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, während einer [Set‰l] und ein anderer [SEt‰l] ausspricht.
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compréhension“ (S. 187) sprechen kann, die angesichts der zunehmenden Bedeutung der Wissenschaftssprachen und deren Prestige weiter andauern wird 16. So einsichtig und überzeugend sich die Ergebnisse im allgemeinen präsentieren, das anregende Thema hätte eine bessere und sorgfältigere Bearbeitung verdient. Der Weg von den etymologischen Wörterbüchern zum romanischen Sprachenvergleich war der falsche, da allein von historischen Wortschatzdarstellungen (mit Berücksichtigung von Begriffsfeldern) keine verzerrten Abbildungen der Geschichte der Latinismen erwartet werden konnten; des weiteren leidet die Studie an einer oberflächlichen und fehlerhaften Behandlung des umfangreichen Materials, so dass man gut daran tut, keines der Ergebnisse ungeprüft zu übernehmen oder Einzelbeispiele ohne entsprechende Kontrolle zu zitieren. Bonn, im Dezember 2005 C hr i s t i a n Schm i t t
S i m o n e Rog g e n bu c k – Die Wiederkehr der Bilder. Arboreszenz und Raster in der interdisziplinären Geschichte der Sprachwissenschaft. Tübingen, Gunter Narr, 2005. 382 Seiten. Obwohl der Gebrauch von Bildern zur Verdeutlichung wissenschaftlicher Erkenntnisse – seien es graphische Darstellungen oder sprachliche Bilder in Form von Metaphern – immer wieder kritisiert wird, verschwinden diese aus wissenschaftlichen Abhandlungen keineswegs. Im Gegenteil: Sie werden weiterhin erdacht und reproduziert, wobei einige von ihnen zu beträchtlicher Berühmtheit gelangen. Exemplarisch für die Geisteswissenschaften untersucht Simone Roggenbuck den Bildgebrauch in der Linguistik, indem sie zwei Grundtypen in den Blick nimmt: Arboreszenz (Baumgraphik) und Raster. Die Autorin geht von der Frage aus, ob die Vorliebe für Darstellungen des einen oder anderen Typs im Zuge der verschiedenen sprachwissenschaftlichen Theorieschübe erkenntnisparadigmatische Brüche oder im Gegenteil Konstanz bedeuten. Damit nimmt sich Roggenbuck die Positionen Karl Poppers und Thomas S. Kuhns zur Überprüfung vor, die sie in Kapitel 1 unter dem Titel „Bilder des Wissens“ diskutiert. Während Popper ein durch kontinuierliches Überprüfen und Falsifizieren von Theorien linear anwachsendes Wissen annimmt, geht Kuhn von drastischen, wenn auch in Abständen erfolgenden Erkenntnissprüngen in Form von revolutionsartigen Paradigmenwechseln aus. Beide haben allerdings in erster Linie die Naturwissenschaften im Blick; die Verfasserin arbeitet demgegenüber heraus, dass sich geisteswissenschaftliche Paradigmen „synchron inhaltlich überschneiden oder ergänzen, oder diachron großräumig überlappen (bei zusätzlicher inhaltlicher Komplementarität)“ (S. 38) und stellt fest: „Geisteswissenschaftliche paradigmatische ,Revolutionen‘ können deshalb allenfalls als relative Revolutionen gesehen werden.“ (S. 39). Die Tauglichkeit der in der Wissenschaft verwendeten Bilder zur Überprüfung dieser Hypothese weist die Verfasserin nach, indem sie zunächst auf den Einfluss von Metaphern – also sprachlich evozierten Bildern – eingeht, die sich in einigen Fällen „von der Zufallsschöpfung zur Standardmetapher und von da zum Leitbild einer ganzen Etappe der Erkenntnisentwicklung oder einer Tradition mausern“ (S. 45). Sie trügen insofern zum Erkenntnisfortschritt bei, als die metaphernkonstituierende Gleichsetzung weiteres Beschrei-
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Dabei ist natürlich auch der umgekehrte Weg von der Volkssprache ins wissenschaftliche Latein (vor allem in der Romania) zu bedenken; Peter Stotz, Handbuch zur lateinischen Sprache des Mittelalters, 5 Bde, München 1996–2004, kennt z. B. zahlreiche mittellateinische Wortgebildetheiten, die Lehnprägungen zu volkssprachlichen Derivaten darstellen (vgl. v. a. Bd. II).
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bungspotenzial und indirekt auch Unähnlichkeiten mit sich bringe. Dieses Non-Simile lade dazu ein, „die Metapher interpretierend so weit auszuloten, daß auch das, was sich zunächst gegen die analogisierende Gleichsetzung sperrt, noch integriert werden kann […],“ (S. 48, Kursivierungen der Verfasserin). Dementsprechend gelangt die Autorin in Kapitel 2, „Theorien des Bildes“, zu dem Schluss, dass Metaphern auch in der Wissenschaft „zu den unabdingbaren Erkenntnisinstrumenten“ (S. 62) zählten. In den gleichen Rang erhebt sie dann Darstellungen wie Baum- und Rasterschemata, indem sie die „grundlegende Sprachlichkeit von Metaphern und Erkenntnis in Frage zu stellen“ (S. 78, Kursivierung der Autorin) vorschlägt. Unter Rückgriff auf Theorien des visuellen Denkens stellt sie fest, dass auch die identifizierende Bildwahrnehmung über eine „Erkenntnisspanne“ verfüge, denn sie erfordere die „Ahnung, daß eine Identifikation mit einem früher wahrgenommenen und ,abgespeicherten‘ Prototyp überhaupt möglich sei“ (S. 87) 1. Den Erfolg des Baum-Bildes in der Sprachwissenschaft macht Roggenbuck durch eine Erörterung seiner Bildprinzipien verständlich, unter denen dasjenige der Verzweigung hervorsticht. Es ist schon in seiner einfachsten, Y-artigen Form nicht nur in der menschlichen Alltagskultur und Körperwahrnehmung verankert, sondern auch von wissenschaftskultureller Relevanz, da es sich etwa mit den drei Schritten des Syllogismus in Verbindung bringen lässt. Darüber hinaus bietet die Baum-Metapher eine große Vielfalt an Anknüpfungspunkten, von denen in der Linguistik vor allem der Aspekt der Wurzel und des Stammes als zentraler Komponenten und derjenige des Baumes als eines gigantischen, sich über einen langen Zeitraum hinweg entwickelnden Organismus, wie er etwa im Stammbaum mit seinen Verzweigungen präsent ist, eine wichtige Rolle spielen. Visuell ist für die Sprachwissenschaft nicht der ,ikonische‘ Baum mit seiner Silhouette aus Stamm als Linie oder Rechteck und zur Kugel oder Ellipse reduziertem Blattwerk von Bedeutung, sondern fast ausschließlich der ,analytische‘, infolge fehlenden Laubes skelettierte Baum mit seinen deutlich sichtbaren Verzweigungen. Hier setzt ein entscheidender argumentatorischer Kniff der Autorin an, denn auf ein solches Grundschema führt sie auch die Raster von Blockdiagrammen und Matrizen zurück. Diese interpretiert sie gleichsam als durch Reduktion auf horizontal und vertikal arretierte Verzweigungen im 90°-Winkel abstrahierte Baumschemata. Schon die Darlegung dieses Gedankens in der Einleitung (S. 12–13) verrät, dass die Verfasserin dabei mit Einwänden der Leser rechnet. Tatsächlich stellt sich die Frage, ob sich so nicht jede Graphik auf das Baumbild zurückführen lässt, was den Deutungen solcher Darstellungen eine gewisse Beliebigkeit verleihen und ihre Eignung als Indikator für Paradigmenwechsel schmälern würde. Schon angesichts des Gewichtes der Arboreszenz für verschiedene sprachwissenschaftliche Ansätze kann jedoch auch derjenige Leser, der die Interpretation des Rasters als Realisierung des Baumbildes nicht akzeptiert und letzteres als qualitativ verschiedenen, anders strukturierten Grundtyp separat gehalten wissen möchte, der Verfasserin zustimmen, wenn sie in der Geschichte der Sprachwissenschaft mit ihrer „Wiederkehr (Wiederholung) des Baumbildes in wechselnden Varianten“ eine „chronologische ,Kontinuität mit Brüchen‘ “ (S. 105) ausmacht. Die Miteinbeziehung von Rastern gestattet es Roggenbuck allerdings, diese Feststellung anhand einer Überblicksdarstellung der Sprachwissenschaft des 19. und 20. Jahrhunderts zu untermauern, die letztlich eine an einem einzigartigen ,roten Faden‘ orientierte ,Geschichte der Sprachwissenschaft‘ darstellt. Denn diese ist dank der Konzentration auf die jeweiligen Leitbilder weniger personenorientiert angelegt als vergleichbare Darstellungen und kann mehr als eine Auflistung bedeutender Sprachwissenschaftler und ihrer Werke bieten (wenn-
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Gewöhnungsbedürftig erscheinen dabei Ausdrücke wie „sprachliche Metapher“ (S. 87) und „visuelles Bild“ (S. 88), wenn dem Leser auch sofort klar wird, dass diese Tautologien der Klarstellung dienen, ob jeweils sprachlich oder visuell vermittelte Metaphern bzw. Bilder zur Rede stehen.
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gleich die einzelnen ,Denker‘ für die Untergliederung der Abschnitte zu den jeweiligen Arboreszenz- oder rasterzentrierten Hauptströmungen eine entscheidende Rolle spielen). Um die Bedeutung des Baum-Bildes zur Erfassung und Darstellung abendländischer Wissensbestände vor Augen zu führen, beginnt Roggenbuck ihren Gang durch die Wissen(schaft)sgeschichte unter der Überschrift „Die Tradition des Baumes“ (Kap. 3) bei den biblischen Bäumen des Lebens und der Erkenntnis, aber auch dem Mythos von Babel als Grundlage für Sprachgenealogien wie diejenige Dante Alighieris. Über die Baumgraphiken der Scholastik und der Renaissance (besonders auch zur Gliederung grammatischer Kategorien wie in den französischen Grammatiken des 16. Jahrhunderts von Pierre de la Ramée und Louis Meigret) schlägt die Verfasserin den Bogen weiter zu Francis Bacons Tree of Knowledge und René Descartes’ Arbre de la philosophie. Mit dem Übergang zu Barock und Klassik beginnen dann Rasterdarstellungen an Bedeutung zu gewinnen, anzutreffen etwa in den phonetischen und grammatischen Beschreibungsversuchen von Francis Lodwick und John Wallis, aber auch in der Grammaire générale et raisonnée von Antoine Arnauld und Claude Lancelot 2. Entsprechendes gilt für die Aufklärung: „Das Bestreben, das Wissen der Zeit übersichtlich und umfassend – eben enzyklopädisch – darzustellen, generiert im 18. Jh. eine Vorliebe für das Tableau“ (S. 141, Kursivierung der Autorin). Allerdings präsentiert ausgerechnet die Encyclopédie eine ausgesprochene Vielfalt der Darstellungsweisen, die nicht nur Baum- und Rasterschemata, sonden auch stern- und labyrinthartige Graphiken bietet, was angesichts ihres Bemühens um „Auffächerung eines vielfach verwobenen und unübersichtlich gewordenen Wissens“ (S. 157) kaum überrascht. In Kap. 4 rückt unter dem Titel „Arboreszenzen im Zeichen von ,Entwicklung‘ und ,Vergleich‘ “ die nach gängiger Ansicht im 19. Jahrhundert einsetzende eigentliche Sprachwissenschaft ins Blickfeld, die dem Baumbild neue Kraft verleiht. Dessen Verzweigungen deuten dabei vor allem die „Entstehung (der Sprache) aus einem Ursprung“ (S. 158) an. Entscheidend ist die Auffassung von Sprache als einem Organismus, nachweisbar schon bei Wilhelm von Humboldt, Friedrich Schlegel und Franz Bopp (die allerdings noch in Stufenmodellen denken). Eine solche vielfach gegliederte, sich wandelnde Einheit lässt sich hervorragend mit dem Bild des Baumes in Verbindung bringen – besonders wenn man wie August Schleicher den Wandel als zunehmende Differenzierung auffasst. Dessen Stammbaum der indoeuropäischen Sprachen, publiziert 1861, zählt zweifellos zu den bekanntesten Bäumen der Sprachwissenschaft 3. Dieser Baum wird schon wegen der auffälligen zeitlichen Nähe seiner Entstehung mit dem Stammbaum der Arten aus Charles Darwins Origin of Species von 1859 in Zusammenhang gebracht. Auch Roggenbuck geht ausführlich darauf ein, indem sie unter anderem die Rolle des Zoologen Ernst Haeckel erörtert, eines überzeugten Darwinisten und Freundes von Schleicher. Dabei stellt sie die eine Dualität von Geist und Materie verneinende monistische Einstellung der beiden Forscher heraus und belegt Schleichers Bemühungen um eine Ausrichtung der Sprachforschung auf die Naturwissenschaften hin, die die Autorin dessen Stammbaum als „Extrembeispiel für die Durchschlagskraft
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Die in der Grammaire générale beschriebene „,geistige‘ Gliederung der Sprache“ (S. 135) folgt jedoch einer (allerdings aus dem Originaltext herausgearbeiteten) Baumstruktur – für die Autorin „[e]iner unter vielen Belegen dafür, daß Bilder ebenso wie Paradigmen […] zeitlich überschneidend und inhaltlich komplementär auftreten […].“ (S. 136). Unabhängig von Roggenbuck beobachtet auch Jeroen Van Pottelberge: „Die Schemata vor Schleicher hatten in erster Linie eine klassifikatorische Bedeutung und haben graphisch nicht die Form eines Stammbaumes, sondern erinnern stark an eine hierarchische Klassifikationstafel mit einem rasterartigen Aufbau“ (Van Pottelberge, Jeroen: „Die ursprünglichen Fragestellungen hinter August Schleichers Stammbaum-Theorie und Johannes Schmidts Wellen-Metapher“, in: Historiographia Linguistica 30,3, 2003, 301–364, S. 311).
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dieses Leitbildes in seiner biologistischen Prägung“ (S. 198) bezeichnen lassen. Aber auch die Unterschiede zwischen den beiden Modellen werden deutlich: Während Darwins Baum ein idealisiertes Modell darstellt, fertigt Schleicher eine Rekonstruktion der realen Abstammungsverhältnisse der indoeuropäischen Sprachen an, in der die unterschiedliche Länge der Verzweigungen unterschiedliche Zeitpunkte der Auseinanderentwicklung der einzelnen Idiome andeuten. Außerdem setzt Darwin in der Horizontale komplexe Artengeflechte an, die Motor für künftige Selektion sein können (S. 180) 4. Schleicher geht hingegen von einer inneren Kausalität aus, für ihn ist Sprache ein „in sich geschlossener Organismus, der immanenten Diversifizierungs[gesetzen] (und nur bedingt Selektionsgesetzen […]) folgt“ (S. 196). Die sich daraus ergebende Vernachlässigung der Sprecher stellt einen der wichtigsten Ansatzpunkte für Schleichers Kritiker dar. Unter ihnen sind neben Johannes Schmidt und Hugo Schuchardt, denen die Verfasserin jedoch eine grundsätzliche Abwendung von der Entwicklungsarboreszenz abspricht, die Junggrammatiker zu nennen, die „trotz ihrer positivistischen Ausrichtung (Mechanizität und Ausnahmslosigkeit der Lautentwicklung) wieder den psychischen Faktor der Sprache ins Spiel“ (S. 207) bringen. William Dwight Whitney hingegen, dessen Standpunkt in Kap. 5, „Raster im Zeichen von ,Wertesystem‘ und Abstraktion“, dargestellt wird, besteht auf synchroner Variation und auf Sprache als Resultat gesellschaftlicher Austauschvorgänge, gleichzeitig aber auch als gegliederter Struktur. Letzteres verbindet ihn mit Gregor von der Gabelentz, der dem Sprachvermögen eine auf die Gegenüberstellung von Syntagmatik und Paradigmatik des Strukturalismus vorausweisende tabellarische Form zu Grunde legt. Die Auffassung von „Sprache als soziale[m] Produkt“ (S. 217, Kursivierung der Autorin) nimmt die Verfasserin dann zum Anlass, auf Parallelen zu Ansätzen von Wirtschaftsund Gesellschaftstheoretikern wie John Stuart Mill, Karl Marx und Émile Durkheim hinzuweisen, für die ebenfalls gelte: „Die Betonung der Abstraktion vom empirischen und historischen Gegenstand und die Betonung von sozialer Konvention sind signifikant für das sich formierende neue Paradigma, seine Konstruktion wissenschaftlicher Gegenstände und deren Bilder“ (S. 221, Kursivierung der Autorin). Dabei trete die historische Dimension hinter eine momentane Realität zurück, deren Austauschprozesse anstelle innerer Kausalitäten als bestimmend angesehen werden. In der Sprachwissenschaft werde dabei der Vergleich, das mit den Baumdarstellungen erfüllte Hauptanliegen des komparatistischen Paradigmas, vom Bemühen um Abstraktion verdrängt, angelegt „auf sich synchron-kommutativ abgrenzende Werte, die visuell in Juxtaposition (Koordinatensystemen, Rastern) dargestellt werden“ (S. 221). An dieser Stelle zeigt sich eine Stärke von Roggenbucks Ansatz, denn er erlaubt es, überzeugend Bezüge zu anderen Disziplinen herzustellen, indem Parallelen der Denk- und Darstellungsweisen offengelegt werden – und zwar auch dann, wenn es sich nicht um nachweisbare Beeinflussungen wie im Falle von Schleicher und Darwin handelt, sondern eher um einen „Widerhall des Bildes aus anderen Disziplinen“ (S. 339). „Manifeste Phänomene des gleichen ,paradigmatischen Zeitgeistes‘“ (S. 217) macht die Verfasserin nicht nur in der Sozial- und der Sprachwissenschaft, sondern auch in der bildenden Kunst des frühen 20. Jahrhunderts mit ihrer Hinwendung zu Abstraktion und Raster aus 5. 4
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Neueste Forschungen haben ans Licht gebracht, dass Darwins ,Vor-Bild‘ eigentlich die Koralle war, auch wenn er im Text der Origins explizit von einem Baum spricht (Voss, Julia: Darwins Diagramme – Bilder von der Entdeckung der Unordnung, Berlin: Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, 2003 (= Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, Preprint 249), S. 21–22)! Dieses Modell suggerierte ihm tote unterhalb der lebenden Zweige zur Gegenüberstellung von ausgestorbenen und überlebenden Arten (Bredekamp, Horst: Darwins Korallen. Frühe Evolutionsmodelle und die Tradition der Naturgeschichte, Berlin: Wagenbach, 2005, S. 20, S. 50–61). Dass auch der Baum in der Kunst eine Rolle spielt, wobei dessen bildliche Möglichkeiten verständlicherweise besonders umfassend ausgelotet werden, weist eine kürzlich erschienene Monographie
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Zu besonderer Blüte gelangt diese Tendenz in der Sprachwissenschaft mit dem Strukturalismus. Das zeigen Ferdinand de Saussure, dessen Dichotomien wie Synchronie vs. Diachronie, Paradigmatik vs. Syntagmatik, Identität vs. Differenz zu Rastern erweiterbare Achsenkreuze vorgeben, und Nikolaj S. Trubetzkoj mit seinen Phoneminventaren in Tabellenform. Auch Roman Jakobsons phonologische Matrices und Louis Hjelmslevs Strukturraster lassen sich hier anführen (wenngleich die Autorin in einigen wichtigen Punkten bei diesen beiden Autoren auch Baumstrukturen ausmacht). Kap. 6 beschreibt unter dem Titel „Arboreszenzen im Zeichen von Dependenz, Konstituenz und Generativität“ die Rückkehr des Baumschemas als Leitparadigma, allerdings nun eine „synchrone hierarchische Struktur“ (S. 266) anzeigend. Die Verfasserin geht zunächst auf Lucien Tesnière ein, dessen Schaffen sie als „paradigmenhistorisches Kuriosum“ (S. 277) einstuft. Es hebe sich einerseits u. a. wegen seiner die Hierarchien des ordre structural repräsentierenden Arboreszenzen vom europäischen Strukturalismus ab 6, andererseits schon wegen der zu symmetrisch angelegten Graphiken führenden Zentralität des Verbs auch von der generativen Grammatik. Für die US-amerikanische Sprachwissenschaft war im 20. Jahrhundert die Erforschung der Indianersprachen durch Franz Boas und Edward Sapir richtungsweisend, denn sie machte eine reine Übernahme der Methoden des europäischen Strukturalismus unmöglich. Beispielsweise erwies sich dabei die Kategorie ,Wort‘ als unbrauchbar, nicht aber die Einheit ,Satz‘. Zudem veranlassten die meistens nur in gesprochener Form erfahrbaren Indianersprachen die amerikanischen Sprachwissenschaftler dazu, der sprachlichen Linearität eine größere Bedeutung beizumessen. Das Wirken von Boas und Sapir stellt nach Ansicht von Roggenbuck in Verbindung mit den Theorien Leonard Bloomfields keinen Paradigmenwechsel, sondern erst eine „Paradigmenkonstitution“ (S. 299) dar. Zelig S. Harris’ Hinwendung zu einer technisch-distributionalistischen Methode leitete dann den Beginn der transformationellen Grammatik ein; wegen ihrer starken mathematischen Orientierung bekomme die Arboreszenz dabei „eine ganz eigene Ausprägung“ (S. 314), weshalb die Verfasserin Harris’ Ansatz als Beleg für die „Heterogenität des amerikanischen Strukturalismus um die Mitte des 20. Jahrhunderts“ (S. 315) wertet. In Noam Chomskys generativer Transformationsgrammatik werde die Baumstruktur dann „nicht nur als (Beschreibungs-)Instrument, sondern auch als geistige Realität“ (S. 331, Kursivierung der Autorin) verstanden, da sie die Sprecherkompetenz repräsentiere. Durch die Annahme einer neuronalen Verankerung der Universalgrammatik ergebe sich schließlich eine „erstaunliche Annäherung an das biologistische Paradigma des 19. Jahrhunderts“ (S. 336); dass dabei auch Evolution und Selektion wieder ins Blickfeld rücken, wertet die Autorin als Beweis gegen Poppers Gedanken eines linearen Fortschrittes der wissenschaftlichen Erkenntnis. Am Schluss ihres sehr lesenswerten, da neue Aspekte in der Entwicklung der Sprachwissenschaft aufzeigenden Werkes wirft Roggenbuck die Frage auf, welches Leitbild als nächstes die Sprachwissenschaft beherrschen werde. Als Antwort sei darauf hingewiesen, dass Baumdarstellungen zwar weiterhin präsent sind7, dass das Leitbild unserer Zeit jedoch eher
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nach (Schmidt-Burkhardt, Astrid: Stammbäume der Kunst. Zur Genealogie der Avantgarde, Berlin: Akademie-Verlag, 2005). Baumgraphiken zur Satzanalyse lassen sich bereits in didaktischer Literatur des 19. Jahrhunderts nachweisen (Weber, Heinz Josef: Dependenzgrammatik. Ein interaktives Arbeitsbuch, Tübingen: Narr, 21997, S. 13–14). Weiterhin hat die generative Syntax viele Anhänger. Ferner werden in der Dialektometrie unter explizitem Verweis auf Schleicher mit mathematisch-statistischen Methoden sogenannte Dendrogramme erstellt (Goebl, Hans: „Dans la forêt des dialectes normands… La dialectométrie dendrographique au service de la dialectologie et de la géolinguistique galloromanes“, in: Bougy, Catherine/Boissel, Pierre/Garnier, Bernard (Hgg.): Mélanges René Lepelley. Recueil d’études en hommage au Professeur René Lepelley, Caen: Musée de Normandie, 1995, S. 39–50, S. 44).
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das ,Netz‘ zu sein scheint: Zum einen ist es in Form des die kommunikative Praxis umwälzenden World Wide Web gegenwärtig 8, zum anderen mit den neuronalen Netzen des Gehirns als Bild für die organische Struktur des menschlichen Denk- und Sprachverarbeitungsapparates 9. Wenn dabei auch wie beim Baum das Verzweigungsprinzip eine wichtige Rolle spielt 10, so scheint insgesamt der Aspekt einer ahierarchischen Ordnung im Vordergrund zu stehen. Insofern stehen diese Netze dem Raster näher, dessen Wiederkehr sie damit anzeigen könnten – falls nicht doch eine besondere Synthese der beiden Bilder vorliegt, die die gegenseitige Ablösung von Baum und Raster als Leitparadigma in der Sprachwissenschaft beendet. München, im September 2006 Re m b e r t E u f e
G i a m p a o l o Salvi – La formazione della struttura di frase romanza. Ordine delle parole e clitici dal latino alle lingue romanze antiche (Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie 323). Tübingen, Max Niemeyer, 2004. 228 Seiten. La mancanza di un’analisi della struttura di frase latina paragonabile a quelle disponibili per le lingue romanze antiche non ha permesso finora l’elaborazione di un’ipotesi precisa sul cambiamento sintattico intervenuto fra i due stadi di lingua. Il lavoro sotto disamina ricostruisce in modo chiaro e sistematico l’evoluzione della struttura di frase dal latino antico alle lingue romanze medievali attraverso due degli aspetti in cui questo cambiamento si manifesta nella maniera più evidente: l’ordine dei costituenti maggiori della frase e la sintassi delle forme pronominali deboli e clitiche. La ricostruzione di questo processo diacronico e delle sue cause viene fatta all’interno del quadro teorico della Grammatica Generativa adottando una concezione della sintassi che distingue fondamentalmente fra Teste e Sintagmi. Al gruppo delle Teste appartengono categorie lessicali quali il nome, il verbo, l’aggettivo, la preposizione, ecc. e categorie funzionali. Il Sintagma invece viene considerato come un gruppo di parole che si comporta come un’unità rispetto a certe regole sintattiche e che si costruisce attorno a una testa in base a precise regole (p. 3). Per la ricostruzione dell’evoluzione della struttura della frase romanza dal latino alle fasi moderne l’autore opera scelte fra diverse possibilità teoriche che egli stesso elenca nella Premessa: per la grammatica viene presa in considerazione l’ipotesi sulla struttura sintagmatica di Kayne (1994) usata nell’analisi della frase in latino (II.2) e nella spiegazione della formazione dell’ordine basico delle parole romanzo (III.1.4, 2.2), la versione della Teoria del Caso per la spiegazione della nascita dei clitici romanzi (V.2), la teoria
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Gleichzeitig wird die Einrichtung von ,Forschungsnetzwerken‘ gefördert. Zum Sprachgebrauch im WWW vgl. u. a. Berruto, Gaetano: „Italiano parlato e comunicazione mediata dal computer“, in: Hölker, Klaus/Maaß, Christiane (Hgg.): Aspetti dell’italiano parlato, Münster: LIT, 2005 (= Romanistische Linguistik 6), S. 137–156. Die Bedeutung der Netzmetapher für die Soziolinguistik zeigen Titel wie der folgende: Tempesta, Immacolata: Varietà della Lingua e Rete Sociale, Mailand: Francoangeli, 2000. An der Schnittstelle dieser Netze setzt die Sprachwissenschaft an! „Netze sind ein ideales Mittel für die Repräsentation von allen nur denkbaren Formen des Zusammenhanges, sei dieser Zusammenhang sozial […], psychologisch, sprachlich, seien es Transportwege oder elektrische Leitungen“ (Leinfellner, Elisabeth: Semantische Netze und Textzusammenhang, Frankfurt a. M. u. a.: Lang, 1992 (= Arbeiten zur Sprachanalyse 14), S. 122; vgl. auch Abdi, Hervé: „Réseaux sémantiques“, in: Sfez, Lucien: Dictionnaire critique de la communication, Paris: PUF, 1993, Bd. 1, S. 867). Darin unterscheiden sich diese Netze von den strukturellen Netzen Hjelmslevs, denn in letzteren sind laut Roggenbuck „die Grenzlinien das Entscheidende“ (S. 261, Kursivierung der Autorin).
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delle strutture morfologiche di Di Sciullo/Williams (1987) usata nella spiegazione della collocazione dei clitici romanzi (IV.2.3), o per la soluzione proposta per i problemi relativi all’interazione fra strutture sintattiche e strutture intonative (IV.1.4–6). Nella teoria del cambiamento linguistico viene adottata l’ipotesi di Lightfoot sui meccanismi del cambiamento diacronico (I.4 e III.2) o quella di Kroch sulle grammatiche in competizione (I.4.3, III.1.4, IV.3.1.5). L’opera sotto disamina si articola in cinque ampi capitoli preceduti da una breve premessa (pp. 1–3) e da un apparato teorico-formale atto a spiegare la terminologia e le strutture presentate nell’opera (pp. 3–10) seguiti da una conclusione (pp. 201–213) che riassume i risultati principali della ricerca. Il I capitolo „Introduzione“ (pp. 11–39) presenta i principali fatti relativi alla struttura di frase delle lingue romanze antiche, esaminati nei fenomeni dell’ordine delle parole, della posizione dei clitici e dell’espressione del soggetto, con una breve storia delle ipotesi esplicative riguardanti la loro analisi, la loro origine diacronica e i successivi sviluppi nelle lingue romanze moderne. Vengono poi presentati i problemi che non avendo ancora ricevuto una soluzione soddisfacente sono alla base della ricerca e ai quali lo studio di Salvi cerca di dare una risposta. Se, per esempio, per l’ordine delle parole del latino classico disponiamo di analisi approfondite su singoli testi o su campionature di molti testi distribuiti su un arco di tempo piuttosto lungo, non disponiamo allo stesso modo di un’analisi della struttura della frase del latino classico altrettanto dettagliata senza la quale non è possibile definire con precisione che cosa sia cambiato e neanche formulare domande concrete a cui cercare una risposta nei testi che dovrebbero riflettere l’evoluzione (p. 29). Una altra questione aperta all’interno degli studi romanzi è quella della natura dei clitici: „È evidente“ – scrive Salvi – „che gli elementi che in latino sottostanno alla legge di Wackernagel, non hanno (e questo indipendentemente dalla posizione occupata nella frase) le stesse proprietà sintattiche degli elementi che nelle lingue romanze antiche sottostanno alla legge Tobler-Mussafia; inoltre questi ultimi non hanno le stesse proprietà dei clitici delle lingue romanze moderne“ (p. 30). Aperta è anche la questione dei pronomi personali soggetto: se per il francese antico sappiamo che il pronome soggetto postverbale occupava una posizione sintattica diversa da quella del soggetto nominale (Skårup 1975) potendo dedurre di conseguenza che il pronome soggetto è clitico, è evidente che deve trattarsi di un tipo di clitico diverso da quello rappresentato dai pronomi non soggetto perché non sottostá alla legge Tobler-Mussafia. Per la concezione del cambiamento linguistico che fa da sfondo alla ricerca viene adottata l’ipotesi di Lightfoot (1979 e 1991) che distingue due categorie del cambiamento linguistico: cambiamenti graduali (ossia quelli che non cambiano la grammatica: una costruzione può diventare più frequente perché assume un particolare valore espressivo o cambiamenti che riguardano la categorizzazione di singole entrate lessicali e che si diffondono parola per parola) e cambiamenti abrupti, i quali possono essere abrupti nei singoli individui ma graduali nella comunità nel suo insieme. Il II capitolo „L’ordine delle parole in latino“ (pp. 41–63) descrive in maniera dettagliata i fenomeni dell’ordine delle parole in latino classico e propone una ricostruzione della struttura di frase in termini generativi in grado di spiegare i fatti osservati negli esempi illustrativi. Si parte dall’idea che in una lingua che presenta un ordine delle parole – che solo apparentemente è libero – i diversi ordini delle parole siano portatori di contenuti semantico-informativi differenti. L’ipotesi di Salvi è che queste informazioni pragmatico-discorsive siano legate a precise informazioni sintattiche (p. 43). Nel caso in cui, per esempio, la focalizzazione non porti su un costituente, ma sull’intero evento (per es. frasi eventive) o sulla forza illocutiva (per es. frasi iussive) si può supporre che la posizione di specificatore della proiezione funzionale sia occupata da un operatore astratto corrispondente. Si avrebbe così un operatore iussivo, concessivo, assertivo ecc. la cui informazione senza realizzazione fonetica non sarebbe recuperabile a meno che il verbo flesso non vada a occupare (rendendo,
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in un certo senso, visibile l’operatore astratto) la posizione della testa della categoria funzionale (p. 55). Dal punto di vista descrittivo, le posizioni sintattiche della frase principale latina vengono schematizzate nella maniera seguente (p. 53): PerifS | Fuoco [SOXV] Fuoco | PerifD La Periferia Sinistra ospita un numero qualsiasi di costituenti con funzione di Topic o Cornice, la Periferia Destra ospita costituenti di vario tipo e costituenti epesegetici. La parte centrale della frase contiene un nucleo a verbo finale e due posizioni, una iniziale e una finale, che possono ospitare un costituente focalizzato (in quella iniziale questo costituente può anche essere il verbo) (p. 201). Per la parte proposizionale della frase si ipotizza una struttura di base in cui i complementi del verbo sono postverbali. L’ordine a verbo finale che si constata in superficie si ottiene con lo spostamento dei diversi complementi in posizione preverbale. Il motore dello spostamento è la necessità di assegnazione del caso morfologico, che avviene in una posizione che precede la posizione occupata dal verbo in struttura superficiale; i costituenti in posizione postverbale non hanno quindi subito lo spostamento perché non hanno bisogno di caso o perché lo ricevono in qualche altra maniera. Questa soluzione al problema dell’ordine delle parole a verbo finale ha il vantaggio di collegare in maniera diretta ordine delle parole e presenza di un sistema di casi morfologici che potrebbe spiegare anche la libertà nella collocazione dei costituenti prima del verbo. Il III capitolo „La formazione dell’ordine delle parole nelle lingue romanze antiche“ (pp. 65–122) offre una descrizione dettagliata dei principali fenomeni relativi all’ordine delle parole nelle lingue romanze antiche, assumendo che nella fase più antica delle lingue romanze due strutture frasali fossero in competizione: una innovativa, caratterizzata da un tipico sistema a Verbo Secondo (V2) e una conservativa, attestata soprattutto nelle subordinate e solo sporadicamente nelle principali, che sostanzialmente continua la struttura di frase latina. La differenza rispetto al latino consiste nella posizione rispettiva del verbo e dei suoi argomenti (e degli altri costituenti): mentre in latino il caso non marcato era lo spostamento di tutti i costituenti in posizione preverbale, nelle lingue romanze antiche, che conservano questa struttura di frase, solo una parte dei costituenti si sposta in posizione preverbale (p. 85). Si può assumere quindi che questo tipo di spostamento sia facoltativo nelle lingue romanze antiche (che sono prive di un sistema di casi morfologici: il sistema bicasuale del francese e del provenzale viene analizzato da Salvi come caso nominativo, che causa la salita del soggetto vs. non-caso) perché non è dettato dalla necessità, per i costituenti diversi dal soggetto, di ricevere caso morfologico. Il fatto che lo spostamento di costituenti in posizione preverbale all’interno della parte proposizionale della frase continui tuttavia ad esistere in maniera facoltativa nonostante la necessità del caso morfologico non esista più, può essere interpretato come la maniera con cui la facoltà linguistica cerca di appianare un cambiamento troppo brusco nel risultato di una rianalisi strutturale e di mantenere così la continuità fra la lingua di generazioni diverse: tra la grammatica con casi e con anteposizione obbligatoria dei costituenti al verbo e la grammatica senza casi e senza anteposizione dei costituenti diversi dal soggetto fa ponte una grammatica senza casi e con anteposizione facoltativa (p. 86). L’ipotesi sul meccanismo diacronico che ha portato dalla struttura latina a quella innovativa romanza vede nelle strutture latine a verbo iniziale il punto di partenza dell’evoluzione. L’ipotesi verificata su testi latini tardi e volgari viene confrontata con quella ricostruttiva proposta in vari lavori da Robert de Dardel a partire dal 1976 che va ridotta a tre fasi nello sviluppo dell’ordine delle parole e della struttura di frase SVO → VSO → SVO. Almeno dall’inizio del II sec. D.C. il latino parlato aveva sviluppato una grammatica che prevedeva la salita obbligatoria del verbo alla posizione funzionale di focalizzazione e che generava quindi frasi a verbo iniziale nel caso non marcato e frasi a verbo secondo nel caso della
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focalizzazione. L’ordine basico poteva già essere SVOX. Il sistema V2 delle lingue romanze antiche si è sviluppato più tardi dato che esempi sicuri in cui il primo costituente della frase centrale ha la funzione pragmatica di Tema sono attestati solo dal VI sec. Il IV capitolo „Dai pronomi deboli del latino ai pronomi clitici delle lingue romanze antiche“ (pp. 123–175) da un quadro sistematico della sintassi delle parole deboli in latino (messa a confronto con quella di altre lingue indoeuropee antiche e moderne) e di quella dei clitici nelle lingue romanze antiche formulando un’ipotesi sulla struttura da assegnare a tali costruzioni. In base ai dati raccolti da alcuni testi latini volgari vengono ricostruite le fasi che hanno portato dal sistema latino al sistema romanzo arcaico confrontandolo con quella offerta da Robert de Dardel. L’ipotesi di fondo è che la sintassi dei clitici romanzi sia la continuazione diretta della sintassi degli elementi deboli in latino. Vengono distinte due tipi di frase, quelle innovative e quelle arcaiche. Assumendo che i clitici delle lingue romanze antiche fossero teste (e non sintagmi, come i pronomi deboli del latino) e che quindi essendo parole a pieno titolo dovevano appoggiarsi sintatticamente a un’altra testa, nei clitici romanzi la testa che li regge sintatticamente è il verbo per cui i clitici si aggiungono alla sua sinistra se il verbo è preceduto da un costituente nella frase centrale, dopo il verbo in caso contrario. Questo per il tipo di frase innovativo. Nelle strutture frasali di tipo arcaico invece i clitici si collocano dopo un costituente focalizzato o dopo il subordinatore. Il passaggio essenziale è quindi il cambiamento di categoria da debole a clitico: i pronomi deboli sono parole indipendenti, occupano una posizione designata e hanno bisogno solo di un appoggio fonologico, i clitici, invece, non sono parole indipendenti e hanno bisogno anche di un appoggio sintattico, il verbo. Le due fasi evolutive nel passaggio dal latino alle lingue romanze antiche vengono rappresentate come segue: I fase (V1–V2/Fuoco):
V cl V X X Tema | V cl V X X Fuoco cl V X X que cl V X X que Fuoco cl V X X
II fase (V2)
V cl X X Tema/Fuoco cl V X X que cl V X X que Tema/Fuoco cl V X X
La fase II è quella delle lingue romanze antiche. Il V capitolo „Pronomi deboli, clitici, affissi“ (pp. 177–200) vuole giustificare l’assunzione formulata nel capitolo IV (i pronomi deboli sono sintagmi, i clitici sono teste) e affronta la questione della differenza categoriale fra le forme pronominali deboli del latino e quelle clitiche delle lingue romanze antiche formulando un’ipotesi sulle cause del cambiamento scatenato, secondo l’autore, dalla progressiva perdita del sistema morfologico dei casi e favorito dalla contiguità fra posizione delle forme deboli e posizione del verbo nel latino tardo; la successiva evoluzione dei clitici romanzi permette di operare delle distinzioni più sottili all’interno di questa categoria morfosintattica. L’ultima parte del capitolo è dedicata ad una tipologia dei clitici e alle varie tappe del processo di grammaticalizzazione che porta dalle parole deboli del latino agli affissi che troviamo nelle lingue romanze. Le fasi della grammaticalizzazione dei pronomi deboli viene riassunta come segue: I fase (lingue romanze antiche): clitici pre- e postverbali; II fase: pronomi obliqui delle lingue romanze moderne, pronomi soggetto del francese: clitici preverbali, clitici postverbali incorporati come affissi; III fase: pronomi soggetto dei dialetti italiani settentrionali: clitici preverbali e affissi postverbali indipendenti; IV fase: gli antichi clitici soggetto postverbali diventano desinenze personali (in vari dialetti).
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Per gli studiosi delle lingue romanze in generale e per quelli di sintassi diacronica in particolare molti dei risultati presentati in questo libro non risulteranno nuovi poiché come scrive l’autore: „la ricerca che è alla base di questo lavoro è cominciata dieci anni fa […]. Alcune parti di questo lavoro sono già state pubblicate in articoli separati (Salvi 1996, 1997a,b, 1998, 2000a,b, 2001a,b, 2003) o sono state presentate in congressi, conferenze e corsi universitari e parauniversitari […]“. Averli raccolti in un solo volume offre tuttavia il vantaggio di percorrere in maniera sistematica l’evoluzione della struttura della frase romanza dal latino alle fasi moderne. Una ragione di più per raccomandare questo libro anche agli studiosi di linguistica sincronica poiché molte delle ipotesi formulate offrono spunti illuminanti per la spiegazione di fenomeni sintattici delle lingue moderne. Pochissimi i refusi. Ne abbiamo contati tre: p. 32 questionii (invece di questioni); p. 137 ponomi (per pronomi) e in „Letteratura scientifica“: Unaparticolaritàsintatticadellalinguaitalianadeiprimisecoli (p. 223) al posto di Una particolarità sintattica della lingua italiana dei primi secoli. Bonn, luglio 2006 D a ni el a Pi ra zzi ni
B e r n h a rd Schmidt/Jürgen Doll/Walther Fek l/Siegfried Löwe/Fritz Taubert – Frankreich-Lexikon. Schlüsselbegriffe zu Wirtschaft, Gesellschaft, Politik, Geschichte, Presse- und Bildungswesen (Grundlagen der Romanistik XIII). Berlin, Erich Schmidt, 2006. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. 1256 Seiten. Das Frankreich-Lexikon hat im akademischen Unterricht allgemein große Anerkennung gefunden und so wird der auf rasche wie solide Information angewiesene Forscher es wie der Studierende begrüßen, dass etwas mehr als zwanzig Jahre nach dem Erscheinen der Erstauflage, die inzwischen auch als Vorbild für andere Länder-Lexika gedient hat, eine aktualisierte Neuauflage vorgelegt wird, die sich insbesondere an Sprachmittler, Lehrer und Dozenten richtet, die sich mit Texten aus Frankreich und der Frankophonie befassen. Das Lexikon, das in den meisten Beiträgen kontrastiv (zur deutschen Kultur) angelegt ist, kennt eine eindeutige Präferenz für politische, historische und soziologische Spitzenbegriffe, behandelt ebenso Probleme von hoher Aktualität, marginalisiert damit aber gleichzeitig literaturwissenschaftliche Grundfragen und insbesondere Probleme, die in den weiteren Umkreis der Sprachwissenschaft gehören. Dieses Defizit erhellt bereits aus dem Personenregister, in das Erik Zabel ebenso wie Christa Wolf oder Patricia Kaas aufgenommen wurden, während Malherbe ebenso wie der Verantwortliche für die tolérances orthographiques, Georges Leygues, Rivarol oder Vaugelas fehlen, und dies, obwohl in dem sehr ausführlichen Lemma zur Francophonie (S. 432–437) zur Erwähnung mehr als einmal sich eine Gelegenheit der Berücksichtigung geboten hätte. Wenn im Vorwort neben anderen die Gesellschaft als einer der Schwerpunkte apostrophiert wird, dann versteht man nicht, warum es zwar einen Artikel Larzac, aber kein Lemma langue (française) gibt, obwohl der Staat eine législation linguistique ins Leben gerufen hat und Französisch zur Staatssprache erklärt wurde 1. Dazu passt in gewisser Weise, dass der Artikel zu Occitanie (statt „okzitanisch“) alles in allem recht bescheiden und historisch unzulänglich dokumentiert 2 bleibt, während beim
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Vgl. z. B. A. Gardt (Hrsg.), Nation und Sprache. Die Diskussion des Verhältnisses in Geschichte und Gegenwart, Berlin 2000, 673–745. B. Müller, „Langue d’oc, Languedoc, Occitan“, in: Verba et Vocabula, Festschrift für Ernst Gamill-
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Lemma Mondialisation (S. 636–640) die unterschiedliche Verwendung und die von der jeweils gegebenen ideologischen Grundposition abhängende Semantik3 ebenso unberücksichtigt bleiben wie die politische Pragmatik dieses Schlüsselworts. Bezeichnend bleibt auch, dass der Artikel planification (S. 742–746) nichts über die in Frankreich besonders unterstützte Sprachplanung zu berichten weiß und dass es zwar einen Artikel féminisme, aber keinen zum Stichwort famille gibt, obwohl Begriffe wie die häufig noch nicht adäquat lexikalisierten und daher auch oft unzureichend definierten beau-parent gardien/beau-parent non-gardien, beau(x)-parent(s) à temps plein/beau(x)-parent(s) à temps partiel das Entstehen einer aus Heirats- und Scheidungsketten auch in Frankreich entstehenden „Patchwork-Familie“ (famille recomposée) indizieren, die auch in den von der Presse frequent verwendeten Termini von der famille monoparentale, der famille biparentale oder gar der famille recomposée (die kognitiv im Fachbegriff recomposition der Wortbildungslehre ihren Ursprung haben könnte) weitere Reflexe kennt 4. Natürlich ist es selbst bei einem so umfangreichen Handbuch einfach, von einer disziplinorientierten Desiderataliste ausgehend auf Leerstellen hinzuweisen; doch dürfte die Marginalisierung sprachwissenschaftlicher wie auch einiger kulturwissenschaftlicher Problemfelder schon deshalb auf Kritik stoßen, weil sich zahlreiche Benutzer aus dem Kreis der Französischstudent/inn/en rekrutieren dürften, die selbst bei unterschiedlichen Fachkulturen auf die Beantwortung grundlegender und einschlägiger Fragen angewiesen sind. Für diesen Benutzerkreis dürfte die vorliegende zweite Auflage in Hardcover-Ausgabe auch in erster Linie bestimmt sein, deren Stärken in der aktuell aufgearbeiteten Information über die zeitgenössische Politik, die wichtigsten Begriffe aus Politik und Geschichte und die zentralen Daten aus dem Presse- und Bildungswesen liegen. Wer Fragen des kulturhistorischen Zusammenhangs oder der Bestimmung und Erklärung von Realia in Texten behandeln möchte, wird sicher gern zum „Frankreich-Lexikon“ greifen und dieses Handbuch, das von Académie bis Zone Franc wichtige Spitzenbegriffe und daneben noch übersichtliche Karten und Tabellen sowie eine sehr nützliche Zeittafel enthält, für den Seminargebrauch mit Nachdruck empfehlen. Bonn, im November 2006 C hr i s t i a n Schm i t t
Patricia Schulz – Description critique du concept traditionnel de „métaphore“ (Sciences pour la communication 72). Bern u. a., Peter Lang, 2004. 233 Seiten. Die vorliegende Pariser Dissertation hat sich zur Aufgabe gemacht, den Nachweis für die These zu erbringen, dass es die absolute Metapher im Grunde nicht gibt, da Metapher immer ein relativer Begriff ist und ein Konzept bildet, das zur Kategorisierung sprachlicher Phänomene dient. Ihre Verwendung hängt damit von Positionen der Metaphernbenutzer, sicher auch deren Kognition ab und setzt gewisse Hypothesen voraus, die den Gebrauch von
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scheg, München 1968, 323–342; nicht berücksichtigt wurde das Lexikon der Romanistischen Linguistik, Band V, 2, Tübingen 1991, 1–126. J. Visser, Markierte sprachliche Zeichen. Wortbildung als Mittel der Persuasion in Texten der französischen Extrême Droite, Frankfurt 2005; F. Schmitt, Untersuchungen zur gefilterten Sprache der Rechtsextremen in Frankreich. Der Fall der Tageszeitung Présent, Osnabrück 2003; auch würde man Artikel über die Pressesprache von „mots de maux“ bis hin zur „langue de bois“ erwarten. Vgl. auch F. de Singly, Le Soi, le couple et la famille, Paris 1996; zum Deutschen liegt ebenfalls eine interessante Studie vor: B. Jallerat-Jabs, „Elter oder Patchworker? A propos du champ lexical de la famille en Allemagne contemporaine“, in: Nouveaux Cahiers d’Allemand 1 (2006), 1–20.
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Metaphern rechtfertigen, bzw. – sicher adäquater und dem Phänomen des Textes eher gerecht werdend – von isotopischen Metaphernprogrammen stammen, welche die Sicht der Textproduzenten wiederzugeben geeignet sind, wie v. a. die amerikanische Metaphernforschung dargelegt hat 1. Gegenstand der Dissertation ist nicht die Metapher selbst, sondern „la métaphore en tant qu’elle est le produit d’un regard sur la langue, ou plutôt d’une ,interprétation‘ de celle-ci“ 2; die Vf. geht damit dem grundlegenden Problem nach, von welchen Gegebenheiten die Metaphorisierung und die Auslegung von sprachlichen Zeichen als Metaphern abhängen und wo die Grenzen der Interpretation bzw. der Identifikation als Metapher liegen. Im ersten Kapitel (S. 7ff.) geht die Vf. der Frage nach, warum es Metaphorisierung gibt; sie behandelt damit die ,traditionalistischen‘ Ansätze, die das Referenzproblem ausgehend vom Gegenstand mit Bezug zum sprachlichen Zeichen angehen. Dabei bleibt sie dem Prinzip verbunden, dass die Metapher im wesentlichen ein Phänomen der doppelten Bedeutung in Abhängigkeit vom Kontext darstellt, wie dies an den Beispielen (1) und (2) erhellt: (1) Cette végétation prend racine dans une couche de terre qui recouvre le sol argilosableux, rougeâtre ou jaune […] (J. Verne 1974). (2) Mais pour mon individu spécial je ne suis peut-être pas né à l’endroit qui m’eût été agréable. Le fait est que je n’ai pu prendre racine dans mon pays natal (H.-F. Amiel, 1967 2).
Danach liegt in (1) die habituelle, in (2) hingegen die nicht usuelle Verwendung von prendre racine vor, (1) ist als eigentliche Bedeutung, (2) hingegen als abgeleitete Bedeutung zu verstehen; diese Kriterien bilden damit das chronologische Argument, auch wenn dies die Vf. nicht einräumen möchte 3, sowie normative Prinzipien, die allerdings voraussetzen, dass bei der Sprechergemeinschaft Einheit über den semantischen degré zéro eines sprachlichen Zeichens besteht, was z. B. bei frz. démarrer mit einigen Schwierigkeiten verbunden sein dürfte, da hier das Wissen um die eigentliche Bedeutung nicht zum Sprachwissen der Mehrheit gehören dürfte 4 und mehrere habituelle Gebrauchssituationen vorzuliegen scheinen. Es schließt sich die grundlegende Frage an, warum und mit welcher Intention Metaphern gebraucht werden bzw. warum Sprecher sich von der Norm des sens littéral entfernen (S. 23 ff.), indem sie einen metaphorischen Sinn (kreieren oder) benutzen bzw. eine „déconstruction de sens“ (S. 25) schaffen 5. Die hier gesuchte Annäherung an die Sprache der Poesie und die Verknüpfung von Metaphorik mit Literatur darf man als unglücklich bewerten, denn eine solche Sicht wird der Pragmatik der Metapher nicht im geringsten gerecht, und das Konzept vom „signe occurrence“ (S. 28 ff.) ist nichts anderes als die Aufnahme textlinguistischer Parameter, wie diese in der hier allerdings nicht zitierten deutschen Metaphernforschung – klarer und universeller – herausgearbeitet wurden 6 und die mit dem 1
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Die hier, obwohl als wesentlich bewertet, nur unzureichend berücksichtigt wird; vgl. z. B. George Lakoff, „The contemporary theory of metaphor“, in: A. Ortony, Metaphor and Thought, Cambridge 1993, 202–251 oder ders., Women, Fire and Dangerous Things. What Categories Reveal about the Mind, Chicago/London 1987. Bedauerlicherweise fehlt bei den Textbeispielen immer die Seitenangabe, so dass eine Überprüfung des Materials nicht möglich ist. Besser ist hier die Definition des Groupe μ, der hier eine Distanz von zwei Verwendungen konstatiert „comme une altération ressentie du degré zéro“ (S. 9, wobei die indizierte Kursivierung jedoch fehlt). Vgl. auch Rez., „Zum Recycling abgenutzter Metaphern. Sprachliches Altmaterial für kommunikative Zwecke“, in: Alberto Gil/Christian Schmitt (Hrsg.), Kognitive und kommunikative Dimensionen der Metaphorik in den romanischen Sprachen, Bonn 1998, 448–466. Der Hinweis auf den „caractère presque ,mensonger‘ [de la métaphore]“ (S. 26) ist angebracht; es bleibt aber unverständlich, warum hier nicht auf H. Weinrich, Linguistik der Lüge, Heidelberg 1966, verwiesen wurde. Wo man von einem sprachlichen Zeichen in einem konterdeterminierenden Kontext ausgeht, vgl. H. Weinrich (u. a.), „Die Metapher (Bochumer Diskussion)“, in: Poetica 2 (1968), 100–130.
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Hinweis auf Greimas’ Isotopiekonzept nur hinsichtlich der impliziten Programmatik dargestellt, aber in Bezug auf die Funktionalität nicht erklärt werden 7. Die Vf. ist sich offensichtlich der Unzulänglichkeit ihrer bisherigen Ausführungen bewusst und versucht daher im dritten Kapitel (S. 45ff.), ausgehend von der Argumentationstheorie das Prinzip der eigentlichen Bedeutung (im Gegensatz zur metaphorischen) aufzugeben und von einem mit dem jeweiligen Énoncé verbundenen Sinn auszugehen: „[…] l’interlocuteur est censé construire un sens métaphorique, parce que le discours en question lui suggère de dépasser le sens propre; l’étape d’identification est vue comme un indice qui nous oriente vers le métaphorique“ (S. 45). Damit wäre der wesentliche Gehalt der Bochumer Metapherndiskussion von 1968 neu entdeckt 8, welche die problematische, hier wieder ausführlich diskutierte Kategorie der Ähnlichkeit („concept de la ressemblance“, S. 48 ff.) bereits überwunden und durch textwissenschaftliche Kriterien ersetzt hat. Auch der Begriff der Kompatibilität, den die Vf. an die Stelle der Ähnlichkeit setzt, bleibt schon deshalb unbefriedigend, weil nicht geklärt wird, von welchen Vorbedingungen die Kompatibilität abhängt und ob die Kompatibilität tatsächlich in allen Fällen von Metaphorisierung eine conditio sine qua non bildet. Diese Frage ist ebenso wenig zu beantworten wie das Problem, ab wann eine (lexikalisierte) Metapher als tot zu bewerten ist und – was hier nicht angesprochen wird – von welchen Bedingungen die Revitalisierung abhängen kann. Es ist zu einfach, Metaphernbildung nur referentialistisch deuten zu wollen, wie dies auch immer wieder die historische Wortforschung zeigt; sonst könnte man aus der etymologischen Forschung soziologische, psychologische, kognitive und andere Positionen aus dem Erklärungspotential ausgliedern. Wer mit Wittgenstein die Bedeutung sprachlicher Zeichen aus der Textverwendung erschließt und dabei zu einer pragmatisch begründeten Semanalyse kommt 9, wird ein ähnliches Prozedere auch für die Metapherndefinition postulieren müssen. Der zweite Hauptteil (S. 61ff.) soll als Antwort auf die Frage „Pourquoi faisons-nous des métaphores“ verstanden werden, behandelt damit den pragmatischen Aspekt der Metaphorisierung, der seit einigen Dezennien im eigentlichen Mittelpunkt der Forschung steht. Dabei unterscheidet die Vf. zwei Arten der Abweichung, „correspondant à deux types de regard et donc à deux types de réflexion sur le phénomène métaphorique: une réflexion appelée moderne“ (S. 61), wobei die Substitutionstheorie die Etikette ,klassisch‘, die von Dumarsais (1730) ausgehende Konzeption der kreativen Metapher die Etikette ,modern‘ erhält. Die Vf. spricht sich für eine Verbindung beider Ansätze aus; dabei betont sie, dass „la théorie des ,modernes‘ et des ,classique‘ [sic] se rejoignent en une troisième approche, fondée sur la paraphrase“ (S. 62); dabei trägt die Autorin aber viel zu wenig dem Faktum Rechnung, dass es dem Schöpfer von Metaphern um eine interessenorientierte Darstellung von Sachverhalten und Personen geht und dass die ausschließlich innersprachliche Darstellung nicht weiter führt, da nur Sender und Empfänger zusammen das sprachliche Zeichen zu einer Metapher machen (können), also für das verantwortlich zeichnen, was in der Folge unter écart verstanden wird, wie auch allein der Sender darüber entscheidet, ob eine Idee durch das ihr eigene Zeichen oder durch das auf eine andere Idee verweisende ausgedrückt werden soll. Das ist alles nicht neu und durchaus in der traditionellen Substitutionstheorie angelegt, die auf Aristoteles zurückführt, und benötigt nicht den Umweg über Genette
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Vgl. dazu die hier ebenfalls übergangene Dissertation von D. Osthus, Metaphern im Sprachvergleich. Eine kontrastive Studie zur Nahrungsmetaphorik im Französischen und Deutschen, Frankfurt u. a. 2000. Vgl. auch X. Zhu, „Kontexttheorie der Metapher – Ein Modell zur Erklärung der Metapher“, in: Sprachwissenschaft 19 (1994), 423–454. Vgl. Rez., „Bedeutung wider besseres Wissen. Wie aus nahrhaftem Obst ungesunde Früchte werden (können)“, in: Panorama der Lexikalischen Semantik, Festschrift für H. Geckeler, Tübingen 1995, 579–587.
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(1977), dessen Trennung der Katachrese von der Trope der Metapher hier keine neuen Erkenntnisse liefert, während das gründlich missverstandene Werk von Lakoff/Johnson (Les métaphores de la vie quotidienne, 1985), das nach Schultz „perd beaucoup de son caractère original“ (S. 83), durch die Hinweise auf die hinter dem Metaphernmechanismus stehende Programmatik m. E. neue Wege weist, die bei Dumarsais allenfalls durch den Hinweis auf die Alltäglichkeit der Metapher angedeutet sind. Da hier im Grunde nur die französische Tradition Beachtung findet, werden auch die Theorien der École ,moderne‘ (S. 86 ff.; Tamba-Mecz, Le Guern und die Gruppe μ und vor allem die kognitiven Ansätze, deren Ziel die Überwindung der Substitution bildet) ohne den erforderlichen historischen Kontext präsentiert, und es ist schwierig, der Autorin zu folgen, wenn diese ausführt: „Quant au principe de substitution, au-delà des tentatives pour l’éviter, nous voyons plus de concordances que de différences entre les approches classiques et modernes“ (S. 101f.): Also alles nur Wortgeklingel (!?), zumal noch nachgeschoben wird: „Si la tradition moderne désire à tout prix éviter l’idée de substitution, c’est qu’elle la confond avec l’idée de paraphrase […]“ (S. 103). Es ist wohl eher von einer gewissen Unbelesenheit der Kritikerin auszugehen, die nicht einsehen will, was ein Zeichen zur Metapher macht und daher auch nicht erkennt, dass ein metaphorisches Zeichen durch den Text entsteht, in dem es konterdeterminiert wird und daher kein „phénomène destiné à maintenir les choses et les idées séparées“ (ebd.) darstellen kann 10. Wenn in der Folge im Rahmen eines diskursanalytischen Ansatzes betont wird, dass die Metapher nur die Aufgabe hat, Dinge zusammenzubringen, die normalerweise deutlich getrennt sind und da Verbindungen herzustellen, wo sprachliche Regeln üblicherweise eine Trennung schaffen, also im Dienste der Konzeption von einer in Baukastenform gegliederten Abbildung gebraucht werden, dann wird vor allem der Mensch als Schöpfer und Benutzer bildhafter Zeichen ausgeblendet; und wenn die Vf. in der Conclusion betont, dass „d a n s sa structure même, la langue ne suit pas le schéma métaphorique: elle n’a pour fonction de maintenir séparés ni l’abstrait du concret, ni le matériel de l’immatériel, ni d’instaurer d’autres oppositions de ce genre“ (S. 221), dann dürfte diese völlig unbewiesene Behauptung, die nicht einmal die Universalienforschung berücksichtigt, als ebenso wenig begründet gelten wie die Vermutung, die Metapher stelle lediglich das Produkt einer referentialistischen Konzeption von Sprache dar: „jouer avec la métaphore consisterait ainsi à se moquer de notre façon de vouloir prendre au sérieux le mécanisme référentialiste propre de la représentation linguistique“ (S. 222). Mit ihrer Dissertation hat die Verfasserin, die über die wichtigsten europäischen Sprachen und als Deutschlehrerin 11 auch über ihre Berufssprache in angemessenem Umfang verfügen müsste, eine Studie vorgelegt, die nur eine geringe Vertrautheit mit der einschlägigen internationalen Fachliteratur zeigt, dafür aber umso mehr Mut zur Kritik und provokanten Darstellung von Ansätzen dokumentiert, über die sie nur recht lückenhaft informiert ist. Dem Fortgang der Metapherndiskussion dürfte eine derartige Studie nur wenig hilfreich sein. Bonn, im April 2006 C hr i s t i a n Schm i t t
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Vgl. auch Rez., „omnia vincit amor: nos et cedamus amori (?). Zu Typologie und Pragmatik der Liebesmetapher in der französischen Alltagssprache“, in: Sprachlicher Alltag, Festschrift für W.-D. Stempel, Tübingen 1994, 507–542. Vgl. Hinweis auf dem Umschlagblatt, wo von „professeur d’allemand dans une université professionnelle“ die Rede ist.
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Ca r s t e n S i n n e r /Georgia Veldre (Hrsg.) – Diathesen im Französischen/Les diathèses en français. Frankfurt a. M. u. a., Peter Lang, 2005. 221 Seiten. Es ist ebenso üblich wie angebracht, über den Themenkomplex der Diathese(n) festzustellen, dass er seit geraumer Zeit ein syntaktisches Lieblingsthema darstellt. Dabei hat die romanistische Diskussion wesentliche Impulse von der allgemeinen und theoretischen Linguistik erhalten. In den letzten Jahren sind auf romanistischem Gebiet neben etlichen Monographien mit Transitivität und Diathese in romanischen Sprachen (1998) sowie Le passif (2000) schon zwei Sammelbände erschienen, die speziell dem Thema gewidmet sind und in Form von Kolloquiumsbeiträgen die derzeitigen Diskussionsschwerpunkte dokumentieren 1. Auch der vorliegende Band verdankt seine Entstehung einer Tagung. Er vereinigt 11 Sektionsvorträge, die 2002 auf dem 3. Kongress des deutschen Frankoromanistenverbandes in Aachen gehalten wurden. Die einzelnen Beiträge befassen sich weniger mit grundsätzlichen Fragen – nur in seltenen Fällen wird eine begriffliche Definition „à titre purement opératoire“ präsentiert (S. 9) – vielmehr greifen sie, da methodische wie thematische Freiheit besteht, mehr oder minder spezielle Aspekte heraus. Die Möglichkeiten einer systematischen Gliederung sind daher eng begrenzt. Im Vordergrund steht, wie naheliegend, die Kategorie des Passivs, die als „kanonisch“ oder „prototypisch“ gilt und daher als Maßstab und Bezugspunkt für übrige Diathesen oder Paradiathesen dient. Die Sammlung wird von einem wissenschaftsgeschichtlichen Aufsatz eröffnet. Ivan Evrard unternimmt einen Parforceritt durch die Grammatikgeschichte, der mit der griechischen Antike beginnt und einen Bogen bis ins 20. Jahrhundert schlägt. Wie vorauszusehen war, kann dieser „parcours“ nicht anders als „trop bref et donc incomplet“ ausfallen (S. 24). Der Autor schließt seinen Überblick mit einem Plädoyer für eine pragmatische Interpretation des Passivs: „la diathèse ne peut s’entendre que comme la structure globale de l’énoncé phrastique simple“ (S. 25). Das „complément d’agent“, auf dessen Nennung in den meisten Passivsätzen verzichtet wird, das andererseits gelegentlich aber auch unentbehrlich ist, bildet auf Grund seines scheinbar widersprüchlichen Verhaltens einen günstigen Ansatzpunkt für die Funktionsbestimmung des Passivs. Michael Schreiber wählt daher die Behandlung „agensloser Passivsätze“ als Gesichtspunkt aus, um ihn seinem Vergleich von Grammatiken des Französischen, Italienischen und Spanischen zugrunde zu legen sowie deren verschiedene methodische Ansätze herauszuarbeiten (S. 31–46). Er gelangt zu dem Ergebnis, dass die „transformationelle“ Sichtweise, die das Passiv nicht als selbständige, sondern aus dem Aktiv abgeleitete Konstruktion betrachtet, weiterhin in den Grammatiken die vorherrschende ist. Diachronische Fragestellungen sind unter den Arbeiten bei weitem in der Minderzahl. Zu den Ausnahmen gehört der Aufsatz von Peter Stein, der unter Anwendung des Übersetzungsvergleichs – als Basis dienen romanische Liviusübersetzungen – zu ermitteln versucht, wie sich verschiedene diathetische Verfahren in den romanischen Texten anteilmäßig verteilen bzw. im Laufe der Zeit von gewissen Frequenzverschiebungen betroffen sind (S. 47–65). Eine besondere Schwierigkeit ergibt sich allerdings daraus, dass Stein bei der Erhebung der Daten gezwungen ist, von der äußeren Form auszugehen. Da die morphologischen Befunde im Fall der Diathesen bekanntlich als ziemlich unzuverlässige Indikatoren einzustufen sind – man denke z.B. nur an die lateinische Verbklasse der Deponentien oder
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Vgl. die Rezensionen von Claudia Polzin-Haumann in dieser Zeitschrift (52 [2001] 237–242 bzw. 272–275). Zum Teil kommt das Diathesenthema auch in dem 2004 von Rolf Kailuweit und Martin Hummel publizierten Sammelband Semantische Rollen zur Sprache (Kapitel II: „Semantische Rollen und Syntax“).
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an die bekannte Polyvalenz der Kombination von être + participe passé – müssen die Ergebnisse wegen der schwer kalkulierbaren Verzerrungen bloße Annäherungswerte bleiben. Die schon angeklungene Frage der Passivfunktion(en) bildet das Thema von zwei weiteren Beiträgen. Mögliche Hinweise für eine Funktionsbestimmung sind aus den Restriktionen, denen die Passivbildung unterworfen ist, zu erschließen. Gerda Haßlers Aufsatz mit dem Titel „Verbsemantik, Koreferenz und Passivfähigkeit“ strebt das Ziel auf diesem Wege an (S. 67–81). Der Versuch fällt allerdings sehr enttäuschend aus, da G. Haßler nicht nur das Beispielmaterial, wie sie korrekt anmerkt, aus D. Gaatones Le passif en français (Paris/ Bruxelles 1998) bezieht, sondern außerdem auch den dazugehörigen Kommentar der gleichen Quelle entnimmt. Die Ergebnisse gehen somit nicht über den Inhalt von „La passivabilité des verbes au PPR (= passif promotionnel)“ der genannten Monographie hinaus. Dass Passivierung (und Reflexivierung) im Vergleich zum Aktiv nicht grundsätzlich eine Verminderung der beteiligten Argumente impliziert, sondern lediglich eine Veränderung ihres Status herbeiführt, unterstreicht noch einmal der theorieorientierte Aufsatz von Carmen Kelling. In „Diathèses et structure argumentale“ diskutiert die Verfasserin, wie sich diese Erkenntnis mit den formalen Mitteln der Lexikalischen Mapping-Theorie (LMT) darstellen lässt. Betrachtet man das Passiv nicht als morphologische sondern als syntaktisch/semantische Kategorie, dann wird auch seine feste Bindung an das Verbum hinfällig und Fragestellungen wie „Les constructions nominales passives existent-elles?“ tauchen auf. Judith Meinschaefer befasst sich mit dem sog. passif des noms, beschränkt sich allerdings auf die Diskussion, die im Rahmen der Grammaire Lexicale Fonctionnelle (LFG) geführt wird. Ihre Analyse kreist um einige englische oder französische Beispiele und lässt die Informationsquelle, die detaillierte empirisch gestützte Untersuchungen bieten, leider beiseite 2. Dass das Passiv zu denjenigen Konstruktionen zählt, die der gesprochenen Sprache eher fremd sind, diese schon häufig gemachte Beobachtung findet eine weitere Bestätigung am Beispiel des français parlé à Abidjan, Untersuchungsgegenstand eines Beitrags von Katja Ploog. Beschränkte sich die Analyse der Verfasserin auf die Passivkonstruktion stricto sensu, dann wäre das Thema sehr schnell wegen fehlender Belege erschöpft. Wie jedoch bereits der allgemein gehaltene Aufsatztitel „Elaboration syntaxique de la relation prédicative et observation de la variation structurale“ andeutet, erweitert K. Ploog ihre Fragestellung um den schwer einzugrenzenden Komplex der „passivähnlichen“ Konstruktionen. Von einem sehr weit gefassten Diathesebegriff ausgehend – „[ses] limites sont loin d’être claires“ (S. 137); „toute la syntaxe de la phrase simple semble touchée“ (S. 138) – gewährt Ploogs Aufsatz unter besonderer Berücksichtigung der „variation d’actance“ einen kurzen informativen Gesamtüberblick über die Satzstrukturen des abidjanischen Non-StandardFranzösisch. Die übrigen Beiträge wechseln vom Passiv zur konkurrierenden se-Diathese. Deren Untersuchung hat durch den Einfluss der Grammatikalisierungsforschung in jüngerer Zeit eine erhebliche Förderung erfahren. An diese Diskussion anknüpfend vergleicht Katrin Mutz die Rolle der Reflexiva im Französischen und in französisch-basierten Kreolsprachen (FKS). Sie kommt zu dem Schluss, dass die letztgenannten im Verhältnis zum Standardfranzösisch einen beträchtlichen Grammatikalisierungsrückstand aufweisen. Allerdings ist im Einzelfall vor der voreiligen Annahme parallel verlaufender sprachgeschichtlicher Prozesse zu warnen. Eine Formulierung wie die folgende, die Standard- und Kreolsprachen zueinander in Beziehung setzt, könnte einer solchen problematischen Erwartung Vorschub leisten: „[Der] frühromanische Stand entspricht demjenigen der Reflexivmarker in den
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Vgl. z.B. Lilian Stage, „La transposition des actants dans le syntagme nominal. Etude sur la nominalisation nucléaire et l’emploi des prépositions“, RRo 32,1 (1997), 51–86.
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FKS“ (S. 133). Für soziolinguistische Erwägungen bleibt hier wegen der ausschließlichen Fixierung auf Grammatikalisierungsvorgänge kein Raum 3. Eine besondere Spielart der se-Diathese stellt die unter der Bezeichnung construction causative pronominale bekannte Verbindung von se faire + Inf. dar, die ihrerseits wieder verschiedene Abwandlungen formaler und semantischer Art kennt. Diesem in seiner Vielfalt schwer zu gliedernden, aber schon relativ gut bearbeiteten Bereich widmen sich aus unterschiedlichem Blickwinkel zwei Studien, die zum einen von Barbara Wehr, zum anderen von Carsten Sinner und Dan van Raemdonck stammen. Die letztgenannten Autoren stellen in einem französisch-spanischen Vergleich die „mediofaktitiven“ Konstruktionen se faire + Inf. und hacerse + Inf. einander gegenüber, während B. Wehr die französischen „Para-Diathesen“ se faire/se voir/s’entendre usw. + Inf. im Verhältnis zu den etablierten Diathesen Aktiv, Passiv, se-Konstruktion vor allem in semantisch/pragmatischer Hinsicht zu charakterisieren versucht. Trotz unterschiedlicher Vorgehensweise verbindet beide Beiträge, wie es sich bei der Behandlung unfester und abwandelbarer Periphrasen anbietet, ein besonderes Interesse am Grammatikalisierungsaspekt. Das Thema tritt beim Sprachvergleich sogar ins Zentrum, da als wesentliche Differenz zum Spanischen für das Französische ein fortgeschrittener Grammatikalisierungsgrad festgestellt wird: „Le verbe faire y semble plus désémantisé et forme avec l’infinitif une structure plutôt monopartite“ (S. 173). Den Abschluss bildet ein Aufsatz, der sich mit dem „Erwerb von se durch bilinguale deutsch-französische Kinder“ beschäftigt. Da untersucht wird, wann zweisprachige Kinder den Gebrauch von se im Verhältnis zu den übrigen Klitika erlernen, ist so gut wie kein Bezug zum Diathesenthema gegeben. Weshalb der Beitrag trotzdem Aufnahme gefunden hat, bleibt unklar. Berlin, im Januar 2006 K l a us H unni us
Le o S p i t ze rs B riefe an Hugo Schuchardt, herausgegeben und eingeleitet von Bernhard Hurch, unter editorischer Mitarbeit von Niklas Bender und Annemarie Müllner. Berlin/New York, Walter de Gruyter, 2006. 432 Seiten. Der vorliegende Band vereint etwa 440 Schriftstücke, die den Zeitraum 1912 bis 1925 umfassen und dokumentiert die wissenschaftshistorisch bedeutende Korrespondenz zwischen zwei Gelehrten, die zu den ,Großen‘ der Romanistik gehören. Er setzt ein mit einem Gratulationsschreiben anlässlich des 70. Geburtstags des Grazer Professors, in dem diesem vom jungen sozialistischen Wiener Dozenten jüdischer Abstammung, Leo Spitzer (1887–1960), das Lob ausgesprochen wird, Hugo Schuchardt (1842–1927) habe ein „Riesenwerk getürmt“ (S. 3), dessen Lehren Spitzer begeistert aufgenommen habe. Die Korrespondenz – die Briefe Schuchardts sind fragmentarisch, Spitzers hingegen fast vollständig erhalten – wird intensiv geführt und bis zu Schuchardts Lebensende fortgesetzt; sie vermittelt einen profunden Einblick in die akademischen Auseinandersetzungen in den Jahren vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg, in die Auswirkungen des zunehmenden Antisemitismus und die Fragen, die den Alltag bestimmten, der sich in den Briefen in linguistische Aktivitäten (mit zahlreichen etymologischen Fragen), kulturelle und politische Tätigkeiten und allgemein menschliche Probleme thematisch aufteilen lässt. Den an schnell
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Der Beitrag zeigt darüber hinaus in sprachhistorischer Hinsicht einige Defizite; so werden dem lateinischen Passiv die Endungen „-or, -is, -tur etc.“ gegeben und dem lateinischen se nur Reflexiv- und manchmal Reziprokfunktion zugeteilt (S. 127).
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und oberflächlich verfasste Elektronische Post gewöhnten Leser überraschen oder erfreuen dabei die Präzision und die stilistische Sorgfalt und Akkuratesse der Briefe, denn auch die Texte des alten Grazer Professors, den der heutige Romanist fast ausschließlich aus Studien gegen die Junggrammatiker und gelehrten Beiträgen zur (romanischen und baskischen) Etymologie kennt, sind vom Willen bestimmt, eine angemessene Sprachverwendung in seinen Antworten zu zeigen. Dem Editor verdanken wir einführende Bemerkungen zum „Kontext“ (S. VII ff.) und über Schuchardt und Spitzer, die wissenschaftshistorisch erst die als Brevier bekannte Ersatz-Festschrift Hugo Schuchardt Brevier. Ein Vademecum der allgemeinen Sprachwissenschaft. Zusammengestellt und eingeleitet von Leo Spitzer (Halle, Niemeyer, 1922) 1 zusammengeführt hat 2; hier wird v. a. das Leben des jungen Spitzer von den Wiener Tagen über die Bonner, Marburger und Kölner Jahre und den Aufenthalt in der Türkei bis hin zur Tätigkeit an der Johns Hopkins University nachgezeichnet, wobei das Interesse insbesondere dem ‚politischen Spitzer‘ (S. XXII–XXIX) gilt. Für Schuchardt, dem Hurch eher geringe Sympathie entgegenbringt, bleiben nur wenige Seiten, wobei man sich fragen muss, wie intensiv er sich mit diesem Wissenschaftler und dessen anregendem Werk beschäftigt hat, dass er sich berechtigt fühlt, von der „(Un-?) Beweglichkeit seines Denkens“ (S. XIII) zu sprechen, und was er sich dabei gedacht hat zu schreiben, beim Briefkontakt zwischen beiden entwickle sich „der Dialog zwischen einem Großdeutschen und einem Juden, zwischen einem gesetzten alten Herrn und einem jungen unruhigen Sucher, zwischen einem kritischen Neuerer des neunzehnten und einem uneinordenbaren Geist des zwanzigsten Jahrhunderts“ (S. VII), wo er doch an anderer Stelle Schuchardt ganz anders beurteilt, denn für ihn war Schuchardt „ein so genannter Reichsdeutscher, ein deutsch und national denkender Professor alten Schlags, dennoch erkennt er früh die Gefahren des Nationalismus, wie so oft, vielleicht früher bei den Franzosen, Italienern und Engländern, als bei den Deutschen und Österreichern, aber mit aller Schärfe wendet er sich gegen autoritäre Entwicklungen, die er ja nur mehr in Italien miterleben musste, dort aber mit aller Deutlichkeit anprangerte“ (S. XXI). Ebenso wenig lässt sich, ausgehend von der Frage, welche der beiden Personen uns heute näher steht, Schuchardts Denken formelhaft als das, was „in der Sprachwissenschaft stärker dem entspricht, was sich etabliert hat“ (S. IX) zurückführen, während in Bezug auf Spitzers Denken recht nebulös die Meinung ausgedrückt wird, „dass zum einen Spitzer in mancher Hinsicht einen traditionelleren Blick auf die Sprache hat als Schuchardt, und dass er […] sich vielleicht gelegentlich der erneuernden Kraft dessen, was er gedacht und geschrieben hat, in dem Moment des Entstehens nicht bewusst ist, vielleicht auch nicht bewusst sein kann, weil die wirkliche Bedeutung erst in weiterer Entwicklung zutage getreten ist“ (S. XIX). Durch die Briefe lässt sich diese Einschätzung nicht absichern, wie auch manche Behauptungen über die Rezeption der Schriften die Nagelprobe nicht bestehen: Es hätte genügt, im Lexikon der romanistischen Linguistik (LRL) die Artikel über die Geschichte des Faches Romanistik einzusehen, um sowohl für Schuchardt im Rahmen der ‚Wörter-undSachen‘-Forschung 3, als auch für Spitzer im Rahmen der Idealistischen Sprachwissenschaft 4, und hier als Mitglied der Trias Voßler-Spitzer-Lerch, in Deutschland entstandene 1
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Merkwürdigerweise wird dieses Werk nicht in der Bibliographie aufgeführt (S. XLVII–L), obwohl beide Auflagen ausführlich besprochen werden. Die Freude des angeblich „festschriftresistenten“ Grazer Emeritus wird in dem überkommenen Brief vom 10. Februar 1922 festgehalten (S. 245), der auch in der Vorrede der zweiten Auflage des Brevier (S. 10) abgedruckt ist. LRL I, 1 (2001), 235–292; vgl. ferner Klaus Beitl/Isaac Chiva (Hrsg.), Wörter und Sachen. Österreichische und deutsche Beiträge zur Ethnographie und Dialektologie Frankreichs. Ein französisch-deutschösterreichisches Projekt, Wien 1992. LRL I, 1 (2001), 189–207; hier v. a. S. 198–200.
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kritische Würdigungen vorzufinden, von denen nur eine, allerdings ohne Einfluss auf den Text, rezipiert wurde. Die Antwort auf die Frage, welcher der beiden Forscher uns heute mehr zu sagen hat, wird natürlich auch immer von der Position des Rezipienten und der jeweiligen ,Konjunktur‘ etymologischer oder stilistischer Untersuchungen bestimmt bleiben, sowie von der Leseerfahrung des jeweiligen Rezipienten. Kein Zweifel dürfte hinsichtlich der Notwendigkeit bestehen, diese Texte einem breiten Fachpublikum zugänglich zu machen, wobei die zahlreichen Fußnoten für das Verständnis eine effiziente Hilfe darstellen, zumal der Kontext sonst nur schwer zu entschlüsseln wäre. Nützlich ist auch das Personenverzeichnis (S. 405–430) zu Ende des Bandes, doch wäre ein Wortregister sicher notwendiger gewesen5, da es für ein Minimum an Kohärenz unter den Schriftstücken gesorgt hätte. Bonn, im November 2006 C hr i s t i a n Schm i t t
Achim Stein – Semantische Repräsentation italienischer Verben. Automatische Disambiguierung mit Konzepthierarchien (Linguistische Arbeiten 499). Tübingen, Max Niemeyer, 2005. VII + 160 Seiten. Achim Stein entwickelt in dieser überarbeiteten Fassung seiner 1999 an der Universität zu Köln vorgelegten Habilitationsschrift ein hierarchisch strukturiertes Modell zur semantischen Repräsentation italienischer Verben, welches so konzipiert ist, dass es sowohl in theoretischen als auch in angewandten Bereichen der Linguistik, insbesondere bei der Erstellung lexikalischer Ressourcen, einsetzbar ist. Nach einer kurzen und übersichtlich gestalteten Einleitung (S. 1–3), in der die inhaltliche und methodische Struktur sowie die Ziele der Arbeit vorgestellt werden, diskutiert der Verf. im 2. und 3. Kapitel wesentliche Ansätze aus den Bereichen der lexikalischen Semantik (Kapitel 2, S. 4–21) sowie der Ontologie (Kapitel 3, S. 23–44), um diese hinsichtlich ihrer Verwendbarkeit im Rahmen der Entwicklung eines semantischen Repräsentationsmodells zu überprüfen. Im Bereich der lexikalischen Semantik wird zwischen strukturalistischen und kognitiven Ansätzen unterschieden (S. 7ff.). Dekomposition als Analysemethode der strukturellen Semantik wird für die vorliegende Arbeit abgelehnt. Die von strukturalistisch ausgerichteten Studien identifizierten Polysemietypen hingegen finden Anwendung beim Aufbau der Prozesshierarchie (vgl. Martin 1972; 1979; 1994) 1. Unter den kognitiven Beschreibungsmodellen wird insbesondere auf Jackendoffs LCS (lexical conceptual structures, Jackendoff 1983; 1990) 2 Bezug genommen, deren systematische Verknüpfung von syntaktischen und
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So ist es z. B. ohne Index nominum schwierig festzustellen, worauf sich Schuchardts Brief vom 20. Mai 1919 bezieht (S. 124), da in den vorangehenden Schreiben Spitzers über die Etymologie von omelette nicht die Rede ist. Ähnliches gilt für wiederaufgenommenen oder mehrfach behandelten Wortschatz.
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Martin, Robert (1972): „Esquisse d’une analyse formelle de la polysémie“. Travaux de Linguistique et de Littérature 10, 125–136. Martin, Robert (1979): „La polysémie verbale. Esquisse d’une typologie formelle“. Travaux de Linguistique et de Littérature 17, 251–261. Martin, Robert (1994): „Dictionnaire informatisé et traitement automatique de la polysémie“. In: Evelyne Martin, (Hrsg.): Les textes et l’informatique. Paris: Didier Erudition, 77–114. Jackendoff, Ray (1983): Semantics and Cognition. Cambridge Mass.: MIT Press. Jackendoff, Ray (1990): Semantic Structures. Cambridge Mass.: MIT Press.
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semantischen Informationen unter anderem als Kriterium zur Erstellung ontologischer Strukturen nutzbar sei (S. 10f.). Von der „Zwei-Ebenen-Semantik“ (S. 11) wird für die Prozesstypologie die grundsätzliche Unterscheidung zwischen sprachgebundenen, lexikonbasierten Formen und sprachunabhängigen konzeptuellen Strukturen übernommen. Der Verf. geht in diesem Zusammenhang näher auf das Modell von Dölling (1994) 3 ein, welches „sich mit dem Verhältnis von semantischen Selektionsbeschränkungen zu ontologischen Sortenrestriktionen beschäftigt“ (S. 11). Die Methoden des Generativen Lexikons (Pustejovsky 1991; 1995) 4 sind insbesondere im Hinblick auf die Darstellung von Argument- und Qualiastruktur relevant (S. 18). Im 3. Kapitel werden nach einer allgemeinen Einführung in ontologische Theorien die Ontologien Generalized Upper Model (S. 26f.), Mikrokosmos (S. 27ff.), Cyc (S. 30 f.) und WordNet (S. 32ff.) vorgestellt, die jeweils einen steigenden Grad der Abstraktion aufweisen und daher „einen recht guten Überblick über die Situierung solcher Ontologien auf dem Kontinuum zwischen den Polen Sprache und Welt“ (S. 35) bieten. Die in der vorliegenden Arbeit entwickelte Prozesshierarchie orientiert sich vorwiegend an der von Matthiessen (1992) 5 verfeinerten Klassifizierung des Generalized Upper Model, in der die vier Haupt-Prozesstypen mental, verbal, material und relational unterschieden werden (S. 26). In Kapitel 3.4 (S. 38ff.) werden außerdem weitere Prinzipien, auf denen das Repräsentationsmodell basiert, von den diskutierten semantischen und ontologischen Theorien abgeleitet und systematisch aufgelistet. Im Zentrum der Studie (Kapitel 4, S. 45–81) steht die Beschreibung der Prozesshierarchie für Verbbedeutungen, wobei der Verf. zunächst auf formale Kriterien des Aufbaus eingeht und anschließend die Struktur der Hierarchie sowie einzelne Teildomänen detailliert vorstellt. Bezüglich der Etablierung formaler Kriterien wird die Problematik der ontologischen Typisierung von Situationen (Prozessen) im Gegensatz zu Objekten dargelegt, die nicht auf der Basis von IstEin-Relationen geschehen kann (S. 45–50). Es ist vielmehr das Zugrundelegen einer Merkmalsprominenz notwendig, die prominentere Merkmale (wie z. B. die Opposition statisch – dynamisch) auf den oberen Ebenen der Hierarchie ansiedelt und weniger prominente Merkmale auf den unteren Ebenen gegebenenfalls mehrmals in verschiedenen Teilbäumen aufführt. Die Parallelitäten, welche sich aus dieser Vorgehensweise ergeben, sind durchaus von Vorteil, da sie eine hohe Flexibilität der Hierarchie garantieren und durch einfache Teilbaumverschiebung das Anpassen der Repräsentation an konkrete linguistische Erfordernisse erlauben (S. 51). Dies wird noch unterstützt durch das Einfügen leerer, lexikalisch nicht besetzter Knoten zur Bündelung von Konzepten, sowie durch Querverbindungen, die beispielsweise Implikations- oder Präsuppositionsrelationen repräsentieren können (S. 53). Die empirische, semasiologisch orientierte Vorgehensweise beim Aufbau der Hierarchie beruht auf der Zuordnung von 9.483 Konstruktionen der 1 000 häufigsten italienischen Verben, die im Wörterbuch der italienischen Verben (Blumenthal/Rovere 1998) 6 aufgeführt sind. Demnach kann sich die Prozesshierarchie im Gegensatz zu vielen theoretisch erstellten Ontologien auf ein breites Datenfundament stützen. Das Verblexikon wird schließlich mit der Hierarchie verbunden, wobei syntaktische Informationen allein im Lexi3
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Dölling, Johannes (1994): „Sortale Selektionsbeschränkungen und systematische Bedeutungsvariation“. In: Monika Schwarz, (Hrsg.): Kognitive Semantik / Cognitive Semantics. Ergebnisse, Probleme, Perspektiven. Tübingen: Narr, 41–59. Pustejovsky, James (1991): „The Generative Lexicon“. Computational Linguistics, 17, 409–441. Pustejovsky, James (1995): The Generative Lexicon. A Theory of Computational Lexical Semantics. Cambridge Mass.: MIT Press. Matthiessen, Christian (1992): Lexicogrammatical Cartography: English Systems. University of Sydney: Preliminary Version of Matthiessen (1995). Blumenthal, Peter/Rovere, Giovanni (1998): Wörterbuch der italienischen Verben. Konstruktionen, Bedeutungen, Übersetzungen. Stuttgart: Ernst Klett Verlag.
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kon enthalten bleiben und semantische Merkmale ausschließlich in der Prozesshierarchie annotiert sind. Im Anschluss an die Beschreibung des generellen Aufbaus und der Funktionsweise der Hierarchie wird die Klassifizierung der Prozesstypen motiviert und anhand ausgewählter Teildomänen mit Beispielen illustriert (S. 61 ff.). Die Unterscheidung der Teildomänen beruht insbesondere in den oberen Ebenen auf traditionellen Kategorien wie beispielsweise den Oppositionen statisch – dynamisch oder konkret – abstrakt sowie den Konzepten der Intensität und der Funktionalität. Ausführlich wird auf die theoretische Trennung von Vorgängen und Handlungen eingegangen (S. 64 ff.). Eine abschließende Beurteilung des Modells zeigt unter anderem mögliche Kombinationen mit Meta-Hierarchien auf (S. 78). Dass das gesamte Konzept der Prozesshierarchie auf konkrete Anwendungen ausgerichtet ist, wird in den folgenden Kapiteln verdeutlicht. So wird im 5. Kapitel (S. 83–97) anhand der linguistischen Konzepte von Polysemie und Synonymie exemplarisch die mögliche Nutzbarkeit der Prozesshierarchie für die Berechnung von Grundbedeutungen sowie semantischer Nähe vorgeführt. Hierzu wird neben statistischer Evaluierung der Verbdaten eine für die mathematischen Berechnungen notwendige absolute Abstraktionsebene innerhalb der Hierarchie definiert. Deren Linie folgt in etwa der variierenden Tiefenstruktur der Prozesshierarchie und kann so signifikantere Ergebnisse bei der Berechnung von relationalen Regelmäßigkeiten gewährleisten. Kapitel 6 (S. 99–113) beschäftigt sich mit möglichen Anwendungen des hierarchischen Modells in der Sprachverarbeitung. Zu diesem Zweck wurde SIC (Semantic Interpretation in Context), ein System zur automatischen Disambiguierung implementiert. „SIC verknüpft die traditionellen Konzepte Valenz und Objektklassen mit den in Kapitel 3 dargestellten Erkenntnissen aus der ontologischen Forschung und der daraus resultierenden semantischen Repräsentation (Kap. 4)“ (S. 99). Um das System zu testen wird neben der Prozesshierarchie außerdem eine Objekthierarchie basierend auf IstEin-Relationen mit Polysemieregeln als Querverbindungen erstellt. Dieser können die Argumente des Verbs im Eingabesatz zugeordnet werden. Der Vorgang der semantischen Analyse von der Eingabe eines Satzes bis hin zur Ausgabe der kontextuell bedingten Bedeutungsvariante des Verbs wird in Kapitel 6.2.3 (S. 103ff.) detailliert erklärt, wobei graphische Darstellungen das Verständnis des komplexen Zusammenwirkens von Eingabe-, Lexikon- und Hierarchiedaten vereinfachen. Es spricht für die Konzeption sowohl des automatischen Disambiguierungssystems als auch der Prozesshierarchie, dass bei der Analyse von 982 Sätzen in 91 % der Fälle die korrekte Lesart des jeweiligen Verbs ausgegeben wird. In Kapitel 7 (S. 115–145) sind die zur Analyse verwendeten Programme beschrieben und deren Entwicklungen dokumentiert: „IV für die semantische Repräsentation italienischer Verben und die Schnittstelle zwischen Semantik und Syntax, SIC für die automatische Disambiguierung“ (S. 3). Erläutert werden die konkrete Funktionsweise der Programme inklusive zahlreicher Befehle zur Durchführung von Suchanfragen bzw. Analysen, z. B. bei der Polysemie- oder Synonymieberechnung (vgl. Kap. 5), sowie deren graphische Repräsentation auf dem Bildschirm (S. 117). Anhand einiger exemplarischer Suchanfragen werden die Ergebnisse auf ihre Zuverlässigkeit hin überprüft. Es folgen eine kurze Zusammenfassung mit Ausblick (S. 147–149) und die Bibliographie (S. 151–160). Abschließend bleibt noch zu sagen, dass die kontinuierliche Evaluierung des Modells, dessen Flexibilität sowie die zahlreichen Hinweise auf Modifikations- und Erweiterungsmöglichkeiten diesen wichtigen theoretischen und gleichzeitig anwendungsorientierten Beitrag zur lexikalischen Semantik außerdem zu einer Quelle der Inspiration für weitere Forschungen in verschiedenen Bereichen der Linguistik machen. Bonn, im Juni 2006 A ni ka Schi em a nn
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Helga Thomaßen – Lexikalische Semantik des Italienischen. Eine Einführung (Romanistische Arbeitshefte 47). Tübingen, Max Niemeyer, 2004. VIII + 142 Seiten. La presente pubblicazione di Helga Thomaßen rappresenta una monografia introduttiva sulla semantica lessicale della lingua italiana e nasce dal bisogno di fornire un testo chiaro ed esplicativo per gli studenti delle università tedesche di italianistica. Tenendo sempre presente le due opere basilari degli studi italiani, ovvero La semantica di Gaetano Berruto e Manuale di semantica descrittiva di Sorin Stati appartenenti ormai agli anni settanta del secolo passato ed il testo di Andreas Blank Einführung in die lexikalische Semantik für Romanisten (2001a), l’autrice espone in sole 142 pagine un’utile panoramica generale del tema in questione. L’analisi semantica lessicale si concentra inoltre sulla presentazione dei numerosi metodi investigativi tenendo conto anche degli opportuni riferimenti storici, offrendo così un quadro adeguato e preciso in cui non mancano le indispensabili delucidazioni sulla terminologia. Il testo oggetto di questa recensione è diviso in sei capitoli: nel primo capitolo l’autrice affronta la nozione di semantica lessicale. Il secondo capitolo si concentra sul rapporto dell’unità lessicale con la realtà extralinguistica, spiegando quindi l’oggetto di ricerca della semasiologia e dell’onomasiologia. Il terzo capitolo affronta i concetti di denotazione e connotazione, descrive l’approccio strutturalista nei confronti della semantica e lo confronta con quello della semantica prototipica. Nel quarto capitolo vengono spiegati alcuni termini chiave della semantica fra i quali emergono in particolar modo quelli di polisemia, omonimia, sinonimia ed antinomia. Il quinto capitolo è dedicato interamente al Bedeutungswandel, prendendo in considerazione la classificazione funzionale di Stephan Ullmann, gli studi di Eugenio Coseriu e quelli di Andreas Blank. Il sesto ed ultimo capitolo accenna brevemente agli aspetti più importanti della semantica contrastiva. Il primo capitolo Definitionen und Abgrenzungen (pag. 1–13) è caratterizzato da un paragrafo introduttivo, il quale, dopo aver riassunto brevemente il campo di studio della semantica lessicale si sofferma soprattutto sul concetto di „significato“. Una semplice definizione di quest’ultimo risulta impossibile nel campo della semantica linguistica (pag. 1) ed a maggior ragione l’autrice cerca di sintetizzarne gli aspetti più importanti. In particolar modo il testo si concentra sulle unità lessicali della lingua italiana o meglio, citando le parole di Stati (1978, 15): „sulle relazioni del lessico con la realtà (con il mondo), tentando di individuare le proprietà reali che trovano il loro riflesso nelle parole; …“. Il secondo paragrafo è dedicato alla storia della semantica. L’autrice sottolinea il fatto che il „significato“ è stato da sempre oggetto di studio della filosofia e precisamente dell’epistemologia e della Erkenntnistheorie (pag. 6), mentre è solo nello lo studio di Michel Bréal Les lois intellectuelles du langage: fragment de sémantique risalente al 1897 che viene utilizzato per la prima volta il termine sémantique attribuendo alla semantica lo statuto di vera e propria disciplina linguistica. Infine vengono elencati i lavori e le teorie di altri studiosi della semantica, fra i quali emergono quelli di Ferdinand de Saussure, Jost Trier, Leonard Bloomfield, Noam Chomsky e Ludwig Wittgenstein. Il terzo ed ultimo paragrafo ricorda brevemente il processo storico della semantica in Italia, caratterizzato da notevoli autori come Tullio De Mauro, Gaetano Berruto, Mario Alinei e G. N. Cardona. Il secondo capitolo Der Bezug zur außersprachlichen Realität (pag. 14–26) tratta del rapporto dei segni linguistici con la realtà extralinguistica. Viene rappresentato il classico modello semantico di Saussure a cui segue il modello del triangolo semiotico di Ogden e Richards e quello di W. Raible. Dopo aver confrontato questi tre modelli l’autrice pone delle domande fondamentali sulla funzione che la lingua ha sul processo cognitivo dell’uomo. In generale si può affermare che la lingua ed il pensiero siano caratterizzati da un rapporto e da un’influenza reciproci (pag. 19); inoltre bisogna tener conto del fatto che anche fattori
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climatici, politici, socioculturali e storici sono legati al patrimonio culturale di una determinata popolazione e quindi hanno il loro peso e la loro importanza per lo studio della semantica lessicale. Il secondo paragrafo è dedicato completamente a due discipline fondamentali della semantica: la semasiologia e l’onomasiologia. Argomento di studio della prima è il significato del segno linguistico, mentre l’onomasiologia analizza e studia il lessema attraverso il quale un determinato concetto viene espresso (pag. 20). Anche in questa sede vengono ricordati le principali ricerche che hanno come oggetto queste due discipline. Al campo onomasiologico appartiene Romanische Wortschöpfung di Friedrich Diez, opera del 1875 di fondamentale importanza per la romanistica, così come I nomi romanzi delle stagioni e dei mesi studiati particolarmente nei dialetti ladini, italiani, francoprovenzali. Saggio di onomasiologia di Clemente Merlo del 1904. Il capitolo terzo Erfassung der Einzelbedeutung (pag. 27–61) è composto da un primo paragrafo dedicato ai concetti di denotazione e connotazione dell’unità lessicale, i quali vengono presentati tenendo in considerazione il loro profilo storico. L’autrice sottolinea il fatto che la dicotomia fra Denotation-Konnotation deriva originariamente dalla logica della Scolastica, nella quale tramite questi due concetti ci si riferiva semplicemente all’estensione ed all’intensione (pag. 28). Inoltre l’autrice continua questa rassegna storica spiegando come il termine connotazione sia stato interpretato da alcuni dei maggiori linguisti quali Bloomfield (1933), Traini (2001), Hjelmslev (circa dal 1942), Blank (2001). Helga Thomaßen si focalizza in particolar modo sulle connotazioni intese come marche semantiche aggiunte, le quali possono essere spiegate riprendendo le parole di Traini (pag. 29, nota 3) riguardo a Umberto Eco: „Si noti che da questo momento in poi quando Eco parla di connotazione lo fa sempre intendendo significati aggiunti: un termine significa qualcosa, ma in determinati contesti significa qualcosa d’altro“. Il paragrafo 3.1.2. è riservato alla semantica strutturalista ed al suo metodo di descrizione del significato attraverso la suddivisione del lessico di una lingua in diversi campi semantici o lessicali (pag. 33). Il metodo strutturalista viene poi confrontato con quello della semantica prototipica nel paragrafo 3.1.3. in cui l’autrice, dopo aver evidenziato gli aspetti principali della teoria prototipica, lascia spazio anche alle critiche di Coseriu (2000, 41), Kleiber (1933, 142) e Blank (1997b, 94–95). Infine il paragrafo 3.2. ha come scopo quello di puntualizzare l’importanza del significato lessicale e del significato attualizzato. Quest’ultimo rientra nel campo della lessicologia testuale, la quale secondo Stati (1986, 9) rappresenta „lo studio del contenuto delle parole attualizzate ovvero dei loro significati attuali“. Il quarto capitolo del testo, intitolato Die Beziehungen zwischen den Bedeutungen (pag. 62–99), si occupa delle relazioni che possono sorgere fra i significati di una o più unità lessicali. Helga Thomaßen riprende la divisione di Nyckees (1998, 180 ff.) in relazioni semantiche interne ed esterne. Le interne semantische Relationen vengono definite come quelle che nascono fra i diversi significati di un lessema, mentre per externe semantische Relationen si intendono le relazioni che sorgono fra i contenuti semantici di lessemi diversi. L’autrice si concentra in particolar modo sulle caratteristiche più rilevanti delle relazioni semantiche esterne. Il paragrafo 4.1.1., dedicato alla polisemia ed al significato contestuale, approfondisce inoltre il concetto di omonimia. Il paragrafo 4.2.1. esamina storicamente il tema della sinonimia (4.2.1.1.) segnalandone i modelli linguistici più importanti (4.2.1.2.). Uno dei maggiori criteri della sinonimia risulta secondo l’autrice quello dell’intercambiabilità, il quale viene affrontato attraverso gli studi di Stati (1978), Berruto (1976a), Ullmann (1967), John Lyons (1995), Galassi (1988), Stoppelli (2001) e Dardano (2000), per citarne alcuni. La sinonimia viene poi limitata alla lingua italiana nel paragrafo 4.2.1.3. ed analizzata nel campo lessicografico nel paragrafo 4.2.1.4. Come la sinonimia, anche l’antinomia viene introdotta in riferimento al suo percorso storico (4.2.2.1.) ed ai modelli e criteri elaborati dai suoi maggiori studiosi (4.2.2.2.), fra i quali spicca il metodo di John Lyons in Introduction to Theoretical Linguistics (1968). Dopo aver osservato l’antinomia esclusiva-
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mente nella lingua italiana e nella lessicografia, Helga Thomaßen conclude questo capitolo attraverso un breve paragrafo (4.2.3.) dedicato all’iponimia, all’iperonimia ed alla meronimia. Nel quinto capitolo intitolato Der Bedeutungswandel (pag. 100–120) l’autrice non tratta semplicemente del cambiamento di significato delle unità lessicali dal punto di vista prettamente storico-diacronico, bensì si occupa di quelle unità lessicali che hanno già un significato definito al quale però se ne aggiunge un’altro. Helga Thomaßen sottolinea come quest’ultimo fenomeno venisse già analizzato nella retorica antica dal punto di vista delle figure retoriche. Proprio su alcune di esse, precisamente alla metafora, alla metonimia ed alla sineddoche si concentra il paragrafo 5.1. Interamente dedicato alla classificazione funzionale del cambiamento di significato di Stephan Ullman è il paragrafo 5.2., mentre il seguente (5.3) affronta il processo di cambiamento del significato secondo la prospettiva di E. Coseriu. Gli studi di A. Blank in Prinzipien des lexikalischen Bedeutungswandels am Beispiel der romanischen Sprachen (1997a) vengono presentati nel quinto ed ultimo paragrafo del capitolo, in cui l’autrice ne evidenzia il netto contrasto con le teorie di Stephan Ullmann. Punto centrale del pensiero di A. Blank è infatti quello di considerare i fattori extralinguistici come indispensabili per l’elaborazione di una tipologia del Bedeutungswandel. Il sesto capitolo Der Bezug zu anderen Sprachen: Kontrastive Semantik (pag. 121–131) conclude questa introduzione alla semantica lessicale della lingua italiana. Consiste in un breve capitolo che al contempo introduce gli aspetti più salienti della sematica contrastiva. Uno degli esempi più noti per ciò che riguarda l’analisi lessicale contrastiva è dato nel primo paragrafo Der Sprachvergleich in der Sprachwissenschaft dalla ricerche di Hjelmslev (1957). L’autrice riporta lo schema di Hjelmslev in cui quest’ultimo analizza le parole Baum, Holz e Wald in diverse lingue (pag. 121) e mostra come il modello del linguista danese sia stato poi ampliato da U. Eco (1994) per la lingua italiana e da Malmberg (1969) per la lingua svedese. Inoltre l’autrice non manca di accennare alla Sapir-Whorf-Hypothese, già trattata nel capitolo 3 del testo. Nel secondo paragrafo vengono approfonditi due nozioni basilari della lessicologia contrastiva e della traduzione: la divergenza e la convergenza. In Äquivalenzenbeziehungen in der zweisprachigen Lexikographie (paragrafo 6.3.) si mette in luce il problema delle relazioni di equivalenza nei vocabolari bilingui ed Helga Thomaßen ricorda come secondo Franz-Joseph Hausmann (1977) i vocabolari bilingui analizzino sempre una lingua dalla prospettiva dell’altra. Ai falsi amici è riservato il paragrafo 6.4. del testo in cui viene considerato il Dizionario di false analogie e ambigue affinità fra tedesco e italiano di C. Milan e R. Sünkel (1990b). Oltre ad essere articolato in sei capitoli, l’opera di Helga Thomaßen contiene una prefazione nella quale l’autrice dichiara lo scopo del suo lavoro e le problematiche che hanno stimolato l’esposizione di questo tema. Segue un indice ben articolato che aiuta il lettore ad avere una prima orientazione sul contenuto del testo. Da lodare è l’ampia bibliografia (pag. 131–140), la quale contiene riferimenti molto utili non solo del campo semantico lessicale ma anche del campo linguistico in generale. Il testo si conclude infine con un indice alfabetico (pag. 141–142). In conclusione si può affermare che Lexikalische Semantik des Italienischen di Helga Thomaßen è da considerare come un apporto molto importante nella semantica lessicale italiana. In appena 142 pagine l’autrice ci offre una visione generale ricca di informazioni sul tema, dando spazio alle varie teorie sviluppatesi nel corso degli anni e completando la sua analisi attraverso numerosi esempi. Trattandosi di un’introduzione, l’autrice non ha potuto elaborare in profondità e dettagliatamente i vari argomenti oggetto di studio. Questo non rappresenta però un ostacolo per il lettore, bensì la possibilità di avere un approccio sintetico ed allo stesso tempo sommario con la semantica lessicale. Non bisogna infine dimenticare il fatto che questo studio è stato pensato ed elaborato per gli studenti stessi, i quali spesso hanno difficoltà nell’affrontare delle tematiche linguistiche a causa della man-
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canza di pubblicazioni attuali. Il testo di Helga Thomaßen rappresenta senza dubbio un contributo da apprezzare. Bonn, luglio 2006 I s ab e l l a Tar s i
Ju d i t h Vi s s e r – Markierte sprachliche Zeichen. Wortbildung als Mittel der Persuasion in Texten der französischen Extrême Droite (Bonner romanistische Arbeiten 90). Frankfurt a.M. u. a., Peter Lang, 2005. 615 Seiten. Vor uns liegt ein Wälzer von 615 Seiten (ab Seite 511 Anhang). Eine 2004 an der Universität Bonn eingereichte Dissertation wurde in die durchaus ambitionierte und renommierte Reihe der Bonner romanistischen Arbeiten aufgenommen. Der Titel verspricht viel: zum einen „markierte Zeichen“, zum anderen „Wortbildung“ und zum dritten Texte der „modernen“ französischen Faschisten (auch wenn die Verfasserin zögert, diese als solche zu bezeichnen). Man vermutet eine Verbindung eher sprachstruktureller Herangehensweise an das „Wort“ mit moderner diskursorientierter Interpretation von Einheiten im „Text“ – um es vorwegzunehmen: Man liegt damit richtig. Ein flüchtiger Blick in die Bibliografie gibt erste Fingerzeige hinsichtlich der verwandten Methodik: Auf die Lektüre der Protagonisten der Kritischen Diskursanalyse (Fairclough, Jäger, van Dijk, Wodak) wird ebenso verzichtet wie auf die in der école française omnipräsenten Bourdieu, Foucault, Maingueneau oder Pêcheux; dafür wird die Politolinguistik oder/und politische Semantik (Burkhardt, Dieckmann, Hermanns, Holly, Klein, Pörksen u. a.) eifrig rezipiert. Die Literatur über (romanische) Wortbildung im deutschen Sprachraum wird fast in ihrer Gänze erfasst (Erben, Fleischer/Barz, Gauger, Haensch/Lallemand-Rietkötter, Höfler, Rainer, Spitzer, Thiele), partiell auch in der Romania (Martinet, Mitterand, leider aber nicht der immer wieder unterschätzte Kocourek); und schließlich wird das umfangreiche Corpus der Anti-Le Pen-Wissenschaften durchforstet (v. a. Aubry/Duhamel, Bonnafous, Camus, Dély, Durand, Guland, Jouve/Magoudi, Perrineau und v. a. Taguieff, leider nicht Milza, Wievorka, Winock). Der Umfang und die Auswahl der konsultierten Literatur machen deutlich, dass es sich um eine Arbeit handelt, die die meisten scheuen: die Innovativkraft der Sprache in einer empirischen Untersuchung über das System hinaus in ihren semantischen Auswirkungen in die Gesellschaft hinein (oder aus ihr heraus…) zu kompilieren, analysieren und interpretieren. Wenn man – wie im Falle des Rezensenten – sowohl strukturalistische als auch textorientierte Forschungsschwerpunkte hat, freut man sich natürlich umso mehr, wenn der wissenschaftliche Nachwuchs die traditionellen Pfade des Entweder-Oder verlässt und für eine Qualifikationsschrift einen „intradisziplinären“, im positiven Sinne eklektischen Ansatz wählt. Die Arbeit ist neben Aufgabenstellung und Zielsetzung (S. 19–23), Ergebnis und Ausblick (S. 479–482), Literaturverzeichnis (S. 483–507), Abbildungsverzeichnis (S. 509f.) und Anhang (S. 511–615) in sechs große inhaltliche Blöcke gegliedert: Ideologie und Sprachverwendung: Markiertheit im Diskurs der extrême droite (S. 25–83), Analyse der Wortgebildetheiten (S. 85–213), Funktionalität markierter Wortbildung (S. 215–304), Vermittelte Inhalte (S. 305– 382), Globalziele und Strategien (S. 383–423) sowie Markierte Wortbildung in den Teilkorpora (S. 425–478). Der empirisch-deskriptive Teil ist hervorragend gelungen: Das Corpus besteht aus den rechtsextremen Gazetten Présent, Minute, National Hebdo, Rivarol, Français d’abord, Quotidien und Le Chêne, gemeinhin Sprachrohre der beiden mehr (Le Pen) oder weniger (Mégret) bedeutendsten Caudillos der französischen Rechten (der droite nationale oder vraie droite, wie sie sich selbst nennt). Die Auswahl kann man als repräsentativ ansehen, wenngleich man natürlich auch die „feineren“ Schriften von GRECE (Éléments, Nouvelle École)
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oder Le Magazine du Figaro 1 nicht aus ihrer Verantwortung für geistige Brandstiftung entlassen sollte. Die von Visser ausgewählten Textsorten sind neben den genannten (parteiabhängigen und parteiunabhängigen) Presseorganen Parteiprogramme, Buchpublikationen rechtsextremer Politiker und Reden von Parteiführern (S. 38), bei den Diskurstypen schließt die Autorin sich den von Grünert entwickelten Sprachspielen an: regulativ, instrumental, integrativ und informativ-persuasiv (S. 31). Insgesamt werden 1 165 (!) Beispiele aus dem Corpus in den Text eingearbeitet (einige immer wieder, weil sie an vielen Stellen zutreffen) – der Anhang weist darüber hinaus 531 Einträge als „Belege zu Abbildungen“ und 2 340 Korpusbelege aus den genannten (genau belegten) Textsorten auf. Ich führe diese Zahlen hier so minutiös auf, weil das natürlich das Pfund ist, mit dem diese Arbeit punktet: Nicht flüchtige Lektüre von ein, zwei Texten mit anschließender windiger Interpretation ist das Ziel der Autorin, sondern gestützt auf eine solide Datenbasis, „nicht nur zu zeigen, über w a s die extrême droite spricht, sondern v. a. wie sie spricht, d. h. welche sprachlichen Mittel sie zu einer erfolgreichen Propagierung ihrer Ideen instrumentalisiert“ (S. 20) 2. Wichtig ist der Verfasserin auch, dass nicht die in der wissenschaftlichen Publikationswelt übliche Einschränkung auf Le Pen erfolgt, sondern das gesamte rechtsextreme Umfeld ausgeleuchtet wird. Als segensreich für die Lektüre erweisen sich nicht nur die vielen anschaulichen Abbildungen (ganz besonders im Kapitel über Vermittelte Inhalte), sondern auch die durchgängige Präsentation von „Zwischenergebnissen“ gerade im umfangreichen Analyseteil: Das gilt für Komposita ebenso wie für Affixoid- und Affixbildung, für mots-valises wie für Kürzungen. Generell ist festzuhalten, dass Vissers Analyse ergab, dass „die erarbeiteten Verfahren […] mit einigen Ausnahmen denjenigen [entsprechen], die in der französischen Gegenwartssprache allgemein als produktiv erachtet werden“ (S. 212). Dass im polarisierenden politischen Diskurs besonders viele additive Gebildetheiten und Prägungen mit Eigennamen beobachtet werden können, dürfen wir spätestens seit der Goebbelsschen Besetzung von Begriffen als gegeben annehmen – die Verfasserin hat dieses Wissen anschaulich aktualisiert (von hystéro-psychanaliste bis zizounesque). Im definitorischen Bereich zur Wortbildung wird zu diskutieren sein, ob wir es als nützlich erachten, mit Begriffen wie mots-valises („Kofferwörter“), Affixoiden usw., zu operieren oder ob wir nicht einer Aktualisierung und Präzisierung der Terminologie bedürfen. Das auch von zitierten (Fleischer/Barz) und nicht zitierten Autoren (Kocourek!) ins Spiel gebrachte „Konfix“ dürfte zumindest Ansätze liefern, wie etwa die vielen schönen Beispiele mit euro- besser zugeordnet werden können 3. Metaphern wie mots-valises sind schön (und was wäre die Linguistik ohne ihre Metaphernvielfalt von der Überdachung bis zu den Strata?), aber ich denke, in diesem Falle kommen wir mit Kontamination oder auch – bei aller Zurückhaltung gegenüber dem angloamerikanischen Terminologiediktat – mit blending dem internationalen wissenschaftlichen Diskurs näher. Normalerweise bleiben nun sprachwissenschaftliche Arbeiten an dieser Stelle stecken: das Inventar ist segmentiert und klassifiziert, die bildenden Morpheme analysiert und interpretiert. Anders Visser: Nüchtern stellt sie fest, dass die „[…] gewonnenen Erkenntnisse zur Markierung und Wortbildung […] einer Systematisierung und Vertiefung [bedürfen]“ (S. 215). So erfüllen additive Komposita eine fast schon syllogistische Funktion: Liegt nicht nahe, wenn man anarcho-trotskistes und trotsko-chrétien verwendet, eine Gleichsetzung
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Im Falle der früheren Hauspostille von Benoist und Konsorten hat sich übrigens der Canard Enchaîné mit einem hübschen Wortspiel – das die Autorin ja für prägnant im politischen Stil hält – hervorgetan: Le gai FroMage nazi, ein Anagramm, das für sich spricht … Hervorhebungen im Zitat von der Verfasserin. Die Verfasserin verweist selbst in Fußnote 153 (S. 120) auf die Problematik des Terminus „Affixoid“ hin, indem sie Fleischer/Barz und deren begründeten Verzicht auf dessen Verwendung zitiert.
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anarchistes = trotskistes = chrétiens zu suggerieren (wobei dies natürlich diejenigen Teile des Christentums sind, die auch Einwanderern gewisse Rechte nicht absprechen wollen)? Hier kann jeder sein Fett abkriegen: die homosexuels-professeurs, die écolos-babacool, die anarcho-pervers und natürlich die maffioso-communistes (S. 217–221). Insbesondere im Bereich der „-oide“ kann munter kombiniert werden: von eurolâtrie und pornocratie bis hin zu narco-communistes und judéo-franchouillards. Es sind aber eben nicht nur persönliche Diffamierungen, die die Sprache der Rechten markieren, sondern auch subtilere Formen wie Intensivierung (surdéliquance), Negierung (dé-civilisation) oder der pejorative Einsatz von Suffixen (compagnonnage, maghrébitude und vor allem immer wieder sidaïque 4), hinter denen einerseits Kreativität und geschickte Rhetorik stecken, zum anderen sich aber die bösartig-manipulative Verdrehung gesellschaftlicher Tatsachen und ihrer sozialen Konsequenzen halb versteckt manifestiert. Eine besonders infame Art, offensichtliche Lügen, gerichtsverwertbare Beleidigungen oder durch nichts zu beweisende Anspielungen zu tarnen, sind die so genannten Hecken, also typographische oder metasprachliche Markierungen, deren infamste zweifellos die „jeunes“ sind – die harmlosen Anführungsstriche machen aus ,jungen Leuten‘ in der faschistischen Diktion der französischen Rechten délinquants immigrés maghrébins ou noirs. Visser weist die Schäbigkeit der Rechten nach, die selbst universelle Werte wie die Menschenrechte mit geiferndem Hass karikieren: droitdl’hommarde, égalitaro-droits de l’hommesques, humanitaro-droitdl’hommesque, droitdl’hommienne, Droit-de-l’Hommique, droit de l’hommiste – die Banalität der Suffigierung und die Komposition mit prothetischen -aroPejorativlexemen soll das „echte Frankreich“ wachsam machen gegen die „Feinde“ des Landes (personifiziert und/oder institutionalisiert in Form von immigration-invasion, mondialisation sowie den ganzen intello-, anarcho-, maçonnico-, socialo- usw. -Komplexen). Ein einigendes Element protofaschistischer Ideologie ist die Ausgrenzung der Feinde, die eine vermeintlich homogene nationale Identität bedrohen. Einige sind en passant hier angesprochen worden: Einwanderer, Homosexuelle, Aidskranke, Linke aller Art, Juden, aber es sind daneben auch Repräsentanten inter- und supranationaler Organismen wie der Vereinten Nationen oder der Europäischen Union, also mondialistes bzw. européistes, natürlich die classe politique schlechthin, und schließlich nicht zu vergessen die Freimaurer. Hier wird zumeist die Opfer-Täter-Relation verdreht: Rassistisch sind die, die sich gegen die Rechte/n auflehnen (insbesondere Menschenrechtler – kouchnerocratie!), eine kollektive Paranoia wird erzeugt, um sich gegen Vermischung, ausufernde Sexualität und Korruption (subversion métisseuse des esprits et des mœurs, S. 308), Arbeitslosigkeit, Kriminalität, ja sogar die Islamisierung zu wehren. Vissers Abbildungen illustrieren das Weltbild der Rechten: Hier das („reine“) Frankreich, dort der Nouvel Ordre Mondial, gebildet von Juden und Kommunisten, die Politiker und Medien impfen (immigrationnistes, droits-de-l’hommistes, antiracistes) und gemeinsam mit der EU das oben skizzierte Dantesche Inferno über Frankreich bringen (Abb. 29, 317). Auch zum moralischen und kulturellen Verfall tragen die Internationalisten bei, indem sie Homosexualität (widerliche Wortspiele mit Bezug auf den Pariser Bürgermeister Bertrand Delanoë: cher Bertransexuel, S. 319), Abtreibung, Pädophilie, Aids, Emanzipation, eine antinationale Schulpolitik und natürlich die Amerikanisierung ins Land tragen (Abb. 30 [325] bzw. 31 [331]). Ziel ist die Zerstörung aller Werte, des Französischen Staats, zumal die herrschende Elite – damals Chirac (pseudo-gaulliste, stalinoïde, européiste, euro-maçon, cosmopolite, Chiracocanaille, S. 341f.) in Kohabitation mit Jospin (trotsksialiste, ex-marxiste-lénino-trotskiste, Jospin-la-vertu, S. 345f.), zu denen solche Ungeheuer wie Porno-Lang oder Pétulang, Belfort-en-gueule [= Chevènement] oder der PC-Minister JeanClaude Gayssot, der zum Gay-sot mutiert, zählen – das Land mit Hilfe der Medien dem
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Im Gegensatz zu eher standardsprachlichen sidatique, sidéen.
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Feind ausliefert. Mimosenhaft reagiert die Rechte, wenn politische Gegner sie als fascistes, fachos oder extrême droite (statt vraie droite oder droite nationale) bezeichnen – es gehört ja zu den opportunistischen Lehren aus der Geschichte, dass die Autodenomination „faschistisch“ selbst bei den vehementesten Exponenten dieser politischen Irrlinie von sich gewiesen wird, wobei seriöse (wissenschaftliche) Widersacher ihnen oftmals mit Sophisterei zu Hilfe eilen. In den abschließenden Kapiteln greift die Autorin nochmals Ziele und Strategien der Rechtsextremen auf und kommt in Anlehnung an Klein (Basisstrategie, Kaschierstrategie, Konkurrenzstrategie, S. 383) auf vier „Globalziele“, die angepeilt werden: Fixierung des Adressaten, Konstituierung eines dichotomischen Weltbildes, Dire et ne pas dire und ,Lepénisation des esprits‘: Auch hier steckt die Strategie dahinter, den Leser/Hörer zu fesseln, an sich zu binden, die Gefahren und Feindbilder zu beschwören und mit Hilfe eines vermeintlichen „verwissenschaftlichten Diskurses“ die apotheotische Kraft Le Pens ins rechte Licht zu rücken. Frankreich ist umgeben von Feinden (die teils schon im Lande sind) und nur das „gute“ Frankreich garantiert im manichäistischen Weltbild den Fortbestand der historischen Nation. Ein Vergleich der untersuchten Textsorten ergibt u. a., dass offenbar in der parteipolitisch gebundenen Presse (Français d’abord, Quotidien, Le Chêne) „Gebildetheiten spielerischen und rassistischen Charakters […] eher selten vertreten [sind]“ (S. 445), diese offenbar eher typisch sind für die nicht gebundene Journaille (Minute, National Hebdo, Présent, Rivarol). Mit scharfem Sinn liest Visser eine gewisse Arbeitsteilung heraus: Vor allem die nicht parteigebundenen Zeitungen bereiten ein (z. B. rassistisches oder antisemitisches) Terrain, das Demagogen wie Le Pen oder Mégret dann problemlos in ihren Reden beackern können, weil die aufgewiegelten Zuhörer ein aufgeladenes Wort wie immigration selbstredend mit délinquance konnotieren. Ein Rezensent ist ja in irgendeiner Form auch „böswilliger Leser“, wie die Verfasserin kritische Rezipienten in Anlehnung an Fritz Hermanns nennt – es ist letztlich seine Aufgabe, auch auf Mängel zu verweisen. Selbst bei noch so sorgfältiger Korrekturlektüre bleibt immer noch etwas zu bemängeln, auch wenn es hier nicht überschätzt werden sollte: Auf den Seiten 35 f. widersprechen sich die Schreibweisen facho vs. fâcho; der frühere jugoslawische Präsident heißt Milosˇevic´ und nicht Milosevicˇ (2× S. 379); das deutsche Fugen-s wird (in einer Arbeit über Wortbildung…!) merkwürdig gesetzt: ausschnittsartig (S. 36); grammatikalische Schnitzer – eine Folge der automatischen Korrekturprogramme, die die Lexik weitgehend zuverlässig durchforsten, aber immer wieder Konkordanzen unaufgespürt lassen – wie hier „in einigen wenigen Beispiele“ (S. 55), „dass mehrerer Mitglieder“ (S. 79), auch einzelne typographische Patzer (menschenrechtsverletztenden, S. 480) haben sich eingeschlichen. Ärgerlich ist die Verwendung von „ß“ in Kapitälchen, Beispiele: Ballnuß (S. 26), Ko ß (S. 60) – insgesamt ist es ja ohnehin überflüssig, Literaturverweise derart zu markieren; wenn aber die Verlage dies fordern, sollte darauf geachtet werden, die Automatik der Kapitälchen-Setzung in Word zu überprüfen (denn es führt ja umgekehrt im Französischen auch zu nebeneinander positionierten Formen wie auf S. 68: DÉLY und LIBERATION). Auch sollte man sich überlegen, wie inflationär man mit „bzw.“ umgeht, wenn gar keine Bezüge vorhanden sind: „Dabei ist Wertung bzw. ergibt sich die Erwartung“ (?!, S. 41). Darüber hinaus wird ein bisschen viel definiert: von „Politik“ (S. 24, in Anlehnung an Grünert), über „Parteiprogramme“ (S. 38, Hermanns) bis hin zu „Konnotation“ (S. 57 f., kontrovers!) und „Wortbildung“ (S. 85) – hier wäre weniger mehr. Irgendwie wird bei der Lektüre auch nicht ganz klar, warum so peinlich akkurat um den Terminus „faschistisch“ herumgestrichen wird – eine solche Arbeit bleibt ja linguistisch, wenn sie genaue Positionen bezieht! Typisch deutsch (im politischen Sinne) ist auch der Verweis darauf, „dass sich die extreme Linke in der Verwendung persuasiver Mittel z. T. nicht signifikant von der extremen Rechten unterscheidet“ (S. 481) – dieses Fazit hat die Arbeit schlicht nicht verdient, da zumindest der –
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hier so brillant herausgearbeitete! – Menschen herabsetzende Duktus ein eindeutiges Kennzeichen des faschistischen Diskurses ist. Auch – und hier wollen wir mit der Kritik ein Ende finden – sollte abschließend eine Frage gestattet sein: Wenn über 600 Seiten ausreichen, um promoviert zu werden, welcher Umfang wird dann für eine Habilitation vorausgesetzt? (Oder sollte dies ein im- und explizites Argument für deren Abschaffung sein?) „Der Stellenwert einer linguistischen Auseinandersetzung mit rechtsradikalen Texten“, formuliert die Verfasserin, „besteht darin, die für einen angemessenen Umgang mit extremistischen Parolen notwendige Aufklärung zu leisten“ (S. 481). Das ist Judith Visser im Bereich der Wortbildung überzeugend gelungen. Wollen wir hoffen, dass die Studie auch in einem anderen Punkt erfolgreich ist, nämlich „bei verantwortlichen Politikern aber auch in der Bevölkerung ein Bewusstsein dafür [zu schaffen], durch welche Charakteristika sich der Sprachgebrauch der extrême droite auszeichnet und wie mit dieser nicht selten als manipulativ einzuschätzenden Vorgehensweise der jeweiligen Ideologen […] umgegangen werden könnte“ (S. 23). Viel mehr können wir als Linguisten nicht tun – für den Rest ist der citoyen in uns zuständig. Eins können wir allerdings doch noch: dieses Buch unbedingt empfehlen, denn es gehört zum Besten, was in der deutschsprachigen Linguistik zur französischen Rechten geschrieben wurde, und es motiviert für weitergehende Analysen! Jena, im Juli 2006 Joachim Born
Ha ra l d V ö l ke r – Skripta und Variation. Untersuchungen zur Negation und zur Substantivflexion in altfranzösischen Urkunden der Grafschaft Luxemburg (1237–1281). Tübingen, Max Niemeyer, 2003. 309 Seiten. Mit der Methode der Varietätenlinguistik will Völker in der vorliegenden Untersuchung mittelalterlicher Urkundentexte des 13. Jahrhunderts Veränderungen der altfranzösischen Sprache und damit die Vielfalt sprachlicher Kommunikation deutlich machen. Seine Arbeit hat das Ziel, die Lücken in der französischen Sprachgeschichtsschreibung der 30er bis in die 60er und 70er Jahre, die die dialektale Vielfalt des Altfranzösischen meist unerwähnt lässt, wenigstens teilweise zu schließen. Im Gegensatz zu literarischen Texten liefern Urkundentexte eine deutlichere zeitliche sowie lokale Präzisierung, so dass aus diesem Grund in neuerer Zeit „Urkunden und andere mittelalterliche Gebrauchstexte verstärkt ins Gesichtsfeld des wissenschaftlichen Interesses“ (S. 16) gerückt sind. Seine Arbeitsmethode ist nicht neu, vielmehr greift sie Untersuchungsformen auf, wie sie die historische Dialektologie und in besonderem Maße die Skriptaforschung angewendet haben. Der Leser bekommt in einer detaillierten Aufbereitung der Sekundärliteratur (Kap. 2) den Eindruck, dass die meisten Probleme der Skriptaforschung schon früh berührt worden sind, dass aber die heutige romanistische Skriptaforschung, wie V. bedauernd feststellt, „sich mehr über ihren Forschungsgegenstand – geschrieben überlieferte Texte, meist des Mittelalters – als über einen klar definierten und weithin akzeptierten methodologischen Konsens“ (S. 79) kennzeichnet. Zur Verdeutlichung wiederholt V. ausführlich die Ergebnisse der älteren französischen Dialektographie (ab Gilliéron) bis zur Erkundung diatopischer Variationen des Altfranzösischen in jüngeren Untersuchungen zur Skriptaforschnung, vor allem in der Auseinandersetzung um A. Dees (Atlas des formes et des constructions des chartes françaises du 13e siècle, 1980), „die die Debatte um Skriptae und skriptologische Methoden bis in unsere Tage“ (S. 57) geprägt haben. V. referiert Fragen der Verwendbarkeit von Kopialurkunden gegenüber Urkundenoriginalen, Fragen zu Qualitäten der Editionen, über Urkundenlokalisierung und Datierung, Problemstellung von Phonem gegenüber Graphem, von Schreiber und Schreibschulen. Wie allgemein bekannt, hat die Skriptaforschung bis in die 1940er Jahre kaum Unter-
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suchungen zu älteren Dialektstufen hervorgebracht, und Völker sieht deshalb die Arbeiten von Luis Remacle (vor allem Le problème de l’ancien wallon, 1948) mit der Abgrenzung zwischen scripta und dialecte einerseits und ancien français andererseits als „unersetzliches terminologisches Werkzeug“ zur Beschreibung mittelalterlicher, schriftlich überlieferter Sprache (S. 40).Völker zeichnet die langen Wege der zurückliegenden Forschungsansätze noch einmal nach, beschreibt ausführlich die Impulse, die die Skriptaforschung den Ergebnissen der Straßburger Kolloquien in den 60er Jahren verdankt. Dies alles ist für den Leser eine wertvolle Zusammenfassung zur Skriptaforschung, bringt für das eigentliche Thema allerdings noch keine eigenen Ergebnisse, da nach V. die bisherige Forschung für ihn keine Direktive, die seine Untersuchungen steuern könnte, gebracht hat, und so will er versuchen, „die bestehenden methodologischen Konfliktlinien in einem neu perspektivierten Untersuchungsansatz zusammenlaufen zu lassen“ (S. 79). Aus diesem Grund stellt V. die Frage, ob hinter der sprachlichen Variation in den Urkundentexten „Fragmente konkurrierender Normen bzw. konkurrierender Substandards“ (S. 88 f.) zu entdecken sind. Sicherlich hätte er diesen neuen Untersuchungsansatz einfacher und weniger ausschweifend durch die Höhen und Tiefen der Kontroversen zur Skriptaforschung finden können, den er einen „ ,historischvarietätenlinguistisch(en)‘ oder auch ‚varietätenphilologisch(en)‘ “ Ansatz nennt (S. 97). So kommt er nach langer Diskussion schließlich in Kapitel 4 zum eigentlichen Thema: Negationstypen in 179 afrz. Urkunden aus der Grafschaft Luxemburg (S. 103–168). Das Schriftgut der Urkundensammlung berücksichtigt diejenigen 179 Urkunden, die vom Luxemburger Grafenhaus ausgestellt oder empfangen wurden; es bietet sich einmal wegen der geographischen Lage im N, NO und O des langue d’oïl-Gebietes an, auch wegen seiner Nachbarschaft zum deutschsprachigen Gebiet (zur Korpuszusammenstellung s. S. 87, Anm. 377). Der zeitliche Umfang der Urkunden bewegt sich zwischen 1237 und 1281. Die Untersuchung der luxemburgischen Urkunden führt V. nach den verschiedenen Manifestationen der Varietätenlinguistik durch, um nach den diachronischen, diatopischen, diastratischen Teilversionen und der für V. wichtigen idiolektalen Version (paläographische Untersuchung der Schreiberhände) zu entsprechenden „Zusammenfassungen“ (4.1.3./4.3.9./4.4.9./ 4.5.9./4.6.9./und 5.6) zu gelangen, die der Verdeutlichung der morphosyntaktischen Phänomene der unterschiedlichen Negationsvarianten dienen. Völker unterteilt die Negationsvarianten in den luxemburgischen Grafenurkunden nach der „totalen Verneinung“ (ohne zusätzlichen semantischen Wert) oder der vorhandenen Differenzierung von Verneinung von Satzgliedern. Für die Beispiele für Negation ohne zusätzlichen semantischen Wert wie etwa mie < mica, pas < passus, point < punctum, nient < ne gentem, goute < gutta (S. 109–115) werden jeweils statistische Angaben über die Häufigkeit der Verwendung in den Urkunden gemacht; es folgen Negationen mit zusätzlichem semantischen Aspekt (S. 115–126). Bei jeder Überprüfung der Negationstypen wird die „innersprachliche Bedingtheit und Verteilung“ (ab S. 104, Rubrik b) bewertet, eine „varietätenlinguistische Bedeutung“ (Rubrik c) schließt sich an. V. hat diese Fragentrias für jede Negationsvariante als bisher noch wenig verwendeten neuen Untersuchungsansatz aufgestellt. Die Schwierigkeit Völkers, eine eindeutige innersprachliche Regel für die Verwendung von beispielsweise einfachem non/ne zu erkennen, ist verständlich, da die überprüften Urkunden meist zu kurz sind, „um die interne Komplexität des Systems mit all ihren Möglichkeiten auf ihre sprachexterne Variation hin zu untersuchen“ (S. 109), wohingegen mie, pas (‚Brotkrümel‘; ‚Schritt‘) in ihrer ursprünglichen semantischen Bedeutung wegen ihres substantivischen Charakters eher eine präzisere innersprachliche Verteilung vermuten lassen. Doch auch eine varietätenlinguistische Bewertung bringt für das Konkurrenzverhältnis von mie, pas, point höchstens in literarischen Texten diatopisch markierte Unterschiede. Völker muss feststellen, dass Urkunden trotz aller Erwartung dafür weniger taugen (vgl. S. 110, Anm. 460). Seine Erklärungen der Negationskomponente ne + ja/ne + jamais usw. sind allgemein deskriptiver Art: die Statistik führt z. B. in 10 Urkunden insge-
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samt 13 Verwendungen von (ne)… ja auf, ja selbst ist in nur 7 Urkunden in eine Negation eingebunden. Man fragt sich, ob diese Beispiele (S. 124, Nr. 4.1.2.11), wie andere auch, vornehmlich in Rechtsurkunden zu finden sind, zumal dieses Genre von Urkunden klarer der Norm entsprechen könnte als andere Dokumente. Die die einzelnen Untersuchungen der Negationsvarianten jeweils beendende „varietätenlinguistische Bewertung“ muss meist auf eine Klärung verzichten, da die Verteilung der Negationspartikel für eine Auswertung häufig ungeeignet ist, dazu wenig varietätenlinguistischen Spielraum bietet (S. 106 ff.) oder bestenfalls außersprachlichem Einfluss unterliegt und „sich somit für eine varietätenlinguistische Analyse nicht eignet“ (S. 115, 117, 119, 120, 123, 124) und obendrein „bei diesen Untersuchungen denkbare unterschiedliche Bedeutungsnuancen in Betracht zu ziehen“ sind (S. 124, 125 u. ö.). V. sieht zwar in den varietätenlinguistischen Bewertungen die Möglichkeit für „microperspektivische Studien“ gegeben, „in denen eine nähere Untersuchung außersprachlicher Faktoren und ihres Einflusses auf die Variantenverteilung sinnvoll erscheint“ (S. 126), insgesamt jedoch muss er gestehen, dass für die Negationsbeispiele ne… pas, ne…point, ne…nient ebenso wie pronominales ne…aucun, ne…nun, ne…nul sowie adjektivisches ne…aucun, ne…nul (weitere Beispiele S. 132 ff.) sich wegen der Kürze des Belegzeitraums (1237–1281) eine diachronische Entwicklung nicht nachweisen lässt. Für ihn bleibt nur die Erkenntnis, dass eine räumliche Verbreitung diatopischer Eigenheiten im Laufe der Zeit sich stark vergrößern oder verkleinern kann (S. 149). V.s Ergebnisse der varietätenlinguistischen Bewertung sind recht bescheiden, wenn man bedenkt, dass sich V. von seinem neuen Untersuchungsansatz zur Klärung sprachlicher Variationen ein breiteres Ergebnisfeld versprochen hatte. Ist er nicht selbst Opfer eines „varietätenlinguistischen Monoperspektivismus“ (S. 3) geworden? V. hatte sich zum Ziel gesetzt, „hinter der sprachlichen Variation […] Fragmente konkurrierender Normen“ zu entdecken und zu prüfen, ob und wie stark „außersprachliche Variationsparadigmen mit innersprachlichen Verteilungsmustern korrelieren“ (S. 88 f., s. o.), um durch mögliche Ergebnisse „Einblicke in die varietätische Architektur“ des Untersuchungskorpus zu bekommen (S. 127). Dazu dienen die Zusammenstellungen zur diastratischen Variation (Kap. 4.5., S. 150–157): zur sozialen Stratifizierung der Urkunden (S. 150–153) bringt er 7 „diastratische Analysen“ zu den Negationsvarianten, wobei die Urkunden eingeteilt sind nach den Schichtzuweisungen in Gruppe A (Parteien des niederen Adels/des nichtbischöflichen Klerus/des Bürgertums, insgesamt 70 Urkunden), in Gruppe B (Parteien des hohen Adels/des Bischofstandes, insgesamt 104 Urkunden) und in Gruppe C (königliche Zentralgewalt als Urkundspartei beteiligt, insgesamt 5 Urkunden). V. kommt bei der sozialen Stratifizierung der Urkunden und deren unterschiedlichen Verwendung der Negationsvarianten zu der Vermutung, dass dafür ein „außersprachlicher Bereich“ verantwortlich sein dürfte. Er sieht in den 5 Urkunden der Gruppe C die königliche Kanzlei als einen „Ausstrahlungsfaktor“ an, „der beim Umbau der diasystematischen Varietätenarchitektur auf dem Wege zum heutigen Standard eine wesentliche Rolle“ gespielt habe und quasi als „Ausdruck einer auf der Ebene der geschriebenen Sprache schon weitgehend durchgesetzten Standardisierungstendenz“ betrachtet werden könne (S. 157). Der letzte Teil der Arbeit ist der Untersuchung der Substantivflexion in den Luxemburger Grafenurkunden gewidmet (Kap. 5). Nach einem langen Diskurs über das altfranzösische Zweikasussystem um Beibehaltung oder Verlust des auslautenden -s als kasuskennzeichnendes Element, wo Bekanntes ausführlich referiert wird (S. 169–174), werden zuerst einmal die Belegzahlen nach den Kategorien mask. vs. fem. Genera, syntaktische Funktionen als Rektus vs. Obliquus sowie nach den verschiedenen Deklinationstypen aufgelistet (S. 175–181); an diese Aufstellung schließen sich dann die diachronischen, diatopischen, diastratischen und idiolektalen Variationen an (S. 182–192). Völker hat 317 Belege von Verstößen gegen die Zweikasusdeklination festgestellt: relative Unversehrtheit der im ost- und nordfranzösischen Raum angesiedelten Urkunden (diatopischer Aspekt) steht im
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Gegensatz zum Zerfall des Zweikasussystems in der diastratischen Schichtung der Urkunden (S. 192). V. betont, dass, wie schon bei den Untersuchungen der Negationsvarianten, „die Königskanzlei bei der Aufgabe der Kasusdeklination als ein sprachwandelfördernder, nicht als ein bewahrender Faktor“ (S. 192) erscheint. Akribischer Umgang mit der Sekundärliteratur und sorgfältige Auflistung der 179 Urkunden für den philologischen wie historischen Benutzer zeichnet die vorliegende Studie aus, deren Arbeitsschwerpunkte und methodische Untersuchungsvielfalt der modernen Linguistik – vgl. das Lexikon der romanistischen Linguistik (LRL) – verpflichtet sind. Die Frage nach einer „Leitfunktion“ der königlichen Kanzleiskripta und damit die Frage nach der „Architektur des altfranzösischen Varietätengefüges“ wird freilich der Antwort noch harren. Bonn, im April 2006 C hr i s t i a ne L eube
S u s a n n a B l i ggenstorfer – Eustache Deschamps. Aspects poétiques et satiriques (Romanica Helvetica 125). Tübingen – Basel, Francke, 2005. XVI, 327 Seiten. Das Interesse am umfangreichen Werk Eustache Deschamps’ (~1345–1404) hat in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich zugenommen.1 In literarästhetischer Hinsicht zunächst, gemeinsam mit der Dichtung des Spätmittelalters insgesamt und gleichsam als Preis für die Kanonisierung der Pléiade, in Bausch und Bogen verdammt – „C’est le journaliste en vers du XIVe siècle“ 2, hatte Louis Petit de Juleville in einer vielzitierten Wendung festgehalten, und noch 1923 setzte Lanson nach: „Il ne lui manque que d’être poète!“ 3 – war seine ‚erste‘ Rehabilitation gerade derjenigen Eigenschaft der Dichtung Deschamps’ geschuldet gewesen, die Petit de Juleville als ihr ‚journalistisches‘ Wesen abgewertet hatte: Die Geschichtswissenschaft begann, die Dichtung Deschamps’ als historische Quelle zu rezipieren.4 Johan Huizingas Studie zum Herbst des Mittelalters steht exemplarisch für die Konsequenz: die fast vollständige Ausblendung der spezifischen Literarizität der Texte. Der Auflösung und Revision dieser dichotomischen Forschungstradition bleiben über den von Daniel Poirions Le Poète et le prince 5 vollzogenen Neuansatz der galloromanistisch ausgerichteten Spätmittelalterforschung hinaus solche Untersuchungen verpflichtet, welche die alte Unterscheidung von spezifischer Literarizität und faktographischem Gehalt in Fragen
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Die aktuellen Tendenzen der Deschamps-Forschung dokumentieren drei Tagungsbände: Deborah M. Sinnreich-Levi (Hrsg.), Eustache Deschamps, French Courtier Poet. His Works and His World, New York 1998; Danielle Buschinger (Hrsg.), Autour d’Eustache Deschamps. Actes du Colloque du Centre d’Études Médiévales de l’Université de Picardie-Jules Verne, Amiens, 5–8 Novembre 1998, Amiens 1999. In Vorbereitung ist ein von Miren Lacassagne und Thierry Lassabatère edierter Berichtsband Actes du Colloque International Eustache Deschamps, 19–21 avril 2002, Vertus. Einen Überblick über die Forschung bis 1990 verschafft Karin Becker, Eustache Deschamps. L’état actuel de la recherche, Orléans 1996. Louis Petit de Juleville, Histoire de la langue et de la littérature française des origines à 1900, 8 Bde., Paris 1896–1899, hier Bd. II, S. 349. Gustave Lanson, Histoire illustrée de la littérature française, 2 Bde., Paris 1923, hier Bd. I, S. 116 f. Otto Patzer, Eustache Deschamps as a Commentator upon the Events and Conditions of his Time, Phil. Diss., Madison 1907, dann dezidiert die Arbeit von Arnold Dickmann, Eustache Deschamps als Schilderer der Sitten seiner Zeit, Bochum 1935. Daniel Poirion, Le Poète et le prince. L’évolution du lyrisme courtois de Guillaume de Machaut à Charles d’Orléans, Genf 1965.
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nach den Modi der Referenz überführen. Zur satirischen Schreibweise, seit Crapelet 6 immer wieder als für Deschamps’ Werk charakteristisch hervorgehoben, liegt jetzt die erste Monographie vor. Susanna Bliggenstorfer, durch eine kommentierte Edition von Georges Chastelains Temple de Bocace 7 und mehrere Beiträge zu Deschamps einschlägig ausgewiesen,8 hat dem Thema ihre im Jahr 2000 an der Universität Zürich eingereichte, im Jahr 2005 erschienene Habilitationsschrift gewidmet. Sie trägt den Titel Eustache Deschamps. Aspects poétiques et satiriques. Die Verfasserin schließt theoretisch vor allem an Klaus Schwind,9 innerhalb der Spätmittelalterforschung an Jean-Claude Mühlethaler an, dessen Studie Fauvel au pouvoir: Lire la satire médiévale 10 sie wesentliche Argumentationsstrategien verdankt. Bemüht darum, ihren Untersuchungsgegenstand auf die politisch-moralische Satire einzugrenzen und diese von der ‚komischen Satire‘ und der Invektive abzusetzen, definiert Bliggenstorfer wie folgt: La satire est un discours critique à caractère référentiel qui veut amender le fait critiqué. Le destinataire du texte et l’objet de la critique doivent être reconnaissables. La satire se définit à partir de l’attitude du ‚je‘ énonciateur qui critique un fait ou une personne. […] La visée principale d’un texte satirique est de blâmer pour corriger. Le rire n’en doit pas pour autant être absent, mais il sert, le cas échéant, à faire passer le message satirique. (S. 7 f.)
„Caractère référentiel“ einerseits, „ouverture des genres à forme fixe […] à l’histoire, à la politique, à la circonstance et au quotidien“ (S. 2) andererseits legitimieren den nach thematischen Kriterien selektiven Zugriff auf Deschamps’ umfangreiches Opus. Der primär textanalytische erste Teil der Arbeit gliedert sich in zwei Sektionen, deren erste der „critique de la vie de cour“ (S. 25–92), deren zweite der „critique de la noblesse“ (S. 93–172) gewidmet ist. Im Horizont der die Untersuchung leitenden Problemstellung in thematischer, stilistischer und formal-prosodischer Hinsicht werden zwei lais, der Lay de franchise und der Lay de vaillance, sowie 75 ballades und chants royaux untersucht. Aus der satirischen Kritik des Hoflebens werden vier zentrale Kritikpunkte extrapoliert: „le désordre qui règne à la vie de cour, le mensonge et la tromperie, le mépris des vieux serviteurs et l’ingratitude des princes vis-à-vis de leurs serviteurs“ (S. 62). Deschamps weise dann drei Möglichkeiten aus, auf die als defizitär diagnostizierte Situation zu reagieren: „le curial mécontent peut quitter la cour, il peut chercher à s’y intégrer par l’adaptation et la dissimulation ou bien appeler à la réforme des mœurs“ (S. 26). Letzteres führe auf das Feld der didaktisch motivierten Dichtung; Bliggenstorfer beschränkt sich entsprechend auf die Rekonstruktion der Argumente für den Rückzug von der höfischen Gesellschaft einerseits, für die Integration andererseits. Die Verfasserin macht hier neben der theologisch inspirierten Kritik am Hofleben – „fuite de ce lieu de débauche […] pour le salut de l’âme“ (S. 62) – das Streben nach „une indépendance qui permet une vie autonome“ (S. 63) aus, mit dem ein spezifisch selbstreferentieller Zug der Gestaltung des lyrischen Ichs korreliere. Bliggenstorfer bewertet diesen als „mentalité humaniste d’Eustache Deschamps“, die „se manifeste surtout dans ses descriptions réalistes des causes du taedium curiae et dans l’attitude – originale par
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Georges Adrien Crapelet, Précis historique et littéraire sur Eustache Deschamps, Paris 1832. Georges Chastelain, Le Temple de Bocace, hrsg. Susanna Bliggenstorfer, Bern 1988. „Eustache Deschamps et la satire du ventre plein“, in: Senefiance 28 (1996), S. 357–374; „Une chose longue et malaisee a faire et a trouver. Remarques sur le Lay de Vérité d’Eustache Deschamps“, in: Le Moyen Français 39 (1997), S. 39–51; „Les poèmes de supplication d’Eustache Deschamps“, in: JeanPierre Sosson et. al. (Hrsg.), Les niveaux de vie au Moyen Age, Louvain-la-Neuve 1999, S. 49–75; „Les ballades dialoguées d’Eustache Deschamps“, in: Danielle Buschinger (wie Anm. 1), S. 15–26; „Phraséologie et satire: le cas d’Eustache Deschamps“, in: Le Moyen Français 51-52-53 (2002–2003), S. 79–90. Klaus Schwind, Satire in funktionalen Kontexten. Theoretische Überlegungen zu einer semiotisch orientierten Textanalyse, Tübingen 1988. Paris 1994.
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rapport à celle des autres grands écrivains français de sa génération – qui consiste à rapporter à lui les désagréments de l’existence quotidienne à la cour“ (S. 27). Dieser „trait humaniste ou intellectuel“ (ibd.) verleihe der „subjectivité de la poésie“ (ibd.) des Dichters Deschamps ihre spezifische Kontur. Dieser entspreche die am Lay de franchise (S. 38–61) verfolgte Konstitutierung eines „‚je’ lyrique philosophe“ (S. 57). Die explizite Kontrastierung von idealisierter Norm und defizitärer Realität führe zur kritischen Absetzung von der höfischen Wirklichkeit, die, zusammengenommen mit der als ‚proto-humanistisch‘ gewerteten Selbstreferenz des lyrischen Ichs, als Element eines ‚Bewußtwerdungsprozesses‘ zu deuten sei: „Les passages de la critique de la cour que contient le Lay de franchise, font partie d’un processus de prise de conscience du sujet lyrique“ (S. 59). In dieser ‚Subjektivität‘ bestehe maßgeblich die Innovativität des Dichters: „Dans les thèmes, Deschamps innove avant tout par la subjectivité de sa poésie“ (S. 2). Dies Moment der subjektivierenden Distanzierung macht Bliggenstorfer auch an der vornehmlich gegen „les jeunes nobles et le souverain“ (S. 140) gerichteten Adelssatire aus. Hier stehe neben der unbestrittenen „importance des valeurs chevaleresques pour la gloire, pour la réputation de l’individu autant que pour la renommée du royaume“ (S. 96) die Kritik an der „ignorance des chevaliers et du roi“ (S. 135), der das Ideal der qua Kultivierung der raison erreichbaren sapientia (S. 102–139) entgegengehalten werde – eine Disposition mithin, die der des „‚je’ lyrique philosophe“ entspreche. Im zweiten Teil der Untersuchung abstrahiert die Verfasserin von den in Teil I aufgezeigten konzeptuellen Voraussetzungen und Gegenständen der Satire und versucht, die dominanten Verfahren satirischer Schreibweise bei Deschamps herauszuarbeiten. Die erste Sektion (S. 174–218) untersucht zunächst die Distribution satirischer Elemente in den bei Deschamps primär produktiven Genres: „On constate dès la première lecture de la poésie de Deschamps qu’il choisit la ballade ou la chanson royale pour la satire, que les lais ne sont jamais exclusivement satiriques et que les rondeaux et virelais le sont rarement“ (S. 175). Die detaillierte, statistisch unterstützte Analyse des Umgangs Deschamps’ mit den formes fixes führt Bliggenstorfer zur Ausweisung der direkten Ansprache des prince, des envoi, des refrain und des Kurzverses der strophe layée als „lieux lyriques privilégiés“, definiert als „les endroits du texte lyrique qui remplissent une fonction précise dans la transmission du message […] critique“ (S. 198). Insbesondere die in Stücken mit satirischer Thematik gehäuft auftretende strophe d’envoi sei für die Satire konstitutiv: „Élément de référentialité par excellence, l’envoi sert la satire plus que d’autres parties du texte, puisque l’ancrage dans la réalité en est un trait constitutif“ (S. 218). In der zweiten Sektion untersucht Bliggenstorfer die Allegorie und den proverbialen und phraseologischen Stil 11 als primär der „genéralisation“ der satirischen Norm, sekundär auch der „dissimulation“ der satirischen Spitze (S. 219, 259) dienende Verfahren einer auf Generalisierung der kritischen Denunziation angelegten Kritik an der politischen Realität (S. 219–254). Bliggenstorfer schließt mit der Vermutung, die Wahl des in Anschlag gebrachten satirischen Verfahrens hänge vom realen Adressaten ab,12 und resümiert: 11
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Bliggenstorfer profitiert hierbei von der älteren Studie Erich Fehses, auf die bei dieser Gelegenheit noch einmal hingewiesen sei: „Sprichwort und Sentenz bei Eustache Deschamps und Dichtern seiner Zeit“, in: Romanische Forschungen 19 (1906), S. 545–594. So S. 230 f.: „Dans le contexte de la critique des nobles, on trouve surtout les formes traditionnelles de l’allégorie, les fables, les personnifications, les métaphores livresques, tandis que les textes de la critique de cour montrent les nouvelles tendances de l’écriture allégorique qui s’ouvre à la réalité et tend à s’insérer dans le discours figuré. Deschamps distingue les deux modes non dans le genre lyrique qu’il choisit pour son message, mais dans la cible qu’il vise pour sa critique. La critique des nobles se coule dans un discours plus traditionnel, tandis que la critique de la cour semble donner plus d’espace à l’expérimentation de nouvelles formes“; ebenso S. 248: „Deschamps a franchi le pas en introduisant les locutions dans les poèmes à formes fixes, de style moyen ou élevé, mais il distingue en effet la manière de les employer, réservant le jeu de remotivation et de défigement aux ballades et au thème de
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En général, le discours satirique se distingue des autres discours par un trait formel et une particularité stylistique. Particularité formelle: la strophe d’envoi, concluant la ballade – innovation de notre poète –, caractérise plus la satire que d’autres registres, la proportion de ballades sans envoi étant nettement inférieure à celle de l’ensemble des ballades. L’écriture satirique, avec son besoin d’ancrage dans la réalité, favorise l’emploi de la strophe d’envoi. Particularité stylistique: l’ecriture proverbiale ou locutionnaire marque les textes satiriques avec beaucoup plus de netteté que les textes amoureux. (S. 255)
‚Formale‘ wie ‚stilistische‘ Eigenheiten unterstrichen Deschamps’ „satire éminemment politique“, die sich konsequent in den Dienst der etablierten politisch-sozialen wie ethischen Normen stelle: Deschamps est d’abord un très bon observateur et témoin de son temps, qui s’oppose avant tout à la décadence des valeurs à la cour, dans le sens large de ce terme, impliquant tout l’apparat nécessaire au bon déroulement du règne. Ne contestant ni le système monarchique, ni les valeurs courtoises, il critique tout ce qui met en danger ces piliers de la société. (S. 259)
Bliggenstorfers textnahe und philologisch präzise Interpretationen eines beeindruckend umfangreichen Korpus’ überzeugen. Besonders hervorzuheben ist neben dem Hinweis auf die Beziehungen, die der Komplex aus Kritik am Hofleben und Aufzeigen der pastoralen Alternative zu Vorlagen bei Philippe de Vitry und Pierre d’Ailly unterhalten, daß die Verfasserin kontinuierlich und durchgehend auf hohem analytischen Niveau den formalen Qualitäten der untersuchten Werke Rechnung trägt. Im Licht von Bliggenstorfers Untersuchung zeigt sich die Bewußtheit der Formwahl, die Expressivität der gewählten Metra und der Reimstruktur, die Subtilität der figuralen Rede, zeigt sich mithin, wie sehr Deschamps’ in der Forschung regelmäßig hervorgehobene innovative Gegenstandswahl mit der souveränen und reflektierten Beherrschung der Form einhergeht. Die Arbeit an Deschamps’ satirischen Stücken hat hier reiche Früchte getragen. Eigens erwähnt werden muß auch die geleistete Erschließungsarbeit. Der Bericht der Verfasserin, die Arbeit sei aus der Erfassung des Gesamtwerkes Deschamps’ nach der maßgeblichen Handschrift Paris, BNF fr. 840 in einer Datenbank hervorgegangen, nährt die Hoffnung, daß diese in der Zukunft der Forschung zugänglich gemacht wird. Leider jedoch suchen die philologisch präzisen Analysen Bliggenstorfers kaum die Auseinandersetzung mit der etablierten Spätmittelalterforschung; auch die im literaturtheoretischen Diskurs der vergangenen Jahrzehnte reflektierte Verschiebung der Forschungsinteressen weg von den individualhermeneutischen Pointen, mit denen Bliggenstorfer ihre Arbeit beschließt (S. 259 f.), hat hier kaum Nachhall gefunden. Beides affiziert weniger die Interpretationen selbst als die Bewertung ihrer Ergebnisse, so den durchaus vertretenen Anspruch, diese in eine schlüssige und subsumptive Gesamtdeutung des satirischen Komplexes zu integrieren. Der Bedeutung entsprechend, die Bliggenstorfers Studie diesem Konnex beimißt, seien die Folgen an der Beziehung von satirischer Schreibweise und ‚Subjektivierung‘ dargestellt. Die Verfasserin sieht, daß die satirische Modellierung eine Differenzqualität ihres Gegenstandes indiziert, deren Identifikation als latentes Negativ voraussetzt, was Klaus Schwind die „satirische Norm“ 13 genannt hat: „La satire se dirige contre un fait ou une personne dont elle dénonce l’écart par rapport à un système de valeurs“ (S. 9). Die damit mögliche und wünschenswerte Extrapolation dieses Wertesystems aber wird nicht angegangen: Die Verfasserin begnügt sich mit dem Hinweis, bei dieser impliziten Ordnungsstruktur han-
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la critique des gens de cour, tandis que les lais et les chansons royales, donc les formes fixes plus complexes, et les textes de la critique de la noblesse, mettent en évidence les passages satiriques plutôt par l’accumulation de locutions.“ Schwind, (wie Anm. 9), S. 24 et passim.
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dele es sich um „l’idéal de la chevalerie“ (S. 141), Deschamps habe entsprechend als „[t]raditionaliste et défenseur d’un ordre social trifonctionnel“ (S. 138) zu gelten. Diese Kategorien sind nicht nur spätestens von Georges Duby 14 in ihrer Genese und ihrem Wandel, vor allem aber in der Vielfalt ihrer funktionalen Kontexte dargestellt worden und dementsprechend in dieser schematischen Form kaum zu halten. Bliggenstorfers beiläufige Feststellungen kollidierten auch mit der These einer kritischen „prise de conscience du sujet lyrique“ zumindest dann, wenn diese umstandslos an die etablierte Subjektivierungsthese angeschlossen werden soll. Communis opinio mag heute sein, daß die Dichtung Deschamps‘ als Moment im Prozeß spezifisch spätmittelalterlicher ‚Subjektivierung‘ zu gelten hat, der in die Ausdifferenzierung als individuell-spezifisch reflektierter Beobachterpositionen mündet;15 durchaus nicht gesagt ist damit aber, daß dieser Befund die Stücke mit satirischer Thematik vorbehaltlos einschließt. Gerade das aus dem satirischen Werk Deschamps’ extrapolierbare Normensystem, gerade auch Bliggenstorfers Studien zur Generalisierung der satirischen Norm durch allegorische Modellierung und proverbialen Stil hätten zeigen können, wie sehr die satirischen Pointen Deschamps’ sich aus der sozialen Integration von Dichter und Werk, aus dem Ausspielen der Opposition einer idealisierten, aber selbstverständlich aktualisierten und einzig approbierten Norm gegen eine defiziente Realität speisen, mit der Figur des sage vorgetragen von einer Sprecherinstanz, die nach einem auch in der profanen Dichtung lange vor und noch lange nach Deschamps verfestigten Typus gestaltet ist.16 Diese Modellierung indiziert gerade nicht die distanzierte Perspektive eines ‚proto-humanistisch‘-exkludierten Beobachters, schließt diese sogar in gewisser Hinsicht aus, wie Jean-Claude Mühlethaler an der politischen Satire Deschamps’ treffend beobachtet hat. Dieser „évite dans ces ballades toute individualisation de son JE poétique, tout élément à caractère référentiel; il le présente avec les attributs empruntés à la tradition soit du narrateur-prophète, soit du narrateur-philosophe, de sorte que le narrateur fait figure de sage.“ 17 Noch bei Brant wird ‚Narr‘ genannt, wer die sozialen Normen mißachtet, ‚weise‘ hingegen, wer sich fügt – eine Übereinstimmung mit der Tradition der satirischen états du monde, die defizientes Verhalten im Sinne des regierenden ordo geißelt und dem Konzept der ‚Subjektivität‘ diametral entgegen steht.18 So führt es möglicherweise in die Irre, den ‚inkludierten‘ politischen Beobachter, den Deschamps’ satirische Schreibweise inszeniert, in einen genealogischen Zusammenhang mit dem Konzept der ‚Subjektivität‘ zu setzen, zumal die einschlägige Forschung zu Differen-
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Georges Duby, Les trois ordres ou l’imaginaire du féodalisme, Paris 1978; vgl. auch die jüngere Arbeit von Jean Flori, Chevaliers et chevalerie au Moyen Âge, Paris 1998. Die These einer spätmittelalterlichen, strukturell nicht-romantischen ‚Subjektivierung‘ hat vertreten William Calin, In Defense of French Poetry – An Essay on a Revaluation, University Park, PA – London 1987, passim. Zur geläufigen Subjektivierungsthese liegen kritische Gegenstimmen vor, die Bliggenstorfer nicht zur Kenntnis nimmt. Vgl. etwa Agata Sobczyk, „La place du Moi dans les poèmes d’Eustache Deschamps“, in: Buschinger (wie Anm. 1), S. 233–243. S. nur Charles Brucker, Sage et Sagesse au Moyen Âge. Étude historique, sémantique et stylistique, Genf 1987; ferner Bernard Montagnes, „Les Deux fonctions de la Sagesse: ordonner et juger“, in: Revue des sciences philosophiques et théologiques 53 (1969), S. 675–686. Jean-Claude Mühlethaler, „Un poète et son art face à la postérité: lecture des deux ballades de Deschamps pour la mort de Machaut“, in: Studi francesi 3 (1999), S. 387–407, hier S. 403 (Kapitälchen i. O.). Mühlethaler resümiert hier seine Studie zu „Le poète face au pouvoir: de Geffroy de Paris à Eustache Deschamps“, in: Daniel Poirion (Hrsg.), Milieux universitaires et mentalité urbaine au moyen âge, Paris 1987, S. 83–101. Vgl. Marc-René Jung, „Satirische, komische und realistische Literatur der Romania“, in: Neues Handbuch der Literaturwissenschaft. Band 7: Europäisches Hochmittelalter, hrsg. Henning Krauss, Wiesbaden 1981, S. 397–424, hier S. 399: „Im Gegensatz zur heutigen Zeit, die eher die Institutionen als die Personen kritisiert, will die mittelalterliche Ständesatire die Personen treffen, die sich nicht ‚standesgemäß‘ verhalten“, und Mühlethaler, (wie Anm. 10), S. 30 hält ergänzend fest, daß die „veine morale et satirique dans la littérature médiévale […] reste étonnamment stable du XIIe au XIVe siècle“.
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zierungsmöglichkeiten gelangt ist, die auch die Literaturwissenschaft rezipiert hat.19 Es hätte gegolten, nicht an der als solche weniger aussagekräftigen Tatsache der Selbstreferenz eines lyrischen Ichs anzusetzen, sondern die historische Variation der Modi des Selbstbezuges selbst aufzuzeigen. Die Auseinandersetzung mit der entsprechenden Forschung hätte es gestattet, die überzeugenden und für die Forschung wertvollen Interpretationen in eine dem hohen Niveau der Textarbeit konsequent entsprechende Gesamtdeutung zu integrieren. Berlin, im Mai 2006 Phi l i pp Jes er i ch
Ga r y R . G r u n d – Humanist Comedies (The I Tatti Renaissance Library). Cambridge Ma. – London, Harvard University Press, 2005. XXX + 460 Seiten. Zufall und Willkür historischer disziplinärer Grenzziehungen an deutschen Fakultäten bewirken bis jetzt, daß die in der Zweitsprache Latein abgefaßte Literatur der italienischen Renaissance hierzulande zumeist als Domäne der Klassischen Philologen angesehen und daher in den wenigen Veröffentlichungen, die sich überhaupt mit ihr befassen, oft aus der Perspektive der Korruption des Originals in der Imitatio betrachtet werden. Auch der humanistischen Komödie des Quattrocento geht es nicht anders: Seit langem werden diese ersten Komödien der Neuzeit als ungeschickte Nachahmungen der antiken römischen Komödie belächelt und auf eine Stufe der Evolution zur ‚wahren‘ Komödie reduziert. Daß dies in anderen Ländern anders gehandhabt wird, zeigt genau 40 Jahre nach dem Erscheinen der beiden grundlegenden italienischen Anthologien 1 zur Humanistenkomödie des 15. Jahrhunderts ein amerikanischer Neuphilologe: Gary R. Grund legt eine moderne und vorbildliche Anthologie zu den Humanist Comedies vor. Das erklärte Ziel des Buches ist es, dieses unbekannte Gebiet auch für diejenigen Leser zu erschließen, die eine lateinische Komödie im Original nur mühsam lesen. Grunds jeweils neben dem lateinischen Original abgedruckte Übersetzungen leisten aber weit mehr als das, und darin gehen sie über die italienischen Übersetzungen von Vito Pandolfi und Alessandro Perosa hinaus: Sie interpretieren die Texte als Theaterstücke, geben Personenlisten, Ortsangaben und Bühnenanweisungen, die sich nicht auf „Aside“ beschränken, sondern auch den Text interpretieren, wie z. B. „Sarcastically“ oder „Noise from the kitchen“. Bereits ein kurzer Blick auf den Anfang des Paulus, der ersten Komödie, zeigt, wie sehr sie die im
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Theoretische Grundlagen und die Möglichkeit präziser begrifflicher Distinktion bietet etwa Niklas Luhmann, „Frühneuzeitliche Anthropologie: Theorietechnische Lösungen für ein Evolutionsproblem der Gesellschaft“, in: Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur Wissenssoziologie der modernen Gesellschaft, Band 1, Frankfurt a. M. 1980, S. 162–234, sowie ders., „Individuum, Individualität, Individualismus“, in: Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur Wissenssoziologie der modernen Gesellschaft, Band 3, Frankfurt a. M. 1993, S. 149–258. Hier wird zur provisorischen Bezeichnung der anzusetzenden Differenz die Unterscheidung Inklusionsindividualität/Exklusionsindividualität angeboten. Für eine Skizze auch zum Spätmittelalter hat diese nutzbar gemacht Peter Fuchs, „Moderne Identität – im Blick auf das europäische Mittelalter“, in: Herbert Willems/Alois Hahn (Hrsg.), Identität und Moderne, Frankfurt a. M. 1999, S. 273–297; in der Literaturwissenschaft rezipiert hat diese Vorleistungen u. a. Helmut Pfeiffer, Selbstkultur und Selbsterhaltung. Spielräume literarischer Anthropologie in der frühen Neuzeit, 2 Bde., Habilitationsschrift Konstanz 1991.
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Alessandro Perosa, Teatro umanistico, Milano: Nuova Accademia editrice, 1965 und Teatro goliardico dell’Umanesimo, a c. d. Vito Pandolfi e Erminia Artese, Milano: Lerici, 1965. Emilio Faccioli gab ein Jahrzehnt später nur zwei Humanistenkomödien im ersten Band der Anthologie Il teatro italiano, Dalle origini al Quattrocento (Torino: Einaudi, 1975) heraus, den Janus sacerdos und die Chrysis.
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Original auch mit guten Lateinkenntnissen schwer lesbaren Texte erhellen. Die Ausrichtung der Übersetzungen auf die Performanz der Texte hebt deren Theatrizität hervor und macht sie dadurch überhaupt erst lesbar und lebendig.2 Die ausgewählten Komödien gehören zu den besten des Quattrocento (Grund nennt seine Auswahl repräsentativ): Pier Paolo Vergerios Paulus, die erste erhaltene Humanistenkomödie überhaupt, deren Aufnahme zusätzlich dadurch gerechtfertigt ist, daß diese Geschichte um den gescheiterten Vorsatz des reichen und faulen Studenten Paulus, endlich ernsthaft zu studieren, in letzter Zeit erhöhte Aufmerksamkeit genießt. Albertis Philodoxus, der zehn Jahre lang ohne Einwilligung des Autors als Komödie eines antiken Autors namens „Lepidus“ zirkulierte und als solche einen großen Erfolg genoß, darf auch darum in einer Anthologie nicht fehlen, weil seine von ihm selbst allegorisch gedeutete Komödie um den Kampf des armen, aber tugendhaften gegen den reichen, verwöhnten jungen Mann, die beide dieselbe Frau lieben, das erste Beispiel einer dem antiken Beispiel folgenden Bühnenkonzeption bietet. Ugolino Pisanis Philogenia genießt bei modernen Kritikern ein hohes Ansehen aufgrund der (angeblich) psychologisch feinen Charakterzeichnung der Protagonistin, die vom reichen Epiphebus verführt, sitzengelassen und dann mit einem Bauerntölpel verheiratet wird. Die ‚sittenlose‘ Chrysis des späteren Papstes Enea Silvio Piccolomini, eine Geschichte um zwei Prostituierte, deren Liebhaber und deren geprellte Kunden, darf als zynisches Sittengemälde nicht fehlen. Tommaso Mezzos Epirota schließlich, eine Liebesgeschichte im Stil der römischen Komödie, illustriert den Komödienstil am Ende des Jahrhunderts, der bereits auf die volkssprachliche Komödie des Cinquecento vorausweist. – Leider ist die Anzahl der Stücke, die in eine solche Anthologie aufgenommen werden können, begrenzt; mit Bedauern bemerkt man das Fehlen der unterschätzten Poliscena 3, die schon in den italienischen Anthologien nicht berücksichtigt wurde und inzwischen bereits zwei unzureichende Editionen von hispanistischer Seite erfahren hat, die sie auf eine Vorlage der berühmten spanischen Celestina reduzieren und ihr daher keineswegs gerecht werden. Man hätte auch die lebhafte Cauteriaria oder aber – um ein breiteres Spektrum zu erreichen – eine von Frulovisis im schulischen Kontext entstandenen Komödien einbeziehen können, die ebenfalls in den früheren Sammelbänden keine Beachtung fanden. Die Einleitung richtet sich weniger an die Forscher auf dem Gebiet, wie diejenigen von Perosa und insbesondere die von Pandolfi, der seinen wegweisenden Artikel Le spurie origini del nostro teatro als Einleitung zum Band abdruckte, sondern an ein breiteres Publikum, vor dem er den historischen und literarischen Kontext dieses Theaters souverän ausbreitet. Neben der traditionellen Filiation der römischen Komödie, deren Rezeption er vom Mittelalter bis ins Quattrocento skizziert, und einem Hinweis auf den Einfluß der sacre rappresentazioni auf die Formen theatralischer Darstellungen folgt der Herausgeber auch den neueren Forschungsparadigmen wie dem Zusammenhang des Theaters mit dem Hof und der Festkultur der Zeit. Allerdings betont er die Förderung von Seiten der Höfe zu stark (S. XII f.), die auf die frühen Komödien kaum zutrifft, da diese die universitären Kreise kaum verließen. Das mag der Auswahl geschuldet sein, da sowohl Alberti als auch Pisani ihre Werke Leonello d’Este widmeten, beide sind allerdings genau darin Ausnahmen unter den Verfassern von Humanistenkomödien. Auch über Pisanis Misserfolg vor dem höfischen Publikum sagt Grund nichts.
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Ein Vorbild, auf das Grund sich explizit bezieht, ist die Arbeit des Theaterwissenschaftlers und Philologen Michael Katchmer, Pier Paolo Vergerio and the Paulus, A Latin Comedy, New York: Lang, 1998, der eine ausgezeichnete Übersetzung in dieser Form bietet, die sogar konkrete Hinweise auf eine mögliche Gestaltung der Bühne gibt. Wer der Autor dieser Komödie ist, ist bis heute nicht vollständig geklärt: Während man die Poliscena jahrhundertelang dem großen Leonardo Bruni zuschrieb, hält man sie aufgrund der immer wieder behaupteten ästhetischen Unzulänglichkeit heute für das Werk eines Leonardo della Serrata.
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Sein besonderes Interesse gilt der immer noch umstrittenen Frage der Aufführungen, die er unter Preisgabe nuancierender Referate anderer Theorien als erwiesen darstellt. Seine Behauptung, die Humanistenkomödien seien in ähnlichen Zusammenhängen aufgeführt worden wie die römischen Komödien (S. XIII), belegt er leider nicht. Er skizziert grob die seltsame quattrocenteske Vorstellung, daß die römischen Komödien von einem Rezitator namens „Calliopius“ vorgetragen und gleichzeitig von Pantomimen gespielt worden seien, und hält diesen Modus für den von den Humanisten praktizierten.4 Er weist aber auch auf die Recherchen zu Vitruv hin und auf die mögliche Form der „Badezellenbühne“, wie sie von Flemming 5 rekonstruiert wurde und bezieht Position in dieser Diskussion, indem er versichert, daß die späteren Aufführungen des Quattrocento bereits vor perspektivisch gemalten Hintergrundprospekten stattfanden.6 Die bibliographischen Angaben sind sehr lückenhaft, insbesondere, was die deutsche Theaterforschung angeht, und wären als Einstieg in die Forschungsdiskussion nicht geeignet. Andererseits bietet seine plastische Schilderung dem fachfremden Leser, also dem eigentlichen Zielpublikum, eine gute Übersicht. Schwächer ist der kurze Überblick zur Gattungstypologie, der natürlich nicht in die Tiefe gehen kann und eine knappe Synthese von Metrik, Stil und impliziter Bühnengestaltung versucht; außerdem enthält er kurze Inhaltsangaben zu den Stücken. Leider fehlen Literaturangaben zu den Stücken, was bedauerlich ist, da die bibliographischen Hinweise in Antonio Stäubles immer noch nicht überholtem Referenzwerk 7 zur Humanistenkomödie inzwischen veraltet sind. Aber auch dies ist mit dem Zielpublikum der Anthologie zu begründen. Das Ziel des Bandes, die Texte zugänglich zu machen, erklärt, warum Grund keine eigenen Editionen der lateinischen Texte vorlegt, sondern auf die jeweils besten vorhandenen Editionen zurückgreift, die er allerdings bei Bedarf mit sparsamen und wohlüberlegten Konjekturen emendiert, wie dem Vorschlag einer neuen Szeneneinteilung für den Paulus oder der Streichung eines unlogischen Aparte im Philodoxus. Verdienstvoll sind auch zahlreiche Änderungen im lateinischen Text der Philogenia, die Grund aus Perosas Übersetzung deduziert, der eine gute, aber leider nie veröffentlichte Fassung zugrunde liegt. Schwer verständlich ist, daß er im Falle des Paulus die neueste und beste Edition übersehen hat: Markus Asper, Udo Kühne, Martin Pickavé: „Petripauli Vergerii Iustinopolitani Comedia. Eine Neuedition des ‚Paulus‘“, in: Mittellateinisches Jahrbuch 33,2 (1998), S. 129–176. So bleibt zusammenfassend zu sagen, daß mit G. R. Grunds Humanist Comedies endlich eine aktuelle Anthologie vorliegt, die nicht nur in den Übersetzungen Maßstäbe setzt, sondern hoffentlich diese Texte einem breiteren Publikum erschließt und neue Forschungen zum Stiefkind der italianistischen Theaterforschung inspiriert. Hamburg, im November 2006 Solveig Malatrait
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Vielleicht verläßt Grund sich in diesem Teil zu sehr auf Katchmers Arbeit, in der eine Aufführung des Paulus auch mit diesem Aufführungskonzept als möglich bezeichnet wird, ohne daß der Autor dessen Herkunft und Einfluß näher untersucht. Willi Flemming, „Formen der Humanistenbühne“, in: Maske und Kothurn VI (1960), S. 33–52. Diese Ansicht widerlegen Margret Dietrich, „Pomponius Laetus’ Wiedererweckung des antiken Theaters“, in: Maske und Kothurn III (1957), S. 245–267, dort S. 259–263, und Eugenio Battisti, „La visualizzazione della scena classica nella commedia umanistica“, in: ders., Rinascimento e Barocco, Torino: Einaudi, 1960, S. 96–111. Vgl. A. Stäuble, La commedia umanistica del Quattrocento, Firenze: Istituto nazionale di Studi sul Rinascimento, 1968.
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Vi o l a i n e H oudart-Merot (Hrsg.) – Écritures babéliennes (Littératures de langue française, 2). Bern –Berlin – Brüssel– Frankfurt a. M., Peter Lang, 2006. 202 Seiten. Dieser Band, der auf eine Tagung der Universität Cergy-Pontoise im Jahr 2005 zurückgeht, vereinigt Arbeiten zu zwei Problemkreisen, die sich beide aus dem Mythos des Turmbaus zu Babel entwickeln lassen: Pluralität versus Einheit der Sprachen einerseits, Notwendigkeit (und damit potentielle Welthaltigkeit) versus Konventionalität der Zeichenverbindung andererseits; beides hauptsächlich aus literaturwissenschaftlicher Perspektive. Daniel Delas entwickelt in seinem Beitrag „Du blabla de Babel aux écritures néo-babéliennes francophones“ zunächst einen kulturphilosophischen Rahmen aus dem biblischen Mythos von Babel, der dann sowohl seiner Kategorie der écriture néo-babélienne als auch dem Sammelband selbst ein griffiges Etikett verschafft. Bibelinterpretation dient hier, wie sich gleich zeigen wird, jedoch gerade nicht der Absicherung der einen Wahrheit, sondern der mythischen Verbrämung einer Theorie der Pluralität von Wahrheit. Ausgehend von der Neuübersetzung der Genesis durch Henri Meschonnic, wo der Satz „verwirren wir dort ihre Sprache“ mit dem Wortspiel „et là embabelons leur langue“ 1 wiedergegeben wird, betont Delas die spielerischen Möglichkeiten sprachlicher Vielfalt, von erhöhtem onomatopoietischem Potential bis hin zu einem Kulturen überspannenden Assoziationsreichtum – vorausgesetzt, diese Vielfalt wird im Sprachkontakt, in der Mehrsprachigkeit oder auch in Kreolisierungsprozessen auch erfahren. Die Pointe dieser Interpretation bleibt nämlich verborgen, wenn die Vielheit der Sprachen als Trennung zwischen einander fremd bleibenden Kulturen aufgefaßt wird, die jede in ihrer Wahrheit gefangen bliebe. Vielmehr schafft die Erfahrung, daß die eigene nur eine von vielen Sprachen ist, die Voraussetzung für eine „laïcisation du langage“ (S. 5): Die eine Sprache kann schon deshalb nicht vollkommen sein, weil es auch andere gibt, die Tatsache der Pluralität selbst schließt die Selbstgenügsamkeit jeder einzelnen aus. Diese Erkenntnis eröffnet das Spiel des Austausches zwischen den Sprachen. Natürlich ist in dieser Argumentation unter der Hand dem biblischen Mythos ein größerer Stellenwert als der einer poetischen Untermalung zuerkannt. Der kulturelle Prozeß einer Laisierung oder Enttheologisierung wird an ein Geschichtsmodell gebunden, das die Vielfalt der Sprachen als Ergebnis eines Vervielfältigungsprozesses, als Entfernung von einer Einheit vorstellt; ein solches aber ist mythisch: Daß aus einem Wahrheitsmonopol (in vielen, aber nicht allen Kulturen) eine Vielfalt der Weltsichten wurde, kann die Geschichtsschreibung plausibel machen, aber daß unsere vielen Sprachen eine Entfernung von einer einheitlichen Ursprache sein sollen, sagt uns nur die Bibel. Der Gewinn an Griffigkeit, den das mythische Modell dieser Theorie einbringt, wird also mit einer leichten Schieflage der Äquivalenzen erkauft. Pluralitätserfahrung und Pluralitätsverstärkung im kreolisierenden, transkulturellen poetischen Spiel, so könnte man also das Programm charakterisieren, das Delas dann bei Autoren aus der Karibik (Edouard Glissand, Frankétienne), Mauritius (Malcolm de Chazal), La Réunion (Boris Gamaleya) und aus verschiedenen Gebieten Afrikas (Amadou Kourouma, Patrice Nganang) verfolgt. Aus einem ähnlich gelagerten Interesse nimmt Catherine Mazauric in ihrem Beitrag zwei französisch schreibende Nichtfranzosen in den Blick, den Griechen Vassilis Alexakis und die Vietnamesin Anna Moï. Catherine Mayaux verwendet in ihrem Artikel „Voyage en Babélie poétique: quand les poètes font leur ‚égyptologie‘“ (dem umfangreichsten des Bandes), wie der Anklang an Genette schon vermuten läßt,2 Babel als Figur der Verabschiedung bzw. des Verlustes einer 1
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Au commencement. Traduction de la Genèse, Paris 2002, S. 63. Deutsches Zitat: Genesis 11.7, Einheitsübersetzung. Vgl. Gérard Genette, Mimologiques. Voyage en Cratylie, Paris 1976.
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mythischen (edenischen oder eben kratylischen) Naturnotwendigkeit der Verbindung von Zeichen und Gegenstand. Daß diese Denkmöglichkeit selbst noch im neunzehnten Jahrhundert eine Rolle spielt, zeigt sie an Mallarmés Les Mots anglais. Mallarmé, der namentlich die seinerzeit neuesten Forschungen der historischen Sprachwissenschaft (Bopp) gelesen hat, will einerseits seine Sprachauffassung vollständig enttheologisieren, hängt aber andererseits einem „rêve cratyléen“ (S. 19) nach. Er denkt daher den Ursprung einer Einzelsprache (wie des Englischen) als poetisches, originelles Schaffen, bei dem insbesondere Lautmalerei eine wichtige Rolle gespielt hat. Dies hat bei ihm die Konsequenz, daß diejenigen Elemente der Sprache, die dieser poetischen Schöpfung zeitlich nahe stehen, höher bewertet werden als spätere Zutaten (beim Englischen also der germanische Wortschatz dem romanischen Anteil vorgezogen wird). Eine poetische Sprachschöpfung tritt an die Stelle der göttlichen, an die Stelle der notwendigen und dadurch wahrheitssichernden Verbindung zwischen Zeichen und Gegenstand tritt eine poetisch suggestive. Aber diese Verbindung ist nicht so stark wie es wünschenswert wäre, und namentlich die Konkurrenz der verschiedenen Sprachen bezeugt, daß keine von ihnen genügend stark und umfassend ist, um den kratylischen Traum zu erfüllen. In Mallarmés „Crise de vers“ (Divagations) wird daher die Poesie in diese Bresche geschickt: Der jeweils einzelne poetische Akt soll den Mangel in den Sprachsystemen beheben, indem er die ursprüngliche Ingeniosität der betreffenden Sprache erneuert, aber auch weiter entwickelt. Bei Claudel wird dann, wie Mayaux zeigt, das Verhältnis umgekehrt: Dichterische Verfahren dienen ihm dazu, die theologische These von der einen Ursprache wieder plausibel zu machen. Saint-John Perse geht dagegen wieder zu Mallarmés Idee zurück, die poetische Sprache selbst könne an die Stelle der göttlichen Ursprache treten. Die poetische Sprache erarbeitet sich bei ihm gewissermaßen einen Kratylismus, bis hin zur Utopie einer Ununterscheidbarkeit zwischen sprachlichem Zeichen und Referent.3 Die bei allen drei untersuchten Dichtern je unterschiedlich perspektivierte Idee einer Rückkehr zum Ursprung der Sprache weist die Verfasserin jedoch auch bei drei rezenten bzw. gegenwärtigen Dichtern nach: Gérard Macé, Henry Bauchau (bei ihm ist freilich der Ursprung eher eine psychoanalytische Urszene) und Jean Tardieu; bei diesem erscheint die Ursprache nur noch in parodistischer Perspektive, und die poetische Rückkehr zum Kratylismus wird zu einem entgrenzten Spiel der Lautmalerei: „tambours de boum-boum […] plouf, hop-là, poum!“ 4 Die Rückkehr zur alten wird ersetzt durch die Schaffung einer neuen Sprache. Als Gegenstand einer unorthodoxen ‚spirituellen‘ Umdeutung taucht der Mythos von Babel in Pierre Emmanuels Babel (1951) auf. Hier wird, wie Mayaux zeigt, das Projekt einer einheitlichen Sprache und eines einheitlichen Wissens selbst als totalitäres mit dem Turmbauprojekt gleichgesetzt. Emmanuel sieht in diesem 1944 begonnenen Text die Totalitarismen des zwanzigsten Jahrhunderts mit der naturwissenschaftlich beherrschten, verwerteten Welt der Moderne auf einer Linie: derjenigen einer Entspiritualisierung. Die Verwirrung, das Scheitern des Turmbaus ist die Chance des Menschen, das ursprüngliche Chaos als Reichtum neu zu begreifen. Auch Mayaux interessiert sich schließlich für frankophone Autoren in Situationen des Sprachkontakts wie Edouard Glissant oder Salah Stétié. Bei ihnen wird Emmanuels These vom Chaos als Reichtum sprachschöpferisch umgesetzt. Die Herausgeberin des Bandes, Violaine Houdart-Merot, verfolgt in ihrem Artikel die Sprachenpluralität im Theater, von der Farce de Maître Pathelin bis zu Bernard-Marie Koltès. Sind im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen volkstümlichen Drama Dialektpluralität und Makkaronismus noch Aspekte der komischen Handlung, gelegentlich auch ein karnevaleskes Dispositiv für die Sagbarkeit des Verbotenen, so entwickelt sich bis zu Molière eine
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Brief von Saint-John Perse an die Berkeley Review vom 10. 08. 1956, bei Mayaux S. 31. Un mot pour un autre, in: Œuvres, Paris 2003, S. 405.
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Freude an der Pluralität diatopischer und diastratischer Varietäten als solcher, aber auch (im Pseudo-Türkischen im Bourgeois gentilhomme) am freien Spiel der Klänge. Bei Molière erscheint die ‚babelische‘ Schreibweise sowohl in dramatischer (intrigenbezogener) als auch in satirischer (gegen das Latein der Mediziner oder das Türkische pointierter), durchaus aber auch in poetischer bzw. musikalischer Funktion als Klang und Rhythmus, zumal in den comédies-ballets. Im Theater des zwanzigsten Jahrhunderts finden sich dann Phänomene der ‚Babelisierung‘ durch Übersetzung, etwa in der Orestie-Nachdichtung von Paul Claudel, die das Französische vom Griechischen her neu entwirft, während in verschiedenen Stücken von Koltès fremdsprachige Tiraden einmontiert sind, die in ihrer sowohl im inneren als auch im äußeren Kommunikationssystem anzusetzenden Unverständlichkeit die Unmöglichkeit von Kommunikation signifizieren. Bei Koltès spielt außerdem das Motiv des Exils, der Fremdheit des nicht Frankophonen im Französischen eine wichtige Rolle. Dabei wird, ähnlich wie in Claudels Übersetzungen, das Französische als fremde Sprache neu entworfen, von außen ‚kolonisiert‘. In Le Dernier Caravansérail des Théâtre du Soleil (Ariane Mnouchkine) dagegen, einem Stück über die Flüchtlinge dieser Erde, wird den Staaten- und Sprachlosen ihre Sprache zurückgegeben, denn dieses Stück läßt eine Vielzahl von Sprachen zwischen Szenen des Exils in ihrer reichen Klanglichkeit aufleuchten. Der zweite Teil des Sammelbandes stellt die quasi interne ‚Babelisierung‘ der Sprachen durch das Spiel ihrer Varietäten vor Augen – ein Thema, das eher lose mit dem theoretischen Rahmen verbunden scheint. Hier gibt es einerseits eine linguistische Untersuchung von Marie-Madeleine Bertucci über das Verhältnis von Standardfranzösisch und „les français périphériques“ außerhalb Frankreichs, andererseits eine Filmanalyse von Rosalia Bivona, die das Aufeinandertreffen der Sprache Marivaux’ und derjenigen der heutigen banlieue in L’Esquive von Abdellatif Kechiche untersucht. Neben einem Interview mit Aziz Chouaki enthält dieser Teil noch einen Artikel von Myriam Jeantroux über das Verhältnis von Englisch und Französisch im Werk Samuel Becketts, den man eher im ersten Teil des Sammelbandes erwartet hätte. Aber in der Tat geht es bei Beckett nicht um die Bereicherung durch den Kontakt mit einer fremden Sprache, sondern um eine Reduktion innerhalb der eigenen sprachlichen Möglichkeiten, die für ihn nur durch einen Sprachwechsel zu erreichen ist: Er möchte die kulturellen Hypotheken des Englischen ablegen und wählt dafür mit dem Französischen zunächst einmal eine fremde Sprache, die für ihn in dieser Hinsicht weniger belastet scheint, zum anderen aber eine an sich schon (durch die Homogenisierungsarbeiten des klassischen Zeitalters, etwa Malherbe) ‚neutralere‘ Sprache.5 Französisch schreiben (und sich selbst ins Französische zu übersetzen) bedeutet für ihn einen Schritt hin zum Schweigen. Jeantroux vertritt die These, daß Beckett in einem Zwischenraum zwischen den beiden Sprachen dann doch einen neuen Reichtum findet, der über beide hinaus geht, wenn auch ihre Belege eher in die Richtung zeigen, daß namentlich bei der Selbstübersetzung das Französische Möglichkeiten des Englischen ausfiltert und verstummen läßt. Der dritte Teil des Bandes ist der Frage gewidmet, ob es möglich ist, in solchen ‚babelischen‘ Situationen die je eigene Identität zu bewahren oder auch zu finden. Die hier versammelten Studien betreffen wieder Einzeltexte: Muriel Molinié untersucht die Chronique des années égarées des rumänischstämmigen Serge Moscovici, der von einem Identitätsverlust in einer Situation des Sprachwechsels berichtet. Joëlle Jean stellt eine Lektüre von Pierre Albert-Birots mit vielen Sprachen spielendem Menschheitsepos Grabinoulor vor; AnneMarie Lithi liest Le Dépôt de savoir et de technique von Denis Roche als Reflexion über Sprache und Identität. Gabrielle Saïd beleuchtet das glückliche Babel der Dichter Edouard
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Vgl. Samuel Beckett, „Dream of Fair to Middling Women“, in: Disjecta, hrsg. R. Cohn, London 1983, S. 47.
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Glissant und Lionel-Edouard Martin, während Christiane Chaulet Achour den Roman Vénénome von Serge Quadruppani als Reflexion über Sprache und Identität in Haiti vorstellt. Ein anregender, in seiner Vielseitigkeit vielleicht selbst etwas ‚babelisierter‘ Sammelband. München, im Dezember 2006 F l or i a n Mehl t ret t er
Kl a u s S e m s c h – Diskrete Helden. Strategien der Weltbegegnung in der romanischen Erzählliteratur ab 1980. München, Martin Meidenbauer, 2006. 373 Seiten. „Un héros très discret“, so der Titel eines Films von Jacques Audiard, in dem ein schüchterner junger Mann nach dem zweiten Weltkrieg die Rolle eines Helden der Résistance spielt und auf diese Weise – als die französische Version des Hauptmanns von Köpenick oder Anthony Minghellas talentierten Mr. Ripley – seine Benachteiligung überwindet. Was die „discretion“ ausmacht, die ihm hier als markanteste Eigenschaft zugeschrieben wird, wird in dem Film anschaulich vorgeführt, ruft aber nach einer Erklärung, die auch das in den Filmen von Audiard und Minghella auffällige Phänomen kulturhistorisch situieren könnte. Klaus Semschs Habilitationsschrift deutet mit ihrem Titel und der im Klappentext festgehaltenen These, daß der „diskrete Held“ nunmehr den Intellektuellen als zentrale Figur der Erzählliteratur ersetzt, eine Antwort an. Zwar ist nicht ein einziges Mal die Rede von den genannten Filmen, sondern von einigen französischen und italienischen Schriftstellern der letzten Jahrzehnte, aber das doppelte Vorhaben einer postmodernen Neubestimmung der Diskretion und einer gleichzeitigen „Vermessung“ von Erzählwerken mit Hilfe des so gewonnenen Maßes verspricht hermeneutisches Rüstzeug zu einer weitergehenden Diskussion der Gegenwartskultur. Dabei greift Semsch zurück auf die emblematische Figur der Discretio bei Cesare Ripa, die in einer kurzen Einführung kommentiert wird; von dieser allegorischen Veranschaulichung reicht die Spannweite aber bis zu einem mathematischen Begriff des digital Diskreten, der mit der Alternative 1/0 nicht nur die Grundlage der Maschinensprache bildet, sondern auch „ein sicheres Indiz für eine kommende, digitale Kultur ‚diskreter Helden‘ “ (S. 32). Die Verknüpfung zwischen beidem bildet eine Rhetorik, die so allgemeingültig und unhintergehbar angesetzt wird, daß ihre Kategorien nicht nur für die frühneuzeitliche Emblematik Ripas, sondern auch noch für die digitale Kultur der Gegenwart in Anspruch genommen wird, die „Notwendigkeit situativer Entscheidungen“ herbeiführe (nämlich zwischen 1 und 0) und somit „in besonderem Maße eine wirkungsästhetische Dialektik von Pathos und Ethos“ entfalte (S. 31). Insofern verdichtet diese Habilitationsschrift nicht nur eine Einführung in die Poetik der Erzählliteratur ab 1980 (in der Romania, wie der Titel behauptet, oder, etwas genauer gesagt, Frankreichs und Italiens), eine Untersuchung über postmoderne Ethik (oder sogar, wie in der zitierten Formulierung, eine Prophetie kommender Kulturen), sondern ist in gewissem Sinn auch ein Beitrag zur Geschichte der Rhetorik im ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert. Die Gliederung unterscheidet zwischen einer theoretischen Einführung und zwei eher anwendungsorientierten Teilen zu Frankreich und Italien. Tatsächlich bezieht sich die Theorie bereits recht eng auf die Poetik François Bons, und die Abschnitte der Anwendung unterteilen sich klar in fünf Kapitel, die jeweils einem Autor zugeordnet werden können: Jean Echenoz, Philippe Toussaint, François Bon, Antonio Tabucchi und Pier Vittorio Tondelli. Da es bei thematisch so umfassenden Habilitationsschriften meistens nicht einfach ist, sie in Seminarbibliotheken zu plazieren, würde ich also empfehlen, sie der Sekundärliteratur zu Bon zuzuordnen; falls es keine Primärliteratur zu diesem Autor geben sollte, dann eher in das Regal zur Poetik der Postmoderne, als in das zur Erzähltheorie. Denn das Buch vermei-
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det den Bezug zur strukturalistischen Tradition und verhält sich auch distanziert gegenüber Erweiterungen der Narratologie, die aus der Perspektive von Systemtheorie oder Intermedialitätsforschung betrieben werden. Das Problem, das sich in Einführungskursen bei der Vermittlung von Semiotik und Rhetorik stellt – daß nämlich diese Metasprachen mit ihrem Erklärungsanspruch interferieren und in ihrer Logik nicht wirklich miteinander vereinbar sind –, wird hier einfach durch Ausklammerung der struktural-semiotischen Analyse gelöst. Bereits vorliegende Beiträge dieser Art, etwa zur Intermedialität in der neueren Erzählliteratur, werden entweder scharf kritisiert (v. Tschilschke zu Frankreich 1) oder nicht zur Kenntnis genommen (Rajewski zu Italien 2). Die Poetik der Erzählliteratur wird also mit Hilfe von Konzepten der Rhetorik rekonstruiert, deren historische Dichte programmatisch gegen die Zeichentheorie gesetzt wird. Damit ist allerdings weder eine geistesgeschichtliche Stilistik gemeint, wie sie bei Curtius und Spitzer die schönsten Erträge förderte, noch die von der neueren Linguistik im Austausch mit der Analytischen Philosophie erforschte Rhetorik der Alltagssprache, sondern die zur Philosophie erhobene Figurenlehre der Postmoderne, so wie sie sich bei Barthes, Deleuze, De Man und Derrida findet. Die Besonderheit dieser methodischen Option liegt nun darin, daß der Poststrukturalimus nicht genealogisch vom Strukturalismus her erläutert, sondern unmittelbar zur frühneuzeitlichen Rhetorik in Bezug gesetzt wird. So kommt es etwa zur These, daß die „‚Welt als Text‘“ – so Derrida in extremer Verdichtung – das aktuelle Pendant des Ordo, also einen allgemein anerkannten Kontext, darstellt (S. 38). Ein so kühner Ansatz produziert zahlreiche Spannungen, um die eine dichte Argumentation kreist. Die zentralen Begriffe des eigenen theoretischen Entwurfs greifen etwa über die dekonstruktivistische Kritik am Logozentrismus auf vormoderne Konzepte zurück, indem schrittweise nicht nur „Aisthesis“, sondern auch „Logos“, „Ethos“/„Pathos“ und „Poiesis“ der neueren Erzählkunst diskutiert werden. Der Theorieteil scheint sich also – so seine Zwischentitel – nicht nur mit Grundbegriffen der Rhetorik (Ethos und Pathos) und Poetik (Poiesis), sondern auch mit einer Tradition philosophischer Ästhetik (Aisthesis) und Metaphysik (Logos) auseinanderzusetzen. Dabei beschäftigen sich die betreffenden Abschnitte jedoch hauptsächlich mit der Dichtungstheorie François Bons, der Rezeptionsästhetik und poststrukturalen Essayistik in Frankreich und Italien. So gehen die Abschnitte zur Aisthesis von Jauß, Barthes und Derrida aus (A.1.1), um zwei Motive der Poetik Bons, das Interstitium und das Stilleben, zu beschreiben (A.1.2). Hinter diesem vermeintlich einfachen Aufbau verbirgt sich ein höchst komplexer Gedankengang, der, so die eigenwillige Weichenstellung, eine Rückführung der Rezeptionstheorie auf Rhetorik betreibt. Das konkrete und prägnant benannte Problem, daß nämlich die grundsätzliche Unvermittelbarkeit von Raum und Zeit in dem Topos „ut pictura poesis“ vergessen wird, lädt zwar dazu ein, phänomenologisch diskutiert zu werden; aber Vf. versucht statt dessen mit seiner Kritik an der rhetorischen Topik innerhalb des Systems der Rhetorik zu bleiben, wozu Simulation/Dissimulation und der „effet de réel“ in Stellung gebracht werden. Ähnliches gilt für den „Logos“, womit zunächst einmal nur die Spannung von „Sagen“ und „Gesagtem“ gemeint ist (A.1.3). Dieser Abschnitt wählt erneut ein originelles Vorgehen, indem zunächst Bons Theorie referiert und in ein äußerst kompliziertes Schaubild gebracht wird, bevor eine kurze Auseinandersetzung mit der Diskussion des „Schönen“ und „Erhabenen“ bei Lyotard, seinen Kritikern und wohl auch bei Kant folgt und der Mythos von der Zeugung des Eros allegorisch gedeutet wird. Danach ist noch die Rede von Ironie, was natürlich, neben den einschlägigen Artikeln von Ernst Behler, wieder Gelegenheit gibt, auf die Doppelung von Simulation und Dissimulation zurückzukommen. 1
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Christian v. Tschilschke, Roman und Film. Filmisches Schreiben im französischen Roman der Postavantgarde, Tübingen: Narr, 2000. Irina Rajewski, Intermediales Erzählen in der italienischen Literatur der Postmoderne: von den giovani scrittori der 80er zum pulp der 90er Jahre, Tübingen: Narr, 2003.
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Das Thema fällt auch deswegen so vielfältig und begriffreich aus, weil der Rahmen ein weites Feld umfaßt: eben die Kunst der schönen Rede in der Alternative von Blick und Wort. Der etwas kurze Teil zu „Ethos“ und „Pathos“ konzentriert sich noch stärker auf die Schriften Bons (A.1.4). Nur beiläufig wird bestimmt, was diese Begriffe bedeuten, genauer genommen, in Fußnoten auf bereits geleistete Bestimmungen und lesenswerte Stellen bei Longinus und Kant verwiesen (S. 69, Anm. 160; S. 78, Anm. 196), dafür finden sich Ausblicke zum Thema „Symbol“ (insbesondere bei Lacan) und zu Gilbert Durands „Kritik an der semiologischen Symbolkritik“ (S. 74, Anm. 186). In dem letzten Abschnitt, zur „Poiesis“ (A.1.5), wird neben dem Handbuchartikel aus dem Historischen Wörterbuch der Philosophie ausgerechnet Jauß bemüht, dessen eindeutige Stellungnahme für die Rezeption wenig Raum für eine Theorie der Produktion ließ; Hans Blumenberg, der hier tatsächlich grundlegende Arbeiten vorgelegt hat, wird nur kurz als Grundlage von Jauß angesprochen. Dafür findet sich eine Diskussion der Begriffe „Klassik“ und „Barock“, die zwar auf tendenziell veralteter Literatur beruht (S. 85, Anm. 229: Rousset, Ghettos Buch aus den späten Sechzigern, und als neuester Sammelband nicht etwa Küpper/Wolfzettel 3, sondern Garbers nun schon 15 Jahre alte Sammlung zur Barock-Rezeption), aber als Zeugnis einer „integrative[n] rhetorische[n] Dialektik“ gegen den Eindruck „einseitiger Prävalenz des Barocken“ in der neueren Erzählliteratur gewendet und an die bis dahin verwendeten Begriffe der Einführung angeschlossen wird (S. 90). Seinen argumentativen Höhepunkt erreicht der Theorieteil mit dem Hinweis auf die Platonisch-Derridasche-Kristevasche „Khora“ als Alternative zum logozentrischen Diskurs; dieser „Unort“ – so der weiteste Horizont der Argumentation – läßt sich als „Verstehensraum“ nicht anders als „fundamentalrhetorisch“ verstehen (S. 91). Noch einmal wird in diesem Schlussakkord das Ziel der Habilitationsschrift artikuliert, eine aus der rhetorischen Tradition geschöpfte Hermeneutik als fundamentale Kompetenz zu etablieren, die im Zusammenhang von postmoderner Literatur und poststrukturaler Theorie als anpassungsfähiges Maß gelten kann. Die Argumentation konzentriert sich insgesamt darauf, die These mit hohem konzeptuellen Aufwand zu entfalten. Dabei liegen zwei Einwände nahe, die den literaturtheoretischen Ansatz betreffen: Der Strukturalismus kann nicht als weniger „fundamental“ für die Dekonstruktion betrachtet werden als die Rhetorik; die Tendenz, strukturales Vorgehen als unhermeneutisch zu disqualifizieren, geht an der kulturellen Wirkung der Semiotik vorbei, die sich gerade in der Erzählliteratur der achtziger Jahre niederschlägt; es hätte ausgereicht, neben Tabucchi und Tondelli auch Umberto Eco in das Korpus einzubeziehen, um sich davon zu überzeugen. Auch eine Diskussion historischer Schwellen innerhalb der Rhetorik hätte viele Argumente stabilisiert. Man mag sich an der Verblüffung freuen, die entsteht, wenn eine Kunst, die auf der Differenz von „res“ und „verba“ beruht, in der Formel von der „Welt als Text“ enggeführt wird. Aber wie viele Umbesetzungen der Rhetorik sind nicht notwendig, um ausgerechnet die schöne oder erhabene Rede, die als solche zunächst einmal gesprochene Rede – Logos – ist, als utopische Alternative zum abendländischen Logozentrismus vorzuschlagen? Diese Einwände sagen natürlich nichts aus über die engagierte Anwendung der Theorie zur Beschreibung zahlreicher Romane der neueren Erzählliteratur, von denen viele nicht oder noch zu wenig von der Literaturwissenschaft zur Kenntnis genommen werden. Wenn ich diese Diskussion von fünf der interessantesten Gegenwartsautoren nicht weiter referiere, so liegt das auch daran, daß es in dem besprochenen Band selbst eine Zusammenfassung gibt, die interessierten Lesern empfohlen werden kann. Dabei kommt noch viel Theorie im passenden Kontext zur Sprache, Barthes’ Chambre claire etwa in Zusammenhang mit Philippe
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Joachim Küpper/Friedrich Wolfzettel (Hrsg.), Diskurse des Barock. Dezentrierte oder rezentrierte Welt (Romanistisches Kolloquium, Bd. 9), München: Fink, 2000.
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Toussaints L’Appareil-photo, oder noch einmal Barthes und die französische Schule der Seelen- und Symbolkunde (Baudrillard, Deleuze-Guattari, Lacan) a propos des erotischen Subjekts bei Pier Vittorio Tondelli. Über die Verflechtung von Theoremen in die besprochenen „Strategien der Weltbegegnung“ und über die Verwobenheit der selbigen mit der Tradition der Rhetorik finden sich hier komplexe Beobachtungen. Die selbst gestellte Aufgabe, die Erzählliteratur seit den achtziger Jahren zu „vermessen“, eine Metapher, die sich immer wieder auf das allegorische Attribut der Discretio, ein eigentümliches Meßwerkzeug, zurückbezieht, führt allerdings nicht zu einem klar und deutlich artikulierten Ergebnis. Zwar kommt die Argumentation immer wieder zu Synthesen und Zwischenbilanzen, aber auch diese wollen eher durch unerwartete und kühne Verdichtung brillieren als durch anschauliche Vereinfachung. Die polychromen Schaubilder und die ebenfalls mehrfarbige Analyse von Rhythmus in einer Passage von Tondelli (S. 300 f.) verdienen einen Platz im Museum. Auch dienen die Fußnoten allzu oft als Arbeitsaufträge und Denkspiele für gutmütige Leser; daß die Gattung der „Legende“, die für die Interpretation von Tondellis Rimini eine zentrale Bedeutung hat, ausgerechnet im Duden am besten definiert ist, wirkt für den Rezensenten eher unglaubwürdig (S. 332, Anm. 221). Daß in Ovids Ars amatoria „die Liebe die prekäre Aufgabe der Ausfüllung existentieller wie essentieller Armut des Menschen“ erhält, möchte er hingegen lieber einfach glauben als mit Hilfe der beiden Stellenangaben (eine zur existenziellen, einer zur essentiellen Armut?) nachprüfen (S. 286, Anm. 22). Angesichts solcher interpretatorischer Rösselsprünge sollte das abschließende Lob des „Philologen mit seinem spezifischen, tradierten Wissen eines Spezialisten für Texte“ (S. 335) auch als Warnung für potentielle Leser dieser Habilitationsschrift gelten: Wer nicht mit einem wissenschaftlichen Diskurs voller Implikation und Anspielung umzugehen weiß, wird wenig Ertrag daraus ziehen. Das Buch enttäuscht auch die vom Titel herausgeforderte Neugier, worin die Diskretion des neuen Helden besteht, mit dichten Formulierungen, die immer neue Verästelungen und Verflechtungen entdecken, anstatt Kategorien zu klären. Zahlreiche interessante Einsichten müssen erst durch einen Nebel von verdichteten Attributen und Fremdworten hindurch ertastet werden; zur Veranschaulichung ein Zwischenfazit: „Poiesis wird zum erotischen Ideal eines ‚In-andere-Umstände-versetzens‘ und dadurch zu einer List singulärer Teilhabe an der notwendigen Metamorphose des Ähnlichen“ (S. 244). Jeder Ausdruck dieser Aussage verdient eine Erklärung, auch wenn sich für den genannten professionellen Philologen durch einige Kombinations- und Entschlüsselungsarbeit ahnen läßt, daß ‚In-andere-Umstände-versetzen‘ eine launige Übersetzung für „mettere in crisi“ sein soll, ein Zitat von Antonio Tabucchi, das sich in einer Fußnote findet. Je interessanter der Forschungsertrag, desto bedauerlicher, daß er in einer Art und Weise dargestellt wird, die sich nur an Kollegen wendet und sich in der Lehre kaum vermitteln läßt. Von der spröden konzeptuellen Schönheit mancher Paraphrasen soll hier nur ein Beispiel zeugen: „Wird die diskursive Ausstellung im Blickfeld des obigen Zitats zu einem musealen Exponat quasi fossiler Skelettierung, öffnet sich durch eine Art linguistischer Autopsie in der Starre der sprachlogischen Ausdünnung der potentielle Lebensraum eines Stilllebens, der einen retrospektiven Durchblick gewährt auf den lebendigen Widerstand der Dinge“ (S. 256). Der Verlag Martin Meidenbauer bezeugt Humor: Er setzt ein englisches und spanisches Resümee auf ein Buch über französische und italienische Literatur, das schon in Deutschland nur wenige Leser verstehen werden. Nun, vielleicht für jenen „discreto lector“, an den sich zahlreiche spanische Autoren des Siglo de Oro wenden, und der auch als fiktionale oder nichtfiktionale Figur seit Cervantes und Gracián den europäischen Roman durchzieht. Auch dazu aber kein Wort in diesem Buch über diskrete Helden der neueren Erzählkunst. Köln, im November 2006 Matei Chihaia
Ibero-Romanistischer Teil
Aufsätze und Berichte
Textos bilingües y variedades del español de América (siglos XVI y XVII) * Por Carlos Garatea Grau
Ninguna exageración hay en afirmar que la difusión del español en América es un momento central en la historia de esta lengua. El ensanchamiento de sus fronteras originarias trajo consigo un inmediato enriquecimiento idiomático, producto tanto del universo cultural y geográfico que iba mostrándose conforme se desarrollaban las distintas campañas de conquista, como de las exigencias comunicativas que imponían las nuevas tierras a la lengua importada en su proceso de adaptación. Lenta pero progresivamente la expansión del español fue desplazando, en ocasiones de manera gradual, en otras con violencia, a las lenguas y poblaciones indígenas, hasta constituir una realidad social dicotómica, diglósica, cuyas consecuencias no han terminado de precisarse, debido a la interferencia de criterios endeudados con ideologías miopes o a prejuicios enraizados desde el período colonial, que han dado pie a interpretaciones monocéntricas de la diversidad lingüística de América o a que el análisis se limite a presuntas desviaciones, corrupciones o arcaísmos; pero, sin duda, también debido a la falta de documentación confiable 1 y de marcos interpretativos con la flexibilidad y la amplitud 2 necesarias para acoger la multiplicidad de aspectos que han participado en el establecimiento de las variedades lingüísticas referidas con la denominación español de América. En este sentido, el reconocimiento de las situaciones de contacto no debe limitarse a dar cuenta de la recíproca adopción de unidades entre las lenguas involucradas.
* Una versión preliminar, más breve y menos elaborada, fue leída en el XIV Congreso internacional de la Asociación de lingüística y filología de América Latina (ALFAL), realizado en Monterrey (México) del 17 al 21 de octubre de 2005. 1 Felizmente esta situación ha empezado a cambiar gracias a una serie de publicaciones recientes, no muy numerosas por cierto, que permiten contar ahora con documentos publicados con rigor filológico y que, en conjunto, ofrecen nuevas luces sobre la historia del español americano. Entre esas publicaciones hay que destacar para México, Company (1994); para el Perú, Rivarola (2000); y, con un espectro documental más extendido, Fontanella de Weinberg (1993). 2 Marcos interpretativos flexibles y amplios, aunque apoyados en criterios no siempre coincidentes, se encuentran, por ejemplo, en Granda (1994), Lara (2004) y Oesterreicher (2002).
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Carlos Garatea Grau
Sobran razones para asumir el carácter excluyente que tuvo el español y las consecuencias que de ello se derivan en la fisonomía del español actualmente hablado en América. Con el español fue instaurado un nuevo orden social, se estructuraron circuitos comunicativos ajenos a los pueblos indígenas y se hizo depender de las lenguas, en grados ciertamente desiguales, las posibilidades de vida y desarrollo de los hombres. Como se sabe, la difusión del español en suelo americano no fue un proceso limitado a su dimensión oral. Supuso también la implantación de la escritura y de tradiciones discursivas 3, labradas durante siglos en la Península, que articularon el régimen colonial y definieron las pautas por las cuales lo foráneo y lo local entraron en relación, para nunca más separarse, con todos los tropiezos que implica esa secular convivencia y que no hay razón para ignorar cuando se atiende a la historia del español de América o se analiza la pluralidad de normas que ahora la integra como comunidad hablante. Si bien, para los indígenas, aprender español se convirtió pronto en vehículo de supervivencia, en ocasiones, curacas, indios principales y allegados vieron en esta lengua la oportunidad para conservar o ganar privilegios. Fueron pocos, sin embargo, quienes, durante los siglos XVI y XVII, adquirieron una competencia bilingüe coordinada y fueron aún menos los que dominaron la lengua escrita o tuvieron acceso a ella. El Inca Garcilaso y el cronista indio Guamán Poma de Ayala, por citar dos casos peruanos, con todas las diferencias que separan al primero del segundo, son dos notables excepciones. La norma fue, más bien, un extendido bilingüismo incipiente, fuertemente interferido, que, en regiones, como la andina, creó modalidades de habla en ciertos puntos notoriamente diferenciadas y que, a pesar de estar ubicadas en el polo inferior de la sociedad colonial, lograron abrirse paso hasta el nivel de la escritura, de los textos, convirtiéndose así en un factor de presión para las modalidades de los niveles más altos (cf. Rivarola 2001: 47). En este marco hay tres hechos que, a mi juicio, deben ser considerados en la historia del español americano. El primero: la documentación evidencia que el español de los siglos XVI y XVII mostraba signos claros de variación, no explicables únicamente por la diferencia entre oralidad y escritura o por grados de competencia gramatical, sino como indicadores de distintos contextos comunicativos, de exigencias pragmáticas y de tipos discursivos, asuntos que no admiten ser asociados a grupos específicos de hablantes, pues, un individuo puede actualizar una u otra forma verbal o discursiva según cambia la situación o sus propósitos comunicativos. El segundo: los textos escritos en América reflejan una actitud, muchas veces, ambivalente por parte de los autores, actitud que los hace oscilar entre un decidido apego a modos o voces considerados prestigiosos por su empleo en la tradición culta, escrita, vale decir, peninsular y la representación gráfica de modos o voces ajenos a esa tradición pero habituales en sus actuaciones verbales. Y el tercero: los textos, en tanto cuerpos constituidos por signos gráficos con funcionalidad
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Sobre el alcance y la aplicación del término remito a Schlieben-Lange (1983), Koch/ Oesterreicher (1990), Koch (1997) y Oesterreicher (1997).
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social, están enraizados en tradiciones discursivas, es decir, en modos de elaboración y composición que instauran pautas a seguir por los escritores. Cuando estos tres hechos son integrados en la historia del español de América, resulta evidente que la historia de una lengua de cultura, como el español, comprende tanto su dimensión oral como escrita, con todas sus diferencias y relaciones mutuas. Se trata de una historia que, por lo demás, no se definió únicamente por el dominio de un sistema, de una técnica estructural, sino, a la vez, por un conjunto de tradiciones, de modos orales y escritos de usar la lengua 4, que canalizan las unidades verbales empleadas por un hablante o un escritor según las condiciones pragmáticas del entorno inmediato. Claro está que la difusión del español en suelo americano fue un proceso desigual, sujeto a ritmos distintos, según zonas y grados de resistencia por parte de las poblaciones indígenas. En el caso del área andina, concretamente del Perú, de donde provienen los documentos que comentaré más adelante, la rápida castellanización de la costa contrasta con la lentitud del proceso en la sierra. La mayoría aprendió la lengua importada por simple exposición. Sólo tardíamente se crearon colegios especiales para curacas y miembros de la aristocracia indígena a quienes se enseñaba, entre otras materias, castellano, religión y latín. Sabido es que esos centros de enseñanza existieron tanto en México como en el Perú, sólo que en el caso peruano aparecen recién a inicios del s. XVII. Sin duda que esos colegios contribuyeron a difundir tradiciones textuales, especialmente aquellas que resultaban útiles para las funciones dirigentes que más tarde debían ejercer los alumnos en sus respectivas comunidades de origen. Lo interesante es que existen documentos escritos por mano indígena varios años antes de que se diera el decreto real que creó esos centros de enseñanza. Son textos en los que tenemos a indios intentando escribir en español, mejor dicho, en lo que entendían por español, y ajustando su escritura a tradiciones cultivadas desde antes que Colón pusiera el pie en este continente. ¿Cómo aprendieron? ¿Qué variedad discursiva fue empleada en la formación de los indios? ¿Se siguió el mismo criterio en todos los casos o estamos ante modos diatópicamente diferenciados de escritura 5? Poco, práctica-
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En los últimos veinte años las diferencias entre discurso oral y discurso escrito han sido motivo de una notable producción bibliográfica, pero, como era de esperar, no siempre resulta pertinente para la investigación diacrónica e historiográfica por la amplitud de perspectivas con las que se ha encarado el problema. Para una útil justificación teórica remito a: Koch/Oesterreicher (1990), Jacob/Kabatek (2001), Oesterreicher (2001) y Schlieben-Lange (1983). Y para su aplicación en el ámbito hispánico véase, entre otros, Bustos Tovar (1993 y 2000), Cano Aguilar (1998 y 2003), Eberenz (1998 y 2000) y Eberenz/La Torre (2003). El Perú no contó con escuelas indígenas que educaran a los escribientes en su propia lengua. No hubo, pues, un equivalente al famoso colegio mexicano de Santa Cruz de Tlatelolco, dirigido por el célebre franciscano Bernandino Sahagún. Se sabe, sin embargo, que algunos religiosos, como el P. Bertonio, colaboraron a formar escribientes indígenas. Es posible también que algunos curacas castellanizados transfirieran los conocimientos adquiridos a su propia lengua (Cerrón-Palomino 2003: 147). De ahí que resulten del
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mente nada, es lo que se sabe sobre la educación colonial en el Perú. Hay, sin embargo, testimonios que mencionan la seriedad con la que algunos indígenas asumieron el aprendizaje del español. No faltan, por cierto, noticias que apuntan a que la vía corriente de educación consistió en confiar a los niños a doctrineros, religiosos o escribanos, para que, estando a su servicio, aprendan los mandamientos de la fe y las primeras letras (Alaperrine-Bouyer 2002: 160). Y un cronista, como Bartolomé Álvarez, en su Memorial a Felipe II, escrito entre 1587 y 1588, cuenta haber visto comprar, a indios ladinos, las Partidas de Alfonso X y otros libros, en el altiplano andino. Al margen de la veracidad de este testimonio, la investigación historiográfica ha demostrado que, durante la Colonia, el comercio de libros fue más intenso de lo que se pensaba hace algunos años, situación que, como es lógico, supone un público capaz de leer pero no que éste haya estado compuesto exclusivamente por miembros del grupo dominante. Sea como fuere, la documentación sobreviviente sugiere que existió un sector nativo con la preparación necesaria para intentar escribir en español, para adoptar y practicar tradiciones discursivas claramente impuestas que, a la larga, penetraron en la conciencia lingüística de la población indígena y pasaron a integrarse en la historia de las variedades del español americano. Muchas veces se ha dicho que los indios empleaban formularios, que sólo copiaban de un texto a otro, pero esas opiniones nada dicen respecto a que un escritor indígena podía emplear ora uno, ora otro modo de expresión o ajustar su léxico a los fines de su discurso o a las exigencias pragmáticas del tipo textual empleado. Admitir estas capacidades no impide que salten a la vista interferencias de la lengua materna de los autores, tal vez el quechua o la variedad andina de español entonces en vías de consolidación, tanto en el léxico, como en confusiones vocálicas, en falta de artículos, en errores de concordancia nominal, en dobles posesivos, en el orden OV, en preferencia por el pronombre oblicuo de tercera persona en función de objeto directo (lo) y en algunos otros fenómenos más, que no voy a comentar aquí por haber sido largamente analizados y explicados por los especialistas en lingüística andina (p. e. Cerrón-Palomino 1993 y 2003; Granda 2001) y porque mis propósitos tienen otra dirección. Como adelanté páginas atrás, hay una dimensión poco explorada aún: la historia textual del español americano. Una historia en cuyo desarrollo se configura el amplio y complejo espectro de las variedades americanas del español en tanto es ahí donde se reflejan los primeros síntomas de variación en el continente, donde hay que evaluar los efectos iniciales del contacto con las lenguas amerindias y donde, por cierto, se evidencia la difusión de formas tradicionales. No significa esto que esa sea la dimensión que define la historia del español de América y sus actuales características. Sólo quiere decir que, en la medida en que la escritura es también parte de una lengua histórica, hay que atender a ella, a sus exigencias y a
mayor interés las cinco cartas escritas en quechua, en 1616, procedentes de Cotohuasi, publicadas por Itier (1991) y los trabajos sobre la escritura en quechua por indígenas en el siglo XVII de Durston (2002 y 2003).
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los patrones textuales en los que se ofrece, con la finalidad de situar y valorar los posibles indicios de una variedad en ciernes. La búsqueda de registros o manifestaciones orales en los documentos coloniales suele pasar por alto, como si careciera de importancia, el filtro, muchas veces deformador, que impone la elaboración de un texto escrito y que impide que toda novedad en la escritura tenga garantizada su correspondencia con algún fenómeno en la oralidad. Claro que se dan esas correspondencias, pero son menos frecuentes de lo que se cree y, por lo general, ocurren en una suerte de maridaje con elementos esperables en el tipo de texto que las registra. Es precisamente ese maridaje el que hay que observar partiendo de la historia de los modelos textuales para sacar a luz, una vez reconocidos los elementos tradicionales, aquello que podría ser reflejo de alguna novedad en el ámbito de la comunicación oral o de la creatividad de un autor. Particular importancia tiene esta perspectiva cuando se trabaja con documentos coloniales, porque, como es obvio, sus autores ajustan sus discursos a modelos venidos de fuera, que conducen la progresión del contenido de los textos y que son tenidos como medios que les permiten confiar en el éxito de sus propósitos expresivos. Esto vale tanto para textos escritos por monolingües como por bilingües, con prescindencia del grado de bilingüismo que posean, pues lo que buscan los últimos es escribir en español y no en su lengua materna. De ahí, pues, que sea necesario poner en relación textos escritos en distintas regiones americanas, durante los siglos XVI y XVII 6, para establecer la difusión de modelos textuales, de patrones sintácticos y discursivos, que participaron en la implantación del español en suelo americano. Desde luego que la tarea es compleja y ardua, pero es imprescindible asumirla como proyecto de investigación. Para empezar, vale la pena atender a las llamadas partículas invariables del discurso. Por lo menos desde Nebrija, se sabe que, en ciertos contextos, ellas pueden desempeñar una función que está más allá de la sintaxis oracional (cf. Martín Zorraquino 1998: 19–21), es decir, que actúan como conectores extra- o supraoracionales. Aunque se trata de un conjunto heterogéneo de unidades, que provienen de conjunciones, coordinantes, adverbios, sintagmas preposicionales y construcciones absolutas, ellas actualizan una función caracterizada por la trabazón semántica que instauran en el interior del texto, vinculando segmentos discursivos de distinta extensión y estructura y configurando, así, el
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En este contexto, hay que tener presente que los siglos inmediatamente anteriores a los citados, es decir, los ss. XIV y XV, no constituyen un período unitario y aislado ni en temas ni en tipos de textos ni en modos de discurso, como ha recordado hace poco Ramón Santiago (2004). En cuanto al siglo XIV cabe decir que, en él, se evidencia una continuidad respecto a la segunda mitad del siglo XIII, continuidad referida al impulso de Alfonso X, pero también se aprecia una suerte desigual según tipos textuales, con reorientaciones, innovaciones estructurales e incluso de contenido (Ibid., 534–535). Esta diversificación hubo de acentuarse en el siglo XV fundamentalmente en dos direcciones de la prosa: la de tipo doctrinal y didáctica y la historiográfica. Este siglo es cuando el español acentúa y, en cierta medida, acelera sus cambios. Sobre el particular cf. Eberenz (2000).
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sentido y la cohesión general de la secuencia discursiva (cf. Cano Aguilar 2003) 7. En buena cuenta, ello implica situar el estudio en un nivel distinto del considerado tradicionalmente por el análisis gramatical e ingresar, más bien, a una lingüística del texto, nivel en el que es imprescindible contar con aspectos como la intención expresiva, los moldes de estructuración discursiva, las inferencias que se desprenden del modo de composición textual, el entorno de elaboración y, por cierto, la creatividad del individuo para actuar discursivamente en el marco del (o los) modelo(s) que recrea en su texto 8. No es necesario insistir aquí en las razones por las que esos conectores son más frecuentes en textos en prosa, pero no exclusivos de ella (cf. Ridruejo 1993; Bustos Tovar 1998); sí hay que insistir, por los ejemplos que se ofrecen líneas abajo y por las características del contexto comunicativo de los autores bilingües que se mencionarán, en que, a medida que se conformaron distintas tradiciones textuales, los conectores distribuyeron su aparición según determinados tipos de discurso, haciéndose normales en unos y ocasionales o raros en otros (cf. Santiago 2004: 537). Así, por ejemplo, en el campo jurídicoadministrativo, los conectores aditivos tienen un alto rango de ocurrencia, debido a las exigencias argumentativas y lógicas que impone el hecho de ser discursos que deben dar cuenta de situaciones, testimonios y/o conductas verificables, precisas, y, por cuanto, además, deben vincular conceptos, jerarquizar acontecimientos y ordenarlos cronológicamente. En ese sentido, hay tres conectores que vale la pena observar con algún detalle, por cuanto ellos están ampliamente documentados en español medieval, aparecen desde muy temprano en textos americanos de distinta procedencia y, claro, son
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Me parece oportuno recordar que las funciones arriba señaladas fueron reconocidas por Gili Gaya. Cuando se ocupa de los enlaces extraoracionales en su célebre Curso superior de sintaxis española (1961) afirma que „las oraciones se suceden guardando entre sí una relación de coherencia representativa, lógica o afectiva, una trabazón psíquica de orden superior. Si esa relación de continuidad no se revela, decimos que el discurso es incoherente. La unidad total del discurso, a la cual sirven las oraciones que lo componen, obedece a leyes psicológicas, y según ellas percibe el oyente o el lector la coherencia o incoherencia del discurso que se le dirige. Su estudio excede los límites de la Sintaxis, la cual sólo puede operar en presencia de medios formales de relación lingüística. Como quiera que estos medios formales de enlace quedan en su mayor parte confinados dentro de la oración, nuestro estudio habrá de ceñirse a los recursos de que el idioma pueda valerse para dar expresión gramatical a relaciones que van más allá de la oración“ (Gili Gaya 1961/1981: 325). El interés por los conectores discursivos responde a un acercamiento esencialmente pragmático a los textos, lo que, como se plantea arriba, exige un análisis intra- y extratextual, con la finalidad de recuperar el universo comunicativo implícito en ellos. En este sentido, remito a los razonamientos expuestos por Oesterreicher (2001). Por otra parte, la discusión contemporánea ha planteado la cuestión acerca de si es posible defender conceptual y operativamente una categoría marcadores del discurso, aún cuando el problema compromete, antes que a la naturaleza de esas unidades, a sus diferentes capacidades de combinación y distribución. Al respecto véanse los argumentos exhibidos por Fuentes (2001) y Cano Aguilar (2003).
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empleados también en los Andes peruanos, entre los siglos XVI y XVII 9, sin que el grado de bilingüismo o la desigual competencia discursiva de sus autores resulte un impedimento para ello y, como se dijo páginas atrás, sin que sepamos con exactitud cómo aprendieron a escribir o qué tipo de educación fue la que recibieron. Me refiero a Y, otrosí e ítem. Los tres tienen distinto origen y puede afirmarse sobre ellos que el primero está más próximo a la oralidad que los otros dos, que Y y otrosí fueron empleados en todo tipo de texto mientras que ítem parece ser propio del discurso formulístico del derecho y de la tratadística, pero, en conjunto, los tres están integrados en la misma lengua histórica que, a pasos muy desiguales, se instaló en América y entró en contacto con lenguas y pueblos de los que se carecía de noticias en la Europa de entonces. El conector Y, con sus variantes (e, et), en principio simple conjunción, abunda como conexión supraoracional desde los catecismos políticos-morales de inicios del siglo XIII hasta bien entrado el XV (Bustos Tovar 2002). Ya Menéndez Pidal, en su Historia de la lengua española (2005), señala, cuando se ocupa del estilo de Alfonso el Sabio, que „a los hábitos de la lengua hablada se debe la superabundancia de la conjunción copulativa e. Según el uso antiguo (que se documenta de forma paralela en francés), se antepone a todos los miembros de una enumeración, por larga que sea, como ocurre en el Prólogo de la Estoria de España“ (Menéndez Pidal 2005: 530). En ese prólogo, agrega don Ramón, puede observarse cómo a cada una de las oraciones que forman un todo se les antepone la conjunción e, en vez de la simple yuxtaposición 10. Sin embargo no es cierto que „a los hábitos de la lengua hablada“ se deba la alta frecuencia de y (e, et) 11; lo que interesa aquí es que su reiteración fue un patrón discursivo que cohesionaba la totalidad de oraciones en un texto. Pero su empleo no sólo consiste en ordenar secuencialmente contenidos o introducir una información nueva, sino que expresa que lo que sigue está vinculado con la información ofrecida previamente (Ridruejo 1993). De esa manera, el conector puebla el relato histórico, sobre todo las crónicas, también documentos privados y jurídicos hasta fines de la Edad Media, cuando disminuye su presencia, pero sin desaparecer del todo. No hay, pues, motivo para que la reiteración de y sea interpretada como expresión de la impericia de un autor (cf. Cano Aguilar 2002), aunque en la actualidad sea considerada típica del discurso coloquial y popular. En el pasado, que es donde se sitúan los
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Todos los textos y fragmentos citados a continuación, referidos al Perú, son tomados directamente de Rivarola (2000). Cuando las citas no corresponden a esta obra señalo arriba, entre paréntesis, la fuente. Para la importancia de los textos publicados por Rivarola cf. Garatea Grau (2004a y 2004b). A modo de ilustración, Menéndez Pidal cita el siguiente fragmento: „et sopiessen los cursos de las estrellas et los movimientos de las planetas et los ordenamientos de los signos et los fechos que fazen las estrellas … somos sabidores del criamiento del mundo, et otrosí de los patriarchas … et dell annunciamento et del nacimiento et de la passión et de la resurrección et de la ascensión de Nuestro Señor“ (Menéndez Pidal 2005: 530). Véase a este propósito Stempel 1972: 597–600.
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textos ofrecidos a continuación, hay que ver, más bien, el testimonio de una tradición discursiva, es decir, de un modo particular de estructurar un texto 12. Así, pues, el conector y está registrado ya en La Fazienda de Ultramar, obra atribuida al arzobispo don Raimundo, quien habría mandado componerla hacia 1152. La versión castellana debió escribirse durante el primer tercio del siglo XIII (Lapesa 1980: 233–234). De ese texto procede el siguiente pasaje: (1)
E a la noch era beudo Holofernus e matolo Judit con su espada misma, taiole la cabeça e metiola en .i. talega e aduxola a la villa; e aduxo el guarnimento que era (…) e fue la huest desbaratada e fuyeron todos. E salieron los de la villa con grand alegria e robaron el albergada e ganaron mucho. [cit. Cano Aguilar 2002: 222].
Como decía, este patrón discursivo se mantuvo firme durante buena parte de la Edad Media. Lo confirman cientos de testimonios. En América lo encuentro en fecha tan temprana como 1509, en una confesión por maltratos, hecha en Santo Domingo: (2)
E luego el dicho señor alld mayor mando desnudar al dho gonçalo de njiebla e fue desnudo e la mando atar los braços alonso sanches moreno carçelero de la dicha villa de santiago (…) prometio de dezir verdad de lo que supiese e fuese preguntado e syendo preguntado çerca desde hecho (…) [cit. Fontanella de Weinberg 1993: 8] 13.
De México procede el siguiente fragmento elaborado en la causa seguida por el Santo Oficio de la Inquisición contra el Gobernador del pueblo de Anguitlan, en 1545. (3)
E despues de lo susodicho, en diez e nuebe dias del mes de junio del dicho año, estando en el Abdiençia de la Santa Ynquisiçion, el señor Ynquisidor mando pareçer ante si al dicho don Françisco, governador del pueblo de Anguytlan. E siendo presente le pregunto por lengua (…) Y el dicho don Françisco dixo (…) E luego, el señor Ynquisidor (…) [cit. Fontanella de Weinberg 1993: 91].
Textualmente emparentado con estos ejemplos está un documento, fechado en 1590 y rubricado por el escribano Juan Alonso Napanpoma, en el juicio de residencia seguido contra un excorregidor de la provincia de Jauja, en el Perú. El documento, además de reflejar interferencias propias de un bilingüe incipiente y de estar estructuralmente vinculado con los textos anteriores, es un magnífico ejemplo de que el oficio de escribano fue ejercido por indios ladinos, a pesar de la prohibición de Felipe II (Rivarola 2000: 45). Napanpoma escribe:
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Hay que añadir que la conjunción comentada tiene la capacidad de combinarse con otras unidades, tanto en función adverbial, cuanto en función conectora o estructuradora de la información. Así, por ejemplo, se tiene e porque, e aunque, e pues, e assi commo, e como, e tan bien, e assi, e en esta razón, e demás, e quando, e luego, etc. (Bustos Tovar 2002: 67). Tanto en este pasaje como en los otros que he tomado de Fontanella de Weinberg (1993) he modificado ligeramente las representaciones fonéticas, pero esencialmente he respetado el modo en que fueron publicados.
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En este pueblo de Sancta Ana de Cincos, 21 deas de el mes de henero de mil y quinientos nuevinta años, ande el don Felipe Guaraga, el alcalde, y don Pedro Paytanca, rregedor hordenareos por el rre nuestro señor por su magestad, y a mí, escriuano nombrado, paricio este edito (…) y luego yo el dicho scriuano ley [y] notifiqué este edito por los dichos caciques (…) y se an dado a las calles con un pregonero (…).
Como se ve, el patrón que comento es reconocible en los tres ejemplos americanos, todos situados en el ámbito jurídico. Del mayor interés resulta encontrarlo también en una carta privada, escrita en Lima, en 1642, por el curaca de Hananguanga, Juan Alaya, a su hermano. Su presencia es coherente con el amplio rango de uso que tuvo el citado conector en el español medieval, de manera que el hecho de que aparezca en la pluma de un indígena entronca su prosa en una tradición heredada, aprendida, con el régimen político y administrativo que reestructuró el universo simbólico y cultural de buena parte de las poblaciones nativas y que impuso nuevos parámetros comunicativos. En esa carta, el curaca muestra una pericia bilingüe y discursiva superior a la expuesta por el autor del ejemplo (4), casi en igualdad de condiciones que los monolingües que emplean al mismo conector en los documentos mexicanos publicados por Company (1994). En la carta de Alaya se lee: (5)
Mirad lo que dicen de mí y nada es verdad lo que dicen; y yo me estoy rriyendo de lo que haçen. A mi madre suegra que me enbíe plata (…) sólo me enbíe plata, todo lo que pudiere, y las gallinas; y no aya falta. Y auisadme a la ligera de lo que vbiere y del gobierno.
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e dicho que ynporta mucho así para nuestros negoçios (…) Y así ymporta, hermano, que te bengáis (…)
La última combinación, y así, es una de las tantas registradas con la partícula y en función de conector discursivo 14. Ella está documentada desde el siglo XIII (7); es empleada en documentos elaborados en América antes de que el curaca de Hananguanca escribiera a su hermano (8) y, por cierto, aparece en documentos escritos por otros curacas e indios principales (9), como se aprecia en los fragmentos siguientes:
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nos damos tregua por nos e por todos nuestros vanallos e de todas las tierras de nuestro senyorio a todos los lugares villas e castiellos que el dicho noble don Johan a en el Reyno de Murcia (…) E assi que si por auentura nos o algun homme de nuestro seynorio faziamos mal en la tierra del dicho don Johan (…) seamos tenidos e fagamos enmendar (…) [1296. Anónimo. Capitulación de Elche. España. CORDE]
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E qu’el dicho señor licenciado e el dicho Rodrigo de Paz fizieron abaxar abaxo la gente que asy avía subido, e asy se apaziguó el dicho ruydo [ 1524. Hernán Pérez. Denuncia por palabras mal sonantes. México. cit. Arias Álvarez 1997: 294]
Véase la nota 12. Sobre la presencia de algunas de las combinaciones ahí señaladas en textos andinos de los siglos XVI y XVII me he ocupado en Garatea Grau (2004 b: 413–423).
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hago saber por estas endias que dos dellas está enferma y a la demás estamos guardando con muchísimos trauajus porque no nos haga fuga estos malos chrestianos endios que han binido de Lima (…) Y asé vuestra merced vía en esto con el resgo que estamos guardando, concederle a los ministros que lo himos de pagar sus trauajus (…) [1662. Agustín Capcha. Carta al visitador general de idolatrías. Cajatambo (Perú)].
Si en los ejemplos anteriores (1–9) se reconoce la pervivencia de un conector supraoracional, incluso fuera de su espacio originario, hay que ofrecer otras consideraciones en relación con otrosí. Como se dijo, en el español medieval, otrosí fue empleado en todo tipo de textos, aplicándose a segmentos de distinta clase y extensión; enlazaba secuencias temáticamente vinculadas, incluso con esquemas sintácticos repetidos, pero también enlazaba secuencias que no presentaban relación en cuanto al tema que introducían (cf. Cano Aguilar 2003: 305). Otrosí solía aparecer a inicio de oración y, a veces, en combinación o alternando con las partículas y 15 e ítem. Estudios recientes 16 han demostrado que otrosí empezó a restringir su empleo a fines del siglo XIV, acentuándose su retroceso durante el siglo XV. Sin embargo, no desapareció. En el XVI, y aún más tarde, aparece conservado en la prosa jurídica o administrativa y en textos narrativos apegados al antiguo estilo de las crónicas 17. Este fenómeno ilustra cómo una forma lingüística puede, por distintas razones, restringir su presencia a ciertos tipos de discursos, el jurídico en este caso, y abandonar de manera definitiva otros en los que resultaba igualmente útil y pertinente. Interesa la – por así decir – especialización de otrosí para evaluar los treinta documentos andinos usados como base de este trabajo, escritos entre 1587 y 1679 18, porque precisamente corresponden al período en el que otrosí se consolida como forma del lenguaje jurídico en la Península. En ese sentido, un dato relevante es que una vez descontados los recibos, las cartas, las memorias de bienes y otros, se tiene 19 memoriales, todos incluidos en expedientes judiciales, pero sólo en uno de ellos aparece otrosí, empleado dos veces, según los patrones tradicionales, es decir, a inicio de oración y con repetición del mismo esquema sintáctico. Esto ocurre en un memorial fechado en 1670, elaborado por un curaca, Bernardino Limaylla, y otros seis indios principales del repartimiento de Luringuanca (Junín) contra unos curas, por la elevada tasa que los indios debían pagar a la Iglesia para tener derecho a un entierro. Con la escasa información disponible tanto sobre los materiales empleados en la enseñanza de la escritura como sobre los manuales con los que se entrenaba a los caciques en los Andes es muy arriesgado aventurar una explicación satisfactoria a ese único caso: bien puede tratarse de la primera noticia, en mano indígena, de la comentada especialización de otrosí
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Repárese en el fragmento reproducido en la nota 10. Me refiero especialmente a los trabajos de Cano Aguilar (2001, 2002 y 2003), Eberenz (1994, 2000 y 2003) y Santiago (2004). Para la pugna de otrosí con también en ciertos contextos, desde el siglo XV cf. Cano Aguilar 2003: 305. Sobre la procedencia de esos textos remito a la nota 9.
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o bien, su ausencia de los otros memoriales, puede ser efecto del retroceso que sufrió otrosí durante el siglo XV y, por tanto, ese documento sólo mostraría una forma ya arrinconada. Lo único que puede afirmarse ahora es que no se trata de un hecho casual, por el alto grado de dominio de la escritura que se evidencia en el texto y porque su empleo y el contexto sintáctico que lo acompaña pueden rastrearse, al menos, hasta el escritorio alfonsí. El pasaje es el siguiente: (10)
Otrosí desimos que por el aransel desde arçobispado esta dispueesto el preçio y cantidad que se a de lleuar por lo entierros, misas y demás açiiones perteneçientes a los entierros de los yndios (…) Otrosí decimos que los dichos curas tienen entroducido a un abuso: es que los yndios forasteros deuen pagar por su entierro y foneral de la misma forma que los españoles (…).
Más transparente es lo que sucede con el conector latinizante ítem, propio del lenguaje del derecho, de la administración y de la tratadística, en el español medieval. Durante este período, ítem podía alternar con otrosí, encabezando series de enunciados situados en la misma línea argumental pero a diferencia de otrosí, ítem marca por lo general el comienzo de cada disposición o párrafo (Eberenz 1994: 9) 19. Un ejemplo de ítem en combinación con otrosí, acompañados de un número arábico a la izquierda, es el siguiente, fechado en 1495: (11)
15. Otrosy, que las personas que no sean vesinos de la dicha çibdad ny de su tierra, que troxieren ganados vacunos a vender (…) que paguen de cada res que assi vendieren tres mrs. al arrendador de la dicha renta. 16. Yten, que qualesquier de las dichas personas estranjeras que vendieren puercos (…) que paguen un mrs. por cada uno. [1495. doc Huete. cit. Eberenz 1994: 9].
Similar estructura presenta el fragmento de un interrogatorio realizado en Santo Domingo, en 1555, sólo que en esta oportunidad únicamente se usa ítem. (12)
iij – Yten si saben que entre otras palabras que yban en la dha carta dezía en ella que en esta tierra (…) iiij – Yten si saben que dende a ciertos dias fue a noticias de los señores presidentes e oydores la dha carta (…) [1555. Fragmento de pleito. Santo Domingo. cit. Fontanella de Weinberg 1993: 27].
En lo que corresponde al Perú, el conector está registrado durante el siglo XVI pero en textos escritos por monolingües en español. Al curaca de Chercas, don Tomás de Acosta, pertenece, en cambio, el fragmento reproducido a continuación, escrito en 1647, en el que fácilmente se evidencia la estructura textual ofrecida en los ejemplos (11) y (12), pero en el que, además, el español empleado por el autor muestra quiebres sintácticos que reflejan su deficiente competencia gramatical. El
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La función conectora de ítem fue advertida por Nebrija, en su Gramática, cuando se dedica a describir los adverbios castellanos. Ahí dice: „Las significaciones de los adverbios son diversas: de lugar, como aquí, aí, allí; de tiempo, como aier, oi, mañana […] para ordenar, como ítem, después“ (Nebrija 1492/1989: 209).
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fragmento proviene de una acusación por hechicerías planteada por el citado curaca contra otros indios principales del pueblo de Maray. (13)
1 yten: el dicho don Rodrigo consenten el Pedro Maiz, primeramente mandan para traygan llenas y harar sus chacras. 2 yten: el dicho don Rodrigo que consentan a vna cassa; allí beberon con Pedro Mays y Gonçalo Poma. Entre los dichos junto beberon las çhiçhas, ya más de abrá tres meses y medio.
Todos los ejemplos, entresacados de un abanico más extenso, muestran claramente la importancia que tienen las tradiciones discursivas en la historia de las variedades del español de América. Con el español, América recibió la escritura, los textos y, por su intermedio, nuevas categorías conceptuales y nuevas exigencias comunicativas. Pero la fuerza de la cultura escrita no sólo transformó la vida de los pueblos americanos, sino que proyectó en ellos tradiciones lingüísticas que los indígenas se vieron obligados a adoptar, a pesar de los tropiezos que les ocasionaba su competencia lingüística y, sobre todo, a pesar de que ellas consolidaban un orden social claramente asimétrico. Es en este marco donde se gestaron los valores, los prejuicios y el universo simbólico implícitos en la pluralidad de normas del actual español americano. Y son, por cierto, esas las razones por las que la investigación diacrónica no debe ignorar el componente textual, escrito, en el que se ofrecen los datos sino que debe partir por situarlos críticamente en los textos, en las tradiciones que le sirven de soporte, antes de cualquier extrapolación a la oralidad o de ajustarlos a la regularidad de un sistema diseñado por alguna teoría. Es la única manera de recuperar la amplitud explicativa y hermenéutica que exige la historia del español de América y es, ciertamente, la manera en que se podrá valorar con mayor seguridad los fenómenos lingüísticos que reflejan los textos coloniales, sobre todo cuando de por medio hay una situación de contacto. Lima, noviembre de 2006
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La evolución de los marcadores de ordenación discursiva en español1 Por María Pilar Garcés Gómez
0. Introducción El interés por el estudio de los marcadores de ordenación discursiva desde el punto de vista de su evolución viene motivado por dos razones fundamentales: en primer lugar, determinar cómo surgen estas unidades y cómo evolucionan hasta convertirse en ordenadores discursivos nos permite descubrir el modo en el que se configuran los mecanismos de organización textual, de estructuración de la información y los procedimientos de conexión discursiva en su desarrollo histórico; en segundo lugar, explicar el proceso de cambio por el que sintagmas libres, con una función determinada en la estructura oracional y con un significado composicional, se convierten en sintagmas fijos, sin ninguna función en el marco de la oración, con un debilitamiento del significado referencial etimológico y con un refuerzo del significado pragmático, nos llevará a delimitar el tipo de cambio que se ha producido 2. Nuestro trabajo se centra en el análisis de la evolución de los marcadores que configuran el sistema de ordenación discursiva en español actual; por ello, describimos, en primer lugar, las características de estos marcadores y su funcionamiento en el discurso; a continuación, analizamos su evolución histórica para dar cuenta de cómo se va conformando ese sistema y de los diferentes valores significativos que adquieren los distintos componentes; finalmente, analizamos el proceso de cambio semántico y funcional que han experimentado.
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Este trabajo se enmarca en el proyecto de investigación HUM 2004-00605/FILO, financiado por el Ministerio de Educación y Ciencia de España. Para realizar nuestro estudio partimos de los datos que nos proporciona el Corpus Diacrónico del Español (CORDE), desde las primeras documentaciones hasta el siglo XVIII, época en la que el sistema de marcadores de ordenación discursiva queda asentado. Como complemento de la documentación hasta el primer tercio del siglo XVI, hemos contrastado los datos obtenidos con los ejemplos que aparecen en el corpus informatizado ADMYTE II (Archivo digital de manuscritos y textos españoles, Madrid, Ministerio de Educación y Cultura, Micronet, 1999).
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1. La organización del discurso y los marcadores. Caracterización general El discurso se organiza en partes que se suceden unas a otras. Cuando el hablante quiere señalar qué lugar ocupa cada una de esas partes dentro del enunciado, de la secuencia o del texto, utiliza una serie de marcadores que señalan que los hechos, acontecimientos, circunstancias, razonamientos o actos de enunciación expresados responden a un orden determinado; de este modo, se presenta un texto estructurado que permite al destinatario interpretarlo adecuadamente al tener las instrucciones precisas acerca de cómo está articulado. Los marcadores que desarrollan esta función son los denominados „ordenadores del discurso“; se caracterizan por señalar el lugar que ocupa cada uno de los miembros en una secuencia ordenada en partes y mostrar que la información transmitida se configura en una sucesión de comentarios o subcomentarios que responden a un tópico común 3 (Portolés 2001). La clasificación de estos elementos se establece por la posición que ocupan en la serie: a) marcadores de inicio; b) marcadores de continuación; c) marcadores de cierre (Garcés 1997, 1998, 2000; Martín Zorraquino/Portolés 1999). Estos marcadores desempeñan un papel relevante en el ámbito de la estructura informativa del discurso como manifestación de la intención comunicativa del hablante; este dispone la información que quiere transmitir en torno a una serie de elementos ya conocidos o compartidos y otros que introducen una información nueva para el interlocutor. De esta forma, el discurso se configura en una estructura de tópico / comentario. Cada enunciado o cada conjunto de enunciados se considera como respuesta a una pregunta, explícita o implícita, a la que el hablante intenta dar respuesta. Los tópicos están constituidos por el conjunto de entidades acerca de las cuales se pregunta algo y los comentarios serían las respuestas a esas preguntas, es decir, lo que se afirma nuevamente acerca de ese tópico 4. Los ordenadores del discurso se caracterizan por desempeñar esta función informativa, realizada de distinto modo según los marcadores utilizados: los miembros enlazados por las series correlativas en primer lugar / en segundo lugar …, primero / segundo …; por una parte / por otra (parte); por un lado / por otro (lado) … se presentan como subcomentarios a un mismo tópico; la diferencia entre ellos se fundamenta en que los primeros indican una enumeración de los elementos concatenados entre los que puede establecerse o no una ordenación jerárquica; los segundos señalan la distribución del comentario en dos partes referidas a un mismo tópico entre las que no existe jerarquización. 3
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Esta idea está relacionada con la descripción realizada por los lingüistas de Praga (V. Mathesius, F. Danesˇ y J. Firbas) del componente informativo de las oraciones (perspectiva funcional de la oración). Se considera que la información se configura en torno a dos categorías: tema y rema; aunque no hay una definición precisa de lo designado por cada una de ellas, el rema se asocia a la información nueva que se aporta a la comunicación, el tema es la información conocida, compartida por los interlocutores (Danesˇ 1974). Según van Kuppevelt (1995a, b) el proceso consta de tres partes: un acontecimiento lingüístico o no lingüístico (feeder) que induce a la iniciación de preguntas en el discurso; la pregunta, explícita o implícita, que constituye el tópico y la respuesta correspondiente, el comentario.
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Cuando se trata de series no correlativas, encontramos las formas por otra parte, de otra parte, por otro lado, de otro lado, sin un primer correlato, que introducen segmentos de distinto tipo 5: a) un miembro en correlación con otro anterior que constituyen dos subcomentarios a un mismo tópico, b) un comentario a un tópico distinto al del miembro discursivo precedente, pero relacionado con él. Los marcadores de cierre desempeñan la función fundamental de introducir el segmento que ocupa el último lugar en una serie ordenada secuencialmente; este papel lo desempeñan por último, en último lugar, en fin, finalmente, por fin, que introducen el último subcomentario al tópico establecido. Pero, a excepción de los dos primeros, estas formas presentan en la lengua actual otros valores significativos derivados del anterior, que se actualizan en relación con determinados contextos: a) el cierre de una serie puede suponer la consecuencia o conclusión que se extrae de lo dicho previamente o que se desprende de los hechos representados (finalmente, en fin); b) el resultado final de un proceso después de haber decidido entre varias opciones (finalmente); c) el resumen, explicación, precisión o ejemplificación de lo anterior (en fin); d) la limitación parcial o total de la pertinencia de lo expresado antes (en fin); e) un valor modal si la expectación de que un acontecimiento suceda se convierte en relevante (por fin) o si se presenta como una muestra de resignación ante la cancelación de determinadas expectativas (en fin). 2. Evolución de los marcadores de ordenación discursiva Las formas que configuran el sistema de marcadores de ordenación discursiva se han originado a partir de categorías léxicas y sintagmáticas, existentes en la lengua, que han experimentado una serie de modificaciones morfológicas, sintácticas y semánticas; estas modificaciones han supuesto la fijación de estructuras en los elementos procedentes de sintagmas preposicionales, el reanálisis de la construcción, el alcance estructural distinto, el debilitamiento del significado referencial de los componentes del sintagma, cambios semánticos de naturaleza metafóricametonímica y la adquisición de un valor conector determinado por las instrucciones de significado de sus componentes y por los contextos en los que aparecen. Para explicar este proceso de evolución 6, es necesario realizar un análisis diacróni5
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No tratamos del valor digresivo que presentan los marcadores por otra parte y por otro lado, porque queda al margen de la ordenación discursiva. Este proceso responde a un fenómeno de gramaticalización, según han señalado diferentes autores (Traugott 1995a, Brinton 1996, Brinton/Traugott 2005). Ahora bien, el concepto de gramaticalización aplicado a la evolución de los marcadores discursivos no puede entenderse, al modo tradicional, como un proceso por el que una forma léxica se convierte en gramatical o una forma gramatical se vuelve aún más gramatical (Meillet 1912/1965, Kuryłowicz 1966, Heine/Claudi/Hünnemeyer 1991, Hopper/Traugott 2003) o, en una definición complementaria de la anterior, como una fijación de estrategias discursivas concretas por la que fenómenos lingüísticos vinculados al nivel discursivo o textual se convierten en construcciones gramaticales, carentes ya de condicionamientos pragmáticos (Traugott 1989, 2003, Girón 2002, Company 2003, 2004). Para incluir los cambios señalados dentro de este fenómeno, habría que considerar la gramaticalización como un
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co que permita conocer cómo se han desarrollado estos cambios a lo largo de la historia 7. 2.1. Los marcadores de inicio y continuación 2.1.1. La serie primero / segundo / tercero … Los elementos de esta serie se configuran en torno a los numerales ordinales: primero … segundo … tercero … Estas formas se emplean en los textos más tempranos como adjetivos, en función de modificadores de un sustantivo, para indicar que, en una serie, el elemento al que modifican o al que sustituyen ocupa un lugar anterior a todos los demás (primero libro, primero fuero, fijo primero e heredero), o un lugar después o detrás del primero (segundo año, segundo matrimonio, es segundo en lugar del iudez) o del segundo (tercer dia). Como adverbio solo se documenta primero que presenta una función de complemento circunstancial con un valor temporal (1) o como modificador oracional, cuando se establece una correlación con otros adverbios del mismo tipo mediante los que se manifiesta una sucesión de acontecimientos (2): 1) El corredor quel juez & los alcalldes pusieren, yure primero fjaldat en el cabildo delos alcaldes. (Fuero de Soria, 1196) 2) Dixo a ella Elyas: „Faz a my primero una torta, e despues faras a ti e a to fijo.“ (Anónimo, La fazienda de Ultramar, c. 1200)
Estos elementos léxicos se emplean para señalar el orden de los miembros de una serie desde las primeras documentaciones. Hay casos en los que son adjetivos que constituyen sintagmas con el núcleo sustantivo elidido, pero al que remiten anafóricamente y con el que mantienen la concordancia requerida 8; la ordenación se refiere a la descripción de las cosas, hechos, procedimientos a los que alude el sustantivo: 3) Rescibe daño el rey por cinco cosas: la primera es, fortaleza del tienpo, por non llover el un año en pos del otro; la segunda es, por mengua de aver e de condesijos en los sus almazenes; la tercera es, por usar mucho las mugeres e vino e caça e trebejo; la quarta es, en aver malas maneras e en ser torticero e de cruel pena; la quinta es, por aver muchos enemigos e muchos contrarios. (Anónimo, Bocados de oro, 1250)
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concepto amplio que operaría en dos planos: en el de la oración, para los fenómenos que tienen cabida en la concepción tradicional; en el del discurso, para los elementos que partiendo de funciones oracionales pasan a desempeñar un papel en la organización del discurso (Company 2004). Como la evolución lingüística está determinada no solo por la cronología, sino también por el tipo de texto, hemos examinado textos literarios, didáctico-doctrinales, jurídicos, científicos y técnicos. Aunque también se documentan ejemplos en los que no se mantiene la concordancia, a pesar de que el adjetivo funciona como modificador de un sustantivo anterior.
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Otro caso lo constituyen las construcciones en las que estas formas van precedidas por el neutro lo, donde ya se ha perdido la conexión con un sustantivo antecedente y se convierten en indicadores de una serie enumerativa que hace referencia a cada una de las partes que componen un conjunto: lo primero, lo segundo, lo tercero … La ordenación establecida puede referirse a los actos de enunciación, a los hechos o acontecimientos representados o, en un nivel de abstracción mayor, a los argumentos que se emplean para justificar una determinada conclusión: 4) E de aquel dia adelante que ellos este esfuerço e este atreuimiento toman en ti, eres aparçero e fazedor de todos sus males. Lo primero, porque non les deue dar este atrevimiento. Lo segundo, porque podiendo gelo escarmentar non gelo escarmientas. Lo terçero, que en tal de los correr e de los echar a mala ventura por el mal que fazen, el que mal quiere fazer acojelos a si e honrralos e fazeles algo e dales alas con que se atreuan a fazer peor. (Anónimo, Castigos e documentos para bien vivir ordenados por el rey Sancho IV, 1293)
En este empleo es posible establecer series correlativas en las que el primer correlato es un adverbio, primeramente, que introduce el primer miembro de una serie ordenada, que se corresponde con otros segmentos precedidos por ordinales. La equiparación entre la forma adverbial y el ordinal precedido de lo, como introductores de cada una de las partes, supone la consolidación de estas formas adverbiales para desempeñar funciones conectivas: 5) […] las cosas de que Moisén en estos cinco libros fabló que diz que vienen unas empós otras segund la orden de la natura en esta guisa: primeramientre la criança de las criaturas de como vinieron cadaúnas a seer por sus naturas; empós esto lo segundo, que fueron las creaturas e los fechos d’ellas puestas todas en estados coñocudos […]. (Alfonso X, General Estoria. Primera parte, c. 1275)
Cuando la sucesión de segmentos discursivos se configura como una serie aditiva, se combina el empleo del ordinal, que indica el primer miembro de una correlación (primero o lo primero), y el adverbio otrosí 9, que se emplea como conector para desempeñar la función de adición de nuevos miembros con una misma orientación; el mantenimiento de la continuidad temática se manifiesta en el paralelismo de la misma estructura sintáctica en los enunciados que conforman la serie y la repetición de algunas unidades léxicas, lo que contribuye, además, a asegurar la cohesión de toda la secuencia discursiva: 6) En pos la mano viene el ala, que es de oro, que sinifica estas cosas: lo primero, sinifica el angel que fue mensajero a la reyna quando sonno el suenno que desuso es dicho; otrosi significa que es parte de linage de los enperadores, que trayan
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Este conector es el más frecuente en los textos medievales para expresar adición; aunque en el siglo XIII, y ya ocasionalmente en el XIV, se documenta el adverbio de origen temporal desí que, en contextos en los que se indica una enumeración de hechos o una sucesión de las partes de un tema que se van a tratar, desempeña también la función de conector aditivo: […] daqui adelant departiremos las palabras de la prophecia. & primero el titulo della. dessi las otras razones que uienen empos el. (Alfonso X, General Estoria. Cuarta parte, c. 1280)
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María Pilar Garcés Gómez aguilas, et el ala es parte del aguila con que buela et puede sobir en alto. Otrosi es de oro, que significa grant poder et grant riqueza et gran auantaja de las otras gentes, asi commo el oro a grant avantaia de los otros metales. (Don Juan Manuel, Libro de las armas, p. 1335)
La evolución de estos elementos a la función de marcadores discursivos se produce en los contextos en los que primero, segundo … presentan la forma de adjetivos adverbializados, situados al margen de la predicación, con la adquisición de un nuevo significado de tipo relacional para indicar que la secuencia en la que se insertan configura una serie ordenada en partes que responden a un tema común. 7) De donde se recoligieron y tomaron dos santos y virtuosos propositos: primero, que la subçsesion destos reinos quedase en ellos de liña derecha, como esta sea fija legitima del serenisimo rey Don Iohan de gloriosa memoria, cuya anima Dios aya, en quien todos los titulos derechos destos reinos por amas partes fueron juntos; segundo, creyendo que por aqui, mediante la lealtad de los subditos y naturales, çesarian las diçensiones y males nudridos de las opiñones contrarias, porque los pobrezillos y menudos biviesen en paz. (Pero Guillén de Segovia, La Gaya ciencia, 1475)
A partir de finales del XV y principios del XVI se fijan las dos formaciones de series correlativas que se mantendrán posteriormente: los segmentos enumerativos lo primero … lo segundo, que forman sintagmas parcialmente gramaticalizados que conllevan la noción de conjunto indefinido, por la presencia del neutro lo, y las formas primero … segundo que, convertidas en marcadores de ordenación, indican una enumeración de los diversos miembros que componen una serie 10. Ambas se mantienen como series correlativas independientes, aunque, en algunos textos, también se documentan correlatos de cada uno de los tipos como, en el ejemplo siguiente, donde se emplea para ordenar los argumentos que sustentan una afirmación previa: 8) Digo que esta intención no escusa al médico: lo primero porque la misma razón se diría de una nómina falsa; segundo, porque no es lícito al buen christiano hazer cosa vana y abominable a Dios, por algún fin, aunque sea bueno […]. (Pedro Ciruelo, Reprobación de las supersticiones y hechicerías, 1538)
2.1.2. La serie en primer lugar / en segundo lugar En las primeras dataciones en las que encontramos un sintagma con el sustantivo lugar como núcleo, precedido de un ordinal y de la preposición en, se trata de un sintagma libre, con artículo o sin él, integrado en la estructura oracional y con
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Con menor frecuencia, la correlación primeramente … segundo / en segundo lugar … tercero / en tercer lugar se mantiene hasta los textos actuales. En esta serie no se establece una correspondencia formal con el primer correlato, ya que no se han desarrollado las formas *segundamente, *terceramente, lo que puede explicar su empleo menos habitual, dado que resulta más costoso para el interlocutor interpretar que se trata de elementos de una misma correlación.
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un significado espacial: indica la posición en la que se sitúa alguien o algo sin que se documenten correlaciones con sintagmas que podrían hacer referencia a otras posiciones establecidas según un orden determinado 11: 9) Sj el escriuano, porque es segundo en lugar del iudez e de los alcaldes por guiar la villa, por esto dezimos dél en segundo lugar. (Fuero de Béjar, 1290–1293) 10) Et pues en el primer lugar de las speras es la spera la qual de carrera et camino entro al termino de la spera de la luna. (J. Fernández de Heredia, De secreto secretorum, 1376–1396)
El proceso por el que estas formas se convierten en marcadores discursivos comienza con la desaparición del artículo y la incorporación de la preposición en como parte integrante del sintagma, convertido en fijo; además, experimenta un cambio por el que pasa del dominio proposicional al dominio textual y adquiere ya el valor significativo de hacer referencia a las distintas partes en las que se estructura la información y, según los contextos, al puesto preferente en el que se sitúa uno de los miembros en relación con los demás; en algunos casos, incluso, se muestra esa relación sin que aparezca explícito el segundo miembro de la serie que se presupone por las referencias contextuales: 11) „Señor, dadnos gobernador que sea cordero y señor“. Cordero para los pobres, señor para los ricos; cordero para los humildes, señor para los soberbios. Y cordero en primer lugar, porque siempre le tenga en sus obras la mansedumbre. (Fray Alonso de Cabrera, De las consideraciones sobre todos los evangelios de la Cuaresma, 1598)
La serie correlativa como tal comienza a desarrollarse tardíamente; hasta el siglo XVII no encontramos textos en los que esta serie muestre una ordenación de segmentos que representan distintos actos de habla en una serie discursiva en la que es posible interpretar una relación jerárquica entre ellos (12), o bien la ordenación de los contenidos de los segmentos en una serie enumerativa, en la que se nos dan informaciones sucesivas (13) 12 sin que se establezca un orden de prioridad: 12) La dilación, pues, de su batalla os pido consintáys en primer lugar; y en segundo, os ruego os retiréys quanto pudiéredes de las damas de mi casa y corte. (A. Fernández de Avellaneda, Don Quijote de la Mancha, 1614) 13) Concedida facultad para ordenarlo, se dispuso de esta suerte: en primer lugar, que habían de ser las damas las que novelasen (…); y en segundo, que los que refiriesen fuesen casos verdaderos, y que tuviesen nombre de desengaño (…). (María de Zayas y Sotomayor, Desengaños amorosos, 1647–1649) 11
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La datación de en primer lugar como sintagma preposicional en función de complemento circunstancial es posterior a la documentada para en segundo lugar; suponemos, sin embargo, que ambas han de emplearse en la misma época, a pesar de que no aparezcan ejemplos recogidos en los textos. Es común también que en primer lugar señale el tema del que se va a tratar al comienzo de una intervención al que seguirán otros posteriormente: Digamos, en primer lugar de los tahures casados. (F. Luque Fajardo, Fiel desengaño contra la ociosidad y los juegos, 1603)
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2.2. Marcadores que constituyen pares correlativos En los enunciados en los que la información se distribuye en dos subcomentarios de un mismo tema encontramos en los textos medievales el par correlativo lo uno … / lo al …, en coexistencia con la variante lo uno … / lo otro …, que se impone en los siglos posteriores coincidiendo con la progresiva desaparición de al (Porcar 2006): 14) Et tomaron a Theodamas por so obispo. lo uno por que era mas mancebo. & mas guisado pora soffrir el trauaio daquella dignitat. Lo al por que auie seydo sienpre disciplo de Amphiarao. (Alfonso X, General Estoria. Segunda parte, c. 1275) 15) Dixo el ximio: – Non digas así, que tú as fecho amas estas cosas a mí; que tú començaste a fazer por que só adebdado de te lo gualardonar: lo uno porque tú veniste primeramente a demandarme amor; lo otro porque yo era estraño en esta tierra, et aseguraste et feziste grant gasajado comigo por que perdí cuita et cuidado. (Anónimo, Calila e Dimna, 1251)
Las series correlativas de una parte … de otra, por una parte … por otra, de un lado … de otro, por un lado … por otro no surgen en la misma época ni evolucionan de la misma manera, aunque tienen un origen común: estructuras en las que estos elementos presentan un valor espacial. Las primeras documentaciones como marcadores discursivos las encontramos en textos del siglo XIII con ejemplos esporádicos de los correlatos de una parte … de otra; posterior es la aparición de por una parte … por otra, ya en el siglo XV; más tardía aún es la presencia de los otros dos tipos: por un lado… por otro, de un lado… de otro, de los que no aparecen muestras hasta finales del XVII y ya como construcción consolidada en el siglo XVIII. Analizaremos cómo surge cada uno de estos pares correlativos y cuál es su desarrollo hasta convertirse en marcadores discursivos. 2.2.1. Las series de una parte … de otra (parte); por una parte … por otra (parte) Las construcciones de una parte / de otra (parte) aparecen con su significado pleno en las primeras dataciones, donde presentan valores distintos, según el tipo de texto en el que se emplean; en textos de tipo jurídico 13, se refieren a los límites de una heredad cuando se marca un territorio, o a los que litigan en un pleito cuando se trata de un juicio (16); en textos históricos y literarios, si se utilizan en secuencias narrativas referidas a acciones que representan movimientos, señalan los distintos lugares por los que se realizan (17) y, si se trata de secuencias descriptivas, delimitan la actuación de cada una de las personas dentro de un conjunto (18): (16) […] nos quitamos de buena uoluntad de todo el derecho que nos auemos e deuemos a auer en la ecclesia de Sancta Marina de Tarilont, sobre la qual fu mouida contienda un tiempo entre nos deuandichos don Guilen e mie mulier, 13
En los primeros documentos, combinando formas romances y latinas: aladannos: de una parte Sancta Coloma, & de alia parte Sancia Aluarez. (Anónimo, Cambio de propiedades [Documentos del Reino de Castilla], 1231)
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dona Marina Fernandez e nuestros fijos, de una parte, e el arcidiagano don Fernando Garcia de Leon, del otra […]. (Anónimo, Carta de renuncia, 1234) (17) […] tanto corrió e tanto andó de una parte e de otra, que llegó a casa de Guillem de Duel. (Anónimo, Cuento muy fermoso de Otas de Roma, 1300–1325) (18) Grant duelo fué fecho enel palaçio, de una parte por el enperador, dela otra parte por su fija. (Anónimo, Cuento muy fermoso de Otas de Roma, 1300–1325)
La serie correlativa por una parte / por otra se documenta principalmente en textos históricos y literarios con una referencia espacial y no se recoge en textos de tipo jurídico: (19) Et ell emperador fuese dalli. pora sant Jerman. & entrando enla villa. por una parte la hueste del papa. salio por la otra. (Anónimo, Gran Conquista de Ultramar, 1293)
El paso a la función de marcadores discursivos supone un cambio semántico en el sintagma originario: de diferenciar las partes en un espacio determinado se ha pasado a la delimitación de partes en el discurso, lo que implica cambios formales que responden a las características señaladas en cuanto a invariabilidad, posición, autonomía y alcance estructural. En las primeras documentaciones, el empleo de estos marcadores está asociado a contextos en los que se establece un contraste o una oposición entre los miembros enlazados, ya que el hablante pretende expresar que se trata de dos partes diferenciadas que responden a una misma cuestión; de este modo, son frecuentes las estructuras en las que los contenidos proposicionales de los miembros conectados se presentan como contrarios: temer al enemigo / necesitar aliarse con él (20) en respuesta a la pregunta ¿qué duda se plantea?; mostrarse riguroso / tener compasión (21) en relación con la actuación del juez; negar que tiene cuitas / dar a entender que las tiene (22) si se cuestiona la situación amorosa de un personaje: (20) Et yo agora estó en muy grand duda de este fecho, ca de una parte me temo mucho que aquel mi enemigo me querría engañar […]. De otra parte, entiendo que si non fuéremos amigos, assí commo me lo envía rogar, que nos puede venir muy grand daño por la manera que vos ya dixe. (Don Juan Manuel, El Conde Lucanor, 1325–1335) (21) E bendicho es el juez que de una parte se muestra rrigoroso, mostrando justicia, e de otra parte ha conpassión. (San Vicente Ferrer, Sermones, 1411–1412) (22) […] por una parte me lo negó y por otra me dio a entender que no sería su cuita por ál sino por alguna que amasse […]. (Garci Rodríguez de Montalvo, Amadís de Gaula, libros I y II, 1482–1492)
Se ha señalado que este contraste, habitual en las primeras dataciones, podría explicarse por una distribución complementaria de las funciones de los pares correlativos lo uno … lo ál / lo otro, caracterizado por enlazar miembros con la misma orientación, y de una parte / de otra (parte), específico para señalar contraste u oposición entre los miembros concatenados; se añade que esta distribución de funciones se mantiene, al menos, hasta finales del siglo XIV (Porcar 2006). Sin
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embargo, este mismo proceso se manifiesta en la evolución de los demás pares correlativos: en las primeras apariciones presentan un valor de contraste u oposición y posteriormente amplían su significado para señalar dos aspectos de un mismo tema. Este fenómeno se da tanto en la serie por una parte… por otra, documentada en el XV, como en las correlaciones de un lado … de otro, por un lado … por otro, surgidas a partir del siglo XVII. En cuanto a la correlación lo uno … lo otro, se mantiene hasta los textos actuales, pero su empleo no se especializa para marcar dos aspectos de un mismo tema, sino que señala una sucesión de miembros con una misma orientación, especialmente cuando se trata de dar argumentos para apoyar una determinada idea 14. Por tanto, cabría pensar que se trata de dos correlaciones que evolucionan de modo independiente. El contraste que manifiestan los pares correlativos de una parte … de otra (parte) y similares, en las primeras etapas en las que estos sintagmas comienzan su desarrollo como marcadores, se explica por los contenidos de los respectivos enunciados concatenados y por los contextos en los que aparecen. El proceso de evolución posterior hasta llegar a su configuración actual supone la ampliación de su empleo a contextos en los que ya no solo se manifiesta contraste u oposición sino que también es posible referirse a dos partes con una misma orientación; de este modo, el tipo de relación establecido se indica a través del conector que enlaza los dos miembros y que se antepone al segundo: y o similares, si se establecen relaciones de coorientación; pero u otros semejantes, si se indica que se suprime alguna conclusión que se pudiera derivar del precedente. (23) Si tomaras trabajo de venir quando yo te embié a llamar, soy cierto que por una parte sintieras mucho plazer de ver la grandeza de riquezas que yo tray´a de Asia y ver el recibimiento que a mí me hazían en Roma, pero por otra parte no pudieras contener las lágrimas de ver tantos géneros de gentes captivas […]. (Fray Antonio de Guevara, Reloj de príncipes, 1529–1531) (24) En estos tiempos no se descuidaba la Santa Madre de los negocios, por una parte, importunando a Dios con oraciones y lágrimas, y como si El a solas lo hobiera de hacer todo, y por otra parte puso a todos los medios posibles de prudencia humana, como si por sola su diligencia se hobiera de alcanzar victoria. (D. de Yepes, Relación de la vida y libros de la M. Teresa, 1588)
2.2.2. Las series de un lado / de otro (lado), por un lado / por otro (lado) Aunque, como hemos señalado, estos pares correlativos tienen una aparición posterior, el proceso de evolución es similar al de las series precedentes. Las construcciones conservadoras en las que estos sintagmas funcionan en el marco de la oración como complementos circunstanciales con un significado pleno se documentan antes; las que presentan una función innovadora como marcadores dis-
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Este es el significado que se recoge en ejemplos recientes: „Se negó a hacerlo, lo uno, por cobardía, y lo otro, por pereza.“ (M. Seco/O. Andrés/G. Ramos (1999): Diccionario del español actual, Madrid, vol. 2, 4458, s. v. uno)
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cursivos son posteriores; ambas se mantienen hasta los textos actuales. Las diferencias entre ellas vienen dadas por los distintos tipos de textos o de secuencias discursivas en las que aparecen. Los casos en los que mantienen una referencia espacial se muestran en los textos literarios, históricos o didácticos, referidos a personas, para aludir a una parte del cuerpo en oposición a otra, o a lugares, para indicar sitios distintos, opuestos o contrastados: (25) Diciendo esto, se vinieron contra el Caballero del Sol, el uno por un lado y el otro por el otro. (P. Hernández de Villaumbrales, Peregrinación de la vida del hombre, 1552) (26) El caballero de Yrlanda, myentra el de las damas hablava, mordyase los beços; […]; bolvyase de un lado y de otro. (Anónimo, La corónica de Adramón, c. 1492)
La función innovadora como marcador del discurso la encontramos en textos del XVII; del mismo modo que en el caso anterior, se produce un cambio semántico por el que de una delimitación o contraste en el espacio físico se pasa al nivel discursivo, en el que se señalan dos aspectos diferenciados de un tema común que se presentan, además, sustentados por dos interlocutores distintos (27) para evolucionar posteriormente a la expresión de dos aspectos de un mismo tema independientemente de la relación establecida entre los miembros enlazados, que vendrá determinada por conjunciones o conectores específicos (28): (27) […] y uno, por un lado, dispertando lo pasado de Roma y el otro, por otro, dispertando lo porvenir y yo en medio combatido. (San Juan Bautista de la Concepción, Memoria de los orígenes en la descalcez trinitaria, c. 1607) (28) El comercio por un lado hace ricos a los vasallos y al erario, y por otro une los ánimos de éstos por su propio interés para mantener aquella forma de gobierno que hace florecer su comercio […]. (Pedro Rodríguez Campomanes, Bosquejo de política económica española, c. 1750)
Según hemos comprobado, los primeros pares correlativos documentados son los constituidos con el sustantivo parte: de una parte / de otra y, posteriormente, por una parte / por otra. ¿Cómo se explica que sean estas las primeras correlaciones que adquieren el valor discursivo de indicar que una secuencia se estructura en informaciones consideradas como subcomentarios de un mismo tópico? Y ¿por qué primero con la preposición de y después con la preposición por? La explicación viene dada por la mayor frecuencia de la combinación de una parte / de otra en los primeros siglos para hacer referencia a los límites dentro de un espacio determinado, especialmente en textos jurídicos, y con valor más general para diferenciar lugares, grupos de personas o apartados de una obra en otros tipos de textos. Se produce, por tanto, el paso de la referencia al espacio físico, expresado por el contenido de estas construcciones, al dominio textual en el que se organizan las partes en las que se manifiesta una idea, en las que se fragmenta una información, en las que se muestra una argumentación o en las que se divide un acto de enunciación. La correspondiente estructura por una parte / por otra no se documenta hasta fechas posteriores, asociada a textos históricos, literarios, didácticos, pero con
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escasa presencia en textos jurídicos; este hecho podría explicar que el peso de la tradición de este tipo de textos se convierta en la vía de extensión de la correlación de una parte … de otra (parte) en las primeras épocas sobre la estructura por una parte … por otra; a partir del XVI la frecuencia de los dos pares correlativos se iguala y se diferencian únicamente por la preferencia de uno u otro en determinados tipos de textos: de una parte / de otra es más frecuente en los textos históricos y de tipo científico y por una parte / por otra en los literarios, religiosos y didácticos; posteriormente, ya a partir del siglo XVIII, este par correlativo amplía su aparición a textos de todo tipo y aumenta su frecuencia hasta convertirse en la forma más empleada en la época actual. Las correlaciones de un lado / de otro, por un lado / por otro no se documentan hasta finales del XVII como marcadores discursivos. ¿Por qué no adquieren esta función hasta una época tardía? Cabe considerar que el lexema parte tiene un valor léxico referencial de indicar cada una de las porciones en las que se divide un todo; en construcciones en las que va precedido por la preposición de y, posteriormente, en combinaciones con por, había adquirido, ya desde los primeros documentos, una función innovadora como marcador discursivo mediante un cambio semántico por el que se había especializado en indicar cada uno de los aspectos desde los que se podía tratar un tema. La unidad léxica lado tenía una referencia más concreta a las partes de un cuerpo o de un objeto, o a las partes de algo situadas cerca de sus extremos o a alguna de las partes que limitan un todo. Cuando esta forma se hace equiparable a la anterior para designar cada una de las partes que componen un conjunto, en los casos en los que va precedida de las preposiciones por o de, desarrolla análogamente la función de marcador discursivo, lo que supone el reanálisis de la construcción y las modificaciones que ello implica; este cambio paralelo al anterior se sustenta, además, en el hecho de que en ambos casos se mantienen las construcciones conservadoras como sintagmas preposicionales con significado pleno en función de complementos circunstanciales, junto con las estructuras innovadoras como marcadores discursivos. 2.2.3. Construcciones sin un primer correlato Las primeras dataciones de estos sintagmas son las formadas por el sustantivo parte: de otra parte, por otra parte y no encontramos ejemplos de formaciones con el sustantivo lado: de otro lado, por otro lado, hasta fechas posteriores. Partimos también de sintagmas con significado espacial que, según los contextos en los que aparecen, presentan distintos valores: indican lugar de procedencia cuando se alude al origen de alguien o de algo (venir de otra parte, ser de otra parte); con verbos de movimiento, señalan el lugar por el que este se realiza (entrar, ir, pasar por otra parte); con verbos de entendimiento, se muestra que este se adquiere por otro conducto distinto al que se considera habitual (saber por otra parte). De otra parte es la forma que manifiesta la función de marcador en fecha más temprana, ya que encontramos ejemplos de este empleo, aunque esporádicos, en los siglos XIII y XIV; son más frecuentes a partir del XV, cuando por otra parte
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comienza a desempeñar también esta función. En ambos casos muestran los cambios necesarios para pasar de sintagmas preposicionales, con una determinada función en el marco de la estructura oracional, a marcadores discursivos, con un ámbito que excede los límites oracionales. En esta nueva función se caracterizan por configurar dos subcomentarios que responden a un mismo tópico, en los que el primero no aparece marcado por ningún elemento específico: (29) […] esto podemos entender quanto nuze la ljsonja a los que la creen & de otra parte quanto aprouecha la verdat. (Pedro Gómez Barroso, Libro de consejo y del consejero, 1293) (30) Bretaña, como supo que el rey de Francia venía a destruyr a su hermano, embióle a suplicar que no lo hiziesse; e por otra parte embió mucha gente a su hermano y mucho bastecimiento y cosas necesarias para la defensa del castillo. (Anónimo, Traducción de Tirante el Blanco, 1511)
A diferencia de su empleo en una serie de pares correlativos explícitos, donde enlazan miembros que contrastan o que se oponen, especialmente en las primeras dataciones, estas formas se caracterizan por unir segmentos que presentan la misma orientación, si van yuxtapuestos o el miembro introducido por este marcador va precedido por el conector y, o con una orientación contraria a la que se desprende de lo expresado en el miembro precedente, si se antepone pero o mas: (31) E por esso hauemos escrito a algunos del dicho reyno de Navarra para que manden servar la dicha hermandat; y de otra parte hauemos proueido a la seguridat dessas fronteras, por las quales cosas es neccessario. (Anónimo, Cartas de don Fernando, 1479) (32) Ca si el malfechor meresçe la muerte, mérito gana el juez en dárgela, mas de otra parte deve de aver conpassión diziendo: – „Amigo, perdóname, ca justiçia me lo faze fazer“. (San Vicente Ferrer, Sermones, 1411–1412)
Los marcadores constituidos por el sustantivo lado se documentan con posterioridad; los primeros ejemplos son los conservadores, con mantenimiento del significado léxico de carácter espacial (volver de otro lado), y no presentan un empleo innovador como marcadores discursivos hasta comienzos del siglo XVIII; con esta función muestran los valores señalados para las formas anteriores: se configuran como la segunda parte de un comentario sin un primer correlato, pero el paralelismo en la estructura sintáctica y la consideración de que se trata de dos aspectos de un mismo tema permite incluirlos dentro de esta función: (33) […] si notásemos la ley, guiando como por la mano al ciudadano, y la prudencia de otro lado advirtiéndole para que desconfie y se resguarde […], clamemos tambien sobre estos gravísimos objetos. (Juan Meléndez Valdés, Discursos forenses, 1791–1809)
Estos marcadores han desarrollado un valor diferente cuando no forman serie con un miembro anterior; en este caso, estructuran informativamente el discurso marcando la transición entre cada una de sus partes. Esa transición se da entre comentarios que responden a tópicos distintos que se refieren a dos informaciones diversas, pero que están relacionados. La diferencia es manifiesta cuando conectan
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actos de habla diferentes, como en el ejemplo siguiente (34), donde el miembro precedente expresa una petición y el introducido por el marcador, una determinada afirmación: (34) – Señor, que me dexés ir con vos en esta carrera por que no vais solo. E de otra parte, yo sé bien que no avéis gana de bolver tan aína a esta tierra, por que os sería mal e peligro de os ir solo e sin escudero. (Anónimo, El baladro del sabio Merlín con sus profecías, 1400–1498)
Como hemos visto en el caso de los pares correlativos, las primeras documentaciones son las formadas por el sustantivo parte: de otra parte, por otra parte, a las que se suman posteriormente de otro lado, por otro lado. De igual modo, mantienen empleos como sintagmas preposicionales con función de complementos circunstanciales con referencia espacial y asumen la función de marcadores que, desde las primeras dataciones, presentan los valores que mantendrán posteriormente: segunda parte de un comentario a un tema común sin un primer correlato expreso y valor de indicar que se produce el paso a un tópico distinto. 2.3. Marcadores de cierre Los marcadores de cierre de una serie discursiva se constituyen con elementos que presentan esta base léxica en alguno de sus componentes: las formas medievales en cabo, al cabo 15, sustituidas por la construcción al (a la) fin, que se documenta ya en textos del XIV y se emplea de modo habitual en el siglo siguiente para indicar el cierre, resultado o culminación de un proceso previo ordenado secuencialmente en el tiempo: (35) “Sy un pan que di a un pobre contra mi voluntad tanto me pudo aprovechar, mucho mas me aprovecharia si todo quanto tengo diese a los pobres.“ E asi vendio quantos bienes tenia e dio a los pobres, e a la fin fizosse vender por treynta dineros de oro e diolos a los pobres. (C. Sánchez de Verdial, Libro de los exemplos por A.B.C., c. 1400 – c. 1421)
Las formas que actualmente constituyen el sistema de marcadores de cierre de una serie en el discurso surgen en diferentes épocas. Ya en el siglo XIII encontramos ejemplos de finalmente, en fin y por fin con significado pleno; su empleo como marcadores discursivos es posterior y no se consolida hasta el siglo XVI, época en la que aparece por último y, con documentación más tardía, en último lugar 16. A continuación, analizaremos el proceso evolutivo de cada uno de estos marcadores. 15
Los ejemplos nos muestran que ambos presentan un mismo valor: cierre de una secuencia temporal que se convierte, a su vez, en cierre de una serie discursiva: […] salieron pora yr uuscar tierra do uisquiessen. & andidieron luengo tiempo. & por muchas uenturas. & al cabo arribaron a Jthalia. (Alfonso X, General Estoria. Cuarta parte, c. 1280) E vivién ellos d’antes de leche de sos ganados. Mas de guisa los arrequexó él e los apremió porquel non quisieron recebir que les fizo comer non tan solamientre la leche de los ganados, mas vevir de sangre de omnes; e en cabo venciólos e domólos, de guisa que los tornó suyos por fuerça. (Alfonso X, General Estoria. Primera parte, c. 1275)
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En la serie primero … segundo no se ha creado por analogía un adjetivo adverbializado *último que señale el último segmento de una serie; mientras que la correlación en primer lugar … en segundo lugar muestra una forma analógica para indicarlo: en último lugar.
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2.3.1. Finalmente La función de finalmente en las primeras dataciones es la de cierre de una secuencia temporal en la que se relata una serie de acontecimientos y el segmento precedido por este marcador señala el último de ellos: (36) […] pero por quanto el deseaua con todas sus fuerças desheredar el monesterio, fue rraçonable que de la propia casa fuese despojado, e en la sobredicha casa de la sacristania luengamente, por mandado del rrey, fuese encarçelado, e ay en ella, a mayor su denuesto e vituperio, finalmente fuese enforcado […]. (Anónimo, Crónica de Sahagún, c. 1255)
A partir del valor de cierre se puede pasar a indicar el resultado lógico o esperable de una serie de sucesos referidos previamente; este valor se muestra en contextos en los que se pone de relieve la fase final del proceso como resultado de un planteamiento anterior en el que existían varias alternativas y se elige una de ellas (37) o en aquellos en los que aparecen señaladas las fases previas que conducen al resultado final (38): (37) E fueles presentado un omne muy malo, e los seys sabios dieron sentençia que muriese e los otros seys dieron sentençia que lo soltasen. E como fuesen ygualmente partidos, finalmente judgaron que non devía morir nin ser condepnado. (Anónimo, Tratado de la Comunidad, 1370) (38) E luego el governador le començó de tormentar, e dixo el hermitaño cosas endiabladas de lo que fazía en Valençia asy´ con sus malas artes; cómo porfiase, en su ficta santidad, las gentes. Suma: que finalmente fue sentençiado al fuego, e asy´ fue quemado. (A. Martínez de Toledo, Arcipreste de Talavera (Corbacho), 1438)
Si no se trata de una sucesión temporal, finalmente señala el orden relativo que ocupa el segmento en el que se inserta en relación con los que le preceden en el discurso; se muestra una ordenación de tipo espacial que responde al orden de sucesión lineal determinado por el propio texto: (39) En los confines de Italia, hacia poniente, región harto deleitable y poblada de villas y lugares, habitaba un excelente y famosísimo marqués, que se decía Valtero, hombre de gentil y agradable disposición, y de grandes fuerzas, puesto en la flor de su mocedad, no menos noble en virtudes que en linaje. Era, finalmente, en todo muy acatado, salvo que, contentándose con sólo lo presente, era en extremo descuidado en mirar por lo venidero. (Juan de Timoneda, El Patrañuelo, 1566)
Cuando el hablante presenta el desarrollo de los hechos según un orden subjetivo, que va de lo particular a lo general o de lo más concreto a lo más abstracto, el segmento precedido por finalmente introduce una conclusión general que se desprende de lo expresado en los segmentos previos17. Esa conclusión puede ser extraída 17
Como señala S. de Covarrubias, Tesoro de la Lengua Castellana o Española (1611) ed. de Martín de Riquer, Barcelona, Horta, 1943: „Finalmente es término para concluyr con el razonamiento“ (s. v. fin).
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de las ideas expuestas o de la relación de una serie de hechos particulares de los que se deriva uno de carácter más general: (40) Por ti, ¡ay!, perdí mi coraçón y cobré mi muerte; perdí mi bien y cobré mi pena y desventura; perdí mi honra y cobré mi infamia; finalmente, perdí el ser señora y cobré perpetuo captiverio. (P. de la Sierra, Espejo de príncipes y caballeros, segunda parte, 1580)
2.3.2. En fin En las primeras documentaciones, en fin se presenta como un sintagma preposicional, con función de complemento circunstancial, para indicar el punto en el que se acaba algo en el espacio o en el tiempo, como nos muestran los siguientes ejemplos en los que el sustantivo fin mantiene su valor léxico pleno y lleva complementos que determinan la referencia del sintagma: (41) […] rogue a aquellos escrivanos publicos de Toledo que escrivieran sus nombres en fin desta carta. (Anónimo, Aprobación de donación, 1279) (42) […] e las faltas vengan luego todas a manos del mayordomo e él las parta en fin de cada mes d’esta guisa […]. (Anónimo, Estatuto del cabildo de Ávila, 1256)
Su empleo en este tipo de estructuras se mantendrá hasta el siglo XVII. A partir del XVI comienza a desarrollar su función de marcador discursivo experimentando los cambios que esa evolución requiere; en contraste con otras formas, el paso a la función de marcador discursivo supone la progresiva desaparición del sintagma preposicional originario, que no se mantiene con su valor léxico, función en la que es sustituido por las combinaciones al fin o al final. En las primeras documentaciones, en fin se muestra como marca de cierre temporal que pone de relieve el carácter resultativo del final del proceso. Este valor coincide con el que finalmente presenta desde los textos medievales hasta la actualidad; la forma en fin, en cambio, muestra este valor hasta los documentos fechados en el siglo XVI y, posteriormente, va perdiéndose hasta quedar limitado a construcciones esporádicas. Como en el caso de finalmente, el valor resultativo viene determinado por los contextos en los que se emplea: cuando acompaña a verbos que ponen énfasis en la fase terminal del evento (morir, sentenciar), con verbos de tipo psicológico que suponen una fase previa de meditación o duda (decidirse, comprobar) o cuando en el miembro anterior se indica la existencia de un proceso previo con una serie de problemas o dificultades para llegar a un final determinado: (43) Sobre lo qual contendieron largamente. Mas en fin acordaron a que su quistión se viesse por árbitros e juezes de yguala e composición. (Anónimo, Vida de Hisopo, 1520)
En su empleo como ordenador discursivo, introduce el último segmento de una serie que puede venir indicada por la presencia de otros marcadores que señalan el puesto ocupado por cada uno de los miembros dentro de la sucesión y que aseguran, además, la continuidad temática:
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(44) Primeramente, ¿por qué, siendo assí que naturalmente suele dicho humor engendrarse en todos los hombres y mugeres, y nascer de la crápula y demasiados y mal cozidos manjares, que por la evaporación suben del estómago al celebro (como está dicho), reyna mucho más en los hombres, que de suyo son calientes y secos y por maravilla en las mugeres, siendo frías y húmedas? ¿Por qué más en tierras frías y húmedas que en las calientes y templadas? […] Y, en fin ¿por qué no es contagioso este mal, como el francés y otros, siendo hereditario y que suele passar de padres a hijos? (B. Gómez Miedes, Enchiridion, 1589)
Junto a este valor de cierre de serie discursiva, se configura ya el que se impondrá en textos posteriores y se convertirá en prioritario sobre todos los demás: el valor de reformulación. Este empleo supone que el hablante considera que la formulación elegida para manifestar algo no expresa de una manera adecuada lo que pretende transmitir y por ello vuelve a formularlo de un modo distinto. Esa vuelta a lo precedente puede suponer, por tanto, una conclusión, mediante una generalización o un resumen de lo expresado anteriormente; una explicación del contenido significativo o del sentido implícito de un segmento previo; o la limitación o cancelación de su relevancia. Ejemplificaremos cada uno de estos valores que comienzan a desarrollarse a partir del siglo XVI y que se mantienen en la actualidad. La conclusión que cierra el discurso puede ser de tipo generalizador si no se sitúa en el mismo nivel que los segmentos precedentes, sino que supone el paso de describir los hechos concretos a extraer una generalización abarcadora de todos ellos en un nivel superior de abstracción (45), o puede tratarse de un resumen que condensa en el último miembro las reflexiones manifestadas en los segmentos anteriores (46): (45) No creas que no tenga él [el marido] también sus repelones en la condición, como los otros hombres. Si que no es ángel del cielo, pero yo cuando le veo enojado, cállole, y cuando alegre, alégrole más. Mido en fin mi vida según el tiempo y lugar. (Pedro de Luján, Coloquios matrimoniales, 1550) (46) Porque si en el campo se passava mal con los fríos y aguas, en la ciudad no lo passarían mejor con la hambre, ni tendrían menos sino más miserias y enfermedades, que en fin como dizen, los duelos con pan son buenos […]. (D. de Torres, Relación del origen y suceso de los Xarifes, 1575)
La explicación de lo expresado previamente puede ser una definición o una precisión de un término anterior o de un concepto, cuyo significado no se considera conocido o fácilmente accesible por el hablante, o bien una aclaración del sentido que se quiere trasmitir con la intención de guiar al interlocutor en las inferencias que ha de extraer de lo señalado previamente: (47) En el mar Océano, en ciertos parajes no hay esperar otro viento; ya se sabe que el que corre ha de correr más o menos; en fin, el que es bueno para ir no es para volver […]. (José de Acosta, Historia natural y moral de las Indias, 1590)
La vuelta a lo anterior supone, en algunos casos, la eliminación parcial o total de pertinencia de lo expresado previamente; en este aspecto, se indica al interlocutor que la información mencionada antes carece de relevancia o que no se va a continuar con ese tema. La función principal de en fin, en estos casos, es la de restringir
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la validez de una formulación precedente o la importancia de un hecho mencionado anteriormente en el discurso, con la intención de introducir una nueva formulación que se considera más adecuada que la primera, o de considerar que ya no es relevante porque no responde a la intención comunicativa del emisor o porque sus expectativas no se han cumplido. La retirada o cancelación de una información da paso a otra que presenta un mayor grado de pertinencia; este valor se da con frecuencia en los casos en los que el marcador en fin va precedido por el conector pero, que refuerza la contraposición establecida entre los miembros concatenados indicando que el último es más pertinente que el anterior. En el ejemplo siguiente, se cancela la importancia de la objeción señalada en el primer miembro y se introduce un nuevo punto de vista que se considera más adecuado para la realización de un determinado hecho: (48) Aunque en la verdad esta mi obra tiene entre sí contradición porque, procurando de enojar con ello a Gución, recibo dolor por lo que penará a su muger. Pero en fin, hágolo porque sienta esta señora el dolor de su casamiento […]. (Fernando Bernal, Floriseo, 1516)
La pertinencia puede quedar limitada o anulada cuando hay un cambio de tema o la introducción de un nuevo tópico en el discurso; este empleo es frecuente en los textos dialogados para indicar que no se va a seguir con el tema de la conversación planteado por otro interlocutor, sino que se pasa a uno distinto, que se ha convertido en centro de atención para el hablante: (49) Quincia. – […] Y en esto tornó a passar Felides y tornó a la burla de los requebrados, y dio tu amo un gran sospiro. Pandulfo. – ¡Ah, váleme Dios! Todo quedaría por él con esse sospiro. Mas en fin, ¿qué me dizes, amores, que la carta la leyó Polandria? (F. de Silva, Segunda Celestina, 1534)
Si la eliminación de la relevancia de lo anterior supone que las expectativas del hablante no se han cumplido y que, por tanto, este acepta el desarrollo de los acontecimientos, surge el valor de resignación18: (50) – ¿Cómo le ha de esperar – dijo Erastro –, si mañana se desposa Daranio con la pastora Silveria, con quien él pensaba casarse? Pero en fin, han podido más con los padres de Silveria las riquezas de Daranio, que las habilidades de Mireno. (M. de Cervantes, La Galatea, 1585)
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Un valor también relacionado con la modalidad es el que presenta cuando se manifiesta como una muestra de alivio después de una larga espera: Llegó, en fin, el día del regocijo […]. (Juan Rufo, Las seiscientas apotegmas, 1596)
Este valor, coincidente con el que caracterizará a por fin, solo se documenta en textos del XVI; más tarde, desaparece y solo se mantiene el valor modal de referir a las expectativas que no se cumplen.
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2.3.3. Por fin En las primeras documentaciones aparece como sintagma preposicional para indicar el fin de un acontecimiento, o bien la finalidad de un hecho, donde mantiene su significado pleno: (51) E ellas avién aprendido que el mundo se avié a acabar por fin de fuego. (Alfonso X, General Estoria, c. 1275) (52) Ca la ciudad, que toma por fin de enseñorear a otras y conquistarlas […]. (Fray Hernando de Talavera, Católica impugnación, 1487)
El paso a la función de marcador discursivo lo constituyen los contextos en los que señala el suceso que pone término a una serie de acontecimientos anteriores y que tiene alcance no solo sobre el punto final sino sobre toda la trayectoria del proceso temporal previo: (53) El cual dicho año 870 levantaron, por fin, caudillo a don Zuría, con las condiciones que se hallan en los Fueros viejos. (Andrés de Poza, De la antigua lengua, poblaciones y comarcas de las Españas, 1587)
Ambos valores se mantienen en los enunciados que permiten una interpretación doble: la finalidad con la que se realiza un determinado acto de habla y, además, el cierre de una sucesión. (54) Yo he llegado al fin de mi entretenido Sarao; y por fin pido a las damas que se reporten en los atrevimientos si quieren ser estimadas de los hombres. (María de Zayas y Sotomayor, Desengaños amorosos, 1647–1649)
A partir de ahí, su función de cierre discursivo que, en ocasiones, responde al desarrollo temporal de los acontecimientos, se convertirá en relevante, mientras que el sintagma originario irá perdiendo su significado pleno hasta la desaparición: (55) Su método de tratar esta materia debería ser imitado. Hace primero el escrutinio botánico, luego la análisis chímica, después pasa á sus virtudes en ciertas enfermedades, y por fin indica sus usos económicos. (Anónimo, Extractos de las Juntas Generales, 1793)
Este marcador coincide con los anteriores en presentar un valor deíctico anafórico de hacer referencia a los sucesos precedentes e introducir el último de la serie, pero se diferencia por añadir un valor de expectación mediante el que se indica que hubo algunas dificultades hasta lograr que el acontecimiento final se realizase: (56) Por más que el Duque de Arcos, capitán de cuartel, y otros procuraron calmarlos, el furor aumentaba, y sobre todo contra las walonas, y por fin, a eso de las cinco de la tarde, se vio precisado el Rey a salir al balcón grande del centro de Palacio y permitir entrasen unos cuantos a la plaza para hablarle y pedir lo que deseaban. (Conde de Fernán Núñez, Vida de Carlos III, 1790)
Cuando ese valor de expectación se convierte en relevante, ya no funciona como marcador discursivo, sino que se convierte en un operador 19 que señala la satisfac19
Los operadores discursivos se caracterizan por limitar su alcance al enunciado en el que
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ción del emisor ante el fin de una situación que no era deseada y se esperaba que acabase. (57) Señor: Ya por fin estoy contento de haber hecho este pie de letras humanas en estos seis libros […] (M. Díez, Carta a Rodríguez Campomanes, 1773)
2.3.4. Por último Las primeras documentaciones de esta forma las hallamos en construcciones preposicionales donde aparece modificando a sustantivos que indican una finalidad; se trata de sintagmas en los que los componentes mantienen su significado referencial y en los que se señala el objetivo que se trata de conseguir o al que se dirige una acción. (58) […] nin deue tener por último fin aquello que es ordenado. (R. Sánchez de Arévalo, Vergel de los príncipes, 1454–1457)
De su aparición en construcciones en las que está relacionado con una determinada finalidad surge su empleo como cierre de una serie discursiva vinculado a contextos en los que designa el segmento que pone fin a una relación de hechos o acontecimientos o que señala el último acto de habla realizado. En el primer caso (59), introduce el segmento que cierra una enumeración de acontecimientos que se exponen a través de miembros con una estructura semejante; en el segundo (60), se trata de una sucesión de actos de enunciación expresados mediante verbos que indican el tipo de acto de habla realizado. (59) Se compromete el convento a entregar a doña Beatriz todos los bienes muebles que fueron de doña Juana, más los de ese quinto a que creía tener derecho; por último, en una diferencia habida sobre cierta cédula de 940 ducados y 1.076 reales, se avienen a que sean 500 ducados para doña Beatriz y los restantes para el convento. (Anónimo, Concordia Beatriz de Valencia, 1528) (60) Mi estado os he dicho, mi atrevimiento también; por último os pido perdón, disculpando amor y vuestra divina beldad. (A. Castillo de Solórzano, La garduña de Sevilla, 1642)
Cuando se hace referencia a la dimensión temporal de los acontecimientos, al valor de cierre señalado por el marcador se puede añadir un aspecto resultativo; no se trata únicamente de que en una secuencia discursiva uno de los elementos ocupe el lugar final, sino también de que el elemento que cierra posee un valor culminativo en relación con un proceso o serie de acciones previas. Este valor es frecuente en contextos en los que este marcador va precedido del conector pero, donde se indica que la consecuencia esperable del miembro anterior queda anulada por la derivada del segmento en el que se inserta este elemento: (61) [los malayos] se vengaron de los Españoles y portugueses quitando a casi todos las vidas y quemando los alojamientos y embarcaciones, menos la de Juan de Mendoza que se escapó con el Padre Fr. Juan de Maldonado y otros españoles, se insertan sin relacionarlo con otro u otros anteriores, aunque pueden modificar la continuación del discurso.
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habiéndose quedado en tierra un religioso Francisco y cinco indios de Manila, a quienes amparó el Rey. Pero, por último, los malayos acabaron con ellos. (Fray Gaspar de San Agustín, Conquistas de las Islas Filipinas, 1698)
2.3.5. En último lugar El empleo de en último lugar aparece en las primeras dataciones para referirse a la parte del espacio físico que ocupa algo o alguien, al orden de prioridad que se establece entre las personas o entre los acontecimientos, al lugar que ocupa un hecho o acontecimiento en una sucesión temporal o, en un plano conceptual, al orden en el que se expresan las ideas o a la prioridad que se establece entre ellas: (62) En nuestra España, allende de la lengua hebrea y general del mundo, luego entró la vascongada como puramente babilónica, y en tercer lugar entró la lengua griega, y en cuarto la fenicia, en quinto la africana, en sexto la romana y en séptimo lugar se nos pegaron algunos vocablos góticos; en último lugar los árabes naturalizaron la suya hasta las montañas. (Andrés de Poza, De la antigua lengua, poblaciones y comarcas de las Españas, 1587)
A partir de estos empleos pasa a indicar el cierre establecido por el miembro en el que aparece este marcador y a formar parte de los ordenadores que señalan las partes de una secuencia discursiva; con este valor puede ser sustituido por el marcador por último cuando se refiere a una ordenación de los hechos narrados o descritos o cuando se trata de una sucesión de actos de habla. No son sustituibles, en cambio, cuando en último lugar establece un orden jerárquico entre una serie de argumentos que conducen a una determinada conclusión; aunque con esta función no aparecen ejemplos hasta la época actual, según los datos que nos proporciona el CORDE, es muy probable que la datación de este empleo sea anterior: (63) Los había nombrado, primero, porque no estaba bien que absolutamente todos sus componentes fuesen godos […], luego, porque eran dos caballeros jóvenes y emprendedores […]; en último lugar, porque su condición de ex combatientes les hacía merecedores de confianza. (G. Torrente Ballester, La saga/fuga de J. B., 1972)
3. El proceso evolutivo de los marcadores de ordenación discursiva La configuración de los marcadores discursivos de inicio, continuación y cierre, con las funciones descritas, se encuentra en el desplazamiento semántico experimentado por los sintagmas originarios; este cambio ha supuesto el paso de formas con un significado conceptual a elementos con un significado relacional y las modificaciones funcionales y categoriales derivadas de este proceso. El significado originario de estas formas pertenecía al ámbito espacial, para los sintagmas que tienen como base léxica el sustantivo lugar o parte o los que proceden de adjetivos adverbializados que indican el lugar ocupado por un segmento en una serie o sucesión; y al ámbito temporal, para aquellos que tienen como base léxica el sustantivo fin o formaciones adverbiales que incluyen esta idea de término. En ambos casos, ha tenido lugar un cambio de dominio: desde un dominio
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proposicional donde estas formas expresan un significado de referencia espacial o temporal han pasado al dominio textual, donde se organiza la sucesión de los miembros del discurso en una serie ordenada. Esa ordenación puede referirse a una serie de hechos o acontecimientos en secuencias narrativas, de propiedades o características en secuencias descriptivas, de argumentos para justificar una determinada conclusión en secuencias argumentativas, o puede responder a la intención comunicativa del hablante de distribuir la información transmitida en partes equiparables o de volver a lo expresado anteriormente para formularlo de nuevo. El paso del dominio textual al expresivo lo constituyen los valores modales de los marcadores de cierre discursivo referidos a las expectativas del hablante ante los hechos o ideas que se expresan o que han de inferirse 20. Como consecuencia de la evolución significativa, los sintagmas originarios han experimentado cambios morfológicos y sintácticos, que se manifiestan en los siguientes aspectos: 1) un proceso de fijación por el que formas independientes pasan a formar locuciones fijas; 2) una mayor autonomía, ya que se convierten en expresiones independientes del resto del enunciado; 3) un cambio del comportamiento sintáctico, por lo que dejan de realizar una función dentro de la predicación y pasan a ejercer una función conectiva, periférica respecto de la oración en la que aparecen 21; 4) un alcance estructural distinto, ya que no ejercen una función en el marco oracional, sino en el plano discursivo; y 5) un proceso de reanálisis por el que formas procedentes de categorías gramaticales diversas se convierten en marcadores del discurso con unas características específicas que no permiten incluirlos en las clases de palabras establecidas. Este último fenómeno implica una cuestión fundamental: ¿conforman estos elementos una nueva clase gramatical? 22 No hay unanimidad en la respuesta a esta 20
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Este cambio está relacionado con el fenómeno de la subjetivación, proceso semántico pragmático por el que los significados tienden a manifiestar creencias o actitudes subjetivas del hablante hacia el enunciado, es decir, hacia lo que está comunicando (Traugott 1989: 35). La formulación inicial de esta hipótesis se concretaba en una gradación expresada de la siguiente manera: proposicional > textual > expresivo. Dado que el paso de textual a expresivo no siempre se verifica y que, en algunos casos, el proceso intermedio no se manifiesta, se propone una tendencia más general: la conversión de elementos léxicos (proposicionales) en elementos que organizan el texto y que indican las actitudes del hablante (Traugott 1995b: 47; Traugott/Dasher 2002). Según ha señalado P. J. Hopper (1991), este tipo de cambio produce un efecto de estratificación o convivencia de formas diferentes con un mismo origen. En este sentido, la evolución de los ordenadores discursivos presenta diferencias: las formas de inicio, sucesión y algunas de cierre (finalmente, por último, en último lugar) muestran en la actualidad todas las etapas evolutivas: se mantienen como adverbios o sintagmas preposicionales con función de complementos circunstanciales y como marcadores discursivos, mientras que los restantes elementos de cierre, en fin, por fin, se han especializado en la función de marcadores discursivos y han perdido su forma y su función originarias. Los rasgos señalados para considerar estos elementos como una nueva categoría gramatical son los siguientes: a) se sitúan al margen oracional; b) tienen movilidad posicional; c) pueden combinarse con conjunciones; d) son elementos especializados en la conexión de enunciados (Cuenca 2001).
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pregunta. Los rasgos formales señalados para la constitución de esta nueva clase no caracterizan a todos los elementos que la integran y, por otra parte, hay elementos que tienen una función de conexión y no participan de estos rasgos 23. Por tanto, sería preferible partir de una categoría pragmática caracterizada por la función que estos elementos desempeñan – la de enlazar miembros del discurso y establecer distintos tipos de relaciones entre ellos – y analizar de qué modo y mediante qué procesos elementos procedentes de distintos paradigmas se han especializado en desempeñar esta función 24. Estos planteamientos nos llevan a delimitar el proceso de cambio que se ha producido. La evolución de estas formas se ha caracterizado como un proceso de gramaticalización25; pero sería necesario ampliar la definición de este concepto para incluir estas formas en este tipo de desarrollo evolutivo. En efecto, estos elementos han experimentado cambio semántico, descategorización y reanálisis, rasgos propios de este fenómeno, pero hay otras características que muestran una dirección contraria, ya que amplían el alcance de la predicación, forman expresiones fijas que constituyen una predicación autónoma y pierden capacidades sintácticas para adquirir funciones pragmáticas. Por ello, para incluir los cambios señalados dentro de este fenómeno, habría que considerar la gramaticalización como un concepto amplio que se movería en dos direcciones: elementos léxicos o fenómenos discursivos que evolucionan hasta convertirse en formas con una determinada función en el plano gramatical u oracional, y elementos que, procedentes de estos planos, pasan a desempeñar un papel en la organización del discurso (Company 2004). 4. Conclusiones El análisis de la evolución de los marcadores de ordenación discursiva permite dar cuenta de cómo se constituye este sistema lingüístico en español. Su origen está en el proceso de desplazamiento semántico experimentado por elementos pertenecientes al dominio proposicional, con referencia espacial o temporal, que han pasado al dominio textual, donde marcan la sucesión de los miembros del discurso en una serie ordenada en partes. Partimos de construcciones de significado
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Por otra parte, según señala R. Cano (2003: 310), el análisis histórico proporciona argumentos para sustentar la idea de que estas unidades no son reducibles a una categoría: a) la función originaria se mantiene junto con la función conectora; b) no hay escisión semántica entre el significado originario y el que adquiere el conector, ya que es la significación originaria la que permite desarrollar la función innovadora. La función conectiva permite relacionar un miembro del discurso con otro u otros expresados previamente, adyacentes o no, o con informaciones contextuales o presentes en la memoria discursiva (Berrendoner 1983). Cfr. nota 6. Parece muy adecuada, a este respecto, la consideración de E. Ridruejo (2002: 167) de que los operadores discursivos tienen diversos orígenes que no siempre se corresponden con procesos de gramaticalización.
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muy general que han ido adquiriendo nuevos valores en relación con el contexto y con las inferencias que permiten establecer. Para explicar el proceso de evolución de estas formas y de los marcadores discursivos, en general, se ha acudido al concepto de gramaticalización; hay que considerar, sin embargo, que, para situar la evolución de estos elementos dentro de este fenómeno, es necesario ampliar la definición de este concepto con el objetivo de no limitarla a un proceso unidireccional que parte del léxico o del discurso y se dirige a la gramática, sino de caracterizarla como un proceso multidireccional en el que puede darse también una dirección inversa. Madrid, diciembre de 2006
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Intercambios comunicativos en el español clásico (tras los Pasos de Lope de Rueda) 1 Por Santiago U. Sánchez Jiménez
§ 1. Al afrontar el estudio de los usos lingüísticos del pasado, como sucede en el caso del español áureo, ha de renunciarse por fuerza al conocimiento directo de su oralidad primaria (entendida esta como soporte de comunicación). Sin embargo, enhebradas en lo textual, podemos advertir diversas muestras de una oralidad secundaria, es decir, reconocemos formas lingüísticas propias de la comunicación oral 2. El corpus del español clásico es – obviamente – escrito, pero esta circunstancia no justifica que renunciemos a recoger manifestaciones que nos permitan acercarnos a sus variaciones orales. Por ello puede hablarse, sin que resulte paradójico, de textos escritos más o menos orales 3, considerando su capacidad para aludir desde su soporte gráfico a la modalidad oral u oralidad secundaria. Por otro lado, en cuanto a la organización textual, el canal comunicativo (el soporte) es un factor determinante de los modos como se configura el texto – o discurso –. Así, por ejemplo, la presencia de las marcas de planificación que aparecen en un discurso oral, especialmente en una conversación espontánea, responderá a la inestabilidad propia de la comunicación concebida como proceso. En cambio, en un texto escrito estas marcas son reflejo – producto – de un estadio de planificación previa o, en otras ocasiones, serán un modo de recrear esa inmediatez comunicativa de lo conversacional.
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Este artículo es una versión ampliada de la ponencia Marcadores discursivos en el teatro de Lope de Rueda, presentada en el VII Congreso Internacional de Historia de la Lengua Española, Mérida (México), 4–8 de septiembre de 2006. Agradezco a Francisco J. Sánchez Salas sus atinados comentarios: una sugerencia continua en la redacción de este trabajo. Se establece, siguiendo a Koch y Oesterreicher (1990), una diferenciación entre oralidad y escritura atendiendo a dos criterios: uno medial (el canal gráfico frente al canal fónico) y otro concepcional o interactivo (la distancia comunicativa frente a la inmediatez comunicativa). En cuanto al estudio de la historia de la lengua, se trataría de recuperar en los textos conservados (canal gráfico) distintos grados de oralidad dependiendo de la mayor o menor inmediatez comunicativa. Para un estudio de la oposición entre oralidad y escritura, cfr. Abascal (2004: 9–22). Oesterreicher (2005: 746 y ss.) propone nueve situaciones comunicativas ,ideales‘, en las que se puede estudiar la oralidad en el soporte gráfico: „testimonios de lo hablado escrito“. Con respecto a la importancia del estudio de la oralidad para la Lingüística histórica, cfr. Cano (2003).
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Los diálogos teatrales de Lope de Rueda – los Pasos – son una manifestación excepcional de esa modalidad oral 4, oculta en la escritura, que el estudioso de la historia de la lengua trata de (re)construir. Es cierto que el material lingüístico que se extrae de estos textos se basa en conversaciones inexistentes; no son personas reales sino seres de ficción los que dialogan, y lo hacen sometiéndose a las regulaciones de un autor: es, en definitiva, un ejemplo de literatura (dramática). No obstante, buena parte de su excepcionalidad reside, precisamente, en que el género teatral reproduce una situación conversacional ,real‘5. Los personajes dialogan desde un yo/aquí/ahora cooperativo y comparten un espacio físico desde el que ejercen su actividad como interlocutores, actividad de la que, a su vez, el espectador – o el lector – es testigo o, incluso, destinatario directamente aludido. Se trata, en suma, de una situación comunicativa conversacional evocada artísticamente. § 2. Conviene, antes de estudiar la organización de los intercambios comunicativos en el teatro de Lope de Rueda, hacer algunas consideraciones previas. En primer lugar, el corpus manejado lo constituyen los siete pasos que conforman El Deleitoso 6. La homogeneidad del corpus lingüístico permite, sin duda, contextualizar el análisis del diálogo: reconocer, en definitiva, los factores que han condicionado la textualización del material discursivo 7. De este modo, los ejemplos extraídos de El Deleitoso, atendiendo al género discursivo, son diálogos conversacionales escrituralizados, condicionados por el grafismo de la escritura 8. La interacción dialógica de los personajes está regulada por 4
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Así lo considera José Jesús de Bustos (2004: 62) que, al referirse a los diálogos de Lope de Rueda, manifiesta que „la mal llamada, a mi entender, mímesis conversacional, es decir, discurso oral reproducido en la escritura, puede constituir un testimonio nada despreciable sobre la lengua viva de aquella época e ilustrar sobre los mecanismos que utilizan los escritores para textualizar el diálogo conversacional“. La propia condición artística del texto teatral, que se concibe para ser actualizado en forma de espectáculo, lo acerca a la conversación. En las dos formas de comunicación – la espectacular y la cotidiana – interviene la estructura triple básica del discurso humano: lo lingüístico, lo paralingüístico y lo kinésico, cfr. Poyatos (1994: 139–162) y KerbratOrecchioni (1990: 133–150). Seguimos, para este estudio, el texto de la edición de El Deleitoso (2006), citada en el Corpus Bibliográfico. Por ejemplo, artísticamente, estas piezas breves responden a un modelo de literatura dramática muy específico; lingüísticamente, el repertorio verbal del simple presenta unas propiedades constantes; comunicativamente, se establecen conversaciones simétricas (por ejemplo, las que se entablan entre dos criados) o asimétricas (o las que se establecen entre el criado y su amo). En la conversación cotidiana o en la representación teatral se produce una simultaneidad de códigos (lingüístico y no lingüístico) y de canales comunicativos (visuales, acústicos …) que desaparece cuando se fijan en el grafismo de la escritura: linealidad, código lingüístico y canal visual. En este sentido, solo podemos acceder al carácter efímero de las representaciones teatrales de Lope de Rueda de manera indirecta: a través de la fijación escrita, de la textualización que, como editor, llevó a cabo Timoneda. Para un análisis de la impronta que el editor dejó en El Deleitoso, cfr. Sánchez Jiménez (2007).
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la intencionalidad única del autor que organiza – y, a un tiempo, ficcionaliza – el diálogo de los personajes de acuerdo con un diseño constructivo, donde la conversación se presenta no como proceso (energeia) sino como producto (ergon). Este diálogo está, también, mediatizado por su espectacularidad 9, ya que es un diálogo ideado para la acción dramática, es decir, es un diálogo conflictivo: la recreación de este conflicto supone la evocación de ese proceso comunicativo. Y, last but not least, este proceso comunicativo resulta ,verosímil‘ porque la materia prima de la que parte el autor son los modos de conversar que tienen los hablantes del siglo XVI10. § 3. Naturalmente, el análisis pormenorizado de los marcadores del discurso permite reconocer cómo se construye el diálogo dramático. Sin embargo, el empleo del término ,marcador del discurso‘ no está exento de problemas ya que no siempre presenta el mismo significado y, además, la nomenclatura que designa conceptos afines es bastante amplia 11. Esta dispersión terminológica y significativa responde, en gran medida, a las distintas perspectivas teóricas desde las que se ha abordado el estudio de la marcación textual: la lingüística o gramática del texto, el análisis de la conversación, la teoría de la argumentación o la teoría de la relevancia 12. Además, si consideramos que los marcadores cumplen funciones discursivas que pueden ser desempeñadas por varias categorías gramaticales (conjunciones, adverbios o locuciones adverbiales, interjecciones, sintagmas preposicionales y formas verbales conjugadas o no), esta dispersión categorial dificulta el estableci9
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Conforme a Roulet (1999: 96), „le cadre interactionnel d’un dialogue théâtral est plus complexe que celui d’un dialogue de la vie quotidienne. En effet, dans un dialogue théâtral, il est nécessaire de distinguer au moins deux situations d’interaction emboîtées l’une dans l’autre, puisque c’est dans le cadre de l’interaction entre l’auteur de la pièce et le public qu’est représentée l’interaction entre les personnages“. Para un estudio de la especificidad de la comunicación teatral, cfr. Ubersfeld (1996) y García Barrientos (2001). Según Pérez Priego (2004: 117), „adecuándola a sus personajes de baja extracción social, Rueda emplea, para el estilo ínfimo que se propone, un habla coloquial y popular“. El diseño lingüístico del personaje está en consonancia con el precepto del decoro „que obligaba al escritor a dar a cada personaje por él creado, una lengua adecuada (…) a la personalidad que quería darle, dentro de las acciones que debía representar (…) esa lengua debía ajustarse a cada circunstancia“, López Grigera (2005: 722). Por lo tanto, el autor somete a una estilización artística el material lingüístico que aporta la conversación cotidiana. Cfr. Cortés y Camacho (2005: 235–255). Una de las definiciones más difundidas de marcador del discurso (que aúna su carácter convencional, destacado por la teoría de la argumentación, y su papel como guía de las inferencias del destinatario, principio fundamental en la teoría de la relevancia) es la de Portolés (2001: 25–26): „… son unidades lingüísticas invariables, no ejercen función sintáctica en el marco de la predicación oracional y poseen un cometido coincidente en el discurso: el de guiar, de acuerdo con sus distintas propiedades morfosintácticas, semánticas y pragmáticas, las inferencias que se realizan en la comunicación.“
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miento de rasgos formales comunes a todos los marcadores del discurso. Aun así, se suelen apuntar las siguientes propiedades gramaticales: los marcadores del discurso son elementos externos al contenido proposicional del enunciado; no expresan ,estados de cosas‘, sino puntos de vista de hablante/oyente; se pueden acumular pero, si hay una conjunción, esta ocupa el primer lugar; algunos marcadores demuestran una variación distribucional en el marco del enunciado; los rasgos suprasegmentales contribuyen a su correcta interpretación; se distinguen por su invariabilidad formal 13. Y es esta última propiedad – la invariabilidad formal – la que se considera fundamental para determinar si una construcción – un sintagma preposicional o un verbo, por ejemplo – ha alcanzado el estatus de marcador, es decir, se ha gramaticalizado. Pero la gramaticalización – y esto es de interés para la investigación diacrónica – es un doble continuum gradual: se produce una desemantización progresiva (un desgaste del significado conceptual) y, a la vez, se tiende a la inmovilización morfológica (cuando adquiere un significado gramatical o, mejor, procedimental) 14. Con esto no pretendo dar a entender, en modo alguno, que una estructura que mantiene intacto su significado conceptual no pueda asumir una función discursiva determinada: desempeña esa función discursiva, a pesar de no ser (aún) marcador del discurso. Asimismo, si se presta atención al fenómeno de la conexión – como relación que se establece entre dos fragmentos de habla (fragmento a + conector + fragmento b) – se advierte que esta conexión puede ser intraoracional (dentro del enunciado) o supraoracional (entre dos enunciados o unidades textuales superiores). No obstante, esta distinción no es en absoluto nítida: en ocasiones resulta difícil dilucidar si se trata de una conexión oracional o textual. De nuevo nos adentramos en espacios de límites difusos: las conjunciones son prototípicamente conectores (intra)oracionales y, por otra parte, los adverbios parentéticos – caracterizados por su separabilidad entonativa, por su autonomía y su movilidad distribucional – son prototipos de conectores textuales 15 o supraoracionales. Sin embargo, las conjunciones establecen conexiones no prototípicas al relacionar enunciados y, a su vez, los elementos parentéticos pueden funcionar como conectores (intra)oracionales no prototípicos combinados o no con conjunciones.
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Cfr. Martín Zorraquino (1998: 35–51). Cfr. también las propiedades señaladas por Martín Zorraquino y Portolés (1999), aunque solamente estudian marcadores de carácter adverbial: separados del resto del enunciado, autónomos y de distribución variable. Cortés y Camacho (2005: 141) consideran que hay una escala de desemantización entre los marcadores del discurso: desde el vacío mm hasta el pleno en primer lugar, pasando por el intermedio mire usted. Tomamos la etiqueta de ,parentéticos‘ del estudio de Cuenca (2006). Esta autora maneja el término de conector parentético y concibe la conexión como una relación que se aplica en un continuum que va desde el nivel oracional hasta el nivel textual, cfr. Cuenca (2006: 60). Por otro lado, son estos los marcadores del discurso que estudian Martín Zorraquino y Portolés (1999).
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§ 4. Si tenemos en cuenta el carácter de este texto, advertimos de inmediato que los marcadores del discurso no se limitan a ser meros conectores de fragmentos de habla 16. Son, además, indicadores que apuntan a las personas que participan en el diálogo (muestran la actitud de los interlocutores, su implicación en el discurso o la intención de su actividad comunicativa) y elementos que permiten la construcción (textual) y la progresión (discursiva). Estudiaré, por tanto, los marcadores del discurso considerando que en este texto se manifiestan cuatro funciones discursivas básicas (interactiva, constructiva, argumentativa y reformulativa), si bien ha de tenerse en cuenta que un marcador puede – y suele – cumplir más de una función discursiva. Un marcador de interactividad – una llamada de atención al interlocutor, por ejemplo – es también un marcador de la cohesión discursiva dialógica: una marca de la apertura conversacional. En el análisis que propongo solamente atiendo a aquellos marcadores del discurso que relacionan enunciados, con independencia de que sean enunciados de una misma intervención17 o de intervenciones distintas. Además, prestaré atención a esas estructuras lingüísticas que, sin estar gramaticalizadas, desempeñan alguna de las funciones discursivas señaladas, en relación con la construcción del diálogo dramático. § 5. Es sabido que la interactividad está presente en cualquier manifestación textual, ya que todo discurso es per se dialógico. Sin embargo, la conversacional es una situación comunicativa peculiar – primordial, podría decirse – que favorece el empleo de algunos marcadores 18 que refuerzan la interacción comunicativa. En este análisis nos referimos a la relación interactiva que mantienen los personajes, si bien hay otro tipo de interacción (al margen de la que se entabla entre autor y lector o espectador) que es la que se da entre los personajes y el público19.
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„Los marcadores, en fin, cohesionan el discurso, pero esta es solo una de sus posibles propiedades“, en Martín Zorraquino y Portolés (1999: 4057, n. 6). Manejaremos el término de movimiento, siguiendo a Gallardo (1996: 79), para referirnos a las unidades – actos de habla de valor interactivo – en que puede fragmentarse una intervención. En el discurso oral, la progresión dialógica hace que los marcadores desarrollen nuevos efectos de sentido, ya que son mecanismos lingüísticos que tratan de articular la conexión entre lo dicho y lo inferido por el contexto, cfr. Martín Zorraquino y Portolés (1999: 4079). Al final del Paso quinto (La tierra de Jauja), el monólogo final termina con una referencia directa al público: („Pero primero quiero decir a vuesas mercedes lo que m’han encomendado“). Incluso, en el Paso segundo (La carátula), el autor juega con la propia convención dramática: uno de los personajes (el simple Alameda) solicita la máxima confidencialidad a Salcedo y quiere asegurarse de que están solos: „¿Hay alguien que nos pueda oír por aquí?“. La simpleza de Alameda se pone de manifiesto al no advertir que en el teatro hay público y los personajes nunca están solos. Por eso Salcedo puede responder desde la primera persona del plural asociativo: „¡No, te habemos dicho que no!“. De esta forma, el secreto que acaba confiando a Salcedo será el secreto de Anchuelos: „usamos d’él cuando una cosa que se ha dicho públicamente nos la comunican, encomendándonos mucho el
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§ 5.1. Algunos elementos lingüísticos se dirigen al oyente 20, tratando de activar el funcionamiento del destino de la enunciación: vocativos, imperativos, interjecciones y saludos. Los vocativos, como elementos incidentales a los que se orienta la enunciación, pueden ser sustantivos propios – precedidos o no por una fórmula de tratamiento –, pronombres personales, sustantivos comunes … No se registra en nuestro corpus ningún marcador gramaticalizado derivado de esta función sintáctica; sin embargo, el vocativo 21 a comienzo de una intervención desempeña la función discursiva de apertura de la interlocución y, al mismo tiempo, es un controlador del contacto: (1) MARTÍN. Señor, algún tanto ha reposado, que como ha dormido en casa aquel su primo el estudiante, que tiene la mejor mano de ensalmador del mundo todo, no ha dicho en toda la noche: „aquí me duele“. [Paso tercero]
Hay imperativos que, por su significado conceptual 22, se centran en el canal comunicativo: oye 23, escucha, entiende (,oye‘). La llamada de atención al oyente supone la activación del canal y, a su vez, la comprobación de su funcionamiento 24. (2) HONCIGERA. ¡Óyeme! MENDRUGO. ¡Que ya oigo! [Paso quinto]
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secreto. Dicen que Anchuelos es un lugar puesto en un valle con dos torres a los lados, y del uno al otro se dijeron ciertas cosas un zagal y una zagala, y encomendáronse el uno al otro el secreto, habiéndolos (sic) todo el pueblo)“, en Covarrubias [1611] (1995, s. v. secretas]. Cfr. Notas Complementarias de la edición de El Deleitoso (2006), citada en el Corpus Bibliográfico. Portolés (2001: 144) y Briz (2001: 224) usan el término de controlador de contacto, Cortés y Camacho (2005: 170) hablan de marcador interactivo centrado en el oyente y en Martín Zorraquino y Portolés (1999: 4171) se emplea la etiqueta de enfocador de la alteridad. En efecto, los saludos interpelan al oyente y suponen, al mismo tiempo, la apertura del intercambio comunicativo. Por ello, son de importancia para el análisis de la estructura conversacional, pero su estudio supera los límites de este artículo. El uso del vocativo es una marca del tenor interpersonal (del tipo de relación que se establece entre interlocutores). Por ejemplo, el uso de hermano como vocativo – y controlador de contacto – se da entre personajes de igual condición (en especial, si son de baja extracción social) o lo aplica un personaje superior (amo) a otro inferior (criado), pero en ningún caso al revés. De esta forma, entendemos la comicidad del pasaje en que Brezano (amo) lee la carta que le da su criado Cebadón: BREZANO. Baste. Veamos la carta. / CEBADÓN. Tome, señor. / BREZANO. „Señor hermano…“ / CEBADÓN. ¿Dice ahí „señor hermano“? / BREZANO. Sí que dice „señor hermano“. / CEBADÓN. Debe ser hermano del que recebió los dineros. Se trata de verbos de percepción que acaban funcionando como marcadores del discurso, cfr. Dostie (2004: 67–68). La forma delocutiva oíslo – „persona querida y estimada, principalmente la mujer respecto del marido“, en DRAE (2001) –, puede tener su origen en esta relación discursiva. Así se aprecia cuando Torubio llega a su casa y reclama la presencia de su esposa y de su hija: TORUBIO. (…) ¡Oíslo! ¡Mochacha! ¡Mencigüela! ¡Si todos duermen en Zamora …! ¡Águeda de Toruégano! ¡Oíslo! [Paso séptimo]. En este intercambio comunicativo del Paso quinto – PANARIZO. ¡Entiende, bobazo! MENDRUGO. Diga, que ya’ntiendo –, diga muestra la viabilidad de la comunicación: el oyente se dispone a interpretar.
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Los imperativos del verbo mirar se emplean con frecuencia como marcadores del discurso, a partir de su desarrollo metafórico: desde ,ver con atención‘ a ,prestar atención a algo‘. Son, además, marcadores de inicio discursivo: ocupan la primera posición de una intervención o de un movimiento que el hablante considera relevante y con ellos se reclama la atención del oyente, como condición indispensable para que surta efecto la comunicación. Podría hablarse de gramaticalización: la variación morfológica depende exclusivamente del carácter del destinatario de la enunciación. (3) LUQUITAS. Mire, vuesa merced: yo llegué a casa de la que vendía el queso y, de un real que le di, negábame la vuelta, hasta que vino l’alguacil de la villa y hizo que me lo volviese. [Paso primero]
Como marcador del discurso, este imperativo desempeña también el papel de digresor (4): la atención se sitúa en lo que se va a comentar, soslayando lo dicho con anterioridad. (4) HONCIGERA. Pues, ¿el espada habías de dejar sabiendo a lo que vamos? PANARIZO. Mira, hermano Honcigera, provee que comamos, que yo vengo candido de hambre. [Paso quinto]
En ocasiones, una construcción interjectiva derivada del imperativo (mira) 25 es una reacción evaluativa de lo dicho por el interlocutor. Se instaura, de esta forma, una relación anafórica – y no catafórica, como sucede en (3) y en (4) – con el discurso: (5) ALAMEDA. ¿Que tanto te parece que hemos tardado? LUQUITAS. ¡Mira, si no …! A tardarnos un poquito más, podría ser que señor nos recibiera con lo que suele. [Paso primero] (El primer movimiento de la intervención de Luquitas es un enlace retroactivo que manifiesta su desacuerdo con una aserción implícita del interlocutor: ,si no hemos tardado mucho‘.)
También el imperativo del verbo saber asume una función próxima a la del verbo mirar 26: introduce un enunciado de interés para el emisor, en el que se pretende involucrar al destinatario: (6) ALAMEDA. Sepa, señor, que Luquillas es uno de los mayores sisones del mundo y que, de un real, sisa el medio. [Paso primero]
Algunos verbos de movimiento direccional desarrollan un contenido de efecto perlocutivo 27. Así sucede con el imperativo del verbo andar, que en (7a) y (7b) muestra cierto grado de desemantización: 25
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Esta construcción interjectiva puede mostrar ese carácter evaluativo ante lo dicho o lo hecho por otro interlocutor: LUQUITAS. ¡Mira el asno! [Paso primero]. TORUBIO. ¡Mirá qué pico, mirá qué pico! [Paso séptimo]. Ha de tenerse en cuenta que mirar se proyecta metafóricamente a partir de la idea de que la visión se considera comprensión intelectual, cfr. Santos Domínguez y Espinosa Elorza (1996: 126). Los pasos primero y quinto comienzan con este imperativo: un personaje, en escena,
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(7) a. TORUBIO. (…) Ora andad, hija, y ponedme la mesa, que yo os prometo de hacer un sayuelo de las primeras aceitunas que se vendieren. [Paso séptimo] b. ALOJA. Ora andad, vecino. Entraos allá dentro y tened paz con vuestra mujer. [Paso séptimo]
En cambio, en (8) se ha producido la pérdida de la idea de traslación espacial y se refuerza el acto ilocutivo directivo 28 que supone, a su vez, el cierre de un intercambio comunicativo. (8) ALAMEDA. Si me hace del ojo el ramo, ¿quieres tú que use con él de mala crianza? LUQUITAS. ¡Acaba, anda! [Paso primero]
Las interjecciones (aparecen ¡ce!, ¡eh!, ¡ah!, ¡sus!, ¡pardiez!) también pueden ser controladores de contacto. Según Covarrubias, la conjunción ¡ce! es una „palabra con que llamamos y hacemos detener al que va delante“. En (9) se advierte el esfuerzo del emisor por llamar la atención del destinatario: (9) LUQUITAS. (¡Ce, Alameda, ce! ¡Oye acá!) ALAMEDA. (¿A mí ce?) 29 [Paso primero]
El empleo de las interjecciones ¡ah! y ¡eh! se distribuye de este modo: con la primera, se llama a un destinatario que no ocupa el mismo espacio físico que el emisor; la segunda persigue un efecto perlocutivo orientado a que el oyente se fije en algo que está en el espacio físico que comparten hablante y oyente. (10) CAMINANTE. Señor, ése debe de ser, porque de Cabestro a Jáquima harto parentesco me parece que hay. Llámele. BACHILLER. Soy contento. ¡Ah, señor Licenciasno Jáquima! [Paso cuarto] (El ,Licenciasno‘ Jáquima no está en escena.)
Por otro lado, Covarrubias define ¡sus! como „palabra antigua (…) d’esta palabra sus y suso usamos cuando queremos dar a entender se aperciba la gente para caminar o hacer otra cosa“. Se trata de una interjección, frecuente en las obras dramáticas del siglo XVI, que sirve para infundir ánimos o invitar a alguien a obrar con diligencia. Con posterioridad quedará desplazada por marcadores gramaticalizados a partir de subjuntivos de verbos de dirección: ¡vamos! y ¡venga! (11) a. CEBADÓN. ¿Qué, señor? Que yo’s compezaré a bravear con él, cómo lo hizo de ruin hombre de llevarse los dineros sin parche, ni pierna arrastrando. Y, en esto, vuesa merced descargará con la paliza. BREZANO. Pues, ¡sus!, vamos. CEBADÓN. Vamos. [Paso sexto] (El subjuntivo del verbo ir – va(ya)mos – se usa con su significado recto en todos los casos.)
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reclama la presencia de otro, que se ha entretenido en la taberna. En este caso, se conserva el contenido direccional del verbo andar. „También, en lenguaje familiar, con tono suplicante, detrás de una petición: ‘Déjame ir contigo… ¡anda!“, en DUE (s. v. andar). Para un análisis diacrónico de la formación de anda como marcador del discurso, cfr. Castillo Lluch (2006). Al tratarse de un aparte, la interjección se manifiesta de un modo atenuado: llamar a otra persona sin que otra tercera persona se percate de ello. Por otro lado, Alameda, el simple, se siente insultado, porque le interpela alguien de su misma condición y lo hace como si de su mismo amo se tratara.
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Santiago U. Sánchez Jiménez b. LUCIO. (…) Este es un animal que le ha hecho encreyente su mujer qu’está enferma, y ella lo hace por darse el buen tiempo con un estudiante, y él es tan importuno que no lo hace con dos ni tres visitas al día. Pero ¡venga! qu’en tanto que los pollos en el corral le turaren, nunca su mujer estará sin fiebre. [Paso tercero] (El valor optativo del subjuntivo permite que venga ocupe la posición reservada a ¡sus! Este es el único ejemplo donde se adivina el proceso de gramaticalización.)
El marcador interjectivo ¡pardiez! desempeña un papel semejante al de ¡hombre! en la conversación actual 30: confiere un tono amistoso y familiar al coloquio, permite atenuar el rechazo a lo dicho por otro interlocutor, mostrar la aceptación provisional del enunciado para introducir seguidamente la contraargumentación, etc. (12) LUQUITAS. ¡Mira, si no…! A tardarnos un poquito más, podría ser que señor nos recibiera con lo que suele. ALAMEDA. ¡Pardiez! Si tú no te detuvieras tanto en casa de aquella. [Paso primero]
§ 5.2. Desde un planteamiento interactivo, resulta de interés comprobar cuál es la respuesta del receptor (enunciado reactivo) a un movimiento del emisor (enunciado iniciativo). Así, en (13) el empleo de que en el acto reactivo es un refuerzo de la aceptación, que responde a la insistencia en el enunciado iniciativo. (13) LUQUITAS. ¡Anda, anda, hermano Alameda! ALAMEDA. ¡Que ya voy, pardiez, que me la he colado! [Paso primero]
La respuesta con sí, como aceptación del acto directivo, supone – en (14a) – la disposición del interlocutor a contestar a una pregunta. En el español clásico sí podía emplearse solo o „acompañado de fórmulas corroborativas (…) o de enunciados que completan y amplían la información. Por otro lado, hay que recordar que en la respuesta afirmativa se podía antiguamente repetir el verbo núcleo de la pregunta“ 31. También la repetición del adverbio ya puede indicar la aceptación de un acto directivo propuesto por un interlocutor e incluso la perfecta comprensión de lo comunicado (14b). (14) a. ALAMEDA. Mas por tu vida, hermano Lucas, ¿dirasme una verdad? LUQUITAS. Sí, si la sé. ALAMEDA. ¿Por el álima de tus infuntos? LUQUITAS. ¡Ea, que sí diré! [Paso primero]
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Para los usos de ¡hombre! como marcador discursivo, cfr. Martín Zorraquino y Portolés (1999: 4173). Conforme a Eberenz y de La Torre (2003: 64–65), esta última fórmula de respuesta se registra en las actas inquisitoriales de los primeros decenios del siglo XVI. En DRAE (2001: s. v. hacer, acepción 4) se conserva este uso pero se da esta explicación: „En los escritores clásicos es frecuente la sustitución de lo por el adv. afirmativo sí. ¿Vendréis mañana? Sí haré.“ Creo que se trata más bien de una respuesta afirmativa que emplea el adverbio sí + una forma del verbo hacer (proforma verbal que sustituye a verbos que expresen acción: en este caso un movimiento direccional – venir –), es decir, se trata de una fórmula corroborativa compleja.
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b. CEBADÓN. ¿Que primero que le dé yo los dineros, le tengo de dar una carta de pago? BREZANO. ¡Que no asno! Él, a ti. CEBADÓN. Ya, ya. Él, a mí. [Paso sexto]
El rechazo a un acto directivo puede mostrarse de varias formas. El marcador que acentúa el rechazo de un ofrecimiento reiterado, del mismo modo que introduce un enunciado de aceptación cuando el acto directivo del emisor es redundante. (15) LICENCIADO. ¡Oh, señor Juan Gómez! ¡Señor Bachiller, una silla! ¡Perequillo, rapaz, una silla! CAMINANTE. Que no’s de menester, señor. [Paso cuarto]
Los marcadores que derivan de un verbo direccional pueden encabezar un movimiento de rechazo: de la direccionalidad recta, que indica un desplazamiento físico desde el espacio que ocupa el yo (hablante), se pasa a expresar un rechazo a la cooperación comunicativa de ese yo, eje de la enunciación. (16) a. SALCEDO. ¡Pasad delante! ALAMEDA. ¡Ande d’ahí, que me hará reír! [Paso primero] b. BACHILLER. ¿De nonada? Aguardá. LICENCIADO. ¡Id con todos los diablos! Allá os averiguad vosotros mesmos. [Paso cuarto]
Finalmente, la repetición de una interjección puede mostrar el rechazo del acto directivo. Podría pensarse, por ejemplo, que la expresión ¡ta, ta! – en (17) – remitiera a un sonido no articulado, a una vocalización que expresa rechazo 32. (17) SAMADEL. Que no, sino que yo se lo digo a él. Y que lo ha hecho ruinmente. CEBADÓN. ¡Ta, ta! Eso de ruin le había de decir yo a vuesa merced, que mi amo me dijo que se lo dijese. [Paso sexto] (El acto indirecto primario de la intervención de Samadel es el mandato: ,dile que …‘)
§ 5.3. La reacción a un acto asertivo – implícito o explícito – admite varias modalidades: el acuerdo, el desacuerdo, la reserva ante la aserción del interlocutor, la indiferencia o la sorpresa. El acuerdo con lo dicho por otro interlocutor, como enunciado iniciativo, puede mostrarse a través de por cierto (,ciertamente‘, ,con toda seguridad‘) como se advierte en (18): (18) ALAMEDA. ¡Pardiez, señor! A no toparos, que no le pudiera encontrar, aunque echara más vueltas que un podenco cuando se viene a acostar. SALCEDO. Por cierto, Alameda, que’s negocio ese que se te puede creer fácilmente. [Paso segundo] (El carácter reactivo de la intervención de Salcedo se remarca con el uso de la deixis anafórica ese y del encapsulador negocio.)
Cumple esta función discursiva el sustantivo verdad 33, dentro de una construcción atributiva, como resultado de su significado conceptual. No podemos hablar, por tanto, de marcador de discurso a pesar de que desempeña una función discursiva. 32
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En el primer auto de La Celestina, la intervención de Sempronio reproduce con (¡ta!, ¡ta!, ¡ta!) la llamada de Celestina a la puerta de la casa de Calisto. Según Eberenz y de La Torre (2003: 218–219), en las actas inquisitoriales es habitual la anteposición del atributo, como sucede en este ejemplo del Paso cuarto: BACHILLER. No
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Santiago U. Sánchez Jiménez (19) LUQUITAS. Sepa, señor, que Alameda entró delante. ALAMEDA. Es verdad, señor, que yo entré delante, mas ya llevaba el señor Luquillas la sisa repartida: dónde había de cuadrar lo uno y esquinar lo otro. [Paso primero]
Cualquier construcción interjectiva es un vehículo para la expresión de la subjetividad del hablante ante lo dicho por el interlocutor y el alcance de ese sentido retroactivo se infiere de la información contextual. (20) LUCIO. ¡Bien le aprovecharía! MARTÍN. ¡Guárdenos Dios! Yo fui el que no pude más pegar los ojos, que ella a las once del día se despertó. [Paso tercero] (El primer movimiento de la intervención de Martín es una interjección que denota el acuerdo con la afirmación del doctor.)
Cuando el receptor considera que lo dicho por el emisor es evidente, su respuesta verbal es un enunciado encabezado por que, refuerzo de ese acuerdo (21a). Por el contrario, es de esperar que el desacuerdo con la propuesta del emisor se marque con el operador negativo no 34 (21b). (21) a. ALAMEDA. ¿Cuáles cebollas o queso? Yo no vi tal. LUQUITAS. ¡Que ya lo sé! Sino porque no nos riña, echarás tú esa mentira. [Paso primero] b. SALCEDO. ¡Eh, mírala! Alameda. No, no señor, que no’s nada. [Paso primero] (El primer movimiento de la intervención de Alameda es reactivo: la repetición de no muestra ese desacuerdo profundo. El segundo movimiento es un comentario introducido por que y subordinado al primero, jerárquicamente más importante.)
Para indicar el desacuerdo con el contenido de un enunciado anterior, se usan construcciones gramaticales empleadas también para rechazar un acto directivo: el imperativo de un verbo de base direccional (ábese)35 y el marcador que como introductor de un enunciado negativo36.
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lo niegue vuesa merced, que para decir que viene a comer ¿es de menester tantas retólicas? CAMINANTE. Verdad es que venía a comer, qu’el señor Licenciado (…). Respecto a secuencias como verdad es, bien es o mal es, aconseja Valdés [1535] (1985: 156) que no se empleen con este orden „porque no parezcan plurales“. El no escueto se consideraba, como sucede en la actualidad, descortés, cfr. Eberenz y de La Torre (2003: 65). ˘ GE „se empleó como interjección Conforme a DEM (1994) el término latino APA (,¡quítate!, ¡márchate!, ¡fuera!‘) o como forma verbal transitiva (…). El español, que con la interjección sola y el uso de la forma con pronombre enclítico (ábate, ábalos, etc. testimonios a partir del s. XVI) ofrece casi las mismas construcciones, se caracteriza además por la asimilación progresiva de ába/ábate a los verbos en -ar creando así no solo el pl. abad/abaos, sino también los subjuntivos, ávese, ávense (documentados desde el s. XVI)“. No obstante, el español clásico empleaba otra fórmula conversacional equivalente: quitaos/quítense de ahí como rechazo a un acto directivo o a una aserción iniciativos del interlocutor, cfr. Eberenz y de La Torre (2003: 240, n. 292). A veces, este desacuerdo se concreta en una reformulación rectificativa. En el siguiente ejemplo, sino (que) aclara el sentido de la corrección. CEBADÓN. ¿Que le diga yo a mi amo que vuesa merced es un grandísimo bellaco. SAMADEL. Que no, sino que yo se lo digo a él. Y que lo ha hecho ruinmente [Paso sexto].
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(22) a. SAMADEL. (…) catá aquí el parche. CEBADÓN. Ábese d’ahí. ¿Diz qu’eso es parche? [Paso sexto] b. LUCIO. Mochacho, toma esos pollos. Ciérrame esa gelosía. MARTÍN. No, no, señor, que no son pollos de gelosía. Vuesa merced puede estar descuidado. ¿Sabe cómo los ha de comer? [Paso tercero] (El desacuerdo de Martín se muestra con respecto a un contenido implícito: ,Lucio cree que los pollos son de gelosía‘.)
Las reservas ante la aserción de un interlocutor se expresan con una interrogativa directa total encabezada por que, en la que se repite parte del discurso previo37: (23) SALCEDO. Sí, Diego Sánchez. No me puedes negar que no sea éste. ALAMEDA. ¿Qu’est’es Diego Sánchez? [Paso segundo]
La repetición de los adverbios ya o sí son marcas de conformidad con un enunciado anterior. Sin embargo, pueden emplearse estos adverbios como una aceptación literal de lo dicho (fuerza ilocutiva secundaria), aunque su valor ilocutivo primario, derivado del proceso de inferencia, sea el opuesto38. (24) ALAMEDA. (…) ¡cómo debían ser tus amigos y los debías de conocer de antes, que ansí menudeabas sobr’ellos como banda de gallinas sobre puñado de trigo! LUQUITAS. Sí, sí…que a ti te faltaba el aliento. [Paso primero]
Finalmente, ante el contenido proposicional de una interrogativa directa total, el receptor puede mostrar su acuerdo y, además, su sorpresa a propósito del sentido de la pregunta de su interlocutor (¡pues no!, ¡cómo si! 39): (25) a. LICENCIADO. Tórneme abrazar, señor Juan Gómez. ¿Qué’s lo que le dio? ¿Es cosa de importancia? CAMINANTE. ¡Y pues no! [Paso cuarto] b. ESTUDIANTE. ¿Y creerlo ha? BÁRBARA. ¿Cómo si lo creerá? ¡Mal lo conocéis! [Paso tercero]
§ 5.4. Es relativamente habitual que el emisor haga uso de refuerzos epistémicos para sustentar la veracidad proposicional del enunciado o del propio acto de la enunciación. Esta función discursiva la desempeñan diversas estructuras, como se ve en los ejemplos de (26): términos cuyo significado conceptual se sustenta en la noción de ,credibilidad‘ (a fe, a fe que, por cierto, en/de verdad); construcciones que
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Se puede hablar de un que citativo, siguiendo a Escandell (1999: 3965). También puede formularse la pregunta sin el introductor que. LUQUITAS. A la boca de la calle, querrás decir. ALAMEDA. ¿Aquella era boca de calle? ¡Juro a San que era boca de horno y tabla de pasteles! [Paso primero]. La repetición del adverbio a comienzo de enunciado refleja el flujo conversacional: marca el cambio de turno comunicativo y funciona como transición a una intervención, cfr. Martín Zorraquino y Portolés (1999: 4191–4193). Para las diferencias entre turno e intervención, cfr. Gallardo (1996: 83 y ss.). El marcador cómo si introduce expresiones interjectivas próximas al valor de los actuales que y cómo que si …, cfr. Escandell (1999: 3965 y ss.).
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suponen un refuerzo del acto ilocutivo (por vida tuya); juramentos de carácter eufemístico (juro a mí …); fórmulas de juramento propias del ámbito jurídico (en mi ánima) … (26) a. ESTUDIANTE. ¡Déjala, no la toques! Una moza es que nos lava la ropa allá en el pupilaje. MARTÍN. Mas… ¿a fe? ESTUDIANTE. Sí, en mi ánima. ¿Habíate de decir yo a ti uno por lo otro? [Paso tercero] (Es el único caso de en mi ánima, en boca de un personaje de cierta formación académica.40) b. ALAMEDA. A no creerme, dijera que no estábades en vuestro juicio; pues, a fe, que vengo a tratar con vuesa merced un negocio que me va mucho en mi conciencia, si acaso me tiene cilicio. [Paso segundo] c. MARTÍN. ¿Sabe cómo los ha de comer? LUCIO. No, por cierto. [Paso tercero] d. MARTÍN. ¿Burlas de mí? ESTUDIANTE. No, por vida tuya y de cuanto luce delante mis ojos. [Paso tercero] (Puede funcionar también como un elemento dirigido al receptor con el fin de atenuar la imposición de un acto ilocutivo.)
§ 5.5. Para concluir este apartado dedicado a la interactividad, he de señalar la existencia de otras huellas de la interactividad, como son las dudas en la formulación del discurso (27a) o la pérdida de información por la incomprensión de algún vocablo (27b), que destacan la dimensión fática de la comunicación; el empleo de apéndices comprobativos de la veracidad de un enunciado al final de la intervención (27c); o el uso de marcadores relacionados con la fuerza ilocutiva del enunciado (27d). (27) a. BREZANO. ¿Qué conoces? CEBADÓN. Esotro …, el …, aqueste …, el que dijo vuesa merced. [Paso sexto] (Las dudas en la construcción del discurso es una de las particularidades del simple.41) b. BREZANO. (…) ¿Que por carta de pago, te ha dado carta mensajera? CEBADÓN. ¿Carta o qué? BREZANO. Carta mensajera. [Paso sexto] (El apéndice ¿…o qué? está encaminado a la recuperación de información que el simple no ha asimilado.) c. ESTUDIANTE. ¡Déjala, no la toques! Una moza es que nos lava la ropa allá en el pupilaje. MARTÍN. Mas… ¿a fe? ESTUDIANTE. Sí, en mi ánima. ¿Habíate de decir yo a ti uno por lo otro? [Paso tercero] (Con el apéndice comprobativo ¿a fe? el emisor orienta su movimiento a la verdad del enunciado anterior. Presenta, además, un valor iniciativo: su réplica se asocia a en mi ánima.) 40
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Para un análisis de la variación diafásica y diastrática en el español preclásico, a propósito de marcadores del discurso reforzadores de la aserción derivados del sustantivo fe, cfr. López Izquierdo (2007). Valdés [1535] (1985: 153) observa que muchos utilizan el bordón o muletilla aqueste y „se sirven más dél que de caballo de muchas sillas“.
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d. TORUBIO. Vengo hecho una sopa d’agua. Mujer, por vida vuestra, que me deis algo que cenar. [Paso séptimo] (La petición se refuerza con un elemento de alteridad de carácter parentético.)
§ 6. La unidad máxima del discurso es la secuencia, entendida como una sucesión de enunciados organizados en torno a una idea, a un principio temático. En un diálogo, la secuencia será la unidad temática que engloba un intercambio o un grupo de intercambios comunicativos. Así, por ejemplo, cada pieza dramática se corresponde con una (macro)secuencia. Los intercambios comunicativos se agrupan de acuerdo con la función que cumplen en el seno de la conversación. De esta forma, distinguiremos unas (sub)secuencias marco: de apertura y de cierre y otras (sub)secuencias de desarrollo 42. § 6.1. En El Deleitoso, la apertura de secuencias o (macro)secuencias se logra, con los saludos, mediante la llamada de un personaje a otro que no está en escena o por medio de controladores de contacto. En un nivel inferior, los marcadores del turno comunicativo e iniciadores de la intervención son, sobre todo, pues 43 e y. Estos dos marcadores, junto a que 44, abren movimientos dentro de la intervención de cada personaje. Pero, en todo caso, estos tres marcadores contribuyen más que a la apertura de unidades de habla a la progresión discursiva, sea ésta dialógica o monológica. Por otro lado, cada intervención asume un sentido derivado de las informaciones generadas en el contexto, es decir, derivado de la propia dinámica del diálogo. Así ocurre con las intervenciones que presentan el marcador de inicio pues en (28) 45. (28) a. ALAMEDA. ¿No quiere vuesa merced que me ría? ¡Ja, ja! SALCEDO. Pues, señor, cuando haya acabado, merced recebiré que me avise. [Paso primero] (Reinicio comunicativo, que supone un tanteo en la negociación del diálogo) b. SALCEDO. Que te creo sin falta. ALAMEDA. Pues, ¿no m’había de creer, siendo nieto de pastelero? [Paso segundo] (Refuerzo de una intervención reactiva) c. ALAMEDA. Pues yo me voy. Ruegue a Dios que me haga buen santero. Ora, ¡sus!, quedad norabuena, señor Diego Sánchez! [Paso segundo] (Refuerzo de un acto ilocutivo) 42
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Cfr. Cortés y Camacho (2005: 123–125) y Gallardo (1996: 127–151). Indudablemente, sería de interés el estudio del valor de cada (sub)secuencia dentro de la (macro)secuencia conversacional del paso. Para un estudio de pues como marcador discursivo en la lengua medieval, cfr. Iglesias (2000). En este ejemplo del Paso primero (LUQUITAS. ¡Ay, ay, señor! Que había gran priesa en las cebollas y el queso … Si no, dígalo Alameda), el primer movimiento es expresivo y el segundo, que se inicia con que, depende de un verbo dicendi sobreentendido ,¿no me dices …?‘ en la interlocución anterior. Ramón Santiago (2005: 548) considera que a finales del siglo XV se produce „la definitiva expansión de pues con prácticamente todas sus funciones modernas“.
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También el verbo decir funciona como operador que introduce actos directivos interrogativos. Si consideramos que una de las propiedades del texto que analizamos es que los personajes hablan directamente, sin la mediación de la voz del autor, esta ha de ser sin duda una característica de la sintaxis del español clásico 46: (29) MARTÍN. ¡Calla, no llores, que me quiebras el corazón! Que yo te conoceré, mujer, aunque no quieras de aquí adelante. Pero dime: ¿dónde vas? [Paso tercero]
§ 6.2. De manera complementaria a la apertura de secuencias, las fórmulas de despedida permiten rematar las secuencias. Además, hay intercambios comunicativos que se cierran con los verbos acabar 47 o bastar, no siempre conjugados en 2ª persona, aunque en último término estén dirigidos al receptor. Es el significado conceptual de estos verbos lo que les permite cumplir esta función discursiva. (30) a. ALAMEDA. (…) Mas por tu vida, hermano Lucas, ¿dirasme una verdad? LUQUITAS. Sí, si la sé. ALAMEDA. ¿Por el álima de tus infuntos? LUQUITAS. ¡Ea, que sí diré! ALAMEDA. ¿Por vida de tu madre? LUQUITAS. ¡Acabemos! [Paso primero] (Primera persona del plural: los participantes en la enunciación) b. BREZANO. (…) Y dime: ¿traía la pierna arrastrando? CEBADÓN. Sí, señor. Luego que le di los dineros, arrastró ansina la pierna, mas luego que se fue iba más drecho que un pino. BREZANO. Baste. [Paso sexto]
Los marcadores ora y pero pueden anunciar el cierre de un intercambio comunicativo (,precierre‘), función relacionada con el carácter digresor de estos marcadores. En los dos casos, se establece una oposición entre lo dicho y lo que, a continuación, se va a enunciar: ora (< ,ahora‘, que destaca la inmediatez de la enunciación frente a lo ya enunciado) y pero (que introduce un enunciado opuesto al anterior): (31) a. ALAMEDA. Pues yo me voy. Ruegue a Dios que me haga buen santero. Ora, ¡sus!, quedad norabuena, señor Diego Sánchez! [Paso segundo] b. Lucio. (…) Este es un animal que le ha hecho encreyente su mujer qu’está enferma, y ella lo hace por darse el buen tiempo con un estudiante, y él es tan importuno que no lo hace con dos ni tres visitas al día. Pero ¡venga! qu’en tanto que los pollos en el corral le turaren, nunca su mujer estará sin fiebre. [Paso tercero] (La intervención del personaje se cierra ante la llegada de Martín.)
§ 6.3. Entendemos que los marcadores de progresión o de desarrollo son los que señalan el inicio de un movimiento o de una intervención y permiten la sucesión del discurso dialógico. Distinguiremos tres tipos: comentadores, ordenadores y digresores. 46
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Eberenz y de La Torre (2003: 61) consideran que el imperativo del verbo decir es una de „las fórmulas específicas que pueden introducir el enunciado interrogativo“. Sanford [1611: 46] incluye, entre las „particles of exhorting, encouraging or admonishing“, ea sus, ora sus, pues vamos, acaba ya, acabemos ya.
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El comentador por excelencia, especialmente en textos orales, es el ,adverbio‘ pues 48. Cuando cumple esta función discursiva, ocupa la posición inicial del enunciado que introduce, ya que se „presenta como un comentario nuevo e informativamente valioso con respecto del discurso que lo precede“ 49. Esa unidad, destacada temáticamente, puede ser el comienzo de un movimiento o de una intervención, como se observa, respectivamente, en (32): (32) a. ALAMEDA. ¿Qu’est’es Diego Sánchez? ¡Oh desdichada de la madre que me parió! Pues, ¿cómo no m’encontró Dios con unas árguenas de pan y no con una cara de un desollado? [Paso segundo] b. ALAMEDA. Y más yo, qu’en apretándome la nuez un poco, no puedo resollar. SALCEDO. Pues, hermano, anda presto, porque si te tardas, podría ser que topases la justicia. [Paso segundo]
Cuando la unidad que se introduce se aparta temáticamente de la intervención o de los movimientos anteriores que constituyen hasta ese momento la historia principal, hablamos de una secuencia lateral 50 y el comentador pues desempeña el papel de digresor (33a), ya que provoca un giro conversacional y da lugar a una nueva (sub)secuencia. En otras ocasiones (33b), se reconoce una relación causal entre el enunciado introducido por pues y el enunciado anterior. (33) a. MENDRUGO. Que no, ténganse. (¡Válalos el diabro, qué ligeros son de manos!) PANARIZO. Pues, decinos: ¿adónde vais? [Paso quinto] b. ALAMEDA. A no creerme, dijera que no estábades en vuestro juicio; pues, a fe, que vengo a tratar con vuesa merced un negocio que me va mucho en mi conciencia, si acaso me tiene cilicio. [Paso segundo]
Con respecto a los ordenadores, es la conjunción y el marcador más frecuente. Se trata de una ordenación por acumulación (aditiva) que puede ser reflejo de una oralidad no planificada 51, en intervenciones monologadas y dialogadas. Esta acumulación discursiva – que, en mi opinión, puede tener o no un carácter argumentativo – permite la progresión parcelada del texto: es más relevante informativamente el segundo elemento coordinado – o acumulado – que el primero. En (34) la y relaciona movimientos e intervenciones: (34) PANARIZO. ¿A la cárcel? ¿Y a qué? MENDRUGO. Tengo, señor, mi mujer presa. HONCIGERA. Y ¿por qué? MENDRUGO. Por cosas de aire. Dicen malas lenguas que por alcahueta. PANARIZO. Y decime: ¿vuestra mujer no tiene ningún favor? [Paso quinto]
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Su uso en el habla estaba tan extendido que Valdés [1535] (1985: 153) considera que su empleo indiscriminado da lugar a un „fastidio grandíssimo“. Cfr. Martín Zorraquino y Portolés (1999: 4083). Cfr., para el concepto de secuencia lateral, Gallardo (1996: 139–144). Es propio del coloquio la acumulación o concatenación de enunciados que confiere a la oralidad espontánea una idea de concatenación, característica de la oralidad frente a la sintaxis incrustada de la escritura. Cfr. Briz (2001: 68 y ss.) y las reflexiones de Narbona (2003).
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Dentro de una intervención la conjunción y, además de relacionar movimientos, indica que el hablante está en posesión del turno comunicativo. En (35) la intervención se prolonga mediante el uso de la conjunción y, ya que el primer movimiento es un acto directivo que exige respuesta del interlocutor. De otro lado, la mera adjunción de movimientos o de intervenciones sirve de soporte estructural para otros contenidos que se extraen de la dinámica discursiva, como se observa en (36). (35) LICENCIADO. ¿Carta, señor? ¿Y diole algunos dineros la señora mi madre? [Paso cuarto] (36) a. ALAMEDA. ¡Así, así, mucho Alameda, Alameda, y después quebrarme han el ojo con una blanca! [Paso segundo] (Valor contraargumentativo o de contraste) b. CEBADÓN. ¿Qué, señor? Que yo’s compezaré a bravear con él, cómo lo hizo de ruin hombre de llevarse los dineros sin parche, ni pierna arrastrando. Y, en esto, vuesa merced descargará con la paliza. [Paso sexto] (Marcador de enunciados narrativos, cuya temporalidad se destaca a partir del sintagma parentético en esto) c. SALCEDO. No los han hallado, pero sábete, hermano Alameda, que anda la justicia muerta por saber quién son los delincuentes. ALAMEDA. ¿Y por dicha, señor, soy yo agora el delincuente? [Paso segundo] (Valor conclusivo)
Los digresores introducen un comentario lateral respecto al tópico discursivo. Se distinguen los marcadores contraargumentativos o adversativos (mas y pero) 52 y el marcador ora (< ahora), que da preponderancia a lo catafórico (lo que se va a enunciar) frente a lo anafórico (lo enunciado). (37) a. ALAMEDA. Mira qué tanto, que aunque nunca hubiéramos acabado, no me diera nada, según el almuerzo ha sido de autorizado. Mas por tu vida, hermano Lucas, ¿dirasme una verdad? [Paso primero] 53 b. MARTÍN. ¡Calla, no llores, que me quiebras el corazón! Que yo te conoceré, mujer, aunque no quieras de aquí adelante. Pero dime: ¿dónde vas? [Paso tercero]
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A veces mas y pero, según Herrero Ruiz de Loizaga (2005: 74), „se usan para marcar cierto enlace con lo dicho anteriormente, para marcar transiciones, o mostrar extrañeza o sorpresa ante algo. En esta función pueden servir de enlace entre unidades extraoracionales. En muchos casos se manifiesta cierta oposición al sentido general de lo dicho antes, y es difícil marcar una gradación clara entre la oposición clara y los casos meramente continuativos.“ La conjunción mas puede encabezar un enunciado e indicar sorpresa. Así se pone de manifiesto en este ejemplo: ESTUDIANTE. ¡Déjala, no la toques! Una moza es que nos lava la ropa allá en el pupilaje. MARTÍN. Mas … ¿a fe? ESTUDIANTE. Sí, en mi ánima. ¿Habíate de decir yo a ti uno por lo otro? [Paso tercero].
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El marcador ora introduce, a comienzo de intervención, prefacios discursivos54 que conversacionalmente suponen una ruptura con lo anterior: sea una digresión, que da paso a otra (sub)secuencia, o un precierre de la secuencia: (38) ALAMEDA. (…) ¡No se sufre entre hombres de buena crianza! SALCEDO. Ora dejaos d’eso y decime la verdad: ¿en qué habéis tardado? [Paso primero]
Más complicaciones presenta el valor de ora, como marcador absoluto del paso sexto (39). Podría tratarse de un conector supraoracional que demostraría la función subsidiaria del paso en relación con otra obra de mayor entidad 55, con respecto a la cual es una digresión; o, considerando su posición absoluta, se interpretaría como un operador de formulación, semejante a bueno 56, que no se registra en El Deleitoso. (39) BREZANO. Ora, ¿no es cosa extraña que a un hidalgo como yo se le haya hecho semejante afrenta y agravio cual éste?
§ 7. Conforme a los presupuestos de la teoría de la argumentación, no argumentamos con la lengua (como sistema de representación) sino en la lengua, en lo que ella misma dice 57. Distinguiré a continuación cuatro tipos de marcadores argumentativos (justificativos, aditivos, conclusivos y contraargumentativos), aunque puedan desempeñar otra función discursiva, como la de marcador de progresión. § 7.1. Dentro de los marcadores justificativos, destaca la conjunción que. Atendiendo a su valor básico como conector que aporta una justificación a lo dicho, se recogen distintos sentidos discursivos 58: (40) a. LICENCIADO. Suplícole, señor, que me tenga por excusado, que ando metido en la fragancia del estudio y estoy en aquello que dice: Sicut adversus tempore et quia bonus tempos est non ponitur illo. [Paso cuarto] (Justificación de un acto ilocutivo) b. ALAMEDA. ¡Que ya voy, pardiez, que me la he colado! LUQUITAS. ¿Qu’en viendo una taberna, te has de quedar aislado? [Paso primero] (En la intervención de Alameda no se da una mera adjunción de enunciados; es más bien un índice del enunciador, que justifica un contenido implícito: su retraso. Por otro lado, en la réplica de Luquitas que es un introductor de un enunciado interrogativo que supone un rechazo de la justificación aducida por su inter-
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„El prefacio es un movimiento de tipo 1 que anticipa de algún modo la orientación semántico-pragmática del movimiento de tipo 2“, en Gallardo (1996: 80). Para un análisis del teatro breve del Siglo de Oro, puede consultarse Huerta Calvo (2001). Según Portolés (2001: 144), bueno, como operador de formulación „presenta su miembro del discurso como una formulación que transmite satisfactoriamente la intención comunicativa del hablante. Este hecho permite una mayor independencia en relación con el discurso precedente.“ Anscombre/Ducrot (1984). Para un análisis detallado del que conversacional, cfr. Porroche Ballesteros (1998).
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Santiago U. Sánchez Jiménez locutor y conlleva una fuerza ilocutiva primaria directiva: ,No te entretengas en las tabernas‘.)
La conjunción que asume con mucha frecuencia el papel de introductor de un comentario que depende de otro movimiento más relevante. Podría decirse que se instaura una relación jerárquica, sustentada en la subordinación de un acto a otro, relación que se produce en un espacio de indeterminación entre el nivel oracional o textual: ¿se trata de dos cláusulas o de dos enunciados? La puntuación de los editores – el empleo de coma o de punto y coma – favorece indudablemente la segunda interpretación59. La conexión entre estos dos actos da lugar a efectos semánticos de distinto signo: (41) a. LICENCIADO. Mire que me cobije bien, que no me vea. [Paso cuarto] (Final) b. MARTÍN. Señor, perdone vuesa merced, que aún están todavía pequeñuelos, pero sane mi mujer, que yo le prometo un ganso que tengo a engordar. [Paso tercero] (Condicional) c. MARTÍN. (…) Yo fui el que no pude más pegar los ojos, que ella a las once del día se despertó. [Paso tercero] (Contraste, derivado de la noción de causa) d. ALAMEDA. (…) ¡cómo debían ser tus amigos y los debías de conocer de antes, que ansí menudeabas sobr’ellos como banda de gallinas sobre puñado de trigo! LUQUITAS. Sí, sí…que a ti te faltaba el aliento. [Paso primero] (Ironía basada en el contraste de dos fuerzas ilocutivas 60) e. CAMINANTE. ¿No conoce vuesa merced a un Juanitico Gómez, hijo de Pero Gómez, que íbamos juntos a la escuela y hecimos aquella farza de los Gigantillos? [Paso cuarto] (Valor continuativo o progresivo: se difumina la importancia jerárquica del acto primero.)
No obstante – y a pesar de que sea el valor de comentario el más frecuente –, la conjunción que introduce movimientos dentro de una misma intervención, de forma que se establece una relación más textual, de carácter aditivo, que supera la relación bipolar.
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Cuenca (2006: 49), a propósito del catalán, considera que „els subordinadors (…) i en general tots aquells connectors que contenen que, precisamente per la presència d’aquest marcant de subordinació entre els elements units, no s’utilitzen com a connectors textuals. La connexió textual és incompatible amb cap mena de dependencia sintàctica com la que implica que“. Este uso de que es semejante, en el lenguaje coloquial actual, al de como que causal „para introducir una réplica a algo dicho por el interlocutor“, pero puede usarse con „un sentido irónico, para expresar algo que no va a suceder“ o que no ha sucedido, en Pavón Lucero (1999: 627).
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(42) a. HONCIGERA. Mira: en la tierra de Jauja, hay un río de miel y, junto a él, otro de leche, y, entre río y río, hay una puente de mantequillas encadenadas de requesones, y caen en aquel río de la miel, que no parece sino que están diciendo: „¡Comeme, comeme!“ [Paso quinto] (La conjunción que es una variante formal de las estructuras aditivas conectadas con la conjunción y.) b. HONCIGERA. Yo mucho más; que por eso, hermano Panarizo, estoy aguardando aquí un villano que lleva de comer a su mujer, que la tiene presa, una autenticada cazuela de ciertas viandas, y contarle hemos de aquellos contecillos de la tierra de Jauja, y él s’embebecerá tanto en ello que podremos bien hinchir nuestras panchas. [Paso quinto] (Los enunciados encabezados por que mantienen su contenido justificativo o de comentario con respecto al enunciado anterior, como se aprecia en el subrayado del sintagma preposicional por eso.) c. CEBADÓN. Yo diré a vuesa merced qué remedio. Que tomemos sendos palos y que vamos callibajo, vuesa merced primero, yo tras d’él. Y si a dicha l’encontramos, cobraremos nuestros dineros; cuando no, servirme ha de criado estuences. [Paso sexto] (La conjunción que se integra en un discurso narrativo como un marcador supraoracional, dependiendo de un verbo dicendi elidido.)
Frente al predominio de que como marcador justificativo, se registra un ejemplo aislado de es que, en una intervención monológica, como introductor de una justificación de lo dicho previamente. El conector aditivo y refuerza la cohesión de los dos enunciados. (43) BREZANO. Ora, ¿no es cosa extraña que a un hidalgo como yo se le haya hecho semejante afrenta y agravio cual éste? Y es que un casero d’esta mi casa en que vivo, sobre cierto alquiler que le quedé a deber, me ha enviado a emplazar doscientas veces. [Paso sexto]
§ 7.2. Dentro de los marcadores aditivos de carácter argumentativo, incluyo aquellos que se configuran de acuerdo con una escala argumentativa: más, aun (an) 61 y todo. En todos los casos, estos marcadores se sustentan en la progresión aditiva de los enunciados introducidos por la conjunción y. (44) a. ALAMEDA. ¿Ahorcarme…? Y después echarme han a galeras … Y más yo que soy algo ahogadizo de la garganta … Y an por averiguado tengo, señor, que si me ahorcasen, se me quitaría la gana del comer … [Paso segundo] (A la adición de enunciados de carácter argumentativo introducidos por y, se le superponen marcadores adverbiales que elevan el nivel de la escala argumentativa, que da forma al descontrolado razonamiento del simple: y … y más … y an.)
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Alvar y Pottier (1983: § 236.1) advierten, a propósito de aun, que en el teatro anterior a Lope de Vega „la forma se reducía a an, on, que han hallado continuación en vulgarismos como: anque, onque, unque, manque“. Teresa de Jesús, ejemplo del lenguaje familiar de la época, emplea la conjunción anque.
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Santiago U. Sánchez Jiménez b. CEBADÓN. ¿Es vuesa merced el que los ha de recebir? SAMADEL. Y aun el que los había de tener en la bolsa. [Paso sexto] c. BÁRBARA. (…) Si yo le digo qu’en lo más fuerte del invierno se vaya a bañar en la más helada acequia, diciendo qu’es cosa que me importa mucho a mi salud, aunque sepa ahogarse, se arrojará con vestidos y todo. [Paso tercero]
§ 7.3. Con respecto a los marcadores conclusivos, el más frecuente es pues, ya que – al menos en este corpus – no sufre la competencia de entonces 62. Se documentan otros dos marcadores conclusivos: por tanto (dos registros) y así pues (dos registros). (45) a. LUQUITAS. Mira que somos amigos, y por tanto, discúlpame con señor y di que lo dijiste por burla. [Paso primero] b. CEBADÓN. Dijo mi amo que había de tener vuesa merced un parche en el ojo y traer una pierna arrastrando. SAMADEL. Así pues, si no es más d’eso, catá aquí el parche. [Paso sexto]
Con este valor conclusivo, el marcador pues (por su carácter adverbial) admite, aunque esporádicamente, otra distribución (46). Por otro lado, la propia progresión discursiva genera la pluralidad de sentidos, derivados de la idea básica de que pues introduce una conclusión de enunciados previos que se sienten como premisas (47). (46) a. CEBADÓN. No habla cristianamente, señor. BREZANO. Sepamos, pues, en qué lengua habla. [Paso sexto] b. SALCEDO. Venid presto. ALAMEDA. No comáis hasta que venga. SALCEDO. ¿Ansí? Aguardá pues. [Paso segundo] (47) a. CAMINANTE. Pues no creo yo qu’el señor Licenciado sacara burla de mí. BACHILLER. ¿Que no me cree vuesa merced? Pues sepa que de puro corrido está puesto debajo aquella manta. [Paso cuarto] b. CEBADÓN. ¿Las libras de azafrán? Sé que yo no he traído a vuesa merced azafrán. BREZANO. A mí, no. CEBADÓN. Pues, ¿cómo viene el papel enzafranado? [Paso sexto] c. CAMINANTE. Verdad es que venía a comer, qu’el señor Licenciado me había convidado. BACHILLER. Pues certifícole que tiene vuesa merced muy mal recado d’esta vez, porque en casa no hay blanca ni bocado de pan para convidalle. CAMINANTE. Pues no creo yo qu’el señor Licenciado sacara burla de mí. [Paso cuarto]
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Este es el único ejemplo en que entonces (entuences) funciona como ordenador: MARTÍN. En fin, señor, que como no me podía menear del dolor qu’en estos ijares sentía, díjome su primo: „¡Andad, mal punto, que sois hombre sin corazón! De una negra purguilla estáis, que no parecéis son búho serenado.“ Entuences el señor, diciendo y haciendo, apañó una gallina por aquel pescuezo, que parece que agora lo veo, y en un santiamén fue asada y cocida y traspillada entre los dos. [Paso tercero].
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(A partir de un mismo enunciado, los personajes aportan dos conclusiones opuestas.) d. ALAMEDA. ¿Ha visto vuesa merced un cernícalo? SALCEDO. Sí, muy bien. ALAMEDA. Pues mayor es mi hallazgo, con más de veinte y cinco maravedís. [Paso segundo] (La conclusión dialógica presenta un carácter ponderativo: introduce el término de más intensidad en la escala, como cierre discursivo.)
§ 7.4. Los marcadores contraargumentativos „introducen una idea con una fuerza deductiva que nunca hubiera podido desgajarse de la primera unidad, por lo que la proposición por ellos encabezada resulta, al menos en muchas ocasiones, superior, al mismo tiempo que anula lo que se pudiera haber pensado antes“ 63. En El Deleitoso se registran estos marcadores: pero, mas, sino (que) y son 64. Los dos primeros son claramente los más habituales en esta función, aunque es algo más frecuente pero 65. (48) a. LUCIO. ¿Tomó bien la purga? MARTÍN. ¡Ah, mi madre, ni aun la quiso oler! Pero buen remedio nos dimos porque le hiciese impresión la melecina. [Paso tercero] b. SAMADEL. Tomá una higa para vos, don villano. CEBADÓN. Pero tomad vos esto, don ladrón tacaño. [Paso sexto] (El valor contrastivo surge del enfrentamiento de dos intervenciones.) c. LUQUITAS. Sepa, señor, que Alameda entró delante. ALAMEDA. Es verdad, señor, que yo entré delante, mas ya llevaba el señor Luquillas la sisa repartida: dónde había de cuadrar lo uno y esquinar lo otro. [Paso primero] d. LUCIO. Hiciérame yo al tercio, como quien juega a la primera de Alemaña. MARTÍN. ¡Ah, mi madre! Bien lo quisiera yo, sino que me hicieron encreyente que le haría daño a mi mujer lo que yo comiere.66 [Paso tercero] e. CEBADÓN. (…) Parche es, ¡válame Dios!; son como traía vuesa merced abajado el sombrerillo, no había visto el parche. [Paso sexto]
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Cortés y Camacho (2005: 198). La conjunción adversativa son (,sino‘) es propia del lenguaje pastoril, empleada por Sánchez de Badajoz, Sebastián de Horozco y Lucas Fernández. Pero la usan también los simples de Lope de Rueda. La conjunción mas es la más antigua de las conjunciones adversativas creadas en español. „A finales de la Edad Media, en la transición al Renacimiento, parece darse un debilitamiento de mas, y un acrecentamiento de los usos de pero, aunque mas mantiene su vigencia como conjunción literaria“, en Herrero Ruiz de Loizaga (2005: 59). Se registran dos casos de sino (que) como marcador contraargumentativo, emparentado con las adversativas restrictivas y no exclusivas, como ocurre en la lengua actual. „El uso de sino sin antecedente negativo viene de antiguo. Muñoz Garrigós lo documenta en El Conde Lucanor (…). En los siglos XVI y XVII, aun sin ser muy frecuente no es difícil hallar ejemplos“, en Herrero Ruiz de Loizaga (2005: 63).
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§ 8. La última de las funciones discursivas que he apuntado es la reformulativa. El término de reformulador proviene de la gramática textual, aunque puede relacionarse con la hipótesis argumentativa, ya que el reformulador introduce un segundo miembro que presenta una nueva perspectiva desde la que ha de interpretarse el primer miembro 67. Además, la reformulación es un modo de proseguir el discurso, un marcador de progresión o de desarrollo. Escasean en el corpus que manejamos y su presencia obedece siempre a la incompetencia lingüística del simple, que ha de ser suplida por otros personajes (rectificación) o a la falta de concreción en su desmedida facundia verbal, que ha de ser contenida por otro personaje (recapitulación). La función discursiva de la rectificación se recubre con la estructura querer + infinitivo, que no está gramaticalizada. La recapitulación, por el contrario, se realiza con un marcador ya gramaticalizado: en fin. (49) a. ALAMEDA. (…) si acaso me tiene cilicio. SALCEDO. Silencio, querrás decir. ALAMEDA. Sí, silencio será. [Paso segundo] (La rectificación es ajena: de un interlocutor a otro.) b. ALAMEDA (…) y había tantas cebollas en la prisa, como digo, señor, tantas cebollas en el queso … SALCEDO. ¿Qué dices? ALAMEDA. Digo, señor, tantos quesos en las cebollas, parece ser que no nos pudo despachar más presto la buñolera … ¡No, no, la pastelera, quise decir! [Paso primero] (Se combina la rectificación ajena y la autorrectificación.) c. ALAMEDA. ¡Válasme Dios, y qué de nombres que sabes en cosas de comer! LUQUITAS. En fin, ¿hate supido bien el almuerzo? [Paso primero] (Ante las digresiones del simple, el marcador introduce un enunciado que sirve de conclusión del enunciado anterior.) d. LUCIO. ¿En fin? MARTÍN. En fin, señor, que como no me podía menear del dolor qu’en estos ijares sentía, díjome su primo (…) [Paso tercero] (La pregunta de Lucio busca la relevancia comunicativa. El simple, sin embargo, proseguirá su irrefrenable discurso.)
§ 9. Hasta aquí me he ocupado del análisis de las cuatro funciones discursivas establecidas y del papel que, con arreglo a estas, desempeñan los marcadores del discurso. Sin embargo, no sería oportuno acabar esta exposición sin atender a la dimensión literaria (dramática) de estas funciones discursivas y del uso de los marcadores del discurso, que es el asunto que nos ocupa. Se ha reseñado ya que la conversación espontánea del español clásico habría de ser, con toda seguridad, el modelo para la construcción de estos pasos. Lo literario, entendido como una construcción lingüística secundaria – o artificial – planificada reside, en esta oportunidad, en el aprovechamiento de los recursos expresivos de la conversación ordinaria con el fin de resaltar la comicidad del simple: personaje vertebrador del paso. Aportaré tan solo algunos ejemplos que permiten apreciar cómo los modos de dialogar – y, también, el uso de los marcadores discursivos – sirven para construir la figura ridícula del simple: 67
Portolés (2001: 109–110).
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1. La prolongación innecesaria de un intercambio comunicativo, mediante construcciones no gramaticalizadas que subrayan el acto ilocutivo, ocasiona el cierre brusco del intercambio por parte del otro interlocutor. (50) ALAMEDA. (…) Mas por tu vida, hermano Lucas, ¿dirasme una verdad? LUQUITAS. Sí, si la sé. ALAMEDA. ¿Por el álima de tus infuntos? LUQUITAS. ¡Ea, que sí diré! ALAMEDA. ¿Por vida de tu madre? LUQUITAS. ¡Acabemos! [Paso primero]
2. La adición de enunciados encabezados por y es un intento de introducir una secuencia lateral que le permita al simple eludir una situación comprometida. (51) SALCEDO. ¿Dónde están las notomías de los muertos? ALAMEDA. (A las sepulturas me envía.) ¿Y comen allá, señor Diego Sánchez? SALCEDO. Sí, ¿por qué lo dices? ALAMEDA. Y… ¿qué comen? SALCEDO. Lechugas cocidas y raíces de malvas. ALAMEDA. (Bellaco manjar es ése, por cierto. ¡Qué de purgados debe de haber allá!) ¿Y por qué me queréis llevar con vos? [Paso segundo]
3. El simple, en primera instancia, incumple el principio de cooperación comunicativa: plantea dificultades para que la conversación prosiga o, incluso, comience. (52) MENDRUGO. „Mala noche me distes, / María de Rión, / con el bimbilindrón …“ PANARIZO. ¡Hola, ce! ¿Habémonos de oír? MENDRUGO. Sí señor, ya voy acabando, aguarde … / „Mala noche me distes, / Dios os la dé peor / del bimbilindrón, dron, dron“. HONCIGERA. ¡Hola, compañero! MENDRUGO. ¿Hablan vuesas mercedes comigo o con ella? [Paso quinto]
4. La gramaticalización y el sentido originario – recto – de algunos marcadores se confunden en un juego verbal, que da lugar además a la apropiación del turno comunicativo por parte del simple. (53) HONCIGERA. (…) Mira… MENDRUGO. Ya miro, señor. HONCIGERA. Mira: en la tierra de Jauja, hay un río de miel y, junto a él, otro de leche, y (…) [Paso quinto]
5. La impericia comunicativa del simple – su incapacidad para dominar el propio discurso o la pérdida de la memoria a corto plazo – desata la comicidad. De ahí que el amo cierre el intercambio comunicativo con la referencia a esas burlas, es decir, a ese modo de conversar tan peculiar y tan poco cooperativo de su criado. (54) BREZANO. ¿Qué conoces? CEBADÓN. Esotro …, el …, aqueste …, el que dijo vuesa merced. BREZANO. ¿Qué dije? CEBADÓN. Ya no se m’acuerda. BREZANO. Dejémonos de burlas. Dime si conoces ad aquel casero d’esta mi casa en que vivo. [Paso sexto]
Madrid, febrero de 2007
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Santiago U. Sánchez Jiménez
Corpus bibliográfico [Pasos] Lope de Rueda, Compendio llamado El Deleitoso de Lope de Rueda, seguido del coloquio Prendas de amor (Logroño, 1588). Edición crítica, estudio preliminar y notas de Santiago U. Sánchez Jiménez y Francisco J. Sánchez Salas, Logroño: Instituto de Estudios Riojanos y Ayuntamiento de Logroño, 2006.
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Nation, Genealogie und Geschichte in Benito Pérez Galdós’ Fortunata y Jacinta Von Jobst Welge
In seiner inzwischen klassischen Studie, Imagined Communities, argumentiert Benedict Anderson für einen Konnex zwischen dem Konzept der Nation und dem realistischen Roman des neunzehnten Jahrhunderts. Der realistische Roman ist danach gekennzeichnet durch ein Wechselspiel von unterschiedlichen personal fokussierten Sehweisen, die von einem übergreifenden, objektiven Erzähler-Standpunkt zusammengehalten werden, worin Anderson eine literarisch-formale Entsprechung zu den integrativen Leistungen des liberalen Nationalstaats sieht.1 Diese grundsätzliche Affinität bedeutet aber nicht, daß die thematische Präsenz der Nation im Roman notwendigerweise stark ausgeprägt sein muß – zahlreiche realistische Romane beweisen das Gegenteil. Daher sollte die Korrespondenz zwischen realistischem Roman und Nation auch nicht universalisiert oder automatisch unterstellt werden, sondern muß im Kontext je spezifischer nationaler Kontexte und literarischer Traditionen jeweils neu geprüft werden.2 So ist im Falle Spaniens auffällig, daß hier die relativ späte Konsolidierung sowohl des modernen Nationalstaats als auch der Tradition des modernen Romans in einem Wechselverhältnis stehen. Anders als im englischen oder französischen Roman ist in Spanien die explizite Thematisierung der nationalen Problematik besonders stark ausgeprägt. Das Romanwerk von Benito Pérez Galdós steht einzig im europäischen Kontext da, nicht nur, was seinen immensen Umfang angeht, sondern auch, was die unablässige Beschäftigung mit ,nationalen‘ Themen betrifft. Nicht nur in den Episodios Nacionales (einer Art Sonderform des historischen Romans), sondern auch in den großen Novelas contemporáneas steht das Nationale, in seinen verschiedenen Manifestationen, im Mittelpunkt des Erzählten, ja, es nimmt dabei
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Benedict Anderson, Imagined Communities, London: Verso, 1983. Eine nützliche Zusammenfassung von Andersons Thesen findet sich in Pericles Lewis, Modernism, Nationalism, and the Novel, Cambridge: Cambridge University Press, 2000, Kap. 1. Für eine ausführliche Kritik universalisierender Annahmen (insbesondere anglo-amerikanischer) im Nation/Roman-Diskurs, siehe Timothy Reiss, „Mapping Identities: Literature, Nationalism, Colonialism“, in: Christopher Prendergast (Hrsg.), Debating World Literature, London:Verso, 2004, S. 110–47. Für eine Thematisierung der Nation in verschiedenen literarischen Genres und Ländern siehe Alberto Mario Banti, L’onore della nazione. Identità sessuali e violenza nel nazionalismo europeo dal XVIII secolo alla Grande Guerra, Torino: Einaudi, 2005.
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zuweilen die Form einer regelrechten Allegorie an.3 Der vorliegende Aufsatz widmet sich dem bedeutendsten und umfangreichsten Text aus der Serie der ,zeitgenössischen‘ Romane, Fortunata y Jacinta (1886–87), da sowohl seine thematische Orientierung, als auch seine formalen Mittel eine besonders komplexe und aussagekräftige Perspektivierung von Roman und Nation vornehmen. Es wird zu zeigen sein, inwiefern die formalen, bzw. strukturellen Besonderheiten dieses Textes einen Reflex auf eine spezifische Sicht der spanischen Gesellschaft darstellen. Die traditionelle Verbindung von Realismus, Nation und Bürgertum wird in Fortunata y Jacinta vorgeführt, aber gleichzeitig auch problematisiert. In dieser Hinsicht ist der Text sowohl in formaler als auch in ideologischer Hinsicht stark von dem geschichtsoptimistischen, teleologischen Modell der ersten Serie der Episodios Nacionales unterschieden.4 Es gilt im folgenden also zu untersuchen, wie der Roman die problematische Einheit der Nation in der Sphäre des Privaten inszeniert. Im besonderen werde ich dabei zeigen, wie diese Figuration der Nation sich in dem genealogischen Narrativ des Romans niederschlägt, das ein organisches Gesellschaftsmodell präsentiert, welches aber schließlich hinterfragt wird. Zunächst soll es anhand von Galdós’ eigenen literaturkritischen Äußerungen um den Kontext der Romanentwicklung im Spanien des 19.Jahrhunderts gehen (I). Es wird kurz zu zeigen sein, wie der Roman Nationalgeschichte im Modus des Privaten imaginiert (II). Danach wird insbesondere argumentiert, daß der Plot von Fortunata y Jacinta auf der Darstellung einer Krise des Großbürgertums basiert, was wiederum in Form einer genealogischen Krise, einer Krise der Sukzession, thematisiert wird (III). Schließlich wird deutlich, warum die Darstellung der Protagonistin, Fortunata, ihre Bedeutung gerade durch das Nicht-Determinierte, allen genealogischen Ableitungen Entgegenstehende, gewinnt. Die Figur von Fortunata, so werden wir sehen, stellt eine ,Antwort‘ auf die genealogische Krise des Romans dar, während sie gleichzeitig eine Grenze des organisch-integrativen Gesellschaftsmodells aufzeigt. Die realistische Schreibweise gewinnt dabei zunehmend eine große Offenheit, Multiperspektivik und Selbstreflexivität, die sich vor allem in der Bedeutung von mentalen Repräsentationen, der ,Realität‘ von Imaginationen und Fiktionen äußert (IV) – gerade dieses Element scheint charakteristisch für den spanischen Roman zu sein.
I. Roman und Nation In einer seiner wenigen programmatischen Schriften, Observaciones sobre la novela contemporánea en España (1870), setzt sich Pérez Galdós mit dem Problem der unvollständigen, oder ,verspäteten‘ Modernisierung auseinander, insoweit es die 3
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Peter A. Bly, Galdós’ Novel of the Historical Imagination. A Study of the Contemporary Novels, Liverpool: Francis Cairns, 1983. Siehe Hans Hinterhäuser, Die Episodios Nacionales von Benito Pérez Galdós, De Gruyter: Hamburg, 1961; Geoffrey Ribbans, „History and Fiction“, in: The Cambridge Companion to the Spanish Novel, Cambridge: Cambridge University Press, 2004, S. 102–119.
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Herausbildung einer spanischen Romantradition betrifft.5 Dabei beruft sich der Autor einerseits auf die Vorbildfunktion einer spezifisch spanischen Tradition der Wirklichkeitsbeobachtung („observación“), die er mit den Namen Velázquez und Cervantes sowie dem pikaresken Roman verbindet, während er andererseits die Überflutung des spanischen Buchmarkts mit melodramatischer Trivialliteratur aus Frankreich kritisiert.6 Es ist offensichtlich, daß Galdós hier den spanischen Rückstand gegenüber dem Ausland sogleich durch eine Affirmation autochthoner Werte zu kompensieren versucht. In diesem Aufsatz verbindet Galdós das Zu-Sich-Selbst-Kommen des spanischen Romans mit der Selbstbehauptung des Bürgertums als dem zentralen Motor der dynamischen Gesellschaftsentwicklung („la clase media […] la base del orden social“; Observaciones, S. 112), sowie eben auch der Selbstbehauptung einer genuin spanischen Literatur. In den Worten von Galdós bestehe die Aufgabe des Romans in der Herstellung eines „cuerpo multiforme y vario, pero completo, organizado y unico, como la misma sociedad“ (Observaciones, S. 113). Sowohl der Roman als auch die Gesellschaft werden also in einer organischen Körpermetaphorik als die strukturierte Integration von Vielheit imaginiert. In seiner Analyse zieht Galdós Parallelen zwischen der Schwäche des Romans in Spanien und der politischen Schwäche des Landes: Somos en todos unos soñadores que no sabemos descender de las regiones del más sublime extravío, y en literatura como en política, nos vamos por esas nubes montados en nuestros hipógrifos, como si no estuviéramos en el siglo XIX y en un rincón de esta vieja Europa, que ya se va aficionando mucho a la realidad (Observaciones, S. 106).
Die gegenwärtige Vorherrschaft der divagierenden Tendenzen, welche scheinbar unmittelbare Manifestation des Nationalcharakters ist („la fantasia andaluza“), solle nun der Beobachtung und Darstellung der Realität weichen, wozu die Spanier durchaus befähigt seien („la aptitud existe en nuestra raza“; S. 106), wenn sie sich nur nicht länger durch die Rezeption und Imitation jener französischen Werke und Moden beirren ließen, deren verheerender Einfluß auf die spanische Kultur mit den Bildern einer kolonialen Besetzung, ,Überfremdung‘ oder seuchenartigen
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Pérez Galdós, „Observaciones sobre la novela contemporánea en España“, in: Ibid., Ensayos de crítica literaria, hrsg. L. Bonnet, Barcelona: Península, 1972, S. 115–24. Es ist bemerkenswert, daß Galdós Cervantes und Velázquez als Vorbilder für realistische „observación“ aufruft, während es doch aus heutiger Sicht eher die meta-fiktionale, selbstreflexive Dimension dieser Werke ist, die sie gerade mit Galdós’ Romanen vergleichbar machen. In Emilia Pardo Bazáns Aufsatzsammlung zum Problem des Naturalismus, La cuestión palpitante (1882–83, „Genealogía“), werden ebenfalls Cervantes und Velázquez (sowie La Celestina) als Begründer einer genuin spanischen realistischen Tradition aufgerufen. Hieran wird deutlich, daß im 19. Jahrhundert selbst die realistisch-naturalistische Technik nicht frei von ,nationalen‘ Konnotationen war. Das Argument eines ,nationalen‘ Realismus beinhaltet auch die Behauptung, daß es eine nationale Identität schon seit langem gibt.
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Kontamination beschrieben wird.7 In solcher anti-französischen Rhetorik klingt natürlich die Erinnerung an das Trauma der Napoleonischen Invasion (1808) und des Unabhängigkeitskrieges an, das zentrale Thema der ersten Serie von Galdós’ Episodios Nacionales. Insofern dieser Text die periphere Position Spaniens innerhalb der europäischen Literaturlandschaft sowie die äußerst ambivalente Haltung gegenüber dem dominanten französischen Modell der Moderne zumindest implizit thematisiert, ist er von besonderem Interesse gerade auch vor dem Hintergrund gegenwärtiger Überlegungen zum Problem der Zirkulation von literarischem ,Kapital‘ in einer kulturgeographischen Perspektive. Franco Moretti und Pascale Casanova haben mit unterschiedlicher Akzentuierung dieses Phänomen struktureller Ungleichheiten innerhalb eines internationalen literarischen Marktes beschrieben, innerhalb dessen sich die geographisch-kulturellen Peripherien an den Vorgaben aus dem Zentrum (Frankreich, England) orientieren, beziehungsweise die Legitimität ihrer eigenen Produktion erst erstreiten müssen.8 Casanova etwa betont, daß der Kampf um literarische Anerkennung dem Kampf um nationale Selbstbehauptung korrespondiert, wobei allerdings der literarische keineswegs unmittelbar dem politischen agon entsprechen muß, sondern seinen eigenen, systemimmanenten Gesetzen folgt.9 Galdós’ kritische Anverwandlung des französischen Modells geht einher mit einer Thematisierung der ,peripheren‘ Situation der spanischen Literatur in einem solchen internationalen Kontext, wobei die Form des Romans eine oft überraschend ,modern‘ anmutende Offenheit und Komplexität annimmt, als ein paradoxes Resultat der Kompensation kultureller ,Verspätung.‘ 10
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„[…] la sustitución de la novela nacional de pura observación, por esa otra convencional y sin carácter, […] peste nacida en Francia, y que se ha difundido con la pasmosa rapidez de todos las males contagiosos“ (Observaciones, [wie Anm. 5], S. 107); „[…] inundar la Península de una plaga desastrosa, haciendo esas emisiones de papel impreso, que son hoy la gran conquista del comercio editorial“ (ebd., S. 108); „el afrancesamiento de nuestra alta sociedad […] la venida de los Borbones, la irrupción de la moda francesa, comenzaron a desnaturalizar nuestra aristocracia“ (ebd., S. 109). Franco Moretti, „Conjectures on World Literature“, in: Christopher Prendergast (Hrsg.), Debating World Literature, London:Verso, 2004; Pascale Casanova, The World Republic of Letters, Cambridge, Mass.: Harvard University Press, 2004. Vgl. auch José Lambert, „L’éternelle question des frontières: littératures nationales et systèmes littéraires“, in: Langue, Dialecte, Littérature: Etudes romanes à la mémoire de Hugo Plomteux, hrsg. C. Angelet et al., Leuven University Press, 1983, S. 355–70. Casanova, The World Republic of Letters, S. 36: „Literatures are […] not a pure emanation of national identity; they are constructed through literary rivalries, which are always denied, and struggles, which are always international.“ Das Phänomen der kulturellen ,Verspätung‘ ist oft mit Blick auf den lateinamerikanischen Roman diskutiert worden. João Cezar de Castro Rocha spricht in diesem Zusammenhang (der Kompensationsleistung) von „a compression of historical time“. („Machado de Assis – The Location of an Author“, in: ders. (Hrsg.), The Author as Plagiarist – The Case of Machado de Assis, Dartmouth, Mass., 2005, S. XIX–XXXIX, Zitat S. XXVI).
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Die Romane von Galdós tragen entscheidend dazu bei, daß es im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts schließlich zu einer Blüte des spanischen Romans kommt, der nun zur dominanten literarischen Gattung aufsteigt, eine Entwicklung, die durch den massiven Übersetzungsimport von Romanen vor allem aus Frankreich vorbereitet wurde, der wiederum zur Produktion von Feuilletonromanen (novelas por entregas) führte.11 Die rapide Veränderung der politischen, sozialen und ökonomischen Verhältnisse dieser Jahre, emblematisch verkörpert durch das Ereignis der Septemberrevolution von 1868, ist sicherlich auch ein Grund für das Erstarken der Romanform während dieser Zeit.12 Die relativ späte Entwicklung des realistischen Romans in Spanien bewirkt, daß Autoren und Lesern bereits ein bestimmtes Arsenal von Modellen und Konventionen zur Verfügung steht, auf das nun sowohl nachahmend als auch kritisch zurückgegriffen werden kann. Die Spezifik des sich vor dem Hintergrund einer bereits etablierten Realismustradition entwickelnden spanischen Romans wird oft in einer Konfrontation einer idealistischen mit einer anti-idealistischen Weltsicht gesehen, in Form einer Distanz zwischen den Protagonisten und der sie umgebenden Welt, welche letztlich auf das Paradigma des Don Quixote zurückgeht und sich insbesondere bei Galdós als eine Affinität von Idealismus und Wahnsinn darstelle.13 Den Überlegungen in den Observaciones folgend, kritisiert Galdós (vor allem im Roman La Desheredada) den trivialen Fortsetzungsroman und offenbart so seine ambivalente Haltung gegenüber der Massen- und Populärkultur.14
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Stephanie Sieburth, Inventing High and Low: Literature, Mass Culture and Uneven Modernity in Spain, Durham, NC: Duke University Press, 1990. S. auch Klaus-Peter Walter, „Normierte Wunschwelten und realistischer Diskurs. Die Präsenz des Populärromans in Pérez Galdós’ Novelas contemporáneas“, in: Wolfgang Matzat (Hrsg.), Peripherie und Dialogizität. Untersuchungen zum realistisch-naturalistischen Roman in Spanien, Tübingen: Gunter Narr, 1995, S. 45–68. Jo Labanyi etwa hat ausführlich gezeigt, wie dieser Konsolidationsprozeß, verstärkt nach der Restauration von 1874, von einer Reihe von institutionellen, juristischen, historiographischen und kulturellen Initiativen flankiert wurde, wie zum Beispiel der Gründung von Universitäten und Akademien, oder der Entwicklung einer Nationalphilologie, verkörpert durch das Erscheinen der ersten spanischen Literaturgeschichte von José Amador de los Rios während der Jahre 1861–65. Vgl. Jo Labanyi, Gender and Modernization in the Spanish Realist Novel, Oxford: Oxford University Press, S. 4–12. Also etwa die übersteigerten mentalen Zustände von Fortunata und Maximiliano Rubín. Siehe Thomas Pavel, La Pensée du Roman, Paris: Gallimard, 2004, S. 342–50. Fortunata y Jacinta nimmt in verschiedenen Passagen auch einen meta-literarischen Charakter an, wenn nämlich der Erzähler oder die Figuren auf populäre Genres anspielen (folletín, Melodrama, aber auch novela), die dem Roman ebenso eingeschrieben sind, wie er sie von einer ,realistischen‘ Position aus als illusionär zu markieren sucht. In einigen Momenten müssen die Figuren die Realität ihrer Empfindungen sogar gegen die Erkenntnis durchsetzen, daß sie damit zu Charakteren eines Trivialplots werden. Zu Beginn des dritten Teiles beispielsweise will Jacinta ihren untreuen Ehemann zur Rede stellen: „Jacinta tuvo ya en la punta de la lengua el lo sé todo; pero se acordó de que noches antes su marido y ella se habían reído mucho de esta frase, observándola repetida en todas las
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Die Handlung von Fortunata y Jacinta folgt einem der standardisierten Plots der Romanliteratur des 19. Jahrhunderts, der triangulären Situation des Ehebruchs, wie sie gerade für die zentrale Darstellung der Erfahrung von Frauen im Genre des Romans charakteristisch ist (Madame Bovary, Anna Karenina, La Regenta, Effi Briest). Die Gegenüberstellung von Jacinta als legitimer Ehefrau und Fortunata als Geliebter von Juanito de Santa Cruz bringt gleichzeitig die Klassenopposition von höherem Bürgertum und Frau aus dem niederen Volk, dem ,vierten Stand,‘ ins Spiel. Nach einer Affäre mit Fortunata heiratet Juanito, der männliche Protagonist, seine Cousine Jacinta, womit eine alte endogame Allianz der beiden großbürgerlichen Kaufmannsfamilien erneuert wird. Die kurzzeitig zur Prostituierten abgesunkene Fortunata heiratet schließlich ihrerseits den körperlich schwächelnden Apothekerlehrling Maximiliano Rubín, dessen Familie dem Kleinbürgertum angehört, wobei sie sich allerdings zunächst (auf Drängen von Nicolás Rubín, dem klerikalen Bruder von Maxi) in einem Erziehungsheim für ,gefallene‘ Frauen, Las Micaelas, einer – kaum erfolgreichen – sittlich-religiösen ,Korrektur‘ unterziehen muß. Sowohl Juanito als auch Fortunata sind unglücklich in ihrer Ehe und sind somit zum (wiederholten) Bruch ihrer Ehen disponiert. Dieses simple Muster des Ehebruchplots wird von Galdós in einer Reihe unterschiedlicher Permutationen variiert – so ist Fortunata in den vier Teilen des Romans mit jeweils unterschiedlichen Männern liiert –, die es ihm erlauben, die verschiedenen Gesellschaftsschichten, Familien und Stadtteile aus mehreren Perspektiven zu beleuchten. Dabei nimmt insbesondere im ersten Teil der Stadtraum von Madrid eine zentrale Rolle ein, „este Madrid, que entonces era futuro“ (1.II.V; S. 154). Der Raum der Stadt und die historisierenden Markierungen des Romans sind Teil eines nationalen und zeitlichen Kontinuums, und die Idee der ,Geschichte,‘ sowohl im Sinne einer historischen Genese, als auch im Sinne von ,Erzählung‘, ,Fabrikation‘ sind zentral für die Konzeption des Romans, der sich als eine Repräsentation der Nation versteht.
II. Geschichte und Privatheit Der Untertitel des Romans, Dos historias de casadas, bezeichnet bereits emblematisch Galdós’ Absicht, private Geschichte und offizielle Nationalgeschichte miteinander zu verknüpfen. Die Selbstcharakterisierung des Erzählers als eines „historiador“ (2.VII.VIII; S. 636) ist charakteristisch für den realistischen Roman, der sich in dieser Weise an der Historie als einem symptomatischen Leitdiskurs des neunzehnten Jahrhunderts orientiert. Die entscheidende Neuerung innerhalb der Gattung des Romans stammt bekanntlich von Balzac, der den historischen Roman nach dem Vorbild Walter Scotts in einen Gesellschaftsroman umbildete,
comedias de intriga“ (Benito Pérez Galdós, Fortunata y Jacinta, Ed. Francisco Caudet, 2 vols., Madrid: Ediciones Cátedra, 2002; 3.II.I; S. 54). Alle Angaben beziehen sich auf diese Ausgabe. Es werden sowohl die Kapitelziffern als auch die Seitenzahlen genannt.
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der nun nicht mehr ein zurückliegendes Ereignis der Nationalgeschichte, sondern Aspekte einer zeitgenössischen Gesellschaftsgeschichte zum Thema hatte und durch spezifische Techniken der Modellierung eine „Historizitätsillusion“ erzeugt.15 In diesem Zusammenhang wird oft auf Galdós’ Entdeckung von Balzac, seine erste revelatorische Begegnung mit Eugénie Grandet, hingewiesen, die er während seines Pariser Aufenthaltes anläßlich der Weltausstellung nach eigenen Worten „zum Frühstück“ gelesen habe.16 Balzac appelliert ständig an den historischen Sinnhorizont, wobei er im Rahmen der histoire jedoch relativ selten auf konkrete Ereignisse der großen Geschichte Bezug nimmt. Im auffälligen Gegensatz dazu führt Galdós in seinem Roman eine Fülle von expliziten historischen Referenzen und symbolischen Verweisungen ein. Zumal für den heutigen Leser sind die Bedeutungen der zahlreichen angespielten Namen und Ereignisse nicht immer vertraut und ohne die Anmerkungen der kommentierten Ausgaben bliebe hier manches unverständlich. Dieses ,Verwirrungspotential‘ ist aber nicht nur durch den Zeitabstand begründet, sondern rührt auch von der Situation der politischen Ereignisse selbst her, denn schließlich ist die spanische Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts durch eine Fülle von militärischen Umsturzversuchen (pronunciamientos), Thronfolgestreitigkeiten, Kriegen und schließlich die gescheiterte Revolution von 1868 charakterisiert. Die Restauration der Bourbonen bringt in diese chaotische Wechselhaftigkeit eine relative Stabilität, wenn damit freilich auch das Scheitern der liberalen Hoffnungen einhergeht. Der Erzähler berichtet aus der Perspektive von 1886/87 und referiert auf Ereignisse, die sich hauptsächlich im Zeitraum 1869 bis April 1876 abspielen, von der Abdankung Isabellas II. bis zur Ersten Republik, den Militärputschen und schließlich der bourbonischen Restauration. Im ersten Teil des Romans wird eine Geschichte rekonstruiert, die noch weit bis vor das Revolutionsjahr 1868 zurückreicht. In jenem Jahr löste eine vergleichsweise liberale Koalition unter dem Premierminister Juan Prim die Königin Isabella ab und machte so den Weg zu einer konstitutionellen Monarchie frei. Der Savoyer Amadeo wurde 1871 gekrönt und konnte den Thron lediglich bis 1873 halten. Eine nur kurze Zeit währende Republik (1873–74) wurde schließlich von einem Militärputsch beseitigt, worauf die Bourbonen in Gestalt von Alfons XII., Isabellas Sohn, restauriert werden. Lilian Furst hat betont, daß im realistischen Roman historische Anspielungen den Stellenwert eines strategischen Codes besitzen, welcher dem Leser den Faktizitäts- und damit wiederum den Wahrhaftigkeitsanspruch des Textes vermitteln soll.17 Historisierung als eine Strategie der Selbstlegitimierung des realistischen 15
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Vgl. Joachim Küpper, Balzac und der effet de réel. Eine Untersuchung anhand der Textstufen des Colonel Chabert und des Curé de Village, Amsterdam: Grüner, 1986, S. 24. „Memorias de un desmemoriado“, in: Obras Completas, hrsg. Carlos Robles, 6 vols., Madrid: Aguilar, 1951, vol. VII, S. 1656b. Lilian Furst, All is True. The Claims and Strategies of Realist Fiction, Durham, NC: Duke University Press, 1995, S. 94: „As an actuality of the recent past becomes the present of the narrative, an ,air of reality‘ is lent to the fiction. When history merges into fiction, fiction legitimizes itself as history.“
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Textes trifft sicherlich auch auf den Roman von Galdós zu, allerdings steht hier die allegorisch-metonymische Funktion im Vordergrund. So ist die Instabilität und Wechselhaftigkeit der politischen Verhältnisse gespiegelt in der Wechselhaftigkeit von Juanito, dem „hombre del siglo“, der im Gegensatz zu seinem Vater seine politischen Auffassungen nach Belieben wechselt, vom Republikaner zum Monarchisten wird: „Porque Juan era la inconsecuencia misma“ (1.VII.II; S. 287). Bereits sein erstes Erscheinen zu Beginn des Romans führt seine politische Unglaubwürdigkeit vor. Er partizipiert gemeinsam mit seinen Kommilitonen an den tumultuösen Ereignissen der sogenannten Noche de San Daniel (10. April 1865), einem Protest gegen die Entlassung eines Universitätsprofessors, welcher zu einem Fanal der liberalen Bewegung in Spanien wurde, allerdings ohne daß hieraus für Juanito irgendwelche Konsequenzen entstünden, so daß die ironische Kennzeichnung der Figur durch den Erzähler (später dann auch durch Jacinta) als „Revolutionär“ und „Anarchist“ von Anfang an die Dichotomie von Sein und Schein unterstreicht. Insofern Juanito als eine Figur seiner Epoche konzipiert ist, kann dies als ein typisches Beispiel für den metonymischen Charakter von Galdós’ Realismusverständnis gelten. Dieses wird besonders zu Beginn des dritten Bandes deutlich. Im Kapitel „La Restauración vencedora“ (3.II) fallen die Ereignisse der nationalpolitischen Restauration – also der Einmarsch von König Alfonso XII. am 14.1. 1875 – mit der Wiederherstellung des Eheverhältnisses von Juanito und Jacinta zusammen; die von Juanito abgewiesene Fortunata wird schließlich ebenfallls zu ihrem Gatten zurückkehren.18 Die Restauration wird von Juanitos Vater, D. Baldomero, sowie seinen Angehörigen freudig begrüßt. Als Jacinta jedoch zu Beginn des Kapitels zunächst Gewißheit über die Untreue ihres Ehemannns, die Wiederaufnahme seines Verhältnisses mit Fortunata, erhält, befindet sich ihr subjektives Befinden gerade im Gegensatz zur Wahrnehmung des nationalhistorischen Ereignisses, was vom Erzähler durch eine metaphorische Parallele umso deutlicher explizit gemacht wird: „Jacinta tenía que entusiasmarse también, a pesar de aquella procesión que por dentro le andaba, y poner cara de pascua a todos los que entraron felicitándose del suceso“ (S. 50; meine Hervorh.). Der durch die Metaphorisierung hervorgerufene oder verstärkte Kontrast rückt somit die psychologische Innenwelt der Figur gegenüber dem äußeren Ereignis in den Vordergrund, zumal das ,äußere‘ Ereignis vom Erzähler gar nicht wirklich beschrieben wird. Zur gleichen Zeit tragen D. Baldomero und sein Sohn Juanito eine politische Differenz über den militärischen Charakter der Restauration, beziehungsweise ihre mögliche Unbeständigkeit aus, was D. Baldomero wiederum zu folgendem Kommentar bewegt, der im Kontext der vorherigen Signale unschwer nicht nur als eine Bewertung des Nationalcharakters, sondern eben auch von Juanito erscheint: 18
Eine Lektüre des Romans als historische Allegorie liefert vor allem Geoffrey Ribbans, „Contemporary History in the Structure and Characterization of Fortunata y Jacinta“, in: Galdós Studies I, hrsg. J. E. Varey, London: Tamesis, 1979, S. 90–113. Zu den historischen Bezügen siehe auch Caudet, „Introducción“ (wie Anm. 14), Bd. 1, S. 56–57.
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Jobst Welge En la sociedad española no se puede nunca fiar tan largo. Lo único que sabemos es que nuestro país padece alternativas o fiebres intermitentes de revolución y de paz. En ciertos periodos todos deseamos que haya mucha autoridad (3.II.I; S. 53).
Der Titel dieses Kapitels, „La Restauración vencedora“ verweist also auf die Parallele zwischen der politischen Restauration und der ,Restauration‘ von Juanitos Eheverhältis und damit der (vorübergehenden) Zurückweisung seines außerehelichen Verhältnisses mit Fortunata: „En realidad no era aquello virtud, sino cansancio del pecado; no era el sentimiento puro y regular del orden, sino el hastío de la revolución“ (3.II.II; S. 56). Die öffentliche und die private ,Restauration‘ beleuchten sich auf diese Weise gegenseitig, denn Juanitos „flexible ingenio“ (3.II.III; S. 63) entspricht der politischen Unbeständigkeit der Nation. Galdós ist diese Art der zum Teil etwas forcierten politischen Allegorisierung offensichtlich so wichtig, daß er dafür auch in Kauf nimmt, daß nun Juanitos eher fragwürdiges Verhältnis mit Fortunata mit dem Begriff der ,Revolution‘ assoziiert wird. Die Namen und Ereignisse der Nationalgeschichte werden stichwortartig aufgerufen, um vor diesem Hintergrund das narrativ entfaltete Geschehen als eine Geschichte des Alltags, des Privaten zu profilieren. Im Spiegel der Gegenwart – der weitgehend statisch dargestellten Restaurationsepoche – begreift der zeitgenössische Leser ,Geschichte‘ somit als etwas immer schon Vergangenes. Damit ist auch das Prinzip des historisierenden Realismus zwar noch präsent, aber einer Vor-Vergangenheit zugeordnet. III. Das Ende der Genealogie: Juanito In dieser Hinsicht ist es nun bemerkenswert, wie der erste Teil des Romans ,Geschichte‘ metonymisch-allegorisch abbildet, nämlich im Modus einer privaten Familien-Genealogie. Dies geschieht vor allem im zweiten Kapitel mit dem programmatischen Titel „Santa Cruz y Arnaiz. Vistazo histórico sobre el comercio matritense“ (1.II). Die relativ starke Kompression der Zeit im ersten Teil, welcher die Periode der Konsolidierung des liberal-konservativen Großbürgertums unter der absolutistischen Herrschaft von Fernando VII. und dann während der liberalen Phase der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts schildert, liefert das historische Fundament für die eigentliche Handlung des Romans, die in die Epoche des sexenio revolucionario fällt, von der Septemberrevolution 1868 bis zur Rückkehr der Bourbonen 1874. Das genealogische zweite Kapitel stellt also eine Art historischen Exkurs dar in einem Text, der sich dann vor allem der Darstellung der allerjüngsten Vergangenheit widmen wird – so daß strenggenommen von zwei Gegenwarten aus in die Vergangenheit zurückgeblickt wird. Der Erzähler ironisiert das Selbstverständnis der Familie, wenn er die Vorfahren des männlichen Protagonisten Juanito Santa Cruz (Baldomero I, Baldomero II) im Stile einer monarchischen Herrscherabfolge beschreibt. Diese quasiaristokratische Porträtierung der großbürgerlichen Familie muß als ein Hinweis auf die ungesicherte Situation des Bürgertums während dieser Zeit gesehen wer-
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den. Gerade in einer Zeit der Auflösung traditioneller Gesellschaftsstrukturen wird paradoxerweise das Legitimationsmodell der dynastisch-genealogischen Abstammung mobilisiert: Das während der Restaurationsepoche marginalisierte Bürgertum orientiert sich an den Normen der Aristokratie.19 Die Ironie dieses Bezuges wird vollends deutlich im konsistent wiederholten Beinamen von Juanito, el Delfín, also des französischen Titels des Erbprinzen (le Dauphin). Aus der Perspektive der Restaurationsepoche, in der die liberalen Hoffnungen des Bürgertums stillgestellt worden sind, kommt somit eine frühere Zeit in den Blick, die ökonomische Aufstiegsgeschichte des Tuchhandelsgeschäfts von Baldomero I und II, die erst die komfortable, aber unproduktive Position von Juanito möglich gemacht hat. Wie Stephen Gilman zu Recht betont hat, ist die exorbitante Ausführlichkeit nicht nur der genealogischen Details, sondern der soziologischen, topographischen und ökonomischen Informationen des ersten Teiles insgesamt nicht eigentlich durch die folgende Handlung gedeckt, noch wird sie im weiteren Verlauf des Romans in diesem Ausmaß durchgehalten, womit sich die Frage nach der Funktion dieser für den Leser zunächst irritierenden Abschnitte stellt.20 Es überrascht daher auch nicht, daß dieses eklatante Mißverhältnis in der Romankonstruktion verschiedentlich kritisiert worden ist und nur wenige Untersuchungen eine Deutung des genealogischen ,Exkurses‘ mit Blick auf eine Gesamtinterpretation des Romans unternommen haben.21 Sehen wir uns den Anfang des zweiten Kapitels an: Don Baldomero Santa Cruz era hijo de otro D. Baldomero Santa Cruz que en el siglo pasado tuvo ya tienda de paños del Reino en la calle de la Sal […]. Había empezado el padre por la humilde jerarquía commercial. Y a fuerza de trabajo, constancia
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Siehe Thomas E. Lewis, „Fortunata y Jacinta: Galdós and the Production of the Literary Referent“, in: Modern Language Notes 96, 1981, S. 316–39, hier S. 326: „[…] the ideological problematic of the Restoration is defined precisely by the absence of an ideological practice capable of giving representational form, and hence, effective political presence, to the bourgeoisie in its own right.“ Eine solche Suche nach einem aristokratischen Ursprung im Kontext einer rapide modernisierten Welt steht bezeichnenderweise im Vordergrund der Handlung von La desheredada, dem ersten Roman aus der Serie der Novelas Contemporáneas. Zur Verbindung von Genealogie und Familie siehe Sigrid Weigel, Genea-Logik. Generation, Tradition und Evolution zwischen Kultur- und Naturwissenschaften, München: Fink, 2006, S. 25. Stephen Gilman, Galdós and the Art of the European Novel: 1867–1887, Princeton: Princeton University Press, 1981, S. 229; 323: „The long, Naturalistic ouverture of Fortunata y Jacinta may seem out of proportion to some readers.“ Die Untersuchung von Carmen Menéndez Onrubia liefert eine nützliche Übersicht der familiengenealogischen Erzählung, bleibt aber eine Interpretation der Bedeutung für den Roman insgesamt weitgehend schuldig. Siehe „Historia y familia en Fortunata y Jacinta,“ in: Textos y Contextos de Galdós. Actas del Simposio Centenario de Fortunata y Jacinta, hrsg. John W. Kronik/Harriet S. Turner, Madrid: Castalia, 1988, S. 105–114. Für eine mytho-poetische Interpretation siehe Gilman, Galdós and the Art of the European Novel, Kap. 10.
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Jobst Welge y orden, el hortera de 1769 tenía, por los años 10 al 15, uno de los más reputados establecimientos de la Corte en pañería nacional y extranjera. (1.II.I; S. 118–119).
Der durch die Arbeitsethik und Traditionskontinuität beförderte Aufstieg der Kaufmannsfamilie indiziert symptomatisch die Dynamik einer sozial und ökonomisch mobil gewordenen Gesellschaft – ganz im Sinne der Ausführungen von Galdós in den oben diskutierten Observaciones. Der Erzähler insistiert mehrfach darauf, daß innerhalb Madrids sich die familiäre und ständische Ausdifferenzierung stets auf einen gemeinsamen Ursprung zurückverfolgen ließe: „Y escudriñando los troncos de estos linajes matritenses, sería facil encontrar que los Arnaiz y los Santa Cruz tenían en sus diferentes ramas una savia común, la savia de los Trujillos“ (2.I.II; S. 125). Oder: „Las familias de Santa Cruz y Arnaiz se trataban con amistad casi íntima, y además tenían vinculos de parentesco con los Trujillos. La mujer de don Baldomero I y la del defunto Arnaiz eran primas segundas, floridas ramas de aquel nudoso tronco […]“ (2.I.III; S. 136). Es wird also deutlich, daß die Vermischung der beiden Familien Santa Cruz und Arnaiz, die beide im Geschlecht der Trujillos münden („Todos somos unos!“, S. 125), eine tendenziell inzestuöse ist. Dem Leser wird so drastisch vor Augen geführt, daß das Panorama der weitverzweigten genealogischen Ausbreitung letztlich auf einer einzigen Wurzel und einer endogamen Struktur beruht. Nach der Hochzeit von Don Baldomero und Barbarita, der Eltern von Juanito (eine Verbindung, die vom Erzähler in auffällig hohen Tönen gepriesen wird: „para eterna ejemplaridad de las generaciones futuras“ 1.II.IV; S. 141), müssen diese allerdings ganze zehn Jahre auf die Geburt ihres Sohnes warten („como los judíos al Mesías“, 1.II.IV; S. 142), der 1845 dann endlich zur Welt kommt. Die Reproduktionsschwierigkeiten der Familie Santa Cruz symbolisieren möglicherweise eine Krise der Fortexistenz der Großbourgeoisie, die ihren Aufstieg dem traditionsreichen Handelsgeschäft verdankt, aber unter dem Druck der Moderne verfällt. Das genealogische Narrativ der Santa-Cruz-Familie erscheint so wie eine abgekürzte, vorweggenommene iberische Version der Buddenbrooks.22 Sodann erfährt der Leser, daß Barbarita die Hochzeit ihres Sohnes mit seiner Cousine Jacinta Arnaiz arrangiert, welche somit die ehemals durch ihre Tante besetzte ,Stelle‘ einnimmt. Der im Kontrast zur Sterilität der Santa-Cruz-Linie auffällige Kinderreichtum von Isabel de Cordero de Arnáiz, der Mutter von Jacinta (welcher wiederum der Fruchtbarkeit der Monarchin Isabella II., 1833– 1868, korrespondiert), steht, wie sich bald herausstellen wird, der nun vollkommenen Sterilität der Ehe von Jacinta und Juanito gegenüber – was wiederum mit der ödipalen Beziehung Juanitos zu seiner Mutter korrespondiert. Hierdurch ergibt sich das zentrale Motivationselement für die Handlung des Romans, das Problem der Produktion eines (männlichen) Erben, und somit die Fortsetzung der – offenbar in Dekadenz befindlichen – genealogischen Linie.
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Diese Strukturähnlichkeit wurde zuerst bemerkt von Fernando Uriarte, „El comercio en la obra de Galdós,“ Atenea 72, 1942, S. 136–40.
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Ursprünglich mag Galdós, wie er dies in den Observaciones ausführt, Hoffnungen auf die produktiv-dynamische Kraft des Bürgertums gesetzt haben. Die vorliegende Gestalt des Romans jedoch, in der die Blüte des Bürgertums nur noch im historischen Rückblick („Vistazo histórico“) des ersten Teils sichtbar wird, macht klar, daß für Galdós eine Erneuerung eines sich selbst entfremdeten Bürgertums nur durch die Verbindung mit dem pueblo stattfinden kann, dem wahren Hüter nationaler Identität. Mit anderen Worten: Die genealogische Krise, welche auf der Ebene der Handlung den Ehebruchsplot (als einen ,Ausbruch‘ aus der Sterilität) motiviert, illustriert den Befund einer gesellschaftlichen und nationalen Dekadenz, wie sie in der Restaurationsepoche manifest geworden ist. Diese semantische Verschränkung von Sterilität, Inzest und nationaler Dekadenz ist im übrigen keine Besonderheit von Galdós’ Roman, sondern sie ist höchst symptomatisch für einige der bedeutendsten Romane des späten neunzehnten Jahrhunderts auf der iberischen Halbinsel, worauf ich hier nur mit dem Verweis auf Eça de Queiros’ Os Maias (1888), Emilia Pardo Bazáns Los pazos de Ulloa (1886), aber auch Claríns La Regenta (1884/85), aufmerksam machen kann.23 Es ist nun keineswegs zufällig, daß diese symptomatischen Familien des Madrider Bürgertums, die Santa Cruz und Arnaiz, gerade dem Tuchhandel nachgehen, weil es gerade dieser Bereich war, der das Prinzip der kapitalistischen Warenzirkulation bereits sehr früh illustrierte und damit auch im Bereich der Wirtschaft eine Vernetzung einführte, die die Personen weit über den Kreis der Stadt mit internationalen Handelsbeziehungen und politischen Ereignissen in Verbindung bringt. Dieser wirtschaftliche Kontext dient Galdós dazu, die problematische Modernisierung Spaniens zu thematisieren. Zunächst ist das Blühen des Handelshauses von der Einführung der Freihandelsgesetze im Jahre 1849 (ausgeweitet in der Unión Liberal von 1858) begleitet, einer freien Zirkulation von Waren, die insbesondere mit weiblicher Textilmode (im Gegensatz zum früheren Handel mit militärischen Uniformkleidern) assoziiert ist. Die –weibliche – Mode markiert in emblematischer Form das Prinzip der ökonomischen Dynamik und des gesellschaftlichen Wandels: […] lo más interesante de tal imperio está en el vestir de las señoras, origen de energías poderosas, que de la vida privada salen a la pública y determinan hechos grandes. ¡Los trapos, ay! ¿Quien no ve en ellos una de las principales energías de la época presente, tal vez una causa generadora de movimiento y vida? (1.II.V; S. 153) 24
Die Stimme des Erzählers versäumt nicht zu betonen, daß der Import ausländischer, das heißt vor allem französischer Mode zu einer Verfälschung des ursprüng23
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S. António Apolinário Lourenço, „Eça de Queirós e o incesto na literatura naturalista ibérica: Simões Dias, Lourenço Pinto, López Bago e Pardo Bazán“, in: Leituras. Revista da Biblioteca Nacional, 7/2000, Eça de Queirós, S. 109–127. Zum Phänomen weiblicher Mode als Zeichen für urbane Modernisierung im Werk von Galdós (vor allem in La desheredada) siehe Deborah Parsons, A Cultural History of Madrid. Modernism and the Urban Spectacle, New York – Oxford 2003, S. 42–47. Vgl. auch J. Labanyi (wie Anm. 12), S. 189–91.
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lichen, natürlichen spanischen Charakters führt, wofür insbesondere das Aus-derMode-Kommen des mantón de Manila (1.II.II; S. 127): angeführt wird, welcher als Symbol des spanischen Volkscharakters erscheint, wobei der Erzähler gleichzeitig anmerkt, daß seine Herkunft kolonialer Natur ist, wie ja auch bereits der Name selbst signalisiert: „esta prenda, esta nacional obra de arte, tan nuestra como las panderetas o los toros, no es nuestra en realidad más que por el uso“ (1.II.II; S. 128). Die „decadencia“ dieses emblematischen Kleidungsstücks im Zuge seiner Verdrängung von ,farbloser‘ Mode aus dem ,Norden‘ macht deutlich, daß es hierbei auch und gerade um die Dekadenz der spanischen Kolonialmacht im internationalen, machtpolitischen Kontext geht, und somit um das Problem der zunehmenden Isolierung und ,Rückständigkeit‘ Spaniens innerhalb Europas: 25 Las galeras aceleradas iban trayendo a Madrid cada día con más presteza las novedades parisienses, y se apuntaba la invasión lenta y tiránica de los medios colores, que pretenden ser signo de cultura. La sociedad española empezaba a presumir de seria, es decir, a vestirse lúgubremente, y el alegre imperio de los colorines se derrumbaba de un modo indudable. […] Aquel incanto de los ojos, aquel prodigio de color, remedo de la naturaleza sonriente […], empezó a perder terreno, dunque el pueblo, con instinto de colorista y poeta, defendía la prenda española como defendió el parque de Monteleón y los reductos de Zaragoza (1.II.II; S. 150).
Es ist offensichtlich, daß der Erzähler hier eine eindeutige Position mit Bezug auf zeitgenössische Debatten über einen ökonomischen Protektionismus bezieht, wie er gerade den Bereich der Textilproduktion betraf. Bemerkenswert an der Passage ist aber vor allem, wie der Import der französischen Mode deutlich mit der Rhetorik von politischer Invasion und Okkupation beschrieben wird, und daß das Volk, el pueblo, gleichermaßen gegen die Napoleonischen Truppen und die französischen Textilien Widerstand leistet. Der Prozeß gesamteuropäischer Modernisierung bringt Spanien selbst in die Position eines ,kolonisierten,‘ ,subalternen,‘ und ,abhängigen‘ Landes, wie Galdós selbst an anderem Ort ausgeführt hat.26 Aber auch 25
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Vgl. Miguel Martínez Cuadrado, La burguesía conservadora (1874–1931). Historia de España Alfaguara, Madrid: Alianza, 1970: „La liquidación del imperio colonial y las dificultades en la implantación de la hegemonía liberal hicieron del Estado español un débil heredero de su antigua poderosa influencia internacional. Ello determinó el eclipse de la intervención española fuera de sus restos coloniales ultramarines o de las fricciones internacionales que le ocasionaban precisamente estas posesiones. La decadencia colonial española y la expansión colonial de sus clásicos competidores europeos, Francia e Inglaterra, fueron paralelas. El Estado español representó entre 1874 y 1898 el papel de una nación europea aislada, escasamente influente, alejada de las grandes alianzas o ententes europeas […]“ (S. 523). Benito Pérez Galdós, Obras inéditas, 11 vols., hrsg. Alberto Ghiraldo, Madrid: Renacimiento, 1923-33, hier vol. 6, S. 60f.: „Pero si se ponen de acuerdo [Inglaterra y Alemania] y marchan unidas, pronto veremos que la preponderancia del principio sajón será decisiva en el mundo, y que aún los más autónomos nos veremos insensiblemente arrastrados a una situación dependiente y subalterna, recibiendo leyes de los más fuertes en lo político y en lo comercial. No sólo perderemos poco a poco nuestras colonias, sino que de una
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im Roman selbst beschreibt der Erzähler die wirtschaftliche Abhängigkeit Spaniens im Sinne einer Kolonisierung, die sich im Zeichen des ,Fortschritts‘ das Land unterwirft: Las comunicaciones rápidas nos trajeron mensajeros de la potente industria belga, francesa e inglesa, que necesitaban mercados. Todavía no era moda ir a buscarlos al Africa, y los venían a buscar aquí, cambiando cuentas de vidrio por pepitas de oro; es decir, lanillas, cretonas y merinos, por dinero contante o por obras de arte. (1.II.V; S. 151)
Die offen ,autarkistische‘ Position des Erzählers weist also eine unübersehbare Parallele zu der anti-französischen Polemik in den Observaciones auf. In dieser nationalistischen Perspektive erscheint das Volk als die eigentliche Essenz der spanischen Nation, und der Erzähler verfällt in diesem Zusammenhang bezeichnenderweise mehrfach in die erste Person Plural: „Estamos bajo la influencia del Norte de Europa, y ese maldito Norte nos impone los grises que toma de su ahumado cielo“ (1.II.V; S. 151). Der Import der aus dem Norden kommenden Mode wird mit modernen Produktions- und Transportmethoden (insbesondere dem Eisenbahnnetz) in Verbindung gebracht, mit gesellschaftlicher Modernisierung, dem Aufstieg einer geschäftstreibenden Klasse, sowie der beschleunigten Transformation von Madrid in eine moderne Großstadt, „de aldeota indecente a la de capital civilizada“ (1.II.V; S. 154). Mit der durch Juanito symbolisierten Dekadenz des einst zu Reichtum gekommenen Bürgertums zielt der Erzähler also letztlich auf eine Kritik an der Fortschrittsbegeisterung der Zeit („la idea madre de aquellos tiempos, el progreso“, 1.II.IV; S. 144). Wenn D. Baldomero seinen Sohn nicht mehr der überlieferten Arbeitsethik, sondern, in Übereinstimmung mit ,modernen‘ Ideen von liberaler Erziehung, seinem eigenen ,Instinkt‘ überantworten will, dann führt er dazu bezeichnenderweise ein Idiom aus der zeitgenössischen Freihandelsdebatte an: „laissez aller, laisser passer …“ (1.II.IV; S. 144). Durch solche Signale zielt der Erzähler also auf eine Kritik an nationaler Dekadenz ,durch Fortschritt‘, eine Dekadenz zumal derjenigen Klasse, die zunächst für den Aufstieg von Spanien als modernem Staat verantwortlich war, und für die hier die ,Geschichte‘ der Familie Santa Cruz einsteht. Das Thema der Familiengenealogie bestimmt aber nicht nur die formale Struktur des Romans, denn im weiteren Verlauf des Textes wird das Bild des Stammbaums auch zu einem symbolischen Motiv.27 Die Figur des Stammbaums bezeichnet so nicht nur im engeren Sinne die genealogische und soziale Vernetzung der
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manera insensible nos iremos convirtiendo en algo conquistable y colonizable para provecho de ellos.“ Zum genealogischen Stammbaum als einem epistemologischen Modell siehe die Beiträge in: Sigrid Weigel et al. (Hrsg.), Generation. Zur Genealogie des Konzepts – Konzepte von Genealogie, München: Fink, 2005. Siehe auch Sigrid Weigel, Genea-Logik, S. 29–37. Die ausführlichste Diskussion der Stammbaum-Metapher im vorliegenden Roman findet sich in Harriet S. Turner, „Family Ties and Tyrannies,“ in: Hispanic Review, 1983/01, S. 1–22.
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Familie Santa Cruz, sondern wird auch zu einer Metapher für die narrative Vernetzung, oder ,Verzweigung‘ räumlicher Lebenswelten, im Sinne der vom Realismus angestrebten ,organischen‘ Erfassung der Wirklichkeit. So sind entscheidende Wendungen der Handlung oft durch ,zufällige‘ Begegnungen der Figuren im Stadtraum motiviert.28 Insofern es sich ja hier um den Stadtraum Madrids handelt, liegt vielleicht auch der Bezug auf das Baum-Emblem Madrids, den madroño, nahe. Gegen Ende des Romans wird der Tod von Moreno-Isla, einem Freund der Familie Santa Cruz, explizit mit dem Bild vom Baum des Lebens beschrieben, welches eine untergründige, aber offensichtliche Kontinuität zur einleitenden Stammbaum-Metaphorik herstellt: „Se desprendió de la humanidad, cayó del gran árbol la hoja completamente seca, solo sostenida por fibra imperceptible. El árbol no sintió nada en sus inmensas ramas“ (4.III.VI; S. 363). Das Bild des Stammbaums zielt also auf eine organische Einheit der Familie und der Gesellschaft.29 Diese Bildlichkeit, wie sie insbesondere im zweiten Kapitel des Romans entwickelt wird, ist also emblematisch für dessen signifikante genealogische Komponente, welche wiederum symptomatisch für den Roman des 19. Jahrhunderts insgesamt ist, der sich in vielfachen Formen mit der Aszendenz, beziehungsweise Dekadenz von gesellschaftlichen Schichten beschäftigt, sowie mit dem Problem von Erbschaft und Vererbung im Kontext der Familie.30 Es drängt sich hier natürlich der Vergleich mit der zentralen Funktion des arbre génealogique in Zolas Rougon-Macquart-Zyklus auf, allerdings wird dabei gerade die entscheidende Differenz von Galdós‘ Gebrauch der Stammbaum-Metaphorik zum naturalistischen Paradigma deutlich. Im Verhältnis zum Modell des französischen Naturalismus – welches als ,Kulturimport‘ ursprünglich eine modernisierende Rolle im spanischen Kontext hatte 31 – ist auffallend, daß sich die spanischen Autoren (neben Galdós auch Clarín, Pardo Bazán) zunehmend von der Idee des biologischen und soziolo-
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Vgl. hierzu insbesondere 1.III.III (S. 181): „[…] si Juanito Santa Cruz no hubiera hecho aquella visita, esta historia no se habría escrito. Se hubiera escrito otra , eso sí, porque por do quiera que el hombre vaya lleva consigo su novela, pero ésta no.“ Das Bild vom Baum des Lebens ist im übrigen zentral für den Humanitätsdiskurs des Krausismus. Dem Philosophen Sanz del Río, einem Vertreter der sogenannten Generation von 1868, zufolge steht der „Baum der Menschheit“ oder des „Lebens“ für den Gang der Zivilisation und der Geschichte, der somit einen die Gesellschaft zusammenschließenden, kontinuierlichen Reifeprozeß meint: „No cesará en sus crecimientos este árbol emblemático de la humanidad, hasta que se cubra de hojas y dé frutos maduros después de esta laboriosa educación.“ Siehe J. Sanz del Río, El ideal de la Humanidad para la vida (1871); zitiert nach Teresa Toscano Liria, Retórica e ideología de la Generación de 1868 en la obra de Galdós, Madrid: Editorial Pliegos, S. 82. Siehe David F. Bell, Real Time. Accelerating Narrative from Balzac to Zola, University of Illinois Press: Urbana–Chicago, 2004, Kap. 1; Stefano Calabrese, „Cicli, genealogie e altre forme di romanzo totale nel XIX secolo“, in: Franco Moretti (Hrsg.), Temi, luoghi, eroi. Il romanzo, vol. IV, Torino: Einaudi, 2003, S. 611–640; P. Drechsel Tobin, Time and the Novel. The Genealogical Narrative, Princeton: Princeton University Press, 1978. Vgl. Casanova (wie Anm. 8), S. 102.
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gischen Milieudeterminismus emanzipieren und somit eine größere Offenheit in die Beziehungen zwischen Individuum und Umwelt bringen.32 Obwohl die Söhne der Rubín-Familie, insbesondere Maxi, durch einen Erbschaden, ganz im Sinne der Zolaschen fêlure, gekennzeichnet sind, bedeutet das Dekadenzschema der genealogischen Konstellation bei Galdós zugleich auch das Auslaufen des genealogischen Erklärungsmodells – und nicht, wie bei Zola, dessen Bestätigung. Der gran arbol der Menschheit nimmt den Platz des ,absterbenden‘ Familien-Stammbaums ein. Dieses organische Bild der Gesellschaft motiviert das Narrativ eines Integrationsversuches – die ,Zivilisierung‘ und ,Domestizierung‘ von Fortunata. Entsprechend erscheint das Ganze der Nation als eine einzige ,große Familie‘, in der die sozialen und ständischen Unterschiede in einer „dichosa confusión“ aufgehoben scheinen: Es curioso observar cómo nuestra edad, por otros conceptos infeliz, nos presenta una dichosa confusión de todas las clases, mejor dicho, la concordia y reconciliación de todas ellas […]. Aquí se ha resuelto el problema sencilla y pacíficamente, gracias al temple democrático de las españoles y a la escasa vehemencia de las preocupaciones nobiliarias […] han salido amigos el noble tronado y el plebeyo ensoberbecido por un título universitario; y de amigos, pronto han pasado a parientes. Esta confusión es un bien, y gracias a ella no nos aterra el contagio de la guerra social, porque tenemos ya en la masa de la sangre un socialismo atenuado y inofensivo. (Fortunata y Jacinta, 1.VI.I; S. 240).
Das Ideal der Klassendurchmischung als einer Selbstaufhebung des Klassengegensatzes ist unschwer als die Ansicht von P. Galdós, sowie als ein ideologischer Mythos zu erkennen. Hier läßt sich eine entscheidende Differenz von Galdós zum französischen Realismus erkennen. Während nämlich etwa Balzac die gesellschaftliche Dynamik der frühkapitalistischen Welt bei gleichzeitiger Nostalgie für die Ordnung des Ancien Régime beschreibt, präsentiert sich Galdós als Parteigänger einer gesellschaftlichen ,Demokratisierung‘, die er sogar in einem ethnisch-biologischen Prinzip verankert sieht („en la masa de la sangre“). Diese Durchdringung von privater und öffentlicher Welt wird allerdings gleichzeitig auch als problematisch dargestellt. Einschlägig hierfür ist das erste Kapitel des dritten Buches, „Costumbres turcas“, welches bereits im Titel seine Affinität zum costumbrismo ausstellt, eine zentrale literarische Gattung der 30er–40er Jahre, welche vor dem eigentlichen Entstehen des realistischen Romans in Spanien die Funktion erfüllte, ein Selbstbildnis der Mittelklasse und der nationalen Gemeinschaft zu geben.33 Das Kapitel dient der Charakterisierung von Juan Pablo Rubín, dem politisierenden Bruder von Maxi, welcher einen Hauptteil seines Lebens in den tertulias der Madrider Kaffeehäuser verbringt. In kostumbristisch-realisti32
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Siehe hierzu ausführlich Wolfgang Matzat, „Natur und Gesellschaft bei Clarín und Galdós. Zum diskursgeschichtlichen Ort des spanischen Realismus/Naturalismus“, in: Ibid. (Hrsg.) (wie Anm. 11), S. 13–44. Zum costumbrismo und der Funktion dieses Kapitels siehe ausführlich Thomas E. Lewis (wie Anm. 19), S. 318 ff.
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scher Manier hebt der Erzähler Identität und Identifikation der Figur mit der materiellen Umgebung hervor: Proporcionábale el café las sensaciones íntimas que son propias del hogar doméstico, y al entrar le sonreían todos los objetos como si fueran suyos. Las personas que allí viera constantemente, los mozos y el encargado, ciertos parroquianos fijos, se le representaban como unidos estrechamente a él por lazos de familia (3.I.I; S. 12).
Dieses Einssein mit dem Milieu präfiguriert Juan Pablos Anverwandlung der unterschiedlichsten ideologischen Positionen (Karlismus, Atheismus, Sozialismus, etc.), welche wiederum auf das brüderliche Verhältnis der Kaffeehaus-Politiker und allegorisch auf die Nation bezogen wird: Allí brillaba espléndidamente esa fraternidad española en cuyo seno se dan mano de amigo el carlista y el republicano, el progresista de cabeza dura y el moderado implacable. […] Esto de que todo el mundo sea amigo particular de todo el mundo es síntoma de que las ideas van siendo tan sólo un pretexto para conquistar o defender el pan (3.I.I; S. 15).
Direkt im Anschluß an diese Passage spricht der Erzähler – der hier ja wieder in der ersten Person Plural („nosotros“) der nationalen Gemeinschaft spricht – recht allgemein vom „turno en el dominio“. Für die zeitgenössischen Leser ist dies eine unmißverständliche Anspielung auf den sogenannten turno pacífico, also das schein-demokratische Arrangement der Restaurationsepoche, wonach sich Konservative und Liberale turnusmäßig die politische Macht teilten.34 Diese Kritik des Erzählers an der zeitgenössischen Gegenwart ist somit also um ungefähr zwölf Jahre zurückverlegt in die Zeit unmittelbar vor der Restauration, indem sie hier in der Entwicklung des Nationalcharakters („esa fraternidad española“) begründet wird, der sich in einem kulturellen Ritual manifestiert.35 Wenn Galdós (beziehungsweise der Erzähler) einerseits im Sinne einer organischen Sicht der Gesellschaft eine Vision von einer „glücklichen Vermischung aller Klassen“ hat, so äußert er andererseits (durch die karikaturartige Figur Juan Pablos) Kritik an einer beliebigen Vermengung unterschiedlicher politischer Positionen. Die Nation wird im Bild der ,Familie‘ dargestellt, aber gleichzeitig ist eine übertriebene ,Familiarität‘ in der Politik eine unzulässige ,Privatisierung‘ öffentlicher Strukturen. Das Bild der Familienbande („lazos de familia“) zielt auf die Idee der organischen (nationalen) Gemeinschaft, welche aber andererseits als unzureichend modern erscheint, insofern die Bereiche privat/öffentlich unvollständig ausdifferenziert sind. Dieser ideologische Widerspruch ist dem Roman eingeschrieben und illustriert Galdós’ ambivalente Haltung gegenüber der Moderne.
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Siehe Walther L. Bernecker/Horst Pietschmann, Geschichte Spaniens, Stuttgart: Kohlhammer, 1993, S. 239 f. Natürlich meint die Wendung „Costumbres turcas“ zunächst nichts anderes als die Gewohnheit des Kaffeetrinkens. Das Adjektiv „turcas“ impliziert gleichzeitig jedoch auch eine ,verfremdende‘ Sicht auf die ,spanischen Sitten‘.
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Das genealogische Narrativ verschränkt somit eine Geschichte des Fortschritts (Aufstieg des Bürgertums) mit einer Geschichte der Dekadenz oder Krise (Sterilität).
IV. Realismus und Perspektive: Fortunata Die Darstellung der genealogischen Geschichte von Juanitos Familie steht nicht nur seiner eigenen relativen Bedeutungslosigkeit gegenüber, sondern auch der Darstellung von Fortunata, deren familiäre Herkunft als Waise mehr oder weniger im Dunkeln liegt, nicht in ausgreifend genealogischer und damit historisierender Form dargestellt werden kann.36 Der auffällige Kontrast in der Darstellungsweise von Juanito und Jacinta ist also programmatisch. Zum einen verlagert der Roman somit in geradezu polemischer Weise seinen Fokus auf eine weibliche Perspektive, zum anderen von einem historisch-soziologischen Erklärungsmodell zu einem stärker psychologisch gelagerten Interesse. Bezeichnenderweise sind die beiden zentralen Frauennamen („Fortunata y Jacinta“) ja stets ohne den apellido genannt, ganz im Gegensatz zu den beiden ,Scharnier‘-Kapiteln „Juanito Santa Cruz“ (1.I.I.) und „Maximilano Rubín“ (2.I.I.), die jeweils einen männlichen Repräsentanten des Groß-, bzw. Kleinbürgertums einführen. Darüber hinaus meint der Kontrast vor allem aber auch eine soziale Gegenüberstellung. Eine (scheinbar) am Ende ihrer sozialen Funktion angelangte Großbourgeoisie wird konterkariert durch die Emergenz einer Angehörigen des ,vierten Standes‘. Es ist in dieser Hinsicht höchst bezeichnend, daß Fortunatas erster Auftritt im Roman, die Begegnung mit Juanito, ein unvermitteltes, dramatisch inszeniertes Erscheinen auf der Treppe bei der Cava de San Miguel, gleichsam wie ein Auftauchen aus dem Nichts erscheint. Bei dieser Begegnung trinkt Fortunata inmitten einer Hühnerfarm ein rohes Ei, und auch im weiteren wird Fortunata oft mit Hühnern, beziehungsweise Vögeln in Verbindung gebracht. An der betreffenden Stelle wird durch ihre Tracht sogar ihre Ähnlichkeit zu einem Huhn betont („cierta semejanza con una gallina“, 1.II.IV; S. 182). Eine solche offensichtliche symbolische Motivkette macht deutlich, daß Galdós’ Konzeption des Realismus dem Leser spezifische Hinweise zur Sinnkonstitution geben will, hier also etwa auf die Naturhaftigkeit Fortunatas, von der Juanito, aus dessen Perspektive wir diese Szene erleben, gleichermaßen fasziniert und abgestoßen ist. Der radikalen Opposition in der Charakterisierung der beiden Protagonisten korrespondiert eine formale Wende innerhalb der Struktur des Romans, aber auch innerhalb des literarischen Schaffens von Galdós. Er wendet sich nun von der
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Siehe Stephen Gilman (wie Anm. 20), S. 308: „In a novelistic world constructed upon genealogies, Fortunata has none; she is thus as unique in her own way as her princely seducer in his. He is determined by his genetic and social background and therefore admired, whereas she, as Galdós emphasizes repeatedly, has no background at all.“
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naturalistischen Milieutheorie und dem deterministischen Prinzip der Erbschaft ab, wie er sie noch für La desheredada (1880) und Lo prohibido (1884–85) unter dem Einfluß von Zola mobilisiert hatte.37 Der Perspektivenwechsel ist auch darin begründet, daß Galdós seinen ursprünglichen Plan, einen Roman über die Bourgeoisie zu schreiben, zugunsten einer kritischen Perspektive aufgibt.38 Auch in dieser Hinsicht ist das Gerüst des Plots überaus konventionell, insofern das Schema, daß ein sozial höherstehender Mann eine niedrigerstehende Frau eigennützig verführt, ja in dieser Allgemeinheit ein traditionsreicher literarischer Topos ist, der etwa bereits im Zentrum zahlreicher domestic dramas oder bürgerlicher Trauerspiele steht. Diese Konventionalität wird sicher auch durch den Namen von Juanito, das heißt durch die Anspielung auf den Mythos von Don Juan, angezeigt. Während in der literarischen Tradition der Statusunterschied meist den Gegensatz Aristokratie/Bürgertum betrifft, ist bei Galdós freilich die ,Stelle‘ der Aristokratie durch das Großbürgertum besetzt.39 In diesem Sinne ist zu Recht darauf hingewiesen worden, daß ein Hauptinteresse des Romans darin besteht, die Emergenz von Fortunata als einer komplexen, subjektiv vertieften Persönlichkeit darzustellen, und daß sich diese ,Emergenz‘ auch in Struktur und Form des Romans niederschlägt, denn die Erzählperspektive wendet sich Fortunata ja erst im zweiten, und verstärkt dann im dritten und vierten Teil zu.40 Eine der Neuerungen von Fortunata y Jacinta im Bereich des spanischen Romans besteht also darin, daß er einer einfachen, analphabetischen Frau
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Zur naturalistischen Problematik in diesem Roman siehe Hans Hinterhäuser, „Benito Pérez Galdós. La Desheredada“, in: Volker Roloff/Harald Wentzlaff-Eggebert (Hrsg.), Der spanische Roman. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Stuttgart: J. B. Metzler, 1995, S. 253–271. Wie etwa Friedrich Wolfzettel formuliert: „Aus dem Verfechter der historischen Mission des Bürgertums wird so je länger desto mehr der Ankläger des Bürgertums, der schließlich auch die bürgerlichen Protagonisten durch Helden aus dem Volk ersetzt“ (Der spanische Roman von der Aufklärung bis zur frühen Moderne, München: Fink, 1999, S. 181). Siehe auch fast gleichlautend Caudet, „Introducción“, S. 27. Zum Problem der Darstellung des Volkes im Roman siehe Hans-Jörg Neuschäfer, Der Naturalismus in der Romania, Wiesbaden: Athenaion, 1978, insbes. S. 68, 72. Siehe Richard Helgerson, Adulterous Alliances. Home, State, and History in Early European Drama and Painting, Chicago: Chicago University Press, 2000. Den von ihm untersuchten Dramen (von Lope de Vega, Diderot, etc.) attestiert Helgerson eine proto-demokratische und proto-realistische Tendenz – sie werden also als Vorläufer des modernen Romans gesehen. Vgl. Alberto M. Banti (wie Anm. 2), Kap. 2. Caudet, „Introductión“: „Pero el personaje Fortunata va progresivamente individualizándose, diferenciándose y tomando características proprias. Esto, en un principio, se manifiesta más que cuando habla, quando piensa“ (S. 71); „La estructura de la novela está en relación directa con el proceso de emergencia de Fortunata a un primer plano narrativo (e histórico). Mas aún: la estructura de la novela está en función de tal emergencia“ (S. 80). Vgl. auch Maria Grazia Profeti, „,Realismo‘, punto di vista, linguaggio. Benito Pérez Galdós, Fortunata e Giacinta, 1886–1887,“ in: Franco Moretti (Hrsg.), Lezioni. Il romanzo, vol. V, Torino: Einaudi, 2003, S. 359–73.
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aus dem Volk die Hauptrolle in einem Roman zugesteht, gewissermaßen das, was die Brüder Goncourt einmal als le droit au roman bezeichnet haben. Die Darstellung von Fortunata als einer Vertreterin des vierten Standes steht symptomatisch für die grundsätzlich ,demokratische‘ Inklusivität des realistischen Romans, mit seiner doppelten Tendenz der psychologischen Tiefendimension und der sozialen Expansivität. Wie Alex Woloch jüngst hervorgehoben hat, hat diese für den literarischen Realismus typische „asymmetrische Struktur der Charakterisierung“ den Effekt, neben der demokratischen Expansion gleichzeitig und unvermeidlich Ungleichgewichte in der narrativen Fokussierung zu erzeugen, die wiederum den sozialen und ökonomischen Ungleichheiten der demokratischen Gesellschaft korrespondieren.41 Vor diesem Hintergrund besteht die Pointe von Fortunata y Jacinta nun gerade darin, daß hier die narrative Aufmerksamkeit hauptsächlich, wenn auch nicht ausschließlich, auf die Figur von Fortunata, die Personifikation des ,Volkes‘ konzentriert ist, der gegenüber gerade der bürgerliche Protagonist, Juanito, als ein ,flacher‘ und fast ausschließlich negativer Charakter erscheint. Gleichzeitig aber darf nicht vergessen werden, daß der periphere Ich-Erzähler, so randständig er auch bleiben mag, doch sozial eindeutig als ein Mitglied des höheren Bürgertums markiert ist. Zum Teil erscheint er auch wiederholt als ein direkter Vertrauter der Figuren („Me ha contado Jacinta […]“, 3.II.I; S. 49). Dieser Ich-Erzähler wird nun in dem Maß weniger sichtbar und verschwindet dann schließlich ganz, je mehr Raum die Erzählung den Darstellungsfokus auf Fortunata verlagert, so daß eine objektivierende Außenperspektive (peripherer IchErzähler, auktorialer Erzähler) zunehmend durch eine mehr subjektivistische Innenperspektive (innerer Monolog, erlebte Rede) sowohl von Fortunata, als auch von anderen Figuren, insbesondere Maxi, zwar nicht vollständig abgelöst wird, aber das Verhältnis zwischen diesen beiden Darstellungsmodi doch eindeutig verschoben ist. Wenn der realistische Roman seit jeher die Erfassung der sozialen Welt mit psychologischer Innenschau zu verbinden wußte, so markiert dieser Roman in seinem Verlauf eine Krise dieses ,ausgewogenen‘ Verhältnisses, indem er es mehr und mehr problematisiert. Die ausführlichen Milieubeschreibungen besitzen nicht mehr eine klar determinierende Funktion, stattdessen gewinnen die psychologischen Vorgänge, die meist als spezifische, perspektivgebundene Interpretationen der ,Wirklichkeit‘ ausgewiesenen Innenwelten der Figuren, eine entscheidende, handlungsleitende Funktion. Als Beispiel mag die Internierung Fortunatas im religiösen Erziehungshaus Las Micaelas dienen. Die beiden Kapitel („Las Micaelas por fuera“, „Las Micaelas por dentro“; 2.V/VI) bilden bereits in ihrem Titel die hier nochmals in konzentrierter Form, als mise-en-abyme vorgenommene Bewe41
„In my reading of the realist aesthetic, a dialectical literary form is generated out of the relationship between inequality and democracy. The realist novel is infused with the sense that any character is a potential hero, but simultaneously enchanted with the freestanding individual, defined through his or her interior consciousness“ (Alex Woloch, The One vs. the Many. Minor Characters and the Space of the Protagonist in the Novel, Princeton and Oxford: Princeton University Press, 2003, S. 31).
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gung von äußerer Milieubeschreibung zur Ebene des personalen Bewußtseins ab, wie es sich hier und anderswo insbesondere in Träumen und Gedankenwelten äußert. Diese Tendenz der ,Auflösung‘ der Außenwelt wird auch in der Stunde von Fortunatas Ende deutlich: „Pero mientras la personalidad física se extinguía, la moral, concentrándose en una sola idea, se determinaba con desusado vigor y fortaleza“ (4.VI. XIII; S. 519). Schon während des Verlaufs des Romans hatten sich die beiden Frauen einander angenähert, obwohl es kaum je zu einer tatsächlichen Begegnung zwischen ihnen kam. Durch diese Identifikation realisieren sie, daß die Schuld an ihrem jeweiligen Unglück nicht der Rivalin, sondern einzig Juanito anzulasten ist. Am Schluß ist endgültig eine ideelle Allianz der beiden weiblichen Hauptpersonen erreicht, während Juanito abermals seiner Frau untreu geworden ist. Für ihren Sohn imaginiert Fortunata sogar eine Art utopischer, rein weiblicher Familie, wonach sie selbst „la mama primera“ wäre, ergänzt durch Jacinta und Guillermina Pacheco (4.VI.XII; S. 489). Dieses Ende ist in mehrfacher Hinsicht offen und mehrdeutig. Einerseits wird durch die Geburt eines Sohnes scheinbar die patriarchalische Erbfolge garantiert, andererseits ist die Allianz der beiden Frauen gerade eine Allianz gegen Juanito. Wenn also die Geburt des Sohnes, als die Einlösung des ursprünglichen Motivationselements der Handlung, eine Hoffnung in die Zukunft projiziert, markiert Fortunatas einsamer Tod am Ende des Romans doch gleichzeitig das Scheitern, oder die Grenze des sozialen Integrationsversuches. Gegen Ende wird auch der zunehmend wahnhafte Maxi in das Irrenhaus von Leganés eingewiesen; sowohl er als auch Fortunata erscheinen also gegen Ende mehr denn je von der bürgerlichen Gesellschaft ausgeschlossen. Auf der anderen Seite aber bedeutet die Stellung von Fortunatas Sohn als Bastard die ,produktive‘ Vermischung der Klassen, insofern die Sterilität von Jacinta – und damit der Bourgeoisie überhaupt – durch die Fruchtbarkeit von Fortunata aufgehoben wird. Diese Fruchtbarkeit und Urtümlichkeit von Fortunata und des von ihr synekdochisch bezeichneten pueblo wird in vielen Stellen des Romans implizit und explizit deutlich gemacht: „¡Pueblo!, eso es – observó Juan […]: lo esencial de la humanidad, la materia prima, porque quando la civilización deja perder los grandes sentimientos, las ideas matrices, hay que ir a buscarlos al bloque, a la cantera del pueblo“ (2.VII.VI; S. 690). Der ,vierte Stand‘ ist also in der Lage, das durch Inzucht steril gewordene Bürgertum zu fertilisieren. Während Fortunata die höhere gesellschaftliche und möglicherweise auch moralische Stellung ihrer Rivalin Jacinta durchaus anerkennt, gründet sich, was insistent „su pícara idéa“ genannt wird, auf die Tatsache, daß sie allein in der Lage ist, einen Erben für Juanito zu gebären. Die Figur von Fortunata, die wiederholt als „salvaje“ bezeichnet wird, steht für eine Verkörperung des ,Anderen‘ innerhalb der Prämissen und Konventionen des realistischen Romans.42 Sie markiert sowohl das Objekt als auch die Grenze der 42
Dieser koloniale Aspekt wird besonders von Jo Labanyi betont und zugespitzt: „Fortunata y Jacinta, in constructing Fortunata as a ,savage‘ and superior breeder, takes the
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Integration. Nicht nur Juanito sieht Fortunata als eine Verkörperung des gesunden Volkscharakters, auch der Erzähler macht wiederholt seine Auffassung explizit, wonach das Volk mit vitaler Energie assoziiert ist, aber als ,Rohmaterial‘ gleichzeitig der Formung, der Zivilisierung bedarf: Así era la verdad, porque el pueblo, en nuestras sociedades, conserva las ideas y los sentimientos elementales en su tosca plenitud, como la cantera contiene el mármol, materia de la forma. El pueblo posee las verdades grandes y en bloque, y a él acude la civilización conforme se le van gastando las menudas de que vive (3.VII.III; S. 251).
Ein Großteil der Nebenfiguren, männliche wie weibliche (insbesondere Doña Lupe, Guillermina), aus dem Groß- und dem Kleinbürgertum, versuchen Fortunata nach ihrem Bilde zu formen und sie so sozial akzeptabel zu machen. Der Text spielt dabei implizit auf den Mythos von Pygmalion an und damit auch auf den Prozeß des künstlerischen Schaffens. Fortunata ist in der Tat nicht nur eine Projektionsfläche für die unterschiedlichsten Integrations- und Zivilisationsversuche (sozial, linguistisch, religiös), sondern sie ist auch eine Kunstfigur des Erzählers selbst, und weniger eine soziologisch genau bestimmte Figur. Eine relativ positive Rolle in dieser Hinsicht spielt die Figur von Don Evaristo Feijoo,43 der vorübergehend Fortunatas heimlicher, älterer Liebhaber und Ratgeber ist, bevor diese sich wieder mit dem Ehemann Maxi versöhnt, um dann abermals von Juanito verführt zu werden. Feijoos lebenspraktische Instruktionen laufen darauf hinaus, zum Selbstschutz eine zivile Fassade zu errichten, wonach Fortunata nur frei sein könne, wenn sie – zum Schein – in einer sei es auch unglücklichen Ehe mit Maxi verbleibe: „Hay que guardar en todo caso las santas apariencias, y tributar a la sociedad ese culto externo sin el cual volveríamos al estado salvaje“ (3.IV.X; S. 144). Aber auch seine wohlmeinenden Ratschläge schlagen schließlich fehl. Gegenüber Fortunatas eigenen Ambitionen nach sozialer Anerkennung („ser honrada“) setzen sich immer wieder ihr Instinkt und ihr vitaler Charakter durch. Das Motiv der Unzivilisiertheit oder Wildheit, wie es hier als Attribut von Fortunata erscheint, ist prominent auch im programmatischen Kapitel „Una visita al quarto estado“ (1.IX) vertreten, in dem Jacinta sich in Begleitung von Guillermina Pacheco, einer obsessiven katholischen Philantropin, in einen sozialen Randbezirk begibt, auf der Suche nach dem „Pitusín“, einem angeblichen Kind von Fortunata, welches auch noch Ähnlichkeit mit seinem Vater, Juanito, aufzuweisen scheint, und welches die sich nach einem Kind sehnende Jacinta zu adoptieren sucht. Dies alles ist eine Fabrikation von Fortunatas Onkel Ido, und die konventionelle, tendenziell triviale Geschichte vom Findelkind hat vor allem die Funk-
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form of a miscegenation narrative: that is, a a colonially conceived blueprint for the nation based on the ,improvement of the race‘ through the white man’s fertilization of the ,native‘ female“ (wie Anm. 12), S. 192. Der Name ist an den prominenten spanischen Aufklärer Benito Jerónimo Feijoo (1676– 1764) angelehnt.
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tion, das Ende des Romans – die nun tatsächlich erfolgende Übergabe eines Sohnes von Fortunata an Jacinta – zu präfigurieren, beziehungsweise Jacinta an eine soziale Welt anzunähern, die vom ,schmutzigen‘, ,wilden‘ Volk bewohnt wird. Bezeichnenderweise sind die in den Umhängen ihrer Mütter verborgenen Kleinkinder als „ciudadanos del porvenir“ (1.IX.I; S. 318) bezeichnet, die eben allererst noch zivilisiert werden müssen. Bei den im Schmutz tollenden Kindern handelt es sich denn auch um „salvajes“, „puercos“, „marranos“, „caníbales“, bei einigen der Mütter gar um „lobas“ (S. 324 f.), Bezeichnungen, die sowohl im Erzählerdiskurs als auch in der erlebten Rede von Jacinta auftauchen. An anderer Stelle wird das Motiv der Unzivilisiertheit auch explizit mit dem Status des Landes Spanien in Verbindung gebracht, wenn auch durch die stark karikaturhafte Figur von Moreno-Isla, die den Typen des anglophilen „antipatriota“ (4.II.I; S. 333) verkörpert: „¡Qué pueblo, válgame Dios, qué raza! […], han de pasar siglos antes de que esta nación sea presentable. A no ser que venga el cruzamiento con alguna casta del Norte, trayendo aquí madres sajonas“ (4.II.I; S. 332). Während Moreno-Isla hier also eine mangelnde Modernität von Spanien beklagt, hatte der Erzähler ja zuvor die Verdrängung der volkstümlichen Mode durch den Freihandel als Bedrohung der kulturellen Identität Spaniens dargestellt. Hinter solchen unterschiedlichen Einschätzungen steht eine ambivalente Haltung gegenüber der Moderne. Der Erzähler läßt unterschiedliche Schlüsse darüber zu, was die ,Dekadenz‘ der Nation ausmacht, je nachdem, ob das Übel in der Unterentwicklung, also einem ,Zuwenig‘ an Moderne, oder einer Erschöpfung des zivilisatorischen Prozesses, also einem ,Zuviel‘ an Moderne, gesehen wird.44 Von hierher wird auch verständlich, warum sowohl Juanito als auch Fortunata als allegorische Figuren der Nation konstruiert werden. Sie markieren Spaniens ungesicherte Position in einem Prozeß beschleunigter, aber unvollständiger Modernisierung, wobei die extremen Pole als männlich und weiblich, zivilisiert und primitiv, bürgerlich und volkstümlich kodiert sind. Der Ehebruch als ,Klassenbruch‘ erweist sich letztlich also als produktiv für das Fortdauern der bürgerlichen, patriarchalischen Linie, womit der fatalistische Tod Fortunatas fast den Status eines Opfermartyriums bekommt. Das Ende des Romans impliziert eine entscheidende Ambivalenz: Einerseits bekräftigt die Geburt von Fortunatas Sohn das vom Erzähler gerühmte Ideal der Klassendurchmischung, während andererseits der fast gleichzeitige Tod von Fortunata sowie ihre gesamte Leidensgeschichte gewissermaßen die menschlichen Kosten dieses Prozesses zeigt.45 Mit der Geburt eines Erben schließt das Ende des Romans thematisch an den Beginn, die genealogische Erzählung im zweiten Kapitel, an. Damit wird 44
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Siehe hierzu Labanyi (wie Anm. 12), S. 201: „The novel suggests that the distinction between civilization and backwardness is breaking down because both are producing degeneration.“ Zur Ambivalenz des Endes und dessen unterschiedlicher Bewertung siehe ausführlich Hazel Gold, The Reframing of Realism. Galdós and the Discourses of the Nineteenth-Century Novel, Durham: Duke University Press, 1993, Kap. 2: „Frame and Closure in Fortunata y Jacinta“.
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ein zugleich formaler und inhaltlicher Kreis geschlossen, insofern das generative Ereignis (die Geburt, der Beginn eines Lebens) als das ,Ende‘ erscheint, von dem aus gesehen der Anfang der Erzählung determiniert erscheint. Dem Leser wird diese Problematik und ,Offenheit‘ des Endes vor allem auch dadurch bewußt gemacht, daß hier zwei Nebenpersonen, Ponce und Ballester, angesichts der Beerdigung von Fortunata darüber diskutieren, daß und wie die ,Geschichte‘ von Fortunata dargestellt werden müsse. Da der Leser ebendiese Geschichte ja nun gerade im Begriff ist ,zu Ende‘ zu lesen, macht die meta-narrative Thematisierung noch einmal die Möglichkeit des Erzählens selbst bewußt, das heißt die Differenz zwischen Geschichte (histoire) und Erzählung (discours), zwischen Wahrheitsanspruch und ästhetischer Gestalt: […] Segismundo contó al buen Ponce todo lo que sabía de la historia de Fortunata, que no era poco […]; a lo que dijo el eximio sentenciador de obras literarias, que había allí elementos para un drama o novela, aunque, a su parecer, el tejido artístico no resultaría vistoso sino introduciendo ciertas urdimbres de todo punto necesarias para que la vulgaridad de la vida pudiese convertirse en materia estética. […] Segismundo no participaba de tal opinión, y estuvieron discutiendo sobre estos con selectas razones de una y otra parte, quedándose cada qual con sus ideas y su convicción, y resultando al fin que la fruta cruda bien madura es cosa muy buena, y que también lo son las compotas […] (4.VI.XVI; S. 535).
Diese oft zitierte Passage am Schluß des Romans ist symptomatisch für den selbstreflexiven Perspektivismus von Galdós’ Realismusverständnis, welches sich zwischen ,direkter‘ Abbildung und künstlerischer ,Aufbereitung,‘ oder unverfälschter ,Natur‘ und ,Zivilisation‘ bewegt. In jedem Fall erscheint der Roman somit als ein ,Produkt‘, ein Com-positum; vor dem Hintergrund der Geburt von Fortunatas Sohn wird nun auch der literarische Text zum End- und Anfangspunkt eines genealogisch-generativen Prozesses. Der Roman, so haben wir gesehen, verwirklicht das Programm des literarischen Realismus in geradezu prototypischer Weise, insbesondere durch die Motivketten Genealogie und ,Geschichte‘; andererseits wird, vermehrt in der zweiten Hälfte, der Bezug auf die ,Wirklichkeit‘ aber auch systematisch durch die Darstellung von Innenwelten und selbstreferentielle Brechungen konterkariert. Eine solche innere Spannung, bei der die Exposition des Mimesis-Prinzips dieses auch gleichzeitig zur Disposition stelllt, bei der sich Referentialität und Textualität in einer stetigen Rückkopplung befinden, ist zwar insgesamt charakteristisch für die Tradition des literarischen Realismus, scheint aber insbesondere ein Kennzeichen des spanischen Romans dieser Zeit zu sein.46 Als einer der wichtigsten Romane der
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Furst (wie Anm. 17); Eric Downing, Double Exposures. Repetition and Realism in Nineteenth-Century German Fiction, Stanford: Stanford University Press, 2000, S. 1–23. Zur Selbstreflexivität im spanischen Roman siehe insbesondere J. Labanyi (wie Anm. 12), passim; H. Turner, „The realist novel“, in: The Cambridge Companion to the Spanish Novel, hrsg. Harriet Turner, A. López de Martínez, Cambridge: Cambridge University Press, 2003, S. 81–101; M. G. Profeti (wie Anm. 40).
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spanischen Restaurationsepoche formuliert Fortunata y Jacinta einen besonders komplexen Kommentar über die Integrationsbestrebungen der spanischen Nation, der zunehmend seine eigenen Annahmen in Frage stellt, gerade was die führende Rolle des Bürgertums betrifft.47 Berlin, im Mai 2006
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Ich danke Elisabeth Lack und Esther Kilchmann für ihre aufmerksamen und kritischen Lektüren des Manuskripts.
Zwei Gedichte von Juan Ramón Jiménez Beobachtungen zur Form der frühen „modernen“ Lyrik in Spanien* Von Bernhard König
Den ambitioniertesten, fruchtbarsten und einflußreichsten spanischen Dichter des 20. Jahrhunderts – „el poeta más ambicioso, fecundo e influyente de la España de este siglo“ – hat bereits 1957 in einem großen Forschungsbericht einer der besten Kenner der Materie, der damalige Spanisch-Lektor der Universität zu Köln, Gonzalo Sobejano, den Lyriker Juan Ramón Jiménez genannt,1 ein Jahr vor dessen Tod und ein Jahr, nachdem ihm 1956 – vor nunmehr genau einem halben Jahrhundert – der Nobelpreis für Literatur zugesprochen worden war.
* Um Anmerkungen ergänzte und gelegentlich leicht gekürzte, sonst unveränderte Fassung eines am 1. Februar 2006 am Romanischen Seminar der Universität Tübingen gehaltenen Vortrags. Die Fußnoten dienen vornehmlich dem Beleg von Quellen, nicht der Diskussion von Forschungsproblemen. Der Vortragscharakter ist absichtlich bewahrt, als Stilform der Einführung in die konkrete „Arbeit am Text“ mit dem Ziel der Einsicht in den anders schwer zu fassenden Prozeß der „Modernisierung“ der spanischen Dichtung um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert durch genaue Beobachtung formaler Elemente des Stils und der Metrik. Im Unterschied zu vielen Literaturwissenschaftlern unserer Tage kannten die Lyriker der beginnenden Moderne (in allen europäischen Ländern mit Traditionen des Versbaus) die jeweils geltenden metrischen Regeln; wenn sie von ihnen abwichen, dokumentierten sie damit ihr Streben nach einem anderen – eben „modernen“ – poetischen Ausdruck. Ein ähnlich „umwälzender“ Prozeß der „Modernisierung“ hatte sich in Spanien (und Frankreich) vollzogen bei der Ablösung der mittelalterlichen Dichtung durch das von Boscán und Garcilaso de la Vega (in Frankreich: von den Dichtern der „Pléiade“) aus Italien „importierte“ – und von ihren Nachfolgern dann über Jahrhunderte hin praktizierte – System der „petrarkistischen“ Metrik, in der die Vertreter der Tradition (wie Castillejo in Spanien) – zu Recht – eine „Revolution“ sahen. 1 Gonzalo Sobejano, „Juan Ramón Jiménez a través de la crítica“ I, RJb. 8 (1957), S. 341– 366, hier: S. 341; II, RJb. 9 (1958), S. 299–330. Die chronologisch angeordnete Bibliographie (II, S. 317–330) umfaßt die dem Dichter gewidmete Literatur der Jahre 1902 bis 1958; zweieinhalb bzw. drei Jahrzehnte jünger sind die Verzeichnisse von Antonio Campoamor González, Bibliografía general de Juan Ramón Jiménez, Madrid 1983, und von J. M. Naharro-Calderón, „Bibliografía de y sobre Juan Ramón Jiménez“, in: Juan Ramón Jiménez: Configuración poética de la obra. Estudios y documentación. Suplementos, núm. 11, Barcelona 1989, S. 146–152. Nützlich sind die Literaturverzeichnisse der Studienausgaben einzelner Werke in der Reihe „Letras Hispánicas“ des Verlages Cátedra (Madrid); vgl. unten die Anmerkungen 4, 9 und 38.
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In dem auch vierzig Jahre nach seinem Erscheinen (1965) immer noch wichtigsten deutschsprachigen Buch zur Stilgeschichte der spanischen Lyrik des 20. Jahrhunderts, Gustav Siebenmanns Die moderne Lyrik in Spanien, ist Juan Ramón Jiménez allgegenwärtig: Kaum ein Kapitel, in dem ihm nicht ein Unterabschnitt gewidmet wäre,2 kaum ein Spezifikum der großen Lyrik der Dichter der sogenannten Generation von (19)27 – Jorge Guillén, Gerardo Diego, Pedro Salinas, Rafael Alberti, Federico García Lorca, Dámaso Alonso (um nur einige wichtige Namen von europäischem Rang zu erwähnen) –, das nicht auf Ansätze bei ihm zurückwiese. Und nicht anders steht es mit der ubiquitären Präsenz des Dichters in der etwa gleichzeitig mit Siebenmanns Buch in Madrid erschienenen Monographie der (ihrer Herkunft nach) litauischen Hispanistin Birute Ciplijauskaite über die Auffassungen von Dichter und Dichtung in Spanien seit der Romantik.3 Gustav Siebenmanns Moderne Lyrik in Spanien umfaßt 318 Seiten, Frau Ciplijauskaites Monographie zur Dichter- und Dichtungsauffassung gar 504 Seiten. Ich kann und will hier also auf knappem Raum keine systematische Darstellung dessen, was „moderne Lyrik“ ist, geben, nicht einmal ihrer „Anfänge“. Statt eines systematischen Ansatzes, der die Form eines gedrängten und vermutlich relativ abstrakten Kapitels spanischer Literaturgeschichte annehmen würde, wähle ich deswegen einen voraussichtlich verwirrenderen Weg, der aber eine Fülle von unvorhergesehenen, vielfältigen Aussichten, auch Abstechern bieten könnte. Ich gehe aus von zwei Gedichten von Juan Ramón Jiménez und je einem Versuch ihrer Übertragung ins Deutsche; bei deren Kommentierung, die auf die Erhellung von ‚Sinn und Form‘ zielt, wird es sich von selbst ergeben, daß gewisse allgemeine literarhistorische Entwicklungen, aber auch speziellere Fragen der Bildungsgeschichte des Dichters unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. Das erste Gedicht trägt den Titel Alba; 4 Erwin Walter Palm hat dafür „Morgengrauen“ gesetzt.5 Ein Wort zuvor vielleicht zum Übersetzer: Erwin Walter 2
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Gustav Siebenmann, Die moderne Lyrik in Spanien. Ein Beitrag zu ihrer Stilgeschichte, Stuttgart–Berlin–Köln–Mainz 1965; explizit erwähnt das Inhaltsverzeichnis (S. 7 f.) seinen Namen bei den Kapiteln IV, V, VI, VIII, X, XI und XIII, die Eintragungen im Namenregister s. v. Jiménez (S. 315) umfassen neun Zeilen, mehr als die für die ebenfalls an vielen Stellen behandelten Dichter F. García Lorca, A. Machado oder G. Diego. Birute Ciplijauskaite, El poeta y LA POESIA (Del Romanticismo a la poesía social), Madrid 1966; aus der Fülle der Verweise, die auch der Namensindex dieses Standardwerkes enthält, verdient derjenige auf die Seiten 177–243 besondere Hervorhebung, gilt er doch dem gesamten IV. Kapitel, d. h. dem mit dem Titel „Vida, poesía, obra“ überschriebenen zentralen Kapitel des ganzen (insgesamt sieben Kapitel umfassenden) Buches. Im folgenden zitiert nach der vom Dichter selbst besorgten Werkauswahl: Juan Ramón Jiménez, Segunda Antolojía poética. (1898–1918), Madrid 1920, S. 11 f. (MCMXX steht auf dem Titelblatt; im Druck fertiggestellt wurde das Buch aber erst im Oktober 1922, vgl. die „Notas finales“ nach der letzten Seite [S. 356] des „Indice“). Zwei verbreitete Auswahlausgaben enthalten unser Gedicht nicht: Juan Ramón Jiménez, Antolojía poética, ed. Vicente Gaos, Madrid (Cátedra) 101984 (1Salamanca 1965); id., Antología poética, ed. Carmen Jiménez y Eduardo Márquez, Barcelona (Planeta) 1988. Rose aus Asche. Spanische und spanisch-amerikanische Gedichte 1900–1950. Herausge-
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Palm war Kunsthistoriker, genauer: Architekturgeschichtler, zuletzt an der Universität Heidelberg, nachdem er, gemeinsam mit seiner Frau, der aus Köln stammenden Lyrikerin Hilde Domin, viele Jahre des Exils u. a. in der Dominikanischen Republik (also auf der einst von Kolumbus entdeckten und so benannten Insel „La Española“) verbracht hatte, deren „monumentos arquitectónicos“ Gegenstand seines monumentalen wissenschaftlichen Hauptwerks sind.6 Im gleichen Jahr (1955), in dem in Ciudad Trujillo dieses große Buch (in zwei Bänden) erschien, erschien (bei Piper) in München der Band Rose aus Asche. Spanische und spanisch-amerikanische Lyrik seit 1900 (dem in den Jahren darauf weitere Übersetzungen spanischsprachiger Dichtungen, u. a. von Lope de Vega und Rafael Alberti, folgten). Eine revidierte Fassung von Rose aus Asche legte dann – erstmals 1981 – der Suhrkamp Verlag als Band 734 der Bibliothek Suhrkamp vor.7 Alba ist darin das erste Gedicht.8 Es ist auch das erste Gedicht, das früheste seiner Gedichte, das dauerhaft Gnade gefunden hat vor dem kritischen Blick des Dichters Juan Ramón Jiménez. Als er 1919, in seinem 38. Lebensjahr (er ist zu Weihnachten 1881 geboren) sich daranmacht, eine Sammlung derjenigen Gedichte seiner bisherigen Produktion zusammenzustellen, die er für gelungen, für „dauerhaft“ hält (nicht ohne viele von ihnen noch einmal umzuarbeiten), stellt er Alba ganz an den Anfang dieser 522 Stücke umfassenden Auswahl. Sie erscheint unter dem Titel Segunda Antolojía poética 1922 im Druck (das Titelblatt ist auf 1920 datiert). Die beiden Seiten, die in ihr Alba vorausgehen, enthalten die Liste der Gedichtbücher des Autors, aus denen Texte in die Anthologie Eingang gefunden haben. Es sind 32 Buchtitel, die sich auf das Schaffen von 21 Jahren (1898–1918) verteilen. Ein bis zwei selbständige Publikationen pro Jahr also – Juan Ramón Jiménez ist ein fleißiger Dichter, und er hat jung begonnen zu publizieren. Alba ist das Gedicht eines Siebzehn- oder Achtzehnjährigen, der in einem begüterten Haus in einem Flecken (Moguer) der fernsten andalusischen Provinz (Huelva) großgeworden war, eine der besten Internatsschulen des Landes, das Jesuitenkolleg von Puerto de Santa María, besucht hatte und 1897 zum Studium der Rechte nach Sevilla gegan-
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geben und übertragen von Erwin Walter Palm, revidierte und zweisprachige Fassung, Frankfurt 1981, S. 7. Erwin Walter Palm, Los monumentos arquitectónicos de La Española, con una Introducción a América, 2 Bde., Ciudad Trujillo 1955; vgl. die Würdigung durch Rudolf Grossmann, RJb. 8 (1957), S. 403–409. Auch dieser Band (wie Anm. 5) hat im Romanistischen Jahrbuch eine bedeutende Würdigung erfahren, und zwar durch Walter Pabst, RJb. 32 (1981), S. 400–404. Der Abdruck im Suhrkamp-Band von 1981, S. 6, enthält bedauerlicherweise einen Druckfehler: Das erste Wort der fünften Verszeile heißt richtig „apagaban“, nicht „Tapagaban“; auch fehlen die (eine Art strophischer Gliederung markierenden) Einrückungen von vier Zeilen und die in der Originalausgabe durchweg gebrauchte Großschreibung des vollständigen ersten Wortes eines Gedichts (hier also: „SE“). Zur Erleichterung der „Arbeit am Text“ sind unserm eigenen Abdruck (s. unten) der beiden wie bei Palm gegenübergestellten Fassungen (Original und deutsche Übertragung) die Ziffern der jeweiligen Zeilenzahl vorweggestellt.
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gen war, wo ihn aber vor allem Malerei und Dichtung faszinierten (neben ersten eigenen Gedichten entstanden Übersetzungen galegischer – Rosalía de Castro – und katalanischer – Jacinto Verdaguer – Lyrik). 1900 hatte es ihn nach Madrid gezogen – nicht ohne Zuspruch zweier bewunderter Größen der damaligen Literaturszene, Francisco Villaespesa und Rubén Darío; er fühlte sich eingeladen, mit ihnen teilzunehmen ‚am Kampf für den Modernismus‘ („a luchar […] por el Modernismo“).9 Da haben wir das Wort. Es wäre verwegen, es hier und heute definieren zu wollen – darüber und über das Verhältnis von „Modernismo“ und „Generación del 98“ ist mehr als genug Tinte geflossen.10 Es geht den ‚Modernistas‘ – wie den 98ern um die Erneuerung Spaniens – im Kern um die Erneuerung der spanischen Dichtung, ihre Befreiung aus der Erstarrung akademisch-rhetorischer Zwänge und moralisch-lehrhafter Tendenzen. Der größte Anreger dieser „Befreiungsbewegung“, wie Juan Ramón Jiménez Jahrzehnte später den „Modernismo“ bezeichnet hat („un gran movimiento de entusiasmo y libertad hacia la belleza“),11 ist der eben schon erwähnte Rubén Darío aus Nicaragua, der mit einer sprachlichen Virtuosität sondergleichen neue Ausdrucksformen erprobte, Anregungen der französischen Romantiker (V. Hugo z. B.), der Parnassiens und des Symbolismus bis hin zu Rimbaud, Verlaine, Mallarmé und P. Valéry aufgriff und deren Ziele und Techniken eines suggestiven sprachlich-rhythmischen Ausdrucks feinster seelischer Regungen und Empfindungen für die spanische Poesie fruchtbar machte. Wann Juan Ramón Jiménez, der alles, was man in Spanien vor 1898 von Rubén Darío lesen konnte, sich mit Sicherheit schon als Schüler und Student beschafft hatte, auch die großen Neuerer der französischen Lyrik im Original kennengelernt hat, ist schwer zu sagen. Man wird nicht fehlgehen mit der Annahme, daß er sich spätestens während des einjährigen Sanatoriumsaufenthalts (1901), dem er sich – weitere solcher Aufenthalte werden anschließend mehrfach in Madrid erforderlich werden – in der Nähe von Bordeaux unterziehen mußte, mit ihnen gründlich vertraut gemacht hat. Von den ersten zweihundert der in die Segunda Antolojía poé9
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Ein Hinweis auf die auch von Rubén Darío unterschriebene Karte Villaespesas mit der Einladung, nach Madrid zu kommen, fehlt in keiner größeren Arbeit zu Leben und Werk unseres Dichters; er selbst hat sich gerne daran erinnert, u. a. in „El modernismo poético en España y en Hispanoamérica“, in: Juan Ramón Jiménez, El trabajo gustoso (Conferencias), ed. Francisco Garfias, Madrid 1961, S. 223. Ein Auszug hieraus und aus andern (in der Sammlung La corriente infinita, Madrid 1961) ebenfalls von F. Garfias edierten Texten mit Erinnerungen des Dichters an diese Epoche sind leicht zugänglich in der „Introducción“ von Michael P. Predmore zu seiner Ausgabe von Juan Ramón Jiménez, Platero y yo, Madrid (Cátedra) 222005, S. 15 f. Vgl. auch die Einleitung zu der von C. Jiménez und E. Márquez besorgten Antología poética (wie Anm. 4), S. XXIII f. Erinnert sei nur an Guillermo Díaz-Plaja, Modernismo frente a Noventa y Ocho, Madrid 1951 und die daran anschließende Debatte. Wesentlich zur Klärung hat Gustav Siebenmann mit dem dritten Kapitel („Der zweifache Aufbruch: Modernismus und 98er Bewegung“) seines Buches Die moderne Lyrik in Spanien (wie Anm. 2), S. 38–51, beigetragen. Das Zitat stammt aus dem Kontext der oben (Anm. 9) erwähnten Erinnerungen des Dichters.
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tica aufgenommenen Gedichte, das mag als Hinweis genügen, trägt etwa jedes zehnte ein mit einem Dichternamen versehenes Zitat als Motto; darunter sind einige wenige Namen der spanischen Literaturgeschichte: Jorge Manrique, Góngora, G. A. Bécquer – es überwiegen Autoren französischer Lyrik: (in der Reihenfolge ihres Auftretens:) Verlaine, Rimbaud, noch einmal Verlaine, dann aber auch ein Italiener und ein (vornehmlich in Italien lebender) Engländer, Carducci und Browning, dann Albert Samain, dessen Au Jardin de l’Infante Juan Ramón Jiménez immer wieder zur Hand genommen haben muß, Victor Hugo, noch einmal Verlaine, Jules Laforgue, Maurice de Guérin; und blättern wir in den 32 Gedichtbüchern selbst, deren Texte ja nur zu einem Bruchteil in die Segunda Antolojía eingegangen sind, so begegnen wir u. a. auch Stéphane Mallarmé, dem ein Gedicht von 1911 sogar seinen Titel verdankt: El lúcido invierno („… l’hiver, saison de l’art serein, / l’hiver lucide …“).12 An anderer Stelle erwähnt Juan Ramón Jiménez später auch die Namen Maeterlinck und Rodenbach. Wir begegnen im übrigen auch, wie hier ein für allemal festgehalten werden soll, in Titeln, Widmungen, und in den Gedichten selbst, den Namen von Malern und Komponisten, nicht nur großen Namen der Vergangenheit wie Holbein, Beethoven oder Schumann, sondern Namen von Zeitgenossen: Santiago Rusiñol (der Gärten nicht nur gemalt, sondern auch ‚bedichtet‘ hat) oder Joaquín Sorolla (dem wir ein schönes Porträt des Dichters verdanken),13 Debussy, Ravel oder Oscar Esplá. „Wortmusik“, wie sie in besonderem Maße Verlaine produziert hat, bisweilen geradezu aufdringlich bis an die Grenze des Zumutbaren („Les sanglots longs / des violons / de l’automne“), wie sie auch als Mittel klanglicher Suggestivität von Mallarmé und Valéry, im spanischen Gedicht hinreißend von Rubén Darío eingesetzt wurde, vermeidet Juan Ramón Jiménez – wir werden es gleich sehen; ebenfalls gleich sehen werden wir, mit welcher Hingabe er malerisch-farbliche Nuancierungen bei der Wiedergabe sentimental „aufgeladener“ Natur- und Landschaftsimpressionen einzusetzen bestrebt ist. Doch nun zurück zu Alba. Als Vertreter „andalusischer Traurigkeit“, leiser und melancholisch-herbstlicher Sonnenuntergangspoesie, spätromantischer Schwermut ist Juan Ramón Jiménez von den zeitgenössischen Lesern seiner frühen Lyrik gepriesen oder getadelt worden.14 An den Anfang der Segunda Antolojía poética aber hat er mit Alba ein Gedicht der Morgenfrühe gestellt, keines freilich mit Pau12
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Abgedruckt aus dem Band Poemas impersonales (1911) in der von V. Gaos herausgegebenen Antolojía poética (wie Anm. 4), S. 99 (Nr. 50). Zu Juan Ramóns Kenntnis der französischen Symbolisten vgl. auch die „Introducción“ von V. Gaos, ebda. S. 30 f. Sorollas für die Hispanic Society of America (New York) gemaltes Portrait von 1916 ist abgebildet bei Francisco Garfias, Juan Ramón Jiménez, Madrid 1958, auf der vierten Seite der zwischen S. 112 und 113 eingefügten Kunstdruckblätter. Garfias erwähnt auch (ebda., S. 261f.) ein um einige Jahre früheres Porträt vom gleichen Künstler. Darauf hat bereits vor jetzt achtzig Jahren einer der damals ganz wenigen mit der zeitgenössischen spanischen Literatur vertrauten deutschen Romanisten hingewiesen: H. Petriconi, Die spanische Literatur der Gegenwart seit 1870, Wiesbaden 1926, S. 88 („Jiménez ist der moderne Bécquer, der Vertreter jener »tristeza andaluza«, von der Darío in seinem ihm gewidmeten Aufsatz spricht […]“).
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ken und Trompeten (man denke nur an den Sonnenaufgang, den ersten Aufgang der Sonne überhaupt in Haydns Schöpfung), sondern eines mit verhaltenen, blaßverschwimmenden Farbschattierungen, in denen aber doch nicht Tod und Verfall gemalt werden, sondern ein kosmisches Gefühl von – goethisch gesprochen – AllLiebe, ein paradiesisches Dasein vor aller Schuld der Sinne evoziert wird. Hier zunächst der Text des Gedichts und seiner deutschen Übertragung durch E. W. Palm:15
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Alba
Morgengrauen
SE paraba la rueda de la noche … Vagos ánjeles malvas apagaban las verdes estrellas. Una cinta tranquila de suaves violetas abrazaba amorosa a la pálida tierra. Suspiraban las flores al salir de su ensueño, embriagando el rocío de esencias.
Das Rad der Nacht hielt an … Undeutliche Malven-Engel löschten die grünen Sterne. Ein ruhiges Band von zärtlichen Veilchen schlang sich verliebt um die bleiche Erde. Seufzend erwachten die Blumen aus ihrem Traum und machten den Tau trunken von ihrem Duften. Und am frischen Ufer der rosenfarbenen Farne so wie zwei Seelen aus Perle ruhte Seite an Seite schlafend unsre Unschuld – oh wie weiß, wie rein die Umarmung! – ins Ewige heimgekehrt.
Y en la fresca orilla de helechos rosados, como dos almas perlas, descansaban dormidas nuestras dos inocencias –¡oh qué abrazo tan blanco y tan puro!–, de retorno a las tierras eternas.
„Morgengrauen“ steht über der deutschen Version – „Morgendämmerung“ wäre wohl auch möglich gewesen; es hätte den Vorteil, das im „-grauen“ enthaltene „grau“ nicht in den Vordergrund zu rücken, denn im Gedicht selbst gibt es kein Grau, sondern allenfalls einen farblich kaum qualifizierten Ton der Blässe oder Bleichheit in „la pálida tierra“ (Z. 9). Alles andere aber ist, wenn auch nur zart und schwach, gefärbt: malvenfarben (Z. 4), grün (Z. 5), violett (Z. 7), rötlich oder besser rosenfarben (Z. 12) (‚rosenfingrig‘ – rhododaktylos – ist seit Homer das Epitheton ornans für die Göttin des Morgens, Eo¯s oder, lateinisch, Aurora), perlfarben (Z. 13) – das abschließende weiß (Z. 16) ist schon kein Farbton der Morgendämmerung mehr, sondern ein Synonym von ‚puro‘ (ebenfalls Z. 16) zur Kennzeichnung der Reinheit jener unschuldigen Umarmung des von Schlaf 15
Zitiert nach den oben (Anm. 4 und 5) angegebenen Editionen; die im Original nicht vorhandenen größeren Zeilenabstände zwischen den Versen 5 und 6, 9 und 10 sowie 11 und 12, wie sie die zweisprachige Suhrkamp-Ausgabe eingeführt hat, sind nicht beibehalten (vgl. im übrigen unsere Anm. 8). V. 10 (im Original wie in der Übersetzung) sowie V. 11 und V. 12 der deutschen Version mußten, anders als in der Druckvorlage, in zwei Zeilen aufgeteilt werden.
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umfangenen Paares, das ins Paradies zurückgefunden hat. Diese Szene und die Farbgebung der Szenerie haben Angel Valbuena Prat, der das Gedicht schon 1930 in seinem Buch über die zeitgenössische spanische Lyrik behandelt, bewogen, von „neoprimitivismo prerraffaelista“ zu sprechen – was im übrigen nicht kritisch gemeint (und ja auch durchaus richtig bemerkt) ist.16 „Morgendämmerung“ also vielleicht noch eher als „Morgengrauen“. Es hätte aber wohl noch eine dritte Möglichkeit der Titelwahl für die deutsche Übersetzung unseres Gedichts gegeben: nämlich Alba stehen zu lassen oder allenfalls die deutsche Entsprechung für den Gattungsbegriff „Alba“, also „Tagelied“, einzusetzen. Denn wir haben es bei der „Alba“ ja auch mit einer lyrischen Gattung zu tun, für die es vor allem in der altprovenzalischen Minnedichtung zahlreiche Beispiele gibt, eine Gattung, in der sich eines der in aller Welt verbreitetsten literarischen Motive auf spezifische Weise konkretisiert: das Motiv der Trennung der Liebenden bei Tagesanbruch.17 „Lieb süßer Freund, so selig ruh’ ich traun, Ich möchte Tag und Morgen nimmer schaun, Im Arm der Schönsten, die ein Weib geboren, Drum sollen mich die eifersücht’gen Thoren Nicht kümmern noch der Morgen.“ So hat Friedrich Diez, der Begründer der Romanischen Philologie als vergleichender Wissenschaft, die letzte Strophe der Alba von Giraut de Bornelh (Reis glorios) übersetzt,18 die er „das schönste und zarteste, was dieser Sänger hervorgebracht hat“ nennt.19 Im Original: – Bel dous companh, tan sui en ric sojorn, Qu’eu no volgra mais fos alba ni jorn, Car la gensor que anc nasques de maire Tenc et abras, per qu’eu non prezi gaire Lo fol gilos ni l’alba.20 16
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Angel Valbuena Prat, Historia de la literatura española, Bd. 3, Barcelona 41953, S. 538 f., und zuvor: La poesía española contemporánea, Madrid 1930, S. 65 ff. Vgl. hierzu das Standardwerk von A. T. Hatto (Hrsg.), EOS: An enquiry into the theme of lovers’ meetings and partings at dawn in poetry, The Hague 1965; speziell zur Gattung der Alba in der Trobador-Dichtung: Martín de Riquer, Los trovadores. Historia literaria y textos, Bd. 1, Barcelona 1975, S. 61ff. Friedrich Diez, Leben und Werke der Troubadours. Ein Beitrag zur nähern Kenntniß des Mittelalters, Zwickau 1829, S. 142. Eine deutsche Prosaübersetzung hat kürzlich Ulrich Mölk vorgelegt (Trobadorlyrik. Eine Einführung, München – Zürich 1982, S. 108): „Lieber süßer Freund, ich bin in so herrlicher Gesellschaft, daß ich nimmermehr möchte, daß es Morgengrauen oder Tag werde, denn die Schönste, die je von einer Mutter geboren wurde, habe und umarme ich, weshalb ich gering achte den törichten Eifersüchtigen (= Ehemann) und das Morgengrauen.“ F. Diez, a. a. O. (wie Anm. 18), S. 141. Zitiert nach der Ausgabe von M. de Riquer in Bd. 1 seiner großen Trobador-Anthologie (wie Anm. 17), S. 513.
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Das spricht der Liebende im Arm der Geliebten zu seinem Freund und Gefährten draußen vor der Tür, der dort wach geblieben ist, um ihn bei Tagesanbruch zu wecken und zum Abschied von der Geliebten zu drängen, deren eifersüchtiger Ehemann sonst gefährlich werden könnte. Die Umarmung der unschuldigen Seelen bei Juan Ramón Jiménez ist ganz offensichtlich anderer Natur als die des ehebrecherischen Paares im mittelalterlichen Minnelied, aber eine Umarmung – ein „abrazo“ (Z. 16) – bleibt sie gleichwohl (die Korrespondenz zur provenzalischen Verbform „abras“ ist augenfällig), und so wäre es am Ende gar nicht so verwegen, wir würden Juan Ramón Jiménez’ „Proömialgedicht“ als Anti-Alba bezeichnen, als „Contre-texte“, um mit dem Okzitanisten und Mediaevisten Pierre Bec zu sprechen,21 als „Contre-texte“ freilich ganz ohne die diesem Genre sonst eignende unflätig-polemische Natur. Die mittelalterliche Alba Giraut de Bornelhs ist, wie nahezu alle Minne-Dichtung, ein strophisches Gebilde; jede Strophe gehorcht dem gleichen Bauplan. Das sieht bei der „Alba“ von Juan Ramón Jiménez anders aus, und dieses andere Aussehen gehört mit zu ihrer „Modernität“. Ganz vage scheinen sich zwar Regularitäten der textlichen Gliederung abzuzeichnen: Langverse – bald einzeln, bald als Verspaare – wechseln mit Kurzversgruppen: zu Anfang drei Zeilen (Z. 1–3), dann eine „copla“ aus vier Versen (Z. 6–9), dann erneut eine Dreiergruppe (Z. 13–15), die aber anders gebaut ist als die erste Dreiergruppe, in der Länge (d. h. der Silbenzahl) der Verse aber mit der vierzeiligen „copla“ übereinstimmt; syntaktisch wird sie durch einen der einzeln stehenden Langverse (Z. 12) eingeleitet, so daß man in Analogie dazu auch hier von einer Vierzeiler-Gruppe (mit verlängertem ersten Vers) sprechen könnte. Im ganzen herrscht offenkundig Ametrie, wir haben es in der Tat mit „versos libres“ nach dem Vorbild des französischen „Verslibrisme“ zu tun,22 aber es gibt doch Präferenzen und (partiell) verschleierte Regularitäten. Die ersten drei Kurzverse – von 4/3/4 Silben (Z. 1–3) – ergeben, ohne Pause gelesen, einen Satz, einen klassischen Endecasílabo a maiore: „Se paraba la rueda de la noche“. Wie eineinhalb Jahrzehnte später in Italien Ungaretti, gehorcht Juan Ramón Jiménez an solchen Stellen bereits einer „poetica della parola“.23 Einen rhythmisch nicht ganz klassischen Elfsilber ergeben aber auch, als Einheit gelesen, die Verse drei und vier: „de la noche … Vagos ánjeles malvas“. Die ersten Verse (Z. 1–4) ließen sich metrisch durchaus auch als Kanzonenbeginn in der traditionellen Form der Verbindung eines Sieben- und eines Elfsilbers verstehen. Die Verschleierung oder Ver-
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Vgl. Pierre Bec, Burlesque et obscénité chez les troubadours. Pour une approche du contretexte médiéval, Paris 1984. Vgl. dazu die Abschnitte zu den „vers libres“ der Symbolisten bei W. Theodor Elwert, Französische Metrik, München 1961, S. 156ff., und bei Walther Suchier, Französische Verslehre auf historischer Grundlage. Zweite Auflage bearbeitet von Rudolf Baehr, Tübingen 1963, S. 45 ff. Grundlegend hierzu Alfred Noyer-Weidner, Zur Frage der „Poetik des Wortes“ in Ungarettis L’ Allegria, Krefeld 1980.
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änderung dieser traditionellen Versstrukturen dient der Lenkung der Stimme, des Lesens, der Sinngebung. Dann folgt aber dem Elfsilber, genauer: dessen selbständiger zweiter Hälfte, dem vierten Vers: „Vagos ánjeles malvas“, ein Zehnsilber (Z. 5): „apagaban las verdes estrellas“ – ein ungewöhnlicher Wechsel, der aber nicht als Bruch wirkt, weil die rhythmisch gleichförmige Reihe dreier anapästischer Gruppen ihn überspielt (apagá/banlasvér/desestréllas). Neu für das spanische Ohr, überträgt der Vers eigentlich nur den bei den zeitgenössischen französischen Lyrikern, allen voran Paul Verlaine, so beliebten Neunsilber (in französischer Nomenklatur) ins Spanische: Je devine, à travers un murmure oder Et mon âme et mon cœur en délires.24 Das ist exakt derselbe Vers, auf gleiche Weise rhythmisch gegliedert. Ein Verspaar dieses Verstyps bildet dann auch (Z. 16–17) den Abschluß von Alba; ein einzelner Zehnsilber hält dazwischen auf halbem Weg (Z. 11) die Erinnerung an den Rhythmus wach: „embriagán/do el rocí/o de eséncias“. Hat man die rhythmische Struktur erfaßt, löst sich auch das sonst unlösbare Problem, bei der Lektüre zu entscheiden, an welchen Stellen eventuelle Hiate, Sinaloephen, Synäresen oder Diäresen anzusetzen sind. Das gilt genauso für die beiden noch nicht erwähnten Versarten des Mittelteils, den Sieben- und den Vierzehnsilber (Z. 10), letzterer ein schon im Mittelalter häufiger, von Darío, der ihn besonders schätzte, rhythmisch sehr vielfältig gegliedert verwendeter Vers,25 dessen erste Hälfte Suspirában las flóres in unserm Gedicht von Juan Ramón Jiménez im Gleichklang mit dem Beginn des Zehnsilbers Apagában las vérdes (Z. 5) und mit den meisten Siebensilbern konstruiert ist: Una cínta tranquíla (Z. 6). Es gibt also, bei (d. h. trotz) aller „Freiheit“ der Verse und trotz des Verzichts auf Reime (dazu komme ich gleich), Elemente, die durch ihre Rekurrenz das Gedicht als metrisch strukturiert ausweisen. Dies sind vor allem andern Elemente des Rhythmus; doch sind die rhythmischen Figuren durch rekurrente Lautfüllungen
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Paul Verlaine, Romances sans Paroles. Dédicaces. Épigrammes, éd. par Yves-Gérard Le Dantec, Paris 1943, S. 13. Es handelt sich um V. 1 und 5 der II. der Ariettes oubliées, Erstdruck – im Rahmen der Romances sans Paroles – 1874 in Sens; Le Dantec (ebda., S. 274) kommentiert: „Verlaine se sert ici pour la première fois du vers de neuf syllabes“. Zum spanischen „Alexandriner“ im Mittelalter und im Modernismus vgl. Rudolf Baehr, Spanische Verslehre auf historischer Grundlage, Tübingen 1962, S. 110–119.
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vielfach zugleich lautlich strukturiert, und zwar auf eine Weise, die in eins mit dem Klang den Sinn der Aussage determinieren. Wenn man so will, handelt es sich um nichts anderes als Reime, nur wird auch dies verschleiert durch die Abweichung von der üblichen Position von Reimen (als Endreime, gelegentlich auch – dann zusätzlich zum Endreim – als Binnenreime). Hier könnte man von „Anfangsreimen“ sprechen, denn die reimenden Wörter – Verbformen im Imperfekt – stehen in unregelmäßigem Abstand am Versanfang: Se paraba (Z. 1) apagaban (Z. 5) abrazaba (Z. 8) Suspiraban (Z. 10) 26 descansaban (Z. 14). Die Reihe – als lautlich verkettete Reihe von Verbalformen – macht zugleich deutlich, daß im Gedicht ein Moment kosmischer Ekstase in einer als Handlung verschleierten Beschreibung evoziert wird. Beim Stillstand der Nacht – wie der Sonnengott gebietet in der Antike, und so noch hier, auch die Göttin der Nacht über einen Wagen mit Rädern 27 –, beim Stillstand der Nacht bewirken unstete, kaum faßbare Himmelswesen („Vagos ánjeles“, Z. 4) den Übergang vom Sternenglanz zu einem in zarten Nuancen von Rosa und Violett getönten Schleier am Horizont, Zeichen einer liebevollen Umarmung von Himmel und Erde (Z. 6–9) – dies ist die Atmosphäre des Schlummers der Liebenden in unschuldiger Umarmung: Im Erwachen seufzen selbst die Blumen („Suspiraban las flores“, Z. 10) und strömen ihren betörenden Duft aus. Eine Atmosphäre, in der, wie Baudelaire es sagt,28 „Les parfums, les couleurs et les sons se répondent“. Wir sind in der Tat ganz in der Nähe symbolistisch-synästhetischer Welten wie der von Mallarmés Faun, auch wenn dessen „désir“ das genaue Gegenteil von Juan Ramón Jiménez’ „inocencia“ (Z. 15) ist. Wir wollen die literarischen Zusammenhänge aber nicht überstrapazieren, und statt Verbindungslinien zu Dante (dem Morgenanbruch in Purg. I oder XXVIII) 29 und der Funktion von „sospirare“ (man denke an Dantes Sonett Tanto
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Einen zusätzlichen partiellen Vokalgleichklang zu „Suspiraban“ bildet das erste Wort der folgenden (11.) Verszeile: „embriagando“. ‚Zweispännig‘, ‚im Zweigespann‘ erscheint sie beispielsweise bei Vergil: „et Nox atra polum bigis subvecta tenebat“ (Aeneis V, 721). In dem bekannten Sonett Correspondances (Charles Baudelaire, Les Fleurs du Mal, éd. Antoine Adam, Paris 1959, S. 13). Immerhin sei daran erinnert, daß Dantes Eintritt ins Irdische Paradies im Licht der „splendori antelucani“ erfolgt (Purg. XXVII, 109) und ihn in eine von „erbette“ und „fiori“ (ebda., 134) geschmückte Landschaft führt, die nicht nur von Düften erfüllt ist („d’ogne parte auliva“, Purg. XXVIII, 6), sondern in der es auch einen „rio“ (ebda., 25; „fiumicello“, 35) samt von Gräsern begrüntem Ufer („ripa“, 27) zu bewundern gibt – in den Garten Eden, der einst dem Menschen im Stande der Unschuld von Gott zum Wohnsitz bestimmt war, als Vorstufe gewissermaßen des Reichs der ewigen Seligkeit
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gentile) in der stilnovistischen Lyrik zu ziehen, die zu ziehen durchaus nicht abwegig wären, sollte besser ein Hinweis auf einen zeitgenössischen Dichter in einem andern romanischen Land, auf den schon einmal erwähnten Giuseppe Ungaretti in Italien, deutlich machen, daß der Wunsch nach Rückkehr ins Paradies, denn ein Wunsch, keine Tatsache ist dieses „de retorno a las tierras eternas“ (Z. 17) der letzten Zeile von Juan Ramón Jiménez’ Gedicht, daß dieser Wunsch Ausdruck eines seit der Romantik in der europäischen Dichtung immer wieder zum Ausdruck gebrachten Leidens am Leben in der „Realität“ dieser Welt ist, und also von Schmerz noch da spricht, wo ein reines, ideales Gegenbild das Paradies als ein wiedergefundenes, wiederauffindbares vorzustellen scheint. Ungarettis „Girovago“ (Landstreicher) – aus dem Buch L’Allegria – möchte „einen einzigen Augenblick / anfängliches Leben / genießen“ (so die Übersetzung von Ingeborg Bachmann): 30 Godere un solo minuto di vita iniziale Cerco un paese (mit diesen Worten beschließt er seine Klage) Cerco un paese innocente. Da ich nun nicht ohne Bedacht im Zusammenhang mit „Lyrik der Moderne“ das Wort „Romantik“ in den Mund genommen habe, will ich doch auch, um wenigstens einen authentisch romantischen Text zu nennen, der der Gefühlswelt von Juan Ramón Jiménez’ Alba besonders nahe steht, an Joseph von Eichendorffs Mondnacht erinnern, die dank Robert Schumanns genialer Vertonung (im Liederkreis op. 39, 1840) uns allen nicht aus dem Ohr geht: 31 Es war, als hätt’ der Himmel Die Erde still geküßt, Daß sie im Blütenschimmer Von ihm nur träumen müßt. Das ist zwar eine Nachtszenerie („So sternklar war die Nacht“, V. 8) – aber die zarte Liebesverbindung von Himmel und Erde, und der Blütenschimmer, und der Liebestraum: Das alles ist Juan Ramón sehr verwandt, und nicht zuletzt die selige
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(„etterna pace“, ebda., 93). Auch dies also ist ein „retorno a las tierras eternas“. Vgl. B. König, Canto XXVIII, in: Georges Güntert – Michelangelo Picone (Hrsg.), Lectura Dantis Turicensis, II, Purgatorio, Firenze 2001, S. 435–445. Giuseppe Ungaretti, Gedichte. Italienisch und deutsch. Übertragung und Nachwort von Ingeborg Bachmann, Frankfurt 1961, S. 89. Das italienische Original ebda., S. 88; im Kontext von L’Allegria findet es sich in Giuseppe Ungaretti, Vita d’un uomo. Tutte le poesie, a cura di Leone Piccioni, Milano 1969, S. 85. Zitiert nach der großen Anthologie von Dietrich Fischer-Dieskau, Texte deutscher Lieder. Ein Handbuch, München 1968, S. 291.
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Heimkehr der Seele am Ende von Eichendorffs Gedicht, wie sie mit weit ausgespannten Flügeln durch die stillen Lande flog, „als flöge sie nach Haus“,32 korrespondiert zutiefst mit dem „retorno a las tierras eternas“ (Z. 17) in unserer Alba. Ehe wir sie verlassen, noch ein letzter Blick, wie vorhin angekündigt, auf ihre Metrik. Für den Nicht-Hispanisten kaum merkbar, ist sie von einem noch nicht erwähnten Element geprägt, das ihre Form mit spanischer ‚traditionalistischer‘ Lyrik – „lírica de tipo popular“ (das ist die von Margit Frenk Alatorre, der besten Kennerin, bevorzugte Gattungsbezeichnung) 33 – verbindet. Dieses Element ist das der Assonanz als Signal für das Versende.34 Seit der altspanischen Epik, und in der gesamten von ihr ausgehenden, bis heute produktiven Romanzendichtung Spaniens zeigt die Assonanz – die Übereinstimmung von Haupttonvokal und (falls vorhanden) Nachtonvokal des letzten Wortes einer Verszeile, in der Regel also in deren 15. und 16. Silbe 35 – an, daß ein Wendepunkt erreicht ist, das Ende eines Verses, dem der Anfang eines neuen folgt, an dessen Ende wiederum die gleiche Vokalabfolge (bei unterschiedlicher Konsonantenfolge) zu stehen hat. Die gleiche Technik gebraucht auch volkstümliche und die „popularisierende“ Kunstlyrik. Als Beispiel sei zitiert ein Sechssilbergedicht Góngoras, in dem eine früh Verwitwete ihrer Mutter ihr Leid klagt: 36 Váyanse las noches, pues ido se han los ojos que hacían los míos velar; váyanse, y no vean tanta soledad, después que en mi lecho sobra la mitad.
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Der bildliche und gedankliche Zusammenhang mit platonisch-platonistischen Vorstellungen bedarf keines Kommentars. Vgl. die von ihr besorgte Anthologie Lírica española de tipo popular, Madrid 1977. Wie deren Bibliographie (S. 31 f.) zeigt, bevorzugen andere Fachleute (wie Dámaso Alonso und José Manuel Blecua) den auf Ramón Menéndez Pidal zurückverweisenden Terminus „lírica de tipo tradicional“. Zur Bedeutung von „Tradition“ und (literarischem) „Volkstum“, von „Popularismus“ und „Neopopularismus“ im Rahmen der modernen spanischen Lyrik vgl. die entsprechenden Kapitel (II, S. 27 ff.; V, S. 81 ff.; XI, S. 170 ff.) bei Gustav Siebenmann (wie Anm. 2). Vgl. ganz allgemein R. Baehr, Spanische Verslehre (wie Anm. 25), S. 30–36; 38–39 sowie (bezüglich der versos libres) S. 45. Beim Druck eines Langverses in Form zweier untereinandergestellter (statt nebeneinandergestellter) Achtsilber findet sich die Assonanz natürlich nur am Ende jeder zweiten Zeile. Es handelt sich um den Hauptteil (V. 51–58) der letzten Strophe der „Kunstromanze“ La más bella niña von Luis de Góngora aus dem Jahre 1580; zitiert nach der Anthologie Poesía de la Edad de Oro, II, Barroco, ed. José Manuel Blecua, Madrid 1984, S. 53 (Kursivsetzung der Assonanzvokale vom Verfasser).
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Die Assonanz e/a, die Góngora hier wählt (se han/velar/soledad), ist – natürlich rein zufällig, man findet sie unendlich oft in assonierender Dichtung – nun auch die Assonanz, mit deren Hilfe Juan Ramón Jiménez seine Alba segmentiert. Bei aller Freiheit der Versgestaltung: In diesem Punkte ist er Traditionalist, wenigstens in seiner frühen Dichtung, nur ist die Wirkung der Assonanz eine andere als in der Tradition, weil eben die Verse sonst unregelmäßig gebaut sind (versificación irregular). Offenbar gehörte die Assonantierung für Juan Ramón Jiménez um 1900 (und darüber hinaus) noch zu den Mitteln, durch die sich Verse von Prosa unterscheiden. Nimmt man das im ganzen streng eingehaltene Gesetz der Assonanz ernst, die Regel also, daß sie (bei Kurzversen) das Ende jedes zweiten Verses markiert, dann ergibt sich, wie ich das vorhin im Vorübergehen erwogen habe, daß die Zeilen 3 und 4 einen Vers bilden, die Zeilen 1 und 2 aber zwei Verse. Die assonierenden Wörter des Gedichts lauten jedenfalls, von oben nach unten gelesen: rueda (Z. 2) / estrellas (Z. 5) / violetas (Z. 7) / tierra (Z. 9) / esencias (Z. 11) / perlas (Z. 13) / inocencias (Z. 15) / eternas (Z. 17). Noch also hat Juan Ramón Jiménez, und mit ihm die spanische Dichtung um 1900, den festen Boden der Tradition nicht verlassen. Der erste Blick auf die lyrischen Formgebilde täuscht: Sie sind zwar unregelmäßig gebaut, aber – unser Morgen-Idyll läßt es gut erkennen – insgeheim immer noch den Gesetzen der Schwerkraft, sprich: den überlieferten Regeln metrisch gebundener Rede, unterworfen. Das wird bei Juan Ramón Jiménez auch künftig so bleiben, wenn auch weniger deutlich und oft nur in Andeutungen, wie ein erster rascher Blick auf unser zweites Gedicht – es trägt keinen Titel – zeigt; ich will darauf nachher nicht mehr eingehen und deswegen an dieser Stelle nur noch anmerken, daß Juan Ramón Jiménez Zeit seines Lebens auch Gedichte in streng gebauten festen Formen der lyrischen Tradition, vor allen andern Sonette, verfaßt hat. Unser zweites Gedicht, dem ich mich nun also zuwende, trägt keinen Titel; seine ersten Worte, die hier zur Bezeichnung verwendet werden, sind La luna blanca. Es stammt – der Dichter hat das Datum in Klammern oben rechts über den Text gesetzt, in der von uns zugrunde gelegten zweisprachigen Ausgabe ist das unter den Tisch gefallen37 – vom 15. Juni 1916. Der Gedichtband, in dem es erstmals gedruckt wurde, erschien 1917 und ist in der Tat als lyrisches Tagebuch konzipiert: 38 Diario de un poeta reciencasado – ,Tagebuch eines frischverheirateten 37
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Spanische Lyrik. 50 Gedichte aus Spanien und Lateinamerika. Spanisch/deutsch. Übersetzt und herausgegeben von Jürgen von Stackelberg, Stuttgart 2004, S. 72–73. Auch in dieser zweisprachigen Ausgabe enthält der Text des spanischen Originals einen Fehler: In Vers 3 fehlt zwischen den Adjektiven „tranquilo“ und „puro“ die (vom Übersetzer jedoch korrekt mit „und“ wiedergegebene) Konjunktion „y“. In unserm Abdruck ist sie stillschweigend wieder ergänzt. – Die Angaben über das Datum beziehen sich auf den Abdruck in der Segunda Antolojía poética (wie Anm. 4), S. 268. In der Neuausgabe von M. P. Predmore (wie unten Anm. 38) finden sich dieses und alle andern „Tagebuchdaten“ oben links über den Gedichten, und zwar ohne Klammern. Vgl. jetzt die von Michael P. Predmore edierte kommentierte Studienausgabe in der Reihe „Letras Hispánicas“ des Verlags Cátedra: Juan Ramón Jiménez, Diario de un poeta
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Dichters‘. La luna blanca steht in der Unterabteilung Mar de retorno dieses Bandes (in der Segunda Antolojía poética als Nr. 397). Das Jahr 1916 gehört zu den biographisch denkwürdigsten Jahren des Dichters: Juan Ramón Jiménez, nach den Zeiten schwerer Neurosen seit 1912 in der Madrider Residencia de Estudiantes installiert, einer Stätte vielfältiger geistiger Begegnungen, die es ihm aber auch erlaubt, Zurückgezogenheit ad libitum zu praktizieren, Juan Ramón Jiménez heiratet – er heiratet die Amerikanerin Zenobia Camprubí Aymar, die dann 40 Jahre lang, bis zu ihrem Tod im Jahre 1956, ihm hingebungsvoll zur Seite stand und die Bewältigung so vieler Lebenskrisen möglich machte, vor allem während der langen Exiljahre in Puerto Rico und den USA (von 1936 bis zum Tod). Die Hochzeit fand in den USA statt, und die doppelte Überquerung des Atlantischen Ozeans mit der Braut (dann Gattin) bereichert das Schaffen, neben ganz neuen Nuancen des Themas der Liebe, um den Motivkreis des Meeres. Gleichzeitig erreicht seine Lyrik im Diario Gipfelpunkte einer neuen Sprach- und Empfindungsweise, für die der Dichter selbst die Formel „poesía desnuda“, nackte Poesie, verwendet, womit auch eine Steigerung von „poésie pure“ gemeint ist. Zu den Hauptbeschäftigungen der Literaturwissenschaftler, vor allem der Literarhistoriker, gehört seit eh und je die Einteilung des Schaffens von Autoren in Phasen, und selten ist soviel Tinte geflossen, sind so viele Polemiken ausgetragen worden wie um die Phasen oder Epochen der Lyrik von Juan Ramón Jiménez und deren charakteristische Merkmale.39 Der Dichter selbst hat durch vielerlei, meist unbestimmte und bisweilen widersprüchliche Äußerungen erheblich dazu beigetragen, daß überhaupt Streit um seine poetische Entwicklung entstehen und unentwegt ausgetragen werden konnte. Ich erwähne hier nur kurz zwei immer wieder zitierte Passagen: ein Gedicht aus dem Band Eternidades (1918, gleich nach dem Diario, publiziert) und eine autobiographische Notiz, die 1932 von Gerardo Diego veröffentlicht wurde. Das autobiographisch perspektivierte Gedicht Vino, primero, pura (entstanden wohl 1916–1917) 40 spricht von der Liebe des Kindes zur Dichtung als einer reinen,
39
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reciencasado (1916), Madrid 2001 (darin La luna blanca unter der Nummer CLXXIV und mit dem Datum „15 de junio“, S. 237). Im Titel der Erstausgabe (Madrid 1917) ist „recién casado“ (in zwei Wörtern) zu lesen, in der Zusammenstellung der Werktitel im Vorspann der Segunda Antolojía poética und zu Beginn von deren 29. Abteilung (S. 253) steht „reciencasado“; Ausgaben von 1948, 1955 und 1957 tragen den Titel Diario de poeta y mar, doch 1957 kehrt der Dichter zu Diario de un poeta reciencasado zurück (vgl. M. P. Predmore, a. a. O., S. 79 u. S. 89). Vgl. den Abschnitt „II. Evolución de la obra“ im ersten Teil des großen Forschungsberichts von G. Sobejano (wie Anm. 1), S. 349–357. Dort werden, im Rahmen einer Diskussion der literaturwissenschaftlichen und -kritischen Arbeiten bis 1957, auch alle einschlägigen Äußerungen des Dichters selbst zu seiner „Poetik“ zitiert, deren Auslegung die Forschung bis heute beschäftigt und insbesondere auch in den Vorworten und Kommentaren der neueren Werkausgaben ihren Niederschlag gefunden hat, ohne daß wesentliche neue Einsichten gewonnen worden wären. Grundlegend bleibt im übrigen immer noch das oben (Anm. 3) erwähnte zentrale Kapitel der Monographie von B. Ciplijauskaite. Vom Dichter selbst als Nr. 411 aufgenommen in die Segunda Antolojía poética (wie Anm. 4), S. 276; danach unsere Zitate (Hervorhebung von „poesía desnuda“ durch
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unschuldigen Frau – „pura, / vestida de inocencia“ (wir erinnern uns an Alba); danach jedoch habe sie sich auffällig drapiert („de no sé qué ropajes“), sehr zu seinem Mißfallen, von dem er sich aber gar keine Rechenschaft abgelegt habe; und ihr falscher Prunk nahm noch zu. Schließlich jedoch habe sie sich zunehmend entblößt („se fue desnudando“) und damit seinen Glauben an sie neu begründet – und nun endlich habe er sie ganz nackt gesehen: Sie legte die Túnica ab (also ein deutlich weniger aufwendiges, deutlich einfacheres Kleid als jene „ropajes“), y apareció desnuda toda .. ¡Oh pasión de mi vida, poesía desnuda, mía para siempre! – so der beglückte Ausruf, der den Schluß des Gedichts bildet. Gemeint ist damit das Ideal einer von allen Schlacken des Anekdotischen, des „Realistischen“, des „Sinnlichen“ befreiten Dichtung, die nur sich selbst, und das heißt: der Schönheit und der Wahrheit, verpflichtet ist und jeden Anspruch von außen, jede Indienstnahme für außerpoetische Zwecke strikt von sich weist. Ein präzises Programm ist das natürlich nicht. Im zweiten zu berührenden Text, einer Síntesis ideal (so der Titel) 41 seines Weges als Dichter, nennt Juan Ramón Jiménez 1932 sechs ‚Entwicklungsstufen‘, in denen der Einfluß verschiedener Muster auf sein Schaffen nachgezeichnet wird, darunter Rubén Darío, der „Modernismo“ und „Influencias generales de toda la poesía moderna“; am Ende stehen der Haß auf alle -ismen („Odio profundo a los ismos y a los trucos“) 42 und das Ziel, die bewußte Formung und Weiterbildung des eigenen Innern, der eigenen als einer eigenständigen Persönlichkeit, der eigenen Kunst voranzutreiben – „fuera de escuelas y tendencias“. Am Ende jeder der durchlaufenen Entwicklungsstufen, auch der aktuellsten, steht das Wort: „Soledad“ – das stolze, doch ebenso Leiden signalisierende Wort für das Gefühl und die Überzeugung, allein zu stehen im Ringen um eine „reinere“, eine „ohne Kleiderprunk“, ohne „Verkleidung“ sich und nur sich präsentierende Dichtung. Aber auch diese Síntesis ideal sagt nichts aus über die Sprache, über die Form, die solche Dichtung anzunehmen hätte. Es bleibt daher nur der Weg, ihre immanenten Gesetze aus den Gedichten selbst abzulesen. Das kann hier nur ansatzweise an einem Beispiel versucht werden – und auch dabei soll wieder der deutschen Übersetzung hermeneutisch intendierte Aufmerksamkeit zuteil werden.
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Kursivsetzung durch den Verfasser, nicht also im Original!). An anderen Stellen spricht der Dichter auch von „mi verso desnudo“ (zit. von V. Gaos in der Einleitung der von ihm edierten Antolojía poética [wie Anm.4], S. 47). Hier zitiert nach dem Abdruck bei G. Sobejano (Teil I, wie Anm. 1), S. 355. Im Original publiziert in der von Gerardo Diego herausgegebenen Sammlung Poesía española. Antología 1915–1931, Madrid 1932, S. 107 f. Der zuletzt zitierte Satz fehlt bei Sobejano; ich ergänze ihn nach dem Wiederabdruck der Síntesis ideal im Vorwort der von C. Jiménez und E. Márquez edierten Antología poética (wie Anm. 4), S. IX, Anm. 1.
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Diese Übersetzung 43 stammt von Jürgen von Stackelberg, der sich als romanistischer Literaturwissenschaftler theoretisch und praktisch mit Problemen der literarischen Übersetzung befaßt hat,44 also gewiß mit doppelter Vorsicht ans Werk gegangen ist. Schon vor ihm hat Hugo Friedrich, sein großer Freiburger akademischer Lehrer, La luna blanca übersetzt, und zwar für die „erweiterte“ Neuausgabe der Struktur der modernen Lyrik.45 Ich werde, wo es mir geboten scheint, Hugo Friedrichs Übersetzung vergleichend zu der J. von Stackelbergs heranziehen (denn was dieser anders macht als sein Lehrer, muß ihn an dessen Übersetzung ja unbefriedigt gelassen haben – sonst hätte er sicherlich eher eines der vielen hunderte noch nicht übersetzten Gedichte von Juan Ramón Jiménez gewählt als gerade dieses bereits übersetzte). Hier nebeneinander zunächst das Gedicht und die Übertragung Stackelbergs: 1 2
La luna blanca quita al mar el mar, y le da el mar. Con su belleza,
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en un tranquilo y puro vencimiento,
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hace que la verdad ya no lo sea,
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y que sea verdad eterna y sola lo que no lo era. Sí. ¡Sencillez divina, que derrotas lo cierto y pones alma
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nueva a lo verdadero! ¡Rosa no presentida, que quitara a la rosa la rosa, que le diera a la rosa la rosa!
Der weiße Mond nimmt dem Meer das Meer – und gibt ihm das Meer. Mit seiner Schönheit bewirkt er, in einem stillen und reinen Triumph, dass die Wahrheit nicht mehr die Wahrheit ist, und dass ewige und einzige Wahrheit sei was keine war. Ja. Göttliche Einfachheit, die du das Gewisse zerstörst und dem Wahren eine neue Seele verleihst! Ungeahnte Rose, die du der Rose die Rose nimmst, die die Rose der Rose wiedergibt!
Bibliographische Angaben wie oben Anm. 37. Beim Abdruck mußten auch hier einzelne überlange Verse in zwei Zeilen aufgeteilt werden (vgl. oben Anm. 15). Beispielsweise in dieser Zeitschrift mit bedeutenden Überlegungen und Untersuchungen aus Anlaß des Erscheinens deutscher Übersetzungen von lyrischen Werken Pablo Nerudas; vgl. RJb. 19 (1968), S. 286–293, und RJb. 33 (1982), S. 367–375. Hugo Friedrich, Die Struktur der modernen Lyrik. Von der Mitte des neunzehnten bis zur Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts. Erweiterte Neuausgabe, Hamburg 21968, S. 231 (auch hier ist die deutsche Version dem auf S. 230 abgedruckten spanischen Original zeilengleich gegenübergestellt). Im Gedicht-Anhang der ersten Auflage (Die Struktur der modernen Lyrik. Von Baudelaire bis zur Gegenwart, Hamburg 1956, S. 155ff.) wird von Jiménez, der im Personenregister (S. 212) unter „Ramón“ eingeordnet ist, kein Gedicht wiedergegeben. – Eine Variante (Frühfassung? Neufassung?) von Hugo Friedrichs Übersetzung von La luna blanca, die sich mit den Erörterungen am Ende dieses Beitrags auf das engste berührt, ist dem Verfasser erst so spät bekannt geworden, daß er sie nur nachträglich noch in der letzten Fußnote berücksichtigen konnte; vgl. unten Anm. 52.
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Der metrisch-rhythmische Duktus des spanischen Originals wird bestimmt durch das Überwiegen von Elf- und Siebensilbern, den Versen der klassischen (petrarkistischen) Kanzone; doch ist das Gleichmaß gebrochen durch den ersten Vers, einen Neunsilber mit männlichem Versausgang (Tonakzent also auf der letzten, der achten Silbe): Auch vom Inhalt her ist das ein „Überrraschungscoup“ – ‚der Mond entzieht (nimmt) dem Meer // das Meer‘, ein Effekt wie der des Rejets eines Enjambements. Ein weiterer Bruch des Gleichmaßes vollzieht sich im sechsten Vers, der – so kann man ihn jedenfalls lesen – in drei Zeilen aufgeteilt ist (es wäre dann – als ein Vers – ein Zwölfsilber): Die gegenüber einem endecasílabo „überzählige“ Silbe wäre dann das „Sí“ in der Versmitte (Z. 7) – die eben dadurch herausgehobene Bestätigung des zuvor konstatierten paradoxen Sachverhalts, daß als wahr Erscheinendes in Wirklichkeit nicht wahr ist, und die Wahrheit dort erscheint, wo sie zuvor, wo sie sonst nicht war (oder jedenfalls – dies sage ich jetzt) nicht zu sein schien. Wir sind, und die Schlußverse (Z. 11–13) explizieren dies in einem zweiten Beispiel, in dem Juan Ramón Jiménez mit einer poetologischen Metapher operiert (die sich – nicht nur bei ihm – in moderner Dichtung häufig findet),46 wir sind bei einer Grundfrage des Sprach- und Dichtungsverständnisses von Juan Ramón Jiménez. Es geht um die Würde und um die Wahrheit des dichterischen Wortes, dem es gelingt oder doch wenigstens gelingen kann (es zu erreichen, darin besteht die schwierige Aufgabe des Dichters), den von Akzidentien der Materialität umhüllten und belasteten Sinn der Worte klar zu fassen und zu übermitteln – und damit für alle, die sich auf dieses sehr ernste poetische Spiel einlassen, in einem Prozeß der Vergeistigung, ja Spiritualisierung, ein Stück Idealität zurückzugewinnen. (Auf die platonisch-platonistischen Wurzeln dieser poetologischen Propositionen brauche ich nicht näher einzugehen.) Nun aber noch einmal zurück zur konkreten Gestalt unseres Gedichts. Wie in Alba (und wie auch sonst so oft bei Juan Ramón Jiménez) bildet ein optischer Eindruck den Ausgangspunkt: Hier ist es das Licht des Mondes auf dem nächtlichen Meer. Anders als in Alba – und das hängt natürlich mit der veränderten Dichtungskonzeption zusammen – anders also als in Alba bemüht sich der Dichter nicht um die Umsetzung der optischen Impressionen in ein sozusagen „lebendiges Wortgemälde“ – vielmehr vollzieht der Text sofort nach der puren Benennung der beiden bildspendenden Elemente, die aber zu keinem Bild geformt werden, einen unerwarteten Sprung in eine Gedankenbewegung, deren Struktur (das Ineins, also die Aufhebung der Opposition von „wegnehmen/entziehen“ und „geben/hinzufügen“, quitar und dar, Z. 1/2) am Ende des Textes (Z. 11/12), poetologisch konturiert, in der vieldeutigen Form des „Pretérito imperfecto de subjuntivo“ – so die klassische Nomenklatur der Grammatik der spanischen Akademie –,47 also als 46
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Vgl. Wolfgang Raible, Moderne Lyrik in Frankreich. Darstellung und Interpretationen, Stuttgart u. a. 1972, S. 32, und die Arbeiten von Harald Weinrich und dessen Schülerin Ida Hackenbroch zur „Blumenlyrik“ und Blumen-Metaphorik, auf die dort verwiesen wird. Real Academia Española, Gramática de la Lengua Española, nueva edición, reformada, Madrid 1931, S. 272 ff.
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quitara und diera wiederaufgegriffen wird. Zwischen diesem Anfang und diesem Ende wird der Effekt der Schönheit beschworen: „su belleza“ (Z. 2) ist zunächst natürlich die Schönheit des Mondlichts, doch ist der Sinn der folgenden Verse gerade die Verallgemeinerung durch den Bezug auf die ‚Wahrheit/das Wahre‘ („verdad/lo verdadero“, Z. 10) und das nur als wahr erscheinende Nicht-Wahre. Noch etwas genauer und ganz nah am Text: Im weißen Licht des Mondes ist das Meer nicht mehr (oder: nicht mehr ganz) das Meer – und ist doch mehr das Meer, der idealen Wirklichkeit, der Wahrheit also näher. Der Mondenglanz nimmt und gibt. Sein „schöner Schein“ (es liegt nahe, ich muß es mir aber versagen, auf die Debatte um den Schlußvers von Mörikes Gedicht Auf eine Lampe einzugehen),48 der schöne Schein des Mondes also läßt, so die poetische Explikation des einleitenden Paradoxons, wie selbstverständlich das, was wahr schien – was bisher Meer für uns war – nicht mehr wahr sein (Z. 4), und das nicht für wahr Gehaltene als ewig und allein wahr ausweisen (Z. 5/6). So wird in der „göttlichen Einfachheit“ (Z. 8) – des Kunstwerks nämlich – dem Wahren Leben (Seele) eingehaucht, während das nur für wahr Gehaltene niedergerissen wird (Z. 9/10). Ein zweiter und letzter Ausruf beschwört am Ende (Z. 11–13) eine (ideale) Rose, die so beschaffen sein könnte oder möge oder sollte – der Sinn der Subjunktivformen auf -ara/-era ist gemeinhin der eines Potentialis –, daß sie die Rose so umgestaltete, daß sie ROSE (in Majuskeln) würde. Sprachkunst soll und kann – dies die Überzeugung und Maxime unseres Dichters – durch ihre Schönheit Wahrheit vermitteln. Das gelingt ihr nie – auch dies eine Maxime von Juan Ramón Jiménez – auf Anhieb. Die unzähligen Umgestaltungen, Neuformungen seiner Gedichte sind der beste Beweis. Doch kann er dann, wenn der Prozeß der „Entkleidung“ des Gedichtentwurfs, der reductio ad essentiam, wenn Sie mir den Ausdruck gestatten, zu einem – und sei es vorläufigen – Abschluß gekommen ist, auch ein Gedicht auf das Gedicht schreiben, El Poema (1917/18), dessen zwei Zeilen lauten: ¡NO le toques ya más, que así es la rosa! 49 Daß es dabei nicht um Spontaneität, um romantische Inspirationsvorstellungen geht, brauche ich nach allem nicht noch einmal zu explizieren. Es wird aber vielleicht nicht überflüssig sein, doch noch einmal auf die beiden Übersetzungen zurückzukommen, die hier einander unmittelbar gegenübergestellt seien (links Hugo Friedrich, rechts Jürgen von Stackelberg):50
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Vgl. „Ein Briefwechsel mit Martin Heidegger“ in Emil Staiger, Die Kunst der Interpretation. Studien zur deutschen Literaturgeschichte, Zürich 1957, S. 34–49. Aus dem letzten (32.) der vom Dichter bei der Zusammenstellung der Segunda Antolojía poética berücksichtigten Gedichtbände, Piedra y Cielo; in der Segunda Antolojía (wie Anm. 4), S. 296, nach der wir zitieren, trägt es die Nummer 465 (und den Titel „El Poema. 1“). Texte gemäß den oben Anm. 37 und Anm. 45 genannten Ausgaben. Zur Aufteilung einzelner Langverse in zwei Zeilen vgl. Anm. 15 und 43.
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Der weiße Mond nimmt dem Meere das Meer – und gibt ihm das Meer. Mit seiner Schöne, in ruhiger, reiner Besiegung,
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macht er, daß Wahrheit nicht mehr sie ist,
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und daß ewige einzige Wahrheit werde das, was nicht sie war. Ja. Göttliche Einfalt, die Du Sicheres zerbrichst und ein neues
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Wesen dem Wahren erteilst! Rose, nie geahnte: sie soll nehmen der Rose die Rose, sie soll geben der Rose die Rose!
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Der weiße Mond nimmt dem Meer das Meer – und gibt ihm das Meer. Mit seiner Schönheit bewirkt er, in einem stillen und reinen Triumph, dass die Wahrheit nicht mehr die Wahrheit ist, und dass ewige und einzige Wahrheit sei was keine war. Ja. Göttliche Einfachheit, die du das Gewisse zerstörst und dem Wahren eine neue Seele verleihst! Ungeahnte Rose, die du der Rose die Rose nimmst, die die Rose der Rose wiedergibt!
Gegen beide Versionen ist wenig, aber doch dies und das einzuwenden. Hugo Friedrichs Sprache ist ein wenig feiner, preziöser als die Stackelbergs: Er (Hugo Friedrich) sagt „dem Meere“ (Z. 1), wo J. von Stackelberg „dem Meer“ sagt, was klanglich-rhythmisch dem Original („al mar“) näher kommt; H. Friedrich sagt „die Schöne“ (Z. 2) und er sagt „Besiegung“ (Z. 3), wo J. von Stackelberg „Schönheit“ und „Triumph“ wählt. Umgekehrt sagt H. Friedrich „Sicheres“ (Z. 9; für „lo cierto“), wo J. von Stackelberg „das Gewisse“ setzt – man kann sich hier und da durchaus für den einen oder den anderen entscheiden. Beide haben ein Problem mit dem Schluß, den Formen einer angemessenen deutschen Entsprechung für die Subjunktivformen „quitara“ und „diera“ (Z. 11/12). J. von Stackelberg wählt den Indikativ – damit entfällt der beschwörende Ton des Originals; zwar bleibt der Charakter eines Ausrufs erhalten, doch wird der lakonische Parallelismus der beiden Relativsätze („que quitara“, Z. 11 – „que le diera“, Z. 12, in beiden Fällen fortgesetzt durch „a la rosa la rosa“, Z. 12 und Z. 13) dadurch zerstört, daß die erste der beiden Verbformen der 3. Person („quitara“, Z. 11), und nur die erste, mit „du nimmst“ übersetzt wird. H. Friedrich wählt Ersatzformen mit „sollen“: Rose, nie geahnte: sie soll nehmen der Rose die Rose, sie soll geben der Rose die Rose! Der letzte Vers Hugo Friedrichs ist perfekt in seiner exakten Korrespondenz mit dem Original. Die „soll“-Formen der beiden Verse davor allerdings bringen einen Ton des Befehls, der lehrhaften Poetik in das Gedicht, der dem Original abgeht. Was also tun? Ich schließe mit einem Vorschlag. Auch das Deutsche verfügt über Konjunktivformen; sie werden zwar zunehmend seltener gebraucht, sind aber doch weitaus weniger preziös als etwa „die Schöne“ (statt Schönheit). Und sie hätten den Vorteil, bei gleichzeitiger Beibehaltung der Wortpositionen etwas von dem leicht Rätselhaften, nicht ganz genau Festgelegten zu bewahren, das in den spanischen Subjunktiv-Formen steckt; anknüpfend an J. von Stackelberg hieße das:
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„Ungeahnte Rose, die du nähmest / der Rose die Rose, die du gäbest / der Rose die Rose!“ Oder, vielleicht noch besser (weil das „du“ der Anrede so denn doch nicht vorgegeben, vielmehr bereits eine – doch wohl falsch – verdeutlichende Interpretation ist),51 auf alle Fälle grammatikalisch korrekter, rhythmisch und klanglich (dank der hinzugefügten Partikel „da“) nicht minder genau: Ungeahnte Rose, die da nähme der Rose die Rose, die da gäbe der Rose die Rose! 52 Köln, im November 2006
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Das „du“ der Anrede an die Rose bei Stackelberg (Z. 11) verdankt sich offensichtlich der Parallele zur Anrede der „Einfachheit“ („Sencillez“) in Z. 8. In der Tat sind beide Versgruppen (Z. 8–10 und Z. 11–13) auf ähnliche Weise als Ausrufe konstruiert, aber eine Verbform der 2. Pers. Sg. steht eben nur in der ersten Gruppe („derrotas“, Z. 9); es wäre dem Dichter ein leichtes gewesen (weil ohne Veränderung der Silbenzahl des Verses wie auch seiner rhythmischen Gestalt möglich), die entsprechende Verbform der 2. Pers. Sg. auch in der zweiten Gruppe (also ‚quitaras‘ statt „quitara“, Z. 11) zu verwenden. Er tut es nicht – und das bedeutet, daß die Rose von Z. 11 nicht als „du“ angeredet wird. Zur Abrundung und als Nachtrag seien, da der vorstehende Beitrag auch mit Übertragungen ins Deutsche operiert, noch zwei Sammelbände erwähnt, die spanische Gedichte der „Moderne“, darunter auch einige von Juan Ramón Jiménez, in Verbindung mit deutschen Übersetzungen zusammenstellen, erläutern und vor dem Hintergrund der Entwicklung der spanischen Lyrik seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert interpretieren: Die Spanische Lyrik der Moderne. Herausgegeben von Manfred Tietz unter Mitarbeit von Siegfried Jüttner und Hans-Joachim Lope, Frankfurt 1990 (darin zu Juan Ramón Jiménez die Seiten 130–140 von H.-J. Lope); Spanische Lyrik des 20. Jahrhunderts. Spanisch/ Deutsch. Ausgewählt, kommentiert und herausgegeben von Gustav Siebenmann und José Manuel López, Stuttgart 52003 (darin zu Juan Ramón Jiménez die Seiten 78–93 mit den Kommentarnoten S. 499–504). Siebenmanns Sammlung enthält (S. 82/83) auch La luna blanca mit der Übersetzung von Hugo Friedrich; diese wird laut Quellenangabe auf S. 504 abgedruckt aus „Die Struktur der modernen Lyrik. Erw. Neuausg. Hamburg: Rowohlt, 1967. (rowohlts deutsche enzyklopädie.25.)“. Das ist das gleiche Buch, dessen Nachdruck von 1968 (vgl. unsere Anm. 45) wir die oben vollständig zitierte Übersetzung Hugo Friedrichs entnommen haben; doch bei Siebenmann lautet sie an zwei Stellen anders: Vers 3 heißt hier „in ruhig reiner Besiegung“ (nicht „in ruhiger, reiner Besiegung“), und als Schluß (Z. 11–13) liest man: „Rose, nie geahnte: sie nähme / der Rose die Rose, sie gäbe / der Rose die Rose!“ Damit könnten wir uns wohl auch einverstanden erklären; aufzuklären bleibt jedoch, wie H. Friedrichs Übersetzung im gleichen Buch zur gleichen Zeit in zwei unterschiedlichen Versionen gedruckt werden konnte.
Ein Brasilianer in New York. Raum und Sprache im Inferno de Wall Street von Sousândrade Von Katharina Niemeyer
Einleitung Joaquím de Souza Andrade oder Sousândrade, wie er sich selber nannte, gehörte über lange Jahrzehnte zu den „vergessenen“ Dichtern der brasilianischen Romantik. 1833 in Guimarães (Maranhão) in begüterten und dann bald bankrotten Verhältnissen geboren, schlug er einen für lateinamerikanische Intellektuelle nicht untypischen Weg ein. Auf den mehrjährigen Studienaufenthalt in Europa – allerdings in Paris, und nicht, wie die meisten Brasilianer, in Coimbra – und die Heirat in Maranhão folgten ausgedehnte Reisen durch Amerika und schließlich lange Jahre des selbstgewählten Exils in New York. Dort arbeitete er als Sekretär und Journalist für die portugiesischsprachige Zeitschrift O Novo Mundo (1870–1879) – wobei er keine Gelegenheit ausließ, seine republikanischen Ansichten zu vertreten – und brachte in mehreren unvollständigen Fassungen sein Langgedicht Guesa Errante heraus.1 Kurz vor der Abschaffung der brasilianischen Monarchie (1889) kehrte er nach Maranhão zurück, um sich der Politik zuzuwenden. Nach anfänglichen Erfolgen, die ihm unter anderen das Amt des Intendenten von São Luís einbrachten, mußte er sich jedoch bald zurückziehen und als Griechischlehrer am städtischen Lyzeum mehr schlecht als recht durchschlagen. Schließlich blieb ihm nichts anderes übrig, als die Steine seines Elternhauses zu verkaufen, was seinem Ruf als verrückter Sonderling natürlich gehörig Vorschub leistete. 1893 konnte Sousândrade in Maranhão noch das Fragment gebliebene Langgedicht Novo Éden herausbringen, das den Untertitel Poemeto da Adolescência trägt und als Hommage an die junge brasilianische Republik gemeint war. Völlig verarmt und vereinsamt starb er 1902 im Hospital von São Luís.2
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Ein erstes Fragment des Langgedichts erschien bereits 1868 in São Luís de Maranhão, weitere in den Obras Poéticas, New York 1874. Unter dem Titel Guesa Errante wurden in New York 1876 und 1877 zwei abweichende und als fragmentarisch gekennzeichnete Auflagen des inzwischen stark erweiterten Textes publiziert. Eine erweiterte und korrigierte, allerdings immer noch unvollständige Fassung kam 1888 unter dem Titel O Guesa bei Cooke & Halsted in London heraus. Nach dieser letzten Ausgabe wird im folgenden zitiert. Eine ausführliche Biographie bietet Frederick G. Williams, Sousândrade: vida e obra, São Luís – Maranhão 1976.
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Dem zeitgenössischen Publikum blieb Sousândrade weitgehend unbekannt. Sein Erstlingswerk, den Gedichtband Harpas Selvagens (1857), hatte er zwar in Rio de Janeiro publiziert, doch die weiteren Werke erschienen entweder in seiner Heimatprovinz oder in den USA und in England. In der Literaturszene Rio de Janeiros, der unbestrittenen Kulturhauptstadt des Reiches ebenso wie der jungen Republik, scheinen sie kaum zur Kenntnis genommen worden zu sein. Sie boten wohl auch zu wenig Anknüpfungspunkte für Verortung und Wertschätzung innerhalb des damals in Brasilien herrschenden, spätromantischen Literaturdiskurses. So sahen die Literaturkritiker des ausgehenden 19. Jahrhunderts in ihm vor allem einen „Außenseiter“. Sílvio Romero betonte seine Orientierung an ausländischer Literatur und hielt seine Lyrik für weitgehend unverständlich,3 José Veríssimo warf Sousândrade wie den Symbolisten die vollständige Ignoranz der nationalen Traditionen zugunsten einer oftmals „unintelligenten“ Imitation der ausländischen Dichtung vor und schloß ihn aus dem Kanon der jungen Nationalliteratur aus.4 Die chronotopische Exzentrizität des Werkes bleibt auch in den Jahrzehnten nach dem Tod Sousândrades der bestimmende Tenor, obwohl sich die Bewertung nach der Erfahrung des brasilianischen Modernismo ändert. So beharrt Fausto Cunha in seiner Darstellung des „metade gênio metade louco“ darauf, daß es in seiner Zeit nichts mit Sousândrades Werk Vergleichbares gegeben habe: Er sei einer der „primeiros modernistas do mundo“, ein Vorläufer des Symbolismus wie Baudelaire.5 Erst 1964, mit der Publikation der Re/Visão de Sousândrade von Augusto und Haroldo de Campos 6, den bekanntesten brasilianischen Mitbegründern der poesia concreta, beginnt die eingehendere Beschäftigung mit dem Werk des Außenseiters.7 Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen sein Epos O Guesa und vor allem das darin eine Sonderposition einnehmende sogenannte „Inferno de Wall Street“, ein wüst-chaotischer Sprachbilderreigen, der das vom Kapitalismus dominierte Leben in New York satirisch porträtiert. Im Sinne der von den Begründern der Konkreten Poesie vertretenen Dichtungskonzeption wird O Guesa nun als kühner Vorgriff auf die sprachlich-ästhetischen, aber auch die ideologischen Neuerungen der
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Silvio Romero, História da Literatura Brasileira, Rio de Janeiro 1888, Bd. 2, S. 1161– 1165. In der zweiten Auflage von 1902/1903 revidiert Romero dieses Urteil im Hinblick auf das Werk Guesa Errante, das er der Lektüre anempfiehlt. José Veríssimo, Estudos de Literatura Brasileira (Primeira Série 1895/1898), Rio de Janeiro 1901, S. 94. Fausto Cunha, O Romantismo no Brasil. De Castro Alves a Sousândrade, Rio de Janeiro 1971, S. 47, 49. Augusto e Haroldo de Campos, Re/Visão de Sousândrade. Textos Críticos, Antologia, Glossário, Biobibliografía, São Paulo 1964. Zweite erweiterte Auflage Rio de Janeiro 1982. Auf diese beziehe ich mich. Neben der Biographie von Williams sind hier v. a. die Arbeiten von Luis Costa Lima, „O Campo visual de uma experiência anticipadora“, in A. und H. de Campos, Re/Visão de Sousândrade (s. Anmerkung 6), S. 235–265, sowie von Luiza Lobo zu nennen (s. Anmerkung 10).
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Avantgarden des 20. Jahrhunderts entdeckt und als einziges Werk des brasilianischen 19. Jahrhunderts gefeiert, das an der Poetik der sich formierenden internationalen Moderne teilhat. Seitdem genießt Sousândrade unter brasilianischen Intellektuellen fast so etwas wie Kultstatus, genauer, den Kultstatus eines anerkannten Außenseiters. Auch wenn Luiz Costa Lima vor wenigen Jahren noch meinte, „pouco resta da descoberta. Sousândrade voltou à inexistência“ 8, so genießt das Werk doch Wiederauflagen und eine zwar geringere, aber doch konstante Aufmerksamkeit, festzustellen nicht zuletzt in einer Reihe von Internetseiten, die auf ihre Weise die von den Brüdern Campos begonnene Modernisierung des brasilianischen Kanons fortschreiben.9 Betrachtet man den skizzierten Rezeptions- und Revisionsprozeß etwas genauer, so läßt sich dahinter dieselbe Dynamik ausmachen, die Jorge Luis Borges in seinem berühmten Essay „Kafka crea a sus precursores“ (1951) beschrieben hat, allerdings mit einem gewichtigen Unterschied: Während für Borges das Konzept des „Vorläufers“ die grundsätzlich kontingente Pluralität literarhistorischer Perspektiven und Verortungen verdeutlicht, erfolgt die Einforderung Sousândrades für eine „andere“ Genealogie der modernen brasilianischen Lyrik zumeist auf dem Hintergrund eines Masternarrativs der universalen Moderne, das eben im Sinne des Universalitätsanspruchs ganz bestimmte Merkmale dominant setzen und vermeintlich Vorgängiges ausblenden muß. Dabei lassen sich, wie zu zeigen sein wird, die Diskontinuitäten in Sousândrades Langgedicht eigentlich kaum überlesen. Denn der von den Brüdern de Campos konstatierten und auch dem heutigen Leser augenfälligen Modernität des 30 Seiten umfassenden „Inferno de Wall Street“ stehen, mit einer Ausnahme, die mit den Signaturen der ästhetischen Moderne nur schwer zu vereinbarenden 320 „restlichen“ Seiten des Epos gegenüber. Schon Luiza Lobo wies auf diese Spannung hin, als sie ihre Untersuchung des Guesa unter das Motto „Tradição e ruptura“ stellte und versuchte, im Epos zwei Teile zu unterscheiden, die unterschiedlichen Kompositionsphasen entstammen und somit auch unterschiedlichen literarischen Strömungen angehören würden.10 Dem widerspricht allerdings die vom Autor angegebene Chronologie der Fragmente. Denn während für den 10. Gesang, der das „Inferno de Wall Street“ enthält, die Jahre „1873–188…“ als Abfassungszeit notiert sind (S. 186), wird der 2. Gesang, in den die von der Machart her sehr ähnliche satirische Darstellung eines grotesken indianisch-kolonialzeitlichen Festes („Tatuturema“) eingefügt ist (S. 25–41), auf das Jahr 1858 datiert und bereits 1868 vorab publiziert (S. 19).11 Eine aufteilende Zuordnung des Werkes nach den gewohnten Kriterien literarge8
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Luiz Costa Lima, „Um poeta inexistente: Sousândrade [1999]“, in http://www.secrel.com. br/jpoesia/lclima.html , 20. 10. 2005. Einschlägig in diesem Sinne sind z. B. der Aufsatz von Marcelo Sandmann, „Sousândrade futurista?“, in Revista Letras 39 (1990), S. 73–94, und Claudio Daniel, „A poética sincrônica de Sousândrade“, in http://www.paginas.terra.com.br/arte/PopBox/ cdsousandrade.htm , 20. 10. 2005. Luiza Lobo, Tradição e ruptura: O Guesa de Sousândrade, São Luís 1979. Die erste gedruckte Version erschien in den Impresssos, São Luís 1868.
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schichtlicher Periodisierung vermag also wenig zu seinem Verständnis und seiner historischen Verortung beizutragen. Nötig scheint stattdessen die kritische Revision des europäisch geprägten Modernitätsbegriffes, die in den letzten Jahren gerade durch die Erkenntnisse der area studies in den Kultur- wie in den Sozialwissenschaften befördert wurde und in Konzepten wie dem der pluralen Moderne ihren Niederschlag gefunden hat.12 Erst auf dem Hintergrund entsprechender Überlegungen wird es möglich sein, Sousândrades Auseinandersetzung mit der Moderne aus dem Text und seinem Kontext heraus zu erhellen. Genau das will ich im folgenden versuchen. Dabei werde ich zwei Aspekte fokussieren, die in O Guesa besonders auffallen und die zugleich neuralgische Punkte der Diskussion über Geschichte und Begriff der ästhetischen Moderne betreffen: zum einen die symbolische Konstruktion des Raumes, zum anderen die lyrische Schreibweise, in der diese Konstruktion erfolgt und die ihrerseits durch die spezifische Bezugnahme auf die Kategorie der Räumlichkeit ästhetisches Profil gewinnt. Damit versuche ich, in gewisser Weise, den vieldiskutierten topographical turn der Kulturwissenschaften für die literaturwissenschaftliche Analyse fruchtbar zu machen, wohl wissend, daß vieles von dem, was heute als neuartige Reflexion angeboten wird, eine lange, die Moderne in und gerade auch außerhalb Europas prägende Vorgeschichte hat.13 Sousândrades Langgedicht, so meine erste These, ist zunächst ein Epos des Raumes oder, genauer, der Versuch, durch die Verbindung eines prähispanischen Mythos mit dem Motiv der Reise das Bild eines totalen panamerikanischen Raumes zu entwerfen. Die damit einhergehende Verräumlichung der Handlung des Guesa steht dabei in einem eigentümlichen Spannungsverhältnis zur gewählten Schreibweise, so meine zweite These. Grundsätzlich nämlich erscheint die Ausdrucksebene des Guesa durch die Entfaltung der Prinzipien der Zeitlichkeit und Linearität des lyrischen Sprechens bestimmt. Zu bestimmten Momenten jedoch, nämlich im „Tatuturema“ und, mehr noch, dem „Inferno de Wall Street“, scheint eine andere, auf Verräumlichung zielende Konzeption lyrischer Rede zu dominieren. Damit sind in Sousândrades Raumepos jene beiden gegenläufigen Tendenzen
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Die Suche nach einem angemesseneren Begriff der Moderne, der die lateinamerikanischen Besonderheiten nicht mehr nur unter dem Rubrum der „Peripherie“ – bzw. als „Schwundstufe“ europäischer Muster – modelliert, hat inzwischen zu einer kaum mehr zu überschauenden Zahl von Arbeiten geführt, darunter bekanntermaßen diejenigen, die das Konzept der Hybridität, zumeist im Rekurs auf Nestor García Canclini (Culturas híbridas. Estrategias para entrar y salir de la modernidad, México 1989), zu einer Art Passepartout stilisieren. Eine stärker an der Vielfalt der Texte/Phänomene orientierte Revision bieten die Aufsätze in Inke Gunia, Katharina Niemeyer, Sabine Schlickers, Hans Paschen (Hrsg.), La modernidad revis(it)ada. Literatura y cultura latinoamericanas de los siglos XIX y XX, Berlin 2000. Eine aufschlußreiche Übersicht zu dieser jüngsten „Wende“ und ihren heuristischen Möglichkeiten bieten Alexander C. T. Geppert, Uta Jensen, Jörn Weinhold, „Verräumlichung. Kommunikative Praktiken in historischer Perspektive“, in dies. (Hrsg.), Ortsgespräche: Raum und Kommunikation im 19. und 20. Jahrhundert, Bielefeld 2005, S. 9–49.
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lyrischen Schreibens angelegt, die Octavio Paz später mit den Begriffen „poesía espacial“ und „poesía temporal, discursiva“ belegt hat,14 und deren produktives Gegen- und Miteinander die Entwicklung der Lyrik in der Moderne prägt. Klaus Meyer-Minnemann hat vor einigen Jahren in seiner Analyse der portugiesischen Übersetzung, die Haroldo de Campos 1986 von Octavio Paz’ Langgedicht Blanco vorgelegt hat, Filiationen und Entwicklungen dieser beiden Schreibweisen einsichtig gemacht.15 Gerade die Stillstellung der Linearität zugunsten von Kombinatorik und Materialität der sprachlichen Zeichen charakterisiert demnach Campos’ „transcriação“ („Umschöpfung“) des Paz’schen Langgedichts. Ähnliches gilt, nach meiner Einschätzung, auch für die Re/Visão de Sousândrade, also für die Verortung des Guesa und insbesondere des „Inferno de Wall Street“ als einem Gründungstext der modernen Lyrik, deren avanciertesten Stand in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts die poesia concreta zu vertreten beansprucht. Darauf werde ich abschließend noch einmal zurückkommen. Zunächst soll es um das Verhältnis zwischen Raumkonfiguration und Sprache im Guesa gehen, und zwar erst in den anderen Gesängen, was für das Verständnis des „Inferno de Wall Street“ unverzichtbar ist, und dann in diesem in der Tat besonderen Teil des Werkes. O Guesa: Räume Die lange und komplexe Entstehungs- und Editionsgeschichte des Guesa läßt nicht nur erkennen, wie wichtig das Werk für seinen Autor war, sondern auch, daß offensichtlich bereits der ursprüngliche Plan des Epos für die Autodynamik eines sich von Gattungskonventionen frei verstehenden Schreibens offen war. Denn in die 13 „cantos“ umfassende Verserzählung vom Schicksal des Guesa, jener mythischen jugendlichen Gestalt, die in der Religion der Muisca Kolumbiens für das rituelle Götteropfer bestimmt war und von der Sousândrade durch die Lektüre Alexander von Humboldts Vues des Cordillères (1810–1813) erfuhr,16 mischen sich bald die im Laufe der Abfassungszeit hinzukommenden biographischen Erfahrungen des Autors, darunter vor allem seine Reisen und sein langjähriger Aufenthalt in den USA. Die Nähe zu dem ebenfalls epische Motive mit biographischen Reiseerfahrungen verbindenden Childe Harold’s Pilgrimage (1812–1818) von Byron ist
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Octavio Paz, Poemas (1935–1975), Barcelona 1979, S. 693. Es handelt sich um den Kommentar von Paz zu seinen Topoemas, sechs visuellen Gedichten aus dem Jahre 1968. Klaus Meyer-Minnemann, „Octavio Paz – Haroldo de Campos: Transblanco. Schnittpunkt lyrischer Schreibweisen der Moderne“, Romanistisches Jahrbuch 47 (1996), S. 320– 335. Das entsprechende Zitat aus den Vues de Cordillères ist, im Anschluß an die wörtliche Wiedergabe der Passagen über das Ritual aus dem Kolumbien-Artikel der Enzyklopädie L’Univers ou Histoire et Description de Tous les Peuples, de leurs religions, moeurs, coutumes, etc. (Paris 1837, portugiesische Übersetzung Lissabon 1844 ff.), dem Text vorangestellt (O Guesa, S. 1–2). Zum Bezug Sousândrades auf Humboldt s. Haroldo de Campos, „A peregrinação transamericana do Guesa de Sousândrade“, Revista USP 50 (2001), S. 221–231.
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gerade darin unverkennbar,17 dient aber auch wohl als Negativfolie, vor der die politische Dimension des Guesa deutlich werden soll. Die eigentliche Geschichte des Guesa, der vor seiner Opferung durch die Priester flieht und von da an ruhelos durch die Welt der zeitgenössischen Gegenwart reist und dabei Erfahrungen in der Liebe ebenso wie mit den unterschiedlichen Gesellschaften und sozialen Schichten macht, gerät in der Folge der biographisch motivierten Passagen und, vor allem, der raschen Ortswechsel jedenfalls ähnlich wie die von Childe Harold in Byrons Epos rasch ins Hintertreffen. Dabei sind es weniger Orte als Landschaften, die aufgerufen werden und einen wahrhaft panamerikanischen Bilderzyklus bieten: die Anden mit Cundinamarca in Kolumbien, Geburtsort des Guesa, die Amazonas-Region und der Urwald (1.–3. Gesang), Maranhão, die Heimat Sousândrades (4.–5. Gesang), Rio de Janeiro und Umgebung (6. Gesang), die iberische Halbinsel, das Mittelmeer und Afrika (7. Gesang), Mexiko und die Antillen (9. Gesang), die nordamerikanische Landschaft um Washington und Mount Vernon, New York (10. Gesang), der Pazifik und die Küste bis hin zum Südpol und dann Feuerland, Patagonien (11.–12. Gesang) und schließlich wieder Cundinamarca. Während die außerhalb Amerikas liegenden Räume im unvollendet gebliebenen 7. Gesang nur mehr genannt werden, kommen die amerikanischen Landschaften etwas ausführlicher vor, allerdings in zumeist topischen Beschreibungen, wie hier die Bucht von Guanabara: E ia os serros do Sul subindo o Guesa Qual quem do mundo quer sair em vida E sobe altas regiões da natureza N’azas de kóndor, não de suicida. […] “Amplos rumôres dos milhões de vidas Dos insectos, zumbindo a aza brilhante, Confusos da folhagem susurrante Chegam aqui – do vall’ sempre queridas “Harmonias. Dos montes m’embriaga Este enlêvo; o silencio, o sentimento Celestial; de Guanabara a vaga; Do oceano, além, o undoso monumento– “Vê-se a palpitação vasta dos mares; Se ouve do gallo o canto, o som dos sinos, Ahi retinido os rarifeitos ares Limpidos, vivos, lindos, peregrinos. (S. 133) 18 17
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Auf die Nähe zu Childe Harold hat Sousândrade in dem Vorwort zur New Yorker Ausgabe von 1877 selbst hingewiesen, eine vor allem formale Analyse der Bezüge unternimmt Luiza Lobo (s. Anmerkung 10), S. 24–34. Meine Übersetzung ins Deutsche erhebt keinerlei literarische Ansprüche, versucht aber, die teilweise sehr eigenwilligen syntaktischen Strukturen und Neologismen sowie den über weite Strecken gesuchten hohen Ton zu respektieren: „Und die Berge des Südens
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Natur und Landschaft erfüllen hier auf den ersten Blick vor allem allegorische Funktionen. Sie versinnbildlichen in ihrer Erhabenheit, Unberührtheit und großartigen Harmonie zum einen das Wesen des Kontinents und zum anderen den Charakter des Guesa, geprägt eben durch die Landschaft seiner Kindheit. Ähnlich wie Iracema, die tragische indianische Protagonistin von José de Alencars gleichnamigem Gründungsepos (1865), tritt er so als Figuration Lateinamerikas auf, allerdings mit gewichtigen Unterschieden. Während Iracema mit einem klar begrenzten brasilianischen Chronotopos verbunden ist – der Region Ceará zu Beginn der Kolonisierung –, sprengt Sousândrades Hauptfigur von Anfang an alle zeitlichen und räumlichen Beschränkungen, darunter zunächst die der nationalen Verortung. Der Guesa ist seiner Abstammung nach eben nicht Brasilianer, noch Repräsentant der Ethnien, die – wie Iracema und der weiße Kolonist Martim – am Anfang der brasilianischen Nationsbildung stehen. Zwar wird auch er als „o selvagem, puro, meigo“ (S. 69) bezeichnet, doch überwiegen die Bezüge, die vor allem in den andinen Raum verweisen – der Muisca-Mythos von Bochica, der inkaische Mythos von Viracocha 19 – und aus dem Guesa die wohl ebenfalls mythisch gemeinte Figur eines Wanderes zwischen den Welten und den Zeiten machen: „Guesa“ bedeutet in Chibcha „der Umherirrende, der Heimatlose“ 20. Es geht also nicht, wie in den üblichen „foundational fictions“ der lateinamerikanischen Romantik,21 um die (opferreiche) Setzung, sondern um die Suche nach Identität, eine Suche, die am Ende unvollendet bleiben muß. Bald schon hat sich konsequenterweise der Erzähler, der über weite Strecken als epischer „cantor“ auftritt, ausdrücklich mit dem Helden identifiziert (S. 101), der, wie schon die Brüder de Campos bemerkten, als „persona“ des Dichters erscheint.22 Dichter, Held und Landschaft scheinen so zu einem einzigen Sinnbild des panamerikanischen Schicksals zusammenzufließen, wobei erstere in ihrer ständigen Bewegung zum Höheren hin und der Großmut ihrer Bestrebungen und Gefühle das in menschliche Dimensionen überführen, was in der amerikanischen Natur bereits angelegt ist.
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ging der Guesa besteigen / wie wer lebend die Welt verlassen will / und hohe Regionen der Natur erklimmt / auf den Schwingen des Kondors, nicht des Selbstmörders […] Breites Rauschen der Millionen Leben / der Insekten, die mit dem glänzenden Flügel summen, / dringt konfus aus dem rauschen Blätterdickicht / hierher – des Tales immer geliebte / Harmonien. Mich berauscht / dieser Zauber der Berge; die Stille, das himmlische Gefühl; die Welle Guanabaras; / außerdem das bewegte Denkmal des Ozeans- / man sieht das weite Pulsieren der Meere; / man hört den Gesang des Hahns, den Ton der Glocken, / dort erklungen in seltenen Lüften / rein, lebendig, schön, wundersam.“ Diesen Bezügen ist v. a. Luiza Lobo (s. Anmerkung 10), S. 43–83, nachgegangen. So schon nachzulesen im Humboldt-Zitat (vgl. Anmerkung 14), O Guesa, S. 1. Ich beziehe mich hier auf die erfolgreiche Begriffsbildung von Doris Sommer, Foundational Fictions: The National Romances of Latin America, Berkeley 1991. O Guesa ließe sich als ein markantes Gegenbeispiel anführen für Sommers u. a. an Iracema entwickelte These, die erzählende Literatur Lateinamerikas in der zweiten Hälfte des 19. und den ersten Jahrzehnten des 20. Jhdts. ziele vornehmlich eben auf die allegorische Nationenbildung ab. A. und H. de Campos, S. 40.
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Doch über ihre allegorische – und darin durchaus ja romantische – Funktion hinaus sind die Landschaften auch in ihrer Räumlichkeit präsent, und das mit einer symbolischen Struktur, deren Bedeutung sich erst auf der Folie dessen erschließt, was in O Guesa mit einer Ausnahme abwesend ist: die Stadt. Seit Mitte des Jahrhunderts wird auch in Lateinamerika die Stadt zu einem immer wichtigeren Thema, man denke für Brasilien nur an die sogenannten Frauenromane Lucíola (1862) und Diva (1864) von José de Alencar. Städtische Raumkonfigurationen dienen zunehmend dazu, die durch die immer rascher voranschreitende Modernisierung angestoßenen sozialen Veränderungen zu thematisieren. Im Zuge der Ausprägung des Naturalismus findet so vor allem die soziale Topographie der wachsenden Städte São Paulo und Rio de Janeiro Aufmerksamkeit, etwa in O Cortiço (1890) von Aluísio Azevedo.23 Der Einbruch von Unordnung und wilder Natur in die ja seit der Kolonisierung – und zu ihrem Zweck – als ordnungs- und zivilisationsstiftend gedachte Stadt,24 ihre Zerfaserung in Randbezirke, die neue Unübersichtlichkeit, der man in the crowd und sein Gegenstück, der Flaneur, oder auch der Eigenwert der Stadtlandschaft finden in Lateinamerika jedoch erst gegen Ende des Jahrhunderts Eingang in den literarischen Stadtdiskurs.25 Und der brasilianischen Lyrik bleibt das Thema Stadt bis zum Modernismo eigentlich fremd. Die Gedichte der Romantiker behandeln, wenn überhaupt, brasilianische Landschaften als Sehnsuchtsorte eines unbehausten lyrischen Ichs, so die berühmte „Canção do exilio“ (1843) von Antônio Gonçalves Dias oder auch die ähnlich gestimmten Gedichte von Casimiro de Abreu, die die brasilianidade der Landschaft in der Mischung aus majestätischer Weite und tropischer Idylle verorten. Sousândrades Beschränkung auf Naturräume müßte also nicht weiter verwundern, würde er nicht im 10. Gesang davon abweichen und New York in einer Ausführlichkeit behandeln, die keiner der Landschaften zuteil wird, und würde nicht die Konfiguration dieser Naturräume so deutlich auf die traditionellerweise mit dem Gegensatz Stadt – Land verbundene Dichotomie von „eng“ und „frei“ verweisen. Denn mehr noch als die Opposition „oben – unten“ spielt in den Textlandschaften der Gegensatz „begrenzt – unbegrenzt“ bzw. „offen – geschlossen“ die entscheidende Rolle. Die Landschaften, die der Guesa durcheilt, sind dynamisch, sie sind unermeßlich und eben dadurch sein eigentliches Zuhause, in dem jene Freiheit erfahrbar ist, die er für sich erhofft und die in zahlreichen Reflexionen für die Gesellschaft eingefordert wird. Die Unbegrenztheit der Landschaft erhält dabei in vielen Fällen auch eine zeitliche Dimension, indem historische und mythische Ereignisse bzw. Epochen erinnert werden, die mit diesen Naturräumen verbunden sind, so etwa die Geschichte der Inka im 1. und 11. Gesang oder die Eroberung Mexikos im 9. Gesang. Damit wird dem Raum eine historische Tiefe, 23
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Zu diesem und anderen brasilianischen Stadttexten der Epoche vgl. Antonio Candido, O discurso e a cidade, São Paulo 1993. Hier ist einmal mehr zu erinnern an die klassische Arbeit von Angel Rama, La ciudad letrada, Montevideo 1984. Diese Entwicklung und ihre postmoderne Fortsetzung wird analysiert in Renato Cordeiro Gomes, Todas as cidades a cidade, Rio de Janeiro 1994.
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sozusagen eine vierte Dimension zugemessen, die noch einmal die Unbegrenztheit des Naturraumes nach allen Seiten unterstreicht und ihm auch in dieser Hinsicht Erhabenheit verleiht. Die Geschwindigkeit, mit der der Guesa von Ort zu Ort wechselt, bildet den Grundstein dieser Verzeitlichung des Raumes, die auch die zunächst wenig einsichtige Stereotypie der Landschaftsbeschreibungen erklärt: Entscheidend ist nicht die einzelne Landschaft, sondern ihre Staffelung hintereinander. Jeder Raum öffnet sich auf einen anderen hin, in greifbarer Nähe Amerikas erscheinen Europa und Afrika, Ozeane wie Gebirge markieren keine Grenzen, sondern stellen Verbindungen her. O Guesa: Sprache In eigentümlicher Weise hat auch die Sprachverwendung teil an der geschilderten Dynamisierung des Raumes. Mit Ausnahme von „Tatuturema“ und „Inferno de Wall Street“ ist O Guesa durchgängig in decassílabos heróicos mit konsonantem Kreuzreim verfaßt. Diese Ordnungsmuster werden von den Gesängen mit ihren unregelmäßigen Strophen, ihren häufigen Themenwechseln innerhalb der Strophen, gelegentlich auch innerhalb des Verses, und ihrer nachgerade barocken Syntax mit zahlreichen enjambements jedoch eher unterlaufen. Die schiere Länge der meisten Gesänge und des Werkes insgesamt – etwa 12.000 Verse – verstärkt den Eindruck unaufhörlichen Sprachflusses. Die Dominanz narrativer und rhetorischer Passagen unterstützt die Diskursivität und Linearität und damit die Zeitlichkeit eines Sprechens, das über die metrischen und strophischen Grenzziehungen hinwegtreibt. Auch die Vermischung der Stimmen von Erzähler und Protagonist – die ideologisch übereinstimmen und dieselben Erfahrungen thematisieren – trägt dazu bei, das lyrische Sprechen als Prozeß freien Strömens zu konstituieren. Hinzu kommt eine gelegentlich auffällige Bildhaftigkeit, die später als Signum der „poesía temporal“ gelten wird. Metaphern, Vergleiche und Epitheta Sousândrades bewegen sich zwar generell im Bereich des konventionell Verstehbaren – und mit Vorliebe des Erhabenen –, akzentuieren aber in unüblicher Weise die visuellen Analogien, die zudem häufig über mehrere Verse hinweg im Modus der Reihung entfaltet werden. Auch die Komposita, für die Sousândrade eine markante Vorliebe zeigt, betonen oft gerade die optischen Merkmale. Deutlich wird dies etwa im folgenden Beispiel, das die Ähnlichkeiten zwischen Dünen und Brüsten entwickelt: Qual as cem mammas naturaes de vida As arenosas dunas, alvejantes, Selvagens, virgens, poncteagudo-erguidas, Altos riçavam muros de diamantes: Era a ilha sempre-Eden, sempre-verde, Onde abria o rosal á natureza, Crescia a palma que nos céus se perde – Ao Sol dos Incas s’incantava o Guesa! (S. 150)26 26
Meine wiederum sehr wörtliche Übersetzung lautet: „Wie die hundert natürlichen Brüste des Lebens / kräuselten die sandigen, weißlichen Dünen, / wild, jungfräulich, spitz-hoch-
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Canto X Doch im 10. Gesang, der sich zunächst wie die vorangegangenen anläßt, wird die Linearität an entscheidender Stelle wenn nicht grundsätzlich unterbrochen, so doch entscheidend eingeschränkt. Insgesamt können in diesem umfangreichsten Teil des Langgedichts fünf große Abschnitte unterschieden werden. Der DichterGuesa erzählt von seiner Ankunft in New York und entwirft sein utopisches USABild, er evoziert einen Tag im Central Park und schweift dann 30 Seiten lang ab in Reflexionen über die Ideale, Geschichte und sozioökonomische Wirklichkeit der USA. Die anschließende, im dramatischen Modus erfolgende Präsentation des in der und um die New Yorker Börse kreisenden Mikrokosmos historischer Figuren und Typen, das berühmte „Inferno de Wall Street“, bildet den Höhepunkt des Gesangs, der mit weiteren Erinnerungen und Reflexionen über US-Amerika abschließt. Zentrales Thema der Reflexionen ist die Bedrohung des politisch-ethischen Projekts der Nation durch die eben im Rahmen dieses Projekts entfesselten Kräfte der Moderne. Über weite Strecken wird dieses Thema anhand biblischer Bilder – die Schlange im Paradies (S. 197), Kain (S. 198), die Pharisäer – und der Klage über moralische Korruption und Gottvergessenheit verhandelt, wobei zeitliche und vor allem räumliche Oppositionen diesen Konflikt konturieren. Zwei Räume stehen sich hier also gegenüber. Zum einen das auch in der Struktur des Gesangs in der Mitte angesiedelte New York, als ein begrenzter Ort, zum anderen das ländliche Amerika, ein mit allen Zügen des locus amoenus ausgestattetes Arkadien. Ähnlich wie im Fall der lateinamerikanischen Landschaften wird auch den nordamerikanischen Räumen neben der Weite – „da patria do Pacifico e do Atlante“ (S. 217) – historische Tiefe zugeschrieben, nun allerdings durch die Erinnerung an die founding fathers, allen voran George Washington (S. 186). Stärker noch als in den anderen Gesängen erscheint nun die Landschaft, die durch von Menschenhand geschaffene Monumente der Freiheit – die von weitem sichtbare Kuppel des Kapitols am Ufer des Potomac (S. 214) – domestiziert ist, als Allegorie eines politischen Projekts, das sich in den USA insbesondere mit Thomas Jefferson verbindet.27 Der vom Guesa immer wieder aufgerufene Mythos der USA als einer jungen, freien und allen offen stehenden Nation wird so an das Modell einer republikanisch-christlich-agrarischen Gesellschaft gebunden, die auch den Einwanderer „auferstehen“ läßt: Jovem America! Em teu seio ondula Um sangue de oiro, generoso, ardente: [...] És a nação contente, onde infelizes Descanso teem e é a alma esperançosa:
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gereckt, / hohe Mauern aus Diamant: / Es war die Insel immer-Eden, immer-grün, / wo sich der Rosenstrauch der Natur öffnete, / die Palme wuchs, die sich im Himmel verliert – / Unter der Sonne der Inka verzauberte (begeisterte) sich der Guesa!“ Vgl. hierzu und zur frühen US-amerikanischen Ablehnung des europäischen Stadtmodells Richard Lehan, The City in Literature. An Intellectual and Cultural History, Berkeley 1998, S. 167–181.
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Porque acceitas nos braços sempre abertos O colono, os galés, os proletarios, Tudo que atira a Europa aos teus desertos, E os resuscitas homens, bons, agrarios. (S. 190)28 Die hier mitzulesende kritische Position gegenüber dem rasanten Metropolisierungsprozeß, den gerade New York in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durchmacht – zwischen 1870 und 1890 wächst die Stadt um 1,3 Millionen Einwohner –, und der in bescheidenerem Maße aber auch Rio de Janeiro betrifft,29 findet sonst im 10. Gesang mit Ausnahme des „Inferno de Wall Street“ jedoch kaum Ausdruck. Die Stadt erscheint gegenüber dem weiten Landschaftsraum zunächst merkwürdig reduziert auf wenige, punktuelle und nur privat bedeutsame Ortsreferenzen – Central Park, Harlem, Manhattanville –, sodann, nach der Wiederaufnahme der eigentlichen Erzählung von den Geschicken des Guesa, beschränkt auf die Repräsentationsräume der besseren Gesellschaft, wo „O mercantil poder, as ondas de oiro, / Do progresso os lavores“ (S. 229) 30 den Protagonisten verwirren. Auch seinem Eintritt in die Börse geht keine Ortsbeschreibung voraus, nur die Charakterisierung des Raumes als Inferno. Sie ist jedoch bereits Teil der in 176 überwiegend gleich gebauten Strophen vorgeführten Szenen: (O GUESA tendo atravessado as ANTILHAS, crê-se livre dos XÈQUES e penetra em NEW-YORK-STOCK-EXCHANGE; a VOZ, dos desertos): – Orpheu, Dante, Æneas, ao inferno Desceram; o Inca ha de subir… =Ogni sp’ranza laciate, Che entrate… – Swedenborg, ha mundo por vir? (XÈQUES surgindo risonhos es disfarçados em Railroad-managers, Stockjobbers, Pimbrokers, etc., etc., apreogando:) –Hárlem! Erie! Central! Pennsylvania! =Milhão! Cem milhões!! Mil milhões!!! – Young é Grant! Jackson, Atkinson! Vanderbilts, Jay Goulds, anões! (S. 231) 31 28
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„Junges Amerika! In deiner Brust kreist / Ein Blut aus Gold, großzügig, brennend / […] / Du bist die frohe Nation, wo Unglückliche / Ruhe finden und die Seele hoffnungsvoll ist, / Weil du in deinen immer offenen Armen / den Siedler empfängst, den Sträfling, den Proletarier, / Alles, was Europa in deine Einöden wirft, / und du erweckst sie zu Menschen, zu Guten, zu Bauern.“ Zur Erinnerung: Rio de Janeiro wuchs zwischen 1872 und 1900 von 274.000 auf 480.000 Einwohner, nicht zuletzt dank der zahlreichen Immigranten, vgl. Walther L. Bernecker, Horst Pietschmann, Rüdiger Zoller, Eine kleine Geschichte Brasiliens, Frankfurt 2000, S. 235 f. „die Handelsmacht, die Wellen aus Gold (des Goldes) / des Fortschritts Arbeiten.“ „(Nachdem der Guesa die Antillen durchquert hat, glaubt er sich von den Xèques [die
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Nun folgt ein grotesk-satirischer Reigen – die Brüder de Campos sprechen von einem „montagem de shots ou tomadas, em collage“ 32 –, in dem Alle auftauchen: zeitgenössische, US-amerikanische wie aus anderen Ländern stammende Persönlichkeiten – Präsident Ulysses Grant, Dom Pedro II., der Prediger und Abolitionist Henry Ward Beecher und seine Schwester Harriet Beecher Stowe, der Multimillionär A. T. Stewart, Bismarck und viele mehr –; soziale Typen wie stockjobbers, reporters, burglars und freeloves; literarische, biblische und mythologische Figuren, antike Philosophen – Diogenes –, Autoren, personifizierte Zeitungen und Flüsse, Vampire, zum Schluß eine Drehorgel. Sie alle treten nacheinander auf, stets eingeführt durch eine als Klammerangabe vorangestellte kurze Beschreibung oder oft nur Nennung der Namen, und kommen dann selbst zu Wort. Und regelmäßig entlarven sie durch ihre kurzen, syntaktisch oft unverbundenen Aussagen und Ausrufe ihre Geld- und Machtgier, ihre Dummheit, Lächerlichkeit und Heuchelei, kurz, ihren kruden Materialismus, ihren Egoismus und ihre moralische Korruptheit: (Pretty girls com a BIBLIA debaixo do braço:) – Testamento Antigo tem tudo! O Novo quer sanctas de pau… Co’o Book jubilante Adelante City bell’s, ao lager anyhow! (S. 234) 33 Selbst der Guesa macht bei diesem aquelarre mit und sucht per Zeitungsanzeige im Herald „Young-Lady da Quinta Avenida, / Celestialmente a flirtar / Na igreja da Graça …/ – Tal caça / Só mata-te almighty dollar“ (S. 237) 34. Die anfangs immerhin noch genannte Stadt New York taucht in ihrer Räumlichkeit so gut wie gar nicht auf, gelegentlich ein Straßenname oder der Name einer Institution, mehr nicht. Und in dem Maße, in dem internationale zeitgenössische wie historische Bezüge einfließen und der New Yorker Mikrokosmos universalisiert wird, scheint der Ort ohnehin auch bedeutungslos zu werden. Oder genauer gesagt, er wird allgegenwärtig, allerdings nicht in seiner materiellen Konkretheit, sondern in seiner metonymischen Beziehung zu dem menschlichen
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Priester, die ihn opfern wollen, K.N.] befreit und betritt die New Yorker Börse; die Stimme, aus der Wüste:) / Orpheus, Dante, Äneas stiegen ins Inferno / hinab; der Inka muß hinaufsteigen … / =Ogni sp’ranza laciate, / Che entrate … / Swedenborg, gibt es eine kommende Welt? // (Xèques tauchen auf, lächelnd und verkleidet als Railroad-managers, Stockjobbers, Pimbrokers, etc., etc., ausrufend:) / –Hárlem! Erie! Central! Pennsylvania! / Million! Hundert Millionen! ! Tausend Millionen!!! / Young ist Grant! Jackson, / Atkinson! / Vanderbilts, Jay Goulds, Zwerge!“ A. u. H. de Campos, S. 56. „(Pretty girls, mit der Bibel unterm Arm:) / Altes Testament hat alles / Neues will Heilige aus Holz / Mit’m Book jubilierend / Vorwärts, / City bell’s [!] zum lager [= Bier] anyhow!“ „Young Lady der 5th Avenue, / himmlisch zu flirten / in der Kirche der Gnade … / – So ein Wild (eine Jagd) / dich tötet nur almighty dollar“.
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Mikrokosmos, der an eben diesem Ort angesiedelt, aber auch anderswo zu finden ist. Besonders markant findet sich diese Ausweitung in der Szene der „procissão internacional“ (S. 248), in der das Defilé aller möglichen New Yorker Gruppen – vom Volk Israel und den Mormonen über die Kommunisten und „Railroad-Strikers“ bis hin zu den „All-brockers [!]“ sowie den „All-saints“ und „All-devils“ – mit der Erwähnung von London und Paris verknüpft wird. Zwei gegenläufige Prozesse der Raumkonfiguration wirken so schon auf der Inhaltsebene des „Inferno“ zusammen. Auf der einen Ebene wird der Ort gleichsam entmaterialisiert, auf seine Funktion soziologisch-metonymischer Referenzverbürgung reduziert und auf einen Punkt zusammengeschrumpft; auf der anderen Ebene wird dieser selbe Ort, ebenfalls über die metonymische Beziehung zu dem Pandämonium der an ihm zu beobachtenden gesellschaftlichen Kräfte, symbolisch ausgedehnt und zu einer universalen Allegorie, zur Chiffre des entfesselten Kapitalismus und der moralischen Korruption erhoben. New York und sein groteskes Personal sind überall, auch in Paris (S. 259) oder eben in Rio de Janeiro, wo das Bankett für „Regente, Apóstoles e Estrangeiros“ (S. 259) bereitet wird. Der für diese Allegorisierung der Stadt notwendige Prozeß der Abstraktion wird im Verlauf der 176 Strophen durch die besondere Sprachverwendung jedoch immer wieder eingeschränkt und an konkrete Materialität zurückgebunden. Genauer gesagt, es ist die Sprache in ihrer spezifischen Konkretheit, die hier den auf der Inhaltsebene zunehmend abstrakten Raum wieder ins Spiel bringt und in doppelter Weise in der Lektüre erfahrbar macht. Schon die geänderte Strophenform, die auf der Zweiteilung in einen in Klammern gesetzten Prosateil und einen Versteil beruht und als solche nur mit den die räumliche Verteilung erfassenden Augen, jedoch nicht mit den Ohren sofort erkennbar ist, akzentuiert ein Prinzip nicht-linearer Verknüpfung. Der damit einhergehende Einsatz unterschiedlicher Typographie – Kapitälchen, Kursivierungen und unterschiedliche Schriftgröße –, sowie die Verwendung von Klammern, Gleichheitszeichen und von der semantischen Steigerung entsprechenden mehrfachen Ausrufezeichen betont die optischräumliche Dimension, die Textgestalt. Korreliert man diese Ausdrucksebene der Strophen mit ihrer Inhaltsebene, so wird als möglicher Architext eben kein Text, sondern eine bildliterarische Gattung ersichtlich: das Emblem, dessen Strukturprinzip in der Karikatur des 19. Jahrhunderts eine zeitgemäß aktualisierte Fortführung findet. Die in Klammern gesetzte Angabe entspräche der Zeichnung, der pictura, die Verse der erläuternden subscriptio, die in der Karikatur entweder darunter gesetzt oder auch in die Zeichnung integriert sein kann. Die übergeordnete allegorisch-abstrakte Deutung der inscriptio entfällt hingegen, was der konkreten, auf Tagesereignisse Bezug nehmenden Ausrichtung der Karikatur entspricht. Durch seine Tätigkeit als Journalist war Sousândrade mit diesem vor allem für die zeitgenössischen Zeitschriften typischen Medium politisch-sozialer Kritik – wie es z. B. in Harper’s Weekly schon immer auf der Titelseite präsent war, aber auch in der brasilianischen Presse gepflegt wurde 35 – bestens vertraut. Viele der Klammer35
Zur Geschichte der Karikatur in Brasilien s. Herman Lima, Historia da caricatura no Brasil. 4 Bände, Rio de Janeiro 1963.
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angaben weisen darüber hinaus bei der Figuren- und Handlungsbeschreibung Züge auf, die unmittelbar in karikatureske Zeichnungen übersetzt werden könnten: „(GLADSTONE pagando á thesouraria de WASHINGTON os milhões da arbitração de GENEBRA)“ (S. 240), oder, markanter noch: „(HERALD safe-guardando $ 2 do último e nunca-nato quinquagenario personal de ‚HONOURABLE’; policeman lisongeando-lhe a golla do business coat:)“ (S. 254) 36. Zu dieser starken und gleichzeitig absurden Bildlichkeit paßt die Anlehnung an den Limerick, die über die Strophenform mit ihrem Reimschema und die darin erfolgende Auflösung syntaktisch-semantischer Kohärenz markiert wird.37 Als populäre „Nonsense“-Dichtung basiert der Limerick auf der Dominantsetzung der phonischen Äquivalenz, der die semantisch-diskursive Verknüpfung merkbar zwanghaft angepaßt wird – das „reim’ dich oder ich freß dich“ –, also auf einer der Bild-Text-Gleichzeitigkeit entsprechenden Verräumlichung poetischer Rede durch lautliche Verdichtung. Die Strophen des „Inferno“ treiben dieses Prinzip jedoch sehr viel weiter, und zwar durch die in der pictura wie in der subscriptio gleichermaßen häufige Verwendung von phonetischen Figuren und lexikalischen Verfremdungen nicht nur des damals üblichen poetischen Vokabulars, sondern des brasilianischen Portugiesisch überhaupt. Schon in den ersten beiden zitierten Strophen werden die entsprechenden Verfahren deutlich: zum einen Alliterationen und kakophonische, syntaktisch unverbundene Kombinationen einzelner Substantive, zum anderen die gelegentlich graphisch markierte, aber ansonsten umstandslos erfolgende Integration fremdsprachiger Ausdrücke, insbesondere aus dem amerikanischen Englischen, aber auch aus anderen (indo-europäischen) Sprachen. Im Verlauf des „Inferno“ kommt es dann zu einem regelrechten code-switching, bei dem nicht nur fremdsprachige, meist englische Ausdrücke und Syntagmen in die portugiesischen Sätze bzw. Verse eingefügt, sondern auch mit portugiesischen Wörtern gereimt werden: „cae“ – „Fourth July“ (S. 237), „flirtar“ – „dollar“ (S. 237), „me acode“ – „God? Cod!“ (S. 235), „sans-culottes“ – „Quijotes“ (S. 254), um nur einige Beispiele zu nennen. Den Höhepunkt dieser auf den ersten Blick nur mehr lautlich bedingten Kombinatorik bilden zweifellos die letzten beiden Strophen des „Inferno“. Nach einer sicher nicht umsonst an letzter, herausgehobener Stelle stehenden Anspielung auf Heinrich Heines satirisch-politisches Versepos Atta Troll (1843/1847) erfolgt die Verdichtung von „não paga“ – „pagão“ und „usura“ – „ursos“ in einer Art „Bärengebrumm“ und der sinnlosen Gleichsetzung von englisch „bear“ und portugiesisch „ber’beri“ sowie der die p-Achse wieder aufnehmenden, unvermittelten Nennung von „Pegàsus“ und „Parnasus“:
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„(GLADSTONE, die Millionen des Schiedspruchs von GENF an das Schatzamt von WASHINGTON zahlend)“; „(HERALD, $2 vom letzten und nie-geborenen fünfzigjährigen personal des ‚HONOURABLE‘ safe-behaltend; policeman, ihm um den Kragen des business coat gehend [schmeichelnd]:).“ Die Strophen des „Inferno de Wall Street“ variieren das klassische Limerick-Schema A-A-B-B-A zu A-B-C-C-B, halten aber an der Kürze von drittem und viertem Vers fest, s. auch A. und H. de Campos, S. 44 f.
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(Practicos mystificadores fazendo seu negócio; self-help Ata-Troll:) –Que indefeso cáia o extrangeiro, Que a usura não paga, o pagão! =Orelha ursos tragam, Se afagam, Mammumma, mammumma, Mammão. (Magnetico handle-organ; ring d’ursos sentenciando á pena-última o architecto da Pharsalia; odysseu phantasma nas chammas dos incendios d’Albion:) –Bear… Bear é ber’beri, Bear… Bear… =Mammumma, mammumma, Mammão! –Bear… Bear… ber’… Pegàsus… Parnasus… =Mammumma, mammumma, Mammão! (S. 260–261)38 Die metonymische Beziehung zwischen den „Bears“ – Bezeichnung sowohl für die yankees wie für kriminelle Börsenspekulanten – und dem Mammon erhält hier nun über die Figur der „Mumma“, Ehefrau des Tanzbären Atta Troll, und durch das daraus abgeleitete Bärengebrumm „Mammumma, mammumma, Mammão“ ein gleichsam reales, weil in der Materialität der Sprache gründendes Fundament. So gibt im „Inferno“ die poetische Schreibweise der Stadt ein Teil der räumlichen Dimension zurück, die ihr auf der Inhaltsebene genommen wird. Und diese Raumverschiebung geht nun weit über eine schlichte Ersetzungsoperation hinaus. Denn betrachtet man genauer, welche Worte und Wortkombinationen hier zum Einsatz kommen, so wird schon in den ersten Strophen deutlich, daß es sich vielfach um vorgefundenes Material handelt, um (fiktionalisierte) Fragmente „fremder Rede“: das Stimmengewirr des Börsenhandels, Zeitungsnachrichten, politische Parolen, Predigten und feststehende Wendungen der amerikanischen Umgangssprache, Zitate aus bekannten literarischen Texten, wie eben Dantes Divina Commedia oder, an anderer Stelle, Shakespeares Macbeth. Im Hinblick auf die zahllosen Eigennamen hatte der Autor in der New Yorker Ausgabe bereits ausgeführt, daß er „conservou nomes próprios tirados à maior parte dos journais de New York e sob a impressão que produziam“ 39. In der Tat finden sich im „Inferno“ ständige Anspielungen auf historische Ereignisse – der Besuch des brasilianischen Kaisers Dom Pedro II. oder des schwedischen Prinzen Oskar, die Streiks und die großen Geschäfte – und Skandälchen, die New York beschäftigten. Im Verein mit den Besonderheiten der Schreibweise, mit ihrer Betonung der Kombinatorik und 38
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„(Praktische Mystifikatoren, ihre Geschäfte machend; self-help Ata-Troll:) / Wie wehrlos fiel der Ausländer, / der den Zins nicht zahlt, der Heide! / Ohr verschlingen die Bären, / sie streicheln sich, / Mammumma, mammumma, Mammon // Magnetisches handle-organ; ring der Bären, den Architekten der Pharsalia zur Todesstrafe verurteilend; Odysseus Phantasma in den Flammen des Feuers von Albion:) / –Bear … Bear ist ber’beri, Bear … Bear … / =Mammumma, mammumma, Mammon! / –Bear … Bear … ber’ … Pegàsus … / Parnasus… / =Mammumma, mammumma, Mammon!“ Zitiert nach A. u. H. de Campos, S. 168.
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ihrer an Montage gemahnenden Ausstellung fremder Rede, erhält die Raumverschiebung von der Inhalts- auf die Ausdrucksebene so eine diskurskritische Dimension, die in der brasilianischen Literatur der Zeit nur in den Romanen Machado de Assis’ eine Parallele findet. Das „Inferno“ päsentiert die Stadt als Diskursraum, als Geflecht der Reden und Stimmen, durch deren Interaktion sich die Stadt als spezifisches – kapitalistisches und von Heuchelei geprägtes – Biotop überhaupt konstituiert. Erst die poetisch-satirische Verdichtung läßt folglich das wahre Gesicht dieses städtischen Mikrokosmos erkennen. Spätestens an dieser Stelle stellt sich nun erneut die Frage nach der poetischen Modernität des „Inferno“. Augusto und Haroldo de Campos haben in ihrer Re/Visão de Sousândrade eben den poetischen Verfahren der lautlichen-lexikalischen Vernetzung besondere Aufmerksamkeit gewidmet, insbesondere den lexikalischen Innovationen – vor allem den Komposita –, der Mehrsprachigkeit und der „insurreição sonora“, die das „Inferno“ ebenso wie das „Tatuturema“ aus dem Korpus der romantischen brasilianischen Lyrik herausheben. Und für sich betrachtet könnte man in der Tat in beiden Textpassagen eine Vorwegnahme avantgardistischer und gar konkretistischer Kompositionsprinzipien sehen, eine auf freier Kombinatorik statt diskursiv-linearer Regelhaftigkeit beruhende lyrische Schreibweise, die mit ihrer „técnica imagista“, der „dicção sintético-ideogrâmica“ und dem „fragmentarismo conversacional“ 40 vor allem an Ezra Pounds Cantos erinnert. Diese für die Genealogie der poesia concreta entscheidende Poetik des imagism unterlegen die Brüder Campos auch den restlichen Passagen des 10. sowie den anderen Gesängen. Die anderen Aspekte der Sprachverwendung und die Inhaltsebene werden dabei konsequent ausgeblendet, ebenso wie die deutliche Anlehnung an Heines Atta Troll und Dantes Divina Commedia. Damit wird auch die im „Inferno“ geübte Kapitalismuskritik aus ihrem Kontext gelöst und umstandslos als Verwirklichung des majakowskischen Diktums eingeordnet, daß es ohne revolutionäre Form keine revolutionäre Kunst gäbe.41 In Anbetracht der zu Beginn der 60er Jahre durchaus noch umstrittenen Position der poesia concreta hat die Einforderung Sousândrades für eine auch brasilianische Filiation dieser Lyrik, die ansonsten bewußt auf Internationalität setzt, wohl nicht zuletzt einen strategischen Sinn. Doch während Sousândrades Panamerikanismus und seine Orientierung an englischsprachigen Modellen – Byron – in der Tat späteren Positionen der Noigandres-Gruppe entspricht, ist die für das „Inferno“ behauptete Korrelation Kapitalismuskritik + revolutionäre Form = revolutionäre Kunst das Ergebnis eines ansonsten produktiven misreadings. Übersehen wird nämlich, daß in Sousândrades O Guesa die Kritik an der Moderne weder einem revolutionären politischen Ideal noch einem revolutionären Begriff ästhetischer Moderne verpflichtet ist. Die satirisch getönte Kritik, die der „cantor“ gelegentlich an den romantischen Dichterkollegen ob ihrer Speichelleckerei gegenüber Dom Pedro II („Inferno“) und ihres ‚verkitschten’ Indianismus („Tatu-
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turema“) äußert, gründet ebenso wie die Bewunderung für die US-amerikanische Sklavenbefreiung auf einer republikanisch-abolitionistischen Einstellung, die seit den 1860er Jahren in Brasilien von vielen Organisationen und Zeitungen massiv vorangetrieben wurde und in den romantischen Dichtern der sogenannten dritten Generation entschiedene Vertreter fand.42 Weiteren sozialen Umwälzungen wird jedoch selten das Wort geredet, im Guesa etwa gerät die Lebenssituation der städtischen und ländlichen Unterschichten nicht einmal in den Blick, auch nicht im 10. Gesang. Selbst das bitterböse „Tatuturema“ spießt im Grunde allein die moralischen Verfehlungen und eben nicht die soziale Ungerechtigkeit auf: Gomorrha (S. 42) ist hier der dominante Bildgeber. Und auch in seiner Machart entfernt sich O Guesa keineswegs so weit von der (brasilianischen) Romantik und ihrer eminent rhetorischen Prägung, wie die isolierte Lektüre des „Inferno“ nahelegen könnte. Die überbordende und hochtönende, durch zahlreiche Ausrufe im Pathos verstärkte Redeweise prägt gleichermaßen die Naturbeschreibungen wie die politischen und metaphysischen Reflexionen, die historischen Evokationen und den Ausdruck der eigenen, durch Weltschmerz, Heimatlosigkeit und Ausgestoßensein charakterisierten Befindlichkeit: Ainda, ainda existe, Oh Deus! a natureza Das luzes e dos sons, ainda dos mares Ainda dos céus a virginal pureza E azas de bella chamma pelos ares Coroas de gloria sobre nòs traçando– Mas, ao christão viajor não será dado Prémio odysseu. […] (S. 347) 43 Diese Stillage gibt den Rahmen vor, in dem die Verräumlichung der lyrischen Schreibweise im „Inferno“ – die ja zugleich eine enorme Herabstufung des Stils bedeutet – vor allem als Funktion der satirisch-didaktischen Intention und des moralischen Wahrheitsanspruchs erkennbar wird. Es geht Sousândrade nicht darum, die „evolução crítica de formas“, wie es im Manifest der poesia concreta heißt,44 weiter voranzutreiben, sondern die dem Gegenstand angemessene und der kritischen Absicht dienlichste Schreibweise zu verwenden. Und was wäre dafür besser geeignet, als die entlarvende ‚Vorführung‘ der Ausdrucksweise, die der Gegenstand – das New Yorker Bürgertum – selbst geprägt hat? Anders gesagt,
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Dazu Bernecker, Pietschmann, Zoller (s. Anmerkung 29), S. 203–212; zum abolitionistischen Engagement und den anderen Merkmalen des stark von der sozialen Lyrik Victor Hugos geprägten condoreirismo s. Domingos Carvalho da Silva, A presença do condor: estudo sôbre a caracterização do condoreirismo na poesia de Castro Alves, Brasília 1974. „Noch, noch existiert sie, oh Gott! Die Natur / der Lichter und Töne, noch der Meere, / der Himmel jungfräuliche Reinheit, / Und Flügel der schönen Flamme in den Lüften, / uns Ruhmeskronen windend – / Aber, dem christlichen Reisenden wird kein / OdysseusPreis gegeben werden […].“ „PLANO-PILOTO PARA POESIA CONCRETA“, in Noigandres 4 (1958).
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nicht ästhetische Modernität im Sinne avantgardistischer Entsprechung zwischen den verschiedenen Wertsphären der Moderne ist das Ziel der neuen Schreibweise, sondern die punktuelle Aneignung des sozialen Modernisierungsprozesses zum Zwecke seiner dem bürgerlichen Fortschrittsideal verpflichteten Kritik. So soll das „Inferno“, bei aller Entfaltung sich verselbständigender Bildlichkeit, doch einer allegorischen Deutung dienen und als warnendes ‚so nicht!‘ dem Sinnversprechen der anderen Passagen Kontur verleihen. Deutlich wird dies in der Gleichsetzung Mensch – Natur – Gesellschaftsverfassung, die im Anschluß erneut aufgerufen und rhetorisch-pathetisch ausbuchstabiert wird. Im Gegensatz zur Stadt New York gerinnt die Landschaft Nordamerikas zum symbolischen Raum einer Platon, Sparta und christlich-puritanische Tugenden zusammenbindenden politischen Utopie, der durch die Homologisierung von Landschaftseindruck und republikanischen Werten eine „natürliche“ Begründung zugeschrieben wird – und die unter Rekurs auf das Gemeinschaftssystem der Inka in den anderen Gesängen auch Lateinamerika als natürliches, historisch gewachsenes Ideal anempfohlen wird. Die Bedrohung dieser Ordnung durch die entfesselten Kräfte des Kapitalismus erscheint zwar als eine der Freiheit der „modernen Zeiten“ inhärente Gefahr, sie wird aber durch den Aufruf zur Besinnung auf das Christentum – das in den ersten Gesängen noch höchst kritisch verhandelt wurde – und zu verantwortungsvollem Umgang mit der Freiheit noch einmal gebannt. „E voltava, do inferno de Wall Street, / Ao lar, a eschola, ao templo, a liberdade; / de Vassar“ (S. 264) heißt es wenig später über den Guesa, der seine Tochter in dem berühmten – und ländlich gelegenen – College untergebracht hat. Seine grundsätzliche Bewunderung der USA, des Nachts bewacht von Franklin und Lincoln (S. 266), erfährt durch die Begegnung mit dem „honesto lavrador“ in den Great Plains (S. 267) neue Nahrung, womit einmal mehr auch die Verbindung zu dem ländlich geprägten Amerika-Bild von Ralph Waldo Emerson und Henry Wadsworth Longfellow geschlagen wird, die beide am Ende des 10. Gesangs gefeiert werden.45 Noch läßt sich die Auswirkung der wachsenden Großstadt durch die Verankerung republikanischchristlicher Tugenden kontrollieren – und durch die Rückkehr zu einer entsprechend erhabenen, frei aber doch verständlich strömenden poetischen Rede. Das ist wohl eine der Lehren, die der brasilianische Leser am absehbaren Ende der Monarchie in Anbetracht der auch in seinem Land stattfindenden Verstädterung und der notwendigen politischen Neuorientierung aus dem Beispiel USA ziehen können sollte. Allerdings wird diese Lesart im „Inferno“ durch die Fokussierung nicht des Raumes, sondern der Sprache und Diskurse, in denen sich die Dominanz des Geldes als Grundprinzip der modernen städtischen Ordnung manifestiert, doch auch wieder eingeschränkt. Denn die Konstruktion der Stadt als Diskursraum läßt erahnen, daß die gemeinten sozialen Prozesse keinen bestimmten Ort mehr voraussetzen, sondern ihren eigenen Raum hervorbringen. New York mit seinem babylonischen Sprachenwirrwarr wird zur Chiffre der prinzipiellen Allgegenwär-
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Bezeichnenderweise fehlt in O Guesa jeglicher Verweis auf Walt Whitman.
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tigkeit einer Moderne, deren Konsequenzen umso bedrohlicher wirken, je mehr sie Länder- und Sprachengrenzen verwischen und damit der ‚Enträumlichung‘ Vorschub leisten. Während sonst die gesellschaftlichen Entwürfe durch die Beziehung Mensch – Natur ein ‚reales‘, räumlich verortetes – und positives – Fundament erhalten, spielt sich der moderne Kapitalismus mit seinen Begleiterscheinungen vor allem im Bereich der Kommunikation und symbolischen Interaktion ab. Und dort setzt er eine Dynamik frei, die nur mehr schwer zu bändigen ist. Auch die poetische Darstellung wird davon affiziert, und das gerade weil sie versucht, ihrem Gegenstand auch sprachlich zu entsprechen. So geht im „Inferno“ die Kombinatorik des Wortmaterials immer wieder über die satirische Funktion hinaus und gewinnt neue, spielerische Dimensionen, die das Dargestellte zunehmend als poetisch – und nur poetisch – Hergestelltes ausweisen. In eben dieser Ambivalenz von Mitvollzug und Kritik des Modernisierungsprozesses liegt die plurale Modernität von Sousândrades Epos. Köln, im Oktober 2006
Buchbesprechungen – Buchanzeigen H e l mu t B e rschin/Julio Fernández-Sevilla/Jo sef Felixb erger – Die spanische Sprache. Verbreitung – Geschichte – Struktur. 3. korrigierte und durch einen Nachtrag ergänzte Auflage. Hildesheim/Zürich/New York, Georg Olms, 2005. 378 Seiten. Bei dem zu besprechenden Werk handelt es sich um die dritte, korrigierte und durch einen Nachtrag ergänzte Auflage einer bereits über Jahrzehnte bewährten Einführung in die spanische Sprache. Dieses Grundlagenwerk, das neben den wichtigsten Daten zur Verbreitung und Geschichte des Spanischen auch einen umfangreichen synchronen und diachronen Überblick über die Phonologie, die Grammatik und das Lexikon bietet, zeichnet sich durch seine globale Vision und das Bemühen um eine panhispanische und politisch korrekte Darstellung der Sprachverhältnisse auf dem spanischen Staatsgebiet und in der Hispanidad aus. Die Informationen sind gründlich recherchiert, umfangreich und bieten zusammen mit den weiterführenden Literaturangaben und der visuellen Aufarbeitung von Daten mittels Karten, Tabellen, Diagrammen einen sowohl wissenschaftlich als auch didaktisch fundierten Einstieg in das Thema ,Weltsprache Spanisch‘. Die Neuerungen und Ergänzungen, auf die im unverändert aus der zweiten Auflage übernommenen Text mittels eines Handsymbols verwiesen wird, und die in einem separaten Anhang präsentiert werden, konzentrieren sich in erster Linie auf die Aktualisierung der sprachdemographischen Daten in Spanien und Lateinamerika (S. 359–364). Einen weiteren Überarbeitungsschwerpunkt bilden die sprachgeschichtlichen Angaben (S. 365 ff.), die durch Ergebnisse aus der Toponymieforschung und die Angabe zusätzlicher Primärquellen, so z. B. zur Klärung der Authentizität des Sprachnorm-Topos der Vorbildfunktion des Toledanischen unter Alfonso el Sabio, an Präzision und Transparenz gewinnen. Die Herausbildung des Neuspanischen im 19. und 20. Jahrhundert ist den Autoren sogar ein eigenes neues Unterkapitel wert (Kap. B 6, S. 368 f.). Des Weiteren wird das Thema der Grammatik und Grammatikographie nicht nur wie auch die Frage der Einheit der spanischen Sprache bibliographisch überarbeitet, sondern im Zeichen einer deskriptiven Normvermittlung auf dem Gebiet der Phonologie um diatopische Varianten bei der Intonation (S. 370) ergänzt. Die Sprachbeschreibung wird zudem um die Varietät des gesprochenen Spanisch (Kap. D 9, S. 373–375) erweitert. In der Lexikographie und in der Frage der Normfestlegung werden ebenfalls die neuesten Tendenzen wie Digitalisierung und Plurizentrismus nachgetragen (S. 376–377). Sowohl bei den Angaben zu den lenguas cooficiales – die leider noch immer als „Minderheitensprachen“ (Kap. A 4.3., S. 44) bezeichnet und damit trotz ihrer durch die Verfassung gesicherten regionalen Gleichberechtigung als verhältnismäßig irrelevant dargestellt werden – als auch zu den regionalen und nationalen Eigenheiten im Usus der spanischen Sprache ist positiv anzumerken, dass jeder Varietät oder Sprache als prinzipiell funktional gleichberechtigtem Sprachsystem eine gleichermaßen deskriptive Darstellung zuteil wird (N. B. z. B. die Angaben zur neueren katalanischen Sprachgesetzgebung S. 363 f.). Dieselbe grundsätzliche Sensibilität für die Heterogenität von Sprache als Diasystem zeigt sich auch bei der Darstellung des Problems der Mono- oder Plurizentrik der Norm und der Frage einer möglichen Zersplitterung der Hispanidad: So werden unter dem Stichwort „Architek-
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tur der Sprache“ (S. 376 f.) – wenn auch ohne Verweis auf den Schöpfer dieser Metapher, Eugenio Coseriu 1 – die neuesten Tendenzen u. a. der Real Academia Española bei der Definition, Festlegung und Bewahrung einer spanischen Norm resümiert, wobei es zu bedenken gilt, dass nicht alles, was die programmatischen Vorwörter und neuen Titel der AkademieWerke versprechen, auch tatsächlich immer umgesetzt wird 2. Dem virulenten Thema der möglichen Gefahr einer Sprachspaltung, das bereits Internet-Foren wie http://www. unidadenladiversidad.com entstehen hat lassen, wird sogar ein eigenes Unterkapitel (Kap. B 5., S. 118–123) gewidmet. Des Weiteren findet man bei der Abhandlung zum voseo (S. 193 f.) Hinweise zur regionalen und diaphasischen Differenziertheit im Gebrauch dieses Pronomens, bei der Vorstellung des Diminutivinventars (S. 311) werden Frequenzuntersuchungen zu regionalen Vorlieben beigebracht, und im Rahmen der Diskursanalyse in Kap. D 9 werden Konzepte wie ,Nähesprache‘ und ,Distanzsprache‘ eingeführt, ohne jedoch hierbei eine Klärung des theoretischen Hintergrunds der Varietätenlinguistik, u.a. an den Modellen von Koch/Oesterreicher vorzunehmen 3. Obschon die Erkenntnisse der Varietätenlinguistik somit implizit auf allen Beschreibungsebenen zur Bereicherung eingearbeitet sind, wird dieser Zweig dennoch auch in der überarbeiteten Auflage noch immer nicht in Form eines expliziten Überblicks über die grundlegenden Konzepte gewürdigt. Eine ähnliche Problematik findet sich bei anderen Themenkomplexen wieder: Während die Analyse eines transkribierten Gesprächs in Kap. D 9 einen ersten Einblick in die Unterdisziplin der Diskursanalyse liefert, und auf Seite 372 die diskursfunktionalen Faktoren der Satzgliedstellung diskutiert werden, bleibt die Textlinguistik an sich jedoch weiterhin als Thema ausgeschlossen. Auch die im Zeitalter der Globalisierung immer offensichtlicher werdenden Konvergenz- und Relatinisierungstendenzen der romanischen Sprachen werden zwar angesprochen (S. 303), die seit 1992 produktive und auch namentlich umrissene Teildisziplin der Euromorphologie bleibt jedoch weiterhin unerwähnt. Ein weiteres bedeutsames Teilgebiet der modernen Sprachwissenschaft, das man vergebens sucht, ist das der Pragmatik. So lassen sich funktionale Angaben in vielen Kapiteln, wie z. B. in den Anmerkungen zur Affektfunktion der Diminutive (S. 312), nachweisen, eine Vermittlung der terminologischen und theoretischen Grundlagen und Modelle, die dieser Beschreibung zugrunde liegen, unterbleibt jedoch. Auf der Ebene der Terminologievermittlung sorgt die fortlaufende Verkettung von theoretischen Ausführungen und praktischen Beispielsätzen und -texten für optimale Verständlichkeit. Auch die Kritik am Begriff der americanismos (S. 293 f.) und der Vorschlag zur Einführung eines Gegenterminus peninsularismo sind beispielhaft für die präzise Verwendung der Fachbegriffe. Umso erstaunlicher ist es daher, dass im Zusammenhang mit der panhispanischen Öffnung des DRAE (S. 376) der Terminus der Amerikanismen völlig problemlos Anwendung findet und bei der Unterscheidung von Suffix und Infix eine eher unscharfe Abgrenzung der Termini konstatiert werden muss. So ist dem Leser ohne Vorkenntnis der
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Siehe u. a. Coseriu, Eugenio (1988a): „Die Begriffe ,Dialekt‘, ,Niveau‘ und ,Sprachstil‘ und der eigentliche Sinn der Dialektologie“, in: Albrecht, Jörn (Hrsg.): Energeia und Ergon I: Schriften von E. Coseriu, Tübingen, 15–43; Coseriu, Eugenio (1988b): „,Historische Sprache‘ und ,Dialekt‘“, in: Albrecht, Jörn (Hrsg.): Energeia und Ergon I: Schriften von E. Coseriu, Tübingen, 45–61. Vgl. u. a. Schmitt, Christian (1990): „Bemerkungen zum normativen Diskurs in der Grammatik der ,Real Academia Española‘“, in: Settekorn, Wolfgang (Hrsg.): Sprachnorm und Sprachnormierung. Deskription – Praxis – Theorie, Wilhelmsfeld, 27–43. Siehe u. a. Koch, Peter/Oesterreicher, Wulf (2001): „Gesprochene Sprache und geschriebene Sprache. Langage parlé et langage écrit“, in: Holtus, Günter/Metzeltin, Michael/Schmitt, Christian (Hrsg.): Lexikon der romanistischen Linguistik (LRL), Bd. I, 2: Methodologie (Sprache in der Gesellschaft/ Sprache und Klassifikation/Datensammlung und -verarbeitung), Tübingen, 584–627; bzw. Koch, Peter/ Oesterreicher, Wulf (1990): Gesprochene Sprache in der Romania: Französisch, Italienisch, Spanisch. Tübingen.
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Diskussion um die Vergleichbarkeit oder Nicht-Vergleichbarkeit des Formans -ito, a bei Appellativen und bei Eigennamen nicht unmittelbar zugänglich, warum das Element -it- in Carl-it-os als Infix mit semantischer Funktion kategorisiert wird (S. 307), wo doch -it-o im Unterpunkt E 2.2.3.2.c.) als quantifizierend-qualifizierendes Suffix abgehandelt wird (S. 311). Betrachtet man überdies die Definition von Suffix als ein Element, das „zwischen Lexemund Flexionsteil des derivierten Wortes [steht]“ (S. 306), wie z. B. in martill-az-o-s, wird deutlich, dass die Einführung der Kategorie ,Infix‘ an besagter Stelle sehr schnell zu terminologischer Verwirrung führen kann. Im Hinblick auf die ausgewählte weiterführende Literatur lässt sich anmerken, dass die zwangsläufig knappe Darstellung der vielen Themengebiete durch diese Technik an Substanz und Wissenschaftlichkeit gewinnt. Im Fall der Ausführungen zur Kultursprache Katalanisch mit ihrer immerhin 800 Jahre alten schriftsprachlichen Tradition – um nur ein Beispiel zu nennen – fällt daher die geringe Anzahl und die Auswahl vergleichsweise rudimentärer Literatur auf, die angesichts der Existenz hochwertiger Einführungswerke 4 ebenso verwunderlich ist wie die Tatsache, dass zum Thema des Spanischen in Amerika mit Ausnahme von Mar-Molinero (2000) kaum Literatur nach 1992 aufgenommen wurde. Zum Thema der Herkunft des Baskischen darf ebenfalls angemerkt werden, dass die Forschung in dieser Hinsicht bereits Fortschritte gemacht hat, so dass mittlerweile auf eine Reihe neuerer Werke mit wissenschaftlichem Anspruch zurückgegriffen werden kann 5. Auf inhaltlicher Seite gibt es zudem einige Passagen, die aus der zweiten Auflage unverändert übernommen wurden, deren Überarbeitung jedoch wünschenswert gewesen wäre: So stellt sich u. a. die Frage, ob angesichts der zunehmenden Ausbreitung und Aufwertung südspanischer Artikulationsphänomene wie des yeísmo die Darstellung der Norm (S. 62) noch immer derart stark septentrional geprägt sein sollte, wie es das Schaubild suggeriert, oder ob nicht vielmehr von einer zunehmenden Meridionalisierung auch der iberischen Norm auszugehen ist. Nachdem bei Bestsellern wie Harry Potter mittlerweile drei verschiedene Ausgaben (España, Cono Sur, América) auf den Markt gebracht werden6, ist es außerdem als fraglich zu betrachten, ob das Postulat einer klar europäisch geprägten Hochsprache und Buchproduktion immer noch Gültigkeit besitzt. Diese Zweifel erscheinen dabei umso begründeter, als auch auf dem Gebiet der Internetkommunikation die zunehmende nationale Diversifizierung der Masken z. B. spanischsprachiger Internetanbieter einen gewissen Willen zur Individualisierung des español estándar erkennen lässt. Methodische Probleme wie die Abhandlung der Modalpartikel weitgehend anhand deutscher Beispiele (S. 239) trotz umfangreicher Studien zu den spanischen Partikeln 7 hätten
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Siehe u. a. Lüdtke, Jens (1984): Katalanisch: Eine einführende Sprachbeschreibung, München; Brumme, Jenny (1997): Praktische Grammatik der katalanischen Sprache, Wilhelmsfeld; oder etwa Marí i Mayans, Isidor (2003): Die Katalanischen Länder. Geschichte und Gegenwart einer europäischen Kultur, Berlin. Siehe z. B. Arnaíz Villena, Antonio/Alonso-García, Jorge (22001): Egipcios, bereberes, guanches y vascos, Madrid. Außerdem von denselben Autoren: (1999): Minoicos, cretenses y vascos. Un estudio genético y lingüístico, Madrid; bzw. (1998): El origen de los vascos y otros pueblos mediterráneos, Madrid. Siehe hierzu die aktuelle Untersuchung von Polzin-Haumann, Claudia (2006): „Zwischen unidad und diversidad. Sprachliche Variation und sprachliche Identität im hispanophonen Raum“, in: Romanistisches Jahrbuch 56 [2005], 271–295. Hang Ferrer, Salvador Pons (Hrsg.) (2001): La pragmática de los conectores y las partículas modales, València; Cárdenes Melián, José (1997): Aber, denn, doch, eben und ihre spanischen Entsprechungen – Eine funktional-pragmatische Studie zur Übersetzung deutscher Partikeln, Münster; Martín Zorraquino, María Antonia (1992): „Partículas y modalidad“, in: Holtus, Günter/Metzeltin, Michael/ Schmitt, Christian (Hrsg.): Lexikon der Romanistischen Linguistik (LRL), Bd.VI,1: Aragonesisch, Navarresisch, Spanisch, Asturianisch/Leonesisch. Aragonés/Navarro, Español, Asturiano/Leonés, Tübingen, 110–124.
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ebenfalls bei einer Neubearbeitung überzeugender gelöst werden können. Bei all diesen Verbesserungsanregungen im Detail muss man sich dennoch dessen bewusst sein, dass Einführungswerke qua natura dazu tendieren und immer tendieren werden, mehr Fragen aufzuwerfen und Diskussionen anzuregen als endgültige Antworten auf einzelne Probleme zu liefern, liegt ihre Aufgabe doch in der zwangsläufig zur Verzerrung neigenden Generalisierung und Simplifizierung komplexer Zusammenhänge und in der Beschränkung auf das nicht immer objektiv bestimmbare sog. Wesentliche eines Forschungsgebietes. So lässt sich festhalten, dass die neueste Auflage mit einem lediglich 29 Seiten langen, separat präsentierten und damit umständlich zu rezipierenden Anhang als Überarbeitungsleistung und aufgrund der Beibehaltung mancher schwächerer Stellen insgesamt leider hinter den Erwartungen zurückbleibt, die man angesichts dieses Autorenteams und eingedenk der bereits zehn Jahre zurückliegenden letzten Bearbeitung gehegt hatte. Dennoch bleibt dieses Werk nach wie vor ein empfehlenswertes Handbuch, das aus dem Kanon der Einführungsliteratur in der deutschsprachigen Hispanistik nicht wegzudenken ist und das in dieser Qualität für andere Sprachen – darunter das Portugiesische – bisher nur ,erträumt‘ werden kann. Bonn, im April 2006 É va Fei g
Al b e r t o B u s t o s Plaza – Combinaciones verbonominales y lexicalización (Studien zur romanischen Sprachwissenschaft und interkulturellen Kommunikation 18). Frankfurt a. M. u. a., Peter Lang, 2005. 243 Seiten. Die vorliegende Arbeit ist die Druckfassung einer Dissertation, die unter der Leitung von María Victoria Pavón Lucero an der Madrider Universität Carlos III entstanden ist. In der Einleitung, die zugleich als Kapitel 1 aufzufassen ist (S. 13–18), werden als Gegenstand vier Typen von Konstruktionen aus Verb und Nominalsyntagma „del español peninsular contemporáneo“ (S. 13) vorgestellt, die im Hinblick auf die Möglichkeit, eine einem Verb ähnliche komplexe Einheit zu bilden, untersucht werden. Die vier Typen verbonominaler Kombinationen teilt der Verfasser folgendermaßen ein: – Gruppe 1: Typ dar un paseo (‚einen Spaziergang machen‘). Bei diesem Typ besteht zwischen Verb und Nominalsyntagma ein Verhältnis von Prädikat + Argument. – Gruppe 2: dar la lata (‚jemanden anöden‘). Syntaktisch ähnlich wie 1, aber das Substantiv wird im übertragenen Sinne gebraucht. – Gruppe 3: dar orden (‚einen Befehl erteilen‘, ‚Anweisung geben‘). Die Kombinationen aus dieser Gruppe bestehen aus einem Verb und einem zählbaren Substantiv im Singular, ohne determinierende Ausdrücke, wobei jedes Beispiel dieses Typus eine Entsprechung mit Substantiv + Determinans in der Gruppe 1 hat. So gehöre dar orden in die Gruppe 3, während dar una/la orden bzw. dar órdenes als Typ 1 einzustufen sei. Die Substantive von Typ 3 können nicht als Argument des Verbs betrachtet werden, sondern bilden mit ihm eine komplexe lexikalische Einheit. – Gruppe 4: dar alcance (‚einholen‘). Ähnlich wie Typ 3 mit dem Unterschied, dass bei 4 keine Varianten, die der Gruppe 1 zugeschrieben werden können, zu finden sind. Wie auch die Gruppe 3 enthalten die Kombinationen der Gruppe 4 ein entkategorisiertes Substantiv, das untrennbar vom Verb eine lexikalisierte Struktur verbaler Art bildet. Von allen vier Typen sei 4 am stärksten lexikalisiert, 1 am wenigsten. Die Notwendigkeit der vorliegenden Studie begründet der Verfasser damit, dass in der vorhandenen Fachliteratur die verbonominalen Kombinationen ungenügend, unbefriedigend und/oder nicht systematisch genug untersucht worden seien (S. 14). Er lehnt die in der
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germanistischen Literatur verbreitete Meinung ab, dass die Verben dieser Kombinationen einem Hilfsverb ähnlich seien, da sie sozusagen über die Fähigkeit verfügen, ein abstraktes Substantiv zu ‚konjugieren‘. Demzufolge weist er eine Kategorisierung der Typen 1 bis 4 als Funktionsverbgefüge zurück und betont ferner, dass die Kombinationen keineswegs Verbalperiphrasen gleichzusetzen seien, in denen das Substantiv den semantischen Inhalt darstelle. Im Gegensatz zu der Auffassung, die hier zu untersuchenden Typen ließen sich aus der Perspektive der Grammatikalisierung analysieren, vertritt er die Ansicht, dass es sich dabei eigentlich um Lexikalisierungsprozesse handle, wobei alle vier Typen einen unterschiedlichen Lexikalisierungsgrad aufweisen. Diese These versucht der Verfasser in seiner Arbeit zu beweisen. Der Arbeit liegt eine umfangreiche Materialsammlung aus 97 Romanen berühmter spanischer Schriftsteller der letzten fünfzig Jahre zugrunde. Neben der fingierten Mündlichkeit literarischer Texte wäre es wünschenswert gewesen, dass in einer Untersuchung „des heutigen Spanisch“ ein Teil des Materials auch der authentischen Alltagssprache entnommen worden wäre. Zu diesem Zweck hätte der Verfasser etwa die bereits veröffentlichten Corpora des gesprochenen Spanisch einbeziehen können. Auch sind z.B. die Sprache der Presse und die der Verwaltung in der Arbeit nicht vertreten. Das ist umso überraschender, da in Ausdrucksformen wie diesen, für die der Nominalstil charakteristisch ist, die Verwendung verbonominaler Konstruktionen eine häufige Erscheinung darstellt 1. Gelegentlich werden vom Verfasser gebildete Sätze hinzugefügt, die außerhalb jedes sprechsituativen Zusammenhangs stehen. Das gesammelte Material wird durch Beispiele aus Wörterbüchern (Diccionario del Español Actual (DEA), Diccionario de la Real Academia Española (DRAE – CDRom-Ausgabe 1995 –) sowie Diccionario de Uso del Español (DUE)) ergänzt. Der Einleitung folgt in Kapitel 2 (S. 19–76) eine ausführliche Darstellung der Forschung der letzten hundert Jahre zum Thema der verbonominalen Kombinationen auch in anderen Sprachen wie z. B. Französisch, Deutsch oder Englisch. Das Kapitel beginnt mit einer partiellen Wiederholung des Inhalts der Einleitung und stellt neben dem Gegenstand der unmittelbar folgenden Abschnitte bereits einige Ergebnisse vor. Dieser Praxis bleibt der Verfasser leider auch in den restlichen Kapiteln treu. Nach der Vorstellung der zu untersuchenden Verbalgruppen in der Einleitung wird nämlich eine punktuelle Beschäftigung mit jedem der vier Typen erwartet. Statt dessen wird, häufig viel zu detailliert, die Auffassung von ca. dreißig Autoren kommentiert und mit der eigenen Meinung konfrontiert. Die Ergebnisse werden zunächst nur vorübergehend festgehalten, um in späteren Kapiteln erneut erörtert zu werden. Sinnvoller – und sicherlich auch leserfreundlicher – wäre es gewesen, auf Kapitel 2 zu verzichten 2 und die kommentierte Literatur, stark zusammengefasst 3, in die weiteren Kapitel an thematisch passenden Stellen zu integrieren 4. Hauptsächlich dient wohl Kapitel 2 dem Nachweis darüber, dass der Verfasser die Literatur über sein Thema beherrscht, eine Tatsache, die der Leser im Verlauf der Arbeit keineswegs in Zweifel ziehen würde. Insgesamt bringt der Verfasser deutlich seine Fähigkeit zur kritischen Auseinandersetzung mit den bis-
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Ein Grund für die Beschränkung auf literarische Texte wird nicht genannt. Der Verfasser selbst weist aber bezüglich der Gruppe 3 darauf hin, dass in der Sprache der Presse, der Verwaltung sowie der Justiz weitere, von ihm nicht berücksichtigte verbonominale Kombinationen verwendet werden (S. 108, FN 7). Auch die Wissenschaftssprache hätte zahlreiche Beispiele liefern können. Die Kapitelüberschriften (2.1.1. Tobler, 2.1.2. Hatchmann, 2.1.3. Lombard, 2.1.4. Lerch usw.) vermitteln dem Leser, der sich einen Überblick im Inhaltsverzeichnis verschaffen will, keine konkreten sachbezogenen Informationen. So auch in Kapitel 3. Das gilt auch für die vielen ähnlichen Beispiele. Die Lektüre wird zusätzlich durch häufige bibliographische Angaben, die eigentlich in die Fußnoten gehören, sowie durch ständige Vorankündigungen über weitere Informationen in späteren Abschnitten und Querverweise hier wie auch in den folgenden Kapiteln erschwert.
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herigen Forschungsergebnissen zum Ausdruck, auch wenn an manchen Stellen etwas mehr Entschlossenheit zu wünschen gewesen wäre 5. In Kapitel 3 (S. 77–118) kehrt er zu seinen am Anfang etablierten vier Gruppen verbonominaler Strukturen zurück, um mittels einer Reihe syntaktisch-semantischer Kriterien wie z. B. Restriktionen zur Determinierung und zur Modifizierung des Substantivs, Restriktionen beim Plural, bei der Suffigierung, (Un)Möglichkeit der Pronominalisierung, Kommutation des Verbs bzw. Abnahme seiner Paradigmatizität usw., von denen die wichtigsten dem Leser im vorangehenden Kapitel bei der Beschreibung der verschiedenen Forschungsrichtungen bereits begegnet sind, die Merkmale des Nominalsyntagmas sowie des Verbs der entsprechenden Gruppe zu bestimmen. Mithilfe dieser Prozedur soll a posteriori die Existenz der bereits bekannten Gruppen bewiesen werden. Für den Leser, der mit der Klassifizierung und den markantesten Merkmalen der vier verbonominalen Kombinationen schon seit der Einleitung vertraut ist, bringt das Kapitel 3 keine grundlegend neuen Erkenntnisse. Die wichtigste ist vielleicht, wie in der Einleitung kurz erwähnt, dass es Varianten einer bestimmten Kombination geben kann, die unterschiedlichen Kombinationstypen zugeschrieben werden müssen. So gehören z. B. dejar el encargo, hacer una alusión/alusiones, no tener ningún arreglo usw. in die Gruppe 1 vs. dejar encargo, hacer alusión sowie no tener arreglo (Gruppe 3). In diesem Zusammenhang klassifiziert der Verfasser hacer una mención (‚Erwähnung tun‘) als verbonominale Struktur der Gruppe 1. Dabei wird aber nicht berücksichtigt, dass es eine entsprechende Variante gibt, die keine Determination erlaubt, nämlich hacer mención (‚erwähnen‘). Demzufolge könnte man sein Beispiel des Typus 1 (43a) Pedro hizo una mención del incidente6 in den Satz Pedro hizo mención del incidente umwandeln. Hacer mención ist aber, ähnlich wie der Typus dar orden, der Gruppe 3 zuzuordnen. Der Verfasser weist eine Kategorisierung der Kombinationen der Gruppe 2 (z. B. dar la lata) als idiomatische Ausdrücke, wie sie in der Fachliteratur gelegentlich vorkommt, zurück. Der Unterschied zwischen beiden bestehe darin, dass Idiome (z. B. meter la pata ‚ins Fettnäpfchen treten‘) semantisch weniger durchsichtig seien als die Kombinationen des Typus 2. So sei der semantische Beitrag des Substantivs zur Konstruktion in dar la lata trotz der übertragenen Bedeutung des Worts lata noch erkennbar, während man dasselbe nicht von pata in meter la pata behaupten könne (S. 94). Nun wird dabei nicht berücksichtigt, dass meter la pata noch expressivere Verwendungen erlaubt, wie z. B. meter la pata hasta el fondo (‚einen sehr großen Fauxpas begehen‘) oder auch hasta el corvejón (‚Sprunggelenk‘) bzw. hasta el zancajo (‚Ferse‘), wobei vor allem in den letzteren zwei Fällen die wörtliche Bedeutung von pata (‚Bein von Tieren‘) eindeutig sichtbarer ist als die von lata (‚Blech‘) in dar la lata. Mein Beispiel zeigt, dass die Anwendung des vom Verfasser vorgeschlagenen semantischen Kriteriums ebenso wenig für eine Kategorisierung von meter la pata als idiomatischer Ausdruck spricht wie für die Nicht-Kategorisierung von dar la lata als solche. Eine Abgrenzung zwischen verbonominalen Kombinationen und Idiomen ist also eine heikle Angelegenheit. Eine gründlichere Annäherung an diese Problematik vermisst man leider in der vorliegenden Arbeit.
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So führt er z. B. in der Übernahme der Merkmale, die Helbig (1984) den deutschen Funktionsverbgefügen (FVG) zuschreibt, neben verschiedenen affirmativen Beispielsätzen lediglich zwei negative Sätze (Bsp. 14a–b) an, die implizit zum Ausdruck bringen sollen, Konstruktionen mit FVG ließen sich ausschließlich mit nicht verneinen. Das stimmt jedoch nicht in allen Fällen. So kann (14a) auch folgendermaßen negiert werden: Er nahm auf seine Freunde keine Rücksicht. Ähnliches gilt für seine Beispiele mit Antwort geben (9a), Anwendung finden (10a) oder Kenntnis nehmen (13a). Dass FVG nicht immer nur mit nicht verneint werden können, erkennt Helbig selbst (S. 171), der Verfasser aber scheint diese Tatsache nicht zu berücksichtigen. Der Beispielsatz (43a), von Mendívil (1999) übernommen, lautet: Pedro hizo una mención del incidente. M. E. ist der Satz unvollständig. Das Syntagma una mención erfordert eine Modifizierung wie etwa: una mención detallada, muy minuciosa usw. del incidente.
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Im Zusammenhang mit den Kombinationen der Gruppe 4 ist zu bemerken, dass die Restriktionen bei der Verwendung von modifizierenden Ausdrücken, die so charakteristisch für die Konstruktionen dieser Gruppe sind, sich häufig nicht aus der Kombination selbst ergeben, sondern auch das Ergebnis eines entgegengesetzten Zusammenwirkens zwischen dem Substantiv der Kombination und einem anderen Element der entsprechenden Äußerung sein können. Demzufolge stimmt m. E. nicht, dass fácil nicht acceso in dar acceso modifizieren kann, wie das Beispiel (92) darlegt, sondern vielmehr dass diese Verbindung in dem Satz (92a): Vi a lo lejos una arboleda surgiendo junto a una tapia, la cual daba acceso a su interior por una alta verja de hierro durch das Vorhandensein von una alta verja de hierro nicht sinnvoll ist. Das ‚hohe Eisentor‘ stellt zwar den Zugang zum Anwesen dar, erleichtert ihn aber nicht, sondern grenzt das Anwesen ab. Wenn jedoch kein Tor oder Hindernis bestände, könnte fácil das Substantiv acceso modifizieren, z. B.: La puerta entreabierta daba fácil acceso al interior de la casa abandonada7. Mit Kapitel 4 beginnt der interessanteste Teil der Arbeit. Dort wird die in der Fachliteratur verbreitete These der Grammatikalisierung des Verbs in verbonominalen Konstruktionen in Frage gestellt. Nach Anwendung einer Reihe von Grammatikalisierungsparametern 8 auf verschiedene Beispiele der Gruppe 1 mit negativem Ergebnis kommt der Verfasser zu dem Schluss, dass solche Kombinationen nicht als Resultat von Grammatikalisierungs-, sondern von Lexikalisierungsprozessen zu betrachten sind. Besonders interessant wäre hier gewesen, wenn die Nichterfüllung der entsprechenden Grammatikalisierungskriterien gerade bei den Gruppen, die eine stärkere syntagmatische Fixierung aufweisen, also bei den Typen 3 und 4, bewiesen worden wäre. Die Begründung (S. 127–128), warum diese Nachprüfung nur am Typ 1 unternommen wird, ist nicht zufriedenstellend. Nach einem Vergleich der Phänomene der Grammatikalisierung und der Lexikalisierung (S. 128–131) teilt der Verfasser die vier Kombinationstypen bezüglich ihres Lexikalisierungsgrads ein. Die Gruppen 1 und 2 stehen demnach auch unter dem Einfluss von Lexikalisierungsprozessen, was aus ihrer gemeinsamen Bezeichnung als „combinaciones institucionalizadas“ (S. 135 ff.) allerdings nicht zu erschließen ist. Die stärker lexikalisierten Typen (Gruppen 3 und 4) bilden die sog. „combinaciones lexicalizadas“ (S. 141–146). Während diese (noch) nicht den hohen Lexikalisierungsgrad der idiomatischen Ausdrücke, die aus synchronischer Perspektive semantisch absolut undurchsichtig seien 9, erreicht haben, befinden sich die institutionalisierten Kombinationen in einer Anfangsphase der Lexikalisierung, weshalb ihre Nähe zu Ad-hoc-Bildungen (S. 133–135) noch zu spüren sei. Letztere entstehen zur Erfüllung von „necesidades expresivas inmediatas“ (S. 133). Diese Unmittelbarkeit und die mit ihr verbundene Spontaneität charakterisieren allerdings nicht alle Ad-hoc-Bildungen der unter (112) 7
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Oft steht der argumentative Aufwand nicht im Verhältnis zu den einfachen Ergebnissen der Arbeit, so z. B. um zu beweisen, dass das Präpositionalsyntagma in El viajero da alcance a un carro (Bsp. (103)) ein indirektes Objekt von dar alcance, während das Präpositionalsyntagma in Su cautela dio lugar a interminables chanzas (Bsp. (106)) präpositionales Objekt von dar lugar ist (S. 114–117). In diesem Zusammenhang ist nicht nachvollziehbar, warum die Erläuterung des Beispiels (103) zugunsten anderer Beispiele (105 a–c) plötzlich unterbrochen und aufgegeben wird. Lehmann (1985) und Hopper (1991) folgend. Zur Erläuterung dieser Parameter hätte man einige spanische Beispiele mehr erwartet. So lassen sich z.B. die Grammatikalisierungsfälle innerhalb des Paradigmas von frz. avoir (S. 126) ohne weiteres auf spanisches haber übertragen. Beispiele dieser Art bedürfen nicht der wissenschaftlichen Autorität Hoppers als Beweis. Ähnliches gilt für die Grammatikalisierung der Negation (S. 126–127), wo das Französische keine isolierte Erscheinung darstellt, wie bereits Jespersen (1917) belegt. Was in deutlichem Widerspruch zur Kategorisierung von meter la pata als Idiom (S. 94) steht. Eine Beschäftigung mit idiomatischen Ausdrücken lehnt der Verfasser leider ab. Dies wäre aber umso notwendiger, da seine Charakterisierung der verbonominalen Gruppen 3 und 4 als „cristalización de una secuencia léxica a partir de una configuración sintáctica“ (S. 141) ebenso auf Idiome angewandt werden kann.
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subsumierten Beispiele. Dort findet man nämlich ganz deutliche ‚spontane‘ Bildungen wie los aspavientos que le echas (112a), formar el boicot (112d) usw., die nur im Sinne von fingierter Mündlichkeit aufzufassen sind, so als hätte der Sprecher mental nach dem passenden Verb erfolglos gesucht, im Gegensatz zu bewusst literarisierenden Ausdrucksformen wie ejercer una creciente astenia (112b), emanar frescas vaharadas (112c), imbuir una irritante impresión de insignificancia (112g) usw., die auf einen eindeutig distanzsprachlichen Usus verweisen und deshalb alles andere als spontan wirken10. Während Ad-hoc-Bildungen wie echar aspavientos, formar el boicot, imbuir una impresión usw. Entsprechungen als institutionalisierte Kombinationen der Gruppe 1 haben können (also hacer aspavientos bzw. el boicot sowie producir una impresión), betont der Verfasser, dass die institutionalisierten Kombinationen der Gruppe 2 keine Ad-hoc-Bildungen erlauben, da diese Kombinationen stärker als die Gruppe 1 syntaktisch-semantischen Restriktionen unterliegen (S. 138; 139). Die Unmöglichkeit einer Kommutation des Verbs dar durch pegar in dar un golpe (‚eine Bank überfallen‘ (Bsp. 114)) beweist m. E. jedoch nicht, dass Ad-hoc-Bildungen aus der Gruppe 2 ausgeschlossen sind, sondern sie bestätigt lediglich die geringe Paradigmatizität des Verbs in dar un golpe. Weitere Beweise werden vom Verfasser nicht vorgelegt. Es fällt jedoch schwer zu glauben, dass in der Gruppe 2 Ad-hoc-Bildungen keinen Platz finden, denen derselbe Auslöser wie den Beispielen der Gruppe 1 echar aspavientos, formar el boicot usw. zugrunde liegt, also solche Ad-hoc-Bildungen, die in der Face-to-face-Kommunikation entstehen, wenn dem Sprecher ein fester Begriff nicht einfällt und er diesen durch einen anderen schnell ersetzen muss. Bezüglich der lexikalisierten Kombinationen bemerkt der Verfasser, dass die Bedeutung der Konstruktionen der Gruppe 3 synchronisch noch erkennbar ist (z.B. dar orden). Bei der Gruppe 4 könne das auch der Fall sein – so lässt sich die Bedeutung von dar alcance aus der Summe von beiden Komponenten ableiten –, häufig sei aber die Kombination wenig durchsichtig wie z. B. dar cima (‚etwas glücklich abschließen, erreichen‘). Letzteres lässt sich jedoch nicht ohne weiteres für die Mehrheit der Beispiele der Gruppe 4 in § 3.4. sowie in Anhang 4 behaupten 11. In Kapitel 5 (S. 147–163) wird endlich einen Vergleich zwischen verbonominalen Kombinationen und monoverbalen Entsprechungen unternommen. Behandelt werden nur solche Formen, die in morphologischem und semantischem Verhältnis zueinander stehen, wie z. B. dar un abrazo (institutionelle Kombination) und abrazar oder dar orden (lexikalisierte Kombination) und ordenar12. Der Verfasser schließt eine absolute Äquivalenz zwischen verbonominalen Konstruktionen und monoverbalen Formen entschieden aus. In diesem Zusammenhang kritisiert er den häufigen Gebrauch von Substitutionstests in der Fachliteratur. Am Ende einer eher wirren Argumentation kommt er zu dem Schluss, dass Substitutionstests nicht ermöglichen, komplexe lexikalische Einheiten wie die verbonominalen Konstruktionen zu identifizieren. Das betreffe vor allem die institutionellen Kombinationen. So sei die Substitution einer institutionellen Kombination durch ein Verb aufgrund bestimmter grammatischer Restriktionen nicht immer möglich. Aber auch in den Fällen, in denen keine Restriktionen bestehen, können die Ergebnisse eines solchen Tests trügerisch sein. So werde z.B. in Álvaro da un beso a Raquel gegenüber Álvaro besa a Raquel nicht lediglich eine komplexe durch eine einfache Verbalform ersetzt, sondern die Substitution erfasse im Grunde genommen das gesamte Prädikat. Die Sätze ließen sich nicht gegeneinander ersetzen, betont
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Ich verwende den Terminus ‚distanzsprachlich‘ im Sinne von Koch/Oesterreicher (1990). Wie z.B. dar acceso, dar alcance, dar sepultura, hacer frente, tener entrada, tomar tierra usw. Ausgeschlossen werden solche Fälle, in denen die Beziehung nur semantischer, aber nicht morphologischer Art ist, wie z. B. dar clase vs. enseñar, und Fälle mit nur morphologischer Entsprechung, wie dar friegas vs. fregar.
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der Verfasser, weil ihre Prädikate syntaktisch unterschiedlich seien: Weder wiesen sie die gleiche Anzahl von Argumenten auf, noch erfülle das gemeinsame Argument a Raquel dieselbe Funktion. Im ersten Satz handelt es sich um ein indirektes, im zweiten dagegen um ein direktes Objekt (S. 153). Gegen eine solche Argumentation ist sicherlich nichts einzuwenden, wenn wir die Syntax auf die reine Oberflächenstruktur reduzieren, wie es in der vorliegenden Arbeit insgesamt geschieht. Relevanter für die hier genannten Beispiele erscheint mir jedoch, dass a Raquel in beiden Sätzen denselben semantischen Kasus zum Ausdruck bringt, nämlich den des Patiens. Dieser Aspekt entgeht allerdings dem Verfasser, der ungenau von einer „unvollständigen“ semantischen Äquivalenz zwischen Verb und verbonominaler Kombination spricht13. Die Kombination trage zur Präzisierung der Bedeutung des Prädikats stärker bei als die monoverbale Form, deren Bedeutung allgemeiner sei, meint er Wotjak (1998) folgend. Wie diese Bedeutungsspezifizierung sich im Fall von dar un beso vs. besar manifestiert, wird jedoch nicht erläutert. Eine absolute Substitution könne nur die lexikalisierten Kombinationen betreffen, da in diesem Fall beide, Kombination und entsprechendes Verb, dieselbe syntaktische Funktion erfüllen, nämlich die des Prädikats im Sinne der traditionellen Grammatik. Wegen der konkreteren Bedeutung der Kombination und der allgemeineren des monoverbalen Verbs operiere die Substitution allerdings immer nur in eine Richtung: So lasse sich die Kombination durch das passende Verb problemlos ersetzen (Bsp. (133)), umgekehrt sei das Verb nicht immer durch eine Kombination substitutionsfähig. Der Verfasser führt überhaupt kein Beispiel an, das eine Substitution Verb durch Kombination belegen würde. Die Tatsache aber, dass er einen solchen Ersatz nicht ausschließt, macht erneut deutlich, dass das Problem der semantischen Differenzierung zwischen verbonominaler Kombination und Verb ungelöst bleibt. Schließlich erfolgt in § 5.3. ein Vergleich zwischen den verbonominalen Kombinationen und den monoverbalen Verben, allerdings handelt es sich dabei leider um „tan solo una somera comparación sin pretensiones de exhaustividad“ (S. 157). Über die Ähnlichkeiten zwischen Kombinationen und monoverbalen Entsprechungen erfährt der Leser in § 5.3.1. nichts Neues, außer dass die lexikalisierten Kombinationen als Verben aufzufassen sind. So werden die bisher als „unidades léxicas de naturaleza verbal“ bezeichneten Konstruktionen jetzt endgültig Verben genannt (S. 157). In § 5.3.2. werden die Unterschiede behandelt. Auf die syntaktischen Unterschiede zwischen Kombination und Verb wird mithilfe von bereits bekannten Beispielen aus den Kapiteln 3 und 5 erneut kurz eingegangen (S. 158–159). Es folgt eine gründlichere, jedoch immer noch zu knappe Beschäftigung mit den semantischen Unterschieden (S. 159–163). An dieser Stelle hätte es sich angeboten, im Zusammenhang mit dem Beispielpaar (143)–(144) dar un abrazo/abrazar auch die in Kapitel 5 nur unter syntaktischen Gesichtspunkten betrachteten Beispiele dar un beso/besar semantisch zu charakterisieren. Symptomatisch für die Unbekümmertheit, mit der der Verfasser wichtige Inhalte aus seiner Arbeit ausschließt, ist die Bemerkung, es sei nicht möglich, die Semelfaktivität bzw. die Iterativität von abrazar im Satz Javier abraza a Raquel zu bestimmen, da es sich dabei um ein zusammenhangloses Beispiel handle (S. 162). Nun stellt sich die Frage, warum dieses Defizit sowohl hier wie sonst auch in der ganzen Arbeit nicht von vornherein dadurch behoben wurde, dass man die Beispiele in ihren sprechsituativen narrativen Kontext eingebettet hätte. Ferner wäre es von großem Interesse zu erfahren, ob sich diasystematische Unterschiede im Gebrauch von verbonominalen Kombinationen und entsprechenden monoverbalen Formen feststellen lassen. Im Fazit (S. 165–174), dem argumentativ zweifellos am besten aufgebauten Teil der Arbeit, werden die Ergebnisse der Untersuchung präzise zusammengefasst. Man vermisst
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Vgl. z. B.: „El sentido queda preservado de manera aproximada […].“ (S. 152) oder das Prädikat „mantiene de manera aproximada el sentido […].“ (S. 152–153).
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dabei lediglich einige Perspektiven für zukünftige Arbeiten zum Thema der verbonominalen Kombinationen14. Alles in allem wird ein sehr interessantes Thema behandelt, über das der Leser gern etwas mehr hätte erfahren wollen. Insbesondere der semantische Aspekt der verbonominalen Kombinationen wird zugunsten der Syntax vernachlässigt und auf ein Minimum reduziert, was in einer Studie über Lexikalisierung schwer nachzuvollziehen ist. Bisweilen vermittelt die Arbeit den Eindruck, als hätte sie noch einmal mit kritischem Blick überarbeitet werden müssen. München, im August 2005 Inm a cul a da G a rcí a Ji m énez
Manuel Casado Velarde / Ramón González Ruiz / Óscar Loureda Lamas (Hrsg.) – Estudios sobre lo metalingüístico (en español) (Studien zur romanischen Sprachwissenschaft und interkulturellen Kommunikation 23). Frankfurt a. M. u. a., Peter Lang, 2005. 292 Seiten. Mit dem Terminus metalenguaje werden gegenwärtig in der Linguistik verschiedene Phänomene verbunden. So kann metalenguaje u. a. den Gebrauch bestimmter objektsprachenbezogener (Fach-)Termini bezeichnen (z. B. für das Spanische sintagma, fonema, lexema), daneben aber allgemein auch sprachliche Einheiten meinen, die dem Wortfeld Sprechen in all seinen Ausprägungen angehören (z. B. discurso, diálogo; decir, mentir …). Ebenso der metalenguaje zuzurechnen sind Ausdrücke/Syntagmen in einer Einzelsprache, die Wahrnehmungen oder Bewertungen der Sprecher über sprachliche Dinge vermitteln (z. B. hablar para el cuello de la camisa, jurar en arameo), das Zusammenspiel von direkter und indirekter Rede (v. a. Zitate oder Intertextualitäten) sowie ein breites Spektrum von sich im Kommunikationsprozess manifestierenden sprachreflexiven Prozessen (z. B. Ironie). Der vorliegende Sammelband enthält insgesamt 13 Beiträge, die verschiedene Aspekte der metalenguaje untersuchen. Sie lassen sich drei Schwerpunkten zuordnen. Formen und Funktionen der metalenguaje auf Diskursebene werden in vier Beiträgen behandelt. José Portolés Lázaro analysiert „Marcadores de discurso y metarrepresentación“ (S. 25–45). Theoretisch-methodische Grundlage der Analyse bilden die Konzepte der representación und metarrepresentación, denen zufolge Äußerungen als representaciones públicas von mentalen Inhalten (S. 25) zur Grundlage weiterer Äußerungen werden können, die als metarrepresentaciones bezeichnet werden. Zitate stellen Spezialfälle solcher Metarepräsentationen dar, denn sie reproduzieren Äußerungen anderer in einem neuen Kontext. Portolés unterscheidet hier je nach Art der Einbindung und Markierung der Ausgangsäußerung vier Typen des discurso reproducido (S. 26 f.) und untersucht im Weiteren korpusgestützt anhand ausgewählter Diskursmarker wie sin embargo, por tanto, pues bien u. a. m., inwiefern die ursprüngliche Aussage in der Redewiedergabe erkennbar bleibt bzw. der aktuelle Sprecher
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Orthographisch und drucktechnisch lässt die Arbeit einiges zu wünschen übrig. So entwickelt der Verfasser in Sachen Rechtschreibung quasi seine eigenen Regeln. Anders ist nicht zu verstehen, warum die substantivischen Demonstrativpronomina systematisch nicht akzentuiert werden. Interpunktionsfehler (Verzicht auf den Doppelpunkt bei der Vorstellung der Beispiele, Weglassung des Punktes nach den Beispielsätzen) sind bei jedem Beispiel feststellbar. Auf drucktechnische Unaufmerksamkeit ist wohl der ungrammatische Satz Ese chico hizo lenguas de ti (S. 70) zurückzuführen, der lauten muss: Ese chico se hizo lenguas de ti. Dazu gehört auch die Kursivsetzung von no in Beispiel (73a), denn die dort angeführte Kombination heißt nicht no dar un aviso, sondern dar un aviso, und die Nicht-Berücksichtigung der Kombinationen dar audiencia und tener tacha in Anhang 2.
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für den kommunizierten Sachverhalt ,Verantwortung übernimmt‘. Als wichtige Faktoren arbeitet der Verf. dabei die syntaktische Position der Marker sowie den Einsatz bestimmter Verben1 heraus. Einen weiteren Fall von Diskursmarkern behandelt Ma Pilar Garcés Gómez in ihrer Studie „Reformulación y marcadores de reformulación“ (S. 47–66). Nach ausführlichen theoretischen Ausführungen zum Konzept der reformulación (S. 47–54), das die Verf. versteht als „[…] un proceso de vuelta sobre un enunciado, sobre un segmento de enunciado o sobre un acto de enunciación“ (S. 54) 2, werden anhand einer Typologie der Reformulierung die verschiedenen Reformulierungsmarker diskutiert. Dabei unterscheidet Garcés Gómez im Einzelnen zwei große Kategorien von Markern: „[…] los primeros establecen una equivalencia entre los enunciados conectados, mientras que los segundos establecen una separación que puede ser de distinto grado“ (S. 55). Diese klare Unterscheidung wird an Beispielen verdeutlicht. Es decir, esto es, a saber, o sea, mejor dicho erscheinen somit als Vertreter der ersten Kategorie, en resumen u. ä., en fin, en definitiva, a fin de cuentas, al fin y al cabo, después de todo, total, de todas maneras u. ä., en cualquier caso, en todo caso als Marker der zweiten Kategorie, in der noch zwischen recapitulación, reconsideración und distanciamiento differenziert wird. Anhand der Mischung aus semantischen und funktionalen Kriterien gelangt die Verf. insgesamt zu einer überzeugenden Klassifikation, die vor allem die pragmatische Leistung der verschiedenen Einheiten deutlich hervortreten lässt. Ergänzend hierzu kann der Beitrag von Ma Matilde Camacho Adarve gesehen werden, die sich dem Phänomen der Wiederholung widmet („La repetición como procedimiento reformulador en el discurso oral“, S. 67–92) und als ,Makrofunktion‘ (S. 65) von Wiederholungen die der Reformulierung nennt, deren kommunikatives Ziel darin bestehe „[…] ajustar pragmalingüísticamente lo que los hablantes desean comunicar“ (S. 68). Der sich anschließende Beitrag von Elvira Manero Richard („Un caso especial de fenómeno polifónico de la lengua: el refrán“, S. 93–115) lässt sich weniger gut an die vorhergehenden anbinden und kann eher als Bindeglied zum folgenden thematischen Block angesehen werden. Die Verf. diskutiert auf der Grundlage der ,Theorie der Polyphonie‘ von Jean-Claude Anscombre und Oswald Ducrot 3 die verschiedenen Äußerungsebenen, die sich in refranes lokalisieren lassen, indem sie diese – als discurso reproducido (S. 101) – in pragmatischer Hinsicht mit dem estilo directo und dem estilo indirecto vergleicht. Einen zweiten thematischen Block bilden drei Beiträge, die sich metalinguistischen Aspekten in der Phraseologie widmen. Cristina Fernández Bernárdez untersucht phraseologische Einheiten mit dem Verb decir („Fraseología metalingüística con decir. Análisis de algunas unidades que expresan acuerdo intensificado“, S. 119–145), was angesichts der großen Bedeutung dieses Verbs für metasprachliche Aktivitäten der Durchschnittssprecher gut begründet ist. Die beispielhafte Korpusanalyse von Wendungen, die eine intensivierende Zustimmung 4 ausdrücken (¡di que sí!, ¡y que lo digas!, lo mismo digo, eso digo yo, ¡ya te digo!, y te diré; S. 130–143) zeigt die vielfältigen pragmatischen Schattierungen, die anhand dieser
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Diese nennt er verbos operadores metarrepresentacionales, beispielsweise dijo, manifestó (S. 37). Mit diesem Prozess können verschiedene Zielsetzungen verbunden sein: „Este proceso retroactivo puede consistir en una explicación de lo anterior, basada en el establecimiento de una equivalencia semántica o de una equiparación determinada por el hablante en un acto de discurso concreto y que se infiere por la presencia del marcador; en una rectificación de lo dicho; o puede ser una vuelta a lo anterior para condensarlo, sintetizarlo, reconsiderarlo o plantearlo desde una perspectiva distinta“ (ebd.). Anscombre und Ducrot gehen davon aus, dass sich in einer Äußerung grundsätzlich mehrere ,Stimmen‘ verbergen können; vgl. Anscombre, J.-C. (1994): „Proverbes et formes proverbiales: valeur évidentielle et argumentative“, in: Langue française 102, 95–107; Ducrot, O. (1986): El decir y lo dicho: polifonía de la enunciación, Barcelona. „Se trata de fórmulas fijas con las que el locutor expresa, de un modo enfático, una actitud de aceptación de un enunciado de su interlocutor o de alguna actitud de éste“ (S. 130).
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Einheiten ausgedrückt werden können. Die sich anschließende Analyse von Ma Isabel González Aguiar („El metalenguaje en las unidades fraseológicas: el plano fónico“, S. 147–162) behandelt ebenfalls phraseologische Einheiten, doch fokussiert die Verf. diejenigen Konstruktionen, die den phonischen Aspekt des Sprechens betreffen. Aus ihrer empirisch auf zahlreiche Lexika gestützten Studie, die auch diatopische Varianz mit einbezieht, gelangt die Verf. zu Schlüssen hinsichtlich kognitiver Prozesse, die den Phraseologismen zugrunde liegen. So wird etwa das Konzept ,viel sprechen‘ im Spanischen anhand verschiedener Mechanismen versprachlicht, darunter Vergleiche mit imitationsbegabten Tieren (etwa hablar como una cotorra) oder mit bestimmten Objekten, die mit sprachlicher Aktivität in Verbindung gebracht werden (z. B. hablar como un misal)5. Andere Vergleichsobjekte scheinen ausgeschlossen (S. 160 f.). Die sprachlichen Einheiten lassen damit (kulturell spezifische) Kategorisierungs-, teils auch Wertungsprozesse erkennen. Aufschlussreich wird es sein, diesen Ansatz auf weitere Bereiche auszudehnen, beispielsweise auf Phraseologismen, die sich auf graphische Aspekte beziehen. Mónica Aznárez Mauleón schließlich analysiert ,unterschiedliche Arten zu sprechen‘ („El metalenguaje en la norma: colocaciones metalingüísticas del tipo vbo + adv. en -mente“, S. 163–188). Die Verf. arbeitet heraus, dass dieser Typ von Kollokationen (z. B. decir sinceramente, hablar francamente; S. 166) in der Kommunikation auf drei Größen bezogen wird: zum einen auf das sprechende Subjekt, daneben auf das Objekt und schließlich auf seine Präsentation dem Rezipienten gegenüber (S. 166–182). Der dritte große Teilbereich enthält vier Beiträge mit lexikologischen Untersuchungen. Óscar Loureda Lamas erarbeitet in der Tradition der strukturellen lexikalischen Semantik „La estructura del campo léxico ,lo que se dice‘ en español“ (S. 191–210). Lo que se dice ist dabei das Archisemem von Texttypen wie beispielsweise explicación, observación, apunte u. a. m.; insgesamt beziffert der Verf. die Zahl der dem Wortfeld angehörenden Lexeme auf 387 (S. 192). Nicht berücksichtigt in der Wortfeldanalyse werden damit Formen des Sprechens (z. B. mentir, acusar, sussurar u. a.), Realisationsmodi der Äußerungen (beispielsweise francamente, sinceramente u. a.) sowie Eigenschaften der Personen (locuaz, dicharachero u. a.) bzw. der Äußerung selbst (lapidario, obvio u. a.). In der Analyse wird die komplexe Struktur des Wortfeldes deutlich, das auf makrostruktureller Ebene durch vier Seme bestimmt ist (contenido expresado, totalidad, a alguien, de un tema; vgl. S. 192, 200, 203, 208), die mikrostrukturell wiederum vielfach untergliedert sind. So gelangt der Verf. zu einer stimmigen Strukturdarstellung der Lexeme auf langue-Ebene; die parole wird, gemäß der methodischen Vorentscheidungen, hier nicht berücksichtigt. Der Beitrag von Carlos Arrizabalaga Lizarraga („Lingüística implícita en algunos términos del Diccionario del español de América de Marcos A. Morínigo“, S. 211–232) geht der gerade für das Spanische interessanten Frage nach der diatopischen Spezifik metalinguistischer sprachlicher Einheiten nach: „El hecho es que encontramos expresiones metalingüísticas en el español americano en parte distintas a las propias del español general. Tomarlas en cuenta será importante para no caer en generalizaciones que consideren propio de todo el español lo que pertenezca exclusivamente al español de España, y por otra parte, permitirá ampliar el panorama sujeto al análisis del metalenguaje en español“ (S. 215). Die Auswertung der im Diccionario del español de América von Marcos Augusto Morínigo (1983) enthaltenen metasprachlichen Lemmata6 besteht in deren Klassifikation nach den Kriterien tipos de discurso (S. 220 f.), modos de discurso (S. 221–223), términos que designan ausencia de discurso (S. 223), términos que designan al emisor del discurso (ebd.), términos referidos a la recepción del discurso (ebd.), términos que se refieren al discurso escrito (S. 223 f.), nombres de formas dialectales (S. 224),
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Die Verf. geht allerdings nicht der Frage nach, warum dies gerade bei bestimmten Gegenständen der Fall ist. Alle ausgewerteten Einträge werden im Anhang aufgelistet (S. 225–230).
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préstamos léxicos (ebd.) und nombres de lenguas y dialectos (ebd.). Diese erste, vielfach die lexikographischen Einträge paraphrasierende Gliederung eröffnet weitere, auch in den einleitenden Überlegungen des Verf. erwähnte Perspektiven eines innerspanischen Vergleichs. Ramón González Ruiz und Mónica Aznárez Mauleón erörtern in ihrem Beitrag („Aproximación desde el metalenguaje semántico natural a la semántica y la pragmática de algunas expresiones de sinceridad del español actual“, S. 233–256) die kommunikativen Leistungen von äußerungsmodalisierenden adverbialen Elementen und knüpfen damit an den bereits erwähnten Beitrag von Mónica Aznárez Mauleón an. Das besondere Augenmerk der Verf. gilt den expresiones modalizadoras de sinceridad (z. B. sinceramente, honestamente, S. 237; vgl. auch S. 237–243). Die Korpusanalyse erfolgt auf der theoretisch-methodischen Grundlage der Metalenguaje Semántico Natural (S. 235–237) 7 und führt die Verf. beispielsweise für [digo/hablo honestamente] zu der Erklärung, dieses Syntagma enthalte die vier Schritte 1) Digo algo, 2) Sé que puede ser malo para mí si digo esto, 3) Lo digo porque es verdad, 4) Debo decirlo porque es verdad (S. 249). Der letzte Beitrag dieses Blocks ist historiographisch ausgerichtet. Gerda Haßler untersucht den wichtigen metalinguistischen Terminus partícula in zentralen Epochen bzw. Werken der Grammatiktradition („Las partículas: una denominación metalingüística y su contenido“, S. 257–269). Sie zeigt exemplarisch die Vielfältigkeit der Ansätze, diese Wortart und ihre Funktionen exakt zu bestimmen und die sich daraus ergebende Vagheit des metalinguistischen Terminus. Zwei Beiträge stehen einzeln: Josette Rey-Debove eröffnet den Band mit einem Beitrag, in dem sie auf ihre 1978 erschienene Studie Le métalangage zurückblickt („Le métalangage en perspectiva“, S. 11–21) und damit die folgenden Beiträge gewissermaßen situiert. Der Beitrag von Carmen Castillo Peña befasst sich als einziger des Abschnitts „En [sic, lies: el] metalenguaje en la gramática suboracional“ mit Fragen der „Gramática de las unidades autónimas del español“ (S. 273–292). Diese autoreferentiellen Einheiten stellen insofern eine zentrale Größe des metalinguistischen Sprechens dar, als sie Einheiten sind, die auf andere Zeichen referieren (z. B. „ese -illo es un poco irónico“; S. 274 oder, eingeleitet: „la palabra niño tiene dos sílabas“; S. 275). Die Untersuchung dieser Einheiten hinsichtlich verschiedener Kriterien (Genus, Numerus, mit/ohne presentador u. a.) – wobei die Verf. allerdings im Unterschied zur Mehrzahl der Beiträge nicht mit authentischem Beispielmaterial arbeitet – führt zu konzisen Schlussfolgerungen über diesen Typ metalinguistischen Sprechens. Insgesamt ist zu sagen, dass die inhaltlich wie methodisch durchaus heterogenen Beiträge durch die ,metalinguistische Klammer‘ zusammengehalten werden. Positiv hervorzuheben ist, dass die Fragestellungen fast durchweg auf breiter empirischer Basis abgehandelt werden 8, was aufschlussreiche Einblicke in semantische und pragmatische Prozesse der spanischen Gegenwartssprache gewährt und bisweilen auch varietätenlinguistisch differenzierte Erkenntnisse erlaubt. Diese Herangehensweise ist gerade für Analysen zur Semantik und Pragmatik bzw. zur Interdependenz von beiden Ebenen uneingeschränkt zu befürworten, und es bleibt zu hoffen, dass zukünftige Studien – und die Lektüre der Beiträge zeigt, dass viele Fragen noch offen sind – ebenso verfahren. Bonn/Bochum, im Juli 2006 C l a udi a Pol zi n- H a um a nn
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Vgl. Travis, C. (2002): „La Metalengua Semántica Natural: The Natural Semantic Metalanguage in Spanish“, in: Goddard, C./Wierzbicka, A. (Hrsg.): Meaning and Universal Grammar. Theory and Empirical Findings, Amsterdam, 173–237. Häufig arbeiten die Autoren mit den großen spanischen Korpora CREA und/oder CORDE; vgl. www.rae.es.
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Sebastián de Covarrubias Horoz co – Tesoro de la lengua castellana o española. Edición integral e ilustrada de Ignacio Arellano y Rafael Zafra. Madrid, Iberoamericana/Vervuert, (1611/2006). LXVI + 1639 Seiten. Después de que el Tesoro de la lengua española o castellana 1 de don Sebastián de Covarrubias y Horozco vio luz en 1611, pocos autores o equipos científicos han osado tomar la labor de revisar esta obra clave de la lexicografía española para contribuir a su conocimiento y recepción en círculos más allá de los expertos en lingüística historiográfica. Ahora, a principios del siglo XXI, tenemos, por fin, a mano el fruto de un proyecto tan ambicioso como admirable y prometedor, cuyo valor y utilidad quisiera exponer en seguida, realzando sus ventajas e innovaciones fructíferas y apuntando con el debido respeto las pocas debilidades o puntos de discusión, sin convertirme – eso espero – en el prototipo del „crítico malintencionado“ (p. XXVII). Para poder captar los logros de esta edición en su totalidad, tenemos que plantearnos una serie de preguntas fundamentales. Primero: ¿por qué y para qué se preparó una nueva edición?; segundo: ¿qué medidas se adoptaron para alcanzar esta meta?; y, tercero: ¿hasta qué punto y dónde la labor de los editores ha sido exitosa, y en qué puntos hay que reparar para una posible mejora de ediciones futuras? El motivo de la presente edición del Tesoro de Covarrubias se puede resumir brevemente con dos citas del „Prólogo Primero“: „ofrecer una versión íntegra de todos los materiales conocidos que preparó Covarrubias“, y „elaborar una edición moderna […], con el fin de facilitar su consulta y manejo, manteniendo en todo el posible rigor crítico“ (p. XIII). Para esta finalidad los editores revisaron meticulosamente las ediciones y manuscritos existentes – tanto de la edición del Tesoro como también del Suplemento al Tesoro de la lengua española castellana 2 – que se han elaborado a lo largo de casi cuatro siglos, para así poder aprovechar las buenas ideas y las sugerencias inteligentes de filólogos anteriores, como, por ejemplo, el sistema de doble referencia de Maldonado o ciertas enmiendas de Martín de Riquer (p. XIV), y para huir de los errores y torpezas de los predecesores. La nueva edición del Tesoro se ha basado, por consecuencia, ante todo en la edición príncipe de 1611 – utilizando básicamente el ejemplar que guarda en sus archivos la Biblioteca Municipal de Tudela y comparándolo con los ejemplares de la Biblioteca Nacional de Madrid – y en los manuscritos del Suplemento que archiva la Biblioteca Nacional de Madrid, enriqueciendo este material con las informaciones suplementarias que aportó Noydens en su versión de este célebre diccionario. De este modo ha sido posible cumplir no solamente con el criterio de la compleción con respecto al material lexicográfico de Covarrubias, sino también con el propósito de „refleja[r] con justeza lo que quiso hacer Covarrubias“ (p. XXVIII), ya que las puntualizaciones del mismo Covarrubias en su Suplemento sirvieron de orientación para reordenar y deslindar información malcolocada por el cajista o el copista, para separar entradas que se habían percibido erróneamente como unidad y presentado, consecuentemente, como un solo lema de nido, y para corregir los errores de puntuación que daban rienda suelta a malinterpretaciones en cuanto a las filiaciones derivacionales 3, a las referencias de los marcadores diasistemáticos etc. Un complemento prescindible pero por eso no menos apreciable y ameno es la inserción de multitud de grabados de la época de Covarrubias, que ayuda a „captar el complejo mundo cultural“ de la época (p. XLII) y a enganchar al lector para que entre en este fascinante „museo de las voces“ (p. LIX). 1 2 3
A partir de ahí esta obra se abrevia por Tesoro. A partir de ahí esta obra se abrevia por Suplemento. Esas inconsecuencias de Covarrubias en la aplicación de las propias normas tipográficas forman, sin embargo, un fenómeno que persiste hasta la actualidad en obras comparables como, por ejemplo, el Diccionario crítico etimológico castellano e hispánico de Joan Corominas (21980–1991, Madrid).
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Para mejor fiabilidad y claridad de las decisiones modernizadoras, y para que el lector con interés filológico pueda consultar, sin embargo, la versión original de los textos, los editores han optado por acompañar el libro impreso con un DVD que – aparte de facilitar la búsqueda de cualquier lema, autoridad u otra palabra clave gracias al motor de búsqueda integrado a la versión electrónica – suministra en versión fotográfica una imagen de la entrada original de la príncipe o del manuscrito del Suplemento. Esta herramienta técnica es tanto más valiosa y hasta imprescindible para poder trabajar científicamente con esta obra, porque los editores se tomaron la libertad de comentar las modernizaciones en el cuerpo definitorio de la entrada sólo „si lo considera[ban] oportuno“ (p. XXXII). Junto con el sistema de doble referencia 4, que asegura la facilidad de acceso para el lector de hoy, se ha logrado crear una edición que invita tanto al bibliófilo curioso a consultar esta joya lexicográfica sin que las grafías variadas, el orden aparentemente caótico y las peculiaridades del español del Siglo de Oro obstaculicen la lectura, como también al filólogo interesado en la historia de la lengua por alcanzarle el material original a través de las fotos. Los puntos débiles de esta solución que – como era previsible – sólo se revelan a la hora en que el lector se dedica a trabajar verdaderamente con el diccionario, se comentarán después del breve resumen de las convenciones tipográficas, para poder discutirlos con más fundamento y en más detalle mediante esta presentación global y completa del concepto editorial. En la disposición y distinción de los diferentes tipos de información, el Tesoro del 2006 ha adoptado un sistema transparente y de fácil manejo, ya que coincide, grosso modo, con las convenciones tipográficas internacionales de la actualidad, por lo cual no me detendré en exponer todos los criterios aquí. Lo que merece ser expuesto, es la perspicuidad con la que se ha reconocido la poca fiabilidad de las mayúsculas en Covarrubias, porque le servían tanto para marcar las cabezas de artículo como también para señalar cualquier otro tipo de unidad lingüística que quería definir o comentar, sin que la falta de mayúscula fuera prueba segura de que una serie de lexemas formaba parte del cuerpo definitorio y no encabezaba, a lo mejor, otra entrada autónoma (v. p. XXVIII, nota a pie de página núm. 45; cf. e. g. la definición de haz1 s. v. haya). El equipo editorial elaboró, por consecuencia, una clasificación propia que concede a las verdaderas entradas principales la mayúscula en negrita, o sea, a las entradas que relucen por su calidad de base derivacional de los lemas siguientes y/o por la autonomía de su definición, reservando la negrita en minúscula para la indicación de cada tipo de sublema. Así se ha conseguido evitar el error de la edición de Martín de Riquer, que consistía en construir series de entradas independientes que, en realidad, constituían la descripción enumerativa de toda una familia morfológica. Esta reducción de entradas que consigue la nueva edición, la cual puede dificultar el proceso de remisión a los sublemas, contribuye a la claridad de la macroestructura, realza el saber morfológico del autor áureo y facilita, de esta manera, futuros estudios acerca de los conocimientos de la formación de palabras en el Siglo de Oro. De ahí que estas medidas emprendidas se pueden juzgar como realmente provechosas, aunque la convención de poner en cursiva tanto los fraseologismos como los derivados, las derivaciones de los derivados e incluso los sinónimos 5 reduce levemente la transparencia de la microestructura. El empleo de la cursiva para citas, présta-
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El sistema de doble referencia consiste en mantener la entrada antigua en su sitio, remitiendo a la grafía modernizada, que, a su vez, se encuentra en el lugar alfabéticamente adecuado, marcada con corchetes como forma moderna y seguida – como verdadera cabeza del artículo lexicográfico – de la grafía original del lema. Basta con que se ilustre la posible confusión basándose en el ejemplo de la entrada de la voz [calzar] Calçar, en la cual se presentan tanto los fraseologismos, e. g. calzarse una pared, calzar una rueda, calzar las herramientas etc., como los derivados directos, e. g. calzado, calzador o descalzar, como también los derivados indirectos, e. g. descalzos de descalzo y hasta los sinónimos (chapín, zapatas, servillas, coturno y zueco) indiscriminadamente en minúscula y negrita.
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mos etc. sigue los usos generales, aunque resulta un criterio demasiado subjetivo el de marcar comentarios metalingüísticos sólo „al comentar muchos términos […] [, o sea,] solo en casos extremos“ o el de reducir la cursiva para extranjerismos y supuestos étimos „a los que tienen aspecto de extranjerismo muy crudo, con grado mínimo o nulo de castellanización“ (p. XXXVIII). Tenemos aquí una argumentación que resulta sintomática para todo tipo de documentación de los cambios llevados a cabo por los editores. Así los editores advierten que „[l]as erratas evidentes se corrigen sin más. Cuando nos parece oportuno o la errata no resulta tan obvia añadimos algun comentario en nota“ (p. XXXIV), Ignacio Arellano nos informa que „[e]n estos apartados [se] referir[á] a las voces ya con la grafía de la príncipe, ya con la modernizada [suya], según [l]e interese“ (p. XXVIII, nota 45), y desde un principio los editores dejan claro que comentarán su actividad restauradora y modernizadora sólo „si lo considera[n] oportuno“ (p. XXXII). Esta leve despreocupación por las necesidades del lector con intereses filológicos no inspira mucha confianza en la exactitud del aparato comentatorio, sino que apunta ya a los límites de uso y probables lagunas que caracterizan la obra reseñada, por lo cual es menester entrar ahora en un análisis más a fondo de los problemas más graves de la nueva versión del Tesoro. Los dos campos de reforma que más dificultades han presentado son, en primer lugar, la tarea, de por sí convincente, de redefinir los límites y dependencias de las entradas para poder reordenar la macroestructura según un estricto criterio alfabético, y, en segundo lugar, la modernización de las grafías. Cuando se establecen nuevas filiaciones derivacionales, cambiando el estatus de dependencia o autonomía de los lemas e integrándolos bajo la unidad definida anteriormente o separándolos por primera vez de la voz anterior, estas alteraciones pueden, sin embargo, resultar también opacas o tan poco lógicas como algunos lemas de nido en Martín de Riquer o en Covarrubias mismo. Así convence, por ejemplo, la solución de deslindar animar de animal para concederle un lema independiente, puesto que la palabra animar no se derivó de una base animal, pero extraña que la serie de derivados con formaciones como animoso, ánimo, pusilánimo, magnánimo etc. quede integrada en la entrada de animar. Construir un artículo complejo bajo ánima que integre toda la familia de derivados hubiera podido evitar esa incoherencia. Otra decisión dudable es la de aglomerar todas las definiciones del homónimo don en una entrada principal sin hacer distinción entre el signo lingüístico que deriva del lat. dominum y se define como „título honorífico“, y el signo polisémico que tiene su origen en lat. donum o en el verbo donare, sobre todo, si en la misma secuencia de lemas se conceden entradas autónomas a donación, donado y donaire. De la misma manera puede resultar poco transparente la reordenación moderna de la familia morfológica alrededor de casca. Con el argumento de que „algunas definiciones tienen muy poca relación, y sería difícil que alguien fuera a buscarlas debajo de «Casca»“ – razonamiento, por cierto, convincente – se construyen entradas separadas para cada miembro de la serie, salvo a casquillo y casquetada. Estos lemas se integran como entradas secundarias bajo cascado, „porque Covarrubias los define a los tres sobre la idea de ,hueco‘ “ (p. XLI). La probabilidad de „que alguien fuera a buscarl[o]s“ bajo dicha entrada no deja de ser, por eso, mínima. Aparte de que hubiera sido lo más fácil tratarlos como entradas autónomas, sorprende que ambas voces no fueran integradas bajo casco, pues la cercanía del diminutivo casquillo con su base de derivación casco, se ve apoyada semánticamente por el hecho de que ambos lexemas denotan un tipo de „funda protectora vacía“ que protege la cabeza o la saeta. La explicación de Covarrubias de que cascos „algunas vezes sinifican al hombre liviano“ (s. v. casco) 6 y que casquetada se define como „la liviandad hecha con poca considera6
Citamos de la edición de Martín de Riquer por querer mantener las grafías originales que, a menudo, apoyan sus razonamientos y decisiones.
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ción y seso“ puede abogar, a su vez, por una integración de esta dicción bajo el lema de casco. De este modo se puede cuestionar también, por ejemplo, la no integración de escribanía bajo la cabeza principal de escribano (la dicción sigue integrada bajo el lema de [escribir]Escrivir) y otros casos que dejan entrever que la reordenación de las voces no se ha llevado a cabo con toda rigurosidad, y que no siempre se han construido los artículos según una perspectiva moderna. Otro aspecto negativo que emana del nuevo orden alfabético es la pérdida de informaciones. En el mejor de los casos, como e. g. en la serie casta, casto y castidad, al haber cambiado la posición de la entrada para integrarla en el orden alfabético se han borrado solamente las huellas del saber morfológico de Covarrubias, ya que su exposición continuada ilustraba su consciencia de una raíz etimológica común y compartida. En el peor de los casos – y aquí ya entramos en el campo de la fonética y fonología, que expone la mayoría de los problemas a la hora de querer modernizar una obra del Siglo de Oro – el cambio de la posición de una entrada le imposibilita al filólogo hacer deducciones en cuanto al valor fonético verdadero de los grafemas y, no pocas veces, le lleva a una visión totalmente distorcionada de la pronunciación y del estado de la lengua que se conserva en el Tesoro. Así la elaboración de un nuevo orden no es un procedimiento „sin relevancia fonética“ (p. XXXIII) en absoluto. Basta con hacer referencia a la multitud de palabras supuestamente fuera de su sitio que contienen los grafemas y
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„Hablar ceço, pronunciando la Ç por la S; como por señor dezir çeñor. Otros tienen el vicio en contrario, que pronuncian la S por la Ç, como sebolla por cebolla. En el libro de los Juezes, cap. 12, leemos aver sido muertos en cierto passo del río Jordán, quarenta y tantos mil hombres, de los de Efraín * por los galaaditas, forçándoles a pronunciar esta dicción schibbolet, y respondiendo ellos sibbolet los matavan, conociéndolos por la lengua; como nosotros conocemos los que son moriscos, con hazerles pronunciar cebolla, y ellos dizen sebolla“ (s.v. cecear; citamos según la edición de Martín de Riquer). „[L]a S se buelve de ordinario en Z, y assí de zenietum, con el artículo dezimos a-zenietum, y de allí azeña“ (s. v. azeña; citamos según la edición de Martín de Riquer).
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çami 9, que atestiguan que hubo una confusión regular entre la pronunciación de la
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„Ya tengo advertido que la Ç se muda muchas vezes en S, y por el contrario“ (s. v. çaquiçami; citamos según la edición de Martín de Riquer). Nos contenemos de mencionar unas pocas variantes; para mayor precisión v. Lapesa, Rafael (91981/1995): Historia de la lengua española, Madrid, p. 374, § 92.5. En este contexto se puede argumentar, además, que – si no hubiera sido por razones de precisión fonética – Covarrubias habría preferido seguramente en palabras como hazer o dezir la grafía que se aplica en la edición del 2006, ya que ésta restituye la -c- etimológica. Con respecto a este tema Lapesa (91981/1995: 374, § 92.4) advierte que durante un tiempo la grafía
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Otro problema no menos difícil de solucionar es el tratamiento de la <x>. La edición reseñada revisa todas las palabras que se escribían con una <x> en la príncipe y las acoge en su grafía moderna, normalmente sustituyendo dicha letra por una <j> o
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Sería pertinente revisar si en la expresión „A o U“ la vocal o cumple realmente la función de una conjunción coordinativa o cabe pensar que debe leerse como parte de la enumeración de las vocales aducidas por Covarrubias, de modo que deba transcribirse el texto de la siguiente manera: „A(,) O(,) U“. Citamos de la edición de Martín de Riquer. Citamos de la edición de Martín de Riquer. (Lapesa 91981/1995: 378, § 92.6). Citamos de la edición de Martín de Riquer. Compárese esta observación con la de Lapesa (91981/ 1995: 369, § 91.4): „[L]os moriscos sustituían por /sˇ / (x) toda /s˙ / final de sílaba“.
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italiana (Chisciotto) del nombre Quijote, para comprobar el valor todavía palatal y sibilante del grafema <x> y de sus alografemas <j> y
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(Lapesa 91981/1995: 379, § 92.6). (Lapesa 91981/1995: 379, § 92.6). Para mejor evidencia de esta constatación basta con consultar estudios respectivos, como e. g. Schmitt acerca de la evolución excepcional de fr. amour (Schmitt, Christian (1973): „Cultisme ou occitanisme? Etude sur la provenance du français amour et ameur“, en: Romania 94, 433–462). Así el estudio de la geografía lingüística puede demostrar, basándose, por ejemplo, en los lexemas gatus (> chat) y campus (> champs (v. Atlas linguistique de la France (1902), publ. por Jules Gilliéron, Paris, mapa 250: chat y mapa 225: champs), que la expansión del sonido /sˇ / en francés no se ha desarrollado con la misma velocidad en diversas regiones francófonas de Francia, ni aún en la misma región, llevando durante algún tiempo a la coexistencia de ambas pronunciaciones hasta en el habla de una persona (N. B. la persistencia de /ka/ al lado de /sˇã/ – en transliteración simplificada – en el lugar 258 de la región Seine-Inf., o la variación sincrónica entre /kã/ y /sˇ ã/, respectivamente /ka/ y /sˇ a/ en el lugar 284 de la región Pas-d.-C.). Compárese la descripción fonética s. v. JESÚS: „y la primera letra, que nosotros pronunciamos X, equis, suena CH“. Cf. también Nebrija (1492/1989: Gramática de la lengua castellana, ed. de A. Quilis, Madrid, p. 126) respecto al uso de las „tres consonantes que se soplan [scil.: ch, ph, th]“ en las voces griegas.
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por güe- (güevo, güeso etc.) debido a la pronunciación aspirada de los lexemas, y reproduce fielmente la confusión entre errar y herrar, aunque aquí hubiera sido deseable que se separaran los entonces seguramente homófonos. En el caso de dicciones evidentemente romancistas, sin embargo, donde Covarrubias nos suministra, por ejemplo en las grafías essido, essención o escusar precioso testimonio de la desafricación de los nexos /ks/ y /gs/ del grafema <x>, o refleja los restos de una distinción entre la sibilante alveolar sonora <-s-> y la sorda <s->; <-ss-> entre vocales, no ha regido lamentablemente el mismo respeto por el juicio ortográfico del autor. De este modo la nueva edición refuerza en demasía el cuño latinista-etimologista de la obra, proporcionándole un carácter exageradamente normativista que no refleja la verdadera actitud tolerante de su autor. A pesar de todas estas debilidades o insuficiencias, que desagradan, en un principio, solamente al filólogo que se ocupa con estudios fonético-fonológicos o morfológicos, cabe recalcar con suma gratitud la preocupación de los editores por auxiliar al lector no especialista a abrirse una puerta hacia el mundo de esta obra magistral mediante dos prólogos introductorios. Por tratarse de una brevísima introducción a un tema que ha llenado cientos de libros e inspirado muchos autores a dedicarse a su estudio, no resulta sorprendente que algunas de sus informaciones – justo por la necesidad de un reduccionismo pedagógico – lleven a distorciones o inviten a malentendidos. De ahí que mis puntualizaciones se deben entender, más que nada, como contribución informativa y enriquecedora. En cuanto a la imagen poco positiva de los moriscos que Covarrubias pinta en su obra y la cual es recalcada por los editores (p. LV), hay que hacer hincapié en que este prejuicio no ha influido en su manera de integrar o presentar la parte arábica del caudal léxico de su lengua materna (p. LV). Al contrario, se abstiene de comentarios normativistas y documenta con un admirable descriptivismo el uso de las voces árabes, siguiendo de este modo la línea de su predecesor y fuente evidente, Nebrija 25. La misma precaución es pertinente para la evaluación de las citas de autores del pasado (p. LVII). La predilección de Covarrubias por autores clásicos no se debe interpretar meramente como señal de una vena arcaizante, como puede pensarse, sino que está de seguro influenciada por su celo etimologista y enciclopedista. El panorama que se pinta del desarrollo de la lexicografía española en particular y de la monolingue en general ayuda a familiarizar al lector con las dificultades de los primeros lexicógrafos y contribuye a sensibilizarlo de tal manera que pueda entender y perdonar las incoherencias de la obra original y así apreciar tanto la riqueza de esta joya lexicográfica como la labor inmensa de la edición que tiene en manos. De ahí que sólo quisiera matizar dos aspectos: Primero, puede causar confusiones la integración de la obra de Aldrete (Del origen, y principio de la lengua castellana ò romance que oi se usa en España, Roma 1606) en la lista de los „predecesores [que] habían hecho tentativas para acopiar y definir las voces del idioma castellano“ (p. XLV), puesto que la intención de Aldrete era la de elaborar un tratado que ilumine la procedencia noble de lengua española y no un glosario o diccionario stricto sensu26. Segundo, sería útil repensar la catalogación de las obras de Jean Pallet, Jean 25
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Respecto al gran número de arabismos en Covarrubias v. Mühlschlegel (Mühlschlegel, Ulrike (2000): Enciclopedia, vocabulario, dictionario. Spanische und portugiesische Lexikographie im 17. und 18. Jahrhundert, Frankfurt a. Main, p. 141 s.); en cuanto a la cantidad de arabismos en Covarrubias en comparación con los diccionarios de Nebrija y con el de Alfonso Fernández de Palencia v. García Macho (García-Macho, M. Lourdes (2001): „Antonio de Nebrija entre Alonso de Palencia y Sebastián de Covarrubias“, en: Medina Guerra, Antonia Ma (coord.): Estudios de lexicografía diacrónica del español (V Centenario del Vocabularium Ecclesiasticum de Rodrigo Fernández de Santaella), Málaga, 41–58, p. 46). Cf. la clasificación de Aldrete como filólogo de método histórico en Bahner (Bahner, Werner (1966), La lingüística española del Siglo de Oro, Madrid, p. 145 s.) o de mero historiador con interés en el desarrollo de la lengua en Gauger (Gauger, Hans-Martin (1989): „La conciencia lingüística en el Siglo de Oro“, in: Actas del IX congreso de la asociación internacional de hispanistas. 18–23 de agosto 1986 Berlín, Vol. 1, Frankfurt a. Main, 45–63, p. 53).
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Nicot y Josefo Scalígero como „diccionarios monolingües o bilingües“ (p. XLIX), porque el criterio del monolingüismo realmente sólo conviene al Thesaurus temporum de Scalígero, que, en mi concepto, debería clasificarse más bien como enciclopedia que como diccionario27. Tercero, el comentario de que el Tesoro de Covarrubias ha surgido „medio siglo más tarde que en otros países de Europa“ (p. XLV) debe ser relativizado, pues si viene cierto que en el área de los thesauroi ha llegado tarde, puede vanagloriarse de ser pionero entre los diccionarios monolingües 28. Las pocas faltas – normalmente tipográficas – como la fecha de impresión errónea del diccionario de Palencia (1492 en vez de 1490; sólo en la p. XLVI, correcta en la bibliografía p. LXV), o la de citar ambas obras de Nebrija como Diccionario (p. LXVI) en vez de diferenciar entre el Lexicon hoc est Dictionarium ex sermone latino in hispaniensem o Diccionario latino-español, usualmente citado como Diccionario latinoespañol y el Dictionarium ex hispaniensi in latinum sermonem o Vocabulario español-latín, al que suele referirse bajo el nombre de Vocabulario español-latín 29 son, por cierto, disculpables en una obra de tal tamaño. Podemos llegar, consecuentemente, a la siguiente conclusión: Ante todo hay que advertir que la labor del equipo editorial, que se ha realizado bajo el auspicio y sabio consejo de Ignacio de Arellano y Rafael Zafra, ha logrado convertir una obra de época en instrumento moderno de estudio, consulta y lectura interesante, que puede proporcionarle al Tesoro de Covarrubias una recepción tardía pero intensiva e internacional, que nunca se hubiera podido lograr con los medios convencionales de la imprenta. El acceso fácil, el rigor reordenador, y, más que nada, la herramienta electrónica contribuyen a que esta edición se pueda convertir en obra canónica de cualquier biblioteca interesada en guardar el patrimonio cultural de la lengua española. Desde el punto de vista de la filología española y, más precisamente, de la lingüística histórica, sin embargo, tenemos que distinguir diferentes grados de utilidad según la finalidad para la cual se quiere consultar la obra. Mientras que el interesado en la semántica, en los procedimientos de la lexicología, en el estudio de los fraseologismos o en el léxico en general tiene a mano una edición tanto ilustrativa como práctica, esta edición no se recomienda para el que quiera investigar cuestiones de fonética, fonología y de los conceptos morfológicos de la época o de cualquier ámbito lingüístico que necesite analizar justamente las erratas para llegar a sus resultados. Es aquí donde ni siquiera la versión electrónica puede enmendar las desventajas de la modernización, ya que el DVD presenta los documentos originales de manera despedazada, lo cual lleva a que se pierda el macrocontexto de los lemas. Summa summarum, tenemos aquí una edición que dejará contento a gran parte de sus lectores, contribuyendo así a la tarea de „proteger las joyas de la lengua contra el olvido“ (p. LIX) y de permitir el acceso al Tesoro a un público mucho más amplio, pero que no logrará sustituir la edición casi-paleográfica de Martín de Riquer por ser lo que ha querido ser: una versión rigurosamente modernizada. Bonn, julio de 2006 Éva Feig 27
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Como Quemada afirma, en el caso del Thresor de la langue françoyse tant ancienne que moderne […] (1606) de Jean Nicot se trata más bien de un „dictionnaire semi-bilingue“ debido a la presencia consecuente del latín en la microestructura (Quemada, Bernard (1968): Les Dictionnaires du français moderne 1539–1863. Étude sur leur histoire, leurs types et leurs méthodes, Paris, p. 53). Respecto al Diccionario muy copioso de la lengua española y francesa […] (1604) de Jean Pallet su bilingüismo queda patente en el título mismo de la obra. Rey-Debove, Josette (1970): „Le domaine du Dictionnaire“, en: Langages 19, 35–42, p. 48. V. los editores mismos en su bibliografía (p. LXV); cf. Alvar Ezquerra, Manuel (2001): „Los primeros siglos de nuestra lexicografía“, en: Medina Guerra, Antonia Ma (coord.): Estudios de lexicografía diacrónica del español (V Centenario del Vocabularium Ecclesiasticum de Rodrigo Fernández de Santaella), Málaga, 135–179, p. 145.
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Wolfgang Dahmen/Günter Holtus/Johannes Kramer/Michael Metzeltin/ Wo l f g a n g Schweickard/Otto Winkel m an n (Hrsg.) – Lengua, historia e identidad / Sprache, Geschichte und Identität. Perspectiva española e hispanoamericana / Spanische und hispanoamerikanische Perspektiven. Romanistisches Kolloquium XVII. (Tübinger Beiträge zur Linguistik 485). Tübingen, Gunter Narr, 2006. XVI + 339 Seiten. Recoge el presente tomo la mayoría de los trabajos presentados en el XVII Coloquio de Romanistas que bajo el título de „Lengua, historia e identidad: Perspectiva española e hispanoamericana“, se celebró en el Instituto Cervantes de Viena entre el 17 y el 19 de mayo de 2001. También incluye sendos trabajos de M. Quijada y J.-P. Storfa que no asistieron al coloquio. Tras la introducción („Einleitung“, pp. VII–XVI), en la que se explica sucintamente el desarrollo del coloquio, se dan los correspondientes agradecimientos a cuantos hicieron posible su realización y se resumen las ponencias publicadas, se inserta el „Prefacio“ (pp. 1–3), que recoge el discurso de apertura del coloquio leído por Arthur WinklerHermaden en nombre de la Ministra de Asuntos Exteriores austriaca. Las ponencias publicadas se reúnen bajo tres epígrafes. Corresponden al primero, titulado „La historización de la identidad/Die Historisierung der Identität“, los trabajos de Axel Borsdorf (Universidad de Innsbruck y ÖAW de Viena), „La ciudad latinoamericana como símbolo cultural“; de Horst Pietschmann (Universidad de Hamburgo), „Nación e individuo en los debates políticos de la época preindependiente en el Imperio Español (1767–1812)“; de Mónica Quijada (CSIC de Madrid), „Nación, ciudadanía y la homogeneización del pueblo soberano“; de Joachim-Peter Storfa (Universidad de Viena), „Geschichtslosigkeit, Kommendes und Immer-noch-nicht-Sein: Anmerkungen zur nicht endenwollenden Diskussion über die Identität Lateinamerikas“; y de Igor Metzeltin (Universidad de Viena) „El concepto de ‚brasilidade‘“. En el primero, „La ciudad latinoamericana como símbolo cultural“, de Axel Borsdorf (pp. 7–22), el autor presenta estudios de la estructura urbana de varias ciudades hispanoamericanas para demostrar que hay una relación entre su disposición urbana y el desarrollo cultural y social de las mismas. Pero su análisis, que parte de ejemplos europeos (París, Berlín), no se limita a la ciudad indígena antigua, a la colonial 1 o a la ciudad postcolonial, en la que la influencia francesa sustituyó a la española, señala también las diferentes concepciones de la ciudad de españoles y portugueses (dadas sus inicialmente distintas intenciones) y expone también los cambios que experimentan las ciudades tras la industrialización, lo que el profesor de Innsbruck llama „un proceso de occidentalización, un ajuste a la ciudad norteamericana tras el que se esconde el deseo de una adaptación a un estándar y estilo de vida panamericano“ (p. 19), como él ve en gran parte de Puerto Rico y Panamá. No olvida tampoco el caso de Brasilia, la nueva capital brasileña inaugurada en 1956. Cree Borsdorf que en la actualidad han aparecido síntomas de una crisis urbana que posiblemente apunten a una crisis de identidad. Muy posiblemente se trate, en nuestra opinión, del efecto igualador que podemos observar en la sociedad mundial, donde se repiten actuaciones: grandes centros financieros, administrativos, comerciales y de ocio ocupan el nuevo centro de la ciudad, zonas periféricas bien urbanizadas con „barrios/urbanizaciones dormitorio“, suburbios con escasos servicios y chabolismo en zonas marginales de la periferia. Esta generalización lleva consigo, obviamente, la pérdida más o menos profunda de la identidad cultural. 1
Blas Matamoro dice páginas más adelante (164–165) que la conquista tiene tres elementos fundamentales: la lengua, la ciudad y la red de comunicaciones. Y afirma a continuación el carácter dominantemente urbano de la conquista, que invierte el proceso de construcción europeo (del campo a la ciudad) y marca la estructura americana como condicionada por el dualismo entre el puerto y el interior, entre las zonas altas y las llanas.
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Si el trabajo anterior tiene una perspectiva americana, en su estudio titulado „Nación e individuo en los debates políticos de la época preindependiente en el Imperio Español (1767–1812)“ (pp. 23–50), Horst Pietschmann nos da una perspectiva española. El autor se pregunta por qué la Constitución de Cádiz (1812), que presenta ciertas lagunas y olvidos (no hay, por ejemplo, una declaración de derechos individuales) tuvo tanta influencia en las constituciones americanas. La respuesta, según él, está en que la Constitución de Cádiz es el resultado de una corriente importante dentro del reformismo borbónico, y las nociones de „nación“ e „individuo“, que se consideraban nuevas y señal de la ruptura que supone esta constitución con el pensamiento del antiguo régimen, aparecen también en la corriente reformista borbónica, vinculadas concretamente a la figura de Campomanes. Pietschmann, que repasa la historia y los textos en busca de argumentos para su trabajo, cree que las ideas de Campomanes, tendentes a favorecer las capas medias y bajas de la población, y la exigencia por él planteada de que las capas nobles cedieran mecanismos de control, no fueron aceptadas mayoritariamente en los países que emanaron del Imperio hasta bien entrado el siglo XIX. Mónica Quijada pretende en su trabajo, titulado „Nación, ciudadanía y la homogeneización del pueblo soberano“ (pp. 51–68), explicar el papel que jugó la homogeneización de las poblaciones en la construcción nacional en los países occidentales. Las elites de los siglos XIX y XX percibieron como un imperativo irrenunciable que la nación de ciudadanos incluía el mayor número posible de lo que se había denominado „pueblo soberano“, portador de una misma cultura y partícipe de un único universo simbólico, todo ello orientado hacia el progreso. Esto implicaba, al mismo tiempo, que había grupos que no entraban en esta categorización y no podían formar parte de la nación de ciudadanos. La consolidación actual del multiculturalismo ha supuesto un cambio de dirección hacia la heterogeneidad; pero aun así no ha logrado borrar la tendencia homogeneizadora, pues cada grupo pretende establecer límites frente a los demás. Quijada termina diciendo que hallar las formas nuevas y viables de tratar esta contradicción es el reto del presente siglo. Joachim-Peter Storfa es autor del único trabajo publicado en alemán, titulado „Geschichtslosigkeit, Kommendes und Immer-noch-nicht-Sein: Anmerkungen zur nicht endenwollenden Diskussion über die Identität Lateinamerikas“ (pp. 69–81), que podría traducirse por „Ausencia de historia, el futuro y el todavía no ser. Observaciones al debate interminable acerca de la identidad de Latinoamérica“. El autor, que parece influido por las ideas de Heidegger, lanza una serie de preguntas cuyas respuestas, todas dadas desde el lado de la filosofía, tratan, como anuncia en el título, de encontrar una explicación al problema de la identidad latinoamericana. Igor Metzeltin aborda el concepto de „brasilidade“ (pp. 83–88); breve trabajo en el que toma como punto de partida las definiciones del término en los diccionarios de Morais y Aurélio para aplicar el concepto de identidad nacional y cultural a algunas actuaciones de grupos musicales, ciertas novelas, comidas, postales y fotografías, etc. El segundo epígrafe reúne bajo el título de „Literatura e identidad/Literatur und Identität“ cuatro trabajos. El primero, del profesor Christopher F. Laferl (Universidad de Viena), se titula „La identidad nacional en la música popular cubana antes de la Revolución“ (pp. 91–105) y es parte de un estudio más amplio sobre los textos de la música popular de Cuba, Brasil, Martinica y Trinidad entre los años veinte y cincuenta del siglo pasado. El análisis de la poesía popular de las letras del son cubano y de su sentido e intencionalidad, le lleva a afirmar que la imagen de la identidad cubana que vemos en ellas tiene en la mujer y en el afrocubano, al mismo tiempo, su exponente; imagen que, según Laferl, no fue aceptada por las clases media y alta de la sociedad cubana. Al mismo tiempo, la idealización de lo negro dentro de la música popular transformó y „domó“ (empleando la misma palabra que el autor) la cultura negra, con lo que ello lleva de mutación, de negritud transformada.
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Carlos Ruiz Silva, de la Universidad Complutense (Madrid), es el autor del trabajo titulado „La imagen de España en la ópera italiana a través de la historia y la literatura“ (pp. 107–134), en el que una pormenorizada descripción de óperas de tema español le sirve para entresacar la imagen que se da de España en ellas. Así, Donizetti lleva a sus óperas (La Favorita, María de Padilla, Sancha de Castilla, Zoraida de Granada, Alahor en Granada, Elvida, etc.) la vida española medieval, vida guerrera con amores, desamores, suicidios y otros elementos románticos como centro de la obra. Verdi destaca, en cambio, en sus famosas óperas de tema español el honor (Ernani), una historia de familia y venganzas (Don Carlos e Il trovatore, ésta con el trasfondo de una guerra civil) y la desesperación romántica (Don Álvaro). Ruiz Silva pone de manifiesto la falta de interés por la fidelidad histórica, que, aunque se respetaba frecuentemente, era manipulada para conseguir los efectos románticos necesarios. Martina Meidl, de la Universidad de Viena, es la autora del trabajo titulado „Espacio e identidad en la poesía de Octavio Paz“ (pp. 135–148), en el que, como ella dice al comienzo del mismo, se propone estudiar „el desarrollo temático de la individuación del hombre en la lírica de Octavio Paz, con particular atención al papel que desempeñan en ésta las construcciones poéticas del espacio“ (p. 135). Meidl se sirve de fragmentos de Árbol adentro (1987) en los que aparecen el paisaje de Anáhuac, la ciudad de México y una playa, para reflexionar sobre las relaciones que en cada uno se dan entre sujeto y espacio, espacio y memoria, y memoria e identidad. El hombre sólo ante el mundo, que lo absorbe y, al mismo tiempo, lo rechaza; la imagen del otro, reflejo y antagonista del propio yo; los espacios a los que el hombre trata de aferrarse para encontrar su identidad y huir de la soledad, elementos presentes en la poesía paziana, son analizados por Meidl a la luz de la crítica hegeliana de la subjetividad lírica y de las teorías de la cognición. A Mario Andrés Salazar se debe el trabajo titulado „Geografía literaria de Chile. La presentación del paisaje a través del poema“ (pp. 149–156), en el que extrae de unos cuantos fragmentos literarios de Gabriela Mistral una imagen paisajística de Chile. El tercer y último epígrafe, titulado „Lengua e identidad/Sprache und Identität“, lo integran nueve trabajos. Blas Matamoro es autor del trabajo titulado „El español en América ¿independencia o autonomía?“ (pp. 159–172), interesante artículo en el que el autor plantea interrogantes en vez de dar soluciones (actitud que no tendría sentido tal como es aquí enfocada). Parte de un análisis de las circunstancias históricas y de las ideas de la época del descubrimiento para demostrar que la aparición de América en el panorama europeo supone la reconsideración de creencias y tradiciones (por ejemplo, el mito de Babel, al aparecer en escena las lenguas amerindias y ponerse en duda la existencia de una única lengua primitiva, o el arca de Noe, al quedar los indígenas americanos fuera de los tres grupos raciales iniciales). Además, una serie de circunstancias, como el choque entre el español de España y el impregnado de indigenismos, africanismos y portuguesismos que empezó a hablarse en América, la diferencia temporal en el proceso de hispanización entre regiones, etc., etc., permiten al autor afirmar que „no hay un español solo en América, hay unos cuantos y en constante evolución, que no excluye el fenómeno, relativamente contemporáneo, de la expansión de nuestra lengua en los Estados Unidos y el Brasil“ (p. 165). Matamoro repasa finalmente la situación del español en América desde la independencia, la peculiar situación lingüística de Argentina o Méjico y las disputas sobre la lengua de los intelectuales de ambos lados del Atlántico 2. 2
En este aspecto, el artículo trata brevemente algunos temas que aparecen desarrollados posteriormente en The battle over Spanish between 1800 and 2000: language ideologies and hispanic intellectuals. London/New York: Routledge, 2002, que dos años después publicaron en español José del Valle y Luis Gabriel-Stheeman (eds.) con el título de La batalla del idioma: la intelectualidad hispánica ante la lengua. Madrid/Frankfurt am Main: Iberoamericana/Vervuert, 2004 (reseña nuestra en RJb 56 (2005), 453–459.
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Joachim Born, de la Universidad de Dresde, es el autor del trabajo titulado „ ,España y Latinoamérica se han entendido siempre, incluso en español‘: Problemas de identidad lingüística en la hispanofonía“ (pp. 173–190). Con esa frase, atribuida a García Márquez, Born inicia un trabajo en el que trata diversos asuntos que guardan entre sí la relación de tener como objeto común la lengua española. Así, en primer lugar, ve el uso y el significado del término „hispanofonía“ en relación con otros similares (lusofonía, francofonía) y su utilización en Internet. Unas palabras del rey Juan Carlos acerca de la propagación no conflictiva de la lengua española y la polémica entre Américo Castro y Borges le dan pie para el análisis de la identidad lingüística en Argentina y otros países. Born propone cambiar el término „hispanidad“, manchado „por su pasado político“, por el de „hispanofonía“, que considera „libre de arrogancia política“ y podría englobar tanto a los nativos y no nativos de países que tienen el español como lengua oficial, como a habitantes de territorios con minorías hispanófonas fuertes, zonas de emigración e instituciones que incluyen el español como lengua oficial o de trabajo. „América en el Diccionario académico: 1992–2001“ (pp. 191–201) es el título del trabajo de Humberto López Morales, de la Real Academia Española. El autor hace un recuento de la presencia de referencias americanas en el Diccionario académico ya desde el llamado de Autoridades (127 referencias), e indica que a partir de la duodécima edición (1884) la Academia cita el país o zona geográfica de empleo; pero echa en falta López Morales una revisión sistemática que determine la realidad del uso. Pone el ejemplo de los venezolanismos incorporados desde 1884 hasta la vigesimaprimera edición de 1992, que suman 547 (incluyendo las marcas implícitas) sin que en todo ese espacio de tiempo se haya eliminado alguno. Describe a continuación el trabajo de revisión que hizo la Academia y sus correspondientes americanas de los 12.494 americanismos (marcas explícitas) para la edición vigesimasegunda (2001) y la forma de actuación de las academias americanas, y continúa su artículo con el estudio de la „mortandad léxica“ y de las incorporaciones habidas en el español de la América meridional. Termina con una llamada a una revisión continuada de los americanismos del Diccionario académico. Alfredo Matus Oliver da en su breve aportación, titulada „Identidad lingüística de Chile. ,Peculiaridades‘ fónicas en su génesis: zonas y perfiles“ (pp. 203–207), sucinta noticia de un trabajo que está realizando sobre la pronunciación del español de Chile. Peter Cichon, de la Universidad de Viena, es el autor del artículo titulado „Lengua e identidad en el cono sur en el siglo XIX“ (pp. 209–221), con el que pretende analizar „el desarrollo ideológico y político de la lengua española en los años 30 y 40 del siglo XIX, cuando […] se decide en el cono sur, sobre todo en Argentina y en Chile, que, a pesar de la descolonización, se mantendría en el futuro una estrecha comunidad lingüística entre España y la Hispanoamérica“ (p. 209). Cichon repasa pormenorizadamente la cuestión de la lengua planteada en las dos naciones americanas y las soluciones que los intelectuales de la época (Faustino Domingo Sarmiento, Andrés Bello y los integrantes de la llamada Generación del 37) propusieron. Cichon termina su trabajo con una referencia a la Gramática de Bello: „Mucho más que otros documentos e iniciativas hispanoamericanos la gramática de Bello es la que articula la conciencia lingüística colectiva de los hispanoamericanos y sensibiliza toda la comunidad hispanohablante por la necesidad de hacerles participar en la formulación de una norma lingüística común“ (p. 218). „Los efectos del turismo sobre la identidad de los mayahablantes en México y Guatemala: posibilidades y riesgos“ (pp. 223–238) es el título de la aportación de Ludmila Damjanova, de la Universidad de Viena, que parte de unas entrevistas con indígenas bilingües de Yucatán y Guatemala para ver el efecto que el contacto con el turismo (principalmente norteamericano, canadiense y europeo) produce en la cultura de la población autóctona que se traslada a los centros turísticos para encontrar trabajo y mejores ingresos. Damjanova se pregunta si los procesos de transformación afectan a su conducta lingüística o a toda su
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identidad. La autora contesta mediante un análisis sociolingüístico de los testimonios, todos muy interesantes, facilitados por los propios indígenas mayas afectados por la situación. Francisco Ferrero Campos (Universidad de Viena e Instituto Cervantes) es el autor del extenso trabajo titulado „La lengua: aspectos afectivos y bilingüismo“ (pp. 239–282), en el que tras traer a colación situaciones que tienen que ver, como el título indica, con la afectividad infantil y el bilingüismo, como los casos de la que él llama niña de Rouen (una niña valenciana que a los seis años podía entenderse en cinco idiomas) y de la boda en Munich (una boda multilingüe y la situación que provoca el uso de cada lengua en una niña de seis años), se basa en el contexto histórico de la realidad lingüística española para centrar sus observaciones en casos concretos de bilingüismo catalán/valenciano – castellano, en el problema, que ha pasado del campo lingüístico al político y al afectivo-popular, del catalán y del valenciano, y en la conciencia y afectividad que conlleva la lengua escrita. „El elemento inglés en el léxico español: ¿factor positivo o negativo?“ (pp. 283–299) es el título de la aportación de Ladislav Trup y Jaroslav Sˇoltys, de la Universidad de Bratislava. Como indican los autores al principio de su trabajo, „es muy difícil añadir algo nuevo a lo ya dicho o investigado antes [sobre los anglicismos]“. Trup y Sˇoltys responden a la pregunta planteada con „una posición intermedia: no rechazar resueltamente todo anglicismo del sistema léxico o sintáctico de la L española, ni aceptar y aprobar ciegamente cada extranjerismo (anglicismo) que trata de penetrar en el castellano“ (p. 296), y concluyen que los anglicismos que no amenazan la estructura de la lengua española no representan un peligro inmediato. También relacionado con la entrada de términos procedentes del inglés en nuestra lengua está el trabajo de Juan Gutiérrez Cuadrado (Universidad Central de Barcelona e Instituto Cervantes), titulado „¿Y si los anglicismos fueran como las bacterias?“ (pp. 301–339). Estudio extenso y ameno en el que Gutiérrez Cuadrado compara irónicamente, pero con mucho sentido, los anglicismos con las bacterias, y llega a la conclusión (aplicable totalmente a los anglicismos) de que las juzgamos perjudiciales pero son necesarias para la vida, de que cada vez se descubren nuevos grupos, de que se alaban sus virtudes cuanto más se conocen y de que es mejor convivir con ellas que luchar contra ellas. Tras un recorrido por la bibliografía existente sobre el tema y por numerosas páginas de Internet, y tras resumir la „estructura profunda“ de muchos de los estudios sobre los anglicismos, se pregunta qué provoca un rechazo tan profundo del anglicismo; Gutiérrez Cuadrado apunta, con cierta ironía, pero no por ello sin razón, muchas respuestas para concluir que es simplemente la exageración, como ocurrió antes con los galicismos. El autor, que cree que „el anglicismo es el síntoma superficial de un comportamiento de la sociedad española e hispánica“ (p. 311), presenta opiniones de otros estudiosos acerca de si pueden o no evitarse, de su rechazo o aceptación, de sus virtudes y de su persistencia o desaparición. Termina su trabajo con „una brevísima antología de anglicismos censurados, recientes y menos recientes, que parecen disfrutar de muy buena salud“ (p. 329). Como obra miscelánea con un tema común de fondo, el libro presenta los lógicos inconvenientes (no hay unidad de enfoque, no hay un desarrollo uniforme, etc.). Como actas de un coloquio, la obra mezcla inevitablemente trabajos excelentes con otros no tan meritorios, y, por la misma causa, éstos se presentan sin uniformidad en la citación bibliográfica y en la estructuración. También se echa en falta una corrección final del texto, en el que se han deslizado algunas erratas que no siempre son debidas a los autores (como „Viena e Universidad“, p. vi); señalamos, sin ánimo de ser exhaustivos: un „tampoco“ al final del primer párrafo de la p. 20 debe ser „tan poco“, y, a la inversa, el „tan poco“ de la nota 22 de la página 187 debe ser „tampoco“; „consiste en el hecho que“ se escribe en la p. 23; „exigía de los magnates de dejarse despojar“, en la p. 49, donde también se escribe „monopolio o oligopolio“; la nota 3 de la p. 173 merece otra redacción; en la p. 247 se escribe „no cabe duda que“,
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etc., etc. (no creemos que estas observaciones sean tomadas por nadie como un deseo de proponer una norma lingüística frente a otra, se trata de indicar simples errores o gazapos para ser corregidos en el caso de una posterior edición). No obstante, tales observaciones no restan valor a la obra, que aporta datos valiosos para el mejor conocimiento de la realidad lingüística de España y la América de habla española, y completa la bibliografía ya existente sobre el tema. Granada, junio de 2006 An t oni o Ma r t í nez G onzá l ez
Jo s é M a r í a E n g uita Utrilla – Para la historia de los americanismos léxicos. Frankfurt a. M. u. a., Peter Lang, 2004. 282 Seiten. Der vorliegende Band vereint vierzehn Einzeluntersuchungen, die Enguita Utrilla zwischen 1979 und 2001 in Fachzeitschriften, Kongressakten und Festschriften veröffentlicht hat. Zentraler Forschungsgegenstand dieser nach inhaltlichen, nicht chronologischen Gesichtspunkten gegliederten Monographie sind in erster Linie die lexikalischen Veränderungen des Spanischen im Zuge der ersten Etappe der Eroberung und Kolonialisierung SpanischAmerikas im 16. Jahrhundert. Zu diesem Zweck werden die Chroniken von Fernández de Oviedo, Hernán Cortés, José de Acosta, Góngora Marmolejo und Cristóbal de Molina1 im Hinblick auf ihre Verwendung von Indigenismen untersucht. Erläutert werden auch Fragen zum Fortbestand der annotierten indigenen Begriffe, sowohl im heutigen Spanisch-Amerika als auch in Spanien, und zu den Modifikationen, die das Standardkastilische durch den Kontakt mit der Neuen Welt erfahren hat. Die Monographie ist folgendermaßen gegliedert: einem Prolog, der den Grundriss der Arbeit erläutert (S. 7–9), folgt eine Einführung mit dem Titel „La diferenciación léxica de Hispanoamérica en los textos del siglo XVI“ (Kap. I 2, S. 15–27). Dem schließen sich die zentralen Kapitel an: zum einen ein Themenblock bestehend aus acht Aufsätzen zu den „Indoamericanismos léxicos“ in ausgewählten historiographischen Texten, schwerpunktmäßig in der Historia des Fernández de Oviedo (Kap. II–IX, S. 31–167), zum anderen fünf
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Textgrundlagen: Fernández de Oviedo, Historia general y natural de las Indias y Tierra-Firme del mar océano [1535, 1ª parte; 1549]. Con una „Introducción“ de J. Amador de los Ríos, 4 Bde., Madrid: Imprenta de la Real Academia de la Historia 1851–1855; ders., Historia general y natural de las Indias y Tierra-Firme. Ed. y estudio preliminar de J. Pérez de Tudela Bueso, 5 Bde., Madrid: Biblioteca de Autores Españoles 1959; ders., Sumario de la natural historia de las Indias [1526], in: Historiadores primitivos de Indias. Ed. de E. de Vedia, Madrid: Biblioteca de Autores Españoles, I, 1964, S. 471–515. Cortés, Cartas de relación sobre el descubrimiento y conquista de la Nueva España, in: Historiadores primitivos de Indias (I). Col. dirigida y anotada por E. de Vedia, Madrid: Biblioteca de Autores Españoles, S. 1–153; ders., Cartas de relación de la conquista de la Nueva España y otros documentos. Ed. facsimilar con estudios preliminares de J. Stummvoll, Ch. Gibson y F. Unterkircher, Graz: Akademische Druck [sic] 1960. J. de Acosta, Cartas annuas [1576, 1578], in: Obras del P. José de Acosta. Con „Estudio preliminar“ y „Glosario“ del P. Francisco Mateos, Madrid: Biblioteca de Autores Españoles 1954, S. 260–302; ders., De procuranda indorum salute [1588] ebd., S. 387–608; ders., Historia natural y moral de las Indias [1590] ebd., S. 1–247. Góngora Marmolejo, Historia de Chile [1575], in: Crónicas del reino de Chile. Ed. de F. Esteve Barba, Madrid: Biblioteca de Autores Españoles 1960, S. 75–224. C. de Molina [hacia 1552], Conquista y población del Pirú. Manuscrito depositado en la sección Patronato, 28 (ramo 12) del Archivo General de Indias de Sevilla; ders.; „Relación de muchas cosas acaescidas en el Perú“ [hacia 1552] in: Crónicas peruanas de interés indígena. Ed. de F. Esteve Barba, Madrid, Biblioteca de Autores Españoles 1968, S. 57–95. Die vorliegende Rezension gibt die Nummerierungen wieder, die Enguita Utrilla im fortlaufenden Text verwendet.
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weitere Untersuchungen, die der Autor unter den diffusen Oberbegriff „Otros americanismos léxicos“ zusammenfasst (Kap. X–XIV, S. 171–242), wobei nicht übersehen werden sollte, dass die Überschriften von der eines untergeordneten Absatzes in Kap. XII – „Otros indoamericanismos léxicos“ (S. 223) – kaum zu unterscheiden sind. Den Abschluss bilden Bibliographie (S. 243–264) und ein Verzeichnis der im Text kommentierten Lexeme (S. 265– 282). Zu diesen formalen Problemen kommt ein weiteres hinzu, das den internen Verweisungsapparat dieser Monographie unnötig verkompliziert: die Nummerierungen innerhalb des Inhaltsverzeichnisses (arabische Ziffern) und des Textes (römische Ziffern) stimmen nicht überein, was sich im Verlauf der Lektüre als hinderlich erweist. Unübersichtlich wird es dann, wenn die Fußnote ohne Angabe der Kapitelüberschrift lediglich auf „§§ 9–10“ verweist (S. 37), zumal diese Nummerierung mehrere Male im Text auftaucht3. Als wenig hilfreich erweisen sich vor diesem Hintergrund inhaltliche Suchhilfen wie „caps. I, § 2. 2 (sobre voces nahuas) y IV, §§ 3 y 30 (sobre términos chibchas) de esta monografía“ (S. 59). Wenden wir uns trotz dieser Schwierigkeiten der Einführung (Kap. I) zu. Von einem auf die Historia des Fernández de Oviedo fokussierten Text- und Datenkorpus ausgehend werden hier Aspekte wie der wechselseitige Sprachkontakt, vor allem jedoch die Aneignung indigener Lexeme und die Anpassung des Standardkastilischen im Bereich der Lexik an die neu entdeckte amerikanische Wirklichkeit unter besonderer Berücksichtigung diatopischer und diastratischer Aspekte thematisiert. Von Interesse ist hierbei der Mangel an indigenen Begriffen aus den Bereichen ,Politik‘ und ,Religion‘ in Fernández de Oviedos Historia, ein Umstand, den Enguita Utrilla mit einer gewissen Vorsicht darauf zurückführt, dass die hiermit verbundenen Themen „surgen en la Historia como una realidad alcanzada de modo consciente, pero no espontáneamente vinculada a las circunstancias del diario vivir“ (S. 18). Aufschlussreich sind die ebenfalls auf diastratischer Ebene beobachtbaren Einflussnahmen aus dem Standardkastilischen auf Spanisch-Amerika, wie die Verwendung von Begriffen aus dem Seefahrerbereich – allerdings mit signifikanten Bedeutungsverschiebungen auf amerikanischem Boden – dokumentiert. Registriert werden auch Begriffe, die „aun perteneciendo en nuestros días al vocabulario activo del español, presentan distintos grados de vitalidad en Hispanoamérica y en España“ (S. 23). Hiervon ausgehend wendet sich der Verfasser dem ersten thematischen Schwerpunkt dieser Monographie zu, den „Indoamericanismos léxicos“. Eingeleitet wird er von einer Studie mit dem Titel „Recepción de indigenismos en algunos textos cronísticos del siglo XVI“ (Kap. II, S. 31–44), die der Verfasser als „síntesis de conjunto“ der folgenden Einzeluntersuchungen bezeichnet (S. 7). Hervorgehoben wird in diesem Kontext die frühe und kontinuierliche Rezeption von Indigenismen in europäischen Wörterbüchern (bereits ab dem 15. Jahrhundert), in Chroniken und in der Literatur des Siglo de Oro – ein Umstand, der trotz der meist religiös motivierten, mangelnden Wertschätzung der Barbarismen auch unter Chronisten auf den Wunsch oder die Notwendigkeit zurückzuführen ist, ortsspezifische und soziokulturelle Gegebenheiten möglichst detailgetreu und präzise wiederzugeben. Ausführlich behandelt werden hier auch die Verfahren, auf die spanische Historiographen zurückgreifen, um einem europäischen Publikum den Sinn der verwendeten Amerikanismen deutlich zu machen. Laut Enguita Utrilla handelt es sich hierbei um Beschreibung, Definition, Erklärung, Übersetzung und Koppelung eines Indigenismus mit einem Begriff aus dem Standardkastilischen, wobei auf Glossen in dem Maße verzichtet wird, wie indigene Lexeme als bekannt vorausgesetzt werden. Soweit die einführenden Studien. Es folgen sechs Kapitel (ab hier jeweils mit einer römischen Ziffer – III bis einschließlich VIII – versehen), in denen die Verwendung von Lexemen aus dem Arawak (III) und Chibcha (IV) in der Historia von Fernández de Oviedo zur Dis-
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Vgl. hierzu z. B. S. 41 f. und S. 195.
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kussion steht, ferner die Verwendung von Begriffen aus dem Antillischen, vor allem aus dem Taíno und Nahua in den Relaciones des Cortés’ (V). In den beiden folgenden Kapiteln werden die Lexeme aus dem Guaraní und Tupí-Guaraní in Oviedos Chronik (VI) und aus dem Quechua in zwei Cartas annuas des Padre Acosta (VII) untersucht. Kap. VIII erfasst die Termini aus dem Antillischen4, Quechua und Mapuche in der Historia de Chile von Góngora Marmolejo. Diesen Aufsätzen liegt in der Regel ein identischer Plan zugrunde (auch wenn die Reihenfolge der behandelten Aspekte mitunter variiert): sie enthalten Informationen über den biographischen und kulturellen Hintergrund der Chronisten, ferner eine Inventarisierung und Erläuterung der annotierten Indigenismen sowie der entsprechenden Wortfelder. In den jeweils abschließenden Erläuterungen kommentiert Enguita Utrilla die zunehmende Amerikanisierung des Spanischen im Verlaufe der Jahrhunderte sowie die Aktualität der registrierten Indigenismen in verschiedenen Regionen Spanisch-Amerikas und in Spanien. Das Kap. IX, mit dem der erste große Themenkomplex endet, weicht von diesem Schema ab: in ihm erläutert der Autor den in der Forschungsliteratur kontrovers diskutierten, aus seiner Sicht jedoch plausiblen Zusammenhang zwischen der Annotierung indigener Lexeme in den Crónicas und der Etablierung dialektaler Zonen in Hispanoamerika (S. 151–167). In diesem Rahmen konzentriert sich der Verfasser auf zwei lexikalische Repertoires, „antiguo el primero, de nuestros días el segundo – referidos al náhuatl“ (S. 157). Linguistische Grundlage für dieses Unterfangen ist auch hier einmal mehr die Historia von Fernández de Oviedo und deren Verwendung von Begriffen, die auf die Lebenswirklichkeit Mexikos und verschiedener Regionen in Mittelamerika sowie im Süden der USA Bezug nehmen. Die Existenz eines großen linguistischen Areals, in dem weitaus umfangreicher als in anderen Regionen Spanisch-Amerikas Begriffe aus dem Nahua auch in der Gegenwart Verwendung finden, bestätigt aus Sicht Enguita Utrillas den wegweisenden Charakter der Chronik Fernández de Oviedos. Mit diesen Betrachtungen beendet der Autor den ersten Themenkomplex seiner Monographie, um sich dem zweiten, aus fünf Kapiteln bestehenden Schwerpunkt – „Otros americanismos léxicos“ – zuzuwenden. Eingeleitet wird er von einigen grundsätzlichen Überlegungen zur Evolution des peninsularen Spanisch in der Neuen Welt (Kap. X, S. 171–186), in denen Genese und Verfahren des linguistischen Anpassungsprozesses (adaptación conceptual, derivación und agrupaciones sintagmáticas) unter besonderer Berücksichtigung der Chronik Fernández de Oviedos zur Sprache kommen. Theoretische Grundlage dieser Ausführungen ist eine Definition des americanismo léxico, die über den Indigenismus hinausgeht und die spanischen „palabras patrimoniales“ einbezieht, die in Spanisch-Amerika „han desarrollado empleos particulares“ (S. 171). Sind es in Kapitel X die Beschreibungen von Mensch, Gesellschaft und Natur, die im Mittelpunkt der Überlegungen zur Historia Oviedos stehen, wendet sich der Verfasser in Kap. XI den Lexemen aus dem Bereich des Schifffahrtswesens und in Kap. XII dem Umgang mit dem Terminus ,Gold‘ zu. Die Relación des in Peru agierenden Klerikers Cristóbal de Molina, die sich vor allem mit den Themen ,indigene Ethnie‘, ,Politik‘ und ,Gesellschaft‘ befasst, bestätigt die eingangs aufgestellte These der Modifikation des peninsularen Spanisch und bezeugt „cómo el vocabulario de los conquistadores se asimilaba a unas circunstancias harto diferentes de los que estos habían dejado en sus tierras de origen“ (Kap. XIII, S. 228). Gleiches lässt sich von der Peregrinación de Bartolomé Lorenzo des Jesuiten José de Acosta sagen (Kap. XIV). Der Text, der auf Erlebnisberichten des nur mangelhaft spanisch sprechenden Portugiesen Bartolomé Lorenzo
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„No debe extrañar su presencia en un texto referido al territorio chileno, pues diversos autores han destacado la importancia de la primera americanización del español, operada en las islas del mar Caribe y, principalmente, en Haití: desde allí se difundirían a lo largo y a lo ancho del Nuevo Mundo peculiaridades lingüísticas hoy presentes en las hablas hispanoamericanas“ (S. 146).
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basiert, dokumentiert die fortgeschrittene Anpassung des Standardkastilischen an die amerikanische Wirklichkeit, da er zeigt, „que el vocabulario de los colonizadores ha adquirido ya características suficientes que lo definen como propio del otro lado del Atlántico“ (S. 241). Hiermit enden die Ausführungen Enguita Utrillas, der in dem Prolog zu seiner Monographie bekennt: „La tarea de recopilar estos catorce artículos en una monografía conjunta no ha sido tan sencilla como en principio consideré, pues he procurado corregir deficiencias observadas en la impresión original y evitar repeticiones innecesarias“ (S. 8). Ganz ist ihm das nicht gelungen. Neben den eingangs angesprochenen formalen Mängeln, fallen Wiederholungen wie z.B. die mehrmalige Auseinandersetzung mit den Bedeutungsverschiebungen in Lexemen aus dem Bereich des Schifffahrtswesens in der Neuen Welt auf oder der wiederholte Rückgriff auf bekannte Daten zur Person und Chronik des Fernández de Oviedo. Zweifelsohne handelt es sich hierbei jedoch um eine materialreiche Studie, deren Lektüre in vieler Hinsicht bereichernd ist. Münster, im Juni 2006 A rab e l l a Pa u ly
E r i c h Kalwa – Die portugiesischen und brasilianischen Studien in Deutschland (1900–1945): ein institutsgeschichtlicher Beitrag. Frankfurt a. M., Domus Editoria Europaea, 2004. 402 Seiten. Während die Fachgeschichte der Romanistik gut bis in das 19. Jahrhundert zurückverfolgt werden kann und in zahlreichen wissenschaftsgeschichtlichen Studien dargestellt wurde, sind die einzelphilologischen Ausdifferenzierungen jüngerer Natur und von daher bislang weniger beachtet worden. Gerne unterschlagen wird indes in einer in erster Linie philologisch arbeitenden Romanistik, dass zahlreiche fachgeschichtliche Traditionen nicht den eigentlich philologisch, d. h. sprach- und literaturwissenschaftlichen Traditionslinien entstammen, sondern ihre historische Verankerung in außerphilologischen, geographischen, kulturkundlichen oder ‚kolonialwissenschaftlichen‘ Ansätzen haben. In besonderem Maße gilt dies für die von Erich Kalwa untersuchte Lusitanistik bzw. Brasilianistik, die durch die Gründung z. B. des Hamburger Kolonialinstitut (1908) oder des Ibero-Amerikanischen Instituts in Berlin (1930) entscheidende außerhalb der klassischen Romanistik liegende Impulse und institutionelle Verankerungen erhielt. Die Einbettung dieser Institutionsgründungen in außenpolitische und außenwirtschaftliche Interessen steht dabei außer Frage, Forschungen und Forschende stehen in unterschiedlichem Grad im Dienst herrschender Ideologien und Zielsetzungen. Der vorliegende Band liefert keine Wertungen oder weitergehende Interpretationen, sondern ist in erster Linie als Dokumentation zu verstehen. Kalwa erweist sich als zuverlässiger und im Sprachduktus distanzierter Chronist von Institutionen und von den sie tragenden Personen. Der umfangreiche biobibliographische Anhang (S. 229–299) sowie die Zusammenstellung lusitanistischer Lehrveranstaltungen (S. 300–389) und Dissertations- bzw. Habilitationsschriften (S. 391–402) an deutschsprachigen Universitäten bilden einen wertvollen Fundus für weitergehende Recherchen, zu denen er wissenschaftshistorisch Interessierte förmlich einlädt. Unbeschadet des eher chronikhaften Charakters zeugt die Darstellung von der Erkenntnis des Zusammenhangs zwischen den politischen Rahmenbedingungen und dem je zu Grunde gelegten Wissenschaftsverständnis, etwa wenn die Zwangsemeritierungen und Vertreibungen „eminenter Romanisten, wie z. B. Spitzer und Hatzfeld“ (S. 15) als eine Ursache der im Anschluss unproduktiven literaturwissenschaftlichen Auseinandersetzung begriffen werden.
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Abgesehen von den dokumentarischen Anhängen und der knapp gehaltenen Einleitung (S. 11–16) gliedert sich das Buch in acht Kapitel, welche sich geordnet nach Gründungsdatum jeweils einer Institution widmen. Drei regionale Schwerpunkte der Portugal- und Brasilienstudien, nämlich Hamburg, das Rheinland sowie Berlin sind auszumachen. Die umfangreichste Darstellung kommt den drei Hamburger Institutionen, dem Hamburgischen Kolonialinstitut (1908–1919 sowie 1934–1945; S. 17–32), dem Seminar für romanische Sprache und Kultur (1911–1945; S. 33–76) sowie dem Ibero-Amerikanischen Institut (1917–1945; 87–157) zu. Im Rheinland sind das Deutsch-Südamerikanische Institut in Aachen (1912–1917) bzw. sein Fortsetzer, das Deutsch-Südamerikanische und Iberische Institut in Köln (1917–1922; S. 77–86), das Ibero-Amerikanische Forschungsinstitut in Bonn (1923–1930; S. 159–168) sowie das Kölner Deutsch-Portugiesische Forschungsinstitut (1932–1933) bzw. das Portugiesisch-Brasilianische Institut (1934–1945; S. 189–210) angesiedelt. Der Berliner Schwerpunkt wird durch das 1930 gegründete Ibero-Amerikanische Institut (S. 169–188) sowie durch das Institut für Portugal und Brasilien (1936–1945; S. 211–226) gebildet. Einzelne Protagonisten der luso-brasilianischen Forschungen wie u. a. Luise Ey (S. 22–28), Fritz Krüger (S. 46–51), Harri Meier (S. 121–128) oder Albin Eduard Beau (S. 132–139) sind Gegenstand biographischer Unterkapitel. Kennzeichnend ist die Integration sowohl außeruniversitärer, halb-privater Einrichtungen wie das Deutsch-Südamerikanische Institut, staatlicher Gründungen wie das Berliner IAI und universitärer Dependancen bestehender romanistischer Lehreinheiten wie z. B. das Berliner Institut für Portugal und Brasilien. Die inneruniversitäre Forschung bildet somit zwar einen, jedoch nicht den ausschließlichen Schwerpunkt der Dokumentation. Vielmehr weitet Kalwa den Blick auch auf die zahlreichen Schnittstellen zwischen den in Deutschland angesiedelten Institutionen und den Einrichtungen der deutschen Außen(kultur)politik wie den deutschen Kulturinstituten und kulturellen Vereinigungen in Portugal und Brasilien (S. 145–158). Die Darstellung verdeutlicht, dass die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland angesiedelte wissenschaftliche Beschäftigung mit Portugal und Brasilien in sich heterogen ist. Zwei thematische Schwerpunkte lassen sich dennoch erkennen. Erstens spielen geographische, landeskundliche Aspekte eine nicht zu unterschätzenden Rolle. Der Geograph Otto Quelle (S. 159–165), Gründer des Bonner Ibero-Amerikanischen Forschungsinstituts, das im Berliner IAI aufging, repräsentiert diese Richtung. Kolonialpolitische, später ,auslandswissenschaftliche‘ Interessen des NS-Regimes bilden den Hintergrund für die staatliche Unterstützung dieser Aktivitäten. Die Dokumentation bezeugt hier auch die Brüche und Übergänge der verschiedenen institutionellen Einheiten. Nicht nur politische Zeitenwechsel und sich wandelnde wirtschaftliche Rahmenbedingungen, sondern auch persönliche Karrieren der tragenden Protagonisten prägen die Geschichte der in vielen Fällen sehr kleinen Institutionen. Zweitens weist Kalwa nach, dass innerhalb der eigentlich romanistischen Studien vor allem die Linguistik zur Erforschung des Portugiesischen beigetragen hat, wohingegen die Beschäftigung mit der lusophonen Literatur eher ein Schattendasein fristete (S. 20). Ein Grund hierfür mag sicher auch in der höheren gesamtromanischen Integrationsfähigkeit der Linguistik des Portugiesischen liegen; die nur zögerliche Rezeption und Erforschung insbesondere der zeitgenössischen portugiesischen und brasilianischen Literaturen darf jedoch darüber hinaus als Symptom für die geringe kulturelle Wahrnehmung des lusophonen Raumes gewertet werden. Die Verstrickung der deutschsprachigen Lusitanistik in das Dritte Reich stellt keinen ausdrücklichen Schwerpunkt der Studien dar. Die Mitgliedschaften von bekannten Romanisten wie Harri Meier, Fritz Krüger oder Wilhelm Giese in SA und NSDAP werden dokumentarisch erfasst; aus einzelnen Biographien gehen die Karrieresprünge im Kontext von Zwangsemeritierungen jüdischer Kollegen – so nach der Zwangsemeritierung Fritz Küchlers in Hamburg (S. 49 f.) – hervor, ebenso wie Konflikte zwischen einigen Wissenschaftlern wie
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Fritz Schalk mit nationalsozialistischen Universitätsleitungen (S. 208). Aufschlussreich und in der kritischen Fachgeschichte bislang wenig beachtet sind zudem jene Karrieren deutscher Romanisten wie etwa die Fritz Krügers, welche nach der Diskreditierung in der NSZeit in den faschistischen Diktaturen Portugals oder Argentiniens fortgesetzt werden konnten. Hervorzuheben ist die Genauigkeit und die Ausführlichkeit, mit der Kalwa die Institutsgeschichte dokumentiert. Der Studie ist sichtbar eine umfangreiche bibliographische Erfassung und eine Sammlung relevanter Quellen vorausgegangen. Als problematisch bei der Bewertung einzelner Biographien und Tatsachenzusammenhänge stellt sich indes die Heterogenität der herangezogenen Quellen dar. Kalwa greift hier neben den Publikationen einzelner Wissenschaftler sowohl auf zeitgenössische institutionelle Primärquellen wie Memoranden, Festreden und Statistiken als auch auf nachträglich erstellte Sekundärquellen zurück, die sich ihrerseits in zwei Typen unterteilen lassen. Offizielle Nachrufe, in denen kritikwürdige Verhaltensweisen meist verschwiegen oder geschönt werden, und die vor allem seit den 1970er Jahren entstandene Literatur mit der Zielsetzung einer kritischen Vergangenheitsaufarbeitung werden unterschiedslos als Quellen für die biographischen Abschnitte herangezogen. Eine etwas umsichtigere Quellengewichtung wäre hier an einzelnen Stellen wünschenswert gewesen. Da jedoch die Quellenangaben ausführlich dokumentiert sind, wird die aufmerksame Leserschafft nicht daran gehindert, selbst die jeweiligen Informationen zu gewichten und sich ein eigenes Urteil zu bilden. Der Band, der auf Vorarbeiten des Verf. zurückgreift (Kalwa 1995)1 und sich einbettet in verschiedene Aktivitäten zur Erfassung der lusitanistischen Fachgeschichte wie Briesemeister/Schönberger (Hrsg. 1998) 2, stellt eine äußerst wertvolle Dokumentation dar, die auch für das Verstehen von Brüchen und Kontinuitäten nach 1945 wichtige Hinweise bereithält. In Zeiten, in denen institutionelle Verankerungen nicht nur lusitanistischer Forschungen verstärkt in Frage gestellt werden, dient der Blick auf die Vergangenheit nicht nur der Selbstvergewisserung, sondern auch der Relativierung gegenwärtiger Umbrüche. Bonn, im September 2005 D i et m a r O s t hus
C o l o m a L l eal – Breu història de la llengua catalana. Barcelona, Editorial Barcanova, 2003. 175 Seiten. Die Autorin, die bereits einen Abriss der Geschichte der iberoromanischen Sprachen1 vorgelegt hat, möchte mit dieser kurz gefassten Einleitung, die in ihrer Bibliographie nur katalanische und kastilische Fachliteratur berücksichtigt, vor allem eine genealogische Darstellung der Standardsprache liefern, denn das Werk „s’entén, doncs, com la història de la llengua comuna a partir de l’anàlisi de les dades que ens permeten intuir com s’han anat desenvolupant les relacions dialèctiques entre aquests dos registres fondamentals: la llengua literària i la llengua familiar sense que cap d’aquests dos registres sigui, en última instància, l’objecte del nostre estudi“ (S. 9). Dabei kommt es ihr vor allem auf die Darstellung der hispanisti-
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Kalwa, Erich (1995): „Die portugiesische Literatur in Lehre und Forschung an deutschen Universitäten im 19. Jahrhundert: ein Beitrag zu Entstehung und Entwicklung der deutschen Lusitanistik“, in: Lusorama 26, 5–71. Briesemeister, Dietrich/Axel Schönberger (Hrsg.) (1998): Bestandsaufnahme und Zukunftsperspektiven der deutschsprachigen Lusitanistik: Standpunkte und Thesen, Frankfurt am Main. La formación de las lenguas romances peninsulares, Barcelona 1990.
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schen Forschung (in Spanien) an, so dass man von dem Buch insgesamt als von einem recht einseitigen Forschungsbericht sprechen darf 2. Die ersten Abschnitte sind dem Ursprung des Katalanischen, genauer dem Romanisierungsprozess dieser Sprachlandschaft gewidmet, der für Lleal allein schon deshalb wichtig ist, weil das Katalanische über kein ihm eigenes Substrat verfügt, da sich die mit dem Ortsnamen Huesca verbundene oskisch-umbrische Ursprungsthese als Trugschluss erwiesen hat. Behandelt wird damit die Epoche von der Vertreibung der Karthager durch die Römer (206 v. Chr.) sowie der Einrichtung der Provincia citerior und der Provincia superior bis zur Kaiserzeit, wobei betont wird, dass „el procés de romanització […] fou lent i no es manifestà de manera homogènia a totes les comarques“ (S. 15). Koppelbergs Dissertation3 wird nicht rezipiert, und so wird auch nicht mit Evidenz erklärt, wie es zu petites variants und schließlich zu einer von der Erschließung durch das römische Straßensystem (Via Augusta, Via Heraclea) und der Gründung zahlreicher Siedlungen begünstigten Romanisierung kam, so dass sich dieser Sprachraum in den món hispanoromà eingliedern ließ, von dessen Zentrum Hispanien dann durch die Goten, die auch hier als barbari (politisch nicht korrekt) bezeichnet werden, langsam losgelöst wurde. Die Westgotenzeit (vom 5. Jh. bis zur Eroberung durch die Araber) wird als Epoche der Stabilisierung angesehen (S. 24–26), in der sich zum einen italische Dialektformen (wie die Assimilation der Konsonantengruppen MB, ND, LD) ebenso generalisieren konnten wie lokal beschränkter Wortschatz und grammatikalische Vereinfachungen, die aber in der Regel weit über das Gebiet hinausführen, aus dem Katalonien hervorgehen sollte. Wiederholt wurden hier die wohlbekannten Lautentwicklungen (S. 37 f.) vom Vulgärlatein zu den Varietäten des Reichslateins. Den zweiten Teil des Buches bildet das Frühromanische (El romanç primitiu, S. 41 ff.), wobei primär der Sprache der von Karl dem Großen begründeten Marca Hispànica das besondere Augenmerk gilt, die 801 auch Barcelona erfasste, wo in der Folgezeit „es produí la seva substitució definintiva per nobles locals, d’ascendència carolíngia però profundament arrelats a la regió“ (S. 45) und damit eine progressive Loslösung aus dem fränkischen Reichsverband, von dem nur das Feudalsystem geblieben sei, von dem die Grafen von Barcelona besonders profitiert hätten (vgl. auch die instruktive Karte, S. 50). Es ist daher konsequent, den Aufstieg des Katalanischen zu einer Sprache mit überregionaler Bedeutung mit dem Aufstieg Barcelonas zu verbinden, wobei „la dependència tolosana dels primers temps, la pressió del bisbat de Narbona i les posteriors relacions amb Provença van originar una constant introducció d’influències occitanes, tant en el pla polític com en el cultural i lingüístic“ (S. 55). Diese protokatalanische Sprache wird in der Folge (S. 60–72) rekonstruiert, wobei die recht einseitige Spezialisierung auf die historische Lautlehre nicht jedermanns Zustimmung finden dürfte und die Distribution der historischen Grundlagen des katalanischen Artikels (ipsu vs. illu) einer Erklärung bedarf. Das català medieval (S. 73 ff.) kennt geographische Einbußen in der Occitania, während die Balearen zunehmend katalanisiert werden und sich der valenzianische Raum bereits durch das Nebeneinander von romanischen Sprachen auszeichnete. Die Säkularisierung der Kultur führt zu neuen literarischen Formen, für die zunehmend das catalanesc eingesetzt wurde, das von der königlichen Kanzlei besonders gefördert wurde, so dass auch die Kirche
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Wenn also noch verständlich erscheint, dass der Klassiker von W. Meyer-Lübke, Das Katalanische. Seine Stellung zum Spanischen und Provenzalischen, sprachwissenschaftlich und historisch dargestellt, Heidelberg 1925, übergangen wurde, so fehlen die Argumente für die Nichtberücksichtigung von E. Blasco Ferrer, Grammatica storica del Catalano e dei suoi dialetti con speciale riguardo all’Algherese, Tübingen1984, ein auf Italienisch verfasstes Werk. Stephan Koppelberg, Untersuchungen zum lateinischen Erbwortschatz des Katalanischen. Aspekte der Klassifizierung und Differenzierung im Verhältnis zu Gallo- und Hispanoromania, Münster 1998.
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nicht mehr im Abseits stehen konnte und die Volkssprache für ihre Interessen zu instrumentalisieren versucht war. Mit dem Gebrauch der Volkssprache im theologischen wie im naturwissenschaftlichen Bereich ist auch der Ausbau verbunden, wie dieser im Libre de Gentil empfohlen wird: „[…] cada ciència ha mester los vocablos per los quals mills sia manifestada, e car a aquesta ciència demostrativa sien mester vocables escurs […], injúria seria feta a aquesta ciència e a aquesta art si no era demostrada ab los vocables que li convenen e no era significada ab les subtils rahons per les quals mills és demostrable“ (S. 84 f.; wobei zahlreiche Bereiche pertinent dargestellt werden). Problematisch scheint die Erklärung der dialektalen Variation als Ergebnis einer Neuund Wiederbevölkerung, zumal sich das mittelalterliche Katalanisch als sehr einheitliche Sprache präsentiert; man dürfte in diesem Fall auch erwarten, dass das Berberische einen stärkeren Einfluss auf die Dialekte ausgeübt hätte, als dies in Wirklichkeit der Fall ist. Die diatopische Gliederung, die primär an der historischen Lautlehre dokumentiert wird, scheint ältere Ursprünge zu besitzen. Das Zeitalter des Humanismus wird, sicher zu recht, als Epoche des Niedergangs der Krone von Katalonien und Aragon dargestellt, in der Barcelona entscheidend durch die Verlegung des politischen Zentrums nach Valencia an sprachlichem wie kulturellem Einfluss verliert (S. 99 ff.) und ausgehend vom Consell Suprem d’Aragó eine erste Kastilisierung einsetzt, die durch den offiziellen Gebrauch von drei Sprachen in der Kanzlei begünstigt wurde. Es ist die Epoche der Übersetzungen vom Latein in die Volkssprache(n) und der Lektüre von libres aprovats durch ein der Bildung zugängliches Bürgertum; die Texte zeigen die Entstehung von drei Hauptvarietäten, dem català occidental, oriental und balear, und die Ausbildung von deutlich geschiedenen Subsystemen im Bereich der Phonetik, der Deixis und der Verbmorphologie, die gleichzeitig einem gemeinsamen Einfluss des Lateins ausgesetzt sind. Der Kastilisierungsprozess und die damit verbundene Dekadenz sollten auch die nächsten Jahrhunderte bestimmen, in denen die Inquisition (gegen die als hugonots oder aganaus verdächtigten Einwanderer aus der Occitania, aber auch gegen die moriscos und die jueus conversos sowie allgemein gegen den Erasmismus) das Land seiner führenden Bildungsschicht beraubte (S. 119 ff.) und der industrielle wie wirtschaftliche Niedergang einsetzte. Die Standardisierung des Kastilischen (von Nebrija 1492 bis zu Correas, 17. Jh.) 4 trug zur weiteren Marginalisierung des Katalanischen bei, das bedeutungslos wird, denn „els autors de vàlua literària van escriure gairebé de forma exclusiva en castellà“ (S. 126 f.) und die Lexikographie diente nur dem Ziel, das Latein in den Schulen zu lernen und zu lehren. Eine der letzten Stützen fand das Katalanische in der Kirche, wo „la predicació es fes exclusivament en català“ (außer bei offiziellen Anlässen und in den großen Kathedralen, wo die Barock-Rhetorik in Kastilisch vorherrschte), so dass Assoziierung des Katalanischen „amb allò que es relacionava amb la quotidianitat, la diversió i el món rural“ (S. 129 f.) eine folgerichtige Erscheinung war. Wie auch sonst in der Romania führte auch hier die Diglossie zur Existenzbedrohung, die bekanntlich in den nach dem Frieden von Utrecht abgetretenen nordkatalanischen Gebieten weitgehend zum Abschluss gebracht wurde, während sie im Raum der Spanischen Krone im Zeitalter des Rationalismus nur bei den Intellektuellen Erfolg hatte. Mit dem Festhalten am Katalanischen in der Presse zur Zeit der Französischen Revolution (Diario de Barcelona, 1796; Diario de Valencia, 1802–03) sollte die in der Grammatik vielfach stehengebliebene und in der Lexik stark von außen beeinflusste katalanische Sprache jedoch eine unerwartete Stützung erfahren.
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Vgl. Alkonoi Obernesser, Spanische Grammatikographie im 17.Jahrhundert. Der „Arte de la lengua española castellana“ von Gonzalo Correas, Frankfurt a.M. u.a. 2000.
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Ein kurzes Kapitel (De la renaixença als nostres dies, S. 149–165), in dem die Bedeutung der Grammatiker Josep Pau Ballot, Aribau, Rubió i Ors, Antoni de Bofarull und Pere Labèrnia, letzterer auch Autor eines Wörterbuchs, angemessen gewürdigt und die Auseinandersetzung zwischen Traditionalisten und Neuerern im 19. Jahrhundert emotionsfrei dargestellt wird, endet die Einführung, die nur mit wenigen Worten auf die Standardisierungsprinzipien durch Alcover (1901), Fabra (1915) und die Reformversuche der 1915 gegründeten Acadèmia de la Llengua Catalana, sowie die lexikographische Arbeit von Francesc de B. Moll (1932 ff.) eingeht und auch die Sprachpolitik der Frankodiktatur nur recht summarisch behandelt. Mit dem vorliegenden Abriss hat die Vf. eine Studie vorgelegt, die primär der raschen Information dient und dabei insbesondere sprachsoziologische Faktoren auf Kosten der sprachlichen Evolution in den Mittelpunkt rückt, so dass die katalanische Sprache als solche mit ihren wichtigsten Entwicklungstendenzen zu stark marginalisiert wird. Wer in der Sprachgeschichte die Vertikalisierung der Varietätenlinguistik sucht, dürfte mit diesem Konzept der diachronischen Darstellung des Katalanischen nicht immer zufrieden sein. Bonn, im Februar 2006 C hr i s t i a n Schm i t t
Ma rc i a l M o re ra – La Complementación Morfológica en Español. Ensayo de Interpretación Semántica (Studien zur romanischen Sprachwissenschaft und interkulturellen Kommunikation 17). Frankfurt a. M. u. a., Peter Lang, 2005. 272 Seiten. Schon die einleitend vom Autor der vorliegenden Studie zitierte Feststellung von E. Benveniste, „Il importe de veiller aux confusions qui risquent toujours de s’établir entre ‚langue‘ et ‚parole‘, entre le [sic] valeur propre d’une formation – valeur stable et généralement simple – et les acceptions multiples qu’elle reçoit des circonstances de l’emploi“ (S. 1) 1, macht dem Leser deutlich, dass es sich bei der vorliegenden Abhandlung zur complementación morfológica im Spanischen um eine Darstellung zur Morphem-Semantik handelt, die neben der parole-Ebene auch der langue eine besondere Beachtung zuteilwerden lässt und eine klare Abgrenzung der beiden Bereiche anstrebt. Wie Marcial Morera im Prólogo (S. 5–6) hervorhebt, sind im spanischen Sprachraum in den letzten Jahren zahlreiche Beiträge zur Morphologie erschienen, die sich mit verschiedensten Aspekten beschäftigen und eine Forschungslücke schließen, die jahrzehntelang in diesem Bereich bestanden hat. Doch, und hieraus leitet der Verf. die Notwendigkeit seines eigenen ausführlichen Beitrags ab, zeichneten sich die vorliegenden Arbeiten durch eine Konzentration auf die historische Perspektive und die Ebene der parole aus, während die Erforschung des valor invariante der Suffixe des Spanischen bisher kaum Beachtung gefunden habe. Von einigen Wissenschaftlern – Morera verweist hier explizit auf den Autor der Spanischen Wortbildungslehre, Franz Rainer (1993) 2 – werde gar die Existenz einer abstrakten Morphembedeutung angezweifelt 3. Aus dieser Forschungslage leitet der Verf. die Zielsetzung seines Buches ab, basierend auf den theoretischen Vorarbeiten von Benveniste, Hjelmslev, Jakobson, Coseriu, Trujillo u. a. eine Bestim-
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Die Quelle des Zitats wird nicht angegeben. Rainer, Franz (1993), Spanische Wortbildungslehre, Tübingen. „Y lo más grave del asunto no es que en ocasiones se haya ignorado que una cosa es la langue y otra muy distinta la parole, sino que haya lingüistas que se nieguen a aceptar tal distinción teórica y las importantísimas consecuencias que de ello se derivan. Es el caso de Franz Reiner [sic] (1993: 66), por ejemplo, según cuyo parecer ‚cabe dudar de la existencia de tal significado abstracto unitario‘“ (S. 5).
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mung der Bedeutung der Suffixe auf langue-Ebene vorzunehmen und diesen Globalkategorien dann anschließend die „distintas orientaciones de sentido en la realidad práctica del hablar“ (S. 6) zuzuordnen. Hieraus resultiert der Aufbau der Arbeit: Die Ausführungen beginnen mit einer Abgrenzung von syntaktischen und morphologischen Mechanismen der complementación. Die im Zentrum der Analyse stehende morphologische Ergänzung wird definiert als „procedimiento semántico sintagmático que permite ampliar de forma continua u horizontal [Kursivsetzung im Orig.] la significación de los signos que tienen determinación categorial mediante otros signos sin determinación categorial, dando lugar a esas voces complejas que la gramática tradicional denomina palabras derivadas“ (S. 9). Die bei einer complementación morfológica gebildeten Einheiten setzen sich zusammen aus einem núcleo, dessen Charakteristika der Autor in Kap. 2.1. skizziert, und einem complemento, das in 2.2. erläutert wird. V. a. bei der Auseinandersetzung mit den Eigenschaften des complemento distanziert sich Morera von den traditionellen Studien zur Wortbildung, deren Ergebnisse für ihn auf einer „gravísima confusión entre significado y designación“ (S. 20) beruhen, die dazu führe, dass Autoren wie der bereits zuvor kritisierte Rainer beispielsweise postulierten, man könne die ‚Bedeutung‘ eines Suffixes mittels Paraphrase wiedergeben. Die Wiedergabe von relojero „persona que hace, compone o vende relojes“ sei lediglich für eine Untersuchung der parole angemessen, auf langue-Ebene müsse als significado „materia semántica reloj como ámbito activamente emanante“ angenommen werden (S. 21) 4. Der Ermittlung dieser abstrakten significados sind die Ausführungen zu Beginn von Kap. 3. gewidmet. Morera differenziert bei der Darstellung der verschiedenen Typen morphologischer Ergänzungen zwischen „internen“ (3.1.) und „externen“ (3.2.) Ergänzungen. Die „internen“ Ergänzungen unterteilt er in complementos morfológicos internos de palabra (3.1.1.), worunter er die Suffixe fasst, und in complementos morfológicos internos de sintagma, wozu die in der traditionellen Grammatik als ‚Konjunktionen der Koordination‘ (vgl. S. 251) eingeordneten Elemente y und o gezählt werden. Bei der Analyse der semantischen Struktur der behandelten Morpheme ermittelt der Verf. sehr abstrakte und in zweigliedrige Kombinationen zusammengefasste Kategorien wie „‚cuantificación-interna a la materia semántica del elemento nuclear‘/‚cuantificación-externa a la materia semántica del elemento nuclear‘“ (Kap. 3.1.1.1.1.1., S. 30) oder „‚cuantificación-interna-específica-limitada-de sustancia-con proyección súbita-total‘/‚cuantificación-interna-específica-limitada-con proyección súbita-parcial‘“ (Kap. 3.1.1.1.1.14., S. 47) (usw.) 5. Die Ausführungen ab Kap. 3.1.1.1.2 (Comportamiento de los complementos morfológicos internos de palabra enclíticos en la realidad concreta del hablar) sind den orientaciones designativas der auf langue-Ebene beschriebenen morphematischen Einheiten gewidmet. Der Verf. untersucht demnach in den Kategorien 3.1.1.1.2.2.1. bis 3.1.1.1.2.2.45. die Gebrauchsbereiche (campos de uso) der analysierten Suffixe. Die Ausführungen sind sehr fein untergliedert und i.d. R. mit einer Vielzahl von Beispielen belegt. Die Ergebnisse der Übertragung der abstrakten langue-Einheiten auf die parole werden zudem häufig kritisch den bisherigen Postulaten der Morphologie- und Wortbildungsforschung gegenübergestellt. Eine Abweichung von traditionellen Erklärungsansätzen stellen auch die Ausführungen zu Gebildetheiten des Typs pelirrojo oder maniatar dar, die der Verf. zusammen mit den Verben auf -ficar, -izar und -ecer in der Kategorie 3.1.1.2 Complemento morfológico interno de palabra proclítico 6 diskutiert. 4
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Zur Problematik der Wiedergabe der Bedeutung eines Wortbildungsprodukts mittels einer Paraphrase vgl. auch z. B. Laca, Brenda (1986), Die Wortbildung als Grammatik des Wortschatzes: Untersuchungen zur spanischen Subjektnominalisierung, Tübingen, S. 77 ff. und Lüdtke, Jens (2005), Romanische Wortbildung. Inhaltlich – diachronisch – synchronisch, Tübingen, S. 63 ff. Die Anzahl der binären Kategorien beläuft sich insgesamt auf 39. Die Kategoriebezeichnung fungiert im Inhaltsverzeichnis als Complementación morfológica interna de palabra proclítica.
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Kap. 3.2. schließlich umfasst die Diskussion und Klassifikation der Complementos morfológicos externos, zu denen Morera Elemente zählt, die in der traditionellen Grammatik als sustantivos en caso oblicuo bezeichnet würden. Er unterteilt diese Kategorie in morphologische Ergänzungen, die über einen eigenen Signifikant verfügen (z. B. lat. Genitiv Singular) und Ergänzungen, die mit dem núcleo eine Signifikant-Einheit bilden. Hierzu zählt er Adverbien, Präpositionen und Possessivpronomen. Analog zum Aufbau von Kap. 3.1 ermittelt er in 3.2.1. die semantische Struktur dieser externen morphologischen Ergänzungen und in 3.2.2. ihre Gebrauchsbereiche. Die mit dem Kap. 3.2 endenden Ausführungen werden insgesamt der eingangs formulierten Zielsetzung gerecht: Es gelingt dem Verf., das Suffixinventar der spanischen Sprache in eine überschaubare Anzahl von abstrakten Bedeutungskategorien einzuordnen, die für ihn den Status von significados invariantes einnehmen und die er anhand einer großen Anzahl von Beispielen erläutert. Angesichts der Tatsache, dass der Autor bei der Beschäftigung mit dem spanischen Morpheminventar auf langue-Ebene zumindest in der spanischsprachigen Forschung auf keine grundlegenden Vorarbeiten zurückgreifen kann, stellen die Ausführungen einen sehr umfassenden und in seiner Nuancierung beeindruckenden Einblick in die Thematik dar. Die Ergebnisse sind – abgesehen von ihrem Beitrag zur allgemeinen theoretischen Diskussion – vor allem dort interessant, wo die Ermittlung abstrakter Morphembedeutungen Aufschluss gibt über kombinatorische Beschränkungen in der Ableitung. Das Suffix -al, dessen Bedeutung Morera als ‚cuantificación-externa-desde el exterior-no limitada-continua-sin apego-en todas las direcciones de la materia semántica‘ angibt (S. 62), kann ihm zufolge beispielsweise nur mit Basen kombiniert werden, deren semantischer Gehalt eine expansión en todas las direcciones zulässt7. Ebenfalls instruktiv ist der Versuch des Verf., ausgehend vom ermittelten significado invariante von der traditionellen Wortbildungslehre als synonym bzw. funktional äquivalent eingestufte Suffixe voneinander abzugrenzen8. Für den Leser wäre allerdings gerade dort, wo sich die Überlegungen auf einem sehr abstrakten Niveau bewegen und wo mit komplexen Kategorien der Art „‚cuantificación-externa-desde el interior-por abtracción[sic]-absoluta o total‘/‚cuantificación-externa-desde el interior-por abstracción-esencial o parcial‘“ (S. 55) gearbeitet wird, ein ausführlicher Kommentar der Kategoriebezeichnung und des Gedankengangs, der zu diesem significado invariante geführt hat, wünschenswert gewesen. Auch zumindest aus Sicht traditioneller Wortbildungstheorien überraschende Entscheidungen wie z. B., Bildungen des Typs botellita, israelita und fosforita unter einer significación invariante einzuordnen, nämlich „‚cuantificación-interna-específica-limitada-de sustancia puntual-que apenas alcanza el límite-definida‘ “ (S. 147), werden unzureichend begründet9. Besonders die Ausführungen zu
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„Así, en una combinación como patronal, el sufijo que nos ocupa presenta el elemento nuclear patrón expandida en todas las direcciones de su materia semántica. De ahí que repugne combinarse con sustantivos designativos de realidades no extensibles, como broma (*bromal), deseo (*deseal), burla (*burlal), etc.“ (S. 63). Vgl. z. B.: „En la mayor parte de los casos citados, -nto puede ser sustituido por la forma -oso (mohiento-mohoso ‚que tiene moho‘, carboniento-carbonoso ‚que tiene carbón‘, sudoriento-sudoroso ‚humecido por el sudor‘, harapiento-haraposo ‚lleno de harapos‘, amarillento-amarilloso ‚que tira a amarillo‘ …), con una diferencia semántica evidente, a pesar de su aparente sinonimia: mientras que -oso presenta la materia semántica del elemento nuclear como formando parte esencial del sustantivo que rige el derivado, -nto lo presenta como externa a dicho sustantivo. De ahí ese matiz despectivo que se percibe en el segundo, frente al carácter más neutro del primero“ (S. 109). Der Verf. merkt zu der Entscheidung, das als qualifizierend-quantifizierendes Suffix bekannte -ito, a mit den Morphemen -ita zur Bildung von gentilicios und -ito, a zur Bildung von Mineralbezeichnungen zusammenzufassen, lediglich an: „De sobra sabido es que la inmensa mayoría de los derivados en este apartado f) [nämlich Bildungen des Typs nazarita, fosforita] tiene su origen en los sufijos latinos -ita, -ites, que proceden, a su vez, del sufijo griego -ites, que, al parecer, nada tiene que ver etimológicamente con nuestro sufijo diminutivo -ito. Sin embargo, lo cierto es que los mencionados sufijos lati-
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Kap. 3.2 (Complemento morfológico externo) sind in ihrem geringen Umfang nicht geeignet, dem Leser einen verständlichen Einblick in die diskutierte Problematik zu vermitteln. Mit diesen teilweise zu konzisen Erläuterungen kontrastieren bisweilen sehr ausführliche Anmerkungen zu den campos de uso der behandelten Suffixe. So erscheint es beispielsweise unnötig, bei der Auseinandersetzung mit dem Suffix -ano („significación invariante ‚cuantificación-externa-desde el exterior-continua-limitada-sin apego-extensa-neutra‘“, S. 211) zur Illustrierung der orientación de sentido ‚perteneciente o relativo a la persona designada por el elemento nuclear, o a su obra‘ (S. 212) 22 Beispiele aufzuführen (z. B. ignaciano, juliano, galdosiano), die dann jeweils mit „perteneciente o relativo a X“ paraphrasiert werden. Moreras kritisiert, wie mehrfach gezeigt werden konnte, bisweilen scharf die Ergebnisse der parole-orientierten Wortbildungsforschung. Er beklagt in diesem Zusammenhang v. a. die seiner Meinung nach verbreitete Verwechslung von significado inherente und concepto lógico-designativo (S. 18). Die von ihm ermittelten verdaderos significados de los signos (S. 24 u. ö.) seien von den orientaciones de sentido (S. 65 u. ö.) abzugrenzen. Diese Sichtweise veranlasst ihn beispielsweise zu einer Ablehnung herkömmlicher Klassifizierungsprinzipien von Suffixen: „[…] toda ordenación de los sufijos basada en la forma, la significación categorial del núcleo o del derivado resultante, la denotación, etc., está desde el principio condenada al más estrepitoso de los fracasos, porque se trata de aspectos que nada tienen que ver con el verdadero significado de los signos que nos ocupan, que es el que les proporciona su verdadera organización interna“ (S. 24). Auch einigen Kategorien der traditionellen Wortbildungslehre, wie z. B. den exozentrischen Bildungen, spricht er die Daseinsberechtigung ab: „El concepto de exocentricidad es una aberración de la lingüística referencialista. Desde el punto de vista más estrictamente idiomático, todos los signos sintagmáticos de las lenguas naturales son endocéntricos, tienen el núcleo en sí mismos. Desde el punto de vista referencial, son exocéntricos, porque designan cosas que se encuentran fuera de ellos mismos“ (S. 10 f., FN 11). Gerade angesichts der sich in diesem Zitat manifestierenden, im Grunde widersprüchlichen Argumentation, Exozentrizität sei eine ‚Verirrung‘ der lingüística referencialista, alle sprachlichen Zeichen seien auf langue-Ebene endozentrisch, und der Terminus exozentrisch hätte nur „desde el punto de vista referencial“ Berechtigung, muss sich Morera die Frage gefallen lassen, ob er bei seiner Kritik nicht zu weit geht, wenn er bei der Bestimmung der Morphembedeutung so kategorische Grenzen zieht. Zwar gelingt es dem Verf., den Leser davon zu überzeugen, dass es offenbar eine Art abstrakte langue-Bedeutung bei Suffixen gibt und dass eine Auseinandersetzung mit diesem significado invariante neue Erkenntnisse über das Morpheminventar des Spanischen vermitteln kann. Diese Erkenntnisse nehmen den bisher vorliegenden, an der parole-Bedeutung orientierten Studien jedoch keineswegs ihre Berechtigung. Gerade angesichts der Tatsache, dass die von Morera ermittelten Kategorien höchst abstrakt und z. T. nicht uneingeschränkt nachvollziehbar sind, ist die Frage berechtigt, inwieweit es bei einem Grundlagenwerk wie der Wortbildungslehre von F. Rainer überhaupt sinnvoll gewesen wäre, eine stärker langue-orientierte Herangehensweise zu wählen.
nos fueron suplantados en español por el sufijo que nos ocupa. Como señala David Pharies, ‚se trata de una convergencia de varios elementos etimológicos que hasta cierto punto se influyen entre sí‘. Precisamente por ello, hemos incluido estos derivados en este lugar“ (S. 151). Wenig überzeugend, da lediglich auf einer nicht belegten persönlichen Einschätzung beruhend, ist auch die sich einen Abschnitt weiter anschließende Anmerkung: „En el instinto lingüístico popular, también parecen entenderse como derivados en -ito los compuestos del griego sustantivo-citos (‚célula‘) trombocito ‚plaqueta de la sangre‘, leucocito ‚cada una de las células esferoidales, incoloras, que se encuentran en la sangre‘, linfocito ‚célula linfática‘, fagocito ‚cualquiera de las células que se hallan en la sangre y en muchos tejidos animales, capaces de apoderarse de partículas inútiles o nocivas para el organismo‘, etc.“ (S. 150 f.).
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Insgesamt stellen die mit einigen Ausnahmen sorgfältig 10 und übersichtlich 11 strukturierten Ausführungen eine perspektivische Bereicherung bei der Auseinandersetzung mit der complementación morfológica im Spanischen dar, die dem vom Verf. einleitend formulierten Ziel, als ‚Basis‘, ‚Ansporn‘ und ‚Inspiration‘ für eine zukünftige Beschäftigung mit der Thematik zu dienen, uneingeschränkt gerecht werden. Bonn, im März 2006 Judi t h Vi s s er
Ma r í a P i l a r N avarro Errasti/Rosa Lorés Sanz/S ilvia M urillo Ornat – Pragmatics at Work. The Translation of Tourist Literature. Bern u. a., Peter Lang, 2004. 245 Seiten. Die drei Herausgeberinnen, allesamt spanische Linguistinnen der Anglistik mit Forschungserfahrung im Bereich der Übersetzung, legen hier einen Sammelband vor, der sich der Relevanz der Pragmatik im Fall der Übersetzung touristischer Gebrauchstexte widmet. In ihrer Einleitung weisen sie darauf hin, wie stark sich seit den 1980er Jahren ein Boom in der Übersetzungswissenschaft wahrnehmen lässt. Sie sehen ihren Band auch als Weiterführung von The Pragmatics of Translation (hg. v. Leo Hickey, 1998), dessen Autoren hier z. T. erneut vertreten sind. Positiv hervorzuheben ist bezüglich des hier formulierten Interesses, dass es nicht um Fehleranalysen, sondern um die jeweils kulturspezifische Pragmatik der Ausgangs- und Zieltexte gehen soll. Basil Hatim möchte in seinem einführenden Text verdeutlichen, wie kulturell bedingte Übersetzungsprobleme im Bereich verbaler und nicht-verbaler Zeichen zu verorten sind und sich im Zusammenspiel von soziokulturellen Gegebenheiten und Praktiken der Versprachlichung äußern. Hatim kritisiert, dass im Bereich der Übersetzungswissenschaft die Cultural Studies allzu häufig zu einfachen geopolitischen Aussagen geführt hätten, während die rein sprachwissenschaftliche Herangehensweise zu einer Dekontextualisierung der Phänomene geführt habe. Auf der Grundlage eines bereits 1990 entwickelten Text-im-Kontext-Modells möchte er darstellen, wie die Berücksichtigung von Produktions- und Rezeptionskontext für die linguistische Analyse fruchtbar gemacht werden kann. Anhand verschiedener Beispiele zeigt er auf, wie Frames, Schemata und kulturelle Codes die Textwelt auf den Ebenen von Text, Diskurs und Genre gemäß dem kulturellen Kontext organisieren. Wie dies bei der Übersetzung relevant wird, illustriert er anhand eines kleinen Beispiels: Während die arabi-
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In sprachlicher Hinsicht zu bemängeln sind v. a. die sehr zahlreichen Fehler bei der Wiedergabe frz. Zitate, vgl.: „Ya había señalado Meyer-Lübke que ‚en effet, dans les dérivés issus de verbes qui sont à leur tour dérivés d’un nom de chose, tel que calceare (chausser) de calceus (le soulier) p. ex., comme l’idée de chose precede [sic] celle d’activité, l’idée abstraite est éliminée par l’idée collective: calceamen ne signifie plus l’action de cheusser [sic], mais l’ensemble des objets nécessaires à la chaussure; le solier [sic], par conséquent une masse de calcei‘“ (S. 40 f., FN 59); „Ya desde principios del siglo XX había señalado P. Chantraine […], que ‚rien n’oblige à croire qu’un de ces amplois [sic] ait precede [sic] les outres [sic] et qu’ils ne se soient pas développés simultanément. En fait il arrive souvent qu’un dérivé de -ion présent [sic] seulement le sens péjoratif sans que le sens diminutif soit attesté‘“ (S. 51); „Mucho antes había dicho P. Chantraine respecto del sufijo griego -ion que ‚ce qui ressemble á [sic] une chose peut lui éter [sic] inférieur, ou éter [sic] plus petit. Le suffixe a ainsi servir à fomer [sic] des péjoratifs, des diminutifs, des hypocoristiques‘“ (S. 61, FN 85). In Kap. 3.1.1.1.1 hätte eine weniger lineare Gliederung den Argumentationsgang transparenter gestaltet. Der Leser verliert hier bei den komplexen Kategoriebezeichnungen und den nicht immer ganz nachvollziehbar mit Buchstaben (z. B. 3.1.1.1.2.2.36.: a), aa), ab), ac), b), c), ca), caa), cab) cac), cb), d), da), db), e), f), fa), faa), fab), fac), fad), fae), fb), g), ga), gb), gc), h); a), b), c), d), e)) gekennzeichneten Unterkapiteln bisweilen den Überblick.
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sche Originalversion des gedruckten Führers durch das „Arabia’s Wildlife Centre“ den Besucher durch die Anlage führt und ihn also zum aktiven Beobachter macht, wird in der englischen Version der Besucher gar nicht erwähnt. Hier wird vielmehr die Artenvielfalt selbst in den Mittelpunkt gerückt. Laut Hatim zeigen sich hier kulturell bedingte Unterschiede der spezifischen Textgattung, wie sie von sensiblen Übersetzern touristischer Gebrauchsliteratur zu berücksichtigen seien. Ignacio Guillén-Galve möchte in seinem Beitrag die Kategorie der ‚grammatikalischen Metapher‘ nach Halliday auf die touristische Textgattung anwenden und plädiert für eine gattungs- und kontextspezifische Anwendung von linguistischen Theorien. Die Übersetzung metaphorischer Ausdrucksweisen mache in der Übersetzung häufig grammatikalische Abwandlungen notwendig, um den jeweiligen sprachlichen Konventionen gerecht zu werden und zugleich die komplexen semantischen Implikationen zu wahren. Während die häufig zu konstatierende Nominalisierung in den von Halliday untersuchten wissenschaftlichen Texten vorrangig der Abstraktion der Gedanken diene, käme dieser in touristischer Gebrauchsliteratur ein anderer Status zu. Zudem seien bei den untersuchten Texten deren literarische Qualität und sprachspezifische Ausdrucksgewohnheiten zu berücksichtigen. Leo Hickey stellt die Frage, ob der Übersetzer Texte, die sich als Werbung an Touristen richten, dem neuen kulturellen Kontext anpassen müsse, um perlokutive Äquivalenz zu erreichen. Dabei hebt er hervor, dass sowohl Inhalt wie auch Stil für die perlokutive Wirkung von Bedeutung seien, und verdeutlicht, dass der Übersetzer im beruflichen Alltag auch dem Auftraggeber gerecht werden müsse. Übersetzungen können demnach semantisch abweichend, perlokutiv jedoch zugleich äquivalent sein, wenn z. B. im Englischen weniger Superlative verwendet werden als im Spanischen. Es können inhaltliche Ergänzungen notwendig werden z. B. bezüglich historischer Hintergründe, die einem spanischen Leser bekannt sein dürften, einem englisch- oder französischsprachigen jedoch weniger. Zudem finden auch häufig Vereinfachungen statt, wenn z. B. in der englischsprachigen Ausgabe einer Broschüre über Alicante zum einen vieles ausführlicher erläutert wird, zum anderen Alicantiner Begriffe und somit das typische Lokalkolorit ausgelassen werden. Juliane House präsentiert einen historischen Überblick über die Übersetzungswissenschaft, um rein subjektiven, dabei aber nicht begründeten und somit haltlosen Äußerungen wie „Die Übersetzung wird dem Original nicht gerecht“ entgegen zu treten. House stellt umfassend verschiedene qualitätsbeurteilende Verfahren dar: Zum einen psycho-soziale Ansätze (Verhaltensadäquatheit der Leser nach Nida und Tabers bzw. Skopostheorie, d. h. Zielkontextorientiertheit nach Reiss und Vermeer), die ihrer Meinung nach den Originaltext zu sehr außer Acht lassen. Zum anderen nennt sie text- und diskursbasierte Ansätze (deskriptive Übersetzungswissenschaft nach Toury, welche den Begriff der Äquivalenz mit Ausgangs- und Zielkontext verbindet), postmoderne und dekonstruktivistische Analysen (Aufzeigen von Machtkonstellationen und Manipulationen nach Venuti) und linguistische Vorgehensweisen (u. a. Orientierung an der jeweiligen Textgattung nach Reiss). Nach knapper Auseinandersetzung mit diesen Ansätzen steht sie dann für ein linguistisches Vorgehen ein, das die Rekontextualisierung des übersetzten Textes berücksichtigt, konkret für ein funktional-pragmatisches Modell, welches sie selbst bereits 1977 entworfen hat. Rosa Lorés Sanz geht in ihrem Beitrag aus von Hallidays Thema/Rhema-Theorie (1985). Die Verwendung von Thema/Rhema-Strukturen ist laut Lorés Sanz vom Genre abhängig, wobei unterschiedlichen Strukturen verschiedene pragmatische Effekte zukommen. Da Gattungskonventionen in den jeweiligen Sprachen unterschiedlich sind, muss eine Übersetzung hier Äquivalenzen finden. Die Autorin legt Ergebnisse einer Corpus-Untersuchung vor, in der sie nicht nur spanische Originale und deren Übersetzungen ins Englische, sondern auch Vergleichstexte gleichen Genres einbezieht, die direkt auf Englisch verfasst sind. Bei der umfangreichen Untersuchung des Corpus stellt sie fest, dass in den englischen Übersetzungen eine deutliche Tendenz zur Beibehaltung bestimmter Thema/Rhema-Strukturen vor-
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liegt, die in den originalsprachlichen Texten kaum vorkommen, die Übersetzer sich also stark am Ausgangstext orientieren. Ian Mason beschäftigt sich mit der touristischen Broschüre als Gattung, die eine Vielzahl von Texttypen in sich vereint, von der Beschreibung bis zur Erzählung. Solange es sich um in westlichen Kulturen übereinstimmende Strukturen handele, bereite die Übersetzung in stereotypen Fällen keine Schwierigkeiten. Im Sinne der Skopostheorie sei gerade bei diesem Genre die Ausrichtung auf ein intendiertes Zielpublikum zu beachten. Im Vergleich stellt Mason gewisse kulturelle Differenzen fest, wie z. B. ein höflicherer Umgangston im Französischen als im Deutschen, wobei jedoch – so zeigen auch die Beispiele – muttersprachliche Übersetzer solche Anpassungen vornehmen, während andere womöglich die Direktheit des beispielsweise deutschen Ausgangstextes übernehmen. So sei es möglich, dass durch die Übersetzung Normen und Konventionen der Zielsprache geändert werden. Silvia Murillo Ornat untersucht die unterschiedliche Verwendung folgender Diskursmarker im Englischen und Spanischen: „that is, that is to say, i. e. (from Latin id est), in other words and namely“ im Vergleich mit „es decir, esto es, o sea and a saber“. Sie kann nachweisen, dass aufgrund grammatikalischer und stilistischer Bedingungen der jeweiligen Sprache häufig gerade nicht die auf den ersten Blick äquivalente Übersetzung gewählt wird. Maria Pilar Navarro Errasti beschäftigt sich auf der Basis der Secondary Communication Situation (nach Gutt) mit der Problematik des jeweils intendierten Zielkontextes vor der Maßgabe erfolgreicher Kommunikation. Navarro Errasti sieht die Übersetzung als eine Instanz der Kommunikation an und problematisiert Ambiguitäten, die bei der Dekodierung zu Missverständnissen führen können. Beim Übersetzen könne die Erläuterung von Hintergrundwissen notwendig werden, damit das intendierte Zielpublikum die Informationen auch verstehe. Zusatzinformationen seien daher in dieser Textgattung nicht als Fehler, sondern als notwendige Bereicherungen anzusehen. Der Sammelband unterstreicht die Bedeutung der Pragmatik für die Übersetzungswissenschaft. Positiv ist hervorzuheben, dass hier verschiedene Ansätze aufgezeigt werden, wie verschiedene pragmatisch orientierte Untersuchungen für die spezifische Übersetzungsproblematik fruchtbar gemacht werden können. Insofern kann das Buch gewiss unter Linguisten weitere Forschungsprojekte inspirieren sowie auch professionellen Übersetzern mit linguistischer Vorbildung fundierte Argumente für übersetzerische Strategien an die Hand geben. Trotz des übergreifenden Themas entpuppt sich das Buch jedoch als äußerst heterogen, auch bezüglich der Qualität und Themenorientiertheit der Beiträge. Der als richtungweisend vorangestellte Text des Referenzautors Basil Hatim enttäuscht insofern, als sowohl die von ihm vertretenen Thesen wie auch das zentrale Schaubild und die angeführten Beispiele aus früheren Publikationen des Autors seit 1990 stammen. Es wäre ausreichend gewesen, solch etablierte Thesen in der Einleitung voranzustellen. Der Beitrag von Juliane House befasst sich erst gar nicht mit touristischer Literatur. Ihre Argumentation lässt zudem Sensibilität für die Bedeutung unterschiedlicher übersetzungswissenschaftlicher Ansätze vermissen – nicht zuletzt, wenn sie vom hybriden Text im Sinne Benjamins spricht. Gewiss ist der Aspekt der Rekontextualisierung, wofür sie ihr eigenes Modell starkmacht, ein nicht zu vernachlässigender Aspekt der Übersetzungsforschung, jedoch beziehen z. B. postkoloniale Denkanstöße wie der von Venuti insbesondere diesen Aspekt mit ein. Nachdem zudem die im vorliegenden Sammelband präsentierten pragmatischen Ansätze stets den Aspekt der Rekontextualisierung zur Grundlage haben, erscheint das Plädoyer für ihr eigenes, bereits 1977 entworfenes Modell überholt. Einen Gewinn für die hier präsentierten Forschungsansätze würde es insbesondere bedeuten, wenn sie von einer aktuellen kulturwissenschaftlichen Perspektive bezüglich der Begriffe Tourismus und Kultur begleitet würden. Denn gänzlich offen bleibt die Problematisierung der grundlegenden Prämisse einer kulturbedingten Sprache. Der altgediente Begriff
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der Kultur wird im vorliegenden Band verstanden als national oder regional authentische Form der Weltwahrnehmung und -darstellung. Hatim bezieht sich bei seiner Definition auf einen Text des US-amerikanischen Ethnologen Ward H. Goodenough aus dem Jahre 1964! Gerade der vorgestellte Untersuchungsgegenstand aus dem Bereich des Tourismus bietet hingegen ausreichend Anlass, den Kulturbegriff kritisch zu hinterfragen. Denn wie lassen sich in Zeiten des weltweiten Tourismus und globaler Verbreitung von Reiseliteratur englischsprachige Texte noch verstehen als Ausdruck einer spezifischen „westlichen Kultur“? Einen Ansatz hierfür bieten die Ausführungen von Guillén-Galve an, der vermutet, dass sich in den sogenannten „englischen“ Versionen der Texte längst weltweit stilistische Gemeinplätze ausgebildet haben. Durch ernst genommenes interdisziplinäres Arbeiten, das die Übersetzung auch als kulturwissenschaftliches Paradigma zu analysieren versteht, gewänne dieser Forschungsansatz an kulturwissenschaftlicher Komplexität und Relevanz. Düsseldorf, im Juni 2006 Ve ra Elisabeth Gerling
C o n ra d S o l loch – Performing Conquista. Kulturelle Inszenierungen Mexikos in europäischen und U.S.-amerikanischen Medien im 20. Jahrhundert. Berlin, Erich Schmidt, 2005. 331 Seiten. Die vorliegende Studie entstand zwischen 1999 und 2002 im Rahmen des Graduiertenkollegs „Theater als Paradigma der Moderne“ an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Conrad Solloch analysiert anhand ausgewählter Beispiele, wie die Eroberung Mexikos in den europäischen und amerikanischen Medien im 20. Jahrhundert inszeniert wird. In der Conquista, bei der erstmals auf beiden Seiten des Atlantiks kulturell einander sehr fremde Welten aufeinandertreffen, sieht der Verf. eine „Herausforderung an repräsentative Verfahren“ (Buchdeckel) und leitet daraus als Schwerpunkt seiner Studie die Auseinandersetzung mit den performativen Praktiken ab (S. 12), die die Eroberung zum Thema haben. Neben Aufschlüssen über Repräsentationsverfahren liegt der Wert einer solchen Fokussierung in zu erwartenden Erkenntnissen über die Verhandlung von Identitätskonzepten, weil diese in unmittelbaren Zusammenhang mit kultureller Erinnerung und der Art und Weise ihrer Darstellung zu setzen ist. Der Hauptteil der Arbeit ist in vier Oberkapitel eingeteilt. In Kap. I (S. 17 ff.) skizziert Solloch den Stellenwert, den Mexiko als Erinnerungsort auf beiden Seiten des Atlantiks einnimmt 1. Die sich daran anschließenden Ausführungen mit dem Titel „Perspektiven der Conquista – Kulturen des Eroberns“ (S. 60 ff.) stellen eine Auseinandersetzung mit der europäischen Perspektive dar. Analysiert werden die Autoren Sergeij Eisenstein, Antonin Artaud und v. a. der Komponist Wolfgang Rihm. Analog dazu nimmt Kap. III („Perspektiven der Conquista – Kulturen des Rückeroberns“, S. 133) Bezug auf die andere Seite des Atlantiks. Die unter dem Oberbegriff Reconquista 2 zu subsumierenden Werke, die der Verf. analysiert, stammen nicht aus Mexiko selbst, sondern sind den Chicanos und Chicanas aus den sog. Borderlands im Südwesten der USA zuzuordnen. Die Border Art ist bisher wenig rezipiert worden (S. 15), obwohl sich ihre Werke aufgrund des Erinnerungsortes, der „Grenze als paradigmatische[m] Zwischenraum interkulturellen Aufeinandertreffens und Austausches“ (ebd.), besonders für die Analyse von performativen Praktiken und der Verhandlung von Identitätskonzepten anbietet 3. Der Verf. behandelt u. a. Luis Valdez mit seinem Teatro Cam1 2 3
Der Verf. benutzt hier den Terminus circum-Atlantic-Memory (S. 15). Vgl. dazu auch die Anmerkungen des Verf. im betreffenden Kapitel. Zur Bedeutung der Schauplätze performativer Praktiken vgl. Kap. I.4. (S. 29 ff.).
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pesino, setzt sich aber vor allem sehr ausführlich mit der Perspektive der Chicanas (u. a. Milcha Sánchez-Scott, Cherríe Moraga) auseinander. Anhand ihrer Werke kann anschaulich gezeigt werden, auf welche verschiedenen Weisen die Denkfigur der Conquista für die Ausbildung einer eigenen Identität instrumentalisiert werden kann. Kap. IV (S. 261 ff.) schließlich untersucht – u. a. ausführlich am Beispiel des Films From Dusk till Dawn (1996) von Robert Rodríguez – die „Grenze als Wahrnehmungsfeld“, d. h. als kulturdefinierenden Raum, an dem „die Kategorie der Differenz […] um eine räumliche Bedeutungsebene erweitert wird“ (S. 261). Aus europäischer Perspektive betrachtet handelte es sich bei der Eroberung Mexikos um einen Prozess, bei dem sehr heterogene Kulturen aufeinandertrafen und bei dem sich deshalb die Notwendigkeit zu einer Auseinandersetzung mit der eigenen kollektiven Identität ergab. Wie der Verf. zeigen kann, weist das Verhalten der spanischen Konquistadoren von Beginn an Tendenzen auf, die Eroberung als theatrales Ereignis zu schildern und zu inszenieren (z.B. durch religiöse Prozessionen). Die Inszenierungsstrategien hatten die Funktion, eine eindeutige Trennung von ‚Identität‘ und ‚Alterität‘ zu konstruieren und damit zur Legitimierung der militärischen Eroberung beizutragen. Es ist folglich von einer Interdependenz zwischen Eroberung und Inszenierung von Eroberung auszugehen: Performative Praktiken haben von Anfang an zur Strukturierung der Conquista beigetragen und die ‚Neue Welt‘ für die Spanier erst begreiflich gemacht (vgl. S. 22) 4. Im Kontext der europäischen Avantgarde erfüllte die Darstellung des ‚Fremden‘ auf der Bühne primär die Funktion, kritische Distanz und damit eine Problematisierung des Repräsentationssystems zu ermöglichen 5. Damit stand nicht der ‚Andere‘ im Mittelpunkt der Präsentation, sondern die Auseinandersetzung mit der eigenen Kultur; das Medium stellte nicht primär das Mittel der Übertragung dar, sondern wurde zum eigentlichen Thema. Generell ist für die europäische Perspektive die Tendenz zu beobachten, Mexiko als ‚Leerstelle‘ wahrzunehmen und damit jeweils ‚von Neuem zu entdecken‘. Eine originelle Rolle innerhalb der europäischen Werke zur Conquista nimmt das Musiktheater Die Eroberung von Mexiko (1992) von Wolfgang Rihm ein. Der Komponist problematisiert darin Darstellungsverfahren auf eine besondere Art und Weise, wenn er z. B. durch die Positionierung der Orchestermusiker und durch die Figurenkonstellationen akustische Prozesse ‚sichtbar‘ macht und „Hörplätze als [kursiv i. Orig.] Schauplätze des Aufeinanderprallens“ (S. 122) entstehen lässt. In der europäischen Moderne und Postmoderne bestand bzw. besteht eine der wichtigsten Aufgaben der Denkfigur der Conquista folglich darin, über Formen der Darstellung zu reflektieren. Das Chicano-Theater in den USA hat seinen Ursprung in den 1960er Jahren innerhalb einer Bürgerrechtsbewegung und ist aus der Tatsache zu begreifen, dass das Exil der Mexikaner in den Vereinigten Staaten aufgrund des marginalisierten Status der Betroffenen neue Identitätskonzeptionen notwendig macht, deren Her- und Darstellung durch performative Praktiken erst ermöglicht wird. Die Kreierung einer eigenen Identität zeichnet sich bei den Mexican-Americans durch den Rückgriff auf den Mythos von Aztlán aus, der besagt, das Ursprungsland der Azteken befinde sich im Südwesten der USA. Diese konstruierte Genealogie macht aus den (z. T. illegalen) Immigranten in den USA Begründer einer Reconquista; die Diaspora hat mit der ‚Wiederaneignung‘ des Territoriums ein Ende. Als eine Herausforderung für die Dramatiker erweist sich die Frage nach der zu wählenden Sprache, in der die
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Vgl. dazu Solloch: „Die Conquista verwandelte Mexiko in einen permanenten Schauplatz, in dem Positionen von Identität und Differenz umkämpft sind. Es ist gerade dieser Status, der noch Jahrhunderte später die Erinnerung an die historischen Vorgänge der Conquista interessant macht und motiviert“ (S. 59). So wurden beispielsweise rituelle Tänze und Handlungen in die Inszenierungen integriert, ohne deren Bedeutung zu erklären oder sie angemessen zu kontextualisieren.
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Werke geschrieben sind. Zur Auswahl stehen das Englische, mit dem ein sehr großer Personenkreis auch außerhalb der eigenen Gruppe erreicht werden kann, das aber die Sprache derjenigen darstellt, von denen die Diskriminierung der Eigengruppe ausgeht, das Spanische, das i. d. R. die Muttersprache zumindest der ersten Generation der Chicanos ist, aber historisch gesehen als Sprache der Eroberer angesehen werden muss, sowie ggf. verschiedene indigene Sprachen, wie beispielsweise das Nahuatl, dessen Instrumentalisierung angesichts des Aztlán-Mythos nahe liegen würde. Die Analyse lässt Solloch zu dem Schluss kommen, dass die Autoren eine Positionierung in der Sprachdebatte vermeiden und stattdessen das „Potenzial des Nebeneinanders von mehreren Sprachen und des damit einhergehenden Kodewechsels“ (S. 175) nutzen 6. Zumindest partiell in Frage gestellt wird die identitätsstiftende Revision der Geschichte der Conquista, wie sie die männlichen Autoren vornehmen, von den sich ebenfalls zu Wort meldenden Chicanas. Diese beklagen bei der Darstellung der Conquista durch Autoren wie Valdez eine einseitige Perspektivierung 7, der sie alternative Repräsentationen besonders der Frauenfiguren La Malinche und La Llorona gegenübersetzen. Während die männlichen Autoren die genannten Figuren in eine Tradition des weiblichen Verrates einzuordnen pflegen (vgl. S. 209), nehmen die Chicanas eine positive Bewertung z. B. des mestizaje vor, indem sie La Malinche als „Begründerin einer neuen Genealogie, der ethnischen Vermischung zwischen Spaniern und indigener Bevölkerung“ (S. 212) darstellen. Die in Kap. IV. erfolgende Erweiterung der Analyse auf Filme, die in das Gebiet der Grenze zu situieren sind (v. a. From Dusk till Dawn), gibt dem Leser weitere Einblicke in die Komplexität der Identitätsentwürfe und Repräsentationsverfahren, aber auch in die auf der amerikanischen Seite des Atlantiks zu beobachtende Zirkularität der Conquista-Darstellungen. Insgesamt gelingt es dem Verf. bei seiner Analyse, die Denkfigur der Conquista als ein Modell zu präsentieren, anhand dessen die Konfrontation zweier Kulturen und die daraus resultierenden Mechanismen der Reflexion und Identitätskonstruktion illustriert werden können. Die sehr umfassende und facettenreiche Studie bietet sich als Anknüpfungspunkt zahlreicher weiterer medienwissenschaftlicher und linguistischer Studien an, zumal ihr
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Ein von Solloch zitierter Textausschnitt aus dem Stück „The Hungry Woman: A Mexican Medea“, von Cherríe Moraga, in: Svich, Caridad/Marrero, María Teresa (Hrsg., 2000), Out of the fringe: Contemporary Latina/Latino theatre and performance, New York, S. 289–362, vermag einen Einblick in dieses ‚Nebeneinander‘ zu geben: „They took on the PRI, the Mexican president got shot and bueno … the rest is his-story [fett im Orig.]. Pan-indigenismo tore América apart and Aztlán was born from the pedacitos. We were contentos for a while […]“ [S. 306 f.], S. 253. Wie sehr es sich hier um eine authentische oder konstruierte Sprachmischung handelt, könnte die Fragestellung einer umfassenden linguistischen Untersuchung der genannten Werke bilden. Aus den vom Verf. ausgewählten Textausschnitten wird die Rolle möglicher indigener sprachlicher Versatzstücke nicht deutlich. Auch hier verspräche eine Analyse der Texte aus sprachwissenschaftlicher Sicht weitere Erkenntnisse. Dass autochthone Sprachen auch dann, wenn sie von der Bevölkerung nicht mehr oder kaum mehr gesprochen werden, eine signifikante Rolle bei der Konstruierung von Identität spielen können, zeigen neuere Studien zum Zusammenhang von Sprache und Identität wie z. B. von É. Feig, „‚RAÍZ QUE ESTÁ POR HACER‘. El guanche en la música popular de Canarias: marcador expresivo de alteridad y uso programático para el fomento de la identidad canaria“, in: Döring, Martin/Osthus, Dietmar/ Polzin-Haumann, Claudia (Hrsg., 2007), Sprachliche Diversität: Praktiken – Repräsentationen – Identitäten. Akten der Sektion 3 des XXIX. Deutschen Romanistentages (Saarbrücken, 25.– 29.9. 2005), Bonn, S. 227–261. Schon die Sprachverwendung wird als sexistisch gebrandmarkt. Solloch zitiert in diesem Zusammenhang in nota 223 (S. 209) die Autorin Gloria Anzaldúa, die in ihrem Werk Borderlands/La Frontera. The new Mestiza, San Francisco (21999) konstatiert: „The first time I heard to women […] say the word ‚nosotras‘, I was shocked. I had not known the word existed. Chicanas use nosotros whether we’re male or female. We are robbed of our female being by the masculine plural. Language is a male discourse [Fettdruck v. C. S.]“ [S. 76].
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Fokus auf die Chicano-Literatur angesichts der jüngsten Pläne der U.S.-amerikanischen Regierung, die Immigration aus Mexiko mittels eines Grenzzauns einzudämmen, nichts an Aktualität eingebüßt hat. Bonn, im Juli 2006 Judi t h Vi s s er
Pedro Lasarte – Lima satirizada (1598–1698): Mateo Rosas de Oquendo y Juan del Valle y Caviedes. Lima, Pontificia Universidad Católica del Perú, 2006. 246 Seiten. Quienes estudiamos la sátira colonial estamos ya hace muchos años en deuda con la labor de Pedro Lasarte. A su excelente edición de la Sátira hecha por Mateo Rosas de Oquendo a las cosas que pasan en el Pirú, año de 1598, cuya publicación en 1990 supuso nada menos que la canonización del escritor en el marco de los estudios dedicados a la literatura colonial, han seguido numerosos trabajos sobre la sátira en el virreinato del Perú. Con su última monografía, Lima satirizada (1598–1698): Mateo Rosas de Oquendo y Juan del Valle y Caviedes, Lasarte nos ofrece nuevamente una aportación erudita, bien documentada, sólida y novedosa sobre este género, de interés no sólo para los críticos literarios, sino también para los estudiosos de la historia cultural del virreinato del Perú de los siglos XVI y XVII. Su estilo claro, en ocasiones incluso irónico (sobre todo cuando se propone desentrañar la anfibología sexual y las referencias escatológicas de los textos), hacen de este libro una lectura tan iluminadora como amena. La introducción y el primer capítulo le ofrecen al lector de manera concisa una sinopsis de la investigación sobre Rosas de Oquendo y Valle y Caviedes, en particular de las incertidumbres que siguen rodeando las biografías y las obras de ambos escritores por un lado, y de las a menudo contradictorias lecturas ideológicas que se han hecho de ellas, por el otro; lecturas que en muchos casos se han limitado a ver en los textos de ambos autores o una servil imitación de modelos occidentales, o, al contrario, parodias „subversivas“ a través de las cuales se cuestiona la cultura y el poder de la metrópoli. Los siguientes capítulos constituyen una serie de análisis detallados y sutiles de la Sátira de Rosas de Oquendo y varios poemas de Valle y Caviedes. En ellos, Lasarte muestra una vez más su gran talento para el análisis formal y estilístico, patente en sus estudios anteriores, pero combinado ahora con una meticulosa recontextualización de los diferentes discursos culturales presentes en las sátiras. Es este último aspecto, tal vez, una de las aportaciones más significativas del libro, ya que, además de revelar la especifidad histórica, geográfica y cultural enmarcada en conocidos tópicos satíricos – como, sin ir más lejos, la sátira misógina y la parodia de la épica en Rosas de Oquendo (55–68 y 118–134) o la sátira contra los médicos en la obra de Caviedes (135–146) – le permite a Lasarte rescatar la inherente ambivalencia de las sátiras que, según él, eluden sistemáticamente una fácil y cómoda clasificación entre la mimesis y el antagonismo. Así, por ejemplo, vemos que en su parodia de algunos discursos oficiales que sustentaban la máquina burocrática de los virreinatos, a saber, las relaciones de méritos (Rosas de Oquendo; 72–79) y los memoriales (Valle y Caviedes; 86–98), la voz satirica de los textos no toma una posición ideológica inequívoca, sino que a la vez apoya y critica las conocidas quejas de los sectores criollos contra los privilegios de los peninsulares. Asimismo, la presentación irónica de las fiestas virreinales, en particular de la celebración de Corpus Christi, le permite a las voces satíricas a la vez denunciarlas como parte de la máquinaria ideológica al servicio de la monarquía española y de un sistema estamental, como presentarse a si mismas como obsecuentes partícipes en esos ritualizados ejercicios de control (99–117). Algo similar ocurre con la incorporación de discursos margina-
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dos. Particularmente revelador resulta aquí la lectura que Lasarte nos ofrece de la reverberación de la nigromancia en la obra de Rosas de Oquendo (162–172), tema que hasta la fecha ha pasado inadvertido para los estudiosos de ese autor. Todo ello corrobora de manera convincente la afirmación de Lasarte sobre la „compleja composición del sujeto colonial peruano“ (210), esto es, el criollo, grupo que, lejos de constituir una entidad social y étnica homogénea, se formaba de distintos sectores con intereses a menudo conflictivos y no necesariamente anti-españoles. En este sentido, el trabajo de Lasarte comparte los postulados de recientes estudios sobre la „ambigüedad criolla“. Me refiero aquí, en particular, al libro editado por José Antonio Mazzotti (Agencias criollas. La ambigüedad „colonial“ en las letras hispanoamericanas, 2000), en el que se recoge una serie de ensayos de importantes hispanoamericanistas – entre ellos el propio Lasarte – sobre la historia, la literatura y la cultura coloniales, y los trabajos del peruanista francés Bernard Lavallé (véase en particular Las promesas ambiguas. Ensayos sobre el criollismo colonial en los Andes, 1993). Resulta muy lograda también la estructura del libro, cuyos subcapítulos alternamente analizan las obras de los dos satíricos. Esta organización nos permite ver, más allá de las ya señaladas similitudes, marcadas diferencias entre ambos escritores con respecto al tipo de sátira que privilegian, y un interesante desarrollo dentro del género en los cien años que marcan los ejes temporales de su estudio. Mientras el romance de Rosas de Oquendo se mueve en un ambiente carnavalesco en el que distintos discursos conviven al mismo tiempo y, por ende, se relativizan, la yuxtaposición de voces conflictivas se presenta en el caso de Caviedes a través de la comparación que Lasarte lleva a cabo de diferentes poemas con los que se satiriza una posición o la opuesta. Podemos vislumbrar asi una importante evolución, dentro de la sátira colonial, de una forma inicialmente dialógica a lo que Bakhtin ha denominado la „satíra retórica“, una variante monológica que pone en primer plano la vituperatio y no la risa burlesca. Amherst, Massachusetts, noviembre de 2007 Ma r í a Sol eda d Ba r bón
M i g u e l d e C ervantes Saavedra – Novelas ejemplares. Estudio preliminar de Javier Blasco y presentación de Francisco Rico, edición de Jorge García López. Barcelona, Galaxia Gutenberg-Círculo de Lectores-Centro para la Edición de los Clásicos Españoles, 2005. CXXVI + 1170 páginas. La aparición de esta nueva y minuciosamente anotada edición de las Novelas ejemplares representa una excelente noticia para los cervantistas, dado el considerable volumen de monografías y artículos de toda orientación aparecidos en las últimas décadas; de la proliferación de estos últimos puede dar idea la información recogida parcialmente en compilaciones como las de Stanislav Zimic, Las novelas ejemplares de Cervantes, Madrid, Siglo Veintiuno Editores, 1996, o Dana B. Drake Cervantes’ Novelas ejemplares: a selective annotated bibliography, New York, Garland, 1981. A esa laboriosa compilación de fuentes y noticias se ha unido la espinosa tarea de editar desde una sólida y moderna base filológica un texto deturpado desde su edición príncipe en cuyo devenir editorial se ha oscilado entre el mantenimiento de lecturas erróneas por un exceso de sumisión al texto príncipe y el recurso – en demasía – a la enmienda ope ingenii cuando no se añaden erratas ficticias nacidas de la consulta – en vez del impreso original – de facsímiles derivados de la reproducción deturpada que de las Novelas ejemplares editara la Real Academia en 1917, tomo IV de sus Obras completas de Cervantes. La condición de especialista en ecdótica de García López se echa de ver en la minuciosidad y precisión con la
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que reconstruye la historia editorial de las Novelas y elabora un aparato crítico minucioso de los loci critici. Para superar las dificultades textuales que encierra la edición príncipe, establece un inventario de lugares críticos que confronta con soluciones de la tradición editorial antigua y moderna (apud „La presente edición“). Al margen de los doce textos recogidos en el impreso de 1613, edita en apéndice las versiones del perdido manuscrito de Porras de la Cámara de Rinconete y Cortadillo y de El celoso estremeño, así como el texto de La tía fingida, obra conservada también en un manuscrito de la Biblioteca Colombina, cuya atribución cervantina ha sido objeto de controversia. El texto crítico resultante, acertadamente puntuado de acuerdo con criterios ortográficos modernos, es respetuoso con las particularidades lingüísticas pertinentes del español del XVII, toda vez que cómodamente legible para quien conozca, o no, el español de la época y no desee aventurarse por la selva de la anarquía ortográfica del impreso original. Esa misma vocación de presentar al lector un texto despejado que simplifique su acceso directo a las Novelas es la que se encuentra detrás de la anotación de lugares del texto que precisan aclaración, recogidos en un detallado índice onomástico que cierra la edición. Siguiendo las directrices del Centro para la Edición de Clásicos Españoles (CECE), García López reparte en tres apartados las informaciones precisas para la comprensión de un texto escrito hace ya tres siglos. A pie de página sitúa aquellas notas que sean precisas para la comprensión de cualquier materia, palabra o alusión fuera del alcance de un lector medio; únicamente se incorporan notas de contenido textual, comprensiblemente, en el caso de los tres textos conservados en trascripciones del perdido manuscrito del licenciado Porras y el apócrifo de la Colombina. Tras del texto, y después del aparato crítico, se encuentran las notas complementarias que, destinadas a completar aquellos aspectos someramente abordados en las notas al pie, conjugan las informaciones allegadas por el editor con las aportaciones bibliográficas de la crítica. En su elaboración el autor ha tomado en consideración la labor de los distintos editores previos del texto, toda vez que recoge sintéticamente las contribuciones de la crítica en el discernimiento de lugares precisos del texto. Pero dada la multiplicación de análisis y abordajes de todo tipo a los que aludía al inicio de esta reseña, consigna al principio de cada relato, con la sistematización y síntesis ensayada en la edición del Quijote del CECE, una nota extensa donde discute y conecta las distintas reflexiones de carácter literario que han suscitado cada novela; esa información sucinta se prolonga desarrollándose en la primera nota complementaria, donde se expone por extenso las vicisitudes seguidas por las distintas interpretaciones de cada relato. Como era esperable, tal modelo no se aplica de manera automática a cada pieza, pues cada una exige una aclimatación del modelo. Es este uno de los grandes aciertos, a mi juicio de la edición, pues gracias a un apreciable esfuerzo de síntesis, el especialista puede acceder fácilmente a las principales y más modernas líneas de investigación e interpretación que ha suscitado cada texto con una ordenación cronológica y una interconexión nocional cuyo interés es sólo comparable a la dificultad y complejidad de su elaboración. Al texto y las notas les precede una introducción en la que el editor pasa revista a cinco cuestiones centrales del texto desde la perspectiva de la historia literaria: La motivación biográfica y literaria de Cervantes para producir la compilación de materiales que denominamos Novelas ejemplares, las distintas hipótesis sobre el momento de su escritura, una reconstrucción de las clases de textos en las que se han ido encuadrado o con las que se le han señalado diversas relaciones, los distintos procedimientos narrativos empleados por cada una de las Novelas y la historia editorial del texto. El editor ha conseguido construir en esta sección un panorama minucioso y bien estructurado de tesis heterogéneas – cuando no contrarias – de generaciones de cervantistas, con una perspicacia que impregna también su estilo, cuya soltura y precisión se corresponden con la agilidad y lucidez de su razonamiento y exposición. Su exhaustividad en la recopilación de materiales no le ha privado, por otra
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parte, de exponer sus propias conclusiones en cada sección, como en el caso de su innovadora hipótesis sobre la fecha de escritura de las Novelas. La edición y estudio se complementa con sendas porciones liminares de Francisco Rico y Javier Basco en torno a la función que han tenido para la posteridad literaria las Ejemplares. Se trata, en definitiva, de la edición „de referencia“, como insiste el profesor Rico, para un lector no necesariamente especialista de las Novelas ejemplares por su atinada disposición editorial; el lector que busque simplemente la lectura del texto podrá acceder a él con la ayuda de unas notas a pie de página que no le obstaculizarán su propósito, toda vez que el especialista contará en su biblioteca con una edición modélica de un texto canónico de la literatura española del siglo de oro. Salamanca, julio de 2006 Mig uel M. G a rcí a - B er m ej o G i ner
Verzeichnis der Abkürzungen AATSP AEM AFA AL ALH AnL Anuario L/L ASNSL BICC BRAE BSL BSS CFS CLA Journal Clex CLF CuA CUP DCECH DCELC DRAE DUE EUNSA FMLS GLLF GRLM H Hf Hling HR HSK IeO IRal
KRQ LA LD LFr LiLi LRL LS
The American Association of Teachers of Spanish and Portuguese Anuario de Estudios Medievales Archivo de filología aragonesa Archivum Linguisticum Acta linguistica Hungarica Anuario de Letras Anuario L/L: Instituto de Literatura y Lingüística de la Academia de Ciencias de Cuba Archiv für das Studium der Neueren Sprachen und Literaturen Thesaurus. Boletín del Instituto Caro y Cuervo Boletín de la Real Academia Española Bulletin de la Société de Linguistique de Paris Bulletin of Spanish Studies Cahiers Ferdinand de Saussure College Language Association Journal Cahiers de Lexicologie Cahiers de Linguistique Française Cuadernos Americanos Cambridge University Press Diccionario Crítico Etimológico Castellano e Hispánico Diccionario Crítico Etimológico de la Lengua Castellana Diccionario de la Real Academia Española Diccionario de Uso del Español Ediciones de la Universidad de Navarra [Sociedad Anónima] Forum for Modern Language Studies Grand Larousse de la Langue Française Grundriß der Romanischen Literaturen des Mittelalters Hispania (Journal of the AATSP) Hispanófìla Hispanic Linguistics Hispanic Review Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft Italiano e Oltre International Review of Applied Linguistics in Language Teaching/ Internationale Zeitschrift für angewandte Linguistik in der Spracherziehung Kentucky Romance Quarterly Linguistica Antverpiensia Language Development Langue française Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik Lexikon der Romanistischen Linguistik Lebende Sprachen
492 MLN NM NRFH NS QLL RAE RCEH RDTP REH REH-PR RER REW RF RFE RFH RHI RI RILCE RJb RLaR RLiR RoNo RPh RRo RSEL RZLG TLL TRANEL UNAM VR Word ZFSL ZGL ZRPh
Abkürzungsverzeichnis
Modern Language Notes Neuphilologische Mitteilungen Nueva Revista de Filología Hispánica Die Neueren Sprachen Quaderni di Lingue e Letterature Real Academia Española Revista Canadiense de Estudios Hispánicos Revista de Dialectología y Tradiciones Populares Revista de Estudios Hispánicos Revista de Estudios Hispánicos-Puerto Rico Revue des Études roumaines Romanisches Etymologisches Wörterbuch Romanische Forschungen Revista de Filología Española Revista de Filología Hispánica Revue Hispanique Revista Iberoamericana Revista del Instituto de Lengua y Cultura Españolas Romanistisches Jahrbuch Revue des Langues Romanes Revue de Linguistique Romane Romance Notes Romance Philology Revue Romane Revista española de lingüística: Órgano de la Sociedad Española de Lingüística Romanistische Zeitschrift für Literaturgeschichte Travaux de linguistique et de littérature Travaux Neuchâtelois de Linguistique Universidad Nacional Autónoma de México Vox Romanica Word. Journal of the International Linguistic Association Zeitschrift für Französische Sprache und Literatur Zeitschrift für germanistische Linguistik Zeitschrift für Romanische Philologie
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■ Leo Spitzers Briefe an Hugo Schuchardt Hrsg. v. u. mit einer Einl. v. Bernhard Hurch Unter Mitarb. v. Niklas Bender, Annemarie Müllner 2006. LV, 432 Seiten. 17 Abb. Gebunden. ISBN 978-3-11-018039-8 1912 sucht der junge sozialistische jüdische Wiener Dozent Leo Spitzer (1887-1960) Kontakt zum alten charismatischen, aber konservativen Professor Hugo Schuchardt (1842-1927), woraus sich eine für beide Beteiligten intensive Korrespondenz bis ins hohe Alter des Letzteren ergibt. Obwohl Gegenbriefe Schuchardts nicht erhalten sind, geben doch die hier veröffentlichten nahezu 250 Schreiben Leo Spitzers ein auch stilistisch eindrucksvolles Zeugnis von Welten, die aufeinander prallen, aber - nicht ohne Skepsis - wieder zueinander finden. In ihnen offenbaren sich eine Welt und ein akademisches Getriebe, in denen sich zunehmend Antisemitismus breit macht, sowie der sprachforschende, kulturelle, politische und menschliche Alltag. Kaum einer verstand es, bis ins hohe Alter Besonderheiten und Alltäglichkeiten so sehr in seiner eigenen wissenschaftlichen Forschung zu vermitteln wie Leo Spitzer. „Man darf Schuchardts spätem Nachfahren Bernhard Hurch, der den gleichen Lehrstuhl bekleidet, zu dieser Edition gratulieren, die einen der bedeutendsten deutschsprachigen Romanisten des letzten Jahrhunderts wieder ins Bewusstsein rückt und in seine akademischen Ehrenrechte einsetzt, die ihm durch die Vertreibung von seinem Kölner Lehrstuhl im Sommer 1933 genommen wurden.“ Frank Rutger Hausmann in: Süddeutsche Zeitung 13.11.2006
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N Liebe und Emergenz N Neue Modelle des Affektbegreifens N im m französischen Kulturgedächtnis um 1700 u Herausgegeben von H Kirsten Dickhaut und Dietmar Rieger K 2007. IX IX, 356 Seiten Seiten. Leinen Leinen. 2007 € 78,– [D]/ sFr 134,– /*US$ 109.00 ISBN 978-3-484-50722-5 Das dynamische „Kulturgedächtnis“ wird auch durch Emotionen geregelt, denn diese sind in die sozialen, historischen und kulturellen Seinsweisen eingebunden und bestimmen sie maßgeblich. Der Band zur erinnerungskulturellen Symbolik, Funktion und Bedeutung des Liebesaffekts in französischen Texten zwischen 1650 und 1750 lenkt den Blick systematisch auf die Formen des Affektbegreifens und konturiert neue Modelle, die vor dem Horizont der Vorstellungen von Eros, Philia und Agape emergieren. Ergebnisse der Studien sind kultursemiotische Perspektiven auf die Liebe, die eine höherstufige Reflexion des Affektbegreifens ausweisen und erstmals im theoriegeleiteten Blick auf die Liebe Neupositionen im historisch-anthropologischen Feld qualifizieren. Der Band wird ergänzt durch eine umfassende Forschungsbibliographie.
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Dictionnaire étymologique de l’ancien français (DEAF) [Etymologisches Wörterbuch des Altfranzösischen]
N Complément bibliographique 2007 Edité par Frankwalt Möhren 12/2007. Ca. 620 S./pp. Geheftet/Stapled. € 172,– / sFr 275,– / *US$ 232.00 ISBN 978-3-484-50616-9 La Bibliographie du DEAF est un outil pour accéder à la littérature française du moyen âge et à la littérature scientifi que correspondante. Elle remplit plusieurs fonctions: la première en est de fournir la clé bibliographique du DEAF, la deuxième de caractériser qualitativement les sources et spécialement les sources primaires, la troisième de livrer à l’utilisateur du dictionnaire et de la Bibliographie des informations supplémentaires: identifi cation des manuscrits, datation et localisation des textes et des manuscrits, renvois aux manuels bibliographiques et aux abréviations des dictionnaires voisins. Buchstabe G + Index G 1974-1995. Geheftet/Stapled. Insgesamt 10 Faszikel + Index € 410,– / sFr 656,– / *US$ 574.00 ISBN 978-3-484-50082-2 Buchstabe H 1997-2000. XII, 420 S./pp. Geheftet/Stapled. Insgesamt 5 Faszikel € 210,– / sFr 336,– / *US$ 294.00 ISBN 978-3-484-50600-8 Index H 2000. VII, 136 S./pp. Gebunden/Hardcover. € 54,– / sFr 83,– / *US$ 76.00 ISBN 978-3-484-50605-3
Buchstabe I 2001-2003. XIV, 304 S./pp. Geheftet/Stapled. Insgesamt 4 Faszikel € 104,– / sFr 166,– / *US$ 140.40 ISBN 978-3-484-50606-0 Fascicule J 1 2004. I, 94 S./pp. Geheftet/Stapled. € 36,– / sFr 58,– / *US$ 50.00 ISBN 978-3-484-50611-4 Fascicule J 2 2005. 96 S./pp. Geheftet/Stapled. € 36,– / sFr 58,– / *US$ 50.00 ISBN 978-3-484-50612-1 Fascicule J 3 2007. 97 S./pp. Geheftet/Stapled. € 36,– / sFr 58,– / *US$ 50.00 ISBN 978-3-484-50614-5
Le DEAF est un ouvrage fondamental de recherche qui traite le lexique ancien français de façon exhaustive. Il couvre le français de ses débuts (Serments de Strasbourg 842) jusqu’au milieu du XIVe siècle, dans toute son extension diatopique (de l’anglonormand jusqu’aux écrits produits en Italie du Nord et en Terre Sainte), sur la base des textes littéraires et non-littéraires et les glossaires anciens. Il classe le vocabulaire ancien français par familles étymologiques et le place dans l’histoire du français et des langues romanes. Il atteste et localise toutes
les variantes graphiques de chaque mot et il en analyse le sémantisme, en datant, localisant et attestant par une série de renvois les sens dont chacun est illustré par au moins un contexte. Le DEAF exploite toutes les sources primaires, secondaires et tertiaires disponibles - manuscrits, éditions, glossaires, dictionnaires à attestations et dictionnaires étymologiques. Sa recherche étymologique est ancrée dans sa recherche philologique préalable. Toutes les données présentées proviennent directement des sources primaires.
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