode des problemzentrierten Interviews. In diesem Kapitel soUen Struktur und Inhalte der Befragungen, die einerseits bei den projektrelevanten Unternehmen, andererseits bei ausgewahlten Experten durchgefuhrt wurden, in konziser Form vorgestellt werden. An dieser Stelle sei bereits auf das nachfolgende Kapitel verwiesen, in dem ausfiihrlich auf die in dieser Arbeit relevante Zielgruppe eingegangen wird. Die nachfolgenden Ausfiihrungen machen in einem ersten Schritt mit den wichtigsten Aspekten der Unternehmensbefragungen vertraut. In diesem Kontext werden sowohl die Konzeption als auch die grundlegenden Themenkomplexe der Erhebungsinstrumente Kurzfragebogen und Gesprachsleitfaden vorgestellt. In einem zweiten Schritt soUen schlief?lich die zentralen inhaltlichen Anliegen der Experteninterviews dargelegt werden. Beginnen wir zunachst mit dem Kurzfragebogen, der sich in der vorliegenden Arbeit in zwei Abschnitte gliedert: Der erste Abschnitt ist dem Unternehmen, der zweite Abschnitt dem Gesprachspartner gewidmet. Beide Abschnitte sollen im Vorfeld des eigentlichen Interviews relevante - primar quantitative - Strukturdaten sondieren und eine erste Auseinandersetzung des Befragten mit dem Untersuchungsgegenstand initiieren. Die im Kurzfragebogen erhobenen Daten sollen nicht zuletzt einer besseren Kontextualisierung des im Gesprachsleitfaden gewonnenen Datenmaterials dienen. Im jenem Abschnitt, der auf das Unternehmen bezogen ist, wird zunachst nach dem Griindungszeitraum und nach der Unternehmensgrofie - bezogen auf die Anzahl der Mitarbeiter - gefragt; Letztere fungiert traditionell als ein wichtiges Abgrenzungskriterium fiir kleine und mittlere Unternehmen. Die nachfolgende Frage hinsichtlich der angebotenen Reisesparten erschlieEt das touristische Unternehmensprofil. Die sich anschlieEenden Fragen leiten sukzessive zum bilateralen Kooperationsgeschehen iiber. Zuerst wird der jeweilige Kooperationspartner eruiert, dann folgt eine Frage beziiglich der gemeinsam offerierten Reisesparten. Riickschliisse auf die Bindungsintensitat beziehungsweise auf die Kontinuitat der jeweiligen Zusammenarbeit ermoglichen die Fragen betreffs Kooperationsform respektive Dauer der Zusammenarbeit. Es folgen Fragen iiber die Kontaktaufnahme, den Stellenwert der Kooperation sowie iiber eine eventuelle Einbindung weiterer Kooperationspartner. Eine bereits deutlich auf die interkulturelle Dimension der Arbeit hinleitende Frage soil aufz;eigen, ob das jeweilige Unternehmen einen eigenen Mitarbeiter aufweist, der sich speziell fiir die bilaterale Kooperation verantwortlich zeichnet. Die drei letzten unternehmensspezifischen Fragen intendieren in erster Linie eine Erfolgsbilanzierung. In diesem Kontext werden die Akteure zunachst nach dem betriebswirtschaftlichen Erfolg der Kooperation befragt. Sodann wird um Auskunft gebeten, welche Reise-
Methodische Umsetzung des Forschungsprojekts
143
sparten die Gesprachspartner in Hinblick auf ihr zukiinftiges Entwicklungspotentiai fiir besonders attraktiv halten, um sie verstarkt im Rahmen der bestehenden Kooperation zu erschliefien. Angesiclits der ambitionierten Ziele des Masterplans von Marrakech ist diese Frage nicht zuletzt fiir die ofEzielle marokkanische Tourismuspolitik von besonderem Interesse. Ob die Kooperationspartner letztendlich bereit sind, die bilaterale Zusammenarbeit in den kommenden Jahren auszubauen, soli die letzte Frage des unternehmensspezifisclien Abschnitts klaren. Der personenspezifische Abschnitt des Kurzfragebogens sondiert zunachst einmal die klassisclien soziodemographischen Merkmale - wie Nationalitat, Geschlecht und Alter - des Befragten bevor dann dessen Funktion im Unternehmen sowie die berufliche Qualifikation aufgerolit werden. Die folgenden Fragen nehmen eine ausgesprochene Uberleitungsfiinktion zum Gesprachsleitfaden ein, indem sie bereits explizit auf ausgewahlte interkulturelle Aspekte eingehen. Zunachst wird vergleichsweise allgemein nach eventuell vorliandenen interkulturellen Vorerfahrungen gefragt. Anschliefiend erfolgt eine Sondierung, ob moglicherweise sogar eine spezifische interkulturelle Vorbereitung auf die entsprechende bilaterale Zusammenarbeit stattgefunden hat. Eine weitere Frage zielt auf die Fremdsprachenkompetenz des Interviewpartners ab, bevor dieser zum Schluss gebeten wird, seine Kenntnisse in Bezug auf die andere Kultur zu taxieren. Spates tens im Kontext dieser vier abschlieSenden Fragen war den meisten Gesprachspartnern die Richtung der inhaltlichen Konzeption des folgenden Interviews klar und eine Sensibilisierung fiir die entsprechende Thematik eingeleitet. Mehrfach entwickelte sich bereits an dieser Stelle eine engagierte, problemzentrierte Diskussion, die eine optimale Uberleitung zum Gesprachsleitfaden ermoglichte. Der Gesprachsleitfaden ist das eigentliche Flerzstiick der Unternehmensbefragung: Dieser gliedert sich in drei Abschnitte - Einstieg, Hauptteil und Abschluss - , wobei der Hauptteil noch einmal, entsprechend der Konzeption von WITZEL (1982), in einzelne Themenkomplexe unterteilt wurde. Im Gesprachsleitfaden ist das Hintergrundwissen des Interviewers thematisch strukturiert, um zu einer kontroUierten und vergleichbaren Herangehensweise an den Untersuchungsgegenstand zu gelangen. Wie bereits in Kapitel VI.4 skizziert wurde, fungiert der Gesprachsleitfaden primar als Orientierungsrahmen beziehungsweise Gedachtnisstiitze fiir den Forscher und dient der Unterstiitzung und Ausdifferenzierung der Erzahlsequenzen des Interviewten. Die innere Logik des Aufbaus der einzelnen Abschnitte sowie ihre jeweiligen Fragestellungen konstituieren den leitenden Faden fiir die Problemzentrierung des Interviewers, jedoch soUen diese dem Befragten auf keinen Fall aufgezwungen werden. Der vorliegende Gesprachsleitfaden enthalt sowohl offene als auch geschlossene Fragen, die in komplementarer aber auch kontroUierender Absicht genutzt werden konnen (vgl. Kapitel VI.3). Das Erzahlprinzip bleibt stets ebenso im Mittelpunkt wie die Bedeutungsstrukturierung der sozialen Wirklichkeit dutch den Gesprachspartner. Das Gesprach wird durch den ersten Abschnitt, den so genannten Einstieg, mittels einer ausgesprochen allgemein gehaltenen Einstiegsfrage, die dezidiert das Erzahlprinzip herausstellt, eingeleitet. In diesem Kontext werden die Befragten gebeten, ganz generell iiber Chancen und
144
KapitelVI
Risiken interkultureller Interaktionen zu berichten, wobei sie bereits explizit auf ihre eigenen bilateralen Kooperationserfahrungen zuriickgreifen konnen. Dadurch soUen die Gesprachspartner auf sensible Art und Weise an das Leitkonzept von FORAREA herangefiihrt werden, das die Relevanz des Faktors Kuitur im Rahmen okonomischer Kontakte, in diesem Fall grenziiberschreitender Kooperationen, hervorhebt. Zudem ermoglicht die Frage erste Einblicke hinsichtlich der kuiturelien Selbst- beziehungsweise Fremdbewusstheit des Akteurs, wobei unter Umstanden bereits an dieser Stelle transparent wird, ob aus dessen Perspektive kulturelle Aspekte im Rahmen des Kooperationsgeschehens eine Rolle spielen. Der Hauptteil des Gesprachsleitfadens weist neben der bereits erwahnten thematischen Untergliederung eine chronologische Ausdifferenzierung auf, da eine Kooperation in der Regel ein prozessuales Phanomen darstellt, das von der Konzeption iiber die Implementation bin zur eigentlichen Kooperation reicht. Somit zeichnet der Gesprachsleitfaden auch explizit die Entwicklung des interkulturellen Kooperationsgeschehens nach. Im Rahmen der Konzeptionsphase soil vom Befragten einerseits eruiert werden, welche Ziele mit der Kooperation verkniipft sind. Andererseits gilt es, ausfindig zu machen, welche Erfahrungen im Kontext von Partnersuche, Kontaktaufnahme und Kooperationsentscheidung gesammelt wurden. Wahrend bei der ersten Frage eine gemeinsam mit den KoUegen von FORAREA entwickelte Matrix zum Einsatz kommt, ist die zweite Frage - insbesondere vor dem Hintergrund des prozessualen Charakters dieses Aspekts - offen gehalten. Der Wechsel von einer geschlossenen zu einer offenen Frage wird auch im Rahmen der nun folgenden Phase beibehalten. Im Kontext der Implementation von Integrationsprozessen fokussiert der Gesprachsleitfaden eine eingehende Auseinandersetzung mit okonomischen und kuiturelien Aspekten. Die dritte Phase, die eigentliche Kooperationsphase, wird noch einmal in vier zentrale Themenkomplexe unterteilt, die fiir diese Arbeit von besonderem Erkenntnisinteresse sind. In Anbetracht der spezifischen Zielgruppe - touristische Unternehmen als Anbieter von Reisedienstleistungen (vgl. Kapitel VI.6) - werden im ersten Themenkomplex zunachst tourismusrelevante Fragestellungen aufgerollt, die bis auf die erste Frage ausschlief?lich offen gestellt sind: Zum einen soil eruiert werden, welche Aufgabenverteilung sich zwischen den Kooperationspartnern hinsichtlich der touristischen Angebotsgestaltung herauskristallisiert hat, zum anderen wird - aus einer primar interkulturellen Perspektive - der Frage nachgegangen, inwieweit die fiir Rundreisen eingesetzten Reiseleiter, die wie kaum eine andere Berufsgruppe an der Schnittstelle zwischen divergierenden Kulturen agieren, auf ihre Tatigkeit vorbereitet wurden. Angesichts einer zunehmenden Kundenorientierung in der Tourismusbranche wird in der nachfolgenden Frage das zwischen den Kooperationspartnern praktizierte handling von Beschwerden thematisiert. Dies geschieht insbesondere vor dem Hintergrund, dass das neuralgische Problemfeld des Beschwerdemanagements nicht nur einen wichtigen strategischen Erfolgsfaktor verkorpert, sondern haufig auch eine entscheidende Schnittstelle darstellt, an der sich Starken und Schwachen des interkulturellen Kooperationsgeschehens dekuvrieren lassen. Die vierte tourismusspezifische Frage ist eng mit der in dieser Arbeit relevanten Destination verbunden, soil doch durch sie herausgefunden werden, ob die Kooperationspartner gemeinsam Mafinahmen unterneh-
Methodische Umsetzung des Forschungsprojekts
145
men, um die soziokulturellen und okologischen Auswirkungen des internationalen Tourismus in Marokko moglichst vertraglich zu halten. Der zweite zentrale Themenkomplex des Hauptteils setzt sich mit dem Erfolgsfaktor Vertrauen auseinander: Zunachst wird beim Befragten in einer ofFenen Frage sondiert, wodurch sich fiir ihn ein Geschaftspartner auszeichnet, dem er in einer Kooperation Vertrauen schenken wiirde. Anschiiefiend wird er gebeten, anhand einer Matrix die drei fiir ihn wichtigsten Vertrauensmerkmale zu nennen. SchheEhch riickt wieder dezidiert das Erzahlprinzip des probiemzentrierten Interviews in den Vordergrund, indem der Gesprachspartner dazu ermuntert wird, ein spezifisches Fallbeispiel zu schildern, in dem sich fiir ihn der Vertrauensaspekt positiv beziehungsweise negativ in der interkukurellen Kooperation bemerkbar gemacht hat. Die ausgesprochen enge inhaltUche Verzahnung von Vertrauen mit Konflikten beziehungsweise mit Konfliktmanagement lasst es sinnvoU erscheinen, letztgenannten Aspekt, der einen weiteren zentralen Erfolgsfaktor im Rahmen der vorhegenden Studie verkorpert, im Anschluss aufzuroUen. In einem ersten Schritt wird der befragte Akteur mit einer in Kooperation mit den Kollegen von FORAREA entworfenen Matrix vertraut gemacht, in der die Haufigkeit ausgewahlter Konfliktpotentiale eruiert werden soil. Wahrend die Matrix zunachst einmal auf einer eher abstrakten Ebene Relevanz und Haufigkeit potentieller, vergleichsweise prototypischer Konfliktfelder ausfindig macht, geht es bei der sich anschliefienden ofFenen Frage darum, anhand eines konkreten Fallbeispiels Konflikten auf die Spur zu kommen, die einen komplexeren Hintergrund aufweisen und sich moglicherweise nicht auf den ersten Bhck erschliefien. Die dritte Frage innerhalb dieses Themenkomplexes setzt sich mittels einer gleichfalls in enger Abstimmung mit den Kollegen von FORAREA entwickelten Matrix mit zentralen Konfliktlosungsstrategien auseinander. Abschliefiend wird der Gesprachspartner gebeten, eine Einschatzung des praktizierten handlings von Konflikten vorzunehmen. Der vierte und konkludierende Themenkomplex des Hauptteils ist der Erfolgsbilanzierung gewidmet: Dieser aufgrund seiner Brisanz traditionell heikelste Aspekt einer Unternehmensbefragung wurde in vier Teilfragen untergliedert, wohl wissend, dass nicht jeder Gesprachspartner bereit sein wiirde, die entsprechenden Fragen in toto zu beantworten. Zunachst wird der Befragte gebeten, anhand einer Matrix den Grad der Zielerreichung zu taxieren. Die zweite Frage, die als Poolfrage wiederum in Kooperation mit den Kollegen von FORAREA entworfen wurde, sondiert die Entwicklung von Umsatz respektive Gewinn und Verlust. In diesem Kontext hatten die befragten Akteure die Moglichkeit, entsprechende Angaben tabellarisch oder graphisch darzustellen. Im Rahmen der dritten Frage wird der Interviewte aufgefordert, eine Einschatzung vorzunehmen, wie sich das Unternehmen aus betriebswirtschaftlicher Perspektive ohne den jeweiligen Kooperationspartner entwickelt hatte. Eine personliche Bilanzierung der eigenen Position im Schnittpunkt zwischen den Kulturen rundet diesen Themenkomplex ab. Den Schlusspunkt des Gesprachsleitfadens bilden eine Abschluss- und eine Sonderfrage: Vor dem Hintergrund einer dezidiert anwendungsbezogenen Perspektive werden die Gesprachs-
146
KapitelVI
partner zunachst ermuntert, Ratschlage fur jene Unternehmen zu geben, die im Rahmen des Marokkotourismus eine bilaterale Kooperation intendieren, wobei nicht zuletzt die personlichen Qualifikationen im Vordergrund stehen. Die Sonderfrage intendiert - im Sinne eines Ausblicks - eine Einschatzung der Zukunftsaussichten fur die Tourismusdestination Marokko sowie hinsichtlich der deutsch-marokkanischen Zusammenarbeit im Tourismussektor. Erganzend zu den problemzentrierten Interviews bei den Unternehmen wurden Expertengesprache durchgefiihrt, um das in den Institutionen verankerte Wissen fiir die vorliegende Studie in Wert zu setzen und um einen breiteren Zugang zum Forschungsfeld zu erlangen. Expertengesprache sind in erster Linie fur spezifischere Fragestellungen von hohem Wert, zudem ermoglichen sie eine Diskussion iiber in der Literatur vernachlassigte Aspekte. Im Zentrum der Befragungen, in denen gleichfalls - abgesehen von einem Kurzfragebogen - auf die Instrumente des problemzentrierten Interviev^s zuriickgegrifFen wurde, stehen neben dem deutsch-marokkanischen Kooperationsgeschehen aktuelle Tendenzen beziiglich der marokkanischen Tourismusentwicklung. Jener Themenkomplex, der sich mit dem deutsch-marokkanischen Kooperationsgeschehen beschafitigt, deckt unter anderem folgende Fragestellungen ab: Chancen und Risiken einer bilateralen Zusammenarbeit, personliche Voraussetzungen fiir den Kooperationserfolg, die Relevanz kultureller Aspekte und des Faktors interkulturelle Kompetenz, prototypische Konflikte sowie Ursachen fiir das Scheitern interkultureller Kooperationen. Zudem wird sondiert, welche spezifischen Dienstleistungen die jeweiligen Institutionen Unternehmen offerieren konnen, in denen eine bilaterale Zusammenarbeit projektiert ist. Der zweite Themenkomplex, der Strukturen und Entwicklungen des marokkanischen Tourismus fokussiert, geht zunachst der Frage nach, welche Ursachen fiir den Nachfrageriickgang deutscher Touristen, aber auch fiir den Riickzug einiger deutscher Reiseveranstalter aus Marokko verantwortlich gemacht werden konnen. Im Anschluss erfolgt ein Vergleich des marokkanischen Tourismuspotentials mit jenem wichtiger Konkurrenzdestinationen, bevor dann der fiir die weitere touristische Entwicklung zentrale Masterplan von Marrakech diskutiert wird. Die zwei konkludierenden Fragen sondieren einerseits Bereiche beziiglich marokkanischer Tourismusstrukturen, in denen ein vordringlicher Handlungsbedarf besteht, andererseits werden die Experten in einer Art Ausblick gebeten, die Perspektiven einer zukiinftigen Tourismusentwicklung im Konigreich einzuschatzen. Um der Perspektivenvielfalt der partizipierenden Experten Rechnung zu tragen, wurden die Gesprachsleitfaden entsprechend des institutionellen Backgrounds der Gesprachspartner leicht modifiziert. SchlieElich wurde noch ein separater Gesprachsleitfaden fiir das bislang kaum untersuchte interkulturelle Beschwerdemanagement konzipiert, der sowohl bei ausgewahlten Vertretern der scientific community als auch - in leicht modifizierter Form - bei zwei Reiseveranstaltern zum Einsatz kam (vgl. Kapitel VI.6). Das diversifizierte Fragenspektrum deckt unter anderem folgende Aspekte ab: prototypische Kundenbeschwerden und deren Ursachen im Kontext des Outgoing-Tourismus, Stellenwert und handling von Kundenbeschwerden bei Reiseveranstal-
Methodische Umsetzung des Forschungsprojekts
147
tern sowie Chancen und Risiken eines grenziiberschreitenden Beschwerdemanagements vor dem Hintergrund kultureller Divergenzen. Bevor im nachfolgenden Kapitel auf die Zielgruppe der jeweiligen Befragungen eingegangen wird, sei abschlieEend noch eine Bemerkung in Hinblick auf die Zweisprachigkeit der empirischen Erhebungen gestattet: Die im Rahmen dieses Kapiteis skizzierten Fragestellungen wurden fiir die marokkanischen Gesprachspartner ins Franzosische iibertragen. In diesem Kontext stand das Bemiihen um eine moglichst sinnadaquate Ubersetzung im Vordergrund. Gleichwohl auftretende Verstandnisprobleme, die in interkuiturellen Studien nie in toto auszuschiiefien sind, konnten im Verlauf des Gesprachs stets durch erklarende Umschreibungen ausgeraumt werden.
VI.6
Zielgruppe
„Der erste Gegenstand des Menschen ist der Mensch." Ludwig Feuerbach Nachdem im vorhergehenden Kapitel Struktur und Inhalte der Befragungen vorgestellt wurden, soli im Folgenden mit der in dieser Arbeit relevanten Zielgruppe vertraut gemacht werden. Im Fokus der vorliegenden Studie stehen touristische Unternehmen als Anbieter von Reisedienstleistungen. Diese sind in den letzten Jahren wieder verstarkt in das Erkenntnisinteresse der scientific community geriickt. Auch wenn die Diskussion in Hinblick auf touristisches Unternehmertum nicht grundsatzlich neu ist, so ist sie vor dem Hintergrund der Abschwiinge quantitativen Wachstums erneut aufgeflammt, gilt es doch mehr denn je, innovative Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, Mitarbeiterfiihrung als unternehmerische Herausforderung zu begreifen und last but not least die zunehmende Relevanz strategischer Erfolgsfaktoren wie Kundenorientierung in Wert zu setzen. Der langen Rede kurzer Sinn: Die Qualitatsdiskussion - begleitet von der Forderung nach Kreativitat, nach neuen Managementpraktiken und innovativen Organisationsformen - hat sukzessiv Einzug in den europaischen Tourismus gehalten (vgl. PETERS/WEIERMAIR 2004). All diese Aspekte miinden, nicht zuletzt in Zeiten staatlicher Einsparungen, in diverse unternehmerische Herausforderungen: Ob nun die Beschaffung von Finanzen, die Produktion rentabler Giiter beziehungsweise effizienter Dienstleistungen, die Messung und Erfiillung von Kundenerwartungen oder die in dieser Arbeit zentralen Anspriiche an die interkulturelle Kompetenz thematisiert werden, am Ende bleibt stets der Anspruch an ein hoch und moglichst umfassend qualifiziertes Unternehmertum im Tourismus. Im Mittelpunkt der in dieser Arbeit durchgefiihrten empirischen Erhebungen stehen touristische Unternehmen, die ihre Dienste im Outgoing-Tourismus des Herkunftslandes in Kooperation mit touristischen Unternehmen im Incoming-Tourismus des Ziellandes anbieten. Als
148
KapiteiVI
Reiseveranstalter - haufig auch in Anlehnung an den englischen FachbegrifF tour operator genannt - kombinieren sie verschiedene Teilleistungen zu einem neuen Produkt, zur so genannten Pauschalreise (vgl. YALE 1995, FREYER 2001 und HOLLOWAY 2002). Wie bereits in Kapitel
1.1 skizziert wurde, bieten sich diese Unternehmen geradezu idealtypisch fiir ein interkulturelles Forschungsprojekt an, da sie bereits aufgrund ihres geschaftlichen Selbstverstandnisses mit den komplexen Aspekten interkultureller Kommunikation konfrontiert werden: Im Zentrum entsprechender Kooperationen steht nicht der Austausch von Giitern, sondern die Vermittlung von Reisediensdeistungen, die von Akteuren mit divergierendem kulturellem Background angeboten beziehungsweise nachgefragt werden. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Tourismusbranche - ungeachtet aller Konzentrationstendenzen - nach wie vor eine vergleichsweise klein- und mitteistandisch strukturierte Branche darstelit, soli auch dezidiert ein Fokus auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU) geiegt werden, ohne dabei die touristischen ^&balplayers, die gerade in Deutschland eine immer wichtigere Rolle spielen, zu iibergehen. Eine zentrale Voraussetzung fiir die Durchflihrung der problemzentrierten Interviews bestand zunachst darin, auf zuverlassiges Datenmaterial in Hinbhck auf bilateral kooperierende deutsche und marokkanische Reiseveranstalter zuriickgreifen zu konnen. In diesem Kontext erwies es sich als ein iiberaus positiver Umstand, dass sowohl die deutsche Reprasentanz des Office National Marocain du Tourisme (O.N.M.T.) in Diisseldorf als auch der Deutsche Reiseburo und Reiseveranstalter Verhand e. V. (DRV) in Berlin fiir die Studie gewonnen werden konnten. Beide Institutionen stellten jeweils eine interne Bestandsliste iiber jene Reiseveranstalter aus Deutschland zur Verfiigung, die angaben, geschaftliche Beziehungen zu marokkanischen Incoming-Agenturen zu unterhalten. Umgekehrt wurden Incoming-Agenturen in Marokko, die mit deutschen Reiseveranstaltern kooperieren, durch die marokkanischen KoUegen Prof Dr. M. Berriane und seine Mitarbeiterin H. Damghi von der Universite Mohammed V in Rabat eruiert. In diesem Zusammenhang griffen sie insbesondere auf bereits bestehende Kontakte zum marokkanischen Wirtschaftsministerium sowie zur Zentrale des Office National Marocain du Tourisme in Rabat zuriick. Zunachst wurden die projektrelevanten Unternehmen aus Deutschland und Marokko im Friihjahr 2000 mittels eines Anschreibens eingeladen, an der Studie teilzunehmen. Blieb eine entsprechende Reaktion aus, so wurde noch einmal mittels eines personlichen Telephonats das Projekt vorgestellt und der potentielle Interviewpartner um eine Mitwirkung ersucht. Von den annahernd 100 relevanten Unternehmen auf deutscher und marokkanischer Seite konnten schliefilich jeweils 30 deutsche und 30 marokkanische Reiseveranstalter fiir die Studie gewonnen werden. Unternehmensreprasentanten, die sich nicht fiir ein Interview bereit erklaren wollten, gaben in der Regel zwei Griinde an: einerseits einen geringen Stellenwert des bilateralen Kooperationsgeschehens, andererseits, dass eine entsprechende Kooperation zwischenzeitlich ausgelaufen sei. Die vergleichsweise kleine Stichprobe dieser Arbeit steht in engem Konnex mit dem konzeptionellen Selbstverstandnis qualitativer Sozialforschung und den entsprechend zum Einsatz kommenden Erhebungsinstrumenten (vgl. insbesondere die vorangegangenen Kapitel). Im Rahmen der 60 gefiihrten Interviews wurde versucht, der vorgefundenen Heterogenitat hinsichtlich Un-
Methodische Umsetzung des Forschungsprojekts
149
ternehmensstruktur, Kooperationsformen und Angebotsprofil Rechnung zu tragen (vgl. Kapitel VII. 1). In jedem Fall mussten die partizipierenden Unternehmen dem interkulturellen Kooperationsverstandnis von FORAREA gerecht werden und zumindest eine im Kontext des Marokkotourismus relevante Reisesparte aufweisen. Die Interviews fanden wahrend der regularen Arbeitszeiten im Zeitraum von Juli 2000 bis April 2001 in Deutschland und in Marokko statt. Wahrend der Befragungen bei den marokkanischen Unternehmen wurde ich von KoUegin H. Damghi aus Rabat begleitet, um der interkulturellen Dimension des Forschungsprojekts - vor allem in Hinblick auf dessen Biperspektivitat - gerecht zu werden. Die bei den marokkanischen Incoming-Agenturen gefiihrten Interviews erfolgten in der Regel in der marokkanischen Amts- und Geschaftssprache Franzosisch. Um das aUtagUche Milieu der Befragten zu beriicksichtigen, fanden sowohl in Deutschland als auch in Marokko die Interviews primar in den Biiroraumen der partizipierenden Unternehmen sowie auf den einschlagigen Tourismusmessen statt. Erfreulicherweise gelang es in 55 Prozent der Falle, die Geschaftsleitung fiir ein Interview zu gewinnen. Dieser ausgesprochen positiv zu bewertende Umstand ist einerseits auf die nach wie vor klein- und mittelstandisch gepragte Branchenstruktur des Tourismus zuriickzufiihren, andererseits wiirdigten zahlreiche Geschaftsfiihrer dezidiert den hohen Anwendungsbezug der Studie, der ihr personUches Interesse geweckt habe. Selbstverstandlich blieb es den Akteuren jederzeit vorbehalten, den Tonbandmitschnitt abzulehnen beziehungsweise zu unterbrechen, wenn der Gesprachsinhalt als besonders brisant oder vertraulich eingestuft wurde. In diesen Fallen wurde der jeweiUge Gesprachsinhalt schriftUch protokoUiert. Die Interviews dauerten je nach Gesprachspartner und Gesprachssituation zwischen 45 Minuten und drei Stunden, wobei dieser zeithche Rahmen dem UbUchen vergleichbarer Studien entspricht (vgl. unter anderem BOSCH 1997, MOOSMULLER 1997 und PUTZ 2004). Da der
Tourismus wie kaum eine zweite Branche saisonbedingten Aspekten unterliegt, wurde so weit wie moglich darauf geachtet, die empirischen Erhebungen den zeitUchen Bediirfnissen der projektrelevanten Akteure anzupassen. Erfreulicherweise stand ein GroEteil der Gesprachspartner auch nach den Interviews fiir Riickfragen zur Verfiigung. Zudem wurde seitens der Interviewer darauf geachtet, einmal gekniipfte Kontakte zu pflegen und positiv fiir den laufenden Forschungsprozess in Wert zu setzen. In diesem Kontext boten sich insbesondere die Internationale Tourismus-Borse (ITB) in BerUn sowie eine vom marokkanischen Fremdenverkehrsamt im Jahr 2000 organisierte Roadshow an. Beide Veranstaltungen stellten ideale Foren dar, auf einer weitgehend informellen Ebene die Diskussion iiber das deutsch-marokkanische Kooperationsgeschehen fortzusetzen und den jeweiligen Erkenntnisstand zu aktualisieren. Die 60 bei deutschen und marokkanischen Reiseveranstaltern gefiihrten problemzentrierten Interviews wurden in der Endphase der empirischen Erhebungen durch ausgewahlte Expertengesprache abgerundet. Eine gute Qualitat entsprechender Gesprachsergebnisse lasst sich nicht zuletzt durch eine sorgfaltige Auswahl der Interviewpartner sicherstellen. Bei der Auswahl der jeweiligen Experten wurde deshalb primar darauf geachtet, eine moglichst grofie Vielfalt an Perspektiven und Erfahrungen fiir den Forschungsprozess in Wert zu setzen. Die Experteninterviews fanden sowohl in Deutschland als auch in Marokko im Zeitraum von Oktober 2001 bis
150
KapitelVl
Januar 2002 statt, wobei zu diesem Zweck insgesamt 23 Gesprachspartner gewonnen werden konnten. Diese erfassten primar die institutionelle Sichtweise auf das Forschungsprojekt und subsumierten unter anderem Gesprache mit Reprasentanten aus den jeweiligen Ministerien, Botschaften und Auf?enhandelskammern, der Arabisch-Deutschen Vereinigung fur Handel und Industrie (Ghorfa), der German Tourism Organisation for Development and Investment {GNIO), dem Office NationalMarocain du Tourisme (O.N.M.T.) sowie ausgewahlten Interviewpartnern der scientific community. Im Fokus der Befragungen, in denen ebenfalls die Instrumente des problemzentrierten Interviews zum Einsatz kamen, standen in erster Linie zentrale Aspekte zum deutsch-marokkanischen Kooperationsgeschehen sowie zu aktueilen Entwicklungen in Hinblick auf den Marokkotourismus. Auch im Kontext des interkulturellen Beschwerdemanagements gelang es, sowohl aus Praxis als auch Forschung versierte Interviewpartner zu gewinnen, um einen moglichst multiperspektivischen Zugang zur entsprechenden Thematik zu erlangen. Eine Liste samdicher an dieser Studie teilnehmenden Experten befindet sich im Anhang der Arbeit.
VII
Partizipierende Kooperationsuntemehmen und Gesprachspartner im Uberblick
VILl
Zentrale Strukturmerkmale der Kooperationsuntemehmen
Zwecks einer erleichterten Kontextualisierung des Untersuchungsgegenstands soil im Verlauf des vorliegenden Kapitels ein Uberblick iiber zentrale Strukturmerkmale der projektrelevanten Kooperationsuntemehmen vermittelt werden. Bevor im Rahmen der weiteren Ausfiihrungen naher auf die Strukturmerkmale der Kooperationsuntemehmen eingegangen wird, empjfiehlt sich zunachst einmal aufeuzeigen, wo diese lokalisiert sind. Vor diesem Hintergrund werfen wir einen Blick auf die relevanten Untersuchungsraume, in denen die Befragungen durchgefixhrt wurden. Die beiden nachfolgenden Karten dokumentieren die raumliche Verteilung der an dieser Studie partizipierenden Kooperationsuntemehmen: Karte 1: Die raumliche Verteilung der partizipierenden deutschen Kooperationsuntemehmen
Quelle: Eigene Erhebungen
152
KapitelVII
In Deutschland ist eine weitgehend disperse Verteilung der projektrelevanten Unternehmen zu konstatieren, wobei die neuen Bundeslander mit nur einem Unternehmen vertreten sind. Die Ursache fur diesen Umstand liegt auf der Hand: Wahrend sich nach dem Zweiten Weltkrieg in den alten Bundeslandern flachendeckend ein touristisches Unternehmertum etablieren konnte, blieb systembedingt eine entsprechende Entwicklung in den neuen Bundeslandern aus (vgl. KRUMBHOLZ 1991 und PRAHL 1991). Die in der Regel staatseigenen Reiseveranstalter konzentrierten sich bis auf wenige Ausnahmen in Berlin. Erst mit der Implementierung eines marktwirtschaftUchen Wirtschaftssystems konnte sich seit Beginn der 1990er Jahre ein privatwirtschaftliches touristisches Unternehmertum in den neuen Bundeslandern entwickeln, das allerdings zahlenmaf?ig immer noch deutlich unterentwickelt ist. Werfen wir im Folgenden einen Bhck auf die raumUche Verteilung der an dieser Studie teilnehmenden marokkanischen Incoming-Agenturen: Karte 2: Die raumliche Verteilung der partizipierenden marokkanischen Kooperationsunternehmen
Quelle: Eigene Erhebungen Im Kontext der raumlichen Verteilung der marokkanischen Unternehmen fallt im Vergleich zu den deutschen Kooperationsunternehmen eine wesentlich starkere Clusterung auf, die sich vor allem auf die Stadte Agadir, Marrakech und Casablanca erstreckt. Diese Cluster korrespondieren mit der historischen Tourismusentwicklung des Landes, die unterschiedliche Tourismusformen generiert hat. Diese wiederum fiihrten zur Entstehung divergierender Typen von Frem-
Partizipierende Kooperationsunternehmen und Gesprachspartner im Uberblick
153
denverkehrszentren (vgl. WIDMER-MUNCH 1990 und BERRIANE 1992): So gilt das am Atlantik gelegene Agadir traditionell als hot spot des marokkanischen Badetourismus, wahrend sich das am FuCe des Adasgebirges lokalisierte Marrakech primar als Zentrum des Studienreise- und Trekkingtourismus profilieren konnte. Casablanca fiingiert aufgrund seiner herausragenden okonomischen Stellung als unbestrittenes Zentrum des Geschaftstourismus. Die entsprechenden Implikationen in Bezug auf die raumliche Verteilung der Incoming-Agenturen liegen auf der Hand: In Agadir konzentrieren sich vor allem jene Incoming-Agenturen, die den klassischen Badetourismus - haufig in Kombination mit Rundreisen - abdecken. Wie bereits in Kapitel V.2 skizziert wurde, durchlief diese siidmarokkanische Stadt seit ihrer fast voUstandigen Zerstorung durch ein Erdbeben im Jahr 1960 eine beispiellose Entwicklung zum unangefochtenen huh des marokkanischen Pauschaltourismus. In Agadir sind zum einen die wichtigsten marokkanischen Incoming-Agenturen angesiedelt, zum anderen unterhalten zahlreiche auslandische Reiseveranstalter eigene Reprasentanzen vor Ort. Marrakech weist eine voUig andere touristische Tradition als Agadir au£ Als eine der kulturell bedeutendsten Stadte des Maghreb konnte sich Marrakech, dessen Medina unter dem Patronat der UNESCO steht, als wichtigstes Zentrum des Stadte- und Studienreisetourismus im Konigreich positionieren. Aufgrund ihrer raumlichen Nahe zum Atlasgebirge fungiert die Stadt gleichfalls als bedeutender Ausgangspunkt fiir den Trekkingtourismus, der sich seit geraumer Zeit zunehmender Beliebtheit erfreut (vgl. AIT HAMZA/POPP 2000 und PFAFFENBACH 2001). Korrespondierend mit den skizzierten Strukturen beherbergt Marrakech vor allem jene Incoming-Agenturen, die die entsprechenden Reisesparten offerieren. Zudem konnten sich in Marrakech in den letzten Jahren einige Agenturen etablieren, die sich auf den Incentivetourismus spezialisiert haben; ein Umstand, der nicht zuletzt darauf zuriickzufuhren ist, dass die Stadt in diesem Segment wahrend der 1990er Jahre einen bemerkenswerten Boom erlebt hat. Hinsichtlich der Wirtschaftsmetropole Casablanca gilt anzumerken, dass diese Stadt insbesondere fiir jene Incoming-Agenturen einen interessanten Standort darstellt, die sich auf den klassischen Geschaftstourismus spezialisiert haben. Vor dem Hintergrund dessen enger Verzahnung mit der Incentivesparte versuchen seit einigen Jahren zahlreiche Agenturen aus Casablanca, Letztere verstarkt in Wert zu setzen. Wenn auch in deutlich geringerer Anzahl als in Agadir, so findet man vor Ort noch einige auf den klassischen Pauschaltourismus spezialisierte Incoming-Agenturen, die jedoch meistens auch mit einer eigenen Filiale in der siidmarokkanischen Stadt prasent sind. Die beiden nachfolgenden Tabellen gewahren einen orientierenden Uberblick iiber die zentralen Strukturdaten der an dieser Studie partizipierenden Unternehmen. Dabei dokumentieren sie zunachst - getrennt nach deutschen und marokkanischen Unternehmen - Griindung, Anzahl der Mitarbeiter sowie offerierte Reisesparten. Des Weiteren beinhalten die Tabellen Aspekte, die primar aus einer Kooperationsperspektive von Relevanz sind. Diesbeziiglich werden Kooperationsform, Dauer der Kooperation und die Form der Kontaktaufnahme erfasst. Zudem integrieren beide Tabellen einen Aspekt, der nicht zuletzt aus einer interkulturellen Perspektive von Interesse ist, namlich ob die jeweiligen Unternehmen einen eigenen Mitarbeiter aufweisen, der sich speziell fiir das bilaterale Kooperationsgeschehen verantwortlich zeichnet.
154
Tab. 18: Zentrale Strukturmerkmale der deutschen Unternehmen
KapitelVII
Partizipierende Kooperationsunternehmen und Gesprachspartner im Uberblick
155
Legende: Spalte 5
Spalte 4
Spaltel
Sport- und Erlebnisreisen
KB
langerfristige nicht vertragliche Absprache Kapitalbeteiligung
Sta
Stadtereisen
MV
Managemenrvertrag
Stu
Studienreisen
Sonst.
Sonstiges
kooperationsrelevant
k.A.
keine Angaben
RV
Reiseveranstalter
B
Badetourismus
D
Deutschland/Deutsch
IKT SE
Incentive, Kongresse und Tagungen
* Spalte 7
Spalte 8
Spalte 7
I
Internet
P
Privater Kontakt
K
Anregung oder Vorgabe eines wichtigen Kunden Messekontakt
VI
Vermittlung dutch eine Institution
vu
Vermittlung dutch ein drittes Unternehmen
k.A.
keine Angaben
M
A
^ —
Quelle: Eigene Erhebungen
Tab. 19: Zentrale Strukturmerkjnale der marokkanischen Unternehmen
vorhanden nicht vorhanden
KapitelVII
156
Legende: Spalte 1
Spalte 4
Spalte 5
A
RV
Reiseveranstalter
B
Badetourismus
M
Marokko/Marokkanisch
IKT
Incentive, Kongresse und Tagungen
SE
Sport- und Erlebnisreisen1
KB
Kapitalbeteiligung
Sta
Stadtereisen
JV
Joint Venture
Stu
Studienreisen
MV
Managementvertrag
Str. A.
Strategische Allianz
Sonst.
Sonstiges
k.A.
keine Angaben
* kooperationsrelevant
Spalte 7 I
Spalte 8
Spalte 7 Internet
VI
Vermittlung dutch eine Iinstitution
Anregung oder Vorgabe
VU
Vermittlung dutch ein drittes Unternehmen
eines wichtigen Kunden M
Messekontakt
w
Werbemittel
P
Privater Kontakt
k.A.
keine Angaben
Quelle: Eigene Erhebungen
iangerfristige nicht vertragliche Absprache
^ —
vorhanden nicht vorhanden
Partizipierende Kooperationsunternehmen und Gesprachspartner im Uberblick
157
Der Vorteil der vorangestellten Darstellungsform besteht vor allem darin, dass Leser, denen an einer Zuordnung der von Akteurseite getrofFenen Aussagen zu einem Unternehmensprofil gelegen ist, nur einen Blick auf die entsprechenden Tabellen zu werfen brauchen. Bevor wir uns im kommenden Kapitei den zentralen Strukturmerkmaien der Gesprachspartner aus den reievanten Kooperationsunternehmen zuwenden, sei abschiiefiend noch ein Uberblick uber die Haufigkeitsverteilungen wichtiger Strukturdaten aus den vorangegangenen Tabellen vermittelt. Beginnen wir zunachst mit der Altersstruktur der Unternehmen: Abb. 7:
Altersstruktur der Unternehmen
* Abweichungen von lOOo/osind rundungsbedingt Quelle: Eigene Erhebungen
Gemessen an ihrem Griindungsjahr weisen die an dieser Arbeit partizipierenden Unternehmen eine vergleichsweise breite Altersstruktur auf, wobei die Stichprobe kein Start-up-Unternehmen en thai t. Gleichwohl dominieren sowohl auf deutscher als auch auf marokkanischer Seite jene Unternehmen, die bereits iiber zehn Jahre im Outgoing- beziehungsweise Incoming-Tourismus agieren. Ein weiteres wichtiges Strukturmerkmal zur Charakterisierung eines Unternehmens stellt die Unternehmensgrofie dar, die - analog zu den komplementaren Projekten von FORAREA - anhand der Mitarbeiterzahl gemessen wurde: Abb. 8:
Anzahl der Mitarbeiter in den Unternehmen
* Abweichungen von 100% sind rundungsbedingt Quelle: Eigene Erhebungen
158
KapitelVII
GemaE der Fokussierung des Forschungsverbunds auf kleine und mitdere Unternehmen dominieren sowohl auf deutscher als auch auf marokkanischer Seite kleine Betriebsgrof?en, ohne dabei die touristischen global players, die gerade in Deutschland eine immer wichtigere Rolle spielen, auszuschliefien. Wie bereits mehrfach angedeutet wurde, mussten die an dieser Studie partizipierenden Reiseveranstalter beziehungsweise Incoming-Agenturen nicht nur dem interkulturellen Kooperationsverstandnis von FORAREA gerecht werden, sondern auch zumindest eine im Kontext des Marokkotourismus relevance Reisesparte aufweisen. Die von den jeweiligen Unternehmen angebotenen Reisesparten sind detailiiert in den Tabeilen 18 und 19 aufgeiistet. Nachfolgende Abbildung gewahrt einen Uberblick iiber die entsprechende Haufigkeitsverteilung: Abb. 9:
Offerierte Reisesparten der Unternehmen (Mehrfachnennungen moglich)
Quelle: Eigene Erhebungen Die kooperationsrelevanten Reisesparten sind in den Tabeilen 18 und 19 mit einem Sternchen gekennzeichnet und werden noch einmal naher im Rahmen der bilateralen touristischen Angebotsgestaltung vorgestellt. In diesem Zusammenhang wird auch dezidiert ein Bezug zu aktuellen Enrwicklungen im Marokkotourismus hergestellt (vgl. Kapitel VIII.5). Ebenso werden die spezifischen Kooperationsformen respektive die Formen der Kontaktaufnahme in einem separaten Kapitel erortert (vgl. Kapitel VIII.3). Werfen wir in Abbildung 10 auf der folgenden Seite einen Blick auf die Haufigkeitsverteilung hinsichtlich der Dauer der vorliegenden Kooperationen. Immerhin ein Drittel der deutschen beziehungsweise fast ein Drittel der marokkanischen Unternehmen konnen auf bilaterale Kooperationen zuriickblicken, die seit mehr als zehn Jahren Bestand haben. Eine entsprechende Kontinuitat ist gerade in der Tourismusbranche mit ihren relativ losen Kooperationsformen - die fiir die betroffenen Akteure Flexibilitat wie Unsicher-
Partizipierende Kooperationsunternehmen und Gesprachspartner im Uberblick
159
heit gleichermafien implizieren - keinesfalls selbstverstandlich (vgl. Kapitel II.5 und VIIL3). Lediglich ein Unternehmen weist eine Kooperation auf, die erst unter einem Jahr Bestand hat. Der entsprechende Reiseveranstalter hatte wenige Monate vor dem Interview seinen Kooperationspartner gewechselt. Abb. 10: Dauer der bilateralen Kooperationen
* Abweichungen von 100% sind rundungsbedingt Quelle: Eigene Erhebungen
AbschlieEend stellt sich noch die Frage, wie viele Unternehmen einen eigenen kooperationsspezifischen Mitarbeiter aufweisen. Die Haufigkeitsverteilung dieses Strukturmerkmais, das gleichfalls in den Tabellen 18 und 19 erfasst wurde, ist in nachfolgender Abbildung festgehalten: Abb. 11: Vorhandensein eines kooperationsspezifischen Mitarbeiters
Quelle: Eigene Erhebungen Immerhin zwei Drittel der an dieser Studie partizipierenden deutschen Unternehmen weist einen eigenen kooperationsspezifischen Mitarbeiter auf, und auch auf marokkanischer Seite wird annahernd ein entsprechender Wert erreicht. Dieses Ergebnis dokumentiert nicht zuletzt den verhaltnismafiig grofien Stellenwert, den man auf Unternehmensseite dem Kooperationsgeschehen respektive der Marktbearbeitung beimisst. Dass einem entsprechenden Mitarbeiter vor dem Hintergrund kultureller Divergenzen auch eine ausgesprochene hridging-the-gap-Funktion zufallt, wird in vielen Unternehmen jedoch nach wie vor unterschatzt (vgl. STUDLEIN 1997 und BITTNER2002).
160
VII.2
KapitelVII
Z^ntrale Strukturmerkmale der Gesprachspartner
Analog zum vorangegangen Kapitel, in dem ein Uberblick iiber die projektrelevanten Kooperationsunternehmen vermittelt wurde, sollen im Folgenden die wichtigsten Strukturmerkmale der an dieser Studie partizipierenden Gesprachspartner vorgestellt werden. Intention ist wiederum, dem Leser eine erleichterte Kontextualisierung der von Befragtenseite getrofFenen Aussagen zu ermoglichen. Beginnen wir zunachst mit den klassischen demographischen Strukturdaten der Gesprachspartner. Die nachfolgende Abbiidung gewahrt zunachst einen UberbHck iiber die Haufigkeitsverteilung hinsichtlich der relevanten Nationalitaten: Abb. 12: Nationalitatenstruktur der Gesprachspartner
Quelle: Eigene Erhebungen Das Item Sonstiges mit GJ Prozent subsumiert bei den deutschen Unternehmen einen Belgier und einen Bosnier. Auf marokkanischer Seite handelt es sich im Kontext des entsprechenden Werts um zwei Gesprachspartner aus Frankreich, Beziiglich der zwei deutschen Akteure aus den marokkanischen Unternehmen gilt anzumerken, dass beide Agenturen vor dem Hintergrund einer deutsch-marokkanischen Ehe entstanden sind. 63,3 Prozent der befragten Akteure aus den deutschen Unternehmen sind mannlich, 36,7 Prozent weiblich. Bei den marokkanischen counterparts liegen die entsprechenden Werte bei IG^ beziehungsweise 23,3 Prozent. Bereits an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass gerade aus einer interkulturellen Perspektive ein vergleichsweise unspektakulares Strukturmerkmal wie das Geschlecht ausgesprochen emotional bewertet werden kann (vgl. Kapitel VIII. 10). Bevor wir uns den Funktionen der Gesprachspartner innerhalb der projektrelevanten Unternehmen zuwenden, sei noch ein Blick auf deren Altersstruktur geworfen:
Partizipierende Kooperationsunternehmen und Gesprachspartner im Uberblick
161
Abb. 13: Altersstruktur der Gesprachspartner
Quelle: Eigene Erhebungen Beziiglich der Funktionen der Befragten innerhalb der partizipierenden Unternehmen ergibt sich folgendes Bild: Abb. 14: Funktionen der Gesprachspartner innerhalb der Unternehmen
Quelle: Eigene Erhebungen Wie die Abbildung deutlich macht, gelang es in der Halfte der Falle auf deutscher und sogar in zwei Drittel der Falle auf marokkanischer Seite den Geschaftsfuhrer beziehungsweise den stellvertretenden Geschaftsfuhrer fiir die Teilnahme an den Interviews zu gewinnen. Diese ausgesprochen positive Resonanz lasst sich primar auf zwei Faktoren zuriickfuhren: Zum einen lag der Fokus dieser Studie auf kleinen und mittleren Unternehmen, zum anderen wurde von Unternehmensseite immer wieder der ausgepragte Anwendungsbezug der Forschungsaktivitaten von FORAREA gewiirdigt. Welchen beruflichen Background weisen die an dieser Studie partizipierenden Gesprachspartner auf? Diese Frage ist vor allem deshalb von besonderer Relevanz, da im Kontext der Tourismusbranche immer wieder ein vergleichsweise geringer Professionalisierungsgrad bedauert wird, andererseits aber auch die Anforderungen an das Management zunehmend komplexer werden
162
(vgl. KNOWLES/DIAMANTIS/BEY EL-MOURHABI 2001
KapitelVII
und TSCHURTSCHENTHALER 2004). Das
Ergebnis der entsprechenden Frage ist in nachfolgender Abbildung dokumentiert: Abb. 15: Berufliche Qualifikationen der Gesprachspartner
Quelle: Eigene Erhebungen Wie die Abbildung deudich macht, ergibt sich beziiglich der beruflichen Qualifikationen der Gesprachspartner aus den deutschen und marokkanischen Unternehmen ein weitgehend iibereinstimmendes Bild. Auf beiden Seiten verfiigen immerhin fast zwei Drittel der befragten Akteure iiber einen akademischen Abschluss, der wiederum zu jeweils knapp 50 Prozent einen tourismusspezifischen Background aufweist. Dieser Umstand ist primar darauf zuriickzufiihren, dass im leitenden Management nach wie vor eine vergleichsweise hohe Akademikerquote vorherrscht. Gleichwohl diirften sich in diesem Ergebnis aber auch die in den letzten Jahren verstarkt festzustellenden Bemiihungen widerspiegeln, die touristische Ausbildung zu professionalisieren (vgl. LEE-ROSS 1999 und FREYER/POMPL 2000). Die iibrigen an dieser Studie partizipierenden Gesprachspartner haben eine klassische Berufsausbildung - bis auf wenige Ausnahmen mit einem tourismusspezifischen Background - durchlaufen. Jener Akteur auf deutscher Seite, der unter die Kategorie Sonstiges fallt, hat nach eigenen Angaben weder eine institutionalisierte Ausbildung noch ein Studium absolviert, sondern den elterlichen Betrieb iibernommen, in dem er seit friihester Jugend beruflich sozialisiert wurde. Insbesondere angesichts des ausgesprochen internationalen Charakters der Tourismusbranche, aber auch eingedenk der in einen bilateralen Kontext eingebetteten Konzeption dieser Arbeit, drangt sich die Frage auf, inwieweit die relevanten Akteure auf interkulturelle Vorerfahrungen zuriickgreifen konnen respektive ob es moglicherweise sogar eine gezielte interkulturelle Vorbereitung gab. Wie bereits im Rahmen der Kapitel III.3 und III.5 deutlich wurde, gewinnen einschlagige Fragestellungen auch vor dem Hintergrund strategischer Uberlegungen im internationalen Management zunehmend an Bedeutung. Auch diese Arbeit greift entsprechende Fragestellungen auf, wobei deren eingehende Erorterung in Kapitel VIII.4 erfolgt. Bevor wir uns im kommenden Kapitel konkret den bilateralen Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag zwischen den deutschen und marokkanischen Tourismusunternehmen zuwenden und somit erstmalig den relevanten Gesprachspartnern das Wort erteilen, werfen wir abschlieSend noch einen Blick auf ihre wichtigsten Strukturdaten.
Partizipierende Kooperationsunternehmen und Gesprachsparmer im Uberblick
163
Tab. 20: Zentrale Strukturmerkmale der Gesprachspartner aus den deutschen Unternehmen
164
Kapitel VII
Legende: Spalten 1 und 2
Spalte 3
Spalte 5
RV
Reiseveranstalter
D
Deutschland/Deutsch
m
mannlich
Srv. GF Stellvertretender Geschaftsfiihrer
Sonst.
Sonstiges
w
weiblich
PM
Produktmanager
SB
Sachbearbeiter
Spalte 6
GF
Geschaftsfuhrer
Spalten 7 und 8
Spalte 9 D
Deutsch
Ausbildung
^
vorhanden
E
Englisch
keine Angaben
—
nicht vorhanden
F
Franzosisch
St.
Studium
A k. A.
(Buchstabe ohne Klammer bedeutet Muttersprache)
Quelle: Eigene Erhebungen
Tab. 21: Zentrale Strukturmerkmale der Gesprachspartner aus den marokkanischen Unternehmen
Partizipierende Kooperadonsunternehmen und Gesprachspartner im Uberblick
165
Legende: Spalten 1 und 2
Spalte 5
Spalte 3
GF
Geschaftsfiihrer
RV
Reiseveranstalter
D
Deutschland/Deutsch
mannlich
Stv. GF Stellvertretender Geschaftsfiihrer
M
Marokko/Marokkanisch
weiblich
PM
Produktmanager
Sonst.
Sonstiges
KD
Kaufmannischer Direktor
SB
Sachbearbeiter
Spalte 6
Spalten 7 und 8
Spalte 9
St.
Studium
A
Ausbildung
•^
vorhanden
D
Deutsch
k. A.
keine Angaben
—
nicht vorhanden
E
EngHsch
F
Franzosisch
A
Arabisch
(Buchstabe ohne Klammer bedeutet Muttersprache)
Quelle: Eigene Erhebungen
VIII
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag zwischen deutschen und marokkanischen Reiseveranstaltern
VIILl
Prdludium (I) - Chancen und Risiken einer grenziiberschreitenden Zusammenarbeit
Wir erleben gegenwartig eine Phase der Internationalisierung des Wirtschaftslebens, die in einem bisher unerreichten Umfang die direkte Kommunikation und Kooperation zwischen Angehorigen divergierender Kulturen erfordert. Diese Kontakte sind einerseits eine stimuUerende Herausforderung, andererseits werden sie aber auch zunehmend als nicht unproblematisch empfijnden, da es immer wieder zu Missverstandnissen und Konflikten kommt, die bereits zum Scheitern so mancher grenziiberschreitenden Kooperation gefiihrt haben. Sondiert man entsprechende Hintergriinde, so stellt sich haufig heraus, dass es eben nicht nur an okonomischen Faktoren lag, sondern auch an inharenten interkulturellen Problempotentialen (vgl. STUDLEIN 1997 und KNAPP 1999). Welche Chancen und Risiken ergeben sich aus Sicht der an dieser Studie partizipierenden Akteure, wenn Menschen mit divergierendem kulturellem Background zusammenarbeiten? Ein weites Feld, mochte man meinen, doch der vergleichsweise allgemein gehaltene Einstieg in das Gesprach entspricht der Konzeption des problemzentrierten Interviews, primar das Erzahlprinzip herauszustellen (vgl. Kapitel VI.4). Im Kontext ihrer Ausfiihrungen konnten die Befragten auf ihre eigenen interkulturellen Kooperationserfahrungen im touristischen Kontext zuriickgreifen; ein Umstand, dutch den die Gesprachspartner auf sensible Art und Weise an die in dieser Arbeit zentrale Thematik herangefuhrt wurden. Erfreulicherweise zeichneten sowohl die deutschen als auch die marokkanischen Gesprachspartner ein ausgesprochen differenziertes Bild in Hinblick auf Chancen und Risiken einer grenziiberschreitenden Zusammenarbeit. Dieses ermoglichte bereits erste Einblicke in ausgewahlte Problemfelder des interkulturellen Kooperationsalltags sowie in die kulturelle Selbst- beziehungsweise Fremdbewusstheit der Befragten. Die Differenziertheit der getroffenen Aussagen manifestiert sich nicht zuletzt in dem Umstand, dass sich die von Akteurseite angefiihrten Chancen und Risiken in etwa die Waage halten. Die folgenden Ausfiihrungen stellen zunachst die mit einer bilateralen Zusammenarbeit assoziierten Chancen vor, bevor dann anschliefiend entsprechende Risiken aufgeroUt werden. Beginnen wir zunachst mit dem Reprasentanten eines global agierenden, horizontal und vertikal integrierten Reisekonzerns, der eine grofie Anzahl von Unternehmen mit einem Engagement in verschiedenen Gliedern der touristischen Wertschopflingskette im In- und Ausland umfasst: „Die Chance sehe ich vor allem darin, dass gerade durch dieses Multikulturelle verschiedene Meinungen auftauchen - unter ganz verschiedenen Gesichtspunkten! Das heiEt, es kommen manchmal die kreativsten Losungsvorschlage, die dann haufig auch funktionieren. Man hat ja
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
167
ein ganz spezifisches Denken und wird so Mai auf eine andere Denkschiene gesetzt. Da kommen sie manchmal zu Losungen, an die sie zunachst gar nicht gedacht haben, die aber sehr praktisch sind. Ich finde eigendich, je multikultureller ein Unternehmen ist, wir haben hier 17 verschiedene Nationalitaten im Haus, umso besser fiinktioniert das Ganze. (...) Die Chancen iiberwiegen auf jeden Fall!" (RV_D_22, S. 1) Gerade in multinationalen Unternehmen sind multikulturell zusammengesetzte Belegschaften und Abteilungen seit langem keine Seltenheit mehr. Dabei werden kulturelle Unterschiede nicht nur hingenommen, sondern vielfach positiv bewertet und als potentieller Wettbewerbsvorteil angesehen. Die vom Befragten angesprochene Heterogenitat der Perspektiven, die in der Kegel auf unterschiedlichen kulturellen Wissens- und Erfahrungshintergrixnden basiert, erlaubt kulturell gemischten Belegschaften im Vergleich zu ihren homogenen Pendants, verschiedene Sichtweisen eines Problems besser zu identifizieren, um auf dieser Grundlage vielfaltigere und kreativere Ideen hervorzubringen. Entsprechende Ideen generieren im Idealfall innovativere Losungsalternativen, die dann insgesamt zu qualitativ besseren Problemlosungen fiihren (vgl. STUDLEIN 1997).
Eine positive Perzeption kultureller Verschiedenheit ist haufig kein Produkt idealistischer Einstellungen, sondern okonomischer Notwendigkeiten, wie das nachfolgende Zitat eines marokkanischen Gesprachspartners verdeutlicht: ,Avec la mondialisation, les entrepreneurs qui ne prennent aucun risque n'ont aucune chance!" (RV_M_04, S. 1) Dass ein entsprechendes managing across cultures auch einer gewissen interkulturellen Kompetenz bedarf, ist in Kapitel III.5 ausfiihrlich dargelegt worden und braucht deshalb an dieser Stelle nicht naher erlautert werden. In eine ahnliche Richtung wie der eingangs angefiihrte Gesprachspartner argumentiert die Geschaftsfiihrerin einer der grofiten marokkanischen Incoming-Agenturen, die vor allem die ausgesprochene Internationalitat der Tourismusbranche hervorhebt: „En general, les gens qui travaillent dans le tourisme voyagent beaucoup et sont done plus ouverts sur les autres cultures, par rapport aux autres entrepreneurs de I'economie. C'est Favantage de notre profession. (...) On vit dans un contexte international et notre profession nous permet d'avoir des contacts avec plusieurs nationalites et diflFerentes cultures. Souvent, on ne presente meme pas notre pays et notre culture. Je vous donne un exemple: Nous avions une reunion avec des representants de X [Name des deutschen Kooperationsunternehmens, Anm. d. Verf ]. Moi, qui suis Fran^aise, j'ai represente le Maroc, un Italien a represente la France et un Tunisien I'ltalie. On a une ambiance specifique a notre entreprise. Tout le monde a I'esprit d'equipe et les differences culturelles ne nous posent aucun probleme." (RV_M_06, S. 1 ff.)
168
KapitelVIII
In diesem Zitat spiegelt sich geradezu paradigmatisch die in Kapitel III.4 erorterte Normalitat des Fremden wider, die vor dem Hintergrund einer zunehmenden Internationalisierung des Wirtschaftslebens zu beobachten ist und immer mehr Menschen mit divergierendem kulturellem Background zusammenfiihrt. Dabei geniefit gerade die Tourismusbranche - schon aufgrund ihres grenziiberschreitenden Selbstverstandnisses - einen ausgesprochen internationalen Ruf, der entsprechende interkuiturelle Kontakte generiert (vgl. HOPFINGER/SCHERLE 2003 und REISINGER/TURNER 2003). Selbstredend, dass interkuiturelle Interaktionen nicht nur SynergieefFekte im Arbeitsalltag haben konnen, sondern im Idealfall auch die eigenen Mafistabe zurechtriicken. So konstatiert die Reprasentantin eines deutschen Studienreiseveranstalters: „Ich sehe die Chancen vor allem darin, dass man seinen Horizont erweitern und die eigenen Maf^stabe zurechtriicken kann." (RV_D_01,S. 1). Traditionell wurde - wie auch die skeptische Hermeneutik immer wieder aufeeigt - das Fremde jedoch nicht unbedingt als das Normale empfunden, vielmehr reprasentierte es das Abweichende von der eigenen Norm, dessen Kontextualisierung angesichts seiner Komplexitat unverkennbar schwer fiel (vgl. HUNFELD 1996). Gleichw^ohl ist das Fremde kein objektiver Tatbestand, sondern eine Einschatzung, eine Zuschreibung, wenn man so will eine Etikettierung nicht oder nur unzureichend vertrauter Strukturen, die ausgesprochen subjektiv vonstatten geht und in ihrem Ergebnis selten als eindeutig einzustufen ist. Wenn man Andersartigkeit im internationalen Kontext nicht nur auf Exotik reduziert, sondern auch als Chance begreift. Stereotype und Vorurteile zu revidieren, dann ist dies, wie das nachfolgende Zitat deutlich macht, uneingeschrankt zu begriifen: „Die Chance liegt in jedem Fall darin, dass man einfach voneinander lernt, im Prinzip auch feststellt, dass Andersartigkeit durchaus etwas Positives sein kann und nicht nur negativ besetzt ist. Andere Lander haben fiir uns irgendw^ie auch immer ganz besondere Reize - also, der arabische Raum hat einfach eine Exotik, die man sicherlich so aus den Marchen kennt. Auf alle Falle ist es eine Bereicherung, auch die Auseinandersetzung mit Christentum und Islam. Die Diskussion fiihren wir nun auch in Deutschland und die ist sicherlich ganz wichtig. Man sieht in solchen Landern, dass Islam eben nicht nurTerrorismus bedeutet, mit dem er bei uns leider haufig gleichgesetzt wird." (RV_D_04, S. 1) Im Verlauf ihrer weiteren Ausfiihrungen kommt die entsprechende Akteurin auf die, ihrer Meinung nach, problematische Rolle der Medien bei der Berichterstattung liber andere Lander zu sprechen. Dass gerade Massenmedien, insbesondere Fernsehen und Internet, im interkulturellen Kontext eine auEerst ambivalente Rolle spielen und zwischen den Polen ,Friedensfurst' und ,Brandstifter' oszillieren, diirfte spatestens seit dem letzten Golfkrieg weitgehend unumstritten sein. In Kriegszeiten, so lehrt uns zumindest die Vergangenheit, dominierte zumeist letztgenannter Pol.
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
169
Bevor in den kommenden Abschnitten ausgewahlte Risiken einer bilateralen Zusammenarbeit aufgeroUt werden, gilt es noch, das Zitat eines marokkanischen Geschaftsfiihrers anzufiihren, das dezidiert die Relevanz interkultureller Kompetenz herausstellt: „Pour moi, sincerement, pour qu'une cooperation soit complete et durable, il faut vraiment avoir un strict minimum de connaissances sur la culture et la mentalite de la personne en face de vous. C'est la moindre des choses et cela me semble meme obligatoire." (RV_M_09, S. 1) Nach Ansicht dieses Befragten verkorpert interkulturelle Kompetenz eine entscheidende Schliisselqualifikation, um Vertrauen zu einem auslandischen Geschaftspartner entwickeln zu konnen. Dabei sind interkulturelle Kompetenz und Vertrauen auf das engste miteinander verwoben und haben sich langst zu kritischen Erfolgsfaktoren bei der Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten herausgebildet. Selbst wenn eine entsprechende interkulturelle Kompetenz mitunter nur Mittel zum Zweck ist, erfolgreich eine Kooperation zu fiihren, erfordert sie zumindest eine positive Grundeinstellung, um sich auf die andere Kultur einzulassen. An diese Reflexionen kniipft auch das nachfolgende Zitat an, das sich in diesem Fall allerdings mehr auf die Risiken einer grenziiberschreitenden Zusammenarbeit bezieht. Es stammt von einem mit einer Maghrebinerin verheirateten deutschen Produktmanager, der einen touristischen global player vertritt: „Fangen wir mit den Risiken an: Es ist, wie gesagt, Voraussetzung, dass man eine gewisse Fahigkeit und Bereitschaft mitbringt, sich auf diese Mentalitat einzulassen. Wenn man sich darauf eingelassen hat, dann muss man auch wissen oder voraussehen konnen, wie die Leute moglicherweise reagieren: Wo kann ich ansetzen, wo kann ich so ein emotionelles Moment nutzen, wo bin ich vielleicht rationeller in der Vorgehensweise? Das ist immer sehr situationsabhangig. Wenn man das nicht kennt, birgt das ein grofSes, ein ganz grof^es Risiko, und man kann schnell auf die Nase fallen; ... wenn man sich etwa auf Versprechungen - selbst auf das geschriebene Wort - verlasst, die dann nachher nicht eingehalten werden, weil man es dann doch wieder ganz anders gemeint hat. Ich wiirde sagen, das ist das allergroEte Risiko hinsichtlich der Mentalitat in diesem Raum. (...) Bei denen, die dann in derTouristik mitmischen, handelt es sich meistens schon um Leute, die im Ausland waren, die studiert haben, die in ihrer Denkweise offener sind, aber selbst da werden manchmal Mechanismen reaktiviert, die man so nicht fiir moglich halt, insbesondere wenn sie wieder in ihrem angestammten Umfeld sind." (RV_D_10, S. 1) Auch dieser Akteur unterstreicht die notwendige Bereitschaft, sich auf eine andere Kultur einzulassen, die im Idealfall mit interkultureller Kompetenz einhergeht. Im Kontext des vom Interviev^partner verwendeten Begriffs Mentalitat ist anzumerken, dass dieser Terminus - im Sinne eines Komplexes psychischer Dispositionen, emotionaler Neigungen und geistig-seelischer Haltungen - keine ahistorische, gleichsam naturhafte Grofie darstellt, sondern ein Produkt
170
KapitelVIII
sozialer Prozesse, womit es sich stets um eine historisch veranderliche Gro£e handelt. Vor dem Hintergrund aktueller Transformationsprozesse (Stichwort: Globalisierung) sollte man sich allerdings hiiten, kollektive Mentalitaten gleichsam als homogene Gebilde zu begreifen, die ausschlief?lich durch nationalstaadiche Grenzziehungen und nationalkulturelle Inhalte gepragt sind. Auch wenn sich die Grenzen und Inhake koilektiver Identitaten und Mentalitaten in einer postmodernen Wek von denjenigen in einer modernen Wek unterscheiden mogen, so bleiben Kollektive weiterhin persistent. VESTER (1996, S. 123) konstatiert in diesem Zusammenhang: „Die vielbeschworenen Tendenzen zur IndividuaUsierung losen jedenfalls nicht die Teilhabe des Individuums an kollektiven Identitaten und Mentalitaten auf. Die Beziehung zwischen den Individuen und den Kollektiven, zwischen individueller Identitat und Mentalitat einerseits und kollektiven Identitaten und Mentalitaten andererseits werden variabler." In einem internationalen Kontext miissen die betrofFenen Akteure im Sinne von ROTH (1996) lernen, mit kultureller DifFerenz umzugehen; ein Umstand, der sich im Rahmen geschaftlicher Kooperationen treffend mit dem Schlagwort managing across cultures umschreiben lasst. Gelingt dieses managing across cultures nicht, so konnen, wie das nachfolgende Zitat eines marokkanischen Befragten transparent macht, geschaftliche Synergieeffekte verloren gehen: „C'est delicat a cause de la culture. II faut se mettre a leur niveau: Si vous avez une vision unidimensionnelle, vous risquez de perdre le marche. L'avantage economique peut parfois etre perdu parce qu'on n'arrive pas a s'adapter a une culture." (RV_M_22, S. 1)
Das wichtigste Werkzeug im Umgang mit kultureller DifFerenz ist traditionell die Sprache. Der US-amerikanische Anthropologe HALL (1990) geht sogar soweit, dass er Kultur als Kommunikation und umgekehrt Kommunikation als Kultur bezeichnet. Bedauerlicherweise wird - ungeachtet des nachFolgenden Zitats, dessen Urheber hinsichtlich dieser Thematik eine beachtliche Sensibilitat zeigt - der sprachliche Aspekt im interkukurellen Kooperationsalltag immer v^ieder unterschatzt. „Cela peut poser des problemes de comprehension et de communication. II faut que chacun comprenne ce que I'autre veut reellement." (RV_M_23, S. 1)
Geht man von der Pramisse aus, dass eine optimalerweise symmetrische Kooperationsbeziehung auch einer moglichst adaquaten Verstandigungsbasis bedarf, so konnen sich sprachliche Defizite schnell zu einer Hypothek im gemeinsamen Kooperationsalltag entwickeln. Dabei muss es sich noch nicht einmal um handfeste, die Kooperation bedrohende Konflikte handeln, sondern haufig sind es vergleichsweise unbedeutende Missverstandnisse, die sich aber in der Summe nachteilig auf die grenziiberschreitende Zusammenarbeit auswirken konnen. In der Regel stellen interkulturelle Missverstandnisse nicht bloE interpersonelle, sondern zugleich auch soziale Phanomene dar. GIORDANO (1996, S. 38 £) vermerkt in diesem Zusammenhang: „Interkulturelle Mif^verstandnisse als Voraussetzung von Kommunikationsprozessen bei Kon-
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
171
taktsituationen beinhalten nicht nur Begegnungen ohne Verstandigung, sondern sie sind vor allem in der Lage, bestehende Sozialstrukturen zu dynamisieren, denn sie konnen kristallisierte soziale Hierarchien und Positionen sowie konsolidierte Machtnetzwerke und Interessenkonstellationen in Frage stellen, ja sie sogar gefahrden." Das nachfolgende Zitat kniipft im Rahmen der Einschatzung von Risiken an die vorangegangenen Ausfiihrungen an, greift aber des Weiteren noch einen Aspekt auf, der eine vorwiegend touristische Relevanz aufweist: ,Ja, Gott, die Risiken liegen in den enormen Missverstandnissen, die entstehen konnen, wenn man die kulturellen Unterscliiede bezieliungsweise die Kukur des Anderen nicht kennt. Das ist natiirlich ein enormer Nahrboden fiir Missverstandnisse, aucli fiir Verletzungen, weil man Dinge sagt, die der Andere unter Umstanden vollig falsch aufFasst, obwohl man selbst glaubt, sie richtig riiberzubringen. Es kann auch zu Katastrophen finanzieiier Art kommen. (...) Ich meine, ein ganz krasses Beispiel ist das deutsche Reiserecht. Wenn sich marokkanische Incoming-Agenturen nicht damit vertraut machen, welche Risiken ein Reiseveranstalter heute gegeniiber dem Kunden abfangen und wofiir er geradestehen muss, dann kann das ganz verheerend sein." (RV_D_04, S. 1) Untrennbar mit dem Reiserecht sind die in dieser Arbeit reievanten Erfolgsfaktoren Kundenorientierung beziehungsweise Beschwerdemanagement verbunden, auf die die entsprechende Akteurin im Verlauf ihrer weiteren Ausfiihrungen zu sprechen kommt. Sosehr man in der heutigen Zeit vor dem Hintergrund eines verscharften Wettbewerbs fiir ein kundenorientiertes Beschw^erdemanagement pladieren mag, sosehr ist es auch verstandhch, wenn gerade kleine und mittlere Reiseveranstalter in wirtschafthch schwierigen Zeiten die finanzieilen Konsequenzen fiirchten, die ihnen im Kontext dieser Aspekte seitens des deutschen Reiserechts aufgebiirdet werden (vgl. Kapitel IV.3 und VIIL7). Auf einen weiteren reievanten Erfolgsfaktor kommt der Geschafiisfiihrer eines mittelstandischen Reiseveranstalters zu sprechen, der sich primar auf Busreisen nach Marokko spezialisiert hat: „Risiken auf jeden Fall dahingehend, dass in diesem Geschaft, speziell im Tourismusgeschaft, eigentlich relativ viel auf Vertrauen basiert. Ich bezahle eine Leistung, ohne dass ich sie vorher erhalten habe. Das ist sicherlich mit fremden Mentalitaten schon ein bisschen problematisch, wobei ich aus heutiger Sicht - nach zehn Jahren - sagen muss, dass ich noch nie, speziell was Marokko betrifft, enttauscht worden bin. Dort hat sich dann schon im Laufe der Zeit ein Vertrauensverhaltnis zur Agentur herausgebildet, bei dem man ganz einfach sagen muss: Okay, wenn er [der marokkanische Kooperationspartner, Anm. d. Verf.] sagt, es funktioniert, dann funktioniert es. Ich habe es ja selbst mit dem Einsammeln der Passe erlebt. Jeder hat mich gefragt: »Sehe ich meinen Pass wieder?« (...) Ein gesundes Misstrauen ist nicht schlecht, aber bis zu einem gewissen Punkt, und dann muss man auch irgendwann sagen: Okay, es ist mein Geschaftspartner, der kiimmert sich jetzt datum, der macht das!" (RV_D_30, S. 1)
172
KapitelVIII
Wie bereits in Kapitel IV.4 dargelegt wurde, fungiert Vertrauen als ein zentraler Mechanismus zur Reduktion sozialer Komplexitat, wobei das Entgegenbringen von Vertrauen durchaus eine riskante Vorleistung darstellt, da es grundsatzlich moglich ist, dass sich derjenige, dem man Vertrauen schenkt, als vertrauensunwiirdig erweist. Das entsprechende Risiko wird vom Befragten nicht nur in einen touristischen, sondern auch in einen interkulturellen Kontext eingebettet. Umso erfreulicher erweist sich der Umstand, dass der seit zehn Jahren in der bilateralen Zusammenarbeit gewahrte Vertrauensvorschuss bis dato noch nie enttauscht wurde. Dies sollte man keinesfalls unterschatzen, wenn man bedenkt, dass vor allem im Rahmen von Internationalisierungsprozessen immer wieder befurchtet werden muss, dass bestehende (nationale) Misstrauensorganisationen liber Grenzen hinweg ausgedehnt werden (vgl. KRYSTEK 2002). Zum Abschluss dieses Kapitels sei das Zitat eines marokkanischen Gesprachspartners angefuhrt, das auf ein mehr oder weniger klassisches Risiko einer Kooperation zu sprechen kommt: „Par contre, pour ce qui est des risques, je dirais qu'ils sont surtout pour nous car la personne peut ne pas etre solvable et cela entraine des problemes a posteriori. Ce n'est pas evident d'avoir a denoncer quelqu'un qui vous a laisse une ardoise assez salee. Quand je compare avec mes confreres, il y a des agences ou des tour-operateurs qui travaillent avec des agences receptives locales avec lesquelles elles nouent des liens pendant des annees. Une fois la confiance installee, nous envoyons les clients sur place avec une modalite de paiement a 60 jours. Entre-temps, I'agence la-bas detourne I'argent vers d'autres affaires et depose son bilan. L'agence, ici, n'a plus que ses yeux pour pleurer!" (RV_M_27, S. 1) Gerade fiir kleine und mittlere marokkanische Incoming-Agenturen, deren Kooperationen mit deutschen Partnern aufgrund geringer Paxe haufig ausgesprochen informelle und sporadische Zlige aufweisen, bergen Insolvenzen nicht zu unterschatzende Risiken, da die entsprechenden Kapitaldecken in der Regel ausgesprochen diinn sind (vgl. Kapitel VIII. 10). Wie die in diesem Kapitel angefiihrten Zitate deutlich gemacht haben, decken die von den Befragten mit einer interkulturellen Zusammenarbeit assoziierten Chancen und Risiken ein ausgesprochen diversifiziertes Spektrum ab. Erfreulicherweise lie{?en die meisten Gesprachspartner in der als Einstieg konzipierten Frage ein ausgepragtes Problembewusstsein fiir die projektrelevante Thematik erkennen, was sich auch darin manifestiert, dass bereits an dieser Stelle einige Aspekte angesprochen wurden, die im weiteren Verlauf der Interviews noch naher erortert werden sollten. Gleichzeitig untersttitzte diese vergleichsweise allgemein gehaltene Frage das Erzahlprinzip, da die befragten Akteure auf ihren eigenen Erfahrungskontext zurlickgreifen konnten. Das nachfolgende Kapitel erofFnet die Konzeptionsphase einer bilateralen Zusammenarbeit, indem aufgezeigt wird, welche Ziele die deutschen und marokkanischen Gesprachspartner mit ihren Kooperationen verbinden.
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
VIIL2
173
Claims abstecken - Kooperationsrelevante Ziele
Die Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten stellt in der heutigen Zeit langst ein konstitutives Moment im Aktionsrahmen einer zunehmenden Anzahl von Unternehmen dar. Teils getrieben von einer deudichen Intensivierung des Wettbewerbs, teils angezogen von den Chancen zusammenwachsender Markte sind in den letzten Jahren zahlreiche Formen eines internationalen Engagements eingeleitet worden. Dabei hat nicht zuletzt die Relevanz biiateraler Kooperationen als Option im Rahmen von Internationalisierungsstrategien kontinuierlich an Bedeutung gewonnen. In jedem Fail impliziert die Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten neben einer quantitativen VergroEerung der zu bewaltigenden Fiihrungsaufgaben auch eine qualitative Anreicherung der Problemstellungen und Losungsanforderungen. Im Rahmen dieses Kapitels soil der Frage nachgegangen werden, welche Ziele die an dieser Studie partizipierenden Unternehmen mit ihren bilateralen Kooperationen verfolgen. Gemeinsam mit den KoUegen von FORAREA wurde eine Matrix konzipiert, die eruieren soUte, warum eine Partnerschaft gegeniiber einem unternehmerischen Alleingang bevorzugt wurde. Die entsprechenden Ergebnisse werden im Folgenden dargelegt. Vor dem Hintergrund des ausgesprochen qualitativen Charakters dieser Studie liefien es sich einige Akteure nicht nehmen, additional einige Anmerkungen zu dieser Thematik zu machen. Diese soUen an dieser Stelle nicht vorenthaiten werden, ermoglichen sie doch eine inhaltliche Abrundung der quantitativen Ergebnisse. Werfen wir zunachst einen Blick auf die dokumentierten Ziele, die die deutschen und marokkanischen Unternehmen mit dem Eingehen einer Kooperation verfolgen: Abb. 16: Kooperationsspezifische Ziele
Quelle: Eigene Erhebungen
174
KapitelVIII
Sowohl bei den deutschen als auch bei den marokkanischen Tourismusunternehmen steht eine MarkterschlieEung an erster Stelle beim Eingehen einer bilateralen Kooperation. Damit handelt es sich um ein geradezu klassisches Ziel grenziiberschreitender Kooperationen, das zukiinftig vor dem Hintergrund fortschreitender Internationalisierungsprozesse noch zusatzlich an Bedeutung gewinnen diirfte. Anzumerken bleibt in diesem Zusammenhang, dass eine Markterschlief?ung gerade dann fiir Unternehmen in den Fokus einer Internationalisierungsstrategie riickt, wenn sie in gesattigten Markten operieren (vgl. insbesondere BAURLE 1996, KIRSTGES 1996 und FREYER 2002). Erwartungsgema£ steht auf deutscher Seite eine Erganzung und Erweiterung des eigenen Leistungsprogramms dutch die Angebotspalette des Partners auf einem der vorderen Range, namlich dem Zweiten, wahrend auf marokkanischer Seite in der Hierarchie ein starkeres Unternehmenswachstum folgt. Bemerkenswert erscheint die Tatsache, dass dem Zugang zu Kapital von marokkanischen Unternehmen ein vergleichsweise groEer Stellenwert eingeraumt wird, wahrend dieses Ziel auf deutscher Seite kein einziges Mai genannt wird. Dieser Umstand diirfte nicht zuletzt darin begriindet liegen, dass in den letzten Jahren zahlreiche marokkanische Incoming-Agenturen aufgrund ihrer ausgesprochen diinnen Kapitaldecken sowie deutlich riicklaufiger Paxe Insolvenz anmelden mussten. Umgekehrt nimmt fiir die deutschen Reiseveranstalter eine allgemeine Kostenreduktion einen relativ wichtigen Rang ein. Dies wurde von den meisten Unternehmen primar mit einer Verscharfting des Wettbew^erbs begriindet. Die Erfiillung gesetzlicher Rahmenbedingungen spielt auf beiden Seiten kaum eine RoUe, da es diesbeziiglich in Marokko - ungeachtet des noch folgenden Beispiels in diesem Kapitel - vergleichsweise wenige Auflagen gibt, die Unternehmen bei einer grenziiberschreitenden Kooperation beachten miissen, Kommen wir im Folgenden zu ausgewahlten Anmerkungen, die einige Akteure im Rahmen dieses Themenkomplexes machten. Den Reigen eroffnet der Geschaftsfuhrer eines mittelstandischen deutschen Reiseveranstalters, der sich auf exklusive Studienreisen spezialisiert hat. Dieser riickt bei seinen Reflexionen zur entsprechenden Thematik dezidiert den Kunden in den Mittelpunkt: ,Am wichtigsten in der Zusammenarbeit ist, dem Kunden ein in sich schliissiges und ausgefeiltes Produkt prasentieren zu konnen. Dabei kommt es darauf an, die Ortskenntnis und die lokale, auch kulturelle Kenntnis des Partners vor Ort zu nutzen sowie dieses Know-how in das entsprechende Produkt zu integrieren." (RV_D_05, S. 5) Wie das Zitat deutlich macht, fokussiert der Befragte mit seiner bilateralen Zusammenarbeit in erster Linie kompetenzorientierte Ziele, die das beim Kooperationspartner vorhandene Knowhow im Sinne eines optimierten Produkts fiir den Kunden in Wert setzen sollen. Gerade kleine und mittlere Reiseveranstalter sehen in ihrer Incoming-Agentur den zentralen touristischen Dienstleister, der im Idealfall die eigene Unternehmensphilosophie vor Ort in die Tat umsetzt und sich fiir die Logistik verantwortlich zeichnet. Letztgenannter Aspekt gewinnt gerade dann eine herausragende Bedeutung, wenn es um das konkrete handlingyon Kalamitaten in der Des-
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
175
tination geht. Diesbeziiglich konstatiert die Mitarbeiterin eines auf Sport- und Trekkingreisen spezialisierten Veranstalters: „Wenn irgendetwas vom handling schief geht, ist es wichtig, eine Partneragentur zu haben: Man hat beispielsweise ein Hotel gebucht, und es tritt eine Reifenpanne auf oder beim Trekking ist das Wetter schiecht, und die Gruppe muss absteigen. In soichen Fallen ist es einfach gut, eine Agentur zu haben, die jederzeit von irgendwo her Fahrzeuge auftreiben kann. (...) Bei uns als Sport- und Trekkingreiseveranstalter kann im Gebirge immer etwas passieren, da brauchen wir eine Agentur, die jemanden zuriickholt, herausholt, mit Mulis, ... wie auch immer. (...) Das sind Dinge, die konnten wir nie von hier aus machen. Bis wir da sind, ist es viel zu spat!" (RV_D_20, S. 1 f) In wichtigen Destinationen ist es fiir Reiseveranstalter von strategischer Bedeutung, einen ausreichenden Zugriff auf Hotelkapazitaten zu haben. Wer vor Ort nicht iiber geniigend Kapazitaten verfiigt, lauft schnell Gefahr, Kunden an Mitbewerber zu verlieren (vgl. M U N D T 2002). Vor diesem Hintergrund versprechen sich viele Reiseveranstalter mit dem Eingehen einer Kooperation einen erleichterten Zugang zu entsprechenden Kapazitaten. Dieser Aspekt gew^innt in Marokko zusatzlich an Brisanz, da seit Jahren von Unternehmens- w^ie von Expertenseite moniert wird, dass in bestimmten Orten ein deutlicher Mangel an Hotels besteht (vgl. insbesondere Kapitel VIII. 13 und IX.4). So vermerkt der Produktmanager eines fiihrenden mittelstandischen Pauschalreiseveranstalters: „Es war natiirlich das Ziel, mit unserem Agenturpartner erst Mai ein groEeres Geschaft aufzubauen und dann natiirlich iiber dieses Geschaft neue Partner im Hotelsektor zu finden. Also, in Agadir ist das ja begrenzt: Es gibt kein Hotel, mit dem wir nicht schon einen Vertrag gehabt batten!" (RV_D_06, S. 8) In diesem Fall fiingiert die Kooperation dezidiert dazu, die strukturellen Defizite des marokkanischen Tourismus auszugleichen. Inzw^ischen ist seitens der marokkanischen Tourismuspolitik die Erkenntnis gew^achsen, dass die skizzierte Problematik nur dann nachhaltig gel5st werden kann, w^enn sich das Land verstarkt auslandischen Investoren offnet. Diese Einsicht spiegelt sich nicht zuletzt in der Verabschiedung des Masterplans von Marrakech wider, der durchgreifende Reformen hinsichtlich der derzeitigen touristischen Rahmenbedingungen intendiert (vgl. Kapitel V.4 und IX. 5). Nicht jeder der an dieser Studie partizipierenden Akteure verkorpert den klassischen Unternehmertyp a la Schumpeter, der seine kooperationsspezifischen Ziele auf die einschlagigen Ideale einer primar umsatzorientierten Unternehmensfiihrung ausrichtet. Dieser Umstand liegt nicht zuletzt darin begriindet, dass sich in den letzten Jahren im Tourismus ein Phanomen ausgebreitet hat, das man mit dem Terminus des lifestyle entrepreneurships umschreibt (vgl. ATELJEVIC/ DooRNE 2000 und PETERS 2001). In der Regel handelt es sich um Kleinbetriebe, die haufig
176
KapitelVIII
von touristischen Quereinsteigern gegriindet wurden, deren unternehmerische Personlichkeit mehr von einem satisfying behaviour als von einem optimizing behaviour gepragt wird. Das entsprechende Unternehmen versorgt den Entrepreneur - und Eigentiimer - mit dem Notigsten, wobei dieser ein bestimmtes Zufriedenheitsniveau erreicht hat und daher nicht unbedingt motiviert ist, ein weiteres Wachstum seines Unternehmens zu forcieren. ATELJEVIC und DOORNE (2000, S. 381) konstatieren in diesem Kontext: ,A key issue surrounding these businesses (...) is related to economic survival and viability." Dabei steht ein operationales und unter Umstanden noch taktisches Management im Vordergrund, v^ahrend eine strategische Ausrichtung im Unternehmen meistens kaum entwickelt ist. Erst in Krisenzeiten wird der Geschaftsfiihrer eine Kurskorrektur vornehmen, da das erreichte Zufriedenheitsniveau nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Die Biographie dieser Unternehmer ist haufig davon gepragt, dass man die Destination mehrfach selbst bereist hat. In diesem Zusammenhang hat sich eine ausgesprochene Affinitat zu Land und Leuten entwickelt, die man im Rahmen einer Unternehmensgriindung mit potentiellen Kunden teilen mochte. Somit spielen bei diesem Unternehmertyp idealistische Motive eine nicht zu unterschatzende Rolle (vgl. auch Kapitel VIII.3). Einer dieser touristischen Quereinsteiger kommt nachfolgend zu Wort. Nach einer ausgesprochenen Patchworkkarriere als freelancer in unterschiedlichen Metiers hat der entsprechende Befragte mit seiner Lebensgefahrtin einen auf Event-Reisen spezialisierten Reiseveranstalter gegriindet. Ausgangspunkt dieser Unternehmensgriindung war eine gemeinsame Reise durch das maghrebinische Konigreich, in der beide ihre Liebe zu Land und Leuten entdeckt haben: „Wir haben ja quasi als Quereinsteiger, weit ab vom klassischen betriebswirtschaftlichen Tourismus, begonnen. Es ist fur uns sehr viel spannender gewesen, den wahren Reichtum des Konigreichs vielen zu ermoglichen, und das geht eben nur fiir den Individualisten. Das geht nicht mit einem starren Baukastensystem!" (RV_D_02, S. 5 f) In dieser Aussage manifestiert sich gleichfalls eine deutliche Absage an den konventionellen Massentourismus. Im Sinne eines klassischen lifistyle entrepreneurs verfolgt der entsprechende Akteur eine Unternehmensphilosophie, die auch sozialen und kulturellen Werten verpflichtet ist und nicht ausschliefiiich auf „development and business growth" zielt (vgl. ATELJEVIC/ DOORNE 2000, S. 381). Auf alle Falle zeigt das Beispiel, dass die Ziele, die mit einer bilateralen Unternehmenskooperation einhergehen, vor dem Hintergrund divergierender Unternehmensphilosophien und Unternehmertypen deutlich variieren konnen. Im Folgenden wird ein Blick auf ausgewahlte Perspektiven von Befragten aus den marokkanischen Unternehmen geworfen. Insbesondere im Kontext einer Markterschliefiung, die auf marokkanischer wie auf deutscher Seite hinsichtlich der Prioritaten an erster Stelle steht, kommt man in der Regei nicht umhin, eine Kooperation einzugehen. Dabei ist die Kooperation als solche nicht unbedingt ein Ziel, sondern vielmehr eine Strategic, um mittels einer koordinierten Zusammenarbeit veranderten Faktorbedingungen begegnen zu konnen; ein Aspekt,
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
177
der gerade auf kleine und mitdere Unternehmen zutrifFt (vgl. PECHLANER/RAICH 2004). Pragmatisch konstatiert diesbeziiglich der Geschafrsfuhrer einer mittelstandischen marokkanischen Incoming-Agentur: „Vous connaissez le proverbe qui dit, que nous ne pouvons pas applaudir avec une seule main. II en faut absolument deux. Je pense qu'un partenariat a I'etranger, dans le pays emetteur, est tres important. Cette cooperation a ete lancee pour s'ouvrir sur de nouveaux marches." (RV_M_27, S. 1) Angesichts seiner im internationalen Kontext herausragenden Stellung gilt der deutsche Quellmarkt bei den meisten Akteuren aus den marokkanischen Unternehmen als ein marcheporteur, der ailerdings bei vielen kleinen und mittleren Unternehmen vor dem Hintergrund verstarkter Konzentrationstendenzen die Sorge auslost, marginalisiert beziehungsweise im schlimmsten Fall exkludiert zu werden. Das nachfolgende Zitat stammt von einem Geschaftsfiihrer einer kleinen Incoming-Agentur. Es zeigt aus einer ausgesprochen pragmatischen Perspektive, dass eine Erschlie6ung des deutschen Quellmarkts durchaus auf der Agenda stehen kann, aber nicht unbedingt Priori tat geniefien muss: „Le marche allemand ne represente meme pas 16 pour-cent de mon activite. C'est un marche qui m'interesse, mais je ne fais que commences Je fais beaucoup d'efforts pour m'introduire sur ce marche, mais jusqu'a present c'est difficile. Avec le marche allemand, il ne faut pas ,se casser la tete'. (...) Honnetement, jamais je ne compterai sur le marche allemand pour developper mon entreprise, ce nest pas I'un de mes objectifs primordiaux. Je sais qu'il y a beaucoup de difficultes pour s'introduire sur ce marche, meme si on trouve quelques agents, ce ne sont pas eux qui vont generer le produit de travail necessaire pour le faire evoluer." (RV_M_11,S. If.) Bei einer Markterschliefiung gilt es mitunter, auf so genannte local content-AuRzgen zu achten, die das Eingehen einer bilateralen Kooperation vor dem Hintergrund gesetzlicher Rahmenbedingungen notwendig machen. So ist etwa fiir auslandische Reiseveranstalter im Kontext des Marokkotourismus vorgeschrieben, mit lokalen Incoming-Agenturen zusammenzuarbeiten. Dieser Umstand impliziert beispielsweise, dass man als ein auf Trekking spezialisierter Reiseveranstalter nicht einfach auf einen guide de montagne zuriickgreifen kann, ohne dass dieser von einer marokkanischen Agentur gestellt w^ird. Wie das nachfolgende Zitat des Geschaftsfiihrers einer marokkanischen Incoming-Agentur deutlich macht, wurde diese local content-KvAzi^t in den letzten Jahren von auslandischen Reiseveranstaltern verstarkt umgangen: „Pour nous, agences de voyages marocaines, il est important que les agences de voyages etrangeres respectent la legislation. Il y en a quelques-unes qui travaillent directement avec les guides dans la montagne. Tout 9a ne passe pas par la banque et de ce fait il y a une concurrence deloyale, parce qu'ils ne paient pas de T.V.A. [Mehrwertsteuer, Anm. d. Verf ] et de taxes. lis ne paient rien, n'ont pas de comptabilite, pas de bureau, rien du tout. Nous nous plaignons que les autorites marocaines ne fassent pas de controles. Quand nous sommes en Europe, lafiscaliteest partout la meme.
178
KapitelVIII
celui qui ne la suit pas ne va pas loin, il se fait remarquer tout de suite; id, non. II y a toujours une economic parallele tres importante. Cela nous gene a plus d'un titre. Nous travaillons avec les gens de la campagne auxquels nous achetons des choses et ils ne nous donnent jamais de vraies factures, seulement des petits bouts de papier. Et 9a, le fisc marocain ne le reconnait pas. Nous sommes entre les deux: Que peut-on faire? Nous sommes done les grands perdants. Lefiscne dit pas aux gens qu'il faut faire des factures, avoir une patente, payer des impots. Nous sommes mal a I'aise face a tout cela." (RV_M_23, S. 1) Wirft man einen Blick auf Abbildung 16, so wird deutlich, dass das Erfiillen gesetzlicher Rahmenbedingungen sowohl auf marokkanischer als auch auf deutscher Seite einen hinteren Rang einnimmt. Dass das Umgehen gesetzlicher Rahmenbedingungen gerade fiir kleine und mittlere Unternehmen negative Implikationen haben kann, diirfite im vorangegangenen Zitat ersichtlich geworden sein. Bevor im nachfolgenden Kapitel die Implementation bilateraler Kooperationen vor dem Hintergrund ausgewahlter okonomischer und kultureller Aspekte vorgestellt wird, wenden wir uns abschlieEend noch einer der grof?eren marokkanischen Incoming-Agenturen zu, die im Rahmen einer Kapitalbeteiligung mit einem deutschen global player kooperiert. Die Geschaftsfiihrerin dieses Unternehmens verbindet mit der entsprechenden Kooperation primar folgendes Ziel: „On a conclu un partenariat avec X [einem deutschen Branchenfiihrer im Tourismus, Anm. d. Verf ] afin qu'ils aient des interets au Maroc. De cette fa^on, X sera oblige d'amener des groupes ici, meme si c'est une petite destination." (RV_M_06, S. 1) Wahrend sich das marokkanische Unternehmen von dieser Kooperation in erster Linie eine Auslastung seiner im Land vorhandenen Kapazitaten verspricht, intendiert der deutsche Partner vor allem eine umfassende Partizipation an der Wertschopfungskette und einen verstarkten Einfluss auf die Produktqualitat. Es versteht sich von selbst, dass ein Reiseveranstalter, der in einer Destination ein finanzielles involvement aufweist, Interesse daran haben muss, forciert Paxe umzusetzen. Somit handelt es sich - unter der Pramisse, dass die Kooperation erfolgreich verlauft - um eine klassische win-iain-Skuation, die letztendlich das Ziel jeder Kooperation sein sollte.
VIII.3
Auf der Suche - Partnersuche und Kooperationsentscheidung
Wie das vorherige Kapitel gezeigt hat, erfolgt zu Beginn einer unternehmerischen Entscheidungsfindung hinsichtlich einer bilateralen Kooperation zunachst die Formulierung einer entsprechenden Zielsetzung, die aus einer bestimmten Unternehmens- und Marktsituation heraus verfolgt wird. Die Konzeption einer grenziiberschreitenden Zusammenarbeit bedarf aber nicht
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
179
nur der Sondierung der eigenen Ziele, sondern auch der Wahl eines geeigneten Kooperationspartners, mit dem man die anvisierten Ziele umsetzen mochte. Das vorliegende Kapitel gewahrt anhand ausgewahlter Fallbeispiele einen Einblick, welche Erfahrungen die an dieser Studie partizipierenden deutschen und marokkanischen Reiseveranstalter bei der Suche nach einem Kooperationspartner gemacht haben. AbschlieKend soli aufgezeigt werden, zu welcher Kooperationsform die jeweilige Kooperationsentscheidung gefuhrt hat. Beginnen wir zunachst mit der Reprasentantin eines mittelstandischen deutschen Studienreiseveranstalters, die ihren Sondierungsprozess bei der Wahl einer geeigneten Incoming-Agentur schildert: ,Ani Anfang lauft es erst einmal iiber den Preis. Bei uns ist es aber haufig so, dass wir mit einer ganzen Reihe von Veranstaltern gute Kontakte unterhalten, weil wir - bedingt durch unsere Ausbildung - bei denen Kontaktieute, sprich Freunde, Bekannte oder einfach auch Kollegen haben, die man auch schon Mai fragt, wenn sie in einem entsprechenden Land aktiv sind. Es lauft sehr viel iiber Empfehlung, inzwischen fast sogar mehr iiber Empfehlung als iiber den Preis. Sofern wir die Moglichkeit haben, gehen wir den Weg, dass wir uns bekannte Veranstalter fragen und erst in zweiter Instanz einen Preisvergleich anstellen. Bei Studienreisen ist der Preis oft nicht das Entscheidende. Wenn es groEe Differenzen gibt, dann schon, wenn es geringfiigige Differenzen sind, dann ist es oft wichtiger, man hat eine top Leistung, als dass man eine Reise, die sowieso schon teuer ist, um 50 Mark billiger anbieten kann, wenn man dann aber im Prinzip nicht iiber die Leistung verfiigt, die man fiir sein Publikum braucht. Speziell wir [als Studienreiseveranstalter, Anm. d. Verf ] leben vom guten Ruf, sprich vom Image, und davon, dass die Leute zuriickkommen und sagen: »Die Reise war ihr Geld wert!«" (RV_D_04, S. 2) Die meisten Unternehmen, die sich im Ausland engagieren, sind zunachst auf externe Informationsquellen angewiesen. Einschlagige Informationen iiber das entsprechende Land beziehungsweise iiber potentielle Kooperationspartner konnen unter anderem die Aufienhandelskammern, die Wirtschaftsabteilungen der Botschaften sowie die Bundesagentur fur Aufanwirtschafi (bfai) bereitstellen, wobei in den gefiihrten Expertengesprachen deutlich wurde, dass diese Institutionen von touristischen Unternehmen vergleichsweise selten konsultiert werden (vgl. Kapitel IX.2). Dieser Umstand liegt nicht zuletzt darin begriindet, dass den genannten Institutionen lange Zeit der Ruf vorauseilte, ihr Beratungsschwerpunkt lage primar auf Unternehmen des produzierenden Sektors. Wie das vorangegangene Zitat zeigt, konnen einschlagige Netzwerke bei der Suche nach einem Kooperationspartner ausgesprochen hilfreich sein. Der Hinweis, dass fiir eine Kooperationsentscheidung letztendlich nicht der Preis, sondern vor allem die offerierte Qualitat entscheidend sei, korrespondiert mit einer forcierten Qualitatsorientierung, die seit einigen Jahren vor dem Hintergrund einer verscharfren Konkurrenzsituation festzustellen ist. Im Kontext dieses Fallbeispiels erwiesen sich die in Bezug auf Marokko erhaltenen Empfehlungen zunachst als wenig hilfreich; ein Umstand, der eine ausgesprochen schwierige Partnersuche einleitete:
180
KapitelVIII
„Wir haben bei Marokko eine gewisse Odyssee erlebt: Zunachst haben wir mit einer uns bekannten Agentur angefangen, die sich dann im Nachhinein als sehr unzuverlassig erwiesen hat. Dann hat, sage ich mal, wiederum eine andere Agentur davon Wind bekommen und uns daraufhin ihre Leistungen angeboten. Eine Weile haben wir es mit denen versucht, und dann gab es da auch wieder Unstimmigkeiten. Also, diese Zuverlassigkeit ist ein Problem und eben dieses Vertrauen, weil im Grunde genommen nichts vertraghch abgesichert ist. Deshalb muss man darauf bauen, dass der Andere das Vertrauen, das man in ihn setzt, nicht missbraucht und auch damit umgehen kann. Wir hatten im Vorfeld drei, vier Agenturen und waren dann bei einer Agentur, die auch noch Geld veruntreut hat, was wir allerdings erst im Nachhinein erfahren haben. Da war eine Angestellte, die uns dann wiederum den Tipp mit X [einer renommierten Incoming-Agentur in Agadir, Anm, d. Verf.] gegeben hat. Das war selbst eine ehemalige Angestellte von X, die uns dann sogar privat anrief und sagte: »Es gibt in Eurer Agentur Probleme, Unstimmigkeiten!« Sie hat uns im Grunde genommen dringend geraten, die Agentur zu wechseln und hat uns gleichzeitig X empfohlen. Das war ein guter Hinweis, ein guter Tipp und so kamen wir dann eben zu X. Ja, und - wie gesagt - als X, zumindest fiir uns, zu teuer wurde und sich dann auch mehr dem Massentourismus zugewandt hat, haben wir gesagt, wir brauchen eine neue Agentur. Dann haben wir die jetzige Empfehlung von einem Kunden bekommen." (RV_D_04, S. 2) Wahrlich eine Odyssee, die nicht nur ausgesprochen kompliziert klingt, sondern die auch zeigt, auf w^elch informellen Wegen bilaterale Kooperationen im Tourismussektor mitunter zustande kommen. Dabei sind Konzeption und Implementation einer Kooperation untrennbar mit jenem strategischen Erfolgsfaktor verbunden, der auch im Rahmen dieser Arbeit eine zentrale Rolle spielt: Vertrauen (vgl. Kapitel IV1 und VIII.9). Go und APPELMAN (2001, S. 189) vermerken in diesem Kontext: „The evolution of cooperation is intimately w^ound up w^ith the evolution of trust. The evolution and amount of trust in a given relationship could be considered a proxy for the relational rents gained. The low^er the amount of trusts in a relationship the less likely the chance that relational rents w^ill be apparent. Conversely, the more embedded a relation between partners is the higher the likelihood of relational rents. Trust therefore becomes of increasing concern to firms; not only in interfirm relationships but also w^ith stakeholders in the environment and tow^ards customers." Die Schilderungen der Gesprachspartnerin machen deutlich, dass die Suche nach einem geeigneten Kooperationspartner vor allem desw^egen haufig mit Enttauschungen einherging, weil ein entgegengebrachtes Vertrauen missbraucht v^urde. Dieser Umstand ist nicht zuletzt desw^egen gravierend, da zahlreiche bilaterale Kooperationen im Tourismussektor auf nicht vertraglichen Absprachen basieren und somit in der Regel auf?erst informelle Ziige aufweisen. Insbesondere im Kontext einer juristischen Auseinandersetzung kann sich dieser Aspekt ausgesprochen negativ ausw^irken. Eine klassische Form der Kontaktaufnahme eroffnen Messen, die primar den Vorteil bieten, zahlreiche potentielle Kooperationspartner in einem zeitlich und raumlich kompakten Rahmen miteinander vergleichen zu konnen. Bei den marokkanischen Unternehmen nimmt diese
Bilaterale Perspektiven auf den interkuiturellen Kooperationsalltag
181
Form der Partnersuche mit 69 Prozent sogar den ersten Platz ein. Die Produktmanagerin eines deutschen Studienreiseveranstalters berichtet iiber ihre einschlagigen Messeerfahrungen mit marokkanischen Kooperationspartnern Folgendes: „Vieie marokkanische Partner stellen sich auf der Messe toll dar: was sie alles haben, was sie alles konnen und wen sie alle kennen, so unter dem Motto: »Ich habe in jedem Hotel einen Verwandten sitzen!«, was natiirlich nicht schlecht ist, sich aber im Nachhinein oftmals als Versprechung entpuppt, die mit der Realitat nicht iibereinstimmt. Biumig wird sehr viel umschrieben, doch haufig steckt im EndefFekt nicht viel dahinter. Da muss man eben herausfiltern, wer sagt - das ist jetzt vieiieicht ein bisschen ubertrieben - die Wahrheit, oder wer kommt dem, was wir suchen, am nachsten. Das war fiir mich - bedingt durch meine Erfahrung und durch meine lange Tatigkeit in diesem Raum -, ich will nicht sagen relativ einfach, aber einfacher als fiir einen, der sich mit diesem Kulturkreis noch nicht befasst hat. Ich meine, ich kann natiirlich niemandem in den Kopf hineingucken oder in das Unternehmen hineinschauen, wenn ich nicht gesehen habe, wie man dort arbeitet. Aber generell ist es natiirlich immer ein bisschen schwierig, weil jeder verspricht alles, und dann kommt wieder dieses Inschallah." (RV_D_03, S. 4) Welche Redensart konnte trefFender die kulturelle Durchdringung einer interkuiturellen Unternehmenskooperation symbolisieren wie jenes fast schon legendare Inschallah, das uns im Verlauf der vorliegenden Studie noch ofters begegnen wird? Eine weitere interessante Perspektive auf den Aspekt der Partnersuche erofFnet das folgende Zitat, das von der gleichen Befragten stammt: „Wenn marokkanische Incoming-Agenturen einen Vertrag mit einem groEeren Veranstalter oder auch mit einem kleinen Guten aus Deutschland haben, dann genie£en sie dadurch in der Reisebranche einen sehr guten Ru£ Das heiEt, wenn sie [die marokkanischen Incoming-Agenturen, Anm. d. Verf ] andere Geschafte anleiern woUen, dann ist es fiir sie wichtig, einen namhaften Partner zu haben. Wenn sie den nicht haben, konnen die ihr Geschaft in Deutschland vergessen! Wenn sich mir eine Agentur anbietet, bei der ich wei£, dass sie bei X [dem Inbegriff eines seriosen deutschen Studienreiseveranstalters, Anm. d. Verf] rausgeflogen ist, dann muss ich das hinterfragen. Dann frage ich mich, warum ist die nur bei X rausgeflogen, da muss es doch irgendeinen Zwischenfall gegeben haben. Deswegen sind die Agenturen in vielerlei Hinsicht gezwungen, Kompromisse einzugehen, Ich habe sogar Agenturen erlebt, die neu ins Geschaft einsteigen wollten und gesagt haben: »Sie sagen uns, was Sie fiir die und die Reise bezahlen woUen, und wir machen das dann fiir Sie.« (...) Die woUen einen namhaften deutschen Veranstalter haben, wo sie angeben konnen, sie arbeiten mit Y [in diesem Fall nennt die Gesprachspartnerin das Unternehmen, bei dem sie angestellt ist, Anm. d. Verf.] als Referenz, um so iiberhaupt in den Tourismus reinzukommen!" (RV_D_03, S. 14)
182
KapitelVIII
Wie das nachfolgende Zitat transparent macht, handelt es sich keinesfalls um eine Einzelmeinung. Folgender Akteur sieht seinen Arbeitgeber von marokkanischer Seite regelrecht instrumentalisiert: „Wir sind also im Grunde genommen nur das Aushangeschild fiir diese Agentur, damit sie auch noch einen namhaften deutschen Reiseveranstalter im Portefeuille hat." (RV_D_06, S. 6) Wie immer wieder sowohl seitens der Unternehmen als auch seitens der Experten angefiihrt wird, erweist sich insbesondere der Faktor Sprache als ein nicht zu unterschatzendes Risiko in der deutsch-marokkanischen Zusammenarbeit (vgl. Kapitel VIII. 1 und IX. 1). Vor diesem Hintergrund haben sich einige deutsche Reiseveranstalter dezidiert fiir solche Kooperationspartner entschieden, in denen ein deutschsprachiger Ansprechpartner mitarbeitet: „Ich habe die Agentur bewusst danach ausgesucht, dass der Schriftverkehr auf Deutsch ist. Die Agentur konnte in Deutschland sein, so gut lauft der Schriftverkehr hin und her." (RV_D_12, S. 2) Mit einer entsprechenden Kooperationsentscheidung verspricht man sich vielfach, vermeintliche kulturelle Unpasslichkeiten iiberwinden zu konnen. So hat sich ein im siiddeutschen Raum lokalisierter Reiseveranstalter im zw^eiten Anlauf fur eine marokkanische Incoming-Agentur entschieden, die eine bikulturelle Geschaftsfiihrung aufweist: „Wir hatten zuvor eine Agentur, die orientalisch beziehungsweise franzosisch-marokkanisch gepragt war. Ich habe aber aufgegeben, mit ihr zu arbeiten, obwohl die sehr, sehr gute Leistungen - auch zu einem sehr verniinftigen Preis - geboten hat, da ich einfach zu lange auf Antworten warten musste und dann ist der Auftrag weg. Die haben nicht verstanden, dass man die sofort braucht, dass man nicht noch 14 Tage warten kann. (...) Unsere Kunden haben dafiir keine Zeit. Die wollen innerhalb einer Woche das Angebot auf dem Tisch liegen haben, und deswegen hat sich jetzt die Partnerschaft mit der schwabisch-marokkanischen Agentur enrwickelt." (RV_D_15,S.2) Wie bereits im vorangegangenen Kapitel deutlich wurde, gibt es gerade im Tourismussektor eine nicht zu unterschatzende Anzahl an so genannten lifestyle entrepreneurs, die als Quereinsteiger am - inzwischen abgeflauten - touristischen Boom partizipieren wollen. Zwei dieser Vertreter kommen im Folgenden zu Wort und schildern ihre jeweiligen Erfahrungen bei der Suche nach einem Kooperationspartner. Beginnen wir zunachst mit einem Akteur, der vor etlichen Jahren auf einer Reise durch Marokko seine Liebe zu dieser Destination entdeckte und anschliefiend mit seiner Lebensgefahrtin einen auf Event-Reisen spezialisierten Reiseveranstalter grtindete: „Da [bei der Suche nach einem marokkanischen Kooperationspartner, Anm. d. Verf] standen wir zunachst buchstablich in der Wiiste, weil es seinerzeit nur einen Ankniipfungspunkt gab,
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
183
namlich eine osterreichische Hotelfachfrau, die einen Berber geheiratet hat. Mit denen haben wir eigendich auch angefangen, quasi mit deren Hotelstiitzpunkt [im Atlasgebirge, Anm. d. Verf.]. Gemeinsam haben wir Aktivitaten zusammengeschniirt, quasi wie Module: hier das Hotel mit dem Dienstleistungsspektrum als Stiitzpunkt und von dieser Basis aus diverse Aktivitaten in der Region. (...) Und zwar all das, was die Infrastruktur dort so hergab: Das war eben Gleitschirmfliegen, da haben wir gemeinsam mit den Einheimischen Startplatze hergerichtet, Trekking vor alien Dingen, dann eben auch so einen Mix aus Kultur, Tagesfahrten und so weiter. (...) Wissen Sie, unsere Intention ist die: Wenn wir Marokko verkaufen und bewerben, dann den wahren Reichtum im Land. Und das, was um uns so angeboten und angedient wurde, da waren wir iiberhaupt nicht zufrieden. Wir sind auch mitgewachsen!" (RV_D_02, S. 5 f.) Uberspitzt konnte man in diesem Fall erganzen: Individualisten erschliefien Individualisten eine Destination, wobei deutlich w^ird, dass man auf ausgesprochen unkonventionelle Varianten trifft, wie sich im Kontext des Marokkotourismus eine bilaterale Zusammenarbeit entwickelt. Weiterhin gilt anzumerken, dass der zitierte Reiseveranstalter inzwischen mit einer regularen Incoming-Agentur zusammenarbeitet, da, den Angaben des Gesprachspartners zufolge, auch die Anspriiche an die angebotenen Dienstleistungen gestiegen sind. Ebenfalls vergleichsweise ungewohnlich ist die nachfolgende deutsch-marokkanische Kooperation ins Leben gerufen worden, doch lassen wir den auch heute noch als Schreiner tatigen Gesprachspartner, dessen Unternehmen sich auf Trekkingtouren spezialisiert hat, selbst zu Wort kommen: ,Also, Partnersuche: Ich habe keinen Partner gesucht, sondern die [marokkanischen Kooperationspartner, Anm. d. Verf.] haben einen Partner gesucht, das ist der grofie Unterschied! Die haben mich gefragt, wir sind dann mal runter, mit Familie. Mein Schwager ist jetzt nicht mehr dort [in der entsprechenden Incoming-Agentur, Anm. d. Verf], der ist nur noch stiller Teilhaber, aber es war abzusehen, dass er dort aufhoren will. Er hat immer gesagt: »Besucht dieses wunderschone Land!« Wir waren dort und wir waren verzaubert, alle fiinf, wie verzaubert. Nach dieser Geschichte mit der ITB, als ich dort fiir ihn [den Schwager und Griinder des marokkanischen Kooperationsunternehmens, Anm. d. Verf] iibersetzt habe, habe ich auch gemerkt, dass es sehr wohl Profis sind, es aber nicht immer sehr professionell zugeht,... also, dass ich mich da vielleicht einbringen kann. Wir sind dann, bevor ich angefangen habe, noch mal runter, haben zwei Touren mitgemacht, waren wieder verzaubert, und ich habe dann gesagt: »Okay, ich versuche es!« Man kann sich auf diese Agentur verlassen, es ist eine gemischte Agentur, was ich ganz toll finde: franzosische und marokkanische Mitarbeiter, die erganzen sich wunderbar, auch wenn es dort - ab und zu, denke ich - bei gewissen Personen Vorbehalte gegeniiber der anderen Kultur gibt." (RV_D_13, S. 1 f) Geradezu paradigmatisch lasst sich an dieser Schilderung die Vita eines lifestyle entrepreneurs nachzeichnen, der sich als Quereinsteiger mehr oder weniger zufallig eine neue Profession er-
184
KapitelVIII
schlieEt. Zum Zeitpunkt des Interviews Ende 2000 spielte entsprechender Gesprachspartner sogar mit dem Gedanken, seinen Schreinerberuf aufeugeben, well die tourismusspezifischen Geschafte so hervorragend liefen. Dazu ist es, wie mir der Akteur in einem Telephongesprach 2003 mitteilte, nicht gekommen; ein Umstand, den er angesichts der weiteren touristischen Entwicklung in Marokko (Stichwort: terroristische Anschlage und die dadurch implizierten Buchungsriickgange) nie bereut hat. Gelegentlich kommt es auch vor, dass deutsche Reiseveranstalter seitens marokkanischer Unternehmen mittels einer Mailing-Aktion kontaktiert werden. OfFensichtlich zeichnen sich diese Aktionen - wie das nachfolgende Zitat einer Mitarbeiterin eines auf Abenteuer- undTrekkingreisen spezialisierten Veranstalters zeigt - haufig dutch eine vergleichsweise geringe Professionahtat aus: „Was auch sehr haufig vorkommt, ist, dass wir direkt von den Agenturen angeschrieben werden. Die stelien sich selbst vor, per E-Mail oder Brief - diesbeziighch nehmen wir aber relativ wenig Riicksicht. Es kommt selten vor, dass wir mit einer Agentur zusammenarbeiten, die sich auf diese Art und Weise bei uns gemeldet hat. Das hangt aber nicht damit zusammen, dass wir kein Vertrauen zu denen haben, sondern dass die sich nicht verniinftig darstellen. Es scheint so zu sein, als wiirden sich meistens die noch nicht so Erfahrenen oder die ganz Grol^en melden, mit denen wir allerdings nicht zusammenarbeiten wollen. Die richtig Guten, die wir brauchen, das sind mittelstandische Agenturen vor Ort und die nutzen diese Moglichkeit nicht so sehr beziehungsweise wenn sie es machen, dann machen sie es nicht richtig." (RV_D_09, S. 2) In eine ahnliche Richtung argumentiert die Produktmanagerin eines groEen deutschen Pauschalreiseveranstalters: „Und diese Agenturen, wenn ich auch sehe, wie die ihre Angebote einschicken, das ist, wie sagt man, oft dilettantisch!" (RV_D_24, S. 5) Geht man von der Pramisse aus, dass eine Kooperation nicht nur ein Ziel, sondern eine Strategie darstelit, um erfoigreich geanderten Faktorbedingungen begegnen zu konnen (vgl. PECHLANER/RAICH 2004), dann erscheint es ausgesprochen bedenklich, wenn es Unternehmen nicht gelingt, sich so zu prasentieren, dass sie eine positive Auf?enwirkung erzieien. Gerade die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien boten Unternehmen geniigend Moglichkeiten, relativ kostengiinstig ihr Produkt respektive ihre Dienstleistung zu kommunizieren. Dabei gibt es durchaus einige marokkanische Tourismusunternehmen, denen dies zu gelingen scheint. So konstatiert beispielsweise der kaufmannische Direktor einer Incoming-Agentur aus Agadir: „Nous suivons essentiellement deux methodes pour prendre contact avec les tour-operateurs allemands: la participation aux foires internationales les plus importantes, comme par exemple
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
185
la foire ITB de Bedin. Malheureusement, tout cela est tres couteux et demande beaucoup de moyens. L'autre methode, c'est le mailing. C'est une methode plus efficace et moins chere. On a commence a travailler avec I'lnternet depuis un an et nous en sommes satisfaits. Le grand avantage de ce moyen de communication, c'est que le courtier est toujours disponible quand les responsables des tour-operateurs ont le temps de le consulter." (RV_M_03, S. 1) Gleichwohl gilt gerade fur die marokkanische Seite eine Messeprasentation nach wie vor als die gangigste Form der Partnersuche beziehungsweise Kontaktaufnahme. Umso bedauerlicher findet es so mancher marokkanische Gesprachspartner, dass die finanziellen Aufwendungen fur eine Teilnahme an den einschlagigen Messen in den letzten Jahren enorm gestiegen sind. Gerade fiir kleine und mitdere Unternehmen aus Entwicklungslandern erweisen sich die hohen Standgebiihren auf internationalen Messen wie der ITB als ein nicht zu unterschatzender Kostenfaktor, der mitunter dazu fiihrt, dass entsprechende Unternehmen von einer Teilnahme absehen miissen. Vor diesem Hintergrund haben sich inzwischen immer mehr marokkanische Incoming-Agenturen zu Standgemeinschaften zusammengeschlossen, um einer Exklusion zu entgehen. Dabei wird, wie die nachfolgenden Zitate zeigen werden, der konkrete Erfolg einer Messeteilnahme durchaus ambivalent gesehen. Beginnen wir zunachst mit dem Geschaftsfiihrer eines mittelstandischen marokkanischen Veranstalters, der eine ausgesprochen positive Sichtweise hinsichtlich einer Messeteilnahme pflegt: „La plupart du temps, je participe a des foires. C'est la meilleure solution pour chercher et trouver des partenaires et des agences de voyages. Je crois que pour moi et pour mon entreprise, c'est la source la plus importante pour trouver des agences de voyages, des clients, et de les faire venir au Maroc." (RV_M_08, S. 2) Auch fiir den nachfolgenden Gesprachspartner, der eine kleine marokkanische IncomingAgentur in Agadir leitet, stellt eine Messeteilnahme - in diesem Fall konkret bezogen auf die ITB in Berlin - die wichtigste Form der Partnersuche beziehungsweise Kontaktaufnahme dar. Allerdings vermittelt er bereits einen deutlich kritischeren Eindruck, bei dem der Zufallsaspekt eine zentrale RoUe spielt: „Pour moi, c'est le salon de Berlin [ITB, Anm. d. Verf.]. Je suis parti deux fois pour prospecter sur place. On rencontre des gens directement ou bien on nous en presente d'autres. Cela va peut-etre avoir des cotes positifs ou peut-etre pas, mais pour moi, c'est deja important d'etre present sur ce marche. Pour d'autres marches, il y a d'autres politiques. Pour qu'une petite agence trouve un partenaire allemand, c'est une question de chance; elle represente 99 pour-cent de votre travail, cette chance. II faut trouver la bonne personne au bon endroit et au meilleur moment. Si moi je vais a Berlin a 18 heures, le temps que X voyage, je trouve le manager de cette agence, nous avons
186
KapitelVIII
une discussion, il me trouve sympa, intelligent, beau, idiot peut-etre, c'est comme 9a, cela se joue en cinq minutes. (...) J'insiste ici sur le premier contact. C'est la premiere impression que nous donnons qui est importante. II y a des gens qui preferent travailler avec des petites agences. Les clients avec qui je travaille me disent: »Nous, nous aimons bien travailler avec toi parce que nous avons a faire au patron directement.« (^a, c'est un point tres important, parce que s'ils travaillent avec une grande agence, ils traiteront avec un technicien qui n'a pas le droit de prendre une decision, et qui devra a chaque fois demander a son patron. Dans mon cas, le contact est direct et personnalise entre I'agence etrangere et I'agence marocaine. Moi, par exemple, je suis le directeur, le proprietaire, le technicien. Je traite moi-meme les dossiers importants, en fait je fais tout, et 9a a une valeur pour certaines personnes." (RV_M_11,S. 3) Nach Ansicht dieses Akteurs spielt beim Messebesuch nicht n u r der Zufall einen entscheid e n d e n Part, sondern auch die spezifische BeschafFenheit der von den Incoming-Agenturen ofFerierten Dienstleistungen: „Nous, nous n'avons aucun produit, nous n'avons rien, nous avons un circuit, nous sommes des conseillers. A la rigueur, si j'avals un hotel, je pourrais dire: »Regardez mon hotel, il est beau.«, mais la, je vends ce que j'ai dans la tete. Alors, comment pourrais-je vous convaincre de travailler avec moi et pas avec un autre? II faut que je vous montre que je suis le plus intelligent, le plus professionnel, que je connais mon pays, mes produits. Et la, si j'ai cinq minutes pour vous montrer tout 9a, ce n'est pas evident." (RV_M_11,S. 3) W o h l wsiir: Die Dienstleistung einer Incoming-Agentur hat einen ausgesprochen abstrakten Charakter, der sich schw^erlich in fiinf M i n u t e n kommunizieren lasst. Des Weiteren k o m m t hinzu, dass heutzutage auf Messen k a u m noch Vertrage abgeschlossen werden; ein Faktum, das allerdings nicht nur auf dieTourismusbranche, sondern auch auf die meisten anderen Branchen zutrifFt. Primar fungieren Messen in der heutigen Zeit als O r t e der Sondierung, der Kontaktpflege u n d des Kniipfens von Netzwerken, w^obei der eigentliche Vorteil entsprechender Veranstaltungen nach wie vor bestehen geblieben ist: unzahlige face-to-face-contactsy
die es im Sinne
des U n t e r n e h m e n s in Wert zu setzen gilt. Vor diesem H i n t e r g r u n d ist auch die nachfolgende Aussage eines marokkanischen Geschaftsfiihrers zu verstehen: „Dans les salons, c'est plus pour confirmer les rendez-vous avec les agences de voyages que nous invitons, que pour decrocher des contrats!" (RV_M_27, S. 2) Analog zu den deutschen Reiseveranstaltern findet m a n auf marokkanischer Seite einige U n ternehmen, in denen es vor allem private Kontakte waren, die eine bilaterale Zusammenarbeit eingeleitet haben, wobei es sich im folgenden Beispiel erneut u m familiare Bindungen handelt. In diesem Fall n i m m t der Geschaftsfiihrer sogar in Kauf, dass es sich bei der entsprechenden
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
187
Kooperation nur um eine marginale Geschaftsaktivitat handelt, die sich kaum hinsichdich des Umsatzes bemerkbar macht: „C'est le mari de la sceur de mon associe. Si on enleve la relation familiale au depart, Peter [Vorname des Geschaftsfiihrers des deutschen Kooperationsunternehmens, Anm. d. Verf.] soit un touriste, qui vient au Maroc, qui aime le pays. Les circonstances et ce lien familial lui ont donne I'envie de faire decouvrir le Maroc aux Allemands. (...) Pour rAllemagne, je ne fais pas 9a pour I'argent, car 9a ne represente rien dans mon chifFre d'affaires. La principale clientele est Fran^aise. (...) Pour Peter, on essaie toujours de repondre vite, car on sent qu'il est motive et qu'il vit chaque demande. Quand les clients arrivent ici et repartent contents, Peter est vraiment tres heureux. Nous aussi, mais le marche allemand n'est toutefois pas un marche pour nous. Notre marche reste essentiellement francophone. On ne peut pas developper un marche quand on n'a pas les ressources pour le faire. Mais Monsieur X [Nachname eines Mitarbeiters der Incoming-Agentur, Anm. d. Verf] est avec nous depuis un an, il parle allemand, done on va essayer d'ameliorer cette situation." (RV_M_22, S. 2) Ein Aspekt, der im Zusammenhang von Partnersuche und Kooperationsentscheidung ausschliefilich von marokkanischer Seite angesprochen wurde, stellen die verstarkten Konzentrationstendenzen in der Tourismusbranche dar, die von den entsprechenden Akteuren haufig mit dem Globalisierungsphanomen in Verbindung gebracht v^erden (vgl. auch Kapitel VIII. 10). In diesem Kontext beftirchten vor allem kleine und mittlere Unternehmen verstarkt Schwierigkeiten, einen adaquaten Kooperationspartner zu finden: „I1 faut noter qu'il est de plus en plus difficile de trouver un partenaire allemand avec le phenomene du regroupement des tour-operateurs. II en reste seulement un tres petit nombre sur le marche." (RV_M_01, S. 1) Auch nachfolgender Gesprachspartner, der Geschaftsfiihrer einer kleinen Incoming-Agentur, spricht diese Thematik an und gibt gleichzeitig seine Strategic bekannt, wie er sich den strukturellen Veranderungen innerhalb der Tourismusbranche stellt: „Je me considere comme un petit, alors, la mondialisation est tres difficile pour nous. Par consequent, nous avons deja commence a chercher comment nous pourrions reagir. Moi, je suis petit et je prefere etre petit, ce qui me permet de donner un service plus personnalise. Je ne suis pas une usine, comme on dit. Mes clients, je les connais par leur nom, vous comprenez? Le service, la qualite, c'est 9a notre point fort. II y a des gens maintenant, surtout en Allemagne, qui cherchent cela. Et ils ne veulent pas travailler avec les grandes agences qui ont des clients comme X ou Y [die zwei deutschen Branchenfiihrer, Anm. d. Verf]. lis preferent travailler avec des petites agences comme nous, parce qu'ils savent qu'ils auront vraiment le meilleur service." (RV_M_09, S. 1 f)
Kapitel VIII
Die Erfolgsfaktoren dieses Unternehmers sind eine verstarkte Serviceorientierung und eine ausgepragte Personalisierung. Sie diirften auch zukiinftig dafur sorgen, dass kleine und mittlere Unternehmen ihren Platz im touristischen Unternehmertum finden (vgl. PETERS/WEIERMAiR 2004 und DREYER 2004). Eine weitere Positionierungsmoglichkeit spricht der folgende Geschaftsfuhrer an, der die Zukunft seiner Incoming-Agentur in der Besetzung von Nischen sieht: „Depuis une dizaine d'annees, 9a [die Suclie nach einem Kooperationspartner, Anm. d. Verf.] devient tres difficile, parce que la plupart des agences de voyages se mettent ensemble pour etre plus competitives sur le marche dans lequel elles se developpent de plus en plus. Et c'est difficile pour les petites agences de voyages. (...) Personnellement, je n'aime pas faire le balneaire, je ne vous le cache pas, car je ne peux pas faire face aux grandes agences de voyages. II y a pour moi d'autres creneaux pour faire des affaires - le balneaire, c'est trop difficile. Ce sont des grandes boites qui s'en occupent. Vous en trouverez quaere ou cinq en Allemagne. Elles sont sur place depuis des annees, et c'est tres difficile pour d'autres agences de voyages ou d'autres petits groupes de venir sur le marche, car ces grosses boites se sont reunies en une seule grosse agence de voyages." (RV_M_08, S. 2) Bevor im anschiiefienden Kapitel auf die Implementation der Kooperationen vor dem Hintergrund ausgewahlter okonomischer und kultureller Aspekte eingegangen wird, sei abschiiefiend noch ein Blick auf zwei Abbildungen geworfen, die die vorangegangenen Ausfiihrungen erganzen. Abbildung 17 dokumentiert zunachst die quantitative Verteilung der unterschiedlichen Formen der Kontaktaufnahme: Abb. 17: Formen der Kontaktaufnahme (Mehrfachnennungen moglich)
Quelle: Eigene Erhebungen
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
189
Die Abbildung unterstreicht sowohl bei den deutschen als auch bei den marokkanischen Unternehmen die grofie Bedeutung, die einerseits private Kontakte, andererseits klassische Messekontakte bei der Partnersuche spielen. Deudich ausgepragter hingegen werden von den marokkanischen Unternehmen Werbemittel und Internet eingesetzt. Letzteres erweist sich - wie dieses Kapitel gezeigt hat - als durchaus interessante, vor allem kostengiinstige Alternative bei der Akquisition neuer Geschaftspartner. Eine vergleichsweise geringe RoUe spielt die Vermittlung eines Kooperationspartners durch einschlagige Institutionen, etwa Aufienhandelskammer oder BundesagenturfurAuJ^enwirtschaft. Dieser Umstand hegt - wie bereits erwahnt - nicht zuletzt darin begriindet, dass diesen Institutionen iange Zeit der Ruf vorauseilte, ihre Beratungskompetenz erstrecke sich in erster Linie auf Unternehmen des produzierenden Sektors. Dieses Defizit scheint jedoch vielfach durch die zentrale Bedeutung privater Kontakte kompensiert zu werden. Die nachfolgende Abbildung gewahrt einen Uberblick iiber die in der deutsch-marokkanischen Zusammenarbeit zum Tragen kommenden Kooperationsformen: Abb. 18: Kooperationsformen (Mehrfachnennungen moglich)
Quelle: Eigene Erhebungen Sowohl auf deutscher als auch auf marokkanischer Seite dominiert als wichtigste Kooperationsform die langerfristige nicht vertragliche Absprache; eine Kooperationsform, die eine ausgesprochen lose Bindungsintensitat aufweist (vgl. Kapitel II.5). Einerseits bewahrt diese Kooperationsform den Unternehmen eine grofitmogliche Selbstandigkeit, andererseits impliziert sie eine geringe rechtliche Absicherung. Die zweithaufigste Kooperationsform verbirgt sich als so genannter Saisonvertrag hinter dem Item Sonstiges und stellt eine tourismusspezifische Form der Zusammenarbeit dar, die eine deutlich temporare Komponente aufweist und immer wieder - in der Regel unter modifizierten Konditionen - erneuert werden kann. Alle anderen Kooperationsformen spielen eine untergeordnete RoUe, wobei die Kapitalbeteiligung neben dem Joint Venture die bindungsintensivste Form darstellt. Sie gestattet gerade globalplayers, an moglichst vielen Bereichen der touristischen Wertschopfungskette zu partizipieren und ermoglicht zudem einen verstarkten Einfluss auf Aspekte der Qualitatssicherung.
190
VIII.4
KapitelVIII
Let's go — Implementation der Kooperation vor dem Hintergrund ausgewahlter okonomischer respektive kultureller Aspekte
Wenn man sich - entsprechend der vorliegenden Studie - eine holistische Perzeption von UnternehmensRihrung zu Eigen macht, so kommt man in einer zunehmend vernetzten Welt nicht umhin, sich verstarkt mit kulturellen Aspekten auseinander zu setzen. Die verstarkte Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten angesichts einer fortschreitenden Globalisierung bringt es mit sich, dass in der heutigen Zeit interkulturelle Uberschneidungssituationen im Wirtschaftsleben gang und gabe sind. Gerade die in dieser Arbeit relevanten bilateralen Unternehmenskooperationen implizieren, dass die jeweiligen Akteure mit interkulturellen Uberschneidungssituationen umgehen konnen und im Idealfall interkulturelle Kompetenz aufweisen (vgl. Kapitel III.3 und III.5). Im vorliegenden Kapitel soil aufgezeigt werden, welche Erfahrungen die an dieser Studie partizipierenden Akteure mit der Implementation ihrer Kooperationen vor dem Hintergrund ausgewahlter okonomischer respektive kultureller Aspekte gesammelt haben. Eingedenk der ausgesprochen interkulturellen Dimension einiger Zitate in diesem Kapitel sei angemerkt: Interkulturelle Kommunikation ist stets konfrontiert mit dem systemimmanenten Spannungsverhaltnis zv^ischen der realen Komplexitat von kulturellen Systemen und menschlichem Verhalten sowie der notwendigen Eigenschaft des Menschen, diese Komplexitat in seiner Wahrnehmung zu reduzieren und einfache Kategorien zu bilden (vgl. ROTH 1996). Die Problematik, die diesem Umstand innewohnt, liegt auf der Hand: Haben w^ir auf der einen Seite die Komplexitat und Dynamik kultureller Makrosysteme mit all ihren mikrokulturellen Subsystemen, so steht dieser Komplexitat die Neigung des Menschen gegeniiber, sowohl von der eigenen, aber noch viel ausgepragter von nicht vertrauten Kulturen reduzierte - in Anlehnung an LIPPMANN (1964) -pictures in our heads zu entwickeln und zu tradieren. Vor diesem Hintergrund geht es in jeder Begegnung zw^ischen Menschen divergierender Kulturen nicht so sehr darum, wie die jeweils andere Kultur wirklich ist, sondern wie sie wahrgenommen wird und wie diese Wahrnehmungen interpretiert respektive in Handeln umgesetzt werden (vgl. ROTH 1996).
Untrennbar mit dem vorhegenden Kapitel ist die Frage verbunden, ob der Faktor Kultur im Kontext grenziiberschreitender Geschaftsaktivitaten beziehungsweise entsprechender Managementpraktiken iiberhaupt von Relevanz ist; eine Frage, die seit einigen Jahren vor dem Hintergrund einer zunehmenden Kulturalisierung von Okonomie respektive einer zunehmenden Okonomisierung von Kultur verstarkt Anlass zu kontroversen Diskussionen bietet. Wie bereits in Kapitel III.3 deutlich wurde, stehen sich diesbeziiglich zwei divergierende theoretische Ausgangspositionen gegeniiber: Wahrend die Vertreter der culture-hound-lhtsc, die so genannten Kulturalisten, die Ansicht vertreten, dass der jeweilige kulturelle Kontext eines Raums die okonomischen Strukturen und Prozesse der Unternehmen beziehungsweise Akteure beeinflusst und sich dementsprechend auf deren organisatorische Gestaltung auswirkt, postulieren die
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
191
Verfechter der culture-free-These, die so genannten Universalisten, Managementtechniken seien - nicht zuletzt iiber einen Verweis auf die Logik des Internationalisierungsprozesses - universell und ubiquitar und somit in letzter Konsequenz unabhangig von kulturspezifischen Einfliissen. Welchen Stellenwert raumen die an dieser Studie partizipierenden Akteure dem Faktor Kultur bei der Implementation ihrer bilateralen Zusammenarbeit ein? Um es bereits an dieser Stelle vorwegzunehmen, so zeichnet sich in Bezug auf diese Frage ein ausgesprochen facettenreiches Bild ab, das nicht zuletzt die beiden eben skizzierten theoretischen Ausgangspositionen widerspiegelt. Beginnen wir zunachst mit der Sichtweise eines Produktmanagers, der einen deutschen Reiseverans taker vertritt, der sich auf Trekking- und Abenteuerreisen spezialisiert hat: „Das ist eine wichtige Frage! Dadurch, dass man ein und denselben Sachverhalt verschieden betrachtet, kommt es zu unterschiedlichen Sichtweisen. Man fallt dann mitunter auch unterschiedliche Urteile, und das kann zu Schwierigkeiten oder Missverstandnissen fiihren. Deswegen - wenn man einen Partner auf der anderen Seite hat - miissen beide ein bisschen die Kultur des Anderen kennen, um zu verstehen, was der Andere meinen konnte, wenn einem eine Entscheidung komisch vorkommt oder wenn irgendetwas nicht stimmt. Man braucht ein besonderes Fingerspitzengefiihl fiir die Kultur des Anderen!" (RV_D_09, S. 3) Die vorangestellte Aussage erkennt im Sinne der culture-bound-lhese an, dass Management eine kulturabhangige Variable darstellt. Dabei kann man entsprechende Aussage letztendlich auch als ein ausgesprochenes Pladoyer fiir eine gewisse interkulturelle Kompetenz der betroffenen Akteure begreifen. Eine diametrale Perspektive auf diese Thematik manifestiert sich im nachfolgenden Zitat eines weiteren Produktmanagers, der die Relevanz des Faktors Kultur im Rahmen einer bilateralen Zusammenarbeit nicht - oder zumindest nur sehr bedingt - anerkennt: „Hier geht es doch eigentlich nur um eine Sache, namlich darum, ein Geschaft zu machen. Diesbeziiglich glaube ich schon, dass kulturelle Aspekte zunachst einmal nicht im Vordergrund stehen." (RV_D_11,S. 1) Die Essenz ist eindeutig: Geschaftliches Agieren ist im Sinne der culture-Jree-These eine kulturunabhangige Variable, und damit einhergehend sind entsprechende Managementtechniken universell und ubiquitar einsetzbar. Der nachfolgend zitierte Reprasentant einer marokkanischen Incoming-Agentur stellt mit seiner Aussage genau diese Sichtweise in Frage: „C'est delicat a cause de la culture. II faut se mettre a leur niveau: Si vous avez une vision unidimensionnelle, vous risquez de perdre le marche. L'avantage economique peut parfois etre perdu parce qu'on n'arrive pas a s'adapter a une culture." (RV_M_22, S. 1)
192
KapitelVIII
Auch in diesem Fall ist die Aussage eindeutig: Wem es als interkulturell agierendem Akteur nicht gelingt, sich an eine andere Kultur anzupassen, lauft in einer Kooperation Gefahr, okonomische Vorteile aufs Spiel zu setzen, wobei derselbe Gesprachspartner in diesem Fall noch erganzt: „D'un cote I'agence receptive au Maroc doit s'adapter et faire attention a certaines attentes et particularites du marche ailemand. De I'autre, les differences cuiturelles, c'est aussi ce qui est attractif." (RV_M_22, S. 1) Sicherlich ware es zu einseitig, eine interkulturelle Kooperation ausschlieElich mit kulturellen Aspekten in Verbindung bringen zu woUen, vielmehr ist von einer Interdependenz zwischen okonomischen und kulturellen Aspekten auszugehen. Ist das Interesse an einer Kooperation okonomisch bedingt - was in der Regel der Fall ist, sieht man einmal mit gewissen Abstrichen vom Sonderfall des lifestyle entrepreneurs ab - , so kann man, zumindest bis zu einem gewissen Grad, auch kulturelle Inkompatibilitaten iiberbriicken. Gleichwohl lassen sich diese nicht auf Dauer handhaben, ohne dass sich negative EfFekte einstellen (vgl. auch Kapitel IX.3). Vor dem Hintergrund dieser Reflexionen ist dezidiert MOOSMULLER (1997) zuzustimmen, wenn er aus einer pragmatischen Warte postuliert, bilateral agierende Akteure soUten nicht nur eine ethnorelative Einstellung haben, sondern auch liber eine gewisse interkulturelle Kompetenz verfugen, damit sie effizient und angemessen mit den jeweiligen Partnern interagieren konnen. Erst dann kann sich - wie auch im Rahmen der Expertengesprache deutlich wird - jene Kunst entfalten, die die eigenen Vorstellungen mit denjenigen vor Ort kompatibel macht und das Fundament fur ein effektives Netzwerk bildet. Zumindest aus einer postmodernen Wissenschaftsperspektive ist die Pluralitat der Befragtenansichten beziiglich culture-bound respektive culture-free zu begriifien. Dabei spiegeln die vorangegangenen Zitate im Wesentlichen den kontroversen Diskurs wider, der diesbeziiglich in der scientific community gefuhrt wird. Wie bereits in Kapitel III.3 transparent wurde, hat sich dieser ausgesprochen dynamisch weiterentwickelt, wobei unter anderem diskutiert wird, ob es im globalen Kontext vor dem Hintergrund fortschreitender Internationalisierungsprozesse zu einer kulturellen Konvergenz oder eher zu einer kulturellen Divergenz von Managementpraktiken kommt. Geht man, wie der Autor, davon aus, dass das Globalisierungsphanomen einen zutiefst dialektischen Prozess darstellt (vgl. Kapitel II. 1 und III.l), dann sollte man einer entsprechenden Dichotomisierung differenziert gegeniiberstehen. Ahnliches gilt selbstverstandlich auch hinsichtlich der Frage, ob man den kulturalistischen oder den universalistischen Ansatz vertritt. Im Folgenden sei das Zitat eines deutschen Produktmanagers angefuhrt, das vor allem aus zwei Gesichtspunkten von Interesse ist: Zum einen zeigt es, dass eine interkulturelle Zusammenarbeit als ein ausgesprochen individuelles Phanomen wahrgenommen werden kann, zum anderen
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
193
greift es - zugegebenermajSen auf einer sehr allgemeinen Ebene - Internationalisierungsprozesse auf, die in engem Konnex mit den oben skizzierten Diskursen stehen: „Ich reduziere eine interkuiturelle Zusammenarbeit immer auf die Person und nicht auf die Kultur. Im Geschaftsleben ist es ja auch so, dass sich die Leute - ob das jetzt in Marokko oder wo auch immer ist - CNN anschauen. Es ist ja heute auch nicht mehr so, dass einer, der Geschaftsmann ist, voilig in seiner Kuitur gefangen ist. Das gleicht sich alies an, der geht auch zu McDonald's. Manche sagen zwar, sie gehen nicht hin, das gibt es auch in Marokko, die gehen dann auch nicht hin, aber das niveUiert sich immer mehr. Die Weltkukur greift iiberall zu!" (RV_D_25, S. 13) Wenn man woUte, konnte man auch der in diesem Zitat enthaitenen These wieder eine Antithese gegeniiberstellen, etwa indem man Aspekte wie Heterogenitat, Partikularismus, Fragmentierung und nicht zuletzt Divergenz anfiihrt. In diesem Kontext sei noch einmal auf Kapitel II. 1 verwiesen, in dem dezidiert auf die Ambiguitat entsprechender Phanomene und Prozesse eingegangen wird. Bevor im Veriauf dieses Kapitels weitere akteurspezifische Perspektiven zur Implementation der Kooperationen vor dem Hintergrund ausgewahlter okonomischer und kulturelier Aspekte aufgeroUt werden, seien einige Ergebnisse der standardisierten Befragungen dargelegt, die diese Thematik aufgreifen. Befragt nach der Bedeutung einiger ausgewahlter Funktionen aus dem Personal- und Sachmanagement bei der Implementation der Kooperationen, nimmt die Kommunikation sowohl bei den Gesprachspartnern aus den deutschen als auch aus den marokkanischen Unternehmen den ersten Rang ein. Immerhin 86,7 beziehungsweise 10 Prozent der Befragten aus den deutschen Unternehmen schreiben diesem ausgesprochen kulturell durchdrungenen Aspekt eine sehr grofie respektive groEe Bedeutung zu. Auf marokkanischer Seite liegen die entsprechenden Werte bei 90 beziehungsweise GJ Prozent. Zum Vergleich: Auf die Planung entfallen sei tens der Gesprachspartner aus den deutschen Unternehmen 33,3 beziehungsweise 40 Prozent und seitens ihrer counterparts aus den marokkanischen Unternehmen 56,7 beziehungsweise 23,3 Prozent. Gleichfalls sollte eruiert werden, ob die an dieser Studie partizipierenden Akteure iiber interkuiturelle Vorerfahrungen verfiigen, die sich - wie das Internationale Personalmanagement immer wieder aufeeigt - ausgesprochen positiv auf die Ausgestaltung einer grenziiberschreitenden Zusammenarbeit auswirken (vgl. insbesondere STAHL 1995, KNAPP 1999 und BITTNER 2002).
Wie die nachfolgende Abbildung zeigt, ergibt sich hinsichtlich der interkulturellen Vorerfahrungen in der Zusammenarbeit mit auslandischen Unternehmen und Institutionen seitens der an dieser Studie partizipierenden Gesprachspartner aus den deutschen und marokkanischen Unternehmen ein weitgehend deckungsgleiches Bild:
194
KapitelVIII
Abb. 19: Interkulturelle Vorerfahrungen der Gesprachspartner in den bilateralen Kooperationen
Quelle: Eigene Erhebungen Touristische Unternehmen, die im Incoming- beziehungsweise Outgoing-Tourismus agieren, verkdrpern in vielerlei Hinsicht Globalisierung in Reinform und sind deswegen ganz unmittelbar - schon aufgrund ihrer Geschaftsidee - mit den komplexen Aspekten interkultureller Kommunikation verbunden: Zum einen sind Angebot und Nachfrage weitgehend globalisiert, zum anderen besteht die Diensdeistung als solche zu einem wachsenden Teil in der Uberwindung von Grenzen (vgl. HOPFINGER/SCHERLE 2003 und REISINGER/TURNER 2003). Vor diesem Hintergrund sind auch die in vorangestellter Abbildung dokumentierten Ergebnisse zu sehen, die zeigen, dass sowohl auf deutscher als auch auf marokkanischer Seite fast zwei Drittel der befragten Akteure interkulturelle Vorerfahrungen besitzen. Diese bestehen in erster Linie aus Praktika im Ausland, aber auch aus friiheren beruflichen Tatigkeiten als Animateur oder Reiseleiter. Gerade seitens der marokkanischen Befragten wurde immer wieder betont, wie wichtig ihre einschlagigen Auslandserfahrungen hinsichtlich der Entwicklung interkultureller Kompetenz sowie in Bezug auf die weitere Karriere waren. Aufbauend auf den vorangegangenen Ausfiihrungen stellt sich selbstverstandlich die Frage, ob die jeweiligen Akteure eine interkulturelle Vorbereitung durchlaufen haben, die sie beziiglich ihrer bilateralen Zusammenarbeit eingestimmt hat. Diesbeziiglich ergibt sich bei den an dieser Studie partizipierenden Gesprachspartnern folgendes Bild: Abb. 20: Interkulturelle Vorbereitungen der Gesprachspartner in den bilateralen Kooperationen
Quelle: Eigene Erhebungen Das Ergebnis ist eindeutig: Wahrend immerhin fast zwei Drittel der an dieser Studie partizipierenden touristischen Akteure auf interkulturelle Vorerfahrungen zuriickblicken konnen, fand eine gezielte Vorbereitung auf die in einen interkulturellen Kontext eingebettete Tatigkeit nur
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
195
ausgesprochen selten statt. Gerade mal 10 Prozent der Befragten aus den deutschen Unternehmen beziehungsweise 3,3 Prozent der Befragten aus den marokkanischen Unternehmen gaben an, eine entsprechende SchulungsmaEnahme durchlaufen zu haben. Dieser Umstand ist vor allem deswegen zu bedauern, da das derzeitig grofite Defizit in der touristischen Aus- und Weiterbildung darin besteht, dass iiberwiegend in traditionellen Strukturen und nationalen Schemata gelehrt wird. Da interkulturelle Kompetenz aber eine Conditio sine qua non fiir grenziiberschreitend agierende Akteure darstellt, muss interkulturelles Lernen - wie FREYER und POMPL (2000) in diesem Kontext zu Recht fordern - ein verstarkt zu verfolgendes Bildungsziel werden. Diesbeziiglich sind allerdings nicht nur die einschlagigen Bildungseinrichtungen, wie Berufsschulen, Fachhochschulen und Universitaten, gefordert, sondern auch die Unternehmen. Insbesondere THOMAS (1997/1999) hat wiederholt darauf hingewiesen, wie wichtig im interkulturellen Kontext eine systematische Vorbereitung von Mitarbeitern ist, die sich - zumindest aus einer mittel- bis langfristigen Perspektive - auch fiir die Unternehmen amortisiert. Ansonsten bleibt auch weiterhin primar die Eigeninitiative der betrofFenen Mitarbeiter gefordert, um sich die entsprechende Schlusselkompetenz anzueignen. Welche konkreten Erfahrungen haben die an dieser Studie partizipierenden Akteure bei der Implementation ihrer Kooperationen gemacht? Beginnen wir zunachst mit einem Aspekt, der Wahrnehmung und dem Umgang mit Zeit, der gewissermaKen zu den klassischen Problemfeldern einer grenziiberschreitenden Zusammenarbeit zahlt (vgl. auch Kapitel VIILIO und IX.3). Time is money odei just in /^^'m^-Geschafte: Okonomisches Handeln scheint - zumindest kapitalistischen Idealen zufolge - grundsatzHch dem Primat des Faktors Zeit zu folgen. Dass dieses Primat in den bilateralen Kooperationen mitunter divergierenden Mustern zu folgen scheint, wird in den beiden nachfolgenden Zitaten zweier deutscher Produktmanagerinnen transparent: „Bei denen spielt Zeit einfach nicht so eine groEe RoUe: Komme ich heute nicht, komme ich morgen oder eine Stunde spater. Fiir den Kunden beziehungsweise fiir den Ablauf einer Etappe ist es aber sehr wichtig, zu wissen, wie viel Zeit man fiir Besichtigungen zur Verfiigung hat. Will ich meine Besichtigung abschlieiSen und bin dann beim letzten Besichtigungspunkt im Dunkeln, so ist das unsinnig, weil man sich dann nichts mehr anschauen kann. Von daher ist die gemeinsame Planung von zentraler Bedeutung." (RV_D_03, S. 6) „Wenn ich eine on ret^uest-Sachc habe, dann kann ich keine drei Tage warten, das muss innerhalb von 24 Stunden beantwortet sein. Diese Dienstleistungsorientierung den Leuten in Marokko nahe zu bringen, ist nicht einfach. Unser Agent zum Beispiel, der hat in Deutschland studiert, der hat hier gelebt, der war Reiseleiter, der weiE, auf was es ankommt, der wei£, was Deutsche haben woUen und was fiir sie wichtig ist. Ich meine, wir sind ja auch nicht einfach!" (RV_D_24, S. 3)
196
KapitelVIII
Der in erster Linie kulturell bedingte unterschiedliche Umgang mit Zeit hat Wissenschaftler immer wieder beschaftigt. Die meisten interkulturell konzipierten Studien greifen diesen Aspekt auf und verweisen auf entsprechende Unterschiede (vgl. insbesondere KLUCKHOHN/ STRODTBECK 1961,
HALL 1990,
TROMPENAARS 1993
und THOMAS/HELFRICH 2003). So
ist
es ein weitgehend ofFenes Geheimnis, dass in den so genannten high-context-Kuhuren, denen in der Kegel auch die arabischen Lander zugeordnet werden, andere Vorstellungen von Zeit vorherrschen als in den so genannten low-context-Kuhureny zu denen etwa Deutschland zahlt (vgl. auch Kapitel VIII. 10). Der Faktor Zeit ist im arabischen Raum relativ und kein abstraktes MaE, dem sich der Einzelne unterwirft, was mitunter dazu fiihren kann, dass Verabredungen nicht zum vereinbarten Zeitpunkt stattfinden. Als interkulturell geschulter Akteur kann man eine entsprechende Verspatung kontextualisieren, da man weif?, dass eine Zeitangabe allenfalls als Orientierungshilfe fungiert, die keinen Absolutheitsanspruch erhebt (vgl. ROTHLAUF 1999). Selbstverstandlich konnte man jetzt entgegenhalten, dass es sich bei den vorangegangenen Zitaten und Ausfiihrungen - im Sinne von LIPPMANN (1964) - um Idsissischepictures in our heads handelt, die einseitigen Etikettierungen Vorschub leisten. In diesem Kontext gilt zunachst - wie bereits mehrfach erwahnt - anzumerken, dass es in jeder Begegnung zwischen Menschen aus divergierenden Kulturen nicht so sehr darum geht, wie die jeweils andere Kultur wirklich ist, sondern wie sie von den betrofFenen Akteuren wahrgenommen wird und wie diese Wahrnehmungen gedeutet respektive in Handeln umgesetzt werden. Des Weiteren gilt zu konstatieren, dass eine entsprechende Wahrnehmung mitunter auch auf marokkanischer Seite anzutrefFen ist, wie das nachfolgende Zitat eines mit einer Osterreicherin verheirateten marokkanischen Geschaftsfiihrers zeigt: ,Avant de contacter chaque pays, il faut deja connaitre la culture ou bien la mentalite, c'est tres important. Autrement, vous aurez des problemes! Vous savez, c'est un exemple tres simple, mais la mentalite marocaine et la mentalite allemande sont tres difFerentes. Honnetement, lorsqu'ils vous envoient un fax ou vous parlent au telephone, il faut etre engage, il faut etre tres serieux avec un Allemand surtout s'il s'agit d'affaires. Par exemple, lorsque Ton fixe un rendez-vous, il faut etre a I'heure. Je me souviens tres bien lorsque j'ai commence a travailler avec des Allemands, c'etait fin 1988, j'etais alors responsable de departement. J'ai parfois realise des transferts. De ce fait, j'ai fait des departs d'hotel a huit heures du matin et je me souviens tres bien que j'etais la exactement a huit heures. J'ai vu que le groupe etait la depuis deja un quart d'heure devant le car. Alors, il faut savoir une chose, quand une firme est responsable, il faut toujours etre la avant les clients. Alors, c'est comme <;a que j'ai commence, j'ai appris comment il faut communiquer avec les Allemands. C'est tres important!" (RV_M_29, S. 1) Das entsprechende Zitat lasst sich durchaus auch als ein Pladoyer fiir das Vorhandensein von interkultureller Kompetenz begreifen, die sich der Gesprachspartner eigenen Angaben zufolge nicht zuletzt iiber seine interkulturelle Partnerschaft erworben hat. Dass eine unterschiedliche Wahrnehmung des Faktors Zeit nicht nur anerkannt, sondern gelegentlich sogar mit einer Anekdote angereichert wird, bezeugt das folgende Zitat:
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
197
,Je ne sais pas, les Allemands sont des gens trop serieux, trop stricts, tres bosseurs, il ne faut pas plaisanter avec eux, n'est-ce pas? Si moi, je pars en Allemagne, je mets la veste du monsieur serieux, tres professionnel. Les pays mediterraneens sont plus ouverts, plus sociables. Les Allemands sont les Allemands. J'ai une petite anecdote concernant un Allemand, c'est veridique: II s'agit de quelqu'un qui voulait avoir un contact avec une agence de voyages allemande. Alors, ils ont pris rendez-vous, disons a 10 h. II est arrive a 10 h 03. Alors, I'Allemand lui a dit: »Si tu as un train a 10 h, a quelle heure vas-tu etre a la gare?« - L'autre repond: »Disons 10 h moins cinq.« - Et I'Allemand lui repond: »Je suis desole, mais tu respectes plus le train que moi!«" (RV_M_11,S.4) Eine Ansammlung von Autostereotypen oder Heterostereotypen? Wo beginnt die - vermeintliche - Realitat und wo das - vermeintliche - Stereotyp? Oszillieren beide, verschwimmen sie gar und bilden eine Melange, die sich einer Interpretation entzieht? Was ist wahr, was ist falsch.^ Wer hat Recht, wer hat Unrecht? Wie viele unterschiedliche Einschatzungen mag vorangestelltes Zitat evozieren? Bleibt als Ausweg - so paradox es klingen mag - nur ein Rixckzug in Platons Hohle, in der die Schatten als Abbilder der Wirklichkeit niemals deckungsgleich sind, sondern nach der subjektiven Qualitat unseres geistigen Auges variieren. Zudem sei in diesem Fall einmal mehr an ROTH (1996) erinnert, der uns immer wieder darauf aufmerksam macht, dass es in jeder Begegnung zwischen Menschen divergierender Kulturen nicht so sehr darum geht, wie die jeweils andere Kultur wirklich ist, sondern wie sie wahrgenommen wird und wie diese Wahrnehmungen gedeutet beziehungsweise in Handeln umgesetzt werden. Im Kontext kultureller Unterschiede in der Zeitwahrnehmung und im Zeitumgang gilt abschlieGend anzumerken, dass dieses Phanomen auch Implikationen auf die gemeinsam angebotene Dienstleistung hat; ein Umstand, der - wie das nachfolgende Zitat eines Reprasentanten einer marokkanischen Incoming-Agentur zeigt - mitunter zu Kundenbeschwerden fiihrt: „Nous recevons des reclamations qui resultent des diflPerences culturelles. J'aimerais donner un exemple: Pour nous, les Marocains, nous ne respectons pas Fheure. Pour un Allemand, c'est quelque chose de tres important. S'il y a du retard sur le programme, le touriste allemand va immediatement se plaindre." (RV_M_04, S. 1) In diesem Zusammenhang sei auch auf Kapitel VIII.7 verwiesen, in dem naher auf das interkulturelle Beschwerdemanagement eingegangen wird und das des Weiteren aufeeigt, dass die Wahrnehmung von Qualitat ausgesprochen kulturabhangig ist. Welche Aspekte v^oirden seitens der Befragten im Rahmen der Implementation von Kooperationen noch genannt? Da ist zum einen der sprachliche Aspekt zu nennen, der sicherlich zu den aufFalligsten Unterschieden zwischen Angehorigen divergierender Kulturen zahlt. Bezogen auf die jeweils eigene Sprache zeichnet sich die fremde Sprache durch andere Laute beziehungsweise andere Lautkombinationen aus, es finden andere Worter Verwendung, und die Verkniipfung
198
KapitelVIII
von Wortern zu entsprechenden Satzen scheint sich nach anderen Organisationsregeln zu vollziehen. Sprache ist nicht nur ein Instrumentarium von Kultur, sondern vielmehr ein konstitutiver Bestandteil von ihr, da sie sich gleichzeitig mit der kulturellen Tradition herausgebildet hat (vgl. HELFRICH 2003). Geht man von der Pramisse aus, dass eine optimalenveise symmetrische Kooperationsbeziehung auch einer moghchst adaquaten Verstandigungsbasis bedarf, so gewinnt der Faktor Sprache eine zentrale Bedeutung, die keinesfalls unterschatzt werden darf. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sprachliche Barrieren zu den klassischen Ursachen von Missverstandnissen zahlen: „Spontan sehe ich es so, dass da einfach eine Sprachbarriere ist. Man spricht in einer fremden Sprache, und das birgt allein schon die Gefahr von Missverstandnissen." (RV_D_28, S. 1) In Bezug auf die marokkanische Amtssprache Arabisch gik anzumerken, dass sich das Arabische in Morphologic und Syntax, aber auch hinsichtlich seines Wortschatzes seit der Zeit des Korans kaum verandert hat. Vor diesem Hintergrund schleppt die Sprache eine Vielzahl von Termini, rhetorischen Wendungen und stilistischen Figuren mit sich, die sie in manchen sprachlichen Umstanden aufwendig und wenig praktikabel erscheinen lassen (vgl. HEINE 1996). Des Weiteren kommen in Marokko einige Berberdialekte hinzu, die allerdings keine schriftliche Tradition aufweisen. Jetzt konnte man zu Recht einwenden, dass diese Anmerkungen fiir einen businessfokussierten Akteur nicht weiter von Interesse sind, da das Konigreich mit der Handels- und Bildungssprache Franzosisch eine sprachliche Basis fiir geschaftliche Interaktionen bietet. Diesbeziiglich gilt aber zu bedenken, dass diese Sprache dem Land im Zeitalter des Imperialismus aufoktroyiert wurde, mithin ein Fremdkorper darstellt. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund sind auch die verstarkten Arabisierungstendenzen zu sehen, die seit einigen Jahren in Marokko Einzug gehalten haben. Selbst wenn sich Geschaftsleute beziiglich des Faktors Sprache von Pragmatismus leiten lassen und die Sprache des jeweiligen counterparts beherrschen, gestaltet sich ein entsprechendes bridging the gap aus Perspektive der an dieser Studie partizipierenden Akteure haufig problematisch. So konstatiert beispielsv^eise der Produktmanager eines deutschen Pauschalreiseveranstalters: ,Aus Erfahrung weiC ich: Auch wenn der Partner sehr gut Deutsch spricht, was ja auch die meisten tun, dann gibt es immer noch Schwierigkeiten. Nicht immer hat der Partner das verstanden, was man eigentlich sagen woUte. Wenn Sie mal jemanden aus dem arabischen Raum trefFen und ihm etwas sagen, der nickt und sagt »Ja, ja!«, dann fragen Sie doch noch mal modifiziert nach, ob er entsprechende Aussage auch wirklich verstanden hat. Sie werden feststellen, dass er Sie moglicherweise nicht richtig verstanden hat - vielleicht auch nur aus dem einfachen Grund, weil wir in unserer Sprache mit Fachbegriffen umgehen, die unseren Partnern nicht so gelaufig sind, die vielfach autodidaktisch mehr das Umgangssprachliche von Touristen gelernt haben und sich nicht eingestehen wollen oder konnen: »Nein, ich habe es nicht verstanden! Kann man das irgendwie anders erklaren?« Hinterher treten haufig die Probleme auf. Wenn man diesbeziiglich Bescheid weiE, dann kann man darauf eingehen." (RV_D_05, S. 10)
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
199
Die Implementation einer bilateralen Zusammenarbeit erfordert in der Regei nicht nur, dass die Leitungsebene ein erfolgreiches handling praktiziert, sondern dass moglichst alle relevanten Akteure ihrer Aufgabe entsprechend reiissieren. Viele arabische Unternehmen zeichnen sich nicht nur dutch eine ausgesprochene FamiUengebundenheit aus (vgl. Kapitel VIII. 10), sondern auch dutch eine vergleichsweise statke Hietatchiegebundenheit, die haufig einen pattiatchahschen Fiihrungsstil impUziett. Von den untetgeotdneten Akteuten witd - im Sinne einer dirigistischen top-down-WdLlx-xxn^ - etwattet, dass sie in etstet Linie gettofFene Beschliisse befolgen und ausfiihten (vgl. MACHARZINA 1999 und DULFER 2001). Im nachfolgenden Zitat einet deutschen Geschaftsfiihtetin witd deutlich, dass die Implementation det Koopetation mit dem marokkanischen Partneruntetnehmen zunachst davon geptagt wat, dass zwat die Leitungsebene reiissierte, nicht jedoch die untetgeotdneten Ebenen: „Es war dann ein etwas miihseliger Prozess, die Firma [das Kooperationsunternehmen, Anm. d. Verf.] in kurzer Zeit auf die steigenden Anforderungen von unserer Seite einzustimmen. Die mussten in ganz kurzer Zeit ihr Personal total auf unser Tempo, unser Know-how und unsere requirements vom deutschen Markt einstellen - und das ist natiirlich nicht ohne weiteres moglich! Der Chef und eine fixhrende Mitarbeiterin haben die Dinge sehr schnell internalisiert, aber sie konnen selbstverstandlich, wenn sie viel Geschaft bringen, nicht nur mit zwei Personen arbeiten. Also mussten Nachwuchskrafte geschult werden und da waren die grofitenteils iiberfordert." (RV_D_16, S. 3) In diesem Kontext etweist es sich auch als ein nicht zu untetschatzendet Nachteil, dass die Ausbildungsqualitat im Konigteich als vetgleichsweise diitftig gilt; ein Umstand, der auch immer wieder von Expertenseite moniert wird (vgl. Kapitel IX.4). Es bleibt abzuwarten, inwieweit die diesbeziiglich im Mastetplan von Mattakech anvisietten Refotmansatze eine Bessetung hetbeifiihten. Bevot im nachfolgenden Kapitel die bilatetale toutistische Angebotsgestaltung det an dieset Studie partizipierenden Untetnehmen vorgestellt wird, sei noch auf einen Aspekt hingewiesen, der ausschliefilich von einigen deutschen Gesptachspattnetinnen aufgeroUt wurde, namlich die gender-lhemmk. Diesbeziiglich ist untet andetem von zwei Ptoduktmanagerinnen zu verneh-
„Ich meine, ein Problem ist noch, wenn man auf deutscher Seite als Frau Entscheidungstrager ist und in der Regel mannliche Kooperationspartner hat. Das ist immer noch ein Problem, das muss man schon sagen. Man muss dann unter Umstanden auch klar machen, dass es eben keinen mannlichen Partner gibt, der diesen Part (ibernehmen konnte, weil viele Marokkaner immer noch ein bisschen dazu tendieren, eine Frau nicht so ernst zu nehmen wie einen Mann." (RV_D_04, S. 18) „Bei einigen Leistungstragern mannlichen Geschlechts muss ich immer wieder feststellen, dass es oftmals nur durch die Zusammenarbeit geduldet wird, dass sie eine Frau sind!" (RV_D_24, S. 18)
200
Kapitel VIII
Die vorangegangenen Zitate spiegeln Erfahrungen wider, die aileine schon deshalb zum Nachdenken anregen, wenn man bedenkt, dass gerade in der Tourismusbranche der Anteil an Frauen in Fiihrungspositionen iiberproportional hoch ist (vgl. auch Kapitel VIII. 10). Ungeachtet aller Modernisierungstendenzen in den letzten Jahren wird in dem hier relevanten Raum nach wie vor ein vergleichsweise traditionelles Frauenbild gepflegt, das primar religi5sen respektive patriarchalischen Werten verpflichtet ist (vgl. MOSER-WEITHMANN 1999a/1999b). Wahrend ein Grofiteil der Akteure im arabischen Raum Angst vor der Moderne und ihrer Implikationen empfindet, sehen viele Frauen in ihr eine Moglichkeit, sich ein Stiick v^eit zu emanzipieren und die Fesseln der Tradition abzustreifen. Die bedeutende marokkanische Soziologin MERNissi (2002, S. 200) konstatiert in diesem Zusammenhang: „Die arabischen Frauen haben vor der Moderne keine Angst, weil sie eine unverhoffte Gelegenheit bietet, etwas anderes als die erdriickende Tradition aufeubauen. Sie haben es eilig, an neue Ufer zu kommen, wo Freiheit moglich ist. Seit Jahrhunderten haben sie, eingesperrt und maskiert, davon gesungen, aber niemand hat zugehort." Selbstverstandlich sind Dinge im Fluss, wobei sich gerade in Hinblick auf diese Thematik in den letzten Jahren einige Reformvorhaben abgezeichnet haben, die allerdings nicht immer von Erfolg gekront waren. So musste eine unter Konig Muhammad VI. auf den parlamentarischen Weg gebrachte Reform des Familienrechts, die auch positive Auswirkungen auf die juristische Stellung der Frau im Konigreich gehabt hatte, aufgeschoben werden, da man seitens der Regierung eine Spaltung der Gesellschaft befiirchtete (vgl. PERTHES 2002).
VIIL5
Unser Produkt
- D i e bilaterale touristische Angebotsgestaltung
Die zentrale Aufgabe von Reiseveranstaltern basiert auf der Zusammenstellung verschiedener Teilleistungen zu einem Produkt, das man landlaufig als Pauschalreise bezeichnet. Diese besteht - in Anlehnung an YALE (1995) und FREYER (2001) - gewohnlich aus den Elementen Transport beziehungsweise Transfer, Ubernachtung und Verpflegung sowie Reisebetreuung beziehungsweise Reiseleitung. Das entsprechend kreierte Dienstleistungspaket wird in der Regel als Einheit iiber einen Gesamtpreis vermarktet, so dass die Preise der einzelnen Teilleistungen fiir den Kunden nicht mehr identifizierbar sind. Dabei spielt, wie das nachfolgende Zitat von HoLLOWAY (2002, S. 236) deudich macht, traditionell der Faktor Preis eine zentrale RoUe: „The success of the operator has usually depended on its ability to buy its individual products, put them together and sell them at an inclusive price lower than the customers could obtain themselves." Letztendlich handelt es sich bei einer Pauschalreise immer um ein intangibles Produkt, das sich dem Kunden erst auf der Reise erschlieEt, wobei vor der konkreten Reiseerfahrung die haufig idealisierte Urlaubswelt der Reisebroschiiren steht. YALE (1995, S. 6) konstatiert in diesem Zusammenhang: „It is an intangible product that must be bought ,blind' because it cannot be seen, touched or experienced by the purchaser before consumption. Instead, tour operators prepare brochures which represent their products in words and pictures. The consumer makes his/her
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
201
purchase on the basis of these words and pictures, supplemented with advice from either the tour operator or a travel agent. Inevitably words and pictures cannot give a complete impression of how any one particular client will experience the product, so sellers of travel products are often described as ,selling dreams'." Die nachfolgenden Ausfiihrungen greifen die touristische Angebotsgestaltung der kooperierenden Reiseveranstalter aus Deutschland und Marokko auf und nehmen in diesem Kontext auch immer wieder Bezug auf die oben erwahnten Elemente einer Pauschalreise. Dabei soil nicht zuletzt transparent werden, in wessen Verantwortungsbereich die zentralen Aspekte einer touristischen Angebotsgestaltung fallen und welche Vor- beziehungsweise Nachteile mit einer entsprechenden Aufgabenverteilung verbunden sind. Werfen wir zunachst einen Blick auf die in den bilateralen Kooperationen offerierten Reisesparten: Abb. 21: Offerierte Reisesparten in den bilateralen Kooperationen (Mehrfachnennungen moglich)
Quelle: Eigene Erhebungen Bei den an dieser Studie partizipierenden deutschen Reiseveranstaltern dominieren in den bilateralen Kooperationen die Studienreisen mit 90 Prozent. Dieses Ergebnis ist nicht zuletzt darauf zuriickzufiihren, dass Marokko - insbesondere im Vergleich mit der wichtigsten maghrebinischen Konkurrenzdestination Tunesien - seit der ersten Halfte des 20. Jahrhunderts als ein klassisches Ziel fiir Kulturreisen gilt. Es folgen mit jeweils 40 Prozent die Sparten Stadte- beziehungsweise Sport- und Erlebnisreisen. Letztere haben sich seit den 1990er Jahren vor dem Hintergrund einer forcierten thematischen und regionalen Diversifizierung des touristischen Angebots zu interessanten Alternativen fiir den stationaren Badetourismus entwickelt. Die Sparte Incentive, Kongresse und Tagungen belegt bei den deutschen Reiseveranstaltern mit 20 Prozent den letzten Rang, wahrend sie auf marokkanischer Seite - gemeinsam mit den Stadtereisen - eine Spitzenposition (63,3 Prozent) einnimmt. Zur Zeit der Befragungen im Jahr 2000 respektive in der ersten Halfte von 2001 erlebte diese Tourismussparte einen regelrechten Boom. Die wirtschaftliche Lage erlaubte es zahlreichen auslandischen Unternehmen,
202
Kapitel VIII
entsprechende Veranstaltungen in Marokko abzuhalten, zudem waren noch nicht die Folgen der terroristischen Anschlage vom 11. September 2001 zu spiiren. Bezeichnenderweise erreicht auch auf marokkanischer Seite der Badetourismus nur einen hinteren Rang (43,3 Prozent); ein Umstand, der einmal mehr den Riickschluss zulasst, dass diese Reisesparte in den bilateralen Kooperationen keine allzu grofie Attraktivitat genieEt. Wie gestaltet sich bei den kooperierenden deutschen und marokkanischen Veranstaltern die ErschlieEung des Dienstleistungspakets Pauschalreise? In wessen Verantwortungsbereich fallen die entsprechenden Teilleistungen? Abb. 22: Verantwortungsbereiche im Kontext der touristischen Angebotsgestaltung
* Abweichungen von 100% sind rundungsbedingt
Quelle: Eigene Erhebungen Die Teilleistungen Ausarbeitung der Routengestaltung sowie Auswahl der Beherbergungs- und Restaurationsbetriebe fallen mit 45 Prozent beziehungsweise 43,4 Prozent mehrheitlich unter eine gemeinsame Verantwortung. Bei der Auswahl der Transportmittel dominieren mit 58,3 Prozent die marokkanischen Unternehmen, wahrend sich die deutschen Reiseveranstalter mit 65 Prozent primar fiir die Konzeption und Gestaltung der Broschiiren verantwortlich zeichnen. Die Dominanz der marokkanischen Unternehmen bei der Auswahl der Transportmittel ist vor allem auf zwei Faktoren zuriickzufiihren: einerseits auf einschlagige Terrainkenntnisse, andererseits auf das haufige Vorhandensein eines eigenen Fuhrparks, so dass auch kein weiterer Dienstleister mehr einbezogen werden muss. Die Konzeption und Gestaltung der Broschiiren fallt traditionell meistens in den Verantwortungsbereich der Reiseveranstalter aus den Quellmarkten, jedoch greift man seit einigen Jahren verstarkt auf die Mithilfe der kooperierenden Incoming-Agenturen zuriick. In diesem Fall zeichnen sich die entsprechenden Agenturen in erster Linie fiir das Photomaterial verantwortlich. Als zentrale Visitenkarten einer Pauschalreise erfolgen die Ausarbeitung der Routengestaltung sowie die Auswahl der Beherbergungs- und Restaurationsbetriebe in der Regel in enger Abstimmung zwischen den jeweiligen Partnern. Dies ist durchaus plausibel, da die Reiseveranstalter aus den Quellmarkten am besten mit den Wiinschen ihrer Klientel vertraut sind, wahrend die Incoming-Agenturen iiber entsprechende Terrainkenntnisse verfiigen, die touristische Infrastruktur kennen sowie im Idealfall eine enge
Biiaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
203
Vernetzung mit den relevanten touristischen Akteuren vor On aufweisen. Die nachfolgenden Zitate vermitteln einen Einblick, wie die biiaterale touristische Angebotsgestaltung von den Reprasentanten aus den deutschen und marokkanischen Unternehmen eingeschatzt wird. Beginnen wir zunachst mit dem Produktmanager eines deutschen Reiseveranstalters, der sich auf Trekkingreisen spezialisiert hat. In diesem Fall unterliegt die touristische Angebotsgestaltung in alien vier Teilbereichen einer gemeinsamen Verantwortung; ein Umstand, der vom Gesprachspartner wie folgt kommentiert wird: „Die Vorteile sind eindeutig, denn wir nutzen beide unser jeweiliges Know-how: Wir kennen die Kunden und er [der marokkanische Kooperationspartner, Anm. d. Verf.] kennt das Land. Wir tun unser Wissen zusammen und daraus entsteht ein Produkt, das machbar ist und zu unseren Kunden passt. Ich glaube, das trifft auf alle vier Punkte [der touristischen Angebotsgestaltung, Anm. d. Verf] zu." (RV_D_09, S. 4) Die spezifische Beschrankung auf die jeweiligen Kompetenzen als zentrale Basis fur einen gemeinsamen Erfolg in der bilateralen Zusammenarbeit wird auch immer wieder von marokkanischer Seite angefiihrt. Vor diesem Hintergrund sind auch die Aussagen zweier Geschaftsfiihrer zu sehen, die zwei mittelstandische Incoming-Agenturen vertreten: „Les avantages du partage des taches sont les suivants: Moi, je connais tres bien mon pays, les Allemands connaissent tres bien leurs clients et ensemble nous essayons de realiser un bon rapport qualite-prix et un programme plus ou moins complet." (RV_M_09, S. 3) „Pour moi, tout est partage: J'apporte une connaissance du terrain et X [Vorname des Geschaftsfiihrers, der das deutsche Kooperationsunternehmen vertritt, Anm. d. Verf] m'apporte la connaissance du client." (RV_M_22, S. 4) Selbst wenn im Rahmen einer bilateralen Kooperation die einzelnen Teilleistungen einer gemeinsamen Verantwortung unterliegen, so darf man sich als deutscher Reiseveranstalter nicht dariiber hinwegtauschen, dass es im Sinne des deutschen Reisevertragsrechts keine geteilte Verantwortung gibt. Diesbeziiglich konstatiert der Geschaftsfiihrer eines mittelstandischen deutschen Reiseveranstalters, der sich auf exklusive Studienreisen spezialisiert hat: „Man muss grundsatzlich sagen, dass das deutsche Reisevertragsrecht keine geteilte Verantwortung kennt. Letztendlich sind wir unserem Kunden gegeniiber verantwortlich, und diese Verantwortung konnen wir auch nicht delegieren. Also, letztlich ist es so, dass der deutsche Veranstalter seinen Kunden gegeniiber die voile Verantwortung zu tragen hat. Von daher stehen wir bei all diesen Dingen in der Verantwortung, und wir versuchen, diese Dinge entsprechend mitzubestim-
204
Kapitel VIII
men - zumindest da, wo wir es konnen. In Dingen, in denen wir das nicht konnen, verlassen wir uns natiirlich auf den Rat der Agentur, von der wir ja Ortskenntnis erwarten. Dies ist letztendlich auch der Grund dafiir, weshalb wir mit der Agentur zusammenarbeiten, um eben die lokalen Besonderheiten beriicksichtigen zu konnen." (RV_D_12, S.2) Selbstredend gewinnt diese Thematik vor allem im Rahmen des Beschwerdemanagements an Brisanz, da in diesem Kontext mitunter materielle beziehungsweise finanzielle Belange zu regeln sind (vgl. Kapitel VIII.7). Stichwort Finanzen: Nicht jeder Gesprachspartner verbindet mit der bilateralen touristischen Angebotsgestaltung eine Produkt- beziehungsweise Dienstleistungsoptimierung. So riickt beispielsweise der nachfolgende Akteur eines mittelstandischen Pauschalreiseveranstalters, der vor einigen Jahren vor dem Hintergrund verstarkter Konzentrationstendenzen von einem deutschen global player iibernommen wiirde, finanzielle Aspekte in den Mittelpunkt seiner Ausfiihrungen: „Wir versuchen, moglichst viele Aufgaben ins Zielgebiet zu iibertragen, weil das preisgiinstiger ist."
(RV_D_25, S. 7) Angesichts des immensen Drucks, Kosten einzusparen und gleichzeitig ein Produkt anbieten zu konnen, das sich im Fall von Pauschalreisen traditionell iiber den Faktor Preis verkauft (vgl. HoLLOWAY 2002), w^ird diese Form der Aufgabenverteilung zukiinftig noch verstarkt an Bedeutung gewinnen. Reiseveranstalter, denen - w^ie vor allem Studienreiseveranstaltern - in Hinblick auf die offerierte Produkt- beziehungsw^eise Dienstleistungsqualitat ein besonders guter Ruf vorauseilt, diirften aber trotzdem nicht umhinkommen, im Rahmen ihrer bilateralen touristischen Angebotsgestaltung eine gewisse Kontrolle auszuiiben, um bestimmten Qualitatsanspriichen gerecht zu werden. Dieser Aspekt gilt natiirlich insbesondere bei der Ausw^ahl der Beherbergungs- und Restaurationsbetriebe, die zu den klassischen Aushangeschildern einer Reise zahlen. In diesem Zusammenhang vermerkt die Mitarbeiterin eines Studienreiseveranstalters: „Ich sage mal so: Die Vorteile sind immer da, wenn man moglichst viel Kontrolle hat! Wenn man Kontrolle iiber ein Produkt hat, dann ist man sicherer im Verkauf, und man kann die Qualitat kontrollieren. Das ist sehr wichtig, wobei sie nicht standig kontroUieren konnen, ob das Hotel auch gut arbeitet. Wenn dies nicht mehr der Fall sein sollte und es vermehrt zu Beschwerden kommt, dann mussen sie in Zukunft das Hotel wechseln. Aber es ist schon wichtig, das Gros der Kontrolle iiber das Produkt zu haben. Also, wir wiirden die Kontrolle nie vollig aus der Hand geben. Wir wiirden nie sagen, wir wollen drei bis vier Sterne Hotels, unser Partner soil das machen. Das wiirden wir nie machen, weil das zu riskant ist und wir schlief^lich in Bezug auf die Kunden haften. Wir verkaufen letztendlich dem Kunden unsere Expertise, da mussen wir uns auf uns verlassen konnen und nicht ausschlief^lich auf den Partner." (RV_D_04, S. 5 f)
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
205
Auch in dieser Aussage wird indirekt die Haftungsproblematik des deutschen Reisevertragsrechts angesprochen, das letztendlich fiir deutsche Reiseveranstalter bindend ist. Vor diesem Hintergrund kann man auch verstehen, warum die entsprechende Gesprachspartnerin dem Kontroilaspekt einen derart grofien Stellenwert einraumt. Es ware jedoch sicherlich zu einseitig, Kontrolle in einer biiateralen Kooperation ausschliefiiich mit Misstrauen in Verbindung bringen zu wolien (vgl. auch Kapitel IV. 1). Wie das nachfolgende Zitat eines deutschen Produktmanagers zeigt, kann gerade bei der konkreten Zusammenstellung der einzelnen Teilleistungen zur Pauschalreise die Mithilfe eines ausiandischen Partners ausgesprochen hilfreich sein: „Ich sage, ich schiebe lieber den marokkanischen Kooperationspartner vor. Ich gehe mit, ich verhandele selbstverstandlich mit, aber ich mochte immer einen Marokkaner mit dabei haben. Meiner Ansicht nach ist es namlich - wenn man die Aspekte Kultur und Mentalitat einbezieht - auch fiir einen lokalen Hotelier, der versucht, mit auslandischen Reiseveranstaltern ins Geschaft zu kommen, ieichter, wenn ein marokkanischer Agent mitkommt und sagt: »Ich vertrete diese Firma.«, als wenn da einer ankommt und sagt: »Halio, ich bin der Soundso, und ich mochte jetzt mit Ihnen arbeiten.« So ist es nun auch mal wieder nicht!" (RV_D_12, S. 4) Wie dieses Beispiel aufeeigt, kann eine Incoming-Agentur gezielt als gate-opener zwischen auslandischen Reiseveranstaltern und den entsprechenden touristischen Akteuren vor Ort fungieren. Dieser Aspekt ist vor allem dann von Relevanz, wenn es um die Realisierung von Netzwerken geht, die insbesondere fiir kleine und mittlere touristische Unternehmen immer wichtiger werden, um die Nachteile der Kleinstrukturierung zu iiberwinden, ohne dabei die Eigenstandigkeit zu verlieren (vgl. PECHLANER/RAICH 2004). Wie die vorangegangenen Ausfiihrungen deutlich gemacht haben, lebt eine bilaterale Angebotsgestaltung nicht zuletzt davon, dass die vor Ort ansassigen Incoming-Agenturen ihre regionale Kompetenz in die grenziiberschreitende Zusammenarbeit einbringen. Gleichwohl soUte man erwarten, dass auch seitens der Reiseveranstalter aus den Quellmarkten eine gewisse regionale Kompetenz mitgebracht wird. OfFensichtlich lasst diese jedoch, wie das nachfolgende Zitat eines marokkanischen Geschaftsfiihrers zeigt, gelegentlich zu wiinschen iibrig: „Parfois le partenaire n'est pas un vrai connaisseur des sites touristiques du Maroc et il impose des itineraires que nous ne pouvons pas realiser, et pour nous, c'est tres difficile de le convaincre que ce qu'il demande est irrealisable." (RV_M_28, S. 1) Es versteht sich von selbst, dass die im Zitat angesprochene Problematik eine Belastung fiir eine bilaterale Zusammenarbeit darstellen kann. Diese muss jedoch nicht immer unbedingt das Resultat einer unzureichenden Kenntnis der Destination seitens des auslandischen counterparts
206
Kapitel VIII
sein. So kommt es mitunter vor, dass dieser vor dem Hintergrund einer forcierten Kundenorientierung nur den entsprechenden Kundenwunsch an das Kooperationsunternehmen weiterleitet. In diesem Kontext gilt es, dem Kunden in enger Absprache mit dem Kooperationspartner ein Angebot zu unterbreiten, das nicht nur den Gegebenheiten der Destination, sondern auch den Wunschen des Kunden gerecht wird.
VIII.6
An der Schnittstelle
- Interkultureller Mediator Reiseleiter
Angesichts ihrer herausragenden Stellung, die Reiseleiter als Scharnier zwischen Veranstaltern, Incoming-Agenturen und Reiseteilnehmern einnehmen sowie eingedenk ihrer interkulturellen Mediatorenrolle, ist es angebracht, deren Position im bilateralen Kooperationsgeschehen naher zu beleuchten. Wie bereits in Kapitel IV,4 deutlich wurde, setzen Reiseleiter im Idealfall die Unternehmensphilosophie vor Ort in die Tat um. Hinzu kommt, dass Marokko seit der Kolonialzeit ein klassisches Ziel fiir Studienreisen ist (vgl. WEISS 1998); ein Faktum, das selbstredend fiir vielfaltige Einsatzmoglichkeiten dieser Berufsgruppe im Konigreich sorgt. Gleichwohl gehorte es bei so manchem Vertreter aus der Tourismusbranche iiber Jahre hinweg zum guten Ton, einen Abgesang auf das Produkt Studienreise anzustimmen. Dies lag unter anderem daran, dass Studienreisen bis vor nicht allzu langer Zeit ein vergleichsv^eise zv^eifelhaftes Image anhaftete: Etikettierungen wie ,verstaubt', ,studienratmafiig' oder ,Trummertour' legen ein wenig schmeichelhaftes Zeugnis ab und sind alles andere als forderlich, um das entsprechende Produkt zu vermarkten. Vor dem Hintergrund sich standig wandelnder Ersvartungen und Anspriiche von Kundenseite wurde jedoch auch sukzessive das Produkt Studienreise weiterentwickelt. Dabei geht der Entwicklungstrend verstarkt zu maEgeschneiderten Angeboten fiir immer speziellere Kundenkreise. Die Konsequenz ist eine ausgesprochene Differenzierung respektive Individualisierung des Angebots. So mancher Reiseveranstalter subsumiert heute unter dem Oberbegriff Studienreise touristische Angebote, die kaum mehr etwas mit der traditionellen Perzeption von Studienreise zu tun haben, wobei auch zunehmend jiingere und bislang vernachlassigte Kundenkreise angesprochen werden. DIETSCH (2003, S. 139) umschreibt das gewandelte Produkt Studienreise wie folgt: „Die moderne Studienreise ist alles andere als eine entriimpelte Triimmertour. Sie beruht auf einem ganz eigenen Konzept, in dessen Mittelpunkt nicht mehr die Ruinen vergangener Kulturen stehen, sondern die Vermittlung des Hier und Heute, dessen Wurzeln allerdings tief in die Vergangenheit zuruckgreifen. Von der wahrgenommenen, erlebten Gegenwart aus zieht der Reiseleiter die Verbindungslinien in die Vergangenheit und verkniipft damit klassische Themen und Sehenswiirdigkeiten mit ihrem gegenwartigen Kontext zu einer neuen Aktualitat. Die moderne Studienreise braucht deshalb den »Professional« als Reiseleiter." Welchen Stellenwert die befragten Akteure aus den deutschen und marokkanischen Tourismusunternehmen dieser Berufsgruppe einraumen, sollen die nachfolgenden Ausfiihrungen transpa-
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
207
rent machen. Mit Bezug auf das konzeptionelle Selbstverstandnis der vorliegenden Arbeit liegt der Schwerpunkt der Ausfiihrungen auf interkulturellen Aspekten. Beginnen wir zunachst mit dem Geschaftsfiihrer eines Nischenveranstakers, der sich seit Jahren auf Verbandsebene fiir eine Professionalisierung der Reiseleiterausbildung in Deutschland engagiert: „Die Reiseleiter sind - nicht nur im Marokkogeschaft, sondern letztendlich bei alien Reisen - wichtiger als alles andere. Ich kann eine Reise mit fiinf schlechten Hotels durchfuhren, wenn ich dann einen guten Reiseleiter habe, der die Notwendigkeit der schlechten Hotels vermittelt, wird die Reise trotzdem ein Erfolg sein. Habe ich umgekehrt top Hotels und einen schlechten Reiseleiter, so wird die Reise im Bewusstsein der Kunden danebengehen. Die Wichtigkeit der Reiseleiter ist, glaube ich, von manchen Veranstaltern noch gar nicht in ihrer eigentlichen Bedeutung erkannt worden. Wir nehmen Einfluss auf die Auswahl der Reiseleiter, eben weil dieser Punkt von zentraler Bedeutung ist. (...) Und ich staune immer wieder, wenn ich so mitbekomme, dass sich Reiseveranstalter in so manchen Landern darauf einlassen: »Heute haben wir den Reiseleiter, morgen kommt der und iibermorgen der.« Das sind Dinge, die vertragen sich nicht mit einer Studienreise." (RV_D_07, S. 3) Wie kaum ein Zweiter der befragten Interviev^partner hat dieser Geschaftsfiihrer internalisiert, dass der Reiseleiter letztendlich die zentrale Schliisselfigur bei der Umsetzung der Unternehmensphilosophie im Ausland ist: „Der Reiseleiter ist der Reprasentant, er vertritt ja uns vor den Kunden. Die Kunden sehen in ihm den Vertreter unserer Firma und nicht den Soundso. Die Leute kommen zuriick und das Erste, was sie sagen, ist: »Der Reiseleiter war gut oder schlecht!« Wenn der Reiseleiter gut war, dann kann man den Leuten gelegentlich auch den einen oder anderen Programmpunkt zumuten, der im ersten Moment beschwerlich erscheint und erst moglicherweise spater - wenn er absolviert wurde - als kleines Highlight wahrgenommen wird. Und wenn der Reiseleiter schlecht ist, sinkt auch die Bereitschaft der Leute, bestimmte Dinge mitzumachen." (RV_D_07, S. 4) Das Zitat unterstreicht die Visitenkartenfunktion von Reiseleitern im Bew^usstsein der Kunden. Insbesondere im Kontext von Beschwerden w^erden Reiseleiter von Kundenseite haufig als erste Ansprechpartner betrachtet. Dieser Umstand hat in den letzten Jahren noch einmal zusatzlich an Relevanz gevs^onnen, da sich bei den meisten Reiseveranstaltern vor dem Hintergrund einer forcierten Kundenorientierung eine Beschw^erdelosung en route durchgesetzt hat (vgl. Kapitel IV. 3). Reiseleiter konnen in diesem Fall - gerade bei finanziellen Anspriichen - nicht nur als Vermittler zwischen Kunden und Reiseveranstaltern, sondern auch zwischen Reiseveranstaltern und Incoming-Agenturen fiingieren. Selbst vv^enn keine Kundenbeschv^erden auftauchen, sind Veranstalter beziiglich einer kontinuierlichen QualitatskontroUe vor Ort auf Reiseleiter angewriesen.
208
Kapitel VIII
In zahlreichen Entwicklungslandern gibt es die Auflage, dass eine Rundreise nur von einem einheimischen Reiseleiter, dem so genannten local guide, begleitet werden darf. Ein verantwortungsbewusster Reiseveranstalter wird - nicht zuletzt aus interkulturellen Gesichtspunkten - kaum auf einen lokalen Reiseleiter verzichten wolien, sondern ihn, soweit wie moglich, in das Gesamtkonzept einbeziehen (vgl. KLINGENSTEIN/MUNDT 2000). Das nachfolgende Zitat zeigt exemplarisch, welche Anforderungen man von deutscher Seite an marokkanische local guides stellt und wie sich mitunter die Aufgabenverteilung gestalten kann: „Die erste Geschichte ist die, dass sie [die maroldcanischen local guides, Anm. d. Verf.] Deutsch spreclien und eben diese Lizenz besitzen, Reiseleiter zu sein; da gibt es ja so eine staatliche Lizenz. Das Zweite ist, dass wir bei den Rundreisen von unserer Seite immer noch einen deutschen Reiseleiter mitschicken, weil der deutsche und nicht der marokkanische Reiseleiter die Schnittstelle bilden soil. Der marokkanische Reiseleiter - aber auch das gilt wieder fiir fast alle Lander - sagt sich unter Umstanden: »Das ist jetzt eine Gruppe, die sehe ich nie wieder und jetzt ziehe ich meinen Streifen ab.« (...) Der deutsche Reiseleiter ist nicht primar dazu da, Fiihrungen zu machen, sondern er soil die Gruppe fiihren, die technische Abwicklung optimieren und darauf achten, dass keine Reibungsstellen entstehen. Der ist eigentlich fiir die Durchfuhrung des Programms in der ausgeschriebenen Form verantwortlich, er macht sozusagen das Zeitmanagement. (...) Wir schicken von uns keine Gruppe ohne eigenen Reiseleiter weg." (RV_D_26, S. 4) Um was fiir local guides handelt es sich, die die deutschsprachigen Gruppen in Marokko begleiten? Finder moglicherweise sogar eine interkulturelle Vorbereitung jener Mitarbeiter statt, die von marokkanischer Seite im tourist-host contact eingesetzt werden? Lassen wir diesbeziiglich einen marokkanischen Gesprachspartner zu Wort kommen, dessen Aussage weitgehend das handling von marokkanischer Seite hinsichtlich dieser Thematik widerspiegelt: „Generalement, nous exigeons des guides nationaux diplomes, qui possedent une tres grande experience avec les Allemands, mais nous n'assurons pas de formation ou de preparation interculturelle." (RV_M_03, S. 2) Von 30 befragten marokkanischen Akteuren gaben nur zehn Prozent an, fur Reiseleiter, die bei deutschen Gruppen eingesetzt werden, eine spezifische interkulturelle Schulungsmafinahme durchzufiihren. Im Verlauf der Gesprache modifizierten einige Interviewpartner ihre Aussagen dahin gehend, dass diese Schulungsmafinahmen nur bei ausgewahlten Gruppen - etwa im Incentivebereich - durchgefiihrt werden und nicht generell stattfinden. Die entscheidenden Kriterien fiir die Einstellung als local guide sind letztendlich der Besitz eines staatlich anerkannten Reiseleiterzertifikats sowie sprachliche skills, um angemessen landerkundliche Spezifika vermitteln zu konnen (vgl. in diesem Kontext auch ISENBERG 2003 und KARGER 2003).
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
209
Auf Seiten der 30 deutschen Reiseveranstalter ergibt sich ein gespiegeltes Bild. Auch hier fiihren nur drei Unternehmen eine interkulturelle Vorbereitung ihrer Reiseleiter durch, wobei man vielfach, wie nachfolgendes Zitat aufzeigt, auf die Eigeninitiative der entsprechenden Mitarbeiter setzt: „Eine gezielte interkulturelle Vorbereitung gibt es nicht. Man erwartet allerdings, dass derjenige, der als Reiseleiter zum Einsatz kommt, sich im interkulturellen Bereich so gebildet hat, dass er im EndefFekt beide Kulturbereiche gut kennt und entsprechende Verkniipfungen herstellen kann." (RV_D_17, S. 4) Von den drei deutschen Reiseveranstaltern, die eine interkulturelle Vorbereitung durchfuhren, haben zwei diese Mafinahme im Rahmen ihrer Einarbeitungsphase fiir die zukiinfitigen Reiseleiter implementiert. Der dritte Veranstalter bildet wahrend seiner jahrlich stattfindenden Reiseleiterschulungen spezifische Arbeitsgruppen: „Wir fiihren jahrlich eine zwei- bis dreitagige Reiseleiterschulung durch, auf der immer spezielle interkulturelle Arbeitsgruppen gebildet werden, sprich, es gibt beispielsweise eine islamische oder eine buddhistische Arbeitsgruppe." (RV_D_20, S. 5) In diesen interkulturellen Arbeitsgruppen findet nicht nur ein Erfahrungsaustausch der Mitarbeiter statt, sondern man ladt mitunter auch Experten ein, die ein ausgepragtes interkulturelles Profil aufweisen. Letztendlich behalten diese Ma6nahmen aber einen weitgehend singularen Charakter. Fiir Reiseveranstalter, die Rundreisen anbieten, stellt sich grundsatzlich die Frage, ob sie die Verantwortung zu deren Durchfiihrung auf einen klassischen Studienreiseleiter oder auf einen local guide iibertragen soUen, wobei es - wie bereits an anderer Stelle erwahnt wurde - im Idealfall zum Einsatz beider kommt. Fiir jene Reiseveranstalter, die sich ausschliefilich fiir einen ortlichen Fiihrer entschieden haben, gibt es, wie die folgenden drei Zitate deutlich machen, primar zwei unterschiedliche Griinde: „Wir haben, was Marokko betrifft, nur ortliche Reiseleiter. Das ist natiirlich ein Kostenfaktor! Die Reiseleiter in Marokko sind wesentlich giinstiger als wenn ich noch einen Deutschen einfliegen miisste." (RV_D_03, S. 8) Neben diesem finanziellen Aspekt wurde als weiterer Grund ein Aspekt genannt, der dezidiert eine interkulturelle Dimension aufweist: „Das ist die Meinung von X [eines grofien deutschen Studienreiseveranstalters, der konsequent auf den Einsatz von local guides verzichtet, Anm. d. Verf ]. Ich kann Ihnen aber auch sagen, dass
210
KapitelVIII
dieser X-Reiseleiter seine Sachen immer aus deutscher Sicht erzahlen wird. Die deutsche Perspektive interessiert mich aber nicht. Ich will das Land kennen lernen, indem ich mit den Augen eines Marokkaners gefiihrt werde. (...) Das hat fiir mich einen viel hoheren Stellenwert als wieder irgendein Doktor, der mich zwei Wochen durch Marokko zieht. Wie steht der zum Islam? Der kann so stehen, so stehen und so stehen! Ich will aber sehen, wie der Marokkaner zum Islam steht. Trinkt er etwas wahrend des Tages im Ramadan oder trinkt er nichts? Was macht er? Oder trinkt er nur etwas, wenn ihn keiner sieht?" (RV_D_17, S. 9) Ahnlich, wenn auch deutlich drastischer, argumentiert foigender Gesprachspartner, der sich wie k a u m ein zweiter Veranstalter zugute halt, interkuiturelle Gesichtspunkte bei seinem Prod u k t zu beriicksichtigen: „Wir lehnen es ab, einen Eindringling [gemeint ist ein deutscher Reiseleiter, Anm. d. Verf.] als Medium zu nehmen, weil das als Entree zu dieser Welt nicht funktioniert. Das geht nur mit marokkanischen local guides: jeder spezialisiert auf seine Stadt, auf seine Region, auf sein Fachgebiet. Da gibt es, weif? Gott, genug! Warum sollen wir dann - wie X [ein bedeutender deutscher Studienreiseveranstalter, der nach Moglichkeit 2M^ local guides vtvzKzhttt, Anm. d. Verf.] es macht - einen Prof. Dr. Dr., der nur wieder tote Biicher verkauft, heranziehen? Nein! Kultur, behaupte ich, wird nirgendwo so lebendig behandelt wie im Maghreb, speziell in Marokko - vor allem dieser Kontrastreichtum! Wer kann den unserer Klientel besser nahe bringen als ein Marokkaner, der sich mit diesem identifiziert und der stolz darauf ist, diesen dem Besucher zu zeigen, zu erklaren? Das ist die Grundlage, warum fur uns nur marokkanische Reiseleiter in Frage kommen." (RV_D_02, S. 12) Diese ausgesprochen positiven Einschatzungen von local guides werden keineswegs von alien Akteuren aus den deutschen Kooperationsunternehmen geteilt. Insbesondere jene Gesprachspartner, die hoch spezialisierte Nischenveranstalter vertreten, berichten i m m e r wieder von negativen Erlebnissen mit einheimischen Flihrern. Als zentrales Problem kristallisierte sich in diesem Z u s a m m e n h a n g haufig der so genannte ,Basartourismus' heraus: „Das ist jetzt ein typisch marokkanisches Problem! Dieses Problem taucht immer wieder auf, dass Reiseleiter Touristen in diesen Provisionsgeschaften abzocken wollen. Und das ist nirgendwo auf dieser Welt so schlimm wie in Marokko. Da sind wir uns als Veranstalter alle einig. Wir haben auch schon alles Mogliche versucht, um das zu andern - sprich hohere Gehalter - , aber das reicht nicht, denn die Provisionen sind offensichtlich doch so hoch, dass das fiir die ganz wichtig ist. Also, wir haben schon marokkanische Reiseleiter abgelehnt, die miissen uns inzwischen immer genannt werden, wer da mitfahrt. Wir kennen die und sagen entweder »Ja« oder »Nein«. So, und dann liegt es eben auch am Geschick des deutschen Reiseleiters - und unsere Leute sind darauf ein bisschen vorbereitet - , dieses Problem in den Griff zu kriegen und die Einkaufstouren an den Tagesrand zu legen; etwa im Anschluss an das Abendessen, wenn das Programm erledigt ist. Dann kann jeder selbst entscheiden, ob er sich darauf einlasst oder nicht." (RV_D_26, S. 4)
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
211
Eine ahnliche Impression vermitteit die Produktmanagerin eines auf Kuiturreisen speziaiisierten Veranstalters, wobei die entsprechende Gesprachspartnerin in diesem Fall auch die Passivitat ihrer Kunden bedauert: „In Marokko haben wir immer wieder das Problem, dass die Leute in Geschafte geschleppt werden. Das ist der Eindruck, der entsteht, zum Teil wird es halt auch wirklich iibertrieben. (...) Die Leute haben teiiweise das Gefiihl, dass sie mitunter genotigt werden. Das Dumme ist dann, dass unsere Klientel vorwiegend alterer Natur ist und viele dann nicht den Mut aufbringen zu sagen: »Ich brauche nichts und mochte gehen.« Wir sagen zwar schon haufig zu den Kunden: »Horen Sie sich das an, das ist ja auch Kunsthandwerk, das hat auch mit der Kultur des Landes zu tun, aber Sie sind nicht verpflichtet, zu kaufen.« Viele fiihlen sich aber moralisch verpflichtet, kaufen und argern sich hinterher, dass sie iiberteuert eingekauft haben." (RV_D_04, S. 6) Den Reprasentanten marokkanischer Incoming-Agenturen ist diese Problematik durchaus bewusst, vielfach vertritt man in diesem Kontext jedoch den Standpunkt, dass es sich um ein systemimmanentes Phanomen handelt. Faktum ist, dass die meisten local guides ihre haufig als unzureichend empfundene Besoldung mittels Provisionen aufbessern. Die Geschaftsfiihrerin einer marokkanischen Incoming-Agentur, die sich auf den in der Kegel ausgesprochen hochpreisigen Incentivetourismus spezialisiert hat, lost diese Problematik nicht nur mittels einer besseren Bezahlung, sondern greift zudem auf eine vergleichsweise unkonventionelle Mafinahme zuriick: „Je ne prends que des guides qui ont une tres bonne reputation. Ce ne sont pas des guides qui sont devant les hotels et qui ne cherchent qu'a amener les touristes dans les bazars. Et puis, naturellement, il y a la question de la motivation des guides. Je les paie peut-etre le double des autres agences, mais je suis sur qu'ils font leur travail et qu'ils sont bien informes sur la region. J'interdis totalement aux guides d'emmener les touristes dans les bazars. L'an dernier par exemple, j'ai engage quelqu'un pour surveiller les guides." (RV_M_26, S. 2) Gelegentlich wurde von deutscher Seite bei marokkanischen local guides eine kaum ausgepragte Kritikfahigkeit - insbesondere im Kontext von Kundenbeschwerden - konstatiert. Bezeichnenderweise assoziierten gerade Gesprachspartnerinnen diesen Aspekt mit dem deutlich kulturell durchdrungenen ^^W^r-Aspekt (vgl. auch Kapitel VIIL4 und VIII. 10). In diesem Zusammenhang erzahlte die Produktmanagerin eines fiihrenden deutschen Pauschalreiseveranstalters folgende Begebenheit, die einen durchaus anekdotenhaften Charakter aufweist: „Manche marokkanische Fremdenfiihrer sind ja auch Mimosen, die sich schon mal schnell in ihrer Ehre gekrankt fuhlen. Einmal hatte sich vor einigen Jahren eine Kundin iiber ein paar Sachen beschwert - das war dann aber auch in Ordnung. Am Schluss, als der Fremdenfiihrer die Leute verabschiedete, iiberreichte er dieser Dame eine rote Rose und sagte: »So, damit Sie sich die in den X [derber Terminus, der umgangssprachlich fiir Anus benutzt wird, Anm. d. Ver£] stecken kon-
212
KapitelVIII
nen!« 1st das nicht der Wahn, ist das nicht der Wahn? [lautes Gelachter der Interviewpartnerin, Anm. d. Verf.] Die Kundin war fassungslos! Selbstandige, wesdiche Frauen ... solche Geschichten passieren immer Mai wieder!" (RV_D_24, S. 9 f.) Ein paar modifizierende Anmerkungen sind im Rahmen dieses Zitats angebracht, auch wenn es grundsatzlich schwierig ist, Begebenheiten zu interpretieren, die man nicht unmittelbar erlebt hat. Zunachst einmal gik festzuhaken, dass das Zitat keinerlei Auskunft dariiber gibt, in welcher Form und unter wekhen Rahmenbedingungen die Kritik seitens der Kundin vorgetragen wurde. Im Kontext von Beschwerden kommt hinzu, dass gerade die Quaktatswahrnehmung einer ausgepragten kukureUen Durchdringung unterliegt (vgl. MANG 1998). Eine Dienstleistung, die in unserer Kultur als unbefriedigend gilt, mag in einer anderen Kultur wesentlich besser eingeschatzt werden und umgekehrt. Der primar kukurspezifische gender-As^okx. darf an dieser Stelle auch nicht auEer Acht gelassen werden, gilt er dock in diesem Raum nach wie vor als ein ausgesprochen systemimmanentes Phanomen (vgl. MOSER-WEITHMANN 1999b und PERTHES 2002), das zurzeit allerdings deutkchen Transformationsprozessen unterliegt. Umgekehrt ist es ein ofFenes Geheimnis, dass europaischen Frauen - unter anderem aufgrund eines mitunter als allzu freiziigig empfundenen Verhakens - ein nicht selten ambivalenter Ruf vorauseik. Der renommierte Islamw^issenschaftler FiEiNE (1996, S. 36 f.) konstatiert in diesem Zusammenhang: „Der Ruf von Europaerinnen ist dagegen dutch viele Vorurteile bestimmt. In jiingster Zeit haben verschiedene Medien wie Film, Fernsehen und Video mit dazu beigetragen. So nahm in Marokko das Interesse an Deutschkursen nachweislich zu, als sich die Moglichkeit ergab, die Spatabendprogramme deutscher kommerzieller Fernsehsender zu empfangen. Die Vorstellung von den lockeren moralischen Vorstellungen und Praktiken von Deutschen, wie sie in den entsprechenden auch in Marokko gesehenen Softpornofilmen wiedergegeben werden, wirkt sich natiirkch auf Vorstellungen iiber Europaerinnen aus. Fiinzu kommt auch, daS die Kleidung von Urlaubern, die in islamischen Landern wie Agypten, Marokko, der Tiirkei oder Tunesien ein unbekiimmertes Strandleben vorfuhren, von vielen Einheimischen als Zeichen von mangelnder Moral angesehen wird. Man darf sich also nicht wundern, wenn Europaerinnen keinen guten Ruf haben und immer wieder in Schwierigkeiten kommen." Dieser einschlagige Ruf konnte sich unter Umstanden noch verstarken, da sich gerade die Maghreblander bei westlichen Sextouristinnen einer immer groEeren Beliebtheit erfreuen. Die in diesem Kapitel dargelegten Ausfiihrungen haben deutlich gemacht, welche eminent wichtige Rolle Reiseleiter als Scharnier zwischen Veranstakern, Incoming-Agenturen und Reiseteilnehmern im Tourismussystem spielen. Gerade im interkulturellen Kontext soUte der Erfolgsfaktor Reiseleiter keinesfalls unterschatzt werden. Letztendlich ist und bleibt der Reiseleiter der zentrale Ansprechpartner des Kunden in der bereisten Destination, der die Unternehmensphilosophie vor Ort in die Tat umsetzt. Bevor im nachfolgenden Kapitel das Beschwerdemanagement aus Veranstalterperspektive aufgerolk wird, sei abschlieEend ein Zitat angefiihrt, das noch einmal die herausragende Bedeutung dieser Berufsgruppe unterstreicht und zudem eine Briicke zum kommenden Kapitel baut:
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
213
„Insbesonclere bei einer Studienreise ist der guide ein ganz wichtiger Faktor, der auch - solke er schlecht sein - laut „Frankfurter Tabelle" mit 30 Prozent Reisepreisminderung angesetzt wird. Deshalb miissen sie gerade als Studienreiseveranstalter unheimlich auf diesen Aspekt achten. (...) Der Reiseleiter ist die Visitenkarte, die man wirklich schuien sollte!" (RV_D_04, S. 9)
VIII.7
Vom ewigen Norgler und vom Kunden als Konig - Das Beschwerdemanagement
Ist iiber diese Tliematik nicht bereits genug geschrieben worden? Was sagt man zudem nicht alles deutschen Touristen nach? Sie seien nicht nur Weltmeister im Reisen, sondern auch im Artikuheren von Beschwerden, ganz zu schweigen von den Glossen, die im eigenen Land iiber diese Thematik kolportiert v^erden (vgl. Kapitel IV.3). Hand aufs Herz: Hat nicht fast jeder von uns sein vermeintlich typisches Bild vom Beschwerdefuhrer im Kopf, das zwischen den Polen vom ewigen Norgler und vom Kunden als Konig changiert? Fast automatisch drangen sich die klassischen Stereotype auf, etwa vom Birkenstock tragenden Oberstudienrat, der sich iiber die Qualitat des Reiseleiters mokiert, oder vom bierbauchigen Wohlstandsbiirger, der seit etlichen Tagen emsig Photos vom Hotel knipst, um den noch ausstehenden Beschwerdebrief mit einschlagigem Beweismaterial zu untermauern. So viel zum vermeintlichen Klischee, doch wie gestaltet sich die entsprechende Thematik in den bilateralen Kooperationen? Mit v^elchen Beschwerden werden die kooperierenden Akteure konfrontiert, wie gestaltet sich das Beschwerdemanagement hinsichtlich der eingehenden Beschwerden beziehungsweise wie wird das entsprechende handling eingeschatzt? Das vorliegende Kapitel soil ausgewahlte Einblicke in diesen nicht zu unterschatzenden Erfolgsfaktor einer bilateralen Zusammenarbeit gewahren, wobei im Rahmen der folgenden Ausfiihrungen auch dezidiert die Perspektiven der zu dieser Thematik befragten Experten dargelegt werden. Zunachst einmal gilt festzuhalten, dass der Tourismus traditionell als eine Branche gilt, die besonders anfallig fiir Beschwerden ist. Dieser Umstand resultiert nicht zuletzt aus dem Produkt an sich. So konstatiert der Produktmanager eines groKen deutschen Pauschalreiseveranstakers: „Man darf eines nicht vergessen: Wir arbeiten im Tourismus ja nicht mit vorgefertigten Produkten. Wir verkaufen Vorstellungen, die ein Gast zwischen Buchung und eigentlicher Reise entwickelt und die sukzessive immer starker werden. Das heifit, wir verkaufen keine Kiihlschranke, bei denen ich sagen kann: »Schau, das rote Lampchen brennt, Dein Kiihlschrank ist nicht in Ordnung!« - Wir reden hier iiber Ambiente, wir reden iiber Essen, was sehr, sehr wichtige Aspekte sind, wir reden von kulturellen Hohepunkten, was auch ein Punkt ist, der in der Regel sehr subjektiv von unseren Gasten angegangen wird. Das hei£t, wir arbeiten eigentlich im schwierigsten Bereich iiberhaupt mit anderen Kulturen zusammen." (RV_D_22, S. 6)
214
KapitelVlII
Ein Experte, der seit etlichen Jahren im Bereich Beschwerdemanagement forscht und lehrt, antwortet auf meine Nachfrage, ob der Tourismus eine Branche darstelle, die besonders haufig von Beschwerden tangiert werde, wie folgt: „Ich denke schon! Wir miissen in diesem Fall sehen, dass wir ein Produkt mit auf^erordendich hohem involvement, von ganz besonderer Bedeutung haben: Die Werbung von den schonsten oder v^ichtigsten Tagen des Jahres stimmt ja. Nach meiner Einschatzung sind Reisen mit besonders hohen Erwartungen verkniipft, und es ist gesellschaftlich fast schon unzulassig, dass eine Reise scheitert. Man muss zuriickkommen und sagen: »Es war ganz toll!«" (EX_BM_06, S. 2) Spatestens seit HENNIG (1999b) wissen w^ir, dass die Kraft der Fiktion untrennbar mit unserer touristischen Wahrnehmung verbunden ist. Dabei sind es nicht nur die ,bunten Bilderwelten' von Reisefiihrern und Reisezeitschriften, die mit ihren pittoresken Photos einer imaginaren Geographie Vorschub leisten (vgl. SCHERLE 2001b und FREYER/SCHERLE 2003), sondern vielfach auch die verlogenen Fiochglanzprospekte von Reiseveranstaltern, die jedes Jabr unzahlige Menschen in die Feme schicken. Insofern tragt auch so mancher Reiseveranstalter Schuld fiir Beschwerden, namlich immer dann, w^enn eine bestimmte Leistung suggeriert wird, die dann aus Sicht des Kunden nicht eingehalten wird, da in dessen Wahrnehmung eine erhebiiche Diskrepanz zwischen Leistungserwartung und Leistungswahrnehmung besteht. Das nachfolgende Zitat von DREYER und BORN (2004, S. 242) greift die vorangegangenen Reflexionen auf und rundet sie ab: „Urlaub bedeutet Erhoiung, Entspannung und unvergessliche Erlebnisse. Es ist die schonste Zeit des Jahres. Weil Urlaub nicht unbegrenzt verfiigbar ist, ist diese Zeit aus Kundensicht ein kostbares Gut. Urlaub umzutauschen, falls dieser nicht nach Kundenwiinschen verlauft, ist kaum moglich. (...) Entscheidungen werden aufgrund von versprochenen Leistungen gefallt. Das im Katalog Versprochene stimmt allerdings oft nicht mit der Realitat iiberein." Auch wenn Beschwerden aus Unternehmensperspektive haufig nach wie vor eine negative Konnotation anhaftet, so hat sich seit geraumer Zeit die Erkenntnis durchgesetzt, dass entsprechende Unmutsartikulationen auch positive Seiten aufweisen. Gerade vor dem Hintergrund einer kaum zu leugnenden Marktsattigung, zunehmend anspruchsvollerer und kritischerer Kunden, einer vielfachen Austauschbarkeit der Angebote sowie einer verstarkten internationalen Konkurrenz werden Dienstleistungsqualitat, Kundenorientierung sowie ein auf customer care ausgerichtetes Beschwerdemanagement zu immer wichtigeren strategischen Erfolgsfaktoren. Eine konsequente Kundenorientierung und die damit anvisierte Kundenzufriedenheit bieten Unternehmen - neben entsprechenden Umsatzeffekten - zahlreiche Vorteile, so unter anderem Kostenreduzierungen, cross-selling-Effekte sowie seitens der Kunden eine sinkende Preissensitivitat und eine positive Mundpropaganda (vgl. Kapitel III.3). Bevor im Rahmen des vorliegenden Kapitels das interkulturelle Beschwerdemanagement und dessen Einschatzung durch die an dieser Studie partizipierenden Akteure vorgestellt werden.
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
215
gilt es, einen Blick auf die im Kontext des Marokkotourismus artikulierten Kundenbeschwerden zu werfen. Das Wissen um die Griinde von Kundenunzufriedenheit macht nicht nur auf mogliche Schwachstellen in der touristischen Angebotsgestaltung aufmerksam, sondern erlaubt mitunter auch Riickschliisse auf strukturelle Defizite in der Destination. Rund zwei Drittel der Beschwerdenennungen in den hier vorliegenden Kooperationen betreffen Unterkunft beziehungsweise Verpflegung. Damit stellt dieser Bereich den weitaus wichtigsten Faktor fiir Kundenunzufriedenheit dar. Insbesondere die Serviceorientierung in einigen marokkanischen Hotels bietet immer wieder Anlass fur Beschwerden. So konstatiert einer der befragten Experten, der gleichzeitig auch einen auf Event-Reisen spezialisierten Reiseveranstalter leitet: „Im Grunde genommen lebt die Serviceleistung in fast alien Hotels, die ich kenne, von der Improvisation und der Tagesform der Angestellten. (...) Die Erwartungshaltung des Touristen ist natiirlich eine ganz andere, das ist vollig klar. Wenn man einen gewissen Standard propagiert und publiziert, dann ist natiirlich, zumindest nach einem mitteleuropaischen Verstandnis, ein gewisser Erwartungshorizont da. Wird dem nicht entsprochen, dann ist schon einmal die erste Schwelle des Ankommlings dahin, weitere Improvisationskiinste, die viele Marokkaner ja unbestritten besitzen, zu tolerieren." (EX_D_07, S. 2 £) Die mangelnde Serviceorientierung in den meisten Hotels der Maghrebdestination gilt weithin als ein offenes Geheimnis und wird vielfach auch von marokkanischer Seite bestatigt, wie das nachfolgende Zitat des Geschaftsfiihrers einer Incoming-Agentur aus Tanger dokumentiert: „Jusqu'a maintenant, nous ne sommes pas encore satisfaits des produits ici au Maroc. II y a le manque de professionnalisme dans les hotels, surtout le personnel qui travaille dans I'hotellerie. C'est un point vraiment critique au Maroc. On essaye au maximum d'eviter ces problemes, mais parfois, malheureusement, on ne peut pas." (RV_M_29, S. 3) Als ein weiteres Manko erweist sich, dass die Hotelklassifizierungen in der Regel nicht mit internationalen Standards iibereinstimmen und dementsprechend zur Unzufriedenheit seitens der Kunden beitragen: „De plus, et cela a une grande importance, les agences de voyages marocaines vendent en general des categories d'hotels qui ne correspondent pas aux standards de la classification internationale, ce qui pose souvent de grands problemes." (RV_M_19,S. 1) Wie im Kontext des touristischen Beschwerdemanagements in Destinationen immer wieder deutlich wird, ist gerade der Faktor Unterkunft besonders anfallig fiir Kundenbeschwerden (vgl. DREYER/BORN 2004). Dieser Umstand ist nicht zuletzt darauf zuriickzufiihren, dass das Hotel fiir eine gewisse Zeit die eigenen vier Wande ersetzt und mitunter entsprechende Verglei-
216
KapitelVIII
che evoziert. Nichtsdestoweniger ist anzumerken, dass die Hotellerie in Marokko vielfach nicht mehr internationalen Standards gerecht wird. So konstatiert beispielsweise der Produktmanager eines deutschen Pauschalreiseveranstalters: „Es passiert eben auch nichts in der Hotellerie! 15 Jahre alte Hotels sind einfach veraltet, von den Zimmern her und von der ganzen Gestaltung des Terrains: rechteckige Swimmingpools, olympische Bahnen, das hat heute niemand mehr. Wenn sie in die Tiirkei fahren, wo permanent neue Hotels entstehen, da gibt es ganze Swimmingpoollandschaften. Da wird auch etwas fiirs Auge geboten, da stimmt die Optik!" (RV_D_06, S. 7) Die zitierten Perspektiven auf die Defizite hinsichtlich marokkanischer Unterkunftsstrukturen decken sich weitgehend mit entsprechenden Einschatzungen von Expertenseite (vgl. Kapitel IX.4 und IX.6). Vor dem Hintergrund dieser Thematik enveist es sich auch als ein nicht zu unterschatzender Nachteil, dass sich Marokko im Vergieich zu vielen anderen mediterranen Destinationen erst relativ spat auslandischen Investoren geofFnet hat. Jene Tourismusunternehmen, die dann, meistens in Kooperation mit einem marokkanischen Partner, vor Ort investieren w^ollten, stief?en bis vor kurzem auf Rahmenbedingungen, die ein entsprechendes Engagement zu einem ausgesprochenen Wagnis machten. Insbesondere die mangelnde Unterstiitzung seitens der Administration sorgte mitunter fiir jahrelange Genehmigungsverfahren, die notw^endige Investitionen verschleppt und blockiert haben (vgl. Kapitel VIII. 13). In Bezug auf die in den vorangegangenen Zitaten ervvahnte unzureichende Serviceorientierung ist zu konstatieren, dass diese Problematik den marokkanischen Tourismusverantw^ortlichen in der Kegel bekannt ist. Diesbeziiglich erhoffic man sich, ahnlich v^ie bei der Investitionsproblematik, nachhaltige Impulse dutch den 2001 verabschiedeten Masterplan von Marrakech, in dem entsprechende Reformen auf den Weg gebracht wurden (vgl. Kapitel V.4 und IX. 5). So defizitar ein Grofiteil der marokkanischen Tourismusstrukturen auch sein mag, so ungerechtfertigt erscheint gleichfalls manche Kundenbeschv^erde. Dieser Aspekt trifft insbesondere dann zu, w^enn man als Beschw^erdefiihrer meint, man konne seinen in der Bundesrepublik Deutschland erreichten Lebensstandard eins zu eins auf ein Entv^icklungsland iibertragen: „Manche Beschwerden tragen durchaus skurrile Ziige. Sicherlich konnen nur sehr wenige marokkanische Hotels Biifetts in der Form bieten, wie das unsere Gaste vielleicht aus anderen Zielgebieten gewohnt sind. Ich kann mich jetzt beispielsweise an eine Beschwerde erinnern, bei der sich ein Kunde auf einer Rundreise dutch den Grof^en Siiden beschwert hat, weil er keine Diatmarmelade und keine drei Kasesorten vorgefunden hat. Der Kunde war emport und erbost, was natiirlich albern ist. Das kann man einfach nicht erwarten!" (EX_BM_04, S. 3) Wie lasst sich eine derartige Ignoranz erklaren? Sicherlich sind Zeitgenossen, die sich durch eine intellektuelle Bescheidenheit auszeichnen, ein systemimmanentes Phanomen, jedoch wiir-
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
217
de man mit diesem Erklarungsansatz der Problematik nicht in toto gerecht werden. Vielmehr sind in diesem Zusammenhang auch die Reiseveranstalter in die Pflicht zu nehmen, die nach wie vor mit unrealistischen beziehungsweise idealisierten Versprechungen Kundenerwartungen wecken, die sich dann kaum mit der Realitat in Einkiang bringen lassen. So konstatiert der Reprasentant einer marokkanischen Incoming-Agentur aus Agadir: „Beaucoup de reclamations proviennent d'une mauvaise information sur la qualite du produit id, au Maroc, comme par exemple la classification des hotels: un hotel quatre etoiles en Allemagne ne correspond pas a un hotel quatre etoiles ici au Maroc." (RV_M_03, S. 2) Welche Griinde gibt es noch, die im Kontext des Marokkotourismus zu Beschwerden fiihren? Als zwei weitere zentraie Beschwerdegriinde sind im Rahmen dieser Untersuchung die Qualitat der Transportmittel sowie der so genannte ,Basartourismus' zu nennen, wobei Letzterer, wie das nachfolgende Zitat deutlich macht, immer wieder mit dem strategischen Erfolgsfaktor Reiseleiter in Verbindung gebracht wird (vgl. auch Kapitel VIII.6): „Wir erhalten hinterher immer wieder Beanstandungen, dass sie [die Kunden, Anm. d. Verf.] im Rahmen des kulturellen Programms in zu viele Shops geschleppt werden. Das ist ein ganz wichtiger Punkt! (...) Selbst die besten und intelligentesten Reiseleiter werden versuchen, ihre Kunden in Teppichladen oder in andere Shops zu schleppen. Und das ist ein ganz groEes Problem, wenn da nicht ein deutscher Reiseleiter, der meistens durch den Kunden aus Deutschland mitgeschickt wird, seinen Daumen drauf hat." (RV_D_16, S. 5 f.) Die entsprechenden Konsequenzen fallen in der Regel unmittelbar auf die Destination zuriick. Diesbeziiglich vermerkt der Produktmanager eines deutschen Pauschalreiseveranstalters: „Grundsatzlich ist dieses Bgissir-hustling immer wieder ein Problem, das die deutschen Gaste nicht vertragen. Das ist ein sehr lastiges Phanomen und schadet auch dem Image des Landes. Es gibt viele Gaste, die das Land deshalb meiden und die ganze arabische Welt iiber einen Kamm scheren, indem sie sagen: »Die arabische Welt, die mag ich nicht mehr!«" (RV_D_25, S. 2) Bevor im Folgenden naher auf das konkrete handling von Kundenbeschwerden eingegangen wird, soUen an dieser Stelle noch einige Anmerkungen gemacht werden, die die bisherigen Ausfiihrungen abrunden. Zunachst einmal gilt festzuhalten, dass sowohl auf deutscher als auch auf marokkanischer Seite die meisten Interviewpartner ausgesprochen ofFen iiber aufrretende Beschwerden gesprochen haben. Eine entsprechende OfFenheit diirfte in erster Linie darauf zuriickzufuhren sein, dass sich sukzessive eine verstarkte Dienstleistungsmentalitat und Kundenorientierung in den Unternehmen durchsetzen konnte (vgl. BORN 2000 und DREYER/DEHNER 2003). Weiterhin sei angemerkt, dass die meisten Befragten in den letzten Jahren einen
218
KapitelVIII
deutlichen Anstieg der Beschwerdehaufigkeit feststellen konnten. Als zentrale Griinde hierfiir gelten einerseits eine zunehmende Starkung der Verbraucherschutzrechte in den Quellmarkten, andererseits ein verstarktes Qualitatsbewusstsein vor dem Hintergrund sich kontinuierlich wandelnder Konsummuster. Nicht zuletzt tragen aber auch die Unternehmen selbst dazu bei, dass sich die Beschwerdehaufigkeit erhoht hat, namhch durch eine kontinuierhche Verbesserung ihres Beschwerdemanagements. Man denke in diesem Zusammenhang insbesondere an die SchafFung neuer Kommunikationskanale sowie an ein verstarktes empowerment der Mitarbeiter durch das so genannte complaint ownership. Dennoch gibt es aber nach wie vor Akteure, die Beschwerden primar mit Norglern assoziieren oder davon ausgehen, Beschwerdefiihrer seien vor allem bei der Konkurrenz anzutrefFen, da man selbst eine - vermeintlich - bessere Klientel aufeuweisen habe. Stellvertretend fiir diese Gesprachspartner stehen die beiden nachfolgenden Zitate eines marokkanischen Geschaftsfiihrers und eines deutschen Produktmanagers: „Le touriste allemand est un client exigeant, il insiste pour que le programme soit respecte a 100 pour-cent. Ces dernieres annees, on a constate qu'il y a de plus en plus de reclamations et de tricheries. Quelquefois, je pense que les touristes allemands preparent une liste de reclamations chez eux et essayent de nous creer des problemes pour etre ensuite rembourses, comme par exemple photographier des chambres en train d'etre renovees, puis se plaindre en Allemagne en disant que ce sont les chambres qu'ils ont cues au Maroc. J'ai I'impression que certains Allemands ne prennent pas de vraies vacances, mais preferent nous creer des problemes. lis ne sont jamais satisfaits!" (RV_M_02, S. 2) „Das sind Badegaste, die ganz klar sagen: »Das Hotel ist minderwertig, da kriege ich nachher 20 Prozent raus!« Das ist nicht unsere Klientel! Wir haben wirklich solche [Kunden, Anm. d. Ver£], die Studienreisen machen und die auch gewisse Vorstellungen haben, wenn sie in ein nicht vertrautes Land fahren." (RV_D_15,S.9) Griinde fiir berechtigte wie unberechtigte Beschwerden gibt es, wie die vorangegangenen Ausfiihrungen gezeigt haben, geniigend. Im Kontext bilateraler Kooperationen stellt sich die Frage, wie man mit diesem Phanomen adaquat umgehen soil. Dies erfordert von den betrofFenen Akteuren eine entsprechende innere Einstellung, die im Idealfall eine Beschwerde als Chance fur das Unternehmen respektive die Kooperation begreift. Zwei Aspekte sind in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung: Erstens kann eine geringe Beschwerdezahl keinesfalls als aussagekraftiger Indikator fur Kundenzufriedenheit herangezogen werden, da viele Beschwerden gar nicht erst artikuliert werden. Zweitens sollten Beschwerdekunden seitens der kooperierenden Unternehmen als Partner betrachtet werden, da sie unter Umstanden auf Defizite im gemeinsam kreierten Produkt aufmerksam machen (vgl. SIMON/HOMBURG 1998 und STAUSS/SEIDEL 2002). Gerade aus einer interkulturellen Perspektive verkorpern Qualitats- und
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
219
Beschwerdemanagement nicht zu unterschatzende Schnittstellen, an denen sich Starken und Schwachen einer bilateralen Zusammenarbeit aufeeigen lassen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es mitunter ausgepragte interkulturelle Unterschiede bei Kundenwahrnehmungen und Kundenerwartungen hinsichdich Produkten und Diensdeistungen gibt. Gleichfalls stellt sich die kooperationsrelevante Frage, welche Beschwerden aus Sicht der Interaktionspartner wirklicli berechtigt sind und wie man mit diesen umgeht (vgi. Kapitei IV. 3). Doch lassen wir in Bezug auf das interkulturelle Beschwerdemanagement die Gesprachspartner selbst zu Wort kommen. Den Reigen erofFnet die Produktmanagerin eines deutschen Reiseveranstalters, der sich auf Abenteuer- und Trekkingreisen spezialisiert hat: „Wenn fiir marokkanische Verhaltnisse Zelte noch okay sind, dann sind sie fiir Deutsche oft schon nicht mehr okay. Da muss ich immer wieder Nachschub hinsichtlich neuer Zelte anmahnen, das wird von der marokkanischen Agentur oft zu spat gemeldet. (...) Aufgrund der Witterung halten die Zelte eben maximal zwei bis zweieinhalb Jahre. Das Problem ist dann, dass die [von marokkanischer Seite, Anm. d. Verf ] denken, das sei nicht so schlimm. Also, wenn der Reifiverschluss nicht hundertprozentig funktioniert, macht das eigentlich fiir die Tour nicht so viel aus, aber wenn der Kunde mal drinnen liegt, ein Stiick ist auf oder fehlt, dann ist das natiirlich schon ein Problem fiir den Kunden und somit auch fiir uns. Wir versuchen jetzt schon immer durchzusetzen, dass sich die guides das vorher noch mal anschauen. Es ist schon besser geworden, aber das war schon so eine Sache, an der wir iiber sechs Jahre sehr lange gearbeitet haben, damit sie [von marokkanischer Seite, Anm. d. Verf] einsehen, wie wichtig es fiir Deutsche ist, dass ein Zelt okay ist. Das ist fiir einen Marokkaner nicht unbedingt so wichtig! (...) Die haben halt gesagt: »Der ReiEverschluss geht nur am letzten Stiick nicht!« - so nach dem Motto: Das kann doch nicht das Problem sein! Aber das ist eben fiir Deutsche das Problem!" (RV_D_20, S. 7) In diesem Zitat spiegeln sich geradezu paradigmatisch divergierende Einschatzungen und Erwartungen hinsichtlich des Qualitatserlebens im interkulturellen Kontext wider. Dies betrifFt selbstredend Kunden- wie Anbieterseite und impliziert gleichfalls entsprechende Konsequenzen in Bezug auf Wahrnehmung und handling von Beschwerden. In diesem Kontext darf nicht vergessen werden, dass nicht nur das Qualitatserleben ausgesprochen kulturell durchdrungen ist (vgl. MANG 1998), sondern auch die Einstellung gegeniiber Beschwerden. Diesen Umstand soUte man, wie das nachfolgende Zitat eines zu dieser Thematik befragten Experten deutlich macht, auf alle Falle beriicksichtigen: „Die Problematik besteht einfach darin, dass der Beschwerdebegriff kulturell unterschiedlich belegt ist. Das hei£t im Extremfall, dass die einen in der Beschwerde eine groEe Chance sehen, ihr Produkt und ihr Unternehmen weiterzuentwickeln, wahrend die anderen in der Beschwerde ein Stigma sehen, mit dem sie sich nicht beschaftigen mochten und das sie lieber ad acta legen. Konsequenterweise soUte man daher immer beriicksichtigen, dass es kulturell bedingt unterschiedliche Arten und Weisen gibt, Beschwerden zu artikulieren, zu handeln und diesen gegeniiber eingestellt
220
Kapitel VIII
zu sein. (...) Deshalb ist es auch wichtig, dass ein solches System [Beschwerdemanagementsystem, Anm. d. Verf.] dem Kooperationspartner nicht aufoktroyiert wird. (...) Man muss erst den Stellenwert einer Beschwerde in der jeweils fremden Kultur kennen, bevor man gemeinsam mit dem Kooperationspartner ein handling von Kundenbeschwerden entwickelt. Alles andere konnte man unter Umstanden als Kulturimperialismus missdeuten." (EX_BM_07, S. 8 f.) Auch der nachfolgende Experte, der zu den profiliertesten bundesdeutschen Vertretern hinsichtlich der Forschungsschwerpunkte Dienstleistungs- u n d Beschwerdemanagement zahlt, weist auf die nicht zu unterschatzende Kulturbedingtheit dieser Thematik hin. In diesem Kontext pladiert er exphzit dafiir, den okonomischen N u t z e n eines efFektiven Beschwerdemanagements herauszustellen; ein U m s t a n d , der vor allem d a n n von groEer Relevanz ist, w e n n sich der Kooperationspartner dieser Thematik gegeniiber verschliefien sollte: „Die Einschatzung, ob Beschwerden als berechtigt anzusehen sind oder nicht, wird bei interkulturellen Interaktionen sehr unterschiedlich ausfallen. Allein der Umstand, ob man eine Beschwerde als Recht des Kunden beziehungsweise als Chance betrachtet, basiert auf kulturellen Werten. (...) Man muss fiir den Kooperationspartner dezidiert den okonomischen Nutzen eines efFektiven Beschwerdemanagements herausstellen. Das ist, denke ich, ein ganz v^ichtiges Argument. Warum investieren Unternehmen in ein Beschwerdemanagement? Das geschieht ja nicht, weil die Unternehmen so altruistisch sind, sondern weil es sich fiir sie bewahrt hat beziehungsweise weil ein okonomischer Nutzen damit verbunden ist. Ich denke, dass man mit solchen Argumenten durchaus iiberzeugen kann." (EX_BM_06, S. 6 f) Urn es bereits an dieser Stelle vorwegzunehmen, sei darauf hingewiesen, dass 53,3 Prozent der Akteure aus den deutschen U n t e r n e h m e n , aber n u r 2 3 , 3 Prozent der Akteure aus den marokkanischen U n t e r n e h m e n ihr bilaterales Beschwerdemanagement als unproblematisch einschatzen. Auf marokkanischer Seite ist die entsprechende Thematik haufig m i t der Sorge verbunden, m a n k o n n e seinen Kooperationspartner verlieren. So konstatiert beisplelsweise der Geschaftsfiihrer einer mittelstandischen Incoming-Agentur aus Agadir: „Bien sur, ce genre de reclamations peut entrainer des problemes avec nos partenaires. Si nous avons commis une erreur, nous perdons I'affaire. Le partenaire ne travaillera plus jamais avec nous et on a tout perdu. Evidemment, si la reclamation est vraiment justifiee. Maintenant, vous savez, il y a reclamation et reclamation! (Ja depend de beaucoup de choses. Nous faisons tres attention pour qu'il n'y ait pas de reclamation." (RV_M_10, S. 3) In eine ahnliche R i c h t u n g argumentiert der nachfolgende Interviev^partner, ein Geschaftsfiihrer einer mittelstandischen Incoming-Agentur aus Tanger:
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
221
„Et rexperience negative, c'est lorsque vous perdez un client. (Ja, c'est difficile! Lorsque vous perdez un client, vous perdez un travail de quatre ou cinq ans. Et c'est negatif pour vous, mais peut-etre aussi pour la reference de I'agence. Maintenant, lorsqu'on est content de vous, vous avez deja investi d'une maniere indirecte. Imaginons un groupe de clients qui repart satisfait. Chacun va faire de la publicite au sein de sa famille et son entourage pour le Maroc et pour notre agence. II y a des gens qui n'ont aucune idee oil est situe le Maroc, et 9a va leur donner envie de chercher. Mais si quelqu'un n'est pas content, vous allez perdre beaucoup de clients. II va faire une tres mauvaise publicite. C'est pour cela que I'experience est positive lorsque vous gagnez un client. J'ai perdu dans ma carriere un seul client, mais c'etait a cause d'un deuil. (Ja m'a beaucoup touche car ce n'etait pas de notre faute, c'etait de la faute du guide. C'est le premier client que j'ai perdu et c'est vraiment une mauvaise experience." (RV_M_29, S. 3) Die Furcht vor einem Verlust des Kooperationspartners erklart sich nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass Kooperationen im Tourismussektor haufig eine ausgesprochen lose Bindungsintensitat aufweisen (vgl. auch Kapitel V1IL3). In diesem Zusammenhang sei auch auf die Aussage eines Geschaftsfiihrers verwiesen, der im Rahmen einer deutsch-indonesischen Tourismusstudie vermerkt hat: „Im Tourismus ist Loyalitat geringer als bei Flohen auf Hunden." (HAUG 2002, S. 97).
Auch auf deutscher Seite trifit man immer wieder auf Akteure, bei denen das interkulturelle Beschwerdemanagement primar negative Konnotationen hervorruft. So konstatiert die Geschaftsfiihrerin eines kleinen Reiseveranstalters, die eingehende Beschwerden grundsatzlich selbst bearbeitet: „Ich bekomme alles zur Beantwortung und dann muss ich auch mal hart reagieren. Und da habe ich einfach so das Gefiihl - wenn wir jetzt zum Beispiel faxen oder telephonieren -, dass sich dann immer nur die Frau X [die Sachbearbeiterin des Kooperationsunternehmens, Anm. d. Verf ] meldet. Wenn ich dann die Frau Y [die Geschaftsfiihrerin des Kooperationsunternehmens, Anm. d. Verf] sprechen will, dann heifit es: »Ja, die ist heute nicht da, sie ist morgen nicht da.« Dann sage ich: »Ja, also, dann muss sie mich anrufen, wenn sie da ist.« Ich denke, sie weicht mir etwas aus, weil sie schon wei£, dass ich meckere!" (RV_D_19, S. 10) In ihren w^eiteren Ausfiihrungen erwahnt die Befragte, dass man seitens der Partneragentur immer wieder anfiihre, die Unzufriedenheitsaufierungen seien in erster Linie auf die touristischen Rahmenbedingungen in der Destination zuriickzufiihren, weshalb man keine Verantwortung hinsichtlich der Beschw^erden iibernehmen k5nne und w^oUe. Selbst wenn man dieser Argumentation bis zu einem gewissen Grad folgen mag, so machen es sich die Reprasentanten der entsprechenden Incoming-Agentur zu einfach, da sie nicht bereit sind, Verantwortung fiir das gemeinsam kreierte Produkt zu iibernehmen. Angesichts dieser Tatsache kann es kaum verwundern, dass sich die Gesprachspartnerin zum Zeitpunkt des Interviews iiberlegte, den marokkanischen Kooperationspartner zu wechseln.
222
Kapitel VIII
Nichtsdestoweniger finden sich i m m e r wieder Beispiele, in denen das interkulturelle Beschwerd e m a n a g e m e n t funktioniert u n d positive Konnotationen hervorruft. Exemplarisch sei in diesem Fall die Aussage einer Produktmanagerin angefiihrt, deren U n t e r n e h m e n sich auf Abenteuer- u n d Trekkingreisen spezialisiert hat: „Letztendlich tragt es [das interkulturelle Beschwerdemanagement, Anm. d. Verf.] zur Verbesserung der Touren bei. Das ist eigentlich eine Produktverbesserung, eine Qualitatsverbesserung! Wir wissen, was dann schief gelaufen ist, man we'S, wer, wie, wo oder was daran Schuld war, und man kann - sei es zum Beispiel ein Hotel, das nicht funktioniert hat - das Hotel wechseln beziehungsweise mit den Managern sprechen. Kein Thema!" (RV_D_20, S. 6) W i e bereits in Kapitel IV.3 deutlich wurde, hat sich in der Tourismusbranche weitgehend eine Beschwerdelosung en route durchgesetzt. Eine entsprechende customer satisfaction on the spot ist in der Kegel nicht n u r die schnellste u n d d a m i t kundenfreundlichste, sondern in den meisten Fallen auch die fiir die Kooperationspartner kostengiinstigste Losung, da sie in der Kegel einer langwierigen juristischen Auseinandersetzung vorbeugt. Vor diesem H i n t e r g r u n d ist auch das nachfolgende Zitat eines marokkanischen Geschaftsfiihrers zu sehen, der zudem einen Konnex zwischen Konsumentenrechten u n d einer vermeintlich deutschen Keisekultur herstellt: „Une fois que la reclamation est partie en Allemagne, le reglement devient plus complique parce que les consommateurs ont beaucoup plus de droits en Allemagne. Voyager fait partie de la culture allemande et c'est pour cette raison que les Allemands sont si exigeants." (RV_M_01,S.2) Im Kontext eines kundenorientierten Beschwerdemanagements erweist sich ein enges Verhaltnis zwischen U n t e r n e h m e n u n d K u n d e n als ein nicht zu unterschatzender Vorteil, wobei diesbeziiglich gerade kleine u n d mittlere U n t e r n e h m e n in einer privilegierten Situation sind. Ein entsprechendes Briefing des Kooperationspartners, das haufig mit intensiven interpersonellen Kontakten zwischen den jeweiligen Akteuren einhergeht, tut noch ein Ubriges, dass dieser Erfolgsfaktor einer bilateralen Zusammenarbeit positiv bewertet wird: „X [Vorname des entsprechenden Kooperationspartners, Anm. d. Verf.] entretient avec ses clients une relation privilegiee. II nous transmet tous les desirs des clients, done nous avons une connaissance parfaite du client que X nous envoie et nous pouvons repondre exactement a leurs desirs. Chaque dossier de X est tres detaille, car il va vraiment au fond des choses. On connait done parfaitement le client avant qu'il ne soit la." (RV_M_22, S. 4) Auch wenn m a n landlaufig ausgefeilte u n d kundenorientierte Beschwerdemanagementsystem e fast ausschlieElich m i t touristischen GroEkonzernen verbindet, so sind es gerade kleine u n d mittlere Veranstalter, die sich hinsichtlich dieser Thematik d u t c h ein besonderes caring
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
223
auszeichnen, da sie in der Kegel iiber ausgesprochen intensive Kontakte zu ihren Kunden verfiigen. Wie das nachfolgende Zitat eines Experten deudich macht, war dies nicht immer so, obwohl gerade das Beschwerdemanagement ein ideales Instrumentarium darsteilt, um sich als kleines beziehungsweise mitderes Unternehmen in einem zunehmend intensiven Wettbewerb zu profilieren: „Vor vielen Jahren empfand ein GroEteil der Reiseveranstalter, vor alien Dingen bei kleinen und mittleren Veranstaltern, Beschwerden als lastig. Ich weiE von einem mittelgroEen Veranstalter, der mal zu mir gesagt hat: »Meine Beschwerdeabteilung ist der Papierkorb!« (...) Das Beschwerdemanagement ist besser geworden. Gerade bei mittelstandischen Unternehmen sehe ich diesbezixglich gegeniiber den GroEen eine klare Uberlebensstrategie, denn wenn man von einem theoretischen Ansatz ausgeht, dann miissten die groEen Unternehmen - vom strategischen und operativen Mitteleinsatz her - irgendwann einmal in der Lage sein, die kleinen und mittleren Unternehmen zu verdrangen. Ich konnte mir aber in der Tat vorstellen, dass zwischen der UnternehmensgroEe einerseits und der Kundenorientierung beziehungsweise Kundenzufriedenheit andererseits keine klare Korrelation bestehen muss, sondern dass es moglicherweise sogar umgekehrt ist. Deswegen soUten mittlere Unternehmen weniger im Sinne wirtschaftlicher Nachteile schreien, sondern sich vielmehr ihrer groEeren Kundennahe bewusst werden und dies fiir sich in Wert setzen. Wahrend die Komplexitat bei den GroEen zunimmt, haben die kleinen und mittleren Veranstalter in Bezug auf Kundenorientierung, Kundennahe und so weiter einen enormen Vorteil. Da ist einfach die Kommunikation noch intensiver und das kann dazu fiihren, dass die sich auf Dauer gegen die GroEen behaupten konnen." (EX_BM_05, S. 3 ff.) Einer ahnlichen Argumentationslinie folgt auch das anschlieEende Expertenzitat, das einem intuitiven Beschw^erdemanagement, das meistens in kleinen und mittleren Unternehmen gepflegt wird, den Vorzug gibt: „Ich denke, dass kleine Unternehmen, die natiirlich auch eine sehr viel begrenztere Beschwerdeanzahl aufweisen, hervorragend in der Lage sind, wirklich sehr individuell auf ihre Kunden einzugehen und mit Sicherheit durch diese Art von caring zeigen konnen, dass die proklamierte Kundenorientierung auch dezidiert erlebbar wird. (...) ErfahrungsgemaE brauchen groEe Veranstalter - nicht zuletzt vor dem Hintergrund der groEen Anzahl an Kunden - ausgefeilte Beschwerdemanagementsysteme mit eigenen Abteilungen sowie einer entsprechenden Softwareunterstiitzung. Kleine Unternehmen, die in Nischen agieren und haufig auf treue Stammkunden zuriickgreifen konnen, zeichnen sich vielfach durch ein intuitives Beschwerdemanagement aus, das durch Systeme eigentlich nur angenahert werden kann." (EX_BM_06, S. 3 ff.) AbschlieEend kommt noch einmal ein mittelstandischer Unternehmer zu Wort, der seit Jahren - in enger Zusammenarbeit mit seinem marokkanischen Kooperationspartner - ein ausgesprochen kundenorientiertes und personalisiertes Beschwerdemanagement pflegt:
224
KapitelVIII
„In unserem Hause ist es eh so, dass alle Reklamationen iiber den Chefschreibtisch laufen. (...) Das ist auch sinnvoll! Auch wenn es fiir mich nicht immer angenehm ist, so hat es fur den Kunden den grof^en Vorteil, dass er weiC, er ist an der Endstufe angelangt. Er muss nicht noch mal nachverhandeln, da die Reklamation dort behandelt wird, wo das Ende der Fahnenstange ist. Ich habe in 15, nein in 14 Jahren mit keinem einzigen Kunden einen Prozess gefiihrt. Bei 4 500 Gruppen im Jahr konnen Sie sich vorstellen, was es bedeutet, wenn man keinen Prozess fiihrt." (RV_D_18,S. 7) Bin Zitat, das einmal mehr zeigt, dass ein kundenorientiertes Beschwerdemanagement nicht nur der Kunden-, sondern auch der Unternehmensseite Vorteile bieten kann. Bevor im folgenden Kapitel das soziokulturelle beziehungsweise okologische Engagement der Kooperationspartner im Kontext des marokkanischen Incoming-Tourismus naher beleuchtet wird, sei abschheEend ein Zitat angefiihrt, das vor dem Hintergrund oft verzerrter Kundenerwartungen in Hinblick auf die zu besuchende Destination dezidiert die Reiseveranstalter in die Pflicht nimmt. Eines ist sicher: Ein umfassend und ausgewogen informierter Reisender ist weniger fiir Beschwerden anfalHg als ein Reisender, dessen Erwartungshaltung sich vorwiegend aus ideahsierten Versprechungen speist, die nicht mit der Realitat in Einklang zu bringen sind: „Und dann komme ich im Kontext von Maroldco sehr schnell zur Einsicht, oh wir dem Kunden vieileicht nicht doch lieber sagen sollten, er soil die bayerischen Konigsschlosser und nicht die Konigsstadte in Marokko besuchen. Ohne Arroganz, aber ich verlange schlichrweg eine gewisse Einstellung zu diesem Reiseland!" (RV_D_18, S. 7)
VIII.8
Zwischen Betroffenheit und Ignoranz — Soziokulturelles und okologisches Engagement im Kontext des marokkanischen Incoming-Tourismus
Reisen bedeutet Begegnung mit anderen Menschen, anderen Kulturen, anderen Gewohnheiten und Lebensumstanden. Die Moghchkeit, Fremdes aus erster Hand kennen zu lernen, erofFnet gerade fiir die interkulturelle Kommunikationsforschung ein ideales Forum, das erst in den letzten Jahren sukzessive erschlossen wurde. In der mobilen Freizeit einer postfordistischen Gesellschaft erfoigen entsprechende Begegnungen haufiger, in der Regel abrupter und sind aufgrund ihrer okonomischen Begleiterscheinungen auch einschneidender, meistens sogar strukturverandernd. Dies trifft insbesondere auf die vermeinthch exotischen Entwicklungslander zu, die vielfach durch ihre touristische Erschhefiung in einen Modernisierungstaumel geraten sind. „Was", wie HERDIN und LUGER (2001, S.G) in diesem Zusammenhang vermerken, „in Europa einige Jahrhunderte dauerte, die langsame Gewohnung an Reisende und die SchalFung einer fiir sie adaquaten Infrastruktur, erfolgt in den Tourismusinseln der Dritten Welt innerhalb weniger Jahre, mit alien Folgeerscheinungen fiir Kultur, Natur und Gesellschaft." Die Attrak-
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
225
tivitat einer touristischen Inwertsetzung von Entwicklungslandern ist gleichzeitig auch deren Hypothek, so dass sich gerade die fortschreitende Internationalisierung touristischer Strukturen in den entsprechenden Destinationen als ein auKerst ambivalentes Phanomen erweist (vgi. Kapitei 11.7). Vor diesem Hintergrund wurden die an dieser Studie partizipierenden Akteure befragt, ob seitens der Unternehmen konkrete Mafinahmen unternommen werden, um die soziokulturellen und okoiogischen Auswirkungen, die ein touristisches Engagement impliziert, mogiichst vertraglich zu halten. Reisen bildet, Reisen erdfFnet neue Horizonte, und wer eine Reise tut, der hat eine Menge zu erzahien! So oder ahniich lauten die einschlagigen Volksmeinungen ixber das Reisen und infoigedessen verwundert es kaum, dass Reiseeriebnisse zu den beiiebtesten Smailtaik-Themen iiberliaupt zahlen. Zumindest aus einer normativen Perspektive drangt sich die Frage auf, wie man einen tourist-host contact mogiichst kuitursensibel vorbereiten kann. An diesem Punkt setzt auch die Frage an, ob konkrete Mafinahmen seitens der kooperierenden Reiseveranstalter implementiert wurden, um die Gaste auf Land und Leute einzustimmen und interkukurelie Kontakte mogiichst vertraglich zu gestalten. Aus Sicht so manchen Gesprachspartners entpuppen sich entsprechende MajSnahmen als eine Schimare, wobei man die Schuld nicht zuletzt auf Seiten der Touristen sucht. So konstatiert beispielsweise der Produktmanager eines fiihrenden deutschen Pauschalreiseveranstalters: „Die meisten Touristen befassen sich eigentlich nicht mit der arabischen Kultur, auEer sie sehen irgendwelche Filme wie „Sindbad" oder der „Kalif von Bagdad". Entsprechende Bilder haben sie dann im Kopf, wenn sie durch einen Basar gehen. Eigentlich woUen sie nur mal schnell durch den Basar, woUen sich nichts richtig ansehen, woUen letztendlich auch keinen Kontakt mit den Einheimischen, und wenn sie dann angesprochen werden, dann fliichten sie." (RV_D_05, S. 5) Nicht wesentlich anders argumentiert die Geschaftsfiihrerin eines Studienreiseveranstalters, der sich auf exklusive Kulturreisen spezialisiert hat, wobei in diesem Fall ein entsprechendes Desinteresse von Kundenseite auf die preisgiinstigere Konkurrenz mit einer vermeintlich weniger exklusiven Klientel geschoben wird: „Wenn sie lesen: »Eine Woche Marokko fiir tausend Mark mit dem Bus« - von den Leuten befasst sich kaum einer mit der fremden Kultur. Gut, das Publikum hat auch ein anderes Niveau, das muss man auch sagen." (RV_D_12, S. 5) Um es bereits an dieser Stelle vorwegzunehmen: Die von den Befragten ergriffenen Mafinahmen, um die soziokulturellen Auswirkungen im Rahmen des marokkanischen Incoming-Tourismus mogiichst vertraglich zu halten, beschranken sich bis auf ganz wenige Ausnahmen auf die Mitgabe eines Reisefixhrers beziehungsweise einer Informationsbroschiire:
226
Kapitel VIII
„Die Gaste, die wir haben, bekommen vorneweg - bei der Buchung - ein Reisehandbuch nach Wahl. Das heiCt, die Kunden kriegen von uns einen Gutschein und sie konnen sich einen Reiseftihrer - wir haben vier zur Auswahl - iiber Marokko bestellen." (RV_D_03, S. 10) Das Medium Reisefiihrer gehort seit jeher zum Standardrepertoire bei der Vorbereitung von Kunden auf eine Destination. Inwieweit Reisefiihrer ihrer mitunter postuHerten Funktion als Wegweiser in die Fremde wirklich gerecht werden, ist innerhalb der scientific community aufierst umstritten und soil an dieser Stelle nicht weiter erortert werden; es sei allerdings auf die einschlagigen Publikationen von POPP (1994/1997) und SCHERLE (2000/200lb) versviesen. Von einem vergleichsweise traditionellen Medium zu den moderneren Medien Computer respektive Internet, in denen sich geradezu paradigmatisch das Schrumpfen von Raum und Zeit widerspiegelt. In diesem Zusammenhang soil exemplarisch von einem auf Trekkingreisen spezialisierten Einmannbetrieb berichtet werden, dessen Geschaftsfiihrer sein Produkt fast ausschlieElich iiber das Internet vertreibt und der mit seinen Kunden vorwiegend iiber E-Mail kommuniziert. Auf die Frage nach eventuellen Mafinahmen im soziokulturellen Kontext angesprochen, antwortet der entsprechende Gesprachspartner: „Das ist mein Problem, das ich vorhin angeschnitten habe: E-Mail-Reisende sind diesbeziiglich irgendwie heikel. Ich habe keinen Kontakt zum Kunden, ich kenne nicht einmal seine Handschrift, abgesehen von seiner Unterschrift - aber die Kunden sind zufrieden. Ich will mich nicht aufdrangen. Viele Kunden haben auch keine Zeit fur so etwas. Ich gebe ihnen Buchtipps, damit sie sich vorbereiten konnen." (RV_D_13, S. 8) Es versteht sich von selbst, dass eine derart entpersonalisierte Vertriebsform nur wenige Moglichkeiten bietet, Kunden kultursensibel auf eine Destination einzustimmen. Zumindest bei zwei kleineren deutschen Nischenveranstaltern geben die Befragten an, vor der jeweiligen Reise Vortrage zu halten, um die Kunden fiir Land und Leute zu sensibilisieren: „Wir halten sehr viele Vortrage fiir unsere Reisen, auch ich bin diesbeziiglich unterwegs. Und je nachdem, wie vorbereitet die Kunden in ein Land reisen, hat man damit Probleme oder auch keine." (RV_D_17, S. 5) Eine Gesprachspartnerin, deren Unternehmen sich auf Abenteuer- und Trekkingreisen spezialisiert hat, assoziiert mit entsprechender Frage ein Engagement ihrer Incoming-Agentur vor Ort, das dafiir Sorge tragt, dass moglichst viele vom Tourismus Betroffenen an den einschlagigen Verdienstmoglichkeiten partizipieren konnen: „Wir arbeiten fast nur mit Einheimischen zusammen: sowohl hinsichtlich guides wie Trekkingmannschaften. Die Verdienstmoglichkeiten werden sogar von unserer Agentur — damit nicht nur
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
227
eine Familie mit den Mulis verdient - im Dorf rotiert. Die Koche werden unterschiedlich eingesetzt, so dass eigendich fiir jeden ein Existenzminimum gegeben ist." (RV_D_20, S. 6) Die Aussagen machen deutlich, dass ein, wie auch immer geartetes, soziokulturelles Engagement ein weites Feld darstellt. Dennoch drangt sich der Eindruck auf, es handele sich womoglich um doch nicht mehr als um jenen beriihmten Tropfen auf den heifien Stein. Dabei fungiert der Reisefiihrer - jene entpersonalisierte Form eines Reiseleiters (vgl. Kapitel IV.4 und VIII.6) - gewissermafien als kleinster gemeinsamer Nenner. Wie sieht es mit einem okologischen Engagement der an dieser Studie partizipierenden Tourismusunternehmen aus? Drei deutsche und immerhin acht marokkanische Reiseveranstalter gaben an, entsprechende MaEnahmen zu ergreifen. Auf den ersten Blick scheinen - wenn auch auf einem vergleichsweise bescheidenen Niveau - die intensiven Diskussionen der letzten Jahre um einen nachhaltigen Tourismus Wirkung zu zeigen (vgl. VORLAUFER 1996, WOHLER 2001 und MOWFORTH/MUNT 2003). Dass ein okologisches Engagement von Seiten der Tourismusindustrie nicht unumstritten ist, soil an dieser Stelle keinesfalls verschwiegen werden, doch dazu sparer mehr. Beginnen wir mit dem Zitat eines Geschaftsfiihrers, der ein mittelstandisches Unternehmen vertritt und der in Fiinblick auf entsprechende Thematik konstatiert: „Nein, das ist eine Aufgabe der GroEen. Das miissen X oder Y [die beiden touristischen Branchenfuhrer in Deutschland, Anm. d. Verf ] machen, wir nicht!" (RV_D_26, S. 5) Soil man diese Einstellung als Ignoranz bezeichnen oder soil man - wenn man versucht, Verstandnis fiir diese Position zu entwickeln - anfiihren, kleine und mittelstandische Reiseveranstalter miissen zunachst einmal mit einem ausgesprochen schwierigen wirtschaftlichen Umfeld zurechtkommen? Auf alle Falle handelt es sich um keine Einzelmeinung. In eine ahnliche Richtung argumentieren auch die beiden Vertreter zweier mittelstandischer marokkanischer Incoming-Agenturen: „L' environnement est I'afFaire de I'Etat marocain et nous ne prenons aucune mesure dans ce sens. Nous sommes des agences, des societes privees." (RV_M_10, S. 4) Der zweite Akteur gesteht zunachst noch einen Handlungsbedarf ein, den er anschliefiend vergleichsweise paritatisch aufteilt, wobei er sein Unternehmen dezidiert aufien vor lasst: „Pour ce qui est des consequences ecologiques du tourisme, on a encore beaucoup de choses a faire a I'avenir. Mais nous ne sommes pas en mesure d'etablir des regies afin d'assurer le respect de I'environnement. Cela doit tout d'abord se concentrer au niveau des autorites locales, des O.N.G. [NGO, Anm. d. Verf.] et desfilialesdes grands tour-operateurs." (RV_M_03, S. 2)
228
KapitelVIII
Jeglichen H a n d l u n g s b e d a r f in Bezug auf diese Thematik spricht der folgende Gesprachspartner ab, der seit Jahren Busreisen nach M a r o k k o durchfiihrt, sicherlich nicht zur Freude okologisch orientierter Zeitgenossen: „Nein, well ich augenblicklich in unserem Bereich keine negativen Auswirkungen auf Marokko erkenne. Da sehe ich auch keinen Diskussionsbedarf. Ich bin auch nicht bereit...; ich weiE, dass die deutschen Busse Toiletten haben, die Toiletten miissen entsorgt werden, aber das halt die marokkanische Wiiste bis dato aus. Da sehe ich auch keine grofien Schaden." (RV_D_18,S. 8) Es mag schon langst eine Fufinote der Geschichte sein: M i t einer ahnlichen A r g u m e n t a t i o n hat die Deutsche Bundesbahn
iiber Jahre hinweg eine Umriistung ihrer Sanitaranlagen in den Ziigen
verschleppt. Die Produktmanagerin eines Studienreiseveranstalters fiihrt das fehlende Engagement ihres U n t e r n e h m e n s hinsichtlich dieser Thematik auf das, ihrer Ansicht nach, k a u m vorhandene okologische Bewusstsein in der Destination zuriick: „Okologische Fragesteliungen eigenthch weniger, weil Marokko so okologisch dann doch noch nicht eingestellt ist, als dass ich da Vorarbeit leisten konnte, wo da unten die Miilltuten rumfliegen. Es ist leider in dem Sinne noch kein okologisches Bewusstsein in Marokko vorhanden oder zumindest in der Umsetzung nicht erkennbar. Insofern niitzt es auch nichts, wenn ich hier die Caste fiir eine Okologie sensibilisiere, die dort effektiv noch nicht stattfindet. Wenn dann tatsachlich etwas stattfindet, dann kann ich die Kunden im Vorfeld entsprechend sensibilisieren. (...) [Die Gesprachspartnerin verweist in diesem Kontext auf die Malediven, wo sich einige Fluggesellschaften dazu verpflichtet haben, den dutch Touristen produzierten Abfall aus dem Archipel zu transportieren, Anm. d. Verf] Ansonsten ist es einfach ein Hohn, weil die Kunden dann sagen: »Ja, wieso machen Sie das? Da unten schmeifien sie ja doch alles weg!«" (RV_D_03,S. 10) Die Mitarbeiterin eines anderen deutschen Studienreiseveranstalters verweist auf die schwierigen tourismusspezifischen R a h m e n b e d i n g u n g e n , mit denen m a n als kleines U n t e r n e h m e n in M a r o k k o konfrontiert werde u n d die ein entsprechendes Engagement konterkarierten: „Wenn ich jetzt mal die okologische Ebene nehme, dann muss ich ganz ehrlich sagen: Selbst wenn wir jetzt unserem Partner vorschreiben wiirden, dass wir gerne Hotels nehmen, die Plastik vermeiden und die Handtiicher nur alle zwei Tage wechseln, dann haben wir als kleiner Veranstalter kaum Einflussmoglichkeiten, da wir im Endeffekt froh sein miissen, wenn wir zu bestimmten Zeiten iiberhaupt Hotels bekommen. Die Marokkaner, denke ich, konnen sich auch noch so ein bisschen leisten, Okologie ein wenig beiseite zu lassen, weil die Konkurrenzsituation im Land einfach noch nicht so ausgepragt ist. Ich sage mal, es muss sich noch keiner mit Okologie profilieren. (...) Die Hotels sind ja teilweise ohne Ende nachgefragt, zudem konnen sie auch nur bestimmte
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
229
Hotels nehmen. Die Hotels, die sie buchen konnen, sind haufig konkurrenzlos - die miissen sich nicht hervortun!" (RV_D_04, S. 9) Man mag auch diese Aussage bedauern, aus Sicht der Mitarbeiterin, die zunachst einmal die Interessen ihres Arbeitgebers vertreten muss, ist sie verstandlich. Vor dem Hintergrund eines enormen Hotelmangels, der vor allem in den Konigsstadten spiirbar ist und der insbesondere in der Hochsaison kulminiert, miissen sich gerade die Reprasentanten kleiner und mittlerer Unternehmen gliicklich schatzen, wenn sie iiberhaupt noch Zimmerkontingente zugewiesen bekommen. Diese Situation diirfte sich auch in den kommenden Jahren - ungeachtet der Verabschiedung des Masterplans von Marrakech (vgl. Kapitel V.4 und IX. 5) - kaum nachhaltig verbessern, da der Investitionsschwerpunkt im Hotelbereich in den Seebadern liegt. Wo bleiben die positiven Beispiele oder muss man letztendlich doch konstatieren: Big business rules'^. Okologisches Engagement ist durchaus vorhanden, wobei man es primar bei denjenigen Veranstaltern findet, deren wichtigstes Kapital eine moglichst unberiihrte und saubere Natur ist, namlich den Trekkingveranstaltern. Kommen wir in diesem Zusammenhang noch einmal auf jenen Interviev^partner zuriick, der seine Trekkingreisen primar iiber das Internet vertreibt: „Die [Mitarbeiter der marokkanischen Partneragentur, Anm. d. Verf.] machen zum Beispiel am Ende der Saison im Hohen Atlas einen clean-up-trecky so nennt man das; ... so wie in Nepal, die sammeln den Miill ein. (...) Sie bringen ihn in die Stadte - was dort mit dem Miill geschieht, ist vielleicht nicht verniinftig, aber es bleibt zumindest keiner unterwegs liegen. Wir heuern Maultiere an, mit denen wir dann den Miill einsammeln. Fur unsere Agentur ist das ganz normal, es ist einfach so. In Deutschland verkauft man so etwas und bekommt dafiir die Griine Palme [ein vom Reisemagazin GEO Saison verliehener Preis, der okologisches Engagement in der Tourismusbranche honoriert, Anm. d. Verf.]. Meine Partner lachen dariiber und sagen: »Ihr Deutschen schleppt den Miill nach Marokko, wir sammeln ihn ein, und wenn Ihr selbst mal auf die Idee kommt, dann bewerbt Ihr Euch, macht einen auf griine Reise und kriegt die Griine Palme\« Wir machen das, ohne dass es jemand groE erfahrt, fiir uns ist das ganz normal. Wir konnen im Friihjahr nicht irgendwo campen, wo alles mit Miill bedeckt ist - viel Miill aus Deutschland, verhaltnismafiig viel! Ich habe es oft selbst gesehen: viele mitgebrachte Sachen aus Deutschland. (...) Mich hat es sehr gefreut, dass er [der marokkanische Kooperationspartner, Anm. d. Verf] so etwas macht. Die Nahrungsmittel werden auch unterwegs eingekauft: Das Fleisch wird unterwegs gekauft, das Brot wird selbst gebacken oder vor Ort gekauft, das kommt natiirlich darauf an, wo man gerade ist. Also, es wird vor Ort eingekauft, auch das Milchpulver, aber das stammt wahrscheinlich von Nestle. Das lasst sich letztendlich nicht verhindern!" (RV_D_13, S. 8) Bei einem weiteren auf Trekking- und Abenteuerreisen spezialisierten mittelstandischen Veranstalter hat das okologische Engagement sogar zur Griindung einer N G O gefiihrt, die zum Zeitpunkt des Interviev^s (Spatherbst 2000) weltweit zw^olf Projekte unterstiitzte:
230
KapitelVIII
„Das sind Kleinigkeiten, die fiir uns selbstverstandlich sind: zum Beispiel, dass die Busfahrer bei uns, wenn sie auf die Gruppen warten, nicht den Motor laufen lassen oder dass in den Hotels, wenn wir langere Zeit vor Ort bleiben, nicht jeden Tag die Bettwasche und die Handtiicher gewechselt werden. Beim Miill wird alles eingesammelt und nichts vor Ort gelassen. (...) Das ist fiir uns ein sehr wichtiger Punkt, wir machen aber noch viel mehr als das: 1985 haben wir die GFE [Gesellschaft zur Forderung konkreter Entwicklungsprojekte, Anm. d. Verf.], eine NGO, auf die Beine gestellt. Ich kiimmere mich um die GFE, ich bin ihr Geschaftsfiihrer. Wir sehen diese Organisation als unser Werkzeug fiir eine Reinvestition. Wir geben der Natur und den Menschen vor Ort etwas zuriick. Konkret sieht das so aus, dass wir Entwicklungs- und Umweltschutzprojekte unterstiitzen - ganz konkrete Projekte! Wie der Name schon sagt, ist uns wichtig, dass es sich um konkrete Projekte handelt." (RV_D_09, S. 7) Im Verlauf des weiteren Gesprachs distanziert sich der entsprechende Gesprachspartner dezidiert vom okologischen Engagement der Branchenfiihrer, das er in erster Linie als ein Lippenbekenntnis einschatzt. Diese Ansicht ist keine Einzelmeinung, sondern wird auch immer wieder von Journahsten oder Vertretern der scientific community angefuhrt. So schreibt SUCHANEK (2001, S. 32): „Obwohl die Tourismusfirmen - alien voran die TUI (Preussag), der inzwischen groEte Reisekonzern der Welt - seit den neunziger Jahren auf dem Papier immer „gruner" werden und mit Bezeichnungen wie „Okotourismus" oder „umweltfreundlicher" und „sanfter Tourismus" werben, geschieht in Wirklichkeit kaum etwas in dieser Richtung." Auch wenn man es bedauern mag, ein okologisches Engagement ist - gerade im unternehmerischen Kontext - selten auf eine altruistische Einstellung zuriickzufiihren, sondern vielmehr auf eine intelligente Marketingstrategie, die zudem positive Riickkopplungen auf das Firmenimage verspricht. Zumindest in zwei Fallen wurde dieser Aspekt seitens der Interviewpartner auch explizit eingeraumt: „Notre agence organise des campagnes pour la protection de I'environnement, telles que des plantations d'arbres par les touristes dans des regions visitees. Ceci est bien pour la reputation de I'agence, le touriste et I'environnement." (RV_M_14, S. 2) „Chez X [Name des entsprechenden Kooperationspartners, Anm. d. Verf], notre partenaire, ils ont leur propre departement pour s'occuper uniquement de I'environnement. Dans les brochures, ils essayent de mettre en valeur les aspects ecologiques. C'est aussi une question d'image et de reputation pour I'entreprise." (RV_M_06, S. 2) Ein ahnliches Phanomen kennen wir seit einigen Jahren aus dem Bereich Kultursponsoring. So gibt es kaum noch eine kulturelle Grofiveranstaltung, die auf ein entsprechendes Engagement seitens der Wirtschaft verzichtet - geschweige denn verzichten konnte. Letztendlich steht bei einem, wie auch immer gearteten, okologischen Engagement primar das Ziel im Vordergrund,
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
231
bestehende Angebote weiterhin marktfahig zu erhalten und mit umweltvertraglichen Erneuerungen ein Marktwachstum einzuleiten. Die Umwelt steht - so erniichternd dieses Faktum auch klingen mag - in der Kegel erst an zweiter Stelle (vgl. WOHLER 2001). Dass gerade touristische GroEkonzerne in Bezug auf diese Thematik immer wieder in die Kritik geraten, evozierte bei einem meiner Gesprachspartner, der ein entsprechendes Unternehmen vertritt, ungewohnt deudiche Worte, die ich bei Gelegenheit kommunizieren moge. Diesem Wunsch sei an dieser Stelle nachgekommen, leistet er doch moglicherweise einen Beitrag zur Versachlichung einer Diskussion, die haufig durch eine ausgesprochene Polarisierung gepragt ist: „Es gibt viele Rucksacktouristen, die meinen, der Massentourismus mache die Ziele, die Lander kaputt. Das stimmt insofern nicht, da wir hier ja auch fiir eine gewisse Konzentration sorgen. Unsere Gaste bleiben in der Regel in Agadir. Das wird im touristischen Kontext gerne vergessen!" (RV_D_22,S. 11) Auch wenn es sich im Kontext dieses Zitats keinesfalls um eine voUig neue Erkenntnis handelt, wird dieser Aspekt - nicht zuletzt im Rahmen einer mitunter allzu dogmatisch orientierten Tourismuskritik (vgl. dezidiert EULER 1989) - haufig iibergangen. Mit dieser Feststellung soil allerdings weder den touristischen GroCveranstaltern in Bezug auf diese Thematik ein Freibrief ausgestellt noch einer entsprechenden Tourismuskritik die Existenzberechtigung abgesprochen werden. Obgleich sich Wirtschafi:s- und Unternehmenspolitik nicht unabhangig vom Nachfrager entwickeln konnen, so sind sie dennoch als „nachhaltige Innovatoren" gefragt (vgl. WOHLER 2001). Sie sind, zumal in Industrielandern, gehalten, moglichst nachhaltige Tourismusleistungen zu produzieren, damit eine fortschreitende ,Touristifizierung* des Globus nicht zu einer unkalkulierbaren Hypothek fur zukiinftige Generationen wird und eine Einstellung, wie die folgende, mdglichst bald der Vergangenheit angehort: „Si nous acceptons ie tourisme, il faut accepter son influence sur la vie des gens du point de vue culturel et ecologique." (RV_M_04, S. 2)
VIII.9
Ohne Idufi gar nichts - Vertrauen
„Vertrauen", so schreibt LUHMANN (1984, S. 180) in Bezugnahme auf dessen funktionales Aquivalent Misstrauen, „ist die Strategie mit der groSeren Reichweite." Akteure, die Vertrauen schenken, erweitern in der Regel ihr Handlungspotential. Sie konnen sich leichter auf unsichere Pramissen stiitzen und dadurch, dass sie dies tun, deren Sicherheitswert erhohen. Wie
232
Kapitel VIII
bereits in Kapitel IV. 1 deutlich wurde, handelt es sich im Kontext von Vertrauen um einen Mechanismus, der hilft, soziale Komplexitat zu reduzieren. Dabei stellt das Entgegenbringen von Vertrauen durchaus eine riskante Vorleistung dar, da es jederzeit moglich ist, dass ein gewahrter Vertrauensvorschuss enttauscht wird. Selbstredend bedarf Vertrauen, dass man, gerade auf einer geschaftlichen Ebene, seine eigene Risikobereitschaft unter Kontrolle behalt, ohne deswegen gleich eine Misstrauenskultur heraufzubeschworen. Speziell im interkulturellen Kontext muss jedoch immer wieder befiirchtet werden, dass persistente Misstrauensorganisationen iiber Grenzen hinweg ausgedehnt werden und Misstrauen als diffuse Grundhaltung oder als bewusste Strategie dutch die Begegnung mit nicht vertrauten Personen, Systemen und Kulturen neue Nahrung erhalt (vgl. KRYSTEK 2002). Auch wenn Vertrauen stets ein vergleichsweise abstraktes, in der Kegel normativ gepragtes Konstrukt darstellt, so sollte man gerade im Rahmen von Kooperationen dessen Relevanz als Erfolgsfaktor keinesfalls unterschatzen. Go und APPELMAN (2001, S. 189) konstatieren in diesem Zusammenhang: „Trust acts as the governance mechanism of embedded relationships. The primary outcome of governance by trust is that it promotes access to privileged and difficult-to-price resources, that enhance competitiveness and the overcoming of problems, but are difficult to exchange in arm's length ties." In Anlehnung an KUHLMANN und SCHUMANN (2002, S. 152) lasst sich die RoUe von Vertrauen im interkulturellen Kontext als ein Vertrauensdilemma bezeichnen: Einerseits nimmt vor dem Hintergrund fortschreitender Internationalisierungsprozesse der Bedarf an vertrauensvoller Zusammenarbeit bei grenziiberschreitenden Kooperationen zu, da sich die Gestaltung und Durchsetzung von Vereinbarungen iiber Grenzen hinweg zeitaufwendiger, kostspieliger und erfolgsunsicherer als innerhalb des eigenen Landes gestalten. Andererseits ist die Vertrauensbildung zwischen Akteuren divergierender Kulturen erschwert, da man haufig nur unzureichend mit den Spielregeln sozialer Interaktion und den sie begriindenden Werten, Normen und Grundannahmen des Kooperationspartners vertraut ist. Entsprechend schwer Fallt es, aus dem Handeln des Partners adaquate Hinweise auf dessen Vertrauenswurdigkeit abzuleiten. Im Folgenden soil aufgezeigt werden, welche Aspekte die an dieser Studie partizipierenden Akteure mit Vertrauen verkniipfen beziehungsweise welche Erfahrungen sie diesbeziiglich in ihren interkulturellen Kooperationen gesammelt haben. Werfen wir zunachst einen Blick auf die Relevanz zentraler Vertrauensmerkmale in den Kooperationen zwischen den deutschen und marokkanischenTourismusunternehmen. Die entsprechenden Ergebnisse basieren auf einer in Teamarbeit mit den KoUegen von FORAREA konzipierten Matrix, in der die Gesprachspartner nach der Wichtigkeit zentraler Vertrauensmerkmale in der interkulturellen Zusammenarbeit befragt wurden. Diesbeziiglich ergibt sich folgende Rangfolge:
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalitag
233
Abb. 23: Die Relevanz ausgewahlter Vertrauensmerkmale in den biiateralen Kooperationen
Quelle: Eigene Erhebungen Wahrend bei den Akteuren aus den deutschen Unternehmen die fachliche Qualifikation mit einer Rangsumme von 45 an erster Stelle steht, nimmt bei den marokkanischen counterparts ein die Finanzen betrefFendes Vertrauensmerkmal den ersten Platz (58) ein. Dieser Umstand diirfte nicht zuletzt darauf zuriickzufiihren sein, dass von marokkanischer Seite wiederholt konstatiert wurde, diesbeziiglich Enttauschungen in den biiateralen Kooperationen erlebt zu haben (vgl. auch Kapitel VIII. 10). Aber auch bei den deutschen Unternehmen nimmt dieses Vertrauensmerkmal eine herausragende RoUe ein, landet es doch mit einer Rangsumme von 32 auf dem zv^eiten Platz. Angesichts der Tatsache, dass es sich bei mehr als 50 Prozent der hier vorliegenden Kooperationsformen um nicht vertragliche Absprachen handelt, die in der Regel eine ausgesprochen lose Bindungsintensitat und damit eine vergleichsweise geringe rechtliche Absicherung aufweisen, so wird verstandlich, warum dieses Vertrauensmerkmal auf beiden Seiten eine derart wichtige Stellung einnimmt. Es folgen auf deutscher Seite mit der Einhaltung von Zusagen (28) sowie der offenen Ansprache von Schwierigkeiten (14) zw^ei weitere interpersonale Vertrauensmerkmale, die konstitutiv fiir eine partnerschaftliche Kooperation sind (vgl. Kapitel IV. 1). Bei den marokkanischen Unternehmen folgen - allerdings mit betrachtlichem Abstand - eine offene Ansprache von Schwierigkeiten (18), eine Akzeptanz als gleichberechtigter Partner (15) sow^ie das Vorhandensein einer personlichen Freundschaft (15). Gerade letztgenannter Aspekt, der nicht zuletzt vor dem Hintergrund der groEen Bedeutung interpersoneller Kontakte in arabischen Landern zu sehen ist, wird von westlichen Geschaftsleuten immer wieder unterschatzt (vgl. HEINE 1996 und SCHERLE 2004).
234
Kapitel VIII
Bevor wir uns im Folgenden den qualitativen Ergebnissen zu dieser Thematik zuwenden, sei angemerkt, dass in der standardisierten Befragung bestimmte interpersonale und interorganisationale Vertrauensmerkmale keine Wurdigung fanden. In diesem Kontext envies sich die Kombination quantitativer und qualitativer Untersuchungstechniken als ein groEer Vorteil, denn mitunter wurden Items, denen die partizipierenden Akteure in der standardisierten Matrix keine Reievanz zuschrieben, in den beiden offenen Fragen aufgegrifFen. Urn es bereits an dieser Stelle vorwegzunehmen: Es gab keinen einzigen Untersuchungsteilnehmer, der nicht die zentrale, aber haufig unterschatzte Bedeutung von Vertrauen als Erfolgsfaktor innerhalb des bilateralen Kooperationsgeschehens anerkannt hatte. Vor dem Hintergrund der Komplexitat dieses Sujets darf es jedoch nicht verwundern, dass sich die entsprechenden Einschatzungen ausgesprochen heterogen gestalten. Einen EinbUck in diese Einschatzungen gewahren die nachfolgenden Zitate. Den Anfang macht ein marokkanischer Geschafrsfiihrer, der seit etlichen Jahren mit deutschen Pauschalreiseveranstaltern zusammenarbeitet: „S'il n'y a pas de confiance, on ne peut rien faire. II faut faire confiance a son partenaire pour que les affaires marchent, jusqu'a preuve du contraire." (RV_M_02, S. 2) Ohne Vertrauen lauft ofFensichthch nichts! Eine SelbstverstandUchkeit, mochte man meinen, die jedoch - wie in Kapitel IV1 deutUch wurde - in den neoklassischen Ansatzen der Wirtschaftswissenschaften mit ihren ideaitypischen Pramissen keinesfalls als Selbstverstandlichkeit anerkannt wird. Dank der neuen Institutionenokonomie und ihrer Akzeptanz opportunistischen Verhaltens hat man jedoch sukzessive erkannt, dass man sich dem Erfolgsfaktor Vertrauen nicht langer verschliefien kann. Die nachfolgende Befragte eines deutschen Studienreiseveranstalters bezieht sich im Kontext ihrer Reflexionen zu dieser Thematik auf die Kooperationsform einer nicht vertraglichen Absprache, wie sie haufig bei touristischen Kooperationen anzutrefFen ist: „Vertrauen ist ganz wichtig, da es oft keine Vertrage gibt. Wichtig erscheint mir auch, dass man sich auf die Kultur des Anderen einlasst. Also, jetzt nicht hingehen und sagen, man weif? alles besser, man muss sich auch einlassen und darauf vertrauen, dass der Andere letzten Endes auch Interesse hat, eine gute Arbeit zu machen beziehungsweise an einer guten Zusammenarbeit interessiert ist. Sagen wir mal so: Zuverlassigkeit und Vertrauen, das sind ganz wichtige Aspekte, ... Ehrlichkeit auch. Das sind naturlich alles sehr deutsche kulturelle Aspekte, aber ich muss sagen, im Umgang mit Deutschen - auch im Umgang mit Auslandern - muss man das erwarten konnen, weil auch nur so eine Zusammenarbeit ohne Vertrag lauft." (RV_D_04, S. 3) Vertrauen w^ird, wie auch das vorangegangene Zitat deutlich macht, sehr gerne mit normativen Begriffen etikettiert, die sich am besten mit dem in heutiger Zeit etwas antiquiert erschei-
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
235
nenden Terminus Kardinaltugenden umschreiben lassen. Interessanterweise assoziiert die Gesprachspartnerin entsprechende BegrifFe mit ,deutschen kuiturellen Aspekten', wobei in diesem Zusammenhang angemerkt werden muss, dass eine normative Konnotation von Vertrauen ein systemimmanentes Phanomen darstellt, das kulturiibergreifend ist und sich nicht auf einen nationalen Kontext beschranken lasst. Wie bereits im Rahmen der Ergebnisse der standardisierten Befragung deudich wurde, nimmt sowohl auf deutscher als auch auf marokkanischer Seite die Ehrlichkeit in finanziellen Dingen einen zentralen Part ein. Dieser Aspekt ist gerade fiir kleine und mitdere Unternehmen mit ihren ausgesprochen diinnen Kapitaldecken von herausragender Bedeutung, wobei einige Reiseveranstalter eine ganz besondere Vorsicht walten lassen, wenn sie eine bilaterale Kooperation eingehen: „Zunachst einmal muss er [der potentielle Kooperationspartner, Anm. d. Verf.] iiber einen finanziellen Background verfugen, das miissen wir natiirlich klaren. Wir miissen priifen, ob er das, was er verspricht, auch wirklich einhalt und ob es den Tatsachen entspricht. Also, wir haben da ganz strenge Kriterien, nach denen wir einen Partner auswahlen. In der Regel reisen wir vorher in sein Bixro, trefFen uns und informieren uns vor Ort iiber ihn. Da gibt es ja auch Moglichkeiten bei Hoteliers, beim Tourismusamt, bei der entsprechenden Fluggesellschaft. Wir sehen uns auch die Fiihrung und Gestaltung dcs Betriebs an. Wir schauen uns die Mitarbeiter an, wie vertrauenswiirdig die auf uns wirken, welchen Bildungsgrad sie haben, wie sauber, wie organisiert die Biiros sind. Es ist eine ganze Palette an Informationen, die notwendig ist, um einem Partner Vertrauen schenken zu konnen." (RV_D_16, S. 9) Dieses Beispiel zeigt, wie man im Vorfeld der eigentlichen Kooperation die eigene Risikobereitschaft unter KontroUe behalt, ohne deswegen gleich eine Misstrauenskultur heraufeubeschworen. Gleichzeitig impliziert dieses Vorgehen eine bestimmte Verbindlichkeit, die sich wohltuend von der gangigen Unverbindlichkeit einschlagiger Messekontakte unterscheidet und zudem fiir den Aufbau interpersoneller Kontakte hilfreich sein kann. Auch auf marokkanischer Seite wird die finanzielle Dimension von Vertrauen immer wieder hervorgehoben. Der folgende Gesprachspartner einer Incoming-Agentur aus Agadir setzt sogar explizit Geld mit Vertrauen gleich: „I1 y a une chose tres importante: Pour nous, confiance est synonyme de paiement. Moi, si je ne vous connais pas, meme si je vous trouve tres sympathique, vous ne devez pas m'envoyer votre groupe avant de m'avoir regie la facture. C'est 9a la confiance. (...) C'est pour cela que pour nous la confiance est synonyme de reglement: Payez-moi a temps et j'ai confiance en vous. Nous pouvons nous permettre quelques jours de retard, mais il ne faut pas que cela dure trop longtemps." (RV_M_11,S.6) Dabei ist fiir ihn Vertrauen untrennbar mit dem Faktor Zeit verbunden:
236
Kapitel VIII
„C'est le temps et la duree de la relation qui decident de la confiance, car nous ne pouvons pas faire confiance a une personne comme qa.. Plus je travaille avec vous et plus vous avez le temps de faire vos preuves. Si on collabore depuis des annees, je sais que vous etes quelqu'un de valable et de consciencieux. Nous pouvons parler d'ouverture de comptes, de reglements difFeres, mais 9a teste toujours une responsabilite tres lourde. Parce qu'en cas de probleme, il n'existe pas d'harmonisation entte les legislations matocaines et allemandes. Si j'ai quelqu'un ici, sur place, qui me doit de I'argent, c'est deja un probleme pour moi de recuperet cet argent. Alors, imaginez une agence en Allemagne qui me doit de I'argent. On n'a aucun moyen materiel pour obliger cette agence a nous payer." (RV_M_11,S. 12) Des Weiteren macht das Zitat deutlich, dass raumliche Distanz die KontroUe opportunistischer H a n d l u n g e n beim Kooperationspartner erschwert. In diesem Kontext gilt es i m m e r wieder, darauf hinzuweisen, dass Vertrauen keine Ressource darstellt, die durch ihren Gebrauch gleichzeitig verbraucht wiirde, sondern die vielmehr aufgrund ihrer schopferischen Kraft eine potenzierende W i r k u n g entfacht (vgl. Kapitel IV. 1). U m am vorangegangenen Zitat anzukniipfen, das auch dezidiert zeigt, dass Vertrauen einen ausgesprochen prozessualen Charakter aufweist, seien zwei weitere Zitate deutscher Gesprachspartner angefiihrt, die diese Sichtweise bestatigen: „Vertrauen ist ja erwas, was am Anfang als Kredit da ist und was man sich im Laufe der Zeit erwirbt. Am Anfang muss man dieses Vertrauen haben und im Laufe der Zusammenarbeit sieht man, ob es bestatigt wird oder nicht. Das ist wie mit einer Bank: Die Intensitat und die Dauer der Zusammenarbeit sind ja letzdich auch ein Ausdruck von Vertrauen." (RV_D_07, S. 6) „Vertrauen konnen sie nicht auf einmal bekommen, Vertrauen braucht Zeit. Das ist wie in einer Ehe, wie in einer Beziehung, das kommt mit der Zeit. Wenn das Vertrauen da ist, dann ist es eigentlich auch uneingeschrankt, denn es ist wichtig, dass beide Seiten Vertrauen zueinander haben." (RV_D_05, S. 8 £) W i e bereits an anderer Stelle erwahnt w^urde, fanden bestimmte Vertrauensmerkmale in der standardisierten Befragung keine Wiirdigung, w u r d e n d a n n aber im R a h m e n der ofFenen Fragestellungen aufgegriffen. So verhalt es sich beispielsweise mit jenem Vertrauensmerkmal, das auf das Image des Kooperationspartners Bezug n i m m t . Diesbeziiglich konstatiert der G e schaftsfiihrer einer marokkanischen Incoming-Agentur: „Dans les metiers de tourisme, tout le monde se connait; on sait a qui on pent faire confiance. Chaque entreprise a sa reputation, et, bien sur, on fait confiance aux gens qui ont une bonne reputation." (RV_M_12, S. 2)
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
237
In eine ahnliche Richtung argumentiert die Geschaftsfiihrerin einer der groSten marokkanischen Incoming-Agenturen: „La confiance, c'est quelque chose de delicat. EUe est surtout liee a la marque, et X [einer der deutschen Branchenfuhrer, mit dem die entsprechende Incoming-Agentur eine Kooperation unterhalt, Anm. d. Verf.] est un groupe qui donne confiance parce que c'est une grande entreprise connue." (RV_M_06, S. 2) Selbstredend vermittelt ein positives Image des Kooperationspartners ein nicht zu unterschatzendes Gefuhl an Sicherheit, das sich in der Kegel stimulierend auf die bilaterale Zusammenarbeit auswirkt. Es ware jedoch zu einseitig, wie moglicherweise das vorangestellte Zitat suggeriert, ein positives Image ausschliefilich auf grofie Unternehmen reduzieren zu woUen. Nichtsdestow^eniger gilt anzumerken, dass sich seit einigen Jahren vor allem kleine und mittlere marokkanische Incoming-Agenturen vor dem Hintergrund zahlreicher Insolvenzen auf dem bundesdeutschen Anbietermarkt verstarkt um jene deutschen Reiseveranstalter bemiihen, die Tradition und Renommee aufweisen, da sie eine vermeintliche Kontinuitat in der Zusammenarbeit versprechen (vgl. auch Kapitel VIII. 10). Aus Perspektive so manches deutschen Akteurs erschliefit sich Vertrauen nicht zuletzt dann, wenn der Kooperationspartner beziehungsweise das Kooperationsunternehmen als Briicke zur anderen Kultur fungiert. So konstatiert beispielsweise der Gesprachspartner eines mittelstandischen deutschen Pauschalreiseveranstalters, der vor einigen Jahren vor dem Hintergrund verstarkter Konzentrationstendenzen von einem deutschen global player iibernommen wurde: „Er muss beide Kulturkreise kennen. (...) Er muss professionell sein. Wenn etwa ein Hotelier deutsche Gaste beherbergt, dann soUte es so und so sauber sein. Was die Agentur betrifft, so muss sie - wie ich vorhin schon angedeutet habe - einen Bezug zu beiden Kulturkreisen haben. Wichtig ist, dass er [der Kooperationspartner, Anm. d. Verf.] weiE, was wir brauchen. Das muss er dann in seinem Land umsetzen, da reden wir dann auch nicht viel rein, solange eben keine Beschwerden kommen." (RV_D_25, S. 5) Nicht jeder der Befragten aus den deutschen Unternehmen traut dem marokkanischen Kooperationspartner zu, dass dieser ein bridging the gap bewerkstelligt. Vor diesem Hintergrund sind auch jene Kooperationen zu sehen, in denen deutsche Reiseveranstalter denjenigen IncomingAgenturen den Vorzug geben, die eine bikulturelle Geschaftsfiihrung aufweisen (vgl. Kapitel VIII.3). Eine entsprechende Konstellation wird, wie das nachfolgende Zitat deutlich macht, in der Regel auch hinsichtlich des Erfolgsfaktors Vertrauen positiv bewertet:
238
Kapitel VIII
„(...) die Konstellation eine deutsch-marokkanische Gesellschaft ist. Da hat man mehr Vertrauen, well die uns auch sehr gut verstehen konnen. Ich habe in so eine Partnerschaft mehr Vertrauen, als wenn es jetzt ein rein marokkanisches Unternehmen ware." (RV_D_15, S. 12) OfFensichtlich kann ein entgegengebrachtes Vertrauen einzig auf dem Umstand basieren, dass in der entsprechenden Partneragentur ein Ansprechpartner tatig ist, der auf einer sprachlichen Schiene ein bridging the gap bewerkstelligt. Das Zitat impliziert jedoch nicht, dass in einem Unternehmen mit einer bikukurellen Geschaftsfiihrung grundsatzhch eine bessere Arbeit gemacht wird. Die Generierung von Vertrauen verlangt von den betroffenen Akteuren, dass sie - gerade im interkulturellen Kontext - bestimmte vertrauensbildende MaEnahmen ergreifen beziehungsweise vertrauenskonstituierende Verhaltensmuster an den Tag legen. Dies kann unter anderem eine Teilung von Verantwortung im Sinne eines partnerschaftHchen empowerments oder eine kontinuierhche Sicherstellung von Information und Kommunikation sein (vgl. Kapitel IV1). Grundlegend ist in jedem Fall, dass ungeachtet der raumlichen Distanz Bereitschaft besteht, einen personlichen Kontakt mit dem counterpart aufeubauen. Moderne Kommunikationstechnologien erleichtern zwar das alltagliche handling, sie sind jedoch keinesfalls ein Garant fiir eine vertrauensvoUe Zusammenarbeit. Umso begriiEenswerter ist die Sichtweise der nachfolgenden Gesprachspartnerin: „Ich sage mal so: Vertrauen hat fiir uns erst mal sehr vie) mit Menschen an sich zu tun. Wir sind sehr daran interessiert, unsere Partneragenturen, insbesondere die Kollegen, mit denen wir direkt zusammenarbeiten, auch personlich kennen zu lernen. Das gilt fiir mich, aber auch fiir die meisten meiner Kollegen. Jemand, der mir als Mensch unsympathisch ist, mit dem wiirde ich auch nicht zusammenarbeiten woUen. Also, man muss sich auch menschlich riechen konnen, ein Stiick weit mogen und akzeptieren." (RV_D_16, S. 10) Ein weiteres zentrales Merkmal zur Konstitution von Vertrauen in partnerschaftHchen Kooperationen ist die Bereitschaft zu einer mittel- bis langfristigen Zusammenarbeit im Sinne eines relationship marketings. Dieser Aspekt ist vor allem deswegen von elementarer Bedeutung, da - wie bereits mehrfach deutlich wurde - Vertrauen ein prozessuales Phanomen verkorpert, das einer gewissen Kontinuitat bedarf So berichtet der Geschaftsfiihrer eines marokkanischen Trekkingveranstakers, wie seine Kooperationspartner bereits mehrere Male Abw^erbungsversuchen standgehalten haben: „La confiance qui existe entre nous et nos partenaires s'est construite a travers les annees. lis nous font confiance et reciproquement. A plusieurs reprises, ils onr ere contactes par d'autres agences de voyages marocaines, mais ils sont testesfidelesa notre entreprise." (RV_M_13, S. 2)
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
239
Einem anderen Geschaftsfiihrer, der ebenfalls eine auf Trekking spezialisierte Incoming-Agentur leitet, war diese Kontinuitat im Rahmen seiner Kooperationen nicht immer vergonnt: „I1 faut que ce soit quelqu'un de loyal. J'ai des partenaires qui sont venus faire des reperages, ont rencontre certains de mes guides, et apres, ils ont traite directement avec eux. J'ai trouve cela incorrect. C'etait un moyen rapide de trouver de bons guides." (RV_M_23, S. 3) Geht man davon aus, dass geschenktes Vertrauen ein fliichtiges Gut darstellt, so wird evident, dass dieser Vertrauensgeber angesichts seiner einschlagigen Erfahrungen leichter fiir eine Kultur des Misstrauens empfanglich ist als ein Akteur, der solche Enttauschungen noch nicht erlebt hat. Grundsatzlich ist davon auszugehen, dass die Honorierung von Vertrauen durch den Vertrauensnehmer vom Kosten-Nutzen-Verhaltnis vertrauenswiirdigen Verhaltens abhangt, das zum einen von intrinsischen Anreizen in Form der Praferenzen des Vertrauensnehmers und zum anderen von extrinsischen Anreizen vor allem in Gestalt von Reputationsmechanismen und den iiber sie regulierten Kooperationsmoglichkeiten (Stichwort: ZugrifF auf soziales Kapital) beeinflusst wird (vgl. RIPPERGER 1998). Die bisherigen Ausfiihrungen haben gezeigt, dass es ein ganzes Biindel unterschiedlicher Vertrauensmerkmale gibt, die einen Kooperationspartner im interkulturellen Kontext vertrauenswiirdig erscheinen lassen. Bevor im folgenden Kapitel die Konflikt- beziehungsweise Konfliktmanagementthematik aufgeroUt wird, sei an dieser Stelle noch auf ein interessantes Fallbeispiel verwiesen, in dem die Gesprachspartnerin eines grofien deutschen Pauschalreiseveranstalters auf zwei interessante Aspekte hinweist: „Die Charaktereigenschaften [eines vertrauenswiirdigen Kooperationspartners, Anm. d. Verf.]: OfFenheit und Ehrlichkeit, denn ich vertrete einen GroEkonzern und der Konzern vertraut mir. Das heiEt, der Konzern hat diesen Partner im Ausland ausgesucht, den suche ja nicht ich aus. Und das ist natiirlich oftmals nicht einfach - ich spreche jetzt nicht nur von Marokko, sondern global -, well sie gelegentlich im Ausland mit Partnern zu tun haben, von denen sie nicht unbedingt iiberzeugt sind. Im Grunde genommen versuche ich immer, mit jedem Partner gut auszukommen und da erwarte ich einfach OfFenheit und Ehrlichkeit. (...) Das ist vor alien Dingen dann sehr schwierig, wenn sie mit einem Agenten, mit einem Partner im Ausland zusammenarbeiten, der auch noch einen anderen Konkurrenten von ihnen betreut. Dem konnte ich nie trauen, wenn er das nicht splittet. (...) In Marokko ist es zum Beispiel so: Der Herr X [der Geschaftsfiihrer des marokkanischen Kooperationsunternehmens, Anm. d. Verf] hat ja auch noch einen anderen deutschen GroEveranstalter, den er betreut. Fiir uns hat er deshalb eine eigene Agentur aufgemacht, eine Schwesteragentur. Wir sitzen in zwei unterschiedlichen [nichtsdestoweniger benachbarten, Anm. d. Verf] Gebauden, und ich habe nie das Gefiihl gehabt, dass wir benachteiligt worden sind. Man weifi natiirlich auch, wie weit man da gehen kann, aber Vertrauen muss schon da sein." (RV_D_24, S. 12)
240
Kapitei VIII
Wahrend sich der Geschaftsfiihrer eines kleinen Nischenveranstaiters seinen Kooperationspartner nach bestimmten, selbst gewahlten Kriterien aussuchen kann, steckt so mancher Produktmanager in dem Dilemma, dass er mit einem counterpart auskommen muss, den er moglicherweise selbst nie ausgewahlt hatte. Hinzu kommt, dass vor allem grofiere Unternehmen eine ausgepragte Fluktuation aufweisen (Stichwort: berufliche Flexibilitat), die in der Regel ausgesprochen kontraproduktiv fur die Generierung von Vertrauen ist, da eine vertrauensnotwendige Kontinuitat verloren geht. Der zweite interessante Aspekt, der in obigem Zitat steckt, zeigt, wie problematisch es mitunter empfunden wird, wenn der Kooperationspartner einen wichtigen Konkurrenten mitbetreut. In diesem konkreten Fall hat es sich ofFenbar als ein richtiger Ansatz erwiesen, dass das marokkanische Kooperationsunternehmen eine Schwesteragentur gegriindet hat, die der Gesprachspartnerin den Eindruck vermittelt, keine schlechteren Konditionen zu erhalten. Letztendlich bleibt Vertrauen - im Sinne von LUHMANN (1989) - stets ein Wagnis, auch wenn keine Kooperation, zumindest mittel- bis langfristig, auf diesen Erfolgsfaktor verzichten kann. Perfekte Fremdkontrolle respektive absolute vertragliche Absicherung gegeniiber den vielfaltigen Risiken einer bilateralen Kooperation ware allerdings eine gefahrliche Illusion (vgl. KRYSTEK 2002) - und sei es nur, dass einer kontraproduktiven Misstrauenskultur Vorschub geleistet wiirde. Vor diesem Hintergrund lasst sich auch das abschliefiende Zitat durchaus als Pladoyer fiir eine vertrauensvoUe Zusammenarbeit zwischen Reiseveranstaltern und Incoming-Agenturen begreifen: „Es ist ganz einfach: Von uns sind weltweit Gruppen unterwegs, und wir haben eigentlich nur ein Bediirfnis, namlich dass wir ruhig schlafen konnen. Wenn wir uns jede Nacht iiberlegen miissten, was unseren Gruppen im Ausland passieren kann, dann konnten wir nicht mehr ruhig schlafen. Wir konnen nur ruhig schlafen, wenn wir uns auf unseren Partner verlassen konnen." (RV_D_26, S. 6)
VIII. 10 Jetzt wird's emst (I) - Konflikte u n d Konfliktlosungsansatze
Wie bereits in Kapitei IV2 deutlich wurde, handelt es sich im Kontext von Konflikten um ein systemimmanentes Phanomen, von dem auch Unternehmen nicht verschont bleiben. Konflikte sind insbesondere dann unvermeidlich, wenn Akteure mit divergierenden Werten, Interessenlagen, Bediirfnissen und Zielen interagieren. Kollidieren diese, so ist der entsprechende Konflikt bereits vorprogrammiert, wobei im Rahmen dieser Arbeit explizit davon ausgegangen wird, dass Konflikte durchaus konstruktiv sein konnen, wenn es den betrofFenen Akteuren gelingt, ihre unterschiedlichen Interessen vorzubringen, miteinander zu verhandeln und eine Einigung zu erzielen, die den Grundbediirfnissen beider Konfliktparteien gerecht wird. Im Kontext bilateraler Unternehmenskooperationen werden Konflikte nach wie vor primar auf struktur- und strategieinduzierte Ursachen zuriickgefiihrt, wobei inzwischen mehrfach nach-
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
241
gewiesen werden konnte, dass Konflikte haufig einen kulturellen Hintergrund aufweisen (vgl. RAHIM 1986,
MORAN/HARRIS/STRIPP 1993
und KREIKEBAUM/BEHNAM/GILBERT 2001). Ge-
rade fiir international agierende Unternehmen stellt sich die Frage, wie sich vor dem Hintergrund kultureller Divergenzen Konflikte in interkulturellen Uberschneidungssituationen losen lassen. Selbst bei einem hohen Grad an interkultureller Kompetenz, die man seit einigen Jahren verstarkt mittels interkultureller Trainings vermitteln mochte, sind in einer bilateralen Zusammenarbeit Konflikte nicht voUstandig auszuschliefien (vgl. STUDLEIN 1997). In dem MaKe, wie es den Akteuren gelingt, Konflikte zu kanalisieren und zu regeln, werden sie kontrollierbar und ihre schopferische Kraft vermag den jeweiligen Unternehmen niitzen. Somit kann ein konstruktiver Umgang mit Konflikten durchaus positive Implikationen auf die Unternehmen respektive deren interkulturelle Kooperationen haben. Die ft)lgenden Ausfiihrungen mochten zunachst - primar anhand konkreter problemzentrierter Fallbeispiele - mit zentralen Konfliktfeldern im bilateralen Kooperationsgeschehen zwischen den an dieser Studie partizipierenden deutschen und marokkanischen Tourismusunternehmen vertraut machen. In einem zweiten Schritt soil aufgezeigt werden, welche Ansatze die Kooperationspartner verfolgen, um auftretende Konflikte zu beheben. Im Kontext dieser Thematik gilt anzumerken, dass Aussagen, die - wie die hier vorgestellten Perzeptionen von Konflikten - in einen interkulturellen Zusammenhang eingebunden sind, in der Kegel kontroverser diskutiert werden als Aussagen zu den klassischen Problemfeldern der Okonomie. Dieser Umstand ist vor allem darauf zuriickzufiihren, dass Kulturen komplexe und sich kontinuierlich wandelnde Systeme verkorpern, die sich zudem noch in diverse mikrokulturelle Subsysteme aufgliedern (vgl. Kapitel III.l, III.3 und III.4). Dieser Aspekt soUte auch stets beriicksichtigt werden, wenn man sich auf die Werke der so genannten Interkulturalisten, etwa HOFSTEDE (1982), HALL (1990) oder TROMPENAARS (1993), bezieht, die jedoch unter der Voraussetzung, dass die entsprechenden Arbeiten kritisch gewiirdigt werden, bei der Beschaftigung mit kulturellen Divergenzen in bilateralen Unternehmenskooperationen durchaus hilfreich sein konnen (vgl. MOOSMULLER 1997). Bevor die empirischen Ergebnisse zu dieser Thematik vorgestellt werden, sei noch eine Bemerkung zu den nachfolgenden Zitaten gestattet, die mitunter eine negative Konnotation aufweisen. Eine entsprechende Negativitat kann als notwendige Begleiterscheinung in der Auseinandersetzung mit dem interkulturellen Handlungsfeld betrachtet werden, dem es bekanntermafien nicht an Stressoren mangelt. Zudem sehe ich, analog zu MOOSMULLER (1997), negativ anmutende Schilderungen weniger als Vorurteile und Abwehrhaltungen, sondern vielmehr als Teil eines komplexen Verarbeitungsprozesses inkommensurabler Erfahrungen, also eher als Signal fiir Veranderung denn fiir Verhartung. Beginnen wir zunachst mit einem Blick auf die Ergebnisse der standardisierten Befragung, in der die Akteure gebeten wurden, in einer in enger Zusammenarbeit mit den KoUegen von FORAREA konzipierten Matrix die Haufigkeit ausgewahlter Konfliktfelder anzugeben:
242
Kapitel VIII
Abb. 24: Prototypische Konfliktfelder in den bilateralen Kooperationen
Quelle: Eigene Erhebungen In der Verortung von Konfliktfeldern nimmt bei den Befragten aus den deutschen Unternehmen mit der Einhaltung von Zeitvorgaben ein Konflikt die Spitzenstellung ein, der eine ausgesprochen kulturbedingte Dimension einer bilateralen Zusammenarbeit verkorpert. Des Weiteren stellt der Umgang mit Konflikten eine vergleichsweise haufig auftretende Schwierigkeit in den jeweiligen Kooperationen dar. Wie die Abbildung deutlich macht, nehmen unternehmensspezifische respektive betriebswirtschaftliche Aspekte - mit Ausnahme der Fakturierung - eine eher untergeordnete Rolle ein. Im Kontext von Investitionen gilt anzumerken, dass dieser Aspekt selbstverstandlich primar fiir touristische Grof?unternehmen von Relevanz ist, die jedoch nicht im Zentrum dieser Untersuchung stehen. Die drei an dieser Studie partizipierenden deutschen Reiseveranstalter, die derzeit in Marokko investieren, bewerten jedoch den entsprechenden Aspekt in Bezug auf die Haufigkeit von Konflikten kritisch. Auf marokkanischer Seite wird, v^ie die Abbildung deutlich macht, vor allem der Informationsaustausch zwischen den Kooperationspartnern kritisch bewertet. Auch in diesem Fall handelt sich wieder um einen Aspekt, der primar eine kulturbedingte Durchdringung aufweist. Als Konfliktfelder folgen die Einhaltung von Zeitvorgaben, die Programmentwicklung und der Umgang mit Konflikten. Wie das vorliegende Ergebnis deudich macht, nehmen auch auf marokkanischer Seite primar jene Konfliktfelder einen prominenten Platz ein, die eine ausgesprochen kulturelle Durchdringung aufweisen. Gleichwohl gilt festzuhalten, dass die Ergebnisse der standardisierten Befragung zunachst einmal eine vergleichsw^eise positive Perzeption des deutsch-marokkanischen Kooperationsgeschehens widerspiegeln.
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
243
Werfen wir nachfolgend einen Blick hinter die Strukturinformationen, indem wir die Akteure selbst zu Wort kommen lassen. In diesem Zusammenhang sei auch angemerkt, dass so mancher Befragte, der in der Matrix fiir die Antwortoptionen seiten beziehungsweise sehr selten votierte, im Veriauf des Gesprachs ein modifiziertes Biid hinsichdich Haufigkeit respektive Relevanz von Konflikten zeiclinete. Wahrend die Matrix zunachst einmal auf einer eher abstrakten Ebene Haufigkeit und Relevanz potentieller, vergleichsweise prototypischer Konfliktfelder in der bilateralen Zusammenarbeit ausfindig machen soUte, ging es bei der sich anschliefienden ofFenen Frage darum, anhand eines konkreten Failbeispiels Konflikten auf die Spur zu kommen, die einen kompiexeren Hintergrund aufweisen und sich moglicherweise nicht auf den ersten Blick erschlieSen. Entsprechend der ofFenen Fragestruktur sind die erzielten Antworten von einer frappanten Vielfalt und Eindringlichkeit und spiegeln ausgewahlte Erfahrungen sov^ie - durchaus sehr personlich gefarbte - Impressionen des derzeitigen deutsch-marokkanischen Kooperationsgeschehens im Tourismussektor wider. Den Reigen eroffnet die Geschaftsfiihrerin eines auf den Incentivetourismus spezialisierten Kleinveranstalters. Im Kontext ihrer Ausfiihrungen zu potentiellen Konflikten in der interkulturellen Zusammenarbeit greift die Gesprachspartnerin exemplarisch den Fastenmonat Ramadan und dessen Implikationen auf das Kooperationsgeschehen auf Dabei nimmt sie in erster Linie Bezug auf den Zeitfaktor - der bereits bei der standardisierten Befragung seitens der Akteure aus den deutschen Unternehmen eine Spitzenstellung eingenommen hat - und illustriert die ausgesprochen kulturelle Durchdringung bestimmter Konflikte, deren Auswirkungen ganz konkret in der alltaglichen tourismusspezifischen Zusammenarbeit sichtbar werden: „Die Risiken bestehen eigentiich nur darin, dass es eben religios ein anderes Land ist. Und da habe ich auch sehr wenig Kompromissbereitschaft gesehen, sich auf den westlichen Kulturkreis einzustellen - gutes Beispiel natiirlich der Ramadan. (...) Dieses Fasten wirkt sich ungeheuerlich aus. Es ist eine Gereiztheit zu verspuren, und das ganze Tempo ist natiirlich stark verlangsamt. Das ist schon spiirbar. Das betrifft unsere direkten Ansprechpartner, von denen ich jetzt rede, die ihrerseits wieder abhangig von ihren Partnern sind, sprich den Hoteliers, den Vermietern von Vierradfahrzeugen, den Restaurants und so weiter, so dass sich diese Verlangsamung geradezu potenziert,... in der Kommunikation mit uns. Und das ist ein ganz groEes Problem, das auch die deutschen Reiseveranstalter nicht verstehen, die das eigentiich wissen miissten, die einfach kommen und sagen: »Wir brauchen morgen eine Antwort!«, und wenn die sagen: »Das geht nicht, Ihr wisst das doch.«, dann kommt: »Das ist doch Euer Problem!« oder »Das haben wir vergessen!«" (RV_D_16, S. 1) In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass islamische Wirtschaftsordnungen sowie bestimmte Positionen und Verhaltensdispositionen muslimischer Geschaftspartner nur dann zu verstehen sind, wenn man sich, zumindest in Ansatzen, mit dem Islam als Religion und Weltanschauung auseinander gesetzt hat. Dieser Umstand wurde immer wieder von Gesprachspart-
244
Kapitel VIII
nern bestatigt, ganz abgesehen davon, dass eine Sensibilisierung hinsichdich dieses Aspekts inzwischen integrativer Bestandteil interkultureller Trainings geworden ist. Als jiingste Weltreligion, die von ihrem Selbstverstandnis her keine unmittelbare Trennung zwischen Weldichem und Geisdichem kennt, muss der Islam auf Fragen aus alien religiosen und weldichen Lebensbereichen Antworten geben konnen, wobei diese haufig nicht in konkreten Handlungsanweisungen, sondern im Verweis auf moralisch-ethische und religiose Prinzipien bestehen, die fiir die Auswahl beziehungsweise Bewertung von Handlungsalternativen entscheidungsrelevant sind (vgl. NiENHAUS 1996). Bemerkenswert und durchaus nicht immer selbstverstandlich v^ar das explizite Eingestandnis der Gesprachspartnerin, dass das mangelnde interkulturelle Verstandnis auch auf deutscher Seite anzutreffen ist. Zahlreiche andere Interviev^partner skizzierten im Kontext ihrer Ausfuhrungen hinsichtlich des Ramadans die mit diesem Fastenmonat verbundenen Konsequenzen fiir Touristen, beispielsweise Serviceeinschrankungen, die immer wieder zu Kundenbeschw^erden fiihren und somit riickkoppelnd auch Konsequenzen auf das bilaterale Kooperationsgeschehen haben. Selbstredend, dass entsprechende Konsequenzen in engem Konnex mit dem in dieser Arbeit relevanten Beschw^erdemanagement stehen. Ein Versuch der Regierung Tunesiens, des bedeutendsten maghrebinischen Tourismuskonkurrenten Marokkos, den Ramadan angesichts seiner weitreichenden w^irtschaftlichen und sozialen Implikationen auszusetzen, scheiterte nicht zuletzt aufgrund des erbitterten Widerstands seitens der Geistlichkeit. Nach groben Schatzungen befolgen - ungeachtet aller Modernisierungstendenzen in den einzelnen Maghrebstaaten - immerhin noch 50 bis 70 Prozent der Glaubigen die strengen Fastenvorschriften des Ramadan (vgl. DiJLFER 1997). Der Produktmanager eines fiihrenden - horizontal und vertikal integrierten - Reisekonzerns setzt sich im Kontext von Konflikten mit der Personalstruktur seines Kooperationsunternehmens auseinander und kommt zu folgendem Ergebnis: „Eine marokkanische Firma, mit der man zusammenarbeitet, ist sehr familiengebunden. Sie warden kaum eine Firma finden, in der familienfremde Personen Schliisselstellungen einnehmen. Und wie wir eingangs schon sagten, kommt es da iiberhaupt nicht auf die Qualifikation an! Das heifit: Von Anfang an miissen sie mit einer gewissen personellen Schwache rechnen, weil es immer wieder Funktionen, wichtige Funktionen gibt, die in dieser Firma von Menschen besetzt werden, die die Kapazitat, das Know-how nicht haben." (RV_D_22, S. 2) In diesem Zusammenhang schildert der Produktmanager - nicht ohne dabei unerwahnt zu lassen, dass er in den letzten Jahren kaum eine von marokkanischer Seite getroffene Personalentscheidung hat nachvoUziehen konnen - die mit diesen Strukturen implizierten Konsequenzen fiir das konkrete Kooperationsgeschehen:
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
245
„Wir haben mit den Jahren gelernt, dass wir mehr und mehr Verantwortung iibernehmen miissen. Das heifit, wenn es nicht reine Agenturaufgaben waren, wie zum Beispiel Busplanung oder die Ausflugsplanung, Reiseleiter, local guides, dann haben wir alles zu uns riibergezogen. (...) Wir haben also mehr und mehr Verantwortung zu uns riibergezogen, damit wir auch gerade bei fundamentalen Entscheidungen, etwa Personaientscheidungen, immer weniger auf das Einverstandnis des Partners zuriickgreifen miissen." (RV_D_22, S. 2) Wahrend man bei diesem Reiseveranstalter im Laufe der Zusammenarbeit sukzessive Kompetenzen riickverlagert hat, gibt es andere Grofiveranstalter, die diesem vermeintlichen Manko dadurch begegnen, indem sie - im Falle einer Kapitalbeteiligung - eine Aufstockung der Kapitalbeteiligung vornehmen, um ihren Einfluss auf die Unternehmenspolitik zu erhohen. Die zentrale Bedeutung interpersoneller Kontakte ist ein typisches Charakteristikum fiir so genannte high-context-¥M\x.\xTtn, zu denen auch die arabischen Lander gezahlt werden. Wahrend in highcontext-Y^\x\x.\XTtn ein sehr hoher Anteil an Informationen bereits implizit in den interagierenden Personen beziehungsweise in deren Beziehungen vorhanden ist, haben in low-context-YixAmitny zu denen beispielsweise Deutschland zahlt, Beziehungen entweder eine geringere Bedeutung oder die Akteure sowie die Beziehungsinhalte zwischen den Akteuren wechseln haufig aufgrund unterschiedUcher Gruppenzugehorigkeiten und RoUen (vgl. HALL 1990), Ein weiteres Konfliktfeld in der bilateralen Zusammenarbeit zwischen deutschen und marokkanischen Reiseveranstaltern bilden mitunter ^^w^^r-spezifische Erfahrungen (vgl. auch Kapitel VIII.4). So schildert beispielsweise die Produktmanagerin eines mittelstandischen deutschen Reiseveranstalters folgende Eindriicke: „Und nicht jeder Moslem, Araber oder Marokkaner ist halt entsprechend aufgeschlossen, sich von einer Frau etwas sagen zu lassen. Ich habe das gemerkt, als ich angefangen habe in Marokko zu arbeiten. Die ersten drei Monate waren sehr hart, weil man eben versucht hat, zu sagen: »Du Frau, Du Europaerin, Du hast uns iiberhaupt nichts zu sagen.« Bis es dann irgendwann klick gemacht hat, der Schalter sich umgelegt hat und ich nach ungefahr drei Monaten gemerkt habe, aha, sie akzeptieren mich als Frau, sie akzeptieren, was ich sage, und sie sehen, dass die Arbeit, die ich mache, gut und von Erfolg gepragt ist." (RV_D_03, S. 2) Das angefuhrte Zitat spiegelt eine Erfahrung wider, die vergleichsweise haufig in den gefiihrten Interviews thematisiert wurde. Es regt alleine schon deshalb zum Nachdenken an, wenn man bedenkt, dass im Vergleich zu anderen Branchen im Tourismus der Anteil an Frauen in Fiihrungspositionen iiberproportional hoch ist. Demgegeniiber wird im Maghreb - ungeachtet aller Modernisierungsansatze - oft noch immer ein vergleichsweise traditionelles Frauenbild gepflegt, das in erster Linie einem religiosen respektive patriarchalischen Wertesystem verpflichtet ist. MOSER-WEITHMANN (1999a, S. 72) skizziert den entsprechenden kulturhistorischen
246
Kapitel VIII
Hintergrund wie folgt: „Die lokalen Gemeinschaften, die durch ihre historisch gewachsene Verwandtschaft zu gegenseitiger Unterstiitzung verpflichtet waren und deren Basis die soziale Formation aus Familie und Verwandtschaft bildete, bemiihten sich, unabhangig von der (jeweiligen) Staatsmacht zu bleiben. In der Kontrolle iiber die Frauen sah man seit altersher den Zusammenhalt und die Integritat der Gemeinschaften." Einige Gesprachspartnerinnen weisen im Kontext dieser Thematik jedoch expHzit darauf hin, dass sie den Eindruck haben, eine Soziahsation des counterparts im Westen - etwa durch einschlagige Studienaufenthalte oder Praktika - imphziere einen wesentUch ofFeneren ^d'W^r-iibergreifenden Umgang. Wenden wir uns im Folgenden den Akteuren aus den marokkanischen Unternehmen zu. Wesenthch haufiger als auf Seiten der deutschen Unternehmen reduzieren diese ihre Konflikte hinsichtHch der bilateralen Zusammenarbeit auf vorwiegend okonomisch ausgerichtete Aspekte. So konstatiert beispielsweise der Produktmanager einer mittelstandischen Incoming-Agentur aus Casablanca: „Les efFets negatifs de la cooperation se font ressentir au niveau des tarifs que les Allemands demandent de plus en plus has avec une meilleure qualite, alors que les frais sont eleves par rapport au prix paye." (RV_M_14, S. 1) Ein relativ disperses Bild beztiglich dieses Themenkomplexes zeichnet der Reprasentant einer Agentur, deren Schwerpunkt auf dem Incentivetourismus liegt: ,J\M niveau des difficultes et des malentendus qui apparaissent au cours de la cooperation: Les tour-operateurs demandent a chaque fois un produit nouveau, alors que le Maroc est toujours le meme et nous ne pouvons pas a chaque fois creer un nouveau produit. Par ailleurs, notre fa^on de travailler ne plait pas a nos partenaires et nous sommes toujours obliges de ce fait de la changer et de suivre leur methode." (RV_M_17, S. 2) Das veranderte Nachfrageverhalten des deutschen Kooperationspartners, das der marokkanische Gesprachspartner beklagt, lasst sich nicht nur vor dem Hintergrund zunehmend hybrider Konsummuster erklaren, sondern korrespondiert auch mit der in den letzten Jahren seitens der marokkanischen Tourismuspolitik eingeleiteten Diversifizierung des touristischen Angebots (vgl. insbesondere Kapitel W.G und V.3). Bei so manchem marokkanischen Reiseveranstalter konnte man im Rahmen der gefiihrten Interviews den Eindruck gewinnen, dass man eher an einer Modifikation des bestehenden touristischen Angebots interessiert sei, denn an einer Entwicklung neuer Produkte. Ein Eindruck, der auch von zahlreichen Gesprachspartnern aus den deutschen Unternehmen geteilt wird, die bedauern, dass von marokkanischer Seite kaum Impulse bei der konzeptionellen Entwicklung der touristischen Angebotspalette ausgehen (vgl. ScHERLE 2003). Dieses aus westlicher Perspektive haufig mit mangelnder Eigeninitiative umschriebene Geschaftsgebaren wird von Interkulturalisten meistens auf die so genannte Fatalis-
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
247
musthese zuriickgefiihrt, die ihren Ursprung in der von muslimischen Theologen vertretenen AufFassung hat, dass das menschliche Leben weitgehend vorherbestimmt sei (vgl. DULFER 2001 und KUTSCHKER/SCHMID 2002). Interessant ist auch jene Aussage, die sich auf die Arbeitsweise bezieht, da sie aufzeigt, dass sich der entsprechende marokkanische Akteur nicht als gleichwertiger Partner in der Kooperation sieht. Das nachfolgende Zitat eines marokkanischen Geschaftsfiihrers ist vor aliem deshalb von besonderem Interesse, da es dezidiert eine Verbindung zwischen der Konfliktthematik und dem Erfolgsfaktor Beschwerdemanagement herstelh: „La plupart des difficukes et des malentendus sont provoques par les reclamations des touristes: soit ils ne sont pas satisfaits, soit ils ont ete agresses. Ce genre de reclamations nous cree bien sur des ennuis avec notre partenaire. Heureusement qu'on arrive toujours a regler ces problemes, surtout avec le partenaire." (RV_M_28, S. 2) Auch wenn es diesem Befragten in der Kegel zu gelingen scheint, hinsichtlich des handlings von Kundenbeschwerden eine einvernehmliche Losung mit dem Kooperationspartner zu finden, so darf man diesen Umstand keinesfalls als selbstverstandlich voraussetzen, da in diesem Kontext immer wieder materielle beziehungsweise finanzielle Kompensationsanspriiche auf die betroffenen Parteien zukommen. Dabei gilt es nicht nur, die Kundenzufriedenheit wiederherzustellen, sondern auch eine kooperative Losung zu finden, die keine Seite benachteiligt. Wie bereits in Kapitel IV. 3 deutlich wurde, treten im interkulturellen Beschwerdemanagement nicht nur ausgepragte Unterschiede bei Kundenerwartungen hinsichtlich Produkten und Dienstleistungen zu Tage, sondern es stellt sich auch grundsatzlich die Frage, welche Beschwerden aus Sicht der Interaktionspartner berechtigt sind und wie man gemeinsam mit diesen umgeht. Gerade das neuralgische Problemfeld des Qualitats- und Beschwerdemanagements verkorpert eine zentrale Schnittstelle, an der sich auch dezidiert Starken und Schwachen einer grenzuberschreitenden Zusammenarbeit aufzeigen lassen (vgl. Kapitel VIII.7). Eine Losung entsprechender Kooperations- und Koordinationsprobleme unter Einbeziehung kulturspezifischer Besonderheiten stellt somit eine der zentralen Herausforderungen im Management touristischer Produkte und Dienstleistungen dar. Relativ haufig sprechen marokkanische Interviewpartner im Kontext von Konflikten finanzielle Aspekte der bilateralen Zusammenarbeit an. So schildert beispielsweise der Geschaftsfiihrer einer kleinen Incoming-Agentur aus Tanger folgenden Fall: „Quant aux experiences negatives, on en a eu egalement. II y a beaucoup de boites qui sont en train de fermer en Allemagne. Beaucoup d'entre elles n'ont pas de financement. C'est un risque que nous avons supporte deux fois: une fois avec les Autrichiens pour une somme de 120 000 Schillings et une deuxieme fois avec les Allemands pour une somme de 16 000 Marks. Alors, vous savez, pour nous, c'est enormement d'argent. Nous travaillons sur la commission. Si vous perdez
248
Kapitel VIII
16 000 Marks, c'est-a-dire le benefice realise avec quinze groupes, ce n'est pas facile. II faut alors travailler de nouveau avec quinze groupes pour recuperer cet argent perdu. Nous ne sommes pas a la hauteur de supporter cette perte. C'est difficile pour nous." (RV_M_29, S. 3) Gerade fiir marokkanische Nischenveranstalter, deren Kooperationen mit deutschen Partnern aufgrund geringer Paxe ausgesprochen informelle und sporadische Ziige aufweisen, bergen solche Begebenheiten nicht zu unterschatzende Risiken. Es verwundert daher kaum, dass sich vor allem kleinere Unternehmen verstarkt um die renommierten und traditionsreichen deutschen Reiseveranstalter mit einer breiten Produktpalette bemiihen (vgl. Kapitel VIII.9): Zum einen wirft ein derartiger Veranstalter ein positives Licht auf das entsprechende Kooperationspartnerportfolio; ein Umstand, der auch andere potentielle Kooperationspartner anlockt. Zum anderen kann eine breit gefacherte Produktpalette leichter eventuelle Nachfrageschw^ankungen bestimmter Kunden oder Sparten kompensieren. Einige Gesprachspartner aus den marokkanischen Tourismusunternehmen nutzten die Frage nach Konflikten dazu, um auf die im Zuge von Globalisierungsprozessen zunehmend problematische Stellung ihres Unternehmens hinzuw^eisen. In diesem Kontext v^urde unter anderem angesprochen, dass es gerade fiir klein- und mittelstandische Unternehmen aufgrund verstarkter Konzentrationstendenzen in der deutschen Tourismusbranche immer schv^ieriger v^ird, einen geeigneten Kooperationspartner zu finden (vgl. auch Kapitel VIII.3). So konstatiert beispielsw^eise der Geschaftsfiihrer einer kleinen Incoming-Agentur aus Agadir: „Cela devient de plus en plus difficile de trouver des partenaires. Parce que la mondialisation, elle est faite pour des gens qui sont deja tres forts, et qui deviendront encore plus forts avec cette mondialisation. Quand on parle de mondialisation, on pense tout de suite aux trois grands groupes allemands, sur le marche marocain, je pense a X, Y et au groupe Z [die drei Buchstaben symbolisieren die drei touristischen Branchenfiihrer in Deutschland, Anm. d. Verf]. Ce sont les plus grands qui vont en profiter et pour nous, 9a va devenir de plus en plus difficile." (RV_M_09, S. 1) In eine ahnliche Richtung argumentiert der kaufmannische Direktor einer w^eiteren IncomingAgentur aus Agadir: „La mondialisation est un probleme pour de nombreuses agences de voyages. Dans trois ou quatre ans, les grands tour-operateurs vont acheter routes les petites agences. Ce n'est pas bon du tout pour les petites destinations comme Agadir. Notre entreprise n'est pas trop touchee, vu que nous travaillons avec des entreprises solides et autonomes. Mais cela n'empeche pas qu'elle pent etre un jour rachetee par un grand tour-operateur. Ce serait desastreux pour une destination telle qu'Agadir." (RV_M_03, S. 3)
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
249
An dieser Stelle soil auch nicht unerwahnt bleiben, dass in den letzten Jahren zahlreiche marokkanische Incoming-Agenturen ihre einstigen Kooperationspartner durch mergers and acquisitions v^Aortn haben (vgl. SCHERLE 2003). Weiterhin wurde moniert, dass die Einkaufsmacht der Grofikonzerne immer starker wird und die damit verbundene rigide Preispolitik zwangslaufig zu Qualitatseinschnitten beim touristischen Produkt fiihren muss. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen besteht vor allem in Zentren des Pauschal- respektive Massentourismus, in denen die Dominanz der global players in den verschiedenen Gliedern der touristischen Wertschopfixng besonders ausgepragt ist, die Gefahr einer verstarkten Marginalisierung lokaler Tourismusakteure. Insbesondere MENZEL (1998) und SCHOLZ (2000/2002) haben wiederholt auf die Strukturen und Konsequenzen dieser fragmentierenden Entwicklung im Kontext der Globalisierung hingewiesen, die im schlimmsten Fall zu einer Exklusion bestimmter Standorte und Unternehmen fiihren kann. Wie die bisherigen Ausfiihrungen gezeigt haben, gestalten sich die Konfliktfelder in der Zusammenarbeit zwischen den deutschen und marokkanischen Tourismusunternehmen ungemein vielschichtig. Dabei kommen in den entsprechenden Konfliktperzeptionen auch haufig deren kulturbedingte Dimensionen zum Vorschein, die lange Zeit - gerade aus einer unternehmensspezifischen Perspektive - marginalisiert wurden. Nichtsdestoweniger gilt noch einmal an dieser Stelle festzuhalten, dass Konflikte und ihre jeweiligen Ursachen stets mehrdimensionale Phanomene verkorpern, die sich einer monokausalen Erklarung verschliefien. Zwischen den einzelnen Konfliktursachen bestehen Interdependenzen, die nicht nur problemzentrierter, sondern auch zeitlicher Natur sein konnen, da Konflikte aufgrund ihres Prozesscharakters kein statisches Ergebnis sind (vgl. Kapitel IV.2). Entscheidend ist letztendlich der Umstand, dass die betrofFenen Akteure angemessen und efFektiv mit Konflikten umgehen konnen. Vor diesem Hintergrund soUte im Rahmen der vorliegenden Arbeit eruiert werden, w^elche Ansatze im Kontext einer Konfliktlosung zum Tragen kommen. Werfen wir diesbeziiglich zunachst einen Blick auf Abbildung 25 der folgenden Seite, die die Relevanz zentraler Konfliktlosungsansatze in den bilateralen Kooperationen dokumentiert: Wie die Abbildung deutlich macht, kommen innerhalb der Kooperationen zwischen den deutschen und marokkanischen Reiseveranstaltern mit den Items oflFene Diskussion bei Bedarf, Mitarbeitergesprache und regelmaKige Teammeetings primar solche Konfliktlosungsansatze zum Einsatz, die eine deutlich personalisierte und diskursive Ausrichtung erkennen lassen. Dieser Umstand ist nicht zuletzt darauf zuriickzufiihren, dass die im Fokus dieser Arbeit stehenden kleinen und mittleren Unternehmen haufig auf eine sehr lange und intensive bilaterale Zusammenarbeit zuriickblicken konnen, die vielfach im Laufe der Zeit zu intensiven personlichen Kontakten geflihrt hat. Die personalisierte und diskursive Ausrichtung der Konfliktlosungsansatze kommt aber auch dem Faktum entgegen, dass Kooperationen in arabischen Landern gerade dann als besonders erfolgreich gelten, wenn man iiber intensive interpersonelle Kontakte verfugt und diese entsprechend pflegt. Wie die prozentualen Werte zeigen, werden die drei wichtigsten Konfliktlosungsansatze auch in Hinblick auf ihre Erfolgsaussichten weitgehend positiv bewertet. So attestieren immerhin 93,3 Prozent der Befragten aus den deutschen und
250
Kapitel VIII
90 Prozent der Befragten aus den marokkanischen Unternehmen, dass der am haufigsten zum Tragen kommende Ansatz - eine ofFene Diskussion bei Bedarf - erfolgreich sei. Die iibrigen Ansatze spielen nur eine untergeordnete Rolle, da sie bis auf ganz wenige Ausnahmen kaum Verwendung finden. In Bezug auf deren Bewertung zeichnet sich mitunter ein uneinheidiches Biid ab: Wird das interkulturelle Training, im Falle seines Einsatzes, sowohl von deutscher als auch von marokkanischer Seite als erfolgreich eingeschatzt, so sieht man beiderseits in einer gerichdichen Losung kaum Erfolgschancen. Anzumerken bleibt in diesem Zusammenhang, dass gerade kleine und mittlere Unternehmen entsprechende Konflikdosungsansatze schon aus Kostengriinden meiden. Der Einsatz von Druck respektive Zwang als Mittel zur Konflikdosung kommt zw^ar gelegentlich - zumindest nach Angaben einiger Akteure aus den deutschen Unternehmen - zum Tragen, jedoch wird dessen Erfolg ausgesprochen ambivalent eingeschatzt. Abb. 25: Konfliktlosungsansatze in den bilateralen Kooperationen
* Abweichungen von 100%sind rundungsbedingt Quelle: Eigene Erhebungen
Mit Bezug auf die eben skizzierten Ergebnisse kann man den Schluss ziehen, dass sich die befragten Akteure bis auf wenige Ausnahmen von kompromissorientierten und kooperativen Konfliktlosungsansatzen leiten lassen, die - im Sinne eines kultursensiblen Konfliktmanagements - auf einen dialogisch-partizipativen Interessenausgleich bedacht sind. Dieser Umstand
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
251
ist besonders aus einer interkulturellen Perspektive zu begriifien, da gerade im Rahmen eines managing accross cultures die Suche nach Gemeinsamkeiten ein erstes Orientierungsmuster darstellt (vgl. Kapitel IV.2). Nicht selten folgen die Kooperationspartner im Kontext von Konfliktl5sungen auch einem bemerkenswerten Pragmatismus. So konstatiert beispielsweise der Geschaftsfiihrer eines mittelstandischen deutschen Reiseveranstalters, der auf jahrelange Kooperationserfahrungen mit marokkanischen Incoming-Agenturen zuriickblicken kann: „Ich sage halt immer, es gibt eine juristische und eine kaufmannische Losung, ... und wir vertreten immer die kaufmannische Losung, obwohl ich Jurist bin. Fiir juristische Losungen ist diese Branche viel zu klein. In den 30 oder 20 Jahren, in denen ich jetzt berufstatig bin, habe ich nur zweimal die juristische Losung vertreten und sonst immer die kaufmannische. Man trifft sich ja immer wieder! Und mit jemandem, mit dem sie zusammen im gerichtlichen Clinch liegen, mit dem konnen sie in Zukunft gar nicht mehr zusammenarbeiten. (...) Die Leute tauchen alle wieder auf, dafiir ist unsere Branche zu klein." (RV_D_26, S. 8) Dass dieser Pragmatismus auch von einer deutlich negativeren Konnotation begleitet werden kann, macht das nachfolgende Zitat eines marokkanischen Geschaftsfiihrers deutlich: „Nous faisons toujours un compromis pour ne pas perdre notre partenaire. Particulierement quand une petite agence travaille avec une grosse agence. lis ne veulent pas perdre leur partenaire, alors ils font des compromis, mais ils n'en sont pas toujours satisfaits." (RV_M_11,S. 8) In dieser Aussage, die kein Einzelfall darstellt, manifestieren sich explizit die Sorgen und Angste, die so manche Incoming-Agentur aus Sicht dieses marokkanischen Gesprachspartners zu Opfern einer fortschreitenden Globalisierung degradieren. Umgekehrt ware es aber auch zu einseitig, ginge man - gerade im Kontext einer Konflikthandhabung - stets von einem Ungleichgewicht in der jeweiligen Zusammenarbeit aus. Gerade Nischenveranstalter, die mit einem profilierten touristischen Produkt aufwarten, konnen sich seit Jahren erfolgreich in ihren Kooperationen behaupten. Dieser Umstand wird nicht zuletzt dutch das im Vergleich zu anderen Destinationen der Dritten Welt aufierst diversifizierte touristische Angebot begiinstigt.
VIII. 11 Am Ziel der Wunsche? - Erfolgsbilanzierung
Wie die bisherigen Ausfiihrungen gezeigt haben, zeichnet sich der interkulturelle Kooperationsalltag zwischen den deutschen und marokkanischen Reiseveranstaltern durch eine ausgesprochene Komplexitat aus, die die betroffenen Akteure mit nicht zu unterschatzenden Manage-
252
Kapitel VIII
mentherausforderungen konfrontiert. Dieser Umstand ist vor allem darauf zuriickzufuhren, dass die Rahmenbedingungen im Vergleich zu nationalen Kooperationen deudich diffiziler sind. Man denke in diesem Kontext beispielsweise an die raumliche Distanz, an rechdiche Inkompatibilitaten oder an das bridging the gap vor dem Hintergrund soziokuitureller Divergenzen (vgl. APFELTHALER 1998, BORSIG/BAUMGARTEN 2002 und HOPFINGER/SCHERLE 2003).
Das vodiegende Kapitel gewahrt einen konzisen Einblick, wie die an dieser Studie partizipierenden Akteure den Erfolg ihrer bilateralen Zusammenarbeit bewerten. Im Gegensatz zu den meisten betriebswirtschaftlichen Studien, die sich im Rahmen einer Erfolgsbilanzierung in der Regel auf die Prasentation statistischer Parameter beschranken, sollen in dieser Arbeit zusatzlich personliche Einschatzungen der Befragten dargelegt werden, die eine inhaltliche Abrundung der entsprechenden Thematik ermoglichen. In diesem Zusammenhang erweist sich einmal mehr die multimethodische Konzeption des problemzentrierten Interviews als ein nicht zu unterschatzender Vorteil, da sie eine ausgesprochen holistische Datengewinnung ermoglicht. Zur Beurteilung des Erfolgs der im Rahmen dieser Arbeit untersuchten deutsch-marokkanischen Unternehmenskooperationen wurden verschiedene Indikatoren beriicksichtigt, wobei wir im Folgenden zunachst einen Bhck auf den Zielerreichungsgrad werfen. In diesem Kontext sei noch einmal an die zentralen Ziele, die mit den hier vorHegenden Kooperationen einhergehen, erinnert: Sowohl auf deutscher als auch auf marokkanischer Seite nimmt die Markterschliefiung den ersten Rang ein. Auf dem zweiten und dritten Rang folgen bei den deutschen Reiseveranstaltern die Erweiterung des Leistungsprogramms sowie der Zugang zu Know-how, wahrend auf den entsprechenden Platzen bei den marokkanischen Incoming-Agenturen das Erzielen eines starkeren Unternehmenswachstums respektive eine groEere Marktnahe stehen (vgl. Kapitel VIII.2). Die nachfolgende Abbildung dokumentiert den Zielerreichungsgrad in Hinblick auf die drei wichtigsten Kooperationsziele: Abb. 26: Einschatzung der Zieierreichung in Hinblick auf die wichtigsten Kooperationsziele
Quelle: Eigene Erhebungen
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
253
Die Abbildung verdeudicht, dass der Zielerreichungsgrad in den marokkanischen Unternehmen wesendich negativer bewertet wird als in den deutschen Unternehmen: So geben immerhin 69 Prozent der Akteure auf marokkanischer Seite an, ihr wichtigstes Kooperationsziel nicht oder nur teilweise erreicht zu haben. Der entsprecliende Wert auf deutscher Seite betragt nur 21,4 Prozent. Umgekelirt geben immerhin 78,5 Prozent der Befragten aus den deutschen Unternehmen an, ihr wichtigstes Kooperationsziel iibertroffen oder zumindest erfiillt zu haben, wahrend der entsprechende Wert auf marokkanischer Seite nur 31 Prozent betragt. Wirft man einen Blick auf das zweitwichtigste Kooperationsziel, so ist die Diskrepanz hinsichtiich der Zielerreichung noch ausgepragter. 89,2 Prozent der Akteure aus den deutschen Unternehmen erachten dieses als iibertroffen oder zumindest erfiillt, wohingegen der entsprechende Wert bei den marokkanischen counterparts bei 25,9 Prozent liegt. Im Vergleich dazu sieht gerade einmal 10,7 Prozent der Akteure auf deutscher Seite das zweitwichtigste Ziel als nicht oder nur teilweise erfiillt an, wahrend in den marokkanischen Unternehmen immerhin 74,1 Prozent der Befragten angeben, dieses nicht oder nur teilweise erreicht zu haben. Letztendlich ist die ausgepragte Diskrepanz hinsichtiich der Einschatzung des Zielerreichungsgrads vor allem darauf zuriickzufiihren, dass die meisten marokkanischen Incoming-Agenturen ausgesprochen abhangig vom deutschen Quellmarkt sind und dieser seit einigen Jahren einen deutlichen Besucherriickgang verzeichnet. Umgekehrt stellt der entsprechende Outgoing-Tourismus fiir die meisten deutschen Reiseveranstalter - sieht man einmal von Nischenveranstaltern ab - ein vergleichsweise marginales Produkt dar, das allenfalls die Produktpalette abrundet und zudem mit einem nicht zu unterschatzenden Imageproblem kampft. Werfen wir in der folgenden Abbildung einen Blick auf die Entwicklung von Umsatz respektive von Gewinn und Verlust in den bilateralen Kooperationen: Abb. 27: Entwicklung von Umsatz beziehungsweise von Gewinn und Verlust in den bilateralen Kooperationen
* Abweichungen von 100% sind rundungsbedingt
Quelle: Eigene Erhebungen
254
KapitelVIII
Auf den ersten Blick erscheint auf marokkanischer Seite die Entwicklung von Umsatz beziehungsweise von Gewinn und Verlust in den bilateralen Kooperationen vergleichsweise positiv, insbesondere wenn man in diesem Zusammenhang an den oben skizzierten Zielerreichungsgrad denkt. Modifizierend gilt in diesem Kontext jedoch anzumerken, dass das Ergebnis die entsprechenden Entwicklungen seit Griindung des jeweiligen Unternehmens widerspiegelt. Insofern manifestieren sich in den Ergebnissen primar Tendenzen, die eine mittel- bis iangfristige Entwicklung von der Unternehmensgriindung bis zum Zeitpunkt des gefiihrten Interviews nachzeichnen. So beriicksichtigen die Ergebnisse - gerade bei traditionsreichen Unternehmen, die seit Jahrzehnten im Incoming-Tourismus agieren - auch jene in der Regel positive Geschaftsentwicklung, die vor dem Hintergrund steigender Besucherzahlen in den 1980er bis Mitte der 1990er Jahre zu verzeichnen war. Umgekehrt spiegeln sich aber noch nicht die Implikationen der zahlreichen terroristischen Anschlage der letzten Jahre wider, die bis zum heutigen Tag einen nicht zu unterschatzenden Einfluss auf das Nachfrageverhalten haben (vgl. VESTER 2001). Auf den zweiten Blick erscheint das Ergebnis auf marokkanischer Seite deutlich ambivalenter: Zwar verzeichnen 54,2 Prozent der partizipierenden Unternehmen einen stark steigenden Umsatz, doch stehen diesem Wert immerhin 33,3 Prozent gegeniiber, die mit stark fallenden Umsatzen zu kampfen haben. Bei Gewinn und Verlust ergibt sich mit leicht modifizierten Prozentwerten ein ahnliches Bild. Auf deutscher Seite erreicht bei der Umsatzentwicklung das Item gleich bleibend mit 32 Prozent den hochsten Wert, gleichzeitig weisen die positiv konnotierten Items etwas hohere Prozentwerte als die negativen auf In Bezug auf die Entwicklung von Gewinn und Verlust ergibt sich ein ahnliches Bild. Grundsatzlich gilt an dieser Stelle anzumerken, dass die Beurteilung eines okonomischen Kooperationserfolgs nur ausgesprochen differenziert erfolgen kann, da der Erfolgsgrad stets nach konkreter Kooperationsausgestaltung - man denke beispielsweise an Kooperationsbeginn, Kooperationsform oder Unternehmensgro{?e - und Auspragung verschiedener kooperationsfordernder und -hemmender Faktoren variiert. Nachdem ein Blick auf die zentralen Indikatoren einer Erfolgsbilanzierung geworfen wurde, stellt sich die Frage, welchen Stellenwert die entsprechenden Kooperationen fiir die Unternehmen einnehmen. Diesbeziiglich ergibt sich folgendes Bild: Abb. 28: Stellenwert der bilateralen Kooperationen fiir die Unternehmen
* Abweichungen von 100%sind rundungsbedingt Quelle: Eigene Erhebungen
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
255
Wahrend beachdiche 53,3 Prozent der Befragten auf marokkanischer Seite ihren Kooperationen einen sehr grofien beziehungsweise groEen Stellenwert bescheinigen, liegt der entsprechende Wert bei ihren deutschen counterparts nur bei 26,6 Prozent. Umgekehrt raumen 40 Prozent der Befragten aus den deutschen Unternehmen ihren Kooperationen einen geringen beziehungsweise sehr geringen Stellenwert ein, wahrend der entsprechende Wert auf marokkanischer Seite gerade mal 16,7 Prozent betragt. Das Ergebnis spricht insofern eine eindeutige Sprache, da sich in ihm nicht zuletzt die ausgepragte Dependenz der marokkanischen Akteure vom deutschen Quellmarkt widerspiegelt. Dazu lasst sich umgekehrt ableiten, dass fiir viele deutsche Reiseveranstalter - sieht man einmal von Nischenveranstaltern ab - der Outgoing-Tourismus nach Marokko nur eine vergleichsweise untergeordnete Rolle spielt; ein Umstand, der auch immer wieder in den gefiihrten Interviews zur Sprache kam. Gerade Akteure von grofieren Reiseveranstaltern wiesen in diesem Zusammenhang wiederholt auf einschlagige Defizite der derzeitigen marokkanischen Tourismusstrukturen hin oder fiihrten Destinationen an, die ihnen fiir ein geschaftliches Engagement interessanter erschienen (vgl. insbesondere Kapitel VIII. 13). Aufbauend auf den vorangegangen Ergebnissen stellt sich selbstverstandlich die Frage, inwieweit seitens der an dieser Studie partizipierenden Unternehmen eine Bereitschaft besteht, in den kommenden Jahren eine Intensivierung der bilateralen Zusammenarbeit anzugehen. Das entsprechende Ergebnis ist in nachfolgender Abbildung dokumentiert: Abb. 29: Bereitschaft der Unternehmen, die bilaterale Zusammenarbeit auszubauen
Quelle: Eigene Erhebungen Wie die Abbildung illustriert, ergibt sich auch in diesem Fall eine deutliche Diskrepanz zwischen den deutschen und marokkanischen Akteuren. Dabei korrespondiert das entsprechende Resultat im Wesentlichen mit den bis dato prasentierten Ergebnissen zur Erfolgsbilanzierung: Wahrend auf deutscher Seite jeweils 50 Prozent der Befragten fiir beziehungsweise gegen einen Ausbau der bilateralen Zusammenarbeit sind und sich somit ein ausgesprochen diametrales Stimmungsbild ergibt, projektieren auf marokkanischer Seite 96,7 Prozent der Befragten eine Intensivierung ihrer Kooperation. 13 Akteure aus den marokkanischen Unternehmen begriinden ihr Interesse an einem Ausbau der Geschaftsbeziehungen mit der im internationalen Kontext grofien Bedeutung des deutschen Quellmarkts, vier Akteure fiihren als entsprechenden Pushfaktor ihre erfolgreiche grenziiberschreitende Zusammenarbeit an. Der einzige marokkanische Akteur, der keine Intensivierung der Kooperation beabsichtigt, fiihrt seine Entscheidung nicht auf eine negative Bewertung des Kooperationsgeschehens zuriick, sondern auf eine seit geraumer Zeit projektierte Geschaftsaufgabe.
256
Kapitel VIII
Welche Begriindungen fiihren die Akteure aus den deutschen Unternehmen fur beziehungsweise gegen den Ausbau ihrer bilateralen Zusammenarbeit an? Sechs Akteure begriinden ihr Interesse an einer Intensivierung der jeweiligen Kooperation mit ihrer erfolgreichen grenziiberschreitenden Zusammenarbeit, vier Akteure mit der touristischen Bedeutung Marokkos und jeweils zwei Akteure mit dem touristischen Entwicklungspotential beziehungsweise mit dem guten Preis-Leistungs-Verhaltnis der Destination. Jene vier Gesprachspartner auf deutscher Seite, die kein Interesse an einem Ausbau der Zusammenarbeit mit ihrer marokkanischen Incoming-Agentur bekunden, fiihren als Beweggrund einen anstehenden Riickzug aus dem Marokkotourismus an. Ein entsprechender Riickzug iasst sich in den seltensten Fallen ausschliefilich auf das Scheitern der jeweiligen Kooperation zuriickfiihren, sondern basiert in der Kegel auch auf unbefriedigenden Rahmenbedingungen. In diesem Zusammenhang sind unter anderem die Defizite der derzeitigen marokkanischen Tourismusstrukturen, aber auch die seit etlichen Jahren riicklaufige Nachfrage zu nennen (vgl. Kapitel VIII. 13 und IX.4). Wie bereits eingangs erwahnt, sollen im vorliegenden Kapitel auch dezidiert personliche Einschatzungen hinsichtlich einer Erfolgsbilanzierung aufgeroUt werden, um der Komplexitat der entsprechenden Thematik gerecht zu werden. Insbesondere vor dem Hintergrund der Diskurse um lifestyle entrepreneurship und satisfying behaviour erscheint dieses Vorgehen sinnvoll, will man eine Erfolgsbilanzierung nicht ausschlief?lich auf okonomische Kennziffern reduzieren. Wie bereits mehrfach im Rahmen dieser Arbeit ersichtlich wurde - und in anderen Studien bestatigt wird (vgl. ATELJEVIC/DOORNE 2000 und PETERS 2001) - , ist ein geschaftliches Engagement im Tourismussektor mitunter deutlich von idealistischen Ziigen gepragt, die einem ausschlieElichen optimizing behaviour entgegenstehen. So unterschiedlich die Ziele auch sein mogen, die man mit einer Kooperation verkniipft, so vielfaltig konnen auch die Erfolgsmafetabe sein, die man einer entsprechenden Zusammenarbeit zugrunde legt; ein Aspekt, der - wie die einzelnen Teilprojekte von FORAREA gezeigt haben (vgl. FRICKE/BABO 2002 und HouBEN/HENKEL/RUPPERT 2002) - in einem interkulturellen Kontext noch einmal zusatzlich an Brisanz gewinnt. Doch lassen wir im Folgenden die Akteure selbst zu Wort kommen. Beginnen wir zunachst mit dem Zitat einer Reprasentantin eines mittelstandischen deutschen Reiseveranstalters, die im Kontext ihrer Erfolgsbilanzierung zu folgendem Fazit kommt: „Es ist mit der Agentur eine gute Zusammenarbeit, durch die wir auch sehr viel naher am Markt dran sind. Miissten wir die Reisen alleine organisieren, etwa Hotels kontaktieren oder Reiseleiter buchen, so ware das extrem umstandlich! Sie [die Mitarbeiter des marokkanischen Kooperationsunternehmens, Anm. d. Verf ] kennen sich in ihrem Land einfach besser aus, deshalb machen wir das mit denen zusammen - nicht zuletzt aufgrund kultureiier Unterschiede!" (RV_D_29, S. 9) Eine durchaus positive Einschatzung der bilateralen Zusammenarbeit, in der nicht zuletzt die bridging the gap-VxxnkxAon des marokkanischen counterparts hervorgehoben wird.
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
257
Ahnlich positiv fallt die Erfolgsbilanzierung des nachfolgenden Interviewpartners aus, der einen der beiden grofiten deutschen Pauschalreiseveranstalter vertritt. In diesem Kontext greift der Befragte ebenfalls die eben erwahnte bridging the gap-VxinVxion auf und betont, dass beide Seiten - im Sinne einer symmetrischen Kooperation - von der Zusammenarbeit profitieren: „Unsere Anspriiche an die Kooperation sind im GroEen und Ganzen erfullt worden. Es gibt zwar gelegendich gewisse DifFerenzen, diese konnen aber meistens ausgeraumt werden. Wenn Sie jetzt mal bedenken, dass wir diesen Partner bereits seit iiber zehn Jahren haben. Das waren noch andere Zeiten, da war es schon wichtig, dass sie einen Partner hatten, der in dieser marokkanischen, sehr kulturelien Geseilschaft: ein gewisses Ansehen genoss, der auf Kontakte zuriickgreifen konnte, die einfach Hindernisse aus dem Weg geraumt haben. Ich wage mal zu behaupten, dass der Agenturchef einer der Besten in Marokko iiberhaupt ist. Zum einen, weil wir sonst nicht mit ihm zusammenarbeiten wurden, zum anderen hat er ja auch ein gewisses Niveau erreicht, weil er mit einem groi^en Partner wie uns zusammenarbeitet. Das ist eine Kooperation, von der beide Seiten profitieren." (RV_D_22, S. 7) Wie bereits mehrfach im Rahmen dieser Studie angesprochen wurde, hat sich Marokko in den letzten Jahren sukzessive als Destination profiheren konnen, die ausgesprochen attraktiv fiir Sport- und Erlebnisreisen ist. Gerade Nischenveranstalter konnten diese Entwicklung fiir sich in Wert setzen und erfoigreich ihre einschlagige Produktpalette erweitern. Ungeachtet riicklaufiger Besucherzahlen im Marokkotourismus gelang es diesen Unternehmen haufig, ihren Kundenkreis auszubauen und einen Kontrapunkt zum ailgemeinen Entwicklungstrend zu setzen. Eine Produktmanagerin, die einen entsprechenden Reiseveranstalter vertritt, konstatiert in diesem Zusammenhang: „Wir haben eine gute und stetige Zusammenarbeit. Ich habe vor sechs Jahren drei Marokkotouren iibernommen, inzwischen sind es neun. Marokko laufi: eigendich rich tig gut, ... eine richtig wichtige Destination. (...) Fiir uns ist Marokko inzwischen ein wichtiges Standbein, es ist eigentlich unser wichtigstes in Nordafrika iiberhaupt." (RV_D_20, S. 9 ff.) Soviel zunachst zu einigen ausgewahiten Akteuren, die beziiglich ihrer bilateralen Zusammenarbeit eine positive Bilanz Ziehen konnen. Dass es umgekehrt eine nicht zu unterschatzende Anzahl an Befragten gibt, die eine weniger positive Bilanz ziehen, diirfte spatestens im Rahmen der in diesem Kapitel prasentierten Ergebnisse hinsichtlich Zielerreichungsgrad sowie Umsatz beziehungsweise Gewinn und Verlust transparent geworden sein. Die nachfolgenden Zitate weisen in Hinblick auf ihre Erfolgsbilanzierung eine deutlich negativere Konnotation auf Beginnen wir zunachst mit einem Produktmanager, der einen Pauschalreiseveranstalter vertritt, der zu den Pionieren bei der Erschliefiung Marokkos fiir den internationalen Massentourismus zahlt:
258
KapitelVIII
„Weiter runter [der Gesprachspartner bezieht sich auf die Umsatzentwicklung, Anm. d. Verf.] diirfen wir nicht mehr, sonst ist es vorbei. Ja, das ist tatsachlich so, well man dann im Konzern [dem Mutterkonzern, zu dem der entsprechende Reiseveranstalter seit einigen Jahren gehort, Anm. d. Verf.] entscheiden muss, welcher Veranstalter es iiberhaupt noch bringt. Konzentrieren wir uns moglicherweise auf einen, der das alles [den Marokkotourismus, Anm. d. Verf.] abdeckt, denn die Perspektive fehlt so ein bisschen." (RV_D_07, S. 10) Die beiden nachfolgenden Zitate s t a m m e n von Reprasentanten zweier fiihrender mittelstandischer Reiseveranstalter, die sich aus d e m Marokkotourismus zuriickziehen mussten. Die entsprechenden Hintergriinde skizzieren die beiden Produktmanager wie folgt: ,yMso, ich sehe das nur durch unsere Brille, wenn wir aus wirtschaftiichen Griinden heraus die Entscheidung getroffen haben, aus dem Geschaft auszusteigen. Da hat man dann natiirUch nicht unbedingt so eine positive Meinung von der ganzen Geschichte, weil Aussteigen bedeutet ja auch immer Verzicht auf eine langjahrige Partnerschaft, und man selbst steht ja auch nicht mehr in einem so guten Licht da, selbst wenn es begriindet ist. (...) Die letzten drei Jahre waren wirtschaftlich schon auf^erordentlich negativ. Das heiCt, wenn sie - um mal eine Zahl zu nennen - in jedem Jahr eine halbe Millionen Mark zuschief^en miissen und gleichzeitig nur noch zwischen fiinf- und zehntausend Gaste bef5rdern, dann ist das fiir einen Reiseveranstalter unserer Kategorie zu wenig. (...) Seitens der Marokkaner ist aber bisher auch noch nichts unternommen worden, um uns von diesem Schritt abzuhalten." (RV_D_06, S. 3) „Eines kann ich sagen: Unser Riickzug liegt nicht am Kooperationspartner. Die Ursachen muss man auf dem deutschen Markt suchen, etwa wie sich Marokko auf dem deutschen Markt prasentiert und wie dieser eben auch Marokko akzeptiert. Wenn Sie sehen, dass Marokko im Gegensatz zu den anderen Mittelmeerdestinationen, aber auch verglichen mit den Kanaren ... - es ist im Wesentlichen ein preislicher Unterschied. (...) Mit den gleichen Problemen haben auch meine KoUegen zu kampfen, nur dass sich bei uns durch die Ubernahme [der entsprechende Reiseveranstalter wurde wenige Monate vor dem gefiihrten Interview durch einen britischen Konzern iibernommen, Anm. d. Verf] die Konstellation ein wenig geandert hat und wir unser Engagement aufgeben miissen. (...) Wir werden sicherlich weiterhin den Markt beobachten und unter Umstanden wieder einsteigen. Wir hoffen, dass wir dann auch wieder mit unserer Agentur zusammenarbeiten konnen." (RV_D_05, S. 2 f) W i e die angefiihrten Zitate transparent machen, sind die Griinde fiir eine negative Erfolgsbilanzierung ausgesprochen komplex, wobei auch i m m e r wieder Aspekte angesprochen werden, die nicht direkt auf den Kooperationspartner zuriickzufuhren sind. A n erster Stelle sind in diesem Z u s a m m e n h a n g die aktuellen marokkanischen Tourismusstrukturen zu n e n n e n , die selbstverstandlich auch Einfluss auf das Kooperationsgeschehen haben. So kann m a n beispielsweise
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
259
die mangelnde Akzeptanz der Destination auf dem deutschen Quellmarkt auf eine vielfach als unzureichend empfundene Marketingstrategie zuriickfiihren, der es bislang nicht gelungen ist, effizient und nachhaltig ihre entsprechenden Aileinstellungsmerkmale zu kommunizieren (vgl. Kapitel IX.4). An dieser Stelle sei auch auf das nachfolgende Kapitel verwiesen, in dem aus Unternehmensperspektive eine Bewertung des aktuellen Marokkotourismus und seiner Zukunftsperspektiven erfolgt. Ein weiterer Grund fiir eine kritische Erfolgsbilanzierung kann mitunter auch der Umstand sein, dass das eigene Produkt nicht mehr weiterentwickelt wurde. So vermerkt ein Produktmanager freimiitig auf die Nachfrage, wie er sich den seit Jahren stagnierenden Umsatz des Marokkogeschafts in seinem Unternehmen erklart: „Meine personliche Vermutung ist, dass wir das Programm schon mindestens funf oder sechs Jahre ohne Anderungen durchfiihren. Es war immer dasselbe Programm, ohne irgendetwas dabei geandert zu haben. Die Leute brauchen ganz einfach etwas Neues. Es wird sich dieses Jahr zeigen, denn wir haben jetzt einiges beim Programm geandert, und wir werden dann sehen, ob es tatsachhch damit zusammenhangt." (RV_D_09, S, 4) Angesichts einer standigen Veranderung der Nachfragemuster, die vielfach zu einer ausgesprochenen Segmentierung des Reisens gefiihrt hat (vgl. auch Kapitel II.6), aber auch vor dem Hintergrund zunehmend gesattigter Markte, wird es fiir touristische Unternehmen immer wichtiger, Produktinnovationen zu suchen. Dass eine entsprechende Strategic auch von Kundenseite honoriert wird, spiegelt sich nicht zuletzt darin wider, dass sich - wie mir der Befragte in einem spateren Telephongesprach mitteilte - die im Zitat artikulierte Vermutung als zutreffend envies. Wie bereits angesprochen wurde, ware es vor dem Hintergrund der Komplexitat dieses Sujets zu einseitig, eine Erfolgsbilanzierung ausschliefilich auf okonomische Aspekte beschranken zu woUen. So gingen immer wieder einige Gesprachspartner in ihren Ausfiihrungen auf sehr personliche Dinge ein, die bei einer rein quantitativen Erhebung verborgen geblieben waren. Im Folgenden kommt der Produktmanager eines fiihrenden deutschen Pauschalreiseveranstalters zu Wort, der nicht nur seine berufliche Tatigkeit als Bereicherung empfindet, sondern der auch explizit seine MediatorenroUe zwischen seinem Arbeitgeber und den touristischen Akteuren in der Destination hervorhebt: „Fur mich ist es auf jeden Fall eine Bereicherung, weil ich vom Naturell her so bin, dass ich grundsatzlich anderen Mentalitaten offen gegeniiberstehe, egal was auch immer erzahlt wird. (...) Konkret sehe ich mich nicht nur als Produktmanager zwischen Marokko und dem Unternehmen, sondern vielfach auch als Interessenvertreter fiir die marokkanische Seite - aber naturlich immer zum Wohle des Unternehmens! Ich kenne die Leute vor Ort, ich habe gute Beziehungen, ich weiE, was die Leute mogen, und ich mag Marokko;... mit alien Widrigkeiten, die dort so existie-
260
Kapitei VIII
ren. Das hat man auch realisiert: Also, ich bin oft in Bereichen involviert, in denen ich normalerweise keinen Einfluss mehr hatte. Da man aber weif^, dass ich mich sehr gut auskenne und gute Beziehungen unterhake, ruft man mich hinzu, etwa bei Investmentgeschichten. Es ist jetzt nicht so, dass ich hier Leute anschleppe und Interna von X [dem entsprechenden Arbeitgeber, Anm. d. Verf.] preisgebe. Das ist klar, aber ich sage: »Jungs, passt auf, Ihr miisst das und das genau so und so machen, dann habt Ihr Aussicht auf Erfolg des Projekts!«, was dann wiederum der Destination, also Marokko, zugute kommt. Ich bin dann auf solchen Meetings, die laufen haufig auf einer sehr hohen Ebene ab. Das ist auch ganz schon und irgendwo eine Bestatigung." (RV_D_10, S. 12) Die unverkennbar personalisierten Kontakte sowie das engmaschige Netzwerk, die der Befragte im Laufe seiner beruflichen Aktivitaten entwickeln konnte, implizieren ein ausgepragtes involvement, das i h m ermoglicht, weit iiber d e n eigentlichen Aufgaben- u n d Kompetenzbereich eines Produktmanagers hinaus zu agieren. Diesen U m s t a n d , der sich auch im beruflichen Kontext eines Grof^konzerns positiv auszuwirken scheint, empfindet der Gesprachspartner als dezidierte Bestatigung seiner Arbeit, wobei er diesbeziiglich ein durchaus difi^erenziertes Bild zeichnet: „Oft ist es ja so, dass sie nur dann etwas horen, wenn es nicht so lauft und es Probleme gibt. In solchen Fallen knallt es auf sie herein, so schnell kriegen sie das gar nicht geregelt, aber ein positives Feedback ist selten. Abgesehen davon bekomme ich natiirlich unheimlich viele Dinge mit, was auch interessant ist. Heutzutage ist es immer gut, wenn man sehr profunde Kenntnisse iiber seine Destination besitzt, dann sind sie auch nicht so schnell austauschbar. (...) Bei der Anonymitat, die sich zwangslaufig aus der GroCe [des Unternehmens, Anm. d. Verf] ergibt, ist es immer gut, Leute zu haben, die sehr viel Detailwissen iiber eine Destination besitzen. Auf der anderen Seite ist es aber auch so: Je einseitiger sie ausgerichtet sind, desto inflexibler wird die ganze Geschichte, wenn Anderungen kommen. Das birgt auch ein gewisses Risiko!" (RV_D_10, S. 12) Eine gleichfalls sehr personliche Erfolgsbilanzierung n i m m t der Geschaftsfiihrer eines mittelstandischen Reiseveranstalters vor, der zunachst der in dieser Arbeit relevanten Destination ausgesprochen kritisch gegeniiberstand. So lag zuerst die Betreuung dieses Zielgebiets in den H a n d e n von Mitarbeitern, bis sich der entsprechende Geschaftsfiihrer entschloss, personlich diese Aufgabe zu iibernehmen. Inzwischen besteht eine ausgepragte Affinitat zur Destination, die nicht n u r zu einer AusdifFerenzierung des Angebots gefiihrt hat, sondern die sich selbstred e n d auch positiv im Kooperationsgeschehen widerspiegelt: „Ich habe Marokko friiher abgelehnt, ... aus Unkenntnis! Das [Land, Anm. d. Verf] wurde in unserem Flaus schon von Mitarbeitern bearbeitet, da war ich noch nicht vor Ort. Das war mir zu fremd! Die Wertvorstellungen wandeln sich ja im Laufe der Jahre, und ich weif^, welche personliche Bemiihung es gekostet hat, um dieses Land kennen zu lernen; ... wie oft ich mittlerweile durch dieses Land gefahren bin! Ich well? aber auch, dass unser Partner das verfolgt hat und sehr schatzt. Diese Auseinandersetzung hat auf der anderen [marokkanischen, Anm. d. Verf.] Seite
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
261
den Eindruck vermittelt, hier bemiiht sich jemand um ein positives Gelingen dieser Zusammenarbeit." (RV_D_18,S. 11) Soviel zunachst zu den Einschatzungen aus den deutschen Unternehmen. Welche Ansichten vertreten ihre counterparts aus den marokkanischen Incoming-Agenturen? Den Reigen er5fFnet zunachst der Geschaftsfuhrer einer Agentur, der auf die Frage, ob er die mit seinem Kooperationspartner anvisierten Ziele erreicht habe, antwortet: „En partie! Vous savez, nous sommes une petite agence qui existons depuis presque cinq ans. Nous ne pouvons pas nous comparer avec des agences qui ont 25 ans d'existence. Notre agence continue a faire son chemin. Au bout d'un moment, I'agence n'a plus besoin d'apports etrangers pour faire face a ses depenses. Pour moi, le principal est d'arriver a cette autosuffisance." (RV_M_08, S. 7) In vorangegangener Aussage kommt nicht nur eine gewisse Geniigsamkeit, sondern auch Dankbarkeit dariiber zum Ausdruck, die ersten Geschaftsjahre einigermafien erfolgreich iiberstanden zu haben. Dieser Aspekt ist nicht selbstverstandlich, wenn man bedenkt, dass in den letzten Jahren gerade Start-up-Unternehmen relativ haufig von Insolvenzen betroffen waren. Die Griinde sind vielfaltig, wobei an dieser Stelle nur zwei besonders relevante erwahnt werden soUen: Zum einen starten immer noch viel zu viele touristische Unternehmen mit einer unzureichenden Kapitaldecke ins Geschaftsleben; ein Umstand, der insbesondere dann zum Verhangnis werden kann, wenn die Auftragssituation wie in den letzten Jahren riicklaufig ist. Zum anderen sind zahlreiche touristische hot spots - wie eben auch Agadir - von einem deutlichen Uberangebot an touristischen Dienstleistungsunternehmen gepragt, was den Wettbewerb zunehmend ruinoser gestaltet und vielfach nur noch jenen Unternehmen einen geschaftlichen Erfolg sichert, die sich iiber Innovationen respektive Nischenprodukte positionieren (vgl. Kapitel VIII. 12). Bei den meisten an dieser Studie partizipierenden marokkanischen Incoming-Agenturen eilt dem deutschen Quellmarkt aufgrund seiner im internationalen Kontext exzeptionellen Stellung ein besonders attraktiver Ruf voraus. Gleichwohl gilt er gerade fiir ambitionierte Unternehmen als keinesfalls ausgeschopft. So konstatiert beispielsweise folgender Geschaftsfuhrer: „Vous savez, il y a toujours des projets qui sont difficiles a realiser. Bien sur, je suis une agence connue au Maroc pour etre specialisee avec le marche allemand. Mais mon objectif n'est pas encore atteint. Je sais tres bien qu'il faut encore atteindre beaucoup de choses pour realiser mon reve sur le marche allemand. C'est un grand marche, tres vaste. Et nous, I'agence X [Name der entsprechenden Incoming-Agentur, Anm. d. Verf ], nous n'avons pas encore atteint cet objectif" (RV_M_29, S. 6) So mancher Akteur auf marokkanischer Seite bedauert die Tatsache, dass noch immer ein nicht zu unterschatzender Anteil an Pauschaltouristen auf die Touristenhochburg Agadir konzen-
262
Kapitel VIII
triert ist. Dieser Umstand hat sich allerdings in den letzten Jahren vor dem Hintergrund einer forcierten Diversifizierung des touristischen Angebots deudich verbessert (vgl. Kapitel V.3). Gleichwohl bleibt die entsprechende Problematik virulent, da der stationare Badetourismus bis zum heutigen Tag fast ausschlieElich iiber diese siidmarokkanische Stadt abgewickelt wird. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die im Rahmen des Masterplans von Marrakech projektierten Seebader fiir eine gev^isse Entlastung sorgen konnen. Dies v^ird nicht zuletzt davon abhangen, ob auch tatsachlich die Rahmenbedingungen fiir potentielle Investoren aus dem Ausland verbessert werden. Dazu im Folgenden der Reprasentant einer Incoming-Agentur aus Casablanca, der hinsichtlich dieser Thematik auch explizit die deutschen Reiseveranstalter in die Pflicht
,Je suis sur que si on demande au client: »Ou est-ce que vous etiez?«, il va repondre: »J'etais a Agadir.« - »Et Agadir, 9a se trouve ou?« - »Peut-etre au Maroc.« C'est 9a le produit vendable en Allemagne. C'est tres rare de trouver une agence culturelle qui veut faire des circuits. Peut-etre que les Allemands, en tant que clientele, n'aiment pas 9a. Peut-etre qu'il n'y a personne qui veut decouvrir le pays ou il va. Mais nous profitons du soleil dAgadir pour amener du monde. Une semaine au soleil, sans excursion, sans rien et puis ils repartent chez eux. lis ne laissent pas aux agences marocaines I'occasion d'intervenir, de montrer ce qu'elles savent faire et d'apporter une petite touche marocaine au sejour des Allemands." (RV_M_11,S. 1) Der deutsche Quellmarkt gilt nicht nur als besonders attraktiv, sondern auch als ausgesprochen schwierig. Gerade kleine und mittlere Unternehmen beobachten in diesem Zusammenhang mit grofier Sorge die zahlreichen mergers and acquisitions, die in den letzten Jahren w^iederholt dazu gefiihrt haben, dass marokkanische Incoming-Agenturen ihres langjahrigen Kooperationspartners verlustig gingen (vgl. SCHERLE 2004). Erschv^erend kommt in wirtschaftlich schw^ierigen Zeiten eine zunehmende Preissensitivitat hinzu, die sich nicht unbedingt im hochpreisigen Marktsegment, dafur aber umso mehr im klassischen Massentourismus bemerkbar macht. Den dadurch implizierten Preisdruck geben gerade Grofiveranstalter, die sich nicht zuletzt iiber den Faktor Preis profilieren, an die jev^eiligen Kooperationspartner in den Destinationen w^eiter. Die Implikationen dieser Entwicklung fur marokkanische Incoming-Agenturen skizziert ein Geschaftsfiihrer aus Agadir wie folgt: „Moi, si je travaille avec une agence de voyages en Allemagne, c'est une question de couts. Si je lui dis 1 000 Dirhams et qu'une autre agence lui dit 500 ou 950, il va travailler avec I'autre. Si nous sommes moins chers, c'est avec nous qu'il va traiter. Il n'y a pas de partenariat, non, c'est selon I'ofFre et la demande." (RV_M_10, S. 4) Es versteht sich von selbst, dass ein entsprechendes Geschaftsgebaren - trotz des Verweises auf einschlagige Marktgesetze - aus Perspektive eines Kooperationspartners, der eine nicht auf Kurzfristigkeit ausgelegte Unternehmensphilosophie verfolgt, ausgesprochen kontraproduktiv
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
263
ist. Dass es auch Reiseveranstalter gibt, die eine diametrale Unternehmensphilosophie verfolgen, macht das nachfolgende Kapitel deudich. Immer wieder gibt es auf marokkanischer Seite auch Stimmen, die im Rahmen ihrer Erfolgsbilanzierung kritisch auf die touristischen Strukturen im eigenen Land verweisen. So konstatiert beispielsweise ein Geschaftsfiihrer vor dem Hintergrund riicklaufiger Umsatzzahlen: „Le marche aliemand est un marche tres difficile. Nous sommes aujourd'hui a -35 pour-cent du marche aliemand. Et c'est notre faute. Je crois que nous devons faire beaucoup, beaucoup d'efForts pour pouvoir remonter la pente. Pour ameliorer la situation, le Maroc doit faire enormement d'efForts en ce qui concerne I'amelioration des structures de base qui ne sont pas tres solides. Qa, c'est un grand debat aussi." (RV_M_10, S. 4) Nur wer um die komplexen Defizite der derzeitigen marokkanischen Tourismusstrukturen weiE, vermag in etwa einzuschatzen, wie wichtig eine konsequente Umsetzung der im Rahmen des Masterplans von Marrakech verabschiedeten Reformen ist. Dabei gilt es, sich nicht nur auf ein quantitatives Wachstum zu konzentrieren, sondern dezidiert auch qualitativen Aspekten eine verstarkte Aufmerksamkeit zu widmen (vgl. Kapitel IX.6). Essentiell sind in diesem Zusammenhang unter anderem dringend notwendige Reformen im Ausbildungssektor sowie forcierte Mafinahmen zum Ausbau der Qualitatssicherung. Insbesondere letztgenannter Aspekt ist vor dem Hintergrund eines verscharften Wettbewerbs weit mehr als nur ein blofier Modetrend, vielmehr bietet er zahlreiche Chancen, sich gegeniiber den jeweiligen Konkurrenzdestinationen zu profiheren (vgl. MULLER 2004).
VIIL12 Aus erster Hand (I) - Akteurspezifische Ratschlage fur die bilaterale Zusamtnenarbeit
Eingedenk des Faktums, dass sich Kooperationen dutch eine inharente Ambiguitat von kooperierenden und konkurrierenden Beziehungen auszeichnen, aber auch angesichts interkultureller Herausforderungen, die sich aufgrund einer kulturellen Durchdringung des Kooperationsgeschehens stellen, ist es essentiell, eine bilaterale Zusammenarbeit als einen Lernprozess zu begreifen, der den Akteuren eine permanente Anpassung abverlangt. Dieser Lernprozess spiegelt sich auch darin wider, dass eine Kooperation in der Regel ein prozessuales Phanomen darstellt, das von der Konzeption iiber die Implementation bis zur eigentlichen Kooperation reicht. Ein rein opportunitatsorientiertes Verhalten reduziert nicht nur die Steuerbarkeit des bilateralen Kooperationsgeschehens, sondern belastet auch nachhaltig die Internationalisierung mittels Kooperation (vgl. Kapitel II.5). Auch wenn so manche bis dato im Rahmen der problemzentrierten Interviews artikulierte Aussage eine negative Konnotation aufweist, so ging es den Befragten keineswegs darum, den Kooperationspartner zu desavouieren, sondern vielmehr
264
Kapitel VIII
exemplarisch auf spezifische Problemfelder in der bilateralen Zusammenarbeit hinzuweisen. So verkniipften einige Gesprachspartner ihre Kritik mit Reflexionen, wie man eine bilaterale Zusammenarbeit erfolgreicher gestalten konnte. Das vorliegende Kapitel greift entsprechende Reflexionen auf und stellt ausgewahlte Ratschlage fur eine bilaterale Kooperation vor. Auch wenn ein bekanntes deutsches Sprichwort suggeriert, dass guter Rat iiber Nacht komme, so basieren die seitens der Gesprachspartner gegebenen Ratschlage auf jahrelangen Erfahrungen in den jeweiligen Kooperationen. Gleichwohl soUte und kann man die in nachfolgenden Zitaten enthaltenen Aussagen nicht im Sinne der immer beliebteren dos ^ « ^ ^<9«V^-Empfehlungen eins zu eins auf jedwede Kooperation iibertragen, da der Erfolg einer bilateralen Zusammenarbeit stets von deren spezifischen Kooperationsausgestaltung abhangig ist. Insofern sind die entsprechenden Aussagen nicht sosehr als Ratschlage im klassischen Sinne zu verstehen, sondern vielmehr als Anregung, iiber das bilaterale Kooperationsgeschehen an sich zu reflektieren. Den Reigen eroffnet der Geschaftsfiihrer eines auf Event-Reisen spezialisierten Reiseveranstalters, der auf ausgesprochen empathische und kultursensible Art und Weise seine Ratschlage darlegt: „Einfuhiungsvermogen und, auch wenn es lapidar klingen mag, vor alien Dingen die gangigen Vorstellungen von Zeit und Raum vergessen. Wer im Maghreb in Geschaftsbeziehungen treten will, der soUte sehr viel Geduld und Verstandnis mitbringen, das nicht geheuchelt ist. Was ganz entscheidend ist: Es fiihrt zu nichts, wenn man ausschlief^lich taktiert. Das kann man vielleicht, wenn es um operative Dinge geht, aber man muss einfach wissen, dass der Islam noch immer ein nicht zu unterschatzender Leitfaden darstellt. Ich wiirde jedem empfehlen, dass er sich zunachst einmal, zumindest in Grundziigen, mit dem Koran auseinandersetzt. Dieser ist schon mal ein Entree, eine Moglichkeit zum Verstandnis, und man muss es wollen. Man muss sich auf diese Kultur einlassen und zwar ganz bewusst. Das ist ein Prozess, der korrespondiert ausnahmslos zwischen Bauch und Kopf. Es ist wie eine stumme Zwiesprache! (...) Jetzt kommt bei mir noch eine ureigene Philosophic zum Tragen, namlich dass ich eine Fiinf-Tagepolitik komplett ablehne. Also, ich bin an langfristigen Perspektiven interessiert, weil nur sie die entsprechenden Wirkungen zeigen. Es bedarf einfach eines langeren Vorlaufs, nein, nicht nur eines langeren Vorlaufs, sondern iiberhaupt einer intensiven, moglichst langfristigen Zusammenarbeit." (RV_D_02, S. 24 ff.) Man mag diese Worte unter Umstanden ein wenig pathetisch finden, doch der Erfolg gibt dem Gesprachspartner Recht: So kann der entsprechende Akteur nicht nur auf eine jahrelange erfolgreiche Zusammenarbeit mit seinem Kooperationspartner zuriickblicken, sondern er verfiigt auch iiber ein effizientes und weit verzweigtes Netzwerk in Marokko, das ihm hervorragende Kontakte erschlieEt, die bis zur Ministerebene reichen. Des Weiteren wird dieser Unternehmer immer wieder sowohl von deutschen als auch von marokkanischen Tourismusverantwortlichen um Rat gebeten; ein Umstand, der sich auch in der Einladung zu zahlreichen Konferenzen und
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
265
Road Shows widerspiegelt. Das vorliegende Zitat greift einerseits ausgewahlte kulturrelevante Aspekte auf, die immer wieder in den problemzentrierten Interviews angefiihrt wurden, andererseits sensibilisiert es fiir eine Unternehmensphilosophie, die dezidiert nicht auf Kurzfristigkeit ausgelegt ist. Damit unterscheidet sich diese Zusammenarbeit grundlegend von anderen touristischen Kooperationen, die haufig durch eine lose Bindungsintensitat gepragt sind (vgl. Kapitel VIII.3). Gieichwohi ist sich der entsprechende Akteur seiner Defizite bewusst, die er vor allem im sprachUchen Bereich sieht: „Ich bin oftmals ohnmachtig hinsichtlich meiner Defizite in puncto Fremdsprachen. Mit meinem Schulfranzosisch komme ich ein Stiick weit, aber viele Dinge bleiben mir dann doch verborgen. Ich muss dann versuchen, diese Dinge anders zu ergriinden. Also, gute Fremdsprachenkenntnisse sind durchaus willkommen und hilfreich. Das sind ganz, ganz essentielle Dinge, aber das setze ich jetzt mal voraus, wenn man sich ein bisschen mit dem Land befasst." (RV_D_02, S. 25 f) Sprache ist traditionell der entscheidende Schliissel, um sich einer anderen Kultur anzunahern. Sie fiingiert nicht nur als Vehikel von Kultur, sondern sie ist vielmehr ein konstitutiver Bestandteil von ihr, da sie sich gleichzeitig mit der kulturellen Tradition herausgebildet hat. Geht man von der Pramisse aus, dass eine im Idealfall symmetrische Kooperationsbeziehung auch einer moglichst adaquaten Verstandigungsbasis bedarf, so gewinnt der Faktor Sprache eine herausragende Bedeutung, die man auf keinen Fall unterschatzen darf Umso bedauerlicher erweist sich in diesem Kontext die Tatsache, dass geschaftliche Interaktionen angesichts sprachlicher Defizite immer wieder mit Missverstandnissen und Konflikten konfrontiert werden; ein Umstand, der wiederholt im Rahmen der vorliegenden Studie sowohl von Unternehmens- als auch von Expertenseite angesprochen wurde (vgl. Kapitel VIII.4 und IX. 1). Vor diesem Hintergrund ist auch die nachfolgende Aussage eines marokkanischen Gesprachspartners zu sehen, der eine der renommiertesten Incoming-Agenturen Marokkos vertritt: „I1 faut connaitre la mentalite allemande et maitriser la langue. Si on communique avec les Allemands dans leur langue, cela permet d'eviter beaucoup de conflits. Pour un entrepreneur marocain qui veut entamer une cooperation avec les Allemands, il faut qu'il soit serieux et bien organise. Le succes d'une cooperation depend aussi du personnel qui travaille dans son entreprise." (RV_M_05, S. 3) Auch in diesem Zitat wird die zentrale Bedeutung des Faktors Sprache im Sinne eines erfolgreichen managing across cultures transparent. Das im konkreten Fall relevante Unternehmen beschaftigt zwei deutsche Angestellte, die ausschlieSlich fiir die Betreuung deutscher Reiseveranstalter zustandig sind und somit ein entsprechendes bridging the gap erleichtern. Entsprechende Mitarbeiterinnen soUen insbesondere Vertrauen bei deutschen Kooperationspartnern wecken und gleichzeitig jene Kardinaltugenden abdecken, die man geradezu stereotyp mit diesem Erfolgsfaktor assoziiert: Seriositat, Strukturiertheit und Zuverlassigkeit (vgl. Kapitel VIII.9). In
266
Kapitel VIII
eine ahnliche Richtung argumentieren der Produktmanager u n d der Geschaftsfiihrer zweier weiterer marokkanischer Incoming-Agenturen aus Agadir u n d Tanger: „Quelqu'un qui veut travailler avec des Allemands doit etre serieux et doit savoir de quoi il pade. Les AJlemands, en general, il vaut mieux les avoir comme amis plutot que comme ennemis. Si je suis sur de pouvoir fournir de bons produits, si je suis correct, honnete, d'accord, je vais entrer en contact avec les Allemands pour travailler avec eux. Mais, si je suis du genre joueur, baratineur, peut-etre qu'ils vont me faire confiance une fois ou deux, mais ils vont vite se rendre compte et arreter tout de suite le marche. Et 9a, c'est en general pour tous les marches. Le personnel doit etre a I'image du patron en general. Moi, si je m'interesse au marche allemand, la premiere des choses que je vais faire est de recruter quelqu'un qui parle allemand, comme 9a lors de mes deplacements, il y aura toujours quelqu'un qui pourra correspondre avex eux. Vous savez, un Allemand, si vous correspondez en anglais ou en fran^ais, il ne se sent pas vraiment a I'aise. Actueliement, si mon patron me parle en allemand, il me faut un traducteur, car I'allemand, c'est dur, je vais lire la demande et repondre en allemand. Si vous recevez plusieurs demandes, la moindre des choses est d'avoir quelqu'un qui parle allemand sur place pour faciliter le contact." (RV_M_11,S. 9) „Mais, spontanement, pour travailler avec les Allemands, c'est I'organisation qui est tres importante. Les Allemands sont des gens qui sont tres bien organises et 9a me plait beaucoup. Quand je travaille avec un Allemand, je suis vraiment a I'aise. Vous savez, tout marche dans les meilleures conditions. C'est un client avec lequel, vous ne perdez pas beaucoup de temps pour des choses anodines. Ils sont tres bien organises dans leur vie. J'apprecie surtout I'organisation allemande avec les agences de voyages. Lorsqu'il s'agit d'une reservation, d'une annulation, d'un paiement, ils sont tres consequents et tres precis, (^a, j'apprecie beaucoup." (RV_M_29, S. 3) W i e bereits im R a h m e n von Kapitel VIII.3 deudich w^urde, bevorzugt so m a n c h e r deutsche Reiseveranstalter bei Partnersuche u n d Kooperationsentscheidung dezidiert jene IncomingAgenturen, die einen entsprechenden interkulturellen Mediatoren aufweisen. Gerade bei Akteuren, die eine Destination neu ins Programm aufnehmen, darf m a n diesen Aspekt keinesfalls unterschatzen. So konstatiert die Geschaftsfuhrerin eines auf Studienreisen spezialisierten Reiseveranstalters: „Wenn ich in irgendeinem Land eine Agentur finde, in der Deutsche arbeiten, ziehe ich diese immer vor, weil dann einfach unser Niveau gewahrleistet ist." (RV_D_12, S. 8) Dieses Zitat soil auf keinen Fall implizieren, dass ein qualitativ hochwertiges Produkt ausschlie6lich auf jene Incoming-Agenturen beschrankt ist, die einen deutschen Mitarbeiter aufw^eisen. Vielmehr geht es d a r u m , dass es, als ein systemimmanentes P h a n o m e n , i m m e r w^ieder Akteure gibt, die einen counterpart suchen, in d e m sie das Spiegelbild ihrer eigenen Kultur er-
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
267
blicken mochten. Die eigene Kultur stellt dabei oftmals ein gar nicht bewusst erlebtes und noch weniger haufig reflektiertes Interpretationsmuster dar. An diesem Muster werden Handlungen und Interpretationen orientiert, und im Vergleich zu diesem Muster wird die Divergenz anderer Kulturen erlebt (vgl. APFELTHALER 1998). Ein wichtiger Orientierungspunkt fiir die Auswahl eines adaquaten Kooperationspartners konnen mitunter vorhandene Referenzen sein. Zudem beschranken sich einige Reiseveranstalter auf den Abschluss eines Saisonvertrags, der aufgrund seines zeitlich befristeten Charakters den Vorteil bietet, ausgesprochen unkompliziert eine Zusammenarbeit beenden zu konnen. Gleichwohl konterkariert eine zeitliche Befristung jene Kontinuitat, die man in der Kegel benotigt, um Vertrauen hinsichtlich Kooperation respektive Kooperationspartner entwickeln zu konnen. Das nachfolgende Zitat einer Produktmanagerin eines deutschen Pauschalreiseveranstalters greift diese Aspekte auf: „Wenn ich jetzt ein kieiner Veranstalter ware, dann wiirde ich in Marokko nicht zu einem Unbekannten [einer unbekannten Incoming-Agentur, Anm. d. Verf.] gehen. Icli wiirde zu einer Agentur gehen, die mit deutschsprachigen Veranstaltern zu tun hat. Das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, weil ich vermute, dass sie [als deutscher Reiseveranstalter, Anm. d. Verf.] dann doch gewisse Vorteile haben - aus der Erfahrung heraus, die diese Agentur mit deutschsprachigen Veranstaltern besitzt: eben wie die gesamte Abwicklung funktioniert, wie die Leute in der Agentur hinsichtlich deutschen Touristen eingestellt sind, was Reservierungen und - in Anfiihrungszeichen - Piinktlichkeit betrifft. (...) Es gibt ja Agenturen, die einen Namen haben, es gibt sicherlich auch kleine Agenturen, die gut sind; einfach zu einem renommierten Agenten gehen, der mit einem deutschen Reiseveranstalter zusammenarbeitet. (...) Sie miissen sich natiirlich Angebote einholen und dann einfach nur einen Saisonvertrag abschlieEen. Dann sehen sie ja, wie die Zusammenarbeit klappt und konnen unter Umstanden ganz einfach wechseln! (...) Vergleichsangebote einholen, nach Personal und Kommunikationsmitteln fragen, die Busse angucken. Ich muss wissen, ob der Bus richtig versichert ist. Fallt mir gerade ad hoc so ein. Die Qualitat, die Sitze, das muss einfach stimmen [kurzes Schweigen der Gesprachspartnerin, Anm. d. Verf]. Auch die finanzielle Lage einer Agentur! (...) Das konnen sie nicht unbedingt herausfinden, deshalb niemals im Voraus die Leistung bezahlen. Klar, die wollen ...; es ist allerdings iiblich, wenn sie eine Gruppenreise auflegen, eine Akontozahlung zu machen. Wenn der Kooperationspartner nicht liquide ist und nachher ist das Geld weg, dann sind sie dran!" (RV_D_24,S. 19f.) Wie bereits im Rahmen von Kapitel VIII.7 transparent v^urde, gibt es im interkulturellen Kontext immer wieder divergierende Einschatzungen und Erwartungen hinsichtlich des Qualitatserlebens. Dies betrifft Kunden- v^ie Anbieterseite und impliziert gleichfalls entsprechende Konsequenzen in Bezug auf Wahrnehmung und handling von Kundenbeschwerden. Das nachfolgende Zitat eines deutschen Produktmanagers macht in diesem Zusammenhang deutlich, dass es ausgesprochen vorteilhaft sein kann, v^enn der Kooperationspartner iiber profunde Kenntnisse in Hinblick auf den kulturellen Background des Quellmarkts verfUgt:
268
Kapitel VIII
„Der Kooperationspartner sollte den kulturellen Hintergrund des Quellmarkts kennen, zumindest ein kulturelles Verstandnis fiir das Hiesige aufbringen. Das macht sich jedoch in der Kegel an Personen und nicht an der Agentur fest. (...) Er sollte einen Bezug zu unserem Kulturkreis haben, damit er weif?, welche Bediirfnisse unsere Gaste haben, was erwarten die vom Service, von Sauberkeit und so weiter. Wir haben friiher Agypten im Programm gehabt, und der Besitzer der dortigen Partneragentur, der sich sehr gut in Deutschland auskennt und Deutsch spricht, hat mal zu mir gesagt: »Ich weiE, bei Euch ist es sauber, rein und hygienisch, und bei uns ist es einfach die Abwesenheit von Farbe!« Wenn mir jemand so etwas sagt, dann weif? ich, dass er eine Briicke schlagen kann. So eine Person ist ideal fiir eine Kooperation. Beim X [Vorname des Geschaftsfiihrers der marokkanischen Partneragentur, Anm. d. Verf.] ist es auch so, der kennt sich wirklich sehr gut aus, hat mit den Jahren viel gelernt und spricht Deutsch. Entscheidend ist letztendlich, dass er unseren kulturellen Hintergrund kennt." (RV_D_25,S. 19) Zv^ecks einer erleichterten Kontextualisierung sei an dieser Stelle angemerkt, dass der im Zitat envahnte Geschaftsfiihrer nicht nur hervorragend Deutsch spricht, sondern auch lange Zeit im Tourismussektor in Deutschland gearbeitet hat und bestens mit den einschlagigen Gepflogenheiten vertraut ist. In w^irtschaftlich schwierigen Zeiten tendiert so manches Unternehmen dazu, dem Faktor Preis einen hoheren Stellenw^ert einzuraumen als einer Innovationsorientierung oder dem Qualitatsfaktor. Eine entsprechende Unternehmensstrategie mag zw^ar kurzfristig erfolgreich sein, sie zahlt sich jedoch - zumindest aus einer mittel- bis langfristigen Perspektive - in den seltensten Fallen aus, da man unter anderem Gefahr lauft, seine bereits akquirierten Kunden aufgrund notsvendiger Qualitatseinschnitte zu verlieren. In diesem Kontext sei auch vermerkt, dass eine laufende Akquisition neuer Kunden in der Kegel w^esentlich teurer ist als die Bindung bestehender Kunden. So haben verschiedene Schatzungen in Wissenschaft und Praxis ergeben, dass es fiinf- bis siebenmal mehr kostet, neue Kunden zu gewinnen als bestehende Kunden zu halten (vgl. HINTERHUBER/MATZLER/PECHLANER/ROTHENBERGER 2004). Hinzu kommt, dass Kundenfluktuation als ein zentraler Kostentreiber im Kahmen einer Marktbearbeitung gilt und dementsprechend eine nachhaltige Unternehmensentwicklung konterkariert. Vor diesem Fiintergrund konzentrieren sich viele - gerade klein- und mittelstandisch gepragte - Unternehmen verstarkt auf die Pflege ihres existierenden Kundenstamms, um ihre Kunden an sich zu binden und bestehende Potentiale auszuschopfen. Besonders fiir das Erreichen und Sichern von Wettbewerbsvorteilen angesichts massiver Strukturveranderungen auf der Nachfrage- und Angebotsseite gewinnen im Tourismus ein professionelles Qualitatsmanagement und Innovationen eine nicht zu unterschatzende Bedeutung (vgl. KELLER 2004 und KITTINGER-KOSANELLI/MATZLER 2004). Fiir die eben skizzierten Aspekte sollten optimalerweise beide Kooperationspartner sensibilisiert sein, um erfolgreich das gemeinsam kreierte Produkt vermarkten zu konnen, w^obei nicht unbedingt derjenige die erste Wahl sein muss, der sich primar iiber den Faktor Preis profiliert. So vermerkt der Produktmanager eines fiihrenden deutschen Pauschalreiseverans takers:
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
269
,Auf das Unternehmen bezogen kann ich nur sagen, dass man genau wissen sollte, was man von der Destination erwartet, was man fiir Anspriiche stellt und ob man diese Anspriiche im Land auch realisieren kann. Welche Moglichkeiten habe ich, einen soliden Partner zu finden, der mich auch unterstiitzt, meine Anliegen umzusetzen? (...) Der Billigste ist nicht immer der Beste! Das ist ganz wichtig, weil da unten [in Marokko, Anm. d. Verf.] auch der Einfluss wichtig ist. Dieser Aspekt ist ganz erheblich wichtig und er diirfte es auch in Zukunft bleiben. Das sind so die Sachen, die mir spontan einfalien, was Unternehmen betriflFt, die sich mit Marokko auseinander setzen woUen. (...) So gut als mogiich versuchen, Detailkenntnisse iiber den Partner zu erlangen, damit man moglichst viele Zusammenhange kennt: wer mit wem und wer nicht mit wem kann und so weiter. Wenn man das beherrscht, dann hat man eigenthch schon eine gute Grundvoraussetzung, in Marokko etwas zu erreichen." (RV_D_10, S. 13) Insbesondere vor dem Hintergrund eines ausgepragten Fragmentierungsgrads im Tourismussektor gewinnt die Bildung von Netzwerken zunehmend an Bedeutung; ein Aspekt, der vor allem fiir kleine und mittlere Unternehmen mit ihren vergleichsweise geringen Budgets und somit geringen Handlungsspielraumen von Relevanz ist. Die Bildung von Netzwerken hilft, die Nachteile der Fragmentierung zu iiberwinden, ohne dabei die Eigenstandigkeit aufgeben zu miissen. Gleichzeitig gilt es, entsprechende Synergien zu nutzen, die sich erst mit dem Eingehen einer Kooperation ergeben (vgl. PECHLANER/RAICH 2004). Eingedenk der ausgepragten Defizite, die vielfach die derzeitigen marokkanischen Tourismusstrukturen kennzeichnen, gewinnen diese Reflexionen noch einmal zusatzlich an Gew^icht. Man denke in diesem Zusammenhang beispielsweise an die vielerorts kaum ausreichenden Hotelkapazitaten, die gerade in der Hochsaison immer wieder zu Engpassen fiihren. Nur jene Kooperationspartner, die iiber einen entsprechenden Einfluss bei den lokalen Akteuren verfiigen und die destinationsspezifischen Defizite auszugleichen vermogen, w^erden sich mittel- bis langfristig im Incoming-Tourismus behaupten konnen. Ein zufriedener Partner, der nicht zum Opfer eines kurzfristigen oder opportunistischen Verhaltens wird, ist gleichfalls der beste Garant fiir eine nachhaltige Kooperation. So konstatiert etwa der Geschaftsfiihrer eines deutschen Nischenveranstakers, der seit Jahren auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit seinem marokkanischen Kooperationspartner zuriickblicken kann: „Wenn ich mal mit einem Agenten zufrieden bin, dann wechsele ich diesen nicht wegen ein paar Mark, nicht wegen irgendwelchen preislichen Geschichten. Wenn der eine gute Arbeit macht, wenn unsere gemeinsame Linie stimmt, dann bleibe ich in der Kegel sehr lange bei dem. (..) Ich habe Lander, in denen ich schon seit zehn Jahren mit dem gleichen Agenten zusammenarbeite. Man kennt sich, man weiE, der eine kann sich auf den anderen verlassen - und das ist eine gute Partnerschaft!" (RV_D_05, S. 5) Im Kontext der Entwicklung von Netzw^erken erweist es sich als Vorteil, dass in arabischen Landern interpersonelle Beziehungen traditionell eine wichtige RoUe spielen. Dieses Faktum
270
Kapitel VIII
impliziert, dass zahlreiche Unternehmen ausgepragt personalisierte Strukturen aufweisen; ein Aspekt, der auch immer wieder sowohl von Unternehmens- als auch von Expertenseite erortert wurde (vgl. Kapitel VIII.9, VIILIO und IX.6). Vor diesem Hintergrund sto£t man in marokkanischen Unternehmen relativ haufig auf Beschaftigte, die in einem freundschaftlichen oder sogar verwandtschaftlichen Verhaltnis zu ihrem Arbeitgeber stehen. Gerade Aufbau und Pflege interpersoneller Kontakte, die in arabischen Landern nicht nur iiber geschaftliche, sondern vielfach auch iiber private TrefFen laufen, sind im Rahmen bilateraler Unternehmenskooperationen von zentraler Bedeutung und werden von westhchen Geschaftspartnern immer wieder unterschatzt. Diesbeziighch vermerkt einer der profihertesten deutschen Islamw^issenschaftler: „Wahrend die Europaer aber den Zeitfaktor solcher TrefFen in den Vordergrund ihrer Uberlegungen und Bewertungen stellen, spielt fiir die Orientalen das Moment der Verbesserung der interpersonellen Beziehungen zwischen den Partnern eine entscheidende Rolle. Sie gehen davon aus, daE man mit einem Freund besser Geschafte machen kann als mit einem Fremden." (FiEiNE 1996, S. 109 f.). Wie ein Fallbeispiel in Kapitel VIII. 10 dargelegt hat, konnen vor allem fiir groEe Reiseveranstalter mit ihren ausgepragten horizontalen und vertikalen Unternehmensstrukturen die personalisierten Unternehmensstrukturen zu Konflikten in der interkulturellen Zusammenarbeit fiihren. Vor dem Hintergrund der vorangegangenen Ausfiihrungen ist auch das nachfolgende Zitat eines deutschen Geschaftsfuhrers zu sehen: „Es ist immer besser, wenn sie zu einem Freund als zu einem Vertragspartner sagen: »Hilf mir!« Der Vertragspartner sagt ihnen: »Meine Kontingente sind leider erschopfic, ich kann diesbezuglich nicht mehr machen, Wir haben dariiber einen Vertrag, daran haite ich mich, das ist das, was wir auf dem Papier stehen haben.« (...) Einen Freund behandelt man anders als einen Vertragspartner!" (RV_D_08,S. 15) Es versteht sich von selbst, dass gerade kleine und mittlere Reiseveranstalter aufgrund ihrer personalisierten Unternehmensstrukturen fiir die Entwicklung interpersoneller Kontakte pradestiniert sind. So findet man im Rahmen dieser Studie sowohl auf deutscher als auch auf marokkanischer Seite immer wieder Unternehmen, die einen auEerst personalisierten, teilweise sogar freundschaftlichen Kooperationsstil pflegen. In diesem Zusammenhang darf man nicht vergessen, dass entsprechende Akteure in der Regel sehr viel Zeit und Engagement in Aufbau und Pflege ihrer bilateralen Zusammenarbeit investiert haben. Gerade im Kontext von Konflikten erweist sich dieser Umstand jedoch als ausgesprochen vorteilhaft, da man leichter auf personalisierte und diskursive Konfliktlosungsansatze zuriickgreifen kann (vgl. SCHERLE 2003). Wie bereits mehrfach deutlich wurde, konnen sich vor allem jene Unternehmen erfolgreich auf dem Markt behaupten, die eine Nischenstrategie verfolgen. Dieser Aspekt hat nach Ansicht vieler Gesprachspartner noch einmal zusatzlich an Relevanz gewonnen, da der klassische Vertriebsweg einer Pauschalreise iiber das Reisebiiro im Kontext von Marokko nur noch bedingt funktioniert. Diesbeziighch vermerkt der Reprasentant eines Pauschalreiseveranstalters, der sich vor dem Fiintergrund einer abgeschwachten Nachfrage aus der Destination zuriickziehen musste:
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
271
,At>er das [Produkt, Anm. d. Verf.] iiber einen Katalog zu vertreiben, der klassische Reisebiirovertrieb eben, ist zurzeit leider kaum moglich, well das Produkt vielfach unbekannt ist und keinerlei Kundendruck da ist, von dem man vernimmt: »Wir woUen jetzt nach Marokko verreisen!« Das ist einfach in der gegenwartigen Situation nicht drin, deswegen kann sich ein Newcomer eigentlich nur als Spezialist profilieren." (RV_D_06, S. 12) Die Hintergriinde fur die seit geraumer Zeit stagnierende, vielfach sinkende Nachfrage sind aufierst komplex und brauchen an dieser Stelle nicht noch einmal dargelegt v^erden, da dies in extenso in anderen Kapiteln der vorliegenden Arbeit geschieht (vgl. unter anderem Kapitel VIIL13,IX.4undIX.5). Neben der Verfolgung einer Nischenstrategie stoSt man im Rahmen dieser Studie immer v^ieder auf Veranstalter, die geziek nach Produktinnovationen suchen und entsprechende Wachstumsmoglichkeiten ausschopfen mochten. So konstatiert beispielsweise der Geschaftsfiihrer einer mittelstandischen Incoming-Agentur aus Agadir: „Par ailleurs, on joue un petit peu sur les prix avec 9a. Nous essayons de faire de notre mieux. Moi, au lieu de gagner dix pour-cent, je prefere gagner deux ou trois pour-cent et chercher des nouveautes. La nouveaute, la nouveaute, la nouveaute! Franchement, aujourd'hui, je suis sur et certain que j'ai une brochure. II n y a personne qui fait les memes programmes que moi parce que ce sont des programmes nouveaux. C'est moi qui travaille personnellement sur ces programmesla. Peut-etre que dans deux ans, tout le monde fera les memes programmes, meme les plus grands. Mais chez nous, ce sont de nouveaux programmes, des specialites. Par exemple, je peux vous donner un exemple d'un programme que j'ai fait. C'est un programme d'une semaine, un safari, a la fois le gout de I'aventure avec un 4x4, mais le client fait aussi un peu de marche et termine son circuit a dos de chameaux. Si vous voulez, nous essayons de trouver des choses un peu comme 9a, des nouveautes. Et bien sur, ce que nous voulons, c'est d'essayer de trouver un partenaire avec qui nous pouvons vraiment participer, c'est-a-dire acheter des actions a une societe allemande et faire la meme chose chez nous. C'est le plus important, c'est ce qu'on recherche." (RV_M_09, S. 2) Offensichtlich wird diese Strategic, die vor dem Hintergrund zunehmend gesattigter Markte immer w^ichtiger wird (vgl. KELLER 2004), auch von potentiellen Kooperationspartnern geschatzt. So vermerkt die Geschaftsfiihrerin eines Veranstalters, der sich auf den Incentive-Tourismus spezialisiert hat, unter dezidierter Bezugnahme auf ihren ersten marokkanischen Kooperationspartner, mit dem inzwischen keine Zusammenarbeit mehr besteht: „Es muss nicht immer eine Riesenfirma sein, aber es sollte eine flexible und innovationsbereite Firma sein. Das war bei X [dem ehemaligen Kooperationsunternehmen, Anm. d. Verf] zunehmend nicht mehr gegeben, so dass wir Probleme hatten." (RV_D_16, S. 3)
272
Kapitel VIII
Letztendlich basiert der Erfolg einer interkulturellen Kooperation entscheidend auf einer griindiichen und effizienten Vorbereitung in der Konzeptionsphase. Ungeachtet innovativer Geschaftskonzepte gibt es im Kontext einer grenziiberschreitenden Zusammenarbeit im Marokkotourismus immer wieder Unternehmen, die eine entsprechende Sorgfalt missen lassen; ein Umstand, der auch wiederholt von Expertenseite bedauert wird (vgl. Kapitel IX. 1 und IX.2). Insofern kann man das nachfoigende Zitat eines deutschen Geschaftsfiihrers, der einen exklusiven Studienreiseveranstaiter vertritt, durchaus auch als Musterbeispiel fiir eine sorgfaltige Partnersuche und Kooperationsentscheidung werten: „Ich habe auf einer Informationsreise mehrere Parmer kennen gelernt und habe mir dann iiber gezieke, identisch gestelke Anfragen an diese potentiellen Kooperationspartner einen Uberblick iiber deren Leistungsfahigkeit verschafit - und zwar anhand der Angebote, die sie sowohl vom Inhaltlichen als auch vom Preislichen her vorgelegt haben. Dann hat sich im Laufe der Zeit eine Zusammenarbeit mit zwei Partnern herausgebildet, weil wir bei denen den Eindruck hatten, dass sie von den Dingen, die wir nachgefragt haben, am besten geeignet sind. (...) Aus den Angeboten ist sehr deutlich geworden, dass der eine Partner seine Starken hier und der andere seine Starken dort hat. Und nur mit einem Partner zu kooperieren, bedeutet ja auch eine gewisse Abhangigkeit, die unter Umstanden dazu fiihren kann, bei Ausfall oder bei Personalveranderungen innerhalb der Agentur ohne Partner dazustehen. Wir haben ja die Interessen unserer Kunden im Riicken und miissen dementsprechend iiber Strukturen verfiigen, bei denen wir auch den Ausfall eines Kooperationspartners verkraften konnen, ohne dass die gesamte Logistik zusammenbricht. SchlieElich haben wir keine Organisation, mit der wir permanent iiberpriifen konnen, in welchen Verhaltnissen der Partner vor Ort agiert. Lauft es unverandert gut oder bahnen sich moglicherweise Konflikte an, etwa wenn Reiseleiter weggehen oder ahnliches? Also, von daher kochen wir halt auf mehreren Herdstellen: wenn die eine kalt wird, dann ist noch eine andere da." (RV_D_05, S. 1 f.) Aufgrund seiner im internationalen MaEstab herausragenden Stellung gilt der deutsche Quellmarkt bei den meisten Akteuren aus den marokkanischen Incoming-Agenturen als ein marche porteur, der allerdings nicht zuletzt bei kleinen und mittleren Unternehmen vor dem Hintergrund verstarkter Konzentrationstendenzen die Sorge auslost, marginalisiert beziehungsw^eise im schlimmsten Fall exkludiert zu werden (vgl. Kapitel VIII.2). Hinzu kommt, dass seit geraumer Zeit die Besucherzahlen deutscher Touristen in Marokko keine nennenswerten Steigerungen mehr verzeichnen, vielmehr sogar riicklaufig sind. So mancher Akteur hat deshalb in den letzten Jahren versucht, neue Markte zu erschliefien, um einer einseitigen Abhangigkeit vom deutschen Quellmarkt entgegenzuwirken. Vor diesem Hintergrund ist auch das nachfoigende Zitat einer marokkanischen Produktmanagerin zu sehen, die eine Incoming-Agentur aus dem touristischen hot spot Agadir vertritt: „I1 ne faut pas cibler toutes ses chances sur un seul marche. II suffit que les Allemands decident du jour au lendemain qu'Agadir n'est plus interessant et qu'ils n'y viennent plus, pour que nous perdions tout ce qui nous reste. (...) Parce que tout a deja ete fait pour I'Allemagne. Les jeux sont
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
273
faits, X et Y [die zwei deutschen Branchenfiihrer, Anm. d. Verf.] ont deja tout rafle. Bien entendu, il faut cibler rAllemagne en tant que marche, mais ne pas focaliser toute son energie sur ce pay, et essayer de s'ouvrir sur d'autres marches." (RV_M_07, S. 5) Wie die bisherigen empirischen Ergebnisse gezeigt haben, nahmen die Interviewpartner in ihren Ausfiihrungen nicht nur Bezug auf den interkulturellen Kooperationsalltag, sondern sie thematisierten auch immer wieder die derzeitigen marokkanischen Tourismusstrukturen, die selbstredend einen nicht zu unterschatzenden Einfluss auf das Kooperationsgeschehen haben. Das nachfolgende Kapitel greift aus Perspektive der Unternehmensvertreter die Bewertung des derzeitigen Marokkotourismus und dessen Zukunftsperspektiven auf Als ausgesprochenes Uberleitungskapitel bildet es den Abschluss der Unternehmensbefragungen bevor im zweiten iibergeordneten empirischen Kapitel die Resultate der Expertenbefragung prasentiert werden.
VIII. 13 Top oderflop - Bewertung des Marokkotourismus u n d seiner Zukunftsperspektiven
Auch wenn es im Rahmen der empirischen Erhebungen primar um das interkulturelle Kooperationsgeschehen ging, so nahmen die Befragten immer wieder Bezug auf die Destination, deren touristisches Potential letztendlich die Basis fur jedes geschaftliche Engagement im Tourismussektor bildet. Um es bereits an dieser Stelle vorwegzunehmen: Die ausgesprochene Vielfalt der zum Marokkotourismus und dessen Zukunftsaussichten erfolgten Aussagen bote geniigend Stoff fiir eine eigene Studie. Vor diesem Hintergrund konnen die folgenden Zitate allenfalls einen komprimierten Einblick in zentrale Einschatzungen aus Unternehmensperspektive gewahren. In diesem Zusammenhang sei erganzend auf Kapitel IX.4 verwiesen, in dem aus einem leicht modifizierten Blickwinkel die Expertensichtweise zu dieser Thematik eingefangen wird. Beide Kapitel runden sich somit gegenseitig ab und ermoglichen zudem Vergleiche, inwieweit sich die jeweiligen Perspektiven unterscheiden beziehungsweise erganzen. Last but not least soUen beide Kapitel auch einen Beitrag dazu leisten, aktuelle Defizite marokkanischer Tourismusstrukturen aufeuzeigen, um aus einem entsprechenden Erkenntnisgewinn Riickschliisse fiir die zukiinftige touristische Inwertsetzung der Destination ziehen zu konnen. Den Reigen eroffnet der Reprasentant eines Reiseveranstalters, der in den letzten zwei Jahrzehnten stark expandiert hat und der inzwischen zu den fiihrenden mittelstandischen Veranstaltern in Deutschland zahlt. Das Interview fand wenige Monate vor dem Riickzug des Unternehmens aus dem Marokkotourismus statt. In der folgenden Aussage begriindet der Gesprachspartner die entsprechende Entscheidung der Geschaftsfiihrung: „Wenn sich unsere Firma aus Marokko zuriickzieht, dann aufgrund permanenter Vedustgeschafte, die eben darin begriindet liegen, dass wir keine Masse produzieren konnen. Seibst GroEver-
274
Kapitel VIII
anstalter wie X und Y [die zwei Branchenfiihrer in Deutschland, Anm. d. Verf.] sind nur noch aus Prestigegriinden vor Ort, weil sie einfach keine Masse produzieren konnen, was ja im heutigen Chartertourismus notwendig ist. Sie miissen Sitzplatze in den grof^en Charterflugzeugen fiillen, um Verluste zu vermeiden. Es ist ein Zeichen, das trotz standiger Mahnung nirgendwo vom offiziellen Tourismusministerium zur Kenntnis genommen wird. Vielleicht ist man auch damit zufrieden, dass Franzosen und Italiener reichlich kommen und der deutsche Markt etwas Zweitrangiges ist. (...) Dies sind so Dinge, die ziehen sich quer dutch: dass eben Entscheidungen nicht herbeigeRihrt werden, dass man nicht auf dem Laufenden ist, wie die Marktverhaltnisse sind, dass man keine Analyse iiber die Kundschaft zur Verfiigung hat, demzufolge auch gar nicht weiE, worum es geht. Es ist nicht damit getan, zu sagen: »Wir haben ein schones Land und ein gutes Produkt, nun kommt mal alle her!« Dazu ist die Konkurrenzsituation viel zu eng, auch im naheren Bereich: Kanarische Inseln, Tiirkei, Tunesien! Es gibt ja alles MogUche - im Sommer sowieso und im Winter ist man eben auch noch sehr teuer. Fiirs gleiche Geld konnen die Kunden heute in die Karibik verreisen, das muss man auch dazu sagen! (...) Darum: Ich kann nur sagen, als Herr X [der Geschaftsfiihrer des entsprechenden Unternehmens, Anm. d. Verf.] nicht mehr wollte, hatte ich kein Argument, zu widersprechen. Ich habe kein einziges Argument! Es tut mir weh, weil wir mit den Leuten, mit denen wir zusammengearbeitet haben, ein freundschaftliches Verhaltnis hatten. Wir bekommen aber keine Zahlen zusammen, die statistisch belegen konnten, dass es Sinn macht. Es ist so!" (RV_D_06, S. 1) Ein wenig schmeichelhaftes Bild iiber eine Destination u n d deren touristische Akteure, die sich seit der Verabschiedung des Masterplans von Marrakech anschicken, M a r o k k o fiir auslandische T o u r i s m u s u n t e r n e h m e n attraktiver zu machen. Gleichwohl handelt es sich noch nicht u m alle Faktoren, die den Riickzug dieses namhaften U n t e r n e h m e n s eingeleitet haben, wie das nachfolgende Zitat deutlich macht: „Man muss auch ein bisschen mit Euphorie und Begeisterung an die Sache herangehen, wobei permanenter Stillstand fiir das Tourismusgeschaft in Marokko sehr kennzeichnend ist. Das fuhrt zwangsweise zu Riicklaufigkeit, weil naturlich Konkurrenz, andere Destinationen da sind, die sich entwickeln, die was zu Stande bringen und eben auch in Erscheinung treten. Die Marokkaner tun eigentlich gar nichts und haben deswegen weder ein positives noch ein negatives Image, sie haben iiberhaupt kein Image. Das ist das Problem an der Sache! (...) Es [die Destination, Anm. d. Verf] ist vollig unbekannt und nur eine Werbekampagne in der GroEenordnung, wie sie die Agypter standig machen, wiirde einen bestimmten Bekanntheitsgrad erzeugen. Dies ist im Moment gar nicht gegeben. Also, diese Kampagne mit »Oase Rir die Sinne« ist fiir mich der Spruch fiir einen Stuhl beim Psychiater oder irgendetwas. Es ist lacherlich!" (RV_D_06, S. 1) Fialten wir an dieser Stelle zunachst einmal einige wichtige Punkte fest, die im Verlauf der weiteren Ausfiihrungen noch naher erganzt u n d prazisiert werden: ofFensichtliche Defizite im Produkt, die gerade Veranstaltern, die auf den Pauschaltourismus setzen, Schwierigkeiten bereiten,
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
275
ausreichend Paxe umzusetzen, eine vielfach schlagkrafrigere Konkurrenz vor dem Hintergrund eines verscharften Wettbewerbs und nicht zuletzt ein als unzureichend empfundenes Marketing, dem es nicht zu gelingen scheint, entsprechende Alleinstellungsmerkmale einpragsam zu kommunizieren. Hinzu kommt aus Sicht dieses Produktmanagers ein weiteres Problem, das vor allem touristische Investitionen vor Ort betrifft: „Wenn sie Masse befordern woUen, dann braucht man Strandtourismus, Badetourismus. Das sind Kunden, fiir die ist alles eine wei£e Ware, das heiEt, der entsprechende Kunde braucht einen Strand, die Sonne muss scheinen und am besten spricht der Kellner noch Deutsch. Fiir die gibt es zwischen Mailorca, Agadir und der Dominikanischen Republik keinen Unterschied. Sonne, Strand und vieileicht noch all-inclusive, weil ja diese Leute das Hotel nicht mehr verlassen - sie konnten ja etwas versaumen. (...) Ich meine, Agadir als Stranddestination hat fiinf Hotels am Strand, die anderen 30 - oder wie viele es auch sein mogen - sind fast ausschlieElich Stadthotels und, wenn man so will, in der zweiten und dritten Reihe gelegen. Das ist voUig unattraktiv! Ich erinnere mich, dass in den letzten neun Jahren, solange ich hier im Amt bin, in Agadir drei Hotels erofFnet wurden. Das ist eben das, was einem so begegnet. Wissen Sie, man muss diese Interna kennen, um bestimmte Dinge erklaren zu konnen. Die X [ein deutscher Branchenfuhrer, Anm. d. Verf.] ist ja auch immer bereit. Geld zu investieren. Die baut da [in Agadir, Anm. d. Verf.] mit ihrem Partner wieder ein Hotel. (...) Das ist auch so eine Geschichte: Seit zwei Jahren gibt es da [in Agadir, Anm. d. Verf.] Baustellen, die nicht vorankommen. Es soUen drei neue Hotels am Strand gebaut werden, es geht aber nichts voran. Ich komme ja nur noch einmal im Jahr hin, und jedes Mai, wenn ich da war, bin ich mit meinem Agenten vor Ort gewesen und er sagt: »Die Baumaschinen sind schon da!« - Und ich sage: »Das hast Du mir letztes Jahr schon erzahlt. Letztes Jahr war eine Baubude und eine Maschine da.« - »Ja, sie schieben doch Erde.« Ja, dann haben sie Erde geschoben, ein Jahr lang Erde geschoben. Wahrscheinlich bauen sie jetzt ein Jahr das Fundament und dann bauen sie noch anderthalb Jahre hoch ... und dann sind es drei, vier, fiinf Jahre, so ist das! Und zwischendurch geht das Geld aus. Man weiE es immer nicht so genau. Sie wissen gar nicht, wer eigentlich der Inhaber ist, wer die Konstruktion und die Planung macht. Es hei£t immer nur: Hier baut X ein Hotel!" (RV_D_06, S. 1 ff.) Wie in einem Brennglas spiegeln sich in den drei vorangestellten Zitaten die derzeitigen strukturellen Defizite marokkanischer Tourismusstrukturen w^ider, wobei Letzteres dezidiert auf die problematische Situation jener Reiseveranstalter eingeht, die vor Ort investieren woUen. Als limitierende Faktoren erweisen sich in diesem Kontext immer wieder ungeklarte Eigentumsverhaltnisse, eine Zersplitterung der Kompetenzen auf administrativer Ebene und last but not least lange Genehmigungszeiten, die sich geradezu paradigmatisch in der anekdotisch anmutenden Schilderung des soeben zitierten Produktmanagers manifestieren. Hinzu kommt, dass sich Marokko im Vergleich zu wichtigen Konkurrenzdestinationen ausgesprochen spat auslandischen Investoren geofFnet hat; ein Umstand, der erst jetzt mittels der Verabschiedung des Masterplans von Marrakech behoben werden soil (vgl. insbesondere Kapitel V.4, IX.4 und IX. 5).
276
Kapitel VIII
Dass es sich bei den vorangegangenen Zitaten keinesfalls u m die Einzelmeinung eines enttauschten Reprasentanten handelt, dessen geschaftliches Engagement sich in M a r o k k o - einschiieElich der entsprechenden Kooperation - d e m Ende entgegenneigt, k o m m t auch in den nachfolgenden Zitaten z u m Ausdruck. Zunachst sei nocli einmal ein Zitat angefiihrt, das drastisch die Situation jener auslandischen Reiseveranstalter vor Augen fuhrt, die in der Maghrebdestination investieren woUen: „Wie gesagt, solange sich die GroCveranstalter nicht aus diesem Land zuriickziehen, wird es in Marokko Tourismus und - das zeigt die ganze Investitionspolitik - auch einen entsprechenden Fortschritt in diesem Sektor geben. Das einzige Problem, das ich sehe, ist, dass die Investitionsmoglichkeiten der GroEveranstalter so beschnitten werden, dass eine Investition nicht mehr lohnend erscheint und das Ziel letztendlich abgeschrieben wird. Das iiegt natiirlich auch an der Politik in diesem Land, wie die so gefiihrt wird. Ein kleines Beispiel: Der Club Aldiana, seit 1985 in Planung, ich habe die Plane gesehen, es standen 90 Millionen Mark fiir diese Anlage bereit, ... seit 1985. Wir konnten das Geld nicht loswerden, wir durften nicht investieren! (...) Wir batten Auflagen, die wir auch komplett erfiillt haben, das Projekt war 1985 fertig. Dann gab es einen Wechsel im Tourismusministerium, die Plane wurden ad acta gelegt, soUten erst wieder vom neuen Tourismusministerium genauer betrachtet werden. Dazu ist es nie gekommen, und so wurden die Investitionen immer wieder verschleppt, wobei es iiberhaupt nicht um finanzielle Investitionen von Seiten der Marokkaner ging. Sie miissen dann aber das Okay von einem halben Dutzend verschiedener Ministerien haben. Jedes achtet da auf seine Kompetenz und keines will Kompetenzen abgeben. Und das dauert halt!" (RV_D_22, S. 11 f.) In Hinblick auf Investitionen korrespondieren entsprechende Aussagen deutlich mit jenen, die m a n i m m e r wieder von Expertenseite zu horen b e k o m m t . Gerade beziiglich der administrativen Strukturen erweist es sich fiir potentielle Investoren als ein nicht zu unterschatzendes Handicap, dass in M a r o k k o die einzelnen Verwaltungsebenen k a u m miteinander vernetzt sind. Dieser U m s t a n d tuft einschlagige Kommunikationsdefizite hervor, die zu unkalkulierbaren Verzogerungen in den Genehmigungsverfahren fuhren. In diesem Kontext wird auch zunehm e n d von marokkanischer Seite der Ruf nach einer eigenstandigen Anlaufstelle fur auslandische Investoren laut, die schnell u n d unbtirokratisch deren Anliegen vertritt (vgl. Kapitel IX.6). N u r eine konsequente Umsetzung des Masterplans von Marrakech kann diesbeziiglich eine strukturelle Verbesserung einleiten, will m a n Investoren eine Perspektive bieten, da ansonsten die Destination weiterhin Gefahr lauft, touristische U n t e r n e h m e n zu verlieren: „Nichts ist schlimmer im Tourismus, als wenn ein Land nicht in der Lage ist, Perspektiven aufzuzeigen, weil wir uns Stagnation nicht erlauben konnen. Da gibt es andere Lander, die enorm schnell vorpreschen und viel effizienter sind. Das war noch nie die Starke von Marokko! Sie sehen es ja selbst: Ich meine, X hat sich zuriickgezogen, Y hat sich zuriickgezogen und Z hat sich zuriickgezogen! [Die drei Buchstaben symbolisieren namentlich genannte Reiseveranstalter, die sich
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
277
wenige Monate vor dem gefiihrten Interview aus dem Marokkotourismus zuriickgezogen hatten, Anm. d. Verf.]. Vielleicht hilft das ja auch ein bisschen?" (RV_D_10, S. 1) Marokko hat im Laufe der letzten Jahre nicht nur das geschaftliche Engagement einiger renommierter deutscher Reiseveranstalter verloren, sondern vielfach auch das Vertrauen wohlwoUender Akteure verspielt, die immer wieder, meist vergebUch, Reformen angemahnt haben. Diese Ansicht, die in der Regel auch von Expertenseite geteilt v^ird (vgl. Kapitel IX. 5 und IX.6), spiegelt sich im folgenden Zitat wider: „Was wollen die denn dort unten vermarkten? [sarkastischer Unterton des Gesprachspartners, Anm. d. Verf.] Die konnen doch im Grunde nur das wiederholen, was sie schon seit Jahren wiederholen, wenn sie es iiberhaupt schon jemals effizient riibergebracht haben. Das ist unter Reiseprofis bekannt, man kennt die Probieme Marokkos. Die miissen sich einfach mal darauf besinnen, was sie haben, und im Moment haben sie nicht allzu viel. Alle paar Jahre kommt mal ein neues Hotel dazu und das ist - bei allem Verstandnis fiir gewisse Zwange - wirklich sehr, sehr wenig. Es ist sehr, sehr viel versprochen worden, und die ganze Glaubwiirdigkeit ist - was todlich ist - auf der Strecke geblieben. Es hat keiner mehr ein richtiges Vertrauen in dieses Land, was die Entwicklung angeht. Deshalb war es im Grunde genommen unheimlich wichtig, dass die jetzt die Sache in die Hand genommen haben und dass - dank des Konigs und seiner Berater um ihn herum - wohl die Erkenntnis reift: »Also, wenn wir es jetzt nicht schafFen, dann schafFen wir es iiberhaupt nicht mehr!« [Anspielung auf den verabschiedeten Masterplan von Marrakech, Anm. d. Verf] Sonst werden sie irgendeine Destination unter vielen sein, die mal mehr, mal weniger lauft, aber nie eine wirkliche GroEe im Tourismus erreichen wird." (RV_D_10, S. 4) Erschv^erend kommt im Kontext des marokkanischen Incoming-Tourismus hinzu, dass sich ein GrojGteil des derzeitigen touristischen Angebots auf Agadir konzentriert, so dass man in Fachkreisen immer w^ieder von einer „Monodestination" spricht (vgl. PFINGSTEN 2001). So konstatiert der Mitarbeiter eines mittelstandischen Reiseveranstalters, der vor dem Hintergrund verstarkter Konzentrationstendenzen von einem global player iibernommen w^urde: „Es ist eine schwierige Destination, weil das Angebot so diinn ist: Die haben ja nur Agadir! In Marokko ist von den Hotels nur Agadir relevant. Wir miissen jetzt tatsachlich ein eigenes Hotel bauen, damit da irgendetwas vorangeht. (...) Wenn man Marokko verkauft, dann verkauft man Agadir. Im Produkt liegen die Probieme!" (RV_D_25, S. 6) Dieser Umstand fiihrt auch dazu, dass es - zumindest im Kontext des klassischen Badetourismus - kaum so genannte Wiederholer gibt, also Gaste, die sich fiir eine erneute Buchung der entsprechenden Destination entscheiden. Diesbeziiglich vermerkt der Produktmanager eines mittelstandischen Reiseveranstalters:
278
Kapitel VIII
„Marokko hat man im Programm, well es ins Programm gehort, aber es ist sicherlich kein Markt, bei dem man sagen kann, da machen wir Paxe, da machen wir Umsatz, da machen wir top Ertrage. Es gehort einfach ins Programm! (...) Sie haben fiir Marokko immer eine bestimmte Klientei, aber Marokko ist kein Zielgebiet, in dem sie Wiederholer haben." (RV_D_11,S. 12) Wie auch im Rahmen der Expertenbefragung eruiert werden konnte, schneidet Marokko nicht zuletzt in Bezug auf das Preis-Leistungs-Verhaltnis deutlich schlechter als Konkurrenzdestinationen ab (vgk Kapitel IX.4). Hinzu kommt, dass dem nordafrikanischen Konigreich traditionell ein vergleichsweise teures Image vorauseilt, das sich vor dem Hintergrund eines verstarkten Preisbewusstseins auf Kundenseite zunehmend als Hypothek erweist. In diesem Zusammenhang auf?ert der Geschaftsfiihrer eines mittelstandischen Reiseveranstalters, der sich auf Studienreisen spezialisiert hat: „Es ist einfach so, wenn ich heute fiir 1 300 Mark 14 Tage in die Dominikanische Republik fahren kann, dann fliege ich doch nicht fiir den gleichen Preis eine Woche oder 14 Tage nach Agadir, Tanger oder Mohammedia, die auch als Badeziel in Frage kamen. Da [gemeint ist die Dominikanische Republik, Anm. d. Verf ] haben sie doch all-inclusiveK' (RV_D_08, S. 11) In eine ahnliche Richtung argumentiert jener bereits zitierte Produktmanager, der im Kontext des Marokkotourismus die geringe Wiederholerquote angefiihrt hat: „Wir haben in Marokko ein Preisgefiige, das ziemlich hoch ist. Marokko ist vergleichsweise teuer, obwohl es ein sehr armes Land ist. Die haben es schon verstanden, ein gewisses Preisgefiige einzufiihren, da sind sie beispielsweise den Spaniern um Meilen voraus. Die halten diesbeziiglich zusammen. Das ist der Preis, den wollen sie haben: Punkt, Ende! Nur so haben sie [die marokkanischen Incoming-Agenturen, Anm. d. Verf] wahrscheinlich eine Chance, dass sie bestehen konnen. Wenn sie sich gegenseitig Konkurrenz machen wiirden, ware das moglicherweise nicht gut, aber dass sich daraus jetzt ein bliihender Tourismus entwickeln konnte, halte ich eigentlich fiir unrealistisch." (RV_D_11,S. 13) Das im Vergleich zu Konkurrenzdestinationen hohe Preisniveau wird von marokkanischer Seite haufig damit begriindet, dass man - im Gegensatz zu Tunesien oder zur Tiirkei - primar auf einen exklusiven Tourismus setzt, doch auch dieses Marktsegment ist bisher, gerade in Hinblick auf den Hotelbereich, allenfalls in Ansatzen erschlossen worden; ein Umstand, der nicht zuletzt darin seine Ursache hat, dass sich Marokko erst relativ spat gegeniiber auslandischen Investoren geoffnet hat (vgl. auch Kapitel V4 und IX.4). Ungeachtet dieser bis dato vergleichsweise kritischen Ausfiihrungen iiber den derzeitigen Marokkotourismus und dessen Zukunftsperspektiven gilt das Land bei so manchem Befragten als eine Destination, die ihr Potential noch gar nicht richtig ausgeschopft hat:
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
279
„Ich meine, das Land hat noch sehr viel Potential, das bis dato gar nicht richtig ausgeschopft wurde. Es gibt ja Gegenden in Marokko, die touristisch iiberhaupt nicht bekannt sind, die man jedoch durchaus erschUeEen konnte; ... zunachst iiber einen gewissen Abenteuertourismus, dann aber auch ein bisschen ethnologisch, moglicherweise auch archaologisch. Da gibt es verschiedene Moghchkeiten, die noch nicht richtig beriicksichtigt warden. Es gibt im Moment sicherUch mehr die hochwertigen, ausgesprochen kukurell ausgerichteten Studienreiseveranstalter, die Marokko im Programm fiihren und es auch weiterhin anbieten werden. Jene, die global Reisen anbieten und den kulturellen Aspekt nur so ein bisschen abdecken, werden eher Schwierigkeiten haben, das Land gut zu vermarkten und zu verkaufen, weil es beispielsweise Tunesien gibt, das - gerade was den Erholungstourismus betrifft - eben sehr viel mehr bietet. Das erleben auch wir immer wieder: Wir konnten beispielsweise im Anschluss an die Kulturreisen durchaus noch Badeurlaub anbieten, aber wenn man beriicksichtigt, dass es in Agadir iiberhaupt nur zwei richtige Strandhotels gibt und alle anderen Hotels jenseits einer befahrenen StraEe liegen, dann reicht das einfach nicht aus. Diesbeziiglich fallt Marokko im Vergleich zu Tunesien immer hinten runter, das phantastische Strandhotels hat und zwar fiir jedes Niveau." (RV_D_16,S. 15) Das vorangestellte Zitat, das von der Geschaftsfiihrerin eines Kleinstveranstalters stammt, der sich auf Incentivetourismus spezialisiert hat, kann man durchaus auch als Pladoyer fur einen verstarkten Nischentourismus begreifen. Dieser hat in den letzten Jahren sukzessive in den unterschiedlichsten Sparten - man denke beispielsw^eise an den Wiisten-, Trekking- und Ethnotourismus (vgl. diesbeziiglich BIERNERT 1998, A I T HAMZA/POPP 2000 und BARTHA 2006)
- Fu6 fassen konnen. Des Weiteren gilt Marokko aufgrund seines reichen historischen Erbes als ein ideales Reiseziel fiir den Kulturtourismus. Vor diesem Hintergrund stellt es wichtige Konkurrenzdestination in den Schatten, wie das nachfolgende Zitat eines Geschaftsfiihrers zeigt, dessen Unternehmen sich auf anspruchsvoUe Studienreisen spezialisiert hat: „Ich wiirde Marokko [in Bezug auf ein geschaftliches Engagement, Anm. d. Verf] sogar gegeniiber Tunesien den Vorzug geben. Tunesien ist eine Destination, die hauptsachlich fiir den Badeurlaub geeignet ist, Marokko bringt aber vor allem vom Kulturellen mehr." (RV_D_14, S. 2) Wie gestalten sich der aktuelle Marokkotourismus und seine Zukunftsperspektiven aus Sicht der marokkanischen Kooperationspartner? Um es bereits an dieser Stelle vorwegzunehmen: Wesentlich haufiger nahmen die Akteure aus den marokkanischen Incoming-Agenturen Bezug auf den 2001 verabschiedeten Masterplan von Marrakech, der in den einschlagigen Medien ausgesprochen haufig thematisiert vv^urde und eine dementsprechende Breitenw^irkung erzielte. Bei den Befragten aus den deutschen Unternehmen w^ar zwar mitunter das Schlagwort bekannt, jedoch konnten es die w^enigsten mit Inhalt fiillen. Ein umgekehrtes Bild zeichnet sich diesbeziiglich auf marokkanischer Seite ab, bezogen sich doch immer v^ieder zahlreiche Gesprachspartner auf die anvisierten Zielvorgaben. Beginnen v^ir zunachst mit dem Zitat des Geschafts-
280
Kapitel VIII
fiihrers einer mittelstandischen Incoming-Agentur, der unter dezidierter Bezugnahme auf den Masterplan von Marrakech konstatiert: „Si nous voulons ameliorer nos produits et ameliorer notre vie, il faut que les choses suivent, il faut que I'infrastructure suive, parce que c'est bien beau de dire, qu'on veut atteindre les dix millions de touristes d'ici 2010. Mais dix millions signifient qu'il faut multiplier par cinq la capacite actuelle des transports des agences de voyages et des villes en neuf ans. Ce qu'on a fait en 50 ans, il faudrait le faire en neuf ans. Actuellement, on refuse du travail par manque d'hotels, d'autocars." (RV_M_11,S. 10) Geradezu paradigmatisch spiegelt sich in diesem Zitat das ganze Dilemma der derzeitigen marokkanischen Tourismuspolitik wider: Auf der einen Seite die Einsicht, dass es dringender Reformen bedarf, um international wettbev^erbsfahig zu bleiben, auf der anderen Seite ein kaum zu verhehlender Zweifel, ob sich die projektierten Reformen im anvisierten Zeitraum und Umfang umsetzen lassen. Diese Skepsis ist auch auf Expertenseite weit verbreitet, da bislang immer wieder notwendige Reformen verschleppt wurden (vgl. Kapitel IX.5). Im Verlauf seiner weiteren Ausfiihrungen kommt der Gesprachspartner auf die Aufiendarstellung des Konigreichs zu sprechen, die immer wieder dafiir verantwortlich gemacht wird, dass die Destination im Vergleich zu Konkurrenzzielen einen ausgesprochen schwierigen Stand hat. Sein entsprechender Kommentar spricht fiir sich, kann aber durchaus auch als konkrete HandlungsaufForderung verstanden werden: „Si nous voulons faire de la promotion, construisons des hotels, des autocars. (Ja, c'est la premiere demarche et, par la suite, les touristes vont venir." (RV_M_11,S. 10) In eine ahnliche Richtung hinsichtlich des Masterplans von Marrakech argumentiert ein anderer Geschaftsfiihrer, der explizit die projektierten Einreisezahlen auslandischer Touristen in Frage stellt, da sich seiner Ansicht nach im anvisierten Zeitraum kaum eine adaquate Infrastruktur verwirklichen lasst: „I1 y a un contrat-cadre qui vient d'etre signe, disant qu'en 2010 on aura dix millions de touristes, ce n'est pas faisable. II ne faut pas se mentir, nous manquons de maturite pour ce defi, ne serait-ce que pour les capacites d'hebergement. (...) Nous ne pourrons pas realiser les dix millions de touristes, car la capacite d'accueil n'est pas optimale, le besoin en infrastructures routieres est bien trop grand. Si nous voulons developper le tourisme, il faut developper les autoroutes entre les grandes villes et le sud. II faudrait des decennies!" (RV_M_27, S. 5 Q Bezogen auf das vorangegangene Zitat gilt festzuhalten, dass von marokkanischer Seite nicht nur die bisherige Infrastruktur als unzureichend empfunden wird, sondern auch die bis dato
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
281
angebotene Qualitat der Produkte. So bemerkt der kaufmannische Direktor einer auf Trekking spezialisierten Incoming-Agentur: „Les touristes allemands ne sont jamais satisfaits de la qualite de nos produits. lis ont raison, si nous faisons la comparaison entre les autocars au Maroc et ceux en Allemagne, les hotels trois et quatre etoiles au Maroc et ceux de TAllemagne. Ce n'est cependant pas notre responsabilite, c'est la responsabilite de tous les acteurs du tourisme dans le pays. Ce qu'il faut, c'est developper I'infrastructure. Nous avons encore beaucoup a faire pour developper un secteur en expansion et porteur pour I'economie marocaine. (...) II faut aussi essayer d'ameliorer le niveau des services, celui des infrastructures et equilibrer les prix par rapport aux services offerts." (RV_M_19, S. 2 f.) Warum sollte sich ein Kunde einer Destination gegeniiber loyal verhalten, deren touristische Infrastruktur einschliefilich Serviceorientierung und Preis-Leistungs-Verhaltnis im internationalen Kontext als nicht mehr wettbewerbsfahig gelten? Vor dem Hintergrund dieser Frage darf man zudem nicht vergessen, dass Aspekte wie eine deutliche Wettbew^erbsintensivierung der Destinationen untereinander sowie ein verstarktes variety seeking seitens der Kunden zunehmend an Bedeutung gewinnen. Selbstredend, dass eine nachhaltige Verbesserung der momentanen Tourismusstrukturen einer konzertierten Aktion samtlicher touristischer Akteure bedarf, die immer noch viel zu stark ihren jeweiligen Partikularinteressen fronen. Insbesondere die Zusammenarbeit zv^ischen den staatlichen Institutionen und den privatwirtschaftlichen Akteuren gilt nach wie vor als ausbaufahig und hat erst mit der Verabschiedung des Masterplans von Marrakech neue Impulse bekommen. Die zukiinftige Wettbev^erbsfahigkeit Marokkos im internationalen Kontext v^ird primar davon abhangen, inv^iew^eit es den betroffenen touristischen Akteuren in einer konzertierten Kraftanstrengung gelingt, die Versaumnisse der letzten Jahrzehnte wettzumachen. In diesem Sinne ist auch das nachfolgende Zitat einer jungen marokkanischen Agenturmitarbeiterin zu verstehen, die ihre Reflexionen mit zahlreichen Forderungen verkniipft: „Le tourisme a un avenir si les gens et le gouvernement font en sorte qu'il ait un avenir. Quand je dis les gens, je veux dire les professionnels du tourisme. II faut que le service soit a la hauteur. Ici, la qualite du service est nuUe! II n'y a pas de qualite du service, meme en hotel cinq etoiles! Le gouvernement aussi doit participer en investissant, en faisant en sorte qu'il y ait moins de mendicite, ce qui gene les touristes. II doit obliger les hotels quatre etoiles a offrir un service quatre etoiles. II ne doit pas y avoir de quatre etoiles qui offre dans les fairs un service deux etoiles. II faut qu'il y ait beaucoup plus de controles, il faut que le gouvernement soit la, parce que le but du professionnel, c'est de gagner de I'argent. S'il emploie un personnel qualifie, il va gagner moins d'argent, tandis que s'il emploie un personnel non qualifie, ce sera tout benefice pour lui. Bref, il faut qu'il y ait un partenariat entre professionnels et gouvernement." (RV_M_07, S. 6)
282
Kapitel VIII
In Zeiten eines verstarkt um sich greifenden Neoliberalismus mag - zumindest aus einer westlichen Perspektive - die prominence Rolle, die die Gesprachspartnerin dem Staat bei den entsprechenden Reformen zuschreibt, verwundern. Sie wird allerdings verstandlicher, wenn man bedenkt, dass in Marokko nach wie vor ein ausgepragter Wirtschaftsetatismus pradominiert (vgi. auch Kapitel IX. 5). Immer wieder wurde von Vertretern der partizipierenden marokkanischen Incoming-Agentuten bedauert, dass das Engagement deutscher Reiseveranstalter in ihrem Land zu gering ausfalle. Diesbeziiglich wiinscht man sich ein wesentlich starkeres Engagement und verweist - wie das nachfolgende Zitat deutlich macht - vielfach auf andere Destinationen: ,Je suis tres optimiste pour le tourisme au Maroc, mais ce qu'il faut faire, c'est pousser les grands tour-operateurs allemands a investir au Maroc, de la meme fa^on qu'ils le font dans les autres pays comme la Turquie. Ainsi, ils seront interesses a envoyer des groupes vers le Maroc." (RV_M_28, S. 3) Es versteht sich von selbst, dass ein geschaftliches Engagement - gerade in Hinblick auf die seitens der marokkanischen Tourismuspolitik forcierten Investitionen - fiir auslandische Reiseveranstalter nur dann in Frage kommt, wenn die anvisierten Reformen greifen. Ein Schritt in die richtige Richtung stellt unter anderem die Implementation jener FordermaEnahme dar, die vorsieht, staatlicherseits bis zu 50 Prozent der Grunderwerbskosten bei Hotelinvestitionen zu iibernehmen. Gleichfalls ist aus betriebswirtschaftlicher Perspektive die Reduktion der Mehrwertsteuer fiir touristische Unternehmen zu begriiEen. Nichtsdestoweniger handelt es sich momentan allenfalls um erste Ansatze, deren konkrete Implikationen erst mittelfristig spiirbar sein diirften. Wiinschenswert ist nicht zuletzt, dass die marokkanische Tourismuspolitik auch die zunehmende Bedeutung alternativer Tourismusformen erkennt, die haufig nicht mehr mit dem klassischen Massentourismus a la seUy sun, sand und sex in Einklang zu bringen sind (vgl. insbesondere SMERAL 1996 und BUHALIS 2001). Vor diesem Hintergrund ist auch das folgende Zitat eines Reprasentanten einer auf Trekkingtourismus spezialisierten Incoming-Agentur zu sehen: „La tendance actuelle est que le produit classique - soleil, mer, detente - est arrive un peu a saturation, et il y a de nouveaux creneaux exploitables avec les mutations actuelles dans le tourisme, c'est-a-dire que tout ce qui est balneaire est devenu classique. (^a commence a changer. Le produit qui existe au Maroc est le produit des annees soixante-dix. Les clients ont consomme ce produit et veulent du neuf Et au Maroc, il y a d'autres potentiels que le balneaire, done, si on fait I'effort de les developper, on a de grandes chances de reussir encore mieux la collaboration et d'etre encore plus attractif sur le marche touristique." (RV_M_27, S. 8) Bevor im kommenden Kapitel aus Expertenperspektive die Chancen und Risiken eines geschaftlichen Engagements in Marokko aufgerollt werden, sei zum Schluss noch ein Blick auf die
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag
283
folgende Abbildung geworfen. Sie dokumentiert aus Sicht der Befragten, welche Reisesparten fiir eine gemeinsame zukiinftige touristische Inwertsetzung besonders attraktiv erscheinen: Abb. 30: Attraktivitat der einzelnen Reisesparten fiir eine zukiinftige touristische Inwertsetzung in den bilateralen Kooperationen (Mehrfachnennungen moglich)
Quelle: Eigene Erhebungen Wahrend die Akteure aus den deutschen Unternehmen mit 71,4 Prozent in erster Linie das Studienreisesegment forcieren woUen, riicken ihre marokkanischen counterparts mit 7GJ Prozent die Reisesparte Incentive, Kongresse und Tagungen an erste Stelle. Der erstgenannte Wert lasst sich nicht zuletzt angesichts des Faktums erklaren, dass sich Marokko aus Perspektive auslandischer Reiseveranstalter bislang fast ausschliefilich als Ziel fiir Studienreisen profiiieren konnte, wahrend der stationare Badetourismus im internationalen Kontext als kaum konkurrenzfahig gilt. Der exzeptionelle Stellenwert, der von marokkanischer Seite dem Segment Incentive, Kongresse und Tagungen eingeraumt wird, basiert vor allem auf dem Umstand, dass diese Reisesparte in den 1990er Jahren einen beachtlichen Boom erlebte und sich Marrakech zu einer der weltweit beliebtesten Incentive- und Kongressdestinationen entwickeln konnte. An diesem Boom, der inzwischen langst seinen Zenit iiberschritten hat, konnten auch zahlreiche Incoming-Agenturen partizipieren, indem sie sukzessive dieses Geschaftsfeld ausbauten (vgl. Kapitel VIII.5). Hinsichtlich der Attraktivitat einer gemeinsamen Erschliefiung folgt bei den Akteuren aus den marokkanischen Unternehmen mit 63,3 Prozent analog zu ihren deutschen counterparts mit 57,1 Prozent die Sparte Sport- und Erlebnisreisen. Ahnlich wie der Incentivetourismus hat sich dieses Reisesegment seit den 1990er Jahren vor dem Hintergrund einer forcierten thematischen und regionalen Diversifizierung des touristischen Angebots zu einem lukrativen Geschafi:sfeld entwickelt, das primar von Nischenveranstaltern in Wert gesetzt wird. Dabei korrespondiert dieses Ergebnis nicht zuletzt mit den bereits erwahnten veranderten Nachfragemustern im Tourismus, die auf eine verstarkte segmentation, specialisation, sophistication und satisfaction hinauslaufen (vgl. Kapitel II.6).
IX
Einschatzungen des bilateralen Kooperationsgeschehens und des Marokkotourismus im Spiegel projektrelevanter Institutionen
IX. 1
Prdludium (II) - Chancen und Risiken geschaftlicher Aktivitaten in Marokko unter besonderer Beriicksichtigung der Tourismusbranclie
Analog zu den Gesprachspartnern aus den touristischen Unternehmen wurden die Experten aus den projektrelevanten institutionellen Einrichtungen zunachst gebeten, auf Chancen und Risiken eines geschaftlichen Engagements in Marokko einzugehen. In diesem Zusammenhang konnten die Interviewpartner dezidiert Bezug auf die Tourismusbranche nehmen, Erfreulicherweise nutzten die meisten Experten diesen - im Sinne des problemzentrierten Interviews - vergleichsweise allgemein konzipierten Einstieg in das Gesprach, um bereits an dieser Stelle auf ausgewahlte Problemfelder im interkulturellen Kontext beziehungsweise im Marokkotourismus aufmerksam zu machen. Lassen wir zunachst einen verbeamteten Reprasentanten wirtschaftspolitischer Interessen der Bundesrepubiik Deutschland zu Wort kommen. Dieser weist zu Beginn des Interviews auf das grofie touristische Potential Marokkos hin, um dann im Verlauf seiner weiteren Ausfiihrungen explizit eine problemzentrierte Unternehmerperspektive einzunehmen: „Von Unternehmerseite wird am haufigsten die Unzuverlassigkeit der marokkanischen Partner genannt, ... Unzuverlassigkeit beziehungsweise bei Geschaften kein Geschaftsabschluss. Es ist schwierig das darzustellen, aber wenn ich von der Regierungsmetropole Rabat in die Wirtschaftsmetropole Casablanca zu so einem Seminar fahre, dann spiirt man manchmal, welche Aggressionen bei den deutschen Wirtschaftsvertretern vorhanden sind, welche Formulierungen sie fiir ihre Geschaftspartner, Mitarbeiter so finden, ... erschreckend manchmal! Ich weif? nicht, ob das den Leuten von der Industrie- und Handelskammer immer so bewusst ist, weil sie tagaus, tagein damit zu tun haben. Aber wenn man hier riiber fahrt, zu Seminaren; ... ich nehme jetzt als Beispiel das letzte Seminar: Bevor das losging, babe ich die deutschen Wirtschaftsvertreter begriif^t und die Stimmung war so richtig: »Jetzt zeigen Sie es denen aber mal!« (...) Im Tourismusbereich konnte ich mir vorstellen, dass man als deutscher Manager darunter leidet, wenn diese Kriterien, wie Piinktlichkeit, Zuverlassigkeit, Ehrlichkeit, nicht so eingehalten werden, wie das eigentlich vorgegeben wird." (EX_IK_04, S. 5 £) Entsprechende Eindriicke korrespondieren weitgehend mit jenen prototypischen Problemen, die von Vertretern der deutschen Reiseveranstalter genannt wurden. Weitere zentrale Risiken fiir ein geschaftliches Engagement in Marokko sieht dieser Gesprachspartner unter anderem in der Tragheit der Verwaltung sowie in sozialen Problemen, etwa - unter der Pramisse, dass man als Unternehmer mit gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern zu tun hat - in Hinblick
Einschatzungen des Kooperationsgeschehens und des Marokkotourismus
285
auf Streiks. In diesem Kontext gilt anzumerken, dass der Einfluss von Gewerkschaften in Marokko traditionell relativ stark ausgepragt ist. Als zusatzliches Manko wirke sich, nach Ansicht dieses Experten, im Tourismus eine im Vergleich zu anderen Destinationen nur rudimentar entwickelte Serviceorientierung aus, die nicht zuletzt das Resultat einer unzureichenden Ausbildung des Personals darstelle. Vor dem Hintergrund eines zunehmend verscharften Wettbewerbs der Destinationen untereinander konne sich Marokko diese limitierenden Faktoren nicht langer erlauben, woUe das Konigreich auf internationaler Ebene nicht den Anschluss verlieren. Liest man die vorangegangenen Ausfiihrungen, so stellt sich unter Umstanden der Eindruck ein, die Risiken eines geschaftlichen Engagements in Marokko wixrden von Expertenseite in erster Linie mit den dortigen Akteuren respektive Institutionen assoziiert v^erden. Diese Sichtweise ware jedoch nicht nur einseitig, sondern auch falsch. So konstatiert ein Experte, der fiir eine Institution arbeitet, die es sich zur Aufgabe gesetzt hat, Unternehmer aus Deutschland im Vorfeld ihres Auslandsengagements mit einschlagigen Informationen zu versorgen: „Die Schwierigkeiten eines deutschen Unternehmers, der dort [in Marokko, Anm. d. Verf.] versucht, Geschafte zu machen, liegen auf jeden Fall auf der sprachlichen Schiene. Gerade in Nordafrika - Libyen und Agypten mal ausgeschlossen, also in den Maghreblandern - haben die Deutschen groEe Schwierigkeiten mit der franzosischen Sprache. Auf mich trifft das leider auch zu. Das wird also allgemein unterschatzt. Da kann jemand Esperanto, taucht bei Giinther Jauch auf, weifi zwar nicht, ob Sylt zu den ost-, west- oder nordfriesischen Inseln gehort, aber dafiir ist er ganz genau informiert, wo Agadir liegt. Aber bei so wichtigen Dingen, wie der franzosischen Sprache, da hapert es. Die mangelnde Beherrschung der franzosischen Sprache wurde ich als ein ganz groEes Manko fiir deutsche Unternehmer in diesem Raum ansehen." (EX_IK_10,S.2f) Sprachliche Defizite sind traditionell in nahezu jedem interkulturellen Kontext ein leidiges Thema, und es ehrt den entsprechenden Experten, dass er diesbeziiglich so freimiitig seine eigenen Unzulanglichkeiten einraumt. Geht man jedoch von der Pramisse aus, dass eine optimalerweise symmetrische Kooperationsbeziehung auch einer moglichst adaquaten Verstandigungsbasis bedarf, so miissen die getrofFenen Aussagen nachdenklich stimmen. In diesem Zusammenhang wird vom Gesprachspartner dezidiert auf die Vorteile franzosischer Unternehmen bei einer Marktbearbeitung im Maghreb verwiesen, die nicht zuletzt die engen Verbindungen zwischen der vormaligen Kolonialmacht und den einstigen Kolonien widerspiegeln. Eine effiziente Marktbearbeitung bedarf im Idealfall nicht nur angemessener Sprachkenntnisse, sondern auch schlagkraftiger Institutionen, die ein Unternehmen auf den projektierten Markteintritt vorbereiten. Dass die staatliche Einrichtung, die dieser Gesprachspartner vertritt, keinen eigenen Korrespondenten fiir den Maghreb aufweist, wird von dessen Seite mit groKem Bedauern artikuliert. Gleichzeitig zeigt dieser Umstand aber auch deutlich, welche nachgeordnete Rolle der Maghreb im Rahmen der ofGziellen Aufienwirtschaftsforderung spielt, insbesondere wenn man bedenkt, dass zum Zeitpunkt des vorliegenden Interviews der entsprechende
286
Kapitel IX
R a u m von einem Korrespondenten aus Kairo mitbetreut wurde. Angesichts der ausgesprochenen Heterogenitat Nordafrikas aus okonomischer wie aus soziokultureller Perspektive stellt sich die Frage, inwieweit m a n U n t e r n e h m e n mit geschaftlichen A m b i t i o n e n in diesem R a u m iiberhaupt adaquat briefen kann. Dass sich vieie deutsche U n t e r n e h m e n gerade im M a g h r e b vergleichsweise schwer tun, gilt in den einschlagigen Institutionen als ofFenes Geheimnis, umso erstaunhcher ist deshalb die geradezu frappierende OfFenheit, mit der jener Experte auFDefizite hinsichtlich der bundesdeutschen AuKenwirtschaftsForderung hinweist: „Dann kommt im Maghreb mogiicherweise noch so eine chassegardee d^v Franzosen hinzu, hinter der sich die Deutschen verstecken; so unter dem Motto: »Da kann ich sowieso nichts erben.« Inwieweit das alles zutrifft, ist schwer zu sagen, aber richtig ist, dass die Deutschen eher auf die Philippinen gehen als nach Nordafrika. Die tun sich in diesem Raum verdammt schwer, und die Franzosen sind sowieso schon da. Problematisch ist mdglicherweise ebenfalls unsere foderalistische Verwaltungsstruktur - auch in der Auf^enwirtschaftsforderung - , die zu einer Zersplitterung der Krafte fiihrt. Da gibt es diese drei Saulen [Bundesagenturfur Aufienwirtschaft (bfai), deutsche Botschaften respektive deren Wirtschaftsabteilungen sowie die Au^enhandelskammern, Anm. d. VerF], es gibt in vielen Landern deutsche Hauser, und es gibt verschiedene Delegationsreisen, die die einzelnen Bundeslander veranstalten. Es wird zwar immer argumentiert, dass das alles sehr individuell ausgerichtet ist, aber gerade fiir auslandische Unternehmer ist es oft sehr schwierig, dieses System zu durchschauen. Bei den Franzosen und bei den Briten sind die Botschaften die eigentlichen Instrumente der AuEenwirtschaftsforderung. Die sind in den Wirtschaftsabteilungen zum Teil um den Faktor 10 starker besetzt als wir. (...) Fiir den Deutschen gibt es in diesem Sinne keine zentrale Anlaufstelle, die sich - auch aus zahlenma^iger Besetzung - optimal diesen Dingen widmen kann." (EX_IK_10, S. 5 f.) Ein nicht zu unterschatzendes Risikopotential Fiir ein geschaftliches Engagement im Tourismussektor Marokkos besteht nach Ansicht einiger Experten vor allem darin, sich unrealistische C h a n c e n auszurechnen, die sich d a n n realiter - zumindest aus einer kurzFristigen, haufig auch mittelFristigen Perspektive - nicht versvirklichen lassen. Dabei muss, wie nachFolgendes Zitat transparent macht, ein mangelnder ErFolg nicht unbedingt in einem unzureichenden Konzept verankert sein: „Ein ganz groEes Problem ist, dass sich so mancher Klein- und Mittelstandler, gerade im Tourismusbereich, vorstellt, hier sei eine schnelle Mark zu machen. Da mag das Konzept noch so gut sein, wo der Investor sagt: »Mensch, das fehlt noch, das musste doch wunderbar laufen.« Da hat er auch Recht, nur es laufc nicht ... schnell [lautes Lachen des Experten, Anm. d. VerF]. Gerade wenn sie Kleine ansprechen, das ist wirklich ein Problem, dann sagen die: »Wir haben ein tolles Konzept, das muss ich jetzt schnell umsetzen, da kann ich gutes Geld machen.« Das stimmt alles, nur es geht hier in diesem Land eben nicht schnell, da gelten einfach andere Rahmenbedingungen. Das mag ganz simpel sein, dass derjenige, von dem sie eine Genehmigung brauchen, der Neider ist, sich sagt: »Warum habe ich nicht diese Idee gehabt?«, so versucht, ein Konzept zu
Einschatzungen des Kooperationsgeschehens und des Marokkotourismus
287
iibernehmen und selbst zu realisieren und deswegen iiberhaupt kein Eigeninteresse hat, jemanden in diesen Markt kommen zu lassen." (EX_IK_01,S. 5f.)Fast konnte man den Eindruck gewinnen, von Expertenseite sei im Zusammenhang mit der Frage nach Chancen und Risiken eines geschaftlichen Engagements in Marokko iiberwiegend auf Letztere eingegangen worden. Auch wenn kritische Aussagen eindeutig dominierten, so waren die meisten Gesprachspartner sowohl auf deutscher als auch auf marokkanischer Seite durchaus bemiiht, ein differenziertes Bild hinsichdich dieser Thematik zu zeichnen. Den Gesprachspartnern ging es nicht darum, das Land respektive die Destination in ein schlechtes Licht zu riicken, vielmehr wolken sie auf ausgewahke Defizite hinweisen. In diesem Kontext bekundeten sie nicht nur ein ausgepragtes Interesse an der Weiterentwicklung der Destination, sondern auch an der Intensivierung tourismusspezifischer Kooperationen. Als kleinster gemeinsamer Nenner in Hinbhck auf die Chancen, die sich fiir auslandische Tourismusunternehmen bieten, wurde von fast alien Experten das grofie touristische Potential angefiihrt, das jedoch bis dato allenfalls rudimentar in Wert gesetzt worden sei. Charakteristisch fiir diese Stimmungslage ist die nachfolgende Aussage eines marokkanischen Experten, der die wirtschaftspolitischen Interessen seines Landes in der Bundesrepublik Deutschland vertritt: „Ich glaube, Marokko hat ein sehr gropes touristisches Potential, das ist ganz klar. Wenn man Marokko kennt und sieht, dass das Land zurzeit nur von circa zwei Millionen Touristen besucht wird, dann ist das ziemlich schwach. Marokko hat sowohl fiir den Bade- wie fiir den Kulturtourismus ein riesiges Potential." (EX_IK_11,S.2) In diesem Kontext wird von Expertenseite gerne ein Vergleich mit der Konkurrenzdestination Tunesien angestellt. Dabei fiihrt man haufig das in Relation zu Tunesien ungemein diversifizierte touristische Angebot an, das in den letzten Jahren verstarkt in Wert gesetzt wurde und vom klassischen Badetourismus iiber den Kulturtourismus hin zu vergleichsweise ausgefallenen Nischenprodukten wie Trekking, Thalassotherapie und Ethnotourismus reicht. Die zu konstatierende Diversifizierung touristischer Angebotsstrukturen bietet auch fur kleine und mittlere Reiseveranstalter nicht zu unterschatzende Geschafrsperspektiven, die gerade von Nischenveranstaltern konsequent erschlossen wurden (vgl. Kapitel V.3 und V.4). Ein weiterer marokkanischer Gesprachspartner, der neben seiner Tatigkeit als Geschaftsfiihrer einer Incoming-Agentur im Vorstand einer unternehmensspezifischen pressure group agiert, eroffnet das Gesprach mit einem Pladoyer, das weit iiber eine bloKe Herausstellung vermeintlicher Alleinstellungsmerkmale der maghrebinischen Destination hinausgreift: „Moi, je crois que le Maroc est un pays tout a fait sur, qu il a un avenir touristique tout a fait certain et que la force et le professionnalisme des Allemands sont plus que bienvenus. Maintenant je raisonne souvent en termes de partenariat. Je veux dire, ne pas venir uniquement en tant que
288
Kapitel IX
client. A un certain moment, on devient partenaire et un partenaire, c'est quelqu'un, qui d'abord s'engage financierement. L'engagement financier des entreprises ailemandes est un gage. C'est un gage de securite. En termes de rentabilite, nous faisons confiance a la gestion des Allemands, qui est exemplaire. On sait qu'en investissant au Maroc, ils feront un bon investissement rentable. C'est important. Alors, je vais plus loin. Et encore une fois, dans le domaine du partenariat, parIons un petit peu de la formation. Nous avons besoin de I'experience, du savoir-faire allemand. (...) On voudrait voir ces gens-la un peu moins frileux, s'engager avec nous et done encore une fois pas en tant que gestionnaires d'hotel. On voudrait voir plus d'investisseurs et on voudrait avoir plus de formateurs." (EX_IK_06, S. 1) Bemerkensv^ert an diesem Zitat, das expressis verbis das groKe Interesse an einem verstarkten Engagement deutscher Unternehmen in diesem Raum darlegt, sind in erster Linie folgende zwei Aspekte: Zum einen w^ird ein entsprechendes Kooperationsgeschehen dezidiert mit einem finanziellen Engagement in Marokko in Verbindung gebracht; ein Umstand, der nicht zuletzt auf die global players unter den Reiseveranstaltern anspielt, von denen man sich spatestens seit Verabschiedung des Masterplans von Marrakech forcierte Investitionsaktivitaten erhoflt. Zum anderen raumt der Gesprachspartner sein Bedauern iiber die nach v^ie vor geringe Prasenz deutscher Tourismusunternehmen in Marokko ein, w^obei er in diesem Zusammenhang auch explizit Bezug auf das dortige Ausbildungsv^esen im Tourismus nimmt. Gerade in diesem Bereich ervvartet man sich von marokkanischer Seite zahlreiche Impulse aus Deutschland, das in diesem Fall v^iederholt mit dem positiv konnotierten dualen Berufsausbildungssystem assoziiert wurde. Dass es bei der Ausbildung des touristischen Nachw^uchses in Marokko immense Defizite gibt, ist inzw^ischen den meisten Vertretern aus Politik und Wirtschaft bekannt. So ist im Masterplan von Marrakech auch dezidiert eine verstarkte Professionalisierung der tourismusspezifischen Ausbildungsgange verankert v^orden (vgl. Kapitel V.4). Die aktuellen Defizite der marokkanischen Tourismusstrukturen w^erden insbesondere vor dem Hintergrund einer verscharften Konkurrenz der Destinationen untereinander transparent, wobei keiner der Befragten auch nur irgendeinen Versuch unternommen hat, die angesprochenen Defizite zu beschonigen. So konstatiert ein marokkanischer Experte, der auf jahrelange Erfahrungen im Tourismusmarketing zuriickblicken kann: „On ne pent pas dire qu'il y ait un engagement des tour-operateurs au Maroc. L'engagement est tres limite. Jusqu'a present, en dehors d'une petite experience du groupe X [einer der touristischen Branchenfiihrer in Deutschland, Anm. d. Verf] qui avait investi un peu dans I'hotellerie et qui s'est retire, nous n'avons absolument aucun engagement reel des tour-operateurs allemands. (...) Un grand nombre de tour-operateurs qui sont engages dans maintes destinations ne le sont pas au Maroc. Ceci n'a pas aide au developpement du tourisme allemand au Maroc, contrairement a d'autres destinations comme la Turquie, la Tunisie, Chypre ou I'Egypte ou on constate un tres grand engagement des professionnels allemands tels que X, Y ou Z [Die drei Buchstaben symbolisieren die drei fiihrenden deutschen Pauschalreiseveranstalter, Anm. d. Verf]. C'est ce qui nous
Einschatzungen des Kooperationsgeschehens und des Marokkotourismus
289
manque, mais je pense qu'avec les nouveaux plans d'amenagement, avec le contrat-cadre qui a ete signe au mois de Janvier dernier les choses vont changer. Le terrain va etre amenage et facilite pour les organismes etrangers qui vont investir au Maroc. Notre probleme a toujours ete un probleme d'investissement au niveau du marche allemand et la non-implication des tour-operateurs pour notre destination. C'est ce qui a fait que, par rapport a la Tunisie ou a la Turquie, nous n'avons rien." (EX_IK_08, S. 1) Auch dieser Experte bedauert das als unzureichend empfiindene Engagement deutscher Reiseveranstalter in Marokko und nimmt mit seinem Hinweis auf den contrat-cadre ausdriickiich Bezug auf den im Verlauf der meisten Interviews immer v^ieder angesprochenen Masterplan von Marrakech, mit dem vor allem marokkanische Gesprachspartner grofie HofFnungen verkniipfen. Die ausgepragte inhaltliche Fokussierung auf jene Reiseveranstalter, die moglichst viele Bereiche der Wertschopfungskette abdecken, steht in engem Konnex mit der offiziellen Tourismuspolitik des Konigreichs, die sich vor allem von den Branchenfiihrern Investitionen in die touristische Infrastruktur erhofft. Diesbeziiglich v^urde auch explizit in einer Richtlinie des Masterplans von Marrakech festgelegt, dass zukiinftig verstarkt Investitionsanreize - etwa durch eine teilweise Ubernahme der Grunderwerbskosten bei Hotelinvestitionen - zum Tragen kommen soUen, um den Anschluss Marokkos an die Konkurrenzdestinationen Tunesien, Tiirkei und Agypten zu gew^ahrleisten. Eine Antwort, v^elche RoUe kleine und mittlere Unternehmen vor dem Hintergrund einer zukiinftigen touristischen Entwicklung des Landes spielen konnten, bleibt der Gesprachspartner schuldig. Dabei bote gerade die ausgepragte Vielfalt des marokkanischen Tourismusangebots auch diesen Unternehmen ein weites Betatigungsfeld, das sich verstarkt in Wert setzen liefie. Zumindest hat es in der Vergangenheit nicht an innovativen Reiseveranstaltern beziehungsweise Incoming-Agenturen gemangelt, die entsprechende Chancen erfolgreich genutzt haben.
IX.2
Jetzt wird^s emst (II) - Ausgewahlte Konfliktfelder in der deutschmarokkanischen Zusammenarbeit
Es kann gar nicht oft genug w^iederholt w^erden, doch die Brisanz dieser Thematik macht eine entsprechende Repetition zur Conditio sine qua non, soil der kritische Leser nicht unter Umstanden verzerrte Riickschliisse Ziehen. Konflikte sind nicht nur ein universelles und in alien Bereichen menschlichen Lebens anzutrefFendes Phanomen, sondern deren Schilderungen hinterlassen mitunter auch einen polarisierenden Eindruck. In diesem Kontext mag der Erzahlende haufig einseitig w^irken, zudem konnen entsprechend negative AuEerungen beim Rezipienten befremdliche Empfindungen zuriicklassen. Wie bereits in Kapitel VIII. 10 dargelegt vsoirde, sehe ich negativ anmutende Schilderungen seitens der Gesprachspartner w^eniger als Vorurteile und Abw^ertungen, sondern vielmehr als Teil eines komplexen Verarbeitungsprozesses neuer und inkommensurabler Erfahrungen. Es versteht sich auch von selbst, dass Aussagen, die in
290
Kapitel IX
einen interkulturellen Kontext eingebettet sind, in der Kegel kontroverser diskutiert werden als Aussagen zu den klassischen Problemfeldern der Betriebswirtschafts- und Managemendehre (vgl. Kapitel III.3). Last but not least verkorpern Konflikte keine objektiven Tatbestande, sondern diese werden dutch die Wahrnehmung der betroffenen Akteure beeinflusst, wobei die entsprechenden Wahrnehmungsvorgange untrennbar mit den individuellen Wert- und Normvorstellungen der Menschen verbunden sind. Beginnen wir zunachst mit der Einschatzung eines Experten, der auf jahrelange Erfahrungen bei der Beratung deutscher Unternehmer zuriickblicken kann, die eine Kooperation mit einem marokkanischen Unternehmen anvisieren: „Dass halt verbal viele Versprechungen gemacht oder Vertrage abgeschlossen werden, die dann nicht eingehalten werden. Das bezieht sich nicht nur auf die Geschaftspartner, das bezieht sich auch auf die Verwaltung, auf die Investitionsbehorden, die ja eigentlich dazu da sind, Investitionen ins Land zu holen. Wenn der Investor erst mal da ist, dann ist die Unterstiitzung nicht mehr so grof^, wie sie angekiindigt wurde. Und das ist halt das, woriiber man sich wirklich im Klaren sein soUte. Um das zu vermeiden, wiirde ich wirklich alles penetrant schriftlich fixieren, wirklich alles. Sonst, denke ich, ist man hier ziemlich schnell verloren. (...) Ich denke mal, die meisten Kooperationen scheitern an dem Hauptgrund, dass von beiden Seiten mit unterschiedlichen Erwartungshaltungen an das Projekt herangegangen wird; ... dass man nicht ofFen dariiber spricht, dass man auch wieder nichts schriftlich fixiert und es dadurch zu Missverstandnissen kommt. Das kann natiirlich auch dazu fiihren, dass die Kooperation beendet wird. Das ist eine Sache. Dann kommt es - was uns natiirlich auch bekannt ist - mitunter zu Unterschlagung, Veruntreuung et cetera, weil auch nicht entsprechend kontrolliert wird. Das ist auch ein Punkt, da muss man ...; Ich wiirde jedem deutschen Unternehmer - so hart sich das anhort - raten, den marokkanischen Geschaftspartner auch dementsprechend zu kontrollieren und bestimmte KontroUmechanismen einbauen." (EXJK_05, S. 1 f) Diskrepanzen in Hinblick auf unterschiedliche Erwartungshaltungen an eine gemeinsame Zusammenarbeit zahlen, nicht nur im interkulturellen Kontext, zu den klassischen Konfliktfeldern von Kooperationen und miissen deshalb nicht naher erortert w^erden. Wesentlich interessanter ist der Verweis auf eine explizite schriftliche Fixierung, die im Idealfall in einen schriftlich ausgearbeiteten Kooperationsvettrag miindet, um einschlagige Risiken zu minimieren und juristisch abgesichert zu sein. Haufig handelt es sich abet gerade im Tourismus um nicht vertragliche Absprachen, die den Kooperationspartnern einerseits ein HochstmaE an Flexibilitat ermoglichen, andererseits abet auch das Kooperationsrisiko erhohen, da man kein verbindliches Dokument besitzt, auf das man sich im Notfall berufen konnte. So weisen alleine im Rahmen dieser Untersuchung 53,4 Prozent der befragten Unternehmen eine nicht vertragliche Absprache auf und konterkarieren - ob beabsichtigt oder nicht, sei dahingestellt - die Forderung nach einer vertraglichen Fixierung der bilateralen Kooperation. Die von diesem Experten postulierte Implementierung von KontroUmechanismen w^iirde sich somit gerade vor dem Hintergrund des
Einschatzungen des Kooperationsgeschehens und des Marokkotourismus
291
haufig losen Charakters entsprechender Kooperationen als ein relativ schwieriges Unterfangen erweisen. In diesem Kontext gilt jedoch auch anzumerken, dass Phanomene wie Unterschlagung oder Veruntreuung primar dann eintreten, wenn Reiseveranstalter gleichzeitig als Investoren fungieren; ein Umstand, den iibrigens auch die meisten Experten bestatigt haben. Ein marokkanischer Experte, der sich auf das Consulting von Privatpersonen und Reiseveranstaltern aus Deutschland spezialisiert hat, die sich in Marokko geschafthch engagieren respektive vor Ort investieren woUen - und der diesbeziiglich aufgrund seiner jahrelangen Erfahrungen auch von den einschlagigen Institutionen, die deutsche Wirtschafrsinteressen in Marokko vertreten, zu Rate gezogen wird - , sieht die Problematik hinsichthch einer bilateralen Zusammenarbeit wie folgt: „Wissen Sie, welche personiichen Erfahrungen ich in den letzten Jahren gemacht habe? [kurze Pause, Anm. d. Verf.] Ich wiirde nicht uber Marokkaner, ich wiirde iiber Deutsche sprechen, weil die nun mai immer wieder mit diesen Probiemen, die ich jetzt erwahnen werde, an mich herantreten. Und zwar ist es so, dass Deutsche, wenn sie in dieses Land kommen, iiberhaupt nicht auf die juristische Seite achten. Ich kann Ihnen jetzt nicht sagen, warum und weshalb, ... vielleicht aufgrund der Gastfreundlichkeit oder dieser offenen Art, die uns Marokkaner auszeichnet. Die [deutschen Unternehmer, Anm. d. Verf] vergessen sich einfach. Auf jeden Fall - trotz zahlreicher juristischer Fragen - lassen sie sich nicht beraten und machen dadurch natiirlich Fehler. Wenn ich dann die Frage stelle: »Wurden Sie das in Deutschland machen?« - »Um Gottes Willen!«, sagen die alle, »Das wiirde ich in Deutschland nie machen.« - Ich sage: »Aber bitte, warum machen Sie das in Marokko? Warum unterschreiben Sie solche Sachen in Marokko nicht vor einem Notar? Hier gibt es auch Handelsgerichte, hier gibt es auch No tare, es gibt auch Gesetze.« Dann ist es aber meistens zu spat. (...) Aber das ist alles seitens der Deutschen und das niitzt der marokkanische Partner natiirlich aus, weil er merkt, dass der deutsche Partner irgendwie schlaft und einiges nicht beachtet." (EX_IK_02, S. 8) Aus seiner Perspektive ist es somit nicht primar eine Inkompatibilitat divergierender Erwartungshaltungen, die eine Zusammenarbeit deutscher und marokkanischer Kooperationspartner auf die Probe stellt und im schlimmsten Fall zum Scheitern fiihrt, sondern eine gewisse Fahrlassigkeit deutscher Akteure, die mitunter von marokkanischer Seite ausgenutzt wird. Eine weitere Variante in Fiinblick auf diesen Themenkomplex steuert ein hochrangiger - zudem in einer maghrebinischen Partnerschaft sozialisierter - Reprasentant der deutschen Aufienwirtschaftsforderung bei: „Der Deutsche hat ein gewisses Konzept, einen gewissen Zeitplan, den will er durchziehen. Das klappt hier nie, das muss man einfach mal so trocken sagen, nicht? Man muss irgendwo einen Kompromiss finden, darauf soUte man sich einstellen. Man muss miteinander eine Partnerschaft anstreben, in der jeder ein bisschen von sich gibt, um etwas GroEeres zu gewinnen. Wie viele Deutsche beschweren sich beispielsweise iiber Unpiinktlichkeit? Da muss ich dann aber sagen:
292
Kapitel IX
»Mein Gott, Du bist eben nicht in Deutschland, das solltest Du doch wissen. Dass Du das nicht gut findest, vielleicht dagegen arbeitest oder den Anderen erziehen mochtest, ist okay, aber Du darfst doch nicht Deine Erwartungshaltung als absolutes Muss hinsteilen - dann bleib bei Dir zu Hause.«" (EX_IK_01,S. 8) Diese Aussage spiegelt nicht nur haufig artikulierte Impressionen deutscher Akteure wider, sondern m a n kann sie dariiber hinaus als ein vergleichsweise salopp formuliertes Pladoyer fiir eine grofiere Toleranz in Hinblick auf den ausgesprochen kulturell gepragten Faktor Zeit verstehen (vgl. insbesondere TROMPENAARS 1993). D e n n o c h wird sich zukiinftig in Anbetracht eines verscharften Wettbewerbs k a u m mehr eine Incoming-Agentur auf d e m M a r k t behaupten k o n n e n , die sich vorwerfen lassen muss, nicht den zeitlichen Anspriichen ihrer Kooperationspartner zu geniigen. Eine verstarkte Ausrichtung auf die Interessen auslandischerTourismusunternehmen ist letztendlich auch das zentrale C r e d o jenes 2001 verabschiedeten Masterplans von Marrakech, der wie k a u m ein zweites D o k u m e n t die aktuelle marokkanische Tourismuspolitik pragt.
Eine bemerkenswerte Perspektive auf Konfliktfelder in der deutsch-marokkanischen Z u s a m menarbeit bietet das nachfolgende Zitat, da es nicht primar die systemimmanente Konfliktproblematik, sondern die Losungen entsprechender Probleme fokussiert: „Ein groEes Problem, das iiber den Alltag hinausgeht und gefahrlich werden kann, ist hier auch die Tatsache, dass Losungen theoretisch angeboten werden. Es gibt in Marokko eine Kultur von Seminaren, Theorien, Kolloquien und enorm eloquenten Rednern. Das Problem ist nur: Das Seminar findet auch Losungen, nur wenn das Wort gesprochen ist, ist das Problem noch lange nicht gelost. Die Tat, die dann folgen soUte, fehlt. Wenn das Problem theoretisch abgehandelt ist, ist es das haufig gewesen. Wo wir meinen, jetzt gehen die [marokkanischen Kooperationspartner, Anm. d. Verf ] sicher ran und setzen das um, ... das ist dann nicht. Man muss das wissen, dass in Marokko diese Tendenz besteht und dass man da eben nachfassen muss, damit auch tatsachlich eine Umsetzung erfolgt. Fiir Marokkaner ist das Problem haufig erledigt, wenn man es theoretisch bewaltigt hat. (...) Man hat die Visionen, man hat die Theorien, nur der erste Schritt zur konkreten Arbeit, zur konkreten Umsetzung, der fehlt so ein bisschen. Ich selber leite kein Unternehmen, aber ich konnte mir vorstellen, dass sich diese Tendenz auch von der groCen Politik bis in die Firmen hineinverlagert. Man soUte sich dieser Eigentiimlichkeit bewusst sein und nicht erwarten, wenn man jetzt envas theoretisch besprochen hat, dass dann automatisch der marokkanische Mitarbeiter, der Partner, das dann von sich aus umsetzen wird." (EX_IK_04, S. 1 £) W i e heikel m i t u n t e r das Losen von Konflikten - gerade im geschaftlichen Kontext - sein kann, wird wohl jeder schon einmal erlebt haben. K o m m t d a n n noch, wie in diesem Zitat angefiihrt, eine interkulturelie Dimension hinzu, d a n n potenziert sich diese Problematik u m ein Vielfaches. Das fangt bereits d a m i t an, dass nicht n u r die Konfliktwahrnehmung, sondern auch die Konfliktlosung kulturellen Einfliissen unterliegen (vgl. Kapitel IV.2). Vor diesem H i n t e r g r u n d
Einschatzungen des Kooperationsgeschehens und des Marokkotourismus
293
ist es in einer bilateralen Zusammenarbeit kein Fehler, dezidiert auf die positiven Wirkungen von Konflikten hinzuweisen. Was die Konflikdosung als solche betrifft, so ist zu konstatieren, dass letztendlich nur ein geioster Konflikt auch ein produktiver Konflikt ist, beweisen doch die Kooperationspartner dadurch, dass ihre Zusammenarbeit auch schwierigen Situationen standhalt. Entscheidend ist im interkulturellen Kontext vor allem der Umstand, dass Konflikte und deren Losungen einer kritischen Reflexion eigenkultureller Normen- und Wertsysteme sowie einer exphziten Absage an ethnozentrische Positionen bediirfen. Wer als Leser von den befragten Experten hinsichtlich dieser heiklen Thematik eine gewisse Zuriickhaltung erwartet hatte, sieht sich eines Besseren belehrt. Die Offenheit, mit der - unabhangig vom kulturellen Background - iiber Konflikte gesprochen vmrde, manifestiert sich auch im nachfolgenden Zitat eines hochrangigen Reprasentanten der marokkanischen Regierung, der die Wirtschaftsinteressen des maghrebinischen Konigreichs in Deutschland vertritt: „Im Allgemeinen ist es so, dass sich die Deutschen beschweren, die Marokkaner wiirden ihre Versprechen nicht einhalten. Ich kann das ganz ofFen sagen, dass Deutsche gelegentlich mit diesem Problem konfrontiert werden. Man hat einen potentiellen Partner gefunden, mit dem man ein Geschaft aufziehen will, und der sagt: »Ja, lass uns das aufeiehen. Ich habe das und das ...« Letztendlich, wenn es dann konkret wird, stellt sich heraus, dass alles nur Gerede war." (EXJK_11,S.6) Gerade mit der Inthronisierung von Konig Muhammad VI. verbinden die meisten marokkanischen Experten - vor allem der jiingeren Generation - einen Paradigmenwechsel, der nicht nur von einer politischen, sondern auch von einer okonomischen Offhung des Landes begleitet wird. Die sinnfalligsten Charakteristika dieser Entwicklung sind zum einen eine verstarkte Off^nung Marokkos gegeniiber auslandischen Investoren, zum anderen ein zunehmender Einfluss westlicher think-tanks und spin-doctors. Zudem wurden gleichfalls, wenn auch aufierst behutsam, Reformen in der Administration eingeleitet. Vor dem Hintergrund der eingeleiteten Reformen konnten auch einige hochqualifizierte jiingere marokkanische Akademiker - insbesondere jene, die iiber einschlagige Auslandserfahrungen verfiigen - Schliisselpositionen einnehmen. Das oben angefiihrte Zitat stammt von einem jener Vertreter aus dieser neuen marokkanischen Elite, auf die nicht nur Reformer innerhalb des Landes, sondern auch auslandische Beobachter groEe Hoffhungen setzen. Eine interessante Sichtweise auf die vorliegende Thematik gewahrt ebenso das nachfolgende Zitat, in dem der marokkanische Gesprachspartner, der beruflich als Lobbyist agiert, dezidiert auf den systemimmanenten Charakter von Konflikten innerhalb eines bilateralen Kooperationsgeschehens hinweist. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang insbesondere der Umstand, dass dieser Experte auch explizit die deutschen Unternehmer bei der Auswahl ihrer marokkanischen Kooperationspartner in die Pflicht nimmt: „Les difficultes, vous savez, a partir du moment ou vous mettez deux partenaires ensemble, il y a des difficultes qui se presentent. Seulement, il faut savoir comment les regler. (...) Les Marocains
294
Kapitel IX
ne sont pas difFerents des autres personnes du monde. On trouve des gens tres bien, moins bien et pas bien du tout, c'est tout. C'est la responsabilite de I'investisseur de choisir les bons partenaires. Si vous allez dans un magasin pour acheter une veste, c'est votre responsabilite si vous vous trompez de qualite. Vous devez vous y connaitre en hommes, en moyens, en technique pour faire votre choix. Si vous avez fait un bon choix, c'est votre responsabilite. Si vous avez fait un mauvais choix, c'est aussi votre responsabilite. Cela diminue d'autant les difficultes qui peuvent se poser. Mais sinon, ce que je peux vous dire, c'est qu'il y a une tres grande volonte des pouvoirs publics et des particuliers: une tres grande volonte particulierement vis-a-vis des Allemands parce qu'il s'agit de gens qu'on respecte beaucoup pour leur courage, leur fa^on de voir les choses, leur prise de position politique et tout ce qui s'est passe en Allemagne ces dernieres annees. Au Maroc, ce sont des gens qu'on cite en exemple pour leur fa9on de travailler, pour affronter les problemes. Pour nous, c'est un veritable exemple. C'est une image capitalisee. Je crois que les Allemands n'utilisent pas assez souvent cette image et encore une fois nous voyons des comportements de manque de confiance totale: »Attention les Marocains, sont comme cela et le Marocain est quelqu'un de tres tres sensible.« Supposons que vous soyez tres bien attentionne, mais quelqu'un qui ne vous accorde pas sa confiance ne pent pas creer une bonne ambiance. C'est le facteur principal. Je ne vous dis pas qu'il n'y a pas eu d'incidents. Mais encore une fois, je mets toujours I'incident sous une responsabilite partagee." (EX_IK_06, S. 4) Das vorliegende Zitat kann m a n dezidiert als Pladoyer fur eine sorgfaltige Konzeption u n d Implementation einer bilateralen Kooperation begreifen. W i e bereits mehrfach deutlich w^urde, iasst ein nicht unerheblicher Anteil deutscher Akteure diese vermeintlich als selbstverstandlich einzuschatzende Sorgfalt missen. O b dieser Sachverhalt das Resultat einer gewissen Gutglaubigkeit widerspiegelt oder aber durch die gelegentlich als unzureichend eingeschatzten Strukturen der bundesdeutschen Auf^enhandeisforderung bedingt ist, sei dahingestellt, k a n n er doch n u r von Einzelfall zu Einzelfall beurteilt w^erden. Dass m a n sich von marokkanischer Seite ein verstarktes Engagement aus Deutschland erhofft, resultiert nicht n u r aus d e m U m s t a n d eines vermeintlich positiven Images, sondern ist vor allem auch auf die fiihrende Stellung deutscher T o u r i s m u s u n t e r n e h m e n im globalen Kontext zuriickzufiihren, von denen m a n sich nachhaltige Impulse fiir die v^eitere touristische Entwicklung des Landes verspricht. Bevor im nachfolgenden Kapitel die befragten Experten ihre Sichtweise auf die Relevanz der Faktoren Kultur u n d interkulturelle Kompetenz darlegen, sei abschlief?end noch ein Zitat angefiihrt, das der Tourismusbranche im Kontext von Konflikten in der deutsch-marokkanischen Zusammenarbeit eine gew^isse Sonderroile zuschreibt: „Dans le secteur du tourisme, non pas vraiment. Les agences marocaines, qui travaillent avec les Allemands, connaissent parfaitement leur mentalite. Les seules au Maroc, qui connaissent les Allemands, sont des agences de voyages marocaines. Quand je parle du textile ou d'autres secteurs, je sais que nous avons des difficultes, dans I'artisanat egalement. Au niveau du tourisme, c'est le seul domaine ou le probleme ne se pose pas parce que nos agences travaillent depuis des annees
Einschatzungen des Kooperationsgeschehens und des Marokkotourismus
295
avec I'Allemagne, connaissent la clientele allemande, connaissent les compagnies allemandes, connaissent la reglementation allemande sur la protection de I'environnement, du consommateur. lis savent qu'un tour-operateur, qui a achete un produit qui n'est pas conforme a ce qu'il a dans sa brochure, pent demander des dommages et interets, il peut demander un remboursement. lis connaissent tous les risques et toutes les subtilites du marche allemand. Je pense qu'il s'agit du seul secteur ou il n'y a pas de probleme." (EXJK_08, S. 5) Mag diese Aussage auf den ersten Blick ein wenig zu optimistisch erscheinen, so ist letztendlich nicht von der Hand zu weisen, dass gerade die Tourismusbranche - schon aufgrund ihres konzeptionellen Selbstverstandnisses - wie kaum eine zweite Branche eine interkulturelle Dimension aufweist, die den Akteuren im Kontext eines handlings von Konflikten in einer grenziiberschreitenden Zusammenarbeit zupass kommen kann. So habe ich beispielsweise wahrend meiner Befragungen einige marokkanische Gesprachspartner kennen gelernt, die auf jahrelange Auslandserfahrungen zuriickblicken konnten: sei es, um nur zwei Beispiele zu nennen, als Auszubildender in einem mittelstandischen Hotelbetrieb in einer siiddeutschen Urlaubsregion oder als Mitarbeiter eines global agierenden Reisekonzerns, der zu den ersten Veranstaltern zahlte, die Marokko fiir den Pauschaltourismus erschlossen haben. Es versteht sich von selbst, dass eine entsprechende interkulturelle Kompetenz auch ein entscheidender Vorteil im Kontext eines erfolgreichen interkulturellen Konfliktmanagements darstellt.
IX.3
Bridging the gap - Relevanz der Faktoren Kultur und interkulturelle Kompetenz im bilateralen Kooperationsgeschehen
Wie bereits in Kapitel VIII.4 dargelegt wurde, unterliegt interkulturelle Kommunikation dem systemimmanenten Spannungsverhaltnis zwischen der realen Komplexitat von kulturellen Systemen und menschlichem Verhalten sowie der notwendigen Eigenschaft des Menschen, diese Komplexitat in seiner Wahrnehmung zu reduzieren und einfache Kategorien zu bilden. Da Wahrnehmung und Konzeptualisierung interkultureller Handlungen je nach kulturellem Hintergrund der Experten verschieden sind, soil die wortliche beziehungsweise sinngemafie Wiedergabe der Expertenaussagen den einzelnen Perspektiven geniigend Darstellungsraum bieten. Wie die nachfolgenden Zitate zur Relevanz der Faktoren Kultur und interkulturelle Kompetenz zeigen werden, zeichnen sich die einzelnen Expertenaussagen nicht nur durch eine grofie Differenziertheit, sondern auch durch eine ausgepragte Sensibilitat und Empathie aus. Gleichwohl lassen sich angesichts der Komplexitat und Dynamik kultureller Makrosysteme Reduktionen nicht in toto ausschliefien. Entscheidend ist - wie bereits mehrfach im Rahmen dieser Arbeit verdeutlicht wurde - das Faktum, dass es in jeder Begegnung zwischen Menschen aus divergierenden Kulturen nicht so sehr darum geht, wie die jeweils andere Kultur wirklich ist, sondern wie sie von den betroffenen Akteuren wahrgenommen wird respektive wie diese Wahrnehmungen gedeutet und in Handeln umgesetzt werden.
296
Kapitel IX
Beginnen wir mit einem Experten, der als Projektleiter auf jahrelange interkulturelle Erfahrungen zuriickblicken kann. Dabei hat er in arabischen Landern bereits etliche tourismusspezifische Projekte von der Konzeption bis zur eigendichen Durchfuhrung begleitet: „Die kulturellen Aspekte sind enorm wichtig, manchmal sogar ailes entscheidend. Erst aus einer Zusammenarbeit auf einer kulturellen Ebene ergibt sich ein okonomischer Erfolg. Das eine bedingt das andere. Man kann es also nicht so sehen, dass man sagt, neben den okonomischen Aspekten spielen die kulturellen Aspekte eine RoUe, sondern das eine baut auf dem anderen auf Das ist enorm wichtig! Wenn man jetzt beispielsweise von einer Unternehmenskultur oder von einer Arbeitskultur spricht, dann ist es so, dass diese in arabischen Landern ganz anders sind. Man geht mit Zeit anders um, man kommuniziert anders. Wir in Deutschland sind es gewohnt, immer sofort auf den Punkt zu kommen. Wenn man das in arabischen Landern rate, lage man schief, erfiihre womoglich nichts mehr, ... dann schottet man sich ab. Es lauft, sage ich mal, sehr viel iiber Witze erzahlen, sich nach der Familie erkundigen, nach dem allgemeinen Befinden erkundigen und so weiter. Was mich aber am meisten beeindruckt hat, womit ich auch die meisten Schwierigkeiten hatte, war das Umgehen mit Zeit. Piinktlichkeit spielt kaum eine Rolle und umgekehrt ist der Arbeitstag aber auch nicht unbedingt um 18 Uhr zu Ende. Arbeiten, Handeln und Kommunizieren hangen haufig sehr eng miteinander zusammen, und auch das Privatleben eines Arabers wird sehr stark durch Geschaftemachen, durch Handeln gepragt." (EX_IK_09, S. 2 f) Zunachst einmal gilt festzuhalten, dass dieser Experte ganz klar die kulturelle Dimension einer bilateralen Zusammenarbeit herausstellt und in diesem Kontext vor allem die besondere Relevanz interpersoneller Kontakte sow^ie den Zeitaspekt herausgreift. Bereits im Rahmen der Unternehmensbefragungen wurde deutlich, dass diese Aspekte in der Bewertung der Kooperationen eine zentrale Rolle einnehmen. Gleichwohl lauft so mancher Akteur Gefahr, entsprechende Aspekte mit ihrer ausgesprochen kulturellen Durchdringung zu unterschatzen. Gerade der Faktor Zeit ist in diesem Raum relativ und kein abstraktes Ma6, dem sich der Einzelne unterwirft (vgl. LiJDERS 2004). Selbstverstandlich konnte man jetzt entgegenhalten, dass es sich hierbei - im Sinne von LIPPMANN (1964) - um Id^LSsische pictures in our heads handelt, mit denen man einer einseitigen Etikettierung des vermeintlich Fremden Vorschub leiste. Dass diese Wahrnehmung jedoch nicht nur in deutschen Kopfen verankert ist, sondern auch von arabischen Experten geteilt wird, machen die zv^ei nachfolgenden Zitate deutlich. Beide Gesprachspartner, die urspriinglich aus Syrien stammen, arbeiten an exponierter Stelle fiir eine Institution, die sich der Aufgabe verschrieben hat, die deutsch-arabischen Wirtschaftsbeziehungen zu fordern. Zudem bieten beide Experten interkulturelle Trainings an, die deutsche Unternehmer auf ein geschaftliches Engagement im arabischen Raum vorbereiten: „Viele deutsche Unternehmer wollen immer schnurstracks ihren Plan durchziehen, das geht aber nicht, man muss schon ein bisschen mehr Zeit mitbringen; ... erst mal die Gastfreundschaft genief^en und dann kommt man zum Geschaft. Diesen Aspekt unterschatzen viele deutsche Un-
Einschatzungen des Kooperationsgeschehens und des Marokkotourismus
297
ternehmer, dass man vorher erst mal eine personliche Beziehung aufbauen sollte. Man kommt mit vielen Details an, beriicksichtigt aber kaum solche Dinge." (EX_IK_12, S. 3) „Vertrauensbildende Begegnungen sind sehr wichtig. Das ist die erste Phase, in der man sagt »Ich will mit ihm [deutliche Betonung des Wortes „ihm", Anm. d. Verf.] Geschafte machen.«, wobei noch jeder in seiner eigenen Gedankenwelt steckt. Der Deutsche hat schon sein Papier fertig, es muss nur noch unterschrieben werden und dann geht es schnell gen Heimat. Er ist entweder Angestellter bei einem Unternehmen, dem er Rechenschaft schuldig ist und bei dem er Erfolg zeigen muss, oder er ist selbst Unternehmer, der noch andere Termine vor sich hat. Der Zeitfaktor spielt auf alle Falle eine grofie RoUe. Der arabische Partner hat natiirlich auch seine Vorstellungswelt, sinngemafi: »Das ist eine Person, was will sie von mir? Will sie nur - moglicherweise iiber Nacht - ein Geschaft machen, oder kommt sie zu mir, um mit mir eine menschliche Beziehung aufeubauen, die dann zum Geschaft fuhrt?« Jeder hat seine eigene Vorstellungswelt und dies fiihrt bei der ersten Begegnung haufig zu Konflikten. Wie sagt man in Deutschland so schon: »Die Chemie muss stimmen.« Die Chemie kann bereits beim ersten Blick stimmen, manchmal dauert es aber auch, da kommt es zu Missverstandnissen, oder man hat bestimmte Vorstellungen im Kopf. Der eine erweckt bei einem Vertrauen, der andere Misstrauen. Ein arabischer Geschaftsmann wiirde sagen: »Jemand, der mit mir Geschafte machen mochte, muss erst mal - bevor ich etwas unterschreibe - in mein Herz hinein.« Der erste Erfolg fiir einen arabischen Geschaftspartner ist zunachst, einen Freund gefunden zu haben, erst nachher kommt das Geschaft." (EX_IK_13, S. 3) Beide Zitate unterstreichen - wohlgemerkt aus Perspektive zweier arabischer Experten - nicht nur die herausragende Bedeutung der Faktoren Zeit und interpersonelle Kontakte in der arabischen Welt, sondern sie zeigen auch auf, dass so mancher deutsche Akteur diesbeziiglich interkulturelle Kompetenz missen lasst. Besonders bemerkenswert erscheint jedoch vor allem das zv^eite Zitat, das einmal mehr zeigt, wie wichtig der Erfolgsfaktor Vertrauen in einer bilateralen Zusammenarbeit ist. Letztendlich kann Vertrauen nur dann entstehen, wenn beide Kooperationspartner der Entwicklung ihrer gemeinsamen Zusammenarbeit ausreichend Zeit einraumen. Dass damit eine entsprechende Intensivierung interpersoneller Kontakte einhergeht, versteht sich von selbst. OfFensichtlich werden immer wieder eigene kulturelle Selbstbilder zum richtungsweisenden Mafistab im Kontext der Interaktion mit dem auslandischen Geschaftspartner erhoben. Auch wenn Ethnozentrismus im Rahmen interkultureller Beziehungen ein systemimmanentes Phanomen darstellt, das sich in der Regel nicht in toto abstellen lasst, so ist diesbeziiglich von den Kooperationspartnern eine besondere Sensibilitat gefordert. Umso nachdenklicher stimmt dann folgendes Zitat, das von einem hochrangigen Vertreter deutscher Wirtschaftsinteressen in Marokko stammt:
298
Kapitel IX
„Mein Eindruck ist so ein bisschen: Franzosen, Spanier, Mittelmeeranrainer eben, sind hinsichtlich dieser Kultur, der marokkanischen Kultur, etwas naher, verstandnisvoUer und aufgeschlossener als wir Deutschen. Manchmal spielt da natiirlich auch immer noch so ein bisschen rein: am deutschen Wesen soil die Welt genesen! Man sollte da sehr, sehr vorsichtig sein." (EX_IK_04, S. 4) Anschlie£end fahrt derselbe Experte fort: ,^ber Zeit, Zuverlassigkeit und Arbeitsbelastung sind natiirlich BegrifFe, kulturelle Aspekte, bei denen wir ganz andere Vorstellungen, ganz andere Erwartungen haben, bei denen man einfach bereit sein muss, zu sehen, wie diese Begriffe hier definiert werden und wie man damit umgeht. Da kann ich nicht mit deutschen Maf^staben herangehen. Die Kunst ist eben, unsere Vorstellungen mit den hiesigen Vorstellungen kompatibel zu machen und daraus Netze zu entwickeln. (...) Wir haben sehr viele - und ich habe auch in anderen arabischen Landern diese Erfahrung gemacht - Araber, die in Deutschland studiert und dort ihre Frau kennen gelernt haben. Sie kehren in die arabische Welt zuriick und wollen so leben, wie sie es mit ihrer deutschen Frau in Deutschland getan haben. (...) Nur sind die familiaren Bindungen haufig so stark, dass sie sich als in Deutschland akademisch gebildete Araber gegen diese Zwange von Familie und Gesellschaft nicht durchsetzen konnen. Das ist meistens der entscheidende Punkt und dann gehen die Ehen auseinander. So ahnlich ist es auch hier fiir [marokkanische, Anm. d. Verf.] Manager, wenn man das auf die Wirtschaft iibertragt. Sie konnen einen marokkanischen Manager, der entsprechend ausgebildet ist, in Singapur und sonst wo einsetzen, nur im eigenen Land wird er wieder sehr schnell von Erwartungen und Bindungen eingeholt, die er glaubt, beherrschen zu konnen, die er dann aber doch nicht so beherrschen kann. Das ist, meine ich, das, was hier unsere deutschen Geschaftsleute sagen, wenn sie behaupten, ein Marokkaner konne keine deutsche Firma in Marokko fiihren. Das ist so ein bisschen die Schwierigkeit von verschiedenen Kulturen, verschiedenen Vorstellungen, ... Dinge, die dann verschmelzen." (EX_IK_04, S. 4) Das zuerst angefUhrte Zitat unterstreicht eindrucksvoll, dass Ethnozentrismus im interkulturellen Kontext ein allgegenwartiges P h a n o m e n verkorpert, w^obei auch interkulturelle Trainings n u r bedingt in der Lage sind, diese Problematik zu iosen. Wichtig ist in erster Linie, die k o gnitiven u n d affektiven Aspekte der d u t c h den Ethnozentrismus verursachten Blockaden zu begreifen u n d im Idealfall in sinnvolle Trainings umzusetzen. Z u m i n d e s t sollten Akteure, die mit kuitureller Verschiedenheit zu t u n haben, iiber interkulturelles Wissen verfiigen, eine ethnorelative Einstellung haben, sich - soweit wie moglich - an die andere Kultur anpassen sowie effizient u n d angemessen mit den jew^eiligen Partnern interagieren (vgl. M O O S M U L L E R 1997). Erst d a n n kann sich, w^ie im zweiten Zitat erw^ahnt, jene Kunst entfalten, die die eigenen Vorstellungen mit denjenigen vor O r t kompatibel macht u n d unter U m s t a n d e n ein entsprechendes Netzw^erk kreiert. Es gibt aber noch einen weiteren Aspekt, der das vorangegangene Zitat aus einer interkulturellen Perspektive besonders interessant erscheinen lasst, namlich jenen, der zeigt, dass wir bis zu einem bestimmten Grad - nicht zuletzt aufgrund unserer Sozialisation
Einschatzungen des Kooperationsgeschehens und des Marokkotourismus
299
- Produkte unserer eigenen Kultur sind und, im iibertragenen Sinne, ein dementsprechendes geistiges Gepack mit uns herumtragen. Um diese Reflexionen aufeugreifen und zu vertiefen, sei in diesem Zusammenhang auf eine Begegnung mit einem deutschen expatriate verwiesen, der seit Jahrzehnten als Maler und Schriftsteller in Marokko lebt. Dieser erofFnete unser Gesprach in seinem Atelier mit einer drastischen Kritik an einem deutschen Journalisten, der ihn und sein Werk in einer renommierten deutschen Wochenzeitung vorgestellt hatte. Aus dieser spezifischen Kritik, in der der entsprechende expatriate zunachst seine Enttauschung iiber eine aus seiner Sicht einseitig negative Schilderung seiner Arbeit artikuherte, entwickelte sich schlieKlich ein Rundumschlag gegen Deutschland im Allgemeinen und gegen ,die' Deutschen im Besonderen. In diesem Kontext monierte der Gesprachspartner zunachst den Umstand, dass nach dem Zweiten Weltkrieg viele ehemaUge Mitlaufer des Naziregimes in Amt und Wiirden gebUeben waren und seine Karriere erschwert hatten, bevor er dann in alier Deutlichkeit seine Kritik hinsichtUch PoUtik, Administration und Sozialstaat in Deutschland aufroUte. Am Ende des Gesprachs nahm ich sein Angebot an, mich ins Zentrum der Stadt zu begleiten. Kaum hatten wir das Atelier verlassen, konstatierte der expatriate mit enerviertem Unterton: „Schlimm, dass die Marokkaner das mit dem Dreck nicht auf die Reihe kriegen. Sie schafFen es einfach nicht!" War dies noch derselbe Zeitgenosse, der mir vor kurzem seine Litanei iiber vermeintliche und echte Kalamitaten in unserer gemeinsamen Heimat - die er zudem seit geraumer Zeit nur noch aus sporadischen Besuchen kannte - vorgetragen hat? War dieser expatriate nicht doch vielmehr ein Gefangener seiner Kultur - deren Strukturen er so distanziert gegeniiber stand - als ihm bewusst und womoglich lieb war? OfFensichtlich - und dieser Aspekt manifestiert sich auch eindrucksvoU im vorangestellten Zitat - holen uns die Zwange unserer Sozialisation immer wieder ein, da wir Menschen nicht nur Produkt, sondern vor allem auch Produzenten unserer Kultur sind. Sicherlich ware es zu einseitig, eine interkulturelle Kooperation ausschliefilich mit kulturellen Aspekten in Verbindung zu bringen, vielmehr ist, zumindest bis zu einem gewissen Grad, von einer Interdependenz zwischen okonomischen und kulturellen Aspekten auszugehen. In diesem Zusammenhang sei die Sichtweise eines Okonomen dargelegt, der auf jahrelange praktische Erfahrungen in der interkulturellen Zusammenarbeit bei einem global player zuriickblicken kann und der heute als HochschuUehrer sein einschlagiges Wissen dem internationalen Managementnachwuchs zur Verfiigung stellt: „Letztendlich handelt es sich auch bei einem Auslandsengagement um eine okonomische Angelegenheit. Wenn das Interesse an einer Kooperation okonomisch bedingt ist, dann kann ich in der Kegel auch kulturelle Inkompatibilitaten iiberbriicken. Ich kann aber kulturelle Problemzonen nicht auf Dauer handhaben, ohne dass sich negative Effekte einstellen. Bei langerfristig konzipierten Kooperationen sollte ich Investitionen in das kulturelle Management beziehungsweise in die Auseinandersetzung mit kulturellen Unterschieden stecken. Das sind dann oft konkrete MaEnahmen wie Sprach- oder Landesstudium. Ich bin allerdings nicht davon iiberzeugt, dass generell eine Sensibilisierung gegeniiber Kulturunterschieden hilft. Entweder ist eine entsprechende
300
Kapitel IX
Sensibilitat bei einem Menschen vorhanden oder sie ist es nicht. Bei einem Menschen, bei dem diese Sensibilitat nicht vorhanden ist, konnen sie diese auch nicht antrimmen. Den konnen sie auf einen konkreten Fall unter dem Motto »Bei einem Japaner darfst Du dieses und jenes nicht machen!« einstimmen, aber eine generelle Prophylaxe ist wohl nicht mdglich." (EX_IK_14, S. 2) In Bezugnahme auf dieses Zitat u n d seine weiteren Ausfiihrungen gilt der befragte Wissenschaftler als ein gemaEigter Vertreter der so genannten culture-hound-lhese
(vgl. Kapitel III.3).
Inwieweit eine interkulturelle Vorbereitung letztendlich von Erfolg gekront sein wird, hangt selbstverstandlich nicht n u r von den personlichen respektive charakterlichen Voraussetzungen des betrofFenen Akteurs, sondern auch von dessen Grundeinstellung zur anderen Kultur ab. Fiir U n t e r n e h m e r stellt sich zudem die Frage, ob sich eine interkulturelle Vorbereitung des entsprechenden Mitarbeiters iiberhaupt rentiert beziehungsweise w a n n sich diese letzten Endes amortisiert. Diese Frage wiederum ist abhangig von Anlass u n d Form einer interkulturellen Zusammenarbeit u n d kann ausschlieElich von Fall zu Fall beantwortet werden. Allerdings gilt es w^eitgehend als ein ofFenes Geheimnis, dass es primar global players sind, die ihre Mitarbeiter auf einen Auslandseinsatz vorbereiten. N a c h wie vor scheuen viele kleine u n d mittelstandische U n t e r n e h m e n die haufig als iiberteuert empfundenen Kosten eines interkulturellen Trainings. Lassen wir in diesem Z u s a m m e n h a n g noch einmal unseren wissenschaftlichen Experten zu Wort kommen:
„Tatsachlich wird man eine hohe Korrelation zwischen der Unternehmensgrofie und dem Grad der Aufwendungen, die ein Unternehmen zur Vorbereitung seiner Mitarbeiter fiir das Auslandsengagement ausgibt, feststellen. Das wiirde ich schon sagen! Das Ganze wiirde aber besser laufen, wenn man den Auslandseinsatz intensiver planen konnte, jedoch sind 50 Prozent aller Auslandseinsatze Ad-hoc-Einsatze. Die Unternehmen miissen teilweise von heute auf morgen jemanden finden, der ins Ausland geht. Dem entsprechenden Mitarbeiter konnen sie hochstens ein Crashprogramm fiir zwei Tagen verabreichen, ... wahrscheinlich noch nicht einmal das. Der muss ins Einsatzgebiet, und dann kommt irgendwann mal seine ganze Familie hinterher. Was wollen sie da viel vorbereiten? In 50 Prozent der Falle muss jemand unvorhergesehen ins Ausland. Die zv^eite Problematik ist die, dass sie nie wissen, auf welche Kultur hin sie jemanden ausbilden sollen. Das ist auch das Dilemma unserer Ausbildung hier: Ich kann nicht auf 46 Kulturkreise hin ausbilden. Ich kann hochstens ab und an einen Kulturkreis exemplarisch herausgreifen und auf bestimmte kuiturelle Unterschiede hinweisen. Vor diesem Problem kapituliert natiirlich auch so manche Firma. Zudem muss man natiirlich auch sagen, dass eine interkulturelle Schulung den Unternehmen zunachst mal kein Geld bringt." (EX_IK_14, S. 3) Letztendlich w^urde von alien befragten Experten die M e i n u n g vertreten, dass es sich angesichts einer fortschreitenden Globalisierung k a u m ein U n t e r n e h m e n m e h r leisten konne, auf den Erfolgsfaktor interkulturelle Kompetenz zu verzichten. Diese Einsicht baslert nicht zuletzt auf der Erkenntnis, dass o h n e eine entsprechende Kompetenz okonomisch motivierte Prozesse
Einschatzungen des Kooperationsgeschehens und des Marokkotourismus
301
Gefahr laufen, nachhaltig gestort zu werden und sich vor diesem Hintergrund schwerwiegende Wettbewerbsnachteile ergeben. Gerade bei der Besetzung von Schliisseipositionen soUte man auf diesen Aspekt achten, wobei es nicht - wie nachfolgendes Zitat illustriert - primar darum gehen kann, ein enzyklopadisches Detailwissen iiber kulturelle Unterschiede zu besitzen, sondern vielmehr darum, wie man mit diesen angemessen und effizient umgeht: „Wenn ich als Unternehmer eine Kooperation eingehe, muss ich bei der Selektion der Person, der ich innerhalb des Kooperationsgeschehens eine Schliisselposition einraume, schon auf eine gewisse SensibiUtat achten. Ich kann nicht jemanden nach Japan schicken, der iiberhaupt nicht sensibel ist. Ich glaube, das ist etwas ganz Entscheidendes. (...) Die interessante Frage ist aber letztendUch nicht die, um welche kulturellen Unterschiede es sich im Detail handek, sondern wie man mit diesen umgeht: Wer passt sich an, wie passt man sich an und wie interagiert man in Konfliktsituationen?" (EXJK_15,S.2fF.) Einer der interviewten Experten geht sogar soweit, dass man sich im Falle einer Absenz interkultureller Kompetenz diese notfails kauflich erwerben solle. In diesem Kontext schiagt er einen weiten Bogen zu den tragischen Ereignissen vom 11. September 2001: „Und selbst wenn man sich diese interkukureile Kompetenz dadurch verschafft, dass man einen Partner vor Ort hat, aber ohne diese Kompetenz funktioniert es nicht. Ich muss mir die im Zweifel kaufen! Ich muss interkulturelle Kompetenz nicht unbedingt personlich besitzen, aber ich solhe Zugang zu ihr haben, sonst funktioniert es nicht. Das spiirt man auch daran, dass Araber nicht erst seit dem 11. September ein Problem mit Amerikanern haben, sondern man macht einfach mit denen nicht so gerne Geschafte, well die davon ein anderes Verstandnis haben: Die Gewinnmaximierung steht im Vordergrund, man will sofort Geld, man will sofort seinen Willen durchsetzen, und man will dem Projekt sofort seinen Stempel aufdriicken [Der Experte betont bei seiner Schilderung dreimal deutlich das Wort „sofort", Anm. d. Verf ]. Das wird von Arabern in der Kegel nicht so gerne gesehen! Das [Geschaft, Anm. d. Verf] lauft zunachst nicht auf der geschaftlichen Ebene, das Geschaft kommt spater. Es muss zunachst einmal auf einer privaten Ebene Vertrauen geschaffen werden: Man soUte iiber Familie, iiber Freunde reden konnen, vielleicht auch Witze erzahlen konnen. Das hort sich sehr banal an, aber es ist so! Es lauft vieles auf einer privaten Ebene, erst dann redet man iiber das eigentliche Geschaft. Es ist von Anfang an Geschaft, aber man spricht nicht gleich dariiber." (EX_IK_09, S. 5) Im interkulturellen Kontext ist Kultur untrennbar mit den Phanomenen Macht und Ohnmacht verbunden (vgl. BOURDIEU 1989). Gerade die fortschreitende Globalisierung hat bei zahlreichen Akteuren in der arabischen Welt ein Gefuhl von Ohnmacht hinterlassen, fiihlt man sich doch vielfach von entsprechenden Entwicklungsprozessen benachteiligt, mitunter sogar ausgeschlossen; ein Umstand, der auch explizit von einigen befragten marokkanischen Gesprachspartnern artikuliert v^urde (vgl. Kapitel VIII.4). Die dadurch implizierten Konsequenzen sind
302
Kapitel IX
haufig difFus und bleiben langst nicht mehr ausschlief?lich auf einer latenten Ebene, sondern manifestieren sich im schlimmsten Falle in einer bewussten Ablehnung wesdicher Werte, die es zu bekampfen gilt. Wen kann es da verwundern, dass umgekehrt wesdiche Akteure Menschen aus diesem Raum mit Minderwertigkeitskomplexen etikettieren?: „Icli finde, dass diese Lander immer noch so ein bisschen an Minderwertigkeitskomplexen leiden, aber wenn man dort als Europaer iiberzeugend darstellt, dass man - wie sagt man so schon auf Neudeutsch - auf gleicher Augenhohe spricht, den Leuten das Gefiihl vermittelt, ihre Kultur Ernst zu nehmen, dann hat man, glaube ich, kaum Schwierigkeiten." (EX_IK_10, S. 4) Inwieweit die skizzierten Entwicklungen konkret zu - vermeintlichen - Minderwertigkeitskomplexen fiihren, kann, wenn iiberhaupt, nur von Einzelfall zu Einzelfall beantwortet werden. In diesem Kontext soil erganzend eine marokkanische Meinung angefiihrt werden, welche die derzeit wohl renommierteste marokkanische Soziologin exemplarisch bei einem der zahlreichen ,Diplom-Arbeitslosen' in ihrem Land eingefangen hat: ,Amerikanische Politiker wussten schon vor dem Golfkrieg, dass sie Fachkrafte aus den Landern der Dritten Welt brauchen wiirden, um ihr eigenes demographisches Defizit zu kompensieren. Warum sind sie nicht auf die Idee gekommen, die Jugendlichen arabischer Lander, auf deren Olreichtum sie angewiesen waren, als ergiebige Goldminen anzusehen? Viele amerikanische Firmen haben im Rahmen langfristiger Strategien in Ingenieure der indischen Stadt Bangalore investiert, um sie von dort zu rekrutieren! (...) Investitionen in die Entwicklung moderner Informationstechnologie zur SchafFung von Arbeitsplatzen in unserer Region batten jungen Menschen wie mir geholfen, Fachkompetenz und Selbstvertrauen zu gewinnen. Stattdessen hangen wir in drittklassigen Internet-Cafes herum, wo es keine Lehrer gibt, die uns verniinftig ausbilden, und wir auEerdem noch jede Minute des Zugangs bezahlen miissen! Wenn Mr. Powell wie Saladin in Geschaften das Prinzip der Gegenseitigkeit fiir Gewinner (Amerikaner) und Verlierer (Araber) gefordert hatte, hatte er terroristische Propagandisten zu ganzlich unglaubwiirdigen Pantomimen in einer Welt gleichmaEig verteilten Wohlstandes gemacht." (MERNISSI 2002, S. 14 f.). Ein Experte stellt im Kontext seiner Reflexionen iiber die Relevanz der Faktoren Kultur und interkulturelle Kompetenz insbesondere die okonomischen Zwange in den Mittelpunkt, die sich fiir die betrofFenen Akteure vor dem Hintergrund fortschreitender Internationalisierungsprozesse ergeben: „Ich glaube, dass sich die kulturellen Unterschiede nicht so leicht wegdenken lassen. Kulturelle Unterschiede sind vorhanden, jedoch lassen okonomische Zwange die Einheimischen sich anpassen. Das geht nicht von heute auf morgen, sondern dauert eine gewisse Zeit. Ein Mitarbeiter, enva ein Touristenfiihrer, vor 20 oder 30 Jahren war ein anderer Mitarbeiter als in der heutigen Zeit. Der hat moglicherweise im Ausland studiert und viele Erfahrungen gesammelt, die er jetzt unter Umstanden an seine Kollegen weitergibt. Ich denke nicht, dass der einfach nach Lust und
Einschatzungen des Kooperationsgeschehens und des Marokkotourismus
303
Laune arbeiten kann, denn es gibt okonomische Zwange und wenn es nur der Zwang ist, seinen Unterhalt zu verdienen. In der Kegel ist gerade in dieser Branche [der Tourismusbranche, Anm. d. Verf.] in den arabischen Landern ein groEes Arbeitskrafteangebot vorhanden; ein Umstand, der natiirlich auch zu einem enormen Konkurrenzdruck fiihrt. Als auslandische Firma hat man dann auch die MogUchkeit, sich die besten Leute, die um einen Job konkurrieren, auszusuchen, namUch jene, die sprachlich begabt, ofFen und zuverlassig sind. Die Leute passen sich den entsprechenden Bediirfnissen an, wobei die okonomischen Zwange und die kulturellen Aspekte erhalten bleiben." (EX_IK„13, S. 6) Im Verlauf des weiteren Gesprachs geht der entsprechende Experte exemplarisch auf ausgewahlte kulturelle Aspekte ein, die seiner Ansicht nach - und vor dem Hintergrund seiner jahrelangen Erfahrungen als interkultureller Consultant - im grenziiberschreitenden Kooperationsgeschehen von besonderer Relevanz sind. Dabei kommt er vor allem auf jene Aspekte zu sprechen, die auch schwerpunktmaEig im Rahmen der Unternehmensbefragungen genannt wurden, wie den Einfluss religioser Aspekte, die Entwicklung von Vertrauen im zeitlichen Kontext, die Bedeutung interpersoneller Kontakte oder die gender-Jhemztik. Vielfach kann man - auch nach Uberzeugung dieses Experten - bei interkulturell interagierenden Akteuren nicht unbedingt ein fehlendes Bewusstsein fur kulturelle Aspekte feststellen, vielmehr sind es Kontextualisierung und handling entsprechender Aspekte, die - je nach Grad der vorhandenen interkulturellen Kompetenz - Schwierigkeiten bereiten. Angesichts des dialektischen Charakters fortschreitender Globalisierungsprozesse mogen sich einige kulturelle Eigenheiten nivellieren, andere verstarken, entscheidend ist im Endeffekt, dass die jeweiligen Akteure effizient und angemessen mit den bestehenden kulturellen Divergenzen umgehen konnen. Auch wenn es keinesfalls um eine Verabsolutierung kultureller Aspekte gehen kann, so verlangt die Kompression von Raum und Zeit nicht nur - in Anlehnung an MENZEL (1998) - einen Meister der Geschwindigkeit, sondern vor allem auch einen Meister der kulturellen Flexibilitat, der kultursensibel und weltbewusst ein bridging the gap bewerkstelligt und zudem in der Lage ist, lieb gewonnene Selbstgewissheiten in Frage zu stellen. Eines soUte man sich stets vergegenwartigen: Kulturelle Unterschiede implizieren - gerade aus einer unternehmensspezifischen Perspektive - nicht nur miihsame Flerausforderungen, sondern auch potentielle Wettbewerbsvorteile, die es auf zunehmend globalisierten Markten in Wert zu setzen gilt. In diesem Sinne ist auch das abschliefiende Pladoyer eines marokkanischen Experten zu verstehen, der seit Jahren zu den engagiertesten Verfechtern einer verstarkten deutsch-marokkanischen Zusammenarbeit im Tourismussektor zahlt: „La difference de culture est une richesse, ce n'est pas un handicap. Moi, ce que je dis, c'est qu'il faut profiter de nos forces reciproques. II faut rallier nos forces et construire quelque chose ensemble." (EX_IK_06, S. 2)
304
Kapitel IX
IX.4
Hier hapert's - Charakteristische Defizite marokkanischer Tourismusstrukturen
Geht man vom ungemein vielschichtigen Tourismuspotential Marokkos aus, das in Kapitel V. 1 vorgestellt wurde, so wird man moglicherweise iiberrascht sein, dass der maghrebinischen Destination in Fachkreisen haufig ein ambivalenter, teilweise sogar ausgesprochen negativer Ruf vorauseilt. Diesen Umstand konnen weder wohlmeinende Tourismusreprasentanten noch farbenprachtige Reiseprospekte kaschieren, ohne dabei unglaubwiirdig oder zumindest reaiitatsfern zu wirken. Um es bereits an dieser Stelie vorwegzunehmen: Keiner der Experten sowohl von deutscher als auch von marokkanischer Seite hat auch nur irgendeinen Versuch unternommen, die aktuellen marokkanischen Tourismusstrukturen zu beschonigen. Eine entsprechende OfFenheit, die charakteristische Defizite transparent macht, tut Not, soil Marokko vor dem Hintergrund eines verscharften Wettbewerbs nicht den Anschluss an wichtige Konkurrenzdestinationen verlieren. Den zitierten Experten, die seit Jahren die touristische Entwicklung Marokkos mit groEem Engagement begleiten, ging es bei ihren Ausfiihrungen nicht datum, die Destination per se zu desavouieren, sondern exemplarisch auf Problemfelder hinzuv^eisen, die einer dringenden Losung bediirfen. Entsprechende Empfehlungen von Expertenseite werden in Kapitel IX.6 dokumentiert. Nach dieser notwendigen Einfiihrung konnen wir im Folgenden den vielschichtigen Defiziten marokkanischer Tourismusstrukturen auf den Grund gehen, wohl v^issend, dass es sich nur um einige ausgewahlte Steinchen eines komplexen Mosaiks handeln kann. Den Anfang macht ein hochrangiger, in Deutschland agierender, marokkanischer Experte, der zunachst auf die Diskrepanz zw^ischen touristischem Potential und auslandischen Besucherzahlen hinv^eist und anschlieEend auf konkrete Defizite eingeht: „Wenn man Marokko kennt und sieht, dass das Land zurzeit nur von circa zwei Millionen Touristen besucht wird, dann ist das ziemlich schwach. Wo liegen die derzeitigen Probleme hinsichtlich der marokkanischen Tourismusstrukturen? Die Probleme liegen einerseits in der Infrastruktur, das heiEt, es gibt an einigen Orten, vor allem in Marrakech, zu wenige Hotels. (...) Die zweite groEe Schwache ist die Promotion, das Marketing im Ausland. In diesem Bereich muss am vordringlichsten envas geschehen. Ich weiE nicht, wie viele Millionen Dirham die O.N.M.T [Office NationalMarocain du Tourisme, Anm. d. Verf ] zur Verfiigung hat, aber sie braucht Mittel. Die Politik weiE, was sie will - und man hat auch inzwischen mit Frau X [der derzeit hochsten Reprasentantin des staatlichen marokkanischen Fremdenverkehrsamts, Anm. d. Verf] eine sehr engagierte, dynamische und ehrgeizige Generaldirektorin ernannt -, aber im EndefFekt fehlen der O.N.M.T die Mittel. (...) Auf der anderen Seite brauchen wir mehr Professionalitat. Gerade im Bereich Promotion und Marketing kann man nicht mit Beam ten arbeiten, ... das ist ausgeschlossen! Man braucht da Leute, die so etwas studiert haben und diesbeziiglich Erfahrungen im privaten Sektor sammeln konnten. Ich glaube, dass dieser ganze Bereich privatisiert werden sollte. Wenn man sich fur jede Aufgabe im Vbrfeld erst eine Genehmigung einholen muss, dann
Einschatzungen des Kooperationsgeschehens und des Marokkotourismus
305
ist das fiir die Arbeit nicht sehr hilfreich. Mit diesem System kann man keine effiziente Arbeit leisten. Man soUte diesen Bereich von privaten Leuten, von PR-Unternehmen, machen lassen, die ihre Arbeit gut kennen und beherrschen. (...) Und man bietet eben nur ein Produkt an: In den Reisebiiros findet man als Tourist fast ausschliefilich Agadir im Angebot. Ich glaube, dass 90 Prozent der Deutschen nach Agadir fahren. Agadir ist aber mittlerweile im Vergieich zu anderen Destinationen, die dasselbe und dies mogiicherweise zu einer besseren Qualitat anbieten, vie! zu teuer geworden. Denken Sie nur an Tunesien!" (EX_IK_ll,S.2fF.) Halten wir zunachst einmal einige zentrale Punkte fest, die in den folgenden Ausfiihrungen noch naher prazisiert und erganzt werden: Defizite in der Infrastruktur, die sich nicht zuletzt in einem eklatanten Hotelmangel widerspiegeln, Schwachen im Marketing basierend auf einer inadaquaten finanziellen wie personellen Ausstattung der verantwortlichen Einrichtung sowie last but not least eine starke Konzentration des Pauschaltourismus auf eine einzige Stadt, der im Kontext des stationaren Badetourismus eine fast uneingeschrankte Monopolstellung zufallt, die aber unter Experten als nur bedingt konkurrenzfahig gilt. Stichwort Professionalitat: Der Experte hat bereits angedeutet, dass es in Bezug auf die Personalqualitat einen deutlichen Nachholbedarf gibt. Grofie Hoffnungen verbindet man in diesem Zusammenhang insbesondere mit dem Personalwechsel an der Spitze des marokkanischen Fremdenverkehrsamts (O.N.M.T.), hat doch in diesem Fall erstmalig eine Vertreterin aus der Wirtschaft Einzug in diese zentrale marokkanische Tourismusbehorde gehalten. Bleiben wir zunachst bei den Verwaltungsstrukturen, die in Anlehnung an die einstige Kolonialmacht Frankreich ausgesprochen hierarchisch sind und deren mangelhafte Vernetzung auch deutliche Implikationen auf die Arbeit der verantwortlichen Tourismusakteure ausiibt: „Ein Problem in der marokkanischen Verwaltung ist nicht zuletzt, dass zwischen den einzelnen Ebenen kaum kommuniziert wird. Die verschiedenen Ebenen arbeiten ziemlich isoliert voneinander. Man bekommt in der Regel eine Anweisung, die man ausfiihren soil. Der Minister sagt zum Beispiel seinem Direktor fiir Promotion: »Jetzt miissen wir in Deutschland mehr Promotion machen. Machen Sie mir einen Vorschlag, wie man die Promotion in Deutschland effektiver gestalten k6nnte.« Dann iiberlegen sich der Direktor und der Abteilungsleiter, was man machen konnte und fordern Geld an. Der Minister fragt beim Finanzministerium an, ob man ein entsprechendes Geld abzweigen kann, und dann heifit es: »Nein, das Budget ist in diesem und im nachsten Jahr so, dass wir keine zusatzlichen Defizite machen konnen. Ich kann dieses Geld nicht zur Verfiigung stellen.« Ich meine, es gibt bei der praktischen Umsetzung iiberall Probleme, weil die Mittel fehlen, weil die Kommunikation nicht richtig funktioniert oder weil das Personal nicht kompetent ist. Der Konig ist fiir eine Regionalisierung, fiir eine Dezentralisierung und fiir mehr Effizienz. Das sieht man! Man spiirt, was er will, aber das System, insbesondere die Verwaltung, ist so trage, dass es gar nicht mithalten kann. Das ist so, als wenn jemand einen 1000-Meter-Lauf machen muss und ihm geht die Puste aus." (EXJK_11,S. 8)
306
Kapitel IX
Geradezu paradigmatisch fiir den Reformwillen des marokkanischen Konigs - der in der Presse nicht zuletzt mit dem Ausspruch „Mon rhythme est celui du Maroc" in Verbindung gebracht wird (vgl. PERTHES 2002) - steht im Tourismusbereich jener bereits mehrfach erwahnte Masterplan von Marrakech, der auch ein Mehr an Regionalisierung, Dezentralisierung und Effizienz einleiten soil. Wie dieser Masterplan von Expertenseite eingeschatzt wird, roUt das anschlieEende Kapitel auf. Bevor wir uns diesem ambitionierten Reformpaket zuv^enden, bedarf es jedoch noch einer eingehenderen Thematisierung charakteristischer Defizite marokkanischer Tourismusstrukturen. Im folgenden Zitat kommt ein deutscher Experte zu Wort, der zunachst auf die Destination und in einem zweiten Schritt auf seine Erfahrungen mit dem staatlichen marokkanischen Fremdenverkehrsamt eingeht: „Schauen Sie sich das Preis-Leistungs-Verhaltnis an: Im Vergleich zu anderen Destinationen in Nordafrika ist Marokko am teuersten und das, was dafiir geboten wird, ist halt nicht so attraktiv. Wenn sie in Agadir sind, dann stammt das Angebot - das Restaurantangebot, die Speisekarten teilweise aus den siebziger Jahren, ... die Prasentation der Gerichte vielleicht aus den achtziger Jahren. Es fehlen auf^erdem ansprechende Unterhaltungsmoglichkeiten. Die sind eigentlich nicht so gegeben, wie das in anderen Destinationen der Fall ist. Das zum einen, zum anderen ist ja auch die Vermarktung von Marokko als Reiseziel nicht dementsprechend. Im Vergleich zurTiirkei oder zu Tunesien, bei denen eine Medienprasenz in Deutschland vorhanden ist, ist das fiir Marokko nur bedingt gegeben. Marokko existiert ja eigentlich gar nicht in den deutschen Medien. Eine entsprechende Promotion findet in Deutschland letztendlich nicht statt. Haben Sie einen anderen Eindruck? Ich muss das ganz offen sagen: Wir haben vom O.N.M.T. Berichte iiber die Arbeit angefordert, die das Biiro in Deutschland leistet. Die Berichte haben wir nie bekommen! Wir haben denen auch mehrmals - nicht nur dem Biiro in Deutschland, sondern auch der Zentrale in Rabat - die Gelegenheit gegeben, mit uns in Kontakt zu treten und sich in unserer Kammerzeitschrift zu promoten, was dann auf wirklich sehr unprofessionelle Weise gemacht wurde." (EX_IK_05, S. 4 ff.) Das Preis-Leistungs-Verhaltnis zahlt zu den klassischen Aspekten, bei denen Marokko aus Expertenperspektive deutlich schlechter abschneidet als vergleichbare Konkurrenzdestinationen. Von marokkanischer Seite hort man dann haufig, man v^oUe im Gegensatz zu Tunesien oder zur Tiirkei primar auf einen exklusiven Tourismus setzen, doch selbst dieses Marktsegment ist bislang allenfalls rudimentar erschlossen worden. Dieser Umstand ist nicht zuletzt darauf zuruckzufiihren, dass sich die Destination erst relativ spat gegeniiber auslandischen Investoren geoffnet hat (vgl. auch Kapitel V4). Die Konsequenz ist letztendlich ein Angebot, das vielfach, wie im Zitat angedeutet, kaum mehr heutigen Anspriichen gerecht wird. Erschwerend kommt fiir Marokko hinzu, dass sein am Atlantik gelegener touristischer hot spot Ag2idir im Vergleich zu den meisten Mittelmeerdestinationen eine ausgesprochen periphere Lage aufweist, die teilweise deutlich langere Flugzeiten aus einigen wichtigen europaischen Quellmarkten impliziert. Auch dieser Experte moniert eine nur unzureichende Vermarktung Marokkos und kommt in diesem Kontext auf ein konkretes Beispiel zu sprechen, das ein wenig schmeichelhaftes Bild von der Arbeit des staatlichen marokkanischen Fremdenverkehrsamts zeichnet.
Einschatzungen des Kooperationsgeschehens und des Marokkotourismus
307
Gerade marokkanische Experten raumen - nicht zuletzt unter dezidierter Bezugnahme auf stagnierende beziehungsweise sinkende Besucherzahlen - ein, man habe in den letzten Dekaden viel Zeit hinsichtlich der touristischen Erschliefiung des Landes verloren. Da gibt es zum einen jenen Experten, der seit edichen Jahren deutsche Tourismusunternehmen bei ihrem geschaftlichen Engagement in Marokko berat: „Wir leben seit 40 Jahren von Strand und Sonne! Heutzutage kann man aber nicht mehr ausschliefiiich nur Strand und Sonne verkaufen. Andere Zielorte haben das viel eher gemerkt als wir, da kommt Service, Qualitat und so weiter hinzu. Leider haben wir das erst jetzt gemerkt! [Dem Experten ist seine Enttauschung, die resignative Ziige tragt, deutlich anzumerken, Anm. d. Verf.] Und wir werden wieder viel Zeit verlieren, um das Ganze zu andern." (EX_IK_02, S. 2) Und dann gibt es jenen hochrangigen Reprasentanten aus der marokkanischen Tourismuspolitik, der ohne Umschweife und aus dem Gedachtnis heraus KennzifFern ofFen legt, die vor allem aus einer quantitativen Perspektive die Defizite in der touristischen Entwicklung des Landes aufeeigen: „Pour ce qui est du potentiel touristique, en termes de lits, laTunisie compte 170 000 lits, le Maroc 90 000 lits. Prenons le cas de I'Egypte, qui compte 190 000 lits. Certains complexes se sont crees en I'espace de cinq ans: Sharm el Sheik, Taba sur la Mer Rouge. Ce sont des complexes qui n'existaient pas il y a cinq ou six ans. Nous avons perdu beaucoup de temps et pendant ce temps-la laTurquie, laTunisie ou I'Egypte ont fait de grandes avancees. Le potentiel touristique que possedent la Turquie, I'Egypte ou la Tunisie sur le marche allemand est superieur au notre. La Turquie a une compagnie aerienne nationale, Turkish Airlines, et six ou sept compagnies de charter. Au Maroc, on compte une compagnie nationale. La Tunisie, par exemple, vend sur le marche allemand Djerba, Monastir, Hammamet et Sousse. L'Egypte vend Sharm el Sheik, la croisiere sur le Nil, les sejours culturels. Le Maroc a principalement un produit: Agadir, c'est tout! Et Agadir c'est 20 000 lits, pas plus. Quand vous avez sur 20 000 lits les marches scandinave, allemand, anglais et fran9ais, cela va vite de remplir tons ces lits. Ce nombre de lits ne suffit pas pour accueillir tons les touristes, ni pour etre visible sur le marche. C'est d'ailleurs le reproche que les professionnels allemands nous font: »Si vous voulez que nous venions au Maroc, il faut augmenter votre capacite d'accueil, il faut construire plus d'h6tels.«" (EX_IK^07, S, 2) Selbst wenn das angefiihrte Zitat unter Umstanden andere Riickschliisse zulasst, so kann es nicht datum gehen, einem ungestiimen quantitativen Wachstum zu huldigen, dessen negative Implikationen w^ir in vielen Destinationen w^eltweit beobachten konnen. Letztendlich ist es vielmehr das touristische Gesamtpaket, das sow^ohl fiir Reiseveranstalter - und in diesem Fall vor allem fiir jene, die vor Ort investieren w^oUen - als auch fiir Touristen v^enig attraktiv erscheint. So konstatiert ein fiihrender Reprasentant der deutschen Aufienvs^irtschaftsforderung:
308
Kapitel IX
„Und wenn dann ein tour operator kommt und sagt: »Ich brauche die und die Standards, weil ich die weltweit anbiete und weil das mein Konzept als tour operator ist.«, dann tut man sich hier sehr schwer, sich entsprechend zu verkaufen. Dann tut man sich von marokkanischer Seite wirklich schwer, sich zu bewegen und zu sagen: »Okay, ich gehe jetzt mal voll auf die entsprechenden Interessen ein.«, weil man dann so ein bisschen das Gefiihl hat, sich auszuziehen, zu sehr die Hosen runter zu lassen, wenn man das mal so ein bisschen burschikos sagen kann [Schmunzeln des Gesprachspartners, Anm. d. Verf.]. Man ist da schlicht nicht bereit, auf die Wunsche einzugehen, und das gilt sowohl gegeniiber den tour operators als auch gegeniiber den Touristen, die hier vor Ort sind. Was auch angesprochen wurde: Die Hotelkapazitaten sind zu gering, das ist iiberhaupt keine Frage! Der Service ist, um es mal vorsichtig auszudriicken, nur teilweise vorhanden und entspricht in keiner Weise den Erwartungen eines deutschen Touristen [verachdicher Seufzer des Gesprachspartners, Anm. d. Verf.]. Denen entspricht er einfach nicht! Das liegt an der Ausbildung, das liegt an vielen Sachen, das liegt auch an der Uberalterung des Hotelpersonals. Es gibt sicher vielfach junge und ausgebildete Leute, die man aber aufgrund des Arbeitsrechts, das wiederum dagegensteht, nicht einstellen kann. Es gibt im Tourismusbereich auch steuerliche Hindernisse. Wenn man hier die lokalen Tourismusunternehmen fragt, woran es eigentlich liegt, dass das alles nicht so lauft, dann stimmt eben dieses Gesamtpaket nicht. Das Gesamtkonzept ist einfach noch nicht da! Und dann hat der deutsche tour operator eben noch geniigend andere Standorte; ... und so traurig es ist, so wichtig ist ihm dann Marokko auch wieder nicht. Das ist eine Destination unter vielen. Eine sehr wichtige Destination, die sicherlich angesichts ihres touristischen Potentials ausbaufahig ist, aber da muss man mit der gleichen Sprache reden, nicht? Da muss man sich zusammentun und das fehlt." (EX_IK_01,S. 2) Die Herausforderungen, die sich vor d e m H i n t e r g r u n d einer fortschreitenden Internationalisierung u n d der damit verbundenen strukturellen Veranderungen fur die Tourismusbranche ergeben, sind fur die meisten Destinationen e n o r m . Insofern k a n n m a n - in A n l e h n u n g an H A L L (2001) - durchaus von einem „changing the ,rules of the game'" sprechen. Eine Destination, die sich nicht den Erfordernissen der zentralen touristischen Akteure anpasst, lauft G e fahr, nach u n d nach von den touristischen Stromen abgeschnitten zu werden. Jener Masterplan von Marrakech w^ill dieser Problematik R e c h n u n g tragen, jedoch w^issen nicht n u r potentielle Investoren, dass Papier geduldig ist. Inwiew^eit sich die postulierten Ziele u n d Reformen im anvisierten Umfang u n d Zeitraum umsetzen lassen, kann m a n z u m jetzigen Z e i t p u n k t n u r bedingt einschatzen. U n t e r Experten ist jedoch w^eitgehend unumstritten, dass ein dringlicher Handiungsbedarf besteht. K o m m e n wir in diesem Kontext auf das bereits mehrfach ervvahnte Servicedefizit zu sprechen, das seine Wurzeln unter anderem in einer als unzureichend empfundenen Ausbildung des touristischen Nachv^uchses hat: „Die Ausbildung ist nicht in Ordnung! Diese Hotelfachschulen werden nicht professionell betrieben, die haben keine professionellen Lehrer. Es gibt zudem viel zu viele dieser Schulen. Ich glaube, es sind im ganzen Land inzwischen 14. Es findet auch keine verniinftige Kontrolle iiber das statt, was die Leute gelernt haben. Ich weil? das aus bestimmten Erfahrungsquellen. Meines Erachtens
Einschatzungen des Kooperationsgeschehens und des Marokkotourismus
309
liegen 70 Prozent der Servicedefizite in der Ausbildung. In dieser sollte man halt nicht nur lernen, wie man Teller und Tassen auf den Tisch legt, sondern auch warum man sie so hinlegt." (EX_IK_11,S. 8) Die Fahigkeit, mittels innovativer human resources policies und entsprechender SchulungsmaSnahmen - die im Idealfall internationale Standards mit lokalen Gepflogenheiten in Einklang bringen - Produkte bereitzustellen und Ideen in Dienstleistungen umzusetzen, zahlt zu den zentralen Herausforderungen, denen sich Destinationen und deren touristische Akteure in der heutigen Zeit stellen miissen. Warum sollte sich ein Kunde gegeniiber einer Destination loyal verhalten, wenn die Serviceorientierung kaum internationalen Standards gerecht wird? Erschwerend kommen zudem Faktoren wie eine zunehmende Austauschbarkeit der Produkte, das Sozialprestige immer neuer Reiseziele sowie last but not least ein verstarktes variety seeking hinzu (vgl. DREYER 2004). Einem efFektiven und flexiblen human resource management steht jedoch in Marokko nach wie vor das geltende Arbeitsrecht im Weg: „Das Arbeitsrecht ist sehr stark zugunsten des Arbeitnehmers ausgerichtet, viel starker als in Deutschland. Das ist ein Problem! Ich habe vor zwei Monaten in Agadir mit mehreren Hoteliers gesprochen, die haben mir das auch bestatigt und gesagt: »Es gibt hier gute Hoteliers, und wir nehmen auch gerne Leute, die in Tunesien oder sonst wo auf einer Hotelfachschule waren. Das Problem ist halt, wir werden unsere alten Arbeitnehmer nicht los.« Die tun dann einfach nichts mehr und sitzen den ganzen Tag mit einer nicht sehr positiven Miene rum. Das mochte man ja nicht unbedingt haben, wenn man jetzt zwei Wochen nach Agadir fahrt." (EXJK_05, S. 7) Die marokkanische Hotellerie ist aber nicht nur mit dem Problem konfrontiert, dass man sich von bestimmten Arbeitnehmern aufgrund eines restriktiven Arbeitsrechts schwer trennen kann, sondern sie leidet auch unter dem Phanomen eines brain drains, da junge, ambitionierte Fachkrafte zwecks viel versprechender Karrierechancen haufig ins europaische Ausland abwandern. So hat sich fiir so manchen Marokkaner aus einem zeitlich befristeten Praktikum eine lukrative Daueranstellung in einem europaischen Unternehmen - insbesondere in Frankreich, aber auch in Deutschland und Spanien - ergeben. Selbstredend, dass dieses Arbeitskraiftepotential, das auch auf einschlagige internationale Erfahrungen zuriickgreifen konnte, in Marokko schmerzlich vermisst wird. Derselbe Experte greift eine weitere, nicht weniger heikle Thematik auf: „Da ist zum einen das Grundstiicksrecht; ... und wenn das nicht verandert wird, so dass zumindest in jenen Regionen, die fiir Investoren freigegeben werden, eine Rechtssicherheit hinsichtlich des Grundstiicks gegeben ist, dann wird es schwierig. Wenn sie so ein Projektfinanzierenwollen, und sie legen einen Grundstiickstitel nach islamischem Recht oder Gewohnheitsrecht vor, dann
310
KapitellX
bekommen sie darauf natiirlich von keiner Bank einen Kredit. Das ist die eine Sache. Die andere Sache ist die, dass man die Gebiete auch dementsprechend ersclilief^en muss, weii bestimmte Gebiete halt im Truppeniibungsplatz liegen und nicht erschlossen sind, ... weder Elektrizitat, noch Wasser, noch sonst irgendetwas aufweisen. Da ist es fiir einen Investor natiirUch nicht besonders attraktiv, zu investieren. Das gilt auch hinsichtlich der Preise, wenn man die zum Beispiel mit Agypten oder Tunesien vergleicht, wo auch etwas in Bezug auf die Grundstiickspreise getan wird. Hier, in Marokko, ist man jetzt dutch eine Verordnung einen Schritt vorangekommen, indem man gesagt hat, wenn dementsprechend viele Arbeitsplatze geschafFen werden und moglicherweise noch eine andere Komponente mitspielt, dann werden bis zu 50 Prozent des Grundstiickspreises vom marokkanischen Staat getragen. Aber das ist halt noch nicht genug, weil man auch langfristig daran denken sollte, die Region zu entwickeln, die Infrastruktur zu entwickeln und Arbeitsplatze zu schaffen, ... und das iiber einen langen Zeitraum hinweg. Das ist halt bisher so noch nicht gemacht worden." (EX_IK_05, S. 2 f.) Gerade in touristisch interessanten Gebieten trefFen potentielle Investoren i m m e r wieder auf das Problem, dass sich die Grundstiickssituation auEerst uniibersichtlich gestaltet: Haufig befinden sich besonders attraktive Kiistenabschnitte in der H a n d des Staates, teiWeise sind sie Eig e n t u m religioser Stiftungen, der so genannten Habbous, u n d m i t u n t e r hat sich auch die lokale N o m e n k l a t u r a entsprechende Grundstiicke gesichert - u n d sei es n u r als Bauerwartungsland, das sich eines Tages lukrativ ,versilbern' lasst. Gelegentlich kann der Eigentixmer iiberhaupt nicht festgestellt werden, da eine katastermafiige Erfassung nicht i m m e r liickenlos durchgefiihrt wurde. Selbstredend, dass sich vor diesem H i n t e r g r u n d so manches Genehmigungsverfahren iiber Jahre hinzieht. N u r w e n n die marokkanische Tourismuspolitik die skizzierten Defizite - w e n n schon nicht kurz-, d a n n zumindest mittelfristig - in den GrifF b e k o m m t , kann die Destination international wettbewerbsfahig bleiben. H i n z u k o m m t , dass die Konkurrenz ausgesprochen aktiv ist u n d zwei bislang vergleichsweise u n b e d e u t e n d e Destinationen in raumlicher Nachbarschaft ihre jeweilige touristische Entwicklung forcieren: „Wenn man sich mal die Mittelmeeranrainer ansieht, dann steht Marokko eigentlich hinten an. Wenn man sich mal diese Hotel-Schiene ansieht, dann ist da sehr viel Musik in Agypten und in Tunesien. Algerien und Libyen stehen diesbeziiglich noch ein bisschen aul^en vor, aber insbesondere die Libyer versuchen, das zarte Pflanzchen Tourismus anzuschieben. Marokko ist in dieser Hinsicht schon ein wenig ein kleines Stiefkind. Ich habe, trotz Masterplan, so ein bisschen das Gefiihl, dass da in den letzten Jahren eher wenig passiert ist. (...) So richtig kann ich mir das mit Marokko auch nicht erklaren, aber wenn man auch mal hier in Koln durch die Hohe Stral^e [Kolns wichtigste Fu%angerzone, Anm. d. Verf.] lauft, dann sehen sie viel, viel mehr iiber Tunesien als Reiseziel. Marokko ist da eigentlich eher ein Exot, aber leider nur in dem Sinne, dass es kaum wahrnehmbar ist." (EX_IK_10, S. 8)
Einschatzungen des Kooperationsgeschehens und des Marokkotourismus
311
Auch dieses Zitat macht deutlich, dass Marokko als Destination in der OfFentlichkeit kaum wahrgenommen wird; ein Aspekt, der vor allem die Tourismusverantwortlichen im staatlichen O.N.M.T. nachdenklich stimmen soUte. In einer Diplomarbeit, die in enger Anbindung an vorliegende Studie entstanden ist, wurde explizit darauf hingewiesen, dass Marokko bislang nur unzureichend seine Alleinstellungsmerkmale kommuniziert (vgl. NICKEL 2003). Vor diesem Hintergrund ist eine verstarkte Professionalisierung der Marketingaktivitaten dringend geboten. Es gilt jedoch nicht nur das Marketingprofil zu scharfen, damit die Destination fiir Touristen wieder attraktiver wird, sondern es miissen gleichfalls optimierte Rahmenbedingungen fiir Investoren geschafFen werden, damit ein geschaftliches Engagement nicht langer ein unkalkulierbares Risiko bleibt. In diesem Kontext ist auch dezidiert die marokkanische Administration gefordert, schneller und flexibler auf entsprechende Investitionsabsichten zu reagieren, ansonsten diirfte nachfolgendes Zitat eines leitenden Reprasentanten des staatUchen marokkanischen Fremdenverkehrsamts noch lange Zeit Giiltigkeit besitzen: „Notre probieme a toujours ete un probleme d'investissement au niveau du marche aliemand et la non-implication des tour-operateurs pour notre destination. II n'y a pas eu d'engagement parce que le Maroc n a pas facilite la tache aux investisseurs. Vous savez que depuis tres longtemps I'investissement au Maroc est tres difficile. L'administration y est tres lourde. Beaucoup d'obstacles existent, notamment au niveau foncier, ce qui a toujours ete la bete noire des investisseurs. Ce nest pas facile de trouver un terrain prepare, amenage pour un investissement. C'est ce qui nous manque, mais je pense qu'avec les nouveaux plans d'amenagement, avec le contrat-cadre qui a ete signe au mois de Janvier dernier les choses vont changer. Le terrain va etre amenage et facilite pour les organismes etrangers qui vont investir au Maroc." (EX_IK_08, S. 1) Ein weiteres Problem marokkanischer Tourismusstrukturen stellt eine im stationaren Badetourismus ausgepragte Konzentration auf Agadir dar, die das Konigreich fiir viele Reiseveranstalter zu einer vergleichsv^eise uninteressanten Monodestination macht (vgl. auch Kapitel V.4). Diese Sichtsveise v^ird in der Regel auch von den meisten Vertretern der offiziellen marokkanischen Tourismuspolitik geteilt. Die im Masterplan von Marrakech projektierte Erschliefiung neuer Seebader an der Atlantik- beziehungsweise Mittelmeerkiiste soil dieses Manko beheben. Wie kritisch Agadir als Internationales Reiseziel aus marokkanischer Perspektive gesehen wird, zeigt das nachfolgende Zitat: „Notre probleme est une station balneaire, un mono-produit et nous n'avons pas pu developper autre chose. Le probleme du Maroc est que nous avons une seule station, qui a ete amenagee dans les annees soixante, et apres rien n'a ete fait. (...) Un point que je voulais soulever tout a I'heure est le taux de retour au Maroc. Un client, qui va en Espagne, sur la Costa Blanca, il va sur la Costa del Sol et ailleurs. Quand il va aux Canaries, il va a Las Palmas, a Teneriffe et ailleurs. Quand il va au Maroc, il va a Agadir. Nous n'avons rien d'autre a lui offirir pour revenir. Un client qui va a Agadir, il va peut-etre revenir une fois, mais il ne va pas revenir une troisieme fois, sauf s'il revient pour faire les villes imperiales ou un circuit. La personne qui va en Turquie a Antalya, a le choix entre
312
KapitellX
cinq ou six stations. Elle a ete a Agadir, cela ne lui rapporte rien de plus de revenir plusieurs fois. Pour le meme prix, elle peut aller ailleurs. Si demain nous avons cinq ou six produits a vendre, cinq ou six destinations differentes, commercialisees difFeremment avec des labels et des cachets differents, je suis siir et certain que nous pourrons augmenter le taux des touristes allemands au Maroc. (...) De plus, Agadir est une ville avant d'etre une station balneaire. C'est une ville avec une economie, une Industrie qui quelquefois pose des problemes de pollution, de saturation. II faut eviter de construire des hotels dans des villes et le probleme se pose a Agadir. II existe des problemes de circulation. C'est une ville avec des hotels et non une station balneaire. Les nouvelles regions touristiques, que Ton va developper, vont etre en dehors des villes. De ce fait, il s'agira de vraies stations balneaires, qui ne seront pas loin des villes. Une station comme El Haouzia ne sera qu'a quelques kilometres de Casablanca. Nous creons des stations balneaires qui ne sont pas loin des grands centres urbains et les gens peuvent y aller." (EX_IK_08, S. 9) Es ehrt den entsprechenden Gesprachspartner, dass er derart ofFen die Probleme des Seebads Agadir anspricht. In diesem Z u s a m m e n h a n g bedauert er auch dessen nach v^ie vor starke A b hangigkeit vom deutschen Markt, die m a n zumindest mittelfristig abschw^achen m o c h t e . So hat m a n in den letzten Jahren verstarkt versucht, das Klientel Agadirs zu diversifizieren, wobei m a n in diesem Kontext insbesondere den franzosischen M a r k t anvisiert. Problematisch ist nicht zuletzt der U m s t a n d , dass Infrastruktur u n d A m b i e n t e dieses fiihrenden marokkanischen Seebads in Fachkreisen als k a u m m e h r zeitgemaE gelten. So erinnert die Stadt, die nach ihrer Zerstorung d u t c h ein Erdbeben im Jaht 1960 konsequent in A n l e h n u n g an die stadtebaulichen Ideale der C h a t t a von Athen w^ieder aufgebaut w u t d e , ehet an eine Ttabantensiedlung a la Gtopiusstadt odet Matne-la-Vallee. Postmoderne Atchitektut, die vielfach mittels toutistischet Bauten ihten intetnationalen D u r c h b r u c h etlebt hat, ist in Agadir nach wie vor eine Seltenheit. Bevor im folgenden Kapitel der Masterplan von Marrakech aus Expertensicht erortert v^ird, sei abschlief?end noch das Zitat eines marokkanischen Gesprachspartners angefiihrt. Dieses gew^ahrt nicht nur eine ausgesprochen interessante Perspektive auf die Defizite marokkanischer Tourismusstrukturen, sondern n i m m t auch dezidiert die deutschen Reiseveranstalter in die
Pflicht: „On constate une pression terrible des tour-operateurs allemands pour faire toujours baisser les prix. Je ne comprends pas du tout cette pression. Au meme moment ou on fait pression pour baisser les prix, on constate la meme pression pour ameliorer la qualite de service. Or c'est quelque chose qui ne peut pas fonctionner. (...) On ne peut pas demander a un promoteur marocain, qui a investi dans un hotel, de vendre toujours moins cher. II existe par exemple un tour-operateur dont je ne citerai pas le nom, qui decide cette annee de diminuer ses tarifs de 20 pour-cent en sachant, que, pour I'hotelier, ce tour operateur represente 30 a 40 pour-cent de son chiffre d'affaires. II va forcement accepter et baisser sa qualite de service. II ne pourra pas s'en sortir. Bien siir, sa qualite va baisser, il va avoir des reclamations et cet hotel ne sera plus demande. II ne va pas pouvoir entretenir I'hotel. (...) II faut etre realiste. Ce que Ton peut faire contre cela, c'est amener les gens
Einschatzungen des Kooperationsgeschehens und des Marokkotourismus
313
a investir eux-memes, avec la collaboration ou la participation marocaine pour qu'ils puissent apporter leur savoir-faire et peut etre mieux geres. Ceci est possible, et le prix de revient inferieur permettrait de proposer des prix exceptionnels." (EX_IK_06, S. 6 f.) Wie kaum eine zweite Branche verkorpert der Tourismus seit Jahrzehnten jenen markigen Werbespruch „Geiz ist geil!", der durch eine fiihrende deutsche Einzelhandelskette inzwischen Kultstatus erlangt hat. Die entsprechetiden Implikationen fiir die touristischen Akteure eines Entwicklungslands spiegeln sich geradezu paradigmatisch im oben angefiihrten Zitat wider; ein Aspekt, den man durchaus einmal im Lichte des Beschwerdemanagements betrachten soUte, denn schliefilich hat Qualitat ihren Preis.
IX.5
Grofier Wurfoder
alles nur Papier? - D e r Masterplan von Marrakech
Die Geschichte lehrt uns, dass so manche Reform nicht darin bestand, etwas Neues zu tun, sondern etwas Altes abzuschafFen. Nicht vie! anders verhalt es sich mit jenem bereits mehrfach erwahnten Masterplan von Marrakech, dessen vorrangige Ziele in Kapitel V.4 vorgestellt warden. So zeichnet sich der Masterplan von Marrakech weder durch eine besondere Originalitat - geschweige denn durch eine visionare Strahlkraft - aus, noch sind in diesem Dokument spektakulare Innovationen zu entdecken. Uber diesen Umstand konnen auch die zahlreichen pathetischen Aufierungen nicht hinwegtauschen, die dieses Reformwerk seit seiner Verabschiedung im Januar 2001 begleiten. Letztendlich verkorpert der Masterplan von Marrakech in vielerlei Hinsicht nichts anderes als eine konsequente Ausrichtung der marokkanischen Tourismuspolitik auf die Interessen auslandischer Investoren. In diesem Kontext folgt Marokko - mit einer gewissen zeitlichen Verzogerung - zahlreichen anderen Entwicklungslandern, die sich diesem Trend bereits wesentlich friiher verschrieben haben. Wer die komplexen Spezifika marokkanischer Tourismusstrukturen kennt, weifi, dass die anvisierten Reformen vor allem einer nachhaltigen Verbesserung der administrativen Strukturen bediirfen, die fiir das Investitionsklima im Lande bislang eher hemmend als fordernd waren. Gleichwohl ist aber auch die zunehmende Relevanz von vergleichsweise ,weichen' Standortfaktoren erkannt worden, die im internationalen Wettbewerb einen immer wichtigeren Stellenwert einnehmen. Man denke in diesem Zusammenhang vor allem an die anvisierte Professionalisierung der touristischen Ausbildungsgange, um die Serviceorientierung des Nachwuchses zu optimieren. Auf welche Resonanz der Masterplan von Marrakech bei den befragten Experten st66t, soUen die nachfolgenden Ausfiihrungen transparent machen. Um den oben erwahnten Pathos aufzugreifen, der den Masterplan von Marrakech begleitet, sei zu Beginn ein Zitat angefiihrt, das diesen trefflich widerspiegelt. Gleichfalls macht das Zitat deutlich, mit welchem Optimismus so mancher touristische Akteur in Marokko dieses Dokument betrachtet:
314
KapitellX
„On croit en notre roi et en notre pays. On croit a notre produit et je pense que cela se voit. Quand vous parlez a des Marocains aujourd'hui, 'As sont tous tres dynamiques, chose qui avant n'existait pas trop. De toute maniere le developpement du tourisme marocain est tres bien defini dans cette etude. Je pense que le nombre et la qualite des personnes, qui ont travaille sur ce contrat-programme, est vraiment la meilleure assurance qu'on puisse donner au Maroc touristique de demain. On croit au tourisme. On croit au developpement economique du Maroc, qui ne se fera pas sans le tourisme. Cela va toucher non seulement le tourisme et les gens qui travaillent dans ce secteur, mais aussi routes les autres activites." (EX_IK_06, S. 7 f.) Fiir einen Mitteleuropaer mogen diese pathetischen Worte befremdlich klingen, betonen sie doch unmissverstandlich einen ausgepragten Glauben an einen ,Fuhrer' - in diesem Fall an den marokkanischen Konig Muhammad VI. - und an das ,Vaterland'. Gerade fiir uns Deutsche sind einschlagige BegrifFe aufgrund unserer Geschichte negativ, zumindest jedoch ambivalent etikettiert. Um eine erleichterte Kontextualisierung zu ermoglichen, miissen an dieser Stelle einige wichtige Anmerkungen gemacht werden: Der entsprechende marokkanische Experte ist weder ein ausgesprochener Patriot, noch ein Nationalist, vielmehr manifestiert sich in diesem Zitat ein Ausschnitt jener HofFnungen, die den Amtswechsel von Hassan IL zu Muhammad VI. begleitet haben. HofFnungen beziehungsweise Erwartungen, die mit einer neuen Regierung respektive mit einem Amtsv^echsel einhergehen, sind nichts ungewohnliches, sondern vielmehr Ausdruck eines staatsbiirgerlichen und demokratischen Selbstverstandnisses. Dessen ungeachtet nimmt der marokkanische Konig als w^eltlicher und geistlicher Fiihrer des Landes eine wesentlich bedeutendere Stellung ein als vergleichbare Staatsoberhaupter v^estlicher Regierungssysteme (vgl. FAATH 1987). Die entsprechende Legitimitat ist primar religios begriindet, gibt doch die derzeitige Dynastie der Alaouiten - wie so viele andere Herrscherhauser in der arabischen Welt - vor, ihren Stammbaum bis zum Propheten Muhammad zuriickverfolgen zu konnen. Auftritte des Konigs, wie jener auf der nationalen Tourismuskonferenz vom 10. Januar 2001 in Marrakech, auf welcher der Masterplan verabschiedet wurde, konnen nicht nur als ausgesprochene Wertschatzung der jeweiligen Veranstaltung und ihrer Organisatoren bev^ertet werden, sondern sie gelten vielfach auch als Garant, dass sich der Konig einem bestimmten Anliegen oder Ziel verschrieben hat. Nur wer um die traditionell aufiergewohnliche Machtfiille des marokkanischen Konigs und seines makhzens weifi, vermag in etwa einzuschatzen, wie wichtig es fiir die Urheber des Masterplans von Marrakech war, Muhammad VI. respektive die politisch-administrative Nomenklatura fiir dieses grandprojet zu gewinnen. So konstatiert ein hochrangiger marokkanischer Ministerialbeamter: „Cela a ete un grand jour parce que c'est le jour oil le tourisme a enfin ete reconnu comme un veritable secteur economique majeur. On le disait autrefois, mais le 10 Janvier, c'est la premiere autorite de ce pays qui est venu le dire. C'est le roi qui est venu a Marrakech, qui a fait un discours pour dire qu'il voulait que le secteur du tourisme devienne une locomotive du developpement economique de ce pays." (EX_IK_07, S. 3)
Einschatzungen des Kooperationsgeschehens u n d des M a r o k k o t o u r i s m u s
315
Dass die in den strategischen Richdinien des Masterplans projektierten Ziele u n d Reformen in die richtige R i c h t u n g gehen u n d dass ein entsprechender Reformwille im Land v o r h a n d e n ist, wird auch von deutschen Experten gewiirdigt, d e n n o c h iiberwiegen skeptische T o n e : „Die Ziele sind natiiriich sehr attraktiv, das sind ganz tolie Vorgaben, und ich will den Beteiligten auch nicht den entsprechenden Willen absprechen, aber ich sehe das Ganze als nicht sehr realistisch an. (...) Ich kann mir einfach nicht erklaren, wie man auf zehn Millionen Gaste kommen mochte. Das sehe ich weder anhand der Statistiken auf uns zukommen, noch zeichnen sich konkret irgendwelche Investitionsprojekte ab. Ich sehe das einfach nicht!" (EX_IK_05, S. 5) Auf deutscher Seite sind es vor allem die ambitionierten Zielvorgaben, die m i t Skepsis, teilweise auch m i t Spott bedacht werden, wie die zwei nachfolgenden Zitate zeigen: „Die Millionen von Touristen, die da kommen sollen, muss man von der Milchstraf^e importieren oder moglicherweise doch klonen. In dieser Dimension halte ich das fiir vollig unrealistisch. Das ist eigentlich schade! Warum? Wenn man so ein Projekt auf solche Zahlen und derart ambitionierte Ziele auslegt, dann ist es schon gescheitert, bevor es iiberhaupt losgegangen ist. Wenn ich jetzt zu meiner Frau sage, dass ich bis Ende Februar zehn Kilo abnehmen will, dann ist das vollig unrealistisch. Dann sagt sie: »Sollen wir nicht vielleicht besser sagen bis Ende Februar 2003? Das ist realistischer!« [Das Interview fand im Januar 2002 statt, Anm. d. Verf ] Es ist gut, dass dieser Masterplan ex cathedra verabschiedet wurde. Zudem erhoffen sich viele Unternehmer eine Verkiirzung der Entscheidungswege, ... dass dann auch nicht mehr alles dem Konig vorgetragen werden muss. Uber die Dimension dieses Plans bin ich aber - gerade vor dem Hintergrund des 11. Septembers - total erstaunt, selbst wenn er vorher verabschiedet wurde. So verzeichnen Agypten und Israel einen enormen Touristenschwund, der auch noch das ganze Jahr anhalten soil, und dann kommt ein Land daher, das so viele Touristen wie diese Lander anvisieren mochte. Das ist einfach unrealistisch!" (EX_IK_10, S. 8) „Wenn ich die Zeitung aufschlage, dann sehe ich, dass es einen 10-Jahres-Plan [alternative Bezeichnung fiir den Masterplan von Marrakech, Anm. d. Verf] - ein contrat-programme - gibt, den man schon lange unterzeichnen wollte, was aber erst vor kurzem geschehen ist, ... aus verschiedenen Griinden. Auch das bestatigt mich wieder in meiner Auffassung, dass ich sage: »Die Leute sind sich nicht einig, sie sind sich nicht schlussig.« Wenn man sich zudem die Zahlen anschaut, und wenn man sieht, was in der Vergangenheit gelaufen ist, dann muss man sagen, dass das ein sehr ambitionierter Plan ist, um nicht zu sagen vielleicht iiberambitioniert. Bose Zungen behaupten irreal, also, dass er unrealistisch ist." (EXJK_01,S.3) H a l t e n wir zunachst einmal ein paar wichtige Aspekte fest: N a c h Jahren einer ausgepragten Lethargie der marokkanischen Tourismuspolitik wird die Verabschiedung des Masterplans von
316
KapitellX
Marrakech sowohl von marokkanischen als auch von deutschen Experten grundsatzlich begruf?t, wobei vor allem Letztere die Befurchtung hegen, das Dokument lasse sich aufgrund seiner ambitionierten Ziele nur schwierig realisieren. Es gilt jedoch in diesem Kontext anzumerken, dass sich die kritischen Aussagen primar auf die anvisierten quantitativen KennzifFern beziehen und nicht auf die Reformen an sich. Die marokkanische Seite hebt vor allem das involvement des Konigs hervor, von dem man sich einen wichtigen Impetus bei der konkreten Umsetzung des Reformplans erhofFt. Fakt ist, dass der Masterplan von Marrakech dem Tourismus eine Schliisselposition bei der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes einraumt und dass die mit ihm verkniipften Reformen und Ziele diese Bedeutungszuweisung nachhaltig unterstiitzen sollen. Skeptische oder zumindest nachdenkliche Auf?erungen findet man auf beiden Seiten der befragten Experten und liegen nicht zuletzt darin begriindet, dass bereits so manche Wirtschaftsreform im Konigreich gescheitert ist. In diesem Kontext darf man allerdings auch nicht vergessen, dass sich der autoritare Charakter des politischen Regimes in Marokko nach wie vor mit einem weitgehend etatistischen Wirtschaftssystem verbindet, das bislang allenfalls in Ansatzen liberalisiert wurde. Haufig stocken entsprechende Reformen vor allem deshalb, da eine Veranderung des Wirtschaftsetatismus gleichzeitig ein Aufbrechen des damit verbundenen Klientelsystems nach sich ziehen wiirde (vgl. SCHLOTTER 1999). Der gute Wille und die honorigen Absichten der Urheber des Masterplans von Marrakech werden von den Experten im Allgemeinen anerkannt, wobei sich moglicherweise die marokkanischen Verwaltungsstrukturen, deren Ebenen kaum miteinander vernetzt sind, bei dessen konkreter Umsetzung als ein limitierender Faktor erweisen konnten (vgl. auch Kapitel IX.4). So konstatiert ein hochrangiger Vertreter deutscher Wirtschaftsinteressen im Konigreich, der seit etlichen Jahren die vielfaltigen Reformbemiihungen der marokkanischen Regierung begleitet: „Es passt in den Rahmen, den ich vorhin genannt habe: Man hat groEe Visionen, man hat grol^e Plane, der gute Wille ist durchaus vorhanden, und wenn der Konig etwas fordert, dann hat das Prioritat und wird in der Regel auch mit mehr Engagement umgesetzt. Das heiEt aber nicht, dass es auch am Ende so ausgeht, wie man sich das am Anfang vorgestellt hat. Samtlichen Planen, samdichen Visionen aller Art wiirde ich mit Vorsicht begegnen. (...) Das kommt von oben nach unten, und bis es dann unten angekommen ist, ist es so abgelaufen, dass auch das Wort des Konigs nicht mehr viel niitzt. Das sind Anstof^e! Alles andere wird dann stehen und liegen gelassen, es wird dann auch konkret etwas gemacht, aber Stetigkeit der Arbeit, standig hohes Niveau der Arbeitsleistung sowie Qualitatskontrolle sind - und da kommen wir wieder in den Bereich der Kultur - problematisch." (EX_IK_04, S. 7) Auch auf marokkanischer Seite werden die Defizite der derzeitigen administrativen Strukturen als mogliches Hindernis bei der konkreten Umsetzung des Masterplans von Marrakech angesehen:
Einschatzungen des Kooperationsgeschehens und des Marokkotourismus
317
„Unsere Administration hat ja ein Problem. Die meisten Investitionen stolpern iiber die Dinge, die ich jetzt erwahnen werde: Man hat haufig mit Leuten zu tun, die iiberhaupt keine Verantwortung iibernehmen konnen, diirfen und wollen. Ein Biiro schickt sie zum anderen. Und das ist auch die Schwierigkeit beim lO-Jahres-Plan. Alle sind sich dariiber einig, aber dazu muss - wie bei einem Puzzle - ein Stiick zum anderen passen." (EX_IK_02, S. 3) Im Verlauf des Gesprachs kommt dieser Experte - der seit Jahren von einschlagigen deutschen Institutionen der AuSenwirtschaftsforderung in tourismusspezifischen Angelegenheiten konsultiert wird - aber letztendlich doch zu einem positiven Resiimee, was die Umsetzung des Masterplans von Marrakech betrifft. Ironie des Schicksals: In diesem Fall erweisen sich gerade die haufig als zu hierarchisch empfiindenen Verwaltungsstrukturen der Monarchie als ein Vorteil, den der Konig und sein makhzen instrumentalisieren und fur eine entsprechende Reformpolitik in Wert setzen konnten: „Die Zahlen sind einfach zu hoch, aber die Umsetzung [des Masterplans von Marrakech, Anm. d. Verf.], die Zeit benotigt, wird kommen. Warum? Weil das nicht zuletzt eine Idee des Konigs ist, und er wird irgendwann mal anordnen: »Wie weit seid Ihr mit diesem Plan? Noch nicht soweit, woran liegt das?« Dann wird er wieder Druck machen und schlieElich wird er - Inschallah - umgesetzt werden. Verstehen Sie? So lauft alles bei uns." (EXJK_02,S. 15) Einen Aspekt darf man im Kontext der projektierten Reformen und der anvisierten Ziele keinesfalls aufier Acht lassen: Ob das Reformpaket letztendlich zum Erfolg wird, hangt nicht nur von endogenen, sondern auch von exogenen Faktoren ab. In diesem Zusammenhang konstatiert ein hochrangiger marokkanischer Tourismuslobbyist: „I1 est vrai que dans ce secteur, il y a des previsions et les realisations obeissent a une multitude de parametres. Mais la volonte politique est la. La volonte politique soutient ce projet ambitieux. Au plus haut niveau de notre gouvernement, il est clair que ce contrat-programme constitue pour nous un defi a relever. Est-ce que 9a va etre une parfaite reussite ou un echec? C'est probablement plus les facteurs exterieurs qui risqueraient de perturber notre ambition. Au niveau des instances gouvernementales, je crois qu'il 7 a unanimite pour faire de ce secteur une locomotive de developpement economique. Les facteurs exogenes sont ce qu'ils sont, malheureusement, on ne les maitrise pas." (EX_IK_03, S. 5) Um welche exogenen Faktoren konnte es sich handeln? Geradezu paradigmatisch fiel in diesem Kontext immer wieder das Schlagwort 11. September, das inzwischen weltweit als Synonym fiir islamistischen Terror gebraucht und mitunter missbraucht wird. Fakt ist, dass Marokko nach diesem terroristischen Anschlag einen empfindlichen Riickgang auslandischer Besucherzahlen erlebt hat, dessen Implikationen nach wie vor zu spiiren sind. Hinzu kommt, dass es zahlreiche
318
KapitellX
Folgeanschlage - m a n denke beispielsweise an Djerba, Kenia, Bali, Casablanca u n d M a d r i d gab, die das Bediirfnis, in arabische Lander zu reisen, nicht gerade befliigelt haben. Letztendlich bleibt hinsichdich dieser Problematik, wie auch das nachfolgende Zitat eines marokkanischen Experten d e u d i c h macht, n u r das Prinzip HofFnung: „Vous savez il faut etre tres optimiste! Nous avons actuellement 100 000 ou 95 000 lits, ceia depend des statistiques, mais nous avons, rout en restaur optimisres, 70 000 lirs qui sont commercialises a I'erranger. lis sonr vendables a I'erranger par ies rour-operareurs, qui sonr acceptes par la clientele. On parle de doubler voire tripler la capacite en dix ans et c'est faisable. II suffit d'avoir Ies terrains prets et des investisseurs. Je pense, en route honnetete, que si, en I'an 2010, on arrive a avoir 80 pour-cent de ce qui est prevu, ce sera un excellent resultat. On aura fait un tres grand pas en avant. 100 pour-cent serait I'ideal, mais avec la situation du monde actuel, la situation economique, ies problemes que nous avons, tout ceci a ete fait avant le 11 septembre et maintenant cette date, qui a marque un frein pour I'ensemble des investissements touristiques dans le monde, existe. Les gens qui sont engages, restent engages, mais des grandes societes qui avaient des previsions et des projets sont en train d'attendre un peu pour voir comment cela va evoluer. Mais j'espere que cette crise va se terminer dans quelques semaines ou dans quelques mois et qu'on va reprendre le travail. Mais disons que le Maroc, malgre tout, n'a pas arrete, les projets et les etudes continuent. Comme je I'ai dit auparavant, si nous arrivons a realiser 80 pour-cent de nos previsions, ce sera un excellent resultat." (EX_IK_08, S. 2) Hinsichtlich der Implikationen des 1 1 . Septembers waren die Aussagen dieses Interviewten zu optimistisch. W i e viele andere Experten ging der entsprechende Gesprachspartner davon aus, dass eine durch diesen Terroranschlag implizierte Krise nach ein paar M o n a t e n abklingen wiirde. H e u t e wissen wir, dass sich diese HofFnungen n u r partiell erfiillt haben. Erschwerend k o m m t hinzu, dass in zahlreichen Landern, die als traditionelle Quellmarkte fiir den marokkanischen Incoming-Tourismus fungieren, die wirtschaftliche Situation angespannt ist; ein U m stand, der sich auch dezidiert in stagnierenden beziehungsweise riicklaufigen Reiseaktivitaten widerspiegelt. Vor d e m H i n t e r g r u n d der skizzierten endogenen u n d exogenen Faktoren bleibt es auEerst u n gev^iss, ob sich die ehrgeizigen Ziele des Masterplans von Marrakech bis zum Jahr 2 0 1 0 verwirklichen lassen. Erst ein grofierer zeitlicher Abstand wird diesbeziiglich eine befriedigende A n t w o r t liefern k o n n e n . Z u d e m stellt sich die Frage, ob das Reformwerk nicht allzu einseitig auf statistische Kennziffern fixiert ist, die sich mit der heutigen Realitat nicht m e h r in Einklang bringen lassen. In diese Richtung argumentiert auch der folgende Experte: „Fur mich ist die Zahl - ob das jetzt zehn, fiinf, sechs oder acht Millionen Touristen sind, die unset Land besuchen sollen - nicht so entscheidend. Meiner Meinung nach ist das Wichtigste, dass man nicht den Massen-, sondern den Qualitatstourismus anvisieren sollte, ... einen Touris-
Einschatzungen des Kooperationsgeschehens und des Marokkotourismus
319
mus, der vielleicht weniger Touristen, aber dafiir mehr Geld bringt, sprich einen hochkaratigen Tourismus." (EX_IK_11,S.3) „Qualitat anstatt Quantitatl", „Klasse anstatt Masse!" - Das Credo eines nachhaltigen Qualitatstourismus empfiehlt sich moglicherweise als realistische Perspektive, die vor allzu iiberzogenen Erwartungen schiitzt.
IX.6
Aus erster Hand (II) ~ Empfehlungen und Perspektiven im Kontext des aktuellen Marokkotourismus
So komplex sich die derzeitigen Defizite marokkanischer Tourismusstrukturen gestalten (vgl. Kapitel IX.4), so vieifaltig sind auch die von Expertenseite artikuiierten Empfehlungen und Perspektiven hinsichdich des aktuellen Marokkotourismus. Keiner der befragten Experten lief? es sich nehmen, im Verlauf des jev^eiligen Gesprachs entsprechende Empfehlungen auszusprechen oder einen Blick in die Zukunft zu richten. Wie die nachfolgenden Ausfuhrungen zeigen werden, decken die Empfehlungen ein ausgesprochen heterogenes Spektrum ab, das von der marokkanischen Tourismuspolitik bis hin zu Aspekten der interkulturellen Zusammenarbeit reicht. Den Reigen in diesem Kapitel eroffnet ein Experte, der zur jiingeren Generation gut ausgebildeter marokkanischer Akademiker gehort, die in den letzen Jahren unter Muhammad VI. im Beamtenapparat des Konigreichs Karriere machen konnten. Aufgrund seiner progressiven Ansichten zahlt dieser Gesprachspartner gerade aus westlicher Perspektive zu jenen Hoffnungstragern, die den anstehenden Reformen auf administrativer Ebene den Weg offnen konnten. Vor dem Hintergrund der enormen Herausforderungen, denen sich die derzeitige marokkanische Tourismuspolitik stellen muss, sinniert der hochrangige Beamte: „Ich glaube, eine Losung basiert zunachst auf einem politischen Willen. Wenn man einen Willen hat, kann man auch etwas erreichen. Das ist die erste Bedingung. Die zweite Bedingung ist, fiir mich personlich, die Dezentralisierung, die auf jeden Fall sehr wichtig ist. Wenn die Entscheidungen an jenen Orten getroffen werden, an denen die Probleme bestehen, dann kann man diese auch sehr schnell losen. Wenn man allerdings warren muss, bis im Ministerium in Rabat eine Entscheidung fallt, dann ist das keine gute Losung. In diese Richtung haben wir schon einen wichtigen Schritt gemacht, und ich bin sicher, dass weitere Schritte folgen werden. Ein dritter Punkt, der mir wichtig erscheint, ist, dass man so viel Verwaltung wie moglich privatisieren soUte. Alles, was in irgendeiner Form mit dem privaten Sektor zu tun hat, miisste privatisiert werden. Man muss aus dieser Beamtenwelt, aus dieser Beamtentragheit heraus. Man muss effizienter arbeiten! (...) Es gilt, die Privatisierung zu forcieren, wobei es sich hierbei nur um ein Mittel und nicht um
320
Kapitel IX
ein Ziel handeln kann. Das Fremdenverkehrsamt muss gezielter, effizienter und mit modernen Mitteln arbeiten. Das ist das Ziel!" (EX_IK_11,S. 11) Im Verlauf seiner weiteren Ausfuhrungen greift der Experte noch einmal die aus seiner Sicht unzureichende Promotion des marokkanischen Fremdenverkehrsamts auf. Dabei geht es ihm nicht nur urn eine verstarkte Professionalisierung der Marketingaktivitaten, sondern auch um eine verstarkte Integration der regionalen Tourismusverbande, deren Anliegen er bislang nicht ausreichend beriicksichtigt sieht. Zu den weiteren Forderungen dieses Gesprachspartners zahlen eine grundiegende Verwaltungsreform und ein forcierter Biirokratieabbau. In diesem Kontext geht er auch dezidiert auf das Tourismusministerium ein, das eine vergleichsweise wechselvolle Vergangenheit aufweist: zum einen als selbstandiges, vergleichsweise einflussreiches Ministerium, zum anderen als bloEer Appendix anderer Ministerien: „Meiner Meinung nach braucht man gar kein Tourismusministerium. Ich finde, das Tourismusministerium ist eine vergleichsweise grof^e Institution und zudem gibt es noch das O.N.M.T. [Office National Marocain du Tourisme, Anm. d. Verf.]. Worin besteht letztendlich die Rentabilitat, wenn man die Kosten des entsprechenden Ministeriums und seiner Beam ten einkalkuliert? (...) Es gibt Ministerien in Marokko, die iiberhaupt keine Existenzberechtigung besitzen. Wir haben beispielsweise ein Ministerium fiir Ausbildung, das sich um alle Bereiche kiimmert: Industrie, Service und so weiter. Das Tourismusministerium hat jetzt auch noch eine Abteilung fiir Ausbildung, die direkt die entsprechenden touristischen Ausbildungsstatten, enva die Hochschule von Tanger, verwaltet. Wozu? Das konnte man doch dem Ministerium fiir Ausbildung angliedern. (...) Ich denke, es bringt iiberhaupt nichts, eine Biirokratie zu griinden, nur um einen Sektor zu entwickeln. Wenn Sie meine Meinung horen wollen, dann braucht man kein Tourismusministerium. Man braucht vielmehr einen effizienten Stab von einigen wenigen Leuten, die ihren Job gut machen." (EX_IK_11,S. 8ff.) Fast mochte man meinen, hier spricht ein Consultant einer internationalen Unternehmensberatung. Weit gefehlt, es handelt sich, wie bereits erwahnt, um einen offiziellen Reprasentanten jener administrativen Strukturen Marokkos, denen der besagte Experte ausgesprochen kritisch gegeniibersteht. Auch wenn der entsprechende Beamte bis dato noch eine Ausnahmeerscheinung innerhalb der marokkanischen Administration verkorpert, so zeigen die Ausfiihrungen eindringlich, dass innerhalb des Systems neue und unkonventionelle Ideen Einzug gehalten haben. Der Erfolg jeglicher Reformen wird nicht zuletzt davon abhangen, inwieweit es den jungen Reformkraften gelingt, sich innerhalb dieses Systems durchzusetzen. Die Kritik an den marokkanischen Verwaltungsstrukturen zieht sich wie ein roter Faden durch die gefiihrten Expertengesprache. Dabei mangelt es nach Ansicht der meisten Experten haufig nicht an guten Konzepten, sondern an deren administrativen Umsetzung, da die einzelnen Verwaltungsebenen kaum miteinander vernetzt sind und dieser Umstand einschlagige Kom-
Einschatzungen des Kooperationsgeschehens und des Marokkotourismus
321
munikationsdefizite evoziert. SoUte es gelingen, dieses Handicap - zumindest mittelfristig - abzubauen, so liefie sich der Reformprozess nachhaltig beschieunigen. Der politische Wilie zu Reformen ist ofFensichdich vorhanden, hinzu kommt, dass der Tourismus - im Vergleich zu anderen Branchen und unter der Pramisse einer mogiichst ziigigen Umsetzung der anvisierten Reformen - auch zukiinftig ein nicht zu unterschatzendes Entwicklungspotential aufweist: „Da mag ein Land nocli so schon sein und noch so viei Potential bieten, wenn es nicht in der Lage ist, auf der Verwaltungsebene diese Konzepte - ungeachtet des poiitischen Willens, der ja besteht - ziigig umzusetzen, dann ist es fiinf vor zwolf. Es gibt Konzepte, es gibt in der oberen Verwaltungsebene sicher auch Strukturen, die norwendig sind, um einen entsprechenden Konsens zu schafFen, nur wo es fehlt, ist auf der unteren Verwaltungsebene, an der Umsetzung vor Ort. (...) Der Tourismus ist sicherlich der Bereich, der ein grofies Potential hat und der hier mit Sicherheit mit am schnellsten zu entwickeln ware; ... wenn man sich einig ist! Da bin ich mir ganz sicher, weil da weltweit geniigend Erfahrung besteht und weil man viele Konzepte doch schon mehr oder weniger iibertragen kann;... wenn auf der anderen Seite auch ein Wille da ist, das so mitzutragen. Insofern ist es schon ein sehr interessanter Bereich, nicht? Alle anderen Bereiche werden zukiinftig unter dem Freihandelsabkommen leiden,... alle Produktionen, intensive Produktionen. Da muss man sich dann [als Unternehmer, Anm. d. Verf ] fragen: »Warum produziere ich hier, wenn ich doch sowieso bald zoUfrei einfiihren kann? Dann kann ich auch woanders produzieren und bringe die Ware hierher!« Das gilt nicht fiir den Tourismus, da muss ich wirklich vor Ort sein. Insofern ist es nach wie vor ein interessanter, ein enrwicklungsfahiger Bereich, nur die Konkurrenz schlaft nicht. Eines ist klar: Es ist ein Bereich, der viel zu wenig entwickelt ist, der viel zu teuer ist und in dem noch zu wenige Leute wirklich gezielt zusammenarbeiten, um ein Konzept durchzusetzen." (EX_IK_01,S.9f.) Es sind nicht nur die Verwaltungsstrukturen, die aus Expertenperspektive dringender Reformen bediirfen, um die okonomische Entwicklung des Landes voranzutreiben. Das Konigreich muss grundsatzlich w^ieder interessanter fiir ein Engagement auslandischer Unternehmen werden. In diesem Kontext kommt vor allem einer forcierten Privatisierungspolitik eine zentrale RoUe zu. Ohne eine konsequente Privatisierung bieten sich kaum Moglichkeiten, privates Investitionskapital aus dem Ausland anzuziehen, da sich Direktinvestitionen immer v^eniger in der Form voUziehen, dass auslandische Unternehmen voUig neue Betriebe errichten. Vielmehr zeichnen sich Direktinvestitionen in der heutigen Zeit dadurch aus, dass auslandische Unternehmen Anteile an bereits bestehenden Betrieben erwerben, diese modernisieren, erweitern und schliefilich in globale Netzv^erke integrieren. Ein ausgezeichnetes Beispiel fiir diese Entwicklung ist die Ubernahme der einst von der staatlichen marokkanischen Eisenbahngesellschaft betriebenen Moussafir-Ktttc dutch den franzosischen Grofikonzern Accor. Gerade in Landern wie Marokko, in denen die organisierten Kapitalmarkte noch weitgehend unterentwickelt sind und sich die meisten Unternehmen in geschlossenem Familienbesitz befinden, ist es relativ aufwendig und difKzil, geeignete Investitionsobjekte und Kandidaten fur Gemeinschaftsunternehmen zu finden (vgl. NIENHAUS 1999).
322
Kapitel IX
Marokko hat Reiseveranstaltern, die als potentielle Investoren in Frage gekommen waren, liber Jahrzehnte hinweg - nicht zuletzt im Vergleich mit anderen nordafrikanischen Konkurrenzdestinationen - nur unzureichende Rahmenbedingungen geboten. Ein deutscher Experte bemerkt in diesem Zusammenhang: „Fur Unternehmer miissten die rechdichen Rahmenbedingungen, die Investitionsbedingungen und die Kostenfaktoren - also Grundstiickspreise, Erschliefiung und solche Geschichten - verandert werden. Umwek ist vielleicht auch ein Aspekt fiir Unternehmer, ... dass eine gewisse Sauberkeit sichtbar wird. Sie haben das in Agadir wahrscheinlich auch gesehen: Wenn sie vom Flughafen ins Zentrum fahren, dann haben sie hnks und rechts iiberall die Plastiktiiten, und sie fahren direkt an den Wellblechhiitten vorbei, was sie in Tunesien und Agypten in dieser Form nicht haben. Da sind natiirlich die kommunalen Behorden gefragt, da ist das Umweltministerium gefragt, da ist die Region gefragt, da muss man hak ganz klar Akzente setzen und die wurden bisher nicht gesetzt." (EX_IK_05, S. 6) Mag der Umweltaspekt zunachst ein wenig weit hergeholt erscheinen, so ist er meines Erachtens gerade im Kontext von touristischen Unternehmen mehr als nur ein ausschliefilich ,weicher' Faktor, da man bereits seit etlichen Jahren seitens der Kunden eine verstarkte SensibiUtat fur diese Thematik konstatieren kann. Wie bereits in Kapitel IX,4 deutlich wurde, handelt es sich um ein ausgesprochen komplexes Biindel an Faktoren, das bislang ein verstarktes Engagement auslandischer Akteure im Marokkotourismus erschwert, gelegentlich sogar verhindert hat. Genau an diesem Punkt setzt jener Masterplan von Marrakech an, dessen Ziele und Reformen eine nachhaltige Verbesserung der marokkanischen Tourismusstrukturen intendieren, damit das Konigreich nicht den Anschluss an v^ichtige Konkurrenzdestinationen verliert. Welche Perspektiven sich fiir die touristische Entwicklung des Landes im Allgemeinen und fur grenziiberschreitende Kooperationen im Besonderen ergeben, wird entscheidend davon abhangen, inwiev^eit die projektierten Reformen umgesetzt werden konnen. Dass ein entsprechendes Potential vorliegt, ist unter den befragten Experten weitgehend unumstritten: „Bei den Perspektiven soUte man Zweckoptimismus walten lassen, dennoch ist es schwer, die Skepsis an die Seite zu drangen [tiefes Durchatmen des Experten, Anm. d. Verf ]. Wie gesagt, das Potential ist da, nur muss sich Marokko - vom allgemeinen Wirtschaftsleben auf den Tourismus bezogen - wirklich durchringen, Dinge umzusetzen. Tunesien ist in dieser Hinsicht sehr viel weiter und wird von Marokko mit halb weinendem und halb lachendem Auge als Zielpunkt, aber gleichzeitig auch mit derTendenz angesehen: »Da setzen wir uns von ab. Tunesien hat einen Billigtourismus, wir aber wollen die Creme der Touristen.« Sehr typisch fiir das Land ist sehr viel Vision und sehr viel Wille, aber auch eine sehr weite Entfernung von Realitat und konkreter Umsetzung. Wenn dieser Plan [der Masterplan von Marrakech, Anm. d. Verf] in ersten Ansatzen Wirklichkeit werden sollte, sehe ich allerdings gute Entwicklungsperspektiven." (EX_IK_04, S. 9)
Einschatzungen des Kooperationsgeschehens und des Marokkotourismus
323
Im Verlauf seiner weiteren Ausfiihrungen zum Masterplan von Marrakech hebt der entsprechende Experte positiv das derzeitige Bemiihen der marokkanischen Tourismuspolitik hervor, neue touristische Zonen zu erschliefien, um sich vom Image einer auf Agadir fixierten Monodestination zu befreien. Diesbeziiglich bote sich zukiinftig auch eine verstarkte Verzahnung des stationaren Badetourismus mit alternativen Tourismusformen, etwa dem Wiisten- und Trekkingtourismus, an. Wie problematisch von vielen Experten die momentane Konzentration des marokkanischen Incoming-Tourismus auf einen touristischen hot spot empfunden wird, manifestiert sich eindrucksvoll im folgenden Zitat: ,Agadir, das ist eben Sonne und Strand und findet trotzdem nicht statt. (...) Andernorts haben sie viele touristische Destinationen, sie haben - um das Beispiel Tunesien aufzugreifen - Djerba, Hammamet, und, und, und... den ganzen Kiistenstreifen! Genauso in derTiirkei und in Spanien. Das fehk ja hier, hier konzentriert sich alles und das Volumen ist schUcht zu gering. Sie brauchen ja nur in ein deutsches Reisebiiro zu gehen: Marokko - irgendwo in der Ecke, weil es schlichtweg nicht interessant genug ist. Das Hegt aber, glaube ich, nicht so sehr an den tour operators. Als wir vor kurzem in Agadir die Runde gedreht haben, haben mir einige gesagt: »Ja, die tour operators boykottieren das, die boykottieren Marokko.« Was sicher richtig ist, dass sie das Land nicht an erste Stelle setzen, aber die Griinde sind klar: es ist zu teuer, es hat gegeniiber anderen Destinationen keinen Mehrwert, nicht? Und dann sind Service und Kapazitaten viel zu gering. Wenn man sich die Sachen hier anguckt, uberall, wo 4 Sterne drauf stehen, sind 2,5 drin [Lachen vom Experten, Anm. d. Verf.] - aufier bei Business-Hotels, die sind eine Ausnahme, aber von diesem Bereich rede ich nicht, ich rede vom klassischen Tourismus. Da sind andere Destinationen schon sehr viel starker!" (EX_IK_01, S. 4) Auch in diesem Zitat spiegeln sich charakteristische Defizite marokkanischer Tourismusstrukturen wider und gipfeln in der symptomatischen Aussage, die Destination besitze im Vergleich zu anderen Reisezielen keinen Mehrwert. Es gilt unter den befragten Experten weitgehend als common sense, dass Marokko zukiinftig verstarkt darauf achten muss, sich nicht nur auf ein quantitatives Wachstum zu konzentrieren, sondern auch qualitativen Aspekten eine grofiere Aufmerksamkeit zu schenken. Zentrale Aspekte sind in diesem Zusammenhang unter anderem Reformen im Ausbildungssektor sowie forcierte Mafinahmen zum Ausbau der Qualitatsorientierung. Gerade letztgenannter Punkt ist vor dem Hintergrund eines verscharften Wettbewerbs weit mehr als nur ein blo6er Modetrend, bietet er doch vielfaltige Moglichkeiten, sich gegeniiber Konkurrenten zu profilieren (vgl. MULLER 2004). Gleichfalls werden die Tourismusverantwortlichen aus dem Office NationalMarocain du Tourisme zukiinftig nicht umhinkommen, ihre Marketingstrategie zu optimieren, da es bis dato nicht gelungen ist, die Alleinstellungsmerkmale der Destination zu kommunizieren. Wie das nachfolgende Zitat eines marokkanischen Experten aufeeigt, kann es sich in diesem Kontext durchaus anbieten, einschlagige Aktivitaten auf die jeweiligen touristischen Regionen zu iibertragen oder zumindest verstarkt deren Knowhow zu beriicksichtigen:
324
Kapitel IX
„L'avenir du tourisme au Maroc est la regionalisation. Que chaque region fasse sa propre promotion, son propre materiel promotionnel, sa propre animation, aussi bien a I'interieur qu'a I'exterieur." (EX_IK_08, S. 11) W i e k a u m ein Zweiter weist dieser Gesprachspartner auf die Schwierigkeiten hin, mit denen auslandische Reiseveranstalter zu kampfen haben, die in M a r o k k o investieren wolien, u n d fordert in diesem Z u s a m m e n h a n g eine zentraie Anlaufstelle fur Investoren: „Nous avons fait des erreurs. Depuis 1984, 1985, nous savons qu'il existe des tour-operateurs qui etaient prets a investir, qui etaient interesses, mais notre machine administrative a fait tarder les choses. II y avait trop d'intervenants, pas de guichet unique comme la Tunisie, la Turquie ou I'Egypte ont pu creer. II n'existe pas de terrains viabilises et prets a recevoir I'investissement. L'investisseur vient et doit chercher un terrain. II doit se debrouiller pour savoir qui est le proprietaire. Quelque fois de gros problemes decouragent assez rapidement le tour-operateur. II faut imperativement que nous ayons des terrains prets avec I'eau et I'electricite. Ce n'est pas en vendant un terrain que nous allons gagner de I'argent. Nous gagnons de I'argent en faisant venir un touroperateur etranger. On pent lui donner ce terrain pour un dirham symbolique. Je ne veux pas que nous fassions payer le tour-operateur." (EX_IK_08, S. 11) W i e bereits in Kapitel IX.4 dargelegt wurde, erwies sich fiir auslandische U n t e r n e h m e n vor allem die haufig unkalkulierbare Rechtsunsicherheit beim Grundstiickserwerb als limitierender Faktor fiir Investitionen. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die projektierten Reformen des Masterplans von Marrakech diese Rechtsunsicherheit abbauen u n d entsprechende G e n e h m i g u n g s verfahren beschleunigen k o n n e n . Bemerkensw^ert erscheint auch der Hinv^eis des Experten, der seit etlichen Jahren im Tourismusmarketing tatig ist, dass offensichtlich einige marokkanische Incoming-Agenturen d e m deutschen M a r k t n u r relativ w^enig Aufmerksamkeit schenken: „Nous recevons de temps en temps des demandes de tour-operateurs qui se posent la question de savoir pourquoi ils n'ont jamais ete contactes par des partenaires marocains. En dehors des foires ou ils se rencontrent, nos marocains ne se deplacent pas. Ils ne font pas de tournee pour aller voir les tour-operateurs, pour aller faire du demarchage contrairement aux Turcs, Tunisiens ou Egyptiens. C'est la pure verite! Nos professionnels manquent d'agressivite sur ce marche, peut-etre qu'ils le sont sur d'autres, mais pas sur le marche allemand, ce qui fait que tres peu de tour-operateurs vendent le Maroc. (...) C'est un point tres important: C'est le manque d'agressivite de nos partenaires, de nos professionnels sur le marche allemand. II y a un probleme de communication et ils pensent que le marche allemand est entre les mains de gros tour-operateurs et qu'ils n'ont rien a gagner sur ce marche. Ce qui est faux!" (EX_IK_08, S. 4)
Einschatzungen des Kooperationsgeschehens und des Marokkotourismus
325
OfFenbar scheinen die verstarkten Konzentrationstendenzen auf dem deutschen Reiseveranstaltermarkt bei einigen klein- und mittelstandischen marokkanischen Incoming-Agenturen den Eindruck hinterlassen zu haben, man habe als potentieller Kooperationspartner auf diesem Markt keine reelle Chance mehr. Die Konsequenz ist eine deudiche Lethargie hinsichdich der Erschliefiung neuer Kooperationspartner. Das vorliegende Zitat korrespondiert auch mit den Schilderungen einiger Akteure aus den marokkanischen Tourismusunternehmen, die sich beklagten, dass es vor dem Hintergrund einer fortschreitenden Globalisierung immer schwieriger werde, adaquate Kooperationsunternehmen zu finden (vgl. Kapitel VIII. 10). Dessen ungeachtet gibt es eine nicht zu unterschatzende Anzahl an marokkanischen IncomingAgenturen, denen es in den letzten Jahren erfolgreich gelungen ist, eine Kooperation zu implementieren. Dabei handek es sich primar um solche Unternehmen, die sich mit anspruchsvoUen Nischenangeboten profiUerten (vgl. SCHERLE 2003). Selbstredend, dass das vielfach als unzureichend empfundene Engagement marokkanischer Tourismusunternehmen bei der Suche nach potentiellen Kooperationspartnern gerade bei ofEziellen Vertretern der marokkanischen Tourismuspolitik auf Unverstandnis stofit, ist man sich doch der exorbitanten Bedeutung des deutschen Quellmarkts im internationalen Kontext bewusst: „Selon moi, a terme, dans les prochaines annees, le tourisme a I'echelle mondiale sera allemand. Je vous le dis sans detour puisque les plus grands groupes touristiques mondiaux sont allemands. Aujourd'hui, on constate une competition entre la Grande-Bretagne et I'Allemagne, mais, a terme, je crois que TAllemagne va etre le poids lourd du tourisme dans le monde avec des groupes comme X et Y [die zwei Branchenfiihrer in Deutschland, Anm. d. Verf.]. Ce sont des colosses. Le marche allemand, pour nous, est un marche de premiere importance. Malheureusement, cela ne se verifie pas dans les resultats. A terme, dans les trois a quatre prochaines annees, nous aurons quatre ou cinq grands groupes a Fechelle mondiale et sur les quatre ou cinq grands groupes, je suppose qu'il y en aura au moins trois qui seront allemands. Le tourisme de la prochaine decennie sera allemand. C'est une conviction. J'en suis certain." (EX_IK_07, S. 1 fF.) Auch dieses Zitat greift dezidiert die unvermindert fortschreitende Internationalisierung von Reiseveranstaltern, die zurzeit noch v^eitgehend eine „Europaisierung" (MUNDT 2002, S. 141) ist, auf In diesem Kontext geht der Gesprachspartner - durchaus ein wenig pathetisch - davon aus, dass der Tourismus des kommenden Jahrzehnts ein vorsviegend deutsches Phanomen darstellen wird, was sich auch in einem entsprechenden Einfluss deutscher Reiseveranstalter widerspiegeln werde. Dementsprechend grofi ist seine Enttauschung, dass sich dieser Umstand bis dato weder in den Besucherzahlen deutscher Touristen noch in den geschaftlichen Aktivitaten deutscher Tourismusunternehmen niederschlagt. Dass die meisten arabischen Lander - sieht man einmal von den Golfstaaten ab - bei international agierenden Tourismusunternehmen keinen leichten Stand haben, ist unter den befragten Experten common sense. So konstatiert beispielsweise jener Experte, der seit etlichen Jahren in zahlreichen arabischen Destinationen touristische Projekte durchfiihrt:
326
Kapitel IX
„Fur Internationale Tourismusunternehmen ist der orientalische Raum schwierig, weil man keine Planungssicherheit hat, weil er politisch instabil ist und weil die Gewinnmargen aus den unterschiedlichsten Griinden sehr gering sind. Fiir die Lander selbst ist Tourismus eine sehr attraktive Branche, da er relativ wenig kapital-, dafiir aber sehr personalintensiv ist. Zudem verspricht der Tourismus eine Diversifizierung, weil diese Lander wirtschaftlich haufig sehr einseitig orientiert sind." (EX_IK_09, S. 6) Dass eine verstarkte Offnung Marokkos in Hinblick auf den internationalen Tourismus nicht nur befiirwortende, sondern auch kritische Tone hervorruft, soil an dieser Stelle nicht verschwiegen werden und zeigt sich geradezu paradigmatisch im nachfoigenden Zitat. In diesem Kontext nimmt der urspriingiich aus Syrien stammende Experte dezidiert auf die negativen Implikationen eines ungebremsten Massentourismus Bezug, wobei er als besonders abschreckendes Beispiel Tunesien anfiihrt: „Wirtschaftliche Zwange beeinflussen Mentalitat und kulturelle Ansichten, auch die Einstellung und das Verhalten gegeniiber Religion. (...) Ich meine, in vielen arabischen Staaten, vor allem in den Golfstaaten, sieht man es als unwiirdig an, wie Tunesien sich und seine Waren an die Touristen schmeiEt. (...) Ich meine, dass die orientalische Mentalitat im Prinzip solche AufForderungen wie »Kommen Sie, kaufen Sie von mir!« und ahnliches umfasst, ist klar, aber nicht diese Ubertreibungen, die in den letzten Jahren im Kontext des Massentourismus entstanden sind. Diese Auswiichse erinnern fast an das Verhalten von Schmeif^fliegen. Man hat gesehen, dass man durch Tourismus viel Geld verdienen kann und das hat teilweise auch zu einer Mentalitatsveranderung gefuhrt." (EX_IK_13, S. 8) Mitunter werden kritische Aussagen beziiglich des Entwicklungslandertourismus in dem Sinne instrumentalisiert, dass sie in eine grundsatzliche Tourismuskritik miinden (vgl. insbesondere KiEVELiTZ 1989, HERDIN/LUGER 2001 und SUCHANEK 2001). Dieser Umstand ist vor allem deshalb zu bedauern, da in diesem Kontext haufig auch die positiven Effekte des internationalen Tourismus unerwahnt bleiben. Nichtsdestoweniger sei an dieser Stelle angemerkt, dass die marokkanische Tourismuspolitik bei einer zukiinftigen touristischen Inwertsetzung des Landes verstarkt die immer bedeutendere Binnennachfrage beriicksichtigen soUte (vgl. KAGERMEIER 1999). Angesichts der ausgepragten Nachfrageschwankungen im internationalen Tourismus wahrend der letzten Jahre diirfte dieser Aspekt mit Sicherheit an Bedeutung gev^innen. Der Erfolg einer zukiinftigen touristischen ErschlieCung Marokkos vor dem Hintergrund des ambitionierten Masterplans von Marrakech wird nicht zuletzt davon abhangen, inw^iev^eit es gelingt, bilaterale Kooperationen zu stimulieren und auslandische Investoren fur ein geschaftliches Engagement im Konigreich zu gewinnen. So mancher Experte hat in diesem Zusammenhang sein Bedauern ausgedriickt, dass deutsche Unternehmer vielfach nur unzureichend iiber die Unternehmensstrukturen vor Ort informiert seien. Umgekehrt hat sich so mancher deut-
Einschatzungen des Kooperationsgeschehens und des Marokkotourismus
327
sche Unternehmer die Frage gestellt, wie er in Marokko einen geeigneten Kooperationspartner finden kann. Dabei scheint vielen Akteuren aus Deutschland nicht oder nur unzureichend bewusst zu sein, dass sich nach wie vor die meisten marokkanischen Incoming-Agenturen in Familienbesitz befinden. Vor diesem Hintergrund empfiehlt einer der befragten Experten bei der Wahi eines Kooperationspartners: „Familienunternehmen sind in der arabisclien Wek vorherrschend, und wenn ein Unternehmer sehr vorsichtig ist, dann soUte er auf eine dieser bekannten und alteingesessenen Familien zuriickgreifen, die schon lange in der entsprechenden Branche arbeiten und nicht iiber Nacht zu Reichtum gekommen sind. Der eine Sohn hat Ingenieurwissenschaften studiert, der andere Sohn Landwirtschaft, und die Famiiie verfugt iiber entsprechendes Geld, um verschiedene Betriebe zu griinden. Sokhe Famihen haben Kapital und meistens einschlagige Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit internationalen Firmen. Haufig ist es auch so, dass vieie Sohne in Europa beziehungsweise Amerika studiert haben und mit unserer Mentalitat vertraut sind. Die kennen die europaische Mentalitat und gehen darauf ein." (EX_IK_13, S. 4) Wie bereits in Kapitel VIII. 10 deudich wurde, werden insbesondere von groSen Reiseveranstaltern die ausgesprochen personalisierten Unternehmensstrukturen in Marokko immer wieder unterschatzt und evozieren entsprechende Konflikte in der grenziiberschreitenden Zusammenarbeit. Letzten Endes soUte man sich ein Faktum im interkulturellen Kontext stets vergegenwartigen: Das bewusste Verstehen in bilateralen Kooperationen ist und bleibt ein begrenztes Unterfangen, und selbst wenn ein interkulturelles Verstehen in toto mogiich ware, wiirden viele kritische Momente in der alltaglichen Handlungspraxis weiter bestehen bleiben. Umso wertvoUer erscheint deshalb die abschiief?ende Expertenempfehlung, die fur ein pragmatisches bridging the gap plsiditn: „Gerade im interkukureilen Kontext empfiehlt es sich immer wieder, auf mogliche Gemeinsamkeiten - und nicht nur die jeweiligen Unterschiede - einzugehen. Das ist eine grundlegende Sache! Es passiert in Deutschland nur allzu oft, dass, insbesondere durch die Medien, immer wieder auf die Unterschiede zwischen Abend- und Morgenland hingewiesen wird, jedoch nicht auf entsprechende Gemeinsamkeiten, die ja auch vorhanden sind." (EX_IK_13, S. 5)
Resiimee
„Der schwerste Anfang ist der Anfang vom Ende." Hans-Helmut Dickow Es gibt wohl kaum ein Zitat, das derart trefFend die Kalamitat eines Forschers charakterisiert, der am Ende seiner Arbeit noch einmai resiimierend und problemzentriert deren zentrale Aspekte, Ergebnisse respektive Erkenntnisse darlegen mochte. Geht man - um den Kreis zu schlief?en - vom im Vorwort erwahnten Biid eines Mosaiks aus, das Steinchen fur Steinchen zusammengesetzt wird, so mag auch das Wort Ende nur bedingt zutrefFen, da jegliche Forschung einen Prozess verkorpert, der sich letztendlich nicht finalisieren lasst. Vor diesem Hintergrund kann es sicli bei folgendem Resiimee allenfalls um eine Momentaufnahme handeln, die gleichfalls - im Sinne eines Ausblicks - dazu einladt, weitere Mosaiksteine hinzuzufiigen. Da Interkulturelle Kommunikation nach wie vor ein vergleichsweise neues interdisziplinares Wissenschaftsund Anw^endungsfeld darstelit, das zudem erst vor w^enigen Jahren an deutschen Universitaten institutionalisiert wurde, bieten sich dementsprechend noch relativ vieie Moglichkeiten, um entsprechende Mosaiksteine hinzuzufiigen. Eingedenk der Kompiexitat der dissertationsrelevanten Thematik versteht sich das vorHegende Resiimee primar als eine kritische Synthese, die keinesfalls alle Aspekte, die im Verlauf der Arbeit erortert wurden, zusammenfassend beleuchten kann. Diesbeziiglich gilt auch zu bedenken, dass die Heterogenitat der in dieser Arbeit erorterten Aspekte - die nicht zuletzt das Resultat der interdiszipUnaren Verbundforschung ist - impiiziert, nicht auf einen einzigen Faden zuriickgreifen zu konnen. Es gibt, um noch einmai das beriihmte Bild von Wittgenstein zu bemiihen (vgl. Kapitel III.l), diesen einzigen Faden nicht, der durch sie alle hindurchliefe und sie zu einem Ganzen machen v^iirde. Letztendlich gibt es nur Uberlagerungen verschiedener sich kreuzender, verschlungener Faden, deren einer ansetzt, wo der andere abreifit. Die vorliegende Arbeit intendierte vor dem Hintergrund fortschreitender Internationalisierungsprozesse eine Analyse bilateraler Unternehmenskooperationen im Tourismussektor, v^obei das erkenntnisleitende Forschungsinteresse auf dem interkulturellen Kooperationsalltag der betroffenen Akteure in den jeweiligen Unternehmen lag. Als Untersuchungsobjekte fiingierten touristische Unternehmen, die ihre Dienste im Outgoing-Tourismus des Herkunftslandes in Kooperation mit touristischen Unternehmen im Incoming-Tourismus des Ziellandes anbieten. Einschlagige Untersuchungsobjekte, die im konkreten Fail aus Deutschland respektive Marokko stammten, boten sich fiir eine interkulturelle Studie geradezu idealtypisch an, da ihr geschaftliches Selbstverstandnis ausgesprochen interkulturelle Ziige tragt und die entsprechende Branche Globalisierung in Reinkultur verkorpert: So sind zum einen Angebots- und Nachfragestrukturen weitgehend globalisiert, zum anderen besteht auch die Dienstleistung als solche zu einem v^achsenden Teil in der Uberwindung von Grenzen. Des Weiteren trug die Auswahl der Untersuchungsobjekte dem Umstand Rechnung, dass tourismusspezifische Studien diesen
Resiimee
329
gatekeepers of tourism bis dato kaum Aufmerksamkeit widmeten und man einschlagige interkulturelle Fragestellungen fast ausschlieElich zni host-guest relations reduzierte. Eingebunden in die kuiturtheoretische Wende in den Sozialwissenschaften und aufbauend auf dem Leitkonzept des interdisziplinaren Forschungsverbunds FORAREA wurde die These vertreten, dass Erfoig respektive Misserfolg einer grenziiberschreitenden Zusammenarbeit nicht alleine auf ein rein okonomisches Verstandnis zuriickzufiihren ist. Vielmehr gilt es, insbesondere wenn man eine holistische Perzeption von Unternehmensfiihrung vertritt, auch die kulturelie Dimension des grenziiberschreitenden Kooperationsgeschehens zu beriicksichtigen, da eine ausschUefihch okonomische Sichtweise biiateraler Unternehmenskooperationen nur zu leicht die veranderten interkukurellen Anforderungen an die Interaktionspartner iibersieht, die mit den Zwangen globaier Wettbewerbsfahigkeit einhergehen (vgl. HOPFINGER/SCHERLE 2003). Ein erfolgreiches managing across cultures impUziert demnach nicht nur ein erhohtes Problembewusstsein fiir interkukurelie Uberschneidungssituationen, sondern bedingt konsequenterweise auch, dass man interkukurelie Kompetenz als einen strategischen Erfolgsfaktor begreift, der letztendlich eine Investition in das qualitative Wachstum des Unternehmens darstellt. Die empirische Untersuchung des interkukurellen Kooperationsalltags folgte dem Prinzip der Biperspektivitat, so dass fiir jede Fragestellung sowohl die Sichtweise der deutschen als auch der marokkanischen Akteure eingefangen wurde. In diesem Kontext ging die Studie vom Erleben des Einzelnen aus und versuchte mittels problemzentrierter Interviews, die sich vor allem bei cross-cultural projects bewahrt haben, einen Einblick in das gemeinschaftlich konstruierte Bedeutungsgewebe zu erlangen. Dabei wurde der Einzelne sowohl als Produkt wie auch als Produzent von Kultur gesehen, der in seinem Wahrnehmen, Denken und Handeln von der Kultur, in der er seine Enkukuration erfahren hat, gepragt ist, der aber zugleich als handelndes Wesen Kultur produziert respektive reproduziert. Eingedenk dessen musste die gewahlte Erhebungsmethode nicht nur in der Lage sein, Handlungssituationen beziehungsweise Handlungskontexte vor dem Hintergrund interkultureller Uberschneidungssituationen nachzuzeichnen, sondern auch die Sichtweisen, Deutungsmuster und Denkschemata entsprechender Situationen zu rekonstruieren. Die vorliegende Dissertation folgte nicht nur dem Prinzip der Biperspektivitat, sondern beriicksichtigte auch das Faktum, dass es sich im Kontext von Kooperationen um ein prozessuales Phanomen handelt. Vor diesem Hintergrund erfolgte die Konzeption der Befragungen dergestalt, dass eine chronologische AusdifFerenzierung vorgenommen wurde, die in wesentlichen Ziigen den Entwicklungsprozess des interkukurellen Kooperationsgeschehens zwischen den deutschen und marokkanischen Tourismusunternehmen nachzeichnet. Auf einer eher spezifischen inhaltlichen Ebene setzte sich die Studie mit ausgewahken strategischen Erfolgsfaktoren auseinander, von denen angenommen wurde, dass sie einerseits zentrale Gesichtspunkte des bilateralen Kooperationsgeschehens abbilden, andererseits Aspekte aufgreifen, die eingedenk struktureller Veranderungen im Tourismus zunehmend an Bedeutung gewinnen und in letzter Konsequenz der Wettbewerbssicherung der partizipierenden Akteure dienen. Dabei handelte
330
Kapitei X
es sich konkret um die Erfolgsfaktoren Vertrauen, Konfliktmanagement, Kundenorientierung respektive Beschwerdemanagement und Reiseleiter. Bevor im Rahmen des vorliegenden Resiimees noch einmal naher auf das konkrete bilaterale Kooperationsgeschehen eingegangen wird, soUen an dieser Stelle einige programmatische Reflexionen zum Mysterium Kultur sowie zu Gesichtspunkten der interkulturellen Kommunikation und Kompetenz dargelegt werden. In diesem Zusammenhang werden auch immer wieder Beziige zur Internationalisierung beziehungsweise Globalisierung hergestellt. Die entsprechenden Ausfiihrungen tragen damit zum einen dem Umstand Rechnung, dass diese Aspekte unmittelbar mit dem konzeptionellen Selbstverstandnis von FORAREA verbunden und konstituierend fiir die vorliegende Arbeit sind, zum anderen verstehen sie sich aber auch dezidiert als Pladoyer dafiir, Forschungsaktivitaten zu intensivieren, die fur eine cultural awareness sensibiUsieren. Geradezu evoziert durch das Globalisierungsphanomen erlebt das Konzept der Kultur(en) in fast alien sozial- beziehungsweise kulturwissenschaftlich ausgerichteten Disziplinen eine Renaissance. Dabei setzt Kultur vor dem Hintergrund ihrer Prozesshaftigkeit, die gerade in der heutigen Zeit angesichts fortschreitender Internationalisierungsprozesse zum Tragen kommt, eine interkulturelle Perspektive voraus. Interkulturalitat stellt jedoch langst keinen separaten Bereich der Kulturwissenschaft mehr dar, sondern vielmehr eine konstitutive Bedingung ihres Gegenstands. Eine Auseinandersetzung mit dem Mysterium Kultur im Kontext von Globalisierung erfordert von der entsprechenden scientific community, mit Paradoxien leben zu miissen, in der Phanomene wie Homogenisierung genauso zu beobachten sind wie die Zunahme von Divergenzen und Inkommensurabilitaten. Gerade interkulturelle Beziehungen sind von einer vermeintlich verqueren Logik gepragt, die DRECHSEL, SCHMIDT und GOLZ (2000, S. 19) trefFend auf den Punkt bringen: „Wenn bei einer Zunahme der Gemeinsamkeiten oder Identitaten zv^ischen Kulturen die kulturellen Differenzen zunehmen miissen, damit diese sich nicht auflosen, dann kann ebenso argumentiert werden, dafi eine Zunahme der Differenzen eine Zunahme der Gemeinsamkeiten oder Identitaten induziert. Wiederum gilt dies nur unter friedlichen Bedingungen. Dieser Aspekt interkultureller Logik widerspricht der normalen Identitatslogik vollig, ist aber empirisch belegbar und alles andere als neu. Zur Therapie eingeschlafener Ehebeziehungen wird genau dieses Verfahren empfohlen, zur Starkung von Pluralismus und demokratischen Wettbewerbsstrukturen ist es sogar eine Verfassungsvoraussetzung. Es gilt der Slogan: Unity in Diversity! Wie soil die ,Unity' bestehen, wenn nicht durch Differenzen erzeugt? Je mehr Differenzen, um so mehr ,Unity'!" Auch wenn wir ahnen, dass es sich bei den skizzierten Paradoxien dergestalt verhalt, so mag es mitunter schwer fallen, die in diesen paradoxen Realitaten waltende Logik zu begreifen. Konstitutiv fiir das Selbstverstandnis eines Kulturbegriffs, der den entsprechenden Paradoxien gerecht werden soil, ist letztendlich, dass dieser nicht nur differenziert und reflexiv geworden ist, sondern ohne interkulturelle Beziehungen kaum mehr zu denken ist. In diesem Zusammenhang miissen wir zukiinftig - wie DRECHSEL (1999) zu Recht konstatiert - lernen, mit Inkommensurabilitaten, Paradoxien, Uniibersichtlichkeiten und Undurchsichtigkeiten zu leben, wobei
Resiimee
331
sowohl die kulturellen Interaktionen als auch die jeweiligen kulturellen Identitaten von den Akteuren ,gemacht' beziehungsweise konstruiert werden. Der Umstand, dass in diesem Kontext Kultur respektive deren Wahrnehmung an DifFerenzerfahrungen und damit einhergehend an entsprechende Fremd- und Selbstthematisierungen gebunden sind, kann zwar als systemimmanentes Phanomen nicht aufgelost werden, jedoch bedarf es diesbeziiglich einer kontinnierlichen Reflexion. Vor diesem Hintergrund kann es im Rahmen interkultureller Interaktionen nicht so sehr darum gehen, wie die jeweils andere Kultur wirklich ist, sondern wie sie von den jeweiligen Akteuren wahrgenommen wird beziehungsweise wie diese Wahrnehmungen gedeutet und in Handeln umgesetzt werden. Auf diesen Aspekt wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit immer wieder explizit hingewiesen, da er insbesondere bei der Interpretation interkultureller Interaktionen von zentraler Bedeutung ist. Dass Kulturen eingedenk fortschreitender Globalisierungsprozesse langst keine abgeschotteten und statischen Monaden mehr darstellen, versteht sich von selbst, gleichwohl bilden sie auch zu Beginn des dritten Jahrtausends nach wie vor einen ausgesprochen stabilen Bezugsrahmen, der einen nicht zu unterschatzenden Einfluss auf Werte und Einstellungen von Menschen ausiibt. Wer in der heutigen Zeit kulturelle Divergenzen als Resultat historischer Prozesse und koUektiver Wiederholungshandlungen in Frage stellt, lauft Gefahr, einer Wissenschaftspoesie zu erliegen, die sich nur schwerlich mit der empirischen Wirklichkeit in Einklang bringen lasst. Dass entsprechende Differenzdiskurse von Anhangern einer vermeintlichen pax transcultura, die vielfach von einem Zustand jenseits kultureller Divergenzen ausgehen, mitunter mit BegrijfFen wie Ausgrenzung und Diskriminierung etikettiert werden (vgl. insbesondere WELSCH 1999/2000), erscheint mir ausgesprochen kontraproduktiv und diskreditiert in letzter Konsequenz auch die Forschung einer Disziplin wie der Interkulturellen Kommunikation, die sich seit Jahren um eine anwendungsorientierte Vermittlung von cultural awareness respektive interkultureller Kompetenz bemiiht. Man mag es bedauern, letztendlich ist es aber nicht von der Hand zu weisen, dass eine Auseinandersetzung mit anderen Kulturen in den seltensten Fallen auf Basis einer abstrakten Toleranz moglich ist, sondern vielmehr konkreter Hilfestellungen bedarf (vgl. ScHERLE 2000/2004). In einer Zeit, in der selbst in den Niederlanden, die vielfach als Mutterland der Toleranz gelten, Moscheen Opfer von Brandanschlagen werden, gewinnt diese Einsicht zusatzlich an Brisanz. Wenn man zudem die besorgniserregenden Entwicklungen im Irak verfolgt, wo sich eine Weltmacht anschickt, westliche Demokratievorstellungen einer nach wie vor stark tribalistisch gepragten Gesellschaft aufzuoktroyieren, dann wiinschen sich nicht nur Interkulturalisten, dass so manche Entscheidungstrager, die diesen Krieg zu verantworten haben, ein kultursensibles interkulturelles Training besucht batten. Dass sich kulturelle Divergenzen - wie HANSEN (2000a, S. 386) pointiert kommentiert - eben nicht nur auf „sonntagliche Brauche" erstrecken, sondern gerade im geschaftlichen Kontext immer wieder zu folgenschweren Konflikten fiihren, konnte im Rahmen der vorliegenden Studie mehrfach nachvoUzogen werden. Gleichwohl folgte die Managementlehre iiber Jahrzehnte hinweg einem technizistischen Paradigma mit einer funktionalistischen Sichtweise, das Unternehmen in erster Linie auf Grundlage der Steuerungsgrofien Ertrag und Kosten analysierte.
332
Kapitel X
Eine integrative Kulturforschung mit einer qualitativen Ausrichtung, wie sie insbesondere von Vertretern der culture-bound-lhese immer wieder postuliert wird, konnte erst Mitte der 1990er Jahre Einzug halten. Dessen ungeachtet ist nach wie vor von einem ofFensichtlichen Missverhaltnis hinsichtlich der Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten und dem verfiigbaren Wissen iiber Aspekte des interkulturellen Managements auszugehen. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund sind die einschlagigen Forschungsaktivitaten von FORAREA zu begriifien. Dass kulturelle DifFerenzen nicht nur mit zunehmend komplexen Herausforderungen zu assoziieren sind, sondern vielfach auch potentielle Wettbewerbsvorteile bieten, kann jedoch gar nicht oft genug wiederholt werden. Einer der wenigen Okonomen, der immer w^ieder nachdriicklich auf entsprechende Einsichten hinweist, ist SCHMID (1996, S. 333), der bereits Mitte der 1990er Jahre unter RiickgrifF auf die ImpUkationen der Postmoderne konstatierte: „Die Botschaft, die die Postmoderne auch fiir Betriebswirtschaftslehre und Management geben kann, ist radikal, aber wohl vor allem fiir internationale Unternehmungen gleichzeitig einieuchtend - es ist die Botschaft, daf? man das DifFerente und Heterogene nicht nur akzeptieren mufi, sondern es auch schatzen und daraus Nutzen ziehen kann." Kommen wir im Folgenden noch einmal konkret auf das interkulturelle Interaktionsgeschehen zwischen den Akteuren aus den deutschen und marokkanischen Tourismusunternehmen zu sprechen. In diesem Kontext wird nicht zuletzt aus pragmatischen Gesichtspunkten ein Fokus auf entsprechende Konfliktfelder in den relevanten Kooperationen gelegt, da dieser Themenkomplex federfiihrend von den Wissenschaftlern des vorliegenden FORAREA-Teilprojekts in Kooperation mit den Kollegen des Projekts Fo3E bearbeitet wurde (vgl. HOPFINGER/SCHERLE 2003 und HOUBEN/HENKEL/RUPPERT 2003). Ausgangspunkt fiir eine Untersuchung dieser Thematik war vor allem die Erkenntnis, dass sich ein erfolgreiches Konfliktmanagement immer mehr zu einem zentralen Erfolgsfaktor im Kontext der Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten entwickelt. In diesem Zusammenhang wurde explizit der Standpunkt vertreten, dass Konflikte als ein systemimmanentes Phanomen durchaus konstruktiv sein konnen, sofern es den betroffenen Akteuren gelingt, ihre koUidierenden Interessen vorzubringen, miteinander zu verhandeln und eine Einigung zu erzielen, die den BediirFnissen beider Konfliktparteien gerecht wird. Eine entsprechende Sichtweise impliziert einerseits einen radikalen Bruch mit einschlagigen Ansichten aus der klassischen und neoklassischen Betriebswirtschaftslehre, die auftretenden Konflikten fast ausschhef?lich einen dysfunktionalen Charakter zuschreiben, andererseits erfordert sie von den Konfliktparteien in den Kooperationen auch dezidiert die Bereitschaft, sich auf ein kultursensibles Konfliktmanagement einzulassen. Wie die im Rahmen der vorliegenden Dissertation vorgestellten Einblicke in das interkulturelle Kooperationsgeschehen zwischen den deutschen und marokkanischen Reiseveranstaltern gezeigt haben, gestalteten sich die Konfliktfelder in der bilateralen Zusammenarbeit auferst vielschichtig. In diesem Kontext wurde explizit darauf hingewiesen, dass negativ anmutende Aussagen als notwendige Begleiterscheinung in der Auseinandersetzung mit dem interkulturellen Handlungsfeld - dem es bekanntermaEen nicht an Stressoren mangelt - betrachtet werden konnen. Vor diesem Hintergrund sind negativ konnotierte Schilderungen haufig weniger als
Resiimee
333
Vorurteile und Abwehrhaltungen zu sehen, sondern vielmehr als Teil eines komplexen Verarbeitungsprozesses inkommensurabler Erfahrungen. Das Gleiche gilt fiir vermeindich typische kulturelle Zuschreibungen - Stichwort: pictures in our heads (vgl. LIPPMANN 1964) - , die bei den entsprechenden Akteuren vor allem Komplexitat reduzieren und umgekehrt Handlungssicherheit generieren. Mit diesem systemimmanenten Spannungsverhaltnis zwischen der realen Komplexitat von kulturellen Systemen und menschlichem Verhalten sowie der notwendigen Eigenschaft des Menschen, diese Komplexitat in seiner Wahrnehmung zu reduzieren und einfache Kategorien zu bilden, sind interkulturelle Forschungsprojekte grundsatzlich konfrontiert. Dieser Umstand ist vor allem darauf zuriickzufiihren, dass Kulturen komplexe und sich kontinuierlich wandelnde Systeme darstellen, die sich zudem noch in diverse mikrokulturelle Subsysteme aufgliedern. Vor diesem Hintergrund versteht es sich von selbst, dass Aussagen, die - wie das nachfolgend resiimierte Konfliktgeschehen in den bilateralen Kooperationen - in einen interkulturellen Kontext eingebunden sind, in der Kegel kontroverser diskutiert werden als Aussagen zu den klassischen Problemfeldern der Betriebsw^irtschafts- und Managementlehre. Die vorliegende Arbeit konnte im Kontext ihrer Auseinandersetzung mit auftretenden Konfliktfeldern in bilateralen Kooperationen w^iederholt aufzeigen, dass die von Befragtenseite wahrgenommenen Konflikte eine deutlich kulturspezifische Dimension aufweisen. So nahm beispielsweise aus Sicht der Akteure aus den deutschen Unternehmen die ausgesprochen kulturell gepragte Einhaltung von Zeitvorgaben eine Spitzenstellung bei der quantitativen Verortung von Konfliktfeldern in der bilateralen Zusammenarbeit ein. Seitens der Gesprachspartner aus den marokkanischen Unternehmen pradominierte der Informationsaustausch, der gleichfalls eine unverkennbar kulturelle Durchdringung aufweist. In Bezug auf die qualitativen Fallbeispiele sei exemplarisch auf einschlagige^^«^£*r-spezifische Erfahrungen sowie die Implikationen des religiosen Fastenmonats Ramadan auf das Kooperationsgeschehen verwiesen. Die angefiihrten Beispiele zeigen nachdriicklich, dass es im Kontext grenziiberschreitender Kooperationen zu einseitig ware, Konflikte lediglich mit struktur- oder strategieinduzierten Ursachen in Verbindung zu bringen. Gleichwohl wurden auch immer wieder Konflikte angefiihrt, die man traditionell mit der unternehmerischen Praxis grenziiberschreitender Kooperationen assoziiert. In diesem Zusammenhang sei als besonders charakteristisches Beispiel der Ausfall von Zahlungsverpflichtungen angefiihrt, der gerade fiir kleine und mittlere Unternehmen mit ihren vergleichsweise geringen Kapitaldecken eine enorme Belastung darstellt. So manche in Hinblick auf prototypische Konfliktfelder getroffene Aussage betraf zunachst nicht das eigentliche Kooperationsgeschehen, sondern fokussierte aktuelle Defizite marokkanischer Tourismusstrukturen. Im Verlauf der gefiihrten Interviews ergab sich dann haufig, dass entsprechende Defizite riickkoppelnd wieder Implikationen auf die bilaterale Zusammenarbeit batten. Dass zwischen den verschiedenen Konfliktursachen, die im Rahmen der Untersuchung eruiert werden konnten, in der Regel Interdependenzen bestehen, die nicht nur problembezogener, sondern auch zeitlicher Natur sein konnen, liegt auf der Hand. Gleichfalls gilt anzumerken, dass neben den bereits erwahnten Konfliktfeldern auch individuelle Differenzen aufi:reten konnen, die in der Personlichkeitsstruktur der Akteure verankert sind.
334
Kapitel X
Wie im Zusammenhang der vorliegenden Arbeit transparent wurde, gewinnt die Handhabung von Konflikten, die in einen interkulturellen Kontext eingebunden sind, zusatzlich an Brisanz, da man weder auf eine kongruente normative Basis noch auf international einheitliche Gesetze zuriickgreifen kann, die Orientierungspunkte fiir die Koordination konfligierender Interessen bieten konnten. Deshalb kann ein entsprechendes Konfliktmanagement kaum ohne eine einschlagige interkulturelle Konfliktkompetenz der jeweiligen Akteure auskommen. Vor diesem Hintergrund pladiert der Autor nachdriickJich fiir ein kultursensibles Konfliktmanagement, dessen zentrale Pramissen im Rahmen von Kapitel IV.2 vorgestellt w^urden. Dessen Intention liegt vor allem darauf, zu verhindern, dass Konflikte in einer interkulturellen Zusammenarbeit einen dysfunktionalen Charakter annehmen. Erfreulicherweise kamen im Rahmen der untersuchten Unternehmenskooperationen in erster Linie diejenigen Konfliktlosungsansatze zum Einsatz, die eine vorwiegend personalisierte und diskursive Ausrichtung erkennen lassen. Dieser Umstand ist nicht zuletzt darauf zuriickzufiihren, dass die im Fokus der vorliegenden Arbeit stehenden kleinen und mittleren Unternehmen vergleichsweise haufig auf ausgesprochen persistente Kooperationen zuriickblicken konnten, die im Laufe der Zeit zu intensiven personlichen Kontakten gefiihrt haben. Eine personalisierte und diskursive Ausrichtung des handlings von Konflikten kommt aber auch dem Faktum entgegen, dass Unternehmenskooperationen in arabischen Landern gerade dann als besonders erfolgreich gelten, wenn man iiber intensive interpersonelle Kontakte verfiigt und diese entsprechend pflegt. Gleichfalls machen die Ergebnisse transparent, dass sich die Akteure in den Kooperationen vielfach von kontextbezogenen Losungen leiten lieEen, anstatt die EflFekte Qints transkulturellen Angleichungsprozesses, dessen Ergebnis letztendlich ungewiss bleibt, abzuwarten. Nichtsdestoweniger wurden zuweilen auch rigorosere Konfliktlosungsansatze angewendet, jedoch schnitten diese in der Bewertung vergleichsweise negativ oder zumindest ambivalent ab. Das dadurch implizierte Risiko fiir eine bilaterale Zusammenarbeit liegt auf der Hand, namlich dass sich die antinomischen Krafte gegenseitig neutralisieren respektive blockieren, anstatt im produktiven Widerstreit eine kompromissorientierte L5sung zu suchen. Wie im Kontext der vorliegenden Arbeit deutlich wurde, fuhlten sich einige Akteure aus den marokkanischen Incoming-Agenturen als Opfer eines fortschreitenden Globalisierungsprozesses, jedoch wiirde man dem derzeitigen deutsch-marokkanischen Kooperationsgeschehen im Tourismussektor nur unzureichend gerecht werden, reduzierte man sie auf diese Rolle. Gerade Nischenveranstalter, die mit einem profilierten touristischen Produkt aufwarten konnen, behaupten sich seit Jahren erfolgreich in ihrer Kooperation. Dieser Umstand wird auch durch das im Vergleich zu anderen Destinationen ausgesprochen diversifizierte touristische Angebot begiinstigt. Aus Perspektive zahlreicher deutscher Reiseveranstalter erwies es sich als ein nicht zu unterschatzender Vorteil, wenn im marokkanischen Kooperationsunternehmen ein deutscher - oder zumindest ein versierter deutschsprachiger - Akteur eine leitende Funktion einnahm. Diesem wurde dezidiert der Part zugeschrieben, kulturelle Divergenzen im alltaglichen Kooperationsge-
Resiimee
335
schehen zu iiberbrucken, wobei diesbeziiglich insbesondere der sprachliche Faktor eine pradominierende Stellung innehatte. Geht man wie in vorliegender Arbeit von der Pramisse aus, dass eine optimalerweise symmetrische Kooperationsbeziehung auch einer moglichst adaquaten Verstandigungsbasis bedarf, so gewinnt der Faktor Sprache eine essentieile Bedeutung, die keinesfails unterschatzt werden darf. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sprachliche Barrieren zu den klassischen Ursachen von Missverstandnissen zahlen, die wiederum Ausioser von Konflikten sein konnen. Zumindest aus einer hoUstischen Unternehmensperspektive diirfte transparent geworden sein, dass Akteure, die sich den komplexen Herausforderungen einer zunehmend vernetzten Welt stellen woUen, nicht umhinkonnen, sich mit interkulturellen Fragestellungen auseinander zu setzen, um eine bilaterale Kooperation erfolgreich bewerkstelligen zu konnen. Ob wir vi^oUen oder nicht - wir leben in einer am Wettbewerb orientierten Welt, in der sich Internationalisierung weder auf unternehmerischen Selbstzweck noch auf standortbedingten Exodus reduzieren lasst. Internationalisierung ist vielmehr ein konstitutives Fait accompli im Aktionsrahmen jener Unternehmen, die sich den globalen Herausforderungen ofFnen und entsprechende Chancen erfolgreich in Wert setzen woUen. Gerade im internationalen Kontext ware es deshalb ausgesprochen kontraproduktiv, bilaterale Unternehmenskooperationen ausschliefilich auf Basis der Steuerungsgrofien Ertrag und Kosten analysieren zu woUen, ohne fiir eine interkulturelle Kooperationsfahigkeit der relevanten Mitarbeiter Sorge zu Tragen. Auch wenn man meint, kulturelle Inkompatibilitaten iiberbriicken zu konnen, so lassen sich diese nicht auf Dauer handhaben, ohne dass sich im Verlauf der bilateralen Zusammenarbeit negative Implikationen einstellen. Eine Investition in die interkulturelle Kompetenz von Mitarbeitern stellt somit - auch in Zeiten, die zunehmend von ControUern und Quartalsberichten dominiert werden - eine Investition in das qualitative Wachstum eines Unternehmens dar, die sich in jedem Fall mittel- bis langfristig amortisiert. Und wo bleibt die Geographie? Als raumbezogene Wissenschaft konnte und soUte sie ihre entsprechende Forschungskompetenz verstarkt in Wert setzen, denn eines ist sicher: Raumliche Probleme sind mit der Tendenz zur Globalisierung, die in jeglicher Hinsicht ein ambivalentes, mitunter paradoxes Phanomen verkorpert, nicht geringer geworden. Wohl wahr, die Verdichtung von Raum und Zeit hat unsere Wahrnehmung raumlicher Aspekte nachhaltig verandert. Auf der einen Seite konstatieren wir eine vermeintliche pax transcultura, auf der anderen Seite eine zunehmende Angst, in einer Weltgesellschaft unterzugehen und an Identitat zu verlieren. Unter unseren Augen entsteht, wie SCHLOGEL (2003, S. 12) treffend konstatiert, „ein neuer Raum, eine neue Ordnung der Welt, wahrend die Begriffe und die Sprache, die sie erfassen soUen, noch nicht bereitstehen." Den Chancen und Risiken dieser Phanomene k5nnen wir nur gerecht werden, wenn wir Kultur in ihrer Komplexitat und Widerspriichlichkeit als zentrale Dimension einbeziehen. Als Geographen sind wir im interdisziplinaren Dialog gefordert, unsere entsprechenden Konzepte einzubringen und auszuweiten. Umso begriifienswerter ist in diesem Kontext der Umstand, wenn MEUSBURGER (2002, S.7) in einem programmatischen Beitrag iiber die Geographie und die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts feststellt: „Die
336
Kapitel X
Globalisierung hat die Bedeutung der Geographic noch verstarkt. Denn je naher die Lander und Kulturen zusammenriicken, umso gravierender sind die negativen Folgen und finanziellen Kosten eines geographischen Analphabetismus'. Viele grofie Unternehmen scheitern auf auslandischen Markten nicht deshalb, weil sie nicht die modernste Technologie oder das giinstigste Preis-Leistungs-Verhaltnis anbieten, sondern weil die verantworthchen Manager aufgrund ihrer Ausbildung wenige Vorstellungen von der Kultur, der Geographic sowie den Chancen und Risiken in fremden Landern haben." Es ware zu wiinschen, dass gerade Vertreter der Kulturgeographie aufgrund ihres traditionell integrierenden BUckwinkels entsprechende Reflexionen, die Ansporn und Herausforderung zugleich sind, verstarkt aufgreifen und im Rahmen ihrer Forschungsaktivitaten in Wert setzen. In diesem Kontext lassen sich interkulturelle Fragestellungen durchaus pragmatisch als ein aktiver Beitrag zur angewandten Geographic begrcifen, den die DiszipHn - nicht zuletzt vor dem Hintergrund eines verstarkten Legitimationsdrucks - auf keinen Fall ungenutzt verstrcichen lassen sollte. In Zeiten, in denen, wie MERNISSI (2002, S. 38) konstatiert, das „Fremde vor allem etwas Raumliches" verkorpert und Grenzzichungen mentaler wie rcalcr Art nichts an Brisanz eingebuf?t haben, bleibt auf alle Falle viel zu tun, wenn wir wollen, dass die entsprechende Aussage der marokkanischen Soziologin moglichst bald der Vergangenheit angehort. In diesem Kontext soUten wir aber auch unter keinen Umstanden vergessen, dass kulturelle Divergenz nicht nur cine Flerausfordcrung, sondern in erster Linie cine Bereicherung darstellt, die letztendlich den Schliissel zu unserem eigenen Verstandnis bereithalt.
Literaturverzeichnis ADAIR, G . (1992): The postmodernist always rings twice: reflections on culture in the 90s. London. ADERHOLD, J./HEIDELOFF, F. (2001): Kultur als Problem der Weltgesellschaft? Ein Diskurs iiber Globalitat, Grenzbildung und kulturelle Konfliktpotenziale. Stuttgart. ADERHOLD, P. et al. (2000): Tourismus in Entwicklungslander: Eine Untersuchung iiber Dimensionen, Strukturen, Wirkungen und Qualifizierungsansatze im Entwicklungslander-Tourismus - unter besonderer Beriicksichtigung des deutschen Urlaubsreisemarktes. Ammerland. AHARONI, Y. (1966): The Foreign Investment Decision Process. Boston. AIT HAMZA, M . / P O P P , H . (1999): Trekking-Tourismus im Zentralen Hohen Atlas - Beispiel fiir „sanften Tourismus"? - In: Popp, H. (Hrsg.): Lokale Akteure im Tourismus der Maghreblander: Resultate der Forschungen im Bayerischen Forschungsverbund FORAREA 1996-1998. Passau, S. 191-207. AIT HAMZA, M . / P O P P , H . (2000): Trekking-Tourismus im Hohen Atlas: Beispiel fur nachhaltigen Tourismus in einer Peripherregion? - In: Geographische Rundschau 52 (2), S. 4-10. AjiFERUKE, M./BoDDEWYN, J. (1970): ,Culture' and other explanatory variables in comparative management studies. - In: Academy of Management Journal 13 (2), S. 153-163. ALBACH, H . (1991): Vertrauen in der okonomischen Theorie. - In: Albach, H. (Hrsg.): Unternehmen im Wettbewerb: Investitions-, Wettbewerbs- und Wachstumstheorie als Einheit. Wiesbaden, S. 3-12. ALBROW, M . (1998): Auf dem Weg zu einer globalen Gesellschaft? - In: Beck, U. (Hrsg.): Perspektiven der Weltgesellschaft. Frankftirt am Main, S. 411-434. ANDERSON, L. E . (1994): A New Look at an Old Construct: Cross-cultural Adaptation. - In: International Journal of Intercultural Relations 18 (3), S. 293-328. APELT, M . (1999): Vertrauen in der zwischenbetrieblichen Kooperation. Wiesbaden. APFELTHALER, G . (1998): Interkulturelles Management als soziales Handeln, Wien. APPADURAI, A . (1990): Disjuncture and Difference in the Global Cultural Economy. - In: Featherstone, M. (Hrsg.): Global Culture: Nationalism, Globalization and Modernity: A Theory, Culture & Society Special Issue. London, S. 295-310. AscHENBACH, G./BILLMANN-MAHECHA, E./ZITTERBARTH, W . (1985): Kulturwissenschafthche Aspekte qualitativer psychologischer Forschung. - In: Jiittemann, G. (Hrsg.): Qualitative Forschung in der Psychologic: Grundfragen, Verfahrensweisen, Anwendungsfelder. Weinheim, S. 25-44.
338
Literaturverzeichnis
AsPER, A. (1997): Globalisierung von Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und die Auswirkungen auf den Tourismus: unter besonderer Beriicksichtigung des Schweizer Tourismus. Berlin. ATELJEVIC, I./DOORNE, S. (2000): ,Staying within the Fence': Lifestyle Entrepreneurship in Tourism. - In: Journal of Sustainable Tourism 8 (5), S. 378-392. AuERNHEiMER, G. (2002): Das Multikulturalismusverstandnis bei Herder: Versuch einer Ehrenrettung fiir Johann Gottfried Herder. - In: Neubert, S./Roth, H.-J./Yildiz, E. (Hrsg.): Multikulturalitat in der Diskussion: Neuere Beitrage zu einem umstrittenen Konzept. Opladen, S. 145-171. AuFENANGER, S. (1991): Qualitative Analyse semi-struktureller Interviews: Ein Werkstattbericht. - In: Garz, D./Kraimer, K, (Hrsg.): Qualitativ-empirische Sozialforschung: Konzepte, Methoden, Analysen. Opladen, S. 35-59. AuGE, M. (1994): Orte und Nicht-Orte: Voriiberlegungen zu einer Ethnologie der Einsamkeit. Frankfurt am Main^. BACHMANN, R./LANE, C . (2003): Vertrauen und Macht in zwischenbetrieblichen Kooperationen - zur Rolle von Wirtschaftsrecht und Wirtschaftsverbanden in Deutschland und GroEbritannien. - In: Sydow, J. (Hrsg.): Management von Netzwerkorganisationen: Beitrage aus der „Managementforschung". Wiesbaden^, S. 75-106. BACKHAUS, K./PILTZ, K. (1990): Strategische Allianzen - eine neue Form kooperativen Wettbewerbs? - In: Backhaus, K./Piltz, K. (Hrsg.): Strategische Allianzen. Diisseldorf, S. 1-10. BACKHAUS, K./PLINKE, W . (1990): Strategische Allianzen als Antwort auf veranderte Wettbewerbsstrukturen. - In: Backhaus, K./Piltz, K. (Hrsg.): Strategische Allianzen. Diisseldorf, S. 21-33. BARBER, B . R. (1996): Coca-Cola und Heiliger Krieg: Wie Kapitalismus und Fundamentalismus Demokratie und Freiheit abschaffen. Bern. BARBIER, J. (1999): Tourisme et developpement regional dans la strategie touristique du Maroc. - In: Berriane, M./Popp, H. (Hrsg.): Le tourisme au Maghreb: Diversification du produit et developpement local et regional. Rabat, S. 41-47. BARTHA, I. (2004): Ethnotourismus - Anspruch und Grenzen ,exotischer' Kulturbegegnungen. - In: Luger, K./Baumgartner, C./Wohler, K. (Hrsg.): Ferntourismus wohin? Der globale Tourismus erobert den Horizont. Innsbruck, S. 73-87. BARTHA, I. (2006): Ethnotourismus in Siidmarokko: Touristische Prasentation, Wahrnehmung und Inszenierung der Berber. Bayreuth. BAUM, T. (1999): Human Resource Management in Tourism's Small Business Sector: Policy Dimensions. - In: Lee-Ross, D. (Hrsg.): HRM in Tourism and Hospitality: International Perspectives on Small to Medium-sized Enterprises. London, S. 3-16. BAURLE, I. (1996): Internationalisierung als ProzeEphanomen: Konzepte - Besonderheiten - Handhabung. Wiesbaden.
Literaturverzeichnis
339
BAUSINGER, H . (1980): Zur Problematik des KulturbegrifFs. - In: Wierlacher, A. (Hrsg.): Fremdsprache Deutsch: Grundlagen und Verfahren der Germanistik als Fremdsprachenphilologie (Bd. 1). Munchen, S. 58-69. BAUSINGER, H . (1988): Stereotypic und Wirklichkeit. - In: Wierlacher, A. et al. (Hrsg.): Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache (Bd. 14). Munchen, S. 157-170. BAUSINGER, H . (1991): Grenzenlos ... Ein Blick auf den modernen Tourismus. - In: Bausinger, H./Beyrer, K./KorfF, G. (Hrsg.): Reisekultur: von der Pilgerfahrt zum modernen Tourismus. Munchen, S. 343-353. BECK, RVSCHWARZ, G . (1995): Konfliktmanagement. M i n g . BEN JELLOUN, T. (1999): Papa, was ist ein Fremder? Gesprach mit meiner Tochter. Berlin. BERGEMANN, N./SOURISSEAUX, A . L . J. (Hrsg.) (1996): Interkulturelles Management. Heidelberg^. BERGER, R . (2002): Chancen und Risiken der Internationalisierung aus Sicht des Standortes Deutschland. - In: Krystek, U./Zur, E. (Hrsg.): Handbuch Internationalisierung: Globalisierung - eine Herausforderung fiir die Unternehmensfiihrung. Berlin^, S. 21-33. BERGLER, R . (1966): Psychologic stereotyper Systeme: Ein Beitrag zur Sozial- und Entwicklungspsychologie. Bern. BERGMANN, T. J./VOLKEMA, R. J. (1989): Understanding and Managing Interpersonal Conflict at Work: Its Issues, Interactive Processes, and Consequences. - In: Rahim, M. A. (Hrsg.): Managing Conflict: An Interdisciplinary Approach. Westport, S. 7-19. BERNDT, C . (1996): Arbeitsteilung, institutionelle Distanz und Ortsgebundenheit: Strategische Anpassung an veranderte Rahmenbedingungen am Beispiel mittelstandischer Unternehmen im Ruhrgebiet. - In: Geographische Zeitschrift 84 {4)yS. 220-237. BERRIANE, M . (1980): Quelques donnees sur le tourisme interieur a travers le releve des nuitees hotelieres. - In: Revue de Geographic du Maroc (4) Nouvelle Serie, S. 77-83. BERRIANE, M . (1990): Fremdenverkchr im Maghreb: Tunesien und Marokko im Verglcich. - In: Geographische Rundschau 42 (2), S. 94-99. BERRIANE, M . (1992): Tourisme national et migrations de loisirs au Maroc (etude geographique), Rabat, BERRIANE, M . (1999a): La Geographic du tourisme au Maroc: essai de synthese sur I'etat dc la recherche. - In: Berriane, M./Popp, H. (Hrsg.): Le tourisme au Maghreb: Diversification du produit et devcloppcment local et regional. Rabat, S. 13-26. BERRIANE, M . (1999b): Tourisme, culture et devcloppcment dans la region arabe: Soutenir la culture pour developper le tourisme, developper le tourisme pour soutenir la culture. Paris.
340
Literaturverzeichnis
BERRIANE, M . (2003): Einblicke in die franzosische Tourismusgeographie. - In: Becker, C./ Hopfinger, H./Steinecke, A. (Hrsg.): Geographie der Freizeit und des Tourismus: Bilanz und Ausblick. Miinchen, S. 45-54. BERRIANE, M . / P O P P , H . (Hrsg.) (1999): Le tourisme au Maghreb: Diversification du produit et developpement local et regional. Rabat. BIERHOFF, H . W . (1995): Vertrauen in Fiihrungs- und Kooperationsbeziehungen. - In: Kieser, A./ Reber, G./Wunderer, R. (Hrsg.): Handworterbuch der Fiihrung. Stuttgart^, Sp. 2148-2158. BiERNERT, U. (1998): Wiistentourismus in Siidmarokko: Das Beispiel desTafilalet. Passau. BiERNERT, U. (1999): Wirtschaftliche und sozio-kulturelle Aspekte des internationalen Wiistentourismus - Das Beispiel der Oasenregion Tafilalet/Marokko. - In: Popp, H. (Hrsg.): Lokale Akteure im Tourismus der Maghreblander: Resultate der Forschungen im Bayerischen Forschungsverbund FORAREA 1996-1998. Passau, S. 163-189. BiTTNER, A. (2002): Interkulturelle Kompetenz und Internationales Denken. - In: Krystek, U./ Zur, E. (Hrsg.): Handbuch Internationalisierung: Globalisierung - eine Herausforderung fiir die Unternehmensfuhrung. Berlin^, S. 763-776. BLEICHER, K. (1995): Vertrauen als kritischer Faktor einer Bewaltigung des Wandels. - In: Zeitschrift Fiihrung + Organisation 64 (6), S. 390-395. BLOTEVOGEL, H . H . (2003): „Neue Kulturgeographie" - Entwicklung, Dimensionen, Potenziale und Risiken einer kulturalistischen Humangeographie. - In: Berichte zur deutschen Landeskunde77(l), S. 7-34. BLUMER, H . (1976): Der methodologische Standort des Symbolischen Interaktionismus. - In: Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hrsg.): Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit (Bd. 1). Reinbek, S. 80-146. BoECKLER, M. (2005): Geographien kultureller Praxis: Syrische Unternehmer und die globale Moderne. Bielefeld. BoECKLER, M./LINDNER, P. (2000): Jungere Tendenzen im Umgang mit Kultur und Region in der Wirtschafts- und Sozialgeographie. - In: Bahadir, S. A. (Hrsg.): Kultur und Region im Zeichen der Globalisierung: Wohin treiben die Regionalkulturen.'* Neustadt an der Aisch, S. 105-128. BoLTEN, J. (1998): Integrierte interkulturelle Trainings als Moglichkeit der Effizienzsteigerung und Kostensenkung in der internationalen Personalentwicklung. - In: Barmeyer, C. I./Bolten, J. (Hrsg.): Interkulturelle Personalorganisation. Sternenfels, S. 157-178. BoLTEN, J. (1999): Grenzen der Internationalisierungsfahigkeit. Interkulturelles Handeln aus interaktionstheoretischer Perspektive. - In: Bolten, J. (Hrsg.): Cross Culture - Interkulturelles Handeln in der Wirtschaft. Sternenfels^, S. 25-42. BORN, K. (2000): Dienstleistungsmentalitat und Kundenorientierung. - In: Bastian, H./Born, K./Dreyer, A. (Hrsg.): Kundenorientierung im Touristikmanagement. Miinchen^, S. 1-9.
Literaturverzeichnis
341
BORN, K./DREYER, A. (2003): Die Beschwerde ist ein Geschenk - aber fiir wen? - In: Bieger, T./ Pechlaner, H./Bausch,T. (Hrsg.): Erfolgskonzepte imTourismus II: Finanzierung - Kundenzufriedenheit - Content-Management. Wien, S. 105-130. BoRSiG, C./BAUMGARTEN, C . (2002): Grundlagen des internationalen Kooperationsmanagements. - In: Macharzina, K./Oesterle, M.-J. (Hrsg.): Handbuch Internationales Management: Grundlagen - Instrumente - Perspektiven. Wiesbaden^, S. 551-572. BOSCH, B . (1996): Interkulturelles Management: Eine kultursoziologische Fallstudie iiber die Fiihrung deutscher Niederlassungen in Malta. Darmstadt. BOSCH, B . (1997): Interkulturelles Management. - In: Reimann, H. (Hrsg.): Weltkultur und Weltgesellschaft: Aspekte globalen Wandels; zum Gedenken an Horst Reimann (1929 - 1994). Opladen, S. 268-292. BoESCH, E. E. (2003): Das Fremde und das Eigene. - In: Thomas, A. (Hrsg.): Psychologie interkulturellen Handelns. Gottingen^, S. 87-105. BouRDiEU, P. (1989): Satz und Gegensatz: Uber die Verantwortung des Intellektuellen. Berlin. BRAH, A . (1996): Cartographies of diaspora: contesting identities. London. BRAUN, G . E . (1979): Das liberalistische Modell als konzeptioneller Bezugsrahmen fiir Konfliktanalyse und Konflikthandhabung. - In: Dlugos, G. (Hrsg.): Unternehmungsbezogene Konfliktforschung: Methodologische und forschungsprogrammatische Grundfragen. Stuttgart, S. 89-114. BRAUN, W./^)^RNER, M . (2002): The ,culture-free' versus ,culture-specific' management debate. - In: Warner, M./Joynt, P. (Hrsg.): Managing Across Cultures: Issues and Perspectives. London^, S. 13-25. BREIDENBACH, J./ZUKRIGL, I. (1998): Tanz der Kulturen: Kulturelle Identitat in einer globalisierten Welt. Miinchen. BREIDENBACH, J./ZUKRIGL, I. (2002): Widerspriiche der kulturellen Globalisierung: Strategien und Praktiken. - In: Aus Politik und Zeitgeschichte (B 12), S. 19-25. BREIT, J. (1991): Die Marktselektionsentscheidung im Rahmen der unternehmerischen Internationalisierung. Wien. BRITTON, S. (1982a): International Tourism and Multinational Corporations in the Pacific: the Case of Fiji. - In: Taylor, M./Thrift, N. (Hrsg.): The Geography of Multinationals: Studies in the Spatial Development and Economic Consequences of Multinational Corporations. London, S. 252-274. BRITTON, S. (1982b): The Political Economy of Tourism in the Third World. - In: Annals of Tourism Research 9 (3), S. 331-358. BRUHN, M . (2002): Das Konzept der kundenorientierten Unternehmensfiihrung. - In: Hinterhuber, H. H./Matzler, K. (Hrsg.): Kundenorientierte Unternehmensfiihrung: Kundenorientierung - Kundenzufriedenheit - Kundenbindung. Wiesbaden^, S. 33-62.
342
Literaturverzeichnis
BuHALis, D. (2001): The tourism phenomenon: the new tourist and consumer. - In: Wahab, S./ Cooper, C. (Hrsg.): Tourism in the Age of Globahsation. London, S. 69-96. BuKOW, W.-D. (2002): Pladoyer fur eine Neubestimmung von kulturellen Diskursen innerhalb der postmodernen Entwicklung. - In: Neubert, S./Roth, H.-J./Yildiz, E. (Hrsg.): Multikulturalitat in der Diskussion: Neuere Beitrage zu einem umstrittenen Konzept. Opladen, S. 121-144. CASMIR, R L./ASUNCION-LANDE, N . (1989): Intercultural Communication Revisited: Conceptualization, Paradigm Building, and Methodological Approaches. - In: Anderson, J. A. (Hrsg.): Communication Yearbook 12. Newbury Park, S. 278-309. CGEM (2000): Contrat Programme 2000-2010: La relance de la croissance du Royaume a travers un developpement accelere de son tourisme - Le tourisme: une vision, un defi, une volonte. o. O. CHANDLER, A. D. (1989): Die Entwicklung des zeitgenossischen globalen Wettbewerbs. - In: Porter, M. E. (Hrsg.): Globaler Wettbewerb: Strategien der neuen Internationalisierung. Wiesbaden, S. 467-514. CHILD, J. (1981): Culture, Contingency and Capitalism in the Cross-National Study of Organizations. - In: Cummings, L. L./Staw, B. (Hrsg.): Research in Organizational Behavior (Bd. 3). Greenwich, S. 303-356. CLEGG, S. R./GRAY, J. T. (1996): Metaphors of Globalization. - In: Boje, D. M./Gephart, R. V.I Thatchenkery, T. J. (Hrsg.): Postmodern Management and Organization Theory. Thousand Oaks, S. 293-307. COHEN, E . (1985): The Tourist Guide: The Origins, Structure and Dynamics of a Role. - In: Annals of Tourism Research 12 (1), S. 5-29. COLLIER, M . J. (1989): Cultural and Intercultural Communication Competence: Current Approaches and Directions for Future Research. - In: International Journal of Intercultural Relations 13 (3), S. 287-302. COLLIER, M . J. (2000): Constituting cultural difference through discourse: current research themes of politics, perspectives, and problematics. - In: Collier, M. J. (Hrsg.): Constituting cultural difference through discourse. Thousand Oaks, S. 1-25. CRANG, P. (1997): Cultural turns and the re (constitution) of economic geography. - In: Lee, R./Wills, J. (Hrsg.): Geographies of economies. London, S. 3-15. CREED, W . E . D./MILES, R. E . (1996): Trust in Organizations: A Conceptual Framework Linking Organizational Forms, Managerial Philosophies, and the Opportunity Costs of Controls. - In: Kramer, R. M./Tyler, T R. (Hrsg.): Trust in Organizations: Frontiers of Theory and Research. Thousand Oaks, S. 16-38. CusHNER, K./BRISLIN, R. W . (1996): Intercultural interactions: A practical guide. Thousand
Oaks^.
Literaturverzeichnis
343
DAHRENDORF, R . (1998): Anmerkungen zur Globalisierung. - In: Beck, U. (Hrsg.): Perspektiven der Weltgesellschaft. Frankfurt am Main, S. 41-54. DAS, T . K./TENG, B . (1998): Between trust and control: developing confidence in partner cooperation in alliances. - In: Academy of Management Review 23 (3), S. 491-512. DATZER, R./LOHMANN, M . (1981): Der Beruf des Reiseleiters: Eine soziologische Untersuchung. Starnberg. D E DREU, C . K. W . (1997): Productive Conflict: The Importance of Conflict Management and Conflict Issue. - In: De Dreu, C. K. W./Van de Vliert, E. (Hrsg.): Using Conflict in Organizations. London, S. 9-22. DEUTSCH, M . (1976): Konfliktregelung: Konstruktive und destruktive Prozesse. Miinchen. DiETSCH, K. A. (2003): Die Studienreise im Wandel: Konzepte einer klassischen Reiseform. - In: Giinter, W. (Hrsg.): Handbuch fiir Studienreiseleiter: Padagogischer, psychologischer und organisatorischer Leitfaden fiir Exkursionen und Studienreisen. Miinchen^, S. 133-143. DiNGES, N. (1983): Intercultural Competence. - In: Landis, D./Brislin, R. W. (Hrsg.): Handbook of Intercultural Training: Issues in Theory and Design (Bd. I). New York, S. 176-202. DoNEY, P. M./CANNON, J. P./MuLLEN, M. R. (1998): Understanding the influence of national culture on the development of trust. - In: Academy of Management Review 23 (3), S. 601-620. DRECHSEL, P. (1999): Paradoxien interkultureller Beziehungen. - In: Drechsel, P. et al.: Interkulturalitat - Grundprobleme der Kulturbegegnung. Mainzer Universitatsgesprache Sommersemester 1998. Mainz, S. 173-212. DRECHSEL, P./SCHMIDT, B./GOLZ, B. (2000): Kultur im Zeitalter der Globalisierung: von Identitat zu Differenzen. Frankfurt am Main. DREYER, A . (2004): Kundenorientierung in touristischen Destinationen. - In: Hinterhuber, H. H./Pechlaner, H./Kaiser, M.-O./Matzler, K. (Hrsg.): Kundenmanagement als Erfolgsfaktor: Grundlagen des Tourismusmarketing. Berlin, S. 29-49. DREYER, A./BORN, K . (2004): Ansatze fur ein touristisches Beschwerdemanagement in Destinationen. - In: Hinterhuber, H. H./Pechlaner, H./Kaiser, M.-O./Matzler, K. (Hrsg.): Kundenmanagement als Erfolgsfaktor: Grundlagen des Tourismusmarketing. Berlin, S. 239-264. DREYER, A./DEHNER, C . (2003): Kundenzufriedenheit im Tourismus: Entstehung, Messung und Sicherung mit Beispielen aus der Hotelbranche. Miinchen. DuLFER, E. (2001): Internationales Management in unterschiedlichen Kulturbereichen. Miinchen^ DuLFER, E. (2002): Zur Geschichte der internationalen Unternehmenstatigkeit - Eine unternehmerbezogene Perspektive. - In: Macharzina, K./Oesterle, M.-J. (Hrsg.): Handbuch Internationales Management: Grundlagen - Instrumente - Perspektiven. Wiesbaden^, S. 69-95.
344
Literaturverzeichnis
DUNNING, J. H. (1993a): The globalization of business: The challenge of the 1990s. London. DUNNING, J. H. (1993b): Multinational Enterprises and the Global Economy. Wokingham. EDELMAYER, F./LANDSTEINER, E./PIEPER, R . (Hrsg.) (2001): Die Geschichte des europaischen
Welthandels und der wirtschaftliche Globalisierungsprozess. Miinchen. EDEN, H . (2002): Kleine und mittlere Unternehmen im Prozess der Internationalisierung. - In: Krystek, U./Zur, E. (Hrsg.): Handbuch Internationalisierung: Globalisierung - eine Herausforderung fur die Unternehmensfiihrung. Berlin^, S. 35-80. ENGELHARD, J./DAHN, M . (2002): Theorien der internationalen Unternehmenstatigkeit - Darstellung, Kritik und zukiinftige Anforderungen. - In: Macharzina, K./Oesterle, M.-J. (Hrsg.): Handbuch Internationales Management: Grundlagen - Instrumente - Perspektiven. Wiesbaden2, S. 23-44. ERNST, D . (1999): Internationalisierung kleiner und mitderer Unternehmen: Kooperationsformen und AuEenwirtschaftsforderung. Wiesbaden. EscHER, A. (1999): Das Fremde darf fremd bleiben! Pragmatische Strategien des „Handlungsverstehens" bei sozialgeographischen Forschungen im „islamischen Orient". - In: Geographische Zeitschrift 87 (3+4), S. 165-177. EscHER, A./PETERMANN, S./CLOS, B . (2001): Gentrification in der Medina von Marrakech. - In: Geographische Rundschau 53 (6), S. 24-31. EuLER, C. (Hrsg.) (1989): »Eingeborene« - ausgebucht: Okologische Zerstorung durch Tourismus. GieEen. FAATH, S. (1987): Marokko: Die innen- und aufenpolitische Entwicklung seit der Unabhangigkeit. Kommentar und Dokumentation (Bd. 1). Hamburg. FAYED, H./FLETCHER, J. (2002): Report: Globalization of economic activity: issues for tourism. - In: Tourism Economics 8 (2), S. 207-230. FAYOS-SOLA, E./BUENO, A. P. (2001): Globalization, national tourism policy and international organizations. - In: Wahab, S./Cooper, C. (Hrsg.): Tourism in the Age of Globalisation. London, S. 45-65. FISCHER, M . (1996): Interkulturelle Herausforderungen im Frankreichgeschaft: Kulturanalyse und Interkulturelles Management. Wiesbaden. FISCHER, W . (1998): Expansion - Integration - Globalisierung: Studien zur Geschichte der Weltwirtschaft. Gottingen. FLICK, U./KARDORFF, E . V./STEINKE, I. (2000): Was ist qualitative Forschung? Einleitung und
Uberblick. - In: Flick, U./Kardorff, E. v./Steinke, I. (Hrsg.): Qualitative Forschung: ein Handbuch. Reinbek, S. 13-29. FOLGER, J. P./POOLE, M . S./STUTMAN, R . K . (1997): Working through conflict: strategies for relationships, groups, and organizations. New York.
Literaturverzeichnis
345
FREYER, W . (2000): Globalisierung in der Tourismuswirtschaft. - In: Landgrebe, S. (Hrsg.): Internationaler Tourismus. Miinchen, S. 13-50. FREYER, W . (2001): Tourismus: Einfiihrung in die Fremdenverkehrsokonomie. Miinchen^. FREYER, W. (2002): Globalisierung und Tourismus. Dresden^. FREYER, W./POMPL, W . (2000): Schliisselkompetenzen fiir das internationale Tourismusmanagement. - In: Landgrebe, S. (Hrsg.): Internationaler Tourismus. Miinchen, S. 114-130. FREYER, W./SCHERLE, N . (2003): Bunte Bilderwelten: Deutschsprachige Reisemagazine auf dem Priifstand. - In: Schmude, J. (Hrsg.): Tegernseer Tourismus Tage 2002 - Proceedings. Regensburg, S. 24-36. FRICKE, D . et al. (2002): Chancen und Risiken interkultureller Kooperationen von KMU: Struktur, Verlauf und Ertrage (Gemeinsamer Abschlussbericht). - In: FORAREA Arbeitspapiere(H. 18), S. 55-88. FRICKE, D./BABO, T . M . (2002): Siidafrikanisch-deutsche Unternehmenskooperationen: Strategien und Organisationsformen vor dem Hintergrund kulturspezifischer Besonderheiten und sich wandelnder okonomischer Rahmenbedingungen. - In: FORAREA Arbeitspapiere (H. 18), S. 89-104. FROSCHAUER, U./LUEGER, M . (2003): Das qualitative Interview: Zur Praxis interpretativer Analyse sozialer Systeme. Wien. GARTNER, W . C . (1999): Small scale enterprises in the tourism industry in Ghana's Central Region. - In: Pearce, D. G./Butler, R. W. (Hrsg.): Contemporary Issues in Tourism Development. London, S. 158-175. GARZ, D./KRAIMER, K . (1991): Qualitativ-empirische Sozialforschung im Aufbruch. - In: Garz, D./Kraimer, K. (Hrsg.): Qualitativ-empirische Sozialforschung: Konzepte, Methoden, Analysen. Opladen, S. 1-33. GAST-GAMPE, M . (1993): Einstellungen, Stereotype, Vorurteile. - In: Hahn, H./Kagelmann, H.-J. (Hrsg.): Tourismuspsychologie und Tourismussoziologie: ein Handbuch zur Tourismuswissenschaft. Miinchen, S. 127-131. GEERTZ, C . (1995): Dichte Beschreibung: Beitrage zum Verstehen kultureller Systeme. Frankfurt am Main^. GEERTZ, C . (1996): Welt in Stiicken: Kultur und Politik am Ende des 20. Jahrhunderts. Wien. GERMANN, H./RAAB, S./SETZER, M . (1999): Messung der Globalisierung: ein Paradoxon. - In:
Steger, U. (Hrsg.): Facetten der Globalisierung: okonomische, soziale und politische Aspekte. Berlin, S. 1-25. GERNDT, H . (1986): Kultur als Forschungsfeld: Uber volkskundliches Denken und Arbeiten. Miinchen^.
346
Literaturverzeichnis
GERNDT, H . (2002): Kulturwissenschaft im Zeitalter der Globalisierung: Volkskundliche Markierungen. Miinster. GiDDENs, A. (1984): The Constitution of Society: Outline of the Theory of Structuration. Berkeley. GiDDENS, A. (1995): Konsequenzen der Moderne. Frankfurt am Main^. GILBERT, D . U . (1998): Konfliktmanagement in international tatigen Unternehmen. Ein diskursethischer Ansatz zur Regelung von Konflikten im interkulturellen Management. Sternenfels. GIORDANO, C . (1996): Die RoUe von MiEverstandnissen bei Prozessen der interkulturellen Kommunikation. - In: Roth, K. (Hrsg.): Mit der Differenz leben: Europaische Ethnologie und Interkulturelle Kommunikation. Miinster, S. 31-42. GiRTLER, R. (1992): Methoden der qualitativen Sozialforschung: Anleitung zur Feldarbeit. Wien^ GiRTLER, R. (2001): Methoden der Feldforschung. Wienl GLASER, W . (1999): Vorbereitung auf den Auslandseinsatz: Theorie, Konzept und Evaluation eines Seminars zur Entwicklung interkultureller Kompetenz. Neuried. GLASL, F. (1994): Konfliktmanagement: Ein Handbuch zur Diagnose und Behandlung von Konflikten fiir Organisationen und ihre Berater. Bern'^. GLAUM, M . (1996): Internationalisierung und Unternehmenserfolg. Wiesbaden. Go, F. M./APPELMAN, J. (2001): Achieving global competitiveness in SMEs by building trust in interfirm alliances. - In: Wahab, S./Cooper, C. (Hrsg.): Tourism in the Age of Globalisation. London, S. 183-197. GoFFMAN, E. (1982): Das Individuum im ofFentlichen Austausch: Mikrostudien zur offentlichen Ordnung. Frankfurt am Main. GoRMSEN, E. (1983): Tourismus in der Dritten Welt: Fiistorische Entwicklung, Diskussionsstand, sozialgeographische Differenzierung. - In: Geographische Rundschau 35 (12), S. 608-617. GREVERUS, I . - M . (1978): Kultur und Alltagswelt: eine Einfiihrung in kulturanthropologische Fragestellungen. Miinchen. GiJNTER, B. (2001): Beschwerdemanagement als Schliissel zur Kundenzufriedenheit. - In: Homburg, C. (Hrsg.): Kundenzufriedenheit: Konzepte - Methoden - Erfahrungen. Wiesbaden^ S. 259-279. GiJNTER, W. (Hrsg.) (2003): Handbuch fur Studienreiseleiter: Padagogischer, psychologischer und organisatorischer Leitfaden fiir Exkursionen und Studienreisen. Miinchen^.
Literaturverzeichnis
347
HALL, C . M . (1996): Globalisation and Tourism: Connecting and Contextualising Culture, Environment, Economy and Place. - In: Keller, P. (Hrsg.): Globalisation and Tourism. Sankt Gallen, S. 487-500. HALL, C . M . (2001): Territorial economic integration and globalisation. - In: Wahab, S./Cooper, C. (Hrsg.): Tourism in the Age of Globalisation. London, S. 22-44. HALL, E. T (1959): The Silent Language. New York. HALL, E. T. (1990): The Silent Language. New York. HAMMERSCHMIDT, A . C . (1997): Fremdverstehen: Interkulturelle Hermeneutik zwischen Eigenem und Fremdem. Miinchen. HANDSCHUH-HEISS, S. (1997): Auf dem Weg zur McWbrld-Culture? Betrachtungen zur Globalisierung von popularer Kultur. - In: Reimann, H. (Hrsg.): Weltkultur und Weltgesellschaft: Aspekte globalen Wandels; zum Gedenken an Horst Reimann (1929 - 1994). Opladen, S. 44-78. HANNERZ, U . (1992): Cultural Complexity: Studies in the Social Organization of Meaning. New York. HANSEN, K . P. (2000a): Kultur und Kulturwissenschaft: Eine Einfiihrung. Tiibingen^. HANSEN, K. P. (2000b): Interkulturalitat: Eine Gewinn- und Verlustrechnung. - In: Wierlacher, A. et al. (Hrsg.): Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache (Bd. 26). Munchen, S. 289-306. HANSEN, U./Jeschke, K. (2000): Beschwerdemanagement fiir Dienstleistungsunternehmen - Beispiel des Kfe-Handels. - In: Bruhn, M./Stauss, B. (Hrsg.): Dienstleistungsqualitat: Konzepte - Methoden - Erfahrungen. Wiesbaden^, S. 433-459. HARRISON, D . (1992): International tourism and the less developed countries: the background. - In: Harrison, D. (Hrsg.): Tourism and the Less Developed Countries. London, S. 1-18. HARTMANN, K . D . (2003): Die Wirkungen des Bildungstourismus auf Landerkenntnis und Volkerverstandigung. - In: Giinter, W. (Hrsg.): Handbuch fiir Studienreiseleiter: Padagogischer, psychologischer und organisatorischer Leitfaden fiir Exkursionen und Studienreisen. Munchen^ S. 47-57. HARVEY, D . (1990): The Condition of Postmodernity: An Enquiry into the Origins of Cultural Change. Oxford. HARVEY, D . (1994): Die Postmoderne und die Verdichtung von Raum und Zeit. - In: Kuhlmann, A. (Hrsg.): Philosophische Ansichten der Kultur der Moderne. Frankfurt am Main, S. 48-78. HASENSTAB, M . (1999): Interkulturelles Management: Bestandsaufnahme und Perspektiven. Sternenfels.
348
Literaturverzeichnis
HAUG, A. (2002): Interkulturelle Kooperationen deutscher und indonesischerTourismusunternehmen: Konfliktpotentiale und Losungsvorschlage. Passau (unverofFendichte Diplomarbeit an der Universitat Passau). HAUSSMANN, H . (1997): Vor- und Nachteile der Kooperation gegeniiber anderen Internationalisierungsformen. - In: Macharzina, K./Oesterle, M.-J. (Hrsg.): Handbuch Internationales Management: Grundlagen - Instrumente - Perspektiven. Wiesbaden, S. 459-474. HECKSCHER, E . (1919/1949): The Effect of Foreign Trade on the Distribution of Income. - In: EconomiskTidskrift 21, S. 497-512. HEIN, W . (1995): Von der fordistischen zur post-fordistischen Weltwirtschaft. - In: Peripherie 15 (59/60), S. 45-78. HEINE, P. (1996): Kulturknigge fur NichtmusUme: Ein Ratgeber fiir alle Bereiche des Alltags. Freiburg^. HELBRECHT, I. (1998): Globalisierung und lokale Politikstrategien in der Diskussion um die Postmoderne. - In: Gebhardt, H./Heinritz, G./Wiessner, R. (Hrsg.): Europa im Globalisierungsprozef? von Wirtschaft und Gesellschaft. Stuttgart, S. 101-110. HELFRICH, H . (2003): Verbale Kommunikation im Kulturvergleich. - In: Thomas, A. (Hrsg.): Kulturvergieichende Psychologie. Gottingen^, S. 385-413. HEMM, H./Diesch, P. (1992): Internationale Kooperationen und strategische Allianzen - Ziele, Probleme und praktische Gestaltung unternehmerischer Partnerschaft. - In: Kumar, B. N./ Haussmann, H. (Hrsg.): Handbuch der Internationalen Unternehmenstatigkeit: Erfolgs- und Risikofaktoren, Markte, Export-, Kooperations- und Niederlassungs-Management. Miinchen, S. 531-547. HENNIG, C . (1999a): Die Botschaft der Bilder: lilustrationen in Reisefiihrern - Eine empirische Untersuchung. - In: Franzmann, B. (Hrsg.): Reisezeit - Lesezeit: Dokumentation der Reiseliteratur-Fachtagungen der Stiftung Lesen in Apolda, Weimar und Leipzig (1996 - 1999). Munchen, S. 47-59. HENNIG, C . (1999b): Reiselust: Touristen, Tourismus und Uriaubskultur. Frankfurt am Main. HENTZE, J./KAMMEL, A . (1994): Erfolgsfaktoren im internationalen Management: Zur Bedeutung der interkulturellen Personalfiihrung in der multinationalen Unternehmung. - In: Die Unternehmung 48 (4), S. 265-275. HERDIN, T./LUGER, K. (2001): Der eroberte Horizont: Tourismus und interkulturelle Kommunikation. - In: Aus Poiitik und Zeitgeschichte (B 47), S. 6-19. HiNTERHUBER, H. H./HANDLBAUER, G./MATZLER, K. (1997): Kundenzufriedenheit dutch Kernkompetenzen: Eigene Potentiale erkennen - entwickein - umsetzen. Wiesbaden. HiNTERHUBER, H. H./MATZLER, K./PECHLANER, H./ROTHENBERGER, S. (2004): Effektives
Kundenwertmanagement im Tourismus. - In: Hinterhuber, H. H./Pechlaner, H./Kaiser, M.-
Literaturverzeichnis
349
O./Matzler, K. (Hrsg.): Kundenmanagement als Erfolgsfaktor: Grundlagen des Tourismusmarketing. Berlin, S. 3-28. HippE, W. (2001): Wie die Geschichte von Hase und Igel: Kultur und Globalisierung. - In: Wagner, B. (Hrsg.): Kulturelle Globalisierung: zwischen Weltkultur und kultureller Fragmentierung. Essen, S. 39-49. HocKER, J. L./WiLMOT, W. W. (1995): Interpersonal Conflict. Madison^ HOFFMANN, H . (1979): Kultur fiir alle: Perspektiven und Modelle. Frankfurt am Main. HoFFMANN-RiEM, C. (1980): Die Sozialforschung einer interpretativen Soziologie: Der Datengewinn. - In: Kolner Zeitschrift fur Soziologie und Sozialpsychologie 32, S. 339-372. HoFSTEDE, G. (1982): Cultures Consequences: International Differences in Work-Related Values. Newbury Park. HoGEN, J. (1998): Entwicklung interkultureller Kompetenz. Marburg. HoLLOWAY, J. C. (2002): The Business of Tourism. Harlov/. HoLTBRUGGE, D. (1996): Perspektiven internationaler Unternehmenstatigkeit in der Postmoderne. - In: Engelhard, J. (Hrsg.): Strategische Fiihrung internationaler Unternehmen: Paradoxien, Strategien und Erfahrungen. Wiesbaden, S. 273-292. HoLZMULLER, H. H. (1997): Kulturstandards - ein operationales Konzept zur Entwicklung kultursensitiven Managements. - In: Engelhard, J. (Hrsg.): Interkulturelles Management: Theoretische Fundierung und funktionsbereichsspezifische Konzepte. Wiesbaden, S. 55-74. HoLZMULLER, H. H./Betg, N . (2002): Handhabung der kulturellen Heterogenitat zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen in internationalen Unternehmen. - In: Macharzina, K./ Oesterle, M.-J. (Hrsg.): Handbuch Internationales Management: Grundlagen - Instrumente - Perspektiven. Wiesbaden^, S. 881-907. HoMBURG, C./RuDOLPH, B. (1998): Theoretische Perspektiven zur Kundenzufriedenheit. - In: Simon, H./Homburg, C. (Hrsg.): Kundenzufriedenheit: Konzepte - Methoden - Erfahrungen. Wiesbaden^, S. 33-55. HoMBURG, C./STOCK, R . (2001): Theoretische Perspektiven zur Kundenzufriedenheit. - In: Homburg, C. (Hrsg.): Kundenzufriedenheit: Konzepte - Methoden - Erfahrungen. Wiesbaden^S. 51-83. HoPF, C. (2000): Qualitative Interviews - ein Uberblick. - In: Flick, U./Kardorff, E. v./Steinke, I. (Hrsg.): Qualitative Sozialforschung: ein Handbuch. Reinbek, S. 349-360. HoPFiNGER, H. (2003): Geographie der Freizeit und des Tourismus: Versuch einer Standortbestimmung. - In: Becker, C./Hopfinger, H./Steinecke, A. (Hrsg.): Geographie der Freizeit und des Tourismus: Bilanz und Ausblick. Miinchen, S. 1-24. HoPFiNGER, H./ScHERLE, N . (2003): International Co-operation and Competition in Tourist Enterprises - Cultural and Economic Aspects of their Behaviour. - In: Kopp, H. (Hrsg.): Area
350
Literaturverzeichnis
Studies, Business and Culture: Results of the Bavarian Research Network forarea. Miinster, S. 397-409. HosMER, L. T. (1995): Trust: the connecting link between organizational theory and philosophical ethics. - In: Academy of Management Review 20 (2), S. 379-403. HouBEN, V. J. H./HENKEL, S./RUPPERT, C . (2002): Wirtschaftskultur und Unternehmenskooperation in Siidostasien: Kooperationspartner in Konfliktsituationen. - In: FORAREA Arbeitspapiere (H. 18), S. 133-149. HouBEN, V. J. H./HENKEL, S./RUPPERT, C . (2003): Economic Culture and Business Co-operation in Southeast Asia, Exemplified by Indonesia and Singapore. - In: Kopp, H. (Hrsg.): Area Studies, Business and Culture: Results of the Bavarian Research Network forarea. Miinster, S. 383-396. HuNFELD, H. (1996): Zur Normalitat des Fremden: Voraussetzungen eines Lehrplanes fiir interkulturelles Lernen. - In: BMW AG (Hrsg.): LIFE - Ideen und Materialien fiir interkulturelles Lernen. Lichtenau, S. 1-10. HUNTINGTON, S.-P. (1993): The Clash of Civilizations? - In: Foreign Affairs 72 (3), S. 22-49. loANNiDES, D. (1998): Tour operators: the gatekeepers of tourism. - In: loannides, D./Debbage, K. G. (Hrsg.): The Economic Geography of the Tourist Industry: A supply-side analysis. London, S. 139-158. loANNiDES, D./DEBBAGE, K. G . (1998): Neo-Fordism and flexible specialization in the travel industry: dissecting the polyglot. - In: loannides, D./Debbage, K. G. (Hrsg.): The Economic Geography of the Tourist Industry: A supply-side analysis. London, S. 99-122. IsENBERG, W. (2003): Spontane »landerkundliche Forschungen« auf Studienreisen. - In: Giinter, W. (Hrsg.): Handbuch fiir Studienreiseleiter: Padagogischer, psychologischer und organisatorischer Leitfaden fiir Exkursionen und Studienreisen. Miinchen^, S. 170-182. JESCHKE, B . G . (1993): Konfliktmanagement und Unternehmenserfolg: Ein situativer Ansatz. Wiesbaden. JIN, X. (1994): Kontakte, Konflikte und Kompromisse: Interkulturelle Kommunikation zwischen Deutschen und Chinesen in einem Joint-Venture. Saarbriicken. JOB, H./WEIZENEGGER, S. (2003): Tourismus in Entwicklungslandern. - In: Becker, C./Hopfinger, H./Steinecke, A. (Hrsg.): Geographie der Freizeit und des Tourismus: Bilanz und Ausblick. Miinchen, S. 629-640. JoHANSON, J./VAHLNE, J.-E. (1977): The Internationalization Process of the Firm - A Model of Knowledge Development and Increasing Foreign Market Commitments. - In: Journal of International Business Studies 8 (1), S. 23-32. JONES, G . R./GEORGE, J. M. (1998): The experience and evolution of trust: implications for cooperation and teamwork. - In: Academy of Management Review 23 (3), S. 531-546.
Literaturverzeichnis
351
JuNGNiCKEL, R. (1992): Die Internationalisierung deutscher Unternehmen - Stand und Perspektiven. - In: Kumar, B./Haussmann, H. (Hrsg.): Handbuch der Internationalen Unternehmenstatigkeit: Erfolgs- und Risikofaktoren, Markte, Export-, Kooperations- und Niederlassungs-Management. Miinchen, S. 45-70. JuRCZEK, P. (2003): Geographie der Freizeit und des Tourismus: Disziplingeschichte und Perspektiven. - In: Becker, C./Hopfinger, H./Steinecke, A. (Hrsg.): Geographie der Freizeit und des Tourismus: Bilanz und Ausblick. Miinchen, S. 25-34. KAGELMANN, H.-J./SCHERLE, N./SCHLAFFKE, M . (2003): Stadtetourismus und populare
Kultur. - In: Bachleitner, R./Kagelmann, H.-J. (Hrsg.): KulturStadteTourismus. Miinchen, S. 165-176. KAGERMEIER, A . (1999): Neue staathch geforderte Tourismusprojekte in Marokko und Tunesien und ihre Roile fiir die wirtschafrUche Entwicklung peripherer Raume. - In: Popp, H. (Hrsg.): Lokale Akteure imTourismus der Maghreblander: Resultate der Forschungen im Bayerischen Forschungsverbund FORAREA 1996-1998. Passau, S. 91-114. KAGERMEIER, A. (2001): Tendenzen der Tourismusentwicklung im Mittelmeerraum im Uberblick: Zahlen, Tendenzen, Konflikte. - In: Popp, H. (Hrsg.): Neuere Trends in Tourismus und Freizeit: Wissenschafthche Befunde - unterrichtUche Behandiung - Reiseerziehung im Erdkundeunterricht. Passau, S. 53-71. KAGERMEIER, A./POPP, H . (2000): Strukturen und Perspektiven der Tourismuswirtschaft im Mittelmeerraum. - In: Petermanns Geographische Mitteilungen 144 (6), S. G^-11. KAISER, M . - O . (2004): Erfolgsfaktor Kundenzufriedenheit im Tourismus: Neue Ansatze zur Umsetzung der Dienstleistungsqualitat. - In: Weiermair, K./Peters, M./Pechlaner, H./Kaiser, M.-O. (Hrsg.): Unternehmertum im Tourismus: Fiihren mit Erneuerungen. Berlin, S. 163-186. KAPPEL, R . (1995): Kern und Rand in der globalen Ordnung: Globalisierung, Tripolaritat, Territorium und Peripherisierung. - In: Peripherie 15 (59/60), S. 79-117. KAPPEL, R . (2003): Globalisierung und Anpassung der Klein- und Mittelunternehmen aus Entwicklungslandern - Anmerkungen zur Relevanz theoretischer und empirisch fundierter Forschung. - In: Kappel, R./Dornberger, U./Meier, M./Rietdorf, U. (Hrsg.): Klein- und Mittelunternehmen in Entwicklungslandern: Die Herausforderungen der Globalisierung. Hamburg, S. 1-23. KARGER, A . (2003): Geographie auf Studienreisen. - In: Giinter, W. (Hrsg.): Handbuch fiir Studienreiseleiter: Padagogischer, psychologischer und organisatorischer Leitfaden fiir Exkursionen und Studienreisen. Miinchen^, S. 183-197. KAUFMANN, F. (1993): Internationalisierung durch Kooperation: Strategien fiir mittelstandische Unternehmen. Wiesbaden.
352
Literaturverzeichnis
KEALEY, D . J./RUBEN, B . D . (1983): Cross-Cultural Personnel Selection Criteria, Issues and Methods. - In: Landis, D./Brislin, R. W. (Hrsg.): Handbook of Intercultural Training: Issues in Theory and Design (Bd. I). New York, S. 155-175. KELLER, P. (1996): Globalisierung und Tourismus: Ein faszinierendes Forschungsthema. - In: Keller, P. (Hrsg.): GlobaUsation and Tourism. Sankt Gallen, S. 33-43. KELLER, P. (2004): Innovation und Tourismus. - In: Weiermair, K./Peters, M./Pechlaner, H./ Kaiser, M.-O. (Hrsg.): Unternehmertum im Tourismus: Fiihren mit Erneuerungen. Berlin, S. 203-216. KiECHL, R. (1990): Wirksam Konflikte losen. - In: io Management Zeitschrift 59 (7/8), S. 47-50. KiENAST, V. (2003): Der Studienreiseleiter - ein Berufsprofil. - In: Giinter, W. (Hrsg.): Handbuch fiir Studienreiseleiter: Padagogischer, psychologischer und organisatorischer Leitfaden fur Exkursionen und Studienreisen. Miinchen^, S. 283-289. KiEVELiTZ, U. (1989): Ethno-Tourismus: Ursachen, Formen und Wirkungen interkultureller Kurzkontakte. - In: Euler, C. (Hrsg.): »Eingeborene« - ausgebucht: Okologische Zerstorung durch Tourismus. Gief?en, S. 29-39. KiRSTGES, T. (1996): Expansionsstrategien im Tourismus: Marktanalyse und Strategiebausteine fur mittelstandische Reiseveranstalter. Wiesbaden^. KiRSTGES, T./ScHRODER, C./BoRN, V. (2001): Destination Reiseleitung: Leitfaden fiir Reiseleiter - aus der Praxis fiir die Praxis. Miinchen. KiTTiNGER-RosANELLi, C./MATZLER, K. (2004): Total Quality Management im Tourismus - Modelle und Methoden. - In: Hinterhuber, H. H./Pechlaner, H./Kaiser, M.-O./Matzler, K. (Hrsg.): Kundenmanagement als Erfolgsfaktor: Grundlagen des Tourismusmarketing. Berlin, S. 165-185. KLAUS, E . (2002): Vertrauen in Unternehmensnetzwerken: Fine interdisziplinare Analyse. Wiesbaden. KLEINING, G . (1982): Umrii? zu einer Methodologie qualitativer Sozialforschung. - In: Kolner Zeitschrift fiir Soziologie und Sozialpsychologie 34, S. 224-253. KLINGENSTEIN, M . A./MUNDT, J. W. (2000): Studienreisen. - In: Mundt, J. W. (Hrsg.): Reiseveranstaltung: Lehr- und Handbuch. Munchen^ S. 255-282. KLUCKHOHN, F. R./STRODTBECK, F L. (1961): Variations in value orientations. Evanston. KNAPP, K. (1996): Interpersonal und interkulturelle Kommunikation. - In: Bergemann, N./ Sourisseaux, A. L. J. (Hrsg.): Interkulturelles Management. Heidelberg^, S. 59-79. KNAPP, K. (1999): Interkulturelle Kommunikationsfahigkeit als Qualifikationsmerkmal fiir die Wirtschaft. - In: Bolten, J. (Hrsg.): Cross Culture - Interkulturelles Handeln in der Wirtschaft. Sternenfels^, S. 9-24.
Literaturverzeichnis
353
KNOWLES, T./DIAMANTIS, D./BEY EL-MOURHABI, J. (2001): The Globalization of Tourism and
Hospitality: A Strategic Perspective. London. KoHLER, R. (1998): Internationale Kooperationsstrategien kleinerer Unternehmen. - In: Bruhn, M./StefFenhagen, H. (Hrsg.): Marktorientierte Unternehmensfiilirung: Reflexionen - Denkanstofie - Perspektiven. Wiesbaden^, S. 181-204. Kopp, H. (Hrsg.) (2003): Area Studies, Business and Culture: Results of the Bavarian Research Network forarea. Miinster. KoppER, E. (1996): Multicultural Workgroups and Project Teams. - In: Bergemann, N./Sourisseaux, A. L. J. (Hrsg.): Interkulturelles Management. Heidelberg, S. 229-252. KoESTER, J./WiSEMAN, R. L./SANDERS, J. A. (1993): Multiple Perspectives of Intercultural Communication Competence. - In: Wiseman, R. L./Koester, J. (Hrsg.): Intercultural Communication Competence. New^bury Park, S. 3-15. KosTERKE, A. (2003): Studienreisende und interkulturelle Begegnung. - In: Giinter, W. (Hrsg.): Handbuch fiir Studienreiseleiter: Padagogischer, psychologischer und organisatorischer Leitfaden fur Exkursionen und Studienreisen. Miinchen^, S. 58-73. KRAMER, D . (1999): Anderssein, ein Menschenrecht: Zur Diskussion um kulturelle Vielfalt in Zeiten der Globalisierung. - In: Drechsel, P. et al.: Interkulturalitat - Grundprobleme der Kulturbegegnung. Mainzer Universitatsgesprache Sommersemester 1998. Mainz, S. 7-26. KRAMER, D . (2001): Macht, Recht und Kampf um kulturelle Hegemonic im Zeichen von Globalisierung. - In: Wagner, B. (Hrsg.): Kulturelle Globalisierung: zwischen Weltkultur und kultureller Fragmentierung. Essen, S. 62-81. KRAMER, W . (1999): Zum Profil des Euro-Managers - Aufgabe und Anforderungen. - In: Bolten, J. (Hrsg.): Cross Culture - Interkulturelles Handeln in der Wirtschaft. Sternenfels^, S. 83-98. KRATKE, S. (1995): Globalisierung und Regionalisierung. - In: Geographische Zeitschrift 83 (4), S. 207-221. KREIKEBAUM, H./BEHNAM, M./GILBERT, D . U . (2001): Management ethischer Konflikte in
international tatigen Unternehmen. Wiesbaden. KRETZENBACHER, H . L . (1992): Der „ersveiterte Kulturbegriff' in der aufienkulturpolitischen Diskussion der Bundesrepublik Deutschland: Ein Vergleich mit der ofFentlichen/innenkulturpolitischen und kulturwissenschaftlichen Begriffsentwicklung von den sechziger bis zu den achtziger Jahren. - In: Wierlacher, A. et al. (Hrsg.): Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache (Bd. 18). Miinchen, S. 170-196. KRISTEVA, J. (1990): Fremde sind wir uns selbst. Frankfurt am Main. KROMREY, H . (2002): Empirische Sozialforschung: Modelle und Methoden der standardisierten Datenerhebung und Datenauswertung. Opladen^^.
354
Literaturverzeichnis
KRUMBHOLZ, H . (1991): Zur Geschichte des Sozialtourismus: Die Anfange der gewerkschaftlichen Ferieneinrichtungen. - In: Spode, H. (Hrsg.): Zur Sonne, zur Freiheit! Beitrage zur Tourismusgeschichte. Berlin, S. 61-70. KRYSTEK, U . (1995): Vertrauen oder MiEtrauen als Determinanten von Fiihrungserfoig. - In: Krystek, U./Link, J. (Hrsg.): Fiihrungskrafte und Fiihrungserfoig: neue Herausforderungen fiir das strategische Management. Wiesbaden, S. 469-499. KRYSTEK, U . (1999): Vertrauen als Basis erfolgreicher strategischer Unternehmungsfiihrung. - In: Hahn, D./Taylor, B. (Hrsg.): Strategische Unternehmungsplanung - Strategische Unternehmungsfiihrung: Stand und Entwicklungstendenzen. Heidelberg^, S. 266-288. KRYSTEK, U . (2002): Vertrauen als vernachlassigter Erfolgsfaktor der Internationalisierung. - In: Krystek, U./Zur, E. (Hrsg.): Handbuch Internationalisierung: Globalisierung - eine Herausforderung fur die Unternehmensfuhrung. Berlin^, S. 819-837. KRYSTEK, U./ZUMBROCK, S. (1993): Planung und Vertrauen: Die Bedeutung von Vertrauen und Misstrauen fiir die Qualitat von Planungs- und KontroUsystemen. Stuttgart. KRYSTEK, U./ZUR, E . (2002): Internationalisierung als Herausforderung fiir die Unternehmensfuhrung: Eine Einfuhrung. - In: Krystek, U./Zur, E. (Hrsg.): Handbuch Internationalisierung: Globalisierung - eine Herausforderung fur die Unternehmensfiihrung. Bedin-^, S. 3-19. KuBSCH, W. (1991): Planung, Vorbereitung und Durchfuhrung von Studienreisen. - In: Giinter, W. (Hrsg.): Handbuch fur Studienreiseleiter: Padagogischer, psychologischer und organisatorischer Leitfaden fur Exkursionen und Studienreisen. Starnberg, S. 417-433. KtJHLMANN,T. M. (1995): Die Auslandsentsendung von Each- und Fiihrungskraften: Eine Einfuhrung in die Schwerpunkte und Ergebnisse der Forschung. - In: Kiihlmann, T. M. (Hrsg.): Mitarbeiterentsendung ins Ausland: Auswahl, Vorbereitung, Betreuung und Wiedereingliederung. Gottingen, S. 1-30. KtJHLMANN, T. M./SCHUMANN, O . (2002): Vertrauen in interkulturellen Kooperationen kleiner und mittlerer Unternehmen: Ein Vergleich zv^ischen Mexiko und Deutschland. - In: FORAREA Arbeitspapiere (H. 18), S. 151-170. KiJHLMANN, T. M./SCHUMANN, O . (2003): Trust in German-Mexican Business Relationships. - In: Kopp, H. (Hrsg.): Area Studies, Business and Culture: Results of the Bavarian Research Network forarea. Miinster, S. 356-371. KiJHLMANN, T. M./STAHL, G . K. (1998): Diagnose interkultureller Kompetenz: Entv^icklung und Evaluierung eines Assessment Centers. - In: Barmeyer, C. I./Bolten, J. (Hrsg.): Interkulturelle Personalorganisation. Sternenfels, S. 213-224. KuHN, T. (1973): Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. Frankfurt am Main. KUMAR, B . N . (1988): Interkulturelle Managementforschung: Ein Uberblick iiber Ansatze und Probleme. - In: Wirtschaftsw^issenschaftliches Studium 17 (8), S. 389-394.
Li teraturverzeichnis
355
KUMAR, B . N./EPPLE, P. (2002): Exporte, Kooperationen und Auslandsgeselischaften als Stationen des Lernens im Internationalisierungsprozefi. - In: Macharzina, KVOesterle, M.-J. (Hrsg.): Handbuch Internationales Management: Grundiagen - Instrumente - Perspektiven. Wiesbaden^ S. 257-272. KuTSCHKER, M. (1994): Strategische Kooperationen als Mittel der Internationalisierung. - In: Schuster, L. (Hrsg.): Die Unternehmung im internationalen Wettbewerb. Berlin, S. 121-157. KuTSCHKER, M. (1999): Internationalisierung der Wirtschaft. - In: Kutschker, M. (Hrsg.): Perspektiven der internationalen Wirtschaft. Wiesbaden, S. 1-25. KUTSCHKER, M . (2001): Internationale Kooperationen kleiner und mittelstandischer Betriebe. Ingolstadt (unverofFentlichtes Manuskript). KUTSCHKER, M . (2002): Internationalisierung der Unternehmensentwicklung. - In: Macharzina, K./Oesterle, M.-J. (Hrsg.): Handbuch Internationales Management: Grundiagen - Instrumente - Perspektiven. Wiesbaden^, S. 45-67. KUTSCHKER, M./MOSSLANG, A. (1996): Kooperationen als Mittel der Internationalisierung von Dienstleistungsunternehmen. - In: Die Betriebswirtschaft 56 (3), S. 319-337. KUTSCHKER, M./SCHMID, S. (2002): Internationales Management. Miinchen. LACKNER, M./WERNER, M . (1998): Der cultural turn in den Humanv^issenschaften. Area Studies im Auf- oder Abwind des Kulturalismus? Bad Homburg. LAMNEK, S. (1995a): Qualitative Sozialforschung: Methodologie (Bd. 1). Weinheim^. LAMNEK, S. (1995b): Qualitative Sozialforschung: Methoden und Techniken (Bd. 2). Weinheim^. LANDES, D . S. (1999): Wohlstand und Armut der Nationen: Warum die einen reich und die anderen arm sind. Darmstadt. LEE-ROSS, A. (1999): Inheriting Staff: Managing Change and Building a Team. - In: Lee-Ross, D. (Hrsg.): HRM in Tourism and Hospitality: International Perspectives on Small to Mediumsized Enterprises. London, S. 135-154. LEED, E . J. (1993): Die Erfahrung der Feme: Reisen von Gilgamesch bis zum Tourismus unserer Tage. Frankfurt am Main. LEGGEWIE, C . (2003): Die Globalisierung und ihre Gegner. Miinchen. LiEB, M. G. (1997): Internationale Kooperation und Qualitatsmanagement. - In: Pompl, W./ Lieb, M. G. (Hrsg.): Qualitatsmanagement im Tourismus. Miinchen, S. 131-154. LINDER, S. B . (1961): An Essay on Trade and Transformation. Uppsala. LINDNER, P. (1999): Raume und Regeln unternehmerischen Handelns: Industrieentwicklung in Palastina aus institutionenorientierter Perspektive. Stuttgart. LippMANN, W. (1964): Die offentliche Meinung. Miinchen.
356
Literaturverzeichnis
LOOSE, A./SYDOW, J. (1994): Vertrauen und Okonomie in Netzwerkbeziehungen - Strukturationstheoretische Betrachtungen. - In: Sydow, J./Windeler, A. (Hrsg.): Management interorganisationaler Beziehungen: Vertrauen, Kontrolle und Informationstechnik. Opladen, S. 160-193. LovERSEED, H. (2002): Travel and Tourism in Morocco. London. LuBRiTZ, S. (1998): Internationale Strategische Allianzen mittelstandischer Unternehmen: Eine theoretische und empirische Analyse. Frankfurt am Main. LiJDERS, M. (2004): Im Herzen Arabiens: Stolz und Leidenschaft - Begegnung mit einer zerrissenen Kultur. Freiburg. LuHMANN, N. (1984): Soziale Systeme: GrundriE einer allgemeinen Theorie. Frankfurt am Main. LuHMANN, N. (1989): Vertrauen: Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexitat. Stuttgart^. LuosTARiNEN, R. (1979): Internationalization of the Firm. Helsinki. MACHARZINA, K. (1982): Theorie der internationalen Unternehmenstatigkeit - Kritik und Ansatze einer integrativen Modellbildung. - In: Liick, W./TrommsdorfF, V. (Hrsg.): Internationalisierung der Unternehmung als Problem der Betriebswirtschaftslehre. Berlin, S. 111-143. MACHARZINA, K. (1995): Interkulturelle Perspektiven einer management- und fuhrungsorientierten Betriebswirtschaftslehre. - In: Wunderer, R. (Hrsg.): Betriebswirtschaftslehre als Management- und Fiihrungslehre. Stuttgart^, S. 265-283. MACHARZINA, K. (1999): Unternehmensfiihrung: das Internationale Managementwissen: Konzepte - Methoden - Praxis. Wiesbaden^. MACHARZINA, K./OESTERLE, M . - J . (2002): Das Konzept der Internationalisierung im Spannungsfeld zwischen praktischer Relevanz und theoretischer Unscharfe. - In: Macharzina, K./ Oesterle, M.-J. (Hrsg.): Handbuch Internationales Management: Grundlagen - Instrumente - Perspektiven. Wiesbaden^, S. 3-21. MALETZKE, G . (1996): Interkulturelle Kommunikation: zur Interaktion zwischen Menschen verschiedener Kulturen. Opladen. MANG, P. (1998): Kulturabhangiges Qualitatserleben direkter Kunde-Mitarbeiter-Kommunikation. Frankfurt am Main. MARCUSE, H . (1968): Bemerkungen zu einer Neubestimmung der Kultur. - In: Marcuse, H. (Hrsg.): Kultur und Gesellschaft (Bd. 2). Frankfurt am Main^ S. 147-171. MATTHES, J. (1993): Verstandigung iiber kulturelle Grenzen hinweg: Gelingen und Scheitern. Erlangen. MAUGHAM, S. (1972): The Razor's Edge. London. MAYRING, P. (1997): Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken. Weinheim^.
Li teraturverzeichnis
357
MAYRING, P. (1999): Einfiihrung in die qualitative Sozialforschung: Eine Anleitung zu qualitativem Denken. Weinheim^. MEAD, R . (1993): Cross-cultural management communication. Chichester. MECKL, R . (1993): Unternehmenskooperationen im EG-Binnenmarkt. Wiesbaden. MEIFERT, M . (2003): Vertrauensmanagement in Unternehmen: Eine empirische Studie iiber Vertrauen zwischen Angestellten und Fiihrungskraften. Mering-^. MEISSNER, H . G . (1997): Der Kulturschock in der Betriebswirtschaftslehre. - In: Engelhard, J. (Hrsg.): Interkulturelles Management: Theoretische Fundierung und funktionsbereichsspezifische Konzepte. Wiesbaden, S. 1-14. MENZEL, U . (1992): Das Ende der Dritten Welt und das Scheitern der grofien Theorie. Frankfurt am Main. MENZEL, U . (1995): Die neue Weltwirtschaft: Entstofflichung und Entgrenzung im Zeichen der Postmoderne. - In: Peripherie 15 (59/60), S. 30-44. MENZEL, U . (1998): Globalisierung versus Fragmentierung. Frankfurt am Main. MERNISSI, F. (2002): Islam und Demokratie: Die Angst vor der Moderne. Freiburg. MEUSBURGER, P. (2002): Die Geographic und die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. In: Ehlers, E./Leser, H. (Hrsg.): Geographic heute - fur die Welt von morgen. Gotha, S. 7-8. MEYER, F. (1999): Methodologische Uberlegungen zu einer kulturvergleichenden Geographic oder: ,JK.u{ der Suche nach dem Orient". - In: Geographische Zeitschrift 87 (3+4), S. 148-164. MiTTELSTRASS, J. (1999): Regionalitat versus Globalitat: Zur Befindlichkeit des Denkens in einer Informations- und Innovationsgesellschaft. - In: Steger, U. (Hrsg.): Facetten der Globalisierung: okonomische, soziale und politische Aspekte. Berlin, S. 221-232. MOORE, K./LEWIS, D . (1998): The First Multinationals: Assyria circa 2000 B.C. - In: Management International Review 38 (2), S. 95-107. MOORE, K./LEWIS, D . (1999): Birth of the Multinational: 2000 Years of Ancient Business History - From Ashur to Augustus. Kopenhagen. MoosMULLER, A. (1996): Interkulturelle Kompetenz und interkulturelle Kenntnisse: Uberlegungen zu Ziel und Inhalt im auslandsvorbereitenden Training. - In: Roth, K. (Hrsg.): Mit der Differenz leben: Europaische Ethnologic und Interkulturelle Kommunikation. Miinster, S. 271-290. MoosMULLER, A. (1997): Kulturen in Interaktion: Deutsche und US-amerikanische Firmenentsandte in Japan. Miinster. MoosMULLER, A. (1999): Zum KulturbegrifF: Praambel. - In: FORAREA Arbeitspapiere (H. 11), S. 13-14.
358
Literaturverzeichnis
MoosMULLER, A. (2000): Die Schwierigkeit mit dem KulturbegrifFin der Interkulturellen Kommunikation. - In: Alsheimer, R./Moosmiiller, A./Roth, K. (Hrsg.): Lokale Kulturen in einer giobalisierenden Welt: Perspektiven auf interkulturelle Spannungsfelder. Miinster, S. 15-31. MoRAN, R. T./HARRIS, R RVSTRIPP, W . G . (1993): Developing the Global Organization: Strategies for Human Resource Professionals. Houston. MOSER-WEITHMANN, B. (1999a): Kulturiiberpragung durchTourismus - Sozio-kulturelle Konfliktsituationen tunesischer Frauen im touristisch bedingten Akkulturationsprozess. - In: Popp, H. (Hrsg.): Lokale Akteure im Tourismus der Maghreblander: Resultate der Forschungen im Bayerischen Forschungsverbund FORAREA 1996-1998. Passau, S. 71-90. MOSER-WEITHMANN, B . (1999b): Wandel der FrauenroUe durch Tourismus? Sozio-kulturelle Auswirkungen im touristisch bedingten Akkulturationsprozefi am Beispiel Tunesien. - In: Bachleitner, R./Schimany, P. (Hrsg.): Grenzenlose Gesellschaft - grenzenloser Tourismus? Munchen, S. 67-83. MowFORTH, M./MuNT, I. (2003): Tourism and Sustainability: Development and nev^ tourism in the Third World. London-^. MuHLFELD, C./WiNDOLF, P./LAMPERT, N./KRUGER, H . (1981): Auswertungsprobleme offener Interviews. - In: Soziale Welt 32 (3), S. 325-352. MuLLER, B.-D. (1993): Interkulturelle Kompetenz: Annaherung an einen Begriff. - In: Wierlacher, A. et al. (Hrsg.): Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache (Bd. 19). Munchen, S. 63-76. MiJLLER, H. (1991): Das Phanomen Tourismus mit seinen Triebkraften. - In: Klingenberg, K.H./Trensky, M./Winter, G. (Hrsg.): Wende im Tourismus: Vom UmweltbewuEtsein zu einer neuen Reisekultur. Stuttgart, S. 8-20. MiJLLER, H. (2004): Qualitatsmanagement-Konzepte fiir touristische Destinationen - Der Weg des Schv^eizer Tourismus. - In: Hinterhuber, H. H./Pechlaner, H./Kaiser, M.-O./Matzler, K. (Hrsg.): Kundenmanagement als Erfolgsfaktor: Grundlagen des Tourismusmarketing. Berlin, S. 319-336. MuLLER, S./KoRNMEiER, M. (2001): Stteitfall Globalisierung. Munchen. MuLLER, S./KoRNMEiER, M. (2002): Motive und Unternehmensziele als Einflufifaktoren der einzeWirtschaftlichen Internationalisierung. - In: Macharzina, K./Oesterle, M.-J. (Hrsg.): Handbuch Internationales Management: Grundlagen - Instrumente - Perspektiven. Wiesbaden^, S. 99-130. MuLLER-HoHENSTEiN, K./Popp, H. (1990): Marokko: Ein islamisches Ennvicklungsland mit kolonialer Vergangenheit. Stuttgart. MULLER-MAHN, D . (2002): Globalisierung: Definitionen und Fragestellungen. - In: Geographische Rundschau 54 (10), S. 4-5.
Literaturverzeichnis
359
MuNDT, J. W. (2002): Internationale Expansionsstrategien von deutschen Reiseveranstaltern. - In: Pompl, W./Lieb, M. G. (Hrsg.): Internationales Tourismus-Management: Herausforderungen, Strategien, Instrumente. Miinchen, S. 127-151. NASSEHI, A . (1999): Globalisierung: Probleme eines BegrifFs. - In: Geographische Revue I (1), S. 21-33. NEDERVEEN PIETERSE, J. (1998): Der Melange-EfFekt: Globalisierung im Plural. - In: Beck, U. (Hrsg.): Perspektiven der Weltgesellschaft. Frankfurt am Main, S. 87-124. NEVER, J. (1995): Das Ende von Metropole und Peripherie.^ Soziale Inklusion und Exklusion in der entgrenzten Weltwirtschaft. - In: Peripherie 15 (59/60), S. 10-29. NICKEL, K. (2003): Oase fiir die Sinne? Marokkos Werbeimage unter der Lupe: Eine Untersuchung zu staatlichen Imagekampagnen orientalischer Urlaubsdestinationen in Deutschland unter Einbezug der Vergleichslander Tunesien und Agypten. Eichstatt (unverofFentlichte Diplomarbeit an der Katholischen Universitat Eichstatt-Ingolstadt). NiENHAUS, V. (1996): Wirtschafrsordnungen im Islam. - In: Geographische Rundschau 48 (6), S. 366-371. NiENHAUS, V. (1999): Entwicklung und Entwicklungsprobleme in Landern des siidlichen Mittelmeerraums. - In: Aus PoUtik und Zeitgeschichte (B 17), S. 20-28. NoNNENMANN, A. (2004): Faszination Studienreiseleitung: Eine kultur- und sozialwissenschaftliche Untersuchung zur Tatigkeit von Studienreiseleitern. Norderstedt. NuHN, H. (1997): Globalisierung und Regionalisierung im Weltwirtschaftsraum. - In: Geographische Rundschau 49 (3), S. 136-143. OBERG, K. (1960): Cultural shock: Adjustment(s) to new cultural environments. - In: Practical Anthropology 7, S. 170-179. OECHSLER, W . A . (1974): Konflikt und Konfliktmanagement: Grundziige eines allgemeinen konflikttheoretischen Ansatzes. Augsburg. OECHSLER, W . A. (1992): Konflikt. - In: Frese, E. (Hrsg.): Handworterbuch der Organisation. Stuttgart^ Sp. 1131-1143. OHLIN, B . (1931): Die Beziehung zwischen internationalem Handel und internationalen Bewegungen von Kapital und Arbeit, - In: Zeitschrift fiir Nationalokonomie 2 (2), S. 161-199. OHMAE, K . (1990): Strategic Alliances in the Borderless World. - In: Backhaus, K./Piltz, K. (Hrsg.): Strategische Allianzen. Diisseldorf, S. 11-20. O.N.M.T. (2000): La republique federale d'Allemagne: Donnees et statistiques. Diisseldorf. OPPERMANN, M . (1996): Globalisation and Developing Countries: Products and Markets, Customers and Marketing. - In: Keller, P. (Hrsg.): Globalisation and Tourism. Sankt Gallen, S. 451-464.
360
Literaturverzeichnis
OsTERHAMMEL, J./PETERSSON, N . P. (2003): Gcschichte der Globalisierung: Dimensionen, Prozesse, Epochen. Miinchen. OsTERLOH, M. (1994): Kulturalismus versus Universalismus: Reflektionen zu einem Grundlagenproblem des interkulturellen Managements. - In: Schiemenz, B./Wurl, H.-J. (Hrsg.): Internationales Management: Beitrage zur Zusammenarbeit. Wiesbaden, S. 95-116. PECHLANER, H./RAICH, R (2004): Vom Entrepreneur zum „Interpreneur" - die Rolle des Unternehmers im Netzwerk Tourismus. - In: Weiermair, K./Peters, M./Pechlaner, H./Kaiser, M.O. (Hrsg.): Unternehmertum im Tourismus: Fiihren mit Erneuerungen. Berlin, S. 123-138. PERLITZ, M . (2000): Internationales Management. Stuttgart"^. PERLITZ, M . (2002): Spektrum kooperativer Internationalisierungsformen. - In: Macharzina, K.I Oesterle, M.-J. (Hrsg.): Handbuch Internationales Management: Grundlagen - Instrumente - Perspektiven. Wiesbaden^, S. 533-549. PERTHES, V. (2002): Geheime Garten: Die neue arabische Welt. Berlin. PETERS, M . (2001): Wachstum und Internationalisierung: Uberlebenschancen fiir touristische Klein- und Mittelbetriebe. Wien. PETERS, M./WEIERMAIR, K. (2004): Zur Relevanz und Brisanz des Unternehmertums. - In: Weiermair, K./Peters, M./Pechlaner, H./Kaiser, M.-O. (Hrsg.): Unternehmertum im Tourismus: Fiihren mit Erneuerungen. Berlin, S. 3-4. PFAFFENBACH, C . (2001): Neuere Trends der Tourismusentwicklung in Nordafrika. - In: Geographische Rundschau 53 (6), S. 50-55. PFINGSTEN, S. (2001): Monodestination Marokko? - In: touristik aktuell 09/01, S. 119. PoMPL, W. (1997): Beschwerdemanagement. - In: Pompl, W./Lieb, M. G. (Hrsg.): Qualitatsmanagement im Tourismus. Miinchen, S. 184-206. Popp, H. (1993): Kulturgeographie ohne Kultur? - In: Hansen, K. P. (Hrsg.): KulturbegrifFund Methode: Der stille Paradigmenwechsel in den Geisteswissenschaften. Tiibingen, S. 115-131. POPP, H . (1994): Das Marokkobild in den gegenwartigen deutschsprachigen Reisefiihrern. In: Popp, H . (Hrsg.): Die Sicht des Anderen - Das Marokkobild der Deutschen, das Deutschlandbild der Marokkaner. Passau, S. 161-170. POPP, H . (1997): Reisefuhrer-Literatur und geographische Landeskunde. - In: Geographische Rundschau 49 (3), S. 173-179. POPP, H . (Hrsg.) (1999a): Lokale Akteure im Tourismus der Maghreblander: Resultate der Forschungen im Bayerischen Forschungsverbund FORAREA 1996-1998. Passau. POPP, H . (1999b): Theoretische Reflexionen zur sozialgeographischen Forschung im Islamischen Orient: Einige einleitende Anmerkungen. - In: Geographische Zeitschrift 87 (3+4), S. 133-136.
Literaturverzeichnis
361
Popp, H. (2000): Wiistentourismus in Nordafrika. - In: Geographische Rundschau 52 (9), S. 52-59. POPP, H . (2001a): Freizeit- und Tourismusforschung in der Geographie: Neuere Trends und Ansatze. - In: Popp, H. (Hrsg.): Neuere Trends in Tourismus und Freizeit: Wissenschaftliche Befiinde - unterrichdiche Behandlung - Reiseerziehung im Erdkundeunterricht. Passau, S. 19-25. POPP, H . (2001b): Neue Tourismusformen in den nordafrikanischen Mittelmeerlandern - ein Beitrag zur Regionalentwicklung peripherer Raume? - In: Popp, H. (Hrsg.): Neuere Trends in Tourismus und Freizeit: Wissenschaftliche Befiinde - unterrichtliche Behandlung - Reiseerziehung im Erdkundeunterricht. Passau, S. 107-125. PORTER, M . E . (1989): Der Wettbewerb auf globalen Markten: Ein Rahmenkonzept. - In: Porter, M. E. (Hrsg.): Globaler Wettbewerb: Strategien der neuen Internationalisierung. Wiesbaden, S. 17-68. PRAHL, H - W . (1991): Entwicklungsstadien des deutschen Tourismus seit 1945. - In: Spode, H. (Hrsg.): Zur Sonne, zur Freiheit! Beitrage zur Tourismusgeschichte. Berhn, S. 95-108. PuGH, D. S./HiCKSON, D. J. (2002): On organizational convergence. - In: Warner, M./Joynt, P. (Hrsg.): Managing Across Cultures: Issues and Perspectives. London-^, S. 7-12. PuRSCHE, P (1996): Schmeifien Sie den Gecko raus! - In: Geo Saison (5), S. 86-87. PuTZ, R. (2003a): Kultur, Ethnizitat und unternehmerisches Handeln. - In: Berichte zur deutschen Landeskunde 77 (1), S. 53-70. PuTZ, R. (2003b): Kultur und unternehmerisches Handeln - Perspektiven der „Transkulturalitat als Praxis". - In: Petermanns Geographische Mitteilungen 147 (2), S. 76-83. PuTZ, R. (2004): Transkulturalitat als Praxis: Unternehmer tiirkischer Herkunft in Berlin. Bielefeld. RAHIM, M . A . (1986): Managing Conflict in Organizations. New York. REGNET, E . (1992): Konflikte in Organisationen: Formen, Funktionen und Bewaltigung. Gottingen. REICH, K . (2002): Fragen zur Bestimmung des Fremden im Konstruktivismus. - In: Neubert, S./Roth, H.-J./Yildiz, E. (Hrsg.): Multikulturalitat in der Diskussion: Neuere Beitrage zu einem umstrittenen Konzept. Opladen, S. 173-194. REISINGER, Y./TURNER, L. W . (2003): Cross-Cultural Behaviour in Tourism: Concepts and Analysis. Oxford. RiCARDO, D. (1817/1988): On the Principles of Political Economy and Taxation. London. RiEHLE, W. (1997): Internationalisierung von Unternehmen: Strategische Hintergriinde und Wirkungen am Standort Deutschland. - In: Heidelberger Club fiir Wirtschaft und Kultur e.V. (Hrsg.): Globalisierung: Der Schritt in ein neues Zeitalter. Berlin, S. 157-166.
362
Literaturverzeichnis
RipPERGER, T. (1998): Okonomik des Vertrauens: Analyse eines Organisationsprinzips. Tubingen. RiTTER, W. (2003): Globaler Tourismus und die Grenzen der Welt. - In: Becker, C./Hopfinger, H./ Steinecke, A. (Hrsg.): Geographie der Freizeit und des Tourismus: Bilanz und Ausblick. Munchen, S. 86-96. RiTZER, G. (1993): The McDonaldization of society: an investigation into the changing character of contemporary social life. Thousand Oaks. ROBERTSON, R. (1998): Glokalisierung: Homogenitat und Heterogenitat in Raum und Zeit. - In: Beck, U. (Hrsg.): Perspektiven der Weltgesellschaft. Frankfurt am Main, S. 192-220. ROTH, K. (1996): Europaische Ethnologic und Interkulturelle Kommunikation. - In: Roth, K. (Hrsg.): Mit der Differenz leben: Europaische Ethnologic und Interkulturelle Kommunikation. Miinster, S. 11-27. RoTHLAUF, J. (1999): Interkulturelles Management: mit Beispielen aus Vietnam, China, Rutland und Saudi-Arabien. Munchen. RUBEN, B . D . (1989): The Study of Cross-Cultural Competence: Traditions and Contemporary Issues. - In: International Journal of Intercultural Relations 13, S. 229-240. RuFiN, J.-C. (1993): Das Reich und die neuen Barbaren. Berlin. RusEN, J. (1999): Ethnozentrismus und interkulturelle Kommunikation. - In: Drechsel, P. et al.: Interkulturalitat - Grundprobleme der Kulturbegegnung. Mainzer Universitatsgesprache Sommersemester 1998. Mainz, S. 27-43. SAID, E . W . (1979): Orientalism. New York. SARETZKI, A./WILKEN, M./WOHLER, K. (2002): Lernende Tourismusregionen: Vernetzung als
strategischer Erfolgsfaktor kleiner und mittlerer Unternehmen. Miinster. ScHAFFTER, O. (1991): Modi des Fremderlebens: Deutungsmuster im Umgang mit Fremdheit. - In: Schaffter, O. (Hrsg.): Das Fremde: Erfahrungsmoglichkeiten zwischen Faszination und Bedrohung. Opladen, S. 11-42. ScHAFFTER, O. (1997): Das Eigene und das Fremde: Lernen zwischen Erfahrungswelten: Aufsatze zu einer Theorie der Fremderfahrung. Berlin. ScHARF, R. (2000): Reklamationsbearbeitung im Zielgebiet. - In: Bastian, H./Born, K./Dreyer, A. (Hrsg.): Kundenorientierung im Touristikmanagement. Munchen-^, S. 263-277. ScHARRER, J. (2000): Internationalisierung und Landerselektion: Fine empirische Analyse mittelstandischer Unternehmen in Bayern. Munchen. ScHERLE, N. (2000): Gedruckte Urlaubswelten: Kulturdarstellungen in Reisefiihrern. Das Beispiel Marokko. Miinchen. ScHERLE, N. (2001a): Descriptions of Moroccan Culture in German Travel Guides. San Domenico.
Literaturverzeichnis
363
ScHERLE, N. (2001b): Touristische Medien aus interkultureller Perspektive: Gedruckte Urlaubswelten aufgezeigt am Beispiel von Reisefiihrern. - In: Tourismus Journal 5 (3), S. 333-351. ScHERLE, N. (2003): Interkulturelle Unternehmenskooperationen imTourismussektor im Spannungsfeld von Konflikten und deren Losungsansatzen. - In: Peripherie 23 (89), S. 89-110. ScHERLE, N . (2004): International Bilateral Business in the Tourism Industry: Perspectives from German-Moroccan Co-operations. - In: Tourism Geographies 6 (2), S. 229-256. ScHERLE, N./NoNNENMANN, A. (2004): Zwischeu interkulturellem Mediator und cosmopolitan: Ausgewahlte Perspektiven auf den touristischen Schliisselakteur Reiseleiter. - In: Tourismus Journal 8 (2), S. 265-279. ScHLOGEL, K. (2003): Im Raume lesen wir die Zeit: Uber Zivilisationsgeschichte und Geopolitik. Miinchen. ScHLOTTER, P. (1999): Der Maghreb und Europa: Perspektiven des „Barcelona-Prozesses" - In: Aus Politik und Zeitgeschichte (B 17), S. 3-10. SCHMEER-STURM, M . - L . (1990): Theorie und Praxis der Reiseleitung: Einfiihrung in ein interessantes und anspruchsvolles Berufsfeld. Darmstadt. SCHMEER-STURM, M . - L . (2001): Reiseleitung: Grundkurs. Miinchen'^. ScHMiD, S. (1996): Multikulturalitat in der internationalen Unternehmung: Konzepte - Reflexionen - Implikationen. Wiesbaden. ScHMiD, S. (2000): Was versteht man eigendich unter Globalisierung...? Ein kritischer Uberblick iiber die Globalisierungsdiskussion. Ingolstadt. SCHMIDT, B . O . (2001): Der Orient - Fantasia 1001 Nacht: Wie Touristen Fremdes sehen und verstehen. Uber Fremdbild und Fremdwahrnehmung von deutschen und osterreichischen Urlauberinnen und Urlaubern in orientalischen Mittelmeerlandern. Eine explorative Studie anhand eingesandter Fotos und ihrer Kommentierungen zu dem Fotowettbewerb „Das Fremde im Urlaubsland". Ammerland. SCHMIDT, G./PROMBERGER, M . (1999): Der KulturbegrifF aus der Sicht der Soziologie: ,Kultur'-Notizen zu einem Problem sozialwissenschaftlicher BegrifFsbildung. - In: FORAREA Arbeitspapiere (H. 11), S. 21-23. ScHNADELBACH, H. (1991): Kultut. - In: Martens, E./Schnadelbach, H. (Hrsg.): Philosophie: ein Grundkurs (Bd. 2). Reinbek, S. 508-548. SCHNEIDER, N . (1999): Uber Toleranz und ihre Grenzen. - In: Drechsel, P. et al.: Interkulturalitat - Grundprobleme der Kulturbegegnung. Mainzer Universitatsgesprache Sommersemester 1998. Mainz, S. 255-282. SCHNEIDER, S. C./BARSOUX, J.-L. (2003): Managing across cultures. Harlow^. ScHOLZ, F. (2000): Perspektiven des „Sudens" im Zeitalter der Globalisierung. - In: Geographische Zeitschrift 88 (1), S. 1-20.
364
Literaturverzeichnis
ScHOLZ, R (2002): Die Theorie der „fragmentierenden Entwicklung". - In: Geographische Rundschau54(10), S. 6-11. SCHRODER, A. (1995): Die Betreuung von Mitarbeitern wahrend des Auslandseinsatzes: Wissenschaftliche Grundlagen. - In: Klihlmann, T. M. (Hrsg.): Mitarbeiterentsendung ins Ausland: Auswahl, Vorbereitung, Betreuung und Wiedereingliederung. Gottingen, S. 143-160. SCHRUTKA-RECHTENSTAMM, A . (1999): Begrenzt: Interkulturelle Beziehungen im Tourismus. - In: Bachleitner, R./Schimany, P. (Hrsg.): Grenzenlose Gesellschaft - grenzenloser Tourismus? Munchen, S. 101-112. ScHULTZ, H. (1997): Handwerker, Kaufleute, Bankiers: Wirtschaftsgeschichte Europas 1500 - 1800. Frankfurt am Main. ScHUTZE, J. K. (1999): Erfindung des Fremden beim Verreisen. - In: Franzmann, B. (Hrsg.): Reisezeit - Lesezeit: Dokumentation der Reiseliteratur-Fachtagungen der Stiftung Lesen in Apolda, Weimar und Leipzig (1996 - 1999). Munchen, S. 26-32. SEBBAR, H . (1999): Evolution du tourisme au Maroc. - In: Berriane, M./Popp, H. (Hrsg.): Le tourisme au Maghreb: Diversification du produit et developpement local et regional. Rabat, S. 29-40. SEIFERT, M . (2000): Kulturen im Prozef? weltweiter Vernetzung: Zur Spezifik kultureller Globalisierungsablaufe. - In: Alsheimer, R./Moosmiiller, A./Roth, K. (Hrsg.): Lokale Kulturen in einer globalisierenden Welt: Perspektiven auf interkulturelle Spannungsfelder. Miinster, S. 33-54. SELL, A. (1994): Internationale Unternehmenskooperationen. Munchen. SENGHAAS, D . (2002): Kulturelle Globalisierung - ihre Kontexte, ihre Varianten. - In: Aus Politik und Zeitgeschichte (B 12), S. 6-9. SHAW, G./WILLL\MS, A. M. (1998): Entrepreneurship, small business culture and tourism development. - In: loannides, D./Debbage, K. G. (Hrsg.): The Economic Geography of the Tourist Industry: A supply-side analysis. London, S. 235-255. SHAW, G./WILLL\MS, A. M. (2002): Critical Issues in Tourism: A Geographical Perspective. Oxford^. SIMON, H./HOMBURG, C . (1998): Kundenzufriedenheit als strategischer Erfolgsfaktor - Einfiihrende Uberlegungen. - In: Simon, H./Homburg, C. (Hrsg.): Kundenzufriedenheit: Konzepte - Methoden - Erfahrungen. Wiesbaden^, S. 17-31. SMERAL, E . (1996): Globalisation and Changes in the Competitiveness of Tourism Destinations. - In: Keller, P. (Hrsg.): Globalisation and Tourism. Sankt Gallen, S. 391-415. SMERAL, E. (1998): The impact of globalization on small and medium enterprises: new challenges for tourism policies in European countries. - In: Tourism Management 19 (4), S. 371-380. SMITH, A. (1775/1976): Der Wohlstand der Nationen: Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen. Miinchen.
Literaturverzeichnis
365
SPENGLER, O . (1923): Der Untergang des Abendlandes: Umrisse einer Morphologic der Weltgeschichte (Bd. 1). Miinchen. STAHL, G . K. (1995): Die Auswahi von Mitarbeitern fiir den Auslandseinsatz: Wissenschaftliche Grundlagen. - In: Kiihimann, T. M. (Hrsg.): Mitarbeiterentsendung ins Ausiand: Auswahl, Vorbereitung, Betreuung und Wiedereingiiederung. Gottingen, S. 31-72. STAUSS, B . (1992): Diensdeistungsqualitat aus Kundensicht. Regensburg. STAUSS, B . (1994): T Q M - Was heiCt Quaiitatsmanagement im Diensdeistungssektor? - In: Landesfremdenverkehrsverband Bayern e.V. (Hrsg.): 1. Bayerischer Fachkongrefi fiir Freizeit und Tourismus. Miinchen, S. 30-50. STAUSS, B . (1999): Management interkultureller Diensdeistungskontakte. - In: Kutschker, M. (Hrsg.): Perspektiven der internationalen Wirtschaft. Wiesbaden, S. 269-304. STAUSS, B . (2002): Beschwerdemanagement als Instrument der Kundenbindung. - In: Hinterhuber, H. H./Matzler, K. (Hrsg.): Kundenorientierte Unternehmensfiihrung: Kundenorientierung - Kundenzufriedenheit - Kundenbindung. Wiesbaden^, S. 291-310. STAUSS, B./SCHOLER, A. (2003): Beschwerdemanagement Excellence: State-of-the-Art und Herausforderungen der Beschwerdemanagement-Praxis in Deutschland. Wiesbaden. STAUSS, B./SEIDEL, W . (2002): Beschwerdemanagement: Kundenbeziehungen erfolgreich managen durch Customer Care. Miinchen^. STAUSS, B./SEIDEL, W . (2003): Prozessuale Zufriedenheitsermittlung und Zufriedenheitsdynamik bei Dienstleistungen. - In: Homburg, C. (Hrsg.): Kundenzufriedenheit: Konzepte - Methoden - Erfahrungen. Wiesbaden^ S. 153-177. STEINBACH, J. (2003): Tourismus: Einfiihrung in das raumlich-zeitliche System. Miinchen. STEINMANN, H./SCHERER, A. G. (1997): Die multinationale Unternehmung als moralischer Aktor - Bemerkungen zu einigen normativen Grundlagenproblemen des interkulturellen Managements. - In: Engelhard, J. (Hrsg.): Interkulturelles Management: Theoretische Fundierung und funktionsbereichsspezifische Konzepte. Wiesbaden, S. 23-53. STEINMETZ, H . (2001): Identitat, Kultur (Literatur), Globalisierung. - In: Wierlacher, A. et al. (Hrsg.): Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache (Bd. 27). Miinchen, S. 105-126. STRAUSS, A. L. (1991): Grundlagen qualitativer Sozialforschung: Datenanalyse und Theoriebildung in der empirischen soziologischen Forschung. Miinchen. STUDLEIN, Y. (1997): Management von Kulturunterschieden: Phasenkonzept fiir internationale strategische Allianzen. Wiesbaden. SucHANEK, N. (2001): Die dunklen Seiten des globalisierten Tourismus: Zu den 5kologischen, okonomischen und sozialen Risiken des internationalen Tourismus. - In: Aus Politik und Zeitgeschichte (B 47), S. 32-39.
366
Literaturverzeichnis
SwoBODA, B. (2002): Dynamische Prozesse der Internationalisierung: Managementtheoretische und empirische Perspektiven des unternehmerischen Wandels. Wiesbaden. TERKESSIDIS, M . (2001): Globalisierung und das Bild vom Fremden. - In: Wagner, B. (Hrsg.): Kulturelle Globalisierung: zwischen Weltkultur und kultureller Fragmentierung. Essen, S. 132-141. TERKESSIDIS, M . (2002): Der lange Abschied von der Fremdheit: Kulturelle Globalisierung und Migration. - In: Aus Politik und Zeitgeschichte (B 12), S. 31-38. THOMAS, A. (1993): Fremdheitskonzepte in der Psychologie als Grundlage der Austauschforschung und der interkulturellen Managerausbildung. - In: Wierlacher, A. (Hrsg.): Kulturthema Fremdheit: LeitbegrifFe und Problemfelder kulturwissenschaftlicher Fremdheitsforschung. Munchen,S. 257-281. THOMAS, A. (1997): Die Vorbereitung von Mitarbeitern fiir den Auslandseinsatz: Wissenschaftliche Grundlagen. - In: Kiihlmann, T M. (Hrsg.): Mitarbeiterentsendung ins Ausland: Auswahl, Vorbereitung, Betreuung und Wiedereingliederung. Gottingen, S. 85-118. THOMAS, A. (1999): Von der fremdkulturellen Erfahrung zur interkulturellen Handlungskompetenz. - In: Drechsel, P. et a l : Interkulturalitat - Grundprobleme der Kulturbegegnung. Mainzer Universitatsgesprache Sommersemester 1998. Mainz, S. 227-254. THOMAS, A. (Hrsg.) (2003a): Kulturvergleichende Psychologie. Gottingen^. THOMAS, A. (2003b): Psychologie interkulturellen Lernens und Handelns. - In: Thomas, A. (Hrsg.): Kulturvergleichende Psychologie. Gottingen^, S. 433-485. THOMAS, A./HAGEMANN, K. (1996): Training interkultureller Kompetenz. - In: Bergemann, N./Sourisseaux, A. L. J. (Hrsg.): Interkulturelles Management. Heidelberg^, S. 173-199. THOMAS, A./HELFRICH, H . (2003): Wahrnehmungspsychologische Aspekte im Kulturvergleich. - In: Thomas, A. (Hrsg.): Kulturvergleichende Psychologie. Gottingen^, S. 207-243. TROIN, J.-F. (Bearb.) (2002): Maroc: Regions, Pays, Territoires. Paris. TROMMSDORFF, V. (1998): Kundenorientierung verhaltensv^issenschaftlich gesehen. - In: Bruhn, M./StefFenhagen, H. (Hrsg.): Marktorientierte Unternehmensfiihrung: Reflexionen - Denkanstofie - Perspektiven. Wiesbaden^, S. 275-293. TROMPENAARS, F. (1993): Riding the Waves of Culture. Understanding Cultural Diversity in Business. London. TscHURTSCHENTHALER, P. (2004): Unternehmerische Aus- und Weiterbildung im Tourismus. - In: Weiermair, K./Peters, M./Pechlaner, H./Kaiser, M.-O. (Hrsg.): Unternehmertum im Tourismus: Fiihren mit Erneuerungen. Berlin, S. 105-122. UNGEFUG, H . - G . (2001): Aufbruch in Agadir: Tourismus bekommt in Marokko hoheren Stellenwert. - In: Rw 19/01, S. 50.
Literaturverzeichnis
367
URY, W . L./BRETT, J. M./GoLDBERG, S. B. (1991): Konfliktmanagement: Wirksame Strategien fiir den sachgerechten Interessenausgleich. Frankfurt am Main. VANHOVE, N . (1996): Globalisation of Tourism Demand: The underlying factors and the impact on marketing strategy. - In: Keller, P. (Hrsg.): Globalisation and Tourism. Sankt Gallen, S. 47-113. VESTER, H . - G . (1996): KoUektive Identitaten und Mentalitaten: von der Volkerpsychologie zur kulturvergleichenden Soziologie und interkulturellen Kommunikation. Frankfurt am Main. VESTER, H . - G . (2001): Terror und Tourismus. - In: Aus Politik und Zeitgeschichte (B 47), S. 3-5. VORLAUFER, K . (1993a): Transnationale Reisekonzerne und die Globalisierung der Fremdenverkehrswirtschaft: Konzentrationsprozesse, Struktur- und Raummuster. - In: Erdkunde ^ (4), S. 267-281. VORLAUFER, K . (1993b): Transnationale Hotelketten: Entwicklung, Struktur und raumliche Ausbreitungsmuster. - In: Petermanns Geographische Mitteilungen 137 (5), S. 289-308. VORLAUFER, K . (1996): Tourismus in Entwicklungslandern: Moglichkeiten und Grenzen einer nachhaltigen Entwicklung dutch Fremdenverkehr. Darmstadt. VORLAUFER, K . (1998): Die Globalisierung der Tourismuswirtschaft. - In: Gebhardt, H./Heinritz, G./ Wiessner, R. (Hrsg.): Europa im GlobalisierungsprozeE von Wirtschaft und Gesellschaft. Stuttgart, S. 66-76. VORLAUFER, K . (2003): Tourismus in Entwicklungslandern: Bedeutung, Auswirkungen, Tendenzen. - In: Geographische Rundschau 55 (3), S. 4-13. '^CHOWLVK, H. (2003): Geography of Leisure and Tourism: Uberblick iiber Stand und Entwicklung der anglo-amerikanischen Freizeit- und Tourismusgeographie. - In: Becker, C./Hopfinger, H./ Steinecke, A. (Hrsg.): Geographic der Freizeit und des Tourismus: Bilanz und Ausblick. Miinchen, S. 35-44. WAGNER, B . (2001): Kulturelle Globalisierung: Weltkultur, Glokalitat und Hybridisierung. Einleitung. - In: Wagner, B. (Hrsg.): Kulturelle Globalisierung: zwischen Weltkultur und kultureller Fragmentierung. Essen, S. 9-38. WAGNER, B . (2002): Kulturelle Globalisierung: Von Goethes „Weltliteratur" zu den weltweiten Teletubbies. - In: Aus Politik und Zeitgeschichte (B 12), S. 10-18. WAHAB, S./COOPER, C . (2001): Tourism, globalisation and the competitive advantage of nations. - In: Wahab, S./Cooper, C. (Hrsg.): Tourism in the Age of Globalisation. London, S.3-21. WALDENFELS, B . (1990): Der Stachel des Fremden. Frankfurt am Main. WALDENFELS, B . (1997): Topographic des Fremden. Frankfurt am Main.
368
Literaturverzeichnis
^WA^LDENFELS, B . (1999): Heimwelt und Fremdwelt. - In: Drechsel, P. et al.: Interkulturalitat - Grundprobleme der Kulturbegegnung. Mainzer Universitatsgesprache Sommersemester 1998. Mainz, S. 101-118. ^WXLDENFELS, B . (2000): Zwischen den Kulturen. - In: Wiedacher, A. et al. (Hrsg.): Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache (Bd. 26). Miinchen, S. 245-261. WALLERSTEIN, I. (1986): Das moderne Weltsystem: Kapitalistische Landwirtschaft und die Entstehung der europaischen Weltwirtschafr im 16. Jahrhundert. Frankfurt am Main. WARD, C./BOCHNER, S./FURNHAM, A. (2001): The psychology of culture shock. Hove^. WARDENGA, U . (2000): Jenseits des Einheitsparadigmas? - In: Blotevogel, H. H./Ossenbriigge, J./ Wood, G. (Hrsg.): Lokal verankert - weltweit vernetzt: Tagungsbericht und wissenschaftliche Abhandlungen/52. Deutscher Geographentag Hamburg. Stuttgart, S. 491-496. WEAVER, G . B . (1993): Understanding and Coping with Cross-Cultural Adjustment Stress. - In: Paige, M. R. (Hrsg.): Education for the Intercultural Experience. Yarmouth, S. 137-167. WEBER, J. (2002): Bedeutung und Methoden einer bewuEten Partnerwahl im Rahmen der Erfolgssicherung von Kooperationen. - In: Macharzina, K./Oesterle, M.-J. (Hrsg.): Handbuch Internationales Management: Grundlagen - Instrumente - Perspektiven. Wiesbaden-^, S. 573-599. WEBER, M . (1920): Gesammelte Aufsatze zur Religionssoziologie. Tubingen. WEGMANN, C . (2001): Internationales Beschwerdemanagement. Wiesbaden. WEICHHART, P. (2000): Geographic als Multi-Paradigmen-Spiel. Fine Post-Kuhnsche Perspektive. - In: Blotevogel, H. H./Ossenbriigge, J./Wood, G. (Hrsg.): Lokal verankert - v^eltweit vernetzt: Tagungsbericht und wissenschaftliche Abhandlungen/52. Deutscher Geographentag Hamburg. Stuttgart, S. 479-489. WEISS, M . (1998): Studienreisen nach Marokko: Angebote, Teilnehmerkreis, Reisemotive, Images. Passau. WELGE, M . K./BOTTCHER, R./PAUL, T. (1998): Das Management globaler Geschafte: Grundlagen, Analysen, Handlungsempfehlungen. Miinchen. WELGE, M . K./HOLTBROGGE, D . (1999): International Management under Postmodern Conditions. - In: Management International Review^ 39 (4), S. 305-322. WELGE, M . K./HOLTBRUGGE, D . (2003): Internationales Management: Theorien, Funktionen, Fallstudien. Stuttgart. WELSCH, W . (1999): Transkulturalitat: Zwischen Globalisierung und Partikularisierung. - In: Drechsel, P. et al.: Interkulturalitat - Grundprobleme der Kulturbegegnung. Mainzer Universitatsgesprache Sommersemester 1998. Mainz, S. 45-72.
Literaturverzeichnis
369
WELSCH, W . (2000): Transkulturalitat: Zwischen Globalisierung und Partikularisierung. - In: Wierlacher, A. et al. (Hrsg.): Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache (Bd. 26). Miinchen, S. 327-351. WERLEN, B . (2000): Vielfalt der Blickwinkel und Regeln des Sehens. - In: Biotevogel, H. H./Ossenbriigge, J./Wood, G. (Hrsg.): Lokal verankert - weltweit vernetzt: Tagungsbericht und wissenschaftliche Abhandlungen/52. Deutscher Geographentag Hamburg. Stuttgart, S. 496-501. WERLEN, B . (2003): Cultural turn in Humanwissenschaften und Geographic. - In: Berichte zur deutschen Landeskunde 77 (1), S. 35-52. WERPERS, K . (1999): Konflikte in Organisationen: Eine Feldstudie zur Analyse interpersonaler und intergruppaler Konfliktsituationen. Miinster. WICKS, A. C./BERMAN, S. L./JONES, T . M . (1999): The structure of optimal trust: moral and strategic implications. - In: Academy of Management Review 24 (1), S. 99-116. WIDMER-MUNCH, R . (1990): Der Tourismus in Fes und Marrakech: Strukturen und Prozesse in bipolaren Urbanraumen des islamischen Orients. Basel. WIERLACHER, A. (1992): Toleranzforschung: Zur Forschungsplanung interkultureller Germanistik: Ein Pladoyer. - In: Wierlacher, A. et al. (Hrsg.): Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache (Bd. 18). Munchen, S. 13-29. WiLLL^vis, A. M. (1995): Capital and the Transnationalisation of Tourism. - In: Montanari, A.A)7illiams, A. M. (Hrsg.): European Tourism: Regions, Spaces and Restructuring. Chichester, S. 163-176. WiLLL\MS, C./BuswELL, J. (2003): Service Quality in Leisure and Tourism. Wallingford. WILSON, T. P. (1982): Qualitative „oder" quantitative Methoden in der Sozialforschung. - In: Kolner Zeitschrift fiir Soziologie und Sozialpsychologie 34, S. 487-532. WiNKELMANN, T. (1997): Internationalisierung mittelstandischer Zulieferunternehmen: Entscheidungen im Strukturwandel. Wiesbaden. WiRTH, E. (1975): Die orientalische Stadt: Ein Uberblick aufgrund jiingerer Forschungen zur materiellen Kultur. - In: Saeculum 26 (1), S. 45-94. WiTZEL, A. (1982): Verfahren der qualitativen Sozialforschung: Uberblick und Alternativen. Frankfurt am Main. WiTZEL, A. (1985): Das problemzentrierte Interview. - In: Jiittemann, G. (Hrsg.): Qualitative Forschung in der Psychologie: Grundfragen, Verfahrensweisen, Anwendungsfelder. Weinheim, S. 227-255. WoHLER, K. (2001): Tourismus und Nachhaltigkeit. - In: Aus Politik und Zeitgeschichte (B 47), S. 40-46.
370
Literaturverzeichnis
WuRCHE, S. (1994): Vertrauen und okonomische Rationalitat in kooperativen Interorganisationsbeziehungen. - In: Sydow, J./Windeler, A. (Hrsg.): Management interorganisationaler Beziehungen: Vertrauen, Kontrolle und Informationstechnik. Opladen, S. 142-159. YALE, P. (1995): The Business of Tour Operations. Harlow. ZENTES, J./SWOBODA, B . (1999): Motive und ErfolgsgroKen internationaler Kooperationen mittelstandischer Unternehmen: Uberpriifung kontingenztheoretischer Hypothesen. - In: Die Betriebswirtschaft 59 (1), S. 44-60. ZiMMERS, B. (1995): Geschichte und Entwicklung des Tourismus. Trier. ZuKRiGL, I. (2001): Kuiturelle Vielfalt und Identitat in einer globalisierten Welt. - In: Wagner, B. (Hrsg.): Kuiturelle Globalisierung: zwischen Weltkultur und kultureller Fragmentierung. Essen, S. 50-61.
Anhang
Anhang
373
Anhang A: Verzeichnis der partizipierenden Unternehmen und Institutionen
A.1
Anmerkung:
Deutsche Reiseveranstalter und ihre entsprechenden Untemehmensvertreter
Die alphabetische Anordnung der Unternehmen entspricht nicht der in dieser Arbeit vorgenommenen Codierung, um eine Anonymitat der partizipierenden Akteure zu gewahrleisten.
374
A.2
Anmerkung:
Anhang
Marokkanische Incoming-Agenturen und ihre entsprechenden Untemehmensvertreter
Die alphabetische Anordnung der Unternehmen entspricht nicht der in dieser Arbeit vorgenommenen Codierung, um eine Anonymitat der partizipierenden Akteure zu gewahrleisten.
Anhang A.3
375 Experten
Anmerkung A: Die alphabetische Anordnung der Experten entspricht nicht der in dieser Arbeit vorgenommenen Codierung, um eine Anonymitat der partizipierenden Akteure zu gewahrleisten. Anmerkung B: Die Tabelle dokumentiert die Funktion der jeweiligen Gesprachspartner zum Zeitpunkt des gefuhrten Interviews. Anmerkung C: Die mit einem Sternchen versehenen Gesprachspartner wurden zum Themenkomplex „Interkuiturelles Beschwerdemanagement" befragt.
376
Anhang
Anhang B: Verzeichnis der Erhebungsinstrumente
Das vorliegende Verzeichnis der Erhebungsinstrumente beinhaltet neben Kurzfragebogen und Gesprachsleitfaden auch die Expertenfragebogen zu den Themenkomplexen „Interkulturelie Kommunikation" beziehungsweise „Interkulturelles Beschwerdemanagement". Vor dem Hintergrund der Biperspektivitat des Forschungsprojekts sei angemerkt, dass den franzosischsprachigen Gesprachspartnern aus den marokkanischen Unternehmen und Institutionen jeweils eine entsprechende Variante in franzosischer Sprache bereitgesteilt wurde.
UberbHck iiber die dokumentierten Erhebungsinstrumente: 1. 2. 3. 4. 5.
Kurzfragebogen Gesprachsleitfaden Expertenieitfaden „Interkukurelle Kommunikation" Expertenieitfaden „Interkulturelles Beschwerdemanagement" (Reiseveranstalter) Expertenieitfaden „Interkulturelles Beschwerdemanagement" (Wissenschaft)
Anhang
B.l
377
Kurzfragebogen
Katholische Universitat Eichstatt-Ingolstadt
Universite Mohammed V- Agdal
MATHEMATISCH-GEOGRAPHISCHE F A K U L T A T
F A C U L T E D E S L E T T R E S E T D E S SCIENCES HUMAINES
Prof. Dr. Hans Hopfinger
Prof. Dr. Mohamed Berriane
Dipl.- Geograph Nicolai Scherle
Hanane Damghi
Tel.: 0049 - 8421 - 93 11 34
Tel.: 00212 - 7 - 77 18 93
Fax: 0 0 4 9 - 8 4 2 1 - 9 3 17 87
Fax: 0 0 2 1 2 - 7 - 6 7 27 92
KURZFRAGEBOGEN (DEUTSCHE REISEVERANSTALTER)
Sehr verehrte Interviewpartnerin, sehr geehrter Interviewpartner, im Rahmen eines vom Bayerischen Forschungsverbund Area-Studies (FORAREA) getragenen Forschungsprojekts untersuchen die Universite Mohammed V in Rabat und die Katholische Universitat Eichstatt-Ingolstadt bestehende Kooperationen zvirischen deutschen und marokkanischen Reiseveranstaltern. Ziel dieses ausgesprochen wirtschaftsnah konzipierten Forschungsprojekts ist nicht zuletzt eine Intensivierung der derzeitigen Kooperationen. Somit kommen die Ergebnisse des Projekts auch dezidiert der deutschen Tourismuswirtschaft zugute. Wir wiirden uns freuen, wenn Sie sich ein paar Minuten Zeit fur die Beantwortung der vorliegenden Fragen nehmen konnten. Fiir Riickfragen stehen wir Ihnen selbstverstandlich jederzeit zur Verfugung. Mit freundlichen GriiEen
Prof. Dr. Hans Hopfinger
Prof. Dr. Mohamed Berriane
Nicolai Scherle
Hanane Damghi
Anhang
378
Unternehmen: Anschrift: Telephon: Telefax: E-Mail: Ansprechpartner:
Funktion:
ANGABEN ZUM UNTERNEHMEN
1.
Alter des Unternehmens unter 1 Jahr
2.
iiber 10 Jahre
5-lOJahre
Anzahl der Mitarbeiter unter 5
3.
^ 1-5 Jahre
16-50
51-100
101-500
uber 500
In welchen Reisespanen ist Ihr Unternehmen tatig? (Mehrfachnennungen moglich) Studienreisen Stadtereisen Badetourismus Incentive, Kongresse und Tagungen I Sport- und Erlebnisreisen Golftourismus
'I Wassersport
Wandern, Bergsteigen und Trekking
J Wiistentourismus
Sonstiges:
4.
Mit welchem/welchen marokkanischen Reiseveranstalter(n) arbeitet Ihr Unternehmen zusammen? Anmerkung: Im Falle mehrerer Kooperationspartner: Kennzeichnen Sie bitte den Wichtigsten! Name
5.
Adresse
Ansprechpartner
In welchen Reisesparten arbeitet Ihr Unternehmen mit dem/den marokkanischen Reiseveranstalter(n) zusammen? (Mehrfachnennungen moglich) VI Studienreisen Stadtereisen Badetourismus r Incentive, Kongresse und Tagungen L Sport- und Erlebnisreisen I Golftourismus
i Wassersport
^ Wandern, Bergsteigen und Trekking
\ Wiistentourismus
n Sonstiges:
Anhang
6.
379
In welcher Form arbeiten Sie mit Ihrem/Ihren marokkanischen Kooperationspartner(n) zusammen? (Mehrfachnennungen moglich) D langerfristige nicht vertragliche Absprache
D Joint Venture
D Lizenzvertrag
D Auftragsfertigung
D Franchising
D Kapitalbeteiligung
D Managementvertrag
D Strategische Allianz
D Vertriebskooperation D Sonstiges:
7.
Seit wie vielen Jahren unterhalt Ihr Unternehmen Kontakt(e) mit dem/den marokkanischen Reiseveranstalter(n)? Anmerkung:
Im Falle mehrerer Kooperationspartner: Beschranken Sie sich auf den Wichtigsten!
Alternativ:
D unter 1 Jahr
Jahre
8.
D 1-5 Jahre
D 5-10 Jahre
D uber 10 Jahre
Wie kam es zur Kooperation mit dem/den marokkanischen Reiseveranstalter(n)? (Mehrfachnennungen moglich) D Messekontakt
D Anregung oder Vorgabe eines wichtigen Kunden
D Privater Kontakt
D Werbemittel
D Vermitdung dutch ein drittes Unternehmen
D Internet
D Vermittlung dutch eine Institution (z.B. Aufienhandelskammer) D Sonstiges:
9.
Welchen Stellenwert nimmt/nehmen in Ihrem Unternehmen derzeit die Kooperation(en) mit dem/den marokkanischen Reiseveranstalter(n) - insbesondere im Vergleich mit anderen bilateralen Kooperationen - ein? D sehr gro6
D grol?
D durchschnittlich
D gering
D sehr gering
10. In welchen Bereichen arbeiten Sie mit deutschen Unternehmen aus dem Tourismussektor in Marokko zusammen? Wie bedeutend ist diese Zusammenarbeit?
380
Anhang
Konnen Sie kurz die Griinde nennen, wanim diese Geschaftsbeziehiing fur Sie eine besondere Bedeutung hat?
11. Befinden sich in Ihrem Unternehmen Mitarbeiter, die speziell fiir die Zusammenarbeit mit dem/den marokkanischen Kooperationspartner(n) zustandig sind?
Ja Nein Bitte nennen Sie uns bei einer positiven Antwort die jeweiligen Mitarbeiter und ihre Funktionen im Unternehmen: Name
Funktion
12. Wie wurden Sie den betriebswirtschaftlichen Erfolg Ihrer Kooperation(en) mit dem/den marokkanischen Reiseveranstalter(n) anhand des derzeitigen Umsatzes einschatzen? sehr positiv
" positiv
durchschnittlich
Z negativ
J sehr negativ
13. Welche Reisesparten im Marokkotourismus halten Sie in HinbHck auf ihr zukiinftiges Entwicklimgspotential fiir besonders attraktiv, um sie in Kooperation mit dem/den marokkanischen Reiseveranstalter(n) verstarkt zu erschliefien? (Mehrfachnennungen moglich) Studienreisen Stadtereisen Badetourismus Incentive, Kongresse und Tagungen Sport- und Erlebnisreisen [I Golftourismus Wandern, Bergsteigen und Trekking
I Wassersport L Wiistentourismus
Sonstiges:
14. Planen Sie in den nachsten Jahren eine Intensivierung beziehungsweise einen Ausbau der derzeitigen Geschafiisbeziehungen mit dem/den marokkanischen Kooperationspartner(n)? Uja r Nein Bitte begriinden Sie Ihre Antwort!
Anhang
381
ANGABEN ZUR PERSON
1.
Nationalitat D deutsch
2.
D marokkanisch
Geschlecht D mannlich
3.
D weiblich
Alter Dunter30Jahre
4.
5.
D Sonstige:
D 31-40 Jahre
D 41-50 Jahre
D 51-60 Jahre
nuber60Jahre
Funktion im Unternehmen (laut Visitenkarte beziehungsweise laut Eigenauskunft)
Berufliche Qualifikation D Ausbildung
Fachrichtung:_
D Studium
Fachrichtung:_
D Sonstiges: 6.
Besitzen Sie interkulturelle Vorerfahrungen in der Zusammenarbeit mit auslandischen Unternehmen beziehungsweise Institutionen? DJa
DNein
Falls es sich um interkulturelle Vorerfahrungen handelt, die Sie in marokkanischen Unternehmen beziehungsweise Institutionen sammeln konnten, waren wir Ihnen sehr dankbar, wenn Sie uns nachfolgend kurz Ihre spezifischen Vorerfahrungen - unter eventueller Angabe der Unternehmen beziehungsweise Institutionen - skizzieren konnten.
7.
Gab es eine Vorbereitung, die Sie vor dem Hintergrund kultureller Unterschiede in Ihre aktuelle Tatigkeit hinsichtiich der Zusammenarbeit mit dem/den marokkanischen Kooperationspartner(n) eingefuhrt hat? • Ja
Welche?
DNein 8.
In welcher Sprache beziehungsweise in welchen Sprachen kommunizieren Sie mit Ihrem/Ihren marokkanischen Kooperationspartner(n)? Wie schatzen Sie dabei Ihre entsprechenden Sprachkenntnisse ein? • Deutsch
• Englisch D Franzosisch D Arabisch D Sonstige
9.
sehr gut D D D D D
gut
durchschnittiich
schlecht
D D D D D
D D D D D
D D D
sehr schlecht
D D D D D
n D
Wie schatzen Sie Ihre Kenntnisse in Bezug auf die Ktdtur Marokkos ein? D sehr gut
D gut
D durchschnittiich
D schlecht
D sehr schlecht
Herzlichen Dank for die Beantwortimg der vorliegenden Fragen!
382
Anhang
B.2
Gesprachsleitfaden
GESPRACHSLEITFADEN ZUR BEFRAGUNG DER DEUTSCHEN REISEVERANSTALTER
EiNSTIEG AIs deutscher Reiseveranstalter, der sich im Outgoing-Tourismus Marokkos engagiert, bieten Sie Ihren Kunden nicht nur ein Land im Programmangebot an, dessen Kultur sich in zahlreichen Aspekten von der deutschen Kultur unterscheidet, sondern Sie arbeiten auch direkt mit Geschaftspartnern aus dem/den marokkanischen Kooperationsunternehmen zusammen. Sicherlich konnen Sie durch Ihre Position im Schnittpunkt divergierender Kulturen einiges iiber Ihre Erfahrungen in der interkulturellen Zusammenarbeit mit den marokkanischen Kooperationspartnern berichten. Dabei interessieren uns neben okonomischen insbesondere auch kulturelle Aspekte, die in einer bilateralen Kooperation von Relevanz sind. Einstiegsfrage Welche Chancen und Risiken sehen Sie - basierend auf Ihren Kooperationserfahrungen mit dem/den marokkanischen Reiseveranstalter(n) - ganz generell, wenn Menschen mit unterschiedlichem kulturellem Background zusammenarbeiten?
HAUPTTEIL Die nachfolgenden Fragen sollen die Entwicklung der Zusammenarbeit Ihres Unternehmens mit dem marokkanischen Kooperationspartner von den Anfangen bis zum aktuelien Kooperationsgeschehen nachzeichnen. In diesem Kontext gehen wir von drei aufeinander aufbauenden Phasen aus: der Konzeptionsphase, der Implementationsphase und der Kooperationsphase. Den Schv^erpunkt unserer Fragen iegen wir auf die Kooperationsphase, die sich auf das laufende Kooperationsgeschehen konzentriert. Anmerkung: Soliten Sie unter Umstanden mit mehreren marokkanischen Reiseveranstaltern kooperieren, so bitten wir Sie, Ihre Ausfiihrungen auf den wichtigsten Kooperationspartner zu beziehen.
1. Konzeptionsphase Interkulturelle Unternehmenskooperationen erfordern eine sorgfaltige Vorbereitung, damit sie zum Erfolg werden. So gilt es nicht nur, die eigenen Ziele auszuloten, sondern auch einen geeigneten Partner zu fmden, mit dem man die anvisierten Ziele erreichen mochte. Frage 1 Statt eines Alleingangs arbeitet Ihr Unternehmen seit einiger Zeit mit einem marokkanischen Kooperationspartner zusammen. Welche Ziele verfolgt Ihr Unternehmen mit dem Eingehen einer Kooperation? (A) Konnen Sie zundchst die in nachfolgender Tabelle genannten Ziele nach ihrer Wichtigkeit bewerten? (B) Konnen Sie anschliefend die drei wichtigsten Ziele in der Ran^olge von I bis 3 kennzeichnen?
Anhang
383
Matrix I: Ziele der deutsch-marokkanischen Kooperation und ihre jeweilige Gewichtung
Frage 2 Konnen Sie den Prozess von der Partnersuche iiber die Kontaktaujnahme bis zur Kooperationsentscheidung beschreiben? Welche positiven und negativen Erfahrungen haben Sie in diesem Zusammenhang gemacht?
2. Impietnentationsphase Mit dem Vertragsabschluss gilt es, eine erfolgreiche interkulturelle Unternehmenskooperation einzuleiten. Dazu bedarf es zu Beginn der bilateraien Zusammenarbeit zunachst der Implementation zahlreicher Integrationsprozes-
Frage 1 Welche Bedeutung haben Ihrer Meinung nach bei der Implementation von Integrationsprozessen die sechs nachfolgenden - vorwiegend betriebswirtschaftlich ausgerichteten - Funktionen aus dem Personal- und Sachmanagement?
384
Anhang
Matrix II: Funktionen aus dem Personal- und Sachmanagement
Frage 2 Sie haben eben die Bedeutung wichtiger okonomischer Aspekte bei der Implementation von Integrationsprozessen bewertet. (1.) Welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach kulturelle Aspekte? (2.) Welche kulturellen Aspekte fallen Ihnen im Zusammenhang mit Ihrem marokkanischen Kooperationspartner bei der Implementation von Integrationsprozessen spontan ein? 3. Kooperationsphase Haben sich die vorherigen Fragen auf bereits zuriickliegende Etappen Ihrer Zusammenarbeit mit dem marokkanischen Kooperationspartner bezogen, so wollen wir jetzt in erster Linie einen Blick auf das aktuelle Kooperationsgeschehen werfen. Dabei sollen nicht nur speziellere Themenkomplexe der interkulturellen Zusammenarbeit, sondern auch iibergeordnete Fragestellungen behandelt werden. Themenkomplex I: Tourismusrelevante Fragestellungen Als Akteur der Tourismusbranche werden Sie - schon aufgrund des geschaficlichen Selbstverstandnisses - immer wieder mit tourismusspezifischen Inhalten konfrontiert. Die nachfolgenden Themenkomplexe greifen tourismusrelevante Fragestellungen auf, die dezidiert die bilaterale Zusammenarbeit mit Ihrem marokkanischen Kooperationspartner betreffen. Frage 1 Ein zentraler Aspekt in der Zusammenarbeit mit Ihrem marokkanischen Kooperationspartner diirfte die touristische Angebotsgestaltung sein. (1.) In wessen Verantwortungsbereich innerhalb der Kooperation fallen nachfolgende Aspekte der touristischen Angebotsgestaltung? (Bitte in nachfolgender Tabelle kennzeichnen!) Matrix III: Ausgewahlte Aspekte der tourismusspezifischen Zusammenarbeit
(2.) Im Falle einer gemeinsamen Verantwortung: Wie erfolgt die Umsetzung? (3.) Welche Vor- und Nachteile birgt Ihrer Meinung nach diese Aufgabenverteilung?
Anhang
385
Frage 2 Reiseleiter sind ein zentrales personelles Standbein von Reiseveranstaltern. Gleichzeitig arbeiten sie wie kaum eine zweite Berufsgruppe an den 'Schnittstellen' zwischen divergierenden Kulturen. (1.) Gibt es eine gezielte interkulturelle Vorbereitung der Mitarbeiter, die im Rundreisetourismus fur die deutsche Klientel zustdndig sind? (2.) Wennja, tuie gestaltet sich diese interkulturelle Vorbereitung? Frage 3 In den letzten Jahren haben zahlreiche Tourismusunternehmen sukzessive ihre Kundenorientierung ausgebaut. Dazu zahlt unter anderem auch ein verstarktes Eingehen auf Kunden im Beschwerdefail. (1.) Gibt es typische Kundenbeschwerden im marokkanischen Incoming-Tourismus, die - nicht zuktzt vor dem Hintergrund kultureller Unterschiede - mit deutschen Touristen aufireten? Nennen Sie bitte konkrete Beispiele! (2.) Wie begegnen Sie und Ihr marokkanischer Kooperationspartner diesen Kundenbeschwerden? (3.) Sehen Sie im Handling von Kundenbeschwerden mit Ihrem marokkanischen Kooperationspartner eine Belastung Jur die bilaterale Zusammenarbeit? Frage 4 Im Zusammenhang mit dem internationaien Tourismus in Entwicklungslandern wird eine intensive Debatte um dessen soziokultureiie und okologische Auswirkungen gefiihrt. Untemehmen Sie in Zusammenarbeit mit Ihrem marokkanischen Kooperationspartner Mafnahmen, um die entsprechenden soziokulturellen und okologischen Auswirkungen moglichst vertrdglich zu halten?
Themenkomplex 2: Vertrauen Gegenseitiges Vertrauen ist eine essentielie Ressource in der Zusammenarbeit mit Geschaftspartnern: was auf nationaier Ebene gilt, ist auf internationaler Ebene noch einmai von grofierer Bedeutung. Frage 1 Wodurch zeichnet sich ganz allgemein ein Geschdftspartner aus, dem Sie Vertrauen in einer Kooperation schenken wiirden? Frage 2 Wodurch zeichnet sich konkret die Zusammenarbeit mit Ihrem marokkanischen Kooperationspartner aus? Nennen Sie die dreifUr Sie wichtigsten Vertrauensmerkmale in der Rangfolge mit 1, 2 und 3. Gibt es Vertrauensmerkmale, die Ihrer Meinung nach noch wichtiger sind? Matrix IV: Vertrauensmerkmale
386
Anhang
Frage3 Was hat das Vertrauen zu Ihrem Kooperationspartner im Verlauf der Zusammenarheit beeinflusst^ Bitte beschreiben Sie einen konkreten Fall (positiv undJoder negativ)!
Themenkomplex 3: Konflikte Das Gelingen einer unternehmerischen Zusammenarbeit zeigt sich nicht nur im Erfolgsfall, sondern auch, wenn es den Kooperationspartnern gelingt, in schwierigen Situationen eine einvernehmliche Losung zu finden. Frage 1 Wie hdufig treten in Ihrem Untemehmen Konflikte in der Zusammenarbeit mit den Mitarbeitem beziehungsweise Fiihrungskrdften des marokkanischen Kooperationsuntemehmens aufi Matrix V: Konfliktfelder
Frage2 Konnen Sie bitte ein konkretes Beispiel im Kontext von Konflikten schildem, das Ihnen besonders signifikant erscheint beziehungsweise besonders hdufig aufiritt?
Anhang
387
Frage 3 Welche Losungsansdtze werden heim Auftreten von Konflikten in Ihrer Kooperation durchgefuhrt, und wie erfolgreich sind entsprechende Mafinahmen? Matrix VI: Losungsansatze in Konflikten
Frage 4 Haben Sie den Eindruck, doss im Konfliktfall in der Regel einjur beide Seiten vertretbarer Kompromiss gefunden wird oderfUhlen Sie sich hdufig eher benachteiligt?
Themenkomplex 4: Erfolgsbilanzierung Frage 1 Sie haben zu Beginn des Gesprachs die drei wichtigsten Ziele genannt, die Sie in Zusammenarbeit mit Ihrem marokkanischen Kooperationspartner erreichen mochten. (1.) Wie schdtzen Sie den Grad der Zielerreichung ein? (Bitte in nachfolgender Tabelle kennzeichnen!) Matrix VII: Grad der Zielerreichung in Bezug auf die drei wichtigsten mit der Kooperation verbundenen Ziele
(2.) Wie erkldren Sie sich die GrUndeJur die von Ihnen skizzierte Zielerreichung^ Frage 2 Einer der zentralen Aspekte einer Kooperation ist es, gemeinsam zusatzliche Umsatze und Ertrage zu erwirtschaften. Es ist zwar oftmals aufgrund von Zurechnungsproblemen schwierig, in Kooperationen genaue Daten beziiglich Umsatz respektive Gewinn und Verlust abzuschatzen, aber vielleicht konnten Sie es trotzdem versuchen. (1.) In welchem Jahr wurde aus der Kooperation erstmalig ein Gewinn erzielt (Break-even-Point) beziehungsweise fUr welches Jahr ist dies geplant? (2.) Wie hat sich der Umsatz Ihres Untemehmens im Zeitlauf entwickelt und welcher Anteil (in %) stammt aus der Kooperation? (Bitte in nachfolgende Tabelle eintragen!)
388
Anhang
(3.) Wie hat sich die Gewinnsituation (Gewinn/Verlust) Ihres Untemehmens im Zeitlauf entwickelt, und welcher Anteil (in %) stammt dabei aus der Kooperation? (Bitte in nachfolgende Tabelle eintragen!) (Altemativ: Wie hat sich die Umsatzrendite Ihres Untemehmens (in %) entwickelt? 1st die Umsatzrendite hoher, niedriger oder in etiva gleich hoch wie die Umsatzrendite Ihres Untemehmens?) Matrix VIII: Statistische Angaben in Bezug auf die okonomische Erfolgsbilanz
Falls Sie keine genauen Zahlenangaben machen konnen beziehungsweise mochten, konnen Sie sicherlich zumindest die tendenzielle Entwicklung von Umsatz respektive von Gewinn und Verlust aus der Reoperation infolgende Diagramme einzeichnen? (stark oder schwach ansteigend, gleich bleibend, stark oder schwach fallend, schwankend)
Frage3 Wenn Sie eine personliche Bilanz hinsichtlich Ihrer bilateralen Zusammenarbeit mit dem marokkanischen Kooperationsunternehmen ziehen, dann stellt sich die Frage, wie Ihr Unternehmen aus betriebswirtschaftlicher Perspektive ohne den marokkanischen Partner dastiinde. Welche personliche Bilanz Ziehen Sie diesbeziiglich in Bezug auf die nachfolgenden Aspekte?
Anhang
389
Matrix IX: Hypothetische Bilanz der Unternehmensentwicklung ohne eine vorliegende Kooperation
Frage 4 Sicherlich ware es zu einseitig, die Erfolgsbilanzierung einer bilateralen Unternehmenskooperation ausschliefilich auf okonomische Aspekte beschranken zu wolien. Deshalb wurde uns interessieren, wie Sie - ganz personlich - Ihre Position im Schnittpunkt zwischen der marokkanischen und deutschen Kultur empfinden?
ABSCHLUSS Abschlussjrage Sie haben uns sehr interessante Einblicke in Ihre Erfahrungen hinsichdich der bilateralen Zusammenarbeit zwischen einem deutschen und einem marokkanischen Reiseveranstalter gewahrt. Welche Ratschldge wiirden Sie Akteuren geben, die vorhaben, eine Zusammenarbeit mit einem marokkanischen Reiseveranstalter einzugehen? In diesem Zusammenhang interessiert uns natUrlich besonders, welche personlichen Qualifikationen man — Ihrer Meinung nach —fur Ihre Position mitbringen sollte?
Wie schdtTxn Sie — im Allgemeinen — die Zukunftsaussichten fUr die Tourismusdestination Marokko und— im Besonderen - fUr die Zusammenarbeit zwischen deutschen und marokkanischen Reiseveranstaltem ein?
An dieser Stelle mochten wir uns noch einmal ganz herzlich dafur bedanken, dass Sie sich fur das Gesprach Zeit genommen haben!
Anhane
390
B.3
Expertenleitfaden „Interkulturelle Kommunikation"
Katholische Universitat Eichstatt-Ingolstadt
Universite Mohammed V- Agdal
MATHEMATISCH-GEOGRAPHISCHE F A K U L T A T
FACULTE DES LETTRES ET DES SCIENCES HUMAINES
Prof. Dr. Hans Hopfinger
Prof. Dr. Mohamed Berriane
Dipl.- Geograph Nicolai Scherle
Hanane Damghi
Tel.: 0049-8421 - 93 11 34
Tel.: 0 0 2 1 2 - 7 - 7 7 18 93
Fax: 0049-8421 - 9 3 17 87
Fax: 0 0 2 1 2 - 7 - 6 7 27 92
EXPERTENGESPRACH L E I T F A D E N - INTERKULTURELLE KOMMUNIKATION
Fragenkreis I: Deutsch-Marokkanische Kooperationen
>
Welche Chancen und Risiken sehen Sie, wenn sich deutsche Unternehmen in Marokko engagieren? Dabei interessieren uns besonders diejenigen Erfahrungen, die Sie im Kontext mit Unternehmen aus der Tourismusbranche gesammelt haben.
^
Welche Aufgaben iibernimmt Ihre Institution im Zusammenhang mit bilateralen Unternehmenskooperationen? In diesem Kontext interessieren insbesondere folgende Fragestellungen: a) Welche Dienstleistungen konnen Sie deutschen und marokkanischen Unternehmen aus der Tourismusbranche anbieten, die eine bilaterale Zusammenarbeit anstreben? b) Welche Dienstleistungen konnen Sie deutschen und marokkanischen Unternehmen aus der Tourismusbranche anbieten, die bereits eine bilaterale Zusammenarbeit eingegangen sind? c)
Verfiigen Sie iiber Kontakte zu Institutionen und Ansprechpartnern, die eine deutsch-marokkanische Zusammenarbeit im Tourismussektor einleiten beziehungsweise begleiten konnen?
d) Verfiigen Sie uber statistische Daten, die das bilaterale Kooperationsgeschehen zwischen deutschen und marokkanischen Unternehmen im Tourismussektor dokumentieren? ^
Welche Voraussetzungen soUte ein Unternehmer aus Deutschland mitbringen beziehungsweise welche Mal^nahmen soUte er einleiten, damit eine grenziiberschreitende Zusammenarbeit mit einem marokkanischen Unternehmen zum Erfolg wird?
Anhang
391
Im Rahmen dieses Forschungsprojekts werden neben okonomischen auch kulturelle Aspekte einer bilateralen Zusammenarbeit untersucht. Welche Bedeutung haben Ihrer Ansicht nach kulturelle Aspekte - aufgezeigt am Beispiel deutsch-marokkanischer Unternehmenskooperationen - in einer bilateralen Kooperation? Gibt es prototypische Konflikte, die sich in der alltaglichen Zusammenarbeit zwischen deutschen und marokkanischen Unternehmen ergeben? Welche Griinde sehen Sie fiir entsprechende Konflikte, und welche Losungsansatze erscheinen Ihnen zu deren Behebung besonders geeignet? Welche Griinde werden Ihnen seitens der Akteure im Falle eines Scheiterns deutsch-marokkanischer Unternehmenskooperationen am haufigsten genannt? Worin sehen Sie - ganz personlich - prototypische Ursachen fiir das Scheitern deutsch-marokkanischer Unternehmenskooperationen? Welchen Stellenwert raumen Sie - aufgezeigt am Beispiel deutsch-marokkanischer Unternehmenskooperationen - der interkulturellen Kompetenz bilateral kooperierender Interaktionspartner ein? Gehen Sie in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Aspekte Vertrauen und Konflikte ein. Wie attraktiv halten Sie - insbesondere im Vergleich mit anderen Wirtschaftsbranchen - zurzeit ein geschaftliches Engagement im marokkanischen Tourismussektor? Welche Rahmenbedingungen konnte beziehungsweise soUte man verbessern, damit ein geschaftliches Engagement im marokkanischen Tourismussektor zukiinftig an Attraktivitat gewinnt?
Fragenkreis II: Marokkanischer Tourismus >
Die Nachfrage deutscher Touristen in Bezug auf die Destination Marokko ist seit 1998 riicklaufig, zudem haben sich einige Reiseveranstalter aus dem Marokkotourismus zurucl^ezogen. Worin sehen Sie die Ursachen fiir diese Entwicklungen?
>
Wie bewerten Sie - insbesondere im Vergleich mit den Destinationen Tunesien, Agypten und Tiirkei - das derzeitige marokkanische Tourismuspotential?
>
Auf einem im Januar 2001 veranstalteten Tourismuskongress in Marrakech wurden ambitionierte Ziele zum Ausbau des marokkanischen Tourismus prasentiert. Zu den Zielen, die bis zum Jahr 2010 umgesetzt werden soUen, gehoren unter anderem: +
Erhohung des Anteils auslandischer Touristen von derzeit etwa zwei auf zehn Millionen Caste
+
Errichtung von ca. 80 000 neuen Betten bei einem Gesamtvolumen von 30 Millionen Dirham
+
Erschliefiung neuer touristischer Zonen (insbesondere im Bereich dcs Badetourismus)
Wie beurteilen Sie den zwischen der marokkanischen Regierung und der Confederation Generale des Entreprises Marocaines (CGEM) vereinbarten Plan zum Ausbau des Tourismus hinsichdich der postulierten Ziele sowie hinsichtlich der Chancen, die postulierten Ziele im anvisierten Zeitraum umzusetzen? >
In welchen Bereichen beziiglich marokkanischer Tourismusstrukturen sehen Sie einen vordringlichen Handlungsbedarf, damit die Destination sowohl fur Unternehmer als auch fiir Touristen an Attraktivitat gewinnt? Welche Mafinahmen miissten in diesem Zusammenhang seitens der marokkanischen Tourismuspolitik eingeleitet werden?
^
Wie schatzen Sie die Perspektiven einer zukiinftigen Entwicklung des marokkanischen Tourismus ein? Welche Tourismussparten erscheinen Ihnen in diesem Zusammenhang hinsichtlich ihres Entwicklungspotentials besonders attraktiv?
Anhane
392
B.4
Expertenleitfaden „Interkulturelles Beschwerdemanagement" (Reiseveranstalter)
Katholische Universitat Eichstatt-Ingolstadt
Universite Mohammed V- Agdal
MATHEMATISCH-GEOGRAPHISCHE F A K U L T A T
FACULTE DES LETTRES ET DES SCIENCES HUMAINES
Prof. Dr. Hans Hopfinger
Prof. Dr. Mohamed Berriane
Dipl.- Geograph Nicolai Scherle
Hanane Damghi
Tel.: 0 0 4 9 - 8 4 2 1 - 9 3 11 34
Tel.: 0 0 2 1 2 - 7 - 7 7 18 93
Fax: 0049-8421 - 9 3 17 87
Fax: 0 0 2 1 2 - 7 - 6 7 27 92
EXPERTENGESPRACH L E I T F A D E N - INTERKULTURELLES B E S C H W E R D E M A N A G E M E N T
(Reiseveranstalter)
Gibt es typische Kundenbeschwerden im marokkanischen Incoming-Tourismus, die - nicht zuletzt vor dem Hintergrund kultureller Unterschiede - mit deutschen Touristen auftreten? Nennen Sie bitte konkrete Beispiele! Wie viele Kundenbeschwerden erhalten Sie durchschnitdich pro Saison beziehungsweise pro Jahr, die die Destination Marokko betrefFen? Haben Sie in diesem Kontext den Eindruck, dass in den letzten Jahren nicht zuletzt vor dem Hintergrund verstarkter Verbraucherschutzrechte und einer zunehmenden Kundenorientierung von VeranstaJterseite - die Bereitschaft zur Artikulation von Kundenbeschwerden zugenommen hat? Wenn ja, wie bewerten Sie diese Entwicklung? Sehen Sie die Ursachen fiir die entsprechenden Kundenbeschwerden eher - auf einer allgemeinen Ebene in den maroickanischen Tourismusstrukturen an sich oder - auf einer spezifischen Ebene - in der Leistungserbringung des Kooperationsunternehmens begriindet? Gibt es Bereiche hinsichtHch marokkanischer Tourismusstrukturen beziehungsweise hinsichtHch der Leistungserbringung des Kooperationspartners, bei denen Sie - aufgrund der bei Ihnen eingehenden Kundenbeschwerden - einen vordringhchen Handlungsbedarf sehen? In welcher vorwiegenden Form (etwa individuelle oder kollektive Beschwerde, Einschaltung einer Drittinstitution, negative Mundpropaganda) treten die bei Ihnen in Bezug auf den marokkanischen IncomingTourismus artikulierten Kundenbeschwerden auf?
Anhang
Gibt es in Ihrem Unternehmen hinsichtlich des handlings von Kundenbeschwerden eine spezifische Unternehmensphilosophie beziehungsweise eine gezielte Unternehmensstrategie? Inwieweit kommen in diesem Zusammenhang Gesichtspunkte eines aktiven Beschwerdemanagements zum Tragen? Konnen Sie - eventuell sogar anhand eines Fallbeispiels - das konkrete handling von Kundenbeschwerden zwischen Ihrem Unternehmen und der marokkanischen Incoming-Agentur schildern? Welche Reaktionsformen beziehungsweise welche Kompensationsinstrumente (immateriell, materiell und fmanziell) kommen im Beschwerdefall in Ihrem Unternehmen vorwiegend zum Einsatz? Welche dieser Reaktionsformen beziehungsweise Kompensationsinstrumente erscheinen Ihnen in diesem Kontext - nicht zuletzt in Hinblick auf den Aspekt der Kundenbindung - besonders erfolgversprechend? Wie bewerten Sie das zwischen Ihrem Unternehmen und der marokkanischen Incoming-Agentur praktizierte handling von Kundenbeschwerden? In welchen Bereichen sehen Sie in diesem Zusammenhang Vor- und Nachteile, und wie reagieren Sie, wenn Probleme beim handling der Kundenbeschwerden auftreten? Spielen zwischen Ihrem Unternehmen und der marokkanischen Incoming-Agentur kulturbedingte Aspekte in der Wahrnehmung und im handling von Kundenbeschwerden eine RoUe? Wenn ja, welche?
393
394
B.5
Anhane
Expertenleitfaden ,Jnterkulturelles Beschwerdemanagement'' (Wissenschaft)
Katholische Universitat Eichstatt-Ingolstadt
Universite Mohammed V- Agdal
MATHEMATISCH-GEOGRAPHISCHE F A K U L T A T
FACULTE DES LETTRES ET DES SCIENCES HUMAINES
Prof. Dr. Hans Hopfinger
Prof. Dr. Mohamed Berriane
Dipl.- Geograph Nicolai Scherle
Hanane Damghi
Tel.: 0049-8421 - 93 11 34
Tel.: 0 0 2 1 2 - 7 - 7 7 18 93
Fax: 0 0 4 9 - 8 4 2 1 - 9 3 17 87
Fax: 0 0 2 1 2 - 7 - 6 7 27 92
EXPERTENGESPRACH L E I T F A D E N - INTERKULTURELLES B E S C H W E R D E M A N A G E M E N T
(Wissenschaft)
Gibt es typische Kundenbeschwerden im Kontext des Outgoing-Tourismus, die - nicht zuletzt vor dem Hintergrund kultureller Unterschiede - mit deutschen Touristen auftreten? Worin sehen Sie diese Kundenbeschwerden begrundet? Gibt es bestimmte Destinationen, Klienten und Urlaubsformen, die Ihnen besonders anfallig fiir das Aufkommen von Kundenbeschwerden erscheinen? Haben Sie den Eindruck, dass in den letzten Jahren - nicht zuletzt vor dem Hintergrund verstarkter Verbraucherschutzrechte und einer zunehmenden Kundenorientierung von Reiseveranstalterseite - die Bereitschaft zur Artikulation von Kundenbeschwerden zugenommen hat? Wenn ja, wie bewerten Sie diese Entwicklung? Gibt es spezifische Unternehmensphilosophien beziehungsweise gezielte Unternehmensstrategien bei deutschen wie auslandischen Reiseveranstaltern, die Ihnen in Bezug auf das handling von Kundenbeschwerden besonders vorbildlich erscheinen? Durch welche Charakteristika zeichnet sich fiir Sie - von der Beschwerdestimuiierung bis zur Beschwerdeauswertung - ein optimales Beschwerdemanagement bei Reiseveranstaltern aus?
Anhane
395
Welche Reaktionsformen beziehungsweise welche Kompensationsinstrumente (immateriell, materiell und finanziell) erscheinen Ihnen besonders geeignet, um den Kunden - nicht zuletzt unter dem Aspekt der Kundenbindung - zufrieden zu stellen? Welchen Stellenwert nimmt zurzeit bei deutschen Reiseveranstaltern - auch im Vergleich zur auslandischen Konkurrenz - ein aktives Beschwerdemanagement ein? Sehen Sie in diesem Kontext Unterschiede zwischen klein- und mittelstandischen Unternehmen und den so genannten global players^. Welche Vor- und Nachteile weisen beim Beschwerdemanagement die jeweiUgen Unternehmensgrofien auf? Welche Chancen und welche Risiken sehen Sie im handling von Kundenbeschwerden, wenn Unternehmen - aufgezeigt anhand bilateral kooperierender Reiseveranstalter - mit divergierendem kulturellem Background zusammenarbeiten? Spielen bei bilateral kooperierenden Tourismusunternehmen kulturbedingte Aspekte in der Wahrnehmung und im handling yon Kundenbeschwerden eine RoUe? Wenn ja, welche? Welche Losungsansatze sind Ihrer Meinung nach besonders geeignet, um - im Falle von Problemen beim gemeinsamen handling von Kundenbeschwerden - einen fiir beide Seiten vertretbaren Kompromiss zu erzielen?