T Chronologie und Reihung der BriejeI(3941 395 bis 405)'
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T Chronologie und Reihung der BriejeI(3941 395 bis 405)'
kommt, ist, einen bestimmten Charakterzug herauszuarbeiten. Gefragt werden soll nach der jeweiligen Kritikfähigkeit oder -unfähigkeit, Kritikbereitschaft oder -verweigerung. Dieser bisher nicht beachtete Aspekt scheint mir zum einen interessanter zu sein als die allgemeine, ihren Konflikt tendenziell verharmlosende Rede von schwer zusammenpassenden Charaktertypen. Zum anderen lassen sich auf dieser Interpretationsschiene etliche Aussagen in diesen Briefen und das Verhalten der Korrespondenten präziser und profilierter erklären:i- alse das _bislang geschehen ist. _ _____ _
ZWEITER TEIL LIEBE UND KRITIK AUGUSTINUS UND HIERONYMUS Von großer Anziehungskraft erweist sich neben dem Disput um die Auslegung von Gal. 2,11-14 immer wieder die persönliche Seite des Briefwechsels zwischen Augustinus und Hieronymus. »Beide Korrespondenten charakterisieren sich menschlich, religiös und wissenschaftlich so wundervoll in diesen Briefen, daß sie zu den wertvollsten Dokumenten der Geschichte gehören.« Bild der Per!,önlichkeiten der Streiter, wir daraus erhalten, ungemein reich und anschaulich: was von Witz, Scharfsinn, buntem Wissen, sehr bedeutendem Schriftstellertalent, Oberflächlichkeit, Leichtfertigkeit, Eitelkeit, Griesgrämigkeit und Tücke in dem Einen gewesen ist, und was von Geist, Tiefsinn, Innerlichkeit, ernster Würde und herzlicher Liebenswürdigkeit in dem Andern kommt dabei zum Vorschein.«l P. BRoWN charakterisiert diese Briefe als »ein einzigartiges Dokument innerhalb der frühen Kirche, denn es zeigt, wie zwei hochzivilisierte Männer mit mühsamer Höflichkeit einen einmalig eI'bittertenBriefwechsel führten«.2 Was die Aufinerksamkeit vor allem auf sich zieht, ist die Verstimmung zwischen den beiden berühmten Männern, die in der ersten Phase ihrer Kontakte, die von 394/395 bis 405 dauerte (1), beinahe zum Bruch geführt hätte (II und Zur Erklärung der persönlichen Differenzen wird in der Forschung durchweg auf die mißlichen äußeren Umstände der Briefübermittlung und besonders auf den »Kontrast der Charaktere« verwiesen. 3 In dieser trifft das auch zu. Bei_____ des hat Verlauf und K()Iltakts in diesen Jahren wesentlich beeinflußt. An dieser gängigen Sichtweise soll hier ein neuer Aspekt aufgezeigt werden. Die folgende Darstellung wird ergeben, daß es vor allem die von Augustinus an Hieronymus geübte Kritik war, die dessen Verstimmung entscheidend ausgelöst hat. Ihre jewei?-ge Einstel -lung zu Kritik hat eine wesentliche Rolle Umgang mit den entstandenen Differenzen-gespielt; Sie hatten völlig konträre Ansichten, die Hieronymus, angestoßen durch den aktuellen Konflikt, zu erkennen gibt (III) und die Augustinus, darauf reagierend, ausführlich darlegt (IV). Um Kritik geht es also in diesem Zweiten Teil. Die jeweilige Einstellung hierbei hat natürlich mit dem Charakter zu tun. Insofern gilt der allgemeine Verweis auf die unterschiedlichen PersÖnfi.chkeiteri-zm: Erklärung der Differenzen weiter. Worauf es mir an-
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I LrETZMANN, Entstehungsgeschichte 286; OVERBECK, Streit 49. 2 BROWN, Augustinus 241. Ferner THIERRY, Dispute 473; DE BRUYNE, Correspondance 247: »Au point de vue religieux, psychologique, scientifique et litteraire, ces lettres sont panni les plus interessantes de la litterature latine«; DAVIS, Controversy 109: »to say nothing of its fascination«; KELLY, Jerome 263: »a sterile but remarkably revealing exchange« (vgl. ebd. 272); O'CONNELL, Correspondence 344f. S MOEHLER, Streit 9.16f; BINDESB0LL, Augustinus 6; OVERBECK, Briefwechsel 223.242; GRÜTZMACHER, Hieronymus 3, 120; THIMME, Augustin 31; TOURScHER,
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Correspondence 479; HArl:JEMA, Briefwisseling 167f; DE VATHAIRE, Relations 486.493; CAVALLERA, Quaestiones 359; MARRou, Bildung 89; NOLTE, Freundschaftsideal 86.89; PARSONS, FaCh 12, XVII-XVIII; McNAMARA, Friendship 178.180451 ; COUGHLIN, Jerome 108-111; PrZZOLATO, L'amicizia cristiana 112.115; HAGENDAHL, Augustine 524: »indisputable moral superiority« Augustins; MAYER, Amicitia 75; POSTHUMUS MEYJES, Controverse 8; DOLBEAu, Sermons inedits 47: Hieronymus reagierte lange nicht auf Augustins 'Anfragen »en raison d'un malheureux concours de circonstances«; TRISOGUO, Personalita 581-585.587-589.598 20 ; FLEMING, Lie 209f; FUHRMANN, Rom 202.
1. CHRONOLOGIE UND REIHUNG DER BRIEFE I (394/395 BIS 405)
_ Fragt: man _nach_Qer in 9..!!.:rJ._Jahren von 394/395 bis 405, muß man sich zunächst ein zutreffendes Bild vom äußeren Ablauf .ihrer Korrespondenz machen. Die entscheidende Erkenntnis dabei ist die, daß die BriefPartner Entwicklung und VeI;lauf ihrer Kontakte sehr unterschiedlich erlebten. Erst wenn man sich ihre verschiedenen Perspektiven klarmacht, werden ihre Reaktionen und Verhaltensweisen verständlich. Wenig Schwierigkeiten macht die absolute Chronologie. Ich halte mich an die üblichen Datierungen und gebe detailliertere Informationen und Nachweise nur, wo sie wichtig (etwa für Augustins Epistula 28) oder strittig (etwa bei Hieronymus' Epistula 103) sind. 4 Die Festlegung der Abfassungszeit der einzelnen Briefe ist indes für diese Korrespondenz wenig aussagekräftig. Abfassung, Absendung, Ankunft und schließlich BeantwoI!lillg eines Briefes - Augustinus klagt angesichts der postalischen Schwierigkeiten: quando rescribes? quando mittes.'? quando perveniet? quando aCcipiam? (epist. 73,7) - liegen bisweilen mehrere Jahre auseinander: Epistula 28, verfaßt 394/395, wurde erst 403 mit Epistula 71 zu Hieronymus geschickt; Epistula 40, verfaßt wohl 397, gelangte auf Umwegen gegen 402 zu und wurde 404 mit Epistula 112 beantwortet; Epistula 102 von 402 war zwei Jahre lang unterwegs zu Augustinus; Epistula 105 blieb wohl erst in Bethlehem liegen und -gmg 'danri zusammen mit Epistula 112 ab; nach Eintreffen von EplstuIae 105 und 1 tete Augustinus mit einer Antwort, die er dann nach Erhalt von Epistula 11-5-mit Epistula 82 gab. Manche Briefe kreuzten sich auf dem langen Weg zwischen Hippo Regius und Bethlehem: Epistula 40 mit Epistula 103; Epistula 102 mit Epistula deperdita I Augustini und Epistula 71; Epistula 112 mit Epistula 73. Schließlich handelt es sich um alles andere als eine wohlgeordnete Korrespondenz, in der Brief auf Brief sich einzeln abwechseln. Nicht immer antwortet ein Schreiben auf nur ein anderes: Hleronymus' Epistula deperdita I auf einen Gruß Augustins; Augustinus darauf mit Epistula 40; Epistula 102 auf Epistula 67; Epistula 105 auf Augustins Epistula deperdita I; Epistula 73 auf Epistula 102; Epistula 115 (wahrscheinlich) aufEpistula 73. Die beiden großen Briefe des Hieronymus und des Augustinus sind hingegen die Antwort auf mehrere Schreiben: Epistula 112 (inhaltlich) auf Epistulae 28, 40 und 71; Epistula 82 aufEpistulae 105, 112 und 115. Zu alledem ist manches 4 Chronologien (mit Tabellen) sind zu fmden bei den MAURINERN, PL 33, 13-48; VALLARSI, PL 22, XLIXXCII; GRÜTZMACHER, Hieronymus 1, 82-85; PRONBERGER, Chronologie 89-91; HArTJEMA, Briefwisseling 173 -198; GOLDBACHER, CSEL 58, 12-63; CAVALLERA, Jeröme 2, 47-50; LrETZMANN, Entstehungsgeschichte
286-291; SCHMID, FlorPatr 22, 1-9; DE BRUYNE, Correspondance 247; LABOURT, Lettres 3, 259f; CARROZZI, NBA 1, CVIII-CXVII; WHITE, Correspondence 17 -34; MORGENSTERN, Briefpartner 218; HENNrNGS, Briefwechsel 29-45.
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Ghronologie und Reihung der Briefe I (3941395 bis 405)
Zweiter Teil: Liebe und Kritik
nicht mehr erhalten (je ein Brief von Hieronymus und Augustinus und eine subscripta salutatio Augustins). Ein illustratives Beispiel für das Kopfschütteln, das ein so chaotischer Befund hervorrufen kann, sind die von A. ALLGEIER geäußerten Bedenken gegen die übliche Chronologie. In einer Fußnote geht er kurz auf sie ein und brihgt zwei Punkte zur Sprache, nämlich daß Hieronymus Augustins Epistula 28 aus den Jahren 394/395 - ALLGEIER gibt 393/394 an, - 4ü3_Lmit ____ Epistula 112 beantwortet und daß er auf Augustins Bitte aus dem Jahr 405, er möge ihm seine Revision des lateinischen Alten Testaments nach dem griechischen Text der Septuaginta zuschicken (epist. 82,34), erst 416 reagiert haben soll (epist. 134,3). »In diesen Ansätzen müssen mehrere Fehler liegen«, merkt ALLGEIER an. 5 Allein: Beide Zusammenhänge sind richtig, so mag-'--_____ _______ Dieses Tohuwabohu macht es unerläßlich, sich die relative Chronologie bzw., noch genauer, das Schicksal jedes einzelnen Briefes und die exakten Bezüge der Briefe untereinander klarzumachen. Eine tabellarische Übersicht 6 ist dabei zwar für die Orientierung im Wirrwarr der Zahlen hilfreich. Da aber die verschlungenen Wege der einzelnen Briefe aus einer bloßen Aufreihung nicht ersichtlich werden, kann der Ablauf im Grunde nur erzählt werden.
1. Probleme der Briefübermittlung --
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Sowohl in ihrer ersten als auch in ihrer zweiten Phase (415 bis 419) ist diese Korrespondenz eine anschauliche Demonstrierung für nahezu alles, was an Sc;:hwierigkeiten privaten ___ Kontakts inderSpätan_tike über eine so weite Entfernung hinweg (mehr als 2000 Kilometer) auch anderweitig zur Genüge bekannt ist.1 Die Briefschreiber hatten vor , allem mit zwei Problemen zu kämpfen. Da es kein organisiertes Postwesen gab und die kaiserliche Post nur amtliche Schriftstücke beförderte, war der private Absender apf einen Boten angewiesen. Über eine Strecke wledie ZMscnen:-Hlppü-Reglus --afrika-theute Bone in Algerien) und Bethlehem-in-Palästina gab man seine Post in der Regel Leuten mit, die aus irgendwelchen Gründen (Geschäftsreise, Pilgerfahrt) an den jeweiligen Zielort reisten. Das Hauptproblern war, einen zuverlässigen Boten zu fmden. 8 Literarisch hat sich das in der sogenannten niedergeschlagen, dem Hinweis (meist zu Beginn eines Briefes) auf die günstige Gelegenheit zum Übersenden eines Briefes, die man ---gerade in Gestalt eines geeigneten Boten gefunden habe. In diesem Briefwechsel findet sie sich häufig, jeweils gekoppelt mit der Betonung der Verläßlichkeit des Boten (epist. 67,1; 71,1; 166,2; 19",3.4; 143,1).9 Von daher wird verständlich, daß man besonders verläßlichen Boten schon einmal ein ganzes Paket an Briefen mitgab, wie hier Augustinus Cyprian im
ALLGEIER, Einfluß 1\. Unten S. 108. 7 GORCE, Voyages 111-119.216-225.232-238; CHEVALLIER, Voyages 57.60.114-119; E,pP, Letter Canying 43-56; MORGENSTERN, Briefpartner 5f. 8 Schon von Cicero des öfteren erwähnt: Att. 1,13,1; 4,15,3; 4,17,1.
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9 Zudem etwa Hieron. epist. 106,2 (CSEL55, 249); Aug. epist. 145,1 (CSEL 44, 266); 149,1 (44, 348f); 179,7 (44,695); 191,1 (57,163); 192,1 (57, 166); 193, 1 (57, 167f); 224,1 (57,451); 17",1 88); 23",1 (88, 120); 28*,4 (88, 135): KOSKENNIEMI, Phraseologie 7987; PELLEGRINO, NBA 1, XV; THRAEDE, Brieftopik 117; TIBlLETTI, Lettere 80-82; CuGUSI, L'epistolografia 402f.
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Jahr 403 und Innocentius und Lucas im Jahr 416. 10 Von diesbezüglichen Schwierigkeiten der Briefübermittlung ist oft die Rede, in diesen Briefen etwa von Botenmangel: Hieronymus suchte für Epistula 105 im Jahr 403 zunächst vergeblich einen Überbringer und fand für die scripta im Jahr 418 überhaupt keinen; Verhinderung des vorgesehenen Boten: Profuturus, der in den Jahren 394/395 Augustins Epjstula28 hätte überbringen sollen, gab seine Reisepläne auf; Drängen des eilig weiterreisen wollenden Boten, das nicht nurll einen ____ epistolographischenGemeinplatz ,darstellt,12-»une [aGon commode ,de faire_excuser_Ies imperfections d'un travail«,13 sondern wie in epist. 112,1 ganz real aufgefaßt werden kann;14 Unzuverlässigkeit des Boten15 und Unterschlagung und unbefugte Weitergabe von Briefen an Dritte, wofür dieser Briefwechsel ein berühmtes Beispiel parat hält (Epistula 40); Augustins Bemerkung in Epistula 40, es sei manchmal gefährlich, ein Thema brieflich zu erör_________ tern, zielt auf Risiko (epist. p-ericulose de!flonsJ!(J;[i si_ coram inter nos conloqueremur);16 schließlich Verstümmelung eines Briefes in Abschriften, was Epistula 40 auf dem Weg der Unterschlagung widerfahren ist. Das zweite, hier besonders deutliche Problem eines Briefkontakts über eine weite Entfernung hinweg war die im Extremfall jahrelange Beförderungsdauer. Oft klagt Augustinus über die longinquitas terrarum zwischen Hippo Regius und Bethlehem (epist. 73,9; ferner 71,2; 73,7; 166,1.8; für Hieronymus epist. 112,18) und über die langen Übersendungszeiten (epist. 166,1: per intervalla non dierum, non mensium, sed aliquot annorum) . Epistula_102-des Hieronymus brauchte zwei Jahre nach Hippo. Dazu kommen die Mühen und Gefahren einer weiten Reise (epist. 105,1), die jede Briefsendung zu einem Risiko machten. 17 Angesichts dieser mannigfachen Schwierigkeiten ist es schon ein wenig erstaunlich,. 4