B. Zernikow (Hrsg.) Schmerztherapie bei Kindern
Die vordere Umschlagseite zeigt Lena und Sven. Beide Kinder nehmen an der Bauchschmerztherapiegruppe der Vestischen Kinder- und Jugendklinik »Bauchtänzer« teil. In acht wöchentlichen Sitzungen von 90 Minuten Dauer lernen die Kinder, wie ihre Bauchschmerzen entstanden sind. Sie trainieren Entspannungs- und Ablenkungstechniken und üben sich in Stressbewältigung sowie Selbstbeobachtung. Gegenseitig helfen sie sich bei der »kognitiven Umstrukturierung«: »schwarze« katastrophierende Gedanken werden durch »bunte« hilfreiche Gedanken ersetzt. Die Ergebnisse der Bauchschmerzgruppen sind verblüffend: Fast 50 % der Kinder haben nach Absolvieren der Gruppe keine Bauchschmerzen mehr.
B. Zernikow (Hrsg.)
Schmerztherapie bei Kindern 3., aktualisierte Auflage Mit 46 Abbildungen und 83 Tabellen
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Priv.-Doz. Dr. med. Boris Zernikow Institut für Kinderschmerztherapie und Pädiatrische Palliativmedizin (IKP) an der Vestischen Kinder- und Jugendklinik Universität Witten/Herdecke Dr.-Friedrich-Steiner-Straße 5 45711 Datteln E-Mail:
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ISBN 3-540-23728-3 3. Auflage 2005 Springer Medizin Verlag Heidelberg ISBN 978-3-540-23728-0 3. Auflage 2005 Springer Medizin Verlag Heidelberg ISBN 3-540-44136-0 2. Auflage 2003 Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York Bibliografische Informationen der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über (http://dnb.ddb.de) abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer Medizin Verlag. Ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2003, 2005 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und MarkenschutzGesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit geprüft werden. Spezieller Hinweis: Obwohl die gegebenen Dosisempfehlungen von den Autoren sorgfältig geprüft wurden, können die Autoren keine Verantwortung für die Dosisangaben übernehmen. Es liegt in der Verantwortung des behandelnden Arztes, die Dosierungen anhand der Produktinformation bzw. unter Benutzung von Standardliteratur zu überprüfen. Aus der Tatsache, dass ein Medikament für eine bestimmte Indikation vorgeschlagen wird, kann nicht geschlossen werden, dass für diese Indikation eine Zulassung besteht. Zulassungsbeschränkungen hinsichtlich des Alters der Patienten und mögliche Kontraindikationen müssen vom behandelnden Arzt gewissenhaft geprüft und nicht zuletzt aus forensischen Gründen mit den Patienten und/oder Eltern besprochen werden. Planung: Ulrike Hartmann, Heidelberg Projektmanagement: Gisela Schmitt, Heidelberg Design: deblik Berlin Covermotiv: Jan Greune, Münsing SPIN 10961261 Satz und Druck: Stürtz GmbH, Würzburg Gedruckt auf säurefreiem Papier 22/2122 – 5 4 3 2 1 0
Liebe Hannah Sophie! Voller Energie vorzeitig ins Leben gepurzelt, hast Du früh Schmerzerfahrungen machen müssen. In der Hoffnung, dass andere Frühgeborene und auch ältere Kinder eine so verantwortungsvolle Schmerztherapie erhalten wie Du, sei Dir dieses Buch gewidmet.
VII
Geleitwort Schmerz und Schmerztherapie werden immer noch vernachlässigt innerhalb der Medizin. Die Fortschritte der letzten Jahre, vor allem im Bewusstsein der Öffentlichkeit und auch der Politiker, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Problemfeld akuter und chronischer Schmerz noch weit von einer Lösung entfernt ist. Immer noch wird postoperativer Schmerz als »natürliche« Folge einer Operation missverstanden, und immer noch ist Schmerz im Bewusstsein vieler etwas, das z. B. zum Tumorleiden dazugehört. Meist handelt es sich bei den Betroffenen um Erwachsene, die sich ausdrücken können und ihre Bedürfnisse durchsetzen können. Besonders schlimm ist die Situation aber für Kleinkinder und Kinder. Zunächst stand da über viele Jahre die Behauptung im Raum, dass Kinder keine oder weniger Schmerzen verspüren würden. Eine lange Tradition, die z. B. in Beschneidungen und ähnlichen Riten, die sich bis heute noch erhalten haben, ihren Ausdruck findet. Kleinkindern fehlt die Möglichkeit, sich zu artikulieren, zumindest aber kann die Artikulation fehlgedeutet werden. Schmerz, Stress, Unwillen bilden dann fließende Grenzen, und die Interpretation bleibt Erwachsenen vorbehalten, die offensichtlich nicht immer das richtige Verständnis aufbringen. Auch die Interaktion von Eltern mit ihren Kindern ist oft nicht so ausgelegt, dass die wirklichen Wünsche und Bedürfnisse der Kinder ausreichend berücksichtigt werden. All dies macht Kinder, wenn sie Patient werden, wehrlos, verletzlich und teilweise zu Opfern. Ein anderer Aspekt ist, dass wir noch viel zu wenig von den Auswirkungen der akuten Schmerzen bei Kindern auf das spätere »Schmerzgedächtnis« und auf spätere Lebensweisen wissen. Die Literatur ist gefüllt von Arbeiten über Chronifizierung, aber leer an Arbeiten über die Chronifizierungseinflüsse kindlicher Schmerzen. Wir können nur vermuten, dass kindlicher Schmerz nicht nur biochemische Prozesse auslöst, nicht nur Genveränderungen induziert, sondern auch Verhalten, Reaktionen, Empfinden verändert. Ausreichende Schmerztherapie ist deshalb bei Kindern enorm wichtig, will man nicht völlig unbekannte und vielleicht weitreichende Folgen in der Entwicklung des Kindes riskieren. Das vorliegende Buch geht auf viele dieser Aspekte ein, gibt praktische Hinweise und Anleitungen, berücksichtigt die psycho-sozialen Auswirkungen chronischer Schmerzen und beschreibt unterschiedliche Krankheitsbilder. Es ist das Verdienst von Herrn Dr. Zernikow, hier das erste umfassende deutsche Lehrbuch für Schmerztherapie bei Kindern vorzulegen und damit ein großes Vakuum auszufüllen. Dieses Vakuum ist besonders bedeutsam geworden, seit der deutsche Ärztetag 1996 beschlossen hat, Schmerztherapie als Weiterbildungsinhalt in jedem klinischen Fach zu verankern, so auch in der Pädiatrie. Pädiater sind nach wie vor in der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS) völlig unterrepräsentiert, auch in der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Schmerztherapie (DIVS) fehlt eine pädiatrische Beteiligung. Man kann dem Buch und dem Bemühen der Autoren daher nur wünschen, dass notwendige Brücken geschlagen werden, dass Sensibilität und Bewusstsein wachsen, und dass schließlich das vernachlässigte Gebiet kindlicher Schmerzen aus dem Schatten hervorgeholt wird. Unbehandelter Schmerz bei Kindern trifft die wehrlosen Opfer. Dieses Buch bietet die Grundlage für qualifizierte Therapie und eine Beherrschung des Problems kindlicher Schmerzen. Michael Zenz, Bochum
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Vorwort zur dritten Auflage Dass nach nur zwei Jahren auch die zweite Auflage von Schmerztherapie bei Kindern bereits vergriffen ist, beweist das große Interesse am Thema und bedeutet einen wichtigen Schritt in Richtung Qualitätsverbesserung der pädiatrischen Schmerztherapie. Auch andere Indikatoren zeigen dies an: die Dattelner Kinderschmerztage – Kongress für Kinderschmerztherapie und Pädiatrische Palliativmedizin fanden 2005 zum dritten Mal statt mit wachsender – auch internationaler – Beteiligung. Die interdisziplinäre Kinderschmerzambulanz des Instituts für Kinderschmerztherapie und Pädiatrische Palliativmedizin (IKP) an der Vestischen Kinder- und Jugendklinik Datteln – Univ. Witten/Herdecke bietet 2005 eine multimodale Kinderschmerztherapie für 1000 Patienten im Jahr an; stationär können 100 schmerzkranke Kinder auf der psychosomatischen Kinderschmerzstation »Leuchtturm« behandelt werden. Diese Fortschritte am IKP in Datteln waren nur möglich mit der großzügigen Unterstützung der Vodafone Stiftung Deutschland gGMBH und der Schweizer Peter und Ruth Wirts-Stiftung. Allerdings ist auch noch 2005 flächendeckende Qualitätsverbesserung dringend geboten. Weitere Kinderschmerzambulanzen wie in Hamburg und Nürnberg müssen folgen, die postoperative Kinderschmerztherapie bedarf dringend der Optimierung, und am Lebensende leiden noch immer viele Kinder völlig sinnlos an Schmerzen. Die 2. Auflage von Schmerztherapie bei Kindern wurde insbesondere auf Anregung von Gerhard Gaedicke um wichtige Kapitel ergänzt. Die 3. Auflage ist eine Aktualisierung unter Berücksichtigung wesentlicher Publikationen der letzten zwei Jahre. Viele persönliche Beziehungen haben Stil und Inhalt des Buches geprägt, nicht zuletzt die freundschaftlichen Kontakte zu den Autoren, insbesondere zu meinem langjährigen Freund und Mentor Erik Michel. Allen Autoren sowie unserer Lektorin beim Springer-Verlag, Frau Ulrike Hartmann, darf ich wieder einmal herzlich danken für ihre Phantasie, Arbeitsdisziplin und Diskussionskultur. Mit allen Autoren zusammen freue ich mich, zum Ausbau der pädiatrischen Schmerztherapie im deutschsprachigen Raum beitragen zu dürfen. Dieser kann allerdings nur gelingen, wenn Leser und Autoren in engem Kontakt stehen und Theorie und Praxis sich immer wieder gegenseitig befruchten. Datteln im Frühjahr 2005
Boris Zernikow
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Vorwort zur ersten Auflage Noch 1968 hieß es in einem amerikanischen Übersichtsartikel von Swafford u. Allen: »Pädiatrische Patienten benötigen nur selten Schmerzmedikamente. Im Allgemeinen tolerieren sie Schmerzen gut« [Swafford u. Allen (1968) Med Clin N Am 52: 131–136]. 1987 publizierte Anand im Lancet eine richtungweisende Arbeit, als er zeigen konnte, dass Frühgeborene bei der Ductusligatur von einer intraoperativen Fentanylanalgesie profitieren [Anand et al. (1987) Lancet I: 62–66]. Seine Literaturrecherche vor Studienbeginn hatte ergeben, dass damals 3/4 aller Operationen an Frühgeborenen ohne (ausreichende) Analgesie durchgeführt wurden. Nach herrschender Lehrmeinung hatten Frühgeborene keine Schmerzen – wozu sollte man sie dann analgesieren? Heute – nur 13 Jahre später – empfinden wir ein solches Vorgehen zu Recht als barbarisch. Die Lehrmeinungen haben sich grundlegend geändert: Frühgeborene empfinden Schmerzen nicht viel anders als Erwachsene! Physiologische Besonderheiten, die von Prof. Sandkühler u. Dr. Benrath in Kap. 1* sehr anschaulich dargestellt werden, lassen vermuten, dass sie vielleicht sogar mehr Schmerzen empfinden. »L’homme est un apprenti, la douleur est son maître« (»Der Mensch ist ein Lehrling, und Schmerz ist sein Meister«, Alfred de Musset, La Nuit d’Octobre, 1837) erlangt in der Neonatologie traurige Wahrheit. In der Neonatalzeit – bekanntlich die Zeit der größten zerebralen Plastizität – verändern starke Schmerzen das nozizeptive System so sehr, dass der Effekt nach Monaten, vielleicht sogar bis ins Erwachsenenalter hinein nachweisbar ist [Taddio et al. (1997) Lancet 349: 599–603]. Wir können heute hinsichtlich des Schmerzempfindens von Kindern auf deutlich mehr wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgreifen als vor 13 Jahren, und dennoch: In der täglichen Routine erhalten Kinder nach wie vor weniger Analgesie als Erwachsene [Petrack et al. (1997) Pediatrics 99: 711–714] und Neugeborene weniger als ältere Kinder [Bauchner et al. (1992) J Pediatr 121: 647–9]. Selbst während der Lebensendphase wird bei Kindern die Schmerztherapie sträflich vernachlässigt [Wolfe et al. (2000) N Engl J Med 342: 326–333]. Hierfür lassen sich 5 Gründe anführen: 1. Noch immer grassiert der Irrglaube, Kinder empfänden weniger Schmerz und könnten sich kaum an erlittene Schmerzen erinnern. Heutzutage vertritt kaum jemand diese Meinung explizit. Aber liegt sie nicht implizit dem beobachteten Unterschied im Analgetikaeinsatz zwischen Pädiatrischen und Neonatologischen Intensivstationen zugrunde? 2. Bei kleineren Kindern sind Schmerzen unzweifelhaft schwerer zu erkennen als bei Erwachsenen. Unter Umständen zeigen Neugeborene unter starkem Schmerz nach außen hin völlige Ruhe. 3. Kindern ist es verwehrt, sich schmerzhaften Eingriffen durch Noncompliance zu entziehen. 4. Gewisse Schmerzen – man denke an Kopf- oder Bauchschmerzen – werden bagatellisiert. 5. Es ist das gemeinsame Bestreben von Kinderärztinnen/ärzten und Krankenschwestern/-pflegern, zu helfen, und nicht zu schaden. Meist gelingt es, Kinder vollständig von ihrer Krankheit zu heilen. Bleibende analgesiebedingte Schäden sind demnach inakzeptabel. Bei Erwachsenen mit ihren chronischen Krankheiten steht eher die Schmerzlinderung im Vordergrund – auch um den Preis körperlicher Integrität.
* 2. Auflage: Kapitel 2
XII
Die Arbeiten in diesem Buch helfen, Schmerzen bei Kindern zu verstehen und zu bewerten. Zunächst möchten wir Leserinnen und Leser mit den Grundlagen der pädiatrischen Schmerztherapie vertraut machen durch die einleitenden Kapitel zu Schmerzphysiologie, Schmerzmessung, klinischer Pharmakologie, psychologischer Schmerzprävention bei akuten Schmerzen und der Rolle der Kinderkrankenpflege. Aktuelle, wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse werden in den folgenden Kapiteln zu kochbuchartigen Rezepten verdichtet und geben Anleitung, wie in einer Vielzahl von Situationen Schmerzen bei Kindern risikoarm und gleichzeitig effektiv zu therapieren sind (Kap. 6–10; 12–14*). Ein Schwerpunkt wird auf die Prävention von Stress sowie die psychologische Vor- und Nachbereitung unvermeidbarer Schmerzen gelegt. Chronische Schmerzen bei Kindern bedürfen eines ausgeklügelten interdisziplinären Behandlungsplans. In ihrer Behandlung spielen neben Kinderärztinnen/Kinderärzten, Kinderkrankenschwestern/-pflegern sowie Krankengymnastinnen/Krankengymnasten auch Psychologinnen/Psychologen eine wichtige Rolle. Am Beispiel funktioneller Bauchschmerzen (Kap. 11*) und chronischer Kopfschmerzen (Kap. 12*) werden durch ein Team aus Ärztin/Arzt und Psychologin/Psychologe evaluierte interdisziplinäre Therapieansätze vorgestellt. In der postoperativen Phase oder bei schmerzhaften Eingriffen (Kap. 7 und 8*) sind sowohl Kinderärztinnen/ärzte als auch Kinderanästhesistinnen/anästhesisten gefragt. Wenn irgend möglich, sind Regime mit wissenschaftlichem Wirknachweis aufgelistet. Es ist leider ein Faktum, dass die Studien zu Schmerzen beim Kind in einigen Bereichen noch zu lückenhaft sind, um alle Aussagen wissenschaftlich absichern zu können; durch Sachverstand und langjährige Erfahrung der Spezialisten kommen die Autorinnen und Autoren durchweg zu tragfähigen Empfehlungen. Ausschließlich auf Erfahrung beruht das Abschlusskapitel dieses Buches über ergänzende, naturheilkundlich orientierte Pflege bei schmerzhaften Erkrankungen. Diese Vorschläge harren noch der dringend notwendigen wissenschaftlichen Verifizierung, um Teil der täglich praktizierten Medizin zu werden. Eine jede Leserin und ein jeder Leser ist eingeladen, daran mitzuarbeiten. Dieses Buch ist ein Beispiel für funktionierende interprofessionelle und interdisziplinäre Kooperation aller beteiligten Berufsgruppen, wie die Autorinnen/Autoren sie sich für jede Kinderklinik wünschen. Es konnte nur zustande kommen, weil E die Qualitätssicherungsgruppe der Gesellschaft für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie den Dres. Fengler, Grießinger und mir das Verfassen von Schmerztherapieempfehlungen anvertraute, deren Verwirklichung insbesondere von Frau Prof. Dr. U. Creutzig und Prof. Dr. G. Henze mit Rat und Tat unterstützt wurde, E die Deutsche Leukämieforschungshilfe und die Mundipharma GmbH das Projekt STOP (Schmerz-Therapie in der Onkologischen Pädiatrie) förderten, wodurch ich zeitliche Freiräume für die Forschung auf dem Gebiet pädiatrischer Schmerzen erhielt, E sich Prof. Dr. M. Zenz vor Jahren die Zeit nahm, einen »Frischling« an seinen schmerztherapeutischen Erfahrungen teilhaben zu lassen, E mein Freund und Mentor Dr. E. Michel sowie meine Frau Dipl.-Psych. Jutta Ossenbrügger viel Zeit, Energie und kritischen Sachverstand bei der »Geburt« dieses Werkes aufbrachten, E Prof. Dr. W. Andler und der leitende Oberarzt der Vestischen Kinderklinik, Guido Bürk, auf freundschaftliche Art und Weise die teilweise unkonventionellen Wege eines Assistenzarztes mittrugen.
XIII
Danken möchte ich allen Autoren für ihr großes Engagement, Frau Dr. Gabriele Lindena (Mundipharma GmbH) für wertvolle Kritik, den Mitarbeitern des Springer-Verlags für ihre professionelle Arbeit, den Hauptsponsoren für ihre Unterstützung sowie ihre konsequente inhaltliche Nichteinmischung und Wilma Henkel für ihre unermüdliche Arbeit mit den Manuskripten. Kann das Buch »Schmerztherapie bei Kindern« nur ein wenig dazu beitragen, die aktuellen Erkenntnisse zur Schmerztherapie bei Kindern in die klinische Praxis umzusetzen, hat sich die Mühe seiner Autoren gelohnt. Datteln, im Herbst 2000
Boris Zernikow
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Inhaltsverzeichnis 1
Pathophysiologie des Schmerzes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
M. Schäfer
2
Das nozizeptive System von Früh- und Neugeborenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
J. Sandkühler und J. Benrath
3
Differenzialdiagnose der Schmerzursachen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
E. Michel und B. Zernikow
4
Messen und Erfassen von Schmerz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
H. Denecke und C. Hünseler
5
Klinisch-pharmakologische Grundlagen der Schmerztherapie . . . . . . . . . . . . . . .
69
B. Roth, C. Hünseler, E. Michel und B. Zernikow
6
Die Rolle der Kinderkrankenpflege in der Schmerztherapie. . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 B. Jung und S. Würdisch
7
Psychologische Interventionen bei akuten Schmerzen im Kindesalter . . . . . . . . 131 H. Labouvie, M. Kusch und U. Bode
8
Schmerztherapie in der Allgemeinpädiatrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 B. Zernikow, G. Bürk und E. Michel
9
Schmerzreduktion bei Blutabnahmen und Injektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 J. Berrang, P. Reinhold und B. Zernikow
10
Regional- und Lokalanästhesie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 A. Reich
11
Schmerzhafte interventionelle Eingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 P. Reinhold und P. Köster-Oehlmann
12
Postoperative Schmerztherapie bei Kindern und Jugendlichen . . . . . . . . . . . . . . 205 R. Sittl, N. Griessinger, K. Becke, C. Geiß und D. Märkert
13
Schmerztherapie in der Kinderhämatoonkologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 B. Zernikow
14
Schmerzen am Bewegungsapparat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 G. Bürk, M. Frosch und B. Zernikow unter Mitarbeit von W. Coenen
XVI
15
Rezidivierende Bauchschmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 T. Berger und U. Damschen
16
Kopfschmerztherapie im Kindes- und Jugendalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 M. Überall, H. Denecke und B. Kröner-Herwig
17
Schmerztherapie auf der (neonatologischen) Intensivstation . . . . . . . . . . . . . . . . 291 E. Michel und B. Zernikow
18
Schmerz und Schmerztherapie bei behinderten Kindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 B. Zernikow, B. Dietz, U. Hafkemeier und G. Kluger
19
Schmerztherapie in der Zahnheilkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 P. Jöhren, O. Tarsaev und J. Dieckmann
20
Ergänzende, naturheilkundlich orientierte Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 G. Blaser und K.-H. Friese
Anhang A: Dattelner Schmerzfragebogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 Anhang B: Schmerzbeurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 Anhang C: Informationen zum Thema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397
XVII
Verzeichnis der Erstautoren Berrang, J.
Denecke, H., Dr. rer. nat.
Universitätsklinikum des Saarlandes Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin Gebäude 9 66421 Homburg Email:
[email protected] Assistenzarzt der Vestischen Kinder und Jugendklinik, Datteln – Universität Witten/Herdecke. Arbeitsschwerpunkte: Schmerztherapie, Gastroenterologie und Rheumatologie
Bischof-Friedrich-Weg 6 42781 Haan Email:
[email protected] Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kinderschmerztherapie und Pädiatrische Palliativmedizin, Vestische Kinder- und Jugendklinik, Universität Witten/Herdecke Forschungsschwerpunkte: Psychologische Schmerzforschung, -diagnostik und -therapie, Psychoendokrinologie und Aufmerksamkeitsprozesse. 1996–1998 Konzeption, Durchführung und Evaluation des Kopfschmerzprojektes »STOP den Kopfschmerz«. Mitautorin des dazugehörigen Buches und Manuals »Kopfschmerztherapie mit Kindern und Jugendlichen«. Mitglied der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS) und der Deutschen Gesellschaft für Psychologische Schmerztherapie und -forschung (DGPSF).
Blaser, G., Krankenschwester Medizinische Universitätspoliklinik Wilhelmstr. 35–37 53111 Bonn Email:
[email protected] Leitung der naturheilkundlichen Pflege-Ambulanz an der Medizinischen Universitäts-Poliklinik Bonn in Zusammenarbeit mit Priv.-Doz. Dr. K. Kraft. Arbeitsschwerpunkte: Einführen von naturheilkundlichen Pflegemethoden in Stationen der Universitäts- und Universitätskinderklinik. In Zusammenarbeit mit der schmerztherapeutischen Ambulanz Betreuung von Schmerzpatienten. Schulungen in naturheilkundlicher Pflege. Mitautorin der Checkliste Phytotherapie.
Friese, K.-H., Dr. med.
Universitätsklinik- und Poliklinik für Kinder und Jugendliche Oststr. 21–25 04317 Leipzig Email:
[email protected] Oberarzt Arbeitsschwerpunkte: Rheumatologie, Immunologie, Infektiologie und Gastroenterologie.
HNO-Praxis, Medizinische Informatik Marktplatz 3 71263 Weil der Stadt Email:
[email protected] Web: www.dr-friese.de Niedergelassener HNO-Arzt mit Zusatzbezeichungen Allergologie, Homöopathie, Naturheilverfahren, Stimm- und Sprachstörungen, Umweltmedizin, Ärztliches Qualitätsmanagement, Medizinische Informatik. Studium der Medizin in Tübingen, Promotion in Nuklearmedizin. Durchführung von Studien zur homöopathischen Schmerztherapie bei Kindern in Zusammenarbeit mit der Universitätskinderklinik Tübingen. Autor, Mitautor und Herausgeber zahlreicher Bücher zur Homöopathie.
Berger, T., Dr. med.
Jöhren, P., Priv.-Doz. Dr.
Vestische Kinder- und Jugendklinik Datteln – Universität Witten/Herdecke Dr.-Friedrich-Steiner-Str. 5 45711 Datteln Oberarzt Arbeitsschwerpunkt: Gastroenterologie. Ärztliche Leitung des Bauchschmerzprojektes »Bauchtänzer«.
Zahnklinik Bochum u. Therapiezentrum für Zahnbehandlungsangst Augusta-Kranken-Anstalt Bergstr. 26 44791 Bochum Email:
[email protected] 1. Vorsitzender AK Psychologie und Psychosomatik in der DGZMK. Forschungsschwerpunkte: Zahnbehandlungsangst, Schmerztherapie und Implantologie.
Bürk, G.
XVIII
Jung, B.,
Michel, E., Dr. med.
Diplom-Gesundheitswissenschaftlerin, MPH, Fachkinderkrankenschwester Anästhesie und Intensivpflege, Pflegedienstleitung Universitätsklinikum Benjamin Franklin Hindenburgdamm 30 12200 Berlin Email:
[email protected] Diplom-Agraringenieurin. Langjährige Berufserfahrung in unterschiedlichsten Bereichen der Kinderkrankenpflege, Kinderanästhesie und -intensivpflege sowie im Pflegemanagement. Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Gesundheitswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bielefeld in den Bereichen Gesundheitssystemforschung, schmerzbezogene Pflegeforschung und Qualitätsmanagement. Autorin des Buches: Patientenorientierte Schmerztherapie und Kinderintensivpflege, 1996, Mabuse-Verlag.
Klinik für Kinder und Jugendliche Mainaustr. 39–4/4 78464 Konstanz Email:
[email protected] Oberarzt Berufliche Stationen: Universitätskinderkliniken Freiburg und Münster; Max-Planck-Institut Münster; Kinderklinik Neukölln, Oberarzt am Emma Kinderziekenhuis, Academisch Medisch Centrum, Universität Amsterdam, Niederlande. Zusatzqualifikation: Neonatologie; Spezielle Pädiatrische Intensivmedizin; Sozialmedizin. Mitglied der New York Academy of Sciences und des European Neonatal Brain Club. Ludolf-Krehl-Preis 2002.
Labouvie, H., Dipl.-Psych. Zentrum für Kinderheilkunde der Universität Bonn Abteilung für Hämatologie/Onkologie Adenauerallee 119 53113 Bonn Email:
[email protected] Leitende Psychologin in der Abteilung für Hämatologie und Onkologie der Universitätskinderklinik Bonn. Langjährige Berufserfahrung mit der psychologischen Vorbereitung von Kindern und Jugendlichen auf schmerzhafte Maßnahmen innerhalb der stationären onkologischen Therapie. Seit 1999 Leitung und Koordination des Projektes: »Evaluation eines psychosozialen Versorgungskonzeptes für die pädiatrische Onkologie«. Das dazugehörige Manual enthält u.a. ein Patientenschulungsprogramm »Hilfe zur Selbsthilfe«, in dem für die Patienteneltern psychologische Schmerztherapie praktisch erlernbar gemacht wird. Wissenschaftliche Arbeiten u.a. auf den Gebieten psychologische Schmerztherapie sowie Versorgungs- und Qualitätsmanagement. Mitherausgeberin des Buches »Stationäre psychologische Betreuung in der Pädiatrie«.
Reich, A., Dr. med., DEAA Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin Universitätsklinikum Münster Albert-Schweitzer Str. 33 48129 Münster Email:
[email protected] Kinderanästhesist an der Universität Münster. Studium der Medizin in Münster und Freiburg. Mehrere Auslandsaufenthalte in Kinderkliniken, u. a. im Hospital for Sick Children in Toronto, dem Kantonsspital in Luzern und der Universitätsklinik Clermont-Ferrand. Seit 1995 Beteiligung am Aufbau eines Akutschmerzdienstes und am Einsatz kontinuierlicher epiduraler Katheter bei Kindern. Forschungsschwerpunkte: Kinderregionalanästhesie und Anwendung zentraler Katheterverfahren im Kindesalter.
Reinhold, P., Prof. Dr. med. Klinik für Anästhesiologie, op. Intensivmedizin Schmerztherapie Klinikum Herford Schwarzenmoorstr. 70 52049 Herford Email:
[email protected] Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie. Facharzt für Anästhesiologie/Spezielle Schmerztherapie. Arbeitsschwerpunkte liegen in der Kinderanästhesie, -intensivmedizin und -schmerztherapie. Veröffentlichungen insbesondere zu Lokalanästhetika (inklusive EMLA) und Propofol bei Kindern.
XIX
Roth, B., Prof. Dr. med. Universitäts-Kinderklinik Joseph-Stelzmann-Str. 9 50924 Köln Email:
[email protected] Leitender Oberarzt der Universitätskinderklinik Köln, Leiter des Bereichs Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin. Mehrjährige Tätigkeit in der pharmakologischen und toxikologischen Forschung eines Pharmaunternehmens als Laborant. Klinische Forschungs- und Arbeitsgebiete der letzten 10 Jahre: klinische Pharmakologie in der Neonatologie und pädiatrischen Intensivmedizin (Koffein, Analgetika, Sedativa, Kinetikstudien, 1H-MR-Spektroskopie in vivo, Schmerzverhalten bei Frühgeborenen etc). Medizinische Habilitation über die klinische Pharmakologie synthetischer Glukokortikoide im Kindesalter.
Sandkühler, J., Univ.-Prof. Dr. med. Zentrum für Hirnforschung Abteilung für Neurophysiologie Medizinische Universität Wien Spitalgasse 4 A-1090 Wien, Österreich Email:
[email protected] Web: www.j-sandkuehler.net Universitätsprofessor für Neurophysiologie am Institut für Hirnforschung. Studium der Medizin in Heidelberg, Freiburg und Iowa City (Iowa, U.S.A.). Promotion über die antinozizeptiven Wirkmechanismen von Morphin. Habilitation im Fach Physiologie über die körpereigene Schmerzabwehr. 1. Preisträger im Wettbewerb »Problem Schmerz« der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes. Heisenberg-Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Sprecher des Forschungsschwerpunktes Multidimensionalität des chronifizierenden Schmerzes der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg.
Schäfer, M., Prof. Dr. med. Klinik für Anaesthesiologie und operative Intensivmedizin, Freie Universität Berlin Hindenburgdamm 30 12200 Berlin Email:
[email protected] Leitender Oberarzt und Leiter der Forschungsabteilung an der Klinik für Anästhesiologie, Uniklinikum Benjamin-Franklin. Studium der Medizin in Münster, Cardiff (U.K.) und München; Promotion an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster; Approbation an der Ludwig-Maximilians-Universität München; Facharzt für Anästhesiologie, Habilitation an der
Freien Universität Berlin; NIH-, DGAI-, IARS- und DGSSPreisträger; wissenschaftlicher Leiter der klinischen Forschergruppe »Molekulare Mechanismen der Opioidanalgesie bei Entzündungsschmerz« an der FU Berlin, wissenschaftliche Arbeiten zur Entstehung und körpereigenen Kontrolle chronischer Entzündungsschmerzen, Neuro-Immun-Interaktionen sowie peripher analgetischer Wirkungen von Opioiden.
Sittl, R., Dr. med. Dipl.-Soz. Klinik für Anästhesiologie, Schmerzambulanz Universität Erlangen-Nürnberg Krankenhausstraße 12 91054 Erlangen Email:
[email protected]. uni-erlangen.de Leiter der anästhesiologischen Schmerzambulanz und des Akutschmerzdienstes für Kinder und Erwachsene der Universität Erlangen-Nürnberg. Seit 2002 geschäftsführender Oberarzt am Zentrum für Interdisziplinäre Schmerztherapie. Sertürner Preis 1998, Deutscher Schmerzforschungspreis 1999, Deutscher Palliativpreis 2001. Palliativpreis Österreich 2002 und 2004, Herausgeber des Internationalen Schmerzkurses auf CD-Rom. Leiter mehrerer BMFT-Forschungsprojekte zur Optimierung der Schmerztherapie.
Überall, M.A., Priv.-Doz. Dr. med. Institut für Neurowissenschaften, Algesiologie und Pädiatrie (IFNAP) Institut für Qualitätssicherung in Schmerztherapie und Palliativmedizin (IQUISP) Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie (DGS) O.Meany-Medical Data & Project Management Theodorstraße 1 90489 Nürnberg Email:
[email protected] Langjährige Tatigkeit im Bereich Neuropädiatrie mit Schwerpunkten auf den Gebieten der Behandlung kindlicher Kopfschmerzen und der pädiatrischen Epileptologie. Habilitation im Fach Pädiatrie über die Relevanz apparativer Untersuchungsverfahren bei kindlichen Kopfschmerzen. Durchführung mehrerer international beachteter Studien zum Einsatz von Triptanen bei kindlicher Migräne. Unter anderem Mitglied der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG), der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS) und der International Headache Society (IHS). Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie (DGS) Leiter des Institut für Neurowissenschaften, Algesiologie und Pädiatrie (IFNAP), Leiter des Instituts für Qualitätssicherung in Schmerztherapie und Palliativmedizin (IQUISP)
XX
Zernikow, B., Priv.-Doz. Dr. med. Institut für Kinderschmerztherapie und Pädiatrische Palliativmedizin (IKP). Vestische Kinder- und Jugendklinik Datteln – Universität Witten/Herdecke Dr.-Friedrich-Steiner-Str. 5 45711 Datteln Email:
[email protected], Web: www.Schmerzen-bei-Kindern.de Leitung des Klinikbereichs und des Instituts für Kinderschmerztherapie und Pädiatrische Palliativmedizin inklusive interdisziplinärer Kinderschmerzambulanz an der Vestischen Kinder- und Jungendklinik Datteln – Universität Witten/Herdecke. 1998–2001 Projektleiter des Qualitätssicherungsprojektes STOP (Schmerz-Therapie in der onkologischen Pädiatrie), seit 2001 Projektleiter von PATE (Palliativmedizin und -Therapie sowie ihrer Evaluation in der Kinderhämatoonkologie) der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie – gefördert durch die Deutsche Kinderkrebsstiftung und die Mundipharma GmbH. Seit 2002 Projektleiter von TOPP (Telemedizin in der onkologischpädiatrischen Palliativmedizin) – Teilprojekt des Kompetenznetzwerkes Pädiatrische Onkologie mit Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Initiator von Eigenes Leben – Hilfen für Kinder mit Schmerzen oder lebensverkürzenden Erkrankungen e.V.. Wissenschaftliche Leitung der Dattelner Kinderschmerztage – Kongress für Kinderschmerztherapie und pädiatrische Palliativmedizin. Preisträger des Wissenschaftspreises der Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin 1994, Finalist 2002 The Golden Helix Award, Finalist Deutscher Gesundheitspreis 2004, Förderpreis für Interdisziplinarität in der Medizin 2004 der Deutschen Gesellschaft für Interdisziplinäre Klinische Medizin (DGIKM e.V.).
XXI
Verzeichnis der Mitautoren Becke, K., Dr. med.
Griessinger, N., Dr. med.
Klinik für Anästhesiologie Krankenhausstr. 12 91054 Erlangen
Schmerzambulanz Klinik für Anästhesiologie Krankenhausstr. 12 91054 Erlangen
Benrath, J., Dr. med. Institut für Hirnforschung Spitalgasse 4 A-1090 Wien
Bode, U., Prof. Dr. med. Zentrum für Kinderheilkunde der Universität Bonn Abteilung für Hämatologie/Onkologie Adenauerallee 119 53112 Bonn
Coenen, W., Dr. med. Facharzt für Orthopädie Waldstr. 35 78048 Villingen
Damschen, U., Dipl.-Psych. Vestische Kinder- und Jugendklinik Datteln – Universität Witten/Herdecke Dr.-Friedrich-Steiner-Str. 5 45711 Datteln
Dieckmann, J., Prof. Dr. med. Dr. med. dent Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Knappschaftskrankenhaus Recklinghausen Dorstenerstr. 151 45657 Recklinghausen
Dietz, B., Dr. med. Vestische Kinder- und Jugendklinik Datteln – Universität Witten/Herdecke Dr.-Friedrich-Steiner-Str. 5 45711 Datteln
Frosch, M., Dr. med. Universitätskinderklinik Albert-Schweitzer-Str. 33 48129 Münster
Geiss, C. Schmerzambulanz Klinik für Anästhesiologie Krankenhausstr. 12 91054 Erlangen
Hafkemeyer, U., Dr. med. Klinik und Poliklinik für Technische Orthopädie des UKM Robert-Koch-Str. 30 48149 Münster
Hünseler, Ch., Dr. med. Klinik und Poliklinik für allgemeine Kinderheilkunde, Universität zu Köln Joseph-Stelzmann-Str. 9 50924 Köln
Kluger, G., Dr. med. Behandlungszentrum Vogtareuth Krankenhausstr. 20 83569 Vogtareuth
Köster-Oehlmann, P., Dr. med., Oberärztin Abteilung für Anästhesie und operative Intensivmedizin Evangelisches Krankenhaus Wiedenbrücker Str. 33 59555 Lippstadt
Kröner-Herwig, B., Prof. Dr. Georg-August-Universität Göttingen Klinische Psychologie und Psychiatrie Gosslerstr. 14 37073 Göttingen
Kusch, M., Priv.-Doz. Dr. phil., Dipl.-Psych. Klinikum Kreis Herford Schwarzenmoorstr. 70 32049 Herford
Märkert, D. Klinik für Anästhesiologie Universität Erlangen-Nürnberg Krankenhausstr. 12 91054 Erlangen
XXII
Tarsaev, O., Dr. med. dent. Universität Witten-Herdecke Zahnärztliche Poliklinik Fakultät für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Alfred-Herrhausen-Str. 50 58448 Witten
Würdisch, S., Kinderkrankenschwester Käppelinstr. 25 CH-4600 Olten
1 Pathophysiologie des Schmerzes M. Schäfer 1.1
Einleitung – 2
1.1.1 Definition des Schmerzes – 2 1.1.2 Biologische Bedeutung des Schmerzes – 2
1.2
Periphere Mechanismen – 3
1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5
Sensorische Nervenfasern – 3 Nozizeptoren – 4 Erregung und Sensitivierung sensorischer Nervenendigungen – 5 Neurogene Entzündung – 6 Neuropathischer Schmerz – 6
1.3
Zentrale Mechanismen – 7
1.3.1 Spinale Übertragung von Schmerzimpulsen – 7 1.3.2 Synaptische Schmerzimpuls-Übertragung – 8 1.3.3 Zentrale Sensitivierung – 9
1.4
Höhere Zentren – 10
1.4.1 Subkortikale und kortikale Schmerzzentren – 10 1.4.2 Kortikale Schmerzrepräsentation – 12
1.5
Kontrollmechanismen des Schmerzes – 13
1.5.1 Zentrale Kontrollmechanismen – 13 1.5.2 Periphere Kontrollmechanismen – 14
1.6
Zusammenfassung – 14 Literatur – 15
2
Kapitel 1 · Pathophysiologie des Schmerzes
))
1 1.1
Einleitung
1.1.1
Definition des Schmerzes
Schmerz ist die Wahrnehmung von schädlichen Reizen aus der Umwelt. Schmerz hat eine Warn- bzw. Schutzfunkion, die die Unversehrtheit des Körpers eines Individuums erhalten soll. Uns allen ist das Beispiel geläufig, dass wir beim Berühren einer heißen Herdplatte reflexartig die Hand zurückziehen. Die Wahrnehmung des Schmerzes ist ein Bewusstseinsvorgang (Perzeption), der von den physiologischen Vorgängen der schädlichen Reizung, Nervenerregung und -weiterleitung (Nozizeption) unterschieden wird, diese jedoch voraussetzt. Erst im Gehirn werden die aus der Peripherie eintreffenden nervalen Impulse schädigender Reize aufgrund vorheriger Erlebnisse zu einem Schmerzerlebnis verarbeitet. Das heißt, neben physiologischen Vorgängen umfasst der Schmerz auch emotionale und verhaltensbestimmte Aspekte. Dies hat in der Definition des Schmerzes nach Merskey (1976), die von der Internationalen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (IASP) übernommen wurde (1979), Eingang gefunden: »Schmerz ist ein unangenehmes Sinnesund Gefühlserlebnis, das mit aktueller oder potenzieller Gewebeschädigung verknüpft ist oder mit den Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird.« Eine neuere von Donald D. Price (1999) vorgeschlagene Definition ist unabhängig von dem Nachweis einer Gewebeverletzung und dessen zwingender Assoziation mit der eigentlichen Sinneswahrnehmung: »Schmerz ist eine Wahrnehmung des Körpers, die (1) eine Sinnesempfindung in der Qualität, die bei einer Gewebeverletzung beschrieben wird, (2) eine erlebte Bedrohung, die mit dieser Sinnesempfindung assoziiert ist, und (3) ein unangenehmes oder andersartig negatives Gefühl, das auf der erlebten Bedrohung basiert, umfasst.«
1.1.2
Biologische Bedeutung des Schmerzes
Schmerz hat eine wichtige biologische Schutzfunktion. Dies wird besonders deutlich an Kindern, die
aufgrund einer mangelnden Anlage von schmerzleitenden Nervenfasern Schmerz nicht empfinden können (CIPA: Congenital-insensitivity-to-painwith-anhydrosis-Syndrom). Die Folge sind vielfältige Gewebeverletzungen der Haut und Deformierungen der peripheren Gelenke. Während die Kinder eine normale Empfindlichkeit für Berührung und Vibration haben, mangelt es ihnen an der Wahrnehmung von Hitze- und anderen schädlichen Reizen. Diese angeborene Erkrankung beruht auf einem Gendefekt eines Rezeptors des für die schmerzleitenden Nervenfasern essenziellen Wachstumsfaktors. Im Gegensatz dazu kann Schmerz, v. a. wenn er über einen längeren Zeitraum anhält, für den Organismus nachteilig sein. Dies wird uns besonders im Rahmen einer notwendigen Operation deutlich. Schmerzen sollten vor, während und nach einer Operation wirksam bekämpft werden. Geschieht dies nicht, kommt es zu einem verzögerten Heilungsverlauf, vermehrten Komplikationen und damit zu erhöhter Morbidität und Mortalität (. Tabelle 1.1). Dies trifft in besonderem Maße auch für chronische Schmerzen (z. B. chronisch arthritischer Schmerz, Tumorschmerzen) zu, die einen erheblichen Leidensdruck ausüben und die Lebensqualität der Betroffenen deutlich einschränken. Zahlreiche Veröffentlichungen belegen die nachteiligen Folgen un- oder unterbehandelter Schmerzen für verschiedene Organsysteme des Körpers [11]. Schmerzreize bewirken z. B. über segmentale Reflexbahnen einen erhöhten Muskeltonus der interkostalen, abdominellen und Zwerchfellmuskulatur. Daraus resultiert eine Einschränkung der Atmung und möglicherweise konsekutiv eine Atelektasenund Pneumonieentstehung (. Tabelle 1.1).
. Tabelle 1.1. Physiologische Konsequenzen unbehandelter Schmerzen 5 5 5 5 5 5 5 5
Eingeschränkte Atemfunktion Sympathische Kreislaufstimulation Eingeschränkte Magen- und Darmmotilität Erniedrigte Urinausscheidung Erhöhter Metabolismus Vermehrte Gerinnungsaktivität Immunsuppression Entstehung eines chronischen Schmerzsyndroms
3 1.2 · Periphere Mechanismen
Schmerzen führen zur Stimulation des sympathikoadrenergen Systems. Als Folge steigen Herzfrequenz, Herzarbeit und systolischer Blutdruck und dadurch letztlich der myokardiale O2-Verbrauch (. Tabelle 1.1). Durch eine adäquate Analgesie kann z. B. die Inzidenz postoperativer kardiovaskulärer Komplikationen reduziert werden. Schmerzen lösen eine neuroendokrine Stressantwort des Körpers aus [11]. Diese ist durch eine vermehrte Sekretion kataboler (ACTH, Kortisol, Glukagon, Katecholamine) und verminderte Sekretion anaboler (Insulin, Testosteron, Wachstumsfaktoren) Hormone gekennzeichnet (. Tabelle 1.1). Für die Psyche des Menschen bedeuten unzureichend behandelte Schmerzen Leiden, Angst und Schlaflosigkeit, die in einer Art Circulus vitiosus an der Aufrechterhaltung der Stressantwort sowie an der erhöhten Sensivität gegenüber Schmerzen beteiligt sind. Die genannten Folgen inadäquat behandelter Schmerzen sind nicht nur für das jeweilige Individum, sondern auch für die Gesellschaft von großem Nachteil. Sie führen zu verlängertem Krankenhausaufenthalt und verspäteter Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess. Langfristig kommt es zu vermehrter Arbeitsunfähigkeit und evtl. vorzeitigem Ruhestand. Dies hat ernsthafte sozioökonomische Konsequenzen, die von der Gesellschaft getragen werden müssen.
1.2
Periphere Mechanismen
1.2.1
Sensorische Nervenfasern
Unser Körper kommuniziert mit der Umwelt, indem er so verschiedenartige Reize wie Licht, Ton und Berührung in die Sprache des Nervensystems, die elektrischen Impulse (Aktionspotentiale), umwandelt und zum Gehirn fortleitet. Wir fragen uns jedoch, wie es möglich ist, dass unser Gehirn aufgrund der eintreffenden elektrischen Impulse unterscheiden kann, ob der Reiz aus dem Auge, dem Ohr oder der Haut herkommt. Dies liegt an der Art, wie der Reiz mit einem spezifischen Rezeptor auf bestimmten Nervenendigungen interagiert. Die Eigenschaft des Reizes und damit des erregten Rezeptors, die Intensität des Reizes, die Dauer und Lokalisation des Reizes auf der Körperoberfläche und ihre Kodierung in
1
elektrische Impulse bestimmen die Qualität der uns zu Bewusstsein kommenden Wahrnehmung. Durch die photosensorischen Rezeptoren der Netzhaut nehmen wir z.B. das Licht, durch die Haarzellen des Hörorgans den Ton und durch die Mechanorezeptoren der Haut Druck und Berührung wahr. Welche Nervenfasern sind nun im subkutanen Gewebe zur Wahrnehmung von Druck, Berührung, Temperatur und Schmerz vorhanden? Periphere Nervenfasern werden unterschieden entsprechend 1. der Morphologie ihres peripheren Nervenendes, 2. der Sensitivität gegenüber der Reizintensität (Reizschwelle), 3. dem Durchmesser von Axon und Zellkörper, 4. dem Vorhandensein oder Fehlen einer Myelinscheide und dadurch bedingt der Leitgeschwindigkeit eines elektrischen Impulses (. Tabelle 1.2). Die Wahrnehmung von Druck und Berührung wird hauptsächlich durch die Mechanorezeptoren (AβNervenfasern) der Haut vermittelt ([8]; . Abb. 1.1). Sie besitzen eine niedrige Reizschwelle und spezialisierte Nervenendigungen, die mechanische Einwirkungskräfte in elektrische Signale umwandeln (. Tabelle 1.2). Der genaue Mechanismus ist noch ungeklärt. Langsam adaptierende Mechanorezeptoren (Merkel- und Ruffini-Körperchen) reagieren bevorzugt auf persistierende Reize und informieren über die räumlichen Gegebenheiten (z.B. die Textur eines Objektes). Schnell adaptierende Mechanorezeptoren (Meissner- und Pacini-Körperchen) zeigen nur zu Beginn und Ende eines Reizes eine Antwort und informieren hauptsächlich über dessen zeitlichen Ablauf (z. B. das Streichen eines Fingers über eine Oberfläche). Meissner- und Merkel-Körperchen befinden sich gehäuft auf der Innenfläche von Handund Fuß. Sie versorgen kleine rezeptive Felder (das Hautareal, welches von einem Nervenende innerviert wird) und haben daher eine hohe räumliche Auflösung (hohe Zwei-Punkte-Diskrimination). Im Gegensatz dazu versorgen Ruffini- und PaciniKörperchen größere rezeptive Felder und haben eine eher grobe räumliche Auflösung (geringe ZweiPunkte-Diskrimination). Die Wahrnehmung von Wärme oder Kälte wird durch spezialisierte Thermorezeptoren (Aδ-/CNervenfasern) der Haut vermittelt ([8]; . Tabelle
4
1
Kapitel 1 · Pathophysiologie des Schmerzes
. Tabelle 1.2. Klassifikation peripherer sensorischer Nervenfasern
Aα
Funktion
Wahrnehmungsqualität
Reizschwelle/ rezeptives Feld
Durchmesser (µm)
Leitgeschwindigkeit (m/s)
Myelin
Muskelspindelafferenzen
Propriozeption
–
12–20
70–120
+++
Sehnenorganafferenzen Aβ
MeissnerKörperchen, Pacini-Körperchen, Ruffini-Körperchen, Merkel-Körperchen
Berührung, Schwingungen, Vibration, Druck
niedrig/klein niedrig/groß niedrig/groß niedrig/klein
5–12
30–70
+++
Aδ
Schmerzafferenzen, Temperaturafferenzen
scharf, stechende Schmerzen
hoch/klein
1–4
12–30
++
Aγ
Muskelspindelefferenzen
–
–
5–12
30–70
++
B
Sympathischpräganglionäre Nervenfasern
–
–
1–3
15
+
C
Polymodale Schmerz-/ Temperaturafferenzen
langsame, brennende Schmerzen
hoch/klein
0,5–1
1
–
1.2). Auf der Hautoberfläche befinden sich distinkte
Kälte- und Wärmerezeptoren. Kälterezeptoren (AδNervenfasern) werden in einem Temperaturbereich von 1–20 °C unterhalb der normalen Hautemperatur (37 °C) aktiviert. Wärmerezeptoren (C-Nervenfasern) dagegen werden in einem Temperaturbereich von 32–45 °C Hauttemperatur aktiviert. Bei Temperaturreizen >45 °C Körpertemperatur bzw. mehr als 20 °C unterhalb der Körpertemperatur werden weder Wärme- noch Kälterezeptoren, sondern entsprechende Thermonozizeptoren aktiviert, die einen Hitze- bzw. Kälteschmerz verursachen. 1.2.2
Nozizeptoren
Spezifische Nervenendigungen der Haut, die eine drohende Gewebezerstörung durch noxische Reize anzeigen, werden Schmerzrezeptoren bzw. Nozizeptoren genannt ([8]; . Abb. 1.1; s. auch Tabelle 1.2). Sie besitzen üblicherweise eine hohe Reizschwelle. Funktionell werden 3 Arten von Nozizeptoren unterschieden: Mechanonozizeptoren, die durch
starke mechanische Reize aktiviert werden, Thermonozizeptoren, die durch Hitze oder Kälte erregt werden, und polymodale Nozizeptoren, die auf verschiedene Reize – mechanische, Hitze- oder chemische Reize – antworten. Morphologisch werden 2 Arten von Nozizeptoren, die schnell leitenden Aδ- und die langsam leitenden C-Nervenfasern unterschieden. Schnell leitende Aδ-Nervenfasern lösen unmittelbar nach ihrer Erregung (z. B. durch eine heiße Herdplatte) einen motorischen Fluchtreflex (z. B. Zurückziehen der Hand) aus. Charakteristisch ist eine scharfe, stechende Schmerzempfindung. Langsam leitende C-Nervenfasern sind durch eine allmählich zunehmende, dumpfe, brennende Schmerzempfindung gekennzeichnet, die über lange Zeit persistieren kann. Bei einer akuten Verletzung kommt es häufig zu einer zeitlichen Aufeinanderfolge dieser beiden Schmerzempfindungen: Unmittelbar nach dem Reiz (z. B. Nadelstich) wird ein kurzer, stechender Schmerz wahrgenommen (1. Schmerz), der nach einem freien Zeitintervall von
5 1.2 · Periphere Mechanismen
1
lation sowie entzündliche und hypoxische Stimuli bewirken die Sensibilisierung der unterschiedlichen Nozizeptorpopulationen und die Rekrutierung primär stummer Nozizeptoren. Die hieraus resultierende vermehrte afferente Aktivität hat dann eine gesteigerte Erregbarkeit zentraler Neurone zur Folge und begünstigt so die Entwicklung chronisch persistierender viszeraler Schmerzzustände. 1.2.3
. Abb. 1.1. Subkutanes Hautgewebe und dessen Innervation durch unterschiedliche sensorische Nervenendigungen. Spezielle Tastkörperchen leiten über myelinisierte Aβ-Nervenfasern die Wahrnehmung von Druck und Berührung. Freie Nervenendigungen leiten über nur gering bzw. unmyelinisierte C-/Aδ-Nervenfasern nozizeptive Reize. Periphere sympathische Nervenfasern innervieren die Hautgefäße sowie die Haartalg- und Schweißdrüsen
einem länger andauernden, brennenden Schmerz abgelöst wird (2. Schmerz). Dies ist dadurch erklärbar, dass Aδ-Nervenfasern schnell adaptieren, sodass ei wiederholter Reizung der stechende Schmerz allmählich abnimmt, während der durch C-Nervenfasern hervorgerufene brennende Schmerz nach wiederholter Reizung in seiner Intensität weiter zunimmt. Adaptationsmechanismen können bei Nozizeptoren durch die Einwirkung von freigesetzten Gewebemediatoren aufgehoben sein, was eine Senkung der Reizschwelle und damit Sensitivierung des peripheren Nevenendes bewirkt (periphere Sensitivierung). Ein geringer Anteil an Nozizeptoren wird nur unter diesen Entzündungsbedingungen, unter normalen Bedingungen jedoch gar nicht erregt (»schlafende Nozizeptoren«; [9]). Viszerale Nozizeptoren, die die Eingeweide innervieren, sind überwiegend vom Typ langsam leitender, afferenter C-Nervenfasern. Sie verlaufen zusammen mit sympathisch oder parasympathisch efferenten Nervenfasern zu den Hohlorganen wie Magen, Darm und Harnblase und befinden sich dort als freie Nervenendigungen in der Wand des Hohlorgans [8]. Sie reagieren mit zunehmender Aktivität auf Dehnungsreize der Hohlorgane in Abhängigkeit von der Stärke und Schnelligkeit des Dehnungsreizes. Länger dauernde Formen der viszeralen Stimu-
Erregung und Sensitivierung sensorischer Nervenendigungen
Nozizeptoren befinden sich als freie Nervenendigungen in der Haut. Sie sind in der Mehrzahl der Fälle polymodal, d. h. sie werden durch mechanische, thermische und chemische Reize erregt [8]. Der genaue Mechanismus der Umwandlung eines mechanischen Reizes in eine elektrische Erregung dieser Nervenendigungen (Transduktion) ist noch nicht vollständig geklärt. Höchstwahrscheinlich erfolgt sie über eine Aktivierung membranständiger Ionenkanäle ([5]; . Abb. 1.2). Eine thermische Reizung von Nozizeptoren führt höchstwahrscheinlich zu einem Anstieg der intrazellulären Ca2+-Konzentration. Neueste Untersuchungen haben einen Ca2+-Ionen-Kanal identifiziert, der durch Hitze aktiviert wird (VanilloidRezeptor, VR1; [5]). Dieser Vanilloid-Rezeptor wird auch chemisch durch H+-Ionen und Capscaicin, eine pflanzliche Substanz im roten Pfeffer (Capsicum annuum), erregt ([5]; . Abb. 1.2). Nozizeptive C-Nervenfasern werden daher als Capscaicin-sensitive Nervenfasern charakterisiert. Die chemische Reizung sensorischer Nervenendigungen erfolgt durch die bei einer Gewebezerstörung freigesetzten Substanzen. Protonen entstehen z. B. aus dem Zelluntergang, Bradykinin
. Abb. 1.2. Erregung sensorischer Nervenendigungen. Schädliche thermische, mechanische und chemische Reize aktivieren spezifische Ionenkanäle. Dies führt zur Exzitation der Zellmembran und damit zur Entstehung eines elektrischen Schmerzimpulses, der dann entlang des peripher sensorischen Neurons zentralwärts zum Hinterhorn des Rückenmarks fortgeleitet wird
6
Kapitel 1 · Pathophysiologie des Schmerzes
1 . Abb. 1.3. Sensitivierung sensorischer Nervenendigungen. Durch eine Gewebeverletzung freigesetzte Mediatoren (z. B. Bradykinin) bewirken über eine Aktivierung spezifischer Rezeptoren die durch Kinasen hervorgerufene Phosphorylierung von Ionenkanälen. Dies resultiert in der Herabsetzung der Erregungsschwelle sensorischer Nervenendigungen und letztlich in dem klinischen Phänomen der vermehrten Schmerzempfindlichkeit (Hyperalgesie). (Mod. nach [13])
aus der enzymatischen Umwandlung von Kininen der Blutstrombahn, Prostaglandine aus der überwiegend durch die Verletzung induzierten Aktivierung der Cyclooxygenase Typ II (COX II). Die freigesetzten Mediatoren bewirken eine Senkung der Reiz- bzw. Erregungsschwelle und dadurch eine erhöhte Empfindlichkeit von Nozizeptoren (periphere Sensitivierung) [5]. Dies geschieht vermutlich über eine durch Kinasen erzeugte Phosphorylierung z. B. des Vanilloid-Rezeptors, der jetzt nicht mehr ausschließlich bei noxischen Temperaturen, sondern schon bei physiologischen Temperaturen (um 37 °C) erregt wird (. Abb. 1.3). Es kommt zu dem klinisch wahrnehmbaren Phänomen der vermehrten Schmerzempfindlichkeit (Hyperalgesie). Auch sog. »schlafende Nozizeptoren«, die auf noxische Reize normalerweise nicht reagieren, werden durch die beschriebenen Vorgänge sensitiviert [9]. 1.2.4
Neurogene Entzündung
Im Rahmen einer Gewebeverletzung tragen nicht nur Immunzellen, sondern auch sensorische Nervenfasern (C-Nervenfasern) zur Aufrechterhaltung eines lokalen Entzündungsschmerzes bei (neurogene Entzündung; [8]). Aus den sensorischen Nervenendigungen werden die Neuropeptide CGRP und Substanz P in das lokale Gewebe freigesetzt. Hier führen sie durch eine lokale Gefäßerweiterung und Permeabilitätssteigerung zu Schwellung und Ödembildung (. Abb. 1.4). Eine lokale Rötung (Flarereaktion) entsteht meist über einen neurogenen Axonreflex, der eine fortgeleitete Erregung auf kollaterale Nervenendigungen der C-Nervenfasern überträgt. Durch topische Applikation von Lokalanästhetika
. Abb. 1.4. Neurogene Entzündung. Die Erregung sensorischer Nervenendigungen durch einen Schmerzreiz bewirkt über kollaterale Nervenäste eine Freisetzung von Neuropeptiden (sP, CGRP; Axonreflex), die über eine Gefäßdilatation, Plasmaextravasation und Degranulation von Mastzellen zu Rötung, Ödem und Flarereaktion führen
kann der Axonreflex typischerweise aufgehoben werden ([8]; . Abb. 1.4). Eine neurogene Freisetzung der Neuropeptide Substanz P und CGRP wird z. B. durch die Einwirkung von Capscaicin auf sensorische Nervenendigungen (Vanilloidrezeptor VR-1) oder durch eine elektrische Reizung afferenter C-Nervenfasern (antidrome Nervenstimulation) hervorgerufen. Unter Entzündungsbedingungen kommt es zu einer vermehrten Synthese und peripheren Freisetzung dieser Neuropeptide, was zu einer Entzündungsverstärkung führt [8]. Diese Mechanismen sind z. B. an der Entstehung und Unterhaltung bestimmten Formen des Kopfschmerzes sowie der Arthritis beteiligt. 1.2.5
Neuropathischer Schmerz
Im Unterschied zum Entzündungsschmerz zeigt sich eine andere Qualität des Schmerzes, wenn periphere Nerven geschädigt bzw. durchtrennt werden [1]. Charakteristisch ist ein brennender, bohrender Spontanschmerz mit zusätzlich einschießenden Schmerzattacken, die durch nur leichtes Berühren der Haut ausgelöst werden (wie z. B. der Tic douloureux bei der Trigeminusneuralgie). Es liegt meist eine erhöhte Schmerzempfindlichkeit (Hyperalgesie) für mechanische und thermische Reize (Hitze und Kälte) und eine vermehrte Empfindlichkeit für Berührungen der Haut vor (Allodynie; [1]). Diese
7 1.3 · Zentrale Mechanismen
Eigenschaften charakterisieren den neuropathischen Schmerz. Periphere Nervenfasern können entweder durch neurotrope Viren (z. B. Herpes zoster), durch bestimmte Stoffwechselstörungen (z. B. diabetische bzw. Alkoholneuropathie), durch Medikamente (Vincristin) oder durch mechanische Einwirkung (z. B. chirurgische Amputation) geschädigt werden. Als Antwort auf den Nervenschaden stehen regenerative Prozesse – unterstützt durch Wachstumsfaktoren (z. B. »nerve growth factor«, NGF) – im Vordergrund. Es kommt zu einer erneuten Aussprossung von Nervenfasern, die jedoch in teilweise ungeordneter Form verlaufen kann (Neurome; . Abb. 1.5; [1]). Unter dem vermehrten Einfluss von Wachstumsfaktoren kommt es zu einer veränderten Genexpression und damit Synthese neuronaler Rezeptoren, Ionenkanälen und Neuropeptiden. Dies resultiert letztlich in einem veränderten Phänotyp (Identität) der Nervenzelle (. Abb. 1.5). An den Stellen erhöhter Ionenkanaldichte kommt es zu spontanen, ektopen Entladungen und nachfolgender Exzitation des Neurons, was sich klinisch als repetitiver, spontan einschießender Schmerz äußert (Schmerzattacken; [1]). Durch eine deutliche Zunahme sympathoadrenerger Rezeptoren auf der verletzten Nervenfaser sowie der Einsprossung von sympathischen Nervenfasern in die Umgebung des Zellkörpers der verletzten Nervenfaser (im Spinalganglion) können die Schmerzen dem
. Abb. 1.5. Periphere Nervenläsion. In der Folge kommt es im Rahmen von Regenerationsprozessen zu einer erneuten Aussprossung von Nervenfasern, einer eventuellen Neurombildung, einer gesteigerten Neusynthese von Na+-Ionenkanälen und α-adrenergen Rezeptoren sowie einer vermehrten sympathischen Innervation sensorischer Hinterwurzelganglien. Alle diese Veränderungen bewirken eine gesteigerte Erregbarkeit des geschädigten Nervenendes, die mit einer vermehrten Schmerzempfindlichkeit auch gegenüber normalen Reizen wie z. B. Berührung (Allodynie) und gelegentlich spontan einschießenden Schmerzen einhergehen
1
Einfluss des peripheren sympathischen Nervensystems unterliegen (»sympathetically maintained pain«, SMP; [1]). Eine Aktivierung des sympathischen Nervensystems oder die lokale Gabe adrenerger Substanzen kann die Schmerzen aggravieren, während ein Sympathikusblock sie durch Gabe eines Lokalanästhetikums bzw. Guanethidins reduzieren kann. Dies trifft jedoch nur für solche Patienten zu, die an neuropathischen Schmerzen leiden. Es ist bisher noch ungeklärt, welche Bedingungen mit (SMP) oder ohne (»sympathetically independent pain«, SIP) eine Beteiligung des sympathischen Nervensystems einhergehen [1]. Neuropathischer Schmerz ist kein einheitliches Schmerzsyndrom, sondern es subsummieren sich unter diesem Begriff eine Vielzahl verschiedener und komplexer Schmerzformen unterschiedlicher Genese, z. B. Phantomschmerz, postherpetische Neuralgie, Trigeminusneuralgie, sympathische Reflexdystrophie, Kausalgie und andere. In einer Konsensuskonferenz wurde erst kürzlich zum Zwecke größerer Klarheit und Einheitlichkeit der Begriff »komplexes regionales Schmerzsyndrom« (CRPS) eingeführt [1]. Danach differenzieren wir zwischen CRPS Typ I, das nach einem traumatischen Ereignis auftritt (z. B. Reflexdystrophie, Sudeck-Atrophie), und CRPS Typ II, das nach Nervenläsionen entstehen kann (z. B. Kausalgie; [1]). Eine Beteiligung des sympathischen Nervensystems muss in jedem dieser Fälle individuell untersucht werden.
1.3
Zentrale Mechanismen
1.3.1
Spinale Übertragung von Schmerzimpulsen
Die aus der Peripherie kommenden sensorischen Nervenfasern enden zentral im Hinterhorn des Rückenmarks. Dort werden die eintreffenden elektrischen Impulse durch synaptische Übertragung auf ein 2. sensorisches Neuron übergeleitet (Transmission; [13]). Die Lokalisation der zentralen Nervenendigungen im Hinterhorn ist in Abhängigkeit von ihrer Funktion (z. B. nozizeptiv oder mechanosensitiv) und von dem jeweiligen rezeptiven Feld auf der Körperoberfläche bestimmten Zonen zugeordnet. Basierend
8
Kapitel 1 · Pathophysiologie des Schmerzes
1
. Abb. 1.6. Spinale Übertragung von Schmerzimpulsen im Hinterhorn des Rückenmarks. Hereinkommende Aβ-Nervenfasern enden in den Rexed-Zonen IV und V. C- und Aδ-Nervenfasern enden in den Rexed-Zonen I, II und V. Hier werden die Schmerzimpulse synaptisch auf nachgeschaltete sensorische Hinterhornneurone (wie z. B. die „Wide-dynamic-range-Neurone“) umgeschaltet. (Mod. nach [8])
auf den Erkenntnissen des Neuroanatomen Rexed wird das Hinterhorn in 5 solcher Zonen (Rexed-Zonen) eingeteilt (. Abb. 1.6). Neurone, die die nozizeptive Information weiterleiten (C- und Aδ-Nervenfasern), enden hauptsächlich in den Zonen I, II und V. Neurone (Aβ-Nervenfasern), die Druck und Berührung weiterleiten, enden hauptsächlich in den Zonen IV und V (. Abb. 1.6). Zahlreiche Interneurone, die hauptsächlich die verschiedenen afferenten und efferenten Neurone zu einem Netzwerk verschalten, befinden sich in den Zonen II und III (. Abb. 1.6). Das nachgeschaltete Hinterhornneuron kann entweder ein »nozizeptiv-spezifisches«, ein »wide dynamic range« (WDR-Neuron) oder ein Interneuron sein. Während das erste hauptsächlich nozizeptive Schmerzimpulse weiterleitet, übermittelt das zweite Impulse sowohl von nozizeptiven (Aδ-, C-) als auch von nicht-nozizeptiven (Aβ-)Nervenfasern. Das dritte gibt Impulse entweder verstärkt als exzitatorisches oder abgeschwächt als inhibitorisches Interneuron weiter. Auffällig ist, dass die Anzahl nachgeschalteter Neurone deutlich geringer ist als die Anzahl der aus der Peripherie eintreffenden Afferenzen (Konvergenz; [13]). Daraus wird erkenntlich, dass eine wesentliche Funktion des 2. sensorischen Neurons die Extraktion und Integration sensorischer Informationen ist. Exemplarisch hierfür sind die »wide dynamic range« Neurone, bei denen Impulse sowohl von C- (Nozizeptoren) als auch von Aβ-Nervenfasern (Mechanorezeptoren) konvergieren [13]. Diese Konvergenz führt zu einer Zusammenlegung
von zahlreichen kleineren rezeptiven Feldern z. B. der Haut zu einem größeren rezeptiven Feld. Ein anschauliches Beispiel zeigt uns die Konvergenz von Reizen aus tieferen Körpergeweben (z. B. innere Organe) und der oberflächlichen Haut. Der bei einer Myokardischämie auftretende Schmerz (Angina pectoris) projiziert sich in die obere linke Körperhälfte und die Innenseite des linken Oberarms. Solche Projektionsfelder innerer Organe auf die Hautoberfläche werden auch »Head-Zonen« genannt. Zusätzlich zu den afferenten Nervenfasern aus der Peripherie treffen im Hinterhorn auch absteigende (deszendierende Nervenbahnen) Nervenfasern aus höheren Hirnregionen (Stammhirn) ein [6]. Sie bewirken über eine Modulation der synaptischen Übertragung hauptsächlich einen hemmenden Einfluss auf die Transmission schmerzhafter Impulse. Durch das komplexe Zusammenspiel all dieser verschiedenen Neurone ist das Hinterhorn des Rückenmarks eine wichtige Relaisstation, bei der die synaptische Übertragung eines schmerzhaften Impulses abhängig vom Kontext (d. h. gleichzeitige äußere Einflüsse) des jeweiligen Reizes moduliert wird (»gate control« nach Melzack u.Wall). Der Begriff des »gate control« wird heutzutage nicht mehr in seiner historischen Form, sondern als Veranschaulichung des Phänomens begriffen, dass im Rückenmark eintreffende Schmerzimpulse in vielfältiger Weise der Regulation (neuronale Plastizität) unterworfen sind. Aus der Summe aller dieser Regulationsmechanismen ergibt sich eine »zentrale Schmerzschwelle«, die überschritten werden muss, damit ein Schmerzimpuls fortgeleitet (gebahnt) wird. 1.3.2
Synaptische SchmerzimpulsÜbertragung
Die elektrochemische Übertragung des Schmerzimpulses vom 1. auf das 2. sensorische Neuron erfolgt am synaptischen Spalt zwischen beiden Neuronen (. Abb. 1.7a–c). Es kommt zu einer Freisetzung von Überträgerstoffen (Neurotransmittern) und Neuropeptiden, die korrespondierende, prä- und/oder postsynaptische Rezeptoren aktivieren [13]. Die Effektivität der synaptischen Übertragung hängt von der Art und Anzahl freigesetzter Neurotransmitter, der Dichte und Identität prä- und postsynaptischer Rezeptoren, der Kopplung dieser Rezeptoren an intrazelluläre Botenstoffe und dem Abbau bzw. Ab-
9 1.3 · Zentrale Mechanismen
1
. Abb. 1.7a–c. Mechanismen zentraler Sensitivierung. a Aus der Peripherie hereinkommende schmerzhafte Impulse werden über exzitatorische Neurotransmitter (wie z. B. Glutamat) synaptisch auf das nachgeschaltete sensorische Neuron übertragen. b Eine persistierende Stimulation kann auch zu einer Freisetzung von Neuropeptiden führen, die über intrazelluläre Phosphorylierung eine Herabsetzung der Erregungsschwelle bewirken. c Die chronische Stimulation des Rückenmarks – insbesondere in Verbindung mit aufgetretenen Nervenschäden – kann in einer veränderten Genexpression resultieren, sodass neue Gene exprimiert werden bzw. die Expression bekannter Gene moduliert wird. Letzlich mündet dies in einen phänotypischen Switch der Nervenzelle. (Mod. nach [13])
transport synaptischer Neurotransmitter ab. Wichtigste, infolge einer hereinkommenden Erregung freigesetzte Neurotransmitter sind die exzitatorischen Aminosäuren Aspartat und Glutamat (. Abb. 1.7; [13]). Für einen Bruchteil von Millisekunden bis Sekunden werden diese in den synaptischen Spalt sezerniert und aktivieren postsynaptische Ionenkanäle (z. B. AMPA- und NMDA-Rezeptoren; [13]). Besonders die wiederholte Stimulation sensorischer Hinterhornneurone aufgrund eines andauernden Reizes (z. B. Entzündungsschmerz) führt zur Aktivierung dieser Rezeptoren [13]. Neuropeptide (z. B. Substanz P, CGRP) werden für die Dauer von Sekunden aus den afferenten Neuronen freigesetzt und aktivieren korrespondierende Rezeptoren auf prä-, postsynaptischen oder auch entfernter gelegenen Zellmembranen (. Abb. 1.7; [13]). Dies führt zu einer lang anhaltenden Erregung der Hinterneurone. Während durch die exzita-
torischen Aminosäuren Informationen über Lokalisation, Intensität und Dauer (spezifische Schmerzqualitäten) übertragen werden, dienen freigesetzte Neuropeptide eher der räumlichen und zeitlichen Bahnung des schmerzhaften Impulses (Überwindung der zentralen Schmerzschwelle). Eine Stimulation der Hinterhornneurone bewirkt über einen Anstieg der intrazellulären Ca2+-Konzentration eine Phosphorylierung intrazellulärer Proteine und eine veränderte Genexpression (z. B. c-Fos-Gen). 1.3.3
Zentrale Sensitivierung
Befindet sich das Hinterhorn des Rückenmarks im Normalzustand, so führt ein Reiz niedriger Intensität (Druck, Berührung) über Aβ-Nervenfasern zu einer nicht schmerzhaften und ein Reiz hoher Intensität (Trauma) über Aδ- und C-Nervenfasern zu einer schmerzhaften Wahrnehmung [13]. Her-
10
1
Kapitel 1 · Pathophysiologie des Schmerzes
einkommende Schmerzimpulse (C-Fasern) können jedoch in Folge einer gleichzeitigen Aktivierung von segmentalen Aβ- oder deszendierenden Nervenfasern unterdrückt werden. Dies wird v. a. in Situationen größten Stresses (z. B. Marathonläufer), recht anschaulich (»gate control« nach Melzack u. Wall). Segmentale und/oder deszendierende Inhibitionsmechanismen tragen wesentlich zu den analgetischen Wirkungen, die z. B. durch transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS), Akupunktur u. a. verursacht werden, bei [6]. Befindet sich das Hinterhorn des Rückenmarks jedoch in einem Erregungszustand, z. B. aufgrund eines andauernden Entzündungsschmerzes, so bewirkt die repetitive Stimulation über hereinkommenden C-Nervenfasern eine verstärkte Erregung nachgeschalteter WDR-Neurone (. Abb. 1.7a; [13]). Diese gesteigerte Aktivität der WDRNeurone (»wind-up«) geht klinisch mit einer Zunahme der Schmerzen einher [13]. Das Auftreten des »Wind-up-Phänomens« hängt stark vom Erregungszustand des Hinterhorns ab. »Wind-up« ist durch die wiederholte synaptische Freisetzung exzitatorischer Neurotransmitter, die dadurch bewirkte andauernde Erregung der postsynaptischen Zellmembran und letztlich die Aktivierung von NMDA-Rezeptoren zu erklären [13]. Aktivierte NMDA-Rezeptoren führen über einen intrazellulären Einstrom von Ca2+-Ionen zu einer Phosphorylierung intrazellulärer Proteine und zu einer veränderten Genexpression. Als Folge wird die Funktion und die Synthese intrazellulärer Proteine moduliert. Alle diese »plastischen« Veränderungen (Neuroplastizität) nachgeschalteter sensorischer Neurone überführen das Hinterhorn von einem ruhenden in einen aktivierten Zustand (zentrale Sensitivierung; . Abb. 1.7b; [13]). Diese Sensitivierung des Hinterhorns wird durch in den synaptischen Spalt freigesetzte Neuropeptide (Substanz P, CGRP), Prostaglandine und andere Substanzen gefördert (. Abb. 1.7b). Wissenschaftliche Untersuchungen konnten zeigen, dass eine Blockierung der NMDA oder Neuropeptid-Rezeptoren zu einer Aufhebung des »Wind-up-Phänomens« führt [13]. Trifft nun ein Reiz niedriger Intensität (Druck, Berührung) über Aβ-Nervenfasern auf das sensitivierte Hinterhorn, so löst er eine schmerzhafte Wahrnehmung aus (mechanische Allodynie),
während ein Reiz hoher Intensität (Trauma) eine verstärkte Schmerzwahrnehmung (Hyperalgesie) bewirkt. Nach erfolgter Sensitivierung kann es auch unabhängig von hereinkommenden Impulsen aus der Peripherie spontan zu Entladungen nachgeschalteter sensitivierter Neurone kommen. Man spricht von der Ausbildung eines »Schmerzgedächtnisses«, was einen drohenden Übergang vom akuten in den chronischen Schmerz andeutet [13]. Nach peripherer Nervenläsion (z. B. C-Nervenfasern) kommt es ähnlich wie am peripheren auch am zentralen Nervenende im Hinterhorn zu entsprechenden Veränderungen [1]. Durch den Zelluntergang nozizeptiver Neurone kommt es zunächst zu einem reduzierten Einfluss von exzitatorischen Neurotransmittern und Neuropeptiden am synaptischen Spalt [1]. Die Weiterleitung schmerzhafter Impulse kann also erschwert sein (Hypoalgesie). Gleichzeitig führen Neurone mit erhöhter Dichte an Na+-Ionenkanälen und adrenergen Rezeptoren zu einem gesteigerten sensorischen Input [1]. An dem Ort der untergegangenen Neurone kommt es zu trophischen Veränderungen (. Abb. 1.7c). Es sprossen unter dem Einfluss verschiedener Wachstumsfaktoren (NGF, BDNF u. a.) benachbarte Nervenfasern – v. a. Aβ- und sympathische Nervenfasern – in das entsprechende Gebiet ein [13]. Aβ-Nervenfasern, die normalerweise in den RexedZonen III–V enden, erhalten jetzt auch Kontakt zu Neuronen in den Rexed-Zonen I und II [13]. Dies führt zu zahlreichen neuen synaptischen Kontakten mit nachgeschalteten Neuronen und bewirkt sowohl eine Verstärkung des sensorischen Inputs (zeitliche und räumliche Bahnung) als auch einen verstärkten Einfluss des sympathischen Nervensystems. All dies resultiert in einer zentralen Sensitivierung des Hinterhorns (. Abb. 1.7c; [13]).
1.4
Höhere Zentren
1.4.1
Subkortikale und kortikale Schmerzzentren
Wir wissen heute, dass es nicht nur ein, sondern viele verschiedene Hirnzentren gibt, die für die bewusste Wahrnehmung des Schmerzes verantwortlich sind.
11 1.4 · Höhere Zentren
1 . Abb. 1.8. Schmerzbahnen zu subkortikalen und kortikalen Zentren. (Aus [3])
Die nozizeptiven Neurone des Hinterhorns kreuzen über die vordere Kommissur die Mittellinie des Rückenmarks und steigen im Vorderseitenstrang zu höheren schmerzverarbeitenden Zentren (z. B. Thalamus) auf (. Abb. 1.8). Grob unterscheiden wir ein laterales von einem medialen System schmerzleitender Nervenbahnen. Das laterale System besteht aus Nervenbahnen, die die Schmerzinformation zahlreicher Aδ- und z. T. auch C-Nervenfasern aus den Rexed-Zonen I, II
und V zum lateralen Thalamus führen und dann über synaptische Umschaltung auf ein 3. sensorisches Neuron zum somatosensorischen Kortex weiterleiten (. Abb. 1.8). Die strikte somatotopische Gliederung dieses Bahnsystems findet sich im Homunkulus (Zonen der Körperoberfläche sind in der sensorischen Großhirnrinde repräsentiert) des somatosensorischen Kortex wieder (Hirnregionen S I und S II). Interessanterweise sind Orte mit hoher Dichte an Nozizeptoren (Hände, Füße) wesentlich
12
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Kapitel 1 · Pathophysiologie des Schmerzes
größer im Homunkulus repräsentiert als Orte mit niedriger Dichte (Oberarm, Oberschenkel). Das laterale System dient also der Lokalisation und Differenzierung von Schmerzreizen. Das mediale System rekrutiert sich hauptsächlich aus den C-Nervenfasern der Rexed-Zonen I und II und zieht in den medialen Thalamusbereich sowie in die Formatio reticularis des Mittelhirns (. Abb. 1.8). Es ist nicht somatotopisch gegliedert und steht in Verbindung mit dem Hypothalamus und dem limbischen System. Diese Nervenbahnen dienen v. a. der emotionalen Verarbeitung von Schmerzreizen. Interessanterweise kommt es bei der Abbildung schmerzhafter Testreize durch verschiedene bildgebende Verfahren häufig zu einer Aktivierung dieser beiden Strukturen, des somatosensorischen Kortex und des limbischen Systems – neben anderen Hirnregionen. Alle wichtigen sensorischen Nervenbahnen enden im Thalamus oder werden dort synaptisch umgeschaltet. Der Thalamus wird daher auch als »Tor zum Bewusstsein« bezeichnet. Weitere Strukturen des ZNS, wie die Hypophyse, das limbische System und die Stammhirnkerne sowie der präfrontale Kortex, stehen mit dem Thalamus in enger Verbindung. Dies führt zu Verbindungen zwischen den somatosensorischen und emotional-affektiven Komponenten des Schmerzes. Jedoch erst nach Eintreffen der schmerzhaften Impulse im somatosensorischen Kortex (Hirnregionen S I und S II) werden sie in Verbindung mit zahlreichen assoziativen Bahnen aus dem präfrontalen Kortex als eigentliches Schmerzerlebnis wahrgenommen (Perzeption), d. h. die akute Schmerzempfindung wird bezüglich der Qualität und Differenzierung nach Zeit, Raum und Intensität im Vergleich zu früheren Schmerzerlebnissen beurteilt. In diesem Sinne gibt die IASP-Definition des Schmerzes nach Mersky das Schmerzerleben des Menschen als sensorische, aber auch emotionale und verhaltensbestimmte Wahrnehmung adäquat wieder. Entsprechend versucht ein in der Praxis vielfach angewandter Schmerzfragebogen, der McGill-PainQuestionnaire (MPQ), herauszufinden, welche der 3 Komponenten, die sensorische, die affektive oder die evaluative Komponente des Schmerzerlebnisses, in dem jeweiligen individuellen Fall des Patienten im Vordergrund steht.
1.4.2
Kortikale Schmerzrepräsentation
Neueste bildgebende Verfahren haben es in jüngster Zeit ermöglicht, ein genaueres Abbild schmerzhafter Wahrnehmungen in den subkortikalen und kortikalen Hirnregionen zu erhalten. Dabei werden entweder die elektrische Aktivität der Schmerzbahnen bzw. Hirnregionen (EEG, SEP), regionale Durchblutungsänderungen (PET-Scan) oder regional unterschiedliche O2-Konzentrationen (fMRI) als Ausdruck der Hirnaktivität evaluiert. Untersuchungsergebnisse unter Ruhebedingungen werden von denen unter bestimmten Reizsituationen (z. B. lokalisierter Hitzereiz) subtrahiert. Hierdurch werden Aktivitätsmuster bestimmter Hirnareale aufgezeichnet, die spezifisch für den jeweiligen Reiz sind. Im Wesentlichen konnten die weiter oben beschriebenen Veränderungen einer Aktivierung des somatosensorischen Kortex (Hirnregionen S I und S II) und des limbischen Systems als Folge bestimmter Schmerzreize bestätigt werden. Darüber hinaus haben diese Verfahren neue Erkenntnisse über neuroplastische Veränderungen im somatosensorischen Kortex infolge chronisch andauernder Schmerzen (z. B. Phantomschmerz) erbracht [7]. Ebenso wie in der Peripherie und im Hinterhorn des Rückenmarks kann es bei persistierendem Schmerz auch im Thalamus und im Kortex zu neuroplastischen Veränderungen kommen [7]. Dies wurde besonders gut an Patienten nach Amputation einer Gliedmaße untersucht (. Abb. 1.9). Mittels bildgebender Verfahren (z. B. fMRI, PET) konnte gezeigt werden, dass es infolge der Amputation und der typischen Veränderungen nach einer Durchtrennung peripherer Nerven (s. oben) zu Verschiebungen in der kortikalen Repräsentation bestimmter Areale der Körperoberfläche kommt [7]. Zum Beispiel befand sich bei Patienten nach Armamputation in der korrespondierenden Hirnhälfte die kortikale Repräsentation der Lippe in unmittelbarer Nähe des Kleinfingers, d. h. 2–4 cm entfernt von dem zu erwartenden Hirnareal (. Abb. 1.9). Schmerz führt also auch auf kortikaler Ebene zu anhaltenden neuroplastischen Veränderungen, die sich in einer Verschiebung der somatotopisch organisierten Repräsentation der Körperoberfläche
13 1.5 · Kontrollmechanismen des Schmerzes
im Gehirn äußert [7]. Die Bedeutung dieser Phänomene für den Verlauf und die Therapie chronisch Schmerzkranker beginnt man erst jetzt langsam zu verstehen.
1.5
Kontrollmechanismen des Schmerzes
1.5.1
Zentrale Kontrollmechanismen
Die Nozizeption und Fortleitung schmerzhafter Reize führt nicht unwiderruflich zur Schmerzperzeption, sondern sie sind auf kortikaler, subkortikaler, spinaler und peripherer Ebene in mannigfaltiger Weise der Modulation ausgesetzt. Im Unterschied zu den exzitatorischen Mechanismen, die eine Verstärkung der Schmerzwahrnehmung bewirken, gibt es auch inhibitorische Kontrollmechanismen, die zu einer Reduktion der Schmerzwahrnehmung führen. Eine der ersten Beschreibungen solcher Kontrollmechanismen untersuchte den hemmenden Einfluss von Aβ-Nervenfasern (Druck, Berührung), deren Erregung zur gleichen Zeit und im selben Segment wie die afferenter schmerzleitender C-Nervenfasern eintrifft. Dadurch, dass beide Nervenfasern auf ein und demsel-
1
ben WDR-Neuron konvergieren, können sie sich gegenseitig in ihrer Fortleitung hemmen. Dieses Phänomen der segmentalen Schmerzhemmung wurde erstmals von Melzack u. Wall als sog. »gate control« beschrieben. Das heißt, nur unter bestimmten Bedingungen wird der Schmerzreiz durch das »Tor« zu höheren Schmerzzentren durchgelassen. Dies wird therapeutisch bei der transkutanen Nervenstimulation (TENS) ausgenutzt. Aber auch andere segmentale Neurone, die Interneurone, üben mittels ihrer inhibitorischen Synapsen (GABA als inhibitorischer Neurotransmitter) einen hemmenden Einfluss aus. Ein weiteres inhibitorisches System sind die aus den Kerngebieten des Stammhirns (wie zentrales Höhlengrau, Nucleus raphe magnus und Locus coeruleus) kommenden deszendierenden Nervenbahnen [6]. Sie nehmen über zahlreiche synaptische Kontakte mit den Neuronen des Hinterhorns (RexedZonen I, IV und V) auf die Schmerzleitung des Rückenmarks Einfluss [6]. Serotonin und Noradrenalin werden als inhibitorische Neurotransmitter freigesetzt und wirken auf prä- und/oder postsynaptische Rezeptoren des afferenten Neurons ein. Im Rahmen physiologischer Vorgänge (z. B. Stress) sowie durch elektrische Stimulation der entsprechenden Kerngebiete des Stammhirns werden diese deszendierenden inhibitorischen Nervenbahnen aktiviert.
. Abb. 1.9. Verschiebungen der kortikalen Repräsentation sensorischer Wahrnehmungen bei Phantomschmerzpatienten. In der Hemisphäre der gesunden Seite (linke Seite der Abbildung) liegen die kortikalen Repräsentationen der Hand (Quadrat) und Lippe (Kreis) eng beieinander. Im somatosensorischen Kortex der mit dem amputierten Arm korrespondierenden Seite fällt das Repräsentationsareal des amputierten Unterarms weg und wird von dem der Lippe neu besetzt. Es kommt zu einer Verschiebung der Repräsentation der Lippe. Die Pfeile deuten auf die Stelle der ursprünglichen kortikalen Repräsentation. (Mod. nach [7])
14
1
Kapitel 1 · Pathophysiologie des Schmerzes
Das wirksamste schmerzhemmende System ist jedoch das körpereigene Opioidsystem. Dies wurde erst kürzlich in überzeugender Weise mittels PETScan-Analyse des Gehirns von Probanden demonstriert. Eine persistierende schmerzhafte Reizung bewirkte die durch freigesetzte körpereigene Opioide erzeugte Verdrängung einer vorher i.v.-injizierten, radioaktiv markierten Opioidsubstanz (14C-Carfentanil; [14]). Endogene Opioide werden also durch schmerzhafte Reize mobilisiert. Die Opioidrezeptoren befinden sich auf allen Ebenen schmerzleitender Nervenbahnen [6]. Sie sind im Bereich des Kortex, des Hypothalamus, des limbischen Systems, der Kerngebiete des Stammhirns sowie prä- und postsynaptisch im Hinterhorn des Rückenmarks und auf den peripheren sensorischen Nervenendigungen lokalisiert [6]. Drei verschiedene Opioidrezeptoren, μ-, δ- und κ-Opioidrezeptoren, werden unterschieden. Der μOpioidrezeptor hat für die Analgesie und viele der Nebenwirkungen einer Opioidtherapie (zentral: u. a. Sedierung, Atemstillstand, Euphorie; peripher: Obstipation) größte Bedeutung. Im Hinterhorn des Rückenmarks befinden sich endogene (körpereigene) Opioidpeptide, die unter pathologischen Bedingungen, wie z. B. einer lokalen Entzündung, in ihrer Konzentration hochreguliert werden. Durch ihre Einwirkung auf die prä- und postsynaptischen Opioidrezeptoren des Hinterhorns bewirken sie eine effektive Unterdrückung der Schmerzfortleitung ähnlich wie die intrathekale Opioidgabe z. B. im Rahmen einer Spinal- oder Epiduralanaesthesie. 1.5.2
Periphere Kontrollmechanismen
Opioidrezeptoren befinden sich nicht nur im zentralen Nervensystem, sondern auch an peripheren sensorischen Nervenendigungen [12]. Ihre Anzahl
wird unter schmerzhaften Entzündungsbedingungen hochreguliert [12]. In Übereinstimmung damit bewirkt die lokale Gabe von Morphin eine klinisch relevante Inhibition des Schmerzes am Ort seiner Entstehung [10]. Ähnlich wie Lokalanästhetika können also auch Opioide Schmerzen noch vor ihrem Eintreffen im Hinterhorn des Rückenmarks wirkungsvoll inhibieren. Im Unterschied zu den Lokalanästhetika scheint jedoch die Wirksamkeit peripherer Opioide von einer gesteigerten elektrischen
Spontanaktivität der Neurone (d. h. Nozizeption) abhängig zu sein. Körpereigene Opioidpeptide sind in unmittelbarer Nähe peripherer Opioidrezeptoren nachgewiesen worden [12]. Sie werden von Immunzellen, die nach einem lokalen Entzündungsreiz gezielt in das traumatisierte Gewebe einwandern, synthetisiert und unter definierten Bedingungen (wie z. B. Stress) in das umgebende Gewebe freigesetzt [12]. Die in unmittelbarer Nähe sich befindenden peripheren Opioidrezeptoren werden in gleicher Weise wie nach einer lokalen Morphingabe aktiviert und wirken dadurch der Entstehung und Unterhaltung eines persistierenden Schmerzreizes entgegen [12]. Interaktionen zwischen dem Immun- und dem Nervensystem können also sowohl zur Erzeugung als auch zur Kontrolle von Schmerzreizen beitragen.
1.6
Zusammenfassung
Schmerz ist als die individuelle sensorische und emotionale Wahrnehmung einer drohenden oder bereits eingetretenen Gewebeschädigung definiert. Ein schmerzhafter Reiz aktiviert die in der Körperperipherie vorhandenen Nozizeptoren, die den Reiz in einen elektrischen Impuls kodieren. Dieser Impuls wird zum Hinterhorn des Rückenmarks und nach synaptischer Übertragung zu höheren, subkortikalen Schmerzzentren und letztlich zum Kortex fortgeleitet. Erst hier wird der Reiz im Kontext seiner individuellen Situation und früherer Erfahrungen als Schmerzereignis wahrgenommen. Schmerz dient in seiner physiologischen Funktion der Prävention einer Gewebeschädigung. Ist eine solche Schädigung bereits eingetreten, so kommt es zu persistierenden Schmerzreizen, die sowohl in der Peripherie, im Rückenmark als auch im Gehirn zu zahlreichen neuroplastischen Veränderungen führen. Daraus resultiert auf allen genannten Ebenen eine gesteigerte Sensitivierung des Nervensystems gegenüber schädlichen wie auch nicht-schädlichen Reizen. Diese Vorgänge können sich u. U. verselbstständigen und zur Ausbildung eines Schmerzgedächtnisses führen, bei dem der ursprünglich auslösende Reiz längst nicht mehr nachweisbar ist. Gleichzeitig versuchen endogene Kontrollmechanismen, bei denen das Opioidsystem, aber auch andere Systeme eine wichtige Rolle spie-
15 Literatur
len, in Peripherie, Rückenmark und Gehirn diesen pathologischen Veränderungen entgegenzuwirken. Sowohl die Entstehung als auch die Kontrolle von Schmerzen dienen dem Körper zur Verhinderung weiteren Gewebeschadens, zur Unterstützung der Wundheilung und zur Wiederherstellung einer normalen Funkionsfähigkeit. Der Übergang vom akuten in den chronischen Schmerz ist in besonderer Weise von Störungen des Gleichgewichts zwischen exzitatorischen und inhibitorischen Mechanismen sowie vom Eintreten wirksamer therapeutischer Maßnahmen zum frühestmöglichen Zeitpunkt abhängig.
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1
2 Das nozizeptive System von Früh- und Neugeborenen J. Sandkühler und J. Benrath 2.1
Einleitung – 18
2.2
Entwicklung des Schmerzverhaltens – 18
2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4
Entwicklung des peripheren sensiblen Nervensystems – 19 Entwicklung der spinalen Nozizeption – 19 Entwicklung der synaptischen Verbindungen im Rückenmark – 19 Entwicklung der supraspinalen Schmerzverarbeitung – 20
2.3
Segmentale und absteigende Schmerzhemmung bei Früh- und Neugeborenen – 20
2.4
Entwicklung der wichtigsten an der Schmerzverarbeitung beteiligten Neurotransmitter-systeme – 21
2.4.1 Exzitatorische Neurotransmitter – 21 2.4.2 Inhibitorische Neurotransmitter – 23
2.5
Entwicklung pathologischer Schmerzzustände – 24
2.5.1 Periphere Sensibilisierung – 24 2.5.2 Zentrale Sensibilisierung – 25 2.5.3 Sensibilisierungsmechanismen bei Früh- und Neugeborenen – 26
Literatur – 27
18
Kapitel 2 · Das nozizeptive System von Früh- und Neugeborenen
))
geborenen oft nur grob abschätzen. Eine adäquate Schmerztherapie ist daher bei Neugeborenen allein aus diesem Grund schwierig und bedarf besonderer Aufmerksamkeit. In der folgenden Übersicht werden aktuelle Erkenntnisse über die Besonderheiten von Schmerz und Nozizeption beim menschlichen Früh- und Neugeborenen zusammenfassend dargestellt und durch Ergebnisse aus Tierversuchen ergänzt, die wesentlich zum Verständnis der neurobiologischen Vorgänge beigetragen haben.
Einleitung
2.1
2 Scheinbar harmlose Schmerzreize können bei Frühund Neugeborenen das nozizeptive System für Monate oder Jahre ungünstig beeinflussen [51]. So zeigen Neugeborene, bei denen eine Zirkumzision ohne ausreichende Schmerzbehandlung vorgenommen wurde, auch noch Monate später generell erniedrigte Schmerzschwellen [61]. Neuere Arbeiten bestätigen, dass bei Früh- und Neugeborenen Hyperalgesie und Allodynie nicht nur durch große Traumata, z. B. bei Operationen, sondern bereits durch kleinere schmerzhafte Eingriffe, z. B. solche zu diagnostischen Zwecken oder bei der intensivmedizinischen Behandlung, ausgelöst werden können [4, 51]. Andererseits können Frühgeborene, die während der Zeit der Intensivbehandlung einer Reihe von schmerzhaften Stimuli ausgesetzt sind, im späteren Leben auch unphysiologisch hohe Schmerzschwellen entwickeln [36, 42]. Bei Früh- und Neugeborenen gleicht das nozizeptive System noch nicht dem des Erwachsenen, sondern macht noch eine Reihe von z.T. erheblichen Entwicklungsschritten durch. Hier sind Grundlagenwissenschaften und klinische Forschung in den letzten Jahren zu Erkenntnissen gelangt, die den klinischen Alltag zu beeinflussen beginnen [3, 5, 14, 51]. Allerdings können Eltern, Anästhesisten und Pädiater die Schmerzintensität bei Früh- und Neu-
2.2
Entwicklung des Schmerzverhaltens
Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht von unter 1000 g zeigen bereits in der 26. Woche einen unspezifischen, dennoch deutlichen und gut messbaren Wegziehreflex auf schmerzhafte Reize (. Tabelle 2.1). Man muss daher annehmen, dass bereits zu diesem frühen Zeitpunkt nozizeptive Information das Rückenmark erreicht und dort verarbeitet wird. In diesem Entwicklungsabschnitt führen auch nichtschmerzhafte Stimuli zu unspezifischen Wegziehreaktionen [21]. Spezifische Reaktionen, wie gezieltes Wegziehen der stimulierten Extremität oder Grimassieren, treten dagegen erst auf, wenn nozizeptives und motorisches System weiter ausgereift sind. Spezifische Reflexe sind dann nur noch auf schmerzhafte Stimulation hin auslösbar [46].
. Tabelle 2.1. Übersicht über die Entwicklung des Schmerzsystems bei Feten von Mensch und Ratte. Die Ratte hat mit E20 (20. Tag der Embryonalentwicklung) Geburtsreife erlangt Mensch Woche p.c.
Ratte Tag p.c.
System
Literatur
7.–8.
E15
Reflektorische Bewegung auf Stimulation, Beginn von Spontanbewegungen
[10, 17, 47]
10.–11.
E16
Sensible Versorgung der Hand/Pfote
[24]
13.–14.
E17
Gesamte Körperoberfläche sensibel innerviert, rezeptive Felder vorhanden
[20, 26]
26.
E19
Wegziehreflex auf noxische Stimulation
[6, 30]
22.–34.
Ab E19
Ausbildung der Projektionsbahnen vom Thalamus zum primär sensorischen Kortex
[26]
26.–31.
Entfällt
Grimassieren auf noxische Stimulation
[15]
19 2.2 · Entwicklung des Schmerzverhaltens
Im Gegensatz zu früheren Annahmen liegen die Schmerzschwellen bei Früh- und Neugeborenen generell niedriger, und die Schmerzreaktionen sind stärker ausgeprägt als bei Jugendlichen oder Erwachsenen [6]. 2.2.1
Entwicklung des peripheren sensiblen Nervensystems
Die Innervation der Haut mit myelinisierten, schnell leitenden A-Fasern und nichtmyelinisierten, langsam leitenden C-Fasern beginnt bereits am 14. Tag der Embryonalentwicklung (E14) der Ratte [20]. Obwohl die Entwicklung der A-Fasern früher als die der C-Fasern beginnt, erfolgt die Innervation der Haut ausgehend vom Rumpf auf die Extremitäten für beide Fasertypen etwa gleichzeitig. Eine deutliche Zuordnung innervierter Hautareale zu einzelnen Nervenfasern (rezeptive Felder) ist bereits ab E17 nachweisbar [20, 27]. Sensorische Informationen aus diesen rezeptiven Feldern werden zunächst mit niedrigerer Frequenz und geringerer Geschwindigkeit als beim adulten Tier fortgeleitet. Erst von Geburt an entsprechen Reizschwelle und Entladungsfrequenz von polymodalen, d. h. auf Temperatur und Druck reagierenden Nozizeptoren denen im Erwachsenenalter. Dagegen erreichen hochschwellige Aδ-Mechanorezeptoren bei der Geburt noch nicht ihre spätere maximale Aktionspotentialfrequenz. Die niederschwelligen Mechanorezeptoren sind zum Geburtszeitpunkt ebenfalls funktionell noch nicht ausgereift [25]. 2.2.2
Entwicklung der spinalen Nozizeption
Zeitgleich zur Innervation der peripheren Gewebe sprossen die sensiblen Fasern in das Rückenmark ein. Die A-Fasern wachsen bei der Ratte ab E15 in das Hinterhorn ein, ab E19 folgen die C-Fasern [19]. Es wird vermutet, dass eine erfolgreiche Innervation der Haut das Einwachsen der Nervenfasern in das Rückenmark auslöst [22]. Damit ist gewährleistet, dass nur sensible Nervenfasern, denen ein rezeptives Feld zugeordnet ist, Synapsen zu Rückenmarksneuronen ausbilden. Synaptische Verbindungen mit den Motoneuronen sind eine Voraussetzung zum Auslösen von Reflexen und bestehen ab E17 [65].
2
Das Einwachsen von A- und C-Fasern in das Hinterhorn folgt der Somatotopie [18, 23], d. h. benachbarte Abschnitte der Körperoberfläche lassen sich benachbarten Neuronenpopulationen im Rückenmark und im Kortex zuordnen. Darüber hinaus entwickeln sich unterscheidbare histologische Schichten (Laminae) im Hinterhorn, deren Neurone unterschiedliche Funktionen ausüben. Beim Erwachsenen enden Aβ-Fasern ausschließlich in den Laminae III und IV des Hinterhorns. Beim Feten und Neugeborenen enden sie zusätzlich in den Laminae I und II und ziehen sich aus diesen innerhalb der ersten 3 Wochen postpartal wieder zurück [26]. Im Gegensatz dazu wachsen C-Fasern von Anfang an in die oberflächlichen Laminae I und II ein. Das Einwachsen von C-Fasern in die Laminae I und II scheint für das Zurückziehen der Aβ-Fasern aus diesen Laminae verantwortlich zu sein. Vermutlich sezernieren die C-Fasern Substanzen, die das Einsprossen von Aβ-Fasern in ihr Territorium verhindern oder wieder rückgängig machen. In einer Übergangszeit von einigen Tagen postpartal enden bei Ratten sowohl Aβ- als auch C-Fasern in den Laminae I und II des Hinterhorns [26]. Das starke Reagieren von Frühgeborenen auf leichte Berührungsreize könnte so erklärt werden. 2.2.3
Entwicklung der synaptischen Verbindungen im Rückenmark
Die Entwicklung des neuronalen Netzes im Rückenmark verläuft von ventral nach dorsal [2]. Zuerst entwickeln sich die Motoneurone im Vorderhorn. Dann folgen die Interneurone, die synaptische Verbindungen mit den Motoneuronen herstellen. Die Neurone der Laminae I und II entstehen zuletzt. Auch die Ausbildung der synaptischen Verbindungen verläuft entsprechend von ventral nach dorsal. Das führt dazu, dass bei Ratten im Hinterhorn der Höhepunkt der Synaptogenese zwischen primär afferenten Neuronen und Interneuronen erst innerhalb der 1. Woche postpartal liegt [30]. Daher sind bei neugeborenen Tieren die synaptischen Verbindungen zwischen primären Afferenzen und Hinterhornneuronen funktionell noch nicht vollständig ausgereift. So führt elektrische Stimulation von sensiblen Nervenfasern bei Hinterhornneuronen zu Reizantworten mit längerer und stärker variabler
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Kapitel 2 · Das nozizeptive System von Früh- und Neugeborenen
Latenz als bei adulten Tieren [18, 41]. Hautreize bewirken eine langanhaltende Erregung von Hinterhornneuronen, und bei wiederholten Reizen können die Reizschwellen deutlich absinken. Beim Neugeborenen können Erregungen von niederschwelligen Aβ-Faserafferenzen Reaktionen auslösen, die beim Erwachsenen nur durch Schmerzreize entstehen. So führt z. B. die wiederholte Stimulation von Aβ-Fasern bei Neugeborenen zu einer Sensibilisierung von Hinterhornneuronen. Eine solche zentrale Sensibilisierung, also eine verstärkte Antwort von Hinterhornneuronen auf einen Testreiz, ist beim adulten Tier nur durch die Stimulation von hochschwelligen C-Fasern möglich. Weiterhin können nichtschmerzhafte Reize in den Hinterhornneuronen die Expression des »immediate early gene« c-fos auslösen, das als Marker für Umbauvorgänge in der Zelle angesehen wird. Diese Genexpression wird im adulten Tier nur durch schmerzhafte Stimuli und durch Erregungen von Aδ- und C-Fasern hervorgerufen [40]. Zusätzlich sind die rezeptiven Felder der Hinterhornneurone bis 2 Wochen postpartal größer als beim adulten Tier, so dass ein Neuron von einem größeren Hautareal (Schmerz-)Informationen aus der Peripherie erhält [18]. Schließlich ist die körpereigene Schmerzhemmung noch nicht wirksam (s. unten). Die Folge dieses noch nicht ausgereiften neuronalen Netzwerks ist, dass nichtnoxische Reize im Rückenmark Sensibilisierungmechanismen induzieren können, die sich beim Erwachsenen allein durch Schmerzreize auslösen lassen. 2.2.4
Entwicklung der supraspinalen Schmerzverarbeitung
Mit Hilfe von Wegziehreflexen lassen sich wichtige Aussagen über die spinalen Mechanismen der Nozizeption treffen. Allerdings führt erst die Verarbeitung dieser nozizeptiven Informationen supraspinal in Thalamus, Gyrus cinguli und somatosensorischem Kortex zum Sinneseindruck »Schmerz« mit seiner affektiven Komponente. Über die supraspinale Verarbeitung nozizeptiver Informationen bei Früh- und Neugeborenen ist erst wenig bekannt. Bereits Frühgeborene zwischen der 26. und 31. Woche reagieren auf schmerzhafte Reizung der Ferse nicht nur mit einem Wegziehreflex, sondern auch mit Tachykardie und Grimmassieren
[43]. Noch jüngere Frühgeborene zeigen kein Grimassieren auf Schmerzreize, wahrscheinlich weil das komplexe Zusammenspiel der Motoneurone für die Gesichtsmuskulatur noch nicht ausgereift ist [25]. Bei der Ratte sind afferente nozizeptive Bahnen zum Thalamus und von dort zum Kortex ab E19 nachweisbar. Zum Zeitpunkt der Geburt sind viele thalamokortikale Synapsen zwar anatomisch vorhanden, ihre Funktion entwickeln sie jedoch erst postpartal. So sind somatosensorisch evozierte Potentiale im somatosensorischen Kortex der Ratte erst am 12. Tag postpartal vollständig ausgereift [62]. Nicht nur Neurone des Rückenmarks, wie oben beschrieben, sondern auch die Neurone des somatosensorischen Kortex besitzen bei Geburt größere rezeptive Felder als beim adulten Tier, was auf eine unzureichende Entwicklung der Schmerzhemmung zu diesem Zeitpunkt der Entwicklung zurückzuführen ist [7]. Auch im Hippocampus der Ratte konnte eine Entwicklung der exzitatorischen vor den inhibitorischen Mechanismen nachgewiesen werden [49].
2.3
Segmentale und absteigende Schmerzhemmung bei Früh- und Neugeborenen
Die Weiterleitung nozizeptiver Informationen wird im zentralen Nervensystem des Erwachsenen normalerweise sehr gut durch die körpereigene Schmerzabwehr kontrolliert. Im Hinterhorn des Rückenmarks existieren hemmende Synapsen, die durch Freisetzung von hemmenden Aminosäuren, Opioiden und/oder biogenen Aminen nozizeptive Neurone prä- oder postsynaptisch hemmen. Hemmende Neurone können durch Stimulation von niederschwelligen Aα- und Aβ-Fasern aktiviert werden. Dieser Mechanimus erklärt die Schmerzlinderung durch hochfrequente TENS (transkutane elektrische Nervenstimulation) mit niedriger Intensität. Hemmende Neurone werden im Rückenmark auch durch lange absteigende Bahnen aktiviert, deren Ursprung im Hirnstamm, u. a. im periaquäduktalen Grau des Mittelhirns, liegt. Das periaquäduktale Grau ist reich an Opioden und deren Rezeptoren.
21 2.4 · Entwicklung der wichtigsten Neurotransmittersysteme
Die absteigende Hemmung ist permanent wirksam, unterliegt einem zirkadianen Rhythmus und wird zusätzlich in Stresssituationen aktiviert. Wird die körpereigene Schmerzabwehr durch Rezeptorantagonisten blockiert, entstehen schwerste Formen der Allodynie und der Hyperalgesie. Die Gabe von Rezeptoragonisten hingegen, z. B. Opiaten, führt durch Aktivierung von Opioidrezeptoren im periaquäduktalen Grau und im Rückenmark zu einer sehr wirksamen Schmerzhemmung [8]. Diese Mechanismen der Schmerzhemmung sind bei Früh- und Neugeborenen noch nicht entwickelt. Hemmende Interneurone bilden sich im Hinterhorn von Ratten erst nach der Geburt aus [9], und niederschwellige Aα- und Aβ-Fasern enden nicht nur an hemmenden Neuronen, sondern auch an nozizeptiven Neuronen im oberflächlichen Hinterhorn ([26]; . Abb. 2.1). Erregungen von Aα- und Aβ-Fasern können eine Sensibilisierung des nozizeptiven Systems auslösen [41]. Daher sind Gege-
nirritationsverfahren wie TENS, Akupunktur und Vibrationsreize in einem sehr frühen Stadium der Entwicklung aus neurobiologischer Sicht kontraindiziert. Die absteigende Hemmung entwickelt sich deutlich später als die aufsteigenden nozizeptiven Bahnen ([28]; . Abb. 2.2), so dass bei Ratten in einem Zeitfenster 2–3 Wochen nach der Geburt der normale Schutzmechanismus der körpereigenen Schmerzabwehr insuffizient ist oder gänzlich fehlt.
2.4
Entwicklung der wichtigsten an der Schmerzverarbeitung beteiligten Neurotransmittersysteme
An den chemischen Synapsen können Informationen kurz- oder langfristig verändert werden. Modulation der synaptischen Übertragungsstärke kann u.a. durch die Expression, Speicherung, Freisetzung oder Inaktivierung von Neurotransmittern und durch Expression, Dichte in der postsynaptischen Membran und Funktionszustand von Transmitterrezeptoren erfolgen. Während der Embryonalzeit und auch noch nach der Geburt unterliegen die Neurotransmittersysteme im Rückenmark starken entwicklungsbiologischen Veränderungen, die auch die Nozizeption wesentlich beeinflussen. Das Expressionsmuster der Neurotransmitter und der zugehörigen Rezeptoren wandelt sich schnell und mit ihm die Funktion der Synapsen. 2.4.1
. Abb. 2.1. A-Faser-Afferenzen enden beim Erwachsenen (adult) nur in den tiefen Schichten des Hinterhorns, während sie bei neonaten Ratten (3. postnataler Tag, P3) zunächst in den oberflächlichen Schichten, später auch in den tiefen Schichten enden. Die Endigungen der A-Fasern sind hier histologisch angefärbt und erscheinen auf den transversalen Schnitten durch das Hinterhorn des Rückenmarks schwarz. Oben ist dorsal, rechts ist medial. (Mod. nach [26], S. 225)
2
Exzitatorische Neurotransmitter
Die Aminosäure Glutamat ist der wichtigste erregende Neurotransmitter im nozizeptiven System. Glutamatrezeptoren sind auf nahezu allen Neuronen im zentralen Nervensystem zu finden. Glutamat aktiviert 2 Klassen von Rezeptortypen: E Ionotrope Glutamatrezeptoren (iGluR) sind ligandengesteuerte Ionenkanäle; dazu zählen die N-Methyl-D-Aspartat- (NMDA-)Rezeptoren und die α-amino-3-hydroxy-5-methylisoxazolepropionic-acid- (AMPA-) bzw. Kainatrezeptoren. E Metabotrope Glutamatrezeptoren (mGluR) lösen über G-Proteine Signaltransduktionen aus.
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Kapitel 2 · Das nozizeptive System von Früh- und Neugeborenen
2
. Abb. 2.2. Die körpereigene Schmerzabwehr entwickelt sich später als das nozizeptive System. Bei adulten Ratten werden nahezu 100% der nozizeptiven Neurone im Hinterhorn des Rückenmarks durch absteigende Bahnen gehemmt (rechtes Bild, Abszisse: Alter der Tiere, Ordinate: Inzidenz der Neurone, die durch absteigende Bahnen gehemmt werden). Die Bahnen steigen vom Hirnstamm zum Rückenmark im Funiculus dorsolateralis ab (linkes Bild). Vor dem 8. Tag nach der Geburt ist keine körpereigene Schmerzabwehr nachweisbar (Inzidenz der gehemmten Neurone = 0). (Mod. nach [28], S. 261)
Ionotrope Glutamatrezeptoren (iGluR) Im neonatalen Rückenmark sind NMDA-Rezeptoren (NMDAR) in höherer Dichte als beim Erwachsenen zu finden [35]. Zusätzlich ist die Bindungsaffinität der NMDAR im Rückenmark der Ratte für NMDA bis 30 Tage nach der Geburt erhöht [37]. Die postnatale Reifung der NMDAR im Hinterhorn des Rückenmarks ist von der Aktivität der C-Fasern abhängig. Capsaicin, eine die C-Fasern schädigende Substanz, führt zu einer verzögerten Entwicklung des NMDAR-vermittelten Kalziumeinstroms in Hinterhornneuronen [37]. Ohne NMDAR gibt es bei jungen Tieren (8–14 Tage) in vitro keine C-Faser induzierte Depolarisation [45, 63]. Der Einstrom von Kalziumionen durch NMDAR ist ein wichtiger Auslöser für Langzeitveränderungen der synaptischen Übertragungsstärke und anderer Zellfunktionen und führt u. a. zur Hyperalgesie bei adulten Tieren [58]. AMPA-Rezeptoren (AMPAR) zeigen, wie die NMDAR, neonatal eine höhere Dichte im Rückenmark als bei adulten Tieren, die sich innerhalb der ersten 3 Wochen postpartal angleicht [39]. Allerdings sind die AMPAR zunächst funktionell häufig inaktiv und tragen nicht zur schnellen synaptischen Übertragung bei, während sich die NMDAR bereits aktivieren lassen. Das führt zu dem Phänomen der
sogenannten stummen Synapsen (»silent synapses«), die möglicherweise eine Funktion beim Reifungsprozess des neuronalen Netzes spielen. Über die Rolle der AMPAR beim Frühgeborenen ist bislang noch wenig bekannt.
Metabotrope Glutamatrezeptoren (mGluR) MGluR werden anhand von Sequenzhomologien, pharmakologischen Profilen und Signaltransduktionswegen in 3 Gruppen eingeteilt. Aktivierung der Gruppe-I-Rezeptoren aktiviert die Phospholipase C, während die Aktivierung der Gruppe-II- und -IIIRezeptoren zu einer Hemmung der Adenylatcyclase führt. Die Rezeptoren werden während der Embryonalzeit unterschiedlich reguliert. Einige mGluR zeigen niedrigere, andere höhere Konzentration als beim adulten Tier [12]. Diese Konzentrationsunterschiede gleichen sich bis zur Geburt jedoch aus. Untersuchungen über die funktionelle Bedeutung dieser Konzentrationsunterschiede während der Embryonalzeit stehen noch aus.
Neuropeptide Neuropeptide wie die Tachykinine, Substanz P und Neurokinin A spielen bei der Verstärkung von Schmerzinformation im Rückenmark eine wichtige Rolle (s. unten). Substanz-P-haltige, primär afferente
23 2.4 · Entwicklung der wichtigsten Neurotransmittersysteme
Neurone sind in der Ratte ab E18–E19 nachweisbar. Erst ab dem 14. postpartalen Entwicklungstag (P14) werden Neuropeptidspiegel wie bei der adulten Ratte erreicht. Andererseits ist die Rezeptorendichte für Substanz P innerhalb der ersten beiden Wochen postpartal stark erhöht. Zusätzlich findet sich eine im Vergleich zum adulten Tier inverse Verteilung der Rezeptoren: In den oberflächlichen Laminae des Hinterhorns sind die Rezeptoren – im Gegensatz zur Situation bei adulten Tieren – rar. Bereits während der Neonatalzeit wird Substanz P durch C-Faserstimulation freigesetzt und führt zu langanhaltender Depolarisation von Neuronen im Rückenmark [2]. 2.4.2
Inhibitorische Neurotransmitter
Das funktionelle Gleichgewicht von exzitatorischen und inhibitorischen Neurotransmittersystemen hat eine große klinische Bedeutung, wie z. B. pathophysiologische Zustände zeigen, bei denen die inhibitorischen Transmitter oder Synapsen zugrunde gehen und die exzitatorischen überwiegen.
γ-Aminobuttersäure (GABA) GABA ist der wichtigste inhibitorische Neurotransmitter im Rückenmark adulter Tiere. Präsynaptische GABAB-Rezeptoren befinden sich auf terminalen sensorischen Afferenzen. Sie hemmen dort den Kalziumeinstrom und damit die Transmitterfreisetzung. Die postsynaptischen GABAA-Rezeptoren öffnen direkt Ionenkanäle, es kommt durch einen Chlorideinstrom in die Zelle zur Hyperpolarisation. Die postsynaptischen GABAB-Rezeptoren öffnen Kaliumkanäle. Durch die Aktivierung beider Rezeptortypen wird die postsynaptische Membran hyperpolarisiert und dadurch die Erregbarkeit des Neurons reduziert. Zum Zeitpunkt der Geburt ist die Hemmung durch postsynaptische GABAB-Rezeptoren nur schwach entwickelt, die präsynaptische GABABvermittelte Hemmung jedoch schon wirksam [33, 34]. GABA ist als Transmitter im Rückenmark innerhalb der ersten 2 Wochen postpartal in erhöhter Konzentration zu finden. Zusätzlich sind in diesem Zeitabschnitt 50% der Neurone GABA-positiv im Vergleich zu nur 20% beim adulten Tier [59]. Dies deutet auf eine wichtige Rolle von GABA während der Embryonalzeit hin.
2
Opioide Opioide kommen in Neuronen als kurzkettige (MetEnkephalin, Leu-Enkephalin) und längerkettige (β-Endorphin, Dynorphin) Peptide vor und können u. a. Schmerzinformationen modulieren. Opioide werden seit Jahrhunderten sehr wirksam als Analgetika eingesetzt. Sie hemmen die Weiterleitung nozizeptiver Informationen im Rückenmark und aktivieren die körpereigene Schmerzabwehr u.a. im periaquäduktalen Grau (s. oben). Klinisch werden sie seit der Entdeckung von Opioidrezeptoren im Rückenmark auch rückenmarksnah als Zusatz zur Spinal- und Periduralanästhesie appliziert. Auch bei Früh- und Neugeborenen bilden Opioidanalgetika die wichtigste Stütze der Analgesie während der Anästhesie. Die Verteilung und Dichte von Opiatrezeptoren im zentralen Nervensystem unterliegt in der Embryonalentwicklung starken Veränderungen. Opioide sind im Rattengehirn zeitlich vor den Opioidrezeptoren zu finden. β-Endorphin, Met-Enkephalin und Dynorphin werden ab dem Zeitpunkt E11,5 nachgewiesen, eine Bindung an den µ-Opioidrezeptor zum Zeitpunkt E12,5 [56]. Während der ersten beiden Wochen postpartal ist die Rezeptoraffinität 3-fach erhöht. Im Hinterhorn des Rückenmarks sind zur Zeit der Geburt µ-Opioidrezeptoren in höherer Konzentration als beim adulten Tier zu finden [53]. Weiterhin unterliegen Opioidrezeptoren postpartal noch funktionellen Änderungen. Die analgetische Potenz von Morphin ist bei Ratten unmittelbar postpartal für mechanische Stimuli am höchsten und nimmt dann ab. Für thermische Stimuli besteht jedoch keine Abnahme der analgetischen Potenz [50a]. Das Zurückziehen der Rattenpfote von einer heißen Oberfläche (Hot-plate-Test) kann mit Morphin dosisabhängig (0,5–4,0 mg/kgKG) ab dem 2. postpartalen Tag verzögert werden. Das Maximum dieser Verzögerung liegt jedoch erst am 6. postpartalen Tag [10]. Bei früh- und neugeborenen Ratten ist die antinozizeptive Wirksamkeit von Morphin innerhalb der ersten Wochen postpartal in einigen Testverfahren 40-fach geringer als bei juvenilen Tieren [64].
Monoamine Monoaminerge Neurotransmitter bilden die wichtigsten Überträgerstoffe der absteigenden Hem-
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Kapitel 2 · Das nozizeptive System von Früh- und Neugeborenen
mung im Rückenmark (s. oben). Noradrenerge Axone wachsen in das Rückenmark zum Zeitpunkt E16 von ventral ein und erreichen das Hinterhorn des Rückenmarks zum Zeitpunkt der Geburt [15]. Noradrenerge Rezeptoren finden sich im Rückenmark ab P12 (Postnataler Tag 12). Intrathekale Gaben von Noradrenalin und des α2-Agonisten Clonidin wirken entsprechend erst ab dem Zeitpunkt P10 analgetisch [38]. Serotonin (5-Hydroxy-Tryptamin, 5-HT) ist beim Menschen im Rückenmark erst 6 Wochen nach der Geburt nachweisbar [47]. Im Tierversuch kann D-Amphetamin in hoher Dosierung die Ausschüttung von 5-HT, Dopamin und Noradrenalin verstärken. Diese schmerzreduzierende Wirkung ist allerdings erst 10 Tage postpartal messbar. Das bedeutet, dass die genannten Monoamine erst zu diesem Zeitpunkt die Schmerzwahrnehmung wirksam hemmen können [1].
2.5
Entwicklung pathologischer Schmerzzustände
Sowohl nozizeptives als auch antinozizeptives System des Früh- und Neugeborenen weisen also eine Reihe von Besonderheiten im Vergleich zum Erwachsenen auf. Diese Besonderheiten müssen bei der Behandlung und der Prävention von Schmerzen berücksichtigt werden. Die Unterschiede wirken sich auch auf die Entstehung pathologischer Schmerzzustände aus. Bei der Allodynie werden Schmerzen durch normalerweise harmlose, niederschwellige Reize, z. B. durch Berührungsreize der Haut, ausgelöst. Bei der Hyperalgesie führen Schmerzreize zu abnorm gesteigerten Schmerzempfindungen. Als Ursache für Allodynie und Hyperalgesie wird eine erhöhte Empfindlichkeit von Nozizeptoren (periphere Sensibilisierung) oder von Neuronen des zentralen Nervensystems (zentrale Sensibilisierung) angesehen. Die Sensibilisierung von Nozizeptoren ist normalerweise auf die Dauer der ursprünglichen Gewebeschädigung begrenzt. Die zentrale Sensibilisierung hingegen kann persistieren, auch wenn die primäre Schmerzursache bereits vollständig verschwunden ist. Die langanhaltende zentrale Sensibilisierung ist gegenwärtig nur schwer zu behandeln, weswegen ihre
neurobiologischen Ursachen intensiv erforscht werden [57]. 2.5.1
Periphere Sensibilisierung
Durch Öffnen von Ionenkanälen in der Nozizeptormembran kommt es zu einem Einwärtsstrom in die Nervenendigung und damit zur Depolarisation (Signaltransduktion). Überschreitet die Depolarisation einen Schwellenwert, erfolgt die Auslösung von Aktionspotentialen in den nozizeptiven Nervenfasern (Transformation), die bis zu den synaptischen Endigungen der Fasern im oberflächlichen Hinterhorn des Rückenmarks weitergeleitet werden. Ein genaues Verständnis dieser Vorgänge ist von erheblicher klinischer Bedeutung, da die Sensibilisierung von Nozizeptoren offenbar durch Veränderungen in der Signaltransduktion und Transformation zustande kommt und eine der Ursachen für Hyperalgesie und Allodynie nach peripheren Verletzungen und Entzündungen darstellt. Über die Signaltransduktion bei physiologischen Schmerzreizen ist zurzeit nur wenig bekannt. Hitzereize lösen bei Nozizeptoren durch Öffnen eines nicht selektiven Kationenkanals einen schnellen Einwärtsstrom aus. Dieser Ionenkanal erhöht seine Leitfähigkeit bei hohen Temperaturen, d. h. er ist direkt hitzesensitiv. Eine lang anhaltende Steigerung der Hitzeempfindlichkeit (Hitzesensibilisierung) dieses Kanals kann durch Bildung eines »second messenger« entstehen. Dies geschieht z. B., wenn bei Entzündungen und Verletzungen das Gewebshormon Bradykinin gebildet wird und an den spezifischen B2-Bradykininrezeptor der Nozizeptormembran bindet. Bei einer Reihe von Zellen, u.a. auch bei Hinterwurzelganglienzellen, wurden Ionenkanäle identifiziert, deren Leitfähigkeit sich durch Dehnung der Plasmamembran erhöht. Diese mechanisch ausgelöste Leitfähigkeitsänderung ist vermutlich auch bei der Signaltransduktion an mechanosensitiven Nozizeptoren beteiligt. Bei Gewebeverletzungen gelangen intrazelluläre Substanzen, wie z. B. das Adenosintriphospat, in den Extrazellulärraum und können dort als Indikatoren für Gewebeschäden dienen. Intrazelluläre Substanzen können darüber hinaus auch die Bildung von Indikatorsubstanzen im Extrazellulärraum bewirken. Nozizeptoren besitzen Rezeptoren für diese
25 2.5 · Entwicklung pathologischer Schmerzzustände
Substanzen und werden durch sie entweder direkt erregt, oder ihre Empfindlichkeit gegenüber anderen erregenden Substanzen wird gesteigert (Sensibilisierung). So können Nozizeptoren z. B. durch Protonen und Serotonin direkt erregt und durch Bradykinin und Prostaglandin E2 sensibilisiert werden. 2.5.2
Zentrale Sensibilisierung
Moderne neurobiologische Konzepte gehen heute von 4 Prinzipien der zentralen Sensibilisierung aus [58]. Die 4 Prinzipien der zentralen Sensibilisierung 1. Synaptische Mechanismen Diese schließen alle Veränderungen ein, die an nozizeptiven Synapsen im Rückenmark und im Gehirn beim chronischen Schmerz auftreten können. Dazu zählen Änderungen bei der Speicherung und Freisetzung von Neurotransmittern, also präsynaptische Mechanismen, sowie die Diffusion, die Dichte, die Bindungsstärke und die Leitfähigkeit und schließlich die Inaktivierung von Rezeptoren und Ionenkanälen (postsynaptisch). 2. Erregbarkeit nozizeptiver Neurone Die Membraneigenschaften nozizeptiver Neurone bestimmen, ob und wie die synaptischen Ströme, die durch Bindung der Neurotransmitter in den postsynaptischen Neuronen ausgelöst werden, in Salven von Aktionspotentialen kodiert werden. Die Stärke der Erregung von nozizeptiven Neuronen korreliert eng mit der empfundenen Schmerzintensität, sodass Änderungen der Membraneigenschaften (Eingangswiderstand, Höhe des Ruhemembranpotentials, Schwellenwert zum Auslösen von Aktionspotentialen usw.) die Schmerzempfindung direkt beeinflussen können. 3. Phänotypische Änderungen nozizeptiver Neurone Hierzu zählt die Induktion der de-novoSynthese von Proteinen, z. B. von neuroak6
2
tiven Substanzen, deren Rezeptoren und von Enzymen in den Neuronen. Die Expression neuer Proteine kann die Übertragung nozizeptiver Informationen dauerhaft verstärken oder abschwächen. 4. Morphologische Umstrukturierungen Bei chronischen Schmerzzuständen kann die Struktur des neuronalen Netzwerkes im Hinterhorn des Rückenmarks drastisch verändert sein und zur Chronifizierung von Schmerzen beitragen. So können z. B. sensorische Nervenfasern, die durch niederschwellige Reize (Berührungsreize) erregt werden, neue erregende Synapsen mit rein nozizeptiven Neuronen ausbilden, sodass nun Schmerzen durch leichte Berührung ausgelöst werden können (Allodynie).
Diese Mechanismen können isoliert oder, was wahrscheinlicher ist, in Kombination miteinander zu einer Sensibilisierung des zentralen nozizeptiven Systems führen, die lange anhalten kann und dann als Schmerzgedächtnis bezeichnet wird. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Entzündung eines peripheren Gewebes, z. B. der Haut oder eines Gelenks, löst eine phänotypische Veränderung in niederschwelligen Aβ-Fasern aus, sodass diese Fasern, die normalerweise keine Neuropeptide synthetisieren, nun das Tachykinin Substanz P exprimieren. Die Speicherung und Freisetzung von Substanz P an den zentralen Endigungen der Aβ-Fasern stellt eine präsynaptische Veränderung dar. Im Rückenmark diffundiert Substanz P extrasynaptisch und erleichtert die Freisetzung von erregenden Aminosäuren wie Glutamat. Zusätzlich verstärkt Substanz P die Wirkung von Glutamat auf das postsynaptische Neuron, sodass die synaptische Übertragungsstärke erhöht wird (synaptische Potenzierung). Substanz P wirkt auch direkt auf die postsynaptische Membran und steigert die Erregbarkeit der nozizeptiven Neurone. Synaptische Langzeitpotenzierung kann nur in den Neuronen der Lamina I induziert werden, die den Neurokinin 1-Rezeptor für Substanz P exprimieren. Diese Neurone haben Verbindungen mit Regionen im Hirnstamm [38a].
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Kapitel 2 · Das nozizeptive System von Früh- und Neugeborenen
Die Effekte auf die synaptische Übertragung und die Membranerregbarkeit wirken synergistisch und erhöhen die Entladungsraten der nozizeptiven Neurone auf Schmerzreize. Die starke Erregung der nozizeptiven Neurone löst nicht nur unmittelbar heftige Schmerzreaktionen aus wie erhöhte motorische und vegetative Reflexe und Schmerzempfindung (Hyperalgesie), sondern führt auch zu einem drastischen Anstieg der freien zytosolischen Kalziumionenkonzentration ([Ca2+]i) in den nozizeptiven Neuronen des Rückenmarks. Der Kalziumanstieg kann durch Kalziumeinstrom in die Zellen durch spannungsabhängige Kalziumkanäle, durch ionotrope Glutamatrezeptoren (NMDAR oder AMPAR) oder durch Freisetzung von Kalzium aus intrazellulären Speichern erfolgen. Ein Anstieg von [Ca2+]i triggert eine Reihe von zellulären Kaskaden, die letztlich in veränderten Zelleigenschaften, synaptischer Übertragung oder Zelltod münden können. So können kalziumabhängige Proteinkinasen und Phosphatasen den Phosphorylierungsgrad von synaptischen Phosphoproteinen steigern oder reduzieren. Die Phosphorylierung von AMPAR oder NMDAR führt zu einer Steigerung der Leitfähigkeit und damit zu einer Langzeitpotenzierung der synaptischen Übertragungsstärke. Andere Phosphoproteine steuern in Abhängigkeit von ihrem Phosphorylierungsgrad die Ablesung von Genen im Zellkern und können so ebenfalls Zelleigenschaften langfristig verändern. Ein exzessiver [Ca2+]i-Anstieg kann sogar den Zelltod einleiten. Hemmende Interneurone im Hinterhorn des Rückenmarks sind besonders vulnerabel für einen so ausgelösten Zelltod. Der Untergang dieser hemmenden Neurone führt ebenfalls zu einer gesteigerten Erregbarkeit von nozizeptiven Neuronen, sodass deren Entladungen noch weiter gesteigert werden. 2.5.3
Sensibilisierungsmechanismen bei Früh- und Neugeborenen
Verletzungen von peripheren Geweben führen bei Neugeborenen zu einem starken Aussprossen von sensiblen A- und C-Fasern in Richtung der Gewebeschädigung. Diese Hyperinnervation bleibt bis in das Erwachsenenalter erhalten, also lange, nachdem eine Wunde vollständig ausgeheilt ist (. Abb 2.3).
. Abb. 2.3. Verletzungen der Haut führen bei Neonaten zu einer Hyperinnervation, die bis in das Erwachsenenalter hinein nachweisbar bleibt. Hier wurden Nervenfasern histologisch angefärbt und erscheinen schwarz in Schnitten durch die Haut. (Nach [2a])
Vermutlich werden im Wundgebiet chemotaktische Stoffe, z. B. neurotrophe Faktoren, freigesetzt, die das Einsprossen von Nervenfasern bewirken. Das Nervensystem von Neugeborenen ist gegenüber Verletzungen peripherer Nerven besonders vulnerabel. 75% aller axotomierten Hinterwurzelganglienzellen gehen bei Neugeborenen zugrunde gegenüber nur 30% bei Erwachsenen. Im Rückenmark sprossen benachbarte intakte Afferenzen in das denervierte Gebiet ein und bilden neue, somatotopisch inadäquate synaptische Kontakte. Die so gestörte Somatotopie bleibt auch in aufsteigenden Bahnen bis zum somatosensorischen Kortex erhalten [44]. Diese neuroplastischen Veränderungen sind bei Neugeborenen stärker ausgeprägt als bei Erwachsenen und können die Verarbeitung von Schmerzreizen ungünstig beeinflussen. Starke Erregung von C-Fasern löst bei Erwachsenen eine zentrale Sensibilisierung aus, die dann besonders ausgeprägt ist, wenn die körpereigene Schmerzabwehr keine ausreichende Hemmung der Nozizeption im Rückenmark erzeugt. Bei Frühge-
27 Literatur
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ten der Nozizeption bei Früh- und Neugeborenen besser entsprechen, als dies heute noch der Fall ist.
Literatur
. Abb. 2.4. Verletzungen bei neugeborenen Ratten führen zu einer verstärkten Erregbarkeit nozizeptiver Neurone im Hinterhorn des Rückenmarks, die bis in das Erwachsenenalter hinein nachweisbar bleibt. Die Hintergrundentladungen und die Entladungen auf nicht schmerzhafte Bürstenreize und schmerzhafte Quetschreize sind bei solchen Tieren signifikant erhöht, die als Neugeborene Verletzungen erlitten haben. (Nach [56a])
borenen ist die körpereigene Schmerzabwehr noch gar nicht entwickelt (s. oben), sodass hier wichtige Schutzmechanismen fehlen und die zentrale Sensibilisierung begünstigt wird (. Abb. 2.4). In der Embryonalentwicklung erreichen die A-Fasern vor den C-Fasern das Rückenmark und können dann, ähnlich wie später nur die C-Fasern, anhaltende Steigerungen der synaptischen Übertragungsstärke und Sensibilisierungen von Neuronen im oberflächlichen Hinterhorn des Rückenmarks auslösen. Die hieran beteiligten NMDAR sind bereits sehr früh im Hinterhorn nachweisbar und diffuser verteilt als im Rückenmark von adulten Tieren. Über die Signaltransduktionswege, die bei Neugeborenen zu Sensibilisierungen führen, ist noch wenig bekannt, sie unterscheiden sich aber offenbar in wichtigen Punkten von denen der Erwachsenen. Es ist erwiesen, dass Sensibilisierungen auch bei menschlichen Früh- und Neugeborenen zu Hyperalgesie und Allodynie führen [24, 29]. Die Tatsache, dass hierfür, anders als beim Erwachsenen, auch niederschwellige A-Fasern verantwortlich sind, könnte die Beobachtung erklären, wonach wiederholte Berührungsreize bei Frühgeborenen Abwehrverhalten und Agitation auslösen und daher vermutlich als aversiv empfunden werden [48]. Die neurobiologischen Erkenntnisse und die klinischen Befunde der letzten Jahre machen es erforderlich, dass spezielle Präventions- und Therapiekonzepte entwickelt werden, die den Besonderhei-
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Kapitel 2 · Das nozizeptive System von Früh- und Neugeborenen
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3 Differenzialdiagnose der Schmerzursachen E. Michel und B. Zernikow* 3.1
Physiologische Grundlagen – 32
3.2
Identifikation der Schmerzursache – 33
3.2.1 Schmerzanamnese – 34 3.2.2 Schmerzursache nach dem Ort der Pathologie – 34
Literatur – 44
* Danksagung: Der Autor wird unterstützt durch die Vodafone Stiftung Deutschland gGmbH, die Peter und Ruth Wirts-Stiftung (Schweiz) und »Eigenes Leben, Hilfen für Kinder mit Schmerzen oder lebensverkürzenden Erkrankungen e.V.«
32
Kapitel 3 · Differenzialdiagnose der Schmerzursachen
)) 3.1
3
Physiologische Grundlagen Schmerz hat die biologische Aufgabe, dem Organismus Vorgänge zu signalisieren, die mit (potenzieller) Gewebsschädigung einhergehen, um sie lokalisieren und identifizieren zu können. Je nach Ursache finden sich charakteristische Muster der Gewebsschädigung, sodass Schmerzqualität, -zeitverlauf und -lokalisation wichtige Hinweise auf die Schmerzursache geben können. Schmerz ist eine unangenehme Empfindung in einem bestimmten Körperbereich, oftmals beschrieben als Stechen, Brennen, Ziehen, Reißen, Drücken oder die damit verbundene körperliche oder psychische Reaktion (Angst, Übelkeit, Krankheitsgefühl). Jeder höhergradige Schmerz geht mit Angst einher und dem Streben, dem Schmerz zu entrinnen. Schmerz ist also zugleich Reizwahrnehmung und Gefühl. Akuter Schmerz geht i. Allg. mit einer physischen Stressreaktion einher (Steigerung von Blutdruck und Herzfrequenz, Pupillenerweiterung, Ansteigen des Plasmakortisols). Nicht selten findet sich eine lokale Steigerung des Muskeltonus (»Abwehrspannung«). Man unterscheidet verschiedene Arten von peripheren sensiblen afferenten Fasern, deren Zellkörper sich alle in den dorsalen Spinalwurzelganglien befinden. Ihre Klassifikation erfolgt nach dem Durchmesser der Nervenfaser, dem Grad ihrer Myelinisierung und ihrer Leitungsgeschwindigkeit. Aβ sind die dicksten Fasern; sie werden am stärksten erregt durch leichte Berührung und/oder einen bewegten Stimulus und finden sich v. a. in Hautnerven. Ihre Stimulation erzeugt beim Gesunden keinen Schmerz. Aδ- (dünn, myelinisiert) und C-Fasern (unmyelinisiert) finden sich in Hautnerven wie auch in Nervenfaserbündeln, die tiefe somatische und viszerale Strukturen versorgen. Die meisten der C-Fasern werden am ehesten durch sehr kräftige, schmerzhafte Reize stimuliert und rufen bei elektrischer Stimulation die subjektive Empfindung von Schmerz hervor, weswegen man sie auch primäre afferente Nozizeptoren nennt. Der Typ des Nozizeptors entscheidet, ob er mehr auf Hitze, mechanischen oder chemischen Reiz anspricht (Einzelheiten 7 Kap. 1). Heftige, wiederholte oder lange anhaltende Stimulation eines Nozizeptors bei gleichzeitiger Gewe-
beschädigung oder Entzündung erniedrigt dessen Reizschwelle, wozu Entzündungsmediatoren (Bradykinin, Prostaglandine, Leukotriene) beitragen (periphere Sensitivierung): In sensibilisierten Körperarealen kann bereits ein an sich normaler Stimulus Schmerz auslösen, was sich als Allodynie äußert; Schmerzreize werden verstärkt wahrgenommen (Hyperalgesie; 7 Kap. 1). Verglichen mit der Haut sind die Eingeweide beim Gesunden gegenüber schädigenden Reizen relativ unempfindlich. Ein Großteil der Aδ- und C-Fasern, die die Eingeweide innervieren, sind beim Gesunden überhaupt nicht stimulierbar durch mechanische oder thermische Einflüsse. Die entsprechenden Rezeptoren nennt man »silent nociceptors« (schlafende Nozizeptoren). Im Falle einer Entzündung jedoch reagieren auch die tiefen Körperstrukturen (Hohlorgane, Gelenke) ausgesprochen empfindlich auf mechanische Stimulation, was sich wie folgt erklärt: Afferente Nozizeptoren haben gleichzeitig eine neuroefferente Funktion. Die meisten Nozizeptoren enthalten Polypeptidmediatoren, z. B. Substanz P. Bei Aktivierung werden diese Mediatoren peripher freigesetzt. Substanz P ist ein potenter Vasodilatator, triggert die Degranulation von Mastzellen, lockt Leukozyten an und stimuliert die Produktion von Entzündungsmediatoren sowie deren Freisetzung und führt dadurch u. a. zu einer Senkung der Reizschwelle (s. oben). Somit registrieren die primären afferenten Nozizeptoren nicht nur eine (drohende) Gewebsschädigung, sondern haben auch aktiven Anteil am Schutz des Gewebes, wenn man die Entzündungsreaktion als letztlich positiv ansieht, trägt sie doch direkt durch Abwehr von Noxen sowie Einleitung von Heilungsvorgängen und indirekt über Vermeidung weiterer Noxen zur Gewebeintegrität bei. Die Axone der primären afferenten Nozizeptoren ziehen via dorsaler Wurzel zum Hinterhorn des Rückenmarks, wo sie synaptische Verbindung zu aufsteigenden Schmerzbahnen aufnehmen. Dabei hat jede Faser eines afferenten Nozizeptors Verbindung zu vielen aufsteigenden Fasern der Schmerzbahn, und jede der letzteren Fasern empfängt Impulse verschiedener afferenter Nozizeptoren (Prinzip der Konvergenz; 7 Kap. 1). Daraus erklärt sich das Phänomen der Schmerzprojektion: Alle spinalen Neurone, die mit afferenten Fasern der Eingeweide und tiefen muskuloskelettalen Strukturen verbunden sind, empfangen gleichzeitig Signale aus gewissen
33 3.2 · Identifikation der Schmerzursache
Hautarealen (»Head-Zonen«). Zentral lässt sich nicht mehr über den Ursprung einer Nozizeption entscheiden, und u. U. werden Schmerzen, die ihre Ursache in Veränderungen an einem inneren Organ haben, in entsprechende Hautareale projiziert (. Abb. 3.1). Beim neuropathischen Schmerz ist die Schmerzempfindung Folge einer neuronalen Läsion, z. B. durch Zytostatika wie Vincristin, nach Infektionen wie dem Herpes zoster oder auch posttraumatisch. Die Schmerzqualität wird beschrieben als »Brennen, Prickeln oder wie bei einem Stromschlag« und kann bereits durch geringste Berührung ausgelöst werden. Typischerweise findet sich eine Sensibilitätsstörung im Bereich des Schmerzes. Die Schmerzlokalisation erklärt sich aus Projektion der empfangenen neuronalen Signale auf die den Signalwegen zugeordneten Körperareale. Geschädigte primäre Afferenzen wie geschädigte primäre Nozizeptoren reagieren sehr empfindlich auf mechanische Stimulation oder »feuern« sogar schon in Ruhe. Letzteres gilt auch für spinale und zentrale Schmerzbahnen, die ihrer Afferenzen beraubt wurden. Nach Läsion eines peripheren Nervs entwickelt ein Teil der Patienten einen heftigen »brennenden« Schmerz (Kausalgie) im entsprechenden Körperareal. Meist beginnt dieser Schmerz Stunden bis Tage oder sogar erst Wochen nach der Läsion (Baron u. Jänig 1998). Begleiterscheinungen können Schwellungen der entsprechenden Extremität, periartikuläre Osteoporose und arthritische Veränderungen der peripheren Gelenke sein. Ähnliche Veränderungen finden sich auch bei der sympathischen Reflexdystrophie (»Complex regional pain
3
syndrome« Typ I; Wilder 1996). Noch sind deren pathophysiologische Vorgänge nicht gänzlich aufgeklärt, aber es ist klar, dass sich die entsprechenden Schmerzen in einem Teil der Fälle durch Sympathikusblockade innerhalb weniger Minuten unterdrücken lassen (7 Kap. 8).
3.2
Identifikation der Schmerzursache
Zwar lassen sich die meisten (nicht alle!) Schmerzen lokalisieren; allerdings ist der Ort des stärksten Schmerzes nicht unbedingt identisch mit dem Ort der Schmerzentstehung (Schmerzprojektion, s. oben). Dennoch empfiehlt sich zur Schmerzlokalisation ein systematisches Vorgehen, das – je nach klinischer Erfahrung des Untersuchers (Leitsymptome!) – selbstverständlich auch abgekürzt werden kann: Zunächst wird – ggf. nach unterschiedlicher Prioritätensetzung je nach Grundkrankheit des Patienten (Anamnese!) – davon ausgegangen, dass Schmerzlokalisation und Ort der Schmerzentstehung identisch sind. Es sind entsprechende gezielte Untersuchungsmaßnahmen einzuleiten (klinische Untersuchung, klinische Chemie, Bildgebung). Die Schmerzqualität kann wertvolle Hinweise auf die Schmerzursache geben. Finden sich keine Hinweise auf die zugrunde liegende (lokale) Schmerzursache, wird der Blick mehr auf diejenigen inneren Organe gewendet, die über die Head-Zonen mit dem Ort der Schmerzlokalisation korrespondieren (Schmerzprojektion, . Abb. 3.1),
. Abb. 3.1. Dermatome und HeadZonen für Brust- und Bauchbereich
34
Kapitel 3 · Differenzialdiagnose der Schmerzursachen
. Tabelle 3.1. Begriffsdefinitionen ausgesuchter sensibler Störungen
3
Begriff
Definition
Allodynie
Schmerzauslösung durch einen Reiz, der normalerweise nicht als Schmerz empfunden wird, z. B. durch Berührung
Analgesie
Fehlende Schmerzwahrnehmung bei einem normalerweise schmerzauslösenden Reiz
Hyper- bzw. Hypoalgesie
Verstärkte bzw. verminderte Schmerzempfindung bei einem normalerweise schmerzauslösenden Reiz
Hyper- bzw. Hypoästhesie
Verstärkte bzw. verminderte Reizwahrnehmung, schmerzhaft oder nicht schmerzhaft
Dysästhesie
Unangenehme abnorme Empfindung, spontan oder provoziert
Parästhesie
Nicht unangenehme, aber abnorme Empfindung, spontan oder provoziert
Hyperpathie
Nach Dauer (verlängerte) und Charakteristik veränderte Schmerzwahrnehmung, z. B. »Brennen« auf Nadelreiz
Kausalgie
Nach inkompletter Läsion eines peripheren Nerven auftretender »brennender« Schmerz in dessen Versorgungsgebiet mit Allodynie und Hyperpathie
und die nötigen Untersuchungen werden eingeleitet. Wird man auch hier nicht fündig, muss an eine Läsion im Verlauf der Afferenz gedacht werden. Übrig bleiben schließlich idiopathische Schmerzen, bei denen der Schmerz selbst die Krankheit ist und keine zu behandelnden Ursachen aufzufinden sind (Migräne, funktionelle Bauchschmerzen etc.). Davon abzugrenzen sind noch definierte kinderpsychiatrische Krankheiten, die mit Schmerzen einhergehen können. 3.2.1
Schmerzanamnese
Wichtig sind Angaben zu 5 Periodik und zeitlicher Charakteristik 5 Qualität 5 Lokalisation 5 Intensität 5 auslösenden und verstärkenden Faktoren 5 lindernden Faktoren 5 Modalitäten und Effekten der bisherigen Schmerztherapie (vgl. . Tabellen 3.1 und 3.2)
3.2.2
Schmerzursache nach dem Ort der Pathologie
Die . Tabellen 3.2–3.8 sollen gemäß dem eben beschriebenen prinzipiellen Vorgehen Hilfestellung geben bei der Erkennung und Lokalisation einer Schmerzursache.
3
35 3.2 · Identifikation der Schmerzursache
. Tabelle 3.2. (Fortsetzung) Schmerzbeginn 5 Wann? (zeitlich, tageszeitlich) 5 Umstände 5 Auslöser (s. auch weiter unten) Schmerzhäufigkeit und -dauer 5 einmalig akut 5 gelegentlich 5 rezidivierend 5 anhaltend 5 mit festem Rhythmus auftretend (z. B. zyklusabhängig) 5 ohne festen Rhythmus auftretend 5 zeitlicher Umfang (Sekunden, Minuten, Stunden) Schmerzlokalisation 5 umschrieben 5 diffus 5 konstant an gleicher Stelle 5 wandernd 5 ausstrahlend Schmerzqualität 5 hell 5 brennend 5 stechend 5 dumpf 5 drückend 5 krampfartig 5 kolikartig (meist akute Obstruktion eines Hohlorgans) 5 pochend (pulssynchron) 5 atemsynchron 5 lageabhängig 5 einschießend/Dauerschmerz 5 Pruritus (z. B. Pruritus ani) 5 vernichtend (mit Todesangst und vegetativen Symptomen einhergehend) Begleiterscheinungen (allgemein) 5 Fieber 5 Schweißausbruch 5 Schwindel 5 Übelkeit/Erbrechen 5 Mangelndes Gedeihen (z. B. gestörtes Gewichtsund Längenwachstum) 5 Ungewollter Gewichtsverlust (Malignom!) 5 Appetitlosigkeit (Malignom! Depression!) 5 Zyklusstörung 5 Aura (Epilepsie!) 5 Sehstörung (Flimmerskotom: Migräne!) 5 Photophobie (Migräne, auch abdominell) 5 Geräuschempfindlichkeit 5 Angst (bei Vernichtungsschmerz)
5 Antriebsstörung (Depression!) 5 Asthenie (Depression!) 5 Vegetative Störungen (Schlaf, Libido, Appetit u. a.; Depression!) 5 Wahnideen (Psychose!) 5 Schuldgefühle (Psychose!) 5 Suizidgedanken (Psychose!) Begleiterscheinungen (lokalisiert) 5 Rötung (Rubor, Calor, Dolor: klassische Entzündungstrias) 5 Lokale Überwärmung 5 Schwellung 5 Κnöcherne Deformitäten 5 Mechanische Bewegungseinschränkung (Gelenk-, Extremitäten-, Wirbelsäulenprozesse) 5 Schonhaltung (reflektorisch) 5 Fehlhaltung 5 Gangveränderungen, z. B. Hinken 5 Atrophie (z. B. Sudeck-Atrophie) 5 Dyspnoe 5 Husten 5 Bluthusten (auch Lungenembolie!) 5 Singultus 5 Brady-/Tachykardie 5 Herzrhythmusstörungen 5 Pulsverlust (an Aneurysma denken) 5 Reflektorische Kieferklemme (z. B. durch akute Kieferosteomyelitis) 5 Habituelles Zähneknirschen 5 Dysphagie 5 Regurgitation 5 Erbrechen 5 Sodbrennen 5 Abwehrspannung (Bauchdecken) 5 Resistenzen (z. B. abdominell) 5 Durchfall/vermehrte Darmmotilität 5 Obstipation/verminderte Darmmotilität 5 Stuhlinkontinenz 5 Analsphinkter-Spastik 5 Frisches/altes Blut im Stuhl 5 Dysurie 5 Pollakisurie 5 Harndrang 5 Harninkontinenz 5 Harnverhalt 5 Ausgebliebene Regelblutung (Wehen! Tubargravidität!) 5 Vaginale Blutung (Dysmenorrhö! vorzeitige Plazentalösung! Trauma!) 5 Vaginaler Ausfluss 5 Dyspareunie 5 Kopfschmerz 5 Ptosis
6
36
Kapitel 3 · Differenzialdiagnose der Schmerzursachen
. Tabelle 3.2. (Fortsetzung)
3
5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5
Miosis Enophthalmus Horner-Syndrom Sehstörung (auch: Glaukom!) Vermehrter Tränenfluss Hirnnervenstörungen Sensibilitätsausfall (neuropathisch, Nervenläsion) Hypästhesie Parästhesie Kausalgie Dissoziierte Sensibilitätsstörung (Berührung vs. Temperatur: zentrale Ursache) Hyper-/Hyp-/Anhidrosis Reflexausfälle Paresen (Hirnnerven, periphere Nerven) Zwerchfellparese Schmerzhafte Ophthalmoplegie (Tolosa-Hunt-Syndrom)
Schmerzverschlimmernde Faktoren, Auslöser 5 Wärme 5 Kälte 5 Hochlagerung (Extremitäten: arterieller Verschluss) 5 Tieflagerung (Extremitäten: venöser Verschluss) 5 Art der Nahrung (flüssig/fest, pH-Wert, Alkohol etc.; als Hinweis auf stattgehabte Noxen; als Hinweis auf Pathologie, z. B. kalte Getränke, Alkohol, fette Speisen: Gallen- und Pankreasaffektion!) 5 Nahrungsaufnahme, zeitliche Abhängigkeit (vorher/nachher besser/schlechter: Reflux; gastrointestinale Ursache) 5 Kauvorgang (z. B. Arteriitis temporalis) 5 Schlucken (kalte Getränke: Glossopharyngeusneuralgie) 5 Schluckakt (ösophagealer oder trachealer Fremdkörper) 5 Lokaler Druck (lokaler Prozess) 5 Lokale Bewegung (lokaler Prozess) 5 Atembewegung (Rippenfrakturen; Pleuritis; Pneumothorax; Oberbauchorgane) 5 Loslassschmerz (abdominell: peritonitische Reizung)
5 Hüftkompressionsschmerz (z. B. bei Beckenfraktur) 5 Körperliche Belastung 5 Sprung (abdominell/thorakal: traumatische Zwerchfellruptur) 5 Schnelle Drehung um Körperachse (abdominell: stielgedrehte Ovarialzyste) 5 Spezielle Sportart (typische Sportverletzung?) 5 Miktion (Harnwegsinfekt) 5 Defäkation 5 Zyklusabhängig (abdominell: Endometriose; Unterleib: Vaginal-/Hymenalatresie) 5 Verschiebeschmerz (Portio: Adnexitis) 5 Geschlechtsverkehr (Kolpitis) 5 Psychischer Stress, Belastungssituation (psychosomatische Beschwerden) Schmerzlindernde Faktoren 5 Wärme 5 Kälte 5 Druck 5 Körperliche Aktivität 5 Bewegung (rheumatische Erkrankung) 5 Ruhigstellung (auch: Schonhaltung) 5 Körperhaltung (Seitlagerung, Anziehen der Beine u. a.) 5 Bandagen (Gelenkbandage) 5 Medikamente (welche?) (Analgetikaentzugssyndrom) 5 Nahrungsaufnahme (welche Nahrungsmittel?) Frühere Erkrankungen 5 Medikamentenanamnese (ggf. Medikamentenscreening i. U.) 5 Genussmittel (Nikotin, Alkohol) 5 Drogenkonsum (Drogenscreening i. U.!) 5 Schadstoffexposition (häuslich, beruflich; Blei, Thallium) 5 Operationen im betreffenden Gebiet (Op.-Narben!) 5 Familienanamnese (Erbkrankheiten!) 5 Umgebungsanamnese (Infektionen!)
37 3.2 · Identifikation der Schmerzursache
. Tabelle 3.3. Differenzialdiagnose Kopfschmerzen und Gesichtsschmerzen im Kindesalter (alphabetisch geordnet) [modifiziert nach Rother AD. Headache. In: Pediatric Neurology (Hrsg. Swaiman KF), Mosby, 1994] Neurologisch Akut, eher diffus 5 Aneurysmena 5 Hirnblutunga 5 Hydrozephale Krisea 5 Postkonvulsiva 5 Schädel-Hirn-Trauma 5 Vaskuläre Thrombosea 5 ZNS-Infektiona Akut, eher lokalisiert 5 Läsion des okzipitalen Kortexa 5 Vincristinneuropathiea
Akut, rezidivierend 5 Kontusion 5 Läsion des okzipitalen Kortexa 5 Migräne mit/ohne Auraa 5 Postkonvulsiva 5 Vasomotorischer KS Chronisch, progressiv 5 Aneurysmaa 5 Atypischer Gesichtsschmerz 5 AV-Malformationa 5 Clusterkopfschmerza 5 Hirnabszessa 5 Hydrozephale Krisea 5 Pseudotumor cerebria 5 Subduralhämatoma 5 Trigeminusneuralgie (Kleinhirnbrückenwinkel-Tumor, multiple Sklerose) 5 Tumora Chronisch, nicht-progressiv 5 Muskelkontraktions-KSa 5 Posttraumatische KSa 5 Trigeminusneuralgie (idiopathisch) a Krankheit nicht unbedingt am Ort der Schmerzlokalisation.
Nicht-neurologisch
5 5 5 5 5
Akkomodationsstörunga Fehlsichtigkeita Hypoglykämiea Hypertensiona Toxische Substanzen (z. B. Botulismus)a
5 5 5 5 5 5
Iritisa Intraorbitaler Abszess HWS-Läsionena Otitis Sinusitis Zahnentzündungena
5 HWS-Läsionena 5 Synkopea
5 5 5 5
Angstneurosea Depressiona Konversionsneurosea Simulierunga
5 Trigeminusneuralgie (Autoimmunvaskulitiden, etc.)
3
38
Kapitel 3 · Differenzialdiagnose der Schmerzursachen
. Tabelle 3.4. Differenzialdiagnose Thoraxschmerz (alphabetisch geordnet)
3
Krankheit am Ort der Schmerzlokalisation
Krankheit nicht am Ort der Schmerzlokalisationa
Herz und Gefäße 5 Aortenaneurysma 5 Aortenisthmusstenose 5 Herzinfarkt/-ischämie (u. a. bei Fehlabgang einer Koronarie!) 5 Herzrhythmusstörung 5 Perikarderguss 5 Perikarditis (viral, bakteriell, autoimmun, neoplastisch)
5 5 5 5 5 5 5 5 5 5
Bandscheibenvorfall Gallenwegserkrankungen Herpes-zoster-Neuralgie Muskuloskelettaler Schmerz Pankreatitis Pleurodynie Psychogen Spinale Affektion (auch: Wurzelaffektionen) Subphrenischer Abszess Thalliumintoxikation
Lunge und Mediastinum 5 Lungenembolie (Schmerzausstrahlung in Schulter möglich) 5 Mediastinalemphysem 5 Mediastinitis 5 Pleuritis, Pneumonie (auch: Tracheitis, Bronchitis) 5 Pneumothorax 5 Rippenfraktur 5 Tuberkulose Ösophagus 5 Ösophagealer Fremdkörper 5 Paraösophageale Hernie 5 Refluxösophagitis Sonstige 5 Erkrankungen der (weiblichen) Brustdrüse 5 Gastritis (gelegentlich) 5 Knochenneoplasie und andere Tumoren 5 Osteomyelitis a Vergleiche auch Abb. 3.1, Head-Zonen, zu Organerkrankungen mit Schmerzprojektion auf den Thorax.
39 3.2 · Identifikation der Schmerzursache
. Tabelle 3.5. Differenzialdiagnose akuter Bauchschmerzen (alphabetisch geordnet) Krankheit am Ort der Schmerzlokalisation Gastroenterologisch 5 Appendizitis 5 Blähungen (auch bei: Nahrungsmittelallergie, Zöliakie, zystischer Fibrose, Kohlenhydratintoleranz) 5 Duodenalulkus 5 Gallenstein 5 Gastritis 5 Hepatitis 5 Ileus, mechanisch/paralytisch 5 Intestinale Durchblutungsstörung (mesenterialarterielle Obstruktion) 5 Invagination 5 Magenulkus 5 Nahrungsmittelallergie 5 Meckel-Divertikel, Entzündung Obstipation Pankreatitis Parasitäre Lebererkrankungen (z. B. Echinokokkus) Reizdarmsyndrom
Krankheit nicht am Ort der Schmerzlokalisationa 5 Allergien (an C1-Esterase-Mangel denken) 5 basale Pneumonie/Pleuritis 5 5 5 5 5 5
Diabetische Ketoazidose Epilepsie (gelegentlich) Familiäres Mittelmeerfieber Guillain-Barré Syndrom (Parästhesien) Hodentorsion Migräne
5 5 5 5 5
Orchitis, Epididymitis Paraneoplastisch Porphyrie Radikulitis (Bauchwand) Sichelzellanämie
Gynäkologisch 5 Adnexitis 5 Geburtswehen 5 Drohende Uterusruptur 5 Dysmenorrhö 5 »Mittelschmerz« 5 Rupturierte Ovarialzyste 5 Rupturierte Tubargravidität 5 Vorzeitige Plazentalösung Nephrologisch 5 Harnwegsinfekt, Pyelonephritis 5 Nierenstein Sonstige (alphabetisch) 5 Bauchwandentzündung/-abszess 5 Bauchwandhämatom (traumatisch) 5 Douglas-Abzess, Psoasabszess 5 Milzaffektion (subkapsuläres Hämatom, traumatisch u. a.) 5 Peritonitis 5 Retroperitoneales Hämatom 5 Subkapsuläres Hämatom (Leber, Milz, Niere) 5 Tumoren mit Obstruktion eines Hohlorganes (auch: Neuroblastom, Lymphom, Abszess) a Vergleiche auch Abb. 3.1, Head-Zonen, zu Organerkrankungen mit Schmerzprojektion in den Bauch
3
40
Kapitel 3 · Differenzialdiagnose der Schmerzursachen
. Tabelle 3.6. Differenzialdiagnose rezidivierender Bauchschmerzen
3
Gastroenterologisch
Primär nicht gastroenterologisch
Entzündungen/Infektionen 5 Giardiasis/Askariasis 5 Hepatitis 5 Lymphadenitis mesenterialis/ chronische Appendizitis 5 Pankreatitis 5 Peptisches Ulkus 5 Yersinien-Enterokolitis
Systemisch 5 Autoimmunerkrankungen 5 Familiäres Mittelmeerfieber 5 Heriditäres angioneurotisches Ödem 5 Juvenile rheumatoide Arthritis 5 Purpura Schoenlein-Hennoch 5 Rheumatisches Fieber 5 Sichelzellanämie/Thalassämie 5 Malignome
Immunologische/entzündliche Erkrankungen 5 Colitis ulcerosa/Morbus Crohn 5 Nahrungsmittelallergien 5 Zöliakie Folgen kongenitaler Malformationen 5 Kongenitale Darmstenose 5 Chilaiditi-Syndrom 5 Duplikatur (intestinal) 5 Innere Hernie/Leistenhernie/Linea-alba-Hernie 5 Kongenitale Darmstenose 5 Malrotation 5 Meckel-Divertikel 5 Morbus Hirschsprung 5 Oberes Mesenterialarterien-Syndrom 5 Pancreas annulare 5 Pankreatikobiliäre Maljunktion mit/ohne Choledochuszyste 5 Rezidivierender Volvulus Spätfolgen von Traumata 5 Adhäsionen 5 Pankreatische Pseudozyste 5 Subkapsuläre Blutung Sonstige 5 Gallenblasenerkrankungen 5 Invagination 5 Reizdarmsyndrom 5 Aerophagie
Erkrankungen benachbarter Organe Gynäkologisch 5 Endometriose 5 Dysmenorrhö 5 Entzündungen im kleinen Becken 5 Hämatokolpos/Tumoren 5 Ovarialzysten oder -tumoren/ Ovarielle Stieldrehung 5 Schwangerschaft 5 Entzündungen im kleinen Becken Nephrologisch 5 Hydronephrose 5 Obstruktionen der Harnwege (z. B. Urethralklappe) 5 Nierenkonkremente 5 Pyelonephritis/Harnwegsinfektion Pulmonologischa 5 Asthma 5 Pneumonie, rezidivierend 5 Pleurodynie 5 Zystische Fibrose Muskeln und Faszien 5 Psoasabszess 5 Sportassoziierte Schmerzen (»Joggerniere«) Metabolische Erkrankungena 5 Diabetes mellitus 5 Endokrine Erkrankungen mit Obstipation (Hyperparathyreodismus, Hypothyreose) 5 Porphyria congenita
6
3
41 3.2 · Identifikation der Schmerzursache
. Tabelle 3.6. Fortsetzung Gastroenterologisch
Primär nicht gastroenterologisch Sonstige Ingestionen/Vergiftungen 5 Bleiintoxikationa 5 Fremdkörperingestion 5 Medikamente (Kortikosteroide, Salizylate, Anticholinergika, Phenytoin, Opioide)a 5 Opioidentzuga Neurologie/Psychiatriea 5 Abdominelle Epilepsie 5 Phobien 5 Anorexia nervosa/Bulimie 5 Riley-Day-Syndrom
a Krankheit nicht unbedingt am Ort der Schmerzlokalisation.
. Tabelle 3.7. Differenzialdiagnose von Gelenk-, Muskel- und Rückenschmerzen Lokale Ursachen Rückenschmerzen (alphabetisch) 5 Aneurysmatische Knochenzysten 5 Aseptische Nekrosen 5 Bandscheibenprolaps 5 Entzündungen (Ostitis, Osteomyelitis, tuberkulöse Spondylitis, Diszitis, etc.) 5 Funktionell bei »Blockaden« der Wirbelgelenke 5 Knochentumoren (benigne/maligne) 5 Langerhanszellhistiozytose 5 Malignome (Neuroblastom, intramedulläre Tumoren) 5 Osteoporose 5 Postpunktions-Rückenschmerz (nach Lumbalpunktion) 5 Posttraumatisch (z. B. nach Frakturen) 5 Rheumatoide Arthritis 5 Scheuermann-Krankheit 5 Spondylolisthesis Gelenkschmerz (alphabetisch) 5 Chassaignac Syndrom (mit Scheinlähmung) 5 Traumafolge (Zerrung, Fraktur, Luxation (Schulter, etc.) 5 Familiäre Osteolysen 5 Gicht 5 Hypermobilität 5 Infektiöse Arthritiden (bakteriell, viral, etc.) und gelenknahe Osteomyelitis 5 Knochennekrosen 5 Osteochondrosen
Nicht-lokale Ursachen
5 Bandscheibenvorfall 5 Erkrankungen der inneren Organe (. Abb. 3.1 Head-Zonen, z. B. bei Ulcus ventriculi) 5 Langerhanszellhistiozytose 5 Leukämie 5 Metastasen bei soliden Tumoren 5 Spondylolisthesis
5 5 5 5 5 5 5
Amyloidose Autoimmunerkrankung Chronisch entzündliche Darmerkrankungen Familiäres Mittelmeerfieber Hämoglobinopathie (z. B. Sichelzellanämie) Hämorrhagischer Erguss (z. B. bei Hämophilie) Hypothyreose
6
42
Kapitel 3 · Differenzialdiagnose der Schmerzursachen
. Tabelle 3.7. Fortsetzung
3
Lokale Ursachen
Nicht-lokale Ursachen
5 Osteoporose 5 Rheumatische Erkankungen (rheumatisches Fieber, juvenile idiopathische Arthritis, Psoriasis) 5 Tendinitiden 5 Tumoren (benigne/maligne) 5 Überbelastung
5 5 5 5 5 5 5 5
Hüfte, zusätzlich: 5 Morbus Perthes, Epiphysiolysis capitis femoris, Osteochondrosis dissecans, Synchondosis ischiopubica Van Neck
Kawasaki-Syndrom Leukämien Lysosomale Speicherkrankheiten Nervenkompressionen Parainfektiöse Arthritiden (Yersinien, Borrelien etc.) Purpura Schoenlein-Hennoch Rachitis Sarkoidose
5 Erkrankungen im kleinen Becken
Knie, zusätzlich: 5 Osteopathia patellae juvenilis, Osteochondrosis dissecans, Stellungsanomalien (Genus valgum, varu, recurvatum), habituelle Patellaluxation Schulter, zusätzlich: 5 Skalenus-anterior-Syndrom, Halsrippensyndrom, Throracic-outlet-syndrom, Erkrankungen des Halsmarks (z. B. Syringomyelie) Gelenkunabhängiger Schmerz 5 Entzündung (Myositis, Osteomyelitis, Ostitis, Brodie Abszess, etc.) 5 Muskeldystrophien 5 Polymyositis 5 Schmerzen unklarer Genese (Wachstumsschmerz, etc.) 5 Traumafolge (auch bei Misshandlungen) 5 Tumoren (benigne/maligne)
5 Erkrankungen von Herz, Lunge, Aorta
5 A. spinalis-anterior-Syndrom 5 Glykogenosen und andere Enzymdefekte (z. B. bei Mitochondropathien) 5 Hypovitaminose (Vitamin C, A) 5 Leukämien, Langerhanszellhistiozytose 5 Maligne Hyperthermie 5 Morbus Fabry 5 Neuritiden 5 Schmerzen unklarer Genese (Wachstumsschmerz, etc.) 5 Scalenus-Syndrom
43 3.2 · Identifikation der Schmerzursache
. Tabelle 3.8. Auswahl psychischer Störungen mit Schmerzsymptomatik. [Mod. nach den klinisch-diagnostischen Leitlinien der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen ICD-10 der WHO, Kap. V (F)] Diagnose
Kodierung
Beschreibung
Somatoforme Störungen
F 45
5 Wiederholte Darstellung körperlicher Symptome 5 Wiederholte Forderung nach medizinischen Untersuchungen 5 Wiederholt negative medizinische Untersuchungsergebnisse, Symptome körperlich nicht begründbar 5 Bestehende belastende Lebensereignisse und Konflikte als psychische Einflussfaktoren werden vom Patienten eher abgelehnt
Somatoforme autonome Funktionsstörung
F 45.3
5 Subjektive Beschwerden unspezifischer und Funktionsstörung wechselnder Natur (z. B. Bauchschmerzen) 5 Vegetative Beteiligung, aber kein Anhalt für eine eindeutige Störung der Struktur oder Funktion des betreffenden Systems oder Organs 5 Beschwerden werden vom Patienten einem spezifischen Organ oder System zugeordnet (z. B. unterem Gastrointestinaltrakt) 5 z. T. Vorliegen psychischer Belastungsfaktoren und gegenwärtiger Schwierigkeiten mit Bezug zum Symptom
Somatoforme Schmerzstörung
F 45.4
5 Andauernder Schmerz 5 Durch physiologischen Prozess oder körperliche Störung nicht vollständig erklärbar 5 Auftreten in Verbindung mit emotionalen Konflikten oder psychosozialen Problemen, die aufgrund ihrer Schwere als entscheidende ursächliche Einflüsse gelten können 5 Beträchtlich gesteigerte persönliche oder medizinische Hilfe
Somatisierungsstörung
F 45.0
5 Wiederholtes Auftreten multipler, häufig wechselnder körperlicher Symptome über mindestens zwei Jahre 5 Häufig komplizierte Patienten-Karriere: Aufsuchen verschiedener, z. T. spezialiserter medizinischer Einrichtungen 5 Ausreichende somatische Erklärung liegt nicht vor 5 Weigerung des Patienten zu glauben, dass für Symptome keine körperliche Erklärung zu finden ist, trotz vermehrter Untersuchungen 5 Gewisse Beeinträchtigung familiärer und sozialer Funktionen durch Symptome und daraus resultierendes Verhalten
Psychische Faktoren oder Verhaltenseinflüsse bei andernorts klassifizierten Krankheiten
F 54
5 Schmerzen im Rahmen körperlicher Erkrankungen (z. B. Colitis ulcerosa) 5 Psychische Faktoren oder Verhaltenseinflüsse (z. B. Erwartungsängste) nehmen Einfluss auf Manifestation oder Verlauf der körperlichen Erkrankung
3
44
Kapitel 3 · Differenzialdiagnose der Schmerzursachen
Literatur
3
1. Baron R, Jänig W (1998) Schmerzsyndrome mit kausaler Beteiligung des Sympathikus. Anästhesist 47: 4–23 2. Wilder RT (1996) Reflex sympathetic dystrophy in children and adolescents: differences from adults. In: Jänig W, Stanton-Hicks M (Hrsg) Reflex sympathetic dystrophy: a reappraisal. Progress in pain research and management, vol 6. IASP-Press, Seattle, S 67–79 3. Zernikow B (2001) Rezidivierende abdominelle Schmerzen bei Kindern. In: Beck H, Martin E, Motsch J, Schulte am Esch J (Hrsg) Schmerztherapie. Thieme, Stuttgart (AINS Bd 4, S 225–232)
4 Messen und Erfassen von Schmerz H. Denecke und C. Hünseler 4.1
Einleitung – 46
4.2
Schmerz bei Früh- und Neugeborenen – 46
4.2.1 Schmerzparameter – 47 4.2.2 Schmerzskalen – 48
4.3
Schmerzmessung im Säuglings- und Kleinkindesalter (1.–3. Lebensjahr) – 54
4.4
Schmerzmessung im Kindesalter (ab etwa 4 Jahren) – 54
4.4.1 Instrumente der Selbsteinschätzung – 54 4.4.2 Instrumente der Fremdbeobachtung – 63
4.5
Schlussfolgerungen – 64 Literatur – 65
46
Kapitel 4 · Messen und Erfassen von Schmerz
)) 4.1
4
2. Analyse der schmerzaufrechterhaltenden und -verstärkenden Bedingungen, 3. Entscheidungsfindung für das Schmerzmanagement, 4. Evaluation des therapeutischen Vorgehens.
Einleitung Bei der Messung von Schmerz stellt sich grundsätzlich das Problem der prinzipiellen Subjektivität der Schmerzerfahrung. Nach Handwerker [35; S. 87] ist »… der Schmerz eines anderen Menschen nicht unmittelbar, sondern nur durch beabsichtigte oder unwillkürliche Mitteilungen erfassbar.« Die klinische Algesimetrie besitzt deshalb, insbesondere bei chronischem Schmerz, keine Möglichkeit, den nozizeptiven Reiz direkt zu messen. Er ist nur indirekt durch die Erfassung von Indikatoren quantifizierbar, die auf die ganz private Schmerzerfahrung schließen lassen. Die Reaktionen auf Schmerz lassen sich 3 Kategorien zuordnen [8, 64]: 4 dem subjektiven Erleben, 4 dem beobachtbaren Verhalten, 4 physiologischen Prozessen (. Tabelle 4.1). Diese Reaktionen stellen die prinzipiell messbaren Verhaltenskorrelate bzw. Indikatoren des Schmerzes dar. Das umfassendere Konzept der Schmerzdiagnostik bezieht neben der reinen Schmerzmessung soziale Faktoren und Umgebungseinflüsse ein. Schwieriger als bei Erwachsenen gestaltet sich die Schmerzerfassung bei Kindern. Unreife des Nervensystems, entwicklungsbedingtes Fehlen des Körperschemas, mangelnde kognitive Fähigkeiten und ein hohes Ausmaß an Emotionalität können die Interpretation der »tatsächlich empfundenen« Schmerzen erschweren. Unter sorgfältiger Berücksichtigung des körperlichen Allgemeinzustands, der Art der Schmerzen, des Einflusses kognitiver und emotionaler Entwicklungsfaktoren und des psychologischen Status lässt sich jedoch auch für Kinder eine aussagekräftige Schmerzdiagnostik durchführen. Insbesondere bei chronischen und rekurrierenden Schmerzen sollte die Schmerzdiagnostik durch Angaben zum Kontext, in dem die Schmerzdiagnostik durchgeführt wird, sowie zum sozialen Umfeld ergänzt werden. Die Schmerzerfassung bei Kindern verfolgt dabei folgende Ziele [61]: 1. Beschreibung des Schmerzgeschehens unter Berücksichtigung des Entwicklungsalters,
4.2
Schmerz bei Frühund Neugeborenen
Früh- und Neugeborene werden im Rahmen einer intensivmedizinischen Behandlung häufig schmerzhaften diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen ausgesetzt. Dass Kinder dieser Altersgruppe Schmerzen empfinden, ist mittlerweile unumstritten [3]. Die klinische Beobachtung zeigt, dass die Reaktionen auf schmerzhafte Reize bei sehr kleinen und unreifen Frühgeborenen im Vergleich zum reifen Neugeborenen heftiger sind und die Reizschwelle deutlich niedriger liegt. Eine mögliche physiologische Erklärung ist die noch unvollständig ausgebildete Inhibition und Modulation der afferenten Schmerzimpulse auf spinaler Ebene durch übergeordnete Zentren bei ansonsten funktionsfähigem nozizeptivem System (7 Kap. 2). Akute Schmerzen können nicht nur deletäre Auswirkungen auf die aktuelle Situation des Kindes mit Anstieg von Herzfrequenz, Blutdruck, Schwankungen der Atemfrequenz, Absinken der transkutanen O2-Sättigung, Anstieg des intrakraniellen Drucks und einer katabolen Stoffwechselsituation haben; neuere Studien belegen die negativen Folgen von im Neugeborenenalter erlebten Schmerzen auch auf die spätere Entwicklung des Kindes. Schmerzerfahrungen im Neugeborenenalter können in der Kindheit zu einem verstärkten Schmerzempfinden führen [32, 73], Erkenntnisse, die die Forderung nach »minimal handling« und einer angemessenen analgetischen Therapie bei kranken Früh- und Neugeborenen unterstreichen. Es muss jedoch eingeräumt werden, dass die positiven Langzeitfolgen einer »sanften Pflege« noch nicht nachgewiesen wurden. Voraussetzung der Behandlung von Schmerzen ist deren Erkennung, Quantifizierung und Bewertung im aktuellen Kontext. Zur objektiven Quantifizierung und Dokumentation von Schmerzen im Neugeborenenalter wurden zahlreiche Versuche
47 4.2 · Schmerz bei Früh- und Neugeborenen
4
. Tabelle 4.1. Ebenen und Indikatoren der Schmerzreaktion Ebene
Indikatoren der Schmerzreaktion
Schmerzerleben
5 Verdeckt: z. B. Empfinden (sensorisch-affektiv), Emotionen, Kognitionen 5 Offen: z. B. Klagen, Stöhnen, Bericht über verdeckte Reaktionen
Schmerzverhalten
z. B. Veränderung der Ausdrucksmotorik (Mimik, Gestik, Körperhaltung), reflektorische und willkürliche schmerzreduzierende Bewegungen, Vermeidungsverhalten
Physiologische Parameter
z. B. Erregung des nozizeptiven Systems (Freisetzung von algogenen Substanzen), Aktivierung des zentralen Nervensystems (Auftreten evozierter Potentiale), Aktivierung des autonomen Nervensystems (Veränderung von Herzaktivität, Blutdruck, Hautleitfähigkeit, Muskeltonus, Atemfrequenz), Veränderung hormoneller und biochemischer Parameter
unternommen, Schmerzerfassungsbögen zu erstellen, meist im Rahmen klinischer Studien. Viele dieser Skalen sind nie in den klinischen Alltag übergegangen, da sie sich als nicht praktikabel erwiesen oder keine ausreichende Schmerzspezifität zeigten. Anforderungen an eine für den täglichen Einsatz im klinischen Alltag gebräuchliche Skala umfassen eine ausreichende Validität, um zu garantieren, dass auch in der Tat Schmerzäußerungen gemessen werden und eine Diskriminierung zwischen Schmerzfreiheit und Schmerzempfinden möglich ist. Ein definierter Cut-off-Wert, der angibt, ab welchem Scorewert interventionsbedürftige Schmerzen vorliegen, ist unbedingt erforderlich um Therapierichtlinien aufstellen zu können. Die Intra- und Interraterreliabilität sowie die interne Konsistenz der Messskala sollten überprüft und akzeptabel sein. Ein nicht zu vernachlässigender Aspekt ist die Praktikabilität der Skala. Eine umständliche und unübersichtliche Skala mit einer komplizierten Auswertung wird schlechter akzeptiert und führt häufiger zu Fehlern. 4.2.1
Schmerzparameter
Die Schmerzerfassung bei Früh- und Neugeborenen ist besonders problematisch, da sich Kinder dieses Alters nicht verbal mitteilen können und es sich demnach bei der Schmerzerfassung immer um eine Fremdbeurteilung handeln muss. Schmerzbedingte Veränderungen bei Neugeborenen zeigen sich in bestimmten Verhaltensmustern sowie in Veränderungen von Vitalparametern und
biochemischen oder hormonellen Größen [33, 67, 74]. Verhaltensmuster als Schmerzäußerungen sind im Neugeborenenalter relativ spezifisch. Unter 13 in der Literatur häufig zur Schmerzbeurteilung bei Neugeborenen und Säuglingen herangezogenen Beobachtungsparametern erreichten bei Büttner et al. [13] 5 eine ausreichende Spezifität und Reliabilität. Darunter fallen mimische Äußerungen (Gesichtsausdruck, Stirnfalten [30, 31]) und Veränderungen der Körperhaltung (Armhaltung, Beinhaltung, Fingerhaltung, Zehenhaltung, Rumpfhaltung, motorische Unruhe) und das Weinen. Von 19 in den . Tabellen 4.2 und 4.3 aufgeführten Schmerzbeurteilungsinstrumenten berücksichtigen 16 die Mimik, 14 die Körperhaltung bzw. Spontanmotorik und 10 den Schrei bzw. die verbale Äußerung. Ein schmerztypischer Schrei, der sich in Frequenz und Modulation von Schreien aus anderen Ursachen zu unterscheiden scheint, ist bereits zuvor beschrieben worden [24, 58]. Auch kann es zu Veränderungen komplexer Verhaltensmuster wie dem Wach-Schlaf-Rhythmus kommen. Die Erfassung dieser Verhaltensäußerungen bedarf einiger Übung und Sensibilisierung auf Seiten des Untersuchers, ist dann aber in kurzer Zeit problemlos durchzuführen. Veränderungen der Vitalparameter (Atem-, Herzfrequenz, Blutdruck, O2-Sättigung) sind als alleinige Größen für die Schmerzbeurteilung zu unspezifisch und bieten nur Zusatzinformationen. Vitalparameter unterliegen vielerlei Einflüssen (kardiale, pulmonale, zentralnervöse und hämatologische
48
4
Kapitel 4 · Messen und Erfassen von Schmerz
Affektionen); in erster Linie spiegeln die genannten Veränderungen das Vorliegen von allgemeinem Distress wider [4]. Auch Büttner et al. [4] befanden, dass Herzfrequenz, Atemfrequenz und Blutdruck als Schmerzparameter in der postoperativen Phase nicht mit den Verhaltensäußerungen korrelierten. Hormonelle und biochemische Parameter (Glukokortikoide, Katecholamine, Insulin, Laktat, Alanin) lassen sich nicht zur routinemäßigen Schmerzmessung heranziehen. Ihre Bestimmung ist zu aufwändig und nicht zeitnah möglich. 4.2.2
Schmerzskalen
Die bisher in der Literatur beschriebenen Schmerzscores für das Neugeborenenalter sind uni- und multidimensionale Skalen, die in unterschiedlichem Maße die oben angeführten Größen berücksichtigen und kombinieren. Dabei ist jede Skala für eine definierte Altersgruppe und eine spezielle Situation (postoperativer Schmerz, invasive Maßnahmen oder Beatmung) entworfen und validiert. Ein »golden standard« existiert nicht wegen durchweg mangelnder Skalenspezifität und -sensibilität. Bei der Schmerzbeurteilung sind Gestationsalter, Schwere der Erkrankung und die eventuelle Gabe von Sedativa und Muskelrelaxanzien zu berücksichtigen. Ein extrem unreifes, sehr krankes oder tief sediertes Kind mag bei Erschöpfung trotz starken Schmerzempfindens nur schwache oder fehlende Schmerzäußerungen zeigen. Aus diesen Gründen muss der Untersucher jedes Kind in seiner Gesamtsituation betrachten, für jedes Kind muss der Schmerzscore individuell an die aktuelle Situation adaptiert werden; der resultierende Punktewert allein gibt nicht immer eine zutreffende Auskunft über das Schmerzempfinden. Schmerzäußerungen von Neugeborenen ähneln oft deren Verhalten bei Hunger oder bei Distress aus anderen Gründen. Schmerzbeurteilungsskalen vermögen daher oftmals nicht ausreichend zwischen Schmerz und Distress zu trennen. In diesen Situationen ist es an der Erfahrung des medizinischen Personals, zu erkennen, ob das Kind Analgesie benötigt oder vielleicht eher Zuwendung, Nahrung, Ruhe bzw. Abgeschirmtheit oder ein Sedativum, um wieder zu einem inneren Gleichgewicht zu finden.
Die gebräuchlichen Schmerzskalen sind in der Regel nur zur Beurteilung von akuten Schmerzzuständen entwickelt worden und eignen sich nicht zur Erfassung von langandauernden oder häufig wiederkehrenden, chronischen Schmerzen. Die Verhaltensmuster bei chronischen Schmerzen können vollständig verschieden vom Verhalten bei akuten Schmerzen sein. Die Kinder können auf oft wiederkehrende Schmerzreize mit einer »Erstarrung« der Mimik und Körperbewegung reagieren. In diesem Fall lassen sich eventuell durch Überprüfung der Pupillenweite oder Messung des vagalen Tonus Auskünfte über den Aktivitätszustand des autonomen Nervensystems und damit über Distress und Schmerzen erheben. Die kürzlich veröffentlichte EDIN-Skala (Échelle Douleur Inconfort Nouveau-Né) [19] ist ein Versuch, chronische Schmerzen bei Frühgeborenen anhand verschiedener Verhaltensparameter zu erfassen. Diese Skala berücksichtigt v. a. komplexe Verhaltensmuster wie das Schlafverhalten und die Interaktionen des Kindes mit dem Pflegepersonal. Bei der Behandlung von Frühgeborenen ist eine solche Skala, die die Schmerzempfindung des Kindes in »Ruhe« ohne Stimulation überprüft, von großer Bedeutung, da diese Kinder häufig über viele Wochen auf der Intensivstation verbleiben und dort zahlreichen invasiven und nicht-invasiven Maßnahmen ausgesetzt sind. Viele Schmerzskalen auch für Frühgeborene sind an invasiven Maßnahmen validiert worden (NIPS, PIPP). Dass diese Maßnahmen für das Kind mit Schmerzen verbunden sind, ist dem medizinischen Personal schon im Vorfeld bekannt, so dienen diese Skalen eigentlich nur zur Kontrolle des Erfolgs und zum Vergleich analgetischer Maßnahmen und weniger der Identifikation von latenten Schmerzzuständen. Zur Einschätzung des Schmerzempfindens bei invasiven Maßnahmen im Neugeborenenalter ist der NIPS (Neonatal Infant Pain Scale, [48]; 7 Anhang B) eine empfehlenswerte Skala, der die Items Gesichtsausdruck, Schrei, Bewegung, Weckbarkeit und Atmung umfasst. Jedem Item können 0, 1 bzw. 2 Punkte bei der Beurteilung des Schreiens zugeordnet werden. Damit lässt dieser Score kaum Raum für eine graduelle Quantifizierung der Schmerzreaktion in leicht, mäßig oder stark, er trennt »keine Schmerzreaktion« von »eindeutigen Schmerzreak-
4
49 4.2 · Schmerz bei Früh- und Neugeborenen
. Tabelle 4.2. Schmerzmessung im präverbalen/frühverbalen Alter. Multidimensionale Instrumente Instrument
Kurzbeschreibung
Anwendungsbereich
Handhabung
Altersgruppe
OPS Objective Pain Scale [34]
5 Kategorien (Verhalten + Vitalparameter): Bewegung, Unruhe, Schrei, verbale Beschwerden, Blutdruck. Nachteil: Umständlich, Blutdruckmessung kann Ergebnis verfälschen. Angabe der RR-Abweichung in % von einer Baseline. Moderate Schmerzen werden schlechter erfasst
Postoperative Schmerzen
+
ab 1,5 Jahre
NIPS Neonatal Infant Pain Scale [48]
6 Kategorien (Verhalten + Vitalparameter): Gesichtsausdruck, Weinen/Schreien, Armbewegungen, Beinbewegungen, Atmung, Wachheit/Aufmerksamkeit (0 oder 1 Punkt bzw. 0, 1, 2 Punkte ). Güte: gut validiert, schnell und einfach zu handhaben. Nachteil: Skala ist nicht symmetrisch. Geringe Trennschärfe in der Graduierung von Schmerzen. Arm- und Beinbewegungen sind überschneidende Kriterien und bringen keine Zusatzinformation
Invasive Maßnahmen
+++
Früh- und Neugeborene
CRIES Crying, Requires oxygen administration, Increased vital signs, Expression, Sleeplessness [45]
Aufbau wie Apgar: 5 Kategorien (Verhalten + Vitalparameter): Schrei, O2-Bedarf um SaO2 >95 % zu halten, Vitalparameter verändert, Gesichtsausdruck, Schlaflosigkeit (0, 1, 2 Punkte). Güte: Leicht zu merken, einfach in der Anwendung. Nachteil: Apparativer Aufwand (Pulsoxymetrie). Blutdruckmessung kann den Patienten irritieren; unzureichende Spezifität
Postoperative Schmerzen
+++
Frühgeborene bis Säuglingsalter
PIPP Premature Infant Herzfrequenz, Pain Profile [71]
7 Kategorien (Verhalten + Vitalparameter): Gestationsalter, Bewusstseinszustand, Herzfrequenz, Blutdruck, Augenbrauenwölbung, Augenkneifen, Nasolabialfalte. Gestationsalter wird einbezogen (0–3 Punkte). Güte: Gut validiert. Gestationsalter wird berücksichtigt. Nachteil: Blutdruckmessung kann den Patienten irritieren. In der praktischen Anwendung zu kompliziert, mehr für Studien geeignet
Invasive Maßnahmen (Fersenstich, Zirkumzision)
++
Früh- und Neugeborene
6
50
Kapitel 4 · Messen und Erfassen von Schmerz
. Tabelle 4.2. (Fortsetzung) Instrument
Kurzbeschreibung
Anwendungsbereich
Handhabung
Altersgruppe
COMFORT [2]
8 Kategorien (Verhalten + Vitalparameter): Wachheitsgrad, Aufmerksamkeitsgrad, Akzeptanz der maschinellen Beatmung, Bewegungen, Blutdruck, Herzfrequenz, Muskeltonus, mimische Muskulatur. Güte: Deckt großen Altersbereich ab. Nachteil: Sehr umständlich, nicht symmetrisch; Graduierungen z. T. schwierig abzugrenzen; Blutdruckmessung kann den Patienten irritieren.
Einschätzung des Sedierungsgrads während einer intensivmedizinischen Behandlung mit künstlicher Beatmung
+
Neugeborene, Säuglinge und Kinder bis 8 Jahre
PAT Pain Assessment Tool; [57]
10 Kategorien (Verhalten + Vitalparameter und subjektive Beurteilung des Pflegepersonals): Haltung/ Tonus, Schlafmuster, Gesichtsausdruck, Hautfarbe, Schrei, Atmung, Herzfrequenz, O2-Sättigung, Blutdruck, Beurteilung des Pflegepersonals. Güte: Beurteilung des Pflegepersonals fließt in Score ein. Nachteil: Nicht ausreichend validiert; nicht symmetrisch, Blutdruckmessung kann den Patienten irritieren.
Postoperative Schmerzen
++
Frühund Neugeborene
SUN Scale for Use in Newborns [9]
7 Kategorien (Verhalten + Vitalparameter): Bewusstseinsstatus, Atmung, Bewegungen, Muskeltonus, Mimik, Herzfrequenz, Blutdruck (0–4 Punkte). Güte: Auch für beatmete Patienten geeignet; symmetrisch, Level 2 = normaler Zustand Nachteil: Umständlich, Graduierungen z. T. schwierig abzugrenzen; Blutdruckmessung kann den Patienten irritieren.
Invasive Maßnahmen (Intubation, Venenpunktion, endotracheales Absaugen, Windelwechsel)
+
Frühund Neugeborene
MIPS Modified Infant Pain Scale [11]
13 Kategorien (Verhalten + Vitalparameter): Schlaf, Mimik, Schrei, Spontanmotorik, Erregbarkeit, Finger- und Zehenbeugung, Muskeltonus, Fähigkeit zur Beruhigung, Reaktion auf Zuwendung, Herzfrequenz, Blutdruck, Sauerstoffsättigung (0–2 Punkte). Nachteil: Nicht ausreichend validiert. Sehr umfangreich und umständlich, geräteabhängig, Blutdruckmessung kann den Patienten irritieren
Postoperative Schmerzen
+
Reife Neugeborene und Säuglinge
PEPPS Preverbal, Early Verbal Pediatric Pain Scale [68]
7 Kategorien (Verhalten + Vitalparameter): Herzfrequenz, Mimik, Schrei, Fähigkeit, zur Beruhigung, Körperhaltung, Reaktion auf Zuwendung, Trinkverhalten/Saugen (0-2 oder 0-4 Punkte). Nachteil: Nicht ausreichend validiert; umfangreich und umständlich, unterschiedliche Anzahl an Auswahlkriterien. Trinkverhalten in früh-postoperativer Phase schmerzspezifisch?
Postoperative Schmerzen
+
12–24 Monate
4
+++ = sehr einfach, ++ = einfach, + = aufwändig/kompliziert
4
51 4.2 · Schmerz bei Früh- und Neugeborenen
. Tabelle 4.3. Schmerzmessung im präverbalen/frühverbalen Alter. Eindimensionale Instrumente Instrument
Kurzbeschreibung
Anwendungsbereich
Handhabung
Altersgruppe
NFCS Neonatal Facial Coding System; [30]
10 Items (Mimik): vorgewölbte Augenbrauen, zusammengekniffene Augen, betonte Nasolabialfalte, geöffnete Lippen, vertikal verzogener Mund, horizontal verzogener Mund, angespannte Zunge, vorgestreckte Zunge, Kinnzittern, aufgeworfene Lippen (ja/nein). Güte: Gut validiert. Nachteil: Veränderungen im unteren Gesichtsbereich nur inkonsistente Schmerzzeichen. Bei sehr unreifen Frühgeborenen ist Mimik wenig schmerzspezifisch. Umständlich, ausreichende Erfahrung des Beobachters notwendig
Invasive Maßnahmen
+
Frühund Neugeborene
MAX Maximally Discriminative Social Movement Coding System; [41]
Berücksichtigt Gesichtsausdruck und emotionalen Status. Nachteil: Aufwändig, nicht schmerzspezifisch; nicht ausreichend validiert
Beurteilung v.a. des emotionalen Status
+
Reife Neugeborene
CSS Clinical Scoring System [5]
10 Kategorien (Verhalten): Schlafmuster, Gesichtsausdruck, Schrei, Spontanbewegungen spontane Erregbarkeit, Reaktion auf Umgebungsreize, Beugung von Fingern und Zehen, Saugen, Muskeltonus, Fähigkeit zur Beruhigung, Reaktion auf Zuwendung. Nachteil: Für Studienzwecke entworfen. Schmerzstärke korreliert invers mit Punktwert. Weitere Validierung notwendig
Postoperative Schmerzen
++
Reife Neugeborene und Säuglinge bis 7 Monate
Sedierungsbogen nach Hartwig [36]
5 Kategorien (Verhalten): Motorik, Mimik, Augen Öffnen, Toleranz der Beatmung, Reaktion beim Absaugen. Zielbereich ist in der Regel ein Score von 8–14 Güte: Einfach zu handhaben. Direkte Berücksichtigung der Maßnahme des Absaugens. Nachteil: Unzureichend validiert. Erfasst neben Schmerzen auch Distress
Beurteilung des Sedierungsgrades bei beatmeten Kindern
+++
Reife Neugegeborene bis Kleinkinder
TPPPS ToddlerPreschooler Postoperative Pain Scale [75]
3 Kategorien (Verhalten): Verbaler Schmerzausdruck, Gesichtsausdruck, Körperlicher Schmerzausdruck (3 bzw. 2 Kriterien) Nachteil: Nicht ausreichend validiert. Eingeschränkte und ungleiche Anzahl von AuswahlKriterien. Neutrale/positive Äußerungen fehlen
Postoperative Schmerzen
++
1–7 Jahre
BPS Behavioural Pain Score System [57]
4 Kategorien (Verhalten): Gesichtsausdruck, Bewegungen, Reaktion auf Handling und Tonus von Extremitäten/Körper. Nachteil: Nicht ausreichend validiert
Versorgung unter Beatmung
+++
Früh- und Neugeborene
6
52
Kapitel 4 · Messen und Erfassen von Schmerz
. Tabelle 4.3. (Fortsetzung)
4
Instrument
Kurzbeschreibung
Anwendungsbereich
Handhabung
Altersgruppe
IBCS Infant Body Coding System [18]
4 Kategorien (Verhalten): Schrei, Körperbewegungen, Arm- und Beinbewegungen. Güte: Einfach in der Anwendung. Nachteil: Nicht schmerzspezifisch. Bei sehr kranken Kindern mit eingeschränkter Vitalität nicht anwendbar
Invasive Maßnahmen (Fersenstich)
+++
v. a. agile reife Neugeborene
FLACC Face, Leg, Activity, Cry, Consolability [55]
5 Kategorien (Verhalten): Gesichtsausdruck, Beinbewegungen, Aktivität, Schreien, Möglichlichkeiten zur Beruhigung (je 0–2 Punkte). Güte: Einfach in der Anwendung. Breiter Altersbereich. Nachteil: Nicht ausreichend validiert
Postoperative Schmerzen
+++
2 Monate– 7 Jahre
KUSS Kindliche Unbehagens- und Schmerz Skala [12]
5 Kategorien (Verhalten): Weinen, Gesichtsausdruck, Rumpfhaltung, Beinhaltung, motorische Unruhe (0, 1, 2 Punkte). Güte: Gut validiert. Einfach und schnell in der Handhabung. Therapeutischer Bedarf ab 4 Punkten. Breiter Altersbereich wird abgedeckt. Nachteil: Nicht bekannt
Postoperative Schmerzen
+++
Reife Neugeborene bis Ende 4. Jahr
EDIN Échelle Douleur Inconfort Nouveau-Né [19]
5 Kategorien (Verhalten): Gesichtsausdruck, Körperbewegungen, Schlafverhalten, Kontaktaufnahme zum Pflegepersonal, Möglichkeit zur Beruhigung (jeweils 0–3 Punkte) Güte: Berücksichtigt chronische Schmerzäußerungen unabhängig von Stimuli. Nachteil: Bisher geringe klinische Erfahrung. Weitere Validierung notwendig. Kein Cut-off-Wert
Prolongierte Schmerzen
+++
Frühgeborene
CHEOPS Children’s Hospital of Eastern Ontario Pain Scale [53]
6 Kategorien (Verhalten): Schrei, Mimik, spontane verbale Äußerungen Rumpfhaltung, Beinhaltung, spontanes Berühren des Wundgebietes (0–2 oder 1–3 Punkte). Nachteil: Umständlich in der Handhabung mit verschiedenen gleichwertigen Subkategorien
Postoperative Schmerzen
++
1–5 Jahre
DEGR Douleur Échelle Gustave Roussy [25, 26]
10 Kategorien (Verhalten): Schonhaltung in Ruhe, Ausdruckslosigkeit, Spontaner Schutz der schmerzhaften Bereiche, Klagen über körperliche Schmerzen, Schonhaltung bei Bewegung, Fehlendes Interesse an der Außenwelt, Kontrollierter Widerstand gegen passive Mobilisierung, Lokalisation der schmerzhaften Bereiche durch das Kind, Reaktion auf die Untersuchung der schmerzhaften Bereiche, Einschränkung der Spontanmotorik. Beurteilung v. a. von chronischen Schmerzen. Bezieht depressive Verstimmungen in gewissem Umfang mit ein (0–4 Punkte). Güte: Gut validiert. Einzige Skala, die chronische Schmerzen berücksichtigt. Nachteil: Sehr arbeitsaufwändig
Tumorassoziierte Schmerzen verschiedener Genese
+
2–6 Jahre
+++ = sehr einfach, ++ = einfach, + = aufwändig/kompliziert
53 4.2 · Schmerz bei Früh- und Neugeborenen
tionen«. Von Vorteil ist, dass er einfach und schnell zu bewerten ist. Der ebenfalls zur Schmerzdokumentation bei invasiven Maßnahmen bei Frühgeborenen entwickelte PIPP (Premature Infant Pain Profile) berücksichtigt das Gestationsalter als Parameter. Diese Skala verlangt u. a. eine Beurteilung des Absinkens der transkutanen O2-Sättigung von der Baseline um 0–2,4 %, 2,5–4,9 % über 5 %–7,4 % bis zu >7,5 % und scheint durch diese komplizierte und störungsanfällige Beurteilung für den täglichen Gebrauch im klinischen Alltag nicht geeignet zu sein. Der Einsatzbereich von derart aufgebauten arbeitsaufwändigen und umständlichen Skalen liegt mehr im Studienbereich. Für beatmete Früh- und Neugeborene sowie Säuglinge wurde an der Universitätskinderklinik Köln ein von Hartwig [31] entwickelter Sedierungsbogen eingeführt, der sich zur kontinuierlichen Beobachtung beatmeter Kinder auf der Intensivstation eignet (7 Anhang B). Dieser berücksichtigt neben dem kindlichen Verhalten v.a. die Akzeptanz der Beatmung und die damit verbundene schmerzhafte Maßnahme des Absaugens. Die Skala hat sich im täglichen Einsatz bewährt, bedarf jedoch weiterer Validierung. Der Comfort-Scale [2] wurde ebenfalls zur Beurteilung von Distress und Schmerzen bei beatmeten Kindern entwickelt. Diese Skala berücksichtigt u. a. Herzfrequenz und Blutdruck. Bei der nichtinvasiven Messung des Blutdrucks ist zu berücksichtigen, dass der Messvorgang die Kinder häufig irritiert und so das Messergebnis verfälschen kann. Apparative Messmethoden wie die Messung von Blutdruck und transkutaner O2-Sättigung sind zudem bei sehr unruhigen Kindern in ihrer Messgenauigkeit nur bedingt verlässlich. Zur Beurteilung des postoperativen Schmerzes bei nicht-beatmeten Neugeborenen bis zum Ende des 4. Lebensjahres ist die KUSS (Kindliche Unbehagens- und Schmerz-Skala [12, 13], Anhang B) gut geeignet. Die KUSS berücksichtigt 5 Beobachtungsgrößen aus dem Verhaltensbereich. Sie ist ausgesprochen praktikabel und einfach anzuwenden, gut validiert und reliabel und hat einen definierten Cut-off-Wert von 4 Punkten, ab dem nachgewiesenermaßen ein Analgetikabedarf besteht. Für Frühgeborene wurde diese Skala noch nicht validiert.
4
Die meisten Skalen zur Beurteilung des postoperativen Schmerzes, die KUSS eingeschlossen, sind nur für die akute postoperative Phase im Aufwachraum validiert worden. Untersuchungen mit verschiedenen Skalen (CHEOPS, OPS, FLACC, TPPPS) deuten darauf hin, dass in einer späteren postoperativen Phase die Korrelation der Testscores mit einer Experteneinschätzung [72] oder Selbsteinschätzung bei älteren Kindern [6] abnahm. Die Testergebnisse führten häufiger zu falsch-negativen Ergebnissen, was möglicherweise mit einer stärkeren Selbstkontrolle der Schmerzäußerungen im Rahmen einer Adaptation an die neuen Umstände oder einer Schonhaltung nach Abklingen der postoperativen Aufwachphase zu erklären ist. Hier sei nochmals darauf hingewiesen, dass jede Skala nur in bestimmten Situationen untersucht wurde und auch nur in diesem Kontext verlässliche Resultate liefert. Ein Problem vieler Skalen ist die fehlende Angabe eines Cut-off-Wertes, der dem Anwender anhand des Summenscores eine klare Entscheidungsgrundlage liefert, ob therapiebedürftige Schmerzen vorliegen oder nicht. Erst in Folgearbeiten wurden für einige Skalen erstmalig Cut-off-Werte ermittelt, so in der Arbeit von Suraseranivongse et al. [72] für FLACC, TPPPS und OPS (>2 Punkte) und für die CHEOPS (>6 Punkte). Erschwerend in der Anwendung von Schmerzskalen ist auch die Tatsache, dass fast alle Skalen in englischer Sprache veröffentlicht und im englischen Sprachraum validiert wurden. Von einigen Skalen (NIPS, CHEOPS, DEGR) existieren Übersetzungen ins Deutsche, deren vielleicht verschiedene Begrifflichkeiten jedoch (noch) nicht für unseren Sprachraum validiert wurden. Die KUSS ist ein primär im Deutschen entwickeltes Instrument. Bei der Auswahl eines geeigneten Instruments sind Praktikabilität und Akzeptanz durch den Anwender im klinischen Alltag ein wichtiges Kriterium. Die Skala muss schmerzspezifisch und reliabel sein und sollte eine geringe Inter-Rater-Variabilität besitzen. Die ideale Skala sollte einen möglichst breiten Altersbereich abdecken, Schmerzen in unterschiedlichen Situationen erfassen und eine kontinuierliche Beobachtung des Patienten erlauben. Die Realität entspricht derzeit diesem Ideal noch nicht. Auf einer neonatologisch-pädiatrischen Intensivstation wird man mehrere Schmerzerfassungsinst-
54
4
Kapitel 4 · Messen und Erfassen von Schmerz
rumente benötigen, um den unterschiedlichen Populationen und Situationen gerecht zu werden. Interessant im Hinblick auf die Überwachung der Sedierungstiefe von beatmeten Kindern ist in diesem Kontext die kontinuierliche Ableitung des bispektralen Index (BIS) mittels spezieller EEGAbleitung [69, 79]. Diese ursprünglich zur Steuerung der Narkosetiefe und Analgesie bei operativen Eingriffen erdachte Methode erlaubt offensichtlich zuverlässig anhand eines absoluten und kontinuierlich angezeigten Wertes zwischen 0 und 100 die Einschätzung der Sedierungstiefe und eine Abgrenzung von Schmerzreaktionen. Bei Kleinkindern liegen nur limitierte, bei Neugeborenen bislang keine Erfahrungen vor.
4.3
Schmerzmessung im Säuglings- und Kleinkindesalter (1.–3. Lebensjahr)
Gemeinsam ist dieser nur z.T. präverbalen Altersgruppe, dass eine Selbsteinschätzung weiterhin nicht möglich ist. Kinder ab dem 3.–4. Lebensjahr sind in der Regel fähig, eine Selbsteinschätzung, z. B. anhand einer Gesichterskala (Smileyskala), vorzunehmen. Die KUSS [12] zur Beurteilung des postoperativen Schmerzes ist auch in dieser Altersgruppe einzusetzen. Zur Beobachtung von Distress und Schmerz bei beatmeten Kleinkindern auf der Intensivstation eignet sich ebenfalls der oben genannte Sedierungsbogen nach Hartwig [36]. Die größten Erfahrungen mit dieser Skala liegen allerdings bei Neugeborenen und Säuglingen vor. Ebenfalls zur Beurteilung des postoperativen Schmerzes wurde die PEPP-Skala [68] für die Zielgruppe der präverbalen bzw frühverbalen Kinder im Alter von 12–24 Monaten entwickelt. Dieses Instrument ist allerdings umständlich und unzureichend getestet, auch fehlen Erfahrungsberichte über die praktische Anwendung. Der DEGR-Skala (Douleur Echelle Gustave Roussy, [25, 26]) für onkologische Patienten liegt der Gedanke zugrunde, chronischen von akutem Schmerz zu unterscheiden. Die Zielgruppe sind 2bis 6-jährige Kinder mit tumorassoziierten Schmerzen unterschiedlicher Genese. Beurteilt werden 5
direkte Schmerzzeichen, 2 freiwillige Äußerungen von Schmerzen und 3 Zeichen für eine »psychomotorische Atonie«. Eine Übersicht über die am häufigsten zitierten Schmerzbeurteilungsskalen für Früh- und Neugeborene sowie Kleinkinder geben . Tabelle 4.2 und 4.3. Die Skalen unterscheiden sich neben der Zusammensetzung der Beobachtungsparameter in der Ausrichtung auf eine besondere Population (Alter) und in der Begrenzung der Anwendbarkeit auf spezielle schmerzhafte Situationen. Besonders berücksichtigt wird die Praktikabilität beim Einsatz im Stationsalltag.
4.4
Schmerzmessung im Kindesalter (ab etwa 4 Jahren)
4.4.1
Instrumente der Selbsteinschätzung
Entsprechend der IASP-Definition [40], dass es sich bei Schmerzen um ein subjektives Phänomen handelt, halten Finley u. McGrath [23] die Schmerzmessung mit Hilfe von Instrumenten der Selbsteinschätzung für die valideste Methode. Ab etwa dem 4. Lebensjahr, bei kognitiv gut entwickelten Kindern bereits früher, können diese so genannten Self-report-Instrumente verwendet werden. Von entscheidender Bedeutung ist, dass der Untersucher eine Sprache wählt, die das Kind verstehen kann. Im allgemeinen ist die Sprachfähigkeit der meisten 4- bis 5-jährigen so weit ausgebildet, dass ein Verständnis von Schmerz oder Wörtern ähnlicher Bedeutung (»Wehtun«, »Aua«, idiosynkratische familiäre Begriffe) möglich ist. Die Kinder können mit Hilfe von Erläuterungen zwischen Schmerz und Schmerzfreiheit unterscheiden, und sie sind in der Lage, Bilder und Symbole zu benutzen sowie bei kleinen Mengen (z. B. bei »pieces of hurt«) die Bedeutung von relationalen Begriffen wie »weniger«, »gleich« und »mehr« zu verstehen. Die Beurteilung der eigenen Schmerzen wird immer auch durch die persönliche Erfahrung mit Schmerz geprägt. Da die meisten jüngeren Kinder auf nur wenige Schmerzerfahrungen als Referenzereignis zurückgreifen können, ist daran zu denken,
55 4.4 · Schmerzmessung im Kindesalter (ab etwa 4 Jahren)
dass der allgemeine Distress (ein Konglomerat aus Schmerz, Angst, Schreck, Ärger o. ä.) bei einer erstmaligen größeren Verletzung stärkere Reaktionen hervorrufen kann als bei schmerzerfahrenen Kindern [1]. Ebenso ist die Validität der Schmerzmessung bei sehr reaktiven Kindern eingeschränkt, weil Schmerz nicht mehr von Distress zu unterscheiden ist. Eine Verbesserung der Messung kann erreicht werden, indem – häufig mehrmals – in beruhigender Weise auf das Schmerzverständnis des Kindes eingegangen wird. Andererseits muss berücksichtigt werden, dass wiederholte invasive Prozeduren oder chronische Schmerzen zu einer Schmerzsensibilisierung führen können [73]. Ältere Kinder ab etwa 7 Jahren können Schmerzlokalisation, -intensität und -qualität anhand von Skalen bereits gut einschätzen. Ihre kognitiven Fähigkeiten sind so weit entwickelt, dass sie frühere Schmerzerfahrungen zur Beurteilung ihrer aktuellen Schmerzen zum Vergleich heranziehen können. Bei der Altersgruppe der Jugendlichen verändert sich das Schmerzverständnis noch einmal stark. Pubertät, Gruppenkommunikationsstil, das Bedürfnis nach Unabhängigkeit und Selbstkontrolle können die Schmerzmessung beeinflussen [27]. Für ältere Kinder und Jugendliche sollte die altersgerechte Gestaltung der Messinstrumente bedacht werden, da die Kinder ansonsten leicht das Gefühl entwickeln, nicht ernst genommen zu werden.
Eindimensionale Skalen Eindimensionale Ratingskalen (. Tab. 4.4) sind aufgrund ihrer leichten Handhabung und ihrer guten testtheoretischen Absicherung im klinischen Alltag unverzichtbar [44]. Sie erlauben den Kindern eine schnelle Einschätzung der aktuellen und früheren Schmerzintensität, der affektiven Schmerzqualität (SAS) oder der Beeinträchtigung durch den Schmerz (Behavior Interference Rating Scale). Dazu werden Zahlen, Wörter, Chips, Gesichter oder Farben verwendet, die in Anpassung an die kindliche Entwicklungsstufe die Pole und Skalenstufen der jeweiligen Schmerzdimension repräsentieren. Da jüngeren Kindern (3–4 Jahre) die stufenweise Skalierung eines Ereignisses oder Zustandes – insbesondere bei vielen Wahlmöglichkeiten – noch Schwierigkeiten bereitet, neigen sie dazu, nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip auch ihren Schmerz nur
4
dichotom einzuschätzen (»Es tut weh« oder »Es tut nicht weh« [15, 58]). Um die Diskrimination der Skalenstufen zu erleichtern, sollten z. B. Gesichterskalen nur maximal 5 Gesichter aufweisen, und es sollte durch eine kindgerechte (ggf. wiederholte) Erklärung sichergestellt sein, dass das Kind die verschiedenen Schmerzstufen verstanden hat. Für die Gesichterskalen »Oucher Scale« [6] und »Smiley-Analogskala« [60] haben Testprüfungen ergeben, dass sie bereits ab etwa dem 3. Lebensjahr oder bei Kindern mit Sprachdefiziten eingesetzt werden können. Cartoon-Gesichterskalen werden gegenüber den tropfenförmigen Erwachsenengesichtern der Bieri-Skala [7] von Kindern und Eltern bevorzugt [14]. Auch im Vergleich von Oucher Scale, VAS und Gesichter-Skalen liegt in den meisten Fällen die Vorliebe der Kinder bei den Gesichter-Skalen. Um die Reduktion der hochkomplexen Schmerzerfahrung auf nur eine Dimension (meist der Intensität) oder auf wenige Werte zu vermeiden, sollten einfache Ratingskalen nur im Rahmen einer multidimensionalen Schmerzdiagnostik oder bei Veränderungsmessungen, beispielsweise nach Medikamentengabe, eingesetzt werden. Auf die psychometrische Problematik von Ratingskalen, insbesondere der Gesichterskalen, geht die Übersichtsarbeit von Kuttner u. LePage ein [47]. Die derzeit besten Skalen zur regelmäßigen Intensitätsmessung und Dokumentation in der klinischen Routine sind farbige Analog-Schiebeskalen [16] oder eine der Cartoon-Gesichterskalen ([15], 7 Anhang B).
Multidimensionale Instrumente Die systematische Schmerzanamnese ist das wichtigste Instrument der klinischen Schmerzdiagnostik. Interviews oder Fragebögen (. Tabelle 4.5) erfassen die Schmerzdimensionen Intensität, Qualität, Affektivität und Schmerzverhalten, wobei die Wahl eigener Worte (»Es beißt über meinem ganzen Kopf«) oder nonverbale Methoden (z. B. Malen des Schmerzes) dem Kind die genaue Beschreibung der Schmerzen und ihrer Qualität erleichtern. Begleitsymptome der Schmerzen sowie schmerzauslösende und schmerzverstärkende Bedingungen, Beeinträchtigungen durch den Schmerz, schmerzbezogene Überzeugungen, Attributionen und Einstellungen, bisherige Behandlungsbemühungen und selbstinitiiertes Copingverhalten des Kindes und
56
Kapitel 4 · Messen und Erfassen von Schmerz
. Tabelle 4.4. Schmerzmessung durch Selbstbericht – unidimensionale Instrumente Instrument
Kurzbeschreibung
Anwendungsbereich
Handhabung
Altersgruppe
VASa Visuelle Analogskala
10 cm lange horizontale oder vertikale Linie mit den Polen »kein Schmerz« und »stärkstmöglicher Schmerz“», Erfassung der Dimensionen Schmerzintensität bzw. Schmerzaffektivität möglich. Güte: Reliabel und valide; sensibel für Veränderungsmessung. Nachteil: Farbige graphische Skalen (s. unten) werden besser verstanden als diese klassische Form.
Akute, rekurrierende und chronische Schmerzen
++
Ab 5 Jahre
VRS Verbale Ratingskala (»Adjektivskala«)
4-, 5- oder 6-stufige kategoriale Skala mit Beschreibung der Intensitätskategorien (z. B. kein, ein wenig, ziemlich starker, stärkstmöglicher Schmerz). Güte: Reliabel und valide; sensibel für Veränderungsmessung. Nachteil: Begriffe müssen für das Kind verständlich sein.
Akute, rekurrierende und chronische Schmerzen
++
Ab 7 Jahre
NRS Numerische Ratingskala
Skalen von 0–10 bzw. 0–100 zur Messung der Schmerzintensität; keine Angaben von Testgütekriterien; sensibel für Veränderungsmessung.
Akute, rekurrierende und chronische Schmerzen
+
Ab 6 Jahre
Graphische Ratingskalen
Schmerzthermometer zur Messung der Schmerzintensität 0–10 bzw. 0–100 [43]. Schmerzleiter; 9 Leiterstufen erfassen Schmerzintensität von 0–10 [37]. Glasratingskala; 6 Gläser von leer (kein Schmerz) bis ganz gefüllt (stärkster vorstellbarer Schmerz) [81]. Güte: Kindgerechte Analogverfahren, sehr gut geeignet zur Veränderungsmessung. Nachteil: Nicht bekannt.
Akute, rekurrierende und chronische Schmerzen
+++
Ab 5 Jahre
Eland Color Tool [21, 22]
4-stufige Farbskala zur Charakterisierung der Schmerzintensität, rot = meist »stärkster« Schmerz; keine Angaben von Testgütekriterien.
Akute, rekurrierende und chronische Schmerzen
+++
5–7 Jahre
PCT Poker Chip Tool [32]
Wahl von Chips (0–4), die den »pieces of hurt« (Schmerzintensität) entsprechen; Einsatz bei Injektionen; Korrelation mit Distress. Güte: Gut geeignet bei Kindern mit kognitiven und sprachlichen Schwierigkeiten. Besonders hilfreich bei Erstmessung mit Erläuterung des Schmerzkonzeptes. Nachteil: Das Verständnis der Kategorie »kein Schmerz« (ebenfalls durch einen Chip repräsentiert) kann sehr jungen Kindern Schwierigkeiten bereiten.
Akute und chronische Schmerzen, Injektionsschmerz
+++
4–7 Jahre
4
6
4
57 4.4 · Schmerzmessung im Kindesalter (ab etwa 4 Jahren)
. Tabelle 4.4. (Fortsetzung) Instrument
Kurzbeschreibung
Anwendungsbereich
Handhabung
Altersgruppe
MSPCT Multiple Size Poker Chip Tool [70]
Objektskala zur Erfassung der Schmerzintentiät von 0–4; Wahl von 4 Chips, die in der Größe zunehmen; kein Chip bedeutet »kein Schmerz«. Güte: Gut geeignet für Kinder mit kognitiven und sprachlichen Schwierigkeiten. Besonders hilfreich bei Erstmessung mit Erläuterung des Schmerzkonzeptes. Nachteil: Nicht bekannt
Prozeduraler Schmerz
+++
Ab 4 Jahre
Faces Pain Scale [7, 29]b
Messung der Schmerzintensität und des Schmerzaffektes durch eine Skala von 7 Erwachsenengesichtern (0–6) von »kein Schmerz« bis »schlimmstmöglicher Schmerz«. Güte: Sehr gute Testgütekriterien. Mäßige Reliabilität bei Kindern unter 6 Jahren. Nachteil: Form und Ausdruck der Gesichter finden bei Kindern nur geringe Akzeptanz
Akute, rekurrierende und chronische Schmerzen
+++
4–8 Jahre
SAS Smiley-Analogskala [42, 59]
Analoge Erfassung der Schmerzintensität über 5 Smiley-Gesichter; Dokumentationsblatt zur Darstellung des Schmerzverlaufs, therapiesensitiv. Güte: Reliabel und valide, einfache Handhabung, gut geeignet für die Schmerzdokumentation. Nachteil: Nicht bekannt.
Venenpunktion, Lumbal-/ Knochenmarkpunktion, Kopf-, Gelenk-, Tumorschmerzen
+++
Ab 3 Jahre
Oucher Scale [6]
Vertikales Set von 6 ansprechenden Fotografien von Kleinkindergesichtern mit unterschiedlichem Ausdruck von Schmerz (»kein Schmerz« bis »Dein größter Schmerz«); Wahl des für den Schmerz zutreffenden Gesichtes; Zuordnung einer Zahl (20erIntervall) auf einer vertikalen NRS 0–100. Güte: Valides und reliables Instrument. Nachteil: Bei Disidentifikation des Kindes mit den Bildern sind zufällige Messwerte wahrscheinlich.
Postoperative und chronische Schmerzen
++
3–5 Jahre
Children’s Anxiety and Pain Scales [47]
2 eindimensionale Skalen (0–4) mit je 5 Gesichtern (Schmerzausdruck bzw. Angstausdruck) zur getrennten Erfassung von Schmerz und Angst. Nachteil: Auf Konfundierung der beiden Dimensionen ist zu achten.
Schmerzen, Angst
+++
Ab 5 Jahre
Facial Affective Scale (FAS; auch MAFS: McGrath Affective Faces Scale [50])
Messung der Schmerzaffektivität über 9 stilisierte Gesichter von fröhlich bis traurig; Quantifizierung durch Normwerte. Güte: Therapiesensitiv, einzige Skala zur Erfassung der affektiven Schmerzdimension. Nachteil: Nicht bekannt.
Akute, rekurrierende und chronische Schmerzen
+++
Ab 5 Jahre
6
58
Kapitel 4 · Messen und Erfassen von Schmerz
. Tabelle 4.4. (Fortsetzung)
4
Instrument
Kurzbeschreibung
Anwendungsbereich
Handhabung
Alters gruppe
Behavior Interference Rating Scale [50]
Messung der Intensität mit Bezug zur Schmerzbeeinträchtigung; 6-stufige numerisch-verbale Ratingskala (0–5) von »kein Schmerz« bis »Schmerz, sodass ich nichts mehr tun kann«. Güte: Einzige Skala zur Erfassung von Beeinträchtigung. Nachteil: Nicht bekannt.
Kopfschmerzen
++
Ab 9 Jahre
Schmerzzeichnung [65]
Anmalen der Schmerzlokalisation in einem vorgegebenen Körperschema (Ganzkörper, Kopf ).
Jede Schmerzform
+++
Ab 7 Jahre
TaS Tactile Scale visueller [80]
Objektskala zur Erfassung der Schmerzintensität von 0–9; Wahl von 9 roten Bällen, die in der Größe zunehmen; »kein Ball« bedeutet »kein Schmerz“ Güte: Einziges Instrument für beeinträchtigte Kinder; verlässliches und valides Instrument Nachteil: nicht bekannt
Postoperative Schmerzen, Übelkeit
+++
Für Kinder mit visueller Beeinträchtigung
+++ = sehr einfach, ++ = einfach, + = aufwändig/kompliziert a VAS existieren auch als Skalen mit Plastikschieber, den das Kind selbst nach oben oder unten bzw. rechts oder links verschieben kann. Die Farbskala reicht häufig von hellem Pink für »kein Schmerz« bis Dunkelrot für »stärkster Schmerz«. Auf der Skalenrückseite ist der entsprechende Zahlenwert ablesbar. Farbskalen werden auch als Analogous Chromatic Continuous Scale (ACCS) bezeichnet. Farbige, mechanische Schiebeskalen und Gesichterskalen werden in unterschiedlichen Ausführungen von Pharmafirmen hergestellt. b Eine revidierte Form der »Bieri«-Skala ist von Hicks et al. validiert und veröffentlicht worden. Diese revidierte »Bieri«-
Skala hat 6 statt 7 Gesichter, die den Zahlen 0-2-4-6-8-10 zugeordnet werden. Somit haben die verbreitesten Schmerzskalen (VAS, KUSS, Bieri) die Schmerzwerte 0–10, was die Verwendung in der Klinik und die Dokumentation der Schmerzwerte vereinfacht [39]. c Englischsprachig
der Eltern sowie erste Informationen über möglicherweise schmerzrelevante Faktoren des sozialen Umfelds (Familie, Kindergarten, Schule) sind Bestandteile des Interviewleitfadens. Strukturierte, semistrukturierte und offene Interviewteile ermöglichen ein weitgehendes Eingehen auf die individuelle Problematik des Kindes. Bei jüngeren Kindern oder zusätzlichen Informationswünschen (z. B. Entwicklung des Schmerzsyndroms) werden die Angaben der Eltern mitaufgenommen. In Anlehnung an den Fragebogen für Schmerzpatienten der DGSS für Erwachsene und den Pediatric Pain Questionnaire von Varni u. Thompson
[68] wurde ein erster deutschsprachiger Schmerzfragebogen für Kinder, Jugendliche und Eltern entwickelt ([82], 7 Anhang B), der bei unterschiedlichen Schmerzformen angewendet werden kann. Ein speziell für Kinder mit chronischen Kopfschmerzen konzipierter Anamnesebogen einschließlich Elternteil liegt ebenfalls vor [20]. Beide Leitfäden haben sich als sehr praktikabel erwiesen und benötigen wenig Einarbeitungszeit. Mit zunehmender kognitiver Reifung entwickeln Kinder ein eigenständiges oder durch das elterliche Modellverhalten übernommenes Copingverhalten, das auf die Schmerzlinderung, die emotionale Anpassung und die funktionale Beeinträchti-
4
59 4.4 · Schmerzmessung im Kindesalter (ab etwa 4 Jahren)
gung abzielt. Dabei ist zwischen adaptiven und maladaptiven Copinganstrengungen zu unterscheiden. So gehen z. B. katastrophisierende Denkmuster mit einem maladaptiven Schmerzverarbeitungsstil einher. Die Erfassung der Copingstrategien trägt ferner dazu bei, individuelle Unterschiede sowohl im pharmakologischen als auch im psychologischen Behandlungserfolg der Kinder zu erklären. Generell wirken aber alle Copingstrategien immer unmittelbar auf das Schmerzerleben und -verhalten zurück und beeinflussen die Schmerzmessung in erheblichem Maße. Es ist deshalb empfehlenswert, das Copingverhalten der Kinder in die Schmerzdiagnostik einzubeziehen. 2 Fragebögen, die erstmals das Schmerzmanagement der Kinder detailliert erfassen, sind der Waldron/Varni Pediatric Pain Coping Inventory (PPCI [78]) und der Pain Coping Questionnaire (PCQ [63]). Eine erste, sich in der Validierung befindliche Übersetzung des PPCI ist bei den Autoren des Dattelner Schmerzfragebogens erhältlich ([82], 7 Anhang C).
Multidimensionale Instrumente – Tagebücher Bei chronischen Schmerzen ist das Führen eines kindgerecht gestalteten Schmerztagebuchs (. Tabelle 4.6) aus diagnostischer, therapeutischer und evaluativer Hinsicht unerlässlich. Diese ereignisnahe Form der kontinuierlichen und systematischen Verlaufsbeobachtung ist gut geeignet, um Erinnerungsfehler zu minimieren. Ferner bietet sie dem Kind die Möglichkeit, im direkten Vergleich alltags-
nahe Veränderungen im Therapieverlauf zu erkennen und selbstkontrolliertes Handeln zu stärken. Nach eigenen Erfahrungen kann die Akzeptanz und Compliance deutlich gesteigert werden, wenn die Kinder die täglichen Ereignisse elektronisch protokollieren können (z. B. mit Hilfe eines Handhelds) [s. auch 56a]. Für den Therapeuten liefern die Aufzeichnungen Entscheidungshilfen für die Therapieindikation und die Erfolgskontrolle. Sie können aber auch unmittelbar für einzelne Interventionen genutzt werden. Bei anfallsartigen Schmerzen sollte das Tagebuch über einen längeren Zeitraum geführt werden [46]. Das Kind sollte das Tagebuch selbständig führen können und für die tägliche (manchmal mühsame) Protokollierung durch geeignete Verstärker (z. B. Sticker) belohnt werden. Als Kernvariablen empfehlen wir, Schmerzintensität, -häufigkeit und -dauer in das Tagebuch aufzunehmen. Darüber hinaus sind Schmerzauslöser, -konsequenzen, -medikation, emotionale Befindlichkeit, durchgeführte bzw. unterlassene Aktivitäten, Begleitsymptome sowie eingesetzte Copingstrategien von Interesse. Für den deutschen Sprachraum sind ein Migränetagebuch [62] und ein leicht modifiziertes Kopfschmerztagebuch ([20], 7 Anhang B) veröffentlicht worden, die sich beide als reliabel und therapiesensitiv erwiesen haben; ihre Akzeptanz durch die Kinder ist sehr gut. Zusammenfassend hängt die Wahl der Skala vom Zweck, dem Entwicklungsalter des Kindes und der Schmerzart ab. Während Instrumente für Forschungszwecke vorrangig über sehr gute psychome-
. Tabelle 4.5. Schmerzmessung durch Selbstbericht – multidimensionale Instrumente Instrument
Kurzbeschreibung
Anwendungsbereich
Handhabung
Altersgruppe
DSF-KJ Deutscher Schmerzfragebogen für Kinder und Jugendliche [82]
3 Formen: Kinder (K), Jugendliche (J), Eltern (E); K: 8 Items zu Lokalisation, Intensität, Ursache, Bewältigung des Schmerzes; J + E: umfassender Bogen einschließlich Depressionsinventar für Kinder und Jugendliche zur gesamten Schmerzanamnese. Güte: Praktikabel, geringe Einarbeitungszeit notwendig. Nachteil: Nicht bekannt.
Chronische und rekurrierende Schmerzen
+++
Ab 6 Jahre
6
60
Kapitel 4 · Messen und Erfassen von Schmerz
. Tabelle 4.5. Schmerzmessung durch Selbstbericht – multidimensionale Instrumente
4
Instrument
Kurzbeschreibung
Anwendungsbereich
Handhabung
Altersgruppe
SIKI – Strukturiertes Kopfschmerz-Interview für Kinder [20]
Umfassende Anamnese des Kopfschmerzes. Teil I Kind: Anamnesekomplexe: Symptomatik, Auslöser, Bewältigung, Konsequenzen, Kognitionen, Emotionen, subjektives Krankheitsmodell. Teil II Eltern: Fragen zu bisherigen Maßnahmen, weiteren chronischen Erkrankungen, Schmerzen in der Familie Güte: Praktikabel, geringe Einarbeitungszeit notwendig. Nachteil: Durchführungszeit mit Erläuterungen für das Kind etwa 1 h. Kürzung der Itemanzahl möglich.
Kopfschmerzen
+++
8–14 Jahre
VT-PPQa VarniThompson Pediatric Pain Questionnaire [78]
Multidimensionale Erfassung rekurrierenden und chronischen Schmerzes; halbstrukturierte Interviewteile, Ratingskalen, Adjektivlisten; unabhängige Bearbeitung durch Kind, Eltern, ggf. Arzt oder Pflegepersonal; gemeinsamer Inhalt: Schmerzintensität, -lokalisation, -qualität; zusätzliche Elternangaben zu Schmerzentwicklung, Behandlungen, Medikamentengebrauch und familiärer Schmerzgeschichte. Güte: Häufige Erwähnung in der Literatur. Nachteil: Trainierte Interviewer notwendig.
Chronische und rekurrierende Schmerzen
+++
4–19 Jahre
APPTa Adolescent Pediatric Pain Tool [66]
Erfassung der Schmerzintensität mit Hilfe einer 10 cm graphischen Ratingskala, der Schmerzlokalisation durch Anmalen der Region in einem Körperschema sowie der Schmerzqualität durch Schmerzdeskriptoren. Güte: Valide und reliabel. Einziges Instrument speziell für Jugendliche. Nachteil: Nicht bekannt.
Postoperative Schmerzen
+++
8–17 Jahre
PCQa Pain Coping Questionnaire [63]
8 Subskalen (39 Copingstrategien): Informationssuche, Problemlösen, Suche nach sozialer Unterstützung, positive Selbstverbalisation, behaviorale Ablenkung, kognitive Ablenkung, Externalisierung und Internalisierung/Katastrophisierung; 5-stufige Häufigkeitsskala bezüglich der angewendeten Copingstrategien. Güte: Valide und reliabel. Nachteil: Aufwändige Auswertung.
Kopfschmerzen, JRA
+
8–16 Jahre
6
4
61 4.4 · Schmerzmessung im Kindesalter (ab etwa 4 Jahren)
. Tabelle 4.5. (Fortsetzung) Instrument
Kurzbeschreibung
Anwendungsbereich
Handhabung
Altersgruppe
PPCIa Waldron/ Varni Pediatric Pain Coping Inventory [78]
3 Formen: Kind (K), Jugendliche (J), Eltern (E) mit jeweils 41 Items. Erfassung von 5 Faktoren: kognitive Selbstinstruktion, Problemlösen, Ablenkung (kognitives Refocusing), Suche nach sozialer Unterstützung, Katastrophisierung/Hilflosigkeit. K- und J-Form unterscheiden sich in der altersgerechten Sprache. Angabe der Häufigkeit (3-stufige Likert-Skala), mit der eine Schmerzcopingstrategie eingesetzt wird. Güte: Gute konzeptionelle Validität; hohe interne Konsistenz. Nachteil: Erfassung spontaner (adaptiver und maladaptiver) Copingstrategien vor Therapiebeginn. Keine Angaben zu Therapieeffekten.
Muskuloskelettale Schmerzen/ rheumatologische Erkrankungen
+++
5–16 Jahre
McGill Pain Questionnaire für Kinder [1]
Einziger Fragebogen zur Erfassung der sensorischen, affektiven und evaluativen Schmerzqualität mit Hilfe von 30 Schmerzdeskriptoren; zusätzliche 10-cm-Skala zur Erfassung der aktuellen und stärksten erlebten Schmerzen. Güte: Gute Testgütekriterien. Nachteil: Vorrangig für Forschungszwecke geeignet.
Chronische Schmerzen in stationärem Setting
+
7–17 Jahre
CAMPIS-SF Child-Adult Medical Procedures Interaction Scale Short Forma [10]
Einziges Instrument zur Erfassung der Interaktion von Kind- und Erwachsenen-Verhalten. Es erfasst in 6 Dimensionen prozeduralen Distress (z. B. Weinen, verbaler Widerstand, verbaler Angstausdruck) und Copingverhalten des Kindes (z. B. hörbare kontrollierte Atemzüge, Ablenkung) sowie schmerz- und copingbeeinflussendes Verhalten der Eltern bzw. des medizinischen Personals. Einschätzung der Verhaltenshäufigkeiten durch 5-stufige Likert-Skalen. Güte: Sehr gute Interrater-Reliabilität und Validität. Praktikable Kurzform (SF). Nachteil: Evaluation an gesunden Kindern während Impfungen. Enge Altersklasse
Prozeduraler Schmerz
++
3–7 Jahre
Brief Behavioral Distress Scalea [76]
Verhaltensregistrierung von Distress und aktivem Copingverhalten in 12 Einzelschritten; Ermittlung eines gesamten Distress-Scores. Güte: Hohe Interrater-Reliabilität, gute Kriteriumsvalidität. Ökonomische Alternative zu komplexen kontinuierlichen Intervall-Kodierungssystemen, da kürzer und einfacher zu handhaben. Nachteile: Nicht bekannt
Invasive Schmerzen
+++
2–10 Jahre
+++ = sehr einfach, ++ = einfach, + = aufwändig/kompliziert. a Englischsprachig.
62
Kapitel 4 · Messen und Erfassen von Schmerz
. Tabelle 4.6. Schmerzmessung durch Selbstbericht – multidimensionale Instrumente (Tagebücher)
4
Instrument
Kurzbeschreibung
Anwendungsbereich
Handhabung
Altersgruppe
Migränetagebuch für Kinder [62]
Wochenblatt mit Protokollierung von Schmerzintensität, -dauer, -häufigkeit, -lokalisation, -qualität, emotionaler Befindlichkeit, Begleitsymptomen, Aktivitäten (Hinweise auf Auslöser, Konsequenzen). Güte: Sehr kinderfreundliche Gestaltung (beigelegte Sticker als Verstärker), therapiesensitiv. Nachteil: Nicht bekannt.
Kopfschmerzen
+++
8–14 Jahre
Kopfschmerztagebuch für Kinder [20]
Wochenblatt mit Protokollierung von Schmerzintensität, -dauer, -häufigkeit, -lokalisation, -qualität, emotionaler Befindlichkeit, Begleitsymptomen und Schmerzverhalten (Hinweise auf Auslöser, Konsequenzen). Güte: Sehr kinderfreundliche Gestaltung, hohe Akzeptanz, therapiesensitiv. Nachteil: Nicht bekannt.
Kopfschmerzen
+++
8–14 Jahre
Pain Diarya [51]
Protokollierung der Art des Schmerzes, der Schmerzintensität (0–100) und der Schmerzaffektivität (durch Angabe eines »Gesichts«). Güte: Therapiesensitiv. Nachteil: Keine kindgerechte Gestaltung. Angaben beziehen sich auf jede Art von Schmerz im letzten Monat. Nur sehr kurze Protokollierung auf 2 Zeilen des Protokollblatts möglich.
Diverse Schmerzformen
++
Ab 7 Jahre
Headache Diarya (im Rahmen eines Selbstlerntrainings) [51]
Protokollierung (4 Zeitpunkte) der Schmerzintensität (0–5) sowie weiterer Symptome, Medikation, möglicher Gründe des Schmerzes, Zeit der Entspannungsübung; Tagebuch ist Bestandteil eines Manuals; Protokollierung auf einem Tagesblatt. Güte: Therapiesensitiv. Nachteil: Keine kindgerechte Gestaltung. Aufwändige Protokollierung.
Kopfschmerzen
+
Ab 12 Jahre
+++ = sehr einfach, ++ = einfach, + = aufwändig/kompliziert. a Englischsprachig.
4
63 4.4 · Schmerzmessung im Kindesalter (ab etwa 4 Jahren)
trische Eigenschaften verfügen sollten, richtet sich in der klinischen Anwendung die Wahl der Skalen auch nach den Kriterien der Nützlichkeit, Handhabbarkeit und Akzeptanz. Sprachunabhängige Instrumente sind die am häufigsten eingesetzten Ratingskalen für Kinder. Die Gestaltung der Skalen sollte sich immer altersgerecht an der entsprechenden Zielgruppe orientieren. Zur Erfassung chronischer Schmerzen ist es sinnvoll, unterschiedliche Dimensionen der Schmerzen zu erheben, um das Schmerzgeschehen adäquat zu beschreiben; allerdings existieren noch nicht genügend geeignete multidimensionale Instrumente. Unabhängig davon, welche Skala zur Anwendung kommt, ist es für die Güte der Messung wichtig, dem Kind die Bedeutung und den Zweck des Instrumentes genau zu erklären; auch sollte es die Möglichkeit haben, die Skala – spielerisch und/oder mit Hilfe eines hypothetischen Schmerzszenarios – mehrmals zu erproben. Wenn Messungen innerhalb und außerhalb der Klinik über einen längeren Zeitraum wiederholt werden müssen, könnte es zur Unterstützung des Schmerzmanagements nützlich sein, Kind und Eltern ein kleines, kindgerecht ge-
staltetes Heft mit Erläuterungen über Schmerzen und die Wichtigkeit der Schmerzmessung auszuhändigen. 4.4.2
Instrumente der Fremdbeobachtung
Über das Schmerzverhalten kommuniziert das Kind in direkt beobachtbarer Weise mit dem Untersucher. Die Bedeutung der Beobachtung der Schmerzexpression nimmt jedoch bei Kindern, die sich verbal ausdrücken können, ab, bzw. die Beobachtung beschränkt sich auf das Schmerzverhalten im Untersuchungskontext. Einerseits ist die Selbsteinschätzung der Kinder, die auch ihr eigenes Verhalten in Schmerzsituationen betrifft, für die Schmerzmessung aufschlussreicher und valider als die häufig als objektiver angesehene Fremdbeobachtung [24]. Andererseits jedoch spiegelt der Selbstbericht vermutlich nur einen Ausschnitt dessen wider, was das Kind im Augenblick der Diagnostik fühlt, denkt oder zuzugeben bereit ist [17]. Die Eltern oder das Pflegepersonal können deshalb als weitere Datenquellen wertvolle Zusatz-
. Tabelle 4.7. Schmerzmessung durch Verhaltensbeobachtung Instrument
Kurzbeschreibung
Anwendungsbereich
Handhabung
Altersgruppe
Postoperative Pain for Parentsa [14]
Instrument zur Erfassung des Schmerzes durch die Eltern; Einschätzung von vorgegebenen 15 Verhaltensweisen. Güte: Valide, reliabel, sensitiv in der untersuchten Stichprobe, geringe Spezifität. Nachteil: Stark kontextabhängig.
Postoperative Schmerzen nach ambulanten Operationen
+
7–12 Jahre
Pain Scalea [56]
Elterninstrument für den häuslichen Gebrauch zur Erfassung von verbalem Ausdruck, Gesichtsausdruck, Körperbewegung auf einer 3-Punkte-Skala (0: kein Schmerz, 1: wenig bis mäßiger Schmerz, 2: beträchtlicher Schmerz). Güte: Ökonomische Alternative zu komplexen Verfahren, da kürzer und einfacher zu handhaben. Nachteil: Keine Angabe von Testgütekriterien
Postoperativer Schmerz
+++
1–5 Jahre
+++ = sehr einfach, ++ = einfach, + = aufwändig/kompliziert. a Englischsprachig.
64
4
Kapitel 4 · Messen und Erfassen von Schmerz
informationen für die Therapieentscheidung liefern. Dies kann entweder durch Angaben in den Anamneseinterviews (Teil für Eltern) oder mit Hilfe von Fragebögen oder Verhaltenstests geschehen. Fremdbeobachtung unterliegt allerdings den Einflüssen des Beobachters und ist meistens mit einen »observer bias« (»You see what you expect to see«) verbunden [49]. So über- oder unterschätzen Beobachter die Schmerzintensität der Kinder, schreiben eindeutige Schmerzzeichen nichtschmerzhaften Zuständen wie Hunger, Ärger oder Müdigkeit zu oder beurteilen den Schmerz »aus der Erfahrung« heraus, ohne ein standardisiertes Instrument zu benutzen. Die Schmerzeinschätzung der Eltern hingegen reflektiert häufig die Wahrnehmung eigener Ängste und Sorgen um das Kind [17, 49]. Alle Fehleinschätzungen führen jedoch zwangsläufig auch zu nicht adäquaten Medikamentenversorgungen. Allerdings ist ein oft notwendiges Beobachtungstraining des Pflegepersonals oder der Eltern zu aufwändig und die Beobachtung selbst kaum in die praktische Klinikarbeit zu integrieren. Chambers et al. [14] und Morgan [56] haben für Eltern kurze Verhaltensfragebögen zur Einschätzung postoperativer Schmerzen nach ambulanten Operationen publiziert (. Tabelle 4.7), die die Analgetikagabe durch die Eltern im häuslichen Bereich erleichtern. Vor allem für den chronischen Schmerz jedoch, bei dem keine Auslöser zu identifizieren sind und die Schmerzantwort subtiler ist als beispielsweise bei Injektionsschmerz, fehlen immer noch verlässliche und valide Beobachtungsmaße. Eine besonders schmerzgefährdete Gruppe sind entwicklungsretardierte Kinder mit Mehrfachbehinderung: 1. Sie haben gehäuft medizinische Probleme, die direkt Schmerzen verursachen (z. B. Aspirationspneumonien mit Begleitpleuritiden). 2. Oft benötigen sie schmerzhafte chirurgische Interventionen (z. B. Archillessehnenverlängerungen). 3. Viele dieser Kinder können nur auf eingeschränkte Verhaltens- und Kommunikationsmuster zurückgreifen, was die Mitteilung von Schmerzen behindert. 4. Schmerztypische Kommunikations- und Verhaltensvariablen, die bei gesunden Kindern die Schmerzerfassung leiten könnten, treten bei
Kindern mit Mehrfachbehinderungen häufig nur unvollständig auf und sind schwierig zu interpretieren. Weltweit existieren nur wenige Arbeitsgruppen, die sich mit Schmerzmessung bei Kindern mit Mehrfachbehinderungen beschäftigen. Giusiano et al. [28] untersuchten 100 mehrfachbehinderte Patienten ohne aktive Sprache im Alter von 8–33 Jahren. In Gesprächen mit Krankenpflegepersonal und Ärzten stellten sie 22 schmerztypische Parameter zusammen. Durch multivariate Analyse wurde die Menge der Schmerzindikatoren auf eine Gruppe von 5 Indikatoren für Patienten mit leichter, mittelschwerer bzw. schwerer Behinderung reduziert. Eine Validierung der Ergebnisse erfolgte nicht. McGrath et al. [52] interviewten Eltern von 20 mehrfachbehinderten Patienten im Alter von 6–29 Jahren. Sie fragten nach individuellen Schmerzindikatoren und stellten eine Liste mit 31 Parametern aus 7 Kategorien zusammen, die sich mit denen von Giusiano et al. [28] überschneiden. Mit der NonCommunicating-Children’s Pain Checklist (NCCPC-R) legte die Arbeitsgruppe um McGrath und Finley [10a] ein mehrfach validiertes und revidiertes Instrument zur Schmerzmessung bei stark kognitiv beeinträchtigten Kindern im Alter von 3–18 Jahren vor. Die von Eltern oder Betreuern zu bearbeitende Checkliste besitzt ausgezeichnete psychometrische Eigenschaften. Auch wenn erfreulicherweise das Augenmerk der Forschung inzwischen auch auf diese Gruppe der Kinder mit ihren besonderen Erfordernissen gerichtet ist, so fehlen immer noch Messinstrumente für spezielle Schmerzbereiche und Behinderungen.
4.5
Schlussfolgerungen
Eine systematische und umfassende Schmerzerhebung spiegelt die Schmerzerfahrung eines Kindes am besten wider und hilft allen in der Schmerztherapie Tätigen, das Schmerzmanagement zu verbessern. Die Beurteilung des kindlichen Schmerzverhaltens und – ab etwa 4 Jahren – die eigene Einschätzung der Schmerzintensität und -affektivität sollten integriert werden in das Wissen über die jeweilige Erkrankung, die begleitende Symptomatik und über die Kindes- und Familienbedingungen, um
65 Literatur
die individuelle Schmerzerfahrung eines bestimmten Kindes möglichst optimal beurteilen zu können. Die Schmerzmessung sollte bei allen Kindern, die postoperativ betreut werden oder aufgrund einer internistischen Erkrankung und/oder der daraus resultierenden Therapie Schmerzen erleiden, zur Routine werden, um so eine kontrollierte und bedarfsorientierte Analgesie durchführen zu können. Hierbei ist aber daran zu denken, dass Schmerzmessinstrumente immer nur an einer bestimmten kulturellen Gruppe von Kindern evaluiert wurden. Falls sie für Kinder aus anderen Kulturkreisen (ohne Crossvalidierung) benutzt werden, kann die Schmerzantwort des Kindes durch kulturelle Einflüsse falsch eingeschätzt werden. Die Dokumentation sollte gemeinsam mit der Dokumentation der Vitalparameter und Temperatur in festen Zeitabständen erfolgen, weiterhin regelmäßig nach Gabe eines Analgetikums zur Therapiekontolle. Alle Schmerzerfassungen und Analgetikagaben sollten mit Uhrzeit auf dem Bogen vermerkt werden. Die regelmäßige Schmerzerhebung mittels eines Schmerzbogens schafft besonders bei dem mit der Versorgung kranker Früh- und Neugeborener befassten medizinischen Personal ein größeres Problembewusstsein. Gleichzeitig wird die durchgeführte Schmerztherapie auf ihre Effektivität überprüft. Valide und reliable Skalen und Fragebögen wurden entwickelt. Für deutsche Übersetzungen müssen die Testgütekriterien allerdings neu ermittelt werden. Die Integration neuer Skalen in die Klinikroutine gestaltet sich aus zeitlichen und organisatorischen Gründen oft schwierig. Einfache, leicht anzuwendende Verfahren scheinen dabei die Einführung und Akzeptanz neuer Methoden zu erleichtern. Letzteres gelingt umso besser, wenn das medizinische und psychologische Personal gut ausgebildet, sensibel für die unterschiedlichen Manifestationen der Schmerzen in den verschiedenen Altersklassen und erfahren in der Schmerzbehandlung ist.
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Kapitel 4 · Messen und Erfassen von Schmerz
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5 Klinisch-pharmakologische Grundlagen der Schmerztherapie B. Roth, C. Hünseler, E. Michel und B. Zernikow* 5.1
Einleitung – 70
5.2
Opioidsystem und Opioidrezeptoren – 70
5.3
Allgemeine pharmakokinetische Besonderheiten im Kindesalter – 71
5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4
Absorption – 71 Proteinbindung – 71 Distribution – 72 Metabolismus und Elimination – 72
5.4
Opioidanalgetika – 73
5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4
Morphin und halbsynthetische Opioide – 74 Synthetische Opioide – 83 Agonistisch-antagonistische Opioide – 93 Opioidantagonisten – 94
5.5
Nicht-Opioidanalgetika – 95
5.5.1 Paracetamol (Acetaminophen) – 95 5.5.2 Nicht-steroidale Antiphlogistika (NSAID) und Metamizol – 97
5.6
Adjuvante Schmerzmittel – 104
5.6.1 5.6.2 5.6.3 5.6.4 5.6.5 5.6.6 5.6.7 5.6.8 5.6.9 5.6.10
Clonidin – 104 Trizyklische Antidepressiva – 105 Neuroleptika – 105 Benzodiazepine – 106 Bisphosphonate – 106 Parasympathikolytika – 106 Glukokortikosteroide – 106 Antikonvulsiva – 106 Ketamin – 107 Baclofen – 108
5.7
Schlussfolgerungen – 108
5.8
Pharmakologisches Glossar – 109 Literatur – 111
70
Kapitel 5 · Klinisch-pharmakologische Grundlagen der Schmerztherapie
)) 5.1
Einleitung Nozizeption ist bereits ab der 20.–22. Schwangerschaf tswoche (SSW) möglich. Kortikale Schmerzverarbeitung geschieht ab der 24. Schwangerschaftswoche [291]. Dabei ist bei Früh- und Neugeborenen das zentrale Schmerzhemmungssystem deutlich schlechter ausgebildet als das nozizeptive System, sodass beim Früh- und Neugeborenen generell vom Überwiegen nozizeptiven Stresses auszugehen ist. Über ungünstige Effekte von Distress und Schmerz sowie Langzeitfolgen eines neonatalen Schmerztraumas liegen heute Daten vor, insbesondere aus der operativen und neonatologischen Intensivmedizin [3, 218]. Die Einsicht, auch neonatologischen Intensivpatienten – z. B. unter Beatmung bei schwerem Lungenversagen – eine effektive Analgesie zu gewähren, hatte sich aber weitaus zögerlicher durchgesetzt. In allerjüngster Zeit scheint sich trotz noch spärlicher Datenlage ein Wandel zu vollziehen [5, 149, 205, 234].
5
5.2
Opioidsystem und Opioidrezeptoren
Das endogene Opioidsystem unterliegt ausgeprägten altersabhängigen Veränderungen (7 auch Kap. 2; [170]). Opioidrezeptoren kommen sowohl präsynaptisch als auch postsynaptisch vor. Die präsynaptische Stimulation von Opioidrezeptoren führt zu verminderter Freisetzung obligatorischer Neurotransmitter wie z. B. Glutamat, die in der Schmerzweiterleitung bedeutsam sind. Die Aktivierung des postsynaptischen Opioidrezeptors unterbindet die Neurotransmission durch Hyperpolarisation. Das spinale Opioidsystem ist im Dorsalhorn lokalisiert und hemmt die Schmerzleitung vom Nozizeptor über Aδ- und C-Fasern. Der überwiegende Rezeptortyp des Rückenmarks sind κ-Rezeptoren [67]. Das supraspinale Opioidsystem ist über verschiedenene Mechanismen an der Auslösung von Analgesie beteiligt, so über Verminderung des nozizeptiven Inputs des Gehirns als auch über Steuerung des aszendierenden und deszendierenden Schmerzkontrollsystems. Opioidrezeptoren sind im Gehirn
weit verteilt mit der größten Dichte in Hirnstamm, Thalamus, Amygdala, Hippocampus und Kortex. µ-Rezeptoren sind in allen Strukturen nachweisbar, während δ-Rezeptoren überwiegend im Vorderhirn und limbischen System zu finden sind. µ-Rezeptoren entwickeln sich in der Fetalzeit offenbar zeitlich vor den δ-Rezeptoren. µ-Rezeptoren vermitteln die klassischen Opioideffekte. Man unterscheidet folgende Subtypen E µ1 für supraspinale Analgesie, E µ1 für Atemdepression und physische Abhängigkeit. µ-Rezeptoren finden sich zum Zeitpunkt der Geburt im ZNS in einer Konzentration von nur 40 % der Erwachsenendichte [292]. δ-Rezeptoren vermitteln spinale und stressinduzierte Analgesie, Toleranzentwicklung und Sedierung, während κ-Rezeptoren vorwiegend spinale Analgesie vermitteln. Die Wirkung von δ-Rezeptoren schließlich ist verbunden mit psychomimetischen Effekten. Ihre Dichte erreicht kurz vor der Geburt ihr Maximum, v.a. im frontalen Kortex und Hippocampus, was für die Gefühlsverarbeitung beim Neugeborenen von Bedeutung sein könnte [82]. Die Neurobiologie der Entwicklung des schmerzleitenden und verarbeitenden Systems beim Menschen wird in aller Regel in Analogie zur Entwicklung entsprechender Strukturen der neugeborenen Ratte gesehen. Der Entwicklungsstand des ZNS einer neugeborenen Ratte entspricht dem eines menschlichen Fetus von 24 Wochen Gestationsalter, und ein reifes Neugeborenes ist in dieser Hinsicht mit einer 7 Tage alten Ratte vergleichbar [78]. Das endogene Opioidsystem weist sowohl in anatomischer als auch funktioneller Hinsicht erhebliche Unterschiede zwischen Neugeborenen und Erwachsenen auf, charakterisiert u. a. durch eine wesentlich höhere Plastizität in der Fetal- und Neonatalzeit. Verbunden mit der durch zahlreiche Untersuchungen als sicher geltenden verstärkten Reaktionsbereitschaft des Neugeborenen auf nozizeptive Stimuli ist im Gegensatz zum Erwachsenen wenig bekannt über seine zentrale Schmerzwahrnehmung und -verarbeitung. Opioide spielen eine wesentliche Rolle bei der Funktion des absteigenden inhibierenden Kontrollsystems vom Hirnstamm zum Rückenmark und bei der Reduktion des nozizeptiven Input über C- und
71 5.3 · Allgemeine pharmakokinetische Besonderheiten im Kindesalter
Aδ-Fasern. Bei der Ratte entwickelt sich dieses System erst postnatal, obwohl komplette anatomische Strukturen bereits zum Zeitpunkt der Geburt ausgebildet sind [77]. Anatomische Befunde und Reaktionsmuster Früh- und Neugeborener legen nahe, dass in dieser Altersstufe ein im Vergleich zum Erwachsenenalter deutlich verstärkter nozizeptiver Input über C-Fasern besteht und dass nachfolgende NMDA-rezeptorenvermittelte Effekte wie »wind-up« und zentrale Sensibilisierung in der Neugeborenenzeit wesentlich stärker ausgeprägt sind als beim Erwachsenen [170]. Opioide haben in der Fetal- und Neonatalzeit einen signifikanten Einfluss auf die Regulation neuronaler Differenzierung und Entwicklung des ZNS. Ähnlich wie endogene Opioide hemmt Morphin in vivo bei neonatalen Ratten die neuronale DNA-Synthese, ein Effekt, der durch Vorbehandlung mit Naloxon gehemmt werden kann (7 auch Kap. 17; [143]). Eine pränatale chronische Einwirkung von Morphin auf Rattenfeten führt zu einer signifikanten Verminderung der Dichte von µ-Rezeptoren im Gehirngewebe, verbunden mit einer Toleranz gegenüber der analgetischen Wirkung von Morphin in der Postnatalphase [263]. Für den Menschen ist wenig bekannt über Langzeiteffekte einer Opioidverabreichung in der Fetalund Neonatalzeit im Hinblick auf die Differenzierung des ZNS, speziell des Opioidrezeptorensystems, und die spätere neurologische Entwicklung. Mac Gregor et al. [165] gelang es nicht, in ersten Nachuntersuchungen von Frühgeborenen, die in der Neonatalzeit mit Morphin behandelt worden waren, nachteilige Auswirkungen auf motorische Funktion, Intelligenz und Verhalten nachzuweisen.
5.3
Allgemeine pharmakokinetische Besonderheiten im Kindesalter
(siehe auch pharmakologisches Glossar ab Seite 130) 5.3.1
Absorption
Bis zu einem Alter von 2–3 Jahren kann die gastrointestinale Absorption von Arzneimitteln beeinträchtigt sein, abhängig vom Säuregrad des Magensaftes,
5
einer evtl. verzögerten Magenentleerung und einem ausgeprägten hepatischen First-pass-Effekt. Deshalb müssen ggf. nach oraler Applikation deutlich höhere Dosen des betreffenden Arzneimittels eingesetzt werden. Beim Morphin unterliegen bis zu 80 % einer oralen Dosis dem First-pass-Effekt. Die rektale Absorption ist kaum vorhersagbar. Subkutane sowie intramuskuläre Injektionen bzw. Infusionen sind schmerzhaft, und durch Kreislaufbeeinträchtigung kann die Aufnahme des Arzneimittels in das Blut in unvorhersagbarer Weise beeinflusst werden. 5.3.2
Proteinbindung
Die meisten Analgetika sind an Plasmaproteine gebunden, Opioide speziell an saures α1-Glukoprotein und Albumin. Pharmakologisch wirksam und für den Opioidrezeptor bzw. das Zielorgan verfügbar ist einzig der freie Anteil des Arzneimittels. Der relative Anteil des an Protein gebundenen Arzneimittels ist bei Früh- und Neugeborenen in Anbetracht der allgemein verminderten Konzentration der Bindungsproteine deutlich reduziert. Darüber hinaus kann, besonders bei sauren Arzneimitteln, die Bindung durch die Konzentration der freien Fettsäuren und des unkonjugierten Bilirubins beeinflusst werden. Die Größe des Verteilungsvolumens wird u. a. vom Grad der Proteinbindung mitbestimmt. So haben nichtsteroidale Antiphlogistika durch ihre sehr hohe Proteinbindung von über 95 % kleine Verteilungsvolumina in der Größenordnung von 0,1–0,2 l/kg KG. Die Penetrationsfähigkeit von Analgetika durch biologische Membranen wird maßgeblich mitbestimmt durch den Ladungsstatus des Arzneimittels, d. h. ob es in ionisierter oder nichtionisierter Form vorliegt, was maßgeblich auch vom Blut-pH-Wert abhängt. Ein weiterer arzneimittelspezifischer Faktor ist die Fettlöslichkeit. Während in der Regel die Hirnkapillaren bei Kindern relativ impermeabel für die meisten ionisierten und wasserlöslichen Arzneimittel sind, können diese Stoffe bei Früh- und Neugeborenen bei wenig entwickelter Blut-Hirn-Schranke in ionisierter und wasserlöslicher Form ähnlich rasch wie fettlösliche Arzneimittel in das Gehirn gelangen. In analoger Weise reagieren periphere Nerven des Neugeborenen mit ihrer geringeren Myelinisierung
72
Kapitel 5 · Klinisch-pharmakologische Grundlagen der Schmerztherapie
empfindlicher auf die Effekte von Lokalanästhetika als beim Erwachsenen. 5.3.3
5
Distribution
Früh- und Neugeborene besitzen im Vergleich zu älteren Kindern einen wesentlich höheren Bestand an Gesamtkörperwasser und eine geringere Muskelmasse in Bezug auf ihr Körpergewicht. Während bei Frühgeborenen das Gesamtkörperwasser 80–85 % des Körpergewichts ausmacht, liegt der Anteil beim Neugeborenen bei ca. 75 %, bei Säuglingen im 1. Lebensjahr bei 60 % und im jugendlichen Alter bei 50 %. Der Anteil des extrazellulären Wassers sinkt von 40–45 % bei Früh- und Neugeborenen über 25–30 % bei Säuglingen auf 20 % bei Jugendlichen ab. Der Fettanteil steigt vom Neugeborenen mit 12–14 % des Körpergewichtes auf 20–30 % beim Jugendlichen an. Große Verteilungsvolumina spiegeln eine extensive Aufnahme des Arzneimittels im Gewebe wider. Somit sind für viele Opioidanalgetika mit hoher Fettlöslichkeit die Verteilungsvolumina sehr groß und übersteigen den Zahlenwert des Körpergewichts um das Mehrfache. Zahlreiche Krankheitszustände (Nierenversagen, hepatische Insuffizienz, kardiale Störungen, Hypovolämie und Dehydratati-
on) führen zu erheblichen Veränderungen der Verteilungsvolumina. Der Blut-pH-Wert vermag oft über den Ionisationsgrad die Verteilung eines Arzneimittels zu beeinflussen. So ist z. B. bei Azidose der nichtionisierte Anteil von NSAID erhöht, was eine bessere Diffusion des Medikamentes vom Plasma ins Gewebe bedeutet. 5.3.4
Metabolismus und Elimination
Die metabolische Leistung des Gesamtorganismus lässt sich am ehesten beschreiben durch die totale Clearance bezogen auf Körpergewicht oder Körperoberfläche. Gegen Ende des 1. Lebensmonats kommt es zu einem Anstieg der totalen Clearance eines Arzneimittels mit weiterer Zunahme während des Säuglings- und Kleinkindesalters. Zahlreiche fettlösliche Arzneimittel, darunter Opioide, werden im Kleinkindesalter 2- bis 6-mal schneller eliminiert als bei älteren Kindern oder Erwachsenen (. Abb. 5.1 und 5.2). Neuere Opioide wie Fentanyl, Alfentanil und Sufentanil werden per Biotransformation zu zumeist inaktiveren Metaboliten abgebaut. An der Biotransformation, so z. B. des Remifentanils, sind Plasmaesterasen beteiligt. Offensichtlich ist bei Früh- und Neugeborenen die Aktivitität der Pseudocholines-
. Abb. 5.1. Verteilungsvolumina [l/kg KG] verschiedener Opioide in Abhängigkeit vom Lebensalter
73 5.4 · Opioidanalgetika
5
. Abb. 5.2. Clearance verschiedener Opioide in Abhängigkeit vom Lebensalter
terase und Acetylcholinesterase oder Arylesterase im Vergleich zu älteren Kindern vermindert mit der Folge verlängerter Arzneimittelwirkung. Wir sehen dies auch bei genetischen Defekten der Pseudocholinesterase. Opioide unterliegen z.T. einem ausgedehnten hepatischen Metabolismus unter Beteiligung des mikrosomalen Enzymsystems (Phase-I-Reaktion) und hepatischer Konjugation, u. a. mit Glukuronsäure oder Sulfat (Phase-II-Reaktion). Aus Morphin entsteht durch Koppelung an Glukuronsäure das analgetisch stark wirksame Morphin-6-Glukuronid (M-6-G). Die Fähigkeit zur Glukuronidierung ist beim Frühgeborenen noch beschränkt und erreicht zumeist erst ab dem 3. Lebensmonat ein dem Erwachsenen vergleichbares Niveau. Speziell beim Frühund Neugeborenen ist der Umbau hepatisch metabolisierter Arzneimittel in sehr hohem Maße vom hepatischen Blutfluss abhängig, insbesondere wenn noch ein offener Ductus venosus vorliegt, der einen nennenswerten Anteil des Blutes an der Leber vorbeiführt. Auch erhöhter intraabdomineller Druck, z. B. nach Operation einer Omphalozele, vermindert den hepatischen Blutfluss erheblich. Ein offener Ductus arteriosus Botalli schränkt wie eine Hypoxämie ebenfalls den hepatischen Arzneimittelmetabolismus ein.
Ein weiteres wesentliches Ausscheidungsorgan für Arzneimittel sind die Nieren. Glomeruläre Filtration und tubuläre Sekretion sind bei Früh- und Neugeborenen erheblich eingeschränkt. In diesem Alter sind Zahl und Funktion von Nephronen noch vermindert. Beim Früh- und Neugeborenen kann die glomeruläre Filtrationsrate bei 0,4–5 ml/min liegen. Im Verlauf von 3–5 Monaten erreicht die Nierenfunktion Werte vergleichbar denen Erwachsener, wobei die Fähigkeit der Niere, Arzneimittelmetabolite auszuscheiden, erst im Alter von 2–3 Jahren ihr Maximum erreicht. Zwar wird nur ein geringer Anteil der Opioidmetabolite renal eliminiert, doch kann dieser Ausscheidungsweg unter pathologischen Umständen bedeutsam werden, insbesondere hinsichtlich der wasserlöslichen Morphinmetabolite M-6-G und M-3-G.
5.4
Opioidanalgetika
Opioidanalgetika wirken supraspinal, spinal und auch peripher analgetisch. Die natürlich vorkommenden Stoffe Morphin und Kodein werden auch als Opiate bezeichnet. In Hinblick auf das Bindungsverhalten am Opioidrezeptor wird die klinisch bedeutsame pharma-
74
5
Kapitel 5 · Klinisch-pharmakologische Grundlagen der Schmerztherapie
kologische Unterteilung in agonistische (bezogen auf den µ-Rezeptor), antagonistische und gemischt agonistisch-antagonistische Opioide vorgenommen. Morphin ist ein reines µ-agonistisches Opioid, wohingegen Naloxon am µ-Rezeptor antagonistisch wirkt. Gemischt agonistisch-antagonistische Opioide, wie z. B. Nalbuphin, bewirken zwar einerseits eine geringere Atemdepession, andererseits sind sie aber in ihrer analgetischen Wirkung begrenzt. Der Effekt lässt sich auch bei Dosissteigerung nicht über ein gewisses Maß hinaus erhöhen (Ceilingeffekt). µ-Rezeptor-vermittelte analgetische und atemdepressorische Wirkung lassen sich im Opioidanalgetikum bislang nicht trennen. Alle agonistischen Opioide bewirken in analgetisch equipotenten Dosen ähnlich starke Effekte bezüglich Atemdepression, Sedierung, Euphorie, Übelkeit, Gallenwegsspasmen oder Obstipation. Für Früh- und Neugeborene wurde lange angenommen, dass Opioide eine stärkere atemdepressorische Wirkung besitzen als beim Erwachsenen [39]. Der Eindruck erhöhter Empfindlichkeit Früh- und Neugeborener scheint wesentlich mitbedingt zu sein durch eine höhere systemische Opioidexposition bei verzögerter Elimination. Daneben sind im Hinblick auf die zentrale Wirkung von Opioiden bei Früh- und Neugeborenen die relativ geringe Plasmaproteinbindung, die durchlässigere Blut-Hirn-Schranke und ontogenetische Besonderheiten in der Differenzierung von Opioidrezeptoren zu berücksichtigen. Im Tierexperiment bewirkt Morphin wie Fentanyl bei neugeborenen Ratten in allen postnatalen Altersstufen eine gute Analgesie, Pethidin jedoch erst im höheren Alter [264]. Klinische Ergebnisse erwecken andererseits den Eindruck, dass von den µ-Agonisten Morphin [39], Fentanyl [45] und Sufentanil [91] im Neugeborenenalter für eine adäquate Analgesie und Sedierung sogar höhere Konzentrationen erforderlich sind als bei älteren Kindern. Muskel- und Thoraxrigidität, die letztlich bei zu rascher Injektion mit allen Opioiden ausgelöst werden können, scheinen bei Frühund Neugeborenen häufiger aufzutreten. Zur Langzeitanalgesie und Sedierung sind Opioide mit relativ kurzer kontextsensitiver Halbwertzeit wie Alfentanil und Sufentanil sinnvoll [114], oder gar Remifentanil, dessen Eliminationshalbwertzeit kontextunabhängig ist.
Die Wahl eines speziellen Opioides wird sich nach der Indikation richten: Starke µ-Agonisten (Fentanyl, Alfentanil, Sufentanil und Remifentanil) sind bei intravenöser Anwendung der intra- und postoperativen Analgesie vorbehalten, wenn die Beatmung weitergeführt wird. Morphin und auch gemischte Agonisten-Antagonisten eignen sich nicht für die intraoperative Analgesie, sondern viel eher zur postoperativen Versorgung von Patienten, die nicht beatmet sind [10, 29]. 5.4.1
Morphin und halbsynthetische Opioide
Morphin und die semisynthetischen Opioide Kodein und Diamorphin sind in der Kinderheilkunde beliebte Analgetika. Besonders für Morphin stellen nach wie vor Früh- und Neugeborene eine wesentliche Patientengruppe dar, obwohl in dieser Altersgruppe eine ausgeprägte Variabilität hinsichtlich Pharmakokinetik und Metabolisierung besteht [124, 125]. Indikationen für Morphin, Kodein und Diamorphin sind in der Hauptsache die Schmerztherapie, jedoch wird auch der sedierende Effekt von Morphin in der postoperativen Betreuung, bei Tumorschmerzen, Sichelzellkrisen, Verbrennungen, Aids und bei intensivmedizinisch bedingten Schmerzzuständen genutzt.
Morphin Morphin ist das Opioid mit der klinisch umfangreichsten Erfahrung bei Kindern, speziell bei Frühund Neugeborenen [124, 125]. Dosierungsempfehlungen finden sich in Kap. 11, 13 und 17.
Bioverfügbarkeit, Metabolismus und Pharmakodynamik Die Bioverfügbarkeit von Morphin nach oraler Verabreichung (z. B. Sevredol) ist durch unvollständige Aufnahme und einen erheblichen First-pass-Effekt der Leber gekennzeichnet. In der Neugeborenenphase kann von einer Bioverfügbarkeit zwischen 25 und 40 % der verabreichten Dosis ausgegangen werden, sodass oral etwa das 3fache der intravenösen Dosis verabreicht werden sollte. Häufig wird Morphin oral als Tropfen gegeben. Wenn chronische Schmerzen im Vordergrund stehen, ist auch eine retardierte Präparation (z. B. MST
5
75 5.4 · Opioidanalgetika
Retard-Tabletten oder MST Retard-Granulat) in Kombination mit Morphintropfen möglich. Nach oraler Gabe nicht-retardierten Morphins (z. B. Sevredol) wird die maximale Plasmakonzentration im Mittel nach 1 h, bei retardierten Präparaten (z. B. MST) nach 3 h erreicht. Auf die subkutane bzw. intramuskuläre Verabreichung von Opioiden sollte verzichtet werden. Morphin wird in der Leber in einer PhaseII-Reaktion unter Bildung von Morphin-3-Glukuronid (M-3-G) und Morphin-6-Glukuronid (M-6-G) metabolisiert. M-3-G und M-6-G haben völlig verschiedene pharmakologische Wirkprofile. Während M-6-G ein hochwirksames Analgetikum ist und atemdepressive Wirkungen zeigt, ist M-3-G in der Lage, die analgetischen Effekte von Morphin und M-6-G zu antagonisieren [102, 103]. Der analgetische Nettoeffekt von Morphin beim Früh- und Neugeborenen ist daher abhängig von
dem Verhältnis an M-6-G und M-3-G am Wirkort und damit von der unterschiedlichen Reifung der jeweiligen Uridyl-Diphosphat-Glucuronyl-Transferasen. Insgesamt ist die Bildung von M-6-G und M3-G bei Frühgeborenen sehr variabel. Die meisten Früh- und Neugeborenen scheinen unter Morphininfusion wenig oder kein M-6-G zu bilden, stattdessen ist M-3-G nachweisbar [39]. Wird allerdings M6-G gebildet, so scheint das Verhältnis von M-6-G zu M-3-G zuzunehmen, je unreifer das Neugeborene ist [178]. Bei älteren Kindern ist das Verhältnis von Morphin zu seinen Metaboliten abhängig vom Alter der Kinder, der Begleittherapie und dem Applikationsweg [73]. Werden Neugeborene von der Metaanalyse ausgeschlossen, zeigt sich kein signifikanter Unterschied zwischen Kindern und Erwachsenen in den Verhältnissen von M-3-G:M oder M-6-G:
5 Kinder > 1. Lebensmonat 5 p.o.- und i.v.- Gabe 5 nierengesunde und niereninsuffiziente Patienten
5 Kinder >1 Monat und Erwachsene 5 p.o. und i.v. 5 Niereninsuffizienz
5 Kinder > 1 Monat und Erwachsene 5 p.o. und i.v. 5 ohne Niereninsuffizienz
5 Kinder > 1 Monat und Erwachsene 5 p.o. 5 ohne Niereninsuffizienz
5 Kinder > 1 Monat und Erwachsene 5 i.v. 5 ohne Niereninsuffizienz
5 <11 Jahre 5 orale Gabe
5 > 11 Jahre 5 orale Gabe
Mittelwert (Bereich)
Mittelwert (Bereich)
Mittelwert (Bereich)
Mittelwert (Bereich)
Mittelwert (Bereich)
Mittelwert (Bereich)
Median (25;75 Perzentile)
Median (25;75 Perzentile)
M-3-G: M
22,6 (2,8–198)
15,9 (0,2–504)
40 (10,6– 504)
20,8 (0,2–70)
28,4 (8,3–70)
6 (0,2–15)
19 (11;23)
24 (18;32)
M-6-G: M
4,1 (0,3–47)
3,3 (0,03–97)
9,7 (1,2–97)
3,7 (0,03– 10,9)
4,9 (0,9–10,9)
0,9 (0,03–2,6)
4 (2;6)
7 (4;8)
Population
5 Erwachsene 5 p.o.- und i.v.- Gabe 5 nierengesunde und niereninsuffiziente Patienten
. Tabelle 5.1. Molare Verhältnisse von Morphin und seinen Hauptmetaboliten. (Nach [73, 115])
Angaben
Molares Verhältnis
5
Patienten
Plasmakonzentration
Setting/Wirkung/Bemerkung
Literatur
Alfentanil
Erwachsene
35–50 µg/l >200 µg/l 79 (50–220) µg/l
Sedierung unter apparativer Beatmung Analgesie bei chirurgischen Eingriffen Sedierung während Herzkatheteruntersuchung Unterdrückung der Stressantwort beim endotrachealen Absaugmanöver
[119] [119] [221] [234]
Klein-und Schulkinder Frühgeborene 29–36 SSW – 10 µg/kg i.v. – 20 µg/kg i.v
– 17–22 ng/ml – 40–50 ng/ml
Diamorphin
Frühgeborene
Konzentration des analgetischen Metaboliten Morphin: 20–98 ng/ml
Effektive Sedierung und Analgesie
[72]
Fentanyl
Frühgeborene <34 SSW Frühgeborene >34 SSW Frühgeborene Erwachsene
1,7 µg/l 2,1 µg/l 7,7–13,6 µg/l 0,6 µg/l
Ausreichende Sedierung unter Beatmung Ausreichende Sedierung unter Beatmung Anästhesie bei Ductus-arteriosus-Ligatur Postoperative Analgesie
[230] [230] [43] [87]
Hydromorphon
Schulkinder Schulkinder
1,1–1,5 µg/ml H-3-G: 30–58 ng/ml 4,7 (1,9–8,9) ng/ml
Tumorschmerzen PCA, Mukositisschmerz
[12] [45]
Morphin
Neugeborene Säuglinge Neugeborene Säuglinge Klein- sowie Schulkinder Kinder
26,2±22,5 ng/ml 70–300 ng/ml 2–57 ng/ml 64, 5±18 ng/ml
Postoperative Analgesie Sedierung unter apparativer Beatmung (ab 21 ng/ml zeigten 50% der Patienten eine ausreichende Sedierung, ab 300 ng/ml fand sich eine deutliche Zunahme von Nebenwirkungen) Analgesie Analgesie bei chirurgischen Eingriffen
[200] [39] [125] [49]
Paracetamol
Klein- und Schulkinder Gesunde, erwachsene Probanden Klein- und Schulkinder
10–20 mg/dl <10 mg/dl
Antipyrese Analgetische Effekte
[190]
25 mg/dl
Analgesie nach Tonsillektomie
[172]
Klein- und Schulkinder
0,15–0,2 mg/dl
Postoperative Analgesie
[98]
Pethidin
Kapitel 5 · Klinisch-pharmakologische Grundlagen der Schmerztherapie
Medikament
76
. Tabelle 5.2. Plasmakonzentrationen verschiedener Analgetika. Angegeben werden entweder Mittelwert und Standardabweichung oder minimal und maximal gemessene Werte. Bei Opioiden fehlt ein enger Zusammenhang zwischen Plasmakonzentration und Analgesie
77 5.4 · Opioidanalgetika
M [73]. Das Verhältnis von M-3-G:M-6-G ist eng korreliert (R2=0,99), wobei die Serumkonzentration von M-6-G etwa 15 % geringer ist als die von M-3-G [73]. Bei oraler Applikation beeinflusst der hohe First-pass-Effekt die Verhältnisse der Morphinmetaboliten (. Tabelle 5.1). Der Einfluss einer Niereninsuffizienz auf die Morphinmetaboliten (Erhöhung der Verhältnisse von M-3-G bzw. M-6-G zu Morphin) ist bei oraler Applikation ausgeprägter als bei intravenöser Gabe [73]. Ein weiterer, bisher kaum untersuchter Metabolisierungsweg ist die Sulfatierung von Morphin, die allerdings jenseits des Neugeborenenalters keine große Rolle spielt [41]. Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass zwischen dem analgetischen Effekt und der Plasmakonzentration für Morphin kein fester Zusammenhang besteht (. Tabelle 5.2).
Pharmakokinetik Die Pharmakokinetik von Morphin erreicht mit 5–6 Lebensmonaten Erwachsenenniveau (. Tabelle 5.3, . Abb. 5.1 und 5.2; [193, 200]). Nach intravenöser Gabe zeigt die Morphinplasmakonzentrationskurve einen biexponentiellen Verlauf. Einer raschen initialen Verteilungsphase folgt eine langsame Eliminationsphase, die beeinflusst werden kann durch Redistribution von Morphin aus peripheren Geweben. Das Verteilungsvolumen von Morphin ist unabhängig vom Lebensalter und liegt bei großer Streubreite im Mittel bei 2,8 ± 2,6 l/kg KG [124]. Der Anteil von freiem Morphin ist relativ altersunabhängig (. Tabelle 5.4; [21, 24, 86]). Morphin und die Morphinglukuronide werden renal ausgeschieden. Der renal eliminierte Anteil von Morphin und Morphinglukuroniden ist bei reifen Neugeborenen jünger als 3 Monate deutlich höher als bei älteren Kindern [178]. Bei Erwachsenen beträgt der Anteil der renalen Clearance an der Gesamtkörperclearance lediglich 10 %. Dies macht deutlich, dass insbesondere bei Früh- und Neugeborenen mit eingeschränkter Nierenfunktion rasch eine substantiell verminderte Exkretion von Morphin und den genannten Metaboliten auftritt. Die Elimination im höheren Säuglingsalter und bei Kleinkindern scheint insgesamt schneller zu geschehen als bei Heranwachsenden und Erwachsenen [124, 141, 226]. Ob eine Abhängigkeit der Eliminationskinetik vom Gestationsalter besteht, ist bislang nicht eindeutig entschieden [18, 216].
5
Die Morphinclearance zeigte eine enge Abhängigkeit zwischen Gestationsalter und Geburtsgewicht [102]. Anders als die Eliminationshalbwertzeit zeigt die Clearance vom Frühgeborenenalter an eine Zunahme und steigt bis zum Schulkindesalter auf das 10fache an (. Abb. 5.2; [24, 80, 124]). Es besteht eine große intra- und interindividuelle Schwankungsbreite der Morphineliminationsparameter. Chay et al. [39] beobachteten bei Neugeborenen für Morphin eine etwa 3fache Variabilität der terminalen Morphinhalbwertzeit und parallel dazu eine fast 7fache Variabilität der Clearance. Daneben wird die Morphinelimination maßgeblich beeinflusst durch besondere pathophysiologische Gegebenheiten beim Patienten (s. oben). Dagan et al. [48] fanden bei Kindern nach kardiochirurgischen Eingriffen mit Verminderung des »cardiac output« und erhöhtem Katecholaminbedarf eine 3fache Verminderung der Morphinclearance bei eindeutig erhöhtem Verteilungsvolumen (. Tabelle 5.3), letzteres möglicherweise bedingt durch ein erhöhtes Extrazellulärvolumen aufgrund eines »capillary leak«. Mitursache der verminderten Clearance mag auch ein reduzierter hepatischer Blutfluss gewesen sein. Bei hepatozellulären Funktionsstörungen bleibt die Glukuronsäure-Konjugation lange Zeit weitgehend erhalten und wird durch extrahepatische Eliminationsmechanismen ergänzt [113]. Früh- und Neugeborene stellen aber insofern eine Ausnahme dar, als in der betreffenden Altersgruppe die Glukuronidierungsleistung insgesamt noch eingeschränkt ist. Eine veränderte Nierenfunktion aufgrund des reduzierten »cardiac output« beeinflusst die Morphinclearance offenbar weniger stark (. Tabelle 5.5; [13]). Demgegenüber ist die renale Elimination der aktiven Morphinmetaboliten M-3-G und M-6-G bei eingeschränkter Nierenfunktion deutlich gestört mit der Folge von Kumulation und toxischen Auswirkungen, bei M-6-G u. a. in Form von Atemdepression [206] oder bei M-3-G in Form von Myoklonien [254]. Im Früh- und Neugeborenenalter ist die renale Funktionseinschränkung von untergeordneter Bedeutung.
Nebenwirkungen Die häufigsten Morphinnebenwirkungen sind Übelkeit, Erbrechen, Hautjucken und Harnretention. Auch werden Obstipation, bronchiale Konstriktion,
78
Kapitel 5 · Klinisch-pharmakologische Grundlagen der Schmerztherapie
. Tabelle 5.3. Pharmakokinetische Parameter für Morphin nach Einzelinfusion und Dauerinfusion (Früh- und Neugeborene mit einem postnatalen Alter von weniger als 10 Tagen)
5
Verteilungsvolumen (Vss) [l/kg]
Eliminationshalbwertzeit t1/2β [h]
Clearance (Cl)
1,8±0,8 2,0±1,0 2,8±2,6 2,7±1,0
10±3,7 10,6±2,7 9,0±3,4 8,9±3,3
3,4±3,3 2,7±1,8 2,2±0,7 3,6±0,9
[24] [39] [124] [18]a
2,1±1,3 2,9±2,1 2,8±2,6 3,4±1,0
7,6±2,6 6,7±4,6 5,2–12 6,5±2,8 6,8±1,6
2,3±1,4 15,5±10 – 8,1±3,2 6,3±2,2
[39] [24] [142] [124] [126]
Säuglinge/Kinder 2 Wochen bis 2 Monate 2 Monate bis 5 Jahre 7–17 Jahre
2,8±2,6 5,2±2,6 – 3,1
2,0±1,8 3,9±1,0 – 2,3
23,6±8,5 23,8±13,5 20,5±2,8 23,4±8
[124] [163] [268] [162]
Erwachsene
2,76±0,56
2,8±0,23
13,0±2,0
[256]b
Frühgeborene <30 SSW 28–36 SSW 24–37 SSW 25–38 SSW Reifgeborene
a Morphinkinetik nach Diamorphin.
Literatur
[ml/kg · min]
b RIA-Daten.
Atemdepression sowie Myoklonien und physische oder psychische Abhängigkeit beobachtet. Häufigkeiten und Therapie von Opioidnebenwirkungen werden ausführlich in Kap. 13 besprochen. Wir beschränken uns daher hier auf die Darstellung bei Früh- und Neugeborenen. Bei diesen war in der Studie von Chay et al. [39] das Auftreten von Nebenwirkungen eindeutig verbunden mit verringerter Morphinelimination und Plasmakonzentrationen von über 300 ng/ml. Lynn et al. [164] fanden bei Kindern in einem Alter von 2 Tagen bis 1,5 Jahren eine Schwellenplasmakonzentration von 50 ng/ml Morphin hinsichtlich des Auftretens einer Atemdepression. Die Mehrzahl der Befunde spricht für eine Altersunabhängigkeit der atemdepressorischen Wirkung von Morphin. Nach intrathekaler Verabreichung von Morphin an Patienten in einem Alter von 4 Monaten bis 15 Jahren fanden sich ebenfalls keine altersspezifischen Unterschiede im Hinblick auf eine Atemdepression [195]. Eine Atemdepression tritt nicht bereits kurz nach dem Start der Morphininfusion auf, sondern erst mehrere Stun-
den später, weshalb die Patienten einer sorgfältigen Überwachung der Vitalparameter bedürfen [145]. Auch wenn die kardiovaskuläre Verträglichkeit von Morphin im Allgemeinen sehr gut ist, sind zentral induzierte Bradykardien sowie periphere Vasodilatation und arterioläre Widerstandsenkung möglich, insbesondere nach rascher intravenöser Applikation bei gleichzeitigem Volumenmangel [102, 142]. Die genannten Effekte werden verstärkt beobachtet, auch verbunden mit negativer Inotropie, bei gleichzeitiger Benzodiazepintherapie. Die vasodilatatorischen Nebenwirkungen des Morphins werden gelegentlich bei der Behandlung des kardiogenen Lungenödems genutzt. Die zentrale Kreislaufregulation kann über die Reduktion der zentralen α-adrenergen Stimulation der Gefäßmuskulatur gehemmt sein [298]. Die Wahrscheinlichkeit, mit Morphin eine Rigidität der quergestreiften Muskulatur auszulösen, ist viel geringer als bei den hochwirksamen synthetischen Opioiden. Wesentlich ist unter Morphin die ausgeprägte, jedoch interindividuell sehr verschie-
5
79 5.4 · Opioidanalgetika
. Tabelle 5.4. Plasmaeiweißbindung verschiedener Analgetika Medikament
Patienten
Plasmaproteinbindung [%]
Literatur
Alfentanil
Erwachsene Früh- und Neugeborene Klein- und Schulkinder
87–92 65–80 95
[182] [182, 290] [179]
Buprenorphin
Kinder
90
[201]
Codein
Kinder
10
–
Hydromorphon
Erwachsene
8
[157]
Ibuprofen
Alle Altersgruppen
99
–
Morphin
Frühgeborene, Neugeborene, Säuglinge, Kleinkinder Erwachsene
20 20–35
[24, 86, 178] –
Nalbuphin
Kinder
25–40
[276]
Pethidin
Neugeborene Säuglinge, Kleinkinder
52 85
[11] [11]
Sufentanil, Fentanyl
Neugeborene und Säuglinge Kinder und Erwachsene
80 92–93
[180, 182] [180]
Tramadol
Alle Altersgruppen
4
[276]
den starke Histaminfreisetzung aus Mastzellen, die sich nicht mit Naloxon und nur unvollständig mit H1- und H2-Rezeptorblockern antagonisieren lässt. Morphin ist daher nicht geeignet zur hochdosierten intravenösen Analgesieführung im Rahmen von Narkosen.
Kodein Kodein ist ein sowohl natürlich vorkommendes als auch als halbsynthetisches Opioid verfügbares Präparat mit der chemischen Bezeichnung Methylmorphin. Seine analgetische Wirkstärke bezogen auf Morphin (Wirkstärke 1 bei intravenöser Verabreichung) beträgt 0,08. Kodein wird häufig bei leichten und mittelschweren Schmerzen im Kindesalter oral und rektal eingesetzt, vielfach in Kombination mit Paracetamol oder auch Ibuprofen (Dosierungen 7 Kap. 13).
Bioverfügbarkeit, Metabolismus und Pharmakodynamik Die enterale Verfügbarkeit von Kodein ist mit 50– 60 % deutlich besser als die des Morphins, wobei zu-
sätzlich der hepatische First-pass-Effekt recht gering ausgeprägt ist. Maximale Serumkonzentrationen werden nach 30–90 min erreicht, ein analgetischer Effekt zeigt sich aber bereits nach 20–30 min. Kodein wird hepatisch in Abhängigkeit von der Funktion des Cytochrom-P450-Systems (CYP2D6) über O-Demethylierung zu Morphin und N-Demethylierung zu Nor-Kodein metabolisiert mit anschließender Glukuronidierung. Zu etwa 10 % findet sich Morphin als Metabolit, der größte Anteil von bis zu 60 % ist Kodein-6-Glukuronid, das über die Nieren ausgeschieden wird. Weniger als 10 % des Kodeins werden unverändert renal eliminiert. Die Aktivität des P450-Enzyms CYP2D6 schwankt stark – je nach Vorliegen des genetischen Polymorphismus. Vereinfacht werden Menschen in schlechte und gute Verstoffwechsler eingeteilt, wobei der Anteil ersterer – bei denen Kodein extrem schlecht analgetisch wirkt – in Deutschland ca. 10 % beträgt. Zudem ist die Aktivität von CYP2D6 bei Kindern bis zum 5. Lebensjahr unvorhersehbar – sie kann die Aktivität des Erwachsenenalters erreichen,
80
Kapitel 5 · Klinisch-pharmakologische Grundlagen der Schmerztherapie
. Tabelle 5.5. Effekte renaler und hepatischer Funktionsstörungen auf Pharmakokinetik und Metabolismus wichtiger Opioid- und Nicht-Opioidanalgetika (In Anlehnung an [50, 156, 262])
5
Renale Funktionsstörungen
Hepatische Funktionsstörungen
Alfentanil
Keine
verlängerte und verstärkte Wirkung möglich, Ausscheidung (Ø)
Buprenorphin
Keine
Metabolismus eingeschränkt (?) Ausscheidung ↓
Kodein
Sedierung ↑
Bildung von Morphin ↓
Fentanyl
Sedierung ↑
Keine, jedoch Metabolismus ↓, wenn Leberblutfluß ↓
Hydromorphon
Akkumulation nicht wirksamer Metabolite
Metabolismus ↓
Ibuprofen
Clearance aller Metabolite ↓
Metabolismus ↓
Metamizol
Clearance aller Metabolite ↓
Metabolismus Ø
Morphin
Akkumulation von Morphin-6-Glucuronid
Glucuronidierung unverändert; Ausscheidung und orale Bioverfügbarkeit ↑
Paracetamol
Clearance aller Metabolite (speziell Glucuronide) ↓
hepatische Toxizität ↑
Pethidin
Akkumulation von Norpethidin, Krampfanfälle möglich
Orale Bioverfügbarkeit ? Verminderter Metabolismus von Norpethidin
Remifentanil
Akkumulation des Hauptmetaboliten (Auswirkung?)
Keine
Sufentanil
Desmethylsufentanil ↑, verlängerte Atemdepression (?)
Keine
Tramadol
Clearance ↓
Ausscheidung ↓
beträgt aber in dieser Altersgruppe meist nur bis zu 25 % davon. Die CYP2D6-Aktivität und damit die Verstoffwechslung von Kodein zu Morphin kann durch Medikamente, die ebenfalls von der WHO empfohlen werden (Metoclopramid, Neuroleptika, Antidepressiva), weiter reduziert werden [289]. Kodein hat eine außergewöhnlich geringe Affinität für Opioidrezeptoren. Es ist anzunehmen, dass der analgetische Effekt in erster Linie über die Konversion zu Morphin zustandekommt. Allerdings wird der antitussive Effekt, der eher dem Kodein selbst zugeschrieben wird, nicht über Opioidrezeptoren vermittelt [129].
Pharmakokinetik Die Plasmaproteinbindung ist deutlich geringer als die von Morphin. Die Halbwertszeit liegt bei Erwachsenen im Bereich von 2–4 h mit einem Verteilungsvolumen von 3–4 l/kg KG [15].
Nebenwirkungen Von der intravenösen Anwendung von Kodein ist in allen Altersgruppen dringend abzuraten im Hinblick auf die Gefahr einer ausgeprägten Vasodilatation mit schwerer arterieller Hypotension und Atemdepression mit Apnoen [246]. Die arterielle Blutdrucksenkung scheint am ehesten mit Histaminfreisetzung verbunden zu sein. Hervorzuheben ist die offenbar deutlich un-
81 5.4 · Opioidanalgetika
terschätzte Gefahr von schweren Nebenwirkungen einschließlich Apnoen und respiratorischer Insuffizienz nach Verabreichung von Kodein und Kodein-Paracetamol-Präparationen bei Kindern mit eingeschränkter Nierenfunktion, bei denen es – wie schon bei der Therapie mit Morphin erwähnt – zu einer erheblichen Akkumulation des Kodeinmetaboliten Morphin-6-Glukuronid kommen kann [260]. Bemerkenswert ist die Beobachtung, dass nach einer Dosierung von 1 mg/kg KG Kodeinphosphat intramuskulär bei 12 von 26 spontan atmenden Neugeborenen Atemdepression und Apnoen auftraten [219]. Gerade bei Neugeborenen und jungen Säuglingen können Sicherheit und Qualität der Analgesie mit Kodein unvorhersagbar sein, da wegen fehlender Daten nicht abzuschätzen ist, ob in dieser Altersstufe aufgrund eingeschränkter hepatischer Metabolisierung eine Verlängerung der Halbwertzeit für Kodein und eine verzögerte Umsetzung zu Morphin zu erwarten sind [170]. Bei eingeschränkter Leberfunktion sollte Kodein nicht verwendet werden [262]. Unter eingeschränkter Nierenfunktion muss die Kodeindosis reduziert werden (. Tabelle 5.5; [50]). In einer Studie von Semple et al. [245] zu einem Vergleich von equianalgetischen Dosen von Morphin (0,15 mg/kg KG) und Kodeinphosphat (1,5 mg/kg KG) nach i.m.-Verabreichung bei Narkosebeginn im Rahmen einer Adenotonsillektomie ergab sich postoperativ im Hinblick auf die analgetische Wirksamkeit kein Unterschied zwischen beiden Medikationen. Nach Analgesie mit Morphin trat Erbrechen jedoch deutlich häufiger auf als nach Kodein. Gemessen an der breiten Verwendung von kodeinhaltigen Präparationen in der postoperativen Schmerztherapie bei Neugeborenen und Säuglingen erscheint die Datenlage hinsichtlich Wirksamkeit und Sicherheit eher dürftig, sodass von einer Anwendung kodeinhaltiger Präparationen bei Kindern jünger als 6 Monate außerhalb des stationären Bereiches abzuraten ist. Kritisch zu bewerten sind Kombinationen von Kodein mit Antihistaminika: Bei nahezu allen beschriebenen Todesfällen unter Kodein bei Kindern waren auch Antihistaminika verabreicht worden, speziell Histaminrezeptorenblocker der 1. Generation [166].
5
Oxycodon Oxycodon ist ein halbsynthetisches überwiegend µ-agonistisches oral verabreichbares Opioid mit hoher Bioverfügbarkeit, kurzer Wirkdauer und hoher analgetischer Potenz (bei oraler Gabe ca. doppelt so hoch wie die von Morphin). Oxycodon eignet sich zur postoperativen Analgesie und zur Behandlung von Tumorschmerzen bei älteren Kindern. In Deutschland ist Oxycodon ausschließlich als Retardpräparat (Oxygesic®) erhältlich (Dosierungen 7 Kap. 13).
Bioverfügbarkeit, Metabolismus und Pharmakodynamik Für den Erwachsenen liegt die orale Bioverfügbarkeit von Oxycodon bei 60–87 % [213]. Die physikalischchemischen Eigenschaften von Oxycodon ähneln sehr denen von Morphin. Oxycodon wird über das Cytochrom-P450-System zu Nor-Oxycodon und Oxymorphon metabolisiert. Die analgetische Wirkung geht vom Oxycodon selbst aus. Der Beitrag der Stoffwechselprodukte zum pharmakodynamischen Gesamteffekt ist unbedeutend [203, 204].
Pharmakokinetik Wichtige Daten zur Pharmakokinetik finden sich in . Tabelle 5.6.
Nebenwirkungen Sowohl bei Nieren- als auch bei Leberinsuffizienz ist mit einer verstärkten und verlängerten Wirkung zu rechnen, was eine Dosisreduktion erfordert (. Tabelle 5.5). Vorläufige pharmakokinetische Daten zeigen keinen Unterschied in der AUC zwischen retardierter und unretardierter Darreichungsform bei 5–12 Jahre alten Kindern [30].
Hydromorphon Hydromorphon ist ein starkes Opioid, welches 1920 synthetisiert und 1926 erstmalig klinisch verwendet wurde. Es ist wie Morphin ein µ-Agonist an Opioidrezeptoren. Es besteht eine geringe Affinität zu κ- und δ-Rezeptoren (157].
Bioverfügbarkeit, Metabolismus und Pharmakodynamik Die Bioverfügbarkeit von Hydromorphon nach oraler Gabe beträgt beim Erwachsenen 50–60 %
82
Kapitel 5 · Klinisch-pharmakologische Grundlagen der Schmerztherapie
. Tabelle 5.6. Pharmakokinetische Parameter für Pethidin, Oxycodon, Methadon, Nalbuphin, Pentazocin und Buprenorphin nach Einzelinjektion Verteilungsvolumen Vss [l/kg]
5
Eliminationshalbwertzeit t1/2β [h]
Clearance (Cl)
Literatur
[ml/kg · min]
Buprenorphin Klein-/Schulkinder Erwachsene
3,2 –
1,0 3,1
60,0 13–19
[201] [32, 201]
Methadon Klein-/Schulkinder Jugendliche
7,1
19,2
5,4
[23]
Nalbuphin Klein-/Schulkinder
–
3–5
15–22
[276]
Oxycodon Klein-/Schulkinder
2,1
1,8
15,2
[203]
Pentazocin Klein-/Schulkinder
5
3
21
[71, 99]
Pethidin Frühgeborene Reifgeborene Säuglinge Kleinkinder
8,8 5,6 8,0 2,8
11,9 10,7–22,7 8,2 3,0
3,5 7,2 9,7 10,4
[214] [35] [214] [98]
derjenigen einer i.v.-Gabe. Hydromorphon wird hepatisch metabolisiert zu Hydromorphon-3-Glucoronid (H-3-G; analgetisch inaktiv), Dihydromorphon (<1 %) und Dihydroisomorphon (1 %). Nach s.c.-Gabe setzt die Wirkung nach 10 min ein und hält 3–4 h an, retardierte Präparate sind 12 h lang wirksam. Die Bioverfügbarkeit der Retardkapsel wird nicht durch Nahrungsaufnahme beeinflusst. Eine Cochrane-Analyse bescheinigt Hydromorphon bei akuten und chronischen Schmerzen im Erwachsenen- und Kindesalter die gleiche Wirksamkeit wie Morphin (Cochrane Library 2002). Äquianalgetische Dosen anderer starker Opioide finden sich in . Tabelle 13.2, Kap. 13. Bei längerer Anwendung in Form einer PCA ist Hydromorphon 5-mal potenter als Morphin (2 mg Hydromorphon i.v. äquianalgetisch zu 10 mg Morphin i.v.). Zwei Fallberichte bescheinigen retardiertem Hydromorphon bei Tumorschmerzen im Kindesalter eine mit Morphin vergleichbar gute Wirkung [12]. Hydromorphon wird auch peridural und intraventrikulär eingesetzt.
Pharmakokinetik Die maximale Plasmakonzentration wird bei unretardierten Zubereitungen nach 1 h, bei retardierten Formen nach 3–4 h erreicht (Daten Erwachsener; Übersicht bei [157]). Beim Einsatz retardierten Hydromorphons bei zwei 7-jährigen Kindern betrugen die Zeit bis zum Erreichen des Plasmamaximalspiegels 4–6 h, die AUC 9–10 ng/ml/h und das Verhältnis Hydromorphon:H-3-G 1:20–40 [12]. Diese Werte entsprechen denen beim Erwachsenen.
Nebenwirkungen Hydromorphon hat ein opiattypisches Nebenwirkungsprofil, ist aber bei Nieren- oder Leberinsuffizienz besser verträglich [45]. Nach eigenen Erfahrungen tritt Harnverhalt seltener auf.
Methadon Methadon ist ein Razemat, welches zu gleichen Teilen das analgetisch wirksame Linksisomer (Levomethadon, L-Polamidon) und das an Opioid-Rezeptoren unwirksame Rechtsisomer enthält. Levometha-
83 5.4 · Opioidanalgetika
don ist also doppelt so analgetisch wie die gleiche Dosis Methadon. Die Eliminationshalbwertszeiten von Levomethadon und Methadon weisen erhebliche interindividuelle Schwankungen auf, weswegen die Einstellung auf Levomethadon im Kindesalter unter stationären Bedingungen erfolgen sollte (7 Kap. 13). Levomethadon wird eingesetzt, wenn unter Morphin (oder einem anderen starken Opioid) trotz adäquater Dosissteigerung keine ausreichende Schmerzlinderung erreicht wird oder nicht beherrschbare Nebenwirkungen auftreten [22, 23, 186, 236, 251]. Von Chana u. Anand [38] wird Methadon aufgrund verschiedener praktischer und theoretischer Vorteile (lange Wirkdauer, verzögerte Toleranzentwicklung, ausgezeichnete enterale Bioverfügbarkeit, relativ geringe Kosten) auch für die Anwendung beim Neugeborenen vorgeschlagen.
5
Synchronisation der Atmung mit dem Respirator zu erreichen [17, 18, 72]. Daneben wird Diamorphin zur Prämedikation bei der Intubation Früh- und Neugeborener verwendet [285].
Bioverfügbarkeit, Metabolismus und Pharmakodynamik
Methadon und Levomethadon werden nach oraler Gabe nahezu vollständig resorbiert. Nach oraler Einmalgabe kann Methadon nach 30 min im Plasma nachgewiesen werden, Spitzenspiegel werden nach 4 h erreicht, die maximale Analgesie tritt allerdings schon früher ein, nämlich nach 1–2 h. Bei Erwachsenen beträgt die Eiweißbindung 85 %. Methadon besitzt keine aktiven Metabolite. Daten für äquianalgetische Dosen bei Kindern liegen nicht vor. Sarbatowski erreichte eine gute Analgesie mit einem Konvertierungsverhältnis von 20:1 (Morphin : Methadon).
Diamorphin wird innerhalb weniger Minuten durch Plasmacholinesterase zu 6-Acetyl-Morphin deacetyliert. Bei Frühgeborenen mit einem Gestationsalter von 26–38 Schwangerschaftswochen ließ sich im Plasma nach Diamorphingabe jedoch kein 6-Acetyl-Morphin nachweisen, entweder bedingt durch analytische Schwierigkeiten oder durch rasche Metabolisierung [72]. Es wird angenommen, dass 6-Acetyl-Morphin infolge guter Fettlöslichkeit sehr rasch in das ZNS eindringt, dort deacetyliert wird, und Morphin als aktiver Metabolit sedierend und analgetisch wirksam werden kann. Ob die Aktivitität der Plasmacholinesterase bei Früh- und Neugeborenen immer ausreichend ist, die Deacetylierung von Diamorphin zu 6-Acetyl-Morphin zu gewährleisten, ist fraglich; zumindest bei Leberfunktionsstörungen könnte es Einschränkungen geben (. Tabelle 5.5). Elias-Jones et al. [72] fanden eine effektive Sedierung und Analgesie nach einer intravenösen »loading dose« Diamorphin von 50 µg/kg KG verabreicht über 30 min und anschließender kontinuierlicher Infusion mit 15 µg/kg KG/ h bei apparativ beatmeten Frühgeborenen.
Pharmakokinetik
Nebenwirkungen
Bei Kindern (1–18 Jahre) beträgt die mittlere Eliminationshalbwertszeit nach Einmalgabe 19 h (±14 h, mindestens 4, maximal 62 h [22, 23]). Bei chronischer Anwendung nimmt sie jedoch noch weiter zu (7 »Kontextsensitive Halbwertszeit« im Glossar, S. 109)
Während der Verabreichung der »loading dose« fand sich ein statistisch signifikanter, jedoch nur vorübergehender Abfall von mittlerem arteriellem Blutdruck und Herzfrequenz [17].
Bioverfügbarkeit, Metabolismus und Pharmakodynamik
5.4.2
Synthetische Opioide
Nebenwirkungen Methadon weist die für starke Opioide typischen Nebenwirkungen auf.
Diamorphin Diamorphin, ein acetyliertes semisynthetisches Morphinderivat (3,6-Diacetyl-Morphin), wurde in den letzten Jahren in Großbritannien mit gutem Erfolg zur Sedierung apparativ beatmeter Früh- und Neugeborener eingesetzt, u. a. mit dem Ziel, eine
Die synthetischen Opioide Fentanyl, Alfentanil und Sufentanil leiten sich chemisch vom Pethidin ab. Gemeinsam ist ihnen, dass ihre Metabolite deutlich weniger analgetisch aktiv sind als die Ausgangssubstanzen oder gänzlich inaktiv. Aufgrund ihrer starken Wirksamkeit und raschen zentralen Anflutung werden sie vorwiegend intra- und postoperativ bei beatmeten Patienten eingesetzt. Das neuere Remifentanil zeichnet sich wegen seines sehr raschen
84
Kapitel 5 · Klinisch-pharmakologische Grundlagen der Schmerztherapie
. Tabelle 5.7. Pharmakokinetische Parameter für Fentanyl, Alfentanil und Sufentanil nach Einzelinjektion. (In Anlehnung an: [119, 204, 241]) Verteilungsvolumen Vd [l/kg]
Eliminationshalbwertzeit t1/2β [h]
Clearance (Cl) [ml/kg · min]
Literatur
1,0±0,4 0,5 0,8±0,5 0,8±0,3 0,5–0,6 0,2–0,6
8,7±5,1 5,3 7,6±1,8 5,5±0,8 0,8–1,3 0,7–1,4
2,2±2,4 0,9 1,3±0,7 1,7±0,5 8,2–11,5 4,7–11,1
[56] [169] [157] [137] [88] [62, 231]
– 3,1–7,9 8,3 2,3–4,5 1,4–3,1 1,9
17,7±9,3 3,1–7,9 (5,3±1,2) 5,4 1,1–3,9 2,4–4,1 3,5
12,1 9,0–28,0 22,4 18,1–30,6 11,5–12,8 7,1
[43, 230] [122] [85] [122] [122] [122]
Klein-/Schulkinder Jugendliche
2,7 3,4 4,2 3,1 – 2,7 (2,9±0,6) 2,8
10,6 3,6 12,3 (6–20) 3,6 0,9–2,0 2,3 (1,6±0,7) 3,5 (1,5–4)
4,2 17,3 6,7 18,1 21,5–27,5 16,9 (30,5±8,8) 13,1
[92] [92] [91, 92] [91] [53] [91, 94] [91]
a Postnatales Alter <7 Tage.
b teilweise nach kontinuierlicher Infusion.
Alfentanil Frühgeborene a, b
5
Reifgeborene a Säuglinge Klein-/Schulkinder Fentanyl Frühgeborene a, b, c Reifgeborene a Säuglinge Klein-/Schulkinder
Sufentanil Neugeborene 2–7 Tage 20–28 Tage 0–31 Tage Säuglinge
c Gestationsalter 25–36 Wochen.
Metabolismus durch Plasma- und Gewebeesterasen aus und bleibt damit nur sehr kurz wirksam. Alle 4 genannten Opioide sind zentral wirksame µ-Agonisten.
Darüberhinaus wird Fentanyl in topischer Anwendung verabreicht, z. B. transnasal, buccal oder transdermal [259]. Dosierungsempfehlungen finden sich in Kap. 11–13 und 17.
Fentanyl
Bioverfügbarkeit, Metabolismus und Pharmakodynamik
Fentanyl mit einer analgetischen Wirkstärke, die 50bis 100-mal höher ist als die von Morphin, wird seit vielen Jahren sowohl zur intraoperativen als auch postoperativen Analgesie sowie zur Analgosedierung intensivmedizinisch versorgter Kinder unterschiedlicher Altersstufen eingesetzt. Bei Neugeborenen mit Lungenversagen scheint Fentanyl im Vergleich zu Morphin Vorteile zu bieten [108, 235]. Günstig scheint die Verwendung von Fentanyl in der Kinderherzchirurgie zu sein, nicht zuletzt im Hinblick auf eine Verbesserung der intraund postoperativen kardiovaskulären Stabilität, speziell bei Neugeborenen [294].
Fentanyl hat aufgrund seiner extremen Fettlöslichkeit (500-mal höher als von Morphin) eine ausgeprägtere Penetrationsfähigkeit und höhere Affinität zu zentralen Opioidrezeptoren [181]. Bei physiologischem pH-Wert liegen nur weniger als 10 % des Plasmafentanyls mit einem pKa-Wert von 8,4 in nichtionisierter Form vor. Der Metabolismus von Fentanyl geschieht in der Leber in Abhängigkeit von der Aktivitität des Cytochrom-P450-Systems. Hauptsächlich erfolgt eine Dealkylierung zu Nor-Fentanyl und Hydroxylierung von Fentanyl und Nor-Fentanyl. Lediglich
85 5.4 · Opioidanalgetika
ein geringer Anteil des Fentanyls (6–8 %) wird unverändert mit dem Harn ausgeschieden. Mithin dürfte die metabolische Clearance von Fentanyl einmal in hohem Maße vom hepatischen Blutfluss und zum anderen vom Funktionszustand und der Reife des mikrosomalen Enzymsystems der Leber abhängig sein. Beide Größen unterliegen besonders bei Früh- und Neugeborenen sehr starken intra- und interindividuellen Schwankungen (. Tabelle 5.5). Es besteht bei Fentanyl ein relativ schwacher Zusammenhang zwischen Plasmakonzentration und Sedierungs- bzw. Analgesiegrad im Rahmen der Anwendung auf der Intensivstation (. Tabelle 5.2). Dosierungsempfehlungen für Fentanyl finden sich in Kap. 11, 13 und 17.
Pharmakokinetik Die Fentanylpharmakokinetik ist sehr stark altersabhängig (. Tabelle 5.7, . Abb. 5.1 und 5.2; [21]). Als pharmakokinetisches Modell kann ein 2- bzw. 3-Kompartment-System angenommen werden. Kinder nach herzchirurgischen Eingriffen scheinen im Vergleich zum Erwachsenen ein relativ geringes Steady-state-Verteilungsvolumen zu haben [141]. Die Eliminationshalbwertzeit ist ebenfalls altersabhängig mit sehr langer terminaler Halbwertzeit bei Frühgeborenen und langer kontextsensitiver Halbwertzeit nach Dauerinfusion. Insbesondere unter Bedingungen eines erhöhten intraabdominellen Drucks mit verminderter Leberdurchblutung, z. B. nach abdominalchirurgischen Eingriffen, kann die Elimination von Fentanyl deutlich verzögert sein [108, 115]. Während beim Erwachsenen die Halbwertzeit zwischen 1 und 4 h liegen kann, ist sie bei kleinen Frühgeborenen durchaus auf bis über 20 h verlängert (. Tabelle 5.7). Nicht zuletzt aufgrund seiner Lipophilie wird Fentanyl ausgedehnt in Geweben mit hohem Fettanteil aufgenommen, was die großen Verteilungsvolumina erklärt. Aufgrund dieses Verteilungsverhaltens kann Fentanyl keineswegs die Eigenschaft eines kurz wirksamen Opioids zugesprochen werden (. Tabelle 5.3), was Fentanyl weniger geeignet macht zur Langzeitanalgosedierung. Die Zunahme der totalen Fentanylclearance mit dem Lebensalter ist nicht so deutlich ausgeprägt wie bei Morphin (. Abb. 5.2), dagegen zeigt das Steadystate-Verteilungsvolumen eine ausgeprägte Altersabhängigkeit (. Abb. 5.1). Bekannt ist eine verzögerte Elimination durch einen transienten, über viele
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Stunden nach Absetzen von Fentanyl hinweg auftretenden erneuten Anstieg der Plasmakonzentration als Ausdruck einer Redistribution, verbunden mit verlängertem Beatmungsbedarf neugeborener Patienten [138, 171]. Von Katz u. Kelley [126] wurde erstmals über eine sehr lange kontextsensitive Halbwertzeit von Fentanyl bei Kindern unterschiedlichen Alters unter Langzeitanalgosedierung berichtet, wobei die Infusionsdauer mindestens 24 h betrug. Diese und andere Autoren berichteten über eine Zunahme des Steady-state-Verteilungsvolumens auf im Mittel 15,2 l/kg KG (Spannbreite 5,1–30,5 l/kg KG) und der terminalen Eliminationshalbwertzeit auf im Mittel 21,1 h (Spannbreite 11,2–36,0 h) [297]. Einschränkungen der Leber- und Nierenfunktion bedingen in der Regel keine relevante Beeinflussung der Pharmakokinetik von Fentanyl (. Tabelle 5.6; [50, 140, 262]).
Nebenwirkungen Daten zur atemdepressiven Wirkung von Fentanyl im Kindesalter zeichnen ein uneinheitliches Bild [204]. Im Neugeborenenalter scheint im Gegensatz zum Erwachsenenalter die atemdepressorische Wirkung bereits bei geringeren Plasmakonzentrationen (0,5–0,77 µg/l) möglich zu sein [138]. Säuglinge älter als 3 Monate und Kleinkinder tolerieren hinsichtlich Atemdepression deutlich höhere Fentanyldosierungen als Erwachsene [106, 138]. Eine weitere bedeutsame Nebenwirkung ist die Thoraxwandrigidität, die nach rascher bolusartiger Verabreichung von Fentanyl auftreten kann und u. a. die Beatmung des Patienten unmöglich macht. Bei Frühgeborenen wurde dies bereits bei Einzeldosen von 3 µg/kg KG beobachtet [151], bei älteren Kindern ab 5 µg/kg KG. Thoraxrigidität wurde bei Frühgeborenen selbst nach Fentanylapplikation an die Mutter beobachtet [121]. Thoraxrigidität kann durch eine Präcurarisierung mit geringen Dosen nichtdepolarisierender Muskelrelaxanzien vermieden werden. Im Falle des Auftretens einer Thoraxrigidität lässt sich der Zustand am schnellsten beherrschen durch die Anwendung eines Muskelrelaxans, weniger rasch durch Antagonisierung mit Naloxon. Die gleichzeitige Verabreichung von Midazolam mit Fentanyl kann durchaus den atemdepressorischen Effekt des Opioids verstärken. Bei der Kombination Fentanyl und Midazolam ist eine ausgeprägte
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Kapitel 5 · Klinisch-pharmakologische Grundlagen der Schmerztherapie
hypotensive Kreislaufreaktion möglich [34]. Insbesondere bei katecholaminabhängigen Patienten und Kindern mit Volumenmangel kann durch die Verabreichung von Fentanyl, besonders in Einzelgaben, der Barorezeptorreflex ungünstig beeinflusst werden, verbunden mit einem raschen Abfall des systolischen Blutdrucks [192]. Unter kontinuierlicher Infusion von Fentanyl entwickelt sich innerhalb von Tagen eine Opioidtoleranz gegenüber dem sedierenden Effekt, wie es z. B. bei Neugeborenen unter ECMO-Therapie der Fall ist [8, 9]. Dem Effekt zugrunde zu liegen scheint die Downregulation von Opioidrezeptoren. Die von Arnold et al. [8, 9] beobachteten Neugeborenen erhielten mittlere Fentanylinfusionsraten zwischen 9 und 22 µg/kg KG/h, verbunden mit Plasmafentanylkonzentrationen ansteigend von 3–14 µg/l während der 6-tägigen Infusionsperiode, wobei die meisten dieser Kinder spontane Bewegungen ihrer Extremitäten zeigten und die Augen öffneten. Es trat bei mehr als der Hälfte der Patienten ein Entzugssyndrom auf. Dabei handelte es sich um Neugeborene, die mehr als 1,6 mg/kg KG Fentanyl als kumulative Gesamtdosis erhalten hatten, und deren Behandlungsdauer länger als 5 Tage betrug. Katz et al. [127] beobachteten bei Kindern im Alter von 1 Woche bis 22 Monaten ebenfalls ein von Dosis- und Infusiondauer abhängiges Entzugssyndrom. Ab einer Gesamtfentanyldosis von 2,5 mg/kg KG und einer Infusionsdauer von mehr als 9 Tagen wurde in allen Fällen ein Entzugssyndrom registriert. Die experimentellen Untersuchungen weisen darauf hin, dass unter kontinuierlicher Infusion häufiger und rascher ein Entzugssyndrom auftritt als unter intermittierender Opioidverabreichung [66]. Langzeitige kontinuierliche Verabreichung von Opioiden sollte vermieden bzw. von Einzelgaben unterbrochen werden [4]. Bei Frühgeborenen sind eingeschränkte Darmmotilität und verzögerte Mekoniumentleerung ein Problem [230]. Bemerkenswert ist bei ihnen auch das Auftreten einer mäßig verstärkten Hyperbilirubinämie unter kontinuierlicher Fentanylinfusion.
Fentanyl transdermal (Fentanyl-TTS; therapeutisches transdermales System) Fentanyl-TTS ist für Kinder ab 2 Jahren nicht zugelassen, die zuvor schon mit starken Opioiden behan-
delt werden. Über 80 Anwendungen bei Kindern mit Tumorschmerzen, postoperativen Schmerzen, Sichelzellkrise, infantiler neuronaler Ceroidlipofuszinose und anderen letal verlaufenden, meist neurologischen Erkrankungen sind in der wissenschaftlichen Literatur dokumentiert (Literatur 7 Kap. 13). Das Fentanyl-TTS wird auf intakte, trockene und gering behaarte Haut geklebt. Beim Pflasterwechsel wird auch der Applikationsort verändert. Fentanyl-TTS sollte nur verwendet werden bei stabilen Schmerzsituationen und einem Mindestmorphinbedarf von 30 mg/Tag p.o. sowie nicht beherrschbaren Opioid-Nebenwirkungen unter der bisherigen Therapie oder Schluckstörungen. Bei Kindern mit Sichelzellkrise betrug die i.v.-Morphindosis beim Wechsel auf ein 25 µg/h-Fentanyl-TTS mindestens 2,5 mg/h [42]. Exakte äquianalgetische Dosen bei Kindern unterschiedlichen Alters sind noch nicht etabliert. Todesfälle durch Atemdepression sind beobachtet worden, weswegen die Einstellung mit Ausnahme einer Palliativsituation in der Klinik erfolgen sollte [42].
Bioverfügbarkeit, Metabolismus und Pharmakodynamik Fentanyl wird aus dem TTS heraus langsam und nahezu komplett resorbiert, die Bioverfügbarkeit beträgt über 90 %. Die Resorptionsmenge pro Zeiteinheit ist bei Fieber gesteigert. Durch massives Schwitzen kann sich das Pflaster ablösen und sollte dann mit zusätzlichen nicht-fentanylhaltigen Pflastern fixiert werden. Jüngere Kinder (<10 Jahre) benötigen in der Regel eine höhere körpergewichtsbezogene Fentanyldosis ([116]; Dosierungsempfehlungen 7 Kap. 13, . Tabelle 13.2).Das FentanylTTS weist eine Pharmakokinetik 0. Ordnung auf, d. h. die Wirkstoffabgabegeschwindigkeit ist direkt proportional zur Fläche des Pflasters und ansonsten (über einen spezifizierten Zeitraum) konstant. Bei Erwachsenen beobachtet man eine Analgesie ab einem Wirkspiegel von 0,6–3 ng/ml. Dieser Wirkspiegel wird bei Kindern (18–60 Monate) im Mittel nach 5 (mindestens 4 bis maximal 24 h), bei jugendlichen Sichelzellanämiepatienten nach 24 h erreicht [208]. Eine analgetische Wirkung trat in einer Studie bei jugendlichen Sichelzellpatienten nach frühestens 1 h ein [42]. Für Kinder ist ein analgetischer Wirkspiegel noch nicht etabliert. Die Wirk-
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dauer beträgt bei Kindern wegen der schnelleren Elimination eher 48 als 72 h.
Pharmakokinetik Bei 2- bis 5-jährigen Kinder beträgt die Zeit bis zum Erreichen des maximalen Plasmaspiegels (Tmax) im Mittel 16±9 h (mindestens 6 bis maximal 24 h); die Eliminationshalbwertszeit nach Entfernen des Fentanyl-TTS ist kürzer als bei Erwachsenen (im Mittel 17,5±5,7 h (mindestens 12 bis maximal 23 h; [155]). Für Kinder im Alter von 18–60 Monaten betragen die korrespondierenden Werte für Tmax 18±11 h (mindestens 9 bis maximal 24 h) und für die Eliminationshalbwertszeit 14,5 ± 6,2 h (mindestens 8,3 bis maximal 19,9 h; [208]). Bei onkologischen Patienten im Alter von 7–18 Jahren wurde die maximale Fentanylplasmakonzentration im Mittel nach 24 h (mindestens 18 bis maximal >66 h) erreicht [46]. Nach Entfernen des Pflasters fällt der Fentanylplasmaspiegel nur langsam ab, da sich Fentanyl in der Epidermis anreichert und von dort auch nach Entfernen des Pflaster langsam in die Blutbahn abgegeben wird.
Nebenwirkungen Fentanyl transdermal verabreicht hat das gleiche Nebenwirkungsspektrum wie alle starken Opioide. Nach Umstellung von retardiertem Morphin auf ein Fentanylpflaster scheint eine vorbestehende Obstipation abzunehmen. Kontrollierte Studien zur Nebenwirkungshäufigkeit bei Opioidwechsel liegen nicht vor. Hautirritationen und Juckreiz an der Klebestelle des TTS sowie Schmerzen beim Pflasterwechsel treten bei 10–20 % der Kinder auf. Eine Atemdepression – letal verlaufende Fälle sind publiziert – kann wegen der oben beschriebenen Pharmakokinetik auch mit einer Latenz von mehr als einem Tag nach Beginn der Fentanyl-TTS-Therapie auftreten. Bei extrem hohem Dosisbedarf begrenzt die Körperoberfläche des Kindes die weitere Dosiseskalation [199].
Fentanyl-Lutscher Fentanyl steht seit kurzem in Deutschland zur oralen transmukösen Applikation mittels Stick (Lutscher) zur Verfügung. Einsatzorte sind schmerzhafte Prozeduren wie Wundversorgungen oder Knochenmarkpunktionen [247, 248]. Die Einzeldosis beträgt 10–20
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µg/kg KG bukkal [240]. Die Wirkung setzt während der Applikation ein. Die Patienten können nach 1,5– 2 h wieder uneingeschränkt altersentsprechenden Aktivitäten nachgehen. Zur Therapie von Schmerzspitzen bei Kindern, die mit einem Fentanyl-TTS behandelt werden, ist der Fentanyl-Lutscher bis dato nicht eingesetzt worden (Dosisempfehlung siehe Kapitel 13, Seite 274).
Alfentanil Alfentanil (z. B. Rapifen) als Derivat von Fentanyl hat etwa 15 % von dessen klinischer Wirksamkeit. Sowohl die Fettlöslichkeit als auch die Eliminationshalbwertzeit ist geringer (. Tabelle 5.6) als die von Fentanyl, und die kontextsensitive Halbwertzeit steigt deutlich geringer an. Das wesentliche Anwendungsgebiet für Alfentanil ist die Anästhesie, hier insbesondere bei kardiovaskulären und thorakalen Eingriffen.
Bioverfügbarkeit, Metabolismus und Pharmakodynamik Der Wirkungseintritt bei intravenöser Alfentanilgabe ist mit nur 1–2 min rascher und von kürzerer Dauer als nach Fentanylgabe. Durch die geringere Fettlöslichkeit und gleichzeitig hohe Plasmaproteinbindung findet sich keine so extensive Verteilung im Gewebe wie bei Fentanyl (. Tabelle 5.4; [171]). Der Metabolismus von Alfentanil erfolgt im Wesentlichen hepatisch, ohne dass aktive Metaboliten entstehen. Weniger als 1 % wird unverändert renal eliminiert. Für das Neugeborenen- und Kindesalter liegen für Alfentanil keine Informationen vor zu sedierenden und analgetisch wirksamen Plasmakonzentrationen (. Tabelle 5.2). Den Hollander et al. [62] berichten über die intravenöse Anästhesieeinleitung bei Kindern (Alter 4 Monate bis 8 Jahre) mit 20 µg/kg KG Alfentanil nach Relaxation mit Pancuronium. Die postoperative Analgesie hielt zwischen 100 und 878 min an. Saarenmaa et al. [234] konnten mit einer Dosis von 20 µg/kg KG Alfentanil bei Frühgeborenen mit einem mittleren Gestationsalter von 32 Wochen (Spannbreite 29–36 Wochen) und einem Gewicht von im Mittel 1440 g (Spannbreite 1040–3160 g) im Rahmen des endotrachealen Absaugmanövers die Stressantwort der Patienten ausgezeichnet unterdrücken.
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Kapitel 5 · Klinisch-pharmakologische Grundlagen der Schmerztherapie
Pharmakokinetik
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Die Pharmakokinetik von Alfentanil lässt sich mittels eines 2-Kompartment-Modells beschreiben. Die Proteinbindung entspricht etwa der im Erwachsenenalter (. Tabelle 5.4). Unter kardiopulmonalem Bypass zeigt sich bei Kindern eine Zunahme des Verteilungsvolumens [63]. Die Eliminationskinetik von Alfentanil ist besonders beim Neugeborenen durch ausgeprägte interindividuelle Variabilität gekennzeichnet (. Abb. 5.1 und 5.2; . Tabelle 5.3). Mit Ende des 1. Lebensjahres werden Erwachseneneliminationsverhältnisse erreicht. Bemerkenswert ist, dass bei Kindern die Pharmakokinetik von Alfentanil weder durch Lebererkrankungen noch durch Nierenversagen beeinflusst wird (. Tabelle 5.5; [55]). Bei Erwachsenen wurde bei Leberschäden über eine Einschränkung der Alfentanilelimination berichtet [74]. Wegen einer kurzen kontextsensitiven Halbwertzeit ist Alfentanil theoretisch geeigneter zur Verabreichung als Dauerinfusion.
Nebenwirkungen Muskelrigidität kann mit einer Inzidenz von 45– 75 % auftreten und ist bei Früh- und Neugeborenen dosisabhängig [29, 234]. Während Wiest et al. [287] bei Neugeborenen über eine gute Verträglichkeit von Alfentanil in einer Dosierung von 8 µg/kg KG berichten, fanden Pokela et al. [215] bereits nach Dosen von 9–15 µg/kg KG eine ausgesprochene Thoraxrigidität; Prämedikation mit einem muskelrelaxans wird deshalb als notwendig erachtet. Die hämodynamische Verträglichkeit für Alfentanil hängt offenbar sehr stark von der Verabreichungsgeschwindigkeit ab: Wiest et al. [287] fanden bei beatmeten Neugeborenen mit Atemnotsyndrom eine gute hämodynamische Stabilität, ebenso Davis et al. [56] sowie Killian et al. [137] bei der Verabreichung von 25 µg/kg KG Alfentanil über 30 min als Kurzinfusion. Eine ausgeprägte hämodynamische Instabilität mit raschem Abfall der Herzfrequenz und arterieller Hypotension sowie Verschlechterung der arteriellen Oxygenierung wurde dann beobachtet, wenn Alfentanil (20 µg/kg KG) innerhalb von 2 min an Neugeborene verabreicht wurde [168].
Sufentanil Sufentanil (z. B. Sufenta®) ist mit der 2000fachen Wirkstärke von Morphin und großer therapeutischer
Breite die analgetisch potenteste Substanz aus der Reihe der neueren Opioide. Beim Menschen ist es 8- bis 10-mal stärker analgetisch wirksam als Fentanyl entsprechend seiner höheren µ-Rezeptoraffinität. Sufentanil gilt als geeignet zur Analgesie und Sedierung in der neonatologischen Intensivmedizin [2, 243]. Sufentanil mag auch für ältere Kinder in der Analgesie und Sedierung Vorteile bieten, bedingt durch seine größere Wirkstärke und kürzere Wirkdauer sowie die damit verbundene größere hämodynamische Stabilität und die Möglichkeit zur raschen Extubation nach apparativer Beatmung [187].
Bioverfügbarkeit, Metabolismus und Pharmakodynamik Sufentanil ist sehr stark fettlöslich und hat einen raschen Wirkbeginn, der etwa zwischen dem von Fentanyl und Alfentanil liegt. Sufentanil ist bei physiologischem pH-Wert zu 80 % ionisiert. Die Plasmaeiweißbindung beträgt altersabhängig 80 bis über 90 % (. Tabelle 5.4). Der freie Anteil von Sufentanil ist sehr eng korreliert mit der Konzentration von α1-saurem Glykoprotein im Plasma und nur schwach korreliert mit der Albuminkonzentration [180]. α1-saures Glykoprotein ist das wichtigste Bindungsprotein für Sufentanil; rasche Änderungen seiner Plasmakonzentration, wie bei einem AkutPhase-Protein möglich, können den freien Sufentanilanteil deutlich beeinflussen [182, 183]. Der Metabolismus von Sufentanil erfolgt hepatisch durch O-Demethylierung und N-Dealkylierung. Weniger als 2 % einer jeden Dosis werden unmetabolisiert mit dem Harn ausgeschieden. Die Metabolite von Sufentanil haben selbst keine analgetische Wirkung [183]. Bei Neugeborenen und jungen Säuglingen ist die metabolische Clearance deutlich niedriger als bei älteren Kindern, sie fällt aber beim Jugendlichen und Erwachsenen wieder auf die Hälfte ab (. Tabelle 5.3, . Abb. 5.2; [28, 91, 92, 241]). Die Mehrzahl der Informationen zur Wirksamkeit von Sufentanil bei Kindern wurde während kardiochirurgischer Eingriffe gewonnen. Insgesamt scheint der Kreislauf unter Sufentanil stabiler zu sein als unter Fentanyl. Die postoperative Aufwachphase ist kürzer, ebenso die Zeit bis zur Extubation [29]. Sowohl die anästhetische als auch die sedierende Wirkung scheint bei Neugeborenen deutlich
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geringer ausgeprägt zu sein als bei älteren Kindern [91, 92, 170]. Anästhetische Dosen für Sufentanil liegen bei Neugeborenen bei 10–15 µg/kg KG [91] oder höher. Sedative Dosen bei Neugeborenen mit Lungenversagen mit einem Gestationsalter von 37 Wochen und einem Geburtsgewicht um die 3000 g sind eine »loading dose« von 0,2 µg/kg KG verabreicht über 20 min, gefolgt von einer kontinuierlichen Infusion mit 0,05 µg/kg KG/h [243]. Bei der überwiegenden Zahl der Patienten zeigte sich nach Analgosedierung mit Sufentanil eine Abnahme des β-Endorphinplasmaspiegels. Intranasales Sufentanil erwies sich zur Prämedikation als genauso geeignet wie Midazolam mit einer etwas höheren Rate an postoperativem Erbrechen [297].
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8 Patienten wurde 15 min nach Verabreichung die maximale Plasmakonzentration gemessen, bei 7 Patienten 30 min nach Verabreichung. Die Sedierung setzte rasch ein bei über die Operationsdauer anhaltender Analgesie.
Nebenwirkungen Die Verträglichkeit von Sufentanil bei Neugeborenen ist gut: Thoraxrigidität, Bradykardien oder arterielle Hypotension werden selten beobachtet [243]. Beim erwachsenen Intensivpatienten wurde unter Sufentanilinfusion ein Stiff-man-Syndrom beschrieben [95]. Die Autoren empfehlen, bei Dauerinfusion ein Maximum von 0,75 µg/kg KG/h nicht zu überschreiten.
Remifentanil Pharmakokinetik Obwohl das pharmakokinetische Profil ähnlich dem von Fentanyl ist, ist die Wirkdauer von Sufentanil in der Regel kürzer. Das Steady-state-Verteilungsvolumen von Sufentanil übertrifft das von Alfentanil und liegt in der gleichen Größenordnung wie das von Fentanyl (. Tabelle 5.3, . Abb. 5.1; [204]). Daten zur Elimination von Sufentanil sind insgesamt spärlich und für das Kindesalter ausschließlich im Rahmen von Einmalinjektionen während kardiochirurgischer und allgemeinchirurgischer Eingriffe gewonnen worden [53, 91, 92, 94]. Bei chronischem Nierenversagen scheint die interindividuelle Schwankungsbreite der Pharmakokinetik ausgeprägter; die Pharmakokinetik ist jedoch nicht grundsätzlich verändert und die Elimination im Mittel nicht nennenswert eingeschränkt (. Tabelle 5.6; [54]). Leberzirrhose führt offenbar nach einmaliger intravenöser Verabreichung von Sufentanil bei Erwachsenen nicht zu einer veränderten Pharmakokinetik [40]. Bei Patienten nach kardiochirurgischen Eingriffen wurde eine auf etwa 10 h verlängerte Eliminationshalbwertzeit beobachtet [113]. Auch bei hyperventilierten Patienten mit einem Blut-pHWert von 7,5 fand sich eine Verzögerung der Elimination (t1/2β etwa 4 h) und eine Zunahme des Verteilungsvolumens [242]. Zu Sufentanil liegen auch pharmakokinetische Daten bei Kindern nach intranasaler Verabreichung vor. Haynes et al. [105] verabreichten Sufentanil in einer Dosis von 2 µg/kg KG als Nasentropfen. Bei
Remifentanil (z. B. Ultiva®) ist ein neues ultrakurzwirksames synthetisches Opioid mit µ-agonistischer Wirkung [70]. Die analgetische Potenz entspricht der von Fentanyl. Indikationen für Remifentanil sind insbesondere die intraoperative Analgesie, aber auch die Analgesie bei schmerzhaften Eingriffen.
Bioverfügbarkeit, Metabolismus und Pharmakodynamik Remifentanil wird durch unspezifische Plasma- und Gewebeesterasen zu Metaboliten hydrolysiert, die nur noch über eine sehr geringe µ-rezeptoragonistische Aktivitität verfügen [69]. Klinische Studien zur intraoperativen Anwendung von Remifentanil bei Kindern lassen eine effektive Analgesie erkennen. Insbesondere die Kombination mit Propofol bei spontan atmenden Patienten erscheint günstig [19, 59, 223]. Die Dosierung beträgt hier 0,05 µg/kg KG/ min i.v. als Dauerinfusion [223]. Aufgrund der sehr kurzen Halbwertzeit von Remifentanil sollte auf eine initiale Bolusgabe verzichtet werden. Im Rahmen einer randomisierten multizentrischen Studie bei Kindern im Alter von 2–12 Jahren, die sich einer Strabismusoperation unterziehen mussten, wurde nach initialer langsamer Bolusinjektion von 1 µg/kg KG das Remifentanil in einer Dauerinfusion von 1 µg/kg KG/min [58] verabreicht. Im Vergleich zu Alfentanil fand sich keine Verkürzung der Zeit bis zur Extubation. Diejenigen Kinder, die Remifentanil erhalten hatten, wiesen postoperativ einen etwas höheren Schmerzscore auf, was mit
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Kapitel 5 · Klinisch-pharmakologische Grundlagen der Schmerztherapie
der sehr raschen Metabolisierung des Wirkstoffs zu erklären ist [53]. Es kommt während Remifentanilinfusion hinsichtlich des analgetischen Effekts rasch zur Toleranzentwicklung [275], und dies bei Kindern offenbar bereits nach mehrstündiger Infusion [53]. Auch im Rahmen diagnostischer Maßnahmen, die unter Beatmung durchgeführt werden, wie Herzkatheter-Untersuchungen oder elektive chirurgische Explorationen [229], wird mittlerweile Remifentanil eingesetzt. Mit Dosierungen von 0,2 bzw. 0,3 µg/kg KG/min bestand unter Inhalationsnarkose mit Sevofluran bei Kindern (n=30; Alter 1,5–20 Monate) mit angeborenen Herzfehlern eine sehr gute hämodynamische Stabilität sowie eine rasche Extubierbarkeit [229]. Es soll auch hier betont werden, dass nach Beendigung der RemifentanilInfusion wegen dessen kurzer Halbwertszeit (falls es denn so ist) keine ausreichende Analgesie mehr besteht; ggf. müssen präemptiv analgetische Maßnahmen für den postoperativen Zeitraum festgelegt werden. Über die Anwendung von Remifentanil bei Neugeborenen und sehr unreifen Frühgeborenen liegen erst spärliche Daten vor [255, 282]. Bei einem 13 Wochen alten Frühgeboren der 26. Schwangerschaftswoche konnte unter Remifentanil-Infusion (0,1–0,25 µg/kg KG/min) während eines intraabdominellen Eingriffs eine effektive Analgesie bei guter hämodynamischer Stabilität erzielt werden. Die erfolgreiche Extubation war am 2. postoperativen Tag möglich [255]. Während für den Erwachsenenbereich Erfahrungen mit Remifentanil zur Analgosedierung bei Intensivpatienten vorliegen und seine Anwendung in dieser Indikation günstig erscheinen lassen [288], fehlen entsprechende Angaben für das Kindesalter.
Pharmakokinetik Remifentanil hat zumindest hypothetisch mehrere Vorteile, darunter u. a. eine sehr geringe kontextsensitive Halbwertzeit. Die Pharmakokinetik wird kaum beeinflusst durch hepatische [64] und renale Funktionsstörungen (. Tabelle 5.5; [110]), obwohl bei Niereninsuffizienz der weitgehend analgetisch unwirksame Hauptmetabolit deutlich akkumulieren kann, wobei bislang nicht geklärt ist, ob dies nicht doch klinisch bedeutsame Auswirkungen haben könnte [252, 288].
Pharmakokinetische Untersuchungen beim Erwachsenen zeigen ein vergleichsweise kleines Steady-state-Verteilungsvolumen mit einer terminalen Eliminationshalbwertzeit zwischen 3 und 10 min und einer sehr raschen Gleichgewichtseinstellung zwischen Plasma und Wirkkompartiment [69]. Die Elimination ist bei Neugeborenen, Säuglingen und Kindern nicht wesentlich verschieden [57]. Bei Neugeborenen und jungen Säuglingen findet sich zwar eine höhere Clearance, die Eliminationshalbwertszeit ist jedoch vom Lebensalter unabhängig und liegt zwischen 3 und 6 min [229]. Für Neugeborene und Säuglinge mit einem Alter von 5–60 Tagen fand sich nach intravenöser Verabreichung von 5 µg/kg KG Remifentanil ein mittleres Verteilungsvolumen von 325±90 ml/kg KG und eine mittlere Clearance von 80±22 ml/kg KG/min. Bei Neugeborenen, deren Mütter Remifentanil erhalten hatten, betrug das Konzentrationsverhältnis zwischen Nabelvene und mütterlichem Blut 0,88 ±0,78 und zwischen Nabelarterie und Nabelvene 0,29 ± 0,07 [130]. Remifentanil passiert also die Plazenta und wird vom Neugeborenen rasch metabolisiert. In der Studie traten beim Neugeborenen keinerlei kardiale oder respiratorische Nebenwirkungen auf.
Nebenwirkungen Unter Remifentanil werden Bradykardien und Pruritus häufiger beobachtet als unter Alfentanil. Auf das Auftreten schwerer Bradykardien nach Remifentanil wiesen auch de Souza et al. [60] hin. Insgesamt scheinen unerwünschte Wirkungen selten aufzutreten [57, 130].
Piritramid Piritramid (z. B. Dipidolor), ein in den 1960er Jahren entwickeltes Opioid mit µ-agonistischer Aktivitität, hat einen Indikationsbereich, der dem von Morphin entspricht. In Deutschland wird Piritramid in der postoperativen Analgesie eingesetzt, bevorzugt auch in der pädiatrischen Schmerztherapie, hier insbesondere in der Kinderanästhesie und der Kinderchirurgie [153, 211].
Bioverfügbarkeit, Metabolismus und Pharmakodynamik Im Vergleich zu Morphin zeigt Piritramid eine ausgeprägtere hypnotische Wirkung neben einer längeren Wirkdauer von ca. 4–6 h. Die Metabolisierung
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erfolgt ausschließlich in der Leber; über die Nieren wird nur ein geringer Anteil von 4 % ausgeschieden. Bei intramuskulärer Anwendung entsprechen 15 mg Piritramid der Wirkung von 10 mg Morphin. Bei Kindern jenseits des Säuglingsalters liegen bei intravenöser Verabreichung analgetische Einzeldosen zwischen 0,05 und 0,1 mg/kg KG (7 auch Kap. 12 und 13).
Pharmakokinetik Die Pharmakokinetik im Kindesalter wurde in einer Untersuchung an intensivmedizinisch behandelten pädiatrischen Patienten untersucht [1]. Nach mittleren intravenösen Einzeldosen von 0,05–0,07 mg/kg zeigte sich eine altersabhängige Kinetik mit deutlich verlängerter Eliminationshalbwertzeit bei den reifen Neugeborenen von 702 ± 720 Minuten. Säuglinge und Kleinkinder wiesen eine auch im Vergleich mit Erwachsenen kürzere Eliminationshalbwertzeit von 160 ± 68 Minuten auf. Das Verteilungsvolumen war bei Neugeborenen und jungen Säuglingen mit 2,0 ± 4,93 l/kg KG bzw. 1,7 ± 2,5 l/kg KG deutlich geringer als bei älteren Säuglingen und Kleinkindern (7,0 ± 5,2 bzw. 6,7 ± 2,2 l/kg KG). Die verlängerte Halbwertszeit im Neugeborenenalter ist auch von anderen Opioiden wie dem Morphin und Fentanyl bekannt (siehe dort).
Nebenwirkungen Postoperatives Erbrechen scheint unter Piritramid seltener aufzutreten als unter Morphin [211]. Die Gefahr einer Thoraxrigidität besteht trotz oben genannter Vorteile des Präparates bei zu rascher Injektion in gleicher Weise wie bei anderen starkwirksamen Opioiden. Möglicherweise wirkt Piritramid aufgrund seines sauren pH-Werts stärker venenreizend als andere Opioidpräparate [300].
Pethidin (Meperidin) Pethidin (z. B. Dolantin) ist ein synthetischer Opioidagonist mit in äquianalgetischer Dosierung sehr ähnlichem Wirkspektrum wie Morphin. Im Hinblick auf die analgetische Wirkung ist Pethidin 1/ so wirksam wie Morphin. Pethidin war in der 10 pädiatrischen Schmerztherapie stark verbreitet, und zwar sowohl zur Prämedikation als auch in der postoperativen Analgesie. Gelegentlich erfolgt eine Kombination mit Promethazin und Chlormethazin als »lytischer Cocktail«.
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Insgesamt weist Pethidin im Vergleich zu anderen Opioiden viele Nachteile (s. unten), aber keine Vorteile auf, die seinen Einsatz rechtfertigen.
Bioverfügbarkeit, Metabolismus und Pharmakodynamik Pethidin wird gut aus dem Intestinaltrakt resorbiert. Nach rektaler Verabreichung liegt die mittlere Bioverfügbarkeit bei Kindern in einem Alter von 3,5– 14 Jahren bei 40–55 % [98]. Allerdings sind Höhe und Zeitpunkt der Plasmaspiegel von großer interindividueller Variabilität und nach rektaler Applikation nur unsicher vorhersagbar. Maximale Plasmakonzentrationen traten erst nach 147±44 min auf [98]. Pethidin wird in der Leber durch Demethylierung zu Nor-Pethidin metabolisiert, welches weiter hydrolisiert wird zu Pethidinsäure. NorPethidin wird renal in pH-abhängiger Weise eliminiert. Bei Neugeborenen findet in den ersten Lebenstagen keine nennenswerte Metabolisierung zu Nor-Pethidin statt, Pethidin wird unverändert ausgeschieden. Jedoch setzt bereits innerhalb der 1. Lebenswoche die Metabolisierung zu Nor-Pethidin ein [35, 147]. Innerhalb der ersten 24 Lebensstunden ist die Pethidinelimination beim Neugeborenen nicht nur durch die eingeschränkte metabolische Stoffwechselleistung vermindert, sondern auch durch eine relativ geringe glomeruläre Filtration [188]. Wiederholt wurde bei Neugeborenen nach Einzelgabe eine Rebounderhöhung der Plasmapethidinkonzentration beobachtet, möglicherweise bedingt durch einen enterohepatischen Kreislauf [214]. Pethidin ist stärker fettlöslich als Morphin, jedoch geringer fettlöslich als die neueren Opioide Fentanyl und Sufentanil [181]. Die Plasmaproteinbindung erfolgt in erster Linie an α1-saures Glykoprotein (. Tabelle 5.4). Pethidin wird gern in der Geburtshilfe eingesetzt. Die Konzentration im Nabelschnurblut entspricht 70–90 % der mütterlichen Blutkonzentration [36, 147, 194]. Aufgrund des sauren pH-Werts im Fetalblut erfolgt eine passive Diffusion von Pethidin in Richtung des Feten. Bei Kindern wird eine postoperative Analgesie mit Pethidin bei Plasmakonzentrationen von 0,15– 0,2 mg/l erreicht [98].
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Pharmakokinetik
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Pethidin wird deutlich schneller eliminiert als sein Hauptmetabolit Nor-Pethidin (. Tabelle 5.6). Bei Neugeborenen liegt die Eliminationshalbwertzeit von Nor-Pethidin bei 30–85 h [148]. Besonders bei eingeschränkter Nierenfunktion ist mit einer deutlichen Akkumulation von Nor-Pethidin und dem damit verbundenen Auftreten einer ZNSToxizität in Form von Tremor und Krampfanfällen zu rechnen [1204]. Bei Frühgeborenen ist nach wiederholter Verabreichung von Pethidin – auch ohne Nierenfunktionseinschränkung – von ZNS-Nebenwirkungen auszugehen [217]. Vor diesem Hintergrund sollte Pethidin bei Früh- und Neugeborenen und bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion nicht wiederholt verabreicht werden. Eine Einzeldosis wird in der Regel gut vertragen.
Nebenwirkungen Im Unterschied zu Morphin vermindert Pethidin das Atemminutenvolumen durch Reduktion des Zugvolumens und weniger durch Beeinträchtigung der Atemfrequenz [152]. Insgesamt scheint aber die CO2-Antwort durch Pethidin schwächer beeinflusst zu werden als durch Morphin [281]. Inwieweit Nor-Pethidin zur Atemdepression beim Neugeborenen beiträgt, ist letztlich nicht entschieden, zumindest scheint der Beitrag von NorPethidin nach einmaliger Verabreichung von Pethidin nicht von Belang zu sein [204]. Bei Früh- und Neugeborenen werden von einzelnen intravenösen Pethidindosen von 0,5–1 mg/kg KG Blutdruckverhalten und Herzfrequenz nicht nachteilig beeinflusst [119]. Bei Frühgeborenen mit einem Gestationsalter von 30–34 Schwangerschaftswochen beeinträchtigte die einmalige Gabe von Pethidin in einer Dosierung von 1 mg/kg KG über einen Zeitraum von 5–10 min die dopplersonographisch bestimmte Blutströmungsgeschwindigkeit in ausgewählten großen Zerebralarterien nicht [123]. Verschiedene ältere Studien zeigen, dass Pethidin den zerebralen Blutfluss geringer einschränkt als Morphin [296]. Pethidin verursacht im Gegensatz zu anderen Opioiden bei intravenöser Injektion gelegentlich eine Tachykardie [296]. Besonders wegen der Akkumulation von Nor-Pethidin bei eingeschränkter Nierenfunktion und bei Früh- und Neugeborenen eignet sich Pethidin nicht zur dau-
erhaften Analgesie und Sedierung und zeigt keine Vorteile gegenüber Morphin. Pethidin kann bei Patienten, die Monamin-Oxidase-Hemmer zur Behandlung einer Depression erhalten, ein lebensbedrohliches Syndrom mit Hyperpyrexie, Hypotension, Zyanose und Koma auslösen.
Tramadol Tramadol (z. B. Tramundin) ist wie Pethidin ein schwaches Opioid, das bei Kindern sowohl oral als auch parenteral eingesetzt werden kann und einen allenfalls geringen atemdepressiven Effekt aufweist. Tramadol wirkt µ-agonistisch, zeigt darüber hinaus eine weitere Wirkung im ZNS in Form der Hemmung der Wiederaufnahme der Neurotransmitter Nor-Epinephrin und Serotonin. Beide Mechanismen wirken synergistisch in Hinblick auf die tramadolvermittelte analgetische Wirkung. Besonders in Deutschland, wo Tramadol 1977 eingeführt wurde, ist dieses Analgetikum stark verbreitet. Tramadol ist bei leichteren bis mittleren Schmerzzuständen insbesondere postoperativ und in der Kinderonkologie einsetzbar, bei sehr starken Schmerzen ist die Analgesie oft nicht ausreichend [93, 238, 239, 265]. Die analgetische Wirkstärke liegt bei etwa 10 % der von Morphin. Dosierungen für die postoperative Analgesie und den Einsatz in der Kinderonkologie finden sich in Kap. 12 und 13.
Bioverfügbarkeit, Metabolismus und Pharmakodynamik Die enterale Absorption des wasserlöslichen Tramadols ist in allen Darmabschnitten gut und kann bis über 90 % betragen. Die Substanz weist einen geringen First-pass-Effekt auf, die Bioverfügbarkeit ist hoch und liegt bei 65 % nach oraler und 78 % nach rektaler Verabreichung [276]. Die Dosierung wird bei oraler und intravenöser Verabreichung gleich hoch gewählt. Nach etwa 30 min werden maximale Serumkonzentrationen erreicht. Die Serumeiweißbindung liegt bei 4 %. Diaplazentar tritt der Wirkstoff auf den Fetus über, und es werden 70–90 % der mütterlichen Serumkonzentration erreicht. Tramadol wird hepatisch durch das CytochromP450-System zu einem aktiven Metaboliten umgesetzt. Infolge dieses Metabolisierungsweges entstehen die verschiedensten Interaktionsmöglichkeiten
93 5.4 · Opioidanalgetika
mit anderen über das gleiche System metabolisierten Medikamenten.
Pharmakokinetik Die Elimination von Tramadol sowie seines Hauptmetaboliten O-Desmethyl-Tramadol erfolgt renal mit einer terminalen Eliminationshalbwertzeit von 6 h für Tramadol und 9 h für den Hauptmetaboliten. Detaillierte pharmakokinetische Daten für einzelne Stufen des Kindesalters sind nicht verfügbar. Nach oraler Gabe von 1,5 mg/kg KG Tramadol an 4 bis 7 jährige Kinder beträgt die Eliminationshalbwertzeit für die Muttersubstanz 3,6 ± 1,1 Stunden und für den aktiven Hauptmetaboliten 5,8 ± 1,7 Stunden [3]. Die Plasmakonzentration blieb über einen Zeitraum von 6,8 ± 0,9 Stunden über der als analgetisch angesehenen Plasma-Konzentration von 100 ng/ml. Ähnliche Ergebnisse wurden nach rektaler Gabe von 2 mg/kg KG Tramadol gefunden, auch hier wurden Plasmakonzentrationen von über 100 ng/ml über einen Zeitraum von 8,6 ± 1,1 Stunden berechnet [301].
Nebenwirkungen Übelkeit und Erbrechen traten unter Tramadol vergleichsweise häufig auf, wobei diese Nebenwirkungen maßgeblich durch eine zu schnelle Injektionstechnik bedingt gewesen sein könnten [239]. Nach 10facher Überdosierung ist mit Atemdepression oder Krampfanfällen zu rechnen [266]. 5.4.3
Agonistisch-antagonistische Opioide
Gemischt agonistisch-antagonistische Opioide wie Pentazocin, Nalbuphin oder Buprenorphin sind Analgetika mit im Vergleich zu reinen Agonisten wie Morphin teilweise geringerer atemdepressorischer und spasmogener Wirkung. Allerdings weisen diese Pharmaka auch eine geringere analgetische Potenz auf, die darüber hinaus durch einen Ceilingeffekt begrenzt ist. Ferner heben manche gemischte Agonisten-Antagonisten den Effekt narkotischer Analgetika auf. Von besonderer Bedeutung ist dies bei vorausgegangener chronischer Anwendung eines µ-Agonisten oder bei Drogenabhängigen. Die gemischt agonistisch-antagonistischen Opioide bewirken Analgesie über agonistische Aktivitität am κ-Rezeptor
5
und kompetitiven Antagonismus am µ-Rezeptor. Damit werden alle Effekte rein agonistischer Opioide einschließlich Analgesie und Atemdepression beeinflusst.
Pentazocin Pentazocin (z. B. Fortral) ist als erster Agonist-Antagonist in die klinische Anwendung eingeführt worden. Sein analgetischer Effekt entspricht 1/4–1/3 des Effekts von Morphin. Bei Kindern galt Pentazocin als gut verträgliche und effektive Prämedikation und in der postoperativen Analgesie als wirksam [117, 279]. Bei Erwachsenen liegt die orale Bioverfügbarkeit bei 20 %, maximale Spiegel werden nach 1–2 h erreicht. Pentazocin wird in der Hauptsache oxidativ in der Leber verstoffwechselt, konjugiert und renal eliminiert. Für das Kindesalter existieren nur wenige pharmakokinetische Daten (. Tabelle 5.4), die sich ausschließlich auf die intravenöse Applikationsform beziehen. Zumindest im Erwachsenenalter werden unter Pentazocin häufig halluzinatorische und psychomimetische Sensationen beobachtet [29].
Buprenorphin Buprenorphin (z. B. Temgesic) ist ein sehr lipophiler halbsynthetischer Abkömmling von Thebain, einem Alkaloid aus Opium. Die analgetische Potenz von Buprenorphin ist ca. 25-mal höher als die von Morphin nach intravenöser oder intramuskulärer Verabreichung. Für die Anwendung im Kindesalter ist Buprenorphin wegen seiner relativ langen Wirkdauer und der Möglichkeit zur sublingualen Anwendung interessant. Auch ist Buprenorphin zur Behandlung stärkerer Schmerzen geeignet (Dosierungen 7 Kap. 13).
Bioverfügbarkeit, Metabolismus und Pharmakodynamik Buprenorphin bindet mit hoher Affinität an µ- und δ-Rezeptoren und geringerer Affinität an κ-Rezeptoren, wodurch sich auch die fehlende Antagonisierbarkeit durch Naloxon erklärt [27]. Nach intravenöser Injektion tritt der analgetische Effekt relativ langsam ein, hält jedoch unabhängig von der Plasmakonzentration vergleichsweise lange an [33], postoperativ bis zu 10 h [134]. Dieses Verhalten ist durch eine besonders langsame Assoziations- und
94
5
Kapitel 5 · Klinisch-pharmakologische Grundlagen der Schmerztherapie
Dissoziationsgeschwindigkeit vom µ-Rezeptor bedingt. Untersuchungen zur Bioverfügbarkeit bei Erwachsenen zeigen, dass nach sublingualer Verabreichung ca. 55 % systemisch aufgenommen werden [32]. Bei Niereninsuffizienz scheint die Plasmaclearance von Buprenorphin nicht verlängert zu sein, allerdings fanden sich erheblich erhöhte Plasmakonzentrationen von Buprenorphin-3-Glukuronid und Nor-Buprenorphin [50]. Üblicherweise ist bei schweren Leberfunktionsstörungen die N-Alkylierung von Buprenorphin zu Nor-Buprenorphin gestört (. Tabelle 5.5; [262]).
gonisieren. Andererseits kann Nalbuphin verwendet werden, um den atemdepressorischen Effekt von Fentanyl zu antagonisieren, ohne gleichzeitig dessen analgetischen Effekt aufzuheben [81]. Für das Kindesalter sind kaum pharmakokinetische Daten verfügbar (. Tabelle 5.6). Die Ausscheidung erfolgt nach hepatischer Metabolisierung überwiegend renal. Im Kindesalter liegt die Einzeldosis bei 0,1–0,2 mg/kg KG intravenös. 5.4.4
Opioidantagonisten
Naloxon Pharmakokinetik Zur Pharmakokinetik im Kindesalter gibt es nur wenige Informationen (. Tabelle 5.4). Die Eliminationshalbwertzeit ist kleiner und die Clearance deutlich höher als bei Erwachsenen.
Nebenwirkungen Neben dem Nachteil schlechterer Antagonisierbarkeit durch Naloxon weist Buprenorphin auch eine stärkere Sedierungskomponente auf als Morphin [174]. Hinsichtlich Analgesie als auch Atemdepression besitzt Buprenorphin beim Menschen einen Ceilingeffekt, wobei die atemdepressorische Wirkung von Buprenorphin bei Kindern größer ist als diejenige äquianalgetischer Morphindosen [100]. Infolge der relativen Ineffektivität von Naloxon bei buprenorphininduzierter Atemdepression wird ggf. der Einsatz des Atemanaleptikums Doxapram sinnvoll [29].
Nalbuphin Nalbuphin (z. B. Nubain) ist strukturell verwandt mit Oximorphon und Naloxon. Die Substanz wirkt am µ-Rezeptor antagonistisch und am κ-Rezeptor partiell agonistisch. Die analgetische Potenz entspricht in etwa der von Morphin bei intravenöser Verabreichung. Sowohl als anästhesiologische Prämedikation [224] als auch bei akuten postoperativen Schmerzzuständen in der Kinderchirurgie ist Nalbuphin geeignet [278]. Zur intraoperativen Analgesie ist Nalbuphin aufgrund eines deutlichen Ceilingeffektes oberhalb einer Dosis von 0,4 mg/kg KG ungeeignet. Der atemdepressive Effekt lässt sich mit Naloxon anta-
Naloxon (z. B. Narcanti) ist ein reiner Opioidantagonist, welcher den Effekt reiner agonistischer Opioide wie Morphin aufhebt. Naloxon wirkt antagonistisch am µ-, κ- und σ-Rezeptor. Die Substanz Naloxon hebt nicht nur die atemdepressorische Wirkung von µ-Agonisten auf, sondern auch Analgesie, Sedierung und gastrointestinale Nebenwirkungen. Nach längerer Opioideinnahme oder bei Drogenabhängigkeit ist es sinnvoller, eine narkotikainduzierte Atemdepression statt mittels medikamentöser Antagonisierung durch apparative Beatmung zu überbrücken [296]. Nach intravenöser Verabreichung wird Naloxon rasch hepatisch metabolisiert und an Glukuronsäure gekoppelt. Nach oraler Gabe besteht ein erheblicher hepatischer First-pass-Effekt. Die mittlere Eliminationshalbwertzeit von Naloxon liegt bei Früh- und Neugeborenen bei ca. 70 min [258]. Eine intravenöse Einzeldosis liegt für Kinder bis zum Alter von 5 Jahren bei 0,1 mg/kg KG. Aufgrund der im Vergleich zu den meisten µ-agonistischen Opioiden kurzen Eliminationshalbwertzeit von Naloxon empfiehlt sich gelegentlich eine kontinuierliche Infusion nach Verabreichung eines initialen Bolus [232]. Die Dosierung von Naloxon bei der Antagonisierung von opioidbedingten Atemdepressionen sollte schrittweise erhöht werden (initial 0,01–1 mg/kg KG). Fehlt der intravenöse Zugang, kann Naloxon intramuskulär oder subkutan appliziert werden. Bei opioidinduziertem Pruritus kann Naloxon ebenfalls versucht werden, wobei die empfohlene Dosis mit 0,001–0,002 mg/ kg KG niedriger ist als zur Antagonisierung einer Atemdepression.
95 5.5 · Nicht-Opioidanalgetika
5.5
Nicht-Opioidanalgetika
Die nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAID) Indometacin, Ibuprofen und Naproxen sowie die nichtsauren antipyretischen Analgetika wie Paracetamol (Acetaminophen) und Metamizol gelten nach wie vor als feste Bestandteile in Stufenkonzepten zur Schmerztherapie in der pädiatrischen Infektologie (Kap. 8), Anästhesie (Kap. 12), Onkologie (Kap. 13; [299]), Rheumatologie (Kap. 14), Neurologie (Kap. 16) und Intensivmedizin (Kap. 17). 5.5.1
Paracetamol (Acetaminophen)
Die analgetische Wirkung von Paracetamol (z. B. Ben-u-ron®) ist vergleichsweise schwach, eine Entzündungshemmung fehlt. Es blockiert die Prostaglandinsynthese im ZNS, nicht jedoch in peripheren Geweben. Während der antipyretische Effekt im Hypothalamus entsteht, wird die Analgesie u. a. spinal vermittelt unter Beteiligung von NMDA-Rezeptoren und Substanz P [26]. Eine Beeinflussung der Thrombozytenaggregation erfolgt nicht. Aufgrund der relativ schwachen analgetischen Wirkung von Paracetamol wird das Präparat im Wesentlichen bei leichteren Schmerzen oder Unwohlsein eingesetzt. Daneben taugt es als Begleitmedikation im Rahmen des Schmerzmanagements mit intravenöser Opioidtherapie. Nicht wirksam ist Paracetamol im Neugeborenenalter bei Fersenblutabnahmen mittels Lanzettenstich [249] und bei der Zirkumzision [112]. Andererseits ist Paracetamol nach rektaler Anwendung geeignet, bei Neugeborenen die Schmerzsymptomatik nach Geburt mittels Vakuumextraktion zu mildern [270]. Ein großer Vorteil von Paracetamol, besonders beim Säugling und Kleinkind, ist die Verfügbarkeit als Suppositorium oder orale Darreichungsform bei gleichzeitig fehlenden nennenswerten renalen und gastrointestinalen Nebenwirkungen oder einer Beeinträchtigung der Thrombozytenaggregationsfähigkeit. In der orthopädischen Chirurgie erwies sich das intravenös verabreichbare Propacetamol, ein »prodrug« von Paracetamol, bei der postoperativen Analgesie in Kombination mit Morphin als deutlich opioidsparend [61]
5
Bioverfügbarkeit, Metabolismus und Pharmakodynamik Paracetamol wird hepatisch metabolisiert, wobei infolge von Überdosierungen (mehr als 150 mg/ kg KG Paracetamol) nach Erschöpfung der hepatischen Glutathionspeicher stark reaktive toxische Paracetamol-N-Hydroxy-Metabolite (z. B. n-AcetylBenzochinoline) auftreten können. Lebertoxische Plasmakonzentrationen liegen bei über 300 mg/l. Beim Früh- und Neugeborenen werden innerhalb der ersten Lebenstage in der Hauptsache Sulfatkonjugate des Paracetamols gebildet, was den Mangel an Glukuronidierungskapazität aufwiegt und unter Berücksichtigung des in dieser Altersstufe vermindert aktiven Cytochrom-P450-Systems durchaus eine niedrigere Toxizität bei Früh- und Neugeborenen erwarten lässt. Bei Kindern liegt die therapeutische »loading dose« bei 20 mg/kg KG oral und 40 mg/kg KG rektal mit einer Erhaltungsdosis von 10–15 mg/kg KG oral bzw. 15–20 mg/kg KG rektal alle 6 h [158]. Die maximale tägliche Dosis sollte unabhängig vom Verabreichungsmodus 90 mg/kg KG/Tag nicht überschreiten [250]. Antipyretische Plasmakonzentrationen liegen in einem Bereich von 10–20 mg/l, analgetische Plasmakonzentrationen konnten bisher nicht eindeutig definiert werden. Bei gesunden Probanden fanden sich jedoch analgetische Effekte bereits ab Plasmakonzentrationen von unter 10 mg/l [190].
Pharmakokinetik Im Hinblick auf die Elimination besteht abgesehen von der Situation bei sehr unreifen Frühgeborenen keine eindeutige Altersabhängigkeit (. Tabelle 5.8; [185]). Pharmakokinetische Modellrechnungen ergaben für die Aufrechterhaltung einer antipyretischen Steady-state-Plasmakonzentration von 10–20 mg/l eine »loading dose« von einmal 50 mg/kg KG Paracetamol mit 6-stündlichen Folgedosen mit 30 mg/ kg KG rektal [6]. Zum Erreichen von als analgetisch angenommenen Plasmakonzentrationen um 25 mg/l, ermittelt im Rahmen von Tonsillektomien bei Kindern [172], war eine »loading dose« von 70 mg/kg KG mit 8-stündigen Folgedosen von 40 mg/kg KG erforderlich. Unter Sicherheitsaspekten sind diese Empfehlungen jedoch kritisch zu beurteilen (s. unten).
5 96
. Tabelle 5.8. Pharmakokinetische Parameter für Paracetamol und Ibuprofen Dosis [mg/kg KG]
Tmax [h]
Cmax [mg/ml]
Eliminationshalbwertzeit t1/2b [h]
Clearance (Cl) [ml/kg KG · min]
Literatur
Rectal Rectal Oral
20 20 20
3,9 (0,8-10) 5,1 (1,0–9,5) 1,3±0,7
12,5±2,9 (7,5-18) 7,5±4,0 (1,5-13,6) 8,4±3,9
11,0± 5,7 4,8±1,2 –
1,7±0,76 9,3±11 –
[271] [271] [158]
Neugeborene
Oral Oral Rectal
10 15 15
– 1,2 1,0
– 11,2 7,9 9,7
4,9±0,9 2,8 3,8 1,6
– – – –
[185] [111] [111] [111]
Säuglinge
Oral
15
1,1 –
4,5
–
[185]
Klein- und Schulkinder
Oral Oral Oral Oral Rectal
10 12,5 15 10–15 15
– 1,3±0,2 1,9 0,5 2,6
9,5±0,6 10,5 12,3 5,3
1,9±0,1 2,3 2,8 2,6
– – 3,6 –
[68] [111] [134] [111]
i.v.
10
–
–
30,5±4,2
0,03±0,005
[7]
Oral Oral Oral Oral Oral
5 6 8 10 14
1,6±0,1 0,9 7±0,5 1,5±0,1 1,0±0,4
19±1,4 26,6 35,8±16,7 34,4±2,2 66±10
1,7±0,2 2,0 1,6±0,7 1,5±0,1 1,4±0,3
– 1,0 – – –
[68] [134] [131] [68] [139]
Paracetamol Frühgeborene 28–32 Wochen 33–36 Wochen 33±1,6 Wochen
Ibuprofen Frühgeborene 22–31 Wochen Säuglinge, Klein- und Schulkinder
(Tmax = Zeitpunkt des Auftretens der maximalen Plasma-Konzentration; Cmax = maximale Plasmakonzentration)
Kapitel 5 · Klinisch-pharmakologische Grundlagen der Schmerztherapie
Verabreichungsmodus
97 5.5 · Nicht-Opioidanalgetika
Nebenwirkungen Dosen von über 120–150 mg/kg KG/Tag Paracetamol während eines Anwendungszeitraums von 2–8 Tagen gelten als lebertoxisch und sind zu vermeiden. Die anhand pharmakokinetischer und pharmakodynamischer Modelle ermittelten Dosen (s. oben; [6]) müssen speziell unter Sicherheitsaspekten im Hinblick auf die klinische Anwendung kritisch hinterfragt werden: hepatische oder renale Begleiterkrankungen, Mangelernährung und Dehydratation erhöhen das Risiko hepatischer Toxizität durch Paracetamol. Ferner kann eine Begleitmedikation mit Medikamenten, die das Cytochrom-P450-System induzieren, zur Toxizität von Paracetamol beitragen. Die Anwendung von Paracetamol in höheren als den bislang empfohlenen Dosen dürfte nur im klinischen Rahmen erfolgen und niemals in den Händen der Eltern liegen. Rivera-Penera et al. [225] zeigten, dass ein erheblicher Anteil an schwerem Leberversagen nach Paracetamol durch unbeabsichtigte Überdosierung durch die Eltern zustande kam. Zu betonen ist, dass in Bezug auf die Anwendung von Paracetamol bei Kindern die Verabreichung von »mehr« nicht »besser« ist [107].
Propacetamol/Paracetamol i.v. Die Löslichkeit von Paracetamol ist im Bereich physiologischer pH-Werte schlecht, weswegen es bislang keine i.v. applizierbare Form gab. Durch die Veresterung von Diethylglycin und Paracetamol wurde die Löslichkeit verbessert und damit eine intravenös applizierbare Prodrug gewonnen: Propacetamol. Propacetamol wird im Blut rasch hydrolysiert. Maximale Paracetamol-Konzentrationen werden unmittelbar nach Beendigung einer Propacetamol-Infusion gemessen. 30 mg Propacetamol entsprechen 15 mg Paracetamol (Verhältnis Propacetamol : Paracetamol von 2:1). Der Hersteller empfiehlt, die Anwendungsdauer auf 48 h zu beschränken. Bei schwerer Leber- oder Niereninsuffizienz, Glucose-6-Phosphat-DehydrogenaseMangel und M. Meulengracht ist Propacetamol kontraindiziert. Mittlerweile ist Paracetamol als intravenös zu applizierendes Medikament (Perfalgan®) für Kinder ab dem 1. Lebensjahr zugelassen. Der Hersteller empfiehlt eine maximale Tagesdosis von 60 mg/kg KG und eine Einzeldosis von 15 mg/ kg KG i.v.
5
Granry et al. [89] fanden bei jüngeren Kindern (n=87; 6–13 Jahre) nach orthopädischen Eingriffen eine gute analgetische Wirksamkeit für Propacetamol 30 mg/kg KG i.v. In einer Studie von Pendeville et al. [210] war bei Kindern (n = 50; 2–9 Jahre) nach Tonsillektomie die Kombination Propacetamol/ Paracetamol einer Analgesie mit Tramadol unterlegen. Allegaert und Mitarbeiter [2a] untersuchten Pharmakokinetik und Wirkung einer Einmalgabe von Propacetamol an Frühgeborenen und reifen Neugeborenen. Sie fanden eine vom Gestationsalter abhängige Eliminationshalbwertzeit mit verlängerter t1/2 β bei unreiferen Kindern. Bei Frühgeborenen unterhalb der 37. Schwangerschaftswoche betrug die t1/2 β 277 ± 143 Minuten, bei reifgeborenen Kindern 172 ± 59 Minuten. Entsprechend war die Clearance bei den Frühgeborenen (0,116 ± 0,08 l/ kg/h) gegenüber den Neugeborenen (0,170 ± 0,06 l/ kg/h) eingeschränkt. Zur Aufrechterhaltung eines fraglich analgetischen Wirkspiegels von 10 mg/l errechnen die Autoren in einer weiteren Arbeit [2b] die Notwendigkeit einer 4–6 stündliche Gabe von 20–30 mg/kg Propacetamol nach einer initialen Bolusgabe von 40 mg/kg in Abhängigkeit vom Gestationsalter. Die Folgedosierungen sollten aber zurückhaltender erfolgen. 5.5.2
Nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID) und Metamizol
Nichtsteroidale antiinflammatorische Arzneimittel (NSAID) besitzen antipyretische, analgetische und antiinflammatorische Wirkungen. Im Kindesalter werden diese Arzneimittel häufig bei Fieber, akuten Schmerzzuständen (insbesondere postoperativ), bei entzündlichen Erkrankungen (u. a. juvenile rheumatoide Arthritis), beim Kawasaki-Syndrom oder der zystischen Fibrose eingesetzt. Das erste Medikament aus dieser Gruppe war die Acetylsalizylsäure (ASS; z. B. Aspirin). Die Anwendung von ASS als Analgetikum ist in den vergangenen 10 Jahren aufgrund der Assoziation mit dem Reye-Syndrom in der pädiatrischen Therapie – ausgenommen Rheumatologie – in den Hintergrund getreten. Umso bedeutsamer wurden Diclofenac, Ibuprofen, Indometacin, Naproxen und in den USA Ketorolac [175, 274]. Die NSIAD wirken stärker analgetisch als Paracetamol, sind aber noch
98
5
Kapitel 5 · Klinisch-pharmakologische Grundlagen der Schmerztherapie
als schwach bis mittelstark wirksame Analgetika zu betrachten. Der kombinierte Einsatz von NSAID mit Leitungs- oder Lokalanästhetika und/oder Opioiden hat sich bei der postoperativen Analgesie bewährt und führt zur Reduktion des Bedarfs an systemisch verabreichten Opioiden. Wirkungen und Nebenwirkungen der genannten Substanzen werden verursacht über die Beinflussung der Prostaglandin- und Leukotriensynthese durch Hemmung des CyclooxygenaseWeges (COX-Hemmer). Zwei Isoformen der Cyclooxygenase werden gehemmt, die COX1 (Vermittlung Prostaglandin-abhängiger physiologischer Vorgänge) und die COX2 (Beteiligung an Entzündungvorgängen, induzierbar und durch Entzündungsstimuli aktivierbar). COX2-Inhibition bedeutet somit anti-inflammatorische und analgetische Wirkung. Prostaglandine und Thromboxan A2 sind proinflammatorische Substanzen und potenzielle Vasomodulatoren, die synergistisch mit Bradykinin und Histamin wirken. NSAID vermindern sowohl die basale Prostaglandinsynthese als auch die gesteigerte Bildungsrate nach Gewebeverletzung. Gerade spezifische COX2-Inhibitoren könnten von besonderer Bedeutung sein, um über die Hemmung der spinalen Prostaglandinfreisetzung langfristige Veränderungen im Schmerzverhalten bei chronischer Nozizeption zu verhindern [269]. Daneben entfalten NSAID antinozizeptive Effekte im zentralen Nervensystem [37]. Aktiviert wird ferner die Leukotrienbildung, was den bronchokonstriktorischen Effekt der NSAID erklärt. Allen NSAID, die eine Präferenz für COX1 haben (Aspirin, Indomethacin) oder COX1 und COX2 in gleichem Maße hemmen (z. B. Ibuprofen, Diclofenac), ist gemeinsam, dass sie die Thrombozytenaggregation vermindern, das Auftreten von gastrointestinalen Blutungen begünstigen und über die Reduktion des renalen Plasmaflusses zur Nierenfunktionseinschränkung führen können. Glukokortikoide sollten nicht zeitnah systemisch eingesetzt werden, da dadurch sonst das Risiko für schwerwiegende gastrointestinale Blutungen erheblich gesteigert wird. Klinisch ist bei postoperativer Anwendung von NSAID das Risiko einer peri- oder postoperativen Blutung wohl nicht erhöht, wobei Ketorolac diesbezüglich eine Ausnahme darstellen könnte [159]. Ein erhöhtes lokales Blutungsrisiko
nach Tonsillektomie kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Alle NSAID können klinisch signifikante Arzneimittelinteraktionen hervorrufen. Dies gilt auch für selektive COX2-Inhibitoren. Über eine Interaktion mit dem Methotrexatmetabolismus (MTX) kann es zu erhöhten Serumspiegeln und einer verzögerten Elimination von MTX kommen [69]. Für das Kindesalter bestehen Erfahrungen mit Indomethacin [175] sowie Ibuprofen, Naproxen, Tolmetin, Diclofenac und in den USA Ketorolac [274]. Die Auswahl eines bestimmten Analgetikums aus der Gruppe der NSAID erfolgt im Hinblick auf Dosierungsintervall, Wirkstärke und Dauer sowie den verfügbaren Applikationsmodus. NSAID haben im Säuglings- und Kleinkindesalter ein höheres relatives Verteilungsvolumen als beim Erwachsenen, wobei die Eliminationshalbwertszeiten bei Kinden und Erwachsenen vergleichbar sind [277]. Hieraus resultiert für das Säuglings- und Kleinkindesalter zur Erzielung vergleichbarer analgetischer Effekte die Notwendigkeit höherer Initial- und Erhaltungsdosen [159, 277]. Für die kommenden Jahre ist mit der Einführung von selektiven Cyclooxygenase-Inhibitoren (COX2-Antagonisten) auch in der Kinderheilkunde zu rechnen, womit möglicherweise die bekannten Risiken der Therapie mit NSAID-Präparaten vermindert werden können [47, 244].
Indomethacin Indomethacin (Amuno®) ist ein Derivat der Arylessigsäure. Wie die anderen NSAID vermindert Indomethacin durch Hemmung der Cyclooxygenase die Prostaglandinsynthese und damit deren hyperalgesierenden Effekt auf die Nocizeptoren. Die Reduktion der Prostaglandinsynthese in Entzündungszellen durch Hemmung der Cyclooxygenase vom Isotyp 2 (COX2) und die Reduktion der Leukotriensynthese durch Hemmung der Lipooxygenase führen zum antiphlogistischen Effekt. In der Kinderheilkunde wird Indomethacin v. a. bei rheumatischen Erkrankungen eingesetzt. In der Neonatologie findet Indomethacin Verwendung zum Verschluss eines persistierenden Ductus arteriosus. Prostaglandine (PGE2, PGI2) haben einen dilatatorischen Effekt auf die glatte Gefäßmuskulatur und sind an der Tonusregulation des Ductus arteriosus maßgeblich beteiligt.
99 5.5 · Nicht-Opioidanalgetika
Bioverfügbarkeit, Metabolismus und Pharmakodynamik Von Erwachsenen ist bekannt, dass Indomethacin nach oraler Verabreichung rasch und nahezu vollständig resorbiert wird. Die Plasmaeiweißbindung beträgt über 90 %. Die Metabolisierung (Glukuronidierung, O-Demethylierung, N-Deacetylierung) beträgt mehr als 50 %, die Elimination erfolgt sowohl über die Niere als auch über die Galle.
Pharmakokinetik Nach i.v.-Kurzinfusion von 0,35 mg/kg KG wurde bei Kleinkindern eine Halbwertzeit von 25,2 ± 11,3 min, ein Verteilungsvolumen (Vd) von 0,74 ± 0,75 l/kg KG und eine Clearance von 3,2 ± 1,7 ml/ kg KG/min gemessen [202]. Zur Pharmakokinetik im Früh- und Neugeborenenalter existieren mehrere Studien. Wiest et al. [286] bestimmten in einer Populationskinetik bei 83 Frühgeborenen mit einem mittleren Gestationsalter von 28,8 SSW und einem mittleren Geburtsgewicht von 1125 g eine vom postnatalen Alter (Tage 1–20) abhängige Pharmakokinetik. Das Verteilungsvolumen (l/kg) betrug 0,28 kg KG ± 0,0041 × PNA (postnatales Alter in Tagen), die Clearance (ml/kg KG/h) 2,63 kg KG ± 0,244 × PNA. Yaffee et al. [293] fanden eine vom Geburtsgewicht der Frühgeborenen abhängige Pharmakokinetik: bei Kindern mit einem Geburtsgewicht von <1000 g bestimmten sie eine Halbwertzeit von 20,7+5,2 h, ein Verteilungsvolumen von 0,22 + 0,01 l/kg KG und eine Clearance von 9,6 + 4,2 ml/kg KG/h. Bei einem Geburtsgewicht von >1000 g betrug die Halbwertzeit 15,4 + 3,4 h, das Verteilungsvolumen 0,29 + 4,2 l/kg KG und die Clearance 22,8 + 4,2 ml/kg KG/h. Weitere pharmakokinetische Daten finden sich bei Walson u. Mortensen [277].
Nebenwirkungen Die Nebenwirkungen der NSAID sind mehrheitlich auf die Hemmung der Cyclooxygenase zurückzuführen (s. oben). Toxische Wirkungen auf das Knochenmark mit Zytopenien, allergische Reaktionen und Leberfunktionsstörungen entstehen unabhängig von der Hemmung der Cyclooxygenase. Bei der Anwendung von Indomethacin treten gastrointestinale Nebenwirkungen mit Übelkeit und Blutungen v. a. aus dem oberen Trakt sowie eine reversible Einschränkung der Diurese im Vergleich zu anderen
5
NSAID wie Ibuprofen oder Naproxen häufiger auf, daher wird Indomethacin zugunsten der anderen Substanzen selten eingesetzt.
Ibuprofen Im Kindesalter wird als NSAID derzeit am häufigsten Ibuprofen (Nurofen®-Saft) eingesetzt. Es ist dem Paracetamol analgetisch überlegen [177]. Darüber hinaus wird Ibuprofen neben Indomethacin bei Frühgeborenen zum Verschluss eines persistierenden Ductus arteriosus Botalli verwendet [150, 272, 273].
Bioverfügbarkeit, Metabolismus und Pharmakodynamik Nach oraler Einnahme erfolgt eine fast vollständige Resorption. Ibuprofen wird durch das hepatische Cytochrom-P450-System über Hydroxylierung und Carboxylierung metabolisiert und anschließend glukuronidiert. Beide Metabolisierungswege sind beim Frühgeborenen in den ersten Lebenstagen beeinträchtigt. Ibuprofen ist ein Enantiomerengemisch, wobei das pharmakologisch weitgehend inaktive R(–)-Stereoisomer unidirektional zu ca. 60 % in das pharmakologisch aktive S(+)-Stereoisomer überführt wird; für Früh- und Neugeborene sind dazu keine Daten bekannt. Ibuprofen mit seiner Proteinbindung von nahezu 99 % wird bei hepatischen und renalen Funktionsstörungen erheblich verzögert ausgeschieden, sodass die Anwendung einzuschränken ist (. Tabelle 5.8). Hinsichtlich des antipyretischen Effekts tritt das Maximum der Temperatursenkung bei Ibuprofen deutlich später auf als seine maximale Serumkonzentration – ähnlich wie bei Paracetamol –, wobei der Effekt von Ibuprofen verglichen mit Paracetamol später eintritt [134]. Bezüglich der analgetischen Wirksamkeit bei Schmerzen nach Zahnextraktion war Ibuprofen oral in einer Dosierung von 4 mg/kg KG alle 6 h wirksamer als Paracetamol oder auch Paracetamol in Verbindung mit Kodein [177]. Die Langzeitanwendung von Ibuprofen bei Kindern mit chronischer juveniler Arthritis in einem Alter von 18 Monaten bis 13 Jahren mit einer Dosierung zwischen 10 und 40 mg/kg KG/Tag (mittlere Tagesdosis 28 mg/kg KG) brachte der Mehrzahl der Patienten eine signifikante Schmerzlinderung [257].
100
Kapitel 5 · Klinisch-pharmakologische Grundlagen der Schmerztherapie
Pharmakokinetik
5
Pharmakokinetische Daten finden sich in . Tabelle 5.8. Das Stereoisomer S(+)-Ibuprofen weist ein größeres Verteilungsvolumen, eine etwas größere Clearance und eine etwas verlängerte Eliminationshalbwertzeit (138,6±88,2 min) auf als R(–)-Ibuprofen. Bei Frühgeborenen (mittleres Geburtsgewicht 945 g, mittleres Gestationsalter 26,8 Wochen), die Ibuprofen-Lysin in einer Dosierung von 10 mg/kg KG zum Erreichen eines Ductusverschlusses intravenös erhalten hatten, fand sich eine erheblich verzögerte Eliminationsleistung [7]. Diese kann mit einer verzögerten hepatischen Metabolisierung sowie mit einer bei Früh- und Neugeborenen z.T. erheblichen Reduktion des renalen Blutflusses und damit verbundener Clearanceleistung erklärt werden. Van Overmeire et al. [272] fanden nach wiederholter Gabe von Ibuprofen (1. Dosis 10 mg/kg KG i.v.; 2. und 3. Dosis je 5 mg/kg KG i.v. im Abstand von jeweils 24 h) bei Frühgeborenen (medianes Gestationsalter 29. SSW; Geburtsgewicht im Mittel 1250 g) eine signifikante Abnahme der Verteilungsvolumina bei unveränderter totaler Clearance, jedoch kürzerer Eliminationshalbwertzeit. Das UrinZeit-Volumen nahm von im Mittel 4,2 ml/kg KG/h bei der 1. Gabe auf 2,8 ml/ kg/h nach der 3. Ibuprofendosis ab. Bei gleicher Wirksamkeit von Ibuprofen und Indomethacin im Hinblick auf die Rate eines Duktusverschlusses sahen Lago et al. [150] eine signifikant geringere Einschränkung der Nierenfunktion nach Ibuprofen-Applikation. Die Häufigkeit von Hirnblutungen
war in dieser Studie nach Ibuprofen nicht erhöht. Zu erwähnen ist, dass bei Kindern mit zystischer Fibrose Ibuprofen eine um 77 % erhöhte totale Clearance und ein um 84 % höheres Steady-state-Verteilungsvolumen bei unveränderter Eliminationshalbwertzeit aufweist [109]. Die Kombination von Ibuprofen mit Kodein kann unter pharmakokinetischen Gesichtspunkten sinnvoll sein [128].
Nebenwirkungen In der oben zitierten Langzeitanwendung von Ibuprofen bei Kindern mit chronischer juveniler Arthritis wurden lediglich bei 2 von 39 Kindern Nebenwirkungen beobachtet (Gastritis, Bauchschmerzen und Übelkeit [192]). Das Nebenwirkungsprofil von oral verabreichtem Ibuprofen in einer Dosierung von 10 mg/kg KG und einer maximalen Tagesdosis von 40 mg/kg KG unterscheidet sich bei kurzzeitiger Anwendung (weniger als 7 Tage) hinsichtlich Art und Häufigkeit seiner Nebenwirkungen nicht von denen des Paracetamols [154]. Insbesondere ist für Ibuprofen das Risiko für klinisch bedeutsame gastrointestinale Blutungen offenbar nicht signifikant erhöht.
Diclofenac Diclofenac (z. B. Voltaren®, Diclac®) wird v. a. in der Therapie von Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis eingesetzt. Bei Erwachsenen hat Diclofenac postoperativ eine größere analgetische Wirkung als Paracetamol und Ibuprofen. Auch im Kindesalter gewinnt Diclofenac in der
. Tabelle 5.9. Pharmakokinetik von Diclofenac im Kindesalter; Tmax Zeitpunkt des Auftretens der maximalen Plasmakonzentration, Cmax maximale Plasmakonzentration, Cl Clearance, Vd Verteilungsvolumen, t1/2 Eliminationshalbwertzeit, ret. retardierte Form Alter [Jahre]
Dosis [mg/kg KG] Applikationsweg
Cmax [mg/l]
Tmax (h)
Cl [ml/h/kg KG]
Vd [l/kg KG]
t1/2 (h)
Quelle
2–7
1,5 ret. p.o.
0,8–4,3*
0,5–2,0*
–
–
–
[96]
2–7
1,0 i.m.
0,8–1,9*
0,25–0,75*
–
–
–
[233]
4–6
0,5 i.v.
4,75 ± 1,3
–
462 ± 90
0,9 ± 0,25
1,3 ± 0,3
[144]
5–15
1,4 ± 0,2 p.o.
2,4 ± 1,3
2,0 ± 0,5
754 ± 207
0,71 ± 0,23
0,65 ± 0,14
[228]
2–8
2,0 rec.
–
0,83
640 ±
0,32 ± 0,27
–
[270a]
* Bereich.
101 5.5 · Nicht-Opioidanalgetika
postoperativen Schmerztherapie zunehmend an Bedeutung, obwohl Romsing et al. [228] bei Kindern (5–15 Jahre) nach Tonsillektomie durch Gabe von Diclofenac (1–2 mg/kg KG p.o.) keine signifikante Schmerzreduktion erreichen konnten (. Tabelle 5.9). Im Zuge einer präemptiven Analgesie bei Kindern (>1 Jahr) nach Trommelfellparazentese erwiesen sich Diclofenac (0,5 mg/kg KG) und Paracetamol (15 mg/kg KG) als gleichwertig [261]. Eine postoperative Komedikation mit Diclofenac (1 mg/kg KG) reduziert bei 5- bis 13-jährigen nach Appendektomie den PCAMorphin-Verbrauch [189]. Nach StrabismusOperationen ist Diclofenac (1 mg/kg KG rektal; Alter 4–16 Jahre) im Hinblick auf die postoperative Reduktion von Übelkeit, Erbrechen und Schmerz Morphin deutlich überlegen [284]. Eine Kombination von Diclofenac mit Clonidin bewirkt bei Kindern nach chirurgischen Eingriffen am Auge eine stärkere postoperative Schmerzreduktion als Diclofenac alleine [197].
Bioverfügbarkeit, Metabolismus und Pharmakodynamik Diclofenac ist ein Arylsäurederivat mit einer guten oralen Resorption, jedoch unterliegt Diclofenac einem ausgeprägten First-pass-Metabolismus von bis zu 60 %. Nach rektaler Verabreichung konnte im Vergleich zu oral verabreichten magensäureresistenten Tabletten eine bessere relative Bioverfügbarkeit von 1,26 festgestellt werden [270a]. Im Plasma wird Diclofenac zu 99 % an Albumin gebunden. Bei Kleinkindern (Alter 4–6 Jahre) sind nach intravenöser Verabreichung von 0,5 mg/kg KG Diclofenac relatives Verteilungsvolumen und totale Clearance höher als beim Erwachsenen, die Eliminationshalbwertzeit ist jedoch etwa gleich groß [144, 277]. Die Elimination erfolgt nach Sulfatierung und Glukuronidierung in der Leber über Galle und Niere. Bei Kindern ist die renale Ausscheidung von unverändertem Diclofenac mit 5–10 % gering [96]. Bei Niereninsuffizienz ist mit der Akkumulation von Diclofenac-Konjugaten zu rechnen. Hepatische Störungen machen in der Regel keine Dosisreduktion erforderlich [51].
Pharmakokinetik Die pharmakokinetischen Daten sind aus . Tabelle 5.9 ersichtlich.
5
Nebenwirkungen Die unerwünschten Wirkungen entsprechen denen anderer NSAID. Diclofenac ist hinsichtlich der gastrointestinalen Verträglichkeit besser als Acetylsalicylsäure und vergleichbar mit Ibuprofen oder Naproxen. Bedeutsame Arzneimittelinteraktionen treten mit Aspirin, Lithium, Digoxin, Methotrexat, Cyclosporin und Cholestyramin auf.
Naproxen Naproxen wird wie Diclofenac zur Therapie rheumatischer Erkrankungen, in der postoperativen Schmerztherapie und der pädiatrischen Onkologie eingesetzt.
Bioverfügbarkeit, Metabolismus und Pharmakodynamik Naproxen ist ein Propionsäurederivat, wirksam ist nur das therapeutisch eingesetzte (S+)-Isomer, das (R–)]-Isomer ist toxischer und analgetisch unwirksam. Die orale Bioverfügbarkeit beträgt wie bei Erwachsenen 80 %. In der postoperativen Phase finden sich bei Kindern ca. 35 % der Dosis im Urin wieder [132]. Ursache für die wahrscheinlich geringere Absorption in der postoperativen Phase könnte eine veränderte Magen-Darm-Funktion durch den Eingriff, Wechselwirkung mit anderen Medikamenten und die Immobilisierung gewesen sein. Naproxen unterliegt einer sehr hohen konzentrationsabhängigen Bindung an Plasma-Albumin. Die Metabolisierung erfolgt im Kindesalter zu 30 % hepatisch, die Elimination hauptsächlich renal als unveränderte Substanz (70 %) oder als Desmethyl-Naproxen, wovon je etwa 60 % als Konjugate eliminiert werden [132].
Pharmakokinetik Nach oraler Einmalgabe von 10 mg/kg KG Naproxensuspension trat bei 6- bis 13-jährigen Kindern postoperativ die maximale Plasmakonzentration nach 2–8 h auf, die mittlere maximale Plasmakonzentration betrug 49 mg/l (27–63 mg/l), die Eliminationshalbwertzeit 13,6 h [132]. Well et al. [283] fanden nach p.o.-Gabe von Naproxen in Tablettenform bzw. als Suspension (Alter 8–14 Jahre, Dosis 4– 8 mg/kg KG) eine etwa gleich gute Bioverfügbarkeit. Die gewonnenen pharmakokinetischen Parameter zeigten keine altersabhängigen Veränderungen. Die
102
Kapitel 5 · Klinisch-pharmakologische Grundlagen der Schmerztherapie
im Vergleich mit anderen NSAID relativ lange Halbwertszeit spiegelt sich in einer länger andauernden Analgesie wider, sodass eine Applikation in 2 Einzeldosen pro Tag ausreichen sollte.
Nebenwirkungen Die Nebenwirkungen entsprechen denen der anderer NSAID; Nierenversagen und interstitielle Nephritis sind als Komplikationen auch nach Anwendung im therapeutischen Bereich beschrieben.
5
Ketorolac Ketorolac ist ein NSAID mit potenten analgetischen Effekten und einer relativ geringen Häufigkeit von Nebenwirkungen [79]. Obwohl Ketorolac in Deutschland und anderen europäischen Ländern nicht zugelassen ist, soll der Wirkstoff kurz besprochen werden. In zahlreichen klinischen Untersuchungen ließ Ketorolac bei akuten postoperativen Schmerzen eine analgetische Wirkung erkennen, die der von Morphin vergleichbar und der des Kodein überlegen war. Bei starken postoperativen Schmerzen reicht Ketorolac als alleiniges Analgetikum nicht aus [207]. Der Opioid-sparende Effekt von Ketorolac ist postoperativ gut belegt. Bei Kindern mit einem Alter von <1 Jahr darf Ketorolac nicht eingesetzt werden. Die Verabreichung ist sowohl intravenös als auch per os möglich [79].
Bioverfügbarkeit, Metabolismus und Pharmakodynamik Ketorolac ist ein Racemat; der wirkame Anteil ist (S)-Ketorolac [101]. Nach p.o.-Aufnahme ist die Bioverfügbarkeit nahezu vollständig. Die Bindung an Plasmaproteine erfolgt zu einem sehr hohen Anteil. Ketorolac wird hepatisch metabolisiert zu Glukuronsäure-Konjugaten oder via Hydroxylierung zu inaktivem p-Hydroxyketorolac. Die Elimination erfolgt überwiegend renal. Die relative analgetische Potenz von Ketorolac ist im Vergleich zu Diclofenac etwa um den Faktor 10 größer. Munro et al. [191] fanden bei Kindern nach Strabismus-Operation für Ketorolac (0,75 mg/kg KG i.v.) bei vergleichbarer Analgesie postoperativ deutlich seltener Übelkeit und Erbrechen als nach Morphin (0,1 mg/kg KG i.v.).
Pharmakokinetik Die Pharmakokinetik von Ketorolac unterscheidet sich besonders im Kleinkindesalter von der des
Erwachsenenalters. Das relative Verteilungsvolumen ist in dieser Altersgruppe etwa doppelt so groß wie beim Erwachsenen, wohingegen die terminale Eliminationshalbwertzeit bei normaler Nierenfunktion mit etwa 5,5 h vergleichbar ist. Die totale Clearance ist bei Kindern infolge einer geringeren Plasmaeiweißbindung größer als bei Erwachsenen [79]. Bei stereoselektiver Betrachtung der Pharmakokinetik zeigte sich, dass (S)-Ketorolac im Vergleich zum (R)-Enantiomer ein größeres Verteilungsvolumen und eine größere Clearance sowie eine längere Eliminationshalbwertzeit besitzt [101]. Das Steady-state-Verteilungsvolumen von (S)-Ketorolac ist bei Kindern (6–11 Jahre) größer als bei Jugendlichen oder Erwachsenen. Aufgrund seiner bei Kindern längeren Eliminationshalbwertzeit ist die Erhaltungsdosis von Ketorolac im Kindes- und Erwachsenenalter gleich.
Nebenwirkungen Der therapeutische Index von Ketorolac ist relativ schmal, was die fehlende Zulassung in zahlreichen Ländern erklärt. Das Spektrum der Nebenwirkungen entspricht im Wesentlichen dem anderer NSAID. Dementsprechend hemmt Ketorolac die Thromboxansynthese in Blutplättchen. Obwohl die Blutungszeit meist normal bleibt und postoperativ für Ketorolac keine gesteigerte Blutungsneigung angegeben wird, könnten Nachblutungen nach Tonsillektomie unter Ketorolac häufiger auftreten [79, 159].
Selektive COX2-Inhibitoren Selektive COX2-Inhibitoren hemmen vorzugsweise die Aktivität der Prostaglandin-G/H-Synthase 2 (Cyclooxygenase-2). Die isolierte Hemmung des Isoenzyms COX2 führt zur gewünschten antiinflammatorischen Wirkung bei gleichzeitiger Reduktion unerwünschter Wirkungen, die bei den herkömmlichen unselektiven NSAID über die parallele Hemmung der COX1 verursacht werden [76]. Zu beachten ist, dass durch COX2-Inhibitoren wichtige physiologische Prostaglandin-abhängige Funktionen, z. B. bei der Ovulation oder der endothelialen Prostazyklinbildung, ebenfalls beeinflusst werden können. Neben den beiden älteren Wirkstoffen Nimesulid und Meloxicam, denen bereits eine bevorzugte Hemmung der COX2 zugeschrieben wurde, steht heute der selektive COX2-Hemmer Celecoxib zur Verfügung. Rofecoxib wurde wegen kardiovasku-
103 5.5 · Nicht-Opioidanalgetika
lärer Nebenwirkungen in der Langzeittherapie bei Erwachsenen vom Markt genommen. Hauptanwendungsgebiet ist die Osteoarthritis, z. T. auch die rheumatoide Arthritis. In das Anwendungsgebiet aufgenommen wurden neuerlich auch akute Schmerzen. Die orale Bioverfügbarkeit für Celecoxib liegt zwischen 20 und 40 %. Maximale Plasmakonzentrationen treten 2–4 h nach der Einnahme auf. Celecoxib wird extensiv an Plasmaeiweiße gebunden. Die Eliminationshalbwertzeit ist mit 10–17 h lang. Celecoxib wird durch Oxidation über das Cytochrom-P450-System in der Leber metabolisiert. Es bestehen vielfältige Interaktionsmöglichkeiten mit anderen Arzneimitteln, besonders solchen, die über das Cytochrom-P450-System abgebaut werden oder dieses hemmen [51, 109]. Der Kenntnisstand und die Datenlage zu selektiven COX2-Inhibitoren für das Kindesalter ist derzeit zu spärlich, um Empfehlungen aussprechen zu können. Der Einsatz dieser Arzneimittel im Kindesalter sollte zunächst kontrollierten Studien vorbehalten bleiben.
Pharmakokinetik Stempak und Mitarbeiter [257a] untersuchten die Pharmakokinetik von Celecoxib nach Einmalgabe von 250 mg/m2 im Kindesalter. Die Eliminationshalbwertszeit betrug 3,7 ± 1,1 Stunden, das Verteilungsvolumen 7,9 ± 7,8 l/kg KG und die Clearance 1,4 ± 1,1 l/h/kg. Clearance und Halbwertzeit sind damit deutlich kürzer als bei Erwachsenen, was mögliche Implikationen auf das Dosierungsschema haben könnte.
Kombination von NSAID mit Paracetamol In jüngster Zeit wurde der Kombination eines NSAID mit Paracetamol verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet. Die Frage, ob eine solche Kombination eine größere analgetische Potenz bei Akutschmerzen aufweist, war lange Zeit ungeklärt. Romsing et al. [228] kommen nach einer Analyse von mehreren randomisierten und kontrollierten Studien zu dem Schluss, dass zwar der analgetische Effekt einer Kombination eines NSAID mit Paracetamol der Wirkung von Paracetmol alleine überlegen ist, jedoch keine gesicherten Daten für die analgetische Überlegenheit der Kombination gegenüber der alleinigen Gabe des NSAID bestehen. Pickering
5
et al. [212] kommen in ihrer exzellenten Studie zu einer anderen Bewertung. In einer randomisierten Doppelblindstudie an Kindern (n = 98; 3–15 Jahre) nach Tonsillektomie wurde der frühzeitige postoperative Analgetikabedarf durch die Kombination von Ibuprofen (5 mg/kg KG) mit Paracetamol (15 mg/ kg KG) um 34 % reduziert. Die Kombination von Paracetamol mit dem COX2-Inhibitor Rofecoxib (0,625 mg/kg KG) zeigte keinen positiven Effekt auf Schmerzstärke oder Analgetikaverbrauch. Weitere Studien müssen zeigen, ob eine Kombination von NSAIDs mit Paracetamol eine sinnvolle Option zur Behandlung postoperativer Schmerzzustände ist. Eine länger dauernde Anwendung der Kombination aus Paracetamol und NSAID kann zu gehäuftem Auftreten von Nierenpapillennekrosen führen (7 Kap. 14).
Metamizol Metamizol (z. B. Novalgin®) ist ein antipyretisches und spasmolytisch wirkendes mittelstarkes Analgetikum aus der Gruppe der Pyrazolone. Für Metamizol gibt es in den USA speziell bei Kindern keine wesentlichen Anwendungsgebiete [156]. Der Grund hierfür ist in dem Risiko von Nebenwirkungen zu sehen (s. unten). Innerhalb der Kinderheilkunde wird auch nach neueren Untersuchungen Metamizol sowohl häufig als Antipyretikum [1] als auch als Analgetikum in der postoperativen und kinderonkologischen Schmerztherapie eingesetzt [16, 299].
Bioverfügbarkeit, Metabolismus und Pharmakodynamik Nach oraler Aufnahme liegt die Bioverfügbarkeit von Metamizol bei 85 %, maximale Plasmakonzentrationen finden sich innerhalb von 1–2 h nach der Applikation. Metamizol wird nach Aufnahme in die systemische Zirkulation sehr rasch zu Methyl-Amino-Antipyrin (MAA) hydrolisiert. Neben MAA werden noch 3 weitere Hauptmetabolite gefunden, die u. a. nach Acetylierung durch die genetisch polymorphe N-Acetyl-Transferase entstehen. Die mittlere Eliminationshalbwertzeit von MAA liegt bei 2,6–3,5 h [156]. Sowohl eine beeinträchtigte Leberfunktion als auch renale Erkrankungen beeinflussen Metabolisierung und Ausscheidung von MAA und den Nachfolgemetaboliten. Bedeutsame Interaktionen mit anderen Arzneimitteln
104
Kapitel 5 · Klinisch-pharmakologische Grundlagen der Schmerztherapie
bestehen nicht, allerdings kann bei gleichzeitiger Therapie mit Cyclosporin die Plasmakonzentration von Cyclosporin gesenkt werden.
Pharmakokinetik
5
Für das Kindesalter ist die Datenlage zur Pharmakokinetik von Metamizol äußerst spärlich. Lediglich Balogh et al. [14] geben für Kinder im Alter von 1–11 Jahren eine raschere Elimination von Metamizol an als bei Erwachsenen, wobei die Untersucher nicht zwischen einzelnen Metamizolmetaboliten unterschieden haben.
Nebenwirkungen Insbesondere sei die Agranulozytose genannt mit einer Häufigkeit von etwa 1,1 auf 1 Mio. Anwendungen. Unter Indometacin kommen Agranulozytosen immerhin noch in einer Häufigkeit von 0,4 auf 1 Mio. vor [133]. Bei rascher intravenöser Verabreichung von Metamizol ist vergleichsweise häufig das Auftreten arterieller Hypotension bis hin zu manifesten Schockzuständen möglich. Metamizol muss daher stets als Kurzinfusion verabreicht werden.
5.6
Adjuvante Schmerzmittel
Auch im Kindesalter werden adjuvante Schmerzmittel eingesetzt, obwohl die wissenschaftliche Datenlage dazu sehr dürftig ist. 5.6.1
Clonidin
Clonidin (2-[(2,6-dichlorophenyl)imino]imidazolinmono-hydrochlorid, ein Imidazolderivat) ist der älteste in der Humanmedizin eingesetzte α2-Adrenozeptor-Agonist mit nur mäßiger Selektivität für α2-Rezeptoren (α2/α1-Ratio = 200:1). Bei Kindern wird Clonidin in der Anästhesie und Intensivmedizin zur Prämedikation, als Adjuvans zur intravenösen, intrathekalen und epiduralen Anästhesie, in der postoperativen Analgesie und in der Behandlung iatrogener Medikamenten-Entzugssyndrome eingesetzt. Clonidin besitzt eine sedierende und analgetische Wirkung. Es führt zu einer Reduktion des zentralen Sympathikotonus, zu einer Steigerung der Parasympathikus-Aktivität, zu einer Blutdrucksenkung und einer Senkung der Herzfrequenz. Diese Effekte werden über prä- und postsynaptische α2-
Rezeptoren, die Bindung an Imidazolrezeptoren, die Inhibition serotoninerger Neurone und eine Verminderung der Ausschüttung von Substanz P im Rückenmark vermittelt. Insgesamt ist der Wirkmechanismus von Clonidin noch nicht vollständig aufgeklärt. Nach oraler Verabreichung zur Prämedikation tritt ein sedierender und anxiolytischer Effekt ein [184], die Speichelproduktion wird vermindert und der Verbrauch an i.v.-Analgetika und Sedativa [196], an volatilen Anästhetika [197] sowie epidural verabreichten Lokalanästhetika und Opioiden wird reduziert. Durch eine Verminderung des Sympathikotonus führt Clonidin zu einer vegetativen Dämpfung und somit zu einer verminderten hämodynamischen Stress-Reaktion sowohl bei der Narkoseeinleitung wie auch auf chirurgische Stimuli [197]. Der Zusatz von Clonidin zu epidural verabreichten Lokalanästhetika und Opioiden führt zu einer deutlichen Verlängerung der Wirkdauer dieser Substanzen und zu verbesserter Analgesiequalität [120]. Die Reduktion des Sympathikotonus rechtfertigt den Einsatz von Clonidin auch im Medikamentenentzugssyndrom, dem u. a. ein erhöhter Sympathikotonus mit vermehrter zentraler Noradrenalinausschüttung zugrunde liegt. Durch die zusätzliche Gabe von Clonidin in einer Dosierung von 0,9– 2,5 µg/kg KG/h als Komedikation bei langzeitig beatmeten Kindern ab dem 5. Beatmungstag konnten Trieschmann et al. [267] Entzugssymptome nach der Opioid-Reduktion deutlich vermindern. Auch schien eine schnellere Reduktion der Opioid-Dosis möglich. Es fehlen jedoch harte Daten, die den Medikamenten-einsparenden Effekt von Clonidin in der postoperativen Phase v. a. bei langzeitig beatmeten Kindern belegen. Deutsch et al. [65] verhinderten durch transdermales Clonidin erfolgreich Opioidentzugssymptome bei langzeitig beatmeten und analgosedierten Kindern nach laryngotrachealer Rekonstruktion.
Bioverfügbarkeit, Metabolismus, Pharmakodynamik und Pharmakokinetik Clonidin kann i.v., oral, rektal, epidural, intradural sowie transdermal [65] verabreicht werden. Die Bioverfügbarkeit von Clonidin nach oraler wie rektaler Gabe ist sehr gut und wird bei Erwachsenen mit 75–100 % bzw. 95 % angegeben [220]. Bioverfügbarkeit und Pharmakokinetik nach rektaler
5
105 5.6 · Adjuvante Schmerzmittel
. Tabelle 5.10. Pharmakokinetik von Clonidin. Tmax Zeitpunkt des Auftretens der maximalen Plasmakonzentration; Cmax maximale Plasmakonzentration; Cl Clearance; Vd Verteilungsvolumen; t1/2β Eliminationshalbwertzeit Applikation
Population
Dosis [µg/kg KG]
Bioverfügbarkeit [%]
Tmax [min]
Cmax [ng/ ml]
Cl [ml/kg KG/ min]
Vd [l]
t1/2β (h)
Literatur
Intravenös
Kinder
2,5
–
–
–
4,85
0,96
5,6
[160]
Intravenös
Erwachsene
2,35
–
–
–
3,48 ± 0,41
3,42 ± 0,4
11,3 ± 1,8
[83]
Epidural
Kinder
2
–
108 (61– 152)
0,62 (0,53– 0,71)
– (6,5– 13,2)
–
9,63
[118]
Rektal
Kinder
2,5
95
51 (29– 71)
0,77 (0,62– 0,88)
12,5 (8,7– 19,5)
[161]
Gabe bei Kindern entsprechen denen bei Erwachsenen nach oraler Gabe ([161]; . Tabelle 5.10). Bei Erwachsenen wurde über eine sedierende Wirkung bei Plasmaspiegeln >0,6 ng/ml berichtet [135], bei Kindern scheinen niedrigere Plasmaspiegel zur Sedierung ausreichend. Die Metabolisierung von Clonidin erfolgt zu ca. 50 % hepatisch, der andere Teil wird unverändert renal eliminiert.
Nebenwirkungen Bei der Anwendung von Clonidin sind arterielle Hypotension, Bradykardie und AV-Überleitungsstörung als hauptsächliche Nebenwirkungen beschrieben. Die Mundtrockenheit ist z. B. im Rahmen der operativen Prämedikation oft erwünscht. In allen im Kindesalter durchgeführten Untersuchungen mit Clonidin in der perioperativen Phase traten keine relevanten unerwünschten Nebenwirkungen auf. Kontraindikationen für die Anwendung von Clonidin sind Herzrhythmusstörungen, Bradykardie und arterielle Hypotonie. 5.6.2
Trizyklische Antidepressiva
Trizyklische Antidepressiva wirken als nicht-selektive Monoamin-Wiederaufnahme-Hemmer und erhöhen dadurch die Konzentration inhibitorischer Transmitter im synaptischen Spalt. In niedrigen Do-
sen wirken sie schmerzdistanzierend. Einsatzgebiete sind neuropathische Schmerzen und chronische, tägliche Kopfschmerzen. In der Regel werden Amitriptylin oder Imipramin eingesetzt – zur Schlafinduktion abendlich in einer Dosis.
Bioverfügbarkeit, Metabolismus, Pharmakodynamik und Pharmakokinetik Die orale Bioverfügbarkeit im Erwachsenenalter beträgt 50 %, die Halbwertzeit 20 (±5) h. Studien zur Pharmakologie bei Kindern existieren nur auf Rumänisch. Collins berichtet über die i.v.-Anwendung von Amitryptilin bei 4 Kindern mit neuropathischem Schmerz [44]. Die intravenös verabreichte Dosis betrug 50 % der oralen Dosis und wurde ohne größere Nebenwirkungen vertragen. Bei diesem kleinen Patientenkollektiv war keine Aussage über die Wirksamkeit der Therapie möglich.
Nebenwirkungen Sedierung, Mundtrockenheit und Akkomodationsstörungen sind die häufigsten, Herzrhythmusstörungen und tödlich verlaufende Intoxikationen die wichtigsten Nebenwirkungen. 5.6.3
Neuroleptika
Neuroleptika sind Schlaffördernde und antiemetisch wirkende Adjuvanzien, die über eine Modu-
106
Kapitel 5 · Klinisch-pharmakologische Grundlagen der Schmerztherapie
lation des aminergen Transmittersystems wirken. Daten zum Einsatz bei Schmerzen im Kindesalter liegen nicht vor (Dosierungen und Nebenwirkungen 7 Kap. 13). 5.6.4
5
Benzodiazepine
Wenn trotz ausreichender Schmerztherapie Schlafstörungen im Mittelpunkt des kindlichen Erlebens stehen, werden Benzodiazepine eingesetzt, ebenso im Rahmen schmerzhafter Eingriffe (Dosierungen 7 Kap. 11 und 13). 5.6.5
Bisphosphonate
den nach Infusionsende. Negative Auswirkungen der Pamidronattherapie auf das Wachstum können nicht ausgeschlossen werden, sind aber nach vorliegender Datenlage sehr unwahrscheinlich [222]. 5.6.6
Parasympathikolytika wie Butylscopol-amin (z. B. Buscopan®) reduzieren den Tonus der glatten Muskulatur des Magen-Darm- und Harntraktes. Sie werden bei krampfartigen Schmerzen eingesetzt. Studien an Kindern existieren nur in spanischer Sprache. 5.6.7
Bisphosphonate ähneln in ihrer chemischen Struktur den Pyrophosphaten. Im Kindesalter bestehen die meisten Erfahrungen mit der i.v.-Applikation von Pamidronat, einem Aminobisphosphonat [222].
Bioverfügbarkeit, Metabolismus und Pharmakodynamik Pamidronat (Aredia®) beeinflusst aufgrund physikochemischer Eigenschaften direkt die Mineralisation, außerdem wird die Knochenresorption durch Osteoklasten und die Rekrutierung von Osteoklasten aus monozytären Zellen gehemmt. Orale Bisphosphonate werden schlecht und unkalkulierbar resorbiert (<1 %). Analgetische Einsatzgebiete von Pamidronat im Kindesalter sind die Osteogenesis imperfecta und die Osteoporose unterschiedlicher Genese (7 Kap. 8). Ein Therapieversuch in der palliativen Situation bei Knochenmetastasen ist sicherlich gerechtfertigt (7 Kap. 13).
Pharmakokinetik Pamidronat wird nach Gabe rasch aus dem Blut eliminiert und an Knochen gebunden. Seine Plasmahalbwertzeit beträgt 1–2 h. Etwa 30 % werden unverändert renal eliminiert. Die biologische Halbwertzeit im Knochen beträgt bis zu 10 Jahre.
Nebenwirkungen Akut auftretende Nebenwirkungen bestehen in einer Akutphasereaktion (Fieber, grippeähnliche Symptome). Wenn Pamidronat nicht ausreichend verdünnt wird (s. Packungsbeilage), können unlösliche Komplexe zum akuten Nierenversagen führen. Der Serumkalziumspiegel sinkt innerhalb weniger Stun-
Parasympathikolytika
Glukokortikosteroide
Glukokortikosteroide wirken antiphlogistisch und antiödematös. Sie reduzieren die Expression von Cyclooxygenase 2 im entzündeten Gewebe und reduzieren dadurch die Empfindlichkeit der Nozizeptoren, die durch Prostaglandine gesteigert wird (7 Kap. 1). Ferner vermindern sie die Produktion proinflamatorischer Zytokine. Dexamethason hat eine gute Liquorgängigkeit, weswegen es bei Kopfschmerzen im Rahmen eines Hirnödems zum Einsatz kommt. Studien zur analgetischen Potenz von Glukokortikosteroiden bei Kindern existieren nicht. Wichtige Indikationen werden in Kap. 13 (Tumorschmerzen), Kap. 14 (Rheumaschmerzen) und Kap. 16 (Kopfschmerzen) besprochen. 5.6.8
Antikonvulsiva
Neuropathische Schmerzen sind das Haupteinsatzgebiet von Antikonvulsiva in der Schmerztherapie. Kürzlich wurde eine Therapie neuropathischer Schmerzen selbst im Neugeborenenalter beschrieben [20]. Gabapentin wird wegen seiner guten Verträglichkeit immer häufiger dem Carbamazepin vorgezogen. Antikonvulsiva stablisisieren die Nervenzellmembran – durch Blockade von Natriumkanälen –, wodurch es zu weniger Spontanentladungen kommt. Die genaueren Wirkmechanismen der Analgesie sind noch nicht geklärt. Gabapentin scheint zusätzlich nozizeptive Reize auf spinaler Ebene zu modulieren, es interagiert mit der Synthese und Freisetzung von GABA (γ-Amino-Buttersäure [176]; 7 Kap. 1). Exakte Dosierungsrichtlinien finden sich in Kap. 13.
107 5.6 · Adjuvante Schmerzmittel
5
Ketamin
Bioverfügbarkeit, Metabolismus und Pharmakodynamik
5.6.9
Carbamazepin (CBZ, Timonil®). Die orale Bioverfügbarkeit von Carbamazepin (CBZ) beträgt annähernd 100 %. Der maximale Plasmaspiegel ist nach 4–6 h erreicht. Der aktive Metabolit von CBZ ist CBZEpoxid. Studien zur Schmerztherapie mit CBZ bei Kindern existieren nicht. In einzelnen Fallberichten wird über eine Wirksamkeit bei neuropathischen Schmerzen, Trigeminusneuralgie und krampfanfallbedingten Schmerzen berichtet [75]. Gabapentin (Neurontin®). Gabapentin ist ein Strukturanalog von GABA, einem wichtigen zentralnervösen inhibitorischen Neurotransmitter. Nach oraler Gabe ist es zu 50–60 % bioverfügbar. Es hat keine aktiven Metaboliten, induziert keine Leberenzyme, ist sehr lipophil und im Serum nicht an Transportproteine gebunden.
Ketamin ist ein Phencyclidin-Derivat, das als Razemat vorliegt. Das S(+)-Enantiomer ist analgetisch und narkotisch wirksamer und die R(–)-Variante bronchodilatatorisch effektiver. Derzeit sind in Deutschland das Razemat als Ketamin® und die S(+)-Variante als Ketanest S® erhältlich. Ketamin wirkt am N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptor im Gehirn und Rückenmark und hemmt die aufsteigenden nociceptiven Afferenzen. Es ist nur zur i.v.-Gabe zugelassen.
Pharmakokinetik Die Halbwertzeit weist bei Carbamazepin (CBZ, Timonil®) mit Werten zwischen 2,5 und 36 h eine erhebliche Variabilität auf. Ursache hierfür und für multiple Interaktionen mit anderen Medikamenten ist die Induktion des P450-Systems, welches Carbamazepin selbst und andere Medikamente verstoffwechselt [187]. Es wird die regelmäßige Plasmaspiegelkontrolle und die Verwendung von Retardpräparaten empfohlen. Gabapentin (Neurontin®) hat eine Halbwertzeit von 5–7 h und wird unverändert renal eliminiert.
Nebenwirkungen Die wichtigsten Nebenwirkungen von CBZ sind Müdigkeit, Schwindel, Ataxie, Diplopie, Leukound Thrombopenie (bis in 2 % der Behandlungsfälle) sowie Dermatosen. Absolute Kontraindikationen sind ein AV-Block und die gleichzeitige Therapie mit trizyklischen Antidepressiva. Gabapentin wird in der Regel gut vertragen und zeigt selten Nebenwirkungen, wenn es langsam eingeschlichen wird. Hauptnebenwirkungen sind Sedierung, Ataxie, Sehstörungen, Koordinationsstörungen, Amnesie, Kopfschmerzen, reversible Persönlichkeitsveränderungen sowie Übelkeit und Erbrechen. Eine Pankreatitis stellt eine absolute Kontraindikation dar.
Bioverfügbarkeit, Metabolismus und Pharmakodynamik Daten zur intravenösen Anwendung finden sich in Kap. 11, 13 und 17. Die orale Bioverfügbarkeit beträgt 15 %, die maximale Plasmakonzentration von Ketamin wird nach 30 min und die des ebenfalls analgetisch wirksamen Metaboliten Norketamins nach 60 min gemessen [90]. Nach rektaler Gabe von 10 mg/kg KG wird die maximale Plasmakonzentration von Ketamin bzw. Norket- amin nach 45 bzw. 50 min erreicht. Die maximalen Plasmaspiegel liegen zwischen 96 und 250 ng/ml (Ketamin) sowie 450 und 810 ng/ml (Norketamin; [209]). Eine analgetische Wirkung wird ab einer Plasmakonzentration von 40–150 ng/ml, eine Anästhesie ab 500 ng/ml erwartet. Analgetisch wirksame orale und rektale Dosen liegen bei 5–10 mg/kg KG Ketamin bzw. 2,5–5 mg/kg KG S-Ketamin (genaue Dosierungen und Überwachungsrichtlinien 7 Kap. 11 und 13). Bei der Dosierung von S(+)-Ketamin im Vergleich zum Ketamin-Razemat ist zu beachten, dass das Dosisverhältnis nicht einfach 1:2 ist. Die Clearance von S(+)Ketamin ist höher als die des Razemates, weshalb S(+)-Ketamin relativ höher dosiert werden muss.
Pharmakokinetik Die Halbwertszeit von Ketamin und Norketamin beträgt 1,5–5 h bei rektaler und oraler Gabe [209] bzw. 1 h nach i.v.-Applikation. Obwohl Ketamin und S(+)-Ketamin bereits für das Neugeborenenalter zugelassen sind, ist der Kenntnisstand zu alterspezifischen Besonderheiten ihrer Pharmakokinetik dürftig. Keuth et al. [136] berichten über Clearancedaten für S(+)-Ketamin bei langzeitbeatmeten Neugeborenen und Säuglingen (n = 10; Alter 1 Tag – 9 Monate), die eine An-
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Kapitel 5 · Klinisch-pharmakologische Grundlagen der Schmerztherapie
algosedierung mit S(+)-Ketamin (0,125–3 mg/kg KG/h) erhielten. Die totale Clearance lag bei Patienten mit normaler Leber- und Nierenfunktion zwischen 0,3–2,57 l/kg KG/h. Die Clearance stieg mit dem Lebensalter deutlich an. Bei Kindern in einem Lebensalter <2 Monaten wurde eine optimale Analgosedierung mit einer S(+)-KetaminDosis von im Mittel 1,07 mg/kg KG/h erreicht, bei älteren Säuglingen mit der Dosierung von 1,6 mg/ kg KG/h.
5
Nebenwirkungen Auch bei rektaler und oraler Applikation kann es zu lebensbedrohlichen Zwischenfällen kommen [97]. Der bittere Geschmack von Benzylalkohol in der i.v.-Präparation kann Erbrechen auslösen und muss mit Geschmackskorrigenzien überdeckt werden. Dysphorische Nebenwirkungen treten bei 10 % der Kinder auf. Eine Kombination mit Midazolam und Atropin ist empfehlenswert. 5.6.10
Baclofen
Baclofen wird insbesondere zur intrathekalen Therapie der Muskelspastik bei mehrfachbehinderten Kindern eingesetzt (7 Kap. 18). Es bindet an zentrale GABA-Rezeptoren und hemmt dadurch die Freisetzung von Glutamat und Aspartat.
5.7
Schlussfolgerungen
Die neueren Opioide Fentanyl, Alfentanil und Sufentanil spielen in der intraoperativen anästhesiologischen Schmerztherapie eine große Rolle und dienen der Narkoseführung, aber auch der postoperativen Schmerztherapie beatmeter Patienten und zur Analgosedierung in der Intensivmedizin. Morphin bleibt jedoch das Analgetikum mit den meisten Informationen zu allen Altersstufen, so auch für Früh- und Neugeborene. Für weniger stark wirkende Opioide, ausgenommen Pethidin, als auch für nichtsteroidale Antiphlogistika und für Paracetamol liegen deutlich weniger Informationen zur klinischen Pharmakologie vor. Erst in den letzten Jahren wurden vermehrt Daten zur Pharmakokinetik von Paracetamol in der Neugeborenenzeit verfügbar. Für alle hier besprochenen Analgetika ist die Elimination der Substanzen und ihrer Metabolite beim
Früh- und Neugeborenen im Vergleich zum älteren Kind und Erwachsenen deutlich eingeschränkt. Maximale Eliminationsleistungen werden gegen Ende des Vorschulalters und zu Beginn des Schulalters erreicht, wobei die Eliminationsleistungen die des Erwachsenen übersteigen können und damit oftmals höhere Opioiddosierungen erforderlich sind, speziell im Rahmen der intraoperativen Schmerzprävention. Die Pharmakodynamik der Opioidanalgetika unterscheidet sich – abgesehen von der der Neonatalperiode – nicht wesentlich von der des Erwachsenen. Damit ergibt sich auch für die Anwendung von Opioiden im Säuglings-, Kleinkindes- und Kindesalter keine rational begründbare Einschränkung. Früh- und Neugeborene zeigen wesentliche Besonderheiten, bedingt durch veränderte Plasmaproteinbindung, andere Verteilungsvolumina, Unreife der Blut-Hirn-Schranke, unterschiedliche Dichte und Verteilung von Opioidrezeptoren, eingeschränkten Metabolismus und noch nicht ausgereifte Eliminationsleistung von Leber und Niere. Darüber hinaus weist diese Altersgruppe zahlreiche bislang nur unzureichend untersuchte pathophysiologische Besonderheiten auf. Dies gilt in verstärktem Maß für extrem kleine Frühgeborene. Als sicheres Opioidanalgetikum für Früh- und Neugeborene kann speziell in der Neonatologie Morphin gelten. Pethidin sollte in dieser Altersstufe nicht mehr eingesetzt werden. Für die intraoperative und postoperative Schmerztherapie bei beatmeten Neugeborenen könnte Remifentanil nützlich sein, da diesem Analgetikum eine kontextsensitive Halbwertzeit fehlt. Für Paracetamol konnte bislang lediglich ein relativ breiter antipyretisch wirksamer Konzentrationsbereich definiert werden, verlässliche Angaben zu analgetischen Plasmaspiegeln fehlen. Besonders vor diesem Hintergrund sollte die aktuelle Diskussion über die analgetische Wirksamkeit von Paracetamol kritisch betrachtet werden. Empfehlungen zur Anwendung deutlich höherer Paracetamoldosen ist vorerst mit Vorsicht zu begegnen. Die analgetische Potenz von Ibuprofen ist in den empfohlenen Dosierungsbereichen bei vergleichbarem Nebenwirkungsprofil sicher größer als die von Paracetamol. Es sollte daher bei leichteren bis mittleren schmerzhaften Zuständen ab dem Säuglingsalter eingesetzt werden. Auf die Anwendung
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109 5.8 · Pharmakologisches Glossar
von Metamizol kann innerhalb verschiedener multimodaler Schemata zur Schmerztherapie aufgrund seines ausgeprägten analgetischen Effektes nicht verzichtet werden. Auch wenn die Datenfülle zur klinischen Pharmakologie von Opioiden im Kindesalter groß erscheinen mag, fehlen viele wichtige Informationen für die einzelnen Altersstufen, besonders für das Früh- und Neugeborene. Die Gefahr ist gegeben, dass einerseits vor dem Hintergrund möglicher unkalkulierbarer Risiken Kindern eine wirksame Schmerztherapie vorenthalten wird, und anderer-
5.8
seits bei unsachgemäßer Auswahl und Anwendung eines Schmerzmittels eine Gefährdung des Patienten auftreten kann. Letztlich besteht ein unverändert hoher Forschungsbedarf zur klinischen Pharmakologie sämtlicher Analgetika für das Kindesalter, dies in erster Linie für das junge Kind, für das die weitaus größte Zahl aller Medikamente ohnehin nicht zugelassen ist. Damit wird deutlich, dass die in diesem Beitrag zu findenden Angaben einer ständigen Ergänzung und Aktualisierung bedürfen.
Pharmakologisches Glossar
Pharmakologischer Begriff
Definition
Klinische Bedeutung
5 Kontextsensitive Halbwertszeit
5 Eliminationshalbwertzeit, die mit zunehmender Infusionsdauer stetig ansteigt
5 Verzögertes Aufwachen, verzögerte Extubierbarkeit, verlängerte und u.U. verstärkte Nebenwirkungen
5 Proteinbindung
5 Gibt den plasmaeiweißgebundenen Anteil eines Medikamentes an
5 Nur der nicht proteingebundene Medikamentenanteil kann an den Wirkort diffundieren
5 Saures α1-Glykoprotein
5 Wesentliches Plasmabindungsprotein für Opioide
5 zeigt als Akutphaseprotein Spiegelschwankungen, die entsprechende Medikamentenplasmaspiegelschwankungen zur Folge haben mit entsprechend unterschiedlicher Dosierungserfordernis
5 Freier Anteil des Arzneimittels
5 Nicht proteingebundener Anteil des Medikamentes im Plasma
5 nur der freie Medikamentenanteil kann an den Wirkort diffundieren
5 Verteilungsvolumen
5 Virtuelles Volumen, in dem sich ein Medikament verteilt; hier steady-stateVerteilungsvolumen
5 hohes Verteilungsvolumen erfordert eine relativ zur Erhaltungsdosis große Loadingdosis
5 Blut-Hirn-Schranke
5 Diffusions- bzw. Transportbarriere für Medikamente in das ZNS
5 Lipophilie eines Medikamentes und seine Übergangsgeschwindigkeit vom Plasma ins Hirn sind miteinander verbunden
5 Mikrosomales Enzymsystem (Phase-I-Reaktion)
5 Enzymsystem mischfunktioneller Oxygenasen der Leber, vornehmlich zur Entgiftung verschiedenster Substanzen benutzt (s. Cytochrom-P450-System)
5 bei Leberpathologie häufig eingeschränkt. Cave: Interaktionen verschiedener Medikamente
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Kapitel 5 · Klinisch-pharmakologische Grundlagen der Schmerztherapie
(Fortsetzung) Pharmakologischer Begriff
Definition
Klinische Bedeutung
5 Hepatische Konjugation u.a. mit Glukuronsäure oder Sulfat (Phase-II-Reaktion)
5 Wichtiger hepatischer Entgiftungsweg, erhöht die Wasserlöslichkeit und damit Nierengängigkeit eines Medikamentes oder Metaboliten
5 Bei Leberpathologie eingeschränkte Elimination; ggf. (Erhaltungs-)dosisreduktion nötig
5 Clearance
5 Im Allgemeinen Plasmaelearance gemeint, d.h. der (virtuelle) Anteil von Plasma, der innerhalb vollständig von einem Medikament befreit wird (durch Metabolismus oder Ausscheidung)
5 Clearance und Erhaltungsdosis stehen im direktem Zusammenhang eines gegebenen Zeitraumes
5 Ceilingeffekt
5 Trotz weiter steigendem Plasmaspiegel erfolgt keine verstärkte (Teil-)wirkung. Kann Folge von Rezeptordownregulation sein
5 Unter Umständen kommt es zu deutlich stärkeren Nebenwirkungen bei Dosissteigerung, ohne dass die erwünschte Wirkung zunimmt
5 Bioverfügbarkeit
5 Anteil eines Medikamentes, welcher nach enteraler Gabe resorbiert und systemisch verfügbar wird
5 Abhängig von Galenik; First-pass-Effekt
5 Verteilungsphase
5 Initiale zeitliche Phase der Verteilung eines Medikamentes vom Ort der Resorption über das Plasma in verschiedene Kompartimente des Gesamtorganismus
5 Ist der Medikamentenspiegel am Rezeptor gleich oder höher als im Plasma, so ist bereits während der Verteilungsphase mit stärkeren pharmakologischen Wirkungen zu rechnen. In solchen Fällen sollte besser auf eine „Loading dose“ mit ihren Plasmaspitzenspiegeln verzichtet werden
5 Eliminationsphase
5 Nach Einmalgabe Phase, die auf Resorptionsphase und Verteilungsphase folgt. Unter Dauerinfusion laufen alle 3 Phasen simultan ab
5 Die Vorgänge der Eliminationsphase bestimmen wesentlich die Erhaltungsdosis; die Eliminationgeschwindigkeitder meisten Medikamente ist proportional zu ihrer Konzentration
5 Cytochrom P450-System
5 System verschiedener Isoenzyme verschiedener Substratspezifität. Auch mischfunktionelle Oxygenasen genannt. Wichtiger hepatischer Medikamentenabbauweg (s. mikrosomales Enzymsystem)
5 Funktionseinschränkung bei Leberpathologie mit der Notwendigkeit einer Reduktion der Erhaltungsdosis bei hepatisch metabolisierten Medikamenten
5 Hepatischer First-pass-Effekt
5 Wird ein Medikament enteral über das Pfortaderstromgebiet resorbiert, gelangt es primär in die Leber und wird ggf. metabolisiert, bevor es in den Systemkreislauf gelangt
5 Kann nach enteraler Applikation zu deutlich höherer Dosiserfordernis führen als bei systemischer i.v.-Gabe. Modifikation der enteralen Anwendungsform eines Medikamentes vermag u.U. seinen hepatischen Metabolismus zu hemmen und hilft, eine sonst erforderliche hohe Dosis zu vermeiden
5 Eliminationshalbwertzeit t1/2β
5 Mathematisch ermittelte terminale Halbwertzeit
5 Hat wesentlichen Einfluss auf die Erhaltungsdosis
5
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111 Literatur
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(Fortsetzung) Pharmakologischer Begriff
Definition
Klinische Bedeutung
5 tmax
5 Zeit nach enteraler Applikation eines Medikamentes bis zum Erreichen des Plasmaspiegelmaximums
5 Bestimmt wesentlich die Praktikabilität von Interventionsmedikation
5 Cmax
5 Maximale Plasmakonzentration nach enteraler Applikation eines Medikamentes
5 Bestimmt u.a. die Wirkstärke
5 Redistribution
5 Rückverteilung vom Gesamtorganismus in das Blutplasma. Wird die Erhaltungsdosis reduziert, flutet das Medikament aus tieferen Kompartimenten (z.B. Fettgewebe) zurück ins Plasma und kann die effektive Halbwertzeit wesentlich verlängern (s. kontextsensitive Halbwertzeit)
5 Je höher die Lipophilie eines Medikamentes, umso eher kommt es zu klinisch signifikanter Rückverteilung nach Dosisreduktion
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Kapitel 5 · Klinisch-pharmakologische Grundlagen der Schmerztherapie
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Kapitel 5 · Klinisch-pharmakologische Grundlagen der Schmerztherapie
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Kapitel 5 · Klinisch-pharmakologische Grundlagen der Schmerztherapie
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6 Die Rolle der Kinderkrankenpflege in der Schmerztherapie B. Jung und S. Würdisch 6.1
Einleitung – 122
6.2
Schmerztherapeutischrelevante Tätigkeitsbereiche – 122
6.3
Pflegerische Schmerzmessung als Voraussetzung adäquater Schmerztherapie – 122
6.4
Schmerzbezogene Kommunikation und Kooperation zwischen den Berufsgruppen – 123
6.5
Verabreichung von Bedarfsmedikation – 124
6.6
Schmerzhafte Pflege und genuin pflegerische Schmerzbehandlungsverfahren – 124
6.6.1 6.6.2 6.6.3 6.6.4
Schmerzhafte Pflege – 124 Schmerzpräventive Pflegekonzepte – 125 Physikalische Techniken – 125 Psychologische Interventionen – 126
6.7
Einbeziehung und Beteiligungder Eltern/Bezugspersonen hinsichtlich Schmerztherapie – 127
6.8
Fazit – 128 Literatur – 128
122
Kapitel 6 · Die Rolle der Kinderkrankenpflege in der Schmerztherapie
)) 6.1
Einleitung Die Kinderkrankenpflege nimmt als integrierende Kraft zwischen Medizin, Psychologie, Physiotherapie und Pflege in der interdisziplinären Schmerztherapie eine Schlüsselposition ein. Sie hat den kontinuierlichsten Kontakt zum Patienten und seinen Eltern. Diese Kontinuität erlaubt intime Einblicke in Bedürfnisse, Befinden und Ängste des Patienten und seiner Begleitpersonen. Gerade auch durch den im Vergleich zu Ärzten nicht selten geringeren Statusunterschied zur Familie erfährt die Kinderkrankenschwester viel über das Schmerzerleben und -verhalten.
6
6.2
Schmerztherapeutischrelevante Tätigkeitsbereiche
Im Januar 2004 wurde der nationale Expertenstandard zum Schmerzmanagement vom Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) [12a] als Handlungsrichtlinie für die Pflege verabschiedet. Der Standard definiert Kriterien für die wichtigsten schmerztherapeutisch relevanten Tätigkeitsfelder der (Kinder)krankenpflege: 4 Schmerzerkennung und –einschätzung sowie –dokumentation 4 Medikamentöse Schmerztherapie 4 Erkennen, Prophylaxe und Behandlung von Nebenwirkungen 4 Nicht-medikamentöse Maßnahmen der Schmerzprävention und -bewältigung 4 Beratung und Schulung von Patienten und Angehörigen Insbesondere in der Kinderkrankenpflege haben folgende im Standard nicht explizit aufgeführte, in Bezug auf das Schmerzmanagement aber nicht selten kritische Situationen eine besondere Bedeutung: 4 Planung und Durchführung von schmerzhaften Pflegemaßnahmen 4 Pflegerische Assistenz bei schmerzhaften medizinischen Interventionen [24, 33] In der stationären Kinderkrankenpflege werden naturgemäß mehr direkte diagnostische und the-
rapeutische Aufgaben wahrgenommen als im ambulanten, häuslichen Pflegebereich, wo Beratung, Anleitung und Unterstützung im Vordergrund stehen einschließlich der Umsetzung und Kontrolle der medikamentösen Schmerztherapiemaßnahmen [28]. In Schmerzambulanzen und -praxen werden administrative, organisatorische, aber auch betreuende und beratende/anleitende Aufgaben von Pflegenden übernommen. Hierzu gehört u. a. die Einweisung in den Umgang mit Schmerztagebüchern und Schmerzmittelpumpen. In Schmerzambulanzen hat die Pflege die Aufgabe, die Kommunikation zwischen häuslichem Pflegedienst, Hausarzt und Apotheke zu etablieren und zu koordinieren [49]. In der Palliativpflege erhält die Schmerz- und Symptomkontrolle eine herausragende Bedeutung. Damit erweitert sich gewöhnlich auch der Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich der Pflegenden (z. B. Hospizarbeit [23]).
6.3
Pflegerische Schmerzmessung als Voraussetzung adäquater Schmerztherapie
Die Schmerzdiagnose hat einen zentralen Stellenwert für eine adäquate Schmerzbehandlung. Wesentliche Einflussfaktoren auf schmerzdiagnostische und -therapeutische Entscheidungsprozesse Pflegender sind [7–12, 17, 21, 22, 41]: E medizinische Diagnose, Erkrankung des Patienten, E Patientencharakteristika (Schmerzverhalten und -expression, Alter des Kindes etc.), E pflegepersoninhärente Eigenschaften (Fachwissen, Berufserfahrung, Einstellungen zum Thema Schmerz, persönliche Schmerzerfahrungen etc.), E institutionelle Bedingungen. Die Schwere und Ernsthaftigkeit der medizinischen Diagnose beeinflusst die Schmerzeinschätzung dahingehend, dass trotz gleicher Schmerzexpressionen bei ernsterer Diagnose die Schmerzstärke höher eingeschätzt wird [8, 17, 22, 41]. Die pflegerischen Schmerzratings sinken mit dem zeitlichen Abstand zu einer stattgehabten Operation. Unabhängig von den tatsächlichen Schmerzäußerungen des Kindes
123 6.4 · Schmerzbezogene Kommunikation und Kooperation zwischen den Berufsgruppen
werden mit jedem postoperativen Tag weniger Analgetika verabreicht [41]. Hinsichtlich der kindlichen Charakteristika zeigt sich ein Zusammenhang zwischen deutlicher, extrovertierter Schmerzäußerung – insbesondere wenn diese vokal oder durch intensive Körperbewegungen zum Ausdruck gebracht wird – und pflegerischem Schmerzrating [6, 9, 21, 22]. Starke Schmerzäußerung und tatsächliche Verabreichung von Analgetika korrelieren ebenfalls positiv [21]. Bei Kleinkindern gaben 36 % der Pflegenden »Körpersprache« als wichtigsten Schmerzindikator an, gefolgt von »Mimik« (22 %), Veränderungen der physiologischen Parameter (15 %) und »Vokalisationen« (9 %) [10]. Beim Neugeborenen liefern mimische Indikatoren den Kinderkrankenschwestern bessere diskriminatorische Schmerzinformationen als Schreien [20]. Pflegende gaben Frühgeborenen signifikant niedrigere Schmerzratings als reifen Neugeborenen, selbst im Zusammenhang mit der gleichen schmerzhaften Prozedur (Ferseninzision). Möglicherweise war dafür das reichhaltigere Mimik- und Verhaltensrepertoire der Reifgeborenen verantwortlich [46]. Pflegende sind in zunehmendem Maß überzeugt, dass die Schmerzempfindungsfähigkeit von Geburt an existiert und jüngere Kinder Schmerzen ebenso oder sogar stärker empfinden als ältere [1, 22, 41]. Persönlichskeitsmerkmale von Kinderkrankenschwestern mit Einfluss auf Schmerzeinschätzung und schmerztherapeutisches Verhalten sind Ausbildungsstand, persönliche Einstellungen und einschlägige Berufserfahrung. In früheren Untersuchungen war eine allgemeine Tendenz der Pflegenden aufgezeigt worden, Analgetika zu niedrig zu dosieren, auch wenn ärztlicherseits adäquate Dosierungen verordnet worden waren [48]. Pflegende mit höherem Ausbildungsstand verabreichen häufiger Opioide und wählen häufiger mittlere bis höhere, d. h. therapeutische Dosierungen [17]. Langjährige Berufserfahrung ist keineswegs mit einer höheren Sensibilität hinsichtlich Patientenschmerz verbunden [9]. Allerdings verwenden erfahrene Kinderkrankenschwestern eine breitere Palette schmerzdiagnostischer Kriterien als ihre unerfahreneren Kolleginnen [6]. Überkommene Einstellungen, die z.T. auf alten Mythen hinsichtlich
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mangelnder Schmerzempfindungsfähigkeit von Kindern, der Gefährlichkeit von Analgetika für Kinder und der Suchtgefahr beruhen, besitzen starken negativen Einfluss auf das schmerzdiagnostische und -therapeutische Verhalten von Pflegenden. Persönliche Schmerzerfahrungen und Elternschaft erhöhen die Sensibilität gegenüber Schmerz. Folgende institutionelle Bedingungen haben Einfluss auf Schmerzdiagnose und schmerztherapeutische Aktivitäten Pflegender: E Stationstyp [3, 7], E schmerztherapeutisch verantwortliche medizinische Fachdisziplin [23, 34, 39, 44], E Pflegesystem: Funktionspflege vs. Zimmerpflege/Bezugspflege [11, 23], E Ausmaß von Arbeitsbelastung und Zeitdruck [1, 22, 23], E Aufmerksamkeitsabsorption durch Medizintechnik [1, 23], E schmerztherapeutische Gepflogenheiten, E Klinik- bzw. Stationsrichtlinien [1]. So verbessern patientenorientierte Pflegesysteme wie die Zimmerpflege die Chancen der Schmerzwahrnehmung durch die Pflegenden, hohe Arbeitsbelastung und Unsicherheit beim Umgang mit Medizintechnik verringern dieselben. Ein Vergleich der Schmerztherapie bei schmerzhaften Prozeduren zwischen neonatologischen und pädiatrischen Intensivstationen zeigte einen großzügigeren Umgang mit Analgetika auf den pädiatrischen Intensivstationen [7].
6.4
Schmerzbezogene Kommunikation und Kooperation zwischen den Berufsgruppen
Eine systematische Schmerzdokumentation dient nicht nur dazu, die Aufmerksamkeit auf den Schmerz zu richten; sie ist auch Argumentationshilfe für die interprofessionelle Kommunikation zwischen Pflegenden und Ärzten. Nicht selten führen latente Konflikte zwischen Medizin und Pflege zu schmerztherapeutischer Unterversorgung. Kinderkrankenschwestern fühlen sich von den zuständigen Ärzten in ihrer Schmerzbeobachtung nicht ernstgenommen. Manche Ärzte fühlten sich nach Angaben
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Kapitel 6 · Die Rolle der Kinderkrankenpflege in der Schmerztherapie
von Krankenschwestern gestört, insbesondere, wenn sie nachts wegen einer Schmerzmittelverordnung geweckt wurden, weil keine oder nur eine unzureichende Bedarfsverordnung vorlag. Mitunter kommt es zu unschönen Auseinandersetzungen [23], aber auch im Hinblick auf Analgetikaverabreichungen zu eigenmächtigen Entscheidungen der Pflegenden [39]. McCaffery u. Wong [32] beschreiben detaillierte Kommunikationsstrategien für das pflegerische Gespräch mit Ärzten über Schmerzen und unzureichende Schmerztherapie: »Seien Sie bestimmt und bitten Sie um einen Versuch mit einem anderen Schmerzmittel. Wenn der Arzt darauf nicht eingeht, … seien Sie so bestimmt wie möglich. Wiederholen Sie Ihre Bitte mit fester, klarer Stimme, gutem Augenkontakt und einer zuversichtlichen Haltung so lange, bis der Arzt reagiert.« Sowohl Zeitpunkt als auch Inhalt des Gesprächs sind ausschlaggebend für den Erfolg. Es wird empfohlen, vorwiegend physiologische Schmerzparameter zu verwenden, da diese für Ärzte von größerer Bedeutung seien als Verhaltensparameter [11, 15, 32]. Bei schmerzhaften medizinischen Eingriffen und Prozeduren auf der Station stellen Kinderkrankenschwestern immer wieder fest, dass sie nicht selten vor Beginn der Maßnahme dem Arzt die notwendige Analgesierung/Sedierung und/oder die Einhaltung der erforderlichen Wartezeit bis zum Wirkoptimum erst in Erinnerung rufen müssen [23].
6.5
Verabreichung von Bedarfsmedikation
Die geringeren Schmerzratings in der pflegerischen Fremdeinschätzung jüngerer Kinder tragen zu der schmerztherapeutischen Unterversorgung gerade der Jüngsten auch bei starken Schmerzen bei. Insbesondere betrifft dies die Gabe von Opioiden [13, 14, 17, 43]. Eine Studie von Elander et al. [13] zeigt, dass sowohl Säuglinge unter 1 Jahr als auch Patienten im Alter von über 70 Jahren signifikant weniger Bedarfsanalgetika nach Herzoperationen erhielten als alle anderen Altersgruppen. Hinsichtlich der Entscheidungsfindung in Bezug auf schmerztherapeutische Aktivitäten, insbe-
sondere der Verabreichung von Analgetika, spielt nicht nur die kindliche Schmerzexpression eine entscheidende Rolle: Hier bekommen auch die Aspekte von »Schwere der Krankheit«, »Zustand des Kindes« (z. B. Vitalparameter), »Reaktion auf bereits verabreichte Schmerzmittel« und »zeitlicher Abstand zwischen den Schmerzmittelgaben« großes Gewicht [7, 10]. Die Ernsthaftigkeit der Diagnose und Krankheitsschwere führen zu höheren Schmerzratings, wobei auftretende Komplikationen und ein instabiler Zustand des Patienten häufig niedrigere Schmerzratings und geringere Analgetikagaben nach sich ziehen, um weitere, evtl. medikamentenbedingte Komplikationen zu vermeiden. Bei auffälligen Reaktionen des Kindes auf vorangegangene Schmerzmittelgaben und vermeintlich geringem zeitlichem Abstand zwischen 2 Applikationen werden in der Literatur sehr restriktive pflegerische Verhaltensweisen in Bezug auf die Verabreichung von Bedarfsanalgetika unabhängig von den Schmerzäußerungen des Patienten beschrieben. Analgetikaverordnungen mit fixen Applikationszeiten sind auch aus diesen Gründen reinen Bedarfsanordnungen vorzuziehen.
6.6
Schmerzhafte Pflege und genuin pflegerische Schmerzbehandlungsverfahren
6.6.1
Schmerzhafte Pflege
Vornehmste Aufgabe der Pflege war und ist die Sorge um das körperliche und emotionale Wohlbefinden und Hilfe bei der Bewältigung und Linderung von Schmerzen. Im Zuge des medizinisch-technischen Fortschritts und der vermehrten Delegation ursprünglich medizinischer Tätigkeiten in den Pflegebereich sind allerdings viele Pflegemaßnahmen selbst sehr schmerzhaft. Nicht selten hängt die Effektivität v.a. der präventiven und mobilisierenden Pflegetätigkeiten von der Möglichkeit schmerzfreier Kooperation des Kindes ab (z. B. Prophylaxen, insbesondere Pneumonieprophylaxe, Atemtherapie, Physiotherapie, Mobilisationsmaßnahmen [23]). Nicht nur unangenehme und schmerzhafte Maßnahmen selbst, sondern das gesamte pflegeri-
125 6.6 · Schmerzhafte Pflege und genuin pflegerische Schmerzbehandlungsverfahren
sche Setting (Geräuschpegel, Lichtstärke, Unruhe etc.), die Behandlungssituation (z. B. Intensivstation [23]) bis hin zu pflegerischen Unaufmerksamkeiten (»auf Falten im Betttuch liegen«, »zu fest fixiert sein« [23]) können Schmerzen verstärken oder auslösen. Die Komplexität pflegerischer Entscheidungsfindung hinsichtlich der Notwendigkeit einer Pflegemaßnahme, des Zeitpunktes ihrer Durchführung, der möglichen Kombination mit einem Analgetikum, der Bündelung von Maßnahmen zur Gewährung möglichst langer Ruhephasen oder auch des Verzichts auf die Durchführung der Maßnahme überhaupt erfordert hohes Problembewusstsein und Wissen über die richtige Einschätzung der Gesamtsituation des betreuten Kindes, (pflege-)technische Sicherheit und darüber hinaus psychosoziale Kompetenz [23]. Eine innerhalb therapeutischer Grenzen großzügige Bedarfsverordnung für Analgetika (wenn nötig in Kombination mit Sedativa) zur Deckung von Schmerzspitzen und pflegebedingten Schmerzen erleichtert den Pflegenden die Durchführung notwendiger Pflegemaßnahmen. 6.6.2
Schmerzpräventive Pflegekonzepte
Aus Gründen der Stress- und Schmerzvermeidung wurde in den 1980er Jahren in der Frühgeborenenintensivpflege das Pflegekonzept des »minimal handling« [25] entwickelt, das die Patientenmanipulationen auf ein koordiniertes Minimum beschränkt, die Umgebung den mutmaßlichen Bedürfnissen des Kindes anpasst (gedämpfter Geräuschpegel, geringe Lichtstärke, grenzenvermittelnde Lagerung im »Nest« etc.) und gleichzeitig einer Reizverarmung durch sanfte taktile Stimulation und Zuwendung entgegenwirkt. Ziel des »minimal handling« ist eine möglichst belastungsarme und schonende Pflege, die dem Kind lange Ruhephasen ermöglicht (notfalls müssen Maßnahmen unterbrochen werden) und so den Entwicklungs- und Gesundungsprozess positiv unterstützt [23]. Das »minimal handling« lässt sich sehr gut durch das Konzept der »basalen Stimulation« nach Bienstein u. Fröhlich [4, 16] als eine kommunikations-, interaktions- und entwicklungsfördernde Anregungs- und Beruhigungsmethode ergänzen. Dem Frühgeborenen werden bei den alltäglichen Pflegesituationen wie Wickeln, Baden, Füttern und zusätz-
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lich auch während sanfter Massagen und Stimulationen durch ruhige, kontinuierliche (nicht abrupt unterbrochene) und eindeutig zugewandte Berührungen Möglichkeiten der Körperwahrnehmung, der Bewegungserfahrung, aber auch der Stressminderung und Beruhigung zuteil. Bei schmerzhaften Maßnahmen werden die Kinder – immer in Kombination mit notwendiger medikamentöser Analgesie und Sedierung – durch sanftes Ansprechen, Streicheln, Schnullern lassen, Halten der Arme, der Beine oder des Kopfes beruhigt [2]. Beide Pflegekonzepte eignen sich nicht nur für die Frühgeborenenpflege, sondern sind in abgewandelter, an Alter und Entwicklungsstand des betroffenen Kindes angepasster Form für alle Bereiche, in denen schwerkranke und behinderte Kinder betreut werden, zu empfehlen. 6.6.3
Physikalische Techniken
Zu den originären pflegerischen Maßnahmen zur Schmerzlinderung und -behandlung zählen die zahlreichen Möglichkeiten der »kutanen Stimulation« oder »Gegenirritationsverfahren«. Diese Maßnahmen werden mehr und mehr von Krankengymnastik und Physiotherapie übernommen und weiterentwickelt, wobei die niedrigfrequente Anwesenheit dieser Therapeuten beim kranken Kind für eine kontinuierliche Versorgung problematisch ist, so dass eine enge Kooperation zwischen Kinderkrankenpflege und Physiotherapie wünschenswert ist. Die Gegenirritationsverfahren stammen aus einer Zeit, in der effektivere pharmakotherapeutische Maßnahmen fehlten. Heute werden unter Gegenirritationsverfahren Kryotherapie, Thermotherapie, Massagen und Einreibungen, Vibrationstherapie, aber auch Ultraschall, Akupunktur und elektrische Nervenstimulation zusammengefasst, die Schmerzen oder sonstige Symptome durch Aktivierung hemmender Neurone mit Hilfe peripherer Stimulationen aufheben können [25, 33, 40]. Bei Neu- und Frühgeborenen sind einige dieser Verfahren (z. B. TENS, Akupunktur) aufgrund neurobiologischer Besonderheiten dieser Altersgruppen kontraindiziert, da diese Verfahren Sensibilisierungsprozesse des nozizeptiven Systems auslösen können (7 auch Kap. 2)
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6
Kapitel 6 · Die Rolle der Kinderkrankenpflege in der Schmerztherapie
Zu den physikalischen Schmerzlinderungstechniken zählen zudem Lagerungsmaßnahmen, Mobilisation, Ruhigstellung, Bewegungs- und Atemtherapie, spezielle Teil- oder Ganzkörperwaschungen und Bäder (Hydrotherapie). Zunehmend werden in der Kinderkrankenpflege auch komplementäre oder alternative Techniken (wieder-)entdeckt und angewandt (Kompressen und Wickel [19, 31, 33]). Diese Maßnahmen werden ausführlich in 7 Kap. 20.1 beschrieben. Wärmeanwendungen in Form von Wärmflaschen, Hot-Packs und warmen Wickeln finden ihren Einsatz bei Bauchschmerzen und Trimenonkoliken. Bei Säuglingen ist allerdings wegen der Gefahr der Hautschädigung die Wärmezufuhr auf Temperaturen um 37 °C zu beschränken [19]. Spezielle Lagerungstechniken dienen der Gelenkschonung, Muskelentspannung, Kontrakturvermeidung, Dekubitusprophylaxe und Atemstimulation [24]. Die Vielfalt der Schmerzlinderung durch kutane Stimulation und andere physikalische Maßnahmen kann hier nur beispielhaft dargestellt werden. Die Wirksamkeit vieler dieser Verfahren ist nicht belegt. Die physikalischen Verfahren müssen prinzipiell als Ergänzung zur medikamentösen Schmerztherapie verstanden werden, obwohl in der Kinderkrankenpflegepraxis häufig zunächst pflegerische Verfahren ausprobiert werden und erst bei deren mangelnder Wirksamkeit die medikamentöse Schmerztherapie zum Einsatz kommt [11]. 6.6.4
Psychologische Interventionen
Infolge ihrer kontinuierlichen Erreichbarkeit und Anwesenheit beim kranken Kind ist es primär die Kinderkrankenschwester, die auf schmerzhafte Interventionen vorbereitet, bei Schmerzen tröstet, ablenkt, für Entspannung sorgt und emotional unterstützt. Die psychologischen Maßnahmen der Schmerzbewältigung werden ausführlich in 7 Kap. 7 beschrieben. Verfahren der ex- und internen Aufmerksamkeitsablenkung sind die am häufigsten angewendeten Techniken [22, 23, 29, 37], wobei das systematisch eingesetzte pflegerische Repertoire psychologischer Schmerzbewältigungsverfahren immer noch eher begrenzt ist [22].
Ablenkungsstrategien bei Schmerzen im Kindesalter 5 Säuglinge – Schnuller (vermindert Schreien und erhöht die Lebhaftigkeit), Glukoseschnuller [5, 38] – Wickeln und Windeln (gleichzeitige Stimulierung auf mehreren sensorischen Ebenen) – Schaukeln und Wiegen – monotone rhythmische Töne niedriger Frequenz – konstantes und gedämpftes Licht – Kontakt zur Mutter (Körperkontakt, Stimme, Anblick – reduziert Aufgeregtheit) 5 Kleinkinder/Kindergartenalter – Einbeziehen von Objekten (Quietschspielzeug, Mobile, Kaleideskop, Bilderbücher) – Geschichten und Märchen erzählen – Musik, Singen – physische Aktivitäten (Seifenblasen, Hand der Mutter drücken, synchron mit der Schwester atmen, Anspannung nicht beteiligter Muskelgruppen) 5 Grundschulalter – Konzentration auf Umgebung (Fliesen an der Wand zählen, »Ich sehe was, was du nicht siehst«) – Ablenkungsfragen (»Wieviele Finger hat ...«?) – Wort- und Assoziationsspiele – Zauberhandschuh, Zauberdecke, Schmerzschalter – Vorlesen, Fernsehen, Hörspielkassette – Atemübungen 5 Schulalter – Kassetten, Video, Fernsehen – ablenkende Gespräche (über Urlaub, Hobbys, Vorlieben etc.) – einfache Denkaufgaben (Alphabet aufsagen, zählen, rechnen etc.) – Humor (Perspektivwechsel durch Witze erzählen, Blödeln) 6
127 6.7 · Einbeziehung und Beteiligung der Eltern/Bezugspersonen
5 Jungendalter – Ablenkende Gespräche – Musikhören – Denkaufgaben (Rätsel, Rechenaufgaben) – Rezitieren (Gedicht, Liedtext etc.) – Humor – Hand halten
Eine Abtrennung wirksamer psychologischer Verfahren vom Wirkungsbereich der Kinderkrankenpflege durch die Einbeziehung weiterer psychosozialer Mitarbeiter ist oft »lediglich ein Baustein in der Vollendung der Rationalisierung im Sinne einer funktionsspezifischen Arbeitsteilung und mitnichten ein Schritt zu mehr Ganzheitlichkeit« [50].
6.7
Lange Zeit wurde das Handhalten als effektive Ablenkungs- und Bewältigungsmaßnahme bei Jugendlichen nicht berücksichtigt. Man glaubte, »Händchenhalten« gelte als »kindisch« oder »weichlich« und würde abgelehnt. Nach jüngsten Untersuchungen allerdings ist Handhalten eine einfache und sehr wirkungsvolle Alternative zu aufwendigen Verfahren der Schmerzreduktion (Imagination, Hypnose etc.). Es ist sinnvoll, dem Jugendlichen das Handhalten anzubieten, da er nicht immer von selbst danach fragt [35]. Häufig werden psychologische und physikalische Verfahren kombiniert: Lagerungsmaßnahmen, Mobilisation, vertieftes Atmen, Aufmerksamkeit Schenken, körperliche Nähe zum Patienten, Führen eines Gesprächs und Spielen [17]. Bei Kindern im Schulalter sind emotionale Unterstützung durch Aufmerksamkeitszuwendung einer Bezugsperson mittels Berühren, Umarmen, Küssen oder Streicheln die wichtigste Copingstrategie vor Ablenkung, Ruhe, Schlaf, Entspannung und thermischen Anwendungen [47]. Die umfassende Vermittlung evidenzbasierter psychologischer Schmerzbewältigungs- und -behandlungsverfahren ist bis heute noch kein Ausbildungsinhalt in der Kinderkrankenpflege. Die Anwendung einzelner Methoden hängt ab vom individuellen Problembewusstsein und der persönlichen Initiative der Kinderkrankenschwester. Die gezielte Anwendung psychologischer Schmerzbewältigungsverfahren beschränkt sich immer noch vorwiegend auf den Bereich chronischer Schmerzen. Sie wird dort in der Regel durch Psychologen durchgeführt. Um die Zurückhaltung bei diesen Verfahren im Akutbereich zu überwinden, ist es wichtige Aufgabe der Kinderpsychologie, Schulungs- und Trainingsprogramme für die Kinderkrankenpflege zu etablieren [30].
6
Einbeziehung und Beteiligung der Eltern/Bezugspersonen hinsichtlich Schmerztherapie
Die tröstende Anwesenheit von Vertrauenspersonen, insbesondere der Eltern, ist eine der wichtigsten kindlichen Copingstrategien bei Schmerzen und schmerzhaften Interventionen. Für 99 % von 9- bis 12-jährigen bedeutete – unabhängig vom Schmerztyp – die Anwesenheit eines Elternteils »die Sache, die am meisten hilft« [42]. Dieser Tatsache wird in den Krankenhäusern immer noch nicht in ausreichendem Maße Rechnung getragen. Zwar existieren Untersuchungen, die nachweisen, dass Kinder weniger Distressverhalten zeigen, wenn ihre Eltern bei der fraglichen Prozedur nicht anwesend sind; das subjektive Stresserleben der Kinder war allerdings nicht reduziert. Erklärung könnte sein, dass die Kinder sich erst in Anwesenheit ihrer Eltern trauen, ihre Empfindungen mitzuteilen und zu protestieren [36]. Das Miterleben von Schmerzen des eigenen Kindes konfrontiert Eltern – verstärkt durch die intransparente Krankenhausorganisationsstruktur, die eine Vorhersage von schmerzhaften Ereignissen und Situationen fast unmöglich macht – mit der eigenen Hilflosigkeit, mit Ohnmachtsgefühlen und Angst. Die emotionale Belastung der Eltern kann zu Stressreaktionen und zu einem Ungleichgewicht zwischen situativen Anforderungen und Bewältigungsstrategien führen [27]. Nicht selten sind Angst, überprotektives Verhalten und inadäquate Unterstützung für das Kind die Folge. Von den Mitgliedern des Behandlungsteams wird das elterliche Verhalten gerade im Zusammenhang mit schmerzhaften Prozeduren häufig als störend und unerwünscht empfunden. Entsprechend schwierig gestalten sich mitunter für alle Beteiligten diese diagnostisch-therapeutischen Situationen. Um die wichtige Unterstützungsfunktion der Eltern
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Kapitel 6 · Die Rolle der Kinderkrankenpflege in der Schmerztherapie
für ihr Kind – auch im Hinblick auf eine Stärkung der Eltern-Kind-Beziehung – zu optimieren, ist es notwendig, die Eltern ebenso wie ihre Kinder auf schmerzhafte Prozeduren vorzubereiten und unterstützende Verhaltensweisen einübend zu vermitteln [26, 27]. Die Eltern sind als Experten in Bezug auf das Schmerzverhalten ihrer Kinder zu betrachten und sollten sowohl in die Schmerzdiagnose als auch in die Schmerzbewältigung und -therapie einbezogen werden. Die elterliche Beteiligung an der Schmerzeinschätzung durch die Pflegenden ist bei akut kranken Kindern häufig minimal, anders dagegen bei chronischer Erkrankung des Kindes [1].
möglicht bei moderaten Schmerzen in vielen Fällen eine Einsparung von Analgetika. Die kontinuierliche und enge Einbeziehung der Eltern und Angehörigen der Patienten in Schmerzdiagnose, Schmerzvermeidungs- und -bewältigungsstrategien erfordert hohe kommunikative, soziale und fachliche Kompetenzen der Kinderkrankenschwestern, deren Realisation durch patientenorientierte Organisationsstrukturen und eine problemzentrierte interprofessionelle Kooperation in allen pflegerischen Settings im Krankenhaus, im häuslichen Umfeld oder in der Schmerzambulanz gefördert werden müssen.
Literatur 6.8
Fazit
Die Komplexität der Schmerzeinschätzung im Kindesalter und ihre vielfältigen, häufig völlig schmerzbzw. patientenunabhängigen Einflussfaktoren machen dreierlei deutlich: 1. die Notwendigkeit umfassender schmerzrelevanter Wissensvermittlung und Verbesserung des Problembewusstseins bei Pflegenden, 2. die Wichtigkeit routinemäßiger Anwendung geeigneter validierter Schmerzmessverfahren für alle Altersstufen und Pflegesettings (Intensivpflegestationen, chronischer Schmerz, akuter Schmerz, postoperativer und prozeduraler Schmerz). Nicht vergessen werden sollten dabei auch nichtoperative Fachgebiete, wie die allgemeine Pädiatrie und die Neonatologie, die in der Literatur nicht selten als schmerztherapeutisch defizitäre Bereiche gelten [3, 23]. 3. Schmerzverlaufsdokumentation sollte unter Einbeziehung aller notwendigen Faktoren und Parameter (Schmerzratings, Vitalzeichen, Medikamente, Analgetika, Sedativa, Adjuvanzien, Nebenwirkungen, Symptome etc.) routinemäßig neben der üblichen Patientendokumentation geführt werden (7 Schmerzdokumentationsbogen der Kinderklinik Datteln im Anhang A).
Die konsequente Anwendung der genuin pflegerischen nichtpharmakologischen Schmerzpräventions- und -bewältigungsverfahren trägt zu Wohlbefinden und Lebensqualität der Kinder bei und er-
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7 Psychologische Interventionen bei akuten Schmerzen im Kindesalter H. Labouvie, M. Kusch und U. Bode 7.1
Einleitung – 132
7.2
Verhaltensmedizinische Sichtweise der Schmerzen im Kindesalter – 132
7.3
Einflüsse auf das Schmerzerleben und -verhalten des Kindes – 132
7.4
Kindliche Formen der Bewältigung akuter Schmerzen – 134
7.5
Einsatz psychologischer Interventionen bei akuten Schmerzen im Kindesalter – 136
7.6
Verhaltensmedizinische Verfahren der Schmerzund Angstreduktion – 137
7.6.1 Psychologische Vorbereitung auf schmerzhafte Prozeduren – 137 7.6.2 Weitere psychologische Maßnahmen zur Schmerz- und Stressminderung – 139
7.7
Fazit – 140 Literatur – 140
132
Kapitel 7 · Psychologische Interventionen bei akuten Schmerzen im Kindesalter
)) 7.1
Einleitung Kindliches Schmerzerleben geht in der Regel über die Wahrnehmung des Schmerzereignisses hinaus. Meist mit Angst und Unwohlsein verbunden, ist es in hohem Maße abhängig von individuellen und situativen Bedingungen. Der Schmerz als eine subjektive Empfindung wird heute über die physiologische Dimension hinaus auch als ein auf der psychischen und sozialen Ebene wirkendes Geschehen verstanden. Insbesondere im Umgang mit kindlichem Schmerz sind psychologische Interventionen als zusätzliche Maßnahmen nicht nur sinnvoll, sondern gefordert. Verhaltensmedizinische Verfahren können den akuten Schmerz nicht beseitigen. Sie können aber bei der Bewältigung der Schmerzsituation helfen, das Schmerzerleben mindern und die Bewertung des Schmerzereignisses positiv beeinflussen.
7
7.2
Verhaltensmedizinische Sichtweise der Schmerzen im Kindesalter
Sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern ist die verhaltensmedizinische Sichtweise der akuten und chronischen Schmerzen mittlerweile anerkannt. Der kindliche Schmerz wird aber meist noch nach seiner Genese kategorisiert [45, 53]. So lassen sich folgende Schmerzkategorien unterscheiden: E Schmerz durch eine a kute oder chronische Erkrankung (z. B. Krebs, Arthritiden, Asthma), E Schmerz durch physische Verletzungen/Traumata (z. B. Verbrennungen, Fleischwunden, Frakturen), E Schmerz durch medizinische/zahnärztliche Prozeduren (z. B. Operationen, Injektionen, Lumbal-, Knochenmarkpunktionen), E Schmerz mit unklarer physiologischer Genese (z. B. Migräne, Spannungskopfschmerz, Bauchschmerz, Brustschmerz), E spezifische Beschwerden und Schmerzen des Kindesalters (z. B. Zahnen, Wachstums-, Gliederschmerzen).
Heute ist man davon abgekommen, eine klare Trennung in somatogenen und psychogenen Schmerz vornehmen zu wollen. Schmerz kann auch ohne eine identifizierbare organische Ursache existieren und als solcher empfunden werden. Die verhaltensmedizinische Schmerzdefinition von Jay [16] macht es möglich, schwer zu verstehende Schmerzphänomene, insbesondere im Zusammenhang mit chronischem Schmerz, zufriedenstellender zu erklärenkönnen. In der Definition wird neben der physiologischen die verhaltensmäßige und subjektive, also innerpsychische, Reaktion auf eine Gewebsschädigung in den Mittelpunkt gestellt. Der Schmerz wird definiert als »eine Interaktion beobachtbarer, verborgener sowie physiologischer Reaktionen, die durch eine Gewebsschädigung ausgelöst, aber auch durch Bedingungen hervorgerufen und aufrechterhalten werden können, die der Schädigung vorausgehen oder nachfolgen«. Demgemäß muss die subjektiv empfundene Schmerzintensität nicht mit dem objektiven Schmerzreiz korrelieren [12, 36]. Aus verhaltensmedizinischer Perspektive werden neben den physiologischen die psychologischen, sozialen und bei Kindern zudem die entwicklungsbedingten Faktoren ausdrücklich in die Beurteilung und Behandlung von Schmerz miteinbezogen. Gerade bei Kindern beeinflussen während akuter Schmerzsituationen die internen und externen Kontextbedingungen das Ausmaß des subjektiven Leidens viel stärker, als bisher angenommen [23]. Beim chronischen Schmerzgeschehen können ebensolche Kontextbedingungen, die für das Kind eine hohe Bedeutung haben oder wiederholt auftreten, zur Chronifizierung einer Schmerzsymptomatik beitragen [24].
7.3
Einflüsse auf das Schmerzerleben und -verhalten des Kindes
Im Vergleich zu Erwachsenen zeigen Kinder meist stärkere Reaktionen auf akute Schmerzereignisse [55]. Der akute Schmerz wird vom Erwachsenen, der dessen Ursache kennt und um seine vorübergehende Natur weiß, als eher unbedrohlich empfunden. Das Kind aber reagiert auf einen plötzlichen Schmerzreiz stärker, was mit dem Entwicklungs-
133 7.3 · Einflüsse auf das Schmerzerleben und -verhalten des Kindes
alter, den verfügbaren Bewältigungskompetenzen und der kindlichen Schmerzerfahrung zusammenhängt. So mag ein Kind die Begründung für eine schmerzhafte Maßnahme nicht verstehen, kann seine Angst vor dem Schmerz nicht ausreichend kontrollieren oder aber erlebt Hilflosigkeit, weil es noch nicht über die notwendigen Strategien im Umgang mit dem Schmerzereignis verfügt. Einflussfaktoren auf das kindliche Schmerzerleben 5 Situationsunabhängig – Alter – Geschlecht – Kulturelle und familiäre Bedingungen – Schmerzvorerfahrungen – Entwicklungsabhängige Fähigkeiten, über Schmerzen zu kommunizieren, Vorstellungen über Schmerzursachen zu entwickeln, auf Schmerz verhaltensmäßig zu reagieren 5 Situationsabhängig – Erwartung und Vorstellung vom Schmerz – Bedeutung des Schmerzgeschehens – Erinnerung an Schmerzereignisse – Einstellung zum Schmerz – Aktuelle Schmerztoleranz – Aktuelle Gefühle (Angst, Frustration, Ärger, Wut, Hilflosigkeit etc.) – Verhalten des Kindes und anwesender Personen
In der Auseinandersetzung mit schmerzhaften Prozeduren spielt bei Kindern die Angst immer eine große Bedeutung, sei es die Erwartungsangst oder eine konditionierte Angst bei wiederholten Eingriffen. Die Angst wirkt verstärkend auf das Schmerzerleben und führt nicht selten zum sog. Distress [19]. Der Begriff des Distress bezeichnet das subjektive Leiden des Kindes als eine Vermischung von Angst und Schmerz, verbunden mit einer disorganisierten Verhaltensreaktion, die eine Kooperation in der Situation schwierig oder unmöglich macht. Aufgrund einer beim Kind höher einzuschätzenden Sensibilität gegenüber akuten Schmerzereignissen sollte beim kindlichen Schmerzerleben eine gründliche
7
Analyse der Einflussfaktoren vorgenommen werden. Es sollte zwischen Einflüssen unterschieden werden, die situationsunabhängig vom akuten Schmerz wirken, und solchen, die in der Schmerzsituation aktuell vorliegen.
Situationsunabhängige Faktoren Situationsunabhängig spielen bei Kindern v. a. entwicklungsbedingte Fähigkeiten eine Rolle, die die jeweiligen Möglichkeiten, über das Schmerzerleben zu kommunizieren, verhaltensmäßig auf den Schmerzreiz zu reagieren sowie die kindlichen Vorstellungen über die Schmerzursache festlegen. Erst beim Schulkind kann man davon ausgehen, dass die Erklärungen zum Schmerz so verstanden werden, wie sie vom Erwachsenen gemeint sind. Die Schmerzursache, die beim jüngeren Kind noch an beliebige, zeitnahe Ereignisse gekoppelt wurde, kann im späteren Alter aufgrund der entwickelten Fähigkeit zur Perspektivenübernahme in den tatsächlichen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang gestellt werden [54]. Die kognitive Entwicklung sowie die emotionalen Regulationsmöglichkeiten des Kindes legen fest, welche Bewältigungsfertigkeiten das Kind entwickeln kann [23]. Die kindlichen Schmerzreaktionen sind zudem beeinflusst von Temperament [4, 29], Erinnerung an bereits erfahrene Schmerzsituationen [39] und gelernten Reaktionsmustern [23]. Entwicklungs- bzw. altersabhängige Vorstellungen des Kindes zum Schmerz werden von Erwachsenen häufig falsch eingeschätzt, was sich im Zusammenhang mit medizinischen oder pflegerischen Prozeduren sehr ungünstig für das Kind auswirken kann. Eine entsprechende Studie kam zu dem Ergebnis, dass medizinisch-pflegerische Fachkräfte dazu neigen, das so genannte Schmerzkonzept des Kindes, also seine Vorstellungen über die Schmerzursache, über das Schmerzgeschehen im Körper und über die Wirkung von Schmerzbehandlungen, bei jüngeren Kindern zu überschätzen und bei älteren Kindern zu unterschätzen [40]. Andere Untersuchungen zeigten zudem, dass das Pflegepersonal oftmals über nur wenig Wissen in Hinblick auf die kindliche Schmerzverarbeitung und ein angemessenes Schmerzmanagement verfügt [14, 33, 34, 52]. Um wichtigen Bedürfnissen von Kindern in Schmerzsituationen entsprechen zu können, sollte im Rahmen der Ausbildung von Fachkräften in medizinisch-pflegerischen Berufen umfassender
134
7
Kapitel 7 · Psychologische Interventionen bei akuten Schmerzen im Kindesalter
auf das Gebiet Schmerz im Kindesalter eingegangen werden. Neben entwicklungsbedingten Aspekten wirken in der Schmerzsituation weitere Faktoren, die ebenfalls situationsunabhängig sind, wie z. B. das Geschlecht, kulturelle und familiäre Aspekte im Umgang mit Schmerzen [36], Art und Anzahl erlebter Schmerzerfahrungen oder das Erleben eines Traumas [7]. Diese, bei jedem Kind unterschiedlichen und oftmals verdeckten Einflussfaktoren machen eine Einschätzung der kindlichen Schmerzreaktion ohne sorgfältige Anamnese schwierig. Die Komplexität insbesondere der kindlichen Schmerzverarbeitung wird noch deutlicher, wenn man bedenkt, dass in der konkreten Schmerzsituation situationsunabhängige mit situationsabhängigen Faktoren in Interaktion treten.
Situationsabhängige Faktoren Situationsabhängig, insbesondere bei medizinischen Prozeduren, gehen hohe Schmerzerwartungen des Kindes [26] oder eine Fokussierung der Aufmerksamkeit auf negative Aspekte der Situation [1, 44] mit intensiverem Schmerzerleben einher. Derselbe Reiz kann zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedliche Schmerzempfindungen beim Kind auslösen [36]. So vermag allein die Bedeutung des Schmerzereignisses, z. B. bei einer diagnostischen Lumbalpunktion im Verlauf der onkologischen Therapie, die aktuelle Schmerztoleranz vermindern und das Erleben stark beeinträchtigen [23]. Jede Schmerzerfahrung basiert auf einer vorangegangenen Erfahrung und wird durch diese beeinflusst. Bei jeder neuen Schmerzerfahrung geht man davon aus, dass die kognitiv-emotionale Repräsentation des früheren Schmerzereignisses aktualisiert wird [7]. In der Erinnerung an Schmerzsituationen geben Kinder grundsätzlich eher die affektiven als die sensorischen Aspekte des Geschehens an [27], was die Bedeutung von situationsbedingten Faktoren, die Angst oder Unsicherheit erzeugen, unterstreicht. Insbesondere negative Vorerfahrungen oder traumatisch erlebte Schmerzsituationen prägen die aktuelle Schmerzreaktion [7, 11], was nicht selten zu einer Verstärkung des Traumas führt. Hieraus erklärt sich auch, warum kleinste Schmerzauslöser oder die Ankündigung des Schmerzereignisses zu massiven Angst- und Schmerzreaktionen führen können.
Kinder können in der Auseinandersetzung mit dem aktuellen Schmerz in der Regel nur auf die Bewältigungsfertigkeiten zurückgreifen, die ihnen zur Verfügung stehen. Diese müssen sich aber nicht immer als hilfreich erwiesen haben, weshalb es umso wichtiger erscheint, dass das Kind Hilfe und Unterstützung durch vertraute Personen und durch eine wenig angsterweckende Umgebung erfährt. Die Vertrautheit mit einem schmerzhaften Ereignis ist bei Kindern meist mit einem Anstieg der Schmerztoleranz verbunden [27]. Je genauer die Aspekte des Schmerzgeschehens (Intensität, Dauer, Ausmaß usw.] eingeschätzt werden können, desto stärker scheint die subjektive Überzeugung zu sein, das schmerzhafte Ereignis kontrollieren zu können [44]. Im Rahmen der Vorbereitung auf Lumbalpunktionen zeigte sich, dass die Informiertheit der Kinder über die schmerzhafte Prozedur bereits eine Reduktion in der Schmerzwahrnehmung hervorrief [32]. Soziale Prozesse, wie das Beobachtungslernen oder die sog. emotionale Ansteckung durch andere Personen, spielen für die Bewältigung akuter Schmerzereignisse bei Kindern eine weitere wichtige Rolle [5]. Das Verhalten von Eltern, Ärzten und Krankenschwestern steht in komplexer Wechselwirkung mit dem Verhalten des Kindes. Überängstlichkeit der Eltern, technische Schwierigkeiten bei der Durchführung einer Maßnahme, Fehlinformiertheit des Kindes und ein schlechtes »Timing« im Hinblick auf Erklärungen oder Ablenkungsversuche wirken sich ungünstig auf die kindliche Schmerzbewältigung aus [23].
7.4
Kindliche Formen der Bewältigung akuter Schmerzen
Da akute Schmerzereignisse, ob durch eine Erkrankung, eine Verletzung oder eine medizinische Prozedur verursacht, bei Kindern meist mit negativen Affekten verbunden sind, sollte immer von Schmerz- und Stressbewältigung gesprochen werden. Lazarus u. Folkman [28] unterscheiden hierbei die problembezogene von der emotionsbezogenen Bewältigung. Bei der problembezogenen Bewältigung bemüht sich das Kind, belastende Aspekte auf Seiten der eigenen Person oder Umwelt oder der Interaktion zwischen beiden zu verändern bzw. zu
135 7.4 · Kindliche Formen der Bewältigung akuter Schmerzen
Reaktiv
←⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯→
Ablenkung
Besorgt/ Weinerlich Passivität
Aufmerksamkeitszentrierung
Aggression
←⎯⎯⎯⎯→
Aktiv
7
Reizvermeidung
Reizsuche
. Abb. 7.1. Dimensionen der Bewältigung während schmerzhafter Prozeduren. (Mod. nach Peterson et al. 1990 [43])
beherrschen. Kleine Kinder suchen bei Schmerzen die Nähe ihrer Eltern oder wollen z. B., dass diese auf die schmerzende Stelle pusten. Jugendliche versuchen in der Regel, sich selbst zu entspannen, sich aktiv abzulenken oder sich gut zuzureden. Emotionsbezogene Bewältigungsversuche zielen darauf ab, die negativen Emotionen zu kontrollieren. So versucht z. B. ein jüngeres Kind mit Diabetes, seinen Ärger oder die Trauer über die ständig wiederkehrenden Punktionen und Injektionen mit Hilfe einer Belohnung nach der Insulininjektion zu regulieren. Ein Jugendlicher hilft sich in der gleichen Situation, indem er während des Schmerzes z. B. bewusst an die Zeit nach der Schmerzsituation oder an ein schönes Ereignis denkt. Für die Bewältigung akuter und konkretisierbarer Schmerzsituationen werden dem problembezogenen Verhalten günstigere Konsequenzen für die Belastungsbewältigung zugesprochen [41]. Bei schmerzhaften medizinischen Prozeduren unterscheiden Peterson et al. [43] die kindlichen Bewältigungsbemühungen auf der Dimension der Reizvermeidung vs. Reizsuche und der Dimension des aktiven vs. reaktiven Bewältigungsverhaltens (. Abb. 7.1). Je nach erworbener oder spontan gezeigter Verhaltenstendenz auf diesen Dimensionen zeigt ein Kind unterschiedliche Bewältigungsstrategien. Reagiert es mit aktivem Verhalten, so zeigt es das Bemühen, sich entweder in der Situation abzulenken oder aber seine Aufmerksamkeit gezielt auf die Aspekte der Schmerzsituation zu richten, um diese zu kontrollieren. Tendiert das Kind zu reaktivem Verhalten, äußert sich dieses entweder durch eine besorgt-weinerliche oder durch eine aggressiv-op-
positionelle Reaktion. Passive Reaktionen werden dann beobachtet, wenn sich die Verhaltenstendenz des Kindes theoretisch zwischen den jeweiligen Polen der beschriebenen Dimensionen befindet und das Kind äußerlich keine sichtbare Reaktion in der Schmerzsituation zeigt. Reaktionen, die der passiven und reaktiven Verhaltenstendenz zugeordnet werden können, gelten für das Kind als ungünstig und münden in der Regel in negativen Bewältigungserfahrungen, die von Trauer, Wut, Hilflosigkeit und Ohnmachtserleben geprägt sind [25]. Je nach Bewältigungsstrategie unterscheidet sich das Verhalten des Kindes nicht nur unmittelbar in der Schmerzsituation, sondern auch in den Phasen vor und nach einer schmerzhaften Maßnahme [43]. Im phasenspezifischen Bewältigungsmodell [23] ist dargestellt, wie die kognitiven und emotionalen Informationsverarbeitungsprozesse in jeder Phase in konkretes Bewältigungsverhalten münden und nachfolgend auf die nächste Phase wirken (. Tabelle 7.1). Bereits längere Zeit vor einer schmerzhaften Maßnahme können Unterschiede im Verhalten der Kinder je nach Bewältigungsstrategie festgestellt werden. Kinder mit einer reaktiven Verhaltenstendenz zeigen sich bereits zu diesem Zeitpunkt ablehnend oder vermeidend gegenüber Informationen zur bevorstehenden Maßnahme und weisen externale Kontrollüberzeugungen im Hinblick auf die Schmerzsituation auf [25,43]. Kurz vor der Maßnahme sind sie meist physiologisch erregter, befinden sich oftmals schon im Distress und sind unkooperativer als Kinder, die in der Lage sind, mit aktivem Bewältigungsverhalten zu antworten [15]. Neben der problematischen Auseinandersetzung in der Schmerzsituation selbst hält die emotionale
136
7
Kapitel 7 · Psychologische Interventionen bei akuten Schmerzen im Kindesalter
Erregung bei Kindern mit reaktivem Verhaltensstil auch nach dem Schmerzereignis noch sehr lange an, weshalb sich diese nur schwer beruhigen lassen und nur langsam erholen [25,43]. Wegen der gravierenden Auswirkungen der vom Kind zur Verfügung stehenden Bewältigungsfähigkeiten auf die innerpsychische Verarbeitung des Schmerzereignisses gilt es bei schmerzhaften Prozeduren insbesondere diejenigen Kinder im Vorhinein zu erkennen und zu unterstützen, die voraussichtlich Probleme in der Bewältigung der Schmerzsituation haben. Psychologische Interventionen müssen deshalb immer den individuellen Bewältigungsstil des Kindes und die phasenspezifisch wirkenden Prozesse und Interaktionen mit situativen Aspekten ausdrücklich berücksichtigen (7 Anhang B).
7.5
Einsatz psychologischer Interventionen bei akuten Schmerzen im Kindesalter
Vornehmlichstes Ziel psychologischer Interventionen stellt das psychische Wohlbefinden des Kindes dar, d. h. Angst- und Schmerzminimierung bei gleichzeitiger Maximierung von Motivation zur aktiven Mitarbeit und Erleben hoher Selbstwirksamkeit. So müssen für das Kind optimale Rahmenbedingungen geschaffen werden, seine verfügbaren Bewältigungskompetenzen umzusetzen. Psychologische und medizinische Schmerztherapie schließen sich also nicht aus, sondern sollten in Kombination den größtmöglichen Nutzen für das Kind gewähren. Das Ziel ist dabei keineswegs die absolute Schmerzfreiheit per se. Kinder können aus einer erfolgreich bewältigten Schmerzsituation durchaus stolz und mit gewachsener Bewältigungskompetenz heraustreten. Positive Erfahrungen schaffen günstige Voraussetzungen für die Bewältigung zukünftiger belastender Situationen. Verhaltensmedizinische Interventionen haben ihren Platz bei obligat schmerzhaften und belastenden medizinischen Maßnahmen. Gerade bei jüngeren Kindern spielen bei den meisten invasiven Maßnahmen Angst und Unwohlsein eine zentrale Rolle. Deshalb müssen psychologische Aspekte nicht nur bei den größeren Eingriffen wie bei Knochenmarkund Lumbalpunktionen, Biopsien, Operationen und
Behandlungen von offenen Wunden und Verbrennungen, sondern auch dann explizit berücksichtigt werden, wenn allein die Umgebungsbedingungen vom Kind als bedrohlich empfunden werden (z. B. Behandlungszimmer, technische Geräte). Akuter Tumor-, Entzündungs- und Verletzungsschmerz läßt sich durch verhaltensmedizinische Maßnahmen kaum beeinflussen. Dennoch können die Kinder auch hier Strategien erlernen, um zwischen der Wahrnehmung von Schmerz und Angst zu unterscheiden, Schmerzen neu zu bewerten und Möglichkeiten der körperlichen Entspannung zu finden. Voraussetzung für den Einsatz psychologischer Interventionen ist eine auf die unterschiedlichen Einflussfaktoren gerichtete sorgfältige Schmerzund Verhaltensdiagnostik, die zudem die Zeiträume vor und nach dem Schmerzereignis miteinbezieht (s. oben, vgl. [24]). Es sollte sowohl das aktuelle als auch das früher gezeigte Schmerzverhalten des Kindes erfasst werden, indem auch unter funktionalen Gesichtspunkten die die Schmerzreaktion auslösenden oder aufrechterhaltenden Faktoren betrachtet werden. Auch bei akuten Schmerzereignissen spielen so genannte operante Lernprozesse eine Rolle, die z. B. dazu führen können, dass bei kontingenter wiederholter positiver Verstärkung (z. B. besondere Zuwendung oder erhöhte Aufmerksamkeit von Angehörigen) eines gezeigten Schmerzverhaltens eine möglicherweise ungünstige Verhaltenstendenz unterstützt wird. Ein individuell auf die kindliche Situation abgestimmter Behandlungsplan [22] versucht, die Bewältigungskompetenzen des Kindes zu modifizieren und den situativen Kontext für das Kind möglichst optimal zu gestalten (7 Anhang B). Je nach Schmerzereignis, Alter und Vorerfahrung des Kindes können sich bereits einfache psychologische Interventionen als effektiv erweisen, die durch speziell geschulte Krankenschwestern ebenso gut durchgeführt werden können [3, 8, 25]. Bei sehr schmerzvollen und angstbesetzten medizinischen Prozeduren oder bei Kindern mit negativen Vorerfahrungen ist ein umfassenderer Behandlungsplan mit einübenden verhaltensmedizinischen Verfahren notwendig, die Fachkräfte mit fundierten psychologischen und verhaltensmedizinischen Kenntnissen durchführen sollten.
137 7.6 · Verhaltensmedizinische Verfahren der Schmerz- und Angstreduktion
7
. Tabelle 7.1. Phasenspezifisches Bewältigungsverhalten bei schmerzhaften Prozeduren: (Nach [23])
7.6
Phase
Länger vorher
Kurz vorher
Während
Kurz nachher
Befinden
Antizipatorische Angst/Distress
Distress
Schmerz
Stress
Bewältigungsstil 5 Reizinformationssuche 5 aktive Aufmerksamkeitslenkung
Aus dem Bewältigungsstil resultierende positive Bewältigung 5 Versuch, emotio5 Erklärungen ge5 Hohe kognitive nale Reaktionen genüber offen und physiologizu kontrollieren 5 Versuche, sich aksche Beteiligung 5 bei Reizsuche tiv am Geschehen bei der InformatiFokussierung auf zu beteiligen onssuche Reiz (Zuschauen) 5 kooperations5 internale Kon5 bei Reizabbereit trollüberzeugung schirmung aktive Ablenkung (Imagination, Relaxation)
Bewältigungsstil 5 Reizinformationsvermeidung 5 reaktive Aufmerksamkeitslenkung
Aus dem Bewältigungsstil resultierende negative Bewältigung 5 Versuch, auf 5 Aufmerksamkeit 5 Vermeidendes die Umgebung negativ ausgeoder ablehneneinzuwirken richtet des Verhalten bei 5 bei Reizsuche 5 äußere Einflüsse Information körperliches lenken leicht ab 5 externale KonAbwehren 5 Überzeugung, trollüberzeugung 5 Fluchtverhalten keinen Einfluss zu (Externalisierung) haben 5 bei Reizabschir5 unkooperativ mung Erleben von Hilflosigkeit 5 Besorgnis (Internalisierung)
Verhaltensmedizinische Verfahren der Schmerzund Angstreduktion
Bei belastenden medizinischen Behandlungsmaßnahmen ist die Wirksamkeit verschiedenster verhaltensmedizinischer Verfahren mittlerweile hinreichend belegt [47]. Diese Verfahren streben eine Modifikation der Wahrnehmung, der kognitiven Bewertung sowie der emotionalen und verhaltensmäßigen Reaktionen des Kindes in der Schmerzsituation an und verfolgen dabei die Ziele: 4 Angst und Distress zu vermindern, 4 die Schmerztoleranz zu erhöhen, 4 Handlungskompetenzen zu stärken, 4 internale Kontrollüberzeugungen zu fördern, 4 Motivation zur aktiven Mitarbeit zu erhöhen,
5 Versuch, sich zu entspannen, abzulenken oder anderen Aktivitäten zuzuwenden 5 schnelle Erholung
5 lange Zeit der emotionalen Erregung (Emotionalisierung) 5 nur schwer zu beruhigen 5 langsame Erholung
4 Komplikationsrisiken zu vermindern, 4 psychische Beeinträchtigungen zu vermeiden 4 und Heilungsprozesse zu fördern. 7.6.1
Psychologische Vorbereitung auf schmerzhafte Prozeduren
Die psychologische Vorbereitung von Kindern und Jugendlichen auf schmerzhafte Prozeduren stellt einen zentralen Aspekt eines umfassenden Interventionsprogrammes der Angst- und Schmerzreduktion dar [23], weshalb sie hier ausführlicher als andere psychologische Verfahren dargestellt wird. Obwohl psychologische Vorbereitungsmaßnahmen zu den am häufigsten eingesetzten verhaltensmedizinischen Interventionen gehören [42], ist ihr Einsatz in deutschen Kinderkliniken längst noch keine Routine [48].
138
7
Kapitel 7 · Psychologische Interventionen bei akuten Schmerzen im Kindesalter
Die psychologische Vorbereitung gründet sich auf die Annahme, dass ein Kind eine schmerzhafte Maßnahme besser bewältigt und kooperativer ist, wenn es versteht, was während der Maßnahme geschieht und wie es sich am besten währenddessen verhalten kann [37]. Die kognitive Bewertung und die emotionale Reaktion auf die bevorstehende schmerzhafte Maßnahme so zu verändern, dass Stressempfinden (Angst) und Schmerzwahrnehmung (Aufmerksamkeit, Toleranz) im Verlauf der Maßnahme für das Kind kontrollierbar bleiben und eine Habituation an die Schmerzsituation möglich wird [22], sind ihr ausdrückliches Ziel. Anhand verhaltensmedizinischer Techniken werden Strategien erarbeitet und eingeübt, die es dem Kind ermöglichen, sich vor, während und nach Durchführung der Maßnahme emotional zu regulieren und aktiv mitzuarbeiten. Dazu müssen die für das Kind spezifischen stressrelevanten Bedingungen erkannt und verändert werden [vgl. 23, 24]. Bei der psychologischen Vorbereitung werden in der Regel drei wesentliche Schritte in folgender Abfolge eingehalten: 1. Aufklärung, 2. Anleitung und 3. soziale Unterstützung von Kind und Eltern [22].
Aufklärung In der Aufklärung werden den Eltern und dem Kind unter Berücksichtigung seines Entwicklungsstandes Informationen zu 3 unterschiedlichen Aspekten der bevorstehenden Maßnahme gegeben: E Hintergrundinformationen erklären in verständlicher Form und explizit medizinische Notwendigkeit, Bedeutung und erhofften Effekt der Maßnahme. E Prozedurale Informationen geben Kind und Eltern eine Vorstellung über den zeitlichen Verlauf, zu erwartende spezifische Ereignisse vor, während und nach der Maßnahme, Anforderungen an das Kind sowie die Handlungen des medizinisch-pflegerischen Personals. E Sensorische Informationen ermöglichen es dem Kind, seine voraussichtlichen Gefühle und Empfindungen während der einzelnen Schritte der Maßnahme einzuschätzen. Bei jüngeren Kindern im Vorschulalter ist eine Aufklärung in der beschriebenen Systematik aufgrund ihres kognitiven Entwicklungsniveaus in der Regel nicht möglich. Dennoch können mit einfachen Mit-
teln anhand von Bildern, Geschichten oder Puppen wesentliche Informationen vermittelt werden, die zum Verständnis über Notwendigkeit und Durchführung einer medizinischen Prozedur erforderlich sind. So kann das Kind über das Aufmalen von Wirbeln, Spinalkanal und Nerven auf dem Rücken einer Puppe oder den Einsatz einer Spritze und Verbandszeug im Rahmen der Vorbereitung einer Lumbalpunktion eine kognitive Repräsentation des Schmerzereignisses entwickeln (7 Anhang B). Aufklärende Maßnahmen werden bei Kindern nicht unmittelbar vor der bevorstehenden Prozedur durchgeführt, weil diese immer ein gewisses Maß an Angst und Unruhe auslösen. Die hervorgerufene physiologische Erregung sollte vor Beginn der Schmerzsituation abgeklungen sein, ansonsten ist das Kind oftmals nicht mehr in der Lage, sich zu beruhigen, zumal die konkrete Erwartungsangst in der Situation hinzu kommt. Zeitliche Aspekte im Behandlungsvorgehen spielen eine wichtige Rolle. Die klinische Erfahrung zeigt, dass bei jüngeren Kindern der zeitliche Abstand von Aufklärung und Prozedur allerdings nicht zu weit auseinander liegen sollte, da sie wichtige Aspekte häufig nicht mehr spontan erinnern. Für ältere Kinder ist es möglich und auch förderlich, wenn einige Tage bis zur Durchführung der Prozedur verstreichen, da sie sich länger innerpsychisch über eher kognitiv orientierte Bewältigungsformen mit dem Ereignis auseinandersetzen und darin Selbstkontrolle suchen und empfinden [23].
Anleitung Während der Anleitung wird anhand eines Bewältigungsplanes [22] gemeinsam mit dem Kind und den Eltern erarbeitet, was das Kind und die Eltern vor, während und nach der schmerzhaften Prozedur tun können, um die Angst zu kontrollieren, den Schmerz zu ertragen und kooperativ an der Durchführung der Prozedur mitzuwirken. E In Teil I des Bewältigungsplans wird am Beispiel eines vom Kind bereits erfahrenen Schmerzereignisses (z. B. Zahnbehandlung) festgehalten, wie das Kind die schmerzhafte Situation bewertet und was es damals unternommen hat, um die Situation zu bewältigen. E In Teil II des Bewältigungsplans werden die einzelnen für das Kind »kritischen« Aspekte der bevorstehenden Maßnahme und die zugehörigen
139 7.6 · Verhaltensmedizinische Verfahren der Schmerz- und Angstreduktion
Bewertungen des Kindes notiert. Danach wird besprochen, wie das Kind – gemeinsam mit Mutter/Vater und dem behandelnden Team – die gesamte Prozedur bewältigen könnte. Das Vorgehen bei der Anleitung jüngerer Kinder muss wesentlich einfacher gehalten werden. Doch auch das Vorschulkind ist durchaus in der Lage, zu berichten, wie es vergangene Schmerzsituationen erlebt, wie es sich dabei verhalten hatte und was dabei besonders »schlimm« war. Ausgehend vom jeweiligen Schmerzkonzept des Kindes werden bei der Anleitung der jüngeren Kinder über ein Modell (z. B. Handpuppe) Vorstellungen über das Schmerzereignis modifziert und Handlungsweisen im Spiel so lange probiert, bis eine geeignete Strategie mit dem Kind vereinbart werden kann. Mit Kindern unter 3 Jahren hat sich ein Vorgehen bewährt, bei dem die Eltern zunächst allein angeleitet werden und danach im Beisein des Kindes, z. B. auf dem Schoß der Mutter, das gemeinsam erarbeitete Verhaltensmodell mit den Eltern konkret durchgespielt wird (z. B. anhand eines Rollenspiels). Auf zusätzliche verhaltensmedizinische Verfahren der Angst- und Schmerzreduktion wird zurückgegriffen, wenn Kind oder Eltern schon in Antizipation der Maßnahme Probleme erkennen lassen (phobische Ängste, traumatische Vorerfahrungen, früheres Auftreten von Problemen in weniger belastenden Situationen).
Soziale Unterstützung Für eine optimale Unterstützung des Kindes ist es notwendig, dass die Eltern nicht nur während der Vorbereitung, sondern auch bei der Durchführung der Maßnahme anwesend sind. Diese Auffassung ist mittlerweile durch viele Studien gestützt [21]. Sie zeigen, dass sich die elterliche Präsenz beruhigend auf das Kind und förderlich für eine erfolgreiche Bewältigung während schmerzhafter Eingriffe auswirkt, falls die Eltern vorher entsprechend geschult wurden [38]. Die Argumentation, Eltern würden ihre Kinder emotional anstecken und bei einer medizinischen Maßnahme störend wirken, kann allenfalls nur dann zugelassen werden, wenn sich Eltern selbst in starkem Distress befinden, der oftmals aber in mangelnder Informiertheit begründet liegt [10, 26]. Während der Durchführung einer schmerzhaften Maßnahme sollte für Eltern und Kind die Mög-
7
lichkeit der aktiven Mitarbeit nicht nur theoretisch, sondern tatsächlich bestehen. Das Personal wird bereits vor der Prozedur über das zu »erwartende« Schmerz- und Bewältigungsverhalten des Kindes aufgeklärt, um sich entsprechend einstellen und verhalten zu können. Verzögerungen wie Warten auf den Arzt oder Vorbereitung des medizinischen Bestecks sollten vermieden werden, ebenso Störungen während der Prozedur wie das Betreten des Raums durch andere Personen. Kinder können durch spezifische Umgebungsbedingungen bereits in Distress geraten. ! Nochmalige Erklärungen oder Beruhigungsversuche kurz vor der Prozedur können bei Kindern ebenfalls Distress auslösen, wenn sie sich bereits in der erfolgreichen Auseinandersetzung mit der bevorstehenden Schmerzsituation befanden [2, 15]. Das richtige »Timing« von Beruhigung, Ablenkung oder Erklärung durch Erwachsene ist Voraussetzung, wenn sie erfolgreich sein sollen. Hierbei spielt die Abstimmung auf den individuellen Bewältigungsstil des Kindes und die jeweilige Phase der Prozedur eine entscheidende Rolle [23]. 7.6.2
Weitere psychologische Maßnahmen zur Schmerzund Stressminderung
Weitergehende psychologische Maßnahmen kommen zum Einsatz, wenn trotz umfassender Vorbereitung das Stressempfinden vom Kind nicht ausreichend reguliert werden kann, der Schmerz als zu belastend erlebt wird oder die Durchführung der Prozedur wegen Abwehr- oder unkooperativen Verhaltens nicht möglich ist. Die unterschiedlichen Maßnahmen zur Angst- und Schmerzreduktion werden jedoch nicht nur im Kontext medizinischer Prozeduren, sondern auch bei erkrankungsbedingten akuten Schmerzen oder bei chronischen Schmerzsyndromen eingesetzt. Zu den am häufigsten eingesetzten Verfahren im Rahmen der psychologischen Schmerztherapie zählen verhaltenstherapeutische Therapiemaßnahmen. Ihre Wirksamkeit konnte sowohl für den akuten als auch für den chronischen Schmerz in vielen Studien hinreichend belegt werden [6, 31, 50]. Selten isoliert, sondern miteinander kombiniert werden
140
7
Kapitel 7 · Psychologische Interventionen bei akuten Schmerzen im Kindesalter
die verhaltenstherapeutischen Maßnahmen meist innerhalb umschriebener Interventionsprogramme eingesetzt. Die beim Schmerz angewandten verhaltenstherapeutischen Verfahren lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen, in die verhaltensorientierten und die kognitiv-behavioralen Verfahren. Sie unterscheiden sich darin, dass sie jeweils einen anderen Ansatzpunkt auswählen, um das Schmerzerleben und –geschehen positiv zu beeinflussen. Verhaltensorientierte Schmerzverfahren basieren auf Erkenntnissen der Verhaltenstheorien und Lerngesetze. Hierzu gehören die klassische Konditionierung (systematische Desensibilisierung, Löschung), operante Verfahren (positive/negative Verstärkung, »time out«), Verhaltensübungen, Rollenspiele, Modelling, Entspannungstrainings (progressive Muskelentspannung, autogenes Training), Atemübungen und Biofeedbacktherapie. Das Biofeedbackverfahren als ein auf die gezielte Wahrnehmung und Beeinflussung körperlicher Funktionen (z. B. Muskeltonus) orientierter Ansatz wird insbesondere im Rahmen der psychologischen Kopfschmerztherapie eingesetzt. Kognitiv-behaviorale Maßnahmen basieren auf den Erkenntnissen, dass das Schmerzerleben und -verhalten durch kognitive Faktoren determiniert ist, d. h. durch die Art der Aufmerksamkeit, Wahrnehmung, Interpretation, Bewertung, Erwartung, Vorstellung, Kontrollüberzeugung im Hinblick auf die Situation und deren Bewältigung. Hierzu gehören Strategien der externalen Aufmerksamkeitsablenkung (z. B. Einsatz von Handpuppen, begleitende körperliche Aktivitäten), der internalen Aufmerksamkeitsablenkung (z. B. Denkaufgaben, Imagination, Selbsthypnose) sowie Techniken der kognitiven Kontrolle (Gedankenstopp, kognitive Umstrukturierung, Reframing, Einsatz von Humor, Selbstverbalisation, Selbstinstruktion). Der Einsatz dieser Verfahren hat sich insbesondere beim akuten prozeduralen Schmerz bewährt [9, 13, 20, 30, 51]. In den vergangenen Jahren wird zunehmend versucht, die als effektiv erwiesenen Strategien systematisch in Interventionsprogramme zu fassen, die eine Kombination aus Information und Vorbereitung, verhaltensorientierter, kognitiv-behavioraler und weiterer unterstützender Elemente bereitstellen [17, 18, 35, 49], allerdings auch einen höheren zeitlichen Aufwand fordern.
7.7
Fazit
Obwohl Kinder und Eltern bei akuten Schmerzereignissen offensichtlich von psychologischen Interventionsansätzen profitieren [35, 46, 49], werden diese Möglichkeiten in der klinischen Praxis immer noch zu wenig berücksichtigt. Entscheidend für die erfolgreiche Bewältigung einer schmerzhaften Prozedur ist nicht nur eine gute psychologische Vorbereitung und Anleitung von Eltern und Kind, sondern auch die Bereitschaft und das Vermögen des ärztlichen wie des Pflegepersonals, sich auf die spezifischen Bedürfnisse, Anforderungen und Bewältigungsbemühungen des Kindes einzustellen. Zeitmangel oder die Notwendigkeit der Einhaltung einer Routine dürfen nicht als Grund herhalten, Kinder unnötigen Belastungen auszusetzen.
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7
Kapitel 7 · Psychologische Interventionen bei akuten Schmerzen im Kindesalter
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8 Schmerztherapie in der Allgemeinpädiatrie B. Zernikow*, G. Bürk und E. Michel 8.1
Einleitung – 144
8.2
Schmerztherapie bei akuten pädiatrischen Erkrankungen – 144
8.2.1 Verbrennungen – 144 8.2.2 Häufige und schmerzhafte Infektionskrankheiten – 146 8.2.3 Schmerzen bei seltenen pädiatrischen Krankheiten – 148
8.3
Akute abdominelle Schmerzen und Dreimonatskoliken – 149
8.3.1 Akute abdominelle Schmerzen – 149 8.3.2 Dreimonatskoliken – 149
8.4
Sympathische Reflexdystrophie (SRD, »complex regional pain syndrome« Typ I, CRPS I) – 152 Literatur – 154
* Danksagung: Der Autor wird unterstützt durch die Vodafone Stiftung Deutschland gGmbH, die Peter und Ruth Wirts-Stiftung (Schweiz) und »Eigenes Leben, Hilfen für Kinder mit Schmerzen oder lebensverkürzenden Erkrankungen e.V.«
144
Kapitel 8 · Schmerztherapie in der Allgemeinpädiatrie
))
Einleitung
8.1
ausgeprägt ist das posttraumatische Belastungssyndrom [36].
Erstversorgung Eine Vielzahl von akuten Erkrankungen im Kindesalter geht mit Schmerzen einher. Schmerzen und Fieber sind die häufigsten Ursachen für eine ungeplante Kinderarztkonsultation. Das Hauptanliegen von Pädiater und Eltern ist die kurative Therapie der Grunderkrankung. Im Mittelpunkt des kindlichen Empfindens indes steht die Kontrolle der Leitsymptome »Schmerz und Stress« – ihnen wird meist weniger Aufmerksamkeit geschenkt.
8.2
8
Schmerztherapie bei akuten pädiatrischen Erkrankungen
Fast alle akuten pädiatrischen Erkrankungen sind vergesellschaftet mit Schmerzen wechselnder Stärke. Schon im Säuglingsalter scheinen viele Kinder rezidivierende Schmerzen zu haben – sog. Dreimonatskoliken (Nabelkoliken etc.). Schmerzen und ihre Therapie bei einigen seltenen, aber in der schmerztherapeutischen Literatur schon bearbeiteten Erkrankungen werden am Ende dieses Kapitels diskutiert. 8.2.1
Verbrennungen
Nach dem äußerst schmerzhaften Verbrennungstrauma machen die Kinder häufig erneut traumatisierende Schmerzerfahrungen während der Erstversorgung durch. Danach können Schmerzen kontinuierlich über einen nicht vorhersehbaren Zeitraum bestehen bleiben (Hintergrundschmerz). Während der täglichen Verbandswechsel und bei wiederholten chirurgischen Eingriffen kommt es zudem zu Schmerzspitzen. Verbrennungen gehen regelmäßig mit kataboler Stoffwechsellage und Immunsuppression einher. Solch eine ungünstige Stoffwechsellage wird nach schweren Verbrennungen durch unzureichende Analgesie u. U. so massiv, dass Morbidität und Mortalität ungünstig beeinflusst werden [26]. Eine gute Schmerztherapie hingegen beeinflusst auch das langfristige Outcome positiv: je besser die Schmerztherapie während der Akutphase der Verbrennung ist, desto weniger
Bei der Erstversorgung sollten die Eltern nach Möglichkeit anwesend sein, um ihr Kind zu unterstützen (7 Kap. 6 und 7). In vielen Fällen ist eine Allgemeinanästhesie gerechtfertigt. Bestehen hierfür keine organisatorischen Voraussetzungen, so sollte eine Analgosedierung durchgeführt werden (Einzelheiten 7 Kap. 11: »Schmerzhafte interventionelle Eingriffe im Kindesalter«). Ungenügende Analgesie bei der Erstversorgung führt zu erhöhtem Analgetikaverbrauch und schmerztherapeutischen Misserfolgen bei Folgeeingriffen [47].
Generelle Regeln, Schmerzevaluation und Überwachung Vor und sofort nach der Erstversorgung sollte eine regelmäßige Messung von Schmerzen und Sedierungsgrad erfolgen (7 Kap. 4). Wie beim Erwachsenen korreliert das Ausmaß der Schmerzen nicht mit dem Ausmaß der Verbrennung. Eine Selbst- oder standardisierte Fremdbeurteilung der Schmerzen ist bei Verbrennung unerlässlich. Studien belegen, dass die individuellen Schmerzen der Verbrennungsopfer vom Behandler regelmäßig unterschätzt werden [18]. Generelle Regeln der Schmerztherapie sind in der folgenden Übersicht zusammengefasst. Generelle Regeln der Schmerztherapie (mod. nach [6]) 5 Wenn der Patient sagt, er habe Schmerzen, hat er Schmerzen 5 Schmerzmessung mindestens 4-mal täglich 5 Schmerztherapie nach der Uhr und zusätzlich bei Bedarf 5 i.v. nur, wenn p.o. erfolglos oder unmöglich 5 Regelmäßige und prophylaktische Therapie von Nebenwirkungen wie Obstipation, Übelkeit und Juckreiz 5 Startdosen individuell modifizieren und Folgedosen austitrieren 6
145 8.2 · Schmerztherapie bei akuten pädiatrischen Erkrankungen
5 Relative Kontraindikationen für Opioide oder andere Schmerzmittel: – Atemstörung (sofern nicht intubiert und beatmet) – Schock – Unterernährung 5 Bei Gabe von Opioiden: – Keine Bolusgabe für ein schlafendes Kind – Opioide sind Analgetika, keine Sedativa oder Anxiolytika – SaO2-Monitor ist Standardüberwachung für die ersten Tage
Hintergrundschmerz Kinder mit großflächigen Verbrennungen werden üblicherweise auf der Intensivstation behandelt. Sie erhalten dort kontinuierliche intravenöse Infusionen mit einem starken Opioid (z. B. Morphin; Startdosis von 0,01–0,03 mg/kg KG/h nach initialer Bolusgabe von 0,1 mg/kg KG) und/oder Ketamin (Startdosis von 0,5–1 mg/kg KG/h nach Bolusgabe von 1 mg/kg KG) und Midazolam (Startdosis von 0,05 mg/kg KG/h; 7 Übersicht). Morphindosen von bis zu 1 mg/kg KG/h i.v. und Midazolamgaben von 0,3 mg/kg KG/h i.v. sind nicht ungewöhnlich, wenn ausschließlich diese beiden Medikamente und nicht zusätzlich Ketamin eingesetzt wird [41]. Medikamentöse Schmerztherapie bei Verbrennungen (mod. nach [6]). 5 Kinder auf der Intensivstation – Morphin Bolusgabe 0,1 mg/kg KG i.v. Startdosis der Dauertropfinfusion 0,01–0,03 mg/kg KG/h i.v. – Bei nicht ausreichender Analgesie zusätzlich Ketamin Bolusgabe von 1 mg/kg KG i.v. Startdosis der Dauertropfinfusion 0,5–1 mg/kg KG/h i.v. – Immer in Kombination mit Midazolam Startdosis der Dauertropfinfusion 0,05 mg/kg KG/h i.v. 6
8
5 Alle Kinder auf peripherer Station – Paracetamol: Erstdosis 25 mg/kg KG, danach 15 mg/kg KG alle 6 h p.o. (Überwachung: Plasmakonzentration 1 h nach Gabe an Tag 2 und danach wöchentlich zusammen mit Transaminasen) oder – Ibuprofen 10 mg/kg KG alle 6 h p.o. 5 Kinder ohne ausreichende Analgesie auf peripherer Station – Zusätzlich Morphin. Mit nichtretardierter Zubereitung (i.v. oder p.o.) austitrieren und dann rasch umsetzen auf Basismedikation in retardierter Form plus zusätzlicher Gabe in nichtretardierter Form für Durchbruchschmerzen; Startdosen unretardiert 0,1 mg/kg KG p.o. oder 0,03 mg/kg KG i.v. als Bolus
Bei Schmerzen trotz Gabe extrem hoher Opioiddosen sollte das Verhältnis von Morphin-3-Glukuronid (M-3-G) und Morphin frühzeitig bestimmt werden, um eine morphinbedingte Allodynie als Ursache des steigenden Morphinbedarfs auszuschließen [6]. Der M-3-G/Morphin-Quotient ist altersabhängig. Einem 9 Monate alten Mädchen mit morphininduzierter Allodynie wurden unter der Therapie bis zu 6,95 mg/kg KG/h Morphin verabreicht, und es wies einen M-3-G/Morphin-Quotienten von maximal 42 auf [15]. Nach Extubation und Verlegung auf die periphere Station kann die analgetische Medikation problemlos fortgeführt und ggf. modifiziert werden. Das Kind hat eine gewisse Toleranz gegenüber der atemdepressiven Wirkung von Opioiden entwickelt. Eine signifikante Atemdepression ist nicht mehr zu befürchten, eher eine Entzugssymptomatik bei zu schneller Opioidreduktion. Die bis dato i.v. verabreichten Opioide sollten schnell auf oral umgesetzt werden (Prozedere hierzu 7 Kap. 13). Betrifft die Verbrennung mehr als 10 % der Körperoberfläche, allerdings ohne die Notwendigkeit einer intensivmedizinischen Behandlung, sollte die analgetische Therapie nach den generellen Regeln der Schmerztherapie (s. oben) begonnen werden.
146
Kapitel 8 · Schmerztherapie in der Allgemeinpädiatrie
Bei Verbrennungen von weniger als 10 % der Körperoberfläche können Ibuprofen und Paracetamol zur Therapie der Hintergrundschmerzen ausreichen.
Schmerzdurchbrüche und Verbandswechsel
8
Im weiteren Behandlungsverlauf sollte das Kind eine möglichst aktive Rolle übernehmen. Es erhält die Kontrolle über kleinere Behandlungseinheiten wie Abwickeln des Verbandes o. ä. [19]. Bei Kindern nach Verbrennungstrauma führt die Teilsouveränität des Kindes zu deutlich weniger Angst und Depression [19]. Moderne Ablenkungsverfahren wie das Schaffen einer »virtuellen Realität« mit Hilfe von Computerprogrammen und Spezialbrillen lindern Schmerzen bei kleineren Verbandswechseln und täglichen Übungsbehandlungen in der Rekonvaleszenzphase [17]. Je nach Ausmaß von Verbrennung und Schmerzen beim Verbandswechsel wird dieser unter Allgemeinanästhesie, Analgosedierung oder Analgesie in Kombination mit psychologischen Maßnahmen durchgeführt. Auch »Fentanyl-Lutscher« werden hierfür erfolgreich eingesetzt [39] (7 Kap. 7 und 11). Die Patientenkontrollierte Analgesie bietet dem Kind die Möglichkeit der schnellen Reaktion auf Schmerzspitzen. Das Kind kann selbst entscheiden, ob es leichte Schmerzen in Kauf nehmen will, um die unerwünschten Nebeneffekte der Therapie wie Müdigkeit und Obstipation so gering wie möglich zu halten. Eine patientenkontrollierte Analgesie kann auch in der regelmäßigen Gabe eines retardierten Morphins bestehen, kombiniert mit der Möglichkeit, eigenhändig schnellwirkende Morphinpräparationen (z. B. Tropfen) zuzuführen. Symptomorientierte medikamentöse Begleittherapie bei schweren Verbrennungen (mod. nach [6]) 5 Alpträume, posttraumatische Symptome Amitriptylin oder Imipramin 0,2 mg/kg KG p.o. Langsam steigern bis 1 mg/kg KG Überwachung: vor Therapiestart; dann regelmäßig EKG anfertigen. Regelmäßig Kontrolle der Plasmakonzentrationen 6
5 Massive Angst Lorazepam 0,03 mg/kg KG i.v./p.o. (Startdosis) 5 Juckreiz Clemastin i.v. 0,04 mg/kg KG alle 12–24 h p.o. 1–3 Jahre 0,25–0,5 mg alle 12 h p.o. 4–6 Jahre 0,5 mg alle 12 h p.o. 7–12 Jahre 0,5–1 mg alle 12 h p.o. >12 Jahre 1 mg alle 12 h 5 Obstipation – Prophylaktisch immer bei Opioidtherapie: Lactulose p.o. <3 Jahre -Startdosis 3-mal 2 ml, mittlere Dosis 3-mal 5 ml >3 Jahre -Startdosis 3-mal 5 ml, mittlere Dosis 3-mal 10 ml Einschleichend dosieren – Therapeutisch: Na-Picosulfat p.o. Für Kinder <4 Jahren liegen keine Erfahrungen vor Ab 5. Lebensjahr 4–8 Trpf./24 h Schulkinder 10 Trpf./24 h
Weitere Symptome Im Rahmen des Stresssyndroms treten Wechselwirkungen zwischen Schmerzen und anderen Symptomen wie Angst, Schlafstörungen oder postraumatischen psychischen Veränderungen auf. Auch diese Begleitsymptome gilt es adäquat zu therapieren. Tritt nach Regeneration der Haut starker Juckreiz auf, kann die 2-mal tägliche Applikation von EMLASalbe Erleichterung bewirken [21]. 8.2.2
Häufige und schmerzhafte Infektionskrankheiten
Otitis media 20 % aller ungeplanten Arztbesuche eines Kindes und 35 % der Besuche während der ersten 5 Lebensjahre sind durch Symptome einer Otitis media bedingt [43]. In der akuten Krankheitsphase haben 42 % der Kinder starke und 40 % mittelstarke Schmerzen; der mittlere Schmerzwert beträgt 7,5 auf einer visuellen Analogskala (VAS 0–10, 0=kein Schmerz, 10=maximaler Schmerz, [14, 16]).
147 8.2 · Schmerztherapie bei akuten pädiatrischen Erkrankungen
Die mittlere Schmerzdauer lässt sich durch eine Antibiotikatherapie zwar signifikant, aber nur unbedeutend verkürzen: von 3,3 auf 2,8 Tage [5]. Gemäß einer Metaanalyse plazebokontrollierter Antibiotikastudien müssen 17 Kinder antibiotisch behandelt werden, um einem Kind Schmerzen am 2.–7. Krankheitstag zu ersparen. Durch die antibiotische Therapie kommt es zu einer signifikant erhöhten Rate an Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö und Hautausschlägen [8]. Der Nutzen einer antibiotischen Behandlung hinsichtlich Krankheitsverlauf und Komplikationsprävention wird kontrovers diskutiert [44]. In jedem Fall hat eine Antibiotikabehandlung keinen Einfluss auf die Schmerzstärke in den ersten 24 h [8], sodass für einen variablen Zeitraum von 1–5 Tagen eine zusätzliche oder sogar alleinige analgetische Therapie sinnvoll ist. Ibuprofen besitzt eine höhere analgetische Potenz als Paracetamol [4, 28]. Entgegen landläufiger Meinung treten leichte unerwünschte Nebenwirkungen am Magen-Darm-Trakt bei kurzfristiger Anwendung von Paracetamol und Ibuprofen gleich häufig auf. Die Kurzzeittherapie mit Ibuprofen geht im Vergleich zu Paracetamol nicht mit einem erhöten Risiko einer Krankenhauseinweisung aufgrund von Nierenversagen, anaphylaktischem Schock oder gastrointestinaler Blutung einher [22]. Paracetamol besitzt jedoch ein ungleich höheres toxisches Potential als Ibuprofen. 1000 Anfragen werden jährlich wegen Paracetamolingestionen an die deutschen Vergiftungsberatungsstellen gerichtet. Von den Intoxikationen verlaufen 10 % symptomatisch, und 1 % gehen mit schweren Intoxikationserscheinungen einher. Ferner wird in fast 10 % aller Suizidversuche bei Jugendlichen Paracetamol eingenommen. Kürzlich wurde in Deutschland von 2 Todesfällen nach iatrogener Paracetamolüberdosierung berichtet. Nach Ibuprofenüberdosierung sind bis heute keine Todesfälle bekannt geworden (Brockstedt, persönliche Mitteilung; [45]). Der analgetische Nutzen osmotisch, lokalanästhetisch und antiinflammatorisch wirkender Ohrentropfen ist bislang nicht hinreichend untersucht. Bei sofortiger analgetischer Therapie mit Paracetamol oder Ibuprofen ist der zusätzliche analgetische Effekt nur marginal [16]. Bei einer Trommelfellperforation besteht zudem die Gefahr von chronisch entzündlichen granulomatösen Prozessen durch Eindringen der Tropfen ins Mittelohr [54].
8
Ein häufig verwendetes Hausmittel ist das aufs Ohr aufgebrachte Leinensäckchen mit frisch gehackten Zwiebeln. Ein wissenschaftlicher Wirknachweis steht bislang aus.
Pharyngitis Pharyngitiden im Kindesalter sind zumeist viral bedingt. Als bakterielle Erreger kommen insbesondere Streptokokken in Betracht. Bertin et al. befragten 127 Kinder mit Streptokokkenpharyngitis nach ihren Schmerzen: 80 % gaben starke oder stärkste Schmerzen an (Schmerzstärke 4 oder 5 auf einer Skala von 0–5)[3]. In doppelblinden, randomisierten, placebokontrollierten Studien waren 80 % der Kinder mit viraler oder bakterieller Pharyngitis unter regelmäßiger Ibuprofentherapie innerhalb von 48 h schmerzfrei. Bei Gabe von Placebo erreichten dieses Ziel nur 55 % der Kinder [3, 37]. Die maximale antipyretische Wirkung von Paracetomal und Ibuprofen ist nach 3,5 h zu beobachten [53]. Bei schweren Pharyngitiden im Jugendlichenalter konnte durch die Ergänzung der Penicillintherapie mit Dexamethason eine Verkürzung der Schmerzdauer und eine signifikante Reduktion der Schmerzstärke erzielt werden [31]. Wie auch bei der Otitis media ist die Wirksamkeit lokaler Maßnahmen bislang nicht ausreichend belegt.
Virale Mundinfektionen Oropharyngeale Läsionen bei Gingivostomatitis und Herpangina können so schmerzhaft sein, dass die Nahrungsaufnahme komplett verweigert wird. Folgen einer inadäquaten analgetischen Therapie sind nicht selten Dehydratation und Krankenhauseinweisung. Eine Vielzahl von Mundspülungen, Gels und Sprays mit z. T. lokalanästhetischen Inhaltstoffen ist auf dem Markt. Ihre Wirksamkeit war nie Gegenstand kontrollierter Studien. Eigene Erfahrungen beschränken sich auf stationär behandelte Kinder, die zur parenteralen Flüssigkeitszufuhr aufgenommen wurden. Hier konnte durch die kontinuierliche Gabe von Tramadol und Metamizol sowie lokale Spülungen mit Aminoquinurid, Tetracain und Dexpanthenol rasch wieder die orale Nahrungszufuhr begonnen werden. Bei diesem Therapieregime sind unter regelmäßigem SaO2-Monitoring bei den z. T. unter 1 Jahr alten Kindern keine Atemdepressionen beobachtet worden.
148
Kapitel 8 · Schmerztherapie in der Allgemeinpädiatrie
Inwieweit durch eine frühe, rektal verabreichte analgetische Therapie – beispielsweise mit einer Kombination aus Paracetamol und Codein – Dehydratationszustände und Krankenhauseinweisungen vermieden werden können, ist unklar. 8.2.3
Schmerzen bei seltenen pädiatrischen Krankheiten
Guillain-Barré-Syndrom
8
Das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) ist eine rasch progressive, akut entzündliche Polyneuropathie mit einer Häufigkeit von 0,8 auf 100000 Kinderjahre. Schmerzen finden sich zu Beginn bei 80 % und im Verlauf bei 100 % der Kinder mit GBS [30] und werden insbesondere in beide unteren Extremitäten projiziert. 25 % der Kinder hat begleitende Kopfschmerzen. Eine rasche kausale Therapie mit Immunglobulinen, Plasmapherese und/oder Kortikosteroiden ist die beste Schmerztherapie. Analgetisch sollte begleitend Ibuprofen eingesetzt werden.
Purpura fulminans Patienten mit purpura fulminans präsentieren sich mit Zeichen des septischen Schocks, disseminierter intravasaler Gerinnung, Petechien und Purpura. Die Ursache der Gerinnungsstörung ist unklar. Therapeutische Ziele sind Kreislaufstabilisierung in der frühen, Vermeidung von Ischämien in der intermediären sowie die plastische Nekrosendeckung in der letzten Krankheitsphase. In allen 3 Phasen treten Schmerzen verschiedenen Ursprungs auf. Die Purpurabereiche sind regelmäßig schmerzhaft und zeigen nicht selten Allodynie sowie Hyperalgesie. Erst kürzlich wurde über die gute analgetische Wirkung von Nitroglycerinsalbe berichtet, wenn Nitroglycerin 3- bis 4-mal täglich auf die frischen Purpurabereiche aufgetragen wurde. Eine vermehrte Blasenbildung nach dieser Therapie ist nicht ausgeschlossen [27].
Toxische epidermale Nekrolyse (TEN) Aus unklarer Ursache entstehen auf geröteter Haut Blasen, die leicht platzen und dann epidermisfreie, großflächige und z. T. sehr schmerzhafte Areale offenlegen. Auch die Schleimhäute können betroffen sein. Neben einem Wundschmerz kommt es häufig
zu neuropathischen Schmerzen. Nicht selten treten auch Myalgien auf. Gute Erfahrungen konnten wir mit einer Kombinationstherapie aus Tramadol und Metamizol machen.
Osteogenesis imperfecta, idiopathische juvenile und sekundäre Osteoporosen Bei der Osteogenesis imperfecta liegt ein genetischer Defekt vor – am häufigsten in den Molekülketten des Kollagentyps I, der eine Osteoporose zur Folge hat. Die klinische Präsentation reicht von einer leicht erhöhten Knochenbrüchigkeit bis zur fast vollständig fehlenden Knochenmineralisation, die perinatal zum Tode führt [34]. Pathognomonisch sind starke Knochenschmerzen unabhängig von Frakturen und Frakturschmerzen. Die Therapie ist multimodal. Pharmakologisch spielen Bisphosphonate eine immer größere Rolle. Durch eine Pamidronattherapie nimmt die Frakturrate um 65 % ab, die Knochenschmerzen bilden sich in der Regel schon Wochen nach der ersten Infusion zurück [34,40,12]. Pamidronat (Aredia®) wird alle 3–6 Monate über 3 Tage verabreicht. Die Tagesdosis beträgt 1 mg/kg KG i.v. Kontrollen von Knochendichte, Blutbild, Serum-Ca, P, AP, PTH, Krea, und 1,25-OH-Vit-D3 sind regelmäßig vorzunehmen ([34]; 7 auch Kap. 5, Pharmakologie). Gute Therapieerfolge wurden auch bei idiopathischer juveniler und anderen, sekundären Osteoporosen erzielt [34, 40].
Morbus Fabry Dem M. Fabry liegt ein x-chromosomal rezessiv vererbter Mangel an α-Galaktosidase A zugrunde. Im Laufe des Lebens kommt es bei Homozygoten mehr als bei Heterozygoten zu einer Speicherung von Glykosphingolipiden und α-Galaktosylabbauprodukten mit den Folgen Niereninsuffizienz, Kardiomyopathie, Schlaganfall, Akroparästhesien, Angiokeratom und Störung des autonomen Nervensystems. Als erste Symptome in der Kindheit und Jugend treten neuropathische Schmerzen, Hypohidrose, Schwindel, Tinnitus und Kopfschmerz auf. Kinder und Jugendliche berichten von dauerhaften, chronischen Schmerzen und zusätzlichen Krisen mit brennenden qualvollen Schmerzen an Handinnenflächen und Fußsohlen. Die Schmerzen können sich ausdehnen und das Abdomen, den Rücken oder andere Muskelgruppen betreffen. Auslöser von Schmerzkrisen sind Temperaturwechsel, körperliche
149 8.3 · Akute abdominelle Schmerzen und Dreimonatskoliken
Anstrengung und Stress. Die Ursache der neuropathischen Schmerzen ist unklar: diskutiert wird eine direkte neuronale Schädigung ebenso wie eine vaskulär bedingt Hypoxie peripherer Nerven [25, 35]. Bei Erwachsenen wurden Carbamazepin, Phenytoin und Neurotropin erfolgreich analgetisch eingesetzt. Bei einem 7 Jahre alten Kind wurde eine exzellente Schmerzreduktion unter niedrig dosiertem Morphin i.v. und einer abendlichen oralen Amitriptylingabe erreicht [13]. Die analgetische Therapie kann jedoch die Spätfolgen der Erkrankung nicht verhindern. Dieses Ziel wird hoffentlich in Zukunft mit der Enzymersatztherapie erreicht, die auch eine ausgesprochen gute schmerzreduzierende Wirkung zeigt [38, 10]. Kontakte für die Diagnostik eines M. Fabry bei Kindern und eine Enzymersatztherapie können über die Autoren geknüpft werden.
Epidermolysis bullosa Als Epidermolysis bullosa wird eine heterogene Gruppe angeborener Hauterkrankungen bezeichnet, bei der es in wechselnder Stärke zu Blasenbildung der Haut und Schleimhaut sowie zu Hautdefekten kommt. Mindestens 10 verschiedene genetische Ursachen sind bekannt. Schmerzen entstehen durch die Läsionen direkt, durch Sekundärerkrankungen wie Stenosen des Gastrointestinaltraktes und im Rahmen der Lokaltherapie (z. B. bei täglichen Verbandswechseln, Waschungen oder Bougierungen) [9]. In der Regel sind die Kinder enteral zu ernähren und benötigen keinen dauerhaften venösen Zugang. In dieser Situation können Hintergrundschmerzen je nach Stärke p.o. mit Nichtopioiden und Opioiden (Dosierungen 7 Kap. 13), neuropathische Schmerzen mit z. B. Gabapentin (Neurontin®; 7 Kap. 13) und Schmerzen bei medizinischen Eingriffen mit p. o.-Gaben von Ketamin und Midazolam (7 Kap. 11) behandelt werden. Extrem wichtig ist eine psychologische Begleitung.
8.3
8.3.1
Akute abdominelle Schmerzen und Dreimonatskoliken Akute abdominelle Schmerzen
Dürfen Kinder mit akuten abdominellen Schmerzen Analgetika erhalten? Wird die zugrunde liegende
8
Erkrankung hierdurch verschleiert? Werden wichtige lebensrettende Operationen verzögert und dann u. U. zu spät durchgeführt? Schadet eine analgetische Therapie also bei akuten Bauchschmerzen? Diese Fragen sind für das Erwachsenenalter hinreichend beantwortet: In 5 Studien konnte kein schädlicher Einfluss durch eine frühe – d. h. vor Diagnosestellung verabreichte – analgetische Therapie mit Opioiden gefunden werden, wohl aber eine signifikante Schmerzreduktion (http://www.ahrq.gov/clinic/ ptsafety/chap37a.htm). Bei Kindern existiert immerhin eine Studie zu diesen Fragestellungen. Ihre Ergebnisse: nach Gabe von 0,1 mg/kg KG Morphin i. v. hatten Kinder mit akuten abdominellen Schmerzen, die später operiert werden mussten, weiterhin lokalisierten Druckschmerz und eine erhöhte Bauchdeckenspannung. Im Vergleich zur Placebogruppe war die diagnostische Treffsicherheit gleich gut und durch die Morphingabe unbeeinträchtigt. In beiden Gruppen wurden notwendige Laparatomien gleich häufig und ohne Zeitverzögerung durchgeführt. Allerdings hatte die Morphingruppe signifikant weniger Schmerzen bis zur Diagnosestellung und Initiierung der kausalen Therapie [20]. Analgetische Enthaltsamkeit bei akuten Bauchschmerzen im Kindesalter ist also auch bei Verdacht auf das Vorliegen einer Erkrankung, die den Eingriff eines Kinderchirurgen erfordert, nicht gerechtfertigt. 8.3.2
Dreimonatskoliken
Dreimonatskoliken (Nabelkoliken etc.) sind definiert als exzessives Schreien eines gesunden Säuglings. Als exzessiv gilt Schreien nach einer Dauer von mindestens 3 h täglich an 3 Tagen der Woche über einen Beobachtungszeitraum von mindestens . Tabelle 8.1. Organische Erkrankungen, die zur Fehldiagnose »Dreimonatskoliken« führen können [2] Ursachen für rezidivierende Schreiattacken bei Säuglingen 5 5 5 5 5
Kuhmilchintoleranz , Fruktoseintoleranz Migräne Ösophagitis bei Reflux Kindesmissbrauch (primär/sekundär) Harnwegsinfektionen
150
Kapitel 8 · Schmerztherapie in der Allgemeinpädiatrie
. Tabelle 8.2. Therapien, für die ein wissenschaftlicher Wirknachweis versucht wurde. KRS kontrollierte, randomisierte Studie [46, 11] Therapie
Positiver Wirknachweis
Orale Anticholinergika: Signifikante, aber fraglich 5 Dicyclomin relevante Verbesserung der 5 Dicycloverin Symptomatik bei unterschiedlicher Definition des positiven Therapieeffekts in mehreren KRS
8
Entblähungsmittel: 5 Simeticon (Lefax®)
In mehreren KRS kein sicherer positiver Wirknachweis
Nahrungsmodifikationen Ein Verzicht auf Milch, Eier, 5 Hypoallergene Weizen und Nüsse hat einen Nahrung für positiven Effekt stillende Mütter Positiver Wirknachweis in 5 Kuhmilchbasis einer KRS; Reduktion der durch Sojabasis wöchentlichen Schreidauer ersetzt im Median um 10 h (16–4 h) 5 SäuglingsnahIn zwei KRS kein positiver rung auf KuhWirknachweis milchbasis durch Positiver Wirknachweis Kasein-Hydroin einer KRS (Reduktion lysat-Nahrung der täglichen Schreidauer ersetzt im Median um 63 min 5 Säuglingsnah(1–127 min)) rung auf KuhWissenschaftlicher Wirkmilchbasis durch nachweis widersprüchlich Molke-Hydroin 2 KRS, aber beobachteter lysat-Nahrung Effekt ist auf jeden Fall ersetzt gering. 5 Verringerung In einer KRS kein positiver des LaktosegeWirknachweis haltes 5 Erhöhung des Ballastoffanteils Saccharoselösung
Im Falle längerer Schreiattacken gegeben, haben 2 ml Saccharose 12 % einen signifikant positiven Effekt (nach Einschätzung der Eltern); die Numberneeded-to-treat ist mit 2 sehr niedrig
Risiken
Kommentar
Müdigkeit, Übelkeit, Diarrhö, aber auch Fallberichte über schwere Nebenwirkungen wie Atemstörungen, zerebrale Krampfanfälle, Asphyxie und Koma insbesondere bei Neugeborenen und jungen Säuglingen, weswegen Dicyclomin in den USA erst ab dem 6ten Lebensmonat zugelassen ist [52]
In Studien wurde Dicyclomin und Dicycloverin eingesetzt, in Deutschland ist nur Pipenzolatbromid (ila-med-m-Lösung) erhältlich, welches international für diese Indikation nie wissenschaftlich untersucht wurde
In den Studien nicht berichtet
–
In den Studien nicht berichtet
Insgesamt sehr kleine Fallzahl
In den Studien nicht berichtet
Verblindung in der Studie inkomplett
In den Studien nicht berichtet
–
In den Studien nicht berichtet
–
In den Studien nicht berichtet
Laktoseintoleranz der Kinder vor Einschluss in die Studien nicht untersucht –
In den Studien nicht berichtet
Nachteilige Effekte auf eine altersentsprechende Ernährung und die Zahnentwicklung sind bei längerer Anwendung nicht auszuschließen
Geringe Fallzahl von 19 Kindern; die Wirkung hält häufig nur kurz an
6
151 8.3 · Akute abdominelle Schmerzen und Dreimonatskoliken
8
. Tabelle 8.2. (Fortsetzung) Therapie
Positiver Wirknachweis
Risiken
Kommentar
Kräutertee (Kamille, Verbene, Lakritz, Fenchel, Pfefferminze in Glukoselösung)
Bis 3-mal täglich bei Schreiattacken gegeben (bis maximal 150 ml pro Gabe), führte der Tee bei signifikant mehr Kindern zum Sistieren der Symptome (58 %) als wenn ausschließlich Glukoselösung gegeben wurde (26 %)
Es wurden im Mittel 30 ml/kg KG/Tag Tee konsumiert; nachteilige Effekte auf die altersentsprechende Ernährung und die Zahnentwicklung sind bei längerer Anwendung nicht auszuschließen
–
Elterliche Verhaltensmodifikation
4 KRS kommen zu widersprüchlichen Ergebnissen; beobachtete Effekte sind sehr gering
Keine
In der größten KRS sollten Mütter Reize (taktil, auditiv, etc.) für das Kind vermindern. Ihnen wurde aber auch geraten, ihr Kind alleine zu lassen, wenn sie meinten, das Schreien nicht länger ertragen zu können. Die Beurteilung des Therapieerfolges wurde mittels einer unvalidierten Skala vorgenommen. Es bleibt unklar, ob sich das kindliche Verhalten verändert hat oder nur dessen Wahrnehmung durch die Mutter
Chiropraktische Manipulation
Kein Effekt in der einzigen KRS, in der weder Eltern noch die Studienleiter wussten, welches Kind wirklich behandelt wurde [32]
Unklar, ob unsachgemäße Manipulationen zu Schäden führen können
Eine weitere KRS wies positive Therapieeffekte nach, zeigte aber erhebliche methodische Mängel. Insbesondere waren die Eltern hinsichtlich der Behandlung ihres Kindes nicht verblindet [50]
3 Wochen [48]. Die in wissenschaftlichen Arbeiten verwendete »Wessels-Definition« ist notwendig, um wissenschaftliche Therapiestudien vergleichbar zu machen. Sie berücksichtigt aber nicht den Leidensdruck der Familie, der im Alltag für den betreuenden Therapeuten eine viel größere Rolle spielt und letztlich die Therapieindikation darstellt. Üblicherweise beginnt die Symptomatik in den ersten Lebenswochen, findet ihr Punctum maximum mit 6 Lebenswochen und sistiert spontan im Alter von 4–5 Monaten; 5–19 % aller Kinder dieser Altersgruppe sind betroffen [24]. Ob es sich bei dem exzessiven Schreien um Schmerzäußerungen handelt, ist unklar. Die Ätiologie ist nicht geklärt. Neben einer noch physiologischen Vermehrung der altersgemäßen
Schreiphasen werden schmerzhafte Darmkrämpfe durch Laktoseintoleranz, Nahrungsmittelallergien, vermehrte Gasbildung oder die Fehlinterpretation eines normalen kindlichen Verhaltens durch die Eltern diskutiert. Beispielsweise sind Alter der Mütter, Länge ihrer Berufsausbildung und eine akademische Ausbildung positiv mit dem mütterlichen Urteil korreliert, dass das eigene Kind an Nabelkoliken leide [23]. Sehr wahrscheinlich sind »Dreimonatskoliken« nicht monokausal zu erklären. Nach dem Ausschluss behandelbarer Ursachen des Schreiens (. Tabelle 8.1) sollte eine genaue Ernährungs- und Schreianamnese erhoben werden. Es empfiehlt sich der Einsatz von Tagebüchern.
152
Kapitel 8 · Schmerztherapie in der Allgemeinpädiatrie
Therapien, für die ein wissenschaftlicher Wirknachweis versucht wurde, sind in . Tabelle 8.2 aufgeführt. Ein differenzierter Einsatz der Therapie ist bis dato wissenschaftlich nicht untersucht. So ist anzunehmen, dass insbesondere Kinder mit Lebensmittelallergie von einer hypoallergenen Ernährung profitieren werden, etc. Die wissenschaftlichen Studienergebnisse beziehen sich allesamt auf Kinder, welche die »Wessels«-Definition erfüllen. Der Leidensdruck (von Eltern und Kind) ist jedoch nicht linear korreliert mit der Schwere des Schreiens. Und so wird der niedergelassene Kinderarzt häufiger mit »Schreikindern« konfrontiert werden, auf welche die Ergebnisse von systematischen Reviews nicht ohne Weiteres übertragbar sind.
Praktisches Vorgehen
8
Die Eltern sollten über den selbstlimitierenden Charakter des Schreiens unterrichtet werden. Ihnen sollte versichert werden, dass sie keine Schuld am Schreien ihres Kindes haben. Ein fester Tagesrhythmus mit Vermeidung einer »Überstimulation« des Kindes ist der erste Therapieschritt – kostengünstig und ohne Nebenwirkungen. Um Erkrankungen und sozialen Problemen in der Familie vorzubeugen, müssen die Eltern lernen, auf ihre eigenen Kraftreserven Rücksicht zu nehmen (d. h. Weggehen vom Kind, wenn man sich überfordert fühlt; abwechselndes Betreuen durch beide Eltern mit Ruhepausen für die Mutter; Spazierengehen mit dem Kind durch verlässliche Freunde und Familienmitglieder). Stillende Mütter sollten ihre Nahrung auf »allergenarme« Kost umstellen (. Tabelle 8.2) und über 4 Wochen den Therapieeffekt beobachten. Für nicht gestillte Kinder empfiehlt sich eine Nahrungsumstellung (. Tabelle 8.2) und eine Beurteilung des Therapieerfolges nach 1–2 Wochen. Das Zufüttern von Kräutertees ohne Glukosezusatz sollte auf ca. 20 ml/kg KG/Tag beschränkt werden.
mität. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 12 Jahren. Die SRD ist unabhängig vom Alter definiert als »ein Schmerzsyndrom mit verschiedensten sensorischen und autonomen Symptomen, welches im Anschluss an ein Trauma auftritt. Führende Symptome sind spontan auftretende und provozierbare Schmerzen, Schwellung und Schwäche. Die Symptome und Befunde sind dem stattgefundenen Trauma dysproportional. Sie sind generell distal, unabhängig von der Lokalisation und Art des stattgefunden Traumas« (zit. nach [51]). In der Kindheit sind auslösende Traumata nicht immer zu eruieren. Sie können so klein sein, dass sich der Patient und dessen Eltern nicht mehr daran erinnern. Die Schmerzstärke bei der 1. Vorstellung ist zwischen 8 und 10 (VAS 0–10). Meist passt der Affekt nicht zu den hohen Schmerzwerten: die Kinder geben lächelnd einen Schmerzwert an, bei dem man ein schmerzverzerrtes Gesicht erwarten sollte. Die betroffene Extremität wird meist geschont. Die Allodynie, brennender Schmerz, Dysästhesien und Parästhesien sind führende Krankheitssymptome, oft finden sich auch Zeichen der autonomen Dysfunktion (Ödeme 77 %, kalte Haut 77 %, Hautfarbveränderungen 54 %, verändertes Haarwachstum und Schweißproduktion). Der Begriff »sympathische Reflexdystrophie« impliziert zwar eine kausale Beteiligung des sympathischen Nervensystems, diese ist aber nicht immer gegeben.
Unterschiede zum Erwachsenenalter Die Symptomatik ist von der im Erwachsenenalter leicht verschieden (. Tabelle 8.3). Selten sind bei Kindern Extremitäten auf beiden Seiten betroffen. Der Krankheitsverlauf ab Diagnosestellung ist sehr variabel. Ein Großteil der Kinder gesundet in 1–140 Wochen (Median: 7 Wochen). Bei 20 % kommt es zu Rezidiven [29].
Differenzialdiagnose 8.4
Sympathische Reflexdystrophie (SRD, »complex regional pain syndrome« Typ I, CRPS I)
Die SRD betrifft im Kindesalter mehr Mädchen als Jungen und häufiger die untere als die obere Extre-
Frakturen, Osteomyelitis und maligne Tumoren sollten durch geeignete Diagnostik ausgeschlossen werden.
Psychologische Einflussfaktoren Wie andere chronische Schmerzformen auch ist die SRD keine primär psychiatrische oder psychologische Erkrankung. Allerdings bedeutet sie für die be-
153 8.4 · Sympathische Reflexdystrophie (SRD, »complex regional pain syndrome« Typ I, CRPS I)
8
. Tabelle 8.3. Symptomatik bei SRD im Vergleich Kinder – Erwachsene. (Mod. nach [51]) Kinder
Erwachsene
Ort
Verhältnis untere/obere Extremität: 5:1
Überwiegend obere Extremität
Spontanschmerz
Häufig
Häufig
Mechanische Allodynie
Oft
Oft
Geschlechtsverhältnis (w:m)
4:1
Unklar
Psychologische Aspekte
Unklar
Unklar
Dreiphasenskelettszintigraphie
Unklar
vermehrte Anreicherung
Behandlungsstrategien
Heilung oft durch physikalische Therapie und psychologische Schmerztherapie
Frühe Durchführung einer Sympatikusblockade sinnvoll
Technik des Sympathikusblocks
Kontinuierliche Infusion über liegenden Katheter (stationär)
Multiple Infiltrationen (ambulant)
Beginn der Therapie
Krankheitsdauer hat wenig Einfluss auf Therapieerfolg
Je früher Sympathikusblock, desto besser
Behandlungserfolg
90 %
60 %
troffenen Kinder und deren Familie einen extremen Stress – so verpassen betroffene Kinder 1/4 ihrer Schulzeit. Auf diese Weise kann sie sekundär zu psychologischen und familiären Problemen beitragen. Andererseits aggravieren vorbestehende psychologische Probleme die SRD und sind signifikant häufiger bei rezidivierenden Verläufen zu finden [42]. Eine begleitende psychologische Therapie gehört zum Behandlungsstandard. Weitergehende psychologische Maßnahmen wie Einzel- oder Familientherapien sind bei einigen Patienten notwendig. Das notwendige psychologisch-diagnostische Inventar, um solche Kinder und Familien zu identifizieren, muss bei jeder betroffenen Familie angewendet werden.
Therapie Physikalische Therapie ist das A und O der Behandlung. Eine verbesserte Funktion führt zur Schmerzverringerung, während andauernde Immobilisation die Schmerzschwelle weiter absenkt. Bei einigen Patienten sind Analgetikagaben vor der Physiotherapie notwendig. Nur wenige Patienten benötigen trizyklische Antidepressiva oder Gabapentin [49], bis die initiierte physikalische Therapie ausrei-
chend Wirkung zeigt. Die Rolle von TENS kann noch nicht abschließend beurteilt werden. Kann trotz suffizienter medikamentöser und psychologischer Schmerztherapie (v. a. Ablenkung bei physikalischen Maßnahmen) keine ausreichende Teilnahme an physikalischer Therapie erreicht werden, sollte eine medikamentöse Sympathikusblockade durchgeführt werden, um die Compliance mit physikalischen Maßnahmen zu verbessern. Anders als bei Erwachsenen ist die Krankheitsdauer bis zur Durchführung einer Sympathikusblockade nicht negativ mit dessen Erfolg korreliert.
Physiotherapie Die Krankengymnastik kann entweder stationär oder ambulant durchgeführt werden, wobei stationäre Programme deutlich erfolgreicher sind [42]. Effektiv sind aktive Programme, bei denen die Kinder möglichst schnell wieder springen, rennen, laufen, hüpfen oder – bei Beteiligung der oberen Extremität – malen, schreiben, die Wände anpinseln oder kneten. Eine Eins-zu-eins-Betreuung oder Therapie in Kleingruppen sind außerordentlich wichtig. Bei Allodynie werden betroffene Hautareale durch Massage, Handtuchreiben, Wechselbäder
154
8
Kapitel 8 · Schmerztherapie in der Allgemeinpädiatrie
(heiß-kalt-Bäder; 38° und 2 °C) desensibilisiert. 20–30 % der Maßnahmen werden im 34° warmen Wasser ausgeführt. Die Krankengymnastik wird täglich durchgeführt. Darüber hinaus üben die Patienten eigenständig am Abend und Wochenende. Compliance für ein solch aufwendiges physikalisches Programm ist ambulant schwer herzustellen und aufrecht zu erhalten. Die Dauer der Physiotherapie reicht von wenigen Tagen bis zu 1 Monat und beträgt im Median 1 Woche [42].
7.
Sympathikusblockade
8.
Bei einer SRD der unteren Extremität wird eine lumbale Sympathikusblockade durchgeführt und keine epidurale Nervenblockade, da letztere über Störungen der Sensibilität und Motorik mit der Durchführung der Krankengymnastik negativ interferieren kann. Von Wilder [51] wird die Anlage eines Dauerkatheters und nicht die Mehrfachpunktion wie bei Erwachsenen empfohlen: die Technik des Dauerkatheters vermindert wiederholte Strahlenbelastungen und Allgemeinnarkosen, die bei Kindern in der Regel zur Installation einer Sympathikusblockade durchgeführt werden müssen. Ist die obere Extremität betroffen, bestehen mehrere Möglichkeiten der Sympathikusblockade, die im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden müssen: wiederholte Stellatumblockaden, zervikaler epiduraler Katheter, interpleuraler Katheter oder der i.v.-regionale »Bretylium«-Block. In einem Fall mit jahrelangem Verlauf wurde über die erfolgreiche Anwendung von Lidocain und Methylprednisolon im Rahmen einer intravenösen Regionalanästhesie berichtet [33].
5.
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9 Schmerzreduktion bei Blutabnahmen und Injektionen J. Berrang*, P. Reinhold und B. Zernikow* 9.1
Einleitung – 158
9.2
EMLA® (»Eutectic Mixture of Local Anesthetics«) – 158
9.3
Ametop® (Tetracain unter Okklusionsverband) – 160
9.4
ELA-Max® (liposomale Verkapselung von Lidocain) – 161
9.5
Iontophorese – 162
9.6
»Eisspray« (Chlorethan, WariActiv®) – 162
9.7
Psychologische Betreuung und andere nicht-medikamentöse Maßnahmen – 162 Literatur – 163
* Danksagung: Der Autor wird unterstütz durch die Vodafone Stiftung Deutschland gGmbH, die Peter und Ruth Wirts-Stiftung (Schweiz) und »Eigenes Leben, Hilfen für Kinder mit Schmerzen oder lebensverkürzenden Erkrankungen e.V.«
158
Kapitel 9 · Schmerzreduktion bei Blutabnahmen und Injektionen
)) 9.1
9
9.2
EMLA® (»Eutectic Mixture of Local Anesthetics«)
Einleitung Zur präventiven Schmerzminderung an der Hautoberfläche bietet sich neben psychologischen und physikalischen Verfahren v. a. die Anwendung von Lokalanästhetika an. Diese blockieren die Weiterleitung nozizeptiver Reize schon am Entstehungsort, nämlich am Nozizeptor. Lokalanästhetika bestehen aus einem aromatischen lipophilen Ring und einem hydrophilen Aminrest. Zwischen diesen Polen liegt eine Verbindung über eine Amin- oder eine Esterbrücke. Diese Brücke beeinflusst Wirksamkeit, Stabilität und Nebenwirkungsprofil der einzelnen Substanzen [25]. 1905 wurde mit Procain das erste klinisch anwendbare Lokalanästhetikum entwickelt. 40 Jahre später folgte Lidocain. Mit diesen Pharmaka konnte erstmalig eine lokal begrenzte Hautanästhesie erreicht werden. Die natürliche Barriere der Epidermis, speziell des Stratum corneum, konnte lange Zeit nur durch Injektion des Lokalanästhetikums überwunden werden [38]. In den 80er Jahren wurde dann eine Galenik entwickelt, aus der Lokalänästhetika durch die intakte Haut bis zur den Nozizeptoren penetrieren konnte [25]. EMLA®, eine eutektische Mixtur zweier Lokalanästhetika, ist ein Beispiel für eine solche LokalanästhetikaGalenik. Auch eine Lokalanästhetika-Applikation mittels Iontophorese oder in liposomaler Verkapselung führt zu einer Hautanalgesie bei intakter Epidermis. Mit dieser Entwicklung gelang es, die schmerzhafte subcutane Injektion von Lokalanästhetika zu vermeiden. Es wurde u. a. möglich, Nadelstiche schmerzfrei zu gestalten und so für pädiatrische Patienten eine ihrer Hauptschmerzquellen auszuschalten: immerhin geben im stationären Bereich 25 % aller Kinder die größten Schmerzen bei Blutabnahmen und Dauertropfanlagen an [16]. Im Folgenden sollen die einzelnen Applikationsformen für unterschiedliche Lokalanästhetika vorgestellt und ein Anwendungsspektrum der jeweiligen Substanz erstellt werden.
1000 mg EMLA® bestehen aus den Lokalanästhetika Lidocain (25 mg) und Prilocain (25 mg) sowie aus Arlatone als Emulgator, Carbamol als Verdickungsmittel, Natriumhydroxid zur Alkalisierung bis auf einen pH-Wert von 9 und Wasser. Die Besonderheit der Galenik besteht darin, dass der Schmelzpunkt der Mischung unterhalb der Schmelzpunkte der Einzelsubstanzen liegt. Die so entstandene Mixtur ist unter Raumtemperatur flüssig und stabil [7]. Die Lokalanästhetika durchdringen unter Okklusion die Haut und blockieren an der Zellmembran die Natriumkanäle. Hierdurch wird der depolarisierende Natriumeinstrom gehemmt, ein Aktionspotential verhindert und die Erregungsweiterleitung entlang der Nervenfaser unterbunden [12]. EMLA® ist in 2 Formen konfektioniert. Das fertige Pflaster mit einer definierten Menge an Wirkstoff ist für eine Behandlungsfläche von ca. 10 cm2 geeignet. Die Creme muss nach Applikation mit einem Okklusionsverband, z. B. Tegaderm®, oder normaler Haushaltsfolie (Frischhaltefolie) abgedeckt werden. Die Okklusion bewirkt die bessere Aufnahme der Lokalanästhetika in die Haut. Ein Unterschied in der Wirkung oder Verträglichkeit beider Anwendungsformen ist nicht bekannt [9]. Das Pflaster ist jedoch etwas steif und lässt sich in Abhängigkeit von der Hautkontur manchmal nicht optimal anmodellieren. Die analgetische Wirksamkeit von EMLA® bei Kindern ist sehr gut belegt [10, 15, 19, 31, 39, 41]. Lander et al. [31] untersuchten in einer Placebokontrollierten Studie über 250 Kinder im Alter von 5–18 Jahren. Schmerzen bei venöser Blutabnahme und Platzieren einer Verweilkanüle wurden mittels Selbsteinschätzung auf einer 100 mm VAS gemessen. In der EMLA®-Gruppe wurden signifikant niedrigere mediane Schmerzwerte angegeben: bei der Blutabnahme 7 anstatt 30 mm und bei der Dauerkanülenanlage 21 anstatt 42 mm. Diese Ergebnisse wurden in Folgestudien bestätigt [24], auch wenn die empfohlene Mindesteinwirkzeit von 60 min nicht eingehalten wurde [19]. Insgesamt waren in wissenschaftliche Studien mit EMLA® mehr als 500 Probanden eingeschlossen. Die Dauer der EMLA®-Applikation vor einer Intervention sollte mindestens 60 min betragen [9,
9
159 9.2 · EMLA® (»Eutectic Mixture of Local Anesthetics«)
20]. In einigen Studien wird eine Einwirkzeit bis zu 120 Minuten empfohlen [2, 22a, 31]. Einwirkzeit und Tiefe der Hautanästhesie in Millimetern sind positiv korreliert: bei einer Einwirkdauer von 2 h beträgt die Hautanalgesietiefe 5–6 mm [4, 7, 13, 43]. Das Druckempfinden wird bis zu einer Hauttiefe von 3 mm gemindert [20, 31]. Die anästhesierende Wirkung hält über mehrere Stunden an [4]. Sie erreicht nach Entfernen der Creme mit einer Latenz von 30–60 min ihren Höhepunkt [4].
Unerwünschte Wirkungen Bestimmungsgemäß angewendet ist EMLA® gut verträglich und als sicheres Arzneimittel einzustufen [7, 8, 11]. Häufige lokale Nebenwirkungen von EMLA® sind Hautblässe oder -rötung. Selten treten Juckreiz oder Brennen sowie ein lokales Ödem auf [7, 10, 43]. Hautblässe ist direkte Folge der vasokonstriktiven Aktivität der Lokalanästhetika, die Rötung durch die spätere Vasodilatation verursacht [20]. Alle diese Nebenwirkungen sind rasch rückläufig und bedürfen keiner gesonderten Therapie. Kontaktdermatitiden wurden vereinzelt beobachtet, das Allergen ist meist das Prilocain [7]. Eine weitere Nebenwirkung von EMLA® ist die Bildung von Methämoglobin durch die Prilocainmetabolite 4-Hydroxy-2-Methylanilin und o-Toludin [7]. Der in mehreren Studien gemessene Anstieg der Methämoglobinkonzentration bei der Anwendung lege artis lag allerdings immer weit unterhalb toxischer Konzentrationen [6, 22]. Die Konzentration von Methämoglobin ist nach 3,5–13 h am höchsten [6]. Besonders gefährdet für eine signifikante
Methämoglobinämie sind Früh- und Neugeborene wegen verminderter Met-Hb-Transferase-Aktivität. Aus diesem Grund und wegen der erhöhten Resorptionsbereitschaft der Haut sollten für diese Patientengruppe altersgemäße Vorgaben für Dosis und Applikationsdauer beachtet werden (. Tabelle 9.1). Das Risiko einer signifikanten Methämoglobinbildung ist in allen Altersgruppen erhöht, wenn andere Met-Hb-Bildner zeitgleich eingesetzt werden (z. B. Sulfonamide, Phenobarbital, Phenytoin). Einzelne Fälle von therapiebedürftiger Methämoglobinämie sind für alle Altersklassen beschrieben und waren immer Folge einer fälschlichen Anwendung oder der Kombinationtherapie mit anderen Methämoglobinbildnern [7, 43]. Bei korrekter Dosierung (. Tabelle 9.1) werden auch nach mehrstündiger großflächiger Anwendung Plasmalidocain- und Prilocainkonzentrationen weit unterhalb der Toxizitätsgrenze gemessen.
Anwendung Die Applikation von EMLA® ist vor nahezu allen Nadelstichverletzungen der Haut empfehlenswert. Da die verwendeten Lokalanästhetika eine Vasokonstriktion und die Salbengrundlage ein lokales »Aufweichen« der Haut bewirken, sollte die Creme 10–15 min vor Blutabnahme oder Platzieren einer Verweilkanüle entfernt werden. Auch die Latenz zwischen Wirkmaximum und Ende der Applikationszeit spricht gegen die sofortige Intervention nach Entfernung der Creme [4]. Eine zweite wichtige Indikation für EMLA® sind i.m.-Injektionen (z. B. Impfungen). Beispiels-
. Tabelle 9.1. Dosierungsempfehlungen zur EMLA®-Anwendung in den einzelnen Altersstufen und Maximaldosierungen pro Anwendungszeitpunkt, wenn keine zusätzliche Met-Hb-Bildner eingesetzt werden Parallelapplikation
[cm2]
Applikationszeit (max) [h]
Repetitionsintervall [h]
Maximale Dosis; Areal [g; cm2]
0,5
5
1
2
8
1; 10
Säuglinge
0,5
5
4
4
8
2; 20
Kleinkinder
1,0
10
5
>4
8h
10; 100
Schulkinder
1,0
10
5
>4
8
20; 200
Jugendliche
2,0
20
5
>4
8
20; 200
Alter
Dosis
Areal
[g] Neonaten
160
9
Kapitel 9 · Schmerzreduktion bei Blutabnahmen und Injektionen
weise kann die DPT-Impfung mit EMLA® deutlich schmerzärmer durchgeführt werden [8, 24, 46]. Die Schmerzreduktion ist vergleichbar mit der von Vapocoolant Spray [13]. Im Vorschulalter – also im Zeitintervall der meisten Impfungen – ist die Schmerzreduktion durch EMLA® signifikant ausgeprägter als die durch psychologische Maßnamen [2]. Bei Schulkindern ist die analgetische Wirkung von EMLA® vergleichbar mit der psychologischer Interventionen – die jedoch auch tatsächlich durchgeführt werden müssen und nicht als Alibi gelten dürfen, EMLA® nicht anzuwenden ([12]; 7 auch Kap. 7). Die anfängliche Befürchtung, Lebendimpfstoffe könnten in ihrer Wirksamkeit durch EMLA® beeinflusst werden, hat sich in jüngsten Untersuchungen zum Masern-Mumps-Röteln-Impfstoff nicht bestätigt. Eine Einschränkung der Antikörperentwicklung wurde nicht beobachtet [24]. Auch andere Impfungen lassen sich nach Applikation von EMLA® ohne Wirkverlust durchführen (z. B. BCG-, Varicella- und Hepatitis-B-Impfung; [8, 14]). Eine erhöhte Rate an unerwünschten Impfreaktionen wurde nicht beobachtet [24]. Generell ist der Einsatz schmerzlindernder Substanzen bei Impfungen mit dem Ziel einer höheren Impfakzeptanz wünschenswert [13, 27]. Andere Anwendungsstudien zeigen eine gute Wirksamkeit von EMLA® bei Lumbal-, Shunt- oder Arterienpunktionen [3, 24, 36, 37], der Molluscumcontagiosum-Curettage, der Warzenextraktion [23] und – ohne Verfälschung des Testergebnisses – beim Pricktest. Auch die erfolgreiche Anwendung auf geschädigter Haut – kleinflächige Verbrennungen oder Reinigung kleiner Schürfwunden – ist beschrieben. Die Einwirkzeit sollte hier kürzer sein, da bei nicht-intakter Haut mehr Lokalanästhetikum resorbiert wird und systemisch wirken kann, zudem wird die Strecke bis zu den freien Nervenendigungen schneller überwunden. Eine Zulassung für diese Indikation im Kindesalter gibt es allerdings nicht. Auch oder gerade wegen der hohen Plastizität des neonatalen Nervensystems ist die Anwendung von EMLA® in der Neonatologie zur Vermeidung einer Chronifizierung bei repetitiven Schmerzstimuli sinnvoll. Einzelheiten 7 Kap. 17. EMLA® ist in Deutschland bei Kindern ab der 37. Gestationswoche zugelassen (. Tabelle 9.1).
! EMLA® kann sebstverständlich auch an unterschiedlichen Hautstellen parallel aufgetragen werden, um dem Arzt die Möglichkeit mehrerer schmerzarmer Punktionen hintereinander bei etwaigen Fehlversuchen zu ermöglichen.
Nach Meinung der Autoren wird EMLA® zu selten eingesetzt. Die Zurückhaltung deutscher Ärzte kann pekuniäre Gründe haben, in der Überbewertung organisatorischer Probleme wegen der 60-minütigen Applikationszeit liegen oder durch die weit verbreitete Annahme, Injektionsschmerz sei zu vernachlässigen, verursacht sein. Dabei ist EMLA® auch frei verkäuflich (zum Gegenwert einer Portion Eis), kann schon zu Hause von den Eltern aufgeklebt werden und erspart so nicht nur dem behandelden Arzt Zeit und Stress, sondern dem Kind Schmerzen und Angst vor der nächsten Punktion – im schlimmsten Fall mit den Folgen Punktionsphobie und NonCompliance bei Impfungen im Jugendlichen- oder Erwachsenenalter. Die Anwendung von EMLA® ist einfach und vielfältig. Bei geringer Nebenwirkungsrate können Punktionsschmerzen minimiert werden. Die lange Applikationszeit von 1–2 h erfordert eine genauere Planung einzelner Prozeduren. Mit Übersicht kann die EMLA®-Applikation jedoch in jeden Praxis- und Klinikalltag eingebettet werden. Bei ambulanten Arztbesuchen ist es für die Eltern möglich, EMLA® selbstständig in der Apotheke zu erwerben und Stunden vorher an geeigneter Stelle zu platzieren. Die lange Wirkdauer erleichtert dieses Vorgehen.
9.3
Ametop® (Tetracain unter Okklusionsverband)
Ein weiteres topisches Lokalanästhetikum ist Tetracain (Amethocain-Gel; Ametop® 4 % bzw 5 %), welches wie EMLA® angewandt wird. Amethocain ist eine Esterverbindung. Esterverbindungen sind weniger stabil und leicht zu hydrolysieren. Im Kör-
161 9.4 · ELA-Max® (liposomale Verkapselung von Lidocain)
per werden sie durch die Cholinesterase und andere unspezifische Esterasen metabolisiert [25]. Es wird vermutet, dass Tetracain im Stratum corneum der Haut ein Depot bildet, von dort langsam ins umliegende Gewebe diffundiert und so seine Wirkung entfaltet [43].
9
tig. Die Studien weisen z. T. erhebliche methodische Mängel auf wie zu kurze Einwirkzeit, ungleiches Zeitintervall zwischen Entfernung des Lokalanästhetikums und Beginn der Prozedur, Verwendung nicht-standardisierter Schmerzmessverfahren und eine zu geringe Patientenzahl.
Nebenwirkungen Ametop® wird als sicheres Arzneimittel angesehen [40, 48]. Im Vergleich mit EMLA® treten häufiger lokale Nebenwirkungen auf. Die Möglichkeit einer Sensibilisierung mit späteren schweren allergischen Reaktionen ist bei allen Esterverbindungen, also auch bei Tetracain, gegeben [7, 38]. Anaphylaktische Komplikationen sind beschrieben [11]. Das Allergen ist die p-n-Butyl-Aminobenzoesäure, welche nach der Tetracainapplikation in der Dermis gebildet wird [43]. Intravenös in hohen Dosen appliziert, ist Tetracain toxisch. Bei der lokalen Applikation von Ametop® wurden jedoch nur mäßig erhöhte Serumspiegel gemessen [7, 43]. Bei bis zu 35 % der behandelten Patienten auftretende und nicht behandlungsbedürftige Nebenwirkungen sind ein lokales Hautödem und -erythem sowie Juckreiz an der Applikationsstelle [10, 33, 40, 43, 47]. Schwere Hautreaktionen werden vereinzelt beschrieben und bestehen in Blasenbildung mit anschließender schmerzhafter Hautablösung [11, 47]; eine Abheilung nimmt im Regelfall einige Wochen in Anspruch. Schwere Hautreaktionen treten meist kurz nach der Applikation auf und können durch eine rasche Salbenentfernung in ihrem Ausmaß vermindert werden [47].
Anwendung Wie EMLA® wird auch Ametop® unter einem Okklusionsverband appliziert, ein vorgefertigtes Pflaster ist im Handel nicht erhältlich. Die Zeit bis zum Erreichen einer ausreichenden Anästhesie ist mit 30–60 min (lt. Produktinformation 40 min) vergleichbar mit EMLA®, ggf. etwas kürzer. Die Wirkdauer beträgt etwa 3–4 h und ist damit länger als die von EMLA® [5, 10, 47]. Ametop® wird bisher v. a. in Nordamerika bei Venenpunktion und Verweilkanülenanlage eingesetzt. Einige Vergleichsstudien bescheinigen Ametop® eine höhere analgetische Potenz als EMLA®, andere zeigen eine vergleichbar gute Hautanalgesie[5, 10, 33, 39, 41]. Die Datenlage ist jedoch noch sehr dürf-
Ametop® ist rascher wirksam als EMLA® und weist eine längere Wirkdauer auf. Dies erleichtert die Anwendung im Alltag. Die höhere Nebenwirkungsrate, insbesondere die Sensibilisierungsmöglichkeit und die schweren allergischen Hautreaktionen, ist jedoch kritisch gegenüber diesem Vorteil abzuwägen und dürfte einer Zulassung auf dem deutschen Markt entgegenstehen.
! Ametop® ist in Deutschland nicht zugelassen. Das einzige zugelassene Tetracain-haltige Präparat ist Gingicain D®, welches aber nur zur Schleimhautanästhesie verwendet werden kann.
9.4
ELA-Max® (liposomale Verkapselung von Lidocain)
ELA-Max® ist eine Creme mit einem Lidocaingehalt von 4–5 %. Signifikante Unterschiede hinsichtlich Wirkstärke und Nebenwirkungsrate bestehen nicht zwischen den Konzentrationen. Über eine liposomale Verkapselung kann Lidocain die Epidermis überwinden. ELA-Max® wird für die Dauer von 30 min ohne Okklusion aufgetragen und ist in seiner analgetischen Wirkung vergleichbar mit EMLA®, wobei die minimal notwendige Einwirkzeit geringer ist [7, 21, 30, 32]. Die kürzere Einwirkdauer wird in einigen Studien als deutlicher Vorteil gegenüber EMLA® gewertet [19a, 29a]. Auch die Nebenwirkungsrate ist vergleichbar mit der von EMLA® [7, 32]. Eine Methämoglobinbildung wurde in den Studien nicht beobachtet. ! Da es sich bei ELA-Max® um ein relativ junges Präparat handelt, existieren noch wenige wissenschaftliche Daten. ELA-Max® ist bisher in Deutschland nicht zugelassen.
9
162
Kapitel 9 · Schmerzreduktion bei Blutabnahmen und Injektionen
9.5
Iontophorese
Mittels Iontophorese kann Lidocain in Verbindung mit Epinephrin nach intradermal gebracht werden. Diese nur in den USA zugelassene Methode bewirkt eine gute Anästhesie der behandelten Hautareale [18, 29] und gilt mittlerweile als sicher in der Anwendung [42, 45]. Im direkten Vergleich mit EMLA® ist die analgetische Potenz größer, die Eindringtiefe mit 6 mm tiefer, die Applikationszeit kürzer und der Wirkungseintritt schneller (10 min; [45]). Als Nebenwirkungen werden Kribbeln und Brennen während der Stromzufuhr beschrieben [25, 42]. Selten kommt es zu einem reversiblen Erythem oder zu oberflächlichen Verbrennungen an der Applikationsstelle [25]. Nachteilig sind die hohen Kosten des Gerätes, die zeit- und personalaufwändige Applikation und die Applikationsart: die verkabelten Pflaster können Kinder verängstigen [7]. Die Applikationsfläche ist durch die Pflastergröße vorgegeben und manchmal zu gering. Eine Applikation an Handinnenfläche, vorgeschädigter Haut und unregelmäßigen Hautpartien ist nicht möglich [25].
9.6
»Eisspray« (Chlorethan, WariActiv®)
Eine weitere effektive Methode der Schmerzreduktion – insbesondere bei der Entfernung von Hautwarzen – ist die Verwendung von Eisspray. Durch den Entzug von Verdampfungswärme wird die Haut gekühlt und anästhesiert. Bei Impfungen analgesiert Eisspray die Haut ebenso gut wie EMLA® und signifikant besser als »Placebosprays« [1, 13, 35]. Eine Anwendung bei Blutabnahmen oder Dauertropfanlagen ist nicht möglich, da sich die Gefäße der gekühlten Haut kontrahieren. Unerwünschte Wirkungen wie allergischeHautreizungen und Erfrierungen der Haut werden selten beobachtet. Das Einatmen von Chlorethan ist sorgfältig zu vermeiden, da Chlorethan toxisch an Herz, Niere und Leber wirken kann. Chlorethan ist leicht entzündbar. Der Vorteil gegenüber anderen Lokalanästhetika ist der günstige Preis und der schnelle Wirkeintritt. Die Aufsprühzeit beträgt nur 2–8 s, im Anschluss kann die Intervention sofort erfolgen.
9.7
Psychologische Betreuung und andere nicht-medikamentöse Maßnahmen
Psychologische Betreuung Neben der medikamentösen Schmerzreduktion spielen im Kindesalter psychologische Faktoren eine große Rolle. Zur Bewältigung eines Schmerzereignisses sind 2 Strategien von Bedeutung. Zum einen sollten dem Kind ausreichend Informationen über den bevorstehenden Eingriff altersgerecht angeboten werden. Beim Eingriff selbst wirken sich »Ablenkung« mittels Musik, Fernsehen etc. positiv auf das Schmerzempfinden aus (Einzelheiten 7 Kap. 7). Cohen et al. [12] verglichen die analgetische Wirkung von EMLA® mit der von Ablenkung (Videofilme und individuelle Betreuung durch das Personal) bei 39 gegen Hepatitis B zu impfenden Kindern. Die Kinder waren durchschnittlich ca. 10 Jahre alt. Es zeigten sich vergleichbare Schmerzwerte in beiden Gruppen. Interessanterweise wurden in der EMLA®Gruppe signifikant weniger Ablenkungsbemühungen durchgeführt als in der »Ablenkungsgruppe«. Dem Verhalten von Pflegenden und Ärzten kommt bei schmerzhaften Eingriffen eine hohe Bedeutung zu. Auch ein höchstmögliches Maß an Kontrolle über die Vorgänge, z. B. die Mitbestimmung des Zeitpunktes eines Einstiches, lindert die Angst des Kindes und somit indirekt sein Schmerzerlebnis. Neben diesen psychologisch orientierten Maßnahmen beeinflussen aber auch Injektionsort, -technik und -flüssigkeit das Schmerzerlebnis.
Einstichort Es existiert keine ideale Einstichstelle für i.m.-Injektionen. In einer randomisierten Studie mit 18 Monate alten Kindern war eine DPT-Impfung in den M. deltoideus signifikant weniger schmerzhaft als die gleiche Impfung in den vorderen Oberschenkel [26]. Werden größere Volumina bei über 3-jährigen Kindern verabreicht, ist eine Injektion in die ventrogluteale Muskulatur mit weniger Schmerzen verbunden, als wenn der vordere Oberschenkel als Einstichort gewählt wird [17].
Injektionsflüssigkeit In Großbritannien sind 2 Masern-Mumps-RötelnImpfstoffe auf dem Markt, die bei i.m.-Gabe unter-
163 Literatur
schiedlich schmerzhaft sind, was am ehesten durch einen leicht sauren pH-Wert der schmerzhafteren Zubereitung zu erkären ist [34]. Untersuchungen über die Schmerzhaftigkeit verschiedener Impfstoffe in Deutschland fehlen. Die Temperatur der Injektionsflüssigkeit hat Einfluss auf den Injektionsschmerz: Lidocain löst signifikant weniger Schmerzen aus, wird es vor der Injektion von Raumtemperatur auf Körpertemperatur erwärmt [17]. Lidocain kann bei i.m.-Gabe bestimmter Antibiotika erfolgreich als Lösungsmittel verwendet werden (anstelle sterilen Wassers), um den Injektionsschmerz zu mindern [44].
Injektionstechnik Je dünner die Nadel, desto weniger Einstichschmerz. Um den Schmerz weiter zu verringern, sollte das Gewebe vor der Injektion zwischen Zeigefinger und Daumen genommen und angehoben werden [28]. Die Verwendung einer langen Nadel (1 Inch bzw. 25 mm) reduziert Rötung und Schwellung nach i.m.Gabe von Diphtherie-Pertussis-Tetanus-Impfstoffen [14]
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Kapitel 9 · Schmerzreduktion bei Blutabnahmen und Injektionen
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10 Regional- und Lokalanästhesie A. Reich 10.1
Einleitung – 166
10.2
Anatomie – 166
10.3
Physiologie – 168
10.4
Medikamente – 169
10.5
Lokale Infiltration – 169
10.6
Periphere Nervenblockaden – 169
10.6.1 Blockaden der oberen Extremität – 170 10.6.2 Blockaden am Rumpf – 171 10.6.3 Blockaden der unteren Extremität – 171
10.7
Zentrale Nervenblockaden – 173
10.7.1 Kaudalanästhesie – 174 10.7.2 Intervertebrale Epiduralanästhesie – 177
10.8
Regionalanästhesien als Teil der perioperativen Schmerztherapie – 181
10.9
Schlussfolgerungen – 182 Literatur – 183
166
Kapitel 10 · Regional- und Lokalanästhesie
)) 10.1
10
Einleitung
Seit über 100 Jahren sind Regionalanästhesien bei Kindern bekannt. Schon wenige Jahre nach der Erstbeschreibung von August Bier finden sich Berichte über die erfolgreiche Anwendung dieser Verfahren bei Kindern. Kinder sind jedoch keine homogene Patientengruppe. In den ersten Lebensjahren durchlaufen sie einen vielschichtigen und komplizierten Reifungsprozess mit geradezu atemberaubenden Entwicklungsschritten. Während des 1. Lebensjahres führt schon ein Altersunterschied von wenigen Wochen zu einer stark veränderten Ausgangsbasis für die Anwendung von Regionalanästhesien. Daher ist als Basis für ihre Anwendung und den Gebrauch von Lokalanästhetika das Wissen um die besonderen physiologischen, anatomischen und pharmakologischen Grundlagen in den verschiedenen Altersund Entwicklungsgruppen essenziell. So wachsen »harte« anatomische Orientierungspunkte wie das Becken durch die fortschreitende Ossifikation und verändern sich in kurzer Zeit. Vor der Durchführung von Nervenblockaden ist – besonders bei kleineren Kindern – eine Allgemeinanästhesie notwendig. Einerseits bleibt so den Kindern die schmerzhafte Injektion erspart, und bei rückenmarknahen Techniken ist eine ausreichende Immobilisierung auch aus Sicherheitsgründen zu fordern. Andererseits muss dadurch zum Aufsuchen motorischer peripherer Nerven eine Stimulationstechnik verwendet werden. Bei fehlenden Empfehlungen für Kinder ist man auf die Einstellungen (Stromstärke, Impulsbreite), die bei Erwachsenen verwendet werden, angewiesen [11, 68]. Anatomische und physiologische Unterschiede zu Erwachsenen müssen bei der Anwendung von Lokalanästhetika ihren Niederschlag in veränderten Dosierungen finden. So sollten z. B. Höchstmengen immer auf der Basis des Körpergewichts angegeben werden und nicht in Form einer Gesamtdosis. Bis vor wenigen Jahren wurde Kindern, insbesondere Früh- und Neugeborenen, die Fähigkeit, Schmerz zu empfinden, abgesprochen. Diese Einstellung mag ein Grund dafür sein, dass es in einigen Industrieländern auch heute noch üblich ist, Zirkumzisionen bei neugeborenen Jungen im
Kreißsaal ohne Analgesie/Anästhesie durchzuführen [86]. Mit wachsendem Verständnis physiologischer und pathophysiologischer Zusammenhänge auch bei kleinsten Kindern wächst der Bedarf, in diesen Altergruppen perioperative Analgesie zu betreiben. Regionalanästhesien sind immer Teil eines Gesamtkonzeptes der Schmerztherapie, das den Gebrauch von Opioiden wie auch nicht-opioidartigen Analgetika impliziert. Auch wenn die überwiegende Anzahl von Regionalanästhesieverfahren als Einzeldosiskonzept angewendet wird, haben kontinuierliche Kathetertechniken – zentral wie peripher – ihren Platz in der Akutschmerztherapie.
5 Was ist bei Kindern im Vergleich zu Erwachsenen gleich oder ähnlich? – Schmerzempfinden – Medikamentenauswahl zur Analgesie – Punktionstechnik (Nervstimulator, Loss-of-resistance-Technik) – Hygienestandards bei der Durchführung – Gebrauch von Einzelinjektionsund Kathetertechnik 5 Was ist bei Kindern im Vergleich zu Erwachsenen anders? – Regionalanästhesien sind keine Alternative zur Allgemeinanästhesie – Punktionen werden meist in Allgemeinanästhesie durchgeführt – Gewichtsbezogene Höchstdosierungen der Lokalanästhetika – Niedrigere Konzentrationen der Lokalanästhetika notwendig – Schnellere Anschlagzeiten der Lokalanästhetika
10.2
Anatomie
Alle gängigen Regional- und Lokalanästhesieverfahren sind in jeder Altersgruppe durchführbar. Da sich das Wachstum der Körperstrukturen individuell stark unterscheidet, kann eine Beschreibung der anatomischen Entwicklung von der frühgeburtlichen Phase bis zur Adoleszenz immer nur
167 10.2 · Anatomie
eine zu erwartende Entwicklung beschreiben, die im Einzelfall stark vom zu Erwartenden abweicht. In der embryonalen Phase füllt das Rückenmark den gesamten Spinalkanal aus. Nach Erreichen der fetalen Periode wachsen die knöchernen Strukturen des Rückensegments deutlich stärker als die neuralen Strukturen innerhalb des Rückenmarkkanals. Bis zum Ende des 1. Lebensjahres verlieren die Wachstumsprozesse an Dynamik, aber das Ende des Rückenmarkes und des Durasacks projizieren sich auf tiefere knöcherne Strukturen als bei Erwachsenen. Beim Neugeborenen reicht das Rückenmark bis in die Höhe des 3. Lendenwirbel- und der Durasack bis zum 4. Sakralwirbelkörper [31]. Er endet bei Neugeborenen knapp 1 cm oberhalb der Membrana sacrococcygea. Selbst bei 10- bis 13-jährigen Kindern liegen nur 25–35 mm zwischen diesen beiden Strukturen ([1]; . Abb. 10.1) Der epidurale Raum mündet im Kaudalkanal, der als wesentliche neuronale Strukturen Durasack, Cauda equina und Filum terminale enthält. Den Abschluss nach kaudal bildet die sakrokokzygeale Membran, die den Zugangsweg von außen bildet. Nur gefüllt mit losem Fettgewebe, bietet der Epiduralraum bei kleinen Kindern kaum Widerstand beim Vorschieben eines Katheters. Wird von kaudal Flüssigkeit unter hohem Druck injiziert, kann sie bis in thorakale Segmente aufsteigen und entsprechende Blockaden auslösen [40].
. Abb. 10.1. Rückenmarkentwicklung in verschiedenen Altersstufen. (Nach [39])
10
Die arterielle Versorgung des Rückenmarks wird von 2 unabhängigen Kreisläufen mit einer vorderen und 2 dorsalen Arterien gewährleistet. Beide Versorgungsgebiete werden von den Vertebralarterien gespeist, unterstützt von Interkostalarterien und lumbalen Gefäßen, die auf verschiedenen Ebenen in die Spinalarterien münden. Das ventrale Rückenmark wird von der A. spinalis anterior versorgt. Ihre Äste verlaufen zirkumferent auf der Oberfläche des Rückenmarks und verästeln sich im Parenchym und der grauen Substanz. Obwohl die Arterie diskontinuierlich verlaufen kann, ist die Blutversorgung der neuronalen Strukturen durch den Zufluss arterieller Gefäße aus lumbalen und interkostalen Arterien gesichert. Die größte radikuläre Arterie ist die Adamkiewicz-Arterie, die bis zu 50 % der Blutversorgung liefert und variabel zwischen dem 8. Brustwirbel und 1. Lendenwirbel aus der Aorta entspringt Während der ersten 6 Lebensjahre sind die Wirbelkörper noch knorpelförmig und können durch eine scharfe Nadel leicht verletzt oder auch penetriert werden. Das Os sacrum besteht zunächst aus einzelnen Wirbelkörpern, die erst mit dem 25. Lebensjahr knöchern fusioniert sind. Dies erlaubt während der gesamten Kindheit eine intervertebrale Punktion auch auf sakralen Ebenen. Bis zu 10 % aller Patienten weisen anatomische Variationen des Os sacrum auf, die von einer fehlenden Fusionierung aller Sakralwirbelkörper bis zum kompletten knöchernen Verschluss des Sakralkanals reichen [31]. Wegen der noch unvollständigen Ossifikation des Beckens steht das Os sacrum relativ höher als bei Erwachsenen und die interkristale Linie schneidet den 5. Lendenwirbel- bzw. 1. Sakralwirbelkörper (. Abb. 10.2). Beim Neugeborenen zeigt der Rücken eine regelmäßige runde Form: Das Vorschieben eines Epiduralkatheters von sakral nach thorakal ist fast immer möglich, und die Stichrichtung einer Kanüle zum Epiduralraum ist immer gleich, unabhängig von der Punktionsstelle. Mit Entwicklung der zervikalen Flexur (ab ca. 3.–6. Lebensmonat) und der lumbalen Lordose (ab ca. 8.–9. Lebensmonat) ist das Vorschieben eines kaudothorakalen Katheters nur noch unsicher möglich. Die funktionellen neuronalen Strukturen des Rückenmarks sind bei Geburt vollständig vorhanden, aber die Myelinisierung der Nervenfasern ist noch nicht vollständig entwickelt. Sie beginnt in
168
Kapitel 10 · Regional- und Lokalanästhesie
10.3
. Abb. 10.2. Die Ossifikation des Beckenknochens schreitet mit zunehmendem Wachstum des Organismus fort. Bei Frühgeborenen schneidet die interkristale Linie die Wirbelsäule daher mindestens eine Etage tiefer als bei älteren Kindern oder Erwachsenen. (Mod. nach [31])
10
den zervikalen Neuronen während der fetalen Entwicklung und ist etwa mit dem 12. Lebensjahr vollständig vollzogen. Das Fehlen von Myelinscheiden erleichtert die Penetration von Lokalanästhetika in die Nervenfasern. Dieser Prozess wird zusätzlich begünstigt durch den verminderten Durchmesser der Nervenfasern und die kürzere Distanz zwischen den Ranvier-Schnürringen. Eine Nervenblockade wird selbst mit niedrig konzentrierten Lokalanästhetika sehr viel schneller und kompletter erreicht als bei Erwachsenen. Eine weitere anatomische Besonderheit besteht in der losen Aneinanderreihung verschiedener Nerven und der lockeren Verbindung zu umliegenden Strukturen, die eine Ausbreitung des Lokalanästhetikums entlang der Nervenwurzeln begünstigt und zu einer kompletteren Nervenblockade führt. Bis zu einem Lebensalter von etwa 3 Jahren ist das Liquorvolumen mit 4 ml/kg KG doppelt so hoch wie bei Erwachsenen. Der Umsatz ist ebenfalls um den Faktor 2 erhöht [31]. Da auch die Vaskularisation des Epiduralraumes stärker als bei Erwachsenen ist, werden intrathekal verabreichte Medikamente effektiver verdünnt und schneller resorbiert als in anderen Altersgruppen. Der Abstand zwischen Haut und Epiduralraum ist bei Kindern zwischen 6 Monaten und 10 Jahren grob mit dem Körpergewicht korreliert; es kann eine geschätzte Distanz von etwa 1 mm/kg KG als Anhalt für die Eindringtiefe genommen werden [14]. Da eine große interindividuelle Variation besteht, muss bei jeder Punktion extrem vorsichtig agiert werden.
Physiologie
Kinder erhalten die gleichen Analgetika zur Schmerzausschaltung wie Erwachsene. Daher ist die Kenntnis der speziellen physiologischen Voraussetzungen im Kindesalter essenziell für eine sichere Anwendung. Im Neugeborenenalter sind die meisten Organsysteme noch unreif. Der Metabolismus und die Ausscheidung von Medikamenten ist konzeptionsalterabhängig entwickelt und in den ersten Lebenswochen und -monaten verlängert [77]. Der im Vergleich zu Erwachsenen höhere Flüssigkeits- und geringere Fettgehalt vergrößert das Verteilungsvolumen der Lokalanästhetika bei Kindern und führt zu niedrigeren Spitzenspiegeln sowie einer verzögerten Elimination aus dem Körper. Nach Absorption in das Gefäßbett werden Lokalanästhetika an Proteine und Erythrozyten gebunden. Besonders in den ersten 6 Lebensmonaten ist der Serumspiegel des Akutphaseproteins α1-saures Glykoprotein (AAG) und von Albumin stark schwankend und kann perioperativ zu einer höheren Fraktion des freien und damit biologisch aktiven Pharmakons führen [80]. Der Gesamtproteingehalt ist bei Neonaten im Vergleich zu älteren Kindern und Erwachsenen erniedrigt. Eine Interferenz des Lokalanästhetikums mit anderen proteingebundenen Pharmaka oder Bilirubin kann zu unvorhersagbaren Schwankungen der Plasmaspiegel führen. Erythrozyten, die fetales Hämoglobin enthalten, vermögen Lokalanästhetika im Vergleich zum Erythrozyten mit adultem Hämoglobin stärker zu binden und so die Elimination aus dem Körper zu verzögern. Im Vergleich zur Proteinbindung spielt die Transportkapazität der Erythrozyten allerdings eine untergeordnete Rolle. Nach einer epiduralen Einzelinjektion sind die Spitzenspiegel der Lokalanästhetika zwischen 30 und 90 min im Serum nachweisbar. Außer beim Säugling verhalten sich die Spitzenspiegel dabei umgekehrt proportional zum Lebensalter [45]. Um die Toxizität der verwendeten Anästhetika zu vermindern, sollte der Grundsatz gelten, die Gesamtdosis (Volumen, Konzentration) differenziert den Bedürfnissen anzupassen. Ist im Rahmen einer Kombinationsanästhesie vorwiegend eine postoperative Analgesie erforderlich, reichen niedrige Konzentrationen aus. Wird für eine Anästhesie eine
169 10.6 · Periphere Nervenblockaden
motorische Blockade gewünscht, sind höhere Konzentrationen notwendig. 5 Physiologische Faktoren, die die Toxizität von Lokalanästhetika bei Kindern erhöhen: – Niedrige Eiweißbindung im Serum – Längere Eliminationshalbwertszeit – Verminderte hepatische Metabolisierung – Verminderte renale Clearance – »geringes Alter« (Neugeborene und Säuglinge) 5 Physiologische Faktoren, die die Toxizität von Lokalanästhetika bei Kindern vermindern: – Hohes Verteilungsvolumen
Unabhängig vom Alter des Patienten induziert ein chirurgischer Eingriff eine hormonelle Stressantwort mit katabolen Effekten und Modulation der Immunkompetenz. Zentrale Nervenblockaden blockieren diese Stressantwort des Körpers deutlich effektiver als eine Allgemeinanästhesie [92, 93]. Epidurale Blockaden beeinflussen bis zu einem Alter von etwa 8 Jahren die linksventrikuläre Funktion nicht und sind nahezu frei von messbaren hämodynamischen Veränderungen im Sinne von Blutdruckabfällen [34]. Bei älteren Kindern beträgt der Blutdruckabfall aufgrund der sympathischen Blockade in der Regel weniger als 20–25 % der Basiswerte vor der Einleitung. Eine Vorlaufinfusion mit Kochsalz oder die Benutzung von Sympathikomimetika ist nicht erforderlich.
10.4
Medikamente
Neben den pharmakologischen Eigenschaften des Lokalanästhetikums und dem physischen Status und Alter des Patienten bestimmen Ort und Dauer des chirurgischen Eingriffs sowie die erwartete Dauer der postoperativen Schmerzen die Auswahl des Lokalanästhetikums. Die Konzentration des Lokalanästhetikums bestimmt maßgeblich die Intensität und Länge der Blockade. Wird eine perioperative Analgesie (in Kombination mit einer Allgemeinanästhesie) gewünscht, ist eine niedrige Konzentration ausreichend. Dies hat den Vorteil, dass selbst mit einer hohen Dosis
10
kaum die empfohlenen Höchstdosierungen erreicht werden können. Das Mischen von Lokalanästhetika mit dem Ziel, die positiven Effekte zweier Agenzien zu kombinieren und gleichzeitig die Toxizität der Monosubstanzen zu senken, wird häufig benutzt, aber kontrovers diskutiert [7]. Die Toxizität einer Mixtur von Lokalanästhetika ist additiv. Eine Mischung kurz- und langwirksamer Lokalanästhetika zur Erzielung einer schnellen Anschlagzeit macht bei Kindern selten Sinn, da selbst langwirksame Medikamente wie Bupivacain (Carbostesin®) innerhalb von 15 min nach epiduraler Injektion einen ausreichenden analgetischen Effekt entwickeln [55]. Damit ist bei nahezu jeder Operation zum Zeitpunkt des Hautschnitts eine ausreichende Analgesie garantiert.
10.5
Lokale Infiltration
Die einfachste und komplikationsloseste Anwendung von Lokalanästhetika besteht in der lokalen Infiltration des Wundgebietes durch den Operateur. Unabhängig vom Operationsort kann vor Verschluss der Wunde eine bestimmte Menge eines Lokalanästhetikums eingeträufelt werden. Obwohl zu dieser Applikationsart bislang im Kindesalter nur wenige Untersuchungen vorliegen, sind bei Erwachsenen ausreichende Erfahrungen vorhanden, die einen Nutzen nachweisen. Besonders bei Operationen, in denen eine Regionalanästhesie nicht sinnvoll erscheint (z. B. Appendektomie), kann eine lokale Applikation eines Lokalanästhetikums die postoperative Analgetikamenge deutlich reduzieren. Zur Anwendung kommen sollten langwirksame Anästhetika wie Bupivacain (Carbostesin®) und Ropivacain (Naropin®). Abhängig von der verwendeten Konzentration wird die analgetische Wirkung anhalten. Dosisempfehlungen für eine derartige Verwendung existieren nicht. In unserem Zentrum verwenden wir mit gutem Erfolg Ropivacain (Naropin®) 0,375 % in einer Menge von 0,1 ml/kg KG.
10.6
Periphere Nervenblockaden
Analog zur Situation beim Erwachsenen sind alle peripheren Nerven auch im Kindesalter zu blockieren. Bei größeren Kindern kann dabei im Einzelfall
170
Kapitel 10 · Regional- und Lokalanästhesie
auf eine Allgemeinanästhesie verzichtet werden, allerdings werden in der überwiegenden Anzahl der Fälle die Blockaden in einer leichten Allgemeinanästhesie angelegt. Das Auslösen von Parästhesien ist beim wachen Kind schmerzhaft und beim schlafenden unsicher. ! Bei Kindern ist die Benutzung eines Nervstimulators bei peripheren Nervenblockaden motorischer Nerven der »golden standard«!
10
Aufgrund der anatomischen Verhältnisse im wachsenden Organismus und der sich verändernden Proportionen ist die Benennung eindeutiger anatomischer Orientierungspunkte im Kindesalter gelegentlich erschwert. Manche Autoren schlagen daher vor, zur Erleichterung der Nervenblockade zunächst eine Lokalisation motorischer Nerven mittels transkutaner Stimulation vorzunehmen [10]. Obwohl die meisten Verfahren in einer Einzeldosistechnik durchgeführt werden und damit bis zu 24 h Analgesie erzeugen können, sind prinzipiell auch Kathetertechniken anwendbar. Im Folgenden werden die häufigsten Techniken zur Blockade von Nerven der oberen und der unteren Extremitäten beschrieben. 10.6.1
Blockaden der oberen Extremität
Plexus brachialis Axillär Der Plexus brachialis kann auf verschiedenen Höhen blockiert werden; in der Praxis kann einzig der axilläre Zugang uneingeschränkt empfohlen werden, da hierbei Risiken wie Pneumothorax, Phrenikus- oder Rekurrensparese vernachlässigt werden können. Da besonders Säuglinge und Kleinkinder auf eine intakte Zwerchfellfunktion angewiesen sind, können sie durch eine Phrenikus- oder Rekurrensparese erheblich gefährdet werden. Anwendung finden Blockaden des Plexus brachialis bei allen Eingriffen von der Schulter distalwärts. Die Kontraindikationen entsprechen denen von Erwachsenen. Ein Volumen von 0,5–0,75 ml/kg KG bis zu maximal 50 ml Lokalanästhetikum (7 Übersicht S. 107) beim Adoleszenten ist für alle Techniken adäquat.
Supraklavikulär Von den supraklavikulären Blockaden ist neben dem interskalenären nach Winnie noch der paraskalenäre Zugang von Dalens beschrieben [30]. Bei der Anatomie des Kleinkindes kann zumindest theoretisch der interskalenäre Zugang zu Problemen führen, da das Lokalanästhetikum in ein enges und kleines Kompartiment injiziert wird. Mit einer paraskalenären Technik wurde versucht, diese Komplikation zu vermeiden ([30]; . Abb 10.3). Für die Punktion bleibt das Kind auf dem Rücken liegen. Bei maximal zur kontralateralen Seite geneigtem Kopf wird eine Linie von der Klavikulamitte zum Querfortsatz C6 (Tubercule de Chassaignac) gelegt; zwischen dem unteren und dem mittleren Drittel dieser Linie wird lotrecht zur Tischfläche mit der Nadel eingegangen. Eine Stimulation des Plexus wird die entsprechende motorische Antwort in der Schulter und dem Arm hervorrufen.
Infraklavikulär Von den Blockadetechniken des Plexus brachialis ist der axilläre Zugang der am häufigsten verwendete [36]. Für den bei Erwachsenen vertikalen infraklavikulären Zugangsweg existieren bei Kindern bislang wenig Erfahrungen. Aufgrund der hohen Erfolgsquote der anderen Zugangswege bietet er keine wesentlichen Vorteile und kann zurzeit nicht empfohlen werden. Die Indikationen für die Durchführung einer Plexusblockade ergeben sich aus dem Innervationsgebiet der Nerven und erstrecken sich auf Eingriffe von der Mitte des Oberarms nach distal. Das Kind wird in Rückenlage mit seitlich ausgelagertem Arm positioniert. Über das Pulsieren
. Abb. 10.3. Lagerung des Kindes für eine paraskalenäre Plexusblockade
171 10.6 · Periphere Nervenblockaden
der A. brachialis kann der Verlauf der Gefäßnervenscheide getastet werden. Nur wenige Millimeter unter der Haut wird bei kranialer Stichrichtung die Faszie perforiert und eine motorische Reaktion mit dem Nervenstimulator hervorgerufen. Analog zur Situation beim Erwachsenen ist die Verwendung eines Nervstimulators bei der Anlage nicht zwingend notwendig. Das Aufsuchen einzelner Nerven ist gerade bei kleinen Kindern nicht notwendig. Es reicht eine Injektion, um alle Nerven zu anästhesieren [20, 69]. 5 Axilläre Blockade ist die Standardanästhesie des Plexus brachialis bei Kindern 5 Nervstimulation bei axillärer Blockade hilfreich, aber nicht essenziell notwendig 5 0,5 ml/kg KG Bupivacain (Carbostesin®) 0,125 %, Ropivacain (Naropin®) 0,2 % zur Analgesie 5 Hohe Erfolgsquote
10.6.2
Blockaden am Rumpf
Ilioinguinalisblockade Als Alternative zur Kaudalanästhesie bei einseitigen Eingriffen in der Leistenregion kann die Blockade der Nerven ilioinguinalis/hypogastricus durchgeführt werden. Besonders größere Kinder profitieren davon, da oberhalb eines Körpergewichts von 20–25 kg die Kaudalanästhesie nicht mehr zuverlässig eine hohe Ausbreitung gewährleistet. Die sensiblen Nerven ilioinguinalis/iliohypogastricus aus dem ersten Lendenwirbelast des Plexus lumbalis versorgen die Leistenregion bis zum Mons pubis und dem Skrotum. Die Nerven verlaufen zwischen den M. transversus und M. obliquus internus abdominis in Richtung des Leistenbandes und können durch eine gezielte Infiltration leicht blockiert werden.
Punktionstechnik Als Orientierungspunkt wird eine imaginäre Linie zwischen der Spina iliaca anterior superior und der Symphyse gezogen. Etwa 0,5–2 cm von der Spina entfernt wird die Punktionskanüle senkrecht bis
10
zum Durchtritt der Faszie des M. obliquus externus eingeführt. Die Penetration der Aponeurose kann besonders gut mit Kanülen, die einen flachen Nadelschliff haben, gespürt werden. Etwa 2/3 der Gesamtdosis werden unter die Aponeurose und 1/3 nach Zurückziehen der Nadel subkutan injiziert. Die in der Literatur empfohlenen Dosierungen reichen von 0,1–0,5 ml/kg KG; in der Praxis sind eher die höheren Dosierungen zu empfehlen. Die Analgesie hält mehrere Stunden an. Da die Resorption des Lokalanästhetikums sehr schnell erfolgt, darf eine Blockade nur einseitig vorgenommen werden, um zu hohe Spitzenspiegel im Serum zu vermeiden. Auch bei korrekter Technik kann sich eine Femoralisblockade entwickeln [59]. Bei zu tiefem Eindringen der Nadel besteht die Gefahr einer Perforation des Kolons [61]. 5 Geeignet für einseitige Leisteneingriffe bei größeren Kindern (>25 kg) 5 Keine Nervstimulation 5 0,3–0,5 ml/kg KG Bupivacain (Carbostesin®) 0,25 % oder Ropivacain (Naropin®) 0,375 % zur Analgesie
10.6.3
Blockaden der unteren Extremität
Ähnlich wie bei den peripheren Nervenblockaden der oberen Extremität können alle wesentlichen Nerven einzeln oder in Form einer Plexusblockade ausgeschaltet werden.
Peniswurzelblock Der Peniswurzelblock ist die am häufigsten durchgeführte periphere Nervenblockade bei allen Eingriffen am Penis. Bei optimaler Wirkung kann der Block weitere Analgetika überflüssig machen [53]. Da es sich beim N. dorsalis penis um einen rein sensiblen Nerv handelt, kann hierbei auf eine Nervenstimulation verzichtet werden. Von den verschiedenen in der Literatur beschriebenen Methoden benutzt der Autor die von Dalens etablierte mit 2 Einstichen links und rechts lateral von der Medianlinie [29]. Zur Analgesie wird Bupivacain (Carbostesin®) 0,5 % in einer Dosis von 0,1 ml/kg KG pro Seite verwendet. Eine hohe Konzentration garantiert
172
Kapitel 10 · Regional- und Lokalanästhesie
. Abb. 10.5. Punktion eines Peniswurzelblocks. Die Nadel bleibt in der Stichrichtung aufrecht und zeigt eine korrekte Tiefe an
10
. Abb. 10.4. Verlauf des N. dorsalis penis (3) im subpubischen Raum nach Dalens (mit freundlicher Genehmigung des Autors). Der paarig verlaufende Nerv wird sicher betäubt, wenn eine beidseitige Infiltration durchgeführt wird. Die Nadel muss beide Blätter (1, 2) der Fascia superficialis durchdrungen haben
eine Analgesie von etwa 6–12 h. Adrenalinhaltige oder vasokonstriktorisch wirksame Lokalanästhetika, z. B. Ropivacain (Naropin®), dürfen unter keinen Umständen verwendet werden, da es sich bei den arteriellen Gefäßen, die zum Penis führen, um Endarterien handelt (. Abb. 10.4).
Punktionstechnik Das Kind bleibt in Rückenlage. Der Penis wird mit einem Pflasterstreifen etwas fußwärts gezogen und fixiert. Unterhalb der Symphyse wird 0,5–1 cm lateral der Mittellinie die Nadel senkrecht zur Haut ca. 1,5–2,5 cm eingestochen, bis beide Blätter der Fascia superficialis perforiert sind und die Perforation der Scarpa-Faszie als Klick verspürt wird. Wenn die Nadel losgelassen wird, sollte sie bei korrekt durchgeführter Punktion durch die beiden Blätter der Faszie gehalten werden (. Abb. 10.5). Nach negativer Aspiration von Blut wird das Lokalanästhetikum injiziert. Da Komplikationen bei korrekter Technik kaum vorkommen, sollte der
Peniswurzelblock keinem Kind mit Penischirurgie vorenthalten werden. Falls die Punktion in der Mittellinie erfolgt, besteht die Gefahr, dass die dorsal in den Penisschaft mündenden Gefäße und Nerven in der gemeinsamen Faszie durch die Injektion des Lokalanästhetikums komprimiert werden. 5 »Golden standard« zur Analgesie bei Eingriffen am Penis 5 N. dorsalis penis ist ein sensibler Nerv (keine Nervenstimulation) 5 Je Seite 0,1 ml/kg KG Bupivacain (Carbostesin®) 0,5 % 5 Cave Vasokonstriktorzusatz 5 Cave Injektion in der Mittellinie
Femoralisblockade Eine Blockade des N. femoralis ist besonders geeignet bei Eingriffen am Oberschenkel distal der pertrochantären Region. Bei maximaler Ausdehnung der Blockade können neben dem Nervus femoralis auch der Nervus obturatorius und der Nervus cutaneus femoris lateralis blockiert werden. In Kombination mit einer Ischiadikusblockade können alle Eingriffe am Bein durchgeführt werden [76] [33] [58] [89].
10
173 10.7 · Zentrale Nervenblockaden
Punktionstechnik Der N. femoralis liegt unterhalb des Leistenbandes lateral der Femoralarterie, die leicht getastet werden kann. Unter Nervenstimulation wird die Nadel vorgeschoben, bis eine motorische Antwort des M. quadriceps femoris (»tanzende Patella«) erfolgt. Bei einer Einzelinjektion wird eine Dosis von 0,5 ml/kg KG Bupivacain (Carbostesin®) 0,25 % oder Ropivacain (Naropin®) 0,2 % injiziert. Auch bei Verwendung einer kathetergestützten Analgesie wird zunächst das Anästhetikum injiziert und anschließend der Katheter 2–3 cm über die liegende Kanüle eingeführt.
Ischiadikusblockade Meist wird die Blockade des N. ischiadicus in Kombination mit einem Femoralisblock durchgeführt. In jüngerer Zeit gewinnen auch in der Kinderanästhesie diese peripheren Blockaden zunehmende Beliebtheit, da die analgetische Qualität einer Epiduralanästhesie vergleichbar ist, jedoch die schwerwiegenden Nebenwirkungen einer rückenmarknahen Anästhesie fehlen. Besonders geeignet sind diese peripheren Blockaden bei einseitigen Eingriffen unterhalb der pertrochantären Region. Wie bei anderen peripheren Blockaden auch, entsprechen die Kontraindikationen denen des Erwachsenenalters. Eine gute, lang anhaltende Blockade mit einer Wirkung bis zu 24 h kann unabhängig vom Zugangsweg mit der Injektion von 0,5–0,75 ml/kg KG Bupivacain (Carbostesin®) 0,25 % bzw. Ropivacain (Naropin®) 0,375 % erreicht werden.
. Tabelle 10.1. Durchschnittliche Eindringtiefe für eine Ischiadikusblockade. (Nach [26]) Körpergewicht [kg]
Bei posteriorem Zugang [mm]
Bei lateralem und vorderem Zugang [mm]
3 5 10 15 20 25 30 40 50 60
18 (12–25) 19(13–28) 22 (15–31) 25 (18–34) 28 (20–39) 32 (23–41) 36 (25–46) 42 (30–51) 48 (33–58) 55 (39–64)
28 (20–48) 30 (22–32) 38 (28–58) 42 (34–64) 50 (38–70) 58 (42–78) 62 (46–82) 78 (58–98) 90 (62–112) 102 (78–122)
Katheters kann nach initialer Injektion des Lokalanästhetikums 2–3 cm über die Nadelspitze erfolgen.
Lateraler Zugang Besonders bei älteren und schweren Kindern bietet auch der laterale Zugangsweg eine gute Alternative. Wie bei der vorderen Punktion muss das Kind nicht umgelagert werden [28, 75]. In Rückenlage wird der Fuß leicht nach innen rotiert und mit einem Pflasterstreifen fixiert. Kaudal des Trochanter major wird unmittelbar unterhalb des Femurs parallel zur Unterlage eingegangen, bis eine motorische Antwort im Ischiadikusbereich erzielt wird, praktisch immer zuerst im Peroneusbereich (. Tabelle 10.1).
Anteriorer Zugang
Posteriorer Zugang
Die Punktion kann in Rückenlage des Patienten erfolgen und spart Umlagerungen des Patienten in Narkose. Zudem kann bei simultan durchgeführter Ischiadikusblockade der gesamte Punktionsbereich mit einer Abdeckung erreicht werden, was Zeit und Material spart. In Rückenlage wird das Leistenband als Leitstruktur bis zur Mitte der Symphyse in Drittel geteilt. Am Übergang des medialen zum mittleren Drittel wird das Lot gefällt. Am Schnittpunkt durch eine parallel zum Leistenband durch den Trochanter major gezogene Linie befindet sich der Injektionspunkt. Die Nadel wird senkrecht am Knochen entlang bis zur motorischen Antwort eines Anteils des N. ischiadicus (N. peroneus: Dorsalflexion, N. tibialis: Plantarflexion) geführt. Das Einlegen eines
Der »klassische«, von Labat beschriebene Zugangsweg erfordert eine Umlagerung des Patienten. Der Nerv wird an einer Stelle aufgesucht, an der er straff an knöchernen und Bandstrukturen vorbeiläuft, daher könnte eine Injektion theoretisch eine Läsion hervorrufen. Da die anderen Zugangswege ebenfalls hervorragende Resultate liefern, gibt es ausreichende Alternativen zu diesem Zugangsweg.
10.7
Zentrale Nervenblockaden
Die überwiegende Anzahl zentraler Nervenblockaden in der Kinderanästhesie werden in Form von »Single-shot-Anästhesien« von sakral durchgeführt.
174
Kapitel 10 · Regional- und Lokalanästhesie
Der Nachteil der Einzeldosisverfahren besteht in der limitierten Wirkdauer, die nach wenigen Stunden eine additive Analgesie erfordert; um diesen Nachteil auszugleichen, wurden in den vergangenen Jahren auch bei Kindern zunehmend kontinuierliche Kathetertechniken im Rahmen der perioperativen Schmerztherapie entwickelt. 10.7.1
10
Kaudalanästhesie
Die Kaudalanästhesie ist die populärste zentrale Blockade in der Kinderanästhesie. Aufgrund der leichten Zugänglichkeit des sakralen Epiduralraums kann quasi komplikationsfrei mit einer Injektion eine mehrstündige Analgesie erzeugt werden. In Ausnahmefällen kann bei Kindern <1 Jahr über einen sakralen Zugangsweg auch ein Katheter bis in den thorakalen Epiduralraum vorgeschoben werden. Die meisten chirurgischen Eingriffe an den unteren Extremitäten, des Beckens und des unteren Teils des Abdomens bis zum Nabel sind für eine Kaudalanästhesie bei Säuglingen und kleinen Kindern zugänglich. Neben den allgemeinen Kontraindikationen bei rückenmarksnahen Anästhesien bestehen spezielle Kontraindikationen nur bei größeren Malformationen des Sakrums.
Punktionstechnik Der Patient wird in Seitenlage mit der zu operierenden Seite nach unten gelagert; alternativ kann eine Bauchlage mit einem Kissen unter den Beckengürtel probiert werden. Die beiden sakralen Höcker oberhalb des sakrokokzygealen Gelenkes, die am Ende der Processi spinosi zu palpieren sind, bilden ein gleichschenkliges Dreieck mit direktem Bezug zum Hiatus sacralis. In den Abbildungen wurden diese knöchernen Orientierungspunkte durch entsprechende Markierungen sichtbar gemacht. Die Nadel wird zentral im Bereich des Hiatus sacralis in einem Winkel von 45–60° durch die Haut gestochen, bis die sakrokokzygeale Membran durchdrungen wird; dann wird die Nadel rostral gesenkt und wenige Millimeter in den Sakralkanal hineingeschoben, um eine komplette Penetration des Nadelschliffs in den Sakralkanal zu gewährleisten. Unabhängig vom Alter des Patienten liegt die Eindringtiefe zwischen 10–25 mm (. Abb. 10.6 a–f). Nach Aspiration wird eine Testdosis injiziert und ca. 1 min gewartet. Nach fehlender hämody-
namischer Reaktion wird die übrige Menge des Anästhetikums langsam injiziert. Bei Ausübung eines Unterdrucks zur Blutaspiration saugen sich Kaudalkanülen mit einem stumpfen Schliff – im Falle einer akzidentellen Gefäßpunktion – leicht an die Gefäßwand an und verhindern einen Blutrückfluss. Die Spritze sollte daher besser einmalig während der Injektion diskonnektiert werden, um über einen passiven Rückfluss von Blut eine akzidentell intravasale Lage der Nadel zu detektieren. Nach Beendigung der Injektion wird die Nadel aus dem Kaudalkanal entfernt und das Kind für die Operation gelagert. Sicherheitsregeln bei kaudaler Applikation von Medikamenten 5 Aspiration vor Injektion (Blut?) 5 Einmalig Spritze diskonnektieren (passiver Rückfluss von Blut?) 5 Adrenalinhaltige Testdosis (intravasale Injektion?) 5 Langsam injizieren (Druckanstieg im Epiduralraum)
Bei der Anlage eines Katheters ist die gleiche Lagerung wie bei der Single-shot-Technik sinnvoll. Für die Punktion wird eine 20-G-Nadel mit entweder geradem oder Tuohyschliff benutzt. Mit Penetration der Membrana sacrococcygea und Erreichen des Periduralraums wird die Kanüle nach kaudal gekippt und einige Millimeter weit eingeführt. Die Punktionstechnik mit Tuohynadel geschieht mit etwas anderer Technik: die Punktion wird in einem Winkel von 60° durchgeführt, damit die Öffnung nach kranial zeigt und der Katheter gerade in den epiduralen Raum vorgeschoben werden kann. Bei Neonaten und Säuglingen ist das epidurale Bindegewebe im Gegensatz zu dem bei älteren Kindern und Erwachsenen sehr locker, so dass es gelingt, den Katheter bis weit nach kranial vorzuschieben. Bei älteren Kindern ist dies in der Regel nicht mehr möglich. Hier gelingt die Einlage bis maximal L2 [13]. Die Punktion selbst muss bei Neonaten und Säuglingen besonders vorsichtig durchgeführt werden, da in diesem Lebensalter die Ossifikation gerade erst beginnt und daher die Knochen sehr leicht verletzt werden können. Aufgrund der feine-
175 10.7 · Zentrale Nervenblockaden
a
d
b
e
c
f
10
. Abb. 10.6 a–f. Fotoserie einer Kaudalpunktion bei 2 Kindern. Obwohl die Kinder sehr unterschiedliche Körpergewichte haben (a–c linke Reihe: 4,5 kg, d–f rechte Reihe: 14 kg) sind die anatomischen Orientierungspunkte gleich. Auch die Eindringtiefe unterscheidet sich kaum in den verschiedenen Gewichtsklassen. Zur Orientierung sollten immer knöcherne Punkte gewählt werden. In der Abbildung ist gut erkennbar, dass die Rima ani nicht die Mittellinie bildet und daher eine falsche Orientierung bietet
ren Bandstrukturen sind bei der Punktion geringere Widerstände als bei größeren Kindern zu erwarten. Der Katheter darf auf gar keinen Fall gegen Widerstand vorgeschoben werden, da hierdurch Verletzungen provoziert werden können oder der Katheter abknickt [13, 19].
Medikamente und Dosierung Zur Erzielung einer perioperativen Analgesie ist Bupivacain (Carbostesin®) in Konzentrationen zwi-
schen 0,125 %–0,25 % beschrieben, die optimale Konzentration liegt wahrscheinlich im unteren Bereich [44, 94]. Höhere Konzentrationen machen eine motorische Blockade wahrscheinlicher, ohne die analgetische Qualität zu erhöhen, niedrigere Konzentrationen sind analgetisch unzuverlässig [94]. In einer Reihe von Studien wurde Ropivacain (Naropin®) für die Kaudalanästhesie bei Kindern evaluiert [3, 46, 56, 57, 64, 71]. Konzentrationen von 0,375 % erzeugen deutlich weniger motorische Blockaden
176
Kapitel 10 · Regional- und Lokalanästhesie
als gleich konzentriertes Bupivacain (Carbostesin®) [24]. Als analgetisch optimal werden in verschiedenen Studien Konzentrationen zwischen 0,2 und 0,25 % Ropivacain (Naropin®) beschrieben [3, 25, 57, 64, 67, 71, 98]. Die für den kaudalen Gebrauch bei Kindern zugelassene Konzentration enthält 0,2 % Ropivacain (Naropin®). Welcher »äquipotenten« Konzentration von Bupivacain (Carbostesin®) diese Konzentration entspricht, ist bislang nicht definiert. Dies spiegelt sich auch in den Untersuchungen zum Vergleich der analgetischen Wirkdauer beider Lokalanästhetika wider. Aufgrund der schwächeren analgetischen Potenz von Ropivacain (Naropin®) liegt die vergleichbare Konzentration wahrscheinlich um etwa 20 % höher als die von Bupivacain (Carbostesin®). Die analgetische Wirkdauer von Ropivacain (Naropin®) 0,2 % entspricht der von Bupivacain (Carbostesin) 0,25 % [48]. Merkmale der beiden lang wirksamen Lokalanästhetika bei kaudaler Applikation
10
Anschlagzeit (min)
Spitzenspiegel im Serum nachweisbar (min)
Bupivacain (Carbostesin®)
13
20–30
Ropivacain (Naropin®)
12
60–90
Bei gleicher Konzentration vermittelt Bupivacain (Carbostesin®) eine deutlich stärkere Motorblockade der unteren Extremität als Ropivacain (Naropin®) [67] [24]. Im Vergleich beider Agenzien ist die Anschlagzeit bei Ropivacain (Naropin®) geringfügig schneller (12 vs. 13 min) und die Spitzenspiegel im Plasma sind erst später (nach 60–90 vs. 30 min) nachweisbar [3, 46, 55, 98]. Das optimale Volumen des Lokalanästhetikums ist Gegenstand vieler Publikationen und mathematischer Formeln. In der Routinepraxis bietet das Schema von Armitage unabhängig vom verwendeten Lokalanästhetikum einen einfachen und verlässlichen Ansatz zur Errechnung des benötigten Injektionsvolumens (. Tabelle 10.2).
. Tabelle 10.2. Dosierungsschema für eine Kaudalanästhesie in Einzeldosistechnik. (Nach [4]) Dosis [ml/kg KG]
Analgesiehöhe bis Dermatom
0,5 0,75 1 1,25
L1 Th12 Th10 Th6–8
Neben der Dosis und der Konzentration des Lokalanästhetikums hat die limitierte Dauer der Blockade dazu geführt, wirkungsverlängernde Komedikamente in der klinischen Praxis zu etablieren. Inzwischen gilt es als unumstritten, dass auch die Analgesiedauer langwirkender Lokalanästhetika wie Bupivacin durch einen Adrenalinzusatz (1:200.000– 1:400.000) bei Kindern positiv beeinflusst wird [22]. Andere Substanzen, wie in . Tabelle 10.3 angeführt, haben sich in Untersuchungen als wirkungsverlängernd herausgestellt, sind aber zumeist noch nicht ausreichend evaluiert, um ihren routinemäßigen Einsatz empfehlen zu können. Clonidin als Komedikament zu Epiduralanästhesien ist inzwischen am besten erforscht [21, 32, 35, 54, 66, 71, 79, 84]. Obwohl keine Untersuchungen auf Neurotoxizität vorliegen, kann aufgrund der weiten Verbreitung und fehlenden Meldung entsprechender Nebenwirkungen von einer sicheren Anwendung ausgegangen werden. Dies spiegelt sich in einer breiten klinischen Nutzung in vielen kinderanästhesiologischen Abteilungen wider. Opioide sind sicher anwendbar, allerdings ist eine Atemdepression während der gesamten Wirkdauer möglich. Es ist daher ein entsprechendes Monitoring (z. B. Pulsoximeter) zu fordern; ein ambulanter Gebrauch ist zu vermeiden. Buprenorphin (Temgesic®) hat den Vorteil der fehlenden atemdepressorischen Wirkung, allerdings kann die Substanz nicht antagonisiert werden. In den vergangenen Jahren hat es zunehmend Berichte über den kaudalen Gebrauch von Ketamin und Ketamin S bei Kindern gegeben [22, 73, 83]. Die Analgesie wird dosisabhängig deutlich verlängert, ohne dass atemdepressorische Wirkungen auftreten. Allerdings darf nur die konservierungsmittelfreie Form von Ketamin eingesetzt werden, da das Konservierungsmittel neurotoxisch ist.
10
177 10.7 · Zentrale Nervenblockaden
Komplikationen
10.7.2
Auch wenn die lege artis durchgeführte Kaudalanästhesie quasi frei von ernsten Komplikationen ist, können aufgrund falscher Punktionstechnik, ungeeigneter Punktionsmaterial und falscher Medikamente eine Vielzahl von Nebenwirkungen auftreten. Zu den häufigsten Komplikationen gehören opioidbedingte Atemdepressionen, Gefäß- oder Duraperforationen und hohe bzw. totale Spinalanästhesien [2, 38, 62, 81, 96]. In einer prospektiven Untersuchung fand sich eine Gesamtkomplikationsrate von 0,7/1000 Anästhesien. Bei insgesamt über 15.000 Kaudalanästhesien traten schwere Komplikationen in Form von 4 Duraperforationen, 4 Spinalanästhesien, einer postoperativen Apnoe und einer rektalen Perforation auf [41]. 5 Häufigste zentrale Nervenblockade im Kindesalter ist die Kaudalanästhesie 5 Geeignet für alle Eingriffe unterhalb des Nabels 5 1 ml/kg KG Bupivacain (Carbostesin®) 0,125 % oder Ropivacain (Naropin®) 0,2 % zur Analgesie (bis Th10) 5 Mittlere Analgesiedauer: 2–3 h (Lokalanästhetikum), bis zu 24 h bei Zusatz von Komedikamenten
Intervertebrale Epiduralanästhesie
Alle epiduralen Anästhesieverfahren oberhalb des Kaudalraumes werden ähnlich wie bei Erwachsenen vorwiegend mit kontinuierlichen Kathetertechniken kombiniert und zur perioperativen Schmerztherapie verwendet. Sie sind in der Kinderänästhesie kein Routineverfahren! Wesentliche Einschränkung dieser Verfahren im Kindesalter liegen in den Punktionsbedingungen, die meist eine Allgemeinanästhesie als Voraussetzung haben. Erst ab einem Alter von etwa 10 Jahren kann eine epidurale Punktion routinemäßig im Wachzustand vor Einleitung der Allgemeinanästhesie durchgeführt werden. Die Indikation für kontinuierliche epidurale Katheterverfahren ergibt sich vorwiegend bei ausgedehnten thorakalen und abdominellen Eingriffen, die mit einer hohen postoperativen Schmerzintensität assoziiert sind. Meist werden Katheterverfahren im Kindesalter im Rahmen einer PCA-Technik (Patienten-kontrollierte Analgesie, bei kleinen Kindern auch Eltern-kontrollierte Analgesie) genutzt, um den perioperativen Analgetikabedarf zu reduzieren, die Mobilisation zu beschleunigen und die perioperative Stressreaktion zu dämpfen. Die Anlage von epiduralen Kathetern für die perioperative Phase oder auf der Intensivstation kann sinnvoller Bau-
. Tabelle 10.3. Komedikamente zur kaudalen Anwendung und deren Wirkprofil. Keines der Medikamente ist für eine epidurale/kaudale Anwendung im Kindesalter zugelassen, kann aber im Rahmen der individuellen Therapiefreiheit verwendet werden Substanz
Dosis
Bewertung
Quelle
Clonidin
1–2 µg/kg KG
Verlängerung der Analgesie um 100–150 %; evtl. Sedierung, Bradykardie
[22]
Morphin
30–40 µg/kg KG
Analgesie bis 24 h Cave: Atemdepression während gesamter Wirkdauer
[74]
Buprenorphin
4 µg/kg KG
Lange Analgesie Cave: Antagonisierung bei epiduralerAnwendung nicht möglich
[43]
Ketamin
0,5–1 mg/kg KG
Analgesieverlängerung bis auf 12 h Neurotoxizität der Konservierungsstoffe
[22]
Ketamin S, Clonidin
0,25 mg Ketamin S, 1 µg/kg KG Clonidin
Analgesieverlängerung bis auf 24 h
[47]
178
Kapitel 10 · Regional- und Lokalanästhesie
stein einer multimodalen Schmerztherapie sein [18, 60, 91].
Lumbale Epiduralanästhesie (LEA)
10
Über einen lumbalen Zugangsweg kann bei Kindern ein Epiduralkatheter entweder segmental platziert oder bis in thorakale Bereiche vorgeschoben werden. Die Verwendung lumbaler Epiduralkatheter zur perioperativen Analgesie wird bei orthopädischen und urologischen Eingriffen eingesetzt [63]. Zwar besteht auch in dieser Punktionshöhe die potenzielle Gefahr einer Duraperforation, jedoch ist die Verletzung des soliden Rückenmarkstranges ab einer Punktionshöhe von L3 und tiefer unwahrscheinlich. In Kontrast zur anatomischen Voraussetzung sind nach lumbalen Punktionen häufiger schwerwiegende neurologische Komplikationen beschrieben als nach Punktionen an anderen Orten [37]. Wird ein lumbaler Katheter benutzt, um eine Analgesie bis in thorakale Segmente auszudehnen, sind in den ersten Lebensjahren keine wesentlichen hämodynamischen Effekte zu erwarten [34]. Das Vorschieben von Epiduralkathetern von lumbal nach thorakal gelingt bei Kindern >1 Jahr nur unsicher. Bei dem Versuch, den Katheter vorzuschieben, kann es zu einem Kinking bzw. zu Knotenbildung kommen, die die Gefahr von Nerven- und Gefäßverletzungen potenziell erhöhen [9]. Eine kombinierte Spinalepiduralanästhesie (CSE) ist im Kindesalter nicht gebräuchlich, obwohl prinzipiell keine Kontraindikationen gegen dieses Verfahren bestehen.
Thorakale Epiduralanästhesie (TEA) Eine Punktion auf thorakaler Ebene bietet eine optimale Selektion der zu blockierenden Dermatome zur Schmerztherapie bei ausgedehnten abdominellen und thorakalen Eingriffen [23, 88, 90]. Damit kann die zu applizierende Lokalanästhetikamenge auf ein Minimum reduziert und eine motorische Blockade der unteren Extremitäten vermieden werden. Ähnlich wie bei einer lumbalen Punktion kann der Tiefenabstand des Epiduralraumes grob mit dem Körpergewicht korreliert werden. Allerdings ist, abhängig von der Punktionsebene und dem Alter des Kindes, mit erheblichen Schwankungen in der notwendigen Eindringtiefe zu rechnen. Eine nur unwesentlich steilere Stichrichtung im thorakalen Bereich vergrößert die Eindringtiefe wesentlich.
Aufgrund der segmentalen Ausbreitung bei einer thorakalen Epiduralanästhesie sind Blasenfunktion und motorische Aktivität der unteren Extremität nicht beeinträchtigt. Bei einer lumbalen Epiduralanästhesie reicht die Analgesiezone in Abhängigkeit von der injizierten Menge des Lokalanästhetikums bis zum Nabel oder sogar darüber hinaus. Eine thorakale Analgesie über einen lumbalen Epiduralkatheter vereint die Komplikationen beider Verfahren ohne wesentliche Vorteile. Neurologische Symptome bei Entwicklung z. B. eines Cauda-equinaSyndroms können durch die Lage im analgesierten Bereich verschleiert werden und eine eindeutige Diagnosefindung gefährlich verzögern.
Medikamente und Dosierung Alle intervertebralen Epiduralanästhesien werden in der Regel als kathetergestützte Verfahren angewendet. Nach einer initialen Aufsättigungsdosis mit einem hochprozentigem Lokalanästhetikum werden niedrig konzentrierte Lokalanästhetika mit oder ohne Opioidzusatz verwendet. Neben der Testdosis werden 0,5 ml/kg KG Bupivacain (Carbostesin®) 0,25 % oder Ropivacain (Naropin®) 0,372 % bis zu einer Höchstdosis von 10 ml injiziert. Bei Anschluss einer PCA ist zu beachten, dass Neugeborene und Säuglinge sehr viel empfindlicher als Erwachsene auf eine kontinuierliche Gabe von Lokalanästhetika reagieren und schon innerhalb weniger Stunden toxische Plasmaspiegel entwickeln können. Da ein gewisses Mindestvolumen für die Ausbreitung notwendig ist, sollte die Konzentration noch weiter reduziert werden. Ab dem 6. Lebensmonat nähert sich die Pharmakokinetik der Anästhetika langsam dem Erwachsenenstatus und die Toxizitätsgefahr sinkt (. Tabellen 10.4 und 10.5)
Komplikationen Zentrale Nervenblockaden sind bei Erwachsenen und Kindern mit einer Komplikationsrate von etwa 0,95/1000 behaftet [6, 41]. Die Ergebnisse widersprechen der These, dass eine in Allgemeinanästhesie durchgeführte Regionalanästhesie zwangsläufig gefährlicher ist. In der Summe finden sich bei Kindern weniger schwere Komplikationen und insbesondere bei Kindern <1 Jahr mit deutlich niedrigerer Inzidenz. Eine epidurale Punktion, unabhängig von der Punktionsebene, gelingt bei Kindern fast immer.
179 10.7 · Zentrale Nervenblockaden
10
. Tabelle 10.4. Maximal empfohlene Lokalanästhetikamenge für verschiedene Lokalanästhetika und in Abhängigkeit vom Alter (bei Epi-/Periduralanästhesien). (Nach [8, 48, 49, 78]) Single shot [mg/kg KG]
Single shot [mg/kg KG]
Infusion [mg/kg/h]
Infusion [mg/kg/h]
Ohne Adrenalin
Mit Adrenalin
Säuglinge und Kinder
Neugeborene
Bupivacain (Carbostesin®) 0,25 %
2–2,5
2–2,5
0,4
0,2
Ropivacain (Naropin®) 0,375 %
3
-
0,4
?
Im Vergleich zu anderen zentralen Blockaden sind punktionsbedingte Komplikationen bei thorakalen Punktionen seltener angegeben [12, 16, 41, 82]. Da die Anzahl wissenschaftlich untersuchter thorakaler Punktionen im Vergleich zu lumbalen und kaudalen Punktionen sehr viel kleiner ist, ist die Aussagekraft der Studien begrenzt. Allerdings wird ein Trend aus Studien an Erwachsenen bestätigt: diese zeigen eine niedrigere Inzidenz von Duraperforationen im mittleren und oberen thorakalen Niveau im Vergleich zum unteren thorakalen und lumbalen Niveau [42, 87]. Als Erklärung für die niedrigere thorakale Perforationsquote wurden die größere Erfahrung des Untersuchers und der steilere Stichwinkel mit tangentialem Auftreffen der Nadel auf einen anatomisch kleineren Raum genannt. Die Nadel wird bei einer thorakalen Punktion nicht mit der Spitze, sondern der stumpfen Rundung gegen die Dura vorgeschoben [42, 51]. Bei Patienten im Kindesalter ist in der älteren Literatur teilweise eine recht hohe Inzidenz akzi-
denteller Duraperforationen angegeben, die z. T. mit einer ungeeigneten Technik, ungeeigneten Nadeln oder der fehlenden Erfahrung des Anästhesisten erklärt werden kann [27]. Aus dem Fehlen von Berichten über epidurale Hämatome nach thorakaler Punktion darf im Umkehrschluss keinesfalls gefolgert werden, dass eine Punktion bei Kindern in Narkose oder vor Heparinierung ungefährlich sei. Die Inzidenz epiduraler Hämatome ist so gering, dass eine Zahl von mehreren Tausend Patienten eingeschlossen werden müsste, um valide Aussagen machen zu können [85]. Die Entwicklung eines spinalen Hämatoms nach epiduraler Punktion und Katheteranlage bei einem Säugling ist unlängst beschrieben worden [17]. Abzesse im Rahmen einer Kathetertherapie können dann zu schwerwiegenden neurologischen Komplikationen führen, wenn sie zu einer Raumforderung im epiduralen bzw. spinalen Raum führen. Symptome schließen neben neurologischen Defiziten in den abhängigen Gebieten akut auftre-
. Tabelle 10.5. PCEA-Dosierung (Ropivacain 0,2 %) in unserem Zentrum. Bis zu einem Alter von 10 Jahren werden dem Lokalanästhetikum keine Opioide epidural beigefügt; bei Bedarf wird ein starkes Opioid, z. B. Piritramid, als Kurzinfusion systemisch verabreicht. Ab 10 mg/kg KG: Zusatz von Sufentanyl 0,75 µg/ml Patientengewicht [kg]
Kontinuierliche Rate [ml/h]
Bolus [ml]
Sperrzeit (min)
>50 30–50 10–30a
5 3–5 0,15–2
2 1-2 0,5–1
20 20 20
a Kinder unter 4 Jahren können keine Bolusgaben abrufen.
180
Kapitel 10 · Regional- und Lokalanästhesie
10
. Abb. 10.7. Verhaltensschema bei vermeintlichen Komplikationen bei epiduralen Kathetern nach Abklingen der anästhetischen (perioperativen) Wirkung der Lokalanästhestika
181 10.8 · Regionalanästhesien als Teil der perioperativen Schmerztherapie
tende Rückenschmerzen, Druckschmerzhaftigkeit der Einstichstelle, Leukozytose und Fieber ein. Die Wiederherstellung der neurologischen Funktion hängt wesentlich vom Zeitpunkt der Diagnosestellung ab. Das therapeutische Fenster zur operativen Entlastung bei raumfordernden Prozessen beträgt nur wenige Stunden. Vergehen >8 h nach Auftreten der ersten Symptome, sind die Chancen für eine komplette Heilung gering [65, 97]. Der Handlungsalgorithmus (. Abb. 10.7) bei vermuteten Komplikationen nach epiduraler Katheteranlage in unserem Zentrum ist fester Bestandteil der Tätigkeit des akuten Schmerzdienstes und in seiner Struktur den lokalen Verhältnissen angepasst. Meist handelt es hierbei um Parästhesien oder radikuläre Symptome, die nach Ausstellen der PCEA-Pumpe und Rückkehr der motorischen und sensiblen Funktion voll reversibel sind [37, 82]. Die im Flussdiagramm dargestellte Zeitachse zeigt, wie schnell selbst bei adäquatem Handeln 6–8 h vergangen sind. Obwohl neurologische Komplikationen häufiger nach lumbaler Punktion als bei allen anderen epiduralen Katheterlokalisationen beschrieben sind, muss immer mit dem Auftreten von schwerwiegenden Problemen gerechnet werden [37, 41, 82]. Die überwiegende Anzahl an Komplikationen erwächst aus den verwendeten Medikamenten. Zu den häufigsten Nebenwirkungen der Medikamente zählen
10
Übelkeit und Erbrechen, Juckreiz und Harnverhalt [82, 95]. Die Verwendung epiduraler Opioide birgt die Gefahr einer respiratorischen Depression mit sich, die in Einzelfällen auftritt [62, 70, 82, 95]. Andere Komplikationen betreffen Leckage an der Einstichstelle, lokale Rötung, Katheterokklusion und Motorblockade [12, 95]. Mit der Verwendung von Lokalanästhetika und Opioiden können potenziell gefährliche Komplikationen wie respiratorische Insuffizienz und Krampfanfälle hervorgerufen werden [12]. Da die erste Medikamentendosis in Narkose verabreicht wird, können erste Warnzeichen einer Intoxikation verwischt werden. Als seltene Begleiterscheinung einer thorakalen Epiduralanästhesie kann ein HornerSyndrom auftreten [5, 50].
10.8
Regionalanästhesien als Teil der perioperativen Schmerztherapie
Im Operationssaal ist die Anwendung von Lokalanästhetika ein sehr wirkungsvolles Instrument, da ein Kind in Allgemeinanästhesie eine Injektion nicht spürt, es aber schmerzfrei aufwacht. Die Sicherheit der meisten Verfahren ist bei sachgemäßer Anwendung gewährleistet, und Sicherheitsaspekte können heutzutage kaum eine Ablehnung von Regionalan-
Op.-Ort
Lokal-/Regionalanästhesie
Weitere Analgetika
Kopf Lippenspalte
N. infraorbitalis
Paracetamol
Obere Extremität Thorax (>6 Monate alt) Schulter Arm, Hand
TEA, PCA Plexusanästhesie, ggf. PCA Plexusanästhesie, ggf. PCA
Indomethacin, Paracetamol Paracetamol Paracetamol
Abdomen Darmresektion Appendektomie Nabelhernie Inguinale Inzision >20 kg
TEA, PCA Wundinfiltration Wundinfiltration Kaudalanästhesie Ilioinguinalisblock (einseitig)
+ Opioide + Opioide Paracetamol Paracetamol Paracetamol
Untere Extremität Hüfte Beine Füße
Kaudalanästhesie, ggf. LEA, PCA Femoralis-/Ischiadicusblock, ggf. PCA Distaler Ischiadicusblock
Paracetamol + Opioide Paracetamol
182
Kapitel 10 · Regional- und Lokalanästhesie
ästhesien begründen. Eine lokale Wundinfiltration, periphere und zentrale Blockaden, kontinuierliche Kathetertechniken oder Kombinationen aus verschiedenen Applikationsarten stehen zur Verfügung. Wie bei allen analgetischen Methoden macht auch bei der Verwendung von Lokalanästhetika die begrenzte Wirkung eine vorausschauende Schmerztherapie für die Zeit nach Abklingen des Blocks notwendig (7 Kap. 12). In der Übersicht finden sich analgetische Konzepte auf der Basis von Lokal- und Regionalanästhesien, wie sie in unserem Zentrum eingesetzt werden. Bei der Verwendung von kontinuierlichen zentralen Katheterverfahren werden Opioide bis zu einem Alter von 12 Jahren systemisch eingesetzt, erst bei älteren Kindern erfolgt die epidurale Anwendung. Paracetamol ist auf den Allgemeinstationen während der ersten Tage das Analgetikum der Wahl, wird aber spätestens am 3. postoperativen Tag zugunsten anderer Analgetika abgesetzt.
10
10.9
Schlussfolgerungen
Die zunehmende Anwendung von Regionalanästhesien im Kindesalter beruht zu einem großen Teil auf der gestiegenen Sensibilität gegenüber dem Faktor »Schmerz« im Kindesalter, zum anderen auf immer aggressiveren Op.-Techniken bei immer kleineren Kindern. Ihre Verwendung in der klinischen Praxis beschränkt sich inzwischen nicht nur auf den perioperativen Bereich, sondern hat ihren Platz sowohl in der intensivmedizinischen Therapie als auch der chronischen Schmerztherapie gefunden [52, 72, 91]. Da sich in den vergangenen Jahren Material, Medikamente und Methoden in allen Altersgruppen verbessert haben, sind derartige Verfahren auch bei kleinen Kindern anwendbar. Jedoch bestehen in wesentlichen Aspekten der Anatomie, Physiologie und Psychologie grundsätzliche Unterschiede zwischen Erwachsenen und Kindern. Regeln und Standards für Regionalanästhesien können nicht automatisch von Erwachsenen auf Kinder übertragen werden. Unter Beachtung dieser Besonderheiten und Limitationen können Regionalanästhesieverfahren in allen Altersstufen ein sicheres und nützliches Element des anästhesiologischen Managements im Operationssaal und auf der Intensivstation sein [15].
Im Einzelfall muss geprüft werden, welches Verfahren für welches Kind in dem eigenen Arbeitsbereich eingesetzt werden kann. Die Schwere des Eingriffs, der mögliche Nutzen für das Kind, die Infrastruktur eines Schmerzdienstes, Pflegekräfte, Eltern und Ärzte, die mit dem jeweiligen Verfahren umgehen können, helfen in der Auswahl des in Frage kommenden Verfahrens. Für den Fall von Komplikationen bei rückenmarknahen Katheterverfahren ist es unerlässlich, feste Algorithmen formuliert zu haben, diagnostische Einheiten (MRT, CT) und eine geeignete chirurgische OP-Einheit in kürzester Zeit zur Verfügung zu haben. Periphere Blockaden sind fast frei von schweren Nebenwirkungen und bilden daher auch als Einzeldosistechnik eine wesentliche Säule der perioperativen Schmerztherapie. Kombiniert mit systemisch applizierten Analgetika garantieren sie dem Kind ein schmerzfreies Erwachen aus der Narkose und eine schnelle Rückkehr zu den normalen Lebensgewohnheiten. Von den zentralen Nervenblockaden ist die Kaudalanästhesie die im Kindesalter am häufigsten durchgeführte Regionalanästhesie. Sie hat aufgrund des günstigen Risiko-Nutzen-Profils zu Recht einen festen Platz in der perioperativen Schmerztherapie für Eingriffe unterhalb des Nabels. Kaudale Punktionen gewähren den einfachsten Zugang zum Epiduralraum und bieten bei Verwendung von Kathetern eine effektive Analgesie über mehrere Tage, sind aber aus hygienischen Gründen nicht unumstritten. Das Vorschieben eines kaudalen Katheters bis in lumbale oder thorakale Segmente ist ausschließlich bei Kindern <1 Jahr möglich. Der wesentliche Nachteil einer lumbalen Epiduralanästhesie für abdominelle oder thorakale Eingriffe liegt in der Summierung potenzieller Komplikationen (Toxizität der Lokalanästhetika aufgrund hoher Injektionsvolumina, motorische Blockade der unteren Extremität, ggf. hämodynamische Reaktionen, Maskierung neurologischer Komplikationen durch Lokalanästhetikawirkung im Bereich der Cauda equina). Thorakale Katheterverfahren sind effektiv und in den Händen erfahrener Anwender sicher, müssen aber in jedem Fall einer strengen Indikationsstellung unterworfen werden. Sie sollten speziellen Zentren und spezialisierten Anästhesisten vorbehalten bleiben.
183 Literatur
Wichtig für eine rationale Schmerztherapie ist ein multimodaler Ansatz, in dem durch den Einsatz unterschiedlicher Pharmaka und Methoden die Nebenwirkungsrate gesenkt und der Wirkungsgrad gesteigert wird.
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Kapitel 10 · Regional- und Lokalanästhesie
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11 Schmerzhafte interventionelle Eingriffe P. Reinhold und P. Köster-Oehlmann 11.1
Einleitung – 188
11.2
Psychologische Hilfen – 188
11.3
Lokalanästhesie – 188
11.3.1 Schleimhaut- und perkutane Anästhesie – 188 11.3.2 Infiltrationsanästhesie – 189
11.4
Sedierende und analgosedierende Verfahren – 190
11.4.1 11.4.2 11.4.3 11.4.4
Voraussetzungen – 191 Leichte Sedierung – 193 Tiefe Sedierung – 196 Narkose – 200
11.5
Schmerzhafte medizinische Eingriffe im Einzelnen – 200
11.6
Fazit – 200 Literatur – 200
188
Kapitel 11 · Schmerzhafte interventionelle Eingriffe
)) 11.1
11
Einleitung
Bis zum Schulalter fehlt es dem Kind an Einsicht, sich mit seiner Krankheit und den notwendigen Diagnostik- und Therapiemaßnahmen soweit auseinanderzusetzen, dass es diese akzeptiert. Das Erdulden schmerzhafter Prozeduren bedeutet für das Kind Stress, eine adäquate Angst- und Schmerztherapie somit Stressreduktion. Erhöhte Morbidität und Mortalität durch unzureichende Stressprävention gerade auch bei sehr jungen Patienten sind u. a. von Anand et al. [3], die negativen Langzeiteffekte auf die psychische Entwicklung u. a. von der Arbeitsgruppe um Grunau [26] eindrucksvoll beschrieben worden. Häufige, repetitive Schmerzstimuli leiten Chronifizierungsprozesse ein. Inzwischen konnten schon bei Neonaten Zusammenhänge zwischen algetischer Reizüberflutung und molekularbiologischen neuronalen Veränderungen nachgewiesen werden [4]. Eine interventionelle Schmerztherapie trägt möglicherweise dazu bei, solche psychischen und somatischen Fehlentwicklungen zu verhindern. Eine gute Stressabschirmung bietet aber auch eine Verbesserung der interventionellen Untersuchungs- und Therapiebedingungen und leistet damit einen Beitrag zu Qualitätssicherung und -optimierung. Im Folgenden wird kurz auf psychologische Hilfen eingegangen, die allen Kindern vor, bei und nach medizinischen Eingriffen angeboten werden sollten, anschließend werden lokalanästhetische Möglichkeiten angeschnitten, die auch ohne zusätzliche systemisch wirkende Medikamente zum Einsatz kommen. Meist jedoch benötigt man bei medizinischen Eingriffen eine (Analgo-)Sedierung; wo diese nicht ausreicht, eine Narkose. Beginnend mit den Voraussetzungen für eine risikoarme Sedierung stellen wir einzelne Medikamente und abschließend – nach Indikationen geordnet – Therapieregime zur stressfreien Durchführung medizinischer Eingriffe vor.
11.2
Psychologische Hilfen
Für ein Kind bedeutet jegliche diagnostische oder therapeutische Intervention eine undefinierbare
Bedrohung. Deshalb braucht es Vertrautheit und verlässliche Beziehungen. Eine ehrliche, einfühlsame und altersentsprechende Darstellung der Intervention – selbst mit Benennung auch unangenehmer Empfindungen – zahlt sich ebenso aus wie eine klare Zielvereinbarung mit dem Patienten und die Einübung von Schmerzbewältigungsstrategien. Falsche Versprechungen bewirken einen schweren Vertrauensverlust des Kindes mit konsekutiver Einschränkung der Kooperationsfähigkeit (Einzelheiten 7 Kap. 7). Positive Verstärkung erfolgt durch Lob und Belohnung [36, 41]. Auch Essen und Trinken können Beruhigungsmittel darstellen: Von Bucher et al. konnte bei Neonaten eine signifikante Minderung der Stress- und Schmerzreaktion allein schon durch Lutschen von Sucrose nachgewiesen werden [13]. Die Beachtung des Biorhythmus kann ebenso vielfach hilfreich sein [54], indem die postprandiale Müdigkeit oder der natürliche Schlaf-Wach-Rhythmus bei der Wahl des Untersuchungszeitpunktes berücksichtigt werden und die Nachtruhe für unvermeidliche präoperative Nüchternheitsintervalle genutzt wird.
11.3
Lokalanästhesie
Lokalanästhetika schalten umschriebene unangenehme oder schmerzhafte Empfindungen aus, indem sie die Nervenzelldepolarisation verhindern und damit die Reizweiterleitung unterbinden. 11.3.1
Schleimhaut- und perkutane Anästhesie
Topisch aufgebrachte Lokalanästhetika sind gut geeignet, umschriebene Schmerzen bei Maßnahmen an der Körperoberfläche zu reduzieren. Sie sind einfach zu applizieren, und ihre Anwendung ist mit keinen weiteren Unannehmlichkeiten verbunden. Ein Lokalanästhetikum kann schnell und effektiv die Schleimhautbarriere überwinden und eignet sich deshalb vorzüglich zur Anästhesie vor iatrogenen Irritationen der Schleimhäute (lokalanästhetikahaltige Gleitgels oder Sprays in Nase, Anus oder Urethra vor Sonden- und Kathetereinführungen; z. B. 10%iges Lidocain-Spray oder 1–2 ml 2%iges Lidocain-Gel).
189 11.33 · Lokalanästhesie
11
. Tabelle 11.1. Dosisempfehlungen für Lokalanästhetika beim Kind (*Dosis bei Lokalanästhetikazubereitung mit Adrenalin 1:200000) Medikament
Maximaldosis nach Arthur et al. [6] [mg/kg]
Grenzdosis nach Niesel et al. [55] [mg/kg] subkutanes Gewebe
stark durchblutetes Gewebe
Prilocain
8,0
8,5
4,5
Lidocain
7,0
6,0 (7,5)*
3,0
Mepivacain
7,0
6,0 (7,5)*
3,0
Bupivacain
2,0
2,0
1,0
Lokalanästhetikahaltige Augentropfen lassen den Patienten eine ophthalmologische Untersuchung deutlich weniger unangenehm empfinden. Sie erleichtern somit auch dem Untersucher das Vorgehen. Sehr effektiv lässt sich z. B. die ophthalmologische Screeninguntersuchung bei Frühgeborenen mit folgenden Analgetika und nicht-pharmakologischen Komfortmaßnahmen durchführen: Untersuchung in gesättigtem Zustand des Kindes, »Facilitating tucking«; Hornhaut-/Bindehautanästhesie mit Oxybuprocain-Augentropfen 0,4 % (2–3 min vor dem eigentlichen Untersuchungsbeginn), orale Gabe von Saccharose- oder Glukoselösung (Heimann, persönliche Mitteilung 2002). Die gute Penetrationsfähigkeit der meisten Lokalanästhetika erfordert zur Vermeidung von Intoxikationen die strikte Beachtung der jeweiligen Maximaldosierungen (. Tabelle 11.1). Die Überwindung der intakten Cutis erfordert eine besondere Vorgehensweise: Die Lokalanästhetika-Iontophorese – in Deutschland nicht etabliert – oder die Applikation von EMLA® (»eutectic mixture of local anaesthetics«). EMLA® führt in Dosierungen von 0,5– 2,0 g zur präinterventionellen Analgesie zu einer signifikanten Schmerzreduktion bei Hautperforationen mittels venöser und arterieller Kanülen, bei Anlage perkutaner Katheter, bei Shuntpunktion bei Dialysepatienten und bei Lumbalpunktionen [5, 17, 21, 23, 32, 39, 58, 71]. Bei Einhaltung der Dosierschemata ist die Anwendung auch bei Frühgeborenen ab der 30. Gestationswoche sicher und effektiv [22, 23, 70, 71]. Selbst Repetitionsdosen im 8-h-Abstand sind erlaubt [61].
In Deutschland ist EMLA® für Neonaten ab der 37. Gestationswoche zugelassen. Von EMLA®-Anwendung zur kapillären Blutentnahme per Fersenstich ist wegen fehlender Wirksamkeit abzuraten [38, 49] (Weitere Einzelheiten 7 Kap. 9 und 17). 11.3.2
Infiltrationsanästhesie
Werden durch den geplanten Eingriff stark innervierte Körperareale bis in die Subkutis tangiert, sollte unter Ausnutzung eines EMLA®-anästhesierten Hautbezirks eine Infiltrationsanästhesie platziert werden. Trotz der im Vergleich zum Erwachsenen unterschiedlichen Pharmakokinetik reagieren Neonaten, Säuglinge und Kleinkinder nicht empfindlicher auf Lokalanästhetika [45]. Bei Kindern sind dennoch möglichst niedrigprozentige Lokalanästhetikalösungen zu bevorzugen. Wegen der hohen Resorptionsquote in gut durchblutetem Gewebe wurde von Niesel et al. [55] empfohlen, im Kindesalter die Dosis bei Injektion und Infiltration in Hals-, Gesichts- oder Beckenbodenbereich zu reduzieren (. Tabelle 11.1). Bei Überdosierungen drohen toxisch bedingte kardiale Rhythmusstörungen bis hin zur Asystolie sowie zerebrale Exzitationen bis hin zum epileptiformen Anfall mit evtl. konsekutivem Koma. Lokalanästhetika haben eine hohe Affinitiät zu α-Glykoprotein. Da dessen Spiegel in der Neonatalund Säuglingsphase erniedrigt ist, sind aufgrund erhöhter Serumspiegel freier Anteile der Lokalanästhetika bei dieser Patientengruppe eher toxische Effekte zu erwarten als bei älteren Kindern [42], wes-
190
Kapitel 11 · Schmerzhafte interventionelle Eingriffe
halb gerade im frühen Kindesalter die nominellen Maximaldosen möglichst nicht ausgereizt werden sollten. . Tabelle 11.1 listet die empfohlenen Lokalanästhetikadosierungen auf. Eine Infiltrationsanästhesie wird in aller Regel mit den kurzwirksamen Substanzen Lidocain und Mepivacain (Wirkdauer etwa 2 h) oder dem länger wirksamen Bupivacain (Wirkdauer 4–6 h) durchgeführt. Infiltrationsanästhesien bieten sich bevorzugt an zu Probebiopsien, Anlagen von Pleuradrainagen, untertunnelten Kathetern u. v. a. Für weitergehende Informationen, insbesondere auch zur Durchführung regionaler Analgesietechniken sei auf 7 Kap. 10 verwiesen.
11.4
11
Sedierende und analgosedierende Verfahren
Es muss differenziert werden zwischen unangenehmen und angstauslösenden Situationen, für die sinnvollerweise Sedierung oder Anxiolyse angebracht sind, und schmerzhaften Eingriffen, die mit lokalanästhetischen Verfahren nicht beherrscht werden können und deshalb einer Analgosedierung oder Narkose bedürfen. So erfordern viele diagnostische und therapeutische Verfahren der modernen Pädiatrie zur Ergebnisoptimierung einen kooperativen, zumindest einen sehr ruhigen Patienten (Koloskopie, CT, MRT, Szintigraphie und Strahlentherapie). Andere Verfahren lösen Ängste aus und erfordern trotz Analgesie mittels lokaler Schmerzausschaltung eine Anxiolyse oder medikamentöse Ruhigstellung (z. B. MRT wegen der damit verbundenen Geräuschentwicklung). Viele schmerzhafte Prozeduren lassen sich bei mangelnder Einsichtsfähigkeit des Patienten – oder weil ein lokales Verfahren nicht hinreichend ist – nur in tiefer Analgosedierung oder Narkose durchführen (z. B. Biopsien, Punktionen, Knochenmarkpunktionen, Ösophago-/Gastroskopien, Intubationen, Laryngo-/Bronchoskopien). Sedierung, Analgosedierung und Narkose werden gemäß den Definitionen der American Academy of Pediatrics [1] voneinander abgegrenzt (. Tab. 11.2). Die Übergänge sind jedoch fließend; der Wechsel vom einen zum anderen Verfahren geschieht durchaus auch unvorhergesehen. Es ist zu beachten,
. Tabelle 11.2. Definition der Sedationstiefe (American Academy of Pediatrics, AAP). (Zitiert nach [15]) Sedierung, Analgosedierung und Narkose nach AAP-Definition 5 Leichte Sedierung (»conscious sedation«) – Erhaltung protektiver Reflexe – volle Luftwegskontrolle ohne Hilfsmittel – Erweckbarkeit durch taktile und akustische Reize 5 Tiefe Sedierung (»deep sedation«) – Teilverlust protektiver Reflexe – teilweise fehlende Luftwegskontrolle – keine unmittelbare Erweckbarkeit 5 Anästhesie (»general anesthesia«) – totaler Verlust protektiver Reflexe – komplett fehlende Luftwegskontrolle – völlige Bewusstlosigkeit
dass die tiefe Sedierung trotz semantischer Ähnlichkeit keine Variante der leichten Sedierung, sondern eher eine Variante der Narkose darstellt mit allen daraus erwachsenden Konsequenzen [10]. ! Die 3 Sedierungstiefen lassen sich nicht pauschal einzelnen Interventionen und die Interventionen nicht einzelnen dazu notwendigen Sedierungstiefen zuordnen. Die jeweiligen Erfordernisse orientieren sich u. a. an der Verständigkeit der Kinder, dem Allgemeinzustand der Patienten, dem Ambiente und der Untersuchungstechnik.
Man sollte sich auf die Verwendung weniger Substanzen beschränken, diese aber gut in ihren Wirkungen und Nebenwirkungen einschätzen können [19]. So erheben die vorgestellten Sedierungsvarianten auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern spiegeln die persönlichen Vorlieben der Autoren wieder. Zur Sedierung, Analgosedierung und Narkose bei Kindern werden vielfach Substanzen und Applikationsvarianten eingesetzt sowie Indikationen gestellt, für die es keine Zulassung nach Arzneimittelgesetz gibt (»off label use«). Die Therapiefreiheit des Arztes und das medizinjuristische Konstrukt »Heilversuch« erlauben dennoch die Therapie mit diesen Substanzen, sie setzt jedoch eine entsprechende Aufklärung der Patienten bzw. Erziehungsberechtigten voraus (Übersicht in [63]).
191 11.4 · Sedierende und analgosedierende Verfahren
11.4.1
Voraussetzungen
Vor der Durchführung jeglicher medikamentöser Stressreduktionsverfahren ist eine Abklärung des interventionellen Vorgehens und eine orientierende Untersuchung mit Zuordnung des Gesundheitsstatus, z. B. entsprechend der ASA-Klassifizierung [1], obligat (. Tabelle 11.3). Aus Gründen der Patientensicherheit sollte man sich im Zweifelsfalle für die tiefe Sedierung oder ggf. für die Narkose – allerdings mit allen sich daraus ableitenden Konsequenzen – entscheiden [1, 15]. Unsere Empfehlungen zur personellen und technischen Ausstattung bei (Analgo-)Sedierungen sind vielerorts (noch) nicht realisiert und mögen überzogen anmuten. Es ist allerdings zu bedenken, dass noch vor wenigen Jahren die Forderung nach einem Anästhesisten pro Operationstisch nicht allgemein akzeptiert war, inzwischen jedoch forensisch vorausgesetzter Standard ist, der die Inzidenz schwerer Komplikationen drastisch zu senken vermochte. Die Kombination von wenig erfahrenem Personal mit unzureichender Ausrüstung/Monitoring und der Behandlungsnotwendigkeit in unerwarteten Situationen ist erfahrungsgemäß höchst komplikationsträchtig [10]. Selbstverständlich ist im Rahmen der Therapiefreiheit die Durchführung einer tiefen Sedierung nicht allein dem Anästhesisten vorbehalten. Im Komplikationsfall muss sich aber jeder Anwender
11
vor Gericht hinsichtlich seiner einschlägigen fachlichen Kompetenz an einem Facharzt für Anästhesie messen lassen.
Personelle Voraussetzungen Anwender jeglicher sedierender Verfahren müssen über Fähigkeiten und personelle Ressourcen verfügen, auch Notfallsituationen zu erkennen und sicher zu beherrschen. Eine leichte Sedierung bei Kindern der ASAKlassen I und II, also bei Patienten mit nicht sedierungs- oder anästhesierelevanten Erkrankungen (. Tabelle 11.3), wird von einem Arzt, der die Reanimation beherrscht, durchgeführt und überwacht. Bei Patienten der ASA-Klassen III und IV (Patienten mit schwerer systemischer bzw. schwerster, lebensbedrohlicher Erkrankung) und bei allen tiefen Sedierungen muss neben dem fachkundigen Arzt eine weitere anästhesiologisch/intensivtherapeutisch ausgebildete Person zur Verfügung stehen, die nicht identisch mit dem Untersucher sein darf und deren alleinige Aufgabe die kontinuierliche Überwachung der Vitalparameter ist. Da die tiefe Sedierung eine Variante der Narkose darstellt, sind hier nahezu die gleichen Anforderungen an Überwachung und fachliche Qualifikation zu fordern wie bei einer Narkose. Letztere sollte selbstverständlich ein Anästhesist durchführen.
. Tabelle 11.3. Patientenklassifizierung der American Society of Anesthesiologists, ASA Status
Definition
Beispiel
ASA I
Gesunder Patient
Unauffällige Anamnese
ASA II
Patient mit geringfügiger, nicht anästhesierelevanter Erkrankung
Mildes Asthma bronchiale; Diabetes mellitus, zerebrale Krampfanfälle, medikamentös gut eingestellt; leichte Anämie
ASA III
Patient mit gravierender Störung des Allgemeinzustandes
Pneumonie; moderate Adipositas; unbefriedigend eingestellte chronische Erkrankung wie Epilepsie, Diabetes mellitus, Asthma bronchiale
ASA IV
Patient mit schwersten, potenziell lebensbedrohlichen Störungen des Allgemeinzustands
Schwere bronchopulmonale Dysplasie; Sepsis; fortgeschrittene chronische Erkrankung mit Anzeichen der pulmonalen, kardialen, hepatischen, renalen oder endokrinen Insuffizienz
ASA V
Moribunder Patient
Septischer Schock; schweres Trauma
192
Kapitel 11 · Schmerzhafte interventionelle Eingriffe
. Tabelle 11.4. Empfehlung zur Nahrungskarenz vor Sedierung/Narkose Alter
Milchprodukte, Muttermilch
Feste Nahrung
Klare Flüssigkeiten
<6 Monate <3 Jahre >3 Jahre
4h 6h –
– 6h 6–8 h
2h 2h 2h
Cave: Magenentleerungsstörungen! Auch Stress verzögert die Magenentleerung!
Name: ……………………………
Geb. Dat.: …………
Gewicht: …… kg (gewogen am: …………)
i.v.-Medikament
Konzentration
Dosis pro kgKG
Dosis in ml/kgKG
Einzeldosis in ml
Adrenalin
1 Amp. auf 10 ml NaCl 0,9% ⇒ 1:10 000 ⇒ 0,1 mg/ml
0,05 mg/kg i.v.
0,5 ml × . . . . . . kg
. . . . . ml
Atropin
1 Amp. auf 10 ml NaCl 0,9% ⇒ 1:10 ⇒ 0,05 mg/ml
0,01 mg/kg i.v.
0,2 ml × . . . . . . kg
. . . . . ml
NaHCO3 8,4%
0,5 mval/ml wenn mit Aqua 1:1 verdünnt
0,5 mval/kg i.v.
1 ml × . . . . . . kg
. . . . . ml
Hydroxyäthylstärke HÄS 6% 200 000
unverdünnt
5–10 ml/kg i.v.
5 ml × . . . . . . kg
. . . . . ml
Naloxon (Narcanti®)
1 Amp. auf 10 ml NaCl 0,9% ⇒ 1:10 ⇒ 0,04 mg/ml
0,001–0,01 mg/kg i.v.
0,025–0,25 ml × . . . . . . kg
. . . . . ml
Flumazenil (Anexate®)
1 Amp. auf 10 ml NaCl 0,9% ⇒ 1:10 ⇒ 1 ml = 0,01 mg
0,01 mg/kg i.v.
1 ml × . . . . . . kg
. . . . . ml
Vecuroniumbromid (Norcuron®)
1 mg/ml
Intubationsdosis 0,1 mg/kg
0,1 ml × . . . . . . kg
. . . . . ml
Succinylcholin 1%
1 mg/ml
Intubationsdosis < 1 Jahr: 2 mg/kg > 1 Jahr: 1–1,5 mg/kg
. . . ml × . . . . . . kg
. . . . . ml
11
Cave: Die Antagonisten Flumazenil und Naloxon können u.U. kürzer wirksam sein als die entsprechenden Agonisten.
Arzt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Berechnungsdatum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. Abb. 11.1. Notfallkarte für Komplikationen während der Sedierung
193 11.4 · Sedierende und analgosedierende Verfahren
Nüchternheit Bei allen Sedierungs- und Narkoseformen sollten vorsorglich die »präoperativen Nüchternheitsregeln« beachtet werden (. Tabelle 11.4).
Technische Ausstattung Empfehlenswert ist das vorherige Ausfüllen einer individuellen Notfallmedikationskarte (. Abb. 11.1) für den Fall von Komplikationen während der Sedierung. Bei allen tiefen Sedierungen, aber auch bei leichten Sedierungen schwerkranker Patienten, sollte in Übereinstimmung mit der American Academy of Pediatrics (AAP) das obligate Equipment eingesetzt werden (serielle Blutdruck-, Puls-, Atemfrequenzoder endtidale CO2-Messung sowie pulsoxymetrische Überwachung) und eine Basisausstattung mit Absaugmöglichkeit, Maskenbeatmungsvorrichtung mit O2-Supplementierung, Reanimationsmöglichkeit, autarker Versorgungsgegebenheit für mindestens 60 min und altersadaptiertem Defibrillator bereitgestellt werden [1]. Prinzipiell sollten auch bei leichten Sedierungen alle Überwachungsmöglichkeiten, die für das nächsttiefere Sedierungsstadium notwendig sind, vorhanden sein. Eine schriftliche Handlungsanweisung in Form eines Ablaufschemas für Notfälle ist sehr empfehlenswert, insbesondere wenn das Team (noch) nicht optimal aufeinander eingespielt ist.
Aufklärung Jegliche ärztliche Intervention stellt eine Körperverletzung dar, die der Aufklärung und Einwilligung des Patienten bzw. seines/seiner Erziehungsberechtigten bedarf. Aus forensischen Gründen ist eine schriftliche Dokumentation dringend zu empfehlen; das gilt selbstverständlich auch für invasive Analgesie- und Sedierungsverfahren. Bei repetitiven Interventionen empfiehlt sich eine Vereinbarung mit dem Patienten bzw. seinen Erziehungsberechtigten, die die Aufklärung über und Einwilligung in alle in einem Behandlungsabschnitt typischerweise durchzuführenden Maßnahmen umfasst.
Protokollierung Zur ordnungsgemäßen Durchführung gehört eine sorgfältige, umfassende Dokumentation aller Anordnungen, durchgeführten Maßnahmen und Medikamentenapplikationen (Dosierung, Applikationsort und -art) ebenso wie die der erhobenen Vi-
11
talparameter (Blutdruck, Puls, Atemfrequenz, SpO2 und evtl. Herzfrequenz) im 5-min-Raster (. Abb. 11.2 a).
Anordnungen nach dem Eingriff, Entlasskriterien bei ambulanten Eingriffen Art und Umfang der Überwachung und Entlasskriterien bei ambulanten Eingriffen sind vom Arzt am Ende der Sedierung schriftlich festzulegen (. Abb. 11.2 b). 11.4.2
Leichte Sedierung
Benzodiazepine Zur leichten Sedierung eignen sich Benzodiazepine, z. B. Midazolam [63]. Aufgrund seiner Wasserlöslichkeit kann Midazolam intravenös, oral, rektal, nasal oder intramuskulär verabreicht werden (. Tabelle 11.5). Zur Sedierung während der Intervention ist die intravenöse Titrierung am sinnvollsten; die regelhafte intramuskuläre Applikation ist obsolet. Die intravenöse Applikation von Midazolam zur Sedierung ist bei Patienten ab 14 Jahren zugelassen. Eine eng umschriebene Dosis-Wirkungs-Beziehung gibt es nicht, deshalb ist eine Titrierung notwendig; diese läßt sich nur intravenös sinnvoll durchführen. Mit einer intravenösen Applikation von 0,1 mg/kg KG lässt sich bereits nach 1–2 min eine flache Sedierung induzieren. Bereits Dosierungen von 0,4 mg/ kg KG bei Säuglingen und 0,3 mg/kg KG bei Kleinkindern induzieren regelmäßig eine tiefe Sedierung [56] (. Tabelle 11.5). Bei jüngeren Kindern erfordert der orale Applikationsweg wegen des bitteren Geschmacks, der allen Benzodiazepinen eigen ist, die Vermischung der Ampullenlösung mit Geschmackskorrigenzien, z. B. unverdünntem Sirup; darüber hinaus ist der Wirkungseintritt weniger prompt [8, 51]. Für ältere Kinder stehen Tabletten zur Verfügung (. Tabelle 11.5). Mit der intranasalen Midazolamgabe (Applikationsart ohne Zulassung) kann zuverlässig ein ähnlicher Effekt wie mit der intravenösen Injektion erzielt werden. Die intranasale Verabreichung ist wegen des bitteren Geschmacks beim Herunterlaufen der Tropfen an der Rachenwand nicht sonderlich beliebt, kann aber zur Komplettierung einer insuf-
194
Kapitel 11 · Schmerzhafte interventionelle Eingriffe
a)
11
. Abb. 11.2 ab. Überwachungsbogen bei Sedierungen. a Vorderseite. b Rückseite. Copyright B. Zernikow 1999. Copyright B. Zernikow 1999.
195 11.4 · Sedierende und analgosedierende Verfahren
b)
11
196
Kapitel 11 · Schmerzhafte interventionelle Eingriffe
. Tabelle 11.5. Dosier- und Applikationshinweise zu Midazolam
11
Applikationsweg
Midazolam Dosis [mg/kg]
Wirkeintritt [min]
Bemerkungen
Intravenös
0,1
1–2
–
Peroral
0,4–0,5
25–35
Effekt nicht zuverlässig
Rektal
0,5–0,7
15
Effekt prompt
Intranasal
0,2–0,3
8–10
Applikation unangenehm, Effekt prompt
fizienten Sedierung nach peroraler Midazolamgabe in Erwägung gezogen werden [29, 44] (. Tabelle 11.5). Die rektale Applikation (Anwendung erfolgt im »off label use«) ist sehr günstig, da ein zuverlässiger Wirkeintritt bei meist erhaltener Kooperativität resultiert [33, 34] (. Tabelle 11.5). Zur Vorbereitung, als eine Art Prämedikation für eine Intervention, bieten sich die nichtinvasiven Applikationsverfahren an, wobei man sich in deren Auswahl von den Wünschen und Vorlieben der Patienten leiten lassen kann. Für die Anwendung von Midazolam zur leichten Sedierung sprechen die induzierte ausgeprägte Anxiolyse und die anterograde Amnesie, also der Verlust der Erinnerung an Zeiträume direkt nach der Applikation [51, 56]. Von Vorteil sind auch die geringe Beeinflussung der Hämodynamik, die minimale Irritation des Bronchialsystems, die Anhebung der Krampfschwelle, die zentral muskelrelaxierende Wirkung sowie die gute Steuerbarkeit bei kurzer Anschlagzeit. Manchmal wird störende Hypersalivation beobachtet. Selten treten Ataxie, Emesis und Erregungszustände auf. Benzodiazepine gewährleisten keine so weitgehende Ruhigstellung, wie sie für bildgebende Verfahren erforderlich ist. Alternativ wird in manchen Abteilungen Diazepam eingesetzt. Diazepam bietet aber keine Vorteile, da es eine deutlich ungünstigere Kinetik als Midazolam hat [69], eine geringere Anxiolyse und keine anterograde Amnesie bewirkt. Zudem stören die paradoxen Reaktionen (bis zu 10 %) unter Diazepam [34].
Chloralhydrat Dieser halogenhaltige Kohlenwasserstoff wird in einer Dosierung von 50–100 mg/kg KG p. o. oder 75 mg/kg KG rektal eingesetzt. Nachteilig ist seine lange Anschlagzeit von 30–45 min, seine Wirkdauer von bis zu 8 h sowie gelegentliches Auftreten von Nausea und Emesis [30]. Greenberg et al. erzielten mit 100 mg/kg KG peroral in 91 % eine adäquate Sedierung zur CT-Untersuchung, wobei die Effizienz bei mehr als 4 Jahre alten Kindern deutlich schlechter war (81 %) als bei den jüngeren [25]. In vielen Studien wurde deshalb Chloralhydrat mit anderen Sedativa kombiniert, um den Wirkungsgrad zu erhöhen. Für weitergehende Informationen wird auf die Publikation von Dübbers et al. [19] verwiesen.
Chlorprothixen Chlorprothixen (2 mg/kg KG peroral) führt zu einer leichten Sedierung. Zu beachten ist jedoch die für Neuroleptika typische Senkung der Krampfschwelle. Auch sind ausgeprägte anticholinerge Wirkungen und Orthostasestörungen beschrieben worden. 11.4.3
Tiefe Sedierung
Propofol Zur nächsttieferen Sedierungsstufe eignet sich insbesondere das Phenolderivat Propofol. Es ist ein Hypnotikum mit schnellem Wirkungseintritt und kurzer Wirkungsdauer ohne analgetischen Effekt [66]. Bei schmerzhaften Eingriffen muss es deshalb entweder mit einem lokal oder einem
197 11.4 · Sedierende und analgosedierende Verfahren
systemisch wirksamen Analgetikum kombiniert werden. Das wasserunlösliche Propofol ist für den klinischen Einsatz als 1- oder 2 %ige Öl-in-WasserEmulsion aufbereitet. Die gute Akzeptanz, die Propofol seit seiner Einführung gefunden hat, gründet sich v. a. auf dessen günstige pharmakokinetische Eigenschaften: Bewusstseinsverlust tritt binnen 20 s nach i.v.-Verabreichung bei Monoanwendung für 4–10 min ein; im Kleinkindesalter beträgt die Wirkdauer etwa 15 min. Bei rascher Metabolisierung wird Propofol nahezu vollständig durch Glucuronidierung und Sulfatierung in inaktive Metabolite abgebaut; selbst bei Neonaten und Säuglingen mit Leberinsuffizienz gibt es kaum Einschränkungen der Clearance [60, 76]. Propofol hat sich zur Sedierung unter Spontanatmung – auch bei Säuglingen – bei radiologischen Interventionen, z. B. zum MRT, bewährt [40]: Atropin 0,02 mg/kg KG oral, Propofol-Bolus 1 mg/kg KG i.v., anschließend 8–6 mg/kg KG/h i.v. [74]. Eine andere Möglichkeit: Propofol-Bolus 3 mg/kg KG i.v., Aufrechterhaltung mit Repetitivboli von 1–2 mg/kg KG i.v. etwa alle 15 min [62]. Auch zur Koloskopie und Ösophagogastroskopie wird es im Kindesalter erfolgreich eingesetzt: So war in einer Studie von Lesmes et al. eine »i.v.loading-dose« Propofol 3 mg/kg KG, gefolgt von 6 mg/kg KG/h kontinuierlich, einer Pethidin-/Midazolam-Sedierung bei 1- bis 14-jährigen Kindern deutlich überlegen [43], wenngleich von anderen Autoren unter Sicherheitsaspekten und wegen besserer Untersuchungsbedingungen eine Allgemeinanästhesie bevorzugt wird [28, 37]. Zur Sedierung bei oralen Eingriffen wird ebenfalls auf Propofol zurückgegriffen [75], zumal man die antiemetische Wirkung von Propofol vorteilhaft ausnutzen kann [11]. Propofol ist inzwischen europaweit zur Narkose bei Kindern ab dem vollendeten 1. Lebensmonat zugelassen; aufgrund des Propofolinfusionssyndroms ist diese Substanz derzeit aber nicht zur Langzeitsedierung im Kindesalter zugelassen [12]. Da die Dosierungen und die Infusionszeiten zur Sedierung bei interventionellen Eingriffen eher der Anwendung bei Narkosen entsprechen, dürfte die fehlende Zulassung zur Sedierung in diesem Zusammenhang irrelevant sein [62].
11
! Propofol hat vagusstimulierende Eigenschaften, weshalb eine Bradykardierate von 10–20 % [67], und dies eher bei jüngeren als bei älteren Kindern [7], nicht überrascht. Gerade bei jüngeren Kindern sollte deshalb auch im Hinblick auf den stark frequenzabhängigen »cardiac output« großzügig Atropin eingesetzt werden. Da das Atemzentrum bei Neonaten und Säuglingen noch sehr instabil ist, verwundert es nicht, dass nicht selten Apnoephasen von 20–30 s Dauer auftreten. Davon abgesehen, beeinträchtigt Propofol auch bei Säuglingen und Kleinkindern in Dosierungen von 3 mg/ kg KG i.v. die Ventilation und Oxygenierung kaum. Da Propofol einen Injektionsschmerz verursachen kann, empfiehlt es sich, Propofol mit Lidocain zu mischen (1 mg Lidocain auf 2 ml 1- oder 2%ige Propofollösung [27]).
Die Langzeitapplikation (>48 h) von Propofol in hoher Dosierung (>4 mg/kg KG × h) birgt das seltene Risiko des potenziell letal verlaufenden PropofolInfusions-Syndroms [12]. Die Kardinalsymptome sind u. a. plötzlich einsetzende Bradykardie bis hin zur Asystolie, metabolische Azidose, Lipämie, Rhabdomyolyse. Im Kindesalter ist Propofol wegen des PropofolInfusions-Syndroms generell nicht zur Sedierung zugelassen, aber laut Hypothese von Vasile et al. [76a] zur Genese des Propofol-Infusions-Syndroms sollte dieses Medikament bei Patienten mit schwerer neurologischer Erkrankung, mit Sepsis und mit Multiorganversagen, insbesondere unter Therapieeinsatz von Katecholaminen und/oder Kortikosteroiden überhaupt nicht (auch nicht für kurze Zeit) zum Einsatz kommen.
Ketamin Mit Ketamin steht ein weiteres Pharmakon zur tiefen Sedierung bei Kindern zur Verfügung, insbesondere wenn eine analgetische Wirkkomponente im Vordergrund stehen soll. Ketamin wirkt am N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptor im Gehirn und Rückenmark und hemmt die aufsteigenden nozizeptiven Afferenzen. Dieser Effekt tritt bereits in niedrigen subanästhetischen Dosierungen auf. Ketamin ist ein Phencyclidinderivat, das als Razemat vorliegt. Das S(+)-Enantiomer ist analgetisch und narkotisch wirksamer und die R(–)-Va-
198
11
Kapitel 11 · Schmerzhafte interventionelle Eingriffe
riante bronchodilatatorisch effektiver. Derzeit sind in Deutschland das Razemat als Ketamin® und die S(+)-Variante als Ketanest S® erhältlich. Ketamin zeichnet sich durch einen raschen Wirkungseintritt und eine kurze Wirkdauer aus; der Abbau erfolgt oxidativ zum schwach aktiven Metaboliten Norketamin [14], der weiter verstoffwechselt oder nach Glucuronidierung renal ausgeschieden wird. Ketamin wird bevorzugt intravenös appliziert. Wegen seiner größeren analgetischen und narkotischen Potenz sowie der unten beschriebenen geringeren Inzidenz an psychomimetischen Nebenwirkungen wird inzwischen vielfach das S(+)-Enantiomer bevorzugt, dessen Dosierung gegenüber der des Razemates zu halbieren ist [35]. Zur tiefen Sedierung werden 0,5–1,0 mg/kg KG S(+)-Ketamin intravenös injiziert, wobei mit einer Dosis von 1,0 mg/kg KG bei manchen Kindern schon ein narkotisches Stadium erreicht ist. Zur Weiterführung sind entweder Repetitionsdosen alle 10–15 min oder eine kontinuierliche Gabe von 1 bis 2 mg/kg KG/h erforderlich. Dachs et al. [16] setzten Ketaminrazemat in einer Dosierung von 1–2 mg/kg KG sehr erfolgreich ein bei kurzen schmerzhaften Maßnahmen in der Kindernotfallambulanz. Parker et al. [57] kombinierten effektiv und sicher Ketamin und Midazolam zur Analgosedierung für diagnostische und therapeutische Maßnahmen bei 4 Monate bis 17 Jahre alten Kindern in folgenden Dosierungen: Midazolam 0,05–0,1 mg/kg KG i.v. plus Ketamin-Razemat 1–2 mg/kg KG i.v. . Zur eventuellen Fortführung wird Ketamin in einer Repetitionsdosis von 0,5–1 mg/kg KG i.v. appliziert. Nach einer Interventionszeit von 15–120 min hatten sich mehr als 70 % der Patienten innerhalb von 30 min wieder erholt. Ähnlich gute Ergebnisse wurden unter einem vergleichbaren Regime auch von anderen Autoren publiziert [48, 65]. Durch die Kombination von Ketamin mit Propofol statt Midazolam läßt sich die Erholungszeit noch weiter verkürzen [35]. Von der intramuskulären Applikationsweise (Dosis: 2–3 mg/kg KG S(+)-Ketamin) sollte nur ausnahmsweise Gebrauch gemacht werden. Im »off label use« lässt sich Ketamin auch oral und rektal (Dosis: 5 mg/kg KG S(+)-Ketamin, Anschlagzeit 30–45 min) einsetzen, wenn das Legen eines intravenösen Zugangs äußert schwierig ist
und ein nichtinvasiver Verabreichungsweg genutzt werden soll [73]. In o.g. Dosierung und bei langsamer Injektion führt Ketamin kaum zur Atemdepression, auch die pharyngealen Reflexe bleiben weitgehend erhalten. Da unerwartete Apnoen bei der Ketaminanwendung nicht gänzlich ausgeschlossen werden können [50], sollte diese Substanz bei prämaturen Neonaten mit Zurückhaltung und großer Vorsicht appliziert werden [72]. Hervorzuheben ist der gute bronchodilatatorische Effekt, weshalb das Ketaminrazemat gerade bei Patienten mit asthmoider Erkrankung sehr vorteilhaft eingesetzt werden kann. Kreislaufdepressionen nach Ketamin sind die Ausnahme, da die ketaminvermittelte Sympathikussteigerung gerade bei hypotonen und hypovolämen Patienten den Blutdruck stabilisiert. Bei sehr rascher Injektion können sogar hypertensive Krisen hervorgerufen werden. ! Ketamin verursacht eine Hypersalivation, die eine prophylaktische Vorgabe eines Vagolytikums (z. B. Atropin) erfordert.
Gelegentlich kann die Anwendung von Ketamin in der Erholungsphase von psychomimetischen Reaktionen begleitet sein, die nicht selten als Alpträume beschrieben werden. Wenngleich bei Kindern unter 10 Jahren diese Nebenwirkung geringer und seltener sein soll und auch der Einsatz von S(+)-Ketamin deren Inzidenz weiter reduziert haben soll, erscheint es dennoch empfehlenswert, Ketamin mit Propofol oder Midazolam zu kombinieren, um derartige unerwünschten Effekte zu unterdrücken. Kontraindikationen sind: 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5
Alter < 3 Monate (relative Kontraindikation), Instabilität der Atemwege, Trachealstenose, Prozeduren mit Stimulation des hinteren Pharynx (relative Kontraindikation), frische Infektion der Luftwege, Tachykardie , Pulmonalstenose, arterielle Hypertension, Hirndruck (relative Kontraindikation), Glaukom, Hyperthyreose, Psychosen.
199 11.4 · Sedierende und analgosedierende Verfahren
11
. Tabelle 11.6. Vorschläge zur Analgesie und/oder Sedierung bei Interventionen im Kindesalter Altersgruppe/ Intervention
Neonaten
Kleinkinder
Schulkinder
Jugendliche
Venenpunkion
EMLA®
EMLA®
EMLA®
–
Arterienpunktion
EMLA®
EMLA®
EMLA®
EMLA®
Fersenstich
i.v.-Entnahme
–
–
–
BZ-Stix
EMLA®
EMLA®
EMLA®
EMLA®
Lumbalpunktion
EMLA®
EMLA®
EMLA®
EMLA®
Ventrikelpunktion
EMLA®
–
–
–
Blasenpunktion
EMLA® + Infiltration
EMLA® + Infiltration
EMLA® + Infiltration
EMLA® + Infiltration
Leberpunktion
EMLA® + Infiltration
EMLA® + Infiltration
EMLA® + Infiltration
EMLA® + Infiltration
Knochenmarkpunktion
Ketamin + Propofol
Midazolam + Ketamin
Midazolam + Ketamin
Midazolam + Ketamin
Hautbiopsie
EMLA®
EMLA®
EMLA®
EMLA®
Muskel-PE
Narkose
Midazolam + Narkose
Midazolam + Narkose
Midazolam + Narkose
Pleuradrainanlage
Infiltration + Narkose
Midazolam + Infiltration + Narkose
Midazolam + Narkose oder Regionalanästhesie
Midazolam + Narkose oder Regionalanästhesie
Verbandswechsel
Ketamin + Propofol
Ketamin + Propofol
Ketamin + Propofol
Ketamin + Propofol
Primäre Wundversorgung
EMLA®, Ketamin + Propofol
EMLA®, Ketamin + Propofol
Infiltration, Ketamin + Propofol
Infiltration, Ketamin + Propofol
Primäre Frakturversorgung
Narkose
Midazolam + Narkose
Midazolam + Narkose oder Regionalanästhesie
Midazolam + Narkose oder Regionalanästhesie
Elektive Intubation
Alfentanil/ Propofol oder Fentanyl/Etomidat + Relaxans
Alfentanil/ Propofol oder Fentanyl/Etomidat + Relaxans
Alfentanil/ Propofol oder Fentanyl/Etomidat + Relaxans
Alfentanil/ Propofol oder Fentanyl/Etomidat + Relaxans
CT-Untersuchung
Propofol oder Narkose
Propofol
(Midazolam)
(Midazolam)
NMR-Untersuchung
Propofol oder Narkose
Propofol
(Midazolam)
(Midazolam)
Narkose Narkose Narkose Propofol
Midazolam/Narkose Narkose Propofol Propofol
Midazolam/Narkose Narkose Propofol Propofol
Endoskopie 5 Tracheobronchial – flexibel – starr 5 Gastro-ösophageal 5 Kolorektal
Narkose Narkose Narkose Propofol oder Narkose
200
11.4.4
Kapitel 11 · Schmerzhafte interventionelle Eingriffe
Narkose
Erscheint auch eine tiefe Sedierung nicht ausreichend für die geplante Intervention oder muss die Intervention zu einer Operation ausgeweitet werden, sind Regionalanästhesie und/oder Narkose indiziert. Bei Eingriffen außerhalb des Operationssaals haben sich die totalintravenösen Anästhesieverfahren unter Verwendung von Remifentanil oder Alfentanil zusammen mit Propofol oder die Kombination von Ketamin und Propofol besonders bewährt [18, 31, 46, 47, 53]. Gerade bei onkologisch erkrankten Kindern ist wegen des Stresses bei den häufig repetitiven diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen die Durchführung einer solchen Narkose auf der Station anstatt im Operationssaal vorteilhaft; adäquates Equipment und fachliche Kompetenz sind dabei selbstverständliche Herausforderungen [76b].
empfohlen [59, 68], sondern häufig auch in praxi versucht, durch Erhöhung der Sedativadosis ohne zusätzliche Analgetika eine Schmerzunterdrückung herbeizuführen. Eine solche Vorgehensweise ist jedoch unsinnig: das Kind erfährt den Schmerz, wird jedoch nur daran gehindert, diesen zu kommunizieren; die sich daraus entwickelnden postprozeduralen Verhaltensstörungen sind nicht abschätzbar; außerdem werden unnötigerweise die Stressparameter gesteigert, erhöhte Sedativanebenwirkungsraten inkaufgenommen und zudem u. U. die prozedurale Qualität eingeschränkt. Der Schlüssel, eingriffsbedingte Schmerzen optimal zu managen, liegt in der analgetischen Antizipation [2, 9]. Auch eine Wachintubation bei Neonaten, wie vielfach geübt und in der angloamerikanischen Literatur beschrieben [20, 78], ist inakzeptabel.
11.6 11.5
11
Schmerzhafte medizinische Eingriffe im Einzelnen
Die adäquate Wahl der Methode zur (Analgo-)Sedierung hängt ab von Alter, Einsichtsfähigkeit, Angst und Schmerzschwelle des Patienten sowie von den Randbedingungen der speziellen Maßnahme wie Ambiente, Grad der Ruhigstellung, Zeitdruck und Planbarkeit. . Tabelle 11.6 gibt eine Übersicht über Maßnahmen zur Stressreduktion bei verschiedenen Interventionen. Der wesentliche Unterschied zwischen unseren oben genannten Vorschlägen und den Empfehlungen des amerikanischen »Subcommitee on Management of Pain Associated with Procedures in Children with Cancer« betrifft die Verwendung von Midazolam bei Säuglingen und Kleinkindern in Kombination mit Opioiden/Opiaten, z. B. mit Morphinsulfat, in einer Dosierung von 0,05–0,1 mg/kg KG intravenös, oder Fentanyl 0,001–0,002 mg/kg KG intravenös bei Knochenmarkpunktionen, Drainageanlagen und Inzisionen [77]. Ob die amerikanischen Vorgehensweisen effizienter und sicherer sind als die hier empfohlenen Vorgehensweisen, ist nur schwer zu beurteilen. Wenngleich mit Ausnahme des Ketamin die vorgestellten Sedativa keine analgetischen Eigenschaften haben, wird nicht nur in der Literatur
Fazit
Im Interesse der jungen Patienten sollten sich die Anästhesisten der Versorgung der Kinder bei schmerzhaften und/oder unangenehmen Interventionen nicht entziehen, sondern organisatorische Voraussetzungen treffen, damit eine sichere und komplikationsarme Durchführung von (Analgo-) Sedierung bzw. Allgemein- oder Regionalanästhesien gewährleistet wird [45]. An situationsgerechten Behandlungsmethoden besteht kein Mangel.
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11
12 Postoperative Schmerztherapie bei Kindern und Jugendlichen R. Sittl, N. Griessinger, K. Becke, C. Geiß und D. Märkert 12.1
Einleitung – 206
12.2
Schmerzmessung – 206
12.3
Medikamentöse Schmerztherapie – 206
12.3.1 Applikationswege von Analgetika – 206 12.3.2 Medikamente zur postoperativen Schmerztherapie – 207 12.3.3 Regionalanästhesiologische Verfahren – 210
12.4
Organisation der postoperativen Schmerztherapie bei Kindern am Beispiel des Erlanger Akutschmerzdienstes (ASD) – 212
12.5
Fazit – 215 Literatur – 215
206
Kapitel 12 · Postoperative Schmerztherapie bei Kindern und Jugendlichen
)) 12.1
12
Einleitung
Der postoperative Schmerz bei Kindern wird in den meisten Kliniken unzureichend behandelt [2, 29]. Kinder erhalten weniger, seltener und darüber hinaus noch schwächere Analgetika als Erwachsene [6]. Neuroanatomische und neurophysiologische Erkenntnisse zeigen allerdings, dass Kinder gleiches Schmerzempfinden wie Erwachsene haben. Demnach muss man bei Kindern von einer erheblichen schmerztherapeutischen Unterversorgung ausgehen [2, 7]. Dafür wesentliche Ursachen sind in mangelnden schmerz-physiologischen und -pharmakologischen Grundkenntnissen der verantwortlichen Ärzte zu suchen. Unzureichende Überwachungsmöglichkeiten und damit verbunden die – berechtigte – Angst vor ernsten Nebenwirkungen führen auch bei engagierten Kollegen immer wieder dazu, Kindern eine effektive Schmerztherapie vorzuenthalten. In verschiedenen Ländern wurden Empfehlungen zur postoperativen Schmerztherapie bei Kindern veröffentlicht [11, 17, 34]. Auch in Deutschland findet die Kinderschmerztherapie in den Empfehlungen einer interdisziplinären Expertenkommission zur Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen Berücksichtigung [33]. Eine konsequente Umsetzung der dort dargestellten Therapiemöglichkeiten bei Kindern erscheint umso dringlicher, weil durch den Einsatz kurz wirksamer Substanzen in der Narkoseführung (Remifentanil, Sevofluran) neue Anforderungen an die frühe postoperative Schmerztherapie gestellt werden.
12.2
Schmerzmessung
Voraussetzung für eine effektive adaptierte Schmerztherapie ist eine altersgerechte Schmerzmessung. In der täglichen Praxis wird die Schmerzbeurteilung durch die bei Kindern schwierige Differenzierung von Angst und Schmerz erschwert. Bei Kindern bis zum 3. Lebensjahr empfiehlt sich die Verwendung von Fremdbeurteilungsskalen, die physiologische und verhaltensrelevante Parameter erfassen. Verbreitet sind der objektive Schmerzscore [8] und die kindliche Unbehagensund Schmerzskala (KUSS, 7 Anhang B und [9]). Ab
dem 4. Lebensjahr können bereits Skalen zur Selbsteinschätzung erfolgreich eingesetzt werden, wobei die Smiley-Skala die bekannteste ist. Ab dem 6.–7. Lebensjahr haben sich in unserer Klinik Analogskalen mit einem Skalenbereich von 0–10 bewährt (7 Kap. 4 sowie Anhang B). Durch genaue Beobachtung, Untersuchung und gezielte Fragen müssen neben der Schmerzstärke in Ruhe und Belastung auch Informationen über Schmerzcharakter, -dauer und -lokalisation erhoben werden. Eltern sind bei der Informationsgewinnung mit einzubeziehen (7 Kap. 4).
12.3
12.3.1
Medikamentöse Schmerztherapie Applikationswege von Analgetika
Bereits präoperativ kommen Nichtopioide (Ibuprofen, Paracetamol) in Form von Suppositorien zum Einsatz. Postoperativ empfiehlt sich die intravenöse Gabe von kleinen Analgetikamengen, wodurch der erwünschte Effekt schnell und einfach durch Titration erreicht werden kann. Eine i.m.-Analgetika-Injektion ist bei Kindern generell abzulehnen; Kinder ertragen ihre Schmerzen lieber, als dass sie sich i.m. injizieren ließen. Bei länger anhaltenden starken Schmerzen (>24 h Dauer) ist eine kontinuierliche Analgetikazufuhr per Spritzenpumpe anzustreben, wobei die Injektionsgeschwindigkeit je nach Schmerzintensität im Abstand von 2–4 h angepasst werden sollte. Sogenannte »Schmerztropfs« (Infusionsflaschen mit Analgetika) sind wegen der Möglichkeit der akzidentellen unkontrollierten Schwerkraftinfusion obsolet. Die patientenkontrollierte Analgesie (PCA) mit Hilfe von PCA-Systemen eignet sich für Kinder ab dem 6. Lebensjahr (»Gameboy-fähig« = PCA-fähig, [3, 31]). Sind bei Kleinkindern die Eltern am Bett anwesend, kommt in Ausnahmefällen auch eine elternkontrollierte Analgesie in Frage. Die Grundlage für einen sicheren und effektiven Einsatz von patienten-, pflegekraft- oder elternkontrollierten Therapieverfahren ist die Einrichtung von speziellen Organisationsformen, z. B. Akutschmerzdiensten.
12
207 12.3 · Medikamentöse Schmerztherapie
12.3.2
Medikamente zur postoperativen Schmerztherapie
. Tabelle 12.1. Dosierungsvorschläge für oral zu verabreichende Nichtopioid-Analgetika
Nicht-opioidhaltige Analgetika Die Beschränkung auf wenige Nicht-Opioide, die auch in kindgerechter Applikationsform und Dosierung zur Verfügung stehen, hat sich bewährt (. Tabelle 12.1). Paracetamol als Zäpfchen oder Tablette ist bei weniger schmerzhaften Eingriffen als Basisanalgetikum geeignet. Die Gabe von Suppositorien bereits bei Narkoseinleitung hat sich bewährt, wobei eine initiale Dosierung von 20–40 mg/kg KG empfohlen wird [1]. Die maximale Tagesdosis liegt bei 90–100 mg/kg KG. Diese Maximaldosierung darf aber nicht über längere Zeit (Kinder <3 Monate für maximal 48 h ; Kinder >3 Monate für 72 h) verabreicht werden. Mittlerweile ist die i.v.-Gabe von Paracetamaol (Perfalgan®) für Kinder ab 1 Jahr bzw. ab 10 kg zugelassen (15 mg/kg alle 6 h). Paracetamol ist potenziell lebertoxisch [26]; eine bekannte Leberfunktionsstörung gilt als Kontraindikation für eine Paracetamoltherapie. Nach knochenchirurgischen Eingriffen und bei sog. Nozizeptorschmerzen, bei denen Entzündungsmediatoren am Schmerzgeschehen beteiligt sind, kommen nicht-steroidale Antiphlogistika wie Diclofenac (z. B. Voltaren®) oder Ibuprofen zum Einsatz. Diclofenac liegt in Zäpfchenform à 25 mg vor. Ibuprofen kann bei Kindern als Saft (z. B. Nurofen®) oder als Brausegranulat eingesetzt werden. Nach Tonsillektomien verwenden wir wegen der erhöhten Blutungsgefahr keine NSAR. Die selektiveren Cox-2-Hemmer sind nicht für Kinder zugelassen. Diese Medikamente zeigen bei Kindern eine schnellere Elimination [32]. Seit 2001 gibt es den i.v. applizierbaren Cox-2-Hemmer Parecoxib (Dynastat®), ein Prodrug von Valdecoxib, der in einer Dosierung von 0,5 mg/kg KG 2-mal/Tag verabreicht werden kann. Jedoch besteht auch bei diesem Analgetikum keine Zulassung für Kinder. Außerdem haben schwerwiegende Hautreaktionen nach Gabe von Valdecoxib zu einer starken Verunsicherung geführt. Bei viszeralen Schmerzen, bei Schmerzen mit kolikartigem Charakter ist Metamizol eine gute Wahl. Die intravenöse Bolusdosis (extrem langsam injizieren, besser: Kurzinfusion über 15 min)
Paracetamola Diclofenac Ibuprofen Metamizol
Einzeldosis [mg/kg KG]
Dosisintervall [h]
15 1 10 10
6 8 6 4
a Initialdosis von 20–40 mg/kg KG empfehlenswert. Absolute THD (Tageshöchstdosis) 100 mg/kg KG; THD nicht länger als 72 h verabreichen.
beträgt 10–20 mg/kg KG/Dosis. Sinnvollerweise gibt man Metamizol als Dauerinfusion (2,5–3,0 mg/ kg KG/h). Zuvor sollte unbedingt eine ausführliche Allergieanamnese erhoben werden. Mit Beginn der Infusion sollte der Blutdruck überwacht werden. Schließlich gilt auch bei Kindern: Bei unzureichender Analgesie mit nicht-opioidhaltigen Analgetika ist die Kombination mit Opioiden oder alternativ der Übergang auf eine Opioidmonotherapie anzuraten.
Opioide Bei der Opioidauswahl sollten möglichst µ-Agonisten eingesetzt werden. Früh- und Neugeborene benötigen »mehr Opioide zur Analgesie«, sind allerdings gleichzeitig hinsichtlich des Auftretens einer Atemdepression besonders gefährdet [14, 22, 30]. Das schwache Opioid Tramadol empfehlen wir zur Behandlung von mittelschweren Schmerzen. Tramadol kann oral, rektal oder parenteral verab-
. Tabelle 12.2. Dosierungsvorschläge für eine kontinuierliche intravenöse Therapie mit Tramadol (100 mg auf 40 ml NaCl, 1 ml , 0,25 mg) Gewicht [kg]
Dosierung [mg/h]
Dosierung [ml/h]
10 20 30 40 50
2,5 5,0 7,5 10,0 12,5
1 2 3 4 5
208
Kapitel 12 · Postoperative Schmerztherapie bei Kindern und Jugendlichen
reicht werden. Die Bolusgröße bei parenteraler Gabe liegt zwischen 0,5 und 1,5 mg/kg KG (. Tabelle 12.2). Der Bolus sollte als Kurzinfusion (15–30 min) verabreicht werden, wodurch vermindert Übelkeit auftritt. Sinnvollerweise wird Tramadol postoperativ kontinuierlich i.v. gegeben, um konstante Plasmakonzentrationen zu erzielen. Die Flussrate muss entsprechend der Schmerzwerte 2- bis 4-stündlich angepasst werden. Die kontinuierliche Tramadolgabe führt im Vergleich zur Schmerztherapie mit anderen Opioiden zu keiner erhöhten Rate an Übelkeit und Erbrechen [15]. Bei Überdosierungen sind Krampfanfälle möglich. Dosierungsvorschläge für eine kontinuierliche intravenöse Therapie mit Tramadol zeigt . Tabelle 12.3.
Zu beachten bei Kombinationstherapie von Tramadol mit Metamizol 5 Tramadol: 0,25 mg/kg KG/h 5 Metamizol: 2,5 mg/kg KG/h 5 Spritzenpumpe in 40 ml: 100 mg Tramadol + 1,0 g Metamizol 5 Allergieanamnese beachten 5 evtl. Bolusgabe vorab 5 Blutdruckkontrolle nach Infusionsbeginn 5 Dosisanpassung 2- bis 4-stündlich (Schmerzwert) 5 Dokumentation nach Protokoll 5 Bei Kindern >50 kg KG empfiehlt sich die Verwendung von Spritzenpumpen mit höheren Tramadol- und Metamizolmengen (z. B. 500 mg Tramadol und 5 g Metamizol auf 50 ml, Laufrate 1,5–2 ml/h)
Zu beachten bei kontinuierlicher i.v.-Therapie mit Tramadol
12
Insbesondere bei viszeralen Schmerzen, z. B. nach ausgedehnten urologischen Eingriffen, kann die Kombination von Tramadol mit Metamizol bei Kindern eingesetzt werden (. Tabelle 12.4). In manchen Zentren wird Butylscopolaminbromid (Buscopan®) in einer Dosierung von 1 mg/kg KG/Tag in Form einer kontinuierlichen Infusion verwendet. Bei extremen kolikartigen Schmerzen (z. B. Blasenkrämpfe nach urologischen Operationen) muss der zusätzliche Einsatz von Midazolam in Form einer kontinuierlichen Infusion diskutiert werden. Die individuelle Dosis muss durch Titration ermittelt werden (Anfangsdosierung: 0,2 mg/kg KG/Tag).
5 Tramadol kontinuierlich 0,25 mg/kg KG/h (entsprechend 6 mg/kg KG/Tag); Spritzenpumpe: 100 mg Tramadol auf 40 ml 5 evtl. Bolusgabe vorab (0,5–1,0 mg/kg KG) 5 Dosisanpassung 2- bis 4-stündlich (Schmerzwert) 5 Dokumentation von Schmerzwerten und Nebenwirkungen nach Protokoll 5 bei >50 kg KG empfiehlt sich die Verwendung von Spritzenpumpen mit höheren Tramadolmengen (z. B. 500 mg auf 50 ml, Laufrate 1,5–2 ml/h)
. Tabelle 12.3. Dosierungsvorschläge für Opioide Kontinuierlich [mg/kg KG]
PCA-Bolus
6
0,25
0,2
20
0,25 0,5 0,05–0,1
– – –
0,01–0,03
0,025
2
0,05–0,1
–
0,01–0,03
0,025
2
Applikationsweg [mg/kg KG]
Einzeldosis [mg/kg KG]
Maximale Tagesdosis [mg/kg KG/h]
Tramadol
Oral, rektal Oral retard.
0,5–1,5 0,5–2,0
6–8 6–8
Tramadol
Intravenös
0,5–1,0
Morphin
Oral, rektal Oral retard. Intravenös Intravenös
Opioid
Piritramid
Maximaler PCA-Bolus
[mg]
12
209 12.3 · Medikamentöse Schmerztherapie
. Tabelle 12.4. Dosierungsvorschläge für eine kontinuierliche intravenöse Kombinationstherapie mit Tramadol und Metamizol (100 mg Tramadol + 1 g Metamizol auf 40 ml NaCl 0,9% ,1 ml 0,25 mg Tramadol und 2,5 mg Metamizol) Gewicht [kg]
Dosierung [ml/h]
10 20 30 40 50
1 2 3 4 5
Bei Kindern, die postoperativ bereits wieder schlucken dürfen, ist als schwaches Opioid Tramadol in seiner retardierten Form (z. B. Tramundin® retard in einer Dosierung von 1–2 mg/kg KG 2- bis 3-mal täglich) geeignet. Ebenfalls zugelassen für Kinder ist Tilidin/Naloxon (z. B. Valoron N®). Pethidin, das derzeit noch häufig in Kinderkliniken verwendet wird, ist zur längeren kontinuierlichen Gabe ungeeignet, da seine aktiven Metaboliten zerebrale Krampfanfälle auslösen können [19]. Von den starken Opioiden wird in Deutschland Morphin vorwiegend bei Kindern mit onkologischen Erkrankungen eingesetzt, bei denen erwartet werden kann, dass sie eine Schmerztherapie über die unmittelbare postoperative Phase hinaus benötigen. Die intravenöse Initialdosis liegt für opioidnaive Kinder bei 50–100 µg/kg KG (. Tabelle 12.5); zur kontinuierlichen Anwendung werden 10–30 µg/kg/h gegeben. Bei allen anderen Kindern setzen wir traditionell im Aufwachraum kleine Dosen (20–50 µg/kg KG) Piritramid ein, die vom
. Tabelle 12.5. Dosierungsvorschläge für die intravenöse Schmerztherapie mit Piritramid im Aufwachraum. Piritramid (Dipidolor®) als Bolusgabe (15 mg auf 10 ml NaCl 0,9 %) Gewicht [kg]
Bolus [mg]
Bolus [ml]
12,5–25 25–40 40–60 >60
0,375 1,5 2,25 3
0,25 1 1,5 2
Pflegepersonal titrierend i.v. gegeben werden (. Tabelle 12.5).
Zu beachten bei intravenöser Schmerztherapie mit Piritramid im Aufwachraum 5 15 mg auf 10 ml NaCl 0,9 % 5 Ausschlusszeit: 5 min 5 Verbrauch >5 Einzelgaben/h: Arzt verständigen 5 Für Opioidüberdosierung (Sedierung zu stark; AF <12; SaO2 erniedrigt) Naloxon bereithalten, Arzt verständigen 5 Mindestaufenthalt auf der Aufwachstation nach letzter Opioidgabe: 30 min
Merke: Dem Patienten bei Schmerzäußerung die Schmerzmittel sofort geben!
Bei Überschreitung vorher festgesetzter Analgetikamaximalmengen (5 Einzelgaben/h) muss ein Arzt verständigt werden, um das weitere schmerztherapeutische Vorgehen festzulegen. Bei besonders hohem Opioidverbrauch in der frühen postoperativen Phase wird eine kontinuierliche Schmerztherapie mit Opioiden oder eine patientenkontrollierte intravenöse Analgesie (PCIA) erforderlich sein. Die PCIA (reine Bolusgabe bei Kindern) wird bei uns auf »Normalstation« durchgeführt. Dabei liegt die intravenöse Bolusgröße bei Kindern zwischen 0,5 und 2 mg Piritramid oder Morphin (. Tabelle 12.6).
. Tabelle 12.6. Dosierungsvorschläge für die parenterale patienten- bzw. elternkontrollierte Analgesie bei Kindern mit Morphin bzw. Piritramid Gewicht [kg]
Bolus [mg]
Ausschlusszeit [min]
12,5–25 25–40 40–60 >60
0,5 1 1,5 2
10 10 10 10
210
Kapitel 12 · Postoperative Schmerztherapie bei Kindern und Jugendlichen
Bei Kindern <25 kg muss der Bolus individuell eingestellt werden. Zu beachten bei patientenkontrollierter bzw. elternkontrollierter intravenösen Analgesie bei Kindern mit Morphin bzw. Piritramid 5 Kontinuierliche Infusion von Morphin oder Piritramid (5–20 µg/kg KG/h) zur postoperativen Schmerztherapie nur in Ausnahmefällen und unter kontinuierlicher Überwachung der respiratorischen Funktion. 5 Prophylaktische Therapie von opioidtypischen Nebenwirkungen
Bei Verwendung von starken Opioiden ist eine kompetente Überwachung zu fordern. Auf Einzelheiten wird im Abschnitt Organisation der postoperativen Schmerztherapie eingegangen. 12.3.3
12
Regionalanästhesiologische Verfahren
Oberflächenanästhesie Eine Oberflächenanästhesie ist bei Kindern besonders bei sog. kleinen Eingriffen wie Venenpunktionen sinnvoll. Eine Möglichkeit ist das Aufbringen von EMLA®-Creme, einer eutektischen Mischung aus Prilocain und Lidocain [23]. Voraussetzung für eine gute Wirkung ist das rechtzeitige Auftragen der Lokalanästhetikacreme (60 min vor dem Eingriff). Eine verbesserte Resorption wird erzielt, wenn die EMLA®-Creme mit einer Folie überklebt wird. Zur Vermeidung toxischer Blutspiegel von Prilocain und Lidocain empfiehlt sich Zurückhaltung mit der Mehrfachverwendung von EMLA®-Creme bei Früh- und Neugeborenen; wegen deren niedriger Methämoglobin-Reduktase-Aktivität besteht die Gefahr einer klinisch bedeutsamen Methämoglobinämie (7 Kap. 9, 11 und 17).
Infiltrationsanästhesie und Nervenblockaden Durch den Operateur kann vor dem endgültigen Wundverschluss eine Infiltration der Operations-
wunde mit Bupivacain 0,25 % bzw. Ropivacain 0,2 % erfolgen [9, 16]. Nervenblockaden bieten eine elegante und sichere Form der Schmerzausschaltung bei Kindern. Nervenblockaden sollten, soweit zu verantworten, bereits prä-, zumindest intraoperativ gesetzt werden. Diese Form der Schmerztherapie kann bei ambulanten Operationen in Kombination mit einer Allgemeinanästhesie Vorteile bringen. Für beinahe alle Nervenblockaden und schmerztherapeutischen Verfahren mit Lokalanästhetika kann bei Kindern Bupivacain 0,25 % oder Ropivacain 0,2 % verwendet werden, wobei die Obergrenzen für Bolus- und kontinuierliche Gaben zu beachten sind. Die Bupivacainmaximaldosis für den Einzelbolus liegt bei 2 mg/kg KG. Bei kontinuierlicher Gabe sollte nicht mehr als 0,4 mg/kg KG/h verabreicht werden. Ropivacain scheint derzeit dem Bupivacain überlegen zu sein wegen geringerer Toxizität [18b] und einer möglicherweise reduzierten motorischen Blockade [9b]. Die Ropivacainmaximaldosis für den Einzelbolus wird mit 3 mg/kg KG angegeben, für die kontinuierliche Gabe 0,4 mg/kg KG/h [15a, 26a]. Die am häufigsten durchgeführten Blockaden sind der Penisblock, Blockade der Nn. ilioinguinalis und iliohypogastricus und die N. femoralis-Blockade. Indikationen und Dosierungen finden sich in . Tabelle 12.7. Zu beachten bei Bupivacaintherapie für Nervenblockaden zur postoperativen Schmerztherapie 5 Maximaldosis: 2 mg/kg KG 5 Mittlere Wirkdauer: 2–3 h
Kaudalanästhesie Bei urogenitalen und anorektalen Operationen sowie bei orthopädischen Eingriffen an den unteren Extremitäten stellt die Kaudalanästhesie ein sicheres und einfaches Verfahren zur postoperativen Schmerztherapie dar [10, 17]. Es werden je nach erwünschter dermatomaler Ausbreitung zwischen 0,5 und 1,25 ml/kg KG Bupivacain 0,125–0,25 % verabreicht. Die Wirkdauer kann verlängert und der postoperative Schmerzmittelbedarf kann verringert werden durch zusätzliche Gabe von 2 µg Clonidin oder 0,5 mg/kg KG S-Ketamin [9a, 18a].
211 12.3 · Medikamentöse Schmerztherapie
12
. Tabelle 12.7. Dosierungsvorschläge von Bupivacain für Nervenblockaden zur postoperativen Schmerztherapie Blockadetechnik
Indikation
Dosierung Bupivacain
Wundinfiltration
Leistenbruch
1 mg/kg KG
Peniswurzelblock
Circumcision, Hypospadieoperation
0,5–1 mg/kg KG
Blockade des N. ilioinguinalis/ N. iliohypogastricus
Leistenbruch, Orchidopexie
1,5 mg/kg KG
Blockade des N. femoralis
Femurfraktur
2,0 mg/kg KG
Zu Adrenalin liegen widersprüchliche Ergebnisse vor, es wird nur noch als Testdosis empfohlen. Die zusätzliche Gabe von Opioiden (Morphin 30 µg/kg KG, Fentanyl 1–2 µg/kg KG, Sufentanil 0,75 µg/kg KG) erfordert wegen der Gefahr einer Atemdepression eine adäquate postoperative Überwachung im Aufwachraum oder in einer Intensivüberwachungseinheit (7 Kap. 10).
Periduralanästhesie Die Periduralanästhesie kommt bei Kindern und Jugendlichen bei großen abdominellen, thorakoabdominellen und urologischen Eingriffen zum Einsatz [4], insbesondere bei vorbestehenden chronischen Erkrankungen der Atmungsorgane (Mukoviszidose) oder des Muskuloskelettalsystems. Bei orthopädischen Operationen an den unteren Extremitäten mit der Notwendigkeit postoperativer Physiotherapie sollte ebenfalls eine Periduralanästhesie in Betracht gezogen werden [28]. Bei Amputationen der unteren Extremität beugt eine Periduralanästhesie der Entwicklung von Phantomschmerzen vor. Eine Periduralanästhesie . Tabelle 12.8. Dosierungsvorschläge für die Periduralanästhesie mit Bupivacain und Morphin zur postoperativen Schmerztherapie Arzneistoff
Bolus [mg/kg KG]
Infusion [mg/kg KG/h]
Morphin
0,03
0,004
Bupivacain 0,25 %
0,5–1
0,4
Ropivacain 0,2 %
0,5–2
0,4
ist auch eine gute Wahl bei schweren Verletzungen der unteren Extremität mit häufigen postoperativen Verbandswechseln. Ein wesentlicher Nachteil der Schmerztherapie mit Periduralkathetern liegt darin, dass bei Kindern unter 12 Jahren in der Regel der Katheter in Narkose oder Analgosedierung gelegt werden muss. Bei Neugeborenen und Säuglingen kann der Periduralkatheter über den kaudalen Zugangsweg bis in die obere Lumbalregion vorgeschoben werden, wobei eine kaudothorakale Katheteranlage nicht immer gelingt [28]. Lokalanästhetika führen zu weniger Übelkeit, Erbrechen, Sedierung, Atemdepression und Pruritus als die peridurale Opioidgabe. Bei Verwendung von Bupivacain ist die Dosis entsprechend der gewünschten Ausdehnung des Wirkbereiches zu wählen (Bolus 0,5–1 mg/kg KG Bupivacain 0,25 %; . Tabelle 12.8). Bei der kontinuierlichen Bupivacaingabe sollen 0,4 mg/ kg KG nicht überschritten werden, weil sonst toxische Blutspiegel >2,0 ng/ml zu erwarten sind. Anstelle von Bupivacain 0,25 % kann auch Ropivacain 0,2 % verwendet werden.
Zu beachten bei Periduralanästhesie mit Bupivacain und Morphin zur postoperativen Schmerztherapie 5 Angegebene Dosierungen sollten nicht überschritten werden 5 Kontinuierliches Atemmonitoring bei Verwendung von Morphin 5 Bei Säuglingen Dosisreduktion um 50 % 5 Regelmäßige Überwachung von Motorik und Sensibilität
212
Kapitel 12 · Postoperative Schmerztherapie bei Kindern und Jugendlichen
. Tabelle 12.9. Patientenkontrollierte Periduralanästhesie (PCEA) bei Jugendlichen mit Ropivacain und Sufentanil Arzneistoff
Bolus
Kontinuierliche Infusion
Ausschlusszeit
Ropivacain 0,2 % + Sufentanil (1 µg/ml)
2–3 ml
3–5 ml/h
30 min
Wird Sufentanil zur periduralen Analgesie verwendet, beträgt die Bolusdosierung 2–3 µg. Wichtige Nebenwirkungen sind Juckreiz und Harnverhalt. Aufgrund der Gefahr der Atemdepression ist eine adäquate Überwachung von Atmung und Sedierung obligatorisch (7 Abschn. 12.4). Bei Kindern und Jugendlichen haben wir gute Erfahrungen mit der patientenkontrollierten Periduralanästhesie (PCEA) mit einer Mischung von Ropivacain 0,2 % und Sufentanil (0,5–1 µg/ml) gemacht (. Tabelle 12.9) [18, 20]. Um die Vorteile der Periduralanästhesie (sehr gute Analgesie auch bei Bewegung, verringerte Morbidität bei Risikopatienten) in der täglichen Praxis zu gewährleisten, bedarf es eines großen Betreuungsaufwands (Akutschmerzdienst).
12
Ko-analgetika und nicht-medikamentöse Verfahren in der postoperativen Schmerztherapie Um Koanalgetika gezielt als Zusatzmedikation einsetzen zu können, müssen durch Befragung oder Beobachtung ausreichend Informationen über den Schmerzcharakter und damit über die Schmerzart erhoben werden (7 Kap. 3). Bei intermittierenden kolikartigen Schmerzen empfehlen sich Spasmolytika (7 Abschn. 12.3.2), bei neuropathischen Schmerzen Antikonvulsiva und Antidepressiva. Als nicht-medikamentöses Verfahren kann auch bei Kindern die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) eingesetzt werden. Bei neuropathischen Schmerzen mit Allodynie kann eine Behandlung mit Lidoderm patch erfolgen [27], der bisher noch über die Auslandsapotheke bestellt werden muss. Einfache Methoden der Schmerztherapie wie Ruhigstellung, Kältetherapie u. a. sollten selbstverständlich sein und werden an dieser Stelle nicht gesondert dargestellt (7 Kap. 6, 7). Die psychologischen Methoden der Schmerztherapie sind bei Kindern besonders wirksam und wichtig (7 Kap. 7). Leider stehen den deutschen
Akutkrankenhäusern kaum Mittel zur Verfügung, hierfür professionelle Kräfte einzusetzen. Der Einsatz von professionellen Psychologen und Sozialarbeitern ist derzeit nur auf kinderonkologischen Stationen möglich. Die Anwesenheit der Eltern nach Operationen vermag die Ängste der Kinder zu verringern und damit einen positiven Einfluss auf das Schmerzempfinden zu nehmen. Ausnahmen müssen erkannt und ihr negativer »Schmerzeinfluss« durch gezielte offene Gespräche verringert werden ([10], 7 Kap. 7).
12.4
Organisation der postoperativen Schmerztherapie bei Kindern am Beispiel des Erlanger Akutschmerzdienstes (ASD)
Voraussetzungen Die Verantwortlichkeit in der Durchführung der postoperativen Schmerztherapie muss in jeder Klinik klar geregelt sein. In unserer Klinik betreut der ASD die Kinder konsiliarisch nach großen Operationen. Außerdem übernimmt er die Therapie bei Kindern mit problematischen Schmerzsyndromen (z. B. Tumorschmerzen, Nervenschmerzen). Der ASD, der aus erfahrenen Schmerztherapeuten und Fachpflegekräften besteht, muss ständig erreichbar sein. Dies wird in erster Linie durch einen ärztlichen Rufdienst gewährleistet, der nach Dienstende und am Wochenende über die Pforte verfügbar ist. Für die ASD-Pflegekräfte besteht am Samstag eine Rufbereitschaft, um in Zusammenarbeit mit den ASD-Ärzten die Pumpentherapien am Wochenende sicherzustellen.
Aufgabengebiete Das Team des ASD legt Therapiestandards für den Aufwachraum, die Intensiv- und Allgemeinstation fest. Sie ermöglichen z. B. bei Schmerzäußerungen
213 12.4 · Organisation der postoperativen Schmerztherapie bei Kindern
der Kinder das sofortige Handeln des Personals. Führen die empfohlenen Richtlinien zu keiner angemessenen Schmerzlinderung, wird das Kind dem ASD vorgestellt. Algorithmen für die Indikationsstellung einer PCA-Therapie unterstützen die Handlungsweise des Personals. Standardisierte Überwachungskriterien und Dokumentationsprotokolle erleichtern die Arbeit des Pflegepersonals bei einer PCA-Therapie Die erfolgreiche Umsetzung eines Akutschmerzkonzeptes wird durch ein regelmäßiges Fortbildungsangebot durch die Ärzte und Pflegekräfte des ASD getragen. Insbesondere die Schulung des Pflegepersonals im Umgang mit dem PCA-System und hinsichtlich Überwachungskriterien nimmt eine zentrale Stellung ein. In kleinen Gruppen mit höchstens 10 Teilnehmern finden Geräteeinweisungen statt. Die Handhabung und Tastenfunktionen der Pumpe werden besprochen – mit Ausnahme der Programmierung der Parameter und der Veränderung der Medikamentendosierung, die allein den Mitarbeitern des ASD zugänglich ist (Benutzerhierarchie). In praktischen Übungen wird das Beheben kleinerer Pumpenprobleme geübt (z. B. Verstopfungsalarm). Darüber hinaus werden die Grundlagen der Periduralanalgesie, die wichtigsten Methoden der Schmerzmessung, die Erfassung der Nebenwirkungsparameter, die Früherkennung von Komplikationen und das Ergreifen entsprechender Gegenmaßnahmen vermittelt. Über den informativen Charakter hinaus können bei diesen Fortbildungen mögliche Probleme zwischen dem Personal des ASD und dem Pflegepersonal abgebaut und ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden [24].
Arbeitsweise Bei geplanten Eingriffen werden Kinder und Eltern präoperativ über die Methode der patientenkontrollierten intravenösen und periduralen Analgesie aufgeklärt. Vorteile und Komplikationen werden erläutert und Alternativen dargelegt. Für die praktische Vorbereitung und Durchführung der patientenkontrollierten Analgesie ist der ASD verantwortlich. Die epiduralen und intravenösen PCA-Systeme werden nach der schriftlichen Anordnung des Arztes durch die Pflegekraft geprüft, programmiert und die entsprechende Spritzenoder Beutelbefüllung wird vorgenommen. Der Arzt kontrolliert die Pumpen-Einstellungen (»double
12
check«) und schließt das PCA-System zusammen mit der ASD-Pflegekraft an. Wenn das PCA-System in Verbindung mit einer Schwerkraftinfusion läuft, muss ein Rückschlagventil vorgeschaltet sein. Die Bolusgabe kann bei kleinen Venenzugängen schmerzhaft sein. Deshalb sollte die Bolusabgabezeit im Vergleich zu der bei Erwachsenen verlängert werden (z. B. 2–3 min). Nach dem Anschluss übernimmt das Pflegepersonal der Station die Verantwortung für die Überwachung der patientenkontrollierten Analgesie. Die zuverlässige Überwachung ist eine grundlegende Voraussetzung für einen sicheren und effektiven Einsatz der PCA mit starken Opioiden bei Kindern [14]. Nur so können frühzeitig opioidbedingte Atemdepressionen und daraus resultierende Hypoxämien, aber auch technische Fehler erkannt werden. Für die Überwachung der PCA-Therapie werden ein Überwachungsprotokoll und ein Pulsoximeter vorbereitet, welche am Bett des Kindes verbleiben. Die O2-Sättigung wird in der 1. Nacht kontinuierlich gemessen. Die Dokumentation erfolgt in den ersten 4 h nach Anschluss des PCA-Systems stündlich und bis 8 Uhr des folgenden Tages 2-stündlich. Danach wird die Überwachung bis zum Abschluss der PCA-Therapie 4-stündlich dokumentiert. Die festgelegten Zeiten für die Überwachung sind im Protokoll durch den ASD farblich hervorgehoben. Das Pflegepersonal erfasst und dokumentiert folgende Überwachungsparameter: Schmerzintensität in Ruhe und unter Belastung z. B. tiefes Einatmen (0 = kein Schmerz, 10 = stärkster vorstellbarer Schmerz), Puls/Blutdruck, Atemfrequenz und O2Sättigung, Nebenwirkungen (Sedierungsgrad, Übelkeit/Erbrechen, Juckreiz, Harnverhalt) sowie bei rückenmarksnahen Vefahren Sensibilität und Motorik (. Abb. 12.1). Die Sicherheit der periduralen Analgesie wird dadurch verbessert, dass Kinder aufgefordert werden, Beeinträchtigungen der Motorik und Sensibilität sofort dem Pflegepersonal oder den Eltern mitzuteilen, um Komplikationen frühzeitig zu erkennen. Der Arzt des ASD führt täglich eine morgendliche Visite durch. Darüber hinaus finden am Nachmittag eigenständige Visiten des ASD-Pflegepersonals statt. Hierbei werden der ordnungsgemäße Betrieb des PCA-Systems, die laufende Therapie und die Dokumentation der Überwachungsparameter überprüft. Notwendige Wechsel der Medikamen-
214
Kapitel 12 · Postoperative Schmerztherapie bei Kindern und Jugendlichen
FRIEDRICH-ALEXANDER-UNIVERSITÄT ERLANGEN-NÜRNBERG KLINIK FÜR ANÄSTHESIOLOGIE SCHMERZAMBULANZ ÜBERWACHUNGSPROTOKOLL
12
Schmerzwert: 0 = kein Schmerz 10 = stärkster vorstellbarer Schmerz R = Ruhe B = Belastung
Sedierungsgrad: 0 = wach 1 = auf Ansprache Augen öffnen 2 = auf Schütteln Augen öffnen 3 = nicht erweckebar Notruf: 33 333
Sensibilitätsstörung: 0 = nein 1 = ja Schmerzdienst verständigen
Störung der Motorik: 0 = nein 1 = ja Schmerzdienst verständigen
Atemfrequenz: ≤ 8/min → Schmerzdienst verständigen
Sauerstoffsättigung: < 90% (mit Nasensonde) < 85% (ohne Nasensonde) → Schmerzdienst verständigen
. Abb. 12.1. Überwachungsprotokoll
215 12.5 · Fazit
tenreservoirs werden durchgeführt und Fragen des Stationspflegepersonals geklärt. Bei Patienten mit Periduralkatheter werden täglich Einstichstelle und Verband kontrolliert und gegebenenfalls erneuert. Die Entfernung des Periduralkatheters nach Kontrolle der Gerinnungsfaktoren wird ausschließlich von den Mitarbeitern des ASD vorgenommen. Die Kinder werden gebeten, auftretende Beeinträchtigungen wie Schmerzen im Rücken und den Beinen, sensible und motorische Ausfälle nach dem Entfernen sofort den Eltern oder dem Pflegepersonal zu berichten. In unserer Klinik ist bei Kindern ab dem 12. Lebensjahr die Low-dose-Heparinisierung zur Thromboseprophylaxe zu berücksichtigen. Die Gabe von fraktioniertem Heparin erfordert ein Zeitintervall von 10–12 h vor dem Entfernen bzw. 4 h nach dem Entfernen (Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesie und Intensivmedizin). Nach dem Entfernen des Katheters wird die Schmerztherapie (p.o. oder i.v.) nach den Bedürfnissen des Kindes weitergeführt. In Ausnahmefällen kann die Therapie mittels subkutaner Injektionen oder Infusionen fortgeführt werden. Um wiederholte Venenpunktionen zu vermeiden, empfiehlt sich die Verwendung einer Klebenadel. Die Daten des PCA-Systems werden in eine EDV-Datenbank eingelesen. Im Rahmen der Qualitätssicherung werden die Überwachungsprotokolle auf Vollständigkeit überprüft und evaluiert [12]. Am folgenden Tag erfolgt in der Regel die abschließende Visite. Dabei werden die Kinder gebeten, anhand einer Schulnote (1 = sehr gut, 6 = ungenügend) die Zufriedenheit mit der Therapie zu bewerten.
12.5
Fazit
Eine Verbesserung der Schmerztherapie bei Kindern ist dringend erforderlich. Zu diesem Zweck muss in den Kliniken ein Bewusstsein für den kindlichen Schmerz entstehen. Solch eine Bewusstseinsgrundlage erlaubt dann auch den verstärkten Opioideinsatz, der nur unter Schaffung ausreichender Überwachungsmöglichkeiten vertretbar ist. Die optimale Schmerztherapie nach Operationen wird auch dadurch erschwert, dass viele bewährte Medikamente für Kinder nicht zugelassen sind. (Bei Verwendung dieser Medikamente emp-
12
fiehlt sich aus forensischen Gründen, die Eltern präoperativ über den Einsatz dieser Substanzen aufzuklären.) Auf allgemeinen Pflegestationen vermag die Zusammenlegung von Kindern in sog. »Frischoperiertenzimmer« die Opioidtherapieüberwachung wesentlich zu vereinfachen. Die Schaffung von Akutschmerzdiensten ist die effektivste Methode zur Verbesserung der Schmerztherapie [21]. In kleinen Kliniken sollte es zumindest einen Schmerzbeauftragten geben. Aufgabe von Akutschmerzdienst und Schmerzbeauftragtem ist es, Standardtherapieverfahren zu entwickeln, die auf die speziellen jeweiligen Klinikgegebenheiten zugeschnitten sind, und operierenden Kollegen und Pflegepersonal intensive Fortbildung anzubieten [5]. Letztendlich ist auch für die postoperative Schmerztherapie eine Standardisierung mit Spielraum für individuelle Dosisanpassungen zu fordern analog zu den Tumorschmerzempfehlungen der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie [35].
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12
Kapitel 12 · Postoperative Schmerztherapie bei Kindern und Jugendlichen
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13 Schmerztherapie in der Kinderhämatoonkologie B. Zernikow* 13.1
Einleitung – 218
13.2
Schmerzanamnese – 218
13.3
Schmerzmessung – 219
13.3.1 Schmerzmessskalen – 219 13.3.2 Schmerz- und Schmerztherapiedokumentation – 220
13.4
Schmerzbehandlung – 220
13.4.1 13.4.2 13.4.3 13.4.4
Schmerztherapie bei therapie- und tumorassoziierten Schmerzen – 220 Besondere Schmerzsyndrome – 235 Patientenkontrollierte Analgesie (PCA) – 240 Schmerzhafte Eingriffe – 240
13.5
Fazit – 241 Literatur – 243
* Danksagung: Der Autor wird unterstützt durch die Vodafone Stiftung Deutschland gGmbH, die Peter und Ruth Wirts-Stiftung (Schweiz) und »Eigenes Leben, Hilfen für Kinder mit Schmerzen oder lebensverkürzenden Erkrankungen e.V.«
218
Kapitel 13 · Schmerztherapie in der Kinderhämatoonkologie
)) 13.1
13
Einleitung
Noch vor 20 Jahren vertraten viele Ärzte die Meinung, junge Kinder empfänden keine Schmerzen, und ältere Kinder würden Schmerzen besser verarbeiten als Erwachsene. Aus diesem Mythos folgte logischerweise, dass Kindern bei extrem schmerzhaften Ereignissen wie Unfällen, Verbrennungen oder Operationen Analgetika vorenthalten oder in zu niedrigen Dosen verabreicht wurden [72]. In den 1980er Jahren war die nozizeptive Kompetenz von Kindern eine wissenschaftlich anerkannte Tatsache, und dennoch gehörte eine suffiziente Schmerztherapie an US-amerikanischen Kinderkliniken nicht zum Behandlungsstandard [49]. Nachdem Anfang der 1990er Jahre auf Betreiben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Konferenz zur Schmerztherapie in der Kinderonkologie stattfand, auf der Schmerztherapierichtlinien erarbeitet und Forschungsziele festgelegt wurden, dauerte es noch fast 10 Jahre bis zur WHO-Publikation Cancer Pain Relief and Palliative Care in Children [73, 90]. Und erst 2002 erschien die deutsche Übersetzung Schmerztherapie und palliative Versorgung krebskranker Kinder [98]. Sicherlich wurde durch diese Behandlungsrichtlinien die kinderonkologische Schmerztherapie verbessert. Dass wir aber vom Optimum – schnelle und effiziente Schmerztherapie mit möglichst wenigen Nebenwirkungen und Reduktion des kindlichen Schmerzerlebens auf ein Minimum – noch weit entfernt sind, zeigen Ergebnisse aktueller epidemiologischer Studien aus den USA, Schweden und auch aus Deutschland [22, 43, 44, 91, 95]: 4 An nur 35 % der Kliniken wird regelmäßig eine Schmerzmessung vorgenommen. 4 Morphin wird in einigen Kliniken regelmäßig intramuskulär verabreicht. 4 Schmerzhafte Eingriffe – das Hauptproblem in der kinderonkologischen Schmerztherapie – werden an 2/3 aller Kliniken ohne festen schmerztherapeutischen Standard durchgeführt. Letzterer fehlt ebenso häufig für die Behandlung postoperativer Schmerzen. 4 Laxanzien werden prophylaktisch während einer Opioidtherapie immer noch zu selten eingesetzt, nämlich in nur 45 % der kinderonkologischen Abteilungen.
4 Nach Auskunft der Eltern leiden 80 % der Kinder in der Lebensendphase an Schmerzen. In nur 30 % der Fälle wird die verordnete Schmerztherapie als erfolgreich bezeichnet. Im Jahr 2005 möchten wir durch praxisnahe Informationen, kochbuchartige Schmerztherapierezepte und standardisierte Dokumentationshilfen zur Umsetzung der WHO-Richtlinien in die tägliche Praxis beitragen.
13.2
Schmerzanamnese
Die häufigsten Schmerzursachen in der Kinderonkologie sind schmerzhafte Eingriffe und Mukositiden im Rahmen der zytostatischen Therapie. Diese Schmerzzustände sind rasch diagnostiziert und erfordern keine umfangreiche Schmerzanamnese. Tumorschmerzsyndrome wie Phantomschmerz nach Amputation, neuropathische Schmerzen bei Infiltrationen von Knochen- und Nervengewebe oder als Nebenwirkung einer Cyclosporintherapie, verbrennungsähnliche Hautzerstörungen im Rahmen von Knochenmarktransplantationen, Leberkapselschmerzen bei VOD (»venous occlusive disease«) und Schmerzen im Rahmen einer GvH bedürfen einer ausführlichen Schmerzanamnese. Die anschließende rationale Schmerztherapie mit der Verordnung auch adjuvanter Schmerztherapeutika und einer interdisziplinären Therapieplanung kann nur auf der Basis einer ausführlichen Schmerzanamnese zum Erfolg führen. Die therapeutisch wirksame Opioiddosis variiert ebenso wie das Ausmaß opioidspezifischer Nebenwirkungen interindividuell erheblich. Die anamnestisch erhobenen Vorerfahrungen mit Opioiden müssen bei der Auswahl und der Startdosis der Analgetika berücksichtigt werden. Der zu verordnende Applikationsmodus sollte nach der Schmerzanamnese mit dem Kind besprochen und dann individuell abgestimmt werden. Die Frage nach den elterlichen und kindlichen Einstellungen bezüglich Schmerz und Schmerztherapie ist ein fester Bestandteil der Schmerzanamnese. Vorerfahrungen mit schmerzhaften Eingriffen sowie Wissen um Vorbehalte starken Opioiden gegen-
219 13.3 · Schmerzmessung
über sind von außerordentlicher Wichtigkeit, um auf unbegründete Ängste eingehen zu können und letztlich eine erfolgreiches Analgesie zu entwickeln. Schon während der Schmerzanamnese muss Eltern und Kind die irrationale Angst vor der psychischen Abhängigkeit (Sucht) beim Einsatz von Opioiden genommen werden. Unterstützend kann ein Eltern-Kind-Handbuch Weniger Schmerzen bei Krebserkrankungen [29] eingesetzt werden, welches über den Autor erhältlich ist. Während der gründlichen Anamnese ergeben sich im Regelfall auch Ansatzpunkte für eine nichtmedikamentöse Schmerzprophylaxe und -therapie (7 Kap. 6 und 7). Schmerzlokalisation, zeitliche Schmerzcharakteristik, Schmerzgenese und -charakter können auf den in Anhang A und B enthaltenen Dokumentationshilfen vermerkt werden. Dieser »Basisdatensatz« wird ergänzt durch Zusatzinformationen zu den eben angesprochenen Punkten und den Ergebnissen des körperlichen Untersuchungsbefundes.
13.3
Schmerzmessung
Siehe dazu auch 7 Kap. 4 und Anhang A, B. Mindestens einmal täglich sollte jedes Kind einer kinderonkologischen Station nach Schmerzen gefragt werden. ! Wenn Schmerzen bestehen, muss eine regelmäßige Schmerzmessung mindestens ebenso häufig wie die Vitalwertekontrolle erfolgen!
Warum ist dies so wichtig? E Kindliche Schmerzäußerungen könnten in der oft aufreibenden Routinearbeit untergehen [15]. E Auf das individuelle Schmerzerleben kann nicht anhand der Größe der Gewebsschädigung geschlossen werden: Kinder mit kleinsten bukkalen Läsionen können extreme Schmerzen erleben, wobei einzelne Kinder mit einer subtotalen oralen Mukositis kaum Schmerzen empfinden und ihre Nahrungsaufnahme fast gar nicht einschränken [50, 51]. E Ohne eine regelmäßige, in der Routine fest verankerte Schmerzmessung besteht die Gefahr von Über- oder Untertherapie, da Schmerzverläufe in der Kinderonkologie häufig dynamisch sind.
13
Bei Regeneration des Knochenmarks kommt es schnell zur Abheilung der Mukositis, der initiale Knochenschmerz schwindet bei erfolgreicher antineoplastischer Therapie sehr schnell etc. Durch regelmäßig erhobene Schmerzmesswerte werden Zeiten unzureichender Analgesie aufgedeckt und können durch Dosiserhöhung oder Verkleinern des analgetischen Dosierungsintervalls beseitigt werden. Auf die Rekonvaleszenz kann schnell mit Dosisreduktion reagiert werden. E Ein weiteres Argument für eine regelmäßige Schmerzmessung ist der Sicherheitsaspekt. Wenn Kinder durch Opioide zu stark sediert sind, können sie über ihre Schmerzen keine Auskunft mehr geben. Das Behandlungsteam wird so auf die Überdosierung aufmerksam gemacht. Schmerzmessung ist immer Zuwendung zum schmerzkranken Kind. Schmerzassoziiertes Erleben wie Angst, Einsamkeit und Trauer kann vom Kind bei der Schmerzmessung geäußert werden. Ein Gespräch über diese Dimensionen des Schmerzes ist der Beginn einer nichtmedikamentösen Schmerztherapie. 13.3.1
Schmerzmessskalen
Es existieren keine validierten praktikablen Instrumente der Schmerzfremdeinschätzung bei tumoroder chemotherapieassoziierten Schmerzen im Säuglings- und Kleinkindalter (7 auch Kap. 4). Anhang B enthält ein einfaches Schema zur Fremdeinschätzung bei tumorassoziierten Schmerzen. Dieses Schema ist in Anlehnung an die Empfehlung der Konsensuskonferenz der American Academy of Paediatrics von 1992 erstellt, aber bis dato nicht evaluiert worden [49, 50, 94]. Für nichtwissenschaftliche Zwecke können bestehende Instrumente zur Schmerzeinschätzung individuell angepasst werden. Cartoon-Schmerzgesichter können bei chronisch kranken Kindern, die in ihrer kognitiven Entwicklung häufig akzeleriert sind, ab einem Alter von ca. 3 Jahren gut für die Schmerzmessung eingesetzt werden [35]. Die Cartoon-Gesichter des Anhangs A wurden modifiziert nach Pothmann [66]. Weitere Instrumente zur Selbsteinschätzung finden sich in 7 Kap. 4.
220
Kapitel 13 · Schmerztherapie in der Kinderhämatoonkologie
Schmerz- und Schmerztherapiedokumentation
13.3.2
Im Krankenhaus
Während des stationären Aufenthaltes können ausführliche Schmerztherapiedokumentationsbögen eingesetzt werden (Anhang B.4). Um Schmerzen als 5. Vitalzeichen – neben Atemfrequenz, Puls, Blutdruck und Temperatur – in den Klinikalltag zu integrieren, sind Schmerzaufkleber entstanden, die in jedes gängige Krankenhaus-Dokumentationssystem eingeklebt werden können (Anhang B.5, erhältlich über den Autor) 2.
Zu Hause
Die ambulante Schmerztherapie findet regelmäßig in palliativen Situationen statt. Tagebücher und die Memorial Symptom Assessment Scale ([15], Anhang B.6–B.8) erleichern die Steuerung der Schmerz- und Palliativtherapie.
13.4
13.4.1
13
Schmerzbehandlung Schmerztherapie bei therapie- und tumorassoziierten Schmerzen
3.
4.
5.
Die Prinzipien der medikamentösen Schmerztherapie sind sehr einfach. Nach neuesten Studien können sicherlich 90 % aller Schmerzen in der Kinderonkologie erfolgreich behandelt werden, wenn folgende Regeln beachtet werden. 6.
Empfohlene Prinzipien der medikamentösen Schmerztherapie in der Kinderonkologie 1. Bei der Auswahl der Analgetika sollte das WHO-Stufenschema berücksichtigt werden. Akute, starke Schmerzen sind in der Kinderonkologie die Regel. Deswegen sollen frühzeitig starke Opioide zur Anwendung kommen. Keinesfalls soll das Kind von WHO-Stufe zu WHO-Stufe klettern müssen.
7.
– Müssen Nebeneffekte der Nichtopioidanalgetika – hier insbesondere Fiebersuppression und Gerinnungshemmung – vermieden werden, sind frühzeitig und auch bei leichten bis mäßigen Schmerzen Opioidanalgetika einzusetzten. – Sind Nebeneffekte der Opioidanalgesie – hier insbesondere Subileus oder Sedierung – ein klinisch nicht zu beherrschendes Problem, können in Ausnahmefällen auch 2 Nichtopioidanalgetika (Paracetamol und Metamizol) kombiniert werden. Bei chronischen Schmerzen hat sich die Kombination aus Opioid und Nichtopioidanalgetikum bewährt. Außer bei der oralen Mukositis ist der orale Applikationsweg zu bevorzugen. Er ist sicher und flexibel. Auch stärkste Schmerzen während einer Sichelzellkrise können – nach intravenöser Aufsättigung – suffizient oral behandelt werden [34]. Analgetika werden bei tumor- und therapieassoziiertem Schmerz sowie postoperativ zur Gabe nach der Uhr und zusätzlich für Schmerzspitzen nach Bedarf angeordnet. Die Obstipation als häufigste und regelmäßig auftretende Nebenwirkung einer Opioidanalgesie muss prophylaktisch behandelt werden. Andere, weniger häufige Nebenwirkungen sollten vom Arzt antizipiert werden, um ggf. schnell und adäquat reagieren zu können. Eine qualitativ hochwertige Schmerztherapie ist nur durch die standardisierte Dokumentation von Effektivität und Nebenwirkungen zu gewährleisten. Erreicht man durch das Befolgen dieser Prinzipien keine adäquate Schmerzreduktion, so sollten Schmerztherapeuten oder Palliativmediziner konsultiert werden [79].
WHO-Stufenschema Einige Besonderheiten der Kinderonkologie erfordern eine Modifikation des WHO-Stufenschemas in der Kinderonkologie:
221 13.4 · Schmerzbehandlung
E 60 % der kinderonkologischen Patienten haben Schmerzen bei der Erstdiagnose. Der initiale Tumorschmerz lässt sich am besten durch eine schnelle Diagnosestellung und eine adäquate antineoplastische Therapie behandeln. Analgetika sollten konsequent eingesetzt werden, bis die antineoplastische Therapie ihre Wirkung zeigt. Dies dauert bei hämatologischen Malignomen 1–2 Wochen, kann jedoch bei Schmerzen durch solide Tumoren längere Zeit in Anspruch nehmen. E Aggressive antineoplastische Therapieregime mit den Folgen Knochenmarkaplasie und Mukositis kommen in der Regel sofort nach Diagnosestellung zum Einsatz. Es verbieten sich nichtsteroidale Antirheumatika (wegen der von ihnen verursachten Thrombozytenaggregationshemmung) und invasive analgetische Maßnahmen wie die rückenmarknahe Analgesie (wegen möglicher Blutungen bei Thrombopenie). E Auch Kinder in der Neugeborenen- und frühen Säuglingsperiode sind von malignen Erkrankungen betroffen. Bei ihnen besteht eine besondere Empfindlichkeit hinsichtlich der atemdepressiven Nebenwirkungen von Opioiden. Dies muss bei der initialen Dosisberechnung beachtet werden. E Die Dosisberechnung erfolgt bei Kindern mit einem Körpergewicht bis zu 50 kg immer auf einer mg/kg KG-Basis.
. Abb. 13.1. WHO-Stufenmodell
13
E Altersspezifische Nebenwirkungen (z. B. ReyeSyndrom nach ASS-Gabe) sind bei der Auswahl und Kombination von Analgetika, Koanalgetika und Supportiva zu beachten. Der Pädiater ist geschult, diese alterspezifischen Besonderheiten zu berücksichtigen, und sollte bei der Schmerztherapie im Kindesalter der primär versorgende Arzt sein, der dann ggf. Kooperationen mit anderen Fachdisziplinen koordiniert. Dies ist um so dringlicher zu fordern, als der Schmerz im Kontext der Grunderkrankung interpretiert und therapiert werden muss. Hierzu gehört auch die ganzheitliche Betreuung durch pädiatrisch geschultes Personal und eine kindgerechte räumliche Ausstattung.
Analgetika der WHO-Stufe I: Nichtopioidanalgetikum (± Adjuvans) In der Kinderonkologie gebräuchliche Nichtopioidanalgetika sind Paracetamol, Metamizol, Ibuprofen, Indometacin und Naproxen (Dosierungen . Tabelle 13.1). Paracetamol
E Paracetamol ist das gängigste Nichtopioidanalgetikum in der Kinderonkologie. Es beeinflusst nicht die thrombozytäre Thromboxan-A2-Produktion und die periphere Cyclooxygenase. Daher fehlen sowohl der hemmende Effekt auf die Plättchenaggregation und eine antiinflammatorische Wirkung als auch die für nichtsteroidale Antirheumatika typischen Nebenwirkungen wie gastrointestinale Mukosaschäden. Der genaue Wirkmechanismus von Paracetamol – der aber sicher zentralnervös ist – ist bislang ungeklärt. Eine Hemmung der ZNS-Cyclooxygenase und eine Störung der enzymatischen NO-Synthese wird diskutiert [5]. Paracetamol wird nach Aufnahme therapeutischer Dosen größtenteils mit Sulfaten oder Glucuronsäure konjugiert – die Sulfatierung dominiert bis zum 12. Lebensjahr. Wenn nach Einnahme toxischer Dosen Glucuronidierungsund Sulfatierungsreaktion gesättigt sind, wird Paracetamol P-450-abhängig zu N-Acetyl-PBenzoquinon-Imin (NABQUI) biotransformiert, mit Glutathion konjugiert und als ungiftiger Metabolit ausgeschieden. Zum Leberzellschaden kommt es nur dann, wenn in der Leber
222
Kapitel 13 · Schmerztherapie in der Kinderhämatoonkologie
nicht genügend Glutathion zur Verfügung steht. Dann bindet NABQUI an lebenswichtige Leberenzyme. In der Kinderonkologie kann die Entgiftungskapazität der Leber für Paracetamol durch wiederholte Einnahme, Fehlernährung im Rahmen
einer toxischen Chemotherapie und antineoplastische Medikamente eingeschränkt sein. Es kann aber auch durch die gleichzeitige Gabe von P-450-Induktoren wie Carbamazepin, Phenytoin u. a. zu einer vermehrten Produktion des potentiell toxischen Metaboliten NABQUI kommen.
. Tabelle 13.1. Analgetika der WHO-Stufe I (Auswahl) Medikament (alphabetisch)
Tageshöchstdosierung [mg/kg KG/Tag]
Orale/rektale Tageshöchstdosierung bei Erwachsenen [mg]
Einzeldosierungen
Präparatebeispiele
Diclofenac
1–3
150
in 2 Dosen in 1 Dosis (Retardtabletten)
z. B. Voltaren®-Tabletten (25 mg, 50 mg), Retardtabletten (100 mg) Suppositorien (50 mg, 100 mg), Kindersuppositorien (25 mg), Kleinkindsuppositorien (12,5 mg), Injektionslösung (1 ml = 25 mg)
Ibuprofena
30–40
2400
in 3 Dosen
Saft (z. B. Nurofen®-Fiebersaft, Dolormin für Kinder® 5 ml = 100 mg) Tabletten (Dolormin® und Dolormin extra®, 200 bzw. 400 mg), Suppositorien (Nurofen® 125 mg, Imbun® 200 mg))
Indomethacin
2–3
150
in 3 Dosen, in 1 Dosis (Retardtabletten)
(Brause-)Tablette (z. B. Indometacin AL® 25 mg, 50 mg), Retardtabletten (z. B. Indocotin® 75 mg), Saft (z. B. Indo-Paed®), Zäpfchen (z. B. Indometacin BC® 50 mg, 100 mg)
Metamizolb
60–75
5000
in 4–6 Dosen
Tabletten® (z. B. Novalgin® 500 mg), Tropfen (z. B. Novalgin® 1 Tr. = 25 mg),Injektionslösung (z. B. Novalgin® 1 ml = 500 mg) Suppositorien (z. B. Novalgin® 300 mg und 1000 mg)
Naproxen
10–15
1000
in 2 Dosen
Tabletten (z. B. Proxen® 250, 500, 1000 mg), Saft (z. B. Proxen®), Suppositorien (z. B. Proxen® 500 mg)
Paracetamolc, d
≤ 2 Jahren: 60, > 2 Jahre: 90
4000
in 4–6 Dosen
Tabletten (z. B. Ben-u-ron® 500 mg) Saft (Ben-u-ron® 1 ml = 40 mg) Suppositorien (Ben-u-ron® 125, 250, 500, 1000 mg)
13
a b c d
Ibuprofen ist von allen NSAR mit dem geringsten Risiko gastrointestinaler Nebenwirkungen behaftet. nicht in den ersten 3 Lebensmonaten. Orale/rektale Dosis entspricht i.v.-Dosis. Paracetamol-Dosierungen für Neonaten, s. Kap. 18; die maximale Tagesdosis sollte ohne regelmäßige Kontrolle der Leberwerte nicht länger als 72 h verabeicht werden. Paracetamol i.v. (Perfalgan®) Dosis 60 mg/kg KG/Tag in 4 Dosen. Einzeldosis 15 mg/kg KG i.v.
223 13.4 · Schmerzbehandlung
Unabhängig von der onkologischen Erkrankung existieren Polymorphismen der Cytochrom-P450-Expression (wie CYP2E1), die einzelne Kinder hinsichtlich hepatotoxischer Medikamente vulnerabler machen [3]. Somit ist die Toxizität von Paracetamol multifaktoriell. Dies erklärt das Auftreten erheblicher Leberschäden – bei einigen Kindern musste eine Lebertransplantation erfolgen – bei der Anwendung selbst therapeutischer Dosen lege artis (<100 mg/kg KG/Tag) über einen Zeitraum von nur 2–4 Tagen [31]. Für die Kinderonkologie gilt: Anhand postoperativer Daten gewonnene neue Erkenntnisse zur Paracetamoldosierung [1], die für die postoperative Schmerztherapie oder die analgetische Therapie bei Kopfschmerzen Gültigkeit haben, dürfen keinesfalls verabreicht werden. Wenn in der Kinderonkologie eine Langzeittherapie mit PCM für länger als 72 h vorgesehen ist, sollten regelmäßig S-GOT, S-GPT und Gerinnung sowie einmalig nach 3 Therapietagen der Paracetamolspitzenspiegel bestimmt werden. Die toxische Tagesdosis bei protrahierter Gabe beträgt ca. 150 mg/kg KG/ Tag – wenn keine weiteren Risikofaktoren vorliegen (s. oben). Unter Paracetamolgabe kommt es extrem selten zu Überempfindlichkeitsreaktionen und zur Störung der Blutbildung bis hin zur Panzytopenie. Metamizol
E Metamizol wird in der Kinderonkologie sehr häufig in Kombination mit Tramadol oder Morphin in der Behandlung der chemotherapieassoziierten Mukositis eingesetzt, um die notwendige Opioidmenge und die damit verbundenen Nebenwirkungen (v.a. die Obstipation) zu minimieren. Seine antipyretische Wirkung birgt die Gefahr, dass Fieber als Zeichen einer Infektion bei neutropenischen Patienten supprimiert wird und sich dadurch der Beginn einer suffizienten antibiotischen Therapie verzögert. Die spasmolytischen Eigenschaften von Metamizol sind willkommen bei abdominellen Schmerzen, wie sie häufig im Rahmen einer Mukositis auftreten. Die Latenz des Wirkungseintritts beträgt nach oraler Gabe ca. 30 min. Die Bioverfügbarkeit bei oraler Applikation ist 99 %, die Wirk-
13
dauer 3–4 h. Knochenmarkschädigungen sind laut wissenschaftlicher Informationsbroschüre eine Kontraindikation für die Anwendung von Metamizol, obwohl die Agranulozytose eine extrem seltene Nebenwirkung [41] und beim Einsatz von Nichtopioiden keinesfalls spezifisch für Metamizol ist. Inwieweit Metamizol zu einer verzögerten Rekonstitution des Knochenmarks nach aplasiogener Chemotherapie führt, ist unbekannt. Weitere wichtige Nebenwirkungen sind Überempfindlichkeitsreaktionen und Allergien. Diese können in Extremfällen und bei intravenöser Gabe zum Kreislaufschock führen. Insbesondere bei hohem Fieber sollte Metamizol nur kontinuierlich intravenös oder als Kurzinfusion und bei instabilen Kreislaufverhältnissen gar nicht verabreicht werden. Vorsicht ist geboten bei Patienten mit Asthmabzw. Allergieanamnese. Für die Kinderonkologie wichtige Arzneimittelinteraktionen weist Metamizol mit Cyclosporin auf: bei gleichzeitiger Anwendung kann der Cyclosporinspiegel absinken. Ibuprofen, Indomethacin und Naproxen
E In der Kinderonkologie werden auch diese NSAR wegen der Störung der Plättchenaggregation nur dann eingesetzt, wenn weder eine Thrombozytopenie vorliegt noch eine aplasiogene Chemotherapie geplant ist. Indomethacin und Naproxen besitzen eine hohe antiphlogistische Potenz, die man sich bei entzündlich bedingten Schmerzen zunutze macht. Knochenschmerzen sind eine weitere Indikation für NSAR. In der Langzeittherapie sollte hier Ibuprofen bevorzugt werden, da es mit dem geringsten Risiko gastrointestinaler Nebenwirkungen behaftet ist [79, 30]. Eine Dosisreduktion muss bei Nieren- oder Leberinsuffizienz erfolgen. Bei gleichzeitiger Gabe von NSAR mit Digoxin oder Methotrexat kommt es zur Serumspiegelerhöhung dieser beiden Medikamente. Hauptnebenwirkungen von NSAR sind auch bei kurzen Therapiephasen gastrointestinale Schleimhautschäden, die häufiger bei gleichzeitiger Einnahme von Glukokortikoiden auftreten. Bei Langzeitgebrauch besteht die Gefahr der Nephrotoxizität. Alle NSAR können in seltenen
224
Kapitel 13 · Schmerztherapie in der Kinderhämatoonkologie
Fällen eine Störung der Blutbildung bis hin zur Agranulozytose auslösen. Acetylsalicylsäure (ASS)
E Eine ASS-Behandlung von Begleitsymptomen und Schmerzen im Rahmen fieberhafter Infektionen im Kindesalter ist obsolet, da in diesen Situationen die Einnahme von ASS höchstwahrscheinlich ein Reye-Syndrom auslösen kann [33]. ASS führt zudem über eine kovalente Bindung zu einer langanhaltenden Störung der Blutgerinnung. ASS sollte daher in der Kinderonkologie bei thrombopenischen oder vor einer Thrombopenie stehenden Kindern gar nicht und in der übrigen Pädiatrie nur mit strenger Indikationsstellung eingesetzt werden (Kawasaki-Syndrom, i.v.-Therapie bei therapierefräktärer Migräne etc.).
Analgetika der WHO-Stufe II: schwaches Opioid (± Nichtopioidanalgetikum, ± Adjuvans)
13
Auf der WHO-Stufe II (. Tabelle 13.2) kommen schwache Opioide zum Einsatz. Das Opioid wird gemäß individuellem Schmerzverlauf ausgewählt: bestehen mittelstarke Schmerzen ohne zu erwartende Progredienz, wird ein schwaches Opioid eingesetzt. Ist eine rasche Progredienz zu starken Schmerzen absehbar, startet die Therapie schon initial mit einem Opioid der WHO-Stufe III. So werden hohe Dosen eines schwachen Opioides (die oft mit mehr Nebenwirkungen vergesellschaftet sind als niedrige Dosen eines starken Opioids) und der Opioidwechsel vermieden. Tramadol
E In der deutschen Kinderonkologie wird von den schwachen Opioiden der WHO-Stufe II nahezu ausschließlich Tramadol eingesetzt [95], häufig in Kombination mit Metamizol oder einem anderen Nichtopioid. Postoperativ kann durch diese Kombination die verabreichte Opioidmenge reduziert werden, ohne dass hierdurch die Analgesie schlechter würde [71]. Tramadol ist eine reiner Opioidrezeptoragonist. Seine analgetische Wirkung wird gesteigert durch eine Zunahme der Serotoninsekretion sowie die Blockade der synaptischen Wiederaufnahme von Noradrenalin im ZNS. 10–15 mg
Tramadol i.v. sind äquianalgetisch zu 1 mg Morphin i.v. Die Bioverfügbarkeit erreicht kurz nach Beginn der enteralen Therapie 90–98 %, so dass sich intravenöse und enterale Dosis entsprechen. Die Wirkdauer von nichtretardiertem Tramadol beträgt 4 h, die von retardierten Präparaten 8–12 h [6]. Die unerwünschten Wirkungen Übelkeit, Erbrechen und Atemdepression beobachten wir beim Einsatz von Tramadol in der Pädiatrie selten – auch weil bei Dosierungen von über 8 mg/ kg KG in der Regel ein Wechsel auf Morphin vorgenommen wird. Dihydrocodein, Tilidin, Dextropropoxyphen
E Alle 3 Analgetika werden in der Kinderonkologie in Deutschland nur sehr selten eingesetzt, wohl auch, weil für alle 3 Opioide nur als oral zu verabreichende Präparate zur Verfügung stehen [95].
Analgetika der WHO-Stufe III: starkes Opioid (± Nichtopioidanalgetikum, ± Adjuvans) Der Einsatz starker Opioide am Beginn einer Schmerztherapie ist in der Kinderonkologie die Regel. Dabei werden in Deutschland die in . Tabelle 13.3 genannten Opioide eingesetzt. Dosierungen dieser starken Opioide finden sich in . Tabelle 13.2. In der Neugeborenen- und Säuglingsperiode muss mit sehr viel geringeren Opioiddosen begonnen werden [80, 37, 38]. Eine pulsoxymetrische Überwachung ist in der Einstellungsphase bei Kindern unter 6 Monaten unverzichtbar und bei intravenöser Opioidtherapie auch für alle anderen Alterstufen zu empfehlen. Die Überwachung mittels SaO2-Monitor ist nur dann verlässlich, wenn die Atemluft einen O2-Gehalt von 21 % hat. Ist die Atemluft O2-angereichert, können auch schwere Hypopnoen mit respiratorischer Azidose unerkannt bleiben, da die O2-Sättigung über die erhöhte O2-Zufuhr ausgeglichen wird und damit trotz Hypopnoe stabil bleibt. Bei allen Kindern ist eine Kontrolle von Schmerzstärke und Sedierungstiefe ärztlich anzuordnen und regelmäßig zu kontrollieren. Morphin ist der »Goldstandard« der Opioidtherapie im Kindesalter, daher werden Beginn, Steuerung und Beendigung einer Schmerztherapie bei starken
Opioid (Beispielpräparat)
Äquianalgetische Dosisa i.v.
Übliche Startdosis i.v.b
p.o.
<50 kg KG
>50 kg KG
Dosisverhältnis i.v./p.o.
Übliche Startdosis p.o.b <50 kg KG
>50 kg KG
Halbwertzeit(h)
13.4 · Schmerzbehandlung
. Tabelle 13.2. Dosierungsrichtlinien zur Opioidanalgesie für opioidnaive Patienten. (Mod. nach [90]. Copyright der Tabelle beim Autor). Bei allen Medikamenten, bei denen eine Unterscheidung in Kinder <50 kg KG und >50 kg KG vorgesehen ist, sollten die Dosierungen für Kinder <50 kg KG in mg/kg KG und die »übliche Erwachsenendosis« für Kinder >50 kg KG verwendet werden. Wenn eine Umstellung auf ein Opioid mit kurzer Halbwertzeit bei einem schon mit Opioiden behandelten Patienten vorgenommen wird, sollte das neue Medikament mit 50 % der äquianalgetischen Dosis verabreicht werden (aufgrund inkompletter Kreuztoleranz) und nach Wirkung titriert werden. Bei Säuglingen, die jünger als 6 Monate sind, sollte die Startdosis 1/4–1/3 der vorgeschlagenen Dosis betragen und nach Wirkung titriert werden.
Opioide mit kurzer Halbwertzeit 200 mg
n.e.
n.e.
1: 1,5
0,5–1 mg/kg KG alle 3–4 h
30 mg alle 3–4
2,5–3
Fentanyld (z. B. Injektionslösung: Fentanyl-Jansen®)
100 µg Einzeldosis
–
0,5–2 µg/kg KG/h als DTI
25–75 µg stündlich
–
–
–
3
Hydromorphon, (z. B. Dilaudid®)
1,5 mg
7,5 mg
0,015 mg/kg KG alle 2–4 h DTI: 0,005 mg/kg KG/h
1–1,5 mg alle 2–4 h
1: 5
–
–
2–3
Morphin (Tabletten z. B. Sevredol®), Tropfen (Morphinlösung 0,1–4%; 1 ml = 1–40 mg), Injektionslösung, z. B. MSI®)
10 mg
30 mg
Bolus: 0,05– 0,1 mg/kg KG alle 2–4 h DTI: 0,03 mg/kg KG/h
5–10 mg DTI: 1 mg/h
1:3
0,15– 0,3 mg/kg KG alle 4 h
5–10 mg alle 4 Std.
2,5–3
Pethidine (z. B. Dolantin®)
75 mg
300 mg
0,75 mg/kg KG alle 2–4 h
50–75 mg alle 2–4 h
1:4
1–1,5 mg/kg KG alle 3–4 h
75–100 mg alle 3–4 h
3
Piritramidf (z. B. Dipidolor®)
–
–
0,05–0,1 mg/kg KG alle 4–6 h
5–10 mg DTI: 1 mg/h
–
–
–
3–5
Tilidin/Naloxong, (z. B. Valoron®)
–
–
–
–
–
2.–14.Lebensjahr: 1 Tr. pro Lebensjahr mindestens 3 Tr. alle 6 h
Ab dem 14. Lebensjahr 20–40 Tr. alle 4–6 h
3–6
6
13
130 mg
225
Kodeinc (z. B. in Kombination mit PCM in Talvosilen®)
13 226
. Tabelle 13.2. (Fortsetzung)
Tramadolh (z. B. Tramundin® Kapseln, Tropfen, Suppositorien und Injektionslösung)
Äquianalgetische Dosisa
Übliche Startdosis i.v.b
Übliche Startdosis p.o.b <50 kg KG
>50 kg KG
i.v.
p.o.
<50 kg KG
>50 kg KG
Dosisverhältnis i.v./p.o.
Halbwertzeit (h)
100 mg
100 mg
1 mg/kg KG alle 2–4 h
50–100 mg
1: 1
1 mg/kg KG alle 3–4 h
50–100 mg alle 3–4 h
2–4
Opioide mit langer Halbwertzeit Buprenorphini (z. B. Temgesic®)
0,16 mg
0,16 mg
0,003–0,006 maximal 0,009 mg/ kg KG alle 6–8 Std. (Ceiling-Effekt)
0,2–0,4 mg alle 6–8 h
1: 1
0,003–0,006 maximal 0,009 mg/kg KG alle 6–8 h (Ceiling-Effekt)
0,2–0,4 mg alle 6–8 h
6–8
Dihydrocodeinc retardiert (z. B. DHC-MundipharmaRetardtabletten®)
–
–
–
–
–
2 mg/kg KG alle (8–)12 h
60 mg alle 12 h
8–12
Hydromorphonj retardiert (z. B. Palladon®)
–
–
–
–
–
0,08 mg/kg KG alle 12 h
4 mg alle 12 h
8–12
Levomethadonk (z. B. l-Polamidon®Hoechst-Tropfen und -Injektionslösung)
10 mg
20 mg
0,05 mg/kg KG alle 4–8 h
5 mg alle 4–8 h
1:2
0,1 mg/kg KG alle 4–8 h
5 mg alle 4–8 h
12–50
Morphin retardiertl (z. B. MST-Retardtabletten® und Retardgranulat®)
–
–
–
–
–
0,5 mg/kg KG alle 12 h
30–60 mg alle 12 h
8–12
Oxycodonm retardiert (z. B. OxygesicRetardtablette®)
–
–
–
–
–
0,2 mg/kg KG alle 12 h
10 mg alle 12 h
8–12
6
Kapitel 13 · Schmerztherapie in der Kinderhämatoonkologie
Opioid (Beispielpräparat)
Opioid (Beispielpräparat)
Übliche Startdosis i.v.b
Übliche Startdosis p.o.b <50 kg KG
>50 kg KG
Halbwertzeit h)
i.v.
p.o.
<50 kg KG
>50 kg KG
Dosisverhältnis i.v./p.o.
Tilidin/Naloxong retardiert (z. B. Valoron retard®)
–
–
–
–
–
–
50–300 mg alle 8–12 h
8–12
Tramadol retardiertn (z. B. Tramundin retard®)
–
–
–
–
1:1
2 mg/kg KG alle 8–12 h
100–300 mg alle 8–12 h
8–12
Äquianalgetische Dosisa
d Fentanylpflaster nur bei stabiler Schmerzsituation einsetzen. Umrechung: s. Text. e Pethidin wird aufgrund seiner langen Halbwertzeit und der möglichen Akkumulation toxischer Metabolite nicht für eine Therapiedauer von >24 h empfohlen. f Piritramid ist mit vielen Infusionslösungen und Medikamenten nicht kompatibel. Die proklamierte bessere Kreislaufverträglichkeit von Piritramid im Vergleich zu Morphin ist noch nicht Gegenstand wissenschaftlicher Studien gewesen. Nach Studien an Erwachsenen verursacht Piritramid jedoch mehr Übelkeit, Erbrechen und Sedierung als Morphin. g Informationen laut Produktinformation. Dosierungen pro kg KG liegen nicht vor. Euphorisierende Wirkung der nicht-retardierten Form. Ceiling-Effekt: maximale Tagesdosis 400 mg/d. Tilidin ist eine Pro-Drug. Der aktive Metabolit Nortilidin entsteht nach hepatischer Demethylierung von Tilidin. Naloxon ist zum Schutz des Medikamentes vor missbräuchlicher i.v.-Applikation zugesetzt. Nach oraler Gabe wird Naloxon schnell hepatisch inaktiviert. h Es gibt auch eine Kombinationstablette aus unretardiertem und retardiertem Tramadol (Tramundin® SL). Wirkbeginn nach 10 Minuten, Wirkdauer 8–12 h. i Gemischter Agonist-Antagonist. Cave: Ceiling-Effekt! Maximal 4 mg/Tag. Nicht mit anderen Opioiden kombinieren. Sublingualtabletten ab ca. 35 kgKG einsetzbar j Kleinste erhältliche Kapsel enthält 4 mg, somit als Startdosis erst ab 50 kgKG geeignet. k Äußerste Vorsicht ist bei der Verwendung von Levomethadon wegen dessen extrem langer biologischer Halbwertzeit angebracht, sowohl bei Therapiebeginn als auch bei Dosissteigerung. Einstellung im Kindesalter unter stationären Bedingungen. l Im Kindesalter ist Morphin als Retardgranulat sehr gut geeignet. m Nach Studien an Erwachsenen scheinen Halluzinationen weniger häufig aufzutreten als unter Therapie mit Morphin. Der Wirkeintritt ist schnell (<1 h), die Wirkdauer dennoch 8–12 h. n Tramundin® retard ist teilbar, Tramal® long nicht. Damit ist Tramundin retard ab einem Körpergewicht von 25 kg einsetzbar.
227
n.e. nicht empfohlen; DTI Dauertropfinfusion. a Äquianalgetische Dosen basieren auf Einmaldosisstudien bei Erwachsenen. b Die übliche Startdosis ist die i. Allg. verwendete Standarddosis und basiert nicht immer auf äquianalgetischen Prinzipien. Bei Säuglingen, die jünger als 6 Monate sind, sollte die Startdosis 1/4–1/3 der vorgeschlagenen Dosis betragen und nach Wirkung titriert werden. c Statt Kodein wird in Deutschland überwiegend Tramadol eingesetzt. Kodein ist in Deutschland als Antitussivum oder in Kombinationspräparaten mit Pacacetamol (z. B. Talvosilen®) verbreitet. Die Berücksichtigung von Kodein im WHO-Stufenschema basiert nicht auf Aussagen wissenschaftlicher Studien, sondern mehr auf der Tradition, Kodein zu verabreichen. Kodein hat einige pharmakokinetische und -dynamische Besonderheiten, die seinen Einsatz bei Kindern eher ungünstig erscheinen lassen [89]: 1) Die Bioverfügbarkeit nach oraler Gabe schwankt stark (15 bis über 80%). 2) Kodein wirkt über seinen Metaboliten Morphin analgetisch. Die Verstoffwechselung zu Morphin ist abhängig von der Aktivität des Cytochrom-P450-Enzyms CYP2D6. Die Aktivität dieses Enzyms schwankt stark – je nach genetischer Ausstattung des Patienten. Vereinfacht werden Menschen in schlechte und gute Verstoffwechsler eingeteilt, wobei in Deutschland der Anteil ersterer – bei denen Kodein extrem schlecht analgetisch wirkt – ca. 10 % beträgt. Zudem ist die Aktivität von CYP2D6 bei Kindern bis zum 5. Lebensjahr unvorhersehbar – sie kann die Aktivität des Erwachsenenalters erreichen, beträgt aber in dieser Altersgruppe meist nur bis zu 25 % davon. Die CYP2D6-Aktivität und damit die Verstoffwechselung von Kodein zu Morphin kann durch Medikamente, die ebenfalls von der WHO empfohlen werden (Metoclopramid, Neuroleptika, Antidepressiva), weiter reduziert werden. 3) Bei Neugeborenen traten nach Gabe von Kodein z. T. schwere Atemstörungen auf. Keine Steigerung von Dihydrocodein über 4 mg/kgKG/d, da Zunahme der Nebenwirkungen ohne Zunahme der Wirkung.
13.4 · Schmerzbehandlung
. Tabelle 13.2. (Fortsetzung)
13
228
Kapitel 13 · Schmerztherapie in der Kinderhämatoonkologie
. Tabelle 13.3. Einsatz starker Opioide in der Kinderonkologie Einsatz
Opioid
Als Standardanalgetikum bei starken Schmerzen und bei Mukositis
Morphin
Als Ersatzopioid bei individueller Unverträglichkeit und bei Leber- oder Niereninsuffizienz
Hydromorphon
Postoperativ
Piritramid
Bei zentralnervösen Nebenwirkungen anderer Opioide
Oxycodon
Bei extrem starken Schmerzen, insbesondere in der Palliativsituation
Levomethadon
Traditionell bei schmerzhaften Prozeduren
Pethidin
Wenn die Einnahme von Tabletten unmöglich ist und eine stabile Schmerzsituation vorliegt
Fentanyl-Pflaster
Traditionell mit eher unklarer Indikation
Buprenorphin
Schmerzen anhand dieses starken Opioids exemplarisch dargestellt. Beginn und Steuerung einer i.v.-Opioidtherapie (Beispiel Morphin)
13
0,05 mg/kg KG Morphin werden alle 10–15 min langsam i.v. appliziert. Die kumulative bis zur ausreichenden Schmerzlinderung verabreichte i.v.-Dosis wird versechsfacht und als DTI über 24 h infundiert. Für Schmerzdurchbrüche sollten Morphinkurzinfusionen mit 100 % der Stundendosis verordnet werden. Beginn und Steuerung einer p.o.-Opioidtherapie (Beispiel Morphin) Bei chronischen Tumorschmerzen ist in der Regel eine orale Schmerztherapie möglich. Nach der Schmerzmessung mit standardisierten Schmerzmessinstrumenten werden Morphintropfen in einer Dosis von 0,15 mg/kg KG p.o. alle 20 min bis zur Schmerzfreiheit verabreicht. E Im 2. Schritt wird die kumulativ bis zur Schmerzfreiheit verabreichte p.o.-Dosis alle 4 h als Tropfen oder Tabletten verabreicht. E Am 2. Behandlungstag wird die Morphintagesdosis des 1. Behandlungstages in 2 Dosen aufgeteilt und als Retardpräparat verordnet. E Für Schmerzdurchbrüche sollten immer schnell wirksame Morphinpräparate (Tropfen/Tabletten) zur Verfügung stehen. Die Höhe der zusätzlichen Bedarfsmedikation richtet sich nach
der aktuellen Tagesdosis und beträgt 1/24–4/24 davon. E Es existiert keine Tageshöchstdosis für Morphin. Kann eine zusätzliche Schmerzlinderung mit einer Dosissteigerung erreicht werden, ist sie angebracht. Wechsel des Applikationsweges oder des Opioids (Beispiel Morphin)
Beim Wechsel der Applikationswege von i.v. auf p.o. muss die Morphindosis verdreifacht, im umgekehrten Falle (p.o. nach i.v.) gedrittelt werden. Dieser Umrechnungsfaktor ist für alle starken Opioide verschieden. Beim Wechsel von einem Opioid auf ein anderes kann die äquianalgetische Dosis anhand . Tabelle 13.2 berechnet werden. Wegen der inkompletten Kreuztoleranz von Opioiden wird die Schmerztherapie zunächst mit nur 30–50 % der berechneten äquianalgetischen Dosis weitergeführt. Nie sollten 2 verschiedene Opioide miteinander kombiniert werden. Beenden der Opioidtherapie
-Bei einer Anwendungsdauer <5 Tagen wird die Opioidmenge bei Therapieende langsam über 3–4 Tage ausgeschlichen. Bei längerer Anwendungdauer reduziert man die Dosis anfangs um 20–40 %/24 h, später um 10–20 %/24 h. Die Entwöhnung kann bis zu 2 Wochen in Anspruch nehmen. Beim Wechsel von einem starken Opioid auf ein anderes wird die neue Therapie mit der Hälfte der äquianalgetischen Dosis des neuen Opioids begonnen.
229 13.4 · Schmerzbehandlung
Morphin
E Morphin ist ein reiner Opiatagonist [18]. Es existiert keine obere Dosisgrenze; die Morphindosis sollte generell am Effekt titriert werden. Nach oraler Gabe kommt es zu einer variablen Absorption, sodass die Bioverfügbarkeit ca. 30 % beträgt. Morphin wird hepatisch in Morphin-3-Glucuronid und Morphin-6-Glucuronid (M6G) metabolisiert, wobei nur M6G und nativem Morphin eine analgetische Wirkung zugesprochen wird. Die Elimination geschieht renal. Alle pharmakokinetischen Parameter sind multifaktoriell beieinflusst vom Alter des Kindes, seiner Komorbidität und postoperativ von der durchgeführten Narkose [46]. Die Halbwertzeit von nichtretardiertem Morphin beträgt bei Frühgeborenen 9,0 h (+3,4 h), bei reifen Neugeborenen 6,5 h (+2,8 h) und ab dem 11. Lebenstag 2,2 h (+1,8 h) [37]. Die Wirkung beginnt bei intravenöser Applikation nach 5 min. Das Wirkmaximum ist nach 20 min erreicht. Die Wirkdauer von nichtretardiertem bzw. intravenös appliziertem Morphin beträgt jenseits der frühen Säuglingsphase 2–4 h, die von oralen retardierten Präparaten 8–12 h (Wirkdauer abhängig vom Alter). Die Wirkung bei Gabe retardierter Morphinpräparate beginnt mit einer Latenz von 30–60 min. Bei der stationären Schmerztherapie, meist im Rahmen von Mukositiden, werden vornehmlich intravenöse, in der ambulanten Tumorschmerztherapie nahezu ausschließlich retardierte Zubereitungen starker Opioide eingesetzt [97]. Hat ein Kind eine Abneigung gegen Tabletten, treten Schluckstörungen auf oder beträgt das Körpergewicht weniger als 20 kg, bietet sich die Gabe von Morphinretardgranulat an. Dieses kann in Wasser aufgeschwämmt werden, ist daher auch für die Anwendung bei Säuglingen gut dosierbar und kann problemlos über sehr dünne Magen- bzw. PEG-Sonden appliziert werden. Wegen seines Himbeergeschmacks wird es von kleinen Kindern gut toleriert. Die einmal hergestellte Aufschwemmung sollte sofort verabreicht und nicht aufbewahrt werden, da sonst die Retardwirkung verloren geht und Morphin zu einem großem Anteil unretardiert in der Aufschwemmung vorliegt.
13
Bei immuninkompetenten Kindern birgt die rektale Applikation von Morphin ein Infektionsrisiko. Zudem schwankt die Bioverfügbarkeit nach rektaler Gabe noch stärker als nach oraler Gabe, nämlich zwischen 30 und 88 % [84]. Eine postoperative 4-stündliche rektale Morphinapplikation von 0,44 mg/ kg KG führte bei einem 7,5 Monate alten Kind nach der 5. Gabe zum Tod [25]. Kontrollen von Sedierungsgrad, Schmerzstärke und Vitalfunktionen waren in diesem Fall nicht angeordnet bzw. durchgeführt worden. Arzneimittelinteraktionen: Cimetidin, ein in der Kinderonkologie gern verwendetes Medikament, führt zu erhöhten Plasmaspiegeln von Morphin und anderen Opioiden. Hydromorphon
E Hydromorphon kann primär oder bei nicht therapierbaren oder nicht tolerablen Nebenwirkungen von Morphin eigesetzt werden. Hydromorphon hat keine aktiven Metaboliten. Dies ist besonders wichtig für die Therapie bei Niereninsuffizienz, da hier Medikamente ohne aktive Metaboliten – die in der Regel unterschiedliche Eliminationsraten haben – besser steuerbar sind. Wie Morphin ist Hydromorphon ein reiner Opioidagonist. Piritramid
E Postoperativ wird in Deutschland traditionell Piritramid eingesetzt. Wegen seiner hohen Lipophilie tritt die Wirkung prompt ein, was die intravenöse Therapie gut steuerbar macht. Gleichzeitig besteht aber die Gefahr, durch zu schnelle i.v.-Applikation eine Euphorie auszulösen und die Kinder »auf den Schuss« zu konditionieren. Die Wirkstärke von Piritramid ist mit der von Morphin vergleichbar. Ein entscheidender Nachteil von Piritramid für die Kinderonkologie: es lässt sich so gut wie gar nicht mit anderen Pharmaka oder Infusionslösungen mischen. Oxycodon
E Oxycodon scheint unter allen Opioiden die wenigsten zentralnervösen Nebenwirkungen wie Halluzinationen, Verwirrtheit etc. auszulösen. Bestehen solche unerwünschten Wirkungen im
230
Kapitel 13 · Schmerztherapie in der Kinderhämatoonkologie
Rahmen einer Opioidtherapie, empfiehlt sich der Wechsel auf Oxycodon [28, 22]. Levomethadon
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E Levomethadon ist ein synthetisches Opioid und wie Morphin ein reiner µ-Agonist. Es ist wegen der extrem langen terminalen β-Halbwertzeit von 13–50 h schlecht steuerbar. Die Einzeldosis beträgt 0,05 mg/kg KG i.v. oder 0,1 mg/ kg KG p.o. alle 4 h. Nach 6 Gaben wird gewartet, bis erneut Schmerzen auftreten. Das Applikationsintervall ab dem 2. Behandlungstag errechnet sich dann aus der Zeitdauer von der letzten Gabe am ersten Behandlungstag bis zum Auftreten von leichten Schmerzen am 2. Behandlungstag – im Durchschnitt beträgt es 8–12 h. Die Einstellung auf Levomethadon sollte unter stationären Bedingungen erfolgen. Da Methadon und Levomethadon auch dann noch analgetisch wirken, wenn Morphin, Fentanyl oder Hydromorphin keine ausreichende Analgesie herbeiführen können, stellt sich im Alltag die Frage, wie ein Opioidwechsel durchgeführt werden kann. Hierfür existieren 2 mögliche Strategien: E A) Bis dato durchgeführte Opioidtherapie beenden. 10 % der berechneten äquianalgetischen Dosis Levomethadon werden als Startdosis verabreicht, die gleichhohen Folgedosen werden bei Bedarf gegeben, bis das Kind anhaltend schmerzfrei ist und sich eine Einzeldosis mit entsprechendem Dosisintervall herausgestellt hat. E B) Bis dato durchgeführte Opioidtherapie beenden. An Tag 1 des Opioidwechsels 0,2 mg/ kg KG (maximal 5–10 mg) Levomethadon p.o. (oder 0,1 mg/kg KG; maximal 5 mg i.v) alle 4 h und zusätzlich bei Bedarf bis stündlich verabreichen. An den Tagen 2–3 Dosis austitrieren, indem die Einzeldosis bis zu 30 % gesteigert wird. Dosierungsintervalle beibehalten. An Tag 4 wird die jetzt austitrierte Einzeldosis nur noch alle 8 h fest und zusätzlich 3-stündlich bei Bedarf verabreicht. An den folgenden Tagen kann unter Beibehaltung des Dosisintervalls die Einzeldosis noch gesteigert werden [56]. Pethidin
E Traditionell wird Pethidin in Deutschland bei schmerzhaften Eingriffen und auch interna-
tional bei Sichelzellkrisen eingesetzt, obwohl Pethidin für beide Indikationen Nachteile und gegenüber anderen Opioiden keine die Nachteile aufwiegenden Vorteile bietet: Einerseits kommt es nach Pethidingabe bei schmerzhaften Eingriffen wegen der hohen Lipophilie rasch zur Analgesie, andererseits verhindert die altersabhängige Halbwertzeit von mindestens einigen Stunden eine schnelle Rekonvaleszenz des Kindes. Hohe Dosen von Pethidin wirken zudem direkt kardiodepressiv [68]. Bei schmerzhaften Eingriffen bietet sich der Einsatz von Ketamin oder Morphin oder die Durchführung einer Allgemeinnarkose an (7 Kap. 11). Im Rahmen einer chronischen Erkrankung wie der Sichelzellananämie oder bei Tumorschmerzen ist die Anwendung von Pethidin bei Kindern (und Erwachsenen) nicht zu empfehlen, da der Metabolit Norpethidin im Körper kumulieren und zu zerebralen Krampfanfällen führen kann [63, 67]. Die Halbwertzeit von Norpethidin beträgt 20–85 h. Pethidin ist ein synthetischer µ-Agonist und wird hepatisch metabolisiert in Pethidinsäure sowie Norpethidin. Seine Halbwertzeit beträgt bei Früh- und Neugeborenen 10–23 h, bei bis zu 2 Monaten alten Säuglingen immerhin noch 8 h. Bei Kindern unterscheidet sich die Halbwertzeit nur unwesentlich von der des Morphins [59]. Bei Einsatz zusammen mit MAO-Hemmern – z. B. Moclobemid und Tranylcypromin (Psychopharmaka) – kann es zu lebensgefährlichen Komplikationen wie Hyperpyrexie, arterieller Hypo- oder Hypertonie, Delirium und zerebralen Krampfanfällen kommen [68]. Fentanyl
E Fentanyl ist wie Morphin ein reiner Opioidagonist. Es ist sehr viel lipophiler als Morphin, sodass sowohl Wirkungen als auch Nebenwirkungen – insbesondere Atem- und Kreislaufdepression – bei intravenöser Applikation sehr schnell eintreten. Für die Analgesie bei schmerzhaften Eingriffen ist es sehr geeignet, da bei langsamer intravenöser Gabe gut an der Wirkung titriert werden kann. Transdermal kann Fentanyl mit Hilfe eines speziellen Pflasters appliziert werden: Fentanyl-TTS (Therapeutisches Transdermales System). Trans-
231 13.4 · Schmerzbehandlung
13
. Tabelle 13. 4. Umstellung von oraler Morphintherapie auf TTS-Fentanyl bei Kindern. (Nach Hunt 2001) Tägliche orale Morphindosis [mg/d]
Fentanyldosis (µg/h)
Fentanyldosis [mg/Tag]
Pflastergröße [cm2]
30–135 135–224 225–314 315–404 405–494 495–584 Je weitere 60 mg/Tag
25 50 75 100 125 150 Weitere 25 µg/h
0,6 1,2 1,8 2,4 3,0 3,6 Weitere 0,6 mg/Tag
10 20 30 40 50 60 Weitere 10 cm2
dermales Fentanyl wird von mindestens 12 der 76 kinderonkologischen Abteilungen in Deutschland eingesetzt [95]. Wie Analysen im Rahmen eines Qualitätssicherungsprojektes der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie [96] zeigen, werden dabei die Indikationen nicht immer richtig gestellt. Das Pflaster soll nur bei stabiler Schmerzsituation eingesetzt werden und keinesfalls am Beginn einer Schmerztherapie. In der Literatur sind über 80 Fälle pädiatrischer Anwendungen dokumentiert, die zeigen, dass ein Fentanyl-Pflaster (Durogesic®) bei sachgerechter Indikationsstellung und Anwendung auch bei Kindern wirksam ist und nicht mehr Nebenwirkungen aufweist als alle anderen starken Opioide [8, 14, 16, 28, 32, 48, 57, 61, 62,]. Die Wirkung tritt mit einer Verzögerung von 12 h ein und hält dann 48–72 h an – eine Kinetik, die keine Titration auf Effekt erlaubt. Als Umrechnungsfaktor gilt in der Schmerztherapie bei Erwachsenen: mg Morphin oral/Tag : mg Fentanyl transdermal/Tag = 100 : 1. Ein Rechenbeispiel: Beträgt die orale Tagesdosis von Morphin 60 mg, so wählt man das kleinste erhältliche Fentanylpflaster (0,6 mg Fentanyl/ Tag = 25 µg/h). Bei einer medianen oralen Morphindosis von 1,5 mg/kg KG/Tag in der kinderonkologischen Schmerztherapie [95] käme das Pflaster also frühestens ab einem Körpergewicht von 40 kg KG zum Einsatz. In einigen Studien betrug die minimale orale Tagesmorphindosis bei Umstellung auf FentanylTTS 30 mg/kg KG/Tag (. Tabelle 13.4). Bei Umstellung von oralem Morphin auf Fentanyl-TTS ist zu beachten: Das Fentanyl-TTS sollte zeitgleich mit der letzten Gabe retardierten
Morphins gegeben werden. Bestand die Schmerztherapie aus 4-stündlichen Gaben nicht-retardierten Morphins, sollte nach Aufbringen des Fentanyl-TTS noch eine Gabe nicht-retardierten Morphins verabreicht werden. Zusätzlich zum FentanylTTS müssen immer schnell wirkende Fentanyl-(Fentanyl-Stick) oder Morphinzubereitungen (z. B. Sevredol®-Tabletten) verordnet werden. Die Opioiddosis für Durchbruchschmerzen beträgt ca. 1/6 der Opioidtagesdosis und muss regelmäßig an einen steigenden Grundbedarf angepasst werden. Für Kinder würde der Autor einen Wechsel des Fentanyl-TTS alle 48 h empfehlen. Eine transbukkale Applikationsform von Fentanyl (Actiq-Stick®) ist seit 2002 in Deutschland auf den Markt. Ein Stick enthält wahlweise eine Einzeldosis von 200, 400, 600, 800, 1200 oder 1600 µg Fentanyl. Äquianalgetische Dosen anderer Opioide sind noch nicht etabliert. In Studien bei Erwachsenen wurde 200 µg Fentanyl als Stick mit 2 mg i.v. bzw. 15 mg p.o. Morphin verglichen. Kinder erhielten im Rahmen einer Wundversorgung 10–20 µg/kg KG und vor Knochenmarkpunktionen 15–20 µg/kg KG Fentanyl als Lutscher [75]. Die Einstellung auf transdermales Fentanyl sollte bei Kindern in jedem Fall stationär erfolgen. Todesfälle nach einer zu sorglosen Verabreichung von Fentanylpflastern sind beschrieben [8]. Auch nach Entfernen des Pflasters fällt der Fentanylblutspiegel nur langsam ab. Buprenorphin
E Buprenorphin – ein partieller Agonist – wird sublingual und i.v. appliziert. Die sehr starke
232
Kapitel 13 · Schmerztherapie in der Kinderhämatoonkologie
Opioidrezeptorbindung erklärt die lange Wirkungs- und ggf. Nebenwirkungsdauer. Wegen des Ceilingeffektes – durch weitere Dosissteigerung über das obere Dosislimit hinaus lässt sich keine Steigerung der Analgesie erzielen – sind die Einsatzmöglichkeiten von Buprenorphin begrenzt. Da Buprenorphin eine im Vergleich zu Morphin geringere obstipierende Wirkung zugeschrieben wird, die jedoch nicht wissenschaftlich bewiesen ist, wird es in praxi dann verordnet, wenn mittelstarke Schmerzen ohne Progredienz bestehen und eine Obstipation schon besteht oder unbedingt verhindert werden muss. Die Halbwertzeit beträgt bei Kindern 1 h (+0,2 h), bei Erwachsenen 3,1 h (+0,6 h). Bei sublingualer Gabe schwankt die Bioverfügbarkeit zwischen 16 und 94 %, weswegen sich die oralen und intravenösen Dosierungsempfehlungen entsprechen. Kinder zwischen dem 5. und 8. Lebensjahr (Studienkollektiv) wiesen nach i.v.-Gabe von Buprenorphin eine im Vergleich zu Morphin stärkere Atemdepression auf [zit. nach 59]. Seit kurzer Zeit ist Buprenorphin auch als transdermale Applikationsform (Transdec®) auf dem Markt. Daten für die Anwendung bei Kindern fehlen.
Nebenwirkungen der Analgetikatherapie
13
Das Nebenwirkungsprofil einzelner starker Opioide kann beim individuellen Patienten äußerst verschieden sein. Betrachtet man jedoch ein großes Kollektiv, unterscheiden sich die verschiedenen Opioide hinsichtlich Art und Ausmaß ihrer Nebenwirkungen kaum. Es existieren 4 Strategien zur Minimierung der Nebenwirkungen, die nach der Methode »Versuch und Irrtum« ausprobiert werden müssen: E Dosisreduktion, E symptomatische Therapie (. Tabelle 13.5), E Wechsel des Opioids, E Wechsel des Applikationsweges. Prophylaxe und Therapie häufiger Begleiteffekte werden gesondert besprochen. Selten und insbesonders bei intravenöser Applikation kann es zu arterieller Hypotonie, Urtikaria und bei Allergikern zu Asthmaanfällen kommen. Psychische Veränderungen (z. B. Euphorie) sowie Spasmen des Oddi-
Sphinkters werden im klinischen Alltag selten gesehen.
Obstipation Die Obstipation ist die häufigste und klinisch bedeutsamste Nebenwirkung einer Opioidtherapie in der Kinderonkologie. Im Rahmen der chemotherapieassoziierten Mukositis essen und trinken die Kinder wenig, lehnen die Einnahme von Laxanzien häufig ab und bewegen sich kaum. Unter Umständen treten in dieser Situation unter Opioidtherapie (Sub)ileuszustände auf. Hier muss eine Risikoabwägung zwischen verschiedenen analgetischen Regimen erfolgen – z. B. wird eine möglicherweise knochenmarksupprimierende Wirkung von Metamizol in Kauf genommen, weil durch den Einsatz von Metamizol die Opioiddosis reduziert werden kann. Zudem werden in diesem Falle häufig am 3. Tag ohne Stuhlgang Dexpanthenol und Neostigmin i.v. eingesetzt, obwohl hierfür kein wissenschaftlicher Wirknachweis besteht. E Tag der morgendlichen i.v.-Stimulation: Kinder <30 kg KG: 500–1000 mg Dexpanthenol (z. B. 1/2–1 Amp. Bepanthen® à 50 mg) + Neostigmin 20 µg/kg KG (Steigerung bis 50 µg/kg KG möglich). Kinder >30 kg KG: 1000 mg Dexpanthenol (z. B. 2 Amp. Bepanthen® à 500 mg) + 0,5 mg Neostigmin (z. B. 1 Amp. Neostigmin® 0,5 mg) als 2-hInfusion. E Bei ausbleibendem Erfolg am 2. Tag: Kinder <30 kg KG: 1000 mg Dexpanthenol (z. B. 2 Amp. Bepanthen® à 500 mg) + Neostigmin® 50 µg/ kg KG. Kinder >30 kg KG: 2000 mg Dexpanthenol (z. B. 4 Amp. Bepanthen® à 500 mg) + 1,0 mg Neostigmin (2 Amp. Neostigmin® 0,5 mg) als 3-h-Infusion. E Bei weiter ausbleibendem Erfolg am 3. Tag: Kinder >30 kg KG: 2000 mg Dexpanthenol (z. B. 4 Amp. Bepanthen® à 500 mg) + 1,0 mg Neostigmin (z. B. 2 Amp. Neostigmin® 0,5 mg) als 2-hInfusion. Weitere Steigerungen sind möglich bis zu einer Tageshöchstdosis für Neostigmin bei Erwachsenen 5 mg, bei Kindern <30 kg KG 2,5 mg; bzw. schnellere Infusion (gleiches Gemisch in 1 h) Besteht die Möglichkeit einer oralen Laxanzientherapie, weist nach eigenen Erfahrun-
13
233 13.4 · Schmerzbehandlung
. Tabelle 13.5. Begleitmedikation bei der Schmerztherapie mit Opioiden und NSAR Indikation
Medikament
Dosis
Lactulose (z. B. Bifiteral®)
≤ 3 Jahre Startdosis: Mittlere Dosis: > 3 Jahre Startdosis: Mittlere Dosis:
Applikationsmodus
Prophylaktisch Obstipation
Übelkeit
p.o. 3 × 2 ml 3 × 5 ml 3 × 5 ml 3 × 10 ml
Natriumpicosulfat (z. B. Laxoberal®)
≥ 4. Jahr: ≥ 12. Jahr:
4–8 Tropfen/24 h 10 bis max. 18 Tropfen/24 h
p.o. p.o.
Bisacodyl (z. B. Dulcolax®)
2–10 Jahre: >10 Jahre: >10 Jahre:
5 mg/Tag 10 mg/Tag 10 mg/Tag
Supp. Supp. p.o. (nicht mit Milch einnehmen)
Domperidon (z. B. Motilium®)
0,3 mg (= 1 Tr.)/kg KG Einzelhöchstdosis: 33 Trpf. = 10 mg
Dimenhydrinat (z. B. Vomex®)
1–2 mg/kg KG 5 mg/kg KG
alle 6–8 h alle 6–8 h
i.v. p.o./Supp.
Ondansetron (z. B. Zofran®)
5 mg/qm KOF Höchstdosis:
alle 12 h 8 mg
i.v./p.o.
Clemastin (z. B. Tavegil®)
0,04 mg/kg KG alle 12–24 h 1–3 Jahre 0,25–0,5 mg 4–6 Jahre 0,5 mg 7–12 Jahre 0,5–1 mg >12 Jahre 1 mg
p.o.
Therapeutisch Juckreiz
i.v. alle 12 h
p.o.
alle 12 h
p.o.
alle 12 h
p.o.
alle 12 h
p.o.
alle 12–24 h alle 8–24 h
s.c. p.o.
Harnverhalt
Carbachol (z. B. Doryl®)
0,05–0,1 mg 0,5–1 mg
Müdigkeit
Methylphenidat (z. B. Medikinet®)
0,1 mg/kg KG 2-mal täglich – morgens und mittags –, damit es zu keiner Störung des nächtlichen Schlafes kommt
p.o.
Ulkusprophylaxe
Ranitidin (z. B. Sostril®)
1–2 mg/kg KG alle 12 h bei Einmalgabe abends
p.o.
Misoprostol (z. B. Cytotec®)
2 × 5 µg/kg KG Höchstdosis 2 × 200 µg/Tag
p.o.
234
Kapitel 13 · Schmerztherapie in der Kinderhämatoonkologie
gen Lactulose, obwohl es in Einzelfällen zu Meteorismus und krampfartigen Bauchschmerzen führt, das beste Wirkungs-Nebenwirkungs-Verhältnis auf (. Tabelle 13.5). Zusätzlich werden Bisacodyl und Natriumpicosulfat sowie Paraffinöl eingesetzt, wenn die regelmäßige Lactuloseeinnahme nicht den erwünschten Erfolg zeigt. Eine manifeste Obstipation sollte vor der regelmäßigen oralen Laxanziengabe durch rektale Laxanziengabe beseitigt werden. Über Wirksamkeit und Verträglichkeit von Makrogol 3350 zur Obstipationsprophylaxe im Kindesalter fehlen wissenschaftliche Daten [40].
Übelkeit und Erbrechen
13
Grundsätzlich treten im Kindesalter die gleichen unerwünschten Opiodwirkungen auf wie bei Erwachsenen. Es gibt jedoch Unterschiede in Häufigkeit und Ausprägung. So reagieren ältere Kinder (>12 Jahre) häufiger mit Übelkeit und Erbrechen als jüngere [97]. Bei ersteren ist daher der prophylaktische Einsatz von Antiemetika gerechtfertigt (. Tabelle 13.5). Wie auch im Erwachsenenalter entwickelt sich bei Kindern typischerweise innerhalb 1 Woche eine Toleranz gegen die emetische Wirkung von Opioiden. Einige Kinder profitieren in der 1. Behandlungswoche von einem Dimenhydrinat-Kaugummi (10 mg und 20 mg). Da die Dimenhydrinatdosis des Kaugummis nur 15–50 % der üblicherweise rektal verabreichten Dosis beträgt, tritt Müdigkeit als unerwünschter Nebeneffekt seltener auf [69]. Pädiatrische Studien zu diesem Themenkreis fehlen. Da das Kaugummi bis dato ohne unerwünschte Nebeneffekte zur Prophylaxe von Übelkeit und Erbrechen in der Frühschwangerschaft verordnet wurde, bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Verträglichkeit bei Kindern. 35 % der deutschen Kinderonkologien setzten als Reservemedikament 5-HT3-Antagonisten zur Therapie und Prophylaxe von opioidinduzierter Übelkeit und Erbrechen ein, obwohl auch hier Studien und griffige pharmakodynamische Modelle fehlen (. Tabelle 13.5 [60, 83, 95]).
Juckreiz Unter der Therapie mit oral retardiertem Morphin klagen 25 % der über 12-jährigen Patienten und
10 % der jüngeren Kinder über Juckreiz [97]. Wenn möglich, wird diesem Symptom mit einer passageren Dosisreduktion begegnet. Ein Therapieversuch kann auch mit Ondansetron oder juckreizstillenden Waschungen (7 Kap. 20.1) erfolgen. Bleibt diese Therapie ohne Erfolg, ist ein Opioidwechsel, z. B. von Morphin auf Hydromorphon, sinnvoll. Bei Erwachsenen mit postoperativen Schmerzen reduzierte extrem niedrigdosiertes Naloxon (0,00025–0,0005 mg/kg KG/h i.v. als Dauertropfinfusion) den PCAMorphinverbrauch und die Opioidnebenwirkungen Juckreiz, Übelkeit und Erbrechen [23]. Laut Gan [23] und Wright [92] können Naloxon- und Morphinsulfat in der gleichen Spritze gemischt oder gemeinsam über einen intravenösen Zugang infundiert werden.
Harnverhalt Harnverhalt ist auch jenseits der Neonatalphase keine seltene Nebenwirkung einer Opioidtherapie, und kann bei betroffenen Kindern Panik auslösen. Der Harnverhalt ist oft schon durch beruhigende Worte, einen nassen Waschlappen, der auf die Haut über der Blasenregion gelegt wird, oder das Geräusch eines laufenden Wasserhahns zu beheben. Reichen diese Maßnahmen nicht aus, kann bei jugendlichen Patienten Carbachol verabreicht oder bei jüngeren Kindern eine Einmalkatheterisierung durchgeführt werden (. Tabelle 13.5). Nach der steril durchgeführten Katheterisierung ist bei den infektionsgefährdeten Patienten immer eine antibiotische Infektionsprophylaxe über 3 Tage indiziert. Nach eigenen Erfahrungen führt Hydromorphon seltener zu Harnverhalt als andere starke Opioide.
Atemdepression Unter oraler Therapie mit retardiertem Morphin ist bei adäquater Dosierung keine Atemdepression zu befürchten [97]. Sie tritt jedoch häufiger auf im Rahmen von schmerzhaften Eingriffen, wenn nämlich ein Opioid schnell intravenös appliziert und mit anderen zentral sedierenden Medikamenten kombiniert wird. In den ersten 24–48 h einer intravenösen Opioidtherapie und bei/nach allen schmerzhaften Eingriffen unter Analgosedierung ist daher neben der regelmäßigen Schmerzmessung eine pulsoxymetrische Überwachung sowie die Do-
235 13.4 · Schmerzbehandlung
kumentation von Atemfrequenz und Sedierungstiefe sinnvoll. Eine pulsoxymetrische Überwachung ist deshalb zu fordern, weil es in Ausnahmefällen auch bei normaler Atemfrequenz bei Kindern zu einer Abnahme des Atemminutenvolumens kommen kann. Besteht eine milde Atemdepression, werden ältere Kinder zum Weiteratmen aufgefordert (»Kommandoatmung«). Bei jüngeren Kindern erfolgt die Atemstimulation und, wenn nötig, eine O2-Gabe. Die Opioidzufuhr muss schnellstens unterbrochen werden, um den Serumspiegel nicht noch weiter anzuheben. Reichen diese Maßnahmen nicht aus, muss eine intensivmedizinische Therapie und ggf. eine Antidotgabe eingeleitet werden (Dosierungen 7 Kap. 11, . Abb. 11.1).
Halluzinationen Beim Auftreten seltener Nebenwirkungen wie Halluzinationen und Verwirrtheit sollte ein Opioidwechsel (evtl. auf Oxycodon, s. oben) erfolgen.
Ulkusprophylaxe Opioide scheinen auch bei Langzeittherapie keine Organtoxizität aufzuweisen. Werden sie jedoch in Kombination mit NSAR eingesetzt, kann es durch NSAR zu Magenbeschwerden und gastrointestinalen Läsionen kommen – bei rheumakranken Kindern unter der Therapie mit NSAR sind diese ebenso häufig wie bei Erwachsenen [21]. Zusätzliche Risikofaktoren bestehen in einer Steroidtherapie und der unregelmäßigen Nahrungsaufnahme. Bei Erwachsenen konnte eine prophylaktische Wirkung hinsichtlich gastrointestinaler Läsionen nur für Protonenpumpenblocker und Misoprostol (synthetisches Prostaglandinanalog E1) bewiesen werden [4, 24, 54]. In der Kinderonkologie und -rheumatologie werden traditionell für diese Indikation wegen seines günstigen Nebenwirkungsprofils Antazida und Ranitidin eingesetzt [54].
Adjuvanzien des WHO-Stufenschemas Selten sind in der Kinderonkologie adjuvante Schmerzmittel indiziert. In der Palliativphase auftretende zusätzliche Symptome wie Schlaflosigkeit und Angst sowie spezielle Schmerzsyndrome (Knochenschmerzen, neurogene Schmerzen) können ihren Einsatz in Ausnahmefällen erforderlich machen.
13
Mögliche Nebenwirkungen und das Vorliegen nur beschränkter Erfahrungen im Kindesalter sollten vorab mit Eltern und Kindern besprochen werden (. Tabelle 13.6). 13.4.2
Besondere Schmerzsyndrome
Neuropathische Schmerzen Brennende, einschießende oder dysästhetische Schmerzen werden häufig durch Infiltration von Nervengewebe verursacht. Obwohl diese neuropathischen Schmerzen lange als »opioidresistent« galten, sollte eine adäquat dosierte Opioidtherapie erfolgen, bevor Adjuvanzien verordnet werden [10, 11, 19, 65]. Ergänzend zur Opioidtherapie werden Antikonvulsiva und/oder trizyklische Antidepressiva per os, und wo dies nicht möglich ist, auch intravenös eingesetzt – bei der i.v. Applikation von Amitriptylin muss die orale Dosis halbiert werden (. Tabelle 13.6, [9, 52, 85]). Zusätzliche Therapieoptionen bestehen in regionalanästhetischen sowie strahlentherapeutischen Maßnahmen, der Ketamindauertropfinfusion und der Gabe von Glukokortikoiden bei Nervenkompressionen [11, 17, 26, 55, 81]. Im Rahmen einer Knochenmarktransplantation treten brennende Schmerzen auch unter Therapie mit Cyclosporin und FK506 auf. In schweren Fällen sollte hier eine intravenöse Lidocaintherapie versucht werden (Dosierung s. unten). Auch Vincristin und Ifosfamid können zu neuropathischen Schmerzen führen. Eine weitere Ursache für neuropathische Schmerzen ist die Herpes-zoster-Infektion. Während der akuten Infektion werden lokalanästhetische Techniken wie Nervenblockaden eingesetzt – immer mit dem Risiko einer Blutung bei den meist thrombopenischen Patienten. Bei der postherpetischen Neuralgie treten typischerweise 3 verschiedene Schmerztypen auf, die unterschiedlich zu behandeln sind: 1. Schmerzen bei leichtester Berührung als Folge einer erhöhten Sensibilität der Haut sprechen gut auf die topische Gabe von EMLA® an. Zusätzlich werden systemische trizyklische Antidepressiva und/oder Antikonvulsiva gegeben.
13 236
. Tabelle 13.6. Adjuvante Schmerzmittel Medikament
Dosierung
Indikation
Bemerkung
Anästhetikum
Ketamin (z. B. Ketanest®)
1–5 mg/kg KG/Tag i.v. oder s.c.
5 Neuropathische Schmerzen, wenn Opioide keine ausreichende Wirkung zeigen [12, 64] 5 schmerzhafte Eingriffe 5 terminale Analgosedierung
5 Ketamin kann mit Morphinsulfat in einer Spritze zur i.v.- oder s.c.-Applikation gemischt werden; bei s.c.Gabe empfiehlt es sich, die Lösung mit Natriumbicarbonat auf einen pH-Wert von ca. 5,5 einzustellen. Dieser pH-Wert sollte nicht überschritten werden, da die Lösung sonst ausfällt. 5 Nebenwirkungen s. Kap. 11.
Antikonvulsiva
Carbamazepin (z. B. Timonil®)
Startdosis: 2,5 mg/kg KG alle 12 h p.o.
Neuropathische Schmerzen, wenn Opioide keine ausreichende Wirkung zeigen
5 Einschleichende, titrierende Dosierung – wöchentlich steigern bis zum gewünschten Erfolg; regelmäßig Plasmaspiegel bestimmen (Ziel: 4–12 mg/l). 5 Kombination mit Antidepressivum möglich. 5 Nebenwirkungen: Leuko- und Thrombozytopenie (bei 2% der Patienten), Anämie, Panzytopenie, Ataxie, Doppelbilder, Sedierung, Serumelektrolytstörungen, Leberfunktionsstörungen und Osteopathien.
Gabapentin (z. B. Neurotin®)
Schrittweise Aufdosierung auf 15–30 mg/ kg KG/Tag in 3 Einzeldosen p.o. innerhalb von 3–7 Tagen je nach Schmerzstärke und orientiert am Auftreten von Nebenwirkungen. Maximaldosis in Ausnahmefällen 60 mg/kg KG/Tag. Maximale Tagesdosis bei Erwachsenen nicht über3600 mg, verteilt auf 3 Einzelgaben. Dosis bei eingeschränkter Nierenfunktion reduzieren.
Neuropathische Schmerzen, wenn Opioide keine ausreichende Wirkung zeigen
5 Im Allgemeinen sehr gut verträglich, jedoch in der Schmerztherapie wenig Erfahrungen bei Kindern. Häufigste Nebenwirkungen: Schläfrigkeit, Müdigkeit, Schwindel, Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Gewichtszunahme, Nervosität, Schlaflosigkeit, Ataxie, Nystagmus, Parästhesien, Appetitlosigkeit.
Pamidronat (z. B. Aredia®)
1 mg/kg KG alle 4 Wochen i.v.-Infusion nach Packungsbeilage (s. auch Kap. 5 und 8)
5 Knochenschmerzen bei Knochenmetastasen [37, 48] 5 Therapiebedingte Osteoporose mit Knochennekrosen und Wirbelkörperfrakturen
5 Eine negative Beeinflussung des Knochenwachstums nach Überleben der Krebserkrankung kann nicht ausgeschlossen werden. 5 Die Halbwertzeit von Bisphosphonaten im Knochen beträgt bei Erwachsenen 10 Jahre 5 Häufige Nebenwirkung während der Infusion: passagere Pyrexie, grippeartige Symptome
Bisphosphonate
6
Kapitel 13 · Schmerztherapie in der Kinderhämatoonkologie
Stoffgruppe
Medikament
Dosierung
Indikation
Bemerkung
Glukokortikoide
Dexamethason (z. B. Fortecortin®)
Startdosis: 6–12 mg/m2 KOF/Tag p.o. oder i.v., danach langsam reduzieren
5 Infiltratives Tumorwachstum 5 Nervenkompression 5 ausgeprägte Knochenmetastasierung 5 Kapselschmerzen, Hirndruck
5 Bekannte Nebenwirkungen meist nur bei Langzeitanwendung. 5 Nicht reflektorisch bei Hirndruck in der palliativen Situation einsetzen: das Tumorwachstum wird nicht aufgehalten, sondern nur kurzzeitig das Ödem verringert.
Neuroleptika
Promethazin (z. B. Atosil®)
Zur Sedierung 0,5 mg/kg KG p.o. oder i.v. alle 6 h
5 Starke Übelkeit und Erbrechen 5 akute Agitiertheit
5 Langsam ein- und ausschleichen. 5 Hauptnebenwirkung sind extrapyramidale Symptome wie akute Dystonie, Akathisie, Parkinsonismus, Dyskinesie. Um ihnen vorzubeugen, kann in Einzelfällen eine prophylaktische Therapie mit Biperiden erwogen werden. Therapeutisch wird Biperiden bei schweren akuten extrapyramidalen Nebenwirkungen in folgender Dosierung gegeben: bis zum 1. Lebensjahr 1 mg i.v., zwischen 2. und 6. Lebensjahr 2 mg, ab dem 7. Lebensjahr 3 mg i.v. Diese Dosis kann bei Bedarf nach 30 min wiederholt werden.
Spasmolytika
Butyl-Scopolamin (z. B. Buscopan®)
0,5–1 mg/kg KG i.v. als Kurzinfusion, Höchstdosis 20 mg <15 kg KG 1/2 Supp. à 7,5 mg, >15 kg KG 1 Supp. à 7,5 mg alle 6–8 h
Schmerzen mit spastischer Komponente
5 gut verträglich, schwerwiegendste Nebenwirkungen sind Überempfindlichkeitsreaktionen 5 Cave: Blutdruckabfall bei i.v.-Gabe!
Sedativa
Midazolam (z. B. Dormicum®)
Dauertropfinfusion: Starten mit 0,1 mg/ kg KG/h Startdosis
5 Terminale Sedierung [7] 5 schmerzhafte Eingriffe
Dosierung bei schmerzhaften Eingriffen und Nebenwirkungen s. Kap. 11.
Lorazepam (z. B. Tavor®)
2-mal 0,5 mg/Tag p.o., maximale Einzeldosis 0,05 mg/kg KG
Schlafstörungen
5 Suchtpotential 5 keine analgetische Wirkung
237
Stoffgruppe
13.4 · Schmerzbehandlung
. Tabelle 13.6. (Fortsetzung)
6
13
13 238
. Tabelle 13.6. (Fortsetzung) Medikament
Dosierung
Indikation
Bemerkung
Trizyklische Antidepressiva
Amitriptylin (Saroten®)
5 Therapiebeginn mit 0,2 mg/ kg KG/ Tag p.o. abends 5 steigern über 2–3 Wochen (alle 2–3 d um 25 %), Zieldosierung 1–2 mg/kg KG/Tag
5 Neuropathische Schmerzen nach Vincristintherapie oder bei Tumorinvasion, wenn Opioide keine ausreichende Wirkung zeigen 5 Phantomschmerzen nach Amputation 5 schmerzbedingte Schlafstörungen in der Palliativphase
5 Langsam ein- und ausschleichen. 5 Analgetische Wirkung unabhängig von antidepressivem Effekt. 5 Wirkeintritt nach 1–14 Tagen. 5 Im Kindesalter u. U. schnelle Verstoffwechselung und Entzugssymptome (Übelkeit und Myalgien) nach 16 h. Dann und bei höherer Dosierung Aufteilen der Tagesdosis in 2 Einzeldosen oder Einsatz von Retardpräparaten. 5 Nebenwirkungen: Mundtrockenheit, Obstipation, Harnverhalt, Sedierung, orthostatische Dysregulation, unspezifische Beschwerden wie Schwindel und Schwitzen, insbesondere bei zu schneller Steigerung oder zu hoher Anfangsdosis. Teilweise tritt Gewöhnung ein [59]. Bei nichttolerablen Nebenwirkungen Präparatewechsel versuchen. Bei starken anticholinergen Nebenwirkungen oder Gewichtszunahme Wechsel von tertiärem Amin (Amitriptylin, Imipramin) auf sekundäres Amin (Desipramin) ratsam. Gefährlichste Nebenwirkung ist eine Beeinträchtigung von Herzfunktion und Herzreizleitungssystem: Deshalb regelmäßig EKG kontrollieren: bei persistierender Tachykardie, Reizleitungsstörungen oder QT Zeiten von >450 ms erneute Risikoabwägung vornehmen. 5 Schmale therapeutische Breite: Todesfälle sind ab einer Dosis von 8 mg/kg KG/Tag p.o. Amitriptylin berichtet. Toxische Symptome treten regelmäßig bei Dosen ab 10 mg/kg KG, sicher ab 20 mg/kg KG/Tag auf.
Kapitel 13 · Schmerztherapie in der Kinderhämatoonkologie
Stoffgruppe
239 13.4 · Schmerzbehandlung
13
2. Episodisch einschießender Schmerz wird durch geschädigte Hinterhornzellen verursacht und scheint am besten auf das Antikonvulsivum Gabapentin anzusprechen. 3. Brennender Dauerschmerz spricht gelegentlich auf eine Opioidmonotherapie an. Zusätzlich werden auch hier trizyklische Antidepressiva und Antikonvulsiva eingesetzt.
Manifeste Frakturen sowie Knochennekrosen mit Begleitarthrosen sind sehr schmerzhafte Komplikationen dieser Spätfolgen. Pamidronat (Aredia®) zeigt in diesen Fällen eine ausgezeichnete analgetische Wirkung [76]. Dosis und Applikationsintervall variieren in einschlägigen Studien. Eine Dosis von 1 mg/kg KG i.v. pro Tag über 3 Tage alle 3–6 Monate scheint ausreichend ([76]; 7 auch Kap. 5 und 8).
Oropharyngeale Mukositis
Schmerzen im Rahmen der Neuroblastomtherapie
Neben der üblichen Therapie mit Opioiden wurde kürzlich die Wirksamkeit einer oralen Glutaminsubstitution beschrieben. Eine 14-tägige Therapie mit 2-mal 2 g/m2 KOF reduzierte signifikant Länge und Ausmaß der mukositisassoziierten Schmerzen [2]. Eine Reduktion der Mukositishäufigkeit um 40 % kann durch Spülungen mit Chlorhexidin 0,2 % und NaCl 0,9 % erreicht werden [7]: mit Beginn der Chemotherapie wurden morgens und abends die Zähne mit einer weichen Zahnbürste geputzt. Der Mund wurde danach mit NaCl 0,9 % und anschließend mit Chlorhexidin 0,2 % ausgespült. Spülungen mit NaCl 0,9 % wurden nach jeden Essen und 2stündlich durchgeführt, solange das Kind wach war.
In einigen Therapieprotokollen wird zur Behandlung des Neuroblastoms ein Anti-DG2-Antikörper eingesetzt. Die Infusionen verursachen u. U. sehr starke Schmerzen, die mit Morphin allein schlecht zu kontrollieren sind. Es existieren Literaturberichte über die gute analgetische Wirksamkeit von intravenösem Lidocain in dieser Situation [86]. Zusätzlich zu einer kontinuierlichen Metamizoltherapie sowie einer MorphinPCA wird Lidocain nach einem i.v.-Bolus von 2 mg/ kg KG als kontinuierliche intravenöse Infusion mit einer Geschwindigkeit von 1 mg/kg KG/h verabreicht. Erste Erfahrungen aus Erlangen belegen die gute Wirksamkeit und Verträglichkeit dieser Therapie [Sittl, persönliche Mitteilung].
Knochenmetastasen Bestehen Knochenschmerzen auch nach der Optimierung der Kombinationstherapie von starkem Opioid plus Nichtopioidanalgetikum gemäß WHO Stufe III weiter, zeigt in Metaanalysen die Strahlentherapie – auch als Einmaldosis verabreicht – eine zusätzliche hohe analgetische Potenz [53]. Diese kann bei Schmerzen durch Knochenmetastasen eines Neuroblastoms auch durch Gabe von 131JMIBG erfolgen [88]. Analgetische Potenz und Nebenwirkungsprofil von Bisphosphonaten im Kindesalter sind weitgehend ungeklärt. In Falldarstellungen wurde über ihre analgetische Wirkung bei Knochenmetastasen auch im Kindesalter berichtet [45, 58].
Knochenschmerzen durch osteoporotische Frakturen und aseptische Knochennekrosen Die Osteoporose ist als Spätfolge der antineoplastischen Therapie im Kindesalter häufiger als bis dato angenommen [64]. Eine prophylaktische Therapie mit Pamidronat ist denkbar, für eine Risiko-NutzenAbwägung fehlen jedoch wissenschaftliche Daten.
Schmerzen in der Lebensendphase Die genaue Bestimmung, wann aus einer kurativ orientierten eine palliativ orientierte Behandlung wird, ist auch im Fall eines Tumorrezidivs bei Kindern nicht immer möglich – selbst nach mehrfachen Rezidiven ist durch eine Salvagetherapie in Einzelfällen eine Heilung möglich. Zudem spielen niedrig dosierte Chemotherapien auch in der Lebensendphase bei der Symptom- und Schmerzkontrolle eine größere Rolle als in der Erwachsenenonkologie [13]. Palliation im Sinne von Symptomkontrolle beginnt jedoch in der (Kinder)onkologie schon im Rahmen der kurativ orientierten Therapie. Schmerzen im Anfangsstadium einer malignen Erkrankung lassen sich dabei am effektivsten mit einer suffizienten antineoplastischen Therapie kontrollieren. Eine analgetische Therapie mit starken Opioiden ist oft nur kurzzeitig nötig – sollte aber auch während der Phase von Diagnostik und Therapiestart nicht unterbleiben. Wenn eine antineoplastische Therapie keinen Heilungserfolg (mehr) zeigt, gewinnen analgetische
240
13
Kapitel 13 · Schmerztherapie in der Kinderhämatoonkologie
Therapieregime weiter an Bedeutung. In der Palliativphase wird eine ausreichende Analgesie in 28 % der stationär und 12 % der ambulant palliativ betreuten Kinder nur deshalb nicht erreicht, weil die Opioiddosis nicht konsequent gesteigert wird [78, 79]. Nach Collins haben 1–2 % der Kinder trotz adäquater Opioidtherapie in Kombination mit Nichtopioiden, Adjuvanzien, Regionalanästhesie und regionaler Strahlentherapie noch starke Schmerzen [11, 12]. Hier muss mit den Eltern die Möglichkeit einer terminalen Sedierung ausführlich besprochen werden. Bei nicht anders beherrschbaren Schmerzzuständen können kontinuierliche Applikationen von Midazolam (. Tabelle 13.6), Barbituraten oder Propofol (Bolus 0,5 mg/kg KG i.v.; Dauertropfinfusion mit 0,5 mg/kg KG/h i.v.; [82]) in Kombination mit Opioiden in Ausnahmefällen indiziert sein. Erschütternd sind neueste Ergebnisse von Elternbefragungen aus der gleichen US-amerikanischen Klinik, in der auch Collins tätig war. Nach Angaben der Eltern haben 80 % der Kinder vor ihrem Tod Schmerzen, 60 % leiden schwer darunter, und in nur 30 % der Fälle war die verordnete analgetische Therapie erfolgreich [91]. Die Kinder litten nach Auskunft der Eltern aber nicht nur an Schmerzen: Müdigkeit, Appetitmangel und Dyspnoe traten ebenfalls bei 80 % der Kinder auf. In nur 2, 5 bzw. 10 % der Fälle wurde die initiierte Therapie bei Müdigkeit, Appetitmangel oder Dyspnoe als erfolgreich bezeichnet. Multivariate Analysen ergaben, dass diejenigen Kinder am meisten litten, bei denen kein Kinderonkologe an der Therapie in der Lebensendphase beteiligt war. 13.4.3
Patientenkontrollierte Analgesie (PCA)
Die PCA bei kinderonkologischen Patienten weist im Gegensatz zur postoperativen PCA (7 Kap. 12) einige Besonderheiten auf: E Bis zu einem Gewicht von 50 kg KG wird Morphin kontinuierlich mit 4 µg/kg KG/h infundiert [80]. Ab einem Gewicht von 50 kg KG wird eine den Empfehlungen bei Erwachsenen entsprechende PCA-Anfangseinstellung vorgenommen (keine kontinuierliche Infusion, Bolusgröße 1–2 mg Morphin, Sperrintervall 5–10 min).
E Auf Knochenmarktransplantationsstationen und während Phasen starker Mukositis wird eine PCA ohne kontinuierliche Infusion am Tage mit einer nächtlichen Morphindauertropfinfusion kombiniert, damit die Kinder nachts nicht wegen Schmerzen erwachen [47]. E Durch die Selbstapplikation von Opioiden verliert der Schmerz seine Warnfunktion. Auf Therapiekomplikationen wie Harnretention, Frühzeichen einer Pankreatitis und einen – durch den Krankheitsverlauf nicht zu erklärenden – steigenden Opioidverbrauch ist deshalb besonders zu achten. 13.4.4
Schmerzhafte Eingriffe
In Deutschland sind 2/3 des Kinderkrankenpflegepersonals und der ärztlichen sowie psychosozialen Mitarbeiter mit der Schmerztherapie bei schmerzhaften Eingriffen in der Kinderonkologie unzufrieden (. Abb. 13.2). Die häufigsten in der Kinderonkologie durchgeführten schmerzhaften Maßnahmen sind Lumbal- und Knochenmarkpunktionen. Bei einem Kind mit akuter lymphatischer Leukämie werden bei positivem Therapieverlauf durchschnittlich 3 Knochenmarkpunktionen und 11 Lumbalpunktionen durchgeführt. Im Fall eines Rezidivs kommen hierzu mindestens nochmals 5 Knochenmarkpunktionen und 8 Lumbalpunktionen. Zumindest für die Erstdiagnose ist manchmal die Durchführung einer Knochenmarkbiopsie notwendig. Die analgetischen Therapieregime unterscheiden sich zwischen den einzelnen Kliniken immens: innitiieren einzelne Kliniken für über 50 % der Lumbalpunktionen eine Vollnarkose, werden in anderen Abteilungen selbst Knochenstanzen gänzlich ohne Analgesie durchgeführt (. Abb. 13.3). Auffällig ist auch die große Anzahl von Abteilungen, in denen Knochenmarkpunktionen und -biopsien nach Gabe eines Lokalanästhetikums in Kombination mit einem Sedativum, aber ohne Analgetikum ausgeführt werden. Dabei empfiehlt die Consensus Conference on the Management of Pain in Childhood Cancer für die Durchführung von Knochenmarkpunktionen eine Allgemeinnarkose bzw. die Kombination von Analgetikum, Sedativum und Lokalanästhetikum (Report of the Subcommittee on the Management
241 13.5 · Fazit
13
13.4 · Schmerzbehandlung
. Abb. 13.2. Zufriedenheit mit der eigenen Schmerztherapie in der Kinderonkologie [78]. Anteil der Pflegenden, psychosozialen Mitarbeiter und Ärzte, die »wenig« oder »gar nicht« zufrieden waren. Die eigene Zufriedenheit mit der medikamentösen Schmerztherapie wurde von Pflegenden und Ärzten signifikant verschieden beurteilt
of Pain Associated with Procedures in Children with Cancer [93]). Neueste Untersuchungen belegen die Wichtigkeit einer effektiven Analgesie beim ersten schmerzhaften Eingriff zum Zweck der Diagnosestellung: Kinder, bei denen eine unzureichende Analgesie während des initialen Eingriffs erfolgte, benötigten bei Folgeeingriffen höhere Analgetikadosen. Sie erlebten trotzdem mehr Distress und Schmerzen [87]. Mögliche Analgosedierungsregime für Knochenmark- und Lumbalpunktionen sind in 7 Kap. 11 beschrieben. Neben den »großen« schmerzhaften Eingriffen leiden Kinder fast ebenso stark unter »kleinen« Eingriffen wie venösen oder kapillären Blutabnahmen. Hier hat sich auch in der Kinderonkologie der Ein-
satz von EMLA® bewährt. Die empfohlene Einwirkzeit beträgt 60 min. Belässt man EMLA® aber 90–120 min, kann das Ausmaß und die Tiefe der Analgesie noch verbessert werden. Leider wird EMLA in der deutschen, im Vergleich zur schwedischen, Kinderonokologie noch zu selten eingesetzt (. Tabelle 13.7).
13.5
Fazit
In der Kinderonkologie ist eine effektive Schmerztherapie mit möglichst wenig unerwünschten Nebenwirkungen eine große Herausforderung. Feinde einer optimalen Analgesie sind der verzögerte Beginn einer Schmerztherapie, eine zu niedrige Anfangsdosis von Opioiden und die fehlende Titration
242
Kapitel 13 · Schmerztherapie in der Kinderhämatoonkologie
. Abb. 13.3. Vorgehen bei schmerzhaften Eingriffen in Deutschland (Lok. = Lokalanaesthesie). (Nach [78])
13
am Schmerz. Die tägliche Schmerzevaluation mit altersangepassten Schmerzmessskalen für alle Kinder, auch für solche, die (noch) keine Schmerzen haben, hilft, diese Fehler zu vermeiden. Bei Schmerzen, die nach antineoplastischer Therapie oder postoperativ auftreten, werden starke Opioide meist parenteral als Dauerinfusion oder patientenkontrolliert verabreicht. Chronische Tumorschmerzen können am besten mit oralen Opioidretardpräparaten »nach der Uhr« verabreicht werden. Für Durchbruchschmerzen sollten immer zusätzlich unretardierte, schnell wirksame Opioide in Zäpfchen-, Tropfen- oder Tablettenform angeordnet werden. Nichtopioide als Kombinationspartner helfen, Opioide einzusparen und damit Nebenwirkungen zu verringern. Auch im Kindesalter ist die häufigste Nebenwirkung der Opioide die Obstipation, welche antizipiert und konsequent prophylaktisch behandelt werden sollte. Auch der prophylaktische Einsatz von Antiemetika ist bei älteren Kindern sinnvoll. Schmerztherapie ist Teamarbeit: E Eine Schlüsselrolle nimmt die Kinderkrankenpflege ein. Über die regelmäßige Dokumentation von Schmerzwerten, Medikamentengaben und Nebenwirkungen schafft sie die Datenbasis für den Beginn und die Steuerung der Schmerztherapie; bei schmerzhaften Eingriffen beteiligt sie
sich an Vorbereitung und ausreichendem Monitoring des Kindes; zusammen mit dem Arzt stellt sie die Notfallversorgung bei Analgosedierungen sicher (7 Kap. 11). E Psychologen in der Vor- und Nachbereitung schmerzhafter Maßnahmen sind heutzutage unverzichtbare Partner. Die psychologische Schmerzprophylaxe und die Hilfe bei der Verarbeitung von Schmerz sind von gleicher Wichtigkeit wie die medikamentöse Schmerztherapie (7 Kap. 7). In der vorliegenden Arbeit wurden die Bausteine für eine effektive medikamentöse Schmerztherapie in der Kinderonkologie vorgestellt: E Analgetika, Supportiva, Adjuvanzien; E ihre Dosierungen und Indikationen; E Schmerztherapiedokumentationshilfen.
. Tabelle 13.7. Regelmäßiger Gebrauch von EMLA in der Kinderonkologie. (Nach [43, 96]) BRD
Schweden
p (χ2-Test)
Venenpunktion
68 %
100 %
0,001
Portpunktion
56 %
89 %
0,001
243 Literatur
Eine Integration von regelmäßiger Schmerzmessung sowie Dokumentation der Schmerztherapie erfordert die Absprache mit der Kinderkrankenpflege, ohne die eine Optimierung der Schmerztherapie nicht möglich ist.
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Kapitel 13 · Schmerztherapie in der Kinderhämatoonkologie
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14 Schmerzen am Bewegungsapparat G. Bürk, M. Frosch und B. Zernikow* unter Mitarbeit von W. Coenen 14.1
Einleitung – 248
14.2
Systematik muskuloskelettaler Erkrankungen – 248
14.2.1 14.2.2 14.2.3 14.2.4
Fall 1 Fall 2 Fall 3 Fall 4
14.3
Therapiemodule bei muskuloskelettalen Erkrankungen – 251
14.3.1 14.3.2 14.3.3 14.3.4 14.3.5 14.3.6 14.3.7
Klassische Schmerzmittel – 251 Antiinflammatorische Therapie – 252 Krankengymnastik – 252 Manuelle Medizin – 253 Psychosoziale Begleitung und Therapie – 253 Komplementäre Therapie – 253 Langzeitbetreuung – 253
– 248 – 249 – 249 – 250
Literatur – 254
* Danksagung: Der Autor wird unterstützt durch die Peter und Ruth Wirts-Stiftung, Schweiz
248
Kapitel 14 · Schmerzen am Bewegungsapparat
)) 14.1
14.2
Systematik muskuloskelettaler Erkrankungen
Einleitung
Schmerzen im Bereich des Bewegungsapparates sind – neben Kopf- und Bauchschmerzen – nicht selten im Kindes- und Jugendalter. Akute muskuloskelettale Schmerzen machen im Praxis- und Klinikalltag 6 % aller Konsultationen aus [8] und betreffen 15 % aller Schulkinder [21]. Chronische Erkrankungen des muskuloskelettalen Systems und der Weichteile haben dagegen nur eine Prävalenz von 132/100000 [21]. Eine Vielfalt an Grunderkrankungen präsentiert sich mit Schmerzen des Bewegungsapparates als Leit- oder Begleitsymptom. Die Schmerzäußerung selbst lässt ebenso selten eine sichere ätiologische Differenzierung zu wie die alleinige Nutzung sämtlicher technischer Diagnostikmöglichkeiten [5]. Entzündliche wie nichtentzündliche muskuloskelettale Beschwerden werden deshalb regelmäßig in ihrer Bedeutung unterschätzt. Anhand von Beispielen stellen wir 4 Hauptgruppen muskuloskelettaler Erkrankungen mit unterschiedlicher Schmerzcharakteristik vor. Die Einteilung ist Grundlage der Entwicklung von Krankheits- und Behandlungsmodellen der Schmerzen.
14.2.1
Fall 1
Ein 3-jähriges Mädchen wird vorgestellt wegen rezidivierender Hüftbeschwerden, die sich seit 5 Monaten verschlimmern. Das Kind fällt durch Gangstörung und deutliche Blässe auf. Es wird von abendlichen subfebrilen Temperaturen berichtet.
Diagnostik Deutliche Anämie mit einem Hb von 7,7 g/dl. Leukozytopenie von 3000/µl bei unauffälliger Differenzierung. Normale Thrombozytenzahl. CRP gering erhöht auf 1,6 mg/dl. BSG mit 75/106 mm n. W. massiv erhöht.
Eingruppierung Muskuloskelettale Erkrankung mit beunruhigender Symptomatik (Gruppe 1, . Tabelle 14.1).
Kommentar Progredienz der Erkrankung und Auftreten von Zusatzsymptomen erfordern rasche und gezielte Diagnostik. Die hämatologischen Laborbefunde mit Störung zweier Zellreihen sind verdächtig auf eine
. Tabelle 14.1. Systematik muskuloskelettaler Erkrankungen
14
Charakteristika
Gruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
Gruppe 4
Typus
Muskuloskelettale Erkrankung mit beunruhigender Symptomatik (Tumor/Osteomyelitis)
Rheuma
Schmerzverstärkungssyndrom
Nichtentzündlicher Muskel-/Gelenkschmerz
Leitsymptom
(Nicht artikulärer) Knochenschmerz, evtl. mit Zusatzsymptomatik
(Poly-)arthritis
Muskuloskelettaler Schmerz ohne somatisches Korrelat
Meist somatisches Korrelat, belastungsabhängig
Schmerz
Ossärer Schmerz, wechselnd und progredient
Gelenkschmerz und Morgensteife
Subjektiv starker Schmerz
Intermittierender Schmerz
Krankheitsbestimmend
Frühdiagnostik, Therapie der Erkrankung
Therapiekonzept, medikamentöse Schmerztherapie
Interdisziplinäres individuelles Krankheitsmodell und Therapiekonzept
Beratung und Physiotherapie
249 14.2 · Systematik muskuloskelettaler Erkrankungen
maligne Erkrankung. Es fehlen Gelenkschwellungen als Zeichen einer rheumatischen Erkrankung. Wesentliche Allgemeinsymptome sowie ossäre oder periostale Schmerzen sind Alarmzeichen. Von 29 Kindern mit malignen Erkrankungen, die zunächst an eine Rheumaklinik überwiesen worden waren, hatten 68 % gelenkunabhängige Knochenschmerzen, 32 % Rückenschmerzen als Leitsymptom, 29 % druckschmerzhafte Knochen und 48 % für Rheuma untypische Symptome (Nachtschweiß, Hautblutungen und Ekchymosen, neurologische Ausfälle, tastbarer Tumor und Ptosis [5]). Fieber und lokale Bewegungeinschränkung mit Knochen- oder Gelenkschmerzen sind Leitsymptome einer Osteomyelitis. Als Differentialdiagnose kommen traumatische Läsionen – auch Misshandlungen – in Betracht. Schnelle infektiologische oder hämatologisch/ onkologische Diagnostik und eine gezielte, kausale Therapie sind Voraussetzung für eine erfolgreiche Schmerzbehandlung und die Aussicht auf Heilung. 14.2.2
Fall 2
Seit Wochen bemerkt ein 10-jähriger Junge tägliche Gelenkschmerzen an Händen und Füßen. Im Verlauf treten Gelenkschwellungen und Morgensteife hinzu. Er berichtet über zunehmende Müdigkeit. Seine Mutter beobachtet v.a. morgens eine auffällige Körperhaltung und einen Schongang.
Diagnostik
14
matische Gelenk- oder Systemerkrankung. Arthritis und Schmerz verstärken gegenseitig die möglichen Sekundärkomplikationen am Bewegungsapparat (Kontrakturen, Muskelatrophie u. a.). Im Sinne eines Circulus vitiosus ist eine Verschlimmerung der Schmerz-, Entzündungs- und Bewegungsprobleme die Folge. Bei Kleinkindern kann die spontane Schmerzäußerung zugunsten einer leichten Schonhaltung fehlen. Da eine enge Korrelation zwischen Entzündungsaktivität und »Schmerzverhalten« besteht [24], kann Nichtbeachtung der Schmerzzeichen und unzureichende Entzündungsbehandlung zu irreparablen Gelenkschäden führen [28]. Schmerzstärke und -dauer können bei verschiedenen Subtypen der juvenilen Arthritis sehr unterschiedlich in Erscheinung treten: Kinder mit systemischen Verläufen geben die meisten, solche mit Mono- oder Oligoarthritis die geringsten Schmerzen an [18]. Hohe Entzündungsaktivität und lange Schmerzphasen führen zur Absenkung der Schmerzschwelle über die Dauer der aktiven Krankheitsphasen hinaus [12]. Eine frühe suffiziente Schmerztherapie mit nichtsteroidalen Antirheumatika und Basistherapeutika (Einzelheiten s. u.) kann helfen, diesen peripher und zentral bedingten Sensibilisierungsprozessen vorzubeugen. 14.2.3
Fall 3
Synovialitiden an Finger-, Hand- und Sprunggelenken. Blutbild, CRP, Rheumaserologie und augenärztliche Spaltlampenuntersuchung unauffällig, BSG leicht erhöht.
Ein 9-jähriges Mädchen klagt seit einem Jahr über rezidivierende Kopfschmerzen. Hinzu traten seit 6 Monaten rezidivierende Gelenkschmerzen mit wechselnder Lokalisation, Wetterfühligkeit und Müdigkeit.
Eingruppierung
Diagnostik
Muskuloskelettale Erkrankung mit Merkmalen der Entzündung und Chronifizierung (Gruppe 2, . Tabelle 14.1).
Körperlicher Befund und Laborwerte (Blutbild, BSG, CRP) unauffällig.
Eingruppierung Kommentar
Schmerzverstärkungssyndrom (Gruppe 3, . Tabelle
Eine Gelenkschwellung im Kindesalter ohne adäquates Trauma, insbesondere multilokulär, lässt an erster Stelle an eine rheumatische Gelenk- oder Systemerkrankung denken. Jede Arthritis, die einen chronischen Verlauf nimmt (>6 Wochen), ist verdächtig auf eine rheu-
14.1).
Kommentar Das juvenile primäre Fibromyalgiesyndrom (Definition nach Yunus u. Masi [36]; . Tabelle 14.2) hat eine typische Schmerzsymptomatik: es besteht ein
250
Kapitel 14 · Schmerzen am Bewegungsapparat
starker, oft auch multilokulärer, muskuloskelettaler Schmerz ohne eindeutiges klinisches Korrelat. Der Schmerz bestimmt das Krankheitsgeschehen bei den meist jugendlichen Mädchen. Häufig finden sich vegetative und funktionelle Begleitsymptome. Bei schubweisem Verlauf kommt es zu keiner Gelenkdestruktion. Ein Langzeitverlauf über mehrere Jahre ohne Verbesserung der Symptomatik ist typisch. Zügiges Erkennen der Erkrankung als Schmerzverstärkungssyndrom verhindert eine ausufernde Diagnostik. In 2 Studien konnte eine kurzfristige Besserung der Symptomatik durch das Antidepressivum Cyclobenzaprin erreicht werden [22, 26]. Die Autoren halten jedoch eine interdisziplinäre Betreuung und kognitiv-verhaltenstherapeutisch ausgerichtete Programme für sinnvoller. Erste Untersuchungen belegen den Erfolg solcher Maßnahmen [32]. Zu den Schmerzverstärkungssyndromen wird außerdem der so genannte »Wachstumsschmerz« ge-
. Tabelle 14.2. Kriterien des juvenilen Fibromyalgiesyndroms [36]. Patienten müssen alle Hauptkriterien und 3 Nebenkriterien erfüllen. Sind nur 4 der 18 Druckpunkte positiv, müssen zur Diagnosestellung 5 Nebenkriterien vorliegen.
14
5 Hauptkriterien: 1. Ubiquitäre Muskelschmerzen ohne ergründbare Ursache an mindestens 3 Körperstellen über mindestens 3 Monate 2. Laboruntersuchungen ohne pathologischen Befund 3. Starke Schmerzen bei Palpation mit weniger als 4 kg Druck an 5 der 18 beidseitigen Druckpunkte: okzpital, unterer Zervikalbereich, M. trapezius, M. supraspinatus, 2. Rippe, Epicondylus lateralis, M. glutealis (oberer, äußerer Quadrant), Trochanter major, Knie 5 Nebenkriterien: 1. Subjektiv empfundene Weichteilschwellung 2. Schmerz abhängig von körperlicher Aktivität 3. Schmerz abhängig vom Wetter 4. Schmerz abhängig von Angst/Stress 5. Colon irritable 6. Chronische Ängstlichkeit 7. Chronische Müdigkeit 8. Schlafstörung 9. Taubheitsgefühl 10. Chronische Kopfschmerzen
zählt. 13 % der Jungen und 18 % der Mädchen zwischen 6 und 19 Jahren leiden an nächtlichen oder abendlichen Gliederschmerzen, die mindestens 3 Monate lang rezidivieren, ein schmerzfreies Intervall von Tagen bis Wochen zeigen und so ausgeprägt sind, dass die Kinder erwachen oder ihre reguläre Aktivität unterbrechen [19]. Der Schmerz betrifft vornehmlich bilateral Schienbein oder Wade. Es finden sich keine Entzündungszeichen im Serum. Die Erkrankung ist selbstlimitierend. Therapeutisch sollte der Familie versichert werden, dass es sich um ein gutartiges, selbstlimitierendes Geschehen handelt. Ibuprofen oder Paracetamol, zur Nacht verabreicht, hilft bei 25 % der Kinder. Erste Ergebnisse einer doppelblinden kontrollierten Studie mit oraler Selentherapie sind vielversprechend [3]. 14.2.4
Fall 4
Ein jugendlicher Patient klagt regelmäßig nach sportlicher Betätigung über Schmerzen in beiden Knien.
Diagnostik Hypermobilität mit Überstreckung der Ellbogenund Kniegelenke bei asthenischem Habitus.
Eingruppierung Nichtentzündliche muskuloskelettale Erkrankung (Gruppe 4, . Tabelle 14.1).
Kommentar Der Hypermobilitätsschmerz tritt bei 8–14 Jahre alten Kindern nachmittags oder nach körperlicher Aktivität auf. In der körperlichen Untersuchung können sich leichte Knieergüsse nach sportlicher Aktivität zeigen [10]. Die sinnvollste Therapie besteht im isometrischen Muskelaufbau. Zu der Gruppe der nichtentzündlichen muskuloskelettalen Erkrankungen zählen neben der Gelenkhypermobilität die patellofemorale Dysfunktion, der Rückenschmerz und schmerzhafte Verletzungen nach Überbeanspruchung. Patellofemorale Dysfunktion: Eine Vielzahl orthopädischer Krankheitsbilder von der Chondromalacia patellae bis hin zu kongenitalen Synovialfalten können Knieschmerzen verursachen. Am häufigsten ist die patellofemurale Dysfunktion.
251 14.3 · Therapiemodule bei muskuloskelettalen Erkrankungen
In der Adoleszenz klagen die Patienten über Schmerzen hinter der Kniescheibe. Das positive Patelladruckzeichen (Schmerzen beim Druck auf die Patella, die zunehmen mit Anspannen des M. quadrizeps femoris) weist auf die Diagnose hin. Therapeutisch bieten sich isometrischer Muskelaufbau des M. quadriceps femoris und Kniebandagen mit Silikoneinsatz an [17]. Rückenschmerzen im Kindesalter haben bis heute wenig Beachtung gefunden. Langzeituntersuchungen zur Relevanz dieser Schmerzproblematik für die Entwicklung chronischer Wirbelsäulenleiden im Erwachsenenalter liegen nicht vor. Im Gegensatz zum Erwachsenen findet sich bei 70 % der Kinder, die wegen chronischer Rückenschmerzen medizinische Hilfe in Anspruch nehmen, ein organisches Korrelat [13]. Die meisten Kinder mit Rückenschmerzen suchen jedoch keinen Arzt auf [18]. Beispielsweise hatten in einer Studie von Taimela et al. [27] in den letzten 12 Monaten vor der Befragung 10 % der über 1000 7- bis 16-jährigen über lumbale Schmerzen geklagt. Validierte Therapieempfehlungen können derzeit nicht gegeben werden. Schmerzen nach (sportlicher) Aktivität entstehen durch multiple Mikrotraumen. Verletzungen im Rahmen von Leistungssport betreffen insbesondere Wirbelsäule (Spondylolyse, Hyperlordose, Bandscheibenherniation), Schulter, Ellenbogen (Epikondylitis), Knie (Osgood-Schlatter-Krankheit, Synovitis) und Ferse (»Sever’s disease«). Die häufigsten Therapieempfehlungen lauten: Schonung der betroffenen Extremität, Physiotherapie und/ oder Kältebehandlung [6, 16], ohne dass hierfür eine solide wissenschaftliche Basis besteht.
14.3
14.3.1
Therapiemodule bei muskuloskelettalen Erkrankungen Klassische Schmerzmittel
Neben dem Bemühen um eine definitive Diagnose muss das Bestreben stehen, Schmerzfreiheit oder zumindest Schmerzlinderung zu erreichen. Die frühe Schmerztherapie verfälscht eine gründliche Diagnostik nicht, sondern gibt eher noch zusätzliche
14
Hinweise (Ausnahme: Steroide vor Diagnosestellung eines Tumorleidens). An erster Stelle kommen von den klassischen Schmerzmitteln die nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) zum Einsatz aufgrund ihrer zusätzlichen antiphlogistischen Wirkung (. Tabelle 14.3). Indomethacin besitzt nach eigenen Erfahrungen die höchste antiphlogistische Potenz. Ibuprofen hat bei Kindern von allen nichtsteroidalen Antirheumatika das geringste Risiko gastrointestinaler Nebenwirkungen [25]. Die nicht selten praktizierte Kombinationstherapie zweier NSAR ist bislang nicht ausreichend erforscht und wird insbesondere wegen des erhöhten Risikos (renaler) Nebenwirkungen nicht empfohlen. Bei rheumakranken Kindern unter NSAR scheint es ebenso häufig wie bei Erwachsenen zu Magenbeschwerden und gastrointestinalen Läsionen zu kommen. In der Studie von Dowd et al. [9] klagten 30 % der Patienten über Beschwerden, von diesen hatten 30 % gastrointestinale Läsionen. Die ersten Läsionen wurden bereits nach einer Einnahmedauer von nur 3 Wochen beobachtet. Bei Patienten mit zusätzlichen Risikofaktoren – Steroidtherapie und unregelmäßige Nahrungsaufnahme – ist deshalb eine Ulkusprimärprophylaxe zu erwägen. Eine Sekundärprophylaxe scheint bei Kindern mit vorbestehenden gastrointestinalen Läsionen sinnvoll. Leider fehlen Studien über die Wirksamkeit einer Ulkusprophylaxe bei Kindern. In der Pädiatrie werden traditionell zur Ulkusprophylaxe wegen seines günstigen Nebenwirkungsprofils Ranitidin mit einer Dosis von 1–2 mg/kgKG 1- bis 2-mal täglich per os, bei Einmalgabe abends, und andere Antazida eingesetzt, ohne dass deren Wirkung bewiesen wäre. Bei Nieren- oder Leberinsuffzienz muss in jedem Fall eine Dosisreduktion der NSAR erfolgen. Bei längerer Anwendung besteht die Gefahr der Nephrotoxizität. In seltenen Fällen kann es zur Störung der Blutbildung bis hin zur Agranulozytose kommen. Die Kombination von Paracetamol und NSAR sollte wegen der Gefahr tubulärer Nierenschäden vermieden werden [1]. Als Monitoring auf mögliche Nebenwirkungen einer NSAR-Therapie kontrollieren die Autoren alle 6–12 Wochen Blutbild und Leberwerte. Ferner wird der Urin auf Eiweiß und Blut gestixt. Arzneimittelinteraktionen zwischen NSAR und Methotrexat
252
Kapitel 14 · Schmerzen am Bewegungsapparat
. Tabelle 14.3. Medikamente zur per os Therapie der juvenilen chronischen Arthritis Medikament
Tagesdosis [mg/kg]
Tageshöchstdosis [mg/d]
Dosisintervall
Nichtsteroidale Antirheumatika Indomethacin Naproxen Ibuprofen Diclofenac Acetylsalicylsäure
2–3 10–15 30–40 2–3 60–100
150 1000 2400 150 4000
In 3 Dosen In 2 Dosen In 3–4 Dosen In 2 Dosen In 3–4 Dosen
Basistherapeutika/Immunmodulatorena 10–20 mg/qm KOF /Woche Methotrexat [11] 1–3 Azathioprin [15, 23] 6 Hydroxychloroquin [4] 30–50 Sulfasalazin [29]
In 1Wochendosis 150 400 3000
In 1–2 Dosen In 1 Dosis In 2–3 Dosen
Glukokortikoideb Prednisolon/Prednison
150
Start: 0,2–2
In 3 Dosen, evtl. an alternierenden Tagen
a Auswahl der Basistherapeutika, deren Wirkung bei kindlichem Rheuma in kontrollierten Studien belegt ist [4, 11, 15, 20, 23]. b Heute hat sich bei Oligoarthritis zunehmend die intraartikuläre Steroidinjektion etabliert vor oder in Kombination mit Basistherapeutika: 0,5–1 mg/kg KG Triamcinolon Hexacetonid pro großes Gelenk, einmalig oder mit mehrmonatiger Pause je nach Erfolg mehrmals, Höchstdosis: 40 mg/Gelenk.
sind beschrieben: Es kommt zu gegenseitiger Serumspiegelerhöhung. In der Differenzialtherapie stehen Opioide insbesondere bei tumorbedingten Muskel- und Gelenkschmerzen zur Verfügung.
14
14.3.2
Antiinflammatorische Therapie
Eine Schmerzbehandlung kann letztendlich nur erfolgreich sein, wenn die Grundkrankheit erfolgreich behandelt werden kann. Lokale (Osteomyelitis, eitrige Arthritis) oder systemische bakterielle Erkrankungen (Sepsis, Borreliose) erfordern eine suffiziente kausale antibiotische Behandlung. Chronisch-rheumatische Erkrankungen und Autoimmunerkrankungen bedürfen eines Therapiekonzeptes, bei dem eine langfristige Unterdrückung der Entzündungsaktivität und eine Immunsuppression oder -modulation eine wichtige Rolle spielen. Wenn eine antientzündliche Therapie mit NSAR nicht innerhalb von wenigen Wochen zur Besserung führt, oder auch bei primär hoher Krankheitsaktivität, kommen Glukokortikoide und Basistherapeuti-
ka (. Tabelle 14.3) sowie die intraartikuläre Kortikosteroidinjektion zum Einsatz [1, 20, 12a]. Als Ultima ratio bei nicht beherrschbarer systemischer Krankheitsaktivität kann auf die Cyclophosphamid-Pulstherapie und die autologe Stammzelltransplantation zurückgegriffen werden [34, 35, 18a]. 14.3.3
Krankengymnastik
Die Krankengymnastik verfolgt bei entzündlichen muskuloskelettalen Erkrankungen folgende Ziele: Schmerzlinderung durch passiv-assistives Bewegen, Vorbeugung und Behandlung von Gelenkfehlstellungen, Wiederherstellung des Muskelgleichgewichts und Einübung eines harmonischen altersentsprechenden Bewegungsablaufs. Eine erfolgreiche Krankengymnastik erfordert eine regelmäßige, d. h. tägliche Übungsbehandlung, die unter professioneller Anleitung zum großen Teil auch von den Patienten allein oder mit Hilfe der Eltern durchgeführt werden kann [14]. Eine wesentliche Aufgabe der Therapeuten ist deshalb neben der eigentlichen Behandlung die umfassende Anleitung von Patienten oder Eltern
253 14.3 · Therapiemodule bei muskuloskelettalen Erkrankungen
hinsichtlich Grifftechnik, Schmerzvermeidung sowie der Korrektor von Achsenfehlstellungen und falschen Bewegungsmustern. 14.3.4
Manuelle Medizin
In der manuellen Medizin stehen zur neurophysiologischen Schmerzbehandlung manipulative, myofasziale und muskelenergetische Techniken sowie eine spezielle Impulsbehandlung der zervikookzipitalen Übergangsregion (Atlastherapie nach Arlen) zur Verfügung. Ziel der Therapie ist die Beseitigung nozizeptiver Reaktionen an den kontraktilen und nicht-kontraktilen Wirbelsäulenstrukturen, die Normalisierung der veränderten myofaszialen Viskoelastizität und die Wiederherstellung des gestörten Gelenkspiels in den betroffenen Wirbelsäulensegmenten. Die manuelle Behandlung bei dysfunktionellen Rückenschmerzen im Kindesalter ist keine Dauertherapie: oft wird schon mit einer oder einigen wenigen Behandlungen Beschwerdefreiheit erreicht. Zur Vermeidung von Rezidiven sind in vielen Fällen allerdings weiterführende Maßnahmen sinnvoll: Bewegungsübungen, Haltungsschulung, zweckmäßige Sitzmöbel, Vermeiden von belastenden Sportarten usw. Insbesondere bei Patienten mit Schmerzverstärkungssyndromen (Gruppe 3) und nicht-entzündlichen, oft funktionellen muskuloskelettalen Erkrankungen (Gruppe 4) kommen auch Behandlungstechniken der manuellen Medizin zum Einsatz. Untersuchungen zur Effektivität im Vergleich zu herkömmlichen physiotherapeutischen Behandlungsverfahren bei Kindern fehlen. 14.3.5
Psychosoziale Begleitung und Therapie
Je mehr das Kind bzw. sein Körper durch die Erkrankung des muskuloskelettalen Systems beeinträchtigt ist und je länger die Krankheit dauert, desto wichtiger ist ein Konzept der psychosozialen Betreuung. Die Bedeutung einer solchen Betreuung unterstreicht eine fragebogengestützte Studie von Varni et al. [30] bei Patienten mit Rheuma: 70 % der interindividuellen Varianz des stärksten Schmerzes in der vorausgegangenen Woche konnte durch krankheits- und psychosoziale Faktoren erklärt werden. Die schmerzlindernde Wirkung kognitiv-
14
verhaltenstherapeutischen Trainings in Kombination mit einer medikamentösen Therapie ist auch in Follow-up-Studien hinreichend belegt [32, 33]. Das psychosoziale Konzept sollte den häuslichen Umgang mit der Erkrankung (z. B. sekundärer Krankheitsgewinn, gesunde Geschwisterkinder etc.) ebenso beinhalten wie die Problematik in der Schule (z. B. Probleme beim Tragen der Schultasche). Schmerzbedingte Bewegungseinschränkungen können den Alltag in verschiedenster Weise beeinträchtigen (öffentliche Verkehrsmittel, Notwendigkeit von Hilfsmitteln, Sport). Immer wieder stellt sich die Frage nach der erlaubten Belastung, dem erlaubten Sport, nach Hilfen und zur Verfügung stehender Unterstützung. Was Kinder betrifft, so steht die Lebenszufriedenheits- und Lebensqualitätsforschung erst am Beginn. 14.3.6
Komplementäre Therapie
Insbesondere akute Erkrankungen sind eine Domäne der Schulmedizin. Je weniger diese Medizin jedoch Krankheit erklären, eine definitive Diagnose stellen und das Kind erfolgreich behandeln kann, desto dringender wird die Frage der Patienten oder deren Eltern nach erweiterten Lösungsansätzen. Hier ist von professioneller Seite ein Spagat zwischen wohlwollender Akzeptanz und kritischer Würdigung gefragt. Mit der gebotenen Offenheit gegenüber neuen Entwicklungen ist im Gespräch mit den Betroffenen der Stellenwert nebenwirkungsarmer und kostengünstiger Methoden wie der klassischen Homöopathie oder Akupunktur zu würdigen. Eine auf Transparenz und Vertrauen fußende langfristige interdisziplinäre Begleitung der Familien schützt vor fragwürdigen – teuren und gefährlichen – Ansätzen sowie vor Therapieodysseen. 14.3.7
Langzeitbetreuung
Ein für alle Beteiligten transparentes Konzept mit einer tragfähigen Struktur hat sich als Grundlage einer erfolgreichen Langzeitbetreuung von Patienten mit subakuten und chronischen Erkrankungen des muskuloskelettalen Systems erwiesen. Ein Team aus Ärzten, Krankengymnasten, Ergotherapeuten, Psychologen und Sozialarbeitern ist unverzichtbar.
254
Kapitel 14 · Schmerzen am Bewegungsapparat
Regelmäßige ambulante Kontakte in Absprache mit dem Hausarzt, ggf. Schulungen und stationäre Aufenthalte sowie im Rahmen der familiären Situation durchführbare ambulante und häusliche Therapien sind wichtige Säulen einer erfolgreichen Begleitung. Eine Zusammenarbeit mit regionalen und überregionalen Selbsthilfegruppen hat sich innerhalb dieses Therapieplans erfolgreich etabliert.
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14
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14
15 Rezidivierende Bauchschmerzen T. Berger* und U. Damschen* 15.1
Einleitung – 258
15.1.1 Definition – 258 15.1.2 Prävalenz – 258
15.2
Traditionelle Sichtweise rezidivierender Bauchschmerzen: Zweifaktorenmodell – 258
15.2.1 Organische Faktoren – 259 15.2.2 Psychische Faktoren – 260 15.2.3 Therapie unter Beachtung des Zweifaktorenmodells – 260
15.3
Moderne Sichtweise rezidivierender Bauchschmerzen – 261
15.3.1 Biopsychosoziale Modelle in Diagnostik und Therapie – 261
15.4
Fallbeispiel – 265 Literatur – 267
* Danksagung: Der Autor wird unterstütz durch die Peter und Ruth Wirts-Stiftung, Schweiz
258
Kapitel 15 · Rezidivierende Bauchschmerzen
)) 15.1
Einleitung
Rezidivierende Bauchschmerzen zählen zu den häufigsten Beschwerdebildern im Kindesalter. Wir beziehen uns in diesem Beitrag auf die Definition von Apley u. Naish [3], die in der Literatur die weiteste Verbreitung gefunden hat.
15.1.1
Definition
Rezidivierende Bauchschmerzen liegen vor, wenn mindestens 3 abdominelle Schmerzepisoden mit Beeinträchtigung der Aktivität des Kindes über einen Zeit-raum von mindestens 3 Monaten aufgetreten sind [3]. 15.1.2
Nach dieser Definition sind mindestens 10 % aller Schulkinder betroffen [3, 18, 19]. Der Altersgipfel liegt bei 11–12 Jahren mit insgesamt leicht überwiegendem Mädchenanteil. Der Schmerzcharakter ist variabel: Während die Mehrzahl der Kinder periumbilikale Schmerzen angibt [3], ähnelt das Beschwerdebild teilweise dem der Dyspepsie oder des Colon irritabile des Erwachsenen [16, 33]. Bei vielen Kindern finden sich während der Schmerzepisoden Begleitsymptome, z. B. Blässe, Übelkeit, Erbrechen, Müdigkeit oder Kopfschmerzen [3, 18]. Ein Versuch, diese heterogene Symptomatik für die funktionellen Beschwerdebilder zu systemati-
15.2
Traditionelle Sichtweise rezidivierender Bauchschmerzen: Zweifaktorenmodell
Aus pädiatrischer und pädiatrisch-gastroenterologischer Sicht werden die rezidivierenden Bauchschmerzen traditionell als in erster Linie differentialdiagnostisches Problem betrachtet. Dies ist aus Umfragen unter niedergelassenen Pädiatern [8] und aus verschiedenen Übersichtsartikeln erkennbar [12, 15]. Viele Arbeiten legen ihren Schwerpunkt auf die Beschreibung möglicher Ätiologien, wobei zur Abklärung unterschiedlich umfangreiche Untersuchungsprogramme empfohlen werden. Die vorherrschende Auffassung begreift die Bauchschmerzen als Symptom einer entweder somatischen oder psychischen Störung (. Abb. 15.1). Eine Schmerzursache im psychischen Bereich wird unter der Annahme eines solchen »Zweifaktorenmodells« umso eher
organische/psychische Ursache
←⎯
15
Prävalenz
sieren, wurde 1999 in Form der »Rom-II-Kriterien« unternommen [25]. In Anlehnung an die Systematik für Erwachsene wurden dabei im Konsensusverfahren Kriterien für die folgenden Diagnosen im Kindesalter definiert: die funktionelle Dyspepsie, das Reizdarmsyndrom, die funktionellen Bauchschmerzen, die abdominelle Migräne und die Aerophagie. Damit steht ein Instrument zur Verfügung, das bei entsprechender Verbreitung in Zukunft differenziertere Aussagen besonders im Hinblick auf Pathogenese, Diagnostik und Therapie erwarten lässt.
rezidivierende Bauchschmerzen
. Abb. 15.1. »Zweifaktorenmodell« der rezidivierenden Bauchschmerzen: Die Bauchschmerzen werden als ein Symptom angesehen, das direkt entweder durch eine organische oder eine psychische Erkrankung verursacht wird
259 15.2 · Traditionelle Sichtweise rezidivierender Bauchschmerzen: Zweifaktorenmodell
in Betracht gezogen, wenn Hinweise für eine organische Erkrankung fehlen – und umgekehrt [8]. Inwieweit stützt die Literatur die oben zitierte Annahme, rezidivierende Bauchschmerzen würden entweder durch organische oder psychische Störungen verursacht? 15.2.1
den sollte [10]. Ein solcher ergibt sich besonders bei den Patienten mit untypischen Zusatzsymptomen. Die in der Übersicht aufgeführten anamnestischen »Alarmzeichen« oder Auffälligkeiten bei der körperlichen Untersuchung sollten Anlass zu weiterführender gezielter Organdiagnostik geben.
Organische Faktoren
Eine Reihe von klar definierten somatischen Erkankungen geht mit rezidivierenden Bauchschmerzen einher (7 Übersicht und Kapitel 3). Auswahl organischer Diagnosen bei rezidivierenden Bauchschmerzen 5 5 5 5 5 5 5 5 5
15
Refluxösophagitis Gastritis/Duodenitis/Ulkuskrankheit Familiäres Mittelmeerfieber Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen Zöliakie Nierenerkrankungen Gallenkoliken Rezidivierende Pankreatitis Parasiten
Der Anteil dieser Diagnosen am Gesamtkollektiv beträgt jedoch nur ca. 10 % [3, 30]. Anders ausgedrückt: Bei der Mehrzahl der Kinder liefert die organische Untersuchung keine klare Diagnose. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie umfangreich die somatische Abklärung nun sein sollte. Über Anamnese und klinischen Befund hinaus gibt es bei rezidivierenden Bauchschmerzen keine diagnostische Methode, deren ungezielter Einsatz einen nachgewiesenen Nutzen hätte. So finden sich sonographisch zwar bei bis zu 19 % der Kinder mit Bauchschmerzen Auffälligkeiten, v.a. Veränderungen im Bereich der ableitenden Harnwege. Diese Befunde taugen aber nur selten als Erklärung für die Schmerzsymptomatik [44]. Das Argument, eine unauffällige Diagnostik trage zur Beruhigung der Eltern bei und erleichtere dadurch den Umgang mit den Bauchschmerzen, ist bislang nicht durch entsprechende Untersuchungen belegt. Einige Autoren vertreten die Ansicht, dass ergänzende Diagnostik grundsätzlich nur gezielt bei spezifischem klinischem Verdacht durchgeführt wer-
»Alarmzeichen« bei rezidivierenden Bauchschmerzen 5 Schmerzcharakter: 5 Schmerz außerhalb der Mittellinie – Ausstrahlung – nächtliche Schmerzen – deutliche Nahrungsabhängigkeit 5 Begleitsymptome: – Fieber – Erbrechen – durchfällige, blutige oder schleimige Stühle – gestörte Längen- und/oder Gewichtsentwicklung – Begleitsymptome an Haut, Schleimhäuten, Gelenken 5 Positive Familienanamnese (Beispiele): – Ulkus – Pankreatitis – chronische Darmentzündung – familiäres Mittelmeerfieber
In mehreren Arbeiten wurde untersucht, ob mit unterschiedlichen diagnostischen Methoden bei Kindern mit rezidivierenden Bauchschmerzen Auffälligkeiten gefunden werden können. Dabei ergaben sich u. a. Hinweise auf Störungen der gastrointestinalen Motilität [24, 31, 35], Veränderungen der Schmerzschwelle und des Muskeltonus [1], vegetative Dysfunktionen [5], Kohlenhydratmalabsorptionen [31, 42], mikroskopische Entzündungszeichen der gastrointestinalen Schleimhäute [4, 22, 31] sowie hormonelle Veränderungen [2]. In der Praxis helfen diese Ansätze kaum weiter, da die Fallzahlen zu klein, das Patientenspektrum zu selektiert, die Diagnosekriterien häufig unscharf und die Behandlungsergebnisse uneinheitlich und nicht kontrolliert waren. Zum Beispiel konnte die geringe Übereinstimmung von subjektiver Symptomatik und den objektiven Ergebnissen von Laktosetoleranztests inzwischen von verschiedenen Autoren gezeigt
260
Kapitel 15 · Rezidivierende Bauchschmerzen
werden [32, 36]. Entsprechend profitieren Patienten mit Bauchschmerzen und nachgewiesenem Laktasemangel nur z. T. von einer milchzuckerfreien Ernährung [11]. Die Diskussion um die ätiologische Bedeutung von Helicobacter pylori bei rezidivierenden Bauchschmerzen im Kindesalter ist noch nicht abgeschlossen. Neuere Arbeiten konnten in den untersuchten Populationen keinen Zusammenhang zwischen Infektionsstatus und Symptomatik finden [20, 43]. Der Effekt einer Helicobacter pylori-Eradikation wurde bislang nicht in plazebokontrollierten Studien überprüft. Einzig eine Erhöhung der Ballaststoffzufuhr scheint einen günstigen Effekt zu haben [9], ansonsten konnte bislang kein eindeutiger Nutzen medikamentöser oder diätetischer Maßnahmen belegt werden. ! Nach derzeitigem Kenntnisstand besteht nur eine relativ geringe Chance, bei einem Kind mit rezidivierenden Bauchschmerzen eine ätiologisch bedeutsame, definierte und einer spezifischen Therapie zugängliche organische Störung zu finden. 15.2.2
15
Psychische Faktoren
In den letzten 20 Jahren fragten zahlreiche Studien mit inkonsistenten Ergebnissen nach psychopathologischen Störungen (v. a. Angst, Depression), psychosozialen Belastungen (u. a. Alltagsstress, belastende Lebensereignisse) sowie familiären Faktoren als Ursache für rezidivierende Bauchschmerzen. Kinder mit rezidivierenden Bauchschmerzen zeigen im Vergleich zu gesunden Kindern erhöhte Ängstlichkeit und Depressivität [32]. Beide Faktoren sind jedoch in ihrer Ausprägung vergleichbar derjenigen bei Kindern mit organisch begründeten Bauchschmerzen [39], was die Annahme nährt, benannte emotionale Auffälligkeiten seien eher als Folge denn als Ursache der körperlichen Beschwerden zu verstehen. Auch dem Einfluss belastender Lebensereignisse (z. B. Scheidung, Wohnortwechsel) auf das Auftreten rezidivierender Bauchschmerzen sind vielfältige Studien gewidmet worden. Dabei hat sich gezeigt, dass Kinder mit oder ohne rezidivierende Bauchschmerzen eine ähnliche Anzahl belastender Lebensereignisse erfahren [26], wobei diese Ereignisse
bei den Bauchschmerzkindern allerdings erheblich öfter mit Krankheiten und Tod von Angehörigen in Verbindung stehen [41]. Bei Bauchschmerzkindern besteht außerdem ein vager Zusammenhang zwischen Ausmaß und Dauer an alltäglichem Stress, z. B. durch Schulprobleme oder Konflikte mit Gleichaltrigen, und dem Auftreten akuter Beschwerden [39]. Aufgrund dieser Ergebnisse können spezifische Lebensereignisse sowie anhaltender Alltagsstress als Risikofaktoren für rezidivierende Bauchschmerzen gelten. Ungeklärt ist, in welchem Zeitraum nach der Belastung mit Beschwerden zu rechnen ist, welches Ausmaß an Belastungen Beschwerden hervorruft, und warum manche Kinder bei gleicher Belastung keine Beschwerden aufweisen. Die familiären Bedingungen bauchschmerzkranker Kinder wurden bisher nur ansatzweise erforscht. Sanders et al. [27] führten Videoanalysen familiärer Interaktionsmuster, insbesondere von kindlichen Verhaltensauffälligkeiten und mütterlichem abwehrendem Verhalten, durch. Dabei zeigten sich keine bedeutsamen Unterschiede zu Familien gesunder Kinder. Auch fanden Walker u. Greene [38] bei Müttern von Bauchschmerzkindern deutlich erhöhte Angst-, Depressions- und Somatisierungswerte mit allerdings ähnlich hohen Werten bei Müttern verhaltensauffälliger oder organisch kranker Kinder. Einen umfassenden Überblick über den bisherigen Forschungsstand in diesem Bereich bieten die Arbeiten von Mühlig u. Petermann [23] sowie Scharff [29]. Insgesamt lässt sich die Annahme, dass die rezidivierenden Bauchschmerzen in der Regel entweder organische oder psychische Störungen als Ursachen hätten, durch die vorhandenen Daten nicht stützen. Man muss das Zweifaktorenmodell mit seinem eher differentialdiagnostischen Blickwinkel deshalb mit Fragezeichen versehen; bei der überwiegenden Mehrzahl der Patienten werden wir voraussichtlich weder im somatischen noch im psychischen Bereich eine eindeutige Diagnose stellen können. 15.2.3
Therapie unter Beachtung des Zweifaktorenmodells
Der Therapie der Bauchschmerzen wird in der Regel in der pädiatrischen Literatur wenig Bedeutung zugemessen. Dies hat vor allem 2 Gründe:
261 15.3 · Moderne Sichtweise rezidivierender Bauchschmerzen
In der Praxis kann – wie erwähnt – in den meisten Fällen keine definierte Diagnose gestellt werden, sodass sich keine pathophysiologisch begründbaren Therapieansätze ergeben. Außerdem wird allgemein angenommen, dass rezidivierende Bauchschmerzen im Kindesalter eine gute Prognose mit günstigem Spontanverlauf haben, soweit eine organische oder psychische Erkrankung mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden konnte. Das übliche Procedere besteht daher in diesen Fällen in Aufklärung und Beruhigung von Kind und Eltern [8].
15.3
Moderne Sichtweise rezidivierender Bauchschmerzen
Die Annahme, Bauchschmerzen bei Kindern hätten in der Regel einen günstigen Spontanverlauf, ist nachvollziehbar, wenn klassische Kriterien wie Letalität oder physische Morbidität zugrunde gelegt werden. Sie hat aber nach kritischer Literaturrecherche keinen Bestand mehr, wenn man die Kriterien für eine günstige Prognose weiter fasst: So fanden Christensen et al. [6] nach einem Verlauf von 30 Jahren in 53 % der Fälle (Kontrollgruppe 29 %) noch anhaltende chronische oder rezidivierende Bauchschmerzen, 32 % der Patienten (Kontrollgruppe 13 %) hatten zudem im Verlauf rezidivierende Beschwerden nichtabdomineller Art entwickelt. Interessant ist, dass rund 60 % der Erwachsenen mit persistierenden Beschwerden im Rückblick schilderten, in der Adoleszenz ein symptomfreies Intervall gehabt zu haben. In einer Langzeitstudie von Magni et al. [21] klagten nach 10 oder mehr Jahren 25 % der Kinder über anhaltende Bauchschmerzen, bei weiteren 25 % hatten sich Schmerzsyndrome anderer Lokalisation entwickelt. In einer anderen Untersuchung wurden im Verlauf gehäuft funktionelle Beeinträchtigungen (z. B. Fehlzeiten in der Schule) gefunden [40]. In einer Langzeitstudie von Hotopf et al. [13] zeigte sich bei Erwachsenen, die als Kinder wiederholt an Bauchschmerzen gelitten hatten, eine mäßige Häufung somatischer Beschwerden unterschiedlicher Lokalisation sowie v. a. eine signifikante Häufung psychischer Auffälligkeiten. Aus diesen Zahlen lässt sich ableiten, dass bei einem beträchtlichen Teil der Kinder, obwohl in den
15
meisten Fällen keine erkennbare organische oder psychische Pathologie als Ursache für die Bauchschmerzen vorliegt, mit langfristigen Problemen gerechnet werden muss. Diese Probleme liegen nicht im organischen Bereich, sondern äußern sich einerseits in einer Chronifizierungstendenz, andererseits in Form von psychosozialen Störungen. Die seit Jahrzehnten übliche Praxis der Aufklärung und Beruhigung hat in dieser Hinsicht offenbar keinen positiven Effekt. Diese Ergebnisse machen das Problem der traditionellen Sichtweise deutlich: Dadurch, dass die rezidivierenden Bauchschmerzen als Symptom einer zugrundeliegenden Erkrankung im Sinne einer linearen Ursache-Wirkungs-Kette gedeutet werden, ergeben sich auch nur in den Fällen weitere Handlungsansätze, in denen eine solche Ursache-Wirkungs-Beziehung tatsächlich aufgedeckt werden kann. Da dies aber, wie oben dargelegt, bei der Mehrzahl der Patienten nicht der Fall ist, bieten sich nach traditioneller Sichtweise für den Arzt nur die folgenden theoretischen Möglichkeiten: Entweder wird der Versuch einer rein symptomatischen Therapie unternommen, oder die Suche nach einer Ursache wird durch weitere Diagnostik intensiviert. Die dritte Möglichkeit besteht darin, den Bauchschmerzen, soweit keine Ursache erkennbar ist, keinen größeren Krankheitswert beizumessen. Da den beiden erstgenannten Möglichkeiten praktisch enge Grenzen gesetzt sind, wird die letzte Option üblicherweise bevorzugt [8], obwohl sie den oben angeführten Daten zum Langzeitverlauf offensichtlich widerspricht. Dies zeigt, dass wir mit der klassischen Herangehensweise vielen Kindern mit rezidivierenden Bauchschmerzen offenbar nicht gerecht werden, sodass es notwendig ist, neue Konzepte zu diskutieren und zu erproben. Gleichzeitig deutet die Art der Probleme, die die Kinder mit rezidivierenden Bauchschmerzen langfristig haben, darauf hin, dass solche Konzepte verstärkt auf einer erweiterten systemischen Sichtweise basieren sollten. 15.3.1
Biopsychosoziale Modelle in Diagnostik und Therapie
Anstatt ausschließlich nach der direkten Ursache der Bauchschmerzen bei einem gegebenen Patienten zu
262
Kapitel 15 · Rezidivierende Bauchschmerzen
fahnden, sollte man sich bemühen, das Kind mit seinen Schmerzen in seiner gesamten Lebenssituation zu betrachten. Dies schließt neben der klassischen Frage nach den Schmerzursachen oder -auslösern als wesentlichen neuen Aspekt die Betrachtung der Auswirkungen und Folgen der Schmerzen ein. Zum einen lässt sich hieraus das eigentliche Ausmaß der Beeinträchtigung besser abschätzen, zum anderen kann hier der Schlüssel zum Verständnis individuell wirksamer »Teufelskreise« liegen, indem die Schmerzproblematik durch das Verhalten des Kindes selber oder durch die Reaktion der Umgebung unterhalten oder verstärkt wird.
Diagnostik Anstelle des Zweifaktorenmodells bietet sich hierfür eine multidimensionale Betrachtungsweise an, die die 3 Bereiche Körper, Psyche und soziale Umwelt mit ihren gegenseitigen Wechselbeziehungen (. Abb. 15.2) von vornherein einschließt (»biopsychosoziale Modelle« [37]). Dabei sind genauer Schmerzcharakter, Ernährungsaspekte und Stuhlverhalten ebenso wichtig wie der elterliche Umgang mit den Schmerzen ihres Kindes, eventuelle Auswirkungen auf den Schulbesuch oder die Frage, ob das Kind mit Stress adäquat umgehen kann. In der Praxis führt diese Betrachtungsweise im Idealfall zum Entwurf eines individuell zugeschnittenen Krankheitsmodells unter Beachtung der oben
Entwicklung
genannten 3 Teilbereiche. Bei diesem Entwurf werden der Patient und die Familie durch eigene Beobachtungen und Schlussfolgerungen aktiv mitbeteiligt, während ihre Rolle im klassischen differentialdiagnostischen Prozess eher passiv ist. Auf der Basis eines solchen Krankheitsmodells kann ein gemeinsames Therapiekonzept erarbeitet werden, das wiederum je nach Bedarf somatische, psychische oder soziale Behandlungsansätze miteinander kombiniert.
Therapie Eine Erhöhung des Ballaststoffanteils in der Ernährung ist der einzige somatische Therapieansatz, für den bisher in einzelnen kontrollierten Studien eine Wirksamkeit nachgeweisen werden konnte [9]. Methodischen Kriterien von Janicke u. Finney [17] zufolge ist die Wirksamkeit des kognitiv-behavioralen Therapieansatzes von Sanders et al. [28] am besten belegt. Sanders et al. konnten nachweisen, dass die Vermittlung und Anwendung spezifischer Bewältigungsstrategien sowie deren kontingente Verstärkung die Intensität und Häufigkeit rezidivierender Bauchschmerzen bei Kindern verringern. Nach 8 Trainingseinheiten, in denen sowohl den Eltern als auch den Kindern Strategien im Umgang mit den Schmerzen vermittelt wurden, waren 75 % der Kinder dieser sog. Interventionsgruppe schmerzfrei.
Gesellschaft
Vorbilder
Selbstbild
Eltern
Erfahrung
15
Erziehung
Psyche
←⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯→
← ⎯ →
Organe
Schule
Gesundheitswesen
⎯ ⎯ ⎯
⎯
Sensibilität
Hormone
←
Wahrnehmung
Kultur
Ernährung
⎯
⎯
⎯
⎯
Aufmerksamkeit
Schmerz
⎯
Stress
Freunde
→
Angst
soziale Umwelt
Malabsorption Motorik
Entzündung . Abb. 15.2. Biopsychosoziales Modell der rezidivierenden Bauchschmerzen: Die Bauchschmerzen werden als Phänomen im Rahmen eines Gesamtgefüges angesehen, das durch die sich wechselseitig beeinflussenden 3 Teilbereiche Körper, Psyche und soziale Umwelt beschrieben wird
263 15.3 · Moderne Sichtweise rezidivierender Bauchschmerzen
In der Kontrollgruppe (Wartegruppe ohne psychologische Intervention) waren nach dem gleichen Zeitraum 25 % der Kinder ohne Schmerzen. 3 Monate nach Beendigung der Trainingseinheiten stieg die Zahl der schmerzfreien Kinder in der Interventionsgruppe auf 87,5 %, in der Kontrollgruppe auf 37,5 % an. Zu diesem Zeitpunkt erwies sich der Unterschied zwischen den beiden Gruppen als statistisch signifikant. Die Studie konnte außerdem zeigen, dass die Effekte, die sich im familiären Umfeld ergaben (Reduktion des Schmerzempfindens und der Schmerzfrequenz), auch auf das schulische Setting generalisiert wurden. Auf negative Nebeneffekte dieser Behandlungsmethode ergab sich kein Hinweis. Da der multimodale Ansatz erst in jüngerer Zeit an Interesse gewonnen hat, liegen bisher kaum Effektivitätsstudien für kombinierte Behandlungskonzepte vor. Humphrey u. Gevirtz [14] haben an einer kleinen Patientenzahl Kombinationen verschiedener Behandlungsansätze miteinander verglichen. Dabei waren aktive Behandlungselemente wie durch Biofeedback unterstützte Entspannungstechniken, kognitiv-behaviorale Interventionen und Schulungsmaßnahmen für die Eltern effektiver als die alleinige Erhöhung der Ballaststoffzufuhr. Die Hoffnung des multimodalen Ansatzes besteht darin, die bereits belegte Wirksamkeit einzelner Therapieansätze durch die Hinzunahme weiterer Behandlungsoptionen zu steigern.
15
Multimodales Behandlungskonzept der Gastroenterologischen Abteilung der Vestischen Kinderklinik Datteln – Universität Witten/Herdecke
gangen wird. Bei Hinweisen auf das Vorliegen einer organischen Krankheit wird zunächst gezielt weitere organische Diagnostik veranlasst. Dies betrifft, wie weiter oben erwähnt, nur eine Minderzahl der Patienten. In den übrigen Fällen stellen wir bereits zu diesem Zeitpunkt die Arbeitsdiagnose »Funktionelle Bauchschmerzen« und versuchen, der Familie die Diagnose unter Zuhilfenahme des erwähnten biopsychosozialen Modells zu erläutern. Ein psychologisches Gespräch rundet diese erste Phase ab. Die folgenden Schritte sind überwiegend diagnostischer Art und dienen dem Entwurf eines auf das jeweilige Kind zugeschnittenen Schmerzmodells. Dabei sind uns 3 Punkte besonders wichtig: E ein individuell ausgerichtetes Vorgehen; E die multimodale Betrachtungsweise unter Einbeziehung somatischer, psychischer und sozialer Aspekte. Es ergibt sich aus dem bereits Gesagten und soll an dieser Stelle ausdrücklich betont werden, dass wir es nach unserem Konzept weder für erforderlich noch für sinnvoll halten, eine komplette »organische Abklärung« vor der Durchführung jeglicher psychologischer Maßnahmen vorzunehmen. Verdachtsmomente für somatische Schmerzauslöser können sich auch erst im weiteren Prozess ergeben und dann zum Anlass für die Planung ergänzender organischer Diagnostik werden. E Frühzeitige aktive Mitwirkung des Kindes und seiner Familie. Die wichtigsten Instrumente hierfür sind in der Praxis Protokolle und Schmerztagebücher (Anhang B), mit denen v. a. die Umstände der Schmerzepisoden, die Ernährung und das Stuhlverhalten erfasst und dann mit der Familie zusammen ausgewertet werden.
Kinder mit rezidivierenden Bauchschmerzen kommen über die Gastroenterologische oder SchmerzAmbulanz zu einem Untersuchungstermin, oder sie werden durch den Kinderarzt stationär eingewiesen. Das Behandlungsteam besteht aus Kinderarzt, Psychologin, Kinderkrankenschwester und Diätassistentin. Den ersten Kontakt nimmt grundsätzlich ein Kinderarzt auf. Anhand von Anamnese und körperlichem Befund wird nach Hinweisen für eine organische Erkrankung gefahndet (s. oben, Übersicht). Gleichzeitig wird versucht, den Grad der Beeinträchtigung grob abzuschätzen, wobei verstärkt auf die psychosozialen Bedingungen des Kindes einge-
Um dem Kind eine wirksame Behandlung anbieten zu können, werden – entsprechend dem biopsychosozialen Modell – mehrere Behandlungsangebote miteinander verknüpft. Ob die betroffene Familie diese Angebote nutzt, hängt zu einem großen Teil von dem Ausmaß der kindlichen, familiären und schulischen Beeinträchtigung (z. B. sozialer Rückzug des Kindes, starke emotionale sowie zeitliche Belastung der Eltern aufgrund der Beschwerden, häufige Schulfehltage) ab. Aber auch das Verhältnis von erwartetem Nutzen, zusätzlichem Aufwand und eigenen Möglichkeiten, schmerzrelevante Bedingungen zu verändern, beeinflusst die Entscheidung.
264
Kapitel 15 · Rezidivierende Bauchschmerzen
! Zwischen den Behandlern und dem Patienten mit seiner Familie sollten vorab Behandungsziele und -mittel sowie der ungefähre Zeitrahmen zur Zielerreichung vereinbart werden.
Ausgehend vom Ernährungsprotokoll wird eine Ernährungsberatung angeboten. Diese strebt neben der Vermittlung der allgemeinen Prinzipien einer optimierten Mischkost eine Erhöhung des Ballaststoffanteils in der Ernährung an. Je nach Beschwerdebild und organischen Befunden können in Einzelfällen auch medikamentöse Ansätze versucht werden (z. B. Laktulose bei Hinweisen für eine Obstipation, Antazida oder Prokinetika bei dyspepsieähnlicher Symptomatik). Darüber hinaus entsteht an der Vestischen Kinderklinik zurzeit ein Gruppentraining für Kinder mit rezidivierenden Bauchschmerzen (»Bauchtänzer«). Es basiert auf einer Auswahl kognitiv-behaviorale Therapiemethoden, die sich für die Schmerzbehandlung bei Kindern als effektiv erwiesen haben [7, 27, 34]. Das Training ist für Kinder im Alter von 9–12 Jahren und eine Gruppengröße von 5–7 Teilnehmern konzipiert. Es umfasst 8 Sitzungen von je 120 min Dauer und enthält folgende Komponenten: E Wissensvermittlung und Erarbeitung eines Schmerzmodells, E Vermittlung von Strategien zur Schmerzbewältigung, E Vermittlung allgemeiner Bewältigungskompetenzen.
15
Durch den Erwerb von Wissen und spezifischen Bewältigungsstrategien sollen die Kinder im Sinne des Selbstmanagements zunehmend selbständig die Kontrolle über ihre Schmerzen und damit zusammenhängende Bedingungen erlangen. Zu Beginn des Trainings werden die Kinder über die Anatomie des Magen-Darm-Traktes und die physiologischen Vorgänge der Verdauung informiert. Gemeinsam werden mögliche somatische, emotionale (z. B. Angst), kognitive (z. B. katastrophisierende Gedanken) und situative (z. B. Klassenarbeiten) Ursachen und Auslöser der Bauchschmerzen erarbeitet. Anschließend wird als erste Strategie der Schmerzbewältigung ein Entspannungsverfahren
eingeführt, das über die gesamte Dauer des Trainings erlernt werden soll. Es stehen Verfahren wie autogenes Training, progressive Muskelrelaxation oder Phantasiereisen zur Verfügung, mit denen es möglich ist, eine willentliche Kontrolle des physiologischen Erregungsniveaus zu erlangen. Die Entspannung kann einerseits eingesetzt werden, um während einer Schmerzepisode die Intensität und Dauer der Schmerzen zu verringern. Zum anderen kann Entspannung zur Vorbeugung von Schmerzepisoden genutzt werden, indem schmerzauslösende oder -aufrechterhaltende Stressreaktionen, z. B. die Aufregung vor einem Test, reduziert oder vermieden werden. Bei der kognitiven Umstrukturierung sollen ungünstige, dysfunktionale Kognitionen, die zu Katastrophisierung (»Das wird noch viel schlimmer«) und Resignation (»Gegen die Schmerzen kann man nichts tun«) führen und das Schmerzerleben verstärken, reduziert und durch positive Selbstinstruktionen ersetzt werden. In der praktischen Übung für Kinder besteht demzufolge der erste Schritt darin, dysfunktionale Kognitionen wahrzunehmen und zu erkennen. Der Einsatz eines Gedankenstopps (»Stopp! Denke positiv!«) dient zur Unterbrechung solcher Kognitionen, die schließlich durch funktionale, die Schmerzbewältigung fördernde Gedanken (»Ich kann etwas gegen die Schmerzen unternehmen«) ersetzt werden sollen. Durch gezielte Ablenkung (Aufmerksamkeitslenkung) soll der Aufmerksamkeitsfokus vom Schmerzgeschehen abgezogen und an alternative Wahrnehmungsinhalte gebunden werden. Je nach Präferenz des einzelnen Kindes werden externale (z. B. Karten spielen, Basteln) oder internale Ablenkungstechniken (z. B. Rätsel, Phantasiereise) eingesetzt. In den letzten beiden Sitzungen werden Übungen zur Selbstbehauptung und zum Problemlösen durchgeführt. Im Austausch untereinander suchen die Kinder neue Verhaltensmöglichkeiten für Situationen, mit denen sie bislang nicht zurecht kommen. In Rollenspielen wird das neue Verhalten erprobt, bewertet und eingeübt. Durch die thematische Nähe der Rollenspiele zum Alltag der Kinder soll der Transfer von der Übung in die Realität erleichtert werden. Begleitend zu dem Gruppentraining werden den Eltern Beratungsgespräche angeboten. Ziel ist es, gemeinsam zu erarbeiten, welche familiären oder
15
265 15.4 · Fallbeispiel
15.4
schulischen Bedingungen an der Aufrechterhaltung der Schmerzen beteiligt sind und auf welche Weise diese Bedingungen verändert werden können. Bei rezidivierenden Schmerzen kommt häufig der Reaktion der Eltern auf die verbalen und nonverbalen Schmerzäußerungen ihres Kindes eine bedeutende Rolle zu. Um eine Verstärkung des Schmerzerlebens durch ungünstige Reaktionen zu vermeiden, erhalten die Eltern eine konkrete Anleitung, wie sie stattdessen die Schmerzbewältigung des Kindes fördern können.
Fallbeispiel
Der 12-jährige M. wurde mit Schmerzen im Oberbauchbereich vorgestellt. Die Schmerzen traten mehrfach pro Woche auf, dauerten z.T. mehrere Stunden an und hatten an Häufigkeit zugenommen. Aufgrund der Bauchschmerzen war es zunehmend zu Schulausfällen gekommen. Die weitere Anamnese ergab keinen Hinweis auf eines der oben genannten Alarmzeichen (s. oben, Übersicht). Der körperliche Befund war komplett unauffällig.
Bauchschmerztagebuch für M. Datum
Sa, 24.4.
So, 25.4.
Mo, 26.4.
Di, 27.4.
Mi, 28.4.
Do, 29.4.
Fr, 30.4.
Hattest Du heute Bauchschmerzen?
ja ❑ nein ✘ ❑
ja ✘ ❑ nein ❑
ja ✘ ❑ nein ❑
ja ❑ nein ✘ ❑
ja ❑ nein ✘ ❑
ja ❑ nein ✘ ❑
ja ❑ nein ✘ ❑
In welcher Zeit hattest Du Schmerzen?
19.15–11.40
Wie stark waren Deine Schmerzen (Skala von 1–10)?
4
4
Datum
Sa, 1.5.
So, 2.5.
Mo, 3.5.
Di, 4.5.
Mi, 5.5.
Do, 6.5.
Fr, 7.5.
Hattest Du heute Bauchschmerzen?
ja ❑ nein ✘ ❑
ja ❑ nein ✘ ❑
ja ✘ ❑ nein ❑
ja ✘ ❑ nein ❑
ja ❑ nein ✘ ❑
ja ❑ nein ✘ ❑
ja ❑ nein ✘ ❑
schulfrei 18–12
In welcher Zeit hattest Du Schmerzen? Wie stark waren Deine Schmerzen (Skala von 1–10)?
4
4
Datum
Sa, 8.5.
So, 9.5
Mo, 10.5.
Di, 11.5.
Mi, 12.5.
Do, 13.5.
Fr, 16.5.
Hattest Du heute Bauchschmerzen?
ja ❑ nein ✘ ❑
ja ❑ nein ✘ ❑
ja ✘ ❑ nein ❑
ja ❑ nein ✘ ❑
ja ❑ nein ✘ ❑
ja ❑ nein ✘ ❑
ja ❑ nein ✘ ❑
In welcher Zeit hattest Du Schmerzen? Wie stark waren Deine Schmerzen (Skala von 1–10)?
5–14
5
. Abb. 15.3. Auszug aus einem Bauchschmerztagebuch (s. Fallbeispiel im Text)
Kapitel 15 · Rezidivierende Bauchschmerzen
▲
266
Schulausfall
Angst vor schulischen Konflikten
▲
»kurzfristige Lösung« (Krankheitsmodell): – Vermeidung, Ausweichen – Problem bleibt unbenannt – keine grundsätzlichen Lösungsansätze – Problem bleibt bestehen – abnehmende Fähigkeit, Probleme zu lösen – sinkendes Selbstvertrauen
▲
▲
Bauchschmerzen
≈
»langfristige Lösung« (Therapieansatz): – Konfrontation, Auseinandersetzung – Probleme benennen – aktive Erprobung von Lösungsansätzen – wachsende Fähigkeit, Probleme zu lösen – steigendes Selbstvertrauen
aktive Konfliktbewältigung
▲
. Abb. 15.4. Krankheitsmodell des Patienten M. (s. Fallbeispiel im Text)
Anhand des Bauchschmerztagebuchs (. Abb. 15.3) und der weiteren Exploration mit M. und sei-
15
ner Mutter zeigte sich, dass die Bauchschmerzen vorwiegend abends auftraten und höchstens bis zum nächsten Mittag anhielten. Die Nahrungsaufnahme beim Mittagessen war nie durch Schmerzen beeinträchtigt. Am häufigsten traten Bauchschmerzen mit dem Wechsel von Wochenende und Wochenanfang bzw. nach einem freien Tag auf (. Abb. 15.3: 03.05. = Ostermontag). Äußerte M. starke Schmerzen, durfte er an diesen Tagen u. a. deshalb zu Hause bleiben, weil seine Mutter selbst rechtzeitig zur Arbeit losfahren musste. M. verbrachte dann den Vormittag im Bett und sah Fernsehen. Ab Mittag (ca. 12–14 Uhr) ließen die Schmerzen nach. Musste die Mutter nicht zur Arbeit, brachte sie M. trotz der Schmerzen zur Schule, wo die Schmerzen im Laufe des Vormittags abnahmen. M. und seine Mutter gaben im Gespräch an, dass Bauchschmerzen oft mit Konflikten, Stress oder bevorstehenden Belastungen in Zusammenhang stün-
den. Hierzu zählten v. a. schulische Probleme (unerledigte Hausaufgaben, Streit mit Mitschülern, Konflikte mit Lehrern). Während der Schulbesuch durch die Bauchschmerzen regelmäßig beeinträchtigt war, zeigten sich wenig Auswirkungen im Freizeitbereich oder bei familiären Aufgaben. Aufgrund dieser Informationen ergab sich die Annahme, dass M’s Bauchschmerzen offensichtlich dazu führten, Problemsituationen in der Schule erfolgreich zu vermeiden. Durch die Vermeidung dieser unangenehmen Situationen und durch die gleichzeitige Belohnung durch einen angenehmen Vormittag wurden die Beschwerden verstärkt (. Abb. 15.4). Innerhalb von 5 Monaten erhöhte sich die Frequenz von 1-mal 14-tägig auf 3-mal wöchentlich. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, nahm M. an einem Gruppentraining teil, in dem Strategien zur Schmerzbewältigung vermittelt wurden (»Bauchtänzer«). Gleichzeitig wurde mit seiner Mutter besprochen, wie sie ihn darin unterstützen kann, schulische Probleme zu lösen. Auch die Not-
267 Literatur
wendigkeit, M. trotz der Schmerzen zur Schule zu schicken, wurde verdeutlicht. Durch die Konfrontation und erfolgreiche Lösung schulischer Konflikte erlernte M. Strategien, Probleme zu bewältigen. Die Bauchschmerzen als vermeintliche Bewältigungsstrategie nahmen innerhalb von 6 Wochen ab und sind in den folgenden 9 Monaten nicht mehr aufgetreten.
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Kapitel 15 · Rezidivierende Bauchschmerzen
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16 Kopfschmerztherapie im Kindesund Jugendalter M. Überall, H. Denecke und B. Kröner-Herwig 16.1
Einleitung – 270
16.2
Epidemiologie – 270
16.3
Kopfschmerzklassifikation und -diagnostik – 270
16.4
Pathophysiologie – 271
16.5
Psychologische Einflussfaktoren/Komorbidität – 273
16.6
Gesellschaftliche und sozioökonomische Auswirkungen – 274
16.7
Kopfschmerztherapie – 274
16.7.1 Sekundäre Kopfschmerzen – 274 16.7.2 Primäre Kopfschmerzen – 276
16.8
Überwachung und Dokumentation – 286
16.9
Fazit – 287 Literatur – 287
270
Kapitel 16 · Kopfschmerztherapie im Kindes- und Jugendalter
)) 16.1
Einleitung
Kopfschmerzen gehören zu den häufigsten Gesundheitsproblemen von Kindern und Jugendlichen in den Industrienationen der westlichen Welt [1, 33]. Dessen ungeachtet sind Kopfschmerzpatienten in der kinder- und jugendärztlichen Praxis nicht allzu gern gesehen, gilt ihre Betreuung doch als schwierig und undankbar. Mögliche Erklärungen hierfür sind sicherlich zum einen die auf den ersten Blick verwirrende Kopfschmerzklassifikation (die immer wieder zu Problemen in der diagnostischen Zuordnung kindlicher Kopfschmerzen führen kann) sowie ausgeprägte Placebo- bzw. inkonstante Verum-Effekte in der Behandlung von Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen (die zur Persistenz wissenschaftlich erwiesenermaßen unwirksamer Therapien führen und homöopathischen, naturheilkundlichen oder gar außermedizinischen Therapierichtungen ein lukratives Schattendasein ermöglichen). Mittlerweile hat sich das Wissen um und die Kenntnis über kindliche Kopfschmerzen im Allgemeinen, insbesondere aber auch über die sog. idiopathischen oder primären Kopfschmerzen (wie z. B. die Migräne oder die Kopfschmerzen vom Spannungstyp) in den vergangenen Jahren sprunghaft vermehrt, so dass jetzt auch für jüngere Kopfschmerzpatienten rationale Therapieempfehlungen möglich werden.
16.2
16
Epidemiologie
Über die Prävalenz von Kopfschmerzen im Kindesund Jugendalter war lange Zeit nur wenig bekannt, und bis heute liegen eigentlich nur für erwachsene Kopfschmerzpatienten ausreichend valide Daten vor. Nach neueren Untersuchungen zur Prävalenz von Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen berichten bereits bei der Einschulung mehr als 10 % aller Schulkinder über eigene Erfahrungen mit Kopfschmerzen verbunden mit hohem Leidensdruck [57]. In den folgenden Schuljahren erhöht sich diese Häufigkeit in Deutschland von 83 % (bei 8- bis 9-jährigen) und 90 % (bei 11–12 Jahre alten Schülern) auf letztlich über 93 % (bei 15–16 Jahre alten Jugendlichen). Dabei leiden rund 60 % aller Jugendlichen unter Kopfschmerzen vom Span-
nungstyp und nur etwa 10–12 % unter rekurrierenden Migräneattacken [48, 49]. Schwere rekurrierende Kopfschmerzen haben etwa 5 % aller Kinder und Jugendlichen, wobei rund 1 % an chronischen täglichen Kopfschmerzen leidet [41b]. Im Gegensatz zum Erwachsenenalter spielen bei Kindern (jedoch nicht bei Jugendlichen) Geschlechtsunterschiede – z. B. bei der Migräne – keine Rolle [48, 49]. Ergebnisse longitudinaler Studien aus den skandinavischen Ländern zeigen darüber hinaus eine langsam steigende Zunahme der Prävalenz kindlicher Kopfschmerzen – möglicherweise auf dem Boden (noch) nicht näher evaluierter gesellschaftsspezifischer Entwicklungen [58].
16.3
Kopfschmerzklassifikation und -diagnostik
Akute und chronische Kopfschmerzen sind im Kindesalter häufig Begleitsymptome verschiedenster Infektionskrankheiten mit oder ohne Fieber, können Folge systemischer Erkrankungen, Teilaspekt einer akuten oder chronischen Störung des zentralen Nervensystemes, psychisch bedingt, Unfallfolge oder – wie z. B. im Fall der Migräne bzw. der Spannungskopfschmerzen – Ausdruck einer eigenständigen Erkrankung sein. In der täglichen Praxis gilt es abzuwägen, ob die Kopfschmerzen harmloses Symptom einer vorübergehenden bzw. behandelbaren Störung oder Ausdruck einer schwerwiegenden Erkrankung sind. Auf der Grundlage anamnestischer Angaben zum Erscheinungsbild der Kopfschmerzen und abhängig vom körperlichen Befund ist zu entscheiden, ob zunächst abgewartet, symptomatisch behandelt oder ergänzend apparative Untersuchungen zur differenzialdiagnostischen Ursachenfindung durchgeführt werden müssen. In diesem diagnostischen Spannungsfeld gilt es zu klären, ob die Kopfschmerzen sekundäres Symptom einer Erkrankung mit definiertem organpathologischem Befund (sog. sekundäre Kopfschmerzen) oder Ausdruck einer eigenständigen Erkrankung ohne wesentliche Organpathologie sind (sog. primäre Kopfschmerzen). Dabei bereitet die Diagnostik kindlicher Kopfschmerzen i. Allg. keine besonderen Probleme, soweit sie sich auf den Ausschluss
271 16.4 · Pathophysiologie
organischer Ursachen bezieht. Nicht selten befindet sich der Patient jedoch in der unbefriedigenden Situation, dass die zahlreich angewandten apparativen Verfahren unauffällige Befunde ergeben haben, seine Beschwerden jedoch unverändert andauern. Hier hat sich die Kenntnis der 1988 von der International Headache Society (IHS) herausgegebenen Empfehlungen zur Klassifikation und Diagnostik von Kopfschmerzen als hilfreich erwiesen, die auch bei der primären Kopfschmerzerkrankung ohne organpathologischen Befund eine positive Identifizierung erlaubt [25]. Hauptmerkmal dieser klar zwischen primären (IHS-Code 1–4) und sekundären Kopfschmerzerkrankungen (IHS-Code 5–13) differenzierenden Leitlinien (. Übersicht in Tabelle 16.1) ist die völlige Lösung von ätiologischen Ordnungsprinzipien. Die strenge operationale Orientierung an der klinischen Phänomenologie der Kopfschmerzen, dem körperlichen Befund und wenigen anamnestischen Verlaufsparametern ermöglicht in aller Regel die Formulierung einer definitiven Diagnose. Obwohl die IHS-Klassifikation bislang nur unzureichend zwischen Kindern und Erwachsenen unterscheidet und somit weder die ausgeprägte Variabilität des Beschwerdebildes noch die altersspezifischen Besonderheiten kindlichen Kopfschmerzempfindens, -erlebens und -berichtens ausreichend berücksichtigt [6], stellt sie dennoch das am besten validierte und für die klinische Routine auch praktikabelste Klassifikationsschema dar. Empfohlene (und wohl in der anstehenden Revision der IHSKriterien) berücksichtigte Änderungen betreffen z. B. für die Migräne die Attackendauer (»1–48 h« statt bislang »2–48 h«), die Lokalisation (»bilateraler (frontaler/temporaler) oder einseitiger Kopfschmerz« statt bislang ausschließlich »einseitiger Kopfschmerz«) und die Begleitphänomene (»Photophobie und/oder Phonophobie« statt bislang »Photophobie und Phonophobie). Unter Berücksichtigung dieser Änderungen steigt die Sensitivität der revidierten IHS-Kriterien ohne nennenswerte Spezifitätsminderung für Kinder jünger als 12 Jahre von 49 % auf 87 % und für Jugendliche von 80 % auf 98 % an [18, 73]. In Verbindung mit den IHS-Kriterien sind nicht selten die mittlerweile vielfältigst existierenden Interview-Leitfäden für Kinder und Jugendliche mit chronischen oder rezidivierenden Kopfschmerzen
16
sinnvoll und hilfreich (wie z. B. SIKI, Children’s Headache Interview von McGrath, Anleitungsheftchen beim Kopfschmerztagebuch von Pothmann et al., Dattelner Kinderschmerzfragebogen). Kritisch differenziert werden muss im Rahmen der klinischen Untersuchung kopfschmerzkranker Kinder und Jugendlicher, ob die erhobenen Befunde kausal der Kopfschmerzsymptomatik zugrunde liegen (sog. sekundäre Kopfschmerzen) oder ob sie koinzidenteller Natur sind (d. h. keine kausale Beziehung zu den geschilderten Kopfschmerzen aufweisen). Diese Unterscheidung ist um so schwieriger, je differenzierter und je »alternativer« die jeweils vorgenommene Differenzialdiagnostik ist. Nicht selten lassen sich auch bei Kindern und Jugendlichen mit typischen primären Kopfschmerzerkrankungen zusätzlich organpathologische Befunde oder psychopathologische Verhaltensmuster nachweisen, die mitunter auch einen therapeutischen Handlungsbedarf implizieren, und in deren Folge die ursprünglich geschilderte Kopfschmerzsymptomatik mitunter vorübergehend oder gar völlig sistiert. Dies ist bei den hier besprochenen multifaktoriell bedingten primären Kopfschmerzerkrankungen auch nicht anders zu erwarten. Gewarnt werden muss jedoch vor einer Verallgemeinerung dieser mitunter beachtlichen »Behandlungserfolge«, solange der im Einzelfall gefundene und für ursächlich verantwortlich erklärte Zusammenhang zwischen klinischer Symptomatik und körperlichem Befund nicht in größeren kontrollierten epidemiologischen Studien verifiziert werden konnte.
16.4
Pathophysiologie
Grundsätzlich sind im Kopfbereich schmerzempfindliche Gewebe sowohl extra- als auch intrakraniell lokalisiert. Dabei muss berücksichtigt werden, dass nicht alle kranialen Strukturen Schmerzreize registrieren können. Zu den extrakraniell gelegenen schmerzempfindlichen Strukturen gehören Haut und Schleimhäute, das Subkutangewebe, die Muskulatur, das Periost der Schädelknochen, die Zähne sowie einige der größeren Blutgefäße. Intrakraniell umfassen die schmerzempfindlichen Gewebe die Gefäßsinus, die großen Venen einschließlich umgebender Dura, die Duraarterien
272
Kapitel 16 · Kopfschmerztherapie im Kindes- und Jugendalter
. Tabelle 16.1. Konversionstabelle für den IHS-Klassifikationscode und den ICD-10-NA-Klassifikationscode Bezeichnung
IHS-Code
ICD-10-NA-Code
Migräne
1
G 43.9
Migräne ohne Aura
1.1
G 43.0
Migräne mit Aura
1.2
G 43.1
Ophthalmoplegische Migräne
1.3
G 43.80
Retinale Migräne
1.4
G 43.81
Periodische Syndrome der Kindheit als mögliche Vorläufer oder Begleiterscheinungen einer Migräne
1.5
G 43.82
Migränekomplikationen (Status migraenosus etc.)
1.6
Andere migräneartige Störungen
1.7
G 43.83
Kopfschmerz vom Spannungstyp
2
G 44.29
Episodischer Kopfschmerz vom Spannungstyp
2.1
G 44.20/21
Chronischer Kopfschmerz vom Spannungstyp
2.2
G 44.22/23
Clusterkopfschmerz
3
G 44.09
Chronische paroxysmale Hemikranie
3
G 44.03
Verschiedenartige Kopfschmerzformen ohne begleitende strukturelle Läsion
4
G 44.80
Kopfschmerz nach Schädeltrauma
5
G 44.88
Kopfschmerz bei Gefäßstörungen
6
G 44.81
Kopfschmerz bei nicht-vaskulären intrakraniellen Störungen
7
G 44.82
Kopfschmerz durch Einwirkung von Substanzen
8
G 44.4
8
G 44.83
Kopfschmerzen bei einer primär nicht den Kopfbereich betreffenden Infektion
9
G 44.88
Kopfschmerz bei Stoffwechselstörungen
10
G 44.88
Kopfschmerz oder Gesichtsschmerz bei Erkrankungen des Schädels sowie im Bereich von Hals, Augen, Ohren, Nase, Nebenhöhlen, Zähnen, Mund oder anderen Gesichts- oder Kopfstrukturen
11
G 44.84
Kopf- und Gesichtsneuralgien, Schmerz bei Affektion von Nervenstämmen und Deafferenzierungsschmerzen
12
G 44.88
Nichtklassifizierbarer Kopfschmerz
13
R 51
oder deren Entzug
16
273 16.5 · Psychologische Einflussfaktoren/Komorbidität
sowie die Arterien im Bereich der Schädelbasis. Das Gehirn selbst, wie auch die größten Teile der Dura, das Ependym und die Chorioidalplexus sind nicht schmerzempfindlich. Die Schmerzweiterleitung im Bereich des Gesichtsschädels und des vorderen Hirnschädels erfolgt vorwiegend über den V. Hirnnerv (N. trigeminus), während vereinzelte kleinere Regionen von Ästen des VII. (N. facialis), IX. (N. glossopharyngeus) und X. (N. vagus) Hirnnervs versorgt werden. Die Schmerzleitung der okzipitalen Schädelabschnitte erfolgt über die oberen Zervikalnerven (C1–C2). Sekundäre Kopfschmerzen können durch Traktion, Entzündung und Dilatation vaskulärer Gewebe ebenso entstehen wie durch die Verlagerung intrakranieller Gewebe (z. B. durch Tumoren, Abszesse oder sonstige intrakranielle Drucksteigerungen) oder direkten Druck auf die Hirnnerven. Darüber hinaus können länger dauerende unphysiologische Kontraktionen der Kopf-/Nackenmuskulatur sowie pathologische Prozesse extrakraniellen Ursprungs (wie z. B. Nasennebenhöhlenentzündungen, Refraktionsanomalien, Fehlokklusionen, etc.) zu Schmerzsensationen führen, die als Kopfschmerzen interpretiert werden.
16
Die Frage nach den grundlegenden pathophysiologischen Vorgängen bei den verschiedenen primären Kopfschmerzformen ist wesentlich komplizierter und letztlich noch immer nicht vollständig geklärt. Zwar sind z. B. bei der Migräne die verschiedenen Vorgänge und Abläufe bzgl. ihrer zeitlichen Abfolge mittlerweile klar definiert, der kausale Zusammenhang bzw. die Frage, warum zuerst das eine (die kortikale Hyperexzitabilität) und warum dann später das andere Ereignis (vaskuläre Veränderungen) folgt, weiter spekulativ. Eins steht bei all der beschriebenen Unkenntnis jedoch mittlerweile fest: auch primäre Kopfschmerzerkrankungen haben ein biologisch klar fassbares Korrelat und sind nicht – wie früher und z. T. auch heute mancherorts noch immer fälschlicherweise unterstellt – Ausdruck einer gestörten Psychopathologie [5].
16.5
Psychologische Einflussfaktoren/Komorbidität
Emotionale Stressreaktionen spielen bei der Auslösung von Kopfschmerzattacken eine wesentliche Rolle. Von über 2.000 niederländischen Kindern
. Abb. 16.1. Relevanz externer Auslösefaktoren für die Entstehung von Kopfschmerzen im Kindes- und Jugendalter aus der Sicht Betroffener
274
Kapitel 16 · Kopfschmerztherapie im Kindes- und Jugendalter
gaben 40 % Stress als Auslöser von Kopfschmerzen an [44], wobei »Stress« eine Vielzahl von inneren und äußeren Belastungen einschließt (Ärger, belastende Schulsituationen, Erkältungskrankheiten; [48]). Die Anzahl belastender »life events« scheint bei Kindern nur von geringer Bedeutung zu sein [8], vermutlich sind es eher die »daily hassles«, also die alltäglichen kleinen Ärgernisse, die die Auslösung der Kopfschmerzattacken bei entsprechender dispositioneller Hypersensitivität – zumindest bei Migräne – begünstigen [34]. Eine Umfrage unter amerikanischen Kindern und Jugendlichen über deren Einschätzung und Beurteilung möglicher kopfschmerzauslösender Faktoren bestätigte diese Beobachtungen (. Abb 16.1; [31b]) Emotionale Persönlichkeitsfaktoren wie generell erhöhte Ängstlichkeit und depressive Verstimmtheit wurden ebenfalls bei Kindern mit häufigem Kopfschmerz festgestellt [3, 36]. Ob es sich dabei allerdings um situationsübergreifende Persönlichkeitsmerkmale, die bereits vor der Kopfschmerzerkrankung bestanden haben, oder um Konsequenzen des Kopfschmerzes handelt, kann ohne prospektive Studien nicht geklärt werden. Die Bedeutung sozialer Einflüsse bei Kopfschmerz, insbesondere im Sinne von Modelllernen in der Familie, ist umstritten, da hereditäre Bedingungsfaktoren in Betracht gezogen werden müssen.
16.6
16
Gesellschaftliche und sozioökonomische Auswirkungen
Gerade bezüglich ihrer gesellschaftspolitischen und sozioökonomischen Auswirkungen dürfen chronische und chronisch-rezidivierende Kopfschmerzen im Kindes- und Jugendalter nicht unterschätzt werden. Von den wenigen aus dem Erwachsenenalter stammenden Studien her ist bekannt, dass die Kosten durch den Arbeitsausfall bzw. die während der Kopfschmerzen reduzierte Arbeitsleistung (sog. indirekte Kosten) in ihrem Ausmaß die sog. direkten Kosten, d. h. die durch Arztbesuch, ambulante oder stationäre Behandlung und Medikamentenverordnung verursachten Kosten, um das 10- bis 20-fache übersteigen. Die Konsequenzen chronischer Kopfschmerzen auf das weitere Leben der betroffenen
Kinder und Jugendlichen kann nur vermutet werden. Nicht selten befinden sich die betroffenen pädiatrischen Patienten zum Zeitpunkt der Erkrankung in den für ihr späteres Leben sowie für ihre berufliche und private Entwicklung kritischen Lebensabschnitten [42]. Alleine der Umstand, dass im schulischen Bereich nach Schätzungen des statistischen Bundesamtes pro Jahr in Deutschland alleine über 1.000.000 Schultage Migräne-bedingt versäumt werden, lässt das wahre Ausmaß dieses Problemes erahnen.
16.7
Kopfschmerztherapie
Grundsätzlich ist das Spektrum der therapeutischen Möglichkeiten zur Behandlung akuter, akut rekurrierender oder chronischer Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen ähnlich vielgestaltig wie das zur Behandlung erwachsener Kopfschmerzpatienten – nur ist es weitaus weniger gut evaluiert [15, 71]! Als therapeutische Hauptdirektive muss gelten, dass ohne gesicherte Diagnose keine spezifische Therapie eingeleitet werden sollte. Dies setzt die Kenntnis der aktuellen IHS-Klassifikationsleitlinien voraus [25] und verdeutlicht, dass auch die Pharmakotherapie kindlicher Kopfschmerzen einem differenziellen Behandlungsplan folgen muss. Art und Umfang der therapeutischen Intervention müssen darüber hinaus an den individuellen Leidensdruck und an die jeweilige Situation angepasst werden. Problematische Verläufe bei chronischen oder akut rekurrierenden Kopfschmerzsyndromen sollten in engem Kontakt mit bzw. unter Supervision eines kompetenten (Kinder-)Schmerzzentrums behandelt werden. 16.7.1
Sekundäre Kopfschmerzen
Bei sog. sekundären Kopfschmerzen (bei denen der Schmerz Folge bzw. Symptom einer klinisch fassbaren Grunderkrankung, z. B. einer Infektion, ist) ist naturgemäß die Beseitigung der zugrundeliegenden Organpathologie oberstes therapeutische Gebot. Dennoch kann es auch hier notwendig sein, adjuvant symptomatisch zu behandeln und analgetisch wirksame Therapieverfahren einzusetzen, um den Zeitraum bis zur Diagnosestellung bzw. Restitution adäquat überbrücken zu können.
16
275 16.7 · Kopfschmerztherapie
Hierfür steht eine Vielzahl wirksamer Präparate zu Verfügung, die in . Tabelle 16.2 zusammengefasst sind. Immer wieder ist zu beobachten, dass von den Eltern häufig bereits vor Konsultation eines Arztes eine mehr oder weniger sinnvolle medikamentöse Behandlung (»mit dem, was die Hausapotheke so hergibt«) durchgeführt wird. Das in Deutschland hierfür am häufigsten angewandte Medikament ist Paracetamol, welches als im Kindesalter bevorzugtes Antipyretikum auch eine schwache analgetische Wirkung zeigt. Kritisch anzumerken ist, dass Paracetamol als Analgetikum in aller Regel akut zu niedrig dosiert wird, während es im Langzeitgebrauch häufig unkritisch und unnötig hochdosiert Verwendung findet. Die gerade für jüngere Kinder und Patienten mit gastrointestinalen Begleitsymptomen vorteilhafte Applikationsform als Zäpfchen erweist sich im klinischen Alltag für die Akutbehandlung starker Kopfschmerzen häufig als insuffizient. So wird bei der rektalen Paracetamolanwendung meist nicht berücksichtigt, dass die zur Erzielung eines sicheren analgetischen Effektes notwendige Dosierung (initiale Ladungsdosis bei rektaler Anwendung: 35–45 mg/kg KG, gefolgt
von 15–20 mg/kg KG/ED alle 6–8 h, maximale Tagesdosis: 100 mg/kg KG/Tag) wesentlich über der üblicherweise empfohlenen Dosierung (von 10–20 mg/kg KG/ED) liegt. Trotz Unterdosierung berichten Eltern immer wieder von »guter Wirksamkeit« was durch die hohe spontane Remissionsrate kindlicher Kopfschmerzen und die leicht euphorisierende Nebenwirkung der Substanz erklärt werden kann. Eine gute Alternative zur analgetischen Behandlung symptomatischer Kopfschmerzen ist Ibuprofen, ein nicht-steroidales Antiphlogistikum mit guter und reproduzierbarer analgetischer Wirksamkeit, die mitlerweile in zahlreichen Studien für Kinder ab dem 6. Lebensmonat nachgewiesen werden konnte [64]. In einem direkten Vergleich zwischen Ibuprofen und Paracetamol bei Kopfschmerzen im Kindesalter erwies sich Ibuprofen als überlegen wirksam [20]. Darüber hinaus zeigen beide Substanzen im Rahmen einer Kurzzeittherapie ein vergleichbares Nebenwirkungsprofil, und bis dato sind für Ibuprofen keine lebensbedrohlichen Komplikationen bekannt (wie sie z. B. in Form der tödlich verlaufenden akzidentellen Überdosierungen für Paracetamol mit
. Tabelle 16.2. Dosierungsempfehlungen für die gängigsten in Deutschland oral verfügbaren Analgetika Wirkstoff
Präparat (z. B.)
Initialdosis [mg/kg KG]
Dosierungsintervall (h)
Erhaltung [mg/kg KG]
Maximaldosis [mg/kg KG/Tag]
Applikationsweg
Paracetamol
Ben-u-ron®a
35–45
6–8
15–20
100
Rektal
15–20
6–8
10–20
100
p.o.
Acetylsalicylsäure
Aspirin®b
10–15
4–6
10–15
60–80
p.o.
Ibuprofen
Nurofen®
10–15
6–8
10
40
p.o.
Ketoprofen
Orudis®
2–3
6–8
1– 2
6–9
p.o., rektal
Naproxen
Proxen®
5–10
8–12
5–10
30
p.o., rektal
Metamizol
Novalgin®
10–20
4–6
10–20
80
p.o., rektal
Tramadol
Tramundin®
1–2
3–4
1–2
8–10
p.o.
a
b
Diese im Vergleich mit den Herstellerangaben deutlich höhere Initialdosierung von Paracetamol ist zum Erreichen einer analgetischen Wirksamkeit notwendig und geht – als Kurzzeittherapie in der genannten Dosierung über 1–2 Tage verabeicht – mit keinem erhöhten Risiko einer Leberschädigung einher! Die Anwendung sollte wegen der Gefahr der Auslösung eines Reye-like Syndroms bei virusinduzierten Infektionserkrankungen im Kindesalter auf nicht-Infekt-assoziierte Kopfschmerzen beschränkt werden.
276
Kapitel 16 · Kopfschmerztherapie im Kindes- und Jugendalter
. Tabelle 16.3. Dosierungsempfehlungen für die gängigsten in Deutschland parenteral verfügbaren Analgetika Wirkstoff
Präparat (z. B.)
Initialdosis [mg/kg KG]
Dosierungsintervall (h)
Erhaltung [mg/kg KG]
Maximaldosis [mg/kg KG/Tag]
Applikationsweg
Metamizol
Novalgin® a
10–15
6–8
10–20 2–3
100
Kurzinfusion i.v. DTI i.v.
Lysinacetylsalicylat
Aspisol®
10
4–6 (–8)
10
40
Bolus/Kurzinfusion i.v.
Parecoxiba
Dynastat® (maximal 40 mg/ED)
0,4–0,6
12
0,4–0,6 (maximal 40 mg/ED)
0,8–1,2
Kurzinfusion i.v.
Paracetamol
Perfalgan® b
10
6–8
10
40
Kurzinfusion i.v.
a b
16
Bislang nur eingeschränkte Erfahrungen bei Patienten <18 Jahren, in Deutschland nicht für die Behandlung von Patienten <18 Jahren zugelassen; DTI Dauertropfinfusion. Keine »Prodrug« wie Proparacetamol (s. Kap. 5), daher andere Dosierung als Proparacetamol.
fatalem Leberversagen doch wiederholt beobachtet wurden). Einschränkungen ergeben sich bei der längerfristigen Anwendung von Ibuprofen (wie bei allen anderen unspezifischen Cyclooxygenase-Hemmstoffen auch) durch das Risiko zur Entwicklung gastrointestinaler Nebenwirkungen. Für die diesbezüglich deutlich besser verträglichen selektiven Cox2-Hemmer (Celecoxib, Rofecoxib und Valdecoxib) liegen bislang keine Studien zur Wirksamkeit und Verträglichkeit bei Patienten <18 Jahren vor. Für ältere Patienten (ab 12 Jahren) sowie Kinder, bei denen ausgeschlossen werden konnte, dass die Kopfschmerzen Symptom eines Virusinfektes oder koinzidentell im Rahmen einer viralen Infektion aufgetreten sind, steht mit Acetylsalicylsäure (z. B. Aspirin®) eine weitere, gut wirksame und in der Kurzzeittherapie auch gut verträgliche Alternative zu Verfügung, wobei für die Aceylsalizylsäure die oben für Ibuprofen geschilderten grundsätzlichen Überlegungen ebenfalls Gültigkeit haben [47]. Zur Linderung schwerster symptomatischer Zephalgien (z. B. bei Tumorerkrankung, Keilbeinhöhlenempyem, Sinusvenenthrombose, etc.) kann bisweilen eine parenterale analgetische Behandlung mit Nicht-Opioid-Analgetika oder Opioiden (. Tabelle 16.3), ggf. auch eine Analgosedierung notwendig werden (. Tabelle 16.4).
In der Behandlung schwerster symptomatischer Kopfschmerzen stellt darüber hinaus auch der Einsatz der patientenkontrollierten Analgesie (PCA) mittels Schmerzpumpe eine grundsätzliche Therapieoption dar. Diese sollte allerdings nur in Zusammenarbeit mit einer diesbezüglich erfahrenen Schmerzambulanz durchgeführt werden. 16.7.2
Primäre Kopfschmerzen
In der Regel problematischer als die Behandlung akuter symptomatischer Zephalgien ist die Therapie der häufig chronisch oder chronisch rezidivierend verlaufenden primären Kopfschmerzerkrankungen. Hier führen fehlende oder unzureichend formulierte Behandlungsvorschläge seitens des Therapeuten bzw. übertriebene Erwartungen seitens des Patienten nicht selten zu unkontrollierter und bisweilen nebenwirkungsreicher Selbstmedikationen. Häufig wird dem Arzt seitens des Patienten gar nicht die Chance für eine Therapiemodifikation gegeben, weil letzterer, vom Misserfolg der Erstbehandlung enttäuscht, einen neuen Therapeuten aufsucht und dieser erneut »bei Null beginnt«. Aus diesem Grund sollte der Behandlung von Kopfschmerzen heute grundsätzlich ein aufklärendes Gespräch vorangestellt werden, in welchem dem
277 16.7 · Kopfschmerztherapie
16
. Tabelle 16.4. Dosierung von Opioiden i.v. zur Analgesie bzw. Analgosedierung bei symptomatischen Kopfschmerzen (z. B. bei Tumorerkrankung) Indikation
Substanz
Initialdosis
Erhaltungsdosis
Analgesie
Morphin (z. B. MSI-Injektionslösung®)
50–100 µg/kgKG
10–100 µg/kg KG/h
Pethidin (z. B. Dolantin®)
0,5–1 mg/kg KG
–
Piritramid (z. B. Dipidolor®)
50–200 µg/kgKG
20–50 µg/kg KG/h
Nalbuphin (z. B. Nubain®)
100–200 µg/kgKG
40–100 µg/kg KG/h
Tramadol (z. B. Tramundin®)
1–2 mg/kg KG
0,25 mg/kg KG/h
Fentanyldihydrogencitrat (z. B. Fentanyl®) in Kombination mit Midazolam (z. B. Dormicum®)
2–6 µg/kg KG
2(–6) µg/kg KG/h
0,1–0,2 mg/kg KG
0,1(–0,2) mg/kg KG/h
Analgosedierung
Patienten der Hintergrund des vorgeschlagenen Behandlungskonzeptes erläutert und ihm ausreichend Zeit für Fragen gegeben werden muss. Ziel muss es sein, auch das Kind und den Jugendlichen zum kompetenten Partner in der Behandlung seiner eigenen Erkrankung zu machen.
Allgemeine Therapierichtlinien Jeder Therapieplan sollte in Form eines situationsadaptierten Stufenplanes erstellt werden, welcher obligat sowohl nicht-medikamentöse wie medikamentöse Komponenten umfassen muss, wie in folgender Übersicht am Beispiel eines strukturierten Stufenplanes zur Migränetherapie dargestellt [31]. Dabei gilt als oberste Maxime, dass jeder Patient mit chronischen Kopfschmerzen ein therapeutisches Basisprogramm zur nicht-medikamentösen Vorbeugung bzw. Akutbehandlung (s. unten) absolvieren sollte.
Therapeutischer Eskalationsplan zur situationsgerechten Behandlung kindlicher Migräneattacken A) Allgemeine nicht-medikamentöse Maßnahmen (bei Ankündigungssymptomen und zur Unterstützung der medikamentösen Therapie) 1) Unterbrechung der ursprünglichen Tagesaktivität 2) Reizabschirmung: 6
– Ruhe – abgedunkelter, akustisch gedämpfter Raum – feuchtes, kühles Tuch auf die Stirn – Schlaf etc. 3) Entspannung: – autogenes Training – progressive Muskelrelaxation nach Jacobson – Joga, Traumreisen etc. 4) Ätherische Öle: – Eukalyptus und/oder Pfefferminze 5) Akupressur: – z. B. in Kombination mit 4) B) Medikamentöse Behandlung der leichten Migräneattacke Definition: initial langsamer Schmerzanstieg, niedrige Intensität, fehlende oder geringe Aurasymptomatik, mäßige Übelkeit, kein Erbrechen 1) Antiemetikum: – Domperidon (z. B. Motilium®): 1 Tropfen/kg KG/ED p.o. (maximal 33 Tropfen/ED) Cave: dyskinetisches Syndrom, Antidot: Diphenhydramin (z. B. Benadryl®): 1 mg/kg KG/ED alle 6 h p.o. oder rektal – Biperiden (z. B. Akineton®): 1–2 mg/ED i.v.) 6
278
Kapitel 16 · Kopfschmerztherapie im Kindes- und Jugendalter
2) Analgetikum: – Acetylsalicylsäure (z. B. Aspirin®): 10–15 mg/kg KG/ED p.o. (maximal 1000 mg/ED) oder – Ibuprofen (z. B. Nurofen®): 15–25 mg/kg KG/ED p.o. oder rektal (maximal 40 mg/kg KG/Tag) oder – Ketoprofen (z. B. Orudis®): 0,5–1mg/kg KG/ED p.o. oder rektal (maximal 100 mg/ED) oder – Paracetamol (z. B. Ben-u-ron®): 35–45 mg/kg KG/ED rektal, gefolgt von 15–20 mg/kg KG/ED alle 6–8 h (maximal 100 mg/kg KG/Tag) oder 10–20 mg/kg KG/ED p.o., gefolgt von 10–20 mg/kg KG/ED alle 6–8 h (maximal 100 mg/kg KG/Tag)
16
C) Medikamentöse Therapie der schweren Migräneattacke Definition: rascher Schmerzanstieg, hohe Intensität, ausgeprägte Aurasymptomatik, starke Übelkeit/Erbrechen, fehlende/unzureichende Wirksamkeit bisheriger Therapieversuche 1) Siehe oben B 1) und 2). 2) Serotoninagonist: – Sumatriptan (Imigran®): 10–20 mg/ED nasal (maximal 40 mg/Tag) 0,3–0,6 mg/kg KG/ED s.c. (maximal 6 mg/ED, maximal 12 mg/Tag) Sumatriptan ist das einzige Triptan mit in mehreren kontrollierten Studien bei Kindern (4–12 Jahre) und Jugendlichen (12–17 Jahren) nachgewiesener überlegener Wirksamkeit gegen Placebo; Zulassung ≥ 12 Jahre. 3) Sedativum (cave: nur im äußersten Notfall, um dem Patienten einen entspannenden Schlaf zu ermöglichen): – Lorazepam (z. B. Tavor expidet®): 0,025–0,05 mg/kg KG/ED p.o. (maximal 1–2 mg/Tag) oder – Diazepam (z. B. Diazepam Desitin rect®): 0,2–0,5 mg/kg KG/ED rektal (maximal 5–10 mg/Tag) 6
D) Medikamentöse Notfalltherapie der schweren Migräneattacke Definition: Therapieresistenz bezüglich oben genannter Selbstmedikation, langer Verlauf, komplexe Symptomatik 1) Antiemetikum: – Metoclopramid (z. B. Paspertin®): 0,1 mg/kg KG/ED i.v. (maximal 0,5–1,0 mg/kg KG/Tag) Cave: dyskinetisches Syndrom, Antidot: Biperiden (z. B. Akineton®): 1–2 mg/ED i.v. 2) Analgetikum: – Lysinacetylsalicylat (z. B. Aspisol®): 10–15 mg/kg KG/ED i.v. (maximal 1000 mg/ED) (Cave: Reye-like-Syndrom bei Virusinfektionen) oder – Metamizol (z. B. Novalgin®): 10–15 mg/kg KG/ED i.v. (maximal 80 mg/kg KG/Tag) (Cave: Kreislauf-depressive Nebenwirkungen, deshalb i.v.-Gabe als Kurzinfusion beim liegenden Patienten) oder – Paracetamol (Perfalgan®): 10 mg/kg KG/ ED i.v. (maximal 40 mg/kg KG/Tag oder – Ketoprofen (Orudis®): 1 mg/kg KG/ED i.v., i.m. (maximal 100 mg/ED) (Cave: in Deutschland nicht für die i.v.-Behandlung zugelassen) oder – Parecoxib (Dynastat®): 0,4–0,6 mg/kg KG/ED i.v., i.m. (maximal 40 mg/ED) (Cave: nicht für die Behandlung von Patienten <18 Jahren zugelassen) 3) Serotoninagonist: – Sumatriptan (Imigran®); (Cave: s. oben C 2); 20 mg/ED nasal (maximal 40 mg/Tag) 0,3–0,6 mg/kg KG/ED s.c. (maximal 6 mg/ED, maximal 12 mg/Tag) 4) Sedativum (Cave: s. oben C 3): – Lorazepam (z. B. Tavor pro injectione®): 0,05 mg/kg KG/ED i.v. oder – Diazepam (z. B. Diazepam Desitin Inj.®): 0,2–0,5 mg/kg KG/ED i.v. oder – Levomepromazin (z. B. Neurocil®): 1 mg/ kg KG/Tag i.v. oder p.o. 6
279 16.7 · Kopfschmerztherapie
16
Medikamentöse Akutbehandlung E) Medikamentöse Therapie des Status migraenosus Definition: Attackendauer trotz Therapie über 72 h mit ausgeprägter Übelkeit, Erbrechen und sehr starker Schmerzintensität 1)–4) s. oben D 1)–4) 5) Antiödematöse Therapie: – Dexamethason (z. B. Fortecortin®): initial 1,5 mg/kg KG/ED i.v., anschließenend 0,25–0,4 mg/kg KG/ED i.v. alle 4–6 h – Furosemid (z. B. Lasix®): 0,5–2mg/kg KG/ED i.v – Acetazolamid (z. B. Diamox®): 10–20 mg/kg KG/ED (maximal 500 mg/ED) i.v. 6) Neuroprotektion: – Phenobarbital (z. B. Luminal®): initial 10–20 mg/kg KG/ED i.v. für 48 h, anschließend 3–5 mg/kg KG/Tag i.v. oder p.o. – Magnesiumsulfat (z. B. Magnesium-Verla-Injektionslösung®): initial 25–50 mg/kg KG/ED i.v., anschließend 3–6 mg/kg KG/Tag i.v. oder p.o.
Darauf aufbauend wird ein hierarchisch strukturierter medikamentöser Behandlungsplan erarbeitet, der für die individuell sehr unterschiedlichen Kopfschmerzformen/-intensitäten verschiedene Behandlungsoptionen vorsieht [67]. Diese sollen vom Patienten nicht »Schritt für Schritt« (»stepwise approach«) durchlaufen werden, sondern müssen je nach Attacke gezielt zur Anwendung gelangen (»stratified care«). Dieses Behandlungskonzept setzt voraus, dass der Patient durch Introspektion und ausreichende Information (ärztliche Aufklärung) in der Lage ist, kompetent verschiedene Kopfschmerzen in Bezug auf Intensität und/oder Charakteristik zu unterscheiden (genau wie beim Führen eines Kopfschmerzkalenders) und fordert vom behandelnden Arzt, dass er die Entscheidung über die letztlich zur Anwendung gelangende Therapie dem chronisch kranken Patienten übergibt, dem er beratend zur Seite steht.
Grundsätzlich empfiehlt sich für jede rationale medikamentöse Kopfschmerzbehandlung, insbesondere jedoch für die Migränetherapie, der möglichst frühzeitige Einsatz analgetisch wirksamer Monosubstanzen in ausreichend hoher Dosierung (keine schrittweise Dosistitration!) sowie ggf. bei assoziierter Übelkeit/Erbrechen (z. B. im Rahmen einer Migräneattacke) die versuchsweise Kombination mit einem geeigneten Antiemetikum (wie z. B. Domperidon; [68]).
Migräne Die Übersicht S. 277 zeigt beispielhaft einen möglichen therapeutischen Eskalationsplan mit verschiedenen Therapieoptionen für verschiedene Varianten akuter Migräneattacken. Für die Akutbehandlung leichter Migräneattacken stehen mit Paracetamol, Ibuprofen, Ketoprofen und Acetylsalicylsäure 4 gut wirksame und bei sachgerechter Anwendung nebenwirkungsarme Analgetika zur Verfügung, wobei unter Abwägung möglicher Vor- und Nachteile Ibuprofen als Mittel der ersten Wahl gelten kann. Adjuvant kann die analgetische Behandlung mit einem geeigneten Antiemetikum (wegen des geringeren Risikos extrapyramidalmotorischer Dyskinesien vorzugsweise mit Domperidon) kombiniert werden, wobei einschränkend betont werden muss, dass für eine suffiziente Behandlung gastrointestinaler Symptome im Rahmen einer Migräneattacke in erster Linie eine gute analgetische und antiphlogistische Behandlung entscheidend ist und Antiemetika – auch im Kindes- und Jugendalter – nur eine untergeordnete Rolle spielen. Bei starken oder schwierig zu therapierenden Attacken und in kritischen Situationen einsetzenden Migräneattacken (z. B. einer Attacke während einer längeren Autofahrt etc.) kann der Einsatz spezieller Migränetherapeutika (sog. Triptane = Serotonin-(5HT)-Agonisten) für die Akutbehandlung notwendig werden. Von diesen spezifischen Migränetherapeutika verfügt bislang einzig Sumatriptan (Imigran®) über eine in Placebo-kontrollierten doppelblind randomisierten und prospektiv durchgeführten klinischen Studien gut belegte Wirksamkeit und Verträglichkeit als Nasalspray und subkutane Injektionsform, auch bei Kindern (4–11 Jahre) und Jugendlichen (12–17 Jahre); [68–70, 72].
280
16
Kapitel 16 · Kopfschmerztherapie im Kindes- und Jugendalter
Post-hoc-Analysen von Daten aus ebenfalls Placebo-kontrollierten klinischen Studien mit anderen Triptanen haben auch für Zolmitriptan (2,5 mg und 5 mg), Rizatriptan und Eletriptan Hinweise für eine klinische (statistisch jedoch nicht signifikant von Placebo unterschiedliche) Wirkung bei jugendlichen Patienten ergeben [37, 60, 66, 74], allerdings steht der Nachweis der Wirkung im Rahmen einer prospektiv durchgeführten placebokontrollierten Studie unverändert aus. Derzeit ist weltweit nur Sumatriptan Nasalspray für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen zugelassen (Dosierungsempfehlungen . Tabelle 16.5). Ist die im häuslichen Bereich durchgeführte medikamentöse Behandlung nicht oder nur unzureichend wirksam gewesen, stehen als Alternativen für die pharmakologische Akutbehandlung in der ärztlichen Praxis oder Klinik parenteral applizierbare Präparate zu Verfügung. Bei erwachsenen Migränepatienten hat sich für diese Form der Rescuetherapie in klinischen Studien neben der i.v.-Gabe von Lysinazetylsalizylat und Metamizol natürlich auch die s.c.-Gabe von Sumatriptan bewährt. Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussionen über das Für und Wider unselektiver Cyclooxygenase-(COX-) Hemmstoffe gegenüber COX2-selektiven Inhibitoren bleibt dabei jedoch weiterhin unklar, warum mit Lysinazetylsalizylat ein unselektiver COX-Inhibitor mit analgetischer und antiphlogistischer Wirkung klinisch genau so gut wirksam ist wie Metamizol, ein präferenzieller Cox1-Hemmer ohne jegliche antiphlogistische Wirkung. Abzuwarten bleibt auch, welche Rolle in Zukunft die neueren selektiven COX-2-Inhibitoren bei der Akutbehandlung der kindlichen Migräne spielen werden. Zumindest für die COX-2-Hemmer der
2. Generation – das parenteral (i.v. und i.m.) verfügbare Parecoxib (Dynastat) und das orale Valdecoxib (Bextra) – liegen mittlerweile für Erwachsene Daten zur Akutwirksamkeit in der Migränetherapie vor, die sich – bei deutlich besserem Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil – weder hinter denen der genannten klassischen Präparate noch hinter denen der Triptane verstecken müssen. Unklar bleibt jedoch, ob sich diese Ergebnisse auch an Kindern und Jugendlichen reproduzieren lassen. Eine Sonderstellung nimmt die Behandlung der gerade für das Kindesalter typischen migräneähnlichen Syndrome (wie z. B. des gutartigen paroxysmalen Schwindels oder der alternierenden kindlichen Hemiplegie) ein. Ohne echte wissenschaftliche Evidenz wird in verschiedenen Kasuistiken und kleineren Fallserien über eine Akutwirksamkeit des Dopaminantagonisten Domperidon (z. B. Motilium) berichtet, so dass mit diesem ggf. ein Behandlungsversuch durchgeführt werden kann (Dosierung 7 Übersicht S. 277).
Spannungskopfschmerz Die medikamentöse Akutbehandlung episodischer oder gar chronischer Kopfschmerzen vom Spannungstyp sollte eine Ausnahme sein. Aufgrund des guten Ansprechens der häufigen und in aller Regel bei jüngeren Patienten nur kurzzeitig manifesten Attacken auf nicht-medikamentöse Verfahren gelten diese als Mittel der Wahl. Selten ist der Einsatz einer analgetischen Pharmakotherapie gerechtfertigt, wobei zur Akutbehandlung die Substanzen empfohlen werden, die auch für die Behandlung akuter Migräneattacken Verwendung finden. Paracetamol (z. B. Ben-u-ron®) und Flupirtin (z. B. Katadolon®) haben in einer doppelblind-kontrollierten Studie zur Behandlung episodischer Spannungs-
. Tabelle 16.5. Dosierungsempfehlungen für die Anwendung von Sumatriptan im Kindes- und Jugendalter Sumatriptan (Imigran)
Initialdosis
Tageshöchstdosis
Nasalspray
10–20 mg/ED
20–40 mg/Tag
Tabletten
50–100 mg/ED
100–200 mg/Tag
Suppositorien
25 mg/ED
50 mg/Tag
Injektionslösung
0,3–0,6 mg/kg KG, maximal 6 mg/ED
6–12 mg/Tag
281 16.7 · Kopfschmerztherapie
kopfschmerzen zwar vergleichbare Wirksamkeiten gezeigt [50], letztlich bleibt jedoch unklar, ob diese Substanzen wirklich signifikant besser als Placebo wirken.
Clusterkopfschmerz Für Empfehlungen zur Behandlung dieser in seltenen Fällen bereits bei Kindern ab dem 7. Lebensjahr beobachteten Kopfschmerzerkrankung liegen keine kontrollierten Therapiestudien vor. Entsprechend den Empfehlungen für Erwachsene [19] sollten Kinder und Jugendliche mit Clusterkopfschmerzen entweder mit Sauerstoff inhalieren (7 l/min über ca. 15 min) oder mit Sumatriptan (Imigran® intranasal 20 mg/ED oder 6 mg subkutan) behandelt werden.
Mischformen Die pharmakologische Behandlung gemischter Kopfschmerzen birgt ein deutlich erhöhtes Risiko für die Entwicklung Analgetika-induzierter sekundärer Kopfschmerzen. Klar sollten die vorliegenden Kopfschmerzentitäten definiert und mit dem Patienten diskutiert werden, bevor die Formulierung eines medikamentösen Behandlungsplanes in Kombination mit geeigneten nicht-medikamentösen Verfahren ansteht [15]. Grundsätzlich gilt, dass mit zunehmender Zahl der zum Einsatz gebrachten Wirkstoffe sowohl das Interaktionspotential als auch das Nebenwirkungsrisiko ansteigt. Unklar ist hingegen, ob die zugrundeliegenden verschiedenen Kopfschmerzformen durch die Kombination verschiedener Substanzen wirklich besser behandelt werden können als durch eine optimierte Monotherapie in Kombination mit geeigneten nicht-medikamentösen Verfahren. Auch im Kindes- und Jugendalter kann es zu medikamentös induzierten Dauerkopfschmerzen kommen, die durch die missbräuchliche Anwendung von Akutmedikamenten hervorgerufen werden. Der Stellenwert einer kontinuierlichen Betreuung und Verlaufsbeobachtung durch den behandelnden Arzt ist bei therapiebedürftigen gemischten Kopfschmerzformen ungleich höher als bei isolierten. Eine Beschränkung des ärztlichen Behandlungskonzeptes auf den reinen Vorgang der Rezeptübergabe ist unverantwortlich.
16
Medikamentöse Prophylaxe Eine prophylaktische, d. h. vorbeugende Behandlung akut rekurrierender oder chronischer Kopfschmerzen ist naturgemäß nur bei primären Kopfschmerzsyndromen indiziert. Während bei den im Kindesund Jugendalter häufigereren episodischen oder chronischen Spannungskopfschmerzen vorwiegend eine nicht-medikamentöse Prophylaxe (s. unten) und nur selten eine medikamentöse Dauertherapie angezeigt ist, kann diese bisweilen bei häufigen (mehr als 2–3 Attacken in den letzten 3 Monaten), schwer behandelbaren, komplizierten oder lange andauernden (>48 h) bzw. mit hohem Leidensdruck einhergehenden Migräneattacken durchaus häufiger notwendig werden. Obligat sollte jede prophylaktische Dauermedikation mit geeigneten nicht-medikamentösen Therapieverfahren, ggf. auch mit diätetischen Maßnahmen im Sinne einer Gesundheitsberatung kombiniert werden. Darüber hinaus sollten die zur Anwendung gebrachten Medikamente langsam einund ausdosiert werden sowie (bei guter Verträglichkeit) über einen ausreichend langen Zeitraum (3–6 Monate) angewandt werden.
Migräne Von wissenschaftlich nachgewiesener Wirksamkeit bei pädiatrischen Migränepatienten sind β-Blocker (Propranolol, Metoprolol; [33]), bestimmte Kalziumantagonisten (Flunarizin; [61, 62]) und niedrig dosierte Acetylsalizylsäure ([51]; Dosierungen . Tabelle 16.6). Alternativen und bei erwachsenen Migränepatienten erwiesenermaßen ebenfalls wirksam, bei Kindern und Jugendlichen jedoch noch nicht ausreichend evaluiert sind das Antiepileptikum Valproinsäure [7] und der NMDA-Antagonist Cyclandelat (z. B. Spasmocyclon®). Gerade Valproinsäure weist jedoch ein großes Nebenwirkungsspektrum auf, welches tödliche, dosisunabhängige Nebenwirkungen wie Leberfunktionsstörungen und Enzephalopathien mit einschließt. Selten kann z. B. bei sehr hartnäckigen gemischten Kopfschmerzen (Migräne plus Spannungskopfschmerzen) und eher depressiver Grundstimmung versucht werden, durch den Einsatz von Amitryptilin das Ansprechen auf die begleitenden, nichtmedikamentösen – und u. U. auch psychotherapeutischen – Maßnahmen zu verbessern (Weiteres s. unten). Das in Deutschland für die medikamentöse
282
Kapitel 16 · Kopfschmerztherapie im Kindes- und Jugendalter
. Tabelle 16.6. Wirkstoffe und Dosierungen zur Durchführung einer medikamentösen Migräne-Prophylaxe bei Kindern und Jugendlichen Substanzgruppe
Wirkstoff
Präparat (z. B.)
Dosierung
Behandlungsdauer
β-Blockera
Metoprolol
Beloc-Zok®
1–2,5 (–5) mg/kg KG/Tag in 1 (–2) ED bevorzugt abends
4–6 Monate
Propranolol
Dociton®
1–2 mg/kg KG/Tag in 1 (–2) ED bevorzugt abends
4–6 Monate
Kalziumantagonisten
Flunarizin
Sibelium®
5–10 mg/Tag in 1 ED bevorzugt abends zum Essen
5–6 Monate
Nicht-steroidale Antiphlogistika
Acetylsalicylsäure
Aspirin®
2,5–5 mg/kg KG/Tag in 1 ED abends nach dem Essen (maximal100 mg/Tag in 1 ED)
2–3 (ggf. bis 6–8) Monate
Antiepileptikab
Valproinsäure
Orfiril long®
10–15 mg/kg KG/Tag in 1–2 ED
4–6 Monate
NMDAAntagonistenb
Cyclandelat
Spasmocyclon®
5–10 Jahre: 1- bis 2-mal 200 mg/Tag, >10 Jahre: 2- bis 3-mal 200 mg/Tag
4–6 Monate
Nicht-selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer
Amitryptilin
Saroten®
Initial 0,1 mg/kg KG/Tag maximal 5 mg abends, Steigerung alle 2 Wochen auf 0,5–2 mg/kg KG/Tag maximal 10–25 mg/Tag p.o.
2–3 Monate
a b
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Cave: Rebound-Kopfschmerz bei zu raschem Absetzen! in der BRD nicht zur medikamentösen Migräneprophylaxe bei Jugendlichen zugelassen! Valproinsäure: viele, potenziell auch letale Nebenwirkungen.
Migräneprophylaxe am häufigsten eingesetzte Dihydroergotamin, ein synthetisches Sekale-Alkaloid mit einer extrem breiten und unspezifischen serotonergen, adrenegen und dopaminergen Wirkung, hat trotz seiner weiten Verbreitung bisher in keiner kontrollierten Studie eine dem Placebo überlegene prophylaktische Wirksamkeit gezeigt, und von seiner Verwendung als Prophylaktikum ist abzuraten [52]. Unter Berücksichtigung der wissenschaftlichen Datenlage und des therapeutischen Wirkungsgrades empfiehlt es sich, eine notwendige medikamentöse Prophylaxe unter Beachtung möglicher Kontraindikationen mit Flunarizin oder Propranolol zu beginnen und ggf. (d. h. bei Versagen der Therapie oder nicht tolerablen Nebenwirkungen) auf Cyclandelat oder niedrig dosierte Acetylsalizylsäure umzustellen. Für die medikamentöse Prophylaxe kindlicher Migränevorläufererkrankungen können (unter Berücksichtigung der spärlichen Datenlage) bislang
einzig Flunarizin (z. B. Sibelium®: 5–25 mg/Tag) für die alternierende Hemiplegie [6, 59] bzw. Pizotifen (z. B. Mosegor-Sirup®: 0,5–0,75 mg/Tag) für das zyklische Erbrechen empfohlen werden [10, 65].
Spannungskopfschmerz Für die Prophylaxe der Kopfschmerzen vom Spannungstyp sollten vorwiegend nicht-medikamentöse Verfahren (s. unten) Verwendung finden. In hartnäckigen Fällen kann versucht werden, die bei Erwachsenen empfohlene Pharmakotherapie mit Amitryptilin (z. B. Saroten®) – einem unspezifischen Serotonin-re-uptake-Inhibitor – in niedriger Dosierung (5–10 (–25) mg/ED einmalig abends p.o.) auch bei Kindern anzuwenden, wobei die Datenlage diesbezüglich jedoch widersprüchlich ist [2, 24, 46]. Versuche, die therapeutischen Vorteile der verfügbaren selektiven Serotonin-re-uptake-Inhibitoren auch für die medikamentöse Prophylaxe bei
283 16.7 · Kopfschmerztherapie
Spannungskopfschmerzen (und Migräne) zu nutzen, scheiterten bislang, da in verschiedenen Studien mit diesen Präparaten keine relevante Wirksamkeit nachgewiesen werden konnte. Eine mögliche Erklärung hierfür könnte sein, dass die Wirksamkeit der unspezifischen Serotonin-re-uptake-Inhibitoren nicht an ihre Wirkung auf das serotonerge System gekoppelt ist, sondern auf ihrer Interaktion mit dem noradrenergen System beruht. Hieraus ergeben sich durchaus neue Perspektiven, da mit Reboxetin (Edronax®) seit kurzer Zeit ein selektiver Noradrenalin-re-uptake-Inhibitor zu Verfügung steht, der sich durch ein gutes Verträglichkeitsprofil auszeichnet.
Clusterkopfschmerz Ohne wissenschaftliche Evidenz wird zur medikamentöse Prophylaxe kindlicher Clusterkopfschmerzen (in Analogie zur Behandlung erwachsener Patienten) eine Behandlung mit Verapamil (z. B. Isoptin®) oder Kortison (z. B. Prednisolon: 50 mg/ Tag über 3 Tage, anschließende Dosisreduktion über 10 Tage p.o.) empfohlen [19, 56].
Psychologische Interventionen Psychologische Kopfschmerzbehandlung ist als ein Weg zur Schmerzprophylaxe zu verstehen. Ziel der Behandlung ist es, durch Verhaltensänderungen in der kopfschmerzfreien Zeit die Anfallshäufigkeit, Schmerzintensität und Anfallsdauer langfristig und dauerhaft zu reduzieren. Sie ist angezeigt E bei einer Erkrankungsdauer von >6 Monaten, E bei mehr als 2 Kopfschmerzattacken pro Monat, E bei saisonaler Häufung, E bei einer Anfallsdauer von >1 h. Hinzu kommt häufig der Wunsch von Kind und Eltern nach einer nebenwirkungsarmen Behandlung, häufig aus Angst vor den Folgen einer (langfristigen) medikamentösen Therapie. Verhaltenstherapeutische Therapiemaßnahmen bilden den Schwerpunkt der psychologischen Kopfschmerzbehandlung [41b]. Ihre Überlegenheit gegenüber anderen psychologischen Verfahren ist belegt [23]. Dabei nehmen Verfahren zur physiologischen und kognitiven Entspannung den größten Raum ein.
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Entspannungsverfahren Entspannung wird entweder über auf Kinder adaptierte Formen der Progressiven Muskelentspannung (nach Jacobson), Autogenes Training (nach Schultz) oder mittels Biofeedbackverfahren induziert (vgl. [28]). Die Verfahren werden als eigenständige Methode oder in Kombination mit anderen Therapieelementen eingesetzt. Sie können relativ leicht und erfolgreich in alltäglichen Schmerz– und Stresssituationen eingesetzt werden und stärken darüber hinaus die Selbstkontrollbemühungen des Kindes. Ziele der Entspannungsverfahren sind: 1. Verbesserung der Körperwahrnehmung, d. h. Wahrnehmung von An- und Entspannung, 2. Erlernen von selbstinitiierter und willkürlicher Entspannung in Belastungssituationen, 3. aktive Kontrolle des physiologischen Aktivitätsniveaus zur Vorbeugung bzw. Erleichterung des Kopfschmerzes, 4. Aufbau von Überzeugungen der Selbstwirksamkeit (s. Punkt 2). Das Erlernen der Entspannungsübungen erstreckt sich über einen Zeitraum von mehreren Wochen, wobei die Kinder den Lernerfolg, insbesondere in Belastungssituationen, dokumentieren sollten. Ein schmerzlindernder Erfolg darf aber erst nach kontinuierlicher, längerfristiger Anwendung erwartet werden.
Progressive Muskelrelaxation (PMR) Bei der progressiven Muskelrelaxation werden Muskelgruppen in einer bestimmten zeitlichen Reihenfolge an- und entspannt. Beginnend mit den großen Muskelgruppen der Extremitäten über die Muskulatur des Rumpfes bis zu den kleinen Muskelgruppen des Gesichts wird jeweils die gleiche Abfolge eingeübt: 1. Anspannung der Muskelgruppe, 2. Empfindung der Anspannung, 3. langsame Entspannung der Muskelgruppe, 4. Lenkung der Aufmerksamkeit auf das Gefühl der Entspannung in den nun lockeren Muskelgruppen. Die Kinder erhalten Tonkassetten mit den Entspannungsinstruktionen (z. T. mit musikalischer Unter-
284
Kapitel 16 · Kopfschmerztherapie im Kindes- und Jugendalter
stützung) für ihre häuslichen Übungen. Zu empfehlen ist eine Trainingsdauer von 5–10 Wochen unter fachkundiger Anleitung.
Autogenes Training (AT) Das autogene Training wird in unterschiedlichen Formen bei Kindern angewendet (z. B. [812, 17, 45]: »Kapitän Nemo«). Die Grundstufe des Trainings besteht aus 6 aufeinander aufbauenden Übungen: 1. Schwereübung: Hände, Arme, Füße, Beine, Nacken, Schulter, Körper, 2. Wärmeübung: Hände, Arme, Füße, Beine, Nacken, Schulter, Körper, 3. Atemübung, 4. Wahrnehmung des Herzschlags, 5. Organübung des Sonnengeflechts bzw. Bauchorganübung, 6. Empfinden der Stirnkühle. Häufig werden die Übungen ergänzt durch formelhafte Vorsatzbildungen, die sich auf die positive Selbstverbalisation zur Veränderung des Schmerzes beziehen. Gegenüber der PMR ist beim AT von Nachteil, dass eine längere Einübungszeit benötigt wird und die Methode für Kinder weniger konkret ist. Lediglich in einer kontrollierten Studie finden sich Belege für die Wirksamkeit von AT zur Entspannungsinduktion; die Effekte entsprechen etwa denen der progressiven Muskelrelaxation [14].
Imaginationsverfahren
16
Diese Verfahren bedeuten eine weitere Entspannungsmöglichkeit. Darüber hinaus sind sie auch ein Mittel zur Aufmerksamkeitssteuerung und zur Ablenkung vom Kopfschmerz. Sie basieren auf bildhaften Vorstellungen von einem angenehmen Erlebnis, z. B. einem besonders schönen Ferienerlebnis, oder auf Phantasiereisen zu einem schönen Ort, an dem ein besonderes Ereignis stattfindet, z. B. einer Reise durch Disneyworld. Die Imagination nutzt die intensive Vorstellungskraft der Kinder, um durch die schmerzinkompatiblen Bilder und Empfindungen den Schmerz in den Hintergrund der Wahrnehmung treten zu lassen. Imaginationen werden häufig mit Entspannungsinstruktionen kombiniert und haben sich v. a. auch bei jüngeren Kindern bewährt.
Bislang wurde Selbsthypnose nur in einer Studie mit unterstützenden Imaginationsübungen – ebenfalls als Mittel zur Entspannung – eingesetzt. Die Kombination beider Verfahren war einer prophylaktischen Pharmakotherapie mit Propanolol überlegen [43]. Eine neues Konzept, das Elemente aus der Hypnotherapie und der Systemischen Familientherapie verbindet, hat sich ebenfalls als eine wirksame Form der Kopfschmerzbehandlung herausgestellt [55b].
Biofeedbacktherapie Biofeedbackverfahren ermöglichen die Wahrnehmung und gezielte Beeinflussung physiologischer Funktionen (z. B. Muskelspannung, Hauttemperatur). Durch Umwandlung der gemessenen Körpersignale in ein Feedbacksignal (Töne oder Computerbilder) mit Hilfe eines Biofeedbackgerätes ist die gezielte Kontrolle nicht oder nur schwer wahrnehmbarer physiologischer Prozesse erlernbar [29]. Als Rückmeldesignal sollten kindgerechte und motivierende Bilder am Computermonitor verwendet werden (Kaleidoskop, einfache Form von Videospielen), die den Kindern ein aktives und spielerisches Mitmachen ermöglichen. In der Kinderkopfschmerztherapie zielen die Biofeedbackverfahren meist auf die Induktion eines körperlichen und kognitiven Entspannungzustands. Beim EMG-Training wird beispielsweise der Tonus des M. frontalis zurückgemeldet. Mit Hilfe des Feedbacksignals lernt das Kind, An- und Entspannung im Frontalismuskel zu unterscheiden und im weiteren Trainingsverlauf bewusst den Muskeltonus in Richtung Entspannung zu verändern. EMG-Biofeedback wird als prophylaktische Maßnahme bei Spannungskopfschmerz eingesetzt, obwohl nach jüngsten Erkenntnissen nur bei einem Teil der Patienten eine erhöhte Muskelspannung mittels EMG festgestellt werden kann [55]. Fast immer sind in das Biofeedbacktraining zusätzliche Entspannungsübungen wie PMR, AT oder Imaginationen integriert. Das Handtemperaturerwärmungstraining (HET) wird – auch in Kombination mit Entspannungsübungen – zur Therapie der Migräne eingesetzt [23, 30]. Es soll über eine periphere Temperaturerhöhung mit verbesserter Durchblutung eine herabgesetzte körperliche und psychische Aktiviert-
285 16.7 · Kopfschmerztherapie
heit erzeugen, die der Auslösung von Migräneattacken vorbeugen soll. Das bei Migräne eingesetzte Vasokonstriktionsfeedback dient nicht zur Entspannungsinduktion. Es soll durch verstärkte Vasokonstriktion der Hirngefäße den beginnenden Migräneanfall verhindern oder ihn zumindest verkürzen. Bei Kindern war diese Form des Feedbacks effektiver als eine Prophylaxe mit Propranolol [54]. Eine in der Migränebehandlung neue Form des Biofeedback wird mit Neurofeedback bezeichnet. Dieses Verfahren basiert auf der Annahme, dass es sich bei Migräne um eine kortikale Reizverarbeitungsstörung handelt. Charakteristisch dafür sind erhöhte Amplituden der langsamen Hirnpotenziale (CNV), die auf eine verstärkte Erregbarkeit des kortikalen Netzwerkes hinweisen. Mit Hilfe der
16
Neurofeedback-Methode lernten Migränekinder, ihre kortikale Erregbarkeit über die Wahrnehmung und Veränderung dieser langsamen Hirnpotenziale selbstständig zu regulieren und damit die Häufigkeit der Migräneanfälle zu reduzieren [59b]. Allerdings scheinen unspezifische Therapieeffekte am Therapieerfolg mitbeteiligt gewesen zu sein. Aufgrund der sehr aufwendigen EEG-Biofeedback-Methodik erscheint ein Transfer dieser Behandlung in die Praxis zunächst noch wenig wahrscheinlich. Bei kindgerechten Instruktionen und entsprechender technischer Umsetzung können Kinder ab 7 Jahren ein Biofeedbackverfahren erlernen [29]. Allerdings hängt der Einsatz in der Praxis von der Verfügbarkeit der technischen Geräte und der Kompetenz des Therapeuten ab. Relaxations– und Biofeedbacktraining weisen bei Kindern mit Kopf-
. Tabelle 16.7. Elemente des kognitiv-behavioralen Trainings »Stopp’ den Kopfschmerz« Anamnesegespräch mit Kind und Eltern
Woche 1
Was passiert in meinem Kopf? Informationen über den Schmerz
Woche 2
RELAX! Erlernen einer Entspannungsübung
Woche 3
»Nicht schon wieder …« Identifikation und Vermeiden von Kopfschmerzauslösern
Woche 4
Schwarzmalen und Hellsehen Umwandlung schwarzer Gedanken in bunte Gedanken
Woche 5
Der Aufmerksamkeitsscheinwerfer Aufmerksamkeit und Kopfschmerz
Woche 6
Ich bin o.k.! Selbstsicherer Umgang mit Freunden und Familie
Woche 7
Die Problemlösetreppe Problembewältigung
Woche 8
Was ein Kopfschmerzexperte tun kann Abschlussgespräch mit Kind und Eltern
286
Kapitel 16 · Kopfschmerztherapie im Kindes- und Jugendalter
schmerz eine hohe Wirksamkeit auf (vgl. [11, 27]). So ist eine Verbesserung der Kopfschmerzsymptomatik von im Mittel 60 %–90 % zu beobachten, wobei bei 60 % der Kinder die Symptomreduktion auch klinisch relevant ist.
erkennen und war – gemessen am zeitlichen Aufwand pro Kind – kostengünstiger. Differentielle Unterschiede hinsichtlich Kopfschmerzdiagnose und Alter der Kinder zeigten sich nicht. Die Akzeptanz des Trainings war mit über 90 % zufriedenen Kindern sehr hoch.
Kognitiv-behaviorale Therapien
16
McGrath et al. [40] entwickelten zur Behandlung von Kopfschmerzen ein achtwöchiges multistrategisches Therapieprogramm »Help yourself«, das in deutscher Übersetzung vorliegt [34]. Es enthält Elemente wie Stresswahrnehmung und Stresscoping, Entspannung, Veränderung dysfunktionaler Gedanken zu Stress und Schmerz, Anleitung zur kognitiven Umstrukturierung und zum Problemlösen sowie Unterstützung zur Selbstbehauptung. Das Programm soll eigenständig zu Hause, jedoch mit therapeutischer Unterstützung durch wöchentliche Telefonkontakte, durchgearbeitet werden. Wöchentliche Hausaufgaben begleiten das Training. Die Evaluation an 87 Jugendlichen zeigte, dass das Selbsthilfeprogramm ebenso effektiv war wie eine Einzeltherapie, jedoch aufgrund der besseren Kosten-Nutzen-Relation zu bevorzugen wäre [41]. Im Rahmen eines Modellprojektes der Techniker-Krankenkasse wurde ein ähnliches Programm (»Stop den Kopfschmerz«; . Übersicht in Tabelle 16.7) für 11- bis 14-jährige Kinder entwickelt und erstmals als Gruppentraining sowie als Selbstlernversion evaluiert [9]. Die zentralen Inhalte des Trainings zielen auf den Prozess der Schmerz- und Stressbewältigung. Auslöse- und Aufrechterhaltungsbedingungen des Schmerzes sollen gemindert, die Beeinträchtigung durch den Kopfschmerz verringert und nicht zuletzt die Kompetenz der Kinder zur Selbsthilfe gefördert werden. In kindgerechter Form wird zunächst ein einfaches Kopfschmerzmodell vermittelt, so dass die Kinder verstehen, warum und wann sie selbst Einfluss auf das Kopfschmerzgeschehen nehmen können. Sie lernen, ihre individuellen Belastungen als Kopfschmerzauslöser zu erkennen und zu vermeiden, ihre Fähigkeiten zur Lösung spezieller schulischer oder anderer Probleme zu verbessern und Maßnahmen einzusetzen, die bei Kopfschmerzattacken hilfreich sind. Das Gruppenprogramm ließ gegenüber der Selbsthilfeversion eine etwas größere Effektivität
16.8
Überwachung und Dokumentation
Wichtigstes Instrument zur Überwachung und Dokumentation jeglicher Form therapeutischer Intervention bei pädiatrischen Kopfschmerzpatienten ist ein für Kinder und Jugendliche geeigneter obligater Kopfschmerzkalender (z. B. [53] oder . Abb. 16.2). Die meisten Kopfschmerzkalender wurden allerdings als Unterstützung für die Diagnose von Migräne und Spannungskopfschmerzen (die für 92–95 % aller chronischen bzw. akut rekurrierenden Kopfschmerzen im Jugendalter verantwortlich sind) entwickelt und können deshalb unter
. Abb. 16.2. Kopfschmerzkalender für Kinder und Jugendliche
287 Literatur
gewissen Umständen chronische Kopfschmerzen anderer Ursache nicht oder nur ungenügend genau erfassen. Naturgemäß erfordert jede Form der patientgeführten Kopfschmerzdokumentation vom Patienten eine gewisse Fähigkeit zur Introspektion. Unabdingbar ist eine ausführliche Aufklärung seitens des betreuenden Arztes über Sinn und Zweck entsprechender Dokumentationssysteme. Grundsätzlich sollte der Patient selbst – und nicht seine Eltern, Großeltern oder gar Geschwister – seinen Kopfschmerzkalender führen. Zu warnen ist vor Kopfschmerztagebüchern, die in gutem Glauben von den Eltern, Großeltern oder gar den Geschwistern ausgefüllt werden.
16.9
Fazit
Die Behandlung kindlicher Kopfschmerzen sollte heute, ganz unabhängig von der Natur der zugrundeliegenden Erkrankung (primär oder sekundär), multifaktoriell aufgebaut sein und – im Sinne eines kritischen Polypragmatismus – verschiedene Therapieoptionen parallel berücksichtigen. Häufig ist zu beobachten, dass der Schwerpunkt gut formulierter »schulmedizinischer« Behandlungspläne auf der reinen Verordnung medikamentöser Therapien beruht, während die nicht-medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten mehr oder weniger vernachlässigt werden. Der durch sog. alternative oder komplementärmedizinische Therapeuten erzielte zusätzliche Behandlungserfolg beruht nicht auf irgendwelchen neuen pharmakologischen Strategien oder esoterischen Wirkmechanismen, sondern auf dem durch diese Therapeuten in aller Regel sinnvoll und geschickt genutzten kindlichen Selbstheilungspotenzial (wobei nicht einzusehen ist, warum dieses Konzept von einem schulmedizinisch ausgebildeten Arzt nicht ebenfalls genutzt werden kann und darf). Im Sinne des kritischen Polypragmatismus sollten also obligat bei der Behandlung von Kopfschmerzpatienten im Allgemeinen und bei Kindern im Besonderen nicht-medikamentöse Behandlungsstrategien genutzt und mit geeigneten pharmakologischen Optionen kombiniert werden, um dem Patienten bestmöglich helfen zu können. Natürlich sind diese Maßnahmen nicht oder nur schwer im
16
Rahmen der heute leider üblichen und z. T. auch notwendigen »Zwei-bis-fünf-Minuten-Sprechstunde« zu realisieren. Abrechnungstechnisch muss jedoch abgewogen werden, ob die bei Patienten mit chronischen Kopfschmerzen im Rahmen des »Doctor-(s)hopping« typischerweise zusätzlich entstehenden Kosten für parallel erfolgte Kurzzeitevaluationen nicht sinnvoller für die Vergütung einer ausführlichen Beratung, Untersuchung und kontinuierlichen Therapieentwicklung bei einem Arzt angelegt wären. Eine psychologisch fundierte Kopfschmerzbehandlung bei Kindern hat unabhängig von der Art der Kopfschmerzen eine hohe Erfolgsquote. Auch die Stabilität der Effekte spricht für psychologische Interventionen, die möglicherweise der medikamentösen Prophylaxe sogar überlegen sind [23]. Aus der Mehrzahl der Studien ist jedoch erkennbar, dass sich die Häufigkeit der Kopfschmerzanfälle am deutlichsten reduzieren lässt, während die Dauer der einzelnen Attacken und die Schmerzintensität weit weniger zu beeinflussen sind. Weil demnach das Kind – unabhängig von der Art seiner Kopfschmerzdiagnose – auf einen einmal begonnenen Migräneanfall offenbar mit psychologischen Maßnahmen kaum noch Einfluss nehmen kann, sollte die Akutmedikation in Kooperation mit dem behandelnden Arzt optimiert werden. Bei Kindern ist bereits nach relativ kurzer Behandlungsdauer von allen Verfahren eine große Wirkung zu erwarten. Die verschiedenen Therapiemethoden scheinen gleichwertig. Kognitiv-behaviorale Programme haben allerdings ein besonders breites Wirkungsspektrum, so dass sich vermutlich die erlernten Kompetenzen auf andere Gesundheitsbereiche und in die Zukunft hinein positiv auswirken könnten. Zu wünschen wäre, dass bewährte und evaluierte Verfahren vermehrt den Weg in die Praxis finden und die vorhandenen psychologischen Möglichkeiten konsequent angewendet werden.
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Kapitel 16 · Kopfschmerztherapie im Kindes- und Jugendalter
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290
Kapitel 16 · Kopfschmerztherapie im Kindes- und Jugendalter
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16
17 Schmerztherapie auf der (neonatologischen) Intensivstation E. Michel und B. Zernikow* 17.1 Physiologie des Schmerzes – 292 17.2 Schmerzmessung – 292 17.3 Schmerzauswirkungen – 293 17.4 Allgemeine Betrachtungen – 294 17.5 Schmerzvermeidung, Schmerzminimierung – 294 17.6 Schmerzbekämpfung – 294 17.6.1 17.6.2 17.6.3 17.6.4
Nichtpharmakologische Maßnahmen – 295 Pharmakologische Intervention – 296 Gebrauch von Analgetika und Anästhesie im klinischen Alltag – 300 Auswirkungen einer gut geführten Anästhesie – 301
17.7 Zusammenfassende Bewertung – 301 17.8 Analgesie auf der pädiatrischen Intensivstation – 301 Literatur – 305
* Danksagung: Der Autor wird unterstützt durch die Vodafone Stiftung Deutschland gGmbH, die Peter und Ruth Wirts-Stiftung (Schweiz) und »Eigenes Leben, Hilfen für Kinder mit Schmerzen oder lebensverkürzenden Erkrankungen e.V.«
292
Kapitel 17 · Schmerztherapie auf der (neonatologischen) Intensivstation
)) 17.1
17
Physiologie des Schmerzes
Wann beim menschlichen Fetus die Schmerzempfindung einsetzt und wie überhaupt Schmerz von ihm empfunden wird, ist bis heute nicht endgültig geklärt [79]. Korrekterweise sollte man besser über Nozizeption als über Schmerzempfindung sprechen: »Schmerz« ist definitionsgemäß mit dem Erleben starker Emotionen verbunden [4]; solche werden einem Fetus üblicherweise nicht zugestanden. Auf die feinsinnige Unterscheidung zwischen Nozizeption und Schmerzempfindung [4] wollen wir – wie in der einschlägigen Literatur durchaus üblich – in diesem Beitrag jedoch verzichten. Die Neuroanatomie des menschlichen Fetus sagt nicht alles aus über seine neuronale Funktionalität [78]. Immerhin scheint die neurophysiologische Basis für die Sinnesqualität »Schmerz« am Ende des 2. Schwangerschaftsdrittels gelegt (7 Kap. 2; [60]). Reagiert der Fetus nicht auf Schmerzreize, so ist dies nicht unbedingt mit fehlender Schmerzempfindung gleichzusetzen; Schmerzen mögen sich auf einer anderen als der Verhaltensebene äußern (s. unten; [10]). Da motorische Reflexantworten gleichzeitige Schmerzempfindung nicht ausschließen, ist das Postulat eines rein subkortikalen Schmerzreaktionsmechanismus bei Früh- und Neugeborenen nicht zwingend [4]. Auch muss ein Schmerzreiz keineswegs bis ins Bewusstsein gelangen, um wesentlichen Einfluss auf die sensorische Entwicklung zu nehmen [50]. Von herausragender Bedeutung für die Regulation der neuronalen Entwicklung des Neugeborenen ist das Opioidsystem [50]. Endogene Opioide wirken inhibitorisch auf die dendritische Aussprossung [50]. Erhalten junge Ratten Morphin ohne gleichzeitigen Schmerzreiz, so zeigen sie als ausgewachsene Ratten eine reduzierte Opioidrezeptorendichte, eine veränderte Dosis-Wirkungs-Beziehung und ein ausgesprochen schnelles Toleranzverhalten gegenüber Opioiden. Diese Veränderungen beobachtet man nicht, wenn die jungen Ratten die Opioide während gleichzeitiger Schmerzen erhalten [20]. Die Langzeitauswirkungen früher Opioidapplikation auf die Entwicklung des Opioidsystems und die spätere neurologische Entwicklung des Menschen sind noch weitgehend ungeklärt [50].
Aufgrund der Unreife der somatosensorischen Reizverarbeitung des Neugeborenen besteht nur eine lose Kopplung zwischen Reiz, Reaktion und somatischer Lokalisation [9]. Dennoch sind gewebstraumabedingte zentrale Sensibilisierung und Hyperalgesie bereits beim Neugeborenen nachweisbar [9]. (Un)reifebedingt lässt die physiologische Reaktion oft nicht unterscheiden zwischen gewebsschädigendem und -nichtschädigendem Reiz [9]. Es ist denkbar, dass Neugeborene mit individuell niedriger Unbehagensschwelle bereits nichtinvasive Reize als Schmerz erleben [9]. Die Reifeabhängigkeit der Verhaltensbiologie zeigt sich auch darin, dass beim Frühgeborenen von der 32–34. SSW ein kleiner repetitiver Stimulus zu zunehmend unkontrollierter Reaktion führt, während das Termingeborene Habituation zeigt [52]. Schmerzreiz führt u. a. zum Anstieg der Stresshormonspiegel im Blut [24]; damit sind Schmerz und Stress eng miteinander verknüpft. Mittlerweile belegen genügend Daten aus Anatomie, Physiologie und Verhaltensbiologie, dass im Früh- und Neugeborenenalter eine Menge passiver und aktiver Aktivitäten für den Patienten Stress bedeuten [65]. Dass auch kleinere Schmerzreize bei Früh- und Neugeborenen erhebliche Stressreaktionen auslösen, liegt nicht zuletzt mit daran, dass das absteigende schmerzinhibitorische System erst nach der 40. Schwangerschaftswoche ausreift (7 Kap. 2). Die Schmerzreaktion Neugeborener weist soziale Validität und kommunikative Spezifität auf, weshalb sie mehr als einen bloßen Reflex darstellt [4]. Neugeborene beherrschen nur ein beschränktes Schmerzkommunikationsrepertoire; kritisch kranke Neugeborene sind wegen ihrer körperlichen Minderbelastbarkeit und nur schwachen Abwehrreaktion besonders verletzlich [41].
17.2
Schmerzmessung
Wir werden nie wissen, ob Neugeborene Schmerzen auf die gleiche Weise empfinden wie wir – aber wissen wir dies von unseren Mitmenschen? Was wir sehen, ist deren Stress- und Schmerzverhalten [4, 65]. Die Schmerzempfindung selbst wird durch situative, verhaltensbiologische, emotionale, familiäre und kulturelle Faktoren moduliert [38]. Beim Früh-/Neugeborenen und Kleinkind hat eine strikte
293 17.3 · Schmerzauswirkungen
Unterscheidung in primären Stress- und primären Schmerzreiz keinen Sinn (s. oben; [52]). Schmerz ist multidimensional [19] und führt zu 3 Arten von Reaktionen: biochemischen, physiologischen und verhaltensbiologischen [24, 52]. Entsprechend wird für Neugeborene die multimodale Schmerzmessung empfohlen [24]. Schmerzbedingte Verhaltensänderungen bei Neugeborenen sind eine infantile Form der Schmerzmitteilung, sollten aber nicht als Surrogatmarker für Schmerz verstanden werden [41]. Da im Einzelfall nicht festgelegt ist, auf welcher Ebene sich die Reizantwort abspielt, darf beispielsweise das Fehlen einer Reaktion auf der Verhaltensebene nicht als Schmerzfreiheit fehlgedeutet werden [24]. Genauso gut mag das Schmerzverhalten disproportional ausgeprägt sein, zeigen doch einige Neugeborene auf Schmerzreiz Irritabilität, andere verminderte Reagibilität (s. oben; [24]). Physiologische Messungen sind objektiv und sensitiv, aber nicht schmerzspezifisch [12, 24, 28, 29, 41]. Bei Neugeborenen [24, 58] wie bei Erwachsenen [46] erscheint die Korrelation zwischen Schmerzintensität und Hormonausschüttung zunehmend fraglich, am ehesten sind noch die Serum- und Urinkatecholamine ein hormonaler Akutschmerzindikator [24]. Aber auch diese sind nur mäßig spezifisch, kommt es doch zu einem Anstieg auch unter pulmonaler Physiotherapie, endotrachealer Absaugung, Hypoxie und Azidose [24]. Möglicherweise sind vagaler Tonus und Hautdurchblutung schmerzintensitätsabhängig und unterscheiden gleichzeitig zwischen Schmerz- und Nichtschmerzreiz [24]. Man darf nicht vergessen, dass Früh- und Neugeborene nur ein eingeschränktes Verhaltensrepertoire besitzen. Und dennoch: In allen Altersgruppen sind Verhaltensänderungen besser mit dem Schmerzereignis korreliert als physiologische Veränderungen [41]. Der Gesichtsausdruck korreliert bei Frühgeborenen weniger als bei Termingeborenen mit der Schmerzstärke, gilt aber als brauchbares Schmerzmessinstrument, z. B. in Form des NIPS (7 Kap. 4 und Anhang B; [10, 24, 28]). Die akustischen Eigenschaften des kindlichen Schreies erlauben keine sichere Unterscheidung in Schmerz und Nichtschmerz [24, 41, 65], und bei intubierten Kindern ist die Schreiqualität selbstverständlich kein brauchbares Schmerzmessinstrument [24]. Die Schreilatenz korreliert wesentlich
17
besser mit der Schmerzintensität als Schreilänge, Schreidauer, Anzahl der Schreie und das Intervall zwischen einzelnen Schreien (kleinere Latenz bei stärkeren Schmerzen [24]). Neugeborene zeigen keine spezifische Schwelle der physiologischen oder Verhaltensantwort auf prozeduralen Schmerz, deren Überschreiten klar das Vorhandensein von Schmerz anzeigt [61]. In der klinischen Praxis ist die Verhaltensbeobachtung entscheidend für das Erkennen von Schmerzen bei Früh- und Neugeborenen [10], z. B. auch als NFCS (s. oben; [10, 28]). Die Schmerzbeurteilung sollte immer das Gestationsalter, den Bewusstseinszustand des Patienten und seinen Allgemeinzustand mit einbeziehen; Unruhe beispielweise kann auch einen nichtschmerzbedingten Grund haben (Hunger, Kälte u. a. [10]). Für das Extremfrühgeborene oder Frühgeborene an der Beatmung existieren kaum validierte Schmerzmessskalen [2]. Es bleibt zu beweisen, dass die Schmerzmessmethoden für prozeduralen Schmerz auch für chronischen Schmerz Gültigkeit haben [41]. Als Instrument zur Messung chronischer Schmerzen wird die Chaosanalyse physiologischer Parameter vorgeschlagen [52]. Obwohl beim Neugeborenen die Schmerzstärke gemessen werden kann, sind klinische Relevanz der Messung und Nutzen bei Frühund Neugeborenen noch spekulativ [24].
17.3
Schmerzauswirkungen
Schmerz führt bei Kleinkindern zu Katabolismus, Hypermetabolismus, Hyperkaliämie, Hyperkoagulabilität, Infektanfälligkeit und verlangsamter Wundheilung [41]. Einige Autoren vermuten, dass Schmerz bei Frühgeborenen eine intrazerebrale Blutung auslösen kann [41]. Bei Ratten kam es unter frühkindlichem Stress zu einer persistierenden Up-Regulation der Kortikosteronrezeptoren [78], und Ratten, die in einem sehr frühen Entwicklungsstadium Schmerzreize erfahren hatten, zeigten als erwachsene Tiere ein verändertes Sozialverhalten [78]. Noch Monate nach Zirkumzision zeigten Kinder eine stärkere Schmerzreaktion auf Impfung als Unbeschnittene [73], was auch als Ausdruck posttraumatischen Stresses gedeutet werden kann [71]. Während Änderungen des Gesichtsausdrucks auf Schmerzreiz
294
Kapitel 17 · Schmerztherapie auf der (neonatologischen) Intensivstation
und kardiale autonome Reaktivität in früheren Extremfrühgeborenen gegenüber entsprechend alten Reifgeborenen keinen Unterschied zeigten [54], korrelierte bei 8- bis 10-Jährigen die emotionale Reaktion auf Bilder schmerzhafter Ereignisse mit der Zeitdauer ihres Aufenthalts als Extremfrühgeborene auf der Intensivstation [41]. Eine Zusammenfassung der Auswirkungen von perinatalem Schmerz und Stress auf die spätere Entwicklung findet sich bei Anand [3] und Fitzgerald und Beggs [23]. Schließlich konnte die NOPAIN-Studie zeigen, dass wiederholte Schmerzstimuli das klinische und neurologische Outcome von beatmeten Frühgeborenen signifikant verändern können [41]. Dem Schmerz sind durchaus auch positive Aspekte zueigen, man denke nur an die Warnfunktion vor Gewebszerstörung, und, nach dem oben Gesagten, an die Gewöhnung an unbeeinflussbare umweltbedingte nozizeptive Reize. Vielleicht sollte unser Ziel nicht unbedingt die völlige Schmerzausschaltung sein, sondern die Modulation der Schmerzreaktion auf ein erträgliches Maß [4, 78], hat doch überaggressive Schmerztherapie ihre eigenen Nebenwirkungen [78].
17.4
17
Allgemeine Betrachtungen
Kritisch Kranke auf einer Neugeborenenintensivstation müssen täglich mehr als 100 Routinemanipulationen über sich ergehen lassen [29], ein nicht unerhebliches Maß an Stress und Schmerz [61]. Die täglichen Routinepflegemaßnahmen führten bei beatmeten Neugeborenen zu noch stärkeren Schwankungen physiologischer und biochemischer Parameter als endotracheales Absaugen [58]. Allein bloßes Handling bedeutet wesentlichen Stress für kranke Frühgeborene [24]; bereits das Positionieren zur Lumbalpunktion führte bei kranken Frühgeborenen zu Veränderungen der Vitalparameter, die nicht durch subkutane Lidocainanästhesie zu beeinflussen waren [24]. Nach akuten schmerzhaften Reizen entwickeln Frühgeborene eine zeitweise Hypersensitivität (»wind-up«), die durch Reize niederer Intensität (z. B. mechanische Beatmung) prolongiert wird [29]. In solchen Perioden werden sogar nichtgewebeschädigende Reize als Schmerz erfahren und mit einer entsprechenden organischen Reizantwort
bedacht [65]. Analgesie und Anästhesie mögen solchen Stress verhindern. Bei der Schmerzbekämpfung ist systematisches Vorgehen anzuraten [6, 44]: E Erkennen der Schmerzursache, E Abschätzen der Schmerzstärke, E Schmerztherapie. Schmerzvermeidung hat Vorrang vor Schmerzminimierung und Schmerzbekämpfung [2]!
17.5
Schmerzvermeidung, Schmerzminimierung
Da beim Früh- und Neugeborenen nicht eindeutig – auch nicht hinsichtlich der Folgen – unterschieden werden kann zwischen Stress und Schmerz, sind beide zu minimieren [2]: Unnötige schädigende Stimuli (akustisch, visuell, taktil, vestibulär) sind zu vermeiden [2]. Dies gilt auch für gutgemeinte, aber nicht evaluierte entwicklungsneurologische Stimulationsmethoden und soziale Interaktionen, die in ihrem Stresspotential medizinischen Interventionen in nichts nachstehen [26]. Pflegerische Maßnahmen – Prototyp ist das endotracheale Absaugen – sollen nur bei absoluter medizinischer Notwendigkeit stattfinden [41, 43]. Beatmungstuben sind sorgfältig zu fixieren, um mechanische Irritation zu vermeiden [39]. Es ist der am wenigsten schmerzhafte Modus eines jeden Eingriffes zu wählen [2], z. B. venöse statt kapillärer Blutentnahme [41, 43, 67] und Vorzug einer Automatiklanzette vor manueller Punktion [1, 41]. Um die Zahl der Punktionen bestmöglichst einzuschränken, sind Blutuntersuchungen zusammenzufassen [39]. Immer sollte die Alternative eines arteriellen oder zentralvenösen Dauerzugangs geprüft werden [2]. Auf Injektionen ist zu verzichten, zumindest auf intramuskuläre und subkutane [38], und es ist auf ausreichende Analgesie zu achten (s. unten; [2, 41]).
17.6
Schmerzbekämpfung
Jegliche rationale Schmerztherapie steht und fällt mit einer ordentlichen Schmerzmessung [41], um
17
295 17.6 · Schmerzbekämpfung
zum einen ein adäquates Analgesieverfahren auszuwählen und zum anderen die Therapie am Effekt zu titrieren. 17.6.1
Nichtpharmakologische Maßnahmen
Nichtpharmakologische Maßnahmen zur Schmerzbekämpfung listet . Tabelle 17.1 auf.
Schnuller, taktile Stimulation, Musik Schon seit alters her ist es üblich, Babys mit dem Schnuller zu beruhigen. Im Experiment zeigte sich, dass Schnuller bei Neugeborenen nicht in der Lage sind, die schmerzbedingten physiologischen Veränderungen zu unterdrücken [65]. Andere Studien zeigten bei gesunden, nicht aber bei kranken Frühgeborenen eine partielle Wirkung auf Herzfrequenz- und Atemfrequenzanstieg [24]. Weder Schnuller, taktile Stimulation noch Musik hatten einen relevanten Effekt auf die Schmerzreaktion unter Zirkumzision [24], auch blieb der Serumkortisolspiegel unbeeinflusst [60]. Wenn bei Schnullerapplikation die Schreidauer als Schmerzmaß genommen wurde [17], mag allein die Tatsache des »Mundstopfens« diese signifikant verändert haben.
Geschmacksqualität »süß« Die Geschmacksqualität »süß« [63], ob von Sucrose [1a, 45, 63, 78], Saccharose [10], Glukose [9a, 21a, 68] oder Süßstoff, vermag die Schmerzreaktionen bei Neugeborenen auf Lanzettenstich bzw. Impfung [45], teilweise auch Venenpunktion, signifikant, aber nicht relevant zu reduzieren [1a, 9a, 21a, 34, 60, 69].
Die Kombination Schnuller mit Süß wirkte ein wenig stärker [14, 17, 33, 45, 69]. Neben der doch bescheidenen Wirkstärke ist die kurze Wirkdauer der »Sucroseanalgesie« von Bedeutung [45]. Sucrose ist kein Ersatz für eine ordentliche (pharmakologische) Analgesie [45]. Einer kürzlichen Metaanalyse gelang es nicht, die optimale analgetische Sucrosedosis zu definieren, zu groß war die Spanne der verabreichten Dosen bei inkonsistenten Studiendesigns [36, 70, 71]. Es gibt erste Berichte über die erfolgreiche Repetitivapplikation von Sucrose [35] und Glucose [21a]. Milch hatte einen noch geringeren analgetischen Effekt als Sucrose [55], war aber wirksamer als destilliertes Wasser [74a].
Wiegen, Lagerung, Hautkontakt Simuliertes Auf-dem-Arm-Wiegen verstärkte bei Extremfrühgeborenen den Sucroseeffekt nicht [35]. Bauchlagerung war ineffektiv [68]. Enger Hautkontakt konnte bei Neugeborenen das Weinen um 82 %, das Grimassieren um 65 % vermindern [27], tröstende Maßnahmen hatten einen ähnlichen Effekt [2]. Schon vor einiger Zeit konnte gezeigt werden, dass in der Intensivstation bereits einfaches Handauflegen unter gleicher Kalorienzufuhr zu deutlich besserer Gewichtszunahme von Neugeborenen führte als in der Kontrollgruppe [22], ein Hinweis auf das Potential derartiger Maßnahmen.
Multisensorische Stimulation »Multisensorische Stimulation«, d. h. die Kombination zarter taktiler, vestibulärer, gustativer, olfaktorischer, auditiver und visueller Stimuli schwächte die
. Tabelle 17.1. Nichtpharmakologische Antinozizeption bei Früh- und Neugeborenen (NG Neugeborene, FG Frühgeborene). (Mod. nach [27]) Modus
Nichtnutritives Saugen (Schnuller)
Geschmack/Aroma (Süß)
Kängurukontakt o. ä.
Patienten
NG
FG
NG
FG
NG
FG
Wirksamkeit
(+)
?
(+)
?
+
?
Latenzzeit
Gering
?
Gering
?
10 min
?
Quelle
[17, 24, 60]
[1a, 9a, 14, 17, 21a, 34, 36, 49 55, 60, 69–71, 74a]
[2, 27, 35, 69]
296
Kapitel 17 · Schmerztherapie auf der (neonatologischen) Intensivstation
Schmerzantwort Neugeborener auf einen Lanzettenstich signifikant besser ab als die Kombination von oraler Glucose und gleichzeitigem Schnullern [13]. 17.6.2
Pharmakologische Intervention
Lokale Maßnahmen EMLA®
17
Lokal aufgetragenes Lidocain war bei der Lancettenpunktion wirkungslos [24]. Das gleiche gilt für die Applikation eines Lokalanästhetikums vor Lumbalpunktion bei akut kranken Kindern [60]. Um den optimalen Effekt zu erlangen, wird in einer anderen Arbeit die Applikation des Lokalanästhetikums 1 h vor der geplanten Maßnahme empfohlen [2], ein Timing, das durchaus mit dem klinischen Alltag interferieren kann. EMLA® (eutektische Mischung von Lokalanästhetika) vermag bei Eingriffen wie Venenpunktion, i.m.-Injektion oder Lumbalpunktion ab einem Alter von 3 Monaten den Schmerz wesentlich zu verringern [1]. Es wirkt jedoch nicht bei Impfungen im Alter von 4–6 Monaten und nur schlecht bei der Neugeborenenbeschneidung [1, 75]. Bei der Venenpunktion Neugeborener war sein Effekt nur moderat [24, 42]. Unwirksam ist es bei der Lanzettenpunktion des Termin- und des Frühgeborenen von 26–34 SSW [1, 42]. Der beim Frühgeborenen gesehene Anstieg der Met-Hb-Konzentration nach EMLA ist bei einer Einzeldosis irrelevant; EMLA sollte allerdings nicht zusammen mit anderen Met-Hb-Bildnern (Sulfonamide, Paracetamol, Nitroglycerin, Nitroprussid, Phenytoin u. a.) verabreicht werden, insbesondere nicht in einem Alter von <3 Monaten [41, 42] oder <1 Jahr [4], und auch nicht, wenn beim Patienten bereits einmal eine Methämoglobinämie aufgetreten ist [16]. Bei Atopikern und Frühgeborenen ist die Applikation nicht ganz unproblematisch, sind doch in diesen Gruppen nach EMLA®-Applikation gehäuft lokal Purpura oder Petechien beobachtet worden [16]; in einer klinischen Studie an Neugeborenen wurde der EMLA®-Studienarm wegen Irritation der Penisvorhaut (Applikationsort) mit Rötung und Blasenbildung abgebrochen [31].
Regionalanästhesie Die Regionalanästhesie ist in der Hand des Spezialisten auch bei Neugeborenen eine ausgezeichnete Alternative, z. B. bei postoperativen Schmerzen in Form einer mehrtägigen Dauerinfusion zum epiduralen Block (7 Kap. 10, 12) [2]. Zu beachten ist beim Neugeborenen eine mögliche Exkretionsverzögerung des Anästhetikums durch metabolitbedingte Abbauhemmung [41]. Die Erwachsenenkapazität des Cytochrom-P450-Systems – wesentlicher Abbauweg der meisten Lokalanästhetika – wird erst in einem Alter von 1 Monat erreicht [41]. Bupivacain gilt aufgrund seiner langen Wirkdauer und seines Sicherheitsprofils als Mittel der Wahl zur postoperativen Schmerzbekämpfung [41]. Für kleinere operative Eingriffe wird auch die Kombination einer lokalen Infiltrationsanästhesie mit systemischem Morphin empfohlen [10].
Systemische Pharmakotherapie Paracetamol Paracetamol (Acetaminophen) muss als Einzeldosis [76] wie nach multipler Applikation [77] auch beim Neugeborenen als sicher angesehen werden. Seine rektale Resorptionsgeschwindigkeit weist allerdings eine weite Variabilität auf – von 30 bis 120 min bis zum Erreichen der Maximalkonzentration [76, 77], und Blutspiegel und Effekt sind nicht korreliert [77]. Empfohlen wird eine »loading dose« von 30 mg/kg KG rektal [76, 77], gefolgt von 20 mg/kg KG rektal alle 6–8 h (Frühgeborene: 8 h, [74]) als Erhaltungsdosis [77]. Die dieser Empfehlung zugrunde liegende pharmakokinetische Analyse [77] weist allerdings methodische Mängel auf; entsprechend vorsichtig sind die Empfehlungen zu betrachten. Inzwischen wurde der erste Fall einer oralen Paracetamolüberdosierung bei einem Frühgeborenen publiziert [32]. Die Kombination von Paracetamol als potentiellem Met-Hb-Bildner mit EMLA® ist nicht erlaubt! Wie dem auch sei, beim Neugeborenen hat sich Paracetamol selbst bei der einfachen Lanzettenpunktion als unwirksam erwiesen [66]; als eine Art Basisschmerzmedikation nach kleineren schmerzhaften Eingriffen wie Leistenhernienoperation mag es taugen.
297 17.6 · Schmerzbekämpfung
Ibuprofen Die Pharmakokinetik von Ibuprofen weist bei Frühund Neugeborenen eine beträchtliche Variabilität auf [67a]. Ibuprofen verdrängt Bilirubin aus seiner Plasmaeiweißbindung [16], was zu Vorsicht bei der Anwendung in der genannten Patientengruppe zwingt. Über die Effektivität von Ibuprofen zur Schmerzbekämpfung im Neugeborenenalter liegen keine Studien vor [2].
Opioide Opioide haben ihren Hauptangriffspunkt im ZNS und modulieren dort die Weiterleitung des nozizeptiven Reizes [50]. Die verschiedenen Opioidrezeptoren (7 Kap. 1, 2) wirken im Zusammenspiel mit anderen Rezeptoren [50]. Durch Studien an neugeborenen Ratten weiß man, dass die Opioidrezeptoren in den ersten Lebenstagen (vergleichbar mit dem Zeitraum ab der 24. SSW beim Menschen) eine Vielzahl von funktionellen, anatomischen und zahlenmäßigen Entwicklungen durchmachen [20]. Bei Frühgeborenen entspricht beispielsweise die Dichte der µ2-Rezeptoren (verantwortlich für die Atemdepression) derjenigen bei Säuglingen [56]. Die Anzahl der die Analgesie vermittelnden µ1-Rezeptoren nimmt hingegen erst in den ersten postnatalen Tagen dramatisch zu. Über die Langzeitwirkungen von Opioidgaben in einem frühen Entwicklungsstadium ist nur wenig bekannt [50]. Unter Opioiden kommt es zu vermindertem Katabolismus und Umlenkung der Energieflüsse in Richtung Wachstum und Heilung. Opioide tragen positiv bei zur klinischen Stabilisierung kritisch kranker Frühgeborener [29], indem sie hämodynamischen, hormonellen und metabolischen Operationsstress bei Früh-und Neugeborenen mildern [25]. Unumstrittene Indikationen für Opioide bei Früh- und Neugeborenen sind starker Akutschmerz, postoperativer Schmerz, ECMO und Sterbebegleitung [10]. Der wissenschaftliche Beweis, dass bei beatmeten Neugeborenen die Gabe von Opioiden mit dem Zweck der Sedierung, Erlangung von Synchronizität zwischen Atmung und Beatmung, Verbesserung der Beatmung, Schmerzstillung und Stressverminderung vorteilhaft zu deren Genesung beiträgt, ist noch schwach [3a, 25].
17
Zur Sedierung kranker Frühgeborener verwendet, zeigen sich keine einheitlichen Ergebnisse hinsichtlich eines verbesserten Outcome [49]. Es existieren nur wenige Daten zur i.v.-Applikation von Opioiden bei kritisch kranken Frühgeborenen [25], und es gibt erst recht keine Daten, die für die generelle Überlegenheit eines bestimmten Opioids in der Neonatologie sprechen; Opioide, aus denen toxische Metaboliten gebildet werden mit der Möglichkeit der Auslösung zerebraler Krampfanfälle, sind allerdings besser zu vermeiden (7 Kap. 5; [2]). Morphin
E Wirkungen. Morphin ist ein spezifischer Agonist des µ-Rezeptors [49]. Man kann unterscheiden zwischen sedierender und analgesierender Wirkung [9]. Die tatsächliche Morphinwirkung hängt wesentlich ab von den Serumkonzentrationen seiner verschiedenen Metaboliten, im Wesentlichen M-3-G und M-6-G: M-3-G antagonisiert die analgetische Wirkung von Morphin (umstritten!) und M-6-G [50], führt zu verringerter gastrointestinaler Motilität, zu Harnverhalt, Atemdepression und arterieller Hypotension [64] und stimuliert die Atmung [30]. M-6-G ist 20-mal so analgetisch wie Morphin selbst [18] und atemdepressiv [10, 47, 50]. Es trägt signifikant bei zur Effektivität von Morphin. Aufgrund der bei Frühgeborenen geringeren M-6-G-Produktion ist Morphin in dieser Patientengruppe vermindert analgetisch wirksam [30]. E Nebenwirkungen. Häufige Nebenwirkungen von Morphin sind bei Neugeborenen und Kindern Atemdepression, Nausea, Erbrechen (letztere beiden weniger bei Neugeborenen), Sedierung (oft durchaus gewünscht), Pruritus (beim Neugeborenen schwer zu eruieren) und Harnverhalt [38] und damit keine prinzipiell anderen als beim Erwachsenen [38]. Neugeborene sind anscheinend nicht anfälliger für morphininduzierte Atemdepression als ältere Kinder [18, 38, 50], wenngleich es dazu auch gegenteilige Angaben gibt [11]. Der Widerspruch erklärt sich dadurch, dass einmal äquianalgetische Dosen verglichen werden [50] – die wegen der beim Frühgeborenen niedrigeren analgetischen Potenz von Morphin
298
Kapitel 17 · Schmerztherapie auf der (neonatologischen) Intensivstation
. Tabelle 17.2. Startdosierungsempfehlungen (LD) zu Morphin. Cave: Verwende nur halbe Erhaltungsdosis (ED) nach kardiochirurgischen Eingriffen [48]). Beachte: Die Dosis ist am Effekt zu titrieren! (Nach [59, 81]) Indikation
Frühgeborene
Neugeborene
Säuglinge >1 Monat
Ab Kleinkindalter
Kurzeingriff, Akutschmerz
30–100 µg/ kg KG i.v.
50–200 µg/ kg KG i.v.
50–200 µg/ kg KG i.v.
50–200 µg/ kg KG i.v.
Beatmung, ECMO
LD 50 µg/ kg KG i.v.
LD 50 µg/ kg KG/h i.v.
LD 50–100 µg/ kg KG i.v.
LD 50–100 µg/ kg KG i.v.
ED 5–10 µg/ kg KG/h i.v.,
ED 10–20 µg/ kg KG/h i.v.
ED 10–30 µg/ kg KG/h i.v.
ED 20–40 µg/ kg KG/h i.v.
30–100 µg/ kg KG i.v. alle 2–6 h Dauerinfusion: s. Beatmung (Tabelle 17.5)
50–200 µg/ kg KG i.v. alle 2–6 h [10] Dauerinfusion: s. Beatmung (Tabelle 17.5)
50–200 µg/ kg KG i.v. alle 2–6 h [10] Dauerinfusion: s. Beatmung (Tabelle 17.5)
50–200 µg/ kg KG i.v. alle 2–6 h [10] Dauerinfusion: s. Beatmung (Tabelle 17.5)
Postoperativ
17
höher liegen als beim Erwachsenen [18] – und das andere Mal identische Serummorphinkonzentrationen [38]. Die Atemdepression kann einige Stunden anhalten und auf Grund des Metabolismus durchaus auch erst nach Stunden auftreten [10, 30, 38]. Morphin gilt bei Neugeborenen, Kleinkindern und Schulkindern als sicheres Medikament [38]. E Pharmakokinetik. Mittlerweile liegt eine Vielzahl von pharmakokinetischen Daten auch zu Frühund Neugeborenen vor [18, 25, 30, 37, 48, 64]. Das Verteilungsvolumen ist altersunabhängig; Halbwertszeit und Clearance sind altersabhängig [37, 47], wobei sich die 3 Parameter nicht unterschieden zwischen Frühgeborenen und Reifgeborenen und auch nicht mit dem Körpergewicht korreliert waren [18]. Kompliziert wird die Pharmakokinetik durch die altersabhängige Enzymreifung, die zu deutlich unterschiedlichen Kinetiken der aktiven Metaboliten führt, was altersabhängige Unterschiede der Wirkprofile bedeutet (s. oben; [18, 30, 50, 64]). Die Pharmakokinetik weist in Neugeborenen eine signifikante interindividuelle Schwankungsbreite (Faktor 3–12) auf [25, 48]. E Darüber hinaus bestimmt auch die Grundkrankheit des Patienten seine pharmakokinetischen Kennwerte [18, 48]. Wegen der großen interindividuellen Spannbreite der Pharmakokinetik
können Morphindosierungsempfehlungen nur einen Startpunkt bedeuten; die Dosis ist am Effekt zu titrieren (. Tabelle 17.2 [10, 38]). Der kontinuierlichen i.v.-Infusion wird eine bessere analgetische Wirkung zugeschrieben als Morphineinzelgaben [37], allerdings komme es schneller zu Toleranzentwicklung hinsichtlich der Analgesie, nicht aber der Hemmung der Peristaltik [10]. Nach Meinung der Autoren mag hinsichtlich der Entwicklung analgetischer Toleranz eine Missinterpretation vorliegen: Ist es nicht eher so, dass sich Toleranz hinsichtlich des sedierenden Effektes einstellt, wie vom Erwachsenen bekannt? Zieht man in Betracht, dass Morphin bei Früh- und Neugeborenen häufig als Sedativum und nicht als Analgetikum eingesetzt wird, mag leicht der falsche Eindruck der Toleranzentwicklung gegenüber dem analgetischen Effekt entstehen. E Indikation. Ob in der Neonatologie die einzige Indikation für Morphin wirklich nur in der postoperativen Analgesie besteht [10, 25], darf nach derzeitiger Datenlage bezweifelt werden, zeichnen sich doch Vorteile seiner Verwendung ab in der Kardiochirurgie und bei beatmeten Frühgeborenen – auch wenn die Datenlage hier noch nicht eindeutig ist, die NOPAIN-Studie nur wenige Frühgeborene einschloss [7] und eine neuere große Studie den postulierten Effekt nicht bestätigen konnte [3a].
299 17.6 · Schmerzbekämpfung
Pethidin
Pethidin hat bei Frühgeboren zwar keinen Einfluss auf die intrazerebrale Zirkulation [65], wird aber zu toxischen Metaboliten metabolisiert, die akkumulieren und zerebrale Krämpfe verursachen können. Aus diesem Grund wird dank besserer Alternativen von seiner Verwendung in der Früh- und Neugeborenenmedizin abgeraten (7 Kap. 5). Fentanyl
Fentanyl, ein synthetisches Opioid [50], wirkt bei gleicher Dosis 50- bis 100-mal stärker analgetisch als Morphin, da es dank seiner höheren Fettlöslichkeit besser an die zentralen Opioidrezeptoren bindet [10]. Seine Metaboliten sind kaum oder nicht aktiv [10, 50]. Die Nebenwirkungen ähneln denen von Morphin mit einem geringeren Akzent auf den kardiovaskulären oder sedierenden Effekten [10]. Fentanyl senkt den pulmonalen Gefäßwiderstand und wird deshalb gern beim PFC-Syndrom eingesetzt [10]. Unter Fentanyl (auch Sufentanil und Alfentanil) wurden in Neonaten Brustkorbstarre und Laryngospasmus beobachtet [2, 10], die – um den Preis der Intubation – durch ein Muskelrelaxans aufgehoben werden konnten [10]. Nach Kombinationsinfusion von Fentanyl mit Midazolam wurde bei Säuglingen von reversiblen Enzephalopathien berichtet [10].
17
Die Pharmakokinetik von Fentanyl ist bei Frühgeborenen und Neonaten sehr variabel [50]. Dosierungsvorschläge sind . Tabelle 17.3 zu entnehmen. Wie bei Morphin gilt, dass die Dosis an der Wirkung zu titrieren ist [40]. Bei beatmeten Früh- und Neugeborenen erwies sich Fentanyl als mindestens ebenso wirksam zur Schmerzbekämpfung wie Morphin bei weniger Nebenwirkungen, insbesondere was die Darmmotilitätshemmung Frühgeborener betrifft [64]. Es senkte im Gegensatz zu Morphin die Plasma-βEndorphinkonzentrationen [64]. Plasmaadrenalin und -noradrenalin wurden durch beide vermindert [64]. Eine ähnlich gute Wirkung zeigte Fentanyl in Kombination mit Tubocurarin und N2O während der Ductusligatur bei Frühgeborenen [7]. In der placebokontrollierten Studie von Guinsburg et al. kam es allerdings in Neonaten unter Fentanyl zu einem signifikanten Anstieg des Schmerzwertes PCS (7 Kap. 4, 5 [29]). Bauer et al. kommen zu dem Schluss, dass der routinemäßige Einsatz von Fentanyl bei beatmeten Frühgeborenen nicht gerechtfertigt ist [10]. An Indikationen für Fentanyl werden akute starke Schmerzen und postoperative Analgesie genannt [10]. Sonstige Opioide
Es ist eine Reihe weiterer Opioide auf dem Markt mit z.T. interessanten Eigenschaften. Der Metabo-
. Tabelle 17.3. Startdosierungsempfehlungen (LD) und Erhaltungsdosis (ED) zu Fentanyl. Cave: Dosis reduzieren bei gleichzeitiger Applikation eines Sedativums. (Nach [65]) Indikation
Frühgeborene
Neugeborene
Säuglinge >3 Monat
Ab Kleinkindalter
Kurzeingriff, Analgesie
2 µg/kg KG i.v.
2 µg/kg KG i.v.
2–3 µg/kg KG i.v.
2–3 µg/kg KG i.v.
Kurzeingriff, Anästhesie
10 µg/kg KG i.v.
10 µg/kg KG i.v.
10–50 µg/kg KG i.v.
10–50 µg/kg KG i.v.
Beatmung, ECMO
LD 2–10 µg/kg KG i.v.
LD 2–10 µg/kg KG i.v.
LD 5–10 µg/kg KG i.v.
LD 10 µg/kg KG i.v.
ED 0,5–2 µg/ kg KG/h i.v. [40]
ED 0,5–2 µg/ kg KG/h i.v. [40]
ED 1–4 µg/ kg KG/h i.v.
ED 2–5 µg/ kg KG/h i.v.
Akutschmerz, postoperativ
2–4(–10) µg/kg KG i.v. alle 2–4 h Dauerinfusion: s. Beatmung (Tabelle 17.5)
2–4(–10) µg/kg KG i.v. alle 2–4 h Dauerinfusion: s. Beatmung (Tabelle 17.5)
5–10 µg/kg KG i.v. alle 2–4 h Dauerinfusion: s. Beatmung (Tabelle 17.5)
5–10 µg/kg KG i.v. alle 2–4 h Dauerinfusion: s. Beatmung (Tabelle 17.5)
300
Kapitel 17 · Schmerztherapie auf der (neonatologischen) Intensivstation
lismus von Remifentanil ist leber- und nierenunabhängig [46]. Diamorphin, lipophiler als Morphin, erzeugte verglichen mit letzterem bei beatmeten Frühgeborenen bei gleicher Wirkung weniger Neigung zu arterieller Hypotension und mag für diese Patientengruppe den Vorzug verdienen [79]. Insgesamt ist die Datenlage zu diesen Opioiden jedoch noch zu dünn für fundierte Empfehlungen.
Sonderproblem: das beatmete Früh- und Neugeborene
17
Jeder endotracheale Tubus bedeutet eine mechanische Irritation für den Patienten. Hinzu kommt der mehr oder weniger synchronisierte Beatmungsreiz. Der Gedanke liegt nahe, dass Beatmungspatienten – insbesondere solche, die den Sinn der Prozedur noch nicht rational erfassen können, eben Früh-, Neugeborene und Kleinkinder – einem besonderen Stress, vielleicht auch Schmerzen ausgesetzt sind. Dazu passt die Beobachtung, dass die Serumkatecholamine beatmeter Frühgeborener <34 SSW mit RDS in den ersten 24 h durch Morphintherapie signifikant gesenkt werden konnten [10, 49, 62]; Blutdruck, IVH-, PDA- und Pneumothoraxinzidenz, Anzahl der Beatmungstage, Todesfälle [62], Schmerzscore und Herzfrequenz [10] waren jedoch gegenüber einer Placebogruppe nicht verschieden. Interessanterweise stehen die Ergebnisse einer jüngeren Studie auf diesem Gebiet dazu in krassem Gegensatz (s. unten; [7]). Deren Fallzahl ist allerdings zu klein für definitive Schlüsse. Pethidin konnte die Beeinträchtigung beatmeter Neugeborener durch Routinemaßnahmen und die Dauer hypoxämischer Phasen verringern [58]. Hinsichtlich Morbidität und Mortalität war Morphin allein oder in Kombination mit Pancuronium allerdings einer alleinigen Relaxierung mit Pancuronium nicht überlegen [49]. Fentanyl per infusionem über bis zu 3 Tage konnte in einem ähnlichen Patientenkollektiv einen Stressscore, die Urinkatecholaminausscheidung und die Anzahl der SO2-Abfälle signifikant reduzieren, »short term outcome« und Beatmungsparameter waren jedoch nicht anders als in der Vergleichsgruppe [40]. Dabei ist Fentanyl möglicherweise mit weniger (gastrointestinalen) Nebenwirkungen behaftet als Morphin [64]. Eine jüngere Studie mit bescheidener Fallzahl zeigte an Frühgeborenen mit 24–32 SSW eine unter Morphin mit 4 % signifikant und wesentlich
reduzierte Inzidenz an Neuropathologie gegenüber einer Midazolam- (32 %) oder Placebogruppe (24%) [7], was sich in einer großen placebokontrollierten Studie jedoch nicht bestätigte [3a]. Immerhin, die kurzzeitige Morphinexposition Frühgeborener <34 SSW zur Erleichterung der Beatmungsführung hat offenbar keine im Alter von 5–6 Jahren nachweisbaren Nebenwirkungen hinsichtlich Intelligenz, motorischer Funktion und Verhalten [2, 49]. Eine positive Wirkung von Opioidinfusionen bei mechanischer Beatmung ist bisher nicht belegt [10], ganz im Gegenteil [3a]. Es fehlt der sichere Nachweis, dass die positiven Effekte die Gefahren von Sedierung und Analgesie aufwiegen [7, 25, 39]. Es wird sogar spekuliert, ob Opioidbehandlung nicht den Stress insgesamt vergrößert, z. B. durch verlängerte Beatmungsnotwendigkeit, Notwendigkeit einer Opioidentwöhnungsphase oder die Nebenwirkungen der Opioidmedikation [38]. Auch 2005 sind noch weitere umfassende und gut geplante Studien nötig, um endgültig den Stellenwert einer Opioidanalgesie bei beatmeten Frühgeborenen zu beurteilen [3a, 24, 28]. 17.6.3
Gebrauch von Analgetika und Anästhesie im klinischen Alltag
Noch bis 1977 war man der festen Überzeugung, bei der Neugeborenenbeschneidung und bei kleineren operativen Eingriffen bis zum 3. Lebensmonat auf suffiziente Analgesie verzichten zu können, weil Babys bis zu diesem Zeitpunkt ob der Unreife ihrer afferenten Schmerzfasern ohnehin keinen Schmerz empfinden könnten [65]. Erst 1999 wurde die Forderung erhoben, endlich mit den placebokontrollierten Studien zur Analgesie bei der Neugeborenenzirkumzision aufzuhören zugunsten effektiver Analgesie [51]. Zumindest in Kanada wird auf der NICU kaum Analgesie betrieben, postoperative Schmerzen ausgenommen [33]. Was Anästhesisten von Analgesie und Anästhesie bei Neugeborenen abhält, ist ihre Angst vor kardiovaskulären Komplikationen und Atemdepression [65]. Zwischen dem Vorliegen von Leitlinien zur Schmerzbekämpfung und dem tatsächlichen Gebrauch von Analgesie besteht nach einer jüngeren groß angelegten kanadischen Untersuchung kein Zusammenhang [33]. Das Erstellen von Leitlinien ist wohl nur ein erster kleiner Schritt hin zu einem Bewusstseinswandel des medizinischen Personals.
301 17.8 · Analgesie auf der pädiatrischen Intensivstation
17.6.4
Auswirkungen einer gut geführten Anästhesie
Babys, die während chirurgischer Eingriffe eine potente Anästhesie bekommen hatten, waren während des Eingriffes stabiler und hatten weniger postoperative Komplikationen [65]. Auch in Extremfrühgeborenen konnten Analgesie und Anästhesie die hormonellen und metabolischen Folgen schmerzhafter Eingriffe abschwächen [39]. In der Neonatalkardiochirurgie wurden Stressreaktion und physiologische Veränderungen durch tiefe Anästhesie und hochdosierte postoperative Opioidanalgesie abgeschwächt, und es wurde geschlussfolgert, dass dadurch Komplikationsanfälligkeit und Mortalität gesenkt werden könnten [5].
17.7
Zusammenfassende Bewertung
Schmerz bedeutet in der Neugeborenenintensivmedizin ein signifikantes Problem. Wie ist ihm zu begegnen? An allererster Stelle steht die Schmerzvermeidung, und bei allen Maßnahmen am Kind, pflegerische eingeschlossen, müssen wir kritisch den Nutzen hinterfragen. Es folgt die Schmerzminimierung durch die Wahl von geeigneter Maßnahme und richtigem Applikations-/Interventionszeitpunkt. Die Schmerztherapie schließt die antizipatorische Gabe von Analgetika ein. Es stehen nichtpharmakologische und pharmakologische Maßnahmen zur Verfügung. Trotz einer Fülle von Studien zu nichtpharmakologischen Maßnahmen – »Süßanalgesie« eingeschlossen – überzeugen die Daten zu deren Wirkung nicht. Entweder waren die Ergebnisse zwar signifikant, aber in ihrem Ausmaß nicht relevant, oder – weitverbreitet – es wurden inadäquate Schmerzparameter untersucht, z. B. die Schreifrequenz oder -dauer, denen im Gegensatz zur Schreilatenz nur geringe Schmerzspezifität zugeschrieben wird. Ob es sinnvoll ist, einen künstlichen, in seinen Langzeitauswirkungen an Frühgeborenen überhaupt nicht ausgetesteten Süßstoff in das Analgesiepanoptikum einzuführen – zumal Zucker als natürliche Alternative existiert –, muss mehr als fraglich bleiben. Erstaunlich sind die positiven Wirkungen von Geborgenheit und menschlicher Wärme.
17
Die Effekte von EMLA® und Paracetamol – beide sollten nicht kombiniert werden – sind bei Frühund Neugeborenen noch nicht hinreichend belegt. Zur Opioidanalgesie liegen überzeugende Daten vor – aber eben auch nur zu einigen wenigen Indikationen, und die Früh- und Neugeborenenbeatmung zählt nicht dazu. Erst in jüngster Zeit liegt mit der NOPAIN-Studie eine Publikation vor, die eine wesentliche Reduktion der Neuromorbidität unter Opioidanalgesie beatmeter Frühgeborener aufzeigt und sich damit in Widerspruch zu früheren Arbeiten stellt [7]. Die große NEOPAIN Studie konnte diese positiven Wirkungen allerdings nicht bestätigen, im Gegenteil [3a]. Die Opioidnebenwirkungen sind nicht unerheblich, und bis zur Empfehlung einer Opioidanalgesie beatmeter Frühgeborener bedarf es erst noch einer besseren Datenlage. Die Vielzahl der Schmerzscores misst akuten, aber nicht chronischen Schmerz, was die Aussagekraft der Studien zur Analgesie unter Beatmung nicht gerade stärkt. Chronischer Schmerz, obwohl von nicht abzustreitender Relevanz im Intensivbereich, ist ohnehin noch ein Stiefkind der Schmerzforschung. Die Entscheidung, Neugeborenen Analgesie oder Anästhesie vorzuenthalten, sollte auf den gleichen Kriterien basieren wie beim Erwachsenen und sich nicht am Alter oder kortikalen Reifungsgrad des Patienten orientieren [51]. Immer muss eine detaillierte, neutrale und empathische Nutzen-RisikoAbwägung erfolgen. Egal, ob sie Schmerz empfinden oder ihre physiologischen Reaktionen nur als nozizeptiver Reflex verstanden werden: Neugeborenen der Intensivstation sollten die gleichen Rechte auf adäquate Analgesie zugestanden werden wie älteren Kindern und Erwachsenen. Es ist zynisch, Neugeborene hinsichtlich Schmerzbekämpfung schlechter zu stellen als kleine Labortiere; bei denen besteht eine gesetzliche Pflicht zur Schmerzminimierung [65].
17.8
Analgesie auf der pädiatrischen Intensivstation
Im Interesse einer stringenten Argumentation wurde in diesem Kapitel bis jetzt die Schmerzproblematik jenseits der Neugeborenenperiode weitgehend ausgeklammert. Zu Schmerzphysiologie und Schmerzmessung bei älteren Kindern verweisen wir auf 7 Kap. 1 und 4.
302
17
Kapitel 17 · Schmerztherapie auf der (neonatologischen) Intensivstation
Auch Intensivpatienten jenseits des Neugeborenenalters sind einem nicht unerheblichen Stress ausgesetzt, sei es durch Grundkrankheit, Behandlung, Komplikationen, Pflegemaßnahmen oder auch durch die Behandlungssituation an sich. Vertraute Umgebung und Personen werden vermisst, die Zukunft ist unklar, der Patient fühlt sich ausgeliefert und hilflos, es entstehen Ängste. Je älter der Patient, umso mehr kann man auf Verständnis für invasive Maßnahmen hoffen – aber auch Verständnis und Akzeptanz führen nicht zur Schmerzfreiheit. Sie steigern jedoch den Wert psychologischer Maßnahmen zur Schmerzprophylaxe und -therapie (7 Kap. 4). Die pharmakologische Analgesie arbeitet mit Substanzen und (körpergewichtsbezogenen) Dosierungen, die zu denen in der Erwachsenenmedizin weitgehend identisch sind mit einem gegenüber Frühund Neugeborenen erweiterten Therapiespektrum. EMLA® führt in Dosierungen von 0,5–2,0 g zur präinterventionellen Analgesie zu einer signifikanten Schmerzreduktion bei Hautperforationen mittels venöser und arterieller Kanülen, bei Anlage perkutaner Katheter, bei Shuntpunktion bei Dialysepatienten und bei Lumbalpunktionen (7 Kap. 9). Die Regionalanästhesie ist eine gute Wahl insbesondere bei Kurzeingriffen und postoperativem Schmerz (7 Kap. 10, 12). Postoperativ und bei Verbrennungen kommen auch nichtsteroidale Analgetika/Antiphlogistika zum Einsatz (7 Kap. 8 und 12 [15, 74]). Morphin bedeutet auch in der pädiatrischen Intensivmedizin den »Goldstandard« in der Opioidanalgesie, hat allerdings in speziellen Situationen Konkurrenten, die ihm aufgrund ihrer Pharmakokinetik oder -dynamik überlegen sind. Dazu gehören Fentanyl (kurze Wirkdauer; gemeinsam mit Droperidol ideal zur Neuroleptanalgesie [21]) oder Methadon (aufgrund seiner langen Wirkdauer ideal zur Behandlung des Opioidentzugssyndroms). Vereinfachtes Absetzschema nach längerdauernder Morphin- und/oder Midazolam-(= Dormicum®)therapie Um eine Entzugssymptomatik [72] zu vermeiden, muss nach längerdauernder Morphin- oder Midazolamtherapie ausgeschlichen werden. 6
5 Indikation zum Ausschleichen: – Kontinuierliche Morphintherapie (Bolus oder per infusionem) >7 Tage – Kontinuierliche Midazolamtherapie (Bolus oder per infusionem) >7 Tage. 5 Ausschleichschema Morphin: 1) Alle 12 h die Morphindosis schrittweise senken, z. B. bei Dauerinfusion 50–40–30–20 µg/kg KG/h i.v. 2) Sind 20 µg/kg KG/h erreicht, alle 12 h die Morphindosis um 10 % der Ausgangsdosis senken (20–18–16–14–12– 10), bis 10 µg/kg KG/h erreicht sind. 3) Falls Morphingabe per infusionem: Die letzte kumulative Tagesdosis (in µg) aufteilen in 6 Boluseinzeldosen Morphin i.v. 4) Nach weiteren 1–2 Tagen Morphin in eine Äquivalenzdosis Methadon umsetzen (Start mit 0,05 mg/kg KG Methadon alle 6 h p.o.). Falls unter dieser Umstellung eine Entzugssymptomatik auftritt, Methadon um 0,05 mg/ kg KG pro Dosis erhöhen, bis die Symptome verschwunden sind. Vorteil von Methadon: wesentlich längere Halbwertszeit als Morphin, deshalb zunächst in 4, später in 2 Einzeldosen pro Tag aufzuteilen 5) Über 1–2 Wochen Substitution abbauen bis auf Methadon 0,05 mg/kg KG/Tag in 2 Einzeldosen, dann STOPP! 5 Therapie von abbaubedingten Krämpfen: Diazepam 0,1–0,3 mg/kg KG alle 6 h i.v. 5 Therapie von Entzugserscheinungen: Clonidin 3–4 µg/kg KG/Tag verteilt auf 4 Einzeldosen p.o. Alternativ: Phenobarbital 2–4 mg/ kg KG/Tag verteilt auf 2 Einzeldosen p.o. 5 Ausschleichschema Midazolam (= Dormicum®): 1) Für einen Tag Tagesdosis auf 70 % der zuletzt gehabten maximalen Dosierung reduzieren. 2) Am nächsten Tag Tagesdosis auf 40 % der gehabten maximalen Dosierung reduzieren. 6
303 17.8 · Analgesie auf der pädiatrischen Intensivstation
17
. Tabelle 17.4. Analgesie und Sedierung auf der pädiatrischen Intensivstation: Intubationsmedikation (Auswahlsets nach Altersgruppe) Präparat
Handelsname
Dosierung
Bemerkung
Neugeborene Atropin
Atropin®
0,01 mg/kg KG i.v. minimal 0,1 mg i.v. maximal 0,4 mg i.v.
Einmalig
Morphin
MSI®
0,1 mg/kg KG i.v.
Gegebenenfalls nachspritzen
Midazolam
Dormicum®
0,1 mg/kg KG i.v.
Gegebenenfalls nach einigen Minuten nachspritzen
Vecuroniumbromid
Norcuron®
0,1 mg/kg KG i.v.
Oft nicht nötig
Säuglinge und Kinder Atropin
Atropin®
0,01 mg/kg KG i.v. minimal 0,1 mg i.v. maximal 0,4 mg i.v.
Einmalig
Morphin
MSI®
0,1 mg/kg KG i.v.
Midazolam
Dormicum®
0,1 mg/kg KG i.v.
Vecuroniumbromid
Norcuron®
0,1 mg/kg KG i.v.
Großzügige Indikation; Voraussetzung: Sicherheit in der Maskenbeatmung
Alle Altersgruppen (Alternative) Fentanyl Fentanyl®
5 µg/kg KG i.v.
Gegebenenfalls stattdessen Morphin 0,1 mg/kg KG i.v.
Etomidat
Hypnomidate®
0,3 mg/kg KG i.v.
Wirkt innerhalb weniger Sekunden; wirkt nur für wenige Minuten; hat eine Art muskelerschlaffende Wirkung
Vecuroniumbromid
Norcuron®
0,1 mg/kg KG i.v.
Meist nicht nötig
Schnelle Notfallintubation (»rapid sequence intubation«) Etomidat Hypnomidate® 0,3 mg/kg KG i.v.
Succinylcholin
Succinylcholin®
1 mg/kg KG i.v.
Wirkt innerhalb weniger Sekunden; wirkt nur für wenige Minuten Cave: bei genetischer Anlage zu maligner Hyperthermie. Cave: nach großflächigen Brandwunden oder Muskelverletzungen älter als einige Stunden
304
Kapitel 17 · Schmerztherapie auf der (neonatologischen) Intensivstation
. Tabelle 17.5. Analgesie und Sedierung auf der pädiatrischen Intensivstation bei Kurzeingriffen und Beatmung Präparat
Handelsname
Als i.v.-Dauerinfusion
Bemerkung
Beatmete Neugeborene, Säuglinge, Kinder Morphin MSI® 0,1 mg/kg KG i.v.
10–30 (–…) µg/kg KG/h
Gegebenenfalls in einer Spritze mit Midazolam
Midazolam
Dormicum®
0,1 mg/kg KG i.v.
0,03–0,1 mg/kg KG/h
Gegebenenfalls in einer Spritze mit Morphin
Alter >3 Monate Fentanyl
Fentanyl®
3–5 µg/kg KG i.v.
1–4 µg/kg KG/h
Opioid
Ältere Kinder, Reserve Ketamin Ketanest®
1–3 mg/kg KG i.v.
10 (–80–150) µg/kg KG/min
Als Bolus Wirkdauer 5–8 min; Loading dose immer mit Atropin kombinieren; Cave: steigert den Hirndruck; Infusion immer mit Midazolam- (= Dormicum-)infusion kombinieren, sonst erzeugt es psychotische Zustände
Midazolam
0,1 mg/kg KG i.v.
0,03–0,1 mg/kg KG/h
Dormicum®
Bolusdosis
Neugeborene, Säuglinge, Kleinkinder, größere Kinder Chloralhydrat Chloral25–80 mg/kg KG p.o., hydrat® rektal maximale Tagesdosis 200 mg/ kg KG/Tag in 4 ED
17
3) 48 h nach Beginn des Dosisabbaus Midazolam STOPP! 5 Therapie von Abstinenzerscheinungen: Midazolam 0,5 mg/kg KG (p.o. oder rektal). Alternativ (exzellente Wirkung): Clonidin 5 µg/kg KG/Tag verteilt auf 4 Einzeldosen p.o. 5 Monitoring der Entzugserscheinungen: – Finnegan-Score.
Wirkeintritt nach 10–20 min, typische Wirkdauer 30–90 min; gut geeignet für Sedierung zu NMR, CT o.ä.
Die pädiatrische Intensivmedizin betreut eine hohe Anzahl postoperativer (7 Kap. 12) und onkologischer Patienten (7 Kap. 13). Für Letztere mit ihren chronischen Schmerzen bedeutet die PCA (patientenkontrollierte Anästhesie) nicht selten die optimale Therapieform. Typische Indikation zur Analgesie auf der Intensivstation ist neben der Analgesie bei Kurzeingriffen die tracheale Intubation mit anschließender künstlicher Beatmung [57]. Die . Tabellen 17.4 und 17.5 listen kochbuchartig eine Reihe von Analgesieoptionen auf; der Vollständigkeit halber werden passende Sedierungsregime gleich mitgenannt. In der Praxis werden Analgesie und Sedierung häufig kombiniert.
305 Literatur
Wichtige Hinweise zu Analgesie und Sedierung 5 Dosis nach Effekt titrieren; bei Dauertherapie Dosissteigerung nötig. 5 Für Morphin extra Loading-Bolusdosis bei Erhöhung der Infusionsgeschwindigkeit, sonst tritt der Effekt zu langsam ein. 5 Immer versuchen, die Ursache einer Unruhe zu beseitigen: – Tubus geknickt? – Tubusfehllage? – Unzureichende Beatmung? – Blase voll? 5 Manchmal hilft vorübergehende Sedierung durch Bolusgabe, um Zeit zu gewinnen, das Problem zu beseitigen (z. B. Optimieren der Beatmung, Anfertigen eines Röntgenbildes). 5 Bei nur leichter Grundsedierung ist es oft hilfreich, jeweils zum Versorgen einen Bolus von z. B. Fentanyl oder Ketamin oder Chloralhydrat extra zu verabreichen. 5 Bitte nicht verwechseln: Sedierung ist Sedierung und keine Analgesie. Deshalb häufig Kombination von Sedativum mit Analgetikum. Merke: Phenobarbital sediert, verstärkt aber die Schmerzempfindung! 5 Achtung: Eine Morphin- oder Midazolaminfusion über mehr als 7 Tage führt bei plötzlichem Absetzen zu Entzugssymptomen. Deshalb: Ausschleichen über mehrere Tage (Übersicht s. oben).
Auch auf der pädiatrischen Intensivstation verdient jeder Patient den nötigen Respekt und damit ausreichende Analgesie. Erschwert wird diese durch oft anzutreffende hämodynamische und/oder respiratorische Instabilität, was eine sorgfältige und situationsgerechte Medikamentenwahl erzwingt. Andererseits ist gerade die Intensivstation der Ort, wo notgedrungen in Kauf genommenen kardiovaskulären oder respiratorischen Nebenwirkungen gezielt begegnet werden kann (Katecholamine, künstliche Beatmung etc.). Dank des Routinemonitorings kann die Analgesie ausgereizt werden – so nötig, bis an die Grenzen der Dekompensation, etwa zur Durch-
17
führung invasiver Maßnahmen (7 Kap. 11), solange, bis durch den Heilungsprozess die Notwendigkeit dazu nachlässt. An dieser Stelle verschwimmen die Grenzen zwischen Intensivmedizin und Anästhesie.
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Kapitel 17 · Schmerztherapie auf der (neonatologischen) Intensivstation
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18 Schmerz und Schmerztherapie bei behinderten Kindern B. Zernikow*, B. Dietz, U. Hafkemeier und G. Kluger 18.1
Einleitung – 310
18.2
Differenzialdiagnostik und Spezialprobleme – 310
18.2.1 Nicht mitteilungsfähige Kinder mit Mehrfachbehinderung – 310 18.2.2 Kinder mit apallischem Syndrom – 310
18.3
Schmerzmessung – 310
18.3.1 Selbsteinschätzung – 311 18.3.2 Verfahren der Fremdbeobachtung – 312
18.4
Schmerztherapie – 312
18.4.1 Nicht-medikamentöse Verfahren – 312 18.4.2 Medikamentöse Verfahren – 313 18.4.3 Operative Schmerztherapie – 315
18.5
Zusammenfassung – 316 Literatur – 316
* Danksagung: Der Autor wird unterstützt durch die Vodafone Stiftung Deutschland gGmbH, die Peter und Ruth Wirts-Stiftung (Schweiz) und »Eigenes Leben, Hilfen für Kinder mit Schmerzen oder lebensverkürzenden Erkrankungen e.V.«
310
Kapitel 18 · Schmerz und Schmerztherapie bei behinderten Kindern
)) 18.1
Einleitung
Bei Kindern mit Mehrfachbehinderung ist das Erkennen, Bewerten und Quantifizieren von Schmerzen ein mindestens ebenso großes Problem wie die Schmerztherapie. Studien an anderen Patientengruppen belegen: je weniger Schmerzmessung, desto weniger Analgesie! Diese einfache Formel trifft auch auf mehrfachbehinderte Kinder zu. Sie haben zudem mehrere Gründe, gehäuft nozizeptiven Reizen ausgesetzt zu sein: krankheitsbedingt werden bei ihnen oft schmerzhafte chirurgische Interventionen – Kontraktionsoperationen im Bereich der Gelenke, Zahnextraktionen, neurochirurgische Eingriffe – durchgeführt. 60 % der Kinder mit spastischer Parese mit und ohne mentale Retardierung müssen sich bis zum Erreichen des 8. Lebensjahres orthopädischen Operation unterziehen [8]. Zudem führt die Mehrfachbehinderung häufig zu assoziierten Erkrankungen wie Aspirationspneumonie mit Begleitpleuritis und Refluxösophagitis, die ihrerseits Schmerzen verursachen. Mehrfachbehinderte Kinder verfügen nur eingeschränkt über schmerztypische Kommunikationsund Verhaltensvariablen, die bei gesunden Kindern die Schmerztherapie des Arztes leiten können. Die Krankheitsgruppe der Kinder mit psychomentaler und statomotrischer Retardierung ist allerdings sehr heterogen: unter ihnen gibt es auch Kinder mit erhöhter Schmerzschwelle [4, 5]. Eine umfassende Darstellung des Themas findet sich auch in einer Ausgabe der Zeitschrift für »Neuropädiatrie in Klinik und Praxis« [4, 17, 28].
18.2
18
18.2.1
Differenzialdiagnostik und Spezialprobleme Nicht mitteilungsfähige Kinder mit Mehrfachbehinderung
Die Ursachen von Schmerzen bei Kindern mit Mehrfachbehinderungen sind vielfältig. Es sollte immer nach den in . Tabelle 18.1 aufgelisteten kausal zu therapierenden Ursachen von Schmerzen gefahndet
werden. Aus eigener Erfahrung sind chronische Refluxkrankheit und Nierenstein die häufigsten unter den nicht-offensichtlichen Schmerzursachen. 18.2.2
Kinder mit apallischem Syndrom
Nach der aktuellen IASP-Schmerzdefinition («an unpleasant sensory and emotional experience associated with actual or potential tissue damage, or described in terms of such damage. Note: The inability to communicate in no way negates the possibility that an individual is experiencing pain and is in need of appropriate pain relieving treatment«) sind Schmerzen an die Möglichkeit des emotionalen Erlebens geknüpft. Kindern mit apallischem Syndrom wird Bewusstsein ja gerade abgesprochen («vegetative state is a state with no evidence of awareness of self or environment and showing cycles of sleep and wakefulness (...)« [7]. Somit würde die Grundlage nicht der Nozizeption, wohl aber von Schmerzen fehlen. Dennoch meinen 1/3 der für erwachsene Patienten mit apallischem Syndrom verantwortlichen Neurologen, dass ihre Patienten Schmerzen empfinden [23]. Diese Meinung wird auch von 20 % ihrer pädiatrischen Kollegen und den Autoren dieses Kapitels geteilt [2]. Bei einem kindlichen Verhaltensmuster, welches auf Schmerzen hinweist, oder beim Vorliegen anerkannter Schmerzursachen (z. B. Operationen) ist auch bei Kindern mit einem apallischem Syndrom eine Schmerztherapie aus 2 Gründen dringend zu empfehlen: einerseits wird sich die Frage der bewussten Schmerzwahrnehmung im Einzelfall aus methodischen Gründen nie lösen lassen, und andererseits sind starke nozizeptive Reize auch ohne bewusste Schmerzwahrnehmung schädlich, da sie zu Immunsuppression und einer katabolen Stoffwechsellage führen können.
18.3
Schmerzmessung
Es existieren keine allgemein anerkannten Schmerzmessskalen für Kinder mit Mehrfachbehinderung. Bei ihnen sollte auf individuelle Schmerzindikatoren zurückgegriffen werden, die meist sehr genau von Eltern und Betreuern zu erheben sind. Bei Kindern mit leichterer psychomentaler Retardierung
311 18.3 · Schmerzmessung
18
. Tabelle 18.1. Häufige Ursachen von Schmerzen bei Kindern mit Mehrfachbehinderung (sortiert nach Häufigkeit) Schmerzart
Ursache
Klinische Hinweise, Diagnostik
5 Abdominelle Schmerzen
5 Gastroösophagealer Reflux
5 5 5 5 5 5 5 5
5 Obstipation
5 Schmerzen der ableitenden Harnwegen
5 Zystitis bei Reflux und wiederholter Katheterisierung 5 Nephrolithiasis bei Fehlernährung
5 Schmerzen durch medizinische Eingriffe
5 Anlegen von Verweilkanülen 5 Postoperative Schmerzen
5 Muskel- und Gelenkschmerzen
5 Muskelschmerz durch Spastik 5 Gelenkschmerzen durch Kontrakturen 5 Rückenschmerz bei Skoliose und Blockaden 5 Hüftgelenkluxation
5 Pathologische Frakturen bei Osteoporose und schwierigem Handling 5 Zahnschmerzen
5 Komplizierte Pflege 5 Keine regelmäßige Prophylaxe 5 Kommunikationsprobleme bei beginnenden Zahnschmerzen
können u. U. auch Selbstmitteilungsskalen genutzt werden. 18.3.1
Selbsteinschätzung
Ratingskalen Ab welchem Alter in Abhängigkeit des vorliegenden Entwicklungsstandes bei geistig retardierten Kindern eine numerische Ratingskala valide einsetzbar ist, haben Fanurik et al. untersucht [9]. Eltern wurden gebeten, den mentalen Entwicklungsstand ihrer Kinder einzuschätzen. Dieser wurde dann zu dem
Dystone Bewegungen Nächtliches Erwachen Nüchternschmerz Anämie Gewichtsverlust Harter Stuhl Rektale Untersuchung Röntgen
5 Pathologischer Urinbefund 5 Schmerzen in Attacken 5 Pathologischer Urinbefund 5 Ultraschall und Röntgen
5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5
Lageabhängigkeit Orthopädische Untersuchung Lageabhängigkeit Orthopädische Untersuchung Druckstellen Orthopädische Untersuchung Röntgen Schmerzen bei Bewegung Nächtliche Schmerzen, die durch Umlagern besser werden Röntgen Fehlhaltung Schwellung
5 Kariöses Gebiß
chronologischen Alter in Beziehung gesetzt, um ein mentales Alter in Prozent des chronologischen Alters zu erhalten. Anschließend wurden die Kinder aufgefordert, Holzblöcke verschiedener Größe, Nummer und Gesichter mit lachendem/weinendem Gesichtsausdruck zu sortieren. Die bestandenen Testlevel in Abhängigkeit vom Grad der Retardierung zeigt . Tabelle 18.2. Die Möglichkeit zur Selbsteinschätzung wurde in über 50 % der Fälle von den behandelnden Ärzten und Schwestern überschätzt. In . Abb. 18.1 ist die Schmerzselbsteinschätzung eines 13-jähriger Patienten mit Trisomie 21 und mäßiggradiger Entwicklungsretardierung gra-
312
Kapitel 18 · Schmerz und Schmerztherapie bei behinderten Kindern
phisch aufgezeigt. Bei starken chemotherapieassoziierten Schmerzen unter Opioidtherapie wählte er fast ausschließlich die Extremata einer Smiley-Skala (1 oder 6). Die Diskrepanz zwischen Verhalten und Selbsteinschätzung war auch für die betreuenden Kinderkrankenschwestern offensichtlich (7 handschriftliche Kommentare). 18.3.2
Verfahren der Fremdbeobachtung
nisse erfolgte nicht. McGrath et al. interviewten Eltern von 20 mehrfach behinderten Patienten im Alter von 6–29 Jahren. Sie fragten nach individuellen Schmerzindikatoren und stellten eine Liste mit 31 Parametern aus 7 Kategorien zusammen ([20, 21]; . Tabelle 18.2). Diese Schmerzindikatoren besitzen natürlich aufgrund der verwendeten Informationsquelle eine hohe Inhaltsvalidität und können individuell für jedes betroffene Kind zusammengestellt werden (. Abb. 18.3).
Schmerztherapie
Tagebücher
18.4
Tägliche Schmerz- und Befindlichkeitsaufzeichnungen können genutzt werden, um Schmerzspitzen mit Tageszeiten oder speziellen Aktivitäten (z. B. Essensaufnahme) zu korrelieren und so die Ursachen von Schmerzen zu ermitteln oder die Schmerztherapie zu steuern.
Die Schmerztherapie unterscheidet sich postoperativ, bei Tumorschmerzen, schmerzhaften Eingriffen etc. im Wesentlichen nicht von der nicht-behinderter Kinder, so dass hier nur auf Besonderheiten eingegangen wird.
Skalen
18.4.1
Es existieren keine validierten Skalen, die für jedes Kind mit Mehrfachbehinderung genutzt werden könnten. Individuell zu validierende Skalen können jedoch erstellt werden. Giusiano et al. [11] untersuchten 100 mehrfach behinderte Patienten ohne aktive Sprache im Alter von 8–33 Jahren. Mit Hilfe der Betreuer stellten sie 22 schmerztypische Verhaltensmuster zusammen. Durch multivariate Analysen wurde die Gesamtheit der Schmerzindikatoren auf eine Gruppe von 5 Hauptindikatoren für Patienten mit leichter, mittelschwerer bzw. schwerer Behinderung reduziert. Eine Validierung der Ergeb-
Kinder mit Mehrfachbehinderungen profitieren von ergänzenden nicht-medikamentösen Verfahren zur Schmerzlinderung wie dem Angebot akustischer, optischer und sensorischer Reize. Die Stärke sensorische Reize muss dem »Aufnahmelevel« des Kindes angepasst werden. Sind einige Kinder sehr reizoffen, so benötigen andere extrem starke Reize, bis sie eine beobachtbare Reaktion zeigen. Letztere lassen häufig auch Injektionen über sich ergehen, ohne eine sichtbare Reaktion zu zeigen.
Nicht-medikamentöse Verfahren
. Tabelle 18.2. Untersuchungen zum Verständnis einer numerischen Ratingskala bei 47 entwicklungsretardierten Kinder mit einem chronologischen Alter von über 8 Jahren. (Mod. nach [9])
18
Grad der Retardierung
MA 100/CA (%)
n
Erfolgreich bestandenes Testlevel NRS Nummern Blocks
Mild bis grenzwertig
55–85
26
10
6
8
Moderat
40–54
14
0
0
8
Schwer bis sehr schwer
<25–39
7
0
0
1
MA tatsächlicher Entwicklungsstand in Jahren, wie von den Eltern geschätzt. CA chronologisches Alter; NRS numerische Ratingskala. Alle nicht-retardierten Kinder mit einem chronologischen Alter von >8 Jahren verstanden die numerische Ratingskala, und alle nicht-retardierten Kinder >6 Jahre konnten Blocks ordnen
313 18.4 · Schmerztherapie
18
. Abb. 18.1. Schmerztherapiedokumentation eines Patienten mit Trisomie 21. Einzelheiten s. Text. (Copyright B. Zernikow, Vestische Kinder- und Jugendklinik, Datteln 2002)
18.4.2
Medikamentöse Verfahren
Bei großen orthopädischen Eingriffen hat sich die kontinuierliche peri-/epidurale Analgesie bewährt [22], die in 7 Kap. 10 und 12 näher beschrieben wird. Wird nach Wirbelsäulenoperationen ausschließlich eine intravenöse Analgesie mit starken Opioiden durchgeführt, ist die Schmerztherapie bei mental retardierten Kindern signifikant schlechter als bei solchen ohne mentale Retardierung [19]: bei mental retardierten Kindern wurden Schmerzen signifikant seltener gemessen bzw. dokumentiert, ihnen wurde seltener eine schwesternkontrollierte Analgesie verschrieben (die dann auch noch früher beendet wurde), und sie erhielten eine geringere Morphintagesdosis. Darüber hinaus wurde schwer retardierten Kindern weniger Morphin verabreicht als leicht retardierten [19].
Intrathekale Baclofentherapie (ITB) Die intrathekale Baclofentherapie [17] gewinnt an Bedeutung, wenn eine extrem starke Spastik zu Schmerzzuständen führt und alternative Therapiemodalitäten keinen ausreichenden Erfolg gezeigt haben.
Baclofen Baclofen ist ein Agonist des inhibitorischen Neurotransmitters GABA. Die antispastische Wirkung
von Baclofen beruht vermutlich auf einer Stimulation von GABA-B-Rezeptoren im Rückenmark. Der antidystone Effekt wird am ehesten zentral über GABA-A-Rezeptoren vermittelt. Ein Opioidrezeptor-unabhängiger analgetischer Effekt wird diskutiert. Baclofen ist schlecht liquorgängig. Bei oraler Gabe treten gewöhnlich dosislimitierende Nebenwirkungen vor Erreichen einer ausreichenden Wirkung auf. Daher wird Baclofen direkt intrathekal appliziert. Die Eliminationshalbwertzeit beträgt nach oraler Gabe 2–9 h, nach intrathekaler Applikation 3–5 h. Intrathekal werden Dosen zwischen 35 und 2000 µg/Tag eingesetzt.
Indikationen Über die erfolgreiche Behandlung einer Spastik mit intrathekalem Baclofen mittels eines implantierbaren Pumpensystems wurde 1984 zuerst berichtet [24]. In der Literatur mangelt es an kontrollierten Studien im Kindesalter. Schmerztherapeutisch relevante Indikationen für eine ITB im Kindesalter sind neben Schmerzen durch Muskeltonuserhöhung oder Immobilität auch die Schmerzprävention durch eine Verbesserung des Handlings bei Extremformen von Spastik, Dystonie oder Rigor. Therapieziele sind die vegetative Stabilisierung, Reduktion von Muskeltonus und einschießenden Spasmen/einschießender Dystonie so-
314
Kapitel 18 · Schmerz und Schmerztherapie bei behinderten Kindern
. Tabelle 18.3. Schmerzindikatoren nach McGrath [21] in der Reihenfolge ihrer Häufigkeit Gliederungspunkte
Schmerzindikator
Lautäußerungen
5 Lautes Schreien 5 Seufzen, Stöhnen, Jammern, Wimmern – eher leise
Essen/Schlafen
5 Isst weniger, ist am Essen nicht interessiert
Körper und Extremitäten
5 Berührungsempfindlich 5 Steif, spastisch, verkrampft 5 Macht spezielle Körperbewegungen, um auf Schmerzen aufmerksam zu machen (Schaukeln, Kopf nach hinten Werfen)
Aktivitätslevel
5 Keine oder wenig Spontanbewegung, ruhig, wenig Aktivität
Mimik
5 Veränderungen an den Augen: Augen fest geschlossen, Augen weit geöffnet, finsterer Blick
Sozialverhalten
5 Nicht kooperativ, griesgrämig, schlecht gelaunt, gereizt
. Abb. 18.3. Individualisiertes Schmerzmessinstrument. HF Herzfrequenz/min; AF Atemfrequenz/min; Temp Körpertemperatur in °C. (Copyright B. Zernikow, Vestische Kinder- und Jugendklinik, Datteln 2002)
wie eine direkte und indirekte Schmerzreduktion.
18
Praktisches Vorgehen Nach einer erfolgreichen Testphase, in der Baclofen durch Lumbalpunktionen oder einen Spinalkatheter intrathekal appliziert wird, kommen für die Langzeittherapie verschiedene Pumpensysteme zum Einsatz, die unter die Bauchhaut implantiert werden (Einzelheiten s. [17]). Eine Dosisanpassung geschieht bei elektronischen Pumpen durch externe
Programmierung, Gasdruckpumpen müssen hierfür neu befüllt werden. Eine reguläre Neufüllung der Pumpe außerhalb von Dosisanpassungen ist je nach Dosis und Pumpentyp alle 3–6 Wochen notwendig. Bei den neueren, elektronisch gesteuerten Pumpensystemen ist ein Batteriewechsel alle 7–8 Jahre notwendig.
Erfolgskontrollen Bisher existieren keine standardisierten Skalen zur Schmerzquantifizierung während einer intratheka-
315 18.4 · Schmerztherapie
len Baclofentherapie. Erfolgsparameter sind Reduktion von Unruhezuständen und Schreiphasen sowie eine Dosisreduktion von Sedativa und Analgetika oder ein ruhigerer Nachtschlaf. Werden diese Kriterien zugrunde gelegt, zeigt die intrathekale Baclofentherapie bei strenger Indikationsstellung nur in 5 % der Fälle keinen Erfolg [17].
Nebenwirkungen Bei bis zu 10 % der Kinder treten gehäuft zerebrale Anfälle, Bradykardien und eine Somnolenz auf. In <5 % der Behandlungen kommt es zu Harnverhalt, Atemregulationsstörungen, Blutdruckabfall in der Testphase und Darmatonie. Durch viel Erfahrung konnte die Rate an notwendigen Pumpenexplantationen wegen Infektionen, Fistelbildung oder technischer Probleme von 28 % (1986–1996) auf 2 % (1997–2001) gesenkt werden [17]
Botulinum-Toxin [28] Botulinum-Toxin A wird seit vielen Jahren in der Behandlung fokaler Dystonien und spastischer Bewegungsstörungen in Form intramuskulärer Injektionen eingesetzt. Andere Einsatzgebiete sind u. a. die Hyperhidrose, die Analfissur und neuerdings auch Kopfschmerzsyndrome [12]. Die Wirkung von Botulinum-Toxin beruht auf einer Hemmung der muskulären Hyperaktivität durch eine reversible Blockade der Acetylcholinausschüttung an der neuromuskulären Endplatte [1, 13]. Klinische Erfahrungen haben schon früh auf einen komplexeren Wirkungsmechanismus hingewiesen [6]. Über die lokale Wirkung am Muskel hinaus wird Botulinum-Toxin retrograd über das 2. motorische Neuron in das ZNS aufgenommen und führt zu einer veränderten Freisetzung von Neuropeptiden wie Enkephalin und Substanz P, die in der Schmerzentstehung von Bedeutung sind [1, 15, 26]. Eine analgetische Wirkung ist über beide Wirkmechanismen denkbar, da auch die lokale Wirkung über eine Tonusregulierung zu einer Verminderung von myofaszialen Schmerzen führt [25]. Regelmäßig wird bei Kindern mit Zerebralparese von postoperativen Schmerzen, bedingt durch eine verstärkte Muskelspastik, berichtet [18, 10]. Bei Kindern mit spastischer Zerebralparese kann die präoperative lokale Gabe von Botulinum-Toxin A zu einer signifikanten Verringerung postoperativer spastikassoziierter Schmerzen führen [27, 16].
18
Die Anwendung von Botulinum-Toxin A scheint aus eigenen Erfahrungen auch bei Kindern mit einer schweren Spastik gerechtfertigt zu sein, die unter Ruhe- und/oder Bewegungsschmerzen leiden. Im Bereich der unteren Extremitäten treten erfahrungsgemäß Schmerzen gehäuft bei der Pflege der Genitalregion oder in der sitzenden Position auf. Lokale Injektionen in die »spastische Leitmuskulatur« wie die Adduktorengruppe oder die ischiokrurale Muskulatur können zu einer Reduktion der Bewegungsschmerzen führen. Kinder mit schmerzhafter, extremer opisthotoner Haltung weisen eine vermehrte muskuläre Aktivität verbunden mit einem ausgeprägten Hartspann der longitudinalen Rückenmuskulatur auf. Bei Kindern mit armbetonter spastischer Hemiparese führt nicht selten die Hyperaktivität der Mm. flexores antibracchii, des M. brachioradialis und des M. biceps bracchii zu begleitenden Schmerzen. Gezielte Injektionen von Botulinum-Toxin A in die einzelnen Muskelgruppen unter Berücksichtigung der allgemeinen Dosisempfehlungen bei der Therapie der Spastik können helfen, den Chronifizierungszirkel aus muskulärer Hyperaktivität, spastikassoziertem Schmerz und Fehlhaltung zu durchbrechen [16]. Die Injektionen eignen sich für eine passagere Therapie. Langfristig sollte immer eine Kombination aus operativ-rehabilitativen Maßnahmen und einer medikamentösen Therapie in Betracht gezogen werden. 18.4.3
Operative Schmerztherapie
Schmerzreduzierende, funktionsverbessernde Operationen Eine fehlende oder fehlerhafte muskuläre Funktion zieht in der Regel Schmerz nach sich. So stellen funktionsverbessernde oder -erhaltende Operationen eine Schmerzprävention dar [14]. Schmerztherapeutische Indikationen für einen orthopädischen Eingriff bei Kindern mit Mehrfachbehinderung können sein: Schmerzreduktion E Streckdefizite, Schmerzen bei Mobilisation, Schmerzprävention und Funktionsverbesserung E Optimierung der Steh- und Gehfähigkeit, E Verbesserung des Handlings und der physiotherapeutischen Beübbarkeit.
316
Kapitel 18 · Schmerz und Schmerztherapie bei behinderten Kindern
Eingriffe an Sehnen Sind konservative Maßnahmen nicht mehr erfolgreich, so können durch Sehnenverlängerungen, -versetzungen und -durchtrennungen die spastischen »Hebel« an den Gelenken verändert bzw. in ihrer Intensität geschwächt werden. Vor einer »großzügigen« Verlängerung muss gewarnt werden. Diese führt zwar zu deutlichen Entspannungen, aber nicht selten auch zu erheblichem Funktionsverlust, wie E Instabilität in den Hüftgelenken bei zu intensiver Adduktorentenotomie, E Rekurvation der Kniegelenke infolge ausgedehnter Verlängerung der ischiokruralen Muskulatur und/oder der Tenotomie auch der lateralen Beuger, E zeitlebens orthetisch versorgungspflichtigem Hackenfuß durch überdosierte Achillessehnenverlängerung.
Knöcherne Eingriffe Umstellungsosteotomien beabsichtigen in erster Linie eine Statikverbesserung und sind hinsichtlich einer dauerhaften Schädigung z. B. des Hüftgelenkes bei Dysplasie als Schmerzprohylaxe zu bewerten. Drohende Luxationen werden durch Osteotomien und durch pfannenverbessernde Eingriffe knöchern stabilisiert. Als Palliativtherapie bei hochluxierten schmerzhaften Hüftgelenken ist nach Ausschöpfung aller notwendigen konservativen Maßnahmen die intertrochantäre Hüftkopfresektion die Ultima ratio. Diese führt in der Regel zu einer Beseitigung des mechanischen Hindernisses, zu einer Freigabe der Beweglichkeit, zu einer Verbesserung des Handlings und zu einer deutlichen Schmerzreduktion. Nach operativer Korrektur einer Skoliose kommt es nicht selten zu einer kompensatorischen, spastischen und schmerzhaften Hüftgelenkbeugung.
18.5
18
Zusammenfassung
Schmerzen bei Kindern mit Mehrfachbehinderung sind eine große Herausforderung hinsichtlich ihrer Einschätzung, Differenzialdiagnose, Therapie und Therapiesteuerung. In der Therapie werden konservative pharmakologische und physiotherapeutische Ansätze ergänzt durch den Einsatz moderner Medikamente (Botulinum-Toxin), hochtechnisierter Medikamentenapplikationsformen (intrathekale
Baclofentherapie) und orthopädischer Operationen. Die Therapiesteuerung geschieht anhand spezieller Schmerzparametern und individualisierter Schmerzskalen.
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18
19 Schmerztherapie in der Zahnheilkunde P. Jöhren, O. Tarsaev und J. Dieckmann 19.1
Einleitung – 320
19.2
Schmerztherapie während des Zahndurchbruchs – 320
19.3
Schmerztherapie bei Zahnschmerzen – 320
19.3.1 Sonderfall: Mehrfachbehinderte Kinder – 321
19.4
Schmerztherapie bei Erkrankungen der Mundschleimhaut – 321
19.4.1 Entzündungen des Zahnbetts (marginale Parodontopathien) – 321 19.4.2 Entzündungen im Bereich der nicht keratinisierten Mundschleimhaut – 322 19.4.3 Schmerztherapie bei traumatischen Ereignissen – 323
19.5
Fazit – 325 Literatur – 325
320
Kapitel 19 · Schmerztherapie in der Zahnheilkunde
)) 19.1
Einleitung
Traumatische Erfahrung mit Zahnschmerzen ist ein Hauptgrund für die Entstehung von Ängsten vor einer Zahnbehandlung. Trotz des technologischen und pharmazeutischen Fortschrittes auf dem Gebiet der Schmerzreduktion werden zahnärztliche Therapien häufig noch immer von Anspannung und Schmerz begleitet [6]. Physiologisch betrachtet ist die Mundhöhle ein sehr differenziertes Organ, das nicht nur die Nahrung zerkleinert, sondern diese auch aus der Umwelt aussuchen kann und als schmackhaft identifiziert. Ihre außerordentlich hohe Innervationsdichte mit Sinnesrezeptoren macht die Mundschleimhaut für alle chemischen und physikalischen Reize hochempfindlich. Zähne sind ausschließlich durch Schmerzfasern innerviert; schon kleinste chemische, physikalische oder mechanische Reize führen zu einer Schmerzperzeption. Die Bedeutung der »Oralität« als Empfindung wird unterstrichen durch die neurophysiologisch überdimensional große Projektion der Mundhöhle auf die sensorischen Areale der Hirnrinde. Vor diesem Hintergrund wird klar, wie wichtig v.a. im Kindesalter eine adäquate, schmerzfreie Behandlung ist, um zu verhindern, dass durch traumatische Zahnbehandlungen eine Angsterkrankung mit Vermeidung des regelmäßigen Zahnarztbesuches entsteht (»Zahnbehandlungsphobie«).
19.2
19
Schmerztherapie während des Zahndurchbruchs
Der Durchbruch der Milchzähne zwischen des 6. und 30. Monats kann für den Säugling mitunter zu erheblichen Schmerzen führen. In der Regel brechen die Milchzähne im Unterkiefer etwas früher durch als im Oberkiefer. Trotz der Schmerzen, die der Säugling während der Eruption empfindet, ist bei normalem Verlauf keine unterstützende Schmerztherapie erforderlich. In seltenen Fällen jedoch kann es in der präeruptiven Phase zu kugeligen, erbs- bis kirschgroßen Auftreibungen der Gingiva kommen, durch die sogenannte Durchbruchszysten bläulich hindurch-
schimmern können. Die Zysten entsprechen einer Auftreibung des Zahnsäckchens. Diese Befunde sind nur temporär und verschwinden mit dem Durchbruch der in den Zysten liegenden Zähne und bedürfen daher nur sehr selten chirurgischer Intervention. Sobald die ersten Zähne durchgebrochen sind, also mit Ende des 1. Lebensjahres, müssen die Eltern die Reinigung der Zähne mit Q-Tips oder einem sauberen Leinenläppchen vornehmen, um Infektionen der Gingiva vorzubeugen. Bei druckschmerzhafter Infektion nach teilweisem Durchbruch der Zahnkronen, der so genannten Dentitio difficilis, kann der perikoronare Schleimhautbereich mit 10%iger Bepanthenlösung touchiert werden. Auch das Auftragen von lokal antiphlogistisch wirksamen Salben wie Dynexan-Haftsalbe oder Dontisolon führt häufig zu deutlicher Besserung der lokalen Symptome. Nur in seltenen Fällen ist unterstützend die Gabe von peripher wirksamen Analgetika in Form von Suppositorien indiziert.
19.3
Schmerztherapie bei Zahnschmerzen
Nach dem aktuellen Wissensstand ist die Zahnkaries eine bakterielle Infektionskrankheit, die auf die Verstoffwechselung von alimentär zugeführten Kohlenhydraten durch in der Plaque organisierte Mikroorganismen zurückzuführen ist [12]. Nach Keyes besteht in der gesunden Schmelzoberfläche durch die von außen einwirkenden Prozesse ein physikochemisches Gleichgewicht zwischen De- und Remineralisation [8]. Dies ist bei der Kariesentstehung zugunsten der Demineralisation gestört. Die beim Katabolismus der Nahrungskohlenhydrate entstehenden Säuren führen zur Destruktion der Schmelzoberfläche. Der aus der Freilegung von Dentin resultierende Zahnschmerz wird als sehr starker, eher »heller« (epikritischer) Schmerz angegeben, der durch die Reizung von freien Nervenendigungen der Aδ- und C-Fasern des Trigeminusnervs entsteht. Diese Fasern füllen gemeinsam mit der vasalen Versorgung den Hohlraum des Zahnes und bilden die Zahnpulpa. Adäquate Stimuli stellen chemische, thermische und mechanische Reize dar. Die Transmission der Reize durch das Dentin wird durch Flüssigkeitsbe-
321 19.4 · Schmerztherapie bei Erkrankungen der Mundschleimhaut
wegungen in den Dentintubuli verursacht, die an der Grenze zwischen der Zahnpulpa und dem Dentin zu einer Abscherung der Nervenendigungen führen, die in den so genannten Dentintubuli bis in das Dentin hineinreichen (hydrodynamische Hypothese der Dentinsensibilität). Infolge einer nicht therapierten Karies kommt es letztlich zu einer entzündlichen Reaktion der Pulpa (Pulpitis), die mit starken Schmerzen einhergehen kann. Wenn in der Phase der Pulpitis keine Therapie erfolgt, ist nach einer meist schmerzfreien enossalen Phase und Chronifizierung eine akute Exazerbation mit Durchbruch der Entzündung in die umgebenden Weichgewebe, begleitet von massiven Schwellungen, möglich. Stellt sich der Durchbruch des entzündlichen Geschehens chronisch dar, imponieren im Bereich der Zahnwurzeln häufig kleine Fisteln, über die sich auf Druck Pus exprimieren lässt. Eine akute Exazerbation ist dennoch jederzeit möglich. In der Regel muss hier symptomatisch eine Inzision nach dem Prinzip »ubi pus, ibi evacua« durchgeführt werden. Kausal muss der ursächliche Zahn trepaniert werden, um auch über die Öffnung des Pulpenkavums zur Mundhöhle eine Entlastung der Entzündung zu erreichen. Eine Antibiose ohne Inzision ist nicht indiziert, da es sonst zur Abkapselung der Entzündung kommt. Ebenso wenig ist die Gabe eines Antibiotikums bei akuten Zahnschmerzen angezeigt. Die Therapie der Wahl besteht in der Abtragung des zerstörten Zahnhartgewebes und der Abdeckung des zur Mundhöhle exponierten gesunden Dentins durch Füllungsmaterial. Ist die Pulpa bereits lädiert, muss in der Regel eine teilweise oder vollständige Entfernung des infizierten Pulpengewebes erfolgen. Die antimikrobielle systemische Therapie hat nur dann ihre Berechtigung, wenn die Gefahr einer Ausdehnung in die verschiedenen Logen des KopfHals-Bereiches besteht oder wenn nach Inzision und bei massiver Schwellung kein Pus abfließt. Muss ein Zahn extrahiert werden, weil der Zahn selbst oder der umgebende Knochen mit dem Zahnhalteapparat zu stark zerstört ist, stellt die vorherige Chronifizierung eine Conditio sine qua non dar. Im akut entzündlichen Zustand wird durch die vermehrte Wasserstoffionenkonzentration der pHWert abgesenkt. Unter diesen sauren Verhältnissen liegt ein Lokalanästhetikum in ionisierter Form vor (bei normalem pH-Wert dissoziiert) und kann
19
nicht durch den lipophilen Anteil der Nervenmembran zu den Natriumkanälen penetrieren, auf deren Blockierung seine analgetische Potenz beruht. Eine suffiziente lokale Schmerzausschaltung ist daher bei akut entzündlichen Prozessen nur selten zu gewährleisten. 19.3.1
Sonderfall: Mehrfachbehinderte Kinder
Es ist anzunehmen, dass mehrfachbehinderte Kinder häufiger an Zahnschmerzen leiden als ihre gesunden Altersgenossen: E Eine Spastik der Mundmuskulatur führt zu Fehlstellungen von Zähnen und Kiefer, die die Zahnhygiene – die ja in der Regel durch Pflegende und nicht durch das Kind selbst durchgeführt wird – verkomplizieren. E Das Problem wird aggraviert durch die die Mundschleimhaut verändernden Antikonvulsiva. E Mehrfachbehinderte, sprachunfähige Kinder können nicht auf ihre Zähne als Schmerzursache hinweisen. Sie reagieren mit für sie schmerztypischen Verhaltensweisen, die vom Betreuer erst interpretiert werden müssen, was oft eine verzögerte Therapie nach sich zieht. Je nach Behinderungsgrad und Einsichtsfähigkeit des Kindes muss eine zahnärztliche Behandlung im Wachzustand des Kindes – dies ist bei 40 % der behinderten Kinder möglich –, unter Sedierung oder in Intubationsnarkose durchgeführt werden. Die Universität Witten/Herdecke hat mit Schaffung des Bereiches »Zahnheilkunde für Behinderte« der eben beschiebenen Problematik Rechnung getragen [3].
19.4
19.4.1
Schmerztherapie bei Erkrankungen der Mundschleimhaut Entzündungen des Zahnbetts (marginale Parodontopathien)
Mit dem populärwissenschaftlich verwendeten Begriff »Parodontose« wird im Allgemeinen ein möglicher Zahnverlust durch Erkrankungen des
322
19
Kapitel 19 · Schmerztherapie in der Zahnheilkunde
Zahnbetts verstanden. In der Fachsprache heißen diese Erkrankungen, die über eine Erkrankung des Zahnhalteapparates zum Zahnverlust führen können, marginale Parodontopathien. Zu ihnen zählen die entzündlichen Veränderungen der die Zähne begrenzenden keratinisierten Schleimhaut, der Gingiva (Gingivitis). Ist auch der Knochen des Zahnhalteapparates mitbetroffen, spricht man von einer Parodontitis. Die Gingivitis als Vorstufe der Parodontitis ist definiert als eine isolierte Entzündung der Gingiva. Sie ist immer assoziiert mit einer Belagbildung auf den Zähnen (Plaque). Durch unzureichende Mundhygiene verschiebt sich das Gleichgewicht zwischen Wirt und fakultativ pathogenen Keimen zu Gunsten der mikrobiellen Belastung. Schon im frühen Kindesalter können so Entzündungen der Gingiva entstehen. Schützmanski stellte 1950 in einer Untersuchung an 1000 Schulanfängern fest, dass bereits 63,4 % der Schulanfänger Karies hatten, 24,1 % oberflächliche Zahnbettveränderungen, davon 0,3 % in ulzerierender Form [10]. Nach Massler sind bereits 35 % der 6-Jährigen an Parodontopathien erkrankt, 61 % der 11-Jährigen und 60,3 % der 17- bis 21-Jährigen [9]. Allerdings bilden Kinder bei ungehinderter Plaqueakkumulation geringere Gingivitiszeichen aus als Erwachsene. Offensichtlich ist präpubertär die Gefäßreaktion bei gleicher Zellantwort geringer ausgeprägt. In einer aktuellen Studie des Instituts der deutschen Zahnärzte konnten trotz zunehmender Prophylaxeinhalte der zahnärztlichen Therapie in den zurückliegenden Jahren immer noch bei rund 2/3 der Kinder geringgradige bis mittelgradige Anzeichen einer Gingivitis gefunden werden. 1 % wies sogar Zeichen einer starken Gingivitis auf [5]. Auch wenn die entzündlichen Veränderungen des Zahnhalteapparates immer mit Plaquebildung einhergehen, so ist dennoch die Reaktion des Wirtes sehr unterschiedlich, da die Ursachen der Parodontopathien multikausal sind und ihr Verlauf somit nicht mit der Belagmenge korreliert, sondern durch die Virulenz der Erreger und durch die Wirtsfaktoren bestimmt wird. So ist die Klinik dieser Erkrankung von dispositionellen, physischen, psychischen, von exogenen und endogenen Noxen gesteuert. Es sind beispielsweise eine Reihe von Medikamenten bekannt, die zu
einer Vermehrung der Gingiva (Gingivahyperplasie) führen und damit die Zahnfleischtaschen vergrößern (Kalziumantagonisten, Immunsuppressiva, Phenytoin und Hydantoin). Daraus resultiert eine schlechtere Zugänglichkeit des Zahnhalteapparates für die Mundhygiene mit einer plaqueassoziierten Entzündungsreaktion. Auch eine herabgesetzte Wirtsreaktion bei systemischen Erkrankungen (Diabetes, Neutropenie, Agranulozytose und Trisomie 21) kann den Verlauf dieser Erkrankung begünstigen. Die ersten Anzeichen einer Gingivitis treten bereits 2–4 Tage nach der bakteriellen Plaqueadhäsion auf. Die Gingivitis ist gekennzeichnet durch eine entzündliche Gefäßreaktion in der natürlichen Zahnfleischtasche, die zuerst lediglich mit einem Verlust der apfelsinenhautähnlichen Tüpfelung der Gingiva einhergeht. Die sich anschließende Rötung der Gingiva kann mit einer massiven Schwellung des Zahnfleischsaumes assoziiert sein, die als Zeichen der Entzündung schon auf Berührung blutet. Als Therapie der Gingivitis steht die Beseitigung lokal irritierender Faktoren (überstehende Füllungsränder) und eine gründliche Zahnreinigung mit Plaque- und Konkremententfernung im Vordergrund. Dadurch kommt es zum vollständigen Ausheilen der Gingivitis. Lokal können zusätzlich desinfizierende Mundspüllösungen wie Chlorhexidin-diglukonat 1 % oder Kamillosan rezeptiert werden. Durch den Zahnarzt kann eine lokale Desinfektion mit 3%igem Wasserstoffperoxid vorgenommen werden. Im Kindesalter ist die Antibiotikagabe nur selten erforderlich. Um den Schmerz zu lindern, sollten unterstützend nichtsteroidale Antirheumatika eingesetzt werden. 19.4.2
Entzündungen im Bereich der nicht keratinisierten Mundschleimhaut
Es kann nicht der Anspruch dieses Übersichtsbeitrags sein, alle Mundschleimhauterkrankungen im Kindesalter und ihre Therapieformen zu besprechen. Hier sei auf umfassende Standardwerke wie z. B. den (in der Quintessenz-Bibliothek erschienenen) Farbatlas und Lehrbuch der Mundschleimhauterkrankungen von Manfred Straßburg und Gerhard Nolle verwiesen [11].
323 19.4 · Schmerztherapie bei Erkrankungen der Mundschleimhaut
19
Dennoch sollen 2 schmerzhafte Mundschleimhauterkrankungen Erwähnung finden, die immer wieder zur Vorstellung von betroffenen Patienten in unserer Klinik führen: E chronisch rezidivierende Aphten, E Stomatitis herpetica.
Eigene Erfahrungen zeigen v.a. bei Aphten eine Linderung der Schmerzen durch Lutschen von Malzbonbons.
Auch Kinder können bereits von einer aphtösen Veränderung der Mundschleimhaut betroffen sein, die bei Erwachsenen des jüngeren bis mittleren Lebensalters zu den häufigsten Erkrankungen der Mundschleimhaut gehört. Ihr erstes Auftreten fällt bereits in den Beginn des 2. Lebensjahrzehnts, und ihr rezidivierendes Erscheinen kann für die Betroffenen zu einer regelrechten Plage werden. Betroffen sind ausschließlich die nicht keratinisierten Bereiche der Mundschleimhaut wie Lippen, Zungenrand und Planum buccale mit Aussparung des harten Gaumens und des Zungenrückens. Die Ursachen für die Entstehung von Aphten sind letztlich ungeklärt. Die Gingivostomatitis herpetica ist verursacht durch das Typ-I-Herpes-simplex-Virus. Sie tritt meistens begrenzt auf das Versorgungsgebiet eines Trigeminusastes auch im Bereich der keratinisierten Gingiva als akute Gingivitis auf. Ihr definitiver Nachweis erfolgt durch virusspezifische Nachweismethoden. Sie ist daher in der Regel gut von rezidivierenden Aphten abzugrenzen. Fieber, Abgeschlagenheit und Schwellungen der regionalen Lymphknoten können die lokale Infektion begleiten Bei beiden genannten Stomatitiden besteht die Therapie v.a. in einer Bekämpfung des starken Brennens und der Schmerzen (v.a. auch bei der Nahrungsaufnahme). Beide Erkrankungen bilden sich im Laufe von 10–14 Tagen spontan wieder zurück. Die Effloreszenzen sollten lokal mit Kortikosteroiden in Form von oralen Haftsalben touchiert werden. Bei starken Schmerzen können anästhetisch wirkende Lutschtabletten und unterstützend systemisch gegebene NSAR helfen. Eine systemische Gabe von Antibiotika ist nur bei einer nachgewiesenen bakteriellen Superinfektion angezeigt und sollte nur in diesen Ausnahmefällen vorgenommen werden. Eine systemische antivirale Therapie mit Aciclovir hingegen ist bei einem komplizierten Verlauf der Stomatitis herpetica erfolgversprechend und sollte unterstützend zur lokalen Therapie vorgenommen werden.
Traumatische Schädigungen der Frontzähne treten im Milchgebiss mit einer Prävalenz von 30–45 % auf [1, 2]. Die häufigste Ursache für Zahnverletzungen bei Kindern sind Stürze, die meist zu Frakturen der Zähne und/oder Wurzeln mit oder ohne Beteiligung des Endodonts (Pulpa) führen. Bei freiliegendem Dentin und/oder eröffneter Pulpa können schon geringe thermische Reizungen zu sehr starken Schmerzen führen. Als weitere Folge akuter traumatischer Einflüsse kann es zu Verletzungen des umgebenden Knochens kommen. Von der plötzlichen mechanischen Gewalteinwirkung eines akuten Traumas, z. B. durch einen Schlag oder einen Sturz, muss das chronische Trauma abgegrenzt werden. Die chronischen Traumatisierungen von Zähnen und Weichteilen durch so genannte Parafunktionen, wie Wangensaugen oder Knirschen mit den Zähnen, spielen bei Kindern jedoch nur eine untergeordnete Rolle und sollen hier vernachlässigt werden.
19.4.3
Schmerztherapie bei traumatischen Ereignissen
Traumata der Zahnhartsubstanz und des Zahnhalteapparates Zahnfrakturen und Zahnluxationen sind die häufigsten Konsequenzen eines akuten Traumas bei Kindern und Jugendlichen, Tendenz steigend [4]. Dabei steht die reine Kronenfraktur, speziell die Fraktur ohne Eröffnung der Pulpa, im Vordergrund. Die am häufigsten betroffenen Zähne sind aufgrund ihrer Exposition die Ober- und Unterkieferfrontzähne. Immer ist bei einem solchen Trauma die Möglichkeit einer Commotio cerebri oder einer Subarachnoidalblutung zu bedenken. Dies sollte daher pädiatrisch untersucht werden.
Traumata der Zahnhartsubstanz Die Traumata der Zahnhartsubstanz unterteilen sich in E reine Kronenfrakturen mit und ohne Eröffnung des Pulpenkavums, E kombinierte Kronen-Wurzel-Frakturen, E Wurzelfrakturen.
324
Kapitel 19 · Schmerztherapie in der Zahnheilkunde
. Tabelle 19.1. Klinische Klassifikation des Zahnhalteapparates. (Nach [2]) Klasse
Trauma
Beschreibung
1
Konkussion
Erschütterung des Zahnes ohne Luxation
2
Subluxation
Der Zahn ist in seinem Zahnfach gelockert, aber nicht disloziert
3
Intrusion
Der Zahn ist ad axim in den Kiefer gedrückt
4
Extrusion
Der Zahn ist ad axim aus seinem Zahnfach herausbewegt
5
Luxation
Der Zahn ist vollständig disloziert
6
Avulsion
Der Zahn ist nicht mehr in der Mundhöhle
7
Verletzungen der Gingiva
Für diese einzelnen Verletzungsformen stehen etablierte Therapiekonzepte fest: Kronenfrakturen ohne Mitbeteiligung der Pulpa werden durch Restaurationen mit lichthärtenden Kompositkunststoffen versorgt. Die Abdeckung pulpennaher Bezirke erfolgt durch ein Kalziumhydroxidpräparat, das nachfolgend mit dem Füllmaterial abgedeckt wird. Ist die Pulpa zu breitflächig eröffnet, kann in Abhängigkeit von der Zeitdauer zwischen dem Trauma und der Erstversorgung eine Devitalisierung des Zahnes in Form einer Wurzelbehandlung erforderlich sein. Die zeitnahe Versorgung des traumatisierten Frontzahnes ist daher für die Vitalität des Zahnes von großer Bedeutung. Die Behandlung von Wurzelfrakturen ist abhängig vom Verlauf der Fraktur und vom Wurzelwachstum. Bei ungünstigem Frakturverlauf an nicht ausgewachsenen Wurzeln ist eine Extraktion notwendig.
Traumata des Zahnhalteapparates Bei der Traumatisierung des Zahnhalteapparates (Parodont) sind meistens Gingiva, Parodont und Endodont betroffen. Die klinische Klassifikation geht auf Andreasen zurück (. Tabelle 14.1 [2]). Die Behandlungsbedürftigkeit des Traumas muss immer auch unter Berücksichtigung der Kooperation des Kindes entschieden werden.
19
! Jedes Milchzahntrauma kann zu bleibenden Verletzungen der darunter liegenden Zahnkeime der 2. Dentition führen. Dies ist der 6
wichtigste Grund für die eher zurückhaltenden therapeutischen Bemühungen im Milchgebiss:
Keiner Therapie bedürfen im Milchgebiss subluxierte, intrudierte und vollständig luxierte Zähne (keine Replantation!). Auch direkt vor dem Zahnwechsel sind meistens keine therapeutischen Maßnahmen erforderlich. Falls das Kind kooperativ ist, ist bei Luxationen eine Schienung der luxierten Zähne an den Nachbarzähnen durch den behandelnden Zahnarzt sinnvoll. Toleriert das Kind die erforderliche Schienung nicht, sollte weiche Kost verordnet werden, um eine weitere Traumatisierung des Zahnes zu vermeiden. Im bleibenden Gebiss bedürfen die nicht therapiebedürftigen Formen der Konkussion und der Subluxation lediglich der Beseitigung von schmerzhaften Kontakten zum Gegenkiefer und regelmäßiger Kontrollen. Teilweise und vollständig dislozierte Zähne sollten heute immer erhalten werden. Sie müssen über einen Schienenverband ruhiggestellt werden. Im Unterschied zu exartikulierten Zähnen oder Zähnen mit Wurzelquerfrakturen, die ungefähr 3–6 Wochen ruhiggestellt werden müssen, reicht bei der Luxatio incompleta (Intrusion, Extrusion, laterale Luxation) in den meisten Fällen nach der Reposition eine Schienung von 10 Tagen aus. Auch Zähne, die bereits mehrere Stunden oder Tage außerhalb der Mundhöhle waren, können replantiert werden, auch wenn die Wurzelhaut aufgrund der langen extraoralen Verweildauer längst
325 Literatur
abgestorben ist. In den folgenden Jahren kommt es zwar zur Resorption der Wurzel, diese kann aber durch ein 30minütiges Bad des Zahnes in 2,5%iger angesäuerter Natriumfluoridlösung verzögert werden. Bei jeder Replantation ist eine Tetanusprophylaxe obligatorisch. Liegt eine Disposition für traumatische Verletzungen vor (zerebrales Anfallsleiden, protrudierte Frontzahnstellung, fehlender Mundschluss, fehlende Weichteilbedeckung der Frontzähne, Hyperaktivität), so ist es durchaus sinnvoll, Eltern oder Betreuern einen kleinen Behälter mitzugeben, in dem durch einfache Zugabe einer Nährlösung mit antimikrobiellen und fungiziden Zusätzen die Wurzelhaut bis zu 48 h vital bleibt (z. B. Dentosafe). Ist ein derartiges Gefäß nicht verfügbar, sollte der luxierte Zahn bis zur Replantation in der Mundhöhle oder in Milch aufbewahrt werden.
Traumata des Weichgewebes und der ossären Strukturen Bei der Wundversorgung kindlicher Patienten kann intraoral resorbierbares Nahtmaterial verwendet werden, um eine 2. Behandlung zum Entfernen des Nahtmaterials zu umgehen. Aufgrund der oft eingeschränkten Mundpflege ist eine antibiotische Abdeckung bei größeren Verletzungen indiziert. Eine regelmäßige Wundkontrolle ist bis zur Nahtentfernung nach etwa 7 Tagen durchzuführen. Sind kombinierte Verletzungen von intraoralen und extraoralen Strukturen vorhanden, muss zuerst in der Mundhöhle und sekundär außerhalb der Mundhöhle rekonstruiert werden. Bevor extraorale Verletzungen voreilig versorgt werden, sollte die Mundhöhle genau inspiziert werden, ob Frakturen der Kieferknochen oder Traumata der Zähne eine intraorale Behandlung erfordern, die zum erneuten Einreißen der bereits versorgten extraoralen Strukturen führen würde. Im Bereich der Lippen ist aus ästhetischen Gründen eine Versorgung mit nicht resorbierbarem Nahtmaterial vorzuziehen. Nach gründlicher Wundtoilette wird ein primärer Wundverschluss angestrebt, der gerade in den sichtbaren Regionen von einem Spezialisten durchgeführt werden sollte. Nach der operativen Versorgung sollte eine adäquate postoperative Schmerztherapie (7 Kap. 12) durchgeführt werden.
19.5
19
Fazit
Für alle Therapien im stomatognathen System muss gelten, dass der Patient während der Behandlung keine Schmerzen empfindet. Die Entscheidung für eine lokale oder eine allgemeine Anästhesie wird dabei durch die Kooperation des Patienten, den Umfang der Therapie und die zu erwartenden Schmerzen bestimmt [7]. Je weniger traumatisch die Therapie für das zu behandelnde Kind ist, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass im reiferen Alter der regelmäßige Zahnarztbesuch und die Gesunderhaltung der Zähne zur Selbstverständlichkeit wird.
Literatur 1. Andreasen JO (1985) Challenges in clinical dental traumatology. Endod Dent Traumatol 1: 45 2. Andreasen JO (1988) Traumatologie der Zähne. Schlütersche Verlagsanstalt, Hannover 3. Cichon P, Grimm WD (Hrsg) (1999) Zahnheilkunde für behinderte Patienten. Schlütersche Verlagsanstalt, Hannover 4. Gängler P (1995) Lehrbuch der konservierenden Zahnheilkunde. Ullstein Mosby, Berlin Wiesbaden 5. Institut deutscher Zahnärzte (1996) Risikogruppenprofile bei Karies und Parodontitis. Deutscher Ärzte-Verlag, Köln 6. Jöhren P, Gängler P (1999) Die Zahnbehandlungsangst, die Zahnbehandlungsphobie. Definitionen und ätiologische Modelle (Teil 1). Zahnärztl Welt Ref 108: 685–688 7. Jöhren P, Tarsaev O, Buschmann F, Jackowski J (2000) Die Zahnbehandlungsangst, die Zahnbehandlungsphobie. Ein therapeutisches Konzept. Die Behandlung unter Allgemeinanästhesie (Teil 3b). Zahnärztl Welt Ref 109: 99–105 8. Keyes PH (1962) Recent advances in dental research. Bacteriology. Int Dent J 12: 443–450 9. Massler M, Schour I, Chopra B (1950) Occurrence of gingivitis in suburban Chicago school children. J Periodontol 21: 146 10. Schützmannski G (1950) Die sogenannte Spirillose (Gins) bei Schulanfängern. In: Gkorkhaus V (Hrsg.) Zahn-Mundund Kieferheilkunde in Vorträgen, Heft 2. Hanser, München 11. Straßburg M, Knolle G (1991) Farbatlas und Lehrbuch der Mundschleimhauterkrankungen. Quintessenz, Berlin, Tokio, Sao Paulo 12. Van Houte J (1994) Role of micro-organisms in caries etiology. J Dent Res 73: 672–681
20 Ergänzende, naturheilkundlich orientierte Methoden G. Blaser und K.-H. Friese 20.1
Ergänzende, naturheilkundlich orientierte Pflege bei schmerzhaften Erkrankungen – 328
20.1.1 20.1.2 20.1.3 20.1.4 20.1.5 20.1.6 20.1.7
Einleitung – 328 Einreibungen – 328 Kompressen – 330 Ganzkörperwäsche – 331 Pflegestandard für Wundsein im Gesäßbereich – 332 Spezielle Mundpflege – 333 Bezugsquellen und Weiterbildungsstätten – 337
Literatur zu Unterkapitel 20.1 – 337 20.2
Schmerz- und symptomorientierte Homöopathie – 338
20.2.1 20.2.2 20.2.3 20.2.4 20.2.5 20.2.6 20.2.7 20.2.8 20.2.9 20.2.10 20.2.11
Einleitung – 338 Wissenschaftliche Grundlage – 338 Entstehungsgeschichte und Begrifflichkeit – 338 Mittelfindung in der Homöopathie – 338 Verabreichung von Homöopathika – 339 Kopfschmerzen – 339 Ohrenschmerzen – 341 Schmerzen im Hals- und Mundbereich – 342 Bauch- und Magenschmerzen – 344 Nieren- und Blasenschmerzen – 345 Schmerzen infolge Verletzungen – 346
Literatur zu Unterkapitel 20.2 – 348
328
Kapitel 20 · Ergänzende, naturheilkundlich orientierte Methoden
20.1
Ergänzende, naturheilkundlich orientierte Pflege bei schmerzhaften Erkrankungen G. Blaser
Naturheilkundliche Pflege verlangt gute Krankenbeobachtung. Soweit bei den Standards Dosierungen angegeben werden, darf der Leser darauf vertrauen, dass die Autoren die Auswahl des Mittels und der Dosierung mit großer Sorgfalt getroffen haben. Für Angaben über Dosierungen und Applikationsformen kann jedoch keine Gewähr übernommen werden. Jede Dosierung erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. )) 20.1.1
Einleitung
Einreibungen, Kompressen, Wickel und Ganzkörperwaschungen sind bei Kindern sehr beliebt. Sie ergänzen die therapeutischen Möglichkeiten bei Schmerzen im Kindesalter, sollen aber keinesfalls eine notwendige kausale oder gezielte medikamentöse Therapie verzögern oder ersetzen.
20
Zur Allergietestung wird vor Anwendung ätherischer Öle eine kleine Menge des Öls, der ölhaltigen Salbe oder des Tees an der Innenseite des Unterarms eingerieben. Treten Rötung, Juckreiz oder Schwellung auf, muss auf das Öl, die Salbe oder den Tee verzichtet werden. Ätherische Öle sollten grundsätzlich nur bei einer Erkrankung oder Funktionsstörung und nicht unkritisch bei gesunden Kindern aufgetragen werden, um Allergisierungen zu vermeiden. Eine grundsätzliche Kontraindikation für den Einsatz ätherischer Öle ist die Abneigung des Kindes gegen den Geruch des Öls. Von Salbei als Tee oder Öl wird bei der Neigung zu zerebralen Krampfanfällen abgeraten, da Salbei die Krampfschwelle zu senken scheint. Sollte bei dem Patienten eine Thrombozytopenie vorliegen, werden Kompressen auf der Wärmflasche angewärmt und körperwarm aufgelegt. Direkt aufgelegte schwere Wärmflaschen könnten Blutungen verursachen.
20.1.2
Einreibungen
Die Durchführung erfolgt mit warmen, weichen und entspannten Händen. Das Öl oder die Salbe sollte vor Beginn in den Händen erwärmt werden.
Indikation
Methode
Schmerzen, allgemein (z.B. Erkrankungen des Bewegungsapparates, Neuralgien, Weichteilschmerzen mit sichtbarem Ödem, Tumorschmerzen, Metastasenschmerzen)
Solum uliginosum comp. (Moor-Lavendel-Öl; z.B. Fa. Wala)
Abdominelle Schmerzen, Blähungen
Das Abdomen spiralförmig und ohne Druck im Uhrzeigersinn einreiben, um die Peristaltik anzuregen: – Melissenöl 5% oder 10% – Anti-Blähungsöl für Säuglinge: 100 ml süßes Mandelöl (Basisöl) +1 Trpf. Fenchelöl +1 Trpf. Korianderöl +1 Trpf. Kümmelöl (ab 3 Monate) – Bauchweh-Ölmischung jenseits des Säuglingsalters: 50 ml Johanniskrautöl (Basisöl) +2 Trpf. Fenchelöl +2 Trpf. Estragonöl +2 Trpf. Korianderöl +2 Trpf. Kümmelöl Für Kleinkinder bis zum Alter von 3 Jahren nur die Hälfte der ätherischen Öle in das Basisöl geben!
6
329 20.1 · Ergänzende, naturheilkundlich orientierte Pflege bei schmerzhaften Erkrankungen
Indikation
Methode
Schlafstörungen, Unruhe
– Lavendelöl 2–5–10%
Juckreiz
Einreiben mit Aloe Vera Gel, Fa. Pharmos, Uffing
Juckreiz bei toxischen Reaktionen der Haut unter Chemotherapie:
Einreiben mit Aloe + Jojoba Körperemulsion, Fa. Pharmos
Wundsein, trockene Haut
– Calendula-Kinderöl (z.B. Fa. Weleda) – Kamillenöl – Wundölmischung: +75 ml Johanniskrautöl +20 ml Sanddornöl +20 Trpf. Manukaöl (ätherisch) +60 Trpf. Lavendelöl fein (ätherisch) Für Kleinkinder bis zum Alter von 3 Jahren 1/3, im Alter 3–7 Jahre 2/3 der Dosis der ätherischen Öle nehmen, ab 7 Jahre volle Dosis. Für Säuglinge nur Johanniskrautöl + Sanddornöl anwenden.
Übelkeit
50 ml Johanniskrautöl +1 Trpf. Rosenöl +8 Trpf. Lavendelöl fein +4 Trpf. Litseaöl Geeignet für Kinder ab 1 Jahr. Mit dieser Mischung eine Baucheinreibung durchführen. Duftstein auf den Nachttisch stellen 1 Amp. steriles NaCl 0,9% in die Schale geben und darauf 2–4 Trpf. Zitrone, Mandarine, Bergamotte oder Grapfefruit
Stress, seelische Belastung, Angst
Rosenöl oder Malvenöl (z.B. Fa. Wala)
Depressive Verstimmung
50 ml Jojobaöl +1 Trpf. Rosenöl türk. +2 Trpf. Jasminöl (3–7 Jahre: 1 Trpf.)
Kälte, Frieren bei Anämie oder schweren Erkrankungen, Rekonvaleszenz
Schlehenblütenöl oder Johanniskrautöl 5%
Polyneuropathie nach Chemotherapie Zosterneuralgie, Trigeminusneuralgie
Aconit-Nervenöl
Spastik
Lavendelöl 2–5–10% Solumöl, Mandelöl 20 ml + 3 Trpf. Narde
Hämatome
Arnikaöl 5% oder Kytta F Salbe
Tachykardie
Aurum-Lavandulae-Rose-Salbe. Pulsstellen und Herzgegend einreiben.
Sterbebegleitung
30 ml Jojobaöl 30 ml Jojobaöl 50 ml Johanniskrautöl +2 Trpf. bulgarisches +10 Trpf. Sandelholz +10 Trpf. Oud Rosenöl +1–2 Trpf. bulgarische +1 Trpf. Melissenöl besonders bei Rose +2 Trpf. Zederöl Jungen beliebt +1 Trpf. Irisöl oder: Aurum-Lavandulae-Rose Salbe Schläfen, Gesicht, Herzgegend, Pulsstellen bzw. die Stellen, die das Kind wünscht, einreiben.
20
330
Kapitel 20 · Ergänzende, naturheilkundlich orientierte Methoden
Die Einreibungen werden dem Kind natürlich vorher angekündigt. Die Einreibungen wirken durch die Inhaltstoffe der verwendeten Öle und zusätzlich über die Berührung durch die Hände. Es wird ohne Druck und rhythmisch eingerieben, mit eindeutigem Hautkontakt. Die Einreibung fühlt sich idealerweise wie ein »Kommen und Gehen« an. Bei den Einreibungen ist es wichtig, punktuelle, oberflächliche und streifende, zerstreute Berührungen zu vermeiden. Mit den Händen werden Hauttemperatur, Muskeltonus und Spannung im Körper des Patienten wahrgenommen. Während der Einreibung sollte die ganze Aufmerksamkeit dem Patienten gehören. Unterhaltungen sind zu vermeiden. Nach der Einreibung ist eine kurze Zeit der Nachruhe wichtig. Wenn keine spezielle Körperstelle für die Einreibung vorgesehen ist, richtet man sich bei der Aus-
20
wahl der einzureibenden Körperregion nach den Wünschen des Kindes und den realen Möglichkeiten. Wegen Wunden, Kathetern und Elektroden müssen bestimmte Areale ausgespart werden. Bevorzugt werden Rücken, Beine und Füße eingerieben. Einreibungen mit ätherischen Ölen werden frühestens nach dem 12. Lebensmonat durchgeführt. Ausnahmen sind das Antiblähungsöl (Einsatz ab dem 3. Lebensmonat) sowie Rosen- und Lavendelöl (Einsatz ab dem 6. Lebensmonat). 20.1.3
Kompressen
Eukalyptusölkompresse als Blasenauflage Eine Eukalyptusölkompresse als Blasenauflage wird unterstüzend bei Blasenentzündungen, Harnverhalt im Rahmen einer Opioidtherapie und bei Inkontinenz eingesetzt.
Heilpflanze
Eucalyptus citridiora
Dosierung:
10 ml Basisöl (z.B. Olivenöl) + Eukalyptusöl: 1–2 Trpf. (Kinder 1–3 Jahre) 2–3 Trpf. (Kinder 3–7 Jahre) 3–4 Trpf. (Kinder 7–12 Jahre) 4–5 Trpf. (Kinder ab 12 Jahre)
Materialien:
– 1 Esslöffel Basisöl wie z.B. Olivenöl – Eukalyptusöl in entsprechender Dosierung – 1 zusammengelegtes Leinentuch Größe 20×30 cm oder 1 Mullkompresse 20×30 cm – 1 Plastiktüte (klein) – 1 Wärmflasche – 1 Waschlappen – 1 Wolltuch oder Rohwolle oder – 1 Moltonaußentuch
Durchführung in der Küche:
1. Mullkompresse oder Leinentuch in die Plastiktüte legen. 2. 1 Esslöffel Basisöl + entsprechende Menge ätherisches Öl daraufgeben. 3. Tüte verschließen und Stoff darin zusammendrücken. Der Stoff soll mit dem Öl getränkt sein, aber beim Herausnehmen nicht tropfen. 4. Wärmflasche mit 60 °C heißem Wasser füllen. 5. Ölkompresse in der verschlossenen Plastiktüte auf der Wärmflasche anwärmen, ebenso Waschlappen, Rohwolle oder Wolltuch.
Durchführung am Patienten:
6. 7. 8. 9. 10. 11.
Erwärmte Kompresse auf die Blasenregion auflegen. Mit angewärmtem Waschlappen und Wolltuch zudecken. Schlüpfer und Schlafanzughose oder Nachthemd darüberziehen. Dünngefüllte Wärmflasche auf den Unterbauch legen. Bei kalten Füßen Wollsocken anziehen und evtl. 2. Wärmflasche an die Füße legen. Wache Kinder auffordern, eine Hand auf die Kompresse zu legen und so die milde Wärme noch bewusster wahrzunehmen.
6
331 20.1 · Ergänzende, naturheilkundlich orientierte Pflege bei schmerzhaften Erkrankungen
Heilpflanze
Eucalyptus citridiora
Auflagedauer der Kompresse:
In der Regel 30 min. Die Kompresse darf aber solange liegen bleiben, wie sie als angenehm empfunden wird.
Nachruhe:
30 min
Anwendungshäufigkeit:
2-mal tgl.
Nebenwirkungen:
Eine zu hohe Dosis kann zu Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen führen.
Pflegeerfahrung:
Gute Erfolge bei Harnverhalt, etwa 70% der Patienten konnten bis zu 2 h nach der Auflage spontan Wasser lassen.
Fenchelölkompresse Eine Fenchelölkompresse wird angewendet bei Verdauungsstörungen, Blähungen, abdominellen krampfartigen Schmerzen, Schluckauf, Übelkeit und Brechreiz im Rahmen einer Opioidtherapie. Sie sollte erst ab dem 3. Lebensjahr zum Einsatz kommen und wird durchgeführt wie die Eukalyptusölkompresse mit folgenden Änderungen: 1. Erwärmte Kompresse auf den Bauch auflegen. 2. Kompresse kann, wenn sie abends aufgelegt wird und der Patient darüber einschläft, über Nacht liegenbleiben. 3. Bei Übelkeit und Brechreiz die Kompresse im oberen Sternumbereich auflegen.
Lavendelölkompresse Indikation für eine Lavendelölkompresse sind Nervosität, Unruhe, Stress, Ein- und Durchschlafstörungen im Rahmen von Schmerzzuständen, Husten und Bronchitis. Gern wird die Kompresse auch zur Unterstützung der Entspannung bei Schmerzen eingesetzt. Die Durchführung entspricht im wesentlichen der der Eukalyptusölkompresse mit folgender Änderung: 1. Erwärmte Kompresse auf die Brust im oberen Sternumbereich auflegen.
20
Die Durchführung entspricht der der Lavendelkompresse. Thymus vulgaris ist der Name der Spezies. Zur Anwendung bei Kindern kommen die milden ätherischen Öle des Chemotyps Linalool und Geraniol. 20.1.4
Ganzkörperwäsche
Juckreizreduzierende Ganzkörperwäsche mit Stiefmütterchentee Im Kindesalter kommt es häufiger als im Erwachsenenalter beim Einsatz von Opioiden zu Juckreiz. Gezielte pharmakotherapeutische Möglichkeiten sind begrenzt (7 Kap. 13). Hier kann eine Ganzkörperwäsche mit Stiefmütterchentee sehr hilfreich sein. Stiefmütterchen (Herba viola tricolore) gehört zu den Veilchengewächsen und ist eine einjährige Pflanze, die etwa 20–30 cm groß wird. Die Blütezeit ist von Mai bis August. Sie wächst auf Äckern, trockenen Wiesen und im Garten. Zur Anwendung kommt das ganze Kraut. Wirksame Inhaltsstoffe sind Saponine, Schleim, Flavonoide, Vitamin C und Methylsalicylglycosid. Temperatur des Waschwassers: 30–35°C
Thymianölkompresse Die Heilpflanze Thymus vulgaris hat ihre Indikation vornehmlich bei Erkältung, Bronchitis, Keuchhusten, Reizhusten, zähem Schleim bei Beatmungspatienten und zur Förderung der Sekretolyse nach Extubation. Auch beim Reizhusten im Rahmen von Pleura und Lunge betreffenden Malignomen wurden mit der Thymianölkompresse gute Erfahrungen gemacht.
Zusätze: Stiefmütterchentee: 1 Esslöffel (Säuglinge und Kleinkinder) 2 Esslöffel (Schulkinder) 3 Esslöffel (Erwachsene) mit 500 ml kochendem Wasser überbrühen und 5 min ziehen lassen, absieben und zu 3–4 l Wasser dazugeben.
332
Kapitel 20 · Ergänzende, naturheilkundlich orientierte Methoden
Durchführung am Patienten: Beruhigende Waschung; vom Körperstamm zur Peripherie ausleitend waschen. Anwendungshäufigkeit: 1- bis 3-mal tgl. Pflegeerfahrung: Linderung des Juckreizes, Beruhigung des Patienten, Wirkung kann noch verstärkt werden durch orale Einnahme von Tee (tgl. 3-mal 1 Tasse)
Schweißreduzierende Ganzkörperwäsche mit Salbeitee im Rahmen maligner Erkrankungen und der Therapie mit starken Analgetika Salbei gehört zu den Lippenblütengewächsen. Die ürsprüngliche Heimat ist der Mittelmeerraum. Salbei wird kultiviert und wächst im Garten. Verwendet werden die Blätter und das daraus gewonnene ätherische Öl. Temperatur des Waschwasser: 32–35°C Zusätze: Salbeitee 1 Esslöffel (Säuglinge und Kleinkinder)
20
2 Esslöffel (Schulkinder) 3 Esslöffel (Erwachsene) mit 500 ml kochendem Wasser überbrühen und 5 min ziehen lassen, absieben und zu 3–4 l Wasser dazugeben. Durchführung am Patienten: Vorbereitung wie bei der Ganzwaschung! An Armen und Beinen beginnend mit nassem Waschlappen waschen, Körper abtupfen, nicht abtrocknen Anwendungshäufigkeit: 1- bis 2-mal tgl. Pflegeerfahrung: Bei Anwendung über einen längeren Zeitraum kann Salbei die Haut austrocknen, ggf. Rückfettung mit W/O-Lotion oder Pflanzenöl. Vermindert Schweißsekretion für 4–6 h 20.1.5
Pflegestandard für Wundsein im Gesäßbereich
Nicht nur im Säuglingsalter, sondern auch im Rahmen von Diarrhöen und chemotherapiebedingt kann eine Dermatitis im Perianalbereich auch bei älteren Kindern auftreten und starke Schmerzen verursachen. Meist sind Gesäßfalte und vorderer
Maßnahmen
Eingesetzte Mittel
Reinigen:
Olivenöl oder Calendulakinderöl auf Watte oder weiche Einmaltücher geben
Waschen:
1. Kamillentee (entzündungshemmend, wundheilungsfördernd) 2. Calendulablütentee (entzündungshemmend, granulationsfördernd, desinfizierend) 3. Salbeitee (adstringierend, desinfizierend, antibakteriell, fungistatisch) 4. Teemischung zu je gleichen Teilen mit Kamillen-, Salbei- und Frauenmanteltee (wundheilend, desinfizierend, gerbend) – Mischung indiziert bei infiziertem, nässendem Wundsein 1 Esslöffel (Säuglinge und Kleinkinder) 2 Esslöffel (Schulkinder) 3 Esslöffel (Erwachsene) – Tee in Teekanne geben, mit kochendem Wasser übergießen, 5 min ziehen lassen, absieben und dem Waschwasser zugeben. 5. Basensalz (hautberuhigend, entzündungshemmend, stärkt die Selbstfettung der Haut) 1 gehäufter Teelöffel basisches Badesalz für die Kinderbadewanne (ca. 20 l). Dieses Bad entfettet nicht die zarte Babyhaut und brennt nicht in den Augen; auch für empfindliche Haut geeignet
6
333 20.1 · Ergänzende, naturheilkundlich orientierte Pflege bei schmerzhaften Erkrankungen
Maßnahmen
Eingesetzte Mittel
Pflegen:
– Wundsalbe (z.B. Fa. Weleda) – Calendulababycreme + Propolistinktur (1 cm Salbe +3–5 Trpf. Propolis) – Tea-Tree-Creme (35 g Basiscreme+30 g Olivenöl +5 ml Propolistinktur +10–30 Trpf. Tea-Tree-Öl). Besonders geeignet bei Windeldermatitis mit Pilzbefall – Wundölmischung 30 ml Olivenöl oder Johanniskrautöl +45 Trpf. Lavendel extra (desinfizierend, schmerzstillend, kühlend) +3 Trpf. Teebaumöl (desinfizierend) +3 Trpf. Schafgarbe (granulationsfördernd) +25 Trpf. Rosengeranie (granulationsfördernd) – Schafgarbe erst ab 3. Lebensjahr einsetzen in einer Dosis von 1 Trpf. In den ersten beiden Lebensjahren Dosis der ätherischen Öle jeweils dritteln. – Wundölmischung bei Pilzbefall: 30 ml Olivenöl oder Johanniskrautöl +12 Trpf. Lavendel extra (desinfizierend, schmerzstillend, kühlend) +12 Trpf. Thymian (antimykotisch, antibakteriell) +12 Trpf. Teebaumöl (desinfizierend) In den ersten beiden Lebensjahren Dosis der ätherischen Öle jeweils dritteln.
Gesäßbereich gerötet, manchmal ist der gesamte Gesäßbereich befallen. In dem warmen, feuchten Windelmilieu kann es zu einer Superinfektion kommen. 20.1.6
Spezielle Mundpflege
Teezubereitungen für die spezielle Mundpflege sollen nicht in Metallgefäßen hergestellt werden, da Inhaltsstoffe sonst verändert werden können. Zubereitungsarten
Aufguss: – Blätter, Blüten, Samen – Tee mit kochendem Wasser übergießen und zugedeckt einige Minuten ziehen lassen und danach absieben. Aufkochung: – Rinden, Wurzeln, Hölzer – Tee in Kochtopf mit kaltem Wasser geben, zum Kochen bringen, 5–10 min zugedeckt leicht kochen lassen, Herdplatte abschalten und noch 10 min ziehen lassen, abseihen.
20
Kaltauszug: – Spezielle Pflanzen mit hohem Schleimgehalt – Tee in Kanne mit kaltem Wasser ansetzen und entsprechende Zeit ziehen lassen. Abseihen, evtl. auf Körpertemperatur erwärmen. Cave: Kaltauszüge bei immunsupprimierten Patienten wegen Infektionsgefahr nicht anwenden. Anwendung
Haltbarkeit: Teekannen müssen bei 93–96°C gereinigt werden und verschließbar sein. Tees müssen mit abgekochtem Wasser zubereitet sein. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, darf der Tee 12–14 h benutzt werden. Anwendungsdauer: 4 Wochen für einen speziellen Tee, danach eine Pause von 4 Wochen einlegen oder eine andere Heilpflanze auswählen. Dosierung: Bei innerlicher Einnahme bis 3 Tassen pro Tag: – Heilpflanzentees
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Kapitel 20 · Ergänzende, naturheilkundlich orientierte Methoden
Kinder bis 1 Jahr 1/2 Teelöffel Teedroge auf 250 ml Kinder bis 10 Jahre 1 Teelöffel Teedroge auf 250 ml Erwachsene 1 Teelöffel Teedroge auf 150 ml – Ätherische Öle Kinder ab 3 Jahre 1 Trpf. auf 1 Glas Wasser Kinder ab 10 Jahre 2 Trpf. auf 1 Glas Wasser Erwachsene 3–5 Trpf. auf 1 Glas Wasser – Tinkturen Kinder ab 3 Jahre 1 Trpf. Kinder ab 10 Jahre 2 Trpf. Erwachsene 3–5 Trpf. Vorsichtige Dosierung, ggf. Tropfenzahl erhöhen. Bei Überdosierung von Heilpflanzentees kann es zu Übelkeit und Kopfschmerzen kommen.
Entzündungshemmende Mundspülungen Kamillentee: – Tonisierend, desinfizierend, desodorierend wundheilungsfördernd. – Aufguss 3 min ziehen lassen. – Kamille gilt als »Antidot« bei homöopathischer Behandlung. Salbeitee: – Desinfizierend, austrocknend, gerbend, antimykotisch. – Aufguss 10 min ziehen lassen. – Gut geeignet bei Patienten mit starkem Speichelfluss. Ringelblumentee: – Desinfizierend, antibakteriell, antimykotisch, viruzid, antiphlogistisch, wundheilend. – Aufguss 5–10 min ziehen lassen. Thymiantee: – Antibakteriell, antimykotisch, antiviral. – Aufguss 5–10 min ziehen lassen. Myrrhetinktur: – Desinfizierend, desodorierend und granulationsfördernd. – 3–5 Trpf. auf 1/2 Glas lauwarmes Wasser geben.
20
Australisches Teebaumöl (Tea-Tree-Öl): – Antibakteriell, antimykotisch, schmerzstillend, entzündungshemmend.
– 1–3 Trpf. Tea-Tree-Öl auf 1/2 Glas lauwarmes Wasser geben.
Schleimhautschützende Mundspülungen Malvenblüten: – Reizmildernd, entzündungshemmend, wundheilungsfördernd. – Kaltansatz 5–10 h ziehen lassen, gelegentlich umrühren und dann abseihen. – Auf Wunsch vor dem Trinken leicht erwärmen. Eibischwurzel: – Reizmildernd, entzündungshemmend. – Aufkochung 5 min köcheln lassen. Als Gurgelmittel wird die Eibischwurzel aufgekocht, da es förderlich ist, wenn die Stärke aus der Wurzel herausgelöst wird. Leinsamen: – 1 Esslöffel ganze Leinsamen mit 1/4 l kaltem Wasser übergießen und 20 min ziehen lassen, gelegentlich umrühren, Flüssigkeit abgießen und leicht erwärmen. Der Schleim legt sich bei diesen Anwendungen wie ein Schutzfilm auf die entzündeten und gereizten Schleimhäute und verschafft Linderung.
Gerbende Mundspülungen Wenn die akuten Entzündungszeichen abgeklungen sind, kann ein Gerbmittel zur Stabilisierung der Schleimhaut gegeben werden, es wirkt adstringierend, antibakteriell und blutstillend. Die gerbenden Abkochungen können auch zu je gleichen Teilen mit entzündungshemmenden oder schleimhautschützenden Tees gemischt werden. Ratanhiawurzeltinktur: – 5–10 Trpf. auf 1 Glas lauwarmes Wasser geben. Blutwurzeltee: – 2–3 Esslöffel auf 1 l Wasser geben, aufkochen lassen, Hitze abschalten, 10 min ziehen lassen, abseihen. Getrocknete Heidelbeeren: – 2–3 Esslöffel auf 1 l Wasser geben, 5–10 min aufkochen lassen, 20 min ziehen lassen, abseihen.
20
335 20.1 · Ergänzende, naturheilkundlich orientierte Pflege bei schmerzhaften Erkrankungen
Mundpflege gezielt nach Symptomen Symptom
Maßnahme
Aphten:
– Gezieltes mehrfach tägliches Auftragen von Myrrhetinktur mit Stieltupfern auf die betroffenen Stellen; wenn der Patient dies toleriert, wird die Tinktur, die ein brennendes Gefühl auslösen kann, pur auftragen. Mundspülung mit Kamillentee 2- bis 3-mal tgl. – Mundbalsam-Gel (z.B. Fa. Wala) mehrmals täglich nach gründlicher Reinigung der Zähne, besonders vor der Nachtruhe, auf die schmerzenden Stellen auftragen. Danach keine Mundspülung! – Zahnfleischbalsam (z. B. Fa. Weleda) kann mit Watteträger oder mit dem Finger in den schmerzenden Stellen einmassiert werden. Danach keine Mundspülung!
Borkenbildung:
– Mundspülung mit Kamille-Salbei-Tee mehrmals tgl. – Mundspülung mit Myrrhe-Ratanhia-Tinktur zu gleichen Teilen gemischt wie z.B. je 20 Trpf. auf 150 ml warmes Wasser – Butter mit Watteträger dünn aufstreichen, nach 5 min die aufgeweichten Beläge mit einer Teekompresse abwischen
Superinfektionen:
– Regelmäßige Zahnpflege – Mundspülen und Gurgeln mit Calendula-, Salbei- oder Thymiantee – Mundspülen mit Rizol-neu-Öl: einige Tropfen Öl in 1 Glas lauwarmes Wasser geben und kräftig gurgeln und spülen. Inhaltsstoffe: 33,0 g Rizol-Rohstoff, 11,5 g Minzöl, 5,5 g Geraniumöl.
Herpes labialis:
– – – –
Rhagaden:
– Ausgewogene Ernährung – Nahrungsergänzungsmittel in Form von Basica (Mineralstoffkonzentrat) oder Sanddornöl (einige Tropfen auf 1 Teelöffel Honig 2- bis 3-mal tgl.) oder Sanddornsaft (z.B. von Fa. Weleda). – Lippenpflege mit Lippenbalsam
Trockener Mund:
– – – – – – –
Soor:
Ergänzend zu antimykotischer Therapie den Mund vor oder nach jeder Mahlzeit ausspülen und ausspinseln mit: – Mischung aus 20 g Stiefmütterchen, 20 g Salbei, 10 g Arnikablüten, 10 g Ringelblumen; Aufguss herstellen, 5 min ziehen lassen – Mundspülung mit Para-Rizolöl (35,0 g Rizol-Rohstoff, 5,0 g Nelkenöl, 5,0 g Wermutöl, 5,0 g Walnussöl): 1–3 Trpf. in 1/2 Glas lauwarmes Wasser geben – Salbeitee – 5 Trpf. Tea-Tree-Öl +1 Trpf. Melisse 100%ig in 50 ml Rosenhydrolat mischen, in einer braunen Flasche gut verschütteln, vor jeder Anwendung die Flüssigkeit aufschütteln. Mehrmals tgl. mit Watteträger oder Kugeltupfer auf die befallenen Stellen auftragen.
z.B. Lomaherpan-Salbe (Melissenblätterextrakt) ätherisches Melissenöl Propolistinktur (Kittharz der Bienen) Tea-Tree-Öl pur oder in wenig Basiscreme gemischt dünn auftragen
Auf ausreichende Trinkmenge achten Fruchtsäurehaltige Säfte trinken Mundspülung mit Malvenblütentee (Kaltauszug) Mundspülung mit NaCl-haltigen Mineralwässern Kauen von zuckerfreiem Kaugummi Nahrungsmittel essen, die kräftiges Kauen erfordern 1 Trpf. ätherisches Zitronenöl an den Naseneingang tupfen oder Patienten an einem Stück Zitrone riechen lassen – Mundspülung mit Basensalz: 1 Messerspitze Basensalz auf 1/2 Glas lauwarmes Wasser, kräftig damit spülen
6
336
Kapitel 20 · Ergänzende, naturheilkundlich orientierte Methoden
Symptom
Maßnahme
Mund- und Zahnfleischblutungen:
– Spülung mit Kamillen-, Ringelblumen-, oder Thymiantee – Blutende Stellen mit Ratanhia- oder Blutwurztinktur abtupfen, bei starker Blutung getränkte Tupfer in die Wangentaschen einlegen
Parotitis (Ohrspeicheldrüsenentzündung):
– Getränkte Myrrhe oder Ratanhia-Tupfer in die Wangentaschen einlegen, 2 min liegenlassen, Tupfer erneuern – Wärmeanwendung von außen in Form von Kataplasmen, jedoch nur, wenn keine Speicheldrüsensteine vorliegen – Ätherisches Zitronenöl riechen lassen und an den Naseneingang tupfen – Mundausspülen mit Tees, die Bitterstoffe enthalten, z.B. Tausendgüldenkraut, Wermut, Enzianwurzel. Diese Tees regen die Speichelsekretion an. – Kauübungen durch Kauen von Brotrinde, Dörrobst oder zuckerfreiem Kaugummi
Entzündete Zahnfleischtaschen
5–10 × tgl. Spülen mit Rizol – Neu. 2 Trpf. in 1/2 Glas lauwarmes Wasser
HIV-Infektion (zur Prophylaxe von Infektionen):
– Gute mechanische Reinigung der Zähne nach jedem Essen – Mundspülung mit Kamille-, Salbei-, Ringelblumen- oder Thymiantee mehrmals tgl. – Mundspülung mit Teemischung 20 g Stiefmütterchen, 20 g Salbei, 10 g Arnikablüten, 10 g Ringelblumen mehrmals tgl. – Mundspülung mit Para-Rizolöl (35,0 g Rizol-Rohstoff, 5,0 g Nelkenöl, 5,0 g Wermutöl, 5,0 g Walnussöl). 1–3 Trpf. in 1/2 Glas lauwarmes Wasser geben und kräftig damit den Mund spülen. – 5 Trpf. Tea-Tree-Öl +1 Trpf. Melisse 100%ig in 50 ml Rosenhydrolat mischen, in einer braunen Flasche gut verschütteln, vor jeder Anwendung die Flüssigkeit aufschütteln. Mehrmals tgl. mit Watteträger oder Kugeltupfer auf entzündete Stellen auftragen.
Mundpflege während antineoplastischer Therapie (Chemotherapie)
20
Indikation
Maßnahme
a Infektionsprophylaxe im chemotherapiefreien Intervall
– Einreiben von Zähnen und Zahnfleisch mit Basensalz
b Normale Mundschleimhaut
– Mundspülung und -gurgeln mit Kamillentee
a Patienten mit Chemotherapie und zu erwartender Aplasie mit Salbeitee mit Leukozytenwerten unter 1000/µl b Leichte Mundschleimhautentzündung c Freiliegende Zahnhälse und locker sitzende Zähne
– Zusätzlich Mundspülung
a Schwere Mundschleimhautentzündung mit Ratanhiatinktur
– Zusätzlich Mundspülung
337 Literatur zu Unterkapitel 20.1
20.1.7
Bezugsquellen und Weiterbildungsstätten
Bezugsquellen 4 Heilpflanzentees: – Wala- und Weleda-Produkte sind über die Apotheke zu beziehen. 4 Basensalzkörperpflegemittel: – Fa. Orgon, Dülmener Str. 33, 48163 Münster, Tel. 02536-33100. 4 Propolistinktur: – Fa. Remmele, Leopoldstr. 1, 94032 Passau, Tel.: 0851-7880. 4 Ätherische Öle: – Fa. Primavera, Am Fichtenholz 5, 87477 Sulzberg. – Gebhardt Naturkosmetik Gmbh, St.-Wendelin-Str. 3, 86935 Rott-Pessenhausen. E Rizolprodukte: – Einhorn-Apotheke Erlangen, Tel. 09131-50494, Fax: 0931-51949.
Weiterbildungsstätten E Ausbildung in rhythmischen Einreibungen: – Dörthe-Krause-Institut, Gerhard-Kienle-Weg 10, 58313 Herdecke, Fax: 02330-623365, Tel.: 02330-623680.
Literatur zu Unterkapitel 20.1 1. Zimmermann E (1998) Aromatherapie für Pflege- und Heilberufe. Sonntag, Stuttgart 2. Sonn A (1998) Wickel und Auflagen. Thieme, Stuttgart 3. Thüler M (1991) Wohltuende Wickel. Thüler, Worb (CH) 4. Lange P (1987). Hausmittel für Kinder. RoRoRo, Hamburg 5. Gebhardt M (1997) Natürliche Hautpflege für Babys und Kleinkinder. Midena, Augsburg 6. Fischer-Rizzi S (1996) Himmlische Düfte. Verlag Irisana, München 7. Weiss RF, Fintelmann V (1997) Lehrbuch der Phytotherapie. Hippokrates, Stuttgart 8. Wichtl M (1989) Teedrogen. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 9. Kraft K (2000) Checkliste Phytotherapie. Thieme, Stuttgart 10. Liese P, Hierholz T (1996) Kann auf pharmazeutische Produkte verzichtet werden? Kohlhammer, Stuttgart 11. Sonn A, Bühring U (2004) Heilpflanzen in der Pflege. Hans Huber, Bern
20
338
Kapitel 20 · Ergänzende, naturheilkundlich orientierte Methoden
20.2
Schmerz- und symptomorientierte Homöopathie K.-H. Friese
)) 20.2.1
Einleitung
Kinder leiden sehr häufig an Schmerzen und sprechen nach allgemeiner homöopathischer Erfahrung auf eine homöopathische Behandlung wesentlich besser an als Erwachsene. Je nach Krankheitsbild und Patient kann ein homöopathisches Medikament allein verabreicht werden. Muss eine schulmedizinische Behandlung erfolgen, ist die homöopathische Arznei auch begleitend einzusetzen, was aus eigener Erfahrung dazu führt, dass allopathische Medikamente eingespart werden können.
20.2.2
Wissenschaftliche Grundlage
Leider existiert keine anerkannte wissenschaftliche Studie, die den Wert der Homöopathie als schmerzreduzierende Therapie bei Kindern belegt. Allerdings existieren viele Erfahrungsberichte in Form von Kasuistiken. Eine offene, nicht kontrollierte Studie zur Behandlung von Otitis media bei Kindern legte den Nutzen einer homöopathischen Behandlung nahe: homöopathisch (ohne allopathische Schmerzmittel) behandelte Kinder hatten weniger Schmerzen als die Kinder, die u. a. mit Schmerzmittel behandelt wurden [3]. 20.2.3
20
Entstehungsgeschichte und Begrifflichkeit
Die Homöopathie wurde 1796 von dem sächsischen Arzt Samuel Hahnemann entwickelt. Sie basiert auf dem Ähnlichkeitsprinzip »similia similibus curentur« (»Ähnliches möge mit Ähnlichem geheilt werden«). Hahnemann entdeckte dieses Prinzip durch den berühmten Chinarindenversuch. Zu seiner Zeit wurde Chinarinde zur Behandlung der Malaria eingesetzt. Hahnemann nahm als Gesunder Chinarinde ein und bekam Wechselfieber, malariaähnliche Symptome. So kam es in der Homöopathie zum Einsatz von Chinarinde bei Wechselfieber (unabhängig von Malaria).
Ein anderes Beispiel ist spanischer Pfeffer, Capsicum. Bei Genuss von Pfeffer brennt für gewöhnlich die Zunge. Bei Zungenbrennen kommt Capsicum in homöopathischer Dosis als Therapeutikum in Frage. Da homöopathische Mittel in Ursubstanz häufig giftig sind (z. B. Eisenhut, Quecksilber, Arsen), können sie nicht in der Ursubstanz verabreicht werden. Sie werden vielmehr durch eine spezielle Technik verdünnt bzw. (nach homöopathischer Nomenklatur) potenziert. Homöopathika werden in Zehnerschritten (D-Potenzen), Hunderterschritten (C-Potenzen) oder 50.000er-Schritten (LM- oder Q-Potenzen) hergestellt. Dabei ist rein rechnerisch ab der D23-oder der C12-Verdünnung kein einziges Molekül der Ausgangssubstanz mehr in der Verdünnungslösung enthalten. Es gibt pflanzliche, tierische und mineralische Homöopathika sowie Nosoden. Bei letzteren handelt es sich um Krankheitsprodukte, z. B. Tuberculinum (aus tuberkulösem Eiter) oder Luesinum (aus luetischem Eiter hergestellt). Derartige Produkte werden nach gesetzlichen Vorschriften (Homöopathisches Arzneimittelbuch) sterilisiert. Das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte in Bonn wacht darüber, dass keine toxischen oder infektiösen Homöopathika auf dem Markt sind. 20.2.4
Mittelfindung in der Homöopathie
Ein universell einsetzbares homöopathisches Schmerzmittel existiert nicht. Die Wahl des Mittels hängt von einer Vielzahl von Umständen, von der Konstitution des Patienten und auch von Schmerzqualitäten ab, die bei Kindern nicht immer einfach zu erfragen sind. Eine klassische homöopathische Anamnese von >1 h Dauer ist nur gelegentlich erforderlich. Bei dieser Anamnese werden einerseits die genauen Schmerzsymptome erfragt, andererseits aber auch Allgemeinsymptome wie psychische Auffälligkeiten, Essgewohnheiten, Probleme in der Schwangerschaft, Familienanamnese, Impfungen etc. Oft reichen in der Homöopathie bei Kindern die bewährten Mittel aus, wobei hier v. a. auffällige Symptome (Schmerzort, Zeit, Qualität) gewertet und die Allgemeinsymptome nur kurz abgefragt werden. Dieses Vorgehen entspricht nicht der sog. »klassischen« Homöopathie.
20
339 20.2 · Schmerz- und symptomorientierte Homöopathie
In der Hömöopathie sind zudem spezielle »Modalitäten« für die Mittelfindung hilfreich, z. B. Schmerzen als Folge von »Durchnässung«, »Folge von Wind« oder »Säfteverlust« etc. Die homöopathische Sprache klingt antiquiert, da die ursprünglichen Bezeichnungen des 18. und frühen 19. Jahrhunderts erhalten blieben. »Folge von Durchnässung« bedeutet, dass Krankheiten auftreten, nachdem das Kind nass geworden ist, sei es beim Baden, oder im Regen oder durch den eigenen Urin. »Folge von Wind« bezeichnet beispielsweise akute Erkältungskrankheiten, die nach Aufenthalt in Zugluft auftreten.«Folge von Säfteverlust« bedeutet Krankheitsentstehung nach Blutungen, übermäßigem Schwitzen oder auch übermäßigem Urinabgang. In der klassischen Homöopathie wurden Symptomverzeichnisse erstellt, sog. Repertorien, z. B. von Kent (amerikanischer homöopathischer Arzt um die Wende zum 20. Jahrhundert). Bei der Repertorisation werden in der Anamnese gewonnene Modalitäten und Symptome genutzt, um mit Hilfe des Repertoriums eine konkrete Arznei zu eruieren, bei deren Ursubstanz-Einnahme (s. oben) möglichst genau der Symptomenkomplex auftritt, den der Patient geäußert hat. Dosierungsempfehlungen können je nach Krankheitsbild geändert werden und sind nur Anhaltspunkte (. Tabellen 20.2.1–20.2.6).
bare Wechselwirkungen resultieren können. Die Einnahme von homöopathischen Mitteln vor den Mahlzeiten ist empfehlenswert. Als Darreichungsform bei Kindern kommen ausschließlich Globuli und Tabletten in Frage, alkoholische Tropfen wegen des hohen Alkoholgehaltes (70 %) nur ausnahmsweise. Zäpfchen mit Einzelmittel sind nicht verfügbar. Die Dosierung ist einfacher als in der Schulmedizin, da im Regelfall keine pharmakologischen Wirkungen zu erwarten sind, vielmehr werden aus homöopathischer Sicht »Informationen« weitergegeben. Daher ist das Gewicht des Kindes nicht entscheidend. Die Höhe der Potenz wird sehr unterschiedlich gehandhabt und hängt von der Erfahrung des Behandlers ab. Es ist äußerst wichtig, dass Schmerzen bei Kindern schnell beseitigt werden. Oberstes Therapieprinzip bei Hahnemann war »cito et iucunde«, schnell und angenehm. Dies gilt heute allgemein in der Medizin. Sollte je nach Krankheitsfall eine rasche Beseitigung von Schmerzen nicht möglich sein, muss ein anderes Verfahren als die Homöopathie zur Anwendung kommen. Im Folgenden werden homöopathische Arzneimittel indikationsbezogen tabellarisch aufgeführt. 20.2.6
20.2.5
Verabreichung von Homöopathika
Es sollte immer nur ein Mittel gegeben werden, nicht mehrere gleichzeitig, da sonst undefinier-
Kopfschmerzen
Im Repertorium nach Kent werden über 500 Mittel für Kopfschmerzen aufgelistet. . Tabelle 20.2.1 gibt einen Überblick über die häufigsten Mittel.
. Tabelle 20.2.1. Homöopathische Mittel, die bei Kopfschmerzen im Kindesalter zum Einsatz kommen Besonderheiten der Anamnese
Homöopathisches Arzneimittel
Potenz und Dosierung
Bemerkungen
5 Stirnbereich 5 Zu- und Abnahme im Tagesverlauf 5 Maximalbeschwerden mittags 5 Beschwerden am Meer besser
Natrium muriaticum (Kochsalz)
LM VI, 3 Globuli vor dem Frühstück
5 Kinder sind eher introvertiert und haben oft psychische Probleme 5 Natrium muriaticum D200 ist 1. Mittel bei Sinusitis frontalis
5 Schmerzen im Oberkieferbereich, z. B. bei unkomplizierter Sinusitis maxillaris
Cinnabaris (Zinnober)
D4; 3-mal täglich 1 Tbl.
5 engmaschige klinische Kontrolle
6
340
Kapitel 20 · Ergänzende, naturheilkundlich orientierte Methoden
. Tabelle 20.2.1. (Fortsetzung)
20
Besonderheiten der Anamnese
Homöopathisches Arzneimittel
Potenz und Dosierung
5 Kopfschmerzen werden isoliert an einem Punkt angegeben, insbesondere im Bereich der linken Stirnhöhle
Spigelia (Wurmkraut)
D6, 3-mal täglich 5 Globuli
5 5 5 5 5
Belladonna (Tollkirsche)
D30; 3 Gaben von 5 Globuli im Abstand von 12 h
Cave: Schocksymptomatik? Septisches Kind?
5 beim Hochsehen und Zurückbiegen des Kopfes schlimmer 5 besser durch Halten des Kopfes mit beiden Händen
Glonoinum (Nitroglyzerin)
D6, 3-mal 5 Globuli
Cave: orbitale Raumforderung?
5 linksseitige Schmerzen 5 insbesondere schon morgens beim Aufwachen 5 Patient »schläft sich in die Verschlimmerung hinein« 5 überwärmt 5 Verschlechterung durch Sonne, warmes Wetter und Föhn
Lachesis (Buschmeisterschlange)
D12; 3-mal täglich 5 Globuli
Cave: morgendliche Kopfschmerzen besonders in Verbindung mit Erbrechen können auf erhöhten Hirndruck hinweisen. 5 Typisch für den LachesisPatienten ist die Logorrhö
5 rechte Kopfseite 5 geringe Schmerztoleranz und eine ungesunde Lebensweise mit massenhaftem Süßigkeitenkonsum 5 Begleitsymptom: Bauchschmerzen und Blähungen
Lycopodium (Bärlapp)
D6; 3-mal täglich 5 Globuli
Typisch für den LycopodiumPatienten ist die fordernde Haltung gegenüber dem Arzt, die Schmerzen sollen schnell weg sein
5 Folge von Trauma
Arnica (Bergwohlverleih)
D2; alle 30 min 5 Globuli möglichst sofort nach dem Trauma beginnen
5 Arnica ist das Hauptmittel für die Folge von Verletzungen (z. B. Commotio cerebri) 5 Cave: Contusio cerebri und intrazerebrale Blutung nicht übersehen!
plötzliche Schmerzen hochroter Kopf Extremitäten kalt beim Bücken besser häufig besteht Fieber
Bemerkungen
20
341 20.2 · Schmerz- und symptomorientierte Homöopathie
20.2.7
Ohrenschmerzen
Ohrenschmerzen sind ein häufiges Begleitsymptom akuter Infektionen. Häufig eingesetzte homöopathische Mittel finden sich in . Tabelle 20.2.2.
. Tabelle 20.2.2. Homöopathische Mittel, die bei Ohrenschmerzen im Kindesalter zum Einsatz kommen Besonderheiten der Anamnese oder körperlichen Untersuchung
Hömöopathisches Arzneimittel
Potenz und Dosierung
Bemerkung
5 Plötzlicher nächtlicher Krankheitsbeginn, häufig als Folge von »Windeinwirkung« ein paar Stunden zuvor, 5 infektbedingte Ohrschmerzen, z. B. Mittelohrentzündungen oder Gehörgangsentzündungen
Aconitum napellus (Eisenhut)
D30; 3 Gaben à 5 Globuli im Abstand von 2 h
Aconitum ist immer ein Mittel, das ausschließlich bei Beginn einer Erkrankung gegeben wird, danach folgen andere Mittel
5 Wellenartige Schmerzen 5 Fieber, 5 »weinerliche« Kinder
Pulsatilla (Küchenschelle)
D2; alle 2 h 5 Globuli
Hauptmittel bei Mittelohrentzündungen von Kindern. Es folgt meistens auf Aconit
5 Erfolglose Pulsatillagabe, 5 starke Schmerzen
Capsicum (spanischer Pfeffer)
D6; alle 2 h 5 Globuli lutschen
Cave: bei starken Schmerzen Krankheitskomplikationen ausschließen und Analgetikagabe (allopathisch) erwägen
5 Leichte Schmerzen, 5 geringes Fieber ohne Störung des Allgemeinzustands
Ferrum phosphoricum (Eisenphosphat)
D6; 3-mal täglich 1 Tbl.
5 Kind wünscht Kälteanwendung
Apis mellifica (Honigbiene)
D6; 3-mal 5 Globuli oder je nach Akutizität alle 2 h 5 Globuli
5 Kind ist zuvor nass geworden und hat dabei gefroren
Dulcamara (Bittersüß)
D6; 3-mal täglich 5 Globuli
5 Gehörgangsentzündungen, 5 Kind war zuvor nicht schwimmen
Graphites (Kohlenstoff )
D6; 3-mal täglich 1 Tbl.
5 Hohes Fieber, 5 beginnt auf dem linken Ohr und wechselt auf das rechte Ohr
Lachesis (Buschmeisterschlange)
D12; alle 2 h 5 Globuli oder 3-mal täglich 5 Globuli
5 Beginnt auf dem rechten Ohr und wechselt auf das linke Ohr
Lycopodium (Bärlapp)
D6; 3-mal täglich 5 Globuli oder alle 2 h 5 Globuli
Bei Kindern eher selten ein gesetztes Mittel
6
342
Kapitel 20 · Ergänzende, naturheilkundlich orientierte Methoden
. Tabelle 20.2.2. (Fortsetzung) Besonderheiten der Anamnese oder körperlichen Untersuchung
Homöopathisches Arzneimittel
Potenz und Dosierung
5 Zieht innerhalb weniger Tage vom linken aufs rechte Ohr und wieder zurück zum linken 5 Schmerzen niemals auf beiden Ohren gleichzeitig, 5 kein dauernder Seitenwechsel der Symptomatik
Lac caninum (Hundemilch)
D6; 3-mal täglich 5 Globuli
5 Otalgien ohne eruierbare Ursache
Verbascum thapsiforme (Königskerze)
D6; 3-mal täglich 5 Globuli
5 Zoster oticus, auch bei postneuralgieformer Symptomatik
Daphne mezereum (Seidelbast)
D12; 3-mal täglich 5 Globuli
20.2.8
Bemerkung
5 Cave: Herpes zoster ist bei Kindern ungewöhnlich. Immundefekt (z. B. im Rahmen eines Malignoms) ausschließen und antivirale Behandlung erwägen
Schmerzen im Halsund Mundbereich
Virale Infektionen der oberen Atemwege sind im Kindesalter häufig und selbstlimitierend. Homöopathika werden unterstützend eingesetzt (. Tabelle 20.2.3.). . Tabelle 20.2.3. Homöopathika bei Schmerzen im Hals und Mundbereich
20
Besonderheiten der Anamnese oder körperlichen Untersuchung
Homöopathisches Arzneimittel
Potenz und Dosierung
Bemerkung
5 5 5 5
Beginnende Angina hochroter Hals plötzlicher Krankheitsbeginn Fieber mit kalten Extremitäten
Belladonna (Tollkirsche)
D30; 3-mal 5 Globuli im Abstand von 12 h
5 Cave: Sepsis ausschließen! Bei Streptokokkeninfektion verhindert eine suffiziente antibiotische Behandlung Folgeschäden an Herz, Nieren und Gehirn; 5 nicht länger als 36 h anwenden, bei persitierender Symptomatik: Folgemittel
5 5 5 5 5 5
Wenige, fraglich eitrige Beläge Fieber allgemeine Mattigkeit Kälteempfindlichkeit starkes Krankheitsgefühl meistens stark belegte Zunge
Mercurius solubilis (Quecksilber)
D12; 3-mal täglich 5 Globuli
5 Cave: engmaschige klinische Kontrollen, ggf. antibiotische Therapie
6
343 20.2 · Schmerz- und symptomorientierte Homöopathie
20
. Tabelle 20.2.3. Homöopathika bei Schmerzen im Hals und Mundbereich Besonderheiten der Anamnese oder körperlichen Untersuchung
Homöopathisches Arzneimittel
Potenz und Dosierung
Bemerkung
5 Halsschleimhaut auffallend blass ödematös geschwollen 5 Kind verlangt Kaltes zu trinken
Apis mellifica (Honigbiene)
D6; 3-mal täglich 5 Globuli
5 Angina einseitig links oder von links nach rechts ziehend 5 hohes Fieber 5 schlechter morgens
Lachesis (Buschmeisterschlange)
D12; alle 2 h 5 Globuli
Auch als Begleitmedikation bei Antibiotikatherapie
5 Angina einseitig rechts oder von rechts nach links ziehend
Lycopodium (Bärlapp)
D6; 3-mal täglich 5 Globuli
Auch als Begleitmedikation bei Antibiotikatherapie
5 Schleimhaut auffallend, dunkelrot gefärbt
Phytolacca (Kermesbeere)
D6; 3-mal täglich 5 Globuli
5 Keine Ursache eruierbar normaler Untersuchungsbefund
Wyethia
D6; 3-mal täglich 5 Globuli
5 Herpangina
Kalium bichromicum (Kaliumdichromat)
D4; 3-mal
täglich 1 Tbl.
5 Angina mit weißlichen Belägen 5 Mundgeruch
Hepar sulfuris (Schwefelleber)
D6; 3-mal täglich 1 Tbl.
Auch als Begleitmedikation bei Antibiotikatherapie
5 Pfeiffer-Drüsenfieber
Kalium jodatum (Kaliumjodid)
D3; 3-mal täglich 5 Globuli
Tropfen wirken bei der Mononukleose schneller als Globuli oder Tabletten
5 Stomatitis aphthosa
Borax
D4; 3-mal täglich 5 Globuli lutschen
5 Angenommene Zahnungsschmerzen der Säuglinge und Kleinkinder 5 Kinder möchten herumgetragen werden, legt man sie hin, schreien sie 5 oft eine Wange rot und die andere blass
Chamomilla (Kamille)
D6; 3-mal tägli ch 5 Globuli tgl. die andere Wange
5 Folge von Verletzungen (zahnärztliche Manipulationen etc.)
Arnica (Bergwohlverleih)
D2; alle 30 min 5 Globuli lutschen
Wirkung setzt meist rasch ein
344
Kapitel 20 · Ergänzende, naturheilkundlich orientierte Methoden
20.2.9
Bauch- und Magenschmerzen
Abdominelle Schmerzen (. Tabelle 20.2.4) sind bei Kindern häufig. Sie können Symptom einer Vielzahl
von kausal zu therapierenden Erkrankungen sein (7 Kap. 3) oder als eigenes Krankheitsbild bestehen (7 Kap. 15).
. Tabelle 20.2.4. Homöopathika und abdominelle Schmerzen
20
Besonderheiten der Anamnese oder körperlichen Untersuchung
Homöopathisches Arzneimittel
Potenz und Dosierung
Bemerkung
5 Abdominelle Schmerzen, die sich insbesondere bei Aufregung und vor Prüfungen verschlimmern oder regelmäßig vor dem Schulbesuch auftreten 5 Kind isst hastig 5 ggf. Platz- oder Höhenangst
Argentum nitricum (Silbernitrat)
D12, 2-mal täglich 5 Globuli
Therapie sollte durch psycho-soziale Unterstützungsmaßnahmen begleitet werden
5 Nahezu beschwerdefrei am Tage, nachts in Ruhe sind die Schmerzen am stärksten
Rhus toxicodendron (Giftsumach)
D6; 3-mal täglich 5 Globuli
Diffenrenzialdiagnosen s. Kap. 3
5 Akute, periodisch auftretende Schmerzanfälle 5 Kind nimmt Schonhaltung ein
Colocynthis (Koloquinte)
D200; 5 Globuli einmalig
Wenn keine Besserung innerhalb weniger Minuten auftritt, muss eine andere Behandlung eingeleitet werden (Differenzialdiagnosen s. Kap. 3)
5 Abdominelle Schmerzen nach ungesundem, fett- und zuckerreichem Essen 5 starke Blähungen 5 »Lycopodium-Konstitution«: altklug, dicker Bauch, rechthaberisch
Lycopodium (Bärlapp)
D6; 3-mal täglich 5 Globuli
Lycopodium ist auch häufig indiziert bei Blähungen und Bauchschmerzen von Säuglingen (s. hierzu auch Kap. 8)
5 Abdominelle Schmerzen nach ungesundem Essen 5 Blässe und Lärmüberempfindlichkeit
Nux vomica (Brechnuss)
D12; 2-mal täglich 5 Globuli
5 Abdominelle Schmerzen mit Punctum maximum nachts um 2 Uhr 5 blasses Hautkolorit 5 Kind friert stark 5 übersteigertes Ordnungsbewusstsein: oft räumen die Kinder ihr Zimmer freiwillig auf
Arsenicum album (Arsen)
D12; 2-mal täglich 5 Globuli
5 Folge von »Ärger« oder Genuss »übermäßig kalter Getränke« 5 Besserung durch Genuss warmer Getränke, Verschlechterung durch Genuss kalter Getränke 5 begleitend Gliederschmerzen
Bryonia (Zaunrübe)
D3; jede Stunde 5 Globuli, etwa 1–2 Tage
6
20
345 20.2 · Schmerz- und symptomorientierte Homöopathie
. Tabelle 20.2.4. (Fortsetzung) Besonderheiten der Anamnese oder körperlichen Untersuchung
Homöopathisches Arzneimittel
Potenz und Dosierung
5 Fettunverträglichkeit; Schmerzen nach Genuss von reichlich Fett in Gebäck, Pommes frites oder Speiseeis 5 geringes Durstgefühl, Übelkeit, evtl. Erbrechen
Pulsatilla (Küchenschelle)
D 6; 3-mal täglich 5 Globuli
5 Lebensmittelvergiftungen, bei denen nicht zwingend mit schulmedizinischen Maßnahmen eingegriffen werden muss
Okoubaka
D3; 3-mal täglich 5 Globuli
20.2.10
Nieren- und Blasenschmerzen
Schmerzen durch Nieren- und Blasenerkrankungen (. Tabelle 20.2.5) sind im Kindesalter selten. Bei der Behandlung sollte zunächst schulmedizinischen Verfahren der Vorrang gegeben werden. Bei rezi-
Bemerkung
Okoubaka ist in der Homöopathie das wichtigste »Entgiftungsmittel«. Einsatz auch bei Nahrungsmittelallergien, die zu abdominellen Schmerzen führen
divierenden Infekten des ableitenden Harntraktes muss eine Fehlbildung ausgeschlossen werden. Die folgenden Therapiehinweise beziehen sich entweder auf leichte Krankheitsfälle, die Prophylaxe häufiger Rezidive oder sind Vorschläge für eine Begleitmedikation (z. B. bei Pyelonephritis)
. Tabelle 20.2.5. Homöopathika bei Nieren- und Blasenerkrankungen Besonderheiten der Anamnese oder körperlichen Untersuchung
Homöopathisches Arzneimittel
Potenz und Dosierung
5 Plötzlicher, nächtlicher Krankheitsbeginn als Folge von vorheriger »Windeinwirkung« 5 Schmerzenbeschreibung: unerträglich, brennend 5 Schmerzlokalisation: Blasenhals und in der Urethra 5 ständiger Harndrang 5 Angst und Unruhe 5 Angst ist bei Beginn der Urinentleerung verstärkt
Aconitum napellus (Eisenhut)
D30; 3-mal 5 Globuli im Abstand von 2 h
5 Brennende Schmerzen im Blasenhals, schmerzhafte Blasenentzündung 5 Blasengegend ist sehr berührungsempfindlich und schmerzhaft bei Erschütterung des Körpers 5 nach »Abkühlung« (durch Wechsel von warm zu kalt) 5 roter Kopf und weite Pupillen, reichlicher Schweiß am Körper, kalte Extremitäten, evtl. Harnverhalt
Belladonna (Tollkirsche)
D30; 3-mal 5 Globuli im Abstand von 12 h
Bemerkung
5 Klinische Präsentation erinnert an eine Sepsis, die mit geeigneten Methoden auszuschließen ist 5 Belladonna folgt oft auf Aconitum
6
346
Kapitel 20 · Ergänzende, naturheilkundlich orientierte Methoden
. Tabelle 20.2.5. (Fortsetzung) Besonderheiten der Anamnese oder körperlichen Untersuchung
Homöopathisches Arzneimittel
Potenz und Dosierung
Bemerkung
5 Starkes Brennen im Bereich der Harnröhre und ständiger Harndrang 5 Urin entleert sich nur tröpfchenweise 5 Urin enthält Schleim, Eiweiß und Blut
Cantharis (spanische Fliege)
D6; 3-mal täglich 5 Globuli
Cantharis ist in der Homöopathie das Hauptmittel bei Blasenentzündungen
5 Nieren- und Blasenschmerzen mit Ausstrahlung in Hoden und Oberschenkel 5 schneidender Schmerz in der Harnröhre 5 oft bestehen Steinbildungen in Niere und Blase 5 wechselnde Urinfarbe: mal blasser, mal gelber, gelegentlich rötlich
Berberis vulgaris (Berberitze)
D6; 3-mal täglich 5 Globuli
20.2.11
Schmerzen infolge Verletzungen
Bewährte Homöopathika sind in . Tabelle 20.2.6 aufgeführt.
. Tabelle 20.2.6. Homöopathika, die bei Verletzungen eingesetzt werden
20
Besonderheiten der Anamnese oder körperlichen Untersuchung
Homöopathisches Arzneimittel
Potenz und Dosierung
Bemerkung
5 Nach operativen Eingriffen oder Bagatelltraumata, 5 auch prophylaktisch
Arnika (Bergwohlverleih)
5 Bis 2 Tage nach dem Trauma: D2; alle 30 min 5 Globuli 5 3. oder/und 4. Tag nach Trauma: D4; alle 2 h 5 Globuli 5 anschließend: D6; 3-mal täglich 5 Globuli
5 Arnika ist das häufigste Mittel bei der Behandlung von Verletzungen, äußerliche Arnikaanwendung ist möglich: Arnikaessenz oder Arnikasalben.
5 Schnittverletzungen 5 auch begleitend zu operativen Eingriffen, insbesondere nach Laparotomie
Staphisagria (Stephanskraut)
D6; 3-mal täglich 5 Globuli
6
347 20.2 · Schmerz- und symptomorientierte Homöopathie
. Tabelle 20.2.6. (Fortsetzung) Besonderheiten der Anamnese oder körperlichen Untersuchung
Homöopathisches Arzneimittel
Potenz und Dosierung
5 Schnittverletzungen 5 auch begleitend zu operativen Eingriffen, insbesondere nach Laparotomie
Staphisagria (Stephanskraut)
D6; 3-mal täglich 5 Globuli
5 Verletzungen von Nerven 5 heftige, stechende, reißende Schmerzen an der verletzten Stelle mit Ausstrahlungen in das Versorgungsgebiet des betroffenen Nervs 5 auch bei Phantomschmerzen und Wurzelreizsyndromen
Hypericum (Johanniskraut)
D6; 3-mal täglich 5 Globuli
5 Monokel- oder Brillenhämatom
Symphytum (Beinwell)
D6; 3-mal täglich 5 Globuli
5 Quetschungen und Weichteilverletzungen
Bellis perennis (Gänseblümchen)
D6; 3-mal täglich 5 Globuli
5 Stichverletzungen, insbesondere Messerstiche
Ledum (Sumpfporst)
D6; 3-mal täglich 5 Globuli
5 Narbenschmerzen 5 Schlechte Heilungstendenz
Conium (Gefleckter Schierling)
D6; 3-mal täglich 5 Globuli
5 Spät nach Traumata, noch später als Conium 5 Narben sind insgesamt schlecht verheilt, es bestehen ständige Schmerzen und Reize im Narbenbereich, z. T. auch lang anhaltende Rötungen
Calcium fluoratum (Kalziumfluorid)
D6; 3-mal täglich 5 Globuli
5 Nach Verbrennungen 5 stechende Schmerzen
Cantharis (spanische Fliege)
D6; 3-mal täglich 5 Globuli
Bemerkung
Schädelbasisverletzungen und Neuroblastome ausschließen!
Typischerweise geht es den Calcium-fluoratumPatienten erst nach übermäßiger Anstrengung gut
20
348
Kapitel 20 · Ergänzende, naturheilkundlich orientierte Methoden
Literatur zu Unterkapitel 20.2 1. Charette G (1997) Homöopathische Arzneimittellehre für die Praxis. Hippokrates, Stuttgart 2. Eisele et al. (2004) Homöopathie für die Kitteltasche. 2. Aufl. Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 3. Friese K-H, Kruse S, Moeller H (1996) Otitis media bei Kindern. Vergleich zwischen homöopathischer und konventioneller Therapie. HNO 44: 462–466 4. Friese K-H (2005) Homöopathie in der HNO-Heilkunde. Hippokrates, Stuttgart 5. Kent’s Repertorium der homöopathischen Arzneimittel (1997). Bd I–III. 13. Aufl. Haug, Heidelberg 6. Köhler G (2004) Lehrbuch der Homöopathie. Bd II, 6. Aufl. Hippokrates, Stuttgart 7. Kleijnen J, Knipschild P, Riet G (1991) Clinical trials of homoeopathy. MBJ 302: 316–323 8. Linde K, Clausius N, Ramirez G, Melchart D, Eitel F, Hedges LV (1997) Are the clinical effects of homoeopathy placebo effects? A meta-analysis of placebo-controlled trials. Lancet 350: 834–843 9. Mezger J (1999) Gesichtete homöopathische Arzneimittellehre. Bd I, II, 11. Aufl. Haug, Heidelberg
20
Anhang A: Dattelner Schmerzfragebogen A.1
Fragebogen für Kinder – 350
A.2
Fragebogen für Jugendliche – 353
A.3
Fragebogen für Eltern – 360
Bemerkung • Copyright bei U. Damschen, B. Zernikow, VKK, Datteln • Bogen dürfen zum eigenen Gebrauch kopiert werden • Zeichnungen: Monika Eckey
350
Anhang A · Dattelner Schmerzfragebogen
A.1
Fragebogen für Kinder
Hallo Du! Wir möchten Dich ein paar Dinge zu Deinen Schmerzen fragen. Mit Deinen Antworten hilfst Du uns, Deine Schmerzen besser zu verstehen. Wenn Du eine Frage nicht verstehst, frag’ einen Erwachsenen – Deine Eltern, den Arzt oder eine Krankenschwester. Und los geht’s! Heutiges Datum: _____________________________________________________________________ Dein Name:
_____________________________________________________________________
Dein Alter:
_____________________________________________________________________
Mädchen
1. Bitte mach ein »X« an die Stellen, an denen Du Schmerzen hast und wo es Dir weh tut.
2. Bitte mach zusätzlich einen Kreis um die Stelle, die Dir am meisten weh tut! Jungen
1. Bitte mach ein »X« an die Stellen, an denen Du Schmerzen hast und wo es Dir weh tut.
351 A.1 · Fragebogen für Kinder
3. Wie stark, sind die Schmerzen, um die Du eben den Kreis gemacht hast, zur Zeit? g
bedeutet, dass Du zur Zeit keine Schmerzen hast,
g
bedeutet, dass Du zur Zeit die stärksten Schmerzen hast, die Du Dir überhaupt vorstellen kannst.
Bitte mach ein Kreuz durch das Gesicht, das passt! Keine Schmerzen
Stärkste vorstellbare Schmerzen
4. Wie stark waren Deine stärksten Schmerzen in der letzten Woche? Bitte mach ein Kreuz durch das Gesicht, das passt! Keine Schmerzen
Stärkste vorstellbare Schmerzen
5. Wie stark waren Deine schwächsten Schmerzen in der letzten Woche? Bitte mach ein Kreuz durch das Gesicht, das passt! Keine Schmerzen
5b.
Stärkste vorstellbare Schmerzen
Wie stark waren Deine Schmerzen, die Du in der letzten Woche die meiste Zeit über hattest? Bitte mach ein Kreuz durch das Gesicht, das am besten passt!
Keine Schmerzen
Stärkste vorstellbare Schmerzen
352
Anhang A · Dattelner Schmerzfragebogen
6. a) b) c) d) e) f)
Mein Schmerz ist ganz tief drin und drückt! (dumpf) Mein Schmerz sticht wie eine Nadel! (spitz/stechend) Mein Schmerz kommt ganz plötzlich! (einschießend) Mein Schmerz pocht wie mein Herz! (pulsierend) Mein Schmerz brennt wie Feuer oder Brennesseln! Bei Schmerzen zieht sich alles zusammen! (krampfartig)
Ja ❍ ❍ ❍ ❍ ❍ ❍
Nein ❍ ❍ ❍ ❍ ❍ ❍
7. Was glaubst Du, woher Deine Schmerzen kommen, oder was der Grund für Deine Schmerzen ist? _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ 8. Was tust Du, wenn Du Schmerzen hast? _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ 9. Was tun Deine Eltern, wenn Du Schmerzen hast? _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ 10. Kannst Du Deine Schmerzen beschreiben oder malen?
353 A.2 · Fragebogen für Jugendliche
A.2
Fragebogen für Jugendliche
Hallo! Dieser Fragebogen soll uns helfen, einen ausführlichen Überblick über Deine Schmerzen zu gewinnen. Alle Informationen, die wir aus diesem Fragebogen und durch Gespräche mit Dir erhalten, bleiben strikt vertraulich. Manche Fragen werden Dir »unwichtig« vorkommen und scheinen mit Deinen Schmerzen nichts zu tun zu haben. Schmerzen sind jedoch ein so umfassendes Problem, dass auch scheinbar unwichtige Kleinigkeiten für uns Bedeutung haben. Wenn Du bestimmte Fragen nicht beantworten möchtest, trag’ bitte in das entsprechende Feld »Möchte nicht antworten« ein. Alles klar? Sonst frag’ uns einfach! Heutiges Datum: _____________________________________________________________________ Dein Name:
_____________________________________________________________________
Dein Alter:
______________
Dein Geburtsdatum:
_______________________________
Auf welche Schule gehst Du? (zum Beispiel: Realschule)
_______________________________
Und in welche Klasse?
_______________________________
Schulklasse:
1. Welche schweren und/oder langdauernden Schmerzprobleme anderer Familienmitglieder oder Freunde kennst Du? Familienmitglied
Jahr der Erkrankung
Art der Erkrankung und Schmerzort
Ausgang der Erkrankung
zum Beispiel: Bruder
1997
Rheuma, Gelenke
besteht weiterhin
Deine Schmerzgeschichte 2. Wann hat Dein aktuelles Schmerzproblem begonnen? _______________________________________________________________________________ 3. Welche Beschwerden hattest Du zu Beginn der Schmerzen (zum Beispiel: Kopfschmerzen mit Erbrechen einmal pro Monat, meistens montags)? _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________
354
Anhang A · Dattelner Schmerzfragebogen
4. An welchen Körperstellen hattest Du bis jetzt Schmerzen (zum Beispiel »beide Kniegelenke, im Bauch und am rechten Fuß«)? _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ 5. Haben die Schmerzen in ihrer Stärke geschwankt (zum Beispiel: sind stärker geworden, sind schwächer geworden, sind gleich geblieben, ständig wechselnd, von April bis Juni 1998 ganz verschwunden usw.)? Wenn ja, versuche dies zu beschreiben _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ 6. Hast Du etwas besonderes erlebt, als die Schmerzen begannen (zum Beispiel: mein bester Freund ist weggezogen; mein Hamster ist gestorben; ich habe die Schule gewechselt; ich habe die Vereinsmeisterschaft im Schwimmen gewonnen; …) _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________
Deine Schmerzen – jetzt
7. Bitte mach’ ein »X« an die Stellen, an denen Du Schmerzen hast. Mädchen
8. Bitte mach zusätzlich einen Kreis um die Stelle, die Dir am meisten weh tut!
355 A.2 · Fragebogen für Jugendliche
Jungen
8. Bitte mach zusätzlich einen Kreis um die Stelle, die Dir am meisten weh tut!
9. Wie stark, sind die Schmerzen, um die Du eben den Kreis gemacht hast zur Zeit? g 0 bedeutet, dass Du zur Zeit keine Schmerzen hast, g 10 bedeutet, dass Du zur Zeit die stärksten Schmerzen hast, die Du Dir überhaupt vorstellen kannst. 0
–
1
–
2
–
3
–
4
–
5
–
6
–
7
–
8
–
9
Keine Schmerzen
–
10
Stärkste vorstellbare Schmerzen
10. Wie stark waren Deine stärksten Schmerzen, die Du in den letzten (7) Tagen hattest? Bitte mach ein Kreuz durch die Zahl, die stimmt! 0
–
1
–
2
–
3
–
4
–
5
–
6
–
7
–
8
–
9
Keine Schmerzen
–
10
Stärkste vorstellbare Schmerzen
11. Wie stark waren Deine schwächsten Schmerzen, die Du in den letzten (7) Tagen hattest? Bitte mach ein Kreuz durch die Zahl, die stimmt! 0
–
1
–
2
–
3
–
4
–
5
–
6
–
7
–
8
–
9
Keine Schmerzen
–
10
Stärkste vorstellbare Schmerzen
12. Wie stark sind die Schmerzen, die Du die meiste Zeit über hast? Bitte mach ein Kreuz durch die Zahl, die stimmt! 0
–
1
Keine Schmerzen
–
2
–
3
–
4
–
5
–
6
–
7
–
8
–
9
–
10
Stärkste vorstellbare Schmerzen
356
Anhang A · Dattelner Schmerzfragebogen
13. Was ist die schlimmste Zeit des Tages? _______________________________________________________________________________ 14. Was ist die beste Zeit des Tages? _______________________________________________________________________________ 15. An welchem Wochentag hast Du die meisten Schmerzen? _______________________________________________________________________________ 16. In welcher Jahreszeit oder welchem Monat hast Du die meisten Schmerzen? _______________________________________________________________________________ 17. Wie häufig hast Du Schmerzen? wenige Male pro Jahr ❍ wenige Male pro Monat ❍ mehrmals pro Woche ❍ einmal täglich ❍ mehrmals täglich ❍ dauernd ❍ 18. Wie lange dauern Deine Schmerzen (zum Beispiel: einige Minuten oder 2 Stunden)? _______________________________________________________________________________ 19. Wenn Du zur Zeit täglich Schmerzen hast, wieviel Stunden pro Tag sind das? _______________________________________________________________________________ 20. Wie sind Deine Schmerzen genau? (Bitte lies Dir alle drei Beschreibungen durch und kreuze danach das an, was für Deine Schmerzen stimmt!) 4 Meine Schmerzen treten nur manchmal auf, zwischendurch habe ich keine Schmerzen. ❍ 4 Ich habe dauernd gleichstarke Schmerzen. ❍ 4 Ich habe dauernd Schmerzen, aber manchmal sind die Schmerzen viel stärker. ❍ 21. Bitte umkringele die Worte in der Liste, die zu Deinen Schmerzen passen. Wenn was fehlt, schreib einfach ein neues Wort auf! Du kannst so viele Worte umkringeln oder aufschreiben, wie Du magst. beängstigend
kribbelnd
scharf
sprunghaft
eng
brennend
kühl
scheußlich
beißend
schreiend
heiß
ausbreitend
wund
einschießend
mörderisch
klopfend
drückend
hart
ängstlich
einsam
kneifend
unerträglich
pulsierend
grausam
schrecklich
357 A.2 · Fragebogen für Jugendliche
kratzend
dumpf
traurig
juckend
ziehend
schlecht
oberflächlich
unangenehm
kalt
schwer
schneidend
hämmernd
außerhalb des Körpers
quälend
tief
stechend
warm
prickelnd
ermüdend
glühend
entnervend
marternd
elend
dehnend
………
………
………
lähmend
reißend
………
………
………
………
………
………
22. Wenn Du Schmerzen hast, hast Du dann manchmal noch andere körperliche Probleme? Wenn ich Schmerzen habe, ist mir übel ❍ muss ich kotzen ❍ nervt mich helles Licht ❍ flimmert es mir vor den Augen ❍ stören mich laute Geräusche ❍ ist mir schwindelig ❍ wird die Haut ganz rot oder weiß ❍ wird die Stelle, wo’s weh tut, dick ❍ bin ich ganz müde oder fertig ❍ muss ich oft zur Toilette ❍ hab ich ein komisches Gefühl in den Händen ❍ fühl’ ich mich komisch ❍ ❍ oder was noch? a …………………………………… a …………………………………… ❍ 23. Bemerkst Du schon, bevor die Schmerzen da sind, dass Du bald welche bekommst? Wenn ja, woran merkst Du, dass die Schmerzen bald anfangen werden? (zum Beispiel: ich bin müde; mir gehen bestimmte Gedanken durch den Kopf; meine Laune ist schlecht; ich fühle mich schlapp; …) _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________
358
Anhang A · Dattelner Schmerzfragebogen
24. Gibt es bestimmte Dinge oder Ereignisse, die Deine Schmerzen auslösen? (zum Beispiel: zu wenig geschlafen, Aufregung vor einer Klassenarbeit, Kälte, körperliche Anstrengung beim Sport, Wetterwechsel, Licht, Lärm, Computerspiele, Fernsehen, Hektik, Schulprobleme, Wochenende oder Ferienbeginn, …) _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ 25. Erscheinen Dir Deine Schmerzen schlimmer, wenn Du
müde bist angespannt bist gelangweilt bist glücklich bist unglücklich bist
Ja
Nein
❍ ❍ ❍ ❍ ❍
❍ ❍ ❍ ❍ ❍
wütend bist beschäftigt bist einsam bist streitsam bist aufgeregt bist
Ja
Nein
❍ ❍ ❍ ❍ ❍
❍ ❍ ❍ ❍ ❍
26. Was glaubst Du, woher Deine Schmerzen kommen oder was der Grund für Deine Schmerzen ist? _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ 27. Was tust Du, wenn Du Schmerzen hast? _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ 28. Was tun Deine Eltern, wenn Du Schmerzen hast? _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ 29. Was würde sich ändern, wenn Du plötzlich keine Schmerzen mehr hättest? _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________
359 A.2 · Fragebogen für Jugendliche
30. Was lindert Deine Schmerzen und hilft dagegen? Was macht Deine Schmerzen schlimmer und verstärkt sie? Situation 4 Körperliche Bewegung (zum Beispiel: Rennen, Fahrrad fahren, ...) 4 Seelische Belastung (zum Beispiel: Klassenarbeit, Streit, …) 4 Ungünstige Körperhaltung (zum Beispiel: krummes Sitzen, langes Stehen, …) 4 Häufiges Aufstehen, Hinsetzen, Herumgehen 4 Sich ausruhen, liegen, ruhighalten 4 Meine Schmerzen können durch nichts verändert werden.
lindert
keine
verstärkt Änderung
❍
❍
❍
❍
❍
❍
❍
❍
❍
❍ ❍
❍ ❍
❍ ❍
stimmt ❍ stimmt nicht ❍
31. Gibt es noch irgend etwas anderes, wodurch Deine Schmerzen schlimmer werden?
Die Auswirkungen der Schmerzen auf Deinen Alltag 32. Stören Dich Deine Schmerzen bei folgenden Beschäftigungen? Umkreise bitte die Zahl, die Deiner Meinung nach am besten passt! Familienleben genießen Essen/meinen Appetit Freunde treffen Sport Schlafen Fernsehen Lesen Hausaufgaben Schulbesuch Ins Kino gehen Lieblingsbeschäftigung Ungeliebte Beschäftigungen …
Niemals 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
Selten 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2
Manchmal 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3
Häufig 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Immer 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5
Fällt Dir noch etwas anderes ein, wo Dich Deine Schmerzen stören? Oder möchtest Du einen Punkt etwas ausführlicher beschreiben? Hier kannst Du es aufschreiben! 33. Haben Dich Deine Schmerzen während der letzten drei Monate von Dingen abgehalten, die Du tun wolltest (z.B. in den Urlaub fahren oder reiten)? Ja
❍
Nein
Vielen Dank !
❍
Falls ja, was war das?
360
Anhang A · Dattelner Schmerzfragebogen
A.3
Fragebogen für Eltern
Liebe Eltern, dieser Fragebogen soll uns helfen, einen ausführlichen Überblick über die Schmerzproblematik Ihres Kindes zu gewinnen. Alle Informationen, die wir aus diesem Fragebogen und durch Gespräche erhalten, bleiben strikt vertraulich. Manche Fragen werden Ihnen »unwichtig« vorkommen und scheinen überhaupt nicht mit dem Problem Ihres Kindes im Zusammenhang zu stehen. Schmerzen sind jedoch ein so umfassendes Problem, dass auch scheinbar unwichtige Einzelheiten für uns Bedeutung haben. Wenn Sie eine bestimmte Frage nicht beantworten möchten, tragen Sie in das entsprechende Feld bitte »Möchte nicht antworten« ein. Bitte schreiben Sie in Druckschrift oder sehr deutlich. Heutiges Datum: _____________________________________________________________________ Dein Name:
_____________________________________________________________________
Anschrift:
_____________________________________________________________________ _____________________________________________________________________ _____________________________________________________________________
Telefon:
_____________________________________________________________________
Ihre Beziehung/Verwandtschaft zum Kind (z.B. Mutter, Vater, Bruder, Großmutter): __________________________
Alter: ______________
Daten des Kindes Name: __________________________ Alter __________________________ Geburtsdatum: _________________________ Geschlecht: __________________________ Schulform (z.B. Realschule) __________________________ Schulklasse: __________
361 A.3 · Fragebogen für Eltern
Informationen über die familiäre Gemeinschaft Bitte nennen Sie alle Personen, die in familiärer Gemeinschaft mit dem Kind wohnen. Beziehung zu Ihnen Alter Geschlecht ____________________________________________________________________________________ z.B. Lebenspartner 35 Jahre männlich ____________________________________________________________________________________ z.B. Schwester 10 Jahre weiblich ____________________________________________________________________________________ ____________________________________________________________________________________ ____________________________________________________________________________________ ____________________________________________________________________________________ ____________________________________________________________________________________ ____________________________________________________________________________________ ____________________________________________________________________________________ ____________________________________________________________________________________
Kind und Familie 1. Bitte nennen Sie alle gesundheitlichen Probleme, die Ihr Kind früher hatte oder jetzt hat. _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ 2. Wenn noch eine andere Person in der Familie gesundheitliche Probleme hat, nennen Sie bitte die Person und die gesundheitlichen Probleme, z.B. Sohn mit Asthma, Ehemann mit Herzbeschwerden! _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ 3. Bitte nennen Sie alle schweren oder chronischen Familienkrankheiten, von denen Ihr Kind weiß. Familienmitglied
Jahr der Erkrankung
Art der Erkrankung
Ausgang der Erkrankung
z. B. Onkel in Polen
1997
Blutkrebs
geheilt
362
Anhang A · Dattelner Schmerzfragebogen
4. Bitte nennen Sie alle schweren und/oder chronischen Schmerzprobleme anderer Familienmitglieder, die Ihr Kind miterlebt hat. Familienmitglied
Jahr der Erkrankung
Art der Erkrankung und Schmerzort
Ausgang der Erkrankung
zum Beispiel: Bruder
1997
Rheuma, Gelenke
besteht weiterhin
5. Gibt es zur Zeit schwere Belastungen in Ihrer Familie (z.B. Scheidung, Trennung, schwere finanzielle Belastung, Krankheit)? Falls ja, benennen Sie diese bitte. _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________
Schmerzgeschichte Ihres Kindes 6. Wann hat das aktuelle Schmerzproblem Ihres Kindes begonnen? _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ 7. Welche Beschwerden hat Ihr Kind zu Beginn der Schmerzen gehabt? _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ 8. Geben Sie bitte die Körperstellen an, wo Ihr Kind bis jetzt Schmerzen hatte? _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ 9. Haben die Schmerzen in ihrer Stärke geschwankt (z.B. abnehmend, zunehmend, ständig wechselnd, von April bis Juni 1998 ganz verschwunden usw.)? Wenn ja, beschreiben Sie dies bitte. _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________
363 A.3 · Fragebogen für Eltern
10. Wie haben Sie auf die Schmerzen Ihres Kindes zu Anfang reagiert? _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ 11. Traten zu Beginn der Schmerzen größere Veränderungen in Ihrem oder dem Leben Ihres Kindes auf? Bitte erläutern Sie. _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________
Aktuelle Schmerzen 12. Bitte markieren Sie durch ein »X« die Stellen, an denen Ihr Kind Schmerzen hat. Mädchen
Bitte markieren Sie zusätzlich mit einem Kreis die am meisten schmerzende Stelle. Jungen
Bitte markieren Sie zusätzlich mit einem Kreis die am meisten schmerzende Stelle.
364
Anhang A · Dattelner Schmerzfragebogen
13. Wie nennen Sie die Schmerzen Ihres Kindes? (Zum Beispiel »Kopfschmerzen«, »Gelenkschmerzen«, »Bauchweh«, »Rückenweh« etc.). Bitte geben Sie die Schmerzen in der Reihenfolge der Stärke an, die stärksten Schmerzen zuerst. Schmerzproblem Nr. 1 (Hauptschmerzen, durch Kreis gekennzeichnet): _______________________________________________________________________________ Schmerzproblem Nr. 2: ________________________________________________________ Schmerzproblem Nr. 3: ________________________________________________________ weitere Schmerzprobleme ________________________________________________________ 14. Wie stark denken Sie, sind die Hauptschmerzen, die Ihr Kind zur Zeit hat? Bitte kreuzen Sie die entsprechende Zahl an! 0
–
1
–
2
–
3
–
4
–
5
–
6
–
7
–
8
–
9
Keine Schmerzen
–
10
Stärkste vorstellbare Schmerzen
15. Wie stark waren die stärksten Schmerzen Ihres Kindes in der letzten Woche (in den letzten 7 Tagen)? Bitte kreuzen Sie die entsprechende Zahl an! 0
–
1
–
2
–
3
–
4
–
5
–
6
–
7
–
8
–
9
Keine Schmerzen
–
10
Stärkste vorstellbare Schmerzen
16. Wie stark, denken Sie, waren die schwächsten Schmerzen, die Ihr Kind in der letzten Woche (7 Tage) hatte? Bitte kreuzen Sie die entsprechende Zahl an! 0
–
1
–
2
–
3
–
4
–
5
–
6
–
7
–
8
–
9
Keine Schmerzen
–
10
Stärkste vorstellbare Schmerzen
17. Wie stark, denken Sie, sind die Schmerzen, die Ihr Kind im Durchschnitt zur Zeit hat. Bitte kreuzen Sie die entsprechende Zahl an! 0
–
1
Keine Schmerzen
–
2
–
3
–
4
–
5
–
6
–
7
–
8
–
9
–
10
Stärkste vorstellbare Schmerzen
18. Wann im Tagesverlauf sind die Schmerzen am stärksten? _______________________________________________________________________________ 19. Wann im Tagesverlauf sind die Schmerzen am schwächsten? _______________________________________________________________________________ 20. An welchem Wochentag hat Ihr Kind die meisten Schmerzen? _______________________________________________________________________________
365 A.3 · Fragebogen für Eltern
21. In welcher Woche des Monats hat Ihr Kind die meisten Schmerzen? _______________________________________________________________________________ 22. In welcher Jahreszeit oder welchem Monat hat Ihr Kind die meisten Schmerzen? _______________________________________________________________________________ 23. Wie häufig tritt der Hauptschmerz (der mit dem Kreis) bei Ihrem Kind auf? (Bitte ankreuzen) wenige Male pro Jahr wenige Male pro Monat mehrmals pro Woche einmal täglich mehrmals täglich dauernd
❍ ❍ ❍ ❍ ❍ ❍
24. Wie lange dauern die Schmerzen (Minuten, Stunden)? _______________________________________________________________________________ 25. Wenn Ihr Kind zur Zeit täglich Schmerzen hat, wieviel Stunden pro Tag hat Ihr Kind Schmerzen? _______________________________________________________________________________ 26. Welchen Verlauf haben die Schmerzen Ihres Kindes? (Bitte nur ein Kreuz machen!) 4 Die Schmerzen meines Kindes treten nur anfallsweise auf, dazwischen ist mein Kind schmerzfrei. ❍ 4 Die Schmerzen meines Kindes sind dauernd vorhanden. ❍ 4 Die Schmerzen sind bei meinem Kind dauernd vorhanden, und zusätzlich treten Schmerzspitzen auf. ❍ 27. Bitte umkringeln Sie die Worte in der Liste, die Ihrer Meinung nach die Schmerzen ihres Kindes beschreiben, oder fügen Sie neue Worte ein. beängstigend
kribbelnd
scharf
sprunghaft
eng
brennend
kühl
scheußlich
beißend
schreiend
heiß
ausbreitend
wund
einschießend
mörderisch
klopfend
drückend
hart
ängstlich
einsam
kneifend
unerträglich
pulsierend
grausam
schrecklich
kratzend
dumpf
traurig
juckend
ziehend
schlecht
oberflächlich
unangenehm
kalt
schwer
schneidend
hämmernd
außerhalb des Körpers
quälend
tief
366
Anhang A · Dattelner Schmerzfragebogen
stechend
grausam
prickelnd
ermüdend
dehnend
entnervend
marternd
warm
elend
glühend
………
………
lähmend
reißend
………
………
………
………
………
………
28. Gehen die Schmerzen Ihres Kinder mit Übelkeit, Erbrechen, Lichtempfindlichkeit, Sehstörungen, Schwindel, Schwellung, Rötung, Schwäche, Angespanntheit, schneller Atmung, Überempfindlichkeit der Haut oder anderen Begleiterscheinungen einher? Falls ja, bitte benennen Sie die Begleiterscheinungen. _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ 29. Merken Sie, wenn sich Schmerzen bei Ihrem Kind ankündigen? Wenn ja, welche Zeichen weisen auf kommende Schmerzen hin (z.B. Steifheit, bestimmte Gedanken oder Aussagen, körperliche Empfindungen oder Verstimmtheit)? _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ 30. Gibt es Auslöser für die Hauptschmerzen bei Ihrem Kind (beispielsweise Schlafmangel, Aufregung, Kälte, körperliche Anstrengung, Wetterwechsel, Licht, Lärm, Computerspiele, Fernsehen, Hektik, Schulprobleme, Wochenende oder Ferienbeginn)? _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ 31. Welche Ursache haben die Hauptschmerzen Ihres Kindes Ihrer Meinung nach? _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ 32. Was macht Ihr Kind, wenn es Schmerzen hat? _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________
367 A.3 · Fragebogen für Eltern
33. Wie reagieren Sie, wenn Ihr Kind Schmerzen hat? Bitte erläutern Sie. _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ 34. Wie würde das Leben Ihres Kindes verändert, wenn die Schmerzen plötzlich verschwänden? _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ 35. Wie würde sich Ihr Familienleben verändern? _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ 36. Unter der Annahme, dass die Schmerzen bleiben: Was denken Sie, was für Dinge Ihr Kind jetzt tun sollte, die ihm später helfen?
Schmerzbehandlung 37. Nimmt Ihr Kind zur Zeit Medikamente gegen Schmerzen ein? Ja
❍
Nein
❍
Falls ja, bitte tragen Sie die folgenden Informationen ein:
Medikament
Dosis/Art (Tabletten/Zäpfchen, Tropfen, Hübe)
Wie oft pro Tag?
Wann?
Wie wirksam? 0 = nicht wirksam 1 = wenig wirksam 2 = gut wirksam
z.B. Ben-u-ron
500 mg pro Tablette
3×1
8, 14, 21 Uhr
1
368
Anhang A · Dattelner Schmerzfragebogen
38. Welche Medikamente oder welche Behandlungen wurden in der Vergangenheit gegeben? Zeitraum
Medikamente/Behandlung/Operation
Wie wirksam? 0 = nicht wirksam 1 = wenig wirksam 2 = gut wirksam
39. Wieviele verschiedene Ärzte haben Sie wegen der Schmerzen Ihres Kindes bisher aufgesucht? keine ❍
ca. ________
40. Wie häufig haben Sie mit Ihrem Kind in den letzten vier Wochen einen Arzt wegen der Schmerzen Ihres Kindes aufgesucht? noch nie
❍
ca. ________ Termine in den letzten vier Wochen
41. Was machen Sie derzeit, um die Schmerzen Ihres Kindes zu mindern? _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ 42. Was lindert, was verschlimmert den Hauptschmerz Ihres Kindes? Situation
lindernd
verstärkend
❍
kein Einfluss ❍
Körperliche Aktivität (Rennen, Fahrrad fahren etc.) Psychische Belastung (Klassenarbeit, Streit etc.) Ungünstige Körperhaltung (krummes Sitzen, langes Stehen) Häufiger Lagewechsel, Herumgehen Sich Ausruhen, Hinlegen, Ruhighalten ………….………………………… ………….…………………………
❍
❍
❍
❍
❍
❍
❍ ❍ ❍ ❍
❍ ❍ ❍ ❍
❍ ❍ ❍ ❍
Die Schmerzen meines Kindes sind durch nichts zu beeinflussen Ja ❍
Nein ❍
❍
369 A.3 · Fragebogen für Eltern
43. Gibt es weitere Situationen, in denen die Schmerzen Ihres Kindes stärker werden? Bitte erläutern Sie. _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________
Allgemeine und körperliche Beeinträchtigungen durch die Schmerzen 44. Welche der folgenden Tätigkeiten Ihres Kindes werden durch die Schmerzen behindert? Bitte umkreisen Sie die jeweils am ehesten zutreffende Ziffer:
Familienleben genießen Essen/Appetit Freunde treffen Sport Schlafen Fernsehen Lesen Hausaufgaben Schulbesuch Ins Kino gehen Lieblingsbeschäftigung Ungeliebte Beschäftigungen
Niemals
Selten
Manchmal
Häufig
Immer
1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2
3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3
4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5
Kommentare: _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ 45. Haben die Schmerzen Ihr Kind während der letzten vier Wochen von Dingen abgehalten, die es tun wollte? Ja ❍ Nein ❍ Falls ja, bitte erläutern Sie. _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ 46. Wie oft haben die Schmerzen Ihr Kind in den letzten vier Wochen vom Schulbesuch abgehalten? nie ❍ nur 1 Tag ❍ 2–7 Tage ❍ mehr als 1 Woche ❍ die ganzen vier Wochen ❍
370
Anhang A · Dattelner Schmerzfragebogen
47. Wie oft haben die Schmerzen Ihr Kind während der letzten vier Wochen von anstrengenden körperlichen Aktivitäten abgehalten, wie z.B. Rennen, Radfahren, Heben schwerer Gegenstände oder der Teilnahme an anstrengenden Sportarten? nie ❍ nur 1 Tag ❍ 2–7 Tage ❍ mehr als 1 Woche ❍ die ganzen vier Wochen ❍ 48. Wie oft haben die Schmerzen Ihr Kind während der letzten vier Wochen von gemäßigten körperlichen Aktivitäten abgehalten, wie z.B. mehrere Etagen Treppen Steigen, Bücken, schnelles Gehen oder Heben? nie ❍ nur 1 Tag ❍ 2–7 Tage ❍ mehr als 1 Woche ❍ die ganzen vier Wochen ❍ 49. Wie oft haben die Schmerzen Ihr Kind während der letzten vier Wochen von leichten körperlichen Aktivitäten abgehalten, wie z.B. gehen, sitzen oder stehen? nie ❍ nur 1 Tag ❍ 2–7 Tage ❍ mehr als 1 Woche ❍ die ganzen vier Wochen ❍ 50. Gibt es noch etwas anderes, was Sie uns über die Schmerzen Ihres Kindes mitteilen möchten oder über den Einfluss, den die Schmerzen auf Ihr Kind, Sie oder Ihre Familie haben?
Vielen Dank !
Anhang B: Schmerzbeurteilung B.1
Neonatal Infant Pain Scale (NIPS) – invasive Maßnahmen bei nichtbeatmeten Früh- und Neugeborenen – 372
B.2
Universitäts-Kinderklinik Köln: Sedierungsbogen für beatmete Früh-, Neugeborene und Säuglinge – 373
B.3
Kindliche Unbehagen- und Schmerzskala KUSS – postoperativer Schmerz bei nichtbeatmeten Kindern – 374
B.4
Schmerztherapiedokumentationsbogen der Vestischen Kinderklinik Datteln – 375
B.5
Schmerzdokumentationsaufkleber für das Tageskurvensystem – 378
B.6
Kopfschmerztagebuch – 379
B.7
Auszüge aus dem Schmerztagebuch für krebskranke Kinder – 380
B.8
Bauchschmerztagebuch und Anleitung – 388
B.9
Vorbereitung auf medizinische/pflegerische Maßnahmen – 391
B.10 Vorbereitung von jüngeren Kindern auf medizinische Prozeduren anhand von Bildern – 396
372
Anhang B · Schmerzbeurteilung
B.1
Neonatal Infant Pain Scale (NIPS) – invasive Maßnahmen bei nichtbeatmeten Früh- und Neugeborenen 0
1
Gesichtsausdruck
Entspannte Muskeln: ruhiges, friedliches Gesicht/neutraler Gesichtsausdruck
Grimassieren: angespannte Gesichtsmuskulatur, Kiefer, Kinn, gerunzelte Augenbrauen und Stirn
Weinen/ Schreien
Kein Schreien: ruhig, schreit nicht
Wimmern: leichtes Stöhnen, intermittierend
Atmungsmuster
Entspannt: normales Atemmuster für dieses Kind
Veränderungen in der Atmung: Dyspnoe, Tachypnoe, vermehrte Apnoen, unregelmäßige Atmung
Arm- und Beinbewegung
Entspannt/verhalten: keine muskuläre Steifheit, gelegentlich zufällige Arm- und Beinbewegungen
Gebeugt/gestreckt: angespannte Arme/ Beine, starre und/oder schnelle Streckung/Beugung
Wachheit/ Aufmerksamkeit
Schlafend/wach: ruhig, friedlich schlafend oder wach, ruhig, aufmerksam
Unruhig/irritiert: wach, ruhelos, um sich schlagend, nicht zu beruhigen
2
Kraftvolles Schreien/ Weinen: lautes, ansteigendes Schreien, schrill, kontinuierlich
Deutsche Übersetzung. [Englische Version: Lawrence J, Alcock D, McGrath PJ, Kay J, MacMurray SB, Dulberg C (1993) The development of a tool to assess neonatal pain. Neonatal Network 12: 59–66].
Universitäts-Kinderklinik Köln: Sedierungsbogen für beatmete Früh-, Neugeborene und Säuglinge
Name: _____________________
Geburtsdatum: _____________________
Datum, Uhrzeit A. Motorik B. Mimik C. Augen öffnen D. Beatmung E. Absaugen Summe
2
3
4
5
A. Motorik
Keine Spontanbewegungen
Spontanbewegungen bei Schmerzreizen
Spontanbewegungen mit den Extremitäten
Spontane Massenbewegungen
Dauernde spontane Bewegungen, Unruhe
B. Mimik
Keine Reaktionen
Grimassieren nur bei Schmerzreizen
Weint nur bei Schmerzreizen, beruhigt sich rasch wieder
Weint auch ohne Schmerzreize, beruhigt sich rasch
Weint, kaum zu beruhigen
C. Augen öffnen
Kein Öffnen der Augen
Öffnen nur bei Schmerzreizen
Öffnen bei Manipulationen, schläft rasch wieder ein
Öffnet spontan die Augen, schläft nach kurzer Zeit wieder ein
Öffnet spontan die Augen, lange Zeit wach, schwitzt
D. Beatmung
Keine Eigenatmung
Problemlose Eigenatmung voll synchronisiert
Apparative Beatmung durch Eigenatmung nicht gestört
Atmet gegen den Respirator, Tachypnoe
E. Absaugen
Keine Reaktionen beim Absaugen
Zeigt allenfalls Grimassieren oder Bewegungen mit den Extremitäten
Kurzes Husten oder Würgen
Wehrt sich heftig, hustet stark, presst
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung von Dr. Susanne Reiser-Hartwig, Universitäts-Kinderklinik Köln. Minimal 3, maximal 25 Punkte. Zielbereich 8–14 Punkte! Zu schwach sediert > 14 Punkte! Zu stark sediert < 8 Punkte!
373
1
B.2 · Sedierungsbogen für beatmete Früh-, Neugeborene und Säuglinge
B.2
374
Anhang B · Schmerzbeurteilung
B.3
Kindliche Unbehagen- und Schmerzskala KUSS – postoperativer Schmerz bei nichtbeatmeten Kindern
Beobachtung
Bewertung
Punkte
Weinen
Gar nicht Stöhnen, Jammern, Wimmern Schreien
0 1 2
Gesichtsausdruck
Entspannt, lächelnd Mund verzerrt Mund und Augen grimassieren
0 1 2
Rumpfhaltung
Neutral Unstet Aufbäumen, Krümmen
0 1 2
Beinhaltung
Neutral Strampelnd, tretend An den Körper gezogen
0 1 2
Motorische Unruhe
Nicht vorhanden Mäßig Ruhelos
0 1 2
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung von PD Dr. med. W. Büttner, Ruhr-Universität Bochum.
4 Die Skala ist gültig für Neugeborene und Kleinkinder bis zum Ende des 4. Lebensjahres. 4 Für jede Variable ist nur eine Aussage zulässig. Die Dauer der Beobachtung beträgt 15 s. Es sind nur Daten aus dieser Zeit festzuhalten, auch wenn sich das Verhalten des Kindes danach ändert. Wiederholte Beobachtungen in festen zeitlichen Abständen sind aussagekräftiger als eine Einzelbeobachtung. 4 Zu jeder Beobachtung gehört die Kontrolle des Wachheitsgrades. Ein schlafendes Kind hat keinen akuten analgetischen Therapiebedarf. 4 Analgetischer Therapiebedarf beginnt mit 4 Punkten. Mit steigender Punktzahl nimmt seine Dringlichkeit zu.
Schmerztherapiedokumentationsbogen der Vestischen Kinderklinik Datteln
B.4 · Schmerztherapiedokomentationsbogen der Vestischen Kinderklinik Datteln
B.4
375
376
Anhang B · Schmerzbeurteilung
. Abb. B.4.1 . Gebrauchsanweisung für Schmerzmessung und Dokumentation (Copyright Dr. B. Zernikow 1998)
B.4 · Schmerztherapiedokomentationsbogen der Vestischen Kinderklinik Datteln
377
378
Anhang B · Schmerzbeurteilung
B.5
Schmerzdokumentationsaufkleber für das Tageskurvensystem (Copyright B. Zernikow, Münster 2002). Die passenden Aufkleber (A–F) können bei Mundipharma unter der angegebenen Telefonnummer bestellt werden.
Dienstag
nein
nein
Hast Du heute etwas Aufregendes erlebt? Wenn ja, war es etwas Schönes 6 oder etwas Unangenehmes N? Kreuze bitte an: Hattest Du heute Kopfschmerzen?
6
ja
ja
N
STOP
nein
ja
nein
6
ja
ja
N
nein
6
ja
ja
N
STOP
nein
nein
STOP
ja
9
N
ja
nein
6
ja
ja
N
6
ja
ja
N
nein
STOP
ts
2 3
4
5 6
12
12
7 8
9 10 0 1 2 3
4
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12
12
7 8
9 10 0 1
2 3
4
5 6
12
12
nein
STOP
ja
7 8
STOP
nein
ja
STOP
ja
dann mach bitte weiter dann mach bitte weiter dann mach bitte weiter
9 10 0 1
2 3
4
5 6
12
12
7 8
9 10 0 1 2 3
4
5 6
12
12
7 8
9 10 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
12
12
12
ch na
er
er
üb
üb
gs
gs
6
ta
12
3
Sonnntag
nein
6
ja
ja
dann mach bitte weiter dann mach bitte weiter dann mach bitte weiter dann mach bitte weiter
ta
12
N
ja
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 0 1
Wie stark war Dein Kopfschmerz? Wie lang dauerte Dein Kopfschmerz? Male bitte die Uhr an; 9 morgens von 7-11 Uhr z.B. so:
ja
Samstag
Freitag
Was denn? .............. Was denn? .............. Was denn? .............. Was denn? .............. Was denn? .............. Was denn? .............. Was denn? .............. ................................... ................................... ................................... ................................... ................................... ................................... ................................... ................................... ................................... ................................... ................................... ................................... ................................... ................................... nein
Nur bei Kopfschmerz ausfüllen :
Donnerstag
nein
6
ja
Mittwoch
3 9
6
6
3 9
3 9
6
6
3 9
3 9
6
3 9
6
3 9
6
6
3 9
3 9
6
6
3 9
3 9
6
6
3 9
3 9
6
nein
ja
nein
ja
nein
ja
nein
ja
nein
ja
nein
ja
nein
Hast Du heute Medikamente gegen Kopfschmerzen genommen?
ja
nein
ja
nein
ja
nein
ja
nein
ja
nein
ja
nein
ja
nein
Hast Du Dich heute wegen der Kopfschmerzen hingelegt?
ja
nein
ja
nein
ja
nein
ja
nein
ja
nein
ja
nein
ja
nein
Klebe D ir hier Deinen Sticker au f!
ir hier Klebe D ker auf! Stic Deinen
© Entnommen aus dem Buch: Denecke H & Kröner-Herwig (2000) Kopfschmerztherapie mit Kindern und Jugendlichen. Hogrefe-Verlag
. Abb. B.6.1 . Kopfschmerztagebuch
Klebe D ir hier Deinen Sticker au f!
ir hier Klebe D ker auf! Stic Deinen
Klebe D ir hier Deinen Sticker au f!
ir hier Klebe D ker auf! Stic Deinen
379
ja
ir hier Klebe D ker auf! Stic Deinen
3
6
Hast Du heute wegen Kopfschmerzen in der Schule gefehlt (ganz oder ein paar Stunden)?
Das Tagebuch verschafft Dir Übersicht, darum hat‘s soviel Gewicht!
B.6 · Kopfschmerztagebuch
Montag
Kopfschmerztagebuch
d Ko pfs en chm erz !
von: ......................................................... Woche vom .............. bis zum ...............
B.6
ST OP
Kopfschmerz-Tagebuch
380
Anhang B · Schmerzbeurteilung
B.7
Auszüge aus dem Schmerztagebuch für krebskranke Kinder
Copyright 2002 bei Wilma Henkel und Dr. Boris Zernikow, Datteln. Herausgeber des Orginaltagebuches: Deutsche Kinderkrebsstiftung, Joachimstr. 20, 53113 Bonn (das Orginaltagebuch kann über die Deutsche Kinderkrebsstiftung bezogen werden). Druck des Orginaltagebuches mit freundlicher Unterstützung der Mundipharma GmbH, Limburg.
381 B.7 · Auszüge aus dem Schmerztagebuch für krebskranke Kinder
382
Anhang B · Schmerzbeurteilung
383 B.7 · Auszüge aus dem Schmerztagebuch für krebskranke Kinder
384
Anhang B · Schmerzbeurteilung
385 B.7 · Auszüge aus dem Schmerztagebuch für krebskranke Kinder
386
Anhang B · Schmerzbeurteilung
387 B.7 · Auszüge aus dem Schmerztagebuch für krebskranke Kinder
388
Anhang B · Schmerzbeurteilung
B.8
Bauchschmerztagebuch und Anleitung
Liebe ...! Liebe Eltern! Dies ist ein Bauchschmerztagebuch. 2 Wochen lang sollst Du mit Hilfe der Fragen in diesem Tagebuch Deine Bauchschmerzen beobachten. Denn je genauer Du den Verlauf der Bauchschmerzen kennst, desto besser kannst Du etwas dagegen unternehmen! Außerdem kannst Du genau sehen, ob sich mit der Zeit etwas verändert, ob Deine Bauchschmerzen zum Beispiel seltener auftreten oder weniger schlimm sind. Am besten legst Du dieses Tagebuch an einen festen Platz, zum Beispiel auf den Schreibtisch oder neben Dein Bett. Jeden Abend nimmst Du Dir fünf Minuten Zeit, vielleicht bevor Du ins Bett gehst, und füllst die Spalte des entsprechenden Tages aus. Wie Du die einzelnen Fragen des Bauchschmerztagebuchs beantworten kannst, ist auf der nächsten Seite beschrieben. Viel Spaß und viel Erfolg!
389 B.8 · Bauchschmerztagebuch und Anleitung
O Abb. B.8.1. Bauchschmerztagebuch (Copyright Vestische Kinderlinik Datteln 2000)
390
Anhang B · Schmerzbeurteilung
391 B.9 · Vorbereitung auf medizinische/pflegerische Maßnahmen
B.9
Vorbereitung auf medizinische/pflegerische Maßnahmen
Beratung: Vorbereitung auf medizinische/pflegerische Maßnahmen Aufklärung Im Folgenden möchten wir Ihnen zeigen, wie die Vorbereitung auf eine medizinische oder pflegerische Prozedur, die für Kinder angstauslösend, unangenehm oder schmerzhaft ist, aussehen sollte. Anhand des Schemas soll für Sie als Eltern ein Vorgehen erläutert werden, mit dem Sie Ihr Kind ebenfalls auf belastende Maßnahmen vorbereiten können. Um mit einer belastenden Situation angemessen umgehen zu können, sollte man immer nach folgenden Informationen fragen oder solche weitergeben. An einem Beispiel wird das Vorgehen erläutert. Behandlungsmaßnahme: z.B. die Lumbalpunktion
Hintergrundinformationen Warum ist die Prozedur notwendig?
z.B. Leukämiezellen können im Spinalkanal sein, dies muss man herausfinden.
Wozu dient die Prozedur?
z.B. die entnommene Flüssigkeit wird auf Leukämiezellen hin untersucht.
Welcher Effekt wird erwünscht?
z.B. keine Zellen zu finden.
Welche Nebeneffekte gibt es?
z.B. möglicherweise Kopfschmerzen.
Welche Risiken bestehen dabei?
z.B. Infektion, Nervenreizung.
Prozedurale Informationen Wie wird Prozedur durchgeführt?
z.B. im Sitzen auf der Behandlungsliege, Schwester hält Kind im »Polizeigriff«.
Wann wird die Prozedur durchgeführt?
z.B. abends gegen 17.00 Uhr, damit die Liegezeit möglichst in die Nacht fällt.
Wo wird die Prozedur durchgeführt?
z.B. im Behandlungszimmer, auf der Behandlungsliege.
Durch wen wird sie vorgenommen?
z.B. ein Arzt und zwei Schwestern, häufig mehrere Personen.
Mit wem wird sie durchgeführt?
z.B. mit Anwesenheit eines Elternteils.
Was ist zur Durchführung notwendig?
z.B. Rücken so krumm wie möglich machen, stillhalten.
Welche Materialien werden verwendet?
z.B. Desinfektionslösung, Punktionsnadel, Röhrchen
392
Anhang B · Schmerzbeurteilung
Sensorische Informationen Welche körperlichen Empfindungen haben Kinder dabei?
z.B. Schmerz durch Stich, durch Lokalanästhesie fast ganz weg, Empfindung von Drücken, Brennen, bei Sedierung wird nichts empfunden.
Welche Reaktionen kennt man von anderen Kindern?
z.B. Angst vor der Prozedur ist meist größer als der Schmerz, Umgebungsbedingungen werden als unangenehm und bedrohlich empfunden.
Was berichten andere Kinder über ihre Erfahrungen?
z.B. vorher skeptisch und ängstlich, danach sagen viele Kinder, dass es doch nicht so schlimm gewesen sei.
Anleitung zur Bewältigung Gemeinsam mit den Eltern (und dem Kind) wird ein so genannter Bewältigungsplan erarbeitet, mit dessen Hilfe es leichter werden soll, die Angst zu beherrschen, den möglichen Schmerz auszuhalten und an der Durchführung der Maßnahme aktiv mitzuwirken. Ziel ist es, dass Eltern und Kind am Ende eine Strategie gefunden haben, die vor der Maßnahme eingeübt, währenddessen erinnert und nachher auf ihren Nutzen hin bewertet werden kann. Eine Strategie bedeutet Sicherheit für das Kind, ein Anker, an dem es sich in der Belastungssituation festhalten kann.
Vergangene ähnliche Belastungen Welche ähnlichen Belastungen wurden in der Vergangenheit bereits vom Kind bewältigt? Situation
Wie empfand das Kind die damalige Situation?
Wie reagierte das Kind auf die damalige Situation?
z.B. Impfen beim Kinderarzt
Vorher im Wartezimmer der Arztpraxis
z.B. Erleben von Angst, Ungewissheit »Die Mama ist böse«, »Der Doktor ist böse«.
Unruhig, zappelig, aggressiv abwehrend, musste ins Zimmer gezerrt werden, weinte.
z.B. Erleben von großer Angst, Bedrohung, Ohnmacht.
Musste festgehalten werden, wehrte sich körperlich und verbal (»Laßt mich in Ruhe«).
z.B. Erleben von Ärger, Trauer und Unverständnis.
Nahm keine Belohnung an, wollte ganz schnell die Praxis verlassen, war böse auf die Mutter.
Während Im Behandlungszimmer
Nachher Im Flur der Arztpraxis/ zu Hause
393 B.9 · Vorbereitung auf medizinische/pflegerische Maßnahmen
Die bevorstehende Belastung Wie wird die bevorstehende neue Belastung bewältigt werden? Situation
Wie empfindet das Kind die neue Situation?
Wie wird das Kind auf die die neue Situation reagieren?
z.B. Venenpunktion im Krankenhaus
Vorher Im Patientenzimmer/Flur
z.B. Erleben von Angst, und Bedrohung, großer Erklärungsbedarf, will verstehen.
Unruhig, versucht mitzuarbeiten und die Angst zu bändigen, will sich ablenken.
z.B. zunehmende Angst durch die medizinischen Vorbereitungen, die vielen Menschen.
Unruhig, will über alles informiert sein, zusehen, mögliches »Kippen« zu Panikreaktion kurz vorher.
z.B. Erleben von Stolz über das Aushalten, Freude über Erfolg.
Möchte sich ablenken und spielen und nicht mehr daran denken.
Während Im Behandlungszimmer
Nachher Im Spielzimmer
Der Bewältigungsplan Hier wird kurz festgehalten, welche Strategien gemeinsam erarbeitet wurden. Dabei ist wichtig, daß mit Eltern und Kind für die Phasen vorher, während und nachher eine Bewältigungsstrategie gefunden wurde, auf die in der aktuellen Situation zurückgegriffen werden kann. Was machen das Kind und die Eltern vor der Maßnahme?
z.B. längere Zeit vorher: verständliche Erklärungen, Üben im Doktorspiel; kurz vorher: Ablenken durch Spielen, das hohe Aufmerksamkeit fordert, evtl. Entspannungsübungen, evtl. Absprache von Vereinbarungen.
Was machen das Kind und die Eltern während der Maßnahme?
z.B. es wird ein Bilderbuch mitgenommen und Tiere/Personen darin gezählt, es werden gemeinsam Kinderlieder gesungen, dem Arzt oder den Schwestern erzählt, welche Hobbys das Kind hat; das Kind soll bestimmen können, wann der »Pieks« gemacht wird und zählt dabei bis drei, will das Pflaster danach selber kleben.
Was machen das Kind und die Eltern
z.B. Lob und Belohnung, eine Trophäe darf ausgesucht werden, ein Lieblingsspiel wird gespielt, den anderen wird erzählt, dass man es nun hinter sich gebracht hat.
nach der Maßnahme?
394
Anhang B · Schmerzbeurteilung
Der Bewältigungsplan (Fortsetzung) Was könnte Ihrer Meinung nach besonders schwierig/belastend
für Ihr Kind werden?
Wünschen Sie während der Durchführung der Maßnahme Hilfestellungen von uns?
Was sollte das Team aufgrund des erarbeiteten Bewältigungsplans Ihres Kindes beachten?
z.B. wenn die Vorbereitungen im Behandlungszimmer zu lange dauern, wenn zuviel auf das Kind eingeredet wird, wenn ohne Ankündigung »gepiekst« wird, wenn Ungeduld und Hektik aufkommen. z.B. Hilfe geben, das Kind vorher zu beruhigen, Strategien gemeinsam einüben, eine entspannte und angenehme Atmosphäre schaffen, in der Situation daran erinnern und darauf achten, dass gemeinsame Vereinbarungen eingehalten werden. z.B. nicht zu viele Personen sollten auf das Kind einreden, vorher nicht unnötig über die bevorstehende Prozedur reden, im Behandlungszimmer keine langen Vorbereitungszeiten aufkommen lassen, das O.K. des Kindes abwarten und bei den Ablenkungsversuchen mithelfen, ungewöhnliche Aktionen wie z.B. Musikhören zulassen.
Währenddessen
Kurz nachher
Längere Zeit nachher
Aufklärung Kognitive Umstrukturierung Selbstkontrolle Was ich machen muss Was ich machen darf Shaping und Üben Doktorspiel Trockenübung Stressimunisierung Informieren Gedanken und Vorstellungen Selbstberuhigung Modelling Rollenspiel Gespräch Videomodelling Systematische Desensibilisierung Übungen
Progressive Muskelentspannung Ablenkung Coping: Stellungnahmen
Kognitive Selbstkontrolle Externale Aufmerksamkeitsfokussierung Luftblasen Arm-/Handdrücken Zählen Internale Aufmerksamkeitsfokussierung Bild Trophäe Somatisierung Imaginative Unaufmerksamkeit Schmerztransformation Kontexttransformation »Superman« Gedankenstopp Kontrolle sozialer Kontingenzen Atemübungen Pusten Atmen Selfpacing Kommentar Fragen
Positive Anreize Trophäe Geschenk Vereinbarung Verstärkung Kommentieren
Aufarbeitung Reflektion Neubewertung Modifizierung Optimierung
Selbstverbalisationen Passive Relaxation Die Geschichte
B.9 · Vorbereitung auf medizinische/pflegerische Maßnahmen
Kurz vorher
Formen der Angst und Schmerzbewältigung
Längere Zeit vorher
Aus: Kusch M, Labouvie H, Bode U (1998). Patientenschulungsprogramm: »Hilfe zur Selbsthilfe« für Familien mit einem krebskranken Kind (3. Version). Manual der stationären psychologischen Betreuung: Pädiatrische Onkologie (MSPB:PO). Zentrum für Kinderheilkunde, Psychosozialer Dienst der Abteilung für Hämatologie und Onkologie, Bonn.
395
396
Anhang B · Schmerzbeurteilung
B.10
Vorbereitung von jüngeren Kindern auf medizinische Prozeduren anhand von Bildern
. Abb. B.10.1. 1. Beispiel: Bild zu Erklärungen, wo Leukämiezellen im Körper sind und was im Knochenmark hergestellt wird.
. Abb. B.10.2. 2. Beispiel: Bild zu Erklärungen, wozu eine Lumbalpunktion gemacht wird. (Zeichnungen: Monika Eckey, Lohne)
Anhang C: Informationen zum Thema Informationen, Broschüren, Ratgeber – 372 Wichtige Adressen im Internet – 372
398
Anhang C · Informationen zum Thema
Informationen, Broschüren, Ratgeber
Wichtige Adressen im Internet
4 Kusch M: Psychologische Vorbereitung auf schmerzhafte Prozeduren bei Kindern – Die Lumbalpunktion. Video-Lehrfilm für Eltern und Behandler im Krankenhaus. Zu beziehen bei: Förderkreis für Tumor- und Leukämieerkrante Kinder e.V., Joachimstr.20, 53113 Bonn (Schutzgebühr). 4 Zernikow B, Damschen U (1999) Dattelner Schmerzfragebogen für Kinder und Jugendliche. Zu beziehen bei: Vestische Kinder-und Jugendklinik Datteln, Universität Witten/Herdecke, Dr. Friedrich-Steiner-Str. 5, 45711 Datteln. 4 Henkel W, Zernikow B (2002) Weniger Schmerzen bei Krebserkrankungen – Informationen für Eltern krebskranker Kinder und Jugendlicher. Inklusive Schmerztagebuch für krebskranke Kinder. Zu beziehen bei: Frau W. Henkel, Projektmanagement-Assistentin »Schmerzen und Schmerztherapie bei Kindern«. Vestische Kinder- und Jugendklinik Datteln, Dr.Friedrich-Steiner-Str. 5, 45711 Datteln oder/und bei Deutsche Kinderkrebsstiftung, Joachimstr. 20, 53113 Bonn. 4 Schmerztherapie und palliative Versorgung krebskranker Kinder. (Veröffentlicht von der Weltgesundheitsorganisation 1998 unter dem Titel »Cancer pain relief and palliative care in children« Copyright: World Health Organization) Herausgeber der deutschen Ausgabe: Vestische Kinder- und Jugendklinik Datteln – Universität Witten/Herdecke (2002) Zu beziehen bei: Frau W. Henkel, Projektmanagement-Assistentin »Schmerzen und Schmerztherapie bei Kindern«. Vestische Kinder- und Jugendklinik Datteln, Dr.-Friedrich-Steiner-Str. 5, 45711 Datteln 4 Zernikow B, Grießinger N, Fengler R (1999) Praktische Schmerztherapie in der Kinderonkologie – Empfehlungen der Qualitätssicherungsgruppe der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH). Sonderdruck aus der Monatsschrift Kinderheilkunde 5/99 Zu beziehen bei: Mundipharma Vertriebsgesellschaft mbH & Co. KG, Mundipharma-Str. 6, 65549 Limburg/Lahn
Schmerztherapie im Kindesalter führt in Deutschland ein Schattendasein. Umso wichtiger ist der nationale und internationale Austausch mit den wenigen Kinderschmerzexperten. Hierzu bietet das Internet hervorragende Möglichkeiten. Alle wichtigen Adressen sind auf der Seite www. schmerzen-bei-kindern.de zusammengestellt. Eine hilfreiche Internetadresse ist zudem www. eigenes-leben-ev.de
Stichwortverzeichnis Die kursiven Seitenzahlen verweisen auf eine Abbildung oder eine Tabelle.
A 6-Acyl-Morphin, Diamorphin 83 A-α Nervenfaser, Thermorezeptor 3 Abbauhemmung, metabolitbedingte – Neugeborenes 296 Abhängigkeit, physische – Morphin 78 Abhängigkeit, psychische – Morphin 78 Ablenkungsstrategien – Schmerzlinderung 126 – Verbandwechsel 146 Acetaminophen, (=Paracetamol) 95 Acetazolamid, Status migränosus 279 Acetylcholinesterease 73 Acetylsalicylsäure, Reye-Syndrom 97 Aciclovir, Gingivostomatitis herpetica 323 Adaptation, Nervenfaser 5 – Nocizeptor 5 Adduktorentenotomie, Mehrfachbehinderter 316 Adenosintriphosphat – Sensibilisierung, periphere 24 Adenylatcyclase, mGluR 22 Adjuvanz – Benzodiazepin 106 – Glucocorticosteroid 106 – Neuroleptikum 105 Adrenalin, Dosierung 192 Adrenalinzusatz, Kaudalanästhesie 176 Agranulozytose, Metamizol 104 Akkumulation, Nor-Pethidin 92 Akupressur, Migräne 277
Akupunktur – Gegenirritation 125 – Kontraindikation 21 – Wirkmechanismus 10 Akutschmerzdienst – Aufgaben 212 – Organisation 212 – PCA 206, 212 – Qualitätssicherung 215 Alarmzeichen – Bauchschmerz, rezidivierender 259 Alfentanil, Muskelrigidität 88 Alfentanil 74 – Neugeborenes 88 – Pharmakokinetik 88, 84 – Pharmakologie 87 – Plasmakonzentration 76 – Thoraxrigidität 299 Allodynie 6 Allodynie – Definition 24, 34 – Lidoderm Patch 212 – mechanische 10 Alltagsstress – Bauchschmerz, rezidivierend 260 α-1-Glykoprotein, saures – Erklärung 109 Amethocain-Gel, Lokalanästhesie 160 Ametop – Lokalanästhesie 160 – Nebenwirkungen 161 – Wirkstärke 161 Amitriptylin 105 – Indikation in der Kinderonkologie 238 – Migräneprophylaxe 282 – Onkologie 235 AMPA-Rezeptor 21 – Entwicklung 22 – Physiologie 9
Amputation – neuropathischer Schmerz 7 – Neuroplastizität 12 Analgesie – Definition 34 – elternkontrollierte 206 – Hautkontakt beim Neugeborenen 295 – Komedikation 233 – Lagerung beim Neugeborenen 295 – Lebensendphase 240 – Musik beim Neugeborenen 295 – µ1-Rezeptor 297 – postoperative 206 – posttraumatisches Belastungssyndrom 144 – Schnuller 295 – Stimulation, multisensorische 295 – Stimulation, taktile beim Neugeborenen 295 – Therapieprinzipien in der Kinderonkologie 220 – Wiegen beim Neugeborenen 295 – WHO-Stufenschema 221 Analgesie nach orthopädischem Eingriff, Mehrfachbehinderter 313 Analgesie vor Diagnosestellung – Bauchschmerz, akuter 149 Analgesie, patientenkontrollierte – (=PCA) 206 Analgesie, postoperativ – Koanalgetikum 212 – TENS 212 – Überwachungsprotokoll 214 – Celecoxib 207 – Diclofenac 101, 207 – Ibuprofen 207 – Ketorolac 102
400
– Medikamentenwahl 207 – Metamizol 207 – Naproxen 101 – Paracetamol 207 – Parecoxib 207 – Rofecoxib 207 – Tramadol 207 – Valdecoxib 207 Analgesie, präinterventionelle – EMLA 189 Analgesie, präoperative – Ibuprofen 206 – Paracetamol 206 Analgesiemetrie 46 Analgetikum, adjuvantes 104 Analgosedierung – Chloralhydrat 304 – Fentanyl 304 – Ketamin 108, 304 – Midazolam 304 – Morphin 304 – Verbrennung 145 Analgosedierung, Intensivstation – Medikamentenwahl 304 Anästhesie, totalintravenöse – Medikamentenwahl 200 Angstreduktion, verhaltensmedizinische 137 Antazidum – Bauchschmerz, rezidivierend 264 Antidepressivum, trizyklisches 105 Anti-DG2-AK, Neuroblastom 239 Antihistaminikum, Kodein 81 Antikonvulsivum, Wirkprinzip 106 Anxiolyse, Clonidin 104 Apallisches Syndrom, Analgesie 310 Aphte 323 Applikationsmodus-Wechsel Opioid, Beispielrechnung 228 APPT – Schmerzselbsteinschätzung, multidimensional 60 Äquianalgetische Dosis, Opioid 225, 226, 227
Arterienpunktion, Medikamentenwahl zur Sedierung/Anästhesie 199 Arthritis, juvenile 249 – Neuropeptid 6 Arthritis, juvenile rheumatische – Medikamente 252 Arylesterase 73 Arzneimittel, freier Anteil – Definition 109 Arzneimittelmetabolismus – Blutfluss, hepatischer 73 Arzneimittelmetabolismus, hepatischer – Hypoxie 73 ASA Status, Definition 191 Aspartat, Neurotransmitter 9 ASS 97 – Arthritis, juvenile rheumatische 252 – Dosierung bei Kopfschmerz 275 – Kawasaki-Syndrom 224 – Migräne 278 – Migräneprophylaxe 282 – Reye-Syndrom 224 – Thrombozytenaggragationshemmung 224 Asthma, Metamizol 223 Atemdepression, Ketamin 198 – Kodein 80 – Kommandoatmung 235 – µ2-Rezeptor 297 – Nor-Pethidin 92 – Opioid-assoziiert 234 – Morphin 78 Atemdepression, morphininduzierte – Neugeborenes 297, 298 – verzögerte 78 Atemdepression, opioidinduziert – Frühgeborenes 74 Atemtherapie, Schmerzlinderung 126 Atopiker, EMLA 296 Atropin – Dosierung 192 – Intubation 303 – Propofol 197
Aufklärung – Prozedur, schmerzhafte 138 – Sedierung, tiefe 193 Aufmerksamkeitsablenkung, externale, Schmerzbewältigung 140 Aufmerksamkeitsablenkung, internale, Schmerzbewältigung 140 Aufmerksamkeitslenkung – Bauchschmerz, rezidivierend 264 Augenuntersuchung – Glucoseanalgesie 189 – Lokalanästhesie 189 – Oxybuprocain 189 – Saccharoseanalgesie 189 Autogenes Training – Bauchschmerz, rezidivierend 264 – Kopfschmerz 284 AV-Überleitungsstörung – Carbamazepin 107 – Clonidin 105 Avulsion, Zahn – Definition 324 Axonreflex, Lokalanästhetikum 6 Axonreflex, neurogener – Entzündung 6 Azathioprin – Arthritis, juvenile rheumatische 252 Azidose, metabolische – Propofol 197
B Baclofen, GABA-A-Rezeptor 313 – GABA-B-Rezeptor 313 – Liquorgängigkeit 313 – Nebenwirkungen 315 – Spastik 313 – Pharmakokinetik 313 Baclofen, intrathekal – Indikation 313 – Mehrfachbehinderter 313 Bahnung, Schmerzreiz 8, 10
401 Stichwortverzeichnis
Ballaststoffzufuhr – Bauchschmerz, rezidivierender 260, 262 Basale Stimulation, Stress beim Neugeborenen 294 Bauchschmerz, Homöopathikum 344 Bauchschmerz, akuter – Analgesie 149 – Differenzialdiagnose 39 Bauchschmerz, rezidivierender – Alarmzeichen 259 – Alltagsstress 260 – Antazidum 264 – Aufmerksamkeitslenkung 264 – autogenes Training 264 – Ballaststoffzufuhr 260, 262 – Beratungsgespräch 264 – Bewältigungsstrategien 262 – biopsychosoziales Modell 261, 262 – Definition 258 – Diagnostik 262 – Differenzialdiagnose 40 – Elternschulung 263 – Entspannungstechniken 263 – Ernährungsberatung 264 – Ernährungsprotokoll 264 – familiäre Interaktionsmuster 260 – Gedankenstopp 264 – Gruppentraining 264 – Helicobacter pylori 260 – Laktoseintoleranz 259 – Laktulose 264 – moderne Sichtweise 261 – Phantasiereise 264 – Problemlösen 264 – Prognose 261 – progressive Muskelrelaxation 264 – Prokinetikum 264 – psychische Belastung 260 – Rollenspiel 264 – Schmerztagebuch 263 – Selbstbehauptung 264 – Selbstinstruktion, positive 264 – Therapie 262
– Umstrukturierung, kognitive 264 – Verhaltenstherapie 263 – Zweifaktorenmodell 258 Bauchschmerztagebuch – Beispiel 265 – Kopiervorlage 388 BDNF, Nervenläsion 10 BDS, Schmerzmessung 51 Beatmung, Neugeborenes – Analgesie, Opioid 297, 300 – Fentanyl 299 Behaviour Interference Rating Scale, Schmerzselbsteinschätzung 58 Beispielrechnung, Applikationsmodus-Wechsel Opioid 228 – Opioidtherapiebeendigung 228 – Opioidwechsel 228 Benzodiazepin, Adjuvanz 106 – Morphinnebenwirkungen 78 Bepanthenlösung, Dentitio difficile 320 Berufsgruppen, Kooperation 123 Berührung 4 Berührungsreize bei Frühgeborenen, wiederholte 27 Betablocker, Migräneprophylaxe 282 β-Endorphin – Opioid, endogenes 23 Bewältigungsplan – Prozedur, schmerzhafte 138 Bewältigungsstrategien – Bauchschmerz, rezidivierender 262 Bewältigungsverhalten, phasenspezifisches – Schmerz 137 Bewegungstherapie, Schmerzlinderung 126 Bieri, Gesichterskala 55 Bilirubin, Ibuprofen 297 – Opioidbindung 71 Biofeedback, Kopfschmerz 140, 284 – Minimalalter 285 – Schmerzbewältigung 140
A–B
Biopsychosoziales Modell – Bauchschmerz, rezidivierender 261, 262 Bioverfügbarkeit, Definition 110 Biperiden, Dosierung 277 Biphosphonat, Knochenmetastase 239 – Osteogenesis imperfecta 148 – Pharmakologie 106 BIS, Sedierungstiefe 54 Bisacodyl, Obstipation 233 Bispektraler Index, Sedierungstiefe 54 Blasenpunktion, Medikamentenwahl zur Sedierung/Anästhesie 199 Blutfluss, hepatischer – Arzneimittelmetabolismus 73 – Ductus arteriosus Botalli 73 – Ductus venosus 73 – Morphinclearance 77 – Omphalozele 73 Blut-Hirn-Schranke, Definition 109 Blutung, gastrointestinale – COX-I 98 – Ibuprofen 100 Blutung, nach Tonsillektomie – NSAID 98 Blutung, postoperative – Ketorolac 98 – NSAID 98 Botulinum-Toxin A 315 – Enkephalin 315 – Mehrfachbehinderter 315 – Spastik 315 – Substanz P 315 Bradykardie, morphininduziert 78 – Propofol 197 – Remifentanil 90 Bradykinin, Nervenfaser 5 – Sensibilisierung, periphere 24 Brandwunde, Succinylcholin 303 Brief Behavioral Distress Scale, Schmerzselbsteinschätzung, multidimensional 61 Bronchodilatation, Ketamin 198
402
Bronchokonstriktion, Morphin 77 – NSAID 98 Bupivacain, Dosierungsempfehlung Lokalanästhesie 189 – Epiduralanästhesie 179 – Infiltrationsanästhesie 190, 210 – Kaudalanästhesie 176, 210 – Lokalanästhesie 169 – Periduralanästhesie 211 – Regionalanästhesie, Neugeborenes 296 Buprenorphin 93 – Antagonisierbarkeit mit Naloxon 93 – Bioverfügbarkeit 94 – Ceilingeffekt 94 – Dosierung 226 – Doxapram 94 – Indikation in der Kinderonkologie 228 – Kind 93 – Leberfunktionsstörung 94 – Nebenwirkungen 94 – Pharmakokinetik 82, 94 – Pharmakologie 231 – transdermal 232 Buprenorphin-3-Glucuronid 94 Butylscopolamin, Indikation 106 – Indikation in der Kinderonkologie 237 – Kolik 208
C Calziumionenkanal, Nocizeptor 5 CAMPIS-SF – Schmerzselbsteinschätzung, multidimensionale 61 Capscaicin, CGRP 6 – NMDAR 22 – Substanz P 6 Carbachol, Harnverhalt 233 Carbamazepin 106, 107 – Indikation in der Kinderonkologie 236
Cartoon, Gesichterskala 55 Cartoon-Schmerzgesicht, Schmerzmessung 219 Ceilingeffekt, Buprenorphin 94 – Definition 110 – Nalbuphin 94 – Opioid-Agonist-Antagonist 74 Celecoxib 103 – Analgesie, postoperative 207 – Kopfschmerz 276 Cerebraler Blutfluß, Pethidin 92 c-fos 20 CGRP 9 – Capscaicin 6 – Entzündung 6 Chaosanalyse – Schmerz, chronischer 293 Chemotherapie – Mundpflege, naturheilkundliche 336 CHEOPS, Schmerzmessung 52 Children‘s Anxiety and Pain Scales, Schmerzselbsteinschätzung 57 Chloralhydrat, Analgosedierung 304 – Dosierung 196 – Sedierung 196 Chlorethan, Lokalanästhesie 162 Chlorhexidin, Gingivitis 322 – Mukositis 239 Chlormethazin, lytischer Cocktail 91 Chlorprothixen, Sedierung 196 Chronische juvenile Arthritis, Ibuprofen 100 Cimetidin, Interaktion mit Morphin 229 CIPA 2 Clearance, Definition 110 – Kleinkindesalter 72 Clemastin, Juckreiz 233 Clonidin 24, 104, 105 – Anxiolyse 104 – Epiduralanästhesie 176 – Imidazolrezeptor 104 – Kaudalanästhesie 210 – Medikamentenentzug 104 – Midazolamentzug 304 – Morphinabsetzschema 302
– Morphinentzug 304 – Opioidspareffekt 104 – Speichelproduktion 104 – Substanz P 104 – transdermal 104 – Zusatz zu Lokalanästhetika 104 – Zusatz zu Opioiden 104 Clusterkopfschmerz – Prophylaxe 283 – Sauerstoffinhalation 281 – Sumatriptan 281 Cmax, Definition 111 C-Nervenfaser, Thermorezeptor 3, 4 COMFORT, Schmerzmessung 50 Complex regional pain syndrome, (=Sympathische Reflexdystrophie) 33, 152 Copinganstrengung, adaptive 59 – maladaptive 59 Copingstrategie, Schmerz 127 COX-Hemmer, Migräne 280 COX-I – Blutung, gastrointestinale 98 – Nierenfunktionseinschränkung 98 – Physiologie 98 – Thrombozytenaggregation 98 COX-II, Physiologie 98 COX-II-Hemmer 98 – Celecoxib 102 – Kindesalter 103 – Meloxicam 102 – Nimesulid 102 – Ovulationshemmung 102 – Prostazyklin 102 – Rofecoxib 102 – selektiver 102 CRIES, Schmerzmessung 49 CRPS, Typ I 7 – Typ II 7 CSS, Schmerzmessung 51 CT, Medikamentenwahl zur Sedierung/Anästhesie 199 Cyclandelat, Migräneprophylaxe 282
403 Stichwortverzeichnis
Cyclobenzaprin, Fibromyalgiesyndrom 250 Cyclooxygenase – Indomethacin 98 – NSAID 98 – Physiologie 98 Cyclophosphamid, Rheuma 252 Cyclosporin, Metamizol 223 – Onkologie 235 CYP2D6-Aktivität, Kodein 80 CYP2E1, Paracetamol 223 Cytochrom-P450-System, Definition 110
D Dämpfung, vegetative – Clonidin 104 D-Amphetamin 24 Darmmotilitätshemmung, Neugeborenes – Fentanyl 299 Dattelner Schmerzfragebogen 59 – Kopiervorlage 350 Dauerkopfschmerz 281 DEGR – Schmerz, tumorassoziierter 54 – Schmerzmessung 52 Dekubitus, Pflege 332 δ-Rezeptor – Verteilung 70 Denkmuster, katastrophierendes 59 Dentitio difficile, Bepanthenlösung 320 – Dontisolon 320 – Dynexan-Haftsalbe 320 Dentosafe 325 Dermatom 33 Desensibilisierung, systematische 140 Desmethyl-Naproxen 101 Dexamethason, Hirnödem 106 – Indikation in der Kinderonkologie 237
– Liquorgängigkeit 106 – Status migränosus 279 Dexpanthenol, Obstipation 232 Dextropropoxyphen 224 Diamorphin 83 – 6-Acyl-Morphin 83 – Dosierung bei Frühgeborenen 83 – Frühgeborenes 83 – Leberfunktionsstörung 83 – Neugeborenes 300 – Plasmakonzentration 76 – Prämedikation 83 Diazepam, Migräne 278 – Migräneattacke, Notfalltherapie 278 – Morphinabsetzschema 302 Diclofenac 101 – Analgesie, postoperative 101, 208 – Arthritis, juvenile rheumatische 252 – Dosierung 222 – Paracentese 101 – Strabismus-OP 101 – Tonsillektomie 101 – Verträglichkeit, gastrointestinale 101 – Wirkstärke 100 Differenzialdiagnose – Bauchschmerz, akuter 39 – Bauchschmerz, rezidivierender 40 – Dreimonatskolik 149 – Gelenkschmerz 41 – Gesichtsschmerz 37 – Kopfschmerz 37 – Muskelschmerz 41 – Rückenschmerz 41 – Thoraxschmerz 38 Differenzierung des ZNS, Opioideffekt 71 Dihydrocodein 224 Dihydrocodein, retardiert – Dosierung 226 Dihydroisomorphon 82 Dihydromorphon 82 Dimenhydrinat, Übelkeit 234 Diphenhydramin, Dosierung 277
B–E
Distress, Schmerzerleben 133 DNQP 122 Dokumentation, Schmerzaufkleber 220 Domperidon, Migräne 277 Dontisolon, Dentitio difficile 320 Downregulation, Opioidrezeptor 86 Doxapram, Buprenorphin 94 Dreimonatskolik, Definition 149 – Differenzialdiagnose 149 – Therapie 152, 150 Droperidol, Fentanyl 302 Druck 4 DSF-KJ – Schmerzselbsteinschätzung, multidimensional 59 Ductus arteriosus Botalli – Blutfluss, hepatischer 73 Ductus venosus – Blutfluss, hepatischer 73 Ductusligatur, Frühgeborenes – Fentanyl 299 Durchbruchschmerz, Onkologie 242 Durchbruchzyste 320 Dynexan-Haftsalbe, Dentitio difficile 320 Dynorphin – Opioid, endogenes 23 Dysästhesie, Definition 34 Dysphorie, Ketamin 108
E ECMO, Opioid 297 EDIN-Skala – Schmerz, chronischer 48 – Schmerzmessung 52 EEG-Biofeedback, Kopfschmerz 285 Eingriff, oraler – Propofol 197 Einreibung, Gegenirritation 125 – Wahl des Agens nach Indikation 328 Eisspray, Lokalanästhesie 162
404
ELA-Max, Lokalanästhesie 161 Eland Color Tool, Schmerzselbsteinschätzung 56 Eletriptan, Migräne 280 Eliminationshalbwertszeit, Definition 110 Eliminationsphase, Definition 110 Elternanwesenheit, Schmerzlinderung 127 Elternschulung – Bauchschmerz, rezidivierend 263 Embryonalentwicklung, rezeptives Feld 19 EMG-Biofeedback, Kopfschmerz 284 EMLA – Analgesie, präinterventionelle 189 – Atopiker 296 – Dosierungsempfehlung 159 – Fersenstich 189 – Frühgeborenes 189 – Herpes zoster 235 – i.m. Injektion 159 – i.m. Injektion, Neugeborenes 296 – Impfung 160 – Impfung, Säugling 296 – Indikation 159 – Juckreiz 146 – Kontraindikationen 296 – Lancettenpunktion, Neugeborenes 296 – Lumbalpunktion 160 – Lumbalpunktion, Neugeborenes 296 – Methämoglobin 159, 210 – Methämoglobin, Neugeborenes 296 EMLA (NG) – Nadelstich 159 – Nebenwirkungen 159, 296 – Neugeborenes 160, 210, 296 – Nitroglycerin 296 – Nitroprussid 296 – Oberflächenanästhesie 210 – Onkologie 241
– Paracetamol 296 – Petechien 296 – Pharmakologie 159 – Phenytoin 296 – Purpura 296 – Repetitionsdosis 189 – Sulfonamid 296 – Venenpunktion, Neugeborenes 296 – Verbrennung 160 – Wirkstärke 160 – Zirkumzision, Neugeborenes 296 Encephalopathie, Fentanyl + Midazolam 299 Endoskopie, Medikamentenwahl zur Sedierung/Anästhesie 199 Enkephalin, Botulinum-Toxin A 315 Entladung, ektope 7 Entlasskriterien – Sedierung, tiefe 193 Entspannung, Migräne 277 Entspannungstechniken – Bauchschmerz, rezidivierender 263 Entwicklungsretardierung, Schmerzmessung 64 Entzugssyndrom, Fentanyl 86 – Finnegan-Score 304 – kontinuierliche vs. intermittierende Opioidgabe 86 – Midazolam 304 Entzündung – Axonreflex, neurogener 6 – CGRP 6 – neurogene 6 – Substanz P 6 Entzündungshemmung – Indomethacin 98 – Rheuma 252 Entzündungsschmerz, lokaler 6 Entzündungsverstärkung, Neuropeptid 6 Enzymersatztherapie, M. Fabry 149 Enzymsystem, mikrosomales – Definition 109
Epidermolysis bullosa – Analgesie 149 – Gabapentin 149 Epiduralanästhesie, Bupivacain 179 – Clonidin 176 – Indikation 177 – Komplikationen 178 – lumbale 178 – Medikamentenwahl 178 – Ropivacain 179 – thorakale 178 Erbrechen, Morphin 77 – Opioid-assoziiert 234 – Tramadol 208 Ernährungsberatung – Bauchschmerz, rezidivierender 264 Ernährungsprotokoll – Bauchschmerz, rezidivierender 264 Eruption, Analgesie 320 Eskalationsplan, Migräne 277 Etomidat, Intubation 303 Extrusion, Zahn – Definition 324
F Faces Pain Scale, Schmerzselbsteinschätzung 57 Facial Affective Scale FAS, Schmerzselbsteinschätzung 57 Familiäre Interaktionsmuster – Bauchschmerz, rezidivierend 260 Fehlokklusion, Kopfschmerz 273 Feld, rezeptives 3, 7 Femoralisblock, Technik 172 Fentanyl 74, 84 – Analgosedierung 304 – Beatmung, Neugeborenes 299 – Darmmotilitätshemmung, Neugeborenes 299 – Dosierung 225 – Dosierung bei Kopfschmerz 277
405 Stichwortverzeichnis
– Dosierung, Neugeborenes 299 – Ductusligatur, Frühgeborene 299 – Entzugssyndrom 86 – Fettlöslichkeit 85, 299 – Halbwertszeit, kontextsensitive 85 – Hyperbilirubinämie 86 – Hypotension 86 – Indikation, Neugeborenes 299 – Intubation 303 – Kaudalanästhesie 211 – Leberfunktionsstörung 85 – Lungengefäßwiderstand 299 – Lutscher 231 – Midazolam 85 – Nebenwirkungen 85 – Opioidtoleranz 86 – PFC-Syndrom 299 – Pharmakokinetik 84, 85 – Pharmakokinetik, Neugeborenes 299 – Pharmakologie 230 – Plasmakonzentration 76 – Redistribution 85 – Stick 231 – Thoraxrigidität 85, 299 – Wirkstärke, Neugeborenes 299 – Droperidol 302 – transbukkal 231 Fentanyl + Midazolam, Encephalopathie 299 Fentanyl Lutscher, Indikation 87 Fentanyl transdermal 86, 87 – Anwendung bei Kindern 86 – Pharmakologie 230 – Sichelzellkrise 86 Fentanyl TTS 230, 231 – Umstellung von Morphin 231 Fentanyl-Lutscher, Verbrennung 146 Fentanylpflaster, Indikation in der Kinderonkologie 228 – Todesfälle 231 Fersenstich, EMLA 189 – Medikamentenwahl zur Sedierung/Anästhesie 199
Fibromyalgiesyndrom, Cyclobenzaprin 250 – Kriterien 250 – Verhaltenstherapie 250 Filtration, glomeruläre – Frühgeborenes 73 Finnegan-Score, Entzugssyndrom 304 First-pass Effekt, hepatischer – Definition 110 FK506, Onkologie 235 FLACC, Schmerzmessung 52 Fluchtreflex, motorischer 4 Flumazenil, Dosierung 192 Flunarizin Migräneprophylaxe 282 Flupirtin, Spannungskopfschmerz 280 fMRI 12 Formatio reticularis 12 Frakturversorgung, Medikamentenwahl zur Sedierung/ Anästhesie 199 Freie Fettsäuren, Opioidbindung 71 Fremdeinschätzung, Schmerzmessung 63 Funktionsstörung, hepatische – Effekt auf Analgetika 80 Funktionsstörung, renale – Effekt auf Analgetika 80 Furosemid, Status migränosus 279
G GABA, Entwicklung 23 – Neurotransmitter, inhibitorischer 23 – Schmerzhemmung 13 GABA-A-Rezeptor, Baclofen 313 GABA-B-Rezeptor, Baclofen 313 Gabapentin 106, 107 – Epidermolysis bullosa 149 – Indikation in der Kinderonkologie 236
E–G
– Pankreatitis 107 Ganzkörperwaschung, Indikation 331 – Schmerzlinderung 126 gate-control, Physiologie 8, 10 – Schmerzhemmung 13 Gedankenstopp – Bauchschmerz, rezidivierend 264 – Schmerzbewältigung 140 Gegenirritation, Akupunktur 125 – Einreibung 125 – Kryotherapie 125 – Massage 125 – TENS 125 – Thermotherapie 125 – Ultraschall 125 – Vibrationstherapie 125 Gelenkschmerz, Differenzialdiagnose 41 Genexpression 20 – veränderte 7, 9 Gesichterskala, Bieri 55 – Cartoon 55 – Oucher scale 55 – Smiley Analogskala 55 – Voraussetzungen 55 Gesichtsschmerz, Differenzialdiagnose 37 Gestationsalter, Morphinclearance 77 Gewebemediator, Nocizeptor 5 Gewebeverletzung, Sensitivierung 6 Gingicain D, Lokalanästhesie 161 Gingivahyperplasie – Ursachen, medikamentöse 322 Gingivitis Chlorhexidin 322 – Kamillosan 322 – Wasserstoffperoxid 322 Gingivostomatitis herpetica, Aciclovir 323 – Therapie 323 Glucocorticosteroid, Adjuvanz 106 – Indikation 106
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Glucoseanalgesie, Augenuntersuchung 189 Glucuronisierung, Frühgeborenes 73 – Opioidmetabolismus 73 Glutamat, Neurotransmitter 9 – Neurotransmitter 21 Glutaminsubstitution, Mukositis 239 Glutathion, Paracetamol 95 Glykoprotein, saures α1 – Opioidbindung 71 Gruppentraining – Bauchschmerz, rezidivierend 264 Guanethidin, SMP 7 Guillain-Barré-Syndrom, Analgesie 148 Gyrus cinguli 20
H Habituation, Schmerzbewältigung 138 Hackenfuß, Mehrfachbehinderter 316 Halbwertszeit, kontextsensitive – Definition 109 – Fentanyl 85 Halluzination, Opioid-assoziiert 235 – Pentazocin 93 Hals- und Mundschmerz, Homöopathikum 342 Handauflegen – Wirkung, positive 295 Handhalten, Schmerzlinderung 127 Handling beim Neugeborenen, Stress 294 Handtemperaturerwärmungstraining, Kopfschmerz 284 Harnblasenkrampf, Medikamentenwahl 208 Harnverhalt, Carbachol 233 – Morphin 77 – Opioid-assoziiert 234
– Therapie 233 Hautbiopsie, Medikamentenwahl zur Sedierung/Anästhesie 199 Hautdurchblutung, Schmerz 293 Hautkontakt beim Neugeborenen, Analgesie 295 Headache Diary – Schmerzselbsteinschätzung, multidimensional 62 Head-Zone 33 – Pathophysiologie 8 Helicobacter pylori – Bauchschmerz, rezidivierender 260 Hemiplegie, alternierende kindliche 280, 282 Herpes zoster, EMLA 235 Hintergrundschmerz, Verbrennung 144 Hinterhorn 8 Hirndruck, Ketamin 198 Hirnödem, Dexamethason 106 Hirnregion S 11 Histaminfreisetzung, Morphin 79 Höhlengrau, zentrales 13 Homunkulus 11 Hot-plate-Test 23 Hüftkopfresektion, intertrochantäre 316 Hydromorphon 81, 82 – Dosierung 225 – Indikation in der Kinderonkologie 228 – Pharmakologie 81, 229 – Plasmakonzentration 76 Hydromorphon, retardiert – Dosierung 226 Hydromorphon-3-Glucuronid 82 Hydrotherapie, Schmerzlinderung 126 Hydroxyäthylstärke, Dosierung 192 Hydroxychloroquin – Arthritis, juvenile rheumatische 252 Hyperalgesie 6, 6, 10, 26 – Definition 24, 34
Hyperbilirubinämie, Fentanyl 86 Hyperinnervation, Neugeborenes 26 Hyperkoagulabilität, Schmerz 293 Hypermetabolismus, Schmerz 293 Hypermobilitätsschmerz 250 Hyperpathie, Definition 34 Hypersalivation, Ketamin 198 Hyperthermie, maligne – Succinylcholin 303 Hypnose, Schmerzlinderung 127 Hypoalgesie, Definition 34 – Nervenläsion 10 Hypotension, Fentanyl 86 – Kodein 80 Hypoxie – Arzneimittelmetabolismus, hepatischer 73
I i.m. Injektion, EMLA 159 – Schmerzminimierung 162 i.m. Injektion, Neugeborenes – EMLA 296 IBCS, Schmerzmessung 52 Ibuprofen – Analgesie, postoperative 207 – Analgesie, präoperative 206 – antipyretischer Effekt 99 – Arthritis, juvenile rheumatische 252 – Bilirubin 297 – Bioverfügbarkeit 99 – Blutung, gastrointestinale 100 – chronische juvenile Arthritis 100 – Dosierung 222 – Dosierung bei Kopfschmerz 275 – Kopfschmerz 275 – Metabolismus 99 – Migräne 278 – Nebenwirkungen 100 – Neugeborenes 297
407 Stichwortverzeichnis
– PDA 99 – Pharmakokinetik 96, 100 – Pharmakologie 223 – versus Paracetamol 108 – Wirkstärke 99 iGluR 21 IHS-Kriterien, Kopfschmerz 271 Ilioinguinalisblock, Technik 171 Imagination, Schmerzbewältigung 140 – Schmerzlinderung 127 Imaginationsverfahren, Kopfschmerz 284 Imidazolrezeptor, Clonidin 104 Imipramin, Indikation 105 immediate early gene 20 Immunzelle, Opioidpeptid 14 Impfung, EMLA 160 Impfung, Säugling – EMLA 296 Indomethacin 99 – Arthritis, juvenile rheumatische 252 – Cyclooxygenase 98 – Dosierung 222 – Entzündungshemmung 98 – Leukotrien 98 – Lipooxygenase 98 – PDA 98 – Pharmakologie 98, 223 Infektanfälligkeit, Schmerz 293 Infiltrationsanästhesie – Bupivacain 190, 210 – Lidocain 190 – Medikamentenwahl 190 – Mepivacain 190 – Nebenwirkungen bei Neugeborenen 189 – Prozedur, schmerzhafte 189 – Ropivacain 210 Injektionstechnik, Schmerzminimierung 163 Interaktion, soziale – Stress beim Neugeborenen 294 Interneuron, Schmerzhemmung 13 Intervention, psychologische – Schmerzbewältigung 136
Intrusion, Zahn – Definition 324 Intubation – Atropin 303 – Etomidat 303 – Fentanyl 303 – Midazolam 303 – Morphin 303 – Succinylcholin 303 – Vecuroniumbromid 303 Intubation, elektive – Medikamentenwahl zur Sedierung/Anästhesie 199 Intubationsmedikation 303 Ionenkanal, ligandengesteuert 21 Ionenkanal, postsynaptisch 9 Iontophorese, Lokalanästhesie 162 Ischiadikusblock, Technik 173
J Juckreiz, Clemastin 233 – EMLA 146 – Morphin 77 – Opioid-assoziiert 234 – Therapie 233 – Verbrennung 146 Juckreiz, opioidinduzierter – Naloxon 94
K Kälterezeptor 4 Kalzium 26 Kamillosan, Gingivitis 322 κ-Rezeptor, Verteilung 70 Karies, Therapie 321 Kariesschmerz, Pathophysiologie 320 Katabolismus, Schmerz 293 Katheter, epiduraler – Flußschema bei Komplikationen 180
G–K
Kaudalanästhesie, Adrenalinzusatz 176 Kausalgie 7, 33, 176 ff. – Bupivacain 176, 210 – Clonidin 210 – Fentanyl 211 – Ketamin 176 – Komedikation 177 – Komplikationen 177 – Medikamentenwahl 175 – Morphin 211 – Ropivacain 176 – S-Ketamin 210 – Sufentanil 211 – Technik 34, 174, 175 Kawasaki-Syndrom, ASS 224 Ketamin 107 – Analgosedierung 108, 304 – Applikationsmodus 198 – Atemdepression 198 – Bronchodilatation 198 – Dosierung 198 – Dysphorie 108 – Hirndruck 198 – Hypersalivation 198 – Indikation in der Kinderonkologie 236 – Kaudalanästhesie 176 – Kombination mit Midazolam 108 – Kontraindikation 198 – Midazolam 198 – Nebenwirkungen 108 – Neugeborenes 107, 198 – NMDA-Rezeptor 107 – Pharmakologie 107, 198 – psychomimetische Reaktion 198 – Sedierung, tiefe 198 Ketoprofen, Dosierung bei Kopfschmerz 275 – Migräne 278 – Migräneattacke, Notfalltherapie 278 Ketorolac 102 – Analgesie, postoperative 102 – Blutung, postoperative 98 – Nachblutungen nach Tonsillektomie 102
408
– Säuglinge 102 Kinase, Sensitivierung 6 Kniegelenkrekurvation, Mehrfachbehinderter 316 Knochenmarkpunktion, Medikamentenwahl zur Sedierung/Anästhesie 199 – Onkologie 240 Knochenmarkschädigung, Metamizol 223 Knochenmetastase, Biphosphonat 239 – MIBG 239 – Pamidronat 106 – Strahlentherapie 239 Knochennekrose, Pamidronat 239 Koanalgetikum – Analgesie, postoperativ 212 Kodein 79 ff. – analgetischer Effekt 80 – Antihistaminikum 81 – antitussiver Effekt 80 – Atemdepression 80 – CYP2D6-Aktivität 80 – Dosierung 225 – Hypotension 80 – Kombination mit Paracetamol 81 – Neugeborenes 81 Kodein-6-Glucuronid 79 Kognitiv-behaviorale Therapie, Kopfschmerz 286 Kolik, Butylscopolamin 208 Koloskopie, Propofol 197 Komedikation, Analgesie 233 – Kaudalanästhesie 177 – Paracetamol 97 Kommandoatmung, Atemdepression 235 Komplexes regionales Schmerzsyndrom 7 Kompresse, Auswahl 331 Konditionierung auf den Schuß, Piritramid 229 Konjugation, hepatische – Definition 110 Konkussion, Zahn – Definition 324
Kontinuierliche vs. intermittierende Opioidgabe, Entzugssyndrom 86 Kontrolle, kognitive – Schmerzbewältigung 140 Konvergenz, Physiologie 8 Konvergenzprinzip 32 Kopfschmerz, analgetikainduzierter 281 – Auslöser 273 – Autogenes Training 284 – Biofeedback 140, 284 – Celecoxib 276 – Differenzialdiagnose 37 – EEG-Biofeedback 284, 285 – Fehlokklusion 273 – Handtemperaturerwärmungstraining 284 – hereditäre Faktoren 274 – Homöopathikum 339 – Ibuprofen 275 – IHS-Kriterien 271 – Imaginationsverfahren 284 – Klassifikation 272 – Kognitiv-behaviorale Therapie 286 – Kosten 274 – Modelllernen 274 – Neurofeedback 285 – Neuropeptid 6 – Opioid 277 – Paracetamol 275 – Pathophysiologie 271 – PCA 276 – Prävalenz 270 – Progressive Muskelrelaxation 283 – psychologische Interventionen 283 – Psychopathologie 274 – Rofecoxib 276 – sozioökonomische Auswirkungen 274 – Valdecoxib 276 – Vasokonstriktionsfeedback 285 – Verhaltenstherapie 283 Kopfschmerz, primärer – Psychopathologie 273 – Stufenplan 277
– Therapierichtlinien 277 Kopfschmerzdiagnostik 271 Kopfschmerzkalender 286 Kopfschmerzprophylaxe 281 Kopfschmerztagebuch 59 – Kopiervorlage 379 Kopfschmerztagebuch für Kinder – Schmerzselbsteinschätzung, multidimensionale 62 Körpersprache, Schmerzindikator 123 Kortex, somatosensorischer 11, 12, 20 Krankengymnastik – Schmerz, muskuloskelettaler 252 Kryotherapie, Gegenirritation 125 KUSS, Kopiervorlage 374 – Schmerz, postoperativer 54 – Schmerzmessung 52 – Schmerzmessung im Säuglingsalter 54
L Lagerung beim Neugeborenen, Analgesie 295 Lagerungsverfahren, Schmerzlinderung 126 Laktoseintoleranz – Bauchschmerz, rezidivierend 59 Laktulose – Bauchschmerz, rezidivierend 264 – Obstipation 233 Lancettenpunktion, Neugeborenes – EMLA 296 – Lidocain 296 Langzeitpotenzierung 26 Lebensendphase, Analgesie 240 Leberpunktion, Medikamentenwahl zur Sedierung/Anästhesie 199
409 Stichwortverzeichnis
Lebertoxizität, Paracetamol 95, 222 Leu-Enkephalin – Opioid, endogenes 23 Leukotrien, Indomethacin 98 – NSAID 98 Levomethadon, Dosierung 226 – Indikation 83 – Indikation in der Kinderonkologie 228 – Pharmakologie 82, 230 Levopromazin – Migräneattacke, Notfalltherapie 278 Lidocain, Dosierungsempfehlung Lokalanästhesie 189 – Infiltrationsanästhesie 190 – intravenös 235, 239 – Lancettenpunktion, Neugeborenes 296 – Lumbalpunktion, Neugeborenes 296 – Neuroblastom 239 – Schmerz, neuropathischer 235 Lidoderm Patch, Allodynie 212 Limbisches System 12 Lipooxygenase, Indomethacin 98 Lippenläsion 325 Locus coeruleus, Schmerzhemmung 13 Lokalanästhesie, Amethocain-Gel 160 – Ametop 160 – Augenuntersuchung 189 – Bupivacain 169 – Chlorethan 162 – Eisspray 162 – ELA-Max 161 – Gingicain D 161 – Iontophorese 162 – physiologische Grundlagen 168 – Prozedur, schmerzhafte 188 – Pulpitis 321 – Ropivacain 169 Lokalanästhetikum, Axonreflex 6
Lorazepam, Indikation in der Kinderonkologie 237 – Migräne 278 – Migräneattacke, Notfalltherapie 278 L-Polamidon 82 Lumbalpunktion – EMLA 160 – Medikamentenwahl zur Sedierung/Anästhesie 199 – Onkologie 240 Lumbalpunktion, Neugeborenes – EMLA 296 – Lidocain 296 Lungengefäßwiderstand, Fentanyl 299 Lungenödem, cardiogenes – Morphin 78 Luxation, Zahn – Definition 324 Lysinacetylsalicylat – Dosierung bei Kopfschmerz 276 – Migräneattacke, Notfalltherapie 278 – Reye-Syndrom 278 Lytischer Cocktail – Chlormethazin 91 – Pethidin 91 – Promethazin 91
M M. Fabry, Analgesie 148 – Enzymersatztherapie 149 M. Meulengracht, Propacetamol 97 Magenentleerungsstörung, Sedierung 192 Magnesiumsulfat, Status migränosus 279 Makrogel 3350, Obstipation 233 Malzbonbon, Aphte 323 Manuelle Medizin – Schmerz, muskuloskelettaler 253 MAO-Hemmer, Pethidin 230
K–M
Massage, Gegenirritation 125 Maßnahmen, psychologische – Schmerzbewältigung 139 MAX, Schmerzmessung 51 McGill Pain Questionnaire für Kinder – Schmerzselbsteinschätzung, multidimensional 61 McGill Pain Questionnaire 12 Mechanorezeptor, Meissnerkörperchen 3 – Merkelkörperchen 3 – Pacinikörperchen 3 – Ruffinikörperchen 3 Medikamentenentzug, Clonidin 104 Mehrfachbehinderter, Adduktorentenotomie 316 – Analgesie nach orthopädischem Eingriff 313 – Analgesie, nichtmedikamentöse 312 – Analgesie, operative 315 – Baclofen, intrathekal 313 – Hackenfuß 316 – Kniegelenkrekurvation 316 – Nierenstein 310 – Ratingskala 311, 312 – Refluxkrankheit 310 – Schmerzfremdeinschätzung 312 – Schmerzindikator 314 – Schmerzmeßinstrument, individualisiertes 314 – Schmerzmessung 310 – Schmerzursachen 311 – Sehnenverlängerung 316 – Skoliose 316 – Umstellungsosteotomie 316 – Zahnbehandlung 321 – Zahnschmerz 321 – Botulinum-Toxin A 315 Meissnerkörperchen, Mechanorezeptor 3 Meloxicam, COX-II-Hemmer 102 Mepivacain, Dosierungsempfehlung Lokalanästhesie 189 – Infiltrationsanästhesie 190
410
Merkelkörperchen, Mechanorezeptor 3 Metamizol 103, 104 – Agranulozytose 104 – Analgesie, postoperative 207 – Asthma 223 – Cyclosporin 223 – Dosierung 222 – Dosierung bei Kopfschmerz 275, 276 – Knochenmarkschädigung 223 – Kreislaufschock 223 – Migräneattacke, Notfalltherapie 278 – Neuroblastom 239 – Pharmakologie 223 – Pyrazolon 103 Met-Enkephalin 23 Methadon 82, 83 – Morphinabsetzschema 302 – Pharmakokinetik 82 Methämoglobin, EMLA 159, 210 Methämoglobin, Neugeborenes – EMLA 296 Methotrexat – Arthritis, juvenile rheumatische 252 Methotrexat, Interaktion – NSAID 98 Methylmorphon, Pharmakologie 79 Methylphenidat, Müdigkeit 233 Metoclopramid – Migräneattacke, Notfalltherapie 278 mGluR 21 – Adenylatcyclase 22 – Entwicklung 22 MIBG, Knochenmetastase 239 Midazolam 193, 196 – Entzugssyndrom 304 – Fentanyl 85 – Indikation in der Kinderonkologie 237 – Intubation 303 – Ketamin 198 – Sedierung, leichte 193 – Analgosedierung 304 Midazolamabsetzschema 302
Midazolamentzug, Clonidin 304 Migräne, Akupressur 277 – Akutbehandlung 279 – ASS 278 – COX-Hemmer 280 – Diazepam 278 – Domperidon 277 – Eletriptan 280 – Entspannung 277 – Eskalationsplan 277 – Ibuprofen 278 – Ketoprofen 278 – Lorazepam 278 – Öle, ätherische 277 – Paracetamol 278 – Parecoxib 280 – Rizatriptan 280 – Stratified care 279 – Sumatriptan 278, 279 – Sumatriptan Nasenspray 280 – Therapie 277 – Triptan 279 – Valdecoxib 280 – Zolmitriptan 280 Migräneattacke, Notfalltherapie – Diazepam 278 – Ketoprofen 278 – Levopromazin 278 – Lorazepam 278 – Lysinacetylsalicylat 278 – Metamizol 278 – Metoclopramid 278 – Paracetamol 278 – Parecoxib 278 – Sumatriptan 278 Migräneprophylaxe – Amitriptylin 282 – ASS 282 – Betablocker 282 – Cyclandelat 282 – Flunarizin 282 – medikamentöse 281, 282 – Valproinsäure 282 Migränetagebuch 59 Migränetagebuch für Kinder – Schmerzselbsteinschätzung, multidimensionale 62 Milchanalgesie, Neugeborenes 295
Milchzahntrauma 324 Mimik, Schmerzindikator 123 Mimik, Neugeborenes – Schmerz 293 Minimal handling 46, 125 MIPS, Schmerzmessung 50 Misoprostol, Ulkusprophylaxe 235 Mobilisation, Schmerzlinderung 126 Moclebemid, Pethidin 230 Modelling, Schmerzbewältigung 140 Modelllernen, Kopfschmerz 274 Monoamin, Neurotransmitter 23 Morphin 74 ff. – Abhängigkeit, physische 78 – Analgosedierung 304 – Atemdepression 78 – Bronchokonstriktion 77 – Dosierung 209, 208, 225, 298 – Dosierung, Neugeborenes 298 – Erbrechen 77 – first-pass Effekt 74 – Harnretention 77 – Hautjucken 77 – Histaminfreisetzung 79 – Indikation in der Kinderonkologie 228 – Interaktion mit Cimetidin 229 – Kaudalanästhesie 211 – Lungenödem, cardiogenes 78 – Muskelrigidität 78 – Nebenwirkungen 77 – Nebenwirkungen, Neugeborenes 297 – Obstipation 77 – Periduralanästhesie 211 – Pharmakodynamik, Neugeborenes 297 – Pharmakokinetik, Neugeborenes 298 – Pharmakologie 74, 229 – Retardgranulat 229
411 Stichwortverzeichnis
– retardiertes Präparat 74 – Toleranzentwicklung, Neugeborenes 298 – Übelkeit 77 – Umstellung auf Fentanyl TTS 231 – Wirkprofil, altersabhängiges 298 – Intubation 303 Morphin, retardiert – Dosierung 226 Morphin-3-Glucuronid – Auscheidung, renale 73 – Clearance, renale 77 – Frühgeborenes 75 – Myoklonie 77 – Wirkprofil 75 – Wirkung, Neugeborenes 297 Morphin-3-Glucuronid/Morphin Ratio 145 Morphin-6-Glucuronid – Clearance, renale 77 – Frühgeborenes 75, 297 – Opioidmetabolismus 73 – Wirkprofil 75 – Wirkung, Neugeborenes 297 Morphinabsetzschema – Clonidin 302 – Diazepam 302 – Methadon 302 – Phenobarbital 302 Morphinclearance – Blutfluss, hepatischer 77 – Gestationsalter 77 Morphineliminationshalbwertszeit, Alter 77 Morphinentzug, Clonidin 304 Morphinmetabolismus, Niereninsuffizienz 77 Morphinnebenwirkungen, Benzodiazepine 78 – Frühgeborenes 78 Morphin-PCA, Neuroblastom 239 Morphinpharmakokinetik, postcardiochirurgische 77 Morphin, Dosierung bei Kopfschmerz 277
MRT, Medikamentenwahl zur Sedierung/Anästhesie 199 – Propofol 197 MSPCT, Schmerzselbsteinschätzung 57 Müdigkeit,Therapie 233 Mukositis, Chlorhexidin 239 – Glutaminsubstitution 239 – Kochsalzspülung 239 – Opioidanalgesie 239 Mundinfektion, viral – Analgesie 147 Mundpflege, naturheilkundliche – Chemotherapie 336 – nach Symptom 333, 335 Mundspülung, naturheilkundliche 334 Mundtrockenheit, Clonidin 105 Musik beim Neugeborenen, Analgesie 295 Muskelentspannung, progressive – Schmerzbewältigung 140 Muskelläsion, Succinylcholin 303 Muskel-PE, Medikamentenwahl zur Sedierung/Anästhesie 199 Muskelrigidität, Alfentanil 88 – Morphin 78 – Opioid 74 Muskelschmerz, Differenzialdiagnose 41 µ1-Rezeptor, Analgesie 297 – vermittelte Wirkung 70 µ2-Rezeptor, Atemdepression 297 – vermittelte Wirkung 70 Myelin 4 Myoklonie, Morphin-3-Glucuronid 77 µ-Rezeptor, Verteilung 14, 70
N Nabelkolik, Definition 149 NABQUI, Paracetamol 222 Nadelstich, EMLA 159
M–N
Nähe, körperliche – Schmerzlinderung 127 Nahrungskarenz, Sedierung 192 Nalbuphin – Ceilingeffekt 94 – Dosierung bei Kopfschmerz 277 – Kombination mit Fentanyl 94 – Pharmakokinetik 82 Naloxon 94 – Dosierung 192 – First-pass Effekt 94 – niedrigst dosiert 94 – Opioidantagonist 94 – Pruritus, opioidinduzierter 94 Naproxen 101, 102 – Analgesie, postoperative 101 – Arthritis, juvenile rheumatische 252 – Dosierung 222 – Dosierung bei Kopfschmerz 275 – Nephritis, interstitielle 102 – Nierenversagen 102 – Onkologie 101 – Pharmakologie 102, 223 Natriumbicarbonat, Dosierung 192 Natriumpicosulfat, Obstipation 233 NC-CPC-R, Schmerzmessung bei Retardierung 64 Neostigmin, Obstipation 232 Nephritis, interstitielle – Naproxen 102 Nerve growth factor 7 Nervenbahn, deszendierende 8 Nervenblock – perioperativer 210 – peripherer 170 Nervenendigung, Anatomie 5 Nervenfaser – A-α 4 – A-β 4 – Adaptation 5 – A-δ 4 – A-γ 4 –B 4 – Bradykinin 5
412
–C 4 – capscaicinsensitive 5 – periphere 3 – Prostaglandin 6 – Protonen 5 – sensorische 3, 4 – BDNF 10 – Folgen 10 – Hypoalgesie 10 – NGF 10 – trophische Veränderung 10 – Wachstumsfaktor 10 Nervenstimulation, antidrome 6 Nervensystem, sensibles – Entwicklung 19 Neuralgie; postherpetische 7, 235 Neuroblastom, Anti-DG2-AK 239 – Lidocain 239 – Metamizol 239 – Morphin-PCA 239 Neurofeedback, Kopfschmerz 285 Neurokinin A, Entwicklung 22 Neuroleptikum, Adjuvanz 105 Neurom, neuropathischer Schmerz 7 Neuropathischer Schmerz, Amputation 7 – Neurom 7 Neuropeptid – Arthritis 6 – Entzündungsverstärkung 6 – Kopfschmerz 6 – Synapse 8 Neuroplastizität 10 – Amputation 12 – kortikale 12 Neurotransmitter 8 – Aspartat 9 – exzitatorischer 21 – Glutamat 9, 21 – inhibitorischer 23 – Monoamin 23 – Noradrenalin 13 – Serotonin 13 Neurotransmitter, inhibitorischer – GABA 23
Neurotransmittersystem, Entwicklung 21 NFCS, Schmerzmessung 51 NGF, 7 – Nervenläsion 10 Nichtopioid-Analgeticum, orales – Dosierung 207 Nieren-/Blasenschmerz, Homöopathikum 345 Nierenfunktionseinschränkung, COX-I 98 Niereninsuffizienz, Morphinmetabolismus 77 Nierenpapillennekrose, NSAID + Paracetamol 103 Nierenstein, Mehrfachbehinderter 310 Nierenversagen, Naproxen 102 Nimesulid, COX-II-Hemmer 102 NIPS – Kopiervorlage 372 – Schmerzmessung 49 – Schmerzskala 48 Nitroglycerin, EMLA 296 Nitroprussid, EMLA 296 NMDAR, Capscaicin 22 NMDA-Rezeptor 21 – Entwicklung 22 – Ketamin 107 – Paracetamol 95 – Physiologie 9 – wind-up 10 Nocizeptor 4 – Entwicklung 19 – Adaptation 5 – Calziumionenkanal 5 – Gewebemediator 5 – polymodaler 4 – primärer afferenter 32 – Prostaglandin E2 25 – Rekrutierung 5 – schlafend 5,6, 32 – stummer 5 – Transduktion 5 – Vanilloidrezeptor 5 – viszeraler 5 – VR1 5
NOPAIN-Studie 294, 298, 300 – kritische Wertung 301 Noradrenalin 24 – Neurotransmitter 13 Nor-Buprenorphin 94 Nor-Fentanyl 84 Norketamin 107 Nor-Oxycodon 81 Nor-Pethidin 91 – Akkumulation 92 – Atemdepression 92 – eingeschränkte Nierenfunktion 92 Notfallintubation, schnelle 303 Notfallkarte, Sedierung 192 Nozizeption 2 NRS, Schmerzselbsteinschätzung 56 NSAID 95, 97, 223 – Blutung, nach Tonsillektomie 98 – Blutung, postoperative 98 – Bronchokonstriktion 98 – Cyclooxygenase 98 – Differenzialindikation 98 – Kombination mit Paracetamol 103 – Leukotrien 98 – Methotrexat, Interaktion 98 – Pharmakodynamik 98 – Schmerz, muskuloskelettaler 251 – Wirkstärke 98 NSAID + Paracetamol, Nierenpapillennekrose 103 Nüchternheitsregel, präoperativ 192 Nucleus raphe magnus, Schmerzhemmung 13
O Oberflächenanästhesie, EMLA 210 Observer bias, Schmerzfremdeinschätzung 64
413 Stichwortverzeichnis
Obstipation, Bisacodyl 233 – Dexpanthenol 232 – Laktulose 233 – Makrogel 3350 233 – Morphin 77 – Natriumpicosulfat 233 – Neostigmin 232 – Opioid-assoziiert 232 – Prophylaxe 232 – Prophylaxe/Therapie 233 O-Desmethyl-Tramadol 93 Ohrenschmerz, Homöopathikum 341 Öle, ätherische – Migräne 277 Omphalozele – Blutfluss, hepatischer 73 Ondansetron, Übelkeit 233 Opiat, Definition 73 Opioid, Äquianalgetische Dosis 225, 226, 227 – Beatmung, Neugeborenes 297 – ECMO 297 – Goldstandard 224 – Harnverhalt 234 – Indikation, Neugeborenes 297 – Juckreiz 234 – Kopfschmerz 277 – Muskelrigidität 74 – Pharmakodynamik, Neugeborenes 297 – Sphincter odii Spasmus 232 – Sterbebegleitung 297 – Thoraxrigidität 74 Opioid, endogenes – β-Endorphin 23 – Dynorphin 23 – Entwicklung 23 – Leu-Enkephalin 23 – Met-Enkephalin 23 Opioid, starkes – Differenzialindikation 228 Opioid-Agonist, Definition 74 Opioid-Agonist-Antagonist, Anwendung bei Drogenabhängigen 93 – Ceiling-Effekt 74 – Interaktion mit narkotischen Analgetika 93
– Wirkmechanismus 93 Opioidanalgesie, Mukositis 239 Opioidantagonist, Definition 74 – Naloxon 94 Opioidbindung, Bilirubin 71 – freie Fettsäuren 71 – Glykoprotein, saures α1 71 Opioidclearance, Lebensalter 73 Opioidmetabolismus, Glucuronisierung 73 – Morphin-6-Glucuronid 73 – Phase-II-Reaktion 73 – Phase-I-Reaktion 73 – Sulfatierung 73 Opioidpeptid, Immunzelle 14 – körpereigenes 14 Opioidrezeptor, δ 14 – Downregulation 86 – κ 14 – µ 14 – Verteilung 14, 70 Opioidspareffekt, Clonidin 104 Opioidsystem, endogenes 70 – körpereigenes 14 Opioidtherapie – Nebenwirkungen, Minimierung 232 – Ulkusprophylaxe 235 Opioidtherapie i.v., Steuerung 228 Opioidtherapie p.o., Steuerung 228 Opioidtherapiebeendigung, Beispielrechnung 228 Opioidtoleranz, Fentanyl 86 Opioidwechsel, Beispielrechnung 228 – Nebenwirkungen, Minimierung 232 OPS, Schmerzmessung 49 Ösophagogastroskopie, Propofol 197 Osteogenesis imperfecta, Analgesie 148 – Biphosphonat 148 – Pamidronat 106 – Pamidronat 148
N–P
Osteoporose, Analgesie 148 – Pamidronat 106, 239 Otitis media, Analgesie 147 Oucher scale, Gesichterskala 55 – Schmerzselbsteinschätzung 57 Ovulationshemmung, COX-IIHemmer 102 Oxybuprocain, Augenuntersuchung 189 Oxycodon, Bioverfügbarkeit 81 – Indikation 81, 230 – Nebenwirkungen 230 – Pharmakokinetik 82 – Pharmakologie 81, 229 – retardiertes Präparat 81 – Tumorschmerz 81 – Indikation in der Kinderonkologie 228 Oxycodon, retardiert – Dosierung 226
P Pacinikörperchen, Mechanorezeptor 3 Pain Diary – Schmerzselbsteinschätzung, multidimensional 62 Pain Scale, Schmerzfremdeinschätzung 63 Pamidronat 106 – Indikation in der Kinderonkologie 236 – Knochenmetastasen 106 – Knochennekrose 239 – Osteogenesis imperfecta 106, 148 – Osteoporose 106, 239 Pankreatitis, Gabapentin 107 Paracentese, Diclofenac 101 Paracetamol, (=Acetaminophen) 95 – Analgesie, postoperative 207 – Analgesie, präoperative 206 – analgetischer Effekt 95 – antipyretischer Effekt 95 – Begleiterkrankungen 97
414
– CYP2E1 223 – Dosierung 95, 222 – Dosierung bei Kopfschmerz 275, 275, 276 – Dosierung Neugeborenes 296 – EMLA 296 – Glutathion 95 – Indikation 95 – Komedikation 97 – Kontrollen bei Langzeittherapie 223 – Kopfschmerz 275 – Lebertoxizität 95, 222 – Medikamenteninteraktion 222 – Metabolismus 95 – Metabolismus beim Neugeborenen 95 – Migräne 278 – Migräneattacke, Notfalltherapie 278 – NABQUI 222 – Nebenwirkungen 97 – Neugeborenes 95 – NMDA-Rezeptor 95 – Onkologie 221 – Pharmakokinetik 95, 96 – Pharmakologie 221 – Plasmakonzentration 76, 95 – Prodrug 97 – Substanz P 95 – Thrombozytenaggregation 95 – Toxizität 95 – Toxizität beim Neugeborenen 95 – Vakuumextraktion 95 – Wirksamkeit beim Neugeborenen 296 – Wirkstärke 95 Parästhesie, Definition 34 Parecoxib – Analgesie, postoperative 207 – Migräne 280 – Migräneattacke, Notfalltherapie 278 Parodontitis 322 Parodontopathie 322 PAT, Schmerzmessung 50 Patelloforme Dysfunktion 250
Patientenkontrollierte Analgesie, Verbrennung 146 Patientenkontrollierte Periduralanästhesie, (=PCEA) 212 PCA, (=Patientenkontrollierte Analgesie) 206 – Akutschmerzdienst 206, 212 – Dosierung 209, 240 – Eignung 206 – Kopfschmerz 276 PCEA, (=patientenkontrollierte Periduralanästhesie) 212 – Ropivacain 179, 212 – Sufentanil 212 PCQ, Schmerzselbsteinschätzung, multidimensional 59, 60 PCT Poker Chip Tool, Schmerzselbsteinschätzung 56 PDA, Ibuprofen 99 – Indomethacin 98 Peniswurzelblock, Technik 171 Pentazocin, Bioverfügbarkeit 93 – Halluzination 93 – Metabolismus 93 – Nebenwirkungen 93 – Pharmakokinetik 82 – Wirkstärke 93 PEPP – Schmerz, postoperativer 54 PEPPS, Schmerzmessung 50 Perception 2 Periduralanästhesie, Bupivacain 211 – Morphin 211 – Ropivacain 211 – Sufentanil 212 Persönlichkeitsmerkmal, Kinderkrankenschwester – Schmerzrating 123 Perzeption, Physiologie 12 Petechien, EMLA 296 Pethidin 91 – cerebraler Blutfluß 92 – Dosierung 225 – Dosierung bei Kopfschmerz 277 – eingeschränkte Nierenfunktion 92 – enterohepatischer Kreislauf 91
– Frühgeborenes 92 – Indikation in der Kinderonkologie 228 – Kardiodepression 230 – Krampfanfall, cerebraler 230 – lytischer Cocktail 91 – MAO-Hemmer 230 – Metabolismus, Neugeborenes 91 – Moclebemid 230 – Nebenwirkungen 92 – Neugeborenes 108, 299 – Pharmakokinetik 82, 92 – Pharmakologie 230 – Plasmakonzentration 76 – Tranylcypromin 230 – ZNS-Nebenwirkungen bei Frühgeborenen 92 PET-Scan 12 PFC-Syndrom, Fentanyl 299 Pflege, schmerzhafte 124 Pflegekonzept, schmerzpräventives 125 Pflegemaßnahmen beim Neugeborenen, Stress 294 Phantasiereise, Bauchschmerz, rezidivierend 264 Phantomschmerz 7 Pharyngitis, Analgesie 147 Phase-II-Reaktion, Opioidmetabolismus 73 Phase-I-Reaktion, Definition 109 – Opioidmetabolismus 73 Phenobarbital, Morphinabsetzschema 302 – Status migränosus 279 Phenytoin, EMLA 296 Phosphorylierung 26 – Sensitivierung 6 Physiologische Parameter, Schmerzindikator 123 Physiotherapie, Sympathische Reflexdystrophie 153 Piperiden, Dosierung 237 PIPP, Schmerzmessung 49 – Schmerzskala 48 Piritramid 90, 91 – Dosierung 208, 209, 225
415 Stichwortverzeichnis
– Dosierung bei Kopfschmerz 277 – Indikation in der Kinderonkologie 228 – Konditionierung auf den Schuß 229 – Mischbarkeit mit Infusionslösungen 229 – Pharmakologie 229 Plasmaeiweißbindung, Analgetika 79 Plastizität, neuronale 8 Pleuradrainage, Medikamentenwahl zur Sedierung/Anästhesie 199 Plexus brachialis Block, Technik 171 Postoperative Pain for Parents, Schmerzfremdeinschätzung 63 Posttraumatisches Belastungssyndrom, Analgesie 144 Potenzierung, synaptische 25 PPCI 59 – Schmerzselbsteinschätzung, multidimensional 61 Präcurarisierung, Thoraxrigidität 85 Prämedikation, Diamorphin 83 Prävalenz, Kopfschmerz 270 Prednisolon – Arthritis, juvenile rheumatische 252 Prednison – Arthritis, juvenile rheumatische 252 Prilocain – Dosierungsempfehlung Lokalanästhesie 189 Problemlösen – Bauchschmerz, rezidivierend 264 Prodrug, Paracetamol 97 Prognose, Bauchschmerz, rezidivierend 261 Progressive Muskelrelaxation – Bauchschmerz, rezidivierend 264 – Kopfschmerz 283
Prokinetikum – Bauchschmerz, rezidivierend 264 Promethazin – Indikation in der Kinderonkologie 237 – lytischer Cocktail 91 Propacetamol 95, 97 – M. Meulengracht 97 Propofol, antiemetische Wirkung 197 – Apnoe 197 – Atropin 197 – Azidose, metabolische 197 – Bradykardie 197 – Dosierung 197 – Eingriff, oraler 197 – Koloskopie 197 – Kontraindikation 197 – Langzeitapplikation 197 – Mischung mit Lidocain 197 – MRT 197 – Ösophagogastroskopie 197 – Sedierung, tiefe 196 Propofol-Infusionssyndrom, Langzeitapplikation 197 Propriozeption 4 Prostaglandin, Nervenfaser 6 Prostaglandin E2, Nocizeptor 25 Prostazyklin, COX-II-Hemmer 102 Proteinbindung 71 – Definition 109 Protokollierung – Sedierung, tiefe 193 Protonen, Nervenfaser 5 Prozedur, Medikamentenwahl zur Sedierung/Anästhesie 199 – Sedierung 190 Prozedur, schmerzhafte – Aufklärung 138 – Bewältigungsplan 138 – Copinganleitung 138 – Infiltrationsanästhesie 189 – Lokalanästhesie 188 – psychologische Hilfe 188 – Schleimhautanästhesie 188 – Unterstützung, soziale 139
P–R
– Vorbereitung, psychologische 137 Pseudocholinesterase 72 psychische Belastung – Bauchschmerz, rezidivierend 260 psychologische Hilfe – Prozedur, schmerzhafte 188 psychologische Interventionen, Kopfschmerz 283 psychomimetische Reaktion, Ketamin 198 Psychopathologie, Kopfschmerz 274 – Kopfschmerz, primärer 273 Psychosoziale Begleitung – Schmerz, muskuloskelettaler 253 Pulpitis, Lokalanästhesie 321 Pulsverlust 35 Purpura, EMLA 296 Purpura fulminans, Analgesie 148 Pyrazolon, Metamizol 103 Qualitätssicherung, Akutschmerzdienst 215
R Ranitidin Ulkusprophylaxe 235 Rapid sequence intubation 303 Ratingskala, Mehrfachbehinderter 311, 312 Ratingskala, eindimensionale – Indikation 55 Ratingskala, graphische – Schmerzselbsteinschätzung 56 Reaktionsmodi, Schmerz 46 Reboxetin 283 Redistribution, Definition 111 – Fentanyl 85 Reflexdystrophie, sympathische 7 – Sympatikusblockade 33 Refluxkrankheit, Mehrfachbehinderter 310
416
Reframing, Schmerzbewältigung 140 Regionalanästhesie, Neugeborenes 296 – perioperativ 181 Regionalanästhesie, Neugeborenes – Bupivacain 296 Reiz 3 Reizkodierung 3 Rekrutierung, Nocizeptor 5 Remifentanil 74, 89, 90 – Bradykardie 90 – Neugeborenes 300 Rexed-Zone 8 Reye-Syndrom, Acetylsalicylsäure 97 – ASS 224 – Lysinacetylsalicylat 278 Rheuma, Cyclophosphamid 252 – Entzündungshemmung 252 – Stammzelltransplantation, autologe 252 Rizatriptan, Migräne 280 Rofecoxib – Analgesie, postoperative 207 – COX-II-Hemmer 102 – Kopfschmerz 276 Rollenspiel – Bauchschmerz, rezidivierend 264 – Schmerzbewältigung 140 Ropivacain, Epiduralanästhesie 179 – Infiltrationsanästhesie 210 – Kaudalanästhesie 176 – Lokalanästhesie 169 – PCEA 179, 212 – Periduralanästhesie 211 Rückenmarkentwicklung, Altersabhängigkeit 167 Rückenschmerz, Differenzialdiagnose 41 Ruffinikörperchen, Mechanorezeptor 3 Ruhigstellung, Schmerzlinderung 126
S Saccharoseanalgesie, Augenuntersuchung 189 Sanfte Pflege, Langzeitfolgen 46 SAS, Schmerzselbsteinschätzung 57 Sauerstoffinhalation, Clusterkopfschmerz 281 Schleimhautanästhesie – Prozedur, schmerzhafte 188 Schmerz Aspekte 2 – Begleiterscheinungen 35 – Bewältigungsverhalten, phasenspezifisches 137 – Copingstrategie 127 – Definition 2 – dumpfer 4 – Hautdurchblutung 293 – Hyperkoagulabilität 293 – Hypermetabolismus 293 – Infektanfälligkeit 293 – Katabolismus 293 – Kontrollmechanismen 13 – langsamer, brennender 4 – Mehrdimensionalität 293 – Mimik, Neugeborenes 293 – neuropathischer 6, 33 – psychisch bedingt 43 – Reaktionsmodi 46 – Schreilatenz 293 – Schutzfunktion 2 – Serumkatecholamine 293 – stechender 4 – stechender, scharfer 4 – Stressantwort 3 – Urinkatecholamine 293 – Vagustonus 293 – Verhalten 293 – viszeraler 5 – Warnfunktion 240, 294 – Wundheilungsverzögerung 293 Schmerz, chronischer – Chaosanalyse 293 – EDIN-Skala 48 Schmerz, muskuloskelettaler – Krankengymnastik 252
– manuelle Medizin 253 – NSAR 251 – psychosoziale Begleitung 253 – Sport 253 – Verhaltenstherapie 253 Schmerz, neuropathischer – Lidocain 235 – Opioid 235 – Therapie 235 Schmerz, postoperativer – KUSS 54 – PEPP 54 – Tramadol 92 Schmerz, tumorassoziierter – DEGR 54 Schmerz, viszeraler – Medikamentenwahl 208 Schmerzanamnese, Fragen 34 – Onkologie 218 – Schmerzauslöser 35 – Schmerzlinderung 36 – Schmerzqualität 34 – systematische 55 Schmerzattacke, einschießend 6 Schmerzaufkleber, Dokumentation 220 Schmerzauslöser, Schmerzanamnese 35 Schmerzbahn 11 Schmerzbeauftragter 215 Schmerzbewältigung – Aufmerksamkeitsablenkung, externale 140 – Aufmerksamkeitsablenkung, internale 140 – Biofeedback 140 – Dimensionen 135 – Gedankenstopp 140 – Habituation 138 – Imagination 140 – Intervention, psychologische 136 – kindliche 134 – Kontrolle, kognitive 140 – Maßnahmen, psychologische 139 – Modelling 140
417 Stichwortverzeichnis
– Muskelentspannung, progressive 140 – Reframing 140 – Rollenspiel 140 – Selbsthypnose 140 – Selbstinstruktion 140 – Selbstverbalisation 140 – Training, autogenes 140 – Umstrukturierung, kognitive 140 Schmerzdiagnose, Kinderkrankenpflege 122 Schmerzdimensionen 55 Schmerzdokumentation 65 Schmerzdokumentationsaufkleber, Kopiervorlage 378 Schmerzdurchbruch, Verbrennung 146 Schmerzerleben, Distress 133 – Einflußfaktoren 133 Schmerzfolgen 2, 3 – Neugeborenes 293 Schmerzfragebogen, Dattelner – Kopiervorlage 350 Schmerzfremdeinschätzung, Mehrfachbehinderter 312 – Observer bias 64 – Pain Scale 63 – Postoperative Pain for Parents 63 Schmerzgedächtnis 10 – Mechanismus 25 – Subtanz P 25 Schmerzhemmung, absteigende 20, 21 – GABA 13 – gate-control 13 – Interneuron 13 – körpereigene 20 – Locus coeruleus 13 – Nucleus raphe magnus 13 – segmentale 13, 20 Schmerzindikator – Körpersprache 123 – Mehrfachbehinderter 314 – Mimik 123 – Physiologische Parameter 123 – Vokalisation 123
Schmerzintensität, empfundene 25 Schmerzkontrolle, periphere 14 – kindliches 133 Schmerzlinderung – Ablenkungsstrategien 126 – Atemtherapie 126 – Bewegungstherapie 126 – Elternanwesenheit 127 – Ganzkörperwaschung 126 – Handhalten 127 – Hydrotherapie 126 – Hypnose 127 – Imagination 127 – Lagerungsverfahren 126 – Mobilisation 126 – Nähe, körperliche 127 – Ruhigstellung 126 – Schmerzanamnese 36 – Teilkörperwaschung 126 Schmerzmessinstrument, Auswahlkriterien 53 Schmerzmeßinstrument, individualisiertes – Mehrfachbehinderter 314 Schmerzmeßskala, Onkologie 219 – BDS 51 – Cartoon-Schmerzgesicht 219 – CHEOPS 52 – COMFORT 50 – CRIES 49 – CSS 51 – DEGR 52 – EDIN-Skala 52 – Entwicklungsretardierung 64 – FLACC 52 – Fremdeinschätzung 63 – IBCS 52 – Kinderkrankenpflege 122 – klinische Relevanz beim Neugeborenen 293 – kulturelles Umfeld 65 – KUSS 52 – MAX 51 – Mehrfachbehinderter 310 – MIPS 50 – multimodale 293 – NFCS 51
R–S
– NIPS 49 – Onkologie 219 – OPS 49 – PAT 50 – PEPPS 50 – PIPP 49 – Sedierungsbogen nach Hartwig 53, 51 – Selbsteinschätzung 54 – Sinn 65 – SUN 50 – TPPPS 51 – VAS 55 – Verbrennung 144 Schmerzmessung bei Retardierung, NC-CPC-R 64 Schmerzmessung im Säuglingsalter, KUSS 54 Schmerzmessung, präverbal – Instrumente 49 Schmerzminimierung, Frühgeborenes 294 – i.m. Injektion 162 – Injektionstechnik 163 Schmerzmittel, adjuvantes 236 Schmerzparameter – hormonell, biochemisch 48 – Neugeborenes 47 – Verhaltensmuster 47 – Vitalparameter 47 Schmerzprojektion 32, 34 Schmerzqualität, Schmerzanamnese 34 Schmerzrating, Frühgeborenes 123 – institutionelle Bedingungen 123 – Neugeborenes 123 – Persönlichkeitsmerkmal Kinderkrankenschwester 123 Schmerzreaktion, Indikatoren 47 – Neugeborenes 46 Schmerzreduktion, verhaltensmedizinische 137 Schmerzreiz, Bahnung 8 Schmerzrepräsentation, kortikale 12
418
Schmerzschwelle, Neugeborenes 19 – zentrale 8 Schmerzselbsteinschätzung, Behaviour Interference Rating Scale 58 – Children‘s Anxiety and Pain Scales 57 – Eland Color Tool 56 – Faces Pain Scale 57 – Facial Affective Scale FAS 57 – MSPCT 57 – NRS 56 – Oucher Scale 57 – PCT Poker Chip Tool 56 – Ratingskala, graphische 56 – SAS 57 – Schmerzzeichnung 58 – TaS 58 – VAS 56 – VRS 56 Schmerzselbsteinschätzung, multidimensional – APPT 60 – Brief Behavioral Distress Scale 61 – CAMPIS-SF 61 – DSF-KJ 59 – Headache Diary 62 – Kopfschmerztagebuch für Kinder 62 – McGill Pain Questionnaire für Kinder 61 – Migränetagebuch für Kinder 62 – Pain Diary 62 – PCQ 60 – PPCI 61 – SIKI 60 – VT-PPQ 60 Schmerzskala, Neugeborenes 48 – NIPS 48 – PIPP 48 Schmerzsystem, Entwicklung 18 Schmerztagebuch – Bauchschmerz, rezidivierend 263 – Handheld-Computer 59
– Indikation 59 – Onkologie 220 Schmerztagebuch für krebskranke Kinder, Kopiervorlage 380 Schmerztherapie, generelle Regeln 144 Schmerztherapiedokumentation 220 Schmerztherapie-Dokumentationsbogen, Kopiervorlage 375 Schmerztropf 206 Schmerzursache, Identifikation 33 – Mehrfachbehinderter 311 Schmerzverarbeitung, supraspinale – Entwicklung 20 Schmerzverhalten, Entwicklung 18 Schmerzverstärkungssyndrom 249 Schmerzzeichnung, Schmerzselbsteinschätzung 58 Schmerzzentrum, kortikales 10 – subkortikales 10 Schnuller, Analgesie 295 Schreilatenz, Schmerz 293 Schutzfunktion, Schmerz 2 Schwindel, gutartiger paroxysmaler 280 Sedationstiefe, Definition 190 Sedierung, Chloralhydrat 196 – Chlorprothixen 196 – Clonidin 104 – Magenentleerungsstörung 192 – Nahrungskarenz 192 – Notfallkarte 192 – Prozedur 190 – Überwachungsbogen 194 Sedierung, leichte – Midazolam 193 Sedierung, tiefe – Aufklärung 193 – Definition 190 – Entlasskriterien 193 – Ketamin 198 – Propofol 196 – Protokollierung 193
– Voraussetzungen 191 Sedierungsbogen für beatmete Früh-, Neugeborene und Säuglinge, Kopiervorlage 373 Sedierungsbogen nach Hartwig, Schmerzmessung 53, 51 Sedierungstiefe, BIS 54 – Bispektraler Index 54 Sehnenverlängerung, Mehrfachbehinderter 316 Selbstbehauptung – Bauchschmerz, rezidivierend 264 Selbsteinschätzung, Schmerzmessung 54 Selbsthypnose, Schmerzbewältigung 140 Selbstinstruktion, Schmerzbewältigung 140 Selbstinstruktion, positive – Bauchschmerz, rezidivierend 264 Selbstverbalisation, Schmerzbewältigung 140 Sensibilisierung – periphere 24 – zentrale 20, 24, 71 Sensibilisierung, periphere – Adenosintriphosphat 24 – Bradykinin 24 – Physiologie 24 Sensibilisierung, zentrale – Frühgeborenes 27 – Physiologie 25 Sensibilisierungsmechanismus, Neugeborenes 26 Sensitivierung – Gewebeverletzung 6 – Kinase 6 – periphere 5, 6, 32 – Phosphorylierung 6 – zentrale 9, 10, 9 Sensitivierung, zentrale – Physiologie 9 Serotonin 24 – Neurotransmitter 13 Serumkatecholamine, Schmerz 293
419 Stichwortverzeichnis
Sichelzellkrise, Fentanyl transdermal 86 SIKI – Schmerzselbsteinschätzung, multidimensional 60 Silent nociceptor 32 SIP 7 S-Ketamin, Kaudalanästhesie 210 Skoliose, Mehrfachbehinderter 316 Smiley Analogskala, Gesichterskala 55 SMP, Guanethidin 7 – Pathophysiologie 7 Somatotopie, gestörte 26 Spannungskopfschmerz, Flupirtin 281 – Prophylaxe 282 – Therapie 280 Spastik, Baclofen 313 – Botulinum-Toxin A 315 Speichelproduktion, Clonidin 104 Sphincter odii Spasmus, Opioid 232 Sport – Schmerz, muskuloskelettaler 253 Stammzelltransplantation, autologe – Rheuma 252 Status migränosus, Acetazolamid 279 – Dexamethason 279 – Furosemid 279 – Magnesiumsulfat 279 – Phenobarbital 279 – Therapie 279 Sterbebegleitung, Opioid 297 Stimulation – basale 125 – kutane 125 Stimulation, multisensorische – Analgesie 295 Stimulation, taktile beim Neugeborenen – Analgesie 295
Strabismus-OP, Diclofenac 101 Strahlentherapie, Knochenmetastase 239 Stratified care, Migräne 279 Stress, Handling beim Neugeborenen 294 – Pflegemaßnahmen beim Neugeborenen 294 Stress beim Neugeborenen, Basale Stimulation 294 – Interaktion, soziale 294 Stressantwort, Schmerz 3 Struktur, Nalbuphin 94 Stufenplan, Kopfschmerz, primärer 277 Subluxation, Zahn – Definition 324 Substanz P 9, 32 – Botulinum-Toxin A 315 – Capscaicin 6 – Clonidin 104 – Entwicklung 22 – Entzündung 6 – Paracetamol 95 – Schmerzgedächtnis 25 – Wirkmechanismus 25 Succinylcholin, Brandwunde 303 – Dosierung 192 – Hyperthermie, maligne 303 – Intubation 303 – Muskelläsion 303 Sucroseanalgesie, Neugeborenes 295 Sufentanil 74, 88, 89 – Kaudalanästhesie 211 – PCEA 212 – Periduralanästhesie 212 – Pharmakokinetik 84, 89 – Thoraxrigidität 299 Sulfasalazin – Arthritis, juvenile rheumatische 252 Sulfatierung, Opioidmetabolismus 73 Sulfonamid, EMLA 296 Sumatriptan, Clusterkopfschmerz 281 – Dosierung 280
S–T
– Migräne 278, 279 – Migräneattacke, Notfalltherapie 278 – subcutan 280 Sumatriptan Nasenspray, Migräne 280 SUN, Schmerzmessung 50 Süßanalgesie, kritische Wertung 301 – Neugeborenes 295 Sympathetically independent pain 7 Sympathetically maintained pain, Pathophysiologie 7 Sympathikusblockade, Sympathische Reflexdystrophie 154 Sympathische Reflexdystrophie, Complex regional pain syndrome 152 – Physiotherapie 153 – Sympathikusblockade 154 – Symptomatik 153 – Therapie 153 Sympatikusblockade, Reflexdystrophie 33 Synapse, Neuropeptid 8 – stumme 22 Synaptogenese 19 System, laterales 11 – mediales 11, 12
T Tachykinin, Entwicklung 22 TaS, Schmerzselbsteinschätzung 58 Technik – Femoralisblock 172 – Ilioinguinalisblock 171 – Ischiadikusblock 173 – Kaudalanästhesie 174 – Kaudalpunktion 175 – Peniswurzelblock 171 – Plexus brachialis Block 171 Teilkörperwaschung, Schmerzlinderung 126
420
TENS, Analgesie, postoperativ 212 – Gegenirritation 125 – Kontraindikation 21 – Mechanismus 20 – Wirkmechanismus 10, 13 Tetanusprophylaxe, Zahnreimplantation 325 Thalamus 11, 12, 20 Thebain 93 Therapieprinzipien in der Kinderonkologie, Analgesie 220 Therapierichtlinien – Kopfschmerz, primärer 277 Thermonocizeptor 4 Thermorezeptor 3 – A-α Nervenfaser 3 – C-Nervenfaser 3 Thermotherapie, Gegenirritation 125 Thoraxrigidität, Alfentanil 299 – Fentanyl 85 – Fentanyl 299 – Opioid 74 – Präcurarisierung 85 – Sufentanil 299 – Therapie 85 Thoraxrigidität, opioidinduzierte – Therapie 299 Thoraxschmerz, Differenzialdiagnose 38 Thrombozytenaggragationshemmung, ASS 224 Thrombozytenaggregation, COX-I 98 – Paracetamol 95 Tic douloreux, Trigeminusneuralgie 6 Tilidin 224 Tilidin/Naloxon, Dosierung 209, 225 Tilidin/Naloxon, retardiert – Dosierung 227 tmax, Definition 111 Toleranzentwicklung, Neugeborenes – Morphin 298 Tonsillektomie – Analgesie, postoperativ 103
– Diclofenac 101 Toxische epidermale Nekrolyse (TEN), Analgesie 148 Toxizität – Indomethacin 99 – Paracetamol 95 Toxizität beim Neugeborenen, Paracetamol 95 TPPPS, Schmerzmessung 51 Training, autogenes – Schmerzbewältigung 140 Tramadol 92, 93 – Analgesie, postoperative 207 – Dosierung 208 – Dosierung bei Kopfschmerz 275, 277 – Krampfanfälle 93 – Pharmakologie 224 – rektal 93 – Schmerz, postoperativer 92 – Überdosierung 93 – Erbrechen 208 Tramadol i.v. Infusion, Dosierung 207 Tramadol, retardiert – Dosierung 209, 227 Transduktion, Nocizeptor 5 Transmission 7 Tranylcypromin, Pethidin 230 Trigeminusneuralgie 7 – Pathophysiologie 6 – Tic douloreux 6 Triptan, Migräne 279 Trophische Veränderung, Nervenläsion 10 Tumorschmerz, Oxycodon 81
U Übelkeit, Dimenhydrinat 234 – Morphin 77 – Ondansetron 233 – Opioid-assoziiert 234 – Prophylaxe/Therapie 233 Überwachungsbogen, Sedierung 194
Überwachungsprotokoll – Analgesie, postoperativ 214 Ulkusprophylaxe 233 – Misoprostol 235 – Opioidtherapie 235 – Ranitidin 235 Ultraschall, Gegenirritation 125 Umstellungsosteotomie, Mehrfachbehinderter 316 Umstrukturierung, kognitive – Bauchschmerz, rezidivierend 264 – Schmerzbewältigung 140 Unterstützung, soziale – Prozedur, schmerzhafte 139 Urinkatecholamine, Schmerz 293
V Vagustonus, Schmerz 293 Vakuumextraktion, Paracetamol 95 Valdecoxib – Analgesie, postoperative 207 – Kopfschmerz 276 – Migräne 280 Valproinsäure, Migräneprophylaxe 282 Vanilloidrezeptor, Nocizeptor 5, 6 Vapocoolant-Spray 160 VAS – Schmerzmessung 55 – Schmerzselbsteinschätzung 56 Vasokonstriktionsfeedback, Kopfschmerz 285 Vecuroniumbromid, Dosierung 192 – Intubation 303 Venenpunktion, Medikamentenwahl zur Sedierung/Anästhesie 199 Venenpunktion, Neugeborenes – EMLA 296
421 Stichwortverzeichnis
Ventrikelpunktion, Medikamentenwahl zur Sedierung/ Anästhesie 199 Verbandwechsel – Ablenkungsstrategie 146 – Medikamentenwahl zur Sedierung/Anästhesie 199 – Verbrennung 144 Verbrennung, Analgesie 144, 145 – Analgosedierung 145 – Begleittherapie 146 – EMLA 160 – Erstversorgung 144 – Fentanyl-Lutscher 146 – Hintergrundschmerz 144 – Juckreiz 146 – Patientenkontrollierte Analgesie 146 – Schmerzdurchbruch 146 – Schmerzmessung 144 – Verbandswechsel 144 Verhalten, Schmerz 293 Verhaltensmuster, Schmerzparameter 47 Verhaltenstherapie – Bauchschmerz, rezidivierend 263 – Fibromyalgiesyndrom 250 – Kopfschmerz 283 – Schmerz, muskuloskelettaler 253 Verletzungsschmerz, Homöopathikum 346 Verstärkung, positive/negative 140 Verteilungsphase, Definition 110 Verteilungsvolumen 72 – Definition 109 – Morphin 77 Verträglichkeit, gastrointestinale – Diclofenac 101 Vibration 4 Vibrationsreiz, Kontraindikation 21 Vibrationstherapie, Gegenirritation 125 Vitalparameter, Schmerzparameter 47
Vokalisation, Schmerzindikator 123 Vorbereitung auf medizinische/ pflegerische Maßnahmen, Kopiervorlage 391 Vorbereitung, psychologische – Prozedur, schmerzhafte 137 Vorderseitenstrang 11 VR1, Nocizeptor 5 VRS, Schmerzselbsteinschätzung 56 VT-PPQ – Schmerzselbsteinschätzung, multidimensional 60
W Wachstumsfaktor, Nervenläsion 10 Wachstumsschmerz 250 Wahl des Agens nach Indikation, Einreibung 328 Wärmerezeptor 4 Warnfunktion, Schmerz 294 Wasserstoffperoxid, Gingivitis 322 WDR-Neuron 8 – wind-up 10 WHO-Stufe 1, Analgetika 222 WHO-Stufenschema, Analgesie 221 Wide dynamic range Neuron 8 Wiegen beim Neugeborenen, Analgesie 295 Wind-up 71 – Frühgeborenes 294 – NMDA-Rezeptor 10 – Physiologie 10 – WDR-Neuron 10 Wundheilungsverzögerung, Schmerz 293 Wundversorgung, Medikamentenwahl zur Sedierung/ Anästhesie 199
T–Z
Z Zahnbehandlung, Mehrfachbehinderter 321 Zahndurchbruch, Analgesie 320 Zahnreimplantation, Tetanusprophylaxe 325 – Voraussetzung 324 Zahnreinigung, Säugling 320 Zahnschmerz, Mehrfachbehinderter 321 Zahntrauma 323 – Erstversorgung 324 Zirkumzision, Neugeborenes – EMLA 296 ZNS-Nebenwirkungen bei Frühgeborenen, Pethidin 92 Zolmitriptan, Migräne 280 Zweifaktorenmodell – Bauchschmerz, rezidivierender 258