Springer-Lehrbuch
Franz-Josef Kretz Jürgen Schäffer
Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, Schmerztherapie 4.,...
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Springer-Lehrbuch
Franz-Josef Kretz Jürgen Schäffer
Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, Schmerztherapie 4., korrigierte und neu bearbeitete Auflage Mit 114 Abbildungen in 173 Einzeldarstellungen und 43 Tabellen
123
Professor Dr. Franz-Josef Kretz Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin des Olgaspitals, Pädiatrisches Zentrum, und Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Krankenhaus Bad Cannstatt in Stuttgart, Bismarckstr. 8, 71076 Stuttgart
Professor Dr. Jürgen Schäffer Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin am Krankenhaus der Henrietten-Stiftung Hannover, Marienstr. 72–90, 30171 Hannover
Dr. Werner Krebsbach Dr. Ursula Hindley Dr. Sabine Remppis Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Krankenhaus Bad Cannstatt in Stuttgart, Bismarckstr. 8, 71076 Stuttgart
ISBN-10 3-540-25698-9 4. Auflage Springer Medizin Verlag Heidelberg ISBN-13 978-3-540-25698-4 4. Auflage Springer Medizin Verlag Heidelberg Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über (http://dnb.ddb.de) abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer Medizin Verlag. Ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer Medizin Verlag Heidelberg 1989, 1996, 2001, 2006 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Planung: Peter Bergmann Projektmanagement: Axel Treiber Design und Umschlaggestaltung: deblik Berlin SPIN 10791629 Satz: Fotosatz-Service Köhler GmbH, Würzburg Druck: Stürtz GmbH, Würzburg Gedruckt auf säurefreiem Papier 2117/2126SM – 5 4 3 2 1 0
V
Vorwort zur 4. Auflage Es ist uns eine große Freude, die 4. Auflage vorstellen zu können. Unter engagierter Mithilfe von Herrn Dr. Krebsbach, Stuttgart, der mit uns das gesamte Buch akribisch überarbeitete, aber auch mit den neuen Mitarbeiterinnen Frau Dr. Hindley und Frau Dr. Remppis, Stuttgart, die sich einzelner Kapitel annahmen, konnte das Buch auf den neuesten Stand gebracht werden. Dies ist gerade jetzt von noch größerer Bedeutung, da Kurse und Seminare im Fachgebiet Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie auch an jeder Universität geprüft und benotet werden müssen. Dieses Lehrbuch deckt als einziges Lehrbuch alle vier Säulen unseres Fachgebietes ab. Die Konzeption des Buches ist die gleiche geblieben: Es soll wie bisher einen Einstieg ins Fachgebiet AINS geben und alle dazu notwendigen Informationen liefern. Für das vertiefte Verständnis des Fachgebietes sind weiterführende Lehrbücher erforderlich. Wir wünschen den Studentinnen und Studenten mit unserem Lehrbuch viel Spaß beim ersten Kontakt mit unserem Fachgebiet. Stuttgart/Hannover, Juli 2005
F.-J. Kretz, Stuttgart J. Schäffer, Hannover
VII
Vorwort zur 1. Auflage In den letzten Jahren gab es einen beträchtlichen Boom an anästhesiologischen Lehrbüchern, allesamt hervorragende Überblicke über das anästhesiologische Fachgebiet. Wozu dann noch ein Basistext »Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin«? Zum einen deshalb, weil in den meisten verfügbaren Lehrbüchern der Anästhesie nur die Anästhesiologie dargestellt wird, nicht aber das gesamte Fachgebiet, zu dem die Intensivmedizin, die Notfallmedizin und – seit jüngster Zeit – auch die Schmerztherapie gehören. Zum anderen, weil in den meisten sich ausschließlich auf die Anästhesie beschränkenden Lehrbüchern das Informationsangebot weit über den Bedarf des Studenten hinausgeht. Wir wenden uns mit diesem Basistext im Wesentlichen an Studenten der Medizin, die sich in ihrem klinischen Studium und im Praktischen Jahr mit dem Fachgebiet Anästhesie befassen. Nur wenige dieser zukünftigen Kollegen werden sich zu einer Weiterbildung im Fachgebiet Anästhesiologie entschließen, zumal sich auf dem »anästhesiologischen Arbeitsmarkt« Sättiggungstendenzen zeigen. Um so mehr haben wir Wert darauf gelegt darzustellen, was der Anästhesist präoperativ an Untersuchungsbefunden für unerlässlich hält und welche Narkoseprobleme bei Patienten mit gravierenden Vorerkrankungen – welcher Art auch immer – auftreten können. Über den Kreis der Studenten hinaus könnten wir uns aber auch vorstellen, dass Ärzte im Praktikum und Anfänger im Fachgebiet Anästhesiologie Nutzen aus dem vorliegenden Basistext ziehen. Das gleiche gilt – ungeachtet des umfangreichen Literaturangebotes speziell für Anästhesiepflegekräfte – auch für diesen Personenkreis. Der vorliegende Basistext »Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, Schmerztherapie« ist eher zu umfangreich geworden. Dies sei jenen gesagt, die hier Details, dort vertiefte Darstellung und manchmal vielleicht mehr Ausführlichkeit vermissen. Dennoch sind wir auf Kritik gespannt und nehmen Anregungen gern entgegen. Ein Lehrbuch kann nur entstehen, wenn viele mithelfen. Allen sei Dank gesagt: 4 Frau Dr. Veronika Szabo (Budapest), Herrn Dr. Christian Seefelder (Ulm), den Herren Dres. Hans-Joachim Gramm, Oswald Mayr, Holger Hilt, Matthias Heppe (Berlin), die das Manuskript oder Teile davon gelesen und korrigiert haben; 4 Frau Konopka, die das Manuskript geschrieben hat; 4 Frau Repnow und Frau Blum für ihre unermüdliche und verdienstvolle Lektoratsarbeit sowie 4 Herrn Benesch für die akribische Korrektur des Manuskriptes und die Erarbeitung des Sachwortverzeichnisses. Stuttgart/Hannover/Berlin, 1989
F.-J. Kretz J. Schäffer K. Eyrich
IX
Inhaltsverzeichnis Grundlagen der Anästhesie 1
Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details . .
1.1 1.1.1 1.1.2
Pharmakodynamik . . . . . . . . . . . . Wirkorte der Hypnotika und Analgetika Molekulare Wirkungsmechanismen von Anästhetika, Analgetika und Muskelrelaxanzien . . . . . . . . . . . . Entwicklung der Informationsübertragung beim Menschen . . . . . . . . Pharmakokinetik . . . . . . . . . . . . . Inhalationsanästhetika . . . . . . . . . Intravenöse Narkotika . . . . . . . . . . Resorption sublingual, oral oder rektal applizierter Substanzen . . . . . . . . . Unerwünschte Wirkungen von Anästhetika und Muskelrelaxanzien . . Arzneimittelrechtliche Probleme . . . Benzodiazepine . . . . . . . . . . . . . . Barbiturate . . . . . . . . . . . . . . . . . Propofol . . . . . . . . . . . . . . . . . . Etomidat . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ketamin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chloralhydrat . . . . . . . . . . . . . . . Clonidin (Catapresan, Paracefan) . . . Opioidanalgetika . . . . . . . . . . . . . Morphin . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fentanyl . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alfentanil (Rapifen) . . . . . . . . . . . . Sufentanil . . . . . . . . . . . . . . . . . Remifentanil (Ultiva) . . . . . . . . . . . Pethidin (Dolantin) . . . . . . . . . . . . Piritramid (Dipidolor) . . . . . . . . . . . Tramadol . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pentazocin (Fortral) . . . . . . . . . . . . Buprenorphin . . . . . . . . . . . . . . . Inhalationsnarkotika . . . . . . . . . . . Lachgas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Halothan (Fluothane) . . . . . . . . . . . Enfluran (Ethrane) . . . . . . . . . . . . .
1.1.3 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8 1.9 1.10 1.11 1.12 1.12.1 1.12.2 1.12.3 1.12.4 1.12.5 1.12.6 1.12.7 1.12.8 1.12.9 1.12.10 1.13 1.13.1 1.13.2 1.13.3
3 5 6
8 17 17 18 20 23 24 29 30 33 35 36 37 39 39 39 39 42 42 43 43 44 44 44 45 45 45 46 48 49
1.13.4 1.13.5 1.13.6 1.13.7 1.14 1.14.1 1.14.2 1.14.3
1.17.1 1.17.2 1.17.3 1.17.4 1.17.5
Isofluran (Forene) . . . . . . . . . . . . . Sevofluran (Sevorane) . . . . . . . . . . Desfluran (Suprane). . . . . . . . . . . . Xenon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muskelrelaxanzien . . . . . . . . . . . . Neuromuskuläres Monitoring . . . . . Depolarisierende Muskelrelaxanzien . Nichtdepolarisierende Muskelrelaxanzien . . . . . . . . . . . . . . . . . Interaktionen . . . . . . . . . . . . . . . Peripher wirkende Analgetika . . . . . Paracetamol (Benuron, Paracetamol ratiopharm) . . . . . . . . . . . . . . . . Metamizol (Novalgin) . . . . . . . . . . Acetylsalicylsäure (Aspirin, ASS ratiopharm) . . . . . . . . . . . . . . Diclofenac (Voltaren) . . . . . . . . . . . Antagonisten . . . . . . . . . . . . . . . Benzodiazepinantagonist/Flumazenil (Anexate) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Naloxon (Narcanti) . . . . . . . . . . . . Muskelrelaxansantagonisten . . . . . . Medikamente zur kardial entlastenden und kardial stützenden Therapie . . . Preload und Afterload . . . . . . . . . . Minderung der Vorlast . . . . . . . . . . Senkung der Nachlast . . . . . . . . . . Positiv inotrope Substanzen . . . . . . Minderung der Herzfrequenz . . . . .
2
Narkosesysteme und -geräte . . . .
69
3
Atmung und Herzkreislauf in Narkose . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
3.1
Sauerstoff von A bis Z – von der Alveole bis zur Zelle . . . . . . . . . . Elimination des CO2 . . . . . . . . . . Beeinflussung des Gasaustausches durch die Anästhesie und Operation Sauerstoffaufnahme . . . . . . . . . . Sauerstofftransport . . . . . . . . . . . Sauerstoffverbrauch . . . . . . . . . . CO2-Elimination . . . . . . . . . . . . . Herz-Kreislauf-Funktion . . . . . . . .
1.14.4 1.15 1.15.1 1.15.2 1.15.3 1.15.4 1.16 1.16.1 1.16.2 1.16.3 1.17
3.2 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.4
50 51 52 53 53 55 55 57 59 59 59 60 60 61 61 61 61 62 63 63 63 64 64 65
. .
74 75
. . . . . .
76 76 76 76 76 78
X
Inhaltsverzeichnis
7.3.1 7.3.2 7.3.3
Praxis der Anästhesie 4
Prämedikationsvisite . . . . . . . . .
4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6
Ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anästhesiologische Anamnese . . . . . Untersuchung des Patienten . . . . . . Aufklärung über das Narkoseverfahren Einteilung in Risikogruppen . . . . . . Informationen über den Ablauf der Narkose . . . . . . . . . . . . . . . . Untersuchungsbefunde . . . . . . . . . Laboruntersuchungen . . . . . . . . . . EKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Röntgen-Thorax . . . . . . . . . . . . . . Lungenfunktionsprüfung . . . . . . . . Untersuchungsbefunde bei ambulanten Patienten und bei Notfällen . . . . . . . . . . . . . . . . Absprache mit dem Operateur . . . . . Prämedikation . . . . . . . . . . . . . . . Anästhesiologisches Vorgehen beim »Stand by« . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.7 4.7.1 4.7.2 4.7.3 4.7.4 4.7.5
4.8 4.9 4.10
81 82 82 89 90 90 91 91 91 91 92 92
92 93 93
7.3.4 7.3.5 7.3.6 7.3.7 7.3.8 7.3.9 7.3.10 7.3.11 7.4
8.3.5
6
Präoperatives Check-up . . . . . . .
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5
Geräte . . . . . . . . . . . . . Instrumentarium . . . . . . Medikamente zur Narkose Notfallmedikamente . . . . Infusionslösungen . . . . .
97 98 98 100 100 100
7
Anästhesieverfahren und Methoden der Atemwegssicherung . . . . . . .
7.1 7.1.1 7.1.2 7.1.3 7.1.4 7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.3
Airway . . . . . . . . . . . . . . Gesichtsmaske . . . . . . . . Larynxmaske . . . . . . . . . Endotracheale Intubation . . Nasotracheale Intubation . . Anästhesieverfahren . . . . . Inhalationsnarkosen . . . . . »Balanced Anaesthesia« . . . Intravenöse Narkoseformen Regionalanästhesie . . . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . .
. . . . . . . . . .
101 102 102 103 105 111 111 111 112 113 114
117 118 118 119 119
. . . . .
119 120 130 133 136
Klinische Untersuchungsmethoden . . EKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blutdruckmessung . . . . . . . . . . . . Riva-Rocci . . . . . . . . . . . . . . . . . Oszillatorisch messende Blutdruckmessgeräte . . . . . . . . . . . Blutig-arterielle Druckmessung . . . . Zentraler Venenkatheter und Messung des zentralvenösen Druckes . . . . . . Pulmonalarterienkatheter . . . . . . . .
95
. . . . .
. . . . .
8.1 8.2 8.3 8.3.1 8.3.2
Präoperative Vorbereitungen . . . .
. . . . .
114 115
Kreislaufmonitoring in Narkose und Intensivtherapie . . . . . . . . .
93
. . . . .
. .
8
8.3.3 8.3.4
5
Physiologie der Regionalanästhesie . Pharmakologie der Lokalanästhetika Nebenwirkungen der Regionalanästhesie . . . . . . . . . . . . . . . . Lokalanästhetika . . . . . . . . . . . . Prämedikation . . . . . . . . . . . . . . Auswahl des Lokalanästhetikums . . Lokalanästhesie . . . . . . . . . . . . . Intravenöse Regionalanästhesie nach Bier . . . . . . . . . . . . . . . . . Periphere Leitungsanästhesien . . . Spinalanästhesie . . . . . . . . . . . . Periduralanästhesie . . . . . . . . . . Auswahl des Narkoseverfahrens . . .
9 9.1 9.2 9.3
Intravenöse Flüssigkeitstherapie . . Intraoperativer Wasser- und Elektrolytbedarf . . . . . . . . . . . . . . Therapie peri- und postoperativer Blutverluste . . . . . . . . . . . . . . . . Fremdblutsparende Maßnahmen . . .
10
Probleme des anästhesiologischen Alltags . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10.1 10.2
Beurteilung der Narkosetiefe . . . . . . Differentialdiagnose perioperativer Leitsymptome . . . . . . . . . . . . . . .
11
Komplikationen bei der Narkose . .
11.1 11.2 11.3 11.3.1 11.3.2 11.3.3
Hypoxie . . . . . . . . . . . . . . . . Maligne Hyperthermie . . . . . . . Aspiration . . . . . . . . . . . . . . Klinische Bedeutung . . . . . . . . Physiologische Vorbemerkungen Ätiologie . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
141 142 142 142 142 142 142 144 147 153 154 157 158
163 164 164 167 168 169 170 170 171 171
XI Inhaltsverzeichnis
11.3.4 11.3.5 11.3.6 11.3.7 11.3.8 11.4 11.4.1 11.4.2 11.5 11.6 11.7
Pathologie . . . . . . . . . . Pathophysiologie . . . . . . Diagnose . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . Prophylaxe . . . . . . . . . . Luftembolie . . . . . . . . . Monitoring und Diagnose . Therapie und Prophylaxe . Lungenembolie . . . . . . . Nervenläsionen . . . . . . . Explosionen . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
12
Narkose bei Patienten mit Vorerkrankungen . . . . . . . . . . . .
12.1 12.1.1 12.1.2 12.1.3 12.1.4 12.2 12.3 12.4 12.5 12.6 12.7 12.8 12.8.1 12.8.2 12.9 12.10 12.10.1 12.10.2 12.10.3 12.11
Herz-Kreislauf-Erkrankungen . . . Koronare Herzerkrankung (KHK) . Hypertonie . . . . . . . . . . . . . . Herzinsuffizienz . . . . . . . . . . . Herzklappenfehler . . . . . . . . . Atemwege und Lunge . . . . . . . Diabetes mellitus . . . . . . . . . . Nierenerkrankungen . . . . . . . . Lebererkrankungen . . . . . . . . Schilddrüsenerkrankungen . . . . Phäochromozytom . . . . . . . . . Hämatologische Erkrankungen . Akute intermittierende Porphyrie Blutgerinnungsstörungen . . . . Suchterkrankungen . . . . . . . . Neurologische Erkrankungen . . Parkinsonismus . . . . . . . . . . . Epilepsien . . . . . . . . . . . . . . Muskelerkrankungen . . . . . . . Adipositas . . . . . . . . . . . . . .
13
Anästhesie beim ambulanten Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14
Anästhesie in extremen Lebensaltern . . . . . . . . . . . . . . .
14.1 14.1.1
Anästhesie im Kindesalter . . . . . . . Anatomische und physiologische Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . Psychologische Besonderheiten . . . Operationsvorbereitung . . . . . . . . Anästhesiologische Besonderheiten im Kindesalter . . . . . . . . . . . . . . Anästhesie im Greisenalter . . . . . .
14.1.2 14.1.3 14.1.4 14.2
172 172 172 172 173 174 174 174 175 177 177
179 180 180 183 183 184 185 186 187 188 189 190 191 191 191 192 192 192 192 193 194
195
14.2.1 14.2.2 14.2.3
Physiologische und pathologische Alterungsvorgänge . . . . . . . . . . . . Pharmakotherapie im Alter . . . . . . . Narkoseführung . . . . . . . . . . . . . .
15
Anästhesie in verschiedenen operativen Disziplinen . . . . . . . .
15.1 15.2 15.3 15.3.1
Abdominalchirurgie . . . . . . . . . . Thoraxchirurgie . . . . . . . . . . . . . Herzchirurgie . . . . . . . . . . . . . . Pathophysiologie und Narkose bei kongenitalen Vitien. . . . . . . . . Extrakorporale Zirkulation . . . . . . Gefäßchirurgie . . . . . . . . . . . . . . Geburtshilfe . . . . . . . . . . . . . . . Patientinnen und Komplikationshäufigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . Physiologische Veränderungen in der Schwangerschaft . . . . . . . . Physiologie von Uterus und Plazenta . . . . . . . . . . . . . . . Maßnahmen zur Linderung des Wehenschmerzes . . . . . . . . . . . . Anästhesie zur Sectio caesarea . . . . Anästhesie zur manuellen Nachräumung . . . . . . . . . . . . . . . . . Erstversorgung von Neugeborenen . Urologie . . . . . . . . . . . . . . . . . HNO-, zahn- und kieferchirurgische Eingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neurochirurgie . . . . . . . . . . . . . Gesteigerter intrakranieller Druck . . Prämedikation . . . . . . . . . . . . . . Anästhesie bei intrakraniellen Eingriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezielle Probleme . . . . . . . . . . . Ophthalmologie . . . . . . . . . . . . Spezielle Erkrankungen . . . . . . . . Narkoseformen . . . . . . . . . . . . .
15.3.2 15.4 15.5 15.5.1 15.5.2 15.5.3 15.5.4 15.5.5 15.5.6 15.5.7 15.6 15.7 15.8 15.8.1 15.8.2 15.8.3 15.8.4 15.9 15.9.1 15.9.2
. . .
211 212 214 216
. . . .
217 218 218 219
.
219
.
219
.
220
. .
221 223
. . .
224 224 226
. . . .
228 230 230 232
. . . . .
232 234 234 234 235
.
199 200
16
. . .
200 203 203
Erstversorgung und Narkose beim polytraumatisierten Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . .
16.1 16.2
. .
203 207
Definition des Polytraumas . . . . . . . Prinzipien der posttraumatischen Erstversorgung . . . . . . . . . . . . . . Narkose beim polytraumatisierten Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16.3
207 209 210
237 238 238 240
XII
17 17.1 17.2 17.3
Inhaltsverzeichnis
Die postoperative Phase . . . . . . . Aufgaben des Aufwachraums . . . . . Komplikationen in der postoperativen Phase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Postoperative Analgesie . . . . . . . . .
241 242 243 245
Postoperative Intensivmedizin 18
Indikationen zur postoperativen intensivmedizinischen Behandlung . . . . . . . . . . . . . . .
249
21.5 21.5.1 21.5.2 21.5.3 21.5.4 21.5.5
Therapie . . . . . . . . . . Beatmung . . . . . . . . . Physiotherapie . . . . . . Medikamentöse Therapie Hämofiltration . . . . . . . Extrakorporale Verfahren
. . . . . .
271 271 272 272 273 273
22
Schock . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22.1 22.2 22.3 22.4 22.5 22.6 22.7
Definition . . . . . . . . . . . . . . . Ätiologie . . . . . . . . . . . . . . . Pathophysiologie . . . . . . . . . . Organveränderungen im Schock Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . Prognose . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . .
275 276 276 277 279 280 281 283
Akutes Nierenversagen . . . . . . Physiologische Nierenfunktionen . Definition des akuten Nierenversagens . . . . . . . . . . . . . . . . Ätiologie . . . . . . . . . . . . . . . . Pathophysiologie . . . . . . . . . . . Diagnostische Parameter . . . . . . Prophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Richtlinien . . . . . . . Nierenersatztherapie . . . . . . . . Intermittierende Dialyseverfahren . Kontinuierliche arteriovenöse Hämofiltration (CAVH) und venovenöse Hämofiltration (CVVH) . . . Pharmakokinetik bei Niereninsuffizienz . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
285 286
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
286 286 286 288 288 288 288 289 289
. .
290
. .
292
293
19
Postaggressionsstoffwechsel . . . . Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . Infusionstherapie . . . . . . . . . . . . .
251 252 253
23
19.1 19.2
20
Parenterale Ernährung . . . . . . . .
255
20.1
Pathophysiologie des Energiestoffwechsels . . . . . . . . . . . . . . . . Komponenten der parenteralen Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . Aminosäuren . . . . . . . . . . . . . Kohlenhydrate . . . . . . . . . . . . . Fette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vitamine und Spurenelemente . . . Praxis der parenteralen Ernährung Sondenernährung . . . . . . . . . . Diäten für die enterale Ernährung . Applikationsweg . . . . . . . . . . . Indikationen zur Sondenernährung . . . . . . . . . . . . . . .
23.3 23.4 23.5 23.6 23.7 23.7.1 23.7.2 23.7.3 23.7.4
20.2 20.2.1 20.2.2 20.2.3 20.2.4 20.3 20.4 20.4.1 20.4.2 20.4.3
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . . .
. . . . . .
. . . . . . .
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256
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
256 256 257 258 258 258 261 262 262
. .
262
24
Störungen des Wasser- und Elektrolythaushaltes . . . . . . . . . .
263 264 264 264 265 265 266 267 269 269 270 271
24.1
Physiologie des Wasser- und Elektrolythaushaltes . . . . . . . . . . . Daten zum Wasserhaushalt . . . . . . . Daten zum Elektrolythaushalt und Elektrolytkonzentrationen spezieller Körperflüssigkeiten . . . . . Elektrolyte: Funktion und klinische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . Regulation des Wasser- und Elektrolythaushaltes . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathophysiologie des Wasser- und Elektrolythaushaltes . . . . . . . . . . .
21
Akute respiratorische Insuffizienz
21.1 21.1.1 21.1.2 21.1.3 21.1.4 21.2 21.3 21.4 21.4.1 21.4.2 21.4.3
Pathophysiologie . . . . . . . . . . Ursachen und Häufigkeit . . . . . Allgemeine Pathophysiologie . . Spezielle Krankheitsbilder . . . . . Pathophysiologie der Beatmung . Diagnose . . . . . . . . . . . . . . . Beatmungsmuster . . . . . . . . . Beatmungsformen . . . . . . . . . Spontanatmung . . . . . . . . . . . Mischformen . . . . . . . . . . . . . Kontrollierte Beatmung . . . . . .
. . . . . . . . . . .
23.1 23.2
. . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
23.8
24.1.1 24.1.2
24.1.3 24.1.4 24.2
294 294
294 294 297 298
XIII Inhaltsverzeichnis
24.3
24.4
25 25.1 25.2 25.3 25.4
Ursache, klinische Symptomatik und laborchemische Charakteristika von Veränderungen des Wasserund Elektrolythaushaltes . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Störungen des Säure-BasenHaushaltes . . . . . . . . . . . . . . . . Chemische Grundlagen . . . . . . . . . Biochemische Grundlagen . . . . . . . Einzelne Parameter des Säure-BasenHaushaltes . . . . . . . . . . . . . . . . . Klinische Bedeutung der Parameter und Therapie der Störungen des Säure-Basen-Haushaltes . . . . . .
26
Gerinnungsstörungen . . . . . . . .
26.1 26.2 26.3 26.4
Physiologie . . . . Gerinnungstests Pathophysiologie Therapie . . . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
298 301
303 304 304 305
307 308 309 311 312
27
Störungen der zerebralen Funktion
27.3 27.4 27.5 27.6 27.7 27.8
Durchgangs- und Trübungssyndrome Durchgangssyndrome . . . . . . . . . . Trübungssyndrome . . . . . . . . . . . . Differenzierung der Trübungssyndrome . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hirntoddiagnostik und Organexplantation . . . . . . . . . . . . . . . . Apallisches Syndrom . . . . . . . . . . . Fokale Läsionen . . . . . . . . . . . . . . Generalisierte epileptische Reaktionen Extrapyramidalmotorisches Syndrom Zentral-anticholinerges Syndrom (ZAS) Delirantes Syndrom . . . . . . . . . . .
28
Verbrennungen und Verbrühungen 323
28.1 28.2 28.3 28.4 28.5 28.6
Verbrennungsgrade . . . . . . . . . . Verbrennungsausmaß . . . . . . . . . Erste Hilfe am Notfallort . . . . . . . . Erste ärztliche Hilfe am Notfallort . . Erstversorgung in der Klinik . . . . . . Anforderungen an ein Behandlungszimmer auf einer Intensivstation für Schwerverbrannte . . . . . . . . . Pathophysiologie der Verbrennungskrankheit . . . . . . . . . . . . . . . . .
28.7
. . . . .
. .
Therapie der Verbrennungskrankheit Therapie der Akutphase . . . . . . . . Therapie der Spätphase . . . . . . . . Komplikationen . . . . . . . . . . . . . Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
Tetanus . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29.1 29.2 29.3 29.4 29.5
Pathophysiologie Klinik . . . . . . . Laborbefunde . . Komplikationen . Therapie . . . . .
30
Präeklampsie, Eklampsie und HELLP-Syndrom . . . . . . . . . .
30.1 30.2
Präeklampsie und Eklampsie . . . . . . HELLP-Syndrom . . . . . . . . . . . . . .
333 334 336
31
Kohlenmonoxidvergiftung . . . . .
339
32
Hygiene auf der Intensivstation . .
32.1 32.1.1 32.1.2
. .
341 342 342
. .
342 342
32.1.5 32.2 32.3 32.4
Nosokomiale Infektionen . . . . . . . Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . Wichtigste nosokomiale Infektionen auf Intensivstationen . . . . . . . . . . Erreger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übertragungswege und Erregerreservoire . . . . . . . . . . . . . . . . . Prophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . Pflegerische Techniken . . . . . . . . . Isolierung von Patienten . . . . . . . . Behandlung von Infektionen . . . . .
. . . . .
342 342 344 345 345
33
Organisation der Intensivtherapie
33.1 33.2
Bauliche Voraussetzungen . . . . . . . Personal . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
347 348 348
305
27.1 27.1.1 27.1.2 27.1.3 27.2
28.8 28.8.1 28.8.2 28.9 28.10
313 314 314 315
32.1.3 32.1.4
316 318 319 320 320 321 321 321
324 324 326 326 326
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . .
. . . . .
328 328 329 329 330 331 332 332 332 332 332
Notfallmedizin 34
326
35
326
35.1 35.2
Ziele der notfallmedizinischen Behandlung . . . . . . . . . . . . . . .
353
Störung der Atmung . . . . . . . . . . Physiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . .
355 356 356
XIV
Inhaltsverzeichnis
35.3 35.4 35.4.1 35.4.2
Symptomatik . . . . . . . . . . . Häufige respiratorische Notfälle Asthma bronchiale . . . . . . . . Thoraxtrauma . . . . . . . . . . .
. . . .
356 356 356 357
36
361 362 362 362 362 362 365
36.4.4 36.4.5 36.4.6
Störungen des Kreislaufs . . . . . . . Physiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . Symptomatik . . . . . . . . . . . . . . . Häufige kardiozirkulatorische Notfälle Schock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akutes Koronarsyndrom (ACS) . . . . . Herzinsuffizienz und kardiales Lungenödem . . . . . . . . . . . . . . . Herzrhythmusstörungen . . . . . . . . Lungenembolie . . . . . . . . . . . . . . Hypertensive Krise . . . . . . . . . . . .
37
Kardiopulmonale Reanimation . . .
37.1 37.2 37.3
Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . Symptomatik . . . . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
Störungen der zerebralen Funktion
38.1 38.2 38.3 38.4 38.4.1 38.4.2 38.4.3 38.4.4
Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . Symptomatik . . . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezielle zerebrale Notfälle . . . . . . Schädelhirntrauma . . . . . . . . . . . Zerebraler Krampfanfall . . . . . . . . Apoplektischer Insult . . . . . . . . . Hypo- und hyperglykämisches Koma
36.1 36.2 36.3 36.4 36.4.1 36.4.2 36.4.3
. . . .
. . . .
. . . .
. . . . . . .
366 367 367 368 369 370 370 370 375 376 376 377 377 377 378 378 378
41.3 41.4
39
Vergiftungen . . . . . . . . . . . . . . . Methoden der Dekontamination . . . Spezielle Antidote bzw. spezielles Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
Spezielle Notfälle . . . . . . . . . . . .
40.1 40.2 40.3 40.4
Stromunfall . . . Verbrennung . . Ertrinkungsunfall Hitzeschäden . .
41
Spezielle notfallmedizinische Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . .
41.1 41.2
Rettung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
390 391
Schmerztherapie 42
Physiologie und Pathophysiologie des Schmerzes . . . . . . . . . . . . . .
42.1 42.2
Schmerzleitung . . . . . . . . Neuronale Verarbeitung von Schmerzimpulsen . . . . . . . Schmerzarten . . . . . . . . . Schmerzursachen . . . . . . .
42.3 42.4
43
. . . . . .
395 396
. . . . . . . . . . . . . . . . . .
397 398 399
Schmerzdiagnostik, Schmerzanamnese . . . . . . . . . . .
401
44
Methoden der Schmerztherapie . .
44.1 44.1.1 44.1.2 44.2 44.3
Analgetika . . . . . . . . . . . . . . . . Antipyretische Analgetika . . . . . . . Morphinartige Analgetika (Opioide). Regionalanästhesieverfahren . . . . . Nichtmedikamentöse Therapieverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . .
45 45.1 45.1.1 45.1.2
39.1 39.2
Venöser Zugang . . . . . . . . . . . . . Koniotomie . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
403 404 404 406 411
.
412
Spezielle Schmerztherapie . . . . . . Therapie chronisch maligner Schmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . Medikamentöse Therapie nach Stufen- und Zeitplan . . . . . . . . . . . Komedikation bei chronisch malignen Schmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundsätze bei der Therapie chronisch maligner Schmerzen . . . . . . . . . . . Häufige Probleme bei Karzinompatienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie chronisch gutartiger Schmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . Migräne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herpes zoster . . . . . . . . . . . . . . . Phantomschmerz . . . . . . . . . . . . . Trigeminusneuralgie . . . . . . . . . . .
415
381 382
45.1.3
382
45.1.4
385 386 386 386 387
45.2
389 390 390
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45.2.1 45.2.2 45.2.3 45.2.4
416 416 417 419 420 421 421 423 423 424 425
XV
Verzeichnis der Hinweise zum praktischen Vorgehen Grundlagen der Anästhesie
Verhalten bei versehentlicher intraarterieller Applikation von Barbituraten – 34
Praxis der Anästhesie
Praktisches Vorgehen bei Diabetes – 88 Substitution von Hydrokortison – 88 Maskenbeatmung – 102 Larynxmaskennarkose – 104 Orale Intubation – 105 Nasotracheale Intubation – 111 Intravenöse Regionalanästhesie nach Bier – 120 Plexus-Brachialis-Blockade – 122 Vertikal-infraklavikuläre Blockade – 123 Interskalenäre Blockade – 124 Peniswurzelblock – 125 Psoas-Kompartment-Block – 126 N.-femoralis-Blockade – 127 Ischiadikusblock – 128 Periphere Ischiadikusblockade – 129 Fußblock – 129 Spinalanästhesie – 132 Periduralanästhesie – 135 Blutdruckmessung nach Riva-Rocci – 142 Blutdruckmessung mit oszillatorisch messenden Automaten – 142 Allen-Test – 144 Legen zentralvenöser Katheter – 144 ZVD-Messen – 147 Pulmonalarterienkatheter – 149 Intraoperative Substitution von Blutverlusten – 158 Therapie einer intraoperativ aufgetretenen Zyanose – 164 Therapie der Aspiration – 172 Therapie und Prophylaxe der Luftembolie – 174 Therapeutische Sofortmaßnahmen bei Lungenembolie ohne gesicherte Diagnose – 176 Therapeutische Sofortmaßnahmen nach gesicherter Diagnose – 176 Therapie des Bronchospasmus – 186 Medikamentöse Kontraindikationen bei akuter intermittierender Porphyrie – 191 Therapie von Gerinnungsstörungen – 191 Tubuswahl – 205 Narkoseeinleitung und -führung bei Sectio caesarea – 223
XVI
Verzeichnis der Hinweise zum praktischen Vorgehen
Prozedere der Erstversorgung beim Neugeborenen – 224 Langzeitoperationen in der HNO- und Kieferchirurgie – 229 Flexible Bronchoskopie – 229
Postoperative Intensivmedizin
Parenterale Ernährung – 259 Beatmung – 271 Diagnostik von Gerinnungsstörungen – 311 Infusion nach dem Parkland-Baxter-Schema – 328 Therapie in der Spätphase der Verbrennungskrankheit – 329
Notfallmedizin
Asthma bronchiale – 357 Lungenkontusion – 357 Offene Thoraxverletzung – 358 Spannungspneumothorax – 359 Hämatothorax – 359 Hypovolämischer Schock – 363 Kardiogener Schock – 364 Akutes Koronarsyndrom – 366 Herzinsuffizienz und kardiales Lungenödem – 366 Herzrhythmusstörungen – 367 Lungenembolie – 368 Hypertensive Krise – 368 Atemspende (Mund-zu-Nase-Beatmung) – 372 Herzdruckmassage – 372 Schädelhirntrauma – 377 Zerebraler Krampfanfall – 378 Apoplektischer Insult – 378 Hypo- und hyperglykämisches Koma – 379 Magenspülung – 382 Stromunfall – 386 Ertrinkungsunfall – 386 Hitzeerschöpfung – 387 Hitzschlag – 387 Sonnenstich – 387
Grundlagen der Anästhesie 1 Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details – 3
1 1
Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
1.1
Pharmakodynamik
1.1.1 1.1.2 1.1.3
Wirkorte der Hypnotika und Analgetika – 6 Molekulare Wirkungsmechanismen von Anästhetika, Analgetika und Muskelrelaxanzien – 8 Entwicklung der Informationsübertragung beim Menschen – 17
1.2
Pharmakokinetik
1.2.1 1.2.2 1.2.3
Inhalationsanästhetika – 18 Intravenöse Narkotika – 20 Resorption sublingual, oral oder rektal applizierter Substanzen – 23
1.3
Unerwünschte Wirkungen von Anästhetika und Muskelrelaxanzien – 24
1.4
Arzneimittelrechtliche Probleme – 29
1.5
Benzodiazepine – 30
1.6
Barbiturate
1.7
Propofol
1.8
Etomidat – 36
1.9
Ketamin
1.10
Chloralhydrat
1.11
Clonidin (Catapresan, Paracefan) – 39
1.12
Opioidanalgetika
1.12.1 1.12.2 1.12.3 1.12.4 1.12.5
Morphin – 39 Fentanyl – 42 Alfentanil (Rapifen) – 42 Sufentanil – 43 Remifentanil (Ultiva) – 43
–5
– 17
– 33
– 35
– 37 – 39
– 39
1.12.6 1.12.7 1.12.8 1.12.9 1.12.10
Pethidin (Dolantin) – 44 Piritramid (Dipidolor) – 44 Tramadol – 44 Pentazocin (Fortral) – 45 Buprenorphin – 45
1.13
Inhalationsnarkotika
1.13.1 1.13.2 1.13.3 1.13.4 1.13.5 1.13.6 1.13.7
Lachgas – 46 Halothan (Fluothane) – 48 Enfluran (Ethrane) – 49 Isofluran (Forene) – 50 Sevofluran (Sevorane) – 51 Desfluran (Suprane) – 52 Xenon – 53
1.14
Muskelrelaxanzien – 53
1.14.1 1.14.2 1.14.3 1.14.4
Neuromuskuläres Monitoring – 55 Depolarisierende Muskelrelaxanzien – 55 Nichtdepolarisierende Muskelrelaxanzien – 57 Interaktionen – 59
1.15
Peripher wirkende Analgetika – 59
1.15.1 1.15.2 1.15.3 1.15.4
Paracetamol (Benuron, Paracetamol ratiopharm – 59 Metamizol (Novalgin) – 60 Acetylsalicylsäure (Aspirin, ASS ratiopharm) – 60 Diclofenac (Voltaren) – 61
1.16
Antagonisten – 61
1.16.1 1.16.2 1.16.3
Benzodiazepinantagonist/Flumazenil (Anexate) Naloxon (Narcanti) – 61 Muskelrelaxansantagonisten – 62
1.17
Medikamente zur kardial entlastenden und kardial stützenden Therapie – 63
1.17.1 1.17.2 1.17.3 1.17.4 1.17.5
Preload und Afterload – 63 Minderung der Vorlast – 63 Senkung der Nachlast – 64 Positiv inotrope Substanzen – 64 Minderung der Herzfrequenz – 65
– 45
– 61
1
5 1.1 · Pharmakodynamik
1.1
Pharmakodynamik
Zielsetzung Die Anästhesie hat das Ziel, einen
operativen Eingriff schmerzfrei zu ermöglichen. Prinzipiell gibt es dazu mit der Allgemeinanästhesie einerseits und der Regionalanästhesie andererseits zwei verschiedene Methoden. Beide können auch kombiniert werden. In seltenen Fällen dient die Allgemeinanästhesie auch dazu, bei diagnostischen Maßnahmen höchste Bildqualität zu erreichen (z. B. Kernspintomographie, Computertomographie bei Kindern) oder eine diagnostische Maßnahme erst zu ermöglichen (z. B. Endoskopie bei Kindern oder sonstigen behandlungsunwilligen Patienten). Komponenten der Allgemeinanästhesie sind: 4 präoperativ: Anxiolyse, 4 intraoperativ: Bewusstlosigkeit, Analgesie, Muskelrelaxation, 4 postoperativ: Analgesie. Die präoperative Anxiolyse ist das Hauptindikationsgebiet von Benzodiazepinen. Intraoperativ kann die Bewusstlosigkeit herbeigeführt werden durch Inhalationsnarkotika oder durch die intravenöse Gabe . Abb. 1.1. Komponenten der Allgemein- und Regionalanästhesie
von Propofol, Benzodiazepinen, Ketamin, Barbituraten oder Neuroleptika. Analgesie wird intraoperativ durch Opioide oder Lokalanästhetika – lokal oder rückenmarksnah verabfolgt – herbeigeführt. In der postoperativen Phase wird die Analgesie durch Opioide, peripher wirkende Analgetika oder Lokalanästhetika garantiert. Komponenten der Regionalanästhesie sind (. Abb. 1.1): 4 präoperativ: Anxiolyse, sofern vom Patienten erwünscht; 4 intraoperativ: Analgesie durch Regionalanästhesie, Anxiolyse oder Sedierung, sofern vom Patienten erwünscht; 4 postoperativ: Analgesie als Regionalanästhesie, über i.v.-Gabe von Opioiden, bei Bedarf ergänzt durch peripher wirkende Analgetika. Die Indikation zum Einsatz von Muskelrelaxanzien ist zu stellen in Abhängigkeit von der: 4 Art der Atemwegssicherung: Bei Beatmung über Maske- oder Larynxmaske (7 Kap. 7.1.2) sind keine Muskelrelaxanzien notwendig; bei der endotrachealen Intubation ist von wenigen Ausnahmen abgesehen (fiberoptische In-
Allgemeinanästhesie Präoperativ
Intraoperativ
Postoperativ
Anxiolyse *1
Bewusstsein
Opioide
Analgesie
Opioide Regionalanästhesie
Regionalanästhesie Antiemetische Therapie
Muskelrelaxation *1 sofern vom Patienten erwünscht *2 sofern sich eine Disposition aus der Anamnese ergibt
Antiemetische Prophylaxe*2
Regionalanästhesie Präoperativ
Intraoperativ
Postoperativ
Anxiolyse *1
Regionalanästhesie
Regionalanästhesie
Sedierung/Anxiolyse *1
Opioide
6
1
Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
tubation) immer eine Muskelrelaxation angezeigt; 4 Art des operativen Eingriffs: Abdominelle Eingriffe machen stets eine exzellente Muskelrelaxation erforderlich, um dem Operateur die Arbeit zu erleichtern, intrakranielle Eingriffe machen immer eine Muskelrelaxation erforderlich, damit sich der Patient nicht bewegt, was z. B. bei intrakraniellen Eingriffen katastrophale Folgen haben könnte. Bei Eingriffen an der Körperperipherie ist häufig keine Muskelrelaxation erforderlich. Bei Narkosen, die nur zu diagnostischen Maßnahmen durchgeführt werden, entfällt die analgetische Komponente: Es wird nur die hypnotische Komponente und – sofern eine Intubation notwendig ist – eine Muskelrelaxation erforderlich. Die Ziele der Allgemeinanästhesie kann man mit Monosubstanzen wie z. B. den Inhalationsnarkotika erreichen. Es sind dann allerdings Dosierungen notwendig, die – da häufig nahe des toxischen Bereiches liegend – erhebliche unerwünschte Wirkungen insbesondere im kardiozirkulatorischen Bereich haben. Wichtig
Deshalb ist heute die Kombination mehrerer Komponenten – Mittel zur Ausschaltung des Bewusstseins (Hypnotika), Analgetika und Muskelrelaxanzien – klinischer Standard, um die Ziele der Allgemeinanästhesie zu erreichen. Diese Form der Allgemeinanästhesie nennt man auch »balanced anaesthesia« oder weniger elegant auf Deutsch »balanzierte Anästhesie« oder »Kombinationsnarkose«.
Mit der Kombination mehrerer Komponenten lassen sich die unerwünschten Wirkungen der einzelnen Komponenten vermindern. »Balanced anaesthesia« nennt man im engeren Sinne die Kombination von Inhalationsnarkotika und Opioiden, ergänzt, so notwendig, durch Muskelrelaxanzien. »Balanced anaesthesia« im weiteren Sinne ist auch die totale intravenöse Anästhesie (TIVA), die ihren Namen dem totalen Verzicht auf Inhalationsnarkotika verdankt. »Total« heißt in diesem Falle auch der Verzicht auf Lachgas. Lachgas
war früher häufig Teilkomponente des inspiratorischen Gasgemisches; heute wird darauf weitestgehend verzichtet.
1.1.1
Wirkorte der Hypnotika und Analgetika
Um die Wirkorte der Analgetika zu klären, ist es wichtig, sich den Ort der Schmerzentstehung und die Weiterleitung der Schmerzreize bis ins Gehirn klar zu machen (. Abb. 1.2). Der Schmerz – entstanden durch das Skalpell des Operateurs oder durch eine Verletzung – entsteht in der Körperperipherie. In der Haut des Menschen liegen Nozizeptoren, die durch Mediatoren indirekt, direkt aber auch mechanisch (z. B. durch Druck), thermisch oder traumatisch durch Verletzungen stimuliert werden können. An der indirekten Stimulation sind Mediatoren beteiligt, die aus den geschädigten Zellen freigesetzt werden. Zu diesen Mediatoren zählen Bradykinin, Histamin, Interleukin 1, CGRP (»calcitonin related protein«), Kalium sowie Neuropeptide (z. B. Substanz P). Die Freisetzung der Mediatoren führt nicht nur zu einer Reizung der Nozizeptoren, sondern auch zu einer Degranulation von Mastzellen, was eine Gefäßdilatation sowie eine Steigerung der Gefäßpermeabilität zur Folge hat. Der akute Schmerz wird nun über periphere Nerven zum Rückenmark weitergeleitet. In Anspruch genommen werden dafür die dünnen, myelinisierten A-Delta-Fasern, die mit einer Übertragungsgeschwindigkeit von 10 m/s sehr schnell leiten, sowie die unmyelinisierten C-Fasern, die mit 1 m/s deutlich langsamer leiten. Im Hinterhorn des Rückenmarks angekommen, werden die Schmerzimpulse auf das Vorderhorn der Gegenseite weitergeleitet. Auf Rückenmarksebene wirken jedoch mehrere Mechanismen modulierend auf die Schmerzweiterleitung ein. Es sind dies (. Abb. 1.3): 4 lokale Neurotransmitter und Mediatoren und 4 von supraspinal absteigende hemmende Effekte. Die auf Rückenmarksebene angesiedelte neuronale Übertragung wird modifiziert durch: 4 inhibitorische Neurotransmitter (z. B. Opioide, Gamma-Aminobuttersäure),
1
7 1.1 · Pharmakodynamik
. Abb. 1.2. Schmerzleitungsbahnen und ihre neuronale Verschaltung
somatosensorischer Kortex
lateraler Thalamus limbisches System medialer Thalamus
aufsteigendes aktivierendes retikuläres System (ARAS)
Tr. spinothalamicus N. trigeminus
Tr. spinoreticularis Formatio reticularis
kardiovaskuläre Reflexe Hinterwurzel
Vorderseitenstrang
nozizeptive Afferenzen
spinale Reflexe
. Abb. 1.3. Übersicht über Neurotransmitter im Rückenmark. Pharmakologisch und histochemisch identifizierte erregende und hemmende Neurotransmitter und -modulatoren im Hinterhorn, die an der Verarbeitung von Schmerzinformationen beteiligt sind. (Mod. nach Zimmermann1984)
Schmerzverarbeitung und Schmerzhemmung im Zentralnervensystem Endhirn: Kortex, limbisches System
Putative Neurotransmitter im Hinterhorn des Rückenmarks Afferenzen C, Aδ
C, Aδ vom Hirnstamm
?
Zwischenhirn: Thalamus absteigende hemmende Bahnen; inhibitorische Transmitter: Serotonin (5-HT), Noradrenalin
Hirnstamm: periaquäduktales Grau (PAG) aufsteigende Bahnen für Schmerzen
Substanz P CGRP Glutamat Somatostatin
Hinterhornneuron
Noradrenalin
Aβ
Enkephalin Glutamat GABA
Serotonin Glycin erregend hemmend
inneres Organ
Nozizeptoren
spinale und aufsteigende Systeme Weitere histochemisch identifizierte Substanzen: Acetylcholin, antidiuretisches Hormon (ADH), Oxytocin, Neurotensin, Angiotensin II, Dynorphin, VIP, CCK.
Haut Mechanorezeptoren
8
1
Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
4 exzitatorisch wirkende Neurotransmitter wie z. B. Glutamat, Serotonin oder exzitatorisch wirkende Neuropeptide (wie z. B. Substanz P, CGRP).
leitet, wo die Schmerzen bewusst werden und dann auch lokalisiert werden können.
1.1.2 Auf Rückenmarksebene treten bereits motorische Reflexe (Wegziehreflexe) und vegetative Reflexe (lokale Durchblutungssteigerung) auf. Sie erleichtern dem Operateur nicht gerade die Arbeit und müssen durch die Allgemeinanästhesie unterbunden werden. Der auf Rückenmarksebene bereits modifizierte Schmerzimpuls wird dann über den Tractus spinothalamicus von der Rückenmarksebene, in die er aufgenommen wird, in den Thalamus weitergeleitet. Es werden Äste zum aufsteigenden-aktivierenden System (ARAS) abgegeben. Das ARAS ist für Wachheit und Aufmerksamkeit notwendig. Im Thalamus selbst findet dann die emotional-affektive Bewertung des Schmerzgeschehens statt. Diese sehr individuelle Schmerzbewertung wird nicht nur während der Operation (Höhe der notwendigen Dosierung), sondern insbesondere auch während der postoperativen Phase evident. Vom Thalamus werden die modifizierten Schmerzimpulse zum Frontallappen des Großhirns weiterge. Abb. 1.4. Impulsweiterleitung an der axonalen Membran
Molekulare Wirkungsmechanismen von Anästhetika, Analgetika und Muskelrelaxanzien
Hemmung der Erregbarkeit von neuronalen Membranen Nervenzellen bestehen aus Neuronen und
Axonen (. Abb. 1.4). Die Impulsweiterleitung an der axonalen Membran erfolgt über eine rasante Veränderung der Ionenkonstellation an der Nervenmembran: In die aus einer Phospholipiddoppelmembran bestehende Nervenzellmembran sind Membranmoleküle integriert, die den Ionenfluss in die Zelle und aus der Zelle heraus steuern. Die Konstellation dieser Membranproteine wird durch einen aus der Peripherie ankommenden elektrischen Impuls so verändert, dass der Natriuminflux in die Zellen zunimmt. Dadurch verändert sich das Membranpotential im Sinne einer Erregung. Auf diese Weise wird der Impuls weitergetragen.
mV
0
Schwellenpotential
– 50
Ruhepotential 0
0,5
1,0
Depolarisation
msec Repolarisation
0,1–0,2 ms
Na+
axonale Membran
K+
Pumpe
K+ Na+
K+
Na+ ATP
1
9 1.1 · Pharmakodynamik
Na+
Inhalationsnarkotika und Barbiturate wirken nun dadurch, dass sie sich aufgrund ihrer Lipophilie in die lipophile Innenschicht der Phospholipidmembranen einlagern. Durch die Interaktion mit den lipophilen Anteilen der Membranproteine kommt es zu einer Konformationsänderung dieser Proteine, sodass ein Ioneninflux in die Zelle unmöglich wird. Auf diese Weise wird dann die Erregungsweiterleitung gehemmt.
Na+ +
+
+
+
+
+
Diese unspezifische Hemmwirkung kommt auch in der Meyer-Overton-Regel zum Ausdruck, nach der eine enge Korrelation zwischen der Lipophilie und der anästhetischen Potenz besteht: Je höher die Lipophilie, desto stärker die anästhetische Wirkung einer Substanz.
polar apolar
+
+
+
+
+
Wichtig
aktivierter Na-Kanal
+
+
+
kationisch amphiphiles Lokalanästhetikum
blockierter Na-Kanal Na+ ungeladenes Lokalanästhetikum
Hemmung der Impulsweiterleitung am Nerven Die
Erregungsleitung am peripheren Nerven erfolgt nach dem gleichen Mechanismus: Veränderungen des Natriumeinstromes in die Axone. Dazu werden die Membranproteine in ihrer Konstellation verändert. Der Natriuminflux entlang des Konzentrationsgradienten in die Zelle führt zur Depolarisation der Zelle. Lokalanästhetika wirken dadurch, dass sie den schnellen Natriumeinstrom in die Zellen hemmen. Sie bewerkstelligen dies, indem sie sich in die Membranproteine einlagern und den Natriuminflux verhindern (. Abb. 1.5). Beeinflussung von Rezeptorsystemen Es gibt im
menschlichen Körper prinzipiell zwei Rezeptortypen: 4 Klasse-1-Rezeptoren: Hier handelt es sich um Proteine, die den Ionenfluss in und aus der Zelle kontrollieren: Natrium-(Na+-)Influx, Calcium(Ca2+-)Influx, Kalium-(K+-)Efflux. Diese Rezeptoren sind sehr schnell wirkend. 4 Klasse-2-Rezeptoren: Diese sind G-Proteingekoppelt und sehr langsam wirksam. Die Reaktion des Neurotransmitters führt hier nicht zu einer Konformationsänderung von Ionenkanälen, sondern zu einer Zustandsveränderung dieses in der Zellmembran lokalisierten G-Proteins. Seinen Namen hat dieses Protein davon, dass es Guanosintriphosphat (GTP) bindet. Diese GProteine hemmen die Adenylatzyklase und sor-
blockierter Na-Kanal . Abb. 1.5. Wirkung der Lokalanästhetika
gen dafür, dass der »second messenger« cAMP nicht im gleichen Umfang wie vorher abgebaut wird. Außerdem werden auch G-Protein-vermittelt Kaliumkanäle geöffnet und Kalziumkanäle geschlossen, aber langsamer als über die Klasse-1-Rezeptoren (. Abb. 1.6 und . Abb. 1.7). Opioidrezeptoren Diese Rezeptoren haben Enkephaline, Dynorphine und Endorphine als endogene Liganden. Alle drei Substanzgruppen zeichnen sich dadurch aus, dass sie mit der Aminosäurekette Tyrosin-Glycin-Glycin-Phenylalanin-X (Methionin oder Leucin) ein gemeinsames Zentrum besitzen (. Abb. 1.8), das mit dem Rezeptor reagiert. Diese endogenen Liganden bewirken G-proteinvermittelt 4 eine Hemmung der Adenylatzyklase, 4 ein Öffnen von K+-Kanälen und 4 ein Schließen von Ca2+-Kanälen.
Die endogenen Opioide werden durch das Enzym Enkephalinase inaktiviert. Dadurch ist das Wirken der endogenen Liganden auf eine sehr kurze Zeit beschränkt.
10
Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
therapie, da sie nach i.v.-Gabe schnell abgebaut werden, die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden und somit nicht an ihren Wirkort kommen können. Auch der pharmakologische Ansatz, die Enkephalinase als das abbauende Enzym zu hemmen und damit die endogenen Liganden länger aktiv bleiben zu lassen, konnte bisher noch nicht realisiert werden. Die endogenen Liganden reagieren mit den Opioidrezeptoren, die in mehrere Untergruppen unterschieden werden: µ-, κ-, σ-Rezeptoren. Über die µ-Rezeptoren werden 4 Analgesie, 4 Atemdepression, 4 Hypotonie, 4 Bradykardie, 4 Euphorie, 4 Miosis, 4 Emesis, 4 Sucht
1
T1/2
K+
T1/2
Ca2+
. Abb. 1.6. Wirkungsmechanismen der Klasse-1-Rezeptoren: T1/2 (Transmitter) reagieren mit den postsynaptischen Rezeptoren und öffnen Ionenkanäle
Mit der Wirkung der endogenen Liganden kann man die klinische Erfahrung erklären, dass Patienten mit schwersten Verletzungen unmittelbar nach dem Trauma nicht über Schmerzen klagen und erst später, beispielsweise bei der Umlagerung auf die Trage oder bei der Fahrt in die Klinik, Schmerzmittel brauchen. Bedauerlicherweise kann man sich die endogenen Liganden nicht zunutze machen für die Schmerz-
und über die κ-Rezeptoren 4 Atemdepression, 4 Analgesie und 4 Sedierung vermittelt. Eine σ-Bindung von Opioiden führt zu einer zentralen Stimulation, was zu den Symptomen 4 Tachypnoe, 4 Tachykardie,
Agonist K+
Membran Rezeptor
G-Protein
Adenylatzyklase
1. ATP cAMP
. Abb. 1.7. Wirkungsmechanismen der Klasse-2-Rezeptoren: Der Agonist reagiert mit dem Rezeptor. Daraufhin wird das G-Protein aktiviert. Das G-Protein kann 4 Reaktionen anstoßen: 1. Adenylatzyklaseaktivierung: Es wird cAMP gebildet.
Phospholipase C
2.
3.
Ca2+
4.
2. Phospholipase C: Es entsteht aus PIP2 intrazellulär IP3, was zu einer Vasokonstriktion führt. 3. Öffnung des K+-Kanals: K-Efflux aus der Zelle. 4. Öffnung des Ca2+-Kanals: erhöhter Ca2+-Influx.
11 1.1 · Pharmakodynamik
. Abb. 1.8. Endogene Opioidliganden. (Nach Feldmann et al.1993)
4 4 4 4 4
Met-Enkephalin
Tyr - Gly - Gly - Phe - Met
Leu-Enkephalin
Tyr - Gly - Gly - Phe - Leu
ME-Arg-Phe
Tyr - Gly - Gly - Phe - Met - Arg - Phe
ME-Arg-Gly-Leu
Tyr - Gly - Gly - Phe - Met - Arg - Gly - Leu
β-Endorphin
Tyr - Gly - Gly - Phe - Met - Thr - Ser - Glu - Lys - Ser- Gin - Thr Pro - Leu - Val - Thr - Leu - Phe - Lys Asn - Ala - Ile - Ile - Lys - Asn - Ala Tyr - Lys - Lys - Gly -Glu
Dynorphin A (1-17)
Tyr - Gly - Gly - Phe - Leu - Arg - Arg - Ile - Arg - Pro - Lys - Leu Lys - Trp - Asp - Asn - Gln
Dynorphin B
Tyr - Gly - Gly - Phe - Leu - Arg - Arg - Gin - Phe - Lys - Val - Val Thr
β-Neoendorphin
Tyr - Gly - Gly - Phe - Leu - Arg - Lys - Tyr - Pro
Mydriasis, Nausea, Halluzinationen, Dysphorie und Hypertonie
führt. Über die σ-Rezeptorenbindung ist bisher kein analgetischer Effekt nachweisbar gewesen. Die natürlichen und synthetischen klinisch bedeutsamen Opioide wirken über den µ-Rezeptor: 4 Morphin, 4 Fentanyl, 4 Alfentanil (Rapifen), 4 Sufentanil (Sufenta), 4 Remifentanil (Ultiva), 4 Pethidin (Dolantin), 4 Piritramid (Dipidolor), und über den κ-Rezeptor: 4 Pentazocin (Fortral). Kompliziert wird es aber dadurch, dass es Opioide gibt, die am κ-Rezeptor agonistisch wirken und am µ-Rezeptor antagonistisch (z. B. Pentazocin). Als klinische Konsequenz ist daraus abzuleiten, dass eine Kombination dieses Medikamentes mit µ-Re-
1
zeptoragonisten unsinnig ist und beim Umsetzen von µ-Rezeptoragonisten auf Pentazocin zunächst mit einer Zunahme von Schmerzen zu rechnen ist. Eine weitere Sonderrolle spielt Nalbuphin, das am µ-Rezeptor antagonistisch wirkt und damit µRezeptoragonisten am Rezeptor verdrängen kann. Es hat selbst jedoch eine sehr gute »intrinsic activity« am Rezeptor, sodass es selbst für die Schmerztherapie eingesetzt werden kann. Buprenorphin wirkt als Partialagonist am µ-Rezeptor und als Antagonist am κ-Rezeptor. Wichtig
Naloxon ist ein reiner Antagonist ohne »intrinsic activity«. Er wirkt am µ-, κ- und σ-Rezeptor antagonistisch. Pentazocin, Buprenorphin und Nalbuphin ist der sog. Ceiling-Effekt gemeinsam. Darunter versteht man, dass nach Absättigung aller Rezeptoren eine Dosissteigerung nicht zu einer Wirkungsverstärkung, wohl aber zu einer Verstärkung der Nebenwirkungen führt.
12
Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
Morphin Piritramid Pethidin Fentanyl Alfentanil Sufentanil
1
Pentazocin Buprenorphin ✽
✽✽
Naloxon
✽
µ-Rezeptoren limbisches System Thalamus Striatum Medulla oblongata ✽ antagonistisch
✽✽ partialagonistisch
Pentazocin
Naloxon
✽
κ-Rezeptoren
Tiefe Kortexschichten Rückenmark
. Abb. 1.9. Vorstellungen über die molekulare Wirkungsweise der Opioide an den Rezeptoren
Lokalisiert sind die Opioidrezeptoren 4 im Gehirn; dort insbesondere im Thalamus, im Limbischen System, im Striatum und in der Medulla oblongata, wobei es jedoch durchaus unterschiedliche Rezeptorpräferenzen gibt (. Abb. 1.9), 4 im Rückenmark und 4 in der Peripherie. In der Peripherie tauchen die Opioidrezeptoren nur auf, wenn eine Entzündung vorliegt. Die periphere Entzündung lockt die Opioidrezeptoren in die Peripherie: Sie wandern dabei entlang des Axons vom Rückenmark in die Peripherie. Dieser axonale Transport wird durch komplizierte Mechanismen induziert (. Abb. 1.10). Therapeutisch können die Opioide deshalb auf folgenden Wegen eingesetzt werden: 4 systemisch: i.v., oral, transdermal, 4 lokal: Rückenmark, Peripherie. GABA-Rezeptoren Die GABA-Rezeptoren (. Abb. 1.11)
sind inhibitorische Rezeptoren. Der endogene Ligand ist die Gamma-Aminobuttersäure (GABA). Dieser inhibitorische Neurotransmitter kommt ubiquitär im Gehirn und Rückenmark vor. Er wird
in der Nervenendigung aus Glutamat durch die Glutamatdecarboxylase synthetisiert. Auf einen entsprechenden elektrischen Impuls hin wird er aus den Vesikeln in den synaptischen Spalt ausgeschüttet und reagiert postsynaptisch mit dem GABA-Rezeptor. Der GABA-Rezeptor kennt zwei Ausfertigungen, die GABAA- und die GABAB-Variante. GABAA reguliert einen Chloridionenkanal, erhöht den Chloridioneninflux in die Zelle, deren Membran wird
Trennung des Nerven Knie, entzündet
. Abb. 1.10. Periphere Opioidrezeptoren: Mechanismus des axonalen Transports von Opioidrezeptoren. Entsteht in einem peripheren Gewebe, z. B. im Knie eine Infektion, so wandern Opioidrezeptoren am Axon entlang in die Peripherie zu dem entzündeten Organ. Durchtrennt man tierexperimentell den Nerven, der vom Rückenmark zum peripheren Nerven führt, so versammeln sich die radioaktiv markierten Rezeptoren an der Unterbindungsstelle
1
13 1.1 · Pharmakodynamik
. Abb. 1.11. GABAA- und GABAB-Rezeptoren
GABA
GABA
Ca2+ GABA Cl-
Ca2+
K+
G-Protein
GABAARezeptor
dadurch hyperpolarisiert und die Impulsweiterleitung auf diese Weise gehemmt. Die GABAB-Rezeptoren sind G-Protein-gekoppelt, über die Aktivierung des G-Proteins kommt es zu einer Hemmung der Leitungsfähigkeit von K+-Ionenkanälen sowie zu einer Hemmung des Ca2+-Influxes. Wichtig
Eine Reihe von Medikamenten, die der Anästhesist benutzt, hat Bindungsstellen am GABARezeptor: Benzodiazepine, Etomidat, Propofol, Barbiturate in niedriger Dosierung, aber auch Alkohol. Sie verstärken die GABA-Wirkung am Rezeptor.
Um in einem Bild zu sprechen: GABA wirkt als Bremse, Benzodiazepine und die oben genannten Substanzen wirken als Bremskraftverstärker. GABA wird von dem Enzym GABA-Transferase zu Succinatsemialdehyd abgebaut.
GABABRezeptor
Von den Medikamenten, die der Anästhesist benutzt, wirkt Ketamin über den NMDA-Rezeptor. Ketamin wirkt als nichtkompetitiver Antagonist. Dadurch sind jedoch nicht alle Wirkungen von Ketamin erklärbar (7 Kap. 1.9). Glutamat hat – wie erwähnt – eine bedeutende Rolle bei höheren Hirnfunktionen wie Lernen und Gedächtnis. Bei zerebraler Ischämie und Hypoxie bewirkt es aber einen exzessiven Ca2+-Einstrom in die Gehirnzelle mit der Folge eines Zellunterganges. Tierexperimentell ergibt sich hier ein Ansatz für einen neuroprotektiven Effekt von Ketamin. Acetylcholinrezeptoren Die cholinerge Informationsübertragung erfolgt im Wesentlichen: 4 präganglionär, 4 postganglionär-parasympathisch, 4 an der motorischen Endplatte, 4 zentral im Corpus striatum.
N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptoren (NMDA-Rezeptoren) Der NMDA-Rezeptor hat Glutamat als endo-
Die cholinerge Signaltransduktion erfolgt über: 4 Muskarinrezeptoren (Parasympathikus), 4 Nikotinrezeptoren (motorische Endplatte; . Abb. 1.12).
genen Liganden. Glutamat ist exzitatorisch wirksam und wahrscheinlich im Gehirn für höhere Gehirnfunktion (Denken, Lernen etc.) von Bedeutung. Glutamat wird aus dem Glutaminzyklus gewonnen. Glutamat wirkt über den NMDA-Rezeptor und öffnet den Na+-, K+- und Ca2+-Kanal.
Acetylcholin wird im Zytoplasma des Axons aus Cholin und Acetyl-Koenzym A synthetisiert. Der Acetylcholinrezeptor besteht aus 5 Proteinen (. Abb. 1.13). Nach Reaktion mit dem postsynaptischen Rezeptor wird Acetylcholin sofort
14
1
Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
. Abb. 1.12. Wirkungsweisen der Muskelrelaxanzien. 1. Acetylcholin wird durch einen Impuls aus den Vesikeln freigesetzt und führt zur Depolarisation. 2. Nichtdepolarisierende Muskelrelaxanzien blockieren den Rezeptor, ohne zu depolarisieren. 3. Depolarisierende Muskelrelaxanzien blockieren den Rezeptor, nachdem sie depolarisiert haben
Nerv Impuls
Vesikel präsynaptische Membran Neurotransmitter Acetylcholin 2 ❍
1 ❍
3 ❍
postsynaptische Membran
Muskelzelle Rezeptor
Abbau nach 1 ms
Abbau nach 3 min
. Abb. 1.13. Cholinerger Rezeptor
ACh
δ
ε α
α
δ
ε C
β
α
β
N
Ca2+
Ca2+
PO4
15 1.1 · Pharmakodynamik
von der membranständigen Acetylcholinesterase zu Cholin und Acetat abgebaut. Diese Abbauprodukte werden recycelt. Die Acetylcholinesterase ist das leistungsfähigste und schnellste Enzym des menschlichen Körpers. Von diesem als Acetylcholinesterase (Typ-1-Cholinesterase) bezeichneten Enzym ist die Typ-2-Cholinesterase (auch Pseudocholinesterase) zu unterscheiden. Dieses Enzym wird in der Leber synthetisiert und im Serum, Darm und Pankreas vorgefunden. Während die Acetylcholinesterase für den Abbau des Neurotransmitters Acetylcholin von Bedeutung ist, baut die Pseudocholinesterase das depolarisierende Muskelrelaxans Succinylcholin sowie das nichtdepolarisierende Muskelrelaxans Mivacurium ab. Wichtig
Bedeutung erhält dies besonders durch genetische Varianten beim Menschen mit fehlender oder nicht ausreichend vorhandener Cholinesterase, bei denen es dann erst verzögert zu einem Abbau der Muskelrelaxanzien kommt (7 Kap. 1.14.2).
Mit dem Acetylcholinrezeptor hat es der Anästhesist täglich zu tun. Viele der von ihm benutzten Medikamente wirken über den Acetylcholinrezeptor parasympathikomimetisch (Sekretsteigerung, Bradykardie, Myosis etc.). Die depolarisierenden Muskelrelaxanzien hemmen durch Depolarisation, die nichtdepolarisierenden Muskelrelaxanzien durch kompetitive Hemmung die Wirkung von Acetylcholin an der motorischen Endplatte (7 Kap. 1.14). Dopaminrezeptoren Sie finden sich im Striatum sowie in der Area postrema. Die Wirkung von Dopamin über die D2-Rezeptoren im nigrostriatalen System wird mit der antipsychotischen Wirkung der Dopaminantagonisten (z. B. Butyrophenone [Haloperidol, Dehydrobenzperidol]) in Verbindung gebracht, die antagonistische Wirkung in der Area postrema mit der starken antiemetischen Potenz. Dopaminrezeptoren sind G-Protein-gekoppelt. Nach Wirkungsende wird Dopamin aus dem synaptischen Spalt wieder präsynaptisch aufgenommen und erneut als Neurotransmitter verwendet (Reuptake-Mechanismus).
1
Über den Dopaminrezeptor wird zum Teil das postoperative Erbrechen getriggert. Als Ultima Ratio können Neuroleptika aus der Butyrophenonreihe (z. B. DHBP) eingesetzt werden (Dosierung <2,5 mg); als Ultima Ratio deshalb, weil die antiemetisch sehr effektiv wirkenden Neuroleptika in höherer Dosierung (>2,5 mg) zu einer psychomotorischen Entkopplung führen, die der Patient als sehr unangenehm empfindet. Serotoninrezeptoren Der Neurotransmitter ist hier das 5-Hydroxytryptamin, auch Serotonin genannt, das im Körper aus Tryptophan gebildet wird. Serotoninrezeptoren finden sich 4 in den enterochromaffinen Zellen des MagenDarm-Traktes, 4 in den Blutplättchen und 4 im Nucleus tractus solitarii.
Von anästhesiologischer Bedeutung ist die Wirkung von Serotonin im Nucleus tractus solitarii, die mit der Induktion des Erbrechens in Verbindung gebracht wird. Serotoninantagonisten, auch 5-HT3Antagonisten genannt (z. B. Ondansetron, Tropisetron) wirken exzellent antiemetisch in der postoperativen Phase. Histaminrezeptoren Die Histaminrezeptoren wer-
den durch Histamin aktiviert. Gebildet wird Histamin durch die L-Histidin-Decarboxylase aus der Aminosäure Histidin. Man unterscheidet zwei Rezeptoren: 4 H1-Rezeptoren: Sie vermitteln die allergische Reaktion mit Juckreiz, Gefäßweitstellung (Vasodilatation), Hautrötung und Gefäßpermeabilitätsstörung (Urtikaria) sowie Bronchokonstriktion. 4 H2-Rezeptoren: Sie vermitteln die histaminbedingte Säuresekretionssteigerung im Magen. Als Antiallergika setzt der Anästhesist H1- und H2Blocker ein (z. B. Fenistil als H1-Blocker, Cimetidin [Tagamet] als H2-Blocker). Der Anästhesist benutzt sporadisch mit Promethazin (Atosil) ein Mittel, das zur Prophylaxe oder Therapie einer Allergie benutzt wird und dessen starke sedative Nebenwirkungen in der postoperativen Phase geschätzt sind.
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1
Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
Adrenorezeptoren Sie finden sich:
4 in postganglionär-sympathischen Nerven und 4 zentral im Locus coeruleus. Über sie wird die Sympathikuswirkung vermittelt. Die Transmitter im adrenergen System sind Adrenalin und Noradrenalin. Noradrenalin wird aus Dopamin durch die Dopamin-Hydroxylase gebildet. Aus Noradrenalin entsteht im Nebennierenmark durch Desaminierung Adrenalin. Adrenalin wird zum größten Teil durch einen Reuptake-Mechanismus inaktiviert. Im geringen Umfang wird Noradrenalin auch durch die Monoaminooxidase oder die Katecholamin-O-Methyltransferase abgebaut. Die Adrenorezeptoren sind zu differenzieren in 4 α1-Rezeptoren (postsynaptisch): Freisetzung des intrazellulären Botenstoffes IP3 → intrazelluläre Ca2+-Freisetzung → Vasokonstriktion, 4 α2-Rezeptoren (präsynaptisch): Hemmung der cAMP-Produktion → Vasokonstriktion, 4 β1-Rezeptoren: cAMP ↑ → HF ↑, positive Inotropie, 4 β2-Rezeptoren: G-Protein-gekoppelt: Steigerung der cAMP-Bildung: Vasodilatation, Bronchodilatation.
α2-Rezeptor
NA Clonidin NA
α2-Rezeptoren
. Abb. 1.14. Wirkung von α2-Agonisten. Clonidin reagiert 1. präsynaptisch mit dem α2-Rezeptor: Folge ist eine Hemmung der Freisetzung von Noradrenalin → RR-Abfall. 2. postsynaptisch mit dem α2-Rezeptor: Folge ist ein Blutdruckanstieg.
hemmbar sind. Gleichzeitig hemmt ASS auch noch die Thromboxansynthetase, sodass es zu einem Abfall von Thromboxan A kommt.
Wichtig
Wichtig
Eine Besonderheit spielen die α2-Adrenorezeptoren im Gehirn: Eine Stimulation führt zu einer Dämpfung des Sympathikus (z. B. Wirkung von Clonidin [7 Kap. 1.11]).
Dadurch wird die Thrombozytenaggregation gehemmt. Dies macht man sich in der Herzinfarkt- und Schlaganfallprophylaxe (niedrige Dosis von ASS [50–100 mg/d]) zunutze. In der operativen Medizin ist dies insofern ein Problem, als dadurch das Nachblutungsrisiko erhöht wird (7 Kap. 1.15.3).
Noradrenalin bindet zunächst an die postsynaptischen α1-Rezeptoren. Erst bei hohen Konzentrationen erfolgt eine Bindung an die präsynaptischen α2-Rezeptoren (. Abb. 1.14). Hemmung der Prostaglandinsynthese Der Schmerz
entsteht in der Peripherie durch Zellzerstörung und Mediatorfreisetzung. Zu den freigesetzten Mediatoren zählt auch das Prostaglandin. Prostaglandine werden aus der Arachidonsäure gebildet, die wiederum aus Membranphospholipiden entsteht. An der Prostaglandinsynthese sind die Cyclooxygenasen beteiligt, die durch Acetylsalicylsäure
Durch die Hemmung von Cyclooxygenase und Thromboxansynthetase entsteht im Überschuss Arachidonsäure, die nun vermehrt einem anderen Stoffwechselweg zur Verfügung steht. Über die Lipoxygenasen entstehen Leukotriene, die eine Kontraktion der glatten Muskulatur (z. B. der Bronchien) triggern können. Bei entsprechend sensiblen Patienten kann die ASS-Therapie auf diese Weise einen Bronchospasmus hervorrufen (. Abb. 1.15).
1
17 1.2 · Pharmakokinetik
. Abb. 1.15. Biosynthese von Prostaglandinen, Thromboxanen, Prostazyklinen und Leukotrienen ← Hemmung der Enzyme
Membranphospholipide
Phospholipase A2
Glukokortikoide
freie Arachidonsäure
Cyclooxygenase
LXA4 15-HPETE
5-Lipoxygenase
NSAIDs
PGD2
PGF2α Prostaglandine
15-HETE LXB4
5-Hydroperoxyeicosatetraensäure
zyklische Endoperoxide
PGE2
Lipoxine
TXA2
PGI2
TXB2
6-ketoPGF1α
LTA4 LTB4
Thromboxane Prostazykline
LTC4
5-Hydroxyeicosatetraensäure
LTD4 LTE4
Hemmung der Enzyme
1.1.3
Entwicklung der Informationsübertragung beim Menschen
Der Mensch kommt als physiologische Frühgeburt zur Welt. Dies gilt besonders auch für die neuronale Informationsübertragung. Zum einen ist die Myelinisierung der Nerven noch nicht ausgereift, zum anderen haben Neugeborene und Säuglinge noch nicht Rezeptoren in gleicher Zahl, in gleicher Funktionsfähigkeit und in gleicher regionaler Verteilung im Gehirn wie beim Erwachsenen. So ist es z. B. bei den GABA-Rezeptoren: Sie sind bei Geburt noch in geringer Anzahl, noch nicht in ausgereifter Funktion und mit unterschiedlichen regionalen Verteilungsmustern beim Neugeborenen im Vergleich zum Erwachsenen nachweisbar. Dies bildet den Erklärungshintergrund für die häufigen paradoxen Wirkungen von Benzodiazepinen bei Säuglingen und Kleinkindern. Auch die Opioidrezeptoren sind bei Neugeborenen und Säuglingen gering an Zahl, unreif in der Funktion und regional im Gehirn unterschiedlich
Leukotriene
verteilt im Vergleich zum Erwachsenen. Dies ist jedoch kein Argument gegen eine Schmerztherapie mit Opioiden beim Neugeborenen und Säugling, sondern die Aufforderung, Opioide besonders vorsichtig und unter adäquater Überwachung bei Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern einzusetzen.
1.2
Pharmakokinetik
Die Pharmakokinetik beschäftigt sich mit der Aufnahme, Verteilung, Verstoffwechselung und Ausscheidung der Medikamente im Körper. Wegen der unterschiedlichen Aggregationszustände werden Inhalations- und intravenöse Narkotika getrennt besprochen.
18
1
Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
1.2.1
Inhalationsanästhetika
(T) und dem Volumen (V), in dem sich das Gas befindet. Diese Abhängigkeit gibt die Formel
Wie kommt das Inhalationsnarkotikum vom Narkosegerät in die Gehirnzelle?
Von den gebräuchlichen Narkosegasen liegt nur N2O als Gas vor, alle anderen – Halothan, Ethrane, Isofluran, Sevofluran und Desfluran – als Flüssigkeit, die verdunstet. Sie werden deshalb auch als volatile Anästhetika bezeichnet. Wichtig
Motor der Bewegung des Gases vom Narkosegerät bis in die Gehirnzelle ist der Partialdruck des Gases.
Das Gas versucht immer, die Partialdrücke in den verschiedenen Räumen anzugleichen. Der Partialdruck ist abhängig von der Anzahl der Moleküle (n), einer Gaskonstanten (R), der absoluten Temperatur
n×r×t P = 02 v wieder. Schritt 1: Narkosegerät → Alveole.
Im Narkosegasverdampfer (. Abb. 1.16) geht das Inhalationsnarkotikum von einem flüssigen in den gasförmigen Zustand über. Dadurch entsteht über der Flüssigkeit ein Dampfdruck, den das Gas auf die Flüssigkeit ausübt. Es resultiert nach kurzer Zeit ein Steady State. Wird Narkosegas in das Kreissystem abgegeben, so verdampft erneut Gas aus der Flüssigkeit, bis sich wieder ein Gleichgewicht einstellt. Jedes Inhalationsnarkotikum hat einen speziellen Dampfdruck. Die Vaporen müssen entsprechend konstruiert sein. Narkosegasverdampfer dürfen des-
8 7c 1
3
5 4
11
7a
10
2
7b
10
9
6
1 Vaporeingang 2 VerdunsterkammerBypass 3 Bypass 4 Dosierkonus 5 Vaporausgang 6 Verdunsterkammer
7 8 9 10
Ventil Handrad Docht Temperaturkompensation 11 Druckkompensation
Handrad auf größer gleich »ON« (eingeschaltet). Das Frischgas ( ) wird durch das mit dem Handrad 8 gekoppelte Ventil 7 a, 7 b durch die Verdunsterkammer 6 geleitet. Der zusätzliche Bypass 3 wird mit Ventil 7c geschlossen. Ein Teil des Frischgases wird in dem vollgesaugten Docht 9 mit Anästhesiemitteldampf ( ) gesättigt. Der Rest des Frischgases wird durch den Verdunsterkammer-Bypass 2 an der Verdunsterkammer 6 vorbeigeleitet. Beide Teilströme werden hinter den zwei Dosierspalten gemischt und zum Vaporausgang 5 geleitet. Die Konzentration ergibt sich durch die Aufteilung des Gases und die Sättigungskonzentration des Anästhesiemittels. Die Aufteilung wird zusätzlich durch die Temperaturkompensation 10 beeinflusst, die mittels thermischer Ausdehnung unterschiedlicher Materialien den Verdunsterkammer-Bypass 2 bei Erwärmung weiter öffnet und bei Abkühlung verengt. Damit wird der Temperatureinfluss auf die Sättigungskonzentration kompensiert. Die Druckkompensation 11 reduziert wirksam den Pumping-Effekt.
. Abb. 1.16. Funktionsdarstellung des Vapor. (Mit freundlicher Genehmigung der Fa. Dräger Medizintechnik, Lübeck)
19 1.2 · Pharmakokinetik
halb nur mit dem für sie bestimmten Anästhetikum gefüllt werden. Wichtig
Die Verteilung des Narkosegases im Kreissystem und seine Konzentration in der Alveole ist abhängig vom Frischgasfluss, dem Volumen des Kreissystems und der alveolären Ventilation: 5 Je schneller der Frischgasfluss, desto schneller die Aufsättigung des Kreissystems mit Inhalationsnarkotikum. 5 Je kleiner das Beatmungsvolumen im Kreisteil, desto rascher die Aufsättigung des Inhalationsnarkotikums. 5 Je größer die alveoläre Ventilation, desto schneller der Anstieg der alveolären Anästhetikumkonzentration.
1
Darüber hinaus kommt es bei Störungen des Ventilations-Perfusions-Verhältnisses und der dadurch bedingten Zunahme des Rechts-Links-Shunts zu einer verminderten Aufnahme von Inhalationsnarkotika. Schritt 3: Blut → Gehirn
Das An- und Abfluten des Inhalationsnarkotikums zum Gehirn ist abhängig von: 4 dem Partialdruck zwischen dem arteriellen Blut und dem Gewebe (hier: Gehirn), 4 dem Gehirn-Blut-Verteilungskoeffizienten – je niedriger der Gehirn-Blut-Verteilungskoeffizient, desto schneller flutet das Inhalationsnarkotikum im Gehirn an – und der 4 Durchblutung des Gewebes; d. h. dem Anteil, den das Gewebe vom Herzminutenvolumen erhält. Wichtig
Schritt 2: Alveole → Blut
Die Aufnahme des Inhalationsanästhetikums ins Blut ist abhängig von seinem Blut-Gas-Verteilungskoeffizienten: Je höher der Blut-Gas-Verteilungskoeffizient, je höher also seine Löslichkeit im Blut, desto mehr Anästhetikum ist notwendig, um den Partialdruck im Blut zu erhöhen. Wichtig
Hoher Blut-Gas-Verteilungskoeffizient bedeutet deshalb langsames An- und Abfluten des Inhalationsnarkotikums! Niedriger Blut-Gas-Verteilungskoeffizient bedeutet schnelles An- und Abfluten. Eine Zunahme des Herzminutenvolumens bedeutet ein langsames An- und Abfluten, weil das Blutvolumen, in dem sich das Inhalationsnarkotikum verteilen muss, größer geworden ist. Ein niedriges Herzminutenvolumen bedeutet ein schnelleres An- und Abfluten.
Bei niedrigerem Herzminutenvolumen wird zusätzlich das Fettgewebe weniger durchblutet, sodass weniger Inhalationsnarkotika ins Fettgewebe verteilt werden können. Demnach wird auch über diesen Mechanismus dem Gehirn bei niedrigerem Herzminutenvolumen mehr Inhalationsnarkotikum zur Verfügung gestellt.
Je höher die Partialdruckdifferenz zwischen dem arteriellen Blut und dem Gehirn, desto schneller das An- und Abfluten des Inhalationsnarkotikums. Je niedriger der Gehirn/Blutverteilungskoeffizient, desto schneller das An- und Abfluten des Inhalationsnarkotikums. Je niedriger die regionale Durchblutung, desto langsamer das An- und Abfluten.
Zusammenfassung: Die Steuerbarkeit eines Inhalationsnarkotikums ist demnach im Wesentlichen abhängig von: 4 seinem Blut-Gas-Verteilungskoeffizienten: Je niedriger der Blut-Gas-Verteilungskoeffizient, d. h., je niedriger die Löslichkeit des Gases im Blut, desto schneller das An- und Abfluten 4 seinem Gehirn-Blut-Verteilungskoeffizienten: Je niedriger der Gehirn-Blut-Verteilungskoeffizient, desto schneller das An- und Abfluten im Gehirn. Weitere Faktoren, die die An- und Abflutung des Inhalationsnarkotikums beeinflussen, sind: 4 die alveoläre Ventilation: je höher die alveoläre Ventilation, desto rascher das An- und Abfluten; 4 das Herzminutenvolumen: je niedriger das Herzminutenvolumen, desto schneller das An- und Abfluten;
20
1
Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
. Abb. 1.17. MAC-Werte in Abhängigkeit vom Lebensalter
10 9,1
9
9,4
Desfluran
8,6
8 7 6,0
6 5,0
5 4
3,3
3,2
3 2
1,6
1,85
Sevofluran
2,6
Isofluran
1,6
2,0 1,16
1 0,9
1,2
Halothan
0,9
0,76
K
ERW
0 NG
4 die Durchblutung des Fettgewebes: je niedriger die Durchblutung des Fettgewebes, desto schneller die Anflutung im Gehirn. Konzentrationseffekte Dies bezieht sich vor allem auf die Inhalation von Lachgas, das mit einer Konzentration von maximal 70% im Inspirationsgas vertreten sein kann. Dieser hohe Anteil führt zu einem raschen Auswaschen der in der Lunge vorhandenen Luft bzw. des nach der Narkoseeinleitung in der Lunge noch vorhandenen Sauerstoffs. Das rasche Anfluten des Lachgases ins Blut führt zu einer Reduktion des intrapulmonalen Gasvolumens. Dies bedingt eine Konzentrationszunahme von gleichzeitig in der Alveole befindlichen Gasen. Über die jetzt hohen Partialdruckdifferenzen kommt es zu einem raschen Anfluten dieser Inhalationsnarkotika. Lachgas beschleunigt demnach das Anfluten weiterer Inhalationsnarkotika. Dies nennt man einen »Second-gas-Effekt«. Am Ende der Narkose kommt es nach Abstellen der Narkosegase zum umgekehrten Effekt: Lachgas flutet rasch ab, in der Alveole sammelt sich viel Lachgas an. Dadurch wird der Anteil von O2 in der Alveolarluft gering. Aufgrund des dann geringeren O2-Partialdruckgradienten wird weniger O2 aufgenommen: Es entsteht somit eine Diffusionshypoxie. Dies gibt Anlass, jeden Patienten in der postoperativen Phase Sauerstoff anzubieten, um den O2-Partialdruck in der Alveole zu erhöhen und eine Diffusionshypoxie zu vermeiden, sofern man Lachgas heute noch benutzt.
SG
1,5 0,8 0,5
GR
Wichtig
MAC-Wert Der MAC-Wert beschreibt die minimale alveoläre (anästhetische) Konzentration, bei der 50% aller Patienten auf einen definierten chirurgischen Stimulus nicht mehr mit einer Abwehrreaktion reagieren. Je niedriger der MAC, desto stärker das Anästhetikum.
Der MAC wird durch Prämedikationsmittel, durch Analgetika und Hypothermie gesenkt. Der MACWert ist im Kindesalter höher als im Erwachsenenalter, im Greisenalter nimmt er deutlich ab (. Abb. 1.17).
1.2.2
Intravenöse Narkotika
Zu beschreiben ist der Weg von der Spritze bis in die Gehirnzelle. Schritt 1: Lipophile Medikamente injizierbar machen
Die intravenösen Hypnotika und Analgetika sind überwiegend stark lipophil. Für die Hersteller bestand zunächst meist das Problem, die intravenösen lipophilen Hypnotika injizierbar zu machen.
21 1.2 · Pharmakokinetik
Die früheren galenischen Zubereitungen lipophiler Medikamente mit Propylenglykol oder anderen Lösungsvermittlern hatten als Nachteil, dass diese Lösungen bei der i.v.-Applikation meist sehr schmerzhaft waren, die Venenwand wurde irritiert und z. T. kam es auch zu Thrombophlebitiden. Zudem war das Allergie- und Anaphylaxierisiko der Lösungsvermittler nicht unbeträchtlich. Mit der Lösung dieser lipophilen Substanzen in einer Fettemulsion (z. B. Etomidat Lipuro, DiazepamLipuro, Disoprivan) ist dieses Problem weitgehend gelöst. Mit Midazolam liegt eine lipophile Substanz vor, die bei einem pH <3,4 wasserlöslich wird. Midazolam ist somit das erste wasserlösliche Benzodiazepin. Schritt 2: Applikation ins Blut und Verteilung im Körper
Die Pharmakokinetik eines intravenös zu applizierenden Medikamentes wird in sog. Kompartimentmodellen beschrieben. Darunter versteht man virtuelle Räume im menschlichen Organismus, in denen sich die Medikamente verteilen. Die Pharmakokinetik der intravenösen Hypnotika und Analgetika wird meist in einem Drei-Kompartiment-Modell beschrieben: 4 V1: das zentrale Kompartiment; es umfasst Blut und die gut durchbluteten Organe (z. B. Herz, Lunge); 4 V2: das flache periphere Kompartiment, mit gut bis mäßig durchbluteten Organen (z. B. Muskeln); 4 V3: das tiefe periphere Kompartiment mit schlecht durchblutetem Gewebe (z. B. Fettgewebe). Nach Injektion des Medikaments kommt es zu einer Verteilung im zentralen Kompartiment V1. Mit einer Penetration des Mittels ins Gehirn tritt die Wirkung ein. Aufgrund des hohen Konzentrationsgradienten von V1 → V2 und V3 kommt es jetzt zu einer Umverteilung aus dem zentralen Kompartiment in die peripheren Kompartimente.
1
Wichtig
Bei einigen Medikamenten führt diese rasche Umverteilung zur Wirkungsbegrenzung, ohne dass das Medikament aus dem Körper eliminiert ist. Kehren sich später die Konzentrationsgradienten um, weil nun im Blut ein geringerer Spiegel vorhanden ist als im Fettgewebe, so kommt es zu einem Zurückfluten des Medikaments in den Kreislauf. Dies kann bei den Barbituraten (7 Kap. 1.6) und bei den Opioiden (Fentanyl, Stichwort: Remorphinisierung! 7 Kap. 1.12.2) klinisch bedeutsam werden!
Diese Verteilungsphänomene finden ihren Ausdruck auch in den Blutspiegelkurven (. Abb. 1.18). Die α-Phase der Blutspiegelkurve repräsentiert die schnelle Verteilungsphase nach i.v.-Injektion. Die β-Phase beschreibt die Umverteilungsphase vom zentralen ins periphere Kompartiment. Der Konzentrationsabfall ist bedingt durch Umverteilung oder Metabolisierung. Die γ-terminale Phase beschreibt die Rückverteilung aus dem Fettgewebe. Streng genommen gelten diese Verteilungsphänomene nur für die Einmalapplikation. Sie verändern sich, wenn ein Medikament über eine längere Zeit kontinuierlich gegeben wird. Die Halbwertszeiten, die dann gemessen werden, bezeichnet man als kontextsensitive Halbwertszeiten. Bei all diesen Betrachtungen darf man jedoch nicht vergessen, dass nicht der Plasmaspiegel für die Wirkdauer des Medikaments von Bedeutung ist, sondern die Haftung des Medikaments am Rezeptor. So hat beispielsweise das Neuroleptikum Dehydrobenzperidol (DHBP) eine Plasmahalbwertzeit von 1–2 h, aber eine klinische Wirkdauer von 12–24 h. Für die Verteilung des Medikamentes sind 4 die Organdurchblutung sowie 4 die Proteinbindung verantwortlich. Für den Medikamententransport stehen die Transportproteine Albumin und α1-saures Glykoprotein zur Verfügung. Die Höhe der Proteinbindung beschreibt auch gleichzeitig den Anteil des freien, nicht gebundenen, d. h. wirksamen Medikamentes.
22
Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
1
. Abb. 1.18. Umverteilung von Medikamenten am Beispiel von Thiopental
Veränderung der Proteinbindung beispielsweise als Folge einer pH-Wertverschiebung kann den Anteil des freien, damit wirksamen Medikaments beträchtlich erhöhen.
Schritt 3: Metabolisierung und Exkretion – renal und biliär
Hier werden Metabolisierungsprozesse der Phase I und II unterschieden:
Wichtig
Phase I Die hierunter subsummierten Metabolisie-
Beträgt die Proteinbindung eines Medikaments 95% und verändert sich diese Proteinbindung auf 90%, so stehen nun statt 5% des Medikaments 10% als wirksamer Anteil zur Verfügung. Dies bedeutet eine Steigerung des wirksamen Medikaments um 100%!! Auch die Nebenwirkungsrate erhöht sich entsprechend.
rungsprozesse sind im Wesentlichen Oxidation, Reduktion, Hydrolyse und Esterspaltung. Die Oxidation findet in den Mitochondrien mit Hilfe des Cytochrom-P450-Systems statt. Im P450-System sind Monooxygenasen aktiv. Sie verbinden das Substrat mit Sauerstoff (Oxidation). Aus dem zweiten Sauerstoffatom entsteht Wasser (Reduktionsreaktion [. Abb. 1.19]). Deshalb werden diese Enzyme auch mischfunktionelle Oxygenasen genannt.
Während die Transportkapazität der Albumine nahezu unerschöpflich erscheint, unterliegt der Spiegel des α1-sauren Glykoproteins einer großen Variabilität (→ höhere Toxizität), was in entsprechenden Situationen berücksichtigt werden muss (z. B. sehr niedrige α1-saure-Glykoproteinspiegel im Neugeborenenbereich!).
Wichtig
Unter Hypoxie wird im Wesentlichen der reduktive Stoffwechselweg beschritten. Dabei können Radikale (•CCl3) entstehen (. Abb. 1.20). Sie werden angeschuldigt, zum Leberversagen beitragen zu können (z. B. Halothan, 7 Kap. 1.13.2).
23 1.2 · Pharmakokinetik
NADPH + H+ NADP +
O H2O
O
ROCH3 ROCH2OH ROH + HCHO
. Abb. 1.19. Oxidative Metabolisierung
Fe(II) + CCl4
Fe(III) + CCl3 + Cl-
. Abb. 1.20. Reduktiver Stoffwechselweg
Phase II Die Phase II der Metabolisierung ist charak-
terisiert durch Konjugationsprozesse: 4 Glucuronidierung, 4 Sulfatierung, 4 Gluthationübertragung. Probleme bei der Metabolisierung von intravenösen Anästhetika bestehen hinsichtlich: 4 altersbedingter Besonderheiten: noch unreife Metabolisierungswege im Kindesalter, deshalb länger dauernde Wirkung; 4 genetisch bedingter Unterschiede (z. B. Pseudocholinesterasen), 4 Enzyminduktion (z. B. Alkoholismus), 4 Enzymhemmung (z. B. durch Medikamenteninteraktion: Verlängerung der Diazepamwirkung durch Hemmung des Abbaus durch Cimetidin [Tagamet]). Die renale Clearance ist das Nettoergebnis aus glomerulärer Filtration, tubulärer Rückresorption und tubulärer Sekretion. Glomerulär filtriert werden alle Medikamente bis zu einem Molekulargewicht von 60.000. pH-Wertabhängig werden aber viele (z. B. Phenobarbital) wieder tubulär rückresorbiert. Ein saurer Urin-pH hat ein nichtdissoziiertes Phenobarbitalmolekül zur Folge; dies fördert die Rückresorption. Alkalisierung des Urins führt zur vermehrten Ausscheidung. Nur wenige vom Anästhesisten benutzte Medikamente haben eine hohe renale Clearance (z. B. die nichtdepolarisierenden Muskelrelaxanzien Pancuronium, Alcuroniumchlorid). Die renale Clearance spielt deshalb in der klinischen Praxis des Anästhesisten nur eine geringe Rolle. Viele von ihm verwendete
1
Medikamente werden nach Konjugation über die Niere ausgeschieden (Beispiel: Norpethidin als Abbauprodukt von Pethidin). In Ausnahmefällen kommt diesem Faktum klinische Bedeutung zu (z. B. die Akkumulation von Norpethidin bei Niereninsuffizienz mit der Möglichkeit der Entstehung von Krampfanfällen). Die biliäre Exkretion hat insbesondere vor dem Hintergrund des möglichen enterohepatischen Kreislaufs Bedeutung für die Anästhesie. So hat Fentanyl einen nennenswerten enterohepatischen Kreislauf, was möglicherweise zur Remorphinisierung beiträgt (7 Kap. 1.12.2). Zu den Medikamenten mit einer hohen biliären Exkretion, die für den Anästhesisten relevant sind, zählt das Vecuroniumbromid (50%, 7 Kap. 1.14.3).
1.2.3
Resorption sublingual, oral oder rektal applizierter Substanzen
Bis vor 20 Jahren war die orale oder rektale Applikation von Medikamenten für den Anästhesisten kein Thema: Alles wurde i.v. oder i.m. appliziert. Mit der oralen, sublingualen oder rektalen Applikation der Prämedikation muss dieses Thema jedoch kurz angesprochen werden, auch wenn es, quasi als Nachtrag, eigentlich an der falschen Stelle steht: Die Resorption ist nämlich eigentlich der Ausgangspunkt der Pharmakokinetik. Sublinguale Applikation Die Resorptionsfläche im Mund ist klein, die Resorption über die Schleimhäute des Mundes erfolgt rasch. Der Vorteil ist die Umgehung des First-pass-Effekts. Man erreicht eine höhere Bioverfügbarkeit. Klinisch wird die sublinguale Applikation im Anästhesiebereich eher selten genutzt. Ausnahmen: 4 Schmerztherapie: sublinguale Applikation von Buprenorphin (Temgesic; 7 Kap. 1.12.10), 4 Notfallmedizin: Nitrospray (7 Kap. 1.17.3). Orale Applikation Sie hat sich in der Prämedikation
weitgehend durchgesetzt. Die Resorption ist abhängig: 4 vom Füllungszustand des Magens (in der Anästhesie vernachlässigbar, da bei Elektiveingriffen Nüchternheit angesagt und deshalb ein leerer Magen zu erwarten ist),
24
1
Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
4 vom pK-Wert des Medikaments: Liegt der pKWert des Medikaments nahe am pH-Wert des Magens, so ist das Medikament zur Hälfte dissoziiert und nichtdissoziiert. Liegt der pH-Wert um eine Einheit unter (basisches Pharmakon) oder über (saures Pharmakon) dem pKa-Wert, so sinkt der Anteil an nichtdissoziiertem Pharmakon um 10%. Die Medikamente unterliegen in unterschiedlichem Ausmaß einem First-pass-Effekt; dies vermindert in entsprechender Weise die Bioverfügbarkeit. So liegt beispielsweise die orale Bioverfügbarkeit von Midazolam bei 50%. Rektale Applikation Es handelt sich um eine Applikationsform, die vom Pharmakologen verpönt, vom Pädiater oft gewählt und von Kindern häufig gerade noch toleriert wird. Die Resorptionsfläche ist recht klein, die Resorption auch abhängig hier vom Füllungszustand des Rektums und vom pK-Wert. Bei einer Instillation unmittelbar hinter den analen Sphinkter kommt es zu einer Aufnahme über die Venae rectales inferiores, das Blut fließt über die untere Hohlvene ab. Bei zu hoher Instillation findet die Resorption über die Venae rectales superiores statt. Die auf diese Weise resorbierten Medikamente unterliegen einem First-pass-Effekt, weil das Blut dieser Venen in die Pfortader fließt.
Wichtig
Die vom Anästhesisten gegebenen Inhalationsnarkotika, Hypnotika und Analgetika, aber auch Lokalanästhetika und Muskelrelaxanzien können insbesondere auch in Abhängigkeit von möglichen kardialen Grunderkrankungen des Patienten beträchtliche Kreislaufeffekte zur Folge haben. Besonders sorgfältig muss deshalb auf eine ausgewogene myokardiale Sauerstoffbilanz geachtet werden.
Diese myokardiale Sauerstoffbilanz hat folgende Determinanten: 4 die koronare Durchblutung: Sie ist abhängig von 5 der Durchgängigkeit der Koronarien, 5 dem koronaren Perfusionsdruck, 5 dem koronaren Widerstand, 5 der Blutviskosität; 4 dem Sauerstoffgehalt des arteriellen Blutes: Dieser ist abhängig vom 5 Hämoglobingehalt, 5 der Sauerstoffsättigung; 4 der Position der Sauerstoffbindungskurve: Sie ist abhängig von 5 der Temperatur, 5 dem pH-Wert des Blutes, 5 dem 2,3-DPG-(Diphosphoglyzerat-)Gehalt der Erythrozyten. Wichtig
1.3
Unerwünschte Wirkungen von Anästhetika und Muskelrelaxanzien
Die unspezifischen Wirkungen der Anästhetika auf die Erregungsweiterleitung sowie die Wirkung der Anästhetika auf Ionenkanäle ist nicht nur auf die nervalen Strukturen beschränkt, sondern führt auch zu beträchtlichen Effekten auf Atmung, Kreislauf, Magen-Darm-Trakt etc. Außerdem wirken alle Hypnotika und Analgetika auch auf das sympathische und parasympathische Nervensystem. Herzkreislauffunktion Der Kreislauf des Menschen konstituiert sich aus den Komponenten intravasales Volumen, Kontraktilität des Herzmuskels und peripherer Gefäßwiderstand.
Die wesentlichen Determinanten des myokardialen Sauerstoffbedarfs sind: 5 die intramyokardiale Wandspannung (= Druck × Volumen), 5 die Kontraktilität, 5 die Herzfrequenz (. Abb. 1.21).
Charakteristische Herzkreislaufeffekte sind: 4 Bradykardie: 5 Opioide (z. B. Fentanyl), 5 Propofol; 4 Tachykardie: 5 Pancuronium, 5 Ketamin, 5 Desfluran > Isofluran > Enfluran, 5 Thiopental;
25 1.3 · Unerwünschte Wirkungen von Anästhetika und Muskelrelaxanzien
1
Wichtig
Die Abnahme des peripheren Gefäßwiderstandes führt zu einem Blutdruckabfall, der bei Hypovolämie beträchtlich sein kann.
O2-Angebot
O2-Bedarf
koronare Durchblutung
Kontraktilität
O2-Gehalt des Blutes
Herzfrequenz
Position der O2Bindungskurve
intramyokardiale Wandspannung
. Abb. 1.21. Myokardiale O2-Bilanz
Hemmung durch Inhalationsnarkotika Mitochondrium kontraktiles Element
ATP
[Ca++] zytoplasmatisch
sarkoplasmatisches Retikulum ++
Ca
4 Vasokonstriktion: Anstieg des peripheren Gefäßwiderstandes (SVR ↑↑ → RR ↑↑): Ketamin 4 negative Inotropie: Sie entsteht durch eine Hemmung des Ca2+-Ioneninfluxes in die Myokardzelle (. Abb. 1.22): 5 Halothan > Enfluran > Isofluran > Sevofluran > Desfluran, 5 Ketamin (die dem Ketamin eigene negativ inotrope Wirkung wird durch seine sympathikusstimulierende Wirkung meist kompensiert), 5 Propofol; 4 koronare Durchblutung: Sie nimmt zu durch Vasodilatation im koronaren Gefäßgebiet bei Isofluran. Wichtig
Diese koronare Vasodilatation geht allerdings häufig auf Kosten von Gefäßregionen, die hinter einer Gefäßstenose liegen: Coronary-steal-Phänomen mit möglichen ischämischen Folgen für dieses Gefäßgebiet, deshalb: cave bei Patienten mit koronaren Stenosen.
[Ca++] extrazellulär
. Abb. 1.22. Hemmung des Kalziuminfluxes in das kontraktile Element durch Inhalationsnarkotika (z. B. Halothan)
4 Herzrhythmusstörungen: Halothan (multiple Extrasystolien) 4 Relaxation peripherer Gefäße (Verminderung des peripheren Gefäßwiderstandes: SVR ↓↓): 5 Inhalationsnarkotika 5 Barbiturate 5 Propofol 5 (Opioide) 5 (Benzodiazepine)
5 Etomidat führt zu einer koronaren Durchblutungsverbesserung; 4 myokardiale Sauerstoffbilanz: 5 Zunahme des myokardialen Sauerstoffverbrauchs: Ketamin, 5 Abnahme des myokardialen Sauerstoffverbrauchs: Halothan, Enfluran, Isofluran, Sevofluran, Desfluran. Atmung Die Atmung wird durch nahezu alle vom Anästhesisten benutzten Medikamente beeinträchtigt. Die Mechanismen dafür sind: 4 die direkte Einflussnahme auf das Atemzentrum mit einer Verminderung der CO2-Antwort durch Opioide, Hypnotika, Inhalationsnarkotika, 4 eine Atemwegwiderstandserhöhung: Bronchokonstriktion, bedingt durch Opioide,
26
4 eine Thoraxrigidität bedingt durch Opioide; dadurch wird die Maskenbeatmung erheblich erschwert. Hier sind besonders Fentanyl, Alfentanil, Sufentanil und Remifentanil zu nennen. Der zugrunde liegende Mechanismus ist ungeklärt. Möglicherweise liegt eine Aktivierung cholinerger Neurone in den Stammganglien vor, was zu einer Tonuszunahme der quergestreiften Muskulatur führen könnte. Eine vorherige Atropingabe bietet aber keinen sicheren Schutz, ebenso wenig das langsame Spritzen des Opioids; 4 die Muskelrelaxanzien (7 Kap. 1.14); 4 die Stimulation der Produktion von Sekret mit der möglichen Verlegung der Atemwege. Wichtig
Durch die opioidbedingte Thoraxrigidität kann die Maskenbeatmung stark beeinträchtigt werden. Um eine Hypoxie zu vermeiden, muss man in dieser Situation dann häufig Succinylcholin in niedrigen Dosen (z. B. 0,2 mg/kg) geben, um die Thoraxrigidität durchbrechen zu können.
Gehirn Der intrakranielle Raum besteht aus drei Kompartimenten (. Abb. 1.23): 4 Nervengewebe, 4 Liquor, 4 Blutvolumen.
Die Zunahme der einzelnen Komponenten kann über eine gewisse Zeit kompensiert werden.
80 ICP (mmHg)
1
Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
60 40 20
Intrakranielles Volumen (ml) . Abb. 1.23. Intrakranielle Compliance
Wichtig
Ab einem bestimmten Punkt führt jedoch die Zunahme einer dieser Komponenten zu einem massiven Anstieg des intrakraniellen Druckes mit der Gefahr der Einklemmung im Foramen magnum. Dies führt zum Hirntod!!
Deshalb muss der Anästhesist bei Patienten mit erhöhtem intrakraniellen Druck besonders darauf achten, dass die von ihm benutzten Medikamente nicht zu einem ICP-Anstieg führen. Medikamente, die den zerebralen Blutfluss erhöhen: 4 Inhalationsnarkotika, 4 Lachgas, 4 Ketamin. Medikamente, die den zerebralen Metabolismus erhöhen: 4 Ketamin. Medikamente, die bei erhöhtem intrakraniellem Druck kontraindiziert sind: 4 Lachgas, 4 Inhalationsnarkotika, 4 Ketamin (sofern der Patient kontrolliert ventiliert wird [7 Kap. 15.8.1], ist Ketamin anwendbar). Leber Hepatotoxische Effekte können bedingt sein durch: 4 eine verminderte Leberdurchblutung: z. B. bei Halothan um 20%, 4 eine direkte Lebertoxizität, 4 eine hypoxisch bedingte Veränderung des Arzneimittelstoffwechsels: verstärkter reduktiver Stoffwechselweg mit der Folge, dass Sauerstoffradikale entstehen, 4 autoimmunologische Prozesse (. Abb. 1.24); diese Vorstellung ist aufgrund der Tatsache entstanden, dass das schwere halothanbedingte Leberversagen häufig nach Wiederholungsnarkosen stattfindet. Man geht davon aus, dass das Abbauprodukt von Halothan, die Trifluoressigsäure (TFA) beim Erstkontakt mit der Leberzellmembran zu einer Veränderung der Leberzellmembranproteine führt. TFA wirkt demnach wie ein Hapten, gegen das die Lymphozyten
1
27 1.3 · Unerwünschte Wirkungen von Anästhetika und Muskelrelaxanzien
. Abb. 1.24. a Metabolismus der Inhalationsnarkotika; b halothaninduzierte Modifizierung der Leberzellmembranproteine
Halothan F H
F
F C C Br
Enfluran F H
H C O C C Cl
F Cl
F
F F
F
Isofluran H F
F
H C O C C F F
Cl F
Desfluran H F
H C O C C F F
F F
F
O F
Cytochrom P-450 Oxidation H
H F
F O F C C Br
F O
H C O C C Cl
F Cl
F
F F
H F
H C O C C F F
HCl CF2HOH
HBr F
F O F C C Cl
F O
H C O C C F
F
F
F F
H
O F
F
F
Cl F
HCl CF2HOH F
O F
H C O C C F F oder
H C O C C F
O F
oder
Cl C C F
HF O F
H C O C C F F
F
F F
F O F F C C F F
F
Reaktionen mit Membranproteinen F
F O
F O
O F
O F
F C C NH Prot. H C O C C NH Prot. Prot. NH C C F Prot. NH C C F F
F
F
F
a
Hepatozyten TFA aus ZK oxidativem Metabolismus TFA als Hapten
Halothan v. Kupffer-Sternzelle
bb
TFA = Trifluoressigsäure
F
28
1
Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
des Patienten Antikörper bilden, weil sie die veränderten Membranproteine als fremd erkennen. Wichtig
Bei einem erneuten Kontakt kann es zu einer fulminanten autoimmunologischen Reaktion kommen: Trifluoressigsäure ist erneut das Hapten der Membranproteine, gegen das nun massiv Antikörper gebildet werden. Dies führt zu einer autoimmunologischen Zerstörung der Leberzellen.
Auch die positive Druckbeatmung intraoperativ kann über die intrathorakale Druckerhöhung, den dadurch bedingten verminderten venösen Rückfluss und das dadurch verminderte HZV zu einer verminderten Nierendurchblutung mit einer reduzierten Urinproduktion führen. Eine direkte Schädigung der Niere ist möglich durch Fluoride, die beim Abbau von Enfluran oder Sevofluran entstehen. Toxische Spiegel, die zu einem Nierenversagen führen, werden jedoch in der Regel nicht erreicht. Allergien/Anaphylaxie Dies sind bei Narkotika sel-
Dieses fulminante halothanbedingte Leberversagen hat eine hohe Letalität. Einzige Therapiemöglichkeit ist die Lebertransplantation. Die Inzidenz dieses halothanbedingten autoimmunologischen Leberversagens beträgt 1:20.000 beim Erwachsenen, bei Kindern 1:80.000. Da bei Enfluran, Isofluran und Desfluran die gleichen Metabolite entstehen, sind auch hier tödliche Leberzellnekrosen beschrieben worden. Aufgrund einer möglichen Kreuzallergie sollte man deshalb bei einem Verdacht auf einen stattgehabten halothanbedingten Leberschaden auch auf die anderen Inhalationsnarkotika verzichten und eine TIVA durchführen. Hinweise auf eine stattgehabte Allergisierung nach einer Halothannarkose können ein unerklärliches Fieber, eine unerklärliche Leukozytose mit Eosinophilie oder ein passagerer Ikterus in der postoperativen Phase nach einer Halothannarkose sein. Mit diesem Problem wird man in Deutschland zunehmend weniger konfrontiert werden, da Halothan nicht mehr zugelassen ist. Sevofluran wird nicht zum Metaboliten TFA abgebaut. Dennoch gibt es Berichte über einzelne Fälle von Leberversagen auch nach Sevoflurannarkosen. Niere Inhalationsnarkotika, Hypnotika und Analge-
tika können über eine 4 verminderte Nierendurchblutung: Halothan, Isofluran, Enfluran 10–40% ↓, Neuroleptanästhesie, TIVA, Spinalanästhesie 10–20% ↓, oder 4 Stimulierung der Ausschüttung von antidiuretischem Hormon (ADH) zu einer verminderten Urinproduktion führen.
tene Ereignisse. Histaminausschüttung findet man nach Applikation von Succinylcholin und Atracurium (Tracrium) oder – selten – nach Gabe von Vecuroniumbromid (Norcuron). Maligne Hyperthermie 7 Kap. 11.2. Reaktion mit dem CO2-Absorber Der ins Kreisteil
eingebaute CO2-Absorber ist nicht so inert, wie bislang gemeint wurde. Im CO2-Absorger liegt entweder als 4 Natronkalk: Ca-Hydroxid (Ca(OH)2), Na-Hydroxid (NaOH), K-Hydroxid (KOH) oder 4 Bariumkalk: Ca-Hydroxid (Ca(OH)2), Ba-Hydroxid (Ba(OH)2) vor. Diese Substanzen reagieren mit CO2 wie folgt: 2 NaOH + H2CO3 → Na2CO3 + 2 H2O + cal Ca(OH2) + Na2CO3 → CaCO3 + 2 NaOH Die Reaktion mit KOH und Ba(OH)2 erfolgt analog. Dabei handelt es sich um eine exotherme Reaktion: Neben Wasser entsteht demnach auch Wärme. Damit wird das Inspirationsgas sozusagen von selbst »klimatisiert«, sodass beim Kreisteil keine zusätzlichen Maßnahmen zur Atemwegsklimatisierung notwendig sind. Der CO2-Absorber hat einen bestimmten Wassergehalt (12–15%).
29 1.4 · Arzneimittelrechtliche Probleme
Wichtig
Trocknet er aus (z. B. bei längerem O2-Durchfluss – cave: Montagmorgennarkosen, wenn über das ganze Wochenende der Sauerstoff-Flow nicht abgestellt war, den CO2-Absorber durchfloss und ihn austrocknete!), so können im trockenen CO2-Absorber (Wassergehalt <5%) »pathologische« Abbauprozesse von Sevofluran stattfinden: Es wird in hohem Maße im CO2-Absorber zu Compound A sowie B, C, D, E abgebaut. Dies ist eine stark exotherme Reaktion: Der CO2-Absorber »kocht« (Temperatur bis 150 °C).
Die Folge sind schleimhautreizende Abbauprodukte, der Patient hustet und kann im Extremfall auch ein ARDS (7 Kap. 21.1.3) entwickeln. Da Sevofluran im CO2-Absorber abgebaut wird und deshalb nicht beim Patienten ankommt, wird die Narkose sehr flach sein, d. h. der Anästhesist wird Probleme haben, den Patienten in Narkose zu bringen bzw. der Patient wacht möglicherweise wieder auf. Deshalb: Vorsicht mit trockenem CO2-Absorber vor allem bei Sevofluran! Über die Compound-A-Produktion bei Sevofluran hinaus finden im CO2-Absorber weitere chemische Reaktionen statt. Von Bedeutung ist die COBildung, die bei trockenem Atemkalk bei Desfluran (8000 ppm) und Enfluran (4000 ppm) beträchtliche Werte erreichen kann (Isofluran 600 ppm, Halothan und Sevofluran keine CO-Bildung). Die Fähigkeit, CO2 zu binden, ist nur begrenzt möglich. Der CO2-Absorber zeigt durch einen blauen Indikator an, dass er verbraucht ist.
1.4
Arzneimittelrechtliche Probleme
Das Arzneimittelgesetz schreibt vor, dass nur Medikamente verwendet werden dürfen, deren Wirkung nachgewiesen und deren Nebenwirkungsprofil bekannt ist. Darüber hinaus dürfen die Medikamente nur über den zugelassenen Applikationsweg appliziert werden. Im Früh- und Neugeborenen- sowie im Säuglings- und Kleinkindesalter dürfen Medikamente nur angewandt werden, wenn sie auch in dieser Altersgruppe zugelassen sind.
1
Diese Vorschriften sind einerseits für den Patienten von großem Wert, weil sie für ihn einen Schutz bedeuten, zum anderen hemmen sie die Entwicklung: Neue Applikationsformen müssen beim Bundesamt für Arzneimittel und Medikalprodukte im Nachhinein angemeldet werden, ebenso neue Indikationsbereiche. Zu diesen Nachzulassungen müssen vom Hersteller umfangreiche Studien durchgeführt und vorgelegt werden. Dazu hat der Hersteller meist kein Interesse und kein Budget. Außerdem weiß er, dass der Anästhesist in der täglichen Praxis bei einer überzeugenden Wirkung des Medikamentes dies auch im Rahmen seiner Therapiefreiheit anwenden wird, auch wenn es behördlich dafür nicht zugelassen ist. Beispiele: 4 Opioide sind generell für Frühgeborene, Neugeborene und Säuglinge nicht zugelassen! Wie soll der Anästhesist bei diesen Kindern Schmerztherapie betreiben? Er macht es mit Opioiden – auf eigene Verantwortung! Hier wäre dringend eine Nachzulassung zu fordern. 4 Clonidin ist bislang als Antihypertensivum zugelassen. In der täglichen anästhesiologischen Praxis hat es sich als 5 Mittel zur Behandlung eines Entzugsdelirs nach Langzeitsedierung, 5 Mittel zur Therapie des postoperativen Kältezitterns (Shivering), 5 Mittel zur Wirkungsverlängerung der Analgetika in der postoperativen Phase und 5 Komponente der Prämedikation sehr bewährt. Zulassungen für diese Indikationen liegen jedoch nicht vor! 4 Opioide wirken – peridural appliziert – exzellent analgetisch. Eine Zulassung gibt es bislang nur für das Sufentanil (7 Kap. 1.12.4). Der Anästhesist steckt täglich in einem Dilemma: Einerseits will er seinen Patienten die Vorteile neuer Entwicklungen nicht vorenthalten, andererseits arbeitet er dann mit nicht zugelassenen Medikamenten und Methoden. Er kann sich auf seine Therapiefreiheit berufen, dennoch fühlt er sich in diesem Grauzonenbereich insbesondere von den Herstellern häufig im Stich gelassen. Dies betrifft besonders den Kinderbereich, der für die Hersteller, da sehr klein, keinen Markt dar-
30
1
Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
stellt. So ist es für die Hersteller einfacher, in die Fachinformationen eindrucken zu lassen: »Nicht zugelassen für Kinder unter 3 Jahren«, auch wenn es dafür keine medizinischen Gründe gibt! So sind nur 20% aller Medikamente, die der Kinderanästhesist anwendet, auch zugelassen. Er wird sie trotzdem seinen kleinen Patienten nicht vorenthalten, trägt aber das Haftungsrisiko. Hier sind politische Entscheidungen gefordert.
1.5
Benzodiazepine
Chemie und Wirkungsweise Die einzelnen Ben-
zodiazepine entstehen durch die Substitution des Benzodiazepingrundgerüstes. Benzodiazepine wirken über GABA-Rezeptoren (. Abb. 1.11), die sich vor allem in der Formatio reticularis und im Limbischen System befinden. Klinische Wirkung Benzodiazepine wirken:
4 anxiolytisch (angstreduzierend), 4 sedativ-hypnotisch (konzentrationsabhängig führen sie zur Sedation oder Schlafinduktion), 4 amnestisch (sie nehmen dem Patienten die Erinnerungsfähigkeit; der Patient ist wach, reagiert und beantwortet Fragen adäquat, erinnert sich jedoch nicht mehr an das Gesagte). Erklärt wird diese amnestische Wirkung damit, dass der Patient die Informationen nach Benzodiazepinapplikation nicht mehr ins Kurzzeitgedächtnis abspeichern kann; 4 antikonvulsiv, 4 muskelrelaxierend auf Rückenmarksebene. Der REM-Schlaf wird vom Benzodiazepin in relativ geringem Umfang unterdrückt, was zu einem erholsameren Schlaf führt: Ein Patient wacht z. B. nach einer abendlichen Benzodiazepingabe am Operationstag morgens frisch, d. h. gut ausgeschlafen auf. Zu den anästhesiologisch gebräuchlichen Benzodiazepinen zählen (. Tabelle 1.1): 4 Midazolam (Dormicum, Midazolam ratiopharm), 4 Flunitrazepam (Rohypnol), 4 Diazepam (Valium, Diazepam ratiopharm), 4 Dikaliumclorazepat (Tranxilium).
Indikationen für Benzodiazepine sind die
4 Prämedikation: hier finden vor allem folgende Medikamente Anwendung: 5 Midazolam: Die orale Applikation in Form einer Tablette von 7,5 mg führt zu einer Anxiolyse, selten zu einer Sedation oder gar Schlafinduktion. Cave: Ältere Patienten benötigen eine deutlich geringere Dosierung! Dosierung halbieren! Zur speziellen Situation bei Kindern 7 Kap. 14.1. 5 Flunitrazepam: Die orale Applikation von 1–2 mg beim Erwachsenen führt zu einer ausgeprägten Anxiolyse, Amnesie und Schlafinduktion. Der Patient schläft häufig ein und wacht erst nach der Operation auf der Station wieder auf. Eine Stunde vor der Operation applizieren! Optimale Stressreduktion, insbesondere für Patienten mit koronarer Herzerkrankung (KHK)! Cave: Bei alten Patienten Dosierung halbieren! 5 Dikaliumclorazepat: Die orale Prämedikation mit diesem Benzodiazepin ist eine weit verbreitete Prämedikationsform im stationären Bereich trotz der langen Halbwertszeit. Es wirkt angstlösend, leicht schlafanstoßend und amnestisch. Häufig werden auf der Station alle zu operierenden Patienten mit Dikaliumclorazepat am Morgen prämediziert, sodass die Patienten, die später operiert werden, die Wartezeit nicht als stresshaft erleben. 4 Narkoseeinleitung: 5 Midazolam: Diese Indikation ist seit der Einführung von Propofol sehr selten geworden. Ausnahme: Ketanest wird häufig mit Midazolam kombiniert, damit der Patient die ketaminbedingten Alpträume (7 Kap. 1.9) nicht erlebt bzw. sich nicht mehr daran erinnert. 5 Flunitrazepam: In Herzzentren wird die Narkose bei Patienten mit KHK zur BypassOperation z. T. noch mit Flunitrazepam i.v. eingeleitet. Stärkste Stressreduktion! Wenig kardiodepressive Wirkung. 4 Narkoseführung: 5 Zur Narkoseführung werden Midazolam und Flunitrazepam eher selten eingesetzt. Ausnahmen: Midazolam/Ketamin-Narko-
–
Cave: Alte Patienten
5–10 mg
20–50 mg
Dosierungen für Erwachsene (70 kg)
Diazepam (Valium)
Dikaliumclorazepat (Tranxilium)
Spezielle Situation bei Kindern 7 Kap. 14.1
Höhere Dosis: jüngere Erwachsene
Niedrige Dosis: ältere Erwachsene
Cave: Alte Patienten
(0,1–0,2 mg/kg)
0,5–2 mg
Flunitrapzeam (Rohypnol)
0,015–0,03 mg/kg
0,05–0,15 mg/kg
3,75–7,5 mg
Midazolam (Dormicum)
Narkoseeinleitung i. v.
Prämedikation (per os)
Dosierung
h
bis Zielsymptom erreicht ist
nach ca. 1 h bei Midazolam, ca. 2 h bei Flunitrazepem
– *Metabolite bis 96
–
–
0,1–0,3 mg/kg i. v., 2,5–10 mg rektal
*titrierende Dosierung,
–
–
0,1–0,2 mg/kg
Antikonvulsive Therapie
*Repetitionsdosen
–
–
0,1–0,3 mg/ kg/h
Langzeitsedierung
–
–
–
0,03–0,1 mg/kg*
0,05 mg/kg*
0,005 mg/kg*
Sedation bei Regionalanästhesie
Narkoseführung i. v.
. Tabelle 1.1. Anästhesiologisch relevante Benzodiazepine: Dosierungen zu unterschiedlichen Indikationen
18 h*
12–24 h*
6–12 h
2,5 h
HWZ nach Bolusapplikation
1.5 · Benzodiazepine 31
1
32
1
Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
sen, z. T. Flunitrazepam bei kardiochirurgischen Eingriffen, immer in Kombination mit einer hohen Opioiddosierung. 4 Sedation bei diagnostischen Maßnahmen: 5 Midazolam: Wegen seiner anxiolytischen und amnestischen Wirkung ist es das Mittel der Wahl bei den Endoskopien im internistischen Bereich! Cave: Stark altersabhängige Dosierung notwendig! Nach der Einführung von Midazolam zu Beginn der 80er-Jahre gab es zahlreiche Tote durch inadäquat hohe Midazolam-Dosierungen bei Endoskopien! Klassischer Fall: eine 80-jährige Patientin (70 kg) mit hypovolämischem Schockzustand in Folge einer Blutung im oberen Gastrointestinaltrakt. 10 mg Midazolam zur Endoskopie i.v. führten zu Atmungs- und Herzkreislaufstillstand; notwendig zum Erreichen der Zielsymptomatik (Sedation, Amnesie, Stressreduktion) wären 1–2 mg i.v. gewesen! 4 Langzeitanalgosedierung auf Intensivstationen: 5 Wegen der besseren Steuerbarkeit ist heute, sofern kein Propofol benutzt wird, Midazolam Mittel der Wahl in Kombination mit einem Opioid, sei es Fentanyl, Sufentanil oder Alfentanil. Probleme der Benzodiazepin/Opioidlangzeitsedierung sind: 5 Entzugssymptomatik: Abruptes Absetzen führt immer, aber auch das langsame Ausschleichen nicht selten zu Entzugssymptomen (7 Kap. 27.8) 4 Antikonvulsive Therapie: Dies ist in der Notfalltherapie des Krampfanfalles heute immer noch die Domäne von Diazepam i.v. oder rektal.
Die Metabolisierung erfolgt in der Leber durch Demethylierung, Dealkylierung, Hydroxilierung und Glucuronidierung. Die Metabolite von Midazolam und Flunitrazepam sind pharmakologisch nicht wirksam, diejenigen von Diazepam sind jedoch hypnotisch lang anhaltend wirksam. Wegen der eigenen langen Wirksamkeit und der erheblich längeren Wirksamkeit der Metabolite hat Diazepam in der Anästhesie, insbesondere in der ambulanten Anästhesie, keinen Platz mehr. Insofern ist es überraschend, dass Dikaliumclorazepat noch eine Indikation in der Prämedikation besitzt: Es ist nämlich ein Prodrug für Diazepam, das im Körper aus Dikaliumclorazepat entsteht. Überzeugend ist das langsame »Anfluten« der Wirkung des Medikaments und seine sanfte, schlafanstoßende Wirkung, was zu seiner weiten Verbreitung im stationären Bereich geführt hat. Aufgrund der hepatischen Metabolisierung der Benzodiazepine kann es zur Kumulation von aktiver Substanz und Wirkungsverlängerung bei Leberzirrhose kommen. Unerwünschte Wirkungen können sein:
4 Die Herzkreislaufeffekte sind bei titrierender Dosierung minimal: Herzfrequenz (↑), RR (↓, bei Hypovolämie RR ↓↓), SVR (↓). 4 Paradoxe Wirkungen (akute Erregung, Dysphorie, Schlafstörungen, Verhaltensstörungen mit Aggression, Hyperaktivität) können bei Kleinkindern und älteren Patienten auftreten (Diazepam > Flunitrazepam > Midazolam). 4 Toleranzentwicklung und Entzugssymptomatik (bei Langzeitsedierung), 4 Niedrigdosisabhängigkeit bei Langzeitbehandlung, 4 anterograde Amnesie.
Pharmakokinetik Die Lipophilie der Benzodiaze-
pine garantiert eine rasche Resorption nach oraler oder rektaler Applikation; die Resorption aus dem muskulären Depot nach i.m.-Applikation ist etwas verzögert. Midazolam ist auch lipophil, wurde jedoch durch pH-Wert-Erniedrigung der Lösung ohne Hilfsstoffe wasserlöslich gemacht und so als erstes hydrophiles Benzodiazepin in den Handel gebracht. Benzodiazepine unterliegen z. T. einem erheblichen First-pass-Effekt (z. B. Midazolam 50%), was die Bioverfügbarkeit vermindert.
Kontraindikationen sind:
4 Myasthenia gravis: Verstärkung der Muskelschwäche, 4 Muskelhypotonien: Verstärkung der Muskelschwäche, 4 Sectio caesarea (vor der Entwicklung des Kindes).
33 1.6 · Barbiturate
Barbiturate
1.6
Thiopental (Trapanal), Methohexital (Brevimytal), Phenobarbital (Luminal). Chemie und Wirkungsweise Barbiturate werden
chemisch aus der Barbitursäure, die aus Harnstoff und Malonsäure entsteht, synthetisiert. Das C5-Atom wird durch aliphatische oder aromatische Seitenketten substituiert. Bei Thiopental ist am C2-Atom ein S-Atom angebracht. Die Barbituratlösungen haben einen pH-Wert von 10–11. Barbiturate führen durch Angriff am GABABenzodiazepin-Barbiturat-Chloridkanal-RezeptorKomplex (an anderen Bindungsstellen als die Benzodiazepine) zu einem verstärkten Einstrom von Chloridionen und damit zu einer Hyperpolarisation von Nervenzellen. In höherer Dosierung führen sie unselektiv zur Unterdrückung zentralnervöser Prozesse. Barbiturate heben die Krampfschwelle an (antikonvulsive Wirkung) und senken im subnarkotischen Bereich die Schmerzschwelle (hyperalgetische Wirkung).
Klinische Wirkung Barbiturate führen dosisabhängig über Sedierung zur Hypnose und Narkose. Sie haben keinen analgetischen und muskelrelaxierenden Effekt. Sie senken den intrakraniellen Druck (ICP), den zerebralen O2-Bedarf und wirken antikonvulsiv. Indikationen sind:
4 Methohexital, Thiopental: Narkoseeinleitung, Notfalltherapie des Krampfanfalles, 4 Phenobarbital: Krampfbehandlung und antikonvulsive Prophylaxe bei Neugeborenen und Säuglingen. Pharmakokinetik Die Wirkung tritt 10–20 s nach Applikation ein und dauert 5–10 min (Methohexital) oder 10–15 min (Thiopental) an (. Tabelle 1.2). Die Plasmaeiweißbindung liegt bei etwa 90%. Beide Substanzen verteilen sich zunächst auf die gut durchbluteten Organe. Anschließend erfolgt eine rasche Umverteilung aus dem ZNS in die Muskulatur. Die Eliminationshalbwertszeit beträgt bei Methohexital 2–4 h und bei Thiopental 6–12 h, bei Phe-
. Tabelle 1.2. Anästhesiologisch relevante Barbiturate: Dosierungen zu unterschiedlichen Indikationen
i.v.
Narkoseeinleitung i.m.
rektal
Antikonvulsive Therapie
Thiopental Kinder
6–8 mg/kg
–
–
Erwachsene
5 mg/kg
–
–
Greise
3 mg/kg
–
–
Kinder
1–2 mg/kg
5 mg/kg
20–30 mg/kg
Erwachsene
1–1,5 mg/kg
–
–
Greise
1 mg/kg
–
–
–
–
–
titrierend, bis Krampf sistiert; 5 mg/ kg i.v. Beginn: sofort
Methohexital –
Phenobarbital Kinder Erwachsene Wirkbeginn
3–4 mg/kg p. o. zur Dauertherapie 1–3 mg/kg p. o.
30 sec
5 min
1
10 min
34
Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
Barbiturate aktivieren
1 Glycin
δ-ALA-Synthetase δ-Aminolävulinsäure Porphobilinogen-Synthetase Porphobilinogen (PBG) PBG-Desaminase Porphobilinogenmoleküle
vermehrter Anfall von Porphyrinen
4 Atemdepression: Nach i.v.-Gabe kommt es regelmäßig zu einer Apnoe, die eine Beatmung erforderlich macht. Nicht selten kommt es, insbesondere bei Asthmatikern, zu einem Bronchospasmus. 4 Akute intermittierende Porphyrie: Bei Patienten mit einer akuten intermittierenden Porphyrie kann es über die Induktion der Delta-Aminolävelinsäuresynthetase zu einer Überproduktion an Porphyrinen kommen! (. Abb. 1.25). Ein akuter Anfall kann provoziert werden. 4 Versehentliche arterielle Injektion: Die intraarterielle Injektion eines jeden Medikaments kann zu schweren Durchblutungsstörungen führen. Bei Barbituraten ist diese Durchblutungsstörung jedoch wegen des hohen pH-Wertes besonders ausgeprägt! Wichtig
. Abb. 1.25. Triggermechanismen für eine akute intermittierende Porphyrie
nobarbital 18–24 h. Methohexital wird zu unwirksamen Metaboliten in der Leber metabolisiert. Wichtig
Nachinjektion von Thiopental kann zu einer Kumulation führen. Auch bei Adipösen ist das zentrale Kompartiment nicht größer als bei Normalgewichtigen, deshalb darf die Dosierung nicht erhöht werden.
Die versehentliche intraarterielle Applikation von Barbituraten führt zum sofortigen Arterienspasmus und zum Intimaödem der betroffenen Arterie, was einen Gefäßverschluss mit Nekrose der distalen Extremität und eine Amputation zur Folge haben kann. Die betroffene Extremität wird nach Injektion sofort blass, der Patient klagt über stärkste ischiämiebedingte Schmerzen.
Sofortiges konsequentes Handeln ist erforderlich. Praxisbox
Unerwünschte Wirkungen können sein:
4 Kardiozirkulatorisch: Barbiturate führen über eine negative Inotropie dosisabhängig zu einem RR-Abfall (besonders bei Hypertonikern), mit kompensatorischer reflektorischer Tachykardie. Im koronaren Gefäßbett wirkt Thiopental dilatatorisch, sodass die koronare Durchblutung zunimmt. Insbesondere wegen der reflektorischen Tachykardie ist die myokardiale O2-Bilanz jedoch negativ. Venendilatation kann ein venöses Pooling begünstigen. Im Schockzustand muss die Dosierung erheblich reduziert werden: Titrierend dosieren! Das heißt, schrittweise die Dosis erhöhen, bis das Zielsymptom (Lidreflexverlust) erreicht ist.
Verhalten bei versehentlicher intraarterieller Applikation von Barbituraten 5 Die Nadel muss intraarteriell liegen bleiben 5 Durch Spülen mit Kochsalz wird ein Verdünnungseffekt erreicht 5 Mit einer Plexusanästhesie muss der Sympathikus blockiert und damit das konstringierte Gefäß dilatiert werden 5 Der Vasodilatation soll auch die intravenöse Applikation von Hydergin dienen 5 Xylocain 1%, 10 ml intraarteriell injiziert nimmt die überaus starken Schmerzen 5 Kortikoide (z. B. 1 Amp. Volon solubile intraarteriell injiziert) mindern das Intimaödem. 6
35 1.7 · Propofol
1
Klinische Wirkung Propofol wirkt dosisabhängig se5 Antikoagulation mit Heparin soll eine Thrombozytenaggregation und einen dadurch bedingten sekundären Verschluss des Gefäßes vermeiden 5 Wenn das ischämiebedingte Ödem so zunimmt, dass die Durchblutung der betroffenen Extremität dadurch sekundär abnimmt, so muss eine Faszienspaltung durchgeführt werden. Diese Maßnahmen können jedoch oft die Amputation der nekrotischen Extremität nicht verhindern.
Bemerkung am Rande: Wegen des S-Atoms im Molekül berichten die Patienten häufig nach Thiopental-Applikation von einem Knoblauchgeschmack. Kontraindikationen8 sind: 4 absolut: akute intermittierende Porphyrie, Barbituratallergie und/oder Abhängigkeit (selten), 4 relativ: manifeste Herzinsuffizienz, Asthma bronchiale, Schockzustand (da Umverteilung in Muskulatur nur langsam erfolgt), schwere Nieren- oder Leberfunktionsstörung.
1.7
Propofol
Darreichungsformen Zur Verfügung stehen u. a.:
Disoprivan 1%, Disoprivan 2%, Propofol 1% (10 mg/ 1 ml) Fresenius, Propofol 2% (20 mg/1 ml) Fresenius, Propofol-Lipuro 1% (10 mg/ml), Propofol-Lipuro 2% (20 mg/ml). Chemie und Wirkungsweise Bei Propofol handelt es
sich um ein 2,6-disubstituiertes Phenol. Propofol ist sehr stark lipophil und liegt in einer Öl/Wasseremulsion vor, was der Injektionslösung ein milchiges Aussehen verleiht. Der molekulare Wirkmechanismus von Propofol ist im Einzelnen unklar. Infrage kommen unspezifische Wirkungen an Lipidmembranen, Veränderungen an Natriumkanalproteinen und Verstärkung der GABA-Wirkung.
dierend, schlafinduzierend und narkotisch. Es hat weder eine analgetische, noch eine muskelrelaxierende Wirkung. Wichtig
Propofol dämpft die laryngopharyngealen Reflexe, was die Inzidenz an Laryngospasmen, insbesondere bei Kindern erheblich reduziert. Außerdem imponiert eine antiemetische Wirksamkeit. Der ICP wird durch Propofol gesenkt, der zerebrale O2-Verbrauch des Gehirns vermindert.
Pharmakokinetik Die Wirkung tritt innerhalb von 10–30 s ein; die Wirkdauer beträgt 4–6 min. Diese kurze Wirkdauer macht es notwendig, Propofol, wenn es nicht nur zur Narkoseeinleitung, sondern auch zur Narkoseaufrechterhaltung benutzt wird, kontinuierlich über Perfusor zuzuführen (5–10 mg/ kg/h; abhängig von der Zugabe von Opioiden und Lachgas). Die Plasmaproteinbindung von Propofol beträgt 98%. Es wird in der Leber teilweise in 4-Stellung hydroxyliert und vorwiegend als Sulfat oder Glukuronid renal ausgeschieden. Indikationen sind:
4 Narkoseeinleitung (Erwachsene und Kinder ab 1 Monat, bei Neugeborenen ist Propofol nicht zugelassen), Sedierung bei chirurgischen und diagnostischen Eingriffen in Regional- oder Lokalanästhesie, 4 Aufrechterhaltung der Narkose (Erwachsene und Kinder ab 1 Monat [7 oben]) bei der TIVA/ IVA (7 Kap. 7.2.3), 4 Larynxmaskennarkosen: Die reflexdämpfende Wirkung von Propofol erleichtert das Einbringen der Larynxmaske, 4 Langzeitsedierung in Intensivbehandlung (Erwachsene, bei Kindern kontraindiziert! Propofol-Infusionssyndrom 7 unten). Dosierung Es empfiehlt sich, die Narkose
4 beim Erwachsenen mit 1,5–3 mg/kg, 4 beim Kind mit 3–5 mg/kg, 4 beim greisen Patienten mit 1–2 mg/kg
36
1
Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
einzuleiten und die Narkoseführung titrierend mit 3 (greise Patienten) bis 10 (Kinder) mg/kg/h mittels Spritzenpumpe durchführen. In Kombination mit Lachgas und Opioiden sind Dosismodifizierungen notwendig. Nur bei sehr kurzen Eingriffen werden mehrere kleine Bolusgaben verabreicht.
Nach der Verabreichung von Propofol soll der Patient über einen angemessenen Zeitraum (1–2 h) überwacht werden, er darf nicht am Straßenverkehr teilnehmen und Maschinen führen. Er darf nur in Begleitung nach Hause gehen und keinen Alkohol trinken.
Unerwünschte Wirkungen können sein:
Propofol-Infusionssyndrom Hepatomegalie, meta-
4 Herzkreislauf: Hypovoläme und greise Patienten reagieren auf Propofol häufig mit einem starken Blutdruckabfall, der nicht von einer kompensatorischen Tachykardie begleitet ist (Barorezeptor ist gehemmt). Es kommt vielmehr häufig zu einer Bradykardie. Ursache des Blutdruckabfalls ist eine periphere Vasodilatation. Darüber hinaus wirkt Propofol auch noch negativ inotrop. 4 Atmung: Nach der i.v.-Applikation von Propofol ist mit einer Apnoe zu rechnen, deshalb muss eine Beatmungsmöglichkeit gegeben sein. Husten, selten Bronchokonstriktion. 4 Venenreizung: Schmerzen an der Injektionsstelle. Die Vorweggabe von Lidocain mindert diesen Injektionsschmerz. Dazu wird in die Propofolspritze unmittelbar vor der Injektion Lidocain aufgezogen. Das im Spritzenkonus befindliche Lidocain lindert den Schmerz. Alternativ kann auch Lidocain vorweg in die Vene injiziert (Xylocain 0,5 bis 1% 1 ml auf 20 ml Propofol) und dann Propofol nachinjiziert werden. Bei paravenöser Applikation sind schwere Gewebereaktionen möglich. 4 Myoklonien: Die i.v.-Applikation von Propofol führt häufig (1–10%) zu leichten exzitatorischen Phänomenen (Spontanbewegungen, Muskelzuckungen). Diesem Phänomen kann durch die Vorweggabe von Fentanyl, Sufentanil oder Alfentanil vorgebeugt werden. 4 Krampfanfälle: Selten kann Propofol wie alle anderen zentralwirksamen Substanzen epileptiforme Krämpfe auslösen. Wegen seiner guten Steuerbarkeit wird Propofol auch bei Kindern oder Erwachsenen mit Epilepsie zur Narkose eingesetzt. 4 Fast alle Patienten, insbesondere Kinder, wachen nach Propofolnarkosen auf und haben einen Juckreiz in der Nase. 4 Aufwachphase: selten Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen. 4 Selten: anaphylaktische Reaktionen auf Propofol.
bolische Azidose, Hypertriglyzeridämie und Herzkreislaufversagen, Rhabdomyolyse, Hyperkaliämie bei der Sedierung von Patienten unter 16 Jahren (häufig bei Kindern mit Atemwegsinfektionen, die zur Sedierung höhere als bei Erwachsenen zur Intensivbehandlung empfohlene Propofol-Dosierungen erhielten) und bei Erwachsenen (über mehr als 58 h eine höhere Dosierung als 5 mg/kg KG/h). Letztere Dosierung überschreitet die zurzeit empfohlene Dosierung auf Intensivstation von 4 mg/kg KG/h. Kontraindikationen sind:
4 absolut: 5 Low-cardiac-output-Syndrom, 5 bei Kindern unter 1 Monat zur Narkose, 5 Langzeitsedierung von Kindern in der Intensivbehandlung; 4 relativ: 5 koronare Herzerkrankung, 5 Karotisstenosen, 5 Hypovolämie, 5 Fettstoffwechselstörungen, 5 Ateminsuffizienz
1.8
Etomidat
Darreichungsformen Etomidat-Lipuro, Hypnomi-
date. Chemie und Wirkungsweise Etomidat ist ein Imidazol-5-Carbonsäure-Ester, dessen narkotische Wirkung nur vom R(+)-Enantiomer hervorgerufen wird. Etomidat liegt als Fettemulsion oder zur Lösung in Propylenglykol vor. Es wirkt unspezifisch hemmend auf die Formatio reticularis. Außerdem hat es einen potenzierenden Effekt auf die GABARezeptoren wie die Benzodiazepine und die Barbiturate.
37 1.9 · Ketamin
1
Klinische Wirkung Etomidat wirkt hypnotisch, nicht aber analgetisch und nicht muskelrelaxierend. Der Wirkbeginn liegt bei einer Dosierung von 0,2 mg/kg im Bereich von 10–20 s, die Wirkdauer beträgt 3– 5 min. Etomidat bindet zu 75% an die Serumproteine; die Metabolisierung findet über Esterasen in der Leber und im Plasma statt. 87% der Metabolite, die selbst nicht mehr pharmakologisch wirksam sind, werden über die Niere, der Rest über die Galle ausgeschieden.
4 Selten: Atemdepression, Apnoe, Herzrhythmusstörungen, Krämpfe.
Indikationen sind:
Darreichungsformen Ketamin 50/100/500 Curamed,
4 Einleitung einer Allgemeinanästhesie, 4 Kurznarkosen nur in Verbindung mit einem Analgetikum.
Ketamin-ratiopharm, Ketanest S.
Unerwünschte Wirkungen können sein:
4 Herzkreislauf: Etomidat hat die geringsten Kreislaufwirkungen aller Narkoseeinleitungsmittel: RR (↓), HF (↑), SVR (↓), Koronardurchblutung (↑) über eine Koronardilatation. Wegen der rein hypnotischen, damit auf den Kortex beschränkten Wirkung, kommt es nicht zu einer ausgeprägten vegetativen Blockade. Allein der Intubationsreiz kann zu einem Blutdruckund Herzfrequenzanstieg führen, was bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung zu einem klinisch relevanten Sauerstoffdefizit führen kann. Deshalb ist Etomidat möglichst immer mit Fentanyl (z. B. 0,1 mg) oder Sufentanil (10–15 µg) zu kombinieren oder die Trachealschleimhaut mit Lidocain zu besprühen, um eine kardiale Ischämie durch Intubationsstress zu vermeiden. 4 Myoklonien: Nach Einmalgaben von Etomidat kann es bei nicht prämedizierten Patienten häufig zu Myoklonien kommen. Diese können durch vorausgehende Gabe von Opioiden oder Benzodiazepinen verhindert werden. 4 Injektionsschmerz: Die Etomidatlösung mit Propylenglykol schmerzt bei i.v.-Applikation besonders in kleinen Venen. Dies kann durch Vorweggabe von Opioidanalgetika deutlich reduziert werden. 4 Unterdrückung der Kortisol- und Mineralokortikoidproduktion: Im Bereich der Nebennierenrinde hemmt Etomidat die 11β-Hydroxylase nach Einmalapplikation für die Dauer von 4–6 h. Bei der Einmalapplikation ist dies i. d. R. ohne Bedeutung für den Patienten.
Kontraindikationen Anwendung bei Überempfind-
lichkeit, bei Kindern bis zum Alter von 6 Monaten, Schwangerschaft, Stillzeit.
Ketamin
1.9
Chemie und Wirkungsweise Ketamin ist ein Phencyclidinderivat. Es befindet sich als Razemat und als S-Enantiomer im Handel. Ketamin blockiert den spannungsabhängigen NMDA-Rezeptor durch Bindung an die Phencyclidinbindungsstelle. Betroffen sind dadurch bevorzugt Assoziationsbahnen, Hirnrinde und Thalamus opticus, weniger das limbische System. S(+)-Ketamin blockiert den NMDA-Rezeptor ca 3- bis 4-mal potenter als das entsprechende R(–)-Enantiomer, dies erlaubt eine Dosisreduktion gegenüber dem Razemat und scheint die Aufwachreaktionen (7 unten) zu reduzieren. Klinische Wirkung Ketamin führt in den klinisch
üblichen Dosierungen im Gegensatz zu den intravenösen Hypnotika nur zu einer oberflächlichen Hypnose, aber zu einer profunden Analgesie. Wichtig
Diese Konstellation nennt man »dissoziative Anästhesie«.
Dosierung Klinisch übliche Dosierungen sind:
4 i.v.: 1–2 mg/kg, 4 i.m.: 4–8 mg/kg (selten genutzt: allenfalls bei extrem kooperationsunfähigen Patienten, oder wenn kein peripher-venöser Zugang gefunden wird). Die analgetische Wirkung hält 10–15 min, die hypnotische Wirkung 2 h an. Während der Analgesie kommt es zu einer erheblichen Sympathikusstimulierung.
38
1
Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
Pharmakokinetik 4% werden unverändert, im Üb-
rigen vorwiegend als Metabolite über die Niere ausgeschieden. Mit dem Norketamin entsteht ein Metabolit, der selbst ca. 1/3 bis 1/10 der anästhetischen Wirkung von Ketamin hat. Die Eliminationshalbwertszeit beträgt 2,5–4 h. Nebenwirkungen können sein:
4 Psyche: Ketamin hat halluzinatorische und psychotomimetische Wirkungen in bis zu 30% der Patienten, die besonders in der Aufwachphase zu Unruhe führen können. Mit einem Benzodiazepin (Midazolam) oder Propofol kann dem vorgebeugt werden. 4 ICP und IOP: Der ICP steigt unter KetaminMonoapplikation an, deshalb sollten Patienten mit erhöhtem ICP kein Ketamin erhalten außer unter Hyperventilation (7 Kap. 15.8.1). Der intraokuläre Druck steigt an; deshalb gilt die offene Augenverletzung als Kontraindikation für eine Ketamin-Anästhesie. 4 Atmung: Die Atmung sistiert unmittelbar nach Ketamin-Applikation für 10–15 sec, um dann rasch über eine ebenso kurze Phase der Hyperventilation wieder in den Ausgangsbereich zurückzukehren. 5 Die Ketamin-bedingte Zunahme der Speichelsekretion kann zu Hustenattacken und zu einem reflektorischen Glottisverschluss führen. Die Vorweggabe von Atropin ist bei der Ketamingabe unerlässlich (0,01 mg/kg i.v.). Meist helfen bei reflektorischem Glottisverschluss der Esmarch-Handgriff und die O2-Gabe über die Maske, um über die kritische Situation hinwegzukommen. 5 Die Ketamin-bedingte zentrale Sympathikusstimulierung führt zu einer Bronchodilatation. Bei einem Status asthmaticus ist die Gabe von Ketamin eine Ultima Ratio. 4 Herzkreislauf: Die durch Ketamin herbeigeführte Sympathikusstimulation über 10 min nach Applikation führt zu einem starken Blutdruck-, Herzfrequenz- und Pulmonalarteriendruckanstieg (PAD). Daraus resultiert eine Zunahme des myokardialen O2-Verbrauches, der bei Patienten mit eingeschränkter Koronarreserve zu einem Anstieg des Gefäßwiderstands im Lungenkreislauf ggf. bis zum Auftreten eines Lungenödems
führen kann. Dieser kann durch die gleichzeitige Gabe von Midazolam oder durch die Gabe von Betablockern vermieden werden. Im hypovolämischen Schock als Folge von Traumen nutzt man die sympathikusstimulierende Wirkung von Ketamin, um den Blutdruck des Patienten in den Normbereich zu bringen. Diese Maßnahme ist nur passager wirksam und nur eine gleichzeitige adäquate i.v.-Volumenzufuhr kann den Kreislauf dauerhaft stabilisieren. 4 Operationen im Halsbereich: Da die Rachenreflexe erhalten sind und der Tonus der Skelettmuskulatur nur schwach reduziert ist, sind Ketaminnarkosen für Operationen im Halsbereich nicht angezeigt. Indikationen sind:
4 Narkoseeinleitung und -durchführung ggf. mit Hypnotika, besonders für kurze, schmerzhafte Eingriffe (Reposition, Wundversorgung, schmerzhaftes Redressment bei Gipswechsel), 4 Anästhesie und Analgesie in der Notfallmedizin, 4 Behandlung des therapieresistenten Status asthmaticus, 4 bei den Repositionen in Ketamin-Narkose sollte der Patient nüchtern sein (Cave: Aspiration, 7 Kap. 11.3.1). Kontraindikation Zu diesen zählen:
4 schlecht eingestellte Hypertonie, 4 Präeklampsie, Eklampsie, drohende Uterusruptur, Nabelschnurvorfall, 4 nicht oder ungenügend behandelte Hyperthyreose, 4 Phäochromozytom, 4 koronare Herzerkrankung, Myokardinfarkt in den letzten 6 Monaten, 4 Mitral- und Aortenstenosen, 4 dekompensierte Herzinsuffizienz, 4 Glaukom, perforierende Augenverletzung, 4 Eingriffe im Bereich der oberen Luftwege, 4 Epilepsie, 4 psychiatrische Erkrankungen, 4 Operationen im Halsbereich, 4 erhöhter ICP ohne therapeutische Hyperventilation.
39 1.12 · Opioidanalgetika
1.10
Chloralhydrat
Darreichungsformen Chloraldurat 500/rot/blau. Chemie und Wirkungsweise Chloralhydrat ist das Hydrat des Trichloracetaldehyds, aus dem nach rascher Resorption im Körper Trichloräthanol als Hauptwirkstoff entsteht. Indikation und Dosierung Chloralhydrat ist zur Sedierung von Kindern vor diagnostischen Eingriffen oder therapeutischen Maßnahmen zugelassen. Chloralhydrat beeinflusst den REM-Schlaf nicht. Dosierung: 50–75 mg/kg KG rektal oder p.o. (am besten über eine Magensonde, um ein Ausspucken des Medikaments und damit eine verminderte Wirksamkeit zu vermeiden). Nebenwirkungen Chloralhydrat stimuliert die Se-
kretion im Halsnasenrachenraum; diese Hypersekretion kann zu einer Verlegung der Atemwege führen. Die therapeutische Breite ist gering. Weitere Nebenwirkungen sind paradoxe Reaktionen (Hyperaktivität). Bei langdauernder Anwendung an Neugeborenen kann eine Hyperbilirubinämie entstehen. Kontraindikationen Schwere Leber- und Nierenschäden, schwere Herz- und Kreislaufschwäche, Schwangerschaft und Stillzeit, Cumarinbehandlung, obstruktives Schlafapnoesyndrom. Chronische Anwendung führt zu Abhängigkeit.
1.11
Clonidin (Catapresan, Paracefan)
Chemie und Wirkungsweise Das Imidazolin-Deri-
vat Clonidin dringt aufgrund seiner hohen Lipophilie rasch ins ZNS ein und unterdrückt dort sympathische Impulse. Darüber hinaus stimuliert es periphere präsynaptische α2-Adrenozeptoren mit der Folge einer Hemmung der Noradrenalinausschüttung. Ein weiterer Wirkmechanismus wird über eine agonistische Wirkung an Imidazolinrezeptoren vermutet, die ebenfalls sympathische Impulse reduziert. Es senkt den Blutdruck (nach intravenöser Applikation kommt es vorübergehend zu einem initialen Blutdruckanstieg).
1
Klinische Wirkung Clonidin wird als Antihyperto-
nikum und zur Behandlung des opioidbedingten Entzugssyndroms, ferner als Sedativum bei der Prämedikation und Langzeitsedierung sowie zur Behandlung des postoperativen Kältezitterns eingesetzt. Pharmakokinetik Clonidin wird zu 20–30% hepatisch, 65% werden unverändert renal eliminiert. Die Wirkung tritt 5–10 min nach i.v.-Gabe ein. Die Halbwertszeit beträgt 10 h. Das Medikament kann intramuskulär, intravenös, subkutan und peridural appliziert werden. Unerwünschte Wirkungen Unerwünscht sind der initiale Blutdruckanstieg, Bradykardie, Mundtrockenheit, Obstipation, orthostatische Dysregulation, Ödeme. Bei plötzlichem Absetzen besteht die Gefahr eines Reboundphänomens mit überschießendem Blutdruckanstieg
1.12
Opioidanalgetika
1.12.1
Morphin
Klinische Wirksamkeit Morphin ist stark analgetisch wirksam. In der Substanzgruppe der Opioide ist es die Referenzsubstanz: Morphin hat die Wirkungsstärke 1; Opioide, die stärker wirken als Morphin haben eine Wirkungsstärke über 1, Opioide, die schwächer wirksam sind, haben eine Wirkungsstärke unter 1 (. Tabelle 1.3). Indikation Dazu zählen in erster Linie:
4 die chronische Schmerztherapie (7 Kap. 42), 4 die Analgesie und Sedierung bei Myokardinfarkt, 4 das Lungenödem: Die morphinbedingte Histaminausschüttung führt zu einer Vorlastverminderung und damit zu einer akuten Entlastung im Lungenödem, gleichzeitig führt die Sedation zu einer subjektiven Linderung der Atemnot. Pharmakokinetik Morphin ist schlecht lipidlöslich, sein hoher First-pass-Effekt (30%) vermindert seine Bioverfügbarkeit nach oraler Applikation und macht eine Verdreifachung der oralen Dosis notwendig,
40
1
Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
. Tabelle 1.3. Opioide: Klinische Indikationen, Wirkbeginn und -dauer, relative Wirkungsstärke
Rezeptoraktivität
Klinische Indikation
Wirkbeginn i.v.a
Wirkdauer i.v.
relative Wirkungsstärke
Morphin
µ
BA PS/ST
30 sec
2–4 h
1
Piritramid
µ
BA PS
10 min
3–6 h
0,7
Pethidin
µ
PS
15 min
2–3 h
0,1
Fentanyl
µ
TIVA/BA ST
2 min
20 min
100
Alfentanil
µ
TIVA/BA
60 sec
10 min
30
Sufentanil
µ
TIVA/BA
60 sec
15 min
700
b
250
Remifentanil
µ
TIVA/BA
keine Bolusgabe
5 min
Tramadol
µ
PS/ST
10 min
2–4 h
0,1
Pentazocin
κ
PS/ST
60 sec
2–4 h
0,4
Nalbuphin
κ
PS/ST
10 min
1–3 h
0,5
Buprenorphin
µ-Partialantagonist
ST
–
6–8 h
50
TIVA total intravenöse Anästhesie, BA »balanced anaesthesia«, PS postoperative Schmerztherapie, ST Schmerztherapie Bei klinisch üblicher Dosierung, b nach Abstellen des Perfusors.
a
um den gleichen Effekt wie eine entsprechende intravenöse Dosierung zu erreichen. Morphin wird in der Leber glucuronidiert; die Metabolite können eine Eigenwirkung haben, abhängig von ihrer sterischen Konformation. Das Morphin-6-Glukuronid hat agonistische Wirkung wie das Morphin selbst. Bei Niereninsuffizienz kann die Akkumulation von Morphin-6-Glukuronid zu morphinartigen unerwünschten Wirkungen führen. Applikationsformen sind:
4 i.v., epidural für postoperative Analgesie, 4 p.o., s.c., epidural und intrathekal und rektal in der Schmerztherapie.
4 4 4 4 4 4
Dosierung . Tabelle 1.4.
fürchten! Frühe Atemdepression nach 30 min, cave: nach epiduraler Gabe späte Atemdepression bis zu 24 h! möglich), Kreislaufdepression; Blutdruckabfall, insbesondere bei Hypovolämie, Histaminausschüttung: Pruritus, Urtikaria, Hautrötung, bei Asthmatikern Bronchospasmus, spastische Obstipation bei Langzeitanwendung: durch Tonussteigerung der glatten Muskulatur (prophylaktische Laxanziengabe), Konstriktion der Sphinkteren im Bereich der Gallenwege, Harnretention durch Tonuserhöhung der Harnblasenmuskulatur und des Blasenschließmuskels, Thoraxrigidität/Anstieg des Bronchialwiderstandes: Bronchokonstriktion.
Unerwünschte Wirkungen können sein:
Kontraindikation sind:
4 Übelkeit, Erbrechen, Müdigkeit nur inital, 4 Atemdepression (auch bei epiduraler und intrathekaler Gabe ist eine Atemdepression zu be-
4 absolut: 5 Gallenkolik, 5 Asthma bronchiale;
Balanced anaesthesia
–
–
0,1 mg/kg
1–5 µg/kg
10–30 µg/kg
0,2–0,4 µg/kg
–
–
–
–
–
Dosierung
Morphin
Pethidin
Piritramid
Fentanyl
Alfentanil
Sufentanil
Remifentanil
Pentazocin
Nalbuphin
Tramadol
Buprenophin
–
–
–
–
0,2–1 µg/kg/min
0,5–1,5 µg/kg/h
20–60 µg/kg/h
1–5 µg/kg
–
–
–
i.v. TIVA
–
–
–
–
–
–
–
5–10 µg/kg
–
–
–
i.v. NLA
3 µg/kg
1 mg/kg
0,1–0,25 mg/kg
0,5 mg/kg
–
–
–
–
0,05–0,2 mg/kg
1 mg/kg
–
Postoperative Schmerztherapie i.v.
. Tabelle 1.4. Opioide: Dosierungen zu unterschiedlichen Indikationen
–
–
–
–
–
1 µg/kg/h
–
5 µg/kg/h
–
–
–
Analgosedierung Intensivstation
–
–
–
–
–
10–20 µg
–
0,05–0,1 mg
–
–
50 µg/kg
peridural
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
20 µg/kg
Spinal u. intrathekal
–
–
–
–
–
–
–
–
–
0,5–2 mg/kg
10–60 mg
p.o.
–
–
–
–
–
–
7 Kap. 44.1.2
–
–
–
transdermal
1.12 · Opioidanalgetika 41
1
42
1
Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
4 relativ: 5 Hypothyreose, 5 Colitis ulcerosa, 5 Pankreatitis.
13 ml/kg min. Etwa 75% der Dosis werden innerhalb von 24 h ausgeschieden. Nur ein geringer Anteil (10%) wird unverändert über die Nieren ausgeschieden. Nebenwirkungen können sein:
1.12.2
Fentanyl
Klinische Wirkungsweise Hochpotentes Opioid, das 100-mal stärker wirkt als Morphin. Indikationen für Fentanyl sind:
4 die »balanced anaesthesia« als Ergänzung der Inhalationsnarkotika, die nur eine schwach ausgeprägte analgetische Potenz besitzen, 4 die TIVA/IVA als Ergänzung zu Propofol, 4 die Langzeitanalgosedierung als Ergänzung zu Midazolam oder Propofol. Fentanyl kann: 4 i.v. zu Anästhesiezwecken und zur Langzeitsedierung, 4 peridural zur postoperativen Schmerztherapie und 4 transdermal zur chronischen Schmerztherapie eingesetzt werden (. Tabellen 1.3 und 1.4). Wirkbeginn ist nach i.v.-Gabe innerhalb von 2– 3 min zu erwarten, sie hält 15–20 min an, dann muss nachinjiziert werden (z. B. bei der klassischen NLA; bei der »balanced anaesthesia« nur nach Bedarf, d. h. bei schmerzbedingten, intraoperativen Kreislaufveränderungen: HF ↑, RR ↑). Die Bolusdosierung beträgt bei 4 »balanced anaesthesia« 0,1–0,3 mg beim Erwachsenen, 4 bei Langzeitanalgosedierung: 0,3–0,5 mg als Bolusapplikation, dann kontinuierliche Zufuhr von 0,04–0,4 µg/kg/h. Die peridural applizierte Dosis beträgt: 0,05–0,1 mg, die transdermale Schmerztherapie 7 Kap. 44.1.2. Pharmakokinetik Nach intravenöser Gabe fallen die
Plasmakonzentrationen von Fentanyl rasch ab. Die Verteilung erfolgt in 3 Phasen mit Halbwertszeiten von 1 min, 15 min und 6 h. Fentanyl wird zu 80–85% an Plasmaproteine gebunden. Der Abbau von Fentanyl erfolgt in der Leber durch oxidative N-Desalkylierung. Die Clearance beträgt
4 sehr häufig: Benommenheit, Schwindel, erhöhter Hirndruck, Miosis, Blutdruckabfall, periphere Vasodilatation, Übelkeit, Erbrechen, Muskelrigidität (besonders Thoraxsteife), 4 häufig: Überempfindlichkeitsreaktionen mit Schwitzen, Pruritus, Urtikaria, Verwirrtheit, zentrale Dämpfung, Sehstörungen, Herzrhythmusstörungen, orthostatische Regulationsstörungen, vorübergehender Atemstillstand, postoperative Atemdepression, Verstopfung, Harnretention, 4 selten: Konvulsionen, schwere Bradykardie bis zum Herzstillstand, Hyperkapnie, Laryngospasmus, schwere Atemdepression, Muskelzuckungen, 4 sehr selten: Bronchospasmus, Lungenödem. Kontraindikationen sind:
4 gleichzeitige Behandlung mit MAO-Hemmern oder innerhalb von 2 Wochen nach Beendigung der Anwendung von MAO-Hemmern, 4 erhöhter intrakranialer Druck, Schädel-HirnTrauma, Hypovolämie und Hypotension, Myasthenia gravis.
1.12.3
Alfentanil (Rapifen)
Klinische Wirksamkeit und Indikation Alfentanil
wirkt 1/3- bis 1/4-mal so stark wie Fentanyl. Der Wirkungseintritt ist schon nach 1 min festzustellen, die Wirkdauer ist 5 (–10) min (. Tabellen 1.3 und 1.4). Alfentanil hat sich einen Indikationsbereich geschaffen als 4 Komponente einer TIVA zu Kurzzeiteingriffen (z. B. Abrasio), 4 Komponente der »balanced anaesthesia« bei kurzdauernden Eingriffen, 4 und als Mittel zur »On-top-Analgesie« (darunter versteht man die Gabe von Alfentanil am Ende einer langen Narkose, die mit Fentanyl geführt wurde und bei der am Ende noch ein Opioidbedarf besteht. Hier kann es angebracht sein, statt Fentanyl das kürzer wirksame Alfentanil »on top« zu geben).
43 1.12 · Opioidanalgetika
Pharmakokinetik Alfentanil wird in der Leber me-
tabolisiert, die Metaboliten sind pharmakologisch inaktiv und werden zu 70–80% über die Niere ausgeschieden. Nur 1% unverändertes Alfentanil wird im Urin wiedergefunden. Wenn bei Infusionsanwendung das Steady State erreicht ist, bleibt die Eliminationshalbwertzeit unverändert.
1
4 Opioid zur epiduralen Applikation als Adjuvans zu epidural verabreichtem Bupivacain während der Wehen und vaginalen Entbindung und bei postoperativen Schmerzen. Pharmakokinetik 92% von Sufentanil werden in der Leber durch Dealkylierung abgebaut, der Rest unverändert über die Niere ausgeschieden.
Nebenwirkungen Unerwünschte Wirkungen wie
bei Fentanyl. Zur Vermeidung von Bradykardien wird eine obligatorische Gabe von Atropin (0,25–0,5 mg) am besten 3 min vor Alfentanil-Gabe vorgeschlagen. Die Thoraxrigidität kann mit folgenden Maßnahmen reduziert werden: Bei niedrigen Dosen Alfentanil ist die langsame i.v.-Gabe ausreichend. Prämedikation von Benzodiazepinen vermindert, Verabreichung von Muskelrelaxanzien direkt vor Alfentanil-Gabe verhindert das Auftreten von Thoraxrigidität.
1.12.4
Sufentanil
Unerwünschte Wirkungen Die unerwünschten Wirkungen entsprechen denen bei Fentanyl und Alfentanil.
1.12.5
Remifentanil (Ultiva)
Wirkungsweise Die Wirkung setzt nach 1–2 min
ein und hält ca. 3–4 min an. Dies bedingt die gute Steuerbarkeit. Indikationsbereiche sind die analgetische Kompo-
nente bei einer TIVA oder »balanced anaesthesia«, ausschließlich per i.v.-Gabe.
Darreichungsformen Sufenta epidural, Sufenta mite
10, Sufentanil 10 µg/2 ml, 50 µg/10 ml Curamed, Sufentanil 250 µg/5 ml, 1000 µg/20 ml Curamed, Sufentanil-ratiopharm (0,005 mg/ml), Sufentanilratiopharm (0,05 mg/ml). Chemie und Wirkungsweise 7-bis 10-mal stärkere
Wirkung als Fentanyl oder Remifentanil. Die Wirkung setzt nach 2–3 min ein. Über die analgetische Wirkung hat Sufentanil noch eine hypnotische Komponente, die es als hervorragendes Opioid für die intraoperative Phase mit leichtem analgetischen und hypnotischen Überhang in die postoperative Phase werden lässt. Auch als analgetische Komponente für die Langzeitsedierung bietet sich Sufentanil an; auf ein Sedativum/Hypnotikum kann man jedoch zusätzlich nicht verzichten. Indikationen Die Gabe von Sufentanil (. Tabellen 1.3 und 1.4) als
4 analgetische Komponente einer TIVA (Dosis 0,5–1,5 μg/kg/h), 4 analgetische Komponente einer »balanced anaesthesia«: Dosierung: initial 0,7–2,0 μg/kg, Repetitionsdosis 0,15–0,7 μg/kg KG,
Pharmakokinetik Remifentanil hat eine Plasmaei-
weißbindung von 70%. Remifentanil wird zu 80% extrahepatisch durch unspezifische Blut- und Gewebeesterasen abgebaut. Es entstehen pharmakologisch nicht wirksame Metabolite. Deshalb gibt es auch keine Abhängigkeit von der Leberfunktion oder der Pseudocholinesterase mit ihren genetischen Varianten. Die effektive Eliminationshalbwertzeit beträgt 3–10 min.
Wichtig
Ein Rebound-Phänomen im Sinne einer Remorphinisierung ist deshalb ausgeschlossen. Wegen des raschen und vollständigen Wirkungsverlustes kurz nach Beendigung der kontinuierlichen Zufuhr mit der Folge schwerster Schmerzen in Abhängigkeit vom Narkoseverfahren ist mit der postoperativen Schmerztherapie rechtzeitig, d. h. schon intraoperativ zu beginnen.
44
1
Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
Unerwünschte Wirkungen Remifentanil besitzt die
Indikationen Diese ergeben sich in der
gleichen unerwünschten Wirkungen wie Fentanyl und die anderen i.v.-Opioidanästhetika. Besonders ausgeprägt ist die Thoraxrigidität.
4 postoperativen Schmerztherapie: i.v.-Dosierung: 0,05–0,2 mg/kg: patientenkontrollierte Analgesie (PCA, 7 Kap. 17.3): 20 μg/kg KG/Bolus 4 intraoperativen Schmerztherapie (selten); dazu wird Piritramid bereits bei Operationsbeginn in einer hohen Dosierung, z. B. 0,2 mg/kg adjuvant zur Inhalationsanästhesie gegeben im Sinne einer »balanced anaesthesia«. In der postoperativen Phase ist dann bereits eine Basisanalgesie vorhanden, auf die nur noch ein »top up« im Sinne einer erneuten, dann niedrigeren PiritramidGabe notwendig ist.
1.12.6
Pethidin (Dolantin)
Klinische Wirkung und Indikation Pethidin ist ein reiner µ-Agonist. Seine analgetische Wirkungsstärke beträgt nur 20% von Morphin. Indikationen bestehen in der Therapie akuter Schmerzen und zur Therapie des postoperativen Shiverings (Kältezittern nach Narkose). Pethidin ist weniger spasmogen als Morphin. Aufgrund des Nebenwirkungsspektrums (z. B. häufiges Erbrechen) findet Pethidin (Dolantin) nur noch selten Anwendung. Mit einem Wirkungsbeginn von Pethidin ist nach 15 min zu rechnen, die Wirkdauer ist auf 2–4 h begrenzt (. Tabellen 1.3 und 1.4). Pharmakokinetik und Nebenwirkungen Pethidin
wird hauptsächlich zu Norpethidin abgebaut, das konvulsive Eigenschaften besitzt. Norpethidin wird über die Nieren ausgeschieden. Eine Niereninsuffizienz kann zu einer Kumulation von Norpethidin führen: Dadurch können Krämpfe ausgelöst werden. Die Halbwertszeit von Pethidin beträgt 3–7 h.
Piritramid ist in Deutschland das meist verwandte Opioid in der postoperativen Phase (in allen anderen Ländern ist das Medikament nicht zugelassen und deshalb unbekannt). Pharmakokinetik Piritramid wird überwiegend in
der Leber abgebaut und zusammen mit seinen Metaboliten größtenteils mit den Fäzes ausgeschieden.
1.12.8
Tramadol
Darreichungsformen z. B. Tramadol STADA Saft, ·Tramal,·Tramadol STADA 50 mg Tabs.
Unerwünschte Wirkungen Sie gleichen denen anderer Opioide; auffällig ist die hohe Rate an hypotensiven Kreislaufreaktionen und Tachykardie, aber auch an Bradykardie und Erbrechen.
Wirkungsweise Tramadol ist ein schwacher µ-Agonist. Deshalb ist es nur bei schwachen Schmerzen indiziert. Die Dosis beträgt bei i.v.-Gabe 0,5–1,5 mg/kg. Die Wirkung setzt nach 10 min ein und hält 2– 4 h an.
Piritramid (Dipidolor)
Pharmakokinetik und unerwünschte Wirkungen
1.12.7
Klinische Wirkungsweise und Indikation Es handelt
sich um einen reinen Opioidagonisten mit einer Wirkungsstärke, die etwas geringer ist als die des Morphins. Piritramid wirkt jedoch mit 4–8 h deutlich länger als Morphin und hat eine deutlich niedrigere Erbrechensinzidenz zur Folge. Der Wirkungseintritt ist nach 10 min zu erwarten (. Tabellen 1.3 und 1.4).
Die Halbwertszeit von Tramadol beträgt 6 h. Es wird zum Teil in der Leber abgebaut und zum größten Teil über die Niere ausgeschieden. Die Hemmung der an der Biotransformation von Tramadol beteiligten Isoenzyme CYP3A4 und CYP2D6 kann die Plasmakonzentration von Tramadol oder seines aktiven Metaboliten beeinflussen. Tramadol führt besonders bei höherer Dosierung häufig zu Übelkeit, Erbrechen und Schwitzen. Es kann zerebrale Krampfanfälle auslösen.
45 1.13 · Inhalationsnarkotika
1.12.9
Pentazocin (Fortral)
Klinische Wirksamkeit und Indikation Pentazocin
wirkt am κ-Rezeptor agonistisch und am µ-Rezeptor antagonistisch. Durch Naloxon kann die Wirkung von Pentazocin aufgehoben werden. Pentazocin wirkt stark analgetisch (ca. 1/3 der Wirkung des Morphins), sedierend, atemdepressiv und psychotomimetisch. Pentazocin hat etwa 1/50 der antagonistischen Eigenschaften des Naloxons. Da bei Kombination mit einem µ-Rezeptoragonisten mit einer Schmerzverstärkung gerechnet werden muss, ist eine solche Kombination obsolet. Indikation und Dosierung Indikationsbereich ist
die postoperative Analgesie bei schwachen bis mittelstarken Schmerzen. Dosierung ist 0,3–0,7 mg/kg intravenös. Wegen eines ausgeprägten Ceiling-Effekts ist eine Dosissteigerung nicht sinnvoll. Die Wirkung beginnt nach i.v.-Applikation nach 5 min, als Wirkdauer ist 3–5 h angegeben. Pharmakokinetik und unerwünschte Wirkung Die Halbwertszeit beträgt 2–5 h. Pentazocin wird über Oxidation und Glucuronidierung eliminiert, es entstehen keine pharmakologisch aktiven Metaboliten. Nach Gabe von Pentazocin kann es zu einem RR-Anstieg kommen. Die übrigen Nebenwirkungen entsprechen denen eines Opioids.
1.12.10 Buprenorphin Darreichungsformen Subutex, Temgesic, Transtec. Wirkungsweise und klinische Indikation Buprenorphin ist ein µ-Rezeptorpartialagonist und ein κ-Antagonist mit Ceiling-Effekt. Indikation besteht vor allem in der chronischen Schmerztherapie. Es ist bei i.v.-Gabe in etwa 40-mal stärker als Morphin wirksam; die Wirkung hält mit 6–8 h auch deutlich länger an. Buprenorphin ist als i.v./i.m.-Formulierung erhältlich, darüber hinaus stehen eine Sublingualtablette (besonders günstig bei Tumorpatienten) und ein transdermales Pflaster zur Verfügung. Pharmakokinetik und unerwünschte Wirkung Die Halbwertszeit von Buprenorphin nach i.v.- oder
1
i.m.-Gabe beträgt 3 h. Die Metabolisierung erfolgt in der Leber. Die Bioverfügbarkeit liegt nach sublingualer Applikation bei 50%. Das Nebenwirkungsprofil gleicht dem anderer starker Opioide. Die Buprenorphin-bedingte Atemdepression ist nur bedingt durch Naloxon beherrschbar. Wirksam ist Doxapram. Bei schwerer Atemdepression ist eine künstliche Beatmung notwendig.
1.13
Inhalationsnarkotika
Pharmakodynamische Vorbemerkungen
Die Wirkung der Inhalationsnarkotika wird heute molekular durch eine Hemmung der neuronalen Informationsübertragung erklärt (7 Kap. 1.1.2). Im klinischen Bereich gibt es die Möglichkeit, die Inhalationsnarkosen symptomatologisch vorgehend zu erklären (Guedel-Schema, . Abb. 1.26). Im Stadium I schwindet das Bewusstsein, der Patient hat von nun an eine anterograde Amnesie. Eine geringgradige Analgesie ist vorhanden; Reflexe, Atmung und Herzkreislauf sind in ihrer Funktion normal. Der kortikale Kontrollverlust führt im Stadium II zur Exzitation: Der Patient wird unruhig, der Muskeltonus nimmt zu, die Atmung ist unruhig, Reflexe sind – teilweise verstärkt – vorhanden. Die Pupillen sind weit. Dieses Exzitationsstadium ist auf die kortikale Enthemmung und auf die dann unkontrollierte Aktivität von Reflexzentren im Mittelhirn zurückzuführen. Mit zunehmender Narkosetiefe wird Stadium III erreicht. Dieses ist gekennzeichnet durch stufenweise Abnahme der Reflextätigkeit, des Muskeltonus und der Atemtätigkeit sowie durch Zunahme der Pupillenweite. Ab Stadium III-1 toleriert der Patient kleinere Eingriffe. Für größere Eingriffe (Eröffnung des Abdomens, des Thorax, schmerzhafte Eingriffe an den Extremitäten) ist Stadium III-3 notwendig. Stadium III ist auf eine zunehmende Lähmung der Mittelhirnzentren zurückzuführen. Stadium IV der Inhalationsnarkose ist gekennzeichnet durch Sistieren der Atemtätigkeit, Kreislaufdepression und maximal geweitete Pupillen. Es entspricht symptomatologisch dem Bulbärhirnsyndrom (7 Kap. 27.1.3); alle vegetativen Zentren sind ausgeschaltet. Stadium IV ist ein lebensbedrohlicher Zustand, der auf alle Fälle vermieden werden muss!
46
. Abb. 1.26. Stadien der Äthernarkosen (nach Guedel)
Atmung
Augen
Muskeltonus
Pupillen
Zwerchfell
Lid Bindehaut Hornhaut Licht Husten Schlucken Sekretion Skelett-M. Abdominal-M. Glatte M.
Reflexe
Stadien Thorax
1
Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
I Analgesie II Exzitation 1. Stufe
2. Stufe
III Toleranz 3. Stufe
4. Stufe
IV Asphyxie
Diese Stadienabfolge der Inhalationsnarkose wurde von Guedel bei der Äthernarkose beschrieben und gilt streng genommen auch nur für diese Narkoseform. Im Zeitalter der »balanced anaesthesia« sieht man diese klassische Abfolge nur noch selten (z. B. bei der Maskennarkoseeinleitung unprämedizierter Säuglinge). Wichtig
Die Inhalationsnarkose muss symptomatologisch als eine unspezifische reversible Unterdrückung der Hirnfunktionsleistungen gewertet werden, die stadienhaft zuerst Großhirn, dann Mittelhirn und danach den Hirnstamm betrifft.
1.13.1
Lachgas
N2O, Stickoxydul Chemie Chemische Eigenschaften von Lachgas sind:
4 4 4 4
farb- und geruchloses Gas, Stickoxydul brennt und explodiert nicht, Lieferung in Stahlgasflaschen (Kennfarbe: grau), keine Reaktion mit Metallen, Kalkabsorbern und Gummi.
Chemisch-physikalische Charakteristika (. Tabelle 1.5). Niedriger Blut/Gas-Koeffizient bedeutet ein
schnelles Anfluten, niedriger Öl/Gaskoeffizient bedeutet eine geringe narkotische Wirksamkeit. Wirkungsprofil Lachgas hat eine
Beim Abfluten des Narkotikums werden die einzelnen Zentren wieder in der umgekehrten Reihenfolge aktiv.
4 gute analgetische, 4 schlechte hypnotische Wirkung (Bewusstlosigkeit tritt erst ab einem Anteil von 85% in der Einatmungsluft ein; dies würde für den Patienten aber Hypoxie bedeuten!) und 4 keine muskelrelaxierende Wirkung.
1
47 1.13 · Inhalationsnarkotika
. Tabelle 1.5. Physikalische Eigenschaften und Metabolisierung (nach Scholz)
Blut/Gas-Verteilungskoeffizient
Gehirn/Blut-Verteilungskoeffizient
Dampfdruck bei 20 °C
MAK [Vol %]
Metabolisierungsrate [%]
Lachgas
0,468
1,1
–
110
–
Halothan
2,4
2,9
244
0,75
20
Enfluran
1,8
1,4
172
2
2
Isofluran
1,4
2,6
240
1,15
0,2
Sevofluran
0,65
1,7
160
2
3–5
Desfluran
0,45
1,3
669
6
0,02
Pharmakokinetische Daten Lachgas flutet rasch an, der Partialdruckausgleich ist schnell erreicht. Die Wirkung ist bereits nach 2–4 min nachweisbar. Lachgas fördert die Aufnahme anderer Gase (»second gas effect«, 7 Kap. 1.2.1). Blut-Gas-Koeffizient 12,1. Das Abfluten von Lachgas erfolgt ebenfalls rasch. In den Alveolen entsteht eine hohe Lachgaskonzentration, der PaO2 nimmt ab (Diffusionshypoxie, 7 Kap. 1.2.1). Wichtig
Die Diffusionshypoxie tritt regelmäßig nach Lachgasapplikation auf und macht nach Abstellen der Lachgaszufuhr die Inhalation von 100% Sauerstoff erforderlich.
Unerwünschte Wirkungen können sein:
4 Gehirn: Im Gehirn kommt es zu einer mäßigen Hirndruckerhöhung, was sich bei Patienten mit eingeschränkter zerebraler Compliance (7 Kap. 1.3) negativ auswirken kann. Deshalb: Lachgas ist kontraindiziert bei Patienten mit Zeichen eines erhöhten intrakraniellen Drucks (ICP)! 4 Herzkreislauf: Geringgradige Myokarddepression, geringgradige periphere Vasokonstriktion, Erhöhung des pulmonal-arteriellen Drucks. Klinisch ist dies bei Patienten ohne dekompensierte Herzfehler und ohne erhöhten pulmonal-arteriellen Druck unbedeutend. 4 Atmung: Keine Atemdepression, keine Steigerung der Sekretproduktion, Verminderung
der pharyngealen und laryngealen Reflextätigkeit. 4 Bei der Langzeitanwendung über 6 h: Gefahr einer Depression des Knochenmarks (Leukopenie, Thrombozytopenie). 4 Diffusion in Hohlorgane und Hohlräume: Lachgas sammelt sich in Hohlorganen und iatrogen geschaffenen Hohlräumen an. Dies macht sich auf unterschiedliche Weise bemerkbar: 5 Lachgas diffundiert in die Paukenhöhle, drückt das Trommelfell nach vorne und erschwert auf diese Weise Tympanoplastiken (Operationen im Mittelohr; bei Operateuren, die sehr geübt in Tympanoplastiken sind, spielt dieser Effekt jedoch keine Rolle); 5 Lachgas diffundiert in den Darm. Man sollte bei Ileus auf Lachgas verzichten oder den Lachgasanteil in der Inspirationsluft auf 50% begrenzen! 5 beim Pneumothorax: Diffusion von Lachgas in den Pleuraspalt, Zunahme des Pneumothorax (Spannungspneumothorax) mit möglicher Mediastinalverlagerung unter Beatmung mit einem Sauerstoff/Lachgas-Gemisch! 5 Die Diffusion von Lachgas in die Tubusmanschette (Cuff, . Abb.7.6, Kap. 7.1.3) kann zu einer Druckerhöhung im Cuff und zu einer Druckschädigung an der Trachealschleimhaut führen. Deshalb sollte man den Druck in der Manschette routinemäßig überprüfen und, wenn nötig, Druck ablassen.
48
1
Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
Indikation Lachgas wird heute in vielen Kliniken für
entbehrlich gehalten und nicht mehr benutzt. Wird es dennoch angewandt, dann wird es dem Sauerstoff im Inspirationsgas beigemischt. Die Gründe für den zunehmenden Verzicht auf Lachgas sind: Patienten sind postoperativ schneller bewusstseinsklar, erbrechen weniger, keine Diffusionshypoxie.
1.13.2 Halothan (Fluothane) Chemisch-physikalische Charakteristika (. Tabelle1.5): Halothan ist ein Brom-Chlor-Trifluorkohlen-
wasserstoff; es ist eine farblose, klare Flüssigkeit, die unter Licht und Wärmeeinwirkung in Halogensäure, freie Halogenderivate und Fluor zerfällt. Deshalb muss es vor Licht und Wärme geschützt werden. Nicht brennbar, nicht explosiv. Wirkungsprofil
4 gute narkotische Wirkung, 4 schwache analgetische Wirkung, 4 schwache muskelrelaxierende Wirkung. Zu den erwünschten Wirkungen von Halothan auf die Organfunktion zählt, dass die Bronchialmuskulatur dilatiert. Dies kann man sich therapeutisch während der Narkose beim Asthmatiker und chronischen Emphysembronchitiker zunutze machen. Halothan ist ein Medikament, das nach den Vorschriften des Arzneimittelgesetzes hätte nachzugelassen werden müssen. Dies ist aus wirtschaftlichen Gründen nicht erfolgt. Insofern hat Halothan in Deutschland seine Zulassung verloren. Sollte man es noch benutzen wollen, so kann man es über die internationale Apotheke bestellen, muss jedoch jeden Patienten, dem man Halothan gibt, aus formaljuristischen Gründen dokumentieren. Insofern hat Halothan heute praktisch keine Bedeutung mehr. Pharmakokinetische Daten Wegen des hohen BlutGas-Koeffizienten flutet Halothan relativ langsam an, wegen des hohen Gehirn-Blut-Verteilungskoeffizienten hat es eine gute narkotische Wirkung. Halothan wird zu 20% von der Leber abgebaut. Abbauprodukte sind Trifluoressigsäure, Chlorid und Brom. Die muskelrelaxierende Wirkung von Halothan und Muskelrelaxanzien addieren sich. Wegen der
halothanbedingten verminderten Leberdurchblutung (15%) kann die hepatische Clearance anderer Medikamente vermindert sein. Gleiches gilt auch für nierenpflichtige Medikamente (Verminderung der Nierendurchblutung um 20–40%). Unerwünschte Wirkungen können sein:
4 Atmung: Halothan führt zu einer Bronchialsekretionssteigerung und zur Atemdepression ab Stadium III-2. Charakterisiert ist diese Atemdepression durch eine Abnahme von Atemfrequenz, Atemzugvolumen, paCO2-Anstieg (bei inspiratorischer Konzentration von 1%:20 mmHg) und paO2-Abfall. Eine assistierte oder kontrollierte Beatmung ist notwendig. 4 Herzkreislauf: Halothan bewirkt eine Abnahme der Inotropie des Herzens. Ursache dieser verminderten Spannungsentwicklung ist eine Hemmung der kalziumabhängigen ATP-asen (7 Kap. 1.3). Es kommt zu einem verminderten Herzzeitvolumen und zu einer Verminderung des myokardialen Sauerstoffverbrauchs. Dem geringeren Sauerstoffverbrauch steht gleichzeitig aufgrund der reduzierten koronaren Durchblutung auch ein vermindertes Sauerstoffangebot gegenüber. Insgesamt ist die myokardiale Sauerstoffbilanz deshalb ausgeglichen. Die Wirkung von Halothan auf die Reizbildung und Reizleitung im Herzen ist beträchtlich: Halothan dämpft die Aktivität des Sinusknotens. AV-Knoten-Rhythmen können die Schrittmacherfunktion übernehmen. Diese recht häufigen Rhythmusstörungen zwingen jedoch nicht zur therapeutischen Intervention. Die effektive Refraktärzeit wird verkürzt, ventrikuläre Extrasystolen sind die Folgen. Es besteht zudem eine gesteigerte Arrhythmiebereitschaft gegenüber Katecholaminen. Eine Adrenalin-Applikation bei Halothan-Narkosen verbietet sich. Ventrikuläre Extrasystolen bedürfen erst bei hämodynamischen Folgen (Blutdruckabfall) einer Therapie (z. B. Lidocain 1 mg/kg als Bolus). Der periphere Gefäßwiderstand ist infolge der direkten Wirkung von Halothan auf die glatte Muskulatur vermindert. Dies führt zu einem meist mäßigen, konzentrationsabhängigen Blutdruckabfall.
49 1.13 · Inhalationsnarkotika
Halothan Br F
F
Enfluran F F
Isofluran F Cl F
F
Desfluran F F
Sevofluran F
H C C F Cl C C O C H F C C O C H F C C O C H F C Cl F
H F
F
F H
F
F H
F
1
F
F
H C O C H F C
F H
F . Abb. 1.27. Chemische Strukturformel von Halothan, Enfluran, Desfluran und Sevofluran. Desfluran gehört wie Enfluran
und Isofluran zur Gruppe der Methylethyläther und Sevofluran zur Gruppe der Isopropyläther
4 Leber: Als Ursache möglicher Halothan-bedingter Leberschädigungen werden die genannten Mechanismen diskutiert (7 oben), hier seien nochmals die Stichworte angegeben: 5 Autoimmunologische Reaktion: Diese tritt besonders bei Frauen, bei Patienten über 40 Jahren, bei Patienten mit Adipositas und bei Patienten nach intraoperativer Hypoxie auf. 5 Metabolite: Beim Halothanabbau entsteht Trifluoressigsäure, die per se für eine Leberschädigung verantwortlich sein kann. 5 Freie Radikale: Sie entstehen bei der reduktiven Halothanmetabolisierung; sie stehen im Verdacht, die Leberzellmembran zu schädigen, sodass es dadurch zu Zellnekrosen mit Funktionsausfall kommen kann. 4 Niere: Halothan vermindert die Nierendurchblutung und die glomeruläre Filtration. Die Urinproduktion ist vermindert. 4 Uterus: Halothan hemmt die Uteruskontraktilität. Beim graviden Uterus kann es deshalb bei einer Sektio zu einer mangelhaften Uteruskontraktur und zu Nachblutungen kommen. Halothan sollte deshalb möglichst bei einer Sectio caesarea nicht oder nur in niedriger Dosierung (Steady-state-Konzentration 0,6–0,8%) verwendet werden. 4 Gehirn und Auge: Die Durchblutung des Gehirns nimmt zu, der zerebrovaskuläre Gefäßwiderstand ab, der Liquordruck steigt an. Halothan ist deshalb bei allen intrakraniellen Eingriffen kontraindiziert. Der Augeninnendruck fällt dagegen ab. 4 Fötus: Hinweise auf eine erhöhte Abortrate bei Anästhesistinnen und Anästhesieschwestern kamen bereits in den 60er-Jahren aus der UdSSR. Die Abortrate lag bei Anästhesistinnen mit einer
wöchentlichen Ätherexposition von 25 h bei 15%. In zahlreichen Studien wurde dies auch für die halogenierten Kohlenwasserstoffe überprüft. Sie ergaben kein klares Bild. In Deutschland ist deshalb Schwangeren der Aufenthalt im Operationssaal und im Aufwachraum verboten. 4 Maligne Hyperthermie: Halothan ist eine Triggersubstanz für eine maligne Hyperthermie (7 Kap. 11.2; . Abb. 1.27).
1.13.3
Enfluran (Ethrane)
Chemisch-physikalische Charakteristika (. Tabelle 1.5):
4 4 4 4
Chlor-Trifluoräthyldifluormethyläther, farblose klare Flüssigkeit, wärme- und lichtstabil, nicht explosiv, nicht entflammbar.
Wirkungsprofil
4 Gute hypnotische Wirkung, 4 schwache analgetische Wirkung, 4 gute muskelrelaxierende Wirkung. Enfluran flutet aufgrund der chemisch-physikalischen Charakteristika schnell an (5 min) und auch schnell wieder ab (5–10 min). Pharmakokinetik Die Metabolisierungsrate liegt bei 2%, der Rest wird wieder abgeatmet. Beim Abbau des Enflurans entstehen Fluoridionen als Metabolite. Potentiell kann es durch Metabolisierung zu toxischen Fluoridkonzentrationen kommen, sodass bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion Vorsicht angebracht ist.
50
1
Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
Unerwünschte Wirkungen
4 Atmung: Wie alle Inhalationsnarkotika wirkt Enfluran atemdepressiv. Auf die Bronchien wirkt Enfluran dilatatorisch, wenn auch in geringerem Ausmaß als Halothan. 4 Herz und Kreislauf: Enfluran führt über eine Vasodilatation zu einem Blutdruckabfall. Nicht selten werden insbesondere jüngere Patienten unter Enfluran-Anästhesie tachykard. Durch eine Verminderung der Kontraktilität wirkt Enfluran negativ inotrop, was den myokardialen Sauerstoffverbrauch senkt. Die myokardiale Sauerstoffbilanz ist ausgeglichen. Die katecholaminsensibilisierende Wirkung ist geringer als unter Halothan. 4 Zentralnervös: Enfluran wirkt in hohen inspiratorischen Konzentrationen (2–4%) und bei gleichzeitiger Hyperventilation exzitatorisch. Im EEG sind dann Krampfpotentialäquivalente ableitbar. Außerdem kommt es, sofern der Patient noch nicht relaxiert ist, zu Myoklonien und Dyskinesien, die sich als mimische Zuckungen und Muskelbewegungen in der Peripherie zeigen. Deshalb sollte man bei Patienten mit epileptischer Grunderkrankung mit der Anwendung von Enflurane zurückhaltend sein, insbesondere sollten hohe inspiratorische Konzentrationen und eine Hyperventilation vermieden werden. Aufgrund einer verstärkten Gehirndurchblutung kommt es zu einem Anstieg des intrakraniellen Drucks. 4 Leber: Leberzellnekrosen mit Leberversagen sind auch nach Enfluran beschrieben. Beim Enfluranabbau entsteht Trifluoressigsäure, die als Hapten zu einer autoimmunologischen Reaktion in der Leber führen kann. 4 Uterus: Enfluran wirkt auf die Uterusmuskulatur relaxierend ab einer inspiratorischen Narkosegaskonzentration von 0,8%. Bei einer Uterusatonie sollte deshalb eine i.v.-Anästhesie gewählt werden. 4 CO-Bildung im Absorber: Bei Enflurannarkosen kommt es zu einer CO-Produktion mit Werten von bis zu 4000 ppm. 4 Maligne Hyperthermie: Wie alle Inhalationsnarkotika ist auch Enfluran eine Triggersubstanz für die maligne Hyperthermie:
1.13.4
Isofluran (Forene)
Chemisch-physikalische Charakteristika (. Tabelle 1.5)
4 Chlor-Trifluoräthyldifluormethyläther (Isomer von Enfluran), 4 farblose, klare Flüssigkeit, 4 nicht explosiv und nicht entflammbar. Wirkungsprofil
4 Gute hypnotische Wirkung, 4 schwache analgetische Wirkung, 4 sehr gute muskelrelaxierende Wirkung. Pharmakokinetische Daten Aus dem Blut-Gas-Ko-
effizient ist eine raschere An- und Abflutungszeit abzuleiten, aus dem Gehirn-Blut-Verteilungskoeffizienten eine ähnliche Wirksamkeit wie bei Enfluran. Die Biotransformation liegt mit 0,2% um eine Zehnerpotenz unter der von Enfluran. Der MAC-Wert liegt bei 1,15 Vol%, wenn ausschließlich mit Sauerstoff beatmet wird, bei zusätzlicher Lachgasapplikation (70%) bei 0,5 Vol%. Wegen des raschen Abflutens sollte Isofluran erst kurz vor Operationsende abgestellt werden. Im klinischen Alltag sind die etwas kürzeren Zeiten für die Ein- und Ausleitung der Narkose ohne Bedeutung. Unerwünschte Wirkungen Sie beziehen sich auf das kardiozirkulatorische und respiratorische System. 4 Herz und Keislauf: Isofluran führt über eine periphere Vasodilatation zu einem Abfall des arteriellen Blutdruckes. Kompensatorisch steigt die Herzfrequenz an. Es wirkt nur geringgradig negativ inotrop. Das Herzminutenvolumen fällt bei herzgesunden Patienten leicht, bei Patienten mit eingeschränkter Ventrikelfunktion deutlich ab. Unter Isofluran kommt es zu einem verminderten myokardialen Sauerstoffverbrauch. Aufgrund eines starken vasodilatatorischen Effekts im koronaren Gefäßbett kann es zu einer Umverteilung des Blutes in das »gesunde« Myokard kommen, während es im Myokard, das über die stenosierten Koronarien versorgt wird, zu Sauerstoff- und Substratmangel kommen kann. Dies nennt man das »Coronary-steal-Phänomen«. Deshalb sollte Isofluran bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung (KHK) nur sehr vorsich-
51 1.13 · Inhalationsnarkotika
tig angewandt werden. Herzrhythmusstörungen löst Isofluran nicht aus. 4 Lunge: Hier ergeben sich keine Unterschiede zu den anderen Inhalationsnarkotika; wie sie wirkt auch Isofluran atemdepressiv. Als Ätherabkömmling hat Isofluran einen stechenden Geruch. Eine Maskennarkoseeinleitung mit Isofluran – zum Beispiel bei Kindern – ist häufig mit Husten, Laryngospasmus und Zyanose verbunden. Das verzögert häufig die Narkoseeinleitung und egalisiert den zu erwartenden Zeitgewinn durch das schnelle Anfluten. Man kann diese unerwünschten Wirkungen auf den Respirationstrakt dadurch abmildern, indem man nur langsam die inspiratorische Narkosegaskonzentration von 0,4 über 1,0 auf 2,0% erhöht. Diese schonende Maskennarkoseneinleitung schützt jedoch nicht in jedem Falle vor den genannten unerwünschten Wirkungen, sodass Isofluran in der Kinderanästhesie bislang noch keine weite Verbreitung gefunden hat. Wie Halothan und Enfluran, wenn auch etwas schwächer, wirkt auch Isofluran bronchodilatatorisch. 4 Leber und Niere: Auch nach Isoflurannarkosen kann es zu den autoimmunologischen Veränderungen der Leber im Sinne eines foudroyanten Leberversagens kommen. Auch nach IsofluranAnwendung entsteht im Körper, wenn auch in deutlich niedrigerer Konzentration, Trifluoressigsäure, die als Hapten einen autoimmunologischen Prozess triggern kann. Mehrere Fallberichte weisen auf diese Gefahr hin. Insbesondere kann es nach einer Halothansensibilisierung auch zu einem isofluranbedingten Leberversagen kommen (Kreuzimmunisierung). 4 Zerebrale Durchblutung: Im Gegensatz zum Halothan und Enfluran steigert Isofluran die intrakranielle Durchblutung und den intrakraniellen Druck nur minimal. Bei intrakraniellen Eingriffen kann, sobald die Kraniotomie vollzogen ist, die Narkose, wenn ein Inhalationsnarkotikum gewählt wird, am ehesten mit Isofluran weitergeführt werden. Dennoch gilt, dass auch Isofluran die zerebrale Durchblutung und damit den intrakraniellen Druck steigert und deshalb bei Patienten mit erhöhtem intrakraniellem Druck Vorsicht geboten ist.
1
4 Uterus: Auch Isofluran relaxiert den Uterus, sodass bei Uterusatonie eine intravenöse Narkoseführung gewählt werden soll. 4 Maligne Hyperthermie: Isofluran ist auch eine Triggersubstanz.
1.13.5
Sevofluran (Sevorane)
Chemisch-physikalische Charakteristika (. Tabelle 1.5)
4 Fluorierter Methyl-Isopropyläther, 4 farblose, klare Flüssigkeit, 4 nicht explosiv, nicht entflammbar. Wirkungsprofil
4 Gute hypnotisch-narkotische Wirkung, 4 geringe analgetische Wirksamkeit, 4 geringe Muskelrelaxation. Die MAC-Werte liegen bei 2 Vol%, bei Kindern bei 3 Vol%. Pharmakokinetik Der niedrige Blut-Gas-Verteilungskoeffizient garantiert ein schnelles An- und Abfluten, eine zügige Inhalationseinleitung ist beim Kind und beim Erwachsenen möglich. Es hat einen angenehmen Geruch und reizt im Gegensatz zu Enfluran und Isofluran nicht die Atemwege. Die Metabolisierungsrate ist höher als bei Isofluran und auch höher als bei Enfluran. Es entsteht keine Trifluoressigsäure. Die Metabolite sind Fluoride sowie Hexafluorisopropanol; Letzteres wird im hepatischen P450-System abgebaut und glukuronidiert ausgeschieden. Die als nephrotoxisch beschriebenen Fluoridspiegel können nach Sevofluran-Anästhesie erreicht werden, ohne jedoch klinisch nachweisbar je zu einem Nierenversagen geführt zu haben. Man sollte jedoch bei Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz Vorsicht walten lassen. 4 Herz und Kreislauf: Wie bei Isofluran hat Sevofluran kardioprotektive Effekte bei koronarer Herzkrankheit. Der Protektion liegt im Wesentlichen eine ischämische Konditionierung zugrunde, die auf dem Öffnen sarkolemmaler und mitochondrialer, ATP-abhängiger Kaliumkanäle beruht. Klinisch zeigt sich dies in besserer Kon-
52
1
Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
traktilität, hohem Herzzeitvolumen und niedrigem Troponin I als Hinweis auf eine besser erhaltene Zellintegrität. Ob sich dies auf Morbidität und Mortalität positiv auswirkt, müssen Studien noch beweisen. 4 Atmung: Sevofluran wirkt wie alle anderen Inhalationsnarkotika atemdepressiv. Über eine Relaxation der Bronchialmuskulatur hilft es, den bronchialen Widerstand wie bei Halothan, Enund Isofluran zu vermindern. 4 Zentralnervös: Sevofluran hat wie Enfluran ein exzitatorisches Potential. Krampfanfälle unter Sevoflurananästhesien sind beschrieben; Vorsicht bei Epileptikern. Die Gehirndurchblutung nach Sevoflurananästhesie wird gesteigert, insofern eignet sich auch Sevofluran nicht zur Anästhesie bei Patienten mit erhöhtem intrakraniellem Druck. 4 CO2-Absorber: Sevofluran reagiert mit dem CO2Absorber; bei dieser Reaktion entsteht Compound A. Dieses Degradationsprodukt wird ins Blut aufgenommen und zur Niere transportiert. Dort kann es zu Nierenfunktionsstörungen führen. Erhöhte Compound-A-Werte wurden zwar nach Sevofluran gemessen, Nierenschäden wurden jedoch selbst mit differenzierten Funktionstests nicht festgestellt. Möglicherweise schützt ein in den Nierenzellen des Menschen vorhandenes Enzym, die Betalyase, die menschliche Niere vor einer Schädigung durch Compound A, in dem es Compound A abbaut. Dennoch sollte man bei Patienten mit Nierenschädigung die notwendige Vorsicht bei der Anwendung von Sevofluran walten lassen. Die Reaktion von Sevofluran mit dem Atemkalk ist stark abhängig vom Frischgasfluss und dem Wassergehalt des Absorbers. Je niedriger der Frischgasfluss, desto stärker ist die Reaktion von Sevofluran mit dem CO2-Absorber. Deshalb sind in den USA Niedrigflussnarkosen unter 1 l/min mit Sevofluran nicht gestattet. Abhängig ist die Compound-A-Bildung auch von dem Wassergehalt des CO2-Absorbers (Wassergehalt normalerweise 14–18 g/l). Bei trockenem CO2-Absorber (unter 5 g/l) kommt es zu einer exzessiven Degradation von Sevofluran im CO2-Absorber: hohe Compound A-, B-, C-, D-
und E-Werte entstehen, die Absorbertemperatur steigt rapide bis auf Werte von 150 °C, den Patienten erreicht nur wenig Sevofluran, er schläft schlecht ein oder wacht schnell wieder auf. Berichte über ein thermisches Inhalationstrauma und eine starke Atemreizung sind erschienen (7 Kap. 1.3). 4 Leber: Leberzellnekrosen sind auch nach Sevofluran-Narkosen beschrieben. Der Entstehungsmechanismus ist ungeklärt. 4 Postoperative Unruhezustände: Nach Sevofluran-Narkosen kommt es insbesondere bei Kleinkindern gehäuft zu Unruhe. Die intraoperative Gabe von Clonidin hilft, diesen Unruhezuständen vorzubeugen. 4 Maligne Hyperthermie: Auch Sevofluran ist eine Triggersubstanz für eine maligne Hyperthermie (7 Kap. 11.2).
1.13.6
Desfluran (Suprane)
Physikalisch-chemische Charakteristika (. Tabelle 1.5) 4 Fluorierter Methyläther (ähnlich dem Isofluran, ein Chloridion ist gegen ein Fluoridion ausgetauscht), 4 stechender, unangenehmer Geruch, 4 farblose, klare Flüssigkeit, 4 nicht explosiv und nicht entflammbar.
Wirkungsprofil
4 Gute hypnotische Wirksamkeit, 4 schwache analgetische Wirkung, 4 geringe muskelrelaxierende Wirkung. Pharmakokinetik Desfluran flutet aufgrund seines
niedrigen Blut-Gas-Koeffizienten (ähnlich wie Lachgas) rasch an und ab. Dadurch ist Desfluran besser steuerbar als alle bisher besprochenen Ätherverbindungen und Halothan. Desfluran ist das am schwächsten wirkende Inhalationsnarkotikum. Deshalb liegt der MAC bei 6%, bei Kindern gar bei 9–12 Vol%. Für Desfluran mussten deshalb spezielle Verdampfer konstruiert werden! Desfluran wird praktisch nicht metabolisiert (0,02%).
53 1.14 · Muskelrelaxanzien
Unerwünschte Wirkungen
4 Atmung: Wie aller Inhalationsnarkotika wirkt Desfluran atemdepressiv. Darüber hinaus führt es zu erheblichen Atemwegsirritationen, wenn man die Narkose als Maskennarkose mit Desfluran einleitet: Wegen des stechenden Geruches entstehen in hoher Inzidenz Laryngospasmus, Hustenattacken und Zyanose. Deshalb muss eine Desfluran-Anästhesie immer intravenös eingeleitet werden. 4 Herz und Kreislauf: Die Wirkung auf Herz und Kreislauf ähneln denen des Isoflurans. Pointiert ist allerdings die Herzfrequenzsteigerung unter Desfluran! Leichter Blutdruckabfall, leichte negativ-inotrope Wirkung, Abfall des peripheren Widerstandes und insbesondere die beträchtliche Herzfrequenzsteigerung belasten die myokardiale Sauerstoffbilanz im Sinne einer Verschlechterung. Bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung sollte Desfluran nie als Mononarkotikum, sondern nur mit Opioidsupplementation angewandt werden. 4 Zentralnervös: Desfluran hat kein exzitatorisches Potential. Es führt über eine Gefäßdilatation zu einer vermehrten Durchblutung des Gehirns und sollte deshalb bei Patienten mit erhöhtem ICP sowie bei neurochirurgischen Operationen nicht eingesetzt werden. 4 Leber: Da Desfluran zur Trifluoressigsäure abgebaut wird, kann es auch zu einem fulminanten Leberversagen führen. Fallberichte darüber liegen vor. 4 Uterus: Auch hier unterscheidet sich Desfluran nicht von den Effekten anderer Inhalationsnarkotika: Cave: Uterusatonie! 4 Reaktion mit dem CO2-Absorber: Eine Degradation wie bei Sevofluran findet nicht statt. Die CO-Bildung kann jedoch beträchtlich sein (7 Kap. 1.3).
1.13.7
Xenon
Chemisch-physikalische Charakteristika
4 Farb-, geruch- und geschmackloses, nichtexplosives Edelgas, 4 inert und untoxisch.
1
Xenon ist auf der Erde nicht in großen Mengen verfügbar, sodass eine weite Verbreitung von Xenonanästhesien zur Zeit an der mangelnden Verfügbarkeit scheitert. Wirkungsprofil
4 Hervorragendes Narkotikum mit guter Analgesie, vergleichbar mit Lachgas, 4 kein muskelrelaxierender Effekt. Pharmakokinetik Der sehr niedrige, noch unter
Lachgas liegende Blut-Gas-Verteilungskoeffizient garantiert ein schnelles An- und Abfluten von Xenon. Wegen der geringen Verfügbarkeit muss man versuchen, das Edelgas aus der Exspirationsluft des Patienten wieder zurückzugewinnen. Xenon wird nicht metabolisiert. Unerwünschte Wirkungen Soweit bislang bekannt,
kommt es zu keinen hämodynamischen Veränderungen. Bedauerlicherweise muss der Sauerstoffanteil in der Einatmungsluft immer unter 30% liegen. Patienten mit beeinträchtigten Gasaustauschstörungen sind für Xenonnarkosen deshalb wenig geeignet.
1.14
Muskelrelaxanzien
Chemie und Wirkungsweise An ihrer Reaktion mit dem postsynaptischen Acetylcholinrezeptor lassen sich depolarisierende und nichtdepolarisierende (stabilisierende) Muskelrelaxanzien unterscheiden. Ein Vertreter der depolarisierenden Muskelrelaxanzien ist das Succinylcholin. Chemisch gesehen handelt es sich um eine Verbindung von zwei Acetylcholinmolekülen. Succinylcholin reagiert mit dem Rezeptor und führt, wie Acetylcholin, zu einer Depolarisation. Diese wird auf den Muskel übertragen, was klinisch an Muskelfaszikulationen am ganzen Körper nachweisbar ist. Die Acetylcholinesterase kann aber Succinylcholin nicht abbauen. Dies bewirken stattdessen die Pseudocholinesterasen im Blut, die eine hohe Abbaukapazität besitzen, sodass nur 10–15% des injizierten Succinylcholins die motorische Endplatte erreichen. Die Wirkung von Succinylcholin an der motorischen Endplatte wird dann durch Diffusion in die Extrazellulärflüssigkeit der Muskelfaser beendet. In der Zeit bis zum Abbau des Succinylcholins ist der Rezep-
54
1
Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
tor besetzt und kann nicht auf Acetylcholin reagieren, auch wenn dies weiterhin aus den präsynaptischen Vesikeln abgegeben wird: der Muskel ist gelähmt. Zu den nichtdepolarisierenden Muskelrelaxanzien zählen Tubocurarin, Alcuroniumchlorid, Pancuronium, Vecuronium, Rocuronium sowie Atracurium und Mivacurium. Diese nichtdepolarisierenden Muskelrelaxanzien besetzen den postsynaptischen Acetylcholinrezeptor, ohne die Endplattenmembran zu depolarisieren. Durch diese Hemmung wird die Erregungsüberleitung verhindert (kompetitive Hemmung). Zu einer Erregungsübertragung kommt es erst wieder, wenn das nichtdepolarisierende Muskelrelaxans abgebaut ist oder durch eine hohe Acetylcholinkonzentration aus der Rezeptorverbindung verdrängt wird. Eine Antagonisierung der nichtdepolarisierenden Muskelrelaxanzien kann erfolgen, indem durch Acetylcholinesterasehemmung die Konzentration von Acetylcholin am Rezeptor erhöht und dadurch das Muskelrelaxans verdrängt wird. Während nichtdepolarisierende Muskelrelaxanzien durch eine Hemmung der Acetylcholinesterase antagonisierbar sind (7 Kap. 1.15.3), gelingt dieses bei depolarisierenden Muskelrelaxanzien nicht, die Wirkung der Relaxanzien wird sogar verstärkt. Wirkungsverminderung:
4 bei den nichtdepolarisierenden Muskelrelaxanzien: 5 depolarisierende Muskelrelaxanzien (der Rezeptor ist bereits besetzt), 5 Cholinesterasehemmstoffe (sie erhöhen die Acetylcholinkonzentration am Rezeptor, sodass das nichtdepolarisierende Muskelrelaxanz verdrängt wird); 4 bei den depolarisierenden Muskelrelaxanzien: 5 nichtdepolarisierende Muskelrelaxanzien (sie besetzen den postsynaptischen Acetylcholinrezeptor und verhindern damit die Wirkung). Wirkungsverstärkung:
4 Bei den nichtdepolarisierenden Muskelrelaxanzien: 5 die Inhalationsnarkotika Halothan, Enfluran, Isofluran (die Wirkungsverstärkung nimmt in der genannten Reihenfolge zu), aber auch Sevofluran und Desfluran 5 erniedrigte Körpertemperatur;
4 bei den depolarisierenden Muskelrelaxanzien: 5 Cholinesterasehemmstoffe (sie hemmen auch den Abbau von Succinylcholin). Betroffen sind von den Muskelrelaxanzien nicht alle Muskeln zur gleichen Zeit: Zuerst werden die kleinen Muskeln von Augen, Fingern, Zehen und Kiefer gelähmt, danach folgen die Muskeln der Extremitäten, von Hals und Stamm, schließlich die Interkostalmuskeln und zuletzt das Zwerchfell. Succinylcholin überwindet in einem minimalen Prozentsatz die Plazenta, sodass bei der Anwendung bei einer Entbindung keine negativen Auswirkungen auf das Neugeborenen beobachtet wurden. Die nichtdepolarisierenden Muskelrelaxanzien passieren ebenfalls auch nur in Spuren die Plazenta und führen deshalb ebenfalls nicht zu einer Muskelrelaxation beim Neugeborenen. Kriterien für einen ausreichenden Muskeltonus nach Muskelrelaxation sind: 4 Kopf heben, Hände fest drücken können, 4 Exspirationsvolumen über 10ml/kg Körpergewicht; 4 normale Blutgase. Nicht ausreichend ist, wenn der Patient allein nur die Augen öffnen kann. Einen Muskelrelaxanzienüberhang erkennt man klinisch an: 4 hochfrequentem, flachem Atem, 4 Zyanose, 4 Tachykardie und Hypertonus (Stress), 4 Atemnotgefühl und 4 Unruhe des erwachenden Patienten. Indikationen zur Nachbeatmung sind: 4 ein Überhang nichtdepolarisierender Muskelrelaxanzien, wenn eine Kontraindikation zur Antagonisierung besteht (7 Kap. 12.1.1), 4 verlängerte Wirkung von Succinylcholin oder Mivacurim, wenn diese Muskelrelaxanzien nicht abgebaut werden (Pseudocholinesterasemangel). Pharmakokinetische Bemerkungen Bei Succinyl-
cholin spielt die Metabolisierung die ausschlaggebende Rolle. Sie ist abhängig vom Enzym Pseudocholinesterase.
55 1.14 · Muskelrelaxanzien
Bei den nichtdepolarisierenden Muskelrelaxanzien steht 4 bei Pancuronium, Alcuroniumchlorid die renale Ausscheidung und 4 beim Vecuroniumbromid die biliäre Exkretion im Vordergrund. Das Atracurium sowie das Cis-Atracurium werden organunabhängig über die Hoffmann-Elimination (7 Kap. 6.2), Mivacuricum über die Pseudocholinesterasen abgebaut.
1.14.1
Neuromuskuläres Monitoring
Definition Die mit dem neuromuskulären Monitoring bei nichtpolarisierenden Muskelrelaxanzien ermittelten Kenndaten »Anschlagzeit«, »Wirkdauer« und »Erholungsindex« dienen der Charakterisierung von Wirkungsbeginn und Wirkdauer von nichtdepolarisierenden Muskelrelaxanzien. Unter klinischen Bedingungen geben sie eine Einschätzung, ob die Wirkung der nichtpolarisierenden Muskelrelaxanzien – bezogen auf die durchgeführte Operation – noch ausreichend ist oder nicht. Die genannten Kenndaten des neuromuskulären Monitorings (Anschlagzeit, Wirkdauer, Erholungsindex) werden mit der Relaxometrie gewonnen. Bei der Relaxometrie bedient man sich der apparativen, elektrischen Stimulation des N. ulnaris und registriert die Kontraktionsantwort des M. adductor pollicis. Meist erfolgt die Reizung als Vierfachstimulation (»train of four«, TOF, Stimulation T1 bis T4). In Narkose – noch ohne Relaxation – wird die erste Vierfachstimulation durchgeführt und ergibt den Referenzwert (TOF-Quotient 1, d. h. T4 /T1 = 1oder 100%). Bei zunehmender Relaxation schwinden die Kontraktionsantworten nach Stimulation auf Null. Das TOF-Reizmuster erlaubt also eine semiquantitative Abschätzung der Relaxation im zeitlichen Verlauf. Zur Intubation ist meist die zweifache ED 95 notwendig. Unter der ED 95 versteht man die Dosis, die notwendig ist, um 95% der neuromuskulären Erregungsübertragung zu blockieren. Folgende Werte sind für die Charakterisierung der Muskelrelaxanzien von Bedeutung:
1
4 Anschlagzeit (Onsettime; min). Darunter verseht man die Zeit von der Unterdrückung von T1 von 100% (Ausgangswert) auf 0%. Die neuromuskuläre Blockade tritt schon ein, wenn 70– 80% aller Rezeptoren blockiert sind. Dies wird bereits erreicht mit einer Präkurarisierungsdosis (1/5 der Intubationsdosierung). Eine komplette Relaxation ist jedoch erst mit einer 90–95%igen Besetzung der Rezeptoren erreichbar. Dazu ist die zweifache ED 95 notwendig. 4 Klinische Wirkdauer (Duration 25%): Die Zeit von der Injektion bis zur Erholung von T1 auf 25% des Ausgangswertes. Dies entspricht in etwa der klinischen Wirkung, d. h. bis zu diesem Wert ist insbesondere bei abdominalchirurgischen Operationen die Muskelrelaxation ausreichend. Die klinische Wirkdauer ist dosisabhängig. 4 Erholungsindex (»recovery index«): Zeit von der Erholung von »25 auf 75%«. Dieser dosisunabhängige Parameter charakterisiert die Zeit von einer 25%igen auf eine 75%igen Erholung. Eine ausreichende Muskelkraft für die Extubation (nach intraoperativer Relaxation) ist gegeben bei einem TOF-Quotienten von 0,9 oder 90%iger Erholung von der Relaxation.
1.14.2
Depolarisierende Muskelrelaxanzien
Präparate Succinylcholin = Suxamethonium (Ly-
sthenon, Succinyl-ASTA) Indikation Succinylcholin ist zur Intubation und bei kurzen Eingriffen (Reposition, endoskopische Eingriffe) indiziert. Dosierung Sie liegt bei 1–1,5mg/kg. Fraktionierte Repetitionsdosen von 0,5 mg/kg sind erlaubt. Die Gesamtdosis sollte 5 mg/kg nicht übersteigen, da sonst eine kompetitive Hemmung eintritt. Depolarisierende Muskelrelaxanzien können bei hoher Dosierung oder wiederholter Gabe zu einem sog. »Dualblock« führen: Die zunächst bestehende Dauerdepolarisation (Phase I) wird durch eine Phase der Membranstabilisierung (Phase II) abgelöst, in der diese Substanz wie ein nichtdepolarisierendes Muskelrelanxans wirkt.
56
1
Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
Unerwünschte Wirkungen Sie betreffen vor allem
die Atmung (wenn Succinylcholin nicht abgebaut werden kann), das Reizleitungssystem des Herzens, den Kaliumhaushalt (Hyperkaliämie), die Muskulatur sowie die Steigerung des intraokulären und intragastralen Druckes. Atmung: die protrahierte Apnoe (>3 min) nach Succinylcholingabe ist Folge eines Pseudocholinesterase-(PCHE-)Mangels (7 Kap. 1.1.2). Dieser kann: 4 angeboren sein: Ein genetisch bedingter PCHEMangel oder eine atypische PCHE liegen bei ca. 0,1% aller Menschen vor; 4 physiologisch sein: Bei Neugeborenen in den ersten sechs Monaten und bei Schwangeren 3 Monate vor bis 3 Tage nach der Geburt; 4 erworben sein: Bei schweren Leberzirrhosen kann die PCHE-Aktivität vermindert sein. Laborchemisch kann dies mit der Dibucainzahl quantifiziert werden. Dibucain ist ein Lokalanästhetikum, das die Pseudocholinesterase hemmen kann. Normalerweise hemmt Dibucain die Pseudocholinesterase um 20%. Bei genetischen Varianten kann diese Hemmung bis auf 80% ansteigen. (. Tabelle 1. 6). Therapeutische Möglichkeiten: 4 Beatmung unter Sedierung, bis die Restaktivität der PCHE das Succinylcholin abgebaut hat; 4 Substitution von PCHE durch Frischplasma Reizleitungssysteme des Herzens: Es kommt nach Succinylcholingaben zu 4 Sinusbradykardien: Sie werden erklärt durch eine Aktivierung des Parasympathikus bei jenen Patienten, bei denen der Sympathikus überwiegt (vor allem bei Kindern und Schwangeren). Es kommt jedoch fast immer wieder spontan zur Normalfrequenz; wenn nicht, ist Atropin
oder in Extremfällen Adrenalin (Suprarenin) indiziert, 4 Knotenrhythmen: Sie entstehen wahrscheinlich durch Unterdrückung der Sinusknotenfunktion. Der AV-Knoten springt als Schrittmacher ein. Therapie ist meist nicht notwendig; 4 ventrikulären Arrhythmien: Das Succinylcholin führt zu einer verstärkten Arrhythmiebereitschaft des Myokards. Ventrikuläre Arrhythmien werden häufig bei Nachinjektion registriert, können aber bereits bei der Erstinjektion auftreten. Störungen des Elektrolythaushalts: Succinylcholin bewirkt durch Öffnen der Ionenkanäle einen Kaliumaustritt aus den Zellen. Der geringe Kaliumanstieg im Plasma hat beim Patienten ohne Vorerkrankungen jedoch keine klinische Bedeutung. Unter pathologischen Bedingungen wurden jedoch schon Kalium-Anstiege bis auf 12 mval/l beobachtet. Ein solcher Kaliumanstieg kann fatale Folgen haben: Kammerflimmern, Asystolie. Gefährdet sind Patienten mit 4 Niereninsuffizienz, 4 ausgedehnten Verbrennungen (ab dem 3. Tag), 4 langzeitiger Immobilisation (querschnittsgelähmte Patienten, Langliegepatienten), 4 massive Weichteilverletzungen, 4 Sepsis, 4 Polytraumen (>1 Woche). Succinylcholin kann auch eine Rhabdomyolyse triggern: Dies führt zu einem akuten Muskelzellzerfall, schwerer Hyperkaliämie und Herzstillstand. Diese Patienten sind schwer zu reanimieren. Muskelkater: Postoperativ klagen viele Patienten über Muskelkater. Diese Myalgie ist Folge
. Tabelle 1.6. Inzidenz atypischer Cholinesterasen vom Typ 2 (Pseudocholinesterasen), Dibucain-Zahl und Wirkdauer von Succinycholin und Mivacurium
Gentyp
Inzidenz
Dibucainzahl
Wirkdauer von Succinylcholin und Mivacurium
Homozygot normales Gen
normal
80
normal
Heterozygotes Gen
1/500
50
gering verlängert (2–3 h)
Homozygot atypisches Gen
1/3000
20
stark verlängert (5–9 h)
57 1.14 · Muskelrelaxanzien
des Succinylcholin-bedingten Muskelfaszikulierens. Morphologisches Substrat sind feine Muskelrisse. Mindernd, aber nicht immer verhindernd, wirkt die Vorgabe einer kleinen Dosis eines nichtdepolarisierenden Muskelrelaxans, wodurch bereits eine partielle Blockade der Rezeptoren hervorgerufen wird. Steigerung des intraokulären Drucks: Er entsteht durch Kontraktion der Augenmuskeln. Für den Patienten mit Glaukom hat dies eine relativ geringe Bedeutung, da der Druck bald wieder abnimmt. Fatal wirkt sich jedoch die Drucksteigerung beim Patienten mit perforierenden Augenverletzungen aus. Succinylcholin sollte deshalb bei diesen Patienten nicht eingesetzt werden. Steigerung des intragastralen Drucks: Durch Faszikulieren von Bauchwand und Zwerchfell steigt der intragastrale Druck an. Dies kann sich beim Patienten mit vollem Magen fatal auswirken: Regurgitation und Aspiration (7 Kap. 11.3.1). Eine kleine Dosis an nichtdepolarisierenden Muskelrelaxanzien kann diesen Faszikulationen vorbeugen. Dennoch müssen alle Vorkehrungen wie bei einer Ileuseinleitung (7 Kap. 11.3.8) getroffen werden. Maligne Hyperthermie: Succinylcholin zählt zu den Triggersubstanzen. Verdacht schöpfen sollte man, wenn trotz Succinylcholingabe die Kiefermuskulatur rigide bleibt und so die Intubation erschwert ist. Die Behandlung orientiert sich an den in Kap. 11.2 geschilderten Richtlinien. Wichtig
Die Fülle an unerwünschten Wirkungen haben dazu geführt, dass in vielen Kliniken Succinylcholin, insbesondere bei Kindern, nur noch unter strenger Indikation eingesetzt wird: zur Ileuseinleitung (7 Kap. 11.3.8) und zur Behandlung eines Laryngo- und Bronchospasmus.
Die routinemäßige Intubation erfolgt dann mit einem nichtdepolarisierenden Muskelrelaxans (z. B. Vecuronium).
1.14.3
1
Nichtdepolarisierende Muskelrelaxanzien
Alcuroniumchlorid (Alloferin) Wirkungsweise Dieses ältere, heute nicht mehr allzu weit verbreitete Muskelrelaxans wirkt nach 1–2 min und hat eine Wirkdauer von 20–30 min. Der Erholungsindex beträgt 12–15 min. Die Wirkungsstärke ist eher als schwach einzuschätzen. Deshalb hat Alloferin in der klinischen Anästhesie an Bedeutung verloren. Pharmakokinetik und unerwünschte Wirkungen
Alloferin wird nicht metabolisiert und vorwiegend renal, zu 15–20% über die Galle ausgeschieden. Wegen der hohen renalen Clearance kommt es bei Nierenversagen zu einer erheblichen Wirkungsverlängerung. Eine durch das Muskelrelaxans getriggerte Histaminausschüttung führt zu einem leichten Blutdruckabfall mit kompensatorischer Tachykardie. Pancuronium Präparate Pancuronium Curamed, Pancuronium-
ratiopharm. Chemie und Wirkungsweise Chemisch liegt bei Pancuronium ein Steroidgerüst vor. Es wirkt nach 2–3 min. Mit einer Wirkdauer von 50–100 min ist es das am längsten wirkende, nichtdepolarisierende Muskelrelaxans. Der Erholungsindex beträgt 30 min (. Tabelle 1.7). Der Indikationsbereich liegt bei länger dauernden Operationen (Dosierung 0,1 mg/kg) oder bei einer (sehr selten) notwendigen Relaxation bei beatmeten Patienten auf der Intensivstation. Pharmakokinetik und unerwünschte Wirkung
Überwiegend unverändert renale Ausscheidung von ca. 80%, über die Galle ca. 5–20%. Deshalb kommt es bei Niereninsuffizienz zu einer entsprechenden Wirkungsverlängerung, die sehr unterschiedlich sein kann (Relaxometrie). Pancuronium stimuliert über eine Parasympathikolyse (atropinähnlicher Effekt) die Herzfrequenz. Dies macht man sich in den seltenen Fällen zunutze, wenn auf neonatologischen Intensivstationen eine Relaxation zur Beatmung von Neugeborenen notwendig ist. Neugeborene und Säuglinge regulieren ihr Herzminutenvolumen nämlich ausschließlich über die Herzfrequenz, so-
58
1
Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
. Tabelle 1.7. Nichtdepolarisierende Muskelrelaxanzien: Dosierung, Onset time, klinische Wirkdauer (Duration 25%), Erholungsindex
NMR
Dosierung
Onset-time [min]
Klinische Wirkdauer Dur 25% [min]
Erholungsindex [min]
Steroidmuskelrelaxanzien
Pancuronium Vecuronium Rocuronium
0,05–0,1 mg/kg 0,1 mg/kg 0,6 mg/kg
2–3 2–3 1–2
50–100 20–40 20–40
30 10–15 10–15
Benzylisochinolinderivat
Atracurium Cis-Atracurium Mivacurium
0,5 mg/kg 0,1 mg/kg 0,1 mg/kg
2–3 5 2–3
20–40 20–40 8–12
10–15 10–15 7
dass diese Patienten von der Nebenwirkung »Tachykardie« profitieren. Pancuronium ist nicht plazentagängig und könnte vor Abnabelung des Kindes gegeben werden (wird heute allerdings zur Sectio nur noch sehr selten genutzt, da die Wirkdauer dazu viel zu lang ist).
Pharmakokinetik und unerwünschte Nebenwirkungen Rocuronium wird zu 70% über die Leber
Vecuronium (Norcuron)
Atracurium
Chemie und Wirkungsweise Dieses nichtdepolari-
Präparate Atracurium Curamed 10 mg/ml Injek-
sierende Muskelrelaxans hat ein Steroidgerüst, das vom Pancuronium abgeleitet ist. Wirkungsbeginn ist nach 2–3 min, die Wirkdauer beträgt 20–40 min, der Erholungsindex 10–15 min (. Tabelle 1.7). Wegen seiner kurzen Wirkdauer und besseren Steuerbarkeit hat es weite Verbreitung gefunden. Dosierung: 0,1 mg/kg.
tionslösung, Tracrium 2,5 ml/5,0 ml.
und zu 20% über die Niere ausgeschieden. Die intravenöse Applikation ist bei einer Injektion in kleine Venen sehr schmerzhaft, deshalb ist es in der Kinderanästhesie nicht sehr verbreitet.
Chemie und Wirkungsweise Atracurium ist chemisch ein Benzylisochinolinderivat und stellt ein Gemisch aus 10 Stereoisomeren dar. Mit dem Wirkungsbeginn ist nach 2–3 min zu rechnen. Wirkdauer 20–40 min, Erholungsindex 10 min (. Tabelle 1.7). Dosierung: 0,5 mg/kg.
Pharmakokinetik und unerwünschte Wirkungen
Vecuroniumbromid wird von der Leber aufgenommen und zu 50% biliär sezerniert, der Rest wird über die Niere ausgeschieden. Es ist nicht plazentagängig. Rocuronium (Esmeron) Chemie und Wirkungsweise Die Wirkungsstärke
beträgt nur 1/6 von Vecuronium. Es muss demnach die 6fach höhere Dosis gegeben werden. Schneller Wirkungsbeginn: 1–2 min. Dosierung: 0,6 mg/kg. Die Wirkdauer wird mit 30–40 min angegeben, der Erholungsindex mit 10–15 min. Damit ist es mit dem Vecuronium vergleichbar (. Tabelle 1.7). Rocuronium ist nach Succinylcholin das Muskelrelaxans mit der schnellsten Onset-Zeit. Gegenüber Vecuronium ergeben sich insgesamt jedoch nur geringe klinische Vorteile.
Pharmakokinetik und unerwünschte Wirkungen
Atracurium wird zu 1/3 über die Hofmann-Reaktion organunabhängig metabolisiert, zu 2/3 über unspezifische Plasmaesterasen (nicht Typ-II-Esterasen, deshalb auch keine Wirkungsverlängerung durch genetische Varianten). Atracurium setzt Histamin frei, was sich aber meist nur in einer passageren Hautrötung zeigt. Cis-Atracurium (Nimbex) Chemie und Wirkungsweise Cis-Atracurium ist ei-
nes der Stereoisomere des Atracuriums. Es ist 3- bis 4-mal stärker als Atracurium und wird niedriger dosiert. Dosierung: 0,1 mg/kg. Die Anschlagzeit ist mit 5 min jedoch deutlich länger als bei Atracurium. Pharmakokinetik 70–80% von Cis-Atracurium wird über die Hofmann-Reaktion organunabhängig eli-
59 1.15 · Peripher wirkende Analgetika
miniert. Die Histaminausschüttung ist geringer als bei Atracurium. Mivacurium (Mivacron) Chemie und Wirkungsweise Mivacurium ist wie Atracurium ein Benzylisochinolinderviat. Mit einer Wirkdauer von 8–12 min ist es das am kürzesten wirkende Muskelrelaxans. Der Wirkungsbeginn liegt bei 2–3 min (. Tabelle 1.7). Dosierung: 0,1–0,2 mg/kg. Pharmakokinetik und unerwünschte Wirkungen
Mivacurium wird zu 95% über die Pseudocholinesterase abgebaut. Deshalb muss wie beim Succinylcholin mit einer deutlichen Wirkungsverlängerung bei genetischen Varianten gerechnet werden. Als unerwünschte Wirkung tritt häufig ein Flush auf, getriggert über eine Histaminausschüttung.
1
Kontraindikationen Nichtdepolarisierende Muskelrelaxanzien sind kontraindiziert bei zahlreichen Muskelerkrankungen. Für die Anästhesie ist besonders die Myasthenia gravis wichtig. Diese Patienten haben bereits eine Muskelschwäche und reagieren sehr empfindlich auf nichtdepolarisierende Muskelrelaxanzien. Man leitet bei diesen Patienten die Narkose mit intravenösen Einleitungsmitteln ein und hält sie mit einem Inhalationsnarkotikum aufrecht. Bei entsprechender Narkosetiefe lassen sich die Patienten meist ohne Relaxans atraumatisch intubieren. Kleine Succinylcholindosen können angewendet werden. Opioide sind bei diesen Patienten wegen des atemdepressiven Effektes ebenfalls vorsichtig einzusetzen. Wichtig
Bei Myotonien ist dagegen Succinylcholin kontraindiziert.
1.14.4
Interaktionen
Interaktionen von nichtdepolarisierenden Muskelrelaxanzien mit anderen Medikamenten sind von großer klinischer Bedeutung. Wirkungsverstärkung Diese erfolgt durch
4 Antibiotika aus der Aminoglykosid- und Tetrazyklinreihe, Amphotericin B (Wirkungsmechanismus: Verminderung der ACH-Freisetzung); 4 Antiarrhythmika (Lokalanästhetika) wie Xylocain, Procain, Chinidin (Wirkungsmechanismus: Hemmung der Impulsweiterleitung an der motorischen Endplatte); 4 Inhalationsnarkotika wie Halothan, Enfluran, Isofluran, Sevofluran, Desfluran (Wirkungsmechanismus: Reduktion des Endplattenpotentials); 4 Hypokaliämie (hypopolarisierte postsynaptische Membran); 4 Hypokalziämie (verminderte ACH-Freisetzung); 4 Hypermagnesiämie (verminderte ACH-Freisetzung).
Diese Patienten reagieren auf nicht-depolarisierende Muskelrelaxanzien normal. Nach Applikation von Succinylcholin kann es jedoch zu einer generalisierten Kontraktur der Skelettmuskulatur kommen, die eine Beatmung unmöglich macht. Therapie: Relaxation mit nichtdepolarisierenden Muskelrelaxanzien.
1.15
Peripher wirkende Analgetika
1.15.1
Paracetamol (Benuron, Paracetamol ratiopharm)
Wirkungsweise und Indikationsbereich Paraceta-
mol gehört zu den nichtsauren antipyretischen Analgetika. Seine Wirkungsweise ist in der Hemmung der Prostaglandinsynthese im ZNS begründet. Es hat einen schwachen analgetischen und einen antipyretischen, aber keinen entzündungshemmenden Effekt. Der Indikationsbereich sind leichte Schmerzen in der postoperativen Phase, sowie als Komponente der chronischen Schmerztherapie (7 Kap. 44.1).
Wirkungsverminderung Sie resultiert aus
4 Hyperkaliämie, 4 Hyperkalziämie, 4 Hypomagnesiämie.
Pharmakokinetik und unerwünschte Wirkung Paracetamol kann per os oder rektal appliziert werden. Es wird in der Leber abgebaut.
60
1
Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
1.15.3
Wichtig
Beim Abbau von Paracetamol können neben unschädlichen Glukuronidierungskonjugaten auch toxische Metabolite entstehen, die durch die körpereigene Glutathionreserve eliminiert werden können. Reicht diese Glutathionreserve nicht aus (vorgeschädigte Leber, Alkoholismus, toxische Paracetamoldosis etc.), so werden verstärkt toxische Produkte gebildet, die die Leber zerstören.
Typischerweise gibt es zwischen der Applikation und den ersten Symptomen der progredienten Leberinsuffizienz ein symptomfreies Intervall von 1–2 Tagen, das therapeutisch genutzt werden muss! Antidot gegen eine Paracetamol-Intoxikation: Acetylcystein! Gefährlich sind Dosierungen über 10 g/Tag beim Erwachsenen.
1.15.2
Metamizol (Novalgin)
Wirkungsweise und Indikationsbereich Metamizol ist ebenfalls ein nichtsaures antipyretisches Analgetikum. Es wirkt fiebersenkend und analgetisch bei schwachen bis starken Schmerzen. Aufgrund seiner relaxierenden Wirkung auf die glatte Muskulatur ist es auch bei spastisch bedingten Schmerzen einsetzbar. Pharmakokinetik und unerwünschte Wirkung Me-
tamizol wird im perioperativen Bereich meist intravenös eingesetzt. Wichtig
Hier muss große Vorsicht walten: Der muskelrelaxierende Effekt betrifft auch die Gefäßmuskulatur! Dadurch kommt es zu einer Vasodilatation mit einer möglichen Folge eines Schockzustandes! Deshalb titrierende Dosierung!
Des Weiteren erhöht die mehrtägige Applikation von Metamizol das Agranulozytoserisiko auf das 20fache, obwohl das Agranulozytoserisiko mit 1 : 1.000.000/Jahr sehr gering ist.
Acetylsalicylsäure (Aspirin, ASS ratiopharm)
Wirkungsweise und Indikation ASS wirkt über eine Hemmung der Prostaglandinsynthese. Die analgetische Wirkung hilft nur bei schwachen bis mittelstarken Schmerzen. Darüber hinaus liegt eine antipyretische und antiinflammatorische Wirkung vor. Hauptindikationsfeld ist die ambulante Schmerztherapie (Zahn- und Kopfschmerzen etc.). In der chronischen Schmerz- und Tumorschmerztherapie wird es adjuvant eingesetzt. Pharmakokinetik und unerwünschte Wirkungen
ASS wird im Magen resorbiert. Sie wird in den Magenzellen esterolytisch gespalten. Sie reichert sich nicht nur in dem sauren Milieu des entzündlichen Gewebes an, sondern auch in den Magenzellen und in den Zellen der Nierentubuli. Nach ASS-Einnahme kann es zu Magenbeschwerden bis hin zu Ulzera und Blutungen kommen. ASS hemmt irreversibel die Thromboxansynthetase der Thrombozyten. Man nützt diese unerwünschte Wirkung heute weltweit zur antithrombotischen Prophylaxe nach Herzinfarkt und apoplektischem Insult. Wichtig
Die Thrombozytenfunktion normalisiert sich nach ASS-Gabe erst dann wieder, wenn alle komplett irreversibel gehemmten Thrombozyten durch neue, funktionsfähige Thrombozyten ausgetauscht sind. Dies ist erst 5 Tage nach Absetzen von ASS der Fall. Insofern ist darauf zu achten, dass Operationen mit großen Wundflächen bzw. Blutungsgefahr erst dann durchgeführt werden, wenn ASS 5 Tage präoperativ abgesetzt ist.
Kann jedoch wegen eines Notfalleingriffes nicht 5 Tage gewartet werden, so steht mit Desmopressin (Minirin) ein Antidot zur Verfügung. ASS hemmt, wie in . Abb. 1.15 dargestellt, die Cyclooxygenase mit der Folge einer verminderten Prostaglandinsynthese. Die vermehrt anfallende Arachidonsäure wird nun in die Leukotrienproduktion umgeleitet. Leukotriene erhöhen den Tonus der Bronchialmuskulatur.
61 1.16 · Antagonisten
1.16.1
Wichtig
Die erhöhte Leukotrieneproduktion kann bei Patienten mit entsprechender Disposition einen Asthmaanfall triggern.
Die Gabe von ASS bei Kindern mit Varizelleninfektion hat gehäuft zu dem Reye-Syndrom geführt. Das Reye-Syndrom ist gekennzeichnet durch ein Leberzellversagen und konsekutivem Hirnödem. Wegen der ungeklärten Zusammenhänge zwischen ASS-Gabe und Infektionserkrankungen bei Kleinkindern gilt die Gabe von ASS im Kleinkindesalter als kontraindiziert.
1.15.4
Diclofenac (Voltaren)
Wirkungsweise und Anwendungsbereiche Diclo-
fenac wirkt ebenfalls über eine Hemmung der Prostaglandinsynthese. Die analgetische und entzündungshemmende Wirkung wird vor allem in der chronischen Schmerztherapie genutzt. In den letzten Jahren hat sich jedoch auch der Einsatz im perioperativen Bereich bei leicht- bis mittelstarken Schmerzen bewährt. Häufig wird es adjuvant zur Opioidgabe gegeben.
1
Benzodiazepinantagonist/ Flumazenil (Anexate)
Chemie und Wirkungsweise Flumazenil ist ein Benzodiazepin mit einer sehr hohen Affinität am Rezeptor, ohne jedoch eine intrinsische Wirkung, d. h. eine agonistische Eigenwirkung zu haben: kompetitiver Antagonist! Klinisch zeigt sich die Wirkung von Flumazenil in einem schlagartigen Aufwachen des Patienten nach einer Narkose mit Benzodiazepinanteil. Indikationen bestehen bei: 4 Benzodiazepinüberhang nach Narkosen mit Benzodiazepinkomponenten und postoperativer Atemdepression, 4 Benzodiazepinvergiftungen.
Dosiert werden sollte der Antagonist titrierend, beginnend mit 0,003 mg/kg. Pharmakokinetik und unerwünschte Wirkungen
Bei zu rascher Antagonisierung ist es denkbar, dass es im Extremfall zu einem Krampfanfall kommt. Bei Epileptikern muss die Indikation deshalb streng gestellt werden. Die Wirkdauer ist auf 30–60 min begrenzt, d. h. sie ist deutlich kürzer als die der langwirkenden Benzodiazepine!
Pharmakokinetik und unerwünschte Wirkungen
Diclofenac wird nach Passage des Magens im Dünndarm resorbiert. Es wird in der Leber metabolisiert, die Metabolite werden überwiegend über die Nieren ausgeschieden. Prinzipiell können die gleichen Nebenwirkungen wie bei ASS auftreten.
1.16
Wichtig
Mit einem Rebound-Phänomen im Sinne einer erneut auftretenden Müdigkeit ist zu rechnen! Deshalb ist insbesondere dann, wenn der Benzodiazepinantagonist zur Antagonisierung einer Benzodiazepinvergiftung benutzt wird, eine Überwachung notwendig!
Antagonisten 1.16.2
Die Antagonisten sind zum Teil schon bei den Agonisten erwähnt worden und werden hier nochmals zusammengefasst.
Naloxon (Narcanti)
Chemie und Wirkungsweise Naloxon ist ein reiner
µ-Antagonist. Er antagonisiert alle Opioide mit Ausnahme von Buprenorphin. 30 sec nach der i.v.-Injektion tritt die Wirkung ein, die 30–45 min anhält. Die Dosis sollte beim Erwachsenen mit 0,1–0,2 mg i.v. beginnen und titrierend erfolgen, beim Kind mit 0,01 mg/kg KG. Die weitere Dosierung erfolgt titrierend, d. h. Wiederholungen alle 2–3 min.
62
1
Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
. Tabelle 1.8. Antagonisierung der neuromuskulären Blockade
Neostigmin (Prostigmin) 0,025 mg/kg KG
Pyridostigmin (Mestinon) 0,1 mg/kg KG
Anschlagzeit (bis zum Maximaleffekt)
mittel (7–10 min)
verzögert (12–16 min)
Wirkdauer
60
90
Atropindosis (mg/kg KG)
0,01
0,01
Pharmakokinetik und unerwünschte Wirkungen
Erfolgt die Dosierung nicht titrierend, sondern als Bolus beispielsweise mit 0,4 mg (eine Ampulle), so werden der atemdepressorische und der analgetische Effekt komplett aufgehoben. Der Patient gibt stärkste Schmerzen an, der schmerzbedingte Stress erhöht seinen Blutdruck (Hypertonus und Tachykardie!). Patienten mit myokardial eingeschränkter Leistungsreserve sind deshalb durch eine überschießende Antagonisierung gefährdet. Deshalb gilt die Opioidantagonisierung bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung als kontraindiziert. Das Gleiche gilt für Patienten mit erhöhtem intrakraniellen Druck, die durch den gleichen Mechanismus: Erhöhung des Blutdruck, Erhöhung des intrakraniellen Drucks gefährdet werden. Deshalb: Auch bei Patienten mit erhöhtem ICP keine Antagonisierung! Zu beachten ist, dass die Wirkdauer von Naloxon auf 20–40 min beschränkt ist! Deshalb ist der Patient trotz Antagonisierung wegen eines möglichen Opioid-Rebounds gefährdet und benötigt eine sorgfältige Überwachung.
1.16.3
Muskelrelaxansantagonisten
Neostigmin (Prostigmin), Pyridostigmin (Mestinon) Wirkungsweise und Indikationsbereich Nichtdepolarisierende Muskelrelaxanzien und Acetylcholin konkurrieren um den postsynaptischen Acetylcholinrezeptor. Hemmt man die Acetylcholinesterase, so steigt die Acetylcholinkonzentration am Rezeptor an, sodass das nichtdepolarisierende Muskelrelaxans vom Rezeptor verdrängt wird. Hemmstoffe der Acetylcholinesterase sind die indirekten Parasympathikomimetika Neostigmin
(Prostigmin) und Pyridostigmin (Mestinon) (. Tabelle 1.8). Die Erfahrung zeigt, dass eine Antagonisierung sich erst lohnt, wenn der Patient bereits erste, wenn auch unzureichende Muskelaktivitäten zeigt (Tachypnoe, ungezielte, schlaffe Bewegungen). Die Antagonisierung bei einem komplett relaxierten Patienten ist nicht sinnvoll. Unerwünschte Wirkungen Das vermehrt entste-
hende Acetylcholin kann jedoch zwischen ACH-Rezeptoren an der Muskelendplatte (nikotinartige Wirkung) und an den vegetativen Organen (muskarinartige Wirkung) nicht unterscheiden. Deshalb kommt es zu folgenden unerwünschten Wirkungen: 4 Bradykardie, 4 Bronchokonstriktion, 4 Sekretionssteigerung im Mund und Bronchialbereich. Um diese unerwünschten Wirkungen zu vermeiden, muss Atropin hinzugegeben werden. Atropin hat einen rascheren Wirkeinsatz und führt deshalb in einer fixen Kombination mit dem Antagonisten (z. B. 0,5 mg Atropin pro 5 mg Mestinon) zunächst zu einer Tachykardie. Klingt die Atropinwirkung ab, so dominiert in der späteren Phase die bradykarde Wirkung der Parasympathomimetika. Deshalb empfiehlt sich bei der Antagonisierung immer eine EKGMonitorkontrolle! Kontraindikationen für die Acetylcholinesterase-
hemmstoffe sind: 4 Obstruktive Lungenerkrankungen, 4 bradykarde Herzrhythmusstörungen.
1
63 1.17 · Medikamente zur kardial entlastenden und kardial stützenden Therapie
1.17
Medikamente zur kardial entlastenden und kardial stützenden Therapie
1.17.1
Preload und Afterload
Unter der Vorlast des Herzens (Preload) versteht man die enddiastolische Wandspannung. Sie steht in enger Beziehung zum enddiastolischen Druck (Füllungsdruck). Dieser wiederum ist abhängig von der Ventrikelfunktion, vom venösen Rückfluss, von der Körperlage, vom intrathorakalen und intraperikardialen Druck sowie vom Venentonus. Die Nachlast (Afterload) ist definiert als die mittlere systolische Wandspannung des Ventrikels. Sie ist im Wesentlichen abhängig vom Ventrikelvolumen und dem peripheren Gefäßwiderstand.
Ziel der Herzinsuffizienztherapie ist die Erhöhung des Schlagvolumens ohne Sauerstoffmehrverbrauch. Der myokardiale Sauerstoffverbrauch ist, wie bereits beschrieben (7 Kap. 1.3) determiniert durch Vorlast, Nachlast, Kontraktilität und Herzfrequenz. Um das Herzminutenvolumen zu steigern, muss man deshalb versuchen, Vor- und Nachlast zu reduzieren und die Kontraktilität zu steigern.
Minderung der Vorlast
1.17.2
Nitrate Sie bewirken eine Umverteilung des Blutes in das venöse Kreislaufkompartiment. Dieser Effekt beruht auf einer direkten Relaxierung der glatten Gefäßmuskulatur der Venen. Die relaxierende Wirkung auf die arterielle Gefäßmuskulatur ist
. Tabelle 1.9a. Beeinflussung kardiovaskulärer Parameter durch kardial entlastende Medikamente
Dosis (µg/kg/min)
Wirkort
HF
RR
PCWP
ZVD
CO
SVR
PVR
Nitrate (Trinitrosan)
0,28–3,5
Gefäßmuskulatur
↑
(↓)
↓↓
↓
↑
(↓)
↓
Nitroprussid-Natrium (Nipruss)
0,35–1,7
Gefäßmuskulatur
↑
↓↓
↓
↓
↑
↓↓
↓
c
. Tabelle 1.9b. Beeinflussung kardiovaskulärer Parameter durch kardial-stützende Medikamente
Dosis (µg/kg/min)
Wirkort
HF
RR
PCWP
ZVD
CO
SVR
PVR
Dopamin (Dopamin Giulini)
1–2a
Dopaminrezeptoren (Niere u. a.)
–
–
–
–
(↑)
(↑)
↑
Dobutamin (Dobutrex)
2–10
β2
(↑)
↑
↓
(↓)
↑
(↑↓)
(↑ )
Adrenalinb (Suprarenin)
0,01–0,1
β½, α
↑↑
↑
↑↓
↑
↑
↑
(↑)
Noradrenalinb (Arterenol)
0.01–0,1
(β1), α
(↓)
↑↑
(↓↑)
↑
(↑)
↑↑
(↑)
a
β-Rezeptoren = 5 µg/kg/min; α-Rezeptoren = 15 µg/kg/min. Die Wirkung dieser Katecholamine auf PCWP und ZVD sind abhängig von den Ausgangsbedingungen; bei hohem Ausgangs-PCWP Abfall des Wedge-Druckes, bei niedrigem Ausgangs-PCWP Anstieg des Wedge-Druckes; c bei Linksherzinsuffizienz: (↑) HF Herzfrequenz, RR arterieller Blutdruck, ZVD zentralvenöser Druck, CO »cardiac output«, SVR peripherer Gefäßwiderstand, PVR Gefäßwiderstand im Lungenkreislauf b
64
1
Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
dagegen geringer ausgeprägt. Insbesondere bei pathologischen Ausgangsbedingungen (Herzinsuffizienz) nehmen der pulmonal-kapilläre WedgeDruck (7 Kap. 7.1.3) und das enddiastolische Ventrikelvolumen ab, Herzauswurfleistung und Organperfusion dagegen zu. Die Abnahme der diastolischen Wandspannung führt zu einer verbesserten koronaren Durchblutung. Die Kontraktilität bleibt unbeeinflusst, der arterielle Blutdruck kann mäßig abfallen, die Herzfrequenz steigt kompensatorisch geringgradig an. Daraus resultiert eine deutliche Senkung des myokardialen Sauerstoffverbrauchs bei gleichzeitig erhöhtem Herzminutenvolumen. Bei Überdosierung wirken sich ein zu starker Blutdruckabfall und eine kompensatorisch erhöhte Herzfrequenz ungünstig auf die myokardiale Sauerstoffbilanz aus (. Tabelle 1.9).
den (Alufolie oder schwarze Infusionsleitung). Nach Anwendung von Nitroprussid-Natrium entstehen Thiocyanat und Zyanid, die beide zelltoxisch wirken. Eine Intoxikation zeigt sich vor allem an einer metabolischen Azidose (Laktatanstieg!). Bei hoher Dosierung von NPN muss zusätzlich Natriumthiosulfat infundiert werden. Die Kalziumantagonisten hemmen den Kalziumeinstrom in die Zelle und mindern, mit Ausnahme von Nifedipin (Adalat), Pulsfrequenz und Kontraktilität des Herzmuskels. Die geringgradige negativinotrope Wirkung wird durch eine kardial entlastende Wirkung (Senkung des Afterload) kompensiert, das Herzzeitvolumen steigt an. Die koronare Durchblutung wird gesteigert. Nifedipin hat zusätzlich einen antianginösen Effekt.
Furosemid Führt durch Dilatation der Gefäße im kleinen Kreislauf zu einem deutlichen Preload-senkenden Effekt, der noch vor der diuretischen Wirkung einsetzt.
1.17.4
1.17.3
Senkung der Nachlast
Nitroprussid-Natrium, Kalziumantagonisten Wesentliche Wirkungskomponente des NitroprussidNatriums (NPN) ist die periphere arterielle Vasodilatation im Systemkreislauf. Bei hohen Füllungsdrücken resultiert ein höheres Schlagvolumen, der linke Ventrikel entleert sich in der Systole besser, das endsystolische Blutvolumen wird dadurch kleiner, und schließlich verringern sich die Füllungsdrucke. Bei hypovolämischen Patienten kann es jedoch zu einer stärkergradigen Reduktion des Schlagvolumens und der Füllungsdrucke kommen. Der Effekt des Nitroprussid-Natriums ist nur zu nützen, wenn eine ausreichende Volumenfüllung vorliegt. Ein starker Blutdruckabfall und eine kompensatorische Tachykardie würde sich sehr ungünstig auf die myokardiale Sauerstoffversorgung auswirken und muss durch sorgfältige Dosierung vermieden werden. Es empfiehlt sich, Nitroprussid-Natrium über einen Perfusor in eine periphere Vene zu infundieren, Bolusinjektionen müssen vermieden werden. Da das Nitroprussid-Natrium unter Lichteinfluss sehr rasch zerfällt, muss es vor Licht geschützt wer-
Positiv inotrope Substanzen
Katecholamine Intraoperativ werden als positive inotrop wirkende Substanzen vor allem Katecholamine verwendet. Sie zeigen unterschiedliche Wirkungsprofile. Unabhängig davon führen jedoch alle Katecholamine zu einem deutlich erhöhten myokardialen Sauerstoffbedarf. Dopamin Es handelt sich um ein auch im Körper
selbst produziertes Katecholamin, das dosisabhängig 4 Dopaminrezeptoren an den Nierengefäßen (2 bis 3 µg/kg/min = »Nierendosis«), 4 β-Rezeptoren (5–8 µg/kg/min = »Herzdosis«), 4 α-Rezeptoren (8–15 µg/kg/min = »Gefäßdosis«) stimuliert. In »Nierendosis« verbessert Dopamin die Nierendurchblutung, in der β-rezeptorenstimulierenden Dosis kommt es neben der Zunahme des Herzauswurfvolumens zu einer Zunahme der Kontraktilität und zu einer Herzfrequenzsteigerung. Dopamin hat einen venokonstriktiven Effekt und führt deshalb zu einer Zunahme des enddiastolischen Füllungsvolumens und zu einem Anstieg des pulmonal-arteriellen Mitteldrucks. Diese ungünstigen Wirkungen können mit Nitroglycerin kompensiert werden. Die Sauerstoffbilanz ist beim Dopamin in den höheren Dosierungen besonders ungünstig. Die Zu-
65 1.17 · Medikamente zur kardial entlastenden und kardial stützenden Therapie
nahme der Kontraktilität, der Herzfrequenz und der Füllungsdrucke führt zu einem bedeutenden Anstieg des Sauerstoffbedarfs. All dies hat die Anwendung von Dopamin in der Analgesie und Intensivmedizin minimiert. Dobutamin Es handelt sich um ein synthetisches Ka-
techolamin mit einer kardioselektiven Wirkung auf die β-Rezeptoren des Herzens: Herzminutenvolumen und Kontraktilität nehmen zu, Herzfrequenz und arterieller Blutdruck bleiben im mittleren Dosierungsbereich (2–10 µg/kg/min) konstant, linksventrikulärer Füllungs- und Pulmonalarteriendruck werden gesenkt. Indiziert ist Dobutamin bei schwerer Herzinsuffizienz und nach einem Myokardinfarkt mit schwerer Herzinsuffizienz sowie in der Herzchirurgie (Low-output-Syndrom). Unerwünschte Wirkungen sind Tachykardien und Tachyarrhythmien. Adrenalin Dosisabhängig stimuliert Adrenalin
4 die β-Rezeptoren (0,015–0,03 µg/kg/min); Folge ist eine Zunahme von Schlagvolumen und Herzfrequenz sowie eine Abnahme des peripheren Widerstandes (β-Rezeptoren!); 4 die β- und α-Rezeptoren (0,03–0,15 µg/kg/min); Folge ist eine Zunahme von Herzfrequenz, Schlagvolumen und peripherer Vasokonstriktion (Blutdruckanstieg!); 4 die α-Rezeptoren (0,15 µg/kg/min); Folge sind Tachykardien, Arrhythmien und Blutdruckanstieg. Die wesentlichen Anwendungsgebiete von Adrenalin sind die Reanimation, der anaphylaktische Schock und die akute schwere Herzinsuffizienz. Noradrenalin Dieses Katecholamin wirkt vorwiegend auf die α-Rezeptoren. Dass es jedoch auch einen betamimetischen Effekt besitzt, ist daran zu erkennen, dass in niedriger Dosierung das Herzauswurfvolumen zunimmt. Die vasokonstriktorische Wirkung ist ab 0,04 µg/kg/min nachzuweisen. Es kommt zu einer Drucksteigerung im großen und kleinen Kreislauf. Indiziert ist Noradrenalin bei erniedrigtem peripheren Widerstand, vor allem im septischen Schock.
1
Phosphodiesterasehemmstoffe (Milrinon, Corotrop; Enoximon, Perfan) Wirkungsweise Auch an der Myokardzelle wirkt
Zyklo-AMP als Second-messenger-Substanz, die die Phosphodiesterase – das Zyklo-AMP-abbauende Enzym – hemmen, erhöht damit die Zyklo-AMPKonzentration in der Zelle und beschleunigt den Kalziumeinstrom in die Zellen. Dieser kontraktilitätssteigernde Effekt ist verbunden mit einem gefäßdilatierenden Effekt. Hämodynamische Effekte und Nebenwirkungen
Der Vorteil der Phosphodiesterasehemmstoffe ist, dass sie auch dann noch bei einer schweren Herzinsuffizienz wirksam sind, wenn Katecholamine und Glykoside mit ihrer Wirksamkeit bereits ausgereizt sind. Phosphodiesterasehemmstoffe steigern Herzminutenvolumen, senken die Füllungsdrucke, aber auch den peripheren Gefäßwiderstand. Bei hypovolämischen Patienten kann der Blutdruck bedrohlich absinken, sodass die koronare und zerebrale Perfusion gefährdet ist. Als unerwünschte Wirkungen kann es u. a. zu gefährlichen Herzrhythmusstörungen, Thrombozytopenie, Anämie und Leberfunktionsstörungen kommen.
1.17.5
Minderung der Herzfrequenz
Betablocker, Kalziumantagonisten Betablocker führen zu einer 4 Abnahme der Herzfrequenz, 4 Abnahme der Herzmuskelkontraktilität. Daraus folgt: 4 Zunahme des enddiastolischen Ventrikelvolumens und 4 Senkung des arteriellen Blutdrucks.
Die myokardiale Sauerstoffbilanz ist positiv, auch wenn mit der Zunahme des enddiastolischen Ventrikelvolumens eine Zunahme des Sauerstoffverbrauchs verbunden ist. Dieser Effekt wird durch die Abnahme der Herzfrequenz und die Minderung des Afterloads kompensiert. Zahlreiche Kontraindikationen (Asthma bronchiale, AV-Blockierung, arterielle Verschlusskrankheit, Diabetes) beschränken die Anwendungsmöglichkeiten.
66
1
Kapitel 1 · Pharmakologie – Grundlagen und klinisch-praktische Details
Wirkungsprinzip der Kalziumantagonisten ist die Blockierung der Kalziumwirkung am Herzen und in der glatten Gefäßmuskulatur. Kalzium-Antagonisten wirken 4 geringgradig negativ inotrop, 4 negativ chronotrop (nur Verapamil, nicht Nifedipin), 4 peripher vasodilatierend und 4 koronardilatierend. Die linksventrikulären Funktionsparameter werden durch die Kalziumantagonisten verbessert, der myokardiale Sauerstoffverbrauch gesenkt, das Sauerstoffangebot nimmt zu.
Narkosesysteme und -geräte 2 Narkosesysteme und -geräte
– 69
3 Atmung und Herzkreislauf in Narkose
– 73
2 2 Narkosesysteme und -geräte
70
2
Kapitel 2 · Narkosesysteme und -geräte
Zur Beatmung während der Allgemeinnarkose und zur Zuführung gasförmiger Anästhetika stehen verschiedene Systeme zur Verfügung. Man unterscheidet offene und halboffene (. Abb.2.1 a und b), halbgeschlossene und geschlossene Systeme (. Abb. 2.2). Offenes System Hier wird das flüssige Narkotikum
auf eine Narkosemaske getropft, wo es verdampft. Am häufigsten wurde früher die SchimmelbuschMaske verwendet, bei der Gaze über ein Drahtgestell gespannt wurde. Dieses System hat heute nur noch historische Bedeutung, da die Narkosegase frei in den Raum verdampfen können und daher eine Belastung für den Anästhesisten darstellen. Außerdem können bei der Schimmelbusch-Maske Gasdosierung und Atmung nicht kontrolliert werden. Halboffenes System Das inspiratorische Gasgemisch
wird dem Patienten über eine Maske oder einen Endotrachealtubus zugeführt, um bei der Exspiration in den freien Raum abgeleitet zu werden. Ein an den inspiratorischen Schenkel angeschlossener Beu-
. Abb.2.1. a Offenes System: Schimmelbusch-Maske für die Verdampfung von Äther; b halboffenes System
tel gilt als Reservoir und Beatmungsbeutel. Um eine Rückatmung des Exspirationsgemisches zu verhindern, muss der inspiratorische Gas-Flow dreimal so hoch sein wie das Atemminutenvolumen. Der Vorteil dieses Systems liegt darin, dass der Atemwegswiderstand durch Ventile entfällt und somit eine Spontanatmung auch bei sehr kleinen Atemzugvolumina, etwa bei Kindern, möglich ist. Andererseits werden sehr hohe Narkosegasmengen verbraucht, und zumindest bei längeren Narkosen können die Schleimhäute durch den großen Frischgasstrom austrocknen. Auch geht über den hohen Flow Wärme verloren. Eine Messung des Atemminutenvolumens im System ist nicht möglich. Außerdem ist auch bei diesem System die Luft am Arbeitsplatz des Anästhesisten mit Narkosegasen kontaminiert. Die bekanntesten Modelle sind das Ayre-T-Stück, das Kuhn- und das Ambu-paedi-System, wobei Letzteres allerdings Ventile hat. Halbgeschlossenes System Das Prinzip des halbge-
schlossenen Narkosesystems ist, dass das Exspira-
2
71 Narkosesysteme und -geräte
. Abb.2.2. Halbgeschlossenes System: Kreissystem mit Rückatmung
Volumeter
Volumeter
Absorber
Absorber Manometer
Manometer
Gasabsaugung
Gasabsaugung Frischgaszufuhr
Inspiration tionsgas rückgeatmet wird, nachdem das Kohlendioxid eliminiert ist. Es entsteht daher ein Kreislauf des Narkosegases, der durch ein Inspirations- und Exspirationsventil in eine Richtung gesteuert wird. Das inspiratorische Gasgemisch wird dem Patienten über eine Maske oder einen Endotrachealtubus zugeführt, indem der zugeschaltete Beatmungsbeutel komprimiert wird. Die Narkosegase werden über die Frischgaszufuhr in das Kreissystem eingeleitet, überschüssige Gase über ein Überdruckventil in einen Gasfilter oder in eine Narkosegasabsaugung abgeführt. Zur Messung des Beatmungsdruckes und des Atemminutenvolumens werden ein Manometer und ein Volumeter in das Kreissystem geschaltet. Im Einatemschenkel wird die inspiratorische Sauerstoffkonzentration gemessen. Das ausgeatmete Kohlendioxid wird an den Atemkalk im Absorber gebunden. Die Frischgaszufuhr konnte mit der Einführung der halboffenen Systeme bereits auf 3 bis 6 Liter pro Minute reduziert werden, sodass gegenüber dem halboffenen System eine erhebliche Reduzierung des Narkosegasverbrauches erreicht werden konnte. Heute sind die Kreissysteme sehr dicht, sodass der Frischgaszufluss auf bis zu 1 l/min (»low flow«) oder unter 1 l/min (»minimal flow«) gesenkt werden kann. Voraussetzung dafür ist aber, dass die inspiratorische Konzentration von Sauerstoff und Narkosegasen gemessen wird, da diese durch den extrem hohen Anteil von rückgeatmeten Gas erheblich von
Frischgaszufuhr
Exspiration der Konzentration im Frischgas abweicht. Die Sauerstoffkonzentration sinkt ebenso wie die der Inhalationsnarkotika. Letztere werden bei dem niedrigen Gasfluss nicht mehr in der auf dem Verdampfer angegebenen Menge abgegeben. Durch den hohen Rückatmungsanteil wird die Inspirationsluft angewärmt und befeuchtet, ein Vorteil, der der Lungenschleimhaut, vor allem bei längeren Operationen, zu Gute kommt. Zudem kann die Ventilation während der Narkose gemessen und eine Kontamination der Raumluft mit Narkosegasen weitgehend vermieden werden. Geschlossenes Narkosesystem Es wird kein über-
schüssiges Gas aus dem Narkosekreissystem entfernt, sodass lediglich das durch den Patienten metabolisierte Gas über die Frischgaszufuhr ersetzt wird. Um die Menge des zuzuführenden Gases zu bestimmen, ist ein umfangreiches Monitoring mit Messung des inspiratorischen Sauerstoffs, des exspiratorischen Kohlendioxids und der Narkosegaskonzentrationen ebenso notwendig wie die Kenntnis des Grundumsatzes des Patienten. Diese Geräte setzen sich wegen des hohen technischen Aufwandes nur langsam durch. Das Sauerstoff-Lachgas-Gemisch der Frischgaszufuhr wird bei der Narkosebeatmung mittels Rotameterröhren dosiert. Diese Messröhren sind senkrecht montierte Glaszylinder, deren Lumen sich
72
2
Kapitel 2 · Narkosesysteme und -geräte
nach oben hin konisch verbreitert. Im Lumen befindet sich jeweils ein Schwimmer (aus Aluminium oder Kunststoff ), der je nach Flow-Stärke nach oben steigt (höchster Flow bedeutet maximale Höhe des Schwimmers in der Röhre). Die Skalierung der Messröhren ist in l/min angegeben. Jedes Gas mit seiner spezifischen Dichte und Viskosität hat seinen eigenen Schwimmer (z. B. Kugel oder Konus). Zur Anreicherung mit volatilen Anästhetika wird das Frischgas durch einen Verdampfer geleitet, mit dem sich unabhängig von der Umgebungstemperatur und der Durchflussgeschwindigkeit der gewünschte Volumenanteil des Narkosegases am Frischgasgemisch einstellen lässt (7 Kap. 1.2.1). Um bei einer längeren Narkose eine gleichmäßige Beatmung mit einem definierten Beatmungsmuster zu sichern und auch um den Anästhesisten zu entlasten, wird der Patient mit einem Respirator über das Narkosekreisteil beatmet. Dabei unterscheidet man, abhängig von der Größe, die die Umschaltung von Inspiration auf Exspiration bewirkt, druck-, volumen-, flow- und zeitgesteuerte Respiratoren. Je nach Ausstattung des Respirators kann eine Umkehrung des Atemzeitverhältnisses und eine Beatmungsdruckbegrenzung eingeschaltet, das endexspiratorische Druckniveau verändert (PEEP) oder ein Triggermechanismus zur assistierten Beatmung ausgelöst werden (7 Kap. 21.3). Filter im Narkosebeatmungssystem Mit Filtern, die zwischen Tubus und Kreissystem eingeschaltet sind, werden Bakterien und Viren eliminiert. Dies führt dazu, dass man die Schläuche des Kreisteils nicht nach jedem Patienten wechseln muss; es ist dann nur der Filter zu entsorgen! Durch die Kondensation von Wasser im Filter wird auch gleichzeitig für eine effektive Klimatisierung der Atemluft gesorgt (die Nasenfunktion bzgl. Anfeuchtung und Anwärmung ist durch den Tubus bedauerlicherweise ausgeschaltet!) und einem Austrocknen des Sekrets vorgebeugt. Die Klimatisierung der Atemluft verhindert damit auch einen Wärmeverlust, da weniger Wasser über die Beatmung verloren geht. Umweltbelastungen durch Inhalationsnarkotika
Die Erde steht klimatisch vor einschneidenden Veränderungen: Der Ozongehalt der Stratosphäre (hier
handelt es sich um den Raum 10--50 km über der Erde) verhindert bislang das unbehinderte Einstrahlen von UV-Licht. Dieser Ozongehalt vermindert sich jedoch besonders auf der nördlichen Halbkugel der Erde infolge der Emission von N2O, NO, CO2 etc. von Jahr zu Jahr. Auf der anderen Seite bildet sich in der Troposphäre (der Luftraum zwischen Erdboden und 10 km) vermehrt Ozon infolge der hohen Kraftfahrzeugdichte und intensiver Sonneneinstrahlung. Ozonverminderung in der Stratosphäre und Ozonvermehrung in der Troposphäre führen zu einer Veränderung des Temperaturgefälles: Erwärmung am Boden und Abkühlung in der Höhe. Es kommt zu einem Treibhauseffekt am Boden. Der Anästhesist verwendet N2O (ozonzerstörend) und Fluorchlorkohlenwasserstoffe (z. B. Halothan, Isofluran etc.). Radke und Fabian kommen bei einer Kalkulation zu dem Ergebnis, dass zwar der Anteil der volatilen Anästhetika an der Ozonschädigung nur 0,0005% beträgt. Dennoch sollte alles unternommen werden, um den Verbrauch von Inhalationsnarkotika zu vermindern, d. h. Regionalanästhesien durchführen, wo immer es geht, TIVA-Verfahren anwenden(7 Kap. 7.2.3) und wenn Inhalationsnarkotika benutzt werden, dann im Low- bzw. Minimal-flow-System.
3 3
Atmung und Herzkreislauf in Narkose
3.1
Sauerstoff von A bis Z – von der Alveole bis zur Zelle – 74
3.2
Elimination des CO2
3.3
Beeinflussung des Gasaustausches durch die Anästhesie und Operation – 76
3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4
Sauerstoffaufnahme – 76 Sauerstofftransport – 76 Sauerstoffverbrauch – 76 CO2-Elimination – 76
3.4
Herz-Kreislauf-Funktion – 78
– 75
74
Kapitel 3 · Atmung und Herzkreislauf in Narkose
Die Narkose beeinträchtigt in all ihren Variationen Atmung und Kreislauf in vielfältiger Weise. Neben der Aufgabe, für eine ausreichende Narkosetiefe zu sorgen, zählt es zu den wichtigsten Pflichten des Anästhesisten, den Gasaustausch in Lunge und Gewebe zu garantieren.
3 3.1
Sauerstoff von A bis Z – von der Alveole bis zur Zelle
Die treibende Kraft für die Sauerstoffaufnahme von der Lunge ins Blut ist der Sauerstoffpartialdruckunterschied zwischen Alveole und Arterie (alveoloarterielle-pO2-Differenz = AaDO2). Der alveoläre Sauerstoffpartialdruck ist wiederum abhängig von der inspiratorischen O2-Konzentration (FIO2 = »fraction of inspired oxygen«). Der alveoläre Sauerstoffpartialdruck beträgt normalerweise 142 mmHg. Dies errechnet sich wie folgt: Der Luftdruck liegt bei 760 mmHg. Davon sind Wasserdampfdruck (47 mmHg) und alveolärer paCO2 (35 mmHg) abzuziehen. So verbleiben 678 mmHg. Der Anteil des Sauerstoffs in der Einatmungsluft beträgt 21%, sodass der alveoläre Sauerstoffpartialdruck (PalvO2) 142,38 mmHg beträgt. Die normale alveolär-arterielle O2-Partialdruckdifferenz beträgt 40 mmHg, sodass ein arterieller pO2 von 102 mmHg zu erwarten ist. Dieser arterielle pO2 setzt jedoch normale Ventilations- (Gasverteilung in der Lunge) Perfusions- (Blutfluss in der Lunge)Verhältnisse voraus. Die treibende Kraft für die Sauerstoffaufnahme ist die Diffusion. Der Sauerstofftransport im Blut erfolgt im Wesentlichen über das Hämoglobin, ein vernachlässigbar kleiner Anteil ist physikalisch gelöst. Die Sättigung des Hämoglobins ist abhängig vom arteriellen paO2. Welcher paO2 zu welcher Hämoglobinsättigung führt, wird über die Sauerstoffbindungskurve beschrieben. Diese S-förmige Beziehung ist von verschiedenen Faktoren beeinflussbar: fetales Hämoglobin, pHWerterhöhung, Hypothermie, Verminderung des 2,3DPG-Gehalts führen zu einer Linksverschiebung, pH-Wertverminderung, Hyperthermie und Zunahme des 2,3-DPG-Gehalts führen zu einer Rechtsverschiebung der Sauerstoffbindungskurve (. Abb. 3.1). Für den Sauerstofftransport im Blut ist der Sauerstoffgehalt des arteriellen Blutes von Bedeu-
tung. Der Sauerstoffgehalt berechnet sich nach der Formel: CaO2 = Hb × 1,36 × SaO2 + paO2 × 0,0031 chemisch physikalisch gebundener gelöster Anteil Anteil (vernachlässigbar). Somit ist der CaO2 vor allem abhängig vom Hb (multipliziert mit der Hüfner’schenZahl [1,36]) und seinem Sättigungsgrad. Das Hämoglobin im Blut, multipliziert mit der Hüfner’schen Zahl ergibt die Menge an Sauerstoff, die von einem Gramm Hämoglobin transportiert werden kann (1 g Hb × 1,36 = 1,36 ml O2). Beim Gesunden beträgt deshalb der Sauerstoffgehalt CaO2 = 15 g/dl × 1,36 × 99% = 20Vol. % oder 20 ml/dl. Die Fähigkeit des Blutes, diesen Sauerstoffgehalt auch zu transportieren, findet seinen Ausdruck in der Sauerstofftransportkapazität: Sauerstofftransportkapazität = Herzzeitvolume n × arterieller Sauerstoffgehalt (CaO2). Der Sauerstoffaustausch vom Blut zur Zelle wird wiederum vom Diffusionsgradienten zwischen Blut und Zelle bestimmt. Der pO2 in der Zelle liegt bei 10 mmHg, sodass zwischen arteriellem pO2 und der Zelle ein großes Partialdruckgefälle besteht. Das Blut wird im Gewebe entsättigt. Das venöse Blut hat einen pvO2 von 38 mmHg, was einer Sättigung von etwa 75% entspricht. Der Sauerstoffgehalt beträgt demnach im venösen Blut 15 ml/dl. Die Differenz von arteriellem und gemischtvenösem Sauerstoffgehalt (Av¯DO2 = CaO2 – Cv¯O2) beträgt demnach 5 ml/dl. Da man den Sauerstoffgehalt des Blutes nicht kontinuierlich messen kann, dafür aber eine kontinuierliche Messung der gemischtvenösen Sättigung in der Arteria pulmonalis möglich ist, gibt man auch gern die arteriogemischtvenöse Sättigungsdifferenz an: av¯SaO2 = SaO2 – Sv¯O2
75 3.2 · Elimination des CO2
. Abb. 3.1. Sauerstoffbindungskurve und Ursachen für eine Linksbzw. Rechtsverschiebung
3
Linksverschiebung O2
100 90 80 Sauerstoffsättigung %
Zelle
schlechtere O2-Abgabe ins Gewebe bei pH , Temperatur , 2,3-DPG
links
rechts
70 Rechtsverschiebung
60
O2
p50
50
Zelle
bessere O2-Abgabe ins Gewebe bei pH , Temperatur , 2,3-DPG
40 30 20 10 0 0
10
20
Der gemischtvenöse Sauerstoffgehalt 4 nimmt nach Brand ab 5 bei Abnahme des O2-Angebotes, 5 Abnahme des HZV (HF ↓, SV ↓), 5 Abnahme des CaO2 (paO2 ↓, SaO2 ↓, Hb ↓), 5 Zunahme des O2-Verbrauchs, 5 Mikrozirkulation ↑, 5 Zellstoffwechsel ↑; 4 nimmt zu bei: 5 Zunahme des O2-Angebotes, 5 Zunahme des HZV (HF ↑, SV ↑), 5 Zunahme der CaO2 (paO2 ↑, SaO2 ↑, Hb ↑), 5 Abnahme des O2-Verbrauches, 5 Mikrozirkulation ↓, 5 periphere Shunts ↑, 5 Zellstoffwechsel ↓. Die Entsättigung ist stark organspezifisch. Die arteriovenöse Sauerstoffgehaltsdifferenz eines Organs ist nach dem Fick-Prinzip abhängig von dem Sauerstoffverbrauch und dem Blutvolumen, das das Organ/Zeiteinheit durchfließt: VO2 = (CaO2 – CvO2) · Q,
30
40
50
60
70
80
90
100 paO2mmHg
wobei VO2 der Sauerstoffverbrauch ist und Q die Organdurchblutung. So kommt es im Herzen zu einer Entsättigung des Blutes um 70% (SvO2 = 30%), im Gehirn um 40% (SvO2 = 60%), bei der Niere um 10% (SvO2 = 90%) und im Gastrointestinaltrakt um 25% (SvO2 = 75%). Der Sättigungswert in der Vena cava superior liegt deshalb bei 60%, in der Vena cava inferior bei 80%.
3.2
Elimination des CO2
Das Kohlendioxid (CO2) als ein Stoffwechselprodukt der Zelle erhöht den pCO2 des arteriellen Blutes (Pa CO2 = 5,3 kpa = 40 mmHg) auf den venösen Wert von pvCO2 von 6,27 kpa = 47 mmHg. Der Hauptanteil des CO2 gelangt in die Erythrozyten, wird dort physikalisch gelöst und chemisch gebunden (CO2 + H2O wird zu HCO3– + H+). Im Austausch mit Cl– verlässt dann das HCO3– die Zelle. Die entstehenden H+-Ionen werden über das Hämoglobin abgepuffert. In den Lungenkapillaren verläuft die Reaktion in die Gegenrichtung.
76
Kapitel 3 · Atmung und Herzkreislauf in Narkose
3.3
Beeinflussung des Gasaustausches durch die Anästhesie und Operation
tilation, unten vermehrte Shunt-Durchblutung; dies führt zur Verminderung der Sauerstoffaufnahme.
3.3.1 Sauerstoffaufnahme 3.3.2 Sauerstofftransport
3
Eine Störung der Sauerstoffaufnahme führt zu einem niedrigen paO2. Dies nennt man eine Hypoxie. Ursachen
4 Unterbrechung der Sauerstoffzufuhr: 5 technische Defekte am Narkosegerät mit vermindertem O2-Flow, 5 Diskonnektion der Beatmungsschläuche, 5 Fehlintubation in den Ösophagus, 5 Verlegte Atemwege etc. 4 Inhalationsnarkotika: Sie haben einen zentral atemdepressiven Effekt (7 Kap. 1.3) und sie verändern über eine Verminderung des Muskeltonus die funktionelle Residualkapazität (FRC). 4 Opioide: Sie vermindern ebenso die funktionelle Residualkapazität und haben einen zentralen atemdepressiven Effekt bis hin zur Apnoe (7 Kap. 1.12). 4 Muskelrelaxanzien: Unter dem Einwirken der Muskelrelaxanzien schiebt sich das Zwerchfell nach kranial; dies hat eine Verminderung der FRC zur Folge. Außerdem kommt es zu Ventilations-/Perfusionsstörungen: Der bei Rückenlagerung oben liegende Lungenanteil wird physiologischerweise schon besser belüftet, aber schlecht perfundiert, unter Muskelrelaxation und positiver Druckbeatmung wird diese schon bessere Belüftung nochmals verbessert. Die unten liegenden Lungenpartien – in Rückenlage bereits schlechter belüftet, aber besser perfundiert – werden unter Muskelrelaxation noch schlechter belüftet, sodass die Ventilations/Perfusionsstörungen verstärkt werden. 4 Lagerung: In Rückenlage wird das Zwerchfell etwa 5 cm durch die Eingeweide nach oben verschoben. Dies reduziert die FRC und führt zu den oben genannten Ventilations-/Perfusionsstörungen. In Seitenlage wird die obere Lunge gut ventiliert, aber schlecht perfundiert. Die untere umgekehrt: gute Perfusion, schlechte Ventilation. Folge: oben vermehrt Totraumven-
Die für den Sauerstoff wichtigen Variablen sind Sauerstoffgehalt (CaO2 = Hb × 1,36 × SaO2) und Herzzeitvolumen. Bei einer Abnahme der Sauerstoffsättigung spricht man von einer Hypoxygenation und bei einer Abnahme des Sauerstoffgehaltes von einer Hypoxämie. Während der Narkose kann es zu erheblichen Störungen des Sauerstofftransports kommen. Ursachen
4 Hb-Abfall durch Blutverluste, 4 Sättigungsabfall durch mangelhaftes Sauerstoffangebot, 4 Beeinflussung der Sauerstoffbindungskurve durch Hypoventilation (pCO2 ↑⇒ pH ↓⇒ Rechtsverschiebung der Sauerstoffbindungskurve) oder Hyperventilation (pCO2 ↓⇒ pH ↑⇒ Linksverschiebung). 4 Herzminutenvolumenabfall durch 5 inhalationsnarkotikabedingte Herzinsuffizienz, 5 Blutverluste, 5 ischämisch oder septisch bedingte Herzinsuffizienz.
3.3.3 Sauerstoffverbrauch Die Inhalationsnarkotika vermindern den Sauerstoffverbrauch des gesamten Körpers. Insbesondere der Sauerstoffverbrauch des Gehirns nimmt ab. Dies ist auch nachgewiesen bei den Barbituraten und bei Propofol.
3.3.4 CO2-Elimination Die Störungen der CO2-Elimination können sowohl als Hyperventilation wie auch als Hypoventilation erheblichen Einfluss auf das Herz-Kreislauf-System wie auch den Säure-Basen-Haushalt ausüben.
77 3.3 · Beeinflussung des Gasaustausches durch die Anästhesie und Operation
3
. Tabelle 3.1. Herz-Kreislauf-Wirkungen von Anästhetika und Muskelrelaxanzien
HF
Arrht.
AP
dp/dt max.
CO
SVR
Myokard. O2-Verbrauch
↓
↓
↓
( ↓)
↑
Narkoseeinleitungsmittel Thiopental
↑
Methohexital
↑
–
↓
↓
↓
( ↓)
↑
Etomidat
–a
–a
–a
–
–
–
–
Propofol
( ↑)
–
↓
↓
↓
( ↓)
?
Ketamin
↑↑
–
↑↑
↓
↑
↑↑
↑↑
Benzodiazepine
( ↑)
–
( ↓)
–
–
( ↓)
–
N2O
–
–
( ↑)
( ↓)
( ↑)
( ↑)
–
Halothan
( ↓)
↓
↓
↓
( ↓)
↓
Enfluran
( ↑)
–
↓
↓
↓
( ↓)
↓
Isofluran
↑
–
↓
( ↓)
↓
↓
↓
Sevofluran
↑
–
( ↓)
( ↑)
( ↑)
( ↓)
( ↓)
Desfluran
↑↑
–
↓
( ↓)
( ↓)
↓
↑
Opioide
↓
–
( ↓)
↓
( ↓)
–
Neuroleptika
↑
–
↓
–
–
↓
↑
Alcuroniumchlorid
( ↑)
–
( ↓)
–
–
( ↓)
–
Vecuronium
–
–
–
–
–
–
–
Pancuronium
↑
–
–
–
–
–
–
Atracurium
( ↑)
–
( ↓)
–
–
–
–
Lokalanästhetika
↓
–
↓
–
–
↓
–
b
Inhalationsnarkotika
Muskelrelaxanzien
a
bei der Intubation kann es ohne die vorherige Gabe von Fentanyl zu HF, RR-Anstieg und Rhythmusstörungen kommen; b wird durch sympathoadrenerge Effekte überspielt HF Herzfrequenz, Arrht. Arrhythmien produzierend, AP systemischer arterieller Blutdruck, dp/dt max Kontraktilitätsparameter, CO Cardiac Output, SVR systemisch vaskulärer Widerstand
Ursachen einer paCO2-Veminderung
4 Fehleinstellungen des Respirators (zu hohe Atemfrequenz und/oder Atemzugvolumen), 4 Hypotension und vermindertes Herzzeitvolumen (Mechanismus: geringerer CO2-Transport von der Peripherie zur Lunge, wo das wenige
CO2 dann bei unveränderter Respiratoreinstellung abgeatmet wird), 4 Hypothermie (Mechanismus: weniger CO2 wird produziert; weniger CO2 wird zur Lunge transportiert; bei unveränderter Respiratoreinstellung kommt es zu einer Abnahme des paCO2),
78
Kapitel 3 · Atmung und Herzkreislauf in Narkose
4 Hyperventilation des Patienten bei zu flacher Narkose, 4 Abnahme der CO2-Produktion bei langen Inhalationsnarkosen. Folgen der Hypokapnie (paCO2 ↓)
3
4 respiratorische Alkalose, 4 Linksverschiebung der Sauerstoffbindungskurve, 4 zerebrale Vasokonstriktion mit Minderdurchblutung, 4 koronare Vasokonstriktion mit Minderdurchblutung, 4 vermindertes Herzminutenvolumen, 4 Hypokaliämie. Ursachen einer paCO2-Erhöhung
4 atemdepressive Wirkung der Inhalationsnarkotika (Stadium III 1–4, IV), 4 atemdepressive Wirkung der Opioide (Hypoventilation; niedrige Atemfrequenz, niedriges Atemminutenvolumen), 4 Wirkung der Muskelrelaxanzien; insbesondere auch in der abklingenden Phase: Tachypnoe → Totraumventilation; ineffektiver Gasaustausch führt zu paCO2-Anstieg, 4 falsche Einstellungen des Respirators (Atemfrequenz zu niedrig und/oder Atemzugvolumen zu niedrig), 4 Anstieg der CO2-Produktion (z. B. bei maligner Hyperthermie, bei Fieber, beim Kältezittern), 4 bei verbrauchtem CO2-Absorber im Kreissystem. Folgen der Hyperkapnie (paCO2 ↑)
4 respiratorische Azidose, 4 Hyperkaliämie, 4 Rechtsverschiebung der Sauerstoffbindungskurve, 4 zerebrale und koronare Vasodilatation, 4 gesteigertes Herzzeitvolumen.
3.4
Herz-Kreislauf-Funktion
Die Narkosemittel können das Herz-Kreislauf-System in verschiedener Weise beeinflussen. Die klinisch bedeutsamen Effekte sind (Zusammenfassung . Tabelle 3.1):
4 Beeinflussung der Herzfrequenz: 5 Herzfrequenzverminderung: Opioide, Lokalanästhetika, 5 Herzfrequenzsteigerung: Thiopental, Methohexital, Ketamin, Enfluran, Isofluran, Pancuronium. 4 Beeinflussung des Herzrhythmus: Halothan (Extrasystolen, Bigeminus). 4 Beeinflussung des arteriellen Blutdrucks: 5 Blutdruckanstieg: Ketamin, 5 Blutdruckabfall: Thiopental, Methohexital, Propofol, Dehydrobenzperidol, Inhalationsnarkotika, Lokalanästhetika. 4 Beeinflussung der Kontraktionskraft: 5 Verminderung der Kontraktilität: Thiopental, Methohexital, Propofol, Ketamin (dieser Effekt wird jedoch weitgehend durch die Sympathikusstimulation überspielt), Halothan, 5 Zunahme der Kontraktilität: Fehlanzeige. 4 Beeinflussung des Herzminutenvolumens: 5 Abnahme: Thiopental, Methohexital, Propofol, Inhalationsnarkotika, 5 Zunahme: Ketamin. 4 Beeinflussung des peripheren Widerstandes: 5 Abnahme: Enfluran, Isofluran, Neuroleptika, Lokalanästhetika, 5 Zunahme: Ketamin. 4 Beeinflussung des myokardialen Sauerstoffverbrauches: 5 Abnahme: Inhalationsnarkotika, 5 Zunahme: Thiopental, Methohexital, Ketamin, Neuroleptika.
Praxis der Anästhesie 4
Prämedikationsvisite
– 81
5
Präoperative Vorbereitungen
6
Präoperatives Check-up
7
Anästhesieverfahren und Methoden der Atemwegssicherung – 101
8
Kreislaufmonitoring in Narkose und Intensivtherapie
9
Intravenöse Flüssigkeitstherapie
– 95
– 97
– 141
– 153
10
Probleme des anästhesiologischen Alltags
11
Komplikationen bei der Narkose
12
Narkose bei Patienten mit Vorerkrankungen
13
Anästhesie beim ambulanten Patienten
14
Anästhesie in extremen Lebensaltern
15
Anästhesie in verschiedenen operativen Disziplinen
16
Erstversorgung und Narkose beim polytraumatisierten Patienten – 237
17
Die postoperative Phase
– 241
– 163
– 167 – 179
– 195
– 199 – 211
4 4
Prämedikationsvisite
4.1
Ziel – 82
4.2
Anästhesiologische Anamnese – 82
4.3
Untersuchung des Patienten – 89
4.4
Aufklärung über das Narkoseverfahren – 90
4.5
Einteilung in Risikogruppen – 90
4.6
Informationen über den Ablauf der Narkose – 91
4.7
Untersuchungsbefunde
4.7.1 4.7.2 4.7.3 4.7.4 4.7.5
Laboruntersuchungen – 91 EKG – 91 Röntgen-Thorax – 92 Lungenfunktionsprüfung – 92 Untersuchungsbefunde bei ambulanten Patienten und bei Notfällen – 92
4.8
Absprache mit dem Operateur – 93
4.9
Prämedikation
4.10
Anästhesiologisches Vorgehen beim »Stand by« – 93
– 91
– 93
4
82
Kapitel 4 · Prämedikationsvisite
4.1
Ziel
Der Anästhesist möchte 4 den Patienten und seine psychische und physische Belastbarkeit kennen lernen, 4 eine vertrauensvolle Beziehung zu ihm aufbauen und auf seine Ängste eingehen können, 4 Informationen über die Art des operativen Eingriffs und die Vorerkrankungen erhalten, 4 den Patienten untersuchen, 4 das Narkoserisiko abschätzen können, 4 den Patienten über das Narkoseverfahren und seine Risiken aufklären sowie 4 eine adäquate Prämedikation verordnen. Inhaltlich steht bei den Ängsten des Patienten vor allem im Vordergrund, 4 nicht mehr aus der Narkose aufzuwachen, 4 vor dem Erreichen einer ausreichenden Narkosetiefe bereits operiert zu werden, 4 die Narkose wegen des »schwachen Herzens oder Kreislaufs« nicht zu überstehen, 4 während der Narkose zu erwachen bzw. unkontrolliert Dinge zu tun oder unbewusst Aussagen zu machen, die niemanden etwas angehen, sowie 4 nach der Narkose starke Schmerzen aushalten und möglicherweise erbrechen zu müssen. Häufig bestehen auch Ängste bezüglich der Phase danach und dies insbesondere bei bösartigen Erkrankungen. Habe ich Krebs? Wie weit ist er fortgeschritten? Der Anästhesist sollte sich ausreichend Zeit nehmen, auf diese Ängste einzugehen.
4.2
Anästhesiologische Anamnese
Sie baut auf der Anamnese des operativ tätigen Kollegen auf. Mit der Anamnese sollen 4 die Leistungsfähigkeit der Vitalfunktionen, 4 die Vorerkrankungen, 4 die Konsumgewohnheiten, 4 die medikamentöse Dauertherapie und 4 Komplikationen bei vorangegangenen Narkosen bzw. Operationen erfasst werden (. Abb. 4.1).
Herz Gefragt wird nach
4 Angina pectoris: Wie häufig sind die Anfälle? Wann treten sie auf? Wie werden sie behandelt? Die medikamentöse Dauertherapie muss auch am Operationstag fortgesetzt, die Tablette soll am Morgen mit einem kleinen Schluck Wasser eingenommen und das Nitro-Spray auf den Weg in den Operationssaal mitgegeben werden (hohe Anfallshäufigkeit bei stresshaften Belastungen). 4 Herzinfarkt(e): Wann war der letzte Infarkt? Konsequenz: Bei Infarkten im letzten halben Jahr wird bei aufschiebbaren Operationen der Operationstermin verlegt! Die Reinfarktrate ist innerhalb des ersten halben Jahres nach dem Infarkt besonders hoch; bei dringlichen Operationen sollte zur subtilen Überwachung vor Narkoseeinleitung ein erweitertes Monitoring (arterielle Druckmessung, ZVD) durchgeführt werden. Heute erhalten viele Patienten nach Myokardinfarkt eine Prophylaxe mit Acetylsalicylsäurepräparaten. In niedrigen Dosen (50 mg) hemmt ASS die Thrombozytenaggregation und beugt somit nachgewiesenermaßen einem Reinfarkt vor. Da die Hemmung der Thrombozytenaggregation irreversibel ist, muss ASS 5 Tage vor einer Operation mit großen Gewebstraumen (z. B. Hüftendoprothese) abgesetzt werden, um die Nachblutungsgefahr nicht zu erhöhen. Ist aufgrund der instabilen kardialen Situation dies nicht zu verantworten, so wird ASS weiter gegeben. Bei intraoperativen Blutungen wird Desmopressin eingesetzt. Zur perioperativen Stressabschirmung erhalten Patienten mit koronarer Herzerkrankung zur Prämedikation einen Betablocker (z. B. Beloc), sofern sie nicht schon ohnehin unter Betablocker-Dauertherapie stehen. 4 Herzinsuffizienz: Wie viele Treppen kann der Patient steigen? Liegen Belastungsdyspnoe, Orthopnoe, Nykturie oder Ödeme vor? Grad der Herzinsuffizienz: Welcher Herzinsuffizienzgrad liegt vor? Orientierung gibt die Einteilung der New York Heart Association: 5 Grad I: Ohne Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit 5 Grad II: Leichte Einschränkung unter Belastung
83 4.2 · Anästhesiologische Anamnese
5 Grad III: Starke Einschränkung unter Belastung 5 Grad IV: Beschwerden bereits in Ruhe, körperliche Belastbarkeit maximal eingeschränkt 4 Herzrhythmusstörungen: Welcher Art sind die Herzrhythmusstörungen? Wie werden sie therapiert? Hat der Patient einen Schrittmacher? Braucht er wegen bestehender Herzrhythmusstörungen einen Schrittmacher? Wichtig
Indikationen zur Implantation eines temporären Herzschrittmachers sind 5 bifaszikuläre Blöcke mit Synkopen oder Schwindelanfällen, 5 Rechtsschenkelblock, linksanteriorer Hemiblock und AV-Block 1. Grades, 5 Rechtsschenkelblock, linksposteriorer Hemiblock und AV-Block 1. Grades, 5 Linksschenkelblock und AV-Block 1. Grades (X), 5 AV-Block 2. Grades (X), 5 kompletter AV-Block (X), Sick-SinusSyndrom (X), Carotis-Sinus-Syndrom (X), 5 digitalispflichtige Herzinsuffizienz und Bradykardie.
Bei den mit (X) gekennzeichneten Rhythmusstörungen ist mit dem Kardiologen die Frage eines permanenten Schrittmachers abzuklären. Wenn der Patient einen Schrittmacher hat, um welchen handelt es sich? Rücksprache mit dem Kardiologen und Kontrolle des Schrittmachers durch den Kardiologen ist präoperativ auf jeden Fall erforderlich (. Abb. 4.2). 4 Herzfehler: Wie macht sich der Herzfehler hämodynamisch bemerkbar? Herzinsuffizienz unter Belastung? Rezidivierendes Lungenödem? Wurde der Herzfehler operativ korrigiert? Mit welchem Erfolg? Ist eine Endokarditisprophylaxe indiziert? (. Tabelle 4.1). Kreislauf Im Vordergrund des Interesses steht der Hypertonus, die Art und Dauer seiner Behandlung. Definiert ist der Hypertonus von der WHO als RRWerte systolisch über 160 mmHg, diastolisch über 95 mmHg. Bedeutsam für die Anästhesie sind vor
4
allen Dingen mögliche Folgeschäden: Koronare Herzerkrankung, Herzinsuffizienz, Nierenfunktionseinschränkung. Wichtig
Bei Hypertonus wird heute, abweichend von früheren Behandlungsprinzipien, das Antihypertensivum nicht mehrere Tage vor dem Operationstermin abgesetzt, vielmehr muss es noch am Morgen des Operationstages mit einem kleinen Schluck Wasser eingenommen werden.
Bei dieser Vorgehensweise können intraoperativ ausgeprägte Hypotensionen, hypertensive Krisen und Arrhythmien weitgehend vermieden werden. Lunge Die Vitalfunktion Atmung ist besonders
postoperativ gefährdet. Risikosteigernd sind 4 die Lokalisation des Eingriffs (nach Oberbauchund Thoraxeingriffen besteht ein weitaus höheres Pneumonierisiko als bei Eingriffen im Unterbauch oder an den Extremitäten), 4 Vorerkrankungen: Asthma bronchiale, chronische Emphysembronchitis, Lungenfibrose (zu fragen ist nach Art und Dauer der Behandlung; dem Asthmatiker ist das Broncholytikum auf den Weg in den Operationssaal mitzugeben) und 4 Konsumgewohnheiten: Rauchen. Bei akuten Infekten des oberen Respirationstraktes besteht eine Kontraindikation für elektive Eingriffe. Grund ist die erhöhte Schleimhautempfindlichkeit und die Neigung zu Salivation und Sekretbildung in der Trachea. Besonders die Intubation kann bei diesen Patienten Traumen setzen, die – selbst bei regelhaftem, schonendem Vorgehen – zu einer Läsion der Trachealschleimhaut, postoperativem Stridor und Laryngospasmus führen sowie im schlimmsten Fall zur Tracheotomie zwingen können (extrem selten). Ausgenommen von dieser Kontraindikation sind Kinder mit andauernder chronischer Bronchitis. Häufige Ursachen ist eine hyperplastische Rachenmandel; hier ist eine Operation notwendig, damit das Kind infektfrei wird; deshalb ist der chronische Infekt keine Kontraindikation für eine Narkose. Sie sollte aber von einem erfahrenen Anästhesisten durchgeführt werden.
84
Kapitel 4 · Prämedikationsvisite
ANAMNESE Erwachsene und Jugendliche
4 Fragebogen bitte vor dem Aufklärungsgespräch ausfüllen!
85 4.2 · Anästhesiologische Anamnese
. Abb. 4.1. Anamnese Erwachsene und ugendliche
4
86
Kapitel 4 · Prämedikationsvisite
. Tabelle 4.1. Endokarditisprophylaxe Indikation zur Endokarditisprophylaxe:
5 Hohes Risiko: Patienten mit – Herzklappenersatz, Fremdmaterial (Patch), – Endokarditis, rheumatischem Fieber in der Anamnese, – chirurgisch konstruierten pulmonalsystemischen Shunts (z. B. Blalock-Taussig), – rheumatischen und anderen Klappendefekten im Hochdruckbereich.
5 Normales Risiko: Patienten mit
– angeborenen Herzerkrankungen bzw. -fehlern (Ausnahme 7 unten), – IHSS (idopathischer hypertrophischer subaortaler Stenose), – permanentem Herzschrittmacher mit epikardialen Elektroden.
4 Endokarditisprophylaxe empfohlen bei
5 allen Zahnbehandlungen, bei denen es zu gingivalen Blutungen kommen kann,
5 5 5 5 5
Tonsillektomie oder Adenotomie, Operationen, die die respiratorischen Schleimhäute mit einbeziehen, Bronchoskopie, Inzision und Drainage infizierten Gewebes, Gastrointestinale und urogenitale Operationen mit folgenden Ausnahmen: – perkutane Leberbiopsie, – obere gastrointestinale Endoskopie oder Biopsie, – Proktosigmoidoskopie ohne Biopsie, – Blasenkatheterisierung. Bei Patienten mit hohem Risiko wird auch bei diesen Eingriffen eine Endokarditisprophylaxe empfohlen!
5 Schwierige oder nasale Intubation (Schleimhautläsion möglich); bei Patienten mit hohem Risiko bei jeder Intubation! Antibiotika zur Endokarditisprophylaxe:
5 Eingriffe im Dentalbereich, Respirationstrakt, gastrointestinalen und urogenitalen Bereich: – Ampicillin 50 mg/kg KG i.v. (max. 2 g) bei Narkoseeinleitung. Bei hohem Risiko zusätzlich: – Gentamicin 2 mg/kg KG i.v. 30 min vor Narkoseeinleitung und 8 h nach der 1. Dosis.
5 Eingriffe bei oberflächlichen Hautabszessen: – Flucloxacillin 50 mg/kg KG i.v. (max.. 2 g) bei Narkoseeinleitung. Bei hohem Risiko zusätzlich: – Gentamicin 2 mg/kg KG i.v. 30 min vor Narkoseeinleitung und 8 h nach der 1. Dosis Antibiotika zur Endokarditisprophlaxe bei Penicillinallergie:
5 Eingriffe im gastrointestinalen und urogenitalen Bereich: – Vancomycin 20 mg/kg KG i. v. (max. 1 g) als Kurzinfusion über 30–60 min vor Narkoseeinleitung; Bei hohem Risiko zusätzlich: – Gentamicin 2 mg/kg KG i.v. vor Narkoseeinleitung und 8 h nach der 1. Dosis.
5 Eingriffe im Respirationstrakt und bei oberflächlichen Hautabszessen: – Clindamycin 10–20 mg/kg KG i.v. (max. 600 mg) bei Narkoseeinleitung; Bei hohem Risiko zusätzlich: – Gentamicin 2 mg/kg KG i.v. 30 min vor Narkoseeinleitung und 8 h nach der 1. Dosis. Orale Gabe:
In Ausnahmefällen kann anstelle der intravenösen eine orale Endokarditisprophylaxe mit Amoxicillin 50 mg/kg KG p.o. (max. 2 g) 30–60 min vor Narkoseeinleitung durchgeführt werden.
87 4.2 · Anästhesiologische Anamnese
1. Letter:
4
Ort der Simulation A = Atrium V = rechter Ventrikel D = dual (A +V) 2. Letter:
Ort der Detektion 0 = keine Detektion A = Atrium V = rechter Ventrikel D = dual (A +V) 3. Letter:
Antwort auf Detektion 0 = keine T = Triggerung I = Inhibition D = dual (T + I) R = reverse Funktion 4. Letter:
1 2 3 4 Programmierbarkeit D D D R 0 = keine P = bis zu 2 Funktionen M = multiprogrammierbar R = frequenzadaptive Stimulation C = Telemetrie 5. Letter:
5 0
Antitachykarde Funktion 0 = keine P = antitachykarde Stimulation S = Schock (Kardioversion/Defibrillation) D = dual (P + S)
VVI
Stimulation des Ventrikels bei Herzfrequenzabfall unterhalb der Schrittmacherfunktion Gefahr: fehlende Vorhofkontraktion verminderte Ventrikelfüllung HZV AOO (VOO) starrfrequenter oder asynchroner Modus Gefahr: Induktion von Kammerflimmern AAI (AAT) Bedarfs- oder Synchronmodus VVIR frequenzadaptierte Schrittmacher-Systeme (DVIR,DDDR) Gefahr: Steuerung über Vibrationswahrnehmung (Piezo-Elektrokristalle) Cave: Shivering kann zum Anstieg der Stimulationsfrequenz führen !
. Abb. 4.2. Internationaler 5-Letter-Code zur SM-Identifikation (nach Roewer und Thiel)
Die Frage nach einer Tuberkulose ist wichtig, da bei Tuberkulose besondere hygienische Maßnahmen (Austausch des Narkosegerätes, Desinfektion des Operationssaals und Desinfektion der benutzten Geräte) notwendig sind. Stoffwechsel Wichtig ist vor allem der Diabetes mellitus, seine Folgeerkrankungen und die Art und die Dauer der Behandlung. Prinzipiell gilt, dass 4 ein diätetisch eingestellter Diabetes perioperativ, sieht man von einer engmaschigen Kontrolle ab, keine spezielle Therapie braucht;
4 ein mit oralen Antidiabetika eingestellter Diabetes bei Eingriffen, bei denen bereits 4 h postoperativ eine Nahrungsaufnahme möglich ist, keiner Therapieumstellung bedarf, 4 bei einer postoperativ notwendigen Nahrungskarenz über 4 h hinaus (z. B. Operationen am Magen-Darm-Trakt) prinzipiell eine Therapieumstellung auf Alt- bzw. H-Insulin i.v. notwendig ist und 4 bei Diabetikern, die auf Depot-Insulin eingestellt sind, die perioperative Diabetestherapie mit kurzwirksamen Insulinen i.v. durchgeführt
88
Kapitel 4 · Prämedikationsvisite
wird und eine engmaschige Kontrolle des Blutzuckers mit Blutzucker-Sticks erforderlich ist. Praxisbox
4
Praktisches Vorgehen bei Diabetes Wird perioperativ Glukose und Insulin infundiert, so ergeben sich stabilere Stoffwechselverhältnisse. Bewährt hat sich folgendes Vorgehen: Der Patient erhält perioperativ Glukose 10%, präoperativ wird die Hälfte der Tagesdosis an Insulin s. c. injiziert. Als Alternative bieten sich 2 bis 4 Einheiten Alt- bzw. H-Insulin i.v. pro Stunde über einen Perfusor an. Wichtig ist selbstverständlich die intermittierende (stdl.) perioperative Blutzuckerkontrolle. Steigt der Blutzuckerwert über den Normwert an, so empfiehlt sich als einfache Insulindosierung: BZ <200 mg/dl 8–12 E Altinsulin BZ <300 mg/dl 12–16 E Altinsulin BZ >300 mg/dl 16–20 E Altinsulin
4 terminale Niereninsuffizienz: Anurie/Oligurie mit hohen Retentionswerten oder normaler Urinfluss mit gestörter Konzentrierfähigkeit der Niere. Bei dialysepflichtigen Patienten sind wichtig die Fragen nach 4 der täglichen Flüssigkeitszufuhr 4 der Lage des Dialyse-Shunts (an dieser Extremität ist das Messen des Blutdrucks nach RivaRocci nicht erlaubt, da der Shunt dabei schnell thrombosiert!), 4 dem Zeitpunkt der letzten Dialyse. Präoperativ müssen Kreatinin, Harnstoff, Kalium und die Gerinnung (Quick, PTT) bestimmt werden; diese Werte dürfen erst 2 h nach der letzten Dialyse bestimmt werden, da sich erst zu diesem Zeitpunkt ein Äquilibrium bei den Laborwerten eingestellt hat. Endokrine Organe Bei Patienten, bei denen Opera-
Orale Antibiotika vom Typ Metformin sollten 24 h, bei Patienten mit zusätzlichen erheblichen Vorerkrankungen, wie koronare Herzerkrankung oder Niereninsuffizienz, 48 h vor OP-Beginn angesetzt werden, da ansonsten mit schweren Laktatazidosen zu rechnen ist.
Leberfunktionsstörungen Von Bedeutung sind die
akute und chronische Hepatitis, die Cholestase und die Zirrhose. Bei einer akuten Hepatitis wird man elektive Eingriffe verschieben und, wenn operative Eingriffe notfallmäßig notwendig sind, auf Inhalationsnarkotika verzichten. Bei chronischen Leberschäden ist auf eine verlängerte Wirksamkeit von Medikamenten mit einer großen hepatischen Clearance (z. B. Thiopental, Methohexital) zu achten. Bei all diesen Patienten ist eine umfassende Leberfunktionsdiagnostik (Enzyme, Gerinnung etc.) notwendig. Niere Es interessieren besonders Nierenerkrankungen mit funktionellen Störungen. Dazu zählen die 4 präterminale Niereninsuffizienz: ansteigende Retentionswerte, verminderte Urinausscheidung und
tionen an endokrinen Organen durchgeführt werden sollen, sind vorher Kontakte mit dem Endokrinologen notwendig. Besonders bedrohlich sind postoperative Nebenniereninsuffizienzen bei Patienten, die unter einer Dauertherapie mit Kortikoiden stehen sowie hypophysektomiert oder adrenalektomiert sind. Um einer drohenden Addison-Krise zuvorzukommen, muss Hydrokortison substituiert werden. Praxisbox Substitution von Hydrokortison Präoperativ: 2 Tage 3-mal 20 mg Hydrokortison p.o. Operationstag: 100 mg Hydrokortison in 500 ml Glukose 5% pro 8 h 1./2. postoperativer Tag: 200 mg Hydrokortison in Glukose 5% 3. postoperativer Tag: 120 mg Hydrokortison 4. postoperativer Tag: 60 mg Hydrokortison 5. postoperativer Tag: 40 mg Hydrokortison (Schema nach Quabbe)
Wasser- und Elektrolythaushalt Hier sind Fragen nach Diuretikatherapie (Kalium!), Laxanzien (Ka-
89 4.3 · Untersuchung des Patienten
lium!) und Diarrhöen (Volumenverluste!, Kalium!) notwendig. Zentrales Nervensystem Im Vordergrund des Inte-
resses stehen 4 apoplektische Insulte: Intraoperativ ist bei diesen Patienten darauf zu achten, dass der arterielle Mitteldruck im Bereich des Ausgangsdruck bleibt und nicht darunter abfällt. Zu registrieren sind im Hinblick auf eine Regionalanästhesie präoperativ bestehende neurologische Ausfälle; 4 erhöhter intrakranieller Druck: Zu achten ist auf Bewusstseinseintrübungen, Übelkeit, Kopfschmerzen; 4 Epilepsie: Zu fragen ist nach Dauer und Art der Behandlung sowie der Häufigkeit der Anfälle. Intraoperativ kommt es sehr selten zu Krämpfen, da fast alle Narkotika antikonvulsiv wirken (Ausnahmen: Ketanest, Ethrane, Sevorane, Atosil). Aber auch die Antiepileptika sollen am Operationstag nicht abgesetzt, sondern in ihrer gewohnten Dosierung gegeben werden. Postoperativ ist bei großen Eingriffen meist eine Neueinstellung der antiepileptischen Therapie notwendig. Vor rückenmarksnahen Leitungsanästhesien ist nach Wirbelsäulenverletzungen und Bandscheibenschäden zu fragen. Bestehende Beschwerden sollten Anlass geben, auf rückenmarksnahe Leitungsanästhesien zu verzichten. Konsumgewohnheiten und medikamentöse Therapie Nikotin- und Alkoholabusus sind die klinisch
wichtigsten Konsumgewohnheiten. Nach Drogenund Medikamentenabusus oder Abhängigkeit (Schlafmittel, Sedativa) ist gezielt zu fragen. Erscheinen die Aussagen des Patienten fragwürdig, so ist eine Fremdanamnese (z. B. Eltern, Ehe- oder Lebenspartner) zu erheben. Bei der medikamentösen Therapie richtet sich das Hauptaugenmerk auf 4 die Dauermedikation, 4 die Zuverlässigkeit der Einnahme: Sie ist besonders beim alten Menschen mit polymorbider Tendenz und polypragmatischer Therapie oft gestört; 4 Allergien gegen Medikamente (und Pflaster).
4
Anästhesiologische Komplikationen bei früheren Narkosen Über Komplikationen bei früheren Nar-
kosen ist der Patient meist informiert. Häufig hat der Patient einen entsprechenden Ausweis oder eine Bescheinigung erhalten. Ereignete sich die Komplikation im eigenen Hause, so lohnt es sich, anhand des Narkoseprotokolls über diese Komplikationen zu informieren. Bedeutsame Komplikationen: 4 Intubationsschwierigkeiten, 4 maligne Hyperthermie, 4 unzureichende Wirksamkeit einer Lokalanästhesie, 4 verzögertes Aufwachen, 4 Notwendigkeit zur Nachbeatmung, 4 schwerer Blutdruckabfall und Rhythmusstörungen, 4 Herzstillstand. Wichtig sind auch Informationen über besondere Reaktionen auf Prämedikationsmittel (z. B. Dysphorie).
4.3
Untersuchung des Patienten
Dazu gehören obligatorisch 4 die Auskultation von Herz und Lunge und 4 die Inspektion der Mundhöhle (Überprüfung des Zahnstatus im Hinblick auf eventuelle Zahnschäden bei der Intubation und Intubationshindernisse sowie der Einführung der Larynxmaske); Prüfung des Zeichens nach Mallampati. Man blickt dem Patienten in den Mund: Sieht man Uvula und Gaumenbogen, so spricht man von Mallampati I, hier sind keine Intubationsschwierigkeiten zu erwarten. Hingegen sind bei Mallampati III und IV häufig schwierige Intubationsbedingungen anzutreffen (. Abb. 4.3). Fakultativ sind die Palpation von Leber (bei Vorerkrankungen) und Schilddrüse (bei Verdacht auf Trachealverlagerung durch die Schilddrüse) sowie die Beurteilung der Wirbelsäule bei geplanten rückenmarksnahen Leitungsanästhesien.
90
4
Kapitel 4 · Prämedikationsvisite
Klasse I
Klasse II
Klasse III
Klasse IV
. Abb. 4.3. Einteilung der Sichtbarkeit von Oropharyngealstrukturen nach Mallampati
4.4
Aufklärung über das Narkoseverfahren
Die Aufklärung des Patienten ist eine humane Pflicht, die ihr juristisches Korrelat in dem 4 Recht auf körperliche Unversehrtheit (§ 223 des Strafgesetzbuches: Jeder Heileingriff erfüllt den Tatbestand der Körperverletzung) und dem 4 Persönlichkeitsrecht des Menschen (§ 2 des Grundgesetzes) hat. Anästhesie und Operation sind dann kein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Patienten, wenn er rechtskräftig in den Eingriff eingewilligt hat. Voraussetzung für die Einwilligung ist die Aufklärung. Die Aufklärung erfolgt stufenweise nach dem Bedürfnis des Patienten. Der Darstellung der Möglichkeiten (Regionalanästhesie, Allgemeinanästhesie, Kombination beider Verfahren etc.) folgt die Aufklärung über die allgemeinen Risiken (Zahnschäden, Stimmbandschäden bei der Intubation, Nervenläsionen bei der Regionalanästhesie), sodann die speziellen Risiken in Bezug auf den Patienten. Wenn das Narkoseverfahren vereinbart ist – Wünsche des Patienten sollten, soweit akzeptabel, berücksichtigt werden –, willigt der Patient durch Unterschrift in das Narkoseverfahren ein. Eine Aufklärung unterbleibt bei Notfalleingriffen, bei denen das Leben des Patienten von einer sofortigen operativen Intervention abhängig ist (Geschäftsführung ohne Auftrag, rechtfertigender Notstand nach § 34 StGB). Von einer Aufklärung kann man aus humanitären Gründen auch bei allen Patienten absehen, deren Allgemeinzustand schlecht
ist oder die unter starken Schmerzen leiden, sowie dann, wenn sie ausdrücklich keine Aufklärung wünschen. Bei Kindern ist die Unterschriftsleistung eines Elternteils notwendig, bei risikoreichen Eingriffen sind beide Elternteile in die Entscheidung einzubeziehen. Sind die Eltern vor Notfalleingriffen nicht erreichbar, so wird im mutmaßlichen Sinne von Kind und Eltern gehandelt. Jugendliche im Alter von 14–18 Jahren können selbst einwilligen, wenn sie sich der Tragweite des Eingriffes und der dazu notwendigen Narkose bewusst sind.
4.5
Einteilung in Risikogruppen
Über die Bedeutung der Einteilung in Risikogruppen für den anästhesiologischen Alltag sind hinreichend Zweifel geäußert worden. Dennoch werden in vielen Kliniken die Patienten in bestimmte Risikogruppen eingeteilt. Es gibt neben der etablierten Einteilung der American Society of Anesthesiologists (ASA-Einteilung), zahlreiche andere Risikoklassifizierungen wie z. B. die sehr differenzierte Mannheimer Einteilung der Risikogruppen, die hier nicht im Detail dargestellt ist, da sie sich in der klinischen Praxis nicht durchgesetzt hat. Aus einer solchen Risikogruppenzuteilung eine spezielle Narkoseform oder eine Prognose für den Patienten ableiten zu wollen, erscheint fragwürdig. Wichtig allein ist, dass die Narkose eines Risikopatienten nur einem erfahrenen Anästhesisten überlassen wird.
91 4.7 · Untersuchungsbefunde
4.6
Informationen über den Ablauf der Narkose
Der Patient soll darüber informiert sein, dass 4 er am Vorabend ab 22.00 Uhr nichts mehr essen und 2 Stunden vor dem Eingriff nichts mehr trinken darf (Grund: Minderung des Aspirationsrisikos, 7 Kap. 7.4; Besonderheiten bei Kindern 7 Kap. 14.1); 4 er am Vorabend und am Operationstag eine orale (oder bei Kindern: eine rektale) Prämedikation erhält. 4 Zahnersatz und Schmuck auf der Station verbleiben; 4 im Operationsraum EKG-Elektroden angelegt, Blutdruck gemessen und eventuell arterielle und zentralvenöse Zugänge oder ein – extrem selten – Pulmonalis-Katheter gelegt werden. Wichtig für den Patienten ist auch zu wissen, ob er nach dem Eingriff auf eine Wach- oder eine Intensivstation kommt (Differenzierung 7 Kap. 17). Über eine beabsichtigte Nachbeatmung sollte der Patient aufgeklärt sein. Beruhigend ist für ihn zu wissen, dass er auch postoperativ engmaschig überwacht wird und dass alles unternommen wird, um seine Schmerzen ausreichend zu lindern.
4.7
Untersuchungsbefunde
Um sich ein Bild von den Organfunktionen machen zu können, sind Untersuchungsbefunde notwendig.
4.7.1 Laboruntersuchungen Man unterscheidet obligate und fakultative Laboruntersuchungen. Die Befunde dürfen nicht älter als 2 Wochen sein und sollten im Original vorliegen. Obligate Laboruntersuchungen
4 Hb-Wert: Er soll über 8 g% beim Gesunden, über 10 g% beim Patienten mit kardiovaskulärer Vorerkrankung liegen. Beim Nierenkranken werden selbst Hb-Werte von 6 g% toleriert. Bei Kindern liegt die Transfusionsgrenze im gleichen Bereich, es sei denn sie hätten schwerwie-
4
gende kardiorespiratorische Vorerkrankungen (7 Kap. 9). 4 Kalium: Der Wert soll zwischen 3,5 und 5,5 mVal/l liegen. Hypokaliämie verursacht eine Verlängerung der Wirkungszeit nichtdepolarisierender Muskelrelaxanzien, bei Hyperkaliämie besteht die Gefahr von Succinylcholin-bedingten Rhythmusstörungen. 4 Natrium: Der Wert soll zwischen 135 und 145 mVal/l liegen. 4 Quick-Wert: Bei Regionalanästhesien darf der Wert nicht unter 50% liegen. Fakultative Laboruntersuchungen
Als Hinweis auf den Organfunktionszustand sollen abhängig von Vorerkrankungen folgende Werte bestimmt werden: 4 Lebererkrankungen: Bilirubin, SGOT, SGPT, γ-GT, Cholinesterase; Albumin 4 Nierenerkrankungen: Kreatinin, Harnstoff; 4 konsumierende Erkrankungen: Albumin bzw. Gesamteiweiß (5,5–7,5 g%; 55–75 g/l) zur Abschätzung des kolloidosmotischen Druckgradienten und der Plasma-Eiweiß-Bindungskapazität; 4 Lungenerkrankungen: arterielle Blutgasanalyse. Da Leber- und Nierenerkrankungen gehäuft bei älteren Patienten auftreten, sind Kreatinin und Leberwerte ab dem 50. Lebensjahr obligat zu überprüfen. Unter dem Druck der ökonomischen Verhältnisse wird heute angestrebt, mit einem Minimum an Laborwerten auszukommen und tatsächlich nur noch das zu bestimmen, was in Anbetracht von Anamnese und geplanter Operation erforderlich ist.
4.7.2 EKG Ein EKG ist unabhängig vom Alter prognostisch wertvoll: Es können symptomlose Myokarditiden und stumme Infarkte erkannt werden. Dennoch ist nach unserer Auffassung ein EKG erst ab einem Alter obligat, in dem sich kardiovaskuläre Erkrankungen häufen (ab 50. Lebensjahr), bei allen jüngeren Patienten nur dann, wenn sich aus der Anamnese Hinweise auf kardiovaskuläre Erkrankungen ergeben. Das EKG sollte befundet vorliegen.
92
Kapitel 4 · Prämedikationsvisite
4.7.3 Röntgen-Thorax
4
Ein Röntgenbild des Thorax ist bei Patienten ab dem 50. Lebensjahr nützlich. Anästhesiologisch wichtige Befunde sind 4 Herzform und -größe, Lungenstauung, 4 Trachealverlagerung, Trachealeinengung, 4 Pneumonie, 4 Bronchiektasen, Lungenabszess, 4 Pneumothorax, 4 Pleuraerguss, 4 Tuberkulose, 4 Halsrippe (Gefahr von Lagerungsschäden! Plexus brachialis!).
4.7.4 Lungenfunktionsprüfung Die Vitalfunktion Atmung hat für den Anästhesisten große Bedeutung: Die alveoläre Ventilation steht im Mittelpunkt der Pharmakokinetik der Inhalationsnarkotika. Außerdem ist die Atmung an den postoperativen Komplikationen mit einem hohen Prozentsatz beteiligt (z. B. Pneumonie). Der Anästhesist muss in der Lage sein, die Lungenfunktion seines Patienten einschätzen zu können. Indikationen für eine Lungenfunktionsprüfung sind 4 chronische Emphysembronchitis, 4 Asthma bronchiale, 4 große intrathorakale Eingriffe, 4 große Oberbaucheingriffe (z. B. Operation nach Whipple, Gastrektomie). Zur Differenzierung von obstruktiven und restriktiven Lungenfunktionsstörungen dienen die Parameter (. Tabelle 4.1): 4 Vitalkapazität (VC): maximal ventilierbares Lungenvolumen, 4 Residualvolumen (RV): Volumen, das sich nach maximaler Ausatmung noch in der Lunge befindet, 4 totale Lungencompliance (TLC), 4 forciertes exspiratorisches Volumen nach einer Sekunde (FEV1), 4 Resistance: Atemwegswiderstand.
. Tabelle 4.2. Parameter der Lungenfunktionsprüfung und ihre Interpretation
Parameter
Obstruktion
Restriktion
VC
↓
↓
FRC
↑
↓↓
FEV1
↓
–
Resistance
↑
–
Diese Parameter können mit einem Lungenfunktionsgerät ermittelt werden, in das der Patient, nachdem er einen Nasenclip aufgesetzt hat, über ein Mundstück maximal ausatmet. Die Atemvolumina sind alters- und geschlechtsspezifisch. Die mit Hilfe des Lungenfunktionsgerätes gewonnenen Parameter erlauben es, Atemvolumina und Atemwegswiderstände des Patienten in Relation zu den für ihn typischen Normwerten zu bestimmen. Ergänzt werden sollte die Lungenfunktionsprüfung durch eine arterielle Blutgasanalyse und eine pulsoxymetrische Bestimmung der O2-Sättigung. Charakteristisch bei einer Störung der Atemwegswiderstände (obstruktive Lungenerkrankung) sind eine 4 Abnahme des in einer Sekunde forciert ausgeatmeten Volumens (FEV1) und 4 Zunahme der funktionellen Residualkapazität. Hinweis auf eine Abnahme der Gasaustauschflächen (restriktive Lungenfunktionsstörung) sind eine 4 Abnahme der Vitalkapazität, 4 Abnahme der funktionellen Residualkapazität.
4.7.5 Untersuchungsbefunde
bei ambulanten Patienten und bei Notfällen Selbstverständlich müssen auch beim ambulanten Patienten alle Untersuchungsbefunde (Labor, EKG, Röntgen-Thorax) vorliegen. Bei Kindern ist die Situation problematisch. Röntgen-Thorax und EKG sind selten notwendig, die Blutentnahme für die Laboruntersuchungen kann psychisch alterierend sein. Nicht selten sind
93 4.10 · Anästhesiologisches Vorgehen beim »Stand by«
Mehrfachpunktionen notwendig, manchmal wird die »letzte« Vene zerstochen. Es gibt deshalb gute Gründe, bei Kindern auf Laborwerte zu verzichten, solange die Anamnese keine Hinweise auf Organfunktionsstörungen gibt. Bei Notfalleingriffen muss man unterscheiden zwischen 4 dringlichen Eingriffen (z. B. rupturiertes Aortenaneurysma, Milzruptur): Auf Untersuchungsbefunde muss hierbei zunächst verzichtet werden, Blut zur Blutkreuzung und Blut zu Laboruntersuchungen werden aber sofort abgenommen; 4 Eingriffen mit aufgeschobener Dringlichkeit (z. B. Ileus): Es sollten Röntgen-Thorax, EKG und die obligaten, bei Organfunktionsstörungen auch die fakultativen Laborwerte vorliegen.
4.8
Absprache mit dem Operateur
Sie dient der Information über 4 die Art des Eingriffs und das operative Vorgehen, 4 die Lagerung (z. B. Bauchlagerung, Hocke bei Bandscheibenoperationen, Flankenlagerung bei Nierenoperationen), 4 die Dauer des Eingriffs, 4 die Zahl der Blutkonserven, die zu bestellen sind. Eine enge Absprache ist notwendig, weil bei einer zu geringen Zahl von Blutkonserven der Patient gefährdet, bei einer zu großen Zahl die Blutbank und der Etat überfordert werden. An die Möglichkeit von Eigenblutspende, Autotransfusion und Hämodilution muss immer gedacht werden (7 Kap. 9.3).
4.9
Prämedikation
Bei der Prämedikation ist Flexibilität besser als ein starres Schema. Auf die Gewöhnung des Patienten an Schlafmittel (z. B. Sedativa, Hypnotika) sollte Rücksicht genommen werden. Ziel Die Prämedikation soll vor allem eine sedativ-
hypnotische und anxiolytische Wirkung haben. Zusätzlich sind amnestische, antiemetische, antihista-
4
minerge und anticholinerge Wirkungskomponenten wünschenswert, aber nicht obligat. Ein Analgetikum sollte dann Teil der Prämedikation sein, wenn der Patient schon präoperativ Schmerzen hat. Durchführung Abends wie am Morgen vor der Operation erhält der Patient ein Benzodiazepin. Mit Dikaliumclorazepat (Tranxilium) liegt ein Benzodiazepin mit einer etwas schwächeren Wirkungsstärke und längerer Wirkdauer vor (Dosierung abends 25 mg; morgens 25–50 mg). Entscheidet man sich für das deutlich wirkungsstärkere Flunitrazepam (2 mg), so sollte man besonders bei alten Patienten vorsichtig dosieren (0,5–1 mg). Gleiches gilt für Midazolam (3,75–7,5 mg). In jedem Falle sollte das Medikament ½–1Stunde vor Narkoseeinleitung gegeben werden. Kinder werden oral oder rektal prämediziert (7 Kap. 14.1).
4.10
Anästhesiologisches Vorgehen beim »Stand by«
Häufig werden operative Eingriffe vorgenommen, bei denen der Operateur selbst die Lokalanästhesie durchführt (z. B. Augenoperationen, HNO-Eingriffe). Gerade bei Patienten mit Risiken (z. B. schwere Herzkreislauf- oder Atemwegserkrankungen) wird der Anästhesist vom Operateur oft aufgefordert, die Vitalfunktionen des Patienten während der Operation zu überwachen (»Stand by«). Daraus ergeben sich erhebliche rechtliche Konsequenzen für den hinzugezogenen Anästhesisten. Die Verantwortung für das Wohlergehen des Patienten ist nun auf ihn übertragen worden. Gleichzeitig wird er häufig aufgefordert, die Lokalanästhesie durch Gabe eines Analgetikums zu komplettieren oder sedierende Medikamente zu geben. Um das Risiko dieser Patienten, die meist mehrere Vorerkrankungen haben, zu erfassen, ist auch hier eine umfangreiche Voruntersuchung einschließlich laborchemischer Parameter notwendig, auch wenn keine Narkose im eigentlichen Sinne durchgeführt wird. Die Vorbereitungen werden also genauso durchgeführt, als ob der Patient eine Allgemein- oder eine Regionalanästhesie vom Anästhesisten bekäme. Dazu gehört auch die Einhaltung des
94
4
Kapitel 4 · Prämedikationsvisite
Nüchterngebotes, da die Einleitung einer Narkose notwendig werden kann, wenn die Lokalanästhesie etwa bei einer unvorhergesehenen Ausweitung des Eingriffs oder bei unzureichender Wirkung nicht ausreicht. Außerdem kann bei Komplikationen eine Notintubation notwendig werden. Mit dem Operateur muss das optimale Vorgehen für die Betreuung während der Operation abgesprochen werden. Während der Operation wird das EKG abgeleitet sowie der Blutdruck und die Atemfrequenz gemessen. Die Befunde werden im Narkoseprotokoll festgehalten.
5 5 Präoperative Vorbereitungen
96
Kapitel 5 · Präoperative Vorbereitungen
Die präoperative Vorbereitung dient der Prophylaxe perioperativer Komplikationen. Physiotherapie
Krankengymnastisches Atemtraining dient der Prophylaxe postoperativer Pneumonien. Dies ist besonders wichtig bei Patienten mit pulmonalen Vorerkrankungen, bei Patienten mit Oberbauch- und Thoraxeingriffen und bei Patienten im Greisenalter. Rauchverbot?
5
Untersuchungen haben ergeben, dass das Risiko postoperativer Pneumonien erst abnimmt, wenn der Patient seinen Nikotinabusus 8 Wochen vor der Operation einstellt. Ist dies nicht möglich, so sollte man den Patienten weiterrauchen lassen, damit er nicht in einen Nikotinentzug kommt. Nikotin führt zu einer Erschlaffung des gastroösophagealen Sphinkters mit der Gefahr einer Regurgitation. Diese Wirkung ist jedoch auf einen Zeitraum von 10 min begrenzt. Insofern führt das Rauchen vor dem operativen Eingriff auch nicht zu einem erhöhten Aspirationsrisiko, auch wenn das Magensaftvolumen beim Raucher erhöht und die Azidität größer ist. Dennoch sollte man die Gelegenheit eines Klinikaufenthaltes wahrnehmen und den Raucher auf die große Gefährdung quoad vitam hinweisen, zum Nikotinentzug sind jedoch Narkose und Operation ungünstigste Zeiten. Präoperativer Ausgleich von Störungen der Homöostase
4 Volumenmangel: Je nach Genese sind Blut-, Plasma- oder Elektrolytlösungen zu substituieren (7 Kap. 9.1). 4 Ein zu niedriger Hb-Wert (7 Kap. 4.7.1) macht Gabe von Erythrozytenkonzentraten (bei Anämie) erforderlich. 4 Elektrolytentgleisungen wie Hypo- und Hyperkaliämien müssen ebenso korrigiert werden wie Natriumserumkonzentrationsveränderungen (Osmolaritätsveränderungen). 4 Gerinnungsstörungen: Die Substitution von Gerinnungsfaktoren (FFP [7 Kap. 9.2], Gerinnungsfaktorkonzentrate) ist notwendig.
In enger Zusammenarbeit mit dem behandelnden Operateur und dem konsiliarisch hinzugezogenen Internisten muss bei Patienten mit Organinsuffizienzen überprüft werden, ob durch medikamentöse Maßnahmen (Digitalis, β-Blocker, Nitrate, Antihypertensiva) der Zustand des Patienten noch verbessert werden kann. Ist dies nicht der Fall, so muss der Anästhesist anhand aller vorliegenden Befunde die Narkosefähigkeit überprüfen und das geeignete Betäubungsverfahren auswählen. Operateur und Patient müssen auf ein erhöhtes Narkoserisiko hingewiesen werden.
6 6 Präoperatives Check-up 6.1
Geräte
– 98
6.2
Instrumentarium – 98
6.3
Medikamente zur Narkose – 100
6.4
Notfallmedikamente
6.5
Infusionslösungen
– 100 – 100
98
Kapitel 6 · Präoperatives Check-up
Die Narkose ist wie ein Flug: Die Einleitung entspricht dem Start, die Ausleitung der Landung, dazwischen liegt ein »steady state« – die Narkosetiefe gleicht der Flughöhe. Wie zu einem Flug, so gehört auch zur Narkose ein sorgfältiges Check-up.
6.1
gen (Sauerstoff etwa 200 bar, Lachgas 50 bar). Die Gasmenge, die noch im Gaszylinder vorhanden ist, ergibt sich aus dem Produkt von Sauerstoffdruck und Zylinderinhalt. Beim Lachgas muss der Zylinder gewogen werden (Lachgas liegt im Gaszylinder als Flüssigkeit vor).
Geräte 6.2
6
Überprüft werden müssen: 4 Gasanschlüsse: Die Anschlusskupplungen der Gaszuleitungsschläuche müssen sicher mit den Wandventilen der zentralen Gasversorgung verbunden sein, die Vaporen der Inhalationsnarkotika müssen gefüllt sein. 4 Verbindungsschläuche: Sie müssen alle vorhanden, in der richtigen Reihenfolge montiert und auf Dichtigkeit überprüft sein. 4 Atemkalk: Die Absorptionskapazität des Atemkalks muss ausreichend sein. Die Dichtigkeit des Kreissystems überprüft man, indem man Sauerstoff mit einem hohen Flow (10 l/ min) in das geschlossene Kreissystem fluten lässt. Der Atembeutel wird prall gefüllt, der angezeigte Druck darf bei geschlossenem Kreisteil nach Abstellen der Gaszufuhr nicht abfallen. Außerdem ist die Funktion des Überdruckventils zu überprüfen. Bei Flaschengeräten mit Gaszylinder muss der Gasdruckanzeiger einen ausreichenden Gasdruck anzei. Abb. 6.1a,b. Rendell-Baker-Maske für Kinder (a) im Vergleich zu Narkosemasken des Erwachsenen (b)
Instrumentarium
Masken Es sollten Masken aller Größen verfügbar sein (Nummer 0, 1, 2, 3, 4) (. Abb. 6.1). Darüber hinaus sollten Larynxmasken in allen Größen verfügbar sein (Nr. 2, 2,5, 3, 4) Intubationsbesteck Dazu zählen
4 Laryngoskop (. Abb. 6.2a), 4 Batterien (müssen auf Funktionstüchtigkeit überprüft werden!), 4 Spatel aller Größen (Nummer 1, 2, 3, 4), 4 Lampe (darf nicht defekt sein, Funktionstüchtigkeit muss überprüft werden), 4 Führungsstab, um bei schwierigen Intubationen den Tubus besser in die Trachea führen zu können (. Abb. 6.2 b), 4 Blockerspritze (. Abb. 6.2b), 4 Tuben in ausreichender Zahl und in allen richtigen Größen, mit und ohne (bei Kindern <8 Jahren) Tubuscuff (. Abb. 6.2b, 6.3) (der Tubuscuff muss auf Dichtigkeit überprüft werden),
6
99 6.2 · Instrumentarium
. Abb. 6.2. a Laryngoskop, b Tubus, c Führungsstab
Tubuskonnektionsstück Blockerspritze
Verbindungsschlauch
Ballon, an dem der Cuffdruck gefühlt werden kann
a
Cuff
Führungsstab
b
. Abb. 6.3. Tuben zur endotrachealen Intubation
c
100
Kapitel 6 · Präoperatives Check-up
4 Guedel-Tuben, 4 Magill-Zange, 4 Absaugkatheter (müssen ebenfalls in ausreichender Zahl und in den richtigen Größen vorhanden sein) und Absauggerät, Monitoring Dieses beinhaltet:
4 4 4 4
6
EKG, Pulsoxymeter, endexspiratorische CO2-Messung, nichtinvasive oder direkte Blutdruckmessung (7 Kap. 8.3).
EEG-basierte Narkosentiefenüberwachung und Relaxometrie sind heute noch nicht Standard.
6.3
Medikamente zur Narkose
Je nach Wahl des Narkoseverfahrens müssen 4 Einleitungsmittel (Thiopental, Methohexital, Etomidat, Ketamin, Benzodiazepine, Propofol), 4 Medikamente zur TIVA (totale intravenöse Anästhesie: Propofol/Opioid bzw. Midazolam/ Opioid ohne Lachgas in Beatmungsgasgemisch) oder IVA (intravenöse Anästhesie mit LachgasSauerstoff-Gemisch in der Inspirationsluft), 4 Muskelrelaxanzien und/oder 4 Lokalanästhetika (7 Kap. 7.3.2) aufgezogen bereitliegen.
6.4
Notfallmedikamente
Folgende Medikamente sowie physiologische NaClLösung zur Verdünnung müssen griffbereit sein: Atropin, Lidocain, Kalzium, Adrenalin (Suprarenin), Noradrenalin (Arterenol), Orciprenalin (Alupent), Nitroglyzerin, Digoxin (Lanicor), Dexamethason (Fortecortin), Methylprednisolon (Urbason), Betablocker (Brevibloc, Beloc), Furosemid (Lasix), Akrinor, Kalium, Dopamin, Dobutamin (Dobutrex), Antihypertensiva (Ebrantil, Catapresan), Kalziumantagonisten (Isoptin, Adalat), Theophyllin (Euphylong), Diazepam (Valium) und Succinylcholin.
6.5
Infusionslösungen
4 Elektrolytlösungen (Vollelektrolytlösung, Zweidrittelelektrolytlösung, 7 Kap. 9.1), 4 Plasmaeiweißlösungen 5%, 4 Natriumbikarbonat 8,4%, 4 Plasmaersatzmittel (Hydroxyäthylstärke, Gelatinelösungen, 7 Kap. 9.1).
7 7
Anästhesieverfahren und Methoden der Atemwegssicherung
7.1
Airway – 102
7.1.1 7.1.2 7.1.3 7.1.4
Gesichtsmaske – 102 Larynxmaske – 103 Endotracheale Intubation – 105 Nasotracheale Intubation – 111
7.2
Anästhesieverfahren
7.2.1 7.2.2 7.2.3
Inhalationsnarkosen – 111 »Balanced Anaesthesia« – 112 Intravenöse Narkoseformen – 113
– 111
7.3
Regionalanästhesie
7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.3.4 7.3.5 7.3.6 7.3.7 7.3.8 7.3.9 7.3.10 7.3.11
Physiologie der Regionalanästhesie – 114 Pharmakologie der Lokalanästhetika – 115 Nebenwirkungen der Regionalanästhesie – 117 Lokalanästhetika – 118 Prämedikation – 118 Auswahl des Lokalanästhetikums – 119 Lokalanästhesie – 119 Intravenöse Regionalanästhesie nach Bier – 119 Periphere Leitungsanästhesien – 120 Spinalanästhesie – 130 Periduralanästhesie – 133
– 114
7.4
Auswahl des Narkoseverfahrens – 136
102
Kapitel 7 · Anästhesieverfahren und Methoden der Atemwegssicherung
Zu den Anästhesiemethoden zählen die: 4 Inhalationsanästhesien, 4 intravenöse Anästhesien, 4 »balanced anaesthesia«, 4 Regionalanästhesien, 4 Kombination von Inhalationsanästhesien bzw. intravenösen Anästhesien mit Regionalanästhesieverfahren. Je nach Dauer der Operation, Nüchternheit des Patienten, Lage des Operationsgebiets und Lagerung des Patienten während des operativen Eingriffs unterscheidet man verschiedene Formen der Atemwegssicherung, im angloamerikanischen Schrifttum auch kurz »Airway« genannt. Wichtig
Zu den Methoden der Beatmung und Atemwegssicherung zählen: 5 die Gesichtsmaskennarkosen, 5 die Larynxmaskennarkosen und 5 die Intubationsnarkosen.
7
Es empfiehlt sich, die Sicherung der Atemwege vor den Narkoseverfahren abzuhandeln.
7.1 7.1.1
Airway Gesichtsmaske
Die Beatmung eines Patienten über eine Gesichtsmaske während der Gesamtdauer einer Narkose ist heute eine Seltenheit geworden. Eine Ausnahme bilden noch kurz dauernde Narkosen bei Neugeborenen und Säuglingen oder bei Frauen in der Gynäkologie für Abrasiones. Große Bedeutung hat die Beatmung über die Gesichtsmaske auch heute noch in der Ein- und Ausleitungsphase von Larynxmasken- oder Intubationsnarkosen. Hier tun sich die Anfänger im Fachgebiet Anästhesie immer wieder sehr schwer: Schwierig ist es, die Maske so dicht zu halten, dass das Narkosegas nicht nach außen entweicht, schwierig ist es häufig auch, zeitgleich die Atemwege mit der gleichen Hand, die die Maske hält, so frei zu halten, dass eine effektive Beatmung des Patienten möglich ist.
Wichtig
Nur wenn eine effektive Beatmung des Patienten über die Gesichtmaske möglich ist, darf zum Zwecke der Intubation der Patient relaxiert werden!
Praxisbox Praktisches Vorgehen bei der Maskenbeatmung Zur Maskenbeatmung stehen Gesichtsmasken in unterschiedlichen Größen zur Verfügung. Die Größen 0, 1, 2 sind Masken zur Beatmung von Kindern. Diese Rendell-Baker-Masken (. Abb. 6.1) sind den kindlichen Gesichtsformen angepasst und haben einen minimalen Totraum. Man sollte eine durchsichtige Maske benutzen, um Hypoxämien an einer Lippenzyanose besser erkennen zu können. Für Erwachsene bieten sich die Größen 4 und 5 an. Es werden für das Erwachsenenalter auch aufblasbare Gesichtsmasken angeboten; mit unterschiedlichen Füllungsvolumina dieser Masken kann man sich speziellen Begebenheiten des Patientengesichtes anpassen. Nach intravenöser Narkoseeinleitung wird die Gesichtsmaske dicht auf Mund und Nase des Patienten aufgesetzt. Die linke Hand des Anästhesisten (bei Linkshändern möglicherweise auch die rechte Hand) umfasst mit dem Daumen und Zeigefinger die Maske, Mittel-, Ring- und kleiner Finger umfassen den Unterkiefer des Patienten und heben ihn hoch (. Abb. 7.1). Mit dem Unterkiefer werden auch die Zunge sowie die Zungenmuskulatur hochgehoben und auf diese Weise der Atemweg freigehalten. Mit der rechten Hand wird der Atembeutel umfasst. In der für den Patienten adäquaten Frequenz wird der Patient dann beatmet. Beatmungsdrücke von über 15 cm H2O sollten vermieden werden, damit es nicht zu einer Luftinsufflation in den Magen kommt (Verschlussdruck des unteren Ösophagussphinkters 15 cm H2O). Die Effektivität der Beatmung wird mit der Messung des SaO2 sowie an der Messung des endexspiratorischen CO2 kontrolliert. Letztere 6
103 7.1 · Airway
7
Hände des Anästhesisten gebunden sind. Ein gleichzeitiges Ausfüllen des Narkoseprotokolls ist deshalb nur unter Schwierigkeiten möglich, was bei dem in der heutigen Zeit meist sehr gedrängten Operationsprogramm von Nachteil ist.
7.1.2
. Abb. 7.1. Die Haltung der Maske bei Maskenbeatmung
Werte sind jedoch in der Einleitungsphase nicht sehr valide, sondern geben nur einen Hinweis darauf, dass die Atemwege frei sind und ein Gasaustausch möglich ist. Um die Atemwege frei zu machen, kann auch ein Guedel-Tubus eingelegt werden. In der postoperativen Phase hilft häufig ein Wendeltubus, um die Atemwege freizuhalten (. Abb. 7.2)
Komplikationen der Gesichtsmaskennarkose Dazu zählen vor allem die Luftinsufflation in den Magen mit der Gefahr der Aspiration. Indikation für eine Gesichtsmaskennarkose Eine Gesichtsmaskennarkose ist heute noch indiziert bei kurzen Eingriffen (unter 10 min) bei nüchternen Patienten, die von der Lokalisation des Eingriffes her in Rückenlage bzw. Steinschnittlage operiert werden können (z. B. Abrasio). Nachteilig ist, dass während einer Gesichtsmaskennarkose beide . Abb. 7.2. a Guedeltubus, b Wendltubus
Larynxmaske
Die Larynxmaske wurde Ende der 80er-Jahre von Brain in die anästhesiologische Praxis eingeführt. Sie besteht aus einer Maske, die an einem Tubus angebracht ist, und wird unaufgeblasen nach intravenöser Narkoseeinleitung in den Larynx des Patienten eingeführt. Nach Luftinsufflation in die Maske über eine Zuleitung von außen schmiegt sich der Maskenwulst an den Pharynx und um die Epiglottis (. Abb. 7.3). Die Larynxmaske ist mit einem Tubus verbunden, über den der Patient mit Sauerstoff und Narkosegasen versorgt wird. Larynxmasken stehen in den Größen 4 1 – Füllvolumen 5 ml; für Neugeborene und Säuglinge (bis 6 kg), 4 1,5 – Füllvolumen 7 ml, Säuglinge von 5 bis 10 kg, 4 2 – Füllvolumen 10 ml; für Kleinkinder bis zu 20 kg, 4 2,5 – Füllvolumen 20 ml; für Kleinkinder bis 30 kg, 4 3 – Füllvolumen 25 ml; für Schulkinder bis 50 kg, 4 4 – Füllvolumen 30 ml; für Erwachsene (50 bis 90 kg), 4 5 – Füllvolumen 40 ml, für Erwachsene (über 90 kg) zur Verfügung. Die hier angegebenen Füllvolumina dienen zur groben Orientierung. Die Luftfüllung der
104
Kapitel 7 · Anästhesieverfahren und Methoden der Atemwegssicherung
. Abb. 7.3. Larynxmaske nach Brain
7 Larynxmaske ist dann ausreichend, wenn bei der Beatmung keine Luft mehr hörbar nach außen entweicht.
. Abb. 7.4. Kehlkopfmaske in situ mit Darstellung der fiberoptischen Intubation
Praxisbox Praktisches Vorgehen bei der Larynxmaskennarkose Nach Narkoseeinleitung wird die Larynxmaske mit der Öffnung nach kaudal bzw. ventral am Gaumen hinter den Schneidezähnen angesetzt und dann am Gaumen und der Pharynxhinterwand entlang bis auf Kehlkopfhöhe vorgeschoben. Die korrekte Lage der Larynxmaske erkennt man daran, dass der Tubus der Larynxmaske nach adäquater Blockung noch 1–2 cm aus dem Mund hervorkommt. Hinweise auf eine achsengerechte Lagerung gibt eine schwarze Linie auf dem Tubus, die immer in der Lippenmitte lokalisiert sein muss. Bei manchen Patienten gelingt die Platzierung leichter, wenn die Larynxmaske mit der Öffnung kranial in den Mund eingebracht, dann im Mund um 180° gedreht und bis zum Larynx geschoben wird. Zur Narkoseeinleitung bei Larynxmaskennarkosen hat sich wegen seiner larynxreflexunterdrückenden Wirkung besonders Propofol 6
bewährt. Als Alternativen bieten sich Thiopental oder – bei Kindern – auch eine Narkoseeinleitung mit Inhalationsnarkotika an. Eine Relaxation ist nicht erforderlich. Gelingt das Einführen der Larynxmaske nicht auf diesem Wege, so kann man wie bei der endotrachealen Intubation ein Laryngoskop benutzen (. Abb. 6.2) und die Larynxmaske unter Sicht platzieren. Der Tubus wird nun fixiert, eine Mullbinde oder ein Güdeltubus gilt als Beißschutz. Der Tubus kann nun an das Narkosegerät angeschlossen werden. Der Patient kann über die Larynxmaske spontan atmen oder beatmet werden. Über die Larynxmaske kann auch fiberoptisch endotracheal intubiert werden, wodurch sich schwierige Intubationssituationen bei der Narkoseeinleitung unter Sicherung des Gasaustausches bewältigen lassen (. Abb. 7.4).
Komplikationen durch die Larynxmaske Zu unter-
scheiden sind Komplikationen bei der Einleitung, während der Narkose und bei der Ausleitung.
105 7.1 · Airway
7
Einleitung: Bei der Einführung der Larynxmaske kann es zu: 4 Zahnschäden (selten; wenn, dann bei Wackelzähnen [Kinder mit Wechselgebiss] oder bei marodem Gebiss), 4 Blutungen (selten), 4 Dislokation der Larynxmaske und 4 Aspiration
4 Geburtshilfe: Schwangere gelten zum Geburtstermin prinzipiell als nicht nüchtern. Gibt es jedoch bei einer Notsektio unüberwindliche Intubationshindernisse, so kann über eine Larynxmaske der Gasaustausch oft noch gesichert und die Narkose als Inhalationsanästhesie über die Larynxmaske als Ultima Ratio durchgeführt werden (7 Kap. 15.5.5).
kommen.
Kontraindikationen für die Larynxmaske Zu den absoluten Kontraindikationen zählen: 4 nicht nüchterne Patienten, 4 extrem adipöse Patienten, 4 niedrige Lungencompliance mit Beatmungsdrücken über 20 cm H2O; hier wird die Kehlkopfmaske undicht, Narkosegase entweichen! 4 Oberbauchchirurgie.
Während der Narkose kann es zu einem Larynxund Bronchospasmus kommen, wenn die Narkose nicht adäquat tief ist! Der Patient ist nicht relaxiert! Deshalb muss die Larynxmaskenanästhesie ausreichend tief sein: Handelt es sich um eine Inhalationsnarkose, so sollte sie immer opioidsupplementiert sein im Sinne einer »balanced anaesthesia« (7 Kap. 7.7.2). Außerdem kann es während einer Larynxmaskenanästhesie zu einer Aspiration kommen. Eine Larynxmaske bietet keinen Aspirationsschutzund ist deshalb nur bei nüchternen Patienten indiziert. Ausleitung: Dazu zählen: 4 Zahnschäden (selten) und 4 Aspiration. Indikationen für die Larynxmaske Die Larynx-
maske kommt zum Einsatz bei Eingriffen mit kurzer Dauer (<30 min), an der Körperperipherie (z. B. Extremitäten, Haut, Leistenhernie) und bei Operationen, die in Rückenlage durchführbar sind, z. B. 4 Chirurgie: Eingriffe an der Körperoberfläche und an den Extremitäten; 4 HNO-Eingriffe: Adenotomie, Tonsillektomie; hier ist allerdings die Kooperation des HNOArztes gefordert, Eingriffe an den Ohren und an der Nase; 4 Augenchirurgie: Hier ist von Vorteil, dass im Gegensatz zur Intubation das Einführen der Larynxmaske nicht zum Blutdruckanstieg und zur Tachykardie und damit auch nicht zu einem Augeninnendruckanstieg führt. Am Operationsende sichert die gute Toleranz der Larynxmaske vor Husten und Pressen, was für den Operationserfolg in der Augenheilkunde von großer Bedeutung ist;
Relative Kontraindikationen sind: 4 extreme, isolierte Seitenlagerung des Kopfes (die Larynxmaske wird torquiert), 4 Neugeborene und Säuglinge mit einem Gewicht unter 5 kg, 4 extreme Einschränkung der Mundöffnung, Ankylose (Versteifung des Kiefergelenks).
7.1.3
Endotracheale Intubation
Unter der endotrachealen Intubation versteht man das Einführen eines Tubus in die Trachea; er sichert freie Atemwege und schützt vor Aspiration. Über den Tubus ist eine maschinelle, kontrollierte Beatmung möglich. Man unterscheidet den oralen vom nasalen Intubationsweg. Bei der Narkose wird der orotracheale, bei Narkosen zu kiefer- und zahnchirurgischen Eingriffen der nasale Intubationsweg bevorzugt. Praxisbox Praktisches Vorgehen zur oralen Intubation Nach Narkoseeinleitung wird der Patient relaxiert. Zur Relaxation kann man ein depolarisierendes Muskelrelaxans (Succinylcholin) oder ein nichtdepolarisierendes Muskelrelaxans wählen. Die Wahl des nichtdepolarisierenden Muskel6
106
7
Kapitel 7 · Anästhesieverfahren und Methoden der Atemwegssicherung
relaxans orientiert sich an der voraussichtlichen Dauer des operativen Eingriffes (Beispiel: Mivacurium für kurze Eingriffe, Atracurium oder Vecuronium bei länger dauernden Eingriffen). Voraussetzung für die Gabe eines depolarisierenden wie nichtdepolarisierenden Muskelrelaxans ist, dass eine effektive Maskenbeatmung möglich ist. Vor der Gabe von Succinylcholin ist es zwingend notwendig abzuklären, ob Kontraindikationen gegen den Einsatz von Succinylcholin vorliegen (7 Kap. 1.14.2). Da bei Kindern etliche Muskelerkrankungen noch nicht klinisch manifest geworden sind (z. B. Muskeldystrophie vom Typ Duchenne oder Becker-Kiener) und die Succinylcholingabe zu einer Rhabdomyolyse mit Todesfolge führen kann, sollte man bei Kindern generell auf Succinylcholin verzichten (Ausnahmen: Notfallintubation bei Ileus, Therapie eines Laryngospasmus; 7 Kap. 1.14.2). Setzt man Succinylcholin bei Erwachsenen oder bei Notfallindikationen ein, so sollte man eine kleine Dosis eines nichtdepolarisierenden Muskelrelaxans (1/5 der berechneten Dosierung) vorweg applizieren, um einen postoperativen Muskelkater zu vermeiden (7 Kap. 1.14.2). Für die Zeitdauer von Narkoseeinleitung bis zur Intubation wird der Patient mit einer FiO2 von 1,0 beatmet. Mit dieser Maßnahme wird der gesamte Stickstoff aus der Lunge ausgewaschen und durch Sauerstoff ersetzt. Dieses Sauerstoffreservoir reicht bei einem normalgewichtigen Erwachsenen für 3–5 min. Erst nach dieser Zeit ist mit einem Abfall der arteriellen Sauerstoffsättigung zu rechnen. Liegt eine reduzierte funktionelle Residualkapazität (FRC) vor, so kommt es bereits früher zu einem Sättigungsabfall; dies ist bei adipösen Patienten (7 Kap. 12.11), Neugeborenen (7 Kap. 14.1) und Schwangeren der Fall (7 Kap. 15.5.5). Wenn das Muskelrelaxans seine Wirkung entfaltet hat (Succinylcholin nach 1 min, Rocuronium nach 1–2 min, alle anderen Muskelrelaxanzien nach 3 min), kann intubiert werden. Dazu nimmt man das Laryngoskop in die linke Hand (Linkshänder: rechte Hand) und führt 6
es am rechten Zungenrand ein (. Abb. 7.5). Die Laryngoskopspitze gleitet nun langsam am Zungengrund entlang bis zur Epiglottis. Mit leichtem Zug nach oben (. Abb. 7.5, [Klinikjargon: Spitze betonen!]), wird nun der Blick auf Epiglottis, Ary-Knorpel sowie Stimmbänder frei (. Abb. 7.5). Der Tubus wird jetzt, ohne die Trachealschleimhaut zu traumatisieren, in die Trachea eingeschoben und geblockt (Ausnahme: bei Kindern bis zum 8. Lebensjahr wird der Tubus nicht geblockt, 7 Kap. 14.1). Die Blockung erfolgt mit Luft über einen am Tubus angebrachten Cuff. Dieser schützt vor Aspiration und verhindert den Verlust von Gasen bei der Beatmung. Durch manometrische Cuff-Druckmessung verhindert man die Schädigung der Trachea, verursacht durch zu hohen Druck (. Abb. 7.6). Bei Männern werden Tuben von der Größe mit einem Innendurchmesser (ID) von 8 mm, bei Frauen Tuben mit einem ID von 7,0–7,5 mm gewählt (Kinder 7 Kap. 14.1). Dies entspricht einem Außendurchmesser, angegeben in Charrière (1 Charrière entspricht 1/3 mm) von 30–34 bei Frauen, bei Männern 32–36. Spezielle Tuben sind bei thoraxchirurgischen Eingriffen erforderlich (7 Kap. 15.2). Das Material der Tuben, die nach ihrem Erstbeschreiber und Entwickler Magill genannt werden, besteht heute nahezu ausschließlich aus Plastik. Weichgummituben mit einem »low-volume high-pressure cuff«, der auf die Trachealschleimhaut einen zu starken Druck ausübt und deshalb postoperativ häufig zu einem Stridor führt, werden heute nicht mehr benutzt.
Auf die Tuben sind Zahlen in der Maßeinheit cm eingetragen; sie geben den Abstand von der Tubusspitze bis zur Fixationsstelle im Mundwinkel an. Dieser Abstand beträgt bei Patienten im Durchschnitt 23 cm, bei Kindern entsprechend weniger (7 Kap. 15.5.7). Die Tuben haben meist an der Spitze eine 45°Abschrägung und zur rechten Lungenseite hin in der Ausführung nach Murphy ein Loch, auch MurphyAuge genannt (. Abb. 6.3), über das auch der rechte Oberlappenbronchus belüftet werden kann.
107 7.1 · Airway
7
. Abb. 7.5 a–e. Vorgehensweise bei Intubation. a Laryngoskopie: korrekte Einbringung des Laryngoskops, b Laryngoskopie: Blick auf die Stimmbänder, c Einbringung des Tubus (Sicht von außen), d Einbringung des Tubus (Sicht im Längsschnitt), e korrekte Lage des Tubus
Im Gegensatz zu dem Endotrachealtubus nach Magill zeichnet sich der Endotrachealtubus nach Woodbridge durch seine Flexibilität aus, die er einer Metallspirale verdankt. Vorzug dieses Tubus ist es, dass er praktisch nicht abknicken kann. Die Flexibilität macht jedoch bei der Intubation meist einen Führungsstab notwendig (. Abb. 6.2). Indiziert ist der Woodbridge-Tubus bei allen Eingriffen am Kopf und Hals sowie bei extremer Lagerung (z. B. Bauchlagerung). Die Woodbridge-Tuben bestanden früher
vorwiegend aus Latex, in das eine Metallspirale eingearbeitet war. Das häufige Autoklavieren dieser Latextuben hat zu einem Verschleiß besonders im Bereich des Cuffs geführt. Beim Blocken dieser lädierten Cuffs kam es oft zu schweren Komplikationen: CuffHernie und Verlegung der Atemwege (. Abb. 7.7)! Diese Situation konnte, sofern die Ursache erkannt wurde, durch Entblocken des Cuffs sofort entschärft werden. Die Gefahr einer Cuff-Hernie ist heute bei den Einmal-Woodbridge-Tuben gering.
108
Kapitel 7 · Anästhesieverfahren und Methoden der Atemwegssicherung
. Abb. 7.6. Cuff-Druckmesser
[cm H2O]
7
Vor einer Sicherung des Tubus muss die korrekte Lage des Tubus überprüft werden. Das einzige Zeichen, das eine 100%ige Sicherheit bietet, ist die Messung des endexspiratorischen CO2: Wird bei der Beatmung endexspiratorisches CO2 gemessen, so liegt der Tubus richtig. Darüber hinaus muss der Patient auskultiert werden. Ist nur einseitig ein Atemgeräusch auskultierbar, so liegt eine einseitige Ventilation vor. Weitere Zeichen für eine einseitige Ventilation sind: 4 einseitiges Heben und Senken des Thorax, 4 Zyanose, 4 zu flache Narkose wegen verminderter alveolärer Ventilation bei Inhalationsnarkosen, 4 im Extremfall: Tachykardie, Extrasystolie und Blutdruckabfall bei Mediastinalverlagerung, 4 Atelektase der nicht beatmeten Seite. Nach der Auskultation wird der Tubus sorgfältig und sicher fixiert. Es empfiehlt sich, die Stelle am Tubus, die nach der Tubuslagekontrolle im Mundwinkel liegt, zu markieren bzw. im Narkoseprotokoll zu vermerken; so kann später nach evtl. Dislo-
. Abb. 7.7. Cuff-Hernie
kation eine erneute Fixierung an dieser Stelle erfolgen. Schwierige Intubation Sie muss erwartet werden bei 4 großer Zunge (z. B. Morbus Pfaundler-Hurler, Akromegalie), 4 Verletzungen oder Entzündungen im Mund-, Kiefer- und Halsbereich,
109 7.1 · Airway
7
. Abb. 7.8. Pierre-Robin-Syndrom
. Abb. 7.9. Darstellung der fiberoptischen nasalen Intubation (flexibles Bronchoskop)
4 eingeschränkter Halsbeweglichkeit (z. B. Morbus Bechterew), 4 Kiefergelenksperre, 4 Hypognathie (= fliehendes Kinn, z. B. Pierre-Robin-Syndrom, . Abb. 7.8), 4 kurzem, dickem Hals, 4 Trachealverlagerung (z. B. Struma per magna).
Komplikationen während der Intubation Folgende
Hilfsmittel sind: 4 ein langer Spatel, 4 Führungsstab (durch dessen Biegung und Krümmung kann dem Tubus eine bestimmte Richtung gegeben werden), 4 Magill-Zange (mit ihr kann man den Tubus in die gewünschte Richtung schieben), 4 flexibles Bronchoskop. Prozedere: Lokalanästhesie des Rachenraumes und der Trachea, unter Sedierung bei Spontanatmung Einführen des flexiblen Bronchoskops über die Nase und den Pharynx in die Trachea, anschließend Einführen des Tubus über das Bronchoskop in die Trachea (. Abb. 7.9). Über den Algorithmus bei der schwierigen Intubation informiert . Abb. 7.10. Häufige Komplikationen der orotrachealen Intubation Komplikationen während der Intubation
sind von Komplikationen bei liegendem Tubus und nach Extubation zu unterscheiden.
Komplikationen können auftreten: 4 Der Tubus wird versehentlich in den Ösophagus geschoben. Symptome: Patient wird unter Beatmung zyanotisch; der Thorax bewegt sich nicht, das Abdomen bläht sich auf; nur über dem Magen ist ein »Beatmungsgeräusch« auskultierbar, nicht aber über der Lunge. Cave: Hypoxie! Tubus entfernen, mit der Maske beatmen, dann erneut laryngoskopieren, Tubus in die Trachea positionieren, Luft aus dem Magen absaugen. 4 Traumatisierung von Zähnen, Schleimhaut, von Mund und Trachea sowie Stimmbändern: Werden Zähne extrahiert oder springen Zahnteile ab, so müssen diese rasch mit der MagillZange entfernt werden, um eine Aspiration zu vermeiden; Stimmbandläsionen zeigen sich postoperativ als »belegte« Stimme, Räusperzwang oder stärkergradig als Stridor. Leichtere Stimmbandläsionen sind auch vom Erfahrenen nicht immer sicher zu vermeiden. 4 Einseitige Tubuslage: Symptome 7 oben. 4 Provokation von Reflexen bei unzureichender Narkosetiefe. Dazu zählen: 5 kardiovaskuläre Reflexe: Blutdruckanstieg, Bradykardie als vagaler Reflex oder Tachykardien als Zeichen einer zu flachen Narkose, Rhythmusstörungen, 5 pharyngolaryngeale Reflexe über den Parasympathikus (Laryngospasmus, Bronchospasmus, Erbrechen).
Kopflagerung verbessern Führungsstab benutzen längeren Spatel nehmen
Narkose als Maskennarkose durchführen oder Tracheotomie
Hilfe durch die Magillzange
retrograd tracheal
●
●
●
Auskultation endexpiratorische CO2-Kurve O2-Sättigung
Tubuslagekontrolle durch
Intubation erfolgreich
fiberoptisch
. Abb. 7.10. Flussdiagramm: Vorgehen bei schwieriger Intubation
Regionalverfahren oder geplante Tracheotomie
Patient aufwachen lassen
●
nasotracheal:
Hilfe holen
Maskenventilation ausreichend ?
Intubationsmöglichkeiten
Intubation misslungen
● ●
●
orotracheal:
ja
7 Intubation misslungen
eventuell Larynxmaske als Führungsschiene für orotracheale Intubation
Koniotomie
Notfall-Op.: z.B. Sectio
Platzierung misslungen
Larynxmaske
Platzierung erfolgreich
nein
110 Kapitel 7 · Anästhesieverfahren und Methoden der Atemwegssicherung
111 7.2 · Anästhesieverfahren
7
Komplikationsmöglichkeiten beim liegenden Tubus
4 Dislokation des Tubus. Bei Lage im Pharynx: Beatmung von Lunge und Magen; fehlender Aspirationsschutz; Aspirationsgefahr und unzureichende Beatmung (Hypoxie). 4 Verlegung der Atemwege: Abknicken, Cuff-Hernie; . Abb. 7.7. Tubusokklusion durch Sekret, Blut.
die Nasenmuscheln häufig einen leichten Widerstand, den man jedoch meist durch ein zartes Vorschieben überwinden kann. Unter laryngoskopischer Sicht wird dann der Tubus, der zwischenzeitlich den Larynx erreicht hat, mit einer Magill-Zange in die Trachea vorgeschoben. Die Lagekontrolle des Tubus erfolgt auf gleiche Weise wie nach oraler Intubation. Der Tubus wird an der Nase durch Pflaster fixiert, wobei es verschiedene Techniken gibt. Bei Neugeborenen und Säuglingen empfiehlt es sich, generell eine nasotracheale Intubation durchzuführen, da der Tubus nach nasotrachealer Intubation in diesem Alter besser zu fixieren ist als bei orotrachealer Intubation.
Komplikationsmöglichkeiten bei der Extubation
4 Reflektorisch: Laryngospasmus, 4 Aspiration, 4 Folgeerscheinungen der Intubation: Trachealwand- und Stimmbandläsionen (z. B. Stridor), Ary-Knorpelluxation (selten). Indikationen zur Intubation Dazu zählen im Rah-
men der Narkose: 4 Operationen, die länger als 30 min dauern, 4 Operationen, bei denen Muskelrelaxation und kontrollierte Beatmung notwendig ist (abdominalchirurgische, retroperitoneale, intrathorakale Eingriffe), 4 Operationen an Kopf oder Hals und im Bereich der Atemwege (alternativ Larynxmaske, 7 oben), 4 Operationen mit ungünstigen Lagerungen (sitzende Position, Bauchlage, Flankenlage, Hockoder Häschenstellung, z. B. bei Bandscheibenoperationen).
7.1.4
Nasotracheale Intubation
Praxisbox Praktisches Vorgehen bei der nasotrachealen Intubation Bei der nasotrachealen Intubation wird der Tubus über die Nase und den Larynx in die Trachea eingeschoben. Dazu werden zunächst vasokonstriktorisch wirksame Nasentropfen eingebracht, um die Blutungsgefahr bei der nasalen Intubation zu vermindern. Bei Einführung des nasalen Tubus kommt es dennoch meistens zu kleinen Schleimhautläsionen im Bereich der Nase. Beim Vorschieben des Tubus bieten 6
Indikation für eine nasotracheale Intubation Dazu zählen vor allem kiefer- und zahnchirurgische Eingriffe, aber auch neurochirurgische Eingriffe, bei denen eine Nachbeatmung erforderlich wird. Komplikationen der nasotrachealen Intubation Zu
den Komplikationen, die bereits bei der orotrachealen Intubation erwähnt worden sind, sind hinzuzufügen: 4 Blutungen im Bereich der Nase, 4 Verletzung der Zähne durch die Magill-Zange.
7.2
Anästhesieverfahren
7.2.1
Inhalationsnarkosen
Dass zu Narkosen ausschließlich Inhalationsnarkotika verwendet werden, ist heute eine Seltenheit. Inhalationsnarkosen haben den Vorteil, dass bei den Inhalationsnarkotika, von wenigen Ausnahmen abgesehen (z. B. Halothan: 20%ige Metabolisierung), alles, was eingeatmet wird, auch wieder ausgeatmet wird. Ein Rebound ist deshalb nicht zu befürchten, was die Narkosesicherheit erhöht. Auf der anderen Seite fluten die neueren Inhalationsnarkotika so rasch ab, dass in der unmittelbaren postoperativen Phase die Notwendigkeit zu einer intensiven Schmerztherapie besteht.
112
7
Kapitel 7 · Anästhesieverfahren und Methoden der Atemwegssicherung
Indikationen für eine reine Inhalationsanästhesie finden sich heute noch in der Kinderanästhesie, da Neugeborene und Säuglinge noch nicht ausreichend in der Lage sind, Opioide und Hypnotika zu verstoffwechseln. Insofern führt man in diesem Altersbereich die Narkosen auch heute noch häufig nur mit einem Trägergasgemisch aus Lachgas und Sauerstoff und mit einem Inhalationsnarkotikum wie Halothan oder Sevofluran durch. Am Ende der Operation hilft eine Lokalanästhesie im Wundbereich durch den Operateur, auch die postoperative Phase schmerzfrei zu gestalten.
lanced anaesthesia« durchgeführt. Darunter versteht man die Ergänzung der Inhalationsnarkotika durch Opioide. Mit der Gabe von Opioiden wird die analgetische Schwäche der Inhalationsnarkotika kompensiert. Der Vorteil der »balanced anaesthesia« ist, dass 4 die Inhalationsanästhetika dann niedriger dosiert werden können, 4 je nach Wahl des Opioids in der postoperativen Phase schon eine Basisanalgesie besteht, auf die die postoperative Schmerztherapie aufbauen kann.
ä Fallbeispiel
Nachteile können eine gegenseitige Wirkungsverstärkung auch in der postoperativen Phase sein, die jedoch meist blande und im Sinne einer Schmerztherapie in der unmittelbaren postoperativen Phase auch erwünscht ist. Die am häufigsten benutzten Opioide im Rahmen der »balanced anaesthesia« sind Sufentanil und Fentanyl. Bei kurz dauernden Eingriffen hat sich Alfentanil bewährt. In verschiedenen Kliniken werden intraoperativ auch lang wirkende Opioide wie Piritramid (0,1–0,2 mg/kg) mit Blick auf eine effektive Schmerztherapie in der postoperativen Phase gegeben. Allerdings ist diese Vorgehensweise nicht ohne Risiken: Intraoperativ ist die Wirkung von Piritramid in der genannten Dosierung nicht immer zufriedenstellend; dosiert man höher, so kann es postoperativ zu einer verlängerten Aufenthaltsdauer im Aufwachraum aufgrund von Vigilanz- und Atemwegsproblemen kommen (zurückfallende Zunge).
Neugeborenes, 3500 g, Leistenhernie re: Narkoseeinleitung: Über die Maske mit N2O/O2 im Verhältnis von 4:2 sowie Sevofluran in der anfänglichen inspiratorischen Dosierung von 3–4%. Danach wird ein intravenöser Zugang gelegt. Da die Operationszeit etwa 15 min beträgt, wird die Narkose als Maskennarkose fortgeführt. Nach Hautinzision Rücknahme der inspiratorischen Narkosegaskonzentration auf 2%. Am Ende der Operation spritzt der Operateur 0,5 ml Carbostesin 0,5% ins Wundgebiet. Danach werden Sevofluran sowie Lachgas abgestellt und das Kind mit einem FiO2 von 1,0 beatmet.
Kontraindikationen Absolute Kontraindikationen
für Inhalationsanästhesien sind: 4 maligne Hyperthermie, soweit bei dem Patienten bekannt oder in der Familie bereits aufgetreten, 4 Fieberschübe, Ikterus und Transaminasenanstiege nach vorangegangenen Inhalationsnarkosen. Relative Kontraindikationen sind: 4 akute und chronische Lebererkrankungen, 4 schwere Herzinsuffizienz, 4 schwere Schockzustände, 4 intrakranielle Eingriffe.
7.2.2
»Balanced Anaesthesia«
Die meisten Narkosen werden heute, sofern Inhalationsnarkotika zur Anwendung kommen, als »ba-
ä Fallbeispiele 20-jähriger Mann (70 kg), Tonsillektomie, geplante OP-Dauer 30 min: 5 Prämedikation: Midazolam 7,5 mg per os 5 Intravenöse Narkoseeinleitung: Propofol 200 mg 5 Dipidolor 7 mg 5 Beatmung mit N2O/O2, Ethrane 1,5% 5 Einführung der Larynxmaske 5 Aufrechterhaltung der Narkose: N2O/O2 im Verhältnis von 2:1, Ethrane 1,0% 5 Narkoseende: Beatmung mit FiO2 = 1,0 5 Entfernen der Larynxmaske, sobald der Patient die Augen öffnet 6
113 7.2 · Anästhesieverfahren
70-jährige Frau (80 kg), abdominelle Hysterektomie, OP-Dauer 1 h 5 Prämedikation: Midazolam 3,75 mg per os 5 Intravenöse Narkoseeinleitung: Thiopental 250 mg 5 Fentanyl 0,1 mg 5 Präcurarisierung mit 5 mg Atracurium, Succinylcholin 80 mg, 5 Intubation 5 Narkoseaufrechterhaltung: N2O/O2, 1:0,5 Isofluran 1,5–2% 5 Relaxation mit Atracurium 30 mg 5 Bei Operationsbeginn 0,1 mg Fentanyl 5 Extubation bei ausreichender Eigenatmung und nach Rückkehr der Schutzreflexe 35-jährige Frau (50 kg); Abrasio, OP-Dauer 5 min 5 Prämedikation: Midazolam 7,5 mg p.o. 5 Intravenöse Narkoseeinleitung: Propofol 150 mg, Rapifen 1 mg 5 Einführen einer Larynxmaske 5 Aufrechterhaltung der Narkose mit N2O/O2, Sevoflurane 5 Narkoseende: Spontanatmung FiO2 1,0 5 Entfernen der Larynxmaske, sobald die Patientin die Augen öffnet
7.2.3
Intravenöse Narkoseformen
Prinzipiell wird eine TIVA (totale intravenöse Anästhesie ohne Lachgas) von der intravenösen Anästhesie mit N2O/O2 als Trägergemisch unterschieden: Der Einfachheit halber wird diese Form der Narkose in diesem Buch IVA genannt, obwohl dies ansonsten in der Literatur wenig geläufig ist. Die hypnotische Komponente der TIVA ist entweder Propofol oder ein Benzodiazepin (z. B. Midazolam), die analgetische Komponente ein Opioid (Fentanyl, Alfentanil, Sufentanil, Remifentanil) oder Ketamin. Somit ergeben sich folgende Kombinationsmöglichkeiten: 4 Benzodiazepin/Opioid, 4 Propofol/Opioid, 4 Benzodiazepin/Ketamin, 4 Propofol/Ketamin.
7
Benzodiazepin bzw. Propofol/Ketaminnarkosen spielen wegen der schlechten Steuerbarkeit und des langen postoperativen Nachschlafes heute eine eher untergeordnete Rolle. Indikationsbereiche sind allenfalls noch: 4 Repositionen von Frakturen bei Patienten, die nüchtern sind, d. h. 6 h vor dem Unfall nichts gegessen oder getrunken haben; 4 Verbandswechsel bei Kindern mit Verbrennungen; 4 Gipswechsel mit schmerzhaftem Redressment (z. B. nach Klumpfußoperationen). Benzodiazepin/Opioidnarkosen werden bei operativen Eingriffen durchgeführt, bei denen die gute Steuerbarkeit der Narkose keine große Rolle spielt, bei denen aber geringe Kreislaufeffekte von großer Bedeutung sind. Dies ist bei kardiochirurgischen Patienten der Fall: Diese Patienten werden fast immer auf der Intensivstation – wenn auch kurz: »Fasttrack-Methode« – nachbeatmet, sodass ein Narkoseüberhang geradezu erwünscht ist. Die blanden kardiozirkulatorischen Effekte der Benzodiazepin/ Opioide bedeuten geradezu eine Empfehlung für kardiochirurgische Patienten. Ansonsten dominieren im Bereich der intravenösen Narkoseform die Propofol/Opioid-Kombinationen und hier vor allem die Kombination Propofol/Remifentanil. Wegen der geradezu exzellenten Steuerbarkeit ist diese Form vor allem bei ambulanten Anästhesien die Narkose der Wahl. Ein OpioidRebound ist nicht möglich. Nachteilig sind bei dieser intravenösen Anästhesieform: 4 mögliche technische Komplikationen: Ist die venöse Zufuhr unterbrochen (z. B. chirurgischer Assistent »sitzt« auf dem Arm; i.v.-Zugang abgeknickt; 3-Wege-Hahn ist zugedreht), so wacht der Patient rasch während der Operation auf!! 4 Das postoperative analgetische Loch, in das der Patient hineinfällt: Das sehr kurz wirksame Opioid Remifentanil ist rasch abgebaut und stärkste Schmerzen können in Abhängigkeit vom Operationstrauma noch auf dem OP-Tisch auftreten. Deshalb muss zum Operationsende das Opioid für die postoperative Schmerztherapie, z. B. Piritramid, injektionsbereit vorliegen! Regionalanästhesieverfahren zur postoperativen Schmerztherapie müssen erwogen werden!
114
7
Kapitel 7 · Anästhesieverfahren und Methoden der Atemwegssicherung
5 Aufrechterhaltung der Narkose: Propofol-Perfusor: 350 mg/h, Fentanyl: 0,1–0,2 mg i.v. im Abstand von 20 min 5 Narkoseende: Propofolperfusor abstellen 5 Patient wird nachbeatmet, bis er wach und warm ist
Eine besondere Form der TIVA ist die »target-controlled infusion«. Dabei handelt es sich um eine an einem Zielpunkt (target = Zielscheibe) orientierte intravenöse Zufuhr eines Medikaments. Zielpunkt sind dabei die Blutkonzentrationen des betreffenden Medikaments, die zu einem bestimmten Effekt – hier z. B. zu einer bestimmten Schlaftiefe – führen. Um die Schlaftiefe objektivieren zu können, wurden in Untersuchungen bestimmte EEG-Muster definiert, die mit Hilfe dieses Medikaments zu erreichen sind. In weiteren Untersuchungen wurden die Blutspiegel bestimmt, die zum Erreichen dieser EEG-Muster erforderlich sind. Bei Propofol sollte der Blutspiegel bei Narkoseeinleitung zwischen 8–9 µg/ml liegen. Zur Aufrechterhaltung der Narkose wird es notwendig sein, einen Propofolblutspiegel von 3–4 µg/ml herbeizuführen. Die Blutspiegel, bei der der Patient aufwacht, werden mit 1–2 µg/ml angegeben. In einem von der Industrie angebotenen TCI-System, bestehend aus Mikroprozessor und Perfusorspritze, kann der Anästhesist den Blutspiegel eingeben, den er zu erreichen wünscht. Nach Eingabe des Körpergewichts und des Patientenalters errechnet dann der Mikroprozessor die Förderrate, die notwendig ist, um bei dem Patienten die angestrebte Blutspiegel zu erzielen.
63-jähriger Mann, 70 kg, schwerer Nikotinabusus, KHK (3-Gefäß-Erkrankung), Bypass-OP 5 Prämedikation: Rohypnol 2 mg p.o. 5 Narkoseeinleitung: Etomidat 14 mg, Midazolam 5 mg, Sufentanil 30–50 µg, Pancuronium 7 mg 5 Narkoseführung: Sufentanil 35 µg/h, Midazolam 2 mg alle 2 h, Pancuronium-Nachinjektion nach Relaxometrie Kind, 1½ Jahre, 10 kg, Z. n. Klumpfuß-OP, 2. postoperativer Tag, Gipswechsel mit schmerzhaftem Redressment 5 Prämedikation: Midazolam 10 mg rektal, EMLASalbe auf die Handrücken 5 Narkoseeinleitung: Atropin 0,01 mg/kg, Midazolam 1 mg i.v., Ketamin 10–20 mg i.v. 5 Narkoseaufrechterhaltung: Nachinjektion von Ketamin 10 mg
ä Fallbeispiele für TIVA/IVA 70-jährige Frau, 80 kg, konventionelle Cholezystektomie 5 Prämedikation: Midazolam 3,5 mg p.o. 5 Narkoseeinleitung: Remifentanil 0,2 μg/kg/ min; kein Bolus!! Cave: Thoraxrigidität, Propofol 100 mg i.v., Atracurium 40 mg i.v. 5 Aufrechterhaltung der Narkose: Mit Propofol/ Remifentanil; Nachinjektion nach klinischen Zeichen nachlassender Muskelrelaxansaktivität: Atracurium 10 mg. i.v. 5 Narkoseende: Remifentanil- und Propofolperfusor abstellen 40-jähriger Mann, 70 kg, Meningeom, Op-Dauer 4 h 5 Prämedikation: Rohypnol 2 mg 5 Narkoseeinleitung: Propofol: 200 mg i.v., Fentanyl: 0,5 mg i.v., Präcurarisierung mit 0,5 mg Pancuronium, Succinylcholin 70 mg, Pancuronium 4 mg 6
7.3
Regionalanästhesie
7.3.1
Physiologie der Regionalanästhesie
Durch die Eigenschaft, Membranpotentiale zu verändern, ist die Nervenzelle darauf spezialisiert, elektrische Impulse fortzuleiten. Das Ruhepotentialwird durch eine hohe intrazelluläre Konzentration von Kaliumionen sowie durch extrazelluläre Natriumionen bestimmt. Diese Natriumionen diffundieren entsprechend dem elektrischen Gradienten und Konzentrationsgradienten in das Zellinnere. Die Kaliumdiffusion nach extrazellulär wird zwar durch den Konzentrationsgradienten begünstigt, jedoch durch die elektrostatische Kräfte verhindert (. Abb. 7.11). Die energieabhängige Natrium-Kalium-Pumpe gleicht diese Ionenwanderung aus und hält somit die Konzentrationsgradienten aufrecht. Bei der Depola-
115 7.3 · Regionalanästhesie
K+
+ + + + + + +
-
Na+
K+ +
K
-
7.3.2
Zellmembran
Zellmembran
+
K
A-
-
+ + +
-
+ + + +
Na+ Passiver Flux Na+ +
Na
Na + Na + +
Na
Aktiver Flux (Na-K-Pumpe) +
K K+
K+
intrazellulär
extrazellulär
. Abb. 7.11. Das Ruhepotential wird durch den passiven Aus- und Einstrom der Kalium- bzw. Natriumionen und die gegenläufige Wirkung der Natrium-Kalium-Pumpe bestimmt. (Nach Steiner 1978)
risation wird die Membranpermeabilität geändert, indem Acetylcholin von einem Speicherprotein freigesetzt wird, das wiederum Kalziumionen aktiviert und diese von einem Rezeptorprotein verdrängt. Dadurch werden Kanäle in der Zellmembran geöffnet, durch die Natriumionen in die Zelle ein- und Kaliumionen herausströmen. Durch diese Ionenverschiebung bricht das Membranpotential zusammen, das elektrische Signal wird weitergeleitet. Zur Repolarisation werden die alten Membraneigenschaften wiederhergestellt. Die Natrium-Kalium-Pumpe baut in einem energieabhängigen Prozess die Natriumkonzentrationsgradienten wieder auf. Je nach dem Myelinisierungsgrad ist die Nervenleitgeschwindigkeit von Neuron zu Neuron unterschiedlich.
7
Pharmakologie der Lokalanästhetika
Die Lokalanästhetika diffundieren zunächst in die Zelle und machen eine Änderung der Membranpermeabilität zunächst dadurch unmöglich, dass Natriumkanäle vorübergehend blockiert werden. Alle Lokalanästhetikamoleküle sind gleich aufgebaut, sie bestehen aus einem lipophilen aromatischen Teil und einem hydrophilen Teil in Form einer Aminogruppe, die durch eine Zwischenkette mit einer Ester- oder einer Amidgruppe je nach Substanzklasse des Lokalanästhetikums (. Tabelle 7.1) verbunden werden. Durch verschiedene Bindungskräfte werden die Moleküle an die Membran der Nervenzelle fixiert (. Abb. 7.12) und verursachen eine Änderung der Stereometrie der Wandmoleküle, sodass die Durchlässigkeit der Ionenkanäle aufgehoben ist. Die Lokalanästhetika sind schwach basische Moleküle, die gut lipidlöslich sind und nur als Salze in wässriger Lösung gehalten werden können. Dabei stehen die ionisierte und pharmakologisch aktive Form und die nichtionisierte im Gleichgewicht: LA-H+ + HCO3–
LA + H2CO3
LA + H2O + CO2
Bestimmt wird dieses Gleichgewicht von der Dissoziationskonstante Ka, einer substanzspezifischen Größe. Ist der negative dekadische Logarithmus dieser Konstante, der pKa-Wert, gleich dem pH-Wert, so liegen ionisierte und nichtionisierte Form in gleicher Konzentration vor (Henderson-HasselbalchGleichung). Dieser pH liegt bei den meisten Lokalanästhetika zwischen 7,5 und 9. Durch Abdiffusion des Kohlendioxids verläuft die Gleichung nach rechts, das Lokalanästhetikum geht in die nichtionisierte, lipidlösliche Form über und kann damit durch die aus Lipiden bestehende Zellmembran diffundieren, um innerhalb der Zelle in der Gegenwart von Bikarbonat wieder in die aktive Form überzugehen, d. h. die Gleichung läuft hier nach links. Dies erklärt, warum die Lokalanästhetika in infiziertem, also saurem Gewebe schlecht wirken, die Wirkung aber, wenn das Milieu etwa durch Zusatz von CO2 alkalisiert ist, besser wird. Dieser Effekt wird dadurch verstärkt, dass das CO2
Xylocain
Scandicain
Xylonest
Carbostesin
Duranest
Naropin
Lidocain
Mepivacain
Prilocain
Bupivacain
Etidocain
Ropivacain
220
300
150
400
300
300
100
300
220
400
150
600
300
500
–
750
Klinisch unbedeutend, b Erwachsenendosierung I Infiltrationsanästhesie, S Spinalanästhesie, PD Periduralanästhesie, WD Wirkdauer.
Pantocain
Tetracain
a
Novocain
Procain
max. Dosis mit Adrenalin [mg]
0,2–1
1
0,5
1–2
1–2
1–2
0,1–2
2
Konz. [%]
+
+
+
+
+
+
+
+
Sens.
7
max. Dosisb ohne Adrenalin [mg]
. Tabelle 7.1. Pharmakodynamische und -kinetische Daten zu Lokalanästhetika
(+)
+
(+)
+
+
+
(+)a
(+)a
Mot.
2–6 h
4–6 h
4–8 h
2h
2h
2h
45–60 min
2–4 h
WD ohne Adrenalin
+
+
+
+
+
+
+
+
I
+
+
+
+
+
+
–
–
S
Indikation
+
+
+
(+)
(+)
(+)
–
–
PD
116 Kapitel 7 · Anästhesieverfahren und Methoden der Atemwegssicherung
7
117 7.3 · Regionalanästhesie
. Abb. 7.12. Bindung der Lokalanästhetika an die Zellmembran der Nervenzelle. (Nach Schmidt 1978)
Aromatischer oder heterozyklischer Rest von aromatischem Charakter (lipophiler Teil)
Amino-Gruppe (hydrophiler Teil)
Zwischenkette
4,7 Å – O – H2N–
CH2
C
CH2
δ+
Oδ
δ-
δ+
C2H5 H N + C2H5
+
δ
EDA
D
V D E H EDA
H
-
V
E
van der Waalsche Bindungskräfte Dipol-Dipol-Bindungen Elektrostatische Bindungen Wasserstoff-Brückenbindungen Elektronen-Donator-Acceptor-Bindung
sehr schnell in die Zelle diffundiert und damit auf das Lokalanästhetikum einen gewissen Sogeffekt ausübt. Metabolismus Die Wirkdauer der Lokalanästhetika
wird zum einen durch die Diffusion in die umliegenden Gefäße und zum anderen durch die Metabolisierung bestimmt. Die Esterverbindungen werden durch die Esterasen des Plasmas gespalten, die Amide in der Leber abgebaut. Adrenalinzusatz Um die Wirkung zu verlängern,
wird den Lokalanästhetika häufig Adrenalin zugesetzt. Dabei wird der schnelle Abfluss in die Gefäße verhindert und vor allem bei der Infiltrationsanästhesie zusätzlich eine Blutstillung erreicht.
7.3.3
V
Nebenwirkungen der Regionalanästhesie
Neben den allergischen Reaktionen kann es zur Intoxikation durch Lokalanästhetika kommen. Hämodynamische Veränderungen im Sinne von Blutdruckanstieg und Tachykardie sind bei Adrenalinzusatz zu erwarten. Verfahrensbedingte Komplikationen und
psychogene Reaktionen sind als unspezifische Nebenwirkungen anzusehen. Allergische Reaktionen Sie sind bei Lokalanästhetika vom Estertyp häufiger als bei den Amidverbindungen und werden deshalb nur noch bei speziellen Indikationen eingesetzt. Intoxikation Zu einer Überdosierung des Lokalan-
ästhetikums und damit zu einer Intoxikation kann es kommen, wenn die applizierte Menge zu groß, die Konzentration zu hoch oder die Resorption zu schnell ist. Auch eine versehentliche intravasale Injektion, eine reduzierte Abbaurate oder eine erniedrigte Toleranzgrenze können zu einer Überdosierung führen. Dabei werden zwar Blutspiegel als toxische Grenze angegeben, eine belegbare Korrelation zwischen den Blutspiegeln und dem Auftreten toxischer Symptome gibt es jedoch nicht. Bei der Lokalanästhetikumintoxikation unterscheidet man konzentrationsabhängig eine erste Phase der Stimulation und eine zweite Phase der Depression. Betroffen sind vor allem das kardiovaskuläre System und das zentrale Nervensystem. Bei den Nebenwirkungen am Herzen stehen negativ chronotrope Wirkungen im Vordergrund. Die Verminde-
118
Kapitel 7 · Anästhesieverfahren und Methoden der Atemwegssicherung
rung der Leitungsgeschwindigkeit führt zu Blockbildern vom AV-Block 1. Grades bis zum totalen AV-Block. Gleichzeitig kommt es zu einer Vasodilatation. Im Bereich des zentralen Nervensystems führt eine Hemmung der inhibitorischen Neurone über motorische Unruhe, Logorrhö, Euphorie, Angstzustände bis hin zu schweren klonischen Krämpfen und einer Depression des Atemzentrums. Verfahrensbedingte Komplikationen Verfahrens-
7
bedingte Komplikationen beim Anlegen der Regionalanästhesie können zu Verletzungen von Gefäßen oder der Nerven selbst führen. Daneben können Angst und Schmerzen bei unzureichend sedierten Patienten eine Hyperventilationstetanie oder Stenokardie hervorrufen. Eine vagale Reaktion kann auftreten, wenn die Regionalanästhesie in aufrechter Körperhaltung durchgeführt wird. Darüber hinaus kann vor allem bei rückenmarksnahen Leitungsanästhesien eine Sympathikusblockade zu schweren Blutdruckabfällen führen. Als verfahrensbedingte Komplikation muss auch die Möglichkeit des in Abhängigkeit von der Art des Verfahrens unterschiedlich häufigen Versagens der Regionalanästhesie angeführt werden. Um die vitale Bedrohung des Patienten durch die Nebenwirkungen im Rahmen einer Regionalanästhesie so gering wie möglich zu halten, müssen bei der Durchführung der Regionalanästhesie die gleichen technischen (Narkose- bzw. Beatmungsgerät), medikamentösen (Notfallmedikamente) und personellen (Anästhesist und Assistent) Voraussetzungen wie bei der Durchführung einer Allgemeinanästhesie vorhanden sein. Die Patienten müssen voruntersucht und prämediziert werden; es gilt das Nüchternheitsgebot.
Amide Diese haben anstelle der Estergruppe an gleicher Stelle eine Amidgruppe. Sie zeichnen sich durch eine gute Stabilität aus und sind mehrfach autoklavierbar. Allergische Reaktionen sind bedeutend seltener als bei Estern. 4 Lidocain: gutes Penetrationsvermögen, am weitesten verbreitetes Lokalanästhetikum. Maximale Dosierung: 300 mg ohne bis 500 mg mit Adrenalin (die Maximaldosierungen beziehen sich auf ein Körpergewicht von 70 kg). 4 Prilocain: wird langsamer resorbiert als Lidocain, geringere zentralnervöse Toxizität. Nebenwirkung: Methämoglobinämie bei Überdosierung. Maximale Dosierung: 400 mg ohne bis 600 mg mit Adrenalin. 4 Mepivacain: schwächere Wirkung als Lidocain, die durch langsameren Abbau und langsamere Resorption kompensiert wird. Maximale Dosierung: 300 mg mit und ohne Adrenalin. 4 Bupivacain: stärker und länger wirksam als Lidocain, höhere Toxizität, starke analgetische Komponente, schwache muskuläre Blockade. Maximale Dosierung: 150 mg mit und ohne Adrenalin. 4 Etidocain: Lidocain-Abkömmling, lange Wirkdauer wie Bupivacain, jedoch schnellerer Wirkungseintritt und starke motorische Blockade. Maximale Dosierung: 300 mg ohne bis 400 mg mit Adrenalin. 4 Ropivacain: geringere Toxicität als Bupivacain und geringere motorische Blockade. Max. Dosierung: 220 mg mit und ohne Adrenalin.
7.3.5 7.3.4
Lokalanästhetika
Ester Sie haben an der Kette zwischen dem aromatischen Teil und der Aminogruppe eine Estergruppe. Ester sind in Lösung wenig stabil und führen häufig zu allergischen Nebenwirkungen. Sie werden deshalb heute selten eingesetzt. Beispiele: 4 Procain (Novocain): schlechtes Penetrationsvermögen ins Gewebe, 4 Tetracain (Pantocain): schnelle Resorption auf Schleimhäuten, Gefahr toxischer Nebenwirkungen.
Prämedikation
Zunächst führt der Anästhesist die Prämedikationsvisite durch und stellt in Abhängigkeit vom Operationsgebiet die Indikation zur Regionalanästhesie. Der Patient wird dann über das ausgewählte Verfahren informiert. Die Regionalanästhesie ist kontraindiziert, wenn der Patient dieses Verfahren ablehnt. Auch bei einem Schockzustand (Gefahr durch die Sympathikusblockade), bei einer Blutungsneigung (lokales Hämatom) oder lokaler Infektion (Infektionsgefahr und fragliche Wirksamkeit) soll die Regionalanästhesie nicht durchgeführt werden. Vor allem bei der Durchführung von rückenmarksnahen
119 7.3 · Regionalanästhesie
Leitungsanästhesien muss das Gerinnungssystem intakt sein. Anamnestische Angaben zur Blutungsneigung sind wichtig. Meist wird jedoch auch ein Gerinnungsstatus mit Quickwert, PTT und Thrombozytenzahl als Vorbefund verlangt.
werden; dies hat seinen Grund darin, dass hyperbares Lokalanästhetikum rasch in jene Bereiche »sinkt«, wo es seine Wirkung entfalten soll.
7.3.7 7.3.6
Auswahl des Lokalanästhetikums
In Abhängigkeit von der geplanten Operationsdauer und der gewünschten Länge der postoperativen Wirksamkeit (z. B. für die postoperative Analgesie) wird ein kurz oder lang wirksames Lokalanästhetikum gewählt. Zu den kürzer wirkenden gehören Lidocain, Mepivacain und Prilocain, zu den lang wirkenden Bupivacain, Etidocain und Ropivacain. Die Dauer der Wirkung kann durch den Zusatz von Adrenalin verlängert werden, das die Durchblutung des Gewebes drosselt und damit die Abflutung des Lokalanästhetikums verzögert. Adrenalin darf nicht in Endstrombahngebieten wie bei der Oberst-Leitungsanästhesie am Finger und bei der Peniswurzelblockade eingesetzt werden. Bei der Blockade peripherer Nerven müssen zum Teil sehr große Volumina eingesetzt werden, um ein ausreichendes Auffüllen der Gefäßnervenscheiden zu erreichen (axilläre oder interskalenäre Plexusblockade, N.-femoralis-Block). Leicht werden hier die toxischen Dosierungen überschritten. Durch Verwendung weniger toxischer Medikamente wie Prilocain oder Ropivacain kann ein größeres Volumen verwendet werden. Allerdings ist beim Prilocain die Methämoglobinbildung zu beachten. Ein differenzierter Block lässt sich mit Bupivacain und Ropivacain erreichen. In Konzentrationen unter 0,5% steht eine sensorische Blockade im Vordergrund; je niedriger die Konzentration, desto geringer ist die motorische Blockade. Dieses macht man sich vor allem in der geburtshilflichen Anästhesie, bei der postoperativen Analgesie, der chronischen Schmerztherapie und bei der Durchführung einer Sympathikolyse zunutze. Die Verwendung von iso- oder hyperbarem Lokalanästhetikum bei der Spinalanästhesie ist von der individuellen Vorliebe des Anästhesisten abhängig. Allerdings muss ein hyperbares Lokalanästhetikum beim Sattelblock und bei der einseitigen Spinalanästhesie angewendet
7
Lokalanästhesie
Zur Oberflächenanästhesie stehen Lokalanästhetika als Spray zur Verfügung. Sie werden z. B. bei der Intubation des wachen Patienten zur Anästhesie des Mund- und Nasen-Rachen-Raums, bei der Katheterisierung der Blase (z. B. Gele) oder bei Endoskopien eingesetzt. Es ist zu beachten, dass die Lokalanästhetika hier schnell resorbiert werden, sodass Blutspiegel erreicht werden können, die einer intravenösen Injektion entsprechen. Bei der intrakutanen Anästhesie wird mit einer sehr feinen Kanüle oder einer Impfpistole eine Hautquaddel gesetzt. Hiermit soll eine schmerzfreie Punktion mit größeren Punktionsnadeln gewährleistet werden. Dieses Verfahren ist die Voraussetzung für jede schonende Regionalanästhesie. Demgegenüber wird bei der Infiltrationsanästhesie das Lokalanästhetikum fächerförmig in das Operationsgebiet eingespritzt, z. B. Bruchspaltanästhesie, bei Strumaresektion, Tonsillektomie und anderen HNO-Eingriffen sowie bei Augenoperationen.
7.3.8
Intravenöse Regionalanästhesie nach Bier
Dieses Verfahren kann immer dann angewendet werden, wenn in Blutleere operiert wird, die blutleeren Gefäße werden mit einem Lokalanästhetikum gefüllt, das von hier in die Gewebe diffundiert. Genaugenommen handelt es sich um eine Lokalanästhesie. Um eine systemische Wirkung des Lokalanästhetikums zu vermeiden, muss darauf geachtet werden, dass der Manschettendruck über dem systolischen Blutdruck liegt. Um den Schmerz des Tourniques zu vermindern, kann entweder systemisch ein Analgetikum gegeben, die Haut unter dem Tourniquet infiltriert oder nach Anlage der intravenösen Lokalanästhesie ein zweites Tourniquet distal des ersten im anästhesierten Gebiet angelegt werden, wonach das erste geöffnet werden kann. Die Blutleere darf erst nach 30–45 min geöffnet werden.
120
Kapitel 7 · Anästhesieverfahren und Methoden der Atemwegssicherung
. Abb. 7.13a,b. Intravenöse Regionalanästhesie. a Auswickeln des Unterarms mit einer EsmarchBinde vor der Injektion des Lokalanästhetikums, Stauung der oberen Manschette. b Nach Stauen der Manschette wird das Lokalanästhetikum injiziert; dann wird die untere, im betäubten Bereich liegende Manschette gestaut und der Druck von der oberen Manschette abgelassen. (Nach Larsen 1987)
7
Wird sie vorher geöffnet, kann es zu den genannten kardiovaskulären und zerebralen Intoxikationserscheinungen kommen. Indikationen Eingriffe am Unterarm und an der
Hand, am Unterschenkel und am Fuß. Kontraindikationen Infektion des Operationsgebietes und Eingriffe, bei denen eine Blutstillung notwendig ist, da hierzu die Manschette geöffnet wird. Dabei flutet das Lokalanästhetikum sofort ab und der Patient verspürt unmittelbar danach Schmerzen. Praxisbox Praktisches Vorgehen bei der intravenösen Regionalanästhesie nach Bier (. Abb. 7.13) 5 Vorbereitung, Aufklärung und Prämedikation wie bei Allgemeinanästhesie. 5 Richten des Equipments 5 kleinlumiger venöser Zugang an der zu operierenden Extremität, aber nicht im Operationsgebiet 6
5 Anlegen der Blutleere 5 Ein großer Bolus eines niedrig konzentrierten Lokalanästhetikums (30 bis 60 ml beim Erwachsenen) wird injiziert 5 Aufblasen einer zweiten Manschette distal der ersten im anästhesierten Gebiet, danach Entlasten der ersten. So kann der für den Patienten unangenehme Druck durch die Manschette vermindert werden. 5 Öffnen der Blutsperre erst nach 30–45 min, um systemische Wirkung zu vermeiden.
7.3.9
Periphere Leitungsanästhesien
Um eine Analgesie des Operationsgebiets zu erreichen, können die dieses Gebiet innervierenden Nerven mit einem Lokalanästhetikum umspritzt werden. Dazu wird die entsprechende anatomische Struktur, z. B. eine Gefäßnervenscheide, in der der Nerv verläuft, mit der Injektionskanüle aufgesucht, wobei der Einsatz eines Nervenstimulators essentiell für die korrekte Lage der Injektionskanüle am Ner-
121 7.3 · Regionalanästhesie
7
ven ist. Um eine intraneurale Injektion und damit eine Verletzung des Nerven sowie eine Gefäßpunktion zu vermeiden, wird eine stumpfe Nadel verwendet. Wichtig für die Durchführung der peripheren Leitungsanästhesien sind genaue Kenntnisse der anatomischen Verhältnisse, insbesondere die Lagebeziehungen der verschiedenen Leitstrukturen. In jedem Fall sollte die Injektionsstelle aufgesucht und zusammen mit den Leitstrukturen mit einem Faserstift markiert werden, bevor die Region desinfiziert und abgedeckt wird. Nervstimulator (. Abb. 7.14)
Erhöht wird die Treffsicherheit durch den Einsatz eines Nervstimulators. Dabei wird eine Spezialinjektionskanüle über ein Kabel an eine Stromquelle angeschlossen, die mit niedriger Frequenz in der Stärke variierbare Impulse abgibt. Die Kanüle ist bis zur Spitze mit einer Kunststoffschicht überzogen, durch die eine Reizung des umliegenden Gewebes vermieden werden soll. Als zweite Elektrode wird eine EKGElektrode aufgeklebt. Lässt sich mit einer niedrigen Stromstärke (0,3 mA) eine Muskelkontraktion im Zielgebiet des gesuchten Nerven auslösen, so liegt die Nadel an der richtigen Stelle. Unter der Injektion des Lokalanästhetikums müssen die Kontraktionen verschwinden, andernfalls ist davon auszugehen, dass das Lokalanästhetikum abfließt, da die Injektionskanüle intravasal liegt. Akut einsetzende Intoxikationserscheinungen können die Folge sein. Kathetertechniken
Durch den Einsatz von Kathetern kann bei folgenden peripheren Blockaden eine dauerhafte Nervenblockade erreicht werden: 4 interskalenärer Block des Plexus brachialis, 4 vertikal-infraklavikulärer Block, 4 Psoas-Kompartment-Block, 4 N.-femoralis-Blockade, 4 Ischiadikusblock, 4 peripherer Ischiadikus-(N.-tibialis-)Block. Hierzu wird in der Regel wie beim Single Shot der Nerv mit einer stumpfen Kanüle, über die eine Kunststoffhülse gezogen ist, aufgesucht und das Lokalanästhetikum injiziert. Durch das große Volumen von 40–50 ml wird das Gewebe so aufgelockert, dass
. Abb. 7.14. Nervstimulator mit isolierter Spezialkanüle und Neutralelektrode
nach Entfernen der Kanüle mühelos ein Katheter an den Nerven vorgeschoben werden kann. Mit dieser Technik lässt sich über lange Zeit eine suffiziente Schmerztherapie erreichen, ohne dass zentral wirkende Analgetika eingesetzt werden müssen. Obere Extremität – Plexus brachialis Axillär Beim Aufsuchen der Gefäßscheide mit einer stumpfen Nadel spürt man bei der Punktion durch die bindegewebige Hülle einen deutlichen Ruck. Das Lokalanästhetikum lässt sich dann bei richtiger Lage ganz leicht injizieren, da es sich in der lockeren Gefäßnervenscheide ausbreitet. Dieses hat man sich auch bei der »Loss-of-resistance-Methode« zu Nutze gemacht, bei der während des Vorschiebens der Kanüle wie bei der Periduralanästhesie (7 dort) Kochsalzlösung injiziert wird. In der Gefäßnervenscheide kommt es dann zum Widerstandsverlust. Das gezielte Auslösen von Parästhesien zur Lagekontrolle sollte vermieden werden, um eine Verletzung des Nervs zu vermeiden. Als Alternative kann kalte physiologische Kochsalzlösung injiziert werden. Am besten ist die Verwendung eines Nervstimulators. Um ausreichende Wirkung vor allem am N. musculocutaneus zu erzielen, muss das Injektionsvolumen groß sein, d. h. es müssen beim normalgewichtigen Erwachsenen mindestens 30 ml injiziert werden.
122
Kapitel 7 · Anästhesieverfahren und Methoden der Atemwegssicherung
7
. Abb. 7.15a,b. Axilläre Plexusblockade. a Punktionstechnik: Palpation des Unterrandes des M. coracobrachialis mit dem Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand und Fixierung der A. brachialis gegen den Humerus. Die Kanüle wird mit der linken Hand unmittelbar oberhalb der pulsierenden Arterie
Die Ausbreitung kann durch ein Abdrücken der Gefäßnervenscheide nach distal während der Injektion verbessert werden. Dennoch liegt die Versagerquote bei der axillären Plexusblockade mindestes bei etwa 5%. 4 Indikation: Eingriffe am Unterarm und der Hand. 4 Kontraindikationen: neurologische Erkrankungen distal der Blockade, Ablehnung durch den Patienten. 4 Komplikationen: Gefäßpunktion, relativ häufig Versager vor allem im Bereich des N. musculo-
in die Gefäßnervenscheide vorgeschoben. Die Injektion des Lokalanästhetikums kann über eine Zuleitung durch die Helfer erfolgen. b Topographische Beziehungen des axillären Plexus beim Querschnitt durch den Oberarm unmittelbar unterhalb der Axilla. (Nach Larsen 1987)
cutaneus. Dieser lässt sich durch eine Injektion von Lokalanästhetikum in den M. coracobrachialis nachblockieren. Praxisbox Praktisches Vorgehen bei der Plexusbrachialis-Blockade (. Abb. 7.15) 5 Vorbereitung, Aufklärung und Prämedikation wie bei Allgemeinanästhesie. Wichtig Gerinnungsstatus! 6
123 7.3 · Regionalanästhesie
a
7
b Ventrales Ende Akromion
c . Abb. 7.16 a–d. Vertikal-infraklavikulare Blockade. a 1 Fossa jugularis, 2 ventraler Fortsatz des Akromions, 3 Punktionsstelle; b Orientierungspunkte; c Stichrichtung; d lateraler Be-
5 Richten des Equipments 5 Aufsuchen der Gefäßnervenscheide (in . Abb. 7.15 beschrieben) 5 Typischer Widerstand beim Penetrieren der Hülle der Gefäßnervenscheide mit der stumpfen Kanüle, ggf. Anwendung der »Loss-of-resistance-Methode«. Keine Parästhesien auslösen. Gegebenenfalls Nervstimulator oder gekühlte Kochsalzlösung (7 oben) anwenden 5 Injektion von 30–40 ml Lokalanästhetikum muss bei richtiger Lage der Kanüle ganz leicht erfolgen. Abdrücken der Gefäßnervenscheide distal der Injektionsstelle
Vertikal-infraklavikuläre Blockade (VIB) Im Gegen-
satz zu der früher verwendeten supraklavikulären Blockade des Plexus axillaris nach Kuhlenkampff hat die vertikal-infraklavikuläre Blockade des Plexus axillaris, kurz VIB genannt, weniger verfahrensbedingte Nebenwirkungen (. Abb. 7.16). Dieses Verfahren zeichnet sich durch eine bessere Wirkung im Bereich des Oberarms und im Bereich des N. musculocutaneus aus und ist, da keine spezielle Lage-
d grenzungspunkt. (Nach Tutorium Periphere Regionalanästhesie 1998)
rung des Armes erforderlich ist, für Patienten und Arzt einfacher durchzuführen als die axilläre Plexusanästhesie. 4 Indikation: Eingriffe am distalen Oberarm, am Unterarm und der Hand. 4 Kontraindikation: Infektion im Punktionsbereich, Ablehnung des Patienten und neurologische Erkrankungen distal der Punktionsstelle. 4 Komplikationen: Gefäßpunktion, Pneumothorax, Horner-Syndrom. Praxisbox Praktisches Vorgehen bei der vertikalinfraklavikulären Blockade 5 Vorbereitung, Aufklärung und Prämedikation wie bei Allgemeinanästhesie 5 Richten des Equipments 5 Aufsuchen und Markieren der Injektionsstelle: Mitte zwischen dem ventralen Ende des Akromions und der Mitte der Fossa jugularis 5 Desinfektion und Abdecken der Injektionsstelle 5 Hautquaddel 6
124
Kapitel 7 · Anästhesieverfahren und Methoden der Atemwegssicherung
5 Streng senkrechtes Vorschieben der Injektionsnadel bis in eine Tiefe von maximal 50 mm unter Reizung mit 1 mA mittels Nervstimulator 5 Auslösen von Kontraktionen in den peripheren Muskelgruppen (Hand/Unterarm) 5 Reduktion der Stromstärke auf 0,3 mA 5 Bei weiter bestehender Reizantwort nach mehrmaliger Aspiration Injektion von 40 ml Prilocain 1% und 10 ml Carbostesin 0,5%
Interskalenäre Blockade Die klassische Methode
7
nach Winnie birgt die Gefahr der Gefäßpunktion (A. vertebralis) und der hohen Spinal- oder Periduralanästhesie. Sie wurde daher von G. Meier und H.-H. Mehrkens modifiziert, indem der Plexus brachialis nicht in medialer Richtung, sondern in kaudaler, nur wenig dorsaler Richtung punktiert wird (. Abb. 7.17). 4 Indikation: Eingriff an der Schulter und am Oberarm. 4 Kontraindikation: kontralaterale Phrenikusund Rekurrensparese, Infektion im Punktionsbereich, Ablehnung des Patienten und (relativ) neurologische Störungen distal der Punktionsstelle. 4 Komplikationen und Nebenwirkungen: Gefäßpunktion, Horner-Syndrom oder Phrenikusparese, selten Hämatothorax. Praxisbox Praktisches Vorgehen bei der interskalenären Blockade 5 Vorbereitung, Aufklärung und Prämedikation wie bei Allgemeinanästhesie 5 Richten des Equipments 5 Aufsuchen und Markieren der Injektionsstelle: Der Kopf wird leicht zu Gegenseite gelegt Punktion am Hinterrand des M. sternocleidomastoideus in der Höhe der Incisura thyroidea superior 5 Desinfektion und Abdecken der Injektionsstelle 5 Hautquaddel 6
5 Vorschieben der Injektionskanüle nach kaudal ggf. gering dorsal unter Reizung mit 1 mA mittels Nervstimulator 5 In 3–4 cm Tiefe Auslösen von Kontraktion im M. biceps brachii im Versorgungsgebiet des N. musculocutaneus 5 Reduktion der Stromstärke auf 0,3 mA 5 Bei weiter bestehender Reizantwort nach mehrmaliger Aspiration Injektion von 40 ml Prilocain 1% und 10 ml Carbostesin 0,5%
Weitere periphere Leitungsanästhesien an der oberen Extremität Darüber hinaus sind folgende
Blockaden an einzelnen Nerven möglich: 4 Nervus ulnaris, 4 Nervus medianus, 4 Nervus radialis, 4 Oberst-Leitungsanästhesie an Fingern und Zehen (Endstrombahn: Kontraindikation für Adrenalinzusatz!). Interkostalblockade
4 Indikationen: Rippenfrakturen, Thoraxoperationen. 4 Komplikationen: Gefäßpunktion, Pneumo- und Hämatothorax. Etwa 7 cm seitlich der Mittellinie wird nach Anlegen einer Hautquaddel eine dünne Kanüle bis auf den Rippenunterrand vorgeschoben. Nach Knochenkontakt wird die Kanüle nach kaudal gerichtet und geringfügig über den unteren Rippenrand weiter vorgeschoben. Nach der Aspirationsprobe in zwei Ebenen werden pro Rippe 3–6 ml Lokalanästhetikum injiziert. In jedem Fall ist nach Anlegen der Regionalanästhesie eine Röntgenaufnahme des Thorax erforderlich, um einen Pneumothorax auszuschließen. Peniswurzelblock (. Abb. 7.18) Durch Blockade des
N. dorsalis penis lässt sich eine ausgezeichnete postoperative Analgesie nach Zirkumzisionen erreichen. Da es sich um ein Endstrombahngebiet handelt, darf dem Lokalanästhetikum kein Adrenalin zugesetzt werden. Bei der Verwendung von Bupivacain hält die Wirkung bis zu 8 h an.
125 7.3 · Regionalanästhesie
. Abb. 7.17a–c. Skalenusblock. a Anatomie der Skalenuslücke; b Aufsuchen des Plexus mit dem Nervstimulator; c interskalenäre Blockade: A klassische Technik, B Modifikation
nach G. Meier; 1 Krikoid, 2 Fossa jugularis, 3 M. sternocleidomastoideus. (Mod. nach Larsen 1999 und Tutorium Periphere Regionalanästhesie 1998)
Praxisbox Praktisches Vorgehen beim Peniswurzelblock 5 Blockade nach Narkoseeinleitung vor Operationsbeginn 5 Tasten der Symphyse mit dem zweiten und dritten Finger 5 Einführen einer stumpfen Kanüle zwischen den beiden Fingern bis zum Knochenkontakt 6
7
5 Nadelspitze 30° zur Hautebene kaudalwärts über den Unterrand der Symphyse vorschieben 5 Vorschieben der Nadel gegen einen deutlichen Widerstand unter die BuckFaszie 5 Injektion von 1–4 ml Bupivacain 0,5% nach Aspirationsversuch
126
Kapitel 7 · Anästhesieverfahren und Methoden der Atemwegssicherung
. Abb. 7.18. Peniswurzelblock. Zur Blockade des N. dorsalis penis wird die Nadel in einem Winkel von 30° über den unteren Symphysenrand unter die Buck-Faszie vorgeschoben und 1–4 ml Lokalanästhetikum eingespritzt
eignen, der ein rückenmarksnahes Verfahren ablehnt. Der Plexus lumbosacralis entsteht aus den Spinalnerven L1 bis S3, wobei aus den oberen Segmenten (Plexus lumbalis) die Nn. femoralis, cutaneus femoris lateralis und obturatorius entstehen. Die unteren Segmente L5 bis S3 bilden den Plexus sacralis und gehen in den N. ischiadicus über, der sich im Bereich des Oberschenkels in den N. tibialis und den N. femoralis aufteilt.
7
Psoas-Kompartment-Block Mit dem Psoas-Kom-
. Abb. 7.19. Lagerung und Leitstrukturen für den PsoasKompartment-Block. (Nach Tutorium Periphere Regionalanästhesie 1998)
partment-Block wird der Plexus lumbalis erreicht. Eine Kathetertechnik zur kontinuierlichen Blockade ist möglich (. Abb. 7.19). 4 Indikationen: Eingriffe an der unteren Extremität und am Knie in Verbindung mit einer Ischiadikusblockade. Weniger geeignet für Knie-TEP. 4 Kontraindikation: Infektion im Bereich der Punktionsstelle. Nervenläsion distal der Blockadestelle. Ablehnung durch den Patienten. 4 Nebenwirkungen: Spinale oder epidurale Injektion mit entsprechender Ausbreitung der Anästhesie. Praxisbox
Untere Extremität – Plexus lumbosacralis Blocka-
den des Plexus lumbosacralis stehen in der Konkurrenz zu rückenmarksnahen Anästhesieverfahren. Sie haben den Vorteil, dass sie einseitig anwendbar sind, als rückenmarksferne Verfahren weniger schwerwiegende Nebenwirkungen haben und sich ggf. auch für Anwendung bei einem Patienten
Praktisches Vorgehen beim Psoas-Kompartment-Block 5 Vorbereitung, Aufklärung und Prämedikation wie bei Allgemeinanästhesie 5 Richten des Equipments 6
127 7.3 · Regionalanästhesie
7
. Abb. 7.20a,b. Inguinale (perivaskuläre) Blockaden des Plexus lumbalis. Anatomische Beziehungen. (Nach Larsen 1987)
femoris lateralis
5 Lagerung des Patienten auf die kontralaterale Seite wie für die Anlage einer Spinalanästhesie in Seitenlage 5 Markierung des Punktionsortes 3 cm kaudal und 5 cm lateral zur zu blockierenden Seite vom Dornfortsatz des 4. LWKs aus, ggf. auch einen Wirbel höher 5 Desinfektion und Abdecken der Injektionsstelle 5 Hautquaddel 5 Vorschieben der Injektionskanüle streng sagittal unter Reizung mit 1 mA mittels Nervenstimulator, bei Knochenkontakt mit dem Querfortsatz wird die Stichrichtung nach kranial korrigiert 5 Auslösen von Kontraktionen im M. quadriceps femoris 5 Reduktion der Stromstärke auf 0,3 mA 5 Bei weiter bestehender Reizantwort nach mehrmaliger Aspiration Testdosis zum Ausschluss einer intraspinalen Injektion, dann insgesamt 40 ml Prilocain 1% und 10 ml Carbostesin 0,5%
N.-femoralis-Blockade In die Gefäßnervenscheide
des Trigonum femorale wird ein Lokalanästhetikum injiziert, das sich entlang der Gefäßnervenscheide verteilt und so den N. femoralis erreicht. Gelegentlich können der N. cutaneus femoris lateralis und der N. obturatorius mitbetroffen sein (dann auch
3-in1-Block genannt). Zusammen mit der Blockade des N. ischiadicus kann eine Betäubung des ganzen Beins erreicht werden. Katheter zur kontinuierlichen Betäubung können eingesetzt werden. 4 Indikation: Operation an der ventralen Seite des Oberschenkels, Ausschaltung von Reflexbewegungen des Beins bei transurethralen Tumorresektionen der Blase (selten), akute Schmerztherapie bei Oberschenkelhalsfrakturen. 4 Kontraindikation: Infektion im Bereich der Punktionsstelle, Nervenläsion distal der Punktionsstelle. Ablehnung durch den Patienten. 4 Nebenwirkungen: systemisch bei intravasaler Injektion, extrem lange Wirkzeit bis zu 10 Tagen wahrscheinlich durch intraneurale Injektion. Praxisbox Praktisches Vorgehen bei der N.-femoralisBlockade (. Abb. 7.20) 5 Vorbereitung, Aufklärung und Prämedikation wie bei Allgemeinanästhesie 5 Richten des Equipments 5 Aufsuchen und Markierung der Punktionsstelle unterhalb des Leistenbandes lateral der A. femoralis (IVAN = Innen Vene Arterie Nerv) 5 Desinfektion und Abdecken der Injektionsstelle 5 Hautquaddel 6
128
Kapitel 7 · Anästhesieverfahren und Methoden der Atemwegssicherung
Praxisbox
. Abb. 7.21. Lagerung zur N.-ischiadicus-Blockade. 1 Spina ilia posterior superior, 2 Trochanter major, 3 Hiatus sacralis. (Nach Tutorium Periphere Regionalanästhesie 1998)
7
5 Vorschieben der Injektionskanüle nach kranial in einem Winkel von 30° zu Haut. Bei Stimulation mit 1 mA Kontraktion des M. quadriceps 5 Reduktion der Stromstärke auf 0,3 mA 5 Dauern die Kontraktionen an, Injektion von 40 ml Prilocain 1% und 10 ml Carbostesin 0,5% nach Aspirationsprobe
Ischiadikusblock Die Blockade des N. ischiadicus
wird in der Regel immer mit einer Blockade des Plexus lumbalis bzw. den daraus hervorgehenden Nerven kombiniert (. Abb. 7.21). Es gibt mehrere Zugänge zum N. ischiadicus: transgluteal, wozu der Patient auf der Seite liegen muss oder vorderer Zugang in Rückenlage (einfacher, aber distaler als transgluteal), darüber hinaus dorsodorsaler und lateraler Zugang in Rückenlage. Das Verfahren ist für eine kontinuierliche Anästhesie/Analgesie mittels Kathetertechnik geeignet. 4 Indikationen: Operationen an der unteren Extremität in Kombination mit der N.-femoralis-Blockade oder dem Psoas-KompartmentBlock. 4 Kontraindikationen: Infektion im Punktionsgebiet, Nervenläsion distal der Blockadestelle. Ablehnung durch den Patienten. 4 Nebenwirkungen: intravasale Injektion, Nervenverletzung, extrem lange Wirkdauer wahrscheinlich durch intraneurale Injektion.
Praktisches Vorgehen beim Ischiadikusblock 5 Vorbereitung, Aufklärung und Prämedikation wie bei Allgemeinanästhesie 5 Richten des Equipments 5 Aufsuchen und Markieren der Injektionsstelle: transglutealer Zugang: Der Patient wird mit angewinkelten Beinen auf die kontralaterale Seite gelagert. Es wird eine Verbindung zwischen Trochanter major und Spina iliaca posterior superior gezogen und in der Mitte eine Senkrechte nach kaudal/medial errichtet, auf der nach 5 cm die Injektionsstelle liegt. Zur Kontrolle kann eine Verbindungslinie zwischen Trochanter major und Hiatus sacralis gezogen werden, die über die Injektionsstelle ziehen muss vorderer Zugang: Patient in Rückenlage Ziehen einer Parallele zum Leistenband durch den Trochanter major, Injektionsstelle am Übergang vom medialen zum mittleren Drittel des Leistenbandes 5 Desinfektion und Abdecken der Injektionsstelle 5 Hautquaddel transglutealer Zugang: Vorschieben der Injektionskanüle senkrecht zur Hautoberfläche unter Reizung mit 1 mA mittels Nervstimulator Zunächst direkte Stimulation der Glutealmuskulatur, dann im Versorgungsgebiet des N. ischiadicus. Beste Wirkung, wenn die Peroneusgruppe stimuliert wird. Bei Knochenkontakt Nadel weit zurückziehen und Richtung korrigieren vorderer Zugang: Vorschieben der Kanüle nach lateral in Richtung Femur, dann an diesem vorbei bis zum N. ischiadicus in etwa 10 cm Tiefe, bei Stimulation mit 1 mA mittels Nervstimulator Kontraktion der Fußmuskulatur 5 Reduktion der Stromstärke auf 0,3 mA 5 Bei weiter bestehender Reizantwort nach mehrmaliger Aspiration Injektion von 30 ml Prilocain 1% und 10 ml Carbostesin 0,5%
129 7.3 · Regionalanästhesie
. Abb. 7.22. Periphere Ischiadikusblockade
Periphere Ischiadikusblockade Der N. ischiadicus versorgt die Fußsohle und die laterale Seite des Fußes. Für Eingriffe am Fuß kann er peripher in der Fossa poplitea blockiert werden. Die Technik ist einfach, nebenwirkungsarm und braucht etwas weniger Lokalanästhetikum, bedarf aber einer zusätzlichen Blockade des N. peroneus (laterale Seite des Unterschenkels und Fußrücken und/oder des N. saphenus (mediale Seite des Unterschenkels), wenn der ganze Fuß betäubt werden soll (. Abb. 7.22). Das Verfahren eignet sich insbesondere auch für eine kontinuierliche Anwendung mittels Katheter. 4 Indikation: Eingriffe am Fuß und distalen Unterschenkel in Kombination mit Blockade des N. peroneus und/oder des N. saphenus. 4 Kontraindikation: Infektion im Injektionsgebiet, Nervenläsion distal der Blockadestelle. Ablehnung durch den Patienten. 4 Nebenwirkungen: Nervenverletzung möglich. Praxisbox Praktisches Vorgehen bei der peripheren Ischiadikusblockade 5 Vorbereitung, Aufklärung und Prämedikation wie bei Allgemeinanästhesie 5 Richten des Equipments 5 Aufsuchen und Markieren der Injektionsstelle: 5 Patient auf den Bauch legen 5 Verbindungslinie zwischen den beiden Oberschenkelkondülen über die Kniekehle, Injektionsstelle auf einer Line 1 cm lateral der Mitte der Verbindungslinie 5 bis 8 cm nach kranial 5 Desinfektion und Abdecken der Injektionsstelle 5 Hautquaddel 6
7
5 Vorschieben der Kanüle wenige cm nach kranial unter Stimulation mit 1 mA, bei Kontraktion der Fußmuskulatur 5 Reduktion der Stromstärke auf 0,3 mA 5 Bei weiter bestehender Reizantwort nach mehrmaliger Aspiration Injektion von 30 ml Prilocain 1% und 10 ml Carbostesin 0,5% 5 N.-peroneus-Blockade: Injektion von 5 ml Lokalanästhetikum hinter das Fibulaköpfchen 5 N.-saphenus-Blockade: subkutane Injektion von 5 ml Lokalanästhetikum von der medialen Kante der Tuberositas tibiae über den Condylus medialis tibiae in Richtung auf den M. gastrocnemius
Fußblock (. Abb. 7.23) Die Blockade der Fußnerven eignet sich insbesondere für Eingriffe an den Zehen und ist, da nur das distalste Ende der Extremität betäubt wird, sehr wenig invasiv. Vor allem bei der Behandlung des diabetischen Fußes ist er eine gute Alternative zur Spinalanästhesie vor allem dann, wenn der Allgemeinzustand des Patienten sehr reduziert ist. Allerdings ist seine Anwendung begrenzt, wenn die Injektionsgebiete bereits infiziert sind. Dann ist der periphere Ischiadikusblock mit seinen ergänzenden Nervenblockaden die infrage kommende Alternative. 4 Indikation: Eingriffe am Fuß, speziell Vorfuß, ideal bei Patienten mit höchstem Anästhesierisiko. 4 Kontraindikation: Infektion des Injektionsgebietes, Ablehnung durch den Patienten. 4 Nebenwirkungen: Nervverletzungen bei intraneuraler Injektion. Praxisbox Praktisches Vorgehen beim Fußblock 5 Vorbereitung, Aufklärung und Prämedikation wie bei Allgemeinanästhesie 5 Richten des Equipments 5 Desinfektion der Injektionsstellen: – N. tibialis: rechts und links der A. tibialis posterior (Hinterseite des Innenknöchels) 6
130
Kapitel 7 · Anästhesieverfahren und Methoden der Atemwegssicherung
. Abb. 7.23a,b. Fußblock. a 1 Innenknöchel, 2 A. tibialis posterior, 3 Einstichstellen (Tibialisblockade), 4 s.c.-Infiltration (Saphenusblockade). b 1 Innenknöchel, 2 A. dorsalis pedis, 3 Einstichstellen (Fibularis-profundus-Blockade). (Nach Regionalanästhesie 1989)
a
7
b
7.3.10 –
–
–
N. saphenus: subkutaner Hautwall eine Hand breit über dem Innenknöchel von der Tibiakante medial bis zur Achillessehne N. fibularis profundus: beidseitig der A. dorsalis pedis etwas tiefer als die Arterie N. fibularis superficialis und N. suralis: subcutaner Hautwall von der Tibiakante nach lateral bis zur Achillessehne
Spinalanästhesie
Durch Einspritzen eines Lokalanästhetikums in den Spinalkanal lassen sich die unteren Teile des Rückenmarks und/oder die Cauda equina betäuben. Die Ausbreitung der Blockade hängt von der Art und der Menge des zwischen Arachnoidea und Pia mater in den Subarachnoidalraum eingespritzten Lokalanästhetikums ab. In der Regel wird zwischen L2 und L3 bzw. L3 und L4, also in jedem Fall unterhalb des Endes des Rückenmarks punktiert und zwischen 2 und 4 ml
131 7.3 · Regionalanästhesie
eines Lokalanästhetikums eingespritzt. Je größer die Menge des Lokalanästhetikums und die Einspritzgeschwindigkeit, desto mehr Segmente werden blockiert. Durch einen Wechsel von Einspritzen und Aspiration von Liquor während der Applikation (Barbotage) kann die Ausbreitung vergrößert werden. Wird eine zum Liquor isobare Lokalanästhetikumlösung verwendet, so breitet sich diese gleichmäßig ober- und unterhalb der Punktionsstelle aus. Eine hyperbare Lösung, die also schwerer ist als der Liquor, sinkt so entsprechend der Lagerung des Patienten ab: Im Sitzen werden nur die unteren Segmente betäubt, bei Oberkörpertieflagerung breitet sich die Wirkung zu den oberen Segmenten aus. Durch Seitenlagerung kann eventuell eine einseitige oder seitenbetonte Wirkung erreicht werden. Dementsprechend unterscheidet man nach der Anzahl und Lokalisation der blockierten Segmente den Sattelblock bis S4/5 für perineale Eingriffe, den tiefen Spinalblock bis L1 für Extremitäteneingriffe und Eingriffe an den äußeren Genitalien, den mittleren Spinalblock bis Th6 für die Unterbauchchirurgie (Urologie, Gynäkologie) und den hohen Spinalblock bis Th5 für Oberbauchlaparotomien. Der hohe Spinalblock wird jedoch wegen seiner schlechten Steuerbarkeit und den damit verbundenen möglichen Risiken nur selten angewandt. Nebenwirkungen Die Einwirkung der Lokalanäs-
thetika auf den distalen Bereich des Rückenmarkes und der Cauda equina führt zu einer ausgeprägten Sympathikusblockade, die vor allem dann zu einem Blutdruckabfall führt, wenn ein intravasaler Volumenmangel besteht. Durch Vorgabe von kristalloiden oder kolloiden Volumenersatzmitteln kann ein solcher Blutdruckabfall häufig vermieden werden. Bei zu hoher Ausbreitung der Spinalanästhesie über Th4 können die Nervi accelerantes blockiert werden, die das Herz sympathisch innervieren. Die Folge davon sind Bradykardien und ein starker Blut-
7
druckabfall, was meist bis zum Abklingen der Lokalanästhetikawirkung mit der kontinuierlichen Infusion von Katecholaminen behandelt werden muss. Steigt das Lokalanästhetikum weiter auf, so kommt es zum Atemstillstand und Kreislaufzusammenbruch infolge der Wirkung auf das Atem- und Kreislaufzentrum. Mit der Wirkung auf das Gehirn geht ein Bewusstseinsverlust (totale Spinalanästhesie) einher, so dass der Patient bis zum Nachlassen der Wirkung beatmet werden muss. Eine Harnretention infolge der unterbrochenen Reflexbahnen ist eine häufigere Komplikation nach einer Spinalanästhesie. Bei der Punktion entsteht ein Leck in der Dura mater, durch das kontinuierlich Liquor austritt, was zu einer meningealen Reizung und damit zu erheblichen Kopfschmerzen führen kann. Diese Beschwerden sind um so heftiger, je größer das Leck, d. h. je dicker die Punktionskanüle ist und je jünger die Patienten sind. Es wird daher die möglichst dünnste Punktionskanüle verwendet. Als besonders günstig hat sich eine atraumatische Kanüle erwiesen (. Abb. 7.24), die an der Spitze konisch zugeschliffen ist und daher eine seitliche Öffnung hat. Diese Kanüle verursacht ein so kleines Leck, dass postspinale Kopfschmerzen bei Verwendung dieser Kanüle auch bei Patienten, die jünger als 30 Jahre sind, kaum zu erwarten sind. Andernfalls sollte der Patient zur Prophylaxe des postspinalen Kopfschmerzes über 24 h nach Anlegen der Spinalanästhesie flach liegen, und man sollte ihm reichlich Flüssigkeit oral oder parenteral anbieten. Kommt es dennoch zu Kopfschmerzen, so sind diese mit peripher wirkenden Analgetika oder mit Ergotaminpräparaten ähnlich wie eine Migräne akut zu behandeln. Selten beschriebene Nebenwirkungen sind Hirnnervenstörungen, die sich häufig erst bei intensiveren Untersuchungen diagnostizieren lassen. So kann es zu Innenohrschwerhörigkeiten vor allem für tiefe Frequenzen kommen. Wie bei der Periduralanästhesie können auch beim Anlegen von Spinalanästhesien epidurale Blu-
. Abb. 7.24. Atraumatische Nadel (z. B. nach Sprotte) für die Spinalanästhesie mit vorn konischer Nadel und seitlicher Öffnung
132
Kapitel 7 · Anästhesieverfahren und Methoden der Atemwegssicherung
. Abb. 7.25. a Technik und Punktionsstelle bei der Spinalanästhesie; b segmentale Innervation. (Mod. nach Larsen 1987)
7 tungen auftreten. Wegen der räumlichen Enge im Spinalkanal können schon kleine Hämatome zu einer Kompression des Durasacks und damit zu einer Querschnittsymptomatik führen. In jedem Fall sollte daher vor dem Anlegen einer rückenmarksnahen Leitungsanästhesie die Gerinnungssituation evaluiert werden, wobei die Anamnese nicht als ausreichend angesehen und die Bestimmung des QuickWertes, der PTT und der Thrombozytenzahl gefordert wird. Folgende Grenzwerte sollten bei der Durchführung einer rückenmarksnahen Leitungsanästhesie eingehalten werden: Quick-Wert >50%, partielle Thromboplastinzeit <50 sec, Thrombozyten >50.000. Indikationen Die Indikation zur Spinalanästhesie hängt zum einem vom Operationsgebiet und der Art des Eingriffs ab, zum anderen vom Wunsch des Patienten. Gern werden Spinalanästhesien vor allem bei alten Patienten mit respiratorischen Störungen durchgeführt, um eine zusätzliche Belastung durch die Beatmung zu vermeiden. Bei größeren Eingriffen mit der Gefahr von Blutverlusten und Hypothermie (z. B. Hüftchirurgie) wird von vielen Anästhesisten wegen der fehlenden Blutdruckregulation über den Sympathikus häufig eine Allgemeinanästhesie bevorzugt. Sichere endgültige Ergebnisse über den Vorteil der Allgemeinanästhesie
oder der rückenmarksnahen Leitungsanästhesie gibt es nicht. Kontraindikationen Die Kontraindikationen für die
Spinalanästhesie ergeben sich aus den Nebenwirkungen des Verfahrens: lokale oder allgemeine Infektion, Schock, Erkrankung des zentralen Nervensystems oder der Wirbelsäule, Gerinnungsstörungen, Überempfindlichkeit gegen Lokalanästhetika, unkooperativer Patient, Ablehnung durch den Patienten. Praxisbox Praktisches Vorgehen bei der Spinalanästhesie (. Abb. 7.25) 5 Vorbereitung, Aufklärung und Prämedikation wie bei Allgemeinanästhesie. Wichtig: Gerinnungsstatus! 5 Richten des Equipments 5 Sitzende (obligat beim Sattelblock) oder liegende Lagerung mit gekrümmtem Rücken. 5 Desinfektion und steriles Abdecken 5 Lokalanästhesie zur Punktion 5 Lumbalpunktion im Zwischenwirbelraum L2–3 oder L3–4 mit möglichst dünner Nadel, wozu eine Hilfslinie zwischen den Beckenschaufeln gezogen wird, die über 6
133 7.3 · Regionalanästhesie
den Dornfortsatz L4 geht. Die Punktionsnadel liegt richtig, wenn Liquor abtropft oder zu aspirieren ist. Für sehr dünne Nadeln (24 bis 27 Gauge) wird eine Führungskanüle notwendig. 5 Injektion von 2 bis 4 ml Lokalanästhetikum iso- oder hyperbar, dabei ggf. Barbotage (7 oben) 5 Lagerung des Patienten mit leicht erhöhtem Kopf und/oder Oberkörper auf dem Rücken, sitzend beim Sattelblock, seitlich bei einseitiger Spinalanästhesie
7.3.11
Periduralanästhesie
Der Periduralraum liegt zwischen dem Ligamentum flavum und der Dura mater und ist mit lockerem Bindegewebe, Fett und venösen Plexus gefüllt. In diesen Raum wird das Lokalanästhetikum injiziert, es diffundiert durch die Dura mater in den Liquor und durch die Foramina intervertebralia an die paravertebralen Nerven. Bei der lumbalen Periduralanästhesie erfolgt die Punktion nach Lokalanästhesie bei L2/3 oder L3/4 mit einer Tuohy-Nadel, die eine seitliche Öffnung hat. Zum exakten Aufsuchen des Periduralraumes wird die »Loss-of-resistance-« oder Stempeldrucktechnik angewendet, bei der auf die Punktionsnadel eine mit Kochsalz gefüllte Spritze aufgesetzt und unter Druck vorgeschoben wird. Nach Durchtritt durch das derbe Gewebe des Ligamentum flavum lässt sich nach dem Verlust des Widerstands leicht die Kochsalzlösung in den mit lockerem Fettgewebe gefüllten Periduralraum einspritzen. Bei der Methode des hängenden Tropfens wird die Punktionsnadel mit Kochsalz gefüllt. Dieses wird nach Perforation des Ligamentum flavum in den Periduralraum aspiriert, da hier ein negativer Druck herrscht. Bei der Single-shot-Methode wird zunächst eine Testdosis gespritzt, um eine Duraperforation auszuschließen, und nach 3 min die Restdosis gegeben. Bei der Kathetertechnik wird ein Katheter in den Periduralraum geschoben und nach Zurückziehen der Nadel und Anlegen eines sterilen Verbandes sowie eines Aspirationsversuchs zunächst die Testdosis und dann die Gesamtdosis eingespritzt. Bei der lum-
7
balen Periduralanästhesie werden beim gesunden erwachsenen Patienten zunächst meist 10 ml Bupivacain 0,5% als Initialdosis gegeben. Die Ausbreitung der Periduralanästhesie ist abhängig von der Einstichhöhe, der Richtung der Nadelöffnung, dem Volumen des Lokalanästhetikums, der Injektionsgeschwindigkeit, der Konzentration des Lokalanästhetikums, dem Alter und dem Körpergewicht des Patienten. Pro Segment rechnet man im Alter zwischen 20 und 40 Jahren mit 1–1,6 ml Lokalanästhetikum. Bei 60-Jährigen soll die Dosis um ein Drittel, bei 90-Jährigen um die Hälfte reduziert werden. Große Patienten brauchen eher die höhere der angegebenen Dosierungen. In der Schwangerschaft muss das Lokalanästhetikum niedriger dosiert werden, da die Venen im Periduralraum stärker gefüllt sind und damit der Verteilungsraum kleiner ist. Aus diesem Grund soll auch bei der geburtshilflichen Anästhesie das Lokalanästhetikum nicht während der Wehe gespritzt werden. Die Ausbreitung der Lokalanästhesiewirkung wird mit Eis überprüft: an den nichtbetäubten Arealen hat der Patient ein Kältegefühl, an den betäubten ein Wärme- oder gar kein Temperaturempfinden mehr. Von einer thorakalen Periduralanästhesie spricht man bei einer Punktion oberhalb von L2–3. Sie ist bei Oberbauch- und Thoraxeingriffen indiziert. Um eine optimale Wirkung zu erreichen, soll in dem Segment punktiert werden, in dem der operative Eingriff durchgeführt wird. Wegen der Länge der Dornfortsätze im Brustwirbelbereich muss häufig die laterale Punktion des Periduralraumes der medialen vorgezogen werden. Die Kaudalanästhesie ist eine spezielle Form der Periduralanästhesie. Dazu wird der Patient mit erhöhtem Becken auf dem Bauch gelagert. Der Kaudalkanal wird punktiert und 10–25 ml Bupivacain 0,25 bis 0,375% werden injiziert, wenn kein Liquor zu aspirieren ist. Diese Methode ist besonders in der Geburtshilfe, der Urologie, der Gynäkologie und bei perinealen Operationen indiziert. Bei Kindern wird die Kaudalanästhesie zur postoperativen Analgesie intraoperativ in Allgemeinanästhesie angelegt. Nebenwirkungen Die Nebenwirkungen ähneln zum großen Teil denen der Spinalanästhesie. Die Sympa-
134
7
Kapitel 7 · Anästhesieverfahren und Methoden der Atemwegssicherung
. Abb. 7.26a–c. Punktion des Periduralraums mit der Widerstandsverlustmethode und Einführen eines Periduralkatheters. a Die mit einer aufgesetzten Kochsalzspritze versehene Tuohy-Nadel wird durch die Bänder in den Periduralraum vorgeschoben. Hierbei drückt die rechte Hand auf den Stempel der Spritze. Ein erheblicher Widerstand gegen das Einspritzen der Kochsalzlösung ist zu verspüren. b Die Kanüle hat das Ligamentum flavum durchstochen, und es tritt ein schlagarti-
ger Widerstandsverlust auf, d. h. die Kochsalzlösung lässt sich jetzt »butterweich« injizieren. Beim Abkoppeln der Spritze darf jedoch kein Liquor abtropfen, denn sonst wurde die Kanüle zu weit vorgeschoben und der Subarachnoidalraum punktiert! c Über die Periduralnadel wird ein Katheter ca. 2–4 cm in den Periduralraum geschoben, danach die Kanüle entfernt und der Katheter außen auf der Haut fixiert. (Nach Larsen 1987)
thikusblockade ist häufig sogar stärker und muss in jedem Fall durch eine Volumensubstitution prophylaktisch behandelt werden. Wegen der Dicke der verwendeten Nadeln und der Verwendung von Kathetern sind mechanische Läsionen häufiger als bei Spinalanästhesien. Insbesondere kann es beim Einlegen von Kathetern zu epiduralen Hämatomen mit der Gefahr einer Querschnittslähmung kommen. Über die Anamnese zum Abschätzen der Gerinnungssituation hinaus ist ein Gerinnungsstatus mit Quick-Wert, PTT und der Thrombozytenzahl zu fordern. Da der Periduralraum je nach Höhe (thorakal oder lumbal) nur 3–6 mm breit ist, kann mit der Tuohy-Nadel die Dura leicht perforiert werden. Wegen der Dicke der Nadel entsteht in der Dura ein größeres Leck, das vor allem bei jüngeren Menschen zu einem ausgeprägten Liquorverlustsyndrom (7 oben) führen kann. Diese Gefahr ist besonders bei Schwangeren im letzten Trimenon groß, denn hier sind die Strukturen infolge des aufgelockerten
Bindegewebes nicht so leicht zu identifizieren. Die Folgen sind im Rahmen der geburtshilflichen Anästhesie besonders unangenehm, da die Frauen nicht eigentlich krank, durch den postspinalen Kopfschmerz aber so beeinträchtigt sind, dass sie ihr Neugeborenes nicht versorgen können, denn dieser tritt vor allem auf, wenn die Flachlage verlassen wird und Stillen nur unter Kopfschmerzen möglich ist – eine unglückliche Situation. Behandelt wird der postspinale Kopfschmerz mit strenger Bettruhe, reichlichem Flüssigkeitsangebot, peripher wirkenden Analgetika und ggf. Ergotaminpräparaten. Bewährt hat es sich auch, das Leck durch das Einspritzen von Blut in den Periduralraum zu verschließen, das dann gerinnt und den Abfluss von Liquor in den Periduralraum verhindert (Blutpatch). Wird der Katheter im Rahmen einer Katheterperiduralanästhesie zu tief durch die Nadel eingeschoben, so besteht die Gefahr der Fehllage, was zu einer mangelhaften oder einseitigen Wirkung führen kann. In seltenen Fällen kann sich der Katheter
135 7.3 · Regionalanästhesie
sogar verknoten, so dass er operativ entfernt werden muss. Weitgehend vermeiden lassen sich diese Komplikationen, wenn der Katheter nur 2–3 cm in den Periduralraum, d. h. etwa 10 cm unter Hautniveau hineingeschoben wird (. Abb. 7.26). Seltenere Komplikationen sind mechanische Läsionen, Hämatome, Kreuzschmerzen oder eine Infektion am Punktionsort. Besonders schwerwiegend sind die hier beschriebenen Komplikationen bei Periduralanästhesien mit thorakalem Zugang. Bei einer Duraperforation ist eine direkte mechanische Schädigung des Rückenmarks möglich. Wegen der Gefahr einer schweren Kreislaufdepression mit Bradykardie und Hypotension bei einer Blockade von Th4 wegen der hier austretenden Nervi accelerantes, die die sympathische Innervierung des Herzens herstellen, sollte eine thorakale Periduralanästhesie nur durchgeführt werden, wenn der Blutdruck blutig gemessen wird und die kontinuierliche intravenöse Zufuhr von Katecholaminen möglich ist. Allerdings sind diese Nebenwirkungen seltener, wenn die Konzentration der Lokalanästhetika herabgesetzt wird und durch den Zusatz eines Opioids kompensiert wird. Indikationen Alle diagnostischen und therapeutischen Eingriffe in der unteren Körperhälfte bei lumbaler Periduralanästhesie, Thorakotomie bei thorakaler Periduralanästhesie stellen eine Indikation dar. Der Schwerpunkt der Periduralanästhesie liegt aber bei Anwendung der Kathetertechnik in der postoperativen Analgesie, der geburtshilflichen Analgesie und der chronischen Schmerztherapie. Mit der Möglichkeit, die Behandlung ohne Beeinträchtigung des Bewusstseins und geringer motorischer Blockade (bei entsprechender Auswahl und Dosierung des Lokalanästhetikums) über längere Zeit fortzuführen, ist die Katheterperiduralanästhesie gegenüber der systemischen Gabe von Analgetika im Vorteil. Kontraindikationen8 ZNS-Erkrankungen, Wirbel-
säulenerkrankungen, Blutungsneigung, Schock, Noteingriffe, bei denen bis zum Anlegen einer Periduralanästhesie nicht abgewartet werden kann, Ablehnung durch den Patienten.
Praxisbox Praktisches Vorgehen bei der Periduralanästhesie (. Abb. 7.26) 5 Vorbereitung, Aufklärung und Prämedikation wie bei Allgemeinanästhesie. Wichtig Gerinnungsstatus! 5 Richten des Equipments 5 Sitzende oder liegende Lagerung mit gekrümmtem Rücken. 5 Desinfektion und steriles Abdecken 5 Lokalanästhesie zur Punktion 5 Einstechen der Tuohy-Nadel in der Mittellinie zwischen den Dornfortsätzen in den Zwischenwirbelraum L2–3 oder L3–4, wozu eine Hilfslinie zwischen den Beckenschaufeln gezogen wird, die über den Dornfortsatz L4 geht. Dabei wird eine mit physiologischer Kochsalzlösung gefüllte Spritze auf die Nadel aufgesetzt und ein kräftiger Druck auf den Stempel ausgeübt. Es lässt sich kaum Flüssigkeit injizieren, solange sich die Kanülenspitze in den festen bindegewebigen Strukturen befindet. Erst nach Austritt aus dem Lig. flavum in das lockere Bindegewebe des Periduralraumes kommt es zu einem plötzlichen Widerstandsverlust und die Flüssigkeit lässt sich sehr leicht einspritzen. Nach Abnehmen der Spritze darf kein Liquor zurückfließen 5 Single-Shot: Injektion von 3 ml Lokalanästhetikum als Testdosis, 3 min warten, ob neurologische Ausfälle als Hinweis auf eine intrathekale Injektion auftreten, dann Injektion der vollen Dosis von 10 bis 15 ml Lokalanästhetikum 5 Kathetertechnik Einschieben des Katheters bis 3 cm über die Spitze bzw. 10 cm unter Hautniveau, Aspirationsversuch: Liquor (bei intrathekaler) oder Blut (bei intravasaler) Lage, wenn nicht, dann Testdosis von 3 ml Lokalanästhetikum injizieren, Katheter mit Pflaster oder Naht fixieren, steril verbinden, Patient zurücklagern; wenn keine neurologische Wirkung der Testdosis Injektion der Gesamtdosis von 10–15 ml Lokalanästhetikum
7
136
Kapitel 7 · Anästhesieverfahren und Methoden der Atemwegssicherung
. Tabelle 7.2. Abstände von gerinnungshemmenden Substanzen mit rückenmarksnaher Leitungsanästhesie
Vor Punktion
Nach Punktion
Laborkontrolle
UFH (low dose)
4h
1h
Thrombozyten bei Therapie >5 Tage
UFH (high dose)
4h
1–2 h
Thrombozyten, PTT
NMH (low dose)
10–12 h
4h
Thrombozyten bei Therapie >5 Tage
ASS
>3 Tage
Nach Entfernen des Katheters
Blutungszeit
NSAIDs
1–2 Tage
Nach Entfernen des Katheters
–
Vitamin-K-Antagonisten
Mehrere Tage
Nach Entfernen des Katheters
Quick
UFH unfraktionierte Heparine, NMH niedermolekulare Heparine, ASS Azetylsalizylsäure, NSAIDS nichtsteroidale Antiphlogistika.
7
Wird die Periduralanästhesie über längere Zeit postoperativ fortgeführt, so ist auf eine regelmäßige Pflege des Katheters zu achten. Insbesondere muss die Punktionsstelle täglich auf eine beginnende Infektion hin untersucht werden. Dazu wird sie am besten mit einem durchsichtigen Pflaster abgedeckt, sodass der Verband nicht entfernt werden muss. Der Patient muss regelmäßig neurologisch überwacht werden. Er muss die Beine bewegen können. Ein vollständiger Sensibilitätsverlust oder eine zunehmende motorische Schwäche weisen ebenso wie radikuläre Schmerzen auf eine spinale Raumforderung durch Infektion oder Hämatom hin und erfordern neben der neurologischen Statuserhebung eine sofortige bildgebende Diagnostik mit CT oder NMR und im Falle einer nachgewiesenen Raumforderung eine neurochirurgische Entlastung innerhalb von Stunden. Für die kontinuierliche Schmerzbehandlung hat sich die Zufuhr von einer Kombination aus einem niedrig konzentrierten, lang wirkenden Lokalanästhetikum und einem Opiat (z. B. Bupivacain 0,25% oder Ropivacain 2 mg/ml mit Sufentanil) über eine Spritzenpumpe bewährt. Vor dem Ziehen des Epiduralkatheters ist erneut ein Gerinnungsstatus durchzuführen.
Epiduralanästhesie und gerinnungshemmende Medikamente
Beim Einsatz von Medikamenten, die die Blutgerinnung hemmen, sind Ausschlusszeiten zu beachten, die in . Tabelle 7.2 zusammengefasst sind.
7.4
Auswahl des Narkoseverfahrens
Es wird das Narkoseverfahren gewählt, das 4 die geringste Gefährdung für den Patienten bedeutet, wobei Wünsche des Patienten, soweit möglich, berücksichtigt werden sollten (insbesondere: Regionalanästhesie ja – nein?), 4 die geringsten Belastungen für den Anästhesisten und seine Mitarbeiter bedeutet (Narkosegase!) und 4 dem Operateur optimale Operationsbedingungen bietet. Bei der Wahl des Narkoseverfahrens orientiert man sich an bestimmten Kriterien. Dazu zählen: 4 Nüchternheit des Patienten, 4 Dauer der Operation, 4 Lage des Operationsgebietes, 4 Notwendigkeit zur Relaxation, 4 Vorerkrankungen des Patienten: Risiken, 4 Alter des Patienten: Kinder/Erwachsene/Greise, 4 postoperative Phase: stationär/ambulant.
137 7.4 ·Auswahl des Narkoseverfahrens
Nüchternheit des Patienten Nicht nüchterne Patienten werden aus Gründen des Aspirationsschutzes intubiert, das Vorgehen orientiert sich an den Regeln der Ileuseinleitung (7 Kap. 11.3.8). Wichtig
Als nicht nüchtern gelten 5 alle Patienten, die innerhalb der letzten 6 h feste Nahrung bzw. in den letzten 2 h klare Flüssigkeit aufgenommen haben (Säuglinge 4 h); Patienten mit starken Schmerzen gelten auch dann als nicht nüchtern, wenn die letzte Nahrungsaufnahme länger als 6 h zurückliegt. Dies ist darin begründet, dass Schmerzen und Analgetika die MagenDarm-Motorik hemmen; 5 alle Patienten mit einem Ileus, 5 alle Schwangeren im letzten Trimenon, während und nach der Entbindung (hochstehender Uterus, gestörte Magen-DarmPassage), 5 alle Patienten mit Stenosen im oberen Gastrointestinaltrakt (Ösophagus, Magen, Duodenum), 5 alle bewusstlosen Patienten.
Die Frage, ob bei wachen, nicht nüchternen Patienten eine Regionalanästhesie zulässig ist, wird immer wieder diskutiert. 4 Argumente pro: Bei Regionalanästhesie bleibt der Patient wach und im Besitz seiner Schutzreflexe. Ein Aspirationsschutz ist somit gewährleistet. 4 Argumente kontra: Bei Regionalanästhesie kann es zu Komplikationen (Blutdruckabfall, Bradykardie, Krämpfe, 7 Kap. 7.3.3) kommen. Eine Aspiration ist bei diesen Komplikationen möglich. 4 Schlussfolgerung: Wenn chirurgisch vertretbar, sollte die Sechs-Stunden-Grenze eingehalten werden. Ansonsten Anästhesie mit Ileuseinleitung und Intubation, bei Patienten mit starken Schmerzen auch nach der 6-h-Grenze mit Ileuseinleitung und Intubation. Operationsdauer Eine Maskennarkose sollte nicht länger als 30 min durchgeführt werden; selbst bei optimaler Beatmung (Beatmungsspitzendruck
7
<15 cmH2O) kommt es zu einer, wenn auch geringen Luftinsufflation in den Magen; Aspirationsgefahr! Außerdem ist die Narkosegasexposition bei der Maskennarkose für den Anästhesisten wesentlich größer. Spätestens bei Eingriffen über 30 min hinaus sollte intubiert werden. Eine Gesichtsmaskennarkose wird heute nur noch selten durchgeführt. Über die Maske beatmet wird nur noch zur Präoxygenierung vor der Einführung der Larynxmaske oder vor der Intubation. Larynxmaskennarkosen sollten maximal 1 h dauern, da auch die Larynxmaske nicht komplett abdichtet und deshalb Luft in den Magen gelangen kann mit der Gefahr von Regurgitation und Aspiration. Operationsgebiet Liegt das Operationsgebiet vent-
ral und ist für die Operation eine Rückenlage erforderlich, dann ist je nach Operationsdauer und Nüchternheit eine Larynxmasken- oder Intubationsnarkose angezeigt. Bei Bauchlage, bei Operationen in sitzender Position und bei Operationen im Bereich der Atemwege ist immer eine Intubation notwendig. Notwendigkeit zur Relaxation Eine ausreichende Relaxation ist notwendig in der 4 Abdominalchirurgie, 4 Thoraxchirurgie, 4 Gynäkologie bei abdominellen Eingriffen, 4 Urologie bei abdominellen und retroperitonealen Eingriffen, da sie dem Operateur die Operation erleichtert bzw. erst ermöglicht;
Eine sichere Relaxation ist notwendig in der 4 Neurochirurgie bei intrakraniellen Eingriffen: Kleinste Bewegungen des Patienten haben katastrophale Folgen! 4 Ophthalmologie: Kleinste Bewegungen können zu einer Schädigung des Auges und zu einem Visusverlust führen! 4 Innenohrchirurgie, 4 Neurochirurgie bei Bandscheibenoperationen: Bewegt sich der Patient, so kann dies schlimme Folgen haben. In der Chirurgie an den Extremitäten (Unfallchirurgie, Gefäßchirurgie, plastische Chirurgie) sowie in der Kieferchirurgie ist eine Relaxation selten nötig, es sei denn zur Intubation oder um den Patienten beatmen zu können. Chirurgische Indikation zur
138
Kapitel 7 · Anästhesieverfahren und Methoden der Atemwegssicherung
Relaxation in der Traumatologie: Reposition einer dislozierten Fraktur.
7
Vorerkrankung des Patienten Da auf diese Thematik noch in Kap. 13 näher eingegangen wird, werden hier nur stichwortartig einige Punkte angeführt: 4 Risiko Lunge: möglichst Inhalationsanästhesie oder periphere Leitungsanästhesien. Strategie: Alles vorsichtig einsetzen, was die Atmung beeinflusst (Opioide, Muskelrelaxanzien). 4 Risiko Herz: Strategie: ausreichend Opioide als Analgetika, Inhalationsnarkotika vorsichtig dosieren, PDA-Katheter, aber nur bis Th8; ab Th4 kardiodepressive Wirkung. 4 Risiko Muskelerkrankung: möglichst keine Relaxanzien, Opioide vorsichtig einsetzen. 4 Risiko Lebererkrankung: Inhalationsnarkotika möglichst vermeiden. Alternativen: TIVA oder IVA oder Regionalanästhesie, wann immer möglich. 4 Risiko Nieren: Cave Relaxation, einige Muskelrelaxanzien werden über die Niere ausgeschieden, z. B. Pancuronium, Alcuroniumchlorid; cave Enfluran und Sevofluran wegen hoher Fluoridkonzentrationen (7 Kap. 1.13.3 und 1.13.5). Alter des Patienten Im Kindesalter dominiert die
Allgemeinanästhesie, unterstützt durch regionale Betäubungsmaßnahmen für die postoperative Phase. Im Erwachsenenalter sind Regionalanästhesie und Allgemeinanästhesie, sofern es die Lokalisation
des operativen Eingriffes erlaubt, bei Beachtung aller Kontraindikationen gleichwertig. Im Greisenalter gelten heute ebenfalls Regional- und Allgemeinanästhesie als gleichwertig, jedenfalls haben OutcomeUntersuchungen nicht die Überlegenheit des einen über das andere Verfahren nachweisen können. Eine besonders schonende Form ist die Kombination von Allgemein- und Regionalanästhesie, wenn die Regionalanästhesie mit ihrer Wirksamkeit im unteren Thorakal- und Lendenwirbelbereich bleibt (cave Sympathikusblockade). Postoperative Phase Man muss unterscheiden zwischen ambulanten Narkosen und Narkosen bei stationärem Aufenthalt. Bei ambulanten Narkosen dominiert die Allgemeinanästhesie. Kritisch ist abzuwägen, welche Art der Regionalanästhesie beim ambulanten Patienten durchführbar ist. 4 Infiltrationsanästhesie: ja; 4 Plexusanästhesie: supraklavikular nein (Pneugefahr 7 Kap. 7.3.9), axillär ja; 4 Spinalanästhesie: Die möglichen postspinalen Komplikationen (Harnverhalt etc.) sprechen eindeutig dagegen; 4 Periduralanästhesie: Die Wirkdauer einer Single-shot-Periduralanästhesie, z. B. mit Bupivacain, währt bis zu 8 h, deshalb eignet sich das Verfahren nicht für ambulante Eingriffe.
Aus diesen Kriterien ergibt sich folgendes Prozedere in der anästhesiologischen Praxis (. Tabelle 7.3).
. Tabelle 7.3. Prinzipielle anästhesiologische Vorgehensweise bei Routineeingriffen (Beispiele)
Routineeingriffe
Narkoseform
Atemwegssicherung
Lagerung
BA/IVA/S BA/IVA BA/IVA BA/IVA BA/IVA
LMA ITN ITN ITN ITN
Rücken Kopfüberstreckung Rücken Rücken Rücken
BA/IVA + LA BA/IVA + LA BA/IVA + LA BA/IVA
LMA LMA ITN ITN
Rücken Rücken Rücken Rücken
Allgemeinchirurgie 5 5 5 5 5
Herniotomie Strumektomie Cholezystektomie Magenoperation Dickdarmoperation
Kinderchirurgie 5 5 5 5
Inguinalchirurgie Zirkumzisionen Harnleiter- und Niereneingriffe Appendektomie
139 7.4 ·Auswahl des Narkoseverfahrens
. Tabelle 7.3 (Fortsetzung)
Routineeingriffe
Narkoseform
Atemwegssicherung
Lagerung
BA/IVA BA/IVA BA/IVA IVA/TIVA IVA/TIVA
LMA/ITN LMA/ITN LMA/ITN ITN ITN
Kopfüberstreckung Kopfüberstreckung Rücken Rücken Rücken
BA/IVA TIVA TIVA
ITN ITN ITN
Hocke Rücken Sitzende Position (Besonderheiten 7 Kap. 11.4, Kap. 15.8.4)
IVA BA/IVA BA/IVA BA/IVA S/PDA/BA (7 Kap. 15.5.5)
LMA ITN ITN LMA/ITN SPA/ITN
SSL SSL SSL Rücken SSL
S/IVA S/IVA
SPA/LMA SPA/LMA
SSL SSL
BA/IVA BA/IVA
ITN ITN
Seitenlage Rücken
S/PDA/BA/IVA** BA/IVA** Plexus/BA/IVA S/PDA/BA/IVA
SPA/ITN ITN SPA/LMA SPA/LMA o. ITN*
Rücken Rücken Rücken/Bauch Rücken
S/PDA/BA/IVA LA
SPA/LMA o. ITN* SPA
Rücken Rücken
BA/IVA
ITN
Rücken
IVA
ITN
Seitenlage
HNO-Kieferchirurgie 5 5 5 5 5
Adenotomie Tonsillektomie Naseneingriffe Ohreneingriffe (Tympanoplastik) Tumorchirurgie (Langzeit-OPs)
Neurochirurgie 5 Bandscheiben-OP 5 Intrakranielle Eingriffe 5 HWS von dorsal, hintere Schädelgrube
Gynäkologie 5 5 5 5 5
Abrasio Abdominelle Eingriffe Vaginale Eingriffe Mammachirurgie Sektio
Urologie 5 Blase transurethral 5 Prostata transurethral 5 Niereneingriffe – lumbal – transabdominal Traumatologie 5 5 5 5
Totalendoprothese Hüfte Totalendoprothese Hüftwechsel Eingriffe obere Extremität Eingriffe untere Extremität
Gefäßchirurgie 5 periphere Gefäße – untere Extremität – obere Extremität (Embolektomie) 5 Aorta Thoraxchirurgie 5 Lunge
* = abhängig von der Dauer; ** = postop. N.-femoralis-Katheter BA Balanced anaesthesia, IVA Intravenöse Anästhesie, TIVA Totale intravenöse Anästhesie, d. h. ohne Lachgas, S Spinalanästhesie, PDA Periduralanästhesie, ITN Intubationsnarkose, LMA Larynxmaskenanästhesie, Plexus Plexusanästhesie, NLA Neuroleptanästhesie, LA Lokalanästhesie, SPA Spontanatmung, SSL Steinschnittlage
7
8 8 Kreislaufmonitoring in Narkose und Intensivtherapie 8.1
Klinische Untersuchungsmethoden – 142
8.2
EKG
8.3
Blutdruckmessung
8.3.1 8.3.2 8.3.3 8.3.4 8.3.5
Riva-Rocci – 142 Oszillatorisch messende Blutdruckmessgeräte – 142 Blutig-arterielle Druckmessung – 142 Zentraler Venenkatheter und Messung des zentralvenösen Druckes Pulmonalarterienkatheter – 147
– 142 – 142
– 144
142
Kapitel 8 · Kreislaufmonitoring in Narkose und Intensivtherapie
8.1
Klinische Untersuchungsmethoden
Wichtig sind die unterschiedlichen Pulsqualitäten (schneller oder langsamer Puls, gut gefüllter oder fadenförmiger Puls; Rhythmusstörungen) sowie die periphere Durchblutung als Ausdruck der Mikrozirkulation (gestört z. B. bei Zentralisation): Klinische Hilfen sind die Palpation der Pulsqualität und die Nagelbettprobe (Rekapillarisierungszeit; Normalwert <2 sec). Bei der Nagelbettprobe drückt man auf das Nagelbett, das daraufhin blass wird. Bei ausreichender Mikrozirkulation wird das Nagelbett nach dem Loslassen sofort wieder rosig. Bei gestörter Mikrozirkulation infolge Zentralisation erfolgt nur eine allmähliche Auffüllung und Rosafärbung (>2 sec).
8.2
8
EKG
Bei jeder Narkose sollte über einen EKG-Monitor kontinuierlich ein EKG abgeleitet werden. Es dient der Beurteilung von Frequenz und Rhythmus der Herzaktion. In der Regel wird die Ableitung II gewählt. Die unipolare Ableitung V5 lässt auch Myokardischämien im Vorderwandbereich erkennen, weshalb sie bevorzugt bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung abgeleitet wird.
8.3
Blutdruckmessung
8.3.1 Riva-Rocci Indikation Obligat bei jeder Narkose in fünfminütigen Abständen (wenn keine automatische oder invasive Blutdruckmessung durchgeführt wird).
schen Blutdruckwerten auftreten. Die Angabe erfolgt in mmHg oder kPa. Auf die richtige Manschettengröße ist zu achten (2/3 des Oberarmumfangs).
8.3.2 Oszillatorisch messende
Blutdruckmessgeräte Indikation Regelmäßige Messung in kürzeren Ab-
ständen; heute überwiegend Standardmethode. Praxisbox Praktisches Vorgehen bei der Blutdruckmessung mit oszillatorisch messenden Automaten Maschinelles Aufblasen der Blutdruckmanschette durch einen Automaten. Auf die dem Patienten angemessene Manschettengröße ist zu achten. Der Apparat bläst automatisch die Blutdruckmanschette soweit auf, bis die Oszillationen der Arterie nicht mehr registriert werden. Danach lässt er stufenweise Luft aus der Manschette ab, bis die ersten Oszillationen erfasst werden. Diesem Wert entspricht der systolische Blutdruck. Der arterielle Mitteldruck entspricht dem Maximum der Oszillation; der diastolische Wert wird dann registriert, wenn keine Oszillationen mehr nachweisbar sind. Bei hohen Drücken nimmt die Messgenauigkeit ebenso ab wie bei den niedrigen. Im Schock liefert das Gerät oft falsch-hohe Werte. Besonders geeignet ist es zur Blutdruckmessung bei Kindern, bei denen die Messung nach Riva-Rocci oft nicht exakt durchführbar ist. Das Messintervall ist zwischen 1 und 30 min wählbar.
Praxisbox Praktisches Vorgehen bei der Blutdruckmessung nach Riva-Rocci Nach Aufblasen der Blutdruckmanschette über den systolischen Blutdruck werden beim Ablassen der Luft die Korotkoff-Geräusche auskultiert, die zwischen den systolischen und diastoli6
8.3.3 Blutig-arterielle Druckmessung Indikation Kontinuierliche Blutdruckmessung bei Risikopatienten. Vorteil: Möglichkeit der Blutentnahme zur Bestimmung arterieller Blutgase, ohne jeweils erneut arteriell punktieren zu müssen.
8
143 8.3 · Blutdruckmessung
. Abb. 8.1. Blutig-arterielle Druckmessung und IntraflowSystem
112/78 typische RR-Kurve 110/80 gedämpfte RR-Kurve (meist Luft im System)
Spülflüssigkeit Druckübertragungselement
(mit 5ooo IE Heparin; unter Druck)
Gummizug zum Durchspülen der arteriellen Nadel 112/78
Intraflow-System
Dreiwegehahn (zur Entnahme von arteriellem Blut zur Blutgasanalyse)
arterielle Kanüle
kontinuierliche Spülung der Arterie
. Abb. 8.2. a Normale arterielle Druckkurve A Geringer Effekt der Beatmung auf die Druckamplitude; B hoher dikroter Umschlagpunkt; C Fläche unter der Kurve. b Arterielle Druckkurve bei Hypovolämie. A Starker Effekt der Beatmung auf die Druckamplitude (paradox); B niedriger dikroter Umschlagpunkt; C kleine Fläche unter der Kurve
A
A B Arterieller Blutdruck
B
Beatmungsdruck
B B C
a
Normovolämie
Praktisches Vorgehen Punktion der A. radialis, der
A. dorsalis pedis, der A. temporalis, gegebenenfalls der A. femoralis (hohe Infektionsgefahr, cave: Endarterie!) oder der A. brachialis (Thrombosegefahr, cave: Endarterie!). Fortleitung der Blutdruckwelle über einen mit physiologischer Kochsalzlösung gefüllten Schlauch zu einem Druckwandler, der das mechanische Signal in ein elektrisches umwandelt (. Abb. 8.1). Anzeige als Druckkurve auf einem Monitor (. Abb. 8.2) oder Schreiber sowie des systo-
C
b
Hypovolämie
lischen, diastolischen und Mitteldrucks als Digitalwert. Komplikationsmöglichkeiten Gefäßverschluss (daher Durchblutung vorher mit Allen-Test prüfen; 7 unten); Diskonnektion mit Blutung aus der Kanüle; Infektion; daher: strenge Indikationsstellung notwendig.
144
Kapitel 8 · Kreislaufmonitoring in Narkose und Intensivtherapie
Praxisbox Durchführung des Allen-Tests Mit dem Allen-Test wird die arterielle Durchblutung der Hand überprüft. Dazu werden A. radialis und ulnaris fest komprimiert, die Handdurchblutung sistiert, die Hand wird blass. Wenn man die A. radialis öffnet, so muss die Hand binnen 5 sec wieder rosig werden. Das Gleiche gilt, wenn die A. ulnaris freigegeben wird und die A. radialis komprimiert bleibt. Elegant kann man den Allen-Test mit dem Pulsoximeter durchführen: Das Pulsoximetersignal verschwindet nach beidseitiger Kompression und kommt zurück, wenn eine Strombahn freigegeben wird. Wenn dies nicht der Fall ist, darf nicht punktiert werden.
8.3.4 Zentraler Venenkatheter
8
und Messung des zentralvenösen Druckes Indikationen Für das Platzieren eines Venenkatheters an den Übergang von Cava superior in den rechten Vorhof bestehen folgende diagnostische und therapeutische Indikationen: 4 Messen des zentralvenösen Druckes, 4 Infusion hyperosmolarer Lösungen (hochkalorische Infusionen, osmotisch wirksame, hyperosmolare Substanzen), 4 häufige intravenöse Gabe von Medikamenten (Antibiotika, Zytostatika), die zu einer Thrombophlebitis in den peripheren Venen führen können, 4 Injektion von kardial wirksamen Medikamenten, 4 Punktion von Venen bei zentralisierten Patienten, bei denen peripher keine Vene punktierbar ist. Praxisbox Praktisches Vorgehen beim Legen zentralvenöser Katheter Zum Legen zentralvenöser Katheter können sowohl periphere als auch zentrale Venen punk6
tiert werden. In jedem Fall muss steril gearbeitet werden, um eine iatrogene Infektion bzw. eine katheterbedingte Sepsis zu vermeiden. Also: sorgfältige Desinfektion, Abdecken der Punktionsstelle mit einem Lochtuch. Zur Punktion werden sterile Handschuhe angezogen. Bei der Seldinger-Technik muss der punktierende Arzt sich steril kleiden wie bei einem operativen Eingriff. Unter der Seldinger-Technik versteht man folgende Vorgehensweise: 5 zunächst wird mit einer Kanüle die entsprechende Vene (z. B. V. jugularis interna, V. subclavia) punktiert 5 nach erfolgreicher Punktion wird der Mandrin entfernt. Über die jetzt im Gefäßbett liegende Plastikkanüle wird nun ein Draht in die Vene vorgeschoben und die Plastikkanüle über diesen Draht entfernt. 5 Über den im Gefäßbett liegenden Draht wird jetzt der eigentliche Katheter (ggf. nach Dilatation des Punktionskanals) vorgeschoben und der Draht entfernt. Die Punktion zentraler Venen kann durch Kopftieflage erleichtert werden, sofern keine Kontraindikationen (Hirnödem, Herzinsuffizienz, respiratorische Insuffizienz) bestehen.
Zugang von der Ellenbeuge (. Abb. 8.3) Katheter von der Ellenbeuge werden wegen der einfachen Punktion besonders bevorzugt. Sie lassen sich jedoch nicht immer vorschieben, da Venenklappen den Weg behindern können. Außerdem sind Fehllagen in die Halsvenen oder in die kontralaterale Armvene sowie Verlagerungen des distalen Endes um mehrere Zentimeter bei Armbewegungen nicht selten. Bei längerer Verweildauer des Venenkatheters entsteht häufig eine Thrombose in der entsprechenden Armvene. Deshalb sollten diese Katheter nur bei kurzzeitiger Indikation (1 Tag) Anwendung finden. Zugang über die Vena subclavia (. Abb. 8.4) Die V. subclavia wird an einem definierten Punkt der Klavikula von unten punktiert. Der Punktionsort
8
145 8.3 · Blutdruckmessung
. Abb. 8.3. a Punktionsstellen für zentralvenöse Zugänge, b Messung des zentralvenösen Druckes
V. jugularis interna Clavicula
V. cava superior
V. subclavia rechter Vorhof
V. basilica
a cm H2O
V. jugularis interna hydrostatische ZVD-Messung
rechter Vorhof
10 5 0
Spülflüssigkeit
Verband elektrische ZVD-Messung
Druckwandler
40 20
8 mmHg
Kurvenverlauf des zentralvenösen Drucks (atemabhängige Schwankungen)
b
liegt am lateralen Drittel der Klavikula. Vor allem in Kopftieflage ist sie auch dann leicht zu treffen, wenn der Patient etwa aufgrund eines Blutvolumenmangels zentralisiert ist. Bei Fehlpunktionen kann die Pleura verletzt und damit ein Pneumothorax verursacht werden. Aus diesem Grund ist das Legen eines Venenkatheters über die V. subclavia unmittelbar vor einer Operation in Narkose mit künstlicher Beatmung, insbesondere mit einem O2/N2O-Gemisch (Lachgas diffundiert in den Pleuraspalt, 7 Kap. 1.13.1) ungünstig,
da die Diagnose eines Pneumothorax sowie dessen Therapie bei dem steril abgedeckten Patienten erschwert ist. Nach jeder Punktion der V. subclavia muss 2 h nach der Punktion ein Röntgen-Thoraxbild angefertigt werden, um einen Pneumothorax auszuschließen, auch wenn kein Katheter vorgeschoben werden konnte. Zudem ist eine Blutung infolge einer arteriellen Fehlpunktion bei dieser Punktionsstelle schwer durch Kompression zu stillen. Auch kann es zu Fehllagen des Katheters in die Halsvenen oder die kontralaterale Armvene kommen.
146
Kapitel 8 · Kreislaufmonitoring in Narkose und Intensivtherapie
. Abb. 8.4a–d. Katheterisierung der V. subclavia. a Anatomische Fixpunkte zur Punktion der V. subclavia, b Punktion der V. subclavia mit der Kunststoffkanüle, c Vorschieben des Katheters durch die Kunststoffkanüle in die obere Hohlvene, d Fixierung des Katheters auf der Haut
8
Wichtig
Beidseitige Punktionsversuche der V. subclavia sind wegen der Gefahr eines beidseitigen Spannungspneumothorax kontraindiziert.
Zugang über die Vena jugularis externa Diese
ist bei guter Venenfüllung leicht zu punktieren. Dennoch lässt sich der Katheter häufig aufgrund des rechtwinkligen Einmündens der V. jugularis externa in die V. subclavia nicht um diese »Ecke« bringen und deshalb nicht vorschieben. Häufig kommt es auch zu einer Fehllage in die ipsilaterale Armvene.
hier die Gefahr der Verletzung der A. carotis mit der Entstehung eines Hämatoms. In seltenen Fällen, insbesondere bei älteren Patienten mit arteriosklerotischen Plaques, ist es bei der Fehlpunktion der A. carotis auch zu einem Apoplex durch das Abströmen von Plaques in das zerebrale Stromgebiet gekommen. Wichtig
Doppelseitige Punktionsversuche der V. jugularis interna sind sorgfältig abzuwägen, da es infolge von Hämatomen zu lebensbedrohlichen Schwellungen des Halses mit einer Kompression der Atemwege und zu Störungen der zerebralen Durchblutung kommen kann.
Zugang über die Vena jugularis interna (. Abb. 8.5)
Bei der Punktion der V. jugularis interna orientiert man sich am Musculus sternocleidomastoideus und an der A. carotis. Punktiert wird an der Spitze des Dreiecks, das von der A. carotis und der V. jugularis externa gebildet wird. Fehllagen des Katheters sind bei diesem Zugangsweg selten. Dennoch besteht
Bei Verwendung zu langer Punktionsnadeln oder bei Patienten mit einem Lungenemphysem, bei denen die Lungenkuppen sehr hoch stehen, kann die Pleura verletzt werden: Gefahr eines Pneumothorax!
147 8.3 · Blutdruckmessung
. Abb. 8.5. Kontrolle der korrekten Katheterlage mit Hilfe des α-Kards
normale p-Welle
hohe p-Welle
8
normale p-Welle
Katheter obere Hohlvene Sinusknoten
rechter Vorhof
Komplikationsmöglichkeiten Katheterfehllage (sel-
ten bei rechtsseitiger Vena-jugularis-interna-Punktion), Pleurapunktion mit Pneumo- oder Hämathothorax oder Arterienpunktion bei zentralen Punktionsversuchen, Perforation (vor allem bei Lage des Katheters im rechten Vorhof oder Ventrikel), Infektionen. Indikation zur Messung des zentralvenösen Druckes Beurteilung des Füllungsdruckes des rechten
Herzens bei Operationen mit großen Blutverlusten und Volumensubstitution. Praxisbox Praktisches Vorgehen beim ZVD-Messen Vorschieben des Katheters über die V. basilica, V. subclavia, V. jugularis interna oder externa in die obere Hohlvene, Lagekontrolle mit Durchleuchtung oder über ein über den Katheter abgeleitetes Vorhof-EKG (z. B. mit alpha-Kard, . Abb. 8.6). Die Dokumentation durch eine Röntgenaufnahme (Ausnahme: Subklaviakatheter; 2 h nach Punktion Röntgen-Thorax zum Pneumothoraxausschluss) ist nicht mehr obli6
gat, wenn auf der Akte eingetragen wird, dass die Lokalisation des Katheters mit Hilfe eines Vorhof-EKGs kontrolliert wurde. Prozedere mit dem α-Kard: Ein Vorhof-EKG kann man über den Kavakatheter ableiten. Wenn sich beim Einschieben des Kavakatheters die P-Welle vergrößert, befindet man sich mit dem Katheter in Sinusknotennähe. Man sollte den Katheter dann soweit zurückziehen, bis die P-Welle wieder normal hoch ist. Die Messung des zentralvenösen Drucks erfolgt endexspiratorisch und in flacher Lage.
8.3.5 Pulmonalarterienkatheter Indikationen Die Indikation wird heute wegen der
Komplikationsmöglichkeiten sehr kritisch gestellt: Narkose bei Patienten mit manifester Herzinsuffizienz, bei herzchirurgischen Eingriffen.
148
Kapitel 8 · Kreislaufmonitoring in Narkose und Intensivtherapie
. Abb. 8.6a–c. Katheterisierung der V. jugularis interna. a Verlauf der V. jugularis interna, b Punktion der Vene mit der Kanüle, c Vorschieben des Katheters durch die Kunststoffkanüle in die obere Hohlvene
8
. Abb. 8.7. Pulmonaliskatheter: Konstruktion und Lage des Katheters
Anschluss für Infusionslösung
Anschluss für ZVD-Messung Anschluss für PAD-Messung Öffnung zum Ballon Anschluss an den HZV-Computer
Öffnung fùr Infusionslösungen Öffnung zur Messung des ZVD
Zuleitungsschlauch für Infusionen Introducer aufblasbarer Ballon Wärmefühler distales Lumen Öffnung für PAD-Messung
8
149 8.3 · Blutdruckmessung
. Abb. 8.8. Druckkurve des Pulmonaliskatheters (Einschwemmkurve)
rechter Ventrikel (RV)
Pulmonalarterie (PA)
systolisch
systolisch Inzisur
mmHg
30 20 10
Pulmonalkapillardruck PCWP
rechter Vorhof (RA)
diastolisch diastolisch
0
Ballon leer ZVD RAP RVP (systol./diastol.) PAP (systol./diastol.) PAD PCWP HMV Herzindex
rechter Vorhofdruck rechter Ventrikeldruck Pulmonalarteriendruck Pulmonalarterienmitteldruck pulmonalkapillärer Verschlußdruck (Pulmonalcapillary wedge pressure) Herzminutenvolumen HMV/Körperoberfläche
Ballon gefüllt 5 mmHg 5 mmHg 30/2 mmHg 30/10 mmHg 20 mmHg 5-15 mmHg 4-8 l/min 2 >2,5 l/min/m
Praxisbox Praktisches Vorgehen beim Legen eines Pulmonalarterienkatheters (. Abb. 8.7) Vorschieben des mehrlumigen Katheters durch die V. cava, Einschwemmen des Katheters nach Aufblasen des endständigen Ballons durch das rechte Herz bis in einen Zweig der A. pulmonalis, bis es zu der klassischen Wedge-Kurve kommt (. Abb. 8.8 bei »Ballon gefüllt«). Über das Lumen lässt sich der Druck in einem Zweig der A. pulmonalis messen (Nachlast des rechten Herzens). Nach Aufblasen des kleinen Ballons an der Spitze des Katheters wird ein Zweig der A. pulmonalis verschlossen und der pulmonal-kapilläre Verschlussdruck (Wedge Pressure, PCWP) gemessen, der dem linken Vorhofdruck entspricht (Vorlast des linken Ventrikels). Über ein weiteres Lumen wird der Füllungsdruck im rechten Vorhof gemessen (zentralvenöser Druck; Vorlast des rechten Herzens), sodass zusammen mit dem direkt gemessenen arteriellen Blutdruck (Nachlast des linken Ventrikels) eine kontinuierliche Überwachung der wichtigsten Blutdruckverhältnisse am rechten und linken Herzen möglich ist (. Abb. 8.7). Ergänzt werden diese Informationen durch die Messung des Herzzeitvolumens über ein an der 6
Spitze des Katheters angebrachtes Thermoelement (Thermodilutionsmethode) und die Möglichkeit der Entnahme gemischt-venöser Blutgasanalysen aus der A. pulmonalis. Zum Vorschieben des Katheters wird zunächst eine Vene mittels Seldinger-Technik mit einem Einführungsbesteck kanüliert, durch das der Katheter vorgeschoben wird. Mit Hilfe des aufblasbaren endständigen Ballons wird der Katheter in die A. pulmonalis bis in die WedgePosition eingeschwemmt. Die Lage der Spitze kann anhand der charakteristischen Kurve der verschiedenen Gefäßabschnitte bestimmt werden (. Abb. 8.8).
Messung des Herzminutenvolumens (. Abb. 8.9)
Das Herzminutenvolumen wird mit der Thermodilutionsmethode gemessen. Voraussetzung dafür ist, dass Pulmonalarterienkatheter korrekt liegt. Über die Öffnung in der V. cava superior wird nun physiologische Kochsalzlösung mit einer Temperatur unter 10 °C injiziert. Am Ende des Pulmonalarterienkatheters in der A. pulmonalis ist ein Temperaturfühler angebracht, der die Verminderung der Bluttemperatur nach Injektion der bis unter 10 °C kühlen Kochsalzlösung misst. Die Temperaturveränderung am Temperaturfühler kann als Kurve dargestellt
150
Kapitel 8 · Kreislaufmonitoring in Narkose und Intensivtherapie
. Abb. 8.9. Prinzip der Messung des Herzminutenvolumens mit Hilfe der Thermodilutionsmethode (7 Text)
Öffnung zur Applikation der gekühlten physiologischen NaCl-Lösung
Computer
Öffnung für Infusionslösungen Öffnung, aus der die gekühlte physiologische NaCl-Lösung kommt
Temp-∆
Temperaturfühler
8
werden. Aus der Fläche unter der Kurve wird das Herzminutenvolumen berechnet. Je kleiner die Fläche unter der Kurve, desto größer das Herzminutenvolumen, je größer die Fläche unter der Kurve, d. h. je größer die Temperaturverminderung, desto kleiner das Herzminutenvolumen. Komplikationsmöglichkeiten Herzrhythmusstö-
rungen, vor allem beim Vorschieben des Katheters, Lungeninfarkt durch permanente Wedge-Position (die kontinuierliche Beobachtung der Pulmonalisdruckkurve auf dem Monitor ist daher obligat: die Wedge-Position darf nur für die Dauer der PCWPMessung herbeigeführt werden!! Bei Spontan-Wedge Katheter sofort zurückziehen.), Infektion, Thrombose, Gefäßperforation, Knoten des Katheters in den Gefäßen oder im rechten Herz. Interpretation Aus den gemessenen Werten Pulsfrequenz, systemisch-arterieller, systolischer und diastolischer Blutdruck sowie Mitteldruck (Nachlast des linken Herzens), pulmonaler Verschlussdruck (PCWP; Vorlast des linken Herzens), Pulmonalarte-
rienmitteldruck (PAD; Nachlast des rechten Herzens), zentraler Venendruck (ZVD; Vorlast des rechten Herzens), Herzminutenvolumen (Cardiac output; CO) lassen sich die folgenden Größen errechnen: Herzindex (CI), Schlagvolumen (SV), Schlag volumenindex (SVI), Gefäßwiderstände im Körper- (SVR) und Lungenkreislauf (PVR), Herzarbeitsindex. Nach Bestimmung der Blutgase und der Sättigung im arteriellen sowie im gemischt-venösen Blut lassen sich außerdem der Sauerstoffverbrauch, die Sauerstoffverfügbarkeit, das Sauerstoffextraktionsverhältnis, die arteriovenöse Sauerstoffdifferenz und das Shunt-Volumen mit Hilfe eines Computerprogramms berechnen (Formeln zur Berechnung dieser Variablen sind . Tabelle 8.1 zu entnehmen). Die gravierenden Komplikationsmöglichkeiten, die nicht immer eindeutig zu erfassenden Werte (HZV) und die nicht immer einfache Interpretation der Werte haben zu einer deutlich kritischeren Einstellung zum Pulmonalarterienkatheter geführt.
151 8.3 · Blutdruckmessung
. Tabelle 8.1. Abgeleitete hämodynamische Funktionsgrößen (nach Tarnow)
Parameter, Formel
Dimension
Normalwert
l/min · m2
3,3–3,7
ml/m2
40–60
dyn · sec · cm–5
900–1500
dyn · sec · cm–5
80–150
dimensionslos
7000–12000
g · m/m2
45–60
g · m/m2
5–10
ml/100 ml
4–5
ml/min · m2
650–750
ml/min · m2
140–160
%
<5
Herzindex: CO CI = 000 Körperoberfläche Schlagvolumenindex: CI SVI = 5 HR Peripherer Gefäßwiderstand: AP¯¯ – RAP¯¯ TPR = 06 · 80 CO Pulmonaler Gefäßwiderstand: PAP¯¯ – PCWP¯¯ PVR = 065 · 80 CO O2-Bedarf des linken Ventrikels: LV V˙O2 ~ HR · SAP Index der linksventrikulären Schlagarbeit: (AP¯¯ – PCWP¯¯) · 1,36 LVSWI = 0650 · SVI 100 Index der rechtsventrikulären Schlagarbeit: (RAP¯¯ – RAP¯¯) · 1,36 RVSWI = 0659 · SVI 100 Arteriogemischtvenöse O2-Gehaltsdifferenz: CaO2 – Cv¯O2 = Hb · 1,37 · (SaO2 –Sv¯O2) + (PaO2 – Pv¯O2) · 0,0031 Sauerstofftransportkapazität: TC O2 = CI · CaO2 Sauerstoffaufnahme: VO2 = CI · (CaO2 – Cv¯O2) Intrapulmonaler Rechts-Links-Shunt: (PAO2 – PaO2) · 0,0031 Q˙S/Q˙T = 06590001 (CaO2 – Cv¯O2) + (PAO2 – PaO2) · 0,0031
8
9 9 Intravenöse Flüssigkeitstherapie 9.1
Intraoperativer Wasser- und Elektrolytbedarf – 154
9.2
Therapie peri- und postoperativer Blutverluste – 157
9.3
Fremdblutsparende Maßnahmen
– 158
154
Kapitel 9 · Intravenöse Flüssigkeitstherapie
9.1
Intraoperativer Wasserund Elektrolytbedarf
Man unterscheidet: 4 den Basis- oder Erhaltungsbedarf, 4 den Korrekturbedarf, 4 den Ersatzbedarf. Basis- oder Erhaltungsbedarf Der tägliche Basisbedarf beträgt beim Erwachsenen unter Normalbedingungen: 4 Wasser: 30 ml/kg KG, 4 Natrium: 2 mval/kg, 4 Kalium: 1 mval/kg.
Der Basisbedarf von Kindern differiert in Abhängigkeit vom Alter (. Tabelle 9.1). Aufgrund der präoperativen Nüchternheit besteht ein Flüssigkeitsdefizit, das anhand des Basisbedarfs errechnet werden muss.
9
Korrekturbedarf Unter dem Korrekturbedarf versteht man die Verluste aus Drainagen und Magensonden sowie durch andere Ursachen hervorgerufene Defizite, die präoperativ entstanden sind. Man sollte bestrebt sein, mindestens die Hälfte der präoperativ entstandenen Defizite (z. B. bei Ileus) zu substituieren. Ersatzbedarf Weitere Flüssigkeitsverluste entstehen durch die Beatmung mit trockenen Narkosegasen, was heute jedoch weitestgehend durch die Verwendung von Filtern (7 Kap. 2) und niedrige Gasflüsse
. Tabelle 9.1. Basisbedarf im Kindesalter
Alter
ml/kg KG/h
Neugeborenes (1.–3. Lebenstag)
3–5
Säugling
4–6
Kleinkind
2–4
Schulkind, ugendlicher
1,5–2
Aufgrund der präoperativen Nahrungskarenz besteht ein Flüssigkeitsdefizit, das anhand des Basisbedarfes errechnet werden kann.
verhindert wird. Darüber hinaus kommt es zu einer Flüssigkeitsverdunstung über die Wundfläche insbesondere bei Laparotomien und vor allem beim Capillary-leak-Syndrom (7 Kap. 22.3) auch zu einer Flüssigkeitssequestration in den 3. Raum (unter dem 3. Raum oder »third space« versteht man nach dem intra- und extravasalen Raum die Räume, in denen sich normalerweise kein Wasser befindet, aber im Krankheitsfalle Wasser ansammeln kann, z.B. Pleura, Abdomen). Der Ersatzbedarf lässt sich nur schwer kalkulieren. Die in . Tabelle 9.2 angegebenen Werte stellen eine grobe Orientierung dar. Die Beurteilung, ob ein Flüssigkeitsdefizit vorliegt, orientiert sich: 4 am klinischen Zustand des Patienten: Halonierte Augen? Marmorierte Haut? Trockene Haut? Hautfalten? Trockener Mund? Urinproduktion? 4 an kardiozirkulatorischen Parametern: HF ↑, RR ↓, Urinproduktion ↓, ZVD ↓, 4 an den Laborparametern: Hb ↑↑, HKT ↑↑, Plasmaeiweiße ↑↑ (»Eindickung«). Die Natriumserumwerte können differieren, je nachdem, welche Form der Dehydration (7 Kap. 24.3) vorliegt. Wichtig
Der Gesamtflüssigkeitsbedarf am Operationstag setzt sich demnach bei einem 70 kg schweren Patienten wie folgt zusammen: 5 Basisbedarf: 30 ml × 70 kg = 2100 ml: 24 ≅ 100 ml/h 5 Korrekturbedarf: (Nahrungskarenz zum Aspirationsschutz) 6 h × 100 ml = 600 ml 5 Ersatzbedarf: abhängig von der Art der Operation Körperperipherie: 4 ml/kg/h = 70 kg = 280 ml/h Thorakale Eingriffe: 6 ml/kg/h = 70 kg = 420 ml/h Abd. Eingriffe: 8 ml/kg/h = 70 kg = 560 ml/h
Man macht deshalb keine Fehler, wenn man bei einem gesunden Patienten vor der Narkoseeinleitung 500 ml einer Wasser- und Elektrolytlösung infundiert.
155 9.1 · Intraoperativer Wasser- und Elektrolytbedarf
. Tabelle 9.2. Flüssigkeitsverlust durch Verdunstung bei unterschiedlichen Eingriffen
Operationsort-/art
ml/kg KG/h
Periphere Eingriffe
4
Kleinere Eingriffe, z. B. Appendektomie, Herniotomie
6
Höhleneingriffe, z. B. Laparotomie, Thorakotomie, Hüfttotalendoprothese, Knochenchirurgie
8
. Tabelle 9.3. Vollelektrolyt- und Halbelektrolytlösungen (Beispiele) Vollelektrolytlösungen:
onosteril Ringer-Lactat-Lösung Sterofundin
Zweidrittelelektrolytlösungen:
onosteril Na 100 Normofundin G-5 Tutofusin OP
Halbelektrolytlösungen:
onosteril HD 5 Normofundin OP Sterofundin HEG-5
4 Bei Kindern ist pro kg KG mehr zu infundieren! Wegen des geringen Körpergewichts sind jedoch gerade bei den sehr kleinen Kindern wie Neugeborenen und Säuglingen nur geringe Infusionsmengen erforderlich (z. B. Säuglinge 6 kg; Infusionsmenge bei einer Leistenhernie/h 24 ml!) Deshalb muss man bei diesen Kindern Perfusoren benutzen, um eine Überinfusion zu vermeiden! 4 Greise: Vorsicht bei Vorerkrankungen wie Herzinsuffizienz mit allzu rascher Infusionstherapie! Häufig bestehen jedoch beim Greisen präoperativ erhebliche Flüssigkeitsdefizite, verursacht durch geringere Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme im Alter; diese müssen perioperativ – schonend – ersetzt werden. Infusionslösungen Zum Ersatz extrazellulärer Flüssigkeiten werden verschiedene Infusionen angeboten. Sie unterscheiden sich in ihrer Elektrolytzusammensetzung. Gleicht die Elektrolytkonzen-
9
tration der Infusionslösung derjenigen im Blut, so spricht man von einer Vollelektrolytlösung. Beispiele für Vollelektrolytlösungen, deren Natriumgehalt bei 140 mmol/l, deren Kaliumgehalt bei 5 mmol/l und deren Chloridgehalt bei 100 mmol/l liegt, sind in . Tabelle 9.3 zu entnehmen. Von Zweidrittelelektrolytlösung spricht man dann, wenn der Natriumgehalt der Infusionslösung bei 100 mmol/l liegt. Sie werden meist mit einem Kaliumgehalt von 20 mmol/l, der das 4fache des Blutnormwertes beträgt, angeboten (. Tabelle 9.3). Halbelektrolytlösungen haben, wie die Bezeichnung schon vermuten lässt, eine Elektrolytlösung, die die Hälfte der Natriumkonzentration beträgt, die im Blut vorliegt (. Tabelle 9.3). Den meisten Lösungen sind zusätzlich als Kation Kalzium und Magnesium sowie als Anion Laktat, Malat und Azetat beigegeben; die Konzentrationen liegen dabei meist im physiologischen Bereich. Voll-, Zweidrittel- und Halbelektrolytlösungen dienen zum Ersatz extrazellulärer Flüssigkeiten. Welche Lösung man anwendet, entscheidet sich nach der Überprüfung der Serumelektrolyte. Die zügige Infusion von stark kaliumhaltigen Lösungen können zu Herzrhythmusstörungen führen. Da der Serumkaliumspiegel intraoperativ zahlreichen Einflüssen unterliegt, die sich zum Teil gegenseitig aufheben – 4 intraoperativer Katecholaminanstieg → Kaliumfreisetzung, 4 Gewebetraumen → Kaliumfreisetzung, 4 stressbedingte Insulinhyposekretion → Anstieg des Serumkaliumspiegels, 4 Hyperventilation → Abfall des Serumkaliumspiegels, 4 Transfusion von Erythrozytenkonzentraten → passagerer Anstieg des Serumkaliumspiegels – sollte prinzipiell intraoperativ eine Kaliumsubstitution unterbleiben. In der Steady-state-Phase nach einer Operation erfolgt dann eine an den Laborwerten orientierte Kaliumsubstitution: Kalium = (KaliumSoll – KaliumIst) × 0,3 × kg KG Selbstverständlich sollte bei entsprechender Anamnese (z. B. Fieber, Ileus, Diarrhö) der Serumkalium-
+ (0,08%), blande (+) begrenzt (10–20 ml/kg) 130.000–450.000 Hydroxyäthylstärke (Plasmasteril, HAES)
4–12 h
6–10
+ (0,03%), stark + begrenzt (1–1,5 g/kg) 40.000 Dextran 40 (Rheomakrodex, Longasteril 40)
3–4 h
10
+ (0,09%), stark + begrenzt (1–1,5 g/kg) 60.000–70.000 Dextran 60–70 (Macrodex)
6–8 h
6
++ (0,1%), blande – nach Bedarf 30.000–40.000 Gelantine (Haemaccel, Gelafundin)
3–4 h
3,5–4,0
– nach Bedarf 50.000–70.000 Serumkonserven (PPl, SEK, Biseko)
17–27 Tage
5
Gerinnungsbeeinflussung Konzentration [%] Dosierung Intravasale Halbwertszeit Molekulargewicht
. Tabelle 9.4. Pharmakodynamische und -kinetische Daten zu kolloidalen Plasmaersatzmitteln
9
äußerst selten, blande
Kapitel 9 · Intravenöse Flüssigkeitstherapie
Allergierate/ Schweregrad
156
spiegel auch präoperativ bestimmt und bei einem Serumkaliumspiegel unter 3 mmol/l mit einer Substitution begonnen werden. Die Kaliumzufuhr sollte jedoch 0,2–0,3 mmol/kg KG/h nicht überschreiten, da es sonst zu erheblichen Herzrhythmusstörungen und Thrombosierung der peripheren Venen kommen kann. Wenn möglich, sollte deshalb die Kaliumzufuhr über einen zentralen Zugang erfolgen. Ein EKG-Monitoring ist wegen der möglichen Rhythmusstörungen obligat. Die Therapie einer Hyperkaliämie ist in Kap. 23.7 beschrieben. Um die Serumosmolarität zu erreichen und eine Hämolyse zu vermeiden, werden diesen Lösungen entsprechende Mengen an Glukose zugesetzt. Fruktose ist heute obsolet, weil eine Fruktoseintoleranz des Patienten häufig präoperativ nicht bekannt ist und bei dann intraoperativ zugeführter Fruktose es zu einem Leberversagen mit Todesfolge kommen kann. Mit reinen Kohlehydratlösungen werden dem Körper nur freies Wasser zugeführt. Cave: Hirnödem!! Deshalb werden Glukoselösungen ohne Elektrolytzusatz im perioperativen Bereich vermieden! Kolloidale Volumenersatzmittel Zur Wahl stehen drei Substanzgruppen künstlicher Kolloide (. Tabelle 9.4): 4 Gelatine (Gelafundin, Haemaccel), 4 Dextrane (Macrodex, Rheomacrodex), 4 Hydroxyethylstärke (HAES, Plasmasteril). Wichtig
Mit Plasmaersatzmitteln infundiert man im Gegensatz zu den Elektrolytlösungen Volumen, das in der Blutbahn verbleibt. Den früher häufig angewandten Begriff Plasmaexpander verdient lediglich das Dextran; es zieht Gewebewasser in die Blutbahn und expandiert, d. h. vergrößert das intravasale Volumen. Die übrigen Plasmaersatzmittel ersetzen nur Volumen. Neben dem Volumenersatz schätzt man bei den Plasmaersatzmitteln die kolloidosmotische Wirkung und die verbesserten Fließeigenschaften des Blutes. Weniger begrüßenswert sind die unerwünschten Wirkungen auf die Blutgerinnung, die man vor allem bei Dextran berücksichtigen muss, und allergische Reaktionen, die alle Plasmaersatzmittel hervorrufen können.
157 9.2 · Therapie peri- und postoperativer Blutverluste
Hydroxyethylstärke (HAES, Plasmasteril): Hydroxyethylstärke liegt als Polysacharidmolekül in Molekulargewichten von 130.000–450.000 vor. Das Ferment α-Amylase spaltet die Stärke, doch sind auch die Spaltprodukte noch volumenaktiv. Die Wirkdauer schwankt je nach Molekulargewicht zwischen 3–8 h. Allergische Reaktionen (0,085%) kommen seltener vor als bei der Gelatine und häufiger als bei den Dextranen. Anaphylaktische Schocks sind extrem selten. Ungeklärt ist allerdings, welche Folgen die Ablagerung der Hydroxyethylstärke im RES (retikuloendothiales System des Menschen) langfristig für die Immunabwehr haben kann. Dennoch ist die Hydroxyethylstärke heute das am meisten angewandte Plasmaersatzmittel in der operativen Medizin! Die Industrie bietet eine Fülle von Stärkemolekülvarianten mit unterschiedlichem Substitutionsgrad und Molekulargewichten an. Die unterschiedlichen Effekte sind klinisch nur schwer zu erfassen! Dennoch bieten sie ein reichliches Feld für wissenschaftliche Untersuchungen und Fragen in Prüfungen, allerdings erst in Facharztprüfungen! Gelatine (Gelafundin, Hämaccel): Gelatine besteht aus vernetzten Polypeptiden, die in einem mittleren Molekulargewicht von 30.000 und in einer Konzentration von 3,5% (Hämaccel) sowie 4,0% (Gelafundin) vorliegen. Gelatine wirkt nur kurz (3–4 h) und wird über die Niere ausgeschieden. Es war bislang keine klinisch relevante Beeinflussung der Blutgerinnung nachzuweisen. Eine Dosisbeschränkung gibt es nicht. Bei Gelatinepräparaten muss mit einer hohen Zahl allergischer Reaktionen 0,115%) gerechnet werden, die sich in Form von Exanthemen oder eines anaphylaktischen Schocks (0,038%) zeigen können. Ein anaphylaktischer Schock macht sich als Bronchospasmus, Blutdruckabfall und Tachykardie bemerkbar. Dextrane (Macrodex, Rheomacrodex): Dextrane sind Glykopolysacharide, die beim Dextran 60 (Macrodex) in einem mittleren Molekulargewicht von 60.000 und bei Dextran 40 (Rheomacrodex) in einem mittleren Molekulargewicht von 40.000 vorliegen. Dextran 40 entzieht dem Gewebe Wasser, wodurch das intravasale Volumen expandiert. Die Wirkdauer beträgt beim hochmolekularen Dextran 6–8 h, beim niedermolekularen 3–4 h. Von Nachteil ist, dass Dextrane die Thrombozytenfunktion beein-
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trächtigen und zusätzlich durch die Beeinflussung der plasmatischen Gerinnung Gerinnungsstörungen bedingen können. Befürchtet wird ebenfalls ein Austrocknen des extrazellulären Raumes durch den Expandereffekt. Besonders gefährlich sind die allergischen Reaktionen auf Dextrane (Häufigkeit insgesamt 0,032%), die schon nach einer Infusion von wenigen ml in Form eines anaphylaktischen Schocks auftreten können. Aufgrund dieser schweren anaphylaktoiden Reaktion werden die Dextrane nur noch sehr selten als Plasmaersatzmittel eingesetzt. Volumenersatz durch Plasmaeiweiße Der physio-
logische Ersatz von Plasmaverlusten sind Plasmaeiweiße. Plasmaverluste bei Verbrennungen und Blutverluste größeren Ausmaßes, die noch keine Bluttransfusion notwendig erscheinen lassen, können durch Plasmaeiweiße ersetzt werden, insbesondere dann, wenn in der posttraumatischen Phase eine Katabolie droht, die den Patienten gefährdet. Denn im Gegensatz zu den Plasmaersatzmitteln tragen die Plasmaeiweiße nicht nur zur Aufrechterhaltung des kolloidosmotischen Drucks bei, sondern dienen auch dem Transport von Medikamenten, Hormonen und Substraten. Allergische Reaktionen auf Plasmaeiweiße sind beschrieben. Selbst durch verschiedene Verfahren der Sterilisation ist letztendlich keine 100%ige Hepatitis- und HIV-Sicherheit gegeben.
9.2
Therapie peri- und postoperativer Blutverluste
Die wichtigste Aufgabe bei peri- und postoperativen Blutverlusten ist der zeitgerechte Volumenersatz, d. h. die Aufrechterhaltung der Sauerstofftransportkapazität. Um diese Aufgabe zu erfüllen, stehen die in . Tabelle 9.5 genannten Komponenten zur Verfügung. Als Richtlinie kann das auf Lundsgaard-Hansen zurückzuführende Konzept gelten. Der erste Volumenverlust bis 20% wird durch Wasser- und Elektrolytlösungen und kolloide Volumenersatzmittel ausgeglichen. Fällt der Hämatokrit unter 30%, werden bei weiter anhaltendem Volumenverlust Erythrozytenkonzentrate und künstliche Kolloide in äquivalentem Verhältnis infundiert. Kommt es zu einem
158
Kapitel 9 · Intravenöse Flüssigkeitstherapie
Blutverlust über 50%, ist mit einer kritischen Senkung des Gesamteiweißes (<40–50 g/l) und dem damit verbundenen Abfall des kolloidosmotischen Druckes zu rechnen. Deshalb wird der Volumenersatz bis zu 90% Volumenverlust mit Erythrozytenkonzentraten, Kolloiden und ggf. Humanalbuminlösungen fortgeführt. Übersteigt der Blutverlust 90%, droht die Abnahme der plasmatischen Gerinnungsfaktoren auf 35%. Deshalb muss nun FFP zusammen mit Erythrozytenkonzentraten transfundiert werden. Bei Massivtransfusionen mit einem Volumenverlust von 140% und mehr ist mit einem Abfall der Thrombozyten unter 50.000/mm3 zu rechnen. Blutet der Patient weiter, ohne dass eine chirurgisch therapierbare Blutungsquelle erkennbar ist, so muss ein Thrombozytenkonzentrat substituiert werden. Praxisbox Praktisches Vorgehen bei der intraoperativen Substitution von Blutverlusten Die Therapie des Blutverlustes sollte sich nicht an einem fixen Hb-Wert orientieren, sondern den jeweiligen Erfordernissen des einzelnen Organismus genügen. Außer der regelmäßigen Bestimmung des Hb-Werts bzw. Hämatokrits muss eine kontinuierliche Blutdruckmessung und die Herzfrequenz zur Abschätzung des Blutvolumens erfolgen. Auch Blutgasanalyse-, Elektrolyt-, Thrombozyten- und Gerinnungskontrollen sollten regelmäßig durchgeführt werden. Um ein aktuelles Sauerstoffdefizit im Koronarstromgebiet zu erfassen, ist die kontinuierliche ST-Strecken-Analyse von größtem Nutzen. Eine ST-Senkung um 0,2 mV deutet auf eine Myokardischämie hin.
9
9.3
Fremdblutsparende Maßnahmen
Zu den fremdblutsparenden Maßnahmen zählen: 4 die Toleranz niedriger Hb-Werte, 4 die akute normovolämische Hämodilution, 4 die maschinelle intraoperative Autotransfusion und 4 die Eigenblutspende.
Toleranz niedriger Hämoglobin-Werte Die Indikation zur Bluttransfusion wurde früher bei weit höheren Hb-Werten gestellt als heute. Früher, als es noch kein Infektionsübertragungsrisiko für HIV durch Blut gab, lag die Hämoglobingrenze, die Anlass zu einer Bluttransfusion gab, bei 8–10 g/dl, bei Patienten mit Vorerkrankungen von Seiten des Herzens und des Kreislaufes bei 12 g/dl. In den letzten Jahren haben sich diese Transfusionsgrenzen jedoch nach unten verschoben: 4 bei Erwachsenen ohne Vorerkrankungen liegt die Transfusionsgrenze bei 8 g/dl, 4 bei Patienten mit kardialen Vorerkrankungen wird der Grenzwert bei 10 g/dl gesehen.
Bei Kindern wird mit Ausnahme von Früh- und Neugeborenen die Transfusionsgrenze heute bei 6 g/dl angesetzt, sofern Normovolämie besteht. Von extremen Hämodilutionen bei Kindern bis zu 3 g/dl wurde berichtet, ohne dass es bei Normovolämie zu einem Laktatanstieg als Zeichen einer Gesamtkörpersauerstoffschuld gekommen wäre. Insofern liegt die Transfusionsgrenze von 6 g/dl noch im sicheren Bereich. Die Toleranz dieser niedrigen Hämoglobinwerte trägt bereits erheblich zur Reduktion von Fremdbluttransfusionen bei. Akute normovolämische Hämodilution (ANH) Bei der ANH wird dem Patienten nach der Narkoseeinleitung vor Operationsbeginn bis zu 30% des Blutvolumens entnommen und durch Plasmaersatzmittel (z. B. HAES) ersetzt. Intraoperativ geht dann verdünntes Blut verloren. Am Ende des Eingriffes wird das vor Operationsbeginn gewonnene Blut retransfundiert. Trotz des nicht optimalen Nettoeffekts stellt die ANH eine sehr elegante Form der Eigenblutspende dar, insbesondere für Kinder. Das Kind ist bereits in Narkose und spürt nicht den Einstich der relativ »großlumigen« Kanüle, die zur Erzielung eines guten Blutflusses und damit einer guten Qualität des Hämodilutionsblutes notwendig ist. Das am Ende der Operation zurückgegebene Blut ist noch komplett funktionsfähig, was die Erythrozyten, Leukozyten, Thrombozyten und die Blutgerinnungsfaktoren betrifft. Maschinelle Autotransfusion Bei der intraopera-
tiven maschinellen Autotransfusion (MAT) wird das
159 9.3 · Fremdblutsparende Maßnahmen
aus der Wunde abgesaugte Blut in einer Maschine gesammelt, die man Cellsaver nennt. Das Blut wird dort gereinigt und dann wieder dem Patienten zurückgegeben. Bedauerlicherweise gelingt es aber trotz aller Anstrengungen nicht, das gesamte Blut, insbesondere das Sickerblut, abzusaugen, sodass nur insgesamt ca. 2/3 des Blutverlustes aufbereitet werden können. Insofern ist ein kompletter Ersatz des Blutverlustes über die maschinelle Autotransfusion nicht möglich. Kontraindikationen für eine MAT bestehen dann, wenn ein Patient im Operationsgebiet einen Infekt hat (z. B. Abszess, Osteomyelitis) oder wenn es sich um einen bösartigen Tumor handelt, der operativ entfernt werden soll. Dann können die Bakterien und Tumorzellen nicht sicher mit dem Cellsaver aus dem Blut eleminiert werden. So bestünde, benützte man das Cellsaver-Blut, die Gefahr, dass man dem Patienten die Bakterien und Tumorzellen in die Blutbahn zurückgeben würde. Eine Streuung dieser
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Bakterien und Tumorzellen wäre die Folge mit den fatalen Konsequenzen einer Sepsis bzw. Tumoraussaat. Eigenblutspende Die Menge des bei der Eigenblut-
spende abgenommenen Blutes liegt beim Erwachsenen bei 500 ml. Diese Blutkonserven sind, je nach Aufbereitung, etwa 30 Tage haltbar. Die Eigenblutspendetermine werden deshalb in diese Zeitspanne vor der Operation gelegt. Zwischen den einzelnen Abnahmeterminen sollten mindestens 8 Tage liegen, damit der Patient sich erholen kann. Auf jeden Fall sollte zwischen der letzten Eigenblutspende und dem Operationstermin eine Frist von 7–14 Tagen liegen, damit der Patient mit (weitgehend) normalen Hämoglobinwerten zur Operation kommt. Um die Erythrozytenproduktion zu unterstützen, kann der Patient Eisenpräparate erhalten. Diese Eisenpräparate haben möglicherweise erhebliche Effekte im Magen-Darm-Trakt (Missempfindungen im Ab-
. Tabelle 9.5. a Haltbarkeit, Transfusionsfilter und Indikationen autologer Blutprodukte (nach Haag)
Blutprodukt
Haltbarkeit
Transfusionsfilter
Indikation/Kontraindikation
Autologe Vollblutkonserve
28 (+7) Tage (erschütterungsfrei +2–6°C im Blutkühlschrank)
170–200 µm
Perioperativer Erythrozytenverlust mit Hb-Abfall Transfusionsindikationen (7 Tab. 9.5b)
Autologe Frischblutkonserve
Lagerung bei Raumtemperatur im Operationssaal
170–200 µm
Wird spätestens zum Operationsende retransfundiert
Autologes Erythrozytenkonzentrat
49 Tage (erschütterungsfrei bei +2–6 °C im Blutkühlschrank)
170–200 µm
7 autologe Vollblutkonserve
Autologes Cell-Saver-Blut
Perioperativ bei Raumtemperatur (wird spätestens bis zur Verlegung des Patienten aus dem Aufwachraum retransfundiert)
40 µm
Perioperativer Erythrozytenverlust; Aufbereitung des Cell-Saver-Blutes ab einem Verlust von 10% des geschätzten Erythrozytenvolumens
Autologes gefrorenes Frischplasma (GFP)
1 ahr (bei –30 °C im Plasmalagerschrank); Tiefkühlbeutel ist leicht zerbrechlich; für den Auftauvorgang ist die Anwendung eines speziellen Blutprodukteauftaugeräts notwendig; GFP muss unmittelbar nach dem Auftauen transfundiert werden; aufgetautes GFP darf nicht wieder für Transfusionszwecke eingefroren werden
170–200 µm
Gerinnungsstörungen, die nicht auf einen vorbestehenden Faktormangel des Patienten zurückzuführen sind, Vorbeugen einer Verlust- und/ oder Verdünnungskoagulopathie bei hohen Plasmaverlusten oder Massivtransfusion
160
Kapitel 9 · Intravenöse Flüssigkeitstherapie
. Tabelle 9.5. b Haltbarkeit, Transfusionsfilter und Indikationen autologer Blutprodukte
9
Blutprodukt
Haltbarkeit
Transfusionsfilter
Indikation/Kontraindikation
Erythrozytenkonzentrat (EK)
35 Tage (erschütterungsfrei +2–4 °C im Blutkühlschrank)
170–200 µm
Frühgeborene: 1. Woche 2. Woche 3. Woche 4. Woche 5. Woche Neugeborene: 1.–2. Lebenstag 3. Tag–2. Woche 3. Woche 4. Woche 2. Monat Säuglinge: >2. Monat–1 Lj. Klein- und Schulkinder: Erwachsene: bei Vorerkrankungen
12 g/dl 11 g/dl 10 g/dl 9 g/dl 8 g/dl 13 g/dl 11 g/dl 9 g/dl 8 g/dl 7 g/dl 6 g/dl 6 g/dl 8 g/dl 10 g/dl
Bestrahltes Erythrozytenkonzentrat
24 (–48) Stunden, nach Bestrahlung (entsprechende Ausweisung auf dem Produkt), da Konserve in der Blutzentrale eröffnet wurde
170–200 µm
Patienten nach Knochenmarktransplantation Patienten unter Chemotherapie Patienten mit kongenitalem/erworbenenem Immundefekt Früh- und Neugeborene bis zum 6. Lebensmonat (die Konserve muss zusätzlich CMV-negativ sein) Verwandtenspenden
Gefiltertes Erythrozytenkonzentrat
24 Stunden, da Konserve in der Blutzentrale eröffnet wurde
170–200 µm
Febrile nichthämolytische Transfusionsreaktion in der Vorgeschichte, geplante Organtransplantation, potentieller Thrombozytenempfänger, chronisch substituierte Patienten (z. B. Thalassämie), »acute respiratory distress syndrome« (ARDS), Reduktion des CMV-Risikos bei Risikopatienten und nichtvorhandener passender CMV-negativer Konserve
Gewaschenes Erythrozytenkonzentrat
24 Stunden, da Konserve in der Blutzentrale eröffnet wurde
170–200 µm
Wiederholte oder schwere Transfusionsreaktion auf Plasmaproteine (Urtikaria, Anaphylaxie) paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH) Vermeidung der Zufuhr inkompatibler Antikörper (autoimmunhämolytische Anämie)
Gefrorenes Frischplasma (GFP)
1 ahr ab Spendetermin (bei –30 °C im Plasmalagerschrank); verbindliches Verfalldatum auf dem Etikett
170–200 µm
Massivtransfusion (1 GFP/4 EK), globale Gerinnungsstörung Notfallsubstitution anderer Gerinnungsstörungen
Humanalbumin
3 ahre bei +25 °C
170–200 µm
Eiweißmangel Hypovolämie
Gerinnungsfaktoren: Kryopräzipitat PPSB Faktor VIII Faktor IX Fibrinogen Antithrombin III Thrombozytenkonzentrat (TK)
Mangel an Faktor II, VII, IX, X von Willebrand Typ II Hämophilie A, B Fibrinogenmangel <100 mg AT III <80% 22 °C, Agitation, 5 Tage ab Spende
170–200 µm
vor Operation: Thrombozyten <80.000–100.000/µl bei manifester Blutung: <40.000–50.000/µl prophylaktisch: <10.000–20.000/µl
161 9.3 · Fremdblutsparende Maßnahmen
domen, Obstipation). Außerdem muss der Patient darauf hingewiesen werden, dass der Stuhl sich in den nächsten Tagen schwarz färben wird. In den Blutbanken wird auch die Eigenblutspende wie andere Blutspenden behandelt. Erythrozyten und Plasma werden voneinander separiert. Das Plasma wird auf –40 °C eingefroren (Fresh-frozenPlasma). Am Operationstag sind dann, wenn das FFP aufgetaut wird, noch alle Gerinnungsfaktoren aktiv. Die Erythrozytenkonzentrate werden im Kühlschrank bei 4 °C gelagert. Der Gesetzgeber schreibt vor, dass vor jeder Eigenblutspende auch ein Screening auf Infektionserkrankungen des Eigenblutspenders selbst durchgeführt werden muss, da es möglich ist, dass er Infektionserkrankungen durchgemacht hat, ohne davon zu wissen. Da während des klinischen Aufenthalts ärztliche und pflegerische Mitarbeiter mit den Blutpräparaten in Kontakt kommen, ist die Testung des Eigenblutspenders sinnvoll; sie dient dazu, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Krankenhaus zu schützen, die mit dem Blut des Eigenblutspenders umgehen müssen. Bei positivem Infekt-Screening muss die Konserve entsprechend gekennzeichnet sein. Selbstverständlich kann sie dem Patienten retransfundiert werden, da er ja bereits die Infektion durchgemacht hat. Wenn die Eigenblutspender in den letzten 3 Tagen vor der Eigenblutspende eine Infektion der oberen Luftwege (z. B. Tonsillitis, Bronchitis, Pneumonie), im Magen-Darm-Trakt oder im harnableitenden System (Zystitis) oder Pusteln an der Haut hatten, so ist eine Eigenblutspende kontraindiziert. Ebenso ist es kontraindiziert, eine Eigenblutspende durchzuführen, wenn in den letzten 3 Tagen vor der Eigenblutspende eine Zahnbehandlung stattgefunden hat. In jedem dieser Fälle ist es möglich, dass sich noch Bakterien in der Blutbahn befinden und diese Bakterien in die Konserve gelangen. Diese Bakterien können sich in der Blutkonserve vermehren und in großer Zahl in die Blutbahn gelangen, wenn diese Konserve dem Patienten wieder zurückgegeben wird! Septikämien sind beschrieben!
9
Wenn die Eigenblutspende nicht benötigt wird, so muss das Blut nach gesetzlichen Vorschriften leider verworfen werden. Hintergrund dieser gesetzlichen Anordnung ist die Tatsache, dass der Eigenblutspender für andere Patienten als Fremdblutspender gilt und die Infektionsübertragungsgefahr durch Einmalspender signifikant höher ist als bei Dauerspendern. Über die Haltbarkeit, Transfusionsfilter und Indikationen autologer und homologer Blutprodukte . Tabelle 9.5a und b.
10 10 Probleme des anästhesiologischen Alltags 10.1 Beurteilung der Narkosetiefe
– 164
10.2 Differentialdiagnose perioperativer Leitsymptome – 164
164
Kapitel 10 · Probleme des anästhesiologischen Alltags
10.1
Beurteilung der Narkosetiefe
10.2
Differentialdiagnose perioperativer Leitsymptome
Kriterien Diese sind:
4 4 4 4 4
Atmung, Herz-Kreislauffunktion, Muskeltonus, Pupillen- und Lidreflexe, Schwitzen, Tränenfluss, Stirnrunzeln.
Durch die Kombination von Narkotika im Sinne einer »balanced anaesthesia« ist die Narkosetiefe nicht mehr anhand des Guedel-Schemas (7 Kap. 1.13), das im Übrigen streng genommen nur für die Äthernarkose gilt, beurteilbar. Die einzelnen Narkosestadien bei der Einleitung werden mit der intravenösen Narkoseeinleitung rasch durchlaufen, ohne dass der Patient davon etwas merkt oder darunter leidet. Die Muskelrelaxation führt dazu, dass weder Muskeltonus, noch Reflexe, noch Atmung als Parameter für die Narkosetiefe herangezogen werden können. Da Opioide die Pupillenmotorik verändern, verbleibt als Parameter nur die Kreislaufsituation. Zeichen einer zu flachen intravenösen Anästhesie bzw. balanzierten Inhalationsanästhesie
10
4 Tachykardie und Blutdruckanstieg: Ein Pulsfrequenzanstieg allein kann eine multifaktorielle Genese haben (Fieber, Volumenverlust, Herzinsuffizienz etc.) und ist nicht allein auf die Narkose zu beziehen. Rhythmusstörungen können bei zu flacher Narkose durch einen tachykardie- und hypertoniebedingten Sauerstoffmangel (Herzfrequenz steigt an, peripherer Widerstand steigt an) entstehen. 4 Patient atmet spontan, wehrt sich gegen die Beatmung, presst, kann einen Bronchospasmus entwickeln (Zyanose, Bronchospastik). 4 Patient hat weite Pupillen und schwitzt. Deshalb: Narkose vertiefen. Schwitzen kann jedoch auch andere Ursachen haben: Fieber, Sepsis. Deshalb: Ursache differenzieren. Zeichen einer zu tiefen intravenösen Anästhesie oder balanzierten Inhalationsnarkose Unter kon-
trollierten Bedingungen erkennt man die zu tiefe TIVA/IVA und balanzierte Allgemeinanästhesie vor allem an der Herzkreislauffunktion (niedrige Herzfrequenz, niedriger Blutdruck) → Dosisreduktion.
Zyanose Häufigste Ursachen der Zyanose bei Maskennarkose sind 4 verlegte Atemwege (zurückfallende Zunge, Schleim, Speichel oder Blut), 4 Aspiration von Magensaft, Sekreten aus dem Mund, Fremdkörper (z. B. Zähne), 4 Laryngospasmus (reflektorischer Glottisverschluss als Folge von Schleim oder Magensaftregurgitation oder als Folge einer zu flachen Narkose), 4 Bronchospasmus. Praxisbox Therapie einer intraoperativ aufgetretenen Zyanose 5 Bei zurückgefallener Zunge: EsmarchHandgriff (. Abb. 10.1), Guedel-Tubus (richtige Größe beachten: bei zu großem wie zu kleinen Guedel-Tubus kommt es zur Verlegung der Atemwege!) 5 Verlegung durch Schleim, Speichel, Blut: absaugen! 5 Aspiration: 7 Kap. 11.3 5 Laryngospasmus: Ist unter vorsichtiger, zunächst assistierter, dann kontrollierter Beatmung keine ausreichende Ventilation möglich, muss relaxiert (z. B. Succinylcholin 0,5–1 mg/kg) oder Propofol (2–3 mg/kg) gegeben werden.
Häufigste Ursachen der Zyanose bei der Larynxmaskennarkose sind 4 Laryngo- und Bronchospasmus bei zu flacher Narkose, 4 Dislokation der Larynxmaske, 4 Aspiration. Häufigste Ursachen der Zyanose bei der Intubationsnarkose sind 4 Fehlintubation in den Ösophagus, 4 Leckage im Beatmungssystem, 4 Abknicken des Tubus, 4 Aspiration bei In- oder Extubation, 4 einseitige Intubation.
165 10.1 · Beurteilung der Narkosetiefe
10
wieder eng werden; antiödematöse Therapie (7 Kap. 15.8.1), 4 kardiale Vorerkrankungen (AV-Block) sowie 4 Hypoxie (bei Neugeborenen und Säuglingen sind Bradykardien fast immer Zeichen einer Hypoxie!) Bei präexistenten kardialen Vorerkrankungen ist eine differenzierte präoperative Diagnostik und Therapie, ggf. eine Schrittmacherimplantation vorzunehmen. Eine Überdigitalisierung muss ausgeschlossen sein. . Abb. 10.1. Esmarch-Handgriff
Eine Cuff-Hernie (7 Kap. 7.1.3) ist bei den heute gebräuchlichen Einmalplastiktuben selten geworden. Erhöhter Beatmungsdruck Ursachen sind:
4 bei Maskennarkose meist verlegte Atemwege (cave: Die Luft geht, wenn man weiterbeatmet, nur in den Magen!), 4 bei Larynxmaskennarkose: Laryngo- und Bronchospasmus, Dislokation der Larynxmaske, 4 bei Intubationsnarkose das Nachlassen der Relaxation, Bronchospasmus, Zwerchfellhochstand (z. B. Haken der Chirurgen bei abdominal-chirurgischen Eingriffen) und Lagerung (z. B. Seitenlagerung); Verlegung oder Abknicken des Tubus; Compliance-Verminderung der Lunge.
Tachykardie Sie ist ein häufiges intraoperatives
Symptom. Die Differentialdiagnostik ist schwierig. Tachykardie bedeutet 4 bei gleichzeitigem RR-, ZVD-, PCWP-, PAPund HMV-Abfall: Volumenmangel. Therapie: Volumenersatz (Strategie 7 Kap. 9.1); 4 bei gleichzeitigem RR-Anstieg: zu flache Narkose. Therapie: Narkose vertiefen; 4 bei gleichzeitigem RR-Anstieg und Zyanose: Hypoxie, Hyperkapnie. Therapie: Beatmung korrigieren; 4 bei gleichzeitigem RR-Abfall, ZVD-, PAP- und PCWP-Anstieg sowie gleichzeitigem HMV-Abfall: Linksherzinsuffizienz. Therapie: Nitrate zur kardialen Entlastung, Katecholamintherapie zur kardialen Stützung (7 Kap. 1.17.1); 4 bei gleichzeitigem RR- und ZVD-Abfall sowie bei Hautrötung und Quaddelbildung: anaphylaktischer Schock.
Bradykardie Sie kann bedingt sein durch
4 zu tiefe Narkose (7 Kap. 1.13). Therapie: Reduktion der Inhalationsgaskonzentration; Atropingabe bei intravenöser Anästhesie; 4 Reflexe, z. B. Zug am Peritoneum, okulokardialer Reflex (z. B. bei Schieloperationen). Therapie: Abwarten oder Atropin; 4 Medikamente wie Succinylcholin, β-Blocker, Digitalis, Opioide, Lokalanästhetika, Cholinesterasehemmer. Therapie: Atropin, wenn therapieresistent: Orciprenalin (Alupent), Adrenalin (Suprarenin); 4 erhöhten intrakraniellen Druck (begleitet von hypertensiven Krisen und beidseits weiten Pupillen). Therapie: Thiopental in hohen Dosen (z. B. 10 mg/kg) bis RR ↓↓ und Pupillen
Präoperativ ist eine Tachykardie oft auf Angst zurückzuführen. Auch zahlreiche Medikamente können zu einer Tachykardie führen: Dopamin, Dobutrex, Adrenalin – besonders bei Bolusinjektionen. Eine geringe Pulsfrequenzsteigerung ist oft auch nach Pancuronium-Applikation zu registrieren. Seltenere intraoperative Ursachen sind 4 Sepsis, Fieber, 4 maligne Hyperthermie (7 Kap. 11.2), 4 Myokardinfarkt, 4 Lungenembolie. Arrhythmien Inhalationsnarkotika, Succinylcholin
und Pancuronium können ein buntes Bild von Rhythmusstörungen verursachen: Tachykardie, Bradykar-
166
Kapitel 10 · Probleme des anästhesiologischen Alltags
die, AV-Knoten-Rhythmen. Zu antiarrhythmischer Therapie zwingen aber erst schwere hämodynamische Veränderungen (Herzinsuffizienz, Blutdruckabfall). Diese sind selten. Aufmerksamkeit verdienen ventrikuläre Extrasystolen. Sie sind oft zu interpretieren als Zeichen eines myokardialen Sauerstoffmangels nach exzessiver Sympathikusstimulation des Herzens. Wichtig
Sorgen machen akut auftretende ventrikuläre Extrasystolen beim alten Patienten bzw. bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung, besonders dann, wenn sie multifokal entstehen. Sie müssen als sauerstoffmangelbedingte gefährliche Vorzeichen einer Kammertachykardie oder von Kammerflattern aufgefasst werden.
Um bedrohliche Zustände zu verhindern, muss die Sauerstoffversorgung des Herzens verbessert werden. Dazu tragen von allem die Senkung des Preloads (Nitrate) und des Afterloads (Blutdrucksenkung bei Hypertonus) bei. Symptomatische Therapie ist die Applikation von Lidocain.
10
Schwitzen Ursachen können sein:
4 präoperativ: Angst, Schmerzen; 4 intraoperativ: zu flache Narkose, Hypoxie und Hyperkapnie, Fieber und Sepsis, maligne Hyperthermie (selten), benigne Hyperthermie (z. B. zu warme Operationstischplatte bei Tischheizung). Schluckauf (Singultus) Er kann bei der Narkoseeinleitung, während der Operation und danach auftreten. Besonders störend wirkt er sich intraoperativ aus. Als Ursache wird eine Vagusreizung angenommen. Häufig ist eine Manipulation am Magen, speziell im Kardia-/Fundusbereich (z. B. beim Schieben einer Magensonde, bei Magenresektion) die Ursache. Aus dem Repertoire der leider oft unzureichenden Therapieversuche: 4 Vertiefung der Narkose, 4 stärkere Relaxation, 4 »Kitzeln« der Rachenhinterwand mit einem Absaugkatheter: Versuch der Beeinflussung des N. vagus, 4 Blähen der Lunge.
Hypersalivation Als Ursache wird auch hier eine Vagusreizung angenommen. Stimuli sind vor allem Benzodiazepine, Barbiturate und Inhalationsnarkotika. Eine präoperative Atropin-Gabe kann eine Hypersalivation ausreichend unterdrücken.
11 11
Komplikationen bei der Narkose
11.1
Hypoxie
11.2
Maligne Hyperthermie – 169
11.3
Aspiration – 170
11.3.1 11.3.2 11.3.3 11.3.4 11.3.5 11.3.6 11.3.7 11.3.8
Klinische Bedeutung – 170 Physiologische Vorbemerkungen Ätiologie – 171 Pathologie – 172 Pathophysiologie – 172 Diagnose – 172 Therapie – 172 Prophylaxe – 173
11.4
Luftembolie
11.4.1 11.4.2
Monitoring und Diagnose – 174 Therapie und Prophylaxe – 174
11.5
Lungenembolie
– 175
11.6
Nervenläsionen
– 177
11.7
Explosionen – 177
– 168
– 174
– 171
168
11.1
Kapitel 11 · Komplikationen bei der Narkose
Hypoxie
Bei Narkosekomplikationen mit letalem Ausgang wird meist an eine Überdosierung von Narkotika gedacht. Häufig sind sie jedoch Folge einer intraoperativen Hypoxie. Ursachen Gründe für eine Hypoxie können sein:
11
4 Unterbrechung der Sauerstoffzufuhr aus der zentralen Gasversorgung (der Kupplungsstecker kann aus dem Wandventil springen), 4 Sauerstoffvorrat im Sauerstoffzylinder geht zur Neige (bei einem Narkosegerät ohne Wandanschluss), 4 Diskonnektion der Beatmungsschläuche, 4 Undichtigkeit im Kreissystem, 4 Abknicken des Tubus, 4 geöffnetes Überdruckventil bei kontrollierter Beatmung (hat zuerst Hypoventilation, dann Hypoxie zur Folge), 4 versehentliches Nichtumschalten des Gerätes von manueller auf automatische Beatmung, 4 versehentliche Verstellung des Sauerstoffanteils am Rotameter, 4 alleinige Beatmung mit Lachgas; dies verhindert bei den modernen Geräten die Lachgassperre (»oxygen ratio controller«). Sie wird durch einen lauten akustischen Signalton angezeigt und bedeutet eine Unterbrechung der Lachgaszufuhr bei unzureichendem oder fehlendem O2-Flow. Wenn die O2-Zufuhr also unterbrochen wird, strömt kein Frischgas mehr in das Kreissystem. Dadurch wird verhindert, dass der Patient mit einem Gasgemisch beatmet wird, das keinen Sauerstoff enthält. Prophylaxe Beste Prophylaxe ist der erfahrene, aufmerksame und umsichtige Anästhesist. Der für die Narkose verantwortliche Anästhesist darf den Operationssaal für die Dauer der Narkose nicht verlassen, es sei denn, ein anderer anästhesiologischer Kollege, der bei einer Übergabe mit dem Patienten, seinen Vorerkrankungen, seiner Operation und Narkoseart vertraut gemacht worden ist, löst ihn ab. Der Anästhesist muss ständig achten auf 4 den Patienten: Hautfarbe? Atemexkursion? Kreislaufreaktion?; 4 die Rotameter, sofern noch vorhanden: FlowEinstellung? Spindelbewegung?;
4 das Druckmanometer: Nur bei positivem Beatmungsdruck wird der Patient beatmet; 4 das Volumeter: nur bei ausreichendem Atemminutenvolumen wird der Patient ausreichend ventiliert und 4 das Ventilspiel im Kreissystem. Überwachungsgeräte sind gesetzlich vorgeschrieben, können aber nur unterstützend wirken. Dazu zählen Druckalarmmonitore (sie geben einen Alarmton, wenn kein oder nur ein unzureichender Beatmungsdruck oder ein zu hoher Beatmungsdruck aufgebaut wird) und Sauerstoffmangelmonitore. Außerdem ist die Messung des endexspiratorischen CO2 bei intubierten Patienten obligat (7 Kap. 3.3.4). Pathophysiologie Das Gehirn reagiert am sensibelsten auf einen akuten Sauerstoffmangel. Bereits eine 3 min andauernde Hypoxie führt zu einer irreversiblen Schädigung der Gehirnzellen. Eine hypoxische Hirnschädigung tritt schon vor einem hypoxischen Herzstillstand auf! Der Organismus registriert die Hypoxie als maximale vitale Bedrohung, reagiert mit einer maximalen Katecholaminausschüttung ab einem arteriellen pO2 von 70 mmHg. Hierdurch wird eine Zentralisation induziert, der Körper konzentriert sich nur noch auf die Versorgung lebenswichtiger Organe, vorrangig auf das Gehirn. Das Cerebrum schöpft aus dem vorhandenen Angebot ein Maximum an Sauerstoff ab. Dieser Kompensationszustand bricht jedoch ab einem arteriellen pO2 von 50 mmHg zusammen: Bradykardie und Blutdruckabfall treten auf. Ein arterieller pO2 von 30 mmHg wird als letale Schwelle angesehen. Der Schutz des Gehirns vor einem sekundären Hirnschaden durch ein hypoxisch bedingtes Hirnödem ist in dieser Situation dringlich geboten. Mögliche Maßnahmen sind 4 therapeutische milde Hyperventilation (32– 35 mmHg) und 30° Oberkörperhochlagerung (7 Kap. 15.8.1), 4 Osmotherapie, 4 therapeutische Hypothermie (um den Gesamtsauerstoffbedarf zu senken).
Eine antiödematöse Therapie mit Barbituraten ist nicht wirksam.
169 11.2 · Maligne Hyperthermie
11.2
11
Maligne Hyperthermie
Wichtig
Bei der malignen Hyperthermie (MH) handelt es sich um eine seltene (Inzidenz 1:30.000), vererbbare, bis vor wenigen ahren oft letale Komplikation in der Anästhesie.
Pathophysiologie Das pathophysiologische Substrat
ist höchst wahrscheinlich ein Defekt der kalziumspeichernden Membranen (sarkoplasmatisches Retikulum) der Skelettmuskelzellen. Dieser Defekt liegt bei den betroffenen Patienten latent vor und erhält erst durch Triggersubstanzen (Anästhetika, depolarisierende Muskelrelaxanzien) klinische – und dann sogleich auch bedrohliche – Bedeutung. Die physiologische Funktion des sarkoplasmatischen Retikulums liegt darin, Kalzium an die Aktin-Myosin-Filamente abzugeben und nach Aktin-Myosin-Interaktion auch gleich wieder aufzunehmen. Bei den MH-Patienten geht offenbar diese Kontrollfunktion von Kalziuminflux und -efflux nach Triggerung durch Anästhetika rasch verloren. Die Rückresorption von Kalzium ist nicht mehr gewährleistet. Es kommt zu einer starken Stoffwechselsteigerung durch die Dauerkontraktion der Myofibrillen. Die Folge sind ein exzessiver Sauerstoffverbrauch, eine immens hohe CO2-Produktion und ein Anstieg des Laktatspiegels, da die Muskelzellen wegen der rasch eintretenden Gewebehypoxie ihre Energieproduktion auf anaerobe Glykolyse umstellen. Als gesichert gilt, dass Inhalationsnarkotika und Muskelrelaxanzien, vor allem Succinylcholin, eine MH triggern können. Wichtig
Symptome der malignen Hyperthermie: Verdacht auf eine MH ist gegeben bei 5 einer durch keine andere Ursache erklärbaren Tachykardie, 5 fehlender Muskelrelaxation (vor allem Kiefermuskulatur) nach Succinylcholingabe (erschwerte Intubation), 6
5 einer schnellen Erwärmung und einer schnellen Blaufärbung des Atemkalks im Kreissystem (Verbrauch des CO2-Absorbers), 5 Zyanose des Patienten, 5 Schwitzen und Temperaturanstieg auf Werte über 40 °C bis zu 43 °C (Temperaturanstieg etwa 1°C pro 30 min, in schweren, prognostisch ungünstigen Fällen 1 °C Temperaturanstieg pro 5–10 min), 5 Anstieg von Atemfrequenz, Atemzugvolumen, endexspiratorischem CO2 und gleichzeitig schwerer metabolischer Azidose, Hyperkapnie und Hypoxie. Diagnose, gesichert durch folgende Laborbefunde: 5 Myoglobinämie, Myoglobinurie, 5 Anstieg von CK zum Teil auf Werte von über 10.000 E/l, GOT ↑, GPT ↑, Serumkalium ↑ und -kalzium ↑, Anstieg auch der Enzyme Aldolase und Ornithintransferase, 5 Verbrauchskoagulopathie (im Spätstadium). Differentialdiagnose. Ausgeschlossen werden müssen: 5 Hypovolämie, zu flache Narkose, Herzinsuffizienz, Hypoxie als Ursachen der Tachykardie, 5 »benigne Hyperthermien« durch Operationstischheizung (besonders bei Kindern), pyrogenhaltige Infusionen, septische Streuung aus dem Operationsgebiet. Therapie der malignen Hyperthermie Die praktischen Konsequenzen aus den pathophysiologischen Erkenntnissen sind: 5 Zufuhr von Triggersubstanzen sofort unterbrechen (das Narkosegerät ist zu diesem Zweck auszutauschen, sofern eine Inhalationsnarkose durchgeführt wurde, da sich im Narkosegerät und insbesondere im Schlauchmaterial auch nach Abdrehen der Narkosegase noch immer größere Reste an Inhalationsnarkotika befinden) 6
170
Kapitel 11 · Komplikationen bei der Narkose
5 Gabe von Dantrolen i.v. 2,5 mg/kg KG initial, unter Umständen mehrfache Wiederholung dieser Dosis nach Wirkung 5 zur Weiterführung der Anästhesie Gabe von Fentanyl/Dormicum 5 Patienten mit FIO2 von 1,0 beatmen 5 Atemminutenvolumen vervierfachen, um das CO2 eliminieren zu können (Kontrolle über einen CO2-Monitor; häufig arterielle BGA kontrollieren) 5 metabolische Azidose ausgleichen 5 erreichbare Körperoberflächen kühlen 5 Magen- und Darmspülung mit kaltem Eiswasser 5 Patienten heparinisieren (Gefahr einer Verbrauchskoagulopathie!)
Bei Dantrolen handelt es sich um ein Pharmakon, das in der Lage ist, die Kalziumfreisetzung aus dem sarkoplasmatischen Retikulum zu hemmen. Die Applikation von 1–2,5 mg/kg erfolgt als Infusion über 5 min. Danach sind symptomorientiert weitere Infusionen bis zu einer Gesamtdosis von 10 mg/kg möglich. Eine anschließende Dauerinfusion bis zu einer Dosis von 10 mg/kg/Tag gilt als Vorsichtsmaßnahme gegen ein erneutes Aufflackern der MH.
11
Verlauf Wegen des rasanten Ablaufs sind ein umfassendes Monitoring mit EKG-Kontrolle, kontinuierlicher Temperaturmessung, arterieller Blutdruckmessung, Messung des zentral-venösen Drucks, Kontrolle des Stundenurins und engmaschige Laborkontrollen (Kalium, Kalzium, CK, LDH, GOT, GPT, Myoglobin, Laktat, Gerinnung) notwendig. Eine Überwachung ist wegen der Gefahr rezidivierender hyperthermer Phasen bis zu 48 h notwendig, dies insbesondere deshalb, weil manchmal Symptome auch noch mit einer Latenzzeit von bis zu 24 h nach Operationsbeginn auftreten können. Das Leben des Patienten ist im Wesentlichen bedroht 4 durch eine exzessive Hyperkatecholaminämie, schwere Laktatazidosen, Hypoxie und Hyperkapnie in der Akutphase und 4 durch ein irreversibles Hirnödem, Nierenversagen und Verbrauchskoagulopathie.
Spätschäden wie terminale Niereninsuffizienz wegen Myoglobinurie sowie zerebrale Defektzustände auf der Grundlage einer zerebralen Hypoxie sind beschrieben worden. Die Mortalität lag früher bei 80%. Rechtzeitiges Erkennen und die Applikation von Dantrolen sollten heute verhindern können, daß Patienten noch an einer MH versterben. Prophylaxe Die beste Prophylaxe ist eine ausführliche Anamnese, die Fragen nach Anästhesien bei Familienangehörigen einschließt. Ein Labor-Screening zur Erfassung einer MH-Disposition gibt es zurzeit noch nicht. Bei Patienten, die eine maligne Hyperthermie überlebt haben, können bei weiteren Narkosen 45 min vor Narkose 2,5 mg/kg KG Dantrolen i.v. als 20-minütige Infusion gegeben werden, bei längeren Operationen sollte nach 6 h die Dantrolengabe in gleicher Dosierung wiederholt werden. Als Narkoseform ist eine triggerfreie Narkose (Verzicht auf Inhalationsnarkotika, Succinylcholin) durchzuführen: Propofol/Opioid/nichtdepolarisierendes Muskelrelaxans. Gleiches gilt auch, wenn der geringste Verdacht auf eine Disposition zur MH vorliegt (z. B. Muskelerkrankung beim Kind, bei den Eltern des Kindes oder deren Eltern). Alternative ist, falls möglich, ein Regionalanästhesieverfahren. Im Verdachtsfall ist ein umfassendes Monitoring zur Erfassung der Frühsymptome (EKG, endexspiratorische CO2-Messung, arterielle Druckmessung, Kontrolle der arteriellen Blutgase) erforderlich.
11.3
Aspiration
11.3.1
Klinische Bedeutung
Die Letalität nach Aspiration wird mit 8–50% angegeben. Die große Schwankungsbreite erklärt sich dadurch, dass die einzelnen Untersuchungen nicht nach 4 Art der Aspiration (Magensaft, Blut, feste Bestandteile), 4 Alter und Vorerkrankungen der Patienten und 4 Art der Behandlungsmethoden differenzieren. Aussagen über die Häufigkeit von Aspirationen sind deshalb problematisch, weil sie oft unerkannt blei-
171 11.3 · Aspiration
ben (die Lunge hat bei vorhandenem Hustenreflex und intakter mukoziliarer Clearance die Fähigkeit zur Selbstreinigung) und postoperative Bronchopneumonien zum Teil durch Aspirationen bedingt sind, aber nicht auf sie zurückgeführt werden. Aspirationsgefährdet sind 4 Patienten, die nicht nüchtern sind (7 Kap. 7.4), 4 Patienten, die an einem Ileus leiden, 4 Patienten mit einer Stenose im oberen Gastrointestinaltrakt (z. B. Magenausgangsstenose), 4 bewusstlose und (poly-)traumatisierte Patienten, 4 Schwangere, vom Beginn des 2. Trimenon bis 24 h nach der Entbindung.
11.3.2
Physiologische Vorbemerkungen
Mechanismen, die zur Aspiration führen können, sind Regurgitation und Erbrechen. Regurgitation Unter Regurgitation versteht man
den passiven Austritt von Mageninhalt in Ösophagus und Rachenraum. Beim wachen Patienten, der noch im Besitz seiner Reflexe ist, wird eine Regurgitation durch den gastroösophagealen und cricopharyngealen Sphinkter verhindert. Folgende Faktoren begünstigen eine Regurgitation: 4 Anstieg des Mageninnendrucks: 5 nach Luftinsufflation, 5 beim Ileuspatienten, 5 durch Muskelfaszikulieren nach der Injektion von Succinylcholin ohne vorherige Gabe eines nichtdepolarisierenden Muskelrelaxans (7 Kap. 1.14.3), 5 bei erhöhtem intraabdominellem Druck (Aszites, Palpation). 4 Abfall des gastroösophagealen Sphinktertonus: Der Sphinktertonus kann medikamentös vermindert werden durch Morphin, Pethidin, Atropin, Dehydrobenzperidol, Diazepam und Promethazin; der Sphinktertonus kann zunehmen nach Metoclopramidgabe. 4 Abfall des cricopharyngealen Sphinktertonus: Die Relaxation bei Narkoseeinleitung lähmt die quergestreifte Muskulatur und macht den cricopharyngealen Ösophagussphinkter funktionsuntüchtig.
11
Erbrechen Unter Erbrechen versteht man einen durch physiologische Reflexe und konsekutive Kontraktion der Magenmuskulatur bedingten Austritt von Mageninhalt in Ösophagus und Rachenraum. Man unterscheidet 4 zentral bedingtes Erbrechen (Intoxikation, Schädelhirntrauma, Kinetosen) und 4 peripher bedingtes Erbrechen (Störung der Darmmotorik, Magenausgangsstenose, Ileus).
Das Brechzentrum am Boden des 4. Ventrikels kann durch sensible oder sensorische Reize sowie durch Medikamente (z. B. Morphin) stimuliert werden. Gedämpft wird es medikamentös u. a. durch Butyrophenone (z. B. DHBP) oder Sedrone (Ondansetron, Troposetron).
11.3.3
Ätiologie
Mendelson, ein New Yorker Gynäkologe, beobachtete bei einigen Schwangeren, die er in einer Äthermaskennarkose durch Kaiserschnitt entbunden hatte, postoperativ folgende Symptome, die 1946 als Mendelson-Syndrom in die Literatur eingingen: 4 Tachypnoe, 4 Bronchospasmus, 4 Zyanose. Hieraus entwickelte sich oft ein nicht zu beherrschendes kardiorespiratorisches Versagen, das zum Tode führte. Mendelson konnte experimentell die Ätiologie dieses akuten postoperativen Atemnotsyndroms nachweisen: Die Aspiration von Magensaft führte in der Lunge von Versuchstieren zu den gleichen morphologischen Veränderungen wie die Aspiration von 0,1 n Salzsäure. Nach Aspiration von neutralisiertem Magensaft konnten ebenso wie nach Aspiration von destilliertem Wasser keine morphologischen Veränderungen an der Lunge nachgewiesen werden. Die Folgen einer Magensaftaspiration sind chemische Veränderungen, die man Aspirationspneumatosis nennt und auf die sich später Entzündungen aufpfropfen können, sodass es zu einer Aspirationspneumonie kommt. Das Ausmaß der Folgen ist abhängig von 4 der Menge und Zusammensetzung des Aspirats und des pH-Wertes (z. B. zeigt im Tierexperi-
172
Kapitel 11 · Komplikationen bei der Narkose
ment die Aspiration von Säure mit einem pH <2,5 zusammen mit festen Partikeln eine Mortalität von 100%), 4 der Vorschädigung der Lunge und 4 dem Allgemeinzustand des Patienten.
11.3.4
Pathologie
Das Aspirat erreicht bereits nach 12–18 sec das Alveolarlumen. Ein saures Aspirat schädigt schon nach 3 min den Surfaktant, führt zu einer Instabilität der Alveolen, zum Alveolenkollaps und zu atelektatischen Lungenabschnitten. Die Bildung von Atelektasen wird begünstigt durch einen Hydrops der Alveolarzellen. Innerhalb von 24 h nach der Aspiration ist in den von der Aspiration betroffenen Lungenabschnitten eine polymorphzellige Infiltration nachzuweisen. Die Entzündung klingt zwar nach 36 h ab, doch noch Tage und Wochen nach der Aspiration sind hyaline Membranen und Bronchialobstruktionen nachweisbar. Werden kleine Speisepartikel aspiriert, so bilden sich um die Speisepartikel Granulome, die auf dem Röntgenbild wie Tuberkulome imponieren können.
11.3.5
11
Pathophysiologie
Die Lunge reagiert auf eine Aspiration mit einem Bronchospasmus. Der Atemwegswiderstand ist deshalb erhöht, die Atmung erschwert. Die Schädigung der Alveolarzellmembran hat zur Folge, dass proteinreiches Exsudat in das Alveolarlumen austritt. Dies führt zu einer Störung des Gasaustauschs und zu einem beträchtlichen Verlust an intravasalem Volumen. Die Atelektasen verändern das Ventilations-Perfusions-Verhältnis: Zuerst nimmt es hypovolämiebedingt zu, danach jedoch wieder ab, wenn sich großflächige Atelektasen ausgebildet haben. Die alveoloarterielle Sauerstoffdifferenz nimmt zu, der Pulmonalarteriendruck nimmt hypoxiebedingt ebenfalls zu. Der gestörte Gasaustausch führt zu einer Zunahme des Rechts-Links-Shunts, der wiederum den Gasaustausch verschlechtert. Der arterielle Sauerstoffpartialdruck nimmt nach Aspiration kontinuierlich ab (Hypoxie), der paCO2 zunächst hyperventilationsbedingt ebenfalls, steigt dann jedoch als
Zeichen eines progredienten Lungenversagens kontinuierlich an (Hyperkapnie).
11.3.6
Diagnose
Zur Diagnose »Aspirationspneumatosis« führen 4 die Anamnese, 4 die Symptome Tachypnoe, Zyanose, Bronchospasmus, Tachykardie und Hypotension, 4 die arterielle Blutgasanalyse, 4 die Röntgenthoraxaufnahme.
11.3.7
Therapie
Praxisbox Prinzipien der Therapie 5 Ein Patient, der aspiriert hat, wird sofort intubiert und beatmet. Nach endotrachealer Intubation muss abgesaugt werden, um eventuell feste Nahrungsbestandteile zu entfernen. Lassen sich feste Nahrungsbestandteile nicht absaugen, so muss das Bronchoskop zur Hilfe genommen werden. Bei flüssigem Aspirat kommt man mit dem Absaugen meist zu spät: Innerhalb weniger Sekunden erreicht das Aspirat die Lungenperipherie und kann dann nicht mehr abgesaugt werden. 5 Respiratortherapie: Die Wahl des Beatmungsmusters orientiert sich an den geschilderten pathophysiologischen Veränderungen: Um die Atelektasen zu beseitigen, wird der Patient zunächst kontrolliert mit einem positiv-endexspiratorischen Druck beatmet. Der PEEP wird nach der Schwere der Gasaustauschstörungen auf Werte bis zu 15 cm eingestellt, um das Shuntvolumen zu vermindern. Solange das Herzminutenvolumen nicht abnimmt, kann der PEEP auch noch erhöht werden (»best PEEP«); cave: Pneumothoraxgefahr! 24 h nach der Aspiration kann unter Beachtung atemmechanischer Parameter und unter engmaschiger Kontrolle der arteriellen Blutgase 6
173 11.3 · Aspiration
11.3.8 mit der Entwöhnung vom Gerät begonnen werden. Die Respiratortherapie wird nach Extubation durch Aerosol-Inhalations-Therapie und Atemgymnastik ergänzt. 5 Volumenersatz: Durch die Exsudation von proteinreichem Sekret aus dem Intravasalraum in die Alveolen kommt es zu Volumenverlusten, zu deren Ersatz sich hochmolekulare Substanzen wie Hydroxyäthylstärke (7 Kap. 9.1) eignen.
Therapiekontrolle Die Zunahme der Compliance ist
Zeichen für eine Regeneration des Lungenparenchyms. Unter den Laborwerten korreliert der Laktatspiegel am besten mit dem Verlauf einer Aspirationspneumatosis. Eine engmaschige Röntgenkontrolle des Thorax lässt rechtzeitig bronchopulmonale Infiltrationen erkennen. Wenn sich auf eine Aspirationspneumatosis eine Aspirationspneumonie – meist 3. bis 5. Tag – aufpfropft, müssen Antibiotika eingesetzt werden. Sinnlose Therapiemaßnahmen Um die aspirierte Magensäure zu verdünnen, spülte man früher die Lunge mit NaCl. Eine Lavage, sei es mit physiologischer Kochsalzlösung, Humanalbumin oder Natriumbikarbonat zur Pufferung, bringt jedoch keinen Nutzen, sondern vergrößert nur den intrapulmonalen Rechts-Links-Shunt und vermindert die Compliance. Vor allem die Lavage mit Natriumbikarbonat ist gefährlich, weil eine genaue Dosierung (Titrierung) der zur Pufferung notwendigen Menge an Natriumbikarbonat nicht möglich ist, sodass dadurch eine schwere zusätzliche Schädigung der Lunge droht. Ohne Nutzen ist auch die Gabe von Kortikoiden: Sie unterdrücken die Regenerationsfähigkeit des Lungenparenchyms. Die unkritische prophylaktische Anwendung von Antibiotika sollte ebenfalls unterbleiben, um einer Erregerselektion vorzubeugen. Die klinische Praxis unterscheidet sich jedoch deutlich von dieser Aussage: Meist erfolgt nach Aspirationen eine breite antibiotische Abdeckung, um eine Aspirationspneumonie zu vermeiden (7 Kap. 32.8).
11
Prophylaxe
Wichtig
Patienten müssen vor Wahleingriffen nüchtern sein, d. h. zwischen letzter Mahlzeit und Narkosebeginn müssen 6 h vergangen sein; die Einnahme von klarer Flüssigkeit (Tee, Wasser etc.) 2 h vor der Narkoseeinleitung ist zulässig; besondere Bedingungen herrschen bei Kindern (7 Kap. 14.1).
4 Bei Patienten mit Ileus beugt eine Magensonde dem Erbrechen vor; deshalb gehört sie zu jeder konservativen Therapie des Ileus, um dem Patienten Erleichterung zu verschaffen. Ist zur Behebung des Ileus ein operatives Vorgehen angezeigt, so sollte zur Narkoseeinleitung die Magensonde entfernt werden, nachdem vorher noch einmal das Magensekret abgesaugt wurde. Grund: Die Magensonde kann als Leitschiene für eine Regurgitation dienen. 4 Eine Kopfhochlagerung schützt vor einer Aspiration durch Regurgitation, nicht aber vor einer Aspiration durch Erbrechen. Der Kopf muss dabei so hoch gelagert sein, dass zwischen der Kardia und dem Larynx ein Höhenunterschied von 20 cm besteht. 4 Der nicht nüchterne Patient sollte vor der Einleitung der Narkose 3 min reinen Sauerstoff atmen (Präoxygenierung); 4 eine leistungsfähige Saugeinrichtung (Operationssauger) sollte betriebsbereit und in Reichweite sein; 4 bei nicht nüchternen Patienten sollte man bei der Prämedikation auf Medikamente verzichten, die den gastroösophagealen Sphinktertonus senken (z. B. Opioide, Atropin). Dafür sollte jedoch vor der Narkoseeinleitung rechtzeitig eine kleine Dosis eines nichtdepolarisierenden Muskelrelaxans appliziert werden, um eine Erhöhung des intraabdominellen Druckes während der Depolarisationsphase durch succinylcholinbedingte Faszikulationen zu vermeiden (Präcurarisierung); 4 zügige Injektion eines intravenösen Einleitungsmittels und eines kurzwirkenden depolarisierenden Muskelrelaxans (Succinylcholin);
174
Kapitel 11 · Komplikationen bei der Narkose
4 zügige, schonende Intubation ohne Zwischenbeatmung; 4 schnelles, sicheres Blocken des Tubus-Cuffs; 4 Magenverweilsonde. Diese Form der Narkoseeinleitung wird Ileuseinleitung, auch Blitz- oder Crash-Einleitung genannt.
11.4
Luftembolie
Die richtige Lage des Doppler-Schallkopfes wird durch folgenden Test überprüft: Injiziert man 2 ml Kochsalzlösung in den Kavakatheter, so kommt es zu Mikroverwirbelungen im rechten Herzen, die über das Gerät zu hören sind. Arterielle Blutgasanalyse Infolge der Perfusionsstörung sinkt der paO2 ab, während der paCO2 ansteigt. Zentraler Venenkatheter im rechten Vorhof Der
Bei Eingriffen in der hinteren Schädelgrube und an der Halswirbelsäule wird der Patient häufig in sitzender Position operiert. Dabei besteht die Gefahr der Luftembolie, da das Operationsgebiet über dem rechten Vorhof liegt und daher im Operationsgebiet ein negativer Venendruck herrscht. Es kann somit Luft in die Gefäßbahn angesaugt werden und in die Lungenstrombahn gelangen. Je nach Art der Untersuchungsmethode wird die Häufigkeit von venösen Luftembolien mit 5–40% bei Operationen in sitzender Position angegeben. Durch ein spezielles Monitoring können diese Luftembolien erkannt und dann therapiert werden. Die gleiche Problematik besteht im Prinzip auch bei anderen Operationen, bei denen der Patient mit erhöhtem Oberkörper gelagert wird (z. B. Eingriffe an der Schilddrüse).
11
11.4.1
Monitoring und Diagnose
Kapnometrie Ein abrupter Abfall des endexspiratorischen pCO2 ist der empfindlichste Parameter für die Diagnose einer venösen Luftembolie. Er ist bedingt durch die luftemboliebedingte Perfusionsstörung der Lunge. Gleichzeitig steigt der arterielle pCO2 an. Dopplersonographie Über dem rechten Vorhof
wird ein Doppler-Schallkopf fixiert. Auf diese Weise werden die Herz- und Strömungsgeräusche während der gesamten Operation abgehört. Bei Verwirbelungen und Durchstrom von Partikeln verändert sich das Strömungsgeräusch. Bleibt Luft im rechten Herzen, so ist das charakteristische Mühlradgeräusch zu hören. Bei richtiger Interpretation lassen sich auf diese Weise auch kleine Luftembolien nachweisen.
zentral-venöse Druck steigt bei schweren Luftembolien an.
11.4.2
Therapie und Prophylaxe
Praxisbox Therapie Narkosen für Operationen, bei denen ein Luftembolierisiko besteht, werden primär lachgasfrei geführt. Wurde Lachgas verwendet – was heute eher noch selten der Fall ist –, wird bei Verdacht auf eine Luftembolie zunächst die FiO2 auf 1,0 erhöht, da anderenfalls Lachgas in die Luftblasen einströmen kann und diese dadurch vergrößert werden. Ab diesem Zeitpunkt muss die Narkose mit Opioiden vertieft werden, damit sie infolge des Lachgasentzugs nicht zu flach wird. Außerdem muss der Patient vollkommen relaxiert werden, da die Luftembolie einen Einatemreflex auslösen kann. Infolgedessen sinkt der Venendruck ab, neue Luftembolien können entstehen. Über den Venenkatheter kann man versuchen, Luft abzusaugen. Der Venenkatheter wird bei solchen Operationen deswegen bis in den rechten Vorhof vorgeschoben. Eventuell müssen Katecholamine entsprechend der hämodynamischen Situation gegeben werden. Prophylaxe Um den Venendruck zu steigern, werden präoperativ die Beine gewickelt und vor dem Aufsetzen das Blutvolumen mit kolloidalen Volumenersatzmitteln vergrößert. Außerdem wird mit PEEP beatmet.
175 11.5 · Lungenembolie
11.5
Lungenembolie
Die Lungenembolie ist zwar keine spezifische Anästhesiekomplikation, kann jedoch intraoperativ und postoperativ auftreten. Deshalb muss der Anästhesist in der Lage sein, eine Lungenembolie zu erkennen und zielgerecht zu behandeln. Pathophysiologie Bei den Lungenembolien werden Thromben, seltener Fett (z. B. bei den Eingriffen an Knochen), Luft (z. B. bei Eingriffen an der hinteren Schädelgruppe) oder bei Gebärenden Fruchtwasser über die peripheren Venen in die A. pulmonalis eingeschwemmt. Wird dadurch mehr als die Hälfte der Lungenstrombahn durch embolisches Material verstopft, so spricht man von einer akuten fulminanten Lungenembolie, die mit einem Schockzustand oder mit Asystolie einhergeht (Grad III). Von einer Lungenembolie Grad II spricht man, wenn die Symptome Brustschmerz, Todesangst, Dyspnoe und Kreislaufveränderungen (Blutdruckabfall und Tachykardie) im Vordergrund stehen. Von einer Lungenembolie Grad I spricht man, wenn nur die Symptome Brustschmerz, Dyspnoe und Angst geäußert werden, ohne dass es zu Kreislaufveränderungen kommt. Das pathophysiologische Substrat dieser leichten Lungenembolie ist ein Verschluss peripherer Äste der A. pulmonalis. Zur mechanischen Verlegung des betroffenen Pulmonalarterienastes kommen bei einer Lungenembolie noch reflektorische Spasmen der nichtembolisierten Äste der A. pulmonalis. Der rechte Ventrikel muss plötzlich sein Volumen gegen einen sehr hohen Widerstand auswerfen, was jedoch oft nicht gelingt und ihn in die Dekompensation treibt. Im linken Ventrikel kommt weniger oder überhaupt kein Blut mehr an, das linksventrikuläre Auswurfvolumen nimmt dramatisch ab, Schock oder Asystolie sind die Folgen. Über den Sympathikus versucht der Körper, die Gewebehypoxie zu kompensieren: Tachykardie, Hyperventilation mit Hypokapnie und respiratorischer Alkalose (die wiederum einen Bronchospasmus und damit die kardiorespiratorische Dekompensation fördern kann). Ursächlich kommen für die Lungenembolie vor allem Thromben aus den Oberschenkelvenen, dem kleinen Becken und der unteren Hohlvene in Be-
11
tracht. Zur Thrombosebildung tragen im Wesentlichen bei: 4 Schädigungen des Gefäßendothels, 4 erhöhte Gerinnungsneigung (z. B. Einschwemmung von Gewebe, Zelldetritus und -mediatoren in die Blutbahn bei der Operation) und 4 Verlangsamung des Blutstroms (Lagerung, z. B. Steinschnittlagerung in der Gynäkologie [Verminderung des Blutflusses in den peripheren Venen der unteren Extremität]; Muskelrelaxation). Wichtig
Diese drei Faktoren werden auch Virchow-Trias genannt.
Risikofaktoren Diese bestehen in
4 hohem Alter, 4 Immobilität (Bettlägerigkeit), 4 Malignomen (Bronchus-, Pankreaskarzinom etc.), 4 Polytraumen, 4 oralen Kontrazeptiva und 4 Eingriffen im kleinen Becken, an der Prostata, Hüfte sowie den unteren Extremitäten. Diagnose
4 Symptome: 5 Grad I:
Dyspnoe, thorakaler Schmerz, (Todes-)Angst, 5 Grad II: Dyspnoe, thorakaler Schmerz, (Todes-)Angst, Zyanose, HF ↑↑, RR ↓, (PAD ↑↑), PaO2 ↓, SaO2 ↓, 5 Grad III Dyspnoe, Zyanose, (fulminant): thorakaler Schmerz, Todesangst, RR ↓↓, HF ↓ → Asystolie, PAD ↑↑, PaO2 ↓, SaO2 ↓↓; 4 Labor: arterielle Blutgasanalyse (Hypoxie, Hyperkapnie; endexspiratorische Hypokapnie, respiratorische Alkalose, LDH-Erhöhung, D-Dimere erhöht [7 Kap. 26.2]); 4 EKG: typische Zeichen der Rechtsherzbelastung, akute Rechtsdrehung der QRS-Achse, SI/QIII-Typ (McGinn-White-Syndrom), T-Negativierung, kompletter/inkompletter Rechtsschenkelblock;
176
Kapitel 11 · Komplikationen bei der Narkose
4 transösophageale Echokardiographie: akutes Cor pumonale, z. T. auch Thromben, als echodichte Strukturen erkennbar. Vorteil: bettseitige Untersuchung möglich; 4 Röntgendiagnostik: Die Untersuchungstechnik der Wahl ist heute das Spiral-CT, das in wenigen Minuten eine Diagnose liefern kann. Der konventionelle Röntgen-Thorax ist in der Akutphase wenig ergiebig, gibt aber später sichtbare segmentförmige Verschattungen als Zeichen als stattgehabter Lungeninfarkte wieder; 4 Kompressionssonographie, Doppler-Sonographie: Nachweis von Becken-, Beinvenenthrombosen; 4 Pulmonalisangiographie: Spezifisches Verfahren, um den Gefäßverschluss angiographisch darzustellen. Cave: invasiv!! Im akuten Zustand oft nicht oder nur unter Risiken durchführbar. Patient ist nicht transportfähig! Bei fibrinolytischer Therapie Blutungsgefahr bei der zu der Untersuchung notwendigen arteriellen Punktion! 4 Lungenszintigraphie: Nachweis von Perfusionsdefekten. Auch hier: Transport in die nuklearmedizinische Abteilung notwendig, in der Akutsituation meist nicht durchführbar, deshalb hat diese Untersuchungsmethode an Bedeutung verloren. Praxisbox
11
Therapeutische Sofortmaßnahmen ohne gesicherte Diagnose Grad I: O2-Gabe, Ruhigstellung, Dipidolor 0,1–0,2 mg/kg, Diazepam 0,07–0,15 mg/kg intravenös, Heparin 10.000 I.E. i.v. Grad II: wie Grad I plus kreislaufunterstützende Maßnahmen (z. B. Akrinor, wenn dies ohne langfristigen Erfolg bleibt: Dopamin 5–10 mg/kg/min, Dobutrex 5–15 mg/kg/min oder Adrenalin (Suprarenin) 0,1–0,2 mg/kg/min Verlegung auf eine Intensivstation. Heparin 10.000 I.E. als Bolus, dann 1000–1500 I.E./h Grad III: wie Grad II plus Intubation und Beatmung; Fibrinolyse mit Streptokinase, Urokinase oder rt-PA.
Differentialdiagnosen
4 Myokardinfarkt, Linksherzinsuffizienz, kardiogener Schock, 4 Herzbeuteltamponade, 4 Aneurysmaruptur, 4 Hämato- und Pneumothorax. Praxisbox Therapeutische Maßnahmen nach gesicherter Diagnose Grad I: Heparinisierung 1000–1500 I.E./h, bei Nachweis von Thromben im peripher-venösen Gefäß: Embolektomie Grad II: wie Grad I plus Katecholamintherapie Grad III: Nach erfolgreicher Reanimation: Bei Nachweis von Thromben im peripheren Gefäß Embolektomie!
Die operative Embolektomie im pulmonalen Gefäßbett (Trendelenburg-Operation) ist nur bei Patienten mit therapierefraktärem Schockzustand aufgrund der gesicherten Diagnose einer fulminanten Lungenembolie indiziert. Die Patienten versterben jedoch meist vor Beginn des Eingriffes. Außerdem fehlen den meisten Krankenhäusern die entsprechenden technischen Voraussetzungen (Herz-Lungen-Maschine). Insofern kann nur wenigen Patienten durch einen notfallmäßigen Eingriff geholfen werden. Wichtig
Die Embolieprophylaxe ist außerordentlich wichtig vor jedem operativen Eingriff!
4 Stützstrümpfe (Ausnahme: Eingriff an der unteren Extremität), 4 Heparin: Früher wurde Heparin in einer Dosierung von 3-mal 5000 I.E./Tag als Low-dose-Heparinprophylaxe appliziert. Heute gibt man niedermolekulare Heparine (NMH) wie z. B. Fragmin P, Monoembolex, Fraxiparin oder Clexane. Die Vorteile der niedermolekularen Heparine bestehen in 5 einer längeren Halbwertzeit, deshalb wird täglich nur eine Applikation notwendig; 5 dem geringeren Blutungsrisiko bei gleichem Thromboseschutz;
177 11.7 · Explosionen
4 postoperativ ist die Therapie (Stützstrümpfe/ NMH) fortzusetzen und für eine möglichst frühe Mobilisation zu sorgen.
11.6
Nervenläsionen
Die Lagerung fällt primär in die Zuständigkeit des Operateurs. Für die Lagerung des Infusionsarmes ist der Anästhesist verantwortlich. Er ist zusätzlich verpflichtet, die Lagerung des Patienten zu überwachen, um Schäden durch unsachgemäße Lagerung zu vermeiden. Risiken bei der Lagerung Besonders gefährdet sind
4 der Plexus brachialis: Der Arm muss maximal rechtwinklig, im Ellenbogengelenk leicht gebeugt, in Schulterhöhe und vor der Körperachse gelagert sein. Wird der Arm überstreckt oder fällt er in relaxiertem Zustand nach hinten unten, so können Plexusschäden auftreten. Eine Schädigung des Plexus durch Seitwärtsdrehen des Kopfes oder durch eine Halsrippe ist seltener, jedoch sei auch hier zur Vorsicht gemahnt. Äußerst selten ist eine Plexusschädigung Folge der Punktion der V. jugularis interna oder von Plexusanästhesien (7 Kap. 7.3.9); 4 der Nervus radialis: bei Aufliegen des Oberarms auf der Operationstischkante; 4 der Nervus ulnaris: Er ist wegen seiner »ungepolsterten« Lage im Sulcus ulnaris des Epicondylus medialis humeri besonders gefährdet und muss deshalb mit speziellen Kissen oder Schutzhüllen vor Kompression jeder Art geschützt werden. Bei Speziallagerungen (Bauchlage, Flankenlage wie z. B. bei Nierenoperationen, Hockstellung 7 Kap. 12.2) sind weitere Besonderheiten zu beachten. Besonderes Augenmerk gilt bei Bauch- und Hocklagerung den Augen des Patienten, die durch Druck auf den Augenbulbus gefährdet sind.
11.7
11
Explosionen
Sie sind seit der »Verbannung« von Äther aus dem Operationssaal sehr selten geworden und haben keine Bedeutung mehr.
12 12
Narkose bei Patienten mit Vorerkrankungen
12.1
Herz-Kreislauf-Erkrankungen
12.1.1 12.1.2 12.1.3 12.1.4
Koronare Herzerkrankung (KHK) Hypertonie – 183 Herzinsuffizienz – 183 Herzklappenfehler – 184
12.2
Atemwege und Lunge – 185
12.3
Diabetes mellitus – 186
12.4
Nierenerkrankungen
12.5
Lebererkrankungen
12.6
Schilddrüsenerkrankungen
12.7
Phäochromozytom
12.8
Hämatologische Erkrankungen – 191
12.8.1 12.8.2
Akute intermittierende Porphyrie – 191 Blutgerinnungsstörungen – 191
12.9
Suchterkrankungen – 192
12.10
Neurologische Erkrankungen – 192
12.10.1 12.10.2 12.10.3
Parkinsonismus – 192 Epilepsien – 192 Muskelerkrankungen – 193
12.11
Adipositas
– 194
– 180 – 180
– 187 – 188 – 189
– 190
180
Kapitel 12 · Narkose bei Patienten mit Vorerkrankungen
Narkose und Operation sind bei Patienten mit Vorerkrankungen problematisch, weil 4 Angst und Schmerz vor der Operation die Vorerkrankung verstärken können (koronare Herzerkrankung: Angina-pectoris-Anfall; Asthma: Status asthmaticus), 4 die Narkose eingeschränkte Organfunktionen verschlechtern kann: 5 Beeinflussung der Herz-Kreislauf-Funktion mit Verminderung der Organdurchblutung, 5 Beeinträchtigung der Atmungsfunktion, und umgekehrt auch 4 die gestörte Organfunktion den Ablauf der Narkose beeinflussen kann: 5 eingeschränkte Metabolisierungskapazität der Leber: Verlängerung der Medikamentenwirkung bei Substanzen mit hoher hepatischer Clearance (Barbiturate, Opioide, Benzodiazepine), 5 eingeschränkte Eliminationsleistung der Niere: Verlängerung der Medikamentenwirkung bei Substanzen mit hoher renaler Clearance (z. B. Pancuronium), 5 eingeschränkte Verteilung der Narkotika bei Kreislaufinsuffizienz.
12
12.1
Herz-KreislaufErkrankungen
12.1.1
Koronare Herzerkrankung (KHK)
Angina pectoris und Herzinfarkt sind häufige Vorerkrankungen.
Bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung besteht eine eingeschränkte Koronarreserve. Darunter versteht man, dass das Verhältnis von koronarem Widerstand unter Ruhebedingungen und unter maximaler Dilatation auf 30% vermindert ist. Die Steigerung des Sauerstoffangebots ist deshalb nur noch eingeschränkt möglich. Gleichzeitig liegt jedoch oft ein vermehrter Bedarf vor (z. B. erhöhter Afterload bei Hypertonikern). Zu den Faktoren, die die Sauerstoffbilanz des Herzens negativ beeinflussen, zählen (nach Tarnow). 4 Abnahme des myokardialen Sauerstoffangebots: 5 Tachykardie (kürzere Diastole und damit schlechtere koronare Durchblutung), 5 Abfall des diastolischen Blutdrucks (verminderter koronarer Perfusionsdruck), 5 Zunahme des Preloads (daraus folgt ein verminderter Gradient zwischen linksventrikulärem enddiastolischem Füllungsdruck und diastolischem Aortendruck. Folge: verminderte Koronarperfusion), 5 Koronarspasmus, 5 Hyperkapnie (sie erhöht den koronaren Widerstand), 5 Anämie, 5 Hypoxie, 5 Linksverschiebung der Sauerstoffdissoziationskurve mit verminderter Sauerstoffabgabe an das Gewebe bei pH-Wert-Erhöhung, Temperatursenkung, 2,3-DPG-Erniedrigung. 4 Zunahme des myokardialen Sauerstoffbedarfs: 5 Tachykardie, 5 Zunahme der Wandspannung bei Preloadund Afterload-Erhöhung, 5 Zunahme der Kontraktilität (somit führen alle positiv-inotrop wirkenden Substanzen zu einer Erhöhung des Sauerstoffbedarfs).
Pathophysiologie Der gewichtsbezogene Ener-
giebedarf des Herzens ist etwa zwanzigmal größer als der durchschnittliche Gesamtenergiebedarf des Körpers bezogen auf Kilogramm Körpergewicht. Das Herz extrahiert deshalb unter Ruhebedingungen 60% des ihm angebotenen Sauerstoffs aus dem Koronarblut. Eine Steigerung der Sauerstoffausschöpfung ist unter Belastung nur auf 70% möglich! Das Sauerstoffangebot kann deshalb nur über einen gesteigerten Blutfluss verbessert werden.
Zu beachten ist, dass Tachykardie und Preload-Erhöhung in zweifacher Weise die myokardiale Sauerstoffbilanz negativ beeinflussen. Klinisch äußert sich die koronare Herzerkrankung als 4 Angina pectoris (Ruhe- und Belastungsangina), 4 Koronarspasmus (Prinzmetal-Angina) 4 Herzinfarkt.
181 12.1 · Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Angst und Schmerz im Rahmen einer Angina pectoris oder eines Infarkts münden unbehandelt in einen Circulus vitiosus: Sie führen zur Tachykardie, die Herzfrequenzsteigerung über einen Sauerstoffmehrbedarf bei gleichzeitig ungenügendem Angebot zu einer Ventrikeldysfunktion. Diese ist gekennzeichnet durch ein erniedrigtes Herzminutenvolumen (Folge: Tachykardie) und einen erhöhten linksventrikulären enddiastolischen Füllungsdruck (LVEDP). Diese Preload-Erhöhung hat in der Lunge ein interstitielles Ödem mit Hypoxie bei gleichzeitig erhöhtem Sauerstoffbedarf des Herzens zur Folge. Den Circulus vitiosus durchbricht eine adäquate Therapie. Sie besteht bei Angina pectoris aus 4 einer Preload-Verminderung (Nitrate), 4 einer Pulsfrequenzverminderung (Betablocker oder Kalziumantagonisten), 4 einer Afterload-Erniedrigung (Behandlung eines Hypertonus, z. B. mit Diuretika, Betablockern, Angiotensin-Converting-Enzym-[ACE-]Hemmern oder Kalziumantagonisten). Präoperative Maßnahmen Bei Patienten mit einem
Herzinfarkt innerhalb des letzten halben Jahres wird bei Elektiveingriffen der Operationstermin wegen des erhöhten Reinfarktrisikos verschoben. Zeitlicher Mindestabstand zum letzten Infarkt: ein halbes Jahr, möglichst jedoch 2 Jahre. Der Patient mit koronarer Herzerkrankung wird angewiesen, seine Medikamente (ungeachtet des Nüchternheitsgebotes) morgens mit einem kleinen Schluck Wasser oder Tee einzunehmen. Patienten mit KHK, die noch nicht unter Betablockertherapie stehen, erhalten präoperativ einen Betablocker (z. B. Beloc). Ein abruptes Absetzen der Betablocker und Nitrate präoperativ führt möglicherweise zu Angina-pectoris-Anfällen, Blutdruckanstieg und lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen. Präoperativ muss selbstverständlich ein EKG vorliegen. Bei einem akuten Schmerzereignis in den Tagen vor der Operation muss ein akuter Infarkt elektrokardiographisch und laborchemisch ausgeschlossen werden. Prämedikation Wichtig ist eine ausreichende Sedie-
rung, um angstbedingte Tachykardien zu vermeiden. Deshalb muss das Medikament adäquat dosiert
12
und rechtzeitig appliziert werden. Gerade bei den Patienten mit koronarer Herzkrankheit haben sich die abendliche Gabe (1–2 mg p.o.) und die orale Prämedikation mit Flunitrazepam 1 h vor Operationsbeginn (ebenfalls 1–2 mg p.o.) bewährt. Narkoseeinleitung Herzfrequenzsteigernd wirken
mit Ausnahme von Etomidat und Flunitrazepam alle intravenösen Einleitungsmittel. Den Blutdruck senken mit Ausnahme von Ketanest 4 Flunitrazepam (25% ↓), 4 Thiopental (10% ↓), 4 Etomidat (5% ↓), 4 Methohexital (10% ↓). 4 Propofol (20% ↓). Negativ inotrop wirken vor allem die Barbiturate. Die Wandspannung nimmt ab durch Preload-Verminderungen nach Diazepam- und Flunitrazepam-, nicht jedoch nach Thiopental- und Etomidat-Applikation. Besonders bei Patienten mit Linksherzinsuffizienz nimmt der enddiastolische Füllungsdruck des linken Ventrikels nach Benzodiazepin-Applikation deutlich ab. Propofol kann zu erheblichen Blutdruckabfällen und zu Bradykardie führen. Vorsichtige Dosierung ist angezeigt! Die Benzodiazepine und Etomidat haben bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung die günstigsten Eigenschaften. Ungünstiger sind Barbiturate, kontraindiziert ist Ketanest. Narkoseführung Inhalationsnarkotika haben eine geringgradige herzfrequenzsteigernde und eine blutdrucksenkende Wirkung. Die blutdrucksenkende Wirkung ist bei Halothan und Enfluran unterschiedlich bedingt. Bei Halothan steht die Kontraktilitätsverminderung im Vordergrund, der periphere Widerstand fällt dagegen nur gering ab. Enfluran führt zu einer erheblichen peripheren Widerstandsabnahme, die Myokardkontraktilität ist in geringerem Ausmaß vermindert. Isofluran, ein Isomer des Enflurans, scheint ähnliche Wirkungen wie Enfluran zu haben. Die koronare Durchblutung ist bei Halothan und Enfluran vermindert, die arteriovenöse Sauerstoffdifferenz jedoch konstant. So bleibt die myokardiale Sauerstoffversorgung bei üblicher Dosierung bei diesen Inhalationsnarkotika gewährleistet. Bei Isofluran kommt
182
12
Kapitel 12 · Narkose bei Patienten mit Vorerkrankungen
es zu einer ausgeprägten koronaren Gefäßerweiterung; dies führt jedoch dazu, dass die schon gut durchblutenden Areale noch besser durchblutet, dass aber die von stenosierten Koronarien versorgten Areale schlechter durchblutet werden (Coronarysteal-Syndrom). Deshalb sollte Isofluran bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung nur mit Vorsicht eingesetzt werden. Die neuen Inhalationsnarkotika Sevofluran und Desfluran zeigen keine prinzipiell neuen Kreislaufwirkungen gegenüber den bisher gebräuchlichen Inhalationsnarkotika. Auch sie führen über eine Vasodilatation zu einem Blutdruckabfall. Bei Desfluran können ausgeprägte Tachykardien auftreten, sodass bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung möglicherweise ein myokardiales Sauerstoffdefizit entsteht. Deshalb ist bei diesen Patienten Desfluran immer mit einem Opioid zu kombinieren. Diese herzfrequenzsteigernde Wirkung ist bei Sevofluran nicht zu beobachten. Ein Coronary-steal-Effekt ist weder bei Desfluran, noch bei Sevofluran nachzuweisen. Beide Inhalationsnarkotika wirken in geringem Ausmaß negativ-inotrop. In den letzten Jahren wurde aufgezeigt, dass Sevofluran und auch andere Inhalationsnarkotika (Desfluran, Isofluran) kardioprotektive Wirkungen haben. Diese tierexperimentell und beim Menschen im laborchemischen Vergleich (Troponin I, CKMB, CK) aufgezeigten Vorteile von Inhalationsnarkotika im Vergleich zu intravenösen Narkoseformen müssen aber noch in größeren Studien im Hinblick auf Morbidität und Mortalität evaluiert werden. Total intravenöse Anästhesie (TIVA, d. h. ohne Lachgas) oder intravenöse Anästhesie (IVA, d. h. mit Lachgas) sind je nach Komponenten differenziert zu betrachten. Die Propofol-Opioid-Anästhesie kann insbesondere dann, wenn als Opioid Remifentanil gewählt wird, zu ausgeprägten Bradykardien führen! Die entsprechende Therapie mit Atropin und Akrinor bzw. Katecholaminen muss unverzüglich eingeleitet werden können. Bei Midazolam-OpioidNarkosen sind die hämodynamischen Effekte deutlich blander, die Steuerbarkeit im Vergleich zu Propofol-Opioid-Anästhesien ist hingegen wesentlich schlechter. Regionalanästhesie Bei Patienten mit koronarer
Herzerkrankung bietet eine Regionalanästhesie nicht
unbedingt Vorteile. Unabdingbare Voraussetzung für eine Regionalanästhesie bei diesen Patienten ist eine ausreichende pharmakologische Verminderung der Angst. Benzodiazepine, vor allem Flunitrazepam oder Midazolam, sind die Mittel der Wahl. Riskant ist die Regionalanästhesie bei diesen Patienten vor allem deshalb, weil ein steuernder Einfluss des Anästhesisten nach Anlage der Regionalanästhesie nur bedingt möglich ist. So kann nicht sicher verhindert werden, dass sich die Anästhesie bei rückenmarksnahen Narkosen bis über das sensible Niveau Th4 ausdehnt; Herzinsuffizienz durch die Blockade der Nervi accelerantes und eine kritische Minderung des koronaren Perfusionsdrucks können die Folge sein. Im Gegensatz dazu erweist sich die durch die Lokalanästhetika induzierte Herzfrequenzminderung myokardial als sauerstoffsparend. Perioperatives Monitoring Dazu zählen
4 das EKG: zusätzlich ist noch die Ableitung V5 notwendig, um ST-Senkungen linkspräkordial sofort erfassen zu können; 4 der direkt gemessene arterielle Druck: die direkte arterielle Druckmessung muss präoperativ in Lokalanästhesie angelegt werden, um bereits die Einleitungsphase überwachen zu können; 4 eventuell der Pulmonalarterienkatheter (7 Kap. 8.3.5). Medikamentöse Therapie Die intraoperative Behandlung eines myokardialen Sauerstoffdefizits besteht in 4 einer Minderung des Sauerstoffbedarfs durch 5 Reduktion der Herzfrequenz (Narkosevertiefung, Betablocker oder Kalziumantagonisten), 5 Reduktion des Preloads (Nitrate), 5 Reduktion des Afterloads (Narkosevertiefung; Vasodilatation durch volatile Anästhetika; medikamentöse Blutdrucksenkung) und 4 der Sicherung eines adäquaten Sauerstoffangebotes durch 5 Normalisierung des diastolischen Blutdrucks: Volumensubstitution, in seltenen Fällen Noradrenalin (Arterenol; z. B. bei Sepsis), 5 Normalisierung der Herzfrequenz (Betablocker, Isoptin, Digitalis), 5 Normoventilation,
183 12.1 · Herz-Kreislauf-Erkrankungen
5 Normalisierung des Hämoglobinwertes im Blut, 5 Korrektur einer Linksverschiebung der Sauerstoffdissoziationskurve. Postoperativ ist eine ausreichende Analgesie notwendig. Dazu eignen sich PDA-Katheter (das Analgesieniveau muss unter TH4 bleiben) oder intravenös applizierte Opioide wie Piritramid oder Morphin. Muskelrelaxanzien- und Opioidüberhang sind gerade bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung eine Indikation zur Nachbeatmung. Gleiches gilt für die Hypothermie. Wichtig
Der Sauerstoffbedarf ist beim postoperativen Muskelzittern (Shivering) erhöht! Der KHK-Patient kommt rasch in ein myokardiales Sauerstoffdefizit! Perioperative Maßnahmen zum Wärmeerhalt sind obligat. Hypothermie ist deshalb eine Indikation zum Aufwärmen unter Nachbeatmung.
12.1.2
Hypertonie
Hypertonie und Arteriosklerose bedingen sich gegenseitig. Nicht nur Teilkreisläufe sind betroffen, sondern das gesamte Gefäßsystem: Herz, Gehirn, Niere, Peripherie. Mit eingeschränkter Kompensationsfähigkeit des Gefäßsystems muss deshalb gerechnet werden. Für die Hypertoniker gilt das Gleiche wie für die Patienten mit KHK: Die medikamentöse Therapie, hier die Antihypertensiva, werden nicht abgesetzt, sondern am Morgen des Operationstages mit einem kleinen Schluck Wasser oder Tee eingenommen. Dadurch werden exzessive Blutdruckanstiege während der Operation verhindert. Mit hypertonen Krisen wäre nach abruptem Absetzen der Antihypertensiva zu rechnen. Anästhesiologische und chirurgische Manipulationen, auf die der unbehandelte Hypertoniker mit starken Blutdruckanstiegen und sauerstoffmangelbedingten Rhythmusstörungen reagiert, sind 4 Larnygoskopie. Prophylaxe: Opioidapplikation intravenös vor der Laryngoskopie;
12
4 Intubation. Prophylaxe: Lokalanästhesie der Trachealschleimhaut; 4 starke chirurgische Stimuli. Prophylaxe: ausreichende Narkosetiefe; 4 Abklemmen großer Gefäße (z. B. Aorta). Prophylaxe: langsames, schrittweises Abklemmen. Therapie: Nitrate, Nitroprussid-Natrium. Ein Blutdruckabfall wird nicht minder gefürchtet. Die Narkotika müssen patientenadaptiert dosiert werden. Therapiemaßnahmen sind, je nach kardiovaskulären Befunden, adäquate Volumensubstitution und Applikation positiv-inotroper Substanzen (Dobutrex, Akrinor) oder vasoaktiver Substanzen (Arterenol) (. Tabelle 1.9a,b).
12.1.3
Herzinsuffizienz
Ätiologisch liegen einer Herzinsuffizienz 4 eine Degeneration des Myokards, 4 ein Myokardinfarkt, 4 Herzrhythmusstörungen, 4 eine Volumenüberlastung, 4 Myokarditiden etc. zugrunde. Symptomatik Eingeschränkte körperliche Leis-
tungsfähigkeit, Atemnot, Ödeme, Nykturie, Jugularvenenstauung, Nachtruhe nur bei Oberkörperhochlagerung – alle diese Einzelsymptome deuten auf eine Herzinsuffizienz hin. Eventuell kann ein dritter Herzton auskultiert werden. (Graduierung der Herzinsuffizienz nach NYHA, 7 Kap. 4.2.) Therapie Bei allen Patienten mit manifester Herz-
insuffizienz ist eine präoperative kardiovaskuläre Therapieoptimierung notwendig und perioperativ fortzusetzen. Sie besteht in: 4 Preload-Verminderung durch Nitrate und Diuretika bei hohen Füllungsdrücken, 4 Afterload-Verminderung bei erhöhtem Afterload (ACE-Hemmer), 4 Applikation von Katecholaminen (Dobutamin), 4 Normalisierung des Kaliumhaushalts, 4 Frequenzkontrolle, Rhythmisierung (Betablocker, Digitalis, ggf. Amiodaron).
184
Kapitel 12 · Narkose bei Patienten mit Vorerkrankungen
12.1.4
Herzklappenfehler
Ein an den hämodynamischen Veränderungen orientiertes Vorgehen ist notwendig. Mitralstenose Hämodynamik Der linke Vorhofdruck und der Pulmonalarteriendruck sind hoch. Die Füllung des linken Ventrikels und damit das Herzminutenvolumen sind abhängig von einer langen Diastolendauer. Eine Tachykardie wird deshalb schlecht toleriert. Gleiches gilt auch für eine periphere Vasodilatation, die nicht durch eine Zunahme des Schlagvolumens kompensiert werden kann. Im kleinen Kreislauf kann eine Überinfusion sehr leicht zu einem Lungenödem führen.
Wichtig
Im Sinne einer ausreichenden Sauerstoffversorgung des Myokards und der Prophylaxe einer Herzinsuffizienz müssen 5 Tachykardien, 5 periphere Vasodilatation und 5 eine myokardiale Kontraktilitätsverminderung vermieden werden. Bei starkem Blutdruckabfall sind α-Konstriktoren so einzusetzen, dass der diastolische Aortendruck eine koronare Durchblutung gewährleistet, gleichzeitig aber noch ein ausreichender systolischer Druckgradient zwischen linkem Ventrikel und Aorta besteht.
Wichtig
Eine Tachykardie muss auf alle Fälle verhindert werden, daher: 5 Atropin und Katecholamine möglichst vermeiden, 5 periphere Vasodilatation vermeiden, 5 vorsichtige Volumensubstitution; keine Preload-Verminderung durch Nitrate. Der Patient braucht (!) einen hohen atrioventrikulären Druckgradienten.
Aortenstenose Hämodynamik Das linke Herz neigt zur Insuffizi-
12
enz, konsekutiv kommt es zur Mitralklappeninsuffizienz und zum Rückstau in den kleinen Kreislauf. Die koronare Durchblutung ist bereits im Ruhezustand kritisch vermindert: niedriger poststenotischer Aortendruck! Vasodilatation führt zu nicht kompensierbarem Blutdruckabfall und zur Minderung der koronaren Durchblutung, Tachykardie zu einem erhöhten Sauerstoffbedarf. Der linke Ventrikel kann unter diesen hämodynamischen Bedingungen akut dekompensieren.
Mitral- und Aortenklappeninsuffizienz Hämodynamik Im Vordergrund steht bei beiden
Herzfehlern das Regurgitationsvolumen. Das Ausmaß des Regurgitationsvolumens ist abhängig von der Größe der Öffnung der insuffizienten Aortenoder Mitralklappe und des Druckgradienten: bei der Mitralinsuffizienz zwischen dem linken Ventrikel und dem linken Vorhof sowie bei der Aorteninsuffizienz zwischen Aorta und linkem Ventrikel. Verminderung des peripheren Widerstandes reduziert das Regurgitationsvolumen, eine geringgradige Tachykardie verbessert die Hämodynamik (verbesserte Ventrikelentleerung). Hoher arterieller Druck erhöht dagegen das Regurgitationsvolumen, Bradykardie verschlechtert die Hämodynamik. Wichtig
Blutdruckanstieg und Bradykardie verschlechtern die hämodynamische Situation, eine geringe Tachykardie und Vasodilatation können günstige Folgen haben.
185 12.2 · Atemwege und Lunge
12.2
Atemwege und Lunge
Die Atemfunktion wird in Narkose beeinträchtigt durch 4 zentrale Atemdepression (Opioide, Sedativa), 4 Muskelrelaxation (Muskelrelaxanzien, Benzodiazepine) und 4 Veränderungen der Atemwege (Schleimsekretion). Vorerkrankungen an Atemwegen und Lunge sind Indikationen für Regionalanästhesien, soweit dies die Lokalisation des chirurgischen Eingriffs zulässt und ohne zusätzliche Atmungseinschränkungen möglich ist. Intraoperativ bereiten respiratorische Vorerkrankungen unter der maschinellen Beatmung meist nur wenig Probleme, postoperativ nimmt jedoch bei Patienten mit pulmonalen Vorerkrankungen die Komplikationsrate gegenüber lungengesunden Patienten zu. Die Inzidenz pulmonaler Komplikationen ist abhängig von der Lokalisation des Eingriffs: Oberbauch und Thorax > Unterbauch > Extremitäten. Wundschmerz, Sekretverhalt und Schonatmung sind Grund für die hohen Pneumonieraten bei Thorakotomien und Oberbaucheingriffen. Eine frühestmögliche Mobilisation ist wünschenswert. Präoperative Einschätzung der Funktionseinschränkung Im Vordergrund stehen obstruktive (Asthma
bronchiale und chronische Emphysembronchitis), seltener restriktive Ventilationsstörungen (Pneumonie, Atelektasen). Klinische Befunde sind 4 Emphysemthorax, 4 exspiratorisches Giemen und Brummen, 4 Zyanose. Eine differenzierte Einschätzung der Funktionseinschränkung ergibt sich aus der Lungenfunktionsprüfung (7 Kap. 4.7.4). Richtungsweisend für eine obstruktive Ventilationsstörung ist eine Verminderung des in einer Sekunde forciert ausgeatmeten Volumens (FEV1), richtungsweisend für restriktive Ventilationsstörungen sind Veränderungen des statischen Lungenvolumens (Totalkapazität, Residualvolumen, Vitalkapazität).
12
Präoperative Vorbehandlung und Prämedikation
Zur präoperativen Vorbehandlung gehören 4 eine intensive Atemgymnastik, 4 Applikation von Mukolytika und Bronchospasmolytika, soweit der Patient diese Medikamente regelmäßig einnimmt. Wichtig
Das Rauchen ist präoperativ frühestmöglich einzustellen, weil es die Ziliarfunktion der Trachealschleimhaut schädigt, die alveolären Makrophagen unterdrückt und die Schleimproduktion steigert.
Der chronische Emphysembronchitiker und Asthmatiker hat meist schon eine lange Krankheitsgeschichte und steht unter Dauertherapie mit Mukolytika, Theophyllin und/oder Betamimetika. Die Patienten müssen vom Anästhesisten beruhigt, der Asthmatiker auch pharmakologisch sediert werden. Auf dem Weg zum Operationssaal soll er sein Broncholytikum (z. B. Berotec-Spray) mitnehmen. Die Benzodiazepine mit ihrer stark sedierenden Wirkung sind die Prämedikationsmittel der Wahl. Paradoxe Wirkungen können allerdings auftreten. Opioide sind bei Patienten mit eingeschränkter pulmonaler Reserve nur mit Vorsicht einzusetzen. Atropin sollte wegen der Sekreteindickung vermieden werden. Auswahl des Narkoseverfahrens Ist eine Regional-
anästhesie nicht möglich oder kontraindiziert, so ist eine Inhalationsnarkose mit Ethane, Isofluran oder Sevofluran aufgrund der günstigen bronchodilatatorischen Wirkung das Narkoseverfahren der Wahl. Bei den Narkoseeinleitungsmitteln gelten Thiopental und Methohexital als kontraindiziert. Sie können einen Asthmaanfall auslösen. Da auch Succinylcholin Histamin freisetzt, sollte darauf verzichtet und statt dessen Vecuronium benutzt werden.
186
Kapitel 12 · Narkose bei Patienten mit Vorerkrankungen
Wichtig
Beim Asthmatiker und Emphysematiker tritt eine CO2-Akkumulation im arteriellen Blut auf, wenn mit einem physiologischen Inspirations-/ Exspirationsverhältnis beatmet wird; deshalb sollte die Exspirationszeit verlängert werden. Therapeutische Konsequenzen 5 Mehrfaches intraoperatives Blähen der Lunge, 5 Adäquate FiO2, um eine arterielle Sättigung (SaO2) zu erreichen, die dem SaO2 vor Narkoseeinleitung entspricht, 5 Adaptiertes Inspirations-ExspirationsVerhältnis (I:E-Verhältnis 1:3). Die Ausatemphase wird verlängert, die CO2-Abatmung erleichtert.
Narkoseausleitung und postoperative Phase Beim
12
intubierten Patienten sollte man bei Narkoseausleitung die Chance wahrnehmen, ausgiebig den Schleim des Patienten abzusaugen. Das Bronchialsekret sollte im Hinblick auf eine mögliche postoperative Pneumonie zur mikrobiologischen Diagnostik eingeschickt werden. Bei Asthmatikern und chronischen Emphysematikern ist eine Antagonisierung mit Cholinesterasehemmstoffen (7 Kap. 1.16.3) kontraindiziert, da diese eine starke Sekretbildung in den Bronchien bewirken. Patienten mit gestörter Ziliarfunktion können dieses Sekret schlecht abhusten. In der postoperativen Phase helfen regionalanästhesiologische Verfahren (z. B. PDA-Katheter, N.-femoralis-Katheter), um 4 Schmerzfreiheit zu erreichen, 4 Schonatmung, Sekretakkumulation und Atelektasenbildung zu verhindern, 4 das Abhusten zu erleichtern und 4 Pneumonien zu vermeiden.
Komplikationen Der Asthmatiker und Emphysembronchitiker kann bei Intubation, flacher Narkose und bei Extubation mit einem Bronchospasmus reagieren.
Praxisbox Therapie des Bronchospasmus 5 Bei der Narkoseeinleitung: Nach Intubation Beatmung mit Sauerstoff und Enfluran, Isofluran oder Sevofluran. Bei Therapiesistenz: intratracheale Applikation von Fenoterol (Berotec-Spray), intravenöse Applikation von Theophyllin (Euphylong 0,2 g [=1 Ampulle]). 5 Während der Narkose: Vertiefung der Narkose (z. B. Enfluran, Isofluran oder Sevofluran. Kurzfristig auf die doppelte inspiratorische Konzentration erhöhen). 5 Bei der Extubation: Sauerstoff, Fenoterol (Berotec), Theophyllin (Euphylong) intravenös. Bei Therapieresistenz: Adrenalin, Prednisolon, möglicherweise auch Reintubation.
Postoperativ sind Pneumonien zu befürchten. Nichts ist in dieser Phase bedeutender als eine intensive Physiotherapie. Pneumonien zwingen nicht selten zur Beatmung (7 Kap. 21.1.3).
12.3
Diabetes mellitus
Die Glukosestoffwechselstörung zählt mit ihren Folgeerscheinungen zu den häufigsten Vorerkrankungen. Von anästhesiologischem Interesse sind besonders die Folgeerkrankungen diabetische Angiopathie, Neuropathie und Nephropathie. Das grundsätzliche Vorgehen ist bereits beschrieben worden (7 Kap. 4.2). Angst und Stress haben erheblich größeren Einfluss auf den Blutzucker als das Narkoseverfahren selbst. Es ist deshalb dafür Sorge zu tragen, dass insbesondere die insulinpflichtigen Diabetiker morgens als erste auf dem Operationsplan stehen. Kontraindikation für einen Elektiveingriff ist ein Blutzucker unter 90 mg % und über 300 mg %. Eine Ketonurie als Zeichen für eine beginnende diabetische Entgleisung schließt einen Elektiveingriff auf jeden Fall aus. Das Blutzuckertagesprofil des Diabetikers ist ausgeglichener, wenn morgens eine Infusion von Glukose 10% (500 ml) mit der Hälfte der Insulintagesdosis des Patienten als H-Insulin infundiert wird (z. B. von 7 Uhr bis Operationsbeginn), als wenn der
187 12.4 · Nierenerkrankungen
Patient nur nüchtern bleibt und keine Glukose-/Insulinlösung erhält. Engmaschige Blutzuckerkontrollen sind perioperativ erforderlich. Bei Diabetikern, die oral auf Metformin-haltige Antidiabetika eingestellt sind, muss Metformin 24 h vorher abgesetzt werden, wenn keine weiteren Grunderkrankungen vorliegen; liegen Herzinfarkt oder Herz- und Niereninsuffizienz vor, so muss Metformin 48 h vorher abgesetzt werden, ansonsten drohen Laktatazidosen. Die heutigen Narkoseverfahren haben keinen spezifischen Einfluss auf den Blutzuckerstoffwechsel.
12.4
Nierenerkrankungen
Alle Anästhesiearten beeinflussen die Nierenfunktion, Nierenfunktionsstörungen beeinflussen wiederum die Kinetik einiger der vom Anästhesisten verwendeten Pharmaka. Beeinflussung der Nierenfunktion durch die Anästhesie
4 Verminderung der Nierendurchblutung (je nach inspiratorischer Narkosegaskonzentration bei Halothan, Enfluran und Isofluran 10–40% ↓, bei NLA und Spinalanästhesie abhängig vom RRAbfall 10–20%): Folge der verminderten Nierendurchblutung sind eine reduzierte glomeruläre Filtrationsrate (GFR) und eine verminderte Urinproduktion. 4 Beeinflussung der Konzentrationsfähigkeit: Bei Enfluran- und Sevofluran-Narkosen entstehen nach länger dauernden Narkosen Fluoridspiegel, die theoretisch eine Nierenschädigung hervorrufen können. Klinische Berichte über derartige postoperative Funktionsstörungen liegen jedoch nicht vor. Das Gleiche gilt für eine mögliche nierenschädigende Wirkung von Compound A, das nach Abbau von Sevofluran im CO2-Verdampfer entsteht; auch hier fehlen die eindeutigen Belege dafür, dass eine Niereninsuffizienz zu befürchten ist. Dennoch sollte man mit der Anwendung von Enfluran und Sevofluran bei Patienten mit Nierenerkrankungen vorsichtig sein.
12
Wichtig
Eine intraoperative Oligurie/Anurie ist vorwiegend auf einen Volumenmangel, einen intraoperativen Blutdruckabfall, eine Linksherzinsuffizienz oder auf eine narkotikabedingte Stimulation der ADH-Freisetzung zurückzuführen.
Therapie Intraoperativ liegt meist ein prärenales
Nierenversagen vor, deshalb je nach Kreislaufparametern: Volumengabe, Herzinsuffizienzbehandlung, wenn notwendig positiv-inotrope Substanzen (Dobutamin) oder Vasopressoren (Noradrenalin). Nierenfunktionsstörungen beeinflussen die Anästhesie, weil Anästhetika mit hoher renaler Clearance nicht mehr ausgeschieden werden können. Es handelt sich um die nichtdepolarisierenden Muskelrelaxanzien Pancuronium und Alcuroniumchlorid. Als Alternative bieten sich heute an: Vecuroniumbromid, Atracurium, Mivacurium, Cis-Atracurium. Anästhesiologische Probleme beim niereninsuffizienten Patienten Diese Probleme ergeben sich vor
allem beim terminal-niereninsuffizienten, dialysepflichtigen Patienten. Prämedikation: Wegen des hohen Metabolisierungsgrades der meisten Prämedikationsmittel ergeben sich keine Besonderheiten. Präoperativ liegt beim terminal-niereninsuffizienten Patienten, bedingt durch hohe Harnstoffwerte, manchmal bereits eine Einschränkung der Vigilanz vor. Die Notwendigkeit einer Prämedikation orientiert sich am Wachheitsgrad des Patienten. Präoperative Visite: Die postdialytischen Nierenfunktionswerte und die Elektrolyte, abgenommen zwei Stunden nach der letzten Dialyse, sollten vorliegen (Kreatinin, Harnstoff, Kalium, Natrium; Abnahme zwei Stunden nach der letzten Dialyse, da sich erst dann ein Äquilibrium eingestellt hat). Anamnestisch muss nach der täglichen Trinkmenge, nach Restdiurese, besonderen Flüssigkeitsverlusten (Diarrhö, Schwitzen) gefragt werden. Auf dem Röntgen-Thoraxbild interessieren die Herzgröße und eventuelle Stauungszeichen. Der Hb-Wert ist bei den terminal-niereninsuffizienten Patienten erniedrigt (z. B. 6–10 g/dl), die
188
Kapitel 12 · Narkose bei Patienten mit Vorerkrankungen
Patienten sind an diese Werte adaptiert. Blut muss bei Eingriffen mit geringen Blutvolumenverlusten nicht substituiert werden. Bei Verlusten von über 20% muss jedoch Blut transfundiert werden, um den Hb-Wert, wenn auch auf einem niedrigen Niveau, zu stabilisieren. Narkoseverfahren: Bis auf Enfluran und Sevofluran gibt es aus dem genannten Grunde keine Einwände gegen Inhalationsanästhesien, TIVA, IVA und Regionalanästhesie. Das Problem der Relaxation vom niereninsuffizienten Patienten, wie es früher bestand, ist mit Vecuroniumbromid, Atracurium, CisAtracurium und Mivacerium, die nahezu vollständig metabolisiert werden, gelöst. Dennoch ist postoperativ eine engmaschige Überwachung notwendig.
12.5
Lebererkrankungen
Die Leber steht als Metabolisierungsorgan im Mittelpunkt des anästhesiologischen Interesses. Leber und Narkose Die Beeinflussung der Leber-
12
funktion durch die Narkose ist eher gering einzuschätzen. 4 Leberdurchblutung: Unter Halothan reduziert sich der hepatische Blutfluss, unter Enfluran, Isofluran, Desfluran und Sevofluran bleibt er konstant bzw. steigt er an. Insgesamt kommt es aber bei allen Gasen zu einer verschlechterten hepatischen O2-Bilanz. 4 Metabolisierungsfunktion: Aufgrund der verminderten Leberdurchblutung kann es zu pharmakokinetischen Interaktionen bei Anwendung von Inhalationsnarkotika kommen (verlängerte Wirkdauer von Medikamenten mit hoher hepatischer Clearance). 4 Mögliche Schädigung der Leber durch Metabolite (7 Halothan, Kap. 1.14.3). Eine pathologische Leberfunktion beeinflusst den Anästhesieablauf bedeutend stärker: 4 Eingeschränkter Metabolismus von Pharmaka: Dies betrifft vor allem Barbiturate, Benzodiazepine, Opioide, Ketamin und Neuroleptika, d. h. alle Pharmaka mit hoher hepatischer Clearance. In geringerem Umfang sind auch die Inhalationsnarkotika je nach Metabolisierungsgrad
(Halothan 20%, Enfluran 2%, Isofluran 0,2%, Desfluran 0,02%, Sevofluran 3%) davon betroffen. Einen dem Kreatinin bei der Niereninsuffizienz analogen Leberfunktionswert, der die Metabolisierungsrate einschätzen ließe, gibt es nicht. Man sollte jedoch bedenken, dass die Abbaukapazität der Leber groß ist und sich Defizite erst bei erheblichem Parenchymschwund (Leberzirrhose) zeigen. 4 Gestörte Verteilung von Pharmaka wegen geringerer Plasma-Eiweiß-Produktion: Albumine, die Transportproteine, werden ausschließlich in der Leber gebildet. Bei Hypalbuminämie müsste man eine verminderte Plasma-Eiweiß-Bindungskapazität mit den entsprechenden Folgen für stark eiweißgebundene Medikamente erwarten. Geringere Transportkapazität bedeutete nämlich höheren Anteil des freien und damit wirksamen Medikamentes im Blut: deshalb kürzere Zeit zum Wirkungseintritt. Die klinischen Erfahrungen zeigen, dass diese an sich plausiblen Vorstellungen in der Vergangenheit etwas überbewertet wurden. 4 Verlängerte Wirkung von Succinylcholin bei niedrigem Plasma-Cholinesterase-Spiegel (7 Kap. 1.14.2). Ist die Synthesefunktion der Leber eingeschränkt, so kann es zu Gerinnungsstörungen kommen, die, möglicherweise abhängig vom Ausmaß, eine Kontraindikation für Regionalanästhesien darstellen (7 Kap. 7.3.2). Präoperative Visite und Prämedikation Besonders
zu beachten sind akute und chronische Hepatitiden, alkoholische Leberschäden und Leberzirrhosen. In enger Absprache mit dem Operateur sollte man bei Lebererkrankungen, bei denen eine Möglichkeit zur Restitutio ad integrum besteht (akute Hepatitis, akuter alkoholischer Leberschaden) den Genesungsvorgang abwarten und auf einen Elektiveingriff verzichten. Voraussetzung für eine Regeneration der Leber sind allerdings Alkoholabstinenz bzw. bei Fettleber diabetischer Genese eine exakte Diabeteseinstellung. Bei der präoperativen Visite sollten alle Laborwerte vorliegen, aus denen die Art der Leberfunktionsstörung hervorgeht:
189 12.6 · Schilddrüsenerkrankungen
4 zellulärer Schaden: SGOT, SGPT, LDH, γ-GT und GLDH, 4 Störung der Exkretionsfunktion: Bilirubin, γGT, AP, LAP, 4 Störung der Synthesefunktion: Albumin, Cholinesterase, Quick. Präoperative Maßnahmen zur Kompensation der Leberinsuffizienz Dies ist nur beschränkt möglich.
Indiziert sind 4 die Applikation von Vitamin K: Bei Patienten mit Leberinsuffizienz ist oft die Bakterienflora durch Bifiteral und Humatin, zur Komaprophylaxe verabreicht, gestört. Die Gerinnungsfaktoren II, VII, IX, X werden nicht mehr ausreichend produziert. Vielleicht kann Vitamin K die Blutgerinnung etwas verbessern; Dosierung initial: 10–20 mg; 4 die Applikation von Gerinnungsfaktorkonzentraten (teuer, Infektionsrestrisiko: Hepatitis B, C, D, AIDS) und FFP (cave Hypervolämie): sofern es die Gerinnungssituation erforderlich macht. Manchmal ist auch die Gabe von Thrombozytenkonzentraten notwendig (beim zirrhotischen Patienten liegt wegen der Hepatosplenomegalie häufig auch ein Thrombozytenmangel vor); 4 eine Normalisierung des Elektrolythaushaltes (cave Hyperkaliämie bei Aldosteron-Medikation zur Aszitesbehandlung). Die Prämedikation beim leberkranken Patienten orientiert sich an seinem Wachheitsgrad. Solange sein Bewusstsein nicht eingetrübt ist, wird die übliche Prämedikation angeordnet, beim eingetrübten Patienten selbstredend keine Prämedikation. Bei den Narkoseverfahren wird angesichts der möglichen Leberschädigung durch Inhalationsnarkotika auf Inhalationsnarkosen verzichtet. Die intravenöse Anästhesie ist die Narkose der Wahl. Alternativen sind Regionalanästhesieverfahren, sofern nicht wegen Blutgerinnungsproblemen (Quick muss größer 50% sein, PTT <50 sec, Thrombozyten >50.000/mm3) Kontraindikationen bestehen.
12
Wichtig
Bei Leberinsuffizienz muss die verlängerte Wirkungszeit einzelner Medikamente bedacht werden. Gerade den leberinsuffizienten Patienten muss der Anästhesist postoperativ ausreichend lange überwachen. Solange der Patient somnolent ist, muss er, da von insuffizienten Schutzreflexen ausgegangen werden muss, intubiert bleiben und nachbeatmet werden. Dies ist besonders im Hinblick auf die Aspirationsgefahr wichtig.
12.6
Schilddrüsenerkrankungen
Im Vordergrund steht die Hyperthyreose. Bei Patienten im hyperthyreoten Zustand ist perioperativ mit einer sympathotonen Stoffwechsel- und Kreislaufsituation zu rechnen und postoperativ eine thyreotoxische Krise zu befürchten, die nach wie vor mit einer hohen Letalität belastet ist. Ihre Symptome sind 4 Agitiertheit, Bewusstseinseinschränkung, Bewusstlosigkeit, 4 Hyperthermie, starkes Schwitzen, 4 Ateminsuffizienz wegen hohen Sauerstoffbedarfs bei hohem Grundumsatz, 4 Tachyarrhythmien, hypertensive Krisen, 4 Diarrhöen, Erbrechen, Darmspasmen, 4 Labor: T3, T4 ↑↑, TSH ↓↓. Wichtig
Liegt eine Schilddrüsenerkrankung vor, sollte man bei Elektiveingriffen den Patienten vom Endokrinologen mit thyreostatischer Therapie einstellen lassen. Beim Notfalleingriff ist eine energische und konsequente Prophylaxe der thyreotoxischen Krise durch 5 adäquate thyreostatische Therapie (Thiamazol, Carbimazol, Natriumperchlorat), 5 ausreichende Sedierung (Benzodiazepine), 5 effektive Sympathikusblockade (Betablocker) und 5 Gabe von Glukokortikoiden notwendig. Auf jeden Fall muss der Operateur auf jodhaltige Desinfektionsmittel verzichten! 6
190
Kapitel 12 · Narkose bei Patienten mit Vorerkrankungen
Im Mittelpunkt der Therapie einer thyreotoxischen Krise stehen die 5 intensive thyreostatische Therapie, 5 Glukokortikoide (z. B. Hydrocortison), 5 Betablocker (z. B. Propanolol), 5 apparative Behandlung gestörter Organfunktionen (Beatmung, Dialyse), 5 medikamentöse Behandlung der Herzinsuffizienz und die 5 energische Reduktion der erhöhten Temperatur.
Die thyreostatische Therapie muss, sofern diese Therapie nicht greift, überprüft und im Einzelfall eine Plasmapherese in Erwägung gezogen werden. Die Gefahr einer thyreotoxischen Krise verbietet Elektiveingriffe im Stadium der Hyperthyreose. Thyreostatika und Jodgabe führen zur Euthyreose, erst dann können Elektiveingriffe durchgeführt werden. Ein zu bevorzugendes Anästhesieverfahren gibt es nicht. Sinustachykardien sind auch bei dann Euthyreoten intraoperativ noch relativ häufig und sprechen auf Betablocker gut an.
12.7
12
Phäochromozytom
Diese Erkrankung ist durch eine exzessive Katecholaminausschüttung gekennzeichnet. Gebildet werden diese Katecholamine in Tumoren des Nebennierenmarks und in chromaffinen Zellen, die im Retroperitoneum, im Mesenterium und in der Leber lokalisiert sein können. Ausgeschüttet werden Dopamin, Adrenalin und Noradrenalin. Folgen sind 4 Hypertonus, hypertensive Krisen, 4 Tachyarrhythmien, Tachykardien. Die Tumorresektion bietet operationstechnisch meist keine Schwierigkeiten. Die Problematik liegt in der präoperativen hypersympathikotonen Kreislaufsituation, die intraoperativ durch Manipulation am Tumor (Ausschüttung von Katecholaminen) exzessiv gesteigert werden kann. Bereits nach intraoperativer Entfernung des Tumors kann es jedoch zu einer hyposympathikotonen Kreislaufreaktion kommen, die eine Volumensubstitution und Katecholamin-
gabe sowie postoperativ eine kontinuierliche, exakte Überwachung und eine adäquate Therapie notwendig macht. Präoperative Vorbereitung Der Patient muss auf
einen α-Blocker eingestellt werden: Mittel der Wahl ist das Phenoxybenzamin (Dibenzyran): Die präoperative Therapie beginnt mit 10 mg/Tag (oral) mit täglicher Steigerung um 20 mg. Diese Dosis muss eventuell auf 60–100 mg/Tag erhöht werden. Die reflektorische Tachykardie macht oft eine zusätzliche Betablockertherapie notwendig. Wegen der orthostatischen Beschwerden ist Bettruhe zu empfehlen. Narkoseführung Enfluran, Isofluran und Sevofluran oder eine intravenöse Anästhesie (Propofol/Opioid oder Benzodiazepin/Opioid) sind geeignete Narkoseverfahren. Eine Kombination mit einem PDAKatheter bietet zunächst – präoperativ und intraoperativ bis zur Unterbindung der Gefäßversorgung des Tumors – Vorteile (α-Blockade), danach muss jedoch wegen der Gefäßweitstellung mit verstärkten Hypotensionen gerechnet werden. Das perioperative Monitoring umfasst EKG und arterielle Druckmessung sowie einen ZVK. Mit hypertensiven Krisen und myokardialen Sauerstoffdefiziten ist zu rechnen bei 4 Laryngoskopie und Intubation. Therapie bzw. Prophylaxe: Opioide; 4 Tumormanipulation. Therapie: RR ↑↑ → Nitrate, Nifedipin, Nitroprussid-Natrium, HF ↑↑ → Betablocker.
Zu hypotensiven Entgleisungen kann es kommen 4 intraoperativ: nach Tumorexstirpation (Therapie: Volumen, Dobutamin, Noradrenalin), 4 postoperativ noch nach 48 h. Über diese Zeit erstreckt sich die Überwachung. Bei beidseitiger Adrenalektomie ist Hydrokortison zu substituieren (Hydrokortison 200–300 mg und Fludrokortison 0,05–0,2 mg).
191 12.8 · Hämatologische Erkrankungen
12.8
Hämatologische Erkrankungen
Relevant sind vor allem die akute intermittierende Porphyrie und Blutgerinnungsstörungen, beides sind jedoch seltene Erkrankungen.
12.8.1
Akute intermittierende Porphyrie
Vor allem Barbiturate stimulieren die δ-Aminolävulinsäuresynthetase. Es werden vermehrt Porphybilinogen und δ-Aminolävulinsäure gebildet (. Abb. 1.25). Dies führt zu dem seltenen Krankheitsbild der akuten intermittierenden Porphyrie, die von starken kolikartigen abdominellen Schmerzen, verbunden mit neurologischen Ausfallserscheinungen geprägt ist. Praxisbox Medikamentöse Kontraindikationen Um ein akute Attacke einer Prophyrie zu vermindern, sind folgende Medikamente kontraindiziert: 5 Barbiturate 5 Diazepam 5 Sulfonamide 5 orale Antidiabetika 5 Pyrazolonderivate 5 Ketamine (umstritten) 5 halogenierte Inhalationsanästhetika (umstritten) 5 Etomidat 5 Pentazozin 5 Pancuronium 5 Lidocain 5 Furosemid 5 Theophyllin
Als Narkoseform der Wahl bietet sich die TIVA/IVA an (z. B. Propofol/Sufentanil).
12.8.2
12
Blutgerinnungsstörungen
Iatrogene (vor allem Marcumar-Medikation) sind ebenso häufig wie erworbene Blutgerinnungsstörungen (Leberzirrhose; postoperativ: Sepsis), seltener sind angeborene Gerinnungsstörungen (Mangel an Faktoren VIII und IX: Hämophilie A bzw. B). Die Anamnese ist aufschlussreich: häufig blaue Flecken, Nachbluten bei Zahnextraktionen, Medikamentenanamnese, Frage nach Lebererkrankungen. Als Labor-Screening wird eine Bestimmung des Quickwertes, der PTT und der Thrombozyten durchgeführt, bei Verdacht auf angeborene Gerinnungsstörungen müssen zusätzlich Einzelfaktoren bestimmt werden. Praxisbox Therapie von Gerinnungsstörungen Dazu zählt: 5 die Gabe von Faktorenkonzentraten (PPSB; enthält Faktoren II, VII, IX, X) bei MarcumarBlutung, 5 die Antagonisierung von Heparin durch Protamin (1 ml Protamin 1000 antagonisiert 1000 E Heparin), sofern die Blutung heparinbedingt ist, 5 die gezielte Substitution von Gerinnungsfaktorkonzentraten bei nachgewiesenem Einzelfaktormangel.
Vitamin K führt erst nach 2 bis 3 Tagen zu einer Normalisierung der Vitamin-K-abhängigen, in der Leber synthetisierten Gerinnungsfaktoren (II, VII, IX, X). Kontraindikationen Bei allen Gerinnungsstörun-
gen sind alle (auch periphere) Regionalanästhesien (Gefahr der Hämatombildung!) kontraindiziert. Als Grenzwerte gelten ein Quickwert von 50%, eine PTT von 50 sec und eine Thrombozytenzahl von 50.000/ mm3. Auf eine nasale Intubation sollte verzichtet werden, bis sich die Gerinnungswerte normalisiert haben (Blutungsgefahr in der Nase). Intramuskuläre Injektionen sind bei Patienten mit Gerinnungsstörungen verboten. Der zusätzliche Effekt von Plasmaersatzmitteln auf die Blutgerinnung ist zu beachten (7 Kap. 9.1).
192
Kapitel 12 · Narkose bei Patienten mit Vorerkrankungen
12.9
Suchterkrankungen
Alkohol Von Bedeutung sind für den Anästhesisten 4 zerebrale Aspekte: Alkoholentzugssyndrom (postoperativ besteht die Gefahr eines Delirium tremens, einer lebensbedrohlichen Erkrankung!, 7 Kap. 27.8); 4 kardiovaskuläre Aspekte: »Münchener Bierherz«, »Tübinger Weinherz« = alkoholische Kardiomyopathie; 4 hepatologische Aspekte: verminderte Syntheseleistung der Leber, Aszites, Leberzirrhose, Enzyminduktion; 4 peripher-neurologische Aspekte: alkoholische Neuropathie (verstärkte Schmerzempfindlichkeit).
Präoperativ besteht beim Alkoholiker die Tendenz des Leugnens der Sucht und zur Bagatellisierung. Intraoperativ ist meist von einem stark erhöhten Narkotikumbedarf auszugehen (enzyminduktionsbedingter vermehrter Abbau, erhöhte Schmerzempfindlichkeit), bei Trunkenheit jedoch verminderter Narkotikabedarf. Wichtig
Bei der Alkoholerkrankung müssen postoperativ die Frühzeichen des Entzugsdelirs erkannt und konsequent behandelt werden (7 Kap. 27.8).
12 12.10
Neurologische Erkrankungen
Von der Vielzahl neurologischer Erkrankungen können nur der Parkinsonismus, die Epilepsie und die Myotonien besprochen werden.
12.10.1 Parkinsonismus Das pathophysiologische Substrat des Parkinsonismus ist ein zerebrales Neurotransmitterungleichgewicht zwischen Acetylcholin und Dopamin. Diese Imbalance kann
4 durch Medikamente oder 4 durch Entzündungen bedingt oder 4 Folge von zerebraler Degeneration sein. Therapie Die Parkinson-Therapie beruht auf folgenden Prinzipien: 4 Ausgleich des Dopaminmangels durch Zufuhr der Dopaminvorstufe Levo-Dopa in Kombination mit Monoaminoxidaseinhibitoren (periphere Hemmung des Dopamin-Abbaus), 4 Reduzieren des Acetylcholin-Übergewichts durch Hemmung der Acetylcholin-Wirkung mit Anticholinergika (z. B. Biperidin [Akineton]), 4 Gabe von Dopaminagonisten (z. B. Bromocriptin), 4 Hemmung des Dopaminabbaus (z. B. Selegillin [Movergan]). Anästhesiologische Konsequenzen Aus diesen pa-
thophysiologischen Erkenntnissen und dem therapeutischen Procedere ergeben sich folgende Konsequenzen: Wichtig
5 Ketamin sollte vermieden werden wegen möglicher übermäßiger sympathikotoner Reaktionen. 5 Halothan sollte wegen des myokardsensibilisierenden Effekts gegenüber Dopamin vermieden werden. 5 Die Levo-Dopa-Therapie sollte auch während der perioperativen Phase weitergeführt werden. 5 Auf Zeichen einer postoperativen Parkinson-Krise sollte geachtet werden.
12.10.2 Epilepsien Das Krampfleiden bereitet unabhängig von der Genese eigentlich nur postoperativ medikamentöse Probleme. Meist steht der Patient unter Dauertherapie mit einem Antiepileptikum. Die Medikamente sollten wie bei Antihypertonika bis zum Operationsmorgen weiter eingenommen werden. Postoperativ ist manchmal eine Neueinstellung unter stationärer Kontrolle notwendig.
193 12.10 · Neurologische Erkrankungen
Phenothiazine setzen die Krampfschwelle herab und gelten deshalb als kontraindiziert (z. B. Atosil). Enfluran führt besonders unter Hyperventilationsbedingungen zur Bildung von Krampfäquivalenten im EEG, Gleiches gilt für Sevofluran. Deshalb sind beide kontraindiziert bei Epileptikern. Ketamin ist bei diesen Patienten wegen ähnlicher Krampfpotentialäquivalente ebenfalls abzulehnen. Auch nach Propofol-Gabe ist es in seltenen Fällen zu epileptischen Anfällen gekommen. Bei der i.v.-Narkose zur kernspintomographischen Untersuchung von Kindern mit epileptischer Grunderkrankung müssen die Vorteile von Propofol (gute Steuerbarkeit) und das seltene Risiko eines Propofol-induzierten Anfalls gegeneinander abgewogen werden. Günstigen Einfluss auf die Grunderkrankung haben vor allem Barbiturate und Benzodiazepine. Auf eine mögliche Enzyminduktion als Folge der Dauertherapie mit Antiepileptika ist zu achten. Häufig müssen dann die Narkotika deutlich hoch dosiert werden.
12.10.3 Muskelerkrankungen Prinzip des anästhesiologischen Prozederes ist es, bei diesen Patienten alles zu vermeiden, was die Vitalfunktion Atmung zentral (Atemdepression) und peripher (Muskelrelaxation) beeinflussen könnte. Kontraindikationen bestehen für 4 Opioide (relative Kontraindikation; bei starken Schmerzen ist die Anwendung in titrierender Dosis möglich, d. h. der Patient erhält milligrammweise sein Opioid i.v., bis er schmerzfrei ist; cave: Atemdepression), 4 Benzodiazepine, 4 Muskelrelaxanzien. Myasthenia gravis Es handelt sich um eine Autoim-
munerkrankung. Antikörper, gegen den Thymus gebildet, sind auch gegen die Muskelendplatte wirksam. Bei ca. 75% der Patienten, die auf eine medikamentöse Therapie nicht ansprechen, ist nach durchgeführter Thymektomie eine deutliche Zunahme der Muskelkraft zu verzeichnen. Therapeutisches medikamentöses Prinzip ist es, die Konzentration von Acetylcholin an den motorischen Endplatten zu erhöhen. Dazu dient eine Dauertherapie mit Cholinesterasehemmstoffen (Mestinon,
12
Prostigmin). Als unerwünschte vegetative Wirkungen treten Hypersalivation und Diarrhöen auf. Eine immunsuppressive Therapiemöglichkeit bietet die Applikation von Kortison-Präparaten und Azathioprin. Infektanfälligkeit ist als unerwünschte Wirkung zu berücksichtigen. Die Anästhesie wird mit Thiopental oder Etomidat eingeleitet oder als Maskennarkose begonnen. Der Patient kann meist ohne Muskelrelaxation in einem tiefen Inhalationsnarkosestadium (III/3; 7 Kap. 1.2.1) leicht intubiert werden. Bei unzureichender Relaxation ist Succinylbischolin in reduzierter Dosis erlaubt. Die Narkose wird als Inhalationsnarkose weitergeführt. Wichtig
Bei Myasthenia gravis ist postoperativ eine intensive Überwachung (48 h) zwingend notwendig.
Die Therapie mit Cholinesterasehemmstoffen muss oral oder intravenös fortgeführt werden. Eine myasthenische Krise kann aber auch auf diese Weise nicht immer sicher verhindert werden. Muskeldystrophien Zu diesen zählen vor allem
die rezessiv vererbten Muskeldystrophien vom Typ Duchenne und Becker-Kiener. Die DuchenneMuskeldystrophie manifestiert sich im Kindesalter (3–6 Jahre) und bei der Muskeldystrophie vom Typ Becker-Kiener im Alter von 6–12 Jahren. Von anästhesiologischer Bedeutung ist, dass die Gabe des depolarisierenden Muskelrelaxans Succinylcholin bei diesen Patienten zu einer Rhabdomyolyse führen kann. Darunter versteht man einen akuten Muskelzellzerfall; es kommt dadurch zu einer ausgeprägten Hyperkaliämie mit konsekutivem Herzkreislaufstillstand. Da diese Rhabdomyolyse auch auftreten kann, wenn die Erkrankung noch nicht klinisch manifest geworden ist, d. h. bei Kindern <3 Jahren beim Typ Duchenne und unter 6 Jahren beim Typ Becker-Kiener sollte man die Indikation einer routinemäßigen Anwendung von Succinylcholin bei Kindern sehr kritisch abwägen (7 Kap. 1.14.2). Myotonien Patienten mit Myotonien reagieren sehr
stark auf depolarisierende Muskelrelaxanzien. Des-
194
Kapitel 12 · Narkose bei Patienten mit Vorerkrankungen
halb ist Succinylbischolin kontraindiziert. Nach dessen Applikation würde es zu einem Verkrampfen der Muskulatur kommen, das eine Beatmung unmöglich macht. Therapie in dieser Situation: nichtdepolarisierende Muskelrelaxanzien. Es muss beachtet werden, dass alle Patienten mit myogenen Muskelerkrankungen (im Gegensatz zu neurogenen Muskelerkrankungen) zur malignen Hyperthermie neigen (7 Kap. 11.2).
12.11
Adipositas
Adipositas, definiert als Übergewicht von mehr als 30% über dem Normalgewicht, ist in den Industrieländern die häufigste Nebenerkrankung. Wichtig
Body Mass Index (BMI) = Gewicht (kg) / Größe (m2) BMI <25 Idealgewicht, 26–29 Übergewicht, >30 Adipositas, >40 Adipositas per magna.
12
Besonders bedrohlich ist die Situation bei Patienten mit Adipositas per magna. Die Operationsletalität liegt beim adipösen Patienten deutlich höher als bei Patienten mit Normalgewicht. Im Vordergrund stehen 4 kardiovaskuläre Veränderungen: Das Herzminutenvolumen ist erhöht, Hypertonus und Herzinsuffizienz liegen häufig vor; 4 respiratorische Veränderungen Wichtig
Respiratorische Veränderungen bei Adipositas: Es kommt zur Abnahme der Lungenvolumina, besonders der funktionellen Residualkapazität und der Compliance, der inspiratorische Widerstand ist erhöht. Folge sind Atemmehrarbeit und Zunahme von pulmonalen Shunts (arterielle Hypoxie!). Präoperative Vorbehandlung zur Verbesserung der Atemfunktion ist unbedingt erforderlich!
Die Narkoseform sollte eine möglichst rasche Mobilisierung ermöglichen. Regionalanästhesien sind vorzuziehen, soweit es der operative Eingriff erlaubt und eine Regionalanästhesie technisch bei der Adipositas möglich ist. Ansonsten empfiehlt sich eine Inhalationsanästhesie. Als Alternative bietet sich eine intravenöse Anästhesie mit Propofol/Remitentanil an. Da das Fett einen Großteil des Gewichts ausmacht, muss man als Dosierungsgewicht ein um 30% vermindertes Körpergewicht annehmen. Wichtig
Bei Narkoseeinleitung und Intubation ist beim adipösen Patienten gehäuft mit Schwierigkeiten zu rechnen (schwierige Maskenbeatmung, häufig erschwerte Intubation). Alle adipösen Patienten sind zudem aspirationsgefährdet. Bei ihnen liegt häufig ein mangelhafter Verschluss des gastroösophagealen Sphinkters vor (Blitzeinleitung).
Bei arterieller Hypoxie (SaO2<95%) ist eine PEEPBeatmung notwendig, um die Shunts zu reduzieren. Reicht diese Maßnahme nicht aus, so muss der FiO2 erhöht werden. Postoperativ sind die adipösen Patienten besonders prädestiniert für Pneumonien. Die Mobilisierung muss deshalb zügig erfolgen.
13 13 Anästhesie beim ambulanten Patienten
196
Kapitel 13 · Anästhesie beim ambulanten Patienten
Wirtschaftliche, aber auch patientenorientierte (Kinder!) Überlegungen haben in den letzten Jahren zu einer enormen Zunahme ambulanter Operationen geführt. Die ursprüngliche Sorge der Operateure, dass es nach ambulanten Operationen zu schlechteren Operationsergebnissen durch gestörte Wundheilung und Wundinfektion kommen würde, hat sich nicht bestätigt – im Gegenteil: Die Infektionsrate liegt bei der häuslichen Betreuung niedriger als im »Keimreservoir Krankenhaus«. Ambulantes Operieren ist möglich bei Adenotomien, Leistenhernien (vor allem im Kindesalter), Zirkumzisionen, Abszessspaltungen, handchirurgischen Eingriffen, Fremdkörperentfernung, Abrasio usw., außerdem bei allen diagnostischen Eingriffen im Kindesalter (Rektoskopien, Zystoskopien, ophthalmologische Diagnostik, NMR), die eine Narkose notwendig machen. Zu den ambulanten Eingriffen zählen weiterhin auch Notfalleingriffe wie Reposition, Wundversorgung etc. Wichtig
Eine ambulante Narkose kann nur bei Patienten durchgeführt werden, die keine oder nur geringfügige Vorerkrankungen haben (ASA-Gruppe I und II).
Anästhesieverfahren Für die ambulanten Patien-
13
ten gelten die gleichen Regeln wie für den stationären Patienten, was Nüchternheit, Prämedikation und Narkoseeinleitung anbetrifft. Grundsätzlich muss auf Medikamente mit langer Halbwertszeit verzichtet werden. Narkoseeinleitungsmittel und Opioide mit kurzer Wirkungszeit (Propofol, Alfentanil, Remifentanil) werden bevorzugt. Heute steht die Propofol-Remifentanil-Anästhesie oder die Inhalationsanästhesie (Propofol zur Einleitung und z. B. Sevo- oder Desfluran zur Aufrechterhaltung) bei der ambulanten Anästhesie im Vordergrund. Da der Patient oft erst durch den hektischen morgendlichen Straßenverkehr die Klinik erreicht, aufgeregt, ängstlich und zudem hungrig – kurz: im Stress ist, muss für eine ausreichend tiefe Narkose gesorgt werden. Regionalanästhesiologische Verfahren können, wenn kurz wirksame Lokalanästhetika zur Anwendung kommen, als Alternative angesehen werden,
allerdings sind rückenmarksnahe Regionalanästhesien bei ambulanten Patienten kontraindiziert (Grund: Es dauert lange, bis die Wirkung vollständig abgeklungen ist! Cave: weiche Knie!, postspinale Komplikationen wie Harnverhalt etc.). Bei Notfalleingriffen ist die Nüchternheitsfrist zu vernachlässigen, eine Blitzeinleitung ist dann jedoch (7 Kap. 11.3.8) zwingend notwendig. Unter Notfalleingriffen versteht man Operationen, bei denen das Operationsergebnis, auch unter Berücksichtigung des erhöhten Narkoserisikos, für das Leben des Patienten von großer Bedeutung ist (z. B. offene Augenverletzungen oder Reposition einer dislozierten Fraktur, die die periphere Blutversorgung drosselt). Heutzutage wird auch die Meinung vertreten, dass Frakturen, die Schmerzen verursachen und eine Opioidtherapie notwendig machen, sofort in Intubationsnarkose (Blitzeinleitung!!) versorgt werden sollten, weil nach 6-stündiger Wartezeit bis zur »formalen« Nüchternheit die Gefährdungssituation die gleiche ist: Der Patient hat zwischenzeitlich eine schmerz- und opioidgehemmte Magen-Darm-Peristaltik, die Magensaftsekretion nimmt zu, sodass der Patient nach 6-stündigem Warten eher gefährdeter ist, als wenn man die Reposition sofort durchführte! Deshalb bei schmerzhaften Frakturen: sofortige Versorgung, Blitzeinleitung! Postnarkotische Phase Sie stellt das eigentliche Problem beim ambulanten Patienten dar. Der Patient verlässt nach zwei bis vier Stunden die Klinik und kann dann nicht mehr vom Anästhesisten bzw. dem Anästhesiepersonal überwacht werden. Patienten mit Nebenerkrankungen, die unter oder nach der Anästhesie entgleisen können (Epilepsie, Diabetes), sollten deshalb von ambulanten Narkosen prinzipiell ausgeschlossen werden.
197 Anästhesie beim ambulanten Patienten
Wichtig
Vor Verlassen der Klinik muss der Patient auf jeden Fall darauf hingewiesen werden, dass er 5 nur in Begleitung am Straßenverkehr teilnehmen darf, 5 am Tag der Narkose kein Auto führen kann (Verkehrsuntauglichkeit) und keine Maschinen bedienen darf, 5 keine geschäftlichen Abschlüsse tätigen darf (Geschäftsunfähigkeit) und 5 keinen Alkohol (additive Wirkung) konsumieren darf.
Zu Hause darf der Patient wieder essen und trinken, Analgetika sind in ausreichender Dosis zu rezeptieren.
13
14 14
Anästhesie in extremen Lebensaltern
14.1
Anästhesie im Kindesalter – 200
14.1.1 14.1.2 14.1.3 14.1.4
Anatomische und physiologische Besonderheiten – 200 Psychologische Besonderheiten – 203 Operationsvorbereitung – 203 Anästhesiologische Besonderheiten im Kindesalter – 203
14.2
Anästhesie im Greisenalter – 207
14.2.1 14.2.2 14.2.3
Physiologische und pathologische Alterungsvorgänge – 207 Pharmakotherapie im Alter – 209 Narkoseführung – 210
200
14.1
Kapitel 14 · Anästhesie in extremen Lebensaltern
Anästhesie im Kindesalter
Das Kind ist kein kleiner Erwachsener, deshalb gilt es, bei Kindern anatomische und physiologische sowie psychologische Besonderheiten zu berücksichtigen. An Fehlbildungen muss gedacht werden. Definition der Kindesalter: 4 Neugeborenenalter: Geburt bis zum 28. Lebenstag, 4 Säuglingsalter: 2. Lebensmonat bis zum 1. Lebensjahr, 4 Kleinkindesalter: 2.–6. Lebensjahr, 4 Schulkindesalter: 7.–14. Lebensjahr.
14.1.1
Anatomische und physiologische Besonderheiten
Diese spielen vor allem im Neugeborenen- und Säuglingsalter eine große Rolle. Atmung Das Neugeborene hat eine große Zunge,
große Tonsillen, einen hochstehenden Larynx, horizontal stehende Rippen und einen glockenförmigen Thorax. Die Zwerchfellkurven sind flach. Charakteristisch für dieses Kindesalter ist die Nasenatmung. Periodisches Atmen mit intermittierenden Apnoephasen kommen häufig vor bei Frühgeborenen und hypotrophen Neugeborenen. Die Apnoephasen
treten auch postoperativ bei diesen Kindern gehäuft auf. Bei den Atmungsparametern fällt die hohe Atemfrequenz auf. Die Ursache dafür liegt im erhöhten, wachstumsorientierten Grundumsatz, der einen vermehrten Sauerstoffverbrauch und eine gesteigerte CO2-Produktion zur Folge hat. Die hohe Atemfrequenz ist notwendig, um den hohen Sauerstoffbedarf zu decken und das CO2 abzuatmen, sie liegt gleichzeitig in einem Frequenzbereich, der nur eine minimale Arbeit erforderlich macht. Von anästhesiologischer Bedeutung ist, dass das Verhältnis von alveolärer Ventilation (VA) zur funktionellen Residualkapazität (FRC) im Gegensatz zum Erwachsenenalter relativ groß ist (VA:FRC = 5:1 beim Neugeborenen, beim Erwachsenen 1,5:1, . Abb. 14.1). Dies hat zur Folge, dass sich Inhalationsnarkotika in einem viel geringeren »Puffervolumen« verteilen müssen – deshalb schnell an- und abfluten – und dass Veränderungen der inspiratorischen Narkosegaskonzentration sehr viel rascher als im Erwachsenenalter zu einer Veränderung der Narkosetiefe führen. Das neugeborenentypische Verhältnis von VA/FRC erlaubt auch, die Neigung von zur raschen Hypoxie bei Atemwegsverlegung zu erklären. Bei den kleinen anatomischen Verhältnissen bedeutet eine Vergrößerung des Totraumes beim Neugeborenen und Säugling um wenige Milliliter bereits die Gefahr einer Hypoventilation.
. Abb. 14.1. Das Verhältnis von alveolärer Ventilation (VA) zu funktioneller Residualkapazität (FRC) in verschiedenen Lebensaltern
VA FRC VA FRC
14
3 kg VA 385 ml/min 5 = = 1 75 ml FRC
70 kg VA 3750 ml/min 1,5 = = 1 2500 ml FRC
14
201
35–40 90 7,424 Va alveoläre Ventilation, AF Atemfrequenz, AZV Atemzugvolumen, FRC Funktionelle Residualkapazität.
3 20 1:2,8 70 25 12–20 Schulkind
8
30–35 75 7,432 4–5 14 1:3,6 90 25 20–30 Kleinkind
8
30–35 75 7,36 5 13 1:5 120 25 20–40 Säugling
8
82,5 7,37 6 20 1:5 130 25 8
Va [ml/min/kg]
FRC/Va
O2-Gehalt [Vol%]
ph
40–60
Leber Verlässliche Daten über das Ausmaß der unreifen Metabolisierungsfunktion liegen nicht vor. Mit einer protrahierten Wirkung von Barbituraten, Opioiden und anderen in der Leber abzubauenden
Neugeborenes
Blut Das Neugeborene hat einen Hämoglobinwert von 18–20 g/dl und einen Hämatokrit von 50–60%. Der Anteil von fetalem Hämoglobin (HbF), das angepasst an die intrauterinen Verhältnisse hervorragende Sauerstofftransporteigenschaften hat (maximale Sauerstoffausschöpfung des Plazentarblutes), liegt noch bei 20–40%. Der Anteil von fetalem HbF geht jedoch bis zum 5. Monat auf 10% zurück, da sich im extrauterinen Leben die Linksverschiebung der Sauerstoffbindungskurve als ungünstig erweist (erschwerte Abgabe von Sauerstoff ans Gewebe).
FRC [ml/kg KG]
Normwerte für Herzfrequenz und Blutdruck im Kindesalter sind . Tabelle 14.2 zu entnehmen.
AZV [ml/kg KG]
Das Herzzeitvolumen wird im Wesentlichen über die Herzfrequenz gesteuert. Blutdruckabfällen liegt fast immer eine Hypovolämie zugrunde. Das Blutvolumen beträgt: 4 im Neugeborenen- und Säuglingsalter 9% des Körpergewichts, 4 im Kleinkindesalter bis zum 2. Lebensjahr 8% des Körpergewichts und 4 im Klein- (ab 2. Lebensjahr) und Schulkindesalter 7–8% des Körpergewichts.
. Tabelle 14.1. Respiratorische Parameter von Neugeborenen, Säuglingen, Klein- und Schulkindern
4 eine Tendenz zur Zentralisation und durch 4 ein geringes Schlagvolumen.
AF [min–1]
Herz-Kreislauf Der Kreislauf ist geprägt durch:
O2-Verbrauch [ml/min/kg]
pO2 mmHg
pCO2 mmHg
Die arterielle Blutgasanalyse zeigt in den Phasen des Kindesalters unterschiedliche Charakteristika. Beim Neugeborenen unterscheidet sie sich, was arteriellen Sauerstoffpartialdruck, O2-Kapazität und O2-Sättigung betrifft, nur geringfügig von den Werten des Erwachsenenalters. Bemerkenswert aber ist im Säuglingsalter ein niedriger paCO2 als Zeichen einer geringgradigen physiologischen Hyperventilation. Damit wird die niedrige Sauerstofftransportkapazität aufgrund der physiologischen Säuglingsanämie (Trimenonanämie) kompensiert (. Tabelle 14.1).
35–40
14.1 · Anästhesie im Kindesalter
202
Kapitel 14 · Anästhesie in extremen Lebensaltern
. Tabelle 14.2. Kardiovaskuläre Parameter von Neugeborenen und Säuglingen
HF
RRsys
RRm
RRdia
80
60
40
Neugeborenes
120–130
Säugling
120
100
80
70
Kleinkind
100
100
80
70
Schulkind
80
110
85
60
Medikamenten muss jedoch gerechnet werden. Für die Narkose sind die besser steuerbaren Inhalationsnarkotika bei Neugeborenen und Säuglingen zu bevorzugen. Niere Die Nieren sind sowohl morphologisch als
auch funktionell unreif. Das Urinvolumen ist klein, die Konzentrierungsfähigkeit vermindert, die Fähigkeit zur Rückresorption nur unzureichend ausgeprägt. Eine postnatale Anurie ist in den ersten 24 h physiologisch. Persistiert sie über 24 h, so sollte zunächst das harnableitende System sonographisch kontrolliert werden, erst dann sollte eine Katheterisierung erwogen werden. Eine Hypovolämie muss ausgeglichen werden.
14
Temperaturregulation Wegen der relativ zum Körpergewicht großen Körperoberfläche liegt der physiologische Wärmeverlust deutlich über dem von Erwachsenen – und dies bei gleichzeitig niedrigeren Energievorräten. Das Neugeborene kann allerdings zur Not auch Fette aus dem braunen Fettgewebe verbrennen, das in diesem Lebensalter noch im Mediastinum und Retroperitoneum vorhanden ist. Die Umgebungstemperatur, in der das Neugeborene nicht zu einer über das physiologische Ausmaß hinausgehenden Wärmeproduktion gezwungen wird, nennt man Neutraltemperatur. Sie liegt (abhängig vom Reifegrad des Neugeborenen oder Säuglings) zwischen 32 und 35 °C. Folgen einer Hypothermie sind Hypoxie, Hypoglykämie und Azidose durch die anaerobe Glykolyse. All dies kann in einen irreversiblen Schockzustand einmünden.
Wichtig
Die normale Körpertemperatur zu erhalten, zählt bei Patienten im Kindesalter mit zu den wichtigsten anästhesiologischen Pflichten. Folgende Maßnahmen dienen diesem Zweck: 5 Aufwärmen des Operationstisches (Wärmematte; cave: Verbrennungen), 5 Aufheizen des Operationssaales bis zu einer Raumtemperatur von 30 °C, 5 Anwärmen kalter Infusionslösungen, 5 Vermeidung von Zugluft, 5 Anwärmen der Desinfektionslösungen.
Verhindert werden muss aber auch ein Temperaturanstieg, eine »benigne« Hyperthermie (häufigste Ursache: Wärmematte!). Wasser- und Elektrolythaushalt Beim Neugebore-
nen und Säugling liegt relativ zum Erwachsenenalter ein großer extrazellulärer Flüssigkeitsraum (EZR) vor (statt 20% bei Erwachsenen beträgt er beim Neugeborenen 40%!). Bedeutsam ist dieser deshalb, weil sich die Verteilungsräume für hydrophile Medikamente dadurch ändern: die Medikamente müssen relativ zum Körpergewicht höher dosiert werden als beim Erwachsenen. Der tägliche Wasser- und Elektrolytbedarf ist in Anbetracht der unreifen Nierenfunktion wie folgt zu substituieren: 4 Neugeborene am 1. Lebenstag: 50–60 ml H2O/ kg/Tag als Glukose 5% oder 10%, Elektrolytsubstitution nach Laborbestimmung; 4 Neugeborene 2./3. Lebenstag: 80–100 ml H2O/ kg/Tag, 1 mVal Natriumchlorid/kg/Tag;
203 14.1 · Anästhesie im Kindesalter
4 Neugeborene nach dem 4. Lebenstag: 120 ml H2O/kg, 2 mVal Natriumchlorid/kg/Tag, 1 mVal KCl/kg/Tag. Über diesen Basisbedarf hinaus ist bei Verlusten eine adäquate Substitution notwendig.
14.1.2
Psychologische Besonderheiten
14
Andere Prämedikationsverfahren haben dagegen an Bedeutung verloren. Bei Früh- und Neugeborenen sowie bei Säuglingen bis zum 6. Lebensmonat wird wegen der Metabolisierungsunreife der Leber auf eine Prämedikation verzichtet. Treten unter der Maskeneinleitung mit Halothan – sofern dies noch verfügbar ist – bei diesen Kleinen halothanbedingte Hypotensionen und Bradykardien auf, so wird Atropin intravenös gegeben. Präoperative Nüchternheit Zum Schutz vor Aspira-
Die Umgebung Krankenhaus, die Trennung von der Mutter oder anderen Bezugspersonen und die mangelnde Einsicht in die medizinischen Notwendigkeiten verursachen bei Kindern, insbesondere bei Kleinkindern ab dem 8. Lebensmonat, psychischen Stress. Vom Anästhesisten sind daher Einfühlungsvermögen, Geduld und Geschick gefordert, damit psychische Traumatisierungen vermieden werden, die sich postoperativ insbesondere nach mehreren Narkosen in regressivem Verhalten (Einnässen, Einkoten) sowie Störungen des Sozial- und Essverhaltens zeigen können.
14.1.3
Operationsvorbereitung
Prämedikation Auch bei behutsamem Vorgehen
kann man im Kindesalter auf eine Prämedikation kaum verzichten. Die Ziele der Prämedikation ähneln jenen im Erwachsenenalter (7 Kap. 4.9), das Hauptaugenmerk liegt auf einer ausreichenden Anxiolyse und Sedierung. Die Prämedikation im Kindesalter unterlag in den letzten Jahren einem erheblichen Wandel. Heutzutage wird kein Kind mehr zum Zweck der Prämedikation »gepiekt« – eine Maßnahme, die letztendlich zur Beruhigung dienen sollte, aber bei den Kindern die meisten Ängste hervorgerufen hat. Als Prämedikationsmittel der Wahl gilt Midazolam (Dormicum). Es ist oral (0,5 mg/kg), rektal (0,5– 1,0 mg/kg) und nasal (0,2 mg/kg) applizierbar. Bei der oralen Applikation ist allerdings ein Geschmackskorrigens von Nöten, denn Midazolam schmeckt sehr bitter. Es führt zu einer Stimmungsumkehr, d. h. aus ängstlich-traurigen werden heiter-gelassene Kinder. Außerdem besteht eine anterograde Amnesie. Die Erfolgsrate liegt bei etwa 95%.
tion ist auch bei Kindern eine Nüchternheitsphase einzuhalten. Diese ist jedoch gegenüber Erwachsenen zu modifizieren. 4 Neugeborene und Säuglinge: 5 2 h präoperativ Wasser oder Tee, 5 4 h präoperativ Milch oder feste Nahrung; 4 Kleinkinder und Schulkinder: 5 2 h präoperativ Wasser oder Tee, 5 6 h präoperativ feste Nahrungsbestandteile. Präoperative Untersuchungen, Impfproblematik
Wenn das Kind bis auf seine Grunderkrankung gesund ist, so kann auf die präoperative Bestimmung von Laborwerten verzichtet werden. Gleiches gilt auch für EKG und Röntgenthorax. Liegen Vorerkrankungen vor und soll eine ausgedehnte Operation durchgeführt werden, so ist selbstverständlich eine umfassende präoperative Diagnostik (EKG, Röntgenthorax und Labordiagnostik, 7 Kap. 4.7.1) in einem dem Krankheitsbild und der Operation angemessenen Umfang notwendig. Ist das Kind innerhalb von 14 Tagen vor einem operativen Eingriff geimpft worden, so sollte man, wenn es sich um einen Elektiveingriff handelt, die Operation verschieben, bis ein zeitlicher Abstand von 14 Tagen zu der Impfung eingetreten ist.
14.1.4
Anästhesiologische Besonderheiten im Kindesalter
Narkoseeinleitung Rektale Narkoseeinleitung: Einige zur intravenösen Narkoseeinleitung benutzte Medikamente werden in ausreichendem Maße und zuverlässig auch rektal resorbiert; gebräuchlich ist Methohexital (25 mg/kg). Schlaf oder Sedierung treten nach 4–10 min ein. Unerwünschte Wirkungen
204
14
Kapitel 14 · Anästhesie in extremen Lebensaltern
auf Atmung und Kreislauf sind selten. Dennoch muss nachdrücklich betont werden, dass es sich bei der rektalen Methohexital-Applikation nicht um eine Prämedikation, sondern um eine Narkoseeinleitung mit allen Konsequenzen handelt: Ein funktionsfähiges Narkosegerät muss vorhanden sein und ein EKG-Monitoring sowie die Aufsicht eines Anästhesisten oder einer sachkundigen Anästhesieschwester sind notwendig. Kontraindikationen sind schmerzhafte Analleiden und Allergien gegen das rektal applizierte Medikament. Bei Methohexital ist die zum Teil lange Nachschlafzeit ungünstig. Narkoseeinleitung per inhalationem: Dies ist die häufigste Form der Narkoseeinleitung im Kindesalter. Bei Kindern mit wirksamer Prämedikation und kooperativen Kindern ist dies eine elegante Form der Narkoseeinleitung. Das Kind wird in Schnüffelstellung (. Abb.14.2) gebracht und atmet zuerst ein Sauerstoff-Lachgas-Gemisch im Verhältnis von 1:2 ein. Ein Inhalationsnarkotikum (Halothan – sofern noch verfügbar – oder Sevofluran) wird in steigender Dosierung hinzugegeben. Die altersabhängigen MAC-Werte müssen berücksichtigt werden. Unter der wirksamen Prämedikation ist die Narkoseeinleitung kurz und das Exzitationsstadium nicht ausgeprägt. Kontraindikationen der einzelnen Inhalationsnarkotika müssen beachtet werden. Intravenöse und intramuskuläre Narkoseeinleitung: Eine venöse Punktion ist beim Kind oft schwierig (kleine Venen, schreiendes Kind), in bestimmten Situationen aber präoperativ unbedingt notwendig (Blitzeinleitung, Schock). Zur intravenösen Narkoseeinleitung im Kindesalter eignen sich alle bekannten Einleitungsmittel in der Dosierung, wie sie aus . Tabelle 1.2 hervorgeht. Zum Teil muss die Dosierung/kg KG (!) gegenüber Erwachsenen erhöht werden. Mit EMLA, einer lokalanästhesiehaltigen Salbe, kann man das Punktionsgebiet betäuben. Ist eine intravenöse Punktion nicht möglich, kann die Narkoseeinleitung durch die intramuskuläre Applikation von Ketamin (5–8 mg/kg) erfolgen. Dies stellt aber meist schon eine Kapitulation des Kinderanästhesisten dar. Narkoseführung Wegen der guten Steuerbarkeit empfiehlt sich im Neugeborenen- und Säuglingsalter die Inhalationsnarkose. An- und Abflutungszeit sind
umso kürzer, je jünger das Kind ist. Bei Halothan sind unter den Bedingungen einer zu flachen Narkose Rhythmusstörungen mit ventrikulären Extrasystolien häufig. Bei Enfluran ist als Kontraindikation die Epilepsie zu beachten. Isofluran ist bei Kindern insofern nicht unproblematisch, als die Kinder bei der Narkoseeinleitung aufgrund des stechenden Geruchs oft mit einem Laryngospasmus reagieren und zyanotisch werden. Die Narkoseeinleitung mit Sevofluran erfolgt etwas rascher als bei Halothan, ebenso ist die Aufwachphase meist etwas kürzer. In Abhängigkeit von Operation, Art der Prämedikation und der intraoperativen Analgesie wird jedoch die Aufwachphase auch unruhiger: Dies scheint ein Sevofluran-spezifischer Effekt zu sein, der seinen Einsatz in großen kinderanästhesiologischen Abteilungen nicht unproblematisch macht. Clonidin, als Adjuvans zur Prämedikation gegeben, hilft, diese Unruhezustände zu beherrschen, allerdings auf Kosten einer längeren Nachschlafphase. Das Risikoprofil ist dem von Halothan vergleichbar (maligne Hyperthermie, Leberschaden, hinzu kommen die Compound-A-Problematik, konvulsive Effekte, 7 Kap. 1.13.5). Desfluran hat in der Kinderanästhesie wegen der stark atemwegsreizenden Wirkung (hohe Laryngospasmusrate!) keine Verbreitung gefunden. Dafür haben die intravenösen Narkoseformen mit Propofol und Remifentanil in der Praxis insbesondere bei größeren Kindern wegen ihrer guten Steuerbarkeit einen hohen Stellenwert erhalten. Benefit und Risiken ähneln jenen des Erwachsenenalters (7 Kap. 7.2.3). Die für die Inhalationsanästhesie typischen Probleme wie Laryngo- und Bronchospasmus bei der Narkoseein- und -ausleitung sind bei den intravenösen Narkoseformen wie Propofol/Opioide deutlich seltener. Dies hat für die weite Verbreitung dieser Verfahren in der Kinderanästhesie gesorgt. Indikationen zur Intubation Sie ähneln denen bei
Erwachsenen: 4 Eingriffe mit einer Dauer über 20 min, 4 nicht nüchterne Kinder, 4 Kinder im Schockzustand, 4 Operationen 5 im Bereich der Atemwege (Mund, Larynx, Pharynx, Lunge; im Mundbereich gibt es heute die Alternative der Larynxmaske!, 7 Kap. 7.1.2),
205 14.1 · Anästhesie im Kindesalter
5 5 5 5 5
14
im Abdomen, im Thorax, im Retroperitoneum,, bei intrakraniellen Eingriffen Neugeborene (Säuglinge bis zum 6. Lebensmonat).
Wenn sich die Maskenbeatmung schwierig gestaltet, sollte die Indikation zur Intubation noch großzügiger als beim Erwachsenen gestellt werden. Technik der Intubation Wegen des relativ großen
Hinterkopfes wird das Kind auf eine Schulterrolle gelagert und in eine Schnüffelstellung gebracht (. Abb.14.2). Das Kind atmet ein Narkosegasgemisch ein oder erhält ein intravenöses Narkoseeinleitungsmittel. Eine Relaxation ist insbesondere im Säuglingsalter nicht immer notwendig. Eine Intubation in tiefer Inhalationsnarkose sollte dennoch nur dem Erfahrenen vorbehalten bleiben. Aufgrund einer möglichen pharyngealen Reizung drohen Regurgitation sowie Stimmbandläsionen, wenn nicht atraumatisch intubiert werden kann. Die Muskelrelaxansdosis muss, bei Gabe depolarisierender Muskelrelaxanzien, leicht erhöht werden (größerer Verteilungsraum für Succinylcholin, statt 1 mg/kg sollen 2 mg/kg appliziert werden). Bradykardien können insbesondere nach Repetitionsdosen von Succinylcholin und nach zu schneller Injektion auftreten. Die Erfahrung zeigt, dass diese Rhythmusstörungen nahezu immer spontan verschwinden. Nur in Ausnahmefällen ist eine intravenöse Atropingabe notwendig. Aufgrund der möglichen Succinylcholin-induzierten Rhabdomyolysen bei Kindern mit subklinischen Myopathien gilt heute die routinemäßige Gabe von Succinylcholin bei Kindern als kontraindiziert. Als Alternative bieten sich die nichtdepolarisierenden Muskelrelaxanzien Mivacurium oder Atracurium bzw. Vecuroniumbromid an (7 Kap. 1.14.3). Als Instrumente sind Laryngoskop, bei nasaler Intubation meist eine Magill-Zange, alles der Größe des Kindes angepasst, notwendig. Abweichend vom Erwachsenenalter werden unterschiedliche Laryngoskopspatel angeboten; die Erfahrung zeigt jedoch, dass diese selbst bei kleinsten Kindern dem Laryngoskop nach MacIntosh gegenüber keine wesentlichen Vorteile bieten.
. Abb. 14.2. Lagerung des Kindes bei der Maskenbeatmung (Schnüffelstellung)
Praxisbox Praktische Aspekte bei der Tubuswahl Die Wahl des Tubus kann kompliziert sein. Individuelle Parameter wie das Alter des Kindes müssen berücksichtigt werden. Die Formeln erfordern zum Teil umständliche Berechnungen. In der Praxis hat sich die Kleinfingerregel bewährt. Der Tubus muss so groß sein wie der kleine Finger des Patienten. Zwei weitere Tuben – eine Nummer kleiner, eine Nummer größer – sollten bereit liegen. Ob die Größe des Tubus richtig gewählt ist, kann man an der Nebenluft erkennen (darunter versteht man die Luft, die bei positiver Druckbeatmung inspiratorisch aus der Trachea bei liegendem, aber ungeblocktem Tubus entweicht): Eine Leckage bei einem Beatmungsdruck über 15 cm Wassersäule ist normal; tritt sie nicht auf, so ist ein zu großer Tubus gewählt worden.
Bis zu einem Alter von 8 Jahren werden ungeblockte Tuben, d. h. Tuben ohne Cuff, angewandt. Grund dafür ist, dass die Trachea von Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern so sensibel gegen Druck ist, dass der vom geblockten Cuff (7 Kap. 7.1.3) ausgeübte Druck bereits Läsionen verursachen kann. Stridor und Laryngospasmen könnten postoperativ die Folge sein. Vor Aspirationen ist das Kind dennoch geschützt, weil die Trachea subglottisch ihre engste Stelle hat und deshalb eine Abdichtung gegeben ist. Ist der Tubus platziert, so muss sorgfältig auskultiert werden. Man hört bei Kindern oft auf der Gegenseite das fortgeleitete Atemgeräusch der anderen
206
Kapitel 14 · Anästhesie in extremen Lebensaltern
Seite, das eine beidseitige Ventilation vortäuscht, auch wenn der Tubus einseitig liegt. Selbst kleine Differenzen in der Auskultation können auf eine einseitige Intubation hinweisen. Beide Thoraxhälften müssen sich gleich bewegen. Auch bei Narkosen im Kindesalter wird fast immer orotracheal intubiert. Der Tubus lässt sich in dieser Lage ausreichend gut fixieren. Die nasotracheale Intubation wird vorzugsweise für Langzeitintubationen und bei Neugeborenen (bessere Fixationsmöglichkeit) empfohlen. Adenoide sind eine relative Kontraindikation für die nasale Intubation.
14
Extubation Das Vorgehen ist altersabhängig. Im Neugeborenen- und Säuglingsalter ist die Extubation beim wachen Patienten anzustreben: Das Kind muss auf dem Tubus kauen, motorische Aktivität zeigen, husten. Neugeborene und Säuglinge haben manchmal einen Inhalationsnarkotikaüberhang und sind auch gegenüber dem Fremdkörperreiz »Tubus« noch nicht so sensibel. Anders wird im Kleinkindesalter vorgegangen. Es handelt sich um die Lebensphase mit der größten Sensibilität gegenüber dem Tubus in der Trachea. Deshalb ist die Inzidenz von Laryngospasmen und Stridor hoch. Die Extubation sollte beim noch schlafenden, aber bereits spontan atmenden Kind erfolgen, das sich bereits im Besitz seiner Reflexe befindet. Bei Kindern mit Infektionen der oberen Luftwege ist die Empfindlichkeit der Trachea auf jeden Fall gesteigert. Tritt trotz aller Sorgfalt ein Laryngospasmus oder Stridor auf, so sind beim Laryngospasmus Relaxation (Succinylcholin) und Beatmung, bis die Succinylcholinwirkung abgeklungen, oder – alternativ – die Gabe von Propofol angezeigt, und beim Stridor Sauerstoffgabe, Sedierung (Midazolam, Diazepam) sowie abschwellende Maßnahmen (Vaponephrin-Vernebler, Kortikoide) erforderlich; manchmal ist auch eine Reintubation notwendig. Larynxmaske Die Larynxmaske ist auch für die Kin-
deranästhesie eine große Bereicherung. Beim nüchternen Kind ist sie bei allen kurzdauernden kinderchirurgischen Einsätzen wie zum Beispiel Herniotomien, Orchidopexien, Zirkumzisionen einsetzbar. Sie ist eine sehr elegante Form der Atemwegssicherung auch im Kindesalter. Nach Applikation von Propofol, ergänzt durch ein Opioid, wird die La-
rynxmaske einfach wie beim Erwachsenen eingeführt. Treten Probleme bei der Positionierung der Larynxmaske auf, so ist diese auch unter laryngoskopischer Sicht zu positionieren. Die Toleranz der Larynxmaske ist bei Kindern ebenso exzellent unter adäquaten Anästhesiemethoden wie im Erwachsenenalter. Wichtig ist jedoch, dass die Narkose adäquat tief ist, damit nicht über chirurgische Stimuli ein Laryngo- oder Bronchospasmus getriggert wird. In jüngster Zeit haben sich die Larynxmaskenanästhesien auch im Bereich der HNO zu den Adenotomien und Tonsillektomien bewährt. Hier ist allerdings die Kooperation des HNO-Arztes von großer Bedeutung. Besonders bei den Adenotomien und Tonsillektomien hat die Larynxmaske den Vorteil, dass sie postoperativ in situ belassen werden kann und das Kind dann mit der Larynxmaske als Atemwegsschutz in den Aufwachraum gebracht werden kann. Wacht es auf, so ist es dann selbst in der Lage, die Larynxmaske zu entfernen. Beatmungssysteme Dazu zählen im Kindesalter das halboffene und das halbgeschlossene System. Beim halboffenen System handelt es sich um ein vom Ayre-T-Stück abgeleitetes, von Kuhn eingeführtes System (Kuhn-System), das aus Reptilschlauch, Beatmungsbeutel mit Loch, frischgaszuführendem Schlauch, Maskenkrümmer und Maske besteht. Im System fehlen charakteristischerweise die Ventile, der Reptilschlauch ist Ein- und Ausatemschenkel zugleich, die Narkosegase entweichen über ein Loch des Beutels nach außen (7 Kap. 2). Der Beatmungsdruck wird über den Beatmungsbeutel kontrolliert. Eine ausreichende CO2-Elimination ist nur dann möglich, wenn als Frischgas-Flow das Dreifache des Atemminutenvolumens eingestellt ist und somit das CO2 ausgespült werden kann (Spülsystem). Nachteilig ist, dass das Narkosegas nach außen abströmt und der Beatmungsdruck beim Kuhn-System nicht messbar ist. Mit dem Einbau eines Druckbegrenzungsventils, eines Druckmanometers und eines Narkosegasableitungssystems sind diese Nachteile eliminierbar. Dennoch ist der hohe Narkosegasverbrauch weder ökonomisch noch ökologisch vertretbar. Insofern ist das Kuhn-System heute in der Kinderanästhesie als obsolet zu betrachten, wiewohl es in Modifikationen im angloamerikanischen Bereich noch eine weite Verbreitung findet.
207 14.2 · Anästhesie im Greisenalter
Das Ulmer Kreissystem ist ein halbgeschlossenes Beatmungssystem (7 Kap. 2), bei dem der Durchmesser der Schläuche kleiner ist. Die Vorteile bestehen darin, dass in diesem System eine Messung des Beatmungsdrucks und des endexspiratorischen CO2 möglich ist. Über den CO2-Absorber wird die Atemluft angewärmt und angefeuchtet. Der Frischgasfluss liegt mit 3 l deutlich niedriger als beim halboffenen System; dies reduziert den Narkosegasverbrauch und schützt die nahe (Operationssaal, Operateure, Anästhesisten) und ferne Umgebung. Das Ulmer Kreissystem ist heute die Methode der Wahl der Beatmung bei Kindern.
14
Aufnahme und Verteilung der Inhalationsnarkotika – sind damit unter ständiger Kontrolle. An den Herztönen kann der erfahrene Anästhesist die Kreislaufsituation des Kindes erkennen (leise Herztöne – niedriges Herzzeitvolumen, laute Herztöne – ausreichendes Herzvolumen bzw. Hypervolämie). Gleiches erreicht man auch mit dem Ösophagusstethoskop. Bei Kindern mit einem Körpergewicht <3 kg ist immer – unabhängig von der Länge der Operation – eine Temperatursonde zu legen, bei Kindern >3 kg nur bei Eingriffen mit einer Dauer von über 1 Stunde. Besonderheiten der Medikamentenvorbereitung
Intraoperative Volumensubstitution Keine Nar-
kose ohne venösen Zugang! Diese Devise gilt auch im Kindesalter, wenn auch aus psychischen Gründen und aus Gründen der Praktikabilität die Venenpunktion oft erst nach der Narkoseeinleitung erfolgt (Elektiveingriffe). Der venöse Zugang dient der Applikation von Muskelrelaxanzien, von Notfallmedikamenten und der intraoperativen Flüssigkeitssubstitution. Abhängig vom operativen Eingriff werden Wasser und Elektrolyte wie folgt substituiert: 4 Operation an der Körperperipherie: 4 ml/kg/h, 4 im Thorax: 6 ml/kg/h, 4 im Abdomen: 8 ml/kg/h. Als Infusionslösung im Säuglings- und Kleinkindesalter bietet sich eine Halb- oder Zweidrittelelektrolytlösung mit einem Zuckeranteil von 1,25–2,5% an; dies ist von Vorteil, da damit intraoperativ Hypoglykämien vermieden werden können. Auch bei Neugeborenen und Säuglingen orientiert sich die Volumensubstitution an den Verlusten (deshalb immer wieder ins Operationsfeld schauen!) und an den Kreislaufparametern. Dennoch ist es oft schwierig und erfordert viel Erfahrung, die kleinen Verluste mit ihren großen Auswirkungen für den Kreislauf des Kindes abzuschätzen. Besonderes Monitoring in der Kinderanästhesie
Zusätzlich zur Pulsoxymetrie und zum EKG gehört bei Kindern das präkordiale Stethoskop, linksseitig auf dem Thorax angebracht, zum routinemäßigen Monitoring. Herz und Lunge – die wichtigsten Vitalfunktionen und gleichzeitig die Determinanten für
Um der Gefahr von Unter- und besonders von Überdosierungen, die in der Kinderanästhesie besonders groß ist, zu entgehen, empfiehlt sich eine Verdünnungstabelle (Beispiel: . Tabelle 14.3), die eine einfache Berechnung der jeweiligen Dosierung ermöglicht. Nachbeatmung oder verzögerte Aufwachphasen aufgrund von Fehldosierungen sind deshalb eine Seltenheit.
14.2
Anästhesie im Greisenalter
Kennzeichnend für das Greisenalter sind die physiologisch eingeschränkte Leistungsbreite der Organsysteme und die hohe Inzidenz von Vorerkrankungen (Polymorbidität). Im Greisenalter wird die Indikation zum dringlichen Eingriff weiter gefasst: Dazu zählen auch alle Erkrankungen und Verletzungen, die zu einer Immobilisierung des alten Patienten führen (z. B. Schenkelhalsfraktur) und ihn durch eine erhöhte Pneumonie-, Thrombose- und Embolierate gefährden.
14.2.1
Physiologische und pathologische Alterungsvorgänge
Atmung An morphologischen Veränderungen sind nachweisbar: 4 Erweiterung der Alveolen und Bronchiolen, 4 Reduktion des Alveolarzellgehalts, 4 Atrophie der feinen Netzkapillaren, 4 Degeneration von Knorpel- und Muskelgewebe in den Bronchien.
208
Kapitel 14 · Anästhesie in extremen Lebensaltern
. Tabelle 14.3. Empfehlung für Verdünnungsregeln Anästhesiemedikamente bei Kindern
Medikament
Ampulleninhalt
Verdünnung
Spritzeninhalt
Dosierung
Trapanal Hypnomidate Dormicum Ketanest
500 mg 20 mg/10 ml 15 mg/3 ml 100 mg/2 ml
auf 20 ml aqua 10 ml + 10 ml NaCla 3 ml + 12 ml NaCl 2 ml + 8 ml NaCl
25 mg/ml 1 mg/ml 1 mg/ml 10 mg/ml
Ketanest S Propofol
250 mg/10 ml 200 mg/20 ml
pur 10 ml+ 1 ml Lidocain 1%a
25 mg/ml 9,1 mg/ml
3–5 mg/kg 0,2 mg/kg 0,1–0,15 mg/kg 1–2 mg/kg i. v. 10 mg/kg rect. 0,5–1 mg/kg 2–5 mg/kg
0,1 mg/2 ml 1 mg/2 ml 50 mg/1 ml 15 mg/2 ml 1/2/5 mg
2 ml + 8 ml NaClb 2 ml + 8 ml NaClb 1 ml + 9 ml NaCl 2 ml + 13 ml NaCl 1 mg + 40 ml NaCl
0,01 mg/ml 0,1 mg/ml 5 mg/ml 1 mg/ml 0,025 mg/ml
0,001–0,01 mg/kg 0,01–0,1 mg/kg 0,5–1 mg/kg 0,1–0,2 mg/kg 0,2–0,5 µg/kg/min
10 mg 50 mg/5 ml 4 mg/2 ml 50 mg/5 ml 10 mg/5 ml 100 mg/5 ml
auf 10 ml NaCl 50 mg + 5 ml 2 ml + 2 ml NaCl 5 ml + 5 ml NaCl 5 ml + 5 ml NaCl 2,5 ml + 7,5 ml NaClb
1 mg/ml 10 mg/ml 1 mg/ml 5 mg/ml 1 mg/ml 5 mg/ml
0,1 mg/kg 0,6 mg/kg 0,1 mg/kg 0,5 mg/kg 0,2–0,3 mg/kg 1 mg/kg
1 ml + 4 ml NaCl 1 ml + 9 ml NaCl b in 1 ml Spritze 2 ml + 8 ml NaCl 20 ml + 20 ml aquab
0,1 mg/ml 0,1 mg/ml 0,01 mg/ml 20 mg/ml 0,5 mmol/ml
0,01 mg/kg 0,01 mg/kg (Reanimation) fraktioniert nach BGA
b
in 1 ml Spritze 1 ml + 9 ml NaCl 1 ml Spritze bei Pat. <50 kg
0,5 mg/ml 0,04 mg/ml 0,1 mg/ml
0,01–0,05 mg/kg 0,001 mg/kg 0,002 mg/kg
1 ml + 9 ml NaCl
15 µg/ml
0,5–3 µg/kg
Hypnotika
Analgetika Fentanyl Rapifen Dolantin Dipidolor Ultiva Muskelrelaxanzien Norcuron Esmeron Pancuronium Tracrium Mivacron Pantolax
Notfallmedikamente Atropin Suprarenin
0,5 mg/1 ml 1 mg/1 ml
Akrinor NaHCO3 8,4%
200 mg/2 ml Amp. 20 ml
Antagonisten Prostigmin Narcanti Anexate
0,5 mg/1 ml 0,4 mg/1 ml 0,5 mg/5 ml
Sonstige Medikamente
14
Catapresan a
150 µg/ml
b
Begründung: Zur Verringerung des Injektionsschmerzes, Verdünnung für Neugeborene und Säuglinge
Dies führt zu folgenden funktionellen Veränderungen: 4 Abnahme der Dehnbarkeit (Compliance), 4 Abnahme der Retraktionskraft, 4 Vergrößerung des Residualvolumens, 4 Abnahme der Sekundenkapazität,
4 Verminderung des Atemgrenzwertes bei restriktiven bzw. obstruktiven Funktionsstörungen, 4 restriktive Verteilungsstörungen, die zu einer Abnahme des Sauerstoffpartialdrucks führen (2–4 mmHg/Jahrzehnt) bei konstanten Partialdrucken für paCO2.
209 14.2 · Anästhesie im Greisenalter
Zu diesen physiologischen Alterungsvorgängen kommen pathologische Veränderungen: Kein anderes Organ ist so intensiv wie die Lunge während eines langen Lebens Rauch, Stäuben, Dämpfen und Gasen – kurz: der Umwelt – ausgesetzt. Auf diese umweltbedingten Schädigungen, aber auch bei anderen Erkrankungen der Lunge (Asthma bronchiale, chronische Emphysembronchitis) können sich Bronchitiden, Pneumonien und Tuberkulosen aufpfropfen. Konfrontiert wird der Anästhesist vor allen Dingen mit chronischen Bronchitiden, chronischer Emphysembronchitis und Asthma bronchiale. Bei Patienten mit diesen Erkrankungen besteht häufig eine Basistherapie mit Mukolytika, β-Mimetika, Parasympatholytika, manchmal auch mit Kortikoiden. Diese Medikation muss weitergeführt und der perioperative Kortikoidbedarf gegebenenfalls substituiert werden. Eine Lungenfunktionsprüfung und eine arterielle Blutgasanalyse müssen präoperativ durchgeführt werden. Herz-Kreislauf Als physiologische Alterungsverän-
derungen treten auf: 4 Vergrößerung von Vorhöfen, Klappen und Kammern, 4 Ablagerung von Lipofuszin und Altersamyloid in Myokard und Klappen, 4 intramurale Arterio- und Arteriolosklerose, 4 Elastizitätsabnahme der Aorta, 4 Arteriosklerose der Gefäße. Dies führt zu folgenden funktionellen Veränderungen: 4 Verminderung der Kontraktilität, 4 Verminderung des Herzminutenvolumens, 4 Abnahme des Pulsanstiegs nach Belastung, 4 Anstieg des enddiastolischen Ventrikelvolumens. Der alte Patient trägt diesen funktionellen Einbußen mit einer reduzierten Altersbelastung Rechnung. Pathologische Veränderungen des Herz-Kreislauf-Systems im Alter sind 4 stenosierende Koronarsklerose, 4 ischämische Myokardnekrose, 4 Hypertrophie des linken und rechten Ventrikels, 4 Veränderungen von Mitral- und Aortenklappen, 4 disseminierte degenerative Veränderungen nach Myokarditiden.
14
Klinisch führen diese Veränderungen zu Angina pectoris oder zum Herzinfarkt (Myokardischämie) sowie zur Herzinsuffizienz (degenerative Veränderungen, Myokarditiden, Zustand nach Herzinfarkt). Die pathologischen Herz-Kreislauf-Veränderungen erfordern oft ein erweitertes Monitoring (7 Kap. 8.3). Perioperativ muss die Dauermedikation fortgeführt werden (7 Kap. 4.2). Niere Morphologisch zeigt sich eine Verminderung von Größe und Gewicht der Nieren. Nierengefäße weisen im Alter meist arteriosklerotische Veränderungen auf. Funktionell kommt es zu einem um 50% reduzierten Plasmafluss und zu einer verminderten glomerulären Filtrationsrate, die sich in einer Abnahme der Kreatinin-Clearance zeigt. Der Kreatininwert ist im Alter nur mit Einschränkung zu werten. Die Gesamt-Kreatininbildung und -ausscheidung geht von der 2. bis zur 9. Lebensdekade um 50% zurück. So ist auch bei normalen Kreatininwerten im hohen Alter schon mit einer erheblich verminderten Nierenfunktion zu rechnen. Pathologische Veränderungen sind bei Diabetes mellitus sowie bei und nach Einnahme nephrotoxischer Medikamente zu erwarten. Stoffwechsel Im Vordergrund steht der Altersdiabe-
tes (anästhesiologische Aspekte 7 Kap. 12.3).
14.2.2
Pharmakotherapie im Alter
Der Polymorbidität im Alter folgt meist eine Polytherapie. Patienten, die regelmäßig mehr als fünf verschiedene Medikamente nehmen, sind keine Seltenheit. Auch bei regelrechter Einnahme sind Interaktionen mit schwerwiegenden Folgen (z. B. Erhöhung der Digitalis-Toxizität bei Diuretika-Therapie) zu befürchten. Hinzu kommt im Alter eine meist stärkergradig gestörte Arzt-Patienten-Compliance. Vergesslichkeit, Missverständnisse, Apathie und Verwirrtheitszustände sind somit weitere Unsicherheitsfaktoren der medikamentösen Therapie im Alter. Zusätzlich kann eine Enzyminduktion oder Enzymhemmung vorliegen.
210
14.2.3
Kapitel 14 · Anästhesie in extremen Lebensaltern
Narkoseführung
In Anbetracht der modernen Anästhetika und der differenzierten Überwachungsmethoden gibt es auch beim betagten Patienten zwischen Regionalanästhesie und Allgemeinnarkosen, was die perioperative Letalität anbetrifft, keine Unterschiede, sodass beide Möglichkeiten offenstehen. Bedeutsamer als das Alter sind die Vorerkrankungen. Auf diese Aspekte wurde in Kap. 12 bereits ausführlich eingegangen.
14
15 15
Anästhesie in verschiedenen operativen Disziplinen
15.1
Abdominalchirurgie – 212
15.2
Thoraxchirurgie – 214
15.3
Herzchirurgie – 216
15.3.1 15.3.2
Pathophysiologie und Narkose bei kongenitalen Vitien Extrakorporale Zirkulation – 218
15.4
Gefäßchirurgie
15.5
Geburtshilfe
15.5.1 15.5.2 15.5.3 15.5.4 15.5.5 15.5.6 15.5.7
Patientinnen und Komplikationshäufigkeiten – 219 Physiologische Veränderungen in der Schwangerschaft – 219 Physiologie von Uterus und Plazenta – 220 Maßnahmen zur Linderung des Wehenschmerzes – 221 Anästhesie zur Sectio caesarea – 223 Anästhesie zur manuellen Nachräumung – 224 Erstversorgung von Neugeborenen – 224
15.6
Urologie
15.7
HNO-, zahn- und kieferchirurgische Eingriffe – 228
15.8
Neurochirurgie
15.8.1 15.8.2 15.8.3 15.8.4
Gesteigerter intrakranieller Druck – 230 Prämedikation – 232 Anästhesie bei intrakraniellen Eingriffen – 232 Spezielle Probleme – 234
15.9
Ophthalmologie – 234
15.9.1 15.9.2
Spezielle Erkrankungen Narkoseformen – 235
– 217
– 218
– 219
– 226
– 230
– 234
212
15.1
Kapitel 15 · Anästhesie in verschiedenen operativen Disziplinen
Abdominalchirurgie
Patienten Betroffen sind bei Elektiveingriffen wie bei Notfalleingriffen alle Lebensalter mit einem leichten Überwiegen der alten Patienten. Elektiveingriffe Zu unterscheiden sind Eingriffe
4 am Magen-Darm-Trakt, 4 an den parenchymatösen Organen und 4 Gefäßeingriffe. Viele Eingriffe werden heute laparoskopisch durchgeführt (Cholezystektomie, Appendektomie, Sigmaresektionen). Anästhesieverfahren Im Vordergrund der anästhesiologischen Problematik steht die ausreichende Narkosetiefe und Relaxation, um dadurch die Voraussetzung für einen optimalen Operationssitus zu schaffen. Unter Beachtung aller Kontraindikationen und patientenspezifischen Risiken sind folgende Narkoseformen möglich: 4 Intubationsnarkose mit Inhalationsanästhetika z. B. Enfluran, Isofluran, Sevofluran, Desfluran, supplementiert mit Opioid evtl. in Kombination mit einem PDA-Katheter sowie Relaxation mit Pancuronium, Vecuronium, Atracurium oder Cis-Atracurium, je nach Dauer des Eingriffs und der Gewohnheit des Anästhesisten. 4 Alternative: TIVA (Propofol/Opioid [Fentanyl, Sufentanil oder Remifentanil] mit O2/Luftgemisch zur Beatmung) oder IVA (Propofol/ Opioid) mit O2/N2O.
15
Für kurz dauernde Eingriffe eignen sich Inhalationsnarkotika, supplementiert mit Opioiden. Bei länger dauernden Eingriffen ist insbesondere dann, wenn postoperativ eine effektive Schmerztherapie notwendig wird, die Anlage eines Periduralkatheters angezeigt, der postoperativ mit Bupivacain oder Ropivacain, verbunden mit Sufentanil, bedient wird (7 Kap. 7.3.2). Die Allgemeinanästhesie kann dann bei effektiv wirksamer Periduralanästhesie als flache Inhalationsnarkose oder als TIVA/IVA geführt werden. Darüber hinaus hat die PDA noch den Vorteil, dass sie die Durchblutung im Splanchnikusgebiet fördert und damit dem leberdurchblutungsver-
mindernden Effekt von Inhalationsnarkotika entgegentritt. Adäquater Volumenersatz Blutverluste sind am größten bei Leberteilresektionen, gefolgt von abdominosakralen Rektumamputationen, Operationen nach Whipple, Magen- und Dickdarmresektionen. Notwendig ist bei abdominalchirurgischen Eingriffen 4 das Legen der Magensonde in Absprache mit dem Operateur. Über die Magensonde soll das Magensekret abgeleitet, Luft abgesaugt und der Patient vor Aspiration geschützt werden; 4 der zentralvenöse Zugang: Er ist indiziert bei volumenumsatzträchtigen Operationen (z. B. Leberteilresektionen) zum Abschätzen des intravasalen Volumenstatus (ZVD!) und der notwendigen Volumensubstitution sowie zur postoperativen parenteralen Ernährung (z. B. nach Anastomosen im Magen-Darm-Trakt); 4 das Legen eines Blasenkatheters: Er ist bei Operationen, die länger als 2 h dauern, aus diagnostischen (Schock? Anurie?) und prophylaktischen Gründen (intraoperativer Urinabgang führt bei der elektrischen Koagulation zu Verbrennungen an den Auflagestellen des Körpers) indiziert.
Der PDA-Katheter muss präoperativ bei wachem Patienten gelegt werden, um seine Wirksamkeit und Ausdehnung abschätzen zu können. Außerdem werden auf diese Weise Nervenläsionen vermieden. Die analgetische Wirkung ist bereits intraoperativ zu nutzen, der größere Wert liegt allerdings in der postoperativen Analgesie, die nicht nur die Schmerzen lindert, sondern auch das Abhusten erleichtert und Pneumonien verhindert. Günstig ist der PDA-Katheter 4 bei älteren Patienten, 4 bei pulmonalen und kardiovaskulären Vorerkrankungen sowie 4 zur Anregung der Peristaltik (Blockade des Sympathikus und dadurch Vasodilatation und Verbesserung der Durchblutung im Splanchnikusgebiet!). Laparoskopisch durchgeführte Eingriffe
Zahlreiche Eingriffe werden heute in der Allgemeinchirurgie laparoskopisch, d. h. minimal-invasiv durchgeführt. Die Vorteile des minimal-invasiven
213 15.1 · Abdominalchirurgie
Operierens liegen in der postoperativen Phase: Die Patienten sind weniger schmerzgeplagt und können schneller mobilisiert werden. Aufenthaltsdauer verkürzt sich enorm. Diesen Vorteilen stehen intraoperativ etliche Probleme gegenüber: Es entsteht ein Pneumoperitoneum, das in Verbund mit einer Kopftieflage zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Beatmung führen kann. Insofern sind Beatmungsmuster und Sauerstoffkonzentration in der Einatmungsluft den jeweiligen Messwerten anzupassen. Insbesondere das Atemminutenvolumen muss erhöht werden, um das resorbierte CO2 wieder abzuatmen. Darüber hinaus hat das Pneumoperitoneum auch über den erhöhten intraabdominellen und intrathorakalen Druck erheblichen Einfluss auf die Hämodynamik: Verminderung des venösen Rückflusses und RR-Abfälle, die entsprechend therapiert werden müssen. Notfalleingriffe
Akutes Abdomen und intraabdominelle Blutung: Patienten mit akutem Abdomen sind stärker gefährdet als Patienten, die sich einem Elektiveingriff unterziehen müssen. Grund dafür sind die Gefahr von Aspiration (Atonie bei Ileus, Peritonitis) und eine meist ausgeprägte Hypovolämie (Ileus, Peritonitis). Dazu kommen 4 bei Ileuspatienten eine meist stark ausgeprägte Störung des Allgemeinbefindens und Mattigkeit, beim mechanischen Ileus verbunden mit starken, krampfartigen Schmerzen; 4 bei Peritonitis meist starke Schmerzen. Beim alten Patienten können aufgrund von Indolenz Schmerzen fehlen. Häufige Ursachen der abdominellen Notfalleingriffe sind 4 im Oberbauch: 5 Hohlorganperforationen (Magenperforation), 5 Dünndarmileus, 5 Entzündung (Cholezystitis, Pankreatitis, Peritonitis); 4 im Unterbauch: 5 Hohlorganperforationen (z. B. Sigmadivertikelperforation), 5 Ileus (mechanisch, z. B. Bride; paralytisch, z. B. Abszess), 5 Entzündungen (Appendizitis, Peritonitis).
15
Das Aspirationsrisiko ist bei abdominellen Notfalleingriffen hoch. Wegen der hohen Letalität der Aspirationspneumatosis müssen die bereits beschriebenen Vorkehrungen getroffen werden (7 Kap. 11.3.8). Kommt es dennoch zur Aspiration, muss intubiert, abgesaugt und mit PEEP beatmet werden (7 Kap. 11.3.7). Die präexistente Hypovolämie kann starke Ausmaße annehmen. Wenn beim Ileus im Abdomenübersichtsbild eine Spiegelbildung festzustellen ist, so liegt meist schon ein Defizit an Extrazellulärflüssigkeit (EZF) von 2 l vor. Der Patient ist exsikkiert, sein Blut ist eingedickt (Hb ↑, HKT ↑, Plasmaproteine ↑), er tendiert zur Oligurie/Anurie. Die Blutgasanalyse zeigt eine metabolische Azidose, es liegt eine Hypokaliämie und -chlorämie vor. Bei einer Peritonitis liegt, wenn das dünnhäutige Peritoneum nur unwesentlich anschwillt (von 1 mm auf 3 mm), bereits eine solch ausgeprägte Hypovolämie vor, dass nur mit einer Infusion von ca. 6 l Elektrolytlösung die Vitalfunktionen (Herzfrequenz, Blutdruck, Urinausscheidung) normalisiert werden können. In erster Linie wird Extrazellulärflüssigkeit durch eine Vollelektrolytlösung substituiert. Die Substitution muss vorsichtig unter Kontrolle der Herz-Kreislauf-Parameter erfolgen (cave Herzinsuffizienz). Zu bedenken ist, dass unter der Volumensubstitution mit Elektrolytlösungen auch eine Anämie und eine Hypoproteinämie demaskiert werden können, sodass Plasmaeiweißsubstitution und Bluttransfusion notwendig werden. Bei einer akuten Herzinsuffizienz muss die Volumensubstitution bei gleichzeitiger kardialer Stützung (Dobutamin, Dopamin) erfolgen. Das Peritoneum hat eine große Abwehrkapazität. Leukozyten und Makrophagen im Peritoneum verhindern die Bakterieninvasion ins Blut. Die Kapazität des Peritoneums ist jedoch erschöpfbar. Es kann bereits intraoperativ zu einer Invasion von Bakterien und zu einem Einschwemmen von Endotoxinen in das Gefäßsystem kommen. Dies kann zu 4 einem septischen Schockzustand (7 Kap. 22.3) mit konsekutiver Ateminsuffizienz und 4 einer Anurie (Pathomechanismen 7 Kap. 23.3) führen.
214
Kapitel 15 · Anästhesie in verschiedenen operativen Disziplinen
Wichtig
Der septische Fieberanstieg erfolgt meist erst postoperativ. Patienten, bei denen sich bereits intraoperativ ein septisches Organversagen anbahnt, sollten nicht extubiert und auf der Intensivstation weiterbeatmet werden (7 Kap. 21, 22.6).
Eine Darmatonie gehört zum »physiologischen« postoperativen Verlauf bei Peritonitis und beim präexistenten Ileus. Ein PDA-Katheter ist unter Berücksichtigung der Gerinnungssituation (cave Gerinnungsstörungen bei Sepsis) indiziert.
15.2
15
Thoraxchirurgie
Pathophysiologische Veränderungen Thoraxoperationen werden meist in Seitenlage durchgeführt. Es kommt daher zu regionalen Veränderungen des Ventilations-Perfusions-Quotienten. Die unten liegende Lunge wird gut durchblutet, aber schlecht ventiliert, in der oben liegenden Lunge sind die Verhältnisse umgekehrt. Durch das Zusammenfallen und das Zusammendrücken der oberen Lunge durch die chirurgischen Instrumente gleichen sich diese regionalen Veränderungen zum Teil wieder aus. Mit der Ein-Lungen-Anästhesie wird der normale Ventilations-Perfusions-Quotient wieder hergestellt (7 unten). Von Bedeutung ist auch der Euler-Liljestrand-Mechanismus: Fällt der arterielle pO2 (paO2), so kommt es zu einer arteriellen Vasokonstriktion. Durch diese arterielle Widerstandserhöhung besteht die Möglichkeit, die Durchblutung schlecht ventilierter Lungenbezirke einzuschränken und den Blutstrom in gut ventilierte Gebiete umzuleiten. Gelangt durch die Operation oder infolge eines Traumas Luft in den Pleuraspalt, so entsteht ein Pneumothorax (. Abb. 35.1). Die Lunge der entsprechenden Seite kollabiert. Vor allem bei größeren Thoraxwanddefekten kann es unter Spontanatmung zum Mediastinalflattern kommen. Besteht an der Thoraxöffnung ein Ventilmechanismus, der zwar ein Einströmen der Luft in den Thorax, aber kein Ausströmen zulässt, so entsteht ein Spannungspneumothorax. In der Pleurahöhle entsteht ein Überdruck,
der das Mediastinum mit dem Herzen und den großen Gefäßen komprimiert und auf die gegenüberliegende Seite herüberdrängt. Neben einer schweren respiratorischen Insuffizienz kommt es durch Behinderung der Herzbeweglichkeit und Abknicken der Gefäße auch zu einer Kreislaufinsuffizienz. Wichtig
Beim Spannungspneumothorax ist eine sofortige Entlastung über eine Kanüle (z. B. großlumige Venenverweilkanüle) oder eine Pleuradrainage lebensrettend.
Thorakotomie Operationen:
4 Lungenresektionen (Lappenresektionen, Pneumektomie), 4 abdominothorakale Ösophagusresektion, 4 ventrale Eingriffe an der thorakalen Wirbelsäule, 4 thorakale Sympathektomie, 4 Sternotomie zur Metastasenchirurgie, 4 videoskopisch assistierte Thoraxchirurgie (VAT). Monitoring Neben dem obligaten Monitoring (7 Kap. 8.3) sollte bei intrathorakalen Eingriffen eine blutig-arterielle Blutdruckmessung über eine intraarteriell gelegte Kanüle durchgeführt werden, die zudem eine häufige Analyse der arteriellen Blutgase ermöglicht. Bei Eingriffen mit großen Blutverlusten wird ein zentralvenöser Katheter gelegt, weniger um den zentralen Venendruck zu messen, der in Seitenlage nicht standardisiert werden kann, als vielmehr um einen Zugang zu haben, der eine Katecholamningabe ermöglicht. Außerdem wird das endexspiratorische CO2 kontinuierlich gemessen. Dieser Wert differiert zwar aufgrund der veränderten Ventilations-Perfusions-Verhältnisse stark vom arteriellen pCO2, die Aufzeichnung der CO2-Kurve auf dem Kapnographen gibt jedoch Hinweise auf Trachealkompression, Partialverlegung der Atemwege, Bronchospasmus etc. Narkoseführung Präoperativ sollte eine Lungenfunktionsprüfung, vor allem aber eine arterielle Blutgasanalyse unter Spontanatmung vorliegen. Darüber hinaus sollten insbesondere bei geplanten erweiterten Resektionen wie Bilobektomie oder Pneumonektomie und natürlich auch bei kardial vorge-
215 15.2 · Thoraxchirurgie
schädigten Patienten Belastungsuntersuchungen wie Belastungs-EKG, Belastungsoxymetrie und auch ein Echo vorliegen. Als Narkoseverfahren eignen sich sowohl Inhalations- als auch intravenöse Anästhesieformen mit Relaxierung. Gegebenenfalls wird schon präoperativ eine Periduralanästhesie gelegt, mit der eine Blockade bis über das Segment, in dem thorakotomiert wird, möglich ist. Die Periduralanästhesie schon intraoperativ zu bedienen, hat sich nicht bewährt, da dem Patienten in Extremlagerung (Aufklappen des Thorax) und bei Blutverlusten durch die Sympathikusblockade die Kompensationsmöglichkeiten genommen werden. Für mögliche Bluttransfusionen wird ein zweiter großlumiger venöser Zugang gelegt. Während der Öffnung des Thorax und des Einsetzens des Wundsperrers muss die Narkose ausreichend tief sein, da diese Phase sehr schmerzhaft ist. Beim Eröffnen der Pleura sollte die Überdruckbeatmung kurzfristig unterbrochen werden, damit die Pleura visceralis nicht verletzt wird. Da heutzutage routinemäßig eine seitengetrennte Beatmung durchgeführt wird, sollte vor Eröffnen des Thorax die zu operierende Lunge nicht mehr beatmet werden. Nach dem Absetzen und dem Verschluss von Bronchien wird mittels Überdruckbeatmung und Wasserprobe deren Dichtigkeit überprüft. Dazu wird in den Thorax physiologische NaCl-Lösung gegeben und dann mit Überdruck beatmet. Steigen über der Bronchusnaht keine Luftperlen auf, so gilt die Bronchusnaht als dicht. Die pysiologische NaCl-Lösung wird wieder abgesaugt. In Seitenlage wird der Patient zunächst mit 50% Sauerstoff beatmet, um die Störungen des Gasaustausches infolge des veränderten Ventilations-Perfusions-Quotienten auszugleichen. Orientiert an dem pulsoximetrisch gemessenen Sättigungswert und anderen arteriellen Blutgaswerten muss man jedoch die FiO2 manchmal bis auf 1,0 erhöhen. Während der Manipulationen an der Lunge wird mit Hand beatmet, um dem Operateur einerseits optimale Arbeitsbedingungen zu ermöglichen, andererseits aber eine ausreichende Ventilation des Patienten zu gewährleisten. Zum Verschluss der Pleurahöhle ist eine Unterbrechung der Überdruckbeatmung geboten, anschließend erfolgt aber wieder Beatmung mit einem leichten PEEP, damit die Lunge ausreichend gebläht wird.
15
rechte Oberlappenbelüftung
a
b
. Abb. 15.1. a Carlens-Tubus für Intubation des linken Hauptbronchus. b White-Tubus für Intubation des rechten Hauptbronchus
Doppellumentubus Zur seitengetrennten Beatmung
stehen Doppellumentuben, z. B. als Tuben nach Carlens oder White oder als Einmaltuben, zur Verfügung (. Abb. 15.1). Carlens- und White-Tuben sind problematisch wegen des hohen Cuff-Druckes des Gummitubus, auch ist der Karinasporn sehr gefährlich, Trachealaufschlitzungen sind beschrieben! Es sollten nur Low-pressure-Cuffs verwendet werden. Bei Verwendung von Lachgas muss perioperativ auch der Luftdruck beider Cuffs überwacht werden. Indikationen der seitengetrennten Beatmung: 4 Ruhigstellen der zu operierenden Lunge; 4 Ein-Lungen-Anästhesie: Durch isolierte Beatmung der unten liegenden Lunge wird der normale Ventilations-Perfusions-Quotient auf dieser Seite wieder hergestellt und damit eine bessere Oxygenierung erreicht. Um eine ausreichende Ventilation sicherzustellen, wird mit dem gleichen Atemminutenvolumen beatmet, wie bei Ventilation beider Lungen. Daher steigen die Atemwegsdrücke bei der Ein-Lungen-Anästhesie leicht an; 4 Vermeidung von Überfließen von Eiter (Lungenabszesse), Blut oder Tumorpartikeln in die gesunde, unten liegende Lunge. Wichtig
Problematisch kann die Platzierung des Doppellumentubus (. Abb. 15.2) sein. Vor allem bei der Intubation in die rechte Lunge kann die Blockungsmanschette den Abgang des rechten 6
216
Kapitel 15 · Anästhesie in verschiedenen operativen Disziplinen
. Abb. 15.2. a Linksendobronchiale Intubation, b rechtsendobronchiale Intubation
Doppellumentubus
a
b
. Abb. 15.3. a Falsche Lage des Carlens-Tubus, b falsche Lage des White-Tubus
a
Oberlappenbronchus verlegen. Es sollte daher immer ein linksseitiger Doppellumentubus verwendet werden, wenn nicht hilusnah (z. B. Pneumektomie links) operiert wird. Nach der Intubation und erneut nach dem endgültigen Lagern ist eine sorgfältige Überprüfung sämtlicher Einzelfunktionen (links-, rechts-, doppelseitige Beatmung) notwendig (. Abb. 15.3). Ein Kinderbronchoskop mit kleinem Durchmesser sollte zur Verfügung stehen, um die Tubuslage überprüfen und korrigieren zu können.
b
muss unter Spontanatmung an diesen Drainagen gesaugt werden bzw. ein Wasserschloss als Rückschlagventil vorhanden sein. Bei Unterbrechung der Saugung (Transport) müssen die Drainagen abgeklemmt sein (cave: Bildung eines Pneumothorax). Unter Beatmung wird die Lunge durch Überdruck von innen gebläht. Hier müssen die Drainagen immer geöffnet sein, da bei verschlossenen Drainagen ein Spannungspneumothorax entstehen kann, wenn die Pleura visceralis verletzt ist.
Wichtig
15
Zur Therapie eines Pneumothorax oder eines Spannungspneumothorax, aber auch nach einer Thorakotomie werden Thoraxdrainagen in die Pleurahöhle eingelegt, damit die Luft entweichen kann. Um ein Einströmen der Luft infolge des negativen intrapleuralen Drucks und damit ein Kollabieren der Lunge zu vermeiden, 6
15.3
Herzchirurgie
Die Kenntnis der hämodynamischen Veränderungen bei erworbenen und kongenitalen Herzfehlern ist eine notwendige Voraussetzung, um ein für die spezielle hämodynamische Situation optimales Narkoseverfahren auszuwählen.
217 15.3 · Herzchirurgie
15.3.1
Pathophysiologie und Narkose bei kongenitalen Vitien
Beim persistierenden Ductus arteriosus handelt es sich um einen Shunt zwischen Arteria pulmonalis und Aorta mit Linksherzbelastung, systolischem und diastolischem Links-Rechts-Shunt und Gefahr der pulmonalen Hypertonie. Wird der Pulmonalarteriendruck höher als der Aortendruck, erfolgt eine Shunt-Umkehr mit Zyanose (Eisenmengerreaktion). Diese Eisenmengerreaktion ist allerdings in den ersten Lebensjahren nicht zu befürchten. Man erwartet eher Probleme durch eine entstehende Herzinsuffizienz vor allem bei Frühgeborenen. Die Anästhesie ist ohne besondere Probleme, es besteht jedoch die Gefahr größerer Blutungen beim Einreißen der Aorta. Bei älteren Kindern könnte es durch Narkoseeinleitung und peripheren Druckabfall zu einer Shuntumkehr kommen, was aber beim Ductus arteriosus eher selten ist. Bei der Aortenisthmusstenose besteht eine Hypertonie proximal der Stenose und in der oberen Körperhälfte mit der Gefahr einer Linksherzinsuffizienz, niedriger Blutdruck jedoch in der unteren Körperhälfte. Intraoperativ besteht die Gefahr von Blutungen aus den Kollateralen bei der Thorakotomie sowie Linksdekompensation beim völligen Abklemmen der Aorta und von einer schweren Hypotension beim Öffnen der Aortenklemme. Ketamin als sympathikoton wirkendes Medikament ist kontraindiziert. Bei völligem Abklemmen der Aorta, bei Linksherzinsuffizienz und schlechtem Kollateralkreislauf ist die Indikation zum Linksherzbypass (linker Vorhof – Pumpe – Arteria femoralis) gegeben. Vorhofseptumdefekte Man unterscheidet:
4 Ostium-secundum-Defekt im Bereich des Foramen ovale, etwa in Septummitte, 4 Sinus-venosus-Defekt im Bereich der Einmündung der oberen Hohlvene, meist mit Fehlmündung der Lungenvenen, 4 Endokardkissendefekt, häufig mit Beteiligung der Klappen und Defekt des Ventrikelseptums (totaler AV-Kanal), Links-Rechts-Shunt, abhängig von der Größe des Defekts mit erhöhter pulmonaler Durchblutung und Gefahr einer pulmonalen Hypertonie. Eine Herzinsuffizienz ist bei totalem AV-Kanal nicht selten.
15
Die Primärversorgung erfolgt häufig durch PatchPlastik. Postoperativ tritt oft ein vorübergehender, selten auch ein permanenter AV-Block durch Irritation des Reizleitungssystems auf. Bei der Anästhesie ist die pulmonale Hypertonie mit der Gefahr eines Lungenödems beim totalen AV-Kanal zu beachten. Beim Ventrikelseptumdefekt liegt ein LinksRechts-Shunt vor. Abhängig von der Defektgröße besteht die Gefahr einer pulmonalen Hypertonie. Nur bei älteren Kindern mit fixierter pulmonaler Hypertonie kommt es zur Shunt-Umkehr (Eisenmengerreaktion). Bei der Anästhesie muss ein Anstieg des Pulmonalarteriendrucks vermieden werden (d. h. unter anderem kein Lachgas; cave: Azidose, Hypoxie, Hyperkapnie). Totale Lungenvenenfehlmündung Das Lungenvenenblut fließt über unterschiedliche Verbindungen (V. cava superior, Sinus coronarius, V. azygos, V. portae, Ductus venosus Arantii) oder direkt in den rechten Vorhof. Das Blut gelangt abhängig von der Größe des begleitenden Vorhofseptumdefekts in den großen Kreislauf. Dabei kommt es häufig zu pulmonaler Hypertonie und Rechtsherzinsuffizienz bei oft hypotrophiertem linken Ventrikel. Die Korrektur erfolgt durch Verbindung der Pulmonalvenen mit dem linken Vorhof und Unterbindung der Fehlmündung. Bei der Anästhesie muss eine weitere Erhöhung des Pulmonalarteriendrucks vermieden werden. Transposition der großen Arterien Die Arteria pul-
monalis entspringt dem linken Ventrikel, die Aorta dem rechten Ventrikel, großer und kleiner Kreislauf sind parallel geschaltet. Es besteht ein Blutaustausch durch bidirektionale Shunts über Ventrikel- oder Vorhofdefekte. Es kommt zu einer ausgeprägten Zyanose bei mittlerer arterieller Sauerstoffsättigung zwischen 40 und 80%. Palliativoperation: Vergrößerung des Shunts zwischen großem und kleinem Kreislauf durch eine Ballonatrioseptostomie. Funktionelle Korrektur nach Mustard oder Rastelli bzw. durch eine arterielle Switch-Operation im Neugeborenenalter. Die Anästhesie erfolgt unter Vermeidung eines Anstiegs des Pulmonalarteriendrucks. Gefahr von Reizleitungsstörungen!
218
Kapitel 15 · Anästhesie in verschiedenen operativen Disziplinen
Fallot-Tetralogie Ventrikelseptumdefekt, Pulmonalarterienstenose, Dextraposition der Aorta über dem Ventrikelseptumdefekt, rechtsventrikuläre Hypertrophie. Es kommt zur Minderperfusion des kleinen Kreislaufs und zum Kollateralkreislauf über die Arteriae bronchiales. Folgen sind Hypoxämie und konsekutive Polyzythämie, abhängig vom Schweregrad der Pulmonalarterienstenose und der Größe des Septumdefekts. Therapeutisch erfolgt eine palliative pulmonalarterielle Shunt-Operation nach Blalock-Taussig bzw. eine funktionelle Totalkorrektur. Die Anästhesie erfolgt unter Vermeidung eines Anstiegs des Sauerstoffverbrauchs (Schreien) und möglichst unter Vermeidung eines starken intrathorakalen Druckanstiegs. Präoperativ wird die Betablockermedikation zur Behandlung der Pulmonalarterienstenose abgesetzt. Während der extrakorporalen Zirkulation muss mit einem Abfluss des Blutes über den Kollateralkreislauf der Arteriae bronchiales in das linke Herz gerechnet werden, sodass dieses nicht für die Sauerstoffversorgung der Peripherie zur Verfügung steht (»Runoff«). Nach Ende der extrakorporalen Zirkulation und Freigabe der Lungenstrombahn kommt es häufig zu Anpassungsschwierigkeiten mit Ausbildung eines Lungenödems und alveolären Blutungen.
tem oder erwärmtem Wasser betrieben wird, kann die Temperatur des zirkulierenden Blutvolumens schnell verändert werden. Die Herzlungenmaschine wird mit Elektrolytlösungen, lediglich bei Kindern mit Blut bzw. Erythrozytenkonzentrat gefüllt, sodass ein Hämatokrit von ca. 20 an der extrakorporalen Zirkulation nicht unterschritten wird. Kardioplegie Während der extrakorporalen Zirkulation steht das Herz still. Dieses wird vor allem durch kardioplegische Lösungen mit niedrigem Natrium- oder hohem Kaliumgehalt, gegebenenfalls unter dem Zusatz von Procain, erreicht. Zur Senkung des myokardialen Sauerstoffverbrauchs ist die kardioplegische Lösung auf eine Temperatur zwischen 4 und 16°C gekühlt. Zur weiteren Protektion auch der anderen Organe wird die Körperkerntemperatur über die Herzlungenmaschine je nach Eingriff auf 30 bis 20 °C gesenkt.
15.4
Gefäßchirurgie
Patienten Es handelt sich meist um ältere Patienten mit den entsprechenden Risikofaktoren (Hypertonie, arterielle Verschlusskrankheit, Diabetes, Nikotinabusus etc.). Präoperative Vorbereitungen und Prämedikation
15.3.2
Extrakorporale Zirkulation
Herzlungenmaschine Das aus der oberen und unte-
15
ren Hohlvene drainierte Blut wird durch eine Rollerpumpe über ein Reservoir und einen Oxygenator mit Wärmeaustauschern und einem Filter in die Aorta zurückgepumpt. Über eine zusätzliche Rollerpumpe wird das über den Kardiotomiesauger gesammelte Blut der Zirkulation wieder zugeführt und Blut, das über die Bronchialvenen und die Venae cordis minor Thebesii in den linken Ventrikel gelangt, wird über den Ventrikelsauger und eine dritte Rollerpumpe in die Herzlungenmaschine zurückgesaugt. Eine vierte Rollerpumpe saugt das Koronarperfusat ab. Zur Oxygenierung stehen Membran- oder Bubble-Oxygenatoren zur Verfügung. Bei den ersten sind Blut- und Gasphase getrennt, bei den zweiten strömen O2 und CO2 durch die Blutsäule des Reservoirs. Über den Wärmeaustauscher, der mit gekühl-
Das Wesentliche ist bereits in den vergangenen Kapiteln besprochen und soll hier lediglich stichwortartig aufgelistet werden: 4 Weiterhin Kardiaka verabreichen (7 Kap. 4.2). Abruptes Absetzen von Nitraten und Betablockern kann zu Angina pectoris, Herzinfarkt und Hypertonus führen; wenn keine BetablockerDauertherapie, dann Betablocker ansetzen zur Prämedikation (z. B. Beloc); 4 Operationsindikation überprüfen, wenn der Patient im letzten halben Jahr vor der Operation einen Herzinfarkt erlitten hat; wenn möglich, Operation verschieben; 4 Nikotinabusus abstellen; 4 IPPB präoperativ; 4 Diabetes: Stoffwechsel engmaschig kontrollieren; 4 Prämedikation: auf eine adäquate Sedierung (z. B. Flunitrazepam) achten.
219 15.5 · Geburtshilfe
Narkoseeinleitung und -führung Es sind alle Medikamente zu vermeiden, die zu einem myokardialen Sauerstoffdefizit führen. Intraoperativ kann es bei den Eingriffen an den großen Gefäßen (z. B. beim aortobifemoralen Bypass) nach Abklemmen der Aorta zu einem Anstieg des linksventrikulären und enddiastolischen Füllungsdrucks, zu einem Abfall des Schlagvolumens und zu einem arteriellen Druckanstieg kommen. Dies kann zu einer akuten linksventrikulären Dekompensation führen. In Abhängigkeit von den kardiovaskulären Daten sollten bei einer Preload-Erhöhung Nitrate, bei einer Afterload-Erhöhung Nitroprussid-Natrium gegeben werden. Beim Öffnen der Aortenklemme kann es zu einem Abfall des arteriellen Blutdrucks und des Gefäßwiderstands kommen. Die Preload- und Afterload-vermindernden Medikamente müssen rechtzeitig abgestellt werden. Ausreichende Volumensubstitution kann einen Blutdruck- und HZVAbfall weitgehend vermeiden. Nach Eröffnen der peripheren Gefäßstrombahn muss der Säure-BasenHaushalt kontrolliert werden, weil sich während der Abklemmung im minderdurchbluteten Bereich saure Metabolite angesammelt haben können, die zu einer metabolischen Azidose führen.
15.5
Geburtshilfe
15.5.1
Patientinnen und Komplikationshäufigkeiten
Entsprechend dem meist jugendlichen Alter der Patientinnen sind abgesehen von der Schwangerschaftstoxikose selten gravierende Vorerkrankungen zu erwarten. Dennoch kann man nicht oft genug auf die Gefahren von Narkosen im Kreißsaal hinweisen: 15% aller schwangerschaftsbezogenen Todesfälle sind primär anästhesiebedingt – davon sind jedoch, provokativ gesagt, 100% vermeidbar. Die Haupttodesursachen sind Aspiration und Hypoxie bei erschwerter oder unmöglicher Intubation im Rahmen von Allgemeinanästhesien zur Sektio oder manueller Nachräumung im Kreißsaal.
15.5.2
15
Physiologische Veränderungen in der Schwangerschaft
Atmung Durch die zunehmende Uterusgröße wird das Zwerchfell im Verlauf der Schwangerschaft nach oben verlagert; bei Geburt macht dies 4 cm aus. Dies führt zu Veränderungen der Lungenvolumina: Die FRC nimmt ab der 20. Schwangerschaftswoche ab und ist bei Geburt um 20% reduziert. Gleichzeitig nimmt ab der 10.–12. Schwangerschaftswoche das Atemminutenvolumen zu und liegt bei der Geburt 50% über dem Ausgangswert. Diese Zunahme von Atemzugvolumen und alveolärer Ventilation führt zu einer physiologischen Hyperventilation mit paCO2-Werten von 32–34 mmHg. Gleichzeitig wird unter diesen Bedingungen auch das für den erhöhten Sauerstoffverbrauch der Schwangeren (20% ↑) notwendige Sauerstoffangebot garantiert. Der pHWert der Schwangeren bleibt jedoch im Normbereich, da die Niere der Schwangeren vermehrt Bikarbonat ausscheidet. Diese anatomisch-physiologischen Veränderungen der Atmung in der Schwangerschaft haben folgende anästhesiologische Relevanz: 4 Die Schwangere neigt im 3. Trimenon zur Hypoxie; 4 Narkoseeinleitung und -ausleitung mit Inhalationsnarkose verlaufen rascher als bei Nichtschwangeren; 4 bei einer Hyperventilation über den physiologisch vorgegebenen Rahmen von 32–34 mmHg kommt es zur Konstriktion der uteroplazentaren Gefäße mit der Gefahr einer Minderversorgung des Kindes mit Sauerstoff. Außerdem verschlechtert die durch die Hyperventilation herbeigeführte Linksverschiebung der Sauerstoffbindungskurve die Sauerstoffversorgung des Kindes. Herz-Kreislauf Die Herzfrequenz der Schwange-
ren nimmt im Laufe der Schwangerschaft um 10– 15 Schläge/min zu, der arterielle Blutdruck bleibt konstant oder fällt aufgrund des verminderten Gefäßwiderstandes (20% ↓) ab. Das Herzminutenvolumen nimmt ab der 8. Schwangerschaftswoche zu bis zu einem Maximum von 40% über dem Ausgangswert zum Zeitpunkt der Geburt. Aufgrund des hochstehenden Zwerchfelles ist das Herz nach
220
Kapitel 15 · Anästhesie in verschiedenen operativen Disziplinen
oben verlagert und die Herzachse nach links gedreht. In Rückenlage drückt der Uterus im 3. Trimenon auf Aorta und Kava, sodass vor allem der venöse Rückstrom zum Herzen gedrosselt wird (aortokavales Kompressionssyndrom). Der Schwangeren wird übel, sie kann ohnmächtig werden. Therapie: Halbseitenlagerung links. Diese Veränderungen des Niedrigdrucksystems übertragen sich auch auf den Wirbelkanal. Durch eine Stauung in den Paravertebralvenen wird eine Einengung des Periduralraumes verursacht, sodass die Punktion des Periduralraums schwieriger ist und eine Reduktion der Dosis des bei der Periduralanästhesie verwendeten Lokalanästhetikums notwendig wird. Blutvolumen, -gerinnung, Plasmaproteine Das Ge-
samtblutvolumen nimmt in der 30.–40. SSW um 20% zu. Die Volumenzunahme erfolgt jedoch ausschließlich durch die Zunahme an Plasmavolumen. Die Erythrozytenzahl bleibt gleich, sodass daraus eine physiologische Hämodilution resultiert mit vermindertem Hämatokrit (10–15% ↓) und einer verminderten Blutviskosität (10% ↓). Die Schwangere neigt zu einer Hyperkoagulabilität, was durch einen Anstieg der Faktoren VII, VIII, IX und X und einen Abfall von Antithrombin III bedingt ist. Die Prothrombin- und Gerinnungszeit sind verkürzt. Die Serumcholinesterase zeigt einen Aktivitätsverlust von 30%, was zu einer prolongierten Wirkung von Succinylcholin führen kann (statt 3 wirkt es dann z. B. 6 min); klinisch spielt dies jedoch bei den meist 20–30 min dauernden Sectiones keine Rolle. Wichtig
15
Magen-Darm-Trakt Der Uterushochstand führt bei der Schwangeren zu einem erhöhten intragastralen Druck und zu einer Verminderung der Magendarmmotilität. Schwangere sind deshalb im 3. Trimenon stark aspirationsgefährdet! Die Aspiration ist häufigste anästhesiebedingte Todesursache im Kreißsaal; Schwangere gelten ab der 26. SSW und auch kurz nach der Geburt prinzipiell als nicht nüchtern! Anästhesiologische Konsequenzen: immer Blitzeinleitung (7 Kap. 11.3.8).
15.5.3
Physiologie von Uterus und Plazenta
Das Myometrium des Uterus ist sympathisch innerviert. Der Sympathikus wird durch α-Rezeptoren (kontraktilitätssteigernd) und β-Rezeptoren (kontraktilitätsvermindernd) reguliert. Die Durchblutung des Uterus unterliegt keiner Autoregulation, sie wird vielmehr über die α-Rezeptoren des Sympathikus reguliert und liegt bei 500–700 ml/ min. Unter der Uterusaktivität versteht man das Produkt aus Uteruskontraktion (mmHG) und Kontraktionsfrequenz. Die Uteruskontraktionen gehen in der Eröffnungsphase der Geburt vom Fundus uteri aus, haben eine Kontraktionsstärke von 30– 60 mmHg und eine Frequenz von 3–5/min. Die Schmerzleitbahnen in der Eröffnungsphase laufen über Th10 bis L1 (. Abb. 15.4). In der Austreibungsphase nehmen die Uteruskontraktionen in Zahl und Stärke zu; sie münden in die Presswehen ein. Die Schmerzleitungsbahnen laufen über S2–4 (. Abb.15.4). Die Plazenta dient dem Stoffaustausch über Diffusion oder aktiven Transport. Auch Medikamente können über die Plazenta auf das Kind übertreten. Ob die Plazentapassage eines Medikamentes möglich ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab: 4 Lipidlöslichkeit und Ionisationsgrad: lipophile Substanzen (z. B. Barbiturate) penetrieren gut, ionisierte (z. B. Succinylcholin) penetrieren schlecht. 4 Plasmaeiweißbindung; Medikamente mit hoher Plasmaeiweißbindung und einem geringen ungebundenen Anteil passieren schlecht die Plazenta; z. B. Bupivacain hat eine hohe Plasmaeiweißbindung und überwindet nur in geringen Mengen die Plazentaschranke. 4 Molekulargewicht; Medikamente mit einem Molekulargewicht unter 600 penetrieren leicht, Medikamente mit einem Molekulargewicht über 1000 passieren nicht über die Plazentaschranke. 4 Konzentrationsgradienten. Eine Übersicht über die Plazentapassage von Anästhetika und Muskelrelaxanzien gibt . Tabelle 15.1.
221 15.5 · Geburtshilfe
15
. Abb. 15.4. Schmerzbahnen bei der Geburt. Aufsteigende Schmerzimpulse von Zervix und Uterus werden über Nerven übertragen, die die sympathischen Fasern begleiten und im Bereich Th10, Th11, Th12 und L1 in das Rückenmark eintreten. Die Schmerzbahnen von Perineum verlaufen über den Pudendusnerven zu S2, S3 und S4
Die Uterusaktivität wird durch Medikamente beeinflusst: 4 Uteruskontraktionen: 5 Oxytocin (Orasthin), 5 Methergin, 5 Vasopressoren (z. B. Ephedrin): Kontraktilität ↑, 5 Ketamin (ab 2 mg/kg); 4 Uterusdilatation: 5 β-Rezeptoragonisten: Fenoterol (Berotec, Partusisten), 5 Inhalationsnarkotika (bei einer inspiratorischen Narkosegaskonzentration von Halothan >0,5%, Ethrane >0,75% und Isofluran >0,7%), 5 intravenöse Anästhetika.
15.5.4
Maßnahmen zur Linderung des Wehenschmerzes
Intravenöse Opioidapplikation Dies ist für das Baby
sicher die ungünstigste Methode; die Opioide passieren die Plazenta, das Neugeborene ist durch Atemdepression gefährdet. Pudendusblockade Blockade des Nervus pudendus
zur Analgesie in der Austreibungsperiode, zur Episiotomie und zur leichten Vakuumextraktion oder Beckenausgangszange (Technik 7 Lehrbücher für Gynäkologie und Geburtshilfe).
4 Vorteile: leicht durchführbar, bei richtiger Anwendung geringe Komplikationsrate; 4 Nachteile: nur während der Austreibungsphase wirksam. Parazervikalblockade Infiltration des parazervikalen Gewebes zur Schmerzausschaltung in der mittleren und späten Phase der Eröffnungsperiode. 4 Vorteile: einfach durchzuführendes Verfahren; 4 Nachteile: nicht immer sichere Wirkung, Beschränkung auf die Eröffnungsperiode, hohe Komplikationsrate zwischen 5 und 30% (direkte Einwirkung des Lokalanästhetikums auf den Fetus nach Plazentapassage bei intravasaler Injektion oder Injektion in die Plazenta, Injektion in den fetalen Skalp). Eine lückenlose kardiotokographische Überwachung ist daher zwingend notwendig. Die Parazervikalblockade wird jedoch aufgrund der häufigen Komplikationen heute von vielen Geburtshelfern nicht mehr durchgeführt. Periduralanästhesie Methode zur kontinuierlichen
Schmerzausschaltung (mittels Kathetertechnik) in der Eröffnungsperiode (Segmente Th11 bis L1) und Austreibungsperiode (Segmente S2 bis S4). Neben der üblichen Technik (7 Kap. 7.3.11) ist bei der Durchführung der Periduralanästhesie bei Schwangeren Folgendes zu beachten:
222
Kapitel 15 · Anästhesie in verschiedenen operativen Disziplinen
. Tabelle 15.1. Plazentagängigkeit von Narkotika, Lokalanästhetika und Muskelrelaxanzien
Medikament
Plazentapassage
Wirkung auf den Uterus
+ +
0 0
+ ?
+ ?
+ + +
+/– +/– –
+
0
+ + + + +
+/– + +/– +/– +/–
0 +/– +/– +/–
+ 0 0 0
+
?
Barbiturate
5 Thiopental (Trapanal) 5 Methohexital (Brevimytal) Nicht-Barbituratanästhetika
5 Ketamin (Ketanest) 5 Etomidat (Hypnomidate) Sedativa
5 Promethazin (Atosil) 5 Triflupromazin (Psyquil) 5 Diazepam (Valium) Vagolytika
5 Atropin Analgetika
5 5 5 5 5
Morphin Pethidin (Dolantin) Pentazocin (Fortral) Piritramid (Dipidolor) Fentanyl
Muskelrelaxanzien
5 5 5 5
Succinylcholin Vecuroniumbromid (Norcuron) Atracurium Pancuroniumbromid
Lokalanästhetika
+ tonisierende Wirkung auf den Uterus; – wehenhemmende Wirkung auf den Uterus; 0 ohne Wirkung auf den Uterus.
15
4 Das Verteilungsvolumen des Periduralraums ist geringer, sodass die Dosis des Lokalanästhetikums herabgesetzt werden muss. 4 Aufgrund der Flüssigkeitseinlagerungen im Gewebe ist der Periduralraum schwieriger zu identifizieren. Indikationen sind: Wunsch nach einer schmerzfreien Geburt, Geburtsstillstand (zur Entspannung der Beckenbodenmuskulatur), operative vaginale Entbindung durch Forzeps oder Vakuumextraktion, Becken-
endlage, Gemini, chronische Plazentainsuffizienz, Frühgeburt, Situationen, bei denen der Pressdrang aus mütterlicher oder kindlicher Indikation aufgehoben werden soll (Netzhautblutung, Hirnblutung, Hypertonie, Diabetes mellitus der Mutter), Sectio caesarea. 4 Vorteile: kontinuierliche, über die gesamte Geburt anhaltende Analgesie mit guter Steuerungsmöglichkeit, teilweise erhaltenes Geburtserlebnis bei der operativen Entbindung; 4 Nachteile: erhöhter technischer Aufwand, kardiozirkulatorische Nebenwirkung durch Sympa-
223 15.5 · Geburtshilfe
thikolyse. Zur Prophylaxe eines Blutdruckabfalls sind vor der Injektion des Lokalanästhetikums 500 ml Vollelektrolytlösung zu infundieren. Bei Dezelerationen der Herztöne ist die Schwangere in Linksseitenlage zu bringen und gegebenenfalls ein Tokolytikum zu geben. Nach der Injektion muss der Blutdruck in kurzfristigen Abständen über 30 min überwacht werden. Kontraindikationen Indikation zur schnellen opera-
tiven Entbindung (Notsektio), akute Plazentainsuffizienz, darüber hinaus die allgemeinen Kontraindikationen für Periduralanästhesie.
15.5.5
Anästhesie zur Sectio caesarea
15
nisten den Magensaft-pH erhöhen und das Magensaftvolumen vermindern kann. Ob dadurch die anästhesiebedingte Mortalität bei Schwangeren zu reduzieren ist, wurde bisher nicht an großen Fallzahlen belegt. Bei einer Risiko-Nutzen-Analyse zeigt sich jedoch eine mögliche prophylaktische Wirksamkeit ohne erkennbare Risiken. Das Minimalprogramm lautet in vielen Abteilungen: 30 ml Natriumcitrat 0,3 molar per os vor jeder Sektio in Allgemeinanästhesie. In anderen Kliniken wird dies um H2-Rezeptorantagonisten (Tagamet, Ranitinin, Zantic) und Metoclopramid (Paspertin: zur Förderung der Magenperistaltik) erweitert; dies muss jedoch jeweils 2 h vorher appliziert werden, um wirksam zu sein! Praxisbox
Auswahl des Narkoseverfahrens Dies hängt von der
Dringlichkeit des Eingriffs ab: 4 Sektio mit Dringlichkeit (Notsektio): Allgemeinanästhesie; es dauert zu lange, bis die Regionalanästhesie, sei es Peridural- oder Spinalanästhesie, wirkt 4 Sektio mit aufgeschobener Dringlichkeit (z. B. bis zu 30 min) und Elektivsektio: möglichst Regionalanästhesie; wenn die Patientin dies ablehnt oder Kontraindikationen gegen eine Regionalanästhesie vorliegen, dann wird auch die Sektio mit aufgeschobener oder jene auch ohne Dringlichkeit in Allgemeinanästhesie durchgeführt.
Narkoseeinleitung und -führung Sie orientiert sich an der Blitzeinleitung: 5 30° Oberkörperhoch- und linke Halbseitenlagerung 5 Präoxygenierung (z. B. Vecuroniumbromid, Atracurium) 5 Präkurarisierung 5 leistungsfähigen Absauger bereithalten 5 Thiopental i.v. applizieren 5 Relaxation mit Succinylbischolin 5 Intubation 5 schnelles Blocken 5 Muskelrelaxation (Vecuroniumbromid, Atracurium).
Gründe für die Regionalanästhesie
4 Das Aspirationsrisiko ist bei diesen Eingriffen relativ hoch; deshalb vorzugsweise Regionalanästhesie; 4 der Operateur steht bei der Sektio in Regionalanästhesie nicht unter Zeitdruck; 4 auf das Kind gehen keine Narkotika über; 4 der Anästhesist kann sich auch um das Neugeborene kümmern; 4 über den PDA-Katheter kann eine postoperative Analgesie durchgeführt werden. Aspirationsprophylaxe Die Aspiration von Magen-
saft trägt bei Schwangeren zu der im Vergleich mit anderen Eingriffen erhöhten anästhesiebedingten Mortalität bei. Es gibt viele Studien, die zeigen, dass man mit einem Antazidum und einem H2-Antago-
Vor der Einführung der Pulsoximetrie wurde meist kurz vor der Abnabelung des Kindes das Lachgas abgedreht und ausschließlich mit Sauerstoff beatmet, um dem Kind maximal viel Sauerstoff anzubieten und das Lachgas im Kind auszuspülen. Dies hatte den gravierenden Nachteil, dass sich viele Mütter an diese Phase schmerzlich erinnern konnten. Heute kann man mit dem Pulsoximeter jedoch kontinuierlich und nichtinvasiv die arterielle Sättigung der Mutter überwachen. Der FiO2 muss deshalb nur insoweit angehoben werden, dass eine Sättigung von 99% erreicht wird. Auch eine nennenswerte Lachgasakkumulation beim Neugeborenen ist in der kurzen Zeit vom Schnitt bis zur Abnabelung nicht zu erwarten. Deshalb ist keine lachgasfreie
224
Kapitel 15 · Anästhesie in verschiedenen operativen Disziplinen
Narkosephase vor der Abnabelung notwendig. In Kliniken, in denen kein Lachgas mehr verfügbar ist, muss die inspiratorische Konzentration des Inhalationsnarkotikums erhöht werden. Nach der Abnabelung muss dann ein Opioid gegeben werden, um eine Uterusatonie, bedingt durch ein zu hohe Narkosegaskonzentration, zu vermeiden. Die Narkose wird nach Abnabelung mit Sufentanil oder Fentanyl vertieft. Die inspiratorische Narkosegaskonzentration sollte niedrig bleiben (Halothan unter 0,5%, Ethrane und Isofluran unter 0,8%), um eine Uterusatonie zu vermeiden. Der Gynäkologe bittet nach der Abnabelung meist darum, zur Uteruskontraktion noch Orasthin (3 IE; 10 IE über Infusion) zu applizieren. Es ist mit Tachykardien und Blutdruckanstieg zu rechnen.
15.5.7
Erstversorgung von Neugeborenen
Die Erstversorgung des Neugeborenen liegt in der Verantwortlichkeit des Geburtshelfers. Er ruft bei entsprechenden Indikationen den Neonatologen zur Erstbehandlung hinzu. Ein Neonatologe ist jedoch nicht immer verfügbar, deshalb ist gerade in Häusern der Grund- und Regelversorgung oft der Anästhesist der primäre Ansprechpartner, wenn es bei postpartalen Komplikationen dem Kind nach der Geburt unerwartet schlecht geht. Der Anästhesist übt eine Brückenfunktion in der Versorgung des Neugeborenen aus, bis dann der hinzugerufene Neonatologe die weitere Versorgung übernimmt. Praxisbox
Komplikationen Hier ist zunächst das aortokavale
Kompressionssyndrom zu nennen (Therapie: Seitenlage). Zum anderen droht eine Magensaftaspiration (Prophylaxe: Antazida, Ileuseinleitung). Gefürchtet sind Intubationsschwierigkeiten im Kreißsaal, der Alptraum eines jeden Anästhesisten, insbesondere bei der Notsektio. Hier gilt es Ruhe zu bewahren und den Intubationsversuch noch einmal zu wiederholen; gelingt die Intubation erneut nicht, dann muss die Sektio mit der Larynxmaske als Atemwegsschutz durchgeführt werden; eine Aspiration ist in dieser Situation nicht sicher auszuschließen.
15.5.6
15
Anästhesie zur manuellen Nachräumung
Verbleiben Plazentareste im Uterus, so muss die Patientin notfallmäßig kürretiert werden, um die häufig sehr hohen Blutverluste über die Plazentareste zu minimieren. Wie die Narkose bei der Sektio, so sind auch diese Eingriffe mit Risiken verbunden (Aspirationsgefahr!), deshalb Blitzeinleitung und Intubation; Gefahr des hypovolämischen Schocks!. In dringlichen Situationen sofort mit Plasmaersatzmittel intravasales Volumen substituieren; Blutbereitstellung.
Prozedere der Erstversorgung (. Abb. 15.5) 5 Das Kind warmhalten. Das Neugeborene ist durch Hypothermie – je kleiner, desto stärker – extrem gefährdet: Hypothermie → Hypoglykämie → Hypoxämie → metabolische Azidose → Tod. Deshalb: – Kind unter Heizstrahler legen – Kind abtrocknen, von Käseschmiere befreien – Kind in Wärmetücher einwickeln 5 Atemwege freimachen (zeitgleich mit den wärmekonservierenden Maßnahmen) 5 Mund absaugen 5 Hypopharynx über beide Nasenlöcher absaugen (hier können evtl. schon Fehlbildungen diagnostiziert werden: Choanalatresie? einseitig? beidseitig?) 5 Magenabsaugen nicht obligat; cave Bradykardien! Der Sog liegt bei 0,2–0,25 bar; als Sauger werden solche mit der Größe 6–8 Charr benutzt 5 Atmung unterstützen. Setzt keine Spontanatmung ein, so wird das Neugeborene über taktile Reize stimuliert (z. B. Fußsohle kitzeln, Körper mit warmen Tüchern abreiben). Bleibt die Atemtätigkeit aus oder unzureichend, so muss das Neugeborene mit der Maske beatmet werden. Zur Entfaltung der 6
15
225 15.5 · Geburtshilfe
●
●
Apgar 10-8
Apgar 7-5
Agpar 4-0
(= Baby rosig, Atmung regelmäßig HF > 100 Muskeltonus o.B. Reflexe lebhaft)
(= Baby zyanotisch, Atmung unregelmäßig HF > 100 Muskeltonus schlaff Reflexe schwach)
(= Baby weiß, keine Atmung HF < 100 kein Muskeltonus keine Reflexe)
Körpertemperatur aufrechterhalten halten Baby trocknen Heizstrahler Wärmetücher Absaugen Mund Nase Magen
Intubation und Beatmung (FiO2 1,0) Körpertemperatur aufrechterhalten BGA? HF > 100 HF < 100
Körpertemperatur aufrechterhalten Absaugen ● O2-Spontanatmung ● Maskenbeatmung (bei V.a. Mekoniumaspiration oder kong. Zwerchfellhernie: sofort intubieren) ● ●
bei Stabilisierung (Haut rosig, Reflexe und Muskeltonus nehmen zu; Eigenatmung beginnt): Maskenbeatmung beenden
Volumenmangel? -> Substitution
Adrenalin endotracheal oder i.v. 1: 10000; 0,1 ml/kg + Herzmassage
keine Stabilisierung
Intubation, Beatmung (FiO2 nach Pulsoxymeter) Verschlechterung Diagnostik: BZ? BGA? IRDS? Beobachten Kongenitale Zwerchfellhernie Neonatologie
Säure-Basen-Haushalt BGA? -> Pufferung, wenn pH < 7,20 BZ? Neonatologie
. Abb. 15.5. Flussdiagramm Neugeborenenerstversorgung
Lungen sind Beatmungsdrücke von bis zu 20 cm H2O bei Frühgeborenen und bis zu 60 cm H2O beim Neugeborenen notwendig. Diese Entfaltungsdrücke werden insgesamt 4 Atemzüge auf diesem Niveau gehalten, danach müssen sie wegen der Gefahr eines Pneumothorax auf 15–20 cm H2O vermindert werden 5 Kontraindikationen für Maskenbeatmung sind: – Mekoniumaspiration – kongenitale Zwerchfellhernie – Atresien im Gastrointestinaltrakt
5 Die Intubation sollte prinzipiell nasal erfolgen, weil die Tuben so besser zu fixieren sind. Eine zuverlässige Fixierung muss gewährleistet sein, damit der Tubus nicht zu tief rutscht (Atelektase!) und damit das Kind nicht versehentlich extubiert wird. Gelingt eine nasale Intubation nicht, so ist selbstverständlich auch in der Akutsituation eine orale Intubation möglich. Tubusgröße: – Reife Neugeborene 3,0 – Frühgeborene 2,5 Für die Tubusfixierung gilt folgende Faustregel: Der Abstand von der korrekten Lage der Tubusspitze bis zur Fixationsstelle am Naseneingang beträgt 7 + x kg KGW (z. B. Frühgeborenes mit 1,5 kg: 7 + 1,5 = 8,5 cm. Der Tubus wird bei 8,5 cm fixiert)
Setzt nach 2–3 min keine Spontanatmung ein, so muss intubiert werden. Primäre Intubationsindikationen sind: – Mekoniumaspiration – kongenitale Zwerchfellhernie 6
6
226
Kapitel 15 · Anästhesie in verschiedenen operativen Disziplinen
. Tabelle 15.2. Apgar-Score
Kriterien
A Aussehen
P Puls (Herzfrequenz)
G Gesichtsbewegungen (Reflexerregbarkeit)
A Aktivität
R Respiration
0
blau/blass
fehlt
keine Reaktion
schlaff
fehlt
1
Körper rosig, Extremitäten blau
<100/min
schwache Reaktion, u. a. Grimassieren
träge, Flexionsbewegungen
schnappend, unregelmäßig
2
Kind rosig
>100/min
lebhafte Reaktion, z. B. Schreien
gute Eigenaktivität
regelmäßig ca. 40/min
Punkte
15
5 Herzaktion aufrechterhalten. Bei ausreichendem Gasaustausch liegt die Herzfrequenz meist über 100/min. Bei unzureichender Herzaktion trotz adäquatem Gasaustausch (extrem selten) wird Adrenalin intratracheal oder intravenös gegeben (0,1 ml/kg KGW Adrenalin 1:10000) 5 Azidose puffern. Die Indikation zur Pufferung von metabolischen Azidosen wird heute bei adäquatem pulmonalem Gasaustausch und adäquater Kreislauffunktion nur noch selten gestellt. pH-Werte unter 7,15 bei rein metabolischer Azidose werden gepuffert. Dazu muss das Bikarbonat (hohe Osmolarität: 2000 mosmol/l!) verdünnt werden (H2O ad injectabilia zur Verdünnung, im Verhältnis von 1:1, bei Glukose 5% hat die Lösung eine eigene Osmolarität von 275 mosmol/l) 5 Aufrechterhaltung der Glukosehomöostase. Der BZ-Wert sollte bei Neugeborenen bei >40 mg/dl und bei Frühgeborenen >30 mg/ dl liegen. Deshalb sollte eine Infusionslösung mit Glukose 5% in einer Dosierung von 3 ml/kg/h angeschlossen werden, wenn eine Hypoglykämie vorliegt 5 Opioide antagonisieren. Wurden während der Entbindung der Mutter zur Geburtserleichterung Opioide gegeben, so könnte eine postnatale Atemdepression durch dieses Opioid bedingt sein. Zur Antagonisierung steht Narcanti neonatal in einer Dosierung von 0,1 mg/kg zur Verfügung 6
Hypovolämischer Schock In seltenen Fällen kommt ein Kind hypovolämisch zur Welt (z. B. Plazentalösung). Je nach kardiovaskulären Parametern sind Humanalbumin 5% und CMV-neg-Blut zur Infusion bzw. Transfusion notwendig (CMV-neg heißt cytomegalievirusfrei).
Dokumentationspflicht Folgende Daten sind zu
dokumentieren: 4 Apgar-Werte (benannt nach der Anästhesistin Virginia Apgar; . Tabelle 15.2) nach 1,5 und 10 min, 4 Sauerstoffsättigung, 4 Blutdruckwerte, 4 Temperatur, 4 durchgeführte Maßnahmen. Auch wenn man sich bei der Erstversorgung nicht an den Apgar-Werten orientiert, sondern an den diesen Werten zugrunde liegenden Symptomen, so werden die Apgar-Werte immer noch traditionell (und auch auf juristischem Hintergrund) dokumentiert, obwohl der Wert mit der Entwicklung des Kindes nicht immer korreliert.
15.6
Urologie
Patienten Kinder mit Fehlbildungen der Nieren und im harnableitenden System, meist aber ältere Patienten mit multiplen Vorerkrankungen.
227 15.6 · Urologie
Narkoseprobleme Die Narkosen zu Eingriffen in der Kinderurologie (Ureterozystoneostomien, Nierenabgangsstenosen, Orchidopexien etc.) unterscheiden sich nicht von jenen in der Kinderchirurgie. Häufig handelt es sich um Wiederholungsnarkosen, weil die Kinder postoperativ nach bestimmten Operationen in zahlreichen kleineren Eingriffen nachuntersucht werden müssen. Auf eine gute psychische Betreuung und ausreichende Prämedikation ist zu achten. Bei den älteren Patienten lassen sich die meisten transurethralen Eingriffe in Spinal- oder Periduralanästhesie durchführen. Als Alternative bietet sich eine balanzierte Anästhesie oder eine IVA/ TIVA an, zum Atemwegsschutz eine Larynxmaske. Anästhesiologisch bedeutsam ist, dass der Urologe bei transurethralen Eingriffen mit großen Mengen an hypotoner Flüssigkeit, bestehend aus Wasser und Zuckern spült, um das Blut wegspülen zu können und freie Sicht zu haben. Die osmotisch wirksamen Zucker sollen zwar die H2O-Resorption verhindern, doch gelingt dies nicht komplett. Die Wassereinschwemmung führt beim Patienten zu einer hypotonen Hyperhydratation. Erste Symptome der Wasserintoxikation können Unruhe- und Bewusstseinsstörungen sein. Als Zeichen einer Kreislaufüberlastung können ZVD-Anstieg, gestaute Halsvenen, später marmorierende Haut und Lungenödem als Folge einer linksventrikulären Dekompensation hinzukommen. In seltenen Fällen führt die Einschwemmung der hypotonen Lösung zu einer Hämolyse. Man nennt dieses klinische Syndrom auch transurethrales Resektionssyndrom (TURSyndrom). Wichtig
Zur Prophylaxe des TUR-Syndroms sollte die Operationszeit auf eine Stunde beschränkt werden. Gleichzeitig muss die Wasserzufuhr bei der Infusionstherapie knapp gehalten werden. Zur Therapie des TUR-Syndroms werden hypertone Natriumchloridinfusionslösungen und Diuretika verabreicht.
Das TUR-Syndrom tritt vor allem bei der TUR der Prostata auf. Bei einer Regionalanästhesie (Spinalanästhesie, PDA) kann man, da der Patient wach ist, das TUR-Syndrom schneller erkennen. Alternative
15
Anästhesiemethoden sind eine balanzierte Anästhesie oder eine IVA/TIVA. Wichtig ist auch bei ausgedehnten Resektionen, den Blutverlust richtig einzuschätzen und rechtzeitig Blut zu transfundieren. Anästhesien in der Tumorchirurgie und bei retroperitonealen Lymphadenotomien In den letzten
Jahrzehnten hat die Urologie in der Tumorchirurgie große Fortschritte gemacht. Mit den radikalen Tumornephrektomien, radikalen Prostatektomien und Zystektomien können die Urologen den Patienten heute Therapieformen mit deutlich verbesserter Prognose anbieten. Der Weg führt aber über sehr lange und schwierige operative Eingriffe. Diese erfordern neben speziellen Lagerungen ein erweitertes Monitoring (arterielle Druckmessung, Messung des zentralvenösen Druckes, Blasenkatheter, Temperatursonde), um die in Abhängigkeit von der Qualität des Operateurs zum Teil erheblichen Blutverluste erfassen und ersetzen zu können. Bei diesen Eingriffen bietet sich immer eine Kombination von Regionalanästhesie (PDA) und Allgemeinanästhesie als »balanced anaesthesia« oder TIVA an. Häufig ist bei den langen Eingriffen eine Auskühlung nicht vermeidbar; dies zwingt häufig zu einer Nachbeatmung auf der Intensivstation. Auch ohne Beatmung ist eine postoperative Intensivbetreuung fast immer erforderlich. Postoperativ ist nach Niereneingriffen ein Röntgenthorax zu empfehlen, weil bei Nephrektomien in Seitenlage eine versehentliche Zwerchfellöffnung mit Pneumothorax möglich ist. Bei dieser Lagerungsform kann es durch Sekretverschluss im Bereich der unten liegenden Lungenhälfte zu einer Atelektase kommen; auch darüber gibt der Röntgenthorax Auskunft. Nierentransplantation Vor der Nierentransplantation wird der Patient hämodialysiert. Wie immer nach eine Hämodialyse sind die Elektrolytwerte zu kontrollieren. Als Narkoseformen empfehlen sich eine balanzierte Anästhesie, wobei man die neue Niere möglichst nicht mit nephrotoxischen Metaboliten wie bei Enflurane (Fluoride) und Sevofluran (Fluoride, Compound A) konfrontieren sollte. Alternative: Opioid, N2O/O2, Isofluran. Zur Relaxation ist Succinylcholin kontraindiziert, wenn der Serumkaliumspiegel über 5,5 mmol/l beträgt. Alternativen
228
Kapitel 15 · Anästhesie in verschiedenen operativen Disziplinen
sind Atracurium oder Vecuronium. Das Monitoring sollte einen zentralvenösen Katheter umfassen, um über ihn die Flüssigkeitszufuhr zu steuern: Ein möglichst hoher ZVD ist vor Transplantatanschluss erwünscht. Um dies zu erreichen, muss die Volumenzufuhr kaliumfreier (!) Infusionen entsprechend gestaltet werden. Aus nephrologischer Indikation wird präoperativ mit einer immunsuppressiven Therapie begonnen (Azathioprin, Prednisolon etc.). Ein besonders auf Sterilität bedachtes Vorgehen ist bei den Patienten zwingend erforderlich. Besonders geschützt werden muss der ShuntArm: keine venöse Punktion, keine arterielle Punktion! Vorsichtig lagern, keine Blutdruckmessung am Shunt-Arm! Der Shunt wird häufig auch postoperativ noch für ein bis zwei, zum Teil auch häufigeren Dialysen gebraucht. Extrakorporale Stoßwellenlithotripsie (ESWL) Die
früher häufigste Anästhesieform im Steinzertrümmerungszentrum war die Periduralanästhesie, die, je nach Lage des Steines, entsprechend hochgezogen werden musste (bis Th 6). Alternative ist die Analgosedierung mit kontinuierlicher Applikation niedrig dosierten Remifentanils über Spritzenpumpe unter Spontanatmung (O2-Gabe, Pulsoximetrie).
15.7
15
HNO-, zahn- und kieferchirurgische Eingriffe
Adenotomie und Ohrmikroskopie In den meisten Fällen handelt es sich um Kleinkinder. Bei der Narkose können die alterstypischen Probleme (Venenpunktion, Intubation etc.) auftreten. Inhalations- und i.v.-Narkoseeinleitung sind möglich. Nach Einführung der Larynxmaske oder Intubation öffnet der HNO-Arzt mit einem Sperrer den Mund. In vielen Kliniken hat sich als Atemwegsschutz bei Adenotomien die Larynxmaske durchgesetzt. Voraussetzung ist allerdings die Kooperation des HNO-Arztes. Der Vorteil der Larynxmaske – hier muss die flexible Larynxmaske zum Einsatz kommen – ist die deutliche Reduktion der respiratorischen Komplikationen (Larynxspasmus etc.). Nach Entfernung der Adenoide kann es manchmal erheblich bluten. Eine sorgfältige Blutstillung ist
notwendig, um eine Nachblutung und damit verbundene Atemwegsprobleme zu verhindern. Tonsillektomie Diese Operation wird in jedem Lebensalter durchgeführt. Die Probleme sind die gleichen wie bei der Adenotomie. Auch hier kann die Larynxmaske zum Atemwegsschutz eingesetzt werden. Ohroperationen Ein Prädilektionsalter gibt es nicht. Häufig möchte der HNO-Operateur Adrenalin ins Operationsgebiet injizieren (meist verwendet er Xylocain 1% mit Adrenalin 1:100.000 verdünnt). Auf diese Weise wird die lokale Durchblutung gedrosselt, was zu einer Blutleere im Operationsgebiet und damit zu besseren Operationsbedingungen führt. Gleichzeitig wird auch eine Lokalanästhesie erreicht. Bei Mittelohroperationen kann Lachgas ins Mittelohr hineindiffundieren und dort das Trommelfell vorwölben, was bei diesem Eingriff nicht erwünscht ist. Deshalb sollte man, falls keine TIVA gewählt wird, die Lachgaskonzentration auf 50% beschränken und die Lachgaszufuhr 20 min vor Verschluss des Mittelohrs ganz unterbrechen. Septum- und Nasenkorrekturen, Nebenhöhlenrevisionen sowie plastische Operationen Es gibt
kein spezielles Patientenkollektiv, Schwerpunkt sind jedoch junge Erwachsene, meist ohne Vorerkrankungen. Langwierige und für den Anästhesisten langweilige Operationen! Dennoch aufpassen! Der Patient ist komplett mit Operationstüchern abgedeckt. Wichtig
Die Finger einer Hand des Patienten müssen immer sichtbar bleiben, um die Oxygenierung fortwährend klinisch überprüfen zu können. Die pulsoxymetrische Überwachung ist obligat. Vorsicht auch wegen der Diskonnektionsgefahr beim Drehen des Kopfes durch den Operateur! Beatmungsalarm beachten!
Tumorchirurgie8 Es handelt sich meist um Suchtpatienten (Alkohol, Nikotin). Die Tumorchirurgie im HNO- und Kieferbereich ist eine Langzeitchirur-
229 15.7 · HNO-, zahn- und kieferchirurgische Eingriffe
gie (8–16 h): z. B. Tracheotomie plus Tumorexstirpation plus »neck dissection« plus Rekonstruktion mit Transplantaten (zum Teil mit mikrochirurgischen Methoden: Gefäßanastomosen).
15
Wenn die Intubation mit dem flexiblen Bronchoskop nicht möglich ist, muss eine Tracheotomie in Lokalanästhesie durchgeführt werden. Gesichtsschädelfrakturen Der Patient ist meist
Praxisbox Praktisches Vorgehen bei Langzeitoperationen in der HNO- und Kieferchirurgie 5 Nasale Intubation: Postoperativ sollte der Tubus liegen bleiben, um die Atemwege freizuhalten; Schwellungsgefahr. Oft wird jedoch primär tracheostomiert! 5 Narkosegase anfeuchten und anwärmen 5 Stündlich Lungen blähen, PEEP-Beatmung 5 Arterielle Blutdruckmessung, stündlich arterielle Blutgasanalysen 5 Kavakatheter zur Messung des zentralvenösen Drucks, um die Volumenverluste abschätzen zu können. Dies ist bei diesen Operationen ausschließlich auf klinische Weise (schätzen!) nicht unproblematisch: Kleine Verluste (z. B. durch Tupfen) über eine lange Zeit ergeben oft erhebliche Volumenverluste und werden klinisch unterschätzt 5 Substitution durch Elektrolytlösung, Plasmaersatzmittel und Blut 5 Urinkatheter 5 Magensonde 5 Temperatur mit Temperatursonde kontrollieren und konstant halten: Wärmematte, Patienten mit Tüchern und Alufolie einwickeln (cave: Hyperthermie) 5 Narkoseführung: TIVA, da eine Inhalationsanästhesie über eine so lange Zeit wegen der Verminderung der Durchblutung in Teilkreisläufen (z. B. Leber) nicht günstig ist 5 Postoperativ Nachbeatmung bzw. Überwachung auf der Intensivstation
Bei Patienten, bei denen zuvor eine »neck dissection« durchgeführt wurde, muss man, wenn erneut Narkose und Intubation anstehen, mit erheblichen Intubationsschwierigkeiten rechnen. In diesen Fällen ist eine Intubation mit dem flexiblen Bronchoskop (7 Kap. 7.1.3) in Tracheotomiebereitschaft (durch HNO-Arzt oder Kieferchirurgen) notwendig.
nicht nüchtern (oft in doppeltem Sinne), deshalb Blitzeinleitung. Cave: Zahnfragmente, Blut! Aspirationsgefahr. Praxisbox Praktisches Vorgehen bei der flexiblen Bronchoskopie 5 Rachen mit Lidocain-Spray betäuben 5 Nasivinetten in die Nase einführen, um die Schleimhaut abschwellen zu lassen. Schleimhautanästhesie in der Nase. Die Intubation mit dem flexiblen Bronchoskop wird fast immer nasal durchgeführt und kann zu Schleimhautschädigungen mit möglichen Blutungen führen 5 Sedierung mit Midazolam (titrierende Dosierung), bis das Zielsymptom Sedation (verwaschene Sprache) erreicht ist. Cave: Atemdepression (pulsoxymetrische Kontrolle); Bronchoskopie muss in Spontanatmung erfolgen 5 Gute Lokalanästhesie des Kehlkopfes durch das Bronchoskop 5 Wenn Trachea sichtbar, Vorschieben des auf das Bronchoskop aufgefädelten Tubus 5 Nach Vorschieben des Tubus Kontrollblick, ob Tubus in der Trachea liegt 5 Danach Narkosevertiefung und Beatmung Bei Gesichtsschädelfrakturen muss man immer zuerst oral intubieren, denn bei nasaler Intubation ist man bei diesen Patienten nicht sicher, wo man den Tubus hinschiebt (z. B. in Kieferhöhlen, bei Schädelbasisfrakturen in den intrakraniellen Raum; bzw. was zusätzlich durch die nasale Intubation noch verletzt werden könnte).
Die Frakturen können primär versorgt werden, wenn keine schwerwiegenden anderen Verletzungen vorliegen. Bei polytraumatisierten Patienten ist jedoch auch noch eine aufgeschobene Versorgung möglich (je nach Begleitverletzungen, z. B. SHT,
230
Kapitel 15 · Anästhesie in verschiedenen operativen Disziplinen
Hirndruckerhöhungen). Es handelt sich fast immer um Langzeiteingriffe. Trachealchirurgie mit Laser Der Laserstrahl wird zur
Entfernung von Granulomen und Papillomen in Larynx und Trachea benutzt. Es besteht die Gefahr, dass auch das Tubusmaterial entzündet und zerstört wird. Deshalb: spezielle Lasertuben benutzen (z. B. Metallspiraltubus)! FIO2 <50%. Das Operations- und Anästhesiepersonal muss sich mit Brillen gegen den Laserstrahl schützen. Augen und Gesicht des Patienten abdecken (z. B. mehrlagige, angefeuchtete OP-Tücher!).
15.8
Neurochirurgie
15.8.1
Gesteigerter intrakranieller Druck
Ursachen und Pathophysiologie
Der Hirnschädel bildet eine abgeschlossene Kammer, in der sich die drei Kompartimente Hirngewebe, Blut und Liquor befinden. Jedes Kompartiment kann sich zu Ungunsten des anderen ausdehnen, sodass der intrakranielle Druck ansteigt. Ursachen für eine Volumenänderung können sein: 4 Hirngewebe: ↑ bei Tumor, interstitielles oder intrazelluläres Hirnödem, Parenchymblutung, ↓ bei Hirnatrophie; 4 Liquor: ↑ bei Hydrozephalus Liquorabflussstörung, ↓ bei Liquordrainage; 4 Blut: ↑ bei Blutung, Hypoxie, Hyperkapnie, ↓ bei Hypokapnie infolge Hyperventilation. . Abb. 15.6. Folgen der intrakraniellen Raumforderung
Steigt das Volumen eines Kompartiments an, ohne dass der Volumenanteil eines anderen reduziert wird, so nimmt das intrakranielle Gesamtvolumen zu. Wegen der Begrenzung des Schädelinnenraums geht jedoch diese Volumenzunahme nur innerhalb enger Grenzen ohne Anstieg des intrakraniellen Drucks einher (Compliance des Gehirns). Oberhalb eines kritischen Volumens steigt der Druck exponentiell an. Wird nicht therapeutisch eingegriffen, so führen zwei pathophysiologische Mechanismen zum Tod des Patienten: Das Gehirn wird gegen das Tentorium und in das Foramen magnum gedrückt, sodass die Hirnnerven und das Stammhirn »einklemmen« und ein Funktionsausfall der betroffenen Hirnnerven und des Atem- und Kreislaufzentrums folgt. Durch den Anstieg des intrakraniellen Drucks über den arteriellen Mitteldruck kommt es darüber hinaus auch zu einem Stillstand der zerebralen Perfusion (. Abb. 15.6). Die zerebrale Perfusion wird durch den zerebralen Blutfluss (CBF) bestimmt, der vom zerebralen Perfusionsdruck (CPP) abhängig ist. Dieser hängt nach der Formel CPP = MAP – ICP vom arteriellen Mitteldruck (MAP) und dem intrakraniellen Druck (»intracranial pressure« = ICP) ab. Der zerebrale Blutfluss wird durch die zerebrale Autoregulation bei einem Perfusionsdruck zwischen 40 und 180 mmHg konstant gehalten. Die Autoregulation kann jedoch beim verletzten, erkrankten oder operierten Hirn gestört sein, sodass
Verlagerung der Falx cerebri
Kompression des linken und Erweiterung des rechten Seitenventrikels
15
epidurales Hämatom im Tentoriumschlitz eingeklemmter Teil des Temporallappens
nach rechts verlagerter III. Ventrikel verlagerter Hirnstamm Kleinhirn
15
231 15.8 · Neurochirurgie
. Abb. 15.7a,b. Methoden der intrakraniellen Druckmessung. a Epidural, b intraventrikulär
Bohrloch
mmHg ICP 25,4 mmHg
a
Kabel Galea Kalotte Druckaufnahme Dura Liquorraum Gehirn
b 10-20 cm ùber Ventrikelhöhe
der zerebrale Blutfluss und damit das intrakranielle Blutvolumen dann direkt vom arteriellen Mitteldruck abhängig sind. Bei kritisch erniedrigtem zerebralem Blutfluss infolge eines ICP-Anstiegs steigt der Blutdruck exzessiv, verbunden mit einer Bradykardie an, um eine ausreichende Perfusion sicherzustellen (Cushing-Reflex). Klinik des erhöhten intrakraniellen Drucks
Zeichen für einen erhöhten intrakraniellen Druck sind: 4 Übelkeit, 4 Erbrechen, 4 Kopfschmerzen, 4 zunehmende Bewusstlosigkeit, 4 Stauungspapille bei chronischem Verlauf. Lähmung von Hirnnerven (Okulomotoriusparese mit weiter Pupille) und plötzlicher Blutdruckanstieg (Cushing-Reflex) sind Zeichen einer Einklemmung. Beidseits weite Pupillen und Hypotension sowie völlige Reflexlosigkeit und Atemstillstand weisen auf einen Perfusionsstillstand (Hirntod) hin. Apparative Untersuchungsmethoden
Die Computertomographie dient dem Nachweis von Tumor, Blutung, Hirnödem (verstrichene Hirn-
windungen, verkleinerte Ventrikel und basale Zisternen) und Hydrozephalus (erweiterte Ventrikel). Messung des ICP (. Abb. 15.7) über 4 intraventrikuläre Sonde: direktes Messverfahren, Möglichkeit der Liquordrainage, jedoch hohe Infektionsgefahr und Traumatisierung des Hirngewebes; 4 subdurale Sonde: ebenfalls direktes Verfahren, aber ohne Zerstörung von Hirnstruktur, Infektionsrisiko; 4 epidurale Sonde: indirektes Verfahren, häufige Fehlmessungen je nach Technik, jedoch geringes Infektionsrisiko. Der normale intrakranielle Druck beträgt 5– 15 mmHg. Eine Behandlung erfolgt ab 20 mmHg (. Abb. 15.8 und 15.9). Therapie des gesteigerten intrakraniellen Drucks
4 Die Lagerung mit 30° erhöhtem Oberkörper erleichtert den Abfluss des Blutes aus dem Gehirn. Dabei muss der Kopf so gelagert werden, dass die Jugularvenen nicht abknicken; 4 Ventrikeldrainage, wenn ein Liquoraufstau die Ursache ist; 4 eine kontrollierte Hyperventilation erzielt zumindest vorübergehend eine Engstellung der
Kapitel 15 · Anästhesie in verschiedenen operativen Disziplinen
. Abb. 15.8a–c. Intrakranieller Druck. a Normaler Kurvenverlauf, b A-Welle; Plateau: Therapie 500 mg Thiopental, c B-Wellen
15 ICP mmHg
232
10 5 0
a
0
10
20
30
50
50
60
70
min
500 mg Thiopental
40 ICP mmHg
40
30 20 10 0
b
ICP mmHg
40 30 20 10 0
c
4
4 4
15
4
4
arteriellen Gefäße und damit eine Verkleinerung des Kompartimentes Blut. Der paCO2 sollte jedoch nicht unter 32 mmHg liegen, da sonst ein zerebraler Arteriospasmus und damit eine Hirnischämie provoziert werden kann; die Sedierung soll den Anstieg des intrakraniellen Druckes beim Husten und Pressen – besonders beim Absaugen über den Endotrachealtubus – verhindern; Normalisierung des arteriellen Mitteldrucks, vor allem beim vorgeschädigten Gehirn (gestörte Autoregulation); Kortikoide verringern das perifokale Ödem bei einem Tumor, eine Wirkung bei der Behandlung des traumatischen Hirnödems ist jedoch nicht nachgewiesen. Erhebliche Nebenwirkungen (Infektion, Stoffwechselstörungen) sind zu beachten; Barbiturate senken den intrakraniellen Druck und den Stoffwechsel des Hirngewebes. Wegen ihrer kardiodepressiven Nebenwirkungen und den damit verbunden Komplikationen ist jedoch ihre Anwendung umstritten; Osmodiuretika können eine akute Erhöhung des intrakraniellen Druckes abfangen. Sie eignen
sich jedoch aufgrund ihres Rebound-Effekts (Mannit und Sorbit werden intrazellulär aufgenommen und verursachen ein intrazelluläres Ödem) nicht zur Dauertherapie. Neben den kardiozirkulatorischen Änderungen sind vor allem die Veränderung des Wasser-Elektrolyt-Haushaltes bei wiederholter Anwendung zu beachten.
15.8.2
Prämedikation
Wichtig
Patienten mit Bewusstseinsstörungen keine Sedativa verabreichen!
15.8.3
Anästhesie bei intrakraniellen Eingriffen
Monitoring EKG, Pulsoxymetrie, direkte Blutdruck-
messung, zentraler Venenkatheter, Blasenkatheter, endexspiratorische pCO2-Messung (Kapnometrie), rektale Temperaturmessung, Dopplersonde.
15
233 15.8 · Neurochirurgie
Husten Absaugen 70 60 50 ICP mmHg
. Abb. 15.9a–c. Intrakranieller Druck. a ICP-Verlauf beim Husten und Absaugen, b Beeinflussung des intrakraniellen Drucks durch Lagerung, c Veränderung des intrakraniellen Drucks durch krankengymnastische Übungen
40 30 20 10 0
a 50 30 30˚
ICP mmHg
40 30 20 10 0
b Beginn der Krankengymnastik (KG) Armbewegung atemsynchrone Thoraxkompression 50
Oberkörper von 10 auf 30˚ 30 Kopflage optimiert atemsynchrone Thoraxkompression Ende der KG
ICP mmHg
40 30 20 10 0
c
Narkose Kontraindiziert sind Medikamente, die den intrakraniellen Druck steigern (Halothan, Enfluran sowie Isofluran bei einer Konzentration über 1,5 Vol%, Sevofluran, Desfluran, Ketamin und bei bereits bestehender intrakranieller Raumforderung auch Lachgas). Intravenöse Anästhetika wie z. B. die Kombination von Propofol mit einem Opioid sind das Mittel der Wahl. Zur Intubation muss der Patient ausreichend tief narkotisiert sein, um einen Blutdruckanstieg und einen Anstieg des ICP zu vermeiden. Postoperativ können die Patienten im Operationssaal extubiert
werden, wenn nicht im Bereich von Hirnzentren operiert wurde, die die vitalen Funktionen beeinträchtigen. Vorsicht ist z. B. dann geboten, wenn der Ventrikel eröffnet wurde. In diesem Falle oder wenn Veränderungen der Vitalfunktionen für eine Nachbeatmung sprechen, wird der Patient intubiert, beatmet sowie tief sediert auf die Intensivstation gebracht und erst dann extubiert, wenn er wach ist. Hierbei bieten die kurz wirksamen intravenösen Anästhetika einen wesentlichen Vorteil, da eine eventuelle zerebrale Dysfunktion (Bewusstlosigkeit) nicht durch einen Anästhetikaüberhang verschleiert wird.
234
15.8.4
Kapitel 15 · Anästhesie in verschiedenen operativen Disziplinen
Spezielle Probleme
Kontrollierte Hypotension Bei der Operation von
zerebrovaskulären Malformationen wie Aneurysmen und Angiomen muss ein Blutdruckanstieg verhindert werden, da es bei der Verletzung der Gefäße während der Präparation oder beim Aufsetzen des Clips, der die Blutzufuhr zu der Gefäßmissbildung unterbricht, zu einer Blutung kommen kann, die umso stärker ist, je höher der Blutdruck ist. Wird der Blutdruck jedoch zu stark gesenkt, so kann es besonders beim Auftreten eines zerebralen Vasospasmus zu einer lokalen Minderdurchblutung kommen. Aus diesem Grunde hat man die kontrollierte Hypotension weitestgehend verlassen und führt heute nur noch eine »tiefe Normotension« durch eine Vertiefung der Narkose durch. Die Kontrolle des Blutdruckes lässt sich mit den modernen, intravenös applizierten Anästhetika wie Propofol in der Regel einfach erreichen. Blutdrucksenkendes Medikament der Wahl bei neurochirurgischen Patienten ist Urapidil, da es keine Nebenwirkungen auf die zerebrale Gefäßweite (also indirekt auf das zerebrale Blutvolumen) hat. Ist darüber hinaus dennoch eine kontrollierte Hypotension notwendig, kann diese mit Nitraten oder Nitroprussid-Natrium (über Spritzenpumpe) durchgeführt werden. Bei der Gabe von Nitroprussid-Natrium entsteht das Zellgift Zyanit, das eine metabolische Azidose verursachen kann. Hier ist Thiosulfat als Antidot angezeigt. Der arterielle Mitteldruck sollte über 60 mmHg liegen, um eine ausreichende Nierenperfusion zu gewährleisten, kann aber kurzfristig auch tiefer gesenkt werden. Obligates Monitoring: arterielle Blutdruckmessung, zentraler Venenkatheter und Blasenkatheter, ggf. neurophysiologisches Monitoring mittels EEG und somatosensorischen Potentialen.
15
Kontrollierte Hypothermie Abkühlung der Körperkerntemperatur mittels Kühlmatten, um die Ischämietoleranz des Gehirns zu erhöhen. Sie ist indiziert bei der Operation schwer zugänglicher zerebraler Gefäßmalformationen (z. B. Aneurysmen der A. basilaris). Aufgrund der möglichen Nebenwirkungen der kontrollierten Hypothermie und der verfeinerten mikrochirurgischen Operationstechnik wird die Hypothermie jedoch heute von vielen Neurochirurgen nicht mehr angewendet. Wenn sie dennoch er-
forderlich ist, sind eine ausreichende Alphablockade und eine tiefe Narkose notwendig, um einen guten Temperaturaustausch zu gewährleisten. Die angestrebte Körperkerntemperatur beträgt 32 °C, tiefere Temperaturen sind wegen der Gefahr des Kammerflimmerns kontraindiziert. Die Beatmung muss dem verringerten Metabolismus angeglichen werden (Verminderung des AMV). Luftemboliegefahr bei Eingriffen in sitzender Position In sitzender Position wird der Patient bevorzugt
bei Operationen an der Halswirbelsäule und in der hinteren Schädelgrube gelagert. Es besteht die Gefahr einer Luftembolie, weil das Operationsgebiet über dem rechten Vorhof liegt. Luft wird bei negativem Venendruck im Operationsgebiet angesaugt und gelangt in die Lungenstrombahn. Die Häufigkeit liegt bei bis zu 20% bei Operationen in sitzender Position. Monitoring, Diagnose und Therapie der Luftembolien 7 Kap. 11.4. Lagerungsprobleme bei Bandscheibenoperationen Die Lagerung des Patienten erfolgt in der Ho-
cke. Es besteht die Gefahr von Lagerungsschäden sowie die Gefahr eines Kavakompressionssyndroms durch Druck auf das Abdomen. Besondere Aufmerksamkeit erfordert auch die Kopflagerung, dabei vor allem die Vermeidung jeglichen Drucks auf die Bulbi. Husten und Pressen während (der Operateur kann die Nerven verletzten!) oder nach dem Eingriff (Hämatombildung) können das Operationsergebnis beeinträchtigen! Wichtig
Bei Bandscheibenoperationen ist auf optimale Fixierung des Endotrachealtubus zu achten, da eine Reintubation in dieser Lage kaum möglich ist.
15.9
Ophthalmologie
15.9.1
Spezielle Erkrankungen
Erhöhter Augeninnendruck (Glaukom) Eine Steigerung des intraokularen Drucks wird durch Hypoventilation, erhöhten ZVD, Husten, Pressen, Succi-
235 15.9 · Ophthalmologie
nylcholin und Ketamin verursacht. Eine Senkung des intraokularen Drucks erfolgt durch alle anderen Narkotika, bei Lokalanästhesie des Auges und Hyperventilation. Die systematische Anwendung von Atropin beim Glaukom ist erlaubt, wenn dem Patienten vorher lokal ein Miotikum verabreicht wurde. Eröffnete Augenkammer Ein Eröffnen der Augenkammer erfolgt bei perforierenden Augenverletzungen oder intraokularen Eingriffen. Wichtig
Bei eröffneter Augenkammer muss ein Anstieg des Augeninnendrucks auf jeden Fall vermieden werden, da sonst die Augenstrukturen nach außen gepresst werden können. Also: ausreichend tiefe Narkose, kein Husten und Pressen, kein Succinylcholin oder Ketamin.
Okulokardialer Reflex Zug an den Augenmuskeln
oder Druck auf dem Bulbus können über den Reflexbogen N. trigeminus – N. vagus eine Bradykardie bis zur Asystolie bewirken (Therapie: Atropin).
15.9.2
Narkoseformen
Zur Operation kommen vor allem Patienten in extremen Altersklassen. 4 Neugeborene und Säuglinge: Tränengangssondierung; Diagnostik bei Fehlbildungen, 4 Kleinkinder: Schieloperationen, 4 hohes Lebensalter: z. B. Kataraktoperationen, 4 in allen Altersklassen: Verletzungen. Die Operationen werden bei Erwachsenen häufig in Lokalanästhesie durchgeführt, vor allem dann, wenn es sich wie bei Kataraktoperationen um standardisierte, kurze Eingriffe handelt. Auf der anderen Seite bietet die Allgemeinanästhesie eine optimale Ruhigstellung des Patienten und in Verbindung mit dem durch die Narkose gesenkten Augeninnendruck optimale Operationsbedingungen. Allgemeinanästhesie Unter Berücksichtigung der oben genannten Grundsätze erfolgt die Intubation-
15
narkose als balancierte Anästhesie mit einer Kombination aus Inhalationsanästhetika und Opioiden oder als total intravenöse Anästhesie (TIVA). In der Augenchirurgie empfiehlt sich die Vermeidung von Lachgas. Absolut kontraindiziert ist die Lachgasanwendung bei allen Patienten, die (z. B. nach Vitrektomie oder zur Therapie einer Amotio retinae) eine Gasfüllung der hinteren Augenabschnitte erhielten (z. B. Schwefelhexafluorid; Anamnese! Vorbefunde!). Vergleiche Kap. 1.14.1. Lokalanästhesie Sie wird vom Augenarzt selbst durchgeführt. Bei den meist alten Patienten liegen oft erhebliche Vorerkrankungen von Herz-Kreislauf, Lunge, Niere und Stoffwechsel vor. Deshalb bittet der Augenarzt oft den Anästhesisten, die Vitalfunktionen des Patienten zu überwachen und bei Zwischenfällen zu intervenieren (Stand-by). Hierbei übernimmt der Anästhesist die Verantwortung für die Sicherstellung der Vitalfunktionen. Daraus resultiert, dass der Patient wie für jedes andere anästhesiologische Verfahren voruntersucht, vorbereitet und ggf. prämediziert wird. Problematisch wird es, wenn der Augenarzt den Anästhesisten bittet, einen unter der Operation befindlichen Patient zu sedieren. Vor allem bei alten Menschen ist die Wirkung der Sedativa schlecht kalkulierbar, sodass die Operationsbedingungen (wenn der Patienten z. B. schnarcht), aber auch die Vitalfunktionen des Patienten beeinträchtigt werden können. Notfalls ist es in diesem Fall günstiger, eine Allgemeinanästhesie einzuleiten.
16 16 Erstversorgung und Narkose beim polytraumatisierten Patienten 16.1 Definition des Polytraumas – 238 16.2 Prinzipien der posttraumatischen Erstversorgung – 238 16.3 Narkose beim polytraumatisierten Patienten – 240
238
Kapitel 16 · Erstversorgung und Narkose beim polytraumatisierten Patienten
16.1
Definition des Polytraumas
Unter einem Polytrauma (Mehrfachverletzung) versteht man die gleichzeitig entstandenen Verletzungen mehrerer Körperteile oder Organe, wobei wenigstens eine Verletzung oder die Kombination mehrerer lebensbedrohlich ist.
16.2
Prinzipien der posttraumatischen Erstversorgung
mit lebensbedrohliche Störungen der Atmungs- und der Herzkreislauffunktion zu verhindern. Die Intubation erfolgt nach den Regeln der Blitzeinleitung auf oralem Wege. Ein zentralvenöser Katheter ist keine Maßnahme der Primärphase, kann auch noch während einer Notfalloperation gelegt werden. Das Legen eines zentralen Venenkatheters im Schockraum darf nie die operative Blutstillung abdomineller oder thorakaler Blutungen verzögern! Wichtig ist eine ausreichende Zahl von venösen Zugängen zur Volumensubstitution. Diese Phase I nennt man Reanimationsphase.
Phase I
Sie umfasst die Sicherung der Vitalfunktion und die Diagnostik akut lebensbedrohlicher Verletzungen. Zu den diagnostischen Maßnahmen zählen: 4 die orientierende körperliche Untersuchung (neurologisch-orientierende Untersuchung, Auskultation von Lunge und Herz, Palpation des Pulses, Palpation des Abdomens, Untersuchung der Extremitäten auf Frakturen, Prellmarken); 4 kontinuierliche Überprüfung der Oxygenierung mit dem Pulsoxymeter; 4 Kreislaufmonitoring (EKG, Blutdruckmessung). Soweit möglich, sollte man sofort eine arterielle Nadel legen; liegt ein Volumenmangelschock vor, so ist dies häufig sehr schwierig. Gelingt die arterielle Punktion jedoch, so kann man über diese Kanüle dann den arteriellen Blutdruck kontinuierlich messen und jederzeit Blut zu Laboruntersuchungen entnehmen; 4 Röntgen: Thorax, Achsenskelett in 2 Ebenen, Schädel-CT ggf. mit CT der kaudalen HWS, wenn diese im konventionellen Röntgen nicht sicher beurteilbar ist; wenn technisch möglich: initiales Ganzkörper-CT; 4 Sonographie des Abdomens und der Pleura; 4 Labor: kleines Blutbild, Quick, PTT, Fibrinogen, Blutzucker, Elektrolyte im Serum, Kreatinin und Blutgruppe, α-Amylase, Lipase als Ausgangswerte.
16
Je nach Verletzungsmuster sollte eine adäquate Zahl von Konserven gekreuzt werden. In dieser Phase ist es notwendig, über eine ausreichend große Zahl venöser Zugänge Volumen zu substituieren, die Sauerstoffversorgung, wenn nötig, durch Intubation und Beatmung zu sichern, um da-
Vital-bedrohliche Störungen der Atmung Folgende Situationen können auftreten: 4 Verlegung der Atemwege: zurückfallende Zunge, Fremdkörper wie Blut, Erbrochenes, Gebiss; Schwellung der Trachealschleimhaut; Fraktur des Kehlkopfes. 5 Symptome: Gurgelndes Atemgeräusch, inspiratorischer Stridor; 5 Therapie: Atemwege freihalten durch Esmarch-Handgriff, Absaugen, beim bewusstseinsgetrübten Patienten Intubation. Wenn bei einer starken Schwellung der Trachealschleimhaut keine Intubation möglich ist (extrem selten), muss koniotomiert bzw. tracheotomiert werden (7 Kap. 41). 4 Störung der Atemmechanik: Pneumothorax, Spannungspneumothorax mit Mediastinalverlagerung, Hämatothorax. 5 Symptome: Atemnot, Zyanose. Bei einem Pneumothorax, insbesondere beim Spannungspneumothorax, ist auf der betroffenen Seite ein Schachtelton perkutierbar. Besonders beim Spannungspneumothorax wird aufgrund des Ventilmechanismus (bei der Einatmung wird Luft über die verletzte Thoraxwand angesogen, bei der Ausatmung gelangt die Luft aber nicht nach draußen) die Lage schnell dramatisch, da die Lunge zusammenfällt und es zu einer Verlagerung und Abknickung der zentralen Gefäße kommt (Mediastinalverlagerung). Dieses bedrohliche Krankheitsbild macht sich in Atemnot, oberer Einflussstauung, hochgradiger Zyanose und Kreislaufschock bemerkbar,
239 16.2 · Prinzipien der posttraumatischen Erstversorgung
5 Therapie: Thoraxdrainage zur Entlastung des Pneumo-, Spannungs- und Hämatothorax (Technik 7 Kap. 35.4.2). 4 Störungen des Gausaustausches: Traumatisch bedingte Ursachen können Lungenkontusion, Lungenödem oder eine Aspiration sein. 5 Therapie: Intubation, Beatmung mit PEEP. Bei Totalatelektase einer Lungenhälfte muss versucht werden, bronchoskopisch abzusaugen. 4 Störungen des Atemzentrums: Die Medulla oblongata kann traumatisch geschädigt sein, Frühsymptome sind Atemstillstand und konsekutiv Herzkreislaufstillstand. 5 Therapie: Intubation und Beatmung.
16
Phase II
Sie umfasst die operative Versorgung akut lebensbedrohlicher Verletzungen. Dazu zählen: 4 intrakranielle Blutungen (epidurales, akutes subdurales Hämatom und Subarachnoidalblutung), 4 massive intraabdominelle Blutungen (Milzruptur, Leberruptur, Gefäßrupturen, Blasenruptur) und 4 massive intrathorakale Verletzungen.
Die Aufnahmekapazität des Retroperitoneums bei Blutungen (Beckenfrakturen) darf jedoch nicht unterschätzt werden: Blutverluste von 6–8 l ins Retroperitoneum sind möglich.
Bei der Erstversorgung haben die abdominellen und intrathorakalen Verletzungen mit starken Blutverlusten absolute Priorität gegenüber der Versorgung intrakranieller Blutungen. Blutungen an den Extremitäten werden zunächst in der Akutphase durch Druckverbände gestillt. Heute gilt die Regel, dass sowohl geschlossene, wie offene Frakturen nach der Stillung evtl. intraabdomineller wie auch intrathorakaler Blutungen sofort in gleicher Sitzung versorgt werden. Durch dieses einzeitige Vorgehen wird der schmerzbedingte Stress, der sich postoperativ auf der Intensivstation durch Umlagerung bei der Pflege des Patienten ergibt, vermindert und damit die Heilungschancen erhöht. Phase I und II nennt man auch die »golden hour«. Ein unter den Fachgebieten abgestimmtes diagnostisches und akuttherapeutisches Prozedere lässt die Verletzungen des Patienten erkennen und muss zu den notwendigen Akutinterventionen führen. Dazu ist eine vorherige, prinzipielle Absprache der Fachgebiete über die Vorgehensweise notwendig. Ungeklärte Kompetenzverteilung und unübersichtliche Situationen im Schockraum führen häufig zu diagnostischen und therapeutischen Fehlern. Deshalb: Die erste Stunde nach dem Polytrauma ist die Bedeutendste für den Patienten! Die Erstversorgung muss in einem Bereich stattfinden, der die gleiche Ausstattung hat wie ein Operationssaal: Das dazu notwendige Monitoring (EKG, nichtinvasive Druckmessung, Pulsoxymetrie, Kapnographie) muss im Schockraum ebenso vorhanden sein wie die bildgebenden Verfahren: Hier sind besonders die Sonographie, das konventionelle Röntgen und das Spiral-CT gefragt!
Lebensbedrohliche Störungen des Kreislaufs Beim
Phase III
polytraumatisierten Patienten liegt immer eine Hypovolämie, meist ein hypovolämischer Schock vor.
Sie umfasst die Stabilisierung der Vitalfunktionen auf der Intensivstation. Nach der operativen Versor-
Ist der Patient bereits am Notfallort intubiert worden, so ist es Pflicht des aufnehmenden Anästhesisten, die Tubuslage laryngoskopisch und anhand des endexspiratorischen CO2 zu überprüfen (cave: Fehlintubation). Vital-bedrohliche Schädelhirntraumen 7 Kap. 38.4.1. Vital-bedrohliche Verletzungen im Abdomen Häu-
figste Blutungsquellen: 4 Milzrupturen, 4 Leberrupturen, 4 Rupturen großer Gefäße, 4 Blasenruptur mit Zerstörung des vesikalen Venengeflechtes. Beim stumpfen Bauchtrauma kann es auch zur Hohlorganperforation (Magen, Darm) kommen. Dies führt rasch zu einer Peritonitis mit starken Schmerzen und Abwehrspannung. Häufig kommt es auch zu einer Pankreaskontusion. Lebensbedrohliche Verletzungen im Retroperitoneum Schwere Nierenverletzungen sind eher selten.
240
Kapitel 16 · Erstversorgung und Narkose beim polytraumatisierten Patienten
gung akut lebensbedrohlicher Verletzungen werden die Vitalfunktionen überprüft und Störungen korrigiert: 4 Beatmung, orientiert an der pulsoxymetrisch gemessenen Sauerstoffsättigung und an den arteriellen Blutgasanalysen, 4 Volumensubstitution, orientiert an den kardiovaskulären Parametern, 4 Korrektur von Gerinnungsstörungen. Phase IV
Sie umfasst die operative Versorgung nicht akut lebensbedrohlicher Verletzungen. Dies erfolgt erst nach Tagen, wenn sich die Vitalfunktionen stabilisiert haben und Komplikationen (z. B. traumatische Pankreatitis) überwunden sind. Phase V
Als Phase V bezeichnet man die Zeit der Rehabilitation.
16.3
Narkose beim polytraumatisierten Patienten
Ziel der Narkose beim polytraumatisierten Patienten ist es, dem Verunglückten die durch das Trauma und die Diagnostik (Lagerung) bedingten Schmerzen zu nehmen. Damit soll auch die sympathikoadrenerge Reaktion durchbrochen werden, die den durch den Volumenverlust bedingten Schock verstärkt. Die Indikationen zur sofortigen, auch außerklinischen Narkoseeinleitung sind: 4 ausgedehnte Verletzungen mit stärksten Schmerzen, 4 Aspiration am Notfallort, 4 schweres Thoraxtrauma, 4 Bewusstlosigkeit (Intubation zum Schutz vor Aspiration und therapeutische milde Hyperventilation).
16
Das Anästhesieverfahren sollte so gewählt werden, dass die schockbedingte Kreislaufdepression nicht verstärkt wird. Ketamin führt zu einer Steigerung des Blutdrucks und verursacht keine Atemdepression bei vollem Erhalt der Schutzreflexe. Es hat eine große therapeutische Breite. Aufgrund dieser Eigen-
schaften eignet es sich besonders zur Narkose im außerklinischen Bereich, wenn unerwünschte Wirkungen (ICP-Anstieg beim spontanatmenden Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma) und Kontraindikationen beachtet werden. Ist der SchädelHirn-traumatisierte Patient dann intubiert und hyperventiliert, so ist auch die Gabe von Ketamin statthaft. Meist wird Ketamin durch Benzodiazepine ergänzt, damit es nicht zu den psychischen unerwünschten Nebenwirkungen kommt (Horrortrips, Alpträume etc.). Alternativen als Narkoseeinleitungsmittel am Notfallort sind Etomidat und Midazolam. Die Narkose wird dann in der Klinik als Benzodiazepin-Opioid- oder TIVA-Narkose fortgeführtPropofol muss wegen des hypovolämischen Schocks (cave: weiterer Blutdruckabfall) sehr vorsichtig dosiert werden. Bedeutsam ist in dieser Phase die adäquate Volumensubstitution mit Vollelektrolytlösung, Plasmaersatzmittel und Blut (7 Kap. 9.1). Eine mögliche ICP-Steigerung durch Lachgas muss beachtet werden. Bei einem Schädel-Hirn-Trauma besteht eine Kontraindikation gegen die Anwendung von Lachgas. Der polytraumatisierte Patient wird in der Klinik immer intubiert, wenn dies nicht schon am Notfallort erfolgt ist, um einen sicheren Aspirationsschutz und einen adäquaten Gasaustausch zu gewährleisten. Darüber hinaus ist die Intubation und Beatmung bei Schädel-Hirn-Traumen auch aus therapeutischer Sicht (therapeutische milde Hyperventilation 7 Kap. 15.8.1) notwendig. Bei der Intubation sind die Regeln der Intubation bei »vollem Magen« (Blitzeinleitung, 7 Kap. 11.3.8) zu beachten.
17 17 Die postoperative Phase 17.1 Aufgaben des Aufwachraums
– 242
17.2 Komplikationen in der postoperativen Phase – 243 17.3 Postoperative Analgesie
– 245
242
Kapitel 17 · Die postoperative Phase
Die Entscheidung, auf welche Station der Patient postoperativ verlegt werden soll, orientiert sich an möglichen Komplikationen, die das Leben des Patienten in der postoperativen Phase bedrohen könnten. Die überwiegende Zahl der Patienten verlässt den Operationstrakt über den Aufwachraum. Dort ist eine anästhesiologische Überwachung so lange zu gewährleisten, bis der Patient wach ist, seine Schutzreflexe vorhanden sind und eine effektive analgetische Therapie begonnen wurde. Störungen von Vitalfunktionen (Wasser- und Elektrolyt-Haushalt, Gerinnungsstörungen, Kreislauf, Atmung) müssen korrigiert und eine Hypothermie behoben sein, bevor der Patient auf die Allgemeinstation verlegt werden kann. Auf eine postoperative Wachstation werden Patienten verlegt, bei denen 4 geringgradige Organfunktionsstörungen vorliegen (kompensierte Herz-, Atem- oder Niereninsuffizienz), 4 eine engmaschige postoperative Überwachung der Vitalfunktionen notwendig ist, 4 eine adäquate Volumensubstitution und parenterale Ernährung durchgeführt werden muss oder 4 eine effektive Analgesie vor allem über den PDAKatheter erfolgen soll. Charakteristika der postoperativen Wachstation sind 4 häufiger Patientenwechsel: Wenn der Patient die akute postoperative Phase ohne Probleme überstanden hat, wird er auf die Allgemeinstation verlegt. Wenn es zu Komplikationen gekommen ist, erfolgt eine Verlegung auf die Intensivstation; 4 Verzicht auf apparative Therapieverfahren. Die Intensivstationen haben einen besseren Personalschlüssel und eine bessere apparative Ausstattung.
17
Wachstationen werden meist vom zuständigen Operateur geleitet. Auf eine Intensivstation werden Patienten verlegt, 4 bei denen die Grunderkrankung selbst (z. B. Peritonitis, Phäochromozytom) zu Komplikationen prädestiniert,
4 bei denen komplikationsträchtige Nebenerkrankungen von Seiten der Vitalfunktionen Herz/ Kreislauf und Atmung vorliegen, 4 bei denen aus operationstechnischen Gründen (z. B. Herz-, Thorax-, Neurochirurgie) mit einer hohen Inzidenz vitalbedrohlicher Komplikationen zu rechnen ist, 4 bei denen eine therapeutische oder akzidentelle Hypothermie vorliegt, 4 bei denen ein Narkoseüberhang vorliegt, aufgrund von Kontraindikationen zur Antagonisierung jedoch eine Nachbeatmung erforderlich ist oder 4 bei denen eine Nachbeatmung sogar zwingend therapeutisch notwendig ist (z. B. bei Hirnödempatienten). Auf der Intensivstation ist durch die Konzentration von intensivmedizinischem Know-how (Ärzte und Pflegepersonal) und technischen Geräten auf eine kleine Zahl von Patienten die Voraussetzung für eine optimale Überwachung der Vitalfunktionen, eine optimale Prophylaxe und Therapie von Störungen der Vitalfunktionen gegeben.
17.1
Aufgaben des Aufwachraums
Zu den Aufgaben des Aufwachraums zählen die Überwachung der Vitalfunktionen, die Therapie von unmittelbar postoperativ auftretenden Komplikationen sowie die postoperative Schmerztherapie. Zum Monitoring im Aufwachraum zählt die Überwachung von 4 arterieller Sauerstoffsättigung (SaO2), 4 Herzaktion (EKG), 4 arteriellem Blutdruck, 4 ZVD, 4 Urinproduktion, 4 Körpertemperatur, 4 Flüssigkeitsverlusten über Wund-, Bauch- und Thoraxdrainagen (z. B. Diagnostik postoperativer Blutungen, aber auch Verlust von Gallensekret etc.).
243 17.2 · Komplikationen in der postoperativen Phase
17.2
Komplikationen in der postoperativen Phase
Hypoxie und Hyperkapnie (Zyanose an Akren, Lippe, Zunge) Häufige Ursachen sind
4 verlegte Atemwege 5 durch zurückgefallene Zunge; Therapie: Guedel- oder Wendeltubus (. Abb. 7.2); 5 durch Schleim, Blut, Magensekret; Therapie: Absaugen; 5 durch Aspiration; Therapie: 7 Kap 11.3.7; 5 durch abgebrochene Zähne (selten); Therapie: Entfernung mit Magill-Zange oder bronchoskopisch; je nach Lage; 5 durch Atelektasen; Therapie: bronchoskopisches Absaugen; 5 durch Trachealwandödem (selten bei Erwachsenen, häufiger bei Kindern; Symptom: Stridor); Therapie: Sedierung, Sauerstoff, Vaponephrin-Inhalation. 4 Muskelrelaxanzienüberhang: Der Patient ist agitiert, tachykard, tachypnoisch, hyperton (Stress), macht unkoordinierte Bewegungen, klagt über Atemnot; Therapie: Antagonisierung oder Nachbeatmung unter Sedierung. 4 Opioidüberhang: Patient ist ruhig, zyanotisch, hat Bradypnoen; Therapie: Antagonisierung mit Naloxon (Narcanti, 7 Kap. 1.1.2), bei Kontraindikation (Hirnödem, koronare Herzerkrankung) Nachbeatmung unter Sedierung. 4 Störungen der Atemmechanik (seltener): Pneumothorax; der Patient ist unruhig, tachypnoisch, tachykard, hyperton, hat ausreichende Muskelkraft; typisch sind ein Schachtelton bei Perkussion und ein abgeschwächtes oder gar fehlendes Atemgeräusch auf der betroffenen Seite bei der Auskultation. 4 Störungen des Gasaustausches (Lungenödem): typisches feinblasiges Rasselgeräusch, gestaute Halsvenen, Tachypnoe. 4 Bronchospasmus (Konstriktion der Bronchialmuskulatur). Typisches Zeichen: exspiratorisch giemendes Atemgeräusch, sitzende Position, nach Luft ringend unter Zuhilfenahme der Atemhilfsmuskulatur.
17
Hypokapnie Sie kann Folge einer kompensatorischen Hyperventilation bei Hypoxie sein. Kardiozirkulatorische Auswirkungen der Hypokapnie sind 4 zerebrale Vasokonstriktion und Abnahme der Hirndurchblutung, 4 Anstieg des peripheren Gefäßwiderstandes, 4 Abnahme des Herzzeitvolumens, 4 Hypokaliämie als Folge der respiratorischen Alkalose, 4 Linksverschiebung der Sauerstoffdissoziationskurve, 4 Anstieg des koronaren Widerstandes und Abnahme der koronaren Durchblutung.
Sie zwingen zur sofortigen Korrektur der Hypokapnie. Herzrhythmusstörungen Sie stellen bei präoperativ bereits existenten Rhythmusstörungen kein Problem dar. Treten sie jedoch akut postoperativ auf, so muss besonders bei ventrikulären Extrasystolen an ein myokardiales Sauerstoffdefizit gedacht werden. Therapie ist je nach Ursache 4 eine Preload-Verminderung, 4 eine Afterload-Verminderung, 4 eine adäquate Volumensubstitution zur Anhebung des diastolischen Aortendrucks und damit zur verbesserten Koronarperfusion oder 4 medikamentöses Anheben des diastolischen Aortendruckes (Katecholamine).
Symptomatisch ist die Applikation von Lidocain angezeigt. An eine Digitalis-Intoxikation ist zu denken (selten). Bradykarde Rhythmusstörungen sind ätiologisch auf Vagusreize, Cholinesterasehemmstoffe und – kardial – auf AV-Blockierung oder Knotenrhythmen zu beziehen. Therapie: Applikation von Atropin, Orciprenalin, Adrenalin. Bei therapiefraktärem Verhalten und hämodynamischen Auswirkungen (Blutdruckabfall, Herzinsuffizienz) ist eine Schrittmacherimplantation angezeigt. Tachykardien sind in der akuten postoperativen Phase ätiologisch vieldeutig: 4 Schmerzen und Angst, 4 Fieber, Bakteriämie, Endotoxin-Einschwemmung,
244
4 4 4 4
Kapitel 17 · Die postoperative Phase
Hypoxie, Hyperkapnie, Volumenmangel, Myokardinsuffizienz, Medikamentenwirkung (Dopamin, Dobutamin etc.).
Tachykardien tragen entscheidend zur Verschlechterung des Sauerstoffangebots und zur Erhöhung des Sauerstoffbedarfs bei und müssen energisch ursächlich therapiert werden. Tachyarrhythmien bedürfen einer zusätzlichen antiarrhythmischen Therapie (Digitalis, Betablocker, Verapamil). Hypertonie In der akuten postoperativen Phase ist
die Hypertonie meist Folge von Angst und Schmerzen, Hypoxie und Hyperkapnie. Nicht selten ist eine volle Blase Ursache der postoperativen Hypertonie. Ein Harnverhalt macht häufig eine Einmalkatheterisierung notwendig. Hypotonie Als Ursachen kommen Volumenmangel,
Herzinsuffizienz, vasovagale Synkopen auf Schmerzreize (selten) oder ein anaphylaktischer Schock in Frage. Um eine ausreichende Organperfusion zu gewährleisten, muss eine adäquate Schocktherapie durchgeführt werden (7 Kap. 22.6). Hypothermie Die Kontrolle der Temperatur des Pa-
tienten ist von vitaler Bedeutung. Eine Hypothermie führt zwar intraoperativ zu einer Abnahme des O2-Bedarfs und der CO2-Produktion (Atemminutenvolumen anpassen!), postoperativ in der Phase des Muskelzitterns jedoch zu einem exzessiven Anstieg des Sauerstoffbedarfs bei gleichzeitiger Linksverschiebung der Sauerstoffdissoziationskurve (Verschlechterung der Sauerstoffabgabe an das Gewebe: Hypoxie!). Eine postoperative Temperatur von unter 35,5 °C, rektal gemessen, zwingt dazu, insbesondere den Patienten mit geringer kardialer und respiratorischer Leistungsreserve behutsam unter Nachbeatmung aufzuwärmen, damit es nicht zu einer Hypoxie und kardiorespiratorischen Dekompensation kommt.
17
Hyperthermie Gründe für eine Körpertemperaturerhöhung können sein: 4 Bakteriämie, Endotoxin-Einschwemmung (Therapie: Kühlung, Antipyretika, Antibiotika),
4 pyrogene Infusionslösungen (selten; Therapie: Austausch der Infusionslösung), 4 maligne Hyperthermie (7 Kap. 11.2). Letztere kann noch mit einer Latenzzeit von 24 h auftreten. Anurie Sie ist meist auf intravasalen Volumenmangel, seltener auf eine Herzinsuffizienz zurückzuführen. Möglicherweise ist auch ein falsch liegender oder mit Blutkoageln verstopfter Blasenkatheter verantwortlich für die Anurie. Bei vielen Patienten ist postoperativ eine Miktion nicht oder nur schwer möglich, da ein sympathikusbedingter Sphinkterspasmus vorliegt. Therapie: Parasympathomimetika (Doryl, Ubretid), Einmalkatheterisierung. Polyurie Als Ursachen kommen in Frage
4 osmotisch: Glukosurie; Therapie: Korrektur der Glukose-Stoffwechselentgleisung; 4 zentral bei erhöhtem intrakraniellen Druck: Therapie mit Minirin (synthetisches ADH-Analogon) oder 4 Überinfusion. Zentral-anticholinerges Syndrom (ZAS) Das ZAS ist ein Problem der Aufwachphase; es tritt extrem selten auf. Als Symptom steht im Vordergrund: Der Patient wacht postoperativ über längere Zeit nicht auf, obwohl es keinen Grund für die andauernde Bewusstlosigkeit gibt. Inhalationsanästhetika und Lachgas, sofern noch verwendet, sind meist schon längere Zeit abgestellt, es wird nur mit O2 beatmet, keine Hypoxie und kein Herzkreislaufstillstand während der Narkose, dennoch wacht der Patient nicht auf. Pathophysiologie: Das cholinerge Neurotransmittersystem ist mit dem Neurotransmitter Acetylcholin an differenzierten zerebralen Funktionen beteiligt. Dazu zählt auch das Bewusstsein. Eine Antagonisierung des Acetylcholin-Effekts durch anticholinergisch wirkende Substanzen führt zu einer Störung dieser Funktionen und damit zur Bewusstlosigkeit. Zu den stärksten anticholinerg wirkenden, vom Anästhesisten benutzten Substanzen zählen vor allem die Neuroleptika. Sie induzieren häufig in Kombination mit Inhalationsnarkotika ein ZAS. Das
245 17.3 · Postoperative Analgesie
ZAS ist besonders auch deshalb selten geworden, weil Neuroleptika heute nur noch sehr selten als Prämedikations- oder i.v.-Narkosemittel gegeben werden. Symptome: Ein Verdacht ergibt sich bei andauernder postoperativer Bewusstlosigkeit. Die Atemtätigkeit kann dabei unzureichend sein. Zu dieser ruhigen Form des ZAS zählen auch stuporöse Zustände. Sie kommen jedoch häufiger nach Langzeitsedation im Rahmen der Intensivmedizin vor. Zu unterscheiden davon ist die erregte Form des ZAS mit Orientierungsstörungen und deliranter Unruhe. Da eine charakteristische Symptomatik fehlt, wird die Diagnose oft erst retrospektiv nach erfolgreicher Therapie mit Physostigmin gestellt. Therapie: Bei Physostigmin handelt es sich um einen Cholinesterasehemmstoff, der die Blut-HirnSchranke überwinden kann. Acetylcholin steht dann vermehrt zur Verfügung und verdrängt die Antagonisten vom Rezeptor. Ist das normale Neurotransmittergleichgewicht am Rezeptor wieder eingestellt, so kehrt meist rasch, zum Teil noch während der Injektion von Physostigmin das Bewusstsein zurück. Die Dosierung beträgt 2 mg Physostigmin. Die Applikation sollte über 2 min intravenös erfolgen. Nach 20 min können erneut 2 mg intravenös oder intramuskulär injiziert werden, wenn die zentral-anticholinergen Symptome noch nicht aufgehoben sind. Physostigmin kann folgende Nebenwirkungen haben: Speichelfluss, Übelkeit, Erbrechen, Harnund Stuhlabgang, Bradykardie, Bronchospasmus, Krampfanfälle. Kontraindikationen sind Asthma bronchiale und koronare Herzerkrankung.
17.3
Postoperative Analgesie
Die postoperative Analgesie war lange Zeit ein Stiefkind der Anästhesie. Ihr wurde in den letzten Jahren vermehrt Beachtung geschenkt. Methoden der postoperativen Analgesie sind: 4 die Applikation peripher wirkender Analgetika (7 Kap. 1.15) beim somatischen Schmerz (Bindegewebe, Haut, Knochen, Zähne); 4 die Applikation von zentral wirksamen Analgetika bei viszeralen Schmerzen (Thorax, Abdo-
17
men), wobei selbstverständlich auch bei Schmerzen an den Extremitäten, wenn die peripher wirksamen Analgetika nicht ausreichen, Opioide indiziert sind; 4 die Analgesie über Regionalanästhesieverfahren (Nervenblockaden, Plexusanästhesie, Periduralanästhesien). Der Fortschritt in der postoperativen Analgesie besteht in der PCA (patientenkontrollierte Analgesie). Verordnet der Anästhesist »Opioide bei Bedarf«, so empfindet der Patient postoperativ Schmerz, was ihn veranlasst, die Schwester zu rufen. Diese kommt im besten Falle auch gleich, vernimmt den Patientenwunsch, ruft einen Arzt, der dann das Opioid injizieren soll. Sie holt unterdessen das Opioid aus dem Schrank für Betäubungsmittel, zieht das Opioid auf; der Arzt, mittlerweile angekommen, gibt dem Patienten die Spritze. Im besten Fall vergehen 15 min, meist dauert es erheblich länger. Zwischenzeitlich sind die Schmerzen stärker, wenn es länger dauert, fast unerträglich geworden. Die PCA geht davon aus, dass der Patient am besten seine Schmerztherapie selbst steuert: Er erhält über einen Perfusor sein Analgetikum kontinuierlich intravenös (Basisdosis; cave: nicht bei Kindern: Kumulationsgefahr) und kann sich bei Bedarf über einen Knopf eine Bolusinjektion selbst applizieren. Bei dieser mikroprozessorgesteuerten Analgesie ist die Höhe der Basisdosis, die Bolusdosis und ein Sicherheitsabstand zur nächsten Bolusapplikation einprogrammiert, Letzteres um unerwünschte Wirkungen zu vermeiden. Untersuchungen haben nicht nur den von Patient zu Patient höchst unterschiedlichen Analgetikabedarf gezeigt bei vergleichbaren Operationen, sondern auch, dass bei der PCA der Gesamtopioidverbrauch kleiner als bei der Analgesie nach Bedarf ist. Gleichzeitig konnte gezeigt werden, dass es unter diesem Vorgehen keine Atemdepression gibt.
Postoperative Intensivmedizin 18
Indikationen zur postoperativen intensivmedizinischen Behandlung – 249
19
Postaggressionsstoffwechsel
20
Parenterale Ernährung
21
Akute respiratorische Insuffizienz – 263
22
Schock
23
Akutes Nierenversagen
24
Störungen des Wasser- und Elektrolythaushalts
25
Störungen des Säure-Basen-Haushaltes
26
Gerinnungsstörungen
27
Störungen der zerebralen Funktion
– 313
28
Verbrennungen und Verbrühungen
– 323
29
Tetanus
30
Präeklampsie, Eklampsie und HELLP-Syndrom
31
Kohlenmonoxidvergiftung
32
Hygiene auf der Intensivstation
33
Organisation der Intensivtherapie
– 251
– 255
– 275 – 285 – 293
– 303
– 307
– 331
– 339 – 341 – 347
– 333
18 18 Indikationen zur postoperativen intensivmedizinischen Behandlung
250
18
Kapitel 18 · Indikationen zur postoperativen intensivmedizinischen Behandlung
Eine Indikation zur postoperativen oder posttraumatischen intensivmedizinischen Behandlung besteht dann, wenn nach erfolgter Operation Störungen der Vitalfunktion vorliegen oder drohen. Eine Indikation zur postoperativen intensivmedizinischen Behandlung besteht, wenn 4 das Leiden die Kompensationsmechanismen des Körpers auch bei intakten Organfunktionen überfordert (z. B. Peritonitis) oder selbst zu Komplikationen prädisponiert (z. B. Phäochromozytom); 4 bei Nebenerkrankungen, vor allem der Vitalfunktionen Atmung und Herz-Kreislauf, die Kompensationsbreite des Körpers schon bei kleineren Eingriffen bereits voll ausgeschöpft wird (z. B. perforierte Appendizitis beim chronischen Emphysembronchitiker); 4 aus operationstechnischen Gründen Komplikationen drohen (z. B. nach Ösophagusresektionen); 4 aus anästhesiologischen Gründen (Narkoseüberhang und Kontraindikation zur Antagonisierung, Hypo- und Hyperthermie) oder aus therapeutischen Gründen eine Nachbeatmung notwendig ist (z. B. Hirnödem). Eine posttraumatische intensivmedizinische Betreuung ist notwendig, wenn 4 die Vielzahl der Einzeltraumen die physiologischen Kompensationsmöglichkeiten auch bei intakten Organfunktionen überfordern (z. B. Polytrauma); 4 Einzeltraumen (z. B. Schädelhirntrauma, Thoraxtrauma) das Leben des Patienten bedrohen und deswegen eine apparative Therapie notwendig ist oder 4 bei Vorerkrankungen die Kompensationsbreite des Patienten kritisch überfordert wird (z. B. Schenkelhalsfraktur beim alten Patienten mit Vorerkrankungen). Einige Erkrankungen haben aufgrund ihrer Pathophysiologie eine hohe Inzidenz von Störungen der Vitalfunktionen zur Folge und machen deshalb per se eine intensivmedizinische Therapie notwendig (Eklampsie, Verbrennung, Tetanus, CO-Vergiftung).
Zu den Organfunktionen, deren Störung sich als lebensbedrohlich erweisen kann, zählen 4 die Atmungsfunktion, 4 die Herz-Kreislauf-Funktion, 4 die Nierenfunktion, 4 die Leberfunktion, 4 die zerebrale Funktion, 4 der Stoffwechsel und Energiehaushalt, 4 der Wasser- und Elektrolythaushalt, 4 der Säure-/Basenhaushalt, 4 das Gerinnungssystem, 4 die Temperaturregulation. Eingeschränkte Organfunktionen beeinflussen den postoperativen und posttraumatischen Verlauf. Der gleichzeitige Ausfall mehrerer Organsysteme führt zum multiplen Organversagen.
19 19 Postaggressionsstoffwechsel 19.1 Pathophysiologie – 252 19.2 Infusionstherapie
– 253
19
252
Kapitel 19 · Postaggressionsstoffwechsel
19.1
Pathophysiologie
Auslöser der Stoffwechselveränderungen, die als Postaggressionssyndrom bezeichnet werden, können vor allem schwere Verletzungen, Verbrennungen, Sepsis und große Operationen sein. Als Trigger-Mechanismen sind vor allem auch Schmerz, Hypoxie, Hypovolämie, Hypothermie und Toxine zu nennen. Im Vordergrund stehen 4 verstärkter Eiweißabbau mit renalem Stickstoffverlust, 4 veränderter Glukosestoffwechsel, 4 gesteigerter Fettabbau, 4 erhöhter Energieumsatz. Bei der Beschreibung der Abfolge der einzelnen Veränderungen hat es sich bewährt, den klinischen Verlauf des Postaggressionssyndroms in drei Phasen zu unterteilen (. Abb. 19.1). Akutphase Unmittelbar nach Einsetzen des Traumas wird die Stoffwechselsituation vor allem durch die Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin . Abb. 19.1. Definition der einzelnen Phasen des posttraumatischen Stoffwechsels mit Hilfe der Relation zwischen Insulin und den antiinsulinären Hormonen. (Nach Altemeyer et al.)
Akutphase
bestimmt. Die Insulinsekretion ist supprimiert und auch durch eine Glukoseinfusion nicht stimulierbar. Über die Norm erhöht ist die Ausschüttung aller antiinsulinärer Hormone: Glukagon, Kortisol und das, wenn Insulin fehlt, auch antiinsulinär wirkende Wachstumshormon. Folge ist eine maximale Glykogenolyse, Lipolyse, eine gesteigerte Glukoneogenese und eine Proteolyse. Der Blutzuckerspiegel steigt in dieser Situation oft bis zu 250 mg/dl an. Ziel dieser Stoffwechselveränderungen ist es, in der Notsituation genügend Energie bereitzustellen. Aufgrund der heute frühzeitig einsetzenden Therapie (notärztliche Versorgung, Intensivtherapie bei Klinikaufnahme) dauert diese Akutphase meist nur noch Stunden. Für Sepsis und septischen Schock gilt die gleiche, erheblich gestörte Stoffwechselhomöostase. Übergangsphase Hier herrschen noch die antiinsu-
linären Hormone vor. Insulin ist zwar stimulierbar, es besteht aber weiterhin ein relativer Insulinmangel. Wegen der beginnenden Insulinsekretion sinkt der Blutzuckerspiegel. Ein zweiter Grund für das Sinken des Blutzuckerspiegels sind jedoch auch die
Übergangsphase
"injury" "ebb phase"
"turning point" "flow phase"
"Aggressionsphase"
"Postaggressionsphase"
Stunden
Tage
Insulin antiinsulinäre supprimiert Faktoren dominieren
Insulin antiinsulinäre stimulierbar Faktoren überwiegen
keine Ernährung
stufenweiser Nahrungsaufbau
Polytrauma Sepsis Verbrennung kardiogener Schock mittelschwere Eingriffe leichte Verletzungen
Reparationsphase "muscular strength" "fat gain" "flow phase"
Tage - Wochen
Insulin dominiert
antiinsulinäre Faktoren normalisiert
volle Ernährung
253 19.2 · Infusionstherapie
verbrauchten Glykogenspeicher. Glukose wird nun aus Laktat, Glyzerin, glukoplastischen Aminosäuren, Fettsäuren und Ketokörpern gewonnen. Die Übergangsphase dauert Tage. Mittelschwere Traumen und Operationen führen sofort in diese Phase, ohne dass die typischen Stoffwechselveränderungen der Akutphase auftreten. Treten jedoch Komplikationen auf, so kann sich die Stoffwechselsituation jederzeit wieder in die der Akutphase verändern. Reparationsphase Die antiinsulinären Hormone
sind im Normbereich. Die Insulinsekretion funktioniert wieder normal, die Phase der Anabolie hat begonnen und verlorenes Muskelgewebe wird wieder aufgebaut. Die Folge sind eine positive Stickstoffund Energiebilanz.
19.2
Infusionstherapie
In der Akutphase steht die Therapie mit Blutvolumenersatzmitteln, Elektrolytlösungen und korrigierenden Lösungen des Säure-Basen-Haushalts im Vordergrund. Energieträger dürfen nicht zugeführt werden, da der Blutzuckerspiegel aufgrund des Traumas erhöht ist und zugeführte Glukose wegen der supprimierten Insulinsekretion nicht verwertet werden kann. Eine Hyperglykämie mit den daraus resultierenden Folgen (Osmolarität, osmotische Diurese) wäre die Konsequenz. Erst in der Übergangsphase kann mit einer vorsichtigen Energiezufuhr unter engmaschigen Laborkontrollen begonnen werden, da immer noch die Gefahr von Stoffwechselimbalancen droht. Erst in der Reparationsphase kann die volle enterale oder parenterale Ernährung erfolgen. Dabei scheint eine Ernährung mit 30–40 kcal/kg/ Tag auch bei schwerst polytraumatisierten Patienten während der Intensivtherapie ausreichend zu sein.
19
20 20
Parenterale Ernährung
20.1
Pathophysiologie des Energiestoffwechsels
20.2
Komponenten der parenteralen Ernährung – 256
20.2.1 20.2.2 20.2.3 20.2.4
Aminosäuren – 256 Kohlenhydrate – 257 Fette – 258 Vitamine und Spurenelemente – 258
20.3
Praxis der parenteralen Ernährung – 258
20.4
Sondenernährung
20.4.1 20.4.2 20.4.3
Diäten für die enterale Ernährung – 262 Applikationsweg – 262 Indikationen zur Sondenernährung – 262
– 261
– 256
256
20.1
20
Kapitel 20 · Parenterale Ernährung
Pathophysiologie des Energiestoffwechsels
Beim Gesunden besteht ein Gleichgewicht zwischen abbauenden (katabolen) und aufbauenden (anabolen) Stoffwechselprozessen. Dieses Gleichgewicht wird im Postaggressionsstoffwechsel gestört durch 4 eine ungenügende Aufnahme von Wasser, Elektrolyten und Substraten bei gleichzeitig erhöhtem Bedarf und Verlusten sowie durch 4 eine Aktivierung von Stresshormonen, die den Energieverwertungsprozess auf die vermehrte Bereitstellung von Energie im Postaggressionsstoffwechsel umstellen. Eine ungenügende Aufnahme von Energieträgern liegt beim Patienten im Postaggressionsstoffwechsel dann vor, wenn 4 er nicht essen darf; postoperativ und posttraumatisch kommt es zu einer Atonie im MagenDarm-Trakt, die Resorption von Nahrungsbestandteilen ist erschwert (narkose- bzw. operationsbedingte Atonie, möglicherweise eine schockbedingte Drosselung der Durchblutung im Magen-Darm-Trakt). Ein weiterer Grund für die Nahrungskarenz sind Anastomosen im Magen-Darm-Trakt, die für einige Zeit (1–5 Tage je nach Lokalisation) nicht belastet werden dürfen; heute wird diese Phase jedoch relativ kurz gehalten, weil erkannt wurde, dass ein mit Nahrung geforderter Magen-Darm-Trakt auch erhebliche Immunkompetenz besitzt; 4 er nicht essen kann; oft liegen Verletzungen im Mund- und Kieferbereich oder Bewusstlosigkeit vor. Hier bietet sich als Alternative die Ernährung über die Magensonde an. Ziel der parenteralen Ernährung Ziel ist, das Ausmaß der Katabolie im Postaggressionsstoffwechsel zu minimieren, den Abbau von Proteinen zum Zweck der Energiegewinnung zu verhindern und den Körper vor den Folgen eines fatalen Defizits lebenswichtiger Proteine zu bewahren. Die Minderproduktion dieser Proteine mit kurzer und mittellanger Halbwertzeit (Albumin, Gerinnungsfaktoren, Immunglobuline, Enzyme der Darmmukosa) kann zu einem kritischen Defizit führen. Klinisch äußert sich dies in
4 einer verzögerten Wundheilung, 4 Nahtinsuffizienzen, 4 einer verminderten Infektabwehr (Immunglobuline ↓), 4 einer mangelhaften Kallusbildung bei Frakturen, 4 Gerinnungsstörungen, 4 Dekubitalgeschwüren und 4 Ödembildung. Der parenterale Nahrungsaufbau beginnt sinnvollerweise erst in der Übergangsphase (7 Kap. 19.1). Erst in der Regenerationsphase wird die parenterale Nahrungszufuhr komplettiert.
20.2
Komponenten der parenteralen Ernährung
20.2.1
Aminosäuren
Die Substitution von Aminosäuren dient ausschließlich dem Baustoffwechsel, nicht dem Energiestoffwechsel. Gleichzeitig mit den Aminosäurenlösungen müssen Kalorienträger infundiert werden, damit die Aminosäuren nicht in den Energieverwertungsprozess einbezogen werden. Ziel der Aminosäurensubstitution ist 4 ein ausreichender Serum-Protein-Spiegel, 4 eine positive Stickstoffbilanz (es wird mehr Stickstoff aufgenommen als ausgeschieden), 4 eine optimale Aminosäurenhomöostase. Die optimale Aminosäurenzusammensetzung der Infusionslösung ist nicht von dem Aminosäurenmuster der Nahrungsproteine abzuleiten, weil dieses durch die Resorption im Gastrointestinaltrakt und bei der Leberpassage im Sinne eines »First-passEffekts« modifiziert wird. Orientierung bildeten bei der Erforschung der erforderlichen Aminosäurenmuster allein Aminosäurenspiegeluntersuchungen im Blut. Die Aminosäurenzufuhr soll 1,5 g/kg/Tag betragen. Eine Steigerung auf 3 g/kg/Tag ist bei schweren Traumen häufig notwendig. Die Aminosäurenlösung muss enthalten 4 alle 8 essentiellen Aminosäuren: Valin, Phenylalanin, Leucin, Isoleucin, Threonin, Tryptophan, Methionin und Lysin;
257 20.2 · Komponenten der parenteralen Ernährung
4 nichtessentielle Aminosäuren als Stickstoffdonatoren. Sie müssen in einer Aminosäurenlösung in einem ausgewogenen Verhältnis zu den essentiellen Aminosäuren enthalten sein; nur auf diese Weise ist eine positive Stickstoffbilanz zu erreichen (Verhältnis essentielle zu nichtessentiellen Aminosäuren 1:2); 4 die semiessentiellen Aminosäuren: Histidin, Arginin, Prolin, Glutaminsäure. Sie müssen aus verschiedenen Gründen in einer Aminosäurenlösung für die parenterale Ernährung vorhanden sein: Arginin ist ein Stickstoffakzeptor und verhindert Hypoammoniämien. Prolin und Histidin erreichen nur einen ausreichenden Serumspiegel, wenn sie zusätzlich parenteral zugeführt werden. Der Körper ist also unter den Bedingungen der parenteralen Zufuhr nicht in der Lage, ausreichende Mengen an Prolin und Histidin zu synthetisieren. Modifiziert werden muss die Aminosäurenlösung bei schweren Leber- und Nierenfunktionsstörungen sowie für das Neugeborenen- und Säuglingsalter. Bei Leberfunktionsstörungen werden verzweigtkettige Aminosäuren verstärkt im Muskel abgebaut, der Serumspiegel dieser Aminosäuren sinkt. Aromatische Aminosäuren, Vorläufersubstanzen für inhibitorische Neurotransmitter, überwiegen nun und treten über die Blut-Hirn-Schranke ins Gehirn. Dort werden dann vermehrt Neurotransmitter mit inhibitorischer Funktion gebildet. Bei schweren Leberfunktionsstörungen häufen sich Neurotransmitter mit sedierender Wirkung im Gehirn an, führen zu einem Neurotransmitterungleichgewicht und können zu Bewusstseinseintrübungen (Coma hepaticum) führen. Eine Aminosäurenlösung mit einem hohen Anteil verzweigtkettiger Aminosäuren (z. B. Leucin, Isoleucin) ist deshalb angezeigt (z. B. Aminosteril N-Hepa 8%). Der Hauptmetabolit beim Aminosäureabbau ist Harnstoff. Er wird bei der terminalen Niereninsuffizienz nicht ausgeschieden und verursacht so eine Urämie mit schweren zerebralen Funktionsstörungen. Um die Harnstoffproduktion soweit wie möglich zu verringern, sollten bei der terminalen Niereninsuffizienz AS-Lösungen infundiert werden, die überwiegend aus essentiellen Aminosäuren bestehen (z. B. Nephrotect). Allerdings braucht der Körper auch in der Niereninsuffizienz unspezifische
20
N-Träger, sodass sich die Infusion ausschließlich essentieller Aminosäuren nicht bewährt hat. Bei Neugeborenen und Säuglingen liegt eine andere Aminosäurenhomöostase vor. Zusätzlich zu den genannten essentiellen Aminosäuren gelten noch die Aminosäuren Arginin, Tyrosin, Cystein und Histidin als essentielle Aminosäuren. Grund dafür sind noch unausgereifte Biosynthesewege im Rahmen des Neugeborenenstoffwechsels. Dieser besonderen Aminosäurenhomöostase werden säuglingsadaptierte Aminosäurenlösungen gerecht (z. B. Aminoven infant 10%).
20.2.2
Kohlenhydrate
Sie dienen vor allem dem Energie-, weniger dem Baustoffwechsel. Dem Baustoffwechsel dient allein das Xylit, das in den Pentosephoshat-Zyklus eingeschleust wird und aus dem Ribose und Desoxyribose gebildet werden. Glukose Der Stoffwechsel des Gehirns, aber auch an-
derer Organsysteme (Knochenmark, Erythrozyten) ist ausschließlich auf Glukose angewiesen. Eine alleinige Energiesubstitution mit Glukose ist zwar nicht sinnvoll, wird wegen der potentiellen Gefahren der Zuckeraustauschstoffe heute aber angestrebt. Die Risiken (hoher Blutzuckerspiegel, hohe Osmolarität, osmotische Diurese, hypoglykämischer Rebound nach Absetzen der parenteralen Ernährung) sind zu minimieren, wenn die Dosis unter 0,275 g/kg/h beträgt. Untersuchungen haben gezeigt, dass durch die enge Kontrolle des Blutzuckers mit angestrebten Werten von 80–110 mg/Tag erheblich zur Reduktion der Letalität der Sepsis beigetragen werden kann (7 Kap. 22.6). Fruktose Hier verlaufen die ersten Schritte der Ver-
stoffwechselung insulinunabhängig in der Leber. Dies galt als Vorteil gegenüber der Glukosegabe. Wegen der letalen Folgen der Fruktoseinfusion bei Patienten mit (eventuell anamnestisch nicht bekannter) angeborener Fruktoseintoleranz wird Fruktose in der parenteralen Ernährung nicht mehr angewendet. Xylit Bei diesem Zucker handelt es sich um ein
Zwischenprodukt des Stoffwechsels. Normalerweise wird Xylit aus Glukose gewonnen, katalysiert durch
258
20
Kapitel 20 · Parenterale Ernährung
die Glukose-6-Phosphatdehydrogenase, die Aktivität dieses Enzyms ist jedoch im Postaggressionsstoffwechsel limitiert. Xylit wird zu 60% in der Leber, der Rest in Niere, Herz und Erythrozyten verstoffwechselt. Bei der Metabolisierung von Xylit entsteht Oxalsäure, die zur Bildung von Oxalatsteinen in der Niere führen kann. Bei einer Dosierungsbegrenzung auf 0,125 g/kg/h ist mit dieser unerwünschten Wirkung nicht zu rechnen. Die parenterale Ernährung setzt im Bereich der Kohlenhydrate heute ausschließlich auf Glukose.
20.2.3
Fette
Die Infusion von Fettlösungen ist die venenschonende Form einer hohen Energiezufuhr mit geringem Infusionsvolumen. Wegen der niedrigen Osmolarität (280 bzw. 330 mOsmol/l) können die Fettemulsionen peripher-venös infundiert werden. Der Energiegehalt beträgt 9 kcal/g Fett. Die Fettlösungen bestehen zu 50% aus essentiellen Fettsäuren (Linolsäure), die als Vorstufen der Prostaglandinsynthese für den Aufbau der Zellmembranen von großer Bedeutung sind. Hergestellt werden die Fettlösungen aus Sojabohnenemulsionen, denen Sojaphosphatid als Emulgator und Glyzerin zur Isotonie zugesetzt wird. Fettlösungen werden gut vertragen. Nebenwirkungen treten nur auf bei Patienten mit Fettstoffwechselstörungen, die sich an einem erhöhten Triglyzeridspiegel zeigen. Wird dann die Fettinfusion nicht reduziert oder gestoppt, so entsteht ein so genanntes Overloading-Syndrom mit Transaminasenanstieg und Hyperbilirubinämie. In der Akutphase des Postaggressionssyndroms werden die Fette nur unzureichend verstoffwechselt. Danach beginnt die Fettsubstitution mit einer Dosierung von 0,5 g/kg/Tag, die dann auf 1 g, maximal 2 g/kg/Tag gesteigert wird (stets supplementiert mit fettlöslichen Vitaminen). Kontraindikationen für die Infusion von Fetten sind 4 die Akutphase des Postaggressionssyndroms, 4 Schockzustände, 4 metabolische Azidose, 4 Störungen der Fett-Clearance und des Fetttransportes (= hohe Triglyzeridspiegel).
Akute Pankreatitis und Sepsis sind nur relative Kontraindikationen. Die Substitution kann auch bei diesen Krankheitsbildern, allerdings orientiert an engmaschigen Kontrollen des Serumtriglyzeridspiegels, erfolgen. Bei Mangel an essentiellen Fettsäuren entstehen im Rahmen einer langzeitigen parenteralen Ernährung u. a. hyperkeratotische Dermatosen.
20.2.4
Vitamine und Spurenelemente
Vitamine und Spurenelemente sind Kofaktoren von Enzymen und für den Zellstoffwechsel von großer Bedeutung. Während für den Vitaminbedarf klare Richtlinien (. Tabelle 20.1) vorliegen, besteht bei den Spurenelementen nur Einigkeit darüber, dass sie substituiert werden müssen. Über die Dosierung gibt es dagegen sehr unterschiedliche Auffassungen. Mit den Multivitaminpräparaten (z. B. Multibionta zur Infusion) ist der Vitaminbedarf reichlich abgedeckt. Es genügt, wenn ein Viertel der Multivitaminlösung appliziert wird. Vitamin K und Vitamin B12 sind in dem genannten Multivitaminpräparat nicht enthalten. Sie müssen separat substituiert werden. Die Substitution der Spurenelemente erfolgt am besten mit Inzolen-infantibus sine NaK. Ergibt sich bei Serumspiegelbestimmung ein erhöhter Bedarf an einzelnen Spurenelementen, dann müssen die einzelnen Komponenten substituiert werden. Insbesondere sollten der Zink- (Zinkmangel: Wundheilungsstörungen, Akrodermatitis, zentralnervöse Symptome) Selen- (Muskelschwäche) und der Eisenspiegel regelmäßig kontrolliert werden.
20.3
Praxis der parenteralen Ernährung
Parameter für den Ernährungszustand des Patienten Dem Ernährungszustand wird bei der Indika-
tionsstellung zum operativen Eingriff und bei der präoperativen Vorbereitung meist nur eine untergeordnete Bedeutung beigemessen. Folgende Parameter erlauben es, den Ernährungszustand des Patienten einzuschätzen:
20
259
10 70 200 700 5 120 50 400 3 1,8 1,1–1,4 über 11 Jahre
1,3–1,6
15–30 57 400 400–700 4 20–120 45 100–300 2–3 0,9–1,5 0,7–1,2 2–11 Jahre
0,8–1,4
15 45 400 400 2 20 35 45 1,5 0,6 0,5 6 Monate–1 Jahr
0,6
15 34 400 420 2 20 35 30 0,5 0,3 0,3 0–6 Monate
0,4
4,6 500 450 2 4 30 90 0,65 0,65 0,7
0,9
Vit. E [mg] Vit. D [IE] Vit. A [µg] Pantothensäure [mg] Biotin [µg] Vit. C [mg] Folsäure [µg] Vit. B12 [µg] Vit. B6 [mg]
Frühgeborene
Der tägliche Basisbedarf des Menschen ist . Tabelle 20.2 zu entnehmen. Die Energiesubstitution orientiert sich in der Postaggressionsphase an den unterschiedlichen Eiweißund Stickstoffverlusten, deren Höhe abhängig 6
Vit. B2 [mg]
Praktisches Vorgehen bei der parenteralen Ernährung Je nach notwendiger Energiezufuhr und der daraus resultierenden Osmolarität der Infusionslösung unterscheidet man 5 die peripher-venöse, niederkalorische parenterale Ernährung. Die Osmolarität liegt unter 600 mOsmol/l, der Kaloriengehalt unter 1500 kcal/Tag. Sie ist nur kurzfristig sinnvoll und indiziert; 5 die zentral-venöse, hochkalorische parenterale Ernährung. Sie ist langfristig möglich. Die Osmolarität liegt über 600 mOsmol/l und die Kalorienzahl über 1500 kcal/Tag.
Vit. B1 [mg]
Praxisbox
Alter
gen vor bei Patienten mit 4 Operationen am Magen-Darm-Trakt, 4 Entzündungen im Magen-Darm-Trakt, 4 angeborener Malabsorption (selten), Kurzdarmsyndrom (selten), 4 hohem Energiebedarf, der nicht durch Sondennahrung bzw. orale Nahrung allein gedeckt werden kann, 4 mehr als dreitägiger Nahrungskarenz.
. Tabelle 20.1. Täglicher Vitaminbedarf (Empfehlung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für künstliche Ernährung [DAKE])
Indikationen zur parenteralen Ernährung Diese lie-
Vit. K [µg/g KG]
4 Körpergewicht im Verhältnis zur Körpergröße Body Mass Index (BMI) = Gewicht (kg) / Größe (m2) BMI <25 Idealgewicht BMI 26–29 Übergewicht BMI >30 Adipositas BMI >40 Adipositas per magna Fragestellung: Liegt Untergewichtigkeit/ Übergewicht vor? 4 Trizepshautfalte, 4 Oberarmumfang, 4 Eiweißstatus: Serumspiegel von Albumin, Globulinen, Cholinesterase im Blut.
15
20.3 · Praxis der parenteralen Ernährung
260
20
Kapitel 20 · Parenterale Ernährung
ist von Art und Ausmaß der Operation. Die peripher-venöse, niedrigkalorische parenterale Ernährung ist bei Patienten indiziert, die nur kurzfristig einer Nahrungskarenz unterliegen (z. B. nach konventioneller Cholezystektomie, Splenektomie, BII, BI: Nahrungsaufbau bereits am zweiten postoperativen Tag). Mit der peripher-venösen, niederkalorischen parenteralen Ernährung ist nur der Basisenergiebedarf zu decken. Eine über den Basisbedarf hinausgehende Energiezufuhr macht eine parenterale Ernährung über einen zentral-venösen Zugang notwendig. Über den zentralen Venenkatheter können Infusionslösungen mit höherer Osmolarität infundiert werden. Der tägliche Basisbedarf des Patienten ist dadurch ausreichend zu decken. Eine Steigerung der Kalorienzufuhr ist über den zentralen Venenkatheter leicht möglich. Beispiel für eine peripher-venöse parenterale Ernährung: 1000 ml ASL 10%1 1000 ml 400 kcal G 10%2 500 ml 550 kcal Lipofundin 10%3 Beispiel für eine normokalorische zentralvenöse parenterale Ernährung: 1 1000 ml ASL 10% 2 1000 ml 1600 kcal Glucose 40% 3 500 ml 1100 kcal Lipofundin 20% Beispiel für eine hochkalorische, zentralvenöse parenterale Ernährung (Indikation: Sepsis, Verbrennung): 1 1000 ml ASL 10% 2 1000 ml 2800 kcal Glucose 70% 3 500 ml 1100 kcal Lipofundin 20% 1 3
Aminosäurenlösung; 2 Kohlenhydratlösungen; Fettlösung
Monitoring Die parenterale Ernährung ist nicht risikolos und macht, insbesondere in der Übergangsphase des Postaggressionssyndroms (7 Kap. 19.1), in der noch kein Steady State erreicht ist, ein engmaschiges Labormonitoring notwendig.
. Tabelle 20.2. Täglicher Nahrungsbedarf eines Erwachsenen
Substanz
Mengenbedarf
Wasser
30–40 ml/kg KG
Aminosäuren
1–2 g/kg KG
Kohlenhydrate
4–6 g/kg KG
Fett
1–2 g/kg KG
Elektrolyte 5 Natrium 5 Kalium 5 Chlorid
1–2 mmol/kg KG 1 mmol/kg KG 1–2 mmol/kg KG
Energie
40 kcal (170 kJ)/kg KG
Vor Beginn der parenteralen Ernährung sollten folgende Parameter bestimmt werden: 4 Blutzucker; 4 Elektrolyte (Kalium, Natrium, Magnesium, Kalzium und Phosphat) sowie Kreatinin und Harnstoff. Der Kreatininwert ist eine Maß für die Nierenfunktion. Ein isolierter Harnstoffanstieg ist ohne gleichzeitigen Kreatininanstieg ein Katabolieparameter; 4 venöse oder arterielle Blutgasanalyse: Eine Azidose ist eine Kontraindikation für eine parenterale Ernährung und muss vor Beginn der parenteralen Ernährung möglichst ausgeglichen sein; 4 SGOT, SGPT, Bilirubin: Sie dienen als Ausgangsparameter, um eventuelle Leberschädigungen unter den Bedingungen der parenteralen Ernährung erfassen zu können; 4 Serumtriglyzeride, Cholesterin. Kontrolliert werden sollten während der parenteralen Ernährung 4 der Glukosespiegel vier- bis sechsstündlich durch Blutzuckersticks und im Urin bei hochprozentiger Kohlenhydraternährung zwei bis dreistündlich; 4 Elektrolyte (vier- bis sechsstündlich), besonders das Kalium, das von Glukose und Insulin mit in die Zelle transportiert wird: Gefahr einer Hypokaliämie; 4 zentralvenöse oder arterielle BGA (zweimal täglich) zur Erfassung einer möglichen metabolischen Azidose;
261 20.4 · Sondenernährung
4 Urinvolumen: (Urinosmolarität und Elektrolyte im Urin (täglich); 4 zentraler Venendruck (dreimal täglich); 4 Körpergewicht (täglich; Bettwaage); 4 Triglyzeride (zweimal wöchentlich); 4 Kalzium, Magnesium, Phosphat (einmal wöchentlich); 4 Bilirubin, SGOT, SGPT (einmal wöchentlich bzw. nach klinischem Befund). Technische Komplikationen Bei peripher-venöser Ernährung kann es zu Thrombophlebitiden kommen. Technische Komplikationen bei zentral-venöser Ernährung stehen meist im Zusammenhang mit dem Katheter: 4 Phlebitis, Thrombose, Lungenembolie, 4 Bakteriämien, bakterielle Sepsis, Pilzsepsis, 4 Perforation der Venenwand mit Hämato- und Hydro-(Infusions-)thorax.
Besonders hoch ist die Thrombose- und Thrombophlebitisrate bei Kathetern, die über die V. basilica geschoben werden, bzw. bei Kathetern, die über eine Venae sectio gelegt worden sind (Komplikationen zentralvenöser Katheter 7 Kap. 8.3.4). Metabolische Komplikationen Sie können ebenfalls gravierend sein und sind nur durch ein engmaschiges Labormonitoring zu verhindern. 4 Hyperglykämie. Folge: osmotische Diurese, hyperosmolares Koma; 4 Hypoglykämie. Folge: hypoglykämisches Koma; 4 metabolische Azidose. Folge: Elektrolytstörungen (Hyperkaliäme), Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen; 4 Hyperammoniämie. Folge: Eintrübung; 4 Hypokaliämie, Hypomagnesiämie, Hypophosphatämie. Folgen: 7 Kap. 24.3; 4 Hyperhydratation. Folge: Herzinsuffizienz, Ödeme.
20.4
Sondenernährung
Zu Unrecht ist die enterale Ernährung aufgrund der Fortschritte in der parenteralen Ernährung in den Hintergrund getreten. Sie hat mehrere Vorteile:
20
4 Sie stellt den physiologischen Weg der Nahrungszufuhr mit der Resorption über den Pfortaderkreislauf dar. 4 Regulative Funktionen der Enterohormone sowie der Darmmukosa bleiben erhalten. 4 Sie ist risikoärmer, weniger pflegeintensiv und kostengünstiger. Daher sollte der enteralen Ernährung, wann immer möglich, der Vorzug gegeben werden. Physiologie der enteralen Resorption Die Nah-
rungsbestandteile Proteine, Kohlenhydrate und Fette werden im oberen Gastointestinaltrakt enzymatisch gespalten und überwiegend im Jejunum resorbiert. 4 Eiweiße: Proteine werden durch Proteasen des Pankreas und der Darmmukosa in Aminosäuren und Oligopeptide gespalten. In dieser Form werden sie resorbiert, wobei Oligopeptide schneller resorbiert werden als Aminosäuren. Die Qualität der Eiweißzufuhr wird durch den Anteil der relativ am niedrigsten konzentrierten essentiellen Aminosäuren bestimmt. 4 Kohlenhydrate: Stärke und Polysaccharide sind die wichtigsten Energielieferanten. Sie werden durch Amylasen des Speichels und des Pankreas in Disaccharide gespalten. Diese werden ebenso wie die exogen zugeführten Disaccharide im Bürstensaum der Darmmukosa zu ihren Monomeren hydrolisiert und resorbiert. 4 Fett: Der Fettanteil in der Nahrung unterliegt einer großen Schwankungsbreite und ist, wenn man von einem sehr hohen Energiebedarf absieht, entbehrlich. Unverzichtbar sind jedoch die essentiellen Fettsäuren und die fettlöslichen Vitamine A, D, E und K. Die Fette werden zunächst durch die Pankreaslipase in freie Fettsäuren und Monoglyzeride gespalten und dann durch Konjugation mit den Gallensäuren (Mizellen) in eine wasserlösliche Form gebracht. Damit können sie durch die Mukosa resorbiert und nach der Resynthese als Chylomikronen über das Lymphsystem in den Gesamtorganismus weitergeleitet werden. Die Gallensäuren werden vollständig im terminalen Ileum resorbiert und rezirkulieren im enterohepatischen Kreislauf.
262
20.4.1
Kapitel 20 · Parenterale Ernährung
Diäten für die enterale Ernährung
Flüssigkost als Sondennahrung Normale Lebens-
20
mittel werden unter Flüssigkeitszusatz homogenisiert und sondengängig gemacht. Dazu eignen sich nicht faser- und kernreiche Lebensmittel. Der Nährstoffanteil dieser Diät ist nur ungenau definiert. Sie eignet sich nur für die Gabe über eine Schlund- oder Magensonde, nicht für die weiter distal erfolgende Applikation. Formuladiät Dabei handelt es sich um eine Mischung aus definierten Nährstoffen. Als Proteinbestandteil werden Milch-Eiweiß-Produkte, als Kohlenhydrate Stärke, Dextrine und Monosaccaride und als Fette meist Pflanzenöle zugesetzt. Häufig werden die Letzteren durch mittellange Fettsäuren ersetzt, um eine leichtere Resorbierbarkeit zu erreichen. Auch Formuladiäten sind für die Applikation in den Magen bestimmt (z. B. Biosorb Drink, Biosorbin Nutricomp). Elementardiät Sie setzt sich aus chemisch definier-
ten Mono- oder Oligosacchariden, essentiellen Fettsäuren und synthetischen Aminosäuren zusammen, die ohne Verdauungsleistung resorbiert werden können. Sie eignet sich besonders zur intrajejunalen Zufuhr. Wegen des schlechten Geschmacks der Aminosäuren ist die orale Anwendung begrenzt (z. B. Peptisorb, Survimed OPD). Peptiddiät Bei dieser Weiterentwicklung der Elementardiät wird der Proteinanteil in Oligopeptide gespalten. Diese sollen leichter resorbierbar sein als die einzelnen Aminosäuren. Da diese Oligopeptide aus nativen Proteinen gewonnen werden, muss die Peptiddiät jedoch den nährstoffdefinierten Formuladiäten zugerechnet werden.
20.4.2
Applikationsweg
Oral Wenn immer möglich, sollte die Nahrungszufuhr oral erfolgen. Dies ist der übliche Weg für die Zufuhr von Formuladiäten, wenn nicht eine Störung der Nahrungsaufnahme vorliegt.
Ernährungssonde Die Sondenernährung wird
notwendig, wenn der Patient nicht essen kann, darf oder will. Dabei findet die nasogastrale Sonde Anwendung bei Inappetenz schwerkranker und alter Patienten, bei fortgeschrittenem Gewichtsverlust sowie bei Nahrungsverweigerung oder bei Geschmacksintoleranz von notwendigen Elementardiäten. Die Duodenalsonde ist zur Vermeidung der Aspiration bei künstlicher Ernährung von bewusstlosen Beatmungspatienten angezeigt. Eine Jejunalsonde ist erforderlich zur Ausschaltung von Fisteln im Magen und/oder Duodenalbereich, zur Stilllegung des Pankreas oder zur frühpostoperativen Ernährung. Dazu werden feinkalibrige Magensonden (6–12 Charr) aus durchsichtigem, flexiblem Material mit einem durchgehenden Röntgenkontraststreifen unter Röntgenkontrolle eingelegt. Die Applikation dieser Sonden kann schwierig sein und wird durch die Anwendung eines starren Mandrins vereinfacht. Gegebenenfalls muss die Sonde unter endoskopischer Sicht platziert werden. Perkutan endoskopische Gastrotomie-(PEG-)Sonden Eine PEG-Sonde wird wie folgt gelegt: Zunächst
wird der Patient gastroskopiert. Über einen transabdominell gelegten Trokar wird dann unter gastroskopischer Sicht die Magensonde in den Magen eingebracht.
20.4.3
Indikationen zur Sondenernährung
Patient kann nicht essen: 4 Bewusstlosigkeit, 4 Verletzung/Operation im Mund-, Rachen-, Halsbereich, 4 Ösophagustumoren oder Stenosen, 4 neurogene Schluckstörungen. Patient darf nicht essen: 4 frische Anastomose (z. B. Ösophagojejunostomie), Fisteln. Patient will nicht essen: 4 Geschmacksintoleranz einer Elementardiät, 4 Nahrungsverweigerung, 4 psychische Erkrankungen (z. B. Anorexia nervosa).
21 21
Akute respiratorische Insuffizienz
21.1
Pathophysiologie – 264
21.1.1 21.1.2 21.1.3 21.1.4
Ursachen und Häufigkeit – 264 Allgemeine Pathophysiologie – 264 Spezielle Krankheitsbilder – 265 Pathophysiologie der Beatmung – 265
21.2
Diagnose
21.3
Beatmungsmuster
– 267
21.4
Beatmungsformen
– 269
21.4.1 21.4.2 21.4.3
Spontanatmung – 269 Mischformen – 270 Kontrollierte Beatmung – 271
21.5
Therapie
21.5.1 21.5.2 21.5.3 21.5.4 21.5.5
Beatmung – 271 Physiotherapie – 272 Medikamentöse Therapie – 272 Hämofiltration – 273 Extrakorporale Verfahren – 273
– 266
– 271
264
Kapitel 21 · Akute respiratorische Insuffizienz
21.1
Pathophysiologie
21.1.1
Ursachen und Häufigkeit
Wichtig
21
Die akute respiratorische Insuffizienz in der Intensivmedizin kann Ausdruck verschiedener pathologischer Veränderungen der Lunge sein: akutes Lungenversagen, Lungentrauma, postoperative Ateminsuffizienz, Pneumonie, Aspiration und Lungenembolie.
Aber auch chronische Lungenerkrankungen können in eine akute respiratorische Insuffizienz einmünden. Sie liegt dann vor, wenn eine ausreichende Oxigenation nicht mehr erzielt werden kann, wobei zu beachten ist, dass der paO2 im Alter niedriger ist als beim jungen Menschen oder der paCO2 häufig über 45 mmHg liegt. Schwer abzugrenzen von der akuten respiratorischen Insuffizienz ist das Adult Respiratory Distress Syndrome (ARDS). Die Häufigkeit liegt zwischen 5 und 35%, die Mortalität des ARDS wird mit 40–65% angegeben.
21.1.2
Allgemeine Pathophysiologie
Unter der akuten respiratorischen Insuffizienz kommt es durch den Kollaps von Alveolen, durch die Verlagerung des Zwerchfells nach kranial und Verschiebungen des Blutvolumens in den kleinen Kreislauf zu einer Abnahme der funktionellen Residualkapazität und damit einer Zunahme der Shunt-Durchblutung. Auch die Compliance als Maß für die Dehnbarkeit nimmt infolge von Veränderungen des Lungenparenchyms, von Surfactantfunktionsstörungen und Lungenvolumenverminderungen etwa beim Hämato- oder Serothorax ab. Die gleichen Veränderungen führen zu einer Zunahme des Atemwegswiderstandes, der Resistance. Die Veränderungen von Compliance und Resistance führen zu einer Zunahme der Atemarbeit. Diese muss von der Atemmuskulatur aufgebracht werden, die bei zu starker Beanspruchung ermüden kann. Zeichen hierfür sind ein Anstieg der Atemfrequenz, unkoordinierte
Bewegungen, Hyperkapnie und zuletzt ein Abfall des Atemminutenvolumens. Das Ventilationsperfusionsverhältnis VA/Q wird durch eine Bronchokonstriktion in hyperventilierten Lungenabschnitten und eine Vasokonstriktion in hypoxämischen Lungenabschnitten bestimmt. Letzteres führt zu einer Unterbrechung von Shunts in schlecht belüfteten Lungenabschnitten. Das Ventilations-Perfusions-Verhältnis VA/Q ist beim Gesunden 0,8, bei Ventilationsstillstand läge ein pulmonaler Rechts-Links-Shunt vor (VA/ Q = 0), bei Perfusionsstillstand, etwa bei einer fulminanten Lungenembolie, wäre VA/Q = ∞). Durch eine Beatmung mit positiv endexspiratorischem Druck können kollabierte Alveolen wieder eröffnet und damit die Shunt-Durchblutung verringert werden. Die Lungenkapillaren und die Alveolen sind für Wasser permeabel. Zwischen dem hydrostatischen Druck (nach außen gerichtet) und dem onkotischen Druck (in das Gefäß gerichtet) besteht ein Gleichgewicht, sodass unter physiologischen Bedingungen kein Wasser in die Alveolen austreten kann. Die aus dem Gefäß austretende Flüssigkeit wird vornehmlich durch das Lymphdrainagesystem aus dem interstitiellen Gewebe abgeleitet. Erst wenn dieses durch einen übermäßigen Flüssigkeitsaustritt (z. B. gesteigerter hydrostatischer Druck bei Linksherzinsuffizienz, verminderter onkotischer Druck oder Permeabilitätserhöhung bei Sepsis oder Pneumonie) überlastet ist, kommt es zu einem interstitiellen Lungenödem. Bei weiterer Zunahme tritt das Wasser in die Alveolen aus, was zu einer Störung der Diffusion, zu Shunt-Durchblutung und Abnahme der LungenCompliance führt. Auch hier kann durch eine kontinuierliche Druckerhöhung in den Atemwegen eine Aufblähung der flüssigkeitsgefüllten und damit kollabierten Alveolen erreicht werden, während eine Anhebung des onkotischen Drucks, etwa durch Eiweißgaben, meist deswegen nicht zum Erfolg führt, da das Eiweiß vor allem bei einer Permeabilitätsstörung der Membran in das Interstitium abwandert und hier onkotisch wirkt.
265 21.1 · Pathophysiologie
21.1.3
Spezielle Krankheitsbilder
Adult Respiratory Distress Syndrom ARDS Wichtig
Das ARDS hat häufig nichtpulmonale Ursachen, wobei die Sepsis am häufigsten ist.
Unabhängig von der Ursache laufen die gleichen pathophysiologischen Mechanismen ab. Diese sind multifaktoriell, greifen ineinander und sind daher schwer voneinander zu trennen. Im Rahmen einer allgemeinen Entzündungsreaktion werden die Phagozyten stimuliert, die durch Chemotaxis massenhaft weitere Granulozyten in der Lunge akkumulieren. Diese setzen verschiedene Mediatoren wie toxische Sauerstoff- und Hydroxylradikale, Proteasen (Elastase), Metabolite des Arachidonsäurestoffwechsel (Prostaglandine und Leukotriene) frei. Auch das Gerinnungssystem wird stimuliert. Die Mediatoren verursachen durch eine pulmonale Vasokonstriktion eine Hypertonie im kleinen Kreislauf und eine allgemeine Gewebsschädigung, die zu einer Permeabilitätsveränderung der Membranen und damit zum Austritt von Flüssigkeit in das Interstitium führt. Bei länger dauerndem Lungenversagen kommt es zum fibrotischen Umbau der Lunge, der jedoch bei erfolgreicher Therapie reversibel ist. Thoraxtrauma Wichtig
Das stumpfe Thoraxtrauma ist die häufigste traumatische Ursache einer akuten respiratorischen Insuffizienz.
Verletzungen der Thoraxwand und des Zwerchfells und vor allem die damit verbundenen Schmerzen führen zu einer schweren Ventilationsstörung. Verletzungen des Lungenparenchyms gehen mit Blutungen, Zerreißung der Pleura visceralis und folgendem Pneumo- oder Hämatothorax einher. Als Lungenkontusion werden Mikrozerreißungen bezeichnet, die zu Shunts und Hypoxämie und in der Folge zu Permeabilitätsstörungen mit einem daraus entstehenden ARDS führen können.
21
Postoperative Ateminsuffizienz
In Narkose sind die Lungenvolumina durch einen Zwerchfellhochstand eingeschränkt. Dieses wird postoperativ durch die Darmatonie verstärkt. Dazu kommen die Nachwirkungen von Narkotika und Relaxanzien in der postoperativen Phase. Verstärkt wird die Einschränkung der Atemfunktion insbesondere nach Oberbauch- und Thoraxeingriffen durch den postoperativen Schmerz. Komplikationen dieser Veränderungen können vor allem bei pulmonalen Vorerkrankungen wie obstruktiver Lungenerkrankung oder Nikotinabusus auftreten. Pneumonien
Entzündungen des Lungenparenchyms können zu einer akuten respiratorischen Insuffizienz führen. Im Bereich der Intensivmedizin handelt es sich häufig um nosokomiale Infektionen mit fakultativ pathologischen Keimen vor allem des Nasen-RachenRaumes und des Gastrointestinaltrakts. Diese Infektionen werden durch eine Störung des Immunsystems, durch eine Störung der Darmflora im Rahmen einer Antibiotikatherapie und durch eine Reduktion der Magensäure bei der Ulkusprophylaxe mit H2-Blockern bzw. Antazida begünstigt. Aspiration
Die Aspiration von toxischen oder nichttoxischen bzw. bakteriellen Partikeln oder Flüssigkeiten führt zunächst zu Atelektasen, dann zu unspezifischen Entzündungen. Bleibt ein Fremdkörper im Bronchialbaum liegen, so kann eine Atelektase und Retentionspneumonie entstehen. Die Aspiration infizierten Sekrets aus dem Nasenrachenraum oder den Nasennebenhöhlen ist ein großes intensivmedizinisches Problem.
21.1.4
Pathophysiologie der Beatmung
Unter künstlicher Beatmung werden die physiologischen Verhältnisse umgedreht. Während unter Spontanatmung bei der Inspiration ein gegenüber der Atmosphäre negativer Druck herrscht, in der Exspiration ein positiver, wird die Luft unter Beatmung mit einem positivem Druck in die Lunge insuffliert. Hingegen fällt der Beatmungsdruck in der Exspira-
266
21
Kapitel 21 · Akute respiratorische Insuffizienz
tion auf null, ist also niedriger als in der Inspirationsphase. In der Regel herrscht unter Beatmung in der Lunge ein positiver Atemwegsmitteldruck, während er unter Spontanatmung etwa null ist. Dieser positive intrathorakale Druck führt zu einer Einflussstauung des Blutes in den Thorax und zu einer Beeinträchtigung der Myokardfunktion. Die Folge davon sind ein Anstieg des intrakraniellen Drucks und eine Abnahme der Leber- und Nierendurchblutung. Diese Rückwirkung auf andere Organe ist umso größer, je höher der Atemwegsmitteldruck etwa durch eine Beatmung mit positiv endexspiratorischem Druck oder Umkehrung des Atemzeitverhältnisses ist. In einer erkrankten Lunge gibt es Kompartimente mit unterschiedlicher Compliance und Resistance, da die Lunge nie homogen geschädigt ist. Bestimmte, in enger Nachbarschaft liegende Gebiete lassen sich durch die insufflierte Luft besser (schnelle Kompartimente), andere schlechter blähen (langsame Kompartimente). Letztere bleiben leicht atelektatisch. Eine Belüftung aller Segmente kann man durch ein Anhalten des Beatmungsgerätes in der Inspiration erreichen, in der die Luft von den schnellen in die langsamen Kompartimente pendelt. Eine andere Möglichkeit, neben den schnellen auch die langsamen Kompartimente zu belüften, ist, die Geschwindigkeit der Luft, den Flow, während der Inspiration so zu verändern, dass er abnimmt. Ein solcher dezelerierender Flow kann dadurch erreicht werden, dass die Beatmung druckbegrenzt (7 Kap. 21.3) durchgeführt wird. Bei dieser Form der Beatmung werden hohe Spitzendrucke und damit die Gefahr eines Barotraumas (Zerreißen von Alveolen mit der Folge eines Pneumothorax) vermieden. Bei beiden Verfahren wird die Lunge durch einen permanenten, also auch während der Exspiration erhöhten Druck (PEEP) gebläht.
21.2
Diagnose
Klinik Tachypnoe, Dyspnoe und eine erhöhte Atem-
arbeit geben zusammen mit den Zeichen einer sympathikoadrenergen Reaktion einen Hinweis auf eine akute respiratorische Insuffizienz. Der Auskultationsbefund ist häufig unsicher, nicht immer sind fein- bis mittelblasige Rasselgeräu-
. Tabelle 21.1. Blutgasanalyse bei akuter respiratorischer Insuffizienz
Pathologische Werte
Normalwerte (beim Erwachsenen)
paO2 <60 mmHg
paO2 70–105 mmHg
SaO2<90%
SaO2 95%
paCO2 früh <40 mmHg paCO2 später >45 mmHg
paCO2 40–45 mmHg
pH früh >7,44 pH später <7,36
pH 7,36–7,44
sche oder eine Spastik zu hören. Klinisch zu diagnostizieren ist aber ein Pneumo-, Sero- oder Hämatothorax, der häufig mit einer einseitig veränderten Thoraxbeweglichkeit einhergeht. Labor Die Blutgasanalyse ist die sensibelste Metho-
de, eine akute respiratorische Insuffizienz zu erkennen. Sie ist meist vor dem klinischen Befund pathologisch verändert (. Tabelle 21.1). In der Frühphase wird die Veränderung der Sauerstoffdiffusion durch eine Hyperventilation kompensiert. Erst im Rahmen der pulmonalen Dekompensation steigt der paCO2 an. Radiologie Die röntgenologische Symptomatik der akuten respiratorischen Insuffizienz tritt mit einer zeitlichen Verzögerung gegenüber der klinischen und laborchemischen auf, wenn nicht das ursächliche Ereignis selbst einen pathologischen Röntgenbefund verursacht (Aspiration). Es kommt in der Regel zu einer diffusen Verschattung. Hinweis für eine Pneumonie ist das positive Bronchopneumogramm und die Entwicklung klein- bis grobfleckiger Infiltrate. Diese Befunde können auch noch persistieren, wenn sich die klinische Symptomatik schon gebessert hat. Wichtig
Für die Diagnose eines Pneumothorax, für ein Hautemphysem oder für einen Sero- bzw. Hämatothorax sind die Röntgenaufnahmen beweisend.
267 21.3 · Beatmungsmuster
Bei Flüssigkeitsansammlungen im Thorax ist insbesondere zur genauen Lokalisation die Ultraschalldiagnostik hilfreich. Bakteriologie Ein Lungenversagen oder ein ARDS ist nicht zwangsläufig mit einer bakteriellen Besiedlung verbunden, zieht diese aber häufig, vor allem unter Beatmungstherapie, nach sich. Bei entsprechender klinischer Symptomatik (d. h. wenn ein eitriges Bronchialsekret abzusaugen ist oder im Röntgenbild sich ein pneumonisches Infiltrat zeigt; demnach nicht routinemäßig!) soll das Trachealsekret, besser aber eine bei einer Bronchoskopie aus der Tiefe der Lunge gewonnene Probe (bronchoalveoläre Lavage, BAL) zur bakteriologischen Untersuchung eingeschickt werden. Da die Kulturen bebrütet werden, steht das Ergebnis erst nach zwei bis drei Tagen zur Verfügung. Ein sofort auswertbares Grampräparat aus dem Trachealsekret gibt einen Hinweis auf den Erreger und ermöglicht eine bessere Abschätzung einer Antibiotikatherapie auch ohne genauen Nachweis des Erregers und des Resistenzverhaltens.
21.3
Beatmungsmuster
Das Beatmungsmuster beschreibt den Verlauf von Atemwegsdruck, Atemgas-Flow und Beatmungsvolumen im Atemzyklus. Der Atemzyklus wird durch die Konstruktion des Respirators bestimmt. Die Steuerung bezeichnet die Parameter, die, wenn ihre vorgegebenen Werte erreicht sind, eine Umschaltung von Inspiration auf Exspiration bewirken. Bei einem zeitgesteuerten Gerät schaltet dieses also nach einer vorgegebenen Zeit von In- auf Exspiration um. Das Gleiche gilt für Volumen, Druck oder Flow. Nicht damit verwechselt werden darf die Begrenzung der Parameter, dessen vorgegebener Wert nicht überschritten werden darf. So ist in der Regel eine Druckbegrenzung als Sicherheitsparameter eingestellt, damit der Patient nicht mit zu hohen Beatmungsdrücken beatmet wird. Moderne Beatmungsgeräte sind meist so einstellbar, dass sie mit verschiedenen Steuerungs- und Begrenzungsparametern arbeiten können.
21
Zeitgesteuerte Beatmung (volumenbegrenzt)
(. Abb. 21.1) Der Atemzyklus besteht aus In- und Exspirationszeit. Seine Länge wird durch die Atemfrequenz bestimmt. Das Verhältnis von In- und Exspirationszeit, das Atemzeitverhältnis, kann von normalerweise von 1:2 auf bis zu 4:1 umgekehrt werden, um bei einer schweren respiratorischen Insuffizienz die Oxygenierung zu verbessern. Zu Beginn einer Inspiration wird die Luft vom Respirator mit einem bestimmten Flow, der Gasgeschwindigkeit, in den Patienten gedrückt. Er ist in der Regel konstant, in speziellen Fällen dezelerierend, d. h. er nimmt zu Ende der Inspiration hin ab, selten akzelerierend. Darunter erhöht sich der intrapulmonale Druck, bis ein vorgegebenes Atemzugvolumen (zeitgesteuert volumenbegrenzt) in den Patienten insuffliert ist. Der Spitzendruck in den Atemwegen ist erreicht, das Beatmungsgerät bleibt stehen. In dieser No-Flow-Phase, die auch als Plateau oder inspiratorischer Halt bezeichnet wird, kommt es zu einer Umverteilung von Luft aus besser belüfteten Lungensegmenten (schnelle Kompartimente) in schlechter belüftete (langsame Kompartimente). Diese Luft wird als Pendelluft bezeichnet. Das Verteilungsvolumen der Luft wird größer, sodass es zu einem Abfall des Atemwegsdruckes auf den Plateaudruck kommt. Ist die vorgegebene Inspirationszeit beendet, so öffnet sich das Exspirationsventil, der Atemgasfluss kehrt sich um, wird also negativ, das Lungenvolumen nimmt ab und der Atemwegsdruck fällt auf den endexspiratorischen Druck ab. Dieser kann negativ, null oder positiv (»positive endexspiratory pressure«, PEEP) sein. Zeitgesteuerte Beatmung (druckbegrenzt) (. Abb. 21.2) Im Gegensatz zur volumenbegrenzten Beat-
mung wird die Inspiration dann beendet, wenn ein bestimmter Atemwegsdruck (zeitgesteuert druckbegrenzt) erreicht ist. Das Atemzugvolumen wird dann von diesem vorgewählten Druck bestimmt. Kommt der Atemwegsdruck in die Nähe des vorgewählten Druckes, so verlangsamt sich die Einatembewegung und damit der Atemgasfluss (dezelerierender Fluss). Dieses macht man sich zusammen mit der Verlängerung der Inspirationszeit (umgekehrtes Atemzeitverhältnis) und einem möglichst niedrigen Atemgasfluss zunutze, um langsame und schnelle
Kapitel 21 · Akute respiratorische Insuffizienz
. Abb. 21.1. Verhalten von Druck (P), Volumen (V) und Flow (F) bei Zeitsteuerung mit Volumenkonstanz. Die schwarze Druckkurve gibt den am Beatmungsgerät, die rote den für die Aveolen geschätzten Druck an. Ti Inspirationszeit, Te Exspirationszeit, Tinf Insufflationszeit, Tpl Plateauzeit
Ti Tinf
Te Tpl
20 Druck (P)
268
PMean = 4,73
0
Volumen(V)
21 500 Vt = 0,68
0
Flow (F)
+1 Flow = 0,76 0 -1
Ti Tinf
Druckbegrenzt Te
Druck (P)
20
Mitteldruck
Volumen(V)
0
500 0
+1 Flow (F)
. Abb. 21.2. Verhalten von Druck (P), Volumen (V) und Flow (F) bei Zeitsteuerung mit Druckkonstanz (druckbegrenzt). Die schwarze Druckkurve gibt den am Beatmungsgerät, die rote den für die Alveolen geschätzten Druck an. Abkürzungen 7 Abb. 21.1
0 -1
21
269 21.4 · Beatmungsformen
Lungenkompartimente gleichzeitig zu blähen (im Gegensatz zur Pendelluft beim inspiratorischen Halt).
21.4
Beatmungsformen
Als Beatmungsform wird der Anteil von maschineller Beatmung durch den Respirator und Spontanatmung des Patienten bezeichnet (. Abb. 21.3).
21.4.1
Spontanatmung
Die Spontanatmung unterstützende Maßnahmen sollen den Gasaustausch verbessern und die Atemarbeit verringern. Dieses kann mit einer in- und exspiratorischen Druckerhöhung (»continous positive airway pressure«, CPAP) oder einer Inspirationsunterstützung (»inspiratory pressure support«, IPS, »augmented spontaneous breathing«, ASB) erfolgen. Gleichzeitig kann die inspiratorische Sauerstoffkonzentration erhöht werden.
. Abb. 21.3a–d. Beatmungsformen
CPAP
Bei CPAP wird der Atemwegsdruck sowohl in- als auch exspiratorisch angehoben. Technisch lässt sich dieses auf zwei verschiedene Arten lösen. Entweder wird beim Continous-flow-CPAP dem Patienten ein sehr hoher Frischgas-Flow zugeführt, der während In- und Exspiration nicht unterbrochen wird. Der Patient atmet gegen einen erhöhten Widerstand aus (PEEP-Ventil). Während der Exspiration füllt sich ein Luftreservoir durch den im System herrschenden Überdruck, das sich während der Inspiration so schnell in das System entleert, dass der Atemwegsdruck nicht unter das eingestellte Druckniveau abfällt. Der apparativ mögliche Inspirations-Flow muss also über dem größtmöglichen Inspirations-Flow des Patienten liegen. Beim Demand-CPAP, wie er in den Beatmungsgeräten eingebaut ist, wird der notwendige Luftfluss über entsprechende DemandVentile so nachgeregelt, dass im gesamten Atemzyklus ein positiver Druck besteht. Bei nicht ausreichend sensiblen Demand-Ventilen kann die Atemarbeit größer sein als bei einem ventillosen Continousflow-System.
cm H2O +30 Trigger-Impuls
+20 +10
mit PEEP
0
+ 0
ohne PEEP
-
-10 Ein-
a
Ausatmung
Ein
Aus
Ein- Ausatmung Ein
b
kontrollierte Beatmung
Aus
Ein
assistiert-kontrollierte Beatmung
cm H2O P1
P2
P1
A1
A2
A1
1
BIPAP
+10
CPAP
0
2
Ein- Ausatmung
c
intermittierend-assistierte Beatmung (IMV = intermittend mandatory ventilation, S-IMV = synchronisized intermittend ventilation)
d
Ein
Aus
Spontanatmung mit kontinuierlich positivem Atemwegsdruck 1 (CPAP= continuous positive airway pressure)
Spontanatmung 2
270
Durch die kontinuierliche Atemwegserhöhung werden kollabierte Alveolen wieder eröffnet. Damit erhöht sich die Gasaustauschfläche und die ShuntDurchblutung nimmt ab. Gleichzeitig verringert sich die Atemarbeit infolge der verbesserten Ökonomie.
Technisch wird dieses Verfahren so gelöst, dass über den Mechanismus des Demand-Flow-CPAPs während der Inspiration der Druck auf das vorgewählte Druckniveau erhöht und der Inspirationsbewegung des Patienten angepasst wird.
BIPAP
21.4.2
Wird das CPAP-Druckniveau zyklisch auf ein niedrigeres Druckniveau gesenkt und wieder angehoben, so kommt es zu einer maschinellen Ein- und Ausatembewegung. Es resultiert eine zeitgesteuerte druckbegrenzte Beatmung, die eine freie Spontanatmung während der In- und Exspirationen zulässt. Je nach den Bedürfnissen des Patienten kann die Druckdifferenz zwischen den beiden Niveaus vergrößert und verringert werden, woraus ein unterschiedlicher Anteil des Beatmungsgerätes an der Atemarbeit resultiert. Mit dem Entwöhnen des Patienten von der Beatmung wird das obere Druckniveau dem unteren angeglichen. Auch über die Zeitdauer der beiden Druckniveaus lässt sich das Beatmungsmuster beeinflussen. Sind die beiden Druckniveaus gleich, ist CPAP erreicht, der Anteil maschineller Beatmung ist null. Inspirationsunterstützung
Bei diesem Verfahren wird bei einer spontanen Inspiration des Patienten der Druck im System auf ein vorgewähltes Niveau angehoben und auf diesem bis zum Ende der Inspiration unabhängig davon gehalten, mit welcher Geschwindigkeit der Patient einatmet. Damit kann der Patient die Inspiration selbst steuern, wobei ihm je nach dem eingestellten Druckniveau ein mehr oder weniger großer Teil der Atemarbeit durch den Respirator abgenommen wird. Der Übergang zur assistierten Beatmung ist bei diesem Verfahren fließend.
Mischformen
Intermittend Mandatory Ventilation (IMV)
Bei dieser ältesten Form der Kombination von Spontanatmung und Beatmung wird mit einer vorgewählten Frequenz durch das Beatmungsgerät ein maschineller Beatmungszug in die Spontanatmung des Patienten gegeben (. Abb. 21.4). Da dabei eine spontane Exspirationsbewegung und eine maschinelle Inspiration zu einer unkontrollierten Atemwegsdruckerhöhung führen können, wurde das Verfahren zur »synchronized-intermittent mandatory ventilation« (S-IMV) weiterentwickelt. Während der Spontanatmung wird der Triggermechanismus des Respirators empfindlich. Bei der ersten spontanen Inspirationsbewegung, die einen so großen negativen Druck aufbringt, dass die vorgewählte Triggerschwelle überschritten wird, wird ein assistierter maschineller Atemzyklus ausgelöst. Wird der Trigger nach einer bestimmten gerätespezifischen Zeit, dem Erwartungsfenster, nicht ausgelöst, so erfolgt eine kontrollierte Beatmung. Auf diese Weise ist eine Mindestventilation sichergestellt, wenn die Spontanatmung ausbleibt. Durch die S-IMV-Beatmungsfrequenz kann festgelegt werden, wie häufig sich das Triggererwartungsfenster in einer Minute öffnet. Dementsprechend verändert sich der Anteil von Spontanatmung und maschineller Beatmung. Die IMV wird vor allem während der Entwöhnungsphase beim Übergang von kontrollierter Beatmung zur Spontanatmung eingesetzt.
. Abb. 21.4. Druckverlauf bei Intermittent Mandatory Ventilation
Atemwegsdruck
21
Kapitel 21 · Akute respiratorische Insuffizienz
PEEP maschineller Beatmungshub
Spontanatmung Zeit
Triggererwartung
271 21.5 · Therapie
Mandatory Minute Volume (MMV)
Bei MMV wird ein bestimmtes Atemminutenvolumen als Sollwert vorgegeben. Der Respirator misst über einen bestimmten Zeitraum die Spontanatmung und löst dann eine entsprechende Anzahl assistierter Beatmungen aus, sodass die Differenz zwischen dem spontan geatmeten Minutenvolumen und dem Sollwert durch die maschinelle Beatmung ausgeglichen wird. Der Anteil der maschinellen Beatmung ist also entsprechend der vom Patienten geleisteten Spontanatmung variabel.
21.4.3
Kontrollierte Beatmung
Continous Mandatory Ventilation (CMV)
Bei dieser auch als »intermittent positive pressure ventilation« (IPPV) bezeichneten Beatmung wird die Atmung des Patienten völlig durch den Respirator übernommen und muss von außen kontrolliert werden. Nach dem eingestellten Atemmuster wird innerhalb einer durch die Beatmungsfrequenz vorgegebenen Zeit mit vorgewähltem Druck und Gasfluss ein bestimmtes Luftvolumen in die Lunge geblasen. In der Regel wird die Triggerschwelle des Gerätes so eingestellt, dass der Patient bei einer Inspirationsbewegung eine Inspiration auslösen kann. Auf diese Weise kann er im Falle einer Hypoventilation und einem dann entstehenden Atemreiz selbst die Beatmungsfrequenz im Sinne einer assistierten Beatmung erhöhen. Ansonsten muss die Beatmung auf ihre Effektivität und Sicherheit hin von außen, also durch Ärzte und Schwestern reguliert werden, da die Regelkreise des Patienten ausgeschaltet bzw. übersteuert sind. Eine kontrollierte Beatmung wird immer dann durchgeführt, wenn der Patient keinen eigenen Atemantrieb hat (z. B. Sedierung, Schädelhirntrauma). Häufig muss bei schwerer respiratorischer Insuffizienz auch mit einem Beatmungsmuster beatmet werden, das so unphysiologisch ist (z. B. umgekehrtes Atemzeitverhältnis), dass der Patient sie ohne massive Analgosedierung (Gabe von Sedativa und Opioiden, 7 Kap. 1.12) nicht tolerieren würde.
21.5
Therapie
21.5.1
Beatmung
21
Zur richtigen Auswahl einer Beatmung muss unterschieden werden, ob die Ventilation (Zielgröße paCO2) als Ausdruck einer Pumpschwäche oder eines Pumpversagens oder die Oxygenierung (Zielgröße paO2) als Folge eines Lungenparenchymversagens gestört ist. Bei einer Ventilationsstörung muss dementsprechend die Pumpfunktion durch eine Erhöhung des Atemminutenvolumens unterstützt oder ersetzt, bei einer Oxygenierungsstörung die inspiratorische Sauerstoffkonzentration bzw. die funktionelle Residualkapazität durch PEEP bzw. Umkehrung des Atemzeitverhältnisses erhöht werden. Je invasiver ein Beatmungsmuster ist, desto mehr werden die Lunge selbst und auch die anderen Organe belastet. Eine Beatmung soll daher bei ausreichender Oxygenierung und Ventilation so wenig invasiv wie nötig sein. Sie soll möglichst kurz sein, um Komplikationen zu vermeiden. Aus diesem Grunde muss eine Unterstützung der Atmung frühzeitig einsetzen. Nach der Indikationsstellung zur Atemunterstützung bzw. der Beatmung muss der Applikationsweg (Nasensonde, Maske, nasale oder orale Intubation, Tracheostoma) festgelegt werden. Ein invasiver Zugang (Intubation oder Tracheostoma) muss immer dann gewählt werden, wenn der Patient bewusstlos ist, eine Verlegung oder Verletzung der Atemwege vorliegt oder eine invasive Beatmung notwendig ist. Praxisbox Praktisches Vorgehen bei der Beatmung 5 Insufflation von Sauerstoff über Nasensonde oder Maske 5 Richten und Überprüfen des Endotrachealtubus, des Intubationsbestecks, des Beatmungsgerätes und der für die Narkose notwendigen Medikamente 5 Einleitung einer kurzen Narkose mit Etomidate, Barbiturat, Propofol oder Ketamin 5 Relaxierung 6
272
21
Kapitel 21 · Akute respiratorische Insuffizienz
5 Maskenbeatmung 5 Intubation 5 Beatmung mit dem Beatmungsgerät, Einstellung von Erfahrungswerten: FiO21,0; PEEP 5–8 cm H20, Atemzugvolumen 6 ml/kg; Atemfrequenz 15/min 5 Blutgasanalyse nach 15 min 5 Einstellung des Beatmungsgerätes nach den Ergebnissen der BGA 5 Abnahme von Rachen- und Bronchialsekret zur bakteriologischen Untersuchung als Ausgangsbefund 5 Analgosedierung (z. B. mit Midazolam/ Fentanyl) Entsprechend der Invasivität der Atemunterstützung hat sich ein stufenweises Vorgehen bewährt. Schritt 1 CPAP, BIPAP (Maske, Tubus) Schritt 2 Die Spontanatmung unterstützende Atemhilfen (IMV, ASB, S-IMV, MMV), BIPAP Schritt 3 Kontrollierte Beatmung IPPV (PEEP) I:E-Ratio 1:2 PEEP 5 → 15 cm H2O BIPAP Schritt 4 Kontrollierte Beatmung IPPV (»inversed ratio ventilation«, IRV) IRV 1:1 → 3:1 PEEP 5 → 10 cmH2O BIPAP
Je höher der Schritt, umso invasiver ist die Beatmung und umgekehrt. Um eine sauerstofftoxische Wirkung auf die Alveolen zu vermeiden, soll die FiO2 <0,5 liegen. Lässt sich unter Schritt 4 kein ausreichender Gasaustausch erreichen, so können die FiO2 weiter erhöht oder andere Verfahren wie extrakorporale Gasaustauschverfahren, Hämofiltration oder Hochfrequenzbeatmung eingesetzt werden. Vom Beginn der Behandlung bewegt sich die Beatmungsstrategie immer zwischen den einzelnen Schritten hin und her. Ziel ist es, einen optimalen Gasaustausch bei möglichst geringer Invasivität der Beatmung zu erreichen. Daher müssen Beatmung
und Entwöhnung gleichzeitig bedacht und schon bei Beginn der Beatmung die Entwöhnung angestrebt werden.
21.5.2
Physiotherapie
Unterstützt wird die Beatmungstherapie durch physiotherapeutische Maßnahmen. Durch regelmäßige Lageveränderungen auf beide Seiten und auf den Bauch werden die schlecht belüfteten und gut durchbluteten Regionen der Lunge (7 oben) verändert und das Sekret mobilisiert. Dieses kann durch eine Thoraxvibrationsmassage unterstützt werden. Bei sehr zähflüssigem Sekret können Sekretolytika über Ultraschallvernebler, die in das Beatmungsgerät integriert sind, appliziert werden.
21.5.3
Medikamentöse Therapie
Analgosedierung Um den invasiven Vorgang von Intubation und Beatmung zu tolerieren, muss der Patient sediert und analgesiert werden. Dabei steht die Sedierung im Vordergrund. Die analgetische Behandlung wirkt additiv, ist aber immer auch dann angezeigt, wenn eine schmerzhafte Grunderkrankung etwa postoperativ oder posttraumatisch vorliegt. Bei einem Thoraxtrauma ist sogar die Anlage einer thorakal wirkenden Periduralanästhesie indiziert. Der Patient soll möglichst wach sein, aber eine anterograde Amnesie haben und das Beatmungsgerät tolerieren. Das bedeutet, dass der Patient bei einer invasiven Beatmung sehr tief sediert wird, um die unphysiologischen Beatmungsmuster wie IRV und PEEP zu tolerieren. Hier wird der Patient an das Beatmungsgerät adaptiert. Bei zunehmendem Anteil der Spontanatmung wird die Sedierung reduziert, das Beatmungsgerät muss an den Patienten adaptiert werden. Wegen der Unterdrückung des Hustenreflexes und des Triggerimpulses sollte eine Relaxierung des Patienten nur in Ausnahmefällen durchgeführt werden. Bewährt hat sich für die Analgosedierung eine Kombination aus Midazolam (Sedierung und anterograde Amnesie) und Opioid (Analgesie). Wegen der guten Steuerbarkeit ist eine Kombination aus Propofol und Opioid (meist Sufentanil) eine gute Alternative.
273 21.5 · Therapie
Antibiotikatherapie Die respiratorische Insuffizienz
selbst bedarf keiner antibiotischen Therapie. Diese ist nur dann notwendig, wenn Entzündungszeichen bestehen. Sie wird anhand der gezielten Erreger- und Resistenzbestimmungen gegeben (7 oben). Nur wenn diese Ergebnisse noch nicht vorliegen, werden Antibiotika gegeben, die dem krankenhausspezifischen Erregerspektrum und dessen Resistenzprofil entsprechen. Diuretika Die durch das Kapillarleck (7 oben) in das
Interstitium gelangte Flüssigkeit verlängert die Diffusionsstrecke zwischen Alveole und Lungenkapillare. Sobald die Schockphase überwunden ist und die Kreislaufsituation es zulässt, wird dieses interstitielle Ödem durch eine diuretische Therapie ausgeschwemmt. Das kann sowohl mit Schleifendiuretika, als auch mit Aldosteronantagonisten erfolgen. Wichtig ist bei dieser Therapie eine genaue Kontrolle der Hämodynamik (eventuell mittels Pulmonalarterienkatheter), des Elektrolythaushaltes und der Nierenfunktion. Lässt sich unter medikamentöser Therapie keine ausreichende Ausschwemmung erreichen, so ist eine Hämofiltration angezeigt.
21.5.4
Hämofiltration
Häufig ist es schwierig, nach einer längeren Schockphase etwa im Rahmen einer Sepsis das interstitielle Ödem suffizient auszuschwemmen, ohne sehr hohe, möglicherweise toxische Dosen von Diuretika einzusetzen. Auch unter Verwendung von hochkalorischer parenteraler Ernährung ist die Flüssigkeitszufuhr so groß, dass sich keine ausreichend negative Wasserbilanz erreichen lässt. Durch eine kontinuierliche Hämofiltration (7 Kap 23.8.2) lässt sich eine ausreichende Menge Wasser entziehen.
21.5.5
Extrakorporale Verfahren
Lässt sich mit den dargestellten Verfahren mit einer schwersten respiratorischen Insuffizienz nicht ein ausreichender Gasaustausch erreichen, so können eine extrakorporale Membranoxyenierung (ECMO) oder eine extrakorporale CO2-Elimination (ECO2 E) zum Einsatz kommen. Hierzu wird, ähnlich der Herz-
21
lungenmaschine, Blut über arterielle und venöse Zugänge zu semipermeablen Membranen geleitet, über die der Gasaustausch stattfindet. Aufgrund des großen technischen Aufwands sind diese Verfahren nur an speziellen intensivmedizinischen Zentren möglich.
22 22 Schock 22.1 Definition
– 276
22.2 Ätiologie – 276 22.3 Pathophysiologie – 277 22.4 Organveränderungen im Schock 22.5 Diagnostik – 280 22.6 Therapie
– 281
22.7 Prognose
– 283
– 279
276
Kapitel 22 · Schock
22.1
Definition
Unter Schock versteht man Kreislaufstörungen, die durch Blutdruckabfall, Tachykardie und Mikrozirkulationsstörungen gekennzeichnet sind. Die Mikrozirkulationsstörungen verursachen eine Minderversorgung der Zellen mit Sauerstoff und Substraten und haben eine Veränderung der Fließeigenschaften des Blutes zur Folge.
22.2
Ätiologie
22 Der Kreislauf des Menschen konstituiert sich aus drei verschiedenen Komponenten: 4 Blutvolumen, 4 Herzleistung, 4 Gefäßregulation. Eine Schocksymptomatik entsteht dann, wenn mindestens eine dieser drei Komponenten ausfällt oder gestört ist. Verminderung des Blutvolumens Das Blutvolumen
5 Ösophagusvarizenblutung, 5 Magenblutung, 5 Aortenruptur. Plasmaverluste treten auf bei Verbrennungen und bei ausgedehnten intraabdominellen Wundflächen. Verluste extrazellulärer Flüssigkeit treten auf bei Ileus, Pankreatitis, Erbrechen, Aszites, Enteritiden mit Diarrhö und Diabetes. Verminderung der Herzleistung Die Herzleistung
kann vermindert sein durch eine 4 Störung der Reizbildung und der Erregungsleitung (Bradykardie, Tachykardie, AV-Überleitungsstörungen), 4 Schädigung des Arbeitsmyokards (Herzinfarkt mit Herzmuskelnekrose in einer Ausdehnung von über 40%, Myokarditis oder toxische Myokardschädigung), 4 Behinderung der Kammerfüllung (Lungenembolie, Perikarderguss, Herzbeuteltamponade, Spannungspneumothorax).
ist vermindert bei 4 Blutverlusten, 4 Plasmaverlusten, 4 Wasser- und Elektrolytverlusten.
Störung der Gefäßregulation Eine Störung der Gefäßregulation ist die Ursache der Schocksymptomatik bei 4 Sepsis und 4 anaphylaktischen Reaktionen.
Blutverluste treten auf bei Blutungen traumatischer Genese oder bei spontanen Blutungen in Hohlorgane oder ins Weichteilgewebe, z. B. 4 traumatisch bedingte Blutungen nach außen: 5 offene Frakturen, 5 Gefäßverletzungen, 5 Weichteilverletzungen: 4 traumatisch bedingte Blutungen nach innen: 5 intrathorakal: Hämatothorax, Lungenkontusion, 5 intraabdominell: Milzruptur, Leberruptur, 5 retroperitoneal: Beckenfraktur, Nierenruptur; 4 geschlossene Frakturen (z. B. geschlossene Unterschenkelfraktur 500 ml Blutverlust, geschlossene Oberschenkelfraktur 1000 ml Blutverlust); 4 spontane Blutungen in Hohlorgane und ins Weichteilgewebe:
Ursachen einer Sepsis können unter anderem sein: Peritonitis, Pyelitis, Endokarditis, Meningitis, Verbrennung, Leukämien, katheterassoziierte Sepsis. Ursachen anaphylaktischer Reaktionen können unter anderem sein: Röntgenkontrastmittel, Plasmaersatzmittel, Antibiotika. Der septische Schock muss begrifflich von anderen Fachausdrücken wie Sepsis, Bakteriämie oder Systemic Inflammatory Response Syndrome (SIRS) abgegrenzt werden. Grundlage der folgenden begrifflichen Klärung sind die Richtlinien des American College of Chest Physicians und der Society of Critical Care Medicine (SCCM). Werden in einem ansonsten sterilen Gewebe Bakterien ohne umgebende Entzündungsreaktion gefunden, so spricht man von einer Kolonisation. Beim Nachweis lebender Bakterien in der Blutbahn liegt eine Bakteriämie vor. Kommt es in einem ansonsten sterilen Gewebe zu einem Bakterienwachs-
277 22.3 · Pathophysiologie
tum und einer lokalen Entzündungsreaktion, so spricht man von einer Infektion. Eine Sepsis ist als ein lokaler Entzündungsherd mit systemischer Entzündungsreaktion definiert. Die schwere Sepsis geht definitionsgemäß mit Organfunktionsstörungen (Eintrübung, Laktazidose, Oligurie) einher. Vom septischen Schock spricht man, wenn es zu einer Mikrozirkulationsstörung mit einem Blutdruckabfall unter 90 mmHg bzw. 40 mmHg unter den Ausgangswert kommt. Der septische Schock mündet unbehandelt, z. T. auch trotz größter therapeutischer Bemühungen in ein multiples Organversagen (MODS). Von einer SIRS ist definitionsgemäß dann die Rede, wenn zwei der folgenden Symptome vorliegen: 4 Temperatur über 38 °C oder unter 36 °C, 4 Herzfrequenz über 90/min, 4 Atemfrequenz über 20/min, 4 Leukozytose über 12.000/mm3, 4 Leukopenie unter 4.000/mm3, 4 Linksverschiebung über 10% unreife Granulozyten.
22.3
Pathophysiologie
Alle Schockformen führen über einen Abfall des arteriellen Blutdrucks zu einer Störung der peripheren Mikrozirkulation. Für alle Schockformen charakteristisch ist deshalb eine Minderversorgung der Zellen mit Sauerstoff und Substraten und eine Viskositätsveränderung des Blutes in der Peripherie, die Folge einer Strömungsverlangsamung im Kapillarbett ist. Jeden Blutdruckabfall registriert der Körper mit Hilfe seiner in der Aorta und im Karotissinus lokalisierten Barorezeptoren und reagiert mit einer Stimulation des Sympathikus und des Nebennierenmarks. Unter Einfluss des Sympathikus kommt es zu einer Vasokonstriktion von Arteriolen und Venolen; die Blutzufuhr zum Gewebe und der Blutabfluss vom Gewebe sind damit gedrosselt. Durch Kapillarwandveränderungen (kapilläres Leck) wird der Wasserausstrom gefördert, sodass ein weiterer Volumenverlust entsteht. Ursache für diese Kapillarwandschädigungen sind metabolische Veränderungen. Die Konstriktion der Venolen hat eine Verlangsamung des Blutflusses im kapazitiven Gefäßsystem
22
zur Folge. Die Strömungsverlangsamung verändert die Viskosität des Blutes, Thrombo- und Erythrozytenaggregationen werden begünstigt. Diese bilden im Zusammenhang mit gerinnungsaktiven Faktoren, die im Schock durch Zellzerfall und Endotoxineinschwemmung entstehen, die Grundlage einer disseminierten intravasalen Gerinnung (DIC). Gefördert wird die primäre Hyperkoagulabilität des Blutes durch eine schockbedingte Abnahme der Clearance-Funktion des RES, das normalerweise an der Elimination von gerinnungsaktiven Faktoren beteiligt ist. Der Verbrauch der Gerinnungsfaktoren durch die disseminierte intravasale Gerinnung führt sekundär zu einer hämorrhagischen Diathese (Verbrauchskoagulopathie, 7 Kap. 26.3). Die sympathikusinduzierte Arteriolenkonstriktion bewirkt eine Minderdurchblutung der Kapillaren. Von dieser Minderdurchblutung sind die Kapillarsysteme der lebenswichtigen Organe Herz, Lunge und Gehirn ausgenommen. Durch diese Kreislaufzentralisation wird ein hinreichender Perfusionsdruck in diesen Teilkreisläufen gesichert. Solange die Kreislaufzentralisation und damit die Perfusion lebenswichtiger Organe aufrecht erhalten werden kann, spricht man von einem kompensierten Schock. Der Sauerstoffmangel im schlecht durchbluteten Gewebe zwingt die Zellen dazu, ihre Energie durch anaerobe Glykolyse zu gewinnen. Mit dieser unönökonomischen Art der Energiegewinnung (statt 30 mol ATP gewinnt die Zelle nur 2 mol ATP aus 1 mol Glukose) kann die Zelle kurzfristig ihren Erhaltungsstoffwechsel aufrechterhalten. Doch kommt es bald 4 zu einer Störung der zellulären Proteinbildung, 4 zum Zerfall von Zellorganellen und zu einer 4 Freisetzung von Lysosomen in der Zelle und daraus folglich zu einer Zerstörung der Zellstruktur und zur Zellnekrose. Stellt die Zelle ihre Energieproduktion auf anaerobe Glykolyse um, so häufen sich saure Metabolite an (Pyruvat, Laktat). Folge ist eine metabolische Azidose. Fällt der pH-Wert im Blut jedoch ab, so werden die Katecholamine in ihrer Wirksamkeit gemindert. Die katecholamininduzierte Arteriolenkonstriktion nimmt ab, das Blut tritt über die dilatierten Arteriolensphinkter in die Kapillaren ein und steht dem zen-
278
Kapitel 22 · Schock
tralisierten Kreislauf nicht mehr zur Verfügung. Dieses Stadium nennt man dekompensierter Schock. Sind Mikrozirkulationsstörungen mit ihren rheologischen und hämostasiologischen Folgen typisch für alle Schockformen, so differieren die Schockformen jedoch in den von ihnen ausgelösten makrozirkulatorischen Veränderungen. Um diese Unterschiede ermitteln zu können, ist oft zusätzlich zum routinemäßigen Kreislaufmonitoring (Puls, arterieller Druck, zentralvenöser Druck) ein erweitertes Monitoring (Pulmonalarterienkatheter) notwendig.
22
Hämodynamische Charakteristika verschiedener Schockformen Hypovolämischer Schock (. Tabelle 22.1) Verständ-
licherweise sinken hypovolämiebedingt der arterielle Blutdruck und der zentrale Venendruck ab. Die Stressantwort erklärt die hohe Pulsfrequenz und die katecholaminbedingte Widerstandserhöhung im großen und kleinen Kreislauf.
verträgt aber eine weitere Hypoxämie nur schlecht, der ischämiebedingte Myokardschaden wird größer. Dies mündet in einen Circulus vitiosus, der letztendlich für die schlechte Prognose des kardiogenen Schocks verantwortlich ist. Die erhöhte Herzfrequenz schadet dem ischämisch geschädigten Herz zusätzlich, da die Tachykardie die Diastole und damit die Durchblutungszeit des Herzens verkürzt. Extrakardiale Ursachen eines kardiogenen Schocks können sein: 4 Verlegung der Ausflussbahn des rechten Ventrikels durch eine Lungenembolie (7 Kap. 11.5), 4 Pneumothorax mit Verlagerung des Mediastinums und Einflussstauung (Spannungspneumothorax), 4 Herzbeuteltamponade nach Einblutung oder Erguss.
Kardiogener Schock (. Tabelle 22.1) Wenn durch
Kennzeichnend für den dramatischen Verlauf dieser Krankheitsbilder sind ein massiver Blutdruckabfall, eine kompensatorische Tachykardie und ein rapider Abfall des Herzminutenvolumens.
einen Myokardinfarkt mehr als 40% des Arbeitsmyokards zerstört sind oder eine Myokarditis die Pumpfunktion schwächt, so können die peripheren Organe nicht mehr hinreichend mit Sauerstoff versorgt werden. Aufgrund der mangelhaften Auswurfleistung entsteht ein erhöhter enddiastolischer Druck im linken Ventrikel (LVEDP) und als Folge des Blutrückstaus in den kleinen Kreislauf ein erhöhter Pulmonalarteriendruck. Der Rückstau des Blutes hat eine Sequestration von Wasser ins interstitielle Lungengewebe (Lungenödem) und eine Verlängerung der Diffusionsstrecke zur Folge, was den Gasaustausch erschwert. Das hypoxisch geschädigte Herz
Septischer Schock (. Tabelle 22.1) Grund für die schocktypischen hämodynamischen Veränderungen bei der Sepsis sind arteriovenöse Shunts, die durch die in die Blutbahn eingeschwemmten bakteriellen Endotoxine geöffnet werden. Das Blut durchströmt nur diese Shunts, nicht die Kapillaren, sodass das Gewebe nicht mehr mit Sauerstoff und Substraten versorgt wird (→ Gewebehypoxie!). Der periphere Widerstand ist vermindert, das Herzminutenvolumen erhöht. Dies hat dem septischen Schock auch die Bezeichnung hyperdynamischer Schock eingebracht. Dieses hyperdyname Schockstadium
. Tabelle 22.1. Veränderungen der Kreislaufparameter bei verschiedenen Schockformen
HF
art. BD
ZVD
CO
PCWP
SVR
PVR
Hypovolämischer Schock
↑
↓
↓
↓
↓
↑
↑
Kardiogener Schock
↑
↓
↑
↓
↑↑
↑
↑
Septischer Schock
↑
↓
↓
↑↑
↓
↓↓
↓
Anaphylaktischer Schock
↑
↓
↓
↓
↓
↓
↓
HF Herzfrequenz, art. BD arterieller Blutdruck, ZVD zentralvenöser Druck, CO Cardiac Output, PCWP pulmonalkapillärer Wedge-Druck, SVR systemischer Widerstand, PVR pulmonalarterieller Widerstand.
22
279 22.4 · Organveränderungen im Schock
. Abb. 22.1. Pro- und antiinflammatorische Zytokine und ihr Einfluss auf die Mikrozirkulation. Erklärung 7 Text
IL 10 IL-1RA Bakterien
LPS
LeukozytenEndothelInteraktion NO-Synthetase Endothelin-1
TNF-α IL-1 Alarmzytokine IL-6 IL-8
intestinale Permeabilität
antiinflammatorisch proinflammatorisch
Gewebeschäden
endotheliale Dysfunktion
Mikrozirkulationsstörung
nennt man auch High-flow-Phase. Der Patient neigt im septischen Schock zur Hyperventilation mit konsekutiver respiratorischer Alkalose. Die Notwendigkeit zur Hyperventilation ergibt sich aus dem niedrigen arteriellen pO2 (Ursache: pulmonale Shunts). Typisch ist beim septischen Schock eine endotoxininduzierte Hyperkoagulabilität, die oft zu einer disseminierten intravasalen Gerinnung und zu einer Verbrauchskoagulopathie führt. Der septische Schock ist meist Folge einer Endotoxinämie gramnegativer, seltener grampositiver Bakterien. Auf die High-flow-Phase folgt die Low-flowPhase. Das Herzminutenvolumen ist vermindert, der Patient zentralisiert. Grund dafür ist eine endotoxininduzierte Myokardinsuffizienz. Die Ursachen der hämodynamischen Funktionsstörungen liegen in der endotoxinbedingten Triggerung von Mediatorkaskaden. Es entstehen die proinflammatorischen Zytokine TNF-α und IL-1. Neben diesen sog. Alarmzytokinen entstehen noch antiinflammatorische Zytokine wie IL-6 und IL-8. Das Gleichgewicht zwischen diesen pro- und antiinflammatorischen Zytokinen ist jedoch eindeutig auf die Seite der proinflammatorischen Zytokine verlagert. Die Stimulation der Stickstoffmonooxydsynthetase mündet in der Bildung von NO, einem starken vasogenen Dilatator, sowie Endothelin-1. NO stört die endotheliale Funktion, hat Mikrozirkulationsstörungen mit konsekutiven Gewebeschäden zur Folge. Besonders im Gastrointestinaltrakt kommt es zu einer Störung der intestinalen Permeabilität
NO
mit der Folge eines Bakterien- und Endotoxintransfers in das Blut. Somit entsteht ein Circulus vitiosus (. Abb. 22.1), der nur schwer zu durchbrechen ist. In den letzten Jahren hat in diesem Bereich eine intensive Forschung zahlreiche faszinierende Erkenntnisse gebracht. Neue therapeutische Ansätze, die bereits klinisch relevant sind, sind bislang jedoch nicht daraus abzuleiten. Anaphylaktischer Schock (. Tabelle 22.1) Nach Kontakt mit einem Antigen kann der Mensch Antikörper gegen dieses Antigen bilden. Nach dieser Sensibilisierung führt ein weiterer Kontakt zu einer Antikörper-Antigen-Reaktion, was eine Freisetzung von Histamin aus den Mastzellen und ortsständigen Histiozyten nach sich zieht. Histamin bewirkt eine Gefäßweitstellung und eine Membranpermeabilitätsstörung, die einen Wasseraustritt und ein perivaskuläres Ödem zur Folge haben. So entsteht zusätzlich zur Vasodilatation (relativer intravasaler Volumenmangel) ein absoluter intravasaler Volumenmangel (absoluter Volumenmangelschock).
22.4
Organveränderungen im Schock
Lunge 7 Kap. 21.1.2. Niere Der schockbedingte Blutdruckabfall vermin-
dert die Durchblutung der Niere, da diese nicht zu
280
22
Kapitel 22 · Schock
den im Schockzustand noch perfundierten Organen zählt. Die Niere registriert diesen Blutdruckabfall und reagiert mit einer Freisetzung von Renin, was letztendlich über den Renin-Angiotensin-Aldosteron-Mechanismus zu einer weiteren Abnahme des Glomerulumfiltrats führt. Als funktionelle Veränderungen sind Oligurie, Anurie, metabolische Azidose, Hyperkaliämie und Retention harnpflichtiger Substanzen zu registrieren. Diese Symptome der Schockniere sind in der Frühphase unter adäquater Therapie meist reversibel. Wenn die Nierengefäße, Glomerula und Tubuli durch Mikrothromben und Zelldetritus verlegt werden, ist dieser Zustand meist irreversibel (terminale dialysepflichtige Niereninsuffizienz). Leber Im Rahmen der schockbedingten, intestinalen Vasokonstriktion ist der Blutfluss im Pfortadersystem vermindert, Folge ist eine Minderdurchblutung der Leber. Dies macht sich in 4 Abnahme der Leberfunktionen, 4 Entgiftung, 4 Phagozytose und 4 Gerinnungsfaktorenproduktion bemerkbar.
Morphologische Veränderungen der Leber im Schock sind 4 Mikrothromben in den Sinusoiden und Zentralvenen, 4 perizentrale Parenchymnekrosen und 4 Verminderung des Glykogengehalts. Magen und Dünndarm Der Magen-Darm-Trakt hat eine ausgeprägte α-adrenerge Innervation und wird deshalb im Schock nicht mehr durchblutet. Zellhypoxie und lokale Azidose sind die Folge – es kommt zu Zellnekrosen. Die Minderdurchblutung reduziert besonders im Magen die Schutzfunktion des Epithels gegenüber der Magensäure. Stressulzera können die Folge sein. Auch der Dünndarm ist ein Organ, das im Schock nur noch mangelhaft durchblutet wird. In der Schleimhaut des Dünndarms liegen nicht nur sezernierende Schleimhautepithelzellen, sondern auch endokrin aktive Zellen, die biogene Amine und Peptidhormone produzieren können. Diese Peptidhormone sind Mediatoren, die, in den Kreislauf eingeschleust, einen Schockzustand unterhalten können. Gleichzeitig können aber auch über eine erhöhte
Darmwandpermeabilität toxische Substanzen aus dem Darm in den Kreislauf gelangen, die zu einem Endotoxinschock führen können. Ob eine selektive Darmdekontamination mit Antibiotika eine Endotoxineinschwemmung verhindern kann, ist nicht sicher nachgewiesen. Das Risiko einer Erregerselektion (z. B. Zunahme resistenter Bakterien) ist groß.
22.5
Diagnostik
Allgemeine Symptome
4 Haut: 5 feucht (Ursache: Stimulation der sympathischen Nervenfasern, die die Schweißdrüsen der Haut versorgen), 5 kühl (Ursache: Minderdurchblutung), 5 blass (Ursache: Vasokonstriktion), 5 marmoriert (Ursache: periphere Stase); 4 Nagelbett an Fingern und Zehen: nicht durchblutet, Wiederfüllung verzögert, 4 Tachykardie, 4 Blutdruckabfall, 4 Dyspnoe und Hyperventilation, 4 Unruhe und Bewusstseinsstörungen, 4 Temperaturdifferenz zwischen rektal und peripher. Spezielle Symptome
4 Hypovolämischer Schock: 5 Zeichen von Volumenverlusten: Blutung, Erbrechen, Diarrhöen, 5 kollabierte Venen, 5 externe Jugularvenen füllen sich in flacher Rückenlage nicht. 4 Kardiogener Schock: 5 klinisches Zeichen eines Infarkts, einer Lungenembolie oder eines Spannungspneumothorax mit Mediastinalverlagerung (Todesangst, stärkste Schmerzen im Brustkorb z. B. mit Ausstrahlung in den linken Arm beim Herzinfarkt), 5 Halsvenen füllen sich sogar in Rückenhochlage, ausgestrichene periphere Venen füllen sich schnell von retrograd (Rückstau vor dem Herzen!), 5 Bewusstsein zum Teil noch vorhanden, meist aber getrübt.
281 22.6 · Therapie
4 Septischer Schock: 5 Zeichen einer Sepsis: Fieber, Mikrothromben im Nagelbett, petechiale Blutungen, 5 Haut warm und trocken (Ursachen: erhöhtes Herzzeitvolumen, geöffnete arteriovenöse periphere Shunts. 4 Anaphylaktischer Schock: 5 Anamnese! Kontakt mit Allergenen! 5 Quaddeln (Ursache: histaminbedingte Gefäßpermeabilitätsstörungen), 5 Erytheme (Ursache: histaminbedingte Gefäßdilatation), 5 Bronchospasmus (Ursache: Histamin führt zu einer Konstriktion der Bronchialmuskulatur), 5 Herzkreislaufstillstand.
4
4
4
Hämodynamische Parameter
4 Routinemäßiges Monitoring: Puls, Blutdruck, zentralvenöser Druck, 4 erweitertes Monitoring: PAP, PCWP, CO, LVSVI, RVSVI, SVR, PVR (7 Kap. 8.3.5).
4
Bildgebung und weitere Diagnostik
4 Röntgen-Thorax (bei Patienten im kardiogenen Schock, bei Patienten mit Polytrauma und bei Patienten mit stumpfem Bauchtrauma). Je nach Schädigungsmuster zusätzlich Röntgendiagnostik der Extremitäten, der Wirbelsäule, des Beckens, des Schädels, kranielles Computertomogramm, 4 Sonographie des Abdomens, 4 Urinvolumen, 4 Echokardiographie (z. B. beim kardiogenen Schock, vor allem Perikarderguss)
4
4
22
führen. Die Zahl der Thrombozyten nimmt ab, der Quickwert ist vermindert, PTT und Reptilasezeit sind verlängert. Die Fibrinmonomere sind erst in einem späteren Stadium der Gerinnungsstörungen erhöht (7 Kap. 26.3). Laktat: Bei der anaeroben Glykolyse entstehen als Endprodukte Laktat und Pyruvat. Laktat ist bei Schockzuständen exzessiv erhöht und deshalb ein guter Parameter zur Beurteilung des Schockverlaufs. Kreatininphosphokinase (CPK, herzspezifisch: CK-MB): Beide Enzyme sind beim Myokardinfarkt erhöht, die CK-MB ist jedoch herzspezifischer als die CPK, die auch bei Muskeltraumen ansteigt. Blutgasanalyse: Arterielle Blutgasanalysen sind unabdingbar notwendig, um das Ausmaß der respiratorischen Insuffizienz und der metabolischen Veränderungen im Schockgeschehen abschätzen zu können. Troponin: Das Troponin I ist ein in den dünnen Aktin-/Myosinfilamenten des Muskels enthaltenes Protein, das die Kalziumempfindlichkeit der Muskelproteine reguliert. Das Troponin I ist herzspezifisch und bei Herzinfarkt stark erhöht. Die Elektrolytbestimmung erlaubt Aussagen über den Wasser- und Elektrolythaushalt und gibt die Möglichkeit zu einem gezielten Ausgleich der Störungen. Kreatinin, Harnstoff: Auch wenn die Nierenretentionswerte meist erst nach Tagen ansteigen, so sind Kreatinin- und Harnstoffbestimmungen dennoch sinnvoll, um Vorerkrankungen der Niere auszuschließen und den Verlauf einer Schockniere beurteilen zu können.
Laborparameter
4 Hb, Hämatokrit: Beide Werte liegen bei Blutverlusten zunächst im Normbereich und fallen erst nach isovolämischer Volumensubstitution mit Plasmaersatzmitteln ab. Dann erst sind Hb und Hämatokrit Parameter für das Ausmaß des Blutverlustes. Bei vorwiegenden Plasma- oder Wasserverlusten steigt der Hämatokrit zunächst an und kehrt erst nach adäquater Volumensubstitution in den Normbereich zurück. 4 Blutgerinnung: Die schockbedingte intravasale Gerinnung kann zu einem Thrombozytensturz und zu einem Verbrauch an Gerinnungsfaktoren
22.6
Therapie
Ziel der Therapie beim Schock ist es, die Sauerstoffversorgung des Gewebes wiederherzustellen. Zu den ersten Maßnahmen zählt deshalb die gesicherte Sauerstoffzufuhr. Folgende Maßnahmen sind in Abhängigkeit von der Schwere des klinischen Befundes angezeigt: 4 nasale Sauerstoffsonde, 4 Intubation und zunächst kontrollierte Beatmung mit differenzierten Beatmungsmustern; später
282
Kapitel 22 · Schock
im Rahmen der Entwöhnung druckunterstützte Spontanatmm; CPAP, 4 Befeuchtung der Inspirationsluft und ausgiebige Bronchialtoilette.
22
Ein ausreichender arterieller Sauerstoffpartialdruck genügt jedoch nicht allein, um die Sauerstoffversorgung der Zellen und Organe zu sichern. Notwendig ist auch ein adäquates Herzzeitvolumen. Dies erreicht man 4 Beim hypovolämischen Schock durch Volumensubstitution (z. B. Plasmaersatzmittel, Proteinlösungen, FFP, Blut), 4 beim kardiogenen Schock, indem man das Herz einerseits entlastet (z. B. Nitrate), andererseits unterstützt (z. B. Katecholamine) und 4 beim septischen und anaphylaktischen Schock, indem man die Gefäßregulation normalisiert. Hypovolämischer Schock
Volumensubstitution: Wird ein hypovolämischer Schock diagnostiziert, so muss über dicklumige periphervenöse Zugänge oder über einen zentralvenösen Zugang mit einem Volumenersatz begonnen werden. Je nach Verlust (Blut, Plasma, extrazelluläre Flüssigkeit) müssen Blut, Plasma, Plasmaersatzmittel oder kristalline Lösungen substituiert werden. Kardiogener Schock
4 Kardial entlastende Therapie: 5 Verminderung des Preloads: Nitrate, Diuretika, 5 Verminderung des Afterloads: NitroprussidNatrium, Nitrate, Antihypertensiva. 4 Kardial stützende Therapie: 5 Positiv inotrop wirkende Katecholamine: Auch wenn sie die Herzarbeit unterstützen und ökonomisieren, so muss doch bedacht werden, dass sie über die Herzfrequenzund/oder Kontraktilitätssteigerungen den Sauerstoffbedarf erhöhen. Als Katecholamine kommen Dobutamin, Dopamin oder Adrenalin in Frage. Bei schwerer Herzinsuffizienz ist auch der Einsatz von Phosphodiesterasehemmstoffen wie Enoximon (7 Kap. 1.17.4) indiziert.
5 Liegt dem kardiogenen Schock eine Störung des Herzrhythmus zugrunde, so sind je nach Art der Störung Antiarrhythmika, Digitalis oder aber auch ein Schrittmacher indiziert. 5 Sind die medikamentösen Maßnahmen ausgeschöpft, so kann der Patient möglicherweise noch durch eine mechanische Unterstützung der Zirkulation gerettet werden. In Einzelfällen hat sich die intraaortale Ballonpumpe bewährt. EKG-gesteuert wird ein Ballon, der von der A. femoralis her in die Aorta descendens unterhalb des Aortenbogens eingeführt wird, während der Diastole aufgepumpt. In der Systole entleert sich der Ballon wieder und erlaubt eine normale systolische Zirkulation. Dieses Prinzip vermindert die Herzarbeit, erniedrigt den enddiastolischen Ventrikeldruck und steigert die koronare Durchblutung. Septischer und anaphylaktischer Schock
Eine Normalisierung der Gefäßregulation wird wie folgt erzielt: 4 Septischer Schock: 5 wenn immer möglich, Unterbindung der Endotoxinproduktion durch chirurgische Intervention und Sanierung des Infektionsherdes; 5 Antibiotika; 5 Kühlung, antipyretische Medikation; 5 Volumensubstitution; im septischen Schock wird meist eine Hypovolämie diagnostiziert; deshalb Volumensubstitution anhand der gemessenen hämodynamischen Parameter und anhand der Laborwerte (z. B. mit FFP, Blut, Plasmaersatzmittel); 5 Heparin (1000 E/h, TZ auf das Zwei- bis Dreifache verlängern). Die Endotoxinämie initiiert eine disseminierte intravasale Gerinnung. Deshalb ist der Patient im septischen Schock besonders durch eine Verbrauchskoagulopathie gefährdet. Heparin kann eine intravasale disseminierte Gerinnung verhindern; deshalb ist Heparin in der Initialphase indiziert; im Vollbild der Verbrauchskoagulopathie muss die Dosis reduziert oder Heparin ganz abgesetzt werden.
283 22.7 · Prognose
5 Noradrenalin (Arterenol) zur Normalisierung des peripheren Gefäßwiderstandes. Eine Verbesserung bei der Überlebensrate erreicht man im septischen Schock durch weitere einfache Maßnahmen: 5 Einregulierung des Blutzuckerspiegels auf Werte von 80–110 mg/d 5 Substitutionvon Hydrokortison (200 mg/ Tag), 5 Substitution von Selen (200 mg/Tag). Darüber hinaus konnte bei der Anwendung von aktiviertem Protein C eine weitere Reduktion der Letalität festgestellt werden. 4 Anaphylaktischer Schock: 5 Unterbrechung der Zufuhr des Allergens; 5 Mittel der Wahl: Adrenalin (Suprarenin). Grund: sofortiger Wirkungseintritt. Neben der Stimulation der β-Rezeptoren auch Stimulation der α-Rezeptoren und Hemmung der Histaminfreisetzung aus den Mastzellen (kausale Therapie!); 5 Kortikoide: Methylprednisolon (Urbason). Wirkungseintritt verzögert (erst nach 15 min); Wirkungsprinzip: Stabilisieren der Zellmembran; Dosierung: 1–2 g; 5 Theophyllin (Euphyllin). Indikation: Bronchospasmus; 5 Volumensubstitution (relativer und absoluter Volumenmangel). Schocklunge 7 Kap. 21.1.2.
Schockniere (7 auch akutes Nierenversagen)
4 Dialyse, 4 kontinuierliche venovenöse Hämo(dia)filtration. Azidose
Die im Schock aufgetretene metabolische Azidose erfordert eine Korrektur durch Pufferung (z. B. Natriumbikarbonat, 7 Kap. 25.2 und 25.4). Ist das intravasale Volumen wieder aufgefüllt, so wird die schockbedingte Vasokonstriktion wieder durchbrochen. Dazu eignen sich Alphablocker. Die Vasodilatation führt zu einer verbesserten Gewebeperfusion und sorgt für eine verbesserte Versorgung des Gewebes mit Sauerstoff und Substraten. Die Ursache der Azidose wird auf diese Weise beseitigt.
22.7
22
Prognose
Trotz aller therapeutischen Bemühungen muss beim kardiogenen und septischen Schock wegen der geschilderten pathophysiologischen Mechanismen auch heute noch mit einer hohen Letalität gerechnet werden (kardiogener Schock: 80–90%; septischer Schock: 60–80%). Der anaphylaktische Schock ist jedoch besser zu beherrschen (Letalität: <1%). Die Frage nach der Letalität ist beim hypovolämischen Schock nicht einfach zu beantworten. Die Prognose wird hier im Wesentlichen durch das Ausmaß und die Ursache bestimmt.
23 23
Akutes Nierenversagen
23.1
Physiologische Nierenfunktionen
23.2
Definition des akuten Nierenversagens – 286
23.3
Ätiologie – 286
23.4
Pathophysiologie – 286
23.5
Diagnostische Parameter
23.6
Prophylaxe
23.7
Therapie
23.7.1 23.7.2 23.7.3 23.7.4
Allgemeine Richtlinien – 288 Nierenersatztherapie – 289 Intermittierende Dialyseverfahren – 289 Kontinuierliche arteriovenöse Hämofiltration (CAVH) und venovenöse Hämofiltration (CVVH) – 290
23.8
Pharmakokinetik bei Niereninsuffizienz – 292
– 286
– 288
– 288
– 288
286
23.1
23
Kapitel 23 · Akutes Nierenversagen
Physiologische Nierenfunktionen
4 Exkretorische Nierenfunktion: 5 Regulation des Wasser-, Salz- und Säure-Basen-Haushaltes, 5 Elimination harnpflichtiger Metabolite des Stoffwechsels (Harnstoff, Harnsäure, Kreatinin etc.), 5 Rückresorption und Kontrolle der Ausscheidung von Glukose und Aminosäuren, Elektrolyten u. a. 4 Endokrine und metabolische Nierenfunktion: 5 Erythropoetinbildung (Hämatopoese), Renin-Angiotensin-Aldosteron-System, 5 Kalziumstoffwechsel: In der Leber wird Cholekalziferol zu 25-OH-Cholekalziferol umgewandelt und in der Niere entsteht daraus 1,25-(OH)2-Cholekalziferol = Vitamin D (auch D-Hormon genannt).
23.2
Definition des akuten Nierenversagens
Ein akutes Nierenversagen liegt vor, wenn 4 der Plasmakreatininspiegel um 2 mg/dl/Tag ansteigt und eine Oligurie oder Anurie auftritt oder 4 das Plasmakreatinin bei primärer Polyurie oder normaler Urinproduktion ansteigt.
23.3
Ätiologie
Prärenales (= funktionelles) Nierenversagen Dieses
hypoxisch-zirkulatorische Nierenversagen ist Folge einer Minderdurchblutung der Niere. Zur Auslösung einer ischämischen Nierenschädigung kann bereits die bei drohendem oder beginnendem Schockzustand einsetzende Vasokonstriktion der Nierenarterien führen. Die Häufigkeit dieser Form des Nierenversagens lag vor Jahren noch bei 80%, tritt aber heute aufgrund frühzeitiger Volumensubstitution am Unfallort und adäquater perioperativer Flüssigkeitssubstitution eher selten auf.
Ursachen können sein: 4 Hypovolämie: Blutverluste, Plasmaverluste, Wasser- und Elektrolytverluste; selten: Überdosierung von Diuretika, 4 Linksherzversagen (Myokardinfarkt, Lungenembolie, Dekompensation einer Linksherzinsuffizienz); Pathomechanismus: vermindertes Herzauswurfvolumen und niedriger Blutdruck, reduzierte Nierendurchblutung, 4 anaphylaktischer Schock. Intrarenales (= organisches) Nierenversagen Schädigung der Niere durch 4 Endotoxine (Sepsis, Peritonitis, Verbrennung etc.), 4 Gewebezerfall (akute Pankreatitis, Peritonitis, Verbrennung etc.), 4 Myolyse (Weichteilquetschung, Starkstromunfälle, ausgedehnte Erfrierungen), 4 Hämolyse (Fehltransfusion, medikamentös bedingte Hämolyse) oder 4 nephrotoxische Medikamente (z. B. Aminoglykoside, Cephalosporine der ersten Generation). Postrenales (= obstruktives) Nierenversagen Das postrenale Nierenversagen ist im intensivmedizinischen Bereich sehr selten. Ursachen: 4 Prostataadenom, 4 Harnleitersteine beidseits, 4 Blasentumoren, 4 retroperitoneale Hämatome mit Ureterkompression beidseits; Folge: Anurie.
Die auf der operativen Intensivstation zu registrierenden akuten Nierenversagen haben meist eine zirkulatorisch-ischämische und/oder septisch-toxische Ursache. Aufgrund differenzierter Überwachungsmethoden des Herz-Kreislauf-Systems und der daraus ableitbaren adäquaten Therapie werden immer häufiger poly- oder normurische als oligo-/anurische Verläufe beobachtet.
23.4
Pathophysiologie
Hypoxisch-zirkulatorisches Nierenversagen Ihrer Funktion, das extrazelluläre Flüssigkeitsvolumen konstant und die Osmolarität im Normbereich zu
287 23.4 · Pathophysiologie
. Abb. 23.1. Der Renin-Angiotensin-Aldosteron-Mechanismus
Blutgefäße
23
RR Lunge
Angiotensin-converting-Enzym
Angiotensin II
Leber Angiotensinogen
Angiotensin I
Niere
Aldosteron: Natrium- und Wasserretention
Renin
Veränderung von Nierendurchblutung und Blutzusammensetzung (Na+, H2O, Osmolarität)
halten, kommt die Niere durch Modifikationen der glomerulären Filtrationsrate und durch Rückresorption von Natrium im distalen Teil des Tubulus nach. Diese Funktionen unterliegen der Steuerung durch den Renin-Angiotensin-Aldosteronmechanismus sowie das antidiuretisch wirkende (ADH) und das atriale natriuretische Hormon (ANH). Informationen über den Zustand des extrazellulären Flüssigkeitsraumes (EZR) erhält die Niere über Barorezeptoren im Sinus carotidis, über Volumenrezeptoren im Vorhof und über intrakranielle Osmorezeptoren. Ist der Körper von einem Volumenmangel bedroht, so kommt es infolge reflektorischer Vasokonstriktion zu einer Abnahme der glomerulären Filtration. Über den Renin-Angiotensin-Aldosteronmechanismus wird die Rückresorption von Natrium und Wasser erhöht. Osmolaritätsveränderungen werden durch das ADH korrigiert (. Abb. 23.1). Das hypoxämisch-zirkulatorische Nierenversagen hat eine gute Prognose, wenn die Ursache beseitigt werden kann und den Tubuluszellen durch
konservative Therapiemaßnahmen oder Nierenersatztherapie (Dialyse, Ultrafiltration) Zeit gegeben wird, sich zu regenerieren. Septisch-toxisches Nierenversagen Über die Pathogenese des septisch-toxischen Nierenversagens gibt es noch kontroverse Ansichten. Sicher scheint zu sein, dass Sepsis und septischer Schock zu einer renalen Minderdurchblutung führen können, die eine Abnahme des Glomerulumfiltrats und eine maximale Steigerung der Wasser- und Natriumresorption im distalen Tubulus zur Folge hat. Es entsteht daraus eine Konzentration von Toxinen im Tubulus, die für nachgewiesene tubuläre Transportstörungen mit Glukosurie, Aminoazidurie und einer Störung der Natrium- und Wasserresorption mit nachfolgender Polyurie verantwortlich gemacht werden. Normurie und Polyurie bei erhöhten Nierenretentionswerten sind Zeichen dafür, dass die toxisch geschädigte Niere nicht mehr in der Lage ist, den Urin hinreichend zu konzentrieren.
288
23.5
Kapitel 23 · Akutes Nierenversagen
Diagnostische Parameter
Basisprogramm Dieses umfasst:
23
4 Bilanzierung von Ein- und Ausfuhr (Körpergewicht täglich bestimmen), 4 Messung der Urinproduktion, 4 Urinuntersuchung: spezifisches Gewicht (1,002– 1,035 g/l), Osmolarität (800–1400 mosms/kg), Natrium (60–160 mmol/l), Kalium (20–120 mmol/l), Chlorid (30–130 mmol/l), Proteine (0–10 mg/ dl), Hb (0 mg/dl), Bakterien (<105Keime/ml), Harnstoff (330– 580 mmol/24 h), 4 Serumuntersuchung: Natrium (135–150 mmol/l), Kalium (3,5–5,5 mmol/l), Chlorid (98–112 mmol/ l), Kreatinin (0,7–1,5 mg/dl), Harnstoff (11– 55 mg/dl), arterielle Blutgasanalyse, Standardbikarbonat (7 Kap. 19.1), Proteine (6,2–8,2 g/dl) Osmolarität (280–300 mosm/kg), kolloidosmotischer Druck (18–26 mmHg), Harnsäure (2,6– 7,0 mg/dl), 4 röntgenologische Untersuchungen: Thorax (»fluid lung«?), Abdomen (Konkrementnachweis?), 4 Sonographie: Bestimmung der Nierengröße, des Nierenbeckens und des Harnleiters (Stau?), 4 kardiozirkulatorisches Monitoring (ZVD etc.). Erweitertes diagnostisches Programm Das erweiterte Programm beinhaltet: 4 retrograde Pyelographie, 4 Nierenszintigraphie, 4 Nierengefäßdarstellung (Angiographie).
23.6
Prophylaxe
4 Adäquate Flüssigkeitssubstitution (cave: Flüssigkeitsüberladung), 4 Behandlung einer Linksherzinsuffizienz (kardiale Entlastung, kardiale Stützung, 7 Kap. 1.17), 4 Verminderung der systemisch und damit auch renalen Vasokonstriktion.
23.7
Therapie
23.7.1
Allgemeine Richtlinien
4 Wasserrestriktion: Es droht andernfalls die Gefahr eines interstitiellen Lungenödems (Symptome: Atemnot, verminderte arterielle Sättigung, verminderter arterieller pO2, »fluid lung« im Röntgenbild) und eines Hirnödems (Symptome: Eintrübung, Erbrechen, Bewusstseinsverlust); 4 hochkalorische Ernährung: enteral, soweit möglich (eiweiß-, wasser- und elektrolytarm, aber kalorienreich); parenteral, wenn oral nicht möglich (Zusammensetzung nach gleichem Prinzip wie bei der oralen Ernährung. Es entsteht ein Konflikt zwischen zwei Behandlungsprinzipien: Wasserrestriktion und hochkalorische Ernährung. Ausweg: hochkonzentrierte Lösungen, z. B. Glukose 40%). 4 Behandlung der Hyperkaliämie. Wichtig
Vorsicht mit Blasenkathetern bei akutem Nierenversagen. Wegen drohender aszendierender Infektion sollte die Indikation für einen Blasendauerkatheter streng gestellt und immer neu überdacht werden. Besser ist bei Anurie/Oligurie eine unter sterilen Kautelen vorgenommene Einmalkatheterisierung der Blase in zweitägigem Abstand bzw. bei sonographischem Nachweis der Blasenfüllung.
Klinische Zeichen einer Hyperkaliämie (>5,3 mVal/l)
4 Neurologische Zeichen: Bewusstseinsklare Patienten geben ein Kribbeln und ein Taubheitsgefühl um die Mundpartie, an Lippe und Zunge sowie an Fingern und Zehen an. Abschwächung oder Erlöschen der Muskeleigenreflexe. 4 Kardiale Zeichen: EKG-Veränderungen in Abhängigkeit vom Serumkaliumspiegel (. Abb. 23.2). Wesentlich ist jedoch der extra-/intrazelluläre Kaliumgradient, der noch durch kaliumantagonistisch wirksame extrazelluläre Ionen (Natrium, Kalzium) und durch den pH-Wert beeinflusst wird und gleichzeitig auch die kardiale Wirkung von Medikamenten (z. B. Digitalis) modifiziert.
289 23.7 · Therapie
hohes spitzes T Bradykardie
breiter, deformierter QRS-Komplex
Überleitungsstörung
Frühzeichen
Spätzeichen
23
rung notwendig ist, die aber schon bei beginnendem Nierenversagen wegen der drohenden Überwässerung unmöglich wird. Akuter Anlass zu einer Hämodialyse ist eine konservativ nicht zu beherrschende Hyperkaliämie. Folgende Verfahren sind differenziert therapeutisch anwendbar: 4 intermittierende Dialyseverfahren, 4 kontinuierliche Dialyseverfahren.
. Abb. 23.2. EKG-Veränderungen bei Hyperkaliämie
23.7.3 Sofortmaßnahmen bei Hyperkaliämie
4 Infusion von Glukose und Insulin. Mechanismus: Zusammen mit Glucose und mit Unterstützung von Insulin wird Kalium in die Zelle transportiert. Man infundiert 500 ml Glukose 20%/h, wobei diese Glukosemenge mit 20–30 IE Insulin abgedeckt werden. Cave: Volumenüberladung. 4 Infusion von Natriumbikarbonat. Mechanismus: Durch Natriumbikarbonat werden intravasal Wasserstoffionen gepuffert. Der Körper versucht, den extrazellulären pH-Wert wieder zu normalisieren, indem er intrazelluläre H+-Ionen an den extrazellulären Raum abgibt. Im Austausch nimmt er jedoch ein Kaliumion aus dem Extrazellulärraum in die Zelle auf. Der extrazelluläre Kaliumspiegel nimmt ab, der intra-/extrazelluläre Kaliumgradient nimmt demnach wieder zu, die Gefahr kardialer Rhythmusstörungen ist gebannt. 4 Injektion von Kalzium: Kalzium wirkt an der Zellmembran kaliumantagonistisch (cave: Digitalis). 4 Kationenaustauscher: Sie geben im Darm Natrium oder Kalzium gegen Kalium ab, z. B. Resonium A. Sorbit-Behandlung der metabolischen Azidose oral: Acetolyt 2–10 g/Tag; parenteral: Natriumbikarbonat. Kein Trispuffer (Grund: nierentoxische Wirkung, Atemdepression). 4 Dialyse.
23.7.2
Nierenersatztherapie
Prinzip Mit der Nierenersatztherapie sollte so früh
wie möglich begonnen werden, da auch in der postaggressiven Phase eine adäquate parenterale Ernäh-
Intermittierende Dialyseverfahren
Hämodialyse Prinzip Über eine künstlich gelegte arteriovenöse
Fistel fließt Blut, durch eine Rollerpumpe angetrieben und unter Zusatz von Heparin, zum Dialysator. Dieser besteht aus einem System semipermeabler Membranen, die das Blutkompartiment von der Dialysatflüssigkeit, einer modifizierten RingerLaktat-Lösung, trennen. Blut und Dialysat fließen im Gegenstrom. Entsprechend dem herrschenden Konzentrationsgefälle findet per Diffusion eine Elimination von Kreatinin, Harnstoff und Kalium statt. Gefäßzugänge Im intensivmedizinischen Bereich
wird vorwiegend über Shaldon-Katheter dialysiert (großlumiger Kunststoffkatheter mit mehreren distalen Öffnungen, . Abb. 23.3a). Diese Katheter werden in großlumige Venen (V. subclavia, V. jugularis, V. femoralis) gelegt. Seltenere Gefäßzugänge bei Dialysen auf der operativen Intensivstation: 4 Scribner-Shunt (Verbindung von Arterie und Vene über einen Kunststoffschlauch, . Abb. 23.3b) 4 subkutaner, operativ angelegter a.v.-Kurzschluss, für Akutdialysen ungeeignet Heparin Das zu dialysierende Blut muss heparini-
siert werden (500 E/h), damit es nicht zur Gerinnung im Schlauchsystem und zum Verstopfen der Dialysemembran kommt. Indikationen Die Dialyse ist indiziert bei
4 4 4 4
akutem Nierenversagen, lebensbedrohlichen Elektrolytstörungen, therapierefraktären Ödemen, Vergiftungen.
290
Kapitel 23 · Akutes Nierenversagen
Indikationen Pankreatitis, blutungsgefährdete Patienten. Vorteil: kein Heparin notwendig; wenig material- und personalintensiv. Kontraindikationen Peritonitis, diffuse Bauch-
schmerzen, respiratorische Insuffizienz, immuninsuffiziente Patienten. arterieller Zustrom Wechsel von Zustrom/Abstrom durch einen Gefäßzugang
Scribner-Shunt
a
b
venöser Abstrom
. Abb. 23.3. a Shaldon-Katheter, b Scribner-Shunt
23
Risiken Peritonitis, Darmverletzungen. Nachteile Abdominelle Schmerzen, Atmungsbehinderung durch »künstlichen Aszites«, problematische Bilanzierung, Elektrolytverschiebung, Proteinverluste.
Durchführung Im 2-Tages-Rhythmus; Dauer der
Hämoperfusion und Plasmapherese
Dialyse: 4–6 h.
Beide Verfahren dienen der Entgiftung bei exogener und endogener Intoxikation. Die Plasmapherese könnte auch in der postoperativen Phase bei Peritonitis Bedeutung erlangen, wenn es dadurch gelänge, nachweisbar Stoffwechselprodukte bzw. Endotoxine zu eliminieren, die postoperativ ein septisches Krankheitsbild verursachen.
Komplikationen Folgende Komplikationen können auftreten: 4 Blutdruckabfälle, Hypovolämie, 4 Arrhythmien, 4 Blutungen (Heparin), 4 Desäquilibriumsyndrom (darunter versteht man neurologische Veränderungen des Patienten mit Bewusstseinsstörungen, Kopfschmerzen, Übelkeit und Krämpfen durch eine Störung des intraund extrazellulären Gleichgewichts infolge einer zu raschen Veränderung der Elektrozytzusammensetzung im Extrazellulärraum), 4 Luftembolie, 4 Thrombenbildung im Schlauchsystem, Mikroembolien, 4 Elektrolytstörungen, Hypokaliämie, 4 Infektionen. Peritonealdialyse Prinzip Das Peritoneum mit seinem Kapillarsystem
dient bei der Peritonealdialyse als Austauschmembran. Über einen intraabdominellen Katheter wird Flüssigkeit in das Abdomen instilliert. Nach den schon bei der Hämodialyse beschriebenen Gesetzmäßigkeiten diffundieren die nierenpflichtigen Substanzen in die instillierte Flüssigkeit. Über einen zweiten intraabdominellen Katheter wird das Dialysat abgesaugt und somit diese intraabdominelle Hämodialyse beendet. Dieses Dialyseverfahren ist jedoch nicht sehr effektiv.
23.7.4
Kontinuierlich arteriovenöse Hämofiltration (CAVH) und venovenöse Hämofiltration (CVVH)
Prinzip Bei der CAVH wird ähnlich wie im Glome-
rulum der Niere das arteriovenöse Druckgefälle ausgenutzt, um ohne Pumpen das Blut extrakorporal durch einen Hämofilter zu treiben. Dessen Bauprinzip ähnelt dem des Glomerulum: Auf eine kleinporige, dem Blut zugewandte innere Membran ist eine großporige äußere Membran aufgelegt. Die Durchlässigkeit dieser Membran ist bei den einzelnen Filtern unterschiedlich und liegt bei einem Molekulargewicht von 15.000 bis 60.000. Die angestrebte Menge des Ultrafiltrats wird an einer Stellschraube am extrakorporalen System eingestellt. Das Ultrafiltrat hat die gleiche Elektrolytzusammensetzung wie der Primärharn und damit wie das Serum. In Abhängigkeit von Molekülgröße und Durchmesser der Membranporen werden jedoch auch Plasmaproteine filtriert. Bei Patienten, die keine Ödeme haben und deshalb nicht ausgeschwemmt werden brauchen, muss
23
291 23.7 · Therapie
. Abb. 23.4. Darstellung einer schematischen kontinuierlichen venovenösen Hämofiltration (CVVH)
Substituat
Hämofilter venovenös Patient Filtrat
Pumpe
die gewonnene Ultrafiltratmenge ersetzt werden, entweder durch eine kaliumfreie Dialyseersatzlösung oder durch hochkalorische Infusionslösungen. Wegen der möglichen Schädigung der Arterie erfolgt die kontinuierliche Hämofiltration heute nur noch venovenös über einen Shaldon-Katheter. Hierzu ist allerdings eine Unterstützung durch eine Pumpe notwendig. Ansonsten ist das Prinzip gleich (. Abb. 23.4). Vorteile Wegen der niedrigeren Flussrate im extrakorporalen Ultrafiltrationsset benötigt man bei der kontinuierlichen arteriovenösen Hämofiltration nur geringe Heparinmengen (500–750 IE/h; man orientiert sich dabei an der PTT [40–60 sec]). Sie ist deshalb ohne Probleme auch bei blutungsgefährdeten Patienten anzuwenden. Günstig ist die Kreislaufstabilität bei diesem Verfahren, die auch eine Anwendung bei kreislaufinstabilen Patienten möglich macht. Nachteile Diese sind:
4 wesentlich geringere Elimination harnpflichtiger Substanzen als bei der Hämodialyse,
4 keine ausreichende Elimination von Kalium, 4 Schädigung von Arterien durch die großkalibrigen Katheter (deshalb CAVH zugunsten der CVVH zunehmend verlassen). Indikation Häufigste Indikation der CVVH ist in der
postoperativen Phase ein therapierefraktäres interstitielles Ödem. Eine respiratorische Insuffizienz wird durch dieses personalaufwendige und technisch anspruchsvolle Verfahren nachhaltig gebessert. Außerdem besteht die Möglichkeit, eine parenterale hochkalorische Ernährung auch bei eingeschränkter Diurese durchzuführen. Eine Steigerung der Entgiftungsleistung gegenüber der CVVH lässt sich mit der kontinuierlichen venovenösen Hämodiafiltration (CVVHDF) erreichen. Hier wird analog zur Hämodialyse mit Hilfe einer zusätzlichen Rollerpumpe eine Dialyselösung entgegen dem Blutstrom an der Dialysemembran vorbeigeführt. Das Prinzip des konvektiven Transports bei der Hämofiltration wird also kombiniert mit dem Prinzip der Diffusion über eine semipermeable Membran (Dialyse).
292
23.8
23
Kapitel 23 · Akutes Nierenversagen
Pharmakokinetik bei Niereninsuffizienz
Die Niereninsuffizienz zwingt zur Dosisreduktion von Medikamenten, die vorwiegend oder ausschließlich renal eliminiert werden. Beispiele: 4 Digitalispräparate: Digoxin, Methyl-Digoxin (Alternative: Digitoxin, wird vorwiegend in der Leber abgebaut); 4 Antibiotika: Aminoglykoside (Blutspiegel bestimmen!!), Breitbandpenicilline (Mezlocillin, Azlocillin), Cephalosporine, Sulfonamide (z. B. Trimethoprin und Sulfamethoxazol); 4 Antiarrhythmika: Chinidin, Procainamid, Verapamil, Lidocain (Alternative: Betablocker u. a.); 4 H2-Rezeptorenblocker: Cimetidin. Dialysable Pharmaka Digoxin, Antibiotika (Penicillin, Ampicillin, Tetrazykline (Ausnahme: Doxycyclin), Aminoglykoside, Cephalosporine. Diese Pharmaka müssen postdialytisch substituiert werden.
24 24
Störungen des Wasserund Elektrolythaushaltes
24.1
Physiologie des Wasser- und Elektrolythaushaltes – 294
24.1.1 24.1.2 24.1.3 24.1.4
Daten zum Wasserhaushalt – 294 Daten zum Elektrolythaushalt und Elektrolytkonzentrationen spezieller Körperflüssigkeiten – 294 Elektrolyte: Funktion und klinische Bedeutung – 294 Regulation des Wasser- und Elektrolythaushaltes – 297
24.2
Pathophysiologie des Wasser- und Elektrolythaushaltes – 298
24.3
Ursache, klinische Symptomatik und laborchemische Charakteristika von Veränderungen des Wasser- und Elektrolythaushaltes – 298
24.4
Therapie
– 301
294
24.1
Physiologie des Wasserund Elektrolythaushaltes
24.1.1
Daten zum Wasserhaushalt
4 Anteil des Körperwassers am Körpergewicht Männer: 60% Frauen: 50% (Grund: Fett hat nur einen Wassergehalt von 30%) Adipöse: 45–50% Neugeborene: 75–80% 4 Wasseraufnahme Trinkmenge: 1000–1500 ml/Tag Nahrung (feste Bestandteile): 500–800 ml/Tag Oxydationswasser: 300 ml/Tag 4 Wasserabgabe Urin 1000–1500 ml/Tag Haut: 500 ml/Tag Lunge: 400 ml/Tag Stuhl: 100 ml/Tag Schweiß: bei Fieber 500 ml/Grad Körpertemperaturerhöhung 4 Verteilung des Wassers im Körper intrazellulär: 40% extrazellulär: 20% davon intravasal: 4% interstitiell: 16% Verschiedene Erkrankungen haben Flüssigkeitsverteilungsstörungen zur Folge. Zu den Räumen, in denen sich unphysiologischerweise Flüssigkeit ansammeln kann, zählen der Bauchraum (z. B. Aszi-
tes), der Darm (z. B. Ileus), die Extremitäten (z. B. Unterschenkelödeme) etc. Man bezeichnet Räume, in die Flüssigkeit sequestriert werden kann, auch als »dritter Raum« oder »third space«.
Daten zum Elektrolythaushalt und Elektrolytkonzentrationen spezieller Körperflüssigkeiten
24.1.2
. Tabellen 24.1 und 24.2.
Elektrolyte: Funktion und klinische Bedeutung
24.1.3
Natrium Stoffwechsel Intrazellulär 2%, extrazellulär 98% des Gesamtkörpernatriums; täglich aufgenommene Natriummenge: 2–6 g; Ausscheidung: 95% über die Niere. Funktion Natrium hält den osmotischen Gradienten zwischen extra- und intrazellulärem Flüssigkeitsraum aufrecht. Interpretation des Serumnatriumwerts Der Serumnatriumwert ist ein Parameter für die Tonizität des Bluts, nicht für das Volumen. Einfaches Beispiel: Wenn man ein Glas 0,9%iger Kochsalzlösung zur Hälfte austrinkt, so verbleibt dennoch eine 0,9%ige Kochsalzlösung zurück. Der Natriumwert gibt keine Auskunft über den Volumenverlust, sondern über Osmolaritätsveränderungen.
Ca2+ [mval/l]
Mg2+ [mval/l]
HCO3– [mval/l]
HPO2– [mval/l]
SO42– [mval/l]
Protein [mval/l]
org. Säuren [mval/l]
Intrazellulär
10
160
2
26
3
10
100
20
65
2
Extrazellulär
142
4
5
2
101
27
2
1
16
4
Cl– [mval/l]
K+ [mval/l]
. Tabelle 24.1. Intra- und extrazelluläres Elektrolytmuster
Na+ [mval/l]
24
Kapitel 24 · Störungen des Wasser- und Elektrolythaushaltes
24
295 24.1 · Physiologie des Wasser- und Elektrolythaushaltes
. Tabelle 24.2. Die Elektrolytzusammensetzung von Körperflüssigkeiten
Körperflüssigkeit
Sekretproduktion [ml/24 h]
Na+ [mval/l]
K+ [mval/l]
Cl– [mval/l]
Bi-Karb [mval/l]
Speichel
500–1500
10–25
15–40
10–40
2–13
Magensaft
2000–3000
20–70
5–15
80–160
0
Pankreassekret
300–1500
140
6–9
120
30
Galle
250–1100
130–165
3–12
90–120
30
Schweiß
500–1000
5–80
5–15
5–70
–
Liquor
100–160
130–150
2,5–4,5
122–128
25
Kalium Stoffwechsel Intrazellulär 98%, extrazellulär 2% des
Gesamtkörperkaliums; tägliche aufgenommene Kaliummenge: 3–4 g; Elimination: 3–5 g vorwiegend über die Niere. Funktion Kalium hat die Aufgabe, das elektrische Membranpotential aufrechtzuerhalten. Außerdem ist es als Kofaktor für Enzyme zur Proteinund Glykogensynthese unentbehrlich. Um 6,5 g Eiweiß aufzubauen, benötigt der Körper 3 mVal Kalium. Interpretation des Serumkaliumwerts Die Irrtums-
wahrscheinlichkeit bei der Interpretation des Serumkaliumwerts ist deutlich größer als beim Serumnatriumwert. Da eine intrazelluläre Kaliumbestimmung nicht möglich ist, muss man indirekt vom Serumkaliumwert auf den intrazellulären Kaliumgehalt und das Gesamtkörperkalium schließen, wohl wissend, dass sich im Blut nur 2% des Gesamtkörperkaliums befinden. Deshalb kann selbst bei einem Verlust von 30% des Gesamtkörperkaliums der Serumkaliumwert noch am unteren Rand der Normgrenze liegen.
Erschwert wird die Beurteilung des Serumkaliumwertes noch durch transmembranöse Kaliumaustauschvorgänge, die den Serumkaliumspiegel modifizieren. So gibt es eine direkte Abhängigkeit des Serumkaliumwerts vom pH-Wert des Bluts, die in . Tabelle 24.3 und . Abb. 24.1 dargestellt ist. Bei einer Azidose kommt es zu einer Hyperkaliämie, bei einer Alkalose zu einer Hypokaliämie. Umgekehrt wirken sich auch Veränderungen des Säure-BasenHaushalts im reziproken Verhältnis auf den Kaliumhaushalt aus (. Abb. 24.1). Der Kaliuminflux wird zudem noch gesteigert durch Glukose und Insulin. Eine normale Serumkaliumkonzentration bei Azidose bedeutet Kaliummangel, bei Alkalose jedoch Überschuss. Zu Fehlinterpretationen können auch Fehlbestimmung und fehlerhafte Abnahme führen: Kaliumbestimmung im hämolytischen Serum, Stauung, Faustschluss, Wärmeapplikation bei der Abnahme, zu forsche Blutentnahme aus dem zentralen Venenkatheter (Hämolyse). Diagnostisch hilfreich ist jedoch die Tatsache, dass der menschliche Körper schon beim Kaliumverlust von 10% mit Kaliummangelsymptomen reagiert (7 Kap. 24.3).
. Tabelle 24.3. pH-korrigierte Serumkaliumwerte bei normalem Gesamtkörperkalium pH
7,0
7,1
7,2
7,3
7,4
7,5
7,6
7,7
K+ [mval/l]
6,7
6,0
5,3
4,6
4,2
3,7
3,2
2,8
296
Kapitel 24 · Störungen des Wasser- und Elektrolythaushaltes
Blut pH
8,0 7,0
. Abb. 24.1. Beziehung zwischen Serum-Kalium, Blut-pH-Wert und Gesamtkörperkaliumbestand (nach Scribner)
7,1 7,2 7,3 7,4 7,5
Serum-K (mval/l)
6,0 5,0 4,5 4,0 3,5 3,0
7,6 7,7
2,5 2,0 1,5 -30
-40
-10 -20 Gesamtkörperkalium (%)
+20
pH (Alkalose)
pH (Azidose)
24
+10
0
. Abb. 24.2. Die Beeinflussung der Kalziumbindung an die Plasmaproteine durch den pH-Wert des Blutes
Ca2+ Ca2+
Ca2+
Ca2+
Ca2+
Ca2+
Ca2+
Ca2+
2+
Ca Ca2+
2+
Ca
Ca2+
Ca2+ Ca2+
Ca2+ Ca2+
Ca2+
a
Magnesium
Ca2+
b
tägliche Aufnahme: 0,5 g; Ausscheidung über den Urin 30%, Ausscheidung über den Stuhl 70%.
liegt in den Körperflüssigkeiten vor: 40% proteingebunden, 50% ionisiert, 10% komplexgebunden. Tägliche Kalziumaufnahme: 10–40 mmol/Tag; Ausscheidung: 90% Stuhl, 10% Urin.
Funktion Magnesium ist Kofaktor für zahlreiche
Funktionen Bei nicht knochengebundenem Kal-
Stoffwechselenzyme, es beeinflusst die neuromuskuläre Überleitung und die Funktion des zentralen Nervensystems.
zium: 4 Stabilisierung der Zellmembranpermeabilität, 4 Kofaktor für zahlreiche Enzymreaktionen, 4 bedeutender Faktor in der Blutgerinnung, 4 unentbehrlicher Faktor für Muskelkontraktionen, 4 neuromuskuläre Überleitung.
Stoffwechsel Intrazellulär 99%, extrazellulär 1%;
Kalzium Stoffwechsel 99% des Gesamtkörperkalziums ist im
Knochen gebunden, 1% des Gesamtkörperkalziums
24
297 24.1 · Physiologie des Wasser- und Elektrolythaushaltes
Interpretation des Serumkalziumwerts Den Kalziumwert kann man nur im Zusammenhang mit dem Plasmaproteinspiegel interpretieren, da 40% des im Blut befindlichen Kalziums proteingebunden vorliegt. Der Anteil des proteingebundenen Kalziums wird auch durch den pH-Wert des Blutes beeinflusst. Er steigt bei Alkalose und sinkt bei Azidose, da die Plasmabindung stark pH-Wert-abhängig ist (. Abb. 24.2).
Hydrostastischer Druck Osmotischer Druck
Chlorid Kapillare
Stoffwechsel Extrazellulär 88%, intrazellulär 12%,
tägliche Chloridaufnahme 4–9 g; Elimination: 98% über die Nieren. Funktion Chlorid ist das bedeutendste Anion des
Extrazellulärraumes. Sein Plasmaspiegel korreliert eng mit dem des Natriums.
Arterie
Vene
. Abb. 24.3. Antagonismus von hydrostatischem Perfusionsdruck und osmotischem Druck (Starling-Mechanismus)
24.1.4
Regulation des Wasserund Elektrolythaushaltes
Für die folgenden Parameter des Wasser- und Elektrolytstoffwechsels verfügt der Körper über empfindliche Regulationsmechanismen: 4 intravasales Volumen, 4 Serumosmolarität. Regulation des intravasalen Volumens Arterielle Barorezeptoren im Bereich von Karotiden und Aortenbogen sowie Barovolumenrezeptoren in den intrathorakalen Venen informieren das Kreislaufzentrum im Hirnstamm über den jeweiligen Zustand des Kreislaufsystems. Bei einer akuten intravasalen Volumenverminderung aktiviert das sympathische Nervensystem den Kreislauf und löst Adaptationsmechanismen im Sinne einer Stressreaktion aus. Gleichzeitig registriert auch das Renin-AngiotensinAldosteron-System die Volumenveränderung und fördert eine Natrium- und Wasserrückresorption im distalen Tubulus der Niere. Regulation der Serumosmolarität Veränderungen der Osmolarität werden in hypophysär-hypothalamischen Zentren registriert. Auf osmotische Veränderungen antworten diese Zentren mit einer Ausschüttung von antidiuretischem Hormon (ADH).
ADH korrigiert die Veränderungen der Osmolarität, indem es am distalen Tubulus die Resorption von Wasser erleichtert. Dieser Mechanismus steht jedoch in der Regulationshierarchie des Körpers erst an zweiter Stelle, d. h. bei gleichzeitiger Veränderung von Volumen und Osmolarität reguliert der Körper zuerst das Volumen und dann erst die Osmolarität. Regulation des interstitiellen Volumens Intra- und
Extrazellulärraum sind durch Membranen getrennt. Der Anteil der Extrazellulärflüssigkeit und damit auch des interstitiellen Volumens wird bestimmt durch den Antagonismus von hydrostatischem Perfusionsdruck und osmotischem Druck, eine Beziehung, die schon Starling 1896 beschrieb (. Abb. 24.3). Dem Filtrationsdruck wirkt als weitere Komponente der Druck im lymphabführenden Gefäß entgegen. Dieses labile Gleichgewicht zwischen dem als Filtrationsdruck wirkenden hydrostatischen Druck und dem flüssigkeitsretinierenden osmotischen Druck ist auf mehrfache Weise störbar. Schnell entstehen deshalb durch Ungleichgewichte zwischen Filtrationsdrücken und onkotischem Druck interstitielle Ödeme, die das physiologische Milieu stören und die Zellfunktion gefährden. Eine wichtige Aufgabe des intensivmedizinisch tätigen Arztes ist es, dieses labile Gleichgewicht zu bewahren.
298
Kapitel 24 · Störungen des Wasser- und Elektrolythaushaltes
24.2
Pathophysiologie des Wasser- und Elektrolythaushaltes
Veränderungen des Wasseranteils im Körper
24
Hinweise auf Dehydratation oder Hyperhydratation geben: 4 Anamnese: Fieber, Schwitzen, Erbrechen, Durst, Infusionstherapie; 4 klinischer Befund: Hautturgor, Zungenfeuchtigkeit, Augenbulbustonus, psychische und neurologische Veränderungen, Gewichtsveränderungen, Atemfunktion; 4 kardiovaskulärer Befund: arterieller Blutdruck, Herzfrequenz, zentralvenöser Druck, pulmonalkapillärer Verschlussdruck; 4 Laborparameter:Hämatokrit, Gesamteiweiß (beides allerdings mit der Einschränkung, dass kein Blut- oder Plasmaverlust vorliegt).
throzyten (MCV), mittlere korpuskuläre Hämoglobinkonzentration der Erythrozyten (MCHC). Volumenveränderungen erfasst man vorwiegend durch kardiovaskuläre Faktoren. Veränderungen des osmotischen Gleichgewichtes dagegen erkennt man an den Laborwerten. Isolierte Störungen der Osmolarität sind jedoch selten, meist liegt eine von sechs Verbindungen von Volumenveränderungen und osmotischen Veränderungen vor (. Tabelle 24.4, . Abb. 24.4). Bedeutsam ist, dass viele dieser Störungen iatrogenen Ursprungs sind. Dementsprechend groß ist die Verantwortung des Arztes.
24.3
Veränderungen der Osmolarität
Zeichen für osmotische Hypertonie und osmotische Hypotonie sind: 4 klinischer Befund: Isolierte Osmolaritätsveränderungen gehen vorwiegend mit Bewusstseinsstörungen einher, da die Gehirnzellen sehr sensibel auf die Veränderungen des osmotischen Gleichgewichts reagieren; 4 Laborparameter: Natrium, Glukose, Osmolarität, mittleres korpuskuläres Volumen der Ery-
Ursache, klinische Symptomatik und laborchemische Charakteristika von Veränderungen des Wasserund Elektrolythaushaltes
Isotone Dehydratation
Siehe auch Überblick in . Tabelle 24.4 sowie . Abb. 24.4. Ursachen Flüssigkeitsverluste (Erbrechen, Durchfälle, Fisteln, Aszites, Ileus); Plasmaverluste (Peritonitis, Verbrennung); Diuretikaüberdosierung (iatrogen).
. Tabelle 24.4. Differentialdiagnostik hyper-, iso- und hypotoner Dehydratation und Hyperhydratation
Dehydratation
Hyperhydratation
hyperton
isoton
hypoton
hyperton
isoton
hypoton
Erythrozytenzahl
↑
↑
↑
↓
↓
↓
Hämoglobin-Konz.
↑
↑
↑
↓
↓
↓
Plasmaeiweißspiegel
↑
↑
↑
↓
↓
↓
Hämatokrit
– (↑)
↑
↑
↓
↓
– (↑)
Mittleres Erythrozytenvolumen
↓
–
↑
↓
–
↑
Mittlerer Hämoglobingehalt
↑
–
↓
↑
–
↓
↑ Anstieg, ↓ Abfall, – keine Veränderung
24
299 24.3 · Ursache, klinische Symptomatik und laborchemische Charakteristika
. Abb. 24.4. Natriumserumspiegel und seine diagnostische Bedeutung
Na-Konzentration in der Extrazellulärflüssigkeit Normovolämie
ZVD normal
isoton Hyperhydratation
Auswirkung auf die Zelle
Na
H 2O
Normalzustand
ZVD H2O
isoton
Na
hyperton
Na
hypoton
Na
Dehydratation
Normalzustand
H2O H2O
Exsikkose
Ödem
ZVD , RR , HF
isoton
Na
hyperton
Na
hypoton
Na
H 2O Normalzustand
H2O H2O
Exsikkose
Ödem
ZVD = zentralvenöser Druck HF = Herzfrequenz
Pathophysiologie Extrazellulärraum verkleinert,
Intrazellulärraum unverändert. Klinik Durstgefühl, Trockenheit von Haut, Schleim-
häuten und Zunge, allgemeine Schwäche. Bei ausgeprägten Verlusten: Bewusstseinseintrübungen, Schock.
Pathophysiologie Extrazellulärraum verkleinert, Intrazellulärraum verkleinert. Klinik Trockenheit von Haut, Schleimhäuten und Zunge, starkes Durstgefühl, allgemeine Schwäche, Bewusstseinseintrübung. Isotone Hyperhydratation
Hypotone Dehydratation Ursachen Ungenügende Natriumzufuhr (oft iatro-
gen) bei Erbrechen, Durchfällen und übermäßigem Schwitzen. Saluretikaüberdosierung (iatrogen). Natriumverlust bei Nebenniereninsuffizienz, bei Zustand nach Adrenalektomie, bei Niereninsuffizienz mit solitärem Natriumverlust (selten). Pathophysiologie Extrazellulärraum verkleinert,
Intrazellulärraum überwässert. Klinik Kalte, zyanotische Haut, Zentralisationszu-
Ursachen Herzinsuffizienz, nephrotisches Syndrom, akute Glomerulonephritis, dekompensierte Leberzirrhose, gastrointestinaler Eiweißverlust (»capillary leak syndrome«). Pathophysiologie Extrazellulärraum überwässert,
Intrazellulärraum unverändert. Flüssigkeitsverschiebung aufgrund eines onkotischen Defizits bei nephrotischem Syndrom, dekompensierter Leberzirrhose und gastrointestinalem Eiweißverlust.
stand, kein Durstgefühl, Benommenheit.
Klinik Gewichtszunahme, periphere Ödeme, Anasarka, Aszites, Lungenödem, Atemnot.
Hypertone Dehydratation
Hypertone Hyperhydratation
Ursachen Ungenügende Wasserzufuhr (oft iatro-
Ursachen Große Infusionsmengen hypertoner Lösungen (iatrogen), hochdosierte Steroidzufuhr (iatrogen, dann aber meist notwendig), Nebennierenüber-
gen), übermäßiger Wasserverlust, Diabetes insipidus.
300
Kapitel 24 · Störungen des Wasser- und Elektrolythaushaltes
funktion (Morbus Conn, Morbus Cushing), Beinahe-Ertrinken in Salzwasser. Pathophysiologie Extrazelluärraum überwässert,
Intrazellulärraum verkleinert.
T-U-Verschmelzungswelle
T
U-Welle
Flimmerbereitschaft
Klinik Durst, Neigung zu Ödemen, Hautrötung. Hypotone Hyperhydratation Ursachen Übermäßige orale Wasserzufuhr (häufig:
Biertrinker; Symptome verschwinden meist spontan), Infusionen salzfreier Lösungen bei Oligurie (iatrogen), erhöhte ADH-Aktivität, Ertrinkungsunfall in Süßwasser. Pathophysiologie Extrazellulärraum überwässert,
Intrazellulärraum überwässert.
24
. Abb. 24.5. EKG-Veränderungen bei Hypokaliämie
Hyperkaliämie (>5,5 mval/l) Ursachen Oligurie, Anurie, Nebenniereninsuffizienz, Überdosierung von Aldosteronantagonisten, übermäßige Gabe kaliumhaltiger Infusionslösungen, Ausschüttung von Kalium aus dem Intrazellulärraum infolge Verbrennungen und Unfallverletzungen
Klinik Kopfschmerzen, Benommenheit, gesteigerte
Reflexe, Tendenz zu ubiquitären Ödemen.
Symptome 7 Kap. 23.7.
Hypokaliämie (<3,3 mVal/l)
Hypomagnesiämie (<0,85 mmol/l)
Ursachen Gründe für eine Hyperkaliämie können
Ursachen Alkoholismus, Resorptionsstörungen, un-
sein: 4 extrarenale Verluste durch Erbrechen, Durchfall, Ileus, Fisteldrainagen, 4 renale Verluste bei chronischer Nephritis, Pyelonephritis mit Polyurie, Cushing-Syndrom, Hyperaldosteronismus oder Leberzirrhose, 4 iatrogene Ursachen: ungenügende Zufuhr, Diuretika.
genügende Zufuhr. Symptome Zerebrale Symptome, Nervosität, Hyper-
reflexie, Spasmen im Larynx-, Pylorus- und Bronchialbereich, Angina pectoris, Muskelkrämpfe, Tetanie. Hypermagnesiämie (>2 mmol/l) Ursachen Niereninsuffizienz, übermäßige Zufuhr.
Symptome Es zeigen sich
Symptome Somnolenz, Gefahr der Atemlähmung
4 Allgemeinsymptome: Parästhesien an den unteren Extremitäten, Apathie, Verwirrtheitszustände, Unruhe, Somnolenz, Koma; 4 neuromuskuläre Störungen: Schwäche der Muskulatur, schlaffe Lähmung, Aufhebung der Sehnenreflexe, Lähmung der Atemmuskulatur; 4 kardiovaskuläre Störungen: Tachykardie, Hypotonie, Arrhythmie, EKG-Veränderungen (. Abb. 24.5), Herzstillstand; 4 Magen-Darm-Störungen: Atonie des Magens, Obstipation, Ileus, Nausea, Erbrechen; 4 Nierenveränderungen: Tubulusnekrosen, Proteinurie, Polyurie.
und Asystolie, gastrointestinale Störungen, Blutdruckabfall. Hypokalziämie (<2,15 mmol/l) Ursachen Hypoparathyreoidismus, Resorptionsstörungen im Magen, Rückresorptionsstörungen in der Niere, Vitamin-D-Mangel, Pankreatitis, Hyperventilation. Symptome Auftreten können:
4 neurologische Störungen: latente oder manifeste Tetanie, Hyperreflexie, tonische Muskelkrämpfe, Pfötchenstellung der Hände; 4 kardiovaskuläre Symptome: paroxysmale Tachykardie, Durchblutungsstörungen.
301 24.4 · Therapie
Hyperkalziämie (>2,75 mmol/l) Ursachen Hyperparathyreoidismus, Vitamin-D-In-
toxikation, verstärkter Knochenabbau. Symptome Polyurie, Durst, Erbrechen, psychische Störungen. Kardiovaskuläre Symptome: QT-ZeitVerkürzungen. Eine akute Hyperkalziämie (hyperkalziämische Krise) kann sich in Polyurie, später in Dehydratation, Oligurie und Azotämie, paralytischem Ileus, generalisierter Muskelschwäche, Bewusstseinsveränderungen und in hämorrhagischen Pankreatitiden äußern.
24.4
Therapie
Ziel der perioperativen Infusionstherapie ist es, prä-, intra- und postoperative Wasser- und Elektrolytverluste adäquat zu substituieren und Entgleisungen des Wasser- und Elektrolythaushaltes zu korrigieren. Den normalen Bedarf des Menschen an Wasser und Elektrolyten nennt man Basisbedarf, den zum Ausgleich von Störungen des Wasser- und Elektrolytstoffwechsels notwendigen Bedarf Korrekturbedarf. Basisbedarf eines erwachsenen Menschen an Wasser und Elektrolyten: Wasser 30–40 ml/kg Körpergewicht (KG) Natrium 1,5 mval/kg KG Kalium 1,0 mval/kg KG Magnesium 0,25 mval/kg KG Kalzium 0,2 mval/kg KG Chlorid 1–2 mval/kg KG Bikarbonat 1 mval/kg KG Phosphat 0,5 mval/kg KG Berechnung von Defiziten: 4 NaDefizit (mval) = 0,2 × kg KG × (NaSoll – Naist) 4 KDefizit (mval) = 0,3 × kg KG × (KSoll – Kist) Erstellung einer Bilanz: In einer Wasser- und Elektrolytbilanz werden Wasser- und Elektrolytaufnahme sowie Wasser- und Elektrolytabgabe gegenübergestellt. Auf der Aufnahmeseite sind zu berücksichtigen: 4 enterale Zufuhr, 4 parenterale Zufuhr,
24
4 Oxidationswasser, 4 Resorption von Inhalationsaerosolen/Wasseraufnahme über die Lunge bei beatmeten Patienten. Auf der Abgabeseite sind zu berücksichtigen: 4 Urin, 4 Perspiratio insensibilis, 4 Stuhl, 4 Sekrete des Verdauungskanals, 4 Tracheobronchialsekret, 4 Exsudate und Transsudate aus Wunden oder Körperhöhlen. Störungen des Wasser- und Elektrolythaushaltes
Folgende Therapiemöglichkeiten sind gegeben: 4 isotone Dehydratation: plasmaisotone Elektrolytlösungen (= Vollelektrolytlösungen), 4 isotone Hyperhydratation: Diuretika, bei Oligurie/ Anurie: Ultrafiltration, Dialyse, 4 hypotone Dehydratation: plasmaisotone Elektrolytlösungen und zusätzliche Natriumsubstitution (= hypertone Elektrolytlösungen), 4 hypertone Dehydratation: zunächst Rehydrierung mit isotoner Ringerlaktatlösung, nach 1–2 Tag auf Halbelektrolytlösungen übergehen (cave: zu rasche Rehydrierung führt zum Hirnödem), 4 hypertone Hyperhydratation: Diuretika, 4 hypotone Hyperhydratation: Substitution von Natrium und Gabe von Diuretika. Für eine Infusionstherapie stehen folgende Infusionslösungen zur Verfügung: 4 Vollelektrolytlösungen: Die Elektrolytzusammensetzung ist identisch mit der des Blutes (z. B. Jonosteril, Sterofundin, Tutofusin). Alternativ: physiologische Kochsalzlösung, Ringer(laktat)lösung; 4 Zweidrittelelektrolytlösungen: Von Zweidrittellösungen spricht man, wenn der Natriumgehalt der Lösung bei 100 mval/l liegt. Der Kaliumgehalt dieser Elektrolytlösungen liegt meist bei 20 mval/l (z. B. Jonosteril Na100, Normofundin G-5, Tutofusin OP); 4 Halbelektrolytlösung: Natriumgehalt liegt bei 70 mval/l (z. B. Jonosteril D5, Normofundin OP); 4 Natrium- und kaliumfreie Infusionslösungen: Eine Infusion destillierten Wassers verbietet sich, da dadurch eine Hämolyse verursacht wird. Um
302
Kapitel 24 · Störungen des Wasser- und Elektrolythaushaltes
»freies Wasser« zu infundieren, bieten sich Glukoselösungen an. Glukose wird im Körper abgebaut zu CO2, Energie und Oxidationswasser. So wird letztendlich mit Glukose doch »freies Wasser« infundiert. Fruktoselösungen werden zu diesem Zweck wegen der möglichen Fruktoseintoleranz nicht mehr benutzt. Wichtig
24
Wichtige Hinweise zur Infusionstherapie 5 Der Unerfahrene neigt sehr schnell zur Überinfusion. Man bedenke, dass auf der Aufnahmeseite auch noch die Injektionsvolumina von Medikamenten und Perfusoren stehen. 5 Die Infusionstherapie muss den Zustand des Patienten berücksichtigen. Inadäquate Infusionstherapie kann den kompensierten herzinsuffizienten Patienten in eine Dekompensation treiben und die Ateminsuffizienz eines Ateminsuffizienten verstärken. 5 Wichtig ist zu wissen, dass Entgleisungen des Wasser- und Elektrolythaushaltes nicht überstürzt ausgeglichen werden dürfen, um den Patienten kreislaufmäßig nicht zu überlasten. Als gute Merkregel gilt, Defizite nur halb so schnell zu korrigieren, wie sie entstanden sind. 5 Zu den Laborwerten ist kritische Distanz zu gewinnen. Die Laborwerte erhalten erst Gewicht im Zusammenhang mit dem klinischen Bild. 5 In Analogie zu der Regulationshierarchie des menschlichen Körpers sollten zuerst Flüssigkeitsdefizite ersetzt und danach osmotische Entgleisungen korrigiert werden.
Hypokaliämie Die Kaliumsubstitution sollte sehr schonend erfolgen. Die maximale Infusionsmenge von 20 mval/h kann jedoch in der postoperativen Phase überschritten werden, wenn die Kaliumsubstitution unter Monitorkontrolle erfolgt und so Herzrhythmusstörungen schnell erkannt werden können.
Hyperkaliämie 7 Kap. 23.7. Hypomagnesiämie Substitution von Magnesium. Hypermagnesiämie Therapeutische Maßnahmen sind: 4 forcierte Diurese mit Glukose 5% und Furosemid, 4 Injektion von Kalzium (Kalzium ist ein Antagonist zum Magnesium an der neuromuskulären Endplatte), 4 Dialyse. Hypokalziämie Substitution von Kalzium. Hyperkalziämie Die Therapie besteht in:
4 forcierter Diurese, 4 in schweren Fällen: Dialyse.
25 25 Störungen des Säure-BasenHaushaltes 25.1 Chemische Grundlagen
– 304
25.2 Biochemische Grundlagen
– 304
25.3 Einzelne Parameter des Säure-Basen-Haushaltes – 305 25.4 Klinische Bedeutung der Parameter und Therapie der Störungen des Säure-Basen-Haushaltes – 305
304
Kapitel 25 · Störungen des Säure-Basen-Haushaltes
25.1
Chemische Grundlagen
Im Wasser liegt Wasserstoff im Wesentlichen an Sauerstoff gebunden und nur in geringen Teilen dissoziiert vor. Das Verhältnis von nicht dissoziiertem, sauerstoffgebundenem Wasserstoff zu dissoziiertem Wasserstoff liegt bei 107:1. Mit dem pH-Wert, dem negativen dekadischen Logarithmus der Wasserstoffionenkonzentration, liegt eine einfachere Schreibweise vor: Der pH-Wert des Wassers beträgt 7. Der physiologische pH-Wert des Blutes liegt bei 7,4. Dieser Wert ergibt sich aus der chemischen Gleichung H2O + CO2
H2CO3
H+ + HCO3– .
Das Reaktionsgleichgewicht, angedeutet durch die Pfeile, liegt deutlich auf der rechten Seite der Gleichung. H2CO3 ist eine flüchtige Säure und dissoziiert in H+ und HCO3– . Es ergibt sich folgende Beziehung:
25
H2CO3
H+ + HCO3–
Das Verhältnis der Faktoren auf beiden Seiten der Gleichung ist konstant. Daraus ergibt sich: H+ · HCO3– K = 08 (K = Konstante) H2CO3 Löst man diese Gleichung nach H+ auf, so ergibt sich H2CO3 H+ = K · 02 HCO3– Durch Logarithmieren entsteht: H2CO3 log H+ = log K + log 02 HCO3– Durch eine mathematische Umformung (Vorzeichenänderung) entsteht über H2CO3 −log H+ = −log K − log 02 HCO3– die Formel HCO3– pH = pK + log 02 H2CO3 (Henderson-Hasselbalch-Gleichung)
Da das Verhältnis von H2CO3 zu CO2 1:1000 beträgt, ergibt sich für die Klinik als praktikable Beziehung HCO3– pH = pK + log 01 paCO2 Für die tägliche Praxis gilt deshalb die Aussage, dass sich der pH-Wert proportional zur Bikarbonatkonzentration und umgekehrt proportional zum paCO2 im Blut verhält.
25.2
Biochemische Grundlagen
Der Organismus ist bemüht, den pH-Wert stabil zu halten. Grund dafür ist, dass Proteine und Neurotransmitter bei pH-Wertveränderungen Funktionseinbußen erleiden (z. B. Katecholamine) und dass der Elektrolythaushalt durch pH-Wertveränderungen empfindlich gestört wird (Kalium und Kalzium 7 Kap 24.1.3). Für die Stabilität des pH-Wertes sorgen physiologische Puffersysteme: 4 Das Bikarbonat-Puffersystem. Pufferungseffekt: HCO3– + H+
H2CO3
H2O und CO2
Das Kohlendioxid wird über die Lunge abgeatmet. Cave: Bei beatmeten Patienten muss das Atemminutenvolumen erhöht werden, wenn man ärztlicherseits puffert. Das Bikarbonatpuffersystem hat eine rasche Pufferwirkung, ist aber an einen ausreichenden alveolären Gasaustausch gebunden, die Pufferkapazität ist begrenzt. 4 Plasmaproteine haben einen begrenzten Pufferungseffekt. 4 Bei Phosphat handelt es sich um einen intrazellulären Puffer: HPO42– + H+
H2PO4–
4 Lunge: Durch Änderung der Ventilation (Abatmung oder Retention von CO2) kann das Bikarbonatpuffersystem beeinflusst werden. 4 Niere: Es gibt verschiedene Pufferungsmechanismen über die Niere: H+ + HCO3– H2CO3 H+ + HPO42– H2PO4– H++NH3 NH4+
305 25.4 · Klinische Bedeutung der Parameter und Therapie der Störungen
25.3
Einzelne Parameter des Säure-Basen-Haushaltes
pH-Wert Eine Veränderung des pH-Wertes von 7 auf 8 bedeutet einen Abfall der H+-Konzentration um eine Zehnerpotenz. Normaler pH-Wert: 7,38 bis 7,42. paCO2 Bei dem CO2-Partialdruck im arteriellen
Blut handelt es sich um einen respiratorischen Parameter. CO2 diffundiert 20-mal schneller als O2 vom Blut über die Alveolarwand in die Alveole. Zwischen der alveolären und der arteriellen CO2-Spannung besteht beim lungengesunden Patienten eine enge Korrelation. Der paCO2 ist deshalb beim Lungengesunden ein Parameter für die alveoläre Ventilation. Ein verringerter paCO2 deutet auf eine Hyperventilation, ein erhöhter paCO2 auf eine Hypoventilation hin. Standardbikarbonat Das Standardbikarbonat ist
ein metabolischer Parameter. Es handelt sich dabei um das Bikarbonat, das unter standardisierten Bedingungen (pCO2 40 mmHg, gesättigtes Hämoglobin, 37 °C) berechnet wird. Dagegen handelt es sich bei dem aktuellen Bikarbonat um einen Wert, der unter nicht standardisierten respiratorischen Bedingungen gemessen wird. Normwert: 25 mVal/l. Pufferbase (PB) In diesen Faktor gehen alle Anionen
(z. B. HCO3–, Proteine, Phosphate, Hämoglobin) ein. Es handelt sich dabei um die Summe aller Puffer im Blut. Normwert 44–48 mVal/l bei einem CO2-Partialdruck von 40 mmHg. Basenüberschuss (BE, »base excess«) Mit diesem
Parameter wird die Veränderung des aktuellen Pufferbasengehaltes (PB) gegenüber dem Normwert (NPB) dargestellt. Also: BE = NPB – PB. Der Normwert liegt zwischen –2 mVal/l und +2 mVal/l.
25.4
25
Klinische Bedeutung der Parameter und Therapie der Störungen des Säure-Basen-Haushaltes
Bei einer pH-Erniedrigung spricht man von einer Azidose, bei einer pH-Erhöhung von einer Alkalose. Diese Störungen können metabolisch oder respiratorisch bedingt sein. Metabolische Azidose8 Sie ist durch einen pHAbfall und einen Abfall des Standardbikarbonats gekennzeichnet. Der Körper versucht die metabolische Störung über den Bikarbonat-Puffer und die Lunge zu kompensieren. Ausgeglichen wird die metabolische Azidose durch Hyperventilation (niedriger paCO2): HCO3– ↓ pH ~ 04 paCO2 ↓ Prinzipiell kann man zwei Ursachen einer metabolischen Azidose unterscheiden: 4 Anstieg der H+-Ionenkonzentration (Additionsazidose), 4 Verlust an Basen (Subtraktionsazidose). Die H+-Ionenkonzentration steigt an bei 4 Fieber, Hyperthyreose, Hypoxie, 4 Fettsäureoxydation (Anhäufung von β-Hydroxybuttersäure und Acetoessigsäure), 4 Schock, 4 Laktatazidose (bei schwerer Leberschädigung, Diabetes mellitus), 4 renal bedingten Azidosen, chronischer Niereninsuffizienz. Eine vermehrte Abgabe von Basen erfolgt bei chronischen Diarrhöen, Gallen- und Pankreasfisteln, Ureterosigmoideostomie. Therapie: Behandlung der Ursachen (z. B. Schock, diabetische Entgleisung), Natriumbikarbonat [Berechnung der Dosis: BE × 0,3 × kg Körpergewicht = Bedarf (mmol/l)], Trispuffer (bei Kontraindikation gegen Natriumbikarbonat)
306
Kapitel 25 · Störungen des Säure-Basen-Haushaltes
Respiratorische Azidose Sie ist gekennzeichnet durch
Respiratorische Alkalose Gekennzeichnet durch
einen pH-Abfall und paCO2-Anstieg. Ausgeglichen wird die respiratorische Azidose durch HCO3–-Retention über die Niere (hohes Standardbikarbonat und positiver »base excess«):
einen pH-Anstieg und einen paCO2-Abfall. Kompensiert wird sie metabolisch durch HCO3–-Ausscheidung über die Niere (niedriges Standardbikarbonat, negativer Base-Exzess). Ursachen können sein 4 psychogene Hyperventilation (Angst, Spannung, Emotion, Schmerzen), 4 Erkrankungen des ZNS: Meningitis, Enzephalitis, Bakteriämie mit gramnegativen Keimen, 4 hohe Salizylatdosen: sie stimulieren das Atemzentrum und erhöhen die Atemfrequenz, 4 therapeutische Hyperventilation (7 Kap. 15.8.1). Folgen von Alkalosen sind 4 Kaliumverlust über die Niere (um H+ zu retinieren, wird Kalium ausgeschieden); 4 Rückgang des Ionisationsgrades der Kalziumionen. Folge: Tetanie; 4 zerebrale Vasokonstriktion: Minderung der Hirndurchblutung (Schwindel, Sehstörung, Angst, Reizbarkeit); 4 koronare Vasokonstriktion; 4 periphere Gefäßwiderstandserhöhung; 4 Verminderung des Herzminutenvolumens.
HCO3– ↑ pH ~ 04 paCO2 ↑ Ursachen der respiratorischen Azidose können sein 4 pulmonale und bronchiale Erkrankungen (z. B. pulmonale Infektionen, Asthma bronchiale), 4 mechanische Beeinträchtigung der Atmung (z. B. Pneumothorax, Pleuraerguss), 4 neuromuskuläre Erkrankungen und 4 Beeinträchtigungen des Atemzentrums. Therapie: Korrektur der Ventilationsstörungen (z. B. Beatmung).
25
Metabolische Alkalose Ursachen metabolischer Alkalosen können sein 4 Anstieg der Basenkonzentration und 4 Verlust an Wasserstoffionen.
Die häufigste Ursache einer metabolischen Alkalose ist jedoch ein extrazellulärer Kaliummangel. Für jedes Kaliumion, das aus dem Intrazellulärraum an den Extrazellulärraum gegeben wird, geht ein H+Ion in den Intrazellulärraum. Die Folge ist eine extrazelluläre Alkalose und eine intrazelluläre Azidose. Kompensiert wird die extrazelluläre Alkalose durch eine Hypoventilation (erhöhter paCO2). Außerdem wird bei Kaliummangel Kalium von der Niere retiniert und H+ ausgeschieden (Aldosteronwirkung). Deshalb ist mit einer metabolischen Alkalose auch bei einem Hyperaldosteronismus und bei einer Mineralokortikoidtherapie zu rechnen. Eine weitere Ursache einer metabolischen Alkalose kann das Erbrechen sauren Mageninhalts sein. Ein additiver Effekt auf die metabolische Alkalose geht von dem zusätzlichen Kalium-Verlust aus. Therapie: Kaliumsubstitution, Argininhydrochlorid; 0,1-n-HCl-Substitution, Carboanhydrasehemmer (Steigerung der Bikarbonatausscheidung im Urin).
Therapie: Sedierung; ggf. kontrollierte Beatmung.
26 26 Gerinnungsstörungen 26.1 Physiologie – 308 26.2 Gerinnungstests
– 309
26.3 Pathophysiologie – 311 26.4 Therapie
– 312
26
308
Kapitel 26 · Gerinnungsstörungen
26.1
Physiologie
Die Blutstillung (Hämostase) ist nach einer Blutgefäßverletzung die erste Maßnahme, um ein Verbluten zu verhindern. Sie lässt sich in drei Komponenten unterteilen: 4 vasal: Unmittelbar nach der Verletzung eines arteriellen Blutgefäßes zieht sich die Muskulatur der geschädigten Gefäßwand krampfartig zusammen; 4 thrombozytär: Die Endothelzellen der innersten Gefäßwandschicht setzen den so genannten von-Willebrand-Faktor frei, mit dessen Hilfe sich die Thrombozyten fest an die Wundränder anlagern. Die Thrombozyten geben verschiedene Thrombozytenfaktoren ab. Diese Stoffe regen die Thrombozyten an, sich ebenfalls dort anzuheften. Es entsteht ein Haufen aus aggregierten Blutplättchen, der als »weißer Thrombus« bezeichnet wird; 4 plasmatisch: Man unterscheidet das extrinsische und intrinsische Blutgerinnungssystem (. Tabelle 26.1). Durch die Gerinnungsfaktoren kommt es zur Bildung des roten Thrombus. Die Blutgerinnungsfaktoren sind Plasmaeiweiße, sie starten und beschleunigen eine Anzahl kaskadenartig aufeinanderfolgender chemischer Reaktionen. Es gibt 13 verschiedene Faktoren, die mit römischen Ziffern gemäß dem Zeitpunkt ihrer Entdeckung durchnumeriert wurden. Die Aktivierung der plasmatischen Gerinnung erfolgt entweder
4 exogen (»extrinsic system«): Sie läuft innerhalb von Sekunden ab. Durch die Freisetzung von Gewebethromboplastin (Faktor III) aus geschädigten Zellen wird der Faktor VII aktiviert, der seinerseits den Faktor X in die aktivierte Form Xa überführt. Dieser bewirkt zusammen mit Faktor V und Kalziumionen die Umwandlung von Prothrombin (Faktor II) in Thrombin (Faktor IIa); 4 endogen (»intrinsic system«): Sie wird langsamer, innerhalb von Minuten aktiviert. Die Reaktion setzt mit der Aktivierung des Faktor XII (Hageman-Faktor) durch den Kontakt mit einer unphysiologischen Oberfläche ein. Kaskadenförmig erfolgt die Aktivierung weiterer Faktoren, wobei als Kofaktoren Kalziumionen und Plättchenfaktor 3 aus Thrombozyten benötigt werden. Am Ende wird wieder Prothrombin in Thrombin umgewandelt. Durch Einwirkung von Thrombin wird Fibrinogen zu Fibrin umgesetzt. Dieses lösliche Fibrin wird durch Faktor XIII längs- und quervernetzt. Neben den die Gerinnung auslösenden Gerinnungsfaktoren verfügt der Organismus über Inhibitoren der Blutgerinnung. Die wichtigsten dabei sind Antithrombin III (AT III), Heparin sowie Protein C und S. Beim gesunden Menschen halten sich gerinnungsfördernde und -hemmende Faktoren die Waage. Durch die Aktivierung der Fibrinolyse wird aus der Vorstufe Plasminogen Plasmin gebildet, das Fibrin und auch Fibrinogen in die Spaltprodukte auf-
. Tabelle 26.1. Faktoren zur korpuskulären und plasmatischen Gerinnung
Hämostasefaktor
Normalbereich
Halbwertszeit
Hämostatischer Grenzbereich
Thrombozytenzahl
150 000–400 000/µl
4–5 Tg
20 000–50 000/µl
Faktor I (Fibrinogen)
200–400 mg/dl
3–4 Tg
50–100 mg/dl
Faktor II (Prothrombin)
75–114%
2–3 Tg
40%
Faktor XIII
80–120%
4–6 Tg
3–10%
Antithrombin III
85–115%
4 Tg
65%
Hämostasefaktoren: Normalbereich, Halbwertszeit und hämostatischer Grenzbereich. Modifiziert nach Rasche H.: Richtlinien zur Blutkomponententherapie bei Blutgerinnungsstörungen.
26
309 26.2 · Gerinnungstests
. Abb. 26.1. Stark vereinfachte Darstellung der Gerinnungskaskade im Extrinsic- und Intrinsic-System sowie der Fibrinolyse
Extrinsic-System
Intrinsic-System
Gewebethromboplastin
Fremdoberfläche
X Pl. + Ca2+ VII
XII XI IX VIII Pl.
VIIa
Ca2+
V + Pl. + Xa + Ca2+
IIa Thrombin
II Prothrombin
Fibrinogen
Gerinnung
Plasminogen Fibrinolyse
Fibrin
Plasmin
Plasminogenaktivatoren Fibrinspaltprodukte FSP
löst. Zu den Aktivatoren der Fibrinolyse zählen der Gewebeplasminogenaktivator (t-PA) und die körpereigene Urokinase.Ein körperfremder Proaktivator ist die von den β-hämolysierenden Streptokokken gebildete Streptokinase. Störungen der Hämostase Die Blutstillung kann
beeinträchtigt sein durch: 4 Veränderungen von Thrombozytenzahl oder -funktion; 4 Mangel an Gerinnungsfaktoren; 4 Gefäßwandveränderungen; 4 pharmakologische Beeinflussung 5 der Thrombozyten durch Thrombozytenfunkionshemmer wie Acetylsalicylsäure (ASS) oder Ticlopidin, 5 des plasmatischen Gerinnungssystems durch den Vitamin-K-Antagonisten Phenprocoumon (Marcumar), der die Synthese der Vitamin-K-abhängigen Faktoren II, VII, IX und X hemmt (»extrinsic system«). Eine Überdosierung kann durch Gabe von Vitamin K oder von Prothrombinkonzentraten
behandelt werden; durch Heparin, den Kofaktor von AT III, der das Thrombin sowie die Faktoren X, XI, XII hemmt (»intrinsic system«). Als Antidot gegen eine laufende Heparin-Therapie kann Protaminchlorid eingesetzt werden; 5 Hemmung der Fibrinolyse durch Aprotinin (Trasylol), das sowohl die Plasmin-Bildung als auch die Wirkung unterdrückt, oder Tranexamsäure (Ugurol), das die Umwandlung von Plasminogen zu Plasmin blockiert; 4 Stimulation der Fibrinolyse durch körpereigene Substanzen wie Urokinase und Gewebeplasminogenaktivator (Alteplase, rt PA), sowie durch körperfremde Substanzen wie Streptokinase und Anistreplase (APSAC).
26.2
Gerinnungstests
Blutungszeit Sie ist als globaler Test der gesamten
Gerinnung und besonders für die Thromboytenfunktion (Erkennung angeborener, erworbener oder
310
Kapitel 26 · Gerinnungsstörungen
medikamentös bedingter Störungen) geeignet. Mit einer Lanzette wird eine standardisierte Schnittwunde gesetzt. Die Zeit bis zum Sistieren der dadurch ausgelösten Blutung wird gemessen (Abtupfen mit Filterpapier oder Abreißen eines Blutfadens bei subaqualer Blutungszeit). Potentielle Fehlerquellen, die die Reproduzierbarkeit beeinträchtigen können sind bei diesem bettseitigen Verfahren: unterschiedliche Hautbeschaffenheit, Temperatur, Kreislaufverhältnisse u. a. Normwert: 1–5 min. Quickwert Der Quickwert (Synonyme: Prothrom-
26
binzeit PT, Thromboplastinzeit TPZ) detektiert Störungen von Faktoren des Prothrombinkomplexes (II, VII, IX, X) im »extrinsic system«, somit auch die Wirkung von therapeutischen Vitamin-K-Antagonisten (Kumarinderivate) sowie des Faktors V und kann Hinweise auf eine reduzierte hepatische Syntheseleistung geben. Gemessen wird die Dauer bis zur Gerinnselbildung eines Zitratplasmas nach Zugabe von Kalziumionen und Gewebsthromboplastin. Die gemessene Zeit des Patientenplasmas wird in Relation zu der Zeit eines Normalplasmapools angegeben. Da die Vergleichbarkeit von Quickwerten aufgrund unterschiedlicher Reagenzien schlecht war, nahm die WHO 1983 eine Standardisierung vor: Den verschiedenen Reagenzien wird nach einem Vergleich mit einem Standardreagenz eine Sensitivitätszahl zugeordnet (ISI = »international sensitivity index«). Damit kann die INR (»international normalized ratio«) ausgerechnet werden:
冢
冣
TPZPatient INR = 0031 TPZNormalplasma
ISI
Die INR wird von internationalen und nationalen Fachgesellschaften zur Kontrolle und Steuerung einer oralen Antikoagulanzientherapie empfohlen, darüber hinaus bleibt der Quickwert gebräuchlich. Normbereich: >70%. Partielle Thromboplastinzeit (PTT) Mit der PTT werden die Faktoren I, II, V, VIII, IX, X, XI und XII erfasst (»intrinsic system«). Zu Zitratplasma werden Kalziumionen und partielle Thromboplastine gegeben. Die Zeit bis zur Gerinnung ergibt die PTT. Mit diesem Parameter kann eine Heparinbehandlung kontrolliert werden. Normwert: 30–40 sec.
Thrombinzeit (TZ) Die Bestimmung der Thrombinzeit erfasst die thrombininduzierte Fibrinbildung. Die Bestimmung dient der Überwachung einer Fibrinolysetherapie und zur Detektion eines Fibrinmangels oder Dysfibrinogenämie. Normwert: 14– 21 sec. Fibrinspaltprodukte (FSP) Wenn quervernetztes
Fibrin durch Plasmin gespalten wird, entstehen spezifische Fibrinspaltprodukte, zu denen die D-Dimere zählen. Zum Ausschluss einer Thrombose verfügt dieser Test über eine hohe Sensitivität (>97%), jedoch nur über eine geringe Spezifität (<50%). Wegen der hohen Sensitivität eignet er sich hervorragend zur Akutdiagnostik bei Verdacht auf eine frische venöse Thromboembolie. Finden sich erhöhte Werte, kann eine venöse Thromboembolie, aber auch jeder andere Prozess, der mit einem vermehrten Fibrinumsatz einhergeht (z. B. akute Infektion, chronische Erkrankungen, postoperative Phase, Verbauchskoagulopathie, Hyperfibrinolyse) ursächlich sein. Normwert: 0,3 mg/l. Fibrinogen Dieser Test dient zur Abklärung einer
hämorrhagischen Diathese (Fibrinogenmangel), einer thrombophilen Diathese (Dysfibrinogenämie) und bei V. a. Verbrauchskoagulopathie oder Hyperfibrinolyse. Er ist erhöht als Akut-Phase-Protein bei Entzündungen, Neoplasien, postoperativ und bei Verbrennungen. Er ist vermindert bei Synthesestörungen. Faktor XIII Dieser fibrinstabilisierende Faktor wird bei der Fibrinbildung durch Thrombin und Kalziumionen am Fibrin aktiviert, das er seinerseits quervernetzt. Bei Gerinnungsprozessen wird Faktor XIII rasch verbraucht, sodass u. a. bei ausgedehnten venösen Thrombosen oder postoperativ passager niedrige Faktor-XIII-Konzentrationen gefunden werden. Faktor XIII ist für eine intakte Wundheilung essentiell. Normwert: 70–130% Antithrombin III ist ein wichtiger Indikator für den Ablauf der intravasalen Gerinnung. Er hemmt die Gerinnungsfaktoren: II, IX, X, XI, XII und bewirkt eine Verlangsamung der Fibrinumwandlung zu Fibrin. Er ist Kofaktor des Heparins; bei Fehlen von AT III ist eine Heparintherapie relativ unwirk-
311 26.3 · Pathophysiologie
sam. Heparin seinerseits beschleunigt die AT-IIIWirkung. Ein hereditäres Fehlen ist mit erheblicher Thromboseneigung verbunden. Normwert: 70–100% Praxisbox Praktisches Vorgehen bei der Diagnostik von Gerinnungsstörungen Zunächst Durchführung der Globaltests Quick, PTT, Thrombinzeit, Fibrinogen, Thrombozytenzahl. Bei pathologischen Gerinnungswerten zusätzliche Bestimmung von AT III und anderen Gerinnungsfaktoren.
26.3
Pathophysiologie
Von intensivmedizinischer Bedeutung sind Störungen in der Blutgerinnung aufgrund 4 eines Mangels an Gerinnungsfaktoren durch Verlust (starke Blutung), Verbrauch (Sepsis, Schock), Hemmung der Produktion (Marcumar) oder unzureichende Eigenproduktion (Leberzirrhose), 4 einer Hemmung der Gerinnung durch Heparin, 4 eines Thrombozytenmangels durch Verlust, Verbrauch von Thrombozyten oder durch Thrombozytopathien, 4 eines toxischen Kapillarschadens. Ein angeborener Mangel an Gerinnungsfaktoren ist meist von untergeordneter Bedeutung. Er ist den Patienten bekannt und bleibt durch Substitution des fehlenden Faktors klinisch meist unauffällig. Im Zentrum des intensivmedizinischen Interesses stehen die Verlust- und Verbrauchskoagulopathie. Jede Verlustkoagulopathie kann im Rahmen eines Schockgeschehens in eine Verbrauchskoagulopathie übergehen. Verbrauchskoagulopathie (DIC)
Synonym: disseminierte intravasale Gerinnung (»disseminated intravascular coagulation«). Sie ist eine Blutgerinnungsstörung als Folge einer Umsatzsteigerung von Thrombozyten und plasmatischen Gerinnungsfaktoren mit den Symptomen einer plasmatisch-thrombozytär bedingten hämorrhagischen Diathese. Man unterscheidet drei Phasen der DIC:
26
4 Initial kommt es zur Einschwemmung von thromboplastischem Material in die Blutbahn, was zu einer Aktivierung des Prothrombinkomplexes und damit zur Bildung von Thrombin führt. Es kommt zu einer Hyperkoagulabilität mit Thromben in der Endstrombahn, an der auch die Thrombozyten beteiligt sind. Eine Störung der Mikrozirkulation und Organinsuffizienz sind die Folge. Typisch ist eine verkürzte PTT. 4 In der zweiten Phase kommt es zu einem Thrombozytensturz und zu einer Hypokoagulabilität durch totalen Verbrauch der Faktoren. Laborchemisch findet sich eine pathologische Verlängerung von PTT und eine Abnahme des Quickwertes bei normaler TZ. Durch den Verbrauch der Gerinnungsfaktoren kommt es zu Hämorrhagien in Haut und Schleimhäuten, Blutungen aus Wunden sowie zu Blutungen im MagenDarm-Trakt. 4 In der dritten Phase versucht der Körper, durch sein Fibrinolysesystem die Kapillarstrombahnen wieder zu öffnen. Ein Abfall der Fibrinogenkonzentration. durch eine reaktive Hyperfibrinolyse ist die Folge. Es entstehen Fibrinspaltprodukte, die wiederum eine Aggregation der Fibrinmonomere verhindern. Die TZ ist verlängert, die Fibrinspaltprodukte sind erhöht (. Tabelle 26.2). Ursachen einer Verbrauchskoagulopathie durch Aktivierung der Gerinnung bei: 4 stärkere Blutungen (v. a. geburtshilfliche wie vorzeitige Plazentalösung, retroplazentares Hämatom); 4 Fruchtwasserembolie; 4 septischer Abort; 4 Endzustand einer schockbedingten Mikrozirkulationsstörung mit Mikrothrombosierung bei hämorrhagischem oder septisch-toxischem Schock; 4 Verbrennungen; 4 Vorkommen u. a. auch (als im Vordergrund stehende Störung) bei Purpura anaphylactoides; 4 Waterhouse-Friderichsen-Syndrom/KasabachMerritt-Syndrom; 4 Karzinomen (Lunge, Prostata); 4 akuter Pankreatitis;
312
Kapitel 26 · Gerinnungsstörungen
. Tabelle 26.2. In der Intensivmedizin häufige Befundkonstellationen von Gerinnungsanalysen
Quick-Wert PTT Thrombinzeit Fibrinogen Thrombozyten AT III Fibrinspaltprodukte
Initial- oder Triggerstadium
Verbrauchskoagulopathie
Hyperfibrinolyse
Verlust-Koagulopathie Massivtransfusion
– ← – – (↓) – –
↓ → → ↓ ↓↓ ↓↓ –
↓ → → ↓ ↓ ↓ ↑↑
↓ → → ↓ ↓ ↓ –
← = verkürzt; → = verlängert; ↓ = vermindert; ↑ = erhöht.
4 4 4 4
akuter Leukämie; dekompensierter Leberzirrhose; hämolytischen Transfusionszwischenfällen; als Komplikation bei therapeutischer Fibrinolyse:
26.4
26
Therapie
Bei der Verlustkoagulopathie steht der Ersatz von Gerinnungsfaktoren in Form von FFP und Thrombozytenkonzentraten im Vordergrund. Die Verbrauchskoagulopathie ist keine eigenständige, sondern eine Begleiterkrankung, daher muss neben der Therapie die Ursache möglichst rasch kausal behoben werden (Schock, Sepsis). Die Therapie der DIC besteht darin, die intravasale Gerinnung zu unterbrechen. Das Mittel der Wahl ist dabei Heparin in einer Dosierung von 500–1000 E/h (angestrebter PTT-Wert: 40–60 sec). Diese Regel gilt nur für die Initialphase der disseminierten intravasalen Gerinnung (DIC). Im Vollbild der Verbrauchskoagulopathie genügen 2500–5000 E/Tag. Manche Autoren setzten Heparin bei der Verbauchskoagulopathie sogar komplett ab. Des Weiteren ist oft die Substitution von Thrombozyten und Gerinnungsfaktoren (Thrombozytenund Faktorenkonzentrate, FFP) sowie AT III notwendig. In der Situation einer nicht beherrschbaren Blutung ohne erkennbare Blutungsquelle lohnt sich der Einsatz von Novoseven. Dabei handelt es sich um den genetisch hergestellten Faktor VII, der damit in hoher Konzentration zur Verfügung steht; dies führt zu einer Blutstillung selbst bei schweren
diffusen Blutungen. Insofern ist bei entsprechender Indikation eine Therapie mit Novoseven trotz des hohen Preises angezeigt (€ 3500,–/Applikation). In der Phase der Hyperfibrinolyse ist ein Versuch mit Antifibrinolytika (z. B. Ugurol) und Proteaseinhibitoren (Trasylol) angezeigt.
27 27
Störungen der zerebralen Funktion
27.1
Durchgangs- und Trübungssyndrome
27.1.1 27.1.2 27.1.3
Durchgangssyndrome – 314 Trübungssyndrome – 315 Differenzierung der Trübungssyndrome – 316
27.2
Hirntoddiagnostik und Organexplantation – 318
27.3
Apallisches Syndrom – 319
27.4
Fokale Läsionen
27.5
Generalisierte epileptische Reaktionen – 320
27.6
Extrapyramidal-motorisches Syndrom
27.7
Zentral-anticholinerges Syndrom (ZAS) – 321
27.8
Delirantes Syndrom – 321
– 314
– 320
– 321
314
Kapitel 27 · Störungen der zerebralen Funktion
Die zerebrale Funktion kann gestört sein als Folge 4 einer direkten Hirnschädigung (Trauma, Tumor, spontane Blutung, Hirnödem, Abszess), 4 einer indirekten Hirnschädigung (Stoffwechselentgleisung, Nieren- und Leberfunktionsstörungen, Intoxikationen, Sepsis) oder 4 als Folge intensivmedizinischer Maßnahmen (Langzeitsedierung). Um die zerebrale Funktion abschätzen zu können, sind klinische Diagnostik und technische Untersuchungsmethoden von Bedeutung. Zu den technischen Untersuchungsmethoden zählen 4 das zerebrale Computertomogramm, 4 die Kernspintomographie, 4 die Angiographie, 4 das EEG und 4 die Hirnszintigraphie.
27
Tagtäglich wird der Intensivmediziner mit neurologischen Syndromen konfrontiert. Er muss deshalb ein breites neurologisches Basiswissen haben. Die Kenntnis klinisch-neurologischer Untersuchungsmethoden wird im Folgenden vorausgesetzt, punktuell jedoch nach Bedeutung in den Text eingeflochten. Intensivmedizinisch von Bedeutung sind 4 Durchgangs- und Trübungssyndrome als Zeichen einer globalen Hirnschädigung, 4 fokale Läsionen (Lähmungen, Sensibilitätsausfälle, fokale Krämpfe) als Zeichen einer lokalen Hirnschädigung, 4 epileptiforme Reaktionen, 4 extrapyramidalmotorische Syndrome, zentralanticholinerges Syndrom (ZAS) und pharmakogenes Delir als Folge der Langzeitsedierung sowie 4 Querschnittssyndrome des Rückenmarks.
27.1
Durchgangsund Trübungssyndrome
Ursachen Hypoxie, Intoxikationen und Hirnödem (7 Kap. 15.8.1) können zur globalen Hirnschädigung führen. In Abhängigkeit von der Stärke der Schädigung sind zuerst die Hirnrinde, dann Mittelhirn, zuletzt das Stammhirn betroffen.
Symptome Bei den Durchgangssyndromen steht die
Störung von zerebralen Leistungen im Vordergrund, die an die Großhirnrinde gebunden sind (Kurzzeitgedächtnis, Merkfähigkeit, Stimmung, Antrieb). Bei den Trübungssyndromen dagegen liegen Bewusstseinsstörungen vor, die mit neurologischen Ausfällen gekoppelt sind. Die Schädigung betrifft dabei zuerst die phylogenetisch jüngeren Anteile des Gehirns mit den differenzierten intellektuellen und psychischen Leistungen, erst später kommt es zu einer Schädigung des Mittelhirns, zuletzt zu einer Schädigung des Hirnstamms. Nach Ausfall einer zerebralen Funktionsebene (Kortex, Mittelhirn, Hirnstamm) dominieren jeweils die hierarchisch untergeordneten Zentren. Daraus resultieren dann das Mittelhirnsyndrom und das Bulbärhirnsyndrom. Eine Regeneration nach globaler Hirnschädigung ist bis zur Ebene des Bulbärhirnsyndroms möglich und erfolgt in umgekehrter Reihenfolge. Das Bewusstsein erreichen die Patienten immer über ein Durchgangssyndrom. Neben einer Restitutio ad integrum sind jedoch auch Defektzustände möglich (z. B. apallisches Syndrom 7 Kap. 27.3). Der Übergang vom Bulbärhirnsyndrom zum Hirntod ist irreversibel.
27.1.1
Durchgangssyndrome
Durchgangssyndrome sind gekennzeichnet durch Störungen kortikaler Funktionen wie 4 Antrieb: apathisches Durchgangssyndrom; 4 Merkfähigkeit und Kurzzeitgedächtnis: amnestisches Durchgangssyndrom; 4 Stimmung: affektives Durchgangssyndrom; 4 Erkennen: paranoides Durchgangssyndrom. Diese Syndrome können auch kombiniert auftreten und sind nur von passagerer Dauer. Eine spezielle Therapie ist nicht möglich, zahlreiche Versuche einer medikamentösen Therapie (z. B. Piracetam zur Verbesserung der Merkfähigkeit oder Antidepressiva bei Antriebsstörungen) sind gescheitert. Wichtig ist, dass Pflegepersonal und Arzt die notwendige Geduld aufbringen, um dem Patienten über diese Zeit hinwegzuhelfen.
315 27.1 · Durchgangs- und Trübungssyndrome
27.1.2
Trübungssyndrome
Trübungssyndrome werden als Bewusstseinsstörungen definiert, die mit neurologischen Symptomen (Reflexe, Motorik, vegetative Störungen) kombiniert sind. Leitsymptome sind folgende Bewusstseinsstörungen: 4 Somnolenz: Patient schläft, ist aber erweckbar; 4 Sopor: Patient schläft, ist schwer erweckbar; 4 Koma: Patient ist nicht erweckbar. Eine weitere Differenzierung der Komastadien erfolgt anhand neurologischer Symptome (Hirnnervendiagnostik, Reflexe, Motorik) und der Funktionsfähigkeit vegetativer Regulationszentren (Atmung, Herz-Kreislauf, Temperatur). Bei der Hirnnervendiagnostik sind 4 der Pupillenbefund, 4 die Pupillomotorik, 4 der Lidreflex, 4 der Schluck-, Würg- und Hustenreflex und 4 die Hirnstammreflexe (okulozephaler und vestibulookulärer Reflex) von Bedeutung. Von untergeordneter Bedeutung ist die Beurteilung der Papille. Eine Stauungspapille als Folge einer intrakraniellen Raumforderung ist erst nach zwei Tagen zu diagnostizieren und scheidet deshalb für die Akutdiagnostik aus. Pupille Die Pupillengröße ist abhängig vom Kon-
traktionszustand des Musculus sphincter pupillae. Der Parasympathikus konstringiert diesen Muskel (Miosis), der Sympathikus erweitert die Pupille über eine Stimulierung des Musculus dilator pupillae (Mydriasis). Die parasympathische Versorgung erfolgt über den Nervus oculomotorius, die sympathische Versorgung über das Ganglion ciliare. Der Pupillengröße ist größte Aufmerksamkeit zu schenken. Eine unterschiedliche Pupillengröße (Anisokorie) wird wie folgt bewertet: 4 Beim wachen Patienten handelt es sich um die Folge eines pathologischen Prozesses in der vorderen Schädelgrube, um eine Okulomotoriusparese, um eine einseitige Pupillenerweiterung durch Atropin oder um eine idiopathische Anisokorie (cave: manchmal auch Glasauge!).
27
Wichtig
Beim bewusstlosen Patienten ist die Anisokorie ein Alarmsignal: Auf der Seite der Pupillenerweiterung liegt eine akute intrakranielle Raumforderung (meist epidurale oder subdurale Blutung) vor, die dringlich entlastet werden muss (Trepanation, wenn nicht anders möglich, auch im nächsten Kreiskrankenhaus!). Es droht die Einklemmung des Stammhirns in das Foramen magnum und damit der Hirntod.
Eine beidseitige Mydriasis ist 4 beim wachen Patienten immer eine Folge medikamentöser Pupillenerweiterung oder 4 beim bewusstlosen Patienten Zeichen einer schweren Mittelhirn- und Stammhirnschädigung durch Trauma oder Intoxikation. Eine Miosis tritt auf bei Opioidapplikation oder -intoxikation sowie bei Intoxikationen mit Cholinesterasehemmstoffen. Die Lichtreaktion ist von Bedeutung, wenn Bewusstlosigkeit und eine beidseits weite Pupille vorliegen. Reagiert die Pupille nicht auf Licht (Auge abdunkeln, Licht von der Seite heranführen; Pupille muss eng werden) und zeigt keine Akkommodation, so befindet sich der Patient im tiefen Komastadium (Bulbärhirnsyndrom). Bulbusstellung Das Auge wird von sechs Muskeln bewegt, die von drei Nerven versorgt werden: Nervus oculomotorius, Nervus abducens und Nervus trochlearis. Intensivmedizinisch ist nicht der Ausfall einzelner Muskeln, sondern die Bulbusstellung von Bedeutung. Bei Mittelhirn- und Bulbärhirnsyndromen sind Blickparesen zu registrieren, die eine weitere Differenzierung erlauben: 4 Spontane, gleichsinnige Blickparesen treten auf beim somnolenten Patienten und sind Zeichen einer leichten Hirnschädigung. 4 Spontane, dyskonjugierte Blickparesen sind häufig anzutreffen bei soporösen Patienten und als Zeichen einer schweren Hirnschädigung zu interpretieren. 4 Beim Bulbärhirnsyndrom sind die Pupillen fixiert, zentriert und leicht divergent.
316
Kapitel 27 · Störungen der zerebralen Funktion
4 Ist der Blick des Patienten nach oben außen fixiert, so liegt meist eine Schädigung im Bereich von Kortex und Subkortex vor: Der Patient »blickt den Herd der Schädigung an«. Lidreflex Er wird über den N. trigeminus (afferenter
Schenkel) und den N. facialis (efferenter Schenkel) gesteuert. Überprüft wird er mit einem Wattebausch, der an die Kornea herangebracht wird. Intensivmedizinisch von Bedeutung ist ein doppelseitiges Fehlen des Kornealreflexes, das auf ein tiefes Komastadium (Bulbärhirnsyndrom oder Hirntod) hindeutet.
27
Okulozephaler und vestibulookulärer Reflex Dabei handelt es sich um Hirnstammreflexe, die bei Neugeborenen zum Teil noch physiologisch sind. Eine intensivmedizinische Bedeutung haben diese Reflexe, weil sie bei schweren Hirnschäden wieder nachweisbar sind und ihr Fehlen den Übergang zum Hirntod andeutet. Überprüft wird der okulozephale Reflex, indem der Kopf des Patienten zur Seite bewegt wird. Die Augen bleiben in Blickrichtung stehen, und es entsteht der Eindruck einer gegenläufigen Augenbewegung (Puppenkopfphänomen). Beim vestibulookulären Reflex wird der Gehörgang mit Eiswasser gespült, und die Augen bewegen sich nystagmusartig zur gereizten Seite. Zur weiteren Charakterisierung der Mittelhirnund Bulbärhirnsyndrome ist noch die Beurteilung folgender Kriterien wichtig: 4 Reflexe: sie können normal, gesteigert oder erloschen sein; 4 Motorik: von Spontan- über Reaktivmotorik bis zur fehlenden Motorik lassen sich jeweils tiefere Komastadien nachweisen; 4 Muskeltonus: er kann normal, erhöht oder schlaff sein; 4 Pyramidenbahnzeichen: hier wird das Zeichen nach Babinski untersucht; 4 Funktionszustand der vegetativen Zentren (Atmung, Kreislauf).
27.1.3
Differenzierung der Trübungssyndrome
Folgende Zusammenhänge bestehen zwischen Symptomatik und zerebraler Funktion: 4 Das Mittelhirnsyndrom mit geringgradiger Bewusstseinseinschränkung (Somnolenz; MHSPhase I) tritt mit nur geringgradigen neurologischen und vegetativen Symptomen auf. 4 Das Mittelhirnsyndrom mit stärkergradiger Bewusstseinseinschränkung (Sopor; MHS-Phase II) und die ersten beiden Komastadien (MHSPhase III und IV) gehen mit neurologischen und vegetativen Symptomen einher, die auf einen kortikalen Kontrollverlust schließen lassen: gesteigerte Eigenreflexe, gesteigerte Spontanmotorik, gesteigerter Muskeltonus, positive Pyramidenbahnzeichen, verstärkte Aktivität vegetativer Zentren (Atmung, Herz/Kreislauf). 4 Beim Bulbärhirnsyndrom ist eine Areflexie und eine Minderfunktion vegetativer Zentren zu diagnostizieren. 4 Der Hirntod ist zusätzlich durch den Ausfall aller vegetativen Zentren gekennzeichnet (. Tabelle 27.1). Durchgangs- und Trübungssyndrome gehören zu den alltäglichen Problemen des Intensivmediziners. Sie können folgende Ursachen haben: 4 Hirnödem: Es kann postoperativ lokal nach Tumorentfernung, nach Hämatomausräumung oder generalisiert nach gedecktem Schädelhirntrauma auftreten. Selten ist in der postoperativen Intensivmedizin ein Hirnödem durch Stoffwechselentgleisungen bedingt; 4 spontane intrakranielle Blutung: Ursache kann ein rupturiertes Aneurysma, eine Subarachnoidalblutung oder eine Hirnmassenblutung sein; 4 Intoxikationen; 4 Hypoxie. Bezüglich Verlauf und Prognose von Hirnfunktionsstörungen . Abb. 27.1. Prinzipien der Hirnödemtherapie (7 Kap. 15.8.1) sind 4 therapeutische milde Hyperventilation: pCO2 32–35 mmHg, 4 Kreislaufstabilisierung,
Somnolenz
++
mittel
++
+
normal
schwimmend
ø
normal (Nystagmus)
normal
Massen- und Wälzbewegungen
gerichtete Abwehr
normal
(↑)
ø
normal
(↑)
normal
normal
Drohreflex
Pupillenweite
Lidreflex
Kornealreflex
Bulbusstellung
Bulbusspontanbewegung
okulozephaler Reflex
vestibulookulärer Reflex
Körperhaltung
Spontanbewegung
Reaktivmotorik (Schmerz)
Muskeltonus
Eigenreflexe
Pyramidenbahnzeichen
Atmung
Puls
RR
Temperatur
1
↑
↑
↑ (↑)
(Cheyne-Stokes) ↑
↑ normal
+
(↑)-normal
Poikilothermie ↓
↓
↓
ø
ø
ø→+
schlaff
ø
ø
atonisch
ø
ø
ø
divergent
ø
ø
weit
ø
Koma
Hirntod (HT)
317
↑
(↓) ↓
↑
ø
(+)
ø
schlaff
ø
ø
atonisch (Plantarflexion)
ø
ø
ø
divergent
ø
ø
weit
ø
Koma
Bulbärhirnsyndrom (BHS)
↑↑
(maschinenartig) ↑
+
↑↑ (Beine) (+)
↑↑
↑↑
↑
↑↑
↑
(↑)
Strecksynergismen
generalisierte Streckstellung
dissoziiert
(+)
ø
divergent
+
(+)
mittelweit, weit
ø
Koma
4
Strecksynergismen
Armbeugung u. Beinstreckung ↑
Armbeuge-, Beinstreckstellung
tonisch
+
ø
divergent
+
+ (träge)
eng
ø
Koma
3
Armbeugung u. Beinstreckung ↑
ungerichtete Abwehr (Arme) Beinstreckung ↑
Massenbewegungen der Arme
Beine in Streckstellung
gesteigert
+
diskonjugiert
divergent/konvergent
+
+ (verzögert)
eng
ø
Sopor
2
Mittelhirnsyndrom (MHS)
Bewusstsein
Symptom
. Tabelle 27.1. Symptome von Mittelhirn- und Bulbärhirnsyndrom sowie beim Hirntod (nach Schulz)
27.1 · Durchgangs- und Trübungssyndrome
27
Kapitel 27 · Störungen der zerebralen Funktion
b
c
MHS
Sopor
Somnolenz
DS
a
(Defekt)
318
ungezielte Abwehr auf Schmerzreize Streckmechanismus (Vollbild des MHS)
HT
keine Abwehr auf Schmerzreize
27
Zusammenbruch der vegetativen Regulation Ausfall aller Hirnfunktionen
BHS
Koma
TS
gezielte Abwehr auf Schmerzreize
d Zeit
. Abb. 27.1. Verlaufsmöglichkeiten von Hirnfunktionsstörungen: a Durchgangssyndrom mit Genesung (Remission), b Trübungssyndrom (Koma) mit Genesung (Remission),
c Trübungssyndrom (Koma) mit Defektheilung, d Hirntod. MHS Mittelhirnsyndrom; DS Durchgangssyndrom; BHS Bulbärhirnsyndrom; TS Trübungssyndrom; HT Hirntod
4 dehydrierende Therapie: Negativbilanz anstreben, 4 Oberkörperhochlagerung (30°), 4 unbehinderter venöser Abfluss (Kopf gerade lagern), 4 Normalisierung der Homöostase und 4 medikamentöse Therapie des Hirndrucks mit Barbituraten und Osmodiuretika (7 Kap. 15.8.1).
Dem Intensivmediziner kommt bei der Hirntoddiagnostik und der intravitalen Organkonservierung eine bedeutende Rolle zu. Die Hirntoddiagnostik erfolgt nach klinischen Kriterien. Allein schon durch wiederholte neurologische Untersuchungen ist der Hirntod irrtumsfrei feststellbar. Voraussetzungen der Hirntoddiagnostik: 4 akute, schwere primäre oder sekundäre Hirnschädigung liegt vor; 4 Intoxikationen, Relaxation, Medikamentenwirkung (Sedativa, Opioide), Hypothermie, Schock, reversible Komaformen sind ausgeschlossen.
27.2
Hirntoddiagnostik und Organexplantation
Die chirurgischen und immunologischen Probleme bei der Organtransplantation sind weitgehend gelöst. Wenn dennoch die Anzahl der Organtransplantationen deutlich unter dem Bedarf bleibt, dann liegt dies im wesentlichen an der zu geringen Zahl von Spendern.
Klinische Leitsymptome sind 4 Bewusstlosigkeit, 4 Reflexlosigkeit (weite lichtstarre Pupillen, Areflexie), 4 fehlender Muskeltonus,
319 27.3 · Apallisches Syndrom
27
4 Ausfall der vegetativen Funktionen Atmung, Kreislaufregulation und Temperaturregulation.
che Zustimmung des Verstorbenen nicht vorliegt (erweiterte Zustimmungslösung).
Bedeutsam ist der Nachweis fehlender vegetativer Funktionen: 4 Der Ausfall der Atmungsfunktion wird überprüft durch den Apnoetest: Kommt es, eine vorherige 10-minütige Beatmung mit 100% Sauerstoff vorausgesetzt, innerhalb von 15 Minuten unter Sauerstoffinsufflation nicht zu einer Eigenatmung des Patienten aufgrund des paCO2-Anstiegs, so gilt die zentrale Apnoe als nachgewiesen. 4 Die Herzaktion ist bradykard, der Blutdruck niedrig. Nur mit Katecholaminen und Volumen kann die Kreislauffunktion erhalten werden. 4 Die zentrale Temperaturregulation fällt aus, es kommt zu einem langsamen Temperaturabfall, wobei äußere Bedingungen zu berücksichtigen sind (Zudecken des Patienten etc.).
Die Hirntodbestimmung muss anhand der Richtlinien der Bundesärztekammer durchgeführt werden.
Neben die klinische Feststellung der Kriterien des Hirntods tritt gemäß der Stellungnahme des wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer die ergänzende apparative Diagnostik, meist als standardisierte EEG-Ableitung über mindestens 30 min, aber auch als Angiographie, Dopplersonographie oder Hirnperfusionsszintigraphie zum Nachweis des zerebralen Kreislaufstillstandes. Bei Kindern vor dem dritten Lebensjahr und stets bei primär infratentorieller Hirnschädigung ist eines dieser apparativen Verfahren obligat. Die Hirntodfeststellung führen – unabhängig voneinander – zwei Ärzte mit langjähriger Erfahrung in der Intensivmedizin und Hirntoddiagnostik durch. Sie müssen unabhängig sein vom Explantations- und Implantationsteam. Die Organtransplantation muss koordiniert werden durch einen weiteren, davon unabhängigen Arzt. Durch das Transplantationsgesetz von 1997 ist jetzt auch eine gesetzliche Regelung von Organentnahmen und Transplantationen gegeben. Nach der Feststellung des Hirntodes ist eine Entnahme von Organen dann zulässig, wenn 4 der Verstorbene zu Lebzeiten selbst einer Organentnahme zugestimmt hat, 4 die nächsten Verwandten im mutmaßlichen Sinne des Verstorbenen entscheiden, sofern eine sol-
27.3
Apallisches Syndrom
Trübungssyndrome sind prinzipiell bis zum Bulbärhirnsyndrom reversibel, können jedoch auch in ein Defektsyndrom übergehen. Beim apallischen Syndrom liegt ein solcher Defektzustand vor. Der Patient ist bewusstlos, charakteristischerweise blickt er mit offenen Augen ins Leere. Dies hat dem apallischen Syndrom die Bezeichnung Coma vigile eingebracht. Unter der kortikalen Funktionsebene sind jedoch die im Mittel- und Stammhirn befindlichen Zentren intakt: Der Patient hat einen gut auslösbaren Lid-, Würg-, Schluck- und Hustenreflex, die Motorik ist durch eine Spastik in Beugestellung charakterisiert, die Reflexe sind gesteigert. Der Patient neigt zu Tachykardie, Schweißausbrüchen und Hyperventilation (hypersympathotone Reaktionslage). Eine spezifische Therapie gibt es nicht. Da die Prognose erst nach zwei Jahren definitiv bestimmt werden kann, sind in dieser Zeit für eine optimale Prophylaxe eine Reihe von vorbeugenden Maßnahmen notwendig: 4 zur Vermeidung von Muskelatrophien: hochkalorische Ernährung (Sonde; ggf. parenterale Ernährung), intensive Krankengymnastik; 4 zur Vermeidung von Kontrakturen: Durchbewegen der Gelenke (Krankengymnastik); 4 Verhindern von Dekubitalgeschwüren; 4 zur Vermeidung von Harnwegsinfekten: möglichst ohne Blasenkatheter auskommen (Einmalkatheter, Kondomurinal beim Mann); 4 zur Verhinderung von Pneumonien: Tracheotomie zur besseren Trachealtoilette. Wegen des Sympathikotonus empfiehlt sich eine Betablockertherapie, wegen der Muskelspastik eine Therapie mit Muskelrelaxanzien aus der Benzodiazepin-Reihe (z. B. Lioresal). Wichtig ist die psychische Betreuung des Patienten, von dem man nicht weiß, was er noch nicht oder
320
Kapitel 27 · Störungen der zerebralen Funktion
schon wieder miterlebt. Nach Tagen, meist aber erst nach Wochen kommt ein nicht geringer Prozentsatz der Patienten mit apallischem Syndrom über ein Durchgangssyndrom wieder zur Bewusstseinsklarheit.
27.4
27
Fokale Läsionen
Fokale Läsionen werden von Tumoren, Abszessen, Traumen, Blutungen oder Minderdurchblutungen verursacht. Symptomatologisch äußern sich die Störungen in Lähmungen, Sensibilitätsausfällen, sensorischen Störungen (Hemianopsie, Aphasie) und fokalen Epilepsien (Jackson-Anfälle). Die Symptomatik ist abhängig von der Lokalisation der Schädigung im Gehirn. Mit fokalen Läsionen ist der Intensivmediziner nur selten konfrontiert. Ausnahmen bilden die Hemiplegien nach Gefäßoperationen an den Karotiden sowie fokale Krampfanfälle. Letztere beruhen auf einer lokalen Schädigung (Hirnödem, Durchblutungsstörungen). Die Therapie bei zerebraler Minderdurchblutung besteht in der Infusion von Rheomakrodex – nur bei diesem Dextran 40 wurde eine Verbesserung der Hirndurchblutung nachgewiesen – und intensiver Krankengymnastik, deren Bedeutung nicht oft genug betont werden kann. Die fokalen Krämpfe sind symptomatisch mit Diazepam und Barbituraten zu behandeln.
27.5
Generalisierte epileptische Reaktionen
Generalisierten epileptischen Reaktionen liegen folgende Ursachen zugrunde: 4 bei symptomatischen Epilepsien: 5 Störungen des Stoffwechsels (Hypoglykämien), 5 Fieber, 5 Blutungen, 5 Hirntumore, 5 Schädelhirntraumen, 5 zerebrale Abbauvorgänge infolge von Alkohol- und Rauschmittelabusus, 5 Intoxikationen, Infektionen; 4 bei genuinen Epilepsien: unbekannte Ursachen.
Epilepsien haben für den Anästhesisten und den Intensivmediziner große Bedeutung. Die genuine Epilepsie ist meist präoperativ bekannt. Die Dauertherapie muss perioperativ weitergeführt und postoperativ ggf. unter EEG- und Serumspiegelkontrolle neu eingestellt werden. Symptomatische Epilepsien sind 4 postoperativ nach intrakraniellen Eingriffen sowie bei schweren Allgemeininfektionen (Sepsis, Peritonitis) und 4 posttraumatisch nach Schädelhirntraumen häufig. Ursachen können Hypoxie, Hirnödem und zerebrale Stoffwechselstörungen sein. Eine besondere Ursache hat der epileptische Anfall nach Langzeitsedierung. Er tritt nach Langzeitsedierung mit Barbituraten, Neuroleptika und Benzodiazepinen gleichermaßen selten auf und ist als Entzugsepilepsie zu deuten. Häufiger Anlass ist ein zu rasches Absetzen der Langzeitsedierung. Wichtig
Epileptiforme Krämpfe zeigen unter intensivmedizinischen Bedingungen Besonderheiten in der Symptomatik: Im Vordergrund stehen beim beatmeten Patienten Muskelkontraktionen und Zyanose (wegen Bronchospasmus). Seltener kommt es zu Zungenbiss und Schaum vor dem Mund. Der postepileptische Nachschlaf ist unter den Bedingungen der Sedierung und Beatmung meist nicht zu erkennen. Wie jeder Krampfanfall muss auch der symptomatische in der postoperativen Phase sofort mit Benzodiazepinen oder Barbituraten unterbunden werden. Bei der Entzugsepilepsie muss der Krampf ebenfalls mit wirksamen Medikamenten sofort unterbrochen, die Langzeitsedierung fortgesetzt und danach erneut langsam reduziert werden.
321 27.8 · Delirantes Syndrom
27.6
Extrapyramidal-motorisches Syndrom
Ursachen sind: 4 degenerative Abbauprozesse, 4 Entzündungen 4 unerwünschte Wirkungen von Medikamenten. Von intensivmedizinischer Bedeutung ist allein der medikamentöse Parkinsonismus. Interpretiert wird er als ein Überwiegen cholinerger Impulse im ansonsten physiologischen Neurotransmittergleichgewicht von Acetylcholin und Dopamin in den Basalganglien. Klinisch äußert sich dies in den Symptomen Rigor, Tremor und Akinesie. Dem Patienten fehlt die Kontrolle über die Feinmotorik, er ist amimisch und hat ein Salbengesicht. Auf der Intensivstation wird man z. T. konfrontiert mit 4 akuten Dystonien: unwillkürliche tonische Muskelkontraktionen wie Blickkrämpfe, Spasmen von Lippen-, Zungen- und Gesichtsmuskulatur, Grimassieren, Sprech- und Schluckstörungen sowie Opisthotonus (spastisch gekrümmter Rücken) und Tortikollis (spastischer Schiefhals); 4 Akathisie: dranghafte Bewegungsunruhe mit Unfähigkeit zu sitzen, zu stehen und zu liegen. Die extrapyramidal-motorischen Symptome sind prinzipiell rückbildungsfähig, Mittel der Wahl ist Biperiden (Akineton). Spätdyskinesien oder -dystonien können auch irreversibel werden und beeinträchtigen dann postoperativ das Leben des Patienten (mimische Kommunikation ist gestört, Nahrungsaufnahme wegen der Schlundkrämpfe erschwert!).
27.7
Zentral-anticholinerges Syndrom (ZAS)
Dieses Syndrom beruht auf einem Transmitterungleichgewicht mit einem Überwiegen anticholinerger Einflüsse auf die cholinergen Rezeptoren. Da das Acetylcholin eine wesentliche Funktion bei differenzierten zerebralen Leistungen hat, dominieren als Symptome
27
4 bei der ruhigen Form des ZAS: Bewusstlosigkeit und Atemdepression, bei leichteren Ausprägung der ruhigen Form des ZAS: stuporöse Zustände, Apathie und Antriebsschwäche, 4 bei der unruhigen Form des ZAS: Desorientiertheit und Verwirrtheit. Besonders nach Langzeitsedierung ist die ruhige Form des ZAS häufig: Der Patient ist, obwohl schon vor Tagen die Sedierung reduziert oder abgesetzt wurde, nicht ansprechbar, der Muskeltonus ist schlaff, die Atemfunktion gemindert. Eine exakte Diagnose ist für den Patienten von großer Wichtigkeit, da mit Physostigmin ein Antidot vorliegt, das die Blut-Hirn-Schranke überwinden und das Neurotransmitterungleichgewicht korrigieren kann. Dies erspart dem Patienten möglicherweise Reintubation und/oder weitere Beatmung. Cave: Die Applikation von Physostigmin ist wegen seiner Nebenwirkungen nicht ungefährlich (Bradykardie, Bronchospasmus, 7 Kap. 17.2).
27.8
Delirantes Syndrom
Das delirante Syndrom tritt auf operativen Intensivstationen sehr häufig auf. Neben dem Alkoholentzug gibt es noch folgende Ursachen: 4 zerebrale Hypoxien, 4 Herzinsuffizienz, 4 Pharmaka (z. B. Cimetidin [Tagamet]), zum Teil aber erst nach abruptem Absetzen (z. B. Opioide, Benzodiazepine). Gekennzeichnet ist das delirante Syndrom durch motorische Unruhe, Nesteln, Desorientiertheit, aggressives Verhalten und Halluzinationen. Beim Patienten überwiegt die sympathotone Reaktionslage: Er ist tachykard, schweißgebadet, hyperton und hyperventiliert.
322
Kapitel 27 · Störungen der zerebralen Funktion
Wichtig
Das postoperative Delir ist lebensbedrohlich. Der Patient gefährdet sich durch seine Unruhe, er ist erschöpft und bedroht von Pneumonien. Wichtig ist eine konsequente Therapie. Sie besteht in der 5 Behandlung einer möglichen Hypoxie (ggf. Beatmung), 5 Behandlung einer möglichen Herzinsuffizienz, 5 medikamentösen Dämpfung (Clonidin, Benzodiazepine, Haloperidol).
Hilfreich ist beim Alkoholentzugsdelir die Substitution von Vitamin-B-Präparaten, da die Patienten meist einen Vitamin-B- und Folsäuremangel aufweisen.
27
28 28
Verbrennungen und Verbrühungen
28.1
Verbrennungsgrade
28.2
Verbrennungsausmaß
28.3
Erste Hilfe am Notfallort – 326
28.4
Erste ärztliche Hilfe am Notfallort – 326
28.5
Erstversorgung in der Klinik – 326
28.6
Anforderungen an ein Behandlungszimmer auf einer Intensivstation für Schwerverbrannte – 326
28.7
Pathophysiologie der Verbrennungskrankheit – 326
28.8
Therapie der Verbrennungskrankheit – 328
28.8.1 28.8.2
Therapie der Akutphase bei Verbrennungen – 328 Therapie der Spätphase bei Verbrennungen – 329
28.9
Komplikationen
28.10
Prognose
– 330
– 324
– 329
– 324
324
28.1
Kapitel 28 · Verbrennungen und Verbrühungen
Verbrennungsgrade
Verbrennungen 3. Grades Korium und Subkutis sind betroffen. Verbrennungen 3. Grades sind nicht schmerzhaft, da alle Schmerzrezeptoren zerstört sind. Hauttransplantationen sind notwendig.
Man unterscheidet Verbrennungen 1., 2., 3. und 4. Grades. Dauer und Intensität der Hitzeeinwirkung bestimmen Tiefe und Ausmaß der Verbrennung oder der Verbrühung. Eine kurze Hitzeeinwirkung, wie z. B. eine Explosion, hinterlässt oft nur zweitgradige Verbrennungen, eine längere Hitzeeinwirkung dagegen Verbrennungen 3. Grades. Verbrennungen 4. Grades entstehen vorwiegend bei Hochspannungsunfällen. Definition der einzelnen Verbrennungsgrade (Überblick . Tabelle 28.1):
Verbrennungen 4. Grades Zusätzlich zur Haut sind
auch noch Sehnen, Knochen, Muskeln und Nerven betroffen. Verbrennungen 4. Grades sind nicht schmerzhaft. Hauttransplantationen sind notwendig.
Verbrennungsausmaß
28.2
Die Neunerregel (. Abb. 28.1) ermöglicht es, das Ausmaß der Verbrennung abzuschätzen. Sie ist in leicht modifizierter Form auch auf Kinder anwendbar. Annähernd kann man das Ausmaß einer Verbrennung dadurch bestimmen, indem man annimmt, dass die Hand des Patienten 1% seiner Körperoberfläche ausmacht. Patienten mit Verbrennungen 2. und 3. Grades müssen in eine Klinik eingewiesen werden, wenn das Verbrennungsausmaß bei Erwachsenen 15% und beim Kind 5% überschreitet.
Verbrennungen 1. Grades Die Epidermis ist betrof-
fen, es entsteht ein Erythem. Verbrennungen 1. Grades sind sehr schmerzhaft, heilen aber ohne Narbenbildung ab. Verbrennungen 2. Grades Epidermis und Korium sind betroffen, es entstehen Blasen. Verbrennungen 2. Grades sind sehr schmerzhaft und heilen zum Teil unter Bildung von Narben ab.
. Abb. 28.1. Ausdehnung der Verbrennung: Berechnung nach der Neunerregel
9% Rùcken 18%
28 18% 9%
9%
15% Rùcken 16%
1% 16%
Rùcken 16% 21% 9,5%
9,5% 16%
14%
14%
Neugeborenes
9%
9%
20% Rùcken 15%
18% 18% 15%
9,5%
1% 9,5%
1%
17% 17%
15% 15%
ca. 1 Jahr
ca. 5 Jahre
Erwachsener
Wasser Öl Sonne
Wasser (Verbrühung) Stichflamme
Wasser Benzin sowie alle Wärmequellen mit hoher Temperatur und/oder langer Expositionszeit
I.
II.
III.
IV.
Epidermis 4 Schichten, u. a. Basalzellschicht
Dermis Haarfollikel Talgdrüsen Gefäßnetz apokrine Schweißdrüsen Nervenfasern u. -endigungen
Subkutis Fett gefäßführendes Bindegewebe
Muskulatur, Sehnen u.a.
wie III.
Wärmequelle
Grad
Anatomie
gesamte Haut und Unterhaut bis auf die Muskulatur
Epidermis, Dermis und Subkutis
wie III.
Verkohlung, sonst wie III.
wie III.
keine spontane Heilung Hauttransplantation erforderlich vollständige Analgesie Ödem, Schock, Hämolyse, Hämaturie, Oligurie/Anurie
niedrig hoch
lang lang
Koagulationsnekrose, Gefäßthrombose, vollständige Zerstörung der Hautanhangsgebilde und sensiblen Nervenendigungen: kein Schmerz
hoch
je nach Tiefe: 10–14 Tage narbige Defektheilung Hautrötung Schwellung Schmerzen Blasenbildung Hyperästhesie
Erythem Ödem Blasen intensive Schmerzen
kurz
Epidermis und Teile der Dermis
niedrig
mittellang
Heilung spontan in 5–10 Tagen ohne Narben
Hautrötung Schwellung Schmerzen Hyperästhesie
Erythem Ödem keine Narben, intensive Schmerzen
Epidermis
niedrig niedrig niedrig
kurz kurz lang
Heilung
Klinik
Pathologie
Lokalisation
Einw.Temp.
Einw.Dauer
. Tabelle 28.1. Pathologie und Klinik der Verbrennungen
28.2 · Verbrennungsausmaß 325
28
326
Kapitel 28 · Verbrennungen und Verbrühungen
28.3 4 4 4 4 4
Erste Hilfe am Notfallort
Brennende Kleidung löschen. Patienten aus der Gefahrenzone retten. Verbrennung mit kaltem Wasser abkühlen. Verbrannte Kleidungsstücke entfernen. Patienten in sterile Decke packen (Alufolie!).
Kaltes Wasser lindert die Schmerzen und verhindert, dass der thermische Insult in tieferen Schichten fortwirkt. Die verbrannten Hautareale müssen zumindest 10 min in kaltes Wasser getaucht werden. Die Temperatur sollte 22–25 °C betragen. Eine Abkühlung unter 10 °C führt über eine Vasokonstriktion zu einer Verschlechterung der Hautdurchblutung und zu einer weiteren Gewebeschädigung. Die früher angewandten Salben, Puder, Pasten und Öle sind kontraindiziert.
28.4
Erste ärztliche Hilfe am Notfallort
Wichtig
28
5 Feststellung des Verbrennungsausmaßes 5 Diagnose weiterer Verletzungen (abdominelle, thorakale, intrakranielle Verletzungen, Frakturen, Luxationen, Rauchinhalationen) 5 ggf. Reanimation (z. B. bei Stromverletzungen) 5 Sicherung der Sauerstoffzufuhr (Nasensonde, Intubation) 5 Infusionstherapie beginnen!! 5 Schmerzbekämpfung, wenn notwendig: 0,5–1 mg/kg KG i.v. Dolantin, 0,2 mg/kg KG i.v. Dipidolor; titrierend geben 5 Sedation, wenn notwendig: Dormicum (zunächst 1–2 mg i.v.; dann je nach Bedarf weiterhin 1 mg i. v. – titrierend)
28.5
Erstversorgung in der Klinik
Die verbrannte Haut wird in der Klinik von Schmutz und Ruß gesäubert. Dies erfolgt meist in Intubationsnarkose (Blitzeinleitung!). Die geschädigte Haut
wird mit PVP-Jod (Betaisodona) eingerieben und der Patient auf die Intensivstation verlegt. Zum Ausschluss eines Inhalationstraumas sollte bei einem Verdacht (Verbrennungen an Lippen- und Mundbereich) auch über den Tubus bronchoskopisch abgeklärt werden, ob ein solches vorliegt (weiße, z. T. auch durch Ruß schwarze Schleimhautauflagerungen). Liegt kein Inhalationstrauma und keine Schwellung im Mund- und Gesichtsbereich vor und ist der arterielle PaO2 unter einem FiO2 von 0,3 adäquat hoch, so sollte der Patient nach der Erstversorgung extubiert werden.
28.6
Anforderungen an ein Behandlungszimmer auf einer Intensivstation für Schwerverbrannte
4 4 4 4
Das Zimmer muss desinfiziert sein! Zimmertemperatur: 30 °C. Luftfeuchtigkeit: 30–45%. Das Patientenbett wird von steril bekleideten Pflegepersonen steril abgedeckt. Der Patient kann auch auf sterilem Schaumstoff liegen, was den Vorteil hat, dass Sekrete und Flüssigkeiten durchsickern, sodass feuchte Kammern vermieden werden können. 4 Wenn Krankenpflegepersonal oder Ärzte das Patientenzimmer betreten, müssen sie sich zusätzlich mit Mundschutz, sterilem Überkittel, Mütze und sterilen Handschuhen bekleiden. Heute wird überwiegend eine geschlossene Behandlung durchgeführt.
28.7
Pathophysiologie der Verbrennungskrankheit
Das thermische Trauma löst pathophysiologische Mechanismen aus, die phasenhaft ablaufen und die so typisch sind, dass man von einer Verbrennungskrankheit spricht. Akutphase Die Akutphase der Verbrennungskrank-
heit ist gekennzeichnet von intravasalen Flüssigkeitsverlusten, die zu einem Volumenmangelschock
327 28.7 · Pathophysiologie der Verbrennungskrankheit
führen. Das Verbrennungstrauma hinterlässt Zellnekrosen in der Haut und bedingt Kapillarpermeabilitätsstörungen. Flüssigkeit geht durch Exsudation ins Gewebe, über die Haut und durch Verdunstung verloren. Da nur Wasser, Elektrolyte und Proteine den Intravasalraum verlassen, kommt es zu einer Hämokonzentration. Hämatokritwerte von über 60% sind keine Seltenheit. Die Hämokonzentration verschlechtert die Fließeigenschaften des Blutes und führt zu einer Erythrozytenaggregation. Dies bezeichnet man als Sludge-Phänomen. Thrombozyten und Gerinnungsfaktoren tragen zur Erythrozytenaggregation bei. Die Thrombozytenzahl nimmt rapide ab. Aufgrund der disseminierten intravasalen Gerinnung droht eine Verbrauchskoagulopathie. Da zusätzlich Gerinnungsfaktoren ins Gewebe abfiltriert werden, entsteht ein Defizit an Gerinnungsfaktoren, sodass zusätzlich eine Blutungsgefahr besteht. Da ins Gewebe und über die Haut plasmaisotone Flüssigkeit verloren geht, die verdunstete Flüssigkeit jedoch natriumarm ist, entsteht im Blut eine Hypernatriämie. Die geschädigten Zellmembranen führen zu Transmineralisationsprozessen: Aus dem extrazellulären Flüssigkeitsraum tritt in Abhängigkeit vom Konzentrationsgradienten Natrium in die thermisch geschädigten Zellen ein, mit dem Natrium auch Wasser, sodass ein intrazellulärer Hydrops entsteht. Gleichzeitig diffundiert aber auch Kalium aus der Zelle in den Extrazellulärraum, wobei ein Wasserstoffion ausgetauscht wird. Folge ist eine intrazelluläre Hypokaliämie und eine intrazelluläre Azidose. Die Wassereinlagerung ins verbrannte Gebiet führt zu einer Gewichtszunahme um 10–20%. Die Frage, was die erhöhte Kapillarpermeabilität bedingt, ist bis heute letztendlich ungeklärt. Wahrscheinlich wird das Kapillarleck durch Mediatoren (Bradykinin, Prostaglandine etc.) verursacht. Die Wasserverdunstung entzieht dem Körper erhebliche Mengen an Energie und führt zu einem hohen Sauerstoffbedarf. Bei einer Verbrennung 3. Grades mit einer Ausdehnung von 30% ist z. B. mit einer Erhöhung des Sauerstoffbedarfs um 50% und bei einer Verbrennung gleichen Grades mit einer Ausdehnung von 50% mit einer Erhöhung des
28
Sauerstoffbedarfs um 100% zu rechnen. Um Energie bereitzustellen, verstoffwechselt der Körper selbst seine lebenswichtigen Proteine. Dies führt zu einer katabolen Stoffwechsellage (7 Kap. 19.1). Spätphase Trotz Asepsis und Antisepsis ist bei den meisten Verbrennungspatienten nach etwa fünf Tagen eine Keimbesiedlung der Wunde festzustellen. Besonders gefürchtet sind folgende Erreger: 4 Pseudomonas aeruginosa, 4 Proteus, 4 Escherichia coli, 4 Staphylococcus aureus.
Die Keime infizieren einen verletzten Patienten, dessen Infektbarriere »Haut« geschädigt und dessen unspezifische und spezifische Abwehr geschwächt ist. Die Abnahme der unspezifischen Abwehrkraft ist gekennzeichnet durch eine Verminderung 4 der RES-Aktivität, 4 der neutrophilen Granulozyten und 4 der Komplementfaktoren; die Abnahme der spezifischen Abwehrkraft durch eine Verminderung 4 der Immunglobine, 4 der Lymphozyten, 4 der Fähigkeit, Antikörper zu bilden und 4 in der Verzögerung der Spätreaktion des Immunsystems. Der Verbrennungspatient ist deshalb durch Sepsis und septischen Schock gefährdet, dessen Letalität bei 70% liegt. Quellen der Kontamination sind in abnehmender Bedeutung 4 Ärzte und Pflegepersonen, 4 Hautkeime, 4 Keime der Analregion, 4 Zimmerluft. Rehabilitationsphase Die Stoffwechsellage des Pa-
tienten hat sich wieder normalisiert.
328
Kapitel 28 · Verbrennungen und Verbrühungen
28.8
Therapie der Verbrennungskrankheit
In der chirurgischen Versorgung der Brandwunden wird eine frühzeitige Nekrektomie mit anschließenden Hauttransplantationen angestrebt, bevor es zu einem septischen Verlauf kommt. Persistierende Nekrosen bieten einen günstigen Nährboden für die Keimbesiedelung. Voraussetzung für die frühe chirurgische Versorgung ist die erfolgreiche Therapie der pathophysiologischen Veränderungen der Akutphase, vor allem der Schocksituation.
28.8.1
Therapie der Akutphase bei Verbrennungen
Praxisbox
28
Infusion nach dem Parkland-Baxter-Schema Ziel ist es, den Volumenmangelschock zu beherrschen. Infundiert wird an vielen Zentren nach dem Parkland-Baxter-Schema: 5 Ringerlaktat 4 ml/kg/% verbrannter Körperoberfläche, davon eine Hälfte in den ersten 8 h, die restliche Hälfte in den verbleibenden 16 h. Bei Kindern muss die Infusionsmenge bis 8 ml/kg/% verbrannter Körperoberfläche erhöht werden. 5 Natriumbedarf 0,5 mmol/kg/% verbrannter Körperoberfläche. Behandlungsziel: 5 Diurese: 1 ml/kg/h 5 Hämatokrit: 48 bis 65% 5 ZVD: unerheblich, wenn Diurese stimmt.
Am ersten Tag sollte man ohne Eiweißlösungen auskommen. Nur wenn das osmotische Defizit zu klinischen Symptomen wie Lungenödem oder Bewusstseinsstörungen führt, sollte auch am ersten Tag Eiweiß substituiert werden. Auf Eiweißsubstitution sollte in den ersten 24 h deshalb verzichtet werden, weil das Plasma über die Kapillarleckagen in das verbrannte Wundgebiet abströmt und dadurch das Ödem verstärkt wird. Wenn sich nach zwei Tagen
die Kapillaren wieder verschlossen haben, kann man Plasmaeiweißdefizite substituieren. Überwachungsparameter: 4 Pulsoxymetrisch gemessene arterielle Sättigung, 4 Pulsfrequenz, 4 Blutdruck, 4 ZVD, 4 Urinproduktion, 4 eventuell: PAP, PCWP, CO (7 Kap. 8.3.5), 4 Laboruntersuchungen: Blutbild, Gerinnungswerte, Elektrolyte, Kreatinin, Harnstoff, Blutosmolarität, BGA, CO (primär zum Ausschluss einer Kohlenmonoxidvergiftung). Da die Patienten in der Akutphase Wasser einlagern, ist eine tägliche Gewichtskontrolle unumgänglich (Bettwaage). Weitere therapeutische Maßnahmen: 4 Sicherstellung der Sauerstoffzufuhr: O2-Sonde, wenn notwendig Intubation, Beatmung mit PEEP, 4 Analgesie soweit notwendig z. B. mit Dipidolor, Dolantin, 4 hochkalorische Ernährung: Da die Patienten in den ersten Tagen nach dem Trauma zu einem paralytischen Ileus neigen, sollte man primär eine hochkalorisch-parenterale Ernährung anstreben, zumal die Patienten auch oft nicht zu einer ausreichenden Nahrungsaufnahme motivierbar sind. Sobald es die Situation erlaubt, sollte man jedoch eine hochkalorisch-enterale Ernährung durchführen. 4 Frühnekrektomie: Die abgetragene Haut wird mit Epigard gedeckt. Diese Kunsthaut ermöglicht eine Hautatmung, verhindert Bakterieninvasion und Wasserverdunstung, bietet einen Granulationsreiz und bereitet somit den Boden für eine spätere Spalthauttransplantation. Die Wundbehandlung erfolgt heutzutage überwiegend geschlossen. Wichtig
Bei Verbrennungen Tetanusschutz überprüfen und gegebenenfalls entsprechend auffrischen (Simultanimpfung mit Tetanol 0,5 ml und Tetagam 500 IE).
329 28.9 · Komplikationen
28.8.2
Therapie der Spätphase bei Verbrennungen
Praxisbox Prinzipien der Therapie in der Spätphase der Verbrennungskrankheit 5 Hochkalorische Ernährung (enteral/ parenteral) 5 Lokal antiseptische Behandlung 5 Systemisch-antibiotische Behandlung 5 Bluttransfusion bei Anämien 5 Intensivmedizinische Basistherapie (Stressulkusprophylaxe, Embolieprophylaxe)
Selbst bei normalem Serumkaliumspiegel können durch Succinylcholin bei diesen Patienten Rhythmusstörungen durch exzessive Kaliumfreisetzung entstehen, die zum irreversiblen Herzstillstand führen können. Aus Sicherheitsgründen sollte man deshalb bei Patienten mit Verbrennungsverletzungen stets auf Succinylcholin verzichten. Ausnahme ist die Erstversorgung der verbrannten Patienten. Hier ist zur Blitzeinleitung Succinylcholin gestattet. Als Alternative bieten sich Vecuronium, Rocuronium, Atracrurium oder Mivacurium als nichtdepolarisierende Muskelrelaxanzien an.
28.9 Die Infusionstherapie in der Spätphase der Verbrennungskrankheit ist nicht unproblematisch, weil in dieser Phase Flüssigkeit aus dem Verbrennungsödem in den Intravasalraum rückresorbiert wird. Diese Tatsache muss bei der Infusionstherapie bedacht werden. Leicht tritt eine Überbelastung des Kreislaufs auf, deshalb ist eine engmaschige Kontrolle der Kreislaufparameter notwendig. Treten in der Spätphase erhöhte Temperaturen oder Fieber auf, so muss, sobald Wundabstrich und Blutkulturen entnommen wurden, mit einer systemisch-antibiotischen Therapie begonnen werden. Bei der Gabe von Antibiotika müssen diese in einer höheren Dosierung verabreicht werden, um Unterdosierungen zu vermeiden, da der EZR des Verbrennungspatienten wesentlich größer ist als derjenige des gesunden Menschen. Katabolie, toxische Stoffwechselprodukte und medikamentöse Einflüsse führen zu einer Verkürzung der Erythrozytenüberlebenszeit und zu einer Störung der Hämatopoese. Deshalb werden in der Spätphase der Verbrennungskrankheit oft Bluttransfusionen erforderlich. Die Blutverluste bei Hauttransplantationen können enorm sein. Daher sollte der Anästhesist hinreichende Mengen an Blutkonserven bereithalten. Wichtig
Zur Intubation eines Patienten mit Brandverletzung darf man keine depolarisierenden Muskelrelaxanzien benutzen.
28
Komplikationen
In der Akutphase kommt es häufig zu Ateminsuffizienzen. Ursachen: 4 Rauchinhalation, 4 unzureichend behandelter Schockzustand, 4 schmerzbedingte Hypoventilation, 4 Verbrennungen im Bereich der Luftwege. Therapie: Je nach Atemfrequenz und arterieller Blutgasanalyse 4 O2 über Nasensonde oder 4 Intubation: kontrollierte Beatmung mit PEEP, später in der Entwöhnungsphase CPAP. Zelldetritus und schockbedingte Mangeldurchblutung führen oft zu einer Niereninsuffizienz. Dieses hypovolämische prärenale Nierenversagen in der Frühphase hat meist eine gute Prognose. In wenigen Stunden oder Tagen kommt es unter adäquater Therapie meist wieder zu einer Urinproduktion, die manchmal zuerst in eine Polyurie übergeht, bevor sich die Nierenfunktion wieder normalisiert hat. In der Spätphase dagegen droht der septische Schock mit 4 beatmungspflichtiger Ateminsuffizienz, 4 katecholaminpflichtiger Herzinsuffizienz, 4 dialysepflichtiger Niereninsuffizienz. Der septische Schock hat beim Verbrennungspatienten eine Letalität von 70%, was insbesondere auf das im septischen Schock auftretende Multiorganversagen zurückzuführen ist.
330
28.10
Kapitel 28 · Verbrennungen und Verbrühungen
Prognose
Vor dem Zweiten Weltkrieg verstarben die meisten Patienten mit Verbrennungen 2. und 3. Grades und mit einer Ausdehnung über 25% innerhalb der ersten 48 h nach dem Verbrennungstrauma. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte das Überleben in der Akutphase durch Infusionstherapie erheblich verbessert werden. Die Langzeitprognose wird jedoch oft durch Keimbesiedelung und septischen Schock verschlechtert. So gilt auch heute noch die Faustregel, dass die Prognose ungünstig ist, wenn die Summe von Alter und Ausdehnung der Verbrennung 100 übersteigt.
28
29 29 Tetanus 29.1 Pathophysiologie – 332 29.2 Klinik
– 332
29.3 Laborbefunde 29.4 Komplikationen 29.5 Therapie
– 332
– 332 – 332
332
29.1
Kapitel 29 · Tetanus
Pathophysiologie
Tetanus oder Wundstarrkrampf entsteht durch Infektion in einem Wundgebiet mit dem anaeroben grampositiven Stäbchen Clostridium tetani, dessen Toxine das eigentliche Krankheitsbild mit Muskelrigidität und tonischen Krämpfen auslösen. Das Bakterium bildet nach der Infektion Sporen, aus denen nach ihrem Zerfall das Toxin freigesetzt wird. Über die Ausbreitung des Toxins (in aggregierter Form vorliegende Proteine) besteht bis heute keine Klarheit. Wahrscheinlich ist, dass sich das Toxin entlang der das Wundgebiet versorgenden Nerven zum zentralen Nervensystem ausbreitet, dass es aber auch über das Blut- und Lymphgefäßsystem aufgenommen wird. Die Inkubationszeit beträgt zwischen wenigen Tagen und Wochen, manchmal dauert sie aber auch Monate.
29.2
29
Klinik
Unspezifischer Krankheitsbeginn mit Unruhe, diffusen Schmerzen in Muskulatur, Rücken und Kopf, dann muskulärer Hypertonus zunächst als pathognomonischer Trismus, Opisthotonus, Risus sardonicus und gesteigerter Bauchdeckenspannung. Zunehmende Steigerung der Muskelspastik bei ungestörtem Bewusstsein des Patienten, bei fortschreitendem Krankheitsverlauf bogenförmiges Abheben des Rückens vom Bett (Opisthotonus), Krampfanfälle mit allgemeiner Zyanose und möglichen Frakturen der Brust- oder Lendenwirbelsäule, hierbei häufig Hypoxie, bedingt durch Ateminsuffizienz bis hin zum Atemstillstand, und zerebrale Dauerschädigung.
29.3
Laborbefunde
Erregernachweis aus der Wunde, Toxinnachweis im Blut oder Liquor, unspezifische Erhöhung verschiedener Serumenzyme.
29.4
Komplikationen
Bei der heutigen symptomatischen Intensivtherapie sind die Komplikationen häufig intensivtherapeutisch bedingt (Pneumonien, Harnwegsinfekte, Kathetersepsis). Eine besondere Gefahr bilden die durch einen krankheitsbedingt erhöhten Sympathikotonus verursachten Herzrhythmusstörungen. Daraus resultierende Kreislaufstillstände sind in der Regel schwer beherrschbar.
29.5
Therapie
Prophylaxe Der einzig sichere Schutz vor einer Tetanuserkrankung ist eine frühzeitig durchgeführte aktive Immunisierung mit dem Tetanustoxoid (dreimal im Monatsabstand, dann nach einem Jahr, wieder nach 5 und dann nach 10 Jahren). Bei bereits erfolgter Verletzung und möglicher Kontamination bei nicht ausreichendem Impfschutz oder ungenauen Angaben Auffrischimpfung mit Tetanustoxoid und gleichzeitig intramuskuläre Injektion des humanen Tetanusantitoxin (250 IE) sowie großzügige Wundexzision möglichst innerhalb der ersten 4–6 h. Eine prophylaktische Gabe von Antibiotika ist unsicher und daher nicht indiziert. Therapie der Tetanus-Krankheit Im Vordergrund
stehen kausale Maßnahmen (großzügige Wundexzision, passive Immunisierung [5000–10.000 IE Tetagam i.m.], Antibiotika [Penicillin oder hochdosiertes Metronidazol, bei Penicillin-Allergie: Cephazolin, falls keine Kreuzallergie, sonst Doxycyclin]) und die symptomatische Intensivtherapie (Sedierung, Muskelrelaxation, Beatmung, Kreislauftherapie). Ernährung parenteral oder enteral mit bis zu 5000 Kalorien täglich.
30 30 Präeklampsie, Eklampsie und HELLP-Syndrom 30.1 Präeklampsie und Eklampsie – 334 30.2 HELLP-Syndrom
– 336
334
Kapitel 30 · Präeklampsie, Eklampsie und HELLP-Syndrom
30.1
Präeklampsie und Eklampsie
Definition
Präeklampsie und Eklampsie (gr. »die plötzlich Hervorschießende«) bezeichnen eine systemische Multiorganerkrankung des mütterlichen Organismus auf dem Boden der hypertensiven Schwangerschaftserkrankung. Es existieren zahlreiche Synonyme wie z. B. Gestose, EPH-Gestose, Schwangerschaftstoxikose usw. Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG) klassifiziert in Anlehnung an die Klassifikation der Internationalen Society for the Study of Hypertension in Pregnancy (ISSHP) die hypertensive Erkrankung in der Schwangerschaft folgendermaßen: Gestationshypertonie Auftreten einer Hypertonie mit RR >140/90 mmHg ohne Proteinurie nach der 20. SSW und nicht länger anhaltend als 12 Wochen post partal bei vorher normotensiven Frauen. Präeklampsie Gestationshypertonie mit Proteinurie (300 mg/l/24 h). Eine Präeklampsie ist auch dann sehr wahrscheinlich, wenn eine Proteinurie fehlt, aber zentralnervöse Symptome wie Augenflimmern und Kopfschmerzen oder Oberbauchbeschwerden oder pathologische Laborwerte vorhanden sind. Die Eklampsie und das HELLP-Syndrom stellen schwere Verlaufsformen der Präeklampsie dar. Eklampsie Präeklampsie mit tonisch-klonischen Krampfanfällen bis zu 48 h post partum.
30
HELLP-Syndrom Hemolysis, Elevated Liver Enzymes,
Low Platelets. In bis zu 15% der Fälle können die Präeklampsiesymptome allerdings fehlen. Propfgestose (Propfpräeklampsie) Die Propfgestose beschreibt das »Aufpropfen« einer Proteinurie auf eine schwangerschaftsunabhängige (chronische) Hypertonie, die bereits vor der Schwangerschaft, zumindest vor der 20. SSW bestand. Ätiologie und Pathogenese
Bei dieser schwangerschaftsspezifischen Systemerkrankung der Präeklampsie und Eklampsie ist nach wie vor die Ätiologie ungeklärt und damit auch die
Pathogenese hypothetisch. Besonders betroffen sind dabei die Nieren, die Lunge, die Leber, das Gerinnungssystem und das Gehirn. Pathophysiologische Kennzeichen sind eine endotheliale Dysfunktion mit einer Imbalance von endogenen Vasokonstriktoren und Vasodilatatoren (gestörtes Thromboxan-A2-/Prostazyklin-Verhältnis), eine vermehrte Gefäßpermeabilität, eine erhöhte Ausschüttung von Gerinnungsfaktoren sowie eine erhöhte Gefäßsensibilität für und erhöhte Sekretion von vasopressorischen Substanzen, was in einer Neigung zu Vasospasmen resultiert. Eine entscheidende Rolle bei der Entstehung der Erkrankung spielt die Plazenta. Als pathogenetisches Grundprinzip gilt die gestörte Plazentation durch eine unzureichende endovaskuläre Trophoblastinvasion, wodurch die Spiralarterien nicht genügend Blut fördern und es dadurch zu einer plazentaren Ischämie mit dem Risiko einer intrauterinen Mangelentwicklung, Frühgeburt oder eines Fruchttodes kommt. Ob die plazentare Ischämie dabei Folge oder Ursache der Präeklampsie ist, ist unklar. Der Anstieg des mütterlichen Blutdrucks bis zur Hypertonie kann dabei eine Gegenregulation der plazentaren Hypoperfusion sein. Eine generalisierte Endothelschädigung wird heute zudem von vielen Autoren für die mütterliche Organschädigung verantwortlich gemacht. Als Auslöser für diese Endothelschädigung wird die Einschwemmung von fetalen Elementen in die mütterliche Zirkulation angenommen sowie »vascular endothelial growth factor« und Interleukine. Eine weitere Hypothese vermutet immunologische Faktoren als Ursache für die gestörte Invasion der Spiralarterien in die Uterusmuskulatur. Histologische Veränderungen an der Plazenta und der Niere bei der Präeklampsie haben Ähnlichkeit mit histologischen Befunden bei autoimmuner Vaskulitis. Weiter gibt es Hinweise, dass die immunologische Akzeptanz mütterlicher und väterlicher Antigene bei der Entstehung der Präeklampsie ein Schlüsselereignis darstellen. Die Präeklampsie tritt meistens bei Erstgebärenden auf und nur selten in weiteren Schwangerschaften. Bekommt nun eine Frau ein zweites Kind von einem anderen Mann als dem Vater des ersten Kindes, so ist die Wahrscheinlichkeit einer Präeklampsie wieder genau so groß wie bei einer Erstgebärenden.
335 30.1 · Präeklampsie und Eklampsie
Klinische Symptomatik und Organmanifestationen Blutdruck Die Hypertonie mit RR >140/90 mmHg
ab der 20. SSW ist das Leitsymptom der Erkrankung: bei schwerer Eklampsie RR >160/110. Ein Anstieg um 30 mmHg systolisch oder 15 mmHg diastolisch ist verdächtig. Proteinurie >0,3 g/l in 24 h (>300 mg/Tag), bei schwerer Präeklampsie >5 g/Tag. Ödeme Bei Auftreten im Gesicht oder generalisiert oder wenn eine rasche Ödementwicklung mit einer Gewichtszunahme von >1 kg/Woche auftritt, besteht zusammen mit einer Proteinurie auch ohne eine bestehende Hypertonie die Gefahr einer Eklampsie. Ansonsten sind Ödeme allein ein uncharakteristisches Symptom. Hämodynamik und Blutvolumen Durch die gesteigerte Kapillarpermeabilität kommt es zu Flüssigkeitsverschiebungen vom Intravasalraum in den Extravasalraum mit nachfolgender Hämokonzentration mit erhöhtem Hb und Hämatokrit bei reduziertem Plasmavolumen, was die Rheologie beeinträchtigt und sich nachteilig auf die Durchblutung der Plazenta auswirkt. Verstärkt wird diese Volumenverschiebung durch einen verminderten onkotischen Druck im Plasma aufgrund von renalen Albuminverlusten. Niere Es kommt zu einer Schwellung des Kapillar-
endothels, der Glomeruloendotheliose, mit verminderter glomulärer Filtrationsrate und damit zu Ödemen und Proteinurie. Ein Anstieg des Harnsäurespiegels zeigt eine Tubulusfunktionsstörung an und ist ein Warnzeichen. Zudem nimmt die Nierendurchblutung ab, was zu einer verringerten Urinproduktion führt, bis zum anurischen Nierenversagen. Lunge Durch die erhöhte Kapillarpermeabilität und
den erniedrigten kolloidosmotischem Druck besteht die Gefahr eines interstitiellen Lungenödems. Plazenta Durch die reduzierte uteroplazentare Durch-
blutung kommt es zu einer Plazentainsuffizienz mit Mangeldurchblutung des Kindes und damit erhöhter Morbidität und Mortalität.
30
Gerinnung Die Gerinnung ist auch bei normalem
Schwangerschaftsverlauf im 3. Trimenon aktiviert, bei der Präeklampsie und Eklampsie fehlt allerdings die sonst vorhandene Gegenregulation wie die physiologische Hämodilution und die lokale Freisetzung von vasodilatierendem Prostazyklin, sodass es zu Infarzierungen der Plazenta kommen kann. Laborchemisch findet sich eine leichte Thrombozytopenie, eine verminderte AT-III-Aktivität und eine leichte Erhöhung der D-Dimere bzw. des Fibrinogens. Gehirn Die morphologischen Veränderungen sind denen einer hypertensiven Enzephalopathie ähnlich. Es finden sich Mikroinfarkte, petechiale Blutungen, Thrombosen und fibrinoide Nekrosen der Arteriolen sowie fokale bzw. generalisierte Ödeme. In der Akutphase der Eklampsie finden sich häufig unspezifische EEG-Veränderungen, meist eine generelle Verlangsamung und nur gelegentlich eine Krampfaktivität. Zentralnervöse Symptome wie Sehstörungen, Kopfschmerzen, Schwindel, Unruhe, Hyperreflexie stellen alarmierende neurologische Funktionsstörungen dar, die Vorboten einer drohenden Eklampsie mit tonisch-klonischen Krampfanfällen sein können. Therapie
Die einzige kausale Therapie der Präeklampsie und Eklampsie ist die Schwangerschaftsbeendigung und die Entfernung der Plazenta aus dem Uterus. Ab der 34. SSW ist die Überlebenschance für das Kind außerhalb des Uterus größer aufgrund der bis dahin bestehenden Plazentamangeldurchblutung. Vor der 32. SSW ist eine Verlängerung der Tragzeit unter optimalen Überwachungsbedingungen anzustreben. Ziel der Therapie ist es, die zerebrovaskulären Komplikationen bei der Mutter zu verhindern und den mütterlichen Zustand bis zur Entbindung zu stabilisieren. Als symptomatische Therapie sollte die schonende Blutdrucksenkung mittels Vasodilatation bei Werten >170/110 mmHg durchgeführt werden. Dem vorausgehend sollte eine vorsichtige, bilanzierte Volumensubstitution mit Kolloiden oder Kristalloiden erfolgen, um die Mikrozirkulation zu verbessern und einen intravasalen Volumenmangel zu vermeiden (cave: Lungenödem). Zudem Einleitung
336
Kapitel 30 · Präeklampsie, Eklampsie und HELLP-Syndrom
antikonvulsiver Maßnahmen und Behandlung von Gerinnungsstörungen. Bei Vorhandensein einer Pfropfgestose oder »small vessel disease« (vorbestehender Nierenerkrankung, Diabetes mellitus) sollte die Blutdrucksenkung bereits bei diastolischen Werten von >90 mmHg erfolgen. Therapieoptionen der antihypertensiven Therapie
30
Oral: 4 α-Methyldopa (Presinol): 3-mal 125–500 mg/ Tag (bis 1500 mg/Tag), 4 kardioselektive Betablocker sind Mittel der 2. Wahl und werden zunehmend kritisch diskutiert, da eine erhöhte Rate von Wachstumsretardierung der Kinder gefunden wurde und zudem der Fetus auf zusätzliche Stresszustände nicht adäquat reagieren kann. Intravenös: 4 Urapidil (Ebrantil): weniger Nebenwirkungen bei der Mutter: 5 über Perfusor: 6–24 mg/h (100 mg/50 ml NaCl), beginnend mit 6 mg/h, 5 als Bolus: 6,25–12,5 mg fraktioniert über 2 min; 4 Initialtherapie mit Nifedipin (Adalat) 5–10 mg sublingual ist möglich (für i.v.-Gabe steht nur eine alkoholische Lösung zur Verfügung → zu hohe Alkoholzufuhr bei der meist benötigten Dosierung); oder: 4 Dihydralazin (Nepresol): 5 über Perfusor: 2–20 mg/h (50 mg/50 ml NaCl), beginnend mit 4,5 ml/h, 5 als Bolus: 5 mg alle 20 min i.v. 5 Nebenwirkungen: Kopfschmerzen, Reflextachykardie, »Lupus-like-Syndrome«. Therapieoptionen der antikonvulsiven Therapie
Bei schwerer Präeklampsie, zentralnervösen Symptomen und drohender Eklampsie sofortige Krampfprophylaxe mit 2–4 g Magnesiumsulfat i.v. über 20 min (20–40 ml Mg. 5-Sulfat Amp. 10%). Dann weiter mit 1–2 g/h (10–20 ml) über Perfusor. Alternativ kann Diazepam 5–10 mg gegeben werden, ist aber hinsichtlich der Krampfprophylaxe der Magnesiumtherapie unterlegen. Zur Durchbrechung eines eklamptischen Anfalls werden 4–6 g Magnesiumsulfat i.v. über 20 min ge-
geben und als Erhaltungsdosis 1–2 g/h über Perfusor bis 24–48 h post partum. Das Wirkoptimum liegt bei 2–4 mmol/l Plasmakonzentration. Ab 5,0 mmol/l ist der Patellarsehnenreflex nicht mehr auslösbar. Eine Atemdepression tritt ab 5–6 mmol/l ein und ab 7,5 mmol/l kommt es zu höhergradigen AV-Blockierungen mit möglichem Herzstillstand. Deshalb sollte ständig der Patellarsehnenreflex kontrolliert werden; bei dessen Verschwinden muss die Magnesiuminfusion sofort gestoppt werden. Ebenso Kontrolle der Urinausscheidung (mind. 25 ml/h), der Atmung (mind. 10–12 Atemzüge/min), der Mg-Konzentration im Serum sowie EKG-Monitoring. Als Antidot kann Kalziumglukonat 10% 10–20 ml i.v. verabreicht werden und sollte bereitliegen. Bei Anurie ist Magnesium kontraindiziert, da Mg über die Nieren eliminiert wird. Alternativ kann zur Coupierung eines Anfalls 5–20 mg Diazepam i.v. oder Phenytoin gegeben werden. Wichtig
Beim Lungenödem und beim hypervolämischen Nierenversagen sind schnellwirksame Diuretika wie Furosemid indiziert, nicht aber in allen anderen Fällen, da sie die Hämokonzentration und nachfolgend die plazentare Minderperfusion verstärken.
30.2
HELLP-Syndrom
Ätiologie und Pathogenese
Das HELLP-Syndrom ist eine schwere Verlaufsform der Präeklampsie, das sich durch eine Hämolyse, Erhöhung der Transaminasen und einem Abfall der Thrombozyten darstellt (HELLP = »hemolysis, elevated liver enzymes, low platelets«). Die Ätiologie entspricht der der Präeklampsie und Eklampsie. Die Pathogenese stützt sich auf den bei der Präeklampsie vorhandenen generellen Gefäßspasmus und die generalisierte Endothelschädigung mit nachfolgender Mikrozirkulationsstörung der verschiedensten Organe. In der Leber führt dies zu einer hypoxischen Leberzellschädigung mit Leberschwellung und Anstieg der Leberenzyme bis hin zum Leberversagen. Hämolyse und Aktivierung der intravasalen Gerin-
337 30.2 · HELLP-Syndrom
nung werden ebenfalls durch die generalisierte Endothelschädigung und Mikrozirkulationsstörung hervorgerufen. Der Thrombozytopenie liegt ein erhöhter Verbrauch in der Peripherie zugrunde. Beim HELLP-Syndrom stehen die Lebersymptomatik und die Gerinnungsproblematik im Vordergrund. Symptomatik und Laborbefunde
Leitsymptom ist der rechtsseitige Oberbauchschmerz mit Druckdolenz, der durch eine Leberkapseldehnung hervorgerufen wird. Unspezifische Symptome beinhalten allgemeines Unwohlsein, epigastrische Schmerzen, Übelkeit oder Erbrechen. Zudem die Symptome der Präeklampsie: Hypertonie und Proteinurie, die aber in bis zu 20% der Fälle auch fehlen können. Schwerwiegende Komplikationen des HELLP-Syndroms sind das subkapsuläre und das intrahepatische Hämatom mit der Gefahr der spontanen Leberruptur. Die typische Laborkonstellation besteht aus der Hämolyse, die sich durch einen Abfall des Haptoglobins und einem Anstieg der LDH im Serum äußert. Bei massiver Hämolyse finden sich auch Fragmentozyten und ein Bilirubinanstieg. Die Leberfunktionsstörung zeigt sich durch eine Erhöhung der Transaminasen und Erniedrigung der Cholinesterase. Dazu kommt ein Thrombozytenabfall unter 100.000/µl. In 20–40% der Fälle werden zudem pathologische Gerinnungstests gefunden. Die AT-IIIAktivität ist regelmäßig vermindert, es besteht eine Hypofibrinogenämie und eine erhöhte D-DimerKonzentration. Das Vollbild einer disseminierten intravasalen Gerinnung ist aber eher selten. Alle HELLP-Symptome können sich auch erst post partum manifestieren. Therapie
Auch hier ist die Entbindung die einzige kausale Therapie. Die Stabilisierung der Mutter mittels behutsamer Blutdrucksenkung und Krampfprophylaxe, wie bei der Therapie der Präeklampsie beschrieben, hat höchste Priorität. Bei Auftreten der Symptomatik vor der 34. SSW muss eine Lungenreifebehandlung des ungeborenen Kindes mit Glukokortikoiden (Dexamethason) durchgeführt werden. Auch nach der 34. SSW gewinnt die systemische Behandlung der Mutter mit Glukokortikoiden zur Verbesserung des Zustandes der Mutter und zur
30
Induktion der Thrombozytenbildung zunehmend an Bedeutung. Bei Vorliegen von Blutungskomplikationen und/oder Fibrinogenspiegeln <100 mg/dl Gabe von Gerinnungsfaktoren mittels FFP. Die Gabe von niedermolekularem Heparin zur Thromboseprophylaxe ist erst nach Konsolidierung der Gerinnungsparameter indiziert. Thrombozytenkonzentrate sind ab einer Thrombozytenzahl <50.000/µl präoperativ oder bei einer chirurgisch nicht stillbaren Blutung indiziert. Eine prophylaktische Gabe ist nicht sinnvoll, da die transfundierten Thrombozyten ebenso wie die endogenen rasch verbraucht werden.
31 31 Kohlenmonoxidvergiftung
340
Kapitel 31 · Kohlenmonoxidvergiftung
Ätiologie und Pathogenese Kohlenmonoxid (CO)
wird vor allem bei unvollständiger Verbrennung frei. Es wird ins Blut aufgenommen und bindet sich an das Hämoglobin (CO-Hb), zu dem es eine 300-mal stärkere Affinität hat als Sauerstoff. Ein Anteil von 1–2% CO-Hb beim Gesunden sind normal, beim Raucher kann dieser Anteil auf bis zu 15% ansteigen. Ab 30% CO-Hb treten Vergiftungserscheinungen auf, abhängig davon, wie hoch der Sauerstoffanteil in der Inspirationsluft noch ist. Die Zeichen der COVergiftungen sind Ausdruck einer allgemeinen Hypoxie. Symptome Der Patient hat eine rote Hautfarbe.
Müdigkeit, Benommenheit bis zum Koma, ggf. auch Krämpfe kennzeichnen darüber hinaus die Initialphase. Danach bildet sich ein allgemeines Gewebsödem als Folge einer gestörten Kapillarpermeabilität durch die vorausgegangene Hypoxie aus. Diese Ödembildung kann auch nach Ende der CO-Einatmung fortschreiten. In der Spätphase findet man vor allem Zeichen der zerebralen Hypoxie mit Störungen der Merkfähigkeit und manchmal auch mit extrapyramidalen Zeichen. Als kardiologische Komplikation kann ein Myokardinfarkt auftreten. Therapie Sofortige Entfernung der Patienten aus CO-haltiger Luft (auf Selbstschutz achten!) und Insufflation von Sauerstoff. Gegebenenfalls muss mit reinem Sauerstoff beatmet werden, wobei die Indikation zur Intubation mit der dazu erforderlichen Sedierung und ggf. auch Relaxierung großzügig zu stellen ist. In schweren Fällen ist auch eine hyperbare Sauerstofftherapie angezeigt. Auch leichte Fälle sollten auf einer Intensivstation überwacht werden, da sich das Ödem auch noch später ausbilden kann.
31
32 32
Hygiene auf der Intensivstation
32.1
Nosokomiale Infektionen – 342
32.1.1 32.1.2 32.1.3 32.1.4 32.1.5
Definition – 342 Wichtigste nosokomiale Infektionen auf Intensivstationen Erreger – 342 Übertragungswege und Erregerreservoire – 342 Prophylaxe – 342
32.2
Pflegerische Techniken – 344
32.3
Isolierung von Patienten
32.4
Behandlung von Infektionen – 345
– 345
– 342
342
Kapitel 32 · Hygiene auf der Intensivstation
32.1
Nosokomiale Infektionen
32.1.3
32.1.1
Definition
Die Art der Erreger von bestimmten nosokomialen Infektionen ist von Krankenhaus zu Krankenhaus unterschiedlich. Beispiele (nach Daschner): 4 Harnwegsinfektionen: E. coli, Enterokokken, Pseudomonas aeruginosa und andere, 4 Infektionen der Haut: Staphylococcus aureus, Candida albicans, Staphylococcus epidermidis und andere, 4 Sepsis: Staphylococcus aureus, Staphylococcus epidermis, E. coli und andere, 4 Pneumonie: Pseudomonas aeruginosa, Staphylococcus aureus, Klebsiella pneumoniae und andere. 4 Wundinfektionen: Staphylococcus aureus, E. coli, Enterokokken.
Als nosokomiale Infektionen gelten alle Infektionen, die im Zusammenhang mit einem Krankenhausaufenthalt auftreten, sofern keine Hinweise existieren, dass die Infektion bereits bei der Aufnahme in das Krankenhaus vorhanden oder in der Inkubationsphase war. Dabei können normalerweise nichtpathogene Vertreter der körpereigenen Flora der oberen Luftwege, der Haut oder des Gastrointestinaltrakts aufgrund einer geschwächten Abwehrlage (Postaggressionsphase, Immunsuppression oder ähnliches) pathogen werden. Man geht heute davon aus, dass etwa 2/3 der nosokomialen Infektionen auf diese Weise endogen entstehen und lediglich etwa 1/3 exogenen Ursprungs sind, die durch entsprechende krankenhaushygienische Maßnahmen zu verhindern sind. Diese exogenen Infektionen werden häufig durch bestimmte Krankenhauskeime hervorgerufen, die meist krankenhausspezifisch und oft gegenüber einer Vielzahl von Antibiotika resistent sind.
32.1.2
4 4 4 4 4
32
Wichtigste nosokomiale Infektionen auf Intensivstationen
Harnwegsinfekt, Sepsis, Wundinfektionen, Pneumonie, Infektionen der Haut und der Subkutis.
Prädisponierende Faktoren für Sepsis und Harnwegsinfekte sind vor allem Katheter. Die Wahrscheinlichkeit einer durch einen zentralvenösen Katheter hervorgerufenen Sepsis steigt täglich um 0,5–1%, die Wahrscheinlichkeit eines Harnwegsinfektes bei einem Blasenkatheter täglich um 3–5%, sodass nach etwa 10 Tagen die Hälfte aller Patienten mit einem Blasenkatheter einen Harnwegsinfekt haben.
32.1.4
Erreger
Übertragungswege und Erregerreservoire
Das Haupterregerreservoir für die Übertragung nosokomialer Infektionen stellen die Hände des Krankenhauspersonals dar. Daneben kommt aber auch der Haut- und Stuhlflora von Patienten und Personal eine wichtige Bedeutung zu. Auch durch entsprechend kontaminierte Wassertröpfchen, z. B. aus Ultraschallverneblern und Atemluftbefeuchtern bei Beatmungsgeräten können Bakterien übertragen werden. Gegenstände wie Möbel, Waschbecken, Ausgüsse stellen nur sehr selten ein Erregerreservoir dar. Auch die Luft spielt als Übertragungsweg für nosokomiale Infektionen eine untergeordnete Rolle.
32.1.5
Prophylaxe
Zur Verhinderung nosokomialer Infektionen exogenen Ursprungs muss durch hygienische Maßnahmen die Ansiedlung und Ausbreitung von Mikroorganismen unterbunden werden. Hierzu gehört u. a. die Vernichtung der Mikroorganismen durch Sterilisation und Desinfektion. Nosokomiale Infektionen durch endogene Keime können durch bestimmte Pflegetechniken minimiert werden. In bestimmten Fällen kann auch die Isolation von Patienten dazu beitragen, eine Verbreitung von Bakterien auf der
343 32.1 · Nosokomiale Infektionen
32
Intensivstation zu unterbinden, z. B. bei Methicillinresistentem Staphylococcus aureus (MRSA).
Gegenständen mit blind endenden, engen Lumina ist nicht möglich.
Sterilisation
Desinfektion
Sterilisation bedeutet die Abtötung aller Mikroorganismen inklusive ihrer Dauerformen (Sporen) sowie die Inaktivierung aller Viren, die sich in oder an einem Produkt oder Gegenstand befinden. Hierzu stehen verschiedene technische Verfahren zur Verfügung.
Aufgabe der Desinfektion ist die Abtötung bzw. irreversible Inaktivierung von krankheitserregenden Keimen an und in kontaminierten Objekten. Dauerformen von Bakterien (Sporen) werden nicht erfasst. Zur Desinfektion stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung.
Dampfsterilisation Am häufigsten wird in einem
Thermische Desinfektion Grundsätzlich sollte die Desinfektion mit physikalischen Verfahren der chemischen Desinfektion wegen der höheren Zuverlässigkeit stets vorgezogen werden. Für den allergrößten Teil des Anästhesiezubehörs, aber auch anderer Gegenstände wie z. B. Wäsche, Steckbecken und Urinflaschen stellt die Aufbereitung mit vollautomatischen Reinigungs- und Desinfektionsmaschinen das Desinfektionsverfahren der Wahl dar. Entsprechend der BGA-Liste zur Abtötung von Mikroorganismen der Gruppen A und B ist eine Temperatur von 93 °C und eine Einwirkungszeit von 10 min einzuhalten. Diese Mittel und Verfahren sind aber nur bei Ausbrüchen auf Anordnung des Amtsarztes einzusetzen. Für die routinemäßige Aufbereitung sind deutlich niedrigere Temperaturen und Haltezeiten ausreichend (z. B. 75 °C für eine Haltezeit von 10 min bei thermischen Verfahren; 60 °C bei einer Haltezeit von 15 min bei chemothermischen Verfahren).
Autoklaven mit gespanntem Wasserdampf mit einer Temperatur von 121 °C sterilisiert. Durch die Einwirkung der feuchten Hitze werden die Mikroorganismen auf dem Sterilgut zerstört. Heißluftsterilisation Trockene Luft hat im Gegen-
satz zu gesättigtem Wasserdampf eine wesentlich geringere Wärmekapazität. Deshalb sind zur Sterilisation im Heißluftsterilisator höhere Temperaturen und längere Einwirkungszeiten erforderlich. Im Heißluftsterilisator können deshalb nur hitzestabile Materialien, wie z. B. chirurgische Instrumente sterilisiert werden. Eine Sterilisation mit trockener Hitze sollte nur dann angewendet werden, wenn Autoklavieren (Dampfsterilisation) nicht möglich ist. Gassterilisation Das am häufigsten zur Sterilisation
verwendete Gas ist Äthylenoxyd. Gassterilisationsverfahren sollten nur für die Sterilisation von Materialien angewendet werden, die nicht hitzebeständig sind. Nachteile dieses Verfahrens sind vor allem die große Störanfälligkeit sowie die Toxizität der Gase. Mit diesen Verfahren ist unter bestimmten Voraussetzungen auch die Resterilisation von Einmalartikeln möglich. Plasmasterilisation Die Plasmasterilisation ist ein relativ neues Sterilisationsverfahren. Dieses Niedertemperatur-Sterilisationsverfahren nutzt die Bildung hochreaktiver Hydroperoxid- und Hydroxidradikale in einem Wasserstoffperoxidplasma aus, die mikrobizide Eigenschaften besitzen. Das Verfahren arbeitet bei Temperaturen unter 50 °C und ist somit für die Sterilisation von vielen empfindlichen thermolabilen Medizinprodukten hervorragend geeignet. Die Behandlung absorbierender Materialien und von
Chemische Verfahren Wegen ihrer vielen Nachteile
sollten chemische Desinfektionsverfahren nur dann Anwendung finden, wenn keine physikalischen Verfahren zur Verfügung stehen. Je nach Einsatzbereich stehen folgende Stoffgruppen zur Verfügung: Alkohole, Phenole, Aldehyde (Formalin), halogenabspaltende Verbindungen, Amphotenside, Peroxidverbindungen, anorganische und organische Säuren und Laugen. Diese werden zur Scheuer-Wisch-Desinfektion verwendet. Nur in den Fällen, bei denen dies nicht möglich ist, sollte auf die Sprühdesinfektion ausgewichen werden. Alle Geräte, Möbel und Fußböden einer Intensivstation werden nach einem mit dem Krankenhaushygieniker abgestimmten Desinfektionsplan regelmäßig desinfiziert. Bei chemischen Desinfektionsverfahren muss auf die richtige Konzentration, Einwirkdauer und das optimale Anwen-
344
Kapitel 32 · Hygiene auf der Intensivstation
dungsgebiet der verwendeten Substanzen geachtet werden. Sterilität kann dennoch nie erreicht werden.
32.2
Pflegerische Techniken
Urinkatheter Die Indikation für einen Urinkatheter Händedesinfektion Hände sind die häufigsten
Überträger von Infektionen. Die Händedesinfektion hat daher den höchsten Stellenwert in der Prophylaxe von Infektionen auf Intensivstationen. Sie sollte vor und nach jeder Verrichtung an einem Patienten durchgeführt werden. Dafür sollten folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Waschbecken müssen mit Wasserhähnen ausgestattet sein, die ohne die Hände zu bedienen sind (z. B. Lichtschranke), es müssen Desinfektionsmittel- und Seifenspender an jedem Waschbecken vorhanden sein. Einmalhandtücher sind bereitzustellen. Auch nach dem Ablegen von Schutzhandschuhen ist eine hygienische Händedesinfektion vorzunehmen. Zur Händedesinfektion finden in aller Regel alkoholische Präparate, ggf. mit rückfettenden Substanzen, Verwendung. Hautdesinfektion Zur Hautdesinfektion werden hauptsächlich Alkohol- und Polividon-Jod-haltige Desinfektionsmittel, ggf. auch Chlorhexin-haltige Präparate verwendet. Zu beachten ist, dass die Desinfektionsmittel nicht nur aufgesprüht, sondern auch verrieben werden müssen. Die Einwirkungsdauer laut Herstellerangaben sind strikt einzuhalten. Schleimhautdesinfektion Auf Schleimhäuten kann keine Desinfektion, sondern lediglich eine Dekontamination im Sinne einer Keimzahlverminderung erreicht werden. Verwendung finden Präparate auf der Basis von Polividon-Jod, Chlorhexidin oder Oktenidin.
32
Raumdesinfektion Die Sprühdesinfektion von Räumen auf der Intensivstation ist nicht notwendig und sollte unterbleiben, zumal dabei das Desinfektionsmittel immer auch in die Atemwege von Personal und Patienten gelangt. Eine Raumdesinfektion durch Vernebeln von Formaldehyd ist nur bei extrem seltenen hochkontagiösen und aerogen übertragbaren Krankheiten auf Anordnung des Gesundheitsamtes angezeigt. Die effektivste Form der Flächendesinfektion ist die Wischdesinfektion, die mit unterschiedlichen Verfahren und Wirkstoffgruppen vorgenommen werden kann.
muss streng überdacht werden. Jeder Katheter sollte wieder entfernt werden, sobald er nicht mehr indiziert ist. Es ist auf eine sterile Arbeitsweise zu achten und ein geschlossenes Ablaufsystem zu verwenden. Dieses sollte nicht diskonnektiert und nicht über das Niveau der Blase gehalten werden, um einen Rücklauf des Urins in die Blase zu vermeiden. Nach Legen eines Dauerkatheters wird wöchentlich, ansonsten bei jedem unklaren Fieber und bei trübem Urin eine Urinkultur angelegt. Bei längerfristig katheterisierten Patienten ist das Infektionsrisiko bei einer suprapubischen Blasendrainage signifikant geringer als bei einem Dauerkatheter. Atemwege Der Anteil beatmeter Patienten mit no-
sokomialen Infektionen liegt bei 40%. Die endotracheale Absaugung wird nur bei klinischer Notwendigkeit und nicht routinemäßig durchgeführt. Neben den allgemeinen physiotherapeutischen Maßnahmen ist zu beachten, dass unter streng sterilen Kautelen abgesaugt wird. Dies kann nur dadurch sichergestellt werden, dass der Absaugvorgang möglichst immer mit Assistenz vorgenommen wird. Absaugkatheter gelangen häufig nur in die rechte Lunge; durch entsprechende Veränderung der Kopflage (Drehen des Kopfes) muss man auch versuchen, die linke Seite zu erreichen. Das Sekret der linken Lunge muss bis in die Trachea und Bronchien abgehustet werden. Daher sollte der Hustenreflex möglichst nicht unterdrückt werden (Ausnahme: Patienten mit erhöhtem ICP). Sofort nach einer Intubation und dann dreimal wöchentlich werden Abstriche aus dem Nasen-Rachen-Raum und der Trachea entnommen. Regelmäßig müssen Beatmungsgeräte und deren Zubehör sterilisiert bzw. desinfiziert werden; welche Zeitspanne (tgl., 3-tgl., wöchentlich) gewählt wird, ist im Einzelnen mit dem Krankenhaushygieniker festzulegen. Wunden Eine Wundinfektion tritt nach aseptischen Operationen in 1–2%, nach septischen in 30% der Fälle auf. Dabei können die Bakterien endogen (Darmflora) oder exogen (Kontamination durch das Personal) in die Wunden gelangen. Prophylaxe bietet ein gut ausgerüsteter Verbandswagen mit einzeln
345 32.4 · Behandlung von Infektionen
verpackten Instrumenten, der jedoch hauptsächlich mit Einmalmaterial ausgerüstet ist. Beim Verbandswechsel wird unter aseptischen Kautelen gearbeitet. Infusionen Venenkatheter sind eine häufige Ursache für eine Sepsis. Sie sollten nur bei strengster Indikation unter sterilen Bedingungen gelegt werden. Täglich wird ein Verbandswechsel der Punktionsstelle vorgenommen. Der Katheter muss optimal mit Pflastern oder durch Annähen fixiert sein, damit er nicht verrutschen kann. Infusionssysteme werden täglich gewechselt. Dazwischen sollen sie möglichst nicht dekonnektiert werden, auch nicht zum Messen des ZVD oder zu Blutentnahmen. Der Katheter wird sofort gewechselt, wenn die Einstichstelle Zeichen einer Entzündung zeigt. Zum Ausschluss einer Kathetersepsis werden Blutkulturen entnommen und die Katheterspitze bakteriologisch untersucht.
32
Bei generalisierter Entzündung (Sepsis): Blutdruckabfall, Tachykardie (septischer Schock), Verbrauchskoagulopathie (Thrombozytenabfall, Anstieg der Fibrinspaltprodukte), Erhöhung des Herzzeitvolumens, verminderter systemischer Gefäßwiderstand (7 septischer Schock, Kap. 22.3). Gezielte Chemotherapie In der Regel werden die
Antibiotika entsprechend der Keimidentifizierung aus dem Abstrich und dem dazugehörigen Antibiogramm (Antibiotika-Empfindlichkeits- und Resistenzbestimmung) ausgewählt. Dabei ist auf eine mögliche Resistenzentwicklung bei einer Monotherapie, auf die potentielle Toxizität, vor allem bei Kombinationen von Antibiotika (Nephrotoxizität der Kombination Aminoglykosid-Cephalosporin), aber auch auf den Preis der verschiedenen Präparate zu achten. Kalkulierte (»blinde«) Chemotherapie (. Abb. 32.1)
Gastroenteritiden Patienten mit Durchfallerkran-
kungen müssen nur bei schwerem Krankheitsverlauf isoliert werden. Zudem sollte die Umgebung der Patienten (Mitpatienten, Personal) bakteriologisch untersucht werden, wenn es zu einem gehäuften Auftreten von Gastroenteritiden auf der Station kommt. Personal mit Durchfallerkrankungen darf nicht im Pflegedienst eingesetzt werden.
32.3
Isolierung von Patienten
Es wird zwischen der Standard- oder strikten Isolierung zum Schutz der Mitmenschen vor patienteneigenen pathogenen Keimen und der protektiven Isolierung zum Schutz abwehrgeschwächter Patienten (Leukämie, Zytostatikatherapie, Brandverletzte) unterschieden. Häufig ist heute eine Isolierung wegen MRSA erforderlich.
32.4
Behandlung von Infektionen
Klinische Symptomatik Fieber, Tachykardie, Leukozytose, pathologischer Befund aus gezielt abgenommenen Abstrichen oder aus Routineabstrichen. Bei Atemwegsinfektionen: Röntgen-Thorax-Befund.
In der Intensivtherapie lassen sich häufig keine Keime isolieren oder die Infektion hat einen so schweren Verlauf, dass auf das Ergebnis einer Keim- und Resistenzbestimmung nicht gewartet werden kann. In diesem Fall müssen die Antibiotika »blind« ausgewählt und verordnet werden. Dabei geht man von der vermuteten Infektionsquelle und dem dabei am ehesten zu erwartenden Keimspektrum aus. Dieses ist von Klinik zu Klinik unterschiedlich, sodass die Kombination der Antibiotika bei der »blinden« Therapie von Ort zu Ort variiert. Die Pharmakokinetik und die möglicherweise kumulierenden toxischen Nebenwirkungen sind ebenso wie die Preis-NutzenRelation zu berücksichtigen. Bei nicht wirksamer Kombination müssen gegebenenfalls unter Berücksichtigung der nun vorliegenden Keim- und Resistenzbestimmung die Antibiotika gewechselt werden. Auch Antibiotika mit einem sehr breiten Wirkungsspektrum wirken auf die einen Erreger stärker als auf die anderen. Gerade Keime, für die unter einer Monotherapie mit einem Breitspektrum-Antibiotikum solche Wirkungslücken bestehen, entwickeln unter dieser Therapie sehr schnell Resistenzen. Daher werden in der Regel Zweifach- oder Dreifachkombinationen verordnet.
346
Kapitel 32 · Hygiene auf der Intensivstation
32 . Abb. 32.1. Klinische Anwendung der wichtigsten Antibiotika
33 33 Organisation der Intensivtherapie 33.1 Bauliche Voraussetzungen 33.2 Personal
– 348
– 348
348
Kapitel 33 · Organisation der Intensivtherapie
33.1
Bauliche Voraussetzungen
tragen Schutzkittel nur dann, wenn der besuchte Angehörige isoliert ist (z. B. wegen resistenter Keime):
Offenes System Beim offenen System stehen mehrere Betten in einem großen Raum. Sie sollten durch Sichtschutzwände getrennt sein, sodass sie nur von einer Seite aus einsehbar sind (. Abb. 33.1). 4 Vorteil: geringer Personalbedarf zur Überwachung, 4 Nachteil: keine hygienische Trennung möglich, die Intimsphäre der Patienten ist nicht gewahrt. Geschlossenes System Beim geschlossenen System ist die Station in Ein- und Zweibettzimmer aufgeteilt (. Abb. 33.1). 4 Vorteil: optimale hygienische Trennung, patientenorientierte Pflege eher möglich, 4 Nachteil: höherer Personalaufwand.
Nebenräume Alle zur Funktion der Intensivstationen notwendigen Räume müssen innerhalb des Schleusenbereiches liegen: 4 Arztzimmer, auch zum Gespräch mit Angehörigen, 4 Schwesterndienstzimmer, 4 Aufenthaltsraum, 4 Lager für Verbrauchsartikel und Geräte, 4 Raum für die Entsorgung, möglichst mit Zugang von außen, 4 Funktionsräume (gegebenenfalls Herzkatheter, Dialyse oder Ähnliches).
33.2
Personal
Schleusen Zur Prophylaxe von Infektionen, die in
die Intensivstation hinein oder aus dieser herausgetragen werden können, sollten Schleusen mit Duschen und Toiletten eingebaut sein. Hier zieht sich das Personal um, da innerhalb der Intensivstation spezielle Schutzkleidung getragen wird. Besucher
Ärzte Intensivmedizin wird vor allem innerhalb der
medizinischen Disziplinen Anästhesie, Chirurgie, Innere Medizin und Pädiatrie betrieben, sodass die entsprechenden Abteilungen in Großkrankenhäusern häufig eigene Intensivabteilungen haben. In
18 1b
1a
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15 17
5
7
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6
33
. Abb. 33.1. Modell einer Intensivpflegeeinheit mit 6 Betten zur Intensivüberwachung (offenes System) und 5 Betten zur Intensivbehandlung (geschlossenes System; nach Opderbecke): 1 Personalschleuse, a) männlich b) weiblich, 2 Schwesternaufenthaltsraum, 3 Arztbereitschaft, 4 Arztdienstzimmer, 5 Schwesterndienstzimmer,
8 16
9
8
17 17
6 Aufzug von Bettenzentrale, 7 Betten- und Versorgungsschleuse, 8 Intensivbehandlung, 9 Schwesternarbeitsplatz, 10 Entsorgungsschleuse, 11 Raum für Verstorbene, 12 Besucherzimmer, 13 aseptischer Intensivbehandlungsbereich, 14 Intensivüberwachung, 15 Areal für Nebenräume, 16 Betten- und Versorgungsflur, 17 Betten- und Versorgungsaufzüge, 18 Personal- und Besucherflur
349 33.2 · Personal
vielen Kliniken hat sich jedoch bewährt, dass interdisziplinäre operative Intensivstationen von Anästhesisten geleitet werden, die für die Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen der Patienten verantwortlich sind. Die Vertreter der operativen Disziplinen sind dahingegen für die Behandlung der Grunderkrankung zuständig. Aus diesem Grund werden an den auf der Intensivstation tätigen Anästhesisten hohe Anforderungen vor allem im Hinblick auf die Kenntnis der Problematik der einzelnen Fachgebiete gestellt. Durch Ärzte mit langer intensivmedizinischer Erfahrung muss eine Kontinuität der Therapie gewährleistet sein. Zusätzlich werden Ärzte zur Ausbildung auf der Intensivstation eingesetzt. Die ärztliche Versorgung muss, meist im Schichtdienst, über 24 h gewährleistet sein. Der Stationsarzt darf nicht mit anderen Aufgaben außerhalb seiner Station betraut werden. Pflegepersonal Auf der Intensivstation wird vom Pflegepersonal eine sehr gute Ausbildung zusammen mit einem hohen pflegerischen Einsatz gefordert. Außerdem ist die Arbeit an schwerstkranken Patienten im Grenzbereich zwischen Leben und Tod mit einer großen psychischen Belastung verbunden. In der Regel wird im Schichtdienst gearbeitet. Dabei richtet sich der Personalbedarf nach der Art der Station (Wachstation, Intensivstation). Entsprechende Schlüssel zum Verhältnis von Pflegekräften: Patienten wurden von der Deutschen Krankenhausgesellschaft 1969 festgelegt, erweisen sich aber heute angesichts der expansiven Entwicklung der Intensivmedizin als unbrauchbar und führen trotz Fortschreibung zu einem Defizit in der pflegerischen Betreuung. Techniker Der umfangreiche Gerätepark einer Intensivstation muss regelmäßig gewartet und instandgehalten werden. Dieser Service wird von den Herstellerfirmen übernommen oder in größeren Abteilungen von speziell geschulten Technikern durchgeführt, die häufig eine Ausbildung als Feinmechaniker oder Elektrotechniker haben. Sekretärin/Dokumentationsassistentin Die auf ei-
ner Station anfallenden patientengebundenen Daten werden in Krankenblättern gesammelt und häufig
33
per EDV gespeichert. Diese Aufgaben sollten ebenso wie die Schreibarbeiten von einer Sekretärin übernommen werden. Wegen des erhöhten Aufwands an Dokumentation und Kodierung von Diagnosen und Prozeduren im Rahmen der DRG-Einführung und Änderung der Finanzierung medizinischer Leistungen im Krankenhaus können Dokumentationsassistenten das medizinische Personal wesentlich zu Gunsten patientennaher Tätigkeiten entlasten. Medizinisch-technische Assistentin Viele Labor-
werte müssen innerhalb kürzester Zeit zur Verfügung stehen. Um von einem weit entfernt liegenden Zentrallabor unabhängig zu sein, ist auf der Intensivstation ein Akutlabor zur Bestimmung von Blutgasen, Elektrolyten, Blutzucker und Hämoglobin notwendig. Eine medizinisch-technische Assistentin führt die Analysen durch und wartet die Laborautomaten, die außerhalb ihrer Dienstzeit durch die Ärzte und das Pflegepersonal bedient werden. Reinigungspersonal Optimale Hygienebedingun-
gen sind die Voraussetzung für die Prophylaxe nosokomialer Infektionen. Auf jeder Intensivstation wird daher Personal zur regelmäßigen Desinfektion von Böden, Einrichtungsgegenständen und Geräten eingesetzt.
Notfallmedizin 34
Ziele der notfallmedizinischen Behandlung
35
Störung der Atmung
36
Störungen des Kreislaufs
37
Kardiopulmonale Reanimation
38
Störungen der zerebralen Funktion
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Vergiftungen
40
Spezielle Notfälle
41
Spezielle notfallmedizinische Maßnahmen
– 353
– 355 – 361 – 369 – 375
– 381 – 385 – 389
34 34 Ziele der notfallmedizinischen Behandlung
354
Kapitel 34 · Ziele der notfallmedizinischen Behandlung
Im Vordergrund der notfallmedizinischen Behandlung steht die Therapie von Störungen der Vitalfunktionen Atmung, Herz-Kreislauf, Wasser-Elektrolyt-Haushalt und Gehirnfunktion. Die Störung einer dieser Vitalfunktionen kann die Beeinträchtigung der anderen nach sich ziehen. Immer ist damit eine Gefährdung des Lebens verbunden. Somit versucht die Notfallmedizin, die akute Lebensgefährdung der Patienten abzuwenden, die kausale Therapie basierend auf einer endgültigen Diagnose bleibt der Klinik vorbehalten. Die Ursachen der Störungen von Vitalfunktionen können sowohl im chirurgischtraumatologischen als auch im internistischen Bereich liegen, das therapeutische Vorgehen ist jedoch im Wesentlichen gleich. Die Notfallmedizin ist damit ein interdisziplinäres Fach.
34
2 Narkosesysteme und -geräte
35 35
Störung der Atmung
35.1
Physiologie – 356
35.2
Pathophysiologie – 356
35.3
Symptomatik
35.4
Häufige respiratorische Notfälle – 356
35.4.1 35.4.2
Asthma bronchiale – 356 Thoraxtrauma – 357
– 356
356
35
35.1
Kapitel 35 · Störung der Atmung
Physiologie
Die äußere Atmung, d. h. der Gasaustausch zwischen der Atmosphäre über die Lunge in das Blut und umgekehrt, wird bestimmt durch die Bewegung der Luft (Ventilation), die Verteilung der Luft in der Lunge (Distribution), die Diffusion durch die Alveolarmembran, das Interstitium, das Kapillarendothel und das Blut bis in die Erythrozyten und umgekehrt, sowie die Perfusion und ihre regionale Verteilung in der Lunge. Alle vier Einzelfaktoren können gestört sein.
35.2
Pathophysiologie
Ursachen Gründe für Störungen der Atmung kön-
nen sein: 4 Störungen des Atemzentrums (Opiat- oder Barbituratintoxikation, Komata unterschiedlicher Genese, intrakranielle Drucksteigerung [7 Kap. 12.1.1], direkte traumatische Schädigung); 4 Verlegung der Luftwege (zurückgefallene Zunge, Bolus, Larynxödem, Laryngospasmus, Aspiration); Engstellung der unteren Luftwege (Asthma bronchiale, Bronchospasmus); Störung der neuromuskulären Übertragung (Poliomyelitis, Tetanus, Muskelrelaxation); gestörte Lungenentfaltung (Pneumo-, Hämatothorax); 4 Störung der Diffusion, Verteilung und Perfusion treten auf bei: Asthma bronchiale, Pneumonie, Lungenemphysem, Lungenödem (intraalveolär, interstitiell), Lungenembolie.
35.3
Symptomatik
4 Tachypnoe: zur Kompensation einer peripheren Atemstörung oder als Schmerzreaktion bzw. beim Hyperventilationssyndrom; 4 Bradypnoe: bei zentraler Atemlähmung; 4 Schnappatmung: niederfrequente tiefe Atemzüge im präfinalen Stadium vor einem Atemstillstand; 4 Atemstillstand: Fehlen der Atembewegung beim Tasten im epigastrischen Winkel und am Rippenbogen, fehlendes Atemgeräusch vor Mund und Nase;
4 Kussmaul-Atmung: Bedarfshyperventilation bei metabolischer Azidose (Coma diabeticum und uraemicum); 4 Cheyne-Stokes-Atmung: periodische Änderung des Atemzugvolumens bei zerebralen und pulmonalen Störungen der Atemregulation; 4 Biot-Atmung: unterschiedlich lange Apnoephasen bei Meningitis oder erhöhtem intrakraniellem Druck; 4 inverse Atmung (Schaukelatmung): frustrane Atembewegungen bei unvollständiger oder vollständiger Verlegung der oberen Luftwege, funktioneller Atemstillstand; 4 paradoxe Atmung: Bei doppelter Rippenserienfraktur bewegen sich z. B. die Rippenfragmente bei Inspiration nach innen, bei Exspiration nach außen; 4 Atemnebengeräusche: Schnarchen bei Obstruktion im Hypopharynxbereich; inspiratorischer Stridor bei Stenose des Larynx und der Trachea; exspiratorisches Pfeifen, Giemen, Brummen bei Bronchospasmus; grobe Rasselgeräusche bei Ansammlung von Sekret in den großen Bronchien und der Trachea; feinblasiges Rasselgeräusch durch Sekret im Alveolarbereich (Lungenödem, Pneumonie); 4 Dyspnoe: erschwertes Atmen, Ringen nach Atemluft und angestrengte Atmung bei allen peripheren Atemstörungen, Asthma bronchiale, Pneumonie, Emphysembronchitis; 4 Stridor: inspiratorisch bei Verlegung der oberen Luftwege, in- und exspiratorisch (Giemen) bei Verlegung oder Engstellung der unteren Luftwege (Bronchospasmus, Asthma); 4 Hautemphysem: charakteristisches Knistern unter den Fingern bei der Palpation nach Luftaustritt in das subkutane Gewebe, z. B. bei Verletzung oder Platzen einer Emphysemblase.
35.4
Häufige respiratorische Notfälle
35.4.1
Asthma bronchiale
Pathophysiologie Infektionen, Allergien oder chemische Noxen können zu einem Spasmus der kleinen Bronchien und Bronchiolen führen. Dieses hat
357 35.4 · Häufige respiratorische Notfälle
eine Erhöhung des Atemwegswiderstandes und damit eine Störung von Ventilation und Verteilung der Atemluft zur Folge. Die Patienten haben häufig eine partielle oder globale respiratorische Insuffizienz. Bei anhaltend hohem pCO2 erfolgt die Regulation der Atmung im Gegensatz zum Gesunden häufig über den arteriellen pO2. Einen über Stunden oder Tage anhaltenden Asthmaanfall oder eine Folge vieler Einzelanfälle bezeichnet man als Status asthmaticus. Neben der respiratorischen Störung kann auch eine kardiale Dekompensation zur vitalen Bedrohung werden. Symptomatik Eine exspiratorische Atemwegsbehinderung mit dem typischen Giemen und Brummen über der gesamten Lunge kennzeichnen den Asthmaanfall. Der Patient ist häufig zyanotisch und versucht unter Einsatz der Atemhilfsmuskulatur die respiratorische Störung zu kompensieren. Therapie Zunächst soll der Bronchospasmus durch-
brochen werden. Durch eine milde Sedierung wird der erhöhte Sauerstoffbedarf gesenkt. Eine Sauerstoffapplikation ist immer angezeigt, die Gefahr einer zentralbedingten Hypoventilation dabei in der Regel gering. Die Patienten haben häufig ein Flüssigkeitsdefizit. Zur Verflüssigung des Sekrets ist die Infusion von kristallinen Lösungen indiziert (cave: Rechtsherzbelastung). Ein sehr schwerer Bronchospasmus kann durch Einleitung einer Anästhesie mit Ketamin in sehr hoher Dosierung durchbrochen werden.
35
5 O2-Insufflation, nur wenn die Zyanose persistiert 5 Bei weiter bestehendem Bronchospasmus Ketamin bis zu 5–10 mg/kg KG i.v.
Die Gabe von Theophyllin ist umstritten, da die Nebenwirkungen häufig gegenüber den gewünschten Wirkungen im Vordergrund stehen. Bei allen respiratorischen Störungen wird symptomatisch mit Sauerstoffinsufflation behandelt und, sofern die Zyanose nicht abklingt, erfolgt Intubation und Beatmung.
35.4.2
Thoraxtrauma
Lungenkontusion Pathophysiologie Durch stumpfe oder spitze Gewalteinwirkung auf den Brustkorb kommt es zu einer Lungenkontusion. Zerreißungen von kleinen Bronchien und Blutgefäßen führen zu interstitiellen und alveolären Einblutungen, die durch Veränderungen von Diffusion, Verteilung und Perfusion zu respiratorischen Störungen führen können. Symptomatik Die Symptomatik der Lungenkontu-
sion entwickelt sich meist erst mit einer Latenz nach dem Trauma. Zyanose und mittel- bis grobblasige Rasselgeräusche stehen im Vordergrund. Manchmal haben die Patienten blutigen Auswurf, fast immer ist Blut endotracheal abzusaugen.
Praxisbox Praktisches Vorgehen bei Asthma bronchiale 5 Sitzende Lagerung 5 Inhalation eines β2-Sympathikomimetikums (Fenoterol, Berotec), meist jedoch schon durch den Patienten erfolgt 5 Ringerlaktatinfusion 5 Systemische Gabe von β2-Sympathikomimetika (z. B. Bricanyl 0,25–0,5 mg i.m. oder Partusisten 0,25–0,5 mg i.v.) 5 Sedierung 5–10 mg Diazepam i.v. 5 Kortison (250 mg Solu-DecortinH; wirkt erst nach 15 min) 6
Therapie Die Therapie erfolgt symptomatisch durch Verbesserung der Ventilation und des Sauerstoffangebotes. Praxisbox Praktisches Vorgehen bei Lungenkontusion 5 Sitzend lagern (wenn keine Kontraindikationen bestehen) 5 O2-Insufflation 5 Analgesie 5 ggf. Volumenersatz 5 Bestehen weiter Zeichen des gestörten Gasaustausches: Intubation und Beatmung
358
35
Kapitel 35 · Störung der Atmung
. Abb. 35.1a–d. Pathologische Anatomie schwerer Thoraxverletzungen. a Pneumothorax, b,c Spannungspneumothorax (Inspiration und Exspiration), d Hämatothorax
Offene Thoraxverletzung Pathophysiologie Durch Eindringen von Luft in den Interpleuralspalt kommt es zu einem Pneumothorax. Bronchusabrisse führen zu schwersten respiratorischen Veränderungen, die auch bei schnellster notärztlicher Therapie häufig nicht erfolgreich behandelt werden können. Blutungen aus den großen Gefäßen führen zum Hämatothorax mit Blutvolumenmangelschock oder bei Verletzungen der Herzwand oder der Koronararterien zur Perikardtamponade. Symptomatik Je nach Schwere der Verletzung haben die Patienten Luftnot und Zyanose. Hämatothorax (kein Atemgeräusch) oder Perikardtamponade (gestaute Halsvenen), Blutdruckabfall, Tachykardie) sind präklinisch nur schwer zu erkennen. Therapie Ziel ist es, die Respiration zu verbessern. Eine luftdichte Abdeckung der Wunde ist kontraindiziert, da so die offene in eine geschlossene Thoraxverletzung umgewandelt wird und die Entstehung eines Spannungspneumothorax droht.
5 Steril abdecken, kein luftdichter Verband 5 Lagerung sitzend oder auf der verletzten Seite 5 O2-Insufflation 5 Analgesie 5 Bestehen weiter Zeichen des gestörten Gasaustausches: Intubation und Beatmung 5 Bei Verdacht auf Perikardtamponade: Punktion
Pneumothorax Pathophysiologie Durch das Einströmen von Luft
in den Interpleuralspalt kollabiert die Lunge der betroffenen Seite zusammen, es kommt zu einer Störung vor allem der Ventilation und der Verteilung der Luft. Ursache können Lecks in der Pleura visceralis etwa durch eine geplatzte Emphysemblase oder einer iatrogenen Verletzung der Lunge bei einer Punktion (z. B. beim Legen eines Subklaviakatheters) bzw. der Pleura parietalis etwa bei einer offenen Thoraxverletzung sein.
Praxisbox Praktisches Vorgehen bei offener Thoraxverletzung 5 Wenn ein Fremdkörper im Thorax steckt, soll dieser nicht entfernt werden, sondern erst unter OP-Bedingungen in der Klinik 6
Symptomatik Der Pneumothorax (. Abb. 35.1) ist in der präklinischen Situation nur schwer zu erkennen. Das Atemgeräusch ist abgeschwächt, der Klopfschall tympanitisch. Therapie Sie erfolgt präklinisch nur beim Auftreten
eines Spannungspneumothorax.
359 35.4 · Häufige respiratorische Notfälle
35
Spannungspneumothorax
Hämatothorax
Pathophysiologie Durch einen Ventilmechanismus
Pathophysiologie Eine Blutung aus einem intrathorakalen Gefäß in den Interpleuralspalt kann einen schweren Blutvolumenmangelschock hervorrufen, ohne dass eine Blutung nach außen sichtbar wird.
kann sich ein einfacher Pneumothorax in einen Spannungspneumothorax umwandeln: Durch das Leck dringt Luft in den Interpleuralspalt ein, kann aber wegen eines Gewebelappens oder Ähnlichem diesen nicht verlassen, sodass ein Überdruck entsteht. Dieser presst nicht nur die betroffene Lunge zusammen, sondern verlagert auch das Mediastinum zur gesunden Seite und beeinträchtigt dabei die Funktion des Herzens sowie den Rückstrom des Blutes aus den großen Venen in den rechten Vorhof. Dieser Mechanismus verstärkt sich bei Verletzung der Pleura visceralis unter Beatmung. Symptomatik Neben den respiratorischen Symptomen, die auch beim einfachen Pneumothorax zu erheben sind und durch eine schwere Dyspnoe verstärkt werden, treten hier kardiovaskuläre Symptome in den Vordergrund. Die Patienten haben aufgrund des behinderten venösen Rückflusses eine obere Einflussstauung (gestaute Halsvenen, Gesichtsplethora), bei behindertem Herzauswurf sinkt der Blutdruck ab, wobei eine kompensatorische Tachykardie auftritt. Therapie Der Spannungspneumothorax muss sofort
entlastet werden. Dazu wird eine stumpfe Kanüle verwendet, um eine Verletzung des Lungenparenchyms zu vermeiden. Ist ein Pneumothorax diagnostiziert, so muss er vor einer Beatmung durch eine Drainage entlastet werden, da sonst sehr leicht ein Spannungspneumothorax entstehen kann. Praxisbox Praktisches Vorgehen bei Spannungspneumothorax 5 Punktion im zweiten oder dritten ICR in der Medioklavikularlinie am Rippenoberrand mit einer stumpfen Kanüle 5 Einlegen eines Drainagekatheters 5 O2-Insufflation 5 Bei weiter bestehenden Zeichen der respiratorischen Insuffizienz: Intubation und Beatmung
Symptomatik Die typischen Zeichen des Hämato-
thorax (abgeschwächtes Atemgeräusch und Dämpfung) (. Abb. 35.1) sind präklinisch kaum zu diagnostizieren. Es muss jedoch bei jeder Thoraxverletzung vor allem dann daran gedacht werden, wenn eine Blutvolumenmangelschocksymptomatik besteht und keine Blutungsquelle nach außen erkennbar ist. Praxisbox Praktisches Vorgehen bei Hämatothorax 5 Schocktherapie 5 Bei schwerer respiratorischer Insuffizienz: Einlegen einer dicken Drainage in der mittleren Axillarlinie 5 Cave: Verletzung der Abdominalorgane, nicht unterhalb der Mamille punktieren
36 36
Störungen des Kreislaufs
36.1
Physiologie – 362
36.2
Pathophysiologie – 362
36.3
Symptomatik
36.4
Häufige kardiozirkulatorische Notfälle – 362
36.4.1 36.4.2 36.4.3 36.4.4 36.4.5 36.4.6
Schock – 362 Akutes Koronarsyndrom (ACS) – 365 Herzinsuffizienz und kardiales Lungenödem Herzrhythmusstörungen – 367 Lungenembolie – 367 Hypertensive Krise – 368
– 362
– 366
362
36.1
36
Kapitel 36 · Störungen des Kreislaufs
Physiologie
Durch die Pumpfunktion des Herzens wird das Blut durch die Blutgefäße zu den verschiedenen Organen gepumpt. Es enthält Sauerstoff und die für den Metabolismus notwendigen Substrate. Gleichzeitig werden Metaboliten, vor allem Kohlendioxid, aber auch andere Substanzen, aus diesen Organen zur Ausscheidung über die Lunge und Niere, aber auch zur weiteren Metabolisierung in die Leber transportiert.
36.2
Pathophysiologie
Störungen der kardiozirkulatorischen Funktion führen zu einer Minderperfusion der Organe und damit zu einem verminderten Sauerstoff- und Substratangebot bzw. einer Anhäufung von Metaboliten in den Geweben. Ursachen einer solchen kardiozirkulatorischen Funktionsstörung können sein: 4 Schock (hypovolämisch, anaphylaktisch, septisch, kardiogen; ausführliche Darstellung der Pathophysiologie in Kap. 22), 4 Herzinsuffizienz durch Kardiomyopathie oder Herzinfarkt, 4 Herzrhythmusstörungen durch Herzinfarkt, Elektrolytverschiebungen oder Digitalisintoxikaton, Eine besondere Rolle spielt die hypertensive Krise (systolischer Blutdruck >200 mmHg) mit der Gefahr einer daraus folgenden intrakraniellen Blutung sowie der akuten Herzinsuffizienz.
36.3
Symptomatik
Zentralisation im Schock ist sie nicht durchblutet (Nagelbettprobe: Nach dem Druck auf das Nagelbett füllt sich dieses nur verlangsamt wieder mit Blut). Eine Einflussstauung mit gefüllten Halsvenen und vergrößerter Leber ist Zeichen einer Rechtsherzinsuffizienz, ein Lungenödem Zeichen einer Linksherzinsuffizienz. Es kann auch eine Kombination von beidem auftreten. Thoraxschmerz mit Ausstrahlung meist (nicht immer) in den linken Arm (Angina pectoris) weist auf eine verminderte Koronarperfusion hin; bei Therapieresistenz gegen Nitroglyzerin besteht der Verdacht auf Herzinfarkt.
36.4
Häufige kardiozirkulatorische Notfälle
36.4.1
Schock
Hypovolämischer Schock Pathophysiologie 7 Kap. 22.3. Blutungen nach au-
ßen oder in die großen Körperhöhlen bzw. in das Gewebe führen zu einer Verminderung des Blutvolumens und damit zu einem verminderten venösen Rückstrom zum Herzen, was ein reduziertes Auswurfvolumen des Herzens und damit eine Abnahme der Mikrozirkulation zur Folge hat (Zentralisation). Das Blut wird hauptsächlich in die lebenswichtigen Organe (Herz, Lunge, Gehirn) gepumpt. Der hypovolämische Schock kann aber auch durch Eiweißund Wasserverluste bei Verbrennungen oder durch Wasserverluste in dritte Räume (Ileus), bei Erbrechen und Durchfällen oder bei Einwirkungen von extremer Hitze (Hitzeerschöpfung bzw. Exsikkose bei Kindern durch Fieber) verursacht sein. Symptomatik Die Patienten sind kaltschweißig und
Die Pulsqualität gibt Hinweise auf Rhythmusstörungen (Bradykardie, Tachykardie, Extrasystolen), die Höhe des Blutdrucks und auf Durchblutungsstörungen (z. B. fehlender Puls in den Leisten beim rupturierten Aortenaneurysma). Der Blutdruck ist bei einer verminderten peripheren Zirkulation erniedrigt bzw. hypertensiven Krisen pathologisch erhöht. Die Haut kann als Folge einer sympathikoadrenergen Reaktion kaltschweißig sein. Bei einer
blass, haben eine Tachykardie bei niedrigem Blutdruck. Vor allem junge Patienten können schwerste Volumenverluste lange mit einem normalen Blutdruck kompensieren. Durch den niedrigen Blutdruck kann es zu Bewusstseinsstörungen kommen. Um das Ausmaß des Schocks abschätzen zu können, muss eine Abschätzung des Blutverlustes durch Verletzungen vorgenommen werden (. Tabelle 36.1).
363 36.4 · Häufige kardiozirkulatorische Notfälle
36
Therapie Ziel ist es, neben dem Versuch der Blut. Tabelle 36.1. Blutverlust bei Verletzungen
Verletzung
In der ersten Stunde
Nach 24 h
Oberarmfraktur
400 ml
bis 800 ml
Unterarmfraktur
200 ml
bis 400 ml
Beckenfraktur
2000 ml
bis 5000 ml
Oberschenkelfraktur
1000 ml
bis 2000 ml
Unterschenkelfraktur
500 ml
bis 1000 ml
Stumpfes Bauchtrauma
2500 ml
bis 4000 ml
Hämatothorax
1000 ml
bis 3000 ml
500 ml
bis 2000 ml
Retroperitoneum
stillung das Blutvolumen vor allem in den zentralen Gefäßstrombahnen zu vergrößern, um eine ausreichende Pumpfunktion des Herzens zu gewährleisten. Dieses erfolgt durch eine interne Volumenverschiebung durch Kopftieflage und die Infusion von Volumenersatzmitteln. Anaphylaktischer Schock Pathophysiologie Allergene führen im Rahmen einer anaphylaktischen bzw. anaphylaktoiden Reaktion zur Ausschüttung von Histamin und anderen biogenen Aminen, die durch eine Vasodilatation zu einem relativen Blutvolumenmangel führen. Symptomatik Die anaphylaktische Reaktion wird
nach der Symptomatik in vier Schweregrade (. Tabelle 36.2) eingeteilt, die eine jeweils unterschiedliche Therapie erfordern.
Praxisbox
Therapie In jedem Fall ist die Applikation des ana-
Praktisches Vorgehen bei hypovolämischem Schock 5 Blutstillung, wenn möglich, durch Hochlagerung und Druckverband, bei unzureichender Blutstillung: Abbinden. Das Setzen von Gefäßklemmen ist kontraindiziert, da eine operative Versorgung der Gefäße auf diese Weise erschwert wird 5 Abschätzen des möglichen Blutverlustes bei geschlossenen Verletzungen 5 20°-Kopftieflagerung, eventuell zusätzlich angehobene Beine 5 O2-Insufflation 5 Infusion von kolloidalen Volumenersatzmitteln (z. B. HAES, 7 Kap. 7.2.3) bis eine Kreislaufstabilisierung (Normalisierung des Blutdrucks und Absinken der Herzfrequenz) erreicht ist 5 Ist keine Kreislaufstabilisierung zu erreichen: Infusion von Vollelektrolytlösungen (mehr als 1500 ml kolloidaler Volumenersatzmittel führen zu Gerinnungsstörungen) oder Blutkonserven, sobald diese zur Verfügung stehen
phylaktoiden Agens zu stoppen. Die Therapie erfolgt dann entsprechend des klinischen Schweregrades (. Tabelle 36.2). Kardiogener Schock Pathophysiologie Ein Pumpversagen des Herzens
führt zur Mikrozirkulationsstörung. Die häufigste Ursache ist eine hypoxische Schädigung des Myokards im Rahmen eines Myokardinfarktes. Aber auch Herzrhythmusstörungen können die Ursache sein. Im Gegensatz zu den anderen Schockformen liegt kein Volumenmangel vor. Aufgrund der verminderten Pumpleistung kommt es zu einer Einflussstauung sowohl vor dem linken als auch vor dem rechten Ventrikel. Ein Lungenödem kann die Folge sein, wenn der kapilläre Blutdruck als Folge der Stauung den onkotischen Druck übersteigt. Symptomatik Neben der entsprechenden Sympto-
matik der den kardiogenen Schock auslösenden Krankheit steht die Symptomatik der Herzinsuffizienz möglicherweise verbunden mit einem Lungenödem (7 dort) im Vordergrund. Dazu kommen die allgemeinen Schockzeichen mit blasser, kaltschweißiger Haut und niedrigem Blutdruck. Die Patienten sind brady- oder tachykard je nach Ursache der Herzinsuffizienz.
364
Kapitel 36 · Störungen des Kreislaufs
. Tabelle 36.2. Gradeinteilung der anaphylaktischen Reaktion
36
Klinik
Therapie
Grad I
Hautquaddeln und Erythem
Antihistaminika z. B. Tavegil und Cimetidin
Grad II
Blutdruckabfall um 20 mmHg, Tachykardie >120/min, Übelkeit, Erbrechen
Antihistaminika z. B. Tavegil und Cimetidin plus Prednisolon 100 mg
Grad III
Schock, Bronchospasmus
Adrenalin (Suprarenin 0,1 mg) plus Prednisolon (Solu-Decortin H 1 g) plus Volumensubstitution mit Kolloiden oder Ringer-Laktatlösung
Grad IV
Kreislauf- und Atemstillstand
Kardiopulmonale Reanimation (7 Kap. 37)
Die Therapie der verschiedenen Grade baut auf den vorherigen auf
Therapie Ziel ist es die Pumpfunktion des Herzens zu steigern, um eine adäquate Mikrozirkulation wiederherzustellen. Dazu werden neben der Behandlung der Ursachen des kardiogenen Schocks (z. B. Rhythmusstörungen) Inotropie und Chronotropie gesteigert und vor allem bei Stauungszeichen der venöse Rückfluss zum Herzen gesenkt, um die Wandspannung des Herzens zu senken und die durch ein eventuell bestehendes Lungenödem gestörte Oxygenierung zu verbessern.
Verletzung der Wirbelsäule oder aber auch durch eine pharmakologische Blockade infolge einer rückenmarksnahen Leitungsanästhesie kann es zu einem Zusammenbruch der sympathischen Innervation der Gefäße kommen. Dieses führt zu einer Vasodilatation und damit zu einem relativen Volumenmangel. Sind die Nn. accelerantes mitbetroffen (Läsion oberhalb von Th4), kann es zu einer extremen Senkung von Inotropie und Chronotropie kommen. Symptomatik Immer ist der neurogene Schock mit
Praxisbox Praktisches Vorgehen bei kardiogenem Schock 5 Sitzende Lagerung mit herabhängenden Beinen 5 O2-Insufflation 5 ggf. Analgesie (Morphin 5–10 mg) bzw. Sedierung (Dormicum 5 mg titriert) 5 Dobutamin (Dobutrex) in Spritzenpumpe oder 250 mg in 500 ml (davon 10–40 Tr./min) 5 Ringer-Laktatlösung nach Wirkung infundieren 5 Bei gleichzeitig bestehendem Lungenödem Nitroglyzerin, unblutiger Aderlass und Diuretika (7 Lungenödem) in Abhängigkeit vom Blutdruck
Neurogener Schock Pathophysiologie Der neurogene Schock wird auch als spinaler Schock bezeichnet und ist von der Ohnmacht (7 dort) zu trennen. Im Rahmen einer
einer spinalen Affektion verbunden. Der Puls ist normal oder verlangsamt (bei Läsion oberhalb Th4), der periphere Widerstand erniedrigt und damit die Haut warm und trocken. Therapie Neben einer Erhöhung des venösen Rück-
stroms durch Kopftieflagerung kann durch Infusion von Volumenersatzmitteln und Gabe von positiv inotrop und vorlasterhöhenden Medikamenten wie Akrinor versucht werden, eine adäquate Zirkulation wiederherzustellen. In schweren Fällen müssen jedoch Katecholamine mit α-stimulierender Wirkung wie Dobutamin und Noradrenalin infundiert werden. Ohnmacht Pathophysiologie Als Folge einer vagalen Reaktion oder aber bei vermindertem venösen Rückfluss bei langem Stehen (vor allem bei Hitze und ohne Muskelpumpe) kommt es zu einer zerebralen Minderversorgung mit Blut, was zu einer Bewusstlosigkeit führt. Der Patient kollabiert, das Blut fließt nun in-
365 36.4 · Häufige kardiozirkulatorische Notfälle
folge des hydrostatischen Gefälles wieder in das Gehirn, der Patient erwacht. Symptomatik Der Patient ist bewusstlos, der Blutdruck niedrig, der Puls langsam. Eine vitale Bedrohung des zunächst dramatisch aussehenden Bildes besteht nicht. Therapie Bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes hat sich die Symptomatik meist wieder zurückgebildet. Ist dies nicht der Fall, so handelt es sich nicht um eine Ohnmacht, es muss eine andere vitalbedrohende Krankheit vermutet werden. Geholfen werden kann durch die Anwesenden dadurch, dass sie den Patienten beim Kollabieren vor Verletzungen schützen und durch Schocklagerung das Wiederkehren des Wohlbefindens beschleunigen.
36.4.2
Akutes Koronarsyndrom (ACS)
Pathophysiologie Herzerkrankungen durch Koronarinsuffizienz gehören zu den häufigsten Todesursachen in den industriellen Ländern. Ursache sind arteriosklerotische Auflagerungen in den Koronargefäßen infolge exogener Noxen (Rauchen, Überernährung) aber auch konstitutioneller Risiken (z. B. Hyperlipidämie). Infolge der Stenosen kommt es zu einer Hypoxie des Myokards, die starke Schmerzen verursacht (Angina pectoris). Diese kann vor allem auch bei erhöhtem myokardialem Sauerstoffverbrauch durch Stress bei körperlicher oder seelischer Belastung auftreten. Ist eine Koronararterie durch thrombotische Auflagerungen auf den arteriosklerotischen Plaque vollkommen verschlossen, so kommt es zu einer andauernden Hypoxie des Myokards (Myokardinfarkt). Die Patienten sind vor allem dann vital gefährdet, wenn das Reizleitungssystem im infarzierten Bereich liegt und es zum Kammerflimmern kommt (Sekundenherztod). Aber auch alle anderen Formen des Herzstillstands, ein kardiogener Schock infolge myokardialen Pumpversagens, die Ruptur eines Herzwandaneurysmas oder der Abriss eines Papillarmuskels, können den Patienten vital gefährden. Präklinisch ist dieser Pathomechanismus des Herzinfarktes nicht von einem Koronarspasmus (Prinzmetal-Angina) zu unterscheiden.
36
Symptomatik Die Patienten leiden unter starkem Schmerz, der typischerweise in den linken Arm ausstrahlt, teilweise aber auch in den Oberbauch oder in den Rücken. An die Differentialdiagnose einer Aortendissektion ist zu denken (Symptome: keine Pulse in der Leiste tastbar). Dazu kommt ein Engegefühl im Thorax mit dem Gefühl einer starken Lebensbedrohung. Die weitere Einschätzung ist nun vom EKGBefund abhängig, wobei eine richtige Diagnostik nur mit einem 12-Kanal-EKG durchgeführt werden kann. Liegt keine ST-Hebung vor, so handelt es sich um eine instabile Angina pectoris, wenn die Enzyme negativ bleiben, oder man spricht von NSTEMI (»non-ST-segment-elevation myocardial infarction«), wenn die Nekroseenzyme ansteigen. Liegt eine erhöhte ST-Strecke vor und sind die Herzenzyme pathologisch, so spricht man von STEMI (»ST-segment-elevation myocardial infarction«). Sowohl NSTEMI als auch STEMI sind Zeichen für einen abgelaufenen Myokardinfarkt. Die Unterscheidung in NSTEMI und STEMI hat für die Klinik eine große Bedeutung: Bei STEMI soll so schnell wie möglich eine Revaskularisierung durch Wiedereröffnung der verschlossenen Koronararterie angestrebt werden. Therapie Ziel der Therapie ist es zum einen, die
vitale Bedrohung des Patienten vor allem durch Rhythmusstörungen herabzusetzen und ein weiteres Ausbreiten des Infarktes zu verhindern, in dem die myokardiale Sauerstoffversorgung verbessert und der -verbrauch verringert wird. Der Patient wird immer unter Monitoring in Begleitung eines Notarztes in die Klinik gebracht. Es wird Sauerstoff gegeben und der Schmerz mit Morphin behandelt. Zur Koronardilatation wird Nitroglyzerin verabreicht, zur Verminderung einer weiteren Thrombosierung der Koronarien Acetylsalicylsäure und Heparin. Der myokardiale Sauerstoffverbrauch kann außerdem durch Betablocker oder Kalziumantagonisten gesenkt werden. Die definitive Therapie ist der Versuch der Revaskularisierung entweder durch eine perkutane Koronarangioplastie (PTCA) oder einer Lyse mit fibrinolytischen Substanzen innerhalb der ersten 1–2 Stunden nach Auftreten des Infarkts. Eine PCI ist nur in spezia-
366
36
Kapitel 36 · Störungen des Kreislaufs
lisierten Krankenhäusern mit einem Linksherzkatheterlabor möglich. Ist dieses nicht innerhalb von 60 min zu erreichen, so sollte eher eine fibrinolytische Therapie eingeleitet werden. Inwieweit damit schon präklinisch begonnen werden sollte, ist umstritten und hängt von den örtlichen Gegebenheiten ab. Praxisbox Praktisches Vorgehen beim akuten Koronarsyndrom 5 Sauerstoffinsufflation 5 Nitroglyzerin 0,8–1,6 mg sublingual als Kapsel oder Spray (Kontraindikationen beachten) 5 Monitoring (EKG, Blutdruck) 5 Venöser Zugang 5 Morphin 5–10 mg i.v. 5 100–500 mg Aspirin i.v. 5 5000 IE Heparin i.v. 5 Metoprolol (z. B. Beloc) 2–5 mg i.v. (Kontraindikationen beachten) 5 Bei kardiogenem Schock oder Kreislaufstillstand entsprechende Maßnahmen 5 präklinische Lyse unter bestimmen Umständen: – Notarzt in dieser Behandlung erfahren – ST-Strecken-Hebung im 12-Kanal-EKG nachgewiesen – keine Kontraindikationen für Lysetherapie – PTCA nicht möglich. Therapie mit: Streptokinase 1,5 Millionen IE oder rt-PA 15 mg iv. als Bolus, danach 50 mg iv. über 30 min. und weitere 35 mg i.v. über weitere 60 min danach jeweils Vollheparinisierung mit 5000–10000 IE Heparin iv., anschließend 1000–2000 IE/h iv.
36.4.3
Herzinsuffizienz und kardiales Lungenödem
Pathophysiologie Eine Myokardinsuffizienz führt
zu einem Rückstau des Blutes im großen und/oder kleinen Kreislauf. Lebensbedrohlich ist vor allem die Stauung im kleinen Kreislauf, da sie bei einem Anstieg des kapillären Blutdrucks über den onkotischen
Druck zu einem Austritt von Plasma in das Interstitium und die Alveolen der Lunge und damit zu einer respiratorischen Insuffizienz führt. Symptomatik Im Vordergrund steht die Einfluss-
stauung: obere Einflussstauung mit dicken Halsvenen und ggf. Plethora bei Stauung im rechten Kreislauf, Luftnot mit grobblasigen Rasselgeräuschen und blutig schaumigem Auswurf sowie Zyanose als Zeichen des Lungenödems bei Stauung vor dem linken Herzen, niedriger Blutdruck und in der Regel eine Tachykardie. Im Extremfall können Schockzeichen (7 kardiogener Schock) hinzukommen. Therapie Die Vorlast des Herzens soll gesenkt und
die Inotropie gesteigert werden. Dieses kann durch einfache nichtinvasive Maßnahmen (Lagerung, unblutiger Aderlass) und Medikamente erreicht werden. Praxisbox Praktisches Vorgehen bei Herzinsuffizienz und kardialem Lungenödem 5 Sauerstoffinsufflation venöser Zugang 5 Sitzende Lagerung mit herabhängenden Beinen 5 Unblutiger Aderlass: Anlegen von venösen Stauungen auch an den unteren Extremitäten, wobei eine Stauung über jeweils 15 min entlastet wird 5 Wenn keine Besserung der Symptomatik: Nitroglyzerin 0,8–1,6 mg Nitrolingual als Kapsel oder Spray 5 Furosemid 40 mg iv. 5 Bei unruhigem oder ängstlichem Patient: Sedierung (Morphin) 5 Bei weiter bestehender respiratorischer Insuffizienz: Intubation und Beatmung mit PEEP 5 Katecholamine (Dobutrex)
36.4.4
Herzrhythmusstörungen
Pathophysiologie Die Ursache von akuten Herz-
rhythmusstörungen mit hämodynamischen Auswirkungen können mannigfaltig sein. Am häufigsten
367 36.4 · Häufige kardiozirkulatorische Notfälle
sind Myokardhypoxien, vor allem dann, wenn das Reizleitungssystem mitbetroffen ist. Symptomatik Für die Differenzierung der Herz-
rhythmusstörungen am Notfallort ist die Ableitung des EKG notwendig. Therapie Die Therapie erfolgt symptomatisch. Sie ist nur notwendig, wenn der Patient vital bedroht ist. Praxisbox Praktisches Vorgehen bei Herzrhythmusstörungen Supraventrikuläre Tachykardie (mit schmalen Kammerkomplexen): 5 Sauerstoffgabe und venöser Zugang 5 Karotisdruck zur Vagusstimulation 5 Adenosin (Adrekar) Bolus 3–6 mg i.v. Wenn ohne Erfolg (bei stabilem Blutdruck) 5 Esmolol 40 mg i.v., dann 4–12 mg/min i.v. oder 5 Verapamil 5–10 mg i.v. (nicht bei Vorbehandlung mit Betablockern) oder 5 Amiodaron (Cordarex) 300 mg i.v. 5 Digoxin bis zu 0,5 mg i.v. über 30 min Ventrikuläre Tachykardie (mit breiten Kammerkomplexen) 5 Sauerstoffgabe und venöser Zugang Wenn Puls nicht vorhanden 5 Kardiopulmonale Reanimation Wenn Puls vorhanden 5 Bei prognostisch ungünstigen Zeichen (niedriger Blutdruck, Herzfrequenz >150/min, Thoraxschmerz, »low output«): – Elektrische Kardioversion 100 – 200 – 360 J – ggf. Kalium max. 30 mmol/h – Amiodaron (Cordarex) 150 mg i.v. über 10 min – ggf weiter Kardioversion – ggf. weitere Pharmaka (Amiodaron, Lidocain, Procainamid, Sotalol) 6
36
5 bei prognostisch günstigen Zeichen – ggf. Kalium max. 30 mmol/h – Amiodaron (Cordarex) 150 mg i.v. über 10 min oder – Lidocain 50 mg i.v. alle 5 min bis max. 200 mg – Elektrische Kardioversion 100 – 200 – 360 J – ggf erneut Amiodaron (Cordarex) 150 mg i.v. über 10 min – ggf. weitere Kardioversion Bradykardie (mit stabilem Kreislauf ) 5 Atropin 0,5–3 mg i.v. 5 ggf. Adrenalin 0,1–1 mg/min i.v. 5 ggf. externer Schrittmacher
36.4.5
Lungenembolie
Pathophysiologie Bei der akuten Lungenembolie handelt es sich um eine totale oder subtotale Verlegung der Lungenstrombahn durch einen Embolus, der meist aus den tiefen Bein- oder Beckenvenen stammt. Es kommt zum plötzlichen Anstieg des pulmonalen Gefäßwiderstandes mit einer entsprechenden Rechtsherzbelastung. Die Freisetzungen vasoaktiver Amine aus dem Embolus verstärken die Veränderungen im kleinen Kreislauf. Symptomatik Abhängig vom Schweregrad der Lun-
genembolie geht diese häufig symptomlos vorüber oder mit unspezifischen Symptomen wie Atemnot, Thoraxschmerz, später auch Husten und Pleuraschmerz einher. Diese verstärken sich bei der fulminanten Lungenembolie zu Dyspnoe, heftigem Angstgefühl, respiratorischer Insuffizienz und auch kardiogenem Schock. EKG-Veränderungen sind in der Regel präklinisch auf dem Monitor nicht eindeutig zu werten. In der Klinik zeigt das EKG meist eine akute Veränderung der elektrischen Herzachse (Rechtsbelastung) und einen SIQIII-Typ. Therapie Durch Sedierung und Analgesie wird der
Sauerstoffverbrauch des Patienten gesenkt. Heparin soll eine thrombotische Vergrößerung des Throm-
368
36
Kapitel 36 · Störungen des Kreislaufs
bus verhindern. Die präklinische Lysetherapie mit Streptokinase bleibt hauptsächlich internistisch ausgerichteten Rettungszentren vorbehalten, an kardiochirurgischen Zentren wird die Lungenembolie durch die Trendelenburg-Operation häufig sehr erfolgreich behandelt. Praxisbox Praktisches Vorgehen bei Lungenembolie 5 Sitzende Lagerung 5 Sauerstoffinsufflation venöser Zugang 5 Heparin 5000 IE i.v. 5 Sedierung, z. B. Midazolam (Dormicum) titriert in 2,5-mg-Schritten 5 Analgetika, z. B. Morphin 3–5 mg i.v. 5 Bei kardiogenem Schock: Schockbehandlung (7 dort) 5 Bei Kreislaufstillstand: kardiopulmonale Reanimation 5 In der Klinik, ggf. auch präklinisch: Streptokinase.
36.4.6
Hypertensive Krise
Pathophysiologie Die Ursache einer hypertensiven Krise kann unterschiedlich sein. Häufig haben die Patienten eine essentielle Hypertonie. Bei einem Blutdruck über 220 mmHg systolisch bzw. 115 mmHg diastolisch sind sie vital gefährdet durch Auftreten einer intrazerebralen Blutung, eines Lungenödems, eines Myokardinfarkts einer Herzinsuffizienz und einer Aortendissektion. Symptomatik Kopfschmerzen und eine zunehmende Bewusstseinstrübung stehen im Vordergrund. Häufig führt auch erst der zerebrale Apoplex (Infarkt oder Blutung) zu einer Alarmierung des Notarztes. Ein Nasenbluten entsteht häufig durch eine hypertone Krise. Therapie Eine überschießende blutdrucksenkende
Therapie ist zu vermeiden. Vor allem bei alten arteriosklerotischen Patienten oder aber auch bei einer intrakraniellen Raumforderung besteht ein Erfordernishochdruck.
Praxisbox Praktisches Vorgehen bei hypertensiver Krise 5 Sitzende Lagerung 5 10 mg Nifedipin (Adalat) als Kapsel 5 Bei unzureichender Wirkung: 50–100 mg Urapidil (Ebrantil) i.v. oder 0,15 mg Clonidin (Catapresan) als Kurzinfusion i.v. 5 Bei Erregung: Sedierung
37 37 Kardiopulmonale Reanimation 37.1 Pathophysiologie – 370 37.2 Symptomatik 37.3 Therapie
– 370
– 370
37
370
Kapitel 37 · Kardiopulmonale Reanimation
37.1
Pathophysiologie
Die schwerste Störung der Vitalfunktionen ist der Herz-Kreislauf-Stillstand. Dabei können sowohl pulmonale, kardiozirkulatorische als auch zerebrale Störungen sowie Störungen des Wasser-ElektrolytHaushalts die Ursache sein. In jedem Fall kommt es zu einem Zusammenbruch der Zirkulation. Das Überleben der Organe des Patienten ist von der so genannten Wiederbelebungszeit abhängig, die von Organ zu Organ unterschiedlich ist. Limitierend für das Überleben des Patienten ist das Gehirn mit der kürzesten Wiederbelebungszeit: Nach einer Minute kommt es bei unterbrochener Sauerstoffzufuhr zum Funktionsausfall (Bewusstlosigkeit), nach drei Minuten zum irreparablen Gewebsuntergang. In dieser Zeit muss die Sauerstoffzufuhr wiederhergestellt werden durch das Durchbrechen des Kreislaufstillstandes oder den Beginn der kardiopulmonalen Reanimation. Nach der Art der dem Kreislaufstillstand zugrunde liegenden und im EKG erkennbaren kardialen Funktionsstörung unterscheidet man 3 Formen: Kammerflimmern, Asystolie und Hyposystolie. Beim Kammerflimmern kommt es zu einer unkoordinierten Erregungsausbreitung aus verschiedenen Zentren des Myokards. Diese Form tritt am häufigsten als Folge der Rhythmusstörungen bei einem Myokardinfarkt auf und hat bei rechtzeitiger Therapie eine relativ gute Prognose. Eine Unterform ist das Kammerflattern, das ebenfalls keine nennenswerte Auswurfleistung bietet. Eine Differenzierung ist nur im EKG möglich. Beim Kammerflattern ist ein sägezahnähnliches Muster, beim Kammerflimmern ein unkoordinierter höher frequenter Kurvenverlauf zu erkennen. Als Asystolie bezeichnet man den völligen elektrischen Stillstand des Myokards und des Reizleitungssystems.
Bei der Hyposystolie kommt es zur elektromechanischen Entkopplung, d. h. im Reizleitungssystem laufen noch Erregungen ab, die jedoch nicht auf das Myokard übertragen werden, sodass es auch hier zum völligen Stillstand des Myokards kommt.
37.2
Symptomatik
Die Symptomatik ist, abgesehen vom EKG, bei allen Formen des Kreislaufstillstand gleich: Bewusstlosigkeit, blasszyanotische Hautfarbe (außer bei CO-Vergiftungen), weite, lichtstarre Pupillen, Pulslosigkeit, Atemstillstand, Reflexlosigkeit. Eine Ausnahme bildet die Situation unmittelbar nach Auftreten eines Herzstillstands etwa beim Kammerflimmern beim Myokardinfarkt, bei der der Patient noch bei Bewusstsein sein und atmen kann, wo jedoch schon ein Kreislaufstillstand besteht. EKG- Veränderungen (. Abb. 37.1): 4 Kammerflimmern: sägezahnähnlicher Kurvenverlauf mit sehr hoher Frequenz, beim Kammerflattern niedrigere Frequenz, 4 Asystolie: Nulllinie, 4 Hyposystolie: einzelne plumpe, deformierte Kammerkomplexe.
37.3
Therapie
Diagnostik und Therapie gehen zu Beginn der kardiopulmonalen Reanimation ineinander über. Prinzipiell werden Basismaßnahmen von den erweiterten Maßnahmen unterschieden. Die Basismaßnahmen umfassen diejenige Hilfeleistungen wie Atemspende und Herzdruckmassage die ohne weiteres Material von jedem ausgebildeten Ersthelfer durchgeführt werden können. Die erweiterten Maßnahmen setzen entsprechende Gerätschaften und Ausbildung voraus und beinhalten die Defibrilla-
. Abb. 37.1a–c. EKG-Veränderungen beim Kreislaufstillstand
a
Kammerflimmern
b
Asystolie
c
Hyposystolie
371 37.3 · Therapie
. Abb. 37.2. Flussdiagramm Kardiopulmonale Reanimation nach Empfehlungen des European Resuscitation Council
37
Diagnostischer Block Lagerung, Hilfe holen, Notruf CPR (2:15) mit Maskenbeatmung und O2-Reservoir Rhythmusanalyse über Paddles des Defibrillators Pulslose ventrikuläre Tachykardie (pVT)
Pulslose elektrische Aktivität
Defibrillation 200 J, Rhythmusanalyse 200–300 J, Rhythmusanalyse 200 J, Rhythmusanalyse bei fortbestehender VF oder PVT CPR (2:15) bis Intubation möglich
CPR (2:15) bis Intubation möglich
Intubation
Intubation
Adrenalin 2–3 mg endobronchial
Adrenalin 2–3 mg endobronchial
CPR 1 min
CPR 1 min
wenn möglich, EKG anlegen und Rhythmusanalyse
wenn möglich, EKG anlegen und Rhythmusanalyse
bei fortbestehender VF oder PVT Defibrillation 3-mal 360 J, Rhythmusanalyse CPR bis i.v.-Zugang möglich
CPR bis i.v.-Zugang möglich
i.v.-Zugang
i.v.-Zugang
Adrenalin 1 mg i.v. alle 3–5 min oder Vasopressin 40 U i.v. einmalig (in Deutschland noch nicht zugelassen)
Adrenalin 1 mg i.v. alle 3–5 min oder Vasopressin 40 U i.v. einmalig (in Deutschland noch nicht zugelassen)
bei fortbestehender VF oder PVT Defibrillation 3-mal 360 J, Rhythmusanalyse bei fortbestehender VF oder PVT
bei Asystolie oder Bradykardie
Antiarrhythmika? (z. B. Amiodaron, Lidocain, Magnesium, Ajmalin)
Atropin 1–3 mg i.v. Pacing transthorakal
CPR 1 min
CPR bis zu 3 min
Rhythmusanalyse
Rhythmusanalyse Weiteres Vorgehen nach Maßgabe des Notarztes
tion, EKG, Diagnostik, Intubation und differenzierte medikamentöse Therapie. Den schematischen Ablauf zeigt das Flussdiagramm in . Abb. 37.2. Basismaßnahmen
Zunächst wird beim Verdacht eines Kreislaufstillstandes das Bewusstsein durch Ansprache ggf. auch
durch Schütteln oder leichte Schmerzreize überprüft. Reagiert der Patient adäquat, so wird er weiter überwacht und ggf. Hilfe geholt. Ist er bewusstlos, so werden die Atemwege freigemacht und die Atmung und der Kreislauf überprüft. Sind Atmung und Kreislauffunktion ausreichend, wird der Patient in stabile Seitenlage gebracht und der Notruf veranlasst.
372
Kapitel 37 · Kardiopulmonale Reanimation
37
. Abb. 37.3a–c. Atemspende. a,b Mund-zu-Nase-Beatmung, c Mund-zu-Mund-Beatmung
Bei einem Atemstillstand bei tastbarem Puls wird eine Atemspende als Mund-zu-Nase- oder Mund-zu-Mund-Beatmung durchgeführt. Bei kleinen Kindern wird über Mund und Nase beatmet. Nach 10 Insufflation wird der Notruf veranlasst und dann weiter beatmet. Alle Minute wird der Kreislauf überprüft. Praxisbox Praktisches Vorgehen bei Atemspende (Mund-zu-Nase-Beatmung, . Abb. 37.3) 5 Eine Hand an die Stirn-Haar-Grenze 5 Andere Hand an den Unterkiefer, mit dem Daumen dieser Hand die Lippen zusammenschieben und damit den Mund verschließen 5 Luft insufflieren. Dabei nicht zu hohen Beatmungsdruck aufwenden, da sich bei einem Druck über 16–20 cm H2O der gastroösophageale Sphinkter sich öffnet und die Luft in den Magen geblasen wird. Es besteht Aspirationsgefahr. Außerdem verschlechtert sich die respiratorische Situation durch das nun hochstehende Zwerchfell. 5 Beim Ausströmen der Luft während der Exspiration Thoraxbewegung beobachten und Exspirationsluft hören, dadurch Effektivitätskontrolle, in keinem Fall die Exspirationsluft selbst wieder einatmen 6
5 Selbstschutz bei Vergiftungen durch Kontaktgifte (z. B. E 605) durch Verwendung von Tuben für die Atemspende, bei toxischen Gasen durch Bergen des Patienten aus dem toxischen Bereich
Liegen ein Atemstillstand und ein Kreislaufstillstand vor, so wird als Erstes der Notruf veranlasst und dann mit der kardiopulmonalen Reanimation begonnen. 4 Ein-Helfer-Methode: 15 Kompressionen mit einer Frequenz von 100/min, gefolgt von zwei Beatmungen; 4 Zwei-Helfer-Methode: Massage mit einer Frequenz von 100/min, wobei nach jeder 5. Kompression beatmet wird. Be- und Entlastung bei der Herzdruckmassage sollen gleichlang sein. Auf die richtige Technik ist zu achten. Praxisbox Praktisches Vorgehen bei Herzdruckmassage 5 Auf Höhe des Brustkorbes im rechten Winkel neben den Patienten knien oder stellen 5 Handballen der einen Hand auf die Übergang von mittleren zum unteren Drittel des Sternums bzw. drei Querfinger vom unteren Sternumende entfernt auf das Sternum auf6
373 37.3 · Therapie
37
. Abb. 37.4a–c. Technik der Herzdruckmassage
setzen. Den Ballen der zweiten Hand auf die erste setzen. Die Finger sollen den Thorax nicht berühren 5 Schultern direkt über die Hände bringen, damit keine Scherbewegung auf den Thorax des Patienten einwirkt, Arm völlig durchstrecken 5 Sternum mit einer Kraft von etwa 30–40 kp um ungefähr 5 cm zur Wirbelsäule drücken
Komplikationen der Herzdruckmassage: Pneumound Hämatothorax, Parenchymeinriss innerer Organe mit folgender intraabdomineller Blutung, Herzkontusion, Herztamponade. Diese Komplikationen lassen sich bei richtiger Technik vermeiden (. Abb. 37.4).
nicht erkennbares Kammerflimmern nicht zu übersehen. Liegt ein Kammerflimmern oder -flattern vor, so wird sofort defibrilliert. Defibrillation Die mit Elektrodengel versehnen Paddels des Defibrillators müssen über der Herzachse mit festem Druck auf den Thorax aufgesetzt werden. Primär erfolgen bei fortbestehendem Kammerflimmern drei Defibrillationen mit 200/200/360 J kurz hintereinander ohne erneute zwischenzeitliche Reanimationsbemühungen. Führt dieses nicht zum Erfolg werden zunächst ebenso wie nach der Diagnose einer Asystolie oder Hyposystolie 10 Reanimationszyklen aus je 5 Thoraxkompressionen und 1 Beatmung durch geführt und der Patient dann endotracheal intubiert und mit einem venösen Zugang versorgt. Intubation und Beatmung Nur die Intubation ge-
Erweiterte Maßnahmen
Mit den erweiterten Maßnahmen wird erst begonnen, wenn ein dritter Helfer zugegen ist, damit die Basismaßnahmen nicht unterbrochen werden müssen. Zur Durchbrechung des Kreislaufstillstands ist die Kenntnis der zugrunde liegenden Rhythmusstörung notwenig. Vor allem beim Kammerflimmern kommt es darauf an, die Therapie so früh wie möglich zu beginnen, da die Chancen für den Erfolg dann am größten sind. Als Erstes wird – vor Intubation und Anlegen eines venösen Zugangs – ein EKG abgeleitet. Eine Asystolie muss in zwei Ableitungen nachgewiesen werden, um ein in einer Ableitung
währleistet sicheren Aspirationsschutz und optimale Beatmungsbedingungen. Zusätzlich eröffnet sich hierdurch die Möglichkeit, die Medikamente tief endobronchial zu applizieren. Frühzeitig sollte auch an den Beatmungsbeutel ein Sauerstoffanschluss/ -reservoir angeschlossen werden, um die inspiratorische O2-Konzentration zu erhöhen. Optimal sind automatische Notfallbeatmungsgeräte, die eine reine Sauerstoffbeatmung ermöglichen. Venöser Zugang Danach wird ein venöser Zugang gelegt. Möglichst soll eine periphere Vene punktiert werden, da hierzu die Basismaßnahmen nicht unterbrochen werden müssen und zudem die Infektions-
374
Kapitel 37 · Kardiopulmonale Reanimation
gefahr hierbei am geringsten ist. Ein zentralvenöser Zugang ist nur indiziert, wenn kein peripheres Gefäß zu punktieren ist. Die intrakardiale Injektion ist wegen der möglichen Nebenwirkungen (Perikardtamponade, Pneumothorax, Störungen des Reizleitungssystems) kontraindiziert.
37
Medikamente Bei einer Hypo- oder Asystolie wird
Adrenalin (Suprarenin), 1:10.000 verdünnt, 0,3– 0,5 mg wiederholt intravenös injiziert, bis es zu einer spontanen suffizienten Herzaktion kommt. Häufig sind mehrere Milligramm Adrenalin notwendig. Ist ein »träges«, d. h. niederfrequentes Kammerflimmern oder -flattern durch Defibrillationen nicht zu durchbrechen, so kann es mit Adrenalin in ein »schnelles« umgewandelt werden, wonach eine zuvor vergebliche Defibrillation dann häufig erfolgreich ist. Vom European Resuscitation Council empfohlen wird auch die Gabe von 40 IE Vasopressin i.v. als einmaliger Bolus. Dieses ist jedoch in Deutschland für diese Indikation noch nicht zugelassen. Xylocain 2% kann nach erfolglosen Defibrillationen bei Kammerflimmern eingesetzt werden. Auch zur Rezidivprophylaxe nach Kammerflimmern kommt dieses Medikament zur Anwendung. Eine Blindpufferung d. h. ohne vorausgegangene Blutgasanalyse, aus der das Basendefizit errechnet werden kann, mit Natriumbikarbonat 8,4%, wird nur dann durchgeführt, wenn der Eintritt des Kreislaufstillstands außerhalb des Krankenhauses nicht beobachtet wurde und damit nicht klar ist, wie lange er bereits besteht. Blind gepuffert wird nicht, wenn unverzüglich nach dem Eintritt des Kreislaufstillstands mit den Reanimationsmaßnahmen begonnen wurde und wenn die Möglichkeit wie in der Klinik besteht, innerhalb einer kurzen Zeit eine Blutgasanalyse zur Beurteilung des Säure-Basen-Haushalts durchzuführen. Die Blindpufferung erfolgt mit 1 mval/kg Körpergewicht Natriumbikarbonat initial, nach 10 min wird die Hälfte der Anfangsdosis wiederholt. Dabei ist eine überschießende Alkalisierung zu vermeiden. Die Behandlung mit Kortikoiden und Barbituraten zur Hirnprotektion nach Reanimation bleibt umstritten und kann für den klinischen Gebrauch heute nicht empfohlen werden.
Weiterer Verlauf Unter der Reanimation müssen sich bei effektiver Herzmassage die Zeichen des Kreislaufstillstands zurückbilden: Pupillen werden eng, Hautfarbe rosig. Die Reanimation wird erfolglos beendet, wenn der kardiale Tod – nicht vorhandene elektrische Aktivität (Asystolie oder Hyposystolie) über 30 min – oder der Hirntod (weite lichtstarre Pupillen, Bewusstlosigkeit, Reflexlosigkeit über 20 min) eingetreten ist. Diese Zeiten können wesentlich länger sein, wenn der Patient unterkühlt ist (Lawinen- oder Ertrinkungsunfall). Auch bei Kindern sollte wegen der günstigeren Prognose über längere Zeit weiter reanimiert werden. Um den Kreislaufstillstand bzw. die wieder einsetzende Herzfunktion beurteilen zu können, muss die HerzLungen-Wiederbelebung regelmäßig unterbrochen werden, um die Zeichen des Kreislaufstillstandes anhand des Pulses und des EKGs überprüfen zu können. Nach der erfolgreicher Reanimation müssen ggf. die Rhythmusstörungen und der kardiogene Schock wie oben angegeben behandelt werden.
38 38
Störungen der zerebralen Funktion
38.1
Pathophysiologie – 376
38.2
Symptomatik
38.3
Therapie
38.4
Spezielle zerebrale Notfälle
38.4.1 38.4.2 38.4.3 38.4.4
Schädelhirntrauma – 377 Zerebraler Krampfanfall – 378 Apoplektischer Insult – 378 Hypo- und hyperglykämisches Koma – 378
– 376
– 377 – 377
376
38.1
38
Kapitel 38 · Störungen der zerebralen Funktion
Pathophysiologie
Das Gehirn mit seinen Kompartimenten Hirngewebe, Liquor und Blutgefäßsystem befindet sich innerhalb des Schädels in einem abgeschlossenen Raum, der eine Größenzunahme dieser Kompartimente nur in einem sehr geringen Maß zulässt (7 Kap. 12.1.1). Eine Volumenzunahme des Gehirns provoziert daher nach kurzer Zeit einen Anstieg des intrakraniellen Drucks (ICP) mit darauffolgender Bewusstlosigkeit, Krämpfen und Lähmung des Atem- und Kreislaufzentrums. Dabei kommt es zu einem Einklemmen der Hirnnerven zwischen der Hirnmasse und der knöchernen Schädelbasis, was sich als zunächst einseitige Parese des N. oculomotorius (einseitig weite Pupille), dann als beidseitige bemerkbar macht. Bei weiterer Druckzunahme wird der Hirnstamm mit dem Atem- und Herzkreislaufzentrum in das Foramen magnum eingeklemmt, eine Bradypnoe bis zur Apnoe und eine Bradykardie resultieren daraus. Übersteigt der intrakranielle Druck den arteriellen Mitteldruck, so kommt es zum zerebralen Kreislaufstillstand. Ursachen für eine intrakranielle Volumenzunahme können Blutungen, Hirntumore, Hydrozephalus oder ein Hirnödem sein. Zerebrale Funktionsstörungen (Bewusstlosigkeit) können auch im Rahmen metabolischer Veränderungen (endokrine Erkrankungen, Elektrolytverschiebungen) und Vergiftungen auftreten.
38.2
Symptomatik
Bewusstsein
Eine genaue Abschätzung des Ausmaßes einer Bewusstseinsstörung ist mit der Glasgow-Koma-Skala möglich. Für die außerklinische Beurteilung ist jedoch folgende Abschätzung ausreichend: 4 bewusstseinsklar, 4 somnolent, erweckbar, 4 bewusstlos mit Schutzreflexen, 4 bewusstlos ohne Schutzreflexe.
Wichtig
Glasgow-Koma-Skala 5 Augenöffnen spontan 4 auf Geräusche 3 auf Schmerz 2 nicht 1 5 Verbale Reaktion orientiert 5 verwirrte Unterhaltung 4 unangemessene Worte 3 unverständliche Geräusche 2 keine 1 5 Beste motorische Reaktion kommt Aufforderungen nach 6 lokalisiert Schmerz 5 zieht normal zurück 4 beugt auf Schmerz 3 streckt auf Schmerz 2 keine 1 höchste Punktzahl 15 Werte unter 8 = schwere Hirnfunktionsstörung
Pupillenreaktion
Einseitig weite Pupille: Funktionsstörung des N. oculomotorius als Ausdruck einer intrakraniellen Drucksteigerung (7 38.1, Pathophysiologie) und höchstes Alarmzeichen einer drohenden Einklemmungssymptomatik. Beidseitig weite Pupillen ohne Lichtreaktion: Okulomotoriusparese beider Seiten durch schwere zerebrale Hypoxie, Einklemmung oder zerebralen Kreislaufstillstand, Verdacht auf Hirntod. Neben der Beurteilung der Bewusstseinslage und des Pupillenstatus gehört auch eine orientierende neurologische Untersuchung mit schriftlicher Dokumentation auf dem Einsatzprotokoll zur Versorgung des neurologisch/neurochirurgisch erkrankten Patienten, zumal wenn die Symptomatik durch eine Analgosedierung oder Narkoseeinleitung im Anschluss verschleiert wird. Dieser Ausgangsstatus ist häufig Grundlage für die weitere klinische Behandlung. Eine Hemiparese deutet auf eine einseitige Herdsymptomatik (Apoplex) hin. Eine Querschnittssymptomatik ist ein Hinweis auf eine Rückenmarksverletzung.
377 38.4 · Spezielle zerebrale Notfälle
Weitere Differenzierung
Bei jedem Koma ohne erkennbare sichere Ursache sollte eine Blutzuckerbestimmung mittels Teststreifen durchgeführt werden, um eine diabetische Stoffwechselstörung auszuschließen, die schon präklinisch eine spezifische Therapie etwa durch Injektion von Glukose bei einer Hypoglykämie erfordert.
38.3
Therapie
Vor jeder spezifischen Behandlung steht die Sicherung der Vitalfunktionen Atmung und Kreislauf, um eine ausreichende Oxygenierung des Gehirns sicherzustellen. Dabei gilt der Grundsatz: Jeder bewusstlose Patient wird intubiert und beatmet (sicherer Aspirationsschutz, Sicherung des Gasaustausches).
38.4
Spezielle zerebrale Notfälle
38.4.1
Schädelhirntrauma
Pathophysiologie Durch die Einwirkung von Kraft im Rahmen eines Unfalls auf das Gehirn kann es innerhalb von Minuten zu einer dysregulatorischen Weitstellung der zerebralen Blutgefäße und damit einer Schwellung des Hirngewebes – häufig als Ödem bezeichnet – kommen, die zu einer sofortigen Bewusstlosigkeit führt. Die Zeit bis zum Eintreten einer Bewusstlosigkeit bei einer extrazerebralen Blutung ist länger, da sich das Hämatom erst entwickelt und langsam zu einer Steigerung des intrakraniellen Druckes führt. Diese Zeit kann bei einer epiduralen Blutung 30–60 min, bei einer subduralen Blutung noch länger dauern. Darüber hinaus können Einblutungen in das Gewebe (Kontusionen) entstehen, die sich vor allem, wenn der Blutdruck niedrig ist, erst langsam, oft über Stunden entwickeln. Blutungen aus einer Verletzung der Galea oder dem Gesichtsschädel können erheblich sein und eine schwere Volumenmangelschocksymptomatik hervorrufen. Symptomatik Die Bewusstseinsstörung entwickelt
sich abhängig von den pathophysiologischen Ursachen unterschiedlich schnell. So müssen auch kurz-
38
fristig bewusstlose Patienten zum Ausschluss einer intrakraniellen Blutung computertomographisch untersucht oder einen Tag stationär beobachtet werden. Praxisbox Praktisches Vorgehen bei Schädelhirntrauma: 5 Lagerung mit 30° erhöhtem Oberkörper, Kopf in Mittelstellung Kopftieflagerung nur bei gleichzeitig bestehender Schocksymptomatik 5 Sauerstoffinsufflation, venöser Zugang 5 Intubation beim Bewusstlosen: dazu Narkoseeinleitung mit Barbiturat, Etomidat oder niedrig dosiertem Ketamin (bis 1 mg/kg KG), Ketamin nur bei kontrollierter Hyperventilation Crashintubation nach Relaxierung mit Succinylcholin 5 moderate Hyperventilation 5 Ausgleich von Blutvolumenverlusten 5 Fortführung der Narkose mit Analgesie (Fentanyl), Sedierung (Benzodiazepine) und Relaxierung (nichtdepolarisierende Muskelrelaxanzien) 5 Osmotherapie nur bei Pupillenstörung 3 ml/kg KG Mannitol oder Sorbit
Therapie Die Wirksamkeit einer spezifischen Therapie mit Barbituraten und Kortikosteroiden ist bis heute nicht sicher nachgewiesen. Sie sollte daher unterbleiben, zumal sie nicht ohne Nebenwirkung ist (Immunsuppression). Durch eine Osmotherapie zur Senkung des intrakraniellen Druckes kann zwar die ödematös vergrößerte Hirnmasse verkleinert werden, eine eventuell bestehende Blutung kann sich aber dann vergrößern. Somit sollte eine Osmotherapie nur als Ultima Ratio bei einer drohenden Einklemmung durchgeführt werden. Ansonsten werden im Rahmen der Behandlung des Schädelhirntraumas nur die vitalen Funktionen Atmung und Kreislauf so stabilisiert, dass eine adäquate Versorgung des Gehirns mit Sauerstoff und Stoffwechselsubstraten garantiert ist. Um einen Anstieg des intrakraniellen Drucks zu vermeiden, soll der Patient narkotisiert, relaxiert und mit mäßiger Hyperventilation kontrolliert beat-
378
38
Kapitel 38 · Störungen der zerebralen Funktion
met werden. Da die zerebrale Autoregulation generalisiert oder in den erkrankten Gebieten aufgehoben ist, soll der Blutdruck im normotensiven Bereich sein. Dabei ist jedoch zu beachten, dass bei stark erhöhtem intrakraniellen Druck eine kompensatorische Blutdruckerhöhung (Cushing-Reflex) eintritt. Kommt es unter einer üblichen anästhetischen Dosis nicht zu einer Drucksenkung, so sollte der Blutdruck durch antihypertensive Maßnahmen nicht weiter gesenkt werden, zumal die meisten blutdrucksenkenden Medikamente auch eine zerebrale Vasodilatation und damit eine Volumenzunahme des Gehirns verursachen.
38.4.2
Zerebraler Krampfanfall
Pathophysiologie Unregelmäßige elektrische Entla-
dungen des Gehirns führen beim Grand-mal-Anfall zu Bewusstlosigkeit und unkontrollierten tonischklonischen Bewegungen. Häufig ist bei bekannten Epileptikern die unregelmäßige Einnahme der Antiepileptika Ursache eines Krampfanfalls. Praxisbox Praktisches Vorgehen bei zerebralem Krampfanfall 5 Schutz des Patienten vor Verletzungen 5 10–20 mg Diazepam i.v. 5 Bei anhaltenden Krämpfen Thiopental (Trapanal) 2–5 mg/kg KG fraktioniert i.v. 5 Sauerstoffinsufflation
38.4.3
Apoplektischer Insult
Pathophysiologie Ursache eines apoplektischen Insultes können eine intrazerebrale Blutung, eine subarachnoidale Blutung oder ein Hirninfarkt sein. Alle drei Ursachen lassen sich präklinisch nicht, sondern erst durch eine computertomographische Untersuchung feststellen. Häufig ist eine hypertensive Krise die Ursache der Blutung. Ein flüchtiger neurologischer Ausfall ist meist ein Ausdruck einer vorübergehenden zerebralen Minderdurchblutung und wird als transitorische ischämische Attacke (TIA) bezeichnet.
Symptomatik Eine Hemiparese, alle Grade der Be-
wusstseinsstörung, aber auch isolierte Sprachstörungen können auftreten. Therapie Die Therapie bleibt wie beim Schädelhirn-
trauma auf die Stabilisierung der Vitalfunktionen Atmung und Kreislauf beschränkt. Eine hypertensive Krise soll behandelt werden, wenn nicht eine Einklemmung droht und somit ein Bedarfshypertonus (Cushing-Reflex, 7 oben) besteht. Praxisbox Praktisches Vorgehen bei apoplektischem Insult 5 Sauerstoffinsufflation, i.v.-Zugang 5 Transport in stabiler Seitenlage bei Bewusstlosigkeit oder mit erhöhtem Oberkörper 5 Bei Bewusstlosigkeit: Intubation und Beatmung in Abwägung der Gesamtsituation (Prognose, Intensivtherapiemöglichkeit) 5 Bei erhöhtem Blutdruck: Blutdrucksenkung (7 hypertensive Krise) möglichst mit Medikamenten, die den intrakraniellen Druck nicht erhöhen (Urapidil, Nifedipin) 5 Osmodiuretika und rheologisch wirksame Substanzen (Dextran 40) sind bis zum Ausschluss einer intrazerebralen Blutung kontraindiziert.
38.4.4
Hypo- und hyperglykämisches Koma
Pathophysiologie Sowohl hypo- als auch hyperglykämische Stoffwechselstörungen führen zu Störungen des Bewusstseins. Beim hypoglykämischen Koma ist ein Mangel an Substrat für den zerebralen Stoffwechsel, beim hyperglykämischen eine Störung der Osmolarität die Ursache. Symptomatik Die Hypoglykämie tritt plötzlich
auf, sie geht mit Unruhe des Patienten bis zu generalisierten Krämpfen einher. Der Blutzucker ist unter 50 mg/100 ml. Ex juvantibus lässt sich die Diagnose durch die intravenöse Injektion von 20 g Glukose erhärten, die die Symptomatik rasch bessert.
379 38.4 · Spezielle zerebrale Notfälle
Ein hyperglykämisches Koma (Coma diabeticum) entwickelt sich langsam. Die Patienten sind durstig, appetitlos, haben eine trockene Haut und sind adynam bis zur Bewusstlosigkeit. Die Atmung ist tief infolge einer Hyperventilation zur Kompensation einer Ketoazidose. Der Blutzucker liegt über 400 mg/100 ml. Praxisbox Praktisches Vorgehen bei hypound hyperglykämischem Koma Hypoglykämie 5 Bei Krämpfen Schutz des Patienten vor Verletzungen 5 50 ml Glukose 40% i.v. 5 Sauerstoffinsufflation Hyperglykämie 5 Lagerung in stabiler Seitenlage mit Sauerstoffinsufflation oder Intubation und Beatmung 5 Infusion von 1000 ml NaCI 0,9% 5 Insulintherapie erst nach Klinikaufnahme, hier auch Ausgleich der Störungen des Säure-Basen- und Wasser-Elektrolyt-Haushaltes nach Laborbefunden
38
39 39 Vergiftungen 39.1 Methoden der Dekontamination – 382 39.2 Spezielle Antidote bzw. spezielles Vorgehen – 382
382
Kapitel 39 · Vergiftungen
Im Vordergrund der Behandlung von Vergiftungen steht die Sicherung der Vitalfunktionen Atmung und Kreislauf, zumal viele Vergiftungen mit Störungen der zerebralen Funktion einhergehen. Bei vielen Vergiftungen ist auf einen ausreichenden Schutz vor einer eigenen Kontamination zu achten. Neben diesen allgemeinen Therapiemaßnahmen sollte möglichst früh mit der Dekontamination begonnen werden.
39.1
39
Methoden der Dekontamination
Ihre Anwendung richtet sich nach der Art der Vergiftung. Provoziertes Erbrechen Dies kann erreicht werden durch 2 Esslöffel Kochsalz auf ein Glas Wasser oder bei Kindern Ipecacuanha-Sirup mit reichlich Flüssigkeit. Das provozierte Erbrechen ist kontraindiziert bei bewusstseinsgetrübten Patienten und Vergiftungen mit schaumbildenden Substanzen, da diese aspiriert und damit der Surfactant der Lunge geschädigt werden kann, sowie Laugen und Säuren, da sie bei abermaliger Passage des Ösophagus zu weiteren Verätzungen führen können.
5 Instillation von 50 Kohlekompretten zur Giftadsorption und 2–3 Esslöffel Natriumsulfat 5 Entfernung des Magenschlauchs, Dekontamination bei Kontaktgiften
Kontaktgifte treten über die Haut oder die Schleimhäute ein. Hierzu gehören z. B. Alkylphosphate (Versprühung von Insektiziden, z. B. E605). Zunächst wird die Kleidung entfernt und dann werden die betroffenen Körperteile ausreichend gespült; eine eigene Kontamination ist zu verhindern. Adsorption des Giftes zur Verhinderung der Resorption 50 Kohlekompretten werden oral gegeben
oder über eine Magensonde instilliert. Prozedere bei Vergiftung mit Gasen (CO und CO2)
O2-Insufflation, bei Bewusstlosigkeit Intubation und Beatmung mit 100% O2 und Hyperventilation.
39.2
Spezielle Antidote bzw. spezielles Vorgehen
Blausäurevergiftung Durch Verbrennung von KunstMagenspülung Sie ist am Notfallort indiziert bei
Alkylphosphat-(E605-), Blausäure- oder Schwefelwasserstoffvergiftung; sie ist kontraindiziert bei Gefahr der Ösophagusperforation nach Säuren- oder Laugenverätzungen. Praxisbox Praktisches Vorgehen bei Magenspülung 5 Atropin 0,01 mg/kg Körpergewicht i.v. 5 Intubation bei Bewusstlosen 5 Einführung des Magenschlauches in Seitenund Kopftieflage 5 Überprüfung der richtigen Lage durch Luftinsufflation 5 Spülung mit mindestens 20 l handwarmem Wasser in Einzelportionen von 300–500 ml 5 Einschicken von Spülflüssigkeit zur toxikologischen Untersuchung 6
stoffen entsteht Zyanid, das über eine Blockade des Zytochroms zu Atemlähmung, Krämpfen, Bewusstlosigkeit und Herz-Kreislauf-Stillstand führt. Therapie mit: 4 250 mg 4-DMAP; Wirkungsweise: Met-HbBildung und Adsorption des Zyanids an das Methämoglobin, 4 6–10 g Natriumthiosulfat; Wirkungsweise: Schwefeldonator, beschleunigt die Ausscheidung von Zyanid-Methämoglobin, 4 300–600 mg 10%. Cobalt-EDTA; Wirkungsweise: bildet nichttoxische Komplexe mit Zyanid, die über die Niere ausgeschieden werden. Alkylphosphatvergiftung Sie kann erfolgen durch
Insektizide. Alkylphosphate hemmen vor allem die Cholinesterasen in den Geweben und führen damit zu einer endogenen Acetylcholinvergiftung mit Störungen des zentralen und autonomen Nervensystems. Speichelfluss, Bradykardie, Miosis
383 39.2 · Spezielle Antidote bzw. spezielles Vorgehen
und eventuell Muskelfibrillationen sind Leitsymptome. Therapie: 4 Atropin 2–5 mg, zum Teil auch höhere Dosen bis 100 mg, bis Puls 120/min und Versiegen des Speichelflusses zur symptomatischen Therapie der muskarinartigen Intoxikationszeichen. 4 250–500 mg Obidoxim (Toxogonin) zur Aufhebung der Blockade der Cholinesterasehemmung; dies sollte nur unter klinischen Bedingungen erfolgen, da hierdurch bei bestimmten Alkylphosphatvergiftungen die Symptomatik verstärkt werden kann. Organische Lösungsmittel Gewebeschädigung und
schwerste Pneumonien nach Terpentin, Benzin etc. Therapie: 10 g Kohlepulver zur Absorption, bei längeren Transportzeiten präklinische Magenspülung nach Intubation, provoziertes Erbrechen ist streng kontraindiziert. Reizgase Diese können bei Verbrennungen zu einer Schädigung der Atemschleimhäute führen. Therapie: Kortisolhaltiges Aerosol (Auxilloson) zur Hemmung der entzündlichen Reaktion und Prophylaxe eines toxischen Lungenödems. Säure- und Laugenverätzungen Therapie: Reich-
lich Flüssigkeit per os zur Verdünnung. Tenside (Wasch- und Spülmittel) Diese können
durch Aspiration von Schaum zu schweren Lungenveränderungen infolge von Surfactantstörungen führen. Therapie: Sab simplex 1 Esslöffel per os zur Verminderung der Schaumbildung. Provoziertes Erbrechen ist kontraindiziert. Opioide (z. B. Morphin, Heroin) Diese führen über
eine Lähmung des Atemzentrums zu einer Bradypnoe und einem Atemstillstand. Therapie: Naloxon (Narcanti) titriert zur kompetitiven Verdrängung des Opiats vom Rezeptor sollte nur unter klinischen Bedingungen gegeben werden, um eine Überantagonisierung und damit eine Entzugssymptomatik zu vermeiden. Bis zu diesem Zeitpunkt muss der Patient beatmet werden.
39
Benzodiazepine Diese führen zur Bewusstlosigkeit
mit der daraus möglichen Störung von Atmung und Kreislauf. Therapie: 0,1–1 mg Flumazenil (Anexate) titriert wirkt als Benzodiazepinantagonist spezifisch am Benzodiazepinrezeptor. Es sollte wie der Opiatantagonist nur unter klinischen Bedingungen gegeben werden, um eine Entzugsymptomatik zu vermeiden.
40 40 Spezielle Notfälle 40.1 Stromunfall 40.2 Verbrennung
– 386 – 386
40.3 Ertrinkungsunfall 40.4 Hitzeschäden
– 386
– 387
386
Kapitel 40 · Spezielle Notfälle
40.1
Stromunfall
Pathophysiologie Die Schädigung durch elektri-
40
schen Strom ist abhängig von der Stromstärke, der Spannung und dem Hautwiderstand sowie der Einund Austrittsstelle des Stroms. Liegt das Herz im Stromfluss, so sind die Patienten hauptsächlich durch Herzrhythmusstörungen gefährdet. Zusätzlich treten lokale Verbrennungen (Strommarken) an den Ein- und Austrittsstellen auf. Dabei können unter der Strommarke liegende Strukturen (Gehirn bei Strommarke am Kopf) stark durch die Verbrennung geschädigt werden. Funktionsstörungen können auch im Rückenmark auftreten, wenn dieses im Stromkreis liegt. Das Gleiche gilt für Verletzungen durch Blitzschlag. Hier kommen Schädigungen des Mittel- und des Innenohres durch die Explosion als Knalltrauma hinzu. Symptomatik Häufig Herz-Kreislauf-Stillstand durch Kammerflimmern (70%) oder Asystolie (30%) und lokale Verbrennungen (Strommarken).
dennoch zu einer Inspirationsbewegung. Bevor Wasser aspiriert wird, tritt jedoch in 40% der Fälle ein Laryngospasmus auf. Dieser kann infolge der Hypoxie zum Tode führen, man spricht vom trockenen Ertrinken. Beim nassen Ertrinken wird das Wasser aspiriert. Handelt es sich um Süßwasser, so wird dieses aufgrund des hohen osmotischen Drucks des Plasmas in kurzer Zeit aus den Alveolen in die Blutbahn resorbiert. Die Folge ist eine extreme Hypoosmolarität und eine Volumenbelastung des Kreislaufs (hypotone Hyperhydratation, Wasserintoxikation). Diese kann zu einer Hämolyse mit einem konsekutiven Nierenversagen führen. Die Patienten sind nach der Rettung durch eine Kreislaufdekompensation mit Lungenödem gefährdet. Beim Ertrinken in Salzwasser verbleibt das Wasser in den Alveolen und zieht aufgrund seines hohen osmotischen Drucks zusätzlich Wasser aus dem Gefäßsystem in die Alveolen an, das intraalveoläre Ödem verstärkt sich. Diese Patienten sind nach der Rettung durch Hypoxie gefährdet. Symptomatik Die Patienten sind bewusstlos und
Praxisbox Praktisches Vorgehen bei Stromunfall 5 Bergung des Patienten nach Abschalten des Stroms bzw. durch Freischalten (in Hochspannungsanlagen). Der Ersthelfer hat darauf zu achten, dass er sich selbst nicht gefährdet 5 Kardiopulmonale Reanimation: Hier wird ein blindes Defibrillieren ohne Vorliegen einer EKG-Diagnose empfohlen, da in der Regel ein Kammerflimmern vorliegt 5 Steriles Abdecken der Strommarken
40.2
Verbrennung
7 Kap. 28.
40.3
Ertrinkungsunfall
Pathophysiologie Beim Untertauchen unter Wasser versucht der Patient zunächst, das Wasser zu verschlucken, durch den Atemanreiz kommt es aber
haben unspezifische Zeichen der gestörten Vitalfunktionen. Dazu besteht eine Unterkühlung. Therapie Die Indikation zur Intubation und Be-
atmung mit PEEP soll großzügig gestellt werden. Zu beachten ist, dass wegen der Unterkühlung eine kardiopulmonale Reanimation auch nach längerer Hypoxiezeit noch erfolgreich sein kann. Praxisbox Praktisches Vorgehen bei Ertrinkungsunfall 5 Absaugen nach Ertrinken in Salzwasser 5 Beatmung mit PEEP 5 Bei Kreislaufstillstand kardiopulmonale Reanimation 5 Einlegen einer Magensonde 5 20 mg Furosemid (Lasix) zur forcierten Diurese 5 Transport auf eine Intensivstation (mit einem intraalveolären Ödem und somit notwendiger Beatmung muss auch beim Süßwasserertrinken gerechnet werden, 7 oben)
387 40.4 · Hitzeschäden
40.4
Hitzeschäden
Hitzeerschöpfung Pathophysiologie Eine übermäßige exogene Hitzezufuhr wird durch Verdunstung körpereigener Flüssigkeit kompensiert. Infolge eines zu großen Flüssigkeitsverlustes kann es zur Hitzeerschöpfung kommen, ohne dass die Körpertemperatur ansteigt. Die Hitzeerkrankung ist noch kompensiert. Symptomatik Abgeschlagenheit, Benommenheit, Bewusstlosigkeit, Schocksymptomatik, Temperatur im Normbereich, Haut feucht, kaltschweißig. Therapie Der Patient wird in eine kühlere Umge-
bung gebracht. Flüssigkeitsdefizite sollen ausgeglichen werden.
40
Praxisbox Praktisches Vorgehen bei Hitzschlag 5 Lagerung in einem kühlen Raum 5 Flachlagerung mit erhöhtem Kopf 5 Lokale Kühlung 5 Sauerstoffinsufflation, venöser Zugang 5 Schocktherapie mit Elektrolytlösung 5 Bei Bewusstlosigkeit: Intubation und Beatmung
Sonnenstich Pathophysiologie Gegenüber der Überwärmung
des gesamten Körpers bei der Hitzeerschöpfung und beim Hitzschlag handelt es sich beim Sonnenstich um eine isolierte Überwärmung des Kopfes mit einem leichten Hirnödem und einer Bewusstseinsstörung.
Praxisbox Praktisches Vorgehen bei Hitzeerschöpfung 5 Lagerung in einem kühlen Raum 5 Flachlagerung 5 Flüssigkeitszufuhr bei erhaltenem Bewusstsein oral 5 Bei unzureichender oraler Flüssigkeitsaufnahme oder Bewusstseinsstörung: Infusion von Elektrolytlösung
Hitzschlag Pathophysiologie Steht nur noch unzureichend
Flüssigkeit für die Verdunstung zur Verfügung, so steigt die Körpertemperatur an und man spricht vom Hitzschlag. Symptomatik Bewusstseinsstörung bis zur Bewusstlosigkeit, Schockzeichen, Temperatur über 40 °C, Haut zunächst rot, trocken, heiß, später grau und zyanotisch. Therapie Die Therapie wird wie bei der Hitzeer-
schöpfung, nur forcierter durchgeführt.
Symptomatik Hochroter Kopf, Bewusstseinstrü-
bung bis zur Bewusstlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, langsamer Puls mit hoher Blutdruckamplitude. Therapie Die Therapie erfolgt wie bei anderen zerebralen Funktionsstörungen. Praxisbox Praktisches Vorgehen bei Sonnenstich 5 Lagerung mit 30° erhöhtem Oberkörper 5 Lokale Kühlung des Kopfes 5 evtl. Antiemetikum 5 Bei Bewusstlosigkeit: Intubation und Beatmung
41 41 Spezielle notfallmedizinische Maßnahmen 41.1 Rettung
– 390
41.2 Lagerung
– 390
41.3 Venöser Zugang 41.4 Koniotomie
– 390
– 391
390
Kapitel 41 · Spezielle notfallmedizinische Maßnahmen
41.1
Rettung
Vor einer notfallmedizinischen Maßnahme muss der Patient aus der schädigenden Umgebung gerettet werden. Dazu eignet sich besonders der Rautek-Rettungsgriff (. Abb. 41.1a–d). Eine Selbstgefährdung des Retters ist zu vermeiden. So dürfen gasvergiftete Räume oder Räume mit einer CO2-Atmosphäre (etwa bei Gärungsprozessen) nur mit schwerem Atemschutzgerät betreten werden. Beim Retten von Opfern von Stromunfällen aus einer Hochspannungsanlage müssen die Leitungen zuvor von einem Fachmann abgeschaltet werden.
41.2
41
Lagerung
4 Seitenlagerung: bei allen bewusstlosen Patienten mit ausreichender Atem- und Kreislauffunktion; 4 sitzende Lagerung: unter Spontanatmung bei Atemnot (Asthma bronchiale, Thoraxtrauma etc.) und kardialen Erkrankungen (Angina pectoris, Lungenödem); 4 erhöhter Oberkörper 20–30°: bei erhöhtem intrakraniellem Druck (Schädelhirntrauma, Hitzschlag und anderem); 4 Schocklagerung: 20–30° Kopftieflagerung nur bei erhaltenem Bewusstsein, anderenfalls Körperhochlagerung und zusätzliches Anheben der Beine (Taschenmesserposition); 4 Bauchlagerung bei Gesichtsschädelverletzung: Unterkiefer und Stirn werden abgestützt, damit
. Abb. 41.1a–d. Rautek-Rettungsgriff
Blut und Sekret aus dem Gesichtsschädel ablaufen können; 4 akutes Abdomen: Lagerung mit angezogenen Beinen, um eine Entlastung des Peritoneums und damit eine Schmerzlinderung zu erreichen; 4 Vena-cava-Kompressionssyndrom: Lagerung in Linksseitenlage bei Schwangeren im letzten Trimenon, um eine Kompression der Vena cava durch den Uterus zu verhindern.
41.3
Venöser Zugang
Wenn nicht anders angegeben, werden alle Medikamente in der Notfallsituation intravenös gespritzt. Nur so gelangen die Substanzen schnell und sicher zum Wirkort, während bei subkutaner oder intramuskulärer Injektion die Resorptionsgeschwindigkeit unsicher ist und vor allem bei einer Zentralisation die Medikamente nicht zum Wirkort gelangen können. Grundsätzlich werden primär nur periphervenöse Venenzugänge gelegt. Sie sollen soweit distal wie möglich an den Extremitäten platziert werden. Zentralvenöse Katheter sind wegen der Infektionsgefahr kontraindiziert, außerdem kann präklinisch die Lage der Katheterspitze nicht kontrolliert werden. Indiziert sind die Punktion von zentralen Venen und das Vorschieben eines Kavakatheters nur dann, wenn kein peripher-venöser Zugang gelegt werden kann. In dieser Situation wird der Zugang über die Vena subclavia bevorzugt, da diese auch beim schwersten Blutvolumenmangel nicht kollabiert.
391 41.4 · Koniotomie
Die intrakardiale Injektion bei der kardiopulmonalen Reanimation sollte wegen der Gefahr von Verletzungen (Hämato-, Pneumothorax, Perikardtamponade durch Punktion von Koronararterien, Verletzung des Reizleitungssystems) unterlassen werden. Lässt sich keine periphere oder zentrale Vene punktieren, so können die Notfallmedikamente sublingual gespritzt oder in den Endotrachealtubus (Katecholamine) instilliert werden, da über diese Zugänge auch bei einer Zentralisation Blutspiegel erreicht werden, die der intravenösen Injektion entsprechen.
. Abb. 41.2a–d. Technik der Koniotomie
41.4
41
Koniotomie
Bei akuter Verlegung der Atemwege droht die Asphyxie. In diesen Situationen wurde früher eine Tracheotomie durchgeführt. Notfallmäßige Tracheotomien bei Erstickungsgefahr werden heute nicht mehr durchgeführt. In diesen Fällen ist die Koniotomie das Verfahren der Wahl. Bei der Koniotomie wird am überstreckten Kopf kaudal des Adamsapfels die Haut in Längsrichtung durchtrennt, die zwischen Schild- und Ringknorpel gelegene Membran, das Lig. cricothyreoideum quer zum Hals gespalten oder durchstochen und ein Tubus oder eine Trachealkanüle eingeführt. Die Koniotomie ist indiziert bei Erstickungsgefahr aufgrund einer Atemwegsverlegung oberhalb oder im Bereich der Stimmbänder (. Abb. 41.2). Man sollte bei schwerer Atemnot immer rechtzeitig daran denken, sie durchzuführen.
Schmerztherapie 42
Physiologie und Pathophysiologie des Schmerzes
43
Schmerzdiagnostik, Schmerzanamnese
44
Methoden der Schmerztherapie
45
Spezielle Schmerztherapie
– 403
– 415
– 401
– 395
42 42 Physiologie und Pathophysiologie des Schmerzes 42.1 Schmerzleitung
– 396
42.2 Neuronale Verarbeitung von Schmerzimpulsen – 397 42.3 Schmerzarten
– 398
42.4 Schmerzursachen
– 399
396
Kapitel 42 · Physiologie und Pathophysiologie des Schmerzes
Schmerzen sind vermutlich das häufigste Symptom, weswegen sich Patienten in ärztliche Behandlung begeben. Während akuten Schmerzen eine durchaus sinnvolle und lebenserhaltende Melde- und Schutzfunktion zukommt, fehlt chronischen Schmerzen eine solche Funktion. Chronische Schmerzen (Schmerzen, die länger als ca. 6 Monate bestehen) führen vielmehr zu einem schmerzbedingten Psychosyndrom mit depressiver Verstimmung, Reizbarkeit, eingeengten Interessen und verminderten sozialen Aktivitäten.
42.1
42
Schmerzleitung (. Abb. 42.1)
Vor allem in der Haut (90%), aber auch in anderen Geweben liegen Schmerzrezeptoren (Nozizeptoren), die Schmerzreize registrieren und an das zentrale Nervensystem weiterleiten. Bei den Schmerzrezeptoren handelt es sich um freie Nervenendigungen. Schmerzreize können sowohl von außen auf den Körper einwirken (mechanische, thermische Reize), als auch durch körpereigene Entzündungsmediatoren (chemische Reize) im Körper selbst entstehen.
Die durch einen Schmerzreiz ausgelöste Impulsaktivität wird über A-delta- und C-Fasern zum Rückenmark geleitet. A-delta-Fasern sind myeliniert, daher schnellleitend und für den hellen, gut lokalisierbaren, den so genannten epikritischen Sofortschmerz verantwortlich. Die nichtmyelinisierten, daher langsam leitenden C-Fasern vermitteln dagegen den dumpfen, schlecht lokalisierbaren, den so genannten protopathischen Zweitschmerz. Die schmerzleitenden afferenten Fasern treten über die Hinterwurzeln ins Rückenmark ein und werden in der Substantia gelatinosa des Hinterhornes auf die zweiten Neurone umgeschaltet. Die zweiten Neurone kreuzen im jeweiligen Rückenmarksegment auf die Gegenseite und steigen im kontralateralen Vorderseitenstrang (Tractus spinothalamicus) zu den Thalamuskernen auf. Die zweiten Neurone haben auf dem entsprechenden Rückenmarksegment auch Verbindungen zu motorischen und sympathischen Efferenzen, die motorische Fluchtreflexe und sympathische Reflexe auslösen können. Der Vorderseitenstrang gibt auf dem Weg zu den Thalamuskernen Kollateralen zur Formatio reticularis des Hirnstammes und zum aufsteigenden retikulären
. Abb. 42.1. Schmerzleitungsbahnen und ihre neuronalen Verschaltungen
somatosensorischer Kortex
limbisches System Thalamus
Hypophyse
aufsteigendes aktivierendes retikuläres System (ARAS)
Formatio reticularis Vorderseitenstrang
A-delta- und C-Fasern (Schmerzafferenzen) sympathische und motorische Efferenzen
42
397 42.2 · Neuronale Verarbeitung von Schmerzimpulsen
aktivierenden System (ARAS) ab. Dadurch werden bei Schmerzen das Atem- und Kreislaufzentrum und der Wachheitsgrad beeinflusst. Von den Thalamuskernen aus verlaufen Bahnen zum somatosensorischen Kortex, wo der Entstehungsort des Schmerzes erkannt wird, sowie zum limbischen System, wo die affektiv-emotionale Komponente des Schmerzes wahrgenommen wird. Ferner wird bei Schmerzen das endokrine System stimuliert: Aus dem Hypophysenvorderlappen wird zusammen mit ACTH β-Endorphin ins Blut ausgeschüttet.
42.2
Neuronale Verarbeitung von Schmerzimpulsen
Ein eigentliches Schmerzzentrum gibt es im zentralen Nervensystem nicht. Die Schmerzimpulse werden vielmehr auf verschiedenen Ebenen des zentralen Nervensystems modifiziert. Zahlreiche Filter- und Modulationsprozesse bewirken, dass keine eindeutige Beziehung mehr zwischen Reizstärke und empfundener Schmerzintensität besteht. Eine wichtige Rolle bei der Schmerzmodulation spielen deszendierende und segmentale Hemmmechanismen (. Abb. 42.2) sowie endogene Opioide.
. Abb. 42.2a,b. Deszendierende und segmentale Hemmmechanismen
zentrales Höhlengrau
deszendierende Hemmbahn Vorderseitenstrang
A-delta-und C-Fasern (Schmerz)
a A-beta-Fasern (Berùhrung und Druck)
hemmendes Interneuron Vorderseitenstrang
A-delta- und C-Fasern (Schmerz)
Kreuzung zur Gegenseite
b
398
42
Kapitel 42 · Physiologie und Pathophysiologie des Schmerzes
Von deszendierenden Hemmmechanismen wird gesprochen, wenn bei Schmerzwahrnehmung vom Gehirn ins Rückenmark absteigende Bahnen aktiviert werden, die den Einstrom weiterer Schmerzimpulse im Sinne einer negativen Rückkopplung hemmen. Als Neurotransmitter wurden in diesen deszendierenden Hemmbahnen vor allem Noradrenalin und Serotonin identifiziert. Endogene Opioide (Endorphine, Enkephaline, Dynorphine) sind morphinartige Substanzen, die vom Körper produziert werden. Sie werden zumeist aus Nervenendigungen freigesetzt und haben damit eine Neurotransmitter- oder Neuromodulatorfunktion; nur das β-Endorphin wird zusammen mit ACTH aus dem Hypophysenvorderlappen ausgeschüttet und hat daher Hormonfunktion. Endogene Opioide dämpfen genauso wie Morphinpräparate die Schmerzwahrnehmung. Die im Rahmen einer Stresssituation auftretende Stressanalgesie (z. B. unbemerkte Verletzung eines Sportlers während eines Wettkampfs) scheint unter anderem mit einer vermehrten Freisetzung endogener Opioide zusammenzuhängen. Endogene Opioide können aber auch über segmentale Hemmmechanismen in die Schmerzverarbeitung eingreifen. Impulse aus A-beta-Fasern, die Druck und Berührung vermitteln, können im gleichen Rückenmarksegment hemmende Interneurone aktivieren. Diese hemmenden Interneurone setzen als Neurotransmitter Enkephaline frei und beeinträchtigen die Weiterleitung von Schmerzimpulsen aus A-delta- und C-Fasern. Ein typisches Beispiel für eine segmentale Hemmung ist, wenn sich jemand das angestoßene Knie reibt. Hierbei führen Berührungs- und Druckimpulse aus A-beta-Fasern zur Stimulation der hemmenden Interneurone.
42.3
Schmerzarten
Schmerzen können verschiedenen Pathomechanismen zugeordnet werden. Diese Zuordnung sollte im Hinblick auf eine sinnvolle Schmerztherapie stets versucht werden, denn je nach Schmerzart kann eine andere Therapie notwendig werden. Nozizeptorschmerz
Eine mechanische oder thermische Gewebeschädigung führt zur direkten Erregung der Schmerzrezep-
toren. Bei einer Entzündung werden die Schmerzrezeptoren über die Freisetzung körpereigener Schmerzmediatoren erregt. Nozizeptorschmerzen sind eine typische Indikation für die Gabe von Analgetika. Neuropathischer Schmerz
Eine Impulsauslösung findet normalerweise an den freien Nervenendigungen statt, die Nervenfasern sind dagegen nur für die Weiterleitung des Impulses verantwortlich. Bei einer Schädigung der Nervenfasern können aber auch in deren Verlauf Impulse ausgelöst werden. Die Schmerzempfindung wird dabei in das Ursprungsgebiet des Nerven projiziert. Bei neuropathischen Schmerzen (z. B. Trigeminusneuralgie) haben Analgetika normalerweise wenig Erfolg; zur Therapie eignen sich vor allem Antikonvulsiva, Neuroleptika oder Nervenblockaden. Deafferenzierungsschmerz
Deafferenzierungsschmerzen (z. B. Phantomschmerzen) erklären sich dadurch, dass neben den schmerzleitenden A-delta- und C-Fasern auch die A-betaFasern, die über eine Aktivierung hemmender Interneurone die Weiterleitung von Schmerzimpulsen hemmen, wegfallen. Es kann dadurch eine spontane Hyperaktivität der deafferenzierten (enthemmten) Rückenmarksneurone mit schweren Schmerzzuständen auftreten. Zur Therapie von Deafferenzierungschmerzen werden Antikonvulsiva und Antidepressiva eingesetzt; klassische Analgetika haben sich dagegen nicht bewährt. Reflektorischer Schmerz
Reflektorische Schmerzen sind Schmerzsyndrome aufgrund gestörter Regelkreise. Beispielsweise kann eine Muskelverspannung Schmerzrezeptoren erregen. Die dadurch auftretenden Schmerzen verstärken wiederum die Muskelverspannung usw. Dieser »Circulus vitiosus« kann zum Auftreten von Muskelhartspann und Muskelschmerzen führen. Ein ähnlicher »Circulus vitiosus« besteht auch bei der sympathischen Reflexdystrophie. Hierbei werden über unangemessene sympathische Reflexantworten primäre Schmerzen verstärkt. Diese selbstunterhaltenden Erregungskreise können oft durch eine Nervenblockade mit einem Lokalanästhetikum durchbrochen werden; Analgetika sind meist nicht indiziert.
399 42.4 · Schmerzursachen
Psychosomatischer Schmerz
Beim psychosomatischen Schmerz hat sich eine seelische Erkrankung verselbstständigt und führt zu somatischen Schmerzen, ohne dass ein pathologisch-anatomisches Substrat für diese Schmerzen vorliegt. Psychosomatische Schmerzen sprechen auf eine Änderung der Lebensführung und auf psychotherapeutische Verfahren an. Es kann manchmal auch eine medikamentöse Therapie mittels Psychopharmaka versucht werden.
42.4
Schmerzursachen
Chronische Schmerzen treten vor allem bei Patienten mit einem Tumorleiden auf. In ungefähr 80% dieser Fälle liegen zwei oder mehr Schmerzursachen gleichzeitig vor. Bei Karzinompatienten sollten die im Folgenden aufgeführten Schmerzursachen differenziert werden, da sie u. U. einer unterschiedlichen Therapie bedürfen. Tumorbedingte Schmerzen sind durch die Ausbreitung von Tumormassen, Metastasen, Nervenkompressionen, Obstruktionen von Hohlorganen, Kapsel- und Fasziendehnungen oder Gefäßinfiltrationen bedingt. Uterus- und Rektumkarzinome wachsen meist per continuitatem im Beckenbereich und führen zur Kompression oder Infiltration des Plexus lumbosacralis (neuropathischer Schmerz); Mamma-, Prostata-, Bronchial- oder Nierenkarzinome metastasieren häufig ins Knochensystem (Nozizeptorschmerz). Therapiebedingte Schmerzen können sich beispielsweise als neuropathische Schmerzen aufgrund einer Schädigung des Plexus axillaris nach Bestrahlung eines Mammakarzinoms äußern. Schmerzen als indirekte Folge des Tumorleidens können beispielsweise durch einen Dekubitus aufgrund einer längeren Bettlägerigkeit verursacht werden. Schmerzen, die unabhängig vom Tumorleiden sind, sollten bei Karzinompatienten ebenfalls in Erwägung gezogen werden. Ein Karzinompatient kann neben Karzinomschmerzen auch beispielsweise eine schmerzhafte Arthrose haben.
42
43 43 Schmerzdiagnostik, Schmerzanamnese
402
Kapitel 43 · Schmerzdiagnostik, Schmerzanamnese
Schmerzdiagnostik
Vor Beginn einer Schmerztherapie ist eine korrekte Diagnosestellung zwingend. Zur erforderlichen Schmerzdiagnostik gehören neben einer allgemeinen Anamneseerhebung vor allem eine spezielle Schmerzanamnese, eine psychosoziale Anamnese sowie eine ausführliche körperliche Untersuchung und gegebenenfalls eine laborchemische und apparative Diagnostik. Erst nach Erhebung aller Daten kann eine (Verdachts-)Diagnose gestellt werden; Anamnese und körperliche Untersuchung sind hierbei von größtem Wert. Es sollte immer versucht werden, die Schmerzursache zu eruieren, um die Schmerzen möglichst kausal therapieren zu können. Schmerzanamnese
43
Die Säulen der Schmerzanamnese sind Schmerzlokalisation, Schmerzmuster, Schmerzcharakter und Schmerzintensität. In der Praxis hat es sich bewährt, den Patienten vor dem ersten Gespräch einen entsprechenden »Schmerzfragebogen« ausfüllen zu lassen. Die Schmerzlokalisation sollte sich der Arzt nicht nur beschreiben, sondern auch vom Patienten mit dem Finger genau zeigen lassen. Stets ist zu klären, ob und wohin die Schmerzen ausstrahlen. Anhand einer ausführlichen Patientenbefragung sollte sich der Arzt vom Schmerzmuster ein genaues Bild erstellen: Wann hat die Schmerzproblematik begonnen, wie entwickelte sie sich, wie häufig treten die Schmerzen auf? Handelt es sich um konstant anhaltende oder intermittierend auftretende Schmerzen, bestehen tageszeitliche Schwankungen der Schmerzen? Welche Faktoren führen zu einer Schmerzlinderung, welche Faktoren verschlimmern die Schmerzen? Ist der Schmerz abhängig von Körperlage, Körperhaltung, bestimmten Bewegungsmustern oder von psychischer Belastung? Bei der Schmerzanamnese sollte auch geklärt werden, um was für einen Schmerzcharakter es sich handelt. Zur Beschreibung des Schmerzcharakters werden feste Termini benutzt, z. B. Hyperalgesie (verstärkte Schmerzempfindung auf schmerzhafte Reize), Dysästhesie (unangenehme, abnorme Empfindung), Allodynie (Schmerzempfinden bei nicht schmerzhaften Reizen) oder Neuralgie (Schmerzen im Ausbreitungsgebiet eines Nerven) usw.
Die Schmerzintensität kann mit Hilfe bestimmter Schmerzskalen erhoben werden. Bei der visuellen Analogskala (VAS) muss der Patient auf einer 10 cm langen Skala, deren Enden mit »kein Schmerz« bzw. »der schlimmste vorstellbare Schmerz« gekennzeichnet sind, mit einem Strich seine momentane Schmerzintensität markieren. Bei der 101-Schätzskala wird der Patient aufgefordert, eine Zahl zwischen Null und 100 zu nennen, die seiner momentanen Schmerzintensität am ehesten entspricht; dabei bedeutet Null »kein Schmerz« und 100 »der schlimmste vorstellbare Schmerz«. Bei der verbalen Schätzskala werden bestimmte Adjektive vorgegeben, mit Hilfe derer der Patient seine Schmerzintensität einstuft. Häufig werden folgende Alternativen angeboten: »kein Schmerz, leichter Schmerz, mäßiger Schmerz, starker Schmerz, sehr starker Schmerz, der schlimmste vorstellbare Schmerz«. Zur weiteren Einschätzung der Schmerzintensität ist nach der schmerzbedingten Aktivitätseinschränkung und der Dauer des ungestörten Schlafes zu fragen. Der Patient sollte aufgefordert werden, seine aktuelle Schmerzintensität mehrmals täglich in einem »Schmerztagebuch« zu protokollieren. Für eine erfolgreiche Behandlung eines Patienten mit chronischen Schmerzen ist es wichtig, den »Gesamtschmerz« zu erfassen. Der »Gesamtschmerz« beinhaltet neben dem körperlichen Schmerz auch seelische sowie soziale Probleme. Diese psychosozialen Faktoren sind insbesondere bei Karzinompatienten von Bedeutung für das Schmerzerleben.
44 44
Methoden der Schmerztherapie
44.1
Analgetika – 404
44.1.1 44.1.2
Antipyretische Analgetika – 404 Morphinartige Analgetika (Opioide)
44.2
Regionalanästhesieverfahren – 411
44.3
Nichtmedikamentöse Therapieverfahren
– 406
– 412
404
Kapitel 44 · Methoden der Schmerztherapie
44.1
Analgetika
diatoren auf die Schmerzrezeptoren bleibt jedoch weiterhin bestehen.
Es wird zwischen antipyretischen und morphinartigen Analgetika unterschieden. Die Unterteilung der antipyretischen und morphinartigen Analgetika in verschiedene Substanzgruppen kann . Tabelle 44.1 entnommen werden.
44.1.1
Antipyretische Analgetika
Wirkungsweise
44
Bei einer Gewebeschädigung werden körpereigene, schmerzauslösende Substanzen wie Serotonin, Acetylcholin, Histamin, H+- und K+-Ionen freigesetzt. Diese chemischen Entzündungsmediatoren erregen die Schmerzrezeptoren. Gleichzeitig kommt es bei einer Gewebeschädigung zur Bildung von Prostaglandinen. Prostaglandine sensibilisieren die Schmerzrezeptoren und erniedrigen dadurch die Erregbarkeit der Schmerzrezeptoren für Reize. Eine Schlüsselstellung nimmt dabei das Prostaglandin E2 (PGE2) ein. Antipyretische Analgetika hemmen das Enzym Cyclooxygenase und damit die Prostaglandinsynthese. Die Prostaglandin-bedingte Sensibilisierung der Schmerzrezeptoren wird dadurch blockiert, die direkte Wirkung der Entzündungsme-
Nebenwirkungen
Für sämtliche antipyretischen Analgetika werden Maximaldosierungen angegeben. Bei Überschreiten der Maximaldosierungen nehmen nicht mehr die Wirkungen, sondern nur noch die Nebenwirkungen zu. Thrombozyten Antipyretische Analgetika hemmen nicht nur die Prostaglandinsynthese, sondern auch die Bildung des Thromboxans A2 (. Abb. 44.1), das für die Thrombozytenaggregation notwendig ist. Bereits die einmalige Gabe von Acetylsalicylsäure führt aufgrund einer irreversiblen Hemmung der Cyclooxygenase zu einem deutlichen Abfall des Thromboxan-A2-Spiegels. Die Thrombozytenaggregationsstörung normalisiert sich erst nach 4–5 Tagen wieder mit der Bildung neuer Thrombozyten. Bei den nichtsteroidalen Antirheumatika ist die Thrombozytenaggregationsstörung weniger ausgeprägt, da diese Substanzen die Cyclooxygenase reversibel hemmen. Magen-Darm-Trakt Prostaglandine – besonders das
PGE2 – besitzen eine Regulationsfunktion in der Magen-Darm-Schleimhaut. Fehlt das Prostaglan-
. Tabelle 44.1. Analgetika zur Therapie chronischer Schmerzen Antipyretische Analgetika:
Saure antipyretische Analgetika: 5 Salicylate 5 Nichtsteroidale Antirheumatika (non steroidal antiinflammatory drugs, NSAID) Nichtsaure antipyretische Analgetika 5 Anilinderivate 5 Pyrazolderivate Selektive COX-2-Hemmer
Morphinartige Analgetika (Opioide):
Schwache Opioidanalgetika 5 Tramadol 5 Valoron N 5 Codeinpräparate Starke Opioidanalgetika 5 Morphinpräparate 5 transdermales Fentanyl 5 Oxycodon 5 Buprenorphin
44
405 44.1 · Analgetika
. Abb. 44.1. a Freisetzung/ Bildung von Schmerzmediatoren. b Prostaglandinsynthese
Phospholipide
Gewebeschädigung
Freisetzung Transmitter Serotonin ACTH Histamin
Ionen +
K + H
a din E2, können Erosionen oder Ulzerationen der Magen-Darm-Schleimhaut auftreten. Diese Nebenwirkungen werden vor allem bei der Einnahme saurer antipyretischer Analgetika beobachtet. Atmung Saure antipyretische Analgetika können
ein Asthma bronchiale durch echte allergische oder pseudoallergische Reaktionen auslösen. Für die pseudoallergische Reaktion ist die Hemmung der Prostaglandinsynthese verantwortlich. Folge der Prostaglandinsynthesehemmung ist einerseits, dass das bronchialdilatatorisch wirkende Prostaglandin E2 vermindert gebildet wird, andererseits führt das verstärkte Beschreiten des Lipoxygenaseweges zur vermehrten Bildung der bronchokonstriktorisch wirkenden »slow reacting substance of anaphylaxis« (SRSA; . Abb. 44.1). Niere Prostaglandine haben auch eine Regulations-
funktion im Nierenparenchym. Die Einnahme saurer antipyretischer Analgetika kann eine Wasserund Elektrolytretention verursachen. Selten treten Papillenschädigungen oder eine interstitielle Nephritis auf. Saure antipyretische Analgetika
Zu den sauren antipyretischen Analgetika gehören die Salizylate und die große Anzahl der nichtsteroidalen Antirheumatika (»non-steroidal antiinflammatory drugs«, NSAID; . Tabelle 44.1). Salizylate wirken analgetisch, antiphlogistisch und antipyretisch. Wichtigster Vertreter ist die Acetylsalicylsäure. Die nichtsteroidalen Antirheumatika haben eine der Acetylsalicylsäure vergleichbare analgetische sowie eine ausgeprägte antiphlogistische Wirkung.
(aus Membranen)
Bildung Kinine
Prostaglandine
Bradykinin
Prostaglandin E2
Arachidonsäure Cyklooxygenase
Lipoxygenase
Prostaglandin E2 Thromboxan A2
Leukotriene SRSA
b Acetylsalicylsäure (Aspirin, ASS-ratiopharm) Dosierung zur Therapie chronisch maligner Schmerzen beim Erwachsenen: 500–1000 mg alle 4(–6) h, Maximaldosierung: 6 g/Tag. Nebenwirkungen: Thrombozytenaggregationshemmung (ab 50 mg), Magen-Darm-Erosionen oder -ulzera. Bei Kindern kann, falls Acetylsalicylsäure im Rahmen eines fieberhaften Infekts verabreicht wird, ein eventuell tödlich verlaufendes ReyeSyndrom auftreten. Sonstiges: Acetylsalicylsäure sollte nach den Mahlzeiten eingenommen werden. Die zusätzliche Gabe eines H2-Antagonisten, eines Protonenpumpenhemmers oder eines Antazidums ist zu erwägen. Aufgrund der gastrointestinalen Nebenwirkungen sollte Acetylsalicylsäure möglichst nicht längerfristig in hohen Dosen verabreicht werden. Diclofenac (Voltaren, Voltaren Resinat, Diclofenacratiopharm) Dosierung zur Therapie chronisch ma-
ligner Schmerzen beim Erwachsenen: 50(–100) mg alle 8 h, Maximaldosierung: 200–300 mg/Tag. Nebenwirkungen: gastrointestinale Störungen. Sonstiges: Die zusätzliche Gabe eines H2-Antagonisten, Protonenpumpenhemmers oder eines Antazidums ist zu erwägen. Ibuprofen (Tabalon, Imbun, Ibuprofen 400/-600 Stada) Dosierung zur Therapie chronisch malig-
ner Schmerzen beim Erwachsenen: 200–400 mg alle 8 h, Maximaldosierung: je nach Präparat 1600– 2400 mg/Tag. Nebenwirkungen: selten gastrointestinale Störungen.
406
Kapitel 44 · Methoden der Schmerztherapie
Nichtsaure antipyretische Analgetika
In der Gruppe der nichtsauren antipyretischen Analgetika werden die Anilinderivate und die Pyrazolderivate zusammengefasst (. Tabelle 44.1). Anilinderivate wirken analgetisch, antipyretisch, aber nur minimal antiphlogistisch. Wichtigster Vertreter ist das Paracetamol. Paracetamol ist aufgrund der guten Verträglichkeit das Analgetikum und Antipyretikum der Wahl im Kindesalter. Von den Pyrazolderivaten wird vor allem das Metamizol eingesetzt. Metamizol besitzt eine sehr starke analgetische, antipyretische und antiphlogistische Wirkung, zudem wirkt es spasmolytisch. Paracetamol (Ben-u-ron, Enelfa, Captin, Paracetamol-ratiopharm) Dosierung zur Therapie chroni-
sch maligner Schmerzen beim Erwachsenen: 500– 1000 mg alle 4(–6) h, Maximaldosierung: 6 g/Tag. Nebenwirkungen: Bei einer deutlichen Überdosierung (>150 mg/kg/Tag) treten Leberzellnekrosen nach einem Intervall von 1–3 Tagen auf. Die sofortige Gabe des Antidots N-Acetylcystein ist dann erforderlich; dadurch kann eine Leberinsuffizienz vermieden werden.
tive COX-2-Hemmer auf den Markt gebracht worden. Durch sie kann eine vergleichbar gute analgetische, antipyretische und antiphlogistische Wirkung erreicht werden, aber es werden weniger Nebenwirkungen, v. a. im Bereich des Gastrointestinaltrakts, verursacht. Selektive COX-2-Hemmer werden daher in den letzten Jahren zunehmend eingesetzt. Zur Anwendung kamen v. a. Celecoxib (Celebrex), Rofecoxib (Vioxx), Parecoxib (Dynastat) und Valdecoxib (Bextra). Im Jahr 2004 wurde jedoch Vioxx überraschend weltweit vom Markt genommen, da es bei Langzeitanwendung einer erhöhten Inzidenz an kardiovaskulären Nebenwirkungen (Myokardinfarkt, apoplektische Insulte) kam. Inzwischen stellt sich die Frage, ob diese Nebenwirkungen nur bei Vioxx zu befürchten sind oder ob es sich vielmehr um Risiken der gesamten COX-2-Gruppe handelt. Der Einsatz von COX-2-Hemmern sollte daher v. a. bei längerfristiger Gabe eher zurückhaltend erfolgen. Mittlerweile sind weitere COX-2-Hemmer vom Markt genommen worden.
44.1.2
Morphinartige Analgetika (Opioide)
Metamizol (Novalgin, Novaminsulfon-ratiopharm)
44
Dosierung zur Therapie chronisch maligner Schmerzen beim Erwachsenen: 500–1000 mg alle 4(–6) h, Maximaldosierung: 5 g/Tag. Nebenwirkungen: Blutdruckabfälle bei (schneller) i.v.-Injektion. Agranulozytose in 1,1 Fällen pro 1 Million Anwendungen. Es handelt sich hierbei um ein allergisches, nicht um ein toxisches, dosisabhängiges Phänomen: Metamizolmetabolite binden sich vermutlich an Granulozyten. Bei einer erneuten Exposition werden solche Granulozyten durch inzwischen gebildete Antikörper zerstört. Die Mortalität liegt bei frühzeitiger Erkennung und entsprechender Therapie in den Industrieländern bei ca. 10%. Sonstiges: Metamizol eignet sich bei ehemaligen Drogenabhängigen zur Schmerztherapie. COX-2-Hemmer
Seit einigen Jahren ist bekannt, dass von der Cyclooxygenase zwei verschiedene Formen (COX-1 und COX-2) vorliegen. Die oben beschriebenen antipyretischen Analgetika hemmen sowohl COX-1 als auch COX-2. In den letzten Jahren sind einige selek-
Die Bezeichnung Opioide ist ein Überbegriff für natürliche, halbsynthetische sowie vollsynthetische morphinartige Substanzen. Wirkungsweise
Morphinartige Analgetika wirken über spezifische Opioidrezeptoren im zentralen Nervensystem. Es sind mittlerweile mehrere Opioidrezeptortypen bekannt, wovon die µ- und die κ-Rezeptoren die wichtigste Rolle spielen. Die µ-Rezeptoren vermitteln eine starke (supraspinale) Analgesie, Atemdepression, Euphorie, Miosis und Motilitätshemmung des Gastrointestinaltraktes. Die κ-Rezeptoren vermitteln dagegen eine schwächere (spinale) Analgesie, eine nur geringe Atemdepression, aber eine ausgeprägte Sedierung. Ein Opioid kann an den einzelnen Rezeptortypen als reiner Agonist, Partialagonist, reiner Antagonist oder gemischter Agonist/Antagonist wirken. Reine Agonisten können nach Bindung an einen Opioidrezeptortyp die maximale (analgetische) Wirkung, Partialagonisten dagegen nur eine partielle, submaximale (analgetische) Wirkung ent-
44
407 44.1 · Analgetika
Nebenwirkungen
Das Nebenwirkungsspektrum der einzelnen Opioide ist grundsätzlich ähnlich, obwohl die Ausprägung von Medikament zu Medikament variieren kann. Bei Opioiden können zentrale Nebenwirkungen wie Atemdepression, Hustendämpfung (antitussive Wirkung), Sedierung, Euphorie, Miosis, eventuell Erbrechen und periphere Nebenwirkungen wie Kon-
A
B
Wirkung
falten. Eine Dosissteigerung der Partialagonisten führt bald zu keiner weiteren Zunahme der (analgetischen) Wirkung mehr, lediglich die Nebenwirkungen nehmen noch zu. Es wird von einem »ceiling effect« gesprochen. Morphin ist ein reiner µ-Agonist; Buprenorphin ist den µ-Partialagonisten zuzuordnen. Reine Opioidantagonisten zeigen eine sehr hohe Affinität zu den Opioidrezeptoren. Sie haben jedoch keine (analgetische) Wirkung, sondern heben die (analgetische) Wirkung eines Opioids auf. Naloxon wirkt an allen Rezeptoren antagonistisch (7 Kap. 1.16.2). Opioide binden sich meist an mehrere Opioidrezeptortypen. Ein Opioid kann sich sogar an einem Rezeptortyp als Agonist, an einem anderen als Antagonist verhalten. Beispiel für einen solchen gemischten Agonisten/Antagonisten ist Pentazocin (Fortral): Es wirkt an den κ-Rezeptoren agonistisch, an den µ-Rezeptoren antagonistisch, falls sich dort bereits ein Opioid in der Rezeptorbindung befindet. Der häufig benutzte Begriff »Potenz« eines Opioids ist kein Maß für die maximale analgetische Wirkung, sondern umschreibt nur die notwendige Wirkstoffmenge für eine vergleichbare schmerzlindernde Wirkung. So ist Fentanyl 70-mal so potent wie Morphin, d. h. zur Erzielung der gleichen analgetischen Wirkung wird von Fentanyl nur ein Siebzigstel der Milligrammdosis des Morphins benötigt. Das analgetische Wirkungsmaximum dieser beiden Opioide ist jedoch ungefähr gleich hoch, da sie beide reine µ-Agonisten sind. Buprenorphin dagegen ist zwar 40- bis 50-mal so potent wie Morphin, jedoch ist sein Wirkungsmaximum wesentlich niedriger (C in . Abb. 44.2), da es zu den Partialagonisten gehört. Bei einem Opioid mit hoher Potenz (A in . Abb. 44.2) ist die Dosiswirkungskurve nach links, bei einem Opioid mit geringer Potenz weiter nach rechts verschoben (B in . Abb. 44.2).
C
Opioiddosierung . Abb. 44.2. Dosiswirkungsbeziehung von reinen Opioidagonisten und Opioidpartialagonisten. A reiner Agonist mit hoher Potenz (z. B. Fentanyl), B reiner Agonist mit geringerer Potenz (z. B. Morphin), C Partialagonist bzw. Agonist/Antagonist mit geringerem Wirkungsmaximum (z. B. Buprenorphin)
traktion der glatten Muskulatur mit spastischer Obstipation und Erhöhung des Sphinkterentonus im Bereich von Gallenblase, Blase oder Magenausgang auftreten. Magen-Darm-Trakt Bei einer chronischen Opioid-
therapie treten häufig Übelkeit, Brechreiz und Obstipation auf. Während sich für fast alle Nebenwirkungen relativ schnell eine Gewöhnung einstellt, wird dies bei der Obstipation nicht beobachtet. Daher ist die regelmäßige Gabe eines Laxans von Anfang an notwendig; bei zwei Drittel der Patienten ist zusätzlich ein Antiemetikum indiziert. Atmung Die stets drohende Gefahr bei einer akuten
Schmerztherapie mit Opioiden besteht in einer Atemdepression. Die Gefahr einer Atemdepression ist beim chronischen Schmerzpatienten jedoch zu vernachlässigen, da schnell eine Gewöhnung an die atemdepressive Nebenwirkung der Opioide eintritt. Sie ist nur dann zu erwarten, falls zusätzlich eine starke vigilanzmindernde Medikation (z. B. Sedativa, Tranquilizer) verabreicht wird oder der Patient durch ein anderes Verfahren (z. B. Regionalanästhesieverfahren) plötzlich schmerzfrei wird, das Opioid aber weiterhin verabreicht wird. Abhängigkeit Häufig werden bei chronisch malig-
nen Schmerzen Opioide aus Angst vor einer Abhängigkeit nicht verordnet. Es muss jedoch zwischen
408
Kapitel 44 · Methoden der Schmerztherapie
physischer und psychischer Abhängigkeit differenziert werden. Physische Abhängigkeit ist dadurch charakterisiert, dass der Körper sich an die zugeführte Substanz gewöhnt hat und zur Aufrechterhaltung seiner normalen Funktionen die Zufuhr der Substanz (z. B. Alkohol, Opioid, Schlafmittel) benötigt. Beim plötzlichen Absetzen der Substanz oder bei der Verabreichung eines Antagonisten treten akute Entzugssymptome auf. Patienten, die länger als 3–4 Wochen ein Opioid einnehmen, entwickeln meist eine physische Abhängigkeit. Psychische Abhängigkeit (»Sucht«) ist dagegen dadurch gekennzeichnet, dass ein übermäßiges Verlangen nach der Substanz (»Droge«) besteht und die Substanz wegen ihrer psychischen Wirkungen eingenommen wird. Bei Patienten mit chronischen Schmerzen spielt die psychische Abhängigkeit keine Rolle. Der Schmerzpatient verlangt eine erneute Opioidgabe ausschließlich wegen der schmerzlindernden Wirkung. Wenn ein Schmerzpatient mit hoher Opioiddosis durch andere Verfahren schmerzfrei wird, so reagiert er auf das Ausschleichen der Opioidmedikation nicht mit einem Suchtverhalten.
44
Schwache Opioidanalgetika
Zu den schwachen Opioidanalgetika gehören Tramadol, Valoron N und die Codeinpräparate (. Tabelle 44.1). Diese Präparate unterliegen nicht der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtmVV).
Tilidin und Naloxon (Valoron N) Valoron N ist ein Kombinationspräparat aus Tilidin und dem Opioidantagonisten Naloxon. Dosierung zur Therapie chronisch maligner Schmerzen bei Erwachsenen: 50–100 mg alle 4(–6) h, Maximaldosierung: 600 mg/Tag. Darreichungsform: Valoron N liegt in Form von Tropfen und Kapseln vor. Inzwischen sind auch Retardtabletten (Valoron N retard) verfügbar, die ca. 12 h lang wirken und nur 2-mal pro Tag verabreicht werden brauchen. Sonstiges: Bei oraler Therapie mit üblicher Dosierung wird der zugemischte Opioidantagonist Naloxon in der Leber sofort abgebaut und ist unwirksam. Bei Einnahme hoher Dosen von Valoron N wird dagegen Naloxon nicht mehr ausreichend schnell abgebaut und damit wirksam. Hiermit soll einem Missbrauch vorgebeugt werden; allerdings kann Valoron N dadurch auch nicht hoch dosiert werden. Dihydrocodein (DHC 60/90/120 Mundipharma)
Dosierung zur Therapie chronisch maligner Schmerzen bei Erwachsenen: 60(–120) mg alle (8–)12 h. Darreichungsform: Dihydrocodein liegt nur in Form von Retardtabletten à 60 mg, 90 mg oder 120 mg vor. Nebenwirkung: Ausgeprägte Obstipation. Sonstiges: Dihydrocodein eignet sich aufgrund seiner guten antitussiven Nebenwirkung besonders bei Patienten mit schmerzverstärkendem nichtproduktivem Husten (z. B. fortgeschrittenes Bronchialkarzinom).
Tramadol (Tramal) Dosierung zur Therapie chronisch
maligner Schmerzen bei Erwachsenen: 50–100 mg alle 4(–6) h, Maximaldosierung: 400–600 mg/Tag. Darreichungsform: Tramadol liegt in Tropfenform, als Tabletten, Kapseln, Suppositorien und als Injektionslösung vor. Inzwischen sind auch Retardtabletten (Tramudin retard; Tramal long) verfügbar, die 8–12 h wirken und nur 2- bis 3-mal pro Tag verabreicht werden müssen. Sonstiges: Die analgetische Wirkung von Tramadol beruht nur zum Teil auf einer Bindung an Opioidrezeptoren, zum anderen auf der Hemmung der Wiederaufnahme der Neurotransmitter Noradrenalin und Serotonin und damit auf der Verstärkung deszendierender Hemmechanismen. Eine obstipierende Wirkung soll fehlen.
Codein (Codeinum phosphoricum Compretten)
Dosierung zur Therapie chronisch maligner Schmerzen bei Erwachsenen: 50–100 mg alle 4 h, Maximaldosierung: 300 mg/Tag. Nebenwirkung: ausgeprägte Obstipation. Starke Opioidanalgetika
Zur Therapie starker chronischer maligner Schmerzen werden vor allem Morphinpräparate, transdermales Fentanyl, Oxycodon und Buprenorphin eingesetzt. Morphin und Fentanyl – reine µ-Agonisten – sind die Mittel der Wahl für starke und stärkste Tumorschmerzen. Das Wirkungsmaximum von Morphin bzw. Fentanyl ist enorm hoch und ein »ceiling effect« tritt erst spät ein. Buprenorphin – ein
409 44.1 · Analgetika
44
. Tabelle 44.2. Relative Potenz und Wirkungsdauer verschiedener Opioide
Präparat
Relative Potenz
Wirkdauer [h]
Buprenorphin (Temgesic)
40–50
6–8
Codein (Codeinum phosphoricum Compretten)
0,1
4–6
Dihydrocodein (DHC 60/90/120 Mundipharma)
0,15
8–12
Transdermales Fentanyl
0,014
48–72
MST Mundipharma
1
8–12
MST Continus
1
24
MST-Retard-Granulat
1
24
Morphintabletten (Sevredol)
1
4
Morphin-Injektionslösung (MSI Mundipharma)
1
4
Morphinum-hydrochloricum
1
3–5
wässrige Morphinhydrochloridlösung
1
3–5
Hydromorphon (Dilaudid)
6
3–4
Piritramid (Dipidolor)
0,7–1
6–8
Pentazocin (Fortral)
0,2–0,3
2–3
Pethidin (Dolantin)
0,125
1,5–3
Tramadol (Tramal)
0,1
3–4 h
Tilidin-Naloxon (Valoron-N) (retard)
0,2–0,1
3–4 h (12 h)
µ-Partialagonist – weist dagegen einen starken »ceiling effect« auf, der bei stärksten Schmerzen relativ schnell erreicht werden kann. Neben Morphin, transdermalem Fentanyl, Oxycodon, Buprenorphin und transdermalem Buprenorphin stehen noch eine ganze Reihe weiterer starkwirksamer Opioide zur Verfügung, (. Tabelle 44.2), z. B. Levomethadon – (L-Polamidon), Hydromorphon (Dilaudid), Piritramid (Dipidolor) und Pethidin (Dolantin). Diese Opioide haben jedoch bei der Therapie chronisch maligner Schmerzen keine Bedeutung. MST Mundipharma Dosierung zur Therapie chronisch maligner Schmerzen bei Erwachsenen: initial: (10–)30 mg alle (8–)12 h. Dosiserweiterung streng nach Wirkung, in Einzelfällen können auch extrem hohe Dosierungen notwendig werden. Die (Retard-)Tabletten (MST Mundipharma à 10, 30, 60, 100 oder 200 mg) dürfen nicht geteilt werden.
Darreichungsformen: Inzwischen liegen neben den 8–12 h wirkenden Retardtabletten auch 24 h wirkende Trinksuspensionen (MST-Retard-Granulat à 20, 30, 60, 100 oder 200 mg; MST Continus à 30, 60, 100 oder 200 mg) vor. Nebenwirkung: Ausgeprägte Obstipation. Sonstiges: Die 8–12–24 h wirkenden MST-Präparate sind vor allem bei »eingestellten« Schmerzpatienten geeignet und ermöglichen ein Durchschlafen in der Nacht. Zur Kupierung akuter Schmerzattacken ist MST-Mundipharma nicht geeignet, da diese Retardpräparate den Wirkstoff nur sehr langsam abgeben. Wässrige Morphinhydrochloridlösung Die Lösung kann in verschiedenen Konzentrationen vom Apotheker hergestellt werden (z. B. 1, 2, 3, 4%ige Lösung). Inzwischen liegt auch ein kommerziell erhältliches Präparat vor (Morphin Merck Tropfen; 0,5 bzw. 2,0%; 1 ml = 5 bzw. 20 mg).
410
Kapitel 44 · Methoden der Schmerztherapie
Dosierung zur Therapie chronisch maligner Schmerzen bei Erwachsenen: initial 10 mg alle 4 h. Dosissteigerung streng nach Wirkung. Nebenwirkung: ausgeprägte Obstipation. Sonstiges: Wässrige Morphinhydrochloridlösung kann zur initialen Dosisfindung und zur Kupierung akuter Schmerzattacken unter MST Mundipharma eingesetzt werden. In Deutschland ist die wässrige Morphinhydrochloridlösung allerdings weitgehend durch MST-Retardtabletten verdrängt worden. Morphintabletten Morphintabletten (Sevredol)
sind relativ schnell wirksam und v. a. als Bedarfsmedikation bei einer akuten Schmerzverstärkung geeignet. Die Wirkungsdauer beträgt ca. 4 h. Es liegen Tabletten à 10 bzw. 20 mg vor. Morphin-Injektionslösung (MSI Mundipharma)
44
Dosierung zur Therapie chronisch maligner Schmerzen bei Erwachsenen: Falls eine orale Therapie nicht mehr möglich ist, kann Morphinhydrochlorid mittels Perfusor i.v. oder s.c. verabreicht werden. Die intravenöse Tagesdosis beträgt ca. 30% der oralen Tagesdosis an MST Mundipharma oder an wässriger Morphinhydrochloridlösung. Nebenwirkung: ausgeprägte Obstipation. Transdermales Fentanyl Das potente Opioid Fentanyl kann inzwischen transdermal (über die Haut) verabreicht werden. Durch solche Fentanyl-Pflaster kann für (48–)72 h eine relativ konstante Fentanylplasmakonzentration erzielt werden. Fentanyl-Pflaster (Durogesic) liegen in vier verschiedenen Größen à 10, 20, 30 oder 40 cm2 vor, die 25, 50, 75 oder 100 µg Fentanyl pro Stunde bzw. 0,6, 1,2, 1,8, oder 2,4 mg/ Tag abgeben. Seit 2004 steht mit Durogesic SMAT 12 auch ein Pflaster zur Verfügung, das lediglich 12 µg Fentanyl pro Stunde abgibt und für Patienten ab 2 Jahren zugelassen ist. Transdermales Fentanyl bietet sich v. a. bei Patienten mit relativ konstantem Schmerzniveau an. Der Umrechnungsfaktor von oralem Morphin auf transdermales Fentanyl beträgt 100:1. Ein Patient, der pro Tag z. B. ca. 120 mg bzw. 240 mg orales Morphin zu sich nimmt, würde ein Pflaster mit 1,2 bzw. 2,4 mg Fentanylabgabe pro Tag (20 bzw. 40 cm2) benötigen. Transdermales Fentanyl weist eine sehr hohe Patientenakzeptanz auf. Die
obstipierende Nebenwirkung ist außerdem geringer als bei oraler Opioidgabe. Nach Aufkleben des ersten Pflasters dauert es ca. 14 h, bis relativ konstante Fentanyl-Plasmakonzentrationen erreicht sind. Das Pflaster darf frühestens nach 48 h gegen ein neues Pflaster ausgetauscht werden. Zumeist reicht ein 3-tägiger Wechsel. Zusätzlich ist dem Patienten eine schnellwirksame Bedarfsmedikation zu verordnen (z. B. Sevredol). Oxycodon Seit einigen Jahren ist mit Oxycodon (Oxygesic; Retardtabletten à 10, 20, 40 oder 80 mg) ein neues starkwirksames Opioid verfügbar. Es liegt als Retardtablette vor und wirkt ca. 12 h. Für die Umstellung von oralem Morphin auf Oxycodon wird ein Umrechnungsfaktor von 2:1 empfohlen. Wird von Oxycodon auf orales Morphin umgestellt, sollte vorsichtshalber ein Umrechnungsfaktor von 1:1 angewandt werden. Buprenorphin (Temgesic sublingual, Transtec) Do-
sierung von Buprenorphin (Temgesic sublingual Tabl. à 0,2 bzw. 0,4 mg) zur Therapie chronisch maligner Schmerzen bei Erwachsenen: 0,2–0,8 mg alle (6–)8 h, Maximaldosierung: 4–5 mg/Tag. Seit kurzem steht Buprenorphin auch als Pflaster zur transdermalen Verabreichung zur Verfügung (Transtec). Die Wirkdauer beträgt 72 h und die Wirkstoffabgabe je nach Pflastergröße 35, 52,5 bzw. 70 µg/h (= 0,8, 1,2 bzw. 1,6 mg/Tag). Nebenwirkung: geringere Obstipation als Morphin. Sonstiges: Der Vorteil von Buprenorphin ist die Möglichkeit der sublingualen Verabreichung. Es eignet sich daher vor allem bei Patienten mit Schluckstörungen oder rezidivierendem Erbrechen, bei denen eine orale Morphingabe nicht möglich ist. Buprenorphin hat eine enorm feste Opioidrezeptorbindung und kann von dem Opioidantagonisten Naloxon nicht aus der Rezeptorbindung gedrängt und damit auch nicht antagonisiert werden.
411 44.2 · Regionalanästhesieverfahren
44.2
Regionalanästhesie verfahren
Nervenblockaden
Bei der Therapie chronischer Schmerzen können diagnostische, prognostische, therapeutische und neurolytische Nervenblockaden unterschieden werden. Diagnostische Blockaden Diagnostische Nervenblockaden dienen zur Identifizierung desjenigen Nerven, der für die Weiterleitung der Schmerzimpulse verantwortlich ist. Sie werden mit schnell anschlagenden und kurzwirksamen Lokalanästhetika (z. B. Prilocain, Mepivacain, Lidocain) durchgeführt. Verschwinden bei der Nervenblockade die Schmerzen, so ist der blockierte Nerv für die Weiterleitung der Schmerzimpulse verantwortlich. Prognostische Blockaden Ziel prognostischer Nervenblockaden ist, den Patienten mit den Auswirkungen einer geplanten therapeutischen/neurolytischen Blockade vertraut zu machen. Sie werden ebenfalls mit schnell anschlagenden und kurzwirksamen Lokalanästhetika durchgeführt. In seltenen Fällen wird vom Patient das durch die Blockade entstehende Taubheitsgefühl schlimmer empfunden als die Schmerzen. In diesen Fällen verbietet sich eine neurolytische Blockade. Therapeutische Blockaden Therapeutische Blocka-
den können zur vorübergehenden Schmerzausschaltung oder zur Sympathikolyse eingesetzt werden. Die schmerzleitenden Nerven müssen bekannt sein und sollten blockiert werden. Für therapeutische Blockaden empfehlen sich Blockadeserien von 6– 12 Blockaden mit einem langwirksamen Lokalanästhetikum (z. B. Bupivacain, Ropivacain). Oft werden auch entsprechende Katheter platziert (z. B. Periduralkatheter; 7 Kap. 7.3.11), über die wiederholt das Lokalanästhetikum injiziert werden kann. Liegt z. B. eine sympathische Reflexdystrophie im Bereich eines Armes und einer Hand vor, dann bietet sich eine Stellatumblockade an. Periduralkatheter werden in der Schmerztherapie vor allem zur Sympathikolyse (Injektion eines Lokalanästhetikums) oder zur Therapie chronisch maligner Schmerzen (meist Injektion von Morphin) eingesetzt. Je nach beabsichtigter Liegedauer sind
44
bei der Anlage des Periduralkatheters verschiedene Techniken möglich: 4 nicht untertunnelter, perkutan ausgeleiteter Periduralkatheter, 4 kurzstreckig untertunnelter, perkutan ausgeleiteter Periduralkatheter, 4 voll untertunnelter Periduralkatheter mit subkutan implantiertem Port. Die Membran des subkutanen Ports wird im Normalfall nach entsprechender Hautdesinfektion 2-mal pro Tag punktiert, 4 voll untertunnelter Periduralkatheter mit subkutan implantierter Pumpe. Das implantierte Pumpensystem wird alle 2–3 Wochen durch perkutane Punktion nachgefüllt. Eine Sympathikolyse wird meist mit 0,125– 0,25%igem Bupivacain oder mit 0,2%igem Ropivacain durchgeführt. Die erforderliche Menge des injizierten Lokalanästhetikums richtet sich danach, wie viele Rückenmarksegmente blockiert werden sollen. Zumeist werden 10–15 ml Bupivacain injiziert. Zur Behandlung von Patienten mit chronisch malignen Schmerzen kann eine peridurale Opioidapplikation angezeigt sein. Sie sollte jedoch nur dann eingesetzt werden, wenn eine konsequente orale Schmerztherapie nicht ausreicht. Der Vorteil einer periduralen Opioidgabe im Vergleich zu einer oralen Gabe liegt in der geringeren Opioiddosis und der niedrigeren Inzidenz an opioidbedingten Nebenwirkungen (Übelkeit, Sedierung). Eine stationäre Aufnahme des Patienten zur Anlage des Periduralkatheters und zur Einstellung des Opioidbedarfs ist notwendig. Eine ambulante Weiterbehandlung ist nach der individuellen Dosisfindung möglich. Für eine peridurale Opioidgabe hat sich Morphin bewährt. Initial wird ein Bolus von 3–5 mg Morphin (jeweils gelöst in 10 ml NaCl 0,9%) 2-mal pro Tag injiziert, eine Änderung dieser Dosierung und der Zeitintervalle sind individuell festzulegen. Komplikationen sind versehentliche intravasale oder spinale Injektion des Opioids, Blasenentleerungsstörungen und Juckreiz. Sympathikusblockaden können in der Schmerztherapie immer dann diskutiert werden, wenn der Patient über brennende, bohrende, klopfende oder dumpfe Schmerzen klagt, ferner wenn sudo- oder
412
44
Kapitel 44 · Methoden der Schmerztherapie
vasomotorische Störungen vorliegen. Sinnvoll sind wiederholte Sympathikusblockaden mit Bupivacain in 1- bis 2-tägigem Abstand über ca. 2 Wochen. In diesen Fällen kann oft eine langfristige Schmerzerleichterung oder eine Heilung erzielt werden. Zur Sympathikusblockade kann z. B. eine Periduralanästhesie (7 Kap. 7.3.11) oder eine Stellatumblockade durchgeführt werden. Das Ganglion stellatum liegt zwischen dem Querfortsatz des 6. Halswirbelkörpers und dem Oberrand der ersten Rippe. Bei einer Stellatumblockade werden die sympathischen Fasern für Kopf, Hals, Arm und oberer Thoraxhälfte ausgeschaltet. In der Regel wird die Stellatumblockade mit 5–10 ml Bupivacain 0,25% durchgeführt. Bei erfolgreicher Blockade tritt ein Horner-Syndrom (Ptosis, Myosis, Enophthalmus) auf, die Hauttemperatur im entsprechenden Kopf-, Nacken- und Armbereich steigt an und die Nase schwillt meist zu. Komplikationen können versehentliche intravasale, peridurale oder spinale Injektionen des Lokalanästhetikums, Pneumothorax, Ösophagus- oder Trachealpunktion sowie vorübergehende Rekurrens- und Phrenikusparese sein. Für eine Stellatumblockade kann anstatt eines Lokalanästhetikums eventuell auch das Opioid Buprenorphin verwendet werden (0,03 mg in 10 ml NaCl). Es wird dann von GLOA (ganglionäre, lokale Opioidapplikation) gesprochen.
Es werden aber nur Nerven neurolytisch blockiert, die keine (z. B. spinale Hinterwurzeln) oder nur einen unbedeutenden motorischen Anteil (z. B. Interkostalnerven, Nervus trigeminus) besitzen, um keine motorische Lähmung zu erzielen. Wochen oder Monate nach einer neurolytischen Blockade kommt es allerdings oft erneut zum Auftreten der Schmerzen. Als Indikation für eine neurolytische Blockade werden oft Karzinomschmerzen im Oberbauch, insbesondere bei einem Pankreaskarzinom (Plexus-coeliacus-Blockade) angegeben. Der Plexus coeliacus ist der größte prävertebrale Plexus und befindet sich auf der Höhe der 12. Brustund des 1. Lendenwirbels. Bei einer Plexus-coeliacus-Blockade werden die viszeralen Afferenzen ausgeschaltet. Die Plexus-coeliacus-Blockade wird normalerweise als neurolytische Blockade mit Alkohol durchgeführt. Die Kanülenpositionierung und Blockade muss unter Röntgendurchleuchtung oder computertomographischer Kontrolle erfolgen. Komplikationen sind versehentliche intravasale Injektion, neurolytische Schädigung anderer Nerven, Pneumothorax und eine initiale Hypotension durch Vasodilatation im Splanchnikusgebiet.
44.3
Nichtmedikamentöse Therapieverfahren
Neurolytische Blockaden
Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS)
Bei chronischen Schmerzzuständen werden auch langanhaltende neurolytische Nervenblockaden durchgeführt. Zuvor muss durch eine diagnostische/ prognostische Blockade mit einem Lokalanästhetikum die Wirksamkeit der Blockade erwiesen sein. Chemische Neurolytika (Alkohol oder Phenol) führen zu einer längerfristigen Funktionsschädigung der Nerven. Sie verursachen allerdings keine selektive Schädigung der neuronalen Strukturen, sondern können auch eine Schädigung anderer Gewebsstrukturen bewirken. Daher ist eine möglichst exakte Kanülenpositionierung unter Bildwandlerkontrolle und Kontrastmittelgabe ebenso wie die Gabe möglichst geringer Volumina notwendig. Neurolytische Blockaden können an peripher-somatischen, sympathischen und intraspinalen Nerven durchgeführt werden.
Bei der TENS werden vor allem über dem schmerzhaften Hautareal, aber auch über den versorgenden Nervenstämmen oder im entsprechenden paravertebralen Bereich, selten an der symmetrischen kontralateralen Stelle Elektroden aufgeklebt, über die eine elektrische Stimulation erfolgt. Ziel ist es, im oder möglichst nahe des Schmerzareals Parästhesien oder Dysästhesien zu erzeugen. Je näher Schmerzund Stimulationsort zusammenliegen, desto besser ist die Erfolgsaussicht. Je nach Schmerzintensität und Schmerzlinderung wird die Stimulation 1–4–10-mal pro Tag meist über jeweils 20–30 min durchgeführt. In Einzelfällen wird auch eine Dauerstimulation angewandt. Bei der TENS handelt es sich um ein praktisch nebenwirkungsfreies Verfahren. Wichtige Indikationen für TENS sind Schmerzen aufgrund einer
413 44.3 · Nichtmedikamentöse Therapieverfahren
Nervenschädigung wie Neuralgie, Kausalgie, Phantomschmerz, postzosterischer Schmerz sowie Tumorschmerz, muskulofaszialer Schmerz, Arthrose, Arthritis, Epikondylitis, Rückenschmerz, chronischer Schulter-Arm- und Halsschmerz. Bei niederfrequenter, akupunkturähnlicher Stimulation (1–4 Hertz) werden vermutlich vermehrt Endorphine freigesetzt, die durch Opioidantagonisten wie Naloxon antagonisierbar sind. Es wird eine hohe Reizintensität eingestellt, sodass motorische Zuckungen ausgelöst werden. Die Schmerzlinderung beginnt verzögert, kann die Reizung aber um Stunden überdauern. Bei der normalerweise durchgeführten hochfrequenten Stimulation (80–100 Hertz) werden überwiegend afferente A-beta-Fasern erregt. Hierdurch kommt es über segmentale Hemmechanismen im Rückenmark zu einer Blockierung der Schmerzreize. Es wird eine niedrige Reizintensität verwendet, sodass ein Kribbeln im schmerzhaften Areal empfunden wird. Die Schmerzlinderung verschwindet meist mit Stimulationsende wieder. Akupunktur
Die Akupunktur ist zum einen den Gegenirritationsverfahren (Ausnützung der segmentalen Hemmechanismen) zuzurechnen, zum anderen scheint unter Akupunktur die endogene Opioidfreisetzung stimuliert zu werden. Es lässt sich z. B. ein Konzentrationsanstieg des β-Endorphins im Liquor nachweisen und der analgetische Effekt der Akupunktur kann durch Opioidantagonisten teilweise aufgehoben werden. Eine weitere wichtige Wirkkomponente ist der suggestive Faktor, denn auch durch die Nadelung von Placebopunkten kann ein ähnlich guter Erfolg erzielt werden. Die Akupunktur ist ein nebenwirkungsarmes Verfahren, mit dem bei bestimmten Erkrankungen beachtliche Erfolge erzielt werden können. Hauptindikationen sind Kopfschmerzen, z. B. Migräne (die Erfolgsquote beträgt bis 60%), Störungen des Bewegungsapparates, z.B. chronische Rückenschmerzen, und gastrointestinale Beschwerden.
44
45 45
Spezielle Schmerztherapie
45.1
Therapie chronisch maligner Schmerzen – 416
45.1.1 45.1.2 45.1.3 45.1.4
Medikamentöse Therapie nach Stufen- und Zeitplan – 416 Komedikation bei chronisch malignen Schmerzen – 417 Grundsätze bei der Therapie chronisch maligner Schmerzen – 419 Häufige Probleme bei Karzinompatienten – 420
45.2
Therapie chronisch gutartiger Schmerzen
45.2.1 45.2.2 45.2.3 45.2.4
Migräne – 421 Herpes zoster – 423 Phantomschmerz – 423 Trigeminusneuralgie – 424
– 421
416
45.1
45
Kapitel 45 · Spezielle Schmerztherapie
Therapie chronisch maligner Schmerzen
Bei Karzinompatienten ist in 20–50% der Fälle der Schmerz ein Frühsymptom und oft bereits bei Diagnosestellung vorhanden. Im Endstadium eines Tumorleidens klagen sogar 70–80% der Patienten über Schmerzen. Mit einer konsequenten und gezielt durchgeführten Schmerztherapie könnten bei 90% dieser Karzinompatienten die Schmerzen unter Kontrolle gebracht werden. Traurige Tatsache ist jedoch, dass ein Großteil der Patienten nur eine unzureichende Schmerztherapie erhält. Ursächlich ist hierfür vermutlich vor allem ein ungenügendes Wissen um eine suffiziente Therapie chronisch maligner Schmerzen. Ziel der Schmerztherapie bei Karzinompatienten ist, die Patienten weitgehend schmerzfrei am Alltag teilhaben zu lassen. Schmerzen erinnern die Patienten laufend an das Fortbestehen ihrer malignen Grundkrankheit und sind daher für die Patienten unter anderem der Maßstab dafür, wie gut der Arzt seine Krebserkrankung therapiert. Operative Eingriffe, Strahlentherapie, Chemotherapie oder Hormontherapie sollten – falls indiziert – am Anfang der Behandlung chronisch maligner Schmerzen stehen. Insbesondere bei Patienten mit Knochenmetastasen kann durch eine lokale palliative Bestrahlung eine deutliche Schmerzlinderung, oft sogar eine Schmerzfreiheit erzielt werden. Die tragende Säule bei der Therapie chronisch maligner Schmerzen ist jedoch die medikamentöse Therapie.
45.1.1
Medikamentöse Therapie nach Stufen- und Zeitplan
Von der Weltgesundheitsorganisation wurde zur medikamentösen Therapie chronisch maligner Schmerzen ein Dreistufenplan mit bestimmten Analgetika bzw. Analgetikakombinationen vorgeschlagen (Stufenplan). Die Therapie mit Analgetika nach Bedarf ist obsolet. Die Analgetikagabe muss erfolgen, bevor der Schmerz wieder auftritt, d. h. bevor die Wirkung der vorherigen Dosis abgeklungen ist. Dazu werden die Analgetika in einer festen Dosierung und in bestimmten Zeitintervallen verordnet (Zeitplan). Die
Zeitintervalle werden der jeweiligen Pharmakokinetik und Wirkungsdauer der Präparate angepasst. Die Einstellung sollte auf orale oder transdermale Medikamente erfolgen. Stufe I
Antipyretisches Analgetikum: 4 Paracetamol: 4- (bis 6-)stündlich 500–1000 mg oder 4 Metamizol: 4- (bis 6-)stündlich 500–1000 mg oder 4 Diclofenac: 8-stündlich 50(–100) mg oder 4 Ibuprophen: 8-stündlich 200–400 mg oder 4 Acetylsalicylsäure: 4-(bis 6-)stündlich 500–1000 mg Bei nicht ausreichender Schmerzlinderung trotz richtiger Dosierung und korrekten Zeitintervallen des antipyretischen Analgetikums ist eine Medikation der Stufe II anzuwenden. Eine Überschreitung der angegebenen Höchstmengen darf nicht erfolgen, weil damit keine weitere analgetische Wirkung erzielt werden kann, aber die Nebenwirkungen weiter zunehmen. Stufe II
Antipyretisches Analgetikum (wie Stufe I) plus schwaches Opioidanalgetikum: 4 Tramadol: 4- (bis 6-)stündlich 50–100 mg oder 4 Tramadol Retardtabletten: 8- bis 12-stündlich 100–200 mg oder 4 Tilidin und Naloxon: 4- (bis 6-)stündlich 100 mg oder 4 Valoron N retard: 12-stündlich 50–150 mg (–300 mg) oder 4 Dihydrocodein: (8- bis) 12-stündlich 60(–120) mg. In der Stufe II sollte zusätzlich zu dem antipyretischen Analgetikum der Stufe I noch ein schwaches Opioidanalgetikum verabreicht werden. Aufgrund der unterschiedlichen Wirkungsmechanismen kommt es bei dieser Analgetikakombination zu einer additiven Wirkung. Bei nicht ausreichender Schmerzlinderung trotz richtiger Dosierung und korrekten Zeitintervallen dieser Analgetikakombination sollte eine Medikation der Stufe III zur Anwendung kommen.
417 45.1 · Therapie chronisch maligner Schmerzen
Stufe III
Antipyretisches Analgetikum (wie Stufe I) plus starkes Opioidanalgetikum: 4 Morphinsulfat: (8- bis) 12-stündlich. Dosierung streng nach Wirkung (im Einzelfall sehr hohe Dosierungen bis über 1000 mg/Tag möglich) oder 4 MST Continus: 24-stündlich oder 4 transdermale Fentanylgabe (Durogesic) (48- bis ) 72-stündlich mit einer Fentanylabgabe von 25, 50, 75, 100 µg/h oder mehr. Gegebenenfalls können mehrere Durogesic-Pflaster aufgeklebt werden, 4 wässrige Morphinhydrochloridlösung: 4- (bis 6-)stündlich 50–100 mg oder 4 Buprenorphin: (6- bis) 8-stündlich (bis maximal 4–5 mg/Tag) oder 4 transdermales Buprenorphin (Transtec) alle (48 bis) 72 Stunden. Gegebenenfalls können mehrere Transtec-Pflaster aufgeklebt werden. Buprenorphin aus der Gruppe der Opioidpartialagonisten weist ein niedrigeres Wirkungsmaximum als reine Opioidagonisten wie Morphin auf und reicht bei stärksten Karzinomschmerzen oft nicht aus. Morphin – z. B. in Form von Retardtabletten MST-Mundipharma – und transdermales Fentanyl sind bei stärksten Karzinomschmerzen die Mittel der Wahl. In seltenen Fällen lässt sich mit der medikamentösen Therapie nach Stufen- und Zeitplan keine ausreichende Schmerzlinderung erreichen. Dann kann der Versuch einer periduralen Opioidgabe sinnvoll sein, da hierbei oft mit geringen Opioiddosen eine gute und lang anhaltende Schmerzlinderung erzielt werden kann. In Einzelfällen wird auch eine intrathekale oder intraventrikuläre Opioidgabe durchgeführt. Zur intraventrikulären Opioidgabe wird über eine Trepanation auf der nichtdominanten frontalen Schädelkalotte ein Katheter in den Seitenventrikel eingelegt und die dazugehörige Opioidpumpe subklavikulär implantiert.
45.1.2
Komedikation bei chronisch malignen Schmerzen
Unter Komedikation wird eine zusätzlich zu den Analgetika verabreichte unterstützende Medikation verstanden, die zur Einsparung bzw. Wirkungsver-
45
stärkung der Analgetika führen (Koanalgetika) oder mit der z. B. eventuelle Nebenwirkungen therapiert werden sollen (z. B. Laxanzien, Antiemetika). Eine Komedikation sollte bei chronisch malignen Schmerzen nicht die Ausnahme, sondern eher die Regel sein. Laxanzien
An die meisten Opioidnebenwirkungen gewöhnt sich der Körper relativ schnell (Toleranzentwicklung), jedoch nicht an die opioidbedingte Obstipation. Mit Verabreichungsbeginn eines starken Opioids sollte daher stets ein Laxans verordnet werden. Außerdem empfehlen sich reichliche Flüssigkeitszufuhr, Fruchtsäfte, schlackstoffreiche Ernährung und viel Bewegung. Laktulose (Bifiteral, Lactulose Neda) Laktulose wird
im Darm nicht resorbiert und im Dickdarm u. a. zu Milchsäure und Essigsäure gespalten, die die Kolonperistaltik anregen und zur Wasserretention führen. Wirkungseintritt nach 8–10 h. Dosierung beim Erwachsenen: 1–3 Esslöffel morgens, evtl. bis zu 3-mal 3 Essl. pro Tag Macrogol plus Elektrolytlösung (Movicol) In den letzten Jahren wird relativ häufig Movicol als Laxans verordnet. Es wird nicht verstoffwechselt und führt zu keinem Flüssigkeitsverlust. Dosierung beim Erwachsenen: 2–3 Beutel pro Tag (1 Beutel = 14 g Macrogol mit 125 ml Wasser auflösen). Antidepressiva
Theoretische Grundlage für den Einsatz von Antidepressiva in der Schmerztherapie sind die deszendierenden Hemmechanismen. Antidepressiva hemmen die Wiederaufnahme der Neurotransmitter Noradrenalin und Serotonin in die Nervenendigungen der Neurone der deszendierenden Hemmbahnen und verstärken dadurch die deszendierende Hemmung. Antidepressiva haben daher unabhängig von der antidepressiven Wirkung eine eigene schmerzstillende Wirkung, die bereits nach wenigen Tagen Therapiedauer einsetzt, während die antidepressive Wirkung erst nach zwei Wochen wirksam wird. Indikationen für Antidepressiva sind Depressionen, schmerzbedingtes Psychosyndrom, Angst-
418
Kapitel 45 · Spezielle Schmerztherapie
zustände, neuropathische Schmerzen, Parästhesien und Entzugssymptome. Psychopharmaka stellen aber stets nur eine begleitende Therapie dar, sie können und sollen das persönliche Gespräch nicht ersetzen. Typische Nebenwirkungen der Antidepressiva sind anticholinerger (atropinartiger) Natur wie trockener Mund, verzögertes Wasserlassen, Obstipation, Mydriasis, Tachykardie und Herzrhythmusstörungen. Wegen der möglichen Nebenwirkungen sollten Antidepressiva nicht routinemäßig bei chronischen Schmerzen eingesetzt werden. Clomipramin (Anafranil) Dosierung bei Erwachsenen: initial meist 25 mg, gegebenenfalls langsam steigern bis auf 75–100 mg/Tag. Wirkung: antidepressiv, stimmungsaufhellend, psychomotorisch stabilisierend. Amitriptylin (Saroten) Dosierung bei Erwachsenen:
initial meist 25 mg vor dem Schlafengehen. Die durchschnittliche Dosierung beträgt 75 mg/Tag, bei starken Depressionen Steigerung bis 150 mg/Tag. Wirkung: psychomotorische Dämpfung, verbessertes Schlafverhalten.
45
Levomepromazin (Neurocil) Dosierung beim Erwachsenen: als Schlafmedikation 5–15 mg/Tag Wirkung: stark sedierend; es eignet sich daher als Schlafmedikation. Antiemetika
Patienten mit chronisch malignen Schmerzen klagen häufig am Anfang einer Opioidtherapie über Übelkeit und Brechreiz. Etwa zwei Drittel der Patienten benötigen zunächst ein Antiemetikum; zu einem späteren Zeitpunkt kann ein Auslassversuch gemacht werden. Metoclopramid (Paspertin, MCP-ratiopharm) Dosierung beim Erwachsenen: 10 mg 4- (bis 6-)mal/Tag. Wirkung: stark antiemetisch, wenig sedierend. Haloperidol (Haldol-Janssen, Haloperidol-ratiopharm) Dosierung als Antiemetikum bei Erwachse-
nen: 0,5(–1) mg 3-mal/Tag. Wirkung: stark antiemetisch, wenig sedierend. Dimenhydrinat (Vomex A) Dosierung bei Erwach-
senen: 1 Supp. à 150 mg 3- bis 4-mal/Tag.
Neuroleptika
Antikonvulsiva
Neuroleptika blockieren die Dopaminrezeptoren im zentralen Nervensystem. Sie können die Wirkung von Opioiden verstärken und die Erregbarkeitsschwelle der Schmerzrezeptoren für Reize erhöhen. Außerdem haben Neuroleptika eine antiemetische, antipsychotische, anxiolytische und sedierende Wirkung. In niedriger Dosierung werden sie meist als Antiemetikum, in mittlerer Dosierung zur Distanzierung vom Schmerzgeschehen eingesetzt. Typisch sind anticholinerge (atropinartige) Nebenwirkungen wie trockener Mund, verzögertes Wasserlassen, Obstipation, Mydriasis, Tachykardie und Herzrhythmusstörungen; daneben können auch extrapyramidale Bewegungsstörungen wie beim Morbus Parkinson auftreten.
Antikonvulsiva bewirken eine Stabilisierung von Nervenmembranen. Sie haben sich vor allem bei neuropathischen Schmerzen mit einschießendem, elektrisierendem Charakter z. B. bei einer tumorbedingten Plexusinfiltration bewährt.
Haloperidol (Haldol-Janssen, Haloperidol-ratiopharm) Dosierung bei Erwachsenen: Antiemetikum
0,5 (–1) mg 3-mal/Tag. Distanzierung vom Schmerz 1–10 mg/Tag Wirkung: gering sedierend, stark antiemetisch. Es wird daher häufig als Antiemetikum eingesetzt.
Carbamazepin (Timonil, Tegretal) Dosierung beim Erwachsenen: Anfangsdosis 100 mg/Tag. Langsame Steigerung alle 3–4Tage um 100 mg bis auf 400–600 (–1200–1800)mg/Tag in 3(–4)Dosen pro Tag. Nebenwirkungen: In ca. 20–25% Therapieabbruch wegen Übelkeit, Ataxie, Benommenheit, Verwirrtheit, Leukopenie oder Hautreaktionen notwendig. Gabapentin (Neurontin) In den letzten Jahren wird
im Rahmen neuropathischer Schmerzen als Antiepileptikum häufig Gabapentin (Kapseln à 100, 300, 400, 600 oder 800 mg) empfohlen. Dosierung beim Erwachsenen: 1. Tag 1-mal 300 mg, 2. Tag 2-mal 300 mg, 3. Tag 3-mal 300 mg. Weitere tägliche Steigerung bis zur Erhaltungsdosis von ca. 1800 mg/Tag.
419 45.1 · Therapie chronisch maligner Schmerzen
Nebenwirkungen: Gabapentin zeichnet sich durch ein günstiges Nebenwirkungsprofil aus und wird daher inzwischen meist dem Carbamazepin vorgezogen. Kalziumstoffwechselregulatoren
Im Bereich von Knochentumoren und -metastasen werden Osteoklasten aktiv, es kommt dort zum Knochenum- und -abbau. Zur Regulation des Kalziumstoffwechsels stehen Kalzitoninpräparate (z. B. Karil) und Bisphosphonate (z. B. Ostac, Aredia, Bondronat) zur Verfügung. Kalzitoninpräparate führen zur Hemmung der Osteoklasten, Erhöhung der renalen Kalziumausscheidung und verminderten Kalziumresorption im Darm. Daneben scheinen sie noch eine eigene schmerzlindernde Wirkung zu besitzen. Bisphosphonate werden von den Kalziumsalzen im Knochen absorbiert, dadurch wird deren Resorption verhindert. Zudem scheinen sie auch die Aktivität der Osteoklasten zu hemmen. Als Indikationen für Kalzitoninpräparate und Bisphosphonate werden Knochenschmerzen, z. B. aufgrund von Knochenmetastasen, angegeben. Kalzitoninpräparate (Karil) Dosierung bei Erwach-
senen: Initial 100(–200) IE i.m., s.c. oder über 2 h i.v., danach alle 2–3 Tage 100 IE. Nebenwirkung: Übelkeit, gelegentlich Erbrechen, Gesichtsrötung (Flush). Clodronsäure (Ostac) Dosierung bei Erwachsenen: oral: 4(–8) Kapseln/Tag, 1 h vor- und nachher sollte nichts gegessen werden. Parenteral: 1 Ampulle in 500 ml NaCl gelöst über mindestens 2 h/Tag. Initial meist über 5(–10) Tage eine intravenöse Therapie, anschließend eine orale Therapie. Kortikosteroide
Als Komedikation bei chronisch malignen Schmerzen werden öfters Kortikosteroide bei einem peritumorösen Ödem (z. B. intrakraniellen Tumoren oder Hirnmetastasen), einer tumorösen Nervenkompression oder Nerveninfiltration, einem Leberkapselspannungsschmerz (z. B. Lebertumor oder Lebermetastasen), bei Tumoren im Beckenbereich, einer beginnenden Querschnittsymptomatik, einer Atemwegsobstruktion (z. B. Bronchialkarzinom) sowie einem strahlenbedingten Ödem eingesetzt.
45
Nebenwirkungen einer Kortikoidtherapie sind Hyperglykämie, Natriumretention, Ödembildung, Osteoporose, Nebenniereninsuffizienz und Schwächung der Immunabwehr. Kortikosteroide sollten möglichst nicht mit sauren antipyretischen Analgetika kombiniert werden, da sonst die erhöhte Gefahr von gastroduodenalen Ulzera besteht. Dexamethason (Fortecortin) Dosierung bei Er-
wachsenen: initial hohe Dosierung (z. B. 4–8 mg Dexamethason 4-mal/Tag). Bei Wirksamkeit wird nach ca. 7 Tagen auf die Erhaltungsdosis von 2– 4 mg/Tag reduziert.
45.1.3
Grundsätze bei der Therapie chronisch maligner Schmerzen
Es sollte dem Patienten ein genauer schriftlicher Zeitplan für die Medikamenteneinnahme mitgegeben werden. Neben der Regelmedikation sollte auch eine Zusatzmedikation für den Bedarfsfall aufgeschrieben werden (. Tabelle 45.1). Es sollten nie gleichzeitig mehrere Präparate aus der Gruppe der antipyretischen Analgetika oder mehrere Präparate aus der Gruppe der Opioidanalgetika verabreicht werden. Lediglich falls ein lang wirksames Opioid verabreicht wird (z. B. transdermales Fentanyl oder Morphinretard-Tabletten), kann zur Therapie akuter Schmerzspritzen noch ein zweites kurzwirksames Opioid als Bedarfsmedikation verordnet werden. Bevor in die nächste Therapiestufe gewechselt wird, sollten die Dosierungen und Zeitintervalle der Analgetika ausgereizt werden. Es sollte immer eine orale oder transdermale Medikation angestrebt werden. Eine parenterale Medikation macht den Patienten vom Arzt bzw. Krankenhaus abhängig. Lediglich bei unstillbarem Erbrechen, Ileus, Schluckstörungen oder in den letzten Lebenstagen sind mehrmalige Injektionen eines Analgetikums oder vorzugsweise eine Morphingabe über Infusionspumpe notwendig. Therapieziel braucht nicht eine vollkommene Schmerzfreiheit sein. Es muss aber ein für den Patienten subjektiv leicht ertragbares Schmerzniveau erreicht werden. Die Indikation für den Einsatz von Opioiden darf nicht von der Lebenserwartung, sondern nur von der Schmerzintensität abhängig ge-
420
Kapitel 45 · Spezielle Schmerztherapie
. Tabelle 45.1. Schriftlicher Zeitplan der Medikamenteneinnahme am Beispiel einer 48-jährigen Frau mit Mammakarzinom und Schmerzen wegen Knochenmetastasen 7.00
1 Tbl. MST Mundipharma à 30 mg 1 Supp. Voltaren à 50 mg 5 Tropf. Haldol (= 0,5 mg) 3 Essl. Bifiteral
gegen Schmerzen gegen Schmerzen gegen Übelkeit gegen Verstopfung
14.00
1 Tbl. MST Mundipharma à 30 mg 1 Supp. Voltaren à 50 mg 5 Tropf. Haldol (= 0,5 mg)
gegen Schmerzen gegen Schmerzen gegen Übelkeit
22.00
1 Tbl. MST Mundipharma à 30 mg 1 Supp. Voltaren à 50 mg 5 Tropf. Haldol (= 0,5 mg)
gegen Schmerzen gegen Schmerzen gegen Übelkeit
Bedarfsmedikation: Bei akuten Schmerzen eventuell zusätzlich 1(–2) Supp. Voltaren à 50 mg.
macht werden. Die notwendige Opioiddosis kann von Patient zu Patient sehr unterschiedlich sein. Im Einzelfall können extrem hohe Dosierungen (bis über 1500 mg Morphin/Tag) notwendig werden.
45.1.4
Häufige Probleme bei Karzinompatienten
Obstipation
45
Als Ursache für eine Obstipation bei Karzinompatienten kommen vor allem Opioide, aber auch anticholinerg wirkende Medikamente (z. B. trizyklische Antidepressiva, Neuroleptika, Anticholinergika), Erbrechen, mangelnde Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme, Fieber, Schwäche bzw. Schmerzen beim Stuhlgang oder das Karzinom selbst in Betracht. Die Therapie besteht in reichlicher Flüssigkeitszufuhr (z. B. Fruchtsäfte) schlackstoffreicher Ernährung, viel Bewegung, Laxanzien, eventuell Klistieren. Knochenmetastasen
Knochenmetastasen sind vermutlich die häufigste Ursache für starke maligne Schmerzen. Eine Metastasierung ins Skelettsystem ist typisch für Mamma-, Prostata-, Bronchial-, Nieren-, Blasen- und Schilddrüsenkarzinome. Pathophysiologisch handelt es sich um einen Nozizeptorschmerz. Metastasenbedingte Knochenschmerzen können durch eine Bestrahlung sehr häufig entscheidend gelindert wer-
den. Als Analgetika haben sich vor allem die antipyretischen Analgetika bewährt, die hier häufig sogar stärker wirken als Opioide. Guten Erfolg bringen oft auch Kalziumstoffwechselregulatoren (z. B. Clodronsäure) und Kortikosteroide. Nervenkompression/Nerveninfiltration
Nervenkompressionen oder Nerveninfiltrationen sind eine häufige Ursache für starke Karzinomschmerzen. Die lang andauernde mechanische Irritation eines Nerven sensibilisiert diesen und führt dazu, dass bereits minimale mechanische und auch chemische Reize Impulse im Verlauf des Nervens auslösen. Die auftretenden neuropathischen Schmerzen werden in das Versorgungsgebiet der betreffenden Nerven projiziert. Als Therapie kommen vor allem Bestrahlung, operative Entlastung, Kortikosteroide, Antidepressiva, Neuroleptika oder Antikonvulsiva in Frage. Schlaflosigkeit
In vielen Fällen werden chronisch maligne Schmerzen nachts stärker empfunden als am Tage. Sie verhindern oft den Schlaf und führen zu einer weiteren Schwächung des Patienten. Aus diesen Gründen ist es ratsam, abends eine im Vergleich zur Tagesdosis etwas höhere Opioiddosis zu verabreichen. Als Schlafmittel eignet sich ein sedierendes Antidepressivum wie Amitryptilin oder ein Neuroleptikum mit stärker sedierender Wirkung wie Levomepromazin.
421 45.2 · Therapie chronisch gutartiger Schmerzen
Lymphödem
Ein Lymphödem tritt häufig nach einer Bestrahlung im Schulterbereich, einer Lymphknotenausräumung oder bei tumorösem Lymphknotenbefall in der Axilla auf. Therapeutisch kommen Hochlagerung der Extremität, Kompressionsverband, Hautpflege, Lymphdrainage, krankengymnastische Übungen und Kortikosteroide in Betracht. Kopfschmerz bei erhöhtem intrakraniellem Druck
Bei ca. 40% der Patienten mit einem intrakraniellen Tumor oder mit intrakraniellen Metastasen sind Kopfschmerzen ein Initialsymptom. Diese Kopfschmerzen aufgrund eines erhöhten intrakraniellen Druckes lassen sich – falls keine operative Tumorexstirpation möglich ist – oft durch eine Kortikosteroidgabe bessern, da dadurch das peritumoröse Ödem vermindert und der erhöhte intrakranielle Druck gesenkt werden kann.
45.2
Therapie chronisch gutartiger Schmerzen
Zu den häufigsten chronisch gutartigen Schmerzsyndromen gehören Migräne, Herpes zoster, Phantomschmerzen und Trigeminusneuralgie.
45.2.1
Migräne
45
die Kopfschmerzen einseitig auf und nur selten wechselt von Anfall zu Anfall die Seite. Die Schmerzen werden häufig im Bereich von Stirn, Auge und Schläfe lokalisiert. Begleitend zu den Kopfschmerzen sind bei der einfachen Migräne häufig vegetative Symptome vorhanden: Nahezu alle Patienten empfinden eine Appetitlosigkeit, 50–70% der Patienten klagen über Übelkeit, ca. 25% der Patienten über Erbrechen und ca. 30% der Patienten über Durchfall. Die Kopfschmerzen klingen meist innerhalb von 24–48 h wieder ab. Ein Drittel der Patienten bemerkt bereits am Tag vor der Migräneattacke Vorzeichen wie leichten Kopfschmerz, Müdigkeit, Leistungsverminderung, Reizbarkeit oder depressive Verstimmung. Typischerweise beginnt die Migräne morgens oder schon im Schlaf, dauert den Tag über an und endet wieder im Schlaf. Es wird zwischen Migräne ohne Aura und Migräne mit Aura unterschieden. Bei der Migräne mit Aura (früher als klassische Migräne bezeichnet) kommt es in der Regel vor den Kopfschmerzen zu kurz dauernden neurologischen Störungen, typischerweise Sehstörungen, aber auch Lähmungen, Gefühlsstörungen, Sprachstörungen und Gleichgewichtsstörungen. Die leichtesten neurologischen Reizerscheinungen sind eine Überempfindlichkeit gegen helles Licht und gegen Geräusche. Die Patienten ziehen sich daher in ein abgedunkeltes und ruhiges Zimmer zurück. Auslösende Faktoren
Pathophysiologie
Die genaue Pathogenese der Migräne ist bis jetzt nicht geklärt. Eine vaskuläre Hypothese besagt, dass es durch äußere Faktoren initial zu einer Verengung der intrakraniellen Gefäße kommt und anschließend eine reaktive passive Erweiterung der intrakraniellen und extrakraniellen Gefäße auftritt. Die neurologischen Reiz- und Ausfallserscheinungen werden durch die vorübergehende zerebrale Durchblutungsstörung erklärt, die pulsierenden Kopfschmerzen durch die anschließende Gefäßerweiterung. Symptomatik
Als Migräne werden attackenartige und in gewissen Abständen wiederkehrende, meist pulsierende, pochende Kopfschmerzen bezeichnet. Zumeist treten
Ein wichtiger auslösender Faktor der Migräne ist Stress. Die Migräneattacken treten jedoch häufig dann auf, wenn der Höhepunkt des Stresses bereits vorbei ist (Wochenendmigräne). Eine wichtige Rolle bei der Auslösung von Migräne scheinen auch die weiblichen Geschlechtshormone zu spielen. Zwei Drittel der Patientinnen berichten, dass es während einer Schwangerschaft zu einer deutlichen Besserung der Migräne kommt; 60–80% der Patientinnen klagen dagegen unter der Einnahme von Kontrazeptiva über eine Verschlechterung der Migräne. Auch ein Zuwenig oder ein Zuviel an Schlaf können anfallsprovozierend sein. Etwa 10% der Patienten geben einen Zusammenhang mit der Ernährung, insbesondere mit Alkoholika, Schokolade, bestimmten Käsesorten, sehr fetten
422
Kapitel 45 · Spezielle Schmerztherapie
Speisen und Zitrusfrüchten an. Bei Käse und Schokolade werden die darin enthaltenen Substanzen Thyramin und Phenyläthylamin angeschuldigt, eine Migräne auszulösen. Einige Patienten bemerken einen Zusammenhang der Migräneattacken mit Wetterveränderungen. Therapie eines akuten Migräneanfalls
Leichte Migräneattacken können durch eine Reizabschirmung in einem ruhigen und abgedunkelten Zimmer behandelt werden. Eisbeutel auf der Stirn sind hilfreich. Eine mittelschwere Migräneattacke wird zuerst mit einem Antiemetikum z. B. Metoclopramid (10–20 mg) eventuell in Zäpfchenform therapiert. Danach wird ein Analgetikum verabreicht; Mittel der Wahl ist Acetylsalicylsäure (500–1000 mg) oder Paracetamol (500–1000 mg) eventuell als Suppositorium. Nur falls bei einer schweren Migräneattacke diese Analgetika nicht ausreichen, sollte Ergotamintartrat oder ein spezifisches Migränemittel (Sumatriptan, Zolmitriptan) verabreicht werden. Ergotamintartrat liegt inzwischen nicht mehr in Aerosolform vor, sondern nur noch in Tablettenform. Spezifische Migränemittel An spezifischen Migrä-
45
nemitteln haben sich in den letzten Jahren die Triptane gut bewährt. Triptane sind selektive Serotoninantagonisten. Sie haben sich als effektiver als alle bisherigen Migränemittel erwiesen. Die wichtigsten Triptane sind Sumatriptan (Imigran), Zolmitriptan (Asco Top), Naratriptan (Narimig), Rizatriptan (Maxalt) und Frovatriptan (Allegro). Sumatriptan (Imigran) Dosierung:
4 Tabl. à 50/100 mg; ggf. Dosiswiederholung nach frühestens 4 h; Maximaldosis 300 mg pro Attacke, 4 0,5 ml = 6 mg subkutan; ggf. Dosiswiederholung nach frühestens 2 h; Maximaldosis 1,2 mg pro 24 h, 4 10–20 mg Nasalspray; ggf. Dosiswiederholung nach frühestens 2 h; Maximaldosis 40 mg pro 24 h.
Kribbelparästhesien. Kontraindikationen: Koronare Herzerkrankung, Schwangerschaft, zerebrale Mangeldurchblutung oder sonstige Erkrankungen, bei denen eine Sumatriptan-bedingte Vasokonstriktion von Nachteil sein könnte. Sonstiges: Sumatriptan ist teuer. Die neuen Triptane (Zolmitriptan, Naratriptan, Rizatriptan, Frovatriptan) sind in Wirkprinzip, Wirkungen und Nebenwirkungen dem Sumatriptan sehr ähnlich. Anfallsprophylaxe
Jeder Migränepatient sollte einen Anfallskalender führen, in dem Häufigkeit, Schwere und Dauer der Migräneanfälle sowie eingenommene Medikamente notiert werden. Die Suche nach den auslösenden Faktoren und deren Vermeidung ist der beste Schritt zur Prophylaxe der Migräne. Eine medikamentöse Anfallsprophylaxe sollte immer dann durchgeführt werden, falls 2 oder mehr Migräneattacken pro Monat auftreten oder die Migräneattacken länger als 48 h andauern. Der Erfolg einer Prophylaxe kann normalerweise erst nach einer 2- bis 3-monatigen Medikamenteneinnahme beurteilt werden. Hat die Prophylaxe Erfolg, so sollte spätestens nach einem Jahr ein Auslassversuch durchgeführt werden. Zur medikamentösen Anfallsprophylaxe werden vor allem Betablocker (die in ca. 75% der Fälle erfolgreich sind), Kalziumantagonisten, Cyclandelat und selten Serotoninantagonisten eingesetzt. Metoprolol (Beloc, Lopresor) Metoprolol gehört
zu den Betablockern. Dosierung bei Erwachsenen: initial 50 mg, normalerweise 100–200 mg Metoprolol pro Tag. Kontraindikationen: Herzinsuffizienz, Bradykardie, Asthma bronchiale. Flunarizin (Sibelium) Flunarizin gehört zu den Kalziumantagonisten. Dosierung bei Erwachsenen: 5–10 mg abends. Kontraindikationen: larvierte oder manifeste Depression. Sonstiges: Die Wirkung kann erst nach 2–3 Monaten beurteilt werden. Cyclandelat (Natil) Cyclandelat wird zunehmend
Nebenwirkungen: Druck- und Engegefühl im Brustund Halsbereich, Benommenheit, Schwächegefühl,
häufiger eingesetzt. Die Wirkung scheint zwar geringer als bei den Betablockern zu sein, es weist jedoch
423 45.2 · Therapie chronisch gutartiger Schmerzen
relativ geringe Nebenwirkungen auf. Dosierung: 400–1200 mg/Tag. In 3–4 Einzeldosen. Sinnvoll zur Anfallsprophylaxe der Migräne sind auch ein Stressbewältigungstraining unter psychologischer Anleitung oder ein Vasokonstriktions-Biofeedback, bei dem der Patient lernt, den Gefäßtonus bewusst zu kontrollieren. Auch die Akupunktur hat sich als nebenwirkungsarmes und sehr effektives Therapieverfahren erwiesen. Eine völlige Unterdrückung der Anfälle ist normalerweise nicht möglich. Eine Therapie ist dann erfolgreich, wenn Anfallshäufigkeit und Schwere der Attacken vermindert sind.
45.2.2
Herpes zoster
Pathophysiologie Beim Herpes zoster (Gürtelrose) handelt es sich um eine meist einseitige Hauterkrankung im Versorgungsbereich eines Spinalnerven. Auslöser sind Windpockenviren, die nach einer früher durchgemachten Windpockeninfektion im Bereich der Hinterwurzelganglien persistieren. Die Viren können vor allem während Phasen einer Immunsuppression (Karzinom, AIDS) reaktiviert werden, über den axonalen Transport nach peripher gelangen und dort segmentale vesikuläre Eruptionen erzeugen. Symptomatik Beim Herpes zoster kommt es zu ei-
nem Prodromalstadium von 3–5 Tagen mit Mattigkeit, Krankheitsgefühl, Appetitlosigkeit und leichtem Fieber. Stechende, scharfe neuritische Schmerzattacken und »Ameisenlaufen« können in einem oder mehreren Dermatomen bereits vor den Effloreszenzen auftreten. Spätestens bei Auftreten der typischen vesikulären Effloreszenzen ist die Diagnose sicher. Bevorzugt befallen sind die mittleren thorakalen Dermatome sowie der 1. Ast des Nervus trigeminus (V1). Normalerweise ist die Krankheit auf 1–4 Wochen begrenzt. Die Schmerzen können jedoch nach Abheilen der Eruptionen bei 7–50% der Patienten in Form einer postzosterischen Neuralgie weiterbestehen. Im geschädigten Areal werden brennende Schmerzen oder schwere, wiederholt einschießende Schmerzen empfunden. Es können auch motorische Störungen auftreten. Die Inzidenz der postzosterischen Neural-
45
gie nimmt mit steigendem Alter zu. Im Laufe von Monaten oder Jahren bessert sich diese postzosterische Neuralgie meist. Therapie im akuten Stadium Im akuten Stadium
des Herpes zoster sollte eine lokale virustatische Therapie mit Idoxuridin (Zostrum) oder in schweren Fällen eine systemische Gabe von Aciclovir (Zovirax) durchgeführt werden. Oft werden Analgetika vom Opioidtyp (z. B. Tramadol, Morphin) verabreicht, allerdings mit meist schlechtem Erfolg. Zum Teil wird auch empfohlen, eine Mischung aus Acetylsalicylsäure und Chloroform (700 mg Acetylsalicylsäure gemischt mit 15–30 ml Chloroform) 3- bis 4-mal pro Tag auf die entsprechenden Hautareale aufzutragen. Beim Auftreten von Brennschmerzen sind möglichst sofort 1- bis 2-tägig Sympathikusblockaden, z. B. Stellatumblockaden oder Interkostalblockaden durchzuführen. Wenn im Frühstadium (möglichst innerhalb der ersten 2 Krankheitswochen) Sympathikusblockaden in den entsprechenden Segmenten durchgeführt werden, kann der Schmerz gelindert, die Abheilung der Effloreszenzen beschleunigt und das Auftreten einer postzosterischen Neuralgie zumeist verhindert werden. Therapie im chronischen Stadium Zur Therapie der
postzosterischen Neuralgie eignen sich Antidepressiva (z. B. Amitryptilin, bis ca. 150 mg/Tag), oder Antikonvulsiva (z. B. Gabapentin; ca. 1800 mg/Tag). Neuroleptika (Haloperidol, 2,5–10 mg/Tag) oder eine Kombination aus Antidepressivum und Antiepileptikum können ebenfalls eingesetzt werden. Sinnvoll ist auch ein Versuch mit transkutaner elektrischer Nervenstimulation, Akupunktur oder Kälteanwendung. Genauso wie im akuten Stadium kann auch im chronischen Stadium durch Auftragen einer Mischung aus Acetylsalicylsäure und Chloroform oft eine Schmerzlinderung erzielt werden. Sympathikusblockaden helfen im chronischen Stadium weniger gut als beim akuten Geschehen.
45.2.3
Phantomschmerz
Pathophysiologie Von Phantomschmerz wird gesprochen, falls Schmerzen in einer nicht mehr vor-
424
Kapitel 45 · Spezielle Schmerztherapie
handenen Extremität empfunden werden. Die Angaben zur Inzidenz von Phantomschmerzen nach Amputation einer Gliedmaße schwanken zwischen 2 und 97%. Phantomschmerzen werden meist im distalen Anteil der amputierten Gliedmaße empfunden. Als Ursache für Phantomschmerzen wird ein Aussprossen von Neuronen (Neurombildung) im Bereich des durchtrennten Nerven diskutiert. Außerdem werden zentrale Mechanismen im Bereich des Rückenmarks mit einer neuronalen Übererregbarkeit durch den Wegfall der inhibitorischen A-beta-Fasern angeschuldigt. Ferner wird der Phantomschmerz dadurch erklärt, dass der Amputation oft eine langfristige Schmerzanamnese vorausging und diese chronischen Schmerzen nach der Amputation als Schmerzengramm (schmerzbeladene Gedächtnisspur) fortbesteht. Dafür spricht die verminderte Phantomschmerzinzidenz nach Amputationen, wenn vor der Amputation für drei Tage eine Schmerzfreiheit (mittels Periduralanästhesie) garantiert und so das Schmerzengramm gelöscht wird.
45
Symptomatik Phantomschmerzen können fast jeden Schmerzcharakter aufweisen. Möglich sind brennende, stechende, krampfartige oder einschießende Schmerzen. Oft besteht auch die Empfindung einer abnormen Stellung des amputierten Gliedes. Die Intensität von Phantomschmerzen kann von Patient zu Patient enorm differieren. Therapie Therapeutisch bieten sich Antikonvulsiva
(z. B. Carbamazepin), Neuroleptika, Kalzitoninpräparate (z. B. Karil), Regionalanästhesieverfahren (z. B. Periduralanästhesie), TENS oder Analgetika an. Allerdings sind die Statistiken über die Erfolgsquote bei der Therapie von Phantomschmerzen eher enttäuschend.
45.2.4
Trigeminusneuralgie
Pathophysiologie Pathologisch-anatomisch liegt eine Nervenschädigung im intra- oder extrakraniellen Verlauf des Nervus trigeminus – häufig eine Kompression der Nervenwurzel durch ein Gefäß – zugrunde. Stets müssen ein Tumor (z. B. ein Akusti-
kusneurinom), eine Multiple Sklerose oder auch eine AIDS-Erkrankung ausgeschlossen werden. Symptomatik Bei der Trigeminusneuralgie treten
blitzartige, einschießende Schmerzen meist im Bereich des 2. oder 3. Astes des Nervus trigeminus (V2, V3) auf. Diese Schmerzattacken sind in der Regel durch Stimulation (Kauen, kalter Luftzug) bestimmter Triggerareale auszulösen und klingen nach einem Sekunden dauernden Maximum rasch wieder ab, um sich in Intervallen von Minuten bis Monaten zu wiederholen. Therapie Medikamentös bietet sich vor allem Gaba-
pentin (ca. 1800 mg/Tag) an. Es wird auch über gute Behandlungserfolge mit TENS berichtet. Falls konservative Maßnahmen scheitern, kann eine Operation nach Jannetta (mikrochirurgische Dekompression des Nerven) durchgeführt werden. Die Erfolgsrate wird mit bis zu 80% angegeben. Aufgrund dieser Operationstechnik ist die Thermokoagulation des Ganglion gasseri inzwischen nur noch für inoperable Patienten oder Rezidivfälle vorbehalten.
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A Abdomen, akutes 213 – Lagerung 390 – Polytrauma 239 Abdominalchirurgie – Anästhesie 139, 212–214 – Elektiveingriffe 212 – laparoskopisch durchgeführte Eingriffe 212 – Notfalleingriffe 213 Abhängigkeit – Opioide 407–408 – physische/psychische 408 Abort, septischer, Verbrauchskoagulopathie 311 Abrasio 139 Absaugkatheter 100 Absaugung – Aspiration 172 – Druck, intrakranieller 233 – Neugeborenes 224 Absprache mit dem Operateur 93 Acetylcholin 7 – Abbau 15 Acetylcholinesterase 15 Acetylcholinesterasehemmer 62 – Muskelrelaxanzien, nichtdepolarisierende 54 Acetylcholinrezeptoren 13–15 – 7 Rezeptoren – postsynaptische 53 – Proteine 13 Acetylsalicylsäure 60–61, 405 – Einnahmeanamnese 82–83 – Tumorschmerzen 416 Aciclovir (Zovirax), Herpes zoster 423 Adalat 7 Nifedipin (Adalat) Addison-Krise, Anamnese 88 A-Delta-Fasern, Schmerzen 6, 396 Adenotomie 228 – Anästhesie 139 Adipositas (per magna) 194 Adrenalin (Suprarenin) 65, 100 – kardiovaskuläre Parameter 63
– Lokalanästhetikazusatz 117 – Oberst-Leitungsanästhesie 119 – Reanimation, kardiopulmonale 374 – Reuptake-Mechanismus 16 – Verdünnungsregeln 208 Adrenorezeptoren 16 Äthernarkosen, Stadien 46 affektives Durchgangssyndrom 314 Afferenzen, nozizeptive 7 Afterload 7 Nachlast α2-Agonisten, Wirkung 16 Airway 102 Akathisie 321 Akrinor 100 – Verdünnungsregeln 208 Akupunktur 413 Akut-Phase-Proteine 310 Albumin 21 Alcuroniumchlorid 54, 57 – Herz-Kreislauf-Wirkungen 77 Alfentanil (Rapifen) 11, 42 – Dosierungen 41 – Indikationen 40 – Verdünnungsregeln 208 – Wirkbeginn 40 Alkalose 305 – metabolische 306 – – Kaliummangel 306 – respiratorische 306 – – Schock, septischer 279 Alkoholentzugsdelir 322 Alkylphosphatvergiftung 382–383 Allen-Test 143–144 Allergene 28 allergische Reaktionen – Lokalanästhetika vom Estertyp 117 – Plasmaeiweiße 157 Allgemeinanästhesie – Komponenten 5 – Ophthalmologie 235 – Ziele 6 Alloferin 57 Alteplase 309
Alter – des Patienten, Narkoseverfahren, Auswahl 138 – Pharmakotherapie 209 Altersdiabetes 209 Alterungsvorgänge, physiologische und pathologische 207, 209, 298 ambulante Patienten, Untersuchungsbefunde 92–93 Amide, Lokalanästhetika 118 Amikacin, klinische Anwendung 346 Aminosäuren – Ernährung, parenterale 256–257 – essentielle 256–257 – nichtessentielle 257 – Niereninsuffizienz, terminale 257 – semiessentielle 257 – verzweigtkettige 257 Amiodaron, Tachykardie 367 Amitriptylin (Saroten), Tumorschmerzen 418 Amoxycillin, klinische Anwendung 346 Ampicillin, klinische Anwendung 346 Amrinon (Wincoram) 65 An- und Abfluten, Inhalationsanästhetika 19 Anästhesie(verfahren) 102–139 – Abdominalchirurgie 212–214 – dissoziative, Ketamin 37 – Gasaustausch 76 – Geburtshilfe 219–226 – Gefäßchirurgie 218–219 – Greisenalter 207–210 – HNO-Chirurgie 228 – intrakranielle Eingriffe 232–233 – intravenöse (IVA), zu flache bzw. zu tiefe 164 – – KHK (Koronare Herzerkrankung) 182 – – totale (TIVA) 6, 42–43, 100, 113–114, 182, 227, 240 – kieferchirurgische Eingriffe 228
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– Kindesalter 200–207 – Komplikationen, frühere, Anamnese 89 – Lymphadenotomie, retroperitoneale 227 – Medikamente, Verdünnungsregeln 208 – Neurochirurgie 230–234 – Nierenfunktion, Beeinflussung 187 – Nierentransplantation 227 – Ophthalmologie 234–235 – Plazentareste, Nachräumung, manuelle 224 – Sectio caesarea 223–224 – Stand by 93–94 – Tumorchirurgie 227 – Urologie 226–228 – zahnchirurgische Eingriffe 228–230 Anästhetika – Herz-Kreislauf-Wirkungen 77 – volatile 18 – Wirkungen, molekulare 8, 11–17 – – unerwünschte 24–29 Anafranil, Tumorschmerzen 418 Analgesie – Allgemeinanästhesie 5 – postoperative 245 – – Lokalanästhetika 119 – Verbrennungskrankheit 328 Analgetika 404–410 – antipyretische 404–406 – – Asthma bronchiale 405 – – nichtsaure 406 – – pseudoallergische Reaktionen 405 – – saure 405 – – Thrombozytenaggregationshemmung 404 – intravenöse, Lipophilie 20 – morphinartige 404, 406–410 – peripher wirkende 59–61 – Plazentagängigkeit 222 – Schmerztherapie 404 – Verdünnungsregeln 208 – Wirkorte 6–8
– Wirkungsmechanismen, molekulare 8–17 analgetisches Loch, postoperatives, Narkose, intravenöse 113 Analgosedierung, Beatmung 272 Anamnese – anästhesiologische 82–83 – Erwachsene und Jugendliche 84–85 – Fragebogen 84–85 – Schmerzen 402 anaphylaktische Reaktion/ Anaphylaxie 28 – Schock 276 Anexate – 7 Flumazenil (Anexate) – Verdünnungsregeln 208 Angina pectoris 180 – Anamnese 82–83 – KHK (Koronare Herzerkrankung) 180 – Koronarsyndrom, akutes 365 Angiotensin II 7 Angst, Tachykardie 165 ANH – 7 atriales natriuretisches Hormon – 7 Hämodilution, akute, normovolämische Anisokorie, Trübungssyndrome 315 Anistreplase 309 Anschlagzeit (Onset-time), Muskelrelaxanzien 55 Antagonisten – Analgetika, peripher wirkende 61–62 – Benzodiazepine 61 – Muskelrelaxanzien 62 – Verdünnungsregeln 208 Antiallergika 15 Antiarrhythmika, Niereninsuffizienz 292 Antibiotika – Endokarditisprophylaxe 86 – – Penicillinallergie 86 – klinische Anwendung 346 – Niereninsuffizienz 292
A
– nosokomiale Infektionen 345 – respiratorische Insuffizienz 273 – Verbrennungen 329 Antidepressiva – Neuralgie, postzosterische 423 – Tumorschmerzen 417–418 antidiuretisches Hormon (ADH) 7 – Ausschüttung 28 Antidote, Vergiftungen 382–383 Antiemetika, Tumorschmerzen 418 Antihypertensiva 100 – Eklampsie/Präeklampsie 336 Antikonvulsiva – Benzodiazepine 32 – Phantomschmerzen 424 – Präeklampsie/Eklampsie 336 – Tumorschmerzen 418 Antithrombin III (AT III) 160, 308, 310 Anurie 187 – postoperative 244 Anxiolyse, Allgemeinanästhesie 5 Aortenisthmusstenose 217 Aortenklappeninsuffizienz 184 Aortenklappenstenose 184 apallisches Syndrom 314, 319–320 apathisches Durchgangssyndrom 314 Apgar-Score 226 Aphasie 320 Apnoe durch Propofol 36 apoplektischer Insult 378 – Anamnese 89 Appendektomie, Anästhesie 138 Applikation – orale 23–24 – rektale 24 – sublinguale 23 Aprotinin (Trasylol) 309, 312 APSAC 309 Arachidonsäure 7, 16 ARAS (aufsteigendes retikuläres aktivierendes System) 8, 396–397
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ARDS (adult respiratory distress syndrome) 265 Areflexie, Bulbärhirnsyndrom 316 Arrhythmien 165–166 Arterenol 7 Noradrenalin arterielle Injektion, versehentliche, Barbiturate 34–35 Arteriolenkonstriktion, sympathikusinduzierte 277 Arthrose, TENS (transkutane elektrische Nervenstimulation) 413 Arzneimittel 7 Medikamente Arzneimittelgesetz 29 arzneimittelrechtliche Probleme 29–30 ASB (augmented spontaneous breathing) 269 Aspiration 170–171 – Abdominalchirurgie 213 – Erbrechen 171 – Laktatspiegel 173 – Polytrauma 240 – Prophylaxe 173 – Regurgitation 171 – respiratorische Insuffizienz 265 – Sectio caesarea 223 – Volumenersatz 173 Aspirationspneumatosis 172 – Abdominalchirurgie 213 Aspirin 7 Acetylsalicylsäure ASS ratiopharm 7 Acetylsalicylsäure Asthma bronchiale 356–357 – Acetylsalicylsäure 61 – Analgetika, antipyretische 405 – Anamnese 83 Asystolie, Reanimation, kardiopulmonale 370 Atelektasen, Aspiration 172 Atemarbeit 264 Atemdepression – Barbiturate 34 – Halothan 48 – Opioide 40, 407 Atemfrequenz – Beatmung 267
– Hyperthermie, maligne 169 Atemgeräusche, Polytrauma 238 Ateminsuffizienz – 7 respiratorische Insuffizienz – durch Ketamin 38 – postoperative 265 – Propofol, Kontraindikationen 36 – Verbrennungen 329 Atemkalk 98 Atemmechanik, Störungen, postoperative 243 Atemnebengeräusche 356 Atemstillstand 356 Atemstörungen 356–359 – Polytrauma 238 Atemwege, Verlegung 26 – Intubation, endotracheale 111 – postoperative 243 Atemwegserkrankungen 185 – Narkoseausleitung 186 – postoperative 186 Atemwegsfunktion 185 Atemwegssicherung 5 Atemwegsverlegung 7 Atemwege, Verlegung Atemwegswiderstand 264 – Erhöhung 25 – Störung 92 Atemzeitverhältnis, Beatmung 267 Atemzentrum, Störungen, Polytrauma 239 Atmung 25–26 – Greisenalter 207–209 – Hirntod 319 – inverse 356 – Kindesalter 200 – Narkose 74–78 – Neugeborene 200 – paradoxe 356 – Schwangerschaft 219 Atosil 7 Promethazin Atracurium (Tracrium) 54, 58 – Dosierung 58 – Herz-Kreislauf-Wirkungen 77 – Plazentagängigkeit 222 – Verdünnungsregeln 208
atriales natriuretisches Hormon (ANH), Nierenversagen, akutes 287 Atropin 100 – Alkylphosphatvergiftung 383 – Plazentagängigkeit 222 – Verdünnungsregeln 208 Aufklärung – Narkoseverfahren 90 – Notfalleingriffe 90 aufsteigendes retikuläres aktivierendes System 7 ARAS Aufwachraum 242 Augeninnendruck, erhöhter 234–235 – durch Halothan 49 Augenkammer, eröffnete 235 augmented spontaneous breathing (ASB) 269 Austreibungsphase, Uteruskontraktionen 220 autoimmunologische Prozesse, Leberversagen, halothanbedingtes 26 Autoregulation, zerebrale 230, 378 Autotransfusion, maschinelle 158–159 AV-Block, Herzschrittmacher, Implantation, temporärer 83 Azidose 305 – metabolische 305 – Neugeborenes 226 – respiratorische 306 – Schock 283 – Verbrennungskrankheit 327 Azlocillin, klinische Anwendung 346
B Bakteriämie – Hyperthermie, postoperative 244 – Schock 276 BAL 7 bronchoalveoläre Lavage
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balanced anaesthesia 6, 112–113 – Alfentanil 42 – Fentanyl 42 – Remifentanil 43 Ballonatrioseptostomie, Transposition der großen Arterien 217 Bandscheiben-Operation – Anästhesie 139 – Lagerungsprobleme 234 Barbiturate 33–35 – Applikation, intraarterielle, versehentliche 34–35 – Dosierungen 33 – Drucksteigerung, intrakranielle 232 – Epilepsie 193 – GABA-Rezeptor 13 – Indikationen 33 – Plazentagängigkeit 222 – Wirkungen, molekulare 9 – – unerwünschte 34 Bariumkalk 28 base excess/Basenüberschuss 305 Basisbedarf 154 – Infusionstherapie 301 – Kindesalter 154 Bauchlagerung, Gesichtsschädelverletzungen 390 Beatmung – Analgosedierung 272 – dezelerierender Fluss 267 – Druck 268 – – erhöhter 165 – Flow 268 – Formen 269 – Intubation 271 – kontrollierte 271 – medikamentöse Therapie 272–273 – Midazolam 272 – Muster 267–269 – nosokomiale Infektionen 344 – Opioide 272 – Pathophysiologie 265–266 – Pflege 344 – Physiotherapie 272
– Propofol 272 – Reanimation, kardiopulmonale 373 – seitengetrennte, Indikationen 215 – Spontanatmung 269 – Steuerung 267 – Therapie 271–272 – Tracheostoma 271 – Volumen 268 – zeitgesteuerte, druck- bzw. volumenbegrenzte 267 Beatmungssysteme, Kinderanästhesie 206–207 Bechterew-Syndrom, Intubation, schwierige 109 Becker-Muskeldystrophie 193 Belastungsangina 180 Beloc 7 Metoprolol Benuron 7 Paracetamol Benzodiazepine 30–32, 100 – Antagonisten 61 – antikonvulsive Therapie 32 – Dosierungen 31 – Epilepsie 193 – GABA-Rezeptor 13 – Herz-Kreislauf-Wirkungen 77 – Indikationen 113 – Kontraindikationen 32 – Langzeitanalgosedierung 32 – Lipophilie 32 – Narkoseeinleitung 30 – Narkoseführung 30 – Polytrauma 240 – Prämedikation 30, 93 – REM-Schlaf 30 – Sedation 32 – TIVA (totale intravenöse Anästhesie) 113 – Vergiftung 383 – Wirkungen, klinische 30 – – unerwünschte 32 Betablocker 100 – Herzfrequenz, Minderung 65–66 – Präeklampsie/Eklampsie 336 Bewusstlosigkeit – Allgemeinanästhesie 5
A–B
– Hirntod 318 – Polytrauma 240 Bewusstsein 376 Bewusstseinseinschränkung, Mittelhirnsyndrom 316 Bewusstseinsstörungen 315 – Glasgow-Koma-Skala 376 Bier-Regionalanästhesie 119–120 bifaszikulärer Block, Herzschrittmacher, Implantation, temporäre 83 Bifiteral 7 Lactulose Bikarbonat-Puffersystem 304 – Lunge 304 Bildgebung, Schock 281 Biot-Atmung 356 BIPAP (biphasic positive airway pressure ) 270 Bisphosphonate 419 Blasenkatheter, Abdominalchirurgie 212 Blasenruptur, Polytrauma 239 Blick, Trübungssyndrome 316 Blickparesen 315 Blitzeinleitung – Gesichtsschädelfrakturen 229–230 – Narkose, ambulante 196 Block(aden) – 3-in-1-Block 127 – – Lokalanästhetika 119 – diagnostische/therapeutische 411 – differenzierter, Lokalanästhetika 119 – Interkostalblockade 124 – interskalenäre 124 – Ischiadikusblockade 128–129 – neurolytische 412 – Parazervikalblockade 221 – Peniswurzelblock 124–126 – Plexusblockaden 121–124 – Psoas-Kompartment-Block 126–127 – Pudendusblockade 221 – vertikal-infraklavikulärer 123–124
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Blut – arterielles, Sauerstoffgehalt 24 – Intensivmedizin 312 Blutbank, Eigenblutspende 161 Blutdruck – Kindesalter 201 – Präeklampsie/Eklampsie 335 Blutdruckabfall 183 – durch Regionalanästhesie 118 Blutdruckanstieg, Hypertonie 183 Blutdruckmessgeräte, oszillatorische 142 Blutdruckmessung 142 – nach Riva-Rocci 142 Blutfluss, zerebraler 26 Blutgasanalyse – arterielle, Luftembolie 174 – Schock 281 Blut-Gas-Verteilungskoeffizient – Halothan 48 – Inhalationsanästhetika 19 – Lachgas 47 Blutgerinnung 7 Gerinnung... Blutparameter, Kindesalter 201 Blut-pH-Wert, Serum-Kalium 296 Blutprodukte, autologe 159 Blutstillung, Physiologie 308 Blutungen – epidurale, Spinalanästhesie 131 – extrazerebrale 377 – intraabdominelle 213 – intrakranielle, Durchgangs-/ Trübungssyndrome 316 – Verbrauchskoagulopathie 311 Blutungszeit 309–310 Blutverluste – peri-/postoperative 157–158 – Schock 276 – Verletzungen 363 Blutvolumen – Präeklampsie/Eklampsie 335 – Schwangerschaft 220 – Verminderung, Schock 276 Blutzucker, Kontrolle, Diabetes mellitus 88
Body Mass Index (BMI), Adipositas 194 Bradykardie 24, 165 – Herzschrittmacher, Implantation, temporärer 83 – Intubation, endotracheale 109 – postoperative 243 Bradykinin 6 Bradypnoe 356 Brennschmerzen, Herpes zoster 423 Brevimytal 7 Methohexital Bricanyl 7 Terbutalin bronchoalveoläre Lavage (BAL), respiratorische Insuffizienz 267 Bronchoskopie – Aspiration 172 – flexible, Gesichtsschädelfrakturen 229 Bronchospasmus 186 – Asthma bronchiale 357 – Intubation, endotracheale 109 – Mendelson-Syndrom 171 – postoperativer 243 Bubble-Oxygenatoren, extrakorporale Zirkulation 218 Bulbärhirnsyndrom 314 – Areflexie 316 – Miosis 315 – Pupillen 315 – Symptome 317 Bulbusstellung, Trübungssyndrome 315 Bupivacain (Carbostesin) 118 – Pharmakodynamik/-kinetik 116 Buprenorphin (Temgesic, Transtec) 11, 45, 410 – Ceiling-Effekt 11 – Dosierungen 41 – Indikationen 40 – Potenz/Wirkungsdauer 409 – sublingual 410 – transdermales Pflaster (Transtec), Tumorschmerzen 417 – Wirkbeginn 40
C calcitonin-gener related protein 7 CGRP Captin 7 Paracetamol Carbamazepin (Tegretal, Timonil), Tumorschmerzen 418 Cardiac output (CO) 150 Carlens-Tubus 215 – Lage, falsche 216 Carotis-Sinus-Syndrom, Herzschrittmacher, Implantation, temporärer 83 Catapresan 7 Clonidin CAVH (kontinuierliche arteriovenöse Hämofiltration) 290–291 CCK (cytoplasmatic creatinkinase) 7 Ceiling-Effekt 11 – Opioide 409 Cell-Saver-Blut, autologes 159 Cephalosporine, klinische Anwendung 346 C-Fasern, Schmerzen 6, 396 CGRP (calcitonin-gene related protein) 6, 8 Check-up, präoperativer 98–100 Cheyne-Stokes-Atmung 356 chirurgische Indikation, Narkoseverfahren, Auswahl 137 Chloralhydrat 39 Chlorid 297 Cholestase, Anamnese 88 Cholezystektomie 138 cholinerge Rezeptoren 14 Cimetidin (Tagamet) 15 Ciprofloxacin, klinische Anwendung 346 Cis-Atracurium (Nimbex) 58–59 CK-MB, Schock 281 Clearance, renale 23 Clindamycin 346 Clodronsäure (Ostac) 419 Clomipramin, Tumorschmerzen 418 Clonidin (Catapresan) 418
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Clonidin (Catapresan, Paracefan) 39 – Verdünnungsregeln 208 Clostridium tetani 332 CMV (continuous mandatory ventilation) 271 CO 7 Kohlenmonoxid CO2 7 Kohlendioxid Cobalt-EDTA, Zyanidvergiftung 382 Codein 408 – Potenz/Wirkungsdauer 409 Coma – 7 Koma – diabeticum 379 – vigile 319–320 Compliance – Gehirn 230 – Lungenparenchym 264 Computertomographie, Drucksteigerung, intrakranielle 231 continuous mandatory ventilation 7 CMV continuous positive airway pressure 7 CPAP Continuous-flow-CPAP 269 Coronary-steal-Syndrom 25, 182 Co-trimoxazol, klinische Anwendung 346 CPAP (continuous positive airway pressure) 269 Cromoglicinsäure (Fenistil) 15 Crushintubation, Schädelhirntrauma 377 Cuff-Druckmesser 108 Cuff-Hernie 107–108, 165 Cuffs – Blocken 107 – Entblocken 107 Cushing-Reflex – Druck, intrakranieller, erhöhter 378 – Drucksteigerung, intrakranielle 231 CVVH (kontinuierliche venovenöse Hämofiltration) 290–291
CVVHDF (kontinuierliche venovenöse Hämodiafiltration) 291 Cyclandelat (Natil), Migräne 422– 423 Cyclooxygenasen – Hemmung 16, 406 – Prostaglandinsynthese 16 Cytochrom-P450-System 22
D Dampfdruck, Inhalationsnarkotika 18 Dampfsterilisation 343 Dantrolen, Hyperthermie, maligne 170 Darmatonie, postoperative 214 Deafferenzierungsschmerz 398 Defibrillation, kardiopulmonale 373 Dehydratation 298 – hypertone 299 – hypotone 299 – isotone 298–299 Dehydrobenzperidol (DHBP), Plasmahalbwertzeit 21 delirantes Syndrom 321–322 Demand-CPAP 269 Depot-Insulin, Diabetes mellitus 87 Desfluran (Suprane) 18, 52–53 – CO2-Absorber, Reaktion 53 – Herz-Kreislauf-Wirkungen 77 – Metabolisierung 47 – Metabolismus 27 – physikalische Eigenschaften 47 – Strukturformel 49 Desinfektion 343–344 – chemische 343 – thermische 343 Desmopressin (Minirin) 60 Dexamethason (Fortecortin) 100, 419 – Tumorschmerzen 419 Dextrane (Rheomacrodex) 156–157
B–C
dezelerierender Fluss, Beatmung 267 DHC 60/90/120 Mundipharma 7 Dihydrocodein Diabetes mellitus 186–187 – im Alter 209 – Anamnese 87–88 – Blutzucker, Kontrolle 88 – Depot-Insulin 87 – diätetisch eingestellter 87 – Nahrungskarenz, postoperative 87 – mit oralen Antidiabetika eingestellter 87 Diäten, Ernährung, enterale 262 dialysepflichtige Patienten, Anamnese 88 Dialyseverfahren, intermittierende 289–290 Diazepam (Valium) 21, 30, 100 – Asthma bronchiale 357 – Dosierungen 31 – Plazentagängigkeit 222 DIC (disseminated intravascular coagulation) 7 Verbrauchskoagulopathie Dickdarmoperation, Anästhesie 138 Diclofenac (Voltaren) 61, 405 – Tumorschmerzen 416 Dicloxacillin, klinische Anwendung 346 Diffusion 74, 356 – Lachgas 47 DIG (disseminierte intravasale Gerinnung) 7 Verbrauchskoagulopathie Digitalispräparate, Niereninsuffizienz 292 Digoxin (Lanicor) 100 Dihydralazin (Nepresol) – Lupus-like-Syndrom 336 – Präeklampsie/Eklampsie 336 Dihydrocodein (DHC 60/90/120 Mundipharma) 408 – Potenz/Wirkungsdauer 409 – Tumorschmerzen 416
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Dikaliumclorazepat (Tranxilium) 30 – Dosierungen 31 – Prämedikation 32, 93 Dilaudid 7 Hydromorphon Dimenhydrinat 418 Dipidolor 7 Piritramid Disoprivan 7 Propofol Distribution 356 Diurese, forcierte – Hyperkalziämie 302 – Hypermagnesiämie 302 Diuretika, respiratorische Insuffizienz 273 4-DMAP, Zyanidvergiftung 382 Dobutamin (Dobutrex) 65, 100 – kardiovaskuläre Parameter, Beeinflussung 63 Dobutrex 7 Dobutamin Dokumentationsassistentin, Intensivstation 349 Dolantin 7 Pethidin Dopamin 64–65, 100 – kardiovaskuläre Parameter, Beeinflussung 63 Dopaminrezeptoren 15 Doppellumentubus 99 – Thoraxchirurgie 215 Dopplersonographie – Luftembolie 174 – Lungenembolie 176 Dormicum 7 Midazolam Doxycyclin, klinische Anwendung 346 Druck – Beatmung 268 – intragastraler, Schwangerschaft 220 – – Succinylcholin 57 – intrakranieller 26 – – Absaugen 233 – – Husten 233 – intraokulärer, Ketamin 38 – – Succinylcholin 57 – zentralvenöser, Kurvenverlauf 145 – – Messung 144–147
Druckalarmmonitore, Hypoxie 168 Druckkurve – arterielle, normale 143 – Pulmonaliskatheter 149 Druckmanometer, Hypoxie 168 Druckmessung – blutig-arterielle 142–144 – – Intraflow-System 143 – intrakranielle 231 Drucksteigerung, intrakranielle 89, 230–232 – Anamnese 89 – Barbiturate 232 – Bradykardie 165 – Cushing-Reflex 378 – Hyperventilation 231 – durch Ketamin 38 – Klinik 231 – Kopfschmerzen 421 – Kortikoide 232 – Lagerung 231 – Mitteldruck, arterieller 232 – Osmodiuretika 232 – Sedierung 232 – Therapie 231–232 – Ventrikeldrainage 231 Dualblock, Succinylcholin 55 Duchenne-Muskeldystrophie 193 Ductus arteriosus, persistierender 217 Duodenalsonde 262 Duranest 7 Etidocain Durchblutung – koronare 24 – zerebrale, Isofluran 51 Durchgangssyndrom 314 – affektives 314 – apathisches 314 Dynorphine 7, 398 Dysfibrinogenämie 310 Dyspnoe 356 – Lungenembolie 175 Dystonien, akute 321
E Ebrantil 7 Urapidil Echokardiographie, transösophageale, Lungenembolie 176 ECMO (extrakorporale Membranoxygenierung), respiratorische Insuffizienz 273 Eigenblutspende 159–161 Einflussstauung 362 Eingriffe, dringliche 93 – aufgeschobene 93 Ein-Helfer-Methode, Atemspende 372 Eisenmengerreaktion 217 Eiweiße, Resorption 261 EKG(-Veränderungen) 91, 142 – Hypokaliämie 300 – Lungenembolie 175 Eklampsie 334–336 – Organmanifestationen/ Symptomatik 335–336 – Therapie 335–336 Elektiveingriffe, Abdominalchirurgie 212 Elektrolytbedarf, intraoperativer 154–157 Elektrolyte – Defizite, Berechnung 301 – Funktion/klinische Bedeutung 294 – intra-/extrazelluläre 294 – Körperflüssigkeiten 295 – Schock 281 Elektrolythaushalt – Anamnese 88–89 – Kindesalter 202 – Leberinsuffizienz 189 – Pathophysiologie 298 – Physiologie 294–297 – Regulation 297 Elektrolytlösungen 100 Elektrolytstörungen – Ausgleich, präoperativer 96 – Succinylcholin 56 Elementardiät 262 Ellenbeuge, Zugang 144
433 Sachverzeichnis
Embolie – 7 Fruchtwasserembolie – Lunge 367–368 Emphysembronchitis – chronische, Anamnese 83 – Prämedikation 185 – Vorbehandlung, präoperative 185 Endokarditisprophylaxe 83 – Antibiotika 86 – – Penicillinallergie 86 – Indikation 86 Endokardkissendefekt 217 endokrine Organe, Anamnese 88 Endorphine 398 Endotoxine – Hyperthermie, postoperative 244 – Nierenversagen 286 endotracheale Intubation 105–111 Endotrachealtubus 107 Enelfa 7 Paracetamol Energiestoffwechsel, Pathophysiologie 256 Enfluran (Ethrane) 18, 49–50 – Herz-Kreislauf-Wirkungen 77 – Hyperthermie, maligne 50 – Krampfpotentialäquivalent 50 – Metabolisierung 27, 47 – physikalische Eigenschaften 47 – Strukturformel 49 Enkephalinase 9 Enkephaline 398 Enoximon (Perfan) 65 Entzündung, Opioidrezeptoren 12 Enzephalopathie, hypertensive, Präeklampsie/Eklampsie 335 Epiduralanästhesie, gerinnungshemmende Medikamente 136 Epilepsie/epileptischer Anfall 192–193 – Anamnese 89 – generalisierter 320 – Langzeitsedierung 320 Erbrechen – Aspiration 171
– Intubation, endotracheale 109 – Migräne 421 – peripher bedingtes 171 – provoziertes, Vergiftungen 382 – zentral bedingtes 171 Erhaltungsbedarf 154 Erholungsindex (recovery index), Muskelrelaxanzien 55 Ernährung – enterale, Diäten 262 – hochkalorische, Nierenversagen, akutes 288–289 – – Verbrennungskrankheit 328 – parenterale 256–261 – – Aminosäuren 256–257 – – Fette 258 – – Indikationen 259–261 – – Kohlenhydrate 257–258 – – Komplikationen 261 – – Kontrolle 260 – – metabolische Komplikationen 261 – – Monitoring 260 – – Praxis 258–261 – – Spurenelemente 258 – – Thrombophlebitis 261 – – Vitamine 258-259 – Postaggressionssyndrom 253 Ernährungssonde 262 Erreger, nosokomiale Infektionen 342 erste Hilfe am Notfallort, Verbrennungen 326 Erstversorgung – Neugeborenes 224–226 – posttraumatische 238–240 Ertrinkungsunfall 386 Erythromycin, klinische Anwendung 346 Erythrozytenkonzentrat (EK) 160 – autologes 159 – bestrahltes 160 – gefiltertes 160 – gewaschenes 160 Esmarch-Handgriff 165 – Zyanose, intraoperative 164 Esmeron 7 Rocuronium (Esmeron) Ester, Lokalanästhetika 118
D–F
Ethrane 7 Enfluran Etidocain (Duranest) 118 – Pharmakodynamik/-kinetik 116 Etomidat (Hypnomidate) 21, 36–37, 100 – GABA-Rezeptor 13 – Herz-Kreislauf-Wirkungen 77 – Plazentagängigkeit 222 – Verdünnungsregeln 208 Euphylong 7 Theophyllin Exkretion, biliäre 23 Explosionen, Operationssaal 177 Exspiration, Narkosesysteme, halbgeschlossene 71 Exspirationszeit, Beatmung 267 extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO), respiratorische Insuffizienz 273 extrakorporale Zirkulation – Herzchirurgie 218 – Kardioplegie 218 – respiratorische Insuffizienz 273 extrapyramidal-motorisches Syndrom 314, 321 Extrasystolen, ventrikuläre – durch Halothan 48 – postoperative 243 extrazelluläre Flüssigkeit, Verluste, Schock 276 Extremität – obere, Leitungsanästhesie 121 – untere, Leitungsanästhesie 126 Extubation – Bronchospasmus 186 – Kinderanästhesie 206 – Kompliaktionsmöglichkeiten 111
F Faktor VIII 160 Faktor IX 160 Faktor XIII 310
434
Sachverzeichnis
Fallot-Tetralogie 218 Falx cerebri, Verlagerung 230 Fast-truck-Methode 113 Fehlintubation, Ösophagus 109 Fenistil 7 Cromoglicinsäure Fenoterol (Partusisten), Asthma bronchiale 357 Fentanyl 11, 42 – Dosierungen 41 – Indikationen 40 – Plazentagängigkeit 222 – Potenz/Wirkungsdauer 409 – transdermale Gabe, Tumorschmerzen 417 – transdermales 410 – Verdünnungsregeln 208 – Wirkbeginn 40 Fett-Clearance, Störungen 258 Fette – Ernährung, parenterale 258 – Resorption 261 Fettinfusionen, Kontraindikation 258 Fettsäuren, essentielle 258 Fettstoffwechselstörungen, Propofol, Kontraindikationen 36 FEV1 92 Fibrin 308 Fibrinogen 160, 308, 310 Fibrinogenmangel 310 Fibrinspaltprodukte (FSP) 310 fibrinstabilisierender Faktor 310 Fieber – Inhalationsanästhesie, Kontraindikationen 112 – Tachykardie 165 Filter, Narkosebeatmungssystem 72 Flow, Beatmung 268 Flucloxacillin, klinische Anwendung 346 Flüssigkeitsdefizit/-verlust – Beurteilung 154 – Verdunstung bei unterschiedlichen Eingriffen 155 Flumazenil (Anexate) 61 – Benzodiazepinvergiftung 383
Flunarizin (Sibelium), Migräne 422–423 Flunitrazepam (Rohypnol) 30 – Dosierungen 31 – Narkoseeinleitung 30 – Narkoseführung 30 Fluorchlorkohlenwasserstoffe 72 Fluothane 7 Halothan fokale Läsionen 320 Forene 7 Isofluran Formatio reticularis 7 Formuladiät 262 Fortecortin 7 Dexamethason Fortral 7 Pentazocin Fremdblut-sparende Maßnahmen 158–161 Frischblutkonserve, autologe 159 Frischplasma – gefrorenes (GFP) 160 – – autologes 159 Fruchtwasserembolie – 7 Embolie – Verbrauchskoagulopathie 311 Frühnekrektomie, Verbrennungskrankheit 328 Fruktose, Ernährung, parenterale 257 Führungsstab 98–99 – Intubation, endotracheale 109 Füllungsdruck, linksventrikulärer enddiastolischer (LVEDV), koronare Herzerkrankung 181 Furosemid (Lasix) 100 Fußblock 129–130
G GABA (Gamma-Aminobuttersäure), Schmerzleitung 6 Gabapentin (Neurontin) – Herpes zoster 423 – Trigeminusneuralgie 424 – Tumorschmerzen 418 GABA-Rezeptoren 12–13, 17 GABA-Transferase 13 Galle, Elektrolyte 295
Gamma-Aminobuttersäure 7 GABA Ganglion-stellatum-Blockade 412 Gasanschlüsse 98 Gasaustausch – Anästhesie 76 – Operation 76 Gasaustauschstörungen – Polytrauma 239 – postoperative 243 Gase, Vergiftung 382 Gassterilisation 343 Gastroenteritis, Intensivstation 345 Gastrostomie, perkutan endoskopische (PEG) 262 Geburtshilfe, Anästhesieverfahren 219–226 Gefäßchirurgie – Anästhesieverfahren 139, 218–219 – Narkoseeinleitung 219 – Narkoseführung 219 – Prämedikation 218 – präoperative Vorbereitungen 218 Gefäßregulation, Störung, Schock 276 Gefäßrupturen, Polytrauma 239 Gefäßwiderstand – Körperkreislauf 150 – Lungenkreislauf 150 – peripherer 78, 151 – – Verminderung 25 – pulmonaler 151 Gefäßzugänge, Hämodialyse 289 Gehirn – Compliance 230 – Kontusionen 377 Gehirn-Blut-Verteilungskoeffizient, Inhalationsanästhetika 19 Gelatine (Gelafundin) 156, 157 Gentamicin, klinische Anwendung 346 Gerinnungsfaktoren 160, 308 – Faktor VIII 160 – Faktor IX 160
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– Faktor XIII 310 – Leberinsuffizienz 189 – Mangel 309 gerinnungshemmende Medikamente, Epiduralanästhesie 136 Gerinnungsstörungen 191, 307–312 – Ausgleich, präoperativer 96 – Lebererkrankungen 188 – Präeklampsie/Eklampsie 335 – Schock 281 – Schwangerschaft 220 Gerinnungssystem – endogenes/exogenes (intrinsic/ extrinsic system) 308 – plasmatisches/thrombozytäres 308 – vasales 308 Gerinnungstests 309–311 Gesamtflüssigkeitsbedarf am Operationstag 154 Gesamtkörperkalium 295 Gesamtkörperkalzium 296 Gesichtsmaske 102–103 Gesichtsmaskennarkose, Indikation 103 Gesichtsschädelfrakturen – Bauchlagerung 390 – Blitzeinleitung 229–230 – Bronchoskopie, flexible 229 Gestationshypertonie 334 Gewebsplasminogenaktivator 309 Gift, Adsorption 382 Glasgow-Koma-Skala 376 – Bewusstseinsstörung 376 Glaukom 234–235 glomeruläre Filtration 23 Glukose – Ernährung, parenterale 257 – Hyperkaliämie 289 Glukosehomöostase, Neugeborenes 226 Glukosestoffwechselstörung 186–187 Glutamat 8, 13 Glykoprotein, α1-saures 21 G-Protein-gekoppelte Rezeptoren 9, 13
Greisenalter – Anästhesie 207–210 – Narkoseführung 210 Guanosintriphosphat (GTP) 9 Guedel-Tubus 100, 103 Gürtelrose (Herpes zoster) 423 Gynäkologie, Anästhesie 139
H Haemaccel 156–157 Hämatokrit, Schock 281 hämatologische Erkrankungen 191 Hämatom, epidurales 230 Hämatopoesestörungen, Verbrennungen 329 Hämatothorax 359 – Polytrauma 238 – ZVD-Messung (zentraler Venendruck) 147 Hämodiafiltration, kontinuierliche, venovenöse (CVVHDF) 291 Hämodialyse 289–290 – Heparin 289 – Scribner-Shunt/ShaldonKatheter 290 Hämodilution, akute, normovolämische (ANH) 158 Hämodynamik – Funktionsgrößen 151 – Präeklampsie/Eklampsie 335 – Schock 281 Hämofiltration – kontinuierliche, arteriovenöse (CAVH) 290–291 – kontinuierliche, venovenöse (CVVH) 290–291 – respiratorische Insuffizienz 273 Hämoglobin – fetales (HbF) 201 – Sauerstofftransport 74 – Schock 281 – Wert 91 – – zu niedriger, präoperativer 96
F–H
Hämokonzentration, Verbrennungskrankheit 327 Hämolyse, Nierenversagen 286 Hämoperfusion 290 Hämostase – Physiologie 308 – Störungen 309 Händedesinfektion 344 HAES 7 Hydroxyethylstärke Halbelektrolytlösungen 155, 301 Haloperidol 418 – Tumorschmerzen 418 Halothan (Fluothane) 18, 48–49 – Blut-Gas-Koeffizient 48 – Herz-Kreislauf-Wirkungen 77 – Hyperthermie, maligne 49 – Leberversagen 26, 28, 49 – Metabolisierung 27, 47 – physikalische Eigenschaften 47 Halsvenenstauung, Schock, kardiogener 280 Harnkonzentrationsfähigkeit, Beeinflussung, narkosebedingte 187 Harnleitereingriffe 138 Harnretention – Opioide 40 – Spinalanästhesie 131 Harnstoff, Schock 281 Harnwegsinfekte – apallisches Syndrom 319 – nosokomiale 342 Hautdesinfektion 344 Hautemphysem 356 Hautinfektionen, nosokomiale 342 Hb 7 Hämoglobin Heißluftsterilisation 343 HELLP-Syndrom 336–337 – Definition 334 Hemianopsie 320 Hemiblock, linksposteriorer, Herzschrittmacher, Implantation, temporäre 83 Hemiparese 376
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Sachverzeichnis
Heparin – Hämodialyse 289 – Lungenembolie, Prophylaxe 176 – Schock, septischer 282 Hepatitis – chronische, Anamnese 88 – Plasmaeiweiße 157 hepatotoxische Effekte 26–28 Herniotomie 138 Heroin, Opiatvergiftung 383 Herpes zoster (Gürtelrose) 423 – Gabapentin 423 Herz, linkes/rechtes, Vorlast/ Nachlast 150 Herzaktion – Hirntod 319 – Neugeborenes 226 Herzchirurgie – Anästhesieverfahren 216–218 – extrakorporale Zirkulation 218 Herzdruckmassage, Reanimation, kardiopulmonale 372–373 Herzfehler – Anamnese 83 – kongenitale, Narkose 217–218 Herzfrequenz 78 – Kindesalter 201 – Minderung, Betablocker/ Kalziumantagonisten 65–66 – Schwangerschaft 219 Herzindex (CI) 150–151 Herzinfarkt 7 Myokardinfarkt Herzinsuffizienz 183, 362, 366 – Abdominalchirurgie 213 – Anamnese 82–83 – digitalispflichtige, Herzschrittmacher, Implantation, temporäre 83 – Dobutamin 65 Herzklappenfehler 184 Herz-Kreislauf-Erkrankungen/ -Störungen 180–184, 362–368 – Blutdruck 362 – Haut 362 – durch Opioide 40 – Polytrauma 239–240 – Puls 362
Herz-Kreislauf-Funktion/-System 24 – Altersveränderungen, physiologische 209 – Anästhetika/Muskelrelaxanzien 77 – Anamnese 83 – Kindesalter 201 – Narkosemittel 78 – Schwangerschaft 219 Herzleistung, Verminderung, Schock 276 Herzlungenmaschine 218 Herzminutenvolumen 78 – Inhalationsanästhetika 19 – Messung, Thermodilutionsmethode 149–150 Herzrhythmus 78 Herzrhythmusstörungen 25, 83, 362, 366–367 – bradykarde 243 – Herzminutenvolumen, Messung 150 – Hypertonie 183 – kaliumhaltige Lösungen, Infusion 155 – postoperative 243–244 – Therapie 367 Herzzeitvolumen, Kindesalter 201 High-flow-Phase, Schock, septischer 279 Hilfsmittel, Intubation, endotracheale 109 Hinterwurzel, Rückenmark 7 Hirnfunktionsstörungen 316 – Verlaufsmöglichkeiten 318 Hirnnervenstörungen, Spinalanästhesie 131 Hirnödem – Durchgangs- und Trübungssyndrome 316 – irreversibles, Hyperthermie, maligne 170 Hirnschädigung, globale/lokale 314 Hirnstamm, verlagerter 230 Hirntod 316
– Diagnostik 318–319 – Leitsymptome 318 – Organexplantation 318–319 Histamin 6 – Ausschüttung durch Opioide 40 Histaminrezeptoren 15 Hitzeerschöpfung/-schäden bzw. Hitzschlag 387 HIV-Sicherheit, Plasmaeiweiße 157 HNO-Chirurgie 139, 228–229 – Anästhesie 228 Homöostase, Störungen, Ausgleich 96 Horner-Syndrom, Stellatumblockade 412 H1/H2-Rezeptoren 15 H2-Rezeptorenblocker, Niereninsuffizienz 292 Hüfnersche Zahl 74 Humanalbumin 160 Husten, Druck, intrakranieller 233 Hydrokortison, Nebenniereninsuffizienz 88 Hydromorphon (Dilaudid) 409 – Potenz/Wirkungsdauer 409 Hydroxyethylstärke (HAES) 156–157 5-Hydroxytryptamin 15 Hygiene, Intensivstation 342–346 Hyperammoniämie, Ernährung, parenterale 261 Hyperglykämie – Ernährung, parenterale 261 – Koma 379 Hyperhydratation 298 – Ernährung, parenterale 261 – hypertone 299–300 – hypotone, Ertrinkungsunfall 386 – isotone 299 Hyperkaliämie 295, 300 – Ausgleich, präoperativer 96 – Glukose 289 – Insulin 289 – Kalzium 289
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– – – – –
kardiale Zeichen 288 Kationenaustauscher 289 Natriumbikarbonat 289 neurologische Zeichen 288 Nierenversagen, akutes 288–289 – Therapie 156 Hyperkalziämie 301 – Diurese, forcierte 302 Hyperkapnie 264 – Folgen 78 – Tachykardie 165 Hyperkatecholaminämie, Hyperthermie, maligne 170 Hypermagnesiämie 300 – Diurese, forcierte 302 – Kalzium 302 Hypernatriämie, Verbrennungskrankheit 327 Hypersalivation 166 hypertensive Krise 362, 368 – Phäochromozytom 190 Hyperthermie – maligne 28, 169–170 – – Enfluran 50 – – Halothan 49 – – Inhalationsanästhesie, Kontraindikationen 112 – – Isofluran 51 – – Muskelerkrankungen 194 – – postoperative 244 – – Sevofluran 52 – – Succinylcholin 57 – – Tachykardie 165 – postoperative 244 Hyperthyreose 189–190 Hypertonie 183 – HELLP-Syndrom 337 – Phäochromozytom 190 – postoperative 244 – Präeklampsie/Eklampsie 335 Hyperventilation – Drucksteigerung, intrakranielle 231 – Schock, septischer 279 – Schwangerschaft 219 – therapeutische, Hirnödemprophylaxe 168
Hyperventilationstetanie durch Regionalanästhesie 118 Hypnomidate 7 Etomidat Hypnotika – intravenöse, Lipophilie 20 – Verdünnungsregeln 208 – Wirkorte 6–8 Hypoglykämie – Ernährung, parenterale 261 – Koma 378–379 – Neugeborenes 224 Hypognathie, Intubation, schwierige 109 Hypokaliämie 295, 300 – Ausgleich, präoperativer 96 – EKG-Veränderungen 300 – Ernährung, parenterale 261 – extrazelluläre, Alkalose, metabolische 306 – Kaliumsubstitution 302 – Verbrennungskrankheit 327 Hypokalziämie 300 – Kalzium 302 Hypokapnie – Folgen 78 – postoperative 243 Hypomagnesiämie 300 – Magnesium 302 Hyposystolie, Reanimation, kardiopulmonale 370 Hypothermie – kontrollierte, Neurochirurgie 234 – Neugeborenes 224 – postoperative 244 – therapeutische, Hirnödemprophylaxe 168 Hypotonie – kontrollierte, Neurochirurgie 234 – postoperative 244 Hypovolämie – Abdominalchirurgie 213 – Nierenversagen 286 – Propofol, Kontraindikationen 36 Hypoxämie, Neugeborenes 224 Hypoxie 22
H–I
– Durchgangs-/Trübungssyndrome 316 – Narkosekomplikationen 168 – Prophylaxe 168 – Tachykardie 165 – Ursachen 168
I Ibuprofen (Imbun, Tabalon) 405 – Tumorschmerzen 416 Idoxuridin, Herpes zoster 423 Ikterus, Inhalationsanästhesie, Kontraindikationen 112 Ileus 213 Imbun 7 Ibuprofen Imigran 7 Sumatriptan Imipenem, klinische Anwendung 346 Impfproblematik, Kindesalter 203 IMV (intermittent mandatory ventilation) 270 Infektionen – nosokomiale 342–344 – Schock 277 Informationsübertragung, Entwicklung 17 Infusionslösungen 100, 155 – natrium- und kaliumfreie 301 – pyrogene, Hyperthermie, postoperative 244 Infusionstherapie – Basisbedarf 301 – Infusionslösungen 301 – Pflege 345 – Postaggressionssyndrom 253 – Verbrennungen 329 – Volumenmangelschock, Parkland-Baxter-Schema 328 Inguinalchirurgie 138 Inhalationsanästhesie/-narkose 111–112 – balancierte, zu flache/zu tiefe 164 – Kennzeichen 45 – Stadienabfolge 46
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Sachverzeichnis
Inhalationsanästhetika/-narkotika 18, 45–53 – Abdominalchirurgie 212 – An- und Abfluten 19 – Aufnahme 19 – Blut-Gas-Verteilungskoeffizient 19 – Dampfdruck 18 – Gehirn-Blut-Verteilungskoeffizient 19 – Herz-Kreislauf-Wirkungen 77 – Herzminutenvolumen 19 – Kontraindikationen 112 – Konzentrationseffekte 20 – Metabolismus 27 – Sauerstoffaufnahme 76 – Substanzen 19–20 – Umweltbelastungen 72 – Wirkungen, molekulare 9 Injektionsschmerz durch Etomidat 37 Inotropie des Herzens – Abnahme durch Halothan 48 – negative 25 Inspiration – Narkosesysteme, halbgeschlossene 71 – Unterstützung 270 Inspirationszeit, Beatmung 267 inspiratory pressure support (IPS) 269 Instrumentarium, Überprüfung 98–100 Insulin, Hyperkaliämie 289 Intensivmedizin, Blut 312 Intensivpflegeeinheit, Modell 348 Intensivstation 242 – bauliche Voraussetzungen 348 – Dokumentationsassistentin 349 – Gastroenteritis 345 – Hygiene 342–346 – medizinisch-technische Assistentin 349 – nosokomiale Infektionen 342 – Personal 348–349 – Pflegepersonal 349
– pflegerische Techniken 344 – Reinigungspersonal 349 – Schwerverbrannte 326 – Techniker 349 Interkostalblockade 124 Interleukin 1 6 intermittent mandatory ventilation – 7 IMV – synchronized 7 S-IMV intermittent positive pressure ventilation 7 IPPV interskalenäre Blockade 124 Intoxikationen 7 Vergiftungen intracranial pressure (ICP) 230 Intraflow-System, Druckmessung, blutig-arterielle 143 intrakranielle Eingriffe, Anästhesie 139, 232–233 intrakranieller Raum, Kompartimente 26 Intubation – Aspiration 172 – Beatmung 271 – endotracheale 105–111 – – Atemwege, Verlegung 111 – – Führungsstab 109 – – Hilfsmittel 109 – – Laryngoskopie 107 – – Magill-Zange 109 – – Mivacurium/Succinylcholin 106 – – Tubus/Tuben 99, 106 – – – Dislokation 111 – – – Sicherung 108 – – Ventilation, einseitige 108 – Indikationen 111 – Kindesalter 204–206 – – Technik 205 – links-/rechtsendobronchiale 216 – nasotracheale 111 – Neugeborenes 225 – orale 105 – orotracheale, Komplikationen 109 – Reanimation, kardiopulmonale 373 – schwierige 108–110
Intubationsbesteck 98 Intubationsnarkose – Beatmungsdruck, erhöhter 165 – Zyanose 164 IOP 7 Druck, intraokulärer IPPV (intermittent positive pressure ventilation) 271 IPS (inspiratory pressure support) 269 Ischiadikusblockade 128–129 – periphere 129 – Zugang, transglutealer 128 Isofluran (Forene) 18, 50–51 – Durchblutung, zerebrale 51 – Herz-Kreislauf-Wirkungen 77 – Hyperthermie, maligne 51 – Metabolisierung 27, 47 – physikalische Eigenschaften 47 – Strukturformel 49 Isolierung, Patienten 345 IVA 7 Anästhesie, intravenöse
J Jackson-Anfälle 320 Jejunalsonde 262
K Kalium 91, 100, 295–296 – Hypokaliämie 302 kaliumhaltige Lösungen, Infusion, Herzrhythmusstörungen 155 Kaliummangel 7 Hypokaliämie Kalzitonin (Karil) 419 Kalzium 100, 296–297 – Hyperkaliämie 289 – Hypermagnesiämie 302 – Hypokalziämie 302 Kalziumantagonisten 100 – Herzfrequenz, Minderung 65–66
439 Sachverzeichnis
– Nachlast, Senkung 64 Kalziumbindung, Plasmaproteine 296 Kalziumstoffwechselregulatoren, Knochentumoren 419 Kammerflattern/-flimmern, Reanimation, kardiopulmonale 370 Kapillarleck, respiratorische Insuffizienz 273 Kapnometrie, Luftembolie 174 kardiale Zeichen, Hyperkaliämie 288 Kardioplegie, extrakorporale Zirkulation 218 kardiovaskuläre Parameter, Kindesalter 202 Kardioversion, elektrische, Tachykardie 367 kardiozirkulatorische Notfälle 362–368 Karil 7 Kalzitonin Karotisstenosen, Propofol, Kontraindikationen 36 Karzinompatienten – Probleme 420–421 – Verbrauchskoagulopathie 311 Kasabach-Merritt-Syndrom, Verbrauchskoagulopathie 311 Katecholamine 64–65 – Phäochromozytom 190 Katheter, zentralvenöser 7 Zentralvenenkatheter Katheterfehllage, ZVD-Messung (zentraler Venendruck)147 Katheterinfektionen, nosokomiale 345 Katheterisierung, V. jugularis interna 148 Kathetertechniken, Leitungsanästhesie 121 Kationenaustauscher, Hyperkaliämie 289 Kaudalanästhesie 133 Kausalgie, TENS (transkutane elektrische Nervenstimulation) 413 Ketamin (Ketanest) 37–38, 100 – Anästhesie, dissoziative 37 – Dosierung 37
– – – – –
Herz-Kreislauf-Wirkungen 77 Narkoseführung 30 NMDA-Rezeptor 13 Plazentagängigkeit 222 TIVA (totale intravenöse Anästhesie) 113 – Verdünnungsregeln 208 Kieferchirurgie – Anästhesie 228 – Langzeitoperationen 229 Kiener-Becker-Muskeldystrophie 193 Kinderanästhesie 200–207 – Beatmungssysteme 206–207 – Extubation 206 – Laryngospasmus 206 – Larynxmaske 206 – Maskenbeatmung 205 – Medikamentenvorbereitung 207 – Monitoring 207 – Narkoseprobleme 227 – Stridor 206 – Tubuswahl 205 – Ulmer Kreissystem 207 – Volumensubstitution, intraoperative 207 – Vorgehensweise 138 Kindesalter – Atmung(sparameter) 200 – Basisbedarf 154 – Blutparameter 201 – Elektrolythaushalt 202 – Impfproblematik 203 – kardiovaskuläre Parameter 202 – Leberfunktion 201 – Narkoseeinleitung 203–207 – – rektale 203–204 – Narkoseführung 204 – Nierenfunktion 202 – Nüchternheit, präoperative 203 – Operationsvorbereitung 203 – Opioide 29 – Prämedikation 203 – Propofol, Kontraindikation 36 – Residualkapazität, funktionelle 200
I–K
– Temperaturregulation 202 – Untersuchungen, präoperative 203 – Ventilation, alveoläre 200 – Wasserhaushalt 202 Klasse-1/2-Rezeptoren 9–10 Knochenmarkdepression durch Lachgas 47 Knochenmetastasen/-tumoren – Kalziumstoffwechselregulatoren 419 – Karzinompatienten 420 Körper, Wasseranteil, Veränderungen 298 Körperflüssigkeiten, Elektrolyte 295 Körperkreislauf, Gefäßwiderstände 150 Kohlendioxid (CO2), Produktion, Hyperthermie, maligne 169 Kohlendioxid-Absorber – Desfluran 53 – Reaktion 28–29 – Sevofluran 52 – Wassergehalt 28 Kohlendioxid-Elimination 75–78 – extrakorporale, respiratorische Insuffizienz 273 Kohlendioxidpartialdruck – arterieller 305 – Erhöhung/Minderung 77–78 Kohlendioxidvergiftung 382 Kohlenhydrate – Ernährung, parenterale 257–258 – Resorption 261 Kohlenmonoxid-Bildung im Absorber durch Enfluran 50 Kohlenmonoxidvergiftung 339–340, 382 Kolonisation, Schock 276 Koma 315 – 7 a. Coma – hyperglykämisches 379 – hypoglykämisches 378–379 Komedikation, Schmerzen, chronisch-maligne 417
440
Sachverzeichnis
Kompartimente, intrakranieller Raum 26 Kompartmentmodelle, Narkotika, intravenöse 21 Kompressionssonographie, Lungenembolie 176 Kompressionssyndrom, aortokavales 220 – Sectio caesarea 224 Koniotomie 391 Konsumgewohnheiten/ -erkrankungen – Anamnese 89 – Laboruntersuchungen, präoperative 91 Kontraktionskraft 78 Kontrakturen, apallisches Syndrom 319 Kontusion – Gehirn 377 – Lunge 357–358 Konzentrationseffekte, Inhalationsanästhetika 20 Kopfhochlagerung, Aspiration 173 Kopfschmerzen – Druck, intrakranieller, erhöhter 421 – postspinale, Periduralanästhesie 134 Koronarangioplastie, perkutane (PTCA) 365 koronare Durchblutung 25 koronare Herzerkrankung (KHK) 180 – Anästhesie, intravenöse 182 – LVEDV (linksventrikuläres enddialstolisches Volumen) 181 – Monitoring, perioperatives 182 – Narkoseeinleitung/-führung 182 – Prämedikation 181 – Preload-Erhöhung 181 – Propofol, Kontraindikation 36 – Pulmonalarterienkatheter 182 – Regionalanästhesie 182 – Sedierung 181
– Therapie, medikamentöse 182 – TIVA (totale intravenöse Anästhesie) 182 Koronarsklerose, stenosierende 209 Koronarspasmus 180, 365 Koronarsyndrom, akutes (ACS) 365–366 Korrekturbedarf 154 Kortikosteroide – Drucksteigerung, intrakranielle 232 – Tumorschmerzen 419 Kortisolproduktion, Unterdrückung durch Etomidat 37 Kortison, Asthma bronchiale 357 Krampfanfälle, zerebrale 378 – durch Propofol 36 Krampfpotentialäquivalent, Enfluran 50 Kreatinin, Schock 281 Kreatinphosphokinase, Schock 281 Kreislaufstörungen 7 Herz-Kreislauf-Erkrankungen/-Störungen Kryopräzipitat 160 Kussmaul-Atmung 356
L Laboruntersuchungen 91 Lachgas 46–48 – An- und Abfluten 20 – Blut-Gas-Koeffizient 47 – Diffusion 47 – Herz-Kreislauf-Wirkungen 77 – Metabolisierung 47 – Pharmakokinetik 47 – physikalische Eigenschaften 47 Lactulose (Bifiteral) 417 Lagerung 390 – Abdomen, akutes 390 – Bandscheibenprobleme 234 – Drucksteigerung, intrakranielle 231–232 – Sauerstoffaufnahme 76
– Schädelhirntrauma 377 – sitzende 390 – Vena-cava-Kompressionssyndrom 390 Laktat, Schock 281 Laktatazidosen, Hyperthermie, maligne 170 Laktatspiegel – Aspiration 173 – Hyperthermie, maligne 169 Laktulose 7 Lactulose Langzeitanalgosedierung, Benzodiazepine 32 Langzeitsedierung – epileptischer Anfall 320 – Propofol 35 Lanicor 7 Digoxin laparoskopisch durchgeführte Eingriffe, Abdominalchirurgie 212 Laryngoskop 98–99 Laryngoskopie, Intubation, endotracheale 107 Laryngospasmus 164 – Ertrinkungsunfall 386 – Intubation, endotracheale 109 – Kinderanästhesie 206 – postoperativer 83 Larynxmaske 103–105 – Kinderanästhesie 206 – Komplikationen/Kontraindikationen 104–105 Larynxmaskennarkose – Beatmungsdruck, erhöhter 165 – Propofol 35 – Zyanose 164 Laser, Trachealchirurgie 230 Laugenverätzungen 383 Laxanzien, Opioidnebenwirkungen 417 Leberdurchblutung – Narkose 188 – verminderte 26 Lebererkrankungen 188–189 – Gerinnungsstörungen 188 – Laboruntersuchungen, präoperative 91 Leberfunktion, Kindesalter 201
441 Sachverzeichnis
Leberfunktionsstörungen 7 Leberinsuffizienz Leberinsuffizienz 188 – Anamnese 88 – Elektrolythaushalt 189 – Gerinnungsfaktorkonzentrate 189 – Vitamin K 189 Leberkapseldehnung, HELLP-Syndrom 337 Leberrupturen, Polytrauma 239 Lebertoxizität 26 Leberveränderungen, Schock 280 Leberversagen – halothanbedingtes 26, 28, 49 – durch Isofluran 51 Leberzellmembranproteine, halothaninduzierte Modifizierung 27 Leberzellnekrosen durch Enfluran 50 Leberzirrhose – Anamnese 88 – dekompensierte, Verbrauchskoagulopathie 312 Leitsymptome, perioperative, Differentialdiagnose 164–166 Leitungsanästhesie – Extremität, obere 121 – – untere 126 – Kathetertechniken 121 – Loss-of-resistance-Methode 121 – N. medianus, radialis bzw. ulnaris 124 – Nervenstimulator 121 – periphere 120–130 5-Letter-Code, internationaler, SMIdentifikation 87 Leukämie, akute, Verbrauchskoagulopathie 312 Leukotrienbiosynthese 17 – Acetylsalicylsäure 61 Levomepromazin (Neurocil), Tumorschmerzen 418 Levomethadon 409 Lidocain (Xylocain) 100, 118
– Pharmakodynamik/-kinetik 116 – Reanimation, kardiopulmonale 374 – Tachykardie 367 Lidreflex, Trübungssyndrome 316 Linezolid, klinische Anwendung 346 Linksherzinsuffizienz, Tachykardie 165 Linksherzversagen, Nierenversagen 286 Linksschenkelblock, Herzschrittmacher, Implantation, temporäre 83 Linksverschiebung, Sauerstoffbindungskurve 74 Lipophilie 9 – Analgetika, intravenöse 20 – Benzodiazepine 32 – Hypnotika, intravenöse 20 – Lösungsvermittler 21 Liquor – Druckanstieg durch Halothan 49 – Elektrolyte 295 Locus coeruleus 16 Lösungsmittel, organische, Vergiftungen 383 Lösungsvermittler 21 Lokalanästhesie 119 – Ophthalmologie 235 Lokalanästhetika 100, 118 – Adrenalinzusatz 117 – Amide 118 – Bindung 117 – vom Estertyp 118 – – allergische Reaktionen 117 – Herz-Kreislauf-Wirkungen 77 – Intoxikation 117–118 – Metabolismus 117 – Nebenwirkungen, Spinalanästhesie 131 – Pharmakologie 115–117 – Plazentagängigkeit 222 – Regionalanästhesie 119 Lopresor 7 Metoprolol
K–L
Loss-of-resistance-Methode – Leitungsanästhesie 121 – Periduralanästhesie 133 Low-cardiac-output-Syndrom – Dobutamin 65 – Propofol, Kontraindikation 36 Low-flow-Phase, Schock, septischer 279 Luftembolie(risiko) 174 – Neurochirurgie 234 – sitzende Position 234 Luminal 7 Phenobarbital Lunge – Bikarbonatpuffer 304 – Blutfluss 74 – Gasverteilung 74 Lungencompliance, totale (TLC) 92 Lungenembolie 175–177, 367–368 – Risikofaktoren 175 – Schock, kardiogener 280 – Tachykardie 165 Lungenerkrankungen 185 – chronische, respiratorische Insuffizienz 264 – Laboruntersuchungen, präoperative 91 – Narkoseausleitung 186 – obstruktive 92 – postoperative Phase 186 Lungenfibrose, Anamnese 83 Lungenfunktion 185 – Anamnese 83 – Prüfung 92, 185 Lungenfunktionsstörungen, restriktive 92 Lungeninfarkt, Herzminutenvolumen, Messung 150 Lungenkontusion 357–358 Lungenkreislauf, Gefäßwiderstände 150 Lungenödem – kardiales 366 – Morphin 39 – postoperatives 243 – Präeklampsie/Eklampsie 335
442
Sachverzeichnis
Lungenparenchym, Compliance 264 Lungenszintigraphie, Lungenembolie 176 Lungenvenenfehlmündung, totale 217 Lungenveränderungen, Präeklampsie/Eklampsie 335 Lupus-like-Syndrom, Dihydralazin 336 Lymphadenotomie, retroperitoneale, Anästhesien 227 Lymphödem 421
M Macrodex 156–157 MAC-Wert (minimale avoläre Konzentration) 20 Magen-Darm-Trakt – Schock 280 – Schwangerschaft 220 Mageninnendruck, Anstieg, Regurgitation 171 Magenoperation 138 Magensaft – Aspiration 171 – Elektrolyte 295 Magensonde 262 – Abdominalchirurgie 212 – Aspiration 173 Magenspülung, Vergiftungen 382 Magill-Tubus 99, 107 Magill-Zange 100 – Intubation, endotracheale 109 – – Kindesalter 205 Magnesium 296 – Hypomagnesiämie 302 Mallampati-Klassifikation 90 Mammachirurgie 139 mandatory minute volume 7 MMV Marcumar 7 Phenprocoumon maschinelle Autotransfusion (MAT) 158–159
Maskenbeatmung 102 – Kinderanästhesie 205 – Neugeborenes 225 Maskennarkose – Beatmungsdruck, erhöhter 165 – Operationsdauer 137 – Zyanose 164–166 MAT (maschinelle Autotransfusion) 158–159 McGinn-White-Syndrom, Lungenembolie 175 Mediastinalflattern 214 Mediastinalverlagerung – Polytrauma 238 – Schock, kardiogener 280 Medikamente/medikamentöse Therapie – im Alter 209 – Anamnese 89 – Beatmung 272–273 – Bradykardie 165 – IVA/TIVA (intravenöse Anästhesie/totale intravenöse Anästhesie) 100 – Kinderanästhesie 207 – lipophile 20–21 – Metabolisierung 22–23 – Narkose 100 – Plazentapassage 220 – Protonenbindung 22 – Tachykardie 165 – Umverteilung 22 – Uterusaktivität 221 – Verteilungsstörungen, Lebererkrankungen 188 medizinisch-technische Assistentin, Intensivstation 349 Mekoniumaspiration 225 Membranen, hyaline, Aspiration 172 Membran-Oxygenatoren, extrakorporale Zirkulation 218 Membranproteine 8 Mendelson-Syndrom 171 Mepivacain (Scandicain) 118 – Pharmakodynamik/-kinetik 116
Meropenem, klinische Anwendung 346 Mestinon 7 Pyridostigmin metabolische Komplikationen, Ernährung, parenterale 261 Metabolisierung/Metabolismus – Inhalationsnarkotika 27 – Medikamente 22–23 – Narkose 188 Metamizol (Novalgin) 60, 406 – Tumorschmerzen 416 Methohexital (Brevimytal) 33–35, 100 – Dosierungen 33 – Herz-Kreislauf-Wirkungen 77 – Plazentagängigkeit 222 α-Methyldopa (Presinol), Präeklampsie/Eklampsie 336 Methylprednisolon (Urbason) 100 Metoclopramid (Paspertin) 418 Metoprolol (Beloc, Lopresor), Migräne 422–423 Metronidazol 346 Meyer-Overton-Regel 9 Mezlocillin, klinische Anwendung 346 Midazolam (Dormicum) 21, 30, 100 – Beatmung 272 – Dosierungen 31 – Prämedikation 93 – Verdünnungsregeln 208 Migräne 421–423 – Anfallsprophylaxe 422 Milzruptur, Polytrauma 239 Mineralokortikoidproduktion, Unterdrückung durch Etomidat 37 Minirin 7 Desmopressin Miosis – Bulbärhirnsyndrom 315 – Opioidapplikation 315 – Trübungssyndrome 315 Mitralklappeninsuffizienz 184 Mitralstenose 184 Mitteldruck, arterieller, Normalisierung, Drucksteigerung, intrakranielle 232
443 Sachverzeichnis
Mittelhirnsyndrom 316–317 Mittelohroperationen 228 Mivacurium (Mivacron) 54, 59 – Dosierung 58 – Intubation, endotracheale 106 – Pseudocholinesterase 15 – Verdünnungsregeln 208 MMV (mandatory minute volume) 271 Monitoring – Ernährung, parenterale 260 – Kinderanästhesie 207 – Neurochirurgie 234 – neuromuskuläres 55 – perioperatives, koronare Herzerkrankung 182 – präoperatives 100 – Thoraxchirurgie 214–215 Monooxygenasen 22 Morphin 11, 39–42, 409–410 – Dosierungen 41 – Indikationen 40 – Opiatvergiftung 383 – Plazentagängigkeit 222 – Potenz/Wirkungsdauer 409 – Tumorschmerzen 417 – Wirkbeginn 40 morphinartige Analgetika 406–410 Morphinhydrochloridlösung, wässrige 409–410 – Tumorschmerzen 417 Morphin-Injektionslösung (MSI Mundipharma) 409–410 Motorik, Mittelhirn- und Bulbärhirnsyndrome 316 Movicol 417 Moxifloxacin, klinische Anwendung 346 MST Continus 7 Morphin MST Mundipharma 7 Morphin MST-Retard-Granulat 7 Morphin Mühlradgeräusch, Luftembolie 174 Mund – Intubation, endotracheale 109 – Traumatisierung 109 Mund-zu-Mund-Beatmung 372
Mund-zu-Nase-Beatmung 372 Murphy-Auge 99, 106 Muskarinrezeptoren 13 Muskelatrophien, apallisches Syndrom 319 Muskeldystrophien/-erkrankungen 193 Muskelhypotonien, Benzodiazepine, Kontraindikation 32 Muskelkater, Succinylcholin 56–57 Muskelrelaxanzien 53–59, 100 – Allgemeinanästhesie 5 – Anschlagzeit (Onset-time) 55 – Antagonisten 62 – depolarisierende 55–57 – Erholungsindex (recovery index) 55 – Herz-Kreislauf-Wirkungen 77 – Indikation 5–6 – Kontraindikationen bei Muskelerkrankungen 193 – nichtdepolarisierende 54, 57–59 – – Acetylcholinesterase, Hemmung 54 – – Aspiration 173 – – Dosierung 58 – – Interaktionen 59 – – Wirkung 54 – Notwendigkeit 137 – Pharmakokinetik 54 – Plazentagängigkeit 222 – Sauerstoffaufnahme 76 – Überhang, postoperativer 54, 243 – Verdünnungsregeln 208 – Wirkdauer, klinische 55 – Wirkungen 14 – – molekulare 8–17 – – unerwünschte 24–29 Muskeltonus – Hirntod 318 – Mittelhirn- und Bulbärhirnsyndrome 316 Mustard-Operation, Transposition der großen Arterien 217 Myasthenia gravis 193
L–N
– Benzodiazepine, Kontraindikation 32 Mydriasis, beidseitige 315 Myoglobinämie, Hyperthermie, maligne 169 Myoglobinurie, Hyperthermie, maligne 169 Myokarddepression durch Lachgas 47 Myokardinfarkt 180 – Anamnese 82–83 – Dobutamin 65 – KHK (koronare Herzerkrankung) 180 – Kohlenmonoxidvergiftung 340 – Koronarsyndrom, akutes 365 – stummer, EKG 91 – Tachykardie 165 Myokarditis, symptomlose, EKG 91 Myokardnekrose, ischämische, im Alter 209 Myoklonien – durch Etomidat 37 – durch Propofol 36 Myolyse, Nierenversagen 286 Myotonien 193–194
N N2O 7 Lachgas Nachlast (Afterload) – Herz, rechtes 150 – Senkung, Kalziumantagonisten 64 – – Nitroprussid-Natrium 64 Nadel, atraumatische nach Sprotte 131 Nahrungskarenz, postoperative, Diabetes mellitus 87 Nalbuphin 11, 40 – Ceiling-Effekt 11 – Dosierungen 41 – Indikationen 40 Naloxon (Narcanti) 11, 61–62 – Opiatvergiftung 383
444
Sachverzeichnis
Naloxon (Narcanti) – Potenz/Wirkungsdauer 409 – Tumorschmerzen 416 – Verdünnungsregeln 208 Narkose – Ablauf, Informationen 91 – ambulante 196–197 – – postnarkotische Phase 196 – Atmung 74–78 – Aufklärung 90 – Bronchospasmus 186 – zu flache, Tachykardie 165 – Formen, intravenöse 113–114 – Herz-Kreislauf-Funktion 78 – Hypoxie 168 – intrakranielle Eingriffe 233 – Komplikationen 167–177 – – Kinderurologie 227 – Leberdurchblutung 188 – Medikamente 100 – Metabolisierungsfunktion 188 – Nüchternheit des Patienten 137 – Ophthalmologie 235 – Polytrauma 240 – zu tiefe, Bradykardie 165 – Verfahren, Auswahl 136–139 – Vitien, kongenitale 217–218 Narkoseaufrechterhaltung, Propofol 35 Narkoseausleitung – Atemwegserkrankungen 186 – Larynxmaske 105 – Lungenerkrankungen 186 Narkosebeatmungssystem, Filter 72 Narkoseeinleitung – Benzodiazepine 30 – Bronchospasmus 186 – Gefäßchirurgie 219 – Herz-Kreislauf-Wirkungen 77 – intramuskuläre, Kindesalter 204 – intravenöse, Kindesalter 204 – Kindesalter 203–207 – koronare Herzerkrankung 181 – Larynxmaske 104–105 – per inhalationem, Kindesalter 204
– rektale, Kindesalter 203–204 – Sectio caesarea 223 Narkoseführung – Benzodiazepine 30 – Gefäßchirurgie 219 – Greisenalter 210 – Kindesalter 204 – koronare Herzerkrankung 181–182 – Sectio caesarea 223 – Thoraxchirurgie 214–215 Narkosegase 18 – Verdampfer 18 – Verteilung 19 Narkosemasken, Erwachsene 98 Narkosesysteme – geschlossene 71–72 – halbgeschlossene 70–71 – (halb)offene 70 Narkosetiefe, Beurteilung 164 Narkotika – intravenöse 20–23 – – Kompartmentmodelle/ Ver teilungsphänomene 21 – Plazentagängigkeit 222 Naropin 7 Ropivacain Naseneingriffe, Anästhesie 139 Nasenkorrekturen 228 nasotracheale Intubation 111 Natil 7 Cyclandelat Natrium 91, 294–295 Natriumbikarbonat 100 – Hyperkaliämie 289 – Reanimation, kardiopulmonale 374 Natrium-Kalium-Pumpe 114 Natriumthiosulfat, Zyanidvergiftung 382 Natronkalk 28 Nebenhöhlenrevisionen 228 Nebenniereninsuffizienz – Anamnese 88 – Hydrokortison 88 Neostigmin 62 nephrotoxische Medikamente, Nierenversagen 286 Nepresol 7 Dihydralazin
Nerven, Impulsweiterleitung, Hemmung 9 Nervenblockaden 411–412 Nerveninfiltration, Karzinompatienten 420 Nervenläsionen 177 – Karzinompatienten 420 – N. radialis/ulnaris 177 – Plexus brachialis 177 Nervenstimulation, transkutane, elektrische (TENS) 412–413 Nervenstimulator, Leitungsanästhesie 121 Nervus – femoralis, Blockade 127 – medianus, radialis bzw. ulnaris, Leitungsanästhesie 124 – – Nervenläsionen 177 Neugeborenes 200 – Absaugung 224 – Aminosäurenhomöostase 257 – Atmung 200 – Erstversorgung 224–226 – Intubation 225 – Maskenbeatmung 225 – Mekoniumaspiration 225 – Schock, hypovolämischer 226 – Tubusfixierung 225 – Zwerchfellhernie, kongenitale 225 Neunerregel, Verbrennungsausmaß 324 Neuralgie – postzosterische, Antidepressiva/ Neuroleptika 423 – TENS (transkutane elektrische Nervenstimulation) 413 Neurochirurgie – Anästhesieverfahren 139, 230–234 – Hypotension/Hypothermie, kontrollierte 234 – Luftemboliegefahr 234 – Monitoring 234 – Prämedikation 232 Neurocil 7 Levomepromazin neurogener Schock 364
445 Sachverzeichnis
Neuroleptika – Herz-Kreislauf-Wirkungen 77 – Neuralgie, postzosterische 423 – Phantomschmerzen 424 – Tumorschmerzen 418 neurologische Erkrankungen 192–194 neurologische Zeichen, Hyperkaliämie 288 Neurolyse, Nervenblockaden 412 neuromuskuläres Monitoring 55 neuronale Membranen, Erregbarkeit, Hemmung 8 Neurontin 7 Gabapentin neuropathische Schmerzen 398 Neuropeptide 6 Neurotensin 7 Neurotransmitter – exzitatorische 8 – inhibitorische, Schmerzleitung 6 – Rückenmark 7 Nicht-Barbituratanästhetika, Plazentagängigkeit 222 Niere, Pufferungsmechanismen 304 Nierendurchblutung, verminderte 28 – narkosebedingte 187 Niereneingriffe, Anästhesie 138 Nierenerkrankungen 187–188 – Laboruntersuchungen, präoperative 91 Nierenersatztherapie, Nierenversagen, akutes 289–291 Nierenfunktion – Altersveränderung 209 – Anamnese 88 – Beeinflussung, Anästhesie 187 – endokrine/exkretorische 286 – Kindesalter 202 – metabolische 286 Niereninsuffizienz – Prämedikation 187–188 – terminale, Aminosäuren 257 – – Anamnese 88 – Verbrennungen 329 – Visite, präoperative 187–188
Nierentransplantation, Anästhesieverfahren 227 Nierenveränderungen – Präeklampsie/Eklampsie 335 – Schock 279–280 Nierenverletzungen, Polytrauma 239 Nierenversagen, akutes 285–292 – diagnostische Parameter 288 – Hyperthermie, maligne 170 – hypoxisch-zirkulatorisches 286–287 – intrarenales (= organisches) 286 – Nierenersatztherapie 289–291 – Niereninsuffizienz 292 – postrenales (= obstruktives) 286 – prärenales (= funktionelles) 286 – Prophylaxe 288 – septisch-toxisches 287 – Therapie 288–292 Nifedipin (Adalat) – hypertensive Krise 368 – Präeklampsie/Eklampsie 336 Nikotinrezeptoren 13 Nimbex 7 Cis-Atracurium Nitrate, kardiovaskuläre Parameter, Beeinflussung 63 Nitroglyzerin 100 Nitroprussid-Natrium (Nipruss) – kardiovaskuläre Parameter, Beeinflussung 63 – Nachlast, Senkung 64 NMDA-Rezeptoren 13 No-Flow-Phase, Beatmung 267 non-steroidal anti-inflammatory drugs 7 NSAID Noradrenalin (Arterenol) 65, 100 – kardiovaskuläre Parameter, Beeinflussung 63 Norcuron 7 Vecuronium nosokomiale Infektionen 342– 344 – Antibiogramm 345 – beatmeter Patient 344
N–O
Notfälle – kardiozirkulatorische 362–368 – respiratorische 356–359 – Untersuchungsbefunde 92–93 – zerebrale 377–379 Notfalleingriffe – Abdominalchirurgie 213 – Aufklärung 90 – Nüchternheitsfrist 196 Notfallmedikamente 100 – Verdünnungsregeln 208 Notfallmedizin 388–389 – Vitalfunktionen 354 – Ziele 354 Notsektio, Anästhesie 223–224 Novalgin 7 Metamizol Novocain 7 Procain Nozizeptoren 396 Nozizeptorschmerz 398 NSAID (non-steroidal anti-inflammatory drugs) 405 NSTEMI (non-ST-segment-elevation myocardial infarction) 365 Nüchternheit(sfrist) – Narkose 137 – Notfalleingriffe 196 – präoperative, Kindesalter 203 – Regionalanästhesie 137
O Oberbauchschmerz, HELLPSyndrom 337 Oberkörperhochlagerung 390 Oberst-Leitungsanästhesie 124 – Adrenalin 119 Obidoxim, Alkylphosphatvergiftung 383 Obstipation – Karzinompatienten 420 – durch Opioide 40 Ödeme, Präeklampsie/Eklampsie 335 Ösophagus, Fehlintubation 109 Ofloxacin, klinische Anwendung 346
446
Sachverzeichnis
Ohnmacht 364–365 Ohrmikroskopie 228 Ohroperationen 228 – Anästhesie 139 Okulomotoriusparese, Drucksteigerung, intrakranielle 231 okulozephaler Reflex 316 Oligurie 187 Operateur, Absprache 93 Operationssaal, Explosionen 177 Operationsvorbereitung, Kindesalter 203 Ophthalmologie – Anästhesieverfahren 234–235 – Lokalanästhesie 235 Opioidapplikation – intravenöse, Wehenschmerz 221 – Miosis 315 Opioide/Opioidanalagetika 39–45, 404, 406–410 – Abhängigkeit 407–408 – Atemdepression 407 – Beatmung 272 – σ-Bindung 10 – ceiling effect 409 – Dosierungen 41 – endogene 9, 398 – – Schmerzen 397–398 – Herpes zoster 423 – Herz-Kreislauf-Wirkungen 77 – Indikationen 40, 113 – Kindesalter 29 – Kontraindikationen bei Muskelerkrankungen 193 – Nebenwirkungen 407 – – Laxanzien 417 – Neugeborenes 226 – Opiatvergiftung 383 – Potenz 407, 409 – Sauerstoffaufnahme 76 – Schmerzleitung 6 – schwache 408 – starke 408–410 – Thoraxrigidität 26 – TIVA (totale intravenöse Anästhesie) 113 – Überhang, postoperativer 243
– Wirkbeginn 40 – Wirkungsdauer 409 Opioidrezeptoren 9, 12, 17, 407 orale Applikation 23–24 Orciprenalin (Alupent) 100 Oropharyngealstrukturen, Mallampati-Klassifikation 90 Osmodiuretika, Drucksteigerung, intrakranielle 232 Osmolaritätsveränderungen 298 – Ausgleich, präoperativer 96 Osmotherapie, Hirnödemprophylaxe 168 Ostac 7 Clodronsäure Ostium-secundum-Defekt 217 Oxalatsteine, Xylit 258 Oxford-Tubus 99 Oxycodon (Oxygesic) 410 Oxygenasen, mischfunktionelle 22 Oxygesic 7 Oxycodon Oxytocin 7
P paCO2 7 Kohlendioxidpartialdruck, arterieller Pancuronium 54, 57–58 – Dosierung 58 – Herz-Kreislauf-Wirkungen 77 – Plazentagängigkeit 222 – Verdünnungsregeln 208 Pankreassekret, Elektrolyte 295 Pankreatitis, akute, Verbrauchskoagulopathie 311 Pantolax 7 Suxamethonium Paracefan 7 Clonidin Paracetamol (Benuron, Captin, Enelfa) 59–60, 406 – Tumorschmerzen 416 paranoides Durchgangssyndrom 314 Parazervikalblockade, Wehenschmerz 221 Parkinsonismus 192 – medikamentöser 321
Parkland-Baxter-Schema, Infusionstherapie, Volumenmangelschock 328 Partusisten 7 Fenoterol Paspertin 7 Metoclopramid Patienten – Isolierung 345 – Untersuchung 89 PEEP (positive endexpiratory pressure) 267 PEG (perkutan endoskopische Gastrostomie), Sonden 262 Pendelluft, Beatmung 267 Penicillin G, klinische Anwendung 346 Penicillinallergie, Endokarditisprophylaxe 86 Peniswurzelblock 124–126 Pentazocin (Fortral) 11, 40, 45 – Ceiling-Effekt 11 – Dosierungen 41 – Indikationen 40 – Plazentagängigkeit 222 – Potenz/Wirkungsdauer 409 Peptiddiät 262 Perfan 7 Enoximon Perfusion 356 Periduralanästhesie 133–136 – (Kontra-)Indikationen 135 – Kopfschmerzen, postspinale 134 – lumbale 133 – Nebenwirkungen 133–135 – Schmerzbehandlung, kontinuierliche 136 – Single-shot-Methode 133 – thorakale 133 – Wehenschmerz 221–223 – Zugang, thorakaler 135 Periduralkatheter – Abdominalchirurgie 212 – Schmerztherapie 411 perioperative Leitsymptome, Differentialdiagnose 164–166 Peritonealdialyse 290 Peritoneum, Abwehrkapazität 213 Peritonitis 213
447 Sachverzeichnis
– Peritonealdialyse, Kontraindikationen 290 Personal, Intensivtherapie 348–349 Pethidin (Dolantin) 11, 44, 409 – Dosierungen 41 – Indikationen 40 – Plazentagängigkeit 222 – Potenz/Wirkungsdauer 409 – Verdünnungsregeln 208 – Wirkbeginn 40 Pflege – beatmeter Patient 344 – Infusionen 345 – Urinkatheter 344 – Venenkatheter 345 Pflegepersonal, Intensivstation 344, 349 Phäochromozytom 190 Phantomschmerzen 398, 423, 434 – TENS (transkutane elektrische Nervenstimulation) 413 Pharmakodynamik 5–12, 14–17 Pharmakokinetik 17–24 Pharmakotherapie 7 Medikamente/medikamentöse Therapie Phenobarbital (Luminal) 33–35 – Dosierungen 33 Phenothiazine, Epilepsie 193 Phenprocoumon (Marcumar) 309 Phosphat, Pufferungseffekt 304 Phosphodiesterasehemmstoffe 65 pH-Wert – biochemische Grundlagen 304 – Veränderung 305 – Wasser 304 Physiotherapie – Beatmung 272 – präoperative 96 Pierre-Robin-Syndrom, Intubation, schwierige 109 Piperacillin, klinische Anwendung 346 Piritramid (Dipidolor) 11, 44, 409 – Dosierungen 41 – Indikationen 40
– Plazentagängigkeit 222 – Potenz/Wirkungsdauer 409 – Verdünnungsregeln 208 – Wirkbeginn 40 pK-Wert 24 Plasmaeiweißlösungen/-ersatzmittel 100, 157 – allergische Reaktionen 157 – Hepatitis-/HIV-Sicherheit 157 – kolloidale 156 Plasmapherese 290 Plasmaproteine – Kalziumbindung 296 – Pufferungseffekt 304 – Schwangerschaft 220 Plasmasteril 156–157 Plasmasterilisation 343 Plasmaverluste, Schock 276 Plasminogen 309 plastische Operationen, HNO-Chirurgie 228 Plazenta – Medikamentenpassage 220 – Physiologie, Schwangerschaft 220 – Reste, Nachräumung, manuelle 224 Plazentainsuffizienz, Präeklampsie/ Eklampsie 335 Pleurapunktion, ZVD-Messung 147 Plexusblockade 121–123 – axilläre, Lokalanästhetika 119 – – Punktionstechnik 122 – interskalenäre 124 – – Lokalanästhetika 119 – vertikal-infraklavikuläre 123–124 Plexus-brachialis-Blockade 121–123 Plexus-brachialis-Läsion 177 Plexus-coeliacus-Blockade 412 Plexus-lumbosacralis-Blockade 126 Pneumonie – nosokomiale 342 – respiratorische Insuffizienz 265 Pneumothorax 214, 358
O–P
– Diagnose 145 – Polytrauma 238 – ZVD-Messung (zentraler Venendruck)147 L-Polamidon 409 Polytrauma 238–240 – Atemstörungen 238 – Atemzentrum, Störungen 239 – Erstversorgung 238–240 – Gasaustauschstörungen 239 – Narkose 240 Polyurie, postoperative 244 Porphyrie, akute, intermittierende 191 – Barbiturate 34 positiv inotrope Substanzen 64–65 Postaggressionsstoffwechsel 256 Postaggressionssyndrom 252–253 – Ernährung 253 – Fettstoffwechsel 258 – Infusionstherapie 253 postnarkotische Phase, Narkose, ambulante 196 postoperative Phase 241–245 – Analgesie 245 – Atemwegserkrankungen 186 – Auswahl 138 – Komplikationen 243 – Lungenerkrankungen 186 – Narkoseverfahren 138 PPSB (Prothrombinkomplex) 160 Präeklampsie 334–336 – antihypertensive Therapie 336 – Organmanifestationen/Symptomatik 335–336 Prämedikation 93 – Benzodiazepine 30 – Emphysembronchitiker 185 – Gefäßchirurgie 218 – Kindesalter 203 – koronare Herzerkrankung 181 – Neurochirurgie 232 – niereninsuffiziente Patienten 187–188 – Regionalanästhesie 118–119 – Visite 82–94
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Sachverzeichnis
präoperative Vorbereitungen 96 – Gefäßchirurgie 218 Preload 7 Vorlast Presinol 7 α-Methyldopa Prilocain (Xylonest) 118 – Pharmakodynamik/-kinetik 116 Prinzmetal-Angina 180 – Koronarsyndrom, akutes 365 Procain (Novocain) 118 – Pharmakodynamik/-kinetik 116 Promethazin (Atosil), Plazentagängigkeit 222 Propfgestose/-präeklampsie 334 Propofol (Disoprivan) 21, 35–36, 100 – Beatmung 272 – GABA-Rezeptor 13 – Herz-Kreislauf-Wirkungen 77 – Infusionssyndrom 36 – Larynxmaskennarkose 104 – Narkose, ambulante 196 – TIVA (totale intravenöse Anästhesie) 113 – Verdünnungsregeln 208 – Wirkungen, unerwünschte 36 Prostaglandine – Biosynthese 17 – Synthesehemmung 16–17 Prostazykline, Biosynthese 17 Prostigmin 62 – Verdünnungsregeln 208 Proteaseinhibitoren 312 Proteinurie – HELLP-Syndrom 337 – Präeklampsie/Eklampsie 335 Prothrombinzeit (PTZ) 310 Protonenbindung, Medikamente 22 pseudoallergische Reaktionen, Analgetika, antipyretische 405 Pseudocholinesterasen, Succinylcholin 53 Psoas-Kompartment-Block 126–127 psychosomatische Schmerzen 399
Psyquil 7 Triflupromazin Pudendusblockade, Wehenschmerz 221 Pufferbase 305 Pufferungsmechanismen – Niere 304 – Phosphat 304 – Plasmaproteine 304 Pulmonalarterienkatheter 147–150 – Druckkurve 149 – koronare Herzerkrankung 182 – Lage 148 Pulmonalarterienmitteldruck 150 Pulmonalisangiographie, Lungenembolie 176 Pulsoximetrie, Sectio caesarea 223 Pulsqualitäten 142 Punktionsstellen, zentralvenöse Zugänge 145 Punktionsversuche, doppelseitige, V. jugularis interna 146 Pupillen – Bulbärhirnsyndrom 315 – erweiterte 376 – Trübungssyndrome 315 Pupillenreaktion 376 Puppenkopfphänomen 316 Pyramidenbahnzeichen, Mittelhirn-/Bulbärhirnsyndrom 316–317 Pyridostigmin (Mestinon) 62
Q Querschnittssyndrom 314 – Rückenmarksverletzung 376 Quick-Wert 91, 310
R Rapifen 7 Alfentanil Rastelli-Operation, Transposition der großen Arterien 217
Rauchen – Anamnese 83 – präoperatives 96 Raumdesinfektion 344 Raumforderung, intrakranielle, Folgen 230 Rautek-Rettungsgriff 390 Reanimation, kardiopulmonale 370–374 – Adrenalin 374 – Atemspende 372 – Basismaßnahmen 371–373 – Beatmung 373 – Defibrillation 373 – erweiterte Maßnahmen 373–374 – Flussdiagramm 371 – Herzdruckmassage 372–373 – Intubation 373 – Natriumbikarbonat 374 – Suprarenin 374 – venöser Zugang 373–374 – Xylocain 374 Rebound-Phänomene, Remifentanil 43 Rechts-Links-Shunt, intrapulmonaler 151 Rechtsschenkelblock, Herzschrittmacher, Implantation, temporärer 83 reflektorische Schmerzen 398 Reflex(e) – Bradykardie 165 – Hirntod 318 – kardiovaskuläre 7 – Mittelhirn- und Bulbärhirnsyndrome 316 – okulozephaler 316 – Provokation, Intubation, endotracheale 109 – spinale 7 – vestibulookulärer 316 Regionalanästhesie 114–136 – intravenöse, nach Bier 119–120 – Komplikationen 118 – Komponenten 5 – koronare Herzerkrankung 182 – Lokalanästhetika, Auswahl 119
449 Sachverzeichnis
– Nebenwirkungen 117–118 – nüchterne Patienten 137 – Phantomschmerzen 424 – Physiologie 114–115 – Prämedikation 118–119 – Schmerztherapie 411 – Sectio caesarea 223 Regurgitation, Aspiration 171 Reinigungspersonal, Intensivstation 349 rektale Applikation 24 Remifentanil (Ultiva) 11, 43–44 – Dosierungen 41 – Indikationen 40 – Narkose, ambulante 196 – Rebound-Phänomene 43 – Verdünnungsregeln 208 – Wirkbeginn 40 REM-Schlaf, Benzodiazepine 30 Rendell-Baker-Maske 98 Renin-Angiotensin-Aldosteronsystem, Nierenversagen, akutes 287 Residualkapazität 264 – funktionelle, Kindesalter 200 Residualvolumen (RV) 92 Resistance 92, 264 Resorption, enterale, Physiologie 261 Respirationstrakt, oberer, Infekte, Anamnese 83 respiratorische Insuffizienz 263–273 – 7 Ateminsuffizienz – Antibiotikatherapie 273 – Bakteriologie 267 – Blutgasanalyse 266 – bronchoalveoläre Lavage (BAL) 267 – Diagnose 266–267 – Diuretika 273 – extrakorporale Verfahren 273 – Hämofiltration 273 – Kapillarleck 273 – Krankheitsbilder 265 – Labor 266 – Lungenerkrankungen, chronische 264
– Pathophysiologie 264 – Radiologie 266 respiratorische Notfälle 356–359 Respiratortherapie, Aspiration 172 Retroperitoneum, Verletzungen, lebensbedrohliche, Polytrauma 239 Rettung 390 Reye-Syndrom, Acetylsalicylsäure 61 Rezeptoren – 7 Acetylcholinrezeptoren – α1-/α2-Rezeptoren 16 – β1-/β2-Rezeptoren 16 – κ-Rezeptoren 10 – ν-Rezeptoren 10–11 – σ-Rezeptoren 10–11 – cholinerge 14 – Dopaminrezeptoren 15 – GABA-Rezeptoren 12–13, 17 – G-Protein-gekoppelte Rezeptoren 9, 13 – Histaminrezeptoren 15 – H1-/H2-Rezeptoren 15 – Muskarinrezeptoren 13 – Nikotinrezeptoren 13 – NMDA-Rezeptoren 13 – Nozizeptoren 396 – Opioidrezeptoren 9, 12, 17, 407 – Serotoninrezeptoren 15 Rezeptorsysteme, Beeinflussung 9 Rheomacrodex 7 Dextrane Ringerlaktatinfusion, Asthma bronchiale 357 Risikogruppen, Einteilung 90 Riva-Rocci-Methode, Blutdruckmessung 142 Rocuronium (Esmeron) 54, 58, 58 – Verdünnungsregeln 208 Röntgen-Thorax 92 – Lungenembolie 176 Rohypnol 7 Flunitrazepam Ropivacain (Naropin) 118 – Pharmakodynamik/-kinetik 116
P–S
rtPA (recombinant tissue plasminogen activator) 309 Rückenmark – Hinterhorn 6 – Neurotransmitter 7 Rückenmarksverletzung, Querschnittssymptomatik 376 Rückresorption, tubuläre 23 Ruheangina 180
S Säuglingsalter 200 – Aminosäurenhomöostase 257 Säure-Basen-Haushalt – Parameter 305 – Störungen 303–306 Säureverätzungen 383 Salizylate 405 Saroten 7 Amitriptylin (Saroten) Sattelblock, Lokalanästhetika 119 Sauerstoff, Aspiration 173 Sauerstoffangebot, myokardiales, KHK (koronare Herzerkrankung) 180 Sauerstoffaufnahme 74, 76, 151 Sauerstoffbedarf – myokardialer, KHK 180 – Ventrikel, linker 151 Sauerstoffbilanz, myokardiale 24–25 Sauerstoffbindungskurve 74 – Position 24 Sauerstoffgehalt – arterieller (CaO2) 24, 74 – arteriogemischtvenöser 151 – gemischtvenöser (CvO2) 74–75 Sauerstoffinsufflation, Schädelhirntrauma 377 Sauerstoffmangelmonitore, Hypoxie 168 Sauerstoffpartialdruck 74 – alveolärer (PalvO2) 74 Sauerstoffradikale 26 Sauerstofftransport 74, 76
450
Sachverzeichnis
Sauerstofftransportkapazität 74, 151 Sauerstoffverbrauch 76 – Hyperthermie, maligne 169 – myokardialer 78 Sauerstoffzufuhr – Schock 281–282 – Verbrennungskrankheit 328 Saugeinrichtung, Aspiration 173 Scandicain 7 Mepivacain Schädelhirntrauma 377–378 – Crushintubation 377 – Lagerung 377 – Polytrauma 239 – Sauerstoffinsufflation 377 – Succinylcholin 377 Schaukelatmung 356 Schilddrüsenerkrankungen 189–190 Schlaflosigkeit, Karzinompatienten 420 Schlagarbeit, links-/rechtsventrikuläre, Index 151 Schlagvolumen (SV) 150 Schlagvolumenindex (SVI) 150–151 Schleimhautdesinfektion 344 Schleimhauttraumatisierung, Intubation, endotracheale 109 Schluckauf (Singultus) 166 Schlundsonde 262 Schmerz, Impulse, neuronale Verarbeitung 397 Schmerzafferenzen 396 Schmerz(en) – A-Delta-Fasern 6, 396 – akute 396 – Anamnese 402 – Arten 398 – C-Fasern 6, 396 – Charakter 402 – chronische 396 – – Komedikation 417 – – Therapie 416–421 – Diagnostik 402 – Hemmmechanismen, deszendierende und segmentale 397–398
– – ZNS (Zentrales Nervensystem) 7 – Intensität 402 – Lokalisation 402 – muskulofasziale, TENS (transkutane elektrische Nervenstimulation) 413 – Muster 402 – neuropathische 398 – Opioide, endogene 397–398 – postzosterische, TENS (transkutane elektrische Nervenstimulation) 413 – psychosomatische 399 – reflektorische 398 – therapiebedingte 399 – thorakale, Lungenembolie 175 – tumorbedingte 399 – Ursachen 399 – Verarbeitung, ZNS (Zentrales Nervensystem) 7 – visuelle Analogskala (VAS) 402 Schmerzleitung 6, 396–397 Schmerzrezeptoren 396 Schmerztherapie 403–424 – Analgetika 404 – kontinuierliche, Periduralanästhesie 136 – Liganden, endogene 10 – Morphin 39 – Periduralkatheter 411 – Regionalanästhesie 411 Schnappatmung 356 Schock 275–283, 362 – Ätiologie 276 – anaphylaktischer 279 – – Nierenversagen 286 – – Notfall 363 – – Sauerstoffpartialdruck 282 – – Symptome 281 – – Tachykardie 165 – – Therapie 283 – Azidose 283 – Bildgebung 281 – Definition 276 – dekompensierter 278 – Diagnostik 280–281
– hämodynamische Parameter 278–279, 281 – hypovolämischer 278 – – Neugeborenes 226 – – Notfall 362–363 – – Sauerstoffpartialdruck 282 – – Symptome 280 – – Volumensubstitution 282 – kardiogener 278 – – Notfall 363–364 – – Sauerstoffpartialdruck 282 – – Symptome 280 – – Therapie 282 – kompensierter 277 – Laborparameter 281 – Lagerung 390 – Leberveränderungen 280 – Magen-Darm-Trakt 280 – neurogener 364 – Nierenveränderungen 279–280 – Pathophysiologie 277–279 – Prognose 283 – Sauerstoffzufuhr 281–282 – septischer 277–279 – – High-/Low-flow-Phase 279 – – Sauerstoffpartialdruck 282 – – Symptome 281 – – Therapie 282–283 – – Verbrennungen 329 – – Verbrennungspatient 327 – Symptome 280–281 – Verbrauchskoagulopathie 311 Schockniere 283 Schrittmacherimplantation, temporäre, Indikationen 83 Schwangerschaft, physiologische Veränderungen 219–220 Schwangerschaftstoxikose 219 Schweiß, Elektrolyte 295 Schwerverbrannte, Intensivstation 326 Schwitzen – Hyperthermie, maligne 169 – intra-/präoperatives 166 Scribner-Shunt, Hämodialyse 290 Second-gas-Effekt 20 second messenger 9
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Sectio caesarea – Anästhesie 139, 223–224 – Aspirationsprophylaxe 223 – Benzodiazepine, Kontraindikation 32 – Regionalanästhesie 223 Sedativa/Sedierung – Benzodiazepine 32 – Drucksteigerung, intrakranielle 232 – koronare Herzerkrankung 181 – Plazentagängigkeit 222 Seitenlagerung 390 Seitenventrikel, Kompression und Erweiterung 230 Sekretion, tubuläre 23 Seldinger-Technik 144 Sepsis – nosokomiale 342 – Schock 276–279 – schwere, Schock 277 – Tachykardie 165 – Verbrennungspatient 327 Septumkorrekturen 228 Serotonin 8, 15 Serotoninrezeptoren 15 Serumcholinesterase, Schwangerschaft 220 Serumkaliumwerte – Blut-pH-Wert 296 – Interpretation 295 – pH-korrigierte 295 Serumnatriumwerte 294 Serumosmolarität, Regulation 297 Sevofluran (Sevorane) 18, 51–52 – CO2-Absorber 52 – Herz-Kreislauf-Wirkungen 77 – Hyperthermie, maligne 52 – Metabolisierung 47 – physikalische Eigenschaften 47 – Strukturformel 49 – Unruhezustände, postoperative 52 Sevorane 7 Sevofluran Sevredol 7 Morphin Shaldon-Katheter, Hämodialyse 290
Sibelium 7 Flunarizin Sick-Sinus-Syndrom, Herzschrittmacher, Implantation, temporäre 83 Signaltransduktion, cholinerge 13 S-IMV (synchronized-intermittent mandatory ventilation) 270 Single-shot-Methode, Periduralanästhesie 133 Singultus (Schluckauf ) 166 Sinus-venosus-Defekt 217 SIRS (systemic inflammatory response syndrome) 277 sitzende Position, Luftemboliegefahr 234 Skalenusblock 125 Sludge-Phänomen, Verbrennungskrankheit 327 SM-Identifikation, 5-Letter-Code, internationaler 87 somatosensorischer Kortex 7 Somnolenz 315 Sonde – epi-/subdurale bzw. intraventrikuläre, Drucksteigerung, intrakranielle 231 – nasogastrale 262 Sondenernährung 261–262 Sonnenstich 387 Sopor 315 Spannungspneumothorax 214, 359 – Polytrauma 238 – Schock, kardiogener 280 Speichel, Elektrolyte 295 Sphinktertonus – gastroösophagealer, Abfall, Regurgitation 171 – Konstriktion durch Opioide 40 – zirkopharyngealer, Abfall, Regurgitation 171 Spinalanästhesie 130–133 – Harnretention 131 – (Kontra-)Indikationen 132 – Lokalanästhetika 119, 131 – Nebenwirkungen 131 – Punktionsstelle 132
S
– Sympathikusblockade 131 – totale 131 Spontanatmung, Beatmung 269 Sprotte-Nadel 131 Spülmittel, Vergiftungen 383 Spurenelemente, Ernährung, parenterale 258 Stand by, anästhesiologische Vorgehensweise 93–94 Standardbikarbonat 305 Stellatumblockade 412 – Horner-Syndrom 412 STEMI (ST-segment-elevation myocardial infarction) 365 Stempeldrucktechnik, Periduralanästhesie 133 Stenokardie durch Regionalanästhesie 118 Sterilisation 343 Stickoxydul 7 Lachgas Stimmbänder, Traumatisierung, Intubation, endotracheale 109 Stoffwechsel(funktion) – Altersveränderung 209 – Anamnese 87 Stoßwellenlithotripsie, extrakorporale (ESWL) 228 Streptokinase 309 Stridor 356 – Kinderanästhesie 206 – Polytrauma 238 – postoperativer 83 Stromunfall 386 Strumektomie, Anästhesie 138 Stützstrümpfe, Lungenembolie, Prophylaxe 176 sublinguale Applikation 23 Substanz P 6, 8 Succinylcholin 55–57, 100 – Abbau, Pseudocholinesterasen 53 – Dosierung 55 – Drucksteigerung, intragastrale/ -okuläre 57 – Dualblock 55 – Elektrolytstörungen 56 – Hyperthermie, maligne 57 – Intubation, endotracheale 106
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Sachverzeichnis
Succinylcholin – Lebererkrankungen 188 – Muskelkater 56–57 – Plazentagängigkeit 222 – Pseudocholinesterase 15 – Reizleitungssysteme des Herzens 56 – Schädelhirntrauma 377 – Wirkungen, unerwünschte 56 Sucht(erkrankungen) 192, 408 Sufentanil (Sufenta) 11, 43 – Dosierungen 41 – Indikationen 40 – Wirkbeginn 40 Sumatriptan, Migräne 422 Sumatriptan (Imigran), Migräne 422 Suprane 7 Desfluran Suprarenin 7 Adrenalin Suxamethonium (Pantolax), Verdünnungsregeln 208 Switch-Operation, Transposition der großen Arterien 217 Sympathikolyse 411 β2-Sympathikomimetika, Asthma bronchiale 357 Sympathikusblockade 411 – Herpes zoster 423 – Spinalanästhesie 131 Sympathikusstimulation durch Ketamin 38 synchronized-intermittent mandatory ventilation 7 S-IMV
T Tabalon 7 Ibuprofen Tachyarrhythmien 7 Tachykardie Tachykardie 24, 165 – Angst 165 – Phäochromozytom 190 – postoperative 243–244 – (supra)ventrikuläre 367 Tachypnoe 356 – Mendelson-Syndrom 171
target-controlled infusion, TIVA (totale intravenöse Anästhesie) 114 Techniker, Intensivstation 349 Tegretal 7 Carbamazepin Teicoplanin, klinische Anwendung 346 Temgesic 7 Buprenorphin Temperaturregulation – Hirntod 319 – Kindesalter 202 Temporallappen, eingeklemmter 230 TENS (transkutane elektrische Nervenstimulation) 412–413 – Phantomschmerzen 424 Tenside, Vergiftungen 383 Terbutalin (Bricanyl), Asthma bronchiale 357 Tetanus 331–332 Tetanusschutz, Verbrennungskrankheit 328 Tetanustoxoid 332 Tetracain (Pantocain) 118 – Pharmakodynamik/-kinetik 116 Thalamus 7–8 Theophyllin (Euphylong) 100 – Asthma bronchiale 357 Thermodilutionsmethode, Herzminutenvolumen, Messung 149–150 Thiopental (Trapanal) 33–35, 100 – Dosierungen 33 – Herz-Kreislauf-Wirkungen 77 – Plazentagängigkeit 222 – Verdünnungsregeln 208 Thorakotomie, Operationen 214 Thoraxchirurgie – Anästhesieverfahren 139, 214–216 – Doppellumentubus 215 – Monitoring 214–215 – Narkoseführung 214–215 Thoraxdrainagen 216 Thoraxrigidität durch Opioide 26, 40
Thoraxschmerz 362 Thoraxtrauma 357–359 – offenes 358 – Polytrauma 240 – respiratorische Insuffizienz 265 Thrombin 308 Thrombinzeit (TZ) 310 Thrombophlebitis, Ernährung, parenterale 261 Thromboplastinzeit (TPZ) 310 – partielle (PTT) 310 Thromboxan A 16 – Biosynthese 17 Thromboxansynthetase 16 Thrombozytenaggregationshemmung, Analgetika, antipyretische 404 Thrombozytenkonzentrat (TK) 160 thyreotoxische Krise 189–190 Tilidin (Valoron) – Potenz/Wirkungsdauer 409 – Tumorschmerzen 416 Timonil 7 Carbamazepin TIVA (totale intravenöse Anästhesie) 6, 113–114 – Alfentanil 42 – koronare Herzerkrankung 182 – Medikamente 100 – Polytrauma 240 – Remifentanil/Sufentanil 43 – target-controlled infusion 114 – Urologie 227 Tobramycin, klinische Anwendung 346 Tonsillektomie 228 – Anästhesie 139 Totalendoprothese, Anästhesie 139 Toxogonin, Alkylphosphatvergiftung 383 Trachea, Traumatisierung, Intubation, endotracheale 109 Trachealchirurgie, Laser 230 Trachealverlagerung, Intubation, schwierige 109
453 Sachverzeichnis
Tracheostoma, Beatmung 271 Tracrium 7 Atracurium Tractus spinoreticularis/spinothalamicus 7 Tramadol (Tramal) 44, 408 – Dosierungen 41 – Indikationen 40 – Potenz/Wirkungsdauer 409 – Tumorschmerzen 416 – Wirkbeginn 40 Tranexamsäure 309 Transaminasenanstieg, Inhalationsanästhesie, Kontraindikationen 112 Transfusionszwischenfälle, hämolytische, Verbrauchskoagulopathie 312 Transposition der großen Arterien 217 Transtec 7 Buprenorphin transurethrale Eingriffe, Urologie 227 Tranxilium 7 Dikaliumclorazepat Trapanal 7 Thiopental Trasylol 7 Aprotinin (Trasylol) Traumatologie, anästhesiologische Vorgehensweise 139 Trifluoressigsäure (TFA), Halothan, Abbauprodukt 26 Triflupromazin (Psyquil), Plazentagängigkeit 222 Trigeminusneuralgie 424 Troponin, Schock 281 Trübungssyndrome 315 – Anisokorie 315 – Blick 316 – Bulbusstellung 315 – Lidreflex 316 – Miosis/Mydriasis 315 Tuben 98–99 – Dislokation, Intubation, endotracheale 111 – Fixierung/Sicherung, Intubation, endotracheale 108 – – Neugeborenes 225 – Intubation, endotracheale 99, 106 – Kinderanästhesie 205
– Lage, einseitige, endotracheale 109 Tuberkulose, Anamnese 87 Tubocurarin 54 Tubuscuff 98 Tumorchirurgie – Anästhesie 139, 227 – HNO-Chirurgie 228–229 Tumorschmerzen 399 – Antidepressiva 417–418 – Antiemetika 418 – Antikonvulsiva 418 – Dexamethason 419 – Kortikosteroide 419 – Neuroleptika 418 – TENS (transkutane elektrische Nervenstimulation) 413 – Therapie 416–421 Tuohy-Nadel 134 TUR-Syndrom 227 – Prophylaxe 227 Typ-1/2-Cholinesterase 15
U Übelkeit, Migräne 421 Übergewicht 194 Ulmer Kreissystem, Kinderanästhesie 207 Ultiva 7 Remifentanil Umweltbelastungen, Inhalationsnarkotika 72 Unruhezustände, postoperative, Sevofluran 52 Untersuchungen – Befunde 91–93 – Patienten 89 – präoperative, Kindesalter 203 Urapidil (Ebrantil) – hypertensive Krise 368 – Präeklampsie/Eklampsie 336 Ureidopenicillin, klinische Anwendung 346 Urinkatheter, Pflege 344 Urinproduktion, verminderte 28 Urokinase 309
S–V
Urologie, Anästhesieverfahren 139, 226–228 uteroplazentare Durchblutung, Präeklampsie/Eklampsie 335 Uterus, Physiologie, Schwangerschaft 220 Uterusaktivität 220 – Medikamente, beeinflussende 221 Uteruskontraktionen, Austreibungsphase 220
V vagale Reaktion durch Regionalanästhesie 118 vaginale Eingriffe, anästhesiologische Vorgehensweise 139 Vagolytika, Plazentagängigkeit 222 Valium 7 Diazepam Valoron 7 Tilidin Vancomycin, klinische Anwendung 346 Vapor, Funktionsdarstellung 18 Vasodilatation, koronare 25 Vasokonstriktion 25 Vecuronium (Norcuron) 54, 58 – Dosierung 58 – Herz-Kreislauf-Wirkungen 77 – Plazentagängigkeit 222 – Verdünnungsregeln 208 vegetative Zentren, Funktionszustand, Mittelhirn- und Bulbärhirnsyndrome 316 Vena – jugularis externa, Zugang 146 – jugularis interna, Katheterisierung 148 – – Punktionsversuche, doppelseitige 146 – – Zugang 146 – subclavia, Fehlpunktionen 145 – – Pneumothorax 145 – – Zugang 144–146
454
Sachverzeichnis
Vena-cava-Kompressionssyndrom, Lagerung 390 Venendruck, zentraler 7 ZVDMessung Venenkatheter – Pflege 345 – zentraler 7 Zentralvenenkatheter Venenreizung durch Propofol 36 Ventilation 356 – alveoläre, Kindesalter 200 – einseitige, Intubation, endotracheale 108 Ventilations-Perfusions-Verhältnis 264 Ventilspiel, Hypoxie 168 Ventrikel, linker, Sauerstoffbedarf 151 Ventrikeldrainage, Drucksteigerung, intrakranielle 231 Ventrikelhypertrophie im Alter 209 Ventrikelseptumdefekt 217 Verbindungsschläuche 98 Verbrauchskoagulopathie 311 – Hyperthermie, maligne 169–170 – Therapie 312 – Verbrennungskrankheit 327 Verbrennungen/Verbrennungskrankheit 323–330 – ärztliche bzw. erste Hilfe am Notfallort 326 – Analgesie 328 – antibiotische Therapie 329 – Ateminsuffizienz 329 – Azidose 327 – Ernährung, hochkalorische 328 – Erstversorgung in der Klinik 326 – Frühnekrektomie 328 – Hämatopoesestörungen 329 – Hämokonzentration 327 – Hypernatriämie 327 – Hypokaliämie 327 – Infusionstherapie 329 – Klinik 325
– – – – – – – – – – – –
Neunerregel 324 Niereninsuffizienz 329 Pathologie 325 Pathophysiologie 326–327 Prognose 330 Sauerstoffzufuhr 328 Schock, septischer 327, 329 Sepsis 327 Sludge-Phänomen 327 Tetanusschutz 328 Therapie 328–329 Verbrauchskoagulopathie 311, 327 – Wunde, Keimbesiedelung 327 Verbrühungen 323–330 Verdunstung, Flüssigkeitsverlust 155 Vergiftungen 382–383 – Antidote 382–383 – Durchgangs-/Trübungssyndrome 316 – Erbrechen, provoziertes 382 – Gase 382 – Lösungsmittel, organische 383 – Lokalanästhetika 117–118 – Magenspülung 382 Verletzungen, Blutverlust 363 Verlustkoagulopathie, Therapie 312 Verschlussdruck, pulmonaler (PCWP) 150 vertikal-infraklavikuläre Blockade (VIB) 123–124 vestibulookulärer Reflex 316 VIP (vasoaktives intestinales Peptid) 7 Visite, präoperative, niereninsuffiziente Patienten 187–188 visuelle Analogskala (VAS), Schmerzen 402 Vitalfunktionen, Notfallmedizin 354 Vitalkapazität (VC) 92 Vitamin K, Leberinsuffizienz 189 Vitamin-K-Antagonisten 309 Vitamine, Ernährung, parenterale 258–259 Vitien 7 Herzfehler
volatile Anästhetika 18 Vollblutkonserve, autologe 159 Vollelektrolytlösungen 155, 301 Voltaren 7 Diclofenac Volumen – Beatmung 268 – interstitielles/intravasales, Regulation 297 Volumenersatzmittel, kolloidale 156 Volumenmangel, Tachykardie 165 Volumenmangelschock – absoluter 279 – Verbrennungskrankheit 326–327 Volumensubstitution – Abdominalchirurgie 212 – Aspiration 173 – intraoperative, Kinderanästhesie 207 – Plasmaeiweiße 157 – präoperative 96 – Schock, hypovolämischer 282 Volumeter, Hypoxie 168 von-Willebrand-Faktor 308 Vorderseitenstrang, Rückenmark 7 Vorerkrankung, Narkoseverfahren, Auswahl 138 Vorhofseptumdefekte 217 Vorlast (Preload) – Herz, linkes 150 – koronare Herzerkrankung 181 – Minderung, Nitrate 63–64 – Nitrate 63–64
W Wachstation, postoperative 242 Wärmeaustauscher, Herzlungenmaschine 218 Waschmittel, Vergiftungen 383 Wasser, pH-Wert 304 Wasserbedarf, intraoperativer 154–157 Wasserdampfdruck 74
455 Sachverzeichnis
Wassergehalt, CO2-Absorber 28 Wasserhaushalt 294 – Anamnese 88–89 – Kindesalter 202 – Pathophysiologie 298 – Physiologie 294–297 – Regulation 297 Wasserintoxikation – Ertrinkungsunfall 386 – Urologie 227 Wasserrestriktion, Nierenversagen, akutes 288–289 Waterhouse-FriderichsenSyndrom, Verbrauchskoagulopathie 311 Wedge-Position, Herzminutenvolumen, Messung 150 Wehenschmerz – Linderung 221–223 – Opioidapplikation, intravenöse 221 – Parazervikalblockade 221 – Periduralanästhesie 221–223 – Pudendusblockade 221 Wendl-Tubus 103 White-Tubus 215 – Lage, falsche 216 Widerstandsverlustmethode 7 Loss-of-resistance-Methode Wincoram 7 Amrinon Wirkdauer, klinische, Muskelrelaxanzien 55 Woodbridge-Tubus 99, 107 Wundinfektionen – nosokomiale 342, 344–345 – Verbrennungskrankheit 327
X Xenon 53 Xylit – Ernährung, parenterale 257 – Oxalatsteine 258 Xylocain 7 Lidocain Xylonest 7 Prilocain
Z Zähne, Traumatisierung, Intubation, endotracheale 109 zahnchirurgische Eingriffe, Anästhesieverfahren 228–230 zentral-anticholinerges Syndrom (ZAS) 244–245, 321 Zentralvenenkatheter 144–147, 390 – Luftembolie 174 – Zugang 390 zentralvenöse Symptome, Präeklampsie/Eklampsie 335 zerebrale Funktion, Störungen 313–322, 376–379 zerebrale Notfälle 377–379 Zirkumzision, Anästhesie 138 ZNS (Zentrales Nervensystem), Schmerzhemmung/ -verarbeitung 7 Zovirax 7 Aciclovir Zugang – Ellenbeuge 144 – thorakaler, Periduralanästhesie 135 – transglutealer, Ischiadikusblockade 128 – V. jugularis externa 146 – V. subclavia 144–146 – venöser 390–391 – – Reanimation, kardiopulmonale 373–374 – zentralvenöser 145 – – Abdominalchirurgie 212 – – Punktionsstellen 145 ZVD-Messung (zentraler Venendruck)144, 150 – Hämato-/Pneumothorax 147 – Katheterfehllage 147 – Pleurapunktion 147 Zweidrittelelektrolytlösungen 155, 301 Zwei-Helfer-Methode, Atemspende 372 Zwerchfellhernie, kongenitale, Neugeborenes 225
V–Z
Zyanidvergiftung 382 Zyanose – Asthma bronchiale 357 – Hyperthermie, maligne 169 – intraoperative, Esmarch-Handgriff 164 – Intubationsnarkose 164 – Larynxmaskennarkose 164 – Lungenembolie 175 – Maskennarkose 164–166 – Mendelson-Syndrom 171