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6 34 18 18 > 18 1 p 6 5 : ¼ 2 34 2 2
8 Dezimalzahlen und Dualzahlen Es gibt verschiedene Mo¨glichkeiten zur Darstellung von Zahlen. Die einzelnen Zeichen zur Darstellung von Zahlen sind die Zahlzeichen oder Ziffern. Grundsa¨tzlich unterscheidet man zwischen sogenannten Positions- oder Stellenwertsystemen und Additionssystemen. Bei einem Positionssystem ist der Wert einer Ziffer abha¨ngig von der Position dieser Ziffer innerhalb der Zahl. Bei Additionssystemen wird der Wert aller Zahlzeichen einfach addiert, um den Wert der Zahl festzulegen. Ein Beispiel fu¨r ein Positionssystem ist unser Dezimalsystem, ein Beispiel fu¨r ein Additionssystem ist das ro¨mische Zahlensystem.
8.1 Dezimalsystem Die heute u¨bliche Schreibweise der Zahlen ist die Dezimalschreibweise, das heißt, es gibt 10 verschiedene Ziffern (0, 1, 2, . . ., 9) zur Darstellung der Zahlen. Jede Ziffer hat den zehnfachen Stellenwert der ihr rechts folgenden Ziffer. Im Dezimalsystem dargestellte Zahlen nennt man Dezimalzahlen. &
Beispiel: 3607 ¼ 3 103 þ 6 102 þ 0 101 þ7 100 ¼ 3000 þ 600 þ 0 þ 7
Der Wert einer Ziffer innerhalb der Zahl ergibt sich also folgendermaßen: Die Einerstelle bleibt unvera¨ndert (Multiplikation mit 100 ¼ 1), die Zehnerstelle wird mit 101 ¼ 10, die Hunderterstelle wird mit 102 ¼ 100, die Tausenderstelle wird mit 103 ¼ 1000, . . ., die n-te Stelle wird mit 10n 1 multipliziert.
Das Dezimalsystem (auch Zehnersystem genannt) ist also ein Positionssystem zur Basis 10. Eine solche Schreibweise wurde erst mo¨glich nach Einfu¨hrung der Null (fu¨r „nichts“). Unser Zahlensystem wurde im ersten Jahrtausend nach der Zeitenwende in Indien entwickelt. Es gelangte u¨ber den arabischen Raum zuna¨chst nach Spanien und dann nach Mitteleuropa, wo noch bis zum 16. Jahrhundert mit dem ro¨mischen Zahlensystem gerechnet wurde. Wegen dieses Ursprungs nennt man unsere Ziffern auch indisch–arabische Ziffern. Im Dezimalsystem lassen sich auch rationale und reelle Zahlen darstellen. Die Darstellung einer reellen (rationalen oder irrationalen) Zahl als Dezimalzahl nennt man auch Dezimalbruch (vgl. auch Abschnitt I.3). &
Beispiel: 486;2545 ¼ 4 102 þ 8 101 þ 6 100 þ 2 101 þ 5 102 þ 4 103 þ 5 104 ¼ 400 þ 80 þ 6 þ 0;2 þ 0;05 þ 0;004 þ 0;0005
Der Wert einer Ziffer innerhalb der Zahl ergibt sich dadurch, daß die n-te Stelle vor dem Komma mit 10n 1 und die m-te Stelle nach dem Komma mit 10m multipliziert wird. Ist a ¼ an an 1 . . . a2 a1 a0 ; a1 a2 . . . am eine Zahl mit den Ziffern an ; an1 ; . . . ; a2 ; a1 ; a0 vor dem Komma und den Ziffern a1 ; a2 ; . . . ; am nach dem Komma, dann gilt also a¼
n P i ¼ m
ai 10i
ð Þ
Die Stellen mit i 0 bilden den ganzen Teil, die mit i < 0 den gebrochenen Teil der Zahl. Fu¨r andere Zahlensysteme, na¨mlich Positionssysteme zur Basis B, gilt ð Þ ganz analog, wenn man 10 durch die entsprechende Basis B ersetzt (zum Beispiel B ¼ 2 fu¨r das Dualsystem).
8.2 Dualsystem Das Dualsystem ist ein System zur Darstellung der Zahlen, in dem es nur zwei Ziffern (0 und 1) gibt. Das Dualsystem wird deshalb manchmal auch Bina¨rsystem oder Zweiersystem genannt. Es ist ein Positionssystem zur Basis 2. Der Wert einer Ziffer ist also abha¨ngig von der Position innerhalb der Zahl. Jede Ziffer hat den doppelten Stellenwert der ihr rechts folgenden Ziffer. Im Dualsystem dargestellte Zahlen nennt man Dualzahlen. &
Beispiel: Der Dualzahl 1 001 101 entspricht die Dezimalzahl 1 26 þ 0 25 þ 0 24 þ 1 23 þ 1 22 þ 0 21 þ 1 20 ¼ 64 þ 0 þ 0 þ 8 þ 4 þ 0 þ 1 ¼ 77.
Die Umrechnung von einem Zahlensystem in ein anderes wird als Konvertierung bezeichnet. Werden mehrere Zahlensysteme gleichzeitig benutzt, so ist
I Arithmetik es zur Vermeidung von Irrtu¨mern u¨blich, die Basis als Index anzuha¨ngen.
15
9 Logarithmen 9.1 Definition des Logarithmus
&
Beispiel: 1 001 1012 ¼ 7710
Die Darstellung reeller Zahlen im Dualsystem ist analog der Darstellung im Dezimalsystem. Der Wert einer Ziffer innerhalb der Zahl ergibt sich dadurch, daß die n-te Stelle vor dem Komma mit 2n 1 und die m-te Stelle nach dem Komma mit 2m multipliziert wird. &
Beispiel: 101 100 011;10112 ¼ 1 28 þ 1 26 þ 1 25 þ 1 2 þ 1 1 þ 1 21 þ 1 23 þ 1 24 1 1 1 11 ¼ 256 þ 64 þ 32 þ 2 þ 1 þ þ þ ¼ 355 ¼ 355;687510 2 8 16 16
Dualsysteme sind sehr bedeutend in Elektrotechnik und Datenverarbeitung. Computer sind zeichenverarbeitende Maschinen. Die externen Zeichen (Buchstaben, Ziffern, Sonderzeichen) werden intern im Bina¨rcode in Form von Bitfolgen dargestellt. Ein Bit (Abku¨rzung von Binary Digit) ist die kleinste darstellbare Informationseinheit mit den Werten 0 und 1. Acht Bit werden zur na¨chstho¨heren Einheit, dem Byte, zusammengefaßt. Zahlen werden in Computern in mehreren aufeinanderfolgenden Bytes dargestellt. Die interne Durchfu¨hrung arithmetischer Operationen erfolgt im Computer also im Dualsystem. Andere Zahlensysteme, die im Zusammenhang mit der Nutzung von Computern eine Rolle spielen, sind das Oktalsystem (Positionssystem zur Basis 8) mit den Ziffern 0, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 und das Hexadezimalsystem (Positionssystem zur Basis 16) mit den Ziffern 0, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, A, B, C, D, E, F (die Buchstaben A, . . ., F stehen fu¨r die Werte 10, . . ., 15).
8.3 Runden Als Dezimalstellen einer Dezimalzahl bezeichnet man die Stellen nach dem Komma. Runden ist das Verku¨rzen einer Dezimalzahl, also die Darstellung einer Dezimalzahl mit einer vorgegebenen Anzahl von Dezimalstellen. Rundungsregel Ist die erste weggelassene Ziffer 0, 1, 2, 3, 4, dann bleibt die letzte geschriebene Ziffer unvera¨ndert. Ist die erste weggelassene Ziffer 5, 6, 7, 8, 9, dann erho¨ht sich die letzte geschriebene Ziffer um 1. Ist die gerundete Zahl kleiner als die urspru¨ngliche Zahl (die erste weggelassene Ziffer ist dann 0, 1, 2, 3 oder 4), spricht man von Abrunden. Ist die gerundete Zahl jedoch gro¨ßer als die urspru¨ngliche Zahl (die erste weggelassene Ziffer ist dann 5, 6, 7, 8 oder 9), so spricht man von Aufrunden. &
Beispiele: 3;456 3;46 (aufgerundet); 23;699 23;70 (aufgerundet); 14;3449 14;34 (abgerundet); 17;249 638 9 17;2496 (auf 4 Dezimalstellen gerundet)
Eine Zahl der Form loga b (gesprochen: Logarithmus b zur Basis a) heißt Logarithmus. Dabei heißt b Numerus des Logarithmus und ist eine reelle Zahl gro¨ßer als 0, und a heißt Basis des Logarithmus und ist eine positive reelle Zahl ungleich 1. loga b b>0 a > 0; a 6¼ 1
Logarithmus b zur Basis a Numerus Basis
Der Logarithmus loga b ist definiert als die eindeutige Lo¨sung x der Gleichung ax ¼ b. loga b ¼ x , ax ¼ b Der Logarithmus x ¼ loga b ist also der Exponent zu der Basis a, fu¨r den die Potenz ax gleich dem Numerus b ist. Aus der Definition folgt (denn a1 ¼ a und a0 ¼ 1) loga a ¼ 1 &
Beispiele: 1. log2 8 ¼ x 2. log4 16 ¼ x 3. log4 4 ¼ x 4. log5 1 ¼ x 5. log3 81 ¼ x 6. log5 57 ¼ x 7. log10 1000 ¼ x 8. log2 0;5 ¼ x
loga 1 ¼ 0
)x¼3 )x¼2 )x¼1 )x¼0 )x¼4 )x¼7 )x¼3
denn denn denn denn denn denn denn
) x ¼ 1
denn
9. loga 8 ¼ 1 )a¼8 1 ¼ 3 ) a ¼ 5 10. loga 125 3 5 ¼ 1 ) a ¼ 11. loga 5 3 12. log10 b ¼ 1 5 13. log4 b ¼ 2
denn denn denn
) b ¼ 0;1
denn
) b ¼ 32
denn
23 ¼ 8 42 ¼ 16 41 ¼ 4 50 ¼ 1 34 ¼ 81 57 ¼ 57 103 ¼ 1000 1 ¼ 0;5 21 ¼ 2 1 8 ¼8 1 53 ¼ 125 1 5 3 ¼ 3 5 1 ¼ 0;1 101 ¼ 10 pffiffiffiffiffi 5 42 ¼ 45 ¼ 25 ¼ 32
9.2 Spezielle Basen Logarithmen zur Basis a ¼ 10 heißen Zehnerlogarithmen oder dekadische Logarithmen oder Briggssche Logarithmen (nach dem englischen Mathematiker Henry Briggs, 1556––1630). Man schreibt statt log10 b auch einfach lg b. log10 b ¼ lg b Logarithmen mit der Eulerschen Zahl e ¼ 2;718 281 82 . . . als Basis werden natu¨rliche Logarithmen oder Nepersche Logarithmen (nach dem schottischen Mathematiker John Neper (Napier), 1550 bis 1617) genannt. Man schreibt ln b fu¨r loge b. loge b ¼ ln b
16
Mathematik
Die Eulersche Zahl e ist der Grenzwert der Folge 1 n (vgl. Abschnitt VIII.1.5): 1þ n 1 n ¼ 2;718 281 828 4 . . . e ¼ lim 1 þ n !1 n Sie hat ihren Namen nach dem schweizerischen Mathematiker Leonhard Euler (1707––1783). Die Eulersche Zahl ist eine irrationale Zahl. Logarithmen zur Basis a ¼ 2 heißen Zweierlogarithmen oder bina¨re Logarithmen oder duale Logarithmen. Man schreibt statt log2 b manchmal auch ld b. log2 b ¼ ld b &
loga ður Þ ¼ r loga u Beweis: Setze loga u ¼ x ) ax ¼ u ) ur ¼ ðax Þr ¼ arx ) rx ¼ loga ður Þ ¼ r loga u &
Beispiele: 1. log2 32 ¼ ld 32 ¼ x pffiffiffi 2. ld 2 ¼ x
denn 25 ¼ 32 pffiffiffi 1 denn 22 ¼ 2
3. 4. 5.
denn 104 ¼ 10 000 denn 102 ¼ 0;01 denn e1;6094 ... ¼ 5
) x ¼ 35 1 )x¼ 2 log10 10 000 ¼ lg 10 000 ¼ x ) x ¼ 4 lg 0;01 ¼ x ) x ¼ 2 ) x ¼ 1;6094 . . . loge 5 ¼ ln 5 ¼ x
3. Der Logarithmus einer Potenz ist gleich dem mit dem Exponenten multiplizierten Logarithmus der Basis. Oder: Multipliziert man den Logarithmus einer Zahl u mit einer Zahl r, dann erha¨lt man den Logarithmus der Potenz ur .
4. Der Logarithmus einer Wurzel ist gleich dem durch den Wurzelexponenten dividierten Logarithmus des Radikanden. Oder: Dividiert man den Logarithmus einer Zahl u durch eine Zahl n, pffiffiffi dann erha¨lt man den Logarithmus der Wurzel n u.
9.3 Regeln der Logarithmenrechnung 1. Der Logarithmus eines Produkts ist gleich der Summe der Logarithmen der einzelnen Faktoren. Oder: Addiert man zum Logarithmus einer Zahl u den Logarithmus einer Zahl v, dann erha¨lt man als Summe den Logarithmus des Produkts uv. loga ðu vÞ ¼ loga u þ loga v Beweis: Setze loga u ¼ x; loga v ¼ y ) loga u þ loga v¼ x þ y ax ¼ u; ay ¼ v ) u v ¼ ax ay ¼ ax þ y ) loga ðu vÞ ¼ x þ y &
Beispiel: log2 256 ¼ ld 256 ¼ ld ð4 64Þ ¼ ld 4 þ ld 64 ¼ 2 þ 6 ¼ 8
2. Der Logarithmus eines Bruches (Quotienten) ist gleich der Differenz der Logarithmen von Za¨hler (Dividend) und Nenner (Divisor). Oder: Subtrahiert man vom Logarithmus einer Zahl u den Logarithmus einer Zahl v, dann erha¨lt man als Differenz den Logarithmus des Bruches (Quou tienten) . v u loga ¼ loga u loga v v Beweis: Setze loga u ¼ x; loga v ¼ y ) loga uloga v ¼ x y u ax ax ¼ u; ay ¼ v ) ¼ y ¼ ax y v a u ¼xy ) loga v &
9 ¼ log3 9 log3 243 ¼ 2 5 ¼ 3 Beispiel: log3 243
Beispiele: 1. log2 83 ¼ 3 log2 8 ¼ 3 log2 23 ¼ 3 3 ¼ 9 2. lg 10 000 ¼ lg 104 ¼ 4 lg 10 ¼ 4
loga
p ffiffiffi 1 n u ¼ loga u n
Beweis: pffiffiffi 1 Wegen n u ¼ un folgt p ffiffiffi 1 1 loga n u ¼ loga un ¼ loga u n aus der Potenzregel. &
Beispiele: pffiffiffi 1 1 log5 5 ¼ 1. log5 3 5 ¼ 3 3 p ffiffiffiffiffi 1 1 1 2. log2 3 64 ¼ log2 64 ¼ log2 26 ¼ 6 ¼ 2 3 3 3
5. Aus den Regeln ergeben sich die folgenden Spe1 zialfa¨lle (denn ar ¼ ar und loga ¼ loga 1 loga v v ¼ 0 loga v). loga ðar Þ ¼ r und loga
1 ¼ loga v v
9.4 Zusammenhang von Logarithmen mit verschiedenen Basen Fu¨r Logarithmen mit verschiedenen Basen a und c gilt folgende Umrechnungsregel loga u ¼
logc u logc a
Beweis: Setze loga u ¼ x. Es folgt ax ¼ u; also auch logc ax ¼ logc u. Nach der Potenzregel ergibt sich
I Arithmetik
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logc u . Welogc a logc u gen x ¼ loga u folgt die Behauptung: loga u ¼ . logc a Logarithmen zu verschiedenen Basen (a und c) unterscheiden sich also nur durch einen konstanten 1 . Faktor logc a Fu¨r c ¼ u ¼ b ergibt sich der Spezialfall x logc a ¼ logc u und nach x aufgelo¨st x ¼
loga b ¼
&
2. 3. 4.
x ¼
1 1 lg u ¼ lg u lg e 0;4342 . . . 1 1 lg u ¼ ln u ¼ ln u ln 10 2;3025 . . . 1 1 lg u ¼ lg u log5 u ¼ lg 5 0;6989 . . . 1 1 lg 1000
3 6;907 755 279 ln 1000 ¼ lg e 0;434 294 481 9
Die dekadischen Logarithmen (auch Briggssche Logarithmen oder Zehnerlogarithmen genannt) haben den Vorteil, daß man mit den Logarithmen der Dezimalzahlen zwischen 1 und 10 u¨ber die Logarithmen aller positiven reellen Zahlen verfu¨gt. Begru¨ndung: Jede reelle Zahl x la¨ßt sich durch Abspalten einer Zehnerpotenz 10k mit ganzzahligem k in der Form x ¼ 10k x mit 1 x < 10 schreiben. Dabei ist x durch die Ziffernfolge von x bestimmt, wa¨hrend 10k die Gro¨ßenordnung von x angibt. Logarithmieren ergibt lg x ¼ lg ð10k xÞ ¼ lg ð10k Þ þ lg x ¼ k þ lg x mit 0 lg x < 1 (also lg x ¼ 0; . . .). Man nennt k die Kennzahl und die Ziffernfolge hinter dem Komma von lg x die Mantisse des Logarithmus von x. Von einer vor dem Komma n-stelligen Zahl ist die Kennzahl n 1 (also um 1 kleiner). Fu¨r Zahlen kleiner als 1 sind die Kennzahlen negativ. Logarithmentafeln enthalten in der Regel nur die Mantisse. Alle Zahlen, die sich nur durch Zehnerpotenzen unterscheiden, haben die gleiche Mantisse, aber unterschiedliche Kennzahlen. Beispiele: 1. lg 2250 ¼ lg ð1000 2;25Þ ¼ lg ð103 2;25Þ ¼ lg 103 þ lg 2;25
3 þ 0;3522 ¼ 3;3522 1 2. lg 0;0315 ¼ lg 3;15 ¼ lg ð3;15 102 Þ 100 2 ¼ lg 3;15 þ lg 10 0;4983 2 3. lg 2000 ¼ lg ð103 2Þ ¼ lg 103 þ lg 2 3 þ 0;3010 ¼ 3;3010; lg 200 2;3010; lg 20 1;3010; lg 2 0;3010; lg 0;2 0;3010 1; lg 0;02 0;3010 2; lg 0;002 0;3010 3
aþb 2
Das arithmetische Mittel xa ¼ x von n reellen Zahlen a1 ; a2 ; . . . ; an ist x ¼
&
a1 þ a2 þ . . . þ an n
Beispiele: 1.
ln u ¼
9.5 Dekadische Logarithmen
&
Das arithmetische Mittel xa ¼ x zweier reeller Zahlen a und b ist die Ha¨lfte ihrer Summe.
1 logb a
Beispiele: 1.
10 Mittelwerte 10.1 Arithmetisches Mittel
2.
3 þ 17 ¼ 10. 2 Das arithmetische Mittel von 6; 4; 3; 12; 5; 2 ist 6 4 þ 3 þ 12 þ 5 þ 2 ¼ 4. 6 Das arithmetische Mittel von 3 und 17 ist
10.2 Geometrisches Mittel Das geometrische Mittel xg zweier positiver reeller Zahlen a und b ist die Quadratwurzel aus ihrem Produkt. xg ¼
pffiffiffiffiffiffiffiffiffi ab
Das geometrische Mittel xg von n positiven reellen Zahlen a1 ; a2 ; . . . ; an ist xg ¼ &
p ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi n a a ... a 1 2 n
Beispiele: pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1. Das geometrische Mittel von 3 und 12 ist 3 12p¼ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 6. ffi 2. Das geometrische Mittel von 3, 5, 9, 15 ist 4 3 5 9 15 p p ffiffiffiffiffi ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 4 4 ¼ 2025 ¼ 3 25:
10.3 Harmonisches Mittel Das harmonische Mittel xh zweier von Null verschiedener reeller Zahlen a und b ist Zwei geteilt durch die Summe ihrer Kehrwerte. xh ¼
2 1 1 þ a b
Das harmonische Mittel xh von n von Null verschiedenen reellen Zahlen a1 ; a2 ; . . . ; an ist xh ¼
&
n 1 1 1 þ þ ... þ a1 a2 an
Beispiele: 1. 2.
2 2 ¼ ¼ 4. 1 1 1 þ 3 6 2 Das harmonische Mittel von 3, 4, 6, 12 ist 4 4 24 ¼ 4;8. ¼ ¼ 1 1 1 1 10 5 þ þ þ 3 4 6 12 12
Das harmonische Mittel von 3 und 6 ist
18
Mathematik
10.4 Quadratisches Mittel
Eigenschaften von Ungleichungen:
Das quadratische Mittel xq zweier reeller Zahlen a und b ist die Quadratwurzel der halben Summe ihrer Quadrate.
1. a a (Reflexivita¨t) 2. a b und b c ) a c (Transitivita¨t) 3. a b und b a ) a ¼ b (Antisymmetrie)
rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi a2 þ b2 xq ¼ 2 Das quadratische Mittel xq von n reellen Zahlen a1 ; a2 ; . . . ; an ist sffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi a21 þ a22 þ . . . þ a2n xq ¼ n &
Beispiele: 1. 2.
rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi 12 þ 72 Das quadratische Mittel von 1 und 7 ist ¼ 25 ¼ 5: 2 Das quadratische Mittel von 2, 6, 10, 16 ist rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi rffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi 22 þ 62 þ 102 þ 162 396 ¼ ¼ 99: 4 4
Rechenregeln fu¨r Ungleichungen: Eine Ungleichung kann von beiden Seiten gelesen werden: a < b , b > a fu¨r alle a; b 2 R Auf beiden Seiten einer Ungleichung darf dieselbe Zahl addiert werden: a b ) a þ c b þ c fu¨r alle a; b; c 2 R Zwei gleichgerichtete Ungleichungen du¨rfen addiert werden: a b und c d ) a þ c b þ d fu¨r alle a; b; c; d 2 R, a < b und c d ) a þ c < b þ d fu¨r alle a; b; c; d 2 R Eine Ungleichung darf mit einer nichtnegativen Zahl multipliziert werden:
11 Ungleichungen
a b und c 0 ) ac bc fu¨r alle a; b 2 R
11.1 Definitionen und Rechenregeln
Wird eine Ungleichung mit einer negativen Zahl multipliziert, so dreht sich das Ungleichheitszeichen um:
Zwischen zwei reellen Zahlen a und b besteht genau eine der drei Beziehungen: a ¼ b (a ist gleich b), a < b (a ist kleiner als b), a > b (a ist gro¨ßer als b). Der Winkelhaken ist dabei immer nach der gro¨ßeren Seite hin geo¨ffnet. a; b 2 R : a ¼ b oder a < b oder a > b Wegen dieser Eigenschaft nennt man die Menge R der reellen Zahlen geordnet. Im Falle a 6¼ b (a ungleich b) gilt genau eine der beiden Ungleichungen a < b oder a > b. a 6¼ b ) a < b oder a > b Die Ungleichung a b bedeutet, daß a kleiner oder gleich b ist (a ist also nicht gro¨ßer als b), und die Ungleichung a b bedeutet entsprechend, daß a gro¨ßer oder gleich b ist (b ist also nicht gro¨ßer als a). Ist a < b und b < c, dann kann man die beiden Ungleichungen fortlaufend schreiben: a < b < c. Man nennt dies fortlaufende Ungleichung oder Ungleichungskette. a < b < c , a < b und b < c Entsprechend schreibt man zum Beispiel a < x und x b zusammenfassend als a < x b. Fortlaufende Ungleichungen werden oft benutzt, um einen Bereich oder ein Intervall anzugeben, aus dem eine Gro¨ße x gewa¨hlt werden darf oder gewa¨hlt werden soll.
a b und c 0 ) ac bc fu¨r alle a; b 2 R Bildet man auf beiden Seiten einer Ungleichung den Kehrwert, so dreht sich das Ungleichheitszeichen um: 1 1 ab) fu¨r alle a; b 2 R* a b Aus der Multiplikationsregel folgt im besonderen (Multiplikation mit 1), daß das Vertauschen der Vorzeichen auf beiden Seiten einer Ungleichung das Ungleichheitszeichen umdreht: a < b ) a > b &
Beispiele: 1. 3 3; 5 5; 12;2 12;2 2. 3 5; 5 6 ) 3 6; 4 5; 5 7;1 ) 4 7;1 3. 3 3; 3 3 ) 3 ¼ 3 4. 3 < 5 , 5 > 3; 1 > 2 , 2 < 1 5. 5 7 ) 5 þ 2 7 þ 2; 4 > 1 ) 4 3 > 1 3 6. 3 < 4; 7 < 9 ) 3 þ 7 < 4 þ 9; 4 3; 2 5 )42 35 7. 5 7 ) 5 3 7 3; 3 > 4 ) 3 2 > 4 2 8. 4 > 2 ) 4 ð2Þ < 2 ð2Þ; 6 7 ) 6 ð1Þ 7 ð1Þ ) 6 7 1 1 1 1 9. 2 < 3 ) > ; 5 > 6 ) < 2 3 5 6
11.2 Absolutbetrag Der Betrag oder Absolutbetrag jaj einer Zahl a stellt auf der Zahlengeraden den Abstand der Zahl a vom Nullpunkt dar. Da Absta¨nde nicht negativ sind, gilt jaj ¼ a fu¨r a 0 und jaj ¼ a fu¨r a < 0. jaj ¼
a a
fur € a0 fur € a<0
Betra¨ge sind nicht negativ.
I Arithmetik
19 Bei einem nicht beschra¨nkten Intervall ist mindestens eine der Intervallgrenzen 1 oder 1. Solche Intervalle ko¨nnen durch eine Ungleichung beschrieben werden.
Eigenschaften: 1. j aj ¼ jaj 2. jaj 0; jaj ¼ 0 , a ¼ 0 3. ja bj ¼ jaj jbj a jaj fu¨r b 6¼ 0; 4. ¼ b jbj
1 ¼ 1 fu¨r b 6¼ 0 b jbj 1 1 n n 5. ja j ¼ jaj fu¨r n 2 N; n ¼ n fu¨r n 2 N; a 6¼ 0 a jaj 6. ja þ bj jaj þ jbj (sogenannte Dreiecksungleichung) &
Nicht beschra¨nkte Intervalle ½a; 1Þ
¼ fx j x 2 R und x ag (halboffenes Intervall, .. nach rechts unbeschrankt) ða; 1Þ ¼ fx j x 2 R und x > ag (offenes Intervall, .. nach rechts unbeschrankt) ð1; a ¼ fx j x 2 R und x ag (halboffenes Intervall, .. nach links unbeschrankt) ð1; aÞ ¼ fx j x 2 R und x < ag (offenes Intervall, .. nach links unbeschrankt) ð1; 1Þ ¼ fxjx 2 Rg (offenes Intervall, nach links und nach rechts .. unbeschrankt)
Beispiele: 1. j4; 3j ¼ 4; 3; j 2j ¼ 2; j pj ¼ p; j0j ¼ 0 2. 3. 4. 5.
j3 4j ¼ j3j j4j ¼ 3 4 ¼ 12; jð3Þ 4j ¼ j3j j4j ¼ 3 4 ¼ 12 2 j2j 2 1 1 1 3 ¼ j3j ¼ 3 ; 4 ¼ j4j ¼ 4 1 1 1 jð3Þ5 j ¼ j3j5 ¼ 35 ; ¼ ¼ ð2Þ3 j2j3 23 j4 þ 2j j4j þ j2j ) 6 4 þ 2 ¼ 6; j5 3j j5j þ j3j ) 2 5 þ 3 ¼ 8
11.3 Intervalle Es seien a und b zwei reelle Zahlen mit a < b. Die Menge aller reellen Zahlen x, die die fortlaufende Ungleichung a < x < b erfu¨llen, heißt Intervall oder Zahlenintervall mit den Endpunkten oder Randpunkten a und b (genauer: offenes und beschra¨nktes Intervall). Geho¨rt der Randpunkt nicht selbst zum Intervall, so spricht man von einem offenen Intervallende, im entgegengesetzten Fall von einem abgeschlossenen Intervallende. Die Angabe eines Intervalls erfolgt durch seine Randpunkte a und b, indem diese in Klammern gesetzt werden. Eine eckige Klammer steht fu¨r ein abgeschlossenes Intervallende, eine runde fu¨r ein offenes Intervallende. Geho¨ren beide Randpunkte zu dem Intervall, so heißt es abgeschlossen. Geho¨rt nur einer der Randpunkte (also entweder a oder b) zum Intervall, so heißt es halboffen. Geho¨rt keiner der Randpunkte zum Intervall, so heißt es offen. Intervalle dienen der Beschreibung von Zahlenmengen. Man unterscheidet beschra¨nkte und nicht beschra¨nkte Intervalle. Bei einem beschra¨nkten Intervall sind die Intervallgrenzen a und b reelle Zahlen. Es besteht aus allen reellen Zahlen x, die zwischen diesen beiden Grenzen liegen. Beschra¨nkte Intervalle ½a; b ¼ fx j x 2 R und a x bg ða; bÞ ¼ fx j x 2 R und a < x < bg ½a; bÞ ¼ fx j x 2 R und a x < bg ða; b ¼ fx j x 2 R und a < x bg
(abgeschlossenes Intervall) (offenes Intervall) (halboffenes Intervall) (halboffenes Intervall)
Das Symbol mit der Schreibweise 1 heißt unendlich und steht fu¨r „beliebig groß“. Das Symbol 1 heißt entsprechend minus unendlich und steht fu¨r „beliebig klein“. Die Symbole 1 und 1 sind keine reellen Zahlen; 1 ist kleiner als jede reelle Zahl, 1 ist gro¨ßer als jede reelle Zahl.
&
Beispiele: 1. ½3; 4 ¼ fx j x 2 R und 3 x 4 < 4g Alle reellen Zahlen zwischen 3 und 4; sowohl 3 als auch 4 geho¨ren zum Intervall. 2. ½3; 4Þ ¼ fx j x 2 R und 3 x < 4g Alle reellen Zahlen zwischen 3 und 4; 3 geho¨rt zum Intervall, 4 jedoch nicht. 3. ð3; 4 ¼ fx j x 2 R und 3 < x 4g Alle reellen Zahlen zwischen 3 und 4; 3 geho¨rt nicht zum Intervall, aber 4. 4. ð3; 4Þ ¼ fx j x 2 R und 3 < x < 4g Alle reellen Zahlen zwischen 3 und 4; weder 3 noch 4 geho¨ren zum Intervall. 5. ½3; 1Þ ¼ fx j x 2 R und x 3g Alle reellen Zahlen gro¨ßer oder gleich 3 geho¨ren zum Intervall (3 geho¨rt dazu). 6. ð3; 1Þ ¼ fx j x 2 R und x > 3g Alle reellen Zahlen gro¨ßer als 3 geho¨ren zum Intervall (3 geho¨rt nicht dazu). 7. ð1; 4 ¼ fx j x 2 R und x 4g Alle reellen Zahlen kleiner oder gleich 4 geho¨ren zum Intervall (4 geho¨rt dazu). 8. ð1; 4Þ ¼ fx j x 2 R und x < 4g Alle reellen Zahlen kleiner als 4 geho¨ren zum Intervall (4 geho¨rt nicht dazu). 9. ð1; 1Þ ¼ fx j x 2 Rg Alle reellen Zahlen geho¨ren zum Intervall.
12 Komplexe Zahlen 12.1 Algebraische Form Im Bereich der reellen Zahlen besitzt die p Gleichung ffiffiffiffiffiffiffi xp2 ffiffiffiffiffiffi þ ffi1 ¼ 0 keine Lo¨sung. Ebenso stellen 3 oder 4 6 keine reellen Zahlen dar. Falls eine quadratische Gleichung keine reelle Lo¨sung besitzt, ist es trotzdem mo¨glich, Lo¨sungen anzugeben und zwar komplexe Zahlen als Lo¨sungen. Zur Darstellung dieser komplexen Zahlen wird eine Erweiterung des Bereichs der reellen Zahlen vorgenommen. Ausgangspunkt ist die imagina¨re Einheit j, deren Quadrat gleich 1 ist: j 2 ¼ 1. 2 Þ Imagina¨re Einheit j
j 2 ¼ 1
2 Þ In der Mathematik wird fu¨r die imagina¨re Einheit der Buchstabe i verwendet, in der Elektrotechnik nimmt man statt dessen jedoch den Buchstaben j, um Verwechslungen mit der Stromsta¨rke i zu vermeiden.
20
Mathematik
Fu¨r die imagina¨re Einheit gilt j 2 ¼ 1; j 3 ¼ j; j 4 ¼ 1 j 4n 3 ¼ j; j 4n 2 ¼ 1; j 4n 1 ¼ j; j 4n ¼ 1 ðn 2 N*Þ Die Zahlen j und j sind Lo¨sungen der quadratischen Gleichung x2 þ 1 ¼ 0. Mit dieser imagina¨ren Einheit j und zwei reellen Zahlen a und b stellt z ¼ a þ bj eine komplexe Zahl dar. z ¼ a þ bj; a; b 2 R
Dabei wird in einem kartesischen Koordinatensystem der Ebene (siehe Abschnitt VII.1.1) der Realteil a von z auf der Abszissenachse und der Imagina¨rteil b von z auf der Ordinatenachse abgetragen. Jeder komplexen Zahl entspricht ein Punkt der Ebene und umgekehrt. Die Zuordnung von Zahl und Punkt ist eineindeutig. Die reellen Zahlen liegen auf der Abszissenachse, die imagina¨ren Zahlen liegen auf der Ordinatenachse. Deshalb nennt man die Abszissenachse auch reelle Achse und die Ordinatenachse imagina¨re Achse. imaginäre Achse
Eine komplexe Zahl z besteht also aus einem reellen Teil a (Realteil) und einem imagina¨ren Teil b (Imagina¨rteil). Wenn a und b alle mo¨glichen reellen Werte durchlaufen, dann werden alle mo¨glichen komplexen Zahlen z erzeugt. Alle komplexen Zahlen bilden zusammen die Menge C der komplexen Zahlen.
z = a+bj
bj
j –1 0 –j
1
a
reelle Achse
C ¼ fz ¼ a þ bj j a; b 2 Rg –bj
Komplexe Zahlen z mit Realteil gleich 0 (also a ¼ 0) heißen imagina¨re Zahlen, die komplexen Zahlen z mit Imagina¨rteil gleich 0 (also b ¼ 0) sind die reellen Zahlen. Die komplexen Zahlen umfassen also die imagina¨ren Zahlen und die reellen Zahlen. z ¼ a þ bj z ¼ bj ða ¼ 0Þ z ¼ a ðb ¼ 0Þ
komplexe Zahlen .. imaginare Zahlen reelle Zahlen
Komplexe Zahlen z ¼ a þ bj und z ¼ a bj, also mit gleichem Realteil und entgegengesetzt gleichem Imagina¨rteil, heißen konjugiert komplex. Komplexe Zahlen sind nicht mehr auf einer Zahlengeraden, sondern nur noch in einer Zahlenebene, der sogenannten Gaußschen Zahlenebene, darstellbar (Name nach dem deutschen Mathematiker Carl Friedrich Gauß, 1777––1855). imaginäre Achse z1 = a1 + b1j
b1j
z = a–bj
Bild I-2 Konjugiert komplexe Zahlen z und z in algebraischer Form Die Darstellung einer komplexen Zahl in der Form z ¼ a þ bj; bei der kartesische Koordinaten verwendet werden, heißt algebraische Form. Daneben gibt es fu¨r die Darstellung der komplexen Zahlen die trigonometrische Form und die Exponentialform.
12.2 Trigonometrische Form Neben der Darstellung der komplexen Zahlen in algebraischer Form gibt es die Darstellung in trigonometrischer Form (vgl. Kapitel VI): z ¼ rðcos j þ j sin jÞ: Dabei heißt r Modul oder Absolutbetrag (also r ¼ jzj) und j Argument der komplexen Zahl z. Der (orientierte) Winkel j wird im Bogenmaß (vgl. Abschnitt III.10.9) gemessen und ist nur bis auf Vielfache von 2p bestimmt. Deshalb wa¨hlt man meist fu¨r j das halboffene Intervall ½0; 2pÞ, also 0 j < 2p. z ¼ rðcos j þ j sin jÞ; r 2 R; r 0; 0 j < 2p
j a2 –1 0 1 –j
z2 = a2 + b2j
a1 reelle Achse
b2 j
Bild I-1 Darstellung komplexer Zahlen in der Gaußschen Zahlenebene
Fu¨r j ¼ 0 ergeben sich die positiven reellen Zahlen, p fu¨r j ¼ p die negativen reellen Zahlen, fu¨r j ¼ 3 2 die positiven imagina¨ren Zahlen und fu¨r j ¼ p 2 die negativen imagina¨ren Zahlen. Statt trigonometrischer Form sagt man mitunter auch goniometrische Form der komplexen Zahlen. Fu¨r die Darstellung der komplexen Zahlen in der Ebene werden fu¨r die trigonometrische Form Polarkoordinaten (siehe Abschnitt VII.1.2) verwendet, wo-
I Arithmetik
21
hingegen fu¨r die algebraische Form kartesische Koordinaten (siehe Abschnitt VII.1.1) benutzt werden.
Die Summe konjugiert komplexer Zahlen z ¼ a þ bj und z ¼ a bj ist reell, die Differenz konjugiert komplexer Zahlen ist imagina¨r.
imaginäre Achse
z þ z ¼ ða þ bjÞ þ ða bjÞ ¼ 2a z z ¼ ða þ bjÞ ða bjÞ ¼ 2bj
r (M
0
od
f (Argument) a (Realteil)
b (Imaginärteil)
z
ul)
&
reelle Achse
Bild I-3 Algebraische und trigonometrische Form einer komplexen Zahl z Fu¨r den Zusammenhang zwischen algebraischer und trigonometrischer Form gilt pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi b a2 þ b2 ; tan j ¼ a a ¼ r cos j; b ¼ r sin j r¼
Derselbe Zusammenhang gilt fu¨r die kartesischen Koordinaten und die Polarkoordinaten eines Punktes in der Ebene. Multiplizieren, Dividieren, Potenzieren und Radizieren komplexer Zahlen lassen sich in der trigonometrischen Form einfacher durchfu¨hren.
Beispiele: 1. z1 þ z2 ¼ ð2;66 þ 0;89jÞ þ ð0;81 þ 1;49jÞ ¼ 1;85 þ 2;38j 2. z1 z2 ¼ ð2;66 þ 0;89jÞ ð0;81 þ 1;49jÞ ¼ 3;47 0;60j 3. z þ z ¼ ð2;4 þ 0;9jÞ þ ð2;4 0;9jÞ ¼ 4;8 4. z z ¼ ð2;4 þ 0;9jÞ ð2;4 0;9jÞ ¼ 1;8j
12.4 Multiplizieren komplexer Zahlen Komplexe Zahlen z1 ¼ a1 þ b1 j und z2 ¼ a2 þ b2 j in algebraischer Form werden wie algebraische Summen multipliziert (denn z1 z2 ¼ ða1 þ b1 jÞ ða2 þ b2 jÞ ¼ a1 a2 þ a1 b2 j þ b1 a2 j þ b1 b2 j2 ¼ ða1 a2 b1 b2 Þ þ ða1 b2 þ a2 b1 Þ j wegen j2 ¼ 1). z1 z2 ¼ ða1 þ b1 jÞ ða2 þ b2 jÞ ¼ ða1 a2 b1 b2 Þ þ ða1 b2 þ a2 b1 Þ j Das Produkt konjugiert komplexer Zahlen ist reell. z z ¼ ða þ bjÞ ða bjÞ ¼ a2 þ b2
12.3 Addieren und Subtrahieren komplexer Zahlen Komplexe Zahlen z1 ¼ a1 þ b1 j und z2 ¼ a2 þ b2 j werden addiert, indem man die Realteile addiert und die Imagina¨rteile addiert. z1 þ z2 ¼ ða1 þ b1 jÞ þ ða2 þ b2 jÞ ¼ ða1 þ a2 Þ þ ðb1 þ b2 Þ j Komplexe Zahlen z1 ¼ a1 þ b1 j und z2 ¼ a2 þ b2 j werden voneinander subtrahiert, indem man die Realteile subtrahiert und die Imagina¨rteile subtrahiert.
&
Beispiele: 1. z1 z2 ¼ ð3 þ 4jÞ ð5 2jÞ ¼ ð3 5 4 ð2ÞÞ þ ð3 ð2Þ þ 5 4Þ j ¼ 23 þ 14j 2. z z ¼ ð2;4 þ 0;9jÞ ð2;4 0;9jÞ ¼ ð2;4Þ2 þ ð0;9Þ2 ¼ 5;76 þ 0;81 ¼ 6;57
Komplexe Zahlen z1 ¼ r1 ðcos j1 þ j sin j1 Þ und z2 ¼ r2 ðcos j2 þ j sin j2 Þ in trigonometrischer Form werden multipliziert, indem man die Moduln (r1 und r2 ) multipliziert und die Argumente (j1 und j2 ) addiert. z1 z2 ¼ r1 ðcos j1 þ j sin j1 Þ r2 ðcos j2 þ j sin j2 Þ
z1 z2 ¼ ða1 þ b1 jÞ ða2 þ b2 jÞ
¼ r1 r2 ½cos ðj1 þ j2 Þ þ j sin ðj1 þ j2 Þ
¼ ða1 a2 Þ þ ðb1 b2 Þ j Beweis:
imaginäre Achse
z1 z2 ¼ r1 ðcos j1 þ j sin j1 Þ r2 ðcos j2 þ j sin j2 Þ ¼ r1 r2 ½ðcos j1 cos j2 sin j1 sin j2 Þ
z1 + z2
þ ðcos j1 sin j2 þ sin j1 cos j2 Þ j
#
z2
z1
#
# 0
reelle Achse z1 – z2
Bild I-4 Addition und Subtraktion komplexer Zahlen z1 und z2 (die mit # gekennzeichneten Strecken sind parallel und gleichlang)
¼ r1 r2 ½cos ðj1 þ j2 Þ þ j sin ðj1 þ j2 Þ; denn cos j1 cos j2 sin j1 sin j2 ¼ cos ðj1 þ j2 Þ und cos j1 sin j2 þ sin j1 cos j2 ¼ sin ðj1 þ j2 Þ (siehe Abschnitt VI.6). &
Beispiele: 3. z1 ¼ 3ðcos 20 þ j sin 20 Þ; z2 ¼ 7ðcos 65 þ j sin 65 Þ ) z1 z2 ¼ 3ðcos 20 þ j sin 20 Þ 7ðcos 65 þ j sin 65 Þ ¼ 21ðcos 85 þ j sin 85 Þ
22
Mathematik 4.
5 pffiffiffi 5 3 þ j; 2 2 13 13 pffiffiffi z2 ¼ 13ðcos 60 þ j sin 60 Þ ¼ þ 3j 2 2 1 1 pffiffiffi 3 . denn sin 30 ¼ cos 60 ¼ und sin 60 ¼ cos 30 ¼ 2 2 Es folgt z1 z2 ¼ 5ðcos 30 þ j sin 30 Þ 13ðcos 60 þ j sin 60 Þ ¼ 65ðcos 90 þ j sin 90 Þ ¼ 65j oder 5 pffiffiffi 5 13 13 pffiffiffi 65 pffiffiffi 65 pffiffiffi 3þ j þ 3j ¼ 3 3 z1 z2 ¼ 2 2 2 2 4 4 65 3 65 þ j ¼ 65j þ 4 4 z1 ¼ 5ðcos 30 þ j sin 30 Þ ¼
12.5 Dividieren komplexer Zahlen Komplexe Zahlen z1 ¼ a1 þ b1 j und z2 ¼ a2 þ b2 j in algebraischer Form werden dividiert, indem man mit der konjugiert komplexen Zahl des Nenners (Divisors) erweitert.
Beweis: z1 r1 ðcos j1 þ j sin j1 Þ ¼ z2 r2 ðcos j2 þ j sin j2 Þ r1 ðcos j1 þ j sin j1 Þ ðcos j2 j sin j2 Þ ¼ r2 ðcos j2 þ j sin j2 Þ ðcos j2 j sin j2 Þ h i r1 cos j1 cos j2 þ sin j1 sin j2 ¼ þ ðsin j1 cos j2 cos j1 sin j2 Þ j r2 sin2 j2 þ cos 2 j2 r1 ¼ ½cos ðj1 j2 Þ þ j sin ðj1 j2 Þ r2 denn cos j1 cos j2 þ sin j1 sin j2 ¼ cosðj1 j2 Þ; sin j1 cos j2 cos j1 sin j2 ¼ sin ðj1 j2 Þ und sin2 j þ cos 2 j ¼ 1 (siehe Abschnitt VI.6). &
z1 a1 þ b1 j a1 a2 þ b1 b2 b1 a2 a1 b2 ¼ þ j ¼ z2 a2 þ b2 j a22 þ b22 a22 þ b22
z2 7ðcos 65 þ j sin 65 Þ 7 ðcos 45 þ j sin 45 Þ ¼ ¼ 3ðcos 20 þ j sin 20 Þ 3 z1 pffiffiffi 5 5 3 þ j; z1 ¼ 5ðcos 30 þ j sin 30 Þ ¼ 2 2 13 13 pffiffiffi z2 ¼ 13ðcos 60 þ j sin 60 Þ ¼ þ 3j 2 2 Es folgt z1 5ðcos 30 þ j sin 30 Þ 5 ¼ ðcos ð30 Þ þ j sin ð30 ÞÞ ¼ 13ðcos 60 þ j sin 60 Þ 13 z2 5 5 1 pffiffiffi 1 ðcos 30 j sin 30 Þ ¼ 3 j ¼ 13 13 2 2 5 pffiffiffi 5 ¼ 3 j 26 26 oder 5 pffiffiffi 5 13 13 pffiffiffi 5 pffiffiffi 5 3þ j 3j 3þ j z1 2 2 2 2 2 2 ¼ ¼ 13 13 pffiffiffi 13 13 pffiffiffi 13 13 pffiffiffi z2 þ 3j þ 3j 3j 2 2 2 2 2 2 65 pffiffiffi 65 65 65 pffiffiffi 3 3j þ jþ 3 5 pffiffiffi 5 4 4 4 3 j ¼ 4 ¼ 26 26 169 )
5.
ðz2 6¼ 0Þ Beweis: z1 a1 þ b1 j ða1 þ b1 jÞ ða2 b2 jÞ ¼ ¼ z2 a2 þ b2 j ða2 þ b2 jÞ ða2 b2 jÞ a1 a2 þ b1 b2 þ ðb1 a2 a1 b2 Þ j ¼ a22 þ b22 a1 a2 þ b1 b2 b1 a2 a1 b2 ¼ þ j a22 þ b22 a22 þ b22 Der Quotient konjugiert komplexer Zahlen ist wieder eine komplexe Zahl. z a þ bj a2 b2 2ab þ 2 j ¼ ¼ 2 a bj a þ b2 a þ b2 z
Beispiele: 4. z1 ¼ 3ðcos 20 þ j sin 20 Þ; z2 ¼ 7ðcos 65 þ j sin 65 Þ
ðz 6¼ 0Þ
12.6 Potenzieren komplexer Zahlen &
Beispiele: z1 3 þ 4j 3 5 þ 4 ð2Þ 4 5 3 ð2Þ 1. ¼ þ j ¼ z2 5 2j 52 þ ð2Þ2 52 þ ð2Þ2 15 8 20 þ 6 7 26 ¼ þ j¼ þ j 25 þ 4 25 þ 4 29 29 2.
3.
z 2;4 þ 0;9j ð2;4Þ2 ð0;9Þ2 2 2;4 0;9 ¼ ¼ þ j z 2;4 0;9j ð2;4Þ2 þ ð0;9Þ2 ð2;4Þ2 þ ð0;9Þ2 5;76 0;81 4;32 4;95 4;32 ¼ þ j¼ þ j 5;76 þ 0;81 5;76 þ 0;81 6;57 6;57 1 1 ðjÞ ¼ ¼ j j j ðjÞ
Komplexe Zahlen z1 ¼ r1 ðcos j1 þ j sin j1 Þ und z2 ¼ r2 ðcos j2 þ j sin j2 Þ in trigonometrischer Form werden dividiert, indem man die Moduln (r1 und r2 ) dividiert und die Argumente (j1 und j2 ) subtrahiert. z1 r1 ðcos j1 þ j sin j1 Þ ¼ r2 ðcos j2 þ j sin j2 Þ z2 r1 ¼ ½cos ðj1 j2 Þ þ j sin ðj1 j2 Þ r2
Ist n eine natu¨rliche Zahl, so wird die n-te Potenz zn von z wie u¨blich durch z0 ¼ 1; zn ¼ zn 1 z definiert. &
Beispiele: 1. z3 ¼ ða þ bjÞ2 ða þ bjÞ ¼ a3 3ab2 þ ð3a2 b b3 Þ j 2. z4 ¼ ða þ bjÞ3 ða þ bjÞ ¼ ½a3 3ab2 þ ð3a2 b b3 Þ j ða þ bjÞ ¼ a4 6a2 b2 þ b4 þ ð4a3 b 4ab3 Þ j
Einfacher la¨ßt sich das Potenzieren komplexer Zahlen in der trigonometrischen Form durchfu¨hren. Mit Hilfe derAdditionstheoreme fu¨r die trigonometrischen Funktionen (vgl. Abschnitt VI.6) erha¨lt man die Formel von Moivre. zn ¼ ½rðcos j þ j sin jÞn ¼ rn ðcos nj þ j sin njÞ ðn 2 N Þ Eine komplexe Zahl in trigonometrischer Form wird also in die n-te Potenz erhoben, indem man den Modul (r) in die entsprechende Potenz rn erhebt
I Arithmetik
23
und das Argument (j) mit dem Exponenten n multipliziert. &
Beispiel: 5 pffiffiffi 5 3þ j 3. z ¼ 5ðcos 30 þ j sin 30 Þ ¼ 2 2 h 5 pffiffiffi 5 i4 3þ j z4 ¼ 2 2 4 5 pffiffiffi 4 5 pffiffiffi 2 5 2 5 3 6 3 ¼ þ 2 2 2 2 " # 5 pffiffiffi 3 5 5 pffiffiffi 5 3 3 4 3 þ 4 j 2 2 2 2
die Eckpunkte eines regelma¨ßigen n-Ecks mit dem Mittelpunkt im Koordinatenursprung. Die Punkte pffiffi liegen auf einem Kreis mit dem Radius r ¼ n r. Der j Hauptwert w1 besitzt das Argument . Durch wie2p n derholte Drehung um den Winkel erha¨lt man die n weiteren Lo¨sungen. &
625 9 6 25 3 25 625 þ 16 44 16 " # pffiffiffi pffiffiffi 4 125 3 3 5 4 5 3 125 þ j 82 28 pffiffiffi 625 625 3 þ ¼ j 2 2
¼
Beispiel: z ¼ 2;985 984ðcos 60 þ j sin 60 Þ ¼ ð1;2Þ6 ðcos 60 þ j sin 60 Þ; n¼6 qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffi j 60 6 ¼ ¼ 10 lauten die sechWegen n r ¼ ð1;2Þ6 ¼ 1;2 und n 6 sten Wurzeln aus z: w1 ¼ 1;2ðcos 10 þ j sin 10 Þ; w2 ¼ 1;2ðcos 70 þ j sin 70 Þ w3 ¼ 1;2ðcos 130 þ j sin 130 Þ; w4 ¼ 1;2ðcos 190 þ j sin 190 Þ w5 ¼ 1;2ðcos 250 þ j sin 250 Þ; w6 ¼ 1;2ðcos 310 þ j sin 310 Þ
imaginäre Achse z
z4 ¼ ½5ðcos 30 þ j sin 30 Þ4 ¼ 54 ðcos 120 þ j sin 120 Þ 1 1 pffiffiffi 3j ¼ 54 ðsin 30 þ j cos 30 Þ ¼ 54 þ 2 2 pffiffiffi 625 625 3 ¼ j þ 2 2
Die Moivresche Formel la¨ßt sich durch vollsta¨ndige Induktion beweisen. Ihre Gu¨ltigkeit la¨ßt sich schrittweise bis auf reelle Exponenten ausdehnen.
r w2 fk wk
12.7 Radizieren komplexer Zahlen
pffiffiffi Die n-te Wurzel n z einer komplexen Zahl z ist definiert als eine komplexe Zahl w, deren n-te Potenz gleich z ist, also eine Lo¨sung der Gleichung wn ¼ z. Setzt man z ¼ rðcos j þ j sin jÞ und w¼ rðcos w þ j sin wÞ, dann folgt mit der Formel von Moivre wn ¼ rn ðcos nw þ j sin nwÞ und wegen wn ¼ z ¼ rðcos j þ j sin jÞ weiter rn ¼ r; cos nw ¼ cos j; sin nw ¼ sin j. Aus rn ¼ r ergibt sich pffiffi r ¼ n r, wa¨hrend es fu¨r cos nw ¼ cos j; sin nw ¼ sin j wegen cos j ¼ cos ðj þ 2kpÞ; sin j ¼ sin ðjþ2kpÞ gej þ 2ðk 1Þp nau n verschiedene Lo¨sungen wk ¼ ; n k ¼ 1; 2; 3; . . . ; n, gibt. Somit gilt: Fu¨r n 2 N* besitzt die Gleichung wn ¼ z ¼ rðcos j þ j sin jÞ genau n verschiedene Lo¨sungen w1 ; w2 ; . . . ; wn (die n-ten Wurzeln aus z). wk ¼ ffiffi p j þ 2ðk 1Þ p j þ 2ðk 1Þ p n r cos þ j sin ; n n k ¼ 1; 2; . . . ; n Die n-te Wurzel aus z ist also nicht eindeutig. Fu¨r k ¼ 1 ergibt sich der sogenannte Hauptwert w1 der n-ten Wurzel. Hauptwert
w1 ¼
p ffiffi j j n þ j sin r cos n n
Stellt man die n-ten Wurzeln wk ; k ¼ 1; 2; 3; . . . ; n in der Gaußschen Zahlenebene dar, so ergeben sich
fn
f f2 n
w1 f1
r
reelle Achse
wn
Bild I-5 Die n-ten Wurzeln w1 ; w2 ; . . . ; wk ; . . . ; wn einer komplexen Zahl z Die n-ten Wurzeln aus z ¼ 1 sind die sogenannten n-ten Einheitswurzeln. n-te Einheitswurzeln &
.. Losungen von wn ¼ z ¼ 1
Beispiele: 1. n ¼ 2 : z ¼ w2 ¼ 1 w1 ¼ 1ðcos 0 þ j sin 0 Þ ¼ 1; w2 ¼ 1ðcos 180 þ j sin 180 Þ ¼ 1 2. n ¼ 3 : z ¼ w3 ¼ 1 w1 ¼ 1ðcos 0 þ j sin 0 Þ ¼ 1 w2 ¼ 1ðcos 120 þ j sin 120 Þ ¼ 1ðcos 60 þ j sin 60 Þ 1 1 pffiffiffi 3j ¼ þ 2 2 w3 ¼ 1ðcos 240 þ j sin 240 Þ ¼ 1ðcos 60 j sin 60 Þ 1 1 pffiffiffi 3j ¼ 2 2 3. n ¼ 4 : z ¼ w4 ¼ 1 w1 ¼ 1ðcos 0 þ j sin 0 Þ ¼ 1 w2 ¼ 1ðcos 90 þ j sin 90 Þ ¼ j w3 ¼ 1ðcos 180 þ j sin 180 Þ ¼ 1 w4 ¼ 1ðcos 270 þ j sin 270 Þ ¼ j
12.8 Eulersche Formel Die Eulersche Formel fu¨r komplexe Zahlen z verknu¨pft die Exponentialfunktion und die trigonometrischen Funktionen miteinander (nach dem schweizerischen Mathematiker Leonhard Euler, 1707––1783). Dabei ist e die Eulersche Zahl (vgl. Abschnitt I.8). ejz ¼ cos z þ j sin z ;
z2C
24
Mathematik Setzt man x ¼ j, dann erha¨lt man die sogenannte Exponentialform der komplexen Zahlen.
j w2 –1
w1 1
0 2
w =1
w2
z ¼ rðcos j þ j sin jÞ ¼ rejj j w1 0 w3 = 1
w2 j
w1
w3 –1
0
w4 = 1
1
w3
Dabei ist r der Modul und j das Argument der komplexen Zahl z. Fu¨r das Produkt und den Quotienten zweier komplexer Zahlen z1 ¼ r1 e jj1 und z2 ¼ r2 e jj2 ergibt sich z1 z2 ¼ r1 e jj1 r2 e jj2 ¼ r1 r2 e jðj1 þ j2 Þ
1
z1 r1 e jj1 r1 jðj1 j2 Þ ¼ ¼ e z2 r2 e jj2 r2
w4 –j
Bild I-6 Die n-ten Einheitswurzeln fu¨r n ¼ 2, n ¼ 3 und n ¼ 4
&
Fu¨r reelle Zahlen x (die reellen Zahlen sind eine Teilmenge der komplexen Zahlen) gilt ejx ¼ cos x þ j sin x.
ðz2 6¼ 0Þ
Beispiel fu¨r eine komplexe Zahl in verschiedenen Formen: pffiffiffi ! pffiffiffi 3 1 j ¼ 1 þ 3 j (algebraische Form) þ z¼2 2 2 p p þ j sin (trigonometrische Form) ¼ 2 cos 3 3 p ¼ 2e j 3 (Exponentialform)
II Gleichungen 1 Gleichungsarten Ein Term ist ein mathematischer Ausdruck, der aus Zahlen, Variablen, Rechenzeichen (mathematischen Operationen) und mo¨glicherweise noch anderen mathematischen Symbolen (zum Beispiel Funktionswerten) besteht. Will man ausdru¨cken, daß ein Term T1 zu einem anderen Term T2 a¨quivalent (gleichwertig) ist, so schreibt man Gleichung
T1 ¼ T2
Eine solche Darstellung heißt Gleichung. Die linke Seite der Gleichung ist T1 , die rechte Seite der Gleichung ist T2 . Mit Hilfe von Gleichungen lassen sich quantitative Beziehungen in Natur und Technik beschreiben. Meist liegen jedoch in der Praxis auftretende Aufgaben nicht in Form von Gleichungen zwischen Termen vor, sondern sie werden als Textgleichungen mit Worten beschrieben. Daraus muß dann durch eine bersetzung in die formale Sprache der Mathematik eine mathematische Beziehung hergestellt werden. Die berlegenheit der mathematischen Symbolik zeigt folgendes Beispiel:
Textgleichung: Den Umfang eines Kreises berechnet man, indem man das Produkt aus dem Verha¨ltnis von Umfang eines beliebigen Kreises zu seinem U Durchmesser ¼ p und dem Kreisradius ðrÞ mit d 2 multipliziert (vgl. Abschnitt III.10). Termgleichung : UKreis ¼ 2pr Man unterscheidet drei verschiedene Arten von Gleichungen: 1. Identische Gleichungen 2. Bestimmungsgleichungen 3. Funktionsgleichungen Eine identische Gleichung oder Identita¨t ist eine Gleichung zwischen zwei algebraischen Ausdru¨cken, die bei Einsetzen beliebiger Zahlenwerte anstelle der darin aufgefu¨hrten Buchstabensymbole erhalten bleibt. &
Beispiele fu¨r identische Gleichungen (Identita¨ten): 1. aðb þ cÞ ¼ ab þ ac 2. ða þ bÞ ðc þ dÞ ¼ ac þ ad þ bc þ bd 3. ða þ bÞ2 ¼ a2 þ 2ab þ b2 a c ad þ bc þ ¼ 4. b d bd nþm 5. an am p ffiffiffiffiffi ffiffiffi¼ a p p ffiffi ffi n n 6. n c d ¼ cd 7. loga ðxyÞ ¼ loga x þ loga y 8. ejx ¼ cos x þ j sin x
II Gleichungen
25
Eine Bestimmungsgleichung ist eine Gleichung, in der Variable (Unbekannte) auftreten, die durch eine Rechnung bestimmt werden sollen. Mit Hilfe zula¨ssiger Rechenoperationen sollen alle Werte der Variablen aus dem zugrunde liegenden Zahlenbereich bestimmt werden, fu¨r die die Gleichung erfu¨llt ist. Man nennt diese Werte Lo¨sungen oder auch Wurzeln der Gleichung. Alle Lo¨sungen zusammen bilden die Lo¨sungsmenge L der Bestimmungsgleichung. Eine Gleichung hat keine, eine oder mehrere Lo¨sungen. Eine Bestimmungsgleichung ist also nur fu¨r einige spezielle Werte der Variablen erfu¨llt. &
Beispiele fu¨r Bestimmungsgleichungen : 1. x þ 2 ¼ 3 Lo¨sung: x ¼ 1 Lo¨sungsmenge: L ¼ f1g 2. x þ 2 ¼ x þ 3 Keine Lo¨sung Lo¨sungsmenge: L ¼ fg ¼ ; 2 Lo¨sungen: x ¼ 3 und x ¼ 1 3. 2x þ 1 ¼ x 2 Lo¨sungsmenge: L ¼ f1; 3g 2 3 4. 5x 5 ¼ x x Lo¨sungen: x ¼ 5; x ¼ 1 und x ¼ 1 Lo¨sungsmenge: L ¼ f1; 1; 5g pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 5. 11 x þ 3 ¼ 6 Lo¨sung: x ¼ 22 Lo¨sungsmenge: L ¼ f22g x x2 x 2 Lo¨sung: 6. 3 ¼ 4 4 log 2
2;826 780 x¼ 3 log 2 log 3 4 log 2 Lo¨sungsmenge: L ¼ 3 log 2 log3 7. 8.
lg ð6x þ 10Þ lg ðx 3Þ ¼ 1 sin 2 x 1 ¼ 0;5
Lo¨sung: x ¼ 10 Lo¨sungsmenge: L ¼ f10g Lo¨sung: x ¼ 45 þ k 180 ; k 2 Z Lo¨sungsmenge: L ¼ fx j x ¼ 45 þ k 180 ; k 2 Zg
Die Bestimmungsgleichungen werden unterteilt in die algebraischen Gleichungen und in die transzendenten Gleichungen. In einer algebraischen Gleichung werden mit der oder den Variablen nur algebraische Rechenoperationen vorgenommen; sie werden addiert, subtrahiert, multipliziert, dividiert, potenziert oder radiziert. Sowohl die auftretenden Zahlen (Koeffizienten genannt) als auch die Lo¨sungen ko¨nnen aber transzendente Zahlen sein. Jede algebraische Gleichung mit genau einer Variablen x la¨ßt sich in der allgemeinen Form an xn þ an 1 xn 1 þ an 2 xn2 þ ::: þ a1 x þ a0 ¼ 0 schreiben. Die Zahlen an ; an 1 ; an 2 ; . . . ; a1 ; a0 heißen Koeffizienten (Beizahlen) der Gleichung. Sie stehen fu¨r beliebige reelle oder komplexe Zahlen. Ist xn die ho¨chste auftretende Potenz der Variablen x, so heißt die Gleichung vom Grad n. Algebraische Gleichungen vom Grad 1 heißen auch lineare Gleichungen, Gleichungen vom Grad 2 quadratische Gleichungen und Gleichungen vom Grad 3 kubische Gleichungen. Der sogenannte Fundamentalsatz der Algebra sagt aus, daß jede algebraische Gleichung n-ten Grades genau n (reelle oder komplexe) Lo¨sungen (Wurzeln) besitzt.
Alle Bestimmungsgleichungen, die nicht algebraisch sind, heißen transzendent (deutsch: u¨bersteigend). Sie haben ihren Namen daher, daß sie im allgemeinen schwieriger aufzulo¨sen sind als die algebraischen Gleichungen. Sie erfordern Auflo¨sungsmethoden, die die Mittel der Algebra u¨bersteigen. Beispiele fu¨r transzendente Gleichungen sind Exponentialgleichungen, logarithmische Gleichungen und trigonometrische Gleichungen. Bei den ersten fu¨nf Beispielen handelt es sich um algebraische Bestimmungsgleichungen, bei den letzten drei Beispielen um transzendente Gleichungen. Eine Funktionsgleichung dient dazu, eine Funktion zu definieren. Eine Funktion beschreibt den Zusammenhang zwischen verschiedenen vera¨nderlichen Gro¨ßen. Eine Funktionsgleichung entha¨lt in der Regel zwei oder mehr Variable, die durch die Gleichung einander zugeordnet werden. Funktionen werden ausfu¨hrlich im Abschnitt V behandelt. &
Beispiele fu¨r Funktionsgleichungen: 1. y ¼ 2x þ 1 2. y ¼ x2 þ x 5 pffiffiffi 3. y ¼ 2x2 x 3 x þ 4 4. y ¼ sin x 5. y ¼ 2x 5x þ 1
2 quivalente Umformungen Oft ist es mo¨glich, eine gegebene Gleichung durch zula¨ssige Rechenoperationen in eine Gleichung zu u¨berfu¨hren, die die gleiche Lo¨sungsmenge wie die Ausgangsgleichung besitzt, aber einfacher zu lo¨sen ist. Eine solche Umformung heißt a¨quivalent. Man nennt auch die beiden Gleichungen a¨quivalent (gleichwertig). Bei den zula¨ssigen Rechenoperationen ist darauf zu achten, daß sie gleichzeitig auf beiden Seiten einer Gleichung durchgefu¨hrt werden, zum Beispiel die Addition einer Konstanten oder die Multiplikation mit einer Konstanten. Grundregeln fu¨r a¨quivalente Umformungen: Addition einer Zahl (hier a) auf beiden Seiten einer Gleichung xa¼b jþa x¼ bþa Subtraktion einer Zahl (hier a) von beiden Seiten einer Gleichung xþa¼b ja x¼ ba Multiplikation beider Seiten einer Gleichung mit der gleichen Zahl (hier mit a); Bedingung: a 6¼ 0 x ¼b ja a x ¼ba
26
Mathematik
Division beider Seiten einer Gleichung durch die gleiche Zahl (hier durch a); Bedingung: a 6¼ 0 ax ¼ b j : a b x¼ a &
xþ
Beispiele: 1. 5x 6 ¼ 29 j þ 6 (Addition auf beiden Seiten) 5x ¼ 35 j : 5 (Division auf beiden Seiten) x¼7 Alle Gleichungen sind a¨quivalent mit der Lo¨sungsmenge L ¼ f7g. 2.
3.
4.
5.
man die sogenannte Normalform der linearen Gleichung.
5x 20 ¼ 60 11x j þ 11x (Addition auf beiden Seiten) 16x 20 ¼ 60 j þ 20 (Addition auf beiden Seiten) 16x ¼ 80 j : 16 (Division auf beiden Seiten) x¼5 Alle vier Gleichungen sind a¨quivalent mit der Lo¨sungsmenge L ¼ f5g. 2 1 1 ¼ ðx 6¼ 0; 1; 2Þ j xðx 1Þ ðx þ 2Þ x x1 xþ2 2ðx 1Þ ðx þ 2Þ xðx þ 2Þ ¼ xðx 1Þ (Hauptnenner) 2ðx2 þ x 2Þ ðx2 þ 2xÞ ¼ x2 x x2 4 ¼ x2 x j x2 þ x x4¼ 0 jþ4 x¼4 Alle Gleichungen sind a¨quivalent mit der Lo¨sungsmenge L ¼ f4g. j ð4x2 x þ 3Þ 4x2 x þ 3 ¼ 6x2 þ x 1 0 ¼ 6x2 þ x 1 4x2 þ x 3 0 ¼ 2x2 þ 2x 4 j:2 j Vertauschen der Seiten 0 ¼ x2 þ x 2 2 x þx2¼0 Berechnen der Lo¨sungen der quadratischen Gleichung: rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 1 1 3 x1; 2 ¼ þ 2 ¼ ) x1 ¼ 1; x2 ¼ 2 2 4 2 2 Alle Gleichungen sind a¨quivalent mit der Lo¨sungsmenge L ¼ f1; 2g. pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi xþ8¼ xþ2 | Quadrieren | Klammer „beseitigen“ x þ 8 ¼ ðx þ 2Þ2 2 x þ 8 ¼ x þ 4x þ 4 j ðx þ 8Þ 2 0 ¼ x þ 3x 4 | Vertauschen der Seiten x2 þ 3x 4 ¼ 0 Berechnen der Lo¨sungen der quadratischen Gleichung: rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 3 9 3 5 x1; 2 ¼ þ 4 ¼ ) x1 ¼ 1; x2 ¼ 4 2 4 2 2 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi x1 ¼ 1 erfu¨llt die Ausgangsgleichung wegen 1 þ 8 ¼ 1 þ 2, dagegen ist x2 ¼ 4 keine Lo¨sung der Ausgangsgleichung, pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi denn es ist 4 þ 8 6¼ 4 þ 2: Somit: Das Quadrieren ist keine a¨quivalente Umformung!
3 Lineare Gleichungen Eine lineare Gleichung oder Gleichung ersten Grades ist eine algebraische Gleichung, in der die Variable x in keiner ho¨heren als der ersten Potenz vorkommt. Jede lineare Gleichung la¨ßt sich durch a¨quivalente Umformungen u¨berfu¨hren in die a¨quivalente Gleichung
b ¼ x þ c ¼ 0; a
c¼
b a
Die Lo¨sung der linearen Gleichung ist x ¼ c b ¼ . Fu¨r die Lo¨sungsmenge gilt also: L ¼ fcg a b ¼ . a Allgemeines Verfahren zur Bestimmung der Lo¨sung: Man „beseitigt“ zuna¨chst alle Klammern und Bru¨che und ordnet dann die Glieder so, daß alle Glieder mit der Variablen x links vom Gleichheitszeichen und alle anderen rechts davon stehen: aðbx þ cÞ ¼ dðex þ f Þ abx þ ac ¼ dex þ df abx dex ¼ df ac xðab deÞ ¼ df ac df ac x¼ ab de (ab 6¼ de ist Bedingung, denn durch 0 darf nicht dividiert werden.) &
Beispiel: 3ðx þ 2Þ ¼ 5ð2x þ 9Þ 3x þ 6 ¼ 10x þ 45 3x þ 10x ¼ 45 6 13x ¼ 39 x¼3 Probe: 3ð3 þ 2Þ ¼ 5ð6 þ 9Þ 35 ¼53 15 ¼ 15
Grundsa¨tzlich sollte eine Probe durchgefu¨hrt werden. Dabei ist jede Seite der Gleichung einzeln auszurechnen. Der berechnete Wert fu¨r x sollte stets in die Ausgangsgleichung eingesetzt werden. Fehlerwarnung: Nach Einsetzen der Lo¨sung sollen nicht die gleichen Umformungen wie bei der Hauptrechnung vorgenommen werden, da sonst leicht ein mo¨glicher Fehler wiederholt werden kann.
4 Proportionen Eine Sonderstellung unter den linearen Gleichungen mit einer Variablen nehmen die Proportionen wegen ihrer vielseitigen Anwendbarkeit ein. Eine Proportion ist eine Verha¨ltnisgleichung a:b¼c:x oder mit x ¼ d a:b¼c:d und in Bruchschreibweise
ax þ b ¼ 0 ;
a 6¼ 0
Diese Gleichung heißt allgemeine Form der linearen Gleichung. Durch Division durch a 6¼ 0 erha¨lt
a c ¼ b d (gesprochen: a verha¨lt sich zu b wie c zu d).
II Gleichungen
27 4.
Treten in einer Proportion gleiche Innenglieder oder gleiche Außenglieder auf, so heißt die Proportion stetig. Im Fall gleicher Innenglieder, also a : b ¼ b : c; nennt man b mittlere Proportionale. Sind von den Gliedern einer Proportion drei bekannt, dann la¨ßt sich die vierte Proportionale berechnen. Sind zum Beispiel a; b; c bekannt und d bc gesucht, so gilt d ¼ : a &
Beispiele: 1. Welche Kraft F dehnt eine Feder um 4 cm, wenn die Kraft 3 N (Newton) eine Dehnung um 2 cm bewirkt? Ansatz (Hookesches Gesetz): F : 4 cm ¼ 3 N : 2 cm 4 cm 3 N ¼ 6N Auflo¨sung nach F : F ¼ 2 cm Antwort: Die Kraft 6 N bewirkt die Dehnung um 4 cm. 1 2. Wie weit kommt ein Flugzeug in 2 Stunden, wenn es 2 10 km in 45 s zuru¨cklegt? Ansatz (Bewegung mit konstanter Geschwindigkeit): x : 9000 s ¼ 10 km : 45 s 9000 s 10 km Auflo¨sung nach x: x ¼ ¼ 2000 km 45 s Antwort: Das Flugzeug fliegt 2000 km weit.
Die Proportion a : b ¼ c : d la¨ßt sich verschieden umformen. quivalente Formen sind d:c ¼b:a a:c ¼b:d d:b¼c:a b:a¼d:c ad ¼bc
a c ¼ aþb cþd a c ¼ ab cd
Dies sind Sonderfa¨lle des allgemeinen Gesetzes der korrespondierenden Addition und Subtraktion. Aus a : b ¼ c : d folgt fu¨r beliebige reelle Zahlen p; q; r; s (r und s du¨rfen nicht gleichzeitig 0 sein) pa þ qb pc þ qd ¼ ra þ sb rc þ sd &
Beispiele: 3.
5 5þx ¼ 4 x 54 5þxx ¼ 4 x 1 5 ¼ 4 x
Nenner vom Za¨hler subtrahieren (korrespondierende Subtraktion):
In Bruchschreibweise: 1 des Za¨hlers zum Nen5 ner (korrespondierende Addition) :
Addition von
5x
30 ¼ Vereinfachen: 30 5x 9þ 5 5 5x 30 4 ¼ ð¼ 2Þ Multiplikation mit : 4 15 5 8 x¼ 5 8 Die Lo¨sung ist x ¼ . 5 Probe: 8 5 5 ¼ 30 , 8 ¼ 10 , 8 5 ¼ 10 , 10 ¼ 10 8 2 9 3 12 3 3 3 4 2 5 5
4xþ
5 Quadratische Gleichungen 5.1 Definitionen Eine quadratische Gleichung oder Gleichung zweiten Grades ist eine algebraische Gleichung, in der die Variable x in keiner ho¨heren als der zweiten Potenz vorkommt. Jede quadratische Gleichung la¨ßt sich durch a¨quivalente Umformungen u¨berfu¨hren in die Gleichung Allgemeine Form
Aus der Proportion a : b ¼ c : d lassen sich weitere Proportionen ableiten, etwa durch Addition oder Subtraktion von 1 auf beiden Seiten. Man nennt ein solches Umformen der Proportion korrespondierende Addition oder korrespondierende Subtraktion (Bedingung in allen Fa¨llen: Nenner ungleich 0). aþb cþd ¼ b d ab cd ¼ b d
5x : ð4 xÞ ¼ 30 : 9 5x 30 ¼ 4x 9
ax2 þ bx þ c ¼ 0 ;
a 6¼ 0
Diese Gleichung heißt allgemeine Form der quadratischen Gleichung. Durch Division durch a 6¼ 0 erha¨lt man die sogenannte Normalform der quadratischen Gleichung b c . mit p ¼ ; q ¼ a a Normalform
x2 þ px þ q ¼ 0
5.2 Lo¨sungsverfahren 5.2.1 Sonderfa¨lle Ist q ¼ 0, also x2 þ px ¼ 0, dann erha¨lt man durch Ausklammern von x die Produktform xðx þ pÞ ¼ 0. Da ein Produkt genau dann gleich 0 ist, wenn mindestens einer der Faktoren gleich 0 ist, ergeben sich daraus die Lo¨sungen x1 ¼ 0; x2 ¼ p. Sonderfall q ¼ 0
Gleichung: :: Losungen :
x2 þ px ¼ 0 x1 ¼ 0; x2 ¼ p
Fehlerwarnung: Man darf nicht durch x dividieren. Division durch 0 ist verboten. Die Lo¨sung x ¼ 0 ginge sonst verloren. &
Beispiel:
.. x2 5x ¼ 0 ) Losungen: x1 ¼ 0; x2 ¼ 5
Vereinfachen: Nach x auflo¨sen (Multiplikation der Gleichung mit 4x):
x ¼ 20 Die Lo¨sung ist x ¼ 20, wie die Probe besta¨tigt.
Ist p ¼ 0, also x2 þ q ¼ 0, dann liegt eine sogenannte rein quadratische Gleichung vor. Durch Subtraktion von q auf beiden Seiten der Gleichung, also x2 ¼ q, und anschließendes Radizieren erha¨lt man
28
Mathematik
pffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffi die Lo¨sungen x1 ¼ þ q; x2 ¼ q. Gleichung: :: Losungen :
Sonderfall p ¼ 0
Daraus ergibt sich rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi p p2 p p2 x1 ¼ þ q; x2 ¼ q 2 2 4 4
x2 þ q ¼ 0 pffiffiffiffiffiffiffi x1 ¼ þ q; pffiffiffiffiffiffiffi x2 ¼ q
Fu¨r q < 0 ergeben sich zwei reelle Lo¨sungen, fu¨r q ¼ 0 die (doppelt zu za¨hlende) Lo¨sung x ¼ 0, fu¨r q > 0 pffiffiffi zwei rein imagina¨re Lo¨sungen, und zwar x1 ¼ j q; pffiffiffi x2 ¼ j q (x1 und x2 sind konjugiert komplex). &
Beispiele: 1. x2 9 ¼ 0 q ¼ 9 < 0 ) zwei reelle Lo¨sungen: x1 ¼ 3; x2 ¼ 3 2. x2 þ 16 ¼ 0 q ¼ 16 > 0 ) zwei imagina¨re Lo¨sungen: x1 ¼ 4j; x2 ¼ 4j
Fu¨r die Sonderfa¨lle c ¼ 0 und b ¼ 0 der allgemeinen Form der quadratischen Gleichung ergeben sich die Lo¨sungen ganz analog. Gleichung: :: Losungen :
Sonderfall c ¼ 0
Gleichung: :: Losungen :
Sonderfall b ¼ 0
b a
ax2 þ c ¼ 0 rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi c x1 ¼ þ ; a rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi c x2 ¼ a
5.2.2 Normalform Die Lo¨sungen der Normalform x2 þ px þ q ¼ 0 der quadratischen Gleichung bestimmt man mit der Methode der „quadratischen Erga¨nzung“. Zuna¨chst bringt man q auf die rechte Seite der Gleichung, das heißt, von beiden Seiten der Gleichung wird q subtrahiert. Auf beiden Seiten p 2addiert man dann die quadrades Terms x2 þ px. Damit tische Erga¨nzung 2 wird die linke Seite der Gleichung zu einem „vollsta¨ndigen Quadrat“ (binomische Formel). Durch Rap dizieren und anschließender Subtraktion von erge2 ben sich dann die Lo¨sungen x1 und x2 der Gleichung. Bestimmung der Lo¨sungen: x2 þ px þ q x2 þ px p 2 x2 þ px þ 2 p 2 xþ 2 p 2 xþ 2 p xþ 2
¼0 ¼ q p 2 ¼ q 2 p 2 ¼ q 2 2 p q ¼ 4rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi p2 ¼ q 4 sffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi
x ¼
p 2
p2 q 4
Normalform
rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi p p2 q fu¨r die Lo¨2 4 sungen nennt man auch ðp; qÞ-Formel. Die Gleichung x1; 2 ¼
ðp; qÞ-Formel
&
ax2 þ bx ¼ 0 x1 ¼ 0; x2 ¼
x2 þ px þ q ¼ 0 rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi p p2 .. q; Losungen: x1 ¼ þ 2 4 sffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi p p2 x2 ¼ q 4 2
Gleichung:
x1; 2 ¼
p 2
rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi p2 q 4
Beispiele: 1. (ausfu¨hrlich)
2.
x2 þ 12x þ 35 ¼ 0 x2 þ 12x ¼ 35 x2 þ 12x þ 62 ¼ 35 þ 62 ðx þ 6Þ2 ¼ 1 x þ 6 ¼ 1 x ¼ 6 1 Lo¨sungen: x1 ¼ 6 þ 1 ¼ 5; x2 ¼ 6 1 ¼ 7 Es sind zwei Proben durchzufu¨hren! (mit ðp; qÞ-Formel) 25x2 þ 13 ¼ 70x Sortieren und Dividieren durch 25 zum Beschaffen der Normalform: 14 13 14 13 xþ ¼0)p¼ und q ¼ . x2 5 25 5 25 Einsetzen in die ðp; qÞ-Formel ergibt die Lo¨sungen: sffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi rffiffiffiffiffiffiffi 2 7 7 13 7 36 7 6 13 ¼ þ ¼ , x1 ¼ þ ¼ þ 5 5 25 5 25 5 5 5 7 6 1 ¼ 5 5 5 Es sind zwei Proben durchzufu¨hren!
x2 ¼
Den Radikanden in der ðp; qÞ-Formel nennt man die Diskriminante D der Normalform der quadratischen Gleichung. Diskriminante der Normalform
D¼
p2 q 4
Die Lo¨sungen der Normalform lassen sich auch mit Hilfe der Diskriminante schreiben.
Normalform
Gleichung: x2 þ px þ q ¼ 0 p pffiffiffiffi .. Losungen: x1; 2 ¼ D; 2 p2 D¼ q 4
Der Wert der Diskriminante D bestimmt die Anzahl der reellen Lo¨sungen der quadratischen Gleichung. Fu¨r D > 0 existieren zwei reelle Lo¨sungen x1 und x2 , fu¨r D ¼ 0 gibt es eine reelle Lo¨sung (Doppel-
II Gleichungen lo¨sung x1 ¼ x2 ), fu¨r D < 0 hat die quadratische Gleichung keine reelle Lo¨sung, es existieren zwei komplexe Lo¨sungen x1 und x2 (x1 und x2 sind konjugiert komplex zueinander). &
Beispiele: 3. 2x2 10x þ 12 ¼ 0 ðallgemeineFormÞ x2 5x þ 6 ¼ 0 ðNormalformÞ p2 25 1 6¼ p ¼ 5; q ¼ 6 ) D ¼ q ¼ 4 4 4 D > 0 ) zwei reelle Lo¨sungen Lo¨sungen: rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi rffiffiffiffiffi pffiffiffiffi p p2 p 5 1 x1; 2 ¼ q ¼ D¼ 4 2 2 2 4 5 1 5 1 5 1 ) x1 ¼ þ ¼ 3; x2 ¼ ¼ 2 ¼ 2 2 2 2 2 2 4.
5.
9x2 þ 18x 9 ¼ 0 ðallgemeine FormÞ x2 2x þ 1 ¼ 0 ðNormalformÞ p2 4 q ¼ 1¼ 0 p ¼ 2; q ¼ 1 ) D ¼ 4 4 D ¼ 0 ) Doppello¨sung x1 ¼ x2 2 ¼1 Lo¨sung: x1 ¼ x2 ¼ 2 3x2 36x þ 120 ¼ 0 (allgemeine Form) x2 12x þ 40 ¼ 0 (Normalform) p2 ð12Þ2 p ¼ 12; q ¼ 40 ) D ¼ q¼ 40 4 4 144 16 40 ¼ ¼ 4 ¼ 4 4 D < 0 ) zwei konjugiert komplexe Lo¨sungen pffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffi 12 Lo¨sungen: x1; 2 ¼ 4 ¼ 6 4 2 pffiffiffiffiffiffiffi ¼ 6 2 1 ¼ 6 2j ) x1 ¼ 6 þ 2j; x2 ¼ 6 2j
5.2.3 Allgemeine Form Die Lo¨sungen der allgemeinen Form ax2 þ bx þ c b c ¼ 0 erha¨lt man durch Setzen von p ¼ ; q ¼ in a a der ðp; qÞ-Formel. Allgemeine Form: Gleichung: ax2 þ bx þ c ¼ 0; a 6¼ 0 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 .. Losungen: x1 ¼ ðb þ b2 4acÞ; 2a pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 x2 ¼ ðb b2 4acÞ 2a &
Beispiel: 1. 2x2 10x þ 12 ¼ 0 a ¼ 2; b ¼ 10; c ¼ 12 Lo¨sungen: qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 x1 ¼ ð10Þ þ ð10Þ2 4 2 12 4 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 1 ¼ ð10 þ 100 96 Þ ¼ ð10 þ 2Þ ¼ 3; 4 4 1 x2 ¼ ð10 2Þ ¼ 2 4
Den Radikanden in der Lo¨sungsformel nennt man der allgemeinen Form der quadie Diskriminante D dratischen Gleichung. Diskriminante der allgemeinen Form ¼ b2 4ac D Die Lo¨sungen der allgemeinen Form lassen sich auch mit Hilfe der Diskriminante schreiben.
29 Allgemeine Form: Gleichung: ax2 þ bx þ c ¼ 0; a 6¼ 0 pffiffiffiffi 1 .. ; Losungen: x1; 2 ¼ b D 2a 2 D ¼ b 4ac Auch hier bestimmt der Wert der Diskriminante D die Anzahl der reellen Lo¨sungen der quadratischen Gleichung. > 0 gibt es zwei reelle Lo¨sungen x1 und Fu¨r D ¼ 0 gibt es eine reelle Doppello¨sung x2 , fu¨r D < 0 gibt es keine reelle Lo¨sung, (x1 ¼ x2 ), und fu¨r D sondern zwei konjugiert komplexe Lo¨sungen x1 und x2 . &
Beispiel: 2. 3x2 18x þ 42 ¼ 0 ¼ ð18Þ2 4 3 42 a ¼ 3; b ¼ 18; c ¼ 42 ) D ¼ 324 504 ¼ 180 < 0 < 0 ) zwei konjugiert komplexe Lo¨sungen D Lo¨sungen: pffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 1 ð18 180 Þ ¼ ð18 36 ð5Þ Þ ¼ 3 5 6 6 pffiffiffi pffiffiffi ) x1 ¼ 3 þ 5 j; x2 ¼ 3 5 j
x1; 2 ¼
5.2.4 Zerlegung in Linearfaktoren Sind x1 und x2 die (nicht unbedingt verschiedenen) Lo¨sungen der quadratischen Gleichung ax2 þ bx þ c ¼ 0; a 6¼ 0, dann kann der quadratische Ausdruck in Linearfaktoren zerlegt werden. ax2 þ bx þ c ¼ aðx x1 Þ ðx x2 Þ ¼ 0 Die Faktoren x x1 und x x2 heißen linear, weil die Variable x nur in erster Potenz, also linear auftritt. Da ein Produkt genau dann gleich 0 ist, wenn mindestens einer der Faktoren gleich 0 ist, ergeben sich auch hieraus wieder die Lo¨sungen x1 und x2 . Man nennt aðx x1 Þ ðx x2 Þ ¼ 0 auch Produktform der quadratischen Gleichung. &
Beispiele: 1. 2x2 6x ¼ 0 Zerlegung in Linearfaktoren: 2x2 6x ¼ 2xðx 3Þ ¼ 0 Lo¨sungen: x1 ¼ 0; x2 ¼ 3 2. x2 x 6 ¼ 0 Zerlegung in Linearfaktoren: x2 x 6 ¼ ðx 3Þ ðx þ 2Þ ¼ 0 Lo¨sungen: x1 ¼ 3 (denn x 3 ¼ 0 fu¨r x ¼ 3), x2 ¼ 2 (denn x þ 2 ¼ 0 fu¨r x ¼ 2)
.. 5.3 Satz von Vieta fu¨r quadratische Gleichungen Die Produktform der quadratischen Gleichung x2 þ px þ q ¼ 0 in Normalform lautet ðx x1 Þ ðx x2 Þ ¼ 0. Ausmultiplizieren und Vergleich ergibt ðx x1 Þ ðx x2 Þ ¼ 0 x2 xx2 x1 x þ x1 x2 ¼ 0 x2 ðx1 þ x2 Þ x þ x1 x2 ¼ 0 x2 þ px þ q ¼ 0
30
Mathematik
also die Beziehungen p ¼ ðx1 þ x2 Þ; q ¼ x1 x2 . Der Koeffizient p von x ist somit gleich der negativen Summe der beiden Lo¨sungen, das Absolutglied q der quadratischen Gleichung ist gleich dem Produkt der Lo¨sungen. Diese Beziehungen nennt man den Satz von Vie€ta fu¨r quadratische Gleichungen (nach dem franzo¨sischen Mathematiker Franc¸ois Vie€ta, 1540––1603). Satz von Vie€ta
p ¼ ðx1 þ x2 Þ ;
q ¼ x1 x2
Man nennt dies Produktform der kubischen Gleichung oder Zerlegung in Linearfaktoren. Ist t ¼ 0 in der Normalform (fu¨r die allgemeine Form ist die Methode ganz analog), also x3 þ rx2 þ sx ¼ 0, dann erha¨lt man durch Ausklammern von x die Gleichung xðx2 þ rx þ sÞ ¼ 0. Neben der reellen Lo¨sung x1 ¼ 0 sind die Wurzeln der quadratischen Gleichung x2 þ rx þ s ¼ 0 die weiteren Lo¨sungen. Sonderfall t ¼ 0:
&
Beispiele: 1. Die quadratische Gleichung x2 5x þ 6 ¼ 0 mit p ¼ 5; q ¼ 6 hat die Lo¨sungen x1 ¼ 3; x2 ¼ 2. Es gilt: p ¼ 5 ¼ ð3 þ 2Þ ¼ ðx1 þ x2 Þ; q ¼ 6 ¼ 3 2 ¼ x1 x2 2. Die quadratische Gleichung x2 12x þ 40 ¼ 0 mit p ¼ 12; q ¼ 40 hat die Lo¨sungen x1 ¼ 6 þ 2j; x2 ¼ 6 2j (siehe oben). Es gilt: p ¼ 12 ¼ ð6 þ 2j þ 6 2jÞ ¼ ðx1 þ x2 Þ; q ¼ 40 ¼ 36 þ 4 ¼ 36 4j2 ¼ ð6 þ 2jÞ ð6 2jÞ ¼ x1 x2 3. Welche quadratische Gleichung hat die Lo¨sungen x1 ¼ 5 und x2 ¼ 3? Nach dem Satz von Vi€eta folgt: p ¼ ðx1 þ x2 Þ ¼ ð5 3Þ ¼ 2; q ¼ x1 x2 ¼ 5 ð3Þ ¼ 15 Antwort: Die Normalform der gesuchten quadratischen Gleichung ist x2 2x 15 ¼ 0
Hinweis: Der Satz von Vie€ta la¨ßt sich auch fu¨r die Probe anwenden!
6 Algebraische Gleichungen ho¨heren Grades 6.1 Kubische Gleichungen Die allgemeine Form einer kubischen Gleichung lautet Allgemeine Form
ax þ bx þ cx þ d ¼ 0 ; a 6¼ 0 3
2
Die Normalform erha¨lt man aus der allgemeinen Form durch Division durch a 6¼ 0 und Setzen von b c d ¼ r; ¼ s; ¼ t. a a a Normalform
x3 þ rx2 þ sx þ t ¼ 0
Dabei sind a; b; c; d und somit auch r; s; t reelle (oder komplexe) Koeffizienten. „Kubisch“ bedeutet, daß die Variable x in keiner ho¨heren als der dritten Potenz vorkommt. Deshalb nennt man kubische Gleichungen auch Gleichungen dritten Grades. Mit Hilfe der sogenannten Cardanischen Formel lassen sich die Lo¨sungen exakt berechnen. Es gibt entweder drei reelle Lo¨sungen oder eine reelle Lo¨sung und zwei konjugiert komplexe Lo¨sungen. In Spezialfa¨llen fu¨hren oftmals einfachere Methoden zum Ziel. Sind x1 ; x2 ; x3 die Lo¨sungen der kubischen Gleichung ax3 þ bx2 þ cx þ d ¼ 0, dann gilt ax3 þ bx2 þ cxþ d ¼ aðx x1 Þ ðx x2 Þðx x3 Þ ¼ 0
Gleichung: x3 þ rx2 þ sx ¼ 0 .. Losungen:
r x1 ¼ 0; x2 ¼ þ 2 rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi r r2 s x3 ¼ 2 4
rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi r2 s; 4
Fehlerwarnung: Durch Division durch x geht die Lo¨sung x ¼ 0 verloren! &
Beispiel: 1. x3 x2 2x ¼ 0 Ausklammern von x: xðx2 x 2Þ ¼ 0 Erste Lo¨sung: x1 ¼ 0 Die quadratische Gleichung x2 x 2 ¼ 0 hat die Lo¨sungen rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 1 1 3 ð2Þ ¼ ; x2; 3 ¼ 2 4 2 2 also x2 ¼ 2; x3 ¼ 1 Lo¨sungen der kubischen Gleichung x3 x2 2x ¼ 0 somit: x1 ¼ 0; x2 ¼ 2; x3 ¼ 1
Ist eine Lo¨sung x1 von x3 þ rx2 þ sx þ t ¼ 0 bekannt, dann la¨ßt sich die kubische Gleichung durch Abspalten des Faktors x x1 reduzieren (auch diese Methode la¨ßt sich fu¨r die allgemeine Form anwenden). x3 þ rx2 þ sx þ t ¼ ðx x1 Þ ðx2 þ ux þ vÞ ¼ 0 Dividiert man die linke Seite x3 þ rx2 þ sx þ t der kubischen Gleichung durch x x1 , so erha¨lt man einen quadratischen Term x2 þ ux þ v. Die Wurzeln von x2 þ ux þ v ¼ 0 sind auch Lo¨sungen der kubischen Gleichung. Diese Methode heißt Reduktionsmethode, und die dabei durchgefu¨hrte Division nennt man Polynomdivision (vgl. auch na¨chsten Abschnitt). Lo¨sung x1 bekannt: Gleichung: x3 þ rx2 þ sx þ t ¼ ðx x1 Þ ðx2 þ ux þ vÞ ¼ 0 rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi u u2 .. Losungen: x1 ; x2 ¼ þ v; 2 4 rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi u u2 v x3 ¼ 2 4
II Gleichungen &
Beispiele: 2. x3 6x2 x þ 6 ¼ 0 Eine Lo¨sung dieser kubischen Gleichung ist x1 ¼ 1 (erha¨lt man durch Probieren). Division von x3 6x2 x þ 6 durch x 1: ðx3 6x2 x þ 6Þ : ðx 1Þ ¼ x2 5x 6 ðx3 x2 Þ 5x2 x ð 5x2 þ 5xÞ 6x þ 6 ð 6x þ 6Þ 0
3.
Die Lo¨sungen der quadratischen Gleichung x2 5x 6 ¼ 0 sind x2 ¼ 6; x3 ¼ 1. Lo¨sungen der kubischen Gleichung x3 6x2 x þ 6 ¼ 0 somit: x1 ¼ 1; x2 ¼ 6; x3 ¼ 1 4x3 12x2 þ 11x 3 ¼ 0 Eine Lo¨sung dieser Gleichung ist x1 ¼ 1 (Probieren!). Division von 4x3 12x2 þ 11x 3 durch x 1: ð4x3 12x2 þ 11x 3Þ : ðx 1Þ ¼ 4x2 8x þ 3 ð4x3 4x2 Þ 8x2 þ 11x ð 8x2 þ 8xÞ 3x 3 ð 3x 3Þ 0 Die Lo¨sungen der quadratischen Gleichung 4x2 8x þ 3 ¼ 0 3 1 sind x2 ¼ ; x3 ¼ . 2 2 Lo¨sungen der kubischen Gleichung x3 6x2 x þ 6 ¼ 0 somit: 3 1 x1 ¼ 1; x2 ¼ ; x3 ¼ 2 2
31 dieren von Dezimalzahlen. Dabei wird zuerst die ho¨chste Potenz von x des Dividenden durch die ho¨chste Potenz von x des Divisors geteilt. Ist der Quotient der Polynomdivision wieder ein PoPn ðxÞ lynom, gilt also ¼ Pk ðxÞ mit einem Polynom Pm ðxÞ Pk ðxÞ, dann heißt Pm ðxÞ Faktor des Polynoms Pn ðxÞ oder genauer Faktor m-ten Grades (und Pk ðxÞ ist ein Faktor k-ten Grades von Pn ðxÞ). Fu¨r m ¼ 1 heißt Pm ðxÞ linearer Faktor, fu¨r m ¼ 2 quadratischer Faktor und fu¨r m ¼ 3 kubischer Faktor von Pn ðxÞ. &
Beispiele zur Polynomdivision: 1. P3 ðxÞ ¼ x3 6x2 x þ 6 ¼ 0; P1 ðxÞ ¼ x 1 ðx3 6x2 x þ 6Þ : ðx 1Þ ¼ x2 5x 6 ðx3 x2 Þ 5x2 x ð 5x2 þ 5xÞ 6x þ 6 ð 6x þ 6Þ 0 Es gilt somit: P3 ðxÞ x3 6x2 x þ 6 ¼ x2 5x 6 ¼ P2 ðxÞ ¼ P1 ðxÞ x1
2.
P1 ðxÞ ¼ x 1 ist also ein linearer Faktor und P2 ðxÞ ¼ x2 5x 6 ein quadratischer Faktor von P3 ðxÞ ¼ x3 6x2 x þ 6. P3 ðxÞ ¼ 4x3 12x2 þ 11x 3; P1 ðxÞ ¼ x 1
3.
ð4x3 12x2 þ 11x 3Þ : ðx 1Þ ¼ 4x2 8x þ 3 ð4x3 4x2 Þ 8x2 þ 11x ð 8x2 þ 8xÞ 3x 3 ð 3x 3Þ 0 Es gilt P3 ðxÞ ¼ 4x3 12x2 þ 11x 3 ¼ ðx 1Þ ð4x2 8x þ 3Þ ¼ P1 ðxÞ P2 ðxÞ. P1 ðxÞ ¼ x 1 ist ein linearer Faktor, P2 ðxÞ ¼ 4x2 8x þ 3 ist ein quadratischer Faktor von P3 ðxÞ ¼ 4x3 12x2 þ 11x 3. P4 ðxÞ ¼ 3x4 10x3 þ 22x2 24x þ 10; P2 ðxÞ ¼ x2 2x þ 3
6.2 Polynomdivision Ein Ausdruck der folgenden Form mit a0 ; a1 ; a2 ; . . . ; an 1 ; an 2 R; an 6¼ 0; n 2 N* heißt Polynom in x. Polynom Pn ðxÞ ¼ an xn þ an 1 xn 1 þ . . . þ a2 x2 þ a1 x þ a0 n P ¼ ak xk k¼0
Das x in Klammern hinter Pn weist darauf hin, daß x die Variable ist. Die Koeffizienten a0 ; a1 ; a2 ; . . . ; an 1 ; an du¨rfen dabei beliebige reelle (oder auch komplexe) Zahlen sein. Ein Polynom ist also die linke Seite der allgemeinen Form einer algebraischen Gleichung. Ist dabei xn die ho¨chste auftretende Potenz der Variablen x, so hat das Polynom den Grad n. Zwei Polynome sind gleich, wenn sie vom gleichen Grad sind und die entsprechenden Koeffizienten u¨bereinstimmen. &
Beispiele fu¨r Polynome: 1. x3 6x2 x þ 6 (Polynom vom Grad 3) 2. x 1 (Polynom vom Grad 1) 1 4 x þ 2x 3 (Polynom vom Grad 5) 3. x5 3 1 4. 0;34x9 24;3x6 þ 22x5 x4 þ 11 (Polynom vom Grad 9) 3 5. x27 þ 3 (Polynom vom Grad 27)
Die Division zweier Polynome Pn ðxÞ und Pm ðxÞ mit n m verla¨uft ganz analog dem schriftlichen Divi-
ð3x4 10x3 þ 22x2 24x þ 10Þ : ðx2 2x þ 3Þ ¼ 3x2 4x þ 5 ð3x4 6x3 þ 9x2 Þ 4x3 þ 13x2 24x ð 4x3 þ 8x2 12xÞ 5x2 12x þ 10 ð 5x2 10x þ 15Þ 2x 5 Es gilt somit: 4 3 2 ð3x 10x þ 22x 24x þ 10Þ : ðx2 2x þ 3Þ 2x 5 ¼ 3x2 4x þ 5 þ 2 x 2x þ 3 Also ist P2 ðxÞ ¼ x2 2x þ 3 kein Faktor von P4 ðxÞ ¼ 3x4 10x3 þ 22x2 24x þ 10:
Eine Zahl x0 heißt Nullstelle des Polynoms Pn ðxÞ, wenn Pn ðx0 Þ ¼ 0 gilt. Das Polynom Pn ðxÞ la¨ßt sich dann durch x x0 dividieren, x x0 ist also ein linearer Faktor von Pn ðxÞ. Es gibt dann ein Polynom ðn 1Þten Grades Pn 1 ðxÞ mit Pn ðxÞ ¼ ðx x0 Þ Pn 1 ðxÞ. Findet man eine Zerlegung Pn ðxÞ ¼ ðx x0 Þm Pk ðxÞ; 6 0 ist, dann wobei Pk ðxÞ ein Polynom mit Pk ðx0 Þ ¼ heißt x0 eine m-fache Nullstelle von Pn ðxÞ, oder m heißt Vielfachheit der Nullstelle x0. Pn ðxÞ ¼ ðx x0 Þm Pk ðxÞ Ist x0 eine reelle Zahl, dann nennt man x0 eine reelle Nullstelle des Polynoms.
32 &
Mathematik Beispiele: 1. P3 ðxÞ ¼ x3 3x2 þ x 3 ¼ ðx 3Þ ðx2 þ 1Þ ¼ ðx 3Þ P2 ðxÞ 6 0 ist x0 ¼ 3 eine einfache Nullstelle des PolyWegen P2 ð3Þ ¼ noms P3 ðxÞ ¼ x3 3x2 þ x 3: 3 2. P3 ðxÞ ¼ x 3x2 þ 3x 1 ¼ ðx 1Þ3 Somit ist x0 ¼ 1 eine dreifache Nullstelle des Polynoms P3 ðxÞ ¼ x3 3x2 þ 3x 1: 3. P3 ðxÞ ¼ x3 3x þ 2 ¼ ðx 1Þ2 ðx þ 2Þ Es ist also x0 ¼ 1 eine doppelte Nullstelle und x1 ¼ 2 eine einfache Nullstelle von P3 ðxÞ ¼ x3 3x þ 2:
Ist eine Lo¨sung x1 von x4 þ rx3 þ sx2 þ tx þ u ¼ 0 bekannt, dann la¨ßt sich die Gleichung durch Abspalten des Faktors x x1 durch Polynomdivision reduzieren (diese sogenannte Reduktionsmethode la¨ßt sich auch wieder fu¨r die allgemeine Form anwenden): x4 þ rx3 þ sx2 þ tx þ u ¼ ðx x1 Þ ðx3 þ kx2 þ lx þ mÞ ¼ 0
6.3 Gleichungen vierten Grades Die allgemeine Form einer Gleichung vierten Grades lautet Allgemeine Form
ax4 þ bx3 þ cx2 þ dx þ e ¼ 0 ; a 6¼ 0
Die Normalform erha¨lt man aus der allgemeinen Form durch Division durch a 6¼ 0 und Setzen von b c d e ¼ r; ¼ s; ¼ t; ¼ u. a a a a Normalform
&
Beispiele: 2. x4 7x3 þ 5x2 þ 7x 6 ¼ 0 Durch Probieren findet man die Lo¨sung x1 ¼ 1. Polynomdivision ergibt: ðx4 7x3 þ 5x2 þ 7x 6Þ : ðx 1Þ ¼ x3 6x2 x þ 6 ðx4 x3 Þ 6x3 þ 5x2 ð 6x3 þ 6x2 Þ x2 þ 7x ð x2 þ xÞ 6x 6 ð 6x 6Þ 0
x4 þ rx3 þ sx2 þ tx þ u ¼ 0
Dabei sind a; b; c; d; e und somit auch r; s; t; u reelle (oder komplexe) Koeffizienten. Auch fu¨r die Gleichungen vierten Grades existiert eine allgemeine Lo¨sungsformel. Diese ist aber noch wesentlich komplizierter als die fu¨r die kubischen Gleichungen und wird deshalb hier weggelassen. Eine Gleichung vierten Grades muß nicht unbedingt eine reelle Lo¨sung besitzen. Im Bereich der komplexen Zahlen gibt es jedoch vier Lo¨sungen. Dabei ko¨nnen Doppello¨sungen vorkommen. Komplexe Lo¨sungen treten paarweise als konjugiert komplexe Zahlen auf. In Spezialfa¨llen fu¨hren manchmal einfachere Methoden zum Ziel. Sind x1 ; x2 ; x3 ; x4 die Lo¨sungen der Gleichung vierten Grades ax4 þ bx3 þ cx2 þ dx þ e ¼ 0, dann gilt ax4 þ bx3 þ cx2 þ dx þ e ¼ aðx x1 Þ ðx x2 Þ ðx x3 Þ ðx x4 Þ ¼ 0 Man nennt dies wieder Produktform oder Zerlegung in Linearfaktoren. Ist u ¼ 0 in der Normalform (fu¨r die allgemeine Form ist die Methode analog), also x4 þ rx3 þ sx2 þ tx ¼ 0, dann erha¨lt man durch Ausklammern von x die Gleichung xðx3 þ rx2 þ sx þ tÞ ¼ 0. Eine Lo¨sung ist x1 ¼ 0, die weiteren Lo¨sungen sind die Wurzeln der kubischen Gleichung x3 þ rx2 þ sx þ t ¼ 0. &
Die Wurzeln der kubischen Gleichung x3 þ kx2 þ lx þ m ¼ 0 sind auch Lo¨sungen der Gleichung vierten Grades x4 þ rx3 þ sx2 þ tx þ u ¼ 0.
Beispiel: 1. x4 6x3 x2 þ 6x ¼ 0 Ausklammern von x: xðx3 6x2 x þ 6Þ ¼ 0 Erste Lo¨sung: x1 ¼ 0 Die kubische Gleichung x3 6x2 x þ 6 ¼ 0 hat die Lo¨sungen x2 ¼ 1; x3 ¼ 6; x4 ¼ 1 (vgl. Beispiel 2 im Abschnitt II.6.1). Lo¨sungen der Gleichung vierten Grades x4 6x3 x2 þ 6x ¼ 0 somit: x1 ¼ 0; x2 ¼ 1; x3 ¼ 6; x4 ¼ 1
3.
Die kubische Gleichung x3 6x2 x þ 6 ¼ 0 hat die Lo¨sungen x2 ¼ 1; x3 ¼ 6; x4 ¼ 1 (vgl. Beispiel 2 im Abschnitt II.6.1). Lo¨sungen der Gleichung vierten Grades x4 7x3 þ 5x2 þ 7x 6 ¼ 0 somit: x1 ¼ x2 ¼ 1; x3 ¼ 6; x4 ¼ 1 4x4 8x3 x2 þ 8x 3 ¼ 0 Durch Probieren erha¨lt man die Lo¨sung x1 ¼ 1. Polynomdivision von 4x4 8x3 x2 þ 8x 3 durch x þ 1 ergibt: ð4x4 8x3 x2 þ 8x 3Þ : ðx þ1Þ ¼ 4x3 12x2 þ 11x3 ð4x4 þ 4x3 Þ 12x3 x2 ð12x3 12x2 Þ 11x2 þ 8x ð11x2 þ 11xÞ 3x 3 ð 3x 3Þ 0 Die kubische Gleichung 4x3 12x2 þ 11x 3 ¼ 0 hat die Lo¨3 1 sungen x2 ¼ 1; x3 ¼ ; x4 ¼ (vgl. Beispiel 3 im Abschnitt 2 2 II.6.1). Lo¨sungen der Gleichung vierten Grades 4x4 8x3 x2 þ 8x 3 1 3 ¼ 0 somit: x1 ¼ 1; x2 ¼ 1; x3 ¼ ; x4 ¼ 2 2
Sind in einer Gleichung vierten Grades die Koeffizienten von x3 und x gleich Null, dann heißt sie biquadratische Gleichung: ax4 þ cx2 þ e ¼ 0; a 6¼ 0 (allgemeine Form) oder x4 þ sx2 þ u ¼ 0 (Normalform). Eine Substitution ist die Ersetzung eines algebraischen Ausdrucks durch einen anderen. Bei komplizierten Gleichungen ko¨nnen oftmals mit Hilfe einer geeigneten Substitution Lo¨sungen gefunden werden. Mit Hilfe der Substitution x2 ¼ z wird aus einer biquadratischen Gleichung eine quadratische Gleichung mit der Variablen z: az2 þ cz þ e ¼ 0 oder z2 þ sz þ u ¼ 0. Aus deren Lo¨sungen z1 ; z2 erha¨lt man die Lo¨sungen der biquadratischen Gleichung
II Gleichungen
33
pffiffiffiffiffi durch Radizieren (Wurzelziehen): x1; 2 ¼ z1 ; x3; 4 pffiffiffiffiffi ¼ z2 . Biquadratische Gleichung Gleichung (Normalform): x4 þ sx2 þ u ¼ 0 Substitution x2 ¼ z : z2 þ r sz ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi þu¼0 s s2 .. u Losungen: z1; 2 ¼ 2 4 .. Losungen der biquadratischen Gleichung: pffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi x1; 2 ¼ z1 ; x3; 4 ¼ z2 &
Beispiele: 4. 2x4 6x2 þ 4 ¼ 0 Division durch 2 ergibt die Normalform: x4 3x2 þ 2 ¼ 0 Substitution x2 ¼ z ergibt eine quadratische Gleichung in z: z2 3z þ 2 ¼ 0 Lo¨sungen der quadratischen Gleichung: z1 ¼ 1; z2 ¼ 2 Lo¨sungen der biquadratischen Gleichung durch Radizieren: pffiffiffiffiffi pffiffiffi pffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi pffiffiffi x1 ¼ z1 ¼ 1 p ¼ ffiffi1; ffi x2 ¼ z1 ¼ 1; x3 ¼ z2 ¼ 2; pffiffiffiffiffi x4 ¼ z2 ¼ 2 5. x4 þ 2x2 15 ¼ 0 Substitution x2 ¼ z ergibt eine quadratische Gleichung in z: z2 þ 2z 15 ¼ 0 Lo¨sungen der quadratischen Gleichung: z1 ¼ 3; z2 ¼ 5 Lo¨sungen der biquadratischen Gleichung durch Radizieren: pffiffiffi pffiffiffi pffiffiffiffiffi pffiffiffi pffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffi ¼ x1 ¼ z1 ¼ 3; pxffiffiffiffiffiffi 2 ¼ 1 ffiffi ffi zp ffi 3; x3 ¼ z2 ¼ 5 ¼ j 5; pffiffiffiffiffi x4 ¼ z2 ¼ 5 ¼ j 5 6. x4 4x2 1 ¼ 0 Substitution x2 ¼ z ergibt eine quadratische Gleichung in z: z2 4z 1 ¼ 0 pffiffiffi Lo¨sungenpder Gleichung: z1 ¼ 2 þ 5; ffiffiffi quadratischen pffiffiffi z2 ¼ 2 5 ¼ ð 5 2Þ Lo¨sungen der biquadratischen Gleichung durch Radizieren: pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffi pffiffiffi pffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi x1 ¼ z1 ¼ 2 þ 5 ; x2 ¼ z1 ¼ 2 þ 5 ; qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffi pffiffiffi pffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi 5 2; x4 ¼ z2 x3 ¼ z2 ¼ ð 5 2Þ ¼ j qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pp ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffi ffiffiffi ¼ ð 5 2Þ ¼ j 52
6.4 Gleichungen n-ten Grades Die allgemeine Form einer Gleichung n-ten Grades lautet an xn þ an 1 xn 1 þ an 2 xn 2 þ . . . þ a2 x2 þ a1 x þ a0 ¼ 0 ;
an 6¼ 0
Die Normalform erha¨lt man aus der allgemeinen Form durch Division durch an 6¼ 0 und Setzen von ai ¼ bi ; i ¼ 0; 1; 2; . . . ; n 1. an Normalform
xn þ bn 1 xn 1 þ bn 2 xn 2 þ . . . þ b2 x2 þ b1 x þ b0 ¼ 0
Dabei sind an ; an 1 ; an 2 ; . . . ; a2 ; a1 ; a0 und bn 1 ; bn 2 ; . . . ; b2 ; b1 ; b0 reelle (oder komplexe) Koeffizienten, und n ist eine von Null verschiedene natu¨rliche Zahl. Nur fu¨r n 4 (Gleichungen ho¨chstens vierten Grades) gibt es allgemeine Lo¨sungsformeln, in denen nur ineinander geschachtelte Wurzeln stehen. Fu¨r Gleichungen fu¨nften und ho¨heren Grades existieren solche Lo¨sungsformeln nicht. In der Regel lassen
sich dann die Lo¨sungen außer in Spezialfa¨llen nicht mehr exakt berechnen, man muß sich mit sogenannten Na¨herungslo¨sungen begnu¨gen. Besonders bei der Behandlung praktischer Probleme werden verschiedene Na¨herungsverfahren verwendet (wie zum Beispiel Regula falsi oder Newtonsches Verfahren, vgl. Abschnitt VIII.4.12). In Spezialfa¨llen fu¨hren die fu¨r Gleichungen dritten und vierten Grades vorgefu¨hrten Methoden wie zum Beispiel die Reduktionsmethode jedoch zu Lo¨sungen. Ist x1 eine Lo¨sung der Gleichung an xn þ an 1 xn 1 þ an 2 xn 2 þ . . . þ a2 x2 þ a1 x þ a0 ¼ 0, dann gilt an xn þ an 1 xn 1 þ an 2 xn 2 þ . . . þ a2 x2 þ a1 x þ a0 ¼ ðx x1 Þ ðcn 1 xn 1 þ cn 2 xn 2 þ . . . þ c2 x2 þ c1 x þ c0 Þ ¼ 0 mit cn 1 ¼ an . Die weiteren Lo¨sungen der Gleichung n-ten Grades an xn þ an 1 xn 1 þ an 2 xn 2 þ . . . þ a2 x2 þ a1 x þ a0 ¼ 0 sind die Lo¨sungen der Gleichung ðn 1Þ-ten Grades cn 1 xn 1 þ cn 2 xn 2 þ . . . þ c2 x2 þ c1 x þ c0 ¼ 0. Der Grad der zu lo¨senden Gleichung wird also um 1 reduziert. &
Beispiel: x6 6x5 þ 14x4 14x3 þ 5x2 ¼ 0 Sofort zu erkennen: x1 ¼ 0; x2 ¼ 0 Es folgt: x6 6x5 þ 14x4 14x3 þ 5x2 ¼ x2 ðx4 6x3 þ 14x2 14x þ 5Þ ¼ 0 Durch Probieren: x3 ¼ 1 ist Lo¨sung von x4 6x3 þ 14x2 14x þ 5 ¼ 0 Polynomdivision: ðx4 6x3 þ 14x2 14x þ 5Þ : ðx 1Þ ¼ x3 5x2 þ 9x 5 Es folgt: x6 6x5 þ 14x4 14x3 þ 5x2 ¼ x2 ðx 1Þ ðx3 5x2 þ 9x 5Þ ¼ 0 Durch Probieren: x4 ¼ 1 ist Lo¨sung von x3 5x2 þ 9x 5 ¼ 0 Polynomdivision: ðx3 5x2 þ 9x 5Þ : ðx 1Þ ¼ x2 4x þ 5 Es folgt: x6 6x5 þ 14x4 14x3 þ 5x2 ¼ x2 ðx 1Þ2 ðx2 4x þ 5Þ ¼ 0 Die quadratische Gleichung x2 4x þ 5 ¼ 0 hat die Lo¨sungen x5 ¼ 2 þ j; x6 ¼ 2 j Es folgt: x6 6x5 þ 14x4 14x3 þ 5x2 ¼ x2 ðx 1Þ2 ðx 2 jÞ ðx 2 þ jÞ ¼ 0 Alle Lo¨sungen von x6 6x5 þ 14x4 14x3 þ 5x2 ¼ 0 somit: x1 ¼ x2 ¼ 0; x3 ¼ x4 ¼ 1; x5 ¼ 2 þ j; x6 ¼ 2 j
6.5 Satz von Vie€ta fu¨r Gleichungen n-ten Grades Wie fu¨r quadratische Gleichungen, so erha¨lt man auch fu¨r beliebige Gleichungen n-ten Grades durch Vergleich der Normalform und der Produktform Beziehungen zwischen den Lo¨sungen und den Koeffizienten der Potenzen von x in der Normalform. Ausmultiplizieren der Produktform, Gleichsetzen mit der Normalform und Koeffizientenvergleich (das heißt, Vergleich der Koeffizienten von xn 1 ; xn 2 ; . . . ; x2 ; x1 ¼ x; x0 ¼ 1 auf beiden Seiten der Gleichung) ergibt die folgenden Beziehungen, die als Satz von Vie€ta bezeichnet werden. Kubische Gleichungen: Normalform: x3 þ b2 x2 þ b1 x þ b0 ¼ 0, Lo¨sungen: x1 ; x2 ; x3
34
Mathematik
Satz von Vie€ta: b2 ¼ ðx1 þ x2 þ x3 Þ; b1 ¼ x1 x2 þ x1 x3 þ x2 x3 ; b0 ¼ x1 x2 x3
7 Auf algebraische Gleichungen zuru¨ckfu¨hrbare Gleichungen
Gleichungen vierten Grades: Normalform: x4 þ b3 x3 þ b2 x2 þ b1 x þ b0 ¼ 0, Lo¨sungen x1 ; x2 ; x3 ; x4 Satz von Vie€ta: b3 ¼ ðx1 þ x2 þ x3 þ x4 Þ b2 ¼ x1 x2 þ x1 x3 þ x1 x4 þ x2 x3 þ x2 x4 þ x3 x4 b1 ¼ ðx1 x2 x3 þ x1 x2 x4 þ x1 x3 x4 þ x2 x3 x4 Þ b0 ¼ x1 x2 x3 x4
7.1 Bruchgleichungen
Gleichungen n-ten Grades: Normalform: xn þ bn 1 xn 1 þ bn 2 xn 2 þ . . . þ b2 x2 þ b1 x þ b0 ¼ 0 Lo¨sungen: x1 ; x2 ; x3 ; . . . ; xn Satz von Vie€ta: bn 1 ¼ ðx1 þ x2 þ . . . þ xn Þ; bn 2 ¼ x1 x2 þ x1 x3 þ . . . þ x1 xn þ x2 x3 þ x2 x4 þ . . . þ x2 xn þ . . . þ xn 1 xn ; bn 3 ¼ ðx1 x2 x3 þ x1 x2 x4 þ . . . þ x1 x2 xn þ x1 x3 x4 þ x1 x3 x5 þ . . . þ x1 x3 xn þ . . . þ x2 x3 x4 þ x2 x3 x5 þ . . . þ x2 x3 xn þ x2 x4 x5 þ . . . þ xn 2 xn 1 xn Þ; ...................................................:: b1 ¼ ð1Þn 1 ðx1 x2 x3 . . . xn 1 þ x1 x2 . . . xn 2 xn þ x1 x2 . . . xn 3 xn 1 xn þ . . . þ x1 x3 x4 . . . xn þ x2 x3 . . . xn Þ; b0 ¼ ð1Þn x1 x2 x3 . . . xn
Bestimmungsgleichungen mit Bruchtermen, bei denen die Variable (auch) im Nenner auftritt, heißen Bruchgleichungen. PðxÞ , wo Alle diese Bruchterme sind Quotienten QðxÞ PðxÞ und QðxÞ Polynome mit der gleichen Variablen x sind, also PðxÞ ¼ an xn þ an 1 xn 1 þ . . . þ a2 x2 þ a1 x þ a0 und QðxÞ ¼ bm xm þ bm 1 xm 1 þ . . . þ b2 x2 þ b1 x þ b0 mit n 0; m 1 (vgl. Abschnitt II.6.2). Multipliziert man eine solche Gleichung mit dem Hauptnenner aller auf beiden Seiten der Gleichung auftretenden Nenner durch, dann entsteht eine algebraische Gleichung (oder eine identische Gleichung). Durch die Multiplikation mit dem Hauptnenner ko¨nnen Lo¨sungen hinzukommen, es gehen aber keine Lo¨sungen verloren. Deshalb ist es unbedingt erforderlich, die Lo¨sungen der erhaltenen algebraischen Gleichung in die Ausgangsgleichung einzusetzen. Dadurch werden hinzugekommene Lo¨sungen, die nicht Lo¨sungen der Ausgangsgleichung sind, ausgesondert, insbesondere solche Werte, fu¨r die ein Nenner der Ausgangsgleichung Null ist. &
Beispiele: xþ2 4x 1 ¼ 2x 1 x Multiplikation mit dem Hauptnenner xð2x 1Þ : ðx þ 2Þ x ¼ ð4x 1Þ ð2x 1Þ Auflo¨sen der Klammern: x2 þ 2x ¼ 8x2 4x 2x þ 1 Sortieren nach Potenzen von x : 7x2 8x þ 1 ¼ 0 Quadratische Gleichung in allgemeiner Form mit a ¼ 7; b ¼ 8; c ¼ 1 (vgl. Abschnitt II.5.2.3)
1. &
Beispiele: 1. Die kubische Gleichung x3 6x2 x þ 6 ¼ 0 (also b2 ¼ 6; b1 ¼ 1; b0 ¼ 6Þ hat die Lo¨sungen x1 ¼ 1; x2 ¼ 6; x3 ¼ 1 (vgl. Beispiel 2 im Abschnitt II.6.1). Es gilt nach dem Satz von Vie€ta: b2 ¼ ðx1 þ x2 þ x3 Þ ¼ ð1 þ 6 1Þ ¼ 6; b1 ¼ x1 x2 þ x1 x3 þ x2 x3 ¼ 1 6 þ 1 ð1Þ þ 6 ð1Þ ¼ 6 1 6 ¼ 1; b0 ¼ x1 x2 x3 ¼ 1 6 ð1Þ ¼ ð6Þ ¼ 6 2. Fu¨r die Gleichung vierten Grades x4 7x3 þ 5x2 þ 7x 6 ¼ 0 gilt: b3 ¼ 7; b2 ¼ 5; b1 ¼ 7; b0 ¼ 6. Die Gleichung hat die Lo¨sungen x1 ¼ x2 ¼ 1; x3 ¼ 6; x4 ¼ 1 (vgl. Beispiel 2 im Abschnitt II.6.3). Nach dem Satz von Vie €ta gilt: b3 ¼ ðx1 þ x2 þ x3 þ x4 Þ ¼ ð1 þ 1 þ 6 1Þ ¼ 7 b2 ¼ x1 x2 þ x1 x3 þ x1 x4 þ x2 x3 þ x2 x4 þ x3 x4 ¼ 1 1 þ 1 6 þ 1 ð1Þ þ 1 6 þ 1 ð1Þ þ 6 ð1Þ ¼1þ61þ616¼5 b1 ¼ ðx1 x2 x3 þ x1 x2 x4 þ x1 x3 x4 þ x2 x3 x4 Þ ¼ ð1 1 6 þ 1 1 ð1Þ þ 1 6 ð1Þ þ 1 6 ð1ÞÞ ¼ ð6 1 6 6Þ ¼ 7 b0 ¼ x1 x2 x3 x4 ¼ 1 1 6 ð1Þ ¼ 6 3. Welche Normalform hat die kubische Gleichung mit den Lo¨1 1 sungen x1 ¼ 2; x2 ¼ ; x3 ¼ ? 2 2 3 2 Normalform: x þ b2 x þ b1 x þ b0 ¼ 0 Nach dem Satz von Vie €tagilt: 1 1 ¼2 b2 ¼ ðx1 þ x2 þ x3 Þ ¼ 2 þ 2 2 1 1 1 1 þ ð2Þ þ b1 ¼ x1 x2 þ x1 x3 þ x2 x3 ¼ ð2Þ 2 2 2 2 1 1 ¼11 ¼ 4 4 1 1 1 ¼ b0 ¼ x1 x2 x3 ¼ ð2Þ 2 2 2 Die Normalform der kubischen Gleichung lautet somit 1 1 x3 þ 2x2 x ¼ 0. 4 2
Lo¨sungen: pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 1 1 ð8 64 4 7 1Þ ¼ ð8 6Þ ) x1 ¼ 1; x2 ¼ x1; 2 ¼ 14 14 7 Einsetzen von x1 in die Ausgangsgleichung: 1þ2 411 ¼ )3¼3 211 1 Einsetzen von x2 in die Ausgangsgleichung: 1 1 15 3 4 1 þ2 7 7 7 ) 3 ¼ 3 ¼ ) 7 ¼ 1 1 1 5 2 1 7 7 7 7
2.
Beide Werte sind also auch Lo¨sungen der Ausgangsglei chung. 1 ; 1 Lo¨sungsmenge: L ¼ 7 2x þ 1 3x 5 2x2 þ 2x þ 18 þ ¼ x3 xþ3 x2 9 Multiplikation mit dem Hauptnenner ðx 3Þðx þ 3Þ ¼ x2 9: ð2x þ 1Þ ðx þ 3Þ þ ð3x 5Þ ðx 3Þ ¼ 2x2 þ 2x þ 18 Auflo¨sen der Klammern: 2x2 þ 6x þ x þ 3 þ 3x2 9x 5x þ 15 ¼ 2x2 þ 2x þ 18 Sortieren nach Potenzen von x : 3x2 9x ¼ 0 Durch 3 dividieren und x ausklammern: xðx 3Þ ¼ 0 Die Lo¨sungen dieser quadratischen Gleichung sind x1 ¼ 0; x2 ¼ 3 Einsetzen von x1 in die Ausgangsgleichung: 1 5 18 þ ¼ ) 2 ¼ 2 3 3 9 x2 ¼ 3 ist keine Lo¨sung der Ausgangsgleichung, da fu¨r x ¼ 3 zwei der Nenner gleich 0 sind. Lo¨sungsmenge: L ¼ f0g
II Gleichungen 3.
2x þ 3 4x þ 5 6x2 þ 6x 2 þ ¼ x1 xþ1 x2 1 Multiplikation mit dem Hauptnenner ðx 1Þ ðx þ 1Þ ¼ x2 1: ð2x þ 3Þ ðx þ 1Þ þ ð4x þ 5Þ ðx 1Þ ¼ 6x2 þ 6x 2 Auflo¨sen der Klammern: 2x2 þ 2x þ 3x þ 3 þ 4x2 4x þ 5x 5 ¼ 6x2 þ 6x 2 Zusammenfassen: 6x2 þ 6x 2 ¼ 6x2 þ 6x 2 Dies ist eine identische Gleichung, die fu¨r alle reellen x erfu¨llt ist. Fu¨r x ¼ 1 und x ¼ 1 ist die Ausgangsgleichung nicht erkla¨rt, da Nenner gleich 0 sind. Lo¨sungsmenge: L ¼ fx j x 2 R und x 6¼ 1; x 6¼ 1g
4.
35 3.
4.
3 2 2x þ 1 ¼ 2 x1 x3 x 4x þ 3 Multiplikation mit dem Hauptnenner ðx 1Þ ðx 3Þ ¼ x2 4x þ 3: 3ðx 3Þ 2ðx 1Þ ¼ ð2x þ 1Þ Auflo¨sen der Klammern: 3x 9 2x þ 2 ¼ 2x 1 Sortieren nach Potenzen von x : 3x 6 ¼ 0 Die Lo¨sung dieser linearen Gleichung ist x ¼ 2. Einsetzen in die Ausgangsgleichung: 3 2 5 ¼ )5¼5 1 1 1 Lo¨sungsmenge: L ¼ f2g
5.
7.2 Wurzelgleichungen Bestimmungsgleichungen, bei denen die Variable (auch) unter einer Wurzel vorkommt, heißen Wurzelgleichungen. ber die Existenz und die Anzahl von Lo¨sungen bei Wurzelgleichungen lassen sich allgemein keine Aussagen machen. Ziel fu¨r die Bestimmung der Lo¨sungen ist es, die in der Gleichung auftretenden Wurzeln zu beseitigen und die Gleichung in eine algebraische Gleichung zu u¨berfu¨hren. Oftmals gelingt es, die Wurzeln zu isolieren (das heißt, die Gleichung so umzuformen, daß die Wurzel allein auf einer Seite der Gleichung steht) und dann beide Seiten der Gleichung in die entsprechende Potenz zu erheben. Viele Wurzelgleichungen ko¨nnen auch schon durch ein- oder mehrmaliges Quadrieren in eine algebraische Gleichung u¨berfu¨hrt werden. Durch das Quadrieren oder allgemeiner durch das Potenzieren ko¨nnen Lo¨sungen hinzukommen, es gehen aber keine Lo¨sungen verloren (Potenzieren ist keine a¨quivalente Umformung!). Durch die Probe mit Einsetzen der gefundenen Lo¨sungen in die Ausgangsgleichung lassen sich diese zusa¨tzlichen Werte aber leicht feststellen und aussortieren. &
Beispiele: pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1. 11 x þ 3 ¼ 6 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi Isolieren der Wurzel ergibt x þ 3 ¼ 11 6, also x þ 3 ¼ 5; woraus man durch Quadrieren der Gleichung x þ 3 ¼ 25; also x ¼ 22 erha¨lt. Einsetzen in die Ausgangsgleichung besta¨tigt x ¼ 22 als Lo¨pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi sung: 11 22 þ 3 ¼ 6 Lo¨sungsmenge: L ¼ f22g pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2. 5 þ 9x2 65 ¼ 3x Isolieren der Wurzel und Quadrieren der Gleichung ergibt pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 9x2 65 ¼ 3x 5 ) 9x2 65 ¼ ð3x 5Þ2 ¼ 9x2 30x þ 25 ) 30x ¼ 90 ) x ¼ 3 Einsetzen in die Ausgangsgleichung ergibt x ¼ 3 als Lo¨sung. Lo¨sungsmenge: L ¼ f3g
6.
7.
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 11 x ¼ x þ 1 Quadrieren ergibt 11 x ¼ x2 þ 2x þ 1, also die quadratische 3 2 Gleichung rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi x þ 3x 10 ¼ 0, die die Lo¨sungen x1; 2 ¼ 2 9 þ 10, also x1 ¼ 2 und x2 ¼ 5 hat. 4 Die Probe zeigt, daß x1 die Wurzelgleichung erfu¨llt, x2 jedoch nicht. Lo¨sungsmenge: L ¼ f2g pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi x þ 5 ¼ 2x þ 3 þ 1 Quadrieren der Gleichung ergibt pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi x þ 5 ¼ 2x þ 3 þ 2 2x þ 3 þ 1: Durch Zusammenfassen und Isolieren der Wurzel erha¨lt man pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi x þ 1 ¼ 2 2x þ 3. Erneutes Quadrieren ergibt x2 2x þ 1 ¼ 4ð2x þ 3Þ und somit die quadratische Gleichung x2 10x 11 ¼ 0. pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi Diese Gleichung hat die Lo¨sungen x1; 2 ¼ 5 25 þ 11, also x1 ¼ 11 und x2 ¼ 1: pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi Einsetzen in die Ausgangsgleichung x þ 5 ¼ 2x þ 3 þ 1 zeigt, daß x2 eine Lo¨sung ist, x1 aber nicht. Lo¨sungsmenge: L ¼ f1g pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi x þ 2 þ 2x þ 7 ¼ 4 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi Quadrieren: x þ 2 þ 2x þ 7 ¼ 16 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi Wurzel isolieren: 2x þ 7 ¼ 14 x Quadrieren: 2x þ 7 ¼ 196 28x þ x2 Sortieren nach Potenzen von x: x2 30x þ 189 ¼ 0 Lo¨sungen dieser quadratischen Gleichung: pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ffi x1; 2 ¼ 15 225 189 ¼ 15 6 ) x1 p ¼ ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 21; x2 ¼ 9 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi Einsetzen pffiffiffiffiffivon x1 in Ausgangsgleichung: 21 þ 2 þ 2 21 þ 7 ¼ 4 ) 30 ¼ 4: unwahr! Somit ist x1 keine Lo¨sung der Ausgangsgleichung. pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi Einsetzen von x2 in Ausgangsgleichung: 9 þ 2 þ 2 9 þ 7 ¼ 4 ) 4 ¼ 4: wahr, x2 ¼ 9 ist also Lo¨sung. Lo¨sungsmenge: L ¼ f9g ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi p 3 xþ2¼3 In die 3. Potenz erheben: x þ 2 ¼ 33 ¼ 27 ) x ¼ 25 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi Einsetzen in die Ausgangsgleichung: 3 25 þ 2 ¼ 3 ) 3 ¼ 3 Lo¨sungsmenge: L ¼ f25g p ffiffiffiffiffi pffiffiffi 3 x þ 5 x2 22 3 x þ 16 ¼ 0 2 1 Umformung der Wurzelexponenten: x þ 5x3 22x3 þ 16 ¼ 0 Durch Potenzieren lassen sich die Wurzeln nicht beseitigen, pffiffiffi 1 statt dessen Substitution: z ¼ 3 x ¼ x 3 Es folgt: z3 þ 5z2 22z þ 16 ¼ 0 Durch Probieren erha¨lt man die Lo¨sung z ¼ 1 dieser kubischen Gleichung. Polynomdivision: ðz3 þ 5z2 22z þ 16Þ : ðz 1Þ ¼ z2 þ 6z 16 Lo¨sungen der quadratischen Gleichung z2 þ 6z 16 ¼ 0: pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi z2; 3 ¼ 3 9 þ 16 ¼ 3 5 ) z2 ¼ 2; z3 ¼ 8 Substitutionsgleichung in die dritte Potenz erheben: x ¼ z3 Einsetzen der Lo¨sungen: x1 ¼ z31 ¼ 13 ¼ 1; x2 ¼ z32 ¼ 23 ¼ 8; x3 ¼ z33 ¼ ð8Þ3 ¼ 512 Einsetzen x1ffiffiffi in Ausgangsgleichung: ffiffiffiffiffi von p p 3 1 þ 5 12 22 3 1 þ 16 ¼ 0 ) 1 þ 5 22 þ 16 ¼ 0 ) 0 ¼ 0 Einsetzen ffiffiffiffiffi von xp2 ffiffiin p ffi Ausgangsgleichung: 3 8 þ 5 82 22 3 8 þ 16 ¼ 0 ) 8 þ 20 44 þ 16 ¼ 0 ) 0 ¼ 0 Einsetzen von x3 in Ausgangsgleichung: qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 3 512 þ 5 ð512Þ2 22 3 512 þ 16 ¼ 0 ) 512 þ 5 64 22 ð8Þ þ 16 ¼ 0 ) 512 þ 320 þ176 þ 16 ¼ 0 ) 0 ¼ 0 Lo¨sungsmenge: L ¼ f512; 1; 8g
8 Transzendente Gleichungen 8.1 Exponentialgleichungen Bestimmungsgleichungen, bei denen die Variable (auch) im Exponenten einer Potenz steht, heißen Exponentialgleichungen. Im allgemeinen lassen sich in Exponentialgleichungen die Lo¨sungen nur durch Na¨herungsverfahren (siehe Abschnitt VIII.4.12) bestimmen. Tritt in einer
36
Mathematik
Exponentialgleichung die Variable jedoch nur in den Exponenten auf, so kann man sie oftmals lo¨sen, und zwar durch Umformung mit Hilfe der Potenzgesetze und anschließendes Logarithmieren zu einer beliebigen Basis oder durch berfu¨hrung in eine algebraische Gleichung mit Hilfe einer geeigneten Substitution und anschließendem Logarithmieren. Die Exponentialgleichung a bx ¼ c geht durch Logarithmieren u¨ber in log a þ x log b ¼ log c; woraus log c log a ergibt. sich fu¨r b 6¼ 1 die Lo¨sung x ¼ log b Die Exponentialgleichung an bnx þ an 1 bðn 1Þ x þ . . . þ a2 b2x þ a1 bx þ a0 ¼ 0 geht mit Hilfe der Substitution z ¼ bx u¨ber in die algebraische Gleichung an zn þ an 1 zn 1 þ . . . þ a2 z2 þ a1 zþ a0 ¼ 0: Ist z > 0 log z eine reelle Lo¨sung dieser Gleichung, so ist x ¼ log b eine Lo¨sung der Exponentialgleichung. &
Beispiele: 1. 3x ¼ 4x 2 2x Logarithmieren zu einer beliebigen Basis ergibt x log 3 ¼ ðx 2Þ log 4 þ x log 2. Auflo¨sen nach x gibt die Lo¨sung x¼
2 log 4 4 log 2 ¼
2;826 780 log 4 log 3 þ log 2 3 log 2 log 3
Bei der letzten Umformung wurde log 4 ¼ 2 log 2 gesetzt. Lo¨sungsmenge: L ¼ f2;826 780 . . .g 2.
5 6x ¼ 2x 7x
x 2 x 1 ¼ ¼ 5; 76 21 woraus man durch Logarithmieren die Lo¨sung erha¨lt:
Durch Umformung ergibt sich
x¼
log 5 log 5 ¼
0; 528 634 1 log 21 21
log
Lo¨sungsmenge: L ¼ f0; 528 633 . . .g 3.
4.
5.
e2x þ 3 ¼ ex 4 Logarithmieren zur Basis e ergibt die Gleichheit der Exponenten: 2x þ 3 ¼ x 4, woraus sich unmittelbar die Lo¨sung x ¼ 7 ergibt. Lo¨sungsmenge: L ¼ f7g 5 xþ1 2 þ6¼0 2 Durch Umformung erha¨lt man ð2x Þ2 5 2x þ 6 ¼ 0, und mit der Substitution z ¼ 2x ergibt sich die quadratische Glei5 chung in z: z2 5z þ 6 ¼ 0, die die Lo¨sungen z1; 2 ¼ rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2 25 6; also z1 ¼ 2 und z2 ¼ 3 hat. 4 Durch Einsetzen dieser Werte in die Substitutionsgleichung ergeben sich die Lo¨sungen x1 und x2 der Exponentialgleichung: log 3
1;584 963 2x1 ¼ z1 ¼ 2 ) x1 ¼ 1; 2x2 ¼ z2 ¼ 3 ) x2 ¼ log 2 Lo¨sungsmenge: L ¼ f1; 1;584 962 . . .g 3x ¼ x þ 4 In dieser Gleichung steht x nicht nur im Exponenten, die Gleichung la¨ßt sich deshalb nur mit einem Na¨herungsverfahren lo¨sen. Man setzt y ¼ 3x x 4 und wendet etwa Regula falsi oder das Newtonsche Verfahren an (vgl. Abschnitt VIII.4.12). Mit den Startwerten x1 ¼ 1;55; x2 ¼ 1;57 () y1 ¼ 0;0604 . . . ; y2 ¼ 0;0415 . . .) erha¨lt man zum Beispiel mit Regula falsi (Sekantenverfahren) in zwei Schritten die Na¨herungslo¨sung: x 1;561 919. Lo¨sungsmenge: L ¼ f1;561 918 . . .g 22x
8.2 Logarithmische Gleichungen Bestimmungsgleichungen, bei denen die Variable (auch) im Argument eines Logarithmus vorkommt, heißen logarithmische Gleichungen. Einige dieser Gleichungen lassen sich mit Hilfe der Logarithmenrechnung auf die lo¨sbare Form log a x ¼ b bringen. Die Lo¨sung lautet dann x ¼ ab . Spezielle logarithmische Gleichungen ko¨nnen mit Hilfe einer geeigneten Substitution in eine algebraische Gleichung umgewandelt werden. Tritt die Variable nicht nur im Argument von Logarithmen auf, dann lassen sich die Lo¨sungen von logarithmischen Gleichungen im allgemeinen nur durch Na¨herungsverfahren bestimmen (siehe Abschnitt VIII.4.12). &
Beispiele: 1. log7 ðx2 þ 19Þ ¼ 3 Durch Potenzieren ergibt sich 73 ¼ x2 þ 19, also x2 ¼ 324. Daraus erha¨lt man die Lo¨sungen x1 ¼ 18 und x2 ¼ 18. Lo¨sungsmenge: L ¼ f18; 18g 2. lg ð6x þ 10Þ lg ðx 3Þ ¼ 1 6x þ 10 6x þ 10 ¼ 1 und durch Potenzieren Es folgt lg x3 x3 1 ¼ 10 ¼ 10 und somit 6x þ 10 ¼ 10x 30; also 4x ¼ 40: Daraus ergibt sich x ¼ 10 als Lo¨sung der logarithmischen Gleichung. Lo¨sungsmenge: L ¼ f10g 3. lg ð11x 10Þ þ ½lg ð11x 10Þ2 ¼ 6 Durch die Substitution z ¼ lg ð11x 10Þ erha¨lt man die quadratische Gleichung z2 þ z 6 ¼ 0 mit den Lo¨sungen rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 1 þ 6; also z1 ¼ 3 und z2 ¼ 2. z1; 2 ¼ 2 4 Durch Einsetzen dieser Werte in die Substitutionsgleichung ergeben sich die Lo¨sungen x1 und x2 der logarithmischen Ausgangsgleichung: 10z þ 10 z ¼ lg ð11x 10Þ ) 10z ¼ 11x 10 ) x ¼ 11 3 10 þ 10 z1 ¼ 3 ) x1 ¼ ¼ 0;909 18 11 102 þ 10 z2 ¼ 2 ) x2 ¼ ¼ 10 11 Lo¨sungsmenge: L ¼ f0;909 18; 10g
8.3 Trigonometrische Gleichungen Bestimmungsgleichungen, in denen die Variable (auch) im Argument einer trigonometrischen Funktion auftritt, heißen trigonometrische Gleichungen oder goniometrische Gleichungen (siehe Kapitel VI). Trigonometrische Gleichungen sind ebenfalls transzendente Gleichungen. Sie lassen sich nur in Spezialfa¨llen rechnerisch exakt lo¨sen. Es existieren jedoch stets Na¨herungsverfahren, mit deren Hilfe sich die Lo¨sungen mit beliebiger Genauigkeit angeben lassen (zum Beispiel Newtonsches Verfahren oder Regula falsi, vgl. Abschnitt VIII.4.12). Tritt in der Gleichung nur eine trigonometrische Funktion auf, so erha¨lt man mit den Arkusfunktionen die Lo¨sungen (vgl. Abschnitt VI.9). Auch fu¨r solche Gleichungen, in denen verschiedene trigonometrische Funktionen auftreten, die das gleiche Argument haben, kann man oft mit Hilfe der Arkusfunktionen die Lo¨sungen berechnen. Die Lo¨sungen ko¨nnen im Gradmaß oder im Bogenmaß angegeben werden.
II Gleichungen Die Probe durch Einsetzen der gefundenen Werte ist wichtig, weil beim Lo¨sen in der Regel auch nichta¨quivalente Umformungen vorgenommen werden. Im allgemeinen sind trigonometrische Gleichungen nicht eindeutig lo¨sbar. &
Beispiele: 1. sin 2 x 1 ¼ 0;5 Man berechnet: rffiffiffiffiffi 1 1 1 pffiffiffi ¼ 2 sin 2 x ¼ ) sin x ¼ 2 2 2 1 pffiffiffi 2 ¼ 45 ) x ¼ arcsin 2 Wegen sin x ¼ sin ð180 xÞ und sin x ¼ sin ðx þ k 360 Þ ergibt sich als Lo¨sungsmenge der trigonometrischen Gleichung (im Gradmaß): L ¼ fx j x ¼ 45 þ k 180 ; k 2 Zg. Die Probe in der Ausgangsgleichung besta¨tigt diese Werte. 2. sin 2 x þ 2 cos x ¼ 1;5 Wegen sin 2 x þ cos2 x ¼ 1 ergibt sich 1 cos2 x þ 2 cos x ¼ 1;5 ) cos2 x 2 cos x þ 0;5 ¼ 0. Dies ist eine quadratische Gleichung in cos x. Mit der Substitution z ¼ cos x ergibt sich die quadratische Gleichung 1 pffiffiffi 2: z2 2z þ 0;5 ¼ 0 mit den Lo¨sungen z ¼ cos x ¼ 1 2 1 pffiffiffi Wegen cos x 1 kommt cos x ¼ 1 þ 2 fu¨r eine Lo¨sung 2 nicht in Betracht. Somit folgt 1 pffiffiffi 1 pffiffiffi cos x ¼ 1 2 ) x ¼ arccos 1 2 1;2735. 2 2 Wegen cos x ¼ cos ðxÞ und cos x ¼ cos ðx þ 2kpÞ ergibt sich als Lo¨sungsmenge der Ausgangsgleichung (im Bogenmaß): L ¼ fx j x 1;2735 þ 2kp; k 2 Zg. Die Probe in der Ausgangsgleichung besta¨tigt diese Werte. 3. sin x þ cos x 0;9x ¼ 0 Diese Gleichung ist nicht geschlossen lo¨sbar. Eine Na¨herungslo¨sung erha¨lt man zum Beispiel mit Regula falsi (vgl. Abschnitt VIII.4.12). Man setzt y ¼ sin x þ cos x 0;9x und erha¨lt mit den Startwerten x1 ¼ 77 ; x2 ¼ 76;5 ð) y1 ¼ 0;0101 . . . ; y2 ¼ 0;0041. . .) im ersten Schritt die Na¨herungslo¨sung x 1;3378.
9 Lineare Gleichungssysteme 9.1 Definitionen Die Schwierigkeiten beim Bestimmen der Lo¨sungen von Gleichungen werden noch gro¨ßer, wenn nicht nur eine Variable aus einer Bestimmungsgleichung errechnet werden soll, sondern wenn mehrere Variable mehrere Gleichungen gleichzeitig erfu¨llen sollen. Zum Beispiel sollen in den Gleichungen x 2y ¼ 4 und 2x þ 5y ¼ 35 die Variablen x und y so berechnet werden, daß deren Werte beide Gleichungen erfu¨llen. Sollen m Gleichungen von n Variablen gleichzeitig erfu¨llt sein, so spricht man von einem System von m Gleichungen mit n Variablen. Ein solches Gleichungssystem zu lo¨sen, heißt, die Werte der Variablen zu bestimmen, die alle Gleichungen dieses Systems erfu¨llen. Eine Lo¨sung eines Gleichungssystems mit m Gleichungen und n Variablen besteht also aus n Werten, einem sogenannten n-Tupel (fu¨r jede Variable ein Wert). So besteht eine Lo¨sung eines Gleichungssystems mit zwei Variablen aus einem Paar (2-Tupel) von Werten, ein Gleichungssystem mit drei Variablen hat ein Lo¨sungstripel (3-Tupel). In dem Beispiel ist das Paar x ¼ 10; y ¼ 3 Lo¨sung. Man schreibt auch ðx; yÞ ¼ ð10; 3Þ, oder die Lo¨-
37 sungsmenge L der beiden Gleichungen ist L ¼ fð10; 3Þg (die Reihenfolge ist zu beachten!). Eine Gleichung in mehreren Variablen heißt linear, wenn alle Variablen ho¨chstens in der ersten Potenz auftreten und nicht miteinander multipliziert werden. Die beiden Gleichungen des Beispiels sind lineare Gleichungen. Ein Gleichungssystem heißt linear, wenn alle Gleichungen des Systems lineare Gleichungen sind. Im allgemeinen ist die Bestimmung von Lo¨sungen oder sogar aller Lo¨sungen eines Gleichungssystems sehr schwierig oder auch nicht mo¨glich. Fu¨r lineare Gleichungssysteme ist jedoch eine Methode entwikkelt worden, die alle Lo¨sungen des Systems liefert. Ein lineares Gleichungssystem ist durch die Koeffizienten der Variablen und durch die Absolutglieder (die Terme, die die Variablen nicht enthalten) bestimmt.
9.2 Zwei lineare Gleichungen mit zwei Variablen Die allgemeine Form eines linearen Gleichungssystems mit zwei Gleichungen und zwei Variablen x; y lautet: a1 x þ b1 y ¼ c1 a2 x þ b2 y ¼ c2 a1 ; a2 sind die Koeffizienten von x, die Koeffizienten von y sind b1 ; b2 , und c1 ; c2 sind die Absolutglieder des Gleichungssystems. Es gibt verschiedene Methoden, solche linearen Gleichungssysteme zu lo¨sen. bliche Verfahren sind das Einsetzungsverfahren (Substitutionsverfahren), das Additionsverfahren und das Gleichsetzungsverfahren. Einsetzungsverfahren Beim Einsetzungsverfahren wird eine der beiden Gleichungen nach einer der Variablen aufgelo¨st, und der entsprechende Term wird in die andere Gleichung eingesetzt. Man erha¨lt so eine lineare Gleichung mit einer Variablen, die gelo¨st werden kann. Durch Einsetzen dieses Wertes in eine der beiden Ausgangsgleichungen ergibt sich eine lineare Gleichung mit der anderen Variablen, die daraus dann auch berechnet werden kann. Fu¨hrt man das Verfahren mit der allgemeinen Form des Gleichungssystems durch, so ergibt sich x¼
b2 c1 b1 c2 ; a1 b2 a2 b1
y¼
a1 c2 a2 c1 a1 b2 a2 b1
Fallunterscheidung: 1. Ist der Nenner a1 b2 a2 b1 6¼ 0, so erha¨lt man genau eine Lo¨sung, und zwar das Zahlenpaar b2 c 1 b1 c 2 a1 c2 a2 c1 ; ðx; yÞ ¼ : a1 b2 a2 b1 a1 b2 a2 b1
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Mathematik
2. Ist der Nenner a1 b2 a2 b1 ¼ 0, aber (mindestens) einer der Za¨hler b2 c1 b1 c2 oder a1 c2 a2 c1 ungleich 0, so gibt es keine Lo¨sung. 3. Ist der Nenner gleich 0, und sind außerdem beide Za¨hler gleich 0, so gibt es unendlich viele Lo¨sungen, und zwar jedes Paar ðx; yÞ, das die erste gegebene Gleichung a1 x þ b1 y ¼ c1 und damit dann zugleich die zweite gegebene Gleichung a2 x þ b2 y ¼ c2 erfu¨llt. Der Graph (das Schaubild) zu jeder einzelnen gegebenen Gleichung ist eine Gerade (vgl. Abschnitt V.4.2). Im ersten Fall ist das die Lo¨sung bildende Zahlenpaar das Koordinatenpaar des eindeutigen Schnittpunktes der beiden Geraden. Im zweiten Fall gibt es keine Lo¨sung, die Graphen der beiden gegebenen Gleichungen sind parallele Geraden (Parallelen haben keinen Schnittpunkt). Im dritten Fall gibt es unendlich viele Lo¨sungen, die Graphen der beiden gegebenen Gleichungen sind gleich, es handelt sich um ein und dieselbe Gerade. Wichtiger Hinweis: Man sollte stets die Probe in den noch nicht umgeformten Ausgangsgleichungen durchfu¨hren! &
Beispiele: 1. (I) x þ y ¼ 1, (II) 2x þ y ¼ 4 (I) ) y ¼ 1 þ x; Einsetzen in (II): 2x þ 1 þ x ¼ 4 ) 3x ¼ 3 )x¼1 Einsetzen in (I) ) y ¼ 2 Lo¨sung: ðx; yÞ ¼ ð1; 2Þ (oder Lo¨sungsmenge: L ¼ fð1; 2Þg) Berechnung der Lo¨sung durch Einsetzen von a1 ¼ 1; b1 ¼ 1; c1 ¼ 1; a2 ¼ 2; b2 ¼ 1; c2 ¼ 4 in die Lo¨sungsformel: x¼
2.
1114 3 ¼ ¼ 1; ð1Þ 1 2 1 3
y¼
2 9 1 8 10 y¼ ¼ ¼2 2413 5
Probe: (I) 2 1 þ 3 2 ¼ 8 ) 8 ¼ 8, (II) 1 þ 4 2 ¼ 9 ) 9 ¼ 9
y 3
2x + 3y = 8 x + 4y = 9
2 1 –1 0 x1 1 –1
y1 2
3
4
5
&
Beispiele: 3. (I) x þ y ¼ 1, (II) 2x þ y ¼ 4 Multiplikation von (I) mit 2: (I0 ) 2x þ 2y ¼ 2 Addition von (I0 ) und (II): y þ 2y ¼ 4 þ 2 ) 3y ¼ 6 ) y ¼ 2 Einsetzen in (I) ) x ¼ 1 Lo¨sung: ðx; yÞ ¼ ð1; 2Þ (oder Lo¨sungsmenge: L ¼ fð1; 2Þg) 4. (I) 2x þ 3y ¼ 8, (II) x þ 4y ¼ 9 Multiplikation von (II) mit 2: (II0 ) 2x 8y ¼ 18 Addition von (I) und (II0 ): 3y 8y ¼ 8 18 ) 5y ¼ 10 )y¼2 Einsetzen in (I) ) x ¼ 1 Lo¨sung: ðx; yÞ ¼ ð1; 2Þ
Gleichsetzungsverfahren Beim Gleichsetzungsverfahren lo¨st man beide Gleichungen nach derselben Variablen (oder dem gleichen Vielfachen einer Variablen) auf und setzt die entsprechenden Terme gleich. Man erha¨lt so eine lineare Gleichung mit einer Variablen, die gelo¨st werden kann. Durch Einsetzen dieses Wertes in eine der beiden Ausgangsgleichungen ergibt sich eine lineare Gleichung mit der anderen Variablen, die daraus dann auch berechnet werden kann. &
Beispiele: 5. (I) x þ y ¼ 1, (II) 2x þ y ¼ 4 (I) ) y ¼ 1 þ x, (II) ) y ¼ 4 2x Gleichsetzen ) 1 þ x ¼ 4 2x ) 3x ¼ 3 ) x ¼ 1 Einsetzen in (I) ) y ¼ 2 Lo¨sung: ðx; yÞ ¼ ð1; 2Þ (oder Lo¨sungsmenge: L ¼ fð1; 2Þg) 6. (I) 2x þ 3y ¼ 8, (II) x þ 4y ¼ 9 (I) ) (I0 ) 2x ¼ 8 3y Multiplikation von (II) mit 2: (II0 ) 2x þ 8y ¼ 18 ) (II00 ) 2x ¼ 18 8y Gleichsetzen von (I0 ) und (II00 ) ) 8 3y ¼ 18 8y ) 5y ¼ 10 ) y ¼ 2 Einsetzen in (I0 ): 2x ¼ 2 ) x ¼ 1 Lo¨sung: ðx; yÞ ¼ ð1; 2Þ
&
Weitere Beispiele: 7. (I) 2x þ 3y ¼ 8, (II) 4x þ 6y ¼ 13 Nach der Lo¨sungsformel ist der Nenner a1 b2 a2 b1 ¼ 2 6 4 3 ¼ 0. Der Za¨hler des x-Terms ist b2 c1 b1 c2 ¼ 6 8 3 13 ¼ 9 6¼ 0 (der Za¨hler des y-Terms ist a1 c2 a2 c1 ¼ 2 13 4 8 ¼ 6 6¼ 0). Es gibt also keine Lo¨sung, die Graphen zu beiden gegebenen Gleichungen sind parallele Gleichungen. Anderer Nachweis, daß es keine Lo¨sung gibt: Multiplikation von (I) mit 2: (I0 ) 4x 6y ¼ 16 Addition von (I0 ) und (II): 0 ¼ 3 Dies ist ein Widerspruch, also kann das Gleichungssystem keine Lo¨sung haben.
ð1Þ 4 2 1 6 ¼ ¼2 ð1Þ 1 2 1 3
Probe: (I) 1 þ 2 ¼ 1 ) 1 ¼ 1, (II) 2 1 þ 2 ¼ 4 ) 4 ¼ 4 (I) 2x þ 3y ¼ 8, (II) x þ 4y ¼ 9 (II) ) x ¼ 9 4y; Einsetzen in (I): 2ð9 4yÞ þ 3y ¼ 8 ) 18 5y ¼ 8 ) 5y ¼ 10 ) y ¼ 2 Einsetzen in (II) ) x ¼ 9 4 2 ¼ 1 Lo¨sung: ðx; yÞ ¼ ð1; 2Þ (oder Lo¨sungsmenge: L ¼ fð1; 2Þg) Berechnung der Lo¨sung durch Einsetzen von a1 ¼ 2; b1 ¼ 3; c1 ¼ 8; a2 ¼ 1; b2 ¼ 4; c2 ¼ 9 in die Lo¨sungsformel: 4839 5 ¼ ¼ 1; x¼ 2413 5
kann. Durch Einsetzen dieses Wertes in eine der beiden Ausgangsgleichungen ergibt sich eine lineare Gleichung mit der anderen Variablen, die daraus dann auch berechnet werden kann.
6 x y
Bild II-1 Geraden von Beispiel 2
3
2x + 3y = 8
2
Additionsverfahren Beim Additionsverfahren werden beide Gleichungen jeweils so mit einem Faktor multipliziert, daß bei anschließender Addition der Gleichungen eine der Variablen wegfa¨llt. Man erha¨lt so eine lineare Gleichung mit einer Variablen, die gelo¨st werden
4x + 6y = 13
1 –1 0 –1
1
2
3
4
5
6 x
Bild II-2 Geraden von Beispiel 7
II Gleichungen 8.
39
(I) 2x þ 3y ¼ 8, (II) 6x þ 9y ¼ 24 Nach der Lo¨sungsformel ist der Nenner a1 b2 a2 b1 ¼ 2 9 6 3 ¼ 0. Der Za¨hler des x-Terms ist b2 c1 b1 c2 ¼ 9 8 3 24 ¼ 0, der Za¨hler des y-Terms ist a1 c2 a2 c1 ¼ 2 24 6 8 ¼ 0. Es gibt also unendlich viele Lo¨sungen, die Graphen der beiden gegebenen Gleichungen sind dieselbe Gerade. Anderer Nachweis, daß es unendlich viele Lo¨sungen gibt: Multiplikation von (I) mit 3 ergibt (II). Es handelt sich also um dieselbe Geradengleichung. Zu jedem x-Wert la¨ßt sich ein y-Wert eindeutig berechnen.
3
y 2x + 3y = 8 6x + 9y = 24
2
1
2
3
4
5
6
x
Bild II-3 Geraden von Beispiel 8
9.3 Drei lineare Gleichungen mit drei Variablen Die allgemeine Form eines linearen Gleichungssystems mit drei Gleichungen und drei Variablen x; y; z lautet: a1 x þ b1 y þ c1 z ¼ d1 a2 x þ b2 y þ c2 z ¼ d2 a3 x þ b3 y þ c3 z ¼ d3 a1 ; a2 ; a3 sind die Koeffizienten von x, die Koeffizienten von y sind b1 ; b2 ; b3 , die Koeffizienten von z sind c1 ; c2 ; c3 , und d1 ; d2 ; d3 sind die Absolutglieder des Gleichungssystems. Auch hier gibt es unterschiedliche Mo¨glichkeiten, die Lo¨sung oder die Lo¨sungen eines solchen linearen Gleichungssystems zu bestimmen. Einsetzungsverfahren Beim Einsetzungsverfahren wird eine der drei Gleichungen nach einer Variablen aufgelo¨st und dann in die beiden anderen Gleichungen eingesetzt. Man erha¨lt so ein Gleichungssystem mit zwei Gleichungen und zwei Variablen, das man entsprechend Abschnitt II.9.2 lo¨st. &
Wichtiger Hinweis: Die Probe stets in allen noch nicht umgeformten Ausgangsgleichungen durchfu¨hren! Additionsverfahren Beim Additionsverfahren wird eine der Gleichungen jeweils so a¨quivalent umgeformt, daß bei Addition dieser umgeformten Gleichung mit einer der beiden anderen Gleichungen jeweils die gleiche Variable herausfa¨llt. Auch dadurch erha¨lt man wieder zwei Gleichungen mit zwei Variablen. &
1 –1 0 –1
Probe: (I) 3 8 9 2 1 ¼ 5 ) 24 18 1 ¼ 5 ) 5 ¼ 5 (II) 4 8 þ 10 2 9 1 ¼ 43 ) 32 þ 20 9 ¼ 43 ) 43 ¼ 43 (III) 5 8 2 2 1 ¼ 36 ) 40 2 2 ¼ 36 ) 36 ¼ 36
Beispiel: 1. (I) 3x 9y z ¼ 5 (II) 4x þ 10y 9z ¼ 43 (III) 5x y 2z ¼ 36 Gleichung (I) nach z auflo¨sen: z ¼ 3x 9y 5 Einsetzen in die beiden anderen Gleichungen (II) und (III): (II) 4x þ 10y 9ð3x 9y 5Þ ¼ 43 (III) 5x y 2ð3x 9y 5Þ ¼ 36 Klammern auflo¨sen und zusammenfassen: (II) 23x þ 91y ¼ 2 (III) x þ 17y ¼ 26 Gleichung (III) nach x auflo¨sen: x ¼ 17y 26 Einsetzen in (II): 23ð17y 26Þ þ 91y ¼ 2 ) 300y ¼ 600 ) y ¼ 2 Einsetzen in (III): x ¼ 8 Einsetzen von x ¼ 8 und y ¼ 2 in (I): z ¼ 3 8 9 2 5 ¼ 1 Lo¨sung: ðx; y; zÞ ¼ ð8; 2; 1Þ (oder Lo¨sungsmenge: L ¼ fð8; 2; 1Þg)
Beispiel: 2. (I) x 2y 3z ¼ 5 (II) 3x þ 3y þ z ¼ 6 (III) 2x þ y z ¼ 0 Multiplikation von (II) mit 3: (II0 ) 9x þ 9y þ 3z ¼ 18 Addition von (I) und (II0 ): (IV) 10x þ 7y ¼ 13 Addition von (II) und (III): (V) 5x þ 4y ¼ 6 Multiplikation von (V) mit 2: (V0 ) 10x 8y ¼ 12 Addition von (IV) und (V0 ): y ¼ 1 ) y ¼ 1 Einsetzen in (V): 5x 4 ¼ 6 ) x ¼ 2 Einsetzen von x ¼ 2 und y ¼ 1 in (III): z ¼ 2x þ y ¼ 2 2 1 ¼ 3 Lo¨sung: ðx; y; zÞ ¼ ð2; 1; 3Þ (oder Lo¨sungsmenge: L ¼ fð2; 1; 3Þg)
Weitere Lo¨sungsverfahren wie die Cramersche Regel werden mit Hilfe der Determinantenrechnung im Abschnitt II.9.4 formuliert.
9.4 Matrizen und Determinanten Eine Matrix (Plural Matrizen) ist ein System von m n Gro¨ßen, die in einem rechteckigen Schema von m (waagerechten) Zeilen und n (senkrechten) Spalten angeordnet sind. Die m n Gro¨ßen nennt man die Elemente der Matrix, es sind beliebige reelle (oder komplexe) Zahlen. Die Stellung eines Elementes, etwa aij , im Schema wird durch einen Doppelindex gekennzeichnet. Dabei gibt der erste Index i die Zeile und der zweite Index j die Spalte an, in der das Element steht. Die Numerierungen der Zeilen verlaufen von oben nach unten, die der Spalten von links nach rechts. Das Element aij befindet sich also im Kreuzungspunkt der i-ten Zeile und der j-ten Spalte. Eine Matrix mit m Zeilen und n Spalten nennt man ðm; nÞ-Matrix. Meist ku¨rzt man Matrizen durch große lateinische Buchstaben A; B; . . . ab. Man schreibt eine Matrix, indem man das Schema in eckige Klammern (oder auch in runde Klammern) setzt: Matrix 2
3 a11 a12 . . . a1n 6 a21 a22 . . . a2n 7 A ¼ 4.................... 5 am2 . . . amn 1 a11 a12 . . . a1n B C A ¼ @ a21 a22 . . . a2n A .................... am1 am2 . . . amn 0
am1
Abku¨rzend schreibt man dafu¨r auch A ¼ ðaij Þ:
40 &
Mathematik Beispiel: 2 3 5 2 0 5 A ¼ 4 14 0 6 1 5 1 0 2 5 Dies ist eine (3, 4)-Matrix, also eine Matrix mit 3 Zeilen und 4 Spalten. Zum Beispiel ist a12 ¼ 2 das Element, das in der ersten Zeile und zweiten Spalte steht.
Achtung: Die Doppelindizes sind einzeln zu lesen, zum Beispiel wird a12 gesprochen: a eins zwei. Quadratische Matrizen: Gilt m ¼ n, also Zeilenanzahl gleich Spaltenanzahl, dann heißt A eine n-reihige quadratische Matrix oder eine quadratische Matrix der Ordnung n. Die Elemente einer quadratischen Matrix, fu¨r die i ¼ j gilt, bilden die sogenannte Hauptdiagonale der Matrix. &
Beispiel: 2 3 4 5 0 7 6 27 6 5 A¼6 17 6 1 1 7 4 45 1 10 3 A ist eine quadratische 3reihige Matrix. Die Hauptdiagonalele4 4 mente sind a11 ¼ ; a22 ¼ 1; a33 ¼ . Alle Elemente der zwei5 3 ten Zeile sind gleich 1: a21 ¼ a22 ¼ a23 ¼ 1.
&
Beispiel: 2 3 2 0 0 6 7 A ¼ 4 0 3 0 5 0 0 7
Obere Dreiecksmatrix: Eine quadratische Matrix, bei der fu¨r alle i > j die Elemente aij gleich Null sind, heißt obere Dreiecksmatrix. &
Beispiel:
2
1 6 6 A¼4 0 4 0 0
3 0 7 15 7
Untere Dreiecksmatrix: Eine quadratische Matrix, bei der fu¨r alle i < j die Elemente aij gleich Null sind, heißt untere Dreiecksmatrix. Matrizen vom gleichen Typ: Zwei Matrizen heißen vom gleichen Typ, wenn sie die gleiche Anzahl von Zeilen und die gleiche Anzahl von Spalten haben, wenn also beide ðm; nÞ-Matrizen sind mit dem gleichen m und dem gleichen n.
2 2 0 ; 0 6 1
C¼
1 6 0 4
Gleichheit von Matrizen: Zwei Matrizen A und B heißen gleich, wenn beide vom gleichen Typ sind und wenn die entsprechenden Elemente u¨bereinstimmem, wenn also aij ¼ bij fu¨r alle i ¼ 1; . . . ; m und j ¼ 1; . . . ; n gilt. &
Beispiel:
1 2 3 A¼ ; 1 24 0
B¼
1 2 3 : A¼B 1 24 0
Transponierte Matrix: Die transponierte oder gespiegelte Matrix AT der Matrix A ist die Matrix, die durch Vertauschung von Zeilen und Spalten von A gebildet wird: 2
3 a11 a12 . . . a1n 6a 7 6 21 a22 . . . a2n 7 A¼6 7 4.................... 5 am1 am2 . . . amn 2 3 a11 a21 . . . am1 6a 7 6 12 a22 . . . am2 7 AT ¼ 6 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . : 4 5 a1n &
Diagonalmatrix: Eine quadratische Matrix, bei der fu¨r alle i 6¼ j die Elemente aij gleich Null sind, heißt Diagonalmatrix. &
B¼
A und B sind vom gleichen Typ, C ist jedoch nicht vom gleichen Typ wie A und B.
Nullmatrix 0: Eine Matrix, deren Elemente alle gleich Null sind, also aij ¼ 0 fu¨r i ¼ 1; . . . ; m und j ¼ 1; . . . ; n, heißt eine Nullmatrix. Einheitsmatrix E: Eine quadratische Matrix heißt Einheitsmatrix, falls .. 1 fur i ¼ j ; aij ¼ .. 0 fur i 6¼ j :
Beispiel:
1 2 3 ; 1 24 0
A¼
...
a2n
Beispiel: " # 2 3 1 A¼ ; 5 0 4
amn
2
3 2 5 6 7 05 A ¼4 3 1 4 T
Symmetrische Matrix: Eine quadratische Matrix A heißt symmetrisch, wenn A ¼ AT ist, wenn also aij ¼ aji fu¨r alle i und j gilt. &
Beispiel: 2 3 1 2 3 6 7 A ¼ 4 2 6 0 5 ¼ AT 3 0 5
Antisymmetrische Matrix: Eine quadratische Matrix A heißt antisymmetrisch oder schiefsymmetrisch, wenn AT ¼ A ist. Addition und Subtraktion von Matrizen: Matrizen ko¨nnen nur dann addiert oder subtrahiert werden, wenn sie vom gleichen Typ sind. Zwei Matrizen vom gleichen Typ werden addiert bzw. subtrahiert, indem man ihre korrespondierenden Elemente addiert bzw. subtrahiert: A þ B ¼ ðaij Þ þ ðbij Þ ¼ ðaij þ bij Þ A B ¼ ðaij Þ ðbij Þ ¼ ðaij bij Þ
II Gleichungen
41 &
Eigenschaften der Addition: 1. A þ B ¼ B þ A (Kommutativgesetz) 2. ðA þ BÞ þ C ¼ A þ ðB þ CÞ ¼ A þ B þ C (Assoziativgesetz) 3. ðA þ BÞT ¼ AT þ BT &
Beispiel:
A¼
Beispiel:
2 2 0 4 1 3 ; B¼ 1 3 2 1 0 2
6 1 3 AþB¼ 0 3 0
2 3 3 2 3 3 AB¼ ; BA ¼ 2 3 4 2 3 4
A¼
Eigenschaften: Sind k und l zwei reelle Zahlen und A und B zwei Matrizen, so gilt: kðlAÞ ¼ lðkAÞ ¼ ðklÞ A ðk þ lÞ A ¼ kA þ lA k ðA þ BÞ ¼ kA þ kB ðkAÞT ¼ kAT Beispiel:
2 2 0 6 6 0 ¼ 1 3 2 3 9 6
Multiplikation von Matrizen: Das Produkt AB zweier Matrizen A und B kann nur dann gebildet werden, wenn die Spaltenanzahl von A gleich der Zeilenanzahl von B ist. Ist A ¼ ðaij Þ eine ðm; nÞ-Matrix und B ¼ ðbjk Þ eine ðn; rÞ-Matrix (Anzahl der Spalten von A = Anzahl der Zeilen von B), so ist die Produktmatrix C ¼ AB eine ðm; rÞ-Matrix mit den Elementen n P cik ¼ aij bjk . Das Element cik von C ¼ AB fu¨r j¼1
ein festes i und ein festes k erha¨lt man also, indem man das j-te Element der i-ten Zeile von A mit dem j-ten Element der k-ten Spalte von B multipliziert fu¨r j ¼ 1; . . . ; n und alle diese Produkte addiert. A ¼ ðaij Þ ;
B ¼ ðbjk Þ ) C ¼ AB ¼ ðcik Þ n P mit cik ¼ aij bjk
2
a11 6 a21 6 A¼6 6 ai1 4
a12 a22
... ...
ai2
...
am1
am2
...
3 a1n a2n 7 7 7 ain 7 5 amn
2
b11 6 b21 4 bn1 2 ... 6 ... 6 ... 6 6 ... 4 ... ...
10 3 6 5
Eigenschaften der Matrizenmultiplikation: 1. 2. 3. 4. 5. 6.
AðBCÞ ¼ ðABÞ C (Assoziativgesetz) AðB þ CÞ ¼ AB þ AC (Distributivgesetz) AB 6¼ BA (Kommutativgesetz gilt nicht) AE ¼ EA ¼ A (E Einheitsmatrix) AN ¼ NA ¼ N (N Nullmatrix) ðABÞT ¼ BT AT (Reihenfolge a¨ndert sich)
Orthogonale Matrix: Eine quadratische Matrix A heißt orthogonal, wenn AAT ¼ AT A ¼ E (E Einheitsmatrix) ist. Inverse Matrix: Eine Matrix B heißt Inverse der quadratischen Matrix A, wenn AB ¼ E (E Einheitsmatrix) gilt. Man schreibt dann B ¼ A1 . Existiert die Inverse einer Matrix, dann ist sie eindeutig. Eine Matrix A, fu¨r die die Inverse A1 existiert, heißt regula¨r, andernfalls heißt sie singula¨r. &
Beispiel:
Man berechne die Inverse der Matrix A ¼
a b ¼ A1 c d
A¼
2 3 1 2
2 3 . 1 2
1 0 ¼E 0 1
Es ergibt sich das lineare Gleichungssystem 2a þ 3c ¼ 1, 2b þ 3d ¼ 0; a 2c ¼ 0; b 2d ¼ 1. Die Lo¨sung des Gleichungssystems ist a ¼ 2; b ¼ 3; c ¼ 1; d ¼ 2.
Es folgt: Inverse A1 ¼
2 3 1 2
Eine Determinante D ist ein algebraischer Ausdruck, der jeder n-reihigen quadratischen Matrix A mit reellen (oder komplexen) Elementen aij eindeutig zugeordnet wird. Dieser algebraische Ausdruck
j¼1
Schematische Darstellung:
6 5 1 5
BA existiert nicht.
k A ¼ kðaij Þ ¼ ðkaij Þ
3A ¼ 3
2 3 1 4
3 1 1 2 1 7 6 1 2 1 5 ¼ B 40 1 1 0 1 # " 6 5 10 3 4 ¼ AB 0 1 5 6 5
AB ¼
Multiplikation einer Matrix mit einer reellen Zahl: Man multipliziert eine Matrix A mit einer reellen Zahl k, indem man jedes Element der Matrix mit k multipliziert:
&
4 ; 0 2
A¼
1. 2. 3. 4.
2 3 1 1 2 1 6 7 B ¼ 40 1 2 1 5 1 1 0 1
2 3 1 4
b12 b22
... ...
bn2 ... ... ... ... ... ...
. . . bnk ... ... ... ... ... ... . . . cik ... ... ... ...
b1k b2k
3 b1r b2r 7 ¼ B 5 . . . bnr 3 ... ... ... ... 7 ... ... 7 7 . . . . . . 7 ¼ AB 5 ... ... ... ... ... ...
42
Mathematik
ist eine reelle (oder komplexe) Zahl. Die Determinante einer n-reihigen quadratischen Matrix nennt man n-reihige Determinante. Man schreibt eine Determinante, indem man das quadratische Schema der Matrix zwischen senkrechte Striche setzt, oder in Kurzform D ¼ det ðAÞ ¼ jAj:
&
1 4 2 35 1 35 4 2 35 8 27 ¼ ¼ ¼ ¼3 y ¼ 1 5 ð2Þ 2 5þ4 9 1 2 2 5
Determinante a11 a12 . . . a1n a21 a22 . . . a2n D ¼ det ðAÞ ¼ jAj ¼ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . an1 an2 . . . ann
Definition fu¨r dreireihige Determinanten (n ¼ 3): a11 a12 a13 D ¼ a21 a22 a23 a31 a32 a33 a22 a23 a21 a12 a13 þ a31 a12 a13 ¼ a11 a a a32 a33 a a 32 33 22 23
Definition fu¨r zweireihige Determinanten (n ¼ 2): a D ¼ 11 a21
a12 ¼ a11 a22 a12 a21 a22
¼ a11 ða22 a33 a23 a32 Þ a21 ða12 a33 a13 a32 Þ þ a31 ða12 a23 a13 a22 Þ
Die Elemente a11 ; a22 bilden die Hauptdiagonale, die Elemente a12 ; a21 die sogenannte Nebendiagonale. Merkregel zur Berechnung: Produkt der Hauptdiagonalelemente minus Produkt der Nebendiagonalelemente. &
Beispiel: 1 1 ¼ ð1Þ 1 1 2 ¼ 3 D ¼ 2 1
b2 c1 b1 c2 allgemeine Lo¨sungsformel x ¼ ; a1 b2 a2 b1 a1 c2 a2 c1 fu¨r ein lineares Gleichungssystem y¼ a1 b2 a2 b1 a1 x þ b1 y ¼ c1 ; a2 x þ b2 y ¼ c2 (vgl. Abschnitt II.9.2) la¨ßt sich auch mit Hilfe von zweireihigen Determinanten schreiben:
Beispiel: (I) x 2y ¼ 4, (II) 2x þ 5y ¼ 35 Einsetzen von a1 ¼ 1; a2 ¼ 2; b1 ¼ 2; b2 ¼ 5; c1 ¼ 4; c2 ¼ 35 in die Determinantengleichungen fu¨r x und y ergibt: 4 2 35 5 4 5 ð2Þ 35 20 þ 70 90 ¼ ¼ ¼ ¼ 10 ; x ¼ 1 5 ð2Þ 2 5þ4 9 1 2 2 5
¼ a11 a22 a33 a11 a23 a32 þ a13 a21 a32 a12 a21 a33 þ a12 a23 a31 a13 a22 a31 &
Beispiel: 3 7 2 0 6 4 7 2 þ ð2Þ 7 2 D¼ 4 0 6 ¼ 3 4 0 4 1 1 6 2 4 1 ¼ 3ð0 1 6ð4ÞÞ 4ð7 1 ð2Þ ð4ÞÞ 2ð7 6 ð2Þ 0Þ ¼ 3 24 4ð1Þ 2 42 ¼ 8
Die
c1 c2 x ¼ a1 a2
b1 b2 ; b1 b2
a1 a2 y ¼ a1 a2
c1 c2 b1 b2
Die gemeinsame Nennerdeterminante wird aus den Koeffizienten von x und y der beiden Gleichungen in der gegebenen Anordnung gebildet. Die Nennerdeterminante heißt deshalb auch Koeffizientendeterminante. Man erha¨lt die Za¨hlerdeterminante von x, indem man die Koeffizienten von x durch die Absolutglieder ersetzt, und die Za¨hlerdeterminante von y entsprechend durch Ersetzung der Koeffizienten von y durch die Absolutglieder (immer in der gleichen Reihenfolge, also Ersetzung von b1 durch c1 usw.). Man nennt diese Methode Cramersche Regel zur Berechnung der Lo¨sung eines linearen Gleichungssystems (nach dem schweizerischen Mathematiker Gabriel Cramer, 1704––1752).
Man nennt dies „Entwickeln“ der dreireihigen Determinante nach der ersten Spalte. Dabei wird nacheinander jedes Element der ersten Spalte mit derjenigen zweireihigen Determinante multipliziert, die man erha¨lt, wenn man in der dreireihigen Determinante die Zeile und die Spalte streicht, in der das Element steht. Die so gebildeten Produkte werden mit alternierenden (wechselnden) Vorzeichen versehen, angefangen mit einem þ, und anschließend addiert. Bezeichnet man die Determinante, die man durch Streichen der i-ten Zeile und der j-ten Spalte der Determinante D erha¨lt, mit Dij , so kann man das obige Entwickeln auch darstellen als D ¼ a11 D11 a21 D21 þ a31 D31 Die mit dem Faktor ð1Þ i þ j (dieser Faktor ist þ1 oder 1) multiplizierte Determinante Dij heißt Adjunkte oder algebraisches Komplement Aij des Elements aij. Somit kann man fu¨r das obige Entwickeln auch schreiben D ¼ a11 A11 þ a21 A21 þ a31 A31 Zur Berechnung kann man die Determinante nach einer beliebigen Zeile oder Spalte entwickeln.
II Gleichungen
43 &
Entwicklung nach einer beliebigen Zeile: D ¼ ai1 Ai1 þ ai2 Ai2 þ ai3 Ai3 ¼
3 P
aij Aij ;
Beispiel: 3 7 0 4 2 4
2 6 ¼ 3 0 1 þ 7 6 ð2Þ þ ð2Þ 4 ð4Þ 1 ð2Þ 0 ð2Þ 3 6 ð4Þ 7 4 1
j¼1
¼ 0 84 þ 32 0 þ 72 28 ¼ 8
1i3 Bei Entwicklung nach der ersten Zeile ist i ¼ 1, bei Entwicklung nach der zweiten Zeile ist i ¼ 2, und bei Entwicklung nach der dritten Zeile ist i ¼ 3. Entwicklung nach einer beliebigen Spalte: D ¼ a1j A1j þ a2j A2j þ a3j A3j ¼
3 P
aij Aij ;
Fehlerwarnung: Die Regel von Sarrus gilt nur fu¨r dreireihige Determinanten! Definition fu¨r n-reihige Determinanten (n 4): Auch fu¨r beliebige n-reihige Determinanten la¨ßt sich der Wert mit Hilfe des Entwicklungssatzes definieren. Entwicklung nach einer beliebigen Zeile:
i¼1
D ¼ ai1 Ai1 þ ai2 Ai2 þ . . . þ ain Ain ¼
1j3 Bei Entwicklung nach der ersten Spalte ist j ¼ 1, bei Entwicklung nach der zweiten Spalte ist j ¼ 2, und bei Entwicklung nach der dritten Spalte ist j ¼ 3. &
Beispiel: 3 7 2 D ¼ 4 0 6 2 4 1
n P j¼1
aij Aij ;
1in
Bei Entwicklung nach der ersten Zeile ist i ¼ 1, bei Entwicklung nach der zweiten Zeile ist i ¼ 2, usw., und bei Entwicklung nach der n-ten Zeile ist i ¼ n: Entwicklung nach einer beliebigen Spalte:
Entwicklung nach der zweiten Zeile: D ¼ a21 A21 þ a22 A22 þ a23 A23 7 2 7 þ 0 A22 þ 6 ð1Þ2 þ 3 3 ¼ 4 ð1Þ2 þ 1 4 1 2 4 ¼ 4½7 1 ð2Þ ð4Þ þ 0 6½3 ð4Þ 7 ð2Þ ¼ 4 ð1Þ 6 2 ¼ 4 12 ¼ 8
Dreireihige Determinanten ko¨nnen auch mit der Regel von Sarrus berechnet werden (nach dem franzo¨sischen Mathematiker Pierre F. Sarrus, 1798 bis 1861). Man fu¨gt bei der Regel von Sarrus die ersten beiden Spalten der Determinante nochmals als 4. und 5. Spalte hinzu. Dann multipliziert man je drei diagonal aufeinanderfolgende Elemente und addiert (Hauptdiagonalen) bzw. subtrahiert (Nebendiagonalen) die so entstehenden sechs Produkte.
D ¼ a1j A1j þ a2j A2j þ . . . þ anj Anj ¼
n P i¼1
aij Aij ;
1jn
Bei Entwicklung nach der ersten Spalte ist j ¼ 1, bei Entwicklung nach der zweiten Spalte ist j ¼ 2, usw., und bei Entwicklung nach der n-ten Spalte ist j ¼ n: Die Cramersche Regel zur Berechnung der Lo¨sung eines linearen Gleichungssystems ist immer dann anwendbar, wenn bei dem betrachteten linearen Gleichungssystem die Anzahl der Gleichungen und die Anzahl der Variablen u¨bereinstimmen (und die Koeffizientendeterminante von Null verschieden ist). Die Koeffizientendeterminante eines allgemeinen linearen Gleichungssystems mit drei Gleichungen und drei Variablen lautet a1 D ¼ a2 a3
b1 b2 b3
c1 c2 c3
Ersetzt man die erste Spalte von D, also die Koeffizienten von x, durch die Absolutglieder des linearen Gleichungssystems, so ergibt sich die Determinante
Die Regel ausgefu¨hrt ergibt a11 det ðAÞ ¼ a21 a31
a12 a22 a32
a13 a23 a33
¼ a11 a22 a33 þ a12 a23 a31 þ a13 a21 a32 a13 a22 a31 a11 a23 a32 a12 a21 a33
d1 Dx ¼ d2 d3
b1 b2 b3
c1 c2 c3
Durch Ersetzen der Koeffizienten von y und z erha¨lt man analog die Matrizen a1 Dy ¼ a2 a3
d1 d2 d3
c1 c2 ; c3
a1 Dz ¼ a2 a3
b1 b2 b3
d1 d2 d3
44
Mathematik
Fu¨r D 6¼ 0 ergibt sich dann als eindeutige Lo¨sung des linearen Gleichungssystems d1 d2 Dx d3 ¼ x¼ D a1 a2 a3 a1 a2 Dy a3 y¼ ¼ D a1 a2 a3 a1 a2 Dz a3 ¼ z¼ D a1 a2 a3
c1 c2 c3 ; c1 c2 c3
b1 b2 b3 b1 b2 b3
c1 c2 c3 ; c1 c2 c3
d1 d2 d3 b1 b2 b3
d1 d2 d3 c1 c2 c3
b1 b2 b3 b1 b2 b3
Ist jedoch D ¼ 0, dann gibt es entweder keine oder unendlich viele Lo¨sungen des linearen Gleichungssystems. In diesem Fall ist die Cramersche Regel nicht anwendbar. &
Beispiel: Lineares Gleichungssystem: 3x þ 15y þ 8z ¼ 10 5x þ 10y þ 12z ¼ 1 2x þ 7y þ z ¼ 1 Nennerdeterminante (Determinante der Koeffizientenmatrix): 3 15 8 D ¼ 5 10 12 ¼ 30 þ 360 280 160 252 þ 75 ¼ 227 2 7 1 Za¨hlerdeterminanten: 10 15 8 Dx ¼ 1 10 12 ¼ 100 þ 180 56 80 840 þ 15 ¼ 681 1 7 1 3 10 8 Dy ¼ 5 1 12 ¼ 3 þ 240 40 þ 16 36 þ 50 ¼ 227 2 1 1 3 15 10 Dz ¼ 5 10 1 ¼ 30 30 350 200 þ 21 þ 75 ¼ 454 2 7 1 Somit ergibt sich als Lo¨sung des linearen Gleichungssystems: x¼
Dx 681 ¼ ¼ 3; D 227
z¼
Dz 454 ¼ ¼2 D 227
y¼
Dy 227 ¼ ¼ 1 ; D 227
Die Lo¨sung des Gleichungssystems ist also das (geordnete) Zahlentripel ðx; y; zÞ ¼ ð3; 1; 2Þ (oder Lo¨sungsmenge: L ¼ fð3; 1; 2ÞgÞ:
10 Lineare Ungleichungen 10.1 Definitionen Eine Ungleichung zwischen Termen, in der eine oder mehrere Variable vorkommen, heißt linear, wenn alle Variablen ho¨chstens in der ersten Potenz auftreten und nicht miteinander multipliziert werden. Eine Ungleichung zu lo¨sen bedeutet, alle Werte der Variablen aus dem zugrunde liegenden Zahlenbereich zu bestimmen, fu¨r die die Ungleichung erfu¨llt ist. Alle diese Werte heißen Lo¨sungen der Ungleichung, und alle Lo¨sungen zusammen bilden die Lo¨sungsmenge der Ungleichung. Ein System aus mehreren Ungleichungen heißt linear, wenn alle Ungleichungen des Systems lineare Ungleichungen sind. Die Lo¨sungen eines Ungleichungssystems sind die Werte der Variablen, die alle Ungleichungen des Systems erfu¨llen. &
Beispiele: 1. Lineare Ungleichung mit einer Variablen: 7x þ 4 < 2ð3x 4Þ 1 2. Lineare Ungleichung mit zwei Variablen: 2x y þ 4 < 5ð4 xÞ þ 3 3. System linearer Ungleichungen: x þ 2y < 3; 3x y 5
Zum Lo¨sen linearer Ungleichungen ist es oftmals sinnvoll, a¨quivalente Umformungen durchzufu¨hren (vgl. Abschnitt II.2). Dabei sind aber die Rechenregeln fu¨r Ungleichungen zu beachten (siehe Abschnitt I.11).
10.2 Lineare Ungleichungen mit einer Variablen Eine lineare Ungleichung mit einer Variablen la¨ßt sich durch a¨quivalente Umformungen stets in eine der folgenden Ungleichungen u¨berfu¨hren. (1) (2) (3) (4)
ax þ b < 0 ; ax þ b 0 ; ax þ b > 0 ; ax þ b 0 ;
a>0 a>0 a>0 a>0
b Durch Division durch a > 0 und Subtraktion von a erha¨lt man als Lo¨sungen die Intervalle b 1; a b ð2Þ L ¼ 1; a b ð3Þ L ¼ ; 1 a
b ð4Þ L ¼ ; 1 a
ð1Þ L ¼
Eine lineare Ungleichung mit einer Variablen hat also als Lo¨sung immer ein nicht beschra¨nktes Intervall.
II Gleichungen &
Beispiele: 1. 7x þ 4 < 2ð3x 4Þ 1 Auflo¨sung der Klammer: 7x þ 4 < 6x 8 1 Zusammenfassen: x þ 13 < 0 Auflo¨sen nach x: x < 13 Lo¨sungsmenge: L ¼ ð1; 13Þ 2. 5ðx 4Þ 2ð5 4xÞ 6 þ x Auflo¨sung der Klammern: 5x 20 10 8x 6 þ x Zusammenfassen: 5x 20 7x þ 4 ) 12x 24 0 Auflo¨sen nach x: 12x 24 ) x 2 Lo¨sungsmenge: L ¼ ½2; 1Þ 3. 9ð2 xÞ < 2ðx þ 4Þ ðx þ 2Þ 3 Auflo¨sung der Klammern: 18 9x < 2x þ 8 3x 6 Zusammenfassen: 18 9x < x þ 2 ) 8x þ 16 < 0 Auflo¨sen nach x: 8x < 16 ) x > 2 Achtung: Bei Division durch 8 dreht sich das Ungleichheitszeichen um! Lo¨sungsmenge: L ¼ ð2; 1Þ
45 eine echte Ungleichung handelt (das heißt, das Gleichheitszeichen ist nicht zugelassen), geho¨ren die Punkte der Geraden selbst nicht dazu. &
Beispiele: 1. x y < 1 Auflo¨sung nach y: y > x þ 1 Geradengleichung: y ¼ x þ 1
y y=x+1 y>x+1 11 x
–1 –1
10.3 Lineare Ungleichungen mit zwei Variablen Eine lineare Ungleichung mit zwei Variablen x und y la¨ßt sich immer so a¨quivalent umformen, daß eine der Variablen, etwa y, isoliert auf einer Seite der Ungleichung steht. So la¨ßt sich zum Beispiel die Ungleichung ax þ by þ c < 0 fu¨r b > 0 umformen in a c y < x . Eine Lo¨sung der Ungleichung ist b b dann ein Paar ðx; yÞ, wo x eine beliebige reelle Zahl a c ist und y die Ungleichung y < x erfu¨llt. Als b b Lo¨sungsmenge von ax þ byaþ c < c0oergibt sich dann n L ¼ ðx; yÞ x 2 R; y < x . b b Ungleichung: ax þ by þ c < 0 ðb > 0Þ .. Losungsmenge: n a co L ¼ ðx; yÞ x 2 R; y < x b b &
Beispiele: 1. x y < 1 Auflo¨sung nach y: y > x þ 1 Es ist zum Beispiel x ¼ 2; y ¼ 4 ein Lo¨sungspaar oder x ¼ 1, y ¼ 0;1. Alle Lo¨sungen ergeben die Lo¨sungsmenge: L ¼ fðx; yÞ j x 2 R; y > x þ 1g. 2. 2x þ 4y þ 4 0 1 Auflo¨sung nach y: y x 1 2 1 Lo¨sungsmenge: L ¼ ðx; yÞ x 2 R; y x 1 2
Fu¨r manche Anwendungen ist es sinnvoll, die Lo¨sungsmenge einer solchen Ungleichung graphisch darzustellen. Ersetzt man in einer Ungleichung das Ungleichheitszeichen durch ein Gleichheitszeichen, dann entsteht eine Gleichung. So entsteht zum Beispiel aus der linearen Ungleichung x y < 1 die lineare Gleichung y ¼ x þ 1. Der Graph einer solchen linearen Gleichung ist in einem kartesischen Koordinatensystem eine Gerade (vgl. Abschnitt V.4.2). Alle Lo¨sungen ðx; yÞ, die die Ungleichung y > x þ 1 erfu¨llen, sind in dem kartesischen Koordinatensystem die Koordinaten der Punkte, die oberhalb der sogenannten Begrenzungsgeraden y ¼ x þ 1 liegen. Da es sich um
Bild II-4 Ungleichung y > x þ 1
2.
Die Koordinaten der Punkte im schraffierten Bereich bilden die Lo¨sungsmenge. Die Koordinaten der Punkte der Begrenzungsgeraden geho¨ren nicht zur Lo¨sungsmenge, deshalb ist die Begrenzungsgerade gestrichelt gezeichnet. 2x þ 4y þ 4 0 1 Auflo¨sung nach y: y x 1 2 1 Geradengleichung: y ¼ x 1 2 y
1 –1 y <– –
x –1 2
Bild II-5 1 Ungleichung y x 1 2
1
–1 y= –
x x –1 2
Die Koordinaten der Punkte im schraffierten Bereich bilden die Lo¨sungsmenge. Die Koordinaten der Punkte der Begrenzungsgeraden geho¨ren zur Lo¨sungsmenge, deshalb ist die Begrenzungsgerade durchgezogen gezeichnet.
10.4 Lineare Ungleichungssysteme mit zwei Variablen Fu¨r Systeme von linearen Ungleichungen mit zwei Variablen x und y ist es meist am u¨bersichtlichsten, die Lo¨sungsmenge graphisch dazustellen. Man ersetzt dazu in allen Ungleichungen die Ungleichheitszeichen durch Gleichheitszeichen. Anschließend formt man alle diese linearen Gleichungen a¨quivalent um, so daß jeweils auf der linken Seite die Variable y isoliert steht (entha¨lt eine Gleichung y nicht, so isoliere man x). Dann zeichnet man die Graphen dieser linearen Gleichungen alle in dasselbe kartesische Koordinatensystem und erha¨lt so fu¨r jede Gleichung eine Gerade (gestrichelt gezeichnet, falls die zugeho¨rige Ungleichung echt ist, sonst durchgezogen). Fu¨r jede Gerade schraffiere man den Bereich, deren Punkte die zugeho¨re Ungleichung er-
46
Mathematik
fu¨llen (genauer: die Koordinaten der Punkte erfu¨llen die Ungleichung). ber die Menge der reellen Zahlen sind diese Bereiche Halbebenen. Die Koordinaten aller der Punkte, die in allen schraffierten Bereichen liegen, bilden die Lo¨sungsmenge. &
Beispiele: 1. (I) x þ 2y < 5, (II) x 2y < 1 Aus (I) folgt y < 0;5x þ 2;5 und aus (II) y > 0;5x 0;5. Die Punkte, deren Koordinaten die Ungleichung (I) erfu¨llen, liegen unterhalb der Geraden y ¼ 0;5x þ 2;5, und die Punkte, deren Koordinaten die Ungleihung (II) erfu¨llen, liegen oberhalb der Geraden y ¼ 0;5x 0;5.
2.
(I) y x < 1; (II) x 2 < 0, (III) 2y þ x þ 4 0 Aus (I) folgt y < x þ 1, aus (II) x < 2 und aus (III) 1 y x 2. 2 Die Punkte, deren Koordinaten die Ungleichung (I) erfu¨llen, liegen unterhalb der Geraden y ¼ x þ 1. Die Punkte, deren Koordinaten die Ungleichung (II) erfu¨llen, liegen links der Geraden x ¼ 2, und die Punkte, deren Koordinaten die Ungleichung (III) erfu¨llen, liegen oberhalb der Geraden 1 y ¼ x 2. 2
y x=2 x<2
y y = –0,5x + 2,5 –1
y > 0,5x – 0,5
11 –1
1 –1
x y ≥ –0,5x – 2
y<x+1 1
x
–1
y=x+1
y = –0,5x – 2
y < –0,5x + 2,5 y = 0,5x – 0,5
Bild II-6 Ungleichungssystem y < 0;5x þ 2;5; y > 0;5x 0;5 Die Punkte, deren Koordinaten die Lo¨sungsmenge bilden, liegen im doppelt gestrichelten Bereich. Die Koordinaten der Punkte beider Begrenzungsgeraden geho¨ren nicht zur Lo¨sungsmenge.
Bild II-7 Ungleichungssystem y < x þ 1; x < 2, 1 y x2 2 Die Punkte, deren Koordinaten die Lo¨sungsmenge bilden, liegen im dreifach markierten Bereich. Nur die Koordinaten der 1 Punkte der Begrenzungsgeraden y ¼ x 2, die auf dem 2 Rand dieses dreifach markierten Bereiches liegen, geho¨ren zur Lo¨sungsmenge.
III Planimetrie Die Planimetrie (griech., Fla¨chenmessung) ist ein Teilgebiet der Geometrie (griech., Erdmessung) und befaßt sich mit ho¨chstens zweidimensionalen Objekten. Dabei interessieren zum Beispiel Form, Gro¨ße und gegenseitige Lage solcher Objekte. Die Grundelemente dieser Geometrie der Ebene sind Punkte und Geraden.
1 Geraden und Strecken Eine Gerade ist eine beidseitig unbegrenzte gerade Linie. Ein Punkt ist die Schnittstelle zweier Geraden. Eine Gerade ist durch zwei voneinander verschiedene Punkte eindeutig bestimmt. Die ku¨rzeste Verbindung zweier Punkte P1 und P2 liegt auf der Geraden durch P1 und P2 . Zwei verschiedene Geraden in der Ebene sind parallel zueinander oder haben
einen Punkt, ihren Schnittpunkt, gemeinsam. Die Gerade durch die Punkte P1 und P2 schreibt man P1 P2 (gesprochen: Gerade P1 P2 ) oder P2 P1 . Geraden ku¨rzt man oft mit g ab, also g ¼ P1 P2 ¼ P2 P1. A 2 g ist eine abku¨rzende Schreibweise dafu¨r, daß der Punkt A ein Punkt der Geraden g ist, also auf der Geraden g liegt, und B 62 g bedeutet, daß B außerhalb von g liegt. AB k CD oder g k h (gesprochen: g parallel h) bedeutet, daß AB und CD zwei parallele Geraden sind, also keinen Schnittpunkt haben. g a
h
a
Bild III-1 Parallele Geraden g und h
III Planimetrie
47
Ein Strahl oder eine Halbgerade ist ein Teil einer Geraden, der von einem Punkt S einer Geraden aus in einer Richtung la¨uft. Der Punkt S heißt Anfangspunkt des Strahls. Jeder Punkt einer Geraden bestimmt zwei verschiedene Strahlen. S A s
Bild III-2 Strahl s (A ist ein beliebiger Punkt von s) Eine Strecke ist ein Abschnitt einer Geraden zwischen zwei Punkten. Eine Strecke ist also eine beidseitig begrenzte gerade Linie. Die Strecke zwischen den Punkten A und B schreibt man AB (gesprochen: Strecke AB). Die Punkte A und B heißen die Endpunkte der Strecke, alle anderen Punkte der Strecke bilden das Innere. Die La¨nge der Strecke wird mit jABj bezeichnet (gesprochen: La¨nge oder Betrag der Strecke AB).
C
D
2 Winkel Zwei Strahlen, die von demselben Punkt S ausgehen, ko¨nnen durch eine Drehung um S ineinander u¨berfu¨hrt werden, durch die der Winkel zwischen ihnen bestimmt wird. Die Strahlen heißen die Schenkel des Winkels, der Punkt S heißt Scheitelpunkt. Sind g und h die beiden Strahlen und A ein Punkt von g und B ein Punkt von h, so bezeichnet man den Winkel mit |ðg; hÞ (gesprochen: Winkel zwischen g und h) oder mit |ASB (gesprochen: Winkel ASB).
B
In der Geoda¨sie wird eine Zentesimaleinteilung verwendet. Dabei wird der Vollwinkel in 400 gleiche Teile eingeteilt. Die Einheit ist gon (Gon). 1 gon 1 entspricht also des Vollwinkels. ltere, heute 400 nicht mehr gebra¨uchliche Einheit ist Neugrad. 1 Vollwinkel ¼ 360 ¼ 400 gon
a
Bild III-3 Strecken AB und CD mit derselben La¨nge a
h
1 ð1 GradÞ ¼ 600 ð60 MinutenÞ; 10 ð1 MinuteÞ ¼ 6000 ð60 SekundenÞ 0 1 1 10 ¼ ; 100 ¼ 60 60
B
a A
Zur Winkelmessung unterscheidet man zwei verschiedene Winkelmaße: das Gradma und das Bogenmaß (Bogenmaß siehe Abschnitt III.10.9). Beide beruhen auf Kreisteilungen. Beim Gradmaß wird ein Vollwinkel in 360 gleiche Teile eingeteilt (Sexagesimaleinteilung). Die Einheit 1 des Gradmaßes ist Grad ( ). 1 entspricht des 360 Vollwinkels. Untereinheiten des Grads sind Minuten und Sekunden.
Bild III-4 Winkel a ¼ | ðg; hÞ ¼ | ASB
Fu¨r bestimmte Winkel gibt es besondere Bezeichnungen: Ein Winkel a mit a ¼ 0 heißt Nullwinkel. Ein Winkel a mit a ¼ 90 heißt rechter Winkel. Ein Winkel a mit a ¼ 180 heißt gestreckter Winkel. Ein Winkel a mit a ¼ 360 heißt Vollwinkel. Ein Winkel a, der gro¨ßer als 0 und kleiner als ein rechter Winkel ist, heißt spitzer Winkel: 0 < a < 90 : Ein Winkel a, der gro¨ßer als ein rechter Winkel ist, heißt stumpfer Winkel: a > 90 : Ein Winkel a, der gro¨ßer als ein gestreckter Winkel ist, heißt u¨berstumpfer Winkel: a > 180 : In einer Figur kennzeichnet man einen rechten Winkel mit einem Punkt zwischen seinen Schenkeln und einem Winkelbogen.
S spitzer Winkel
S rechter Winkel
S stumpfer Winkel
a S
A
g S
Winkel werden meist mit kleinen griechischen Buchstaben bezeichnet: a; b; g; d; . . . ; j; . . . Man unterscheidet in der Regel nicht zwischen Winkel und Gro¨ße (Maß, Betrag) eines Winkels.
gestreckter Winkel
S
überstumpfer Winkel
Bild III.5 Winkelbezeichnungen
S
Vollwinkel
48
Mathematik
Einige Paare von Winkeln haben bestimmte Namen: 1. Komplementwinkel Winkel, die sich zu 90 erga¨nzen. Der Komplementwinkel zu einem Winkel a ist der Winkel b ¼ 90 a. &
6. Wechselwinkel Entgegengesetzt liegende Winkel an von einer Geraden geschnittenen Parallelen. Wechselwinkel sind gleich groß.
Beispiel: a ¼ 32 und b ¼ 58 sind Komplementwinkel.
90° – a a
A′
A
a B = B′ C
b
D = D′
S′ a
S C′
Bild III-11 Wechselwinkel (|ASB und |C0 S0 D0 ) Bild III-6 Komplementwinkel 2. Supplementwinkel Winkel, die sich zu 180 erga¨nzen. Der Supplementwinkel zu einem Winkel a ist der Winkel b ¼ 180 a. &
Beispiel: a ¼ 62 und b ¼ 118 sind Supplementwinkel.
7. Halbgleichliegende Winkel Winkelpaare an von einer Geraden geschnittenen Parallelen, die weder Stufenwinkel noch Wechselwinkel sind. Halbgleichliegende Winkel sind Supplementwinkel, sie erga¨nzen sich also zu 180 : A′
A 180° – a a
180° – a
a B = B′ S
S′
D = D′
Bild III-7 Supplementwinkel C
3. Scheitelwinkel Gegenu¨berliegende Winkel an zwei sich schneidenden Geraden. Scheitelwinkel sind gleich groß. C
B a
S
a
C′
Bild III-12 Halbgleichliegende Winkel (|ASB und |D0 S0 A0 )
3 Grundkonstruktionen mit Zirkel und Lineal
A
D
Bild III-8 Scheitelwinkel (|ASB und |CSD) 4. Nebenwinkel Benachbarte Winkel an zwei sich schneidenden Geraden. Nebenwinkel sind Supplementwinkel, sie erga¨nzen sich also zu 180 :
Eine Senkrechte ist eine Gerade, die eine gegebene Gerade (oder eine Ebene) mit einem Winkel von 90 schneidet. Das Lot ist eine Gerade, die durch einen Punkt einer anderen Geraden (oder einer Ebene) geht und auf dieser Geraden (Ebene) senkrecht steht.
l
180° – a B
g
a S
C
A
P
Bild III-9 Nebenwinkel (|ASB und |BSC) Bild III-13 Lot l auf Gerade g durch Punkt P
5. Stufenwinkel Gleichliegende Winkel an von einer Geraden geschnittenen Parallelen. Stufenwinkel sind gleich groß. A′
A
B = B′
a
a
S
S′
l
D = D′ P
C
C′
Bild III-10 Stufenwinkel (|ASB und |A0 S0 B0 )
E
Bild III-14 Lot l auf Ebene E durch Punkt P
III Planimetrie
49
Einige wichtige Grundkonstruktionen lassen sich ausschließlich mit Benutzung von Zirkel und Lineal durchfu¨hren. Strecke halbieren Kreisbo¨gen mit gleichem Radius um die Endpunkte A und B einer Strecke AB schlagen. Die Schnittpunkte sind C und C0 . Die Gerade CC0 halbiert AB in E.
Parallele durch gegebenen Punkt Ein Kreisbogen um P 62 g mit Radius r schneidet die gegebene Gerade g in C. Ein Kreisbogen um C mit dem gleichen Radius r schneidet g in B, ein Kreisbogen um B mit dem Radius r schneidet den ersten Kreisbogen um P (mit dem Radius r) in A. Die Gerade PA ist die Parallele zu g durch P (Konstruktion eines Rhombus & ðPCBAÞ). P r
A C
p
s 2
A
g
s 2
B
E
r
Bild III-15 Strecke AB halbieren
C′
C
B
Bild III-19 Parallele zu g durch P
Winkel halbieren Ein Kreisbogen um den Scheitelpunkt S des Winkels schneidet die Schenkel in A und in B. Kreisbo¨gen mit gleichem Radius um A und B schneiden sich in C. Die Gerade SC halbiert |BSA. A
C
g
a 2 a 2
a
Bild III-16 Winkel a halbieren
B
S
Parallele in gegebenem Abstand In beliebigen Punkten A 2 g und B 2 g (aber A 6¼ B) einer gegebenen Geraden g werden die Senkrechten errichtet, und auf diesen wird der gegebene Abstand a abgetragen: jADj ¼ a und jBCj ¼ a. Die Gerade CD ist eine der beiden Parallelen zu g im Abstand a (Konstruktion eines Rechtecks & ðABCDÞ). Bild III-20 Parallele zu g im Abstand a
D
A a a
Senkrechte errichten Ein Halbkreis um P 2 g (Punkt P liegt auf der Geraden g) schneidet g in A und B. Kreisbo¨gen mit gleichem Radius um A und B schneiden sich in C. Die Gerade PC ist die Senkrechte auf g im Punkte P. Bild III-17 Senkrechte auf g errichten
C
A
P
B
g
Lot fa¨llen Ein Kreisbogen um P 62 g (Punkt P liegt nicht auf der Geraden g) schneidet g in A und B. Kreisbo¨gen mit gleichem Radius um A und B schneiden sich in P0 . Die Gerade PP0 ist das Lot von P auf g.
B
p
4 Projektion Man unterscheidet Parallelprojektion und Zentralprojektion. Eine Parallelprojektion ist die Abbildung eines ebenen Gegenstandes durch parallele Strahlen auf eine Gerade (in der Stereometrie die Abbildung eines ra¨umlichen Gegenstandes durch parallele Strahlen auf eine Ebene). Bei senkrechter Parallelprojektion stehen die projizierenden Strahlen senkrecht auf der Geraden (Stereometrie: auf der Ebene), bei schiefer Parallelprojektion nicht. B
A
Bild III-18 Lot von P auf g fa¨llen
C
A′ s1
B′ s2
Bild III-21 Senkrechte Parallelprojektion einer Strecke AB
50
Mathematik
Eine Zentralprojektion ist die Abbildung eines ebenen Gegenstandes durch Strahlen, die alle durch einen festen Punkt Z gehen (durch das Zentrum oder Projektionszentrum), auf eine Gerade (in der Stereometrie die Abbildung eines ra¨umlichen Gegenstandes auf eine Ebene).
A, der Winkel b den Scheitelpunkt B und der Winkel g den Scheitelpunkt C hat. C
Bild III-23 Bezeichnungen im Dreieck
g b
Bild III-22 Zentralprojektion von Z einer Strecke AB
Z
A
a
b
a
B
c
B
Abku¨rzend verwendet man fu¨r ein Dreieck den großen griechischen Buchstaben D, und fu¨r ein Dreieck mit den Eckpunkten A; B; C schreibt man DðABCÞ. Die Winkelsumme in jedem Dreieck betra¨gt 180 .
A
A′
B′
s1
s2
a þ b þ g ¼ 180 C a g b
5 Geometrische rter Ein geometrischer Ort ist eine Punktmenge, die alle Elemente mit einer bestimmten geometrischen Eigenschaft (oder mit mehreren Eigenschaften) entha¨lt. In der Planimetrie sind die geometrischen rter Linien, daher werden sie auch geometrische Ortslinien genannt. In der Stereometrie sind die geometrischen rter Fla¨chen. &
Beispiele fu¨r geometrische Ortslinien: 1. Der geometrische Ort aller Punkte, die von einem festen Punkt M die feste Entfernung r haben, ist der Kreis um M mit dem Radius r. 2. Der geometrische Ort aller Punkte, die von einer gegebenen Geraden g den festen Abstand d haben, ist eine Parallele zu g im Abstand d. 3. Geometrischer Ort aller Punkte, die von zwei festen Punkten A und B gleich weit entfernt sind, ist die Mittelsenkrechte auf der Strecke AB. 4. Geometrischer Ort aller Punkte, die von zwei festen nicht parallelen Geraden g und h den gleichen Abstand haben, sind die beiden (zueinander senkrechten) Winkelhalbierenden zwischen g und h.
b
A
AB
a
a
b c
B
Bild III-24 Winkelsumme gleich 180 Im Dreieck ist die Summe zweier Seitenla¨ngen stets gro¨ßer als die dritte. a þ b > c;
a þ c > b;
bþc>a
Diese drei Ungleichungen zusammen heißen Dreiecksungleichungen. Die Supplementwinkel der Dreieckswinkel nennt man Außenwinkel des Dreiecks. Die Summe der Außenwinkel a0 ; b0 ; g0 in jedem Dreieck betra¨gt 360 . a0 þ b0 þ g0 ¼ 360
6 Dreiecke
g′
6.1 Allgemeine Dreiecke Ein Dreieck besteht aus drei nicht auf einer Geraden liegenden Punkten A; B; C und den Strecken AB; AC; BC: Die Punkte A; B; C sind die Eckpunkte des Dreiecks, die Strecken AB; AC; BC sind die Seiten des Dreiecks, und ihre La¨ngen jABj; jACj; jBCj sind die Seitenla¨ngen des Dreiecks. Meistens werden die Seitenla¨ngen mit a; b; c und die Innenwinkel des Dreiecks mit a; b; g bezeichnet, und zwar in der Weise, daß der Punkt A der Seite mit der La¨nge a, der Punkt B der Seite mit der La¨nge b, der Punkt C der Seite mit der La¨nge c gegenu¨berliegt und daß der Winkel a den Scheitelpunkt
g
Bild III-25 Außenwinkelsumme gleich 360
C g
A
a a′
b
b′ B
In einem Dreieck liegt der gro¨ßeren Seite stets der gro¨ßere Winkel gegenu¨ber. a>b>c,a>b>g In einem spitzwinkligen Dreieck sind alle drei Innenwinkel kleiner als 90, in einem rechtwinkligen
III Planimetrie
51
Dreieck ist ein Winkel gleich 90 , in einem stumpfwinkligen Dreieck ist ein Winkel gro¨ßer als 90. Der Umfang u eines Dreiecks ist die Summe der Seitenla¨ngen.
In einem gleichseitigen Dreieck sind auch alle Winkel gleich groß, jeder Winkel betra¨gt also 60. Das gleichseitige Dreieck hat drei Symmetrieachsen.
u¼aþbþc a
Der Fla¨cheninhalt A eines Dreiecks berechnet sich nach der Grundformel
a
60°
1 :: A ¼ Grundseite Ho he 2 Daraus ergeben sich folgende Formeln fu¨r den Fla¨cheninhalt A (vgl. Kapitel VI) 1 1 1 a ha ¼ b hb ¼ c hc 2 2 2 1 1 ¼ a b sin g ¼ a c sin b 2 2 1 ¼ b c sin a 2 ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi p ¼ sðs aÞ ðs bÞ ðs cÞ ; 1 s ¼ ða þ b þ cÞ 2
A¼
Die letzte Formel ist die sogenannte Heronische Fla¨chenformel (nach dem griechischen Mathematiker Heron von Alexandria, 1. Jahrhundert u. Z.), damit ist die Berechnung des Fla¨cheninhalts eines Dreiecks allein mit den Seitenla¨ngen mo¨glich.
Die Ho¨hen, Winkelhalbierenden, Seitenhalbierenden und Mittelsenkrechten fallen beim gleichseitigen Dreieck zusammen (vgl. Abschnitt III.6.5). Folglich fallen auch die Mittelpunkte des Inkreises und des Umkreises mit dem Schwerpunkt des Dreiecks zusammen. Ein gleichseitiges Dreieck heißt auch regula¨res oder regelma¨ßiges Dreieck.
6.4 Rechtwinklige Dreiecke Ein Dreieck mit einem rechten Winkel, also mit einem Winkel von 90 , heißt rechtwinklig. Die Summe der beiden anderen (spitzen) Winkel in einem rechtwinkligen Dreieck ist ebenfalls 90. Die dem rechten Winkel gegenu¨berliegende Dreiecksseite ist die Hypotenuse, die beiden anderen Seiten (also die Schenkel des rechten Winkels) sind die Katheten des rechtwinkligen Dreiecks.
Spitze
a
te the
Ka
the
A
a
te
b Hypotenuse
B
Bild III-28 Rechtwinkliges Dreieck (a þ b ¼ 90 ) Fu¨r das rechtwinklige Dreieck gelten einige interessante Fla¨chensa¨tze (vgl. Abschnitt III.6.6).
el
Sc
he
nk he
nk
el
Sc
A
Bild III-26 Gleichschenkliges Dreieck
C
Ka
Ein Dreieck mit zwei gleich langen Seiten heißt gleichschenklig. Die gleich langen Seiten heißen Schenkel und die dritte Seite Basis des Dreiecks. Die Winkel an der Basis sind die Basiswinkel. Der der Basis gegenu¨berliegende Punkt heißt Spitze.
60° a
6.2 Gleichschenklige Dreiecke
C
Bild III-27 Gleichseitiges Dreieck
60°
Basiswinkel Basis
a
B
Symmetrieachse
Die Basiswinkel sind gleich groß. Ho¨he, Seitenhalbierende, Mittelsenkrechte und Winkelhalbierende der Basis sind identisch (vgl. Abschnitt III.6.5). Sind umgekehrt in einem Dreieck je zwei dieser Strecken gleich, dann ist das Dreieck gleichschenklig.
6.3 Gleichseitige Dreiecke Ein Dreieck mit drei gleich langen Dreiecksseiten heißt gleichseitig.
6.5 Besondere Geraden, Strecken und Kreise Der Umkreis eines Dreiecks ist der Kreis durch die drei Eckpunkte des Dreiecks, der dem Dreieck umbeschriebene Kreis. Der Inkreis eines Dreiecks beru¨hrt die drei Dreiecksseiten von innen, er hat die Dreiecksseiten also als Tangenten. Der Inkreis ist der dem Dreieck einbeschriebene Kreis. Die Mittelsenkrechte einer Strecke ist die Senkrechte durch den Mittelpunkt der Strecke. Beim Dreieck schneiden sich die drei Mittelsenkrechten in einem Punkt M, dem Mittelpunkt des Umkreises. Bei spitz-
52
Mathematik
winkligen Dreiecken liegt M innerhalb des Dreiecks, bei stumpfwinkligen Dreiecken außerhalb und bei rechtwinkligen Dreiecken auf dem Rand (Mittelpunkt der Hypotenuse) des Dreiecks.
H
C
C ha b
M
ma
a
A
mb
r mc A
hb a
b
Bild III-32 In einem stumpfwinkligen Dreieck liegt H außerhalb des Dreiecks
B
c
B
c
Sind a; b; c die Dreiecksseiten und a; b; g die Winkel des Dreiecks, so gilt (vgl. Kapitel VI)
Bild III-29 Dreieck mit Umkreis Eine Ho¨he in einem Dreieck ist der Teil des Lotes von einem Eckpunkt auf die gegenu¨berliegende Seite, der von dem Eckpunkt und dieser Seite (bzw. ihrer Verla¨ngerung) begrenzt wird. C
ha ¼ c sin b ¼ b sin g ; hc ¼ a sin b ¼ b sin a
Die La¨ngen der Ho¨hen verhalten sich umgekehrt proportional wie die zugeho¨rigen Seitenla¨ngen.
g
a ha
H
hb
a
b
c
A
1 1 1 : : a b c
ha : hb : hc ¼
hc
b
B
Bild III-30 Die Ho¨hen eines Dreiecks schneiden sich in einem Punkt H Die drei Ho¨hen eines Dreiecks (bzw. ihre Verla¨ngerungen) schneiden sich in einem Punkt H. Der Ho¨henschnittpunkt des Dreiecks heißt Orthozentrum des Dreiecks. Bei spitzwinkligen Dreiecken liegt der Ho¨henschnittpunkt H im Innern des Dreiecks, bei einem rechtwinkligen Dreieck fa¨llt H mit dem Scheitelpunkt des rechten Winkels zusammen (zwei Ho¨hen fallen mit den Katheten zusammen), bei stumpfwinkligen Dreiecken liegt der Ho¨henschnittpunkt H außerhalb des Dreiecks. Die La¨ngen der Ho¨hen im Dreieck werden mit ha ; hb ; hc bezeichnet.
hb ¼ c sin a ¼ a sin g ;
Eine Winkelhalbierende ist eine Gerade durch den Scheitelpunkt eines Winkels, so daß die beiden Winkel zwischen Gerade und je einem Schenkel gleich sind. Im Dreieck sind die drei Winkelhalbierenden Strekken PQ, wobei P ein Eckpunkt (Scheitelpunkt des entsprechenden Winkels) und Q der Schnittpunkt mit der gegenu¨berliegenden Seite ist. Die drei Winkelhalbierenden im Dreieck schneiden sich in einem Punkt, dem Mittelpunkt des Inkreises. Die La¨ngen der Winkelhalbierenden im Dreieck werden mit wa ; wb ; wg bezeichnet. C g 2
b a 2 a 2
A
r
g 2
wg
wa
r
a wb
r
b b 2 2
c
B
C=H Bild III-33 Dreieck mit Inkreis
a = hb
b = ha
Fu¨r die Winkelhalbierenden gilt (vgl. Kapitel VI)
hc A
c
B
Bild III-31 In einem rechtwinkligen Dreieck fa¨llt H mit dem Scheitelpunkt des rechten Winkels zusammen
wa ¼
2bc cos bþc
a 2 ;
g 2ab cos 2 wg ¼ aþb
wb ¼
2ac cos aþc
b 2 ;
III Planimetrie
53
Eine Winkelhalbierende teilt die gegenu¨berliegende Seite im Verha¨ltnis der La¨ngen der anliegenden Seiten. g 2
b
g 2
a
wg v
Radius r des Umkreises a b c ¼ ¼ 2 sin a 2 sin b 2 sin g bc ac ab ¼ ¼ ¼ 2ha 2hb 2hc abc ¼ pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 4 sðs aÞ ðs bÞ ðs cÞ
r¼
u
Bild III-34 Winkelhalbierende im Dreieck (u : v ¼ a : b) Eine Seitenhalbierende (auch Median genannt) in einem Dreieck ist die Verbindungsstrecke einer Ecke mit dem Mittelpunkt der gegenu¨berliegenden Seite. Die drei Seitenhalbierenden eines Dreiecks schneiden sich in einem Punkt S, dem Schwerpunkt des Dreiecks. Der Schwerpunkt teilt die Seitenhalbierenden vom Eckpunkt aus im Verha¨ltnis 2 : 1. Die La¨ngen der Seitenhalbierenden im Dreieck werden mit sa ; sb ; sc bezeichnet.
6.6 Fla¨chensa¨tze im rechtwinkligen Dreieck 1. Kathetensatz In einem rechtwinkligen Dreieck ist das Quadrat u¨ber einer Kathete gleich dem Rechteck aus Hypotenuse und zugeho¨rigem Hypotenusenabschnitt. Der Hypotenusenabschnitt ist die Projektion (Parallelprojektion) der entsprechenden Kathete auf die Hypotenuse. Sind a; b die Kathetenla¨ngen, c die Hypotenusenla¨nge und p; q die zugeho¨rigen Hypotenusenabschnitte des Dreiecks, so gilt a2 ¼ pc ;
b2 ¼ qc
C
sc
C D
E
b
S sb
sa A
F
a
h D
A
B
p
q
B
c
c
Bild III-35 Die drei Seitenhalbierenden eines Dreiecks schneiden sich im Schwerpunkt S ðjASj : jSDj ¼ jBSj : jSEj ¼ jCSj : jSFj ¼ 2 : 1Þ Fu¨r die Seitenhalbierenden gilt (vgl. Kapitel VI) ffi 1 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi b2 þ c2 þ 2bc cos a 2 ffi 1 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi a2 þ c2 þ 2ac cos b sb ¼ 2 1 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi a2 þ b2 þ 2ab cos g sc ¼ 2 sa ¼
Mit Hilfe unterschiedlicher Gro¨ßen des Dreiecks lassen sich die Radien des Inkreises und des Umkreises berechnen. Dabei ist s der halbe Umfang 1 des Dreiecks, s ¼ ða þ b þ cÞ. 2
Der Kathetensatz heißt auch erster Satz des Euklid (nach dem hellenistischen Mathematiker Euklid von Alexandria, 365300 v. u. Z.). 2. Satz des Pythagoras In einem rechtwinkligen Dreieck ist die Summe der Quadrate u¨ber den Katheten gleich dem Quadrat der Hypotenuse. Sind a und b die Kathetenla¨ngen und c die Hypotenusenla¨nge, so gilt a2 þ b2 ¼ c2
C
b2
b
Radius r des Inkreises ðs aÞ ð s bÞ ðs cÞ s a b g tan tan ¼ s tan 2 2 2
Bild III-36 Kathetensatz
c
A
a c
r¼
c2
a2 B
Bild III-37 Satz des Pythagoras: a2 þ b2 ¼ c2
54
Mathematik Einfacher Beweis des Satzes von Pythagoras: In ein Quadrat Q1 der Seitenla¨nge a þ b wird ein Quadrat Q2 der Seitenla¨nge c so gelegt, daß die Eckpunkte von Q2 die Seiten von Q1 im Verha¨ltnis a : b teilen. Dann haben die vier innerhalb von Q1 entstandenen Dreiecke alle den Fla¨chen1 inhalt ab, und deshalb gilt: 2 1 ða þ bÞ2 ¼ c2 þ 4 ab ) a2 þ 2ab þ b2 2
u¨berein, alle Bestimmungsstu¨cke wie La¨ngen, Winkel, Fla¨che und so weiter sind gleich. Kongruente Figuren unterscheiden sich nur durch ihre Lage in der Ebene. So sind zum Beispiel zwei Quadrate mit gleicher Seitenla¨nge kongruent oder zwei Kreise mit gleichem Radius (und unterschiedlichen Mittelpunkten).
¼ c2 þ 2ab ) a2 þ b2 ¼ c2 b
a b
c a
c c
Bild III-38 Zum Beweis des Satzes von Pythagoras
a
c
b a
b
3. Ho¨hensatz In einem rechtwinkligen Dreieck ist das Quadrat u¨ber der Ho¨he auf der Hypotenuse gleich dem Rechteck aus den beiden durch die Ho¨he gebildeten Hypotenusenabschnitten. Bezeichnet man die Ho¨he mit h und die Hypotenusenabschnitte mit p und q, so gilt h2 ¼ pq Beweis des Ho¨hensatzes: Nach dem Satz des Pythagoras gilt a2 ¼ h2 þ p2 und nach dem Kathetensatz a2 ¼ pc ¼ pðp þ qÞ.
Bild III-40 Kongruente Quadrate Kongruente Figuren lassen sich durch Parallelverschiebung, Spiegelung oder Drehung oder mehrere dieser drei Bewegungen zur Deckung bringen. Fu¨r Dreiecke gibt es vier Kongruenzsa¨tze, die Bedingungen fu¨r die Kongruenz angeben. In der folgenden Aufza¨hlung steht W fu¨r Winkel und S fu¨r Seite bzw. Seitenla¨nge. 1. Kongruenzsatz WSW und SWW Dreiecke sind kongruent, wenn sie in einer Seite und den beiden anliegenden Winkeln u¨bereinstimmen (WSW). Dreiecke sind kongruent, wenn sie in einer Seite und einem anliegenden sowie dem gegenu¨berliegenden Winkel u¨bereinstimmen (SWW). c
a h
C h
A
q
b
b
a c
a a
D p
B p
c
g a
a
g
c q p
Bild III-39 Ho¨hensatz
Subtraktion der beiden Gleichungen ergibt 0 ¼ h2 þ p2 ðp2 þ pqÞ ¼ h2 pq, woraus h2 ¼ pq folgt. Der Ho¨hensatz heißt auch zweiter Satz des Euklid.
6.7 Kongruenz von Dreiecken Zwei geometrische Figuren heißen kongruent, wenn sie deckungsgleich sind. Kongruente geometrische Figuren stimmen also in Gro¨ße und Gestalt vo¨llig
Bild III-41 Kongruenzsatz WSW und SWW 2. Kongruenzsatz SSW Dreiecke sind kongruent, wenn sie in zwei Seiten und dem der la¨ngeren Seite gegenu¨berliegenden Winkel u¨bereinstimmen.
b
a b
a
b
b
Bild III-42 Kongruenzsatz SSW
III Planimetrie
55
3. Kongruenzsatz SWS Dreiecke sind kongruent, wenn sie in zwei Seiten und dem von ihnen eingeschlossenen Winkel u¨bereinstimmen.
a
C
c
g
C′ a
g
g
a
b
a
b
c
g
b =180°– (a+g)
c
4. Kongruenzsatz SSS Dreiecke sind kongruent, wenn sie in den drei Seiten u¨bereinstimmen. c a a
c
b
c
Bild III-44 Kongruenzsatz SSS
6.8 Grundkonstruktionen des Dreiecks Entsprechend den vier Kongruenzsa¨tzen fu¨r das Dreieck gibt es vier Grundkonstruktionen fu¨r das Dreieck. In der folgenden Aufza¨hlung steht W fu¨r Winkel und S fu¨r Seite bzw. Seitenla¨nge. 1. Grundkonstruktion WSW und SWW a) Gegeben: a; c; b (Winkel, Seite, Winkel) Konstruktion: Man zeichnet c ¼ jABj und tra¨gt an AB in A den Winkel a und in B den Winkel b an. Die freien Schenkel von a und b schneiden sich im Eckpunkt C. Bedingung: a þ b < 180
2. Grundkonstruktion SSW Gegeben: b; c; b < 90 (Seite, Seite, Winkel) Konstruktion: Man zeichnet c ¼ jABj und tra¨gt an AB in B den Winkel b an. Dann zeichnet man um A einen Kreisbogen mit dem Radius b. Die Lo¨sung der Konstruktionsaufgabe ist abha¨ngig von der Anzahl der Schnittpunkte des Kreisbogens mit dem freien Schenkel von b: a) Der Kreis schneidet den freien Schenkel des gegebenen Winkels b nicht; keine Lo¨sung. b) Der Kreis beru¨hrt den freien Schenkel; ein rechtwinkliges Dreieck als Lo¨sung (g ¼ 90 ). c) Der Kreis schneidet den freien Schenkel zweimal, und fu¨r den Radius b ¼ bc gilt bc < c; zwei verschiedene Lo¨sungen DðABC1 Þ und DðABC2 Þ. d) Der Kreis schneidet den freien Schenkel zweimal, und fu¨r den Radius b ¼ bc gilt bc ¼ c (der Kreis geht durch den Scheitelpunkt B des gegebenen Winkels b); ein gleichschenkliges Dreieck als Lo¨sung (b ¼ bd ¼ c; Spitze A). e) Der Kreis schneidet den freien Schenkel einmal; ein Dreieck als Lo¨sung (b ¼ be > c). Der Kongruenzsatz SSW gilt fu¨r die Fa¨lle b), d) und e).
C
ba
c
a
c
bb bc
b
A
a
b
c
B
Bild III-46 Grundkonstruktion SWW
Bild III-43 Kongruenzsatz SWS
b
180° – (a+g)
a
A
be
Bild III-45 Grundkonstruktion WSW b) Gegeben: c; a; g (Seite, Winkel, Winkel) Erste Konstruktion: Man konstruiert b als Nebenwinkel von a þ g und verfa¨hrt wie oben. Zweite Konstruktion: Man zeichnet c ¼ jABj und tra¨gt an AB in A den Winkel a an. In einem beliebigen Punkt C0 des freien Schenkels von a tra¨gt man an diesen den Winkel g an. Die Parallele zu dem freien Schenkel von g durch B schneidet den freien Schenkel von a im Eckpunkt C. Bedingung: a þ b < 180
b
bd
B C C
be
bd = c C1 bc bb ba
A
c
C bc
C2 b B
Bild III-47 Grundkonstruktion SSW (gegeben: b; c; b < 90 )
56
Mathematik Gegeben: b; c; b 90 (Seite, Seite, Winkel) Konstruktion: Nach Konstruktion von AB und Antragen von b wie oben sind hier folgende Fa¨lle mo¨glich: f) Der Kreis um A mit dem Radius bf schneidet den freien Schenkel des gegebenen Winkels b nicht; keine Lo¨sung. g) Der Kreis um A mit dem Radius bg geht durch den Punkt B; „Lo¨sung‘‘ ist ein zur Strecke (AB) entartetes Dreieck. h) Der Kreis um A mit dem Radius bh schneidet den freien Schenkel des gegebenen Winkels b in C; eine Lo¨sung. Der Kongruenzsatz SSW gilt hier nur fu¨r den Fall h).
C b a
b
c A
a B
c a
b C′
Bild III-50 Grundkonstruktion SSS Anmerkung: Wenn sich, wie bei der letzten Konstruktion, zwei spiegelbildlich gleiche Lo¨sungen ergeben (denn die Kreise schneiden sich zweimal, in C und C0 , falls die Dreiecksungleichungen erfu¨llt sind), wa¨hlt man diejenige aus, bei der die Punkte A; B; C entgegen dem Uhrzeigersinn, also im mathematisch positiven Sinn, aufeinander folgen.
c
7 Vierecke
bf bg
7.1 Allgemeine Vierecke
b
bh C
bh
bf
b A
c = bg
B
Bild III-48 Grundkonstruktion SSW (gegeben: b; c; b 90 ) 3. Grundkonstruktion SWS Gegeben: b; a; c (Seite, Winkel, Seite) Konstruktion: Den Schenkeln des Winkels a gibt man die La¨ngen b ¼ jACj und c ¼ jABj. Man verbindet B und C. Bedingung: a < 180
Ein Viereck besteht aus vier Punkten A; B; C; D, von denen keine drei auf einer Geraden liegen, und den Strecken AB; BC; CD; DA: Die Punkte A; B; C; D sind die Eckpunkte des Vierecks, die Strecken AB; BC; CD; DA sind die Seiten des Vierecks, und ihre La¨ngen jABj; jBCj; jCDj; jDAj sind die Seitenla¨ngen des Vierecks. Meistens werden die Seitenla¨ngen mit a; b; c; d und die Innenwinkel des Vierecks mit a; b; g; d bezeichnet, und zwar so, daß a ¼ jABj; b ¼ jBCj; c ¼ jCDj; d ¼ jDAj und daß der Winkel a den Scheitelpunkt A, der Winkel b den Scheitelpunkt B, der Winkel g den Scheitelpunkt C und der Winkel d den Scheitelpunkt D hat. C g
c D d d a A
C b
c
a
b A
a
c
B
f
e
b
f b
a
B
Bild III-51 Bezeichnungen im Viereck
Bild III-49 Grundkonstruktion SWS 4. Grundkonstruktion SSS Gegeben: a; b; c (Seite, Seite, Seite). Konstruktion: Man zeichnet c ¼ jABj und schla¨gt um A einen Kreisbogen mit dem Radius b und um B einen Kreisbogen mit dem Radius a. Der Eckpunkt C ist der Schnittpunkt der Kreisbo¨gen, der „oberhalb‘‘ von AB liegt (A; B; C folgen im mathematisch positiven Drehsinn, also entgegen dem Uhrzeigersinn aufeinander). Anschließend wird noch C mit den Eckpunkten A und B verbunden. Bedingungen: a < b þ c; b < a þ c; c < a þ b (Dreiecksungleichungen)
Die Strecken AC und BD heißen Diagonalen des Vierecks, ihre La¨ngen werden meist mit e und f bezeichnet: e ¼ jACj; f ¼ jBDj. Abku¨rzend verwendet man fu¨r ein Viereck das Symbol &, und fu¨r ein Viereck mit den Eckpunkten A; B; C; D schreibt man &(ABCD). Die Winkelsumme in einem beliebigen Viereck betra¨gt 360 . a þ b þ g þ d ¼ 360 Fu¨r die La¨ngen der Seiten und der Diagonalen in einem Viereck gilt folgender Zusammenhang: In einem Viereck ist das Produkt der Diagonalenla¨ngen kleiner oder gleich der Summe der Pro-
III Planimetrie
57
dukte der La¨ngen je zwei gegenu¨berliegender Seiten. ef ac þ bd Die Gleichheit gilt genau dann, wenn das Viereck ein Sehnenviereck ist (bei einem Sehnenviereck liegen alle vier Punkte auf einem Kreis). Diese Aussage ist der verallgemeinerte Satz des Ptolema¨us (vgl. Abschnitt III.7.8). Der Umfang u eines Vierecks ist die Summe der Seitenla¨ngen. u¼aþbþcþd Fu¨r den Fla¨cheninhalt A eines Vierecks gilt (vgl. Kapitel VI): 1 1 ðad sin a þ bc sin gÞ ¼ ðab sin b þ cd sin dÞ 2 2 1 ¼ ef sin j 2 rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi aþg ¼ ðs aÞ ðs bÞ ðs cÞ ðs dÞ abcd cos2 2 rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi b þ d ¼ ðs aÞ ðs bÞ ðs cÞ ðs dÞ abcd cos2 2
A¼
Das Trapez mit den Grundlinienla¨ngen a und c und der Ho¨he h ist fla¨chengleich einem Rechteck mit den Seitenla¨ngen m und h. Fu¨r den Fla¨cheninhalt A des Trapezes gilt A ¼ mh ¼
7.3 Parallelogramme Ein Parallelogramm ist ein Viereck, bei dem die beiden jeweils einander gegenu¨berliegenden Seiten parallel sind. Einander gegenu¨berliegende Seiten im Parallelogramm sind gleich lang; einander gegenu¨berliegende Winkel sind gleich groß; benachbarte Winkel erga¨nzen sich zu 180 ; die Diagonalen halbieren sich in ihrem Schnittpunkt. Das Parallelogramm mit den Seitenla¨ngen a und b ist fla¨chengleich einem Rechteck mit den Seitenla¨ngen a und ha (oder b und hb ). a
D
C a
180° – a b
e
ha
b f 180° – a
a A
Dabei ist j der Winkel zwischen den Diagonalen und s der halbe Umfang des Vierecks, also 1 s ¼ ða þ b þ c þ dÞ. 2 Die beiden letzten Formeln sind Verallgemeinerungen der Heronischen Fla¨chenformel fu¨r Dreiecke.
aþc h 2
a
B
Bild III-53 Parallelogramm Fu¨r den Umfang u und den Fla¨cheninhalt A eines Parallelogramms mit den Seitenla¨ngen a und b gilt Umfang u ¼ 2a þ 2b :: Flacheninhalt A ¼ aha ¼ bhb ¼ ab sin a
7.2 Trapeze Ein Trapez ist ein Viereck, bei dem zwei Seiten zueinander parallel sind. Die parallelen Seiten heißen Grundlinien und die anderen beiden Seiten Schenkel des Trapezes. Die Verbindungsstrecke der Mittelpunkte der Schenkel heißt Mittellinie, sie ist parallel zu den Grundlinien. Die Ho¨he eines Trapezes ist der Abstand der parallelen Grundlinien. Sind die Schenkel gleich lang, so heißt das Trapez gleichschenklig. aþc Ist m die La¨nge der Mittellinie, so gilt m ¼ . 2 C g
c
D d
Fu¨r die La¨ngen der Seiten und der Diagonalen in einem Parallelogramm gilt folgender Zusammenhang: In einem Parallelogramm ist die Summe der Quadrate der Seitenla¨ngen gleich der Summe der Quadrate der Diagonalenla¨ngen, also 2a2 þ 2b2 ¼ e2 þ f 2 Diese Aussage ist der Satz von Apollonios (nach dem hellenistischen Geometer und Astronom Apollonios von Perge, 262190 v. u. Z.).
7.4 Rhomben m d
h
b b
a A
a
Bild III-52 Trapez
B
Ein Rhombus ist ein Parallelogramm mit gleich langen Seiten. Damit gelten fu¨r Rhomben alle Eigenschaften von Parallelogrammen. Daru¨ber hinaus gilt: Die Diagonalen eines Rhombus halbieren sich in ihrem Schnittpunkt, sie halbieren alle Winkel, und sie ste-
58
Mathematik
hen senkrecht aufeinander. Statt Rhombus sagt man auch Raute.
Fu¨r den Umfang u und den Fla¨cheninhalt A eines Quadrats der Seitenla¨nge a gilt Umfang u ¼ 4a 1 :: Flacheninhalt A ¼ a2 ¼ e2 2
a f a
a e
Bild III-54 Rhombus
a
Ein Quadrat heißt auch regula¨res oder regelma¨ßiges Viereck.
7.7 Drachen
Fu¨r den Umfang u und den Fla¨cheninhalt A eines Rhombus der Seitenla¨nge a gilt (e und f sind die La¨ngen der Diagonalen) Umfang u ¼ 4a 1 :: Flacheninhalt A ¼ a2 sin a ¼ ef 2
Ein Drachen ist ein Viereck mit zwei Paaren gleich langer benachbarter Seiten. Statt Drachen sagt man auch Drachenviereck. Die Diagonalen eines Drachens stehen senkrecht aufeinander. D c
d
7.5 Rechtecke
e
A
Ein Rechteck ist ein Parallelogramm mit vier rechten Winkeln. Die Diagonalen eines Rechtecks halbieren sich in ihrem Schnittpunkt und sind gleich lang, es gilt pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi e ¼ f ¼ a2 þ b2 .
C
f
a
b
Bild III-57 Drachen B
a
Ein Drachen mit vier gleich langen Seiten ist ein Rhombus (eine Raute). Sind e und f die La¨ngen der Diagonalen, dann gilt fu¨r den Fla¨cheninhalt A des Drachens
e b
b e
Bild III-55 Rechteck
a
Fu¨r den Umfang u und den Fla¨cheninhalt A eines Rechtecks mit den Seitenla¨ngen a und b gilt Umfang u ¼ 2a þ 2b :: Flacheninhalt A ¼ ab
A¼
1 ef 2
7.8 Sehnenvierecke Ein Sehnenviereck ist ein Viereck, bei dem alle vier Eckpunkte auf einem Kreis liegen. C c
7.6 Quadrate Ein Quadrat ist ein Rechteck mit gleich langen Seiten. Die Diagonalen eines Quadrats sind gleich lang und pstehen senkrecht aufeinander. Es gilt e ¼ f ffiffiffi ¼ a 2. a e a
a e a
Bild III-56 Quadrat
Ein Quadrat ist auch ein Rhombus (eine Raute) mit vier rechten Winkeln.
D d A
e b f a B
Bild III-58 Sehnenviereck
Der Kreis heißt Umkreis des Vierecks, die Seiten sind Sehnen dieses Kreises. Ein Viereck ist genau dann ein Sehnenviereck, wenn gegenu¨berliegende Winkel Supplementwinkel sind, sich also zu 180 erga¨nzen. a þ g ¼ b þ d ¼ 180 In einem Sehnenviereck ist das Produkt der Diagonalenla¨ngen gleich der Summe der Produkte der
III Planimetrie
59
La¨ngen je zwei gegenu¨berliegender Seiten (Satz von Ptolema¨us). ef ¼ ac þ bd Die Formel wurde hergeleitet und bewiesen von dem hellenistischen Geometer und Astronom Ptolemaios von Alexandria ( 83161 u. Z.). In einem Sehnenviereck verhalten sich die La¨ngen der Diagonalen wie die Summen der Produkte der La¨ngen jener Seitenpaare, die sich in den Endpunkten der Diagonalen treffen (Satz von Brahmagupta). e ab þ cd ¼ f ad þ bc
7.9 Tangentenvierecke Ein Tangentenviereck ist ein Viereck, bei dem alle vier Seiten denselben Kreis beru¨hren. D
r bn
Ein regula¨res Dreieck ist ein gleichseitiges Dreieck, ein regula¨res Viereck ist ein Quadrat. Die Summe der Innenwinkel in einem beliebigen n-Eck ist ðn 2Þ 180 : Da alle n Innenwinkel gn gleich groß sind, gilt Innenwinkel gn ¼
n2 180 n
Durch die Verbindungsstrecken der Eckpunkte mit dem Mittelpunkt des Umkreises wird das regula¨re n-Eck in n kongruente Dreiecke zerlegt. Fu¨r die Basiswinkel bn und die Zentriwinkel an gilt 1 n2 g ¼ 90 2 n n 360 Zentriwinkel an ¼ n
c
Basiswinkel
C
d b
Bild III-59 Tangentenviereck
Der Kreis heißt Inkreis des Vierecks, die Seiten sind Tangenten dieses Kreises. Ein Viereck ist genau dann ein Tangentenviereck, wenn die Summe der La¨ngen zweier gegenu¨berliegender Seiten gleich der Summe der La¨ngen der beiden anderen Seiten ist. aþc¼bþd
an
Bild III-60 Bezeichnungen im regula¨ren n-Eck
Fu¨r den Fla¨cheninhalt A des Sehnenvierecks gilt, wenn s der halbe Umfang des Sehnenvierecks ist, 1 also s ¼ ða þ b þ c þ dÞ, 2 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi A ¼ ðs aÞ ðs bÞ ðs cÞ ðs dÞ
B
rn
an
rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ðab þ cdÞ ðac þ bdÞ ; e¼ ad þ bc rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ðad þ bcÞ ðac þ bdÞ f ¼ ab þ cd
a
Ein n-Eck besteht aus n Punkten, den Eckpunkten des n-Ecks, und n Seiten, den Strecken zwischen den Eckpunkten. Haben alle Seiten die gleiche La¨nge und sind alle Innenwinkel gleich groß, dann heißt das n-Eck regula¨r oder regelma¨ßig. Bei einem regula¨ren n-Eck liegen alle Eckpunkte auf einem Kreis, dem Umkreis des n-Ecks, und alle Seiten sind Tangenten eines einbeschriebenen Kreises, dem Inkreis des n-Ecks. Die Seiten sind Sehnen des Umkreises. gn
Die Formel wurde von dem Inder Brahmagupta (6./ 7. Jahrhundert u. Z.) entdeckt, der erste Beweis stammt von dem deutschen Mathematiker Johannes Mu¨ller, genannt Regiomontanus (1436––1476). Durch Multiplikation bzw. Division dieser beiden Formeln erha¨lt man Ausdru¨cke fu¨r die La¨ngen der beiden Diagonalen.
A
8 Regula¨re n-Ecke
bn ¼
Fu¨r die Seitenla¨nge an, den Umkreisradius r und den Inkreisradius rn des regula¨ren n-Ecks gilt (vgl. Kapitel VI): pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi an r2 r2n ¼ 2r sin 2 an ¼ 2rn tan 2 an Umkreisradius r ¼ an 2 sin 2 an an cot Inkreisradius rn ¼ 2 2 :: Seitenlange
an ¼ 2
60
Mathematik
Fu¨r den Umfang un und den Fla¨cheninhalt An des regula¨ren n-Ecks ergibt sich dann Umfang un ¼ nan 1 1 :: Flacheninhalt An ¼ nan rn ¼ nr2 sin an 2 2 1 2 an ¼ nan cot 4 2
In einem konvexen Polygon liegen alle Diagonalen im Innern des Polygons, und alle Innenwinkel sind kleiner als 180. Da man das Innere eines n-Ecks durch n 2 sich nicht u¨berschneidende Diagonalen in n 2 Dreiecke zerlegen kann und die Winkelsumme im Dreieck 180 ist, betra¨gt die Summe der Innenwinkel in einem beliebigen n-Eck ðn 2Þ 180 .
bersicht u¨ber die regula¨ren n-Ecke fu¨r kleine n (r ¼ Umkreisradius) n
Innenwinkel gn
Zentriwinkel an
Seitenla¨nge an
Umfang un
Fla¨cheninhalt An
3
60
120
r
pffiffiffi 3
2r 2;5980 . . .
3 pffiffiffi 2 3r 4
4
90
90
r
pffiffiffi 2
2r 2;8284 . . .
2r2
5
108
72
r 2
2r 2;9389 . . .
5 8
6
120
60
r
8
135
45
r
10
144
36
12
150
30
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffi 10 2 5
2r 3 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffi 2 2
r pffiffiffi ð 5 1Þ 2 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffi r 2 3
Mit wachsendem n na¨hert der Umfang un sich dem Umfang 2r p ¼ 2r 3;1415 . . . und der Fla¨cheninhalt An sich dem Fla¨cheninhalt pr2 des Kreises mit dem Radius r an.
2r 3;0614 . . .
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffi 10 þ 2 5 r2
3 pffiffiffi 2 3r 2 pffiffiffi 2 2 r2 qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffi 10 2 5 r2
2r 3;0901 . . .
5 4
2r 3;1058 . . .
3r2
In einem regula¨ren (regelma¨ßigen) Polygon haben alle Seiten die gleiche La¨nge, und alle Innenwinkel sind gleich groß.
9 Polygone Ein Polygon ist ein geschlossener Streckenzug der Ebene. Ein Polygon oder Vieleck mit n Eckpunkten ist ein n-Eck. Die Strecken zwischen den Eckpunkten sind die Seiten des Polygons. Ein einfaches Polygon teilt die Ebene in zwei Gebiete, das Innere und das ußere, die durch die Seiten des Polygons getrennt werden. Die La¨nge des geschlossenen Streckenzugs ist der Umfang des Polygons, und die Fla¨che des Inneren ist der Fla¨cheninhalt des Polygons. Eine Verbindungsstrecke zweier nicht benachbarter Eckpunkte ist eine Diagonale des Polygons. (Zwei Eckpunkte heißen benachbart, wenn es zwischen ihnen eine Seite gibt.) Jeder Eckpunkt kann also mit n 3 anderen Eckpunkten durch eine Diagonale verbunden werden (denn jeder der n Eckpunkte hat n 3 andere Eckpunkte nicht als Nachbarn). Die Innenwinkel des Polygons haben als Scheitelpunkte die Eckpunkte des Polygons.
Bild III-61 Einfaches Polygon
Bild III-62 Konvexes Polygon
Bild III-63 Regula¨res Polygon
III Planimetrie
61 Fu¨r den Umfang u und die Fla¨che A eines Kreises mit dem Radius r und dem Durchmesser d gilt
10 Kreise 10.1 Definitionen Ein Kreis ist der geometrische Ort aller Punkte der Ebene, die von einem festen Punkt M einen konstanten Abstand r haben. Der Punkt M ist der Mittelpunkt und r der Radius des Kreises. Zur Unterscheidung von der durch einen Kreis in der Ebene abgegrenzten Fla¨che, der Kreisfla¨che, wird der Kreis selbst auch als Kreisperipherie oder Kreisrand bezeichnet. Einen Kreis mit dem Radius r ¼ 0 nennt man entartet. Ein Kreis mit dem Radius r ¼ 1 heißt Einheitskreis. Kreise ku¨rzt man oft mit k ab, und fu¨r die Peripherie des Kreises mit dem Radius r und dem Mittelpunkt M schreibt man kðM; rÞ. Jede Gerade durch zwei Punkte der Kreisperipherie nennt man Sekante. Der zwischen den Punkten gelegene Teil der Sekante heißt Sehne. Eine Sehne durch den Mittelpunkt heißt Durchmesser des Kreises. Durchmesser sind die gro¨ßten Sehnen des Kreises. Fu¨r die La¨nge d eines Durchmessers gilt d ¼ 2r.
s1
Kreisumfang u ¼ 2pr ¼ pd p :: Kreisflache A ¼ pr2 ¼ d2 4 Ein Kreis ist festgelegt durch den Mittelpunkt und einen weiteren Punkt oder durch drei Punkte (die nicht alle auf einer Geraden liegen). Kreise, die den gleichen Mittelpunkt haben, heißen konzentrische Kreise. Zwei Kreise mit verschiedenen Mittelpunkten nennt man exzentrisch. Die von zwei konzentrischen Kreisen begrenzte Fla¨che heißt Kreisring. Ist R der Radius des a¨ußeren Kreises und r der Radius des inneren Kreises, dann gilt fu¨r den Fla¨cheninhalt A des Kreisrings A ¼ pðR2 r2 Þ
10.2 Kreissektoren Ein Kreissektor oder Kreisausschnitt ist der Teil der Fla¨che eines Kreises, der von den Schenkeln eines Zentriwinkels und dem zugeho¨rigen Kreisbogen begrenzt wird.
s2
Bild III-64 Sehnen eines Kreises (Sehne s2 ist auch Durchmesser)
s3
Winkel, deren Scheitelpunkt ein Punkt der Kreisperipherie ist und deren Schenkel Sekanten des Kreises sind, heißen Peripherie- oder Umfangswinkel. Winkel, deren Scheitelpunkt der Kreismittelpunkt ist, nennt man Zentri- oder Mittelpunktswinkel. Der durch einen Peripherie- oder Zentriwinkel ausgeschnittene Teil der Kreisperipherie heißt Kreisbogen.
Kreissegment Sehne
Kreissektor
Bild III-66 Kreissektor und Kreissegment Ist a ein Zentriwinkel und hat der Kreis den Radius r, dann ergibt sich fu¨r die La¨nge la des Kreisbogens
Peripheriewinkel M
la ¼
a pr 180
Radius r
Fu¨r die Fla¨che Aa des Kreissektors gilt Durchmesser d
Aa ¼
Zentriwinkel
r a
la
r
Bild III-65 Bezeichnungen am Kreis
a 1 pr2 ¼ rla 360 2
Bild III-67 Bezeichnungen Kreissektor
62
Mathematik
10.3 Kreissegmente
10.5 Winkelsa¨tze am Kreis
Ein Kreissegment oder Kreisabschnitt ist der Teil der Fla¨che eines Kreises, der von einer Sehne AB _ _ und einem der zugeho¨rigen Kreisbo¨gen AB oder BA begrenzt wird. Ein Kreissegment ist also der Teil eines Kreissektors, der zwischen dem Kreisbogen und der zugeho¨rigen Sehne liegt. Ein Kreis wird von einer Sehne in zwei Segmente zerlegt. Ist r der Radius eines Kreises, a ein Zentriwinkel, s die La¨nge der zugeho¨rigen Sehne und h die Ho¨he a des Kreissegments, dann berechnet man s ¼ 2r sin 2 a und h ¼ 2r sin2 , woraus sich fu¨r die La¨nge la des 4 Kreisbogens ergibt
Die Winkelsa¨tze enthalten Eigenschaften von Peripherie- und Zentriwinkeln von Kreisen: Alle Peripheriewinkel u¨ber der gleichen Sehne sind gleich groß. Jeder Peripheriewinkel u¨ber dem Durchmesser ist ein rechter Winkel (Satz von Thales). Jeder Peripheriewinkel ist halb so groß wie der Zentriwinkel u¨ber dem gleichen Kreisbogen (u¨ber der gleichen Sehne). Jeder Peripheriewinkel ist genauso groß wie der Sehnentangentenwinkel (Winkel zwischen Sehne und Tangente an den Kreis durch einen der Endpunkte der Sehne).
la ¼
C1
a pr 180
C3
g
Fu¨r die Fla¨che Aa des Kreissegments gilt Aa ¼
1 ½rla sðr hÞ 2
Bild III-70 Spitzer Peripheriewinkel
g
M 2g
C2
g
A
g
B
b T r
s 2
C g
h la
r–h
a
Kreissegment
s 2
r
A
Ein Kreis und eine Gerade ko¨nnen drei grundsa¨tzlich verschiedene Lagen zueinander haben: Die Gerade ist eine Passante p, sie hat mit dem Kreis keinen Punkt gemeinsam. Die Gerade ist eine Tangente t, sie hat mit dem Kreis genau einen Punkt, den Beru¨hrungspunkt P, gemeinsam. Die Gerade ist eine Sekante s, sie hat mit dem Kreis zwei Punkte, die Schnittpunkte P1 und P2 , gemeinsam.
g
B
T
b
Bild III-68 Bezeichnungen Kreissegment
10.4 Kreise und Geraden
M 2g
Bild III-71 Stumpfer Peripheriewinkel
Zeichnet man einen Kreis um den Mittelpunkt M einer Strecke AB mit dem Durchmesser jABj, dann ist jeder Peripheriewinkel u¨ber der Strecke AB ein rechter Winkel. Ein solcher Kreis heißt Thaleskreis (nach dem griechischen Philosophen und Mathematiker Thales von Milet, 624546 v. u. Z.). Der Thaleskreis ist also der geometrische Ort der Scheitelpunkte aller rechten Winkel, deren Schenkel durch die Punkte A und B gehen.
p t s P
P2
A P1
M
M
k
r
Bild III-69 Sekante s, Tangente t, Passante p
Bild III-72 Thaleskreis
B
III Planimetrie
63
10.6 Eigenschaften von Sekanten und Sehnen Haben zwei Sekanten den gleichen Abstand a vom Mittelpunkt M eines Kreises, dann ist die La¨nge der Sehnen, die der Kreis aus jeder Sekante ausschneidet, gleich. Umkehrung: Gleich lange Sehnen ein und desselben Kreises haben den gleichen Abstand vom Mittelpunkt: jM1 Mj ¼ jM2 Mj ¼ a. Die Mittelsenkrechten von zwei beliebigen Sehnen ein und desselben Kreises schneiden sich im Mittelpunkt.
M1
M3
e 2a e 2
M a
e 2
e 2
Bild III-73 Eigenschaften von Sekanten und Sehnen
M2
Gemeinsame Tangenten an zwei Kreise An zwei Kreise k1 und k2 mit den Radien r1 und r2 sowie den Mittelpunkten M1 und M2 sollen gemeinsame Tangenten konstruiert werden. Ohne Einschra¨nkung der Allgemeinheit sei r1 r2 . Gemeinsame Tangenten gibt es nur dann, wenn ein Kreis nicht ganz innerhalb des anderen liegt. 1. ußere Tangenten Im Fall r1 ¼ r2 verbindet man die Mittelpunkte M1 und M2 miteinander. Die Parallelen zu M1 M2 im Abstand r1 ¼ r2 sind die gemeinsamen a¨ußeren Tangenten von k1 und k2 . Im Fall r2 > r1 schla¨gt man um M2 einen Hilfskreis mit dem Radius r2 r1. An diesen Kreis werden von M1 aus die Tangenten mit Hilfe des Thaleskreises u¨ber M1 M2 konstruiert. Die (a¨ußeren) Parallelen hierzu im Abstand r1 sind die gesuchten gemeinsamen a¨ußeren Tangenten der Kreise k1 und k2 .
Anwendung: Ist von einem Kreis nur die Peripherie oder auch nur ein Bogen bekannt, der Mittelpunkt dagegen unbekannt, dann findet man diesen Mittelpunkt als Schnittpunkt der Mittelsenkrechten von zwei beliebigen Sehnen. k1
10.7 Tangentenkonstruktionen Tangenten an einen Kreis Von jedem Punkt P0 außerhalb eines Kreises (Mittelpunkt M) gibt es zwei Tangenten an den Kreis. In den Beru¨hrungspunkten P1 und P2 stehen die Tangenten senkrecht auf den Geraden P1 M und P2 M. Somit erha¨lt man die Beru¨hrungspunkte als Schnittpunkte des Kreises mit dem Thaleskreis u¨ber der Strecke jMP0 j. Beispiele: 1. Gesucht ist die Tangente an den Kreis kðM; rÞ im Kreispunkt P1 . Konstruktion: Auf P1 M wird in P1 die Senkrechte t1 errichtet. 2. Gesucht sind die Tangenten von P0 mit jP0 Mj > r an den Kreis kðM; rÞ. Konstruktion: ber P0 M als Durchmesser wird der Thales1 kreis k0 ðM0 ; jM0 P0 j ¼ jP0 MjÞ gezeichnet. Der Thaleskreis 2 schneidet den Kreis kðM; rÞ in den Punkten P1 und P2 . Die Geraden P0 P1 und P0 P2 sind die gesuchten Tangenten.
M2
M1 r1
k2
r2
Bild III-75 Gemeinsame a¨ußere Tangenten 2. Innere Tangenten Die gegebenen Kreise k1 und k2 sollen keinen Punkt gemeinsam haben. Um den einen Mittelpunkt M2 schla¨gt man einen Hilfskreis mit dem Radius r1 þ r2. An diesen Kreis werden von dem anderen Mittelpunkt M1 aus die Tangenten konstruiert. Die (inneren) Parallelen hierzu im Abstand r1 sind die gesuchten gemeinsamen inneren Tangenten der beiden gegebenen Kreise k1 und k2 . Thaleskreis
Hilfskreis
k1 r1
r2
k2 M2
M1 P1
Thaleskreis k0
t1
r
M
+r
2
k
r1
&
Thaleskreis Hilfsr2–r1 kreis
Bild III-76 Gemeinsame innere Tangenten
M0 d/2 d/2
r
t2 P2
Bild III-74 Tangenten an einen Kreis
P0
10.8 Sa¨tze u¨ber Sehnen, Sekanten, Tangenten Sehnensatz Schneiden sich in einem Kreis zwei Sehnen, so ist das Produkt der La¨ngen der Abschnitte der einen
64
Mathematik
Sehne gleich dem Produkt der La¨ngen der Abschnitte der anderen Sehne. jSAj jSBj ¼ jSCj jSDj D B A
10.9 Bogenmaß Neben dem Gradmaß gibt es das Bogenmaß zur Winkelmessung. Beim Bogenmaß wird die Gro¨ße eines Zentriwinkels a in einem beliebigen Kreis durch das Verha¨ltnis des zugeho¨rigen Kreisbogens b zum Radius r b heißt Bodes Kreises angegeben. Der Quotient r genmaß des Winkels a.
S
Bild III-77 Sehnensatz
C
b
Einheitskreis
Sekantensatz Schneiden sich zwei Sekanten eines Kreises außerhalb des Kreises, so ist das Produkt der La¨ngen der Abschnitte vom Sekantenschnittpunkt bis zu den Schnittpunkten von Kreis und Sekante fu¨r beide Sekanten gleich.
1 a
x = arca r
Bild III-80 Zusammenhang zwischen Gradmaß (a) und Bogenmaß (x ¼ arc a) eines Winkels Die Einheit des Bogenmaßes ist der Radiant (rad), also der Zentriwinkel, dessen Bogen gleich dem Radius ist. Mitunter schreibt man arc a (Arcus a) fu¨r das Bogenmaß des Winkels a.
jSAj jSBj ¼ jSCj jSDj B
Bogenma
arc a ¼
A
C
D
S
Da der Einheitskreis, also der Kreis mit dem Radius r ¼ 1, den Umfang 2p hat, ist das Bogenmaß des Vollwinkels 2p. 2p rad ¼ 360
Bild III-78 Sekantensatz Sekantentangentensatz Geht eine Sekante eines Kreises durch einen festen Punkt außerhalb des Kreises, und legt man durch diesen Punkt die Tangente an den Kreis, dann ist das Produkt der La¨ngen der Abschnitte von diesem Punkt bis zu den Schnittpunkten von Kreis und Sekante gleich dem Quadrat der La¨nge des Abschnitts der Tangente von diesem Punkt bis zu dem Beru¨hrpunkt von Kreis und Tangente.
oder 1 rad ¼
B
360
57;2958 2p
Bezeichnet a den in Grad und x ¼ arc a den in Radiant gemessenen Winkel, so gilt fu¨r die Umrechnung von Gradmaß und Bogenmaß eines Winkels x¼
&
p a; 180
a¼
180 x p
Beispiele zur Umrechnung:
p rad ¼ 0; 0174 . . . rad 180 p 30 ¼ rad 6 57;2957 . . . ¼ 1 rad
1 ¼
jSAj jSBj ¼ jSCj2
b r
0;5 rad ¼
0;5 180 ¼ 28; 6478 . . . p
10p p rad ¼ rad 180 18 ¼ 0;1745 . . . rad p 45 ¼ rad 4 p 90 ¼ rad 2 p p 180 rad ¼ ¼ 60 3 3 p
10 ¼
A
11 Symmetrie 11.1 Punktsymmetrie
S C
Bild III-79 Sekantentangentensatz
Eine ebene Figur F heißt punkt- oder zentralsymmetrisch, wenn sich in ihrer Ebene ein Punkt P angeben la¨ßt, so daß F durch eine Spiegelung an P in
III Planimetrie
65
sich u¨bergefu¨hrt wird. Der Punkt P heißt dann Symmetriezentrum. &
Beispiele: Folgende Figuren sind punktsymmetrisch: 1. Strecke mit ihrem Mittelpunkt als Symmetriezentrum 2. Rechteck mit seinem Mittelpunkt als Symmetriezentrum 3. Ellipse mit ihrem Mittelpunkt als Symmetriezentrum (vgl. Abschnitt VII.5.1)
11.2 Achsensymmetrie Eine ebene Figur F heißt achsen- oder axialsymmetrisch, wenn sich in ihrer Ebene eine Gerade g angeben la¨ßt, so daß F durch eine Spiegelung an g in sich u¨bergefu¨hrt wird. Die Gerade g heißt dann Symmetrieachse. &
Beispiele: Folgende Figuren sind achsensymmetrisch: 1. Gleichseitiges Dreieck mit einer der Winkelhalbierenden als Symmetrieachse 2. Rechteck mit einer Mittellinie als Symmetrieachse 3. Kreis mit einer beliebigen Geraden durch den Mittelpunkt als Symmetrieachse
12 hnlichkeit 12.1 Zentrische Streckung Die zentrische Streckung ist eine Abbildung, bei der fu¨r jedes Element Bild Q und Urbild P auf einem Strahl durch einen festen Punkt Z, dem Zentrum, liegen und fu¨r jedes Element das Verha¨ltnis der La¨nge der Strecke vom Bild zum Zentrum zu der La¨nge der Strecke vom Urbild zum Zentrum konstant ist.
12.2 Strahlensa¨tze Unmittelbare Anwendungen der zentrischen Strekkung sind die Strahlensa¨tze. Erster Strahlensatz Werden zwei Strahlen mit gleichem Anfangspunkt (Zentrum) von Parallelen geschnitten, so verhalten sich die La¨ngen der Abschnitte eines Strahls wie die La¨ngen entsprechender Abschnitte des anderen Strahls. a1 : a2 ¼ b1 : b2
a1 b1 b2
Bild III-82 Erster Strahlensatz: a1 : a2 ¼ b1 : b2 Zweiter Strahlensatz Werden zwei Strahlen mit gleichem Anfangspunkt von Parallelen geschnitten, so verhalten sich die La¨ngen der zwischen den Strahlen liegenden Abschnitte wie die La¨ngen der zugeho¨rigen vom Anfangspunkt aus gemessenen Abschnitte auf den Strahlen. c1 : c3 ¼ a1 : a3
jZQj ¼ k ðk konstantÞ jZPj a1 c1 D1 k1 = 1,5
A1
D
A
C1
C
A2 k2 = –0,5
c3
Bild III-83 Zweiter Strahlensatz: c1 : c3 ¼ a1 : a3
B
Z
C2 D2
a3
B1
&
B2
a2
Bild III-81 Zentrische Streckung
Eigenschaften: Die Bilder von Strecke, Strahl, Gerade sind wieder Strecke, Strahl, Gerade. Bild und Urbild von Strekke, Strahl, Gerade sind zueinander parallel. Entsprechende Winkel von Bild und Urbild sind gleich. Die La¨ngen entsprechender Strecken von Bild und Urbild haben das gleiche Verha¨ltnis, und zwar den Betrag des Streckungsfaktors k, also jkj.
Beispiel: Welche La¨nge B ergibt sich fu¨r das Bild eines Gegenstands der La¨nge G bei einer Bildweite b und einer Gegenstandsweite g? Nach dem zweiten Strahlensatz gilt g G b ¼ ) B¼G b B g Anmerkung: Ist g b (g sehr groß gegenu¨ber b), dann kann man b f (f Brennweite) setzen und damit die zu erwartende Bildgro¨ße abscha¨tzen.
G B g
b
Bild III-84 Anwendung des zweiten Strahlensatzes
66
Mathematik
12.3 hnliche Figuren Geometrische Figuren heißen a¨hnlich, wenn sie nach geeigneter Parallelverschiebung, Drehung, Spiegelung durch zentrische Streckung zur Deckung gebracht werden ko¨nnen. So sind zum Beispiel zwei Quadrate a¨hnlich (mit beliebigen Seitenla¨ngen) oder zwei Kreise (mit beliebigen Radien und beliebigen Mittelpunkten) oder zwei gleichseitige Dreiecke (mit beliebigen Seitenla¨ngen). C1
B2
D1
A2 D2
C
D
A1
B
A
Bild III-85 hnliche Figuren Entsprechend den vier Kongruenzsa¨tzen fu¨r Dreiecke (siehe Abschnitt III.6.7) gelten die folgenden Bedingungen fu¨r die hnlichkeit von Dreiecken: 1. Dreiecke sind a¨hnlich, wenn sie in zwei Winkeln u¨bereinstimmen. Da im Dreieck die Winkelsumme gleich 180 ist, folgt, daß dann auch die jeweils dritten Winkel u¨bereinstimmen. a′
b′ b
a
a = a′ b = b′
Bild III-86 hnliche Dreiecke 2. Dreiecke sind a¨hnlich, wenn sie in dem La¨ngenverha¨ltnis eines Seitenpaares und dem Gegenwinkel der la¨ngeren Seite u¨bereinstimmen.
a b
b
c′ a
b
a′ c
b′ b′
a′
Bemerkungen: 1. Die Strahlensa¨tze sind Anwendungen der Eigenschaften a¨hnlicher Dreiecke. 2. Nur bei Dreiecken folgt aus der Gleichheit der Winkel die hnlichkeit. Zum Beispiel haben ein Rechteck mit den Seitenla¨ngen a und b 6¼ a und ein Quadrat gleich große Winkel, sind aber nicht a¨hnlich, denn ihre Seitenverha¨ltnisse sind verschieden. 3. Da ein rechtwinkliges Dreieck durch seine Ho¨he in zwei untereinander und dem ganzen Dreieck a¨hnliche Teildreiecke geteilt wird (gleiche Winkel), folgen aus der Proportionalita¨t der La¨ngen entsprechender Seiten der Kathetensatz und der Ho¨hensatz.
12.4 Streckenteilungen Liegt zwischen zwei Punkten A und B ein Punkt T, so teilt er die Strecke AB im Verha¨ltnis jATj : jTBj ¼ k: Das Teilungsverha¨ltnis k ist eine positive reelle Zahl, wenn T echt zwischen A und B liegt. Halbiert T die Strecke AB, dann gilt k ¼ 1. Dagegen ist k < 0, wenn T außerhalb der Strecke AB liegt. Mit Hilfe der hnlichkeitsbedingungen fu¨r Dreiecke ist es mo¨glich, jede gegebene Strecke in einem beliebigen rationalen Verha¨ltnis zu teilen. Man unterscheidet verschiedene Arten von Strekkenteilungen:
Bild III-87 hnliche Dreiecke 3. Dreiecke sind a¨hnlich, wenn sie in dem La¨ngenverha¨ltnis eines Seitenpaares und dem eingeschlossenen Winkel u¨bereinstimmen.
g
a a′ a : b = a′: b′ g = g′
a : b = a′: b′ b : c = b′: c′
Innere Teilung Der Teilungspunkt T ¼ Ti liegt auf der Strecke AB.
a : b = a′: b′ b = b′
b
b′
Bild III-89 hnliche Dreiecke
C2 B1
4. Dreiecke sind a¨hnlich, wenn sie in den La¨ngenverha¨ltnissen zweier Seitenpaare u¨bereinstimmen.
b′
ki ¼
jATi j pi ¼ jTi Bj qi
ußere Teilung Der Teilungspunkt T ¼ Ta liegt auf der Geraden AB, aber außerhalb der Strecke AB. In diesem Fall ist das Teilungsverha¨ltnis k ¼ ka negativ.
g′
Bild III-88 hnliche Dreiecke
ka ¼
jATa j pa ¼ qa jTa Bj
III Planimetrie
67 qi
pi Ta
A
pa
B
Ti qa
Bild III-90 Innere und a¨ußere Teilung Harmonische Teilung Eine Strecke AB heißt durch die Punkte Ti und Ta harmonisch geteilt, wenn die Betra¨ge der Teilungsverha¨ltnisse der inneren Teilung durch Ti und der a¨ußeren Teilung durch Ta gleich sind. k ¼ jki j ¼ jka j ¼
jATi j jATa j p ¼ ¼ q jTi Bj jTa Bj
Es gilt: Teilen Ti und Ta die Strecke AB harmonisch, dann teilen auch umgekehrt A und B die Strecke Ti Ta harmonisch. Sind Ti und Ta die Punkte, die eine Strecke AB harmonisch im Verha¨ltnis p : q teilen, dann ist der Kreis mit dem Durchmesser Ti Ta der geometrische D q=
7
C p= 2 2 Ta
A
p=
Ti 2 C1
B
Stetige Teilung (goldener Schnitt) Eine Strecke heißt stetig oder nach dem goldenen Schnitt geteilt, wenn sich ihre La¨nge zur La¨nge des gro¨ßeren Teilstu¨cks verha¨lt wie die La¨nge des gro¨ßeren Teilstu¨cks zur La¨nge des kleineren Teilstu¨cks. Ein Punkt T teilt die Strecke AB also nach dem goldenen Schnitt, wenn gilt jABj jATj ¼ jATj jTBj r s ¼ : Setzt man r ¼ jABj; s ¼ jATj; so gilt s rs r Mit x ¼ folgt s r s þ ðr sÞ rs 1 ¼1þ ¼1þ s x¼ ¼ s s s rs 1 1 ¼1þ r ¼1þ : x s Multiplikation mit x ergibt x2 ¼ x þ 1 , x2 x 1 ¼ 0. Die Wurzeln dieser quadratischen Gleichung sind pffiffiffi pffiffiffi 1 1 x1 ¼ ð1 þ 5Þ und x2 ¼ ð1 5Þ. 2 2 Wegen x1 > 0 und x2 < 0 kommt nur die positive Wurzel fu¨r das Teilungsverha¨ltnis in Frage: pffiffiffi r s 1 ¼ ¼ ð1 þ 5Þ. s rs 2 pffiffiffi 1 ð1 þ 5Þ ¼ 1;618 033 988 7 . . . nennt Die Zahl 2 man goldene Zahl. Das Bild verdeutlicht eine Konstruktionsmo¨glichkeit des goldenen Schnitts einer Strecke. r 2
Bild III-91 Harmonische Teilung Ort aller Punkte (C), deren Verbindungsstrecken mit A und B das La¨ngenverha¨ltnis p : q haben: jATi j : jTi Bj ¼ jATa j : jTa Bj ¼ jACj : jCBj ¼ p : q. Dieser Kreis heißt Kreis des Apollonios (nach dem hellenistischen Geometer und Astronom Apollonios von Perge, 262190 v. u. Z.).
C
A
Ti
B
Bild III-92 Kreis des Apollonios
Ta
r 2
s A
T r–s
s
B
r
Bild III-93 Stetige Teilung (goldener Schnitt)
68
Mathematik
IV Stereometrie Das Wort Stereometrie kommt aus dem Griechischen und bedeutet Ko¨rpermessung. Man bescha¨ftigt sich in dieser Teildisziplin der Geometrie mit Form, gegenseitiger Lage, Gro¨ße und anderen Beziehungen geometrischer Objekte im Raum.
AG (denn Grund- und Deckfla¨che sind kongruent, und damit ist ihr Fla¨cheninhalt gleich). AO ¼ AM þ 2AG
Oberfla¨che Prisma
1.2 Parallelepiped und Wu¨rfel
1 Prismen 1.1 Allgemeine Prismen Gleitet eine Gerade, ohne ihre Richtung zu a¨ndern, im Raum an den Begrenzungslinien eines ebenen n-Ecks (n ¼ 3; 4; . . .) entlang, so beschreibt sie eine prismatische Fla¨che. Schneiden zwei parallele Ebenen die prismatische Fla¨che, dann schließen sie zusammen mit dem zwischen ihnen liegenden Abschnitt der prismatischen Fla¨che einen Teil des Raums vollsta¨ndig ein. Ein solcher Ko¨rper heißt Prisma (griech., das Gesa¨gte) oder genauer n-seitiges Prisma. Die Schnitte der Ebenen mit der prismatischen Fla¨che sind kongruente n-Ecke. Diese n-Ecke heißen Grundfla¨che und Deckfla¨che des Prismas. Die Seitenfla¨chen des Prismas heißen Mantelfla¨chen. Die Kanten der Seitenfla¨chen heißen Mantellinien. Die Mantelfla¨chen sind Parallelogramme. Bei einem Prisma sind alle Schnitte parallel zu Grund- und Deckfla¨che kongruent zu diesen Fla¨chen. Ein Prisma ist also ein Ko¨rper mit einem gleichbleibenden Querschnitt. Gleitet die Gerade senkrecht zur Ebene der Grundfla¨che, dann heißt das Prisma gerade. Bei einem geraden Prisma stehen die Mantellinien senkrecht auf der Grund- und Deckfla¨che, und die Mantelfla¨chen sind Rechtecke. Ein nicht gerades Prisma nennt man auch schiefes Prisma. Ein physikalisches Prisma ist mathematisch ein gerades dreiseitiges Prisma.
Ein Prisma mit einem Parallelogramm als Grundfla¨che heißt Parallelepiped oder Parallelflach oder Spat. Ein gerades Prisma mit einem Rechteck als Grundfla¨che heißt Quader.
c b a
Bild IV-2 Quader
Sind a und b die Seitenla¨ngen des Rechtecks und c die Ho¨he des Quaders, so gilt: Quader Volumen V ¼ abc .. Oberflache AO ¼ 2ðab þ ac þ bcÞ .. Gesamtkantenlange l ¼ 4ða þ b þ cÞ Ein Quader mit einem Quadrat als Grundfla¨che heißt quadratische Sa¨ule.
h
Bild IV-3 Quadratische Sa¨ule
a a
Ist a die Seitenla¨nge des Quadrats und h die Ho¨he der quadratischen Sa¨ule, dann gilt: AG
Quadratische Sa¨ule h
Bild IV-1 Prisma
AG
Das Volumen V eines Prismas ist der Inhalt AG der Grundfla¨che multipliziert mit der Ho¨he h. Volumen Prisma
Volumen V ¼ a2 h .. Oberflache AO ¼ 2a2 þ 4ah .. Gesamtkantenlange l ¼ 8a þ 4h Ein Quader mit lauter gleich langen Kanten heißt Wu¨rfel.
V ¼ AG h
Die Oberfla¨che AO eines Prismas ist die Summe der Mantelfla¨che AM und der doppelten Grundfla¨che
a
a
a
Bild IV-4 Wu¨rfel
69 Ist a die Kantenla¨nge des Wu¨rfels, so gilt:
2.2 Gerade Kreiszylinder
Wu¨rfel
Ein Zylinder mit senkrecht auf Grund- und Deckfla¨che stehenden Mantellinien und mit einer Kreisfla¨che als Grundfla¨che heißt gerader Kreiszylinder oder Walze. Die Mantelfla¨che eines geraden Kreiszylinders kann in ein Rechteck mit den Seitenla¨ngen h und 2pr (Kreisumfang) abgewickelt werden, wobei h die Ho¨he des geraden Kreiszylinders ist und r der Radius des Kreises. Dies kann man sich dadurch veranschaulichen, daß man eine Dose ohne Deckel und Boden la¨ngs einer Mantellinie aufschneidet und in eine Ebene abwickelt.
Volumen V ¼ a3 .. Oberflache AO ¼ 6a2 .. Gesamtkantenlange l ¼ 12a Der Wu¨rfel ist einer der platonischen Ko¨rper (siehe Abschnitt IV.7). Er wird von sechs Quadraten begrenzt.
2 Zylinder 2.1 Allgemeine Zylinder
r
Wird eine Gerade (Erzeugende) im Raum la¨ngs einer ebenen geschlossenen Kurve (Leitkurve) parallel verschoben (also ohne ihre Richtung zu vera¨ndern), so entsteht eine Zylinderfla¨che. Ein Zylinder ist ein Ko¨rper, der von einer Zylinderfla¨che und zwei parallelen ebenen Fla¨chenstu¨cken begrenzt wird. Die ebenen Begrenzungsfla¨chenstu¨cke mu¨ssen nicht senkrecht auf der erzeugenden Gerade stehen.
h
pr 2 h
Der Kreis als Grund- und Deckfla¨che (Grund- und Deckfla¨che sind kongruent) hat den Fla¨cheninhalt pr2 . Somit gilt fu¨r die Oberfla¨che insgesamt AO ¼ 2pr2 þ 2prh ¼ 2prðr þ hÞ.
90° l
Bild IV-5 Zylinder (l ¼ Mantellinie) Ein Zylinder ist ein Ko¨rper mit gleichbleibendem Querschnitt. Der Teil der Zylinderfla¨che zwischen den parallelen Begrenzungsfla¨chenstu¨cken heißt Mantelfla¨che des Zylinders, die parallelen Fla¨chenstu¨cke sind Grundund Deckfla¨che des Zylinders. Grundfla¨che und Deckfla¨che sind zueinander kongruent. Die zwischen den Fla¨chenstu¨cken liegenden Strecken der Erzeugenden heißen Mantellinien, sie sind alle parallel und gleich lang. Der senkrechte Abstand zwischen Grund- und Deckfla¨che ist die Ho¨he des Zylinders. Prismen sind spezielle Zylinder, na¨mlich solche mit n-Ecken als Grundfla¨che. Ein Zylinder heißt gerade, wenn die Mantellinien senkrecht auf Grund- und Deckfla¨che stehen. Ein nicht gerader Zylinder heißt schiefer Zylinder. Ein Zylinder mit einer Kreisfla¨che als Grundfla¨che heißt Kreiszylinder. Das Volumen V eines Zylinders ist der Inhalt AG der Grundfla¨che multipliziert mit der Ho¨he h. Die Oberfla¨che AO eines Zylinders ist die Summe der Mantelfla¨che AM und der doppelten Grundfla¨che AG . Volumen .. Oberflache
Bild IV-6 Gerader Kreiszylinder
pr 2
V ¼ AG h AO ¼ AM þ 2AG
V ¼ pr2 h AO ¼ 2prðr þ hÞ
Volumen .. Oberflache
2.3 Hohlzylinder Ein Hohlzylinder ist ein gerader Kreiszylinder (Kreis mit Radius R), aus dem ein kleinerer gerader Kreiszylinder (konzentrischer Kreis mit Radius r; r < R) ausgeschnitten ist.
R
h
r
Bild IV-7 Hohlzylinder
Die Grundfla¨chen der beiden Zylinder sind also konzentrische Kreise, das heißt, sie haben den gleichen Mittelpunkt. Das Volumen des Hohlzylinders ist die Differenz der Volumina der beiden geraden Kreiszylinder. Die Oberfla¨che setzt sich aus der a¨ußeren Mantelfla¨che AMa ¼ 2pRh (h ist die Ho¨he des Hohlzylinders), aus der inneren Mantelfla¨che AMi ¼ 2prh, aus der Grund-
70
Mathematik
fla¨che und aus der Deckfla¨che zusammen. Grundfla¨che AG und Deckfla¨che AD sind gleich, sie ergeben sich aus der Differenz zweier Kreisfla¨chen: AG ¼ AD ¼ pðR2 r2 Þ: Fu¨r das Volumen und die Oberfla¨che des Hohlzylinders gilt somit Volumen .. Oberflache
V ¼ phðR2 r2 Þ AO ¼ 2phðR þ rÞ þ 2pðR2 r2 Þ ¼ 2pðR þ rÞ ðR r þ hÞ
3 Pyramiden 3.1 Allgemeine Pyramiden Gleitet ein von einem festen Punkt S des Raums ausgehender Strahl an den Begrenzungslinien eines ebenen n-Ecks (n ¼ 3; 4; . . .) entlang, in dessen Ebene der Anfangspunkt S des Strahls nicht liegt, so beschreibt der gleitende Strahl eine Pyramidenfla¨che. Das n-Eck schließt zusammen mit dem zwischen ihm und dem Punkt S liegenden Abschnitt der Pyramidenfla¨che einen Teil des Raums vollsta¨ndig ein. Ein solcher Ko¨rper heißt Pyramide. S
schief. Die Ho¨he einer geraden Pyramide ist gleichzeitig ihre Achse. Die Seitenfla¨chen von regula¨ren geraden Pyramiden sind kongruente gleichschenklige Dreiecke. Fu¨r das Volumen V und die Oberfla¨che AO einer beliebigen Pyramide gilt
Volumen .. Oberflache
1 AG h 3 AO ¼ AM þ AG
V¼
AG ist der Fla¨cheninhalt des n-Ecks, AM der Inhalt der Mantelfla¨che, also die Summe der Fla¨cheninhalte der Seitendreiecke, und h ist die Ho¨he der Pyramide. Eine gerade regula¨re dreiseitige Pyramide, bei der die Seitendreiecke kongruent zum Grunddreieck sind, heißt Tetraeder. Ein Tetraeder wird also von vier gleichseitigen Dreiecken begrenzt. Das Tetraeder ist einer der platonischen Ko¨rper (siehe Abschnitt IV.7).
3.2 Gerade quadratische Pyramiden Eine gerade quadratische Pyramide hat ein Quadrat als Grundfla¨che, und die Spitze der Pyramide steht senkrecht u¨ber dem Mittelpunkt des Quadrats, dem Diagonalenschnittpunkt. Die Mantelfla¨che besteht aus vier kongruenten gleichschenkligen Dreiecken.
h AG
H
hs
Bild IV-8 Pyramide
Das n-Eck heißt Grundfla¨che, der Punkt S Spitze, der zum Ko¨rper geho¨rende Teil der Pyramidenfla¨che ist die Mantelfla¨che der Pyramide. Die Kanten der Grundfla¨che heißen Grundkanten, die Kanten der Mantelfla¨che Seitenkanten, und die ebenen Fla¨chen der Mantelfla¨che sind die Seitenfla¨chen. Alle Seitenfla¨chen einer Pyramide sind Dreiecke. Es gibt bei einem n-Eck als Grundfla¨che genau n Dreiecke als Seitenfla¨chen. Deshalb nennt man solch eine Pyramide auch genauer n-seitige Pyramide. Ist das n-Eck ein regula¨res n-Eck, dann heißt die Pyramide regula¨re (n-seitige) Pyramide. Der Abstand der Spitze S von der Ebene der Grundfla¨che ist die Ho¨he der Pyramide. Man erha¨lt die Ho¨he, indem man von S das Lot auf die Ebene der Grundfla¨che fa¨llt. Das Lot durchsto¨ßt die Ebene der Grundfla¨che im Ho¨henfußpunkt H. Dieser kann auch außerhalb der Grundfla¨che liegen, dann liegt die Ho¨he außerhalb der Pyramide. Fa¨llt der Ho¨henfußpunkt mit dem Mittelpunkt der Grundfla¨che zusammen, so heißt die Pyramide gerade. Alle anderen Pyramidenformen nennt man
h
a a
Bild IV-9 Gerade quadratische Pyramide
Ist a die Kantenla¨nge des Quadrats der Grundfla¨che, h die Ho¨he der Pyramide und s die Kantenla¨nge der Seitenkanten, so folgt aus dem Satz des Py1 thagoras s2 ¼ h2 þ a2 : 2 Bezeichnet man mit hs die Ho¨he des gleichschenkligen Seitenfla¨chendreiecks Ds, dann folgt ebenfalls 1 mit dem Satz von Pythagoras s2 ¼ h2s þ a2 ; denn 4 die Basis dieses Dreiecks hat die La¨nge a. Lo¨st man 1 ersetzt s2ffi durch h2 þ a2 , so ernach hs auf und rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2 1 gibt sich hs ¼ h2 þ a2 : Daraus berechnet man 4 1 den Fla ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ADs von Ds zu ADs ¼ 2 a hs r¨ cheninhalt 1 1 ¼ a h2 þ a2 und den Inhalt der Mantelfla¨che 2 4 rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 zu AM ¼ 4 ADs ¼ 2a h2 þ a2 . 4
IV Stereometrie
71
Fu¨r Volumen und Oberfla¨che einer geraden quadratischen Pyramide gilt somit Volumen .. Oberflache
1 2 a h 3 rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 AO ¼ 2a h2 þ a2 þ a2 4 V¼
Die Grabsta¨tten alta¨gyptischer Pharaone waren wa¨hrend des Alten und des Mittleren Reichs ha¨ufig gerade quadratische Pyramiden. Besonders beeindrukkend sind die Pyramiden der Pharaonen Cheops, Chephren und Mykerinos in Gizeh am su¨dlichen Rand von Kairo. Sie stammen aus dem Alten Reich und wurden in der Zeit zwischen 2600 und 2480 v. u. Z. erbaut, sie sind also rund 4500 Jahre alt. Die gro¨ßte Pyramide ist die Cheopspyramide: Das Quadrat der Grundfla¨che hat eine Kantenla¨nge von 227,5 m (urspru¨nglich 230,38 m), und die Ho¨he ist 137 m (urspru¨nglich 146,6 m). Nimmt man die urspru¨nglichen Werte, so berechnet man fu¨r das Volumen: 1 V ¼ ð230;38Þ2 146;6 ¼ 2 593 595;61 . . . ; 3 also mehr als 2; 5 Millionen Kubikmeter! Fu¨r die Oberfla¨che ergibt sich: rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 AO ¼ 2 230;38 ð146;6Þ2 þ ð230;38Þ2 þ ð230;38Þ2 4 ¼ 138 979;56 . . . Der Bau der Pyramiden war eine großartige ingenieurtechnische und logistische Leistung der Alta¨gypter!
zwischen Grundfla¨che und Spitze liegenden Strekken der Erzeugenden heißen Mantellinien. Der senkrechte Abstand der Spitze zur Ebene der Grundfla¨che ist die Ho¨he des Kegels. Pyramiden sind spezielle Kegel, na¨mlich Kegel mit n-Ecken als Grundfla¨che. Hat die Grundfla¨che einen Mittelpunkt (wie Kreis oder Ellipse), und liegt die Spitze senkrecht u¨ber diesem Mittelpunkt, so heißt der Kegel gerade, andernfalls schief. Ein Kegel mit einer Kreisfla¨che als Grundfla¨che heißt Kreiskegel. Das Volumen V eines Kegels ist ein Drittel des Inhalts AG der Grundfla¨che multipliziert mit der Ho¨he h. Die Oberfla¨che AO eines Kegels ist die Summe der Mantelfla¨che AM und der Grundfla¨che AG. Volumen .. Oberflache
1 AG h 3 AO ¼ AM þ AG
V¼
4.2 Gerade Kreiskegel Ein Kegel mit einer Kreisfla¨che als Grundfla¨che und der Spitze S senkrecht u¨ber dem Kreismittelpunkt heißt gerader Kreiskegel.
s h
4 Kegel d = 2r
Bild IV-11 Gerader Kreiskegel
4.1 Allgemeine Kegel
Mantelfläche
h
Wird eine Gerade (Erzeugende) im Raum la¨ngs einer ebenen geschlossenen Kurve (Leitkurve) so bewegt, daß sie durch einen festen Punkt, die Spitze S, geht, so entsteht eine Kegelfla¨che. Ein Kegel ist ein Ko¨rper, der von einer Kegelfla¨che und einem nicht durch deren Spitze gehenden ebenen Fla¨chenstu¨ck begrenzt wird.
Mantellinie
Grundfläche
Bild IV-10 Kegel
Der Teil der Kegelfla¨che zwischen dem ebenen Fla¨chenstu¨ck und der Spitze heißt Mantelfla¨che, das ebene Fla¨chenstu¨ck Grundfla¨che des Kegels. Die
Alle Mantellinien eines geraden Kreiskegels sind ffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi gleich lang. Ihre La¨nge ist s ¼ r2 þ h2 , wobei r der Radius des Kreises und h die Ho¨he des geraden Kreiskegels sind. Die Mantelfla¨che kann in die Ebene abgewickelt werden. Dabei entsteht ein Kreissektor mit dem Radius s (La¨nge der Mantellinien) und der Kreisbogenla¨nge 2pr (Umfang des Kreises der Grundfla¨che). Der Fla¨cheninhalt AM dieses Kreissektors (¼ Mantelfla¨che) verha¨lt sich zur gesamten Kreisfla¨che ps2 wie die Kreisbogenla¨nge 2pr zum Gesamtkreisumfang 2ps, woraus sich fu¨r die Mantelfla¨che AM ¼ prs ergibt. Der Kreis der Grundfla¨che, der Grundkreis, hat den Fla¨cheninhalt pr2 . 2 Daraus folgt fu¨r die Oberfla pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ffi ¨ che AO ¼ prs þ pr 2 2 ¼ prðr þ sÞ ¼ prðr þ r þ h Þ: Somit gilt fu¨r den geraden Kreiskegel Volumen .. Oberflache .. Lange der Mantellinie
1 pr2 h 3 AO ¼ prðr þ sÞ pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi s ¼ r2 þ h2 V¼
72
Mathematik in dieVolumengleichung ergibt:
5 Cavalierisches Prinzip Wesentlich zur Berechnung des Volumens von Prismen, Zylindern, Pyramiden und Kegeln ist das Cavalierische Prinzip (nach dem italienischen Mathematiker Bonaventura Cavalieri, 1591/98––1647, ein Schu¨ler Galileis): Ko¨rper mit inhaltsgleichem Querschnitt in gleichen Ho¨hen haben gleiches Volumen. Speziell gilt also: Prismen, Zylinder, Pyramiden und Kegel mit gleicher Grundfla¨che und gleicher Ho¨he haben gleiches Volumen.
6 Pyramidenstu¨mpfe und Kegelstu¨mpfe 6.1 Pyramidenstu¨mpfe Schneidet man von einer Pyramide durch einen Schnitt parallel zur Grundfla¨che den oberen Teil ab, so ist der Restko¨rper ein Pyramidenstumpf. Der abgeschnittene Teil heißt Erga¨nzungspyramide, sie ist zur ganzen Pyramide a¨hnlich. A1
Bild IV-12 Pyramidenstumpf
h
V¼
1 3
¼
h 3
¼
h 3
h 3 h ¼ 3
¼
pffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffi
h A1 h A1 A2 h þ pffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffi A1 pffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffi A2 A1 A2 A1 pffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffi A2 A2 A2 A1 þ A2 A1 A1 A1 pffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffi A2 A1 pffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffi A2 A2 A1 A1 pffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffi A2 A1 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2 A2 A1 A2 A1 þ A2 A2 A1 A21 A2 A1 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ðA2 þ A2 A1 þ A1 Þ
Bei letzten beiden Umformungen wurde mit pffiffiffiffiffiffi denpffiffiffiffiffiffi A2 þ A1 erweitert beziehungsweise Polynomdivision durchgefu¨hrt.
6.2 Kegelstu¨mpfe Eine Ebene, die einen Kegel parallel zur Grundfla¨che schneidet, zerlegt den Kegel in einen kleineren Kegel, den Erga¨nzungskegel, und in einen Kegelstumpf. Die zur Grundfla¨che parallele Fla¨che der Oberfla¨che eines Kegelstumpfes ist seine Deckfla¨che. Der Abstand von Grundfla¨che und Deckfla¨che ist die Ho¨he des Kegelstumpfes. Grundfla¨che und Deckfla¨che sind zueinander a¨hnlich.
A2
Die Schnittfla¨che heißt Deckfla¨che des Pyramidenstumpfes. Der Abstand von Grundfla¨che und Deckfla¨che ist die Ho¨he des Pyramidenstumpfes. Grundfla¨che und Deckfla¨che sind zueinander a¨hnlich. Die Seitenfla¨chen eines Pyramidenstumpfes sind Trapeze. Ist A2 der Fla¨cheninhalt der Grundfla¨che, A1 der Fla¨cheninhalt der Deckfla¨che und h die Ho¨he, so gilt fu¨r das Volumen V des Pyramidenstumpfes
s2
s1 h1 r1
h2
s h
r2
Bild IV-13 Kreiskegelstumpf
Volumen Pyramidenstumpf pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi h V ¼ ðA2 þ A2 A1 þ A1 Þ 3 Herleitung: Ist h2 die Ho¨he der Pyramide und h1 die Ho¨he der Erga¨nzungspyramide, dann gilt fu¨r das Volumen V 1 des Pyramidenstumpfes V ¼ ðA2 h2 A1 h1 Þ. 3 1 Wegen h ¼ h2 h1 folgt V ¼ ½A2 ðh þ h1 Þ A1 h1 : 3 Die Inhalte paralleler Schnittfla¨chen verhalten sich wie die Quadrate ihrer Absta¨nde von der Spitze: pffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffi A2 : A1 ¼ h22 : h21 . Daraus folgt A2 : A1 ¼ ðhþh1 Þ : h1 pffiffiffiffiffiffi h A1 und nach h1 aufgelo¨st h1 ¼ pffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffi : Einsetzen A2 A1
Ist r2 der Radius des Kreises der Grundfla¨che und r1 der Radius des Kreises der Deckfla¨che sowie h die Ho¨he eines Kreiskegelstumpfes, dann gilt fu¨r das Volumen V des Kreiskegelstumpfes: Volumen Kreiskegelstumpf V¼
ph 2 ðr þ r2 r1 þ r12 Þ 3 2
Herleitung: Ist h2 die Ho¨he des Kreiskegels und h1 die Ho¨he des Erga¨nzungskegels, dann gilt fu¨r das Volumen V 1 des Kreiskegelstumpfes V ¼ pðr22 h2 r12 h1 Þ. 3 Wegen h ¼ h2 h1 und r2 : r1 ¼ h2 : h1 folgt durch korrespondierende Subtraktion ðr2 r1 Þ : r1 ¼ h : h1
IV Stereometrie hr1 und nach h1 aufgelo¨st h1 ¼ : Einsetzen in die r2 r1 Volumengleichung ergibt: 1 V ¼ p½r22 ðh þ h1 Þ r12 h1 3 1 hr1 hr1 r12 ¼ p r22 h þ 3 r2 r1 r2 r1 ph r23 r22 r1 þ r22 r1 r13 ph r23 r13 ¼ 3 3 r2 r1 r2 r1 ph 2 2 ðr þ r2 r1 þ r1 Þ ¼ 3 2 Bei der letzten Umformung wurde Polynomdivision durchgefu¨hrt. Sind s2 und s1 die La¨ngen der Mantellinien eines geraden Kreiskegels und seines Erga¨nzungskegels, dann gilt fu¨r den Kreiskegelstumpf s ¼ s2 s1 qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ¼
¼ ðr2 r1 Þ2 þ h2 . Ist A2 der Fla¨cheninhalt der Grundfla¨che, A1 der Fla¨cheninhalt der Deckfla¨che und AM der Fla¨cheninhalt der Mantelfla¨che, so folgt fu¨r die Oberfla¨che AO eines geraden Kreiskegelstumpfes:
73 der Kanten und f die Anzahl der Fla¨chen des konvexen Polyeders sind. Eulerscher Polyedersatz
eþf ¼kþ2
Konvexe Polyeder, bei denen in jeder Ecke gleich viele Fla¨chen zusammenstoßen und alle Fla¨chen kongruente regula¨re n-Ecke sind, heißen platonische Ko¨rper (nach dem griechischen Philosophen Platon, 427––347 v. u. Z.) oder konvexe regula¨re Polyeder. Es gibt insgesamt genau fu¨nf verschiedene Arten platonischer Ko¨rper: Tetraeder, Wu¨rfel (anderer Name: Hexaeder), Oktaeder, Dodekaeder und Ikosaeder.
Bild IV-14 Tetraeder
AO ¼ A2 þ A1 þ AM ¼ pr22 þ pr12 þ psðr2 þ r1 Þ ¼ pr2 ðr2 þ sÞ þ pr1 ðr1 þ sÞ Oberfla¨che gerader Kreiskegelstumpf
Bild IV-15 Wu¨rfel (Hexaeder)
AO ¼ pr2 ðr2 þ sÞ þ pr1 ðr1 þ sÞ Herleitung der Formel fu¨r die Mantelfla¨che AM : Es gilt s2 : s1 ¼ r2 : r1 und s ¼ s2 s1 ; woraus durch korrespondierende Subtraktion s : s1 ¼ ðr2 r1 Þ : r1 r1 s folgt und nach s1 aufgelo¨st s1 ¼ : Damit ergibt r2 r1 sich:
Bild IV-16 Oktaeder
AM ¼ pr2 s2 pr1 s1 ¼ pr2 ðs þ s1 Þ pr1 s1 r1 s r1 s ¼ pr2 s þ pr1 r2 r1 r2 r1 r22 s r2 r1 s þ r2 r1 s r12 s r2 r12 ¼ ps 2 r2 r1 r2 r1 ¼ ps ðr2 þ r1 Þ ¼p
Bild IV-17 Dodekaeder
7 Platonische Ko¨rper Ein Ko¨rper, der von lauter Ebenen begrenzt wird, heißt Polyeder. Die Begrenzungsebenen sind die Fla¨chen des Polyeders. Schnittlinien von Fla¨chen heißen Kanten des Polyeders. Die Kanten schneiden sich in den Ecken des Polyeders. Polyeder sind die dreidimensionale Verallgemeinerung von Polygonen: Ein Polygon wird von lauter Geraden begrenzt. Ein Polyeder heißt konvex, wenn mit zwei Punkten die gesamte Verbindungsstrecke der Punkte zum Polyeder geho¨rt. Beispiele fu¨r konvexe Polyeder sind Prismen und Pyramiden, deren Grundfla¨che konvex ist. Fu¨r konvexe Polyeder gilt der Eulersche Polyedersatz, wobei e die Anzahl der Ecken, k die Anzahl
Bild IV-18 Ikosaeder Die Namen stammen aus dem Griechischen und geben die Anzahl der Fla¨chen der Ko¨rper an. Das Tetraeder („Vierfla¨chner“) hat vier gleichseitige Dreiecke als Begrenzungsfla¨chen, der Wu¨rfel oder das Hexaeder („Sechsfla¨chner“) wird von sechs Quadraten begrenzt, das Oktaeder („Achtfla¨chner“) von acht gleichseitigen Dreiecken, das Dodekaeder („Zwo¨lffla¨chner“) von zwo¨lf regula¨ren Fu¨nfecken
74
Mathematik sind die gro¨ßten Sehnen der Kugel, fu¨r ihre La¨nge d gilt d ¼ 2r. Eine Tangente t beru¨hrt die Kugel in einem Punkt. Im Beru¨hrungspunkt sind beliebig viele Tangenten mo¨glich: alle Tangenten zusammen spannen die Tangentialebene auf.
und das Ikosaeder („Zwanzigfla¨chner“) von zwanzig gleichseitigen Dreiecken. Weitere konvexe regula¨re Polyeder gibt es nicht. In der Tabelle sind die wichtigsten Eigenschaften der platonischen Ko¨rper zusammengestellt (mit Kantenla¨nge a). Platonischer Ko¨rper
Begrenzungsfla¨chen
Anzahl Fla¨chen in jeder Ecke
Anzahl Ecken
Anzahl Kanten
Tetraeder
4 gleichseitige Dreiecke
3
4
6
Wu¨rfel
6 Quadrate
3
8
12
Oktaeder
8 gleichseitige Dreiecke
4
6
12
Dodekaeder
12 regula¨re Fu¨nfecke
3
20
30
Ikosaeder
20 gleichseitige Dreiecke
5
12
30
Volumen
Oberfla¨che
pffiffiffi 2 3 a 12
pffiffiffi 2 3a
a3
6a2 pffiffiffi 2 3 a2
pffiffiffi 2 3 a 3 pffiffiffi 15 þ 7 5 3 a 4 pffiffiffi 5ð3 þ 5Þ 3 a 12
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffi ffi 3 5ð5 þ 2 5Þ a2 pffiffiffi 5 3 a2
Eine Passante p hat mit der Kugel keinen Punkt gemeinsam.
8 Kugeln 8.1 Definitionen Eine Kugel ist der geometrische Ort aller Punkte des Raumes, die von einem festen Punkt M einen konstanten Abstand r haben. Der Punkt M ist der Mittelpunkt und r der Radius der Kugel. Zur Unterscheidung von dem durch eine Kugel abgegrenzten Raum nennt man die Kugel selbst auch Kugelfla¨che. Eine Kugel mit dem Radius r ¼ 1 heißt Einheitskugel. Fu¨r das Volumen V und die Oberfla¨che AO einer Kugel mit dem Radius r und dem Durchmesser d gilt
Volumen .. Oberflache
4 p pr3 ¼ d3 3 6 2 AO ¼ 4pr ¼ pd2
V¼
Eine Kugel ist festgelegt durch den Mittelpunkt und einen weiteren Punkt oder durch vier Punkte (die nicht alle in einer Ebene liegen). Kugeln mit gleichem Mittelpunkt heißen konzentrisch. Jede die Kugel schneidende Ebene schneidet sie in einem Kreis. Geraden haben mit einer Kugelfla¨che entweder zwei Punkte, einen Punkt oder keinen Punkt gemeinsam. Eine Sekante s schneidet die Kugelfla¨che in zwei Punkten. Der zwischen den Punkten gelegene Teil der Sekante heißt Sehne. Eine Sehne durch den Mittelpunkt heißt Durchmesser der Kugel. Durchmesser
Tangente Passante
Sekante
Durchmesser Radius
Sehne
Bild IV-19 Bezeichnungen an der Kugel
8.2 Kugelsegmente Ein Kugelsegment oder Kugelabschnitt ist ein durch eine Ebene abgeschnittener Teil einer Kugel.
2r r
h
M
Kugelkappe
Bild IV-20 Kugelsegment
IV Stereometrie
75
Die Mantelfla¨che des Kugelsegments heißt Kugelkappe. Ist r der Radius der Kugel, r der Radius des von der Ebene ausgeschnittenen Kreises und h die Ho¨he des Kugelsegments, dann gilt pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi hð2r hÞ 1 Volumen Kugelsegment V ¼ phð3r2 þ h2 Þ 6 1 ¼ ph2 ð3r hÞ 3 .. Flacheninhalt Kugelkappe A ¼ 2prh .. Oberflache Kugelsegment AO ¼ 2prh þ pr2 ¼ pð2rh þ r2 Þ Radius Schnittkreis
r¼
Die Oberfla¨che AO des Kugelsektors ist die Summe der Fla¨cheninhalte von Kugelkappe und Kegelmantel: AO ¼ 2prh þ prr ¼ prð2h þ rÞ. 2 Volumen Kugelsektor V ¼ pr2 h 3 .. Oberflache Kugelsektor AO ¼ prð2h þ rÞ
8.4 Kugelschichten Eine Kugelschicht ist der durch zwei zueinander parallelen Ebenen ausgeschnittene Teil einer Kugel. Die durch die beiden Ebenen ausgeschnittene Kugeloberfla¨che, also die Mantelfla¨che der Kugelschicht, heißt Kugelzone.
8.3 Kugelsektoren Einem Kugelsegment (Kugelabschnitt) ist ein Kegel zugeordnet, dessen Grundfla¨che der Schnittkreis des Kugelsegments und dessen Spitze der Kugelmittelpunkt ist. Der Gesamtko¨rper aus Kugelsegment und zugeordnetem Kegel heißt Kugelsektor oder Kugelausschnitt. Bild IV-22 Kugelschicht
M
C
r
r–h h
Bild IV-21 Kugelsektor
Das Volumen V des Kugelsektors setzt sich aus dem Volumen des Kugelabschnitts und dem des h2 ð3r hÞ zugeordneten Kegels zusammen: V ¼ p 3 r2 þp ðr hÞ. 3 Dabei ist r der Radius der Kugel, r der Radius des Schnittkreises und h die Ho¨he des Kugelsegments. Durch Einsetzen von r2 ¼ hð2r hÞ erha¨lt man 2 V ¼ pr2 h: 3
Ist r der Radius der Kugel, r1 und r2 die Radien der von den parallelen Ebenen ausgeschnittenen Kreise und h die Dicke der Kugelschicht, dann gilt Radien Schnittkreise pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi r1 ¼ h1 ð2r h1 Þ pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi r2 ¼ ðh þ h1 Þ ð2r h h1 Þ Volumen Kugelschicht 1 V ¼ phð3r21 þ 3r22 þ h2 Þ 6 .. Flacheninhalt Kugelzone A ¼ 2prh .. Oberflache Kugelschicht AO ¼ pð2rh þ r21 þ r22 Þ
76
Mathematik
V Funktionen 1 Definition und Darstellungen von Funktionen 1.1 Definitionen Eine Abbildung oder Funktion f ist eine Zuordnung, die jeder Zahl x einer gegebenen Zahlenmenge D eine Zahl y einer Zahlenmenge W zuordnet. Die Zuordnung ist eindeutig, das heißt, jeder Zahl x wird genau eine Zahl y zugeordnet. Man schreibt dafu¨r y ¼ f ðxÞ oder manchmal auch x 7! f ðxÞ. Man nennt f ðxÞ das Bild von x und umgekehrt x das Urbild von f ðxÞ. Die Menge D heißt Urbildmenge, Definitionsmenge oder Definitionsbereich. Die Menge W, aus der die Bilder stammen, heißt Wertemenge oder Wertebereich. Die Menge der Bilder (also alle y-Werte zusammen) heißt Bildmenge, bezeichnet mit f ðDÞ. D Definitionsbereich W Wertebereich f ðDÞ Bildmenge Die Elemente der Bildmenge nennt man Funktionswerte. Die Bildmenge f ðDÞ ist eine Teilmenge des Wertebereichs W, und W ist eine Teilmenge der Menge R der reellen Zahlen.
1.2 Funktionsgleichung Explizite Darstellung der Funktionsgleichung Die Zuordnungsvorschrift fu¨r eine Funktion ist im Regelfall eine Gleichung, die Funktionsgleichung y ¼ f ðxÞ (gesprochen: y gleich f von x). Dabei heißt x unabha¨ngige Variable und y abha¨ngige Variable. Man nennt x auch das Argument der Funktion. Die Form y ¼ f ðxÞ heißt explizite Darstellung der Funktionsgleichung. Daru¨ber hinaus gibt es die implizite Darstellung und die Parameterdarstellung der Funktionsgleichung (siehe unten). Funktionen ko¨nnen aber zum Beispiel auch durch Tabellen, Schaubilder (Graphen), Pfeildiagramme oder geordnete Wertepaare (Wertetabelle) dargestellt werden. Fehlt bei einer Funktion die Angabe des Definitionsbereichs, so gilt D ¼ R. Fehlt bei einer Funktion die Angabe des Wertebereichs, so gilt ebenfalls W ¼ R. Die Schreibweise y ¼ f ðxÞ; f : D ! W fu¨r eine Funktion bedeutet, daß y ¼ f ðxÞ die Funktionsgleichung ist, daß die Funktion den Definitionsbereich D und den Wertebereich W hat. y ¼ f ðxÞ ; &
f ðDÞ W R Eine Funktion besteht aus drei Teilen: der Zuordnungsvorschrift f , dem Definitionsbereich D und dem Wertebereich W. Zwei Funktionen sind genau dann gleich, wenn sowohl die Zuordnungsvorschriften als auch die Definitionsbereiche als auch die Wertebereiche u¨bereinstimmen. &
&
2.
D ¼ f1; 2; 3; 4; 5g; W ¼ f1; 2; 3; 4; . . . ; 24; 25g; f ð1Þ ¼ 1; f ð2Þ ¼ 4; f ð3Þ ¼ 9; f ð4Þ ¼ 16; f ð5Þ ¼ 25
3.
D ¼ f1; 2; 3; 4; 5g; W ¼ f1; 2; 3; 4; 5g; f ð1Þ ¼ 1; f ð2Þ ¼ 2; f ð3Þ ¼ 3; f ð4Þ ¼ 4; f ð5Þ ¼ 5 y ¼ f ðxÞ ¼ x þ 2; D ¼ R; W ¼ R
4.
Bemerkung: Man kann Abbildungen (Funktionen) auch allgemeiner als eine Zuordnung zwischen beliebigen Mengen (also nicht eingeschra¨nkt auf Zahlenmengen) definieren.
Beispiele: 1. y ¼ f ðxÞ ¼ x3 4x2 x þ 4; f : R ! R 2. y ¼ f ðxÞ ¼ x2 1; f : R ! R x3 3. y ¼ f ðxÞ ¼ 2 ; f : ½1; 1 ! R (also D ¼ ½1; 1; W ¼ R) x ffiffiffi 2 p 4. y ¼ f ðxÞ ¼ x; f : N ! R 8 < 1 falls x < 0 5. y ¼ f ðxÞ ¼ 0 falls x ¼ 0; f : R ! R : þ1 falls x > 0
Eine Funktion mit der Funktionsgleichung y ¼ f ðxÞ, deren Definitions- und Wertemenge nur reelle Zahlen enthalten, nennt man eine reelle Funktion einer reellen Variablen.
Beispiele: 1. y ¼ f ðxÞ ¼ 5x; D ¼ N; W ¼ N Die Zuordnungsvorschrift ist hier „5 mal“, das heißt, man muß jeden x-Wert mit 5 multiplizieren, um den zugeho¨rigen Funktionswert y zu erhalten. Fu¨r x ¼ 3 erha¨lt man zum Beispiel y ¼ f ð3Þ ¼ 5 3 ¼ 15. Sowohl der Definitionsbereich als auch der Wertebereich sind die natu¨rlichen Zahlen. Fu¨r die Bildmenge ergibt sich f ðDÞ ¼ f0; 5; 10; 15; 20; . . .g.
f :D!W
Beispiele: 6. y ¼ x2 ; D ¼ ð1; 1Þ; W ¼ ½0; 1Þ pffiffiffi 7. y ¼ x; D ¼ ½0; 1Þ; W ¼ ½0; 1Þ
Implizite Darstellung der Funktionsgleichung Die Darstellung einer Funktion in der Form Fðx; yÞ ¼ 0 heißt implizit, falls sich diese Gleichung eindeutig nach y auflo¨sen la¨ßt. Statt impliziter Darstellung der Funktion sagt man auch einfach nur implizite Funktion. &
Beispiel: 8. Fðx; yÞ ¼ x2 þ y2 1 ¼ 0; D ¼ ½1; 1; y 0 Es handelt sich hierbei um die obere Ha¨lfte des Einheitskreises mit dem Mittelpunkt im Koordinatenursprung (vgl. Abschnitt VII.3.1). Man beachte, daß mit x2 þ y2 1 ¼ 0 keine reelle Funktion definiert wird, denn die Zuordnung ist nicht eindeutig, da jedem Element des Definitionsbereichs zwei Werte zugeordnet werden (einer auf dem oberen Halbkreis und einer auf dem unteren Halbkreis).
77 Parameterdarstellung der Funktionsgleichung Die Darstellung einer Funktion in der Form x ¼ jðtÞ; y ¼ wðtÞ heißt Parameterdarstellung. Die Werte von x und y werden dabei jeweils als Funktion einer Hilfsvariablen t angegeben, die Parameter genannt wird. Die Funktionen jðtÞ und wðtÞ mu¨ssen denselben Definitionsbereich haben. &
Beispiele: 9. x ¼ 2t þ 5; y ¼ 8t þ 4; t 2 R Durch Elimination von t erha¨lt man 4x 20 ¼ y 4 ) y ¼ 4x 16, also eine Geradengleichung (in expliziter Form) (vgl. Abschnitt VII.2.1). 10. x ¼ jðtÞ; y ¼ wðtÞ mit x ¼ cos t; y ¼ sin t und 0 t p Hierbei handelt es sich um die obere Ha¨lfte des Einheitskreises mit dem Mittelpunkt im Koordinatenursprung, denn Quadrieren und Addieren ergibt
1.4 Wertetabelle einer Funktion Auch mittels einer Wertetabelle kann eine Funktion dargestellt werden. In einer Wertetabelle werden fu¨r einige ausgewa¨hlte Argumente x die geordneten Zahlenpaare ðx; yÞ ¼ ðx; f ðxÞÞ fu¨r eine Funktion y ¼ f ðxÞ eingetragen. Dabei mu¨ssen die ausgewa¨hlten Werte fu¨r x Elemente des Definitionsbereichs D der Funktion sein. Man stellt oftmals eine Wertetabelle auf, um den Graph einer Funktion zeichnen zu ko¨nnen. &
x2 þ y2 ¼ cos2 t þ sin2 t ¼ 1;
Beispiel: Wertetabelle fu¨r die Funktion y ¼ x2 4x þ 3; D ¼ R: x
5
4
3
2
1
0
1
2
y
2
3
6
7
6
3
2
9
und t durchla¨uft den ersten und den zweiten Quadranten (vgl. Abschnitt VI).
1.3 Graph einer Funktion
2 Verhalten von Funktionen
Eine Mo¨glichkeit der Funktionsdarstellung ist, den Graph der Funktion zu zeichnen. Der Graph einer Funktion f mit dem Definitionsbereich D ist das Bild, das man erha¨lt, wenn man die geordneten Zahlenpaare ðx; yÞ ¼ ðx; f ðxÞÞ mit x 2 D in ein Koordinatenkreuz eintra¨gt. Geordnet bedeutet, daß in ðx; yÞ die Reihenfolge von x und y wichtig ist: ðx; yÞ ist verschieden von ðy; xÞ (außer mo¨glicherweise in Sonderfa¨llen). In einem kartesischen Koordinatensystem (siehe Abschnitt VII.1) ist die waagerechte Achse die xAchse oder Abszissenachse, die senkrechte Achse ist die y-Achse oder Ordinatenachse. Die Zahl x ist die Abszisse und y die Ordinate eines Punktes ðx j yÞ mit den Koordinaten x und y. Statt Graph einer Funktion sagt man auch Schaubild oder Kurve der Funktion.
2.1 Monotone Funktionen
Bemerkung: Bei einem Zahlenpaar setzt man ein Komma oder ein Semikolon zwischen die beiden Komponenten: ðx; yÞ oder ðx; yÞ. Bei der Darstellung eines Punktes setzt man einen senkrechten Strich zwischen die beiden Koordinaten: ðx j yÞ. &
Beispiel: Graph der Funktion mit der Funktionsgleichung 2x þ 1 und dem Definitionsbereich D ¼ R:
y ¼ f ðxÞ ¼
y 4 2 1 1
2 x
–2 –3 –4 –5
monoton wachsend, wenn aus x1 < x2 f ðx1 Þ f ðx2 Þ folgt, streng monoton wachsend, wenn aus x1 stets f ðx1 Þ < f ðx2 Þ folgt, monoton fallend, wenn aus x1 < x2 f ðx1 Þ f ðx2 Þ folgt, streng monoton fallend, wenn aus x1 < x2 f ðx1 Þ > f ðx2 Þ folgt.
Bild V-1 Graph der Funktion mit der Gleichung y ¼ f ðxÞ ¼ 2x þ 1
stets < x2 stets stets
Dabei sind x1 ; x2 beliebige Punkte aus diesem Bereich B. &
Beispiele: 1. f ðxÞ ¼ 3x; D ¼ R ist streng monoton wachsend in D.
y 8 7 6 5 4 3 2 1 –8 –7 –6 –5 –4 –3 –2 –1
3
–3 –2 –1 0 –1
Eine Funktion mit der Gleichung y ¼ f ðxÞ heißt in einem bestimmten Bereich B (B ist eine Teilmenge des Definitionsbereichs D)
0 1 2 3 4 5 6 7 8 x –2 –3 –4 –5 –6 –7 –8
Bild V-2 Graph der Funktion mit der Gleichung f ðxÞ ¼ 3x
78
Mathematik 2.
f ðxÞ ¼ 3; D ¼ R ist in D monoton wachsend (und monoton fallend).
y 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2
y 7 6 5 4 2 1 –8 –7 –6 –5 –4 –3 –2 –1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 –2 –3
x
1 –3 –2 –1 0 1 2
Bild V-3 Graph der Funktion mit der Gleichung f ðxÞ ¼ 3 3.
Bild V-5 Graph der Funktion mit der Gleichung f ðxÞ ¼ 2x4 þ 1
f ðxÞ ¼ x2 ; D ¼ R ist in B1 ¼ fx j x 2 D und x 0g streng monoton fallend und in B2 ¼ fx j x 2 D und x 0g streng monoton wachsend.
y 10 9 8 7 6 5 4 3 2
y 5 4 3
1
2 1
–4
–3
–2
–1
0
1
2
3
4
x
–1
Bild V-4 Graph der Funktion mit der Gleichung f ðxÞ ¼ x2
2.2 Symmetrische Funktionen
–3 –2 –1 0 –2 –3 –4 –5 –6 –7 –8 –9 –10
2
y
6 5 4 3
Beispiele: 1. f ðxÞ ¼ 2x4 þ 1
2.
Wegen f ðxÞ ¼ 2ðxÞ4 þ 1 ¼ 2x4 þ 1 ¼ f ðxÞ ist y ¼ f ðxÞ symmetrisch zur y-Achse, also eine gerade Funktion. f ðxÞ ¼ 2x3 3x
3.
Wegen f ðxÞ ¼ 2ðxÞ3 3ðxÞ ¼ 2x3 þ 3x ¼ f ðxÞ ist y ¼ f ðxÞ symmetrisch zum Koordinatenursprung, also eine ungerade Funktion. f ðxÞ ¼ x2 x Wegen f ðxÞ ¼ ðxÞ2 ðxÞ ¼ x2 þ x; also f ðxÞ 6¼ f ðxÞ und f ðxÞ 6¼ f ðxÞ, ist y ¼ f ðxÞ weder eine gerade noch eine ungerade Funktion.
x
Bild V-6 Graph der Funktion mit der Gleichung f ðxÞ ¼ 2x3 3x
Der Graph einer Funktion mit der Gleichung y ¼ f ðxÞ ist symmetrisch zur y-Achse, wenn f ðxÞ ¼ f ðxÞ fu¨r alle x 2 D gilt. Eine solche Funktion heißt eine gerade Funktion. Der Graph einer Funktion y ¼ f ðxÞ ist symmetrisch zum Koordinatenursprung, wenn f ðxÞ ¼ f ðxÞ fu¨r alle x 2 D gilt. Eine solche Funktion heißt eine ungerade Funktion. &
x
2 1
–3
–2
–1
0
1
2
3
x
–1
Bild V-7 Graph der Funktion mit der Gleichung f ðxÞ ¼ x2 x
V Funktionen
79
2.3 Beschra¨nkte Funktionen
2.6 Bijektive Funktionen
Eine Funktion heißt nach oben beschra¨nkt, wenn ihre Funktionswerte eine bestimmte Zahl nicht u¨bertreffen, und nach unten beschra¨nkt, wenn ihre Funktionswerte nicht kleiner als eine bestimmte Zahl sind. Eine Funktion, die sowohl nach oben als auch nach unten beschra¨nkt ist, heißt beschra¨nkt. Bei einer beschra¨nkten Funktion y ¼ f ðxÞ existieren also reelle Zahlen a und b mit a < b, so daß gilt:
Eine Funktion heißt bijektiv, wenn sie sowohl injektiv als auch surjektiv ist. Bei einer bijektiven Funktion ist also die Bildmenge gleich dem Wertebereich, und jedes Bild besitzt genau ein Urbild. Ist y ¼ f ðxÞ; f : D ! W eine bijektive Funktion, so sind die Mengen D und W gleich ma¨chtig, das heißt, sie besitzen gleich viele Elemente. Die bijektiven Funktionen besitzen eine Umkehrfunktion.
.. a f ðxÞ b fur alle x 2 D &
Beispiele: 1. y ¼ 1 x2 ist nach oben beschra¨nkt, denn y 1. 2. y ¼ ex ist nach unten beschra¨nkt, denn y > 0. 4 3. y ¼ ist beschra¨nkt, denn 0 < y 4. 1 þ x2
2.4 Injektive Funktionen Eine Funktion heißt injektiv, wenn jedes Bild genau ein Urbild besitzt. Bei einer injektiven Funktion geho¨ren zu verschiedenen Argumenten also stets verschiedene Bilder. x1 6¼ x2 ) f ðx1 Þ ¼ 6 f ðx2 Þ &
Beispiele: Folgende Funktionen sind injektiv: 1. D ¼ f1; 2; 3; 4; 5g; W ¼ f1; 2; 3; 4; . . . ; 24; 25g; f ð1Þ ¼ 1; f ð2Þ ¼ 4; f ð3Þ ¼ 9; f ð4Þ ¼ 16; f ð5Þ ¼ 25 2. D ¼ f1; 2; 3; 4; 5g; W ¼ f1; 2; 3; 4; 5g; f ð1Þ ¼ 1; f ð2Þ ¼ 2; f ð3Þ ¼ 3; f ð4Þ ¼ 4; f ð5Þ ¼ 5 3. y ¼ f ðxÞ ¼ x þ 2; f : R ! R (also D ¼ W ¼ R) pffiffiffi 4. y ¼ f ðxÞ ¼ x; f : N ! R Folgende Funktionen sind nicht injektiv: 1. y ¼ f ðxÞ ¼ x3 4x2 x þ 4; f : R ! R 2. y ¼ f ðxÞ ¼ x2 1; f : R ! R x3 ; f : ½1; 1 ! R (also D ¼ ½1; 1; W ¼ R) 3. y ¼ f ðxÞ ¼ 2 x 2 8 < 1 falls x < 0 4. y ¼ f ðxÞ ¼ 0 falls x ¼ 0; f : R ! R : þ1 falls x > 0
2.5 Surjektive Funktionen Eine Funktion heißt surjektiv, wenn ihre Bildmenge gleich dem Wertebereich ist. f ðDÞ ¼ W &
Beispiele: Folgende Funktionen sind surjektiv: 1. D ¼ f1; 2; 3; 4; 5g; W ¼ f1; 2; 3; 4; 5g; f ð1Þ ¼ 1; f ð2Þ ¼ 2; f ð3Þ ¼ 3; f ð4Þ ¼ 4; f ð5Þ ¼ 5 2. y ¼ f ðxÞ ¼ x þ 2; f : R ! R 3. y ¼ f ðxÞ ¼ x3 4x2 x þ 4; f : R ! R Folgende Funktionen sind nicht surjektiv: 1. D ¼ f1; 2; 3; 4; 5g; W ¼ f1; 2; 3; 4; . . . ; 24; 25g; f ð1Þ ¼ 1; f ð2Þ ¼ 4; f ð3Þ ¼ 9; f ð4Þ ¼ 16; f ð5Þ ¼ 25 2. y ¼ f ðxÞ ¼ x2 1; f : R ! R x3 ; f : ½1; 1 ! R 3. y ¼ f ðxÞ ¼ 2 x ffiffiffi 2 p 4. y ¼ f ðxÞ ¼ x; f : N ! R 8 < 1 falls x < 0 5. y ¼ f ðxÞ ¼ 0 falls x ¼ 0; f : R ! R : þ1 falls x > 0
&
Beispiele: Folgende Funktionen sind bijektiv: 1. D ¼ f1; 2; 3; 4; 5g; W ¼ f1; 2; 3; 4; 5g; f ð1Þ ¼ 1; f ð2Þ ¼ 2; f ð3Þ ¼ 3; f ð4Þ ¼ 4; f ð5Þ ¼ 5 2. y ¼ f ðxÞ ¼ x þ 2; f : R ! R Folgende Funktionen sind nicht bijektiv: 1. D ¼ f1; 2; 3; 4; 5g; W ¼ f1; 2; 3; 4; . . . ; 24; 25g; f ð1Þ ¼ 1; f ð2Þ ¼ 4; f ð3Þ ¼ 9; f ð4Þ ¼ 16; f ð5Þ ¼ 25 2. y ¼ f ðxÞ ¼ x3 4x2 x þ 4; f : R ! R 3. y ¼ f ðxÞ ¼ x2 1; f : R ! R x3 4. y ¼ f ðxÞ ¼ 2 ; f : ½1; 1 ! R xpffiffiffi 2 5. y ¼ f ðxÞ ¼ x; f : N ! R 8 < 1 falls x < 0 6. y ¼ f ðxÞ ¼ 0 falls x ¼ 0; f : R ! R : þ1 falls x > 0
2.7 Periodische Funktionen Eine Funktion, deren Funktionsgleichung die Bedingung f ðx þ TÞ ¼ f ðxÞ erfu¨llt, wobei T eine Konstante (feste reelle Zahl) ist, heißt periodische Funktion. Die Gleichung f ðx þ TÞ ¼ f ðxÞ gilt fu¨r alle x aus dem Definitionsbereich. f ðx þ TÞ ¼ f ðxÞ Die kleinste positive Zahl T mit dieser Eigenschaft heißt die Periode der Funktion. Den absolut gro¨ßten Funktionswert nennt man Amplitude der periodischen Funktion. Beispiele fu¨r periodische Funktionen sind die trigonometrischen Funktionen (vgl. Kapitel VI).
2.8 Umkehrfunktionen Die Funktion, die durch Vertauschen von x und y aus einer bijektiven Funktion y ¼ f ðxÞ entsteht, heißt Umkehrfunktion oder inverse Funktion von y ¼ f ðxÞ. Bei einer bijektiven Funktion y ¼ f ðxÞ; f : D ! W ist jedes Element y 2 W Bild von genau einem Element x 2 D. Man kann eine neue Funktion definieren, die jedem y 2 W als Bild gerade das x 2 D zuordnet, das Urbild von y ist. Diese Funktion leistet das Umgekehrte wie f , ihr Definitionsbereich ist W, und ihr Wertebereich ist D. Man nennt diese Funktion daher die Umkehrfunktion von f und bezeichnet sie mit f 1 . y¼f
1
ðxÞ ;
f
1
:W!D
80
Mathematik
Versteht man unter der Schreibweise gðf ðxÞÞ, daß man auf x die Zuordnungsvorschrift f und dann auf f ðxÞ die Vorschrift g anwendet, so gilt f 1 ðf ðxÞÞ ¼ x und f ðf 1 ðxÞÞ ¼ x. Zu einer streng monoton wachsenden oder streng monoton fallenden Funktion existiert die Umkehrfunktion.
Beispiele: 1. y ¼ f ðxÞ ¼ 4x 1; D ¼ W ¼ R 1 1 Umkehrfunktion: y ¼ f 1 ðxÞ ¼ x þ ; D ¼ W ¼ R 4 4
y
–7 –6 –5 –4 –3 –2
y = 4x – 1
6 5 4 3 2 1
–2 –3 –4 –5 –6 –7
y ¼ f ðxÞ ¼ x2 ; D ¼ W ¼ fx j x 2 R; x 0g Umkehrfunktion: pffiffiffi y ¼ f 1 ðxÞ ¼ x; D ¼ W ¼ fx j x 2 R; x 0g
y= 2 x
y 4 3
y=
2
x
y=+
x
1 –2 –1
1 0
2
–2 –1
3
4 x
–1 –2
4.
2
3
4
5
6
7
x
Bild V-10 Graphen der Funktionen von Beispiel 3 und Beispiel 4
2.9 Reelle und komplexe Funktionen Eine Funktion mit der Funktionsgleichung y ¼ f ðxÞ, deren Definitions- und Wertebereich nur reelle Zahlen enthalten, nennt man eine reelle Funktion einer reellen Variablen. Beispiele: 1. y ¼ x2 ; D ¼ ð1; 1Þ; W ¼ ½0; 1Þ pffiffiffi 2. y ¼ x; D ¼ ½0; 1Þ; W ¼ ½0; 1Þ
Ist dagegen die unabha¨ngige Variable einer Funktionsgleichung eine komplexe Zahl z, dann wird durch w ¼ f ðzÞ eine komplexe Funktion einer komplexen Variablen beschrieben. Komplexe Funktionen werden in dem mathematischen Gebiet Funktionentheorie behandelt.
Eine elementare Funktion ist eine Funktion, deren Funktionsgleichung durch einen geschlossenen analytischen Ausdruck dargestellt werden kann. Elementare Funktionen sind durch Formeln definiert, die nur endlich viele mathematische Operationen mit der unabha¨ngigen Variablen x und den Koeffizienten enthalten. Man teilt die elementaren Funktionen in algebraische Funktionen und transzendente Funktionen ein. Bei elementaren Funktionen lassen sich die Verknu¨pfung der unabha¨ngigen Variablen x und der abha¨ngigen Variablen y in einer algebraischen Gleichung folgender Form darstellen, wobei p0 ; p1 ; . . . ; pn Polynome in x beliebigen Grades sind. p0 ðxÞ þ p1 ðxÞ y þ p2 ðxÞ y2 þ . . . þ pn ðxÞ yn ¼ 0
Bild V-9 Graphen der Funktionen von Beispiel 2 3.
1
3 Einteilung der elementaren Funktionen
Bild V-8 Graphen der Funktionen von Beispiel 1 2.
y = lnx
1 0
y = 0,25x + 0,25
x
y=
2
&
1 2 3 4 5 6
x y = log 2
3
1. Auflo¨sen von y ¼ f ðxÞ nach x: x ¼ f 1 ðyÞ 2. Vertauschen von x und y: y ¼ f 1 ðxÞ
&
y = 2x
4
Bestimmung der Umkehrfunktion:
Diesen Operationen entspricht die Spiegelung des Graphen der Funktion an der Winkelhalbierenden y ¼ x.
y = e2
5
x
y 6
y ¼ f ðxÞ ¼ ex ; D ¼ R; W ¼ Rþ Umkehrfunktion: y ¼ f 1 ðxÞ ¼ ln x; D ¼ Rþ ; W ¼ R y ¼ f ðxÞ ¼ 2x ; D ¼ R; W ¼ Rþ Umkehrfunktion: y ¼ f 1 ðxÞ ¼ log2 x; D ¼ Rþ ; W ¼ R
Elementare Funktionen, die nicht algebraisch sind, heißen transzendent. &
Beispiele fu¨r algebraische Funktionen: 1. 2. 3. 4.
y ¼ 3x2 þ 4 2x y¼ 3 x þ 2x 1 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi y ¼ 2x þ 3 3xy3 4xy þ x3 1 ¼ 0 (hier also p0 ðxÞ ¼ x3 1; p1 ðxÞ ¼ 4x; p2 ðxÞ ¼ 0; p3 ðxÞ ¼ 3x)
V Funktionen
81
Zu den transzendenten Funktionen geho¨ren zum Beispiel die Exponentialfunktionen, die Logarithmusfunktionen und die trigonometrischen Funktionen. &
Beispiele fu¨r transzendente Funktionen: 1. 2. 3 4.
y ¼ ex y ¼ sin x y ¼ ln x pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ln x þ sin x y¼ x2 þ 5
Die algebraischen Funktionen untergliedern sich in die rationalen Funktionen und in die irrationalen Funktionen. Eine rationale Funktion ist eine algebraische Funktion, fu¨r die die Funktionsgleichung y ¼ f ðxÞ als eine explizite Formel angegeben werden kann, in der auf die unabha¨ngige Variable x nur endlich viele rationale Rechenoperationen (Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division) angewandt werden. Eine algebraische Funktion, die nicht rational ist, heißt irrational. &
Konstante Funktionen Lineare Funktionen Quadratische Funktionen Kubische Funktionen
&
Beispiele fu¨r ganze rationale Funktionen: 1. y ¼ 23x4 12x þ 4 11 23 12 x 11x17 12x9 px6 pffiffiffi x 2 2. y ¼ 12 5 3. y ¼ 1 3x þ x6 2x2 4. y ¼ 7 (konstante Funktion) 5. y ¼ 3x 4p (lineare Funktion) 6. y ¼ x2 x þ 1 (quadratische Funktion) 7. y ¼ 4x3 2x þ 5 (kubische Funktion)
Gebrochene rationale Funktionen sind Funktionen mit einer Funktionsgleichung y ¼ f ðxÞ, bei der f ðxÞ als Quotient zweier Polynome darstellbar ist. Sie besitzen also eine Darstellung folgender Form mit a0 ; a1 ; . . . ; an ; b0 ; b1 ; . . . ; bm 2 R; an ; bm 6¼ 0; m 6¼ 0. y¼
Beispiele fu¨r rationale Funktionen: 1 y ¼ 3x3 4 2x2 3x þ 5 2. y ¼ 3 x þ 3x2 2
&
Beispiele fu¨r irrationale Funktionen: pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1. y ¼ 3x2 þ 4 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffi ffi 2. y ¼ 3 ðx2 þ 1Þ x
Fu¨r rationale Funktionen ist f ðxÞ ein Polynom (dann ist y ¼ f ðxÞ eine ganze rationale Funktion) oder ein Quotient aus Polynomen (dann heißt y ¼ f ðxÞ eine gebrochene rationale Funktion). Ganze rationale Funktionen lassen sich also darstellen in folgender Form mit a0 ; a1 ; a2 ; . . . ; an 1 ; an 2 R; an 6¼ 0; n 2 N. y ¼ an xn þ an 1 xn 1 þ . . . þ a2 x2 þ a1 x þ a0 n P ¼ ak xk k¼0
Ist n der Grad des Polynoms, so nennt man die Funktion ganze rationale Funktion n-ten Grades. Bei ganzen rationalen Funktionen werden auf die unabha¨ngige Variable x nur die Operationen Addition, Subtraktion und Multiplikation angewandt. Ganze rationale Funktionen vom Grad 0 (y ¼ a0 ) nennt man konstante Funktionen, vom Grad 1 (y ¼ a1 x þ a0 ) lineare Funktionen, vom Grad 2 (y ¼ a2 x2 þ a1 x þ a0 ) quadratische Funktionen und vom Grad 3 (y ¼ a3 x3 þ a2 x2 þ a1 x þ a0 ) kubische Funktionen.
an xn þ an 1 xn 1 þ . . . þ a2 x2 þ a1 x þ a0 bm xm þ bm 1 xm 1 þ . . . þ b2 x2 þ b1 x þ b0 n P
1.
Bei irrationalen Funktionen tritt die unabha¨ngige Variable auch unter einem Wurzelzeichen auf.
y ¼ a0 y ¼ a1 x þ a0 y ¼ a2 x2 þ a1 x þ a0 y ¼ a3 x3 þ a2 x2 þ a1 x þ a0
¼
i ¼0 m P k¼0
ai xi bk xk
Eine gebrochene rationale Funktion kann also immer als Quotient zweier ganzer rationaler Funktionen dargestellt werden. Bei gebrochenen rationalen Funktionen werden auf die unabha¨ngige Variable x nur die Grundrechenarten (also die Operationen Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division) angewandt. Die Definitionsmenge einer gebrochenen rationalen Funktion besteht aus denjenigen reellen Zahlen, fu¨r die der Nenner nicht Null wird. Fu¨r n < m heißt die Funktion echt gebrochene rationale Funktion, fu¨r n m heißt sie unecht gebrochene rationale Funktion. Gebrochene rationale Funktionen mit n ¼ 1 und a1 x þ a0 , heißen gebrochene lineare m ¼ 1, also y ¼ b1 x þ b0 Funktionen. &
Beispiele fu¨r gebrochene rationale Funktionen: 2 y¼ x 1 x4 22x3 þ x2 12 3 2. y ¼ x5 11x3 þ x þ 1 2x 3. y ¼ 3 x 5x2 2x þ 1 2x þ 4 (gebrochene lineare Funktion) 4. y ¼ x3 x5 2 5. y ¼ 2 x þ1 1 x3 þ x2 þ 1 ¼ 6. y ¼ x2 þ x þ x x 1.
Bei den ersten drei Beispielen handelt es sich um echt gebrochene rationale Funktionen, bei den letzten drei Beispielen um unecht gebrochene rationale Funktionen.
82
Mathematik
Zusammenfassende bersicht u¨ber die elementaren Funktionen
4.2 Lineare Funktionen Funktionen mit einer Funktionsgleichung y ¼ f ðxÞ ¼ mx þ n ðm; n 2 R; m 6¼ 0Þ Eine lineare Funktion ist eine ganze rationale Funktion 1. Grades. Der Graph einer linearen Funktion ist eine Gerade (daher der Name lineare Funktion), und zwar die Gerade mit der Steigung m und dem Achsenabschnitt n auf der y-Achse (vgl. Abschnitt VII.2.1). Die Steigung m einer Geraden ist der „Ho¨henzuwachs“ (die Differenz der y-Werte) bei einem Schritt um 1 nach rechts. Der Achsenabschnitt n ist der y-Wert, bei dem die Gerade die y-Achse schneidet. Fu¨r m > 0 ist die Funktion streng monoton wachsend, fu¨r m < 0 ist sie streng monoton fallend. Schnittpunkt des Graphen der Funktion mit der ! n 0 , Schnittpunkt mit der y -Achse: x-Achse: Sx m Sy ð0 j nÞ.
4 Ganze rationale Funktionen 4.1 Konstante Funktionen
&
Funktionen mit einer Funktionsgleichung
Der Graph einer konstanten Funktion ist eine Parallele zur x-Achse, und zwar im Abstand n. Im Fall n ¼ 0 ist die Gerade die x-Achse selbst. Die Geradengleichung der x-Achse ist also y ¼ 0. Um den Graph einer Funktion zu zeichnen, ist es sinnvoll, sich die Koordinaten von Punkten des Graphen in einer Wertetabelle aufzuschreiben. Da eine Gerade durch zwei auf ihr liegende Punkte festgelegt ist, reicht es im Prinzip, bei Geraden die Koordinaten von zwei Punkten zu berechnen.
0
1
y
2
2
2
0
2
4
1
2
3
4
y= 1 m= 2
1 x+2 2
1 1 n=2
–4 –3
–2
–1
0
1
2
x
3
Bild V-12 Graph der linearen Funktion 1 y¼ xþ2 2 Ist n ¼ 0, so nennt man die lineare Funktion y ¼ mx ðm 2 R; m 6¼ 0Þ auch Proportionalfunktion. Der Graph einer Proportionalfunktion ist eine Gerade durch den Koordinatenursprung, und zwar mit der Steigung m. Man nennt m auch den Proportionalita¨tsfaktor der y Gleichung, denn es gilt m ¼ : x
y=2 1 2
2
0
2
3 2
1
4
1
3
y
–3 –2 –1 0 –1
6
y
4
Wertetabelle: 1
x
y
Beispiel: Funktionsgleichung: y ¼ f ðxÞ ¼ 2
x
1 xþ2 2
Wertetabelle:
y ¼ f ðxÞ ¼ n ðn 2 RÞ
&
Beispiel: Funktionsgleichung: y ¼ f ðxÞ ¼
3
x
&
Bild V-11 Graph der konstanten Funktion y ¼ 2
Beispiel: 1 Funktionsgleichung: y ¼ f ðxÞ ¼ x 2 Wertetabelle:
x
3
y
3 ¼ 1;5 2
2
1
1
1 ¼ 0;5 2
0
1
0
1 ¼ 0;5 2
2
3
1
3 ¼ 1;5 2
V Funktionen
83 Δs in km 2400
y 3 1 y= x 2
1 0,5
0 –3
–2
–1
1
2
3
4
1600 1200 800
x
400 0
–1 –2
Anwendungsbeispiele: 1. Hookesches Gesetz Funktionsgleichung: F ¼ c Dl (statt y ¼ mx) Dabei bedeuten: F Federkraft, c Federkonstante (Federrate, Federsteifigkeit), Dl La¨ngenvera¨nderung der Feder &
Beispiel (vgl. Abschnitt II.4): Welche Kraft F dehnt eine Feder um 4 cm, wenn die Kraft 3 N (Newton) eine Dehnung um 2 cm bewirkt? c¼
3N N ¼ 1;5 ; 2 cm cm
F in N 6
Bild V-15 Geschwindigkeit im Weg-ZeitDiagramm 3.
Gay-Lussacsches Gesetz Funktionsgleichung: V ¼ V0 ð1 þ gdÞ oder V ¼ V0 gd þ V0 (statt y ¼ mx þ n) Dabei bedeuten: V variables Gasvolumen, V0 Volumen derselben Gasmenge 1 konstanter Volumenausdehnungskoeffibei 0 C, g ¼ 273 zient, d Maßzahl der in C gemessenen variablen Temperatur Ein Vergleich mit der linearen Funktion ergibt: V ¼ y; V0 g ¼
&
Beispiel: Im Winderhitzer eines Hochofens werden stu¨ndlich 42 000 m3 Luft von 17 C auf 800 C erwa¨rmt. Wie groß ist das Volumen der vom Winderhitzer pro Stunde gelieferten erhitzten Luft?
1 1 ¼ 42 000 m3 1 1 þ gd1 17 1þ 273 ¼ 39 537;9310 . . . m3
V0 ¼ V1
4 3
Anschließend Berechnung des gesuchten V2 : 1 800 V2 ¼ V0 ð1 þ gd2 Þ ¼ 39 537; 9310 . . . m3 1 þ 273 ¼ 155 400 m3
2 1 0
c 1
2
–1
3
4
5
Antwort: Das Volumen betra¨gt 155 400 m3 .
Δl in cm
Wertetabelle:
Bild V-14 Hookesches Gesetz
u –273
Anmerkung: Es muß sichergestellt sein, daß sich die Werte im materialbedingten Gu¨ltigkeitsbereich des Hookeschen Gesetzes bewegen. Geschwindigkeit im Weg-Zeit-Diagramm Funktionsgleichung: Ds ¼ v Dt (statt y ¼ mx) Dabei bedeuten: Ds zuru¨ckgelegter Weg, v Geschwindigkeit, Dt abgelaufene Zeit &
V0 ¼ m; d ¼ x; V0 ¼ b 273
Lo¨sung: Die Gleichung V ¼ V0 ð1 þ gdÞ wird zweimal benutzt. Zuerst Berechnung von V0 :
F = cΔl
5
2.
Δt in 1000 s
Der Definitionsbereich ist gegeben durch die Bedingung 273 d < 1.
Dl ¼ 4 cm
Einsetzen in die Funktionsgleichung: N F ¼ 1;5 4 cm ¼ 6 N cm Antwort: Die Kraft 6 N bewirkt die Dehnung um 4 cm.
–1
v 1 2 3 4 5 6 7 8 910
Bild V-13 Graph der Proportionalfunktion 1 y¼ x 2 &
Δs = vΔt
2000
2
0 100 200 273
V
0
V0 373 V 273 0 473 V 273 0
V in m3 100V0g = 100 V0 273
2 V0 100
Beispiel (vgl. Abschnitt II.4): 1 Stunden, wenn es Wie weit kommt ein Flugzeug in 2 2 10 km in 45 s zuru¨cklegt? v¼
10 000 m m ¼ 222;2 ; 45 s s
Dt ¼ 2;5 h
3600 s ¼ 9000 s h
Einsetzen in die Funktionsgleichung: Ds ¼
V0 V= V0(1 + gu)
10 000 m 9000 s ¼ 2000 km 45 s
Antwort: Das Flugzeug fliegt 2000 km weit.
–273
0
100
Bild V-16 Gay-Lussacsches Gesetz
200 u in °C
84
Mathematik
4.3 Quadratische Funktionen Funktionen mit einer Funktionsgleichung y ¼ f ðxÞ ¼ a2 x2 þ a1 x þ a0 ða2 ; a1 ; a0 2 R; a2 6¼ 0Þ Eine quadratische Funktion ist eine ganze rationale Funktion 2. Grades. Der Graph jeder quadratischen Funktion ist eine Parabel (vgl. auch Abschnitt VII.5.3). Fu¨r spezielle Koeffizienten a2 ; a1 ; a0 in der Funktionsgleichung erha¨lt man spezielle Parabeln. Normalparabel Mit den Koeffizienten a2 ¼ 1; a1 ¼ 0; a0 ¼ 0 in der Gleichung y ¼ a2 x2 þ a1 x þ a0 der quadratischen Funktion erha¨lt man die Gleichung y ¼ x2 der Normalparabel. y ¼ x2
Normalparabel
Der Punkt ð0 j 0Þ, also der Koordinatenursprung, ist der Scheitelpunkt der Normalparabel. Die Normalparabel ist symmetrisch zur y-Achse und nach oben geo¨ffnet. Der Definitionsbereich ist D ¼ R, der Wertebereich ist W ¼ R, und die Bildmenge f ðDÞ ist die Menge der nichtnegativen reellen Zahlen: f ðDÞ ¼ Rþ 0 ¼ Rþ [ f0g. y 9
Durch quadratische Erga¨nzung erha¨lt man y a0 a 2 a 2 a21 1 1 2 ¼ þ ¼ x þ a1 x þ , woraus y a0 2 4 2a 2 1 folgt. xþ 2 Die rechte Gleichungsseite und damit auch die linke ist 0. Der kleinste y-Wert ergibt sich, wenn beide a2 Gleichungsseiten gleich 0 sind, also fu¨r y ¼ a0 1 . 4 Dies ist der Wert der Ordinate des Scheitelpunkts. a1 gleich Die rechte Gleichungsseite wird fu¨r x ¼ 2 0, dem Wert der Abszisse des Scheitelpunkts. Man erha¨lt somit als Scheitelpunkt der verschobenen Normalparabel SðxS j yS Þ ¼ S
! a1 a2 a0 1 2 4
Berechnung des Schnittpunkts Sy der verschobenen Normalparabel mit der y-Achse: Die Ordinate des Schnittpunkts mit der y-Achse ergibt sich, wenn man in der Funktionsgleichung x ¼ 0 setzt: y ¼ 0 þ 0 þ a0 ¼ a0 . Somit ist Sy ¼ Sy ð0 j a0 Þ. Berechnung der Schnittpunkte Sx1 und Sx2 der verschobenen Normalparabel mit der x-Achse: Die Abszissen der Schnittpunkte mit der x-Achse erha¨lt man, wenn man in der Funktionsgleichung y ¼ 0 setzt: 0 ¼ x2 þ a1 x þ a0 . Dies ist eine quadratische Gleichung in x, deren Nullstellen bestimmt werden mu¨ssen: x1; 2 ¼
a1 2
rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ffi a 2 1 a0 : 2
8
Die Schnittpunkte mit der x-Achse lauten also:
7 6
0
y = x2
5
a1 Sx1 ¼ Sx1 @ þ 2
4 3
0
2 1 –3 –2 –1
0 1
2
3
x
Bild V-17 Normalparabel
Verschobene Normalparabel Mit a2 ¼ 1 und beliebigen Werten fu¨r a1 und a0 (aber nicht beide gleich 0) in y ¼ a2 x2 þ a1 x þ a0 ergibt sich die Gleichung y ¼ x2 þ a1 x þ a0 einer verschobenen Normalparabel. Verschobene Normalparabel
y ¼ x2 þ a1 x þ a0
Eine verschobene Normalparabel hat dieselbe Form wie die Normalparabel, der Scheitelpunkt liegt jedoch nicht im Koordinatenursprung. Berechnung des Scheitelpunkts S der verschobenen Normalparabel mit der Gleichung y ¼ x2 þ a1 x þ a0 : Subtraktion von a0 ergibt y a0 ¼ x2 þ a1 x.
a1 Sx2 ¼ Sx2 @ 2
&
sffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 a21 a0 0A; 4 sffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 a21 a0 0A 4
Beispiele: 1.
y ¼ x2 x 1 (also a1 ¼ 1 und a0 ¼ 1) a21 ð1Þ2 1 ¼ ¼ ergibt sich 4 4 4 ! 1 1 ¼S Scheitelpunkt: S ¼ S 1 2 4
Wegen
1 2
! 5 4
Schnittpunkt mit der y-Achse: Sy ¼ Sy ð0 j 1Þ Schnittpunkte mit der x-Achse: rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ! 1 1 Sx1 ¼ Sx1 þ þ 1 0 ¼ Sx1 2 4
! pffiffiffi 1 ð1 þ 5Þ 0 2
¼ Sx1 ð1;6180 . . . j 0Þ ; Sx2 ¼ Sx2
1 2
rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ! 1 þ 1 0 ¼ Sx2 4
¼ Sx2 ð0; 6180 . . . j 0Þ
! pffiffiffi 1 ð1 5Þ 0 2
V Funktionen
85
y 8
–3
–2
–1
0
1
2
3 x
7
–1
6
–2
5 –3
4
y = x2 – x – 1
3
–4
2
–5
1 S x2
–6
S x1
–3 –2 –1 0 S 1 y –1 S –2
y = –x2
2
4 x
3
–7 –8 y
Bild V-18 Verschobene Normalparabel 2.
y ¼ x2 4x (also a1 ¼ 4 und a0 ¼ 0) a2 ð4Þ2 Es ergibt sich 1 ¼ ¼ 4. Damit berechnet man den 4 4 Scheitelpunkt: ! 4 S¼S 4 ¼ Sð2 j 4Þ 2 Schnittpunkt mit der y-Achse: Sy ¼ Sy ð0 j 0Þ Schnittpunktep mit der x-Achse: ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi Sx1 ¼ Sx1 ð2 þ 4 0 j 0Þ ¼ Sx1 ð4 j 0Þ; Sx2 ¼ Sx2 ð2 2 j 0Þ ¼ Sx2 ð0 j 0Þ Die Parabel geht durch den Koordinatenursprung, deshalb fa¨llt der Schnittpunkt mit der y-Achse mit dem einen Schnittpunkt mit der x-Achse zusammen.
y 6 5 4 3
y = x2 – 4 x
2 1
S x2 = S y –2 –1 0 –1
1
S x1 2
3
4
5
6
x
–2 –3 –4
Bild V-19 Verschobene Normalparabel Gespiegelte Normalparabel Mit den Koeffizienten a2 ¼ 1; a1 ¼ 0; a0 ¼ 0 in y ¼ a2 x2 þ a1 x þ a0 ergibt sich die Gleichung y ¼ x2 der gespiegelten Normalparabel. Gespiegelte Normalparabel
y ¼ x2
Die gespiegelte Normalparabel entsteht aus der Normalparabel durch Spiegelung an der x-Achse. Der Punkt ð0 j 0Þ ist der Scheitelpunkt der gespiegelten Normalparabel. Sie ist symmetrisch zur y-Achse und nach unten geo¨ffnet.
Bild V-20 Gespiegelte Normalparabel Gespiegelte verschobene Normalparabel Mit a2 ¼ 1 und beliebigen Werten fu¨r a1 und a0 (aber nicht beide gleich 0) ergibt sich die Gleichung y ¼ x2 þ a1 x þ a0 einer gespiegelten verschobenen Normalparabel. Gespiegelte verschobene Normalparabel y ¼ x2 þ a1 x þ a0 Berechnung des Scheitelpunkts S: Subtraktion von a0 : y a0 ¼ x2 þ a1 x a 2 1 : Subtraktion von 2 a 2 a 2 1 1 ¼ x2 þ a1 x y a0 2 2 Zusammenfassen auf der linken Seite des Gleichheitszeichens und Ausklammern von 1 auf der rechten Seite: a 2 a 2 1 1 ¼ x2 a1 x þ y a0 þ 2 2 Anwenden der zweiten binomischen Formel auf der rechten Seite: a2 a1 2 y a0 þ 1 ¼ x 4 2 Die rechte Gleichungsseite und damit auch die linke ist 0. Der gro¨ßte y-Wert ergibt sich, wenn beide a2 Gleichungsseiten gleich 0 sind, also fu¨r y ¼ a0 þ 1 . 4 Dies ist der Wert der Ordinate des Scheitelpunkts. a1 gleich 0, Die rechte Gleichungsseite wird fu¨r x ¼ 2 dem Wert der Abszisse des Scheitelpunkts. Somit ergibt sich fu¨r den Scheitelpunkt der gespiegelten verschobenen Normalparabel ! a2 a1 SðxS j yS Þ ¼ S a0 þ 1 2 4 Berechnung des Schnittpunkts Sy mit der y-Achse: Durch Einsetzen von x ¼ 0 in die Funktionsgleichung erha¨lt man y ¼ a0 als Ordinate des Schnittpunkts und als Schnittpunkt somit Sy ¼ Sy ð0 j a0 Þ.
86
Mathematik
Berechnung der Schnittpunkte Sx1 und Sx2 mit der x-Achse: Durch Einsetzen von y ¼ 0 in die Funktionsgleichung ergibt sich 0 ¼ x2 þ a1 x þ a0 und nach Multiplikation der Gleichung mit 1 die quadra2 tische Gleichungrxffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi a1 x ffi a0 ¼ 0, die die Lo¨suna 2 a1 1 þa0 hat. Die Schnittpunkte gen x1; 2 ¼ 2 2 mit der x-Achse lauten somit: 0 sffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 a21 a 1 þ a0 0A ; Sx1 ¼ Sx1 @ þ 2 4 0 sffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 a21 a 1 Sx2 ¼ Sx2 @ þ a0 0A 2 4 &
Beispiel: 3. y ¼ x2 4x þ 3 (also a1 ¼ 4 und a0 ¼ 3) a2 ð4Þ2 ¼4 Man berechnet 1 ¼ 4 4 Scheitelpunkt: S ¼ Sð2 j 3 þ 4Þ ¼ Sð2 j 7Þ Schnittpunkt mit der y-Achse: Sy ¼ Sy ð0 j 3Þ Schnittpunkte mit der x-Achse: pffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi Sx1 ¼ Sx1ð2 þ 4 þ 3 j 0Þ ¼ Sx1ð2 þ 7 j 0Þ ¼ Sx1ð0;6457p. ffiffi.ffi. j 0Þ, Sx2 ¼ Sx2ð2 7 j 0Þ ¼ Sx2ð4;6457 . . . j 0Þ
y S
7 6
Ausklammern auf der rechten Seite: von a2 a1 2 y a0 ¼ a2 x þ x a2 Quadratische Erga¨nzung in der Klammer auf der a2 rechten Seite, also Addition von 1 auf beiden Sei4a2 ten der Gleichung: ! a21 a1 a1 2 2 y a0 þ ¼ a2 x þ x þ 4a2 a2 2a2 Anwenden der ersten binomischen Formel auf der rechten Seite: a2 a1 2 y a0 1 ¼ a2 x þ 4a2 2a2 Hieraus liest man die Koordinaten des Scheitelpunkts ab, na¨mlich diejenigen Werte fu¨r x und y, fu¨r die beide Seiten der Gleichung gleich 0 werden: a1 a2 ; yS ¼ a0 1 2a2 4a2 Scheitelpunkt S der Parabel: ! a1 a21 SðxS j yS Þ ¼ S a0 2a2 4a2 xS ¼
Man nennt die Gleichung y yS ¼ a2 ðx xS Þ2 Scheitelform der quadratischen Funktion, wohingegen y ¼ a2 x2 þ a1 x þ a0 Normalform der quadratischen Funktion heißt. Scheitelform der quadratischen Funktion
5 4
y yS ¼ a2 ðx xS Þ2
3 Sy
y= –x2–4x + 3 2
1 –5 –4 –3 –2 –1 0 1 S x1 S x2 –1
2 x
–2
Bild V-21 Gespiegelte verschobene Normalparabel Allgemeiner Fall Parabel
y ¼ a2 x2 þ a1 x þ a0
Fu¨r a2 > 0 ist die Parabel nach oben, fu¨r a2 < 0 nach unten geo¨ffnet. Fu¨r ja2 j > 1 ist die Parabel im Vergleich zur Normalparabel gestreckt und fu¨r ja2 j < 1 gestaucht. Man nennt ja2 j deshalb den Streckungsfaktor der Parabel. Eine nderung des Koeffizienten a1 bewirkt eine Verschiebung der Parabel in x-Richtung, eine nderung von a0 bewirkt eine Verschiebung in y-Richtung. Berechnung des Scheitelpunkts S: Subtraktion von a0 : y a0 ¼ a2 x2 þ a1 x
Berechnung des Schnittpunkts Sy mit der y-Achse: Setzt man in der Funktionsgleichung x ¼ 0 ein, so erha¨lt man y ¼ a0 als Ordinate des Schnittpunkts Sy und als Schnittpunkt somit Sy ¼ Sy ð0 j a0 Þ. Der Wert D ¼ a21 4a2 a0 heißt Diskriminante der quadratischen Funktion y ¼ a2 x2 þ a1 x þ a0 . Gilt D > 0, so hat die zugeho¨rige Parabel zwei Schnittpunkte mit der x-Achse. Fu¨r D ¼ 0 gibt es einen Schnittpunkt (der Schnittpunkt ist dann ein Beru¨hrpunkt). Fu¨r D < 0 gibt es keinen Schnittpunkt mit der x-Achse. Berechnung des Schnittpunkts (fu¨r D ¼ 0) bzw. der Schnittpunkte (fu¨r D > 0) der Parabel mit der x-Achse: Durch Einsetzen von y ¼ 0 in die Funktionsgleichung y ¼ a2 x2 þ a1 x þ a0 erha¨lt man die quadratische Gleichung a2 x2 þ a1 x þ a0 ¼ 0, die die Lo¨sun qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 a1 a21 4a2 a0 hat. Daraus gen x1; 2 ¼ 2a2 ergeben sich die Schnittpunkte mit der x-Achse: ! qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 2 a1 þ a1 4a2 a0 0 ; Sx1 2a2 ! qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 a1 a21 4a2 a0 0 : Sx2 2a2
V Funktionen &
87
Beispiele: 4. y ¼ 4x2 (also a2 ¼ 4; a1 ¼ a0 ¼ 0) Wegen ja2 j ¼ j4j ¼ 4 > 1 ist die Parabel im Vergleich zur Normalparabel gestreckt, und wegen a2 ¼ 4 > 0 ist die Parabel nach oben geo¨ffnet. Aus a1 ¼ a0 ¼ 0 folgt S ¼ Sð0 j 0Þ und S ¼ Sx ¼ Sy .
4.4 Kubische Funktionen Funktionen mit einer Funktionsgleichung y ¼ f ðxÞ ¼ a3 x3 þ a2 x2 þ a1 x þ a0 ða3 ; a2 ; a1 ; a0 2 R; a3 6¼ 0Þ
y
8 7 6 y =4x2
5 4 3 2 1
–2
0
–1
1
2
x
Bild V-22 Parabel 5.
y ¼ 3x2 þ 1;2x 1;5 (also a2 ¼ 3; a1 ¼ 1;2; a0 ¼ 1;5) Aus ja2 j ¼ j3j ¼ 3 > 1 folgt, daß die Parabel im Vergleich zur Normalparabel gestreckt ist. Wegen a2 ¼ 3 < 0 ist die Parabel nach unten geo¨ffnet. Berechnung des Scheitelpunkts S: ! 1;2 ð1;2Þ2 SðxS j yS Þ ¼ S 1;5 2 ð3Þ 4 ð3Þ ! 1;2 1;44 ¼S 1;5 þ 6 12 ¼ Sð0;2 j 1;5 þ 0;12Þ ¼ Sð0;2 j 1;38Þ Scheitelform der Parabelgleichung: y þ 1;38 ¼ 3ðx 0;2Þ2 Berechnung des Schnittpunkts Sy mit der y-Achse: Sy ¼ Sy ð0 j 1;5Þ
Eine kubische Funktion ist eine ganze rationale Funktion 3. Grades. Der Graph einer kubischen Funktion ist eine kubische Parabel. Das Verhalten der Funktion ha¨ngt wesentlich von dem Koeffizienten a3 und der Diskriminante D ¼ 3a3 a1 a22 ab. Wenn D 0 ist, dann ist die Funktion fu¨r a3 > 0 monoton wachsend und fu¨r a3 < 0 monoton fallend (vgl. Abschnitt V.2.1). Fu¨r D < 0 besitzt die Funktion ein Maximum und ein Minimum (siehe Abschnitt VIII.4.10). Fu¨r a3 > 0 ist die Funktion dann von 1 bis zum Maximum monoton wachsend, monoton fallend vom Maximum bis zum Minimum und danach bis þ1 wieder monoton wachsend. Fu¨r a3 < 0 (und D < 0) ist die Funktion von 1 bis zum Minimum monoton fallend, vom Minimum bis zum Maximum monoton wachsend und danach bis þ1 wieder monoton fallend. Es gibt ein, zwei (dann ist ein Schnittpunkt ein Beru¨hrpunkt) oder drei Schnittpunkte mit der x-Achse (abha¨ngig von den Koeffizienten a3 ; a2 ; a1 ; a0 ). Der Schnittpunkt mit der y-Achse ist Sy ð0 j a0 Þ. Spezialfa¨lle: Kubische Normalparabel Mit den Koeffizienten a3 ¼ 1; a2 ¼ 0; a1 ¼ 0; a0 ¼ 0 ergibt sich die kubische Normalparabel y ¼ x3 . Sie schneidet sowohl die x- als auch die y-Achse im Ursprung. Kubische Normalparabel
y ¼ x3
Berechnung der Diskriminante D: D ¼ a21 4a2 a0 ¼ ð1;2Þ2 4 ð3Þ ð1;5Þ ¼ 16;56. Wegen D < 0 gibt es keinen Schnittpunkt mit der x-Achse.
y 1 –2
–1 Sy
0
1 –1 S
2
3
x
–2
Gespiegelte kubische Normalparabel Mit den Koeffizienten a3 ¼ 1; a2 ¼ 0; a1 ¼ 0; a0 ¼ 0 erha¨lt man die gespiegelte kubische Normalparabel y ¼ x3 . Gespiegelte kubische Normalparabel &
Beispiele: 1.
y ¼ x3
–4
2.
y¼
–5
3.
y¼
–3
–6
Bild V-23 Parabel
y = –3x 2 + 1,2x – 1,5
1 3 x 2
1 3 x x 4
y ¼ x3
88
Mathematik Dabei bedeutet zum Beispiel x ! 1, daß x sich 1 na¨hert. Ist von den Koeffizienten in der Funktionsgleichung nur an 6¼ 0, gilt also a0 ¼ a1 ¼ a2 ¼ . . . ¼ an 2 ¼ an 1 ¼ 0, dann nennt man die Funktion Potenzfunktion.
y
y = x3
1
Potenzfunktionen –1
–2
0
2 x
1
ðn 2 N*; an 2 R; an 6¼ 0Þ
y ¼ an xn –1 1
–1
–2
0
1
–1 1
2 x y = – 1 x3 2
S x3
S x2
–1
–2
0
1
2 x y = 1 x3 – x 4
–1
Bild V-24 Graphen der kubischen Funktionen 1 1 y ¼ x3 , y ¼ x3 und y ¼ x3 x 2 4
4.5 Ganze rationale Funktionen n-ten Grades
Die Graphen der Potenzfunktionen heißen fu¨r n 2 Parabeln n-ter Ordnung. Der Definitionsbereich der Potenzfunktionen ist D ¼ R. Fu¨r die Bildmenge gilt f ðDÞ ¼ fz j z 2 R; z 0g fu¨r gerade n 2 und an > 0, f ðDÞ ¼ fz j z 2 R; z 0g fu¨r gerade n 2 und an < 0 und f ðDÞ ¼ R fu¨r ungerade n. Die Kurve der Funktion y ¼ axn ist im Vergleich zur Kurve der Funktion y ¼ xn fu¨r jaj < 1 gestaucht, fu¨r jaj > 1 gestreckt und fu¨r a < 0 an der x-Achse gespiegelt. &
Beispiele: 1. y ¼ x2 und y ¼ x4 Die Graphen dieser Funktionen sind Parabeln 2. bzw. 4. Ordnung.
y 6
Funktionen mit einer Funktionsgleichung folgender Art, wobei a0 ; a1 ; a2 ; . . . ; an 1 ; an 2 R; an 6¼ 0; n 2 N. y ¼ an x þ an 1 x n P ¼ ak xk n
n1
y = x4 y = x2
5
þ . . . þ a2 x þ a1 x þ a0
4
2
3 2
k¼0
1
Die rechte Seite der Gleichung heißt auch Polynom n-ten Grades. Der Graph einer ganzen rationalen Funktion n-ten Grades ist eine zusammenha¨ngende Kurve, die von links aus dem Unendlichen kommt und nach rechts im Unendlichen verschwindet. Dabei ha¨ngt der Kurvenverlauf ganz wesentlich vom Grad n der Funktion und vom Vorzeichen von an ab. Es gilt:
0 1
–3 –2 –1
Bild V-25 Parabeln 2. und 4. Ordnung 2.
y ¼ x3 und y ¼ x5 Die Graphen dieser Funktionen sind Parabeln 3. bzw. 5. Ordnung.
n gerade ðn ¼ 2; 4; 6; . . .Þ und an > 0 : x ! 1 ) y ! þ1 x ! þ1 ) y ! þ1
y 4
n gerade ðn ¼ 2; 4; 6; . . .Þ und an < 0 : x ! 1 ) y ! 1 x ! þ1 ) y ! 1
2
n ungerade ðn ¼ 1; 3; 5; . . .Þ und an > 0 : x ! 1 ) y ! 1 x ! þ1 ) y ! þ1 n ungerade ðn ¼ 1; 3; 5; . . .Þ und an < 0 : x ! 1 ) y ! þ1 x ! þ1 ) y ! 1
3 x
2
y = x5
3
y = x3
1 –2
–1
0 –1
1
2
x
–2 –3 –4
Bild V-26 Parabeln 3. und 5. Ordnung
V Funktionen 3.
89
1 6 1 5 17 4 1 3 16 2 1 12 x þ x x x þ x þ x 100 100 100 20 25 25 25 Das Polynom der rechten Seite la¨ßt sich umformen: 1 6 1 5 17 4 1 3 16 2 1 12 x þ x x x þ x þ x 100 100 100 20 25 25 25 1 2 2 2 ¼ ðx 1Þ ðx 4Þ ðx þ x 12Þ 100 Da ein Produkt genau dann gleich 0 ist, wenn mindestens einer der Faktoren gleich 0 ist, erha¨lt man als Nullstellen der gegebenen Funktion die Lo¨sungen der drei quadratischen Gleichungen x2 1 ¼ 0, x2 4 ¼ 0 und x2 þ x 12 ¼ 0: x1 ¼ 1; x2 ¼ 1; x3 ¼ 2; x4 ¼ 2; x5 ¼ 3; x6 ¼ 4 Die Nullstellen sind die Abszissen der Schnittpunkte des Graphen der Funktion mit der x-Achse. Weil eine algebraische Gleichung n-ten Grades ho¨chstens n reelle Wurzeln besitzt, hat die Kurve fu¨r den gegebenen Grad die Ho¨chstzahl an Schnittpunkten mit der x-Achse, na¨mlich n ¼ 6. 1 > 0 und n ¼ 6 geradzahlig ist, kommt die Kurve Da an ¼ 100 von links aus dem Positiv-Unendlichen und geht nach rechts ins Positiv-Unendliche. Zur Berechnung des Schnittpunkts Sy mit der y-Achse setzt 12 man in der Funktionsgleichung x ¼ 0 ein und erha¨lt y ¼ 25 als Ordinate des Schnittpunkts und damit als Schnittpunkt mit der y-Achse: ! 12 Sy ¼ Sy 0 25 y¼
y
1
S x2 S x1 S x3 –2 –1 0 1 2 –1
S x4 –3
S x5 3
x
–2
Bild V-27 Graph der Funktion zu der Gleichung aus Beispiel 3
Das Horner-Schema ist ein Verfahren zur Berechnung von Funktionswerten ganzer rationaler Funktionen. Ist eine Funktion f ðxÞ ¼ an xn þ an 1 xn 1 þ . . . þ a2 x2 n P þ a1 x þ a0 ¼ ak xk gegeben und der Funktionsk¼0
wert an der Stelle x0 gesucht, so dividiert man das n P Polynom ak xk durch ðx x0 Þ: k¼0
n1
ðan x þ an 1 x
an 1 an x0
an 2 c1 x0
... ...
a1 cn 2 x0
a0 cn 1 x0
an
c1
c2
...
cn 1
cn
Beispiel: f ðxÞ ¼ 2x4 8x3 þ 2x2 þ 28x 48 Gesucht ist f ð3Þ, also der Funktionswert an der Stelle x0 ¼ 3. Horner-Schema: 2
þ
8 2 6 42 ð¼ 2 ð3ÞÞ ð¼ ð14Þ ð3ÞÞ 14
2
28 48 132 312 ð¼ 44 ð3ÞÞ ð¼ ð104Þ ð3ÞÞ
44
104
264
Es gilt also f ð3Þ ¼ 264.
Funktionen mit einer Funktionsgleichung folgender Art, wobei a0 ; a1 ; . . . ; an ; b0 ; b1 ; . . . ; bm 2 R; an ; bm 6¼ 0; m 6¼ 0, heißen gebrochene rationale Funktionen. y¼
¼
4.6 Horner-Schema
þ . . . þ a2 x þ a1 x þ a0 Þ : ðx x0 Þ cn . x x0 Fu¨r die Koeffizienten ci gilt c1 ¼ an x0 þ an 1 und ci ¼ ci 1 x0 þ an i fu¨r i ¼ 2; 3; . . . ; n. Damit kann die Funktion f ðxÞ auch durch die Gleichung f ðxÞ ¼ ðan xn 1 þ c1 xn 2 þ . . . þ cn 2 x þ cn 1 Þ ðx x0 Þ þ cn beschrieben werden. Fu¨r x ¼ x0 ergibt sich dann f ðx0 Þ ¼ cn . Die Berechnung des Funktionswertes f ðx0 Þ ist somit auf die Berechnung der Konstante cn zuru¨ckgefu¨hrt worden, die man in n Schritten durch einander folgende Berechnung von c1 ; c2 ; . . . ; cn ern
&
an
5.1 Nullstellen, Pole, Asymptoten
2
S x6
þ
5 Gebrochene rationale Funktionen
3
–4
mittelt. Man berechnet zuerst c1 aus c1 ¼ an x0 þ an 1 , dann c2 aus c2 ¼ c1 x0 þ an 2 und so weiter und schließlich cn aus cn ¼ cn 1 x0 þ a0. Dieses Verfahren nennt man Horner-Schema (nach dem englischen Mathematiker William George Horner, 1786––1837). Es la¨ßt sich folgendermaßen schematisch darstellen:
2
¼ an xn 1 þ c1 xn 2 þ . . . þ cn 2 x þ cn 1 þ
an xn þ an 1 xn 1 þ . . . þ a2 x2 þ a1 x þ a0 bm xm þ bm 1 xm 1 þ . . . þ b2 x2 þ b1 x þ b0 n P ai xi i¼0
m P
k¼0
bk xk
Eine gebrochene rationale Funktion y ¼ f ðxÞ kann immer als Quotient zweier ganzer rationaler Funktionen dargestellt werden (sowohl Za¨hler als auch Nenner sind Polynome in x). Gebrochene rationale Funktionen
y¼
Pn ðxÞ Pm ðxÞ
Eine gebrochene rationale Funktion ist nicht fu¨r alle x definiert. Die Nullstellen des Nenners geho¨ren nicht zum Definitionsbereich der Funktion. Ist der Grad des Nennerpolynoms gro¨ßer als der Grad des Za¨hlerpolynoms (n < m), dann heißt die Funktion echt gebrochene rationale Funktion, andernfalls (also fu¨r n m) heißt sie unecht gebrochene rationale Funktion. Gebrochene rationale Funktionen, bei denen sowohl das Za¨hlerpolynom als auch das Nennerpolynom
90
Mathematik
den Grad 1 haben (also n ¼ 1 und m ¼ 1), heißen gebrochene lineare Funktionen. Gebrochene lineare Funktionen
y¼
a1 x þ a0 b1 x þ b0
Die Graphen der gebrochenen rationalen Funktioa nen y ¼ n ; n 2 N; n 1; a 2 R; a 6¼ 0 heißen Hyx perbeln n-ter Ordnung (zu Hyperbeln vgl. auch Abschnitt VII.5.2). Durch Polynomdivision la¨ßt sich jede unecht gebrochene rationale Funktion y ¼ f ðxÞ darstellen als Summe einer ganzen rationalen Funktion gðxÞ und einer echt gebrochenen rationalen Funktion hðxÞ: y ¼ f ðxÞ ¼ gðxÞ þ hðxÞ. &
Beispiel: 1.
2x4 þ 3x3 þ 5x2 4x þ 1 77x 29 ¼ 2x2 þ 9x þ 30 þ 2 x2 3x þ 1 x 3x þ 1
Pn ðxÞ PðxÞ , ¼ Pm ðxÞ QðxÞ wenn an der Stelle x ¼ x0 der Za¨hler Null ist und der Nenner von Null verschieden, also Pðx0 Þ ¼ 0; Qðx0 Þ ¼ 6 0. x0 ist eine Nullstelle von y ¼ f ðxÞ ¼
Eine Stelle x ¼ xp heißt ein Pol der Funktion PðxÞ , wenn xp eine Nullstelle des Nenners QðxÞ y¼ QðxÞ ist und der Za¨hler PðxÞ an der Stelle xp von Null 6 0. Ist x ¼ xp verschieden ist, also Qðxp Þ ¼ 0; Pðxp Þ ¼ eine k-fache Nullstelle des Nenners QðxÞ und gilt 6 0, dann heißt xp ein Pol k-ter Ordnung von Pðxp Þ ¼ PðxÞ . y¼ QðxÞ Zwei Polynome PðxÞ und QðxÞ heißen teilerfremd, wenn alle ihre Nullstellen verschieden sind. Gilt also fu¨r eine Stelle x ¼ x1, daß Pðx1 Þ ¼ 0, so folgt Qðx1 Þ ¼ 6 0, und gilt umgekehrt fu¨r eine Stelle x ¼ x2, daß Qðx2 Þ ¼ 0, so folgt Pðx2 Þ ¼ 6 0. Jede gebrochene rationale Funktion la¨ßt sich als Quotient zweier teilerfremder Polynome darstellen. y¼
PðxÞ ; QðxÞ
y
x
Bild V-28 Funktionsverlauf bei Polen ungerader Ordnung
y
x
PðxÞ und QðxÞ teilerfremd
Eine solche Darstellung heißt Normalform der gebrochenen rationalen Funktion. Die Nullstellen einer gebrochenen rationalen Funktion in Normalform sind die Nullstellen des Za¨hlerpolynoms PðxÞ. Ist x ¼ xp ein Pol k-ter Ordnung der Funktion PðxÞ mit teilerfremden PðxÞ und QðxÞ, dann y¼ QðxÞ la¨ßt sich die Funktion in der Na¨he des Pols darstellen durch y¼
Dabei haben weder PðxÞ noch Q1 ðxÞ in der Na¨he von x ¼ xp eine Nullstelle, sie a¨ndern also ihr Vorzeichen nicht. Ihr Quotient hat deshalb einen von Null verschiedenen, beschra¨nkten positiven oder ne1 gativen Wert. Die Funktion wa¨chst aber, ðx xp Þk wenn sich x dem Pol xp na¨hert, u¨ber alle Grenzen. Na¨hert man sich dem Pol mit wachsenden x-Werten (also x < xp ), so ist x xp negativ. Fu¨r ungerade k 1 (k ¼ 1; 3; 5; . . .) geht dann gegen 1, fu¨r ðx xp Þk gerade k (k ¼ 2; 4; 6; . . .) dagegen gegen þ1. Na¨hert man sich dem Pol mit abnehmenden x-Wer1 geht ten (also x > xp ), so ist x xp positiv, ðx xp Þk dann also stets gegen þ1. PðxÞ Fu¨r negative Werte des Faktors dreht sich das Q1 ðxÞ Vorzeichen der Funktion y ¼ f ðxÞ um.
PðxÞ 1 PðxÞ ¼ : QðxÞ ðx xp Þk Q1 ðxÞ
Bild V-29 Funktionsverlauf bei Polen gerader Ordnung Die Gerade x ¼ xp heißt Asymptote der gebrochenen rationalen Funktion y ¼ f ðxÞ. Asymptoten einer Funktion sind Geraden, denen sich der Graph der Funktion unbeschra¨nkt na¨hert, ohne sie je zu erreichen (Asymptote ¼ Nichtzusammenlaufende). Das Verhalten einer gebrochenen rationalen FunkPn ðxÞ im Unendlichen: tion y ¼ f ðxÞ ¼ Pm ðxÞ Ist y ¼ f ðxÞ eine echt gebrochene rationale Funktion, gilt also n < m, dann ist die x-Achse (Gerade mit der Gleichung y ¼ 0) eine Asymptote.
V Funktionen
91 Die Stelle x ¼ 0 ist ein Pol zweiter Ordnung. Na¨hert man sich dem Pol mit wachsenden x-Werten (also x < 0) oder mit abnehmenden x-Werten (also x > 0), dann geht y gegen þ1. Die Geraden x ¼ 0 (y-Achse) und y ¼ 0 (x-Achse) sind Asymptoten der Funktion.
Im Falle n ¼ m ist die zur x-Achse parallele Gerade an eine Asymptote. bm Ist n > m, so gilt y ¼ f ðxÞ ¼ gðxÞ þ hðxÞ, wobei gðxÞ eine ganze rationale Funktion und hðxÞ eine echt
mit der Gleichung y ¼
Wertetabelle:
x
4
3
2
1
0,5
y
0,06
0,11
0,25
1
4
0,25
1
0,1
16
100
2
1
3
0,25
4
0,11
0,06
Die y -Werte in der Wertetabelle sind auf zwei Stellen nach dem Komma gerundet.
gebrochene rationale Funktion sind. Die Funktion y ¼ f ðxÞ verha¨lt sich dann im Unendlichen wie die rationale Funktion y ¼ gðxÞ.
y &
Beispiele: 1 2. y ¼ x Zum Definitionsbereich geho¨ren alle x außer x ¼ 0. 1 1 Wegen f ðxÞ ¼ ¼ ¼ f ðxÞ ist die Funktion ungerax x de, der Graph der Funktion ist also symmetrisch zum Nullpunkt (Koordinatenursprung). Die Funktion hat keine Nullstelle, denn der Za¨hler ist stets von Null verschieden (PðxÞ ¼ 1). Die Stelle x ¼ 0 ist ein Pol erster Ordnung der Funktion. Na¨hert man sich diesem Pol mit wachsenden x-Werten (also x < 0), dann geht y gegen 1. Na¨hert man sich dem Pol dagegen mit abnehmenden x-Werten (also x > 0), so geht y gegen þ1. Die Geraden x ¼ 0 (y-Achse) und y ¼ 0 (x-Achse) sind Asymptoten der Funktion. Der Graph der Funktion ist eine Hyperbel.
4 3 2 1
–4
4
3
2
y
0;25 0;33 0;50
4.
0;1
0;01
1
2
3
4
1
2
4
10
100
1
0;50
0;33
0,25
1 –2
–1 0
1
2
3
4
x
–1 –2 –3
Bild V-30 Graph der Funktion mit der Gleichung 1 y¼ x 3.
1 y¼ 2 x Die Funktion ist definiert fu¨r alle x 6¼ 0. 1 1 ¼ ¼ f ðxÞ; die Funktion ist also geðxÞ2 x2 rade, ihr Graph ist symmetrisch zur y-Achse.
Es gilt f ðxÞ ¼
Da der Za¨hler konstant gleich 1 ist, besitzt die Funktion keine Nullstellen.
1
2
3
4
x
1 x2 1 Die Funktion ist definiert fu¨r alle x, fu¨r die der Nenner ungleich 0 ist.
0;25
2
0
y¼
0;5
3
–3
–1
1
y
–4
–2
Bild V-31 Graph der Funktion mit der Gleichung 1 y¼ 2 x
Wertetabelle (y-Werte auf zwei Stellen nach dem Komma gerundet):
x
–3
Die Nullstellen des Nenners berechnet man, indem man den Nenner (das Nennerpolynom) gleich Null setzt: x2 1 ¼ 0: Diese quadratische Gleichung hat die Lo¨sungen x1 ¼ 1 und x2 ¼ 1. 1 1 ¼ ¼ f ðxÞ ist die Funktion Wegen f ðxÞ ¼ ðxÞ2 1 x2 1 gerade, der Graph der Funktion ist also symmetrisch zur y-Achse. Die Funktion hat keine Nullstellen (Schnittpunkte mit der x-Achse), denn der Za¨hler ist fu¨r alle x des Definitionsbereiches von Null verschieden. Die Stellen x1 ¼ 1 und x2 ¼ 1 sind Pole erster Ordnung der Funktion. Na¨hert man sich dem Pol x2 mit wachsenden x-Werten (also PðxÞ 1 in der Zerlegung ¼ x < 1), dann ist der Faktor Q1 ðxÞ x1 der Funktion y¼
PðxÞ 1 PðxÞ 1 1 ¼ ¼ QðxÞ x x2 Q1ðxÞ x ð1Þ x 1
negativ, das heißt, y geht gegen þ1. Na¨hert man sich entsprechend dem Pol x2 mit abnehmenden x-Werten (also x > 1) oder dem Pol x1 mit wachsenden x-Werten (also x < 1), so geht y gegen 1. Na¨hert man sich dagegen x1 mit abnehmenden x-Werten (also x > 1), so geht y gegen þ1. Die Geraden x1 ¼ 1 und x2 ¼ 1 sowie y ¼ 0 (x-Achse) sind Asymptoten der Funktion. Funktionswerte fu¨r 1 < y 0 gibt es nicht, da der Nenner nicht kleiner als 1 werden kann.
92
Mathematik Wertetabelle (y-Werte auf drei Stellen nach dem Komma gerundet): x
3
y
2
0,125
1,5
0,333
1,1
0,800
4,762
0,9
0,5
5,263
1,333
0 1
y
y 1 –3
–2
–1
0 –1
1
2
3
x 1 –1 –1
Bild V-32 Graph der Funktion mit der Gleichung 1 y¼ 2 x 1 5.
x
1
Bild V-34 Graph der Funktion mit der Gleichung x2 x 2 y¼ 2x 6
x2 1 y¼ 2 x þ1 Die Funktion ist definiert fu¨r alle reellen x, denn es gibt keine Nullstellen des Nenners und damit keine Pole. Die Nullstellen der Funktion sind x1 ¼ 1 und x2 ¼ 1. Die zur x-Achse parallele Gerade mit der Gleichung an 1 ¼ ¼ 1 ist Asymptote. y¼ 1 bm Der Graph der Funktion verla¨uft u¨berall unterhalb der Asymptote. Wertetabelle: x y
4
3
0,87
2
0,80
0,60
1,5 0,38
1 0
0,5
0,3
0,1
0,60
0,84
0,98
0 1
Die y-Werte in der Wertetabelle sind auf zwei Stellen nach dem Komma gerundet.
y
5.2 Partialbruchzerlegung
1
Eine Partialbruchzerlegung ist die Zerlegung einer gebrochenen rationalen Funktion y ¼ f ðxÞ mit an xn þ an 1 xn 1 þ . . . þ a2 x2 þ a1 x þ a0 in f ðxÞ ¼ bm xm þ bm 1 xm 1 þ . . . þ b2 x2 þ b1 x þ b0 eine Summe von Bru¨chen. Durch eine Partialbruchzerlegung von f ðxÞ wird oftmals die Integration der Funktion einfacher oder u¨berhaupt erst mo¨glich (vgl. Abschnitt VIII.5.2). Jede echt gebrochene rationale Funktion (also n < m) kann eindeutig in eine Summe von Partialbru¨chen zerlegt werden.
0
–1
1
x
–1
Bild V-33 Graph der Funktion mit der Gleichung x2 1 y¼ 2 x þ1 6.
x2 x 2 2x 6 Die Funktion hat die Nullstellen x1 ¼ 1 und x2 ¼ 2 und einen Pol bei x ¼ 3. Die Funktion ist also definiert fu¨r alle x 6¼ 3. Die Funktion ist weder gerade noch ungerade, eine Symmetrie des Graphen bezu¨glich des Nullpunktes oder der y-Achse liegt also nicht vor. Durch Polynomdivision erha¨lt man die Darstellung x2 x 2 1 4 ¼ xþ1þ y¼ 2x 6 2 2x 6 der Funktion als Summe einer ganzen rationalen Funktion und einer echt gebrochenen rationalen Funktion. Es ist also 1 y ¼ x þ 1 eine Asymptote der Funktion. Die Anna¨herung 2 an die Asymptote erfolgt fu¨r x ! 1 von unten und fu¨r x ! 1 von oben. y¼
Praktische Durchfu¨hrung der Partialbruchzerlegung: 1. Im Falle n m Abspalten des ganzen rationalen Anteils mit Polynomdivision. 2. Ku¨rzen des Bruches (also Division des Za¨hlers und des Nenners) durch bm , den Koeffizienten der ho¨chsten Potenz des Nenners: f ðxÞ ¼
cn xn þ cn 1 xn 1 þ . . . þ c2 x2 þ c1 x þ c0 xm þ dm 1 xm 1 þ . . . þ d2 x2 þ d1 x þ d0
Wertetabelle (y-Werte auf zwei Stellen nach dem Komma gerundet): x
5
3
2
y
1,75
0,83
0,40
1 0
0
1
1,5
2
2;5
0,33
0,50
0,42
0
1,75
2,9 17,55
3,1
3,5
4
5
7
22,55
6,75
5
4,50
5
V Funktionen
93
bj ai Es gilt also ¼ ci ð1 i nÞ und ¼ dj bm bm ð1 j < mÞ:
&
Beispiele: 1.
3x2 2 x3 þ 2x2 þ 2x þ 1 Nullstelle des Nennerpolynoms: x1 ¼ 1 Zerlegung des Nennerpolynoms: x3 þ 2x2 þ 2x þ 1 ¼ ðx þ 1Þ ðx2 þ x þ 1Þ Zerlegung von f ðxÞ in eine Summe von Partialbru¨chen:
3. Bestimmung der Nullstellen x1 ; x2 ; . . . ; xr ðr mÞ des Nennerpolynoms. 4. Zerlegung des Nennerpolynoms in die Form xm þ dm 1 xm 1 þ . . . þ d2 x2 þ d1 x þ d0
f ðxÞ ¼
¼ ðx x1 Þk1 ðx x2 Þk2 . . . ðx xr Þkr . . . ðx2 þ ps x þ qs Þls Eine solche Zerlegung ist immer mo¨glich. Dabei sind x1 ; x2 ; . . . ; xr alle reellen Nullstellen mit den Vielfachheiten k1 ; k2 ; . . . ; kr . Die restlichen quadratischen Faktoren ergeben die konjugierten Paare komplexer Nullstellen (also p2i 4qi < 0).
) 3x2 2 ¼ Aðx2 þ x þ 1Þ þ ðBx þ CÞ ðx þ 1Þ ¼ ðA þ BÞ x2 þ ðA þ B þ CÞ x þ ðA þ CÞ Vergleich der Koeffizienten von x2 , von x und der Absolutglieder links und rechts vom Gleichheitszeichen ergibt: A þ B ¼ 3; A þ B þ C ¼ 0; A þ C ¼ 2 ) A ¼ 1; B ¼ 2; C ¼ 3 Lo¨sung somit:
5. Zerlegung von f ðxÞ in eine Summe von Bru¨chen: A11 A12 A1k1 þ þ ... þ x x1 ðx x1 Þ2 ðx x1 Þk1 þ
2.
A21 A22 A2k2 þ þ ... þ x x2 ðx x2 Þ2 ðx x2 Þk2
f ðxÞ ¼
B1l1 þ C1l1 x B21 þ C21 x þ ðx2 þ p1 x þ q1 Þl1 x2 þ p2 x þ q2 B22 þ C22 x B2l2 þ C2l2 x þ þ ... þ ðx2 þ p2 x þ q2 Þ2 ðx2 þ p2 x þ q2 Þl2 þ ... þ
þ ... þ
Bsls þ Csls x ðx2 þ ps x þ qs Þls
Dabei sind die Koeffizienten Aij ; Bij ; Cij reelle Zahlen. 6. Bestimmung der Koeffizienten der Partialbru¨che zum Beispiel mit der Methode des Koeffizientenvergleichs. Die Bru¨che im Schritt 5 nennt man die Partialbru¨che der gebrochenen rationalen Funktion f ðxÞ. Spezialfa¨lle: Wenn das Nennerpolynom nur reelle Nullstellen besitzt, dann fallen die Partialbru¨che mit den nicht zerlegbaren quadratischen Funktionen im Nenner weg. Besitzt das Nennerpolynom nur die einfachen reellen Nullstellen x1 ; x2 ; . . . ; xm , dann lautet die Partialbruchzerlegung A1 A2 Am þ þ ... þ f ðxÞ ¼ x x1 x x2 x xm
3x2 x þ 1 A B C ¼ þ þ x3 2x2 þ x x x 1 ðx 1Þ2
Bestimmung der Koeffizienten A; B; C durch Koeffizientenvergleich: 3x2 x þ 1 Aðx 1Þ2 þ Bxðx 1Þ þ Cx ¼ f ðxÞ ¼ xðx 1Þ2 xðx 1Þ2 ) 3x2 x þ 1 ¼ Aðx2 2x þ 1Þ þ Bðx2 xÞ þ Cx ¼ ðA þ BÞ x2 þ ðC 2A BÞ x þ A
B11 þ C11 x B12 þ C12 x þ þ p1 x þ q1 ðx2 þ p1 x þ q1 Þ2
x2
þ .......................................: Bs1 þ Cs1 x Bs2 þ Cs2 x þ 2 þ x þ ps x þ qs ðx2 þ ps x þ qs Þ2
6x2 4 1 2x 3 þ ¼ 2x3 þ 4x2 þ 4x þ 2 x þ 1 x2 þ x þ 1 3x2 x þ 1 f ðxÞ ¼ 3 x 2x2 þ x Nullstellen des Nennerpolynoms: x1 ¼ 0; x2 ¼ 1 (x2 ist doppelte Nullstelle) Zerlegung des Nennerpolynoms: x3 2x2 þ x ¼ xðx 1Þ2 Zerlegung von f ðxÞ in Partialbru¨che:
f ðxÞ ¼
þ .................................... Ar1 Ar2 Arkr þ þ ... þ þ x xr ðx xr Þ2 ðx xr Þkr þ
3x2 2 A Bx þ C þ ¼ x3 þ 2x2 þ 2x þ 1 x þ 1 x2 þ x þ 1
Bestimmung der Koeffizienten A; B; C durch Koffizientenvergleich: 3x2 2 Aðx2 þ x þ 1Þ þ ðBx þ CÞ ðx þ 1Þ f ðxÞ ¼ ¼ ðx þ 1Þ ðx2 þ x þ 1Þ ðx þ 1Þðx2 þ x þ 1Þ
ðx2 þ p1 x þ q1 Þl1 ðx2 þ p2 x þ q2 Þl2
f ðxÞ ¼
6x2 4 2x3 þ 4x2 þ 4x þ 2 Division durch b3 ¼ 2: f ðxÞ ¼ f ðxÞ ¼
Vergleich der Koeffizienten von x2 , von x und der Absolutglieder links und rechts vom Gleichheitszeichen ergibt: A þ B ¼ 3; C 2A B ¼ 1; A ¼ 1 ) A ¼ 1; B ¼ 2; C ¼ 3 Lo¨sung somit: 3x2 x þ 1 1 2 3 þ ¼ þ f ðxÞ ¼ 3 x 2x2 þ x x x 1 ðx 1Þ2 3.
6x2 x þ 1 x3 x Nullstellen des Nennerpolynoms: x1 ¼ 0; x2 ¼ 1; x3 ¼ 1 Zerlegung des Nennerpolynoms: x3 x ¼ xðx 1Þ ðx þ 1Þ Zerlegung von f ðxÞ in Partialbru¨che: f ðxÞ ¼
f ðxÞ ¼
6x2 x þ 1 A B C ¼ þ þ x3 x x x1 xþ1
Bestimmung der Koeffizienten A; B; C durch Koeffizientenvergleich: 6x2 x þ 1 Aðx 1Þ ðx þ 1Þ þ Bxðx þ 1Þ þ Cxðx 1Þ ¼ xðx 1Þ ðx þ 1Þ xðx 1Þ ðx þ 1Þ 2 ) 6x x þ 1 ¼ Aðx 1Þ þ Bðx2 þ xÞ þ Cðx2 xÞ 2 ¼ ðA þ B þ CÞ x þ ðB CÞ x A Vergleich der Koeffizienten von x2 , von x und der Absolutglieder links und rechts vom Gleichheitszeichen ergibt: A þ B þ C ¼ 6; B C ¼ 1; A ¼ 1 ) A ¼ 1; B ¼ 3; C ¼ 4 Lo¨sung somit: f ðxÞ ¼ 2
f ðxÞ ¼
6x2 x þ 1 1 3 4 þ ¼ þ x3 x x x1 xþ1
6 Irrationale Funktionen Irrationale Funktionen sind algebraische Funktionen, die nicht rational sind. In der Funktionsgleichung y ¼ f ðxÞ einer rationalen Funktion werden
94
Mathematik de Umkehrfunktionen ist der Definitionsbereich 0 x < þ1 (entspricht 0 y < þ1 der Funktion y ¼ x2 ), die Bildmenge ist 0 y < þ1 bzw. 1 < y 0. Die Graphen der Umkehrfunktionen ergeben sich aus der Normalparabel durch Spiegelung an der Winkelhalbierenden y ¼ x. Die (posipffiffiffi tive) Quadratwurzelfunktion y ¼ x zum Beispiel ist also die Umkehrfunktion der Funktion des rechten Normalparabelastes.
auf die unabha¨ngige Variable x nur endlich viele rationale Rechenoperationen (Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division) angewandt. Bei irrationalen Funktionen tritt die unabha¨ngige Variable x auch unter einem Wurzelzeichen auf. Beispiele: pffiffiffi 1. y ¼ xp2ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi þ x þffi x 3 2 2. y ¼ q5x ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 7 3. y ¼ ðx2 1Þ 3 5x þ 1
Eine besonders wichtige Klasse von irrationalen Funktionen sind die sogenannten Wurzelfunktionen. Wurzelfunktionen
y =x 2
4
x
pffiffiffi y¼ nx
y
y=
&
3
ðn 2 N; n 2Þ
y = +√
2
Der Definitionsbereich der Wurzelfunktionen ist D ¼ fx j x 2 R; x 0g fu¨r gerade n und D ¼ R fu¨r ungerade n, die Bildmenge ist gleich dem Definitionsbereich, also f ðDÞ ¼ D. Die Wurzelfunktionen sind im ganzen Definitionsbereich streng monoton wachsend. pffiffiffi Fu¨r ungerade n ist y ¼ n x eine ungerade Funktion, der Graph der Funktion ist also punktsymmetrisch zum Koordinatenursprung. Die Graphen der Wurzelfunktionen gehen durch den Koordinatenursprung und durch den Punkt Pð1 j 1Þ. Fu¨r das Verhalten der Wurzelfunktionen im Unendlichen gilt:
1 –2 –1 –1 –2
y
y =4√ x
0
1
2
3
4
5
6
7
x
8
Bild V-35 Graph der Wurzelfunktionen y ¼ pffiffiffi y¼ 4x
3 4 y=– √x
x
Allgemein gilt: Fu¨r ungerade n ist die Wurzelfunktion y ¼ f ðxÞ pffiffiffi ¼ n x; f : R ! R die Umkehrfunktion der Potenzfunktion y ¼ f ðxÞ ¼ xn ; f : R ! R. pffiffiffi Fu¨r gerade n ist die Wurzelfunktion y ¼ f ðxÞ ¼ n x; f : ½0; 1Þ ! ½0; 1Þ die Umkehrfunktion der Potenzfunktion y ¼ f ðxÞ ¼ xn ; f : ½0; 1Þ ! ½0; 1Þ. Man bezeichnet allgemeiner auch Funktionen pffiffiffi y ¼ a n x; a 2 R; a 6¼ 0 als Wurzelfunktionen. Die pffiffiffi Kurve der Funktion y ¼ a n x ist im Vergleich zur ffiffiffi p n Kurve der Funktion y ¼ x fu¨r jaj < 1 gestaucht, fu¨r jaj > 1 gestreckt und fu¨r a < 0 an der x-Achse gespiegelt.
y = √x
1
2
Die kubische Funktion y ¼ x3 ist in ihrem ganzen Definitionsbereich D ¼ ð1; 1Þ monoton steigend. Ihpffiffiffi re Umkehrfunktion ist y ¼ 3 x. Der Definitionsbereich der Umkehrfunktion ist 1 < x < 1, die Bildmenge 1 < y < 1. Der Graph der Umkehrfunktion ergibt sich aus der kubischen Normalparabel durch Spiegelung an der Winkelhalbierenden y ¼ x.
gerade n
2
1
Bild V-37 Graphen von Funktionen und ihren Umkehrfunktionen
n 2 N; n 2 : x ! þ1 ) y ! þ1 n ungerade ðn ¼ 3; 5; 7; . . .Þ : x ! 1 ) y ! 1
3
x
pffiffiffi x und
y 3
y = √x
2 ungerade n
5
1 –6
–5
–4 –3
–2
y = √x
–1 0 1 –1
2
3
Bild V-36 Graph der Wurzelfunktionen y ¼ pffiffiffi y¼ 5x
4
5
6
p ffiffiffi 3 x und
Die quadratische Funktion y ¼ x2 ist in den zwei getrennten Intervallen 0 x < þ1 und 1 < x 0 jeweils monoton. Sie hat deshalb zwei Umkehrfunkpffiffiffi pffiffiffi tionen, und zwar y ¼ þ x und y ¼ x. Fu¨r bei-
x
7
&
Beispiele: qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 4. y ¼ b þ r2 ðx aÞ2 ; D ¼ fx j jx aj rg; W ¼ R Der Graph dieser Funktion ist der obere Halbkreis des Kreises mit dem Mittelpunkt Mða j bÞ und dem Radius r. Fehlerwarnung: Die Gleichung ðx aÞ2 þ ðy bÞ2 ¼ r2 des Kreises mit dem Mittelpunkt Mða j bÞ und dem Radius r (vgl. Abschnitt VII.3.1) ist keine (implizite) Funktion, denn die Zuordnung einer Zahl y zu einer Zahl x ist nicht eindeutig,
V Funktionen
95
4
P(x|y) y–b
r
b=3
x–a
2 1 –1 0 –1
1
y = b – r2–(x–a)2 3 4 5 6 x =a
2
Bild V-38 Graphenqder Funktionen ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ffi 2 ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ðx aÞ2 y¼bþ r q ffi und y ¼ b
r2 ðx aÞ2
mit a ¼ 4 und b ¼ 3 5.
2
2
2
Aus der Gleichung der Astroide x3 þ y3 ¼ a3 ða > 0Þ erha¨lt man durch Auflo¨sen nach y die Funktionen qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2 2 y ¼ þ ða3 x3 Þ3 ; D ¼ fx j jxj ag; W ¼ R
a 2 Rþ
Dabei ist die Basis a eine beliebige positive reelle Zahl. Alle Exponentialfunktionen y ¼ ax ; a 2 Rþ haben als Definitionsbereich D ¼ R und, falls a 6¼ 1, als Bildmenge W ¼ f ðDÞ ¼ Rþ. Alle Funktionswerte sind also positiv. Wegen a0 ¼ 1 gehen die Graphen aller Funktionen durch den Punkt Pð0 j 1Þ. Fu¨r a > 1 ist die Funktion y ¼ ax streng monoton wachsend mit y ! 0 fu¨r x ! 1 und y ! 1 fu¨r x ! 1. Die (negative) x-Achse ist also Asymptote. Fu¨r 0 < a < 1 ist die Funktion y ¼ ax streng monoton fallend mit y ! 1 fu¨r x ! 1 und y ! 0 fu¨r x ! 1. Die (positive) x-Achse ist somit Asymptote. Der Graph der Funktion na¨hert sich um so schneller der x-Achse, je gro¨ßer jln aj ist, fu¨r a > 1 also je gro¨ßer a ist und fu¨r a < 1 je kleiner a ist.
bzw.
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2 2 y ¼ ða3 x3 Þ3 ; D ¼ f xj jxj ag; W ¼ R. Die Graphen dieser Funktionen sind der obere Teil (y 0) bzw. der untere Teil (y 0) der Astroide.
y
1,5 x
y = b + r2–(x–a)2
y ¼ ax ;
y=
y 5
Bei einer Exponentialfunktion steht die unabha¨ngige Variable x im Exponenten.
y = 3x y = 2x
tere Ha¨lfte des Kreises mit dem Mittelpunkt Mða j bÞ und dem Radius r.
7.1 Exponentialfunktionen
x = 1x 2 y = 0,5
wie in der Definition einer Funktion gefordert (zu jedem x mit jx aj < r gibt es zwei y)! Analog zu oben ist der Graph der Funktion qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi y ¼ b r2 ðx aÞ2 ; D ¼ fx j jx aj rg; W ¼ R die un-
5 4 3 2
y 3 2
y = + (a
2/3
–x
)
–5 –4 –3 –2 –1 0
1 –3
–2 –1 0 –1 –2
1 2
y = 1x =1
2/3 3
3 x =a
y = – (a2/3–x2/3)3
–3
Bild V-39 Graphen der Funktionen qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2 2 y ¼ þ ða3 x3 Þ3 und qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2 2 y ¼ ða3 x3 Þ3 mit a ¼ 3
7 Transzendente Funktionen Elementare Funktionen, die nicht algebraisch sind, heißen transzendent. Wichtige Klassen von transzendenten Funktionen sind die Exponentialfunktionen, die Logarithmusfunktionen sowie die trigonometrischen Funktionen und ihre Umkehrfunktionen, die Arkusfunktionen. Die trigonometrischen Funktionen und die Arkusfunktionen werden in Kapitel VI behandelt.
1
2 3
4 5
x
Bild V-40 Graphen von Exponentialfunktionen Fu¨r a ¼ 1 gilt y ¼ 1, der Graph der Funktion ist also eine Parallele zur x-Achse. Die Exponentialfunktionen y ¼ ax ; a > 0 ko¨nnen wegen der Regeln der Logarithmen- und der Potenzrechnung auch in der Form y ¼ ax ¼ eln ða Þ ¼ ex ln a x
dargestellt werden. Dabei ist e ¼ 2;718 281 828 4 . . . die Eulersche Zahl (vgl. Abschnitt VIII.4.5). Die Funktion y ¼ ex ; D ¼ R; W ¼ f ðDÞ ¼ Rþ , also die Exponentialfunktion mit der Basis a ¼ e, heißt natu¨rliche Exponentialfunktion oder e-Funktion. y ¼ ex ;
D ¼ R;
W ¼ f ðDÞ ¼ Rþ
Es handelt sich um eine spezielle Exponentialfunktion, die ha¨ufig als die Exponentialfunktion bezeichnet wird. Diese Funktion spielt bei vielen Wachstumsprozessen eine wichtige Rolle.
96
Mathematik
Noch allgemeiner bezeichnet man manchmal auch solche Funktionen, die eine algebraische Funktion des Arguments x im Exponenten haben, als Expo2 nentialfunktionen, zum Beispiel y ¼ 23x 7x . Die Umkehrfunktionen der Exponentialfunktionen y ¼ ax sind fu¨r a 6¼ 1 die Logarithmusfunktionen y ¼ loga x. Die Umkehrfunktion der e-Funktion ist die natu¨rliche Logarithmusfunktion y ¼ ln x.
7.2 Logarithmusfunktionen Logarithmusfunktionen sind Funktionen der Form
y ¼ loga x ¼
1 ln x ; ln a
a 6¼ 1
dargestellt werden. Dabei heißt die Logarithmusfunktion mit der Basis a ¼ e ¼ 2;718 2 . . . natu¨rliche Logarithmusfunktion. D ¼ Rþ ; W ¼ f ðDÞ ¼ R
y ¼ ln x ;
þ
a 2 R ; a 6¼ 1 Allgemeiner noch bezeichnet man auch solche Funktionen, die eine algebraische Funktion des Arguments x als Numerus haben, als Logarithmusfunktion, zum Beispiel y ¼ log2 ð5x2 4xÞ. Die Logarithmusfunktion y ¼ loga x ist fu¨r a 6¼ 1 die Umkehrfunktion der Exponentialfunktion y ¼ ax und umgekehrt. Die natu¨rliche Logarithmusfunktion y ¼ ln x ist die Umkehrfunktion der e-Funktion y ¼ ex und umgekehrt.
x
y 6
y = 2x
5
y=
Alle Logarithmusfunktionen y ¼ loga x; a 2 Rþ ; a 6¼ 1 haben als Definitionsbereich D ¼ Rþ und als Bildmenge W ¼ f ðDÞ ¼ R. Wegen loga 1 ¼ 0 gehen die Graphen aller Funktionen durch den Punkt Pð1 j 0Þ. Fu¨r a > 1 ist die Funktion y ¼ loga x streng monoton wachsend mit y ! 1 fu¨r x ! 1 und y ! 1 fu¨r x ! 0; x > 0. Die (negative) y-Achse ist also Asymptote. Fu¨r x > 1 gilt loga x > 0, fu¨r x ¼ 1 gilt loga 1 ¼ 0; und fu¨r x mit 0 < x < 1 gilt loga x < 0. Fu¨r 0 < a < 1 ist die Funktion y ¼ loga x streng monoton fallend mit y ! 1 fu¨r x ! 1 und y ! 1 fu¨r x ! 0; x > 0. Die (positive) y-Achse ist somit Asymptote. Fu¨r x > 1 gilt loga x < 0, fu¨r x ¼ 1 gilt loga 1 ¼ 0; und fu¨r x mit 0 < x < 1 gilt loga x > 0. Der Graph der Funktion na¨hert sich fu¨r alle a um so schneller der y-Achse, je gro¨ßer jln aj ist, fu¨r a > 1 also je gro¨ßer a ist und fu¨r a < 1 je kleiner a ist.
y = ex
y ¼ loga x ;
Die Logarithmusfunktionen y ¼ loga x; a > 0; a 6¼ 1 ko¨nnen wegen der Regeln der Logarithmenrechnung auch in der Form
4 g 2x
3
y = lo
2 y = lnx
1 0 –2 –1
1
2
3
4
5
6
7
x
y
Bild V-42 Graphen der logarithmischen Funktionen y ¼ ln x und y ¼ log2 x und ihrer Umkehrfunktionen y ¼ ex und y ¼ 2x
1 y = lg x
0
1 y = log
x 1 10
x
Bild V-41 Graphen der logarithmischen Funktionen y ¼ lg x und y ¼ log 1 x 10
VI Trigonometrie
97
VI Trigonometrie Das Wort Trigonometrie kommt aus dem Griechischen und bedeutet Dreiecksmessung. Die Trigonometrie ist die Lehre von der Dreiecksberechnung mit Hilfe von Winkelfunktionen (trigonometrischen Funktionen).
Andere, weniger gebra¨uchliche Namen fu¨r trigonometrische Funktionen sind Winkelfunktionen oder Kreisfunktionen oder goniometrische Funktionen. In der folgenden Tabelle sind einige spezielle Werte der trigonometrischen Funktionen angegeben:
1 Definition der trigonometrischen Funktionen In einem rechtwinkligen Dreieck ist die Hypotenuse die dem rechten Winkel gegenu¨berliegende Dreiecksseite, die beiden anderen Seiten (also die Schenkel des rechten Winkels) sind die Katheten (vgl. Abschnitt III.6.4). In einem rechtwinkligen Dreieck mit den Winkeln a; b und g ¼ 90 gilt a þ b ¼ 90 . Die Ankathete eines Winkels a in einem rechtwinkligen Dreieck ist die Kathete, die auf einem Schenkel von a liegt. Die andere Kathete heißt Gegenkathete von a. Das Verha¨ltnis zweier beliebiger Seiten im rechtwinkligen Dreieck ist abha¨ngig von dem Winkel a (und wegen b ¼ 90 a natu¨rlich auch vom Winkel b), das heißt, das Verha¨ltnis zweier Seiten ist eine Funktion des Winkels a (bzw. des Winkels b). Die trigonometrischen Funktionen sind definiert als das Verha¨ltnis zweier Seiten im rechtwinkligen Dreieck. In einem rechtwinkligen Dreieck ist sin a, der Sinus des Winkels a, das Verha¨ltnis von Gegenkathete zu Hypotenuse, cos a, der Kosinus des Winkels a, das Verha¨ltnis von Ankathete zu Hypotenuse, tan a, der Tangens des Winkels a, das Verha¨ltnis von Gegenkathete zu Ankathete, cot a, der Kotangens des Winkels a, das Verha¨ltnis von Ankathete zu Gegenkathete.
Gradmaß j
0
30
45
60
90
Bogenmaß b
0
p 6
0
p 3 pffiffiffi 3 2
p 2
sin cos
1
p 4 pffiffiffi 2 2 pffiffiffi 2 2
tan
0
cot
1 2 pffiffiffi 3 2 pffiffiffi 3 3 pffiffiffi 3
1 1
1
1 2
0
pffiffiffi 3
pffiffiffi 3 3
0
Merkregel: Gradmaß j 0 1 pffiffiffi 0 2
sin j
30 1 pffiffiffi 1 2
45 1 pffiffiffi 2 2
60 1 pffiffiffi 3 2
90 1 pffiffiffi 4 2
Die meisten dieser Werte lassen sich mit Hilfe des Satzes von Pythagoras berechnen. Dies soll am Beispiel des Sinus vorgefu¨hrt werden. Fu¨r die Ho¨he h in einem gleichseitigen Dreieck mit der Seitenla¨nge a gilt nach dem Satz des Py a 2 a pffiffiffi thagoras h2 ¼ a2 3. Es folgt , also h ¼ 2 2 a p 1 h 1 ffiffiffi und sin 60 ¼ ¼ 3. sin 30 ¼ 2 ¼ a 2 a 2
C 30° b a
B
c
Kotangens:
Bild VI-2 Zur Berechnung von sin 30 und sin 60
a 2
Fu¨r den Durchmesser d in einem Quadrat der Seitenla¨nge a gilt nach pdem Satz des Pythagoras ffiffiffi d2 ¼ a2 þ a2 , also pffiffiffid ¼ a 2. Es folgt a a 2 1 1 pffiffiffi ¼ pffiffiffi ¼ 2. sin 45 ¼ ¼ d a 2 2 a 2
a Gegenkathete ¼ c Hypotenuse b Ankathete cos a ¼ ¼ c Hypotenuse a Gegenkathete tan a ¼ ¼ b Ankathete b Ankathete cot a ¼ ¼ a Gegenkathete
sin a ¼
a 2
a√
Tangens:
b ; c b a
a
=
a ; cos a ¼ c a tan a ¼ ; cot a ¼ b
Kosinus:
a
60°
Bild VI-1 sin a ¼
Sinus :
h= a 2 √3
a
d
A
a
a
45° a
Bild VI-3 Zur Berechnung von sin 45
98
Mathematik
Die beiden spitzen Winkel a und b in einem rechtwinkligen Dreieck sind Komplementwinkel, es gilt also b ¼ 90 a. Aus der Definition der trigonometrischen Funktionen folgt b b sin b ¼ und cos a ¼ ) sin b ¼ cos a c c a a und sin a ¼ ) cos b ¼ sin a cos b ¼ c c b b tan b ¼ und cot a ¼ ) tan b ¼ cot a a a a a cot b ¼ und tan a ¼ ) cot b ¼ tan a b b C b A
a b= 90°– a
a
Bild VI-4 Komplementwinkel
B
sin ð90 aÞ ¼ cos a cos ð90 aÞ ¼ sin a tan ð90 aÞ ¼ cot a cot ð90 aÞ ¼ tan a
Komplementwinkel
2 Trigonometrische Funktionen fu¨r beliebige Winkel Die Definition der trigonometrischen Funktionen eines Winkels a im rechtwinkligen Dreieck ist nur fu¨r spitze Winkel mo¨glich (also 0 < a < 90 ). Am Einheitskreis (Kreis mit dem Radius r ¼ 1) lassen sich die trigonometrischen Funktionen fu¨r beliebige Winkel definieren: Der Mittelpunkt des Einheitskreises sei der Koordinatenursprung O eines kartesischen Koordinatensystems (vgl. Abschnitt VII.1.1). Ein beliebiger Punkt P ¼ Pðx j yÞ auf dem Einheitskreis legt einen Winkel a fest, na¨mlich den Winkel zwischen der x-Achse und der Geraden durch O und P. Dabei wird a in mathematisch positiver Richtung, also gegen den Uhrzeigersinn, gemessen.
Mit den vorzeichenbehafteten Koordinaten x und y des Punktes P werden die trigonometrischen Funktionen dann definiert durch Sinus : Kosinus: Tangens: Kotangens:
Der Abschnitt des Einheitskreises zwischen der x -Achse und dem Punkt P ist das Bogenmaß b des Winkels a. Durchla¨uft P den Einheitskreis im mathematisch positiven Drehsinn, dann sind a und b positiv. Durchla¨uft P den Einheitskreis jedoch im mathematisch negativen Drehsinn, dann sind a und b negativ. Im Einheitskreis sind damit die trigonometrischen Funktionen fu¨r beliebige Winkel a im Gradmaß oder fu¨r beliebige reelle Zahlen b (Bogenmaß von a) definiert, fu¨r die die entsprechenden Nenner nicht verschwinden. Bei der Berechnung von Funktionswerten muß beachtet werden, ob das Argument im Gradmaß oder im Bogenmaß angegeben ist. Durch die beiden orientierten Achsen eines kartesischen Koordinatensystems wird die Ebene in vier Teile eingeteilt, die Quadranten. Die Punkte des ersten Quadranten haben sowohl positive x- als auch positive y-Koordinaten, die Punkte des zweiten Quadranten haben negative xund positive y-Koordinaten, die Punkte des dritten Quadranten haben negative x- und negative y-Koordinaten und die Punkte des vierten Quadranten haben positive x- und negative y-Koordinaten.
II
y 4
I
3 2 1
–4 –3 –2 –1 0 1 –1
y
2
4 x
3
–2 cota
III
1
tana
r=
IV
Bild VI-6 Quadranten
Fu¨r die Vorzeichen der trigonometrischen Funktionen in den einzelnen Quadranten gilt:
a x = cosa
–3 –4
P
y = sina
0
sin a ¼ y cos a ¼ x y tan a ¼ x x cot a ¼ y
x
Bild VI-5 Definition der trigonometrischen Funktionen fu¨r beliebige Winkel
Quadrant
sin
cos
tan
cot
I
þ
þ
þ
þ
II
þ
III
þ
þ
IV
þ
VI Trigonometrie
99
3 Beziehungen fu¨r den gleichen Winkel Fu¨r beliebige Winkel a gelten folgende Umrechnungsformeln: 1 Þ sin a 1 ¼ cos a cot a sin2 a þ cos2 a ¼ 1 1 1 þ tan2 a ¼ cos2 a tan a ¼
cos a 1 ¼ sin a tan a tan a cot a ¼ 1 1 1 þ cot2 a ¼ 2 sin a cot a ¼
Diese Beziehungen lassen sich im rechtwinkligen Dreieck leicht nachrechnen. &
Beispiel:
a 2 b 2 a2 þ b2 þ ¼ ¼ 1, denn nach dem c2 c c Satz des Pythagoras gilt im rechtwinkligen Dreieck a2 þ b2 ¼ c2 .
sin2 a þ cos2 a ¼
Alle Beziehungen gelten auch allgemein, das heißt, fu¨r beliebige Winkel a. Nach diesen Beziehungen la¨ßt sich jede trigonometrische Funktion durch jede andere desselben Winkels ausdru¨cken. Will man zum Beispiel sin a durch cos a ausdru¨cken, pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi so folgt sin a ¼ 1 cos2 a aus sin2 a þ cos2 a ¼ 1. Fu¨r Winkel im ersten Quadranten, also fu¨r Winkel a mit 0 < a < 90 gilt: cos a
tan a
cot a
sin a ¼
sin a
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 cos2 a
tan a pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 þ tan2 a
1 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 þ cot2 a
cos a ¼
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 sin2 a
cos a
1 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 þ tan2 a
cot a pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 þ cot2 a
tan a
1 cot a
1 tan a
cot a
cot a ¼
sin a pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 sin2 a pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 sin2 a sin a
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 cos2 a cos a cos a pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 cos2 a
In den u¨brigen Quadranten sind die Vorzeichen der Wurzeln nach der Vorzeichentabelle (vgl. Abschnitt VI.2) oder am Einheitskreis zu bestimmen. Beispiel: Im dritten Quadranten sind sowohl sin a als auch cos a negativ. < a < 270 zum Beispiel Deswegen gilt fu¨r Winkel a mit 180 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi sin a ¼ 1 cos2 a und cos a ¼ 1 sin2 a.
4 Graphen der trigonometrischen Funktionen Ein anschauliches Bild von Eigenschaften der trigonometrischen Funktionen erha¨lt man, wenn in einem kartesischen Koordinatensystem (vgl. Abschnitt 1
1. Sinusfunktion Die Funktion y ¼ sin x mit dem Definitionsbereich D ¼ R und dem Wertebereich W ¼ ½1; 1. Die Sinusfunktion hat die Periode 2p, es gilt also sin ðx þ 2kpÞ ¼ sin x fu¨r k ¼ 0; 1; 2; . . . Die Amplitude der Funktion ist 1, denn es gilt p jsin xj 1 und sin ¼ 1. 2 Die Sinusfunktion ist wegen sin ðxÞ ¼ sin x fu¨r alle x eine ungerade Funktion. Die Sinuskurve ist also symmetrisch zum Koordinatenursprung. 2. Kosinusfunktion Die Funktion y ¼ cos x mit dem Definitionsbereich D ¼ R und dem Wertebereich W ¼ ½1; 1.
sin a
tan a ¼
&
VII.1.1) als Abszissen (x-Werte) die Winkel (im Gradmaß oder im Bogenmaß) und als Ordinaten (yWerte) die Werte der betreffenden trigonometrischen Funktionen eingetragen werden. Die Funktionswerte ergeben sich als vorzeichenbehaftete La¨ngen der entsprechenden Strecken am Einheitskreis (Bilder VI-7 und VI-8 siehe S. 100). Die Graphen der trigonometrischen Funktionen nennt man auch Kurven. So ist zum Beispiel die Sinuskurve der Graph der Sinusfunktion. In der folgenden Aufza¨hlung sind alle Winkel im Bogenmaß angegeben.
Þ Fu¨r Potenzen ðf ðxÞÞk von Funktionswerten ist die Schreibweise f k ðxÞ u¨blich, etwa sin2 a (gesprochen: Sinus Quadrat Alpha) fu¨r (sin aÞ2 .
Die Kosinusfunktion hat ebenfalls die Periode 2p, es gilt cos ðx þ 2kpÞ ¼ cos x fu¨r k ¼ 0; 1; 2; . . . Die Amplitude der Funktion ist 1, denn es gilt jcos xj 1 und cos 0 ¼ 1. Die Kosinusfunktion ist wegen cos ðxÞ ¼ cos x fu¨r alle x eine gerade Funktion. Die Kosinuskurve ist also symmetrisch zur y-Achse. 3. Tangensfunktion Die Funktion y ¼ tan x mit dem Definitionsbep reich D ¼ R; x 6¼ þ kp; k 2 Z und dem Werte2 bereich W ¼ R. p Die Stellen x ¼ þ kp; k 2 Z sind Pole der 2 Funktion. Na¨hert man sich einem Pol x ¼ xp mit wachsenden x-Werten (also x < xp ), dann geht tan x gegen þ1. Na¨hert man sich dagegen einem Pol x ¼ xp mit abnehmenden x-Werten (also
100
Mathematik cosa sina cosa
sina
Einheitskreis
b 90°
tana cota
a
180°
270°
Bild VI-7 Sinuskurve und Kosinuskurve
360°
b
a 360°
180°
Bild VI-8 Tangenskurve und Kotangenskurve
Tangente
0
tana
tana
a
r=1
tanb (–)
b M
cot a
Kotangente
tanb (–) cot b(–)
cota
cotb (–)
a
cosb (–)
a
Asymptote zur Tangenskurve
tana cota
0
sina
cosa
sina
sinb
1 r= ba M P′ –90° P′ cosb cosa (–)
sinb
P
P
x > xp ), so geht tan x gegen 1. Die Geraden p x ¼ þ kp sind Asymptoten der Funktion. 2 Die Tangensfunktion hat die Periode p, es gilt also tan ðx þ kpÞ ¼ tan x fu¨r k ¼ 0; 1; 2; . . . Eine Amplitude besitzt die Funktion nicht (Pole!). Die Tangensfunktion ist wegen tan ðxÞ ¼ tan x fu¨r alle x eine ungerade Funktion. Die Tangenskurve ist also symmetrisch zum Koordinatenursprung. 4. Kotangensfunktion Die Funktion y ¼ cot x mit dem Definitionsbereich D ¼ R; x 6¼ kp; k 2 Z und dem Wertebereich W ¼ R. Die Stellen x ¼ kp; k 2 Z sind Pole der Funktion. Na¨hert man sich einem Pol x ¼ xp mit wachsenden x-Werten (also x < xp ), dann geht cot x gegen 1. Na¨hert man sich dagegen einem Pol x ¼ xp mit abnehmenden x-Werten (also x > xp ), so geht cot x gegen þ1. Die Geraden x ¼ kp sind Asymptoten der Funktion. Die Kotangensfunktion hat die Periode p, es gilt also cot ðx þ kpÞ ¼ cot x fu¨r k ¼ 0; 1; 2; . . . Eine Amplitude besitzt die Funktion nicht (Pole!). Die Kotangensfunktion ist ungerade, denn es gilt cot ðxÞ ¼ cot x. Die Kotangenskurve ist also symmetrisch zum Koordinatenursprung.
5 Reduktionsformeln Wegen der Periodizita¨t ko¨nnen die trigonometrischen Funktionen fu¨r beliebige Winkel beim Sinus und Kosinus auf solche zwischen 0 und 360 und
1 –1
y 0
π Periode
2π
x
π
2π
x
1 0 –1
1 0 –1
π
x
π
x
Periode
1 0 –1
Bild VI-9 Die Graphen der trigonometrischen Funktionen y ¼ sin x; y ¼ cos x; y ¼ tan x; y ¼ cot x (von oben nach unten) beim Tangens und Kotangens auf solche zwischen 0 und 180 zuru¨ckgefu¨hrt werden. Fu¨r beliebige ganze Zahlen k gilt: sin ð360 k þ aÞ ¼ sin a cos ð360 k þ aÞ ¼ cos a tan ð180 k þ aÞ ¼ tan a cot ð180 k þ aÞ ¼ cot a
VI Trigonometrie
101
Wegen der Symmetrie der trigonometrischen Funktionen gilt fu¨r negative Winkel:
sin 2a ¼ 2 sin a cos a ¼
sin ðaÞ ¼ sin a cos ðaÞ ¼ cos a tan ðaÞ ¼ tan a cot ðaÞ ¼ cot a
sin 4a ¼ 8 sin a cos3 a 4 sin a cos a cos 2a ¼ cos2 a sin2 a ¼ 1 2 sin2 a ¼ 2 cos2 a 1
b¼ 90 a
b¼ 180 a
b¼ 270 a
b¼ 360 a
sin b
þcos a
sin a
cos a
sin a
cos b
sin a
cos a
sin a
þcos a
tan b
cot a
tan a
cot a
tan a
cot b
tan a
cot a
tan a
cot a
6 Additionstheoreme Die Additionstheoreme sind Formeln fu¨r die trigonometrischen Funktionen von Winkelsummen und Winkeldifferenzen. Die meisten dieser Gleichungen lassen sich mit Hilfe der Eulerschen Formel ejz ¼ cos z þ j sin z fu¨r komplexe Zahlen (vgl. Abschnitt I.12.8) zusammen mit den Potenzgesetzen herleiten. &
2 tan a 1 þ tan2 a
sin 3a ¼ 3 sin a 4 sin3 a
Jeder so reduzierte Winkel kann durch eine der folgenden Beziehungen auf einen Winkel zwischen 0 und 90 zuru¨ckgefu¨hrt werden: Funktion
Trigonometrische Funktionen fu¨r Winkelvielfache
Beispiel: cos ða þ bÞ þ j sin ða þ bÞ ¼ ejða þ bÞ ¼ eja ejb ¼ ðcos a þ j sin aÞ ðcos b þ j sin bÞ ¼ ðcos a cos b sin a sin bÞ þ jðsin a cos b þ cos a sin bÞ Vergleich von Real- und Imagina¨rteil ergibt cos ða þ bÞ ¼ cos a cos b sin a sin b und sin ða þ bÞ ¼ sin a cos b þ cos a sin b.
Trigonometrische Funktionen der Summe und der Differenz zweier Winkel sin ða þ bÞ ¼ sin a cos b þ cos a sin b sin ða bÞ ¼ sin a cos b cos a sin b cos ða þ bÞ ¼ cos a cos b sin a sin b cos ða bÞ ¼ cos a cos b þ sin a sin b tan a þ tan b tan ða þ bÞ ¼ 1 tan a tan b tan a tan b tan ða bÞ ¼ 1 þ tan a tan b cot a cot b 1 cot ða þ bÞ ¼ cot a þ cot b cot a cot b þ 1 cot ða bÞ ¼ cot a cot b
cos 3a ¼ 4 cos3 a 3 cos a cos 4a ¼ 8 cos4 a 8 cos2 a þ 1 2 tan a 2 tan 2a ¼ ¼ 1 tan2 a cot a tan a tan 3a ¼
3 tan a tan3 a 1 3 tan2 a
tan 4a ¼
4 tan a 4 tan3 a 1 6 tan2 a þ tan4 a
cot 2a ¼
cot2 a 1 cot a tan a 1 ¼ ¼ 2 cot a 2 tan 2a
cot 3a ¼
cot3 a 3 cot a 3 cot 2 a 1
cot 4a ¼
cot4 a 6 cot2 a þ 1 4 cot3 a 4 cot a
Fu¨r allgemeine Winkelvielfache erha¨lt man aus der Entwicklung der Formel von Moivre (vgl. Abschnitt I.12.6) durch Vergleich des Real- und Imagina¨rteils entsprechende Formeln: cos na þ j sin na ¼ ðcos a þ j sin aÞn n n P ¼ jk cosnk a sink a k k¼0 Summen und Differenzen zweier trigonometrischer Funktionen aþb ab cos 2 2 aþb ab sin a sin b ¼ 2 cos sin 2 2
sin a þ sin b ¼ 2 sin
aþb ab cos 2 2 aþb ab sin cos a cos b ¼ 2 sin 2 2 sin ða þ bÞ tan a þ tan b ¼ cos a cos b cos a þ cos b ¼ 2 cos
tan a tan b ¼
sin ða bÞ cos a cos b
cot a þ cot b ¼
sin ða þ bÞ sin a sin b
cot a cot b ¼
sin ða þ bÞ sin a sin b
102
Mathematik
Produkte trigonometrischer Funktionen 1 ½cos ða bÞ cos ða þ bÞ 2 1 cos a cos b ¼ ½cos ða bÞ þ cos ða þ bÞ 2 1 sin a cos b ¼ ½sin ða þ bÞ þ sin ða bÞ 2 1 cos a sin b ¼ ½sin ða þ bÞ sin ða bÞ 2 tan a þ tan b tan a tan b ¼ tan a tan b ¼ cot a þ cot b cot a cot b cot a þ cot b cot a cot b cot a cot b ¼ ¼ tan a þ tan b tan a tan b tan a þ cot b tan a cot b ¼ tan a cot b ¼ cot a þ tan b cot a tan b
b
a
sin a sin b ¼
Potenzen trigonometrischer Funktionen
h b
a
Die anderen Proportionen lassen sich analog herleiten. Kosinussatz In einem beliebigen Dreieck ist das Quadrat einer Seitenla¨nge gleich der Summe der Quadrate der beiden anderen Seitenla¨ngen minus dem doppelten Produkt der La¨ngen dieser beiden anderen Seiten und dem Kosinus des von ihnen eingeschlossenen Winkels. a2 ¼ b2 þ c2 2bc cos a b2 ¼ a2 þ c2 2ac cos b c2 ¼ a2 þ b2 2ab cos g
Kosinussatz
1 ð1 cos 2aÞ 2 1 sin3 a ¼ ð3 sin a sin 3aÞ 4 1 sin4 a ¼ ðcos 4a 4 cos 2a þ 3Þ 8 1 cos2 a ¼ ð1 þ cos 2aÞ 2 1 3 cos a ¼ ð3 cos a þ cos 3aÞ 4 1 4 cos a ¼ ðcos 4a þ 4 cos 2a þ 3Þ 8
Bild VI-10 Zur Herleitung des Sinussatzes
sin2 a ¼
oder
Die Formeln fu¨r sinn a und cosn a erha¨lt man, indem man die Formeln fu¨r cos na und sin na nacheinander anwendet.
7 Sinussatz und Kosinussatz Sinussatz In einem beliebigen Dreieck verhalten sich die La¨ngen der Seiten wie die Sinuswerte der gegenu¨berliegenden Winkel. Sinussatz
sin a sin b sin g ¼ ¼ a b c
oder
sin a : sin b : sin g ¼ a : b : c
Der Kosinussatz ist eine Verallgemeinerung des Satzes von Pythagoras, der fu¨r rechtwinklige Dreiecke gilt, auf beliebige Dreiecke. Gilt etwa g ¼ 90 , dann folgt c2 ¼ a2 þ b2 wegen cos g ¼ cos 90 ¼ 0. Der Kosinussatz la¨ßt sich durch Zerlegung des Dreiecks in zwei rechtwinklige Dreiecke und Anwendung des Satzes von Pythagoras herleiten: q cos a ¼ ; q ¼ c p b cp ) cos a ¼ ) p ¼ c b cos a b h sin a ¼ ) h ¼ b sin a b Durch Einsetzen der Ausdru¨cke fu¨r p und fu¨r h ergibt sich: a2 ¼ p2 þ h2 ) a2 ¼ ðc b cos aÞ2 þ ðb sin aÞ2 ) a2 ¼ c2 2bc cos a þ b2 cos2 a þ b2 sin2 a ) a2 ¼ c2 2bc cos a þ b2 ðcos2 a þ sin2 aÞ ) a2 ¼ b2 þ c2 2bc cos a ðdenn sin2 a þ cos2 a ¼ 1Þ
Der Sinussatz la¨ßt sich mit Hilfe der Ho¨hen, also durch Zerlegung des Dreiecks in zwei rechtwinklige Dreiecke herleiten: h ) h ¼ b sin a; b h sin b ¼ ) h ¼ a sin b a Es folgt b sin a ¼ a sin b ¼ sin a : sin b.
b2 þ c2 a2 2bc a2 þ c2 b2 cos b ¼ 2ac a2 þ b2 c2 cos g ¼ 2ab
cos a ¼
sin a ¼
b
a h
a
b p
q c
und
daraus
a:b
Bild VI-11 Zur Herleitung des Kosinussatzes
Die anderen Gleichungen lassen sich ganz entsprechend herleiten.
VI Trigonometrie
8 Grundaufgaben der Dreiecksberechnung
103 &
Beispiele: 1. Gegeben: a ¼ 55 ; c ¼ 7;34; b ¼ 48 (WSW)
C
Entsprechend den vier Grundkonstruktionen des Dreiecks (vgl. Abschnitt VII.6.8) gibt es vier Grundaufgaben der Dreiecksberechnung. 1. Grundaufgabe WSW und SWW Gegeben a; c; b (Winkel, Seite, Winkel) oder c; b; g (Seite, Winkel, Winkel). Berechnung der fehlenden Winkel: g ¼ 180 ða þ bÞ oder a ¼ 180 ðb þ gÞ. Berechnung der fehlenden Seiten (durch Anwendung des Sinussatzes): c c a¼ sin a und b ¼ sin b. sin g sin g
g b
A
4. Grundaufgabe SSS Gegeben a; b; c (Seite, Seite, Seite). Berechnung der Winkel mit Hilfe des Kosinusund des Sinussatzes. Am besten wird zuerst der der gro¨ßten Seite gegenu¨berliegende Winkel berechnet. Die beiden anderen Winkel sind dann spitze Winkel und ko¨nnen deshalb mit dem Sinussatz eindeutig berechnet werden. Liegt etwa g der gro¨ßten Seite gegenu¨ber, dann Berechnung mit a2 þ b2 c2 sin a sin b sin g ; ¼ ¼ : cos g ¼ 2ab a b c Eine Kontrolle la¨ßt sich mit der Winkelsumme im Dreieck durchfu¨hren: Die Summe der drei berechneten Winkel muß 180 betragen.
a
Bild VI-12 Zu Beispiel 1 (WSW)
b B
c
Berechnung von g: g ¼ 180 ð55 þ 48 Þ ¼ 77 Berechnung der fehlenden Seiten (mit Hilfe des Sinussatzes): sin 55 sin 48 a¼ 7;34 6;17; b ¼ 7;34 5; 60 sin 77 sin 77 Ergebnisse: g ¼ 77 ; a 6;17; b 5;60 2.
Gegeben: a ¼ 8;45; b ¼ 6;38; a ¼ 68;5 (SSW)
Bild VI-13 Zu Beispiel 2 (SSW)
C g
2. Grundaufgabe SSW Gegeben a; b; a (Seite, Seite, Winkel). sin a b Anwendung des Sinussatzes: sin b ¼ a Der Winkel b la¨ßt sich fu¨r b < a ð) b < aÞ eindeutig bestimmen. Fu¨r b > a ist b nicht in allen Fa¨llen eindeutig. Die Aufgabe kann zwei Lo¨sungen, b1 und b2 , haben mit sin b1 ¼ sin b2 und b1 þ b2 ¼ 180 . Berechnung des dritten Winkels g aus der Winkelsumme im Dreieck. Berechnung der dritten Seite c oder c1 und c2 durch Anwendung des Sinussatzes. 3. Grundaufgabe SWS Gegeben a; g; b (Seite, Winkel, Seite). Berechnung von c mit dem Kosinussatz: pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi c ¼ a2 þ b2 2ab cos g: Bestimmung des Winkels a (oder b) mit dem Kosinussatz (eindeutig, aber umsta¨ndlicher) oder mit dem Sinussatz (Entscheidung zwischen den beiden mo¨glichen Winkeln a1 und a2 mit a1 þ a2 ¼ 180 u¨ber die Bedingung a > c ð, a > gÞ oder a < c ð, a < gÞ. Berechnung von b (oder a) dann aus der Winkelsumme im Dreieck. Eine Kontrolle ist mit dem Sinussatz mo¨glich.
a
a
b a A
b B
c
Da a der gro¨ßeren der gegebenen Seiten gegenu¨berliegt, ist die Aufgabe eindeutig. Berechnung von b (mit dem Sinussatz): sin 68;5 sin b 6;38 ) sin b ¼ sin 68;5 0;7025 ¼ 6;38 8;45 8;45 ) b 44;6 Berechnung von g: g 180 ð68;5 þ 44;6 Þ ¼ 66;9 Berechnung von c (mit dem Sinussatz): sin 66;9 c
8;45 8;35 sin 68;5 Ergebnisse: b 44;6 ; g 66;9 ; c 8;35 3.
Gegeben: a ¼ 9;35; b ¼ 14;25; a ¼ 39;2 (SSW)
C
Bild VI-14 Zu Beispiel 3 (SSW)
g2 g1 b
A
a b2
a c2
a b1
B2
B1 c1
Berechnung von b (mit dem Sinussatz): sin 39;2 sin b 14;25 ) sin b ¼ sin 39;2 0;9633 ¼ 14;25 9;35 9;35 ) b1 74;4 und b2 ¼ 180 b1 105;6 Beide Winkel erfu¨llen die Bedingung b > a, die aus b > a folgt. Berechnung von g1 und g2 mit Hilfe der Winkelsumme im Dreieck: g1 180 ð39;2 þ 74;4 Þ ¼ 66;4 ; g2 180 ð39;2 þ 105;6 Þ ¼ 35;2 Berechnung von c1 und c2 mit dem Sinussatz: c1
sin 66;4 sin 35;2 9;35 13;56; c2
9;35 8;53 sin 39;2 sin 39;2
Ergebnisse: (1) b1 74;4 ; g1 66;4 ; c1 13;56; (2) b2 105;6 ; g2 35;2 ; c2 8;53
104
Mathematik
4.
Gegeben: a ¼ 5;62; g ¼ 115 ; b ¼ 8;50 (SWS)
C g
b
a b
a
A
B
c
Bild VI-15 Zu Beispiel 4 (SWS) Berechnung von c mit dem Kosinussatz: c2 ¼ 5;622 þ 8;502 2 5;62 8;50 cos 115 ¼ 5;622 þ 8;502 2 5;62 8;50 cos 65
144;2113 ) c 12;01 Berechnung von a mit dem Sinussatz: 5;62 5;62 sin 115 ¼ sin 65 0;4241 ) a 25;1 sin a
12;01 12;01 Berechnung von b (mit der Winkelsumme im Dreieck): b 180 ð115 þ 25;1 Þ ¼ 39;9 Ergebnisse: c 12;01; a 25;1 ; b 39;9 5.
Gegeben: a ¼ 3;43; b ¼ 5;26; c ¼ 7;95 (SSS)
C g
b
b
a
A
a
c
B
Die Arkusfunktionen sind also die Umkehrfunktionen der trigonometrischen Funktionen. Die Arkusfunktionen werden auch zyklometrische Funktionen oder inverse trigonometrische Funktionen genannt. Zu ihrer eindeutigen Definition wird der Definitionsbereich der trigonometrischen Funktionen in Monotonieintervalle zerlegt, so daß fu¨r jedes Monotonieintervall eine Umkehrfunktion erhalten wird (vgl. Abschnitt V.2.8: Streng monotone Funktionen besitzen Umkehrfunktionen). Diese wird entsprechend dem zugeho¨rigen Monotonieintervall mit dem Index k gekennzeichnet. Die Vorgehensweise wird am Beispiel des Arkussinus gezeigt. Der Definitionsbereich von y ¼ sin x wird in p p die Monotonieintervalle kp x kp þ mit 2 2 k ¼ 0; 1; 2; . . . zerlegt. Durch Spiegelung von y ¼ sin x an der Winkelhalbierenden y ¼ x erha¨lt man die Umkehrfunktionen y ¼ arck sin x mit den Definitionsbereichen Dk ¼ ½1; 1 und den Wertebereichen h p pi Wk ¼ kp ; kp þ , wobei k ¼ 0; 1; 2; . . . 2 2 Die Schreibweise y ¼ arck sin x ist gleichbedeutend mit x ¼ sin y.
Bild VI-16 Zu Beispiel 5 (SSS)
y ¼ arck sin x , x ¼ sin y
Berechnung von g (liegt der gro¨ßten Seite gegenu¨ber) mit dem Kosinussatz: 3;432 þ 5;262 7;952
0;6587 ) g 131;2 2 3;43 5;26
cos g ¼
Berechnung von a mit dem Sinussatz: sin a
3;43 sin 131;2 0;3246 ) a 18;9 7;95
Die u¨brigen Arkusfunktionen ergeben sich analog. In der Tabelle sind die Definitions- und Wertebereiche aller Arkusfunktionen zusammengestellt, die Bilder VI.17––VI.20 zeigen die Graphen der Arkusfunktionen.
Berechnung von b (mit der Winkelsumme im Dreieck): b 180 ð131;2 þ 18;9 Þ ¼ 29;9 Ergebnisse: a 18;9 ; b 29;9 ; g 131;2
y
p 2
9 Arkusfunktionen Kennt man den Funktionswert einer trigonometrischen Funktion, etwa y ¼ sin x, und will man daraus den zugeho¨rigen Winkel bestimmen, so muß man die Gleichung nach dem Winkel x auflo¨sen, was mit Hilfe der Arkusfunktionen mo¨glich ist: x ¼ arcsin y.
–1
0 1 x –p 2
Bild VI-17 Graph der Arkussinusfunktion
Arkusfunktionen Name
Schreibweise
Definitionsbereich
Wertebereich
Arkussinus
y ¼ arck sin x
1 x 1
kp
Arkuskosinus
y ¼ arck cos x
1 x 1
kp y ðk þ 1Þ p
Arkustangens
y ¼ arck tan x
1 < x < 1
kp
Arkuskotangens
y ¼ arck cot x
1 < x < 1
kp < y < ðk þ 1Þ p
p p y kp þ 2 2
p p < y < kp þ 2 2
Gleichbedeutende trigonometrische Funktion x ¼ sin y x ¼ cos y x ¼ tan y x ¼ cot y
VI Trigonometrie
105 Die Zuru¨ckfu¨hrung von Nebenwerten auf die Hauptwerte der Arkusfunktionen erfolgt mit Hilfe der folgenden Formeln:
y p
p 2
–1
arck sin x ¼ kp þ ð1Þk arcsin x ðk þ 1Þ p arccos x falls k ungerade arck cos x ¼ kp þ arccos x falls k gerade
0 1 x –p 2
Bild VI-18 Graph der Arkuskosinusfunktion y
arck tan x ¼ kp þ arctan x arck cot x ¼ kp þ arccot x Taschenrechner geben immer die Hauptwerte der Arkusfunktionen an.
p
Beziehungen zwischen den Hauptwerten x
0
p x arccos x ¼ arctan pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2 1 x2 p x arccos x ¼ arcsin x ¼ arccot pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2 1 x2 p x arctan x ¼ arccot x ¼ arcsin pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2 1 þ x2 p x arccot x ¼ arctan x ¼ arccos pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2 1 þ x2
arcsin x ¼
Bild VI-19 Graph der Arkustangensfunktion
–p
y
p
Formeln fu¨r negative Argumente x
0
Bild VI-20 Graph der Arkuskotangensfunktion
Setzt man k ¼ 0, dann erha¨lt man jeweils den sogenannten Hauptwert der Arkusfunktion. Den Hauptwert schreibt man ohne den Index k, also zum Beispiel arcsin x ¼ arc0 sin x. Fu¨r andere Werte von k erha¨lt man Nebenwerte der entsprechenden Arkusfunktion. Den Hauptwert der Arkusfunktionen zeigt Bild VI-21.
arcsin ðxÞ ¼ arcsin x arccos ðxÞ ¼ p arccos x arctan ðxÞ ¼ arctan x arccot ðxÞ ¼ p arccot x &
Beispiele: 1.
arcsin 0 ¼ 0; arck sin 0 ¼ kp
2.
arccos
arctan arccot
sin
0
arc
–1
s
p 2
arctan
3.
co
arccot
arc
y p
–p 2
1
x
Bild VI-21 Hauptwerte der Arkusfunktionen
1 p ¼ ; 2 3 8 p > þ ðk þ 1Þ p 1 < 3 arck cos ¼ p 2 > : þ kp 3
arccot 1 ¼
falls k ungerade falls k gerade
p p ; arck cot 1 ¼ þ kp 4 4
106
Mathematik
VII Analytische Geometrie Der Grundgedanke der Analytischen Geometrie besteht darin, daß geometrische Untersuchungen mit rechnerischen Mitteln gefu¨hrt werden. Geometrische Objekte werden dabei durch Gleichungen beschrieben und mit algebraischen Methoden untersucht.
1 Koordinatensysteme Die Verbindung von Geometrie und Algebra wird dadurch erreicht, daß man die geometrischen Objekte als Punktmengen auffaßt und jedem Punkt Zahlenwerte zuordnet, durch die er sich von anderen unterscheidet. Eine Kurve oder eine Gerade ist dann eine Menge von Punkten, fu¨r deren Zahlenwerte bestimmte Bedingungen gelten, die man Gleichungen dieser Objekte nennt, zum Beispiel Gleichung eines Kreises oder einer Geraden. Das geometrische Bild einer linearen Gleichung in zwei Variablen ist immer eine Gerade, das einer quadratischen Gleichung in zwei Variablen immer ein Kegelschnitt. Die Grundlage fu¨r eine solche analytische Darstellung der Geometrie ist die Zuordnung zwischen Punkt und Zahl, die eindeutig sein muß. Auf einer Geraden oder allgemeiner auf einer Kurve genu¨gt eine Zahl, auf einer Ebene oder einer Fla¨che ein Zahlenpaar und im Raum ein Zahlentripel (drei Zahlen), um einen Punkt eindeutig festzulegen. Umgekehrt bestimmt ein Punkt auf einer Kurve eindeutig eine Zahl, auf einer Fla¨che ein Zahlenpaar und im Raum ein Zahlentripel. Diese Zahlen werden Koordinaten des entsprechenden Punktes genannt. Die Koordinaten sind abha¨ngig von dem zugrunde liegenden Koordinatensystem. Es gibt verschiedene Mo¨glichkeiten fu¨r Koordinatensysteme, von denen hier drei wichtige beschrieben werden. Allgemein kann man ein Koordinatensystem als ein System von geometrischen Objekten, mit deren Hilfe die Lage anderer geometrischer Objekte durch Zahlenwerte (Koordinaten) umkehrbar eindeutig beschrieben werden kann, bezeichnen. Legt man auf einer Geraden g einen Anfangspunkt 0 (Nullpunkt), eine positive Richtung (Orientierung) und eine La¨ngeneinheit l (Maßstab) fest, dann entspricht jeder reellen Zahl x ein bestimmter Punkt dieser Geraden, und umgekehrt entspricht jedem Punkt der Geraden eine reelle Zahl. Die Gerade g wird Zahlengerade genannt.
1.1 Kartesisches Koordinatensystem der Ebene Um die Lage eines Punktes in der Ebene eindeutig festzulegen, sind zwei Zahlengeraden notwendig. Man ordnet die Zahlengeraden stets so an, daß ihre Nullpunkte zusammenfallen. Die Zahlengeraden
werden Achsen des Koordinatensystems oder Koordinatenachsen genannt und als x- oder Abszissenachse und als y- oder Ordinatenachse bezeichnet. Der gemeinsame Nullpunkt, also der Schnittpunkt der beiden Geraden, heißt Koordinatenursprung oder Nullpunkt. Auf jeder der beiden Geraden wird vom Koordinatenursprung aus eine positive und eine negative Orientierung sowie ein Maßstab festgelegt. In einem kartesischen (rechtwinkligen) Koordinatensystem stehen die Koordinatenachsen senkrecht aufeinander, die Achsen haben den gleichen Maßstab und bilden ein sogenanntes Rechtssystem: Die x-Achse geht durch Drehung um einen rechten Winkel im mathematisch positiven Sinne (linksdrehend, entgegen dem Uhrzeigersinn) in die y-Achse u¨ber. Ein beliebiger Punkt P der Ebene kann dann durch seine kartesischen Koordinaten beschrieben werden: Pðx j yÞ mit x als Abszisse und y als Ordinate. Dieses Koordinatensystem ist benannt nach dem franzo¨sischen Mathematiker Rene´ Descartes, genannt Cartesius (1596––1650). y-Achse (Ordinatenachse)
y1
P 1 ( x1 y1 )
1 x2
–1 P 2 ( x2 y2 )
0 –1 y 2
1
x1
x-Achse (Abszissenachse)
Bild VII-1 Kartesisches Koordinatensystem der Ebene
1.2 Polarkoordinatensystem der Ebene Ein Polarkoordinatensystem der Ebene ist bestimmt durch einen festen Punkt, den Pol O, und einer von ihm ausgehenden fest gewa¨hlten Achse, der Polarachse, auf der wie bei einem Zahlenstrahl eine Orientierung und ein Maßstab festgelegt sind. Ein beliebiger Punkt P der Ebene la¨ßt sich dann durch seine Polarkoordinaten beschreiben: Pðr j jÞ, wobei r der Abstand des Punktes P vom Pol O ist und j der Winkel, den der Strahl vom Pol O durch den Punkt P mit der Polarachse bildet.
107 Dabei wird der Winkel j in mathematisch positiver Richtung (linksdrehend, entgegen dem Uhrzeigersinn) gemessen. Dieser Winkel j ist nur bis auf ganzzahlige Vielfache von 2p bestimmt. Man nennt j auch Polarwinkel des Punktes P.
&
Beispiele: 1.
Eine rechteckige Metallplatte soll zwei Bohrungen erhalten. Fu¨r die Mitten der Bohrungen soll gelten: Die erste Bohrung ist von einer Ecke der Platte 120 mm entfernt. Die Verbindungsstrecke zwischen dieser Ecke und der Bohrung soll mit der la¨ngeren Seite der Platte einen Winkel von 30 bilden. Die zweite Bohrung soll dreiviertel so weit von derselben Ecke entfernt sein: Die Verbindungsstrecke zwischen dieser Ecke und der zweiten Bohrung soll mit der ersten Verbindungsstrecke einen Winkel von 45 einschließen. Die Bohrungsmitten sind anzureißen. Mathematisch umgesetzt bedeutet die Aufgabe: Die Polarkoordinaten r1 ¼ 120 mm; j1 ¼ 30 und r2 ¼ 90 mm; j2 ¼ 75 zweier Punkte P1 ðr1 j j1 Þ und P2 ðr2 j j2 Þ sind in kartesische Koordinaten umzurechnen (j2 ¼ j1 45 kommt nicht in Frage, da P2 dann außerhalb der Platte la¨ge). Man berechnet: x1 ¼ r1 cos j1 ¼ 120 mm cos 30 103;92 mm y1 ¼ r1 sin j1 ¼ 120 mm sin 30 ¼ 60;00 mm x2 ¼ r2 cos j2 ¼ 90 mm cos 75 23;29 mm y2 ¼ r2 sin j2 ¼ 90 mm sin 75 86;93 mm Ergebnis: x1 130;92 mm; y1 ¼ 60;00 mm; x2 23;29 mm; y2 86;93 mm
Bild VII-2 Polarkoordinatensystem der Ebene
1.3 Zusammenhang zwischen kartesischen und Polarkoordinaten Ein beliebiges geometrisches Objekt kann in verschiedenen Koordinatensystemen beschrieben werden, zum Beispiel in einem kartesischen und in einem Polarkoordinatensystem. Fu¨r dieselben geometrischen Eigenschaften findet man dann zwei Gleichungen f1 ðx; yÞ ¼ 0 und f2 ðr; jÞ ¼ 0. Durch Transformation (berfu¨hrung) des einen Koordinatensystems in das andere geht die eine Gleichung des geometrischen Objekts in die andere u¨ber. Die Transformationsgleichungen fu¨r den bergang von Polarkoordinaten zu kartesischen Koordinaten und umgekehrt ergeben sich mit Hilfe der trigonometrischen und Arkusfunktionen. Zur Vereinfachung wird dabei vorausgesetzt, daß der Pol des Polarkoordinatensystems mit dem Koordinatenursprung des kartesischen Koordinatensystems und die Polarachse mit der x-Achse (Abszisse) zusammenfallen. Transformationsgleichungen pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi x ¼ r cos j r ¼ x2 þ y2 x y y ¼ r sin j cos j ¼ pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ; sin j ¼ pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi x2 þ y2 x2 þ y2
y P(x|y) = P(r | f)
y
1
f2 0
P1 y2
r1 y1 f1
x2 x1 längere Rechteckseite
Bild VII-4 Zu Beispiel 1 2.
Welche Polarkoordinaten haben die Ecken A; B; C des Dreiecks Að2;9 j 2;3Þ; Bð3;0 j 0;7Þ; Cð1;8 j 2;7Þ? Man berechnet: qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi rA ¼ ð2;9Þ2 þ ð2;3Þ2 3;7 2;9 cos jA ¼ qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 0;7835 ) jA 38;4 ð2;9Þ2 þ ð2;3Þ2 rB ¼
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ð3;0Þ2 þ ð0;7Þ2 3;1
cos jB < 0 und sin jB < 0 ) 180 < jB < 270 (vgl. Vorzeichentabelle in Abschnitt VI.2) 3;0 cos a ¼ qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 0;9738; ð3;0Þ2 þ ð0;7Þ2 cos b ¼ 0;9738 ) b 13;1 Wegen cos ð180 þ aÞ ¼ cos a (vgl. Abschnitt VI.5) folgt jB 180 þ 13;1 ¼ 193;1 qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi rC ¼ ð1;8Þ2 þ ð2;7Þ2 3;2
1;8 cos a ¼ qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 0;5547 ) a 56;3 ð1;8Þ2 þ ð2;7Þ2
f 0
r2
cos jC > 0 und sin jC < 0 ) 270 < jC < 360 (vgl. Vorzeichentabelle in Abschnitt VI.2)
r
1
P2
x
x
Bild VII-3 Kartesische Koordinaten und Polarkoordinaten
Wegen cos ð360 aÞ ¼ cos a (vgl. Abschnitt VI.5) folgt jC 360 56;3 ¼ 303;7 . Ergebnis: Að3;7 j 38;4 Þ; Bð3;1 j 193;1 Þ; Cð3;2 j 303;7 Þ die drei Punkte in Polarkoordinaten.
sind
108
Mathematik
rA xB
fB
yB B
rB
1. Die Gleichung ax þ by þ c ¼ 0 ist die allgemeine Geradengleichung, wobei die Koeffizienten a und b nicht gleichzeitig Null sein du¨rfen.
A
y
fA
0
yA
xC
Allgemeine Geradengleichung xA
fC
x
yC
ax þ by þ c ¼ 0
rC C
Bild VII-5 Zu Beispiel 2
1.4 Kartesisches Koordinatensystem des Raums Ein kartesisches Koordinatensystem des Raums besteht aus drei paarweise aufeinander senkrecht stehenden Geraden (Koordinatenachsen), die sich in einem Punkt, dem Koordinatenursprung, schneiden. Die drei Koordinatenachsen bilden ein Rechtssystem: Winkelt man Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger der rechten Hand so ab, daß sie aufeinander senkrecht stehen, dann ko¨nnen diese Finger als positive Richtungen eines Rechtssystems aufgefaßt werden. Man bezeichnet die Achsen in dieser Reihenfolge meist als x-Achse, y-Achse und z-Achse. Auf allen drei Achsen sind die Maßsta¨be gleich. Ein beliebiger Punkt P des Raums kann dann durch seine kartesischen Koordinaten beschrieben werden: Pðx j y j zÞ, wobei x, y und z die senkrechten Projektionen des Punktes auf die drei Koordinatenachsen sind.
Die Variablen x und y sind die Koordinaten eines beliebigen Punktes der Geraden. Ein Punkt P0 ¼ Pðx0 j y0 Þ der Ebene liegt also genau dann auf der Geraden, wenn seine Koordinaten x0 und y0 die Gleichung erfu¨llen, wenn also ax0 þ by0 þ c ¼ 0 gilt. Die Koeffizienten a; b; c legen die Gerade eindeutig fest. Fu¨r a ¼ 0 ist die Gerade eine Parallele zur x-Achse, fu¨r b ¼ 0 eine Parallele zur y-Achse, und fu¨r c ¼ 0 verla¨uft die Gerade durch den Koordinatenursprung (Nullpunkt). 2. Dividiert man die allgemeine Geradengleichung durch b 6¼ 0 (die Gerade ist also nicht parallel a zur y-Achse), dann ergibt sich mit m ¼ und b c n¼ die Hauptform oder Normalform der b Geradengleichung. Hauptform oder Normalform y ¼ mx þ n Geraden, die Parallelen zur y-Achse sind, besitzen also keine Hauptform (Normalform). y
P(x|y )
z
m y=
z0
x+
n
mx y
1 m P0(x0 y0 z 0)
n
1
0 1
x
n
a 1
y0
y
x0 x
Bild VII-6 Kartesisches Koordinatensystem des Raums
2 Geraden 2.1 Geradengleichungen Eine Gerade ist die ku¨rzeste Verbindung zweier Punkte. Eine Gerade ist durch zwei beliebige auf ihr liegende Punkte eindeutig bestimmt (vgl. Abschnitt III.1). Fu¨r eine Gerade gibt es verschiedene Gleichungsformen.
x
0
Bild VII-7 Hauptform der Geradengleichung Die Gro¨ße m wird Richtungskoeffizient oder Steigung der Geraden genannt. Die Steigung ist gleich dem Tangens des Winkels, den die Gerade mit der positiven Richtung der x-Achse einschließt. Die Strecke n wird von der Geraden auf der y-Achse abgeschnitten, deshalb heißt n auch Achsenabschnitt oder genauer y-Achsenabschnitt. Er kann ebenso wie der Tangens je nach Lage unterschiedliches Vorzeichen besitzen. Sonderfa¨lle: 2.1 n ¼ 0 : Die Gerade verla¨uft durch den Nullpunkt. Gerade durch Nullpunkt
y ¼ mx
VII Analytische Geometrie
109 P(x|y)
y y
x =m
y
m 1
0
x
x
Bild VII-8 Gerade mit der Gleichung y ¼ mx 2.2 m ¼ 0 : Die Gerade ist eine Parallele zur x-Achse im Abstand n. y¼n
Parallele zur x-Achse
den Katheten m, 1 gilt die Proportion y y1 ðy y1 Þ : ðx x1 Þ ¼ m : 1 oder ¼ m: x x1 Auflo¨sung nach y ergibt die Punktsteigungsform. 4. Die Gleichung einer Geraden durch zwei Punkte P1 ¼ Pðx1 j y1 Þ und P2 ¼ Pðx2 j y2 Þ mit x1 6¼ x2 ergibt die Zweipunkteform der Geradengleichung. Zweipunkteform y¼
y2 y1 ðx x1 Þ þ y1 x2 x1
oder y y1 y2 y1 ¼ x x1 x2 x1
y y=n n
y
0
P
x P2
Bild VII-9 Gerade mit der Gleichung y ¼ n P1
2.3 Entsprechend ist x ¼ k die Gleichung einer Parallele zur y-Achse im Abstand k.
y y2 1 m x1
0
y
x2
x
x
Bild VII-12 Zweipunkteform der Geradengleichung
x=k 0
y1
x¼k
Parallele zur y-Achse
x
k
Bild VII-10 Gerade mit der Gleichung x ¼ k 3. Sind von einer Geraden ein Punkt P1 ¼ Pðx1 j y1 Þ und die Steigung m bekannt, dann lautet die Gleichung der Geraden y ¼ mðx x1 Þ þ y1 . Dies ist die Punktsteigungsform der Geradengleichung. y ¼ mðx x1 Þ þ y1
Punktsteigungsform y
Die Proportion ergibt sich aus der hnlichkeit der rechtwinkligen Dreiecke mit den Hypotenusen P1 P und P1 P2 . 5. Hat eine Gerade den Achsenabschnitt x0 auf der x-Achse und den Achsenabschnitt y0 auf der y Achse, das heißt, die Gerade geht durch die Punkte P1 ðx0 j 0Þ und P2 ð0 j y0 Þ, und gilt x0 6¼ 0 und y0 6¼ 0, dann lautet die Gleichung der Gex y þ ¼ 1. Dies ist die Achsenabschnittsrade x0 y0 form der Geradengleichung.
P
Achsenabschnittsform
x y þ ¼1 x0 y0
y – y1 P1
1 m x – x1
mx1 x1 n
y1
y
Bild VII.13 Achsenabschnittsform der Geradengleichung
y
y1
x1
a 0
x
x
Bild VII-11 Punktsteigungsform der Geradengleichung
y0
P y
Wegen der hnlichkeit der rechtwinkligen Dreiecke mit den Katheten y y1 , x x1 und mit
x 0
x0
x
110
Mathematik
Aus der allgemeinen Geradengleichung ax þ by þ c ¼ 0 ergibt sich die Achsenabschnittsform durch Division durch c 6¼ 0. 6. Die Hesse-Form oder Hessesche Normalform der Geradengleichung (nach dem deutschen Mathematiker Ludwig Otto Hesse, 1811––1874) lautet x cos j þ y sin j d ¼ 0. Dabei ist d 0 der Abstand des Koordinatenursprungs O von der Geraden g, also die La¨nge des Lotes von O auf die Gerade g (Fußpunkt F), und j mit 0 j < 2p der Winkel zwischen der positiven x-Achse und dem Lot OF.
Man findet die Achsenabschnittsform auch direkt, indem man in der Hauptform durch Division durch -4 das Absolutglied zu 1 macht. Hessesche Normalform : Durch Umstellung der Hauptform ergibt sich 1;5x y 4 ¼ 0: Durch Vergleich mit der allgemeinen Geradengleichung ax þ by þ c ¼ 0 erha¨lt man a ¼ 1;5; b ¼ 1; c ¼ 4. Man erha¨lt die Hessesche Normalform, indem man die Gleichung qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1; 5x y 4 ¼ 0 durch þ a2 þ b2 ¼ þ ð1;5Þ2 þ ð1Þ2 ¼ pffiffiffiffiffiffiffiffiffi þ 3;25 dividiert: 1;5 1 4 pffiffiffiffiffiffiffiffiffi x pffiffiffiffiffiffiffiffiffi y pffiffiffiffiffiffiffiffiffi ¼ 0 3;25 3;25 3;25
y
Hessesche Normalform 4
P1
x cos j þ y sin j d ¼ 0
2
Bild VII-14 Hessesche Normalform der Geradengleichung
y
–4
a –2 d
f 0
2
x
–2 F –4
f = a – 90° 0
inf ys
xc
os f
d
P(x|y ) f
–6
y
P2
a
x
x
Man kann die Hessesche Normalform aus der allgemeinen Geradengleichung ax þ by þ c ¼ 0 durch Multiplikation mit dem Normierungsfak1 tor pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi herleiten. Das Vorzeichen des a2 þ b2 Normierungsfaktors muß entgegengesetzt zu dem von c gewa¨hlt werden. &
–8
g
Beispiel: Gesucht ist die Gerade durch die Punkte P1 ð5 j 3;5Þ und P2 ð2 j 7Þ. Zweipunkteform: y 3;5 7 3;5 ¼ xþ5 2þ5 Punktsteigungsform : Da die rechte Seite der Zweipunkteform die Steigung m angibt, 7 3;5 also m ¼ ¼ 1;5 folgt 2þ5 y ¼ 1;5ðx þ 5Þ þ 3;5 Hauptform: Aus der Punktsteigungsform ergibt sich y ¼ 1;5x 7;5 þ 3;5 und somit y ¼ 1;5x 4 Achsenabschnittsform : Aus der Hauptform folgt y ¼ 4 fu¨r x ¼ 0, der y-Achsenabschnitt ist also y0 ¼ 4. Setzt man in die Hauptform y ¼ 0 ein, so ergibt 8 sich 1;5x ¼ 4, also x ¼ , der x-Achsenabschnitt ist somit 3 8 x0 ¼ . Die Achsenabschnittsform lautet daher 3 x y ¼1 þ 8 4 3
g
Bild VII-15 Gerade durch die Punkte P1 ð5 j 3;5Þ und P2 ð2 j 7Þ
2.2 Absta¨nde Mit Hilfe der Hesseschen Normalform der Geradengleichung la¨ßt sich der Abstand zwischen einem Punkt und einer Geraden oder zwischen zwei parallelen Geraden berechnen. Zuna¨chst werden jedoch Formeln zur Berechnung des Abstandes zwischen zwei Punkten hergeleitet. 1. Punkt –– Punkt Der Abstand zweier Punkte P1 und P2 ist die La¨nge jP1 P2 j der Verbindungsstrecke P1 P2. Sind die Punkte im kartesischen Koordinatensystem dargestellt, also P1 ¼ P1 ðx1 j y1 Þ; P2 ¼ P2 ðx2 j y2 Þ, dann gilt fu¨r den Abstand dðP1 ; P2 Þ von P1 und P2 nach dem Satz des Pythagoras qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi dðP1 ; P2 Þ ¼ jP1 P2 j ¼ ðx2 x1 Þ2 þ ðy2 y1 Þ2 Sind die Punkte in Polarkoordinaten dargestellt, also P1 ¼ P1 ðr1 j j1 Þ; P2 ¼ P2 ðr2 j j2 Þ, dann folgt aus dem Kosinussatz dðP1 ; P2 Þ ¼ jP1 P2 j qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ¼ r12 þ r22 2r1 r2 cos ðj1 j2 Þ 2. Gerade –– Gerade Sind g1 : y ¼ mx þ n1 und g2 : y ¼ mx þ n2 zwei parallele Geraden (parallele Geraden haben glei-
VII Analytische Geometrie che Steigung), so ermittelt man die Hessesche Normalform der Geraden: g1 : x cos j þ y sin j d1 ¼ 0; g2 : x cos j þ y sin j d2 ¼ 0 Fu¨r den Abstand l der parallelen Geraden g1 und g2 voneinander gilt dann l ¼ jd1 d2 j, wenn die Geraden auf der gleichen Seite des Koordinatenursprungs liegen, l ¼ d1 þ d2 , wenn die Geraden auf verschiedenen Seiten des Koordinatenursprungs liegen. 3. Punkt –– Gerade Ist P1 ðx1 j y1 Þ ein Punkt und g1 : y ¼ mx þ n eine Gerade, dann ermittelt man zuna¨chst die Hessesche Normalform von g1 : g1 : x cos j þ y sin j d1 ¼ 0 Durch den Punkt P1 legt man eine zu g1 parallele Gerade g2 : g2 : x cos j þ y sin j d2 ¼ 0 Ist l der Abstand zwischen P1 und g1 , so ist l auch der Abstand zwischen den Geraden g1 und g2 , und es gilt g2 : x cos j þ y sin j ðd1 lÞ ¼ 0
111 Durch Einsetzen der Koordinaten von P1 erha¨lt man den gesuchten Abstand: 3 4 l ¼ 5 þ 10 2 ¼ j 3 þ 8 2 j ¼ 3 5 5
3 Kreise 3.1 Kreisgleichungen Der Kreis ist der geometrische Ort aller Punkte der Ebene, die von einem festen Punkt M (Mittelpunkt des Kreises) einen konstanten Abstand r (Radius des Kreises) haben (vgl. Abschnitt III.10). Fu¨r einen Kreis gibt es verschiedene Gleichungsformen. 1. Liegt der Mittelpunkt eines Kreises mit dem Radius r im Koordinatenursprung, dann lautet die Gleichung des Kreises in kartesischen Koordinaten x2 þ y2 ¼ r2 . Dabei sind x und y die Koordinaten eines beliebigen Punktes Pðx j yÞ des Kreises. Die Gleichung ergibt sich nach dem Satz des Pythagoras. Mittelpunkt im Ursprung y
Da P1 auf g2 liegt, erfu¨llen seine Koordinaten die Geradengleichung x1 cos j þ y1 sin j ðd1 lÞ ¼ 0 ;
P r
woraus sich fu¨r den Abstand l ergibt l ¼ jx1 cos j þ y1 sin j d1 j &
Beispiele: 1. Gegeben: Die Punkte P1 ð3 j 4Þ und P2 ð2 j 6Þ Gesucht: Der Abstand dðP1 ; P2 Þ von P1 und P2 Es gilt qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ðx2 x1 Þ2 þ ðy2 y1 Þ2 ¼ ð2 3Þ2 þ ð6 4Þ2 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi ¼ 52 þ 22 ¼ 29 ¼ 5;3851 . . .
dðP1 ; P2 Þ ¼
2.
Gegeben: Die beiden parallelen Geraden g1 : 2x 4y þ 7 ¼ 0; g2 : 3x þ 6y þ 30 ¼ 0 Gesucht: Der Abstand l der beiden Geraden 2 4 7 Hessesche Normalform von g1 : pffiffiffiffiffi x þ pffiffiffiffiffi y pffiffiffiffiffi ¼ 0 20 20 20 durch Multiplikation der allgemeinen Geradengleichung 1 1 mit dem Normierungsfaktor pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ¼ qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi a2 þ b2 1 22 þ ð4Þ2 ¼ pffiffiffiffiffi 20 2 4 20 Hessesche Normalform von g2 : pffiffiffiffiffi x pffiffiffiffiffi y pffiffiffiffiffi ¼ 0 20 20 20 Entgegengesetzte Vorzeichen der x- und y-Glieder ) die Geraden liegen auf verschiedenen Seiten des Koordinatenursprungs Somit gilt fu¨r den Abstand l von g1 und g2 : pffiffiffi 7 20 27 27 27 5 l ¼ d1 þ d2 ¼ pffiffiffiffiffi þ pffiffiffiffiffi ¼ pffiffiffiffiffi ¼ pffiffiffi ¼ 10 20 20 20 2c 5
3.
Gegeben: Punkt P1 ð5 j 10Þ und Gerade g1 : 3x 4y þ 10 ¼ 0 Gesucht: Der Abstand l des Punktes P1 von der Geraden g1 3 4 Hessesche Normalform von g1 : x þ y 2 ¼ 0 5 5 durch Multiplikation der allgemeinen Geradengleichung mit 1 1 1 dem Normierungsfaktor pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ¼ qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ¼ 5 2 a2 þ b2 2 3 þ ð4Þ
x2 þ y2 ¼ r2
y x
0
x
Bild VII-16 Kreisgleichung x2 þ y2 ¼ r2 2. Hat der Mittelpunkt allgemeiner die Koordinaten xm und ym , also M ¼ Mðxm j ym Þ, dann ergibt sich die Mittelpunktsform oder Hauptform der Kreisgleichung. Mittelpunktsform oder Hauptform ðx xm Þ2 þ ðy ym Þ2 ¼ r2 y P r M y ym
0
xm
x
x
Bild VII-17 Kreisgleichung ðx xm Þ2 þ ðy ym Þ2 ¼ r2
112
Mathematik
3. Lo¨st man in der Mittelpunktsform die Klammern auf, dann ergibt sich die allgemeine Form der Kreisgleichung. Allgemeine Form x2 þ y2 þ 2ax þ 2by þ c ¼ 0 Hierin bedeuten a ¼ xm ; b ¼ ym ; c ¼ x2m þ y2m r2 : Aus der letzten Gleichung folgt a2 þ b2 c ¼ r2 > 0 als Bedingung dafu¨r, daß es sich bei einer Gleichung der allgemeinen Form wirklich um eine Kreisgleichung handelt (fu¨r c > a2 þ b2 liefert die Gleichung keine reelle Kurve, fu¨r c ¼ a2 þ b2 ergibt sich ein einziger Punkt Mðxm j ym Þ). 4. Werden die beiden Koordinaten x und y jeweils als Funktion einer Hilfsvariablen t angegeben, so erha¨lt man die Parameterdarstellung des Kreises mit dem Radius r und dem Mittelpunkt Mðxm j ym Þ (vgl. Abschnitt V.1.2). Parameterdarstellung x ¼ xm þ r cos t ; y ¼ ym þ r sin t ; 0 t < 2p
3.
Lo¨sung: Die entsprechenden Rechnungen wie bei Beispiel 1 ergeben ðx þ 1Þ2 þ ðy 2Þ2 ¼ 1. Dies ist eine unerfu¨llbare Gleichung, denn der Term auf der linken Seite des Gleichheitszeichens ist als Summe zweier Quadrate nicht negativ (ein Quadrat ist nicht negativ, also ist auch eine Summe von Quadraten nicht negativ), wa¨hrend die rechte Seite gleich 1, also negativ ist. Man besta¨tigt, daß die Bedingung a2 þ b2 c > 0 nicht erfu¨llt ist. Welches geometrische Objekt beschreibt die Gleichung 1;5x2 þ 1;5y2 þ 3x 6y þ 7;5 ¼ 0? Lo¨sung: Man berechnet a2 þ b2 c ¼ 1 þ 4 5 ¼ 0 in der durch 1,5 dividierten Gleichung und somit ðx þ 1Þ2 þ ðy 2Þ2 ¼ 0. Dies ist die Gleichung eines entarteten Kreises, also eines Kreises mit dem Radius r ¼ 0. Die Gleichung wird nur von einem Koordinatenpaar, den Koordinaten des Mittelpunktes Mð1 j 2Þ, erfu¨llt.
3.2 Berechnung von Kreisen Ein Kreis ist festgelegt durch den Mittelpunkt und einen weiteren Punkt oder durch drei Punkte (die nicht alle auf einer Geraden liegen). Die Gleichung eines Kreises kann also berechnet werden, wenn drei Punkte der Kreisperipherie gegeben sind oder der Mittelpunkt und ein Punkt der Peripherie. Berechnung von Kreisen:
&
Beispiele: 1. Welches geometrische Objekt beschreibt die Gleichung 1;5x2 þ 1;5y2 þ 3x 6y þ 4;5 ¼ 0? Lo¨sung: Division durch 1,5 ergibt x2 þ y2 þ 2x 4y þ 3 ¼ 0, eine Kreisgleichung in allgemeiner Form. Dabei ist a ¼ xm ¼ 1; b ¼ ym ¼ 2; c ¼ 3. Die Bedingung a2 þ b2 c > 0 ist erfu¨llt, denn 1 þ 4 3 ¼ 2 > 0. Die Koordinaten des Kreismittelpunktes sind xm ¼ 1; pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffi ym ¼ 2, der Radius ist r ¼ a2 þ b2 c ¼ 2. Die Mittelpunktsform
(Hauptform)
dieses
Kreises
lautet
somit
1. Gegeben: Mittelpunkt Mðxm j ym Þ, Punkt P1 ðx1 j y1 Þ Gesucht: Kreis mit dem Mittelpunkt M durch den Punkt P1 Der Radius r des gesuchten Kreises ergibt sich durch Einsetzen der Koordinaten des Punktes P1 in die Mittelpunktsform der Kreisgleichung: qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi r ¼ ðx1 xm Þ2 þ ðy1 ym Þ2 Kreisgleichung somit:
ðx þ 1Þ2 þ ðy 2Þ2 ¼ 2.
ðx xm Þ2 þ ðy ym Þ2 ¼ ðx1 xm Þ2 þ ðy1 ym Þ2 2. Gegeben: Punkte P1 ðx1 j y1 Þ; P2 ðx2 j y2 Þ; P3 ðx3 j y3 Þ Gesucht: Kreis durch die Punkte P1 ; P2 ; P3 Bestimmung der Koordinaten xm ; ym des Mittelpunktes: Einsetzen der Koordinaten der Punkte in die Mittelpunktsform der Kreisgleichung :
y 3 M
2 1
–1
x
0
Bild VII-18 Kreis mit der Gleichung ðx þ 1Þ2 þ ðy 2Þ2 ¼ 2 Die aus der gegebenen Gleichung abgeleitete Gleichung x2 þ y2 þ 2x 4y þ 3 ¼ 0 la¨ßt sich auch ohne Benutzung der Formeln fu¨r die Mittelpunktskoordinaten und den Radius auf die Mittelpunktsform bringen, und zwar mit Hilfe von quadratischen Erga¨nzungen: x2 þ y2 þ 2x 4y þ 3 ðx2 þ 2xÞ þ ðy2 4yÞ ðx2 þ 2x þ 1Þ þ ðy2 4y þ 4Þ ðx þ 1Þ2 þ ðy 2Þ2 2.
¼0 ¼ 3 ¼ 1þ43 ¼2
Welches geometrische Objekt beschreibt die Gleichung 1;5x2 þ 1;5y2 þ 3x 6y þ 9 ¼ 0?
ðx1 xm Þ2 þ ðy1 ym Þ2 ¼ ðx2 xm Þ2 þ ðy2 ym Þ2 ¼ ðx3 xm Þ2 þ ðy3 ym Þ2 ¼ r2 Daraus erha¨lt man ein lineares Gleichungssystem zur Bestimmung von xm und ym : 2ðx2 x1 Þ xm þ 2ðy2 y1 Þ ym ¼ x22 x21 þ y22 y21 2ðx3 x1 Þ xm þ 2ðy3 y1 Þ ym ¼ x23 x21 þ y23 y21
Bestimmung des Radius r : Einsetzen von xm ; ym und der Koordinaten eines Punktes in qdie Mittelpunktsform der Kreisgleiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi
chung: r ¼ ðx1 xm Þ2 þ ðy1 ym Þ2 Einsetzen von xm ; ym und r in die Mittelpunktsform der Kreisgleichung ergibt die Gleichung des gesuchten Kreises.
VII Analytische Geometrie &
Beispiele: 1. Gegeben: Mittelpunkt Mð2 j 1Þ, Punkt P1 ð4 j 3Þ Gesucht: Kreis mit dem Mittelpunkt M durch den Punkt P1 Berechnung des Radius: qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi r ¼ ð4 ð2ÞÞ2 þ ð3 ð1ÞÞ2 ¼ 52
2.
Der gesuchte Kreis hat die Gleichung ðx þ 2Þ2 þ ðy þ 1Þ2 ¼ 52. Gegeben: Punkte P1 ð6j7Þ; P2 ð2j9Þ; P3 ð1j0Þ Gesucht: Kreis durch die Punkte P1 ; P2 ; P3 Bestimmung der Koordinaten xm ; ym des Mittelpunktes: 2ð2 6Þ xm þ 2ð9 7Þ ym ¼ 22 62 þ 92 72 2ð1 6Þ xm þ 2ð0 7Þ ym ¼ ð1Þ2 62 þ 02 72 2xm þ ym ¼ 0 8xm þ 4ym ¼ 0 ) ) 14xm 14ym ¼ 84 2xm þ 2ym ¼ 12 ) ym ¼ 4 ) xm ¼ 2 Bestimmung des Radius r : qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi r ¼ ð6 2Þ2 þ ð7 4Þ2 ¼ 25 ¼ 5 Der gesuchte Kreis hat somit die Gleichung ðx 2Þ2 þ ðy 4Þ2 ¼ 52 .
3.3 Kreis und Gerade Ein Kreis und eine Gerade ko¨nnen drei grundsa¨tzlich verschiedene Lagen zueinander haben (vgl. Abschnitt III.10.4): 1. Die Gerade ist eine Passante p, sie hat mit dem Kreis keinen Punkt gemeinsam. 2. Die Gerade ist eine Tangente t, sie hat mit dem Kreis genau einen Punkt, den Beru¨hrungspunkt P, gemeinsam. 3. Die Gerade ist eine Sekante s, sie hat mit dem Kreis zwei Punkte, die Schnittpunkte P1 und P2 , gemeinsam. Haben ein Kreis und eine Gerade Punkte gemeinsam (also in den Fa¨llen, daß die Gerade Tangente oder Sekante des Kreises ist), dann erfu¨llen die gemeinsamen Punkte sowohl die Gleichung des Kreises als auch die Gleichung der Geraden, also das (nichtlineare) Gleichungssystem (1) ðx xm Þ2 þ ðy ym Þ2 ¼ r2 (2) ax þ by þ c ¼ 0 Ist die Gerade eine Passante, dann hat dieses Gleichungssystem keine Lo¨sung, ist die Gerade eine Tangente, dann gibt es genau eine Lo¨sung, und ist die Gerade eine Sekante, dann existieren zwei verschiedene Lo¨sungen. Man lo¨st dieses Gleichungssystem, indem man in der Geradengleichung (2) eine Variable durch die andere eliminiert (also Auflo¨sen nach x oder y) und in (1) einsetzt. Dadurch entsteht eine quadratische Gleichung, die in Abha¨ngigkeit von der Diskriminante keine, eine oder zwei reelle Lo¨sungen hat. Hat zum Beispiel der gegebene Kreis seinen Mittelpunkt im Koordinatenursprung, und ist die Geradengleichung in Normalform gegeben, so folgt :
113 x2 þ ðmx þ nÞ2 ¼ r2 x2 þ m2 x2 þ 2mxn þ n2 ¼ r2 x2 ð1 þ m2 Þ þ 2mnx þ n2 r2 ¼ 0 mnx n2 r2 þ ¼0 x2 þ 2 2 1 þ m2 1 þ sm ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi mn 2 n2 r2 mn x1; 2 ¼ 1 þ m2 1 þ m2 1 þ m2 mn 1 ¼ 1 þ m2 1 þ m2 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi m2 n2 n2 þ r2 m2 n2 þ m2 r2 qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi mn 1 ¼ ð1 þ m2 Þ r2 n2 2 2 1þm 1þm Der Wert der Diskriminante (Radikand der Gleichung) bestimmt die Anzahl der reellen Lo¨sungen dieser Gleichung : 1. ð1 þ m2 Þ r2 < n2 ) keine reelle Lo¨sung ) Gerade ist Passante 2. ð1 þ m2 Þ r2 ¼ n2 ) eine reelle Lo¨sung ) Gerade ist Tangente 3. ð1 þ m2 Þ r2 > n2 ) zwei reelle Lo¨sungen ) Gerade ist Sekante &
Beispiele: 1. Berechnung der Schnittpunkte des Kreises mit der Gleichung ð1Þ ðx 2Þ2 þ ðy þ 3Þ2 ¼ 52 und der Geraden mit der Gleichung ð2Þ 2x y 9 ¼ 0. Aus (2) folgt y ¼ 2x 9, was in (1) eingesetzt wird: ðx 2Þ2 þ ð2x 6Þ2 ¼ 25 ) x2 4x þ 4 þ 4x2 24x þ 36 ¼ 25 ) 5x2 28x þ 15 ¼ 0 28 xþ3¼0 Division durch 5 ergibt die Normalform x2 5 der quadratischen Gleichung, woraus sich mit quadratischer Erga¨nzung 2 2 14 14 121 x ¼ 3 þ ¼ 5 5 25 14 11 3 die Lo¨sungen x1; 2 ¼ ; also x1 ¼ 5; x2 ¼ ergeben. 5 5 5 Aus (2) errechnet man die zugeho¨rigen y-Werte: 39 y1 ¼ 1; y2 ¼ . 5 Schnittpunkte von Kreis und Gerade somit: 3 39 P1 ð5 j 1Þ; P2 5 5 Die Gerade ist eine Sekante. 2.
Berechnung der Schnittpunkte des Kreises mit der Gleichung ð1Þ ðx þ 2Þ2 þ ðy þ 3Þ2 ¼ 13 und der Geraden mit der Gleichung ð2Þ 3x þ 2y 1 ¼ 0. 3 1 3 7 ) yþ3¼ xþ . Aus (2) folgt y ¼ x þ 2 2 2 2 In (1) eingesetzt ergibt: 2 3 7 ðx þ 2Þ2 þ x þ ¼ 13 2 2 9 21 49 2 2 ) x þ 4x þ 4 þ x x þ ¼ 13 4 2 4 13 2 13 13 x xþ ¼0 ) 4 2 4 4 Durch Multiplikation mit erha¨lt man x2 2x þ 1 ¼ 13 ðx 1Þ2 ¼ 0, woraus sich die Lo¨sungen x1 ¼ x2 ¼ 1 ergeben. In (2) eingesetzt ergibt den zugeho¨rigen y-Wert: y1 ¼ y2 ¼ 1. Die Gerade ist eine Tangente, sie beru¨hrt den Kreis im Punkt Pð1 j 1Þ.
3.
Berechnung der Schnittpunkte des Kreises mit der Gleichung ð1Þ ðx 1Þ2 þ ðy 2Þ2 ¼ 42
(1) x2 þ y2 ¼ r2 (2) y ¼ mx þ n Einsetzen von (2) in (1) ergibt eine quadratische Gleichung in x, die aufzulo¨sen ist:
114
Mathematik und der Geraden mit der Gleichung ð2Þ x y þ 10 ¼ 0. Gleichung (2) nach y aufgelo¨st: y ¼ x þ 10 ) y 2 ¼ x þ 8 In (1) eingesetzt: ðx 1Þ2 þ ðx þ 8Þ2 ¼ 16 ) x2 2x þ 1 þ x2 þ 16x þ 64 ¼ 16 ) 2x2 þ 14x þ 49 ¼ 0 49 ¼0 ) x2 þ 7x þ 2 rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffi 7 49 49 7 49 7 ¼ ¼ ð1 1Þ ) x1; 2 ¼ 2 4 2 2 4 2 Die Diskriminante ist negativ, die quadratische Gleichung hat also keine reelle Lo¨sung, das heißt, Kreis und Gerade schneiden sich nicht. Die Gerade ist eine Passante.
oder y y1 y1 ym ¼ x x1 x1 xm Dies sind Gleichungen der Normale durch den Punkt P1 ðx1 j y1 Þ des Kreises. y1 ym . Die Steigung der Normale ist daher m2 ¼ x1 xm Wegen m1 m2 ¼ 1 folgt fu¨r die Steigung m1 der x1 xm Tangente m1 ¼ . Die Gleichung der Tany1 ym gente im Punkt P1 ðx1 j y1 Þ la¨ßt sich dann mit der Punktsteigungsform berechnen y ¼ m1 ðx x1 Þ þ y1 ¼
x1 xm ðx x1 Þ þ y1 y1 ym
ym
M(xm|ym)
e nt
y1 ym ðx x1 Þ þ y1 x1 xm
P1(x1|y1) r
ge
y¼
r No
n Ta
Eine Tangente ist ganz allgemein eine Gerade, die eine Kurve, also den Graph einer Funktion y ¼ f ðxÞ, in einem Punkt Pða j f ðaÞÞ beru¨hrt, aber nicht schneidet (Tangente = Beru¨hrende). Tangenten gibt es also nicht nur beim Kreis, sondern fu¨r beliebige Kurven. Eine Normale ist eine Gerade durch den Punkt Pða j f ðaÞÞ einer Funktion y ¼ f ðxÞ, die senkrecht auf der Tangente an die Kurve der Funktion in diesem Punkt P steht. Zu jeder Tangente geho¨rt also eine Normale. Ist m1 ¼ tan a die Steigung der Tangente, dann ist also m2 ¼ tan ða 90 Þ die Steigung der zugeho¨1 (vgl. rigen Normale. Wegen tan ða 90 Þ ¼ tan a Abschnitte VI.3 und VI.5) folgt daraus m1 m2 ¼ 1 fu¨r das Produkt von Tangenten- und Normalensteigung. Beim Kreis geht jede Normale durch den Kreismittelpunkt. Will man die Gleichung der Normale des Kreises mit der Gleichung ðx xm Þ2 þ ðy ym Þ2 ¼ r2 (also Mittelpunktsform) durch den Punkt P1 ðx1 j y1 Þ des Kreises berechnen, so setzt man die Koordinaten der Punkte Mðxm j ym Þ und P1 ðx1 j y1 Þ, die auch auf der Normale liegen und diese damit eindeutig festlegen, in die Zweipunkteform der Geradengleichung ein.
ale
m
y
P(x|y)
0
xm
x
Bild VII-19 Eine Tangente und eine Normale des Kreises Durch Subtraktion von y und Multiplikation der Gleichung mit ðy1 ym Þ erha¨lt man folgende a¨quivalente Form als Gleichung der Tangente im Punkt P1 ðx1 j y1 Þ an den Kreis mit der Gleichung ðx xm Þ2 þ ðy ym Þ2 ¼ r2 . ðx1 xm Þ ðx x1 Þ þ ðy1 ym Þ ðy y1 Þ ¼ 0 Durch elementare Umformungen ergibt sich ðx1 xm Þ ðx x1 Þ þ ðy1 ym Þ ðy y1 Þ ¼ 0 ðx1 xm Þ x þ ðy1 ym Þ y ¼ x1 ðx1 xm Þ þ y1 ðy1 ym Þ ðx1 xm Þ ðx xm Þ þ ðy1 ym Þ ðy ym Þ ¼ ðx1 xm Þ2 þ ðy1 ym Þ2 ðx1 xm Þ ðx xm Þ þ ðy1 ym Þ ðy ym Þ ¼ r2 Die letzte Gleichung folgt, weil P1 ðx1 j y1 Þ ein Punkt des Kreises ist und damit die Kreisgleichung erfu¨llt. Als weitere a¨quivalente Tangentengleichung erha¨lt man also ðx1 xm Þ ðx xm Þ þ ðy1 ym Þ ðy ym Þ ¼ r2 &
Beispiele: 4. Bestimmung der Gleichungen von Tangente und Normale an den Kreis mit der Gleichung ðx 2Þ2 þ ðy þ 3Þ2 ¼ 10 im Punkt P1 ð1 j 0Þ des Kreises. Tangente: 1 1 x ð1 2Þ ðx 1Þ þ ð0 þ 3Þ ðy 0Þ ¼ 0 ) y ¼ 3 3 Normale: 0þ 3 y¼ ðx 1Þ þ 0 ) y ¼ 3x þ 3 12 3 5. Welche Geraden mit der Steigung m ¼ beru¨hren den 2 Kreis mit der Gleichung x2 þ y2 ¼ 9? Lo¨sung: Fu¨r den y-Achsenabschnitt n einer Tangente an einen Kreis, dessen Mittelpunkt im Koordinatenursprung liegt, gilt nach dem Satz des Pythagoras n2 ¼ r2 þ z2 ¼ r2 þ r2 m21 ¼ z und tan ð180 aÞ ¼ ð1 þ m21 Þ r2 , denn tan ð180 aÞ ¼ r tan a ¼ m1 (siehe Bild VII-20). 3 Einsetzen von m ¼ und r ¼ 3 ergibt 2 9 13 117 1 pffiffiffiffiffiffiffiffi n2 ¼ 1 þ 9¼ 9¼ )n¼ 117 5;4083. 4 4 4 2 Die gesuchten Tangentengleichungen sind 3 1 pffiffiffiffiffiffiffiffi 3 1 pffiffiffiffiffiffiffiffi y¼ þ 117 und y ¼ 117. 2 2 2 2 Die erste der beiden Tangenten ist in Bild VII-20 eingezeichnet.
VII Analytische Geometrie
115
y 2.
n z ale
rm
No
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi Berechnung des Radius: r ¼ 42 þ 32 þ 12 ¼ 26 Die gesuchte Kugel hat die Gleichung x2 þ y2 þ z2 ¼ 26. Gegeben: Mittelpunkt Mð2 j 1 j 1Þ, Punkt P1 ð0 j 4 j 3Þ Gesucht: Kugel mit dem Mittelpunkt M durch den Punkt P1 Berechnung des Radius: qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi r ¼ ð0 2Þ2 þ ð4 ð1ÞÞ2 þ ð3 1Þ2 ¼ 45 Die gesuchte Kugel hat die Gleichung ðx 2Þ2 þ ðy þ 1Þ2 þ ðz 1Þ2 ¼ 45.
P1 1
r
M
a–90°
=0 1
y1
5 Kegelschnitte
Tangente a
x1
x
Bild VII-20 Tangente und Normale des Kreises mit der Gleichung x2 þ y2 ¼ 9
4 Kugeln Eine Kugel ist der geometrische Ort aller Punkte des Raumes, die von einem festen Punkt M (Mittelpunkt der Kugel) einen konstanten Abstand r (Radius der Kugel) haben (vgl. Abschnitt IV.8). Fu¨r eine Kugel gibt es verschiedene Gleichungsformen. Liegt der Mittelpunkt einer Kugel mit dem Radius r im Ursprung eines (dreidimensionalen) kartesischen Koordinatensystems, dann lautet die Gleichung der Kugel x2 þ y2 þ z2 ¼ r2 . Dabei sind x, y und z die Koordinaten eines beliebigen Punktes Pðx j y j zÞ der Kugel (Kugeloberfla¨che). Mittelpunkt im Ursprung
x2 þ y2 þ z2 ¼ r2
z
Ein Kegelschnitt ist die Schnittfigur einer Ebene und des Mantels eines geraden Doppelkreiskegels. Ein gerader Kreiskegel entsteht durch Rotation einer Geraden (die Erzeugende oder Mantellinie) in einem festen Punkt (der Spitze) um eine vertikale Achse, wobei sich die rotierende Gerade entlang eines Kreises bewegt (also mit einem Kreis als Leitkurve), der in einer Ebene senkrecht zur Rotationsachse liegt (vgl. Abschnitt IV.4). Ein gerader Doppelkreiskegel besteht aus zwei geraden Kreiskegeln, die Spitze auf Spitze stehen und die gleiche Rotationsachse haben. Schneidet man einen geraden Doppelkreiskegel mit einer nicht durch die (gemeinsame) Spitze S gehenden Ebene E, dann entsteht als Kurve ein Kegelschnitt. Abha¨ngig von der Lage der Ebene E zum Doppelkegel erha¨lt man verschiedene Kurven. Kreis Liegt die Ebene senkrecht zur Kegelachse (Rotationsachse), so schneidet sie aus der Mantelfla¨che des Kegels einen Kreis heraus. Ellipse Ist die Neigung der Ebene so, daß sie nur eine Ha¨lfte des Doppelkegels schneidet und daß sie nicht parallel zu einer Mantellinie verla¨uft, so wird eine Ellipse ausgeschnitten.
r 0 x
y
Bild VII-21 Kugel mit der Gleichung x2 þ y2 þ z2 ¼ r2
Hat der Mittelpunkt allgemeiner die Koordinaten xm , ym und zm , also M ¼ ðxm j ym j zm Þ, dann ergibt sich die Mittelpunktsform oder Hauptform der Kugelgleichung. Mittelpunktsform oder Hauptform
Parabel Verla¨uft die Ebene parallel zu einer Mantellinie, so schneidet sie aus der Mantelfla¨che eine Parabel heraus. Hyperbel Trifft die Ebene beide Ha¨lften des Doppelkegels (zum Beispiel wenn sie parallel zur Kegelachse steht), dann ist die Schnittfigur eine Hyperbel (es werden zwei Kurven ausgeschnitten, die beiden ste einer Hyperbel).
ðx xm Þ2 þ ðy ym Þ2 þ ðz zm Þ2 ¼ r2 Eine Kugel ist festgelegt durch den Mittelpunkt und einen weiteren Punkt oder durch vier Punkte (die nicht alle in einer Ebene liegen). &
Beispiele: 1. Gegeben: Mittelpunkt im Koordinatenursprung, also M ¼ Mð0 j 0 j 0Þ, Punkt P1 ð4 j 3 j 1Þ Gesucht: Kugel mit dem Mittelpunkt M durch den Punkt P1
Bild VII-22 Kegelschnitt Ellipse
116
Mathematik chung eine Gleichung zweiten Grades in x und y hat. In einer solchen Gleichung kommen x und y nur linear und quadratisch vor. Die allgemeine Gleichung eines Kegelschnitts lautet Ax2 þ 2Bxy þ Cy2 þ Dx þ Ey þ F ¼ 0 Bild VII-23 Kegelschnitt Hyperbel
Die Kegelschnitte lassen sich bezu¨glich der Lage der Ebene E zu den Mantellinien des Doppelkegels charakterisieren: Beim Kreis und bei der Ellipse ist die Ebene zu keiner der Mantellinien parallel, bei der Parabel ist die Ebene zu einer Mantellinie parallel, und bei der Hyperbel ist die Ebene zu zwei Mantellinien des Doppelkegels parallel. Die Kegelschnitte lassen sich auch durch die Beziehung des ffnungswinkels a des Kegels zum Neigungswinkel b der Schnittebene E zur Rotationsachse beschreiben: b ¼ 90 a Ellipse: < b < 90 2 a Parabel: b¼ 2 a Hyperbel: 0 b < 2
Diese Gleichung entha¨lt als Sonderfa¨lle auch Gleichungen von Punkten, Geraden, Geradenpaaren und imagina¨ren Kurven. &
Kreis:
5.1 Ellipsen
Kreis
Ellipse
Hyperbel Parabel a b
b
Beispiele: 1. A ¼ 1; B ¼ C ¼ D ¼ 0; E ¼ 1; F ¼ 0 ) y ¼ x2 Gleichung der Normalparabel 2. A ¼ 1; B ¼ 0; C ¼ 1; D ¼ E ¼ 0; F ¼ r2 ) x2 þ y2 ¼ r2 Mittelpunktsform der Gleichung eines Kreises mit dem Mittelpunkt im Koordinatenursprung 1 1 x2 y2 3. A ¼ 2 ; B ¼ 0; C ¼ 2 ; D ¼ E ¼ 0; F ¼ 1 ) 2 þ 2 ¼ 1 a b a b Mittelpunktsform der Gleichung einer Ellipse mit dem Mittelpunkt im Koordinatenursprung 1 1 x2 y2 4. A ¼ 2 ; B ¼ 0; C ¼ 2 ; D ¼ E ¼ 0; F ¼ 1 ) 2 2 ¼ 1 a b a b Mittelpunktsform der Gleichung einer Hyperbel mit dem Mittelpunkt im Koordinatenursprung 5. A ¼ B ¼ C ¼ 0; D ¼ 1; E ¼ 1; F ¼ 0 ) y ¼ x Gleichung der Winkelhalbierenden (Gerade)
b b= 90°
Rotationsachse
Eine Ellipse ist der geometrische Ort aller Punkte einer Ebene, fu¨r die die Summe der Absta¨nde von zwei festen Punkten F1 und F2 konstant ist. Die Punkte F1 und F2 heißen Brennpunkte der Ellypse. Bezeichnet man den Abstand eines beliebigen Punktes P1 der Ellipse zu F1 mit r1 und den Abstand von P1 zu F2 mit r2 , also jP1 F1 j ¼ r1 ; jP1 F2 j ¼ r2, dann gilt r1 þ r2 ¼ 2a mit einer Konstanten a. y S1′
P1 a y1
a
Bild VII-24 Beziehung des ffnungswinkels a des Kegels zum Neigungswinkel b der Schnittebene zur Rotationsachse
S2
F2 p
Der Kreis ist bezu¨glich der verschiedenen Lagen von Ebene und Doppelkegel ein Spezialfall der Ellipse. Kreis und Ellipse sind beschra¨nkt, nicht jedoch Parabel und Hyperbel. Die Parabel besteht aus einem einzigen Ast (sie ist also zusammenha¨ngend), wa¨hrend die Hyperbel zwei getrennte symmetrische ste besitzt. Falls die Ebene E durch die Kegelspitze S geht, dann besteht die Schnittmenge entweder nur aus einem Punkt (dem Punkt S) oder aus einer oder zwei durch S gehende Geraden (Mantellinien). Solche Schnittmengen heißen entartete Kegelschnitte. Die nahe Verwandtschaft der Kegelschnitte zeigt sich auch in ihren Gleichungen. Jeder Kegelschnitt ist der Graph einer Funktion, die als Funktionsglei-
r2
p
r1
p
b 0=M
F1 S 1 x1
e a
e a
x p
b S2′
Bild VII-25 Bezeichnungen fu¨r die Ellipse Bezeichnungen Mð0 j 0Þ F1 ðe j 0Þ; F2 ðe j 0Þ S1 ða j 0Þ; S2 ða j 0Þ S01 ð0 j bÞ; S02 ð0 j bÞ
Mittelpunkt Brennpunkte Hauptscheitelpunkte Nebenscheitelpunkte
S1 S2
Hauptachse
S01 S02
Nebenachse
jS1 S2 j ¼ 2a
La¨nge der Hauptachse
jS01 S02 j ¼ 2b
La¨nge der Nebenachse (b < a)
VII Analytische Geometrie jMF1 j ¼ jMF2 j ¼ e p¼
117
Abstand der Brennpunkte vom Mittelpunkt
b2 a
P1 ðx1 j y1 Þ jP1 F1 j ¼ r1 ; jP1 F2 j ¼ r2
Halbparameter (die halbe La¨nge einer parallel zur Nebenachse gezogenen Sehne durch einen Brennpunkt) beliebiger Punkt der Ellipse Abstand von P1 zu den Brennpunkten
Gleichung der Tangente im Punkt P1 ðx1 j y1 Þ an die ðx xm Þ2 ðy ym Þ2 Ellipse mit der Gleichung þ ¼ 1: a2 b2 y¼
x1 xm b2 ðx x1 Þ þ y1 y1 ym a2
oder ðx1 xm Þ ðx xm Þ ðy1 ym Þ ðy ym Þ þ ¼1 a2 b2
Eigenschaften r1 þ r2 ¼ 2a
Summe der Absta¨nde ist konstant gilt nach dem Satz des Pythagoras heißt lineare Exzentrizita¨t der Ellipse heißt numerische Exzentrizita¨t der Ellipse
e2 þ b2 ¼ a2 e¼
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi a2 b2 > 0
e¼
e <1 a
Gleichung der Normale (die Normale steht senkrecht auf der Tangente) durch den Punkt P1 ðx1 j y1 Þ der Ellipse: y¼
Fu¨r die Fla¨che A und den Umfang u einer Ellipse gilt
Bemerkungen Eine der drei Gro¨ßen a; b; e kann wegen e2 þ b2 ¼ a2 aus den beiden anderen berechnet werden. Im Falle a ¼ b entartet die Ellipse zu einem Kreis. Die beiden Brennpunkte F1 ; F2 fallen dann mit dem Kreismittelpunkt zusammen.
.. Ellipsenflache A ¼ pab pffiffiffiffiffiffi Ellipsenumfang u p½1;5ða þ bÞ ab Der Wert fu¨r den Umfang ist nur eine Na¨herung, eine exakte Formel gibt es nicht. &
Beispiele: 1.
Ellipsengleichungen 1. Fallen die Koordinatenachsen mit den Ellipsenachsen zusammen, dann lautet die Gleichung der x2 y2 Ellipse 2 þ 2 ¼ 1. Dies ist die Normalform der a b Ellipsengleichung.
Normalform
x2 y2 þ ¼1 a2 b2
2.
2. Ist Mðxm j ym Þ der Mittelpunkt der Ellipse, und sind die Ellipsenachsen parallel zu den Koordinatenachsen, dann erha¨lt man die Mittelpunktsform der Ellipsengleichung.
Mittelpunktsform
ðx xm Þ2 ðy ym Þ2 þ ¼1 a2 b2
3. Werden die beiden Koordinaten x und y jeweils als Funktion einer Hilfsvariablen t angegeben, so erha¨lt man die Parameterdarstellung einer Ellipse, deren Achsen mit den Koordinatenachsen zusammenfallen (vgl. Abschnitt V.1.2). Parameterdarstellung x ¼ a cos t ;
y ¼ b sin t ;
0 t < 2p
y1 ym a2 ðx x1 Þ þ y1 x1 xm b2
3.
x2 y2 þ ¼1 6;25 4 Gesucht: La¨nge der Achsen, Brennpunkte, numerische Exzentrizita¨t La¨nge der Hauptachse ¼ 2a ¼ 2 2;5 ¼ 5 pffiffiffiffiffiffiffiffiffi (denn a ¼ 6;25 ¼ 2; 5) pffiffiffi La¨nge der Nebenachse ¼ 2b ¼ 2 2 ¼ 4 (denn b ¼ 4 ¼ 2) Berechnung der Brennpunkte: e2 ¼ a2 b2 ¼ 6;25 4 ¼ 2;25 ¼ 1;52 ) F1 ð1;5 j 0Þ; F2 ð1;5 j 0Þ e 1;5 ¼ 0;6 Numerische Exzentrizita¨t: e ¼ ¼ a 2;5 Gegeben: Punkte P1 ð2 j 2Þ; P2 ð4 j 1Þ einer Ellipse, Koordinatenachsen gleich Ellipsenachsen Gesucht: Gleichung der Ellipse Berechnung von a und b (halbe La¨ngen der Achsen): x2 y2 Koordinaten von P1 in die Normalform 2 þ 2 ¼ 1 der Ellipa b sengleichung einsetzen: 4 4 þ ¼ 1 ) 4b2 þ 4a2 ¼ a2 b2 a2 b2 Kooordinaten von P2 in die Normalform einsetzen: 16 1 þ ¼ 1 ) 16b2 þ a2 ¼ a2 b2 a2 b2 Gleichsetzen der Gleichungen ergibt 4b2 þ 4a2 ¼ 16b2 þ a2 ) 3a2 ¼ 12b2 ) a2 ¼ 4b2 Durch Einsetzen errechnet man 4b2 þ 16b2 ¼ 4b4 ) 20b2 ¼ 4b4 ) b2 ¼ 5 Daraus ergibt sich schließlich a2 ¼ 4 5 ¼ 20 x2 y2 Die Ellipsengleichung lautet also: þ ¼1 20 5 Gegeben: Brennpunkte F1 ð4 j 0Þ; F2 ð4 j 0Þ, halbe La¨nge der Hauptachse a ¼ 5 Gesucht: Ellipsengleichung, numerische Exzentrizita¨t Berechnung der halben La¨nge der Nebenachse: b2 ¼ a2 e2 ¼ 25 16 ¼ 9 ) b ¼ 3 x2 y2 þ ¼1 Ellipsengleichung: 25 9 e 4 Numerische Exzentrizita¨t: e ¼ ¼ ¼ 0;8 a 5 Gegeben: Ellipsengleichung
118 4.
Mathematik Im Punkt P1 ð3;1 j 2;7Þ einer Ellipse in Normalform mit der halben La¨nge der Hauptachse a ¼ 4;8 ist die Tangente gesucht. Wie groß ist die lineare Exzentrizita¨t e? Lo¨sung: Koordinaten von P1 und a ¼ 4;8 in die Normalform x2 y2 þ ¼ 1 der Ellipsengleichung einsetzen, um b zu berecha2 b2 nen: ð3;1Þ2
y Q2
H
yp
er
F1
M a te = 0 Asy e o t mp p tot ym e As
r1
S1
F1 x
el
F2
p
b
erb
Es gibt etliche Konstruktionsmo¨glichkeiten fu¨r eine Ellipse. Eine davon ist die sogenannte Faden- oder Ga¨rtnerkonstruktion: Die Endpunkte eines Fadens der La¨nge 2a werden mit Hilfe zweier Pfa¨hle an zwei Punkten F1 und F2 fest verankert, und zwar so, daß der Faden nicht straff ist. Ein dritter Pfahl, der den Faden spannt und ringsum gefu¨hrt wird, bewegt sich dann auf einer Ellipse.
S2
P1
p Hy
Die Normalform der Tangentengleichung erha¨lt man durch Auflo¨sen nach y: y ¼ 0;6232 . . . x þ 4;6320 . . . Berechnung von e: pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi e ¼ a2 b2 ¼ 23;04 12;5064 . . . ¼ 3;2455 . . .
r2
l
F2 p
þ
Einsetzen der Koordinaten von P1 , von a und b sowie von xm ¼ ym ¼ 0 in die Tangentengleichung ðx1 xm Þ ðx xm Þ ðy1 ym Þ ðy ym Þ þ ¼ 1: a2 b2 3;1 x 2;7 y þ ¼1 23;04 12;5064 . . .
be
e
ð2;7Þ2 ð2;7Þ2 ð4;8Þ2 ¼ 1 ) b2 ¼ ¼ 12;5064 . . . b2 ð4;8Þ ð4;8Þ2 ð3;1Þ2 ) b ¼ 3;5364 . . . 2
Q1
Q2 ′
Scheitelkreis
Q1 ′
Bild VII-27 Bezeichnungen fu¨r die Hyperbel Bezeichnungen Mð0 j 0Þ F1 ðe j 0Þ; F2 ðe j 0Þ S1 ða j 0Þ; S2 ða j 0Þ
Mittelpunkt Brennpunkte Scheitelpunkte
S1 S2
Hauptachse (Hyperbelachse) La¨nge der Hauptachse
jS1 S2 j ¼ 2a jMF1 j ¼ jMF2 j ¼ e
Abstand der Brennpunkte vom Mittelpunkt Schnittpunkte der AsymptoQ1 ; Q01 ; Q2 ; Q02 ten mit den Senkrechten zur Hauptachse durch die Scheitelpunkte jS1 Q1 j ¼ jS1 Q01 j Abstand der Schnittpunkte ¼ jS2 Q2 j ¼ jS2 Q02 j ¼ b zu den Scheitelpunkten b2 p¼ Halbparameter (die halbe a La¨nge einer senkrecht zur Hauptachse gezogenen Sehne durch einen Brennpunkt) beliebiger Punkt der Hyperbel P1 ðx1 j y1 Þ jP1 F1 j ¼ r1 ; jP1 F2j ¼ r2 Abstand von P1 zu den Brennpunkten Eigenschaften
Bild VII-26 Ga¨rtnerkonstruktion einer Ellipse
5.2 Hyperbeln Eine Hyperbel ist der geometrische Ort aller Punkte einer Ebene, fu¨r die der Betrag der Differenz der Absta¨nde von zwei festen Punkten F1 und F2 konstant ist. Die Punkte F1 und F2 heißen Brennpunkte der Hyperbel. Bezeichnet man den Abstand eines beliebigen Punktes P1 der Hyperbel zu F1 mit r1 und den Abstand von P1 zu F2 mit r2 , also jP1 F1 j ¼ r1 ; jP1 F2 j ¼ r2, dann gilt jr1 r2 j ¼ 2a mit einer Konstanten a. Die Hyperbel ist nicht zusammenha¨ngend, sie besteht aus zwei getrennten symmetrischen sten (die Hyperbel hat also auch keinen endlichen Fla¨cheninhalt). Sie besitzt zwei Asymptoten.
jr1 r2 j ¼ 2a a2 þ b2 ¼ e2 e¼
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi a2 þ b2 > 0
e¼
e >1 a
Betragsdifferenz der Absta¨nde ist konstant gilt nach dem Satz des Pythagoras heißt lineare Exzentrizita¨t der Hyperbel heißt numerische Exzentrizita¨t der Hyperbel
Bemerkung Eine der drei Gro¨ßen a; b; e kann wegen a2 þ b2 ¼ e2 aus den beiden anderen berechnet werden. Hyperbelgleichungen 1. Scheitelpunkte auf der x-Achse, Mittelpunkt im Koordinatenursprung: Normalform
x2 y2 ¼1 a2 b2
VII Analytische Geometrie
119
Beide Koordinatenachsen sind Symmetrieachsen der Hyperbel. Die Hyperbel ist nach rechts und nach links geo¨ffnet. Diese Gleichung nennt man auch die Normalform der Hyperbelgleichung. b Gleichungen der Asymptoten y ¼ x a Nur im Falle a ¼ b stehen die Asymptoten senkrecht aufeinander. Solche Hyperbeln heißen gleichseitige Hyperbeln. 2. Hauptachse parallel zur x-Achse, Mittelpunkt Mðxm j ym Þ: Mittelpunktsform
ðx xm Þ2 ðy ym Þ2 ¼1 a2 b2
Die Hyperbel ist nach rechts und nach links geo¨ffnet. Diese Gleichung heißt auch Mittelpunktsform der Hyperbelgleichung. Gleichungen der Asymptoten b y ¼ ðx xm Þ þ ym a 3. Scheitelpunkte auf der y-Achse, Mittelpunkt im Koordinatenursprung:
y¼
ðx1 xm Þ ðx xm Þ ðy1 ym Þ ðy ym Þ ¼1 a2 b2 Gleichung der Normale (die Normale steht senkrecht auf der Tangente) durch den Punkt P1 ðx1 j y1 Þ der Hyperbel mit der Gleichung ðx xm Þ2 ðy ym Þ2 ¼ 1: a2 b2 y¼
xy¼c
oder
y¼
c x
ðc 6¼ 0Þ
Fu¨r c > 0 ist die Winkelhalbierende y ¼ x die Hauptachse, die Hyperbela¨ste liegen im ersten und im dritten Quadranten. Im Falle c < 0 ist die Winkelhalbierende y ¼ x die Hauptachse, die Hyperbela¨ste liegen im zweiten und im vierten Quadranten. Gleichungen der Asymptoten x ¼ 0; y ¼ 0 Gleichung der Tangente im Punkt P1 ðx1 j y1 Þ an die Hyperbel mit der Gleichung
x1 xm b2 ðx x1 Þ þ y1 y1 ym a2
oder ðy1 ym Þ ðy ym Þ ðx1 xm Þ ðx xm Þ ¼1 b2 a2 Gleichung der Normale (die Normale steht senkrecht auf der Tangente) durch den Punkt P1 ðx1 j y1 Þ der Hyperbel mit der Gleichung ðy ym Þ2 ðx xm Þ2 ¼ 1: b2 a2
Die Hyperbel ist nach oben und nach unten geo¨ffnet. Die La¨nge der Hauptachse ist 2b. Gleichungen der Asymptoten b y ¼ ðx xm Þ þ ym a 5. Koordinatenachsen als Asymptoten, Mittelpunkt im Koordinatenursprung:
y1 ym a2 ðx x1 Þ þ y1 x1 xm b2
Gleichung der Tangente im Punkt P1 ðx1 j y1 Þ an die Hyperbel mit der Gleichung ðy ym Þ2 ðx xm Þ2 ¼ 1: b2 a2 y¼
ðx xm Þ2 ðy ym Þ2 þ ¼1 a2 b2
x1 xm b2 ðx x1 Þ þ y1 y1 ym a2
oder
x2 y2 þ ¼1 a2 b2
Beide Koordinatenachsen sind Symmetrieachsen der Hyperbel. Die Hyperbel ist nach oben und nach unten geo¨ffnet. b Gleichungen der Asymptoten y ¼ x a 4. Hauptachse parallel zur y-Achse, Mittelpunkt Mðxm j ym Þ:
ðx xm Þ2 ðy ym Þ2 ¼ 1: a2 b2
y¼ &
y1 ym a2 ðx x1 Þ þ y1 x1 xm b2
Beispiele: x2 y2 ¼1 1. Gegeben: Hyperbelgleichung 16 20 Gesucht: Brennpunkte, numerische Exzentrizita¨t Berechnung der Brennpunkte: e2 ¼ a2 þ b2 ¼ 16 þ 20 ¼ 36 ¼ 62 ) F1 ð6 j 0Þ; F2 ð6 j 0Þ e 6 Numerische Exzentrizita¨t: e ¼ ¼ ¼ 1;5 a 4 2. Gegeben: Brennpunkte F1 ð5 j 0Þ; F2 ð5 j 0Þ, halbe La¨nge der Hauptachse a ¼ 4 Gesucht: Hyperbelgleichung, numerische Exzentrizita¨t, Gleichungen der Asymptoten Berechnung von b2 : b2 ¼ e2 a2 ¼ 25 16 ¼ 9 x2 y2 ¼1 Hyperbelgleichung: 16 9 e 5 Numerische Exzentrizita¨t: e ¼ ¼ ¼ 1;25 a 4 b 3 Gleichungen der Asymptoten: y ¼ x ¼ x a 4 3. Gegeben: Punkte P1 ð2 j 1Þ; P2 ð3 j 2Þ einer Hyperbel Gesucht: Normalform der Hyperbelgleichung durch P1 und P2
120
Mathematik
4 1 ¼ 1 ) 4b2 a2 ¼ a2 b2 a2 b2 Kooordinaten von P2 in die Normalform einsetzen: 9 4 ¼ 1 ) 9b2 4a2 ¼ a2 b2 a2 b2 Gleichsetzen der Gleichungen ergibt 4b2 a2 ¼ 9b2 4a2 ) 3a2 ¼ 5b2 ) a2 ¼
4.
5 2 b 3
Durch Einsetzen errechnet man 5 5 7 5 7 4b2 b2 ¼ b4 ) b2 ¼ b4 ) b2 ¼ 3 3 3 3 5 5 7 7 Daraus ergibt sich schließlich a2 ¼ ¼ 3 5 3 2 2 x y Die Hyperbelgleichung lautet ¼1 7 7 3 5 Im Punkt P1 ð5;6 j 3;4Þ einer Hyperbel in Normalform mit der halben La¨nge der Hauptachse a ¼ 2;8 ist die Tangente gesucht. Wie groß ist die lineare Exzentrizita¨t e? Lo¨sung: Koordinaten von P1 und a ¼ 2;8 in die Normalform x2 y2 ¼ 1 der Hyperbelgleichung einsetzen, um b zu bea2 b2 rechnen: ð5;6Þ2 ð3;4Þ2 ¼1 b2 ð2;8Þ2 ) b2 ¼
ð2;8Þ2 ð3;4Þ2 ð5;6Þ2 ð2;8Þ2
Es gibt verschiedene Konstruktionsmo¨glichkeiten fu¨r eine Hyperbel. Eine davon ist die sogenannte Fadenkonstruktion: In einem der beiden Brennpunkte wird ein Stab der La¨nge l > 2a drehbar befestigt. Die Enden eines Fadens der La¨nge l 2a werden am freien Stabende und am anderen Brennpunkt befestigt. Mit einem Stift wird der Faden am Stab gestrafft. Wird der Stab um den Brennpunkt gedreht, dann beschreibt der Stift einen Teil eines Hyperbelastes.
l
a
P
d
d p 2 S
p 2 F
Parabelachse
Bild VII-29 Parabel mit Brennpunkt F und Scheitelpunkt S Der Brennpunkt hat die Eigenschaft, alle innen an der Parabel reflektierten achsenparallelen Strahlen in sich zu vereinigen (Anwendung: Parabolspiegel). Parabelgleichungen 1. x-Achse ist Parabelachse, Scheitelpunkt im Koordinatenursprung, Parabel nach rechts geo¨ffnet: Normalform
y2 ¼ 2px ;
p>0
p Der Brennpunkt ist F 0 , die Gleichung der p 2 Leitlinie ist x ¼ . Diese Gleichung nennt 2 man auch die Normalform der Parabelgleichung. 2. Parabelachse parallel zur x-Achse, Scheitelpunkt Sðxs j ys Þ, Parabel nach rechts geo¨ffnet: Scheitelpunktsform
Stab
F2
Eine Parabel ist der geometrische Ort aller Punkte einer Ebene, die von einem festen Punkt F (Brennpunkt) und einer festen Geraden l (Leitlinie) den gleichen Abstand besitzen. Der Punkt, der in der Mitte zwischen dem Brennpunkt F und der Leitlinie l liegt, ist der Scheitelpunkt S. Die Gerade durch die Punkte F und S heißt Parabelachse. Sie ist Symmetrieachse fu¨r die Parabel und steht senkrecht auf der Leitlinie l. Der Abstand p des Brennpunkts F von der Leitlinie l heißt Parameter der Parabel.
¼ 3;8533 . . . ) ¼ 1;9629 . . .
Einsetzen der Koordinaten von P1 , von a und b sowie von xm ¼ ym ¼ 0 in die Tangentengleichung ðx1 xm Þ ðx xm Þ ðy1 ym Þ ðy ym Þ ¼ 1: a2 b2 5;6 x 3;4 y ¼1 7;84 3;8533 . . . Die Normalform der Tangentengleichung erha¨lt man durch Auflo¨sen nach y: y ¼ 0;8095 . . . x 1;1333 . . . Berechnung von e: pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi e ¼ a2 þ b2 ¼ 7;84 þ 3;8533 . . . ¼ 3;4195 . . .
l–2
5.3 Parabeln
Leitlinie l
Berechnung von a und b: x2 y2 Koordinaten von P1 in die Normalform 2 2 ¼ 1 der Hya b perbelgleichung einsetzen:
a
ðy ys Þ2 ¼ 2pðx xs Þ ; M
a
F1
Bild VII-28 Fadenkonstruktion einer Hyperbel
p>0
þ xs j ys , die Glei2 p chung der Leitlinie ist x ¼ xs . Diese Glei2 chung heißt auch Scheitelpunktsform der Parabelgleichung. Der Brennpunkt ist F
p
VII Analytische Geometrie
121 p Der Brennpunkt ist F xs þ ys , die Glei2 p chung der Leitlinie ist y ¼ ys þ . 2 Eine Parabel in dieser Lage ist der Graph einer quadratischen Funktion.
3. x-Achse ist Parabelachse, Scheitelpunkt im Koordinatenursprung, Parabel nach links geo¨ffnet: y2 ¼ 2px ;
p>0
p Der Brennpunkt ist F 0 , die Gleichung 2 p der Leitlinie ist x ¼ . 2 4. Parabelachse parallel zur x-Achse, Scheitelpunkt Sðxs j ys Þ, Parabel nach links geo¨ffnet: 2
ðy ys Þ ¼ 2pðx xs Þ ;
p>0
p Der Brennpunkt ist F þ xs j ys , die Glei2 p chung der Leitlinie ist x ¼ xs þ . 2 5. y-Achse ist Parabelachse, Scheitelpunkt im Koordinatenursprung, Parabel nach oben geo¨ffnet: 1 2 x ðp > 0Þ 2p p Der Brennpunkt ist F 0 , die Gleichung 2 p der Leitlinie ist y ¼ . Eine Parabel in dieser 2 Lage ist der Graph einer quadratischen Funktion (vgl. Abschnitt V.4.3). 6. Parabelachse parallel zur y-Achse, Scheitelpunkt Sðxs j ys Þ, Parabel nach oben geo¨ffnet:
Gleichung der Tangente im Punkt P1 ðx1 j y1 Þ an die Parabel mit der Gleichung ðy ys Þ2 ¼ 2pðx xs Þ: ðy1 ys Þ ðy y1 Þ ¼ pðx x1 Þ oder ðy1 ys Þ ðy ys Þ ¼ pðx þ x1 2xs Þ Gleichung der Normale (die Normale steht senkrecht auf der Tangente) durch den Punkt P1 ðx1 j y1 Þ der Parabel mit der Gleichung ðy ys Þ2 ¼ 2pðx xs Þ:
x2 ¼ 2py oder y ¼
y¼
Gleichung der Tangente im Punkt P1 ðx1 j y1 Þ an die Parabel mit der Gleichung ðx xs Þ2 ¼ 2pðy ys Þ: pðy y1 Þ ¼ ðx1 xs Þ ðx x1 Þ oder
ðx xs Þ2 þ ys ðx xs Þ ¼ 2pðy ys Þ oder y ¼ 2p ðp > 0Þ 2
p Der Brennpunkt ist F xs þ ys , die Glei2 p chung der Leitlinie ist y ¼ ys . Eine Parabel 2 in dieser Lage ist der Graph einer quadratischen Funktion. 7. y-Achse ist Parabelachse, Scheitelpunkt im Koordinatenursprung, Parabel nach unten geo¨ffnet: 1 2 x2 ¼ 2py oder y ¼ x ðp > 0Þ 2p p Der Brennpunkt ist F 0 , die Gleichung 2 p der Leitlinie ist y ¼ . Eine Parabel in dieser 2 Lage ist der Graph einer quadratischen Funktion. 8. Parabelachse parallel zur y-Achse, Scheitelpunkt Sðxs j ys Þ, Parabel nach unten geo¨ffnet: ðx xs Þ2 ¼ 2pðy ys Þ
ðp > 0Þ
oder y¼
ðx xs Þ2 þ ys 2p
ðp > 0Þ
y1 ys ðx x1 Þ þ y1 p
ðx1 xs Þ ðx xs Þ ¼ pðy þ y1 2ys Þ Gleichung der Normale (die Normale steht senkrecht auf der Tangente) durch den Punkt P1 ðx1 j y1 Þ der Parabel mit der Gleichung ðx xs Þ2 ¼ 2pðy ys Þ: y¼
&
p ðx x1 Þ þ y1 x1 xs
Beispiele: 1. Gegeben: Parabelgleichung y2 ¼ 6x Gesucht: Brennpunkt, Gleichung der Leitlinie Parameter: p ¼ 3 p 3 Brennpunkt: F 0 ¼F 0 2 2 p 3 ¼ 2 2 Gegeben: Scheitelpunkt Sð0 j 0Þ, x-Achse gleich Parabelachse, pffiffiffi Punkt Pð1 j 3Þ der Parabel Gesucht: Gleichung der Parabel, Brennpunkt, Gleichung der Leitlinie Berechnung des Parameters p der Parabel durch Einsetzen der Koordinaten von P in die Normalform der Parabelgleichung: 3 y2 ¼ 2px ) 3 ¼ 2p ) p ¼ 2 Die Parabelgleichung lautet y2 ¼ 3x: p 3 0 ¼F 0 Brennpunkt: F 2 4
Gleichung der Leitlinie: x ¼ 2.
Gleichung der Leitlinie: x ¼
p 3 ¼ 2 4
122
Mathematik Eine nach rechts offene Parabel hat die Gerade x ¼ 2 als Tangente im Scheitelpunkt, geht durch den Punkt P1 ð2 j 7Þ 1 und hat in diesem Punkt die Tangentensteigung m1 ¼ . Wie 2 lautet die Gleichung der Parabel? Lo¨sung: Berechnung der Tangentengleichung durch Einsetzen in die Punktsteigungsform und Umrechnung auf Normalform: y7 1 1 ¼ )y¼ xþ6 x2 2 2 Eine nach rechts geo¨ffnete Parabel mit Scheitelpunkt Sðxs j ys Þ erfu¨llt die Gleichung ðy ys Þ2 ¼ 2pðx xs Þ und eine Tangente an diese Parabel auch die Gleichung ðy1 ys Þ ðy ys Þ ¼ pðx þ x1 2xs Þ. Setzt man die Koordinaten des Punktes P1 ein und bringt auch diese Tangentengleichung auf Normalform, so ergibt sich ð7 ys Þ ðy ys Þ ¼ pðx þ 2 2 ð2ÞÞ p 6p ) y¼ xþ þ ys 7 ys 7 ys Vergleich dieser Gleichung mit der obigen Normalform der Gleichung fu¨r dieselbe Tangente ergibt mit der Methode des Koeffizientenvergleichs die folgenden Bedingungen fu¨r die Koeffizienten: p 1 6p und n ¼ ¼ þ ys ¼ 6 m1 ¼ 7 ys 2 7 ys Dies ist ein System aus zwei Gleichungen zur Bestimmung der beiden Unbekannten p und ys . Setzt man zur Lo¨sung des Systems zum Beispiel die Bedinp 1 in die Gleichung fu¨r n ein, so folgt ¼ gung 7 ys 2 1 6 þ ys ¼ 6 ) ys ¼ 3 2 Durch Einsetzen von ys ¼ 3 in die Gleichung fu¨r m1 folgt p 1 ¼ )p¼2 73 2 Die gesuchte Parabelgleichung lautet ðy 3Þ2 ¼ 4ðx þ 2Þ.
3.
4.
Eine nach unten offene Parabel hat die y-Achse als Parabelachse, den Koordinatenursprung O als Brennpunkt und den Punkt Sð0 j 2;5Þ als Scheitelpunkt. Welche Gleichung hat die Parabel? Wo schneidet die Parabel die x-Achse? Lo¨sung: Die Gleichung einer nach unten geo¨ffneten Parabel mit Scheitelpunkt Sðxs j ys Þ ist ðx xs Þ2 ¼ 2pðy ys Þ. p ¼ 2;5. Aus den Bedingungen folgt xs ¼ 0; ys ¼ 2;5 und 2 Die Gleichung der Parabel lautet x2 ¼ 10ðy 2;5Þ ) x2 ¼ 10 y þ 25 Durch Setzen von y ¼ 0 erha¨lt man die Schnittpunkte mit der x-Achse: x2 ¼ 25 ) x1;2 ¼ 5 ) Schnittpunkte S1 ð5 j 0Þ; S2 ð5 j 0Þ
Es gibt einige Konstruktionsmo¨glichkeiten fu¨r eine Parabel. Eine davon ist die sogenannte Fadenkonstruktion: Ein rechtwinkliges Dreieck wird entlang der Leitlinie verschoben. Ein Faden mit der La¨nge der Ka-
Leitlinie
B
C
P
A
F
Bild VII-30 Fadenkonstruktion einer Parabel
thete AC wird mit den Enden in A und dem Brennpunkt F befestigt. Mit einem Stift wird der Faden an der Kathete AC gestrafft. Gleitet das Dreieck entlang der Leitlinie, dann beschreibt der Stift ein Parabelstu¨ck.
5.4 Anwendungen In diesem Abschnitt werden in einigen Beispielen verschiedene Anwendungen der Kegelschnitte aus Technik und Mathematik angegeben. &
Beispiel 1 : Ein parabelfo¨rmiger Bru¨ckenbogen (Achse vertikal und Parabel nach unten geo¨ffnet) hat zwischen den in gleicher Ho¨he liegenden Lagern (Enden) des Bogens L und L0 die Spannweite 2a ¼ jLL0 j ¼ 32 m. Die Scheitelho¨he (Ho¨he des Scheitelpunktes S u¨ber LL0 ) betra¨gt b ¼ 10 m. Die horizontal verlaufende Straße liegt h ¼ 4 m u¨ber LL0 und schneidet den Bru¨ckenbogen in P1 und P01 , den Befestigungspunkten des Straßenko¨rpers. Der Straßenko¨rper wird außer von einem Vertikalstab im Scheitelpunkt S (La¨nge b h ¼ 6 m) noch von zwei weiteren Vertikalsta¨ben gehalten, die in der Mitte des horizontalen Abstandes von S und P1 sowie von S und P01 in den Punkten P2 und P02 am Bru¨ckenbogen angebracht sind. Wie groß ist die La¨nge l dieser Vertikalsta¨be? Wie groß sind jP1 P01 j und jP2 P02 j?
y
S P2
P2 ′
x
l b
P1 ′
P1
Straße
h
L′
a
L
Bild VII-31 Zu Beispiel 1 Die Skizze veranschaulicht nur eine Ha¨lfte der symmetrischen Straßenbru¨cke. Zur Lo¨sung der Aufgabe denkt man sich ein Koordinatenkreuz gelegt, so daß die Parabel des Bru¨ckenbogens die Gleichung y ¼ px2 hat. Setzt man die Koordinaten des Lagerpunktes L ein, so ergibt sich b b ¼ pa2 ) p ¼ 2 a Der Befestigungspunkt P1 hat nach Aufgabenstellung die Ordinate y1 ¼ ðb hÞ. Mit Hilfe der Parabelgleichung y1 ¼ px21 erha¨lt man seine Abszisse x1 durch Auflo¨sen nach x1 und Einsetzen von y1 und p: ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi rffiffiffiffiffiffiffiffi v u uðb hÞ y1 bh x1 ¼ ¼a ¼u t b b p 2 a 1 Der Befestigungspunkt P2 soll die Abszisse x2 ¼ x1 ¼ 2 rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi a bh haben, also ist seine Ordinate y2 ¼ px22 ¼ 2 b rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi!2 b a bh bh . ¼ 2 a 2 b 4 3 Die gesuchte Vertikalstabla¨nge l ist l ¼ y2 y1 ¼ ðb hÞ. 4 0 0 Die Strecken jP1 P1 j und jP2 P2 j haben die La¨ngen rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi bh bh und 2x2 ¼ a . 2x1 ¼ 2a b b
VII Analytische Geometrie
123
Mit den gegebenen Abmessungen ergibt sich fu¨r die gesuchten La¨ngen 3 l ¼ ð10 4Þ ¼ 4;50 m, rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 4 10 4 2x1 ¼ 2 16 ¼ 24;78 . . . m; 4 rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 10 4 2x2 ¼ 16 ¼ 12;39 . . . m: 4 &
Lo¨sung: Die Gleichung der nach oben geo¨ffneten Parabel mit dem Scheitelpunkt Sðxs j ys Þ lautet ðx xs Þ2 ¼ 2pðy ys Þ: Einsetzen der Koordinaten des gegebenen Scheitelpunktes ergibt ðx þ 4Þ2 ¼ 2pðy þ 1Þ. Die zugeho¨rige Tangentengleichung im Punkt P1 ðx1 j y1 Þ der Parabel ist ðx1 xs Þ ðx xs Þ ¼ pðy þ y1 2ys Þ ) ðx1 þ 4Þ ðx þ 4Þ ¼ pðy þ 1Þ þ pðy1 þ 1Þ
Beispiel 2 : Ein Stab mit den Drehlagern O und M und der La¨nge jOMj ¼ r ist um O drehbar. Um M dreht sich ein zweiter Stab der La¨nge jMPj ¼ s. In der Ausgangsstellung liegen M und P als M0 und rechts davon P0 auf der Grundrichtungsachse OP0 . Wa¨hrend sich nun OM um den Winkel j nach links dreht, dreht sich MP relativ zu OM um 2j nach rechts. Auf welcher Kurve bewegt sich P bei fortgesetzter Drehung?
Die Gleichung der Tangente ist aber auch y ¼ x. Mit der Methode des Koeffizientenvergleichs ergeben sich die folgenden Bedingungen fu¨r die Koeffizienten (aus y ¼ x folgt, daß die Koeffizienten von x und von y gleich sind, etwa gleich k; k 6¼ 0): (1) Koeffizienten von x: x1 þ 4 ¼ k (2) Koeffizienten von y: p ¼ k (3) Absolutglieder: ðx1 þ 4Þ 4 pð1 þ y1 þ 1Þ ¼ 0 Aus (2) folgt k ¼ p. In (1) eingesetzt ergibt x1 þ 4 ¼ p. Setzt man dieses in (3) ein, so folgt 4p ð2 þ y1 Þ p ¼ ð2 y1 Þ p ¼ 0, also y1 ¼ 2 wegen p 6¼ 0. Wegen y1 ¼ x1 fu¨r den Beru¨hrungspunkt gilt auch x1 ¼ 2. Setzt man dies in (1) ein, so folgt schließlich p ¼ 6. Ergebnisse: Die gesuchte Parabel hat die Gleichung ðx þ 4Þ2 ¼ 12ðy þ 1Þ, der Beru¨hrungspunkt mit der Geraden y ¼ x ist P1 ð2 j 2Þ.
A
y s M 2f
s s R–f
f
B
P &
y
y M0
0 f
P0
b = r–s
x
Lo¨sung: Aus Symmetriegru¨nden liegen die Ecken des gesuchten Quadrates auf den Winkelhalbierenden der vier Quadranten des Koordinatensystems. Die Winkelhalbierenden sind die Geraden mit den Gleichungen y ¼ x und y ¼ x. Fu¨r die Eckpunkte Eðxe j ye Þ gilt also ye ¼ xe . Da die Eckpunkte auch die Ellipsengleichung erfu¨llen (denn sie liegen auf der Ellipse), setzt man diese Beziehung in die Gleichung der Ellipse ein:
r x a = r+s
Bild VII-32 Zu Beispiel 2 Die Lo¨sung der Aufgabe erfolgt mit Hilfe der Parameterdarstellung der Ellipse: x ¼ a cos j; y ¼ b sin j x y und sin j ¼ folgt durch QuaMan besta¨tigt: Aus cos j ¼ a b 2 2 drieren und Addieren wegen sin j þ cos j ¼ 1 die Normalform x2 y2 þ ¼ 1 der Ellipsengleichung. a2 b2 In der vorliegenden Aufgabe ist a ¼ r þ s (halbe La¨nge der Hauptachse) und b ¼ r s (halbe La¨nge der Nebenachse). Der Punkt P bildet mit A und B, den Schnittpunkten der Geraden OM mit dem Haupt– und dem Nebenscheitelkreis (Kreise um O mit den Radien a und b), ein rechtwinkliges Dreieck. Deshalb folgt x ¼ ðr þ sÞ cos j; y ¼ ðr sÞ sin j; die Parameterdarstellung der Ellipse, die als Bahnkurve von P gesucht ist. Ihre Normalform x2 y2 þ ¼ 1. lautet ðr þ sÞ2 ðr sÞ2 &
Beispiel 3 : Welche nach oben geo¨ffnete Parabel mit dem Scheitelpunkt Sð4 j 1Þ beru¨hrt die Gerade y ¼ x? Welche Koordinaten hat der Beru¨hrungspunkt?
y
2
P1
–4 0 –1
S
y=
x
Bild VII-33 Zu Beispiel 3
2
x
Beispiel 4 : x2 y2 þ ¼1 Man bestimme von der Ellipse mit der Gleichung 36 18 die Ecken des gro¨ßten einbeschriebenen Quadrates! Welches Verha¨ltnis haben die Fla¨cheninhalte dieses Quadrates und der Ellipse?
pffiffiffi x2e ðxe Þ2 x2 x2 þ ¼ 1 ) e þ e ¼ 1 ) x2e ¼ 12 ) xe ¼ 2 3 36 18 36 18 pffiffiffi Wegen ye ¼ xe folgt ebenfalls ye ¼ 2 3. Somit sind die vier Ecken des gesuchten Quadrates: pffiffiffi pffiffiffi pffiffiffi pffiffiffi E1 ð2 p 3 jffiffiffi2 3Þ;pE ffiffiffi 2 ð2 3pjffiffi2ffi 3Þ;pffiffiffi E3 ð2 3 j 2 3Þ; E4 ð2 3 j 2 3Þ pffiffiffi Die Seitenla¨p nge ffiffiffi dieses Quadrates ist 4 3 ¼ 6;9282 . . ., sein Umfang also 16 3 ¼ 27;7128 . . ., und seine Fla¨chepist ffiffiffi A2 ¼ 48. Die Ellipse hat den Fla¨cheninhalt AEll ¼ pab ¼ 6 3 2 p ¼ 79;9718 . . . Fu¨r das gesuchte Verha¨ltnis der Fla¨cheninhalte gilt A2 48 pffiffiffi ¼ ¼ 0;6002 . . . AEll 6 3 2 p &
Beispiel 5 : Man bestimme die Schnittpunkte der Geraden mit der Gleichung 1 y ¼ x þ 4 und der Hyperbel mit der Gleichung 4y2 9x2 ¼ 36! 2 Gibt es zu der Gerade parallele Tangenten an die Hyperbel? Lo¨sung: y2 x2 Umformung der Hyperbelgleichung ergibt 2 2 ¼ 1. 3 2 Die y-Achse ist also Hauptachse der Hyperbel, der Mittelpunkt liegt im Koordinatenursprung. Ersetzt man in dieser Gleichung das y mit Hilfe der Geradengleichung, so folgt 2 1 xþ4 x2 2 4 7 2 ¼ 1 ) x2 þ x þ ¼ 0 9 9 9 9 4 7 ) x2 2x ¼ 0 2 Diese quadratische Gleichung hat die Lo¨sungen rffiffiffiffiffiffi 9 3 pffiffiffi 3 pffiffiffi x1; 2 ¼ 1 ¼1 2, also x1 ¼ 1 þ 2 ¼ 3;1213 . . . ; 2 2 2 3 pffiffiffi 2 ¼ 1;1213 . . . x2 ¼ 1 2
124
Mathematik y
P1 P2 Pt1
0
Bemerkungen: Tangenten gibt es bei dieser Hyperbel nur fu¨r Steigungen b 3 jmj < ¼ (Asymptotensteigung). So gibt es zum Beispiel para 2 allel zur Geraden mit der Gleichung y ¼ 2x keine Tangente. x2 y2 Fu¨r Hyperbeln mit der Gleichung 2 2 ¼ 1 gibt es Tangenten a b b mit Steigungen jmj nicht, dagegen gibt es zwei parallele Tana b genten fu¨r jedes jmj > . a
x
6 Graphisches Lo¨sen von Gleichungen Pt2
Bild VII-34 Zu Beispiel 5 Setzt man diese Werte in die Geradengleichung ein, so ergeben sich die Ordinaten der Schnittpunkte: 1 3 pffiffiffi 9 3 pffiffiffi 2 þ 4, also y1 ¼ þ 2 ¼ 5;5606 . . . ; y1; 2 ¼ 2 4 2 4 9 3 pffiffiffi y2 ¼ 2 ¼ 3;4393 . . . 2 4 Schnittpunkte der Geraden mit der Hyperbel sind 3 pffiffiffi 9 3 pffiffiffi 2 þ 2 ¼ S1 ð3;1213 . . . j 5;5606 . . .Þ , S1 1 þ 2 2 4 3 pffiffiffi 9 3 pffiffiffi 2 2 ¼ S2 ð1;1213 . . . j 3;4393 . . .Þ . S2 1 2 2 4 Die Gleichung der Tangente an die gegebene Hyperbel lautet 9 xt 9 xt 9 x2t ðx xt Þ þ yt ¼ x þ yt 4 yt 4 yt 4 yt 9 xt 9 y2t x2t 9 xt 9 ¼ ¼ xþ xþ 4 yt yt 9 4 yt yt 4 y¼
mit dem noch unbekannten Beru¨hrungspunkt Pt ðxt j yt Þ. Der y2 x2 letzte Schritt der Umformung folgt wegen t þ t ¼ 1, denn Pt ist 9 4 ein Punkt der Hyperbel. Die gesuchte Tangente soll parallel zur gegebenen Geraden sein, 1 hat also die Steigung . Somit muß gelten: 2 9 xt 1 9 ) yt ¼ xt ¼ 4 yt 2 2 Setzt man diese Bedingung in die Hyperbelgleichung ein, so ergibt sich 9 2 xt x2 9 2 1 2 1 2 t2 ¼ 1 ) x xt ¼ 1 ) x2t ¼ 32 2 4 t 4 2 und daraus 1 pffiffiffi 1 pffiffiffi x t1 ¼ 2 und xt2 ¼ 2: 2 2 9 9 pffiffiffi 2 Wegen yt ¼ xt sind die dazugeho¨rigen Ordinaten yt1 ¼ 2 4 9 pffiffiffi 2. und yt2 ¼ 4 Es gibt also zwei zu der gegebenen Geraden parallele Tangenten mit den Beru¨hrungspunkten 1 pffiffiffi 9 pffiffiffi 2 2 ¼ Pt1 ð0;7071 . . . j 3;1819 . . .Þ , Pt1 2 4 1 pffiffiffi 9 pffiffiffi 2 2 ¼ Pt2 ð0;7071 . . . j 3;1819 . . .Þ . Pt2 2 4 Die zugeho¨rigen Tangentengleichungen lauten pffiffiffi 1 y1 ¼ x þ 2 2 ¼ 0;5x þ 2;8284 . . . ; 2 pffiffiffi 1 y2 ¼ x 2 2 ¼ 0;5x 2;8284 . . . 2
In Abschnitt II wurden Methoden zur rechnerischen Bestimmung der Lo¨sungen von Gleichungen und von linearen Gleichungssystemen angegeben. Fu¨r eine Reihe von praktischen Anwendungen reicht es aus, nicht die exakten Lo¨sungen zu kennen, sondern sogenannte Na¨herungslo¨sungen (Lo¨sungen „in der Na¨he‘‘ der exakten Lo¨sungen). Eine Mo¨glichkeit, solche Na¨herungslo¨sungen zu finden, ist das graphische Lo¨sen von Gleichungen (zu Na¨herungslo¨sungen vgl. auch Abschnitt VIII.4.12). Beim graphischen Lo¨sen von Gleichungen bringt man eine Bestimmungsgleichung mit der Variablen x auf die Form f ðxÞ ¼ 0: Die reellen Lo¨sungen der Gleichung sind dann die Nullstellen der Funktion mit der Gleichung y ¼ f ðxÞ: Das Aufsuchen der Lo¨sungen der Bestimmungsgleichung f ðxÞ ¼ 0 ist also gleichbedeutend mit der Bestimmung der Nullstellen der Funktion y ¼ f ðxÞ: Zeichnet man den Graph der Funktion in einem kartesischen Koordinatensystem, dann sind die Nullstellen der Funktion die Schnittpunkte der Kurve mit der x-Achse. Man beachte, daß die in der Zeichnung abgelesenen Werte meist nur Na¨herungswerte fu¨r die Nullstellen sind. Mit Hilfe von Na¨herungsverfahren wie dem Newtonschen Verfahren oder Regula falsi (vgl. Abschnitt VIII.4.12) lassen sich diese Werte verbessern. Man erzielt oft genauere Ergebnisse, wenn man die gegebene Gleichung f ðxÞ ¼ 0 auf die Form fI ðxÞ ¼ fII ðxÞ bringt und dabei versucht, fu¨r yI ¼ fI ðxÞ und yII ¼ fII ðxÞ Funktionen mit einfach zu zeichnenden Graphen zu erhalten. Fu¨r jeden Schnittpunkt Sðxs j ys Þ der Kurven gilt fI ðxs Þ ¼ fII ðxs Þ und deshalb f ðxs Þ ¼ fI ðxs Þ fII ðxs Þ ¼ 0: Seine Abszisse xs ist also eine Lo¨sung der Gleichung f ðxÞ ¼ 0: Spezielle Bestimmungsgleichungen: 1. Die Lo¨sung einer linearen Gleichung ax þ b ¼ 0, a 6¼ 0; erha¨lt man als Nullstelle der linearen Funktion y ¼ ax þ b. Ihr Graph in einem kartesischen Koordinatensystem ist eine Gerade mit der Steigung a und dem y-Achsenabschnitt b.
VII Analytische Geometrie &
125 5 13 . Wegen Der Scheitelpunkt der Parabel ist S 2 4 13 > 0 hat die Parabel zwei Schnittpunkte mit der xD¼ 4 Achse und damit die Gleichung zwei reelle Lo¨sungen. Aus dem Bild liest man die Lo¨sungen x1 4;3 und x2 0;7 ab.
Beispiel: 5x þ 7 ¼ 0
y 8
y = 5x + 7
7 6
3. Reelle Lo¨sungen einer quadratischen Gleichung x2 þ px þ q ¼ 0 erha¨lt man auch aus den Schnittpunkten der Graphen der Funktionen yI ¼ x2 (Normalparabel) und yII ¼ px q (Gerade).
4 3 2 1 –3 –2 –1 0 –1
&
1
2
3
Beispiel: x2 2x þ
1 ¼0 2
x yI yII
y
Bild VII-35 Graphisches Lo¨sen von 5x þ 7 ¼ 0 3 Man setzt y ¼ 5x þ 7; zeichnet die dadurch gegebene Gerade und liest am Schnittpunkt der Geraden mit der x-Achse das Ergebnis ab: x 1;4:
2. Die Lo¨sung oder die Lo¨sungen einer quadratischen Gleichung x2 þ px þ q ¼ 0 erha¨lt man als Nullstelle der quadratischen Funktion y ¼ x2 þ px þ q. Ihr Graph ist in einem kartesischen Koordinatensystem eine verschobene Normalparabel. Durch quadratische ergibt sich 2Erga¨nzung p 2 p p 2 y¼ xþ D q ¼ xþ 2 2 4 2 p q: Der Scheitelpunkt der Parabel mit D ¼ 4 p p2 ist S q . Die Anzahl der Schnitt2 4 punkte der Parabel mit der x-Achse (also die Anzahl der Nullstellen der Funktion) und damit die Anzahl der Lo¨sungen der quadratischen Gleichung ist abha¨ngig vom Vorzeichen der Diskriminante D : Fu¨r D > 0 gibt es zwei Schnittpunkte, fu¨r D < 0 keinen Schnittpunkt und fu¨r D ¼ 0 einen Beru¨hrpunkt (bedeutet eine doppelte reelle Lo¨sung der quadratischen Gleichung). Beispiel: x2 5x þ 3 ¼ 0
&
y 1
0
x2
1
2
3
4 x1 x
–1 –2
y = x 2 – 5x + 3
–3 (2,5 –3,25)
Bild VII-36 Graphisches Lo¨sen von x2 5x þ 3 ¼ 0
y1
2 1 y2 –1
0 x2
1
x1 2
x
–1
Bild VII-37 Graphisches Lo¨sen von 1 x2 2x þ ¼ 0 2 Gleichung der Normalparabel: yI ¼ x2 , 1 Geradengleichung: yII ¼ 2x 2 Fu¨r die Abszissen der Schnittpunkte liest man ab: x1 1;7; x2 0;3: Dies sind Na¨herungslo¨sungen der quadratischen Gleichung.
4. Na¨herungen fu¨r die reellen Lo¨sungen einer kubischen Gleichung in Normalform x3 þ ax2 þ bx þ c ¼ 0 erha¨lt man aus den Schnittpunkten des Graphen der Funktion y ¼ x3 þ ax2 þ bx þ c mit der x-Achse. Eine andere Mo¨glichkeit ergibt sich mit Hilfe einer Reduktion der kubischen Gleichung. Mit a der Substitution x ¼ z wird das quadra3 tische Glied beseitigt. Durch Einsetzen und Ordnen erha¨lt man a2 2 3 ab a þc zþ z3 þ b 27 3 3 ¼ z3 þ pz þ q ¼ 0 Reelle Lo¨sungen dieser kubischen Gleichung erha¨lt man dann aus den Schnittpunkten der Graphen der Funktionen yI ¼ z3 (kubische Normalparabel) und yII ¼ pz q (Gerade). Ist zs die Abszisse eines solchen Schnittpunktes, dann a ist xs ¼ zs eine Lo¨sung der Ausgangsglei3 chung.
126
Mathematik Beispiel: x3 þ 3x2 2;11x þ 0;18 ¼ 0
&
8
y 10 z1 –3
y
yI yII
6
–1 0
–2
1
z2 z3 z
4
–10
2 y1
–20 x
1 –2 –4 y = 3x + 8
Bild VII-38 Graphisches Lo¨sen von x3 þ 3x2 2;11x þ 0;18 ¼ 0 Die Substitution x ¼ z 1 ergibt p ¼ 2;11 3 ¼ 5;11 und q ¼ 2 þ 2;11 þ 0;18 ¼ 4;29: Die reduzierte Gleichung lautet also z3 5;11z þ 4;29 ¼ 0: Gleichung der kubischen Normalparabel: yI ¼ z3 , Geradengleichung: yII ¼ 5;11z 4;29 Fu¨r die Abszissen der Schnittpunkte liest man ab: z1 2;6; z2 1;1; z3 1;5: Daraus ergeben sich x1 3;6; x2 0;1; x3 0;5 als Na¨herungslo¨sungen der kubischen Gleichung x3 þ 3x2 2;11x þ 0;18 ¼ 0:
5. Auch fu¨r transzendente Gleichungen lassen sich mit der Zerlegungsmethode mitunter Na¨herungslo¨sungen angeben. &
2
0
x y=– 2 x+ 3 10 5
Bild VII-40 Graphisches Lo¨sen von y 8 4 3 x ¼ ; x þ 2y ¼ 3 3 5 5 Auflo¨sen der beiden Gleichungen nach y: y ¼ 3x þ 8; 2 3 xþ 5 10 Im Bild sind die durch diese Gleichungen bestimmten Geraden gezeichnet, und man liest als Koordinaten des Schnittpunkts Sðx j yÞ die Na¨herungslo¨sung ðx; yÞ ¼ ð2;2; 1;2Þ des linearen Gleichungssystems ab. y¼
7 Vektoren 7.1 Definitionen Eine gerichtete und orientierte Strecke bezeichnet man als Vektor. Ein Vektor ist durch drei Gro¨ßen bestimmt: Richtung, Orientierung und La¨nge. Vektoren, die in diesen drei Gro¨ßen u¨bereinstimmen, sind gleich, unabha¨ngig von ihrer Lage in der Ebene oder im Raum (vgl. Bild VII-41).
Beispiel: ex x ¼ 3
y 5 4 3 yII = x + 3
2 1
–3 –2
–1 0
yI = e x
1
Bild VII-41 Gleiche Vektoren 2
x
Bild VII-39 Graphisches Lo¨sen von ex x ¼ 3 Zerlegt man die Funktion mit der Gleichung y ¼ f ðxÞ ¼ ex x 3 in die Funktionen yI ¼ fI ðxÞ ¼ ex und yII ¼ fII ðxÞ ¼ x þ 3; dann gilt f ðxÞ ¼ fI ðxÞ fII ðxÞ und somit f ðxs Þ ¼ fI ðxs Þ fII ðxs Þ ¼ 0 fu¨r die Abszisse xs eines Schnittpunkts S der Kurven der Funktionen yI ¼ fI ðxÞ ¼ ex und yII ¼ fII ðxÞ ¼ x þ 3: Fu¨r die Abszissen der Schnittpunkte liest man ab: x1 2;95; x2 1;51:
6. Fu¨r Gleichungssysteme lassen sich ebenfalls graphisch Na¨herungslo¨sungen finden. Die Lo¨sung eines Systems a1 x þ b1 y ¼ c1 ; a2 x þ b2 y ¼ c2 von zwei linearen Gleichungen mit zwei Variablen ergibt sich aus den Koordinaten des Schnittpunkts der zugeho¨rigen Geraden. &
Beispiel: x
y 8 4 3 ¼ ; x þ 2y ¼ 3 3 5 5
Eine Gro¨ße, die durch einen einzigen reellen Zahlenwert charakterisiert wird, heißt Skalar. Beispiele fu¨r Skalare sind Temperatur, Arbeit, Masse, Energie. Vektoren dagegen sind Gro¨ßen, zu deren vollsta¨ndiger Beschreibung neben einem Zahlenwert, ihrem Betrag (La¨nge des Vektors), noch die Angabe ihrer Richtung und Orientierung erforderlich sind. Beispiele fu¨r Vektoren sind Kraft, Geschwindigkeit, Beschleunigung, magnetische Feldsta¨rke. Vektoren werden meist mit kleinen lateinischen Buchstaben, die mit einem Pfeil versehen sind, be ! zeichnet: ~ a ¼ PQ (gesprochen: Vektor a, Vektor PQ). Der Punkt P ist der Anfangspunkt und der Punkt Q der Endpunkt des Vektors. Der Betrag ! j~ aj ¼ jPQj eines Vektors ist die La¨nge des Vektors, also die La¨nge der Verbindungsstrecke PQ. Der Betrag ist eine nichtnegative reelle Zahl. ~ sind gleich, in Zeichen Zwei Vektoren ~ a und b ~, wenn sie den gleichen Betrag und gleiche ~ a¼b
VII Analytische Geometrie
127
Richtung und gleiche Orientierung haben. Vektoren du¨rfen daher parallel verschoben werden. Gleiche Vektoren gehen durch Parallelverschiebung ineinander u¨ber. Im Unterschied zu diesen sogenannten freien Vek ! toren haben Ortsvektoren OP einen festen Anfangspunkt O. Ortsvektoren ko¨nnen also nicht verschoben werden.
~ ist defiDie Subtraktion zweier Vektoren ~ a und b ~: niert als Addition von ~ a und b ~¼ ~ ~Þ ~ ab a þ ðb ~ u¨bereinLegt man die Anfangspunkte von ~ a und b ~ der Vektor vom ander, dann ist der Vektor ~ ab ~ zum Endpunkt von ~ Endpunkt von b a.
Spezielle Vektoren Der Nullvektor ~ 0 hat den Betrag 0 und unbestimmte Richtung. Ein Vektor ~ e mit dem Betrag j~ ej ¼ 1 heißt Einheitsvektor. Man bezeichnet Einheitsvektoren auch als normierte Vektoren.
7.2 Multiplikation eines Vektors mit einem Skalar Multipliziert man einen Vektor ~ a mit einem Skalar (also einer reellen Zahl) l 2 R, dann erha¨lt man einen Vektor l~ a mit dem Betrag jl~ aj ¼ jlj j~ aj (jljfacher Betrag des Vektors ~ a). Fu¨r l > 0 haben l~ a und ~ a gleiche Richtung und Orientierung, fu¨r l < 0 haben l~ a und ~ a gleiche Richtung und entgegengesetzte Orientierung.
a
a
a–b b b
Bild VII-44 Vektorsubtraktion Zeichnet man ein Parallelogramm mit den Seiten ~ a ~, so kann man die Diagonale als ~ ~ oder als und b aþb ~þ ~ b a auffassen. Die Addition von Vektoren ist also kommutativ.
a
Kommutativgesetz 2a
Bild VII-42 Vektoren ~ a und 2~ a
~¼ b ~þ ~ ~ aþb a
Auch das Assoziativgesetz und das Distributivgesetz sind erfu¨llt. Assoziativgesetz
Multiplikation mit l ¼ 1 ergibt den Vektor ~ a. Dieser Vektor hat den gleichen Betrag und die gleiche Richtung wie der Vektor ~ a, jedoch die entgegengesetzte Orientierung.
7.3 Addition und Subtraktion zweier Vektoren
~þ ~ ~Þ þ ~ ~þ ~ ~ a þ ðb cÞ ¼ ð~ aþb c¼~ aþb c Distributivgesetz ~Þ ¼ l ~ l ð~ aþb a þ l b~ ðl 2 RÞ
~ addiert werden, so Sollen zwei Vektoren ~ a und b bringt man durch Parallelverschiebung den Anfangs~ in den Endpunkt des Vektors ~ punkt des Vektors b a. ~ ist dann derjenige Vektor, der Die Summe ~ aþb ~ vom Anfangspunkt von ~ a zum Endpunkt von b fu¨hrt (siehe Bild VII-43).
a b a+b
7.4 Komponentendarstellung von Vektoren in der Ebene Wa¨hlt man in einem kartesischen Koordinatensystem der Ebene einen Einheitsvektor e~1 mit Richtung und Orientierung wie die positive x-Achse und einen Einheitsvektor e~2 mit Richtung und Orientierung wie die positive y-Achse, dann la¨ßt sich jeder Vektor ~ a in der Ebene in eindeutiger Weise als Linearkombination der beiden sogenannten Basisvektoren e~1 und e~2 darstellen (siehe Bild VII-45). ~ a ¼ a1 e~1 þ a2 e~2 ;
b
a
Bild VII-43 Vektoraddition
a1 ; a2 2 R
Die beiden Vektoren a1 e~1 und a2 e~2 werden durch Parallelen zu den Basisvektoren e~1 und e~2 konstruiert.
128
Mathematik Basisvektoren e~1 ; e~2 und e~3 darstellen (siehe Bild VII-46).
y
a2
~ a ¼ a1 e~1 þ a2 e~2 þ a3 e~3 ;
Die drei Vektoren a1 e~1 ; a2 e~2 und a3 e~3 werden durch Parallelen zu den Basisvektoren e~1 ; e~2 und e~3 konstruiert.
a 1
e2 e1
a1 ; a2 ; a3 2 R
a1 x
1
z a3
Bild VII-45 Komponentendarstellung eines Vektors in der Ebene
y a
1
Der Vektor ~ a ¼ a1 e~1 þ a2 e~2 wird identifiziert mit dem sogenannten Spaltenvektor
e3 e1
e2
1 a2
1
a1
~ a¼
a1 a2
x
Bild VII-46 Komponentendarstellung eines Vektors im Raum
Dabei heißen a1 und a2 die beiden Komponenten oder die kartesischen Koordinaten des Vektors ~ a. Mit Hilfe der Komponenten lassen sich Addition und Subtraktion von Vektoren sowie die Multiplikation eines Vektors mit einem Skalar folgendermaßen darstellen: ~¼ ~ aþb
~¼ ~ ab
a1 a2
a1 a2
l~ a¼l
þ
a1 a2
b1 b2
b1 b2
¼
¼
la1 la2
¼
a1 þ b1 a2 þ b2
a1 b1 a2 b2
! Der Betrag j~ aj ¼ jPQj, also die La¨nge des Vektors ! ~ a ¼ PQ, ist die Entfernung zwischen den Punkten P und Q. Nach dem Satz des Pythagoras gilt: j~ aj ¼
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi a21 þ a22
7.5 Komponentendarstellung von Vektoren im Raum Ganz analog wa¨hlt man in einem kartesischen Koordinatensystem des Raums drei Einheitsvektoren e~1 ; e~2 ; e~3 mit Richtung und Orientierung wie die positive x-Achse, die positive y-Achse und die positive z-Achse. Dann la¨ßt sich jeder Vektor ~ a im Raum in eindeutiger Weise als Linearkombination der drei
Der Vektor ~ a ¼ a1 e~1 þ a2 e~2 þ a3 e~3 wird identifiziert mit dem Spaltenvektor 0
1 a1 @ ~ a ¼ a2 A a3 Dabei heißen a1 ; a2 ; a3 die Komponenten oder die kartesischen Koordinaten des Vektors ~ a. Mit Hilfe der Komponenten lassen sich auch im Raum Addition und Subtraktion von Vektoren sowie die Multiplikation eines Vektors mit einem Skalar darstellen: 0 1 0 1 0 1 b1 a1 þ b1 a1 ~ @ A @ A @ ~ a þ b ¼ a2 þ b2 ¼ a2 þ b2 A a3 b3 a3 þ b3 0 1 0 1 0 1 a1 b1 a1 b1 ~ ¼ @ a2 A @ b2 A ¼ @ a2 b2 A ~ ab a3 b3 a3 b3 0
1 0 1 a1 la1 l~ a ¼ l @ a2 A ¼ @ la2 A a3 la3 ! Der Betrag j~ aj ¼ jPQj, also die La¨nge des Vektors ! ~ a ¼ PQ, ist die Entfernung zwischen den Punkten P und Q. Durch zweimalige Anwendung des Satzes von Pythagoras errechnet man: j~ aj ¼
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi a21 þ a22 þ a23
VII Analytische Geometrie
7.6 Skalarprodukt
129 &
0
1
0
1
b1 a1 ~ ¼ @ b2 A Fu¨r die beiden Vektoren ~ a ¼ @ a2 A und b a3 b3 heißt 1 0 1 b1 a1 ~ ¼ @ a2 A @ b2 A ¼ a1 b1 þ a2 b2 þ a3 b3 ~ ab a3 b3
Beispiele: 1.
0
Skalarprodukt oder inneres Produkt. Das Skalarprodukt zweier Vektoren ist kein Vektor, sondern eine reelle Zahl, also ein Skalar. Geometrisch ist das Skalarprodukt das Produkt der La¨nge des Vektors ~ a und der La¨nge der senkrechten Projektion des Vek~ auf ~ ~Þ den Winkel zwitors b a, also, falls j ¼ |ð~ a; b ~ bezeichnet, schen ~ a und b ~ ¼ j~ ~j cos j ~ ab aj jb
0 1 0 1 2 4 ~ ¼ @5 A Das Skalarprodukt der Vektoren ~ a ¼ @ 3 A und b 1 2 ist 0 1 0 1 2 4 ~ @ A @ A ~ ab¼ 3 5 ¼ 2 4 þ 3 ð5Þ þ ð1Þ 2 1 2 ¼ 8 15 2 ¼ 9.
2.
Gesucht ist der Winkel j, den die beiden Vektoren 0 1 0 1 1 0 ~ ¼ @ 1 A miteinander einschließen. ~ a ¼ @ 1 A und b 0 1 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ~ ¼ 1 0 þ 1 1 þ 0 1 ¼ 1 und j~ ~j ¼ 1 þ 1 Es gilt ~ ab aj ¼ j b ~ pffiffiffi ~ ab 1 1 ¼ 2: Somit folgt cos j ¼ ¼ pffiffiffi pffiffiffi ¼ ) j ¼ 60 . ~j 2 2 2 j~ aj jb
3.
Fu¨r welchen Wert von c sind die beiden Vektoren 0 1 0 1 2 1 ~ a ¼ @ 3 A und b~ ¼ @ 2 A orthogonal? 4 c Fu¨r das Skalarprodukt gilt 0 1 0 1 2 1 ~ ¼ @ 3 A @ 2 A ¼ 2 þ 6 4c ¼ 8 4c ¼ 0 ) c ¼ 2. ~ ab 4 c ~ also senkrecht aufeinFu¨r c ¼ 2 stehen die Vektoren ~ a und b ander.
b
7.7 Vektorprodukt a |b| cos¢(a,b) |a|
~ ¼ j~ ~j cos j Bild VII-47 Skalarprodukt: ~ ab aj jb ~Þ gilt somit: Fu¨r den Winkel j ¼ |ð~ a; b
cos j ¼
~ ~ a1 b1 þ a2 b2 þ a3 b3 ab ¼ qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ~ 2 j~ aj jbj a1 þ a22 þ a23 b21 þ b22 þ b23
Die folgenden Rechenregeln lassen sich aus der Definition ableiten: ~¼ b ~ ~ ~ ab a ~¼ ~ ~Þ ¼ l ð~ ~Þ ðl ~ aÞ b a ðl b ab ~Þ ~ ~ ~ ð~ aþb c¼~ a ~ cþb c ~ stehen senkrecht auf~¼ 0 , ~ ~ (~ ~ ab a?b a und b einander) pffiffiffiffiffiffiffiffiffi 5. j~ aj ¼ ~ a~ a
1. 2. 3. 4.
~¼ 0 So folgt zum Beispiel aus 4., na¨mlich daß ~ ab genau fu¨r zwei senkrecht aufeinanderstehende (man ~ gilt, daß sagt auch orthogonale) Vektoren ~ a und b genau dann der Winkel j gleich 90 ist () cos j ¼ 0). Das Skalarprodukt la¨ßt sich entsprechend auch in der Ebene, also fu¨r Vektoren mit zwei Komponenten, definieren.
0 1 0 1 b1 a1 ~ @ A ~ und b ¼ @ b2 A zwei Vektoren im Sind a ¼ a2 a3 b3 Raum, so heißt der Vektor 0 1 0 1 0 1 b1 a2 b3 a3 b2 a1 ~ @ A @ A @ ~ a b ¼ a2 b2 ¼ a3 b1 a1 b3 A a3 b3 a1 b2 a2 b1 Vektorprodukt oder Kreuzprodukt oder a¨ußeres ~. Das Vektorprodukt Produkt der Vektoren ~ a und b ist im Unterschied zum Skalarprodukt nur im Raum definiert. Das Vektorprodukt besitzt folgende Eigenschaften: ~ ~ ~ 1. b a ¼ ~ ab ~ ~¼ ~ ~ 2. ~ a b ¼ 0, falls ~ a ¼~ 0 oder b 0 oder ~ a parallel ~ zu b ~¼ ~ ~Þ ¼ lð~ ~Þ 3. ðl~ aÞ b a ðlb ab ~ ~ c¼~ a ~ c þ b ~ c 4. ð~ a þ bÞ ~ ~ steht senkrecht auf den Vektoren ~ ~ 5. ~ ab a und b ~j ¼ j~ ~j sin j ¼ j~ ~j sin |ð~ ~Þ 6. j~ ab aj jb aj jb a; b ~, ~ ~ bilden in dieser Reihenfolge ein 7. ~ a, b ab Rechtssystem ~ steht also senkrecht auf ~ Der Vektor ~ ab a und auf ~. Sein Betrag (seine La¨nge) ist gleich dem Fla¨chenb ~ aufgeinhalt des von den beiden Vektoren ~ a und b spannten Parallelogramms. Falls ~ a auf dem ku¨rze~ gedreht wird, zeigt ~ ~ in sten Weg nach b ab Richtung der Bewegung einer Schraube mit Rechtsgewinde.
130
Mathematik a×b
a×b
c b b
f
a a
~ der Vektoren ~ Bild VII-48 Vektorprodukt ~ ab a ~ und b &
Beispiel: 0 1 0 1 1 2 ~ ¼ @ 1 A ergibt sich fu¨r Fu¨r die Vektoren ~ a ¼ @ 2 A und b 3 2 0 1 1 das Vektorprodukt ~ a b~ ¼ @ 8 A. 5 Zur Probe kann man etwa Eigenschaft 5. benutzen: Es muß ~Þ ~ ~Þ b ~ ¼ 0) gelten: ð~ ab a ¼ 0 (und auch ð~ ab 1 0 1 0 1 1 ~Þ ~ ð~ ab a ¼ @ 8 A @ 2 A ¼ 1 16 þ 15 ¼ 0. 3 5
7.8 Spatprodukt ~ und ~ Sind ~ a, b c drei Vektoren im Raum, so heißt der Skalar ~Þ ~ ð~ ab c Spatprodukt. Aus der geometrischen Interpretation des Skalarprodukts folgt, daß ð~ a b~Þ ~ c gleich dem ~ und der La¨nge Produkt aus der La¨nge von ~ ab ~ ist. Da j~ ~j gleich der Projektion von ~ c auf ~ ab ab ~ aufgespannten dem Fla¨cheninhalt des von ~ a und b ~Þ ~ Parallelogramms ist, stellt ð~ ab c das Volumen ~ ~ ~ des von denVektoren a; b; c aufgespannten Spates dar, falls die Vektoren eine Lage wie in Bild VII-49 haben. Spat ist ein anderer Name fu¨r Parallelepiped oder Parallelflach. Zeigt ~ c nach unten, so ist das Spatprodukt negativ, und es ist dem Betrage nach das Volumen des Spates.
Bild VII-49 Geometrische Veranschaulichung des Spatprodukts Mit der abku¨rzenden Schreibweise ~; ~ ~Þ ~ ½~ a; b c ¼ ð~ ab c fu¨r das Spatprodukt ko¨nnen einige Eigenschaften des Spatprodukts formuliert 0 werden: 1 0 1 a2 b3 a3 b2 c1 ~;~ ~Þ ~ 1. ½~ a; b c ¼ ð~ ab c ¼ @ a3 b1 a1 b3 A @ c2 A a1 b2 b1 a2 c3 ¼ c1 ða2 b3 a3 b2 Þ c2 ða3 b1 a1 b3 Þ þ c3 ða1 b2 b1 a2 Þ 2. Eine zyklische (kreisfo¨rmige) Vertauschung der Vektoren a¨ndert das Spatprodukt nicht: ~;~ ~;~ ~ ½~ a; b c ¼ ½b c; ~ a ¼ ½~ c; ~ a; b 3. Das Spatprodukt a¨ndert das Vorzeichen (bei gleichem Betrag), falls zwei Vektoren miteinander vertauscht werden: ~; ~ ~; ~ ~ ¼ ½~ ~; ~ ½b a; ~ c ¼ ½~ c; b a ¼ ½~ a;~ c; b a; b c ~; ~ ~; ~ c ¼ 0 , ~ a; b c liegen in einer Ebene 4. ½~ a; b ~; ~ (man sagt dann: : ~ a; b c sind linear abha¨ngig) ~; ~ ~; ~ 5. ½~ a; b c > 0 , ~ a; b c bilden ein Rechtssystem ~; ~ 6. Das Volumen V des von den Vektoren ~ a; b c gebildeten Tetraeders ist 1 ~; ~ a; b c V ¼ ½~ 6 &
0 1 0 1 Beispiel: 1 2 ~ ¼ @ 1 A; Das Volumen V des von den Vektoren ~ a ¼ @ 0 A; b 0 1 1 1 1 ~ c ¼ @ 1 A aufgespannten Tetraeders betra¨gt 2 0 1 0 1 1 1 1 1 1 @ ~ ~ ~ V ¼ j½~ a; b;~ c j ¼ jð~ a b Þ c j ¼ 3 A @ 1 A 6 6 6 1 2 1 1 ¼ j 6j ¼ 6 ¼ 1: 6 6
VIII Differential- und Integralrechnung
131
VIII Differential- und Integralrechnung 1 Folgen 1.1 Grundbegriffe
monoton fallend, wenn a1 a2 a3 . . . an . . . gilt, streng monoton fallend, wenn a1 > a2 > a3 > . . . > an > . . . gilt.
Eine Folge besteht aus Zahlen einer Menge, die in einer bestimmten Reihenfolge angeordnet sind: a1 ; a2 ; a3 ; . . . ; an ; . . . Sind alle diese Zahlen reelle Zahlen, dann nennt man die Folge auch reelle Zahlenfolge. Die Zahlen der Folge heißen Glieder der Folge. Handelt es sich um endlich viele Zahlen, so heißt die Folge endlich, andernfalls unendliche Folge. Eine unendliche Folge la¨ßt sich auch als Funktion (Abbildung) definieren: f : N* ! R ;
n 7! f ðnÞ ¼ an
Die Folgen der Beispiele 1 bis 4 und 7 sind streng monoton wachsend, die Folge aus Beispiel 6 ist streng monoton fallend. Alternierende Folgen Eine alternierende Folge ist eine Folge, deren Glieder abwechselnd unterschiedliche Vorzeichen haben. Von zwei aufeinander folgenden Gliedern ak und ak þ 1 einer solchen Folge ðan Þ ist also genau ein Glied positiv und eins negativ. Die Folge aus Beispiel 5 ist alternierend. Beschra¨nkte Folgen Eine Folge ðan Þ heißt nach oben beschra¨nkt, wenn es eine konstante Zahl Ko gibt, so daß fu¨r alle Glieder an Ko gilt, nach unten beschra¨nkt, wenn es eine konstante Zahl Ku gibt, so daß fu¨r alle Glieder an Ku gilt, beschra¨nkt, wenn die Folge sowohl nach oben als auch nach unten beschra¨nkt ist, wenn es also zwei Zahlen Ku ; Ko gibt mit Ku an Ko fu¨r alle n 2 N*. Gleichwertig damit ist, daß es eine Konstante K > 0 mit jan j K fu¨r alle n gibt.
Unter den Gliedern einer Folge ko¨nnen auch gleiche Zahlen auftreten. Eine Folge kann durch direkte Angabe ihrer Glieder oder auch durch einen arithmetischen Ausdruck gegeben sein. Ein solcher arithmetischer Ausdruck kann entweder eine explizite Formel fu¨r das Folgenglied an oder eine rekursive Definition sein. Bei einer Rekursion wird an durch Folgenglieder mit kleineren Indizes definiert. Schreibweise von Folgen: ðan Þ ¼ ða1 ; a2 ; a3 ; . . .Þ Eine konstante Folge ðan Þ ist eine Folge mit ðan Þ ¼ ða; a; a; . . .Þ: &
Beispiele: 1. ðan Þ ¼ ð1; 2; 3; 4; 5; 6; 7; 8; 9; 10Þ 2. ðan Þ ¼ ðnÞ ¼ ð1; 2; 3; 4; . . .Þ 1 5 11 23 ; ... 3. ðan Þ ¼ 3 n 2 ¼ 1; 2; ; ; 2 2 4 8 4. ðan Þ ¼ ð4 þ 3ðn 1ÞÞ ¼ ð4; 7; 10; 13; . . .Þ 5. ðan Þ ¼ ðð1Þn þ 1 Þ ¼ ð1; 1; 1; 1; 1; . . .Þ 1 1 1 1 ¼ 1; ; ; ; 6. ðan Þ ¼ n 2 3 4 1 7. ðan Þ mit a1 ¼ 0; an þ 1 ¼ ð1 þ an Þ fu¨r n 2 N*, also 2 1 3 7 15 ; ... ðan Þ ¼ 0; ; ; ; 2 4 8 16
Die erste Folge ist endlich, alle anderen sind unendlich. Die erste Folge ist durch Angabe ihrer Glieder definiert, die letzte Folge ist rekursiv definiert und alle anderen durch eine explizite Formel. Monotone Folgen Eine Folge ðan Þ heißt monoton wachsend, wenn a1 a2 a3 . . . an . . . gilt, streng monoton wachsend, wenn a1 < a2 < a3 < . . . < an < . . . gilt,
Monoton wachsende und streng monoton wachsende Folgen sind nach unten beschra¨nkt, monoton fallende und streng monoton fallende Folgen sind nach oben beschra¨nkt. Die Folgen der Beispiele 1, 3, 5, 6 und 7 sind beschra¨nkt, die Folgen der Beispiele 2 und 4 sind nach unten beschra¨nkt.
1.2 Arithmetische Folgen Bei einer arithmetischen Folge ist die Differenz je zweier aufeinanderfolgender Glieder konstant. Durch das Anfangsglied a1 ¼ a und diese Differenz d ist die Folge dann eindeutig bestimmt. ðan Þ ¼ ða; a þ d; a þ 2d; a þ 3d; . . . ; a þ ðn 1Þ d; . . .Þ Das n-te Glied einer arithmetischen Folge lautet an ¼ a þ ðn 1Þ d; n 2 N*. Das Glied a1 ¼ a nennt man Anfangsglied der Folge und d ¼ an þ 1 an (fu¨r n ¼ 1; 2; 3; . . .Þ die (konstante) Differenz der Folge. &
Beispiele: 1. ðan Þ ¼ ðnÞ ¼ ð1; 2; 3; 4; . . .Þ (arithmetische Folge mit a ¼ 1 und d ¼ 1) 2. ðan Þ ¼ ð4 þ 3ðn 1ÞÞ ¼ ð4; 7; 10; 13; . . .Þ (arithmetische Folge mit a ¼ 4 und d ¼ 3)
132
Mathematik
1.3 Geometrische Folgen Bei einer geometrischen Folge ist der Quotient je zweier aufeinanderfolgender Glieder konstant. Durch das Anfangsglied a1 ¼ a und diesen Quotienten q ist die Folge dann eindeutig bestimmt. ðan Þ ¼ ða; aq; aq2 ; aq3 ; . . . ; aqn 1 ; . . .Þ
Konvergente Folgen sind beschra¨nkt. Eine beliebige Folge kann also nur konvergent sein, wenn sie beschra¨nkt ist. Es gilt folgendes Konvergenzkriterium: Eine monotone und beschra¨nkte Folge ist stets konvergent. Fu¨r konvergente Folgen gelten verschiedene Rechenregeln:
Das n-te Glied einer geometrischen Folge lautet an ¼ aqn 1 ; n 2 N*: Das Glied a1 ¼ a nennt an þ 1 (fu¨r man Anfangsglied der Folge und q ¼ an n ¼ 1; 2; 3; . . .Þ den (konstanten) Quotienten der Folge. &
Beispiele: 1. ðan Þ ¼ ð3 2n 1 Þ ¼ ð3; 6; 12; 24; . . .Þ (geometrische Folge mit a ¼ 3 und q ¼ 2) 1 1 1 1 ; ; ; ; ... 2. ðan Þ ¼ ð2n Þ ¼ 2 4 8 16 1 1 geometrische Folge mit a ¼ und q ¼ 2 2
lim ðan þ bn Þ ¼ lim an þ lim bn
n!1
n!1
lim an ¼ a
oder ðan Þ ! a
Exakte Definition: Die Folge ðan Þ besitzt den Grenzwert lim an ¼ a, n!1
wenn sich nach Vorgabe einer beliebig kleinen positiven Zahl e ein n0 2 N so finden la¨ßt, daß fu¨r alle n n0 gilt
n!1
&
Beispiele: 2.
5.
&
Beispiel: 1.
1 Die Folge ðan Þ mit an ¼ n hat den Grenzwert a ¼ 0, denn 10 1 1 die Differenz ja an j ¼ 0 n ¼ n wird fu¨r große n be10 10 1 liebig klein. Wa¨hlt man etwa e ¼ 10 , so gilt ja an j < e fu¨r 10 1 ¼ 0. n 11. Es gilt also lim an ¼ lim n!1 n ! 1 10n Die Folge ðan Þ ist somit eine Nullfolge.
n!1
1.5 Tabelle einiger Grenzwerte Fu¨r einige wichtige konvergente Zahlenfolgen sind in der folgenden Tabelle ihre Grenzwerte angegeben. pffiffiffi lim n q ¼ 1 ðq > 0Þ lim
n!1
Das n0 ha¨ngt offensichtlich von der Wahl von e ab, also n0 ¼ n0 ðeÞ. Besitzt ðan Þ den Grenzwert a, so sagt man, daß ðan Þ gegen a konvergiert. Eine Folge, die einen Grenzwert besitzt, heißt konvergent. Eine Folge, die keinen Grenzwert besitzt, heißt dagegen divergent. Eine Folge besitzt ho¨chstens einen Grenzwert. Eine Nullfolge ist eine Folge, die den Grenzwert 0 besitzt.
1 ¼0 n n lim an ¼ lim ¼1 n!1 n!1 n þ 1 1 lim an ¼ lim 3 n 2 ¼ 3 n!1 n!1 2 n 1 lim an ¼ lim ¼0 n!1 n!1 2 lim an ¼ lim
n!1
Die Folge aus Beispiel 5 ist eine geometrische Folge. Es gilt: Jede geometrische Folge mit an ¼ aqn 1 konvergiert gegen Null, wenn jqj, der Betrag von q, kleiner als 1 ist.
n!1
ja an j < e
n!1
n!1
4.
n!1
n!1
falls bn 6¼ 0 und lim bn 6¼ 0
Man sagt, die Folge ðan Þ besitzt den Grenzwert (oder auch Limes genannt) lim an ¼ a oder
Grenzwert (Limes)
n!1
an an nlim lim ¼ !1 ; n ! 1 bn lim bn
3.
n!1
n!1
n!1
lim ðan bn Þ ¼ lim an lim bn
1.4 Grenzwert einer Folge
ðan Þ ! a (gesprochen: Limes an gleich a), wenn die Abweichung ja an j der Folgenglieder an von diesem Wert a fu¨r genu¨gend große n beliebig klein wird.
n!1
lim ðan bn Þ ¼ lim an lim bn
n!1
p ffiffiffi n n¼1
cr nr þ cr 1 nr 1 þ . . . þ c1 n þ c0 lim ds ns þ ds 1 ns 1 þ . . . þ d1 n þ d0 8c .. < r fu rr¼s ¼ dr : .. 0 fur r < s
n!1
ðc0 ; c1 ; . . . ; cr ; d0 ; d1 ; . . . ; ds 2 R; cr 6¼ 0; ds 6¼ 0Þ lim
n!1
loga n ¼0 n
lim qn ¼ 0
n!1
ða > 0; a 6¼ 1Þ
ðjqj < 1Þ
lim nq ¼ 0 ðjqj < 1Þ n
n!1
an ¼ 0 ða 2 RÞ n! 1 n lim 1 þ ¼ e ¼ 2;718 281 828 4 . . . n!1 n lim
n!1
VIII Differential- und Integralrechnung
1.6 Divergente Folgen Eine Folge, die keinen Grenzwert besitzt, heißt divergent. Bei divergenten Folgen unterscheidet man zwischen bestimmter und unbestimmter Divergenz. Eine Folge ðan Þ heißt bestimmt divergent gegen þ1, wenn zu jeder beliebig großen vorgegebenen Zahl K ein Index n0 existiert, so daß an > K fu¨r alle Indizes n n0 gilt. Eine solche bestimmt divergente Folge wa¨chst fu¨r n ! 1 u¨ber alle Grenzen. Man schreibt dann lim an ¼ 1
133
2 Reihen 2.1 Definitionen Eine Reihe ist die Summe der Glieder einer Folge (Zahlenfolge) ðan Þ. a1 þ a2 þ . . . þ an þ . . . Ist die Folge endlich, so nennt man auch die Reihe endlich. Fu¨r unendliche Folgen ergeben sich unendliche Reihen.
n!1
Eine Folge ðan Þ heißt dagegen bestimmt divergent gegen 1, wenn zu jeder noch so kleinen vorgegebenen Zahl K ðK > 0Þ ein Index n0 existiert, so daß an < K fu¨r alle Indizes n n0 gilt. Eine solche bestimmt divergente Folge fa¨llt fu¨r n ! 1 unter alle Grenzen. Man schreibt dann lim an ¼ 1
n!1
a1 þ a2 þ . . . þ an þ . . . ¼
1 P k¼1
ak
Das Zeichen 1 bedeutet dabei, daß die Reihe nicht abbricht. Sie besteht aus unendlich vielen Summanden. Die Zahlen an , also die Summanden, heißen auch Glieder der Reihe. &
Beispiele: 10 P 2k ¼ 21 þ 22 þ 23 þ . . . þ 210 ¼ 2 þ 4 þ 8 þ . . . þ 1024
1.
k¼1
Eine Folge, die nicht konvergent und nicht bestimmt divergent ist, heißt unbestimmt divergent. Monoton (streng monoton) wachsende und nicht beschra¨nkte Folgen ðan Þ sind bestimmt divergent mit lim an ¼ 1. n!1
Monoton (streng monoton) fallende und nicht beschra¨nkte Folgen ðan Þ sind bestimmt divergent mit lim an ¼ 1. n!1 &
(endliche Reihe) 2.
1 3k P 32 33 3n ¼ 3 þ þ þ . . . þ þ . . . (unendliche Reihe) k 2 3 n
k¼1
Folgende Summen heißen Teilsummen oder Partialsummen der Reihe: s1 ¼ a1 ;
s2 ¼ a1 þ a2 ; . . . ;
sn ¼ a1 þ a2 þ a3 þ . . . þ an ¼
Beispiele: 1. lim n ¼ 1 n!1
2.
(denn ðan Þ ¼ ðnÞ ist streng monoton wachsend und nicht beschra¨nkt) lim ðn3 Þ ¼ 1
3.
(denn ðan Þ ¼ ðn3 Þ ist streng monoton fallend und nicht beschra¨nkt) lim 2n þ 2 ¼ 1
4.
(denn ðan Þ ¼ ð2n þ 2 Þ ist streng monoton wachsend und nicht beschra¨nkt) ðan Þ ¼ ðð3Þn Þ ¼ ðð1Þn 3n Þ ist unbestimmt divergent
n!1
n!1
Die Folge aus Beispiel 1 ist eine arithmetische Folge. Es gilt: Jede arithmetische Folge ist divergent, denn die Differenz zweier aufeinanderfolgender Glieder ist stets d. Fu¨r positive Werte von d werden die Glieder an der Folge ab einer Stelle gro¨ßer als jede beliebig große Zahl. Fu¨r negative Werte von d werden die Glieder an dagegen ab einer Stelle kleiner als jede vorgegebene beliebig kleine Zahl. Jede arithmetische Folge ist also bestimmt divergent. Die Folgen aus den Beispielen 3 und 4 sind geometrische Folgen. Es gilt: Jede geometrische Folge mit an ¼ aqn 1 ist divergent, wenn der Betrag jqj gro¨ßer als 1 ist, und zwar fu¨r q > 1 bestimmt divergent und fu¨r q < 1 unbestimmt divergent.
n P k¼1
ak
Man spricht von einer konvergenten unendlichen Reihe, wenn die Folge ðsn Þ der Partialsummen konvergiert, also einen Grenzwert s besitzt. s ¼ lim sn ¼ n!1
1 P k¼1
ak
Dieser Grenzwert s heißt die Summe der Reihe. Eine unendliche Reihe ist also genau dann konvergent, wenn die Folge der Partialsummen konvergiert. Besitzt die Folge der Partialsummen keinen Grenzwert, dann heißt die unendliche Reihe divergent. In diesem Fall ko¨nnen die Partialsummen unbegrenzt wachsen oder oszillieren (die Folge der Partialsummen ist alternierend). Die unendliche Reihe heißt bestimmt divergent, wenn die Folge ðsn Þ der Partialsummen bestimmt divergent ist. Ist die Folge der Partialsummen unbestimmt divergent, so heißt auch die unendliche Reihe unbestimmt divergent. Die Frage nach der Konvergenz einer unendlichen Reihe wird somit auf die Frage nach der Existenz eines Grenzwertes der Folge ðsn Þ der Partialsummen zuru¨ckgefu¨hrt.
134
Mathematik 1 1 ¼ 1 lim ¼ 1 ist n!1 n þ 1 nþ1 die gegebene Reihe konvergent mit dem Grenzwert 1: 1 P 1 ¼1 k ¼ 1 kðk þ 1Þ
Die Folge der Glieder ðan Þ einer konvergenten Reihe muß gegen Null konvergieren, also eine Nullfolge sein. Diese Bedingung ist notwendig, sie reicht jedoch fu¨r die Konvergenz einer unendlichen Reihe nicht aus (vgl. Abschnitt VIII.2.4). Fu¨r konvergente Reihen gelten verschiedene Rechenregeln: 1 1 P P ak und bk ; so Konvergieren die Reihen k¼1 k ¼1 1 P ðak þ bk Þ und konvergieren auch die Reihen 1 P k¼1 c ak ; c 2 R; und es gilt k¼1
1 P k¼1 1 P
ðak þ bk Þ ¼
k¼1 &
c ak ¼ c
1 P
k¼1 1 P
k¼1
ak þ
1 P k¼1
bk
ak
Beispiele: 6 P k 2k ¼ 2 þ 2 22 þ 3 23 þ 4 24 þ 5 25 þ 6 26
3.
k¼1
4.
¼ 2 þ 8 þ 24 þ 64 þ 160 þ 384 ¼ 642 k 1 P 1 1 1 1 1 ¼ þ þ þ þ ... ¼ 1 2 2 4 8 16 k¼1 Daß diese unendliche Reihe die Summe 1 hat, kann man sich dadurch klarmachen, daß man ein Quadrat mit der Fla¨che 1 fortgesetzt halbiert (s. Bild VIII-1). Die entstehenden 1 1 1 1 Rechtecke haben die Fla¨cheninhalte ; ; ; . . . ; n ; . . ., 2 4 8 2 und ihre Summe ist offensichtlich 1, der Fla¨cheninhalt des Quadrats (vgl. auch Abschnitt VIII.2.3).
Wegen lim sn ¼ lim n!1
8.
n!1
1
1 kþ1 P ist nicht konvergent, denn die Glieder 3k þ 2 kþ1 nþ1 1 ak ¼ bilden wegen lim an ¼ lim ¼ keine n!1 n ! 1 3n þ 2 3k þ 2 3 Nullfolge.
k¼1
2.2 Arithmetische Reihen Eine arithmetische Reihe entsteht aus den Gliedern einer arithmetischen Folge. Da schon jede unendliche arithmetische Folge divergiert, ist auch jede unendliche arithmetische Reihe divergent. Da unendliche arithmetische Folgen bestimmt divergent sind (vgl. Abschnitt VIII.1.6), sind auch unendliche arithmetische Reihen bestimmt divergent. Die Summe sn einer endlichen arithmetischen Reihe n P ða þ ðk 1Þ dÞ la¨ßt sich jedoch allgemein bek¼1
rechnen. Wegen a1 ¼ a folgt sn ¼ a1 þ ða1 þ dÞ þ ða1 þ 2dÞ þ . . . þ ða1 þ ðn 1Þ dÞ. Dreht man die Reihenfolge der Summanden um und beachtet, daß die Differenz zweier aufeinanderfolgender Glieder gleich d ist, so folgt andererseits sn ¼ an þ ðan dÞ þ ðan 2dÞ þ . . . þ ðan ðn 1Þ dÞ. Schreibt man diese beiden Ausdru¨cke fu¨r sn untereinander und addiert jeweils die beiden u¨bereinanderstehenden Terme, so folgt sn ¼ a1 þ ða1 þ dÞ þ ða1 þ 2dÞ þ . . . þ ða1 þ ðn 1Þ dÞ sn ¼ an þ ðan dÞ þ ðan 2dÞ þ . . . þ ðan ðn 1Þ dÞ
1 2
1 4
1 8
und daraus 2sn ¼ nða1 þ an Þ, denn jede dieser Summen ist a1 þ an , und es gibt insgesamt n solcher Summen. Es folgt: sn ¼
Bild VIII-1 Zur Konvergenz der Reihe 1 1 1 2 þ 4 þ 8 þ ... 5.
1 P k¼1
6.
k ¼ 1 þ 2 þ 3 þ ... þ n þ ...
Diese unendliche Reihe ist bestimmt divergent, denn die Folge ðan Þ ¼ ðnÞ ist bestimmt divergent (vgl. Abschnitt VIII.1.6). 1 P ð1Þk ¼ 1 þ 1 1 þ 1 1 þ 1 . . . k¼1
Fu¨r die Partialsummen gilt 0 falls n gerade ist sn ¼ 1 falls n ungerade ist
7.
Die unendliche Reihe ist unbestimmt divergent. 1 P 1 1 1 1 1 ¼ þ þ þ þ ... 12 23 34 45 k ¼ 1 kðk þ 1Þ 1 1 1 Aus ak ¼ ¼ folgt kðk þ 1Þ k k þ 1 n P 1 1 1 ak ¼ 1 sn ¼ þ 2 2 3 k¼1 1 1 1 1 1 þ ... þ ¼1 þ 3 4 n nþ1 nþ1
n P k¼1
ða þ ðk 1Þ dÞ ¼
n ða1 þ an Þ 2
Die Summe einer endlichen arithmetischen Reihe mit n Summanden ist also die Summe des ersten und des letzten Glieds multipliziert mit der halben Anzahl der Summanden. &
Beispiele: 10 P 10 ð3 þ 48Þ ¼ 255 ð3 þ ðk 1Þ 5Þ ¼ 2 k¼1 1P 00 2. k ¼ 50ð1 þ 100Þ ¼ 5050
1.
k¼1
3.
1P 00 k¼1
ð3 þ 4kÞ ¼
100 ð7 þ 403Þ ¼ 50 410 ¼ 20 500 2
Die Summe der ersten n natu¨rlichen Zahlen zum Beispiel la¨ßt sich hiermit fu¨r beliebiges (beliebig großes) n sehr einfach ausrechnen (vgl. Beispiel 2).
2.3 Geometrische Reihen Eine geometrische Reihe entsteht aus den Gliedern einer geometrischen Folge. Die Summe sn einer end-
VIII Differential- und Integralrechnung n P
lichen geometrischen Reihe
135
aqk 1 ergibt sich
k¼1
fu¨r q 6¼ 1 aus folgender Rechnung: sn ¼ a þ aq þ aq2 þ . . . þ aqn 1 qsn ¼ aq þ aq2 þ . . . þ aqn 1 þ aqn Zieht man die zweite Gleichung von der ersten ab, so folgt sn qsn ¼ a aqn und somit fu¨r die Summe sn einer endlichen geometrischen Reihe mit q 6¼ 1: sn ¼
n P k¼1
aqk 1 ¼ a
1 qn 1q
ðq 6¼ 1Þ
Fu¨r q ¼ 1 gilt sn ¼ n a. &
Beispiele: 5 P 1 25 2k 1 ¼ ¼ 31 12 k¼1
1. 2.
10 P
1 510 9 765 624 ¼ 7 324 218 ¼3 4 15 100 100
P 13 3 100 3 1 ¼ 3k ¼ 3 2 13 k¼1 k¼1
3.
3 5k 1 ¼ 3
1 qn ist fu¨r q 6¼ 1 das n-te 1q Glied der Folge der Partialsummen. Die Gro¨ßen a und q sind Konstanten, die Konvergenz der Folge ha¨ngt nur von der Gro¨ße 1 qn ab. Fu¨r q > 1 und q 1 divergiert die Folge ðqn Þ, die geometrische Reihe ist dann also ebenfalls divergent. Fu¨r q 1 ist die unendliche geometrische Reihe bestimmt divergent, fu¨r q 1 ist sie unbestimmt divergent. Fu¨r jqj < 1 wird jqjn ¼ jqn j beliebig klein, wenn n nur groß genug gewa¨hlt wird, das heißt, es gilt lim qn ¼ 0. Fu¨r jqj < 1 konvergiert deshalb die FolDie Summe sn ¼ a
n!1
ge ðqn Þ, es gilt dann
lim ð1 qn Þ ¼ 1 lim qn
n!1
n!1
¼ 1. In diesem Fall konvergiert die unendliche geometrische Reihe und hat den Grenzwert s ¼ lim sn ¼ n!1
¼ lim a n!1
1 P
1 , dann heißt die Reihe alterð1Þn þ 1 n nierende harmonische Reihe. Die unendliche harmonische Reihe ist bestimmt divergent, wie folgende Rechnung zeigt: 1 1 P k¼1 k 1 1 1 1 1 1 1 ¼1þ þ þ þ þ þ þ 2 3 4 5 6 7 8 1 1 1 1 1 1 1 1 1 þ þ þ þ þ þ þ þ þ þ ... 9 10 11 12 13 14 15 16 17 1 1 1 1 1 1 1 ¼ 1þ þ þ þ þ þ þ 2 3 4 5 6 7 8 1 1 1 1 1 1 1 1 þ þ þ þ þ þ þ þ 9 10 11 12 13 14 15 16 1 þ þ ... 17 1 1 1 1 1 1 1 > þ þ þ þ þ þ 2 4 4 8 8 8 8 1 1 1 1 1 1 1 1 1 þ þ þ þ þ þ þ þ þ þ... 16 16 16 16 16 16 16 16 32 1 1 1 1 1 ¼ þ þ þ þ þ ... 2 2 2 2 2
Ist ðan Þ ¼
1 1 P ist eine arithmetische 2 Reihe (mit d ¼ 0) und deshalb bestimmt divergent. Somit folgt
Die unendliche Reihe
k¼1
1 1 P ¼ þ1 k¼1 k
Die harmonische Reihe ist bestimmt divergent, obwohl die Glieder der Reihe eine Nullfolge bilden. Die unendliche alternierende harmonische Reihe ist dagegen konvergent. &
aqk 1
1.
k¼1
qn 1 a ¼ q1 1q
Beispiele: 6 P 1 1 1 1 1 1 ¼1þ þ þ þ þ k 2 3 4 5 6 (endliche harmonische Reihe)
k¼1
ðjqj < 1Þ 2.
1 P k¼1
&
Beispiele: 4.
5.
6.
5 60 11 ¼ ¼ a ¼ 5; q ¼ 11 23 12 k¼1 1þ 12 1 k 1 P 1 1 a¼q¼ ¼ 2 ¼1 1 2 2 k¼1 1 k 1 2 1 P 4 3 4 ¼ 15 a ¼ 3; q ¼ 3 ¼ 4 5 5 k¼1 1 5 1 P
11 5 12
n n P P 1 1 Ist ðan Þ ¼ ak ¼ , so nennt man endn k¼1 k¼1 k 1 1 P P 1 unendliche harmonische Reihe und ak ¼ k ¼ 1 k ¼1 k liche harmonische Reihe.
1 1 1 1 1 ¼ 1 þ þ . . . þ ð1Þn þ 1 þ . . . k 2 3 4 n ¼ ln 2
(unendliche alternierende harmonische Reihe)
k 1
2.4 Harmonische Reihen
ð1Þk þ 1
2.5 Alternierende Reihen Ist ðan Þ eine alternierende Folge, also eine Folge, deren Glieder abwechselnd unterschiedliches Vorzein P chen haben, dann nennt man ak eine endliche 1 P k¼1 ak eine unendliche alteralternierende Reihe und k¼1 nierende Reihe. &
Beispiele: 1. 2. 3.
10 P k¼1 1 P k¼1 n P k¼1
ð1Þk k ¼ 1 þ 2 3 þ 4 5 þ 6 7 þ 8 9 þ 10 ð1Þk þ 1 k ð1Þk ¼
.. 0 fur gerades n .. 1 fur ungerades n
136
Mathematik
Fu¨r alternierende Reihen gibt es ein einfaches Kriterium, mit dem sich die Konvergenz der Reihe untersuchen la¨ßt: 1 P Eine alternierende Reihe ak, bei der ðjan jÞ; also k¼1
die Folge der Betra¨ge der Glieder, eine monoton fallende Nullfolge bildet, ist stets konvergent (Leibnizsches Konvergenzkriterium). &
Besitzt die Funktion y ¼ f ðxÞ an der Stelle x ¼ a den Grenzwert lim f ðxÞ ¼ A, so sagt man auch, der x!a
Grenzwert lim f ðxÞ existiert und ist gleich A. x!a
&
Beispiele: 1. Die Funktion y ¼ f ðxÞ ¼ x3 hat fu¨r x ! 0 den Grenzwert A ¼ 0: lim x3 ¼ 0. Soll etwa jx3 0j, der Unterschied zwix!0
Beispiel: 1 P 1 1 1 1 1 ð1Þk þ 1 ¼ 1 þ þ . . . þ ð1Þn þ 1 þ . . . k 2 3 4 n k¼1
4.
2.
Die alternierende harmonische Reihe ist konvergent nach dem Leibnizschen Konvergenzkriterium, denn die Folge der 1 1 ; ist monoBetra¨ge der Glieder, also ð1Þn þ 1 ¼ n n ton fallend und eine Nullfolge.
3 Grenzwerte von Funktionen
Die Funktion y ¼ f ðxÞ besitzt an der Stelle x ¼ 0 den Grenz5 . 3
wert
3.1 Grenzwert an einer endlichen Stelle Die Funktion y ¼ f ðxÞ besitzt an der Stelle x ¼ a den Grenzwert lim f ðxÞ ¼ A oder f ðxÞ ! A fu¨r x!a
x ! a (gesprochen: Limes f ðxÞ gleich A fu¨r x gegen a), wenn sich die Funktion f ðxÞ bei unbegrenzter Anna¨herung von x an a unbegrenzt an A na¨hert. Die Variable x na¨hert sich a unbegrenzt an, es gilt jedoch stets x 6¼ a. Die Funktion f ðxÞ muß an der Stelle x ¼ a den Wert A nicht annehmen und braucht an dieser Stelle auch nicht definiert zu sein. Grenzwert :: lim f ðxÞ ¼ A oder f ðxÞ ! A fur x ! a
x!a
Exakte Definition: Die Funktion y ¼ f ðxÞ besitzt an der Stelle x ¼ a den Grenzwert lim f ðxÞ ¼ A, wenn
3.2 Einseitige Grenzwerte Die Funktion y ¼ f ðxÞ besitzt an der Stelle x ¼ a den linksseitigen Grenzwert A, wenn sich die Funktion f ðxÞ bei unbegrenzter Anna¨herung von x von links an a unbegrenzt an A na¨hert. Linksseitiger Grenzwert lim f ðxÞ ¼ lim
x!a x
A+e A A–e
lim f ðxÞ ¼ lim
x!a x>a
x!aþ0
Beispiel: f ðxÞ ¼
a–d a a+d x
Bild VIII-2 Veranschaulichung des Grenzwertbegriffes
f ðxÞ ¼ A
Die Variable x na¨hert sich a unbegrenzt an, es gilt jedoch stets x 6¼ a. Die Funktion f ðxÞ muß an der Stelle x ¼ a den Wert A nicht annehmen und braucht an dieser Stelle auch nicht definiert zu sein. Die Funktion y ¼ f ðxÞ besitzt an der Stelle x ¼ a den Grenzwert A, wenn an dieser Stelle sowohl der linksseitige als auch der rechtsseitige Grenzwert existieren und gleich sind.
&
f(x)
f ðxÞ ¼ A
Rechtsseitiger Grenzwert
Grenzwert
y
0
x!a0
Die Funktion y ¼ f ðxÞ besitzt an der Stelle x ¼ a den rechtsseitigen Grenzwert A, wenn sich die Funktion f ðxÞ bei unbegrenzter Anna¨herung von x von rechts an a unbegrenzt an A na¨hert.
x!a
sich nach Vorgabe einer beliebig kleinen positiven Zahl e eine zweite positive Zahl d ¼ dðeÞ so finden la¨ßt, daß fu¨r alle x mit jx aj < dðeÞ gilt jf ðxÞ Aj < e eventuell mit Ausnahme der Stelle a. Der Unterschied j f ðxÞ Aj zwischen den Funktionswerten und dem Grenzwert wird kleiner als jede beliebig vorgegebene positive Zahl e, wenn die x-Werte sich um weniger als eine passend gewa¨hlte, von e abha¨ngige Zahl d ¼ dðeÞ vom Wert a unterscheiden, wenn also 0 < jx aj < dðeÞ gilt.
schen y ¼ x3 und A ¼ 0, kleiner als e ¼ 0; 000 001 sein, so ist dies erfu¨llt, wenn man fu¨r d ¼ dðeÞ < 0; 01 wa¨hlt, denn ð102 Þ3 ¼ 106 . pffiffiffi Fu¨r ein beliebiges positives e erfu¨llt dðeÞ < 3 e die geforderte Bedingung. 2x2 þ 5x ist an der Stelle x ¼ 0 Die Funktion y ¼ f ðxÞ ¼ 3x nicht definiert, da fu¨r x ¼ 0 der Nenner Null ist. Es gilt 2x2 þ 5x 2x þ 5 ¼ lim lim f ðxÞ ¼ lim x!0 x!0 x!0 3x 3 (Ku¨rzen durch x 6¼ 0) und weiter wegen der Rechenregeln fu¨r Grenzwerte (siehe Abschnitt VIII.3.4) 2 5 5 lim x þ ¼ . lim f ðxÞ ¼ x!0 3 x!0 3 3
lim f ðxÞ ¼ A
x!a
.. 1 fur x > 0 .. 0 fur x < 0
Linksseitiger Grenzwert:
lim f ðxÞ ¼ lim f ðxÞ ¼ 0
x!0 x<0
x!00
x!0 x>0
x!0þ0
Rechtsseitiger Grenzwert: lim f ðxÞ ¼ lim f ðxÞ ¼ 1 Die Funktion y ¼ f ðxÞ besitzt an der Stelle x ¼ 0 sowohl den linksseitigen als auch den rechtsseitigen Grenzwert. Da diese jedoch verschieden sind, existiert der Grenzwert an der Stelle x ¼ 0 nicht.
VIII Differential- und Integralrechnung
137
3.3 Grenzwert im Unendlichen Die Funktion y ¼ f ðxÞ besitzt fu¨r x ! 1 den Grenzwert A, wenn es zu jedem beliebigen e > 0 ein hinreichend großes w ¼ wðeÞ gibt, so daß j f ðxÞ Aj < e fu¨r alle x > wðeÞ gilt. Man schreibt dafu¨r
Diese Regeln sagen aus, daß man die Operation der Grenzwertbildung mit der Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division (falls G 6¼ 0) vertauschen darf. Die Regeln wurden schon bei den Beispielen der vorangegangenen Abschnitte angewandt.
lim f ðxÞ ¼ A
x!1
3.5 Unbestimmte Ausdru¨cke
Analog besitzt die Funktion y ¼ f ðxÞ fu¨r x ! 1 den Grenzwert A, wenn es zu jedem beliebigen e > 0 ein hinreichend großes w ¼ wðeÞ gibt, so daß j f ðxÞ Aj < e fu¨r alle x < wðeÞ gilt. Man schreibt dann lim
x ! 1
x!1
x ! 1
tion y ¼ f ðxÞ beschreiben, falls sie existieren, den Verlauf der Funktion im Unendlichen, das heißt, das Verhalten der Funktion fu¨r sehr großes positives und fu¨r sehr kleines negatives Argument x. Beispiele: 1.
2.
3.
0 1 ; ; 0 1; 1 0; 1 1; 1 þ 1; 0 1 0 0 ; 10 ; 11
f ðxÞ ¼ A
Die Grenzwerte lim f ðxÞ und lim f ðxÞ der Funk-
&
Unbestimmte Ausdru¨cke sind symbolische Ausdru¨kke der Form
1 1 1 ¼ 0, denn es gilt 0 ¼ < e fu¨r alle x, x x x 1 die der Bedingung x > wðeÞ ¼ genu¨gen. Ebenso gilt e 1 lim ¼ 0. x ! 1 x 5x þ 3 hat fu¨r x ! 1 den GrenzDie Funktion y ¼ f ðxÞ ¼ 2x þ 7 5 5x þ 3 5x þ 3 5 ¼ lim ¼ ; wie folgende wert , also lim x ! 1 2x þ 7 x ! 1 2x þ 7 2 2 Rechnung unter Anwendung der Rechenregeln fu¨r Grenzwerte (siehe Abschnitt VIII.3.4) zeigt: 1 3 5 þ 3 lim 5þ 5x þ 3 5 x!1 x x ¼ ¼ lim lim ¼ 7 x ! 1 2x þ 7 x!1 1 2 2þ 2 þ 7 lim x!1 x x 5x þ 3 5 ¼ verla¨uft ganz analog. Die Rechnung fu¨r lim x ! 1 2x þ 7 2 Der Grenzwert lim sin x existiert nicht. Wie groß man x x!1 auch wa¨hlt, es lassen sich wegen der Periodizita¨t der Sinusfunktion unendlich viele gro¨ßere x-Werte angeben, fu¨r die die Funktion einen vorgegebenen Wert zwischen 1 und 1 hat. Es ist lim
x!1
Solche Ausdru¨cke ergeben sich bei bestimmten Grenzwertaufgaben. Sind zum Beispiel f ðxÞ und gðxÞ zwei Funktionen mit f ðaÞ ¼ gðaÞ ¼ 0; so ist ihr f ðxÞ an der Stelle x ¼ a nicht definiert. Quotient gðxÞ Formales Einsetzen von x ¼ a fu¨hrt auf den unbe0 stimmten Ausdruck „ “. Damit soll ausgedru¨ckt 0 f ðxÞ zu ermitteln werden, daß der Grenzwert lim x ! a gðxÞ ist, der das Verhalten des Quotienten in der Na¨he der kritischen Stelle a beschreibt, falls er existiert. &
Beispiele: 1.
3x2 x 1 ¼? 4x2 þ 3 1 Unbestimmter Ausdruck der Form „ “. 1 Durch Ku¨rzen des Bruches durch x2 ðx 6¼ 0Þ ergibt sich lim
x!1
1 1 3 2 3x2 x 1 x x ¼ 3 ¼ lim 3 x!1 4x2 þ 3 4 4þ 2 x 3 Der Grenzwert existiert also und ist gleich . 4 2 lim ðx xÞ ¼ ? lim
x!1
2.
x!1
Unbestimmter Ausdruck der Form „1 1“. Durch Umformen ergibt sich lim ðx2 xÞ ¼ lim xðx 1Þ ¼ 1 1 ¼ 1 x!1
3.4 Rechenregeln fu¨r Grenzwerte Die fu¨r Folgen aufgestellten Regeln fu¨r das Rechnen mit Grenzwerten (vgl. Abschnitt VIII.1.4) lassen sich auf das Rechnen mit Grenzwerten von Funktionen u¨bertragen. Gilt lim f ðxÞ ¼ F und lim gðxÞ ¼ G fu¨r zwei Funkx!a
x!a
tionen f ðxÞ und gðxÞ, so existieren auch die folgenden Grenzwerte: lim ½ f ðxÞ þ gðxÞ ¼ lim f ðxÞ þ lim gðxÞ ¼ F þ G
x!a
x!a
x!a
lim ½ f ðxÞ gðxÞ¼ lim f ðxÞ lim gðxÞ ¼ F G
x!a
x!a
lim ½c f ðxÞ
x!a
x!a
¼ c lim f ðxÞ ¼ c F x!a
ðc 2 RÞ
lim ½ f ðxÞ gðxÞ ¼ lim f ðxÞ lim gðxÞ ¼ F G
x!a
lim
x!a
3.
x!a
f ðxÞ gðxÞ
¼
lim f ðxÞ
x!a
lim gðxÞ
x!a
4.
x!1
Es existiert kein Grenzwert. x2 2 lim ¼? x!1 x3 1 Unbestimmter Ausdruck der Form „ “. 1 3 Durch Ku¨rzen des Bruches durch x ðx 6¼ 0Þ erha¨lt man 1 2 3 x2 2 00 lim ¼ lim x x ¼ ¼0 x!1 x!1 1 x3 1 Der Grenzwert existiert und ist gleich 0. x3 ¼? lim x ! 1 x2 2 1 Unbestimmter Ausdruck der Form „ “. 1 2 Durch Ku¨rzen des Bruches durch x ðx 6¼ 0Þ ergibt sich 1 ¼1 ¼ 2 10 x2 Es existiert kein Grenzwert. lim
x!1
x3 ¼ lim x2 2 x ! 1
x
1
x!a
¼
F G
ðgðxÞ ¼ 6 0; G 6¼ 0Þ
3.6 Stetigkeit einer Funktion Die Stetigkeit einer Funktion y ¼ f ðxÞ an einer Stelle x ¼ a wird mit Hilfe des Grenzwertes der Funktion an dieser Stelle definiert.
138
Mathematik
Eine Funktion y ¼ f ðxÞ heißt an der Stelle x ¼ a stetig, wenn f ðxÞ an der Stelle a definiert ist und der Grenzwert lim f ðxÞ existiert und gleich f ðaÞ ist. x!a
Das ist genau dann der Fall, wenn es zu jedem vorgegebenen e > 0 ein d ¼ dðeÞ > 0 gibt, so daß j f ðxÞ f ðaÞj < e fu¨r alle x mit jx aj < d gilt. Ist eine Funktion y ¼ f ðxÞ stetig, dann a¨ndert sich bei kleinen nderungen der Variablen x auch der Funktionswert f ðxÞ nur geringfu¨gig. Die meisten Funktionen, die in den Anwendungen vorkommen, sind stetig. Der Graph einer stetigen Funktion ist eine zusammenha¨ngende Kurve. Ist dagegen die Kurve an verschiedenen Stellen (mindestens an einer) unterbrochen, dann heißt die zugeho¨rige Funktion unstetig, und die Werte der unabha¨ngigen Variablen x, an denen die Unterbrechung auftritt, heißen Unstetigkeitsstellen. Eine an jeder Stelle ihres Definitionsbereichs stetige Funktion y ¼ f ðxÞ heißt stetig. Sind f ðxÞ und gðxÞ zwei Funktionen mit dem Definitionsbereich D und dem Wertebereich W ¼ R, und ist c eine reelle Zahl, so gilt: Sind f ðxÞ und gðxÞ stetig an der Stelle x ¼ a des Definitionsbereichs D, so sind auch f ðxÞ þ gðxÞ, c f ðxÞ, f ðxÞ f ðxÞ gðxÞ, (falls gðxÞ ¼ 6 0 fu¨r x 2 D) und j f ðxÞj gðxÞ stetig an der Stelle x ¼ a. Da die Sinusfunktion y ¼ sin x eine stetige Funktion ist, folgt hieraus zum Beispiel, daß eine so kompliziert gebaute Funktion x sin ðx2 þ 1Þ ebenfalls wie etwa f : R ! R; f ðxÞ ¼ 1 þ jsin xj stetig ist. &
Beispiele: 1. Die Funktion f ðxÞ ¼ 5x þ 2 ist an jeder Stelle x ¼ a des Definitionsbereichs stetig, denn es gilt lim ð5x þ 2Þ ¼ 5a þ 2
Ein Pol oder eine Unendlichkeitsstelle x ¼ a einer gðxÞ Funktion y ¼ f ðxÞ ¼ ist eine Stelle, fu¨r die der hðxÞ Nenner von f ðxÞ den Wert 0 hat und der Za¨hler von 0 verschieden ist, also hðaÞ ¼ 0 und gðaÞ ¼ 6 0 (vgl. Abschnitt V.5). An einer solchen Stelle ist die Funktion also nicht definiert. Die Funktion strebt bei Anna¨herung an einen Pol nach (plus oder minus) Unendlich. Die Kurve der Funktion la¨uft an einer solchen Stelle ins Unendliche. &
Beispiele: .. 1 fu ur x > 0 f ðxÞ ¼ .. 0 fu ur x < 0 Linksseitiger Grenzwert:
1.
3.
x!00
x!0 x>0
x!0þ0
Rechtsseitiger Grenzwert: lim f ðxÞ ¼ lim f ðxÞ ¼ 1 Der linksseitige und der rechtsseitige Grenzwert der Funktion y ¼ f ðxÞ sind verschieden, also besitzt die Funktion bei x ¼ 0 eine Sprungstelle. Die Funktion springt beim Durchlaufen des Punktes x ¼ 0 von 0 auf 1.
y 1
0
–1
x
1
Bild VIII-3 Graph der Funktion von Beispiel 1 2.
1 ; D ¼ R; x 6¼ 0 x 1 1 ¼ 1; lim ¼ þ1 Einseitige Grenzwerte: lim x!0 x x!0 x x<0 x>0 1 Die Funktion y ¼ besitzt bei x ¼ 0 einen Pol. Bei Anna¨hex rung von links an den Pol strebt die Funktion nach minus Unendlich, bei Anna¨herung von rechts nach plus Unendlich.
f ðxÞ ¼
y
x!a
2.
lim f ðxÞ ¼ lim f ðxÞ ¼ 0
x!0 x<0
¼ f ðaÞ. Die Funktion ist also eine stetige Funktion. Die Funktion f ðxÞ ¼ 3x2 ist fu¨r jedes reelle x stetig, die Funktion ist eine stetige Funktion. .. 1 fur x 0 Die Funktion f ðxÞ ¼ besitzt fu¨r x ¼ 0 eine .. 0 fur x < 0 Unstetigkeitsstelle, also ist y ¼ f ðxÞ eine unstetige Funktion.
1 –1 0
3.7 Unstetigkeitsstellen Eine Unstetigkeitsstelle ist eine Stelle x ¼ a einer Funktion y ¼ f ðxÞ, an der die Funktion nicht stetig ist. Die Kurve einer Funktion ist an einer Unstetigkeitsstelle unterbrochen. Eine Funktion, die mindestens eine Unstetigkeitsstelle besitzt, heißt unstetig. Die ha¨ufigsten Unstetigkeitsstellen sind Sprungstellen und Pole. An einer Sprungstelle x ¼ a sind der rechtsseitige Grenzwert lim f ðxÞ und der linksseitige Grenzx!aþ0
wert
lim f ðxÞ
x!a0
voneinander
verschieden.
Die
Funktion f ðxÞ springt beim Durchlaufen des Punktes x ¼ a von einem auf einen anderen endlichen Wert. Die Funktion f ðxÞ braucht fu¨r x ¼ a nicht definiert zu sein.
x
1
–1
Billd VIII-4 Graph der Funktion von Beispiel 2
4 Ableitung einer Funktion 4.1 Definitionen Existiert fu¨r eine Funktion y ¼ f ðxÞ mit dem Definitionsbereich D der Grenzwert f 0 ðx0 Þ ¼ lim
x ! x0
f ðxÞ f ðx0 Þ x x0
ðx0 2 DÞ
VIII Differential- und Integralrechnung dann nennt man f 0 ðx0 Þ die Ableitung der Funktion f ðxÞ an der Stelle x ¼ x0 (gesprochen: f Strich von x0 ). Die Funktion f ðxÞ heißt dann differenzierbar in x0 . dy Statt f 0 ðx0 Þ schreibt man auch y0 ðx0 Þ oder ðx0 Þ dx df oder ðx0 Þ (gesprochen: y Strich von x0 bzw. dy dx nach dx an der Stelle x0 bzw. d f nach dx an der
139 Eine Funktion y ¼ f ðxÞ heißt stetig differenzierbar, wenn f ðxÞ differenzierbar ist und die Ableitung f 0 ðxÞ eine stetige Funktion ist. &
Beispiele: 1. Fu¨r die konstante Funktion f ðxÞ ¼ c ðc 2 RÞ gilt f 0 ðx0 Þ ¼ lim
x ! x0
Die Ableitungsfunktion einer konstanten Funktion ist somit f 0 ðxÞ ¼ 0.
Stelle x0 ).
f ðxÞ f ðx0 Þ heißt auch Differenzenquox x0 tient, da im Za¨hler die Differenz zweier Funktionswerte und im Nenner die Differenz zweier x-Werte steht. Deshalb nennt man den Grenzwert f 0 ðx0 Þ f ðxÞ f ðx0 Þ ¼ lim statt Ableitung auch Differentialx ! x0 x x0 quotient. Geometrische Deutung: Ist die Funktion y ¼ f ðxÞ als Kurve in einem kartesischen Koordinatensystem dargestellt, dann ist der Differenzenquotient gleich der Steigung (also dem Tangens des Steigungswinkels b) der Sekante durch die Punkte P0 ðx0 j f ðx0 ÞÞ und Pðx j f ðxÞÞ: Der Grenzwert f 0 ðx0 Þ ist die Steigung der Tangente in x0 an den Graphen von f ðxÞ, also f 0 ðx0 Þ ¼ tan a. Dabei ist a der Winkel zwischen der x-Achse und der Tangente an den Graphen in x0 , wobei der Winkel von der positiven x-Achse zur Tangente im entgegengesetzten Drehsinn des Uhrzeigers gemessen wird. Anschaulich bedeutet die Existenz der Ableitung an der Stelle x ¼ x0, daß der Kurvenverlauf in x0 glatt ist (keine „Knickstelle“ hat). Der Bruch
y y = f(x)
f ðxÞ f ðx0 Þ cc ¼ lim ¼ lim 0 ¼ 0 x ! x0 x x0 x ! x0 x x0
2.
Fu¨r die Funktion f ðxÞ ¼ ax þ b; a; b 2 R; D ¼ R gilt f 0 ðx0 Þ ¼ lim
x ! x0
ax þ b ðax0 þ bÞ a ðx x0 Þ ¼ lim ¼ lim a ¼ a x ! x0 x ! x0 x x0 x x0
Die Funktion f ðxÞ ¼ ax þ b ist ebenfalls eine (u¨berall) differenzierbare Funktion, und es gilt f 0 ðxÞ ¼ a: 3.
Die Funktion f ðxÞ ¼ x2 mit D ¼ R ist in jedem Punkt x0 2 D differenzierbar. Es ist f ðxÞ f ðx0 Þ x2 x20 ðx þ x0 Þ ðx x0 Þ ¼ ¼ ¼ x þ x0 x x0 x x0 x x0 und somit f 0 ðx0 Þ ¼ lim
x ! x0
4.
f ðxÞ f ðx0 Þ ¼ lim ðx þ x0 Þ ¼ 2x0 x ! x0 x x0
Die Funktion f ðxÞ ¼ x2 ist eine (u¨berall) differenzierbare Funktion, und es gilt f 0 ðxÞ ¼ 2x: .. x fur x 0 Die Funktion f ðxÞ ¼ jxj ¼ ist (u¨berall) ste.. x fur x < 0 tig. Fu¨r x0 > 0 ist f 0 ðx0 Þ ¼ 1, fu¨r x0 < 0 ist dagegen f 0 ðx0 Þ ¼ 1. Fu¨r x0 ¼ 0 gilt wegen f ð0Þ ¼ 0 lim jxj ¼ lim
x!0 x>0
x!0 x>0
und lim jxj ¼ lim
x!0 x<0
x!0 x<0
x0 ¼ lim 1 ¼ 1 x!0 x x>0
x 0 ¼ lim ð1Þ ¼ 1 x!0 x x<0
Der Differentialquotient existiert nicht, da der rechtsseitige Grenzwert und der linksseitige Grenzwert nicht gleich sind. Die Funktion f ðxÞ ¼ jxj ist an der Stelle x0 ¼ 0 stetig, aber nicht differenzierbar.
y P
y
4 3
y – y0 P0
y0 a 0
2
x – x0
1
b x0
x
x
Bild VIII-5 Geometrische Deutungen des Differenzen- und des Differentialquotienten Eine Funktion y ¼ f ðxÞ heißt (generell) differenzierbar, wenn sie an jeder Stelle ihres Definitionsbereichs differenzierbar ist. Dann heißt die durch gðxÞ ¼ f 0 ðxÞ definierte Funktion y0 ¼ f 0 ðxÞ die Ableitung oder die Ableitungsfunktion von f ðxÞ. Eine an der Stelle x0 differenzierbare Funktion y ¼ f ðxÞ ist dort auch stetig. Falls f ðxÞ an der Stelle x0 nicht stetig ist, kann f ðxÞ dort auch nicht differenzierbar sein. Aus der Stetigkeit an der Stelle x0 folgt jedoch noch nicht die Differenzierbarkeit an dieser Stelle.
–4 –3 –2 –1
1
2
3
4
x
Bild VIII-6 Graph der Funktion von Beispiel 4
4.2 Differentiationsregeln Die folgenden Regeln gelten sowohl fu¨r die Ableitungen einer Funktion y ¼ f ðxÞ an einer bestimmten Stelle x ¼ x0 als auch fu¨r die Ableitungsfunktionen y0 ¼ f 0 ðxÞ. 1. Konstante Funktion Die Ableitung einer konstanten Funktion ist Null (vgl. Beispiel 1 im Abschnitt VIII.4.1). y ¼ f ðxÞ ¼ c ðc 2 R; konstant) ) y0 ¼ 0
140
Mathematik
&
Beispiel: y ¼ 3 ) y0 ¼ 0
Fu¨r die Ableitung des Produkts von drei Funktionen gilt
2. Faktorregel Die Ableitung einer Funktion mal konstantem Faktor ist gleich konstanter Faktor mal abgeleitete Funktion.
y ¼ f ðxÞ gðxÞ hðxÞ ) y0 ¼ f ðxÞ gðxÞ h0 ðxÞ þ f ðxÞ g0 ðxÞ hðxÞ þ f 0 ðxÞ gðxÞ hðxÞ
y ¼ c f ðxÞ ðc 2 R; konstantÞ ) y0 ¼ c f 0 ðxÞ Mehrfache Anwendung der Produktregel ergibt die Ableitung der Potenzfunktion.
Herleitung: c f ðxÞ c f ðx0 Þ x x0 f ðxÞ f ðx0 Þ ¼ lim c x ! x0 x x0 f ðxÞ f ðx0 Þ ¼ c lim ¼ cf 0 ðx0 Þ x ! x0 x x0
ðc f Þ0 ðx0 Þ ¼ lim
x ! x0
&
Beispiel: d 2 x ¼ 2x y ¼ 3x2 ) y0 ¼ 3 2x ¼ 6x; denn dx
3. Summenregel Die Ableitung der Summe (Differenz) zweier Funktionen ist gleich der Summe (Differenz) der Ableitungen der Funktionen. y ¼ f ðxÞ þ gðxÞ ) y0 ¼ f 0 ðxÞ þ g0 ðxÞ
Potenzregel
y ¼ xn ðn 2 NÞ ) y0 ¼ nxn 1
Mit Hilfe von Polynomdivision la¨ßt sich dieses Ergebnis auch direkt herleiten: d n x ðx0 Þ dx xn xn0 ¼ lim x ! x0 x x0 ¼ lim ðxn 1 þ x0 xn 2 þ x20 xn 3 þ þ xn0 1 Þ x ! x0
¼ nxn 1 Durch Anwendung von Quotienten- und Kettenregel (siehe unten) kann man dieses Ergebnis auf reelle Exponenten ausweiten.
y ¼ f ðxÞ gðxÞ ) y0 ¼ f 0 ðxÞ g0 ðxÞ y ¼ xr ðr 2 RÞ ) y0 ¼ rxr 1 Herleitung: f ðxÞ þ gðxÞ ðf ðx0 Þ þ gðx0 ÞÞ x x0 f ðxÞ f ðx0 Þ gðxÞ gðx0 Þ ¼ lim þ x ! x0 x x0 x x0 f ðxÞ f ðx0 Þ gðxÞ gðx0 Þ ¼ lim þ lim x ! x0 x ! x0 x x0 x x0 ¼ f 0 ðx0 Þ þ g0 ðx0 Þ
ð f þ gÞ0 ðx0 Þ ¼ lim
x ! x0
Die Herleitung fu¨r die Ableitung der Differenz zweier Funktionen verla¨uft ganz analog. &
Beispiel: d 2 d x ¼ 2x und 3x ¼ 3 y ¼ x2 þ 3x ) y0 ¼ 2x þ 3; denn dx dx
4. Produktregel Die Ableitung des Produkts zweier Funktionen ist gleich der Summe aus der ersten Funktion multipliziert mit der Ableitung der zweiten Funktion und der zweiten Funktion multipliziert mit der Ableitung der ersten Funktion. y ¼ f ðxÞ gðxÞ ) y0 ¼ f 0 ðxÞ gðxÞ þ f ðxÞ g0 ðxÞ Herleitung: ð f gÞ0 ðx0 Þ f ðxÞ gðxÞ f ðx0 Þ gðx0 Þ x x0 f ðxÞ f ðx0 Þ gðxÞ gðx0 Þ ¼ lim gðxÞ þ f ðx0 Þ x ! x0 x x0 x x0
¼ lim
x ! x0
¼ f 0 ðx0 Þ gðx0 Þ þ f ðx0 Þ g0 ðx0 Þ
Summen- und Potenzregel zusammen ergeben die Ableitung eines Polynoms. y ¼ y0 ¼
&
n P k¼0 n P k¼1
ck xk ¼ c0 þ c1 x þ . . . þ cn xn ) k ck xk 1 ¼ c1 þ 2c2 x þ . . . þ ncn xn 1
Beispiele: 1. y ¼ 3x2 sin x ) y0 ¼ 3x2 cos x þ 6x sin x 2. y ¼ x7 ) y0 ¼ 7x6 7 5 7 3. y ¼ x3 ) y0 ¼ x3 3 4. y ¼ 3x7 5x4 þ x2 þ 3 ) y0 ¼ 21x6 20x3 þ 2x
5. Quotientenregel Die Ableitung des Quotienten zweier Funktionen ist gleich der Differenz der Ableitung der Za¨hlerfunktion multipliziert mit der Nennerfunktion und der Za¨hlerfunktion multipliziert mit der Ableitung der Nennerfunktion dividiert durch das Quadrat der Nennerfunktion. f ðxÞ ðgðxÞ ¼ 6 0Þ gðxÞ f 0 ðxÞ gðxÞ f ðxÞ g0 ðxÞ ) y0 ¼ g2 ðxÞ
y¼
Der Za¨hler von y0 beginnt also mit der Ableitung der Za¨hlerfunktion f ðxÞ.
VIII Differential- und Integralrechnung Herleitung: 0 f ðx0 Þ g f ðxÞ f ðx0 Þ gðxÞ gðx0 Þ ¼ lim x ! x0 x x0 1 f ðxÞ f ðx0 Þ ¼ lim gðx0 Þ x ! x0 gðxÞ gðx0 Þ x x0 gðxÞ gðx0 Þ f ðx0 Þ x x0 f 0 ðx0 Þ gðx0 Þ f ðx0 Þ g0 ðx0 Þ ¼ g2 ðx0 Þ
141 7. Ableitung der Umkehrfunktion Ist y ¼ f ðxÞ eine differenzierbare Funktion mit f 0 ðxÞ ¼ 6 0, die eine Umkehrfunktion y ¼ f 1 ðxÞ besitzt, so ist auch die Umkehrfunktion differenzierbar, und es gilt ð f 1 Þ0 ðxÞ ¼
Herleitung: Aus f ð f 1 ðxÞÞ ¼ x (vgl. Abschnitt V.2.8) folgt durch Differentiation mit Anwendung der Kettenregel f 0 ð f 1 ðxÞÞ ðf 1 Þ0 ðxÞ ¼ 1 und daraus we6 0 durch Auflo¨sen nach ð f 1 Þ0 ðxÞ die gen f 0 ðxÞ ¼ behauptete Gleichung fu¨r die Ableitung der Umkehrfunktion.
Im Spezialfall, daß f ðxÞ eine konstante Funktion mit f ðxÞ ¼ 1 ist, gilt y¼
&
1 g0 ðxÞ ) y0 ¼ 2 gðxÞ g ðxÞ
Beispiele: 1.
y¼
2.
y¼
3.
5x 1 ð2x þ 3Þ 5 ð5x 1Þ 2 17 ) y0 ¼ ¼ 2x þ 3 ð2x þ 3Þ2 ð2x þ 3Þ2
x3 3x2 ðx2 1Þ 2x x3 x2 ðx2 3Þ ) y0 ¼ ¼ x2 1 ðx2 1Þ2 ðx2 1Þ2 1 2x þ 3 0 y¼ 2 )y ¼ x þ 3x ðx2 þ 3xÞ2
6. Kettenregel Die Kettenregel ist eine Regel zur Differentiation zusammengesetzter Funktionen. Ist y ¼ FðxÞ eine zusammengesetzte Funktion, also FðxÞ ¼ f ðhðxÞÞ, und setzt man z ¼ hðxÞ, dann ist y ¼ FðxÞ differenzierbar, wenn die Funktionen y ¼ f ðzÞ und z ¼ hðxÞ differenzierbar sind, und es gilt
1 f 0 ðf 1 ðxÞÞ
4.3 Ho¨here Ableitungen Ist die Funktion y ¼ f ðxÞ differenzierbar oder zumindest in einem ganzen Intervall ihres Definitionsbereichs differenzierbar, so kann dort also an jeder Stelle die Ableitung f 0 ðxÞ gebildet werden. Dann ist y ¼ f 0 ðxÞ wieder eine Funktion von x. Ist diese Funktion wieder differenzierbar, so nennt man diese Ableitung der (ersten) Ableitung die zweite Ableitung der Ausgangsfunktion y ¼ f ðxÞ, geschrieben d2 y d2 f ðxÞ oder ðxÞ (gesprof 00 ðxÞ oder y00 ðxÞ oder dx2 dx2 chen: f zwei Strich von x bzw. y zwei Strich von x bzw. d zwei y nach dx Quadrat an der Stelle x bzw. d zwei f nach dx Quadrat an der Stelle x). Entsprechend kann es auch eine dritte, vierte, . . . Ableitung von f ðxÞ geben. Die n-te Ableitung von f ðxÞ schreibt man f ðnÞ ðxÞ ¼ yðnÞ ðxÞ ¼
d f dh ¼ f 0 ðzÞ h0 ðxÞ dz dx ¼ f 0 ðhðxÞÞ h0 ðxÞ
y0 ¼ F 0 ðxÞ ¼
Man nennt f 0 ðhðxÞÞ die a¨ußere Ableitung und h0 ðxÞ die innere Ableitung der Funktion y ¼ f ðhðxÞÞ. &
Beispiele: 1. y ¼ FðxÞ ¼ ðx3 2x þ 1Þ3 , also z ¼ hðxÞ ¼ x3 2x þ 1 und y ¼ f ðzÞ ¼ z3 ) y0 ¼ F 0 ðxÞ ¼ f 0 ðzÞ h0 ðxÞ ¼ 3z2 ð3x2 2Þ ¼ 3ðx3 2x þ 1Þ2 ð3x2 2Þ pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2. y ¼ FðxÞ ¼ 5x2 7x þ 8, also z ¼ hðxÞ ¼ 5x2 7x þ 8 pffiffiffi und y ¼ f ðzÞ ¼ z 1 1 ) y0 ¼ F 0 ðxÞ ¼ f 0 ðzÞ h0 ðxÞ ¼ z2 ð10x 7Þ 2 10x 7 ¼ pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2 5x2 7x þ 8 3.
y ¼ FðxÞ ¼ sin ð4x2 þ 1Þ, also z ¼ hðxÞ ¼ 4x2 þ 1 und y ¼ f ðzÞ ¼ sin z ) y0 ¼ F 0 ðxÞ ¼ f 0 ðzÞ h0 ðxÞ ¼ cos z 8x ¼ 8x cos ð4x2 þ 1Þ Die Ableitung von y ¼ sin x ist y0 ¼ cos x (vgl. Abschnitt VIII.4.5.1).
&
dn y dn f ðxÞ ¼ n ðxÞ dxn dx
Beispiele: 1. Die Funktion f ðxÞ ¼ x5 hat als (erste) Ableitung f 0 ðxÞ ¼ 5x4 , als zweite Ableitung f 00 ðxÞ ¼ 20x3 , als dritte Ableitung f 000 ðxÞ ¼ 60x2 , als vierte Ableitung f ð4Þ ðxÞ ¼ 120x und als fu¨nfte Ableitung f ð5Þ ðxÞ ¼ 120. Alle ho¨heren Ableitungen sind Null, also f ðkÞ ðxÞ ¼ 0 fu¨r k ¼ 6; 7; . . . 2. f ðxÞ ¼ 4x4 12x3 þ 5x 2 ) f 0 ðxÞ ¼ 16x3 36x2 þ 5; f 00 ðxÞ ¼ 48x2 72x; f 000 ðxÞ ¼ 96x 72; f ð4Þ ðxÞ ¼ 96; f ð5Þ ðxÞ ¼ f ð6Þ ðxÞ ¼ . . . ¼ 0 x2 2x 2ð2x þ 1Þ ) f 0 ðxÞ ¼ ; f 00 ðxÞ ¼ ; 3. f ðxÞ ¼ ðx 1Þ3 ðx 1Þ4 ðx 1Þ2 12ðx þ 1Þ ; ... f 000 ðxÞ ¼ ðx 1Þ5
4.4 Ableitungen einiger algebraischer Funktionen Mit den Differentiationsregeln aus Abschnitt VIII.4.2 lassen sich die Ableitungen von algebraischen Funktionen berechnen. Rationale Funktionen y ¼ c (c konstant) ) y0 ¼ 0 y ¼ x ) y0 ¼ 1
142
Mathematik
y ¼ xn ) y0 ¼ nxn 1 y ¼ cn xn þ cn 1 xn 1 þ . . . þ c2 x2 þ c1 x þ c0 ) y0 ¼ ncn xn 1 þ ðn 1Þcn 1 xn 2 þ . . . þ 2c2 x þ c1 1 1 y ¼ ) y0 ¼ 2 x x 1 n y ¼ n ) y0 ¼ n þ 1 x x xm ðm nÞ xm y ¼ n ) y0 ¼ x xn þ 1 Irrationale Funktionen pffiffiffi 1 y ¼ x ) y0 ¼ pffiffiffi 2 x pffiffiffi 1 ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi y ¼ n x ) y0 ¼ p n n xn 1 pffiffiffi pffiffiffi mx nm mx ffiffiffi ) y0 ¼ ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi p y¼ p n nx mn xn þ 1
Die Ableitung der Funktion y ¼ f ðxÞ ¼ sin x ist die Funktion y0 ¼ f 0 ðxÞ ¼ cos x. y ¼ sin x ) y0 ¼ cos x
4.5 Ableitungen einiger transzendenter Funktionen 4.5.1 Trigonometrische Funktionen Zur Herleitung der Ableitung der Sinusfunktion wird sin x fu¨r x ! 0 beno¨tigt. Es gilt der Grenzwert von x lim
x!0
sin x ¼1 x
Beweis: Zeichnet man einen Einheitskreis in einem kartesischen Koordinatensystem mit dem Mittelpunkt im Koordinatenursprung O, so ist die La¨nge des Lotes eines Kreispunktes P auf die x-Achse sin x, wenn die Strecke OP mit der x-Achse den Winkel x (im Bogenmaß) bildet. Der zum Winkel geho¨rige Bogen hat die La¨nge x, da der Radius des Kreises 1 ist (vgl. Abschnitt VI.2). Die Projektion von OP auf die x-Achse hat die La¨nge cos x. Der Teil der zur x-Achse senkrechten Tangente an den Einheitskreis, der zwischen der x-Achse und der Verla¨ngerung der Strecke OP liegt, hat die La¨nge tan x. P
x
tanx
sinx
1
0
1 tan x . Wegen A1 < A2 < A3 folgt 2 sin x cos x x 1 tan x < < . 2 2 2 2 Durch Multiplikation mit folgt sin x x 1 sin x 1 cos x < < ) cos x < < sin x cos x x cos x Die Grenzwerte der beiden a¨ußeren Funktionen an der Stelle x ¼ 0 sind 1, also muß auch der Grenzwert der mittleren Funktion an der Stelle x ¼ 0 gleich 1 sein: sin x lim ¼ 1: x!0 x tan x ist A3 ¼
Beweis: Fu¨r die Differenz sin a sin b zweier trigonometrischer Funktionen gilt (vgl. Abschnitt VI.6) aþb ab sin . Damit folgt sin a sin b ¼ 2 cos 2 2 ðsin xÞ0 ðx0 Þ x þ x0 x x0 sin 2 cos sin x sin x0 2 2 ¼ lim ¼ lim x ! x0 x ! x0 x x0 x x0 x x0 sin x þ x0 2 ¼ lim cos ¼ cos x0 ; lim x x0 x ! x0 x ! x0 2 2 x x0 sin 2 ¼ 1; wie oben bewiesen wurde. denn lim x x0 x ! x0 2 y ¼ cos x ) y0 ¼ sin x Beweis: Aus sin ð90 aÞ ¼ cos a (vgl. Abschnitt VI.1) folgt p y ¼ cos x ¼ sin x . Anwendung der Ketten2 p regel mit z ¼ hðxÞ ¼ x und y ¼ f ðzÞ ¼ sin z ergibt 2 p y0 ¼ f 0 ðzÞ h0 ðxÞ ¼ cos z ð1Þ ¼ cos x . We2 gen cos ð90 aÞ ¼ sin a (vgl. Abschnitt VI.1) folgt die Behauptung y0 ¼ sin x. y ¼ tan x ) y0 ¼
x cosx 1
1 cos2 x
x
Beweis:
Bild VIII-7 Zur Herleitung von lim
x!0
sin x ¼1 x
Die Fla¨che A1 des rechtwinkligen Dreiecks mit den sin x cos x , Kathetenla¨ngen sin x und cos x ist A1 ¼ 2 die Fla¨che A2 des Einheitskreissektors mit dem x Winkel x ist A2 ¼ , und die Fla¨che A3 des recht2 winkligen Dreiecks mit den Kathetenla¨ngen 1 und
sin x folgt mit der Quotientenregel cos x und den Ableitungen von sin x und cos x:
Wegen tan x ¼
cos x cos x sin x ðsin xÞ cos2 x þ sin 2 x ¼ cos2 x cos2 x 1 ¼ cos2 x
y0 ¼
y ¼ cot x ) y0 ¼
1 sin2 x
VIII Differential- und Integralrechnung Beweis: cos x folgt Wegen cot x ¼ sin x sin x ðsin xÞ cos x cos x ðsin2 x þ cos2 xÞ y0 ¼ ¼ sin2 x sin2 x 1 ¼ 2 sin x 4.5.2 Logarithmusfunktionen
1 n 1þ n heißt Eulersche Zahl (Name nach dem schweizerischen Mathematiker Leonhard Euler, 1707––1783) und wird mit dem Buchstaben e bezeichnet. Der Grenzwert der Zahlenfolge ðan Þ ¼
1 n 1þ ¼ 2;718 281 828 4 . . . n!1 n
e ¼ lim
Die Eulersche Zahl ist eine irrationale Zahl; sie ist Basis der natu¨rlichen Logarithmen (vgl. Abschnitt I.9.2). Mit Hilfe dieses Grenzwertes lassen sich die Ableitungen der Logarithmusfunktionen y ¼ loga x berechnen. Es ergibt sich mit den Regeln der Logarithmenrechnung (siehe Abschnitt I.9.3) ðloga xÞ0 ðx0 Þ loga x loga x0 1 x ¼ lim loga ¼ lim x ! x0 x ! x0 x x0 x0 x x0 1 x0 x x0 ¼ lim loga 1 þ x ! x0 x0 x x0 x0 0 1x x0x 0 1 1 ¼ lim loga @1 þ x0 A x ! x0 x0 x x0 0 1x x0x 0 1 1 1 ¼ loga lim @1 þ x0 A ¼ loga e x ! x0 x0 x0 x x0 Bei der vorletzten Umformung wurde (der hier nicht hergeleitete) Satz benutzt, daß der Grenzwert des Logarithmus gleich dem Logarithmus des ln e 1 Grenzwertes ist. Wegen loga e ¼ ¼ (vgl. Abln a ln a schnitt I.9.4) ergibt sich y ¼ loga x ) y0 ¼ loga e
1 1 1 ¼ x ln a x
143 d x 1 (siehe Abschnitt VIII.4.2) folgt e ¼ ¼ ex we1 dx d 1 ln x ¼ . gen ex dx x y ¼ ex ) y0 ¼ ex Daraus folgt unmittelbar f ðxÞ ¼ f 0 ðxÞ ¼ f 00 ðxÞ ¼ f 000 ðxÞ ¼ . . . ¼ f ðnÞ ðxÞ ¼ . . . ¼ ex fu¨r alle n 2 N. Die e-Funktion hat also die bemerkenswerte Eigenschaft, daß sie mit allen ihren Ableitungen u¨bereinstimmt. Fu¨r die allgemeine Exponentialfunktion gilt y ¼ ax ) y0 ¼ ax ln a Beweis: Wegen ax ¼ ex ln a (vgl. Abschnitt V.7.1) ergibt sich aus der Ableitung der e-Funktion zusammen mit der Kettenregel y0 ¼ ðax Þ0 ¼ ðex ln a Þ0 ¼ ex ln a ln a ¼ ax ln a. 4.5.4 Zusammenfassende bersicht Trigonometrische Funktionen y ¼ sin x ) y0 ¼ cos x y ¼ cos x ) y0 ¼ sin x 1 p x 6¼ ð2k þ 1Þ ; k 2 Z y ¼ tan x ) y0 ¼ 2 cos x 2 1 y ¼ cot x ) y0 ¼ 2 ðx 6¼ kp; k 2 ZÞ sin x Exponentialfunktionen y ¼ ex ) y0 ¼ ex ¼ y y ¼ ax ) y0 ¼ ax ln a ða 2 R; a > 0 konstantÞ Logarithmusfunktionen 1 ðx > 0Þ y ¼ ln x ) y0 ¼ x 1 1 1 y ¼ loga x ) y0 ¼ loga e ¼ x ln a x ða 2 R; a > 0; a 6¼ 1 konstant; x > 0Þ
4.6 Sekanten und Tangenten Eine Sekante ist eine Gerade, die eine Kurve, also den Graph einer Funktion y ¼ f ðxÞ, in (mindestens) zwei Punkten schneidet (Sekante ¼ Schneidende). Der Teil zwischen den Schnittpunkten heißt Sehne. Die Gleichung der Sekante durch die Punkte P1 ðx1 j f ðx1 ÞÞ und P2 ðx2 j f ðx2 ÞÞ lautet
Fu¨r die natu¨rliche Logarithmusfunktion mit der Basis a ¼ e folgt y ¼ ln x ) y0 ¼
1 x
4.5.3 Exponentialfunktionen Die e-Funktion ist die Umkehrfunktion der natu¨rlichen Logarithmusfunktion. Nach der Regel zur Berechnung der Ableitung der Umkehrfunktion
y¼ &
f ðx2 Þ f ðx1 Þ ðx x1 Þ þ f ðx1 Þ x2 x1
Beispiele: 1. f ðxÞ ¼ x2 ; P1 ð0 j 0Þ; P2 ð1 j 1Þ Die Gleichung der Sekante durch die Punkte P1 und P2 lautet 10 ðx 0Þ þ 0, also y ¼ x. y¼ 10 2.
f ðxÞ ¼ x3 2x þ 1; P1 ð1 j 2Þ; P2 ð2 j 5Þ Die Gleichung der Sekante durch die Punkte P1 und P2 lautet 52 y¼ ðx ð1ÞÞ þ 2 ¼ x þ 3: 2 ð1Þ
144
Mathematik
Eine Tangente ist eine Gerade, die den Graph einer Funktion y ¼ f ðxÞ in einem Punkt beru¨hrt, aber nicht schneidet (Tangente = Beru¨hrende) (vgl. auch Abschnitt VII.3.3). Die Funktion f ðxÞ hat in dem Punkt Pða j f ðaÞÞ genau dann eine Tangente, wenn die Funktion in a differenzierbar ist. Die Ableitung der Funktion an der Stelle, also f 0 ðaÞ, ist die Steigung der Tangente. Die Gleichung der Tangente an die Kurve im Punkt Pða j f ðaÞÞ lautet y ¼ f 0 ðaÞ ðx aÞ þ f ðaÞ &
Beispiele: 1. f ðxÞ ¼ x2 ; Pð1 j 1Þ f 0 ðxÞ ¼ 2x ) f 0 ð1Þ ¼ 2 Die Gleichung der Tangente an die Kurve im Punkt Pð1 j 1Þ lautet somit y ¼ 2ðx 1Þ þ 1 ¼ 2x 1: 2. f ðxÞ ¼ x3 2x þ 1; Pð1 j 0Þ f 0 ðxÞ ¼ 3x2 2 ) f 0 ð1Þ ¼ 1 Die Gleichung der Tangente an die Kurve im Punkt Pð1 j 0Þ lautet somit y ¼ 1 ðx 1Þ þ 0 ¼ x 1:
4.7 Extremwerte von Funktionen Eine Funktion y ¼ f ðxÞ besitzt an der Stelle x ¼ a ein relatives Maximum, wenn es eine Umgebung von a gibt, in der alle Funktionswerte kleiner als an der Stelle x ¼ a sind. Dieser Funktionswert f ðaÞ heißt relatives Maximum. Es gilt dann f ðxÞ < f ðaÞ fu¨r alle x 6¼ a aus einer passenden Umgebung von a. Alle benachbarten Funktionswerte sind also kleiner als f ðaÞ. Relatives Maximum f ðaÞ
f ðxÞ < f ðaÞ
.. fu ur x 6¼ a
Entsprechend besitzt eine Funktion y ¼ f ðxÞ an der Stelle x ¼ a ein relatives Minimum, wenn es eine Umgebung von a gibt, in der alle Funktionswerte gro¨ßer als an der Stelle x ¼ a sind. Der Funktionswert f ðaÞ heißt dann relatives Minimum. Fu¨r ein relatives Minimum gilt analog f ðxÞ > f ðaÞ fu¨r alle x 6¼ a aus einer geeigneten Umgebung von a. Alle benachbarten Funktionswerte sind also gro¨ßer als f ðaÞ. Relatives Minimum f ðaÞ
f ðxÞ > f ðaÞ
.. fu ur x 6¼ a
Es handelt sich bei einem relativen Maximum oder einem relativen Minimum um eine lokale Eigenschaft, denn es wird nur eine Umgebung von x ¼ a betrachtet. Das absolute oder globale Maximum einer Funktion y ¼ f ðxÞ, die in einem abgeschlossenen Intervall ½c; d differenzierbar ist, ist entweder ein relatives Maximum, oder es wird am Rand, also fu¨r x ¼ c oder x ¼ d, angenommen. Entsprechend ist das absolute oder globale Minimum ein relatives Minimum, oder es wird an einem der Intervallra¨nder x ¼ c oder x ¼ d angenommen. Ein Extremwert einer Funktion ist ein Funktionswert f ðaÞ, der ein relatives Minimum oder ein relati-
ves Maximum ist. Statt Extremwert sagt man auch Extremum oder relatives Extremum. Eine notwendige Bedingung dafu¨r, daß die Funktion y ¼ f ðxÞ an der Stelle x ¼ a ein relatives Extremum besitzt, ist das Verschwinden der Ableitung an dieser Stelle, also f 0 ðaÞ ¼ 0 (falls sie existiert). Zur Bestimmung der relativen Extrema mu¨ssen alle x berechnet werden, die die Gleichung f 0 ðxÞ ¼ 0 erfu¨llen. Eine hinreichende Bedingung fu¨r ein relatives Extremum (das heißt, ist die Bedingung erfu¨llt, dann liegt ein relatives Extremum vor) ist, daß die zweite 6 0. Ableitung von Null verschieden ist, also f 00 ðaÞ ¼ Gilt jedoch auch f 00 ðaÞ ¼ 0, so ist f ðaÞ ein relatives Extremum, wenn es ein gerades n gibt, so daß f 0 ðaÞ ¼ f 00 ðaÞ ¼ . . . ¼ f ðn 1Þ ðaÞ ¼ 0; f ðnÞ ðaÞ ¼ 6 0 (n gerade). Ein Extremum liegt vor, wenn die erste an der Stelle a nicht verschwindende Ableitung von gerader Ordnung ist. Dieses relative Extremum ist ein relatives Minimum, wenn im ersten Fall f 00 ðaÞ > 0 und im zweiten Fall f ðnÞ ðaÞ > 0 gilt. Das relative Extremum ist ein relatives Maximum, wenn im ersten Fall f 00 ðaÞ < 0 und im zweiten Fall f ðnÞ ðaÞ < 0 gilt. Geometrisch bedeutet f 0 ðaÞ ¼ 0, daß die Tangente an die Kurve der Funktion im Punkt Pða j f ðaÞÞ waagerecht, also parallel zur x-Achse, verla¨uft. &
Beispiele: 1. f ðxÞ ¼ x2 f 0 ðxÞ ¼ 2x; f 00 ðxÞ ¼ 2 f 0 ðxÞ ¼ 0 ) x ¼ 0 f 00 ð0Þ ¼ 2 > 0 ) f ð0Þ ¼ 0 ist ein relatives Minimum von y ¼ f ðxÞ 2. f ðxÞ ¼ x4 þ 1 f 0 ðxÞ ¼ 4x3 ; f 00 ðxÞ ¼ 12x2 ; f 000 ðxÞ ¼ 24x; f ð4Þ ðxÞ ¼ 24 f 0 ðxÞ ¼ 0 ) x ¼ 0 f 00 ð0Þ ¼ f 000 ð0Þ ¼ 0; f ð4Þ ð0Þ ¼ 24 < 0 ) f ð0Þ ¼ 0 ist ein relatives Maximum von y ¼ f ðxÞ 3. f ðxÞ ¼ x3 4x2 þ 4x ¼ xðx 2Þ2 f 0 ðxÞ ¼ 3x2 8x þ 4; f 00 ðxÞ ¼ 6x 8 2 f 0 ðxÞ ¼ 0 ) 3x2 8x þ 4 ¼ 0 ) x1 ¼ 2; x2 ¼ 3 00 00 2 ¼ 4 < 0 ) f ðx1 Þ ¼ f ð2Þ ¼ 0 ist ein ref ð2Þ ¼ 4 > 0; f 3 2 32 ¼ ist ein relatives latives Minimum und f ðx2 Þ ¼ f 3 27 Maximum von y ¼ f ðxÞ 3 2 4. f ðxÞ ¼ x 3x þ 3x f 0 ðxÞ ¼ 3x2 6x þ 3 ¼ 3ðx 1Þ2 ; f 00 ðxÞ ¼ 6x 6; f 000 ðxÞ ¼ 6 f 0 ðxÞ ¼ 0 ) x ¼ 1 f 00 ð1Þ ¼ 0; f 000 ð1Þ ¼ 6 ) f ðxÞ besitzt kein relatives Extremum, bei x ¼ 1 liegt der Sattelpunkt P ¼ ð1 j 1Þ, also ein Wendepunkt mit waagerechter Tangente (vgl. Abschnitt VIII.4.8).
4.8 Kru¨mmungsverhalten von Funktionen Das Kru¨mmungsverhalten einer Funktion ist die Verteilung von konvexen und konkaven Bereichen der Kurve der Funktion. Eine Funktion y ¼ f ðxÞ heißt an der Stelle x ¼ a von unten konvex, wenn alle Punkte der Kurve der Funktion in einer Umgebung von a oberhalb der Tangente im Punkt Pða j f ðaÞÞ liegen. In einem von unten konvexen Bereich ist die Ableitungsfunktion y0 ¼ f 0 ðxÞ monoton wachsend. Die Funktion y ¼ f ðxÞ hat dort eine Linkskru¨m-
VIII Differential- und Integralrechnung
145
mung (der Graph macht in x-Richtung eine Linkskurve). Entsprechend heißt die Funktion an der Stelle x ¼ a von unten konkav (oder von oben konvex), wenn alle Punkte der Kurve der Funktion in einer Umgebung von a unterhalb der Tangente im Punkt Pða j f ðaÞÞ liegen. In einem von unten konkaven Bereich ist die Ableitungsfunktion y0 ¼ f 0 ðxÞ monoton fallend. Die Funktion y ¼ f ðxÞ hat dort eine Rechtskru¨mmung (der Graph macht in x-Richtung eine Rechtskurve).
y
Δa
y = f(x)
y1 Δs
a1 P1
y a
P x
x1
x
Bild VIII-9: Zur Definition der Kru¨mmung einer Kurve
y konvex (f ′′ > 0)
4.9 Wendepunkte von Funktionen
konvex (f ′′ > 0) konkav (f ′′ < 0) 0
y = f (x) x
Bild VIII-8 Konkave und konvexe Bereiche der Funktion y ¼ f ðxÞ Die Kru¨mmung einer Funktion ist die Abweichung der Kurve der Funktion von der Geraden. Die Kru¨mmung der Kurve der Funktion y ¼ f ðxÞ im Punkt Pðx j yÞ ist definiert als der Grenzwert j des Quotienten aus der Differenz der Steigungswinkel a1 ; a der Tangenten durch einen Punkt P1 und durch P an die Kurve und der La¨nge Ds des Kurvenbogens zwischen den Punkten (falls der Grenzwert existiert): j ¼ lim
P1 ! P
a1 a Da da ¼ lim ¼ P1 ! P Ds Ds ds
Die Kru¨mmung einer Funktion ist in einem konvexen Bereich (Linkskurve) positiv, in einem konkaven Bereich (Rechtskurve) negativ. Fu¨r eine Gerade gilt j ¼ 0. Mit Hilfe der Kettenregel berechnet man fu¨r die Kru¨mmung in einen Punkt Pðx j yÞ der Funktion y ¼ f ðxÞ: j¼
f 00 ðxÞ ½1 þ
3 f 02 ðxÞ2
f 00 ðxÞ ¼ pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 3 ½ 1 þ f 02 ðxÞ
1 Kru¨mmungsradius und der jjj Kreis mit diesem Radius Kru¨mmungskreis der Kurve im Punkt Pðx j yÞ.
Ein Wendepunkt einer Funktion y ¼ f ðxÞ ist ein Punkt Pða j f ðaÞÞ, in dem sich das Kru¨mmungsverhalten der Kurve a¨ndert. In einem Wendepunkt findet der bergang von einem konvexen zu einem konkaven Bereich oder umgekehrt statt. Die Kurve liegt in der unmittelbaren Na¨he eines Wendepunktes nicht auf einer Seite der Tangente, sondern wird von dieser durchsetzt. Eine notwendige Bedingung fu¨r die Existenz eines Wendepunktes Pða j f ðaÞÞ einer Funktion y ¼ f ðxÞ ist das Verschwinden der zweiten Ableitung im Wendepunkt, also f 00 ðaÞ ¼ 0 (falls sie existiert). Zur Bestimmung der Wendepunkte mu¨ssen alle x berechnet werden, die die Gleichung f 00 ðxÞ ¼ 0 erfu¨llen. Eine hinreichende Bedingung fu¨r einen Wendepunkt ist, daß die dritte Ableitung von Null verschieden ist, also f 000 ðaÞ ¼ 6 0. Gilt jedoch auch f 000 ðaÞ ¼ 0, so hat f ðxÞ an der Stelle a einen Wendepunkt, wenn es ein ungerades n gibt, so daß f 00 ðaÞ ¼ f 000 ðaÞ ¼ . . . ¼ f ðn 1Þ ðaÞ ¼ 0; f ðnÞ ðaÞ ¼ 6 0 (n ungerade). Ein Wendepunkt liegt vor, wenn die erste an der Stelle a nicht verschwindende Ableitung von ungerader Ordnung ist. Falls in einem Wendepunkt Pða j f ðaÞÞ auch noch die erste Ableitung verschwindet, wenn also zusa¨tzlich f 0 ðaÞ ¼ 0 gilt, dann ist dort die Tangente waagerecht. Ein solcher Wendepunkt heißt Sattelpunkt. &
Beispiele: 1. f ðxÞ ¼ x3 4x2 þ 4x ¼ xðx 2Þ2 f 0 ðxÞ ¼ 3x2 8x þ 4; f 00 ðxÞ ¼ 6x 8; f 000 ðxÞ ¼ 6 4 f 00 ðxÞ ¼ 0 ) 6x 8 ¼ 0 ) x ¼ 3 4 4 ¼ 6 6¼ 0 ) bei x ¼ liegt der Wendepunkt f 000 3 3 ! ! 4 4 4 16 ¼ P¼ f 3 3 3 27 2.
Fu¨r j 6¼ 0 heißt r ¼
&
3. Beispiel: f ðxÞ ¼ 3x3 1 f 0 ðxÞ ¼ 9x2 ; f 00 ðxÞ ¼ 18x 18x Es folgt: j ¼ . 3 ð1 þ 81x4 Þ2 18 Kru¨mmung im Punkt Pð1 j 2Þ zum Beispiel: j ¼ 3 0;0242 822
f ðxÞ ¼ x3 3x2 þ 3x f 0 ðxÞ ¼ 3x2 6x þ 3 ¼ 3ðx 1Þ2 ; f 00 ðxÞ ¼ 6x 6; f 000 ðxÞ ¼ 6 f 00 ðxÞ ¼ 0 ) x ¼ 1 f 000 ð1Þ ¼ 6 6¼ 0 ) f ðxÞ besitzt bei x ¼ 1 einen Wendepunkt Da auch f 0 ð1Þ ¼ 0 gilt, ist dort die Tangente waagerecht, und somit ist P ¼ ð1 j 1Þ ein Sattelpunkt. f ðxÞ ¼ x5 f 0 ðxÞ ¼ 5x4 ; f 00 ðxÞ ¼ 20x3 ; f 000 ðxÞ ¼ 60x2 ; f ð4Þ ðxÞ ¼ 120x; f ð5Þ ðxÞ ¼ 120 f 00 ðxÞ ¼ 0 ) x ¼ 0 f 000 ð0Þ ¼ f ð4Þ ð0Þ ¼ 0; f ð5Þ ð0Þ ¼ 120 6¼ 0 ) f ðxÞ besitzt bei x ¼ 0 einen Wendepunkt Da auch f 0 ð0Þ ¼ 0 gilt, ist dort die Tangente waagerecht, und somit ist P ¼ ð0 j 0Þ ein Sattelpunkt.
146
Mathematik
4.10 Kurvendiskussion
4.11 Anwendungsbeispiele
Eine Kurvendiskussion ist die Untersuchung einer Funktion y ¼ f ðxÞ bzw. des Graphen der Funktion auf typische Eigenschaften. Dazu geho¨ren die Untersuchung auf Symmetrie und Monotonie sowie die Bestimmung von Definitionsbereich, Nullstellen, relativen Extrema, Wendepunkten, Unstetigkeitsstellen und Asymptoten.
1. Ein halbrunder Balken soll so besa¨umt werden, daß ein rechtwinkliger Balken mit maximalem Widerstandsmoment W entsteht.
&
Beispiel: 1 xðx 2Þ3 2 Ableitungen: 1 3 f 0 ðxÞ ¼ ðx 2Þ3 þ xðx 2Þ2 2 2 1 ¼ ðx 2Þ2 ðx 2 þ 3xÞ ¼ ðx 2Þ2 ð2x 1Þ 2 f 00 ðxÞ ¼ 2ðx 2Þ ð2x 1Þ þ 2ðx 2Þ2 ¼ ðx 2Þ ð4x 2 þ 2x 4Þ ¼ 6ðx 1Þ ðx 2Þ f ðxÞ ¼
f 000 ðxÞ ¼ 6ðx 1Þ þ 6ðx 2Þ ¼ 6ð2x 3Þ Definitionsbereich: D¼R Nullstellen: 1 f ðxÞ ¼ xðx 2Þ3 ¼ 0 ) x1 ¼ 0; x2 ¼ 2 2 Relative Extremwerte: f 0 ðxÞ ¼ ðx 2Þ2 ð2x 1Þ ¼ 0 ) x3 ¼ 2; x4 ¼
1 2
f 00 ðx3 Þ ¼ f 00 ð2Þ ¼ 0; f 000 ð2Þ ¼ 6 > 0 (n ungerade) ) bei x3 ¼ 2 Wendepunkt; wegen f 0 ð2Þ ¼ 0 ist Pð2 j 0Þ ein Sattelpunkt 1 1 3 ¼6 >0 f 00 ðx4 Þ ¼ f 00 2 2 2 1 ) Minimum bei x4 ¼ 2 Wendepunkte: f 00 ðxÞ ¼ 6ðx 1Þ ðx 2Þ ¼ 0 ) x5 ¼ 1; x6 ¼ x3 ¼ 2 f 000 ðx5 Þ ¼ f 000 ð1Þ ¼ 6 0 ) Wendepunkt bei x5 ¼ 1 Sattelpunkt bei x6 ¼ x3 ¼ 2 (siehe oben) Zusammenfassung: 1 xðx 2Þ3 hat die Nullstellen x1 ¼ 0 und 2 1 1 1 3 3 27 ¼ x2 ¼ 2, das relative Minimum f ¼ , 2 2 2 2 32 1 1 1 den Wendepunkt P 1 denn f ð1Þ ¼ 1 ð1Þ3 ¼ 2 2 2 und den Sattelpunkt Pð2 j 0Þ. Die Funktion besitzt keine Unstetigkeitsstellen und Asymptoten, sie ist weder zur y-Achse noch zum Koordinatenursprung symmetrisch. Die Funktion ist streng mono 1 und streng monoton wachsend ton fallend im Intervall 1; 2
1 im Intervall ;1 . 2
Die Funktion f ðxÞ ¼
y
b r
h
Bild VIII-11 Zu Anwendungsbeispiel 1 Die Gleichung fu¨r das Widerstandsmoment lautet: hb2 (1) W ¼ 6 Nach dem Satz des Pythagoras gilt fu¨r die Beziehung zwischen b und h: 2 b þ h2 ¼ r 2 (2) 2 Auflo¨sen von Gleichung (2) nach b2 : b2 ¼ 4ðr2 h2 Þ Einsetzen in (1): h 2 W ¼ 4ðr2 h2 Þ ¼ ðr2 h h3 Þ 6 3 Da r eine feste Gro¨ße ist, ha¨ngt W nur von h ab, das heißt, W ist eine Funktion von h: W ¼ WðhÞ. Notwendige Voraussetzung fu¨r ein Maximum von W ist das Verschwinden der Ableitung: W 0 ¼ 0. 2 Berechnung der Ableitung: W 0 ðhÞ ¼ ðr2 3h2 Þ 3 2 W 0 ðhÞ ¼ 0 ) ðr2 3h2 Þ ¼ 0 ) r2 3h2 ¼ 0 3 p ffiffi ffi 1 )h¼ r 3 3 (Da die Ho¨he h nicht negativ sein kann, kommt fu¨r das Maximum nur das positive Vorzeichen in 1 pffiffiffi Frage.) Wegen W 00 ðhÞ ¼ 4h ist fu¨r h ¼ r 3 3 die zweite Ableitung negativ, es liegt also ein Maximum vor. Ergebnis: 1 pffiffiffi 2 pffiffiffi h ¼ r 3 und b ¼ r 6 sind die Abmessun3 3 gen fu¨r das maximale es Widerstandsmoment, p ffiffi ffi 2 1 4 3 pffiffiffi betra¨gt W ¼ r 3 r2 r2 ¼ r 3. 9 3 27 2. Aus einem kreiskegelfo¨rmigen Stu¨ck Holz soll ein Zylinder gro¨ßtmo¨glichen Rauminhalts (Gewichts) gedreht werden. Welchen Radius x und welche Ho¨he y hat dieser Zylinder, wenn r der Radius und h die Ho¨he des Kegels sind? Bild VIII-12 Zu Anwendungsbeispiel 2
1 h 0
1
2
h–y
x
x
y
Bild VIII-10 Graph der Funktion 1 f ðxÞ ¼ xðx 2Þ3 2
x r
VIII Differential- und Integralrechnung (1) V ¼ px2 y Zylindervolumen hy h ¼ Beziehung zwischen x und y ð2Þ x r Die Beziehung zwischen x und y folgt aus der hnlichkeit der schraffierten Dreiecke. x Auflo¨sen von (2) nach y: y ¼ h 1 r Einsetzen in (1): x 1 ¼ ph x2 x3 V ¼ px2 h 1 r r
147 x2 x3 f ðx2 Þ , was sich mit ¼ x2 x1 f ðx2 Þ f ðx1 Þ dem zweiten Strahlensatz ergibt. Das folgt aus
y
x1 x0 x3
h ist eine feste Gro¨ße, V ist also eine Funktion der Variablen x: V ¼ VðxÞ. Berechnung der Ableitung: 3 V 0 ðxÞ ¼ ph 2x x2 r 3 3 0 V ðxÞ ¼ 0 ) ph 2x x2 ¼ phx 2 x ¼ 0 r r 2 ) x1 ¼ 0 und x2 ¼ r 3 6 gilt V 00 ðx1 Þ > 0 Wegen V 00 ðxÞ ¼ ph 2 x r und V 00 ðx2 Þ < 0, das heißt, bei x1 liegt ein Minimum und bei x2 ein Maximum vor. Ergebnis: 2 1 x ¼ r und y ¼ h sind Radius und Ho¨he des 3 3 gesuchten Zylinders, das maximale Zylindervolu4 men betra¨gt V ¼ pr2 h. 27
x2
x
Bild VIII-13 Regula falsi Dieses Verfahren la¨ßt sich zur Bestimmung immer besserer Na¨herungslo¨sungen fu¨r die Nullstelle x0 beliebig oft wiederholen. Im na¨chsten Schritt wendet man das Verfahren auf x3 und den Wert x1 oder x2 an, dessen Funktionswert ein von f ðx3 Þ verschiedenes Vorzeichen hat. Diese Methode zur Bestimmung von Na¨herungswerten einer Nullstelle einer stetigen Funktion heißt auch Sekantenverfahren. &
Beispiel: f ðxÞ ¼ x3 þ 2x2 þ 10x 20 Fu¨r x1 ¼ 1 und x2 ¼ 1;5 gilt f ðx1 Þ ¼ f ð1Þ ¼ 7 und f ðx2 Þ ¼ f ð1;5Þ ¼ 2;875. Eine bessere Na¨herungslo¨sung fu¨r die Nullstelle von f ðxÞ, die zwischen 1 und 1,5 liegt, erha¨lt man mit Regula falsi: 1;5 1 2;875 2;875 ð7Þ 0;5 ¼ 1;5 2;875 ¼ 1;3544 . . . 9;875
x3 ¼ 1;5
4.12 Na¨herungsverfahren zur Nullstellenbestimmung In vielen Fa¨llen ist es nicht mo¨glich oder nicht notwendig, die Nullstellen von Funktionen exakt zu berechnen. Gerade in vielen praktischen Anwendungen genu¨gen oftmals angena¨herte Werte. Zur Bestimmung solcher sogenannten Na¨herungslo¨sungen gibt es eine Reihe von Na¨herungsverfahren. 4.12.1 Regula falsi Regula falsi ist ein Verfahren zur na¨herungsweisen Bestimmung einer Nullstelle einer stetigen Funktion. Fu¨r eine stetige Funktion y ¼ f ðxÞ wird eine Nullstelle, also eine Stelle x0 mit f ðx0 Þ ¼ 0, gesucht. Sind x1 und x2 zwei Stellen in der Na¨he der Nullstelle x0, deren Funktionswerte unterschiedliche Vorzeichen haben (also f ðx1 Þ f ðx2 Þ < 0), dann erha¨lt man eine bessere Na¨herung, indem man durch die Punkte P1 ðx1 j f ðx1 ÞÞ und P2 ðx2 j f ðx2 ÞÞ die Verbindungsgerade (Sekante) legt. Der Schnittpunkt x3 der Verbindungsgeraden mit der x-Achse liefert einen verbesserten Na¨herungswert fu¨r die Nullstelle x0. x3 ¼ x2
x2 x1 f ðx2 Þ f ðx2 Þ f ðx1 Þ
Wegen f ðx3 Þ ¼ 0;3020 . . . < 0 la¨ßt sich im na¨chsten Schritt das Verfahren auf x3 und x2 anwenden: x3 x2 f ðx3 Þ x4 ¼ x3 f ðx3 Þ f ðx2 Þ 1;3544 . . . 1;5 ð0;3020 . . .Þ ¼ 1;3544 . . . 0;3020 . . . 2;875 ¼ 1;3682 . . . Es gilt f ðx4 Þ ¼ 0;0113 . . ., das heißt, x4 ist schon eine gute Na¨herung fu¨r die Nullstelle x0 . Will man die Na¨herung weiter verbessern, so wendet man Regula falsi im na¨chsten Schritt auf x4 und x2 an ( f ðx4 Þ und f ðx3 Þ haben dasselbe Vorzeichen, deshalb kann das Verfahren nicht auf x4 und x3 angewandt werden).
4.12.2 Newtonsches Verfahren Das Newtonsche Verfahren ist eine Methode zur na¨herungsweisen Bestimmung einer Nullstelle einer stetig differenzierbaren Funktion. Bei diesem Verfahren wird die Funktion in der Na¨he einer Nullstelle nicht durch eine Sekante wie bei Regula falsi, sondern durch eine Tangente ersetzt. Fu¨r eine stetig differenzierbare Funktion y ¼ f ðxÞ wird eine Nullstelle, also eine Stelle x0 mit f ðx0 Þ ¼ 0 gesucht. Ist x1 eine Stelle in der Na¨he der Nullstelle x0 , dann ersetzt man die Funktion durch die Tangente in dem Punkt Pðx1 j f ðx1 ÞÞ. Der Schnittpunkt
148
Mathematik
x2 dieser Tangente mit der x-Achse ergibt einen neuen Na¨herungswert fu¨r die Nullstelle x0. x2 ¼ x1
tionsbereich eine Stammfunktion von f ðxÞ, wenn fu¨r alle x 2 I gilt F 0 ðxÞ ¼ f ðxÞ
f ðx1 Þ f 0 ðx1 Þ
Damit x2 tatsa¨chlich ein besserer Na¨herungswert als x1 fu¨r die Nullstelle x0 ist, muß in der Umgebung f ðxÞ f 00 ðxÞ von x0 die Bedingung < 1 erfu¨llt sein. ½ f 0 ðxÞ2 y
Die Funktion f ðxÞ heißt dann integrierbar. Ist FðxÞ eine Stammfunktion von f ðxÞ, so ist auch FðxÞ þ c fu¨r eine beliebige Konstante c eine Stammfunktion, denn eine additive Konstante verschwindet bei der Differentiation. Somit ist fFðxÞ þ C j C 2 Rg die Menge aller Stammfunktionen von f ðxÞ. Stammfunktionen sind also bis auf eine additive Konstante eindeutig bestimmt. &
x0 x1
x
x2 x3
Beispiele: 1. Funktion: f ðxÞ ¼ x2 2x 3 1 Stammfunktion: FðxÞ ¼ x3 x2 3x, aber zum Beispiel 3 1 3 2 auch F1 ðxÞ ¼ x x 3x þ 5 3 2. Funktion: f ðxÞ ¼ sin x Stammfunktion: FðxÞ ¼ cos x oder etwa F1 ðxÞ ¼ cos x þ 3 Funktionen: f ðxÞ ¼ xk ðk 2 R; k 6¼ 1Þ xk þ 1 Stammfunktionen: FðxÞ ¼ þ C ðC 2 RÞ kþ1 1 Funktion: f ðxÞ ¼ x1 ¼ x Stammfunktionen: FðxÞ ¼ ln x þ C ðC 2 RÞ
3.
Bild VIII-14 Newtonsches Verfahren Dasselbe Verfahren la¨ßt sich auch auf x2 anwenden. Man erha¨lt als weitere Verbesserung den Wert f ðx2 Þ : Allgemein findet man durch folgenx3 ¼ x2 0 f ðx2 Þ de Iterationsvorschrift aus x1 eine Folge von verbesserten Na¨herungswerten x2 ; x3 ; x4 ; . . . fu¨r die Nullstelle x0. xk þ 1 ¼ xk
f ðxk Þ ; f 0 ðxk Þ
Beispiel: f ðxÞ ¼ x3 þ 2x2 þ 10x 20 Wegen f 0 ðxÞ ¼ 3x2 þ 4x þ 10 erha¨lt man die Iterationsvorschrift xk þ 1 ¼ xk
x3k þ 2x2k þ 10xk 20 3x2k þ 4xk þ 10
Fu¨r die Anfangsna¨herung x1 ¼ 1 gilt f ðx1 Þ ¼ f ð1Þ ¼ 7, und man berechnet x2 ¼ 1;4117 . . . mit f ðx2 Þ ¼ 0;9175 . . . ; x3 ¼ 1;3693 . . . mit f ðx3 Þ ¼ 0;0111 . . . ; x4 ¼ 1;3688 . . . mit f ðx4 Þ ¼ 0;000 001 . . . Die Zahl x4 ist also schon eine sehr gute Na¨herung fu¨r die Nullstelle x0 .
5 Integralrechnung 5.1 Unbestimmtes Integral Ist y ¼ f ðxÞ eine Funktion mit einem Intervall I als Definitionsbereich, dann heißt eine differenzierbare Funktion FðxÞ mit demselben Intervall I als Defini-
Funktion: f ðxÞ ¼ ex Stammfunktionen: f ðxÞ ¼ ex þ C
5.
ðk 2 RÞ
Die Gesamtheit aller Stammfunktionen FðxÞ þ C heißt unbestimmtes Integral der Funktion y ¼ f ðxÞ, gesprochen: Integral u¨ber f ðxÞ dx und geschrieben Ð
k ¼ 1; 2; 3; . . .
Diese Methode zur Bestimmung von Na¨herungswerten einer Nullstelle einer stetig differenzierbaren Funktion heißt Newtonsches Verfahren (nach dem englischen Mathematiker Isaac Newton, 1642––1727) oder auch Tangentenverfahren. &
4.
f ðxÞ dx ¼ FðxÞ þ C
Ð Das Zeichen heißt Integralzeichen, und f ðxÞ heißt Integrand. Die Variable x nennt man Integrationsvariable und C Integrationskonstante. Die Konstante C soll andeuten, daß FðxÞ durch die Funktion f ðxÞ bis auf eine additive Konstante bestimmt ist. &
Beispiele: ð 1 x3 dx ¼ x4 þ C 4 Ð 7. cos x dx ¼ sin x þ C ð 1 1 3 x þxþC 8. ðx4 3x2 þ 1Þ dx ¼ x5 3 5 3 1 5 3 ¼ x x þxþC 5 6.
5.2 Integrationsregeln Die folgenden Integrationsregeln zur Berechnung der unbestimmten Integrale von Funktionen lassen sich durch Differentiation der entsprechenden Gleichung beweisen. 1. Faktorregel Ein konstanter Faktor im Integranden kann vor das Integralzeichen gezogen werden. Ð
cf ðxÞ dx ¼ c
Ð
f ðxÞ dx ðc 2 RÞ
VIII Differential- und Integralrechnung &
Beispiel: ð ð 1 2 3 x þ C ¼ x2 þ C 1. 3x dx ¼ 3 x dx ¼ 3 2 2
2. Potenzregel ð xn dx ¼
1 xn þ 1 þ C nþ1
149 woraus mit der Summenregel der Integralrechnung die Behauptung folgt. Mit dieser Methode wird ein Integral der Form Ð uðxÞ v0 ðxÞ Ð dx auf das oft leichter berechenbare Integral u0 ðxÞ vðxÞ dx zuru¨ckgefu¨hrt. &
Beispiele: Ð 5. ln x dx 1 Setzt man uðxÞ ¼ ln x und v0 ðxÞ ¼ 1, dann ist u0 ðxÞ ¼ x und vðxÞ ¼ x, und es ergibt sich ð ð ð 1 ln x dx ¼ 1 ln x dx ¼ x ln x x dx x ð ¼ x ln x dx ¼ x ln x x þ C Ð x 6. xe dx Setzt man uðxÞ ¼ x und v0 ðxÞ ¼ ex , dann ist u0 ðxÞ ¼ 1 und vðxÞ ¼ ex , und es folgt Ð x Ð xe dx ¼ xex 1 ex dx ¼ xex ex þ C ¼ ðx 1Þ ex þC Ð 7. x cos x dx Setzt man uðxÞ ¼ x und v0 ðxÞ ¼ cos x, dann ist u0 ðxÞ ¼ 1 und vðxÞ ¼ sin x, und es ergibt sich Ð Ð x cos x dx ¼ x sin x 1 sin x dx ¼ x sin x þ cos x þ C Ð n 8. x ln x dx ðn 2 NÞ 1 Setzt man uðxÞ ¼ ln x und v0 ðxÞ ¼ xn , dann ist u0 ðxÞ ¼ x xnþ1 und vðxÞ ¼ , und es ergibt sich nþ1 ð ð xn þ 1 1 xn þ 1 xn ln x dx ¼ ln x dx x nþ1 nþ1 ð xn þ 1 1 n x dx ln x ¼ nþ1 nþ1 xn þ 1 1 xn þ 1 þ C ¼ ln x nþ1 ðn þ 1Þ2
Beweis: d 1 xn þ 1 þ C ¼ xn dx n þ 1 &
Beispiel: ð 1 2. x5 dx ¼ x6 þ C 6
3. Summenregel Das unbestimmte Integral einer Summe ist gleich der Summe der unbestimmten Integrale (falls Stammfunktionen existieren). Ð
&
ð f ðxÞ þ gðxÞÞ dx ¼
Ð
f ðxÞ dx þ
Ð
gðxÞ dx
Beispiel: ð ð ð ð 3: ð4x3 3x2 þ 5Þ dx ¼ 4x3 dx 3x2 dx þ 5 dx ð ð ð ¼ 4 x3 dx 3 x2 dx þ 5 dx 1 4 1 3 x 3 x þ 5x þ C 4 3 3 ¼ x x þ 5x þ C
¼4 4
4. Ist der Integrand ein Bruch, in dem der Za¨hler die Ableitung des Nenners ist, dann ist das unbestimmte Integral gleich dem natu¨rlichen Logarithmus des Nenners. ð
6. Substitutionsmethode Durch Substitution x ¼ jðtÞ der unabha¨ngigen Variablen einer Funktion y ¼ f ðxÞ, also Einfu¨hrung einer neuen Variablen t, ergibt sich fu¨r das unbestimmte Integral Ð
f 0 ðxÞ dx ¼ ln f ðxÞ þ C f ðxÞ
Beweis: Nach der Kettenregel zur Differentiation zusammengesetzter Funktionen gilt: d f 0 ðxÞ ð ln f ðxÞ þ CÞ ¼ dx f ðxÞ Beispiel: ð 2x þ 3 dx ¼ ln ðx2 þ 3x 5Þ þ C 4. x2 þ 3x 5
5. Partielle Integration La¨ßt sich die Funktion f ðxÞ als Produkt zweier Funktionen gðxÞ ¼ uðxÞ und hðxÞ ¼ v0 ðxÞ darstellen, also f ðxÞ ¼ gðxÞ hðxÞ ¼ uðxÞ v0 ðxÞ, dann gilt Ð
uðxÞ v0 ðxÞ dx ¼ uðxÞ vðxÞ
Ð
u0 ðxÞ vðxÞ dx
Beweis: Mit der Produktregel der Differentialrechnung ergibt sich d ðuðxÞ vðxÞÞ ¼ u0 ðxÞ vðxÞ þ uðxÞ v0 ðxÞ; dx
Ð
f ðjðtÞÞ j0 ðtÞ dt
Durch geeignete Substitution kann das Integral auf der rechten Seite der Gleichung einfacher zu Ðberechnen sein als das Ausgangsintegral f ðxÞ dx. Die Substitution muß so gewa¨hlt sein, daß x ¼ jðtÞ nach t differenzierbar ist. &
&
f ðxÞ dx ¼
Beispiele: ð dx 9. ð2 þ 3xÞ2 t2 , dann Substituiert man 2 þ 3x ¼ t; also x ¼ jðtÞ ¼ 3 dx 1 dt ¼ oder dx ¼ , und es ergibt sich ist j0 ðtÞ ¼ dt 3 3 ð ð dx 1 dt 1 1 1 ¼ þC ¼ þC ¼ 2 t 3 3t 3 2 þ 3x ð2 þ 3xÞ2 Ð n 10. ð1 þ xÞ dx ðn 2 NÞ dx ¼ 1, Substituiert man x ¼ jðtÞ ¼ t 1, dann ist j0 ðtÞ ¼ dt also dx ¼ dt, und es ergibt sich ð ð tn þ 1 ðx þ 1Þn þ 1 ð1 þ xÞn dx ¼ t n dt ¼ þC ¼ þC nþ1 nþ1 Ð 2 11. ðx þ 7Þ8 x dx pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi Substituiert man x2 þ 7 ¼ t, also x ¼ jðtÞ ¼ t 7, dann dx 1 1 ¼ pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 oder ist nach der Kettenregel j0 ðtÞ ¼ dt 2 t7
150
Mathematik dt 1 dx ¼ pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi , und es ergibt sich 2 t7 ð ð ð pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi dt 1 1 t 8 dt ðx2 þ 7Þ8 x dx ¼ t 8 t 7 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ¼ 2 2 t7 1 1 1 2 ¼ t9 þ C ¼ ðx þ 7Þ9 þ C 2 9 18
Das letzte Integral la¨ßt sich noch einfacher berechnen, wenn man die obige Substitutionsgleichung von rechts nach links liest (mit der Substitution u ¼ jðxÞ). Ð
&
f ðjðxÞÞ j0 ðxÞ dx ¼
Ð
f ðuÞ du
Beispiel: ð ð 1 1 9 u8 du ¼ u þC 11: ðx2 þ 7Þ8 x dx ¼ 2 18 1 2 ðx þ 7Þ9 þ C ¼ 18 mit der Substitution u ¼ x2 þ 7, woraus du ¼ 2x dx folgt.
Spezialfall ð
&
½ f ðxÞn f 0 ðxÞ dx ¼
½ f ðxÞn þ 1 þ C ðn 6¼ 1Þ nþ1
Beispiel: ð ð 12: cos5 x sin x dx ¼ cos5 x ðsin xÞ dx ¼
1 cos6 x þ C 6
7. Partialbruchzerlegung Die Integration gebrochener rationaler Funktionen y ¼ f ðxÞ mit f ðxÞ ¼
an xn þ an 1 xn 1 þ . . . þ a2 x2 þ a1 x þ a0 bm xm þ bm 1 xm 1 þ . . . þ b2 x2 þ b1 x þ b0
wird oftmals durch eine Partialbruchzerlegung von f ðxÞ (siehe Abschnitt V.5.2) einfacher oder u¨berhaupt erst mo¨glich. &
Beispiele: ð 2 6x x þ 1 13. dx x3 x Partialbruchzerlegung der Funktion liefert (vgl. Abschnitt V.5.2, Beispiel 3): 6x2 x þ 1 1 3 4 þ ¼ þ x3 x x x1 xþ1 Mit der Summenregel folgt: ð 2 ð ð ð 6x x þ 1 1 3 4 dx ¼ dx þ dx þ dx x3 x x x1 xþ1 ð 14.
¼ ln x þ 3 ln ðx 1Þ þ 4 ln ðx þ 1Þ þ C 3x2 x þ 1 dx x3 2x2 þ x
Durch Partialbruchzerlegung erha¨lt man (vgl. Abschnitt V.5.2, Beispiel 2): 3x2 x þ 1 1 2 3 þ ¼ þ x3 2x2 þ x x x 1 ðx 1Þ2 Daraus errechnet sich das unbestimmte Integral der Funktion: ð ð ð ð 3x2 x þ 1 1 2 3 dx dx ¼ dx þ dx þ x3 2x2 þ x x x1 ðx 1Þ2 3 þC ¼ ln x þ 2 ln ðx 1Þ x1
ð 15.
12x3 27x2 8x þ 37 dx 3x2 3x 6
Polynomdivision ergibt fu¨r den Integranden: 12x3 27x2 8x þ 37 xþ7 ¼ 4x 5 þ 3x2 3x 6 3ðx2 x 2Þ Nullstellen des Nenners: x1 ¼ 2; x2 ¼ 1 Zerlegung des Nennerpolynoms: x2 x 2 ¼ ðx 2Þ ðx þ 1Þ Ansatz zur Zerlegung des Bruches in Partialbru¨che: xþ7 A B þ ¼ 3ðx2 x 2Þ x 2 x þ 1 Multiplikation mit dem Hauptnenner: x þ 7 ¼ 3Aðx þ 1Þ þ 3Bðx 2Þ ¼ ð3A þ 3BÞ x þ ð3A 6BÞ Vergleich der Koeffizienten von x und der Absolutglieder: 1 ¼ 3A þ 3B; 7 ¼ 3A 6B Lo¨sung dieses Gleichungssystems mit zwei Gleichungen und zwei Variablen A und B: 2 A ¼ 1; B ¼ 3 Damit ergibt sich fu¨r das unbestimmte Integral: ð ð ð ð 12x3 27x2 8x þ 37 1 dx ¼ 4x dx 5 dx þ dx 2 3x 6 3x x2 ð 2 2 2 dx ¼ 2x 5x þ ln ðx 2Þ ln ðx þ 1Þ þ C 3ðx þ 1Þ 3
5.3 Unbestimmte Integrale einiger algebraischer Funktionen Mit den Integrationsregeln aus Abschnitt VIII.5.2 lassen sich die unbestimmten Integrale von algebraischen Funktionen berechnen. Rationale Funktionen Ð a dx ¼ ax þ C ð 1 x dx ¼ x2 þ C 2 ð xn þ 1 n þC x dx ¼ n þ1 ð ðan xn þ an 1 xn 1 þ . . . þ a1 x þ a0 Þ dx an an 1 n a1 ¼ xn þ 1 þ x þ . . . þ x2 þ a0 x þ C n 2 ð nþ1 1 dx ¼ ln x þ C ðx > 0Þ ð x 1 1 1 dx ¼ þ C ðn 6¼ 1Þ xn n 1 xn 1 ð m mþ1 x 1 x dx ¼ þ C ðn 6¼ m þ 1Þ m n þ 1 xn xn Irrationale Funktionen ð pffiffiffi 2 3 x dx ¼ x2 þ C 3 ð ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ffiffiffi p n p n nþ1 n þC x x dx ¼ nþ1 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffi ð m m mþ1 x x mn ffiffi ffi ffiffiffi þ C p p dx ¼ n n n m þ mn x x
5.4 Unbestimmte Integrale einiger transzendenter Funktionen Auch fu¨r einige transzendente Funktionen lassen sich die unbestimmten Integrale mit den Integrationsregeln aus Abschnitt VIII.5.2 berechnen.
VIII Differential- und Integralrechnung
151
Trigonometrische Funktionen Ð sin x dx ¼ cos x þ C Ð cos x dx ¼ sin x þ C Ð tan x dx ¼ ln jcos xj þ C Ð cot x dx ¼ ln jsin xj þ C ð 1 p dx ¼ tan x þ C x 6¼ ð2k þ 1Þ ; k 2 Z 2 cos x 2 ð 1 dx ¼ cot x þ C ðx 6¼ kp; k 2 ZÞ sin2 x
Diese Integraldefinition geht auf Bernhard Riemann zuru¨ck (deutscher Mathematiker, 1826––1866). Ðb Gilt f ðxÞ 0 fu¨r alle x 2 ½a; b, dann ist f ðxÞ dx a
gleich dem Inhalt des von der Kurve (Graph der Funktion y ¼ f ðxÞ) und der x-Achse zwischen x ¼ a und x ¼ b berandeten Fla¨che. Fu¨r f ðxÞ 0 fu¨r alle Ðb f ðxÞ dx der negative Fla¨cheninhalt. x 2 ½a; b ist a Ðb Besitzt y ¼ f ðxÞ in ½a; b Nullstellen, so ist f ðxÞ dx a
die Differenz der Fla¨cheninhalte oberhalb („þ“) und unterhalb („“) der x-Achse.
Exponentialfunktionen Ð x e dx ¼ ex þ C ð 1 ax dx ¼ ax þ C ln a
ða 2 R; a > 0 konstantÞ
y
Logarithmusfunktionen Ð ln x dx ¼ x ðln x 1Þ þ C ðx > 0Þ ð 1 x ðln x 1Þ þ C loga x dx ¼ ln a ða 2 R; a > 0 konstant; x > 0Þ
5.5 Bestimmtes Integral
n!1 k¼1
falls dieser Grenzwert existiert und unabha¨ngig von der Wahl der Zahlen xk und xk ist (gesprochen: Integral von a bis b u¨ber f ðxÞ dx). Dabei ist a ¼ x0 < x1 < . . . < xn ¼ b eine Einteilung (Zerlegung) des Intervalls ½a; b mit Dxk ¼ xk xk 1 und xk ; k ¼ 1; 2; . . . ; n, ein beliebiger Zwischenpunkt mit xk 1 xk xk .
b
a
0
–
f ðxÞ dx ¼ lim
n P
n!1 k¼1
a
–
x
Existenz des bestimmten Integrals: Jede in einem Intervall ½a; b stetige Funktion ist dort auch integrierbar. Auch jede im Intervall ½a; b beschra¨nkte Funktion, die in ½a; b nur endlich viele Unstetigkeitsstellen besitzt, ist in diesem Intervall integrierbar. &
Beispiele: 1. Fu¨r die Funktion f ðxÞ ¼ c; c 2 R; D ¼ ½a; b und eine beliebige Einteilung a ¼ x0 < x1 < . . . < xn ¼ b des Intervalls ½a; b gilt lim
ðb
+
Bild VIII-16 Bestimmtes Integral
Ist y ¼ f ðxÞ eine beschra¨nkte Funktion mit einem abgeschlossenen Intervall als Definitionsbereich, also D ¼ ½a; b, dann ist das bestimmte Integral von n Ðb P f ðxÞ definiert durch f ðxÞ dx ¼ lim f ðxk Þ Dxk , a
+ y = f(x)
n P
n!1 k¼1
f ðxk Þ Dxk ¼ lim
n P
n!1 k¼1
c Dxk ¼ lim c n!1
n P k¼1
ðxk xk 1 Þ
¼ lim c ðb aÞ
f ðxk Þ Dxk
n!1
Also ist die Funktion f ðxÞ im Intervall ½a; b integrierbar, und es gilt Ðb
y
c dx ¼ c ðb aÞ
a
f(x)
0 a = x0 x1 x2 ... xk–1 xk xk xk+1 ... xn–1 xn = b
2.
x
Bild VIII-15 Zur Definition des bestimmten Integrals Die Funktion f ðxÞ heißtÐ dann im Intervall ½a; b integrierbar. Das Zeichen heißt Integralzeichen. Man nennt a die untere Integrationsgrenze, b die obere Integrationsgrenze, f ðxÞ den Integranden und x die Integrationsvariable.
Es sei f ðxÞ ¼ x; D ¼ ½a; b: Da f ðxÞ stetig ist, ist f ðxÞ in ½a; b integrierbar. Wa¨hlt man fu¨r eine Intervalleinteilung xk ¼ ba , also a ¼ x0 < x1 ¼ a þ D < x2 ¼ a þ a þ kD mit D ¼ n 2D < . . . < xn ¼ a þ nD ¼ b, dann folgt Dxk ¼ xk xk 1 ¼ a þ kD ða þ ðk 1Þ DÞ ¼ D. Wa¨hlt man außerdem xk ¼ xk , also xk ¼ a þ kD, dann gilt n P k¼1
f ðxk Þ Dxk ¼ ¼
n P k¼1 n P k¼1
xk D ¼ aDþ
n P k¼1 n P k¼1
ða þ kDÞ D k D2 ¼ a D
2
n P k¼1
1 þ D2
ba ba ðn þ 1Þ n nþ n n 2 ðb aÞ2 1 ¼ aðb aÞ þ 1þ ; 2 n ¼a
n P k¼1
k
152
Mathematik
denn
n P k¼1
1 ¼ n und
n P k¼1
k¼
ðn þ 1Þ n . Fu¨r das bestimmte Inte2
5.7 Eigenschaften des bestimmten Integrals
!
Die folgenden Eigenschaften zur Berechnung des bestimmten Integrals einer Funktion lassen sich mit Hilfe der Definition beweisen.
gral ergibt sich dann
ðb x dx ¼ lim
aðb aÞ þ
n!1
ðb aÞ2 1 1þ n 2
a
¼ aðb aÞ þ
ðb aÞ2 lim n!1 2
1þ
1 n
ðb aÞ2 b2 a2 ¼ ; 2 2 2 1 1 ¼ 1: denn es gilt lim 1 þ ¼ 1 þ lim n!1 n!1 n n
1. Vertauschung der Integrationsgrenzen Ða
¼ aðb aÞ þ
&
Ðb
f ðxÞ dx
a
b
Beispiel: ð2 2 1 1 1 x dx ¼ x2 ¼ 22 62 ¼ 2 18 ¼ 16 2 2 2 6 6 ð6 1 2 6 1 2 1 2 6 2 ¼ ð18 2Þ ¼ 16 x dx ¼ x ¼ 2 2 2 2
5.6 Hauptsatz der Differentialund Integralrechnung Der Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung liefert den Zusammenhang zwischen bestimmtem und unbestimmtem Integral einer Funktion y ¼ f ðxÞ. Ist die Funktion y ¼ f ðxÞ mit D ¼ ½a; b im Intervall ½a; b integrierbar, und besitzt f ðxÞ eine Stammfunktion FðxÞ, so gilt
f ðxÞ dx ¼
2
2. Zusammenfassen der Integrationsintervalle Ðb
f ðxÞ dx þ
a
Ðc
f ðxÞ dx ¼
Ðc
f ðxÞ dx
a
b
f(x)
Ðb
f ðxÞ dx ¼ FðbÞ FðaÞ
a
Das bestimmte Integral ist also Funktionswert von F an der oberen Intervallgrenze minus Funktionswert von F an der unteren Intervallgrenze. Dabei ist FðxÞ eine beliebige Stammfunktion von f ðxÞ.
Bild VIII-17 Zusammenfassen der Integrationsintervalle &
Beispiel: p Ð2 Ðp Ðp cos x dx ¼ cos x dx þ cos x dx
Statt FðbÞ FðaÞ schreibt man auch b x ¼ b ¼ FðxÞ . FðxÞ x¼a
p p 2 cos x dx ¼ sin x ¼ sin sin 0 ¼ 1 0 ¼ 1 2 0 0 p Ðp p cos x dx ¼ sin x p ¼ sin p sin ¼ 0 1 ¼ 1 2 p 2 2
y 1
f(x) = cosx
1 π 2
Beispiele: ðb x dx ¼
1.
1 2 b 1 2 x ¼ b a2 a 2 2
a
ð3 2.
3 dx ¼ ln x ¼ ln 3 1 x
4.
x
Ðp
cos x dx ¼ 0
3. Gleiche untere und obere Integrationsgrenze
5 1 1 1 54 1 ¼ 156 x dx ¼ x4 ¼ 54 14 ¼ 1 4 4 4 4
Ða
1
ðp
π
0
3
3.
–1
–1
Bild VIII-18
1
ð5
0
0 p
Ð2
0 &
p 2
0
0
Einzelberechnung der Integrale: p Ðp cos x dx ¼ sin x ¼ sin p sin 0 ¼ 0 0 ¼ 0
a
Mit diesem Satz wird die Berechnung des bestimmten Integrals einer Funktion auf die Berechnung einer Stammfunktion der Funktion zuru¨ckgefu¨hrt. Der Satz stellt somit den Zusammenhang zwischen dem bestimmten und dem unbestimmten Integral einer Funktion y ¼ f ðxÞ her. Er wurde von Gottfried Wilhelm Leibniz (deutscher Mathematiker, 1646––1716) und Isaac Newton (englischer Mathematiker, 1642––1727) entdeckt.
x
c
b
a
f ðxÞ dx ¼ 0
a
p sin x dx ¼ cos x ¼ cos p ðcos 0Þ ¼ 1 þ 1 ¼ 2 0
0 2ðp
5.
&
2p cos x dx ¼ sin x ¼ sin 2p sin 0 ¼ 0 0
0
Beispiel: ð3 3 1 1 1 x3 dx ¼ x4 ¼ 34 34 ¼ 0 3 4 4 4 3
VIII Differential- und Integralrechnung
153
Ðb 4. Existieren die bestimmten Integrale f ðxÞ dx b a Ð und gðxÞ dx, so gilt fu¨r beliebige c1 ; c2 2 R a
Ðb
ðc1 f ðxÞ þ c2 gðxÞÞ dx
a
¼ c1
Ðb
f ðxÞ dx þ c2
a
&
Ðb
gðxÞ dx
a
Beispiel: Ð4 Ð4 Ð4 ð2x 4x3 Þ dx ¼ 2 x dx 4 x3 dx 1
1
1
Einzelberechnung der Integrale: 4 Ð4 ð2x 4x3 Þ dx ¼ ðx2 x4 Þ ¼ ð42 44 Þ ð12 14 Þ 1
1
¼ 240 0 ¼ 240 ! ð4 1 2 4 1 2 1 2 1 ¼ 15 2 x dx ¼ 2 x ¼2 4 1 ¼2 8 2 2 2 2 1 1
4 ! 1 4 1 4 1 4 x ¼ 4 4 1 4 4 4 1 1 ¼ 255 ¼ 4 64 4
ð4 4
x3 dx ¼ 4 1
Der Mittelwertsatz der Differentialrechnung sagt aus, daß es fu¨r eine stetig differenzierbare Funktion y ¼ f ðxÞ; f : ½a; b ! W mindestens eine Stelle x mit f ðbÞ f ðaÞ a < x < b gibt, so daß ¼ f 0 ðxÞ. Es folgt, ba daß es in allen Intervallen ðxk1 ; xk Þ Zwischenstellen Dyk f ðxk Þ f ðxk 1 Þ xk gibt mit ¼ ¼ f 0 ðxk Þ. Damit xk xk 1 Dxk folgt fu¨r die La¨nge sZ des Streckenzugs Z: n qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi P 1 þ ½ f 0 ðxk Þ2 Dxk sZ ¼ k¼1 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi Mit f 0 ist auch 1 þ f 02 in ½a; b stetig, und somit folgt fu¨r die Bogenla¨nge s mit der Definition des bestimmten Integrals: n qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi Ðb qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi2ffi P s ¼ lim 1 þ ½ f 0 ðxk Þ2 Dxk ¼ 1 þ ½ f 0 ðxÞ dx n!1 k¼1
5.8 Einige Anwendungen der Integralrechnung
&
Es gibt sehr viele Anwendungen der Integralrechnung in der Technik und in den Ingenieurwissenschaften. Im folgenden sind exemplarisch einige davon genannt. Bogenla¨nge Die La¨nge eines Kurvenstu¨cks bezeichnet man als Bogenla¨nge. La¨ßt sich der Bogen durch eine stetig differenzierbare Funktion y ¼ f ðxÞ; f : ½a; b ! W beschreiben, dann gilt fu¨r die Bogenla¨nge s s¼
Die geradlinige Verbindung dieser Punkte ergibt einen Streckenzug, dessen La¨nge sZ die Summe der La¨ngen der Teilstrecken Dsk ist: qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi n n P P Dsk ¼ ðxk xk 1 Þ2 þ ðyk yk 1 Þ2 sZ ¼ k¼1 k¼1 sffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ffi n qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi n P P Dyk 2 2 2 Dxk 1þ Dxk þ Dyk ¼ ¼ Dxk k¼1 k¼1
Ðb qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi2ffi 1 þ ½ f 0 ðxÞ dx
a
Beispiel: pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi Bogen: y ¼ 1 x2 ; D ¼ ½a; b ¼ ½1; 1 (Halbkreis) Bogenla¨nge: sffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 2 ð1 ð1 x 1 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi dx ¼ arcsin x ¼ p 1 þ pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi dx ¼ s¼ 1 x2 1 x2 1 1
1
Volumen und Mantelfla¨che von Rotationsko¨rpern Ein Rotationsko¨rper ist ein Ko¨rper, der entsteht, wenn die Kurve einer Funktion y ¼ f ðxÞ mit f ðxÞ 0 um die x-Achse (Rotationsachse) zwischen x ¼ a und x ¼ b rotiert (oder die inverse Funktion um die y-Achse). Rotationsko¨rper sind aus dem Alltag bekannt: Vasen, Gla¨ser oder gedrechselte Figuren zum Beispiel.
a
Beweis: Ist a ¼ x0 < x1 < . . . < xn ¼ b eine Zerlegung Z des Intervalls ½a; b mit Dxk ¼ xk xk 1 ; k ¼ 1; 2; . . . ; n, dann sind Pk ¼ Pk ðxk j yk Þ mit yk ¼ f ðxk Þ Punkte des Kurvenstu¨cks.
y = f(x) f(x) a
x
b
x
Bild VIII-20 Rotationsko¨rper
y
P1
Pn Pk
P0
Pk–1
Δs k
Δyk
Δxk
x0 = a x1
...
xk–1
xk
...
xn = b
Bild VIII-19 Streckenzug zu einer Zerlegung Z
x
Ein Rotationsko¨rper ist durch zwei Schnitte senkrecht zur Rotationsachse begrenzt. Die von der Kurve, der x-Achse und den Geraden x ¼ a und x ¼ b begrenzte Fla¨che heißt die erzeugende Fla¨che des Rotationsko¨rpers. Die Kugel ist zum Beispiel ein Rotationsko¨rper. Sie entsteht durch Rotation eines Kreises mit dem Mittelpunkt im Koordinatenursprung um eine der beiden Achsen. Auch gerade Kreiskegel und gerade Kreiszylinder sind Rotationsko¨rper.
154
Mathematik
Fu¨r das Volumen V und fu¨r den Inhalt AM der Mantelfla¨che eines Rotationsko¨rpers gilt Volumen
.. Mantelfla ache AM
W¼
a
Der Vergleich mit einer geradlinig bewegten Masse zeigt, daß der Geschwindigkeit v die Winkelgeschwindigkeit w entspricht und der Masse n P m bei der Rotation die Summe rk2 Dmk.
a
&
Beispiel: Die Gleichung des oberen Halbkreises mit dem Radius r lautet (explizite Form in kartesischen Koordinaten) pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi y ¼ r2 x2 ; D ¼ ½r; r: Die Ableitung dieser Funktion ist 1 1 x y0 ðxÞ ¼ ð2xÞ pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ¼ pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2 r 2 x2 r2 x2 Somit berechnet man nach den obigen Formeln fu¨r das Volumen V und die Oberfla¨che AO (hier: Mantelfla¨che = Oberfla¨che) einer Kugel mit dem Radius r bð ¼r
V¼p a ¼ r
¼ 2p
r 1 ðr2 x2 Þ dx ¼ 2p ðr2 x2 Þ dx ¼ 2p r2 x x3 3 0 ðr 0
k¼1
Diese Summe wird Massentra¨gheitsmoment J genannt: J¼
n P k¼1
rk2 Dmk
2. Massentra¨gheitsmoment eines Vollzylinders Der betrachtete Vollzylinder hat die Ho¨he h und ist homogen, das heißt, er hat konstante Dichte r, und er rotiert um die Zylinderachse.
2 3 4 r ¼ pr3 3 3 bð ¼r
AO ¼ 2p a ¼ r ðr
¼ 4p 0
R
rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi x2 dx r2 x2 1 þ 2 r x2
rk
Δrk
rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi r ðr pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi r2 dx ¼ 4p r dx ¼ 4p rx ¼ 4pr2 r 2 x2 r 2 x2 0
h
0
Volumen und Mantelfla¨che von Rotationsko¨rpern lassen sich auch mit Hilfe der Guldinschen Regeln berechnen (benannt nach dem Mathematiker Paul Guldin, 1577––1643): 1. Guldinsche Regel Das Volumen eines Rotationsko¨rpers ist gleich dem Produkt aus dem Inhalt der auf einer Seite der Rotationsachse liegenden erzeugenden Fla¨che und der La¨nge des Weges, den der Fla¨chenschwerpunkt bei der Rotation zuru¨cklegt. 2. Guldinsche Regel Der Inhalt der Mantelfla¨che eines Rotationsko¨rpers ist gleich dem Produkt aus der La¨nge des auf einer Seite der Rotationsachse liegenden erzeugenden Kurvenstu¨cks und der La¨nge des Weges, den der Schwerpunkt des erzeugenden Kurvenstu¨cks bei der Rotation zuru¨cklegt. Massentra¨gheitsmoment von Zylindern 1. Definition des Massentra¨gheitsmoments Dreht sich ein Massenpunkt der Masse m im Abstand r um eine Rotationsachse, so gilt fu¨r die Geschwindigkeit v ¼ wr, wobei w die Winkelgeschwindigkeit ist. Fu¨r die kinetische Energie gilt: W¼
n Dm ðwr Þ2 n P w2 P k k ¼ r2 Dmk 2 2 k¼1 k k¼1
Ðb
f 2 ðxÞ dx qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi Ðb ¼ 2p f ðxÞ 1 þ ½ f 0 ðxÞ2 dx
V¼p
eine Achse drehen, so gilt fu¨r die kinetische Energie:
m 2 m v ¼ ðwrÞ2 2 2
Betrachtet man ein System von n Massenpunkten der Massen Dmk ; k ¼ 1; 2; . . . ; n, die sich mit der gleichen Winkelgeschwindigkeit w um
Bild VIII-21 Zum Massentra¨gheitsmoment eines Vollzylinders Denkt man sich den Zylinder in n Hohlzylinder der Dicke Drk zerlegt, dann gilt fu¨r deren Volumen DVk 2prk Drk h. Ist Drk sehr klein, dann haben alle Massenpunkte eines Hohlzylinders nahezu den gleichen Abstand rk von der Drehachse, und es gilt fu¨r das Massentra¨gheitsmoment JV des Vollzylinders n n P P JV
rk2 Dmk ¼ rk2 r DVk k¼1 n P
r
k¼1
k¼1
rk2 2prk Drk h ¼ 2prh
n P k¼1
rk3 Drk
Wa¨hlt man die Unterteilung immer feiner, also Drk ! 0, so folgt mit der Definition des bestimmten Integrals ðR n P JV ¼ 2prh lim rk3 Drk ¼ 2prh r3 dr n!1 k¼1
0
R4 1 R2 R2 ¼ 2prh ¼ prhR4 ¼ prhR2 ¼ mV 2 4 2 2 2 mV ¼ prhR ist die Masse des Vollzylinders 3. Massentra¨gheitsmoment eines Hohlzylinders Das Massentra¨gheitsmoment JH eines Hohlzylinders mit dem Außendurchmesser Ra , dem Innendurchmesser Ri , der Ho¨he h und der konstanten Dichte r in bezug auf die Zylinderachse erha¨lt
VIII Differential- und Integralrechnung
155
man als Differenz der Tra¨gheitsmomente zweier Vollzylinder. R ða
JH ¼ 2prh 0
¼ 2prh
R ði
r3 dr 2prh
R ða
r3 dr ¼ 2prh 0
R ! r4 a 1 ¼ prhðR4a R4i Þ 2 4 Ri
r3 dr Ri
R2a þ R2i R2 þ R2i prhðR2a R2i Þ ¼ a mH 2 2 mH ¼ prhðR2a R2i Þ ist die Masse des Hohlzylinders ¼
Ra
x 2 E la¨ßt sich nach Vorgabe einer positiven Zahl e ein n0 2 N (im allgemeinen sowohl von x als auch von e abha¨ngig, also n0 ¼ n0 ðe; xÞ) so finden, daß fu¨r alle n n0 gilt j f ðxÞ fn ðxÞj < e. Man nennt dieses punktweise Konvergenz der Funktionenfolge und schreibt dafu¨r .. ur x 2 E lim fn ðxÞ ¼ f ðxÞ fu
n!1
Ha¨ngt dagegen die Gro¨ße von n0 nur von e ab und nicht auch von x, also n0 ¼ n0 ðeÞ, dann heißt die Funktionenfolge gleichma¨ßig konvergent in E. Die Funktion f ðxÞ heißt Grenzfunktion der Funktionenfolge ð fn ðxÞÞ. &
Ri
h
Bild VIII-22 Zum Massentra¨gheitsmoment eines Hohlzylinders
6 Funktionenreihen Zur Untersuchung von Eigenschaften gegebener Funktionen ist es oftmals sinnvoll, eine Funktion na¨herungsweise durch eine unendliche Reihe darzustellen. Eine solche Darstellung heißt Entwicklung der Funktion in eine unendliche Reihe. Ha¨ufig wa¨hlt man, gerade bei praktischen Anwendungen, als Darstellung eine Potenzreihe oder, besonders bei Funktionen, die periodische Vorga¨nge beschreiben, Fourier-Reihen.
6.1 Definitionen Fu¨r jedes n ¼ 1; 2; 3; . . . sei fn ðxÞ eine Funktion mit dem Definitionsbereich D R. Die Folge dieser Funktionen heißt Funktionenfolge. ð fn ðxÞÞ ¼ ð f1 ðxÞ; f2 ðxÞ; f3 ðxÞ; . . .Þ Wa¨hlt man x ¼ x0 2 D fest, so erha¨lt man eine gewo¨hnliche Zahlenfolge ðan Þ mit an ¼ fn ðx0 Þ (vgl. Abschnitt VIII.1). &
Beispiel: fn ðxÞ ¼ xn ) Funktionenfolge : ð fn ðxÞÞ ¼ ðxn Þ ¼ ðx; x2 ; x3 ; x4 ; . . .Þ x ¼ x0 ¼ 2 ) Zahlenfolge : ð2n Þ ¼ ð2; 22 ; 23 ; 24 ; . . .Þ ¼ ð2; 4; 8; 16; . . .Þ
Die Konvergenz von Funktionenfolgen wird analog zur Konvergenz von Zahlenfolgen definiert: Die Funktionenfolge ð fn ðxÞÞ konvergiert in einem Bereich E D R gegen die Funktion f ðxÞ, wenn fu¨r jedes x 2 E die Folge ð fn ðxÞÞ gegen den Funktionswert f ðxÞ konvergiert. Das heißt, zu jedem
Beispiel:
1 fn ðxÞ ¼ xn ; D ¼ 0; 2
1 < e ist. Fu¨r alle 2n0
Fu¨r ein beliebiges e > 0 wa¨hlt man n0 so, daß
n n0 und fu¨r alle x 2 D gilt dann: 1 1 j fn ðxÞ 0j ¼ xn n n < e. 2 20 Die Funktionenfolge ist also gleichma¨ßig konvergent im Definitionsbereich D mit der Grenzfunktion f ðxÞ ¼ 0.
Eine Funktionenreihe ist die Summe der Glieder einer Funktionenfolge ð fn ðxÞÞ. Funktionenreihe f1 ðxÞ þ f2 ðxÞ þ . . . þ fn ðxÞ þ . . . ¼
1 P k¼1
fk ðxÞ
Die folgenden Summen heißen Partialsummen der Funktionenreihe. F1 ðxÞ ¼ f1 ðxÞ; F2 ðxÞ ¼ f1 ðxÞ þ f2 ðxÞ; F3 ðxÞ ¼ f1 ðxÞ þ f2 ðxÞ þ f3 ðxÞ; . . . Fn ðxÞ ¼ f1 ðxÞ þ f2 ðxÞ þ f3 ðxÞ þ . . . þ fn ðxÞ n P fk ðxÞ ¼ k¼1
In Analogie zu den gewo¨hnlichen Reihen heißt eine Funktionenreihe in einem Bereich E D R konvergent, wenn die Folge der Partialsummen n P Fn ðxÞ ¼ fk ðxÞ der Funktionenreihe in E gegen k¼1
eine Funktion FðxÞ konvergiert. Man schreibt dann FðxÞ ¼ lim
n P
n!1 k¼1
fk ðxÞ ¼
1 P k¼1
fk ðxÞ
Ist die Konvergenz der Folge der Partialsummen in E punktweise, dann heißt auch die Funktionenreihe in E punktweise konvergent. Ist dagegen die Konvergenz der Folge der Partialsummen gleichma¨ßig, so heißt auch die Funktionenreihe gleichma¨ßig konvergent. Die Funktion FðxÞ heißt Grenzfunktion der Funktionenreihe in E. Man nennt FðxÞ auch die durch die Funktionenreihe dargestellte Funktion (im Konvergenzbereich E).
156
Mathematik
1 P Die Funktionenreihe fk ðxÞ heißt in E absolut konk¼1 1 P vergent, wenn j fk ðxÞj < 1 fu¨r jedes x 2 E gilt. Bei k¼1
absolut konvergenten Funktionenreihen darf die Summationsreihenfolge der Ausgangsreihe beliebig gea¨ndert werden, ohne daß sich dadurch der Wert der Reihe a¨ndert. &
Beispiel: Funktionenreihe:
1 P
x2
k¼1
ð1 þ x2 Þk
Fu¨r x ¼ 0 gilt fk ðxÞ ¼
2
x
ð1 þ x2 Þk
;
x2R
¼ 0.
1 P festes x 6¼ 0 ist die Reihe fk ðxÞ k¼1 k 1 P 2 1 ¼ x ist also eine konvergente geometrische Reihe 1 þ x2 k¼1
1 < 1, 1 þ x2
Fu¨r
(vgl. Abschnitt VIII.2.3) mit der Grenzfunktion k k 1 1 P P 1 1 FðxÞ ¼ x2 ¼ x2 2 2 1 þ x 1 þ x k¼1 k¼1 1 ¼ 1 þ x2 : 1 x2 1 2 2 1þx 1þx 1 P x2 ist fu¨r alle x 2 R konvergent Die Funktionenreihe k k ¼ 1 ð1 þ x2 Þ .. ur x 6¼ 0 1 þ x2 fu mit der Grenzfunktion FðxÞ ¼ .. 0 fu ur x ¼ 0 ¼ x2
1
¼ x2
6.2 Potenzreihen Funktionenreihen
1 P
k¼0
fk ðxÞ mit fk ðxÞ ¼ ak ðx x0 Þk ,
wobei ak ; k ¼ 0; 1; 2; . . . ; und x0 reelle Zahlen sind, heißen Potenzreihen. Potenzreihe 1 P k¼0
ak ðx x0 Þk ¼ a0 þ a1 ðx x0 Þ þ a2 ðx x0 Þ2 þ a3 ðx x0 Þ3 þ . . .
Die reellen Zahlen a0 ; a1 ; a2 ; . . . heißen Koeffizienten der Potenzreihe, x0 heißt ihr Entwicklungspunkt. Der Konvergenzbereich einer Potenzreihe ist die Menge aller Zahlen, die man fu¨r x einsetzen kann, so daß die entstehende numerische Reihe konvergiert. &
Beispiel: 1 P xk ¼ 1 þ xþx2 Zum Konvergenzbereich der Potenzreihe k¼0 1 , denn die numerische Reihe þ x3 þ . . . geho¨rt die Zahl k 2 1 P 1 konvergiert, die Zahl 2 aber nicht, da die Reihe 2 k¼0 1 P ð2Þk divergiert. k¼0
Fu¨r den Konvergenzbereich einer Potenzreihe gibt es drei Mo¨glichkeiten: 1. Die Reihe konvergiert nur im Entwicklungspunkt x0 . 2. Die Reihe konvergiert fu¨r alle x 2 R. 3. Die Reihe konvergiert fu¨r alle x aus einem endlichen offenen Intervall ðx0 r; x0 þ rÞ. In den
beiden Randpunkten x0 r und x0 þ r kann die Reihe konvergent oder divergent sein. Die Zahl r heißt Konvergenzradius der Potenzreihe. an oder Sie wird bestimmt durch r ¼ lim n ! 1 an þ 1 1 pffiffiffiffiffiffiffiffi , falls diese Grenzwerte existieren. r¼ lim n jan j n!1
Die erste Mo¨glichkeit fu¨r den Konvergenzbereich pffiffiffiffiffiffiffiffi einer Potenzreihe folgt aus lim n jan j ¼ 1, es ist n!1
dann prffiffiffiffiffiffiffi ¼ ffi0. Die zweite Mo¨glichkeit folgt aus lim n jan j ¼ 0, es ist dann r ¼ 1.
n!1 &
Beispiele: 1 P kk xk k¼1 pffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi lim n jan j ¼ lim n nn ¼ lim n ¼ 1
1.
n!1
n!1
n!1
Somit ist r ¼ 0, der Konvergenzbereich besteht also nur aus dem Entwicklungspunkt x0 . 2.
1 2k 1 P xk kk þ 1 rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi p ffiffiffiffiffiffiffi ffi 2n 1 2 n ffiffiffi pffiffiffi ¼ 0, ¼ lim p lim n jan j ¼ lim n!1 n!1 n!1 n 2 n n 2n nn n p ffiffi ffi p ffiffiffi denn lim n 2 ¼ lim n n ¼ 1. k¼0
n!1
3.
n!1
Es ist also r ¼ 1, die Reihe konvergiert fu¨r alle x 2 R. 1 P k2 5k ðx 2Þk k¼0 p ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi p ffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffi n 2 n n n 5 ¼ lim 5 n2 ¼ 5 lim ð n nÞ2 ¼ 5 lim n jan j ¼ lim n!1 n!1 n!1 n!1 1 Der Konvergenzradius ist folglich r ¼ . Um den genauen 5 Konvergenzbereich zu bestimmen, mu¨ssen die Randpunkte 1 9 1 11 x1 ¼ 2 ¼ und x2 ¼ 2 þ ¼ untersucht werden. Fu¨r 5 5 5 5 1 P 1 k k2 5k x1 erha¨lt man die numerische Reihe 5 k¼0 k 1 1 1 P P P 1 ¼ ð1Þk k2 und fu¨r x2 die Reihe k2 5k ¼ k2 : 5 k¼0 k¼0 k¼0 Beide numerischen Reihen divergieren, die Potenzreihe konvergiert somit in keinem der Randpunkte. Der Konvergenz 9 11 . bereich der Potenzreihe ist das offene Intervall ; 5 5
Im Konvergenzbereich der Potenzreihe wird die Grenzfunktion FðxÞ durch die Potenzreihe dargestellt. FðxÞ ¼
1 P k¼0
ak ðx x0 Þk
Eine durch eine Potenzreihe dargestellte Funktion FðxÞ ist im Innern des Konvergenzbereichs stetig. Eine Potenzreihe konvergiert in jedem abgeschlossenen Teilintervall des Konvergenzbereichs gleichma¨ßig. Jede Potenzreihe darf im Innern des Konvergenzbereichs gliedweise differenziert und integriert werden. Die so entstehenden Potenzreihen haben den gleichen Konvergenzradius r wie die Ausgangsreihe. Fu¨r x 2 ðx0 r; x0 þ rÞ gilt somit FðxÞ ¼
1 P k¼0 1 P
ak ðx x0 Þk
F 0 ðxÞ ¼ k ak ðx x0 Þk 1 k¼0 ð 1 P ak FðxÞ dx ¼ ðx x0 Þk þ 1 þ C k¼0 k þ 1
VIII Differential- und Integralrechnung Die Integrationskonstante ist durch Einsetzen (zum Beispiel x ¼ x0 ) zu bestimmen. &
Beispiel:
1 P
1 (vgl. Abschnitt VIII.2.3) xk ¼ 1x an ¼ lim 1 ¼ 1 Konvergenzradius: r ¼ lim n ! 1 an þ 1 n!1 1 Potenzreihe: FðxÞ ¼
k¼0
In den Randpunkten x1 ¼ 1 und x2 ¼ 1 divergiert die numerische Reihe, der Konvergenzbereich der Potenzreihe ist somit das offene Intervall ð1; 1Þ. 1 P d 1 kxk 1 ¼ Differentiation: F 0 ðxÞ ¼ dx 1 x k¼0 1 fu¨r x 2 ð1; 1Þ ¼ ð1 xÞ2 ð 1 P 1 xk þ 1 þ C Integration: FðxÞ dx ¼ k¼0 k þ 1 ð dx ¼ ln ð1 xÞ ¼ 1x Aus x ¼ 0 folgt C ¼ 0, es gilt daher 1 P k¼0
1 xk þ 1 ¼ ln ð1 xÞ kþ1
fu¨r x 2 ð1; 1Þ
1 P Fu¨r zwei Potenzreihen FðxÞ ¼ ak ðx x0 Þk und 1 k¼0 P k GðxÞ ¼ bk ðx x0 Þ mit dem gleichen Entwickk¼0
lungspunkt x0 gelten folgende Rechenregeln (x liegt dabei im Innern des Konvergenzbereichs beider Reihen): Summe 1 P FðxÞ þ GðxÞ ¼ ðak þ bk Þ ðx x0 Þk k¼0
Differenz 1 P ðak bk Þ ðx x0 Þk FðxÞ GðxÞ ¼ k¼0
Produkt FðxÞ GðxÞ ¼ a0 b0 þ ða0 b1 þ a1 b0 Þ ðx x0 Þ þ ða0 b2 þ a1 b1 þ a2 b0 Þ ðx x0 Þ2 þ . . . 1 P ¼ ða0 bk þ a1 bk 1 þ . . . þ ak b0 Þ ðx x0 Þk k¼0
Quotient 1 P FðxÞ ck ðx x0 Þk ¼ GðxÞ k ¼ 0 Die Produktdarstellung nennt man Cauchy-Produkt (nach dem franzo¨sischen Mathematiker Augustin Louis Cauchy, 1789––1857). Den Quotienten berechnet man durch Multiplikation mit dem Nenner 1 1 1 P P P ak ðx x0 Þk ¼ bk ðx x0 Þk ck ðx x0 Þk k¼0
k¼0
k¼0
und anschließendem Koeffizientenvergleich der Potenzen von ðx x0 Þk auf beiden Seiten des Gleichheitszeichens.
6.3 Fourier-Reihen In der Praxis treten ha¨ufig periodische Vorga¨nge auf (zum Beispiel Schwingungen in der Elektrotechnik, Akustik oder Optik), die sich am besten durch periodische Funktionen beschreiben lassen. Oftmals ist es dann notwendig oder vorteilhaft, eine solche
157 periodische Funktion exakt oder angena¨hert durch eine Funktionenreihe, deren Summanden bestimmte Summen aus trigonometrischen Funktionen sind, darzustellen. Eine Funktion, deren Funktionsgleichung die Bedingung f ðx þ TÞ ¼ f ðxÞ fu¨r alle x aus dem Definitionsbereich D erfu¨llt, wobei T 6¼ 0 eine Konstante ist, heißt periodische Funktion (vgl. Abschnitt V.2.7). Die kleinste positive Zahl T mit dieser Eigenschaft heißt Periode der Funktion, man nennt die Funktion y ¼ f ðxÞ auch T-periodisch. Eine T-periodische Funktion y ¼ f ðxÞ ist eindeutig bestimmt durch ihr Verhalten auf einem beliebigen Intervall der La¨nge T. Diese Tatsache fu¨hrte zur Einfu¨hrung von Fourier-Reihen. 1 P pk Funktionenreihen x fk ðxÞ mit fk ðxÞ ¼ ak cos p k ¼ 0 pk þ bk sin x fu¨r k ¼ 1; 2; 3; . . . (ak und bk sind rep a0 heißen trigonometrische elle Zahlen) und f0 ðxÞ ¼ 2 Reihen. Trigonometrische Reihe 1 P k¼0
fk ðxÞ ¼
1 P a0 pk pk ak cos x þ bk sin x þ p p 2 k¼1
Dabei sind ðak Þ; k ¼ 0; 1; 2; . . . und ðbk Þ; k ¼ 1; 2; 3; . . . Zahlenfolgen. Ist eine trigonometrische Reihe fu¨r alle x 2 R konvergent, so stellt sie in R eine Funktion FðxÞ dar: 1 a0 P pk pk FðxÞ ¼ þ ak cos x þ bk sin x p p 2 k¼1 In diesem Fall ist FðxÞ eine 2p-periodische Funktion, denn es gilt fu¨r alle x 2 R: Fðx þ 2pÞ 1 P a0 pk pk ak cos ðx þ 2pÞ þ bk sin ðx þ 2pÞ ¼ þ p p 2 k¼1 1 a0 P pk pk x þ 2pk þ bk sin x þ 2pk ¼ þ ak cos 2 k¼1 p p 1 P a0 pk pk ¼ þ ak cos x þ bk sin x ¼ FðxÞ p p 2 k¼1 1 1 P P Sind die numerischen Reihen ak und bk absok¼1
k¼1
lut konvergent (vgl. Abschnitt VIII.6.1), dann gilt: 1. Die trigonometrische Reihe 1 P a0 pk pk ak cos x þ bk sin x þ p p 2 k¼1 ist fu¨r alle x 2 R konvergent. 2. Die Funktion FðxÞ mit 1 a0 P pk pk x þ bk sin x ak cos FðxÞ ¼ þ p p 2 k¼1 ist in R stetig. Es sei y ¼ f ðxÞ eine 2p-periodische Funktion, die u¨ber dem Intervall ½p; p integrierbar ist. Dann heißen die Zahlen ak und bk die Fourier-Koeffizienten der Funktion f ðxÞ.
158
Mathematik
Fourier-Koeffizienten von f ðxÞ
ak ¼
bk ¼
1 p 1 p
ðp f ðxÞ cos p
ðp f ðxÞ sin p
pk x dx ðk 2 NÞ p pk x dx ðk 2 N*Þ p
Die mit Hilfe dieser Fourier-Koeffizienten gebildete trigonometrische Reihe 1 P a0 pk pk ak cos x þ bk sin x heißt die zur þ p p 2 k¼1 Funktion f ðxÞ geho¨rende oder die durch f ðxÞ erzeugte oder die f ðxÞ formal zugeordnete FourierReihe (Name nach dem franzo¨sischen Mathematiker Jean-Baptiste-Joseph Fourier, 1768––1830). Man schreibt: f ðxÞ formal zugeordnete Fourier-Reihe f ðxÞ
1 P a0 pk pk ak cos x þ bk sin x ð Þ þ p p 2 k¼1
Das Zeichen soll andeuten, daß die Zuordnung von f ðxÞ zu ihrer Fourier-Reihe eine formale Zuordnung ist. Es ist nichts ausgesagt u¨ber die Konvergenz dieser Fourier-Reihe und nichts daru¨ber, ob im Falle der Konvergenz die Fourier-Reihe die Funktion f ðxÞ auch darstellt, das heißt, ob in ð Þ die Gleichheit gilt. Da die Integranden der Fourier-Koeffizienten 2p-periodisch sind, kann dort jedes Intervall der La¨nge 2p als Integrationsintervall verwendet werden, zum Beispiel ½0; 2p. Ist f ðxÞ eine gerade Funktion, das heißt, gilt f ðxÞ ¼ f ðxÞ (vgl. Abschnitt V.2.2), so folgt f ðxÞ gerade Funktion ðp 2 pk f ðxÞ cos x dx ðk 2 NÞ ak ¼ p p
reichende Bedingungen dafu¨r an, daß eine Funktion f ðxÞ durch ihre (konvergente) Fourier-Reihe dargestellt wird, das heißt dafu¨r, daß in ð Þ Gleichheit fu¨r alle x gilt. Satz von Dirichlet: (1) Die Funktion f ðxÞ mit der Periode 2p ist im Intervall ½p; p bis auf endlich viele Sprungstellen (vgl. Abschnitt VIII.3.7) stetig. (2) Das Intervall ½p; p la¨ßt sich so in endlich viele Teilintervalle zerlegen, daß f ðxÞ in den einzelnen Teilintervallen monoton (monoton fallend oder monoton wachsend) (vgl. Abschnitt V.2.1) ist. Gelten (1) und (2) fu¨r eine Funktion f ðxÞ, so konvergiert die Fourier-Reihe von f ðxÞ und stellt die Funktion auch dar. An den Sprungstellen der Funktion nimmt die Fourier-Reihe den Mittelwert an, das heißt, fu¨r eine Sprungstelle x1 gilt 1 lim f ðxÞ þ lim f ðxÞ f ðx1 Þ ¼ x ! x1 0 2 x ! x1 þ 0 (vgl. Abschnitt VIII.3.2). Ha¨ufig kommt es vor, daß die Funktion f ðxÞ nur in dem Intervall ½p; p definiert, nicht aber periodisch ist. In diesem Fall setzt man die Funktion f ðxÞ einfach nach links und nach rechts periodisch fort und bestimmt dann die Fourier-Reihe zu der fortgesetzten Funktion (siehe Beispiele 2––4). In den folgenden Beispielen werden die Fourier-Reihen von Funktionen berechnet, die ha¨ufig in der Praxis auftreten. &
Beispiele: 1. Rechteckpuls Es sei f ðxÞ die 2p-periodische Funktion mit 8 p .. > A fu ur jxj < > > 2 > > < A .. p f ðxÞ ¼ fu ur jxj ¼ > 2 2 > > > > .. p : 0 fu ur < jxj p 2 (periodisch fortsetzen).
0
bk ¼ 0
ðk 2 N*Þ
f(x)
Fu¨r eine ungerade Funktion f ðxÞ, also f ðxÞ ¼ f ðxÞ, folgt f ðxÞ ungerade Funktion ak ¼ 0 ðk 2 NÞ ðp 2 pk f ðxÞ sin x dx ðk 2 N*Þ bk ¼ p p 0
Die Bestimmung der Fourier-Koeffizienten einer Funktion heißt harmonische Analyse. Der Satz von Dirichlet (nach dem Mathematiker Peter Gustav Lejeune Dirichlet, 1805––1859) gibt hin-
A
1 −π
0
π
x
Bild VIII-23 Rechteckpuls Bestimmung der formalen Fourier-Reihe von f ðxÞ: Da f ðxÞ eine gerade Funktion ist, gilt bk ¼ 0 fu¨r die FourierKoeffizienten bk .
VIII Differential- und Integralrechnung
159 Fourier-Reihe von f ðxÞ:
Berechnung der ak :
1 P 1 þ a2n 1 cos pð2n 1Þ x 2 n¼1 1 P 1 4 ¼ þ cos ð2n 1Þ px 2 n ¼ 1 p2 ð2n 1Þ2
k ¼ 0: a0 ¼
2 p
f ðxÞ
p
ðp
2 p
f ðxÞ dx ¼ 0
ð2 A dx ¼ A 0
k 2 N* : ðp 2 2A ak ¼ f ðxÞ cos kx dx ¼ p p 0 8 2A < ð1Þn þ 1 ð2n 1Þ p ¼ : 0
Darstellbarkeit:
p
ð2
(1) Die Funktion f ðxÞ ¼ 1 jxj ist im Intervall ½1; 1 u¨berall stetig. (2) Zerlegt man das Periodenintervall ½1; 1 in die zwei Teilintervalle ½1; 0 und ½0; 1, so ist f ðxÞ in ½1; 0 monoton wachsend und in ½0; 1 monoton fallend.
2A kp sin cos kx dx ¼ kp 2
0
.. fu ur k ungerade, k ¼ 2n 1 .. fu ur k gerade, k ¼ 2n
Nach dem Satz von Dirichlet wird die Funktion f ðxÞ somit durch ihre Fourier-Reihe dargestellt:
Fourier-Reihe von f ðxÞ: 1 ð1Þn þ 1 A 2A P þ cos ð2n 1Þ x 2 p n ¼ 1 2n 1 A 2A cos 3x cos 5x ¼ þ cos x þ þ... 2 p 3 5
f ðxÞ ¼
f ðxÞ
3.
Darstellbarkeit: p p p , ; Die Funktion ist in den Teilintervallen p; p 2 2 2 und ; p stetig und monoton. An den Sprungstellen ist 2 der Funktionswert gleich dem arithmetischen Mittel der einseitigen Grenzwerte. Nach dem Satz von Dirichlet wird die Funktion f ðxÞ somit durch ihre Fourier-Reihe dargestellt: f ðxÞ ¼ 2.
1 ð1Þn þ 1 A 2A P þ cos ð2n 1Þ x 2 p n ¼ 1 2n 1
Dreieckpuls Man setze die Funktion f ðxÞ ¼ 1 jxj; 1 x 1 periodisch fort und entwickle sie in eine Fourier-Reihe.
f(x)
1
1 P 1 4 cos ð2n 1Þ px þ 2 n ¼ 1 p2 ð2n 1Þ2
Man setze die Funktion y ¼ sin x; 0 x p periodisch fort und entwickle sie in eine Fourier-Reihe.
f(x) 1 −2p
−p
0
p
2p
x
Bild VIII-25 Graph der periodisch fortgesetzten Funktion von Beispiel 3 Die fortgesetzte Funktion ist die Funktion f ðxÞ ¼ jsin xj, sie p hat die Periode p, es folgt also p ¼ . 2 Wegen jsin ðxÞj ¼ j sin xj ¼ jsin xj ist f ðxÞ gerade, es folgt bk ¼ 0 fu¨r alle k. Berechnung der ak :
–3
–1
0
1
3
x
k ¼ 0 : a0 ¼
2 p
ðp sin x dx ¼
p 2 2 4 ðcos xÞ ¼ ð1 þ 1Þ ¼ ; p p p 0
0
Bild VIII-24 Graph der periodisch fortgesetzten Funktion von Beispiel 2
denn im Intervall ½0; p gilt jsin xj ¼ sin x. ðp 2 k 6¼ 0 : ak ¼ sin x cos 2kx dx p 0
Die periodisch fortgesetzte Funktion hat die Periode 2, in den Formeln muß deshalb 2p ¼ 2, also p ¼ 1 gesetzt werden. Da f ðxÞ eine gerade Funktion ist, folgt bk ¼ 0 fu¨r k ¼ 1; 2; 3; . . .
0
¼
0
0 1 p ðp 2 1 1 ¼ @ 2 cos x cos 2kx þ 2 sin x cos 2kx dxA p 4k 4k 0
Berechnung der ak : k ¼ 0 : a0 ¼ 2
Ð1
1 ð1 xÞ dx ¼ ð1 xÞ2 ¼ 1, 0
0
denn im Intervall ½0; 1 gilt 1 jxj ¼ 1 x. ð1 k 6¼ 0 : ak ¼ 2
ð1 xÞ cos pkx dx 0
01 1 ð ð1 ¼ 2 @ cos pkx dx x cos pkx dxA 0
0
! ! 1 1 1 x 1 cos pkx sin pkx sin pkx þ pk pk ðpkÞ2 0 0 ! 1 ¼2 ðcos pk 1Þ ðpkÞ2 2 ð1 ð1Þk Þ ¼ ðpkÞ2 8 .. < 4 fu ur k ungerade, k ¼ 2n 1 ¼ ðpkÞ2 : .. 0 fu ur k gerade, k ¼ 2n ¼2
Das zweite Integral berechnet man mit zweimaliger partieller Integration.
1 p ðp 2 @1 1 sin x sin 2kx cos x sin 2kx dxA p 2k 2k 0
0
Bei beiden Umformungen wurde die Methode der partiellen Integration angewandt. Es folgt p 2 4k2 1 cos x cos 2kx ak ¼ p 4k2 1 4k2 0 ¼
2 4 ð1 1Þ ¼ pð4k2 1Þ pð4k2 1Þ
Fourier-Reihe von f ðxÞ: f ðxÞ
1 cos 2kx 2 4 P p p k ¼ 1 4k2 1
Darstellbarkeit: (1) Die Funktion f ðxÞ ¼ jsin xj ist im Intervall ½0; p stetig. h pi monoton steigend und in (2) Die Funktion f ðxÞ ist in 0; 2 hp i ; p monoton fallend. 2 Nach dem Satz von Dirichlet gilt somit Gleichheit: f ðxÞ ¼
1 cos 2kx 2 4 P p p k ¼ 1 4k2 1
160 4.
Mathematik Man setze die Funktion .. x fu ur 0 < x 1 .. 1 fu ur 1 x < 2
Berechnung der bk : ð2
f ðxÞ ¼
bk ¼
periodisch fort und berechne die zugeho¨rige Fourier-Reihe.
0
–2
0
–1
1
2
3
4
x
Bild VIII-26 Graph der periodisch fortgesetzten Funktion von Beispiel 4 Die fortgesetzte Funktion hat die Periode 2, es folgt p ¼ 1. Die Funktion ist weder gerade noch ungerade, es mu¨ssen also sowohl die Fourier-Koeffizienten ak als auch bk berechnet werden. Berechnung der ak : ð2 k ¼ 0 : a0 ¼
ð1 f ðxÞ dx ¼
0
ð2 x dx þ
0
ð2 k 6¼ 0 : ak ¼
2 1 2 1 3 x þ x ¼ 2 2 0 1
1
ð1 f ðxÞ cos pkx dx ¼
0
1 dx ¼
ð2 x cos pkx dx þ
0
cos pkx dx 1
2 1 cos pkx x sin pkx sin pkx cos pk 1 þ þ kp ¼ k2 p2 k2 p2 k2 p2 kp 0 1 8 .. fu ur k gerade <0 1 ¼ 2 2 ðð1Þk 1Þ ¼ 2 .. : k p fu ur k ungerade k2 p2
¼
sin pkx dx 1
2 1 sin pkx x cos pkx ðcos pkxÞ ¼ þ k2 p2 kp kp 0 1 cos pk cos p2k cos pk 1 þ ¼ ¼ kp kp kp kp
1 –3
ð2 x sin pkx dx þ
0
f(x)
–4
ð1 f ðxÞ sin pkx dx ¼
Sowohl bei der Berechnung von ak als auch von bk wurde zur Lo¨sung des ersten Integrals zweimalige partielle Integration durchgefu¨hrt. Fourier-Reihe von f ðxÞ: f ðxÞ
1 P 3 ð1Þk 1 1 þ sin pkx cos pkx 4 k¼1 k2 p2 kp
!
Darstellbarkeit: Die Funktion ist im Intervall ð0; 2Þ stetig und monoton. Mit 1 1 der Definition f ð0Þ ¼ f ð2Þ ¼ ð1 þ 0Þ ¼ sind die Bedin2 2 gungen des Satzes von Dirichlet erfu¨llt, die Funktion f ðxÞ wird somit durch ihre Fourier-Reihe dargestellt: ! 1 P 3 ð1Þk 1 1 cos pkx sin pkx f ðxÞ ¼ þ 2 2 4 k¼1 k p kp
Anhang
161
Anhang A Symbole und Bezeichnungsweisen Die folgenden mathematischen Zeichen sind nach DIN 1302 (April 1994) und DIN 5473 (Juli 1992) zusammengestellt.
ffi
kongruent
N
¼ f0; 1; 2; 3; . . .g; Menge der natu¨rlichen Zahlen
Z
¼ f. . . ; 3; 2; 1; 0; 1; 2; 3; . . .g;
Q
Menge der ganzen Zahlen m ¼ m; n 2 Z; n 6¼ 0 ; n Menge der rationalen Zahlen
¼
gleich
6¼
ungleich
ungefa¨hr gleich
<
kleiner als
R
Menge der reellen Zahlen
kleiner oder gleich
C
¼ fz ¼ a þ bj j a; b 2 R; j ¼
>
gro¨ßer als
gro¨ßer oder gleich
N*
¼ f1; 2; 3; . . .g:
sehr viel kleiner als sehr viel gro¨ßer als
proportional
plus oder minus
n P
minus oder plus
k¼1 n Q k¼1
ak
¼ a1 þ a2 þ a3 þ . . . þ an ; Summe u¨ber ak von k ¼ 1 bis k ¼ n
ak
fa; b; cg
¼ a1 a2 a3 . . . an ; Produkt u¨ber ak von k ¼ 1 bis k ¼ n Menge aus den Elementen a; b; c
fx j EðxÞg Menge aller x, die die Eigenschaft EðxÞ haben
pffiffiffiffiffiffiffi 1g;
Menge der komplexen Zahlen Menge der natu¨rlichen Zahlen ohne die Null Z*
Q*
¼ f. . . ; 3; 2; 1; 1; 2; 3; . . .g ¼ fx j x 2 Z; x 6¼ 0g; Menge der ganzen Zahlen ohne die Null m * ¼ fx j x 2 Q; x 6¼ 0g; ¼ m; n 2 Z n Menge der rationalen Zahlen ohne die Null
R*
¼ fx j x 2 R; x 6¼ 0g;
Zþ
Menge der reellen Zahlen ohne die Null ¼ N* ¼ f1; 2; 3; . . .g ¼ fx j x 2 Z; x > 0g;
Qþ
Menge der positiven ganzen Zahlen m ¼ m; n 2 N* ¼ fx j x 2 Q; x > 0g; n Menge der positiven rationalen Zahlen
Rþ
¼ fx j x 2 R; x > 0g;
P
Menge der positiven reellen Zahlen ¼ f2; 3; 5; 7; 11; 13; 17; 19; 23; 29; . . .g;
Ma¨chtigkeit der Menge M A und B
j
Menge der Primzahlen pffiffiffiffiffiffiffi ¼ 1; imagina¨re Einheit
A_B
A oder B
1
unendlich (gro¨ßer als jede reelle Zahl)
:A
nicht A (Negation von A)
1
A)B
aus A folgt B
minus unendlich (kleiner als jede reelle Zahl)
n! n k
¼ 1 2 3 . . . n; n Fakulta¨t n! ¼ k!ðn kÞ!
2
Element von
62
nicht Element von
Teilmenge
;
leere Menge
[
Vereinigung von Mengen
\
Durchschnitt von Mengen
jMj A^B
A,B
A und B sind a¨quivalent (gleichwertig)
ða; bÞ
geordnetes Paar
ða; b; cÞ
geordnetes Tripel
k
parallel
AB
Strecke AB
jABj ~ a ! PQ
La¨nge (Betrag) der Strecke AB Vektor a
¼
Binomialkoeffizient n u¨ber k jaj
Betrag oder Absolutbetrag einer Zahl a a hoch n, n-te Potenz von a Wurzel aus a Logarithmus b zur Basis a
! j~ a j; jPQj
La¨nge des Vektors
an pffiffiffi a ffiffiffi p na
a¨hnlich
loga b
Vektor PQ
nðn 1Þ ðn 2Þ . . . ðn k þ 1Þ ; 1 2 3 ... k
n-te Wurzel aus a
162
Mathematik
lg b
dekadischer Logarithmus (Zehnerlogarithmus), Logarithmus zur Basis
ln b
natu¨rlicher
ð1; 1Þ ¼ fx j x 2 Rg; offenes Intervall, nach links und nach
a ¼ 10
rechts unbeschra¨nkt Logarithmus,
Logarithmus
zur Basis a ¼ e ¼ 2;718 281 82 . . . ld b
bina¨rer Logarithmus (Zweierlogarith-
½a; b
¼ fx j x 2 R und a x bg;
ða; bÞ
abgeschlossenes beschra¨nktes Intervall ¼ fx j x 2 R und a < x < bg;
mus), Logarithmus zur Basis a ¼ 2
offenes beschra¨nktes Intervall ½a; bÞ
¼ fx j x 2 R und a x < bg; halboffenes beschra¨nktes Intervall
ða; b
¼ fx j x 2 R und a < x bg; halboffenes beschra¨nktes Intervall
½a; 1Þ
¼ fx j x 2 R und x ag; halboffenes Intervall, nach rechts unbeschra¨nkt
ða; 1Þ
¼ fx j x 2 R und x > ag; offenes Intervall, nach rechts unbeschra¨nkt
ð1; a
¼ fx j x 2 R und x ag; halboffenes Intervall, nach links unbeschra¨nkt
ð1; aÞ
¼ fx j x 2 R und x < ag; offenes Intervall, nach links unbeschra¨nkt
ðan Þ
¼ ða1 ; a2 ; a3 ; . . .Þ; Folge, Zahlenfolge
lim an
Limes, Grenzwert der Folge ðan Þ
lim f ðxÞ
Grenzwert (Limes) der Funktion f ðxÞ fu¨r
n!1 x!a
x gegen a lim f ðxÞ linksseitiger Grenzwert der Funktion
x!a0
y ¼ f ðxÞ an der Stelle x ¼ a
lim f ðxÞ rechtsseitiger Grenzwert der Funktion
x!aþ0 0
y ¼ f ðxÞ an der Stelle x ¼ a
f ðx0 Þ
Ableitung von f ðxÞ an der Stelle x ¼ x0
df ðx0 Þ dx
Ableitung von f ðxÞ an der Stelle x ¼ x0
f 0 ðxÞ
Ableitung der Funktion f ðxÞ
00
f ðxÞ
zweite Ableitung der Funktion f ðxÞ
f 000 ðxÞ
dritte Ableitung der Funktion f ðxÞ
f ðnÞ ðxÞ Ð f ðxÞ dx
n-te Ableitung der Funktion f ðxÞ unbestimmtes Integral der Funktion y ¼ f ðxÞ
Ðb
f ðxÞ dx
a
ð fn ðxÞÞ
bestimmtes Integral der Funktion y ¼ f ðxÞ von x ¼ a bis x ¼ b ¼ ð f1 ðxÞ; f2 ðxÞ; f3 ðxÞ; . . .Þ; Funktionenfolge
Anhang
163
B Mathematische Konstanten pffiffiffi 2 ¼ 1;414 213 562 373 095
1 pffiffiffi 2 1 pffiffiffi 3 1 pffiffiffiffiffi 10 1 p 1 p2 1 pffiffiffi p 1 e 1 e2 1 pffiffiffi e
pffiffiffi 3 ¼ 1;732 050 807 568 877 pffiffiffiffiffi 10 ¼ 3;162 277 660 168 379 p ¼ 3;141 592 653 589 793 p2 ¼ 9;869 604 401 089 359 pffiffiffi p ¼ 1;772 453 850 905 516 e ¼ 2;718 281 828 459 045 e2 ¼ 7;389 056 098 930 650 pffiffiffi e ¼ 1;648 721 270 700 128
¼ 0;707 106 781 186 543 ¼ 0;577 350 269 189 626 ¼ 0;316 227 766 016 838 ¼ 0;318 309 886 183 791 ¼ 0;101 321 183 642 338 ¼ 0;564 189 583 547 756 ¼ 0;367 879 441 171 442 ¼ 0;135 335 283 236 613 ¼ 0;606 530 659 712 633
1 ¼ ln 10 ¼ 2;302 585 092 994 046 lg e 1 ¼ log2 10 ¼ 3;321 928 094 887 362 lg 2
lg e ¼ 0;434 294 481 903 252 lg 2 ¼ 0; 301 029 995 663 981
Ist die letzte Ziffer unterstrichen, dann ist die Konstante aufgerundet, im anderen Fall abgerundet.
C Das griechische Alphabet Alpha
A a
Jota
I
i
Beta
B b
Kappa
K k
Rho
P
r
Sigma
S
s
Gamma
G g
Lambda
L l
Tau
T
t
Delta
D d
My
M m
Ypsilon
u
Epsilon
E e
Ny
N n
Phi
F
j
Zeta
Z z
Xi
X x
Chi
X
c
Eta
H h
Omikron
O o
Psi
Y
w
Theta
Q J
Pi
P p
Omega
W
w
164
Mathematik
Literaturverzeichnis [1] Bronstein, I. N., K. A. Semendjajew, G. Musiol und H. Mühlig: Taschenbuch der Mathematik. 6. Aufl. Thun und Frankfurt/Main: Harri Deutsch, 2005. [2] Kemnitz, A.: Mathematik zum Studienbeginn. 6. Aufl. Braunschweig/Wiesbaden: Vieweg, 2006. [3] Kemnitz, F. und R. Engelhard: Mathematische Formelsammlung. Braunschweig/Wiesbaden: Vieweg 1977.
[4] Schäfer, W., K. Georgi und G. Trippler: Mathematik-Vorkurs. 4. Aufl. Stuttgart, Leipzig: Teubner 1999. [5] Scharlau, W.: Schulwissen Mathematik: Ein Überblick. 2. Aufl. Braunschweig/Wiesbaden: Vieweg 1995. [6] Wendeler, J.: Vorkurs der Ingenieurmathematik. Thun und Frankfurt/Main: Harri Deutsch 2002.
165
Physik I Einführung Die Physik ist ein Teilgebiet der Naturwissenschaften und beschäftigt sich mit der leblosen Umwelt. In der Physik wird versucht, die Gesetzmäßigkeiten der unbelebten Materie durch Beobachtungen und Messungen zu erfassen und in einer mathematischen Gleichung darzustellen. Ist diese bekannt, so kann man die physikalischen Gesetze für technische Zwecke ausnutzen. Die Physik wird in folgende Gebiete unterteilt: Mechanik, Thermodynamik (Wärmelehre), Elektrizität und Magnetismus, Wellenlehre, Akustik, Optik, Atom- und Kernphysik, Festkörperphysik, Relativitätstheorie.
1 Physikalische Größen Eine physikalische Größe kennzeichnet Eigenschaften, Zustände oder Größen von meßbaren Objekten. Sie ist das Produkt einer Maßzahl und einer Einheit.
schreibung noch eine Richtung angegeben werden. Zum Beispiel ist es nicht ausreichend zu sagen, ein Auto habe eine Strecke von 100 km zurückgelegt, wenn nicht auch die Richtung der Bewegung mit angegeben wurde. Solche gerichteten Größen werden Vektoren genannt. Zur vollständigen Angabe gehört ein Betrag (Maßzahl, Einheit) und eine Richtung. Beispiele für Vektoren: Kraft, Geschwindigkeit, elektrische und magnetische Feldstärke. Wenn die Vektoreigenschaft einer Größe hervorgehoben werden soll, so wird dies entweder durch einen Pfeil über dem Größenzeichen F oder durch Fettdruck F des Zeichens kenntlich gemacht. Für die mathematische Behandlung von Gleichungen mit Vektoren wird die Vektorrechnung benötigt.
Größe = Maßzahl ⋅ Einheit
2 SI-System
Um Größen und ihre Einheiten deutlich zu unterscheiden, werden für sie unterschiedliche Symbole verwendet.
Die Einheiten der physikalischen Größen sind seit 1960 im „ Système International d'Unités“, kurz SISystem, festgelegt und in der Bundesrepublik Deutschland gesetzlich vorgeschrieben. Das System besteht aus Basisgrößen und abgeleiteten Größen. Die Basisgrößen sind in der folgenden Tabelle angegeben.
Spannung = 100 ⋅ 1 Volt ; U = 100 ⋅ 1 V ; U = 100 V In Gleichungen werden immer physikalische Größen miteinander verbunden, das heißt, daß sowohl die Maßzahlen, aber auch die Einheiten auf beiden Seiten der Gleichung miteinander übereinstimmen müssen.
1.1 Skalare Viele Größen sind neben ihrer Einheit allein durch ihre Maßzahlen eindeutig bestimmt, dazu gehören z.B. Temperatur, Masse, Energie, Leistung, Widerstand. Solche Größen werden skalare Größen oder Skalare genannt.
Definitionen der Basisgrößen 1 Sekunde ist das 9 192 631 770fache der Periodendauer der dem Übergang zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustandes von Atomen des Nuklids 133Cs entsprechenden Strahlung. (1967)
1.2 Vektoren
1 Meter ist die Länge der Strecke, die Licht im Vakuum während der Dauer von 1/299 792 458 Sekunden durchläuft. (1983)
Bei anderen Größen reichen diese Angaben alleine nicht aus, sondern es muß zur vollständigen Be-
1 Kilogramm ist die Masse des internationalen Kilogrammprototyps. (1889)
Tabelle I-1 Basisgrößen und Basiseinheiten Gebiet
Basisgröße
Formelzeichen
Basiseinheit
Einheitenzeichen
Mechanik
Zeit Länge Masse Stromstärke Temperatur Lichtstärke Stoffmenge
t l m I T IL n
Sekunde Meter Kilogramm Ampere Kelvin Candela Mol
s m kg A K cd mol
Elektrotechnik Thermodynamik Optik Chemie
166 1 Ampere ist die Stärke eines zeitlich unveränderlichen Stroms, der, durch zwei im Vakuum parallel im Abstand von 1 Meter voneinander angeordnete, geradlinige, unendlich lange Leiter von vernachlässigbar kleinem kreisförmigen Querschnitt fließend, zwischen diesen Leitern je 1 Meter Leiterlänge die Kraft 2 ⋅ 10–7 Newton hervorruft. (1948) 1 Kelvin ist der 273,16te Teil der thermodynamischen Temperatur des Tripelpunktes des Wassers. (1967) 1 Candela ist die Lichtstärke in einer bestimmten Richtung einer Strahlungsquelle, die monochromatische Strahlung der Frequenz 540 THz aussendet und 1 W deren Strahlstärke in dieser Richtung beträgt. 683 sr 1 Mol ist die Stoffmenge eines Systems bestimmter Zusammensetzung, das aus ebenso vielen Teilchen besteht, wie Atome in (12/1000) kg des Nuklids 12C enthalten sind. (1971) Abgeleitete Größen: Aus den Basisgrößen lassen sich die SI-Einheiten aller anderen Größen ableiten. Eine
Physik Zusammenfassung der wichtigsten Größen finden Sie im Abschnitt VIII. Durch Vorsätze können dezimale Vielfache oder Teile der Maßeinheiten gebildet und damit umständlicher zu benutzende Zehnerpotenzen vermieden werden. In Tabelle I-2 sind die Vorsilben und Kurzzeichen für die Vorsätze zusammengestellt. Doppelvorsätze, wie z.B. nmm sind nicht zulässig. Tabelle I-2 Vorsätze für dezimale Vielfache Wert 18
10 1015 1012 109 106 103 102 101
Vorsatz Zeichen Wert Exa Peta Tera Giga Mega Kilo Hekto Deka
E P T G M k h da
–1
10 10–2 10–3 10–6 10–9 10–12 10–15 10–18
Vorsatz Zeichen Dezi Zenti Milli Mikro Nano Piko Femto Atto
d c m m n p f a
II Mechanik 1 Kinematik des Massenpunktes Die Kinematik beschreibt die Bewegung von Körpern im Raum. Ein Punkt im Raum wird durch seine Ortskoordinaten festgelegt. Diese ändern sich während der Bewegung des Körpers mit der Zeit. Bei größeren Systemen können einzelne Teile des Systems völlig unterschiedliche Bewegungen durchführen, so bewegt sich bei einem fahrenden Auto ein Punkt auf der Karosserie anders als ein Punkt auf dem Reifen. Da sich aber jeder Körper aus einzelnen Punkten zusammensetzt, ist die Beschreibung der Bewegung eines einzelnen Massenpunktes von grundlegender Bedeutung.
1.1 Eindimensionale Bewegungen Eine Bewegung wird dann eindimensional genannt, wenn sie nur auf einer vorgeschriebenen Bahn erfolgen kann, wie es z.B. bei Schienenfahrzeugen oder auch Werkzeugschlitten der Fall ist. Zu ihrer Beschreibung ist dann neben der Zeitabhängigkeit nur eine Ortskoordinate ausreichend. 1.1.1 Geschwindigkeit Eine wichtige Grundgröße der Kinematik ist die Geschwindigkeit. Sie gibt an, welcher Weg Δs in der Zeit Δt zurückgelegt wird. Die Geschwindigkeit ist ein Vektor, denn der Endzustand einer Bewegung hängt von der Richtung der Geschwindigkeit ab.
v=
Δs Δt
v Δs Δt m m s s
(II.1)
Δs = s 2 − s 1 , Differenz der Ortskoordinaten. Δt = t 2 − t 1 , Differenz der entsprechenden Zeiten.
Ist der Betrag der Geschwindigkeit überall gleich, so spricht man von einer gleichförmigen Bewegung. Die Geschwindigkeit ist dann unabhängig von der Größe des Zeitabschnittes. Ändert sich dagegen die Geschwindigkeit während der Beobachtungszeit (Beispiel: anfahrendes Auto), so kann man die Momentangeschwindigkeit oder Augenblicksgeschwindigkeit nur bestimmen, wenn der Zeitabschnitt Δt, in dem der zurückgelegte Weg Δs gemessen wird, beliebig klein gemacht wird, im Grenzfall gegen 0. Ist dies nicht möglich, erhält man die Durchschnittsgeschwindigkeit oder auch mittlere Geschwindigkeit. Die Geschwindigkeit, mit der sich ein Körper geradlinig bewegt, nennt man auch Translationsgeschwindigkeit. Eine Masse m befindet sich zum Zeitpunkt t = 0 an einem Ort mit der Ortskoordinate s0. Sie hat eine konstante Geschwindigkeit v0. Der nach Ablauf einer Zeit t zurückgelegte Weg s errechnet sich nach: s = s0 + v0 ⋅ t
(II.2)
mit s0 und v0 als Anfangswerte der Ortskoordinate und der Geschwindigkeit.
II Mechanik
167
s
a=
s = s0 + v0t s0 t
Δt = t 2 − t 1 , Differenz der entsprechenden Zeiten.
t
Ist die Beschleunigung konstant, so liegt eine gleichmäßig beschleunigte Bewegung vor. Hat ein Körper zum Zeitpunkt t = 0 die Anfangsgeschwindigkeit v 0 und befindet er sich am Ort s0, so ändern sich seine Geschwindigkeit v und die Ortskoordinate s mit der Zeit entsprechend der folgenden Gleichungen:
v = v0
v0 Δs = v0 Δt Δt
Bild II-1 s(t) und v(t)-Diagramm einer gleichförmigen Bewegung Beispiel: Ein Auto fährt mit einer konstanten Geschwindigkeit
von 50 km/h. Um 9 Uhr ist es 30 km von seinem Startpunkt entfernt. a) Welche Zeit braucht es für einen Weg von 20 km? b) Wo befindet es sich um 11 Uhr? Lösung: 20 km Δs Δs a) v = ⇒ Δt = = = 0,4 h = 24 min Δt v 50 km h −1
km b) s = 30 km + 2 h ⋅ 50 = 130 km h
Wenn sich die Geschwindigkeit im Lauf der Zeit ändert, liegt eine beschleunigte Bewegung vor. Die Beschleunigung a ist der Quotient aus der Änderung der Geschwindigkeit Δv in der Zeit Δt. Wie bei der Geschwindigkeit sind auch hier eine Momentanbeschleunigung und eine Durchschnittsbeschleunigung zu unterscheiden. s s = s0 + v0t + 1/2at 2 s0 t
v v = v0 + at
v Δs = vΔt
t
Δt a = const.
(II.4)
1 s = s0 + v0 t + at 2 2
(II.5)
Ist a = 0, so liegt eine gleichförmige Bewegung vor. Mit diesen Gleichungen können auch verzögerte Bewegungen berechnet werden; a ist dann negativ einzusetzen, der Körper wird langsamer und somit abgebremst. Beispiel: Ein Eisenbahnzug, der sich 20 km von seinem Start-
bahnhof befindet, fährt 30 min lang mit konstanter Geschwindigkeit v0 = 60 km/h. Dann wird er mit einer Beschleunigung a = – 0,222 m/s2 abgebremst. Wie lang ist sein Bremsweg, und wie weit ist er dann von seinem Startbahnhof entfernt?
Bremszeit (v = 0): tB = −
v0 a
=
60 000 m 3600 s ⋅ 0,222 m s −2
= 75 s
Entfernung von Bahnhof zu Beginn des Bremsvorganges nach (II.2): km s 0 = 20 km + 60 ⋅ 0,5 h = 50 km h Entfernung von Bahnhof zu Ende des Bremsvorganges nach (II.5): 60 km ⋅ 75 s 0,222 m ⋅ 75 2 s 2 s = 50 km + − 3600 s 2s 2 s = 50,626 km
Trägt man in einer Grafik den zurückgelegten Weg als Funktion der Zeit auf, so erhält man das s(t)Diagramm, bei Auftragung der momentanen Geschwindigkeit als Funktion der Zeit das v(t)-Diagramm. Im s(t)-Diagramm ist die Momentangeschwindigkeit anschaulich als Steigung der WegZeit-Kurve abzulesen, während der in einer Zeit Δt zurückgelegte Weg Δs aus dem v(t)-Diagramm als Fläche unter der Kurve bestimmt werden kann (Δs = v ⋅ Δt ). 1.1.3 Freier Fall
Δv = aΔt Δt
v = v 0 + at
Lösung: Um die Bremszeit zu berechnen, wird in (II.4) die Endgeschwindigkeit v = 0 eingesetzt:
1.1.2 Beschleunigung
a
(II.3)
Δv = v 2 − v 1 , Differenz der Geschwindigkeiten.
v
v0
a Δv Δt m m s s2 s
Δv Δt
t
Bild II-2 s(t)-, v(t)- und a(t)-Diagramm einer gleichmäßig beschleunigten Bewegung
Ein Beispiel für eine Bewegung unter dem Einfluß einer konstanten Beschleunigung ist die Bewegung an der Erdoberfläche allein unter dem Einfluß der Erdanziehungskraft, d.h. ohne Luftreibung und andere Kräfte. Die Erdbeschleunigung hat für alle Körper
168
Physik
den mittleren Wert von g = 9,81 m/s2. Startet ein Körper aus der Ruhe, so gelten die Gleichungen (II.4) und (II.5) mit v0 = 0 und a = – g. Die Höhe h wird von der Erdoberfläche aus in positiver Richtung nach oben gemessen und entspricht der Anfangskoordinate s0. Die Fallzeit bestimmt sich aus der Bedingung s(tF) = 0.
kehrpunkt die momentane Geschwindigkeit v = 0 und am Ende des Fluges die Höhe h = 0 sein muß. Aus diesen Bedingungen folgen aus den Gleichungen (II.4) und (II.5) die nachfolgenden Formeln. Bei negativen Werten der Geschwindigkeit ist die Bewegung abwärts gerichtet. momentane Geschwindigkeit v ( t ) = v 0 − g t
(II.11)
Fallzeit:
1 momentane Höhe h ( t ) = s 0 + v 0 t − g t 2 2
(II.12)
0= h−
1 2 gtF 2
(II.6)
tF =
2h g
(II.7)
Die Fallgeschwindigkeit zu einem beliebigen Zeitpunkt t berechnet sich nach vF (t ) = g ⋅t
(II.8)
daraus folgt für die Aufprallgeschwindigkeit oder Endgeschwindigkeit ve, die ja nach der Fallzeit tF erreicht ist: ve = g ⋅ t F
(II.9)
2h ve = g ⋅ = 2h g g
(II.10)
freien Fall. a) Wann kommt er unten an? b) Wie groß ist dann seine Geschwindigkeit? Lösung:
tF =
2h = g
9,81 m s 2
m s2
m s
1.1.4 Senkrechter Wurf
Beim Wurf nach oben ist v0 positiv, beim Wurf nach unten negativ einzusetzen. Hierbei kann ebenfalls eine Anfangshöhe s0 = h angenommen werden. Die maximale Steighöhe und die Steigzeit beim Wurf nach oben folgen aus der Bedingung, daß am Umh
h = s0
h=0
(II.14)
v ts = 0 g
Steigzeit ( v ( t ) = 0 )
hs = s 0 +
maximale Höhe ( t = t s )
(II.15) v 02 2g
(II.16)
Die Formeln (II.11) – (II.15) gelten auch für den senkrechten Fall nach unten, während die Formel (II.16) hier dann keinen Sinn ergibt. Beispiel: Von einem 10 m hohen Turm wird ein Stein mit einer
Anfangsgeschwindigkeit von 20 m/s senkrecht nach oben geworfen. Wie groß sind die maximale Höhe und die gesamte Flugzeit?
h s = 10 m + tf =
( 20
m s)
2
2 ⋅ 9,81 m s −2
20 m s +
( 20
= 30,39 m
m s ) + 2 ⋅ 10 m ⋅ 9,81 m s −2 2
9,81 m s −2
= 4,528 s
1.2 Zusammengesetzte Bewegungen
= 2,02 s
b) v e = 2 h g = 2 ⋅ 20 m ⋅ 9,81
h = hs
Endgeschwindigkeit v e = − v 02 + 2 s 0 g
(II.13)
2 ⋅ 20 m 9,81 m s 2
40 m
v e = 19, 8
v 0 + v 02 + 2 s 0 g g
Lösung:
Beispiel: Ein Körper fällt von einem Turm der Höhe h = 20 m im
a) t F =
tF =
Flugzeit ( h ( t ) = 0 )
und daraus
Bild II-3 Senkrechter Wurf
Im Gegensatz zu eindimensionalen Bewegungen sind hier bei allen vektoriellen Größen zwei Angaben notwendig. Als Richtungen sollen x- und y-Richtung festgelegt sein, die entsprechenden Größen werden durch die Indizes x und y unterschieden. Führt ein Körper gleichzeitig Bewegungen in x- und y-Richtung aus, sogenannte zusammengesetzte Bewegungen, so überlagern sich diese Bewegungen unabhängig voneinander, und der Endzustand ist derselbe, als wenn die einzelnen Bewegungen nacheinander ausgeführt worden wären. Als Beispiel soll eine Bewegung in einem strömenden Fluß der Breite b betrachtet werden. Der Fluß fließt in x-Richtung mit einer Geschwindigkeit vF. Der Geschwindigkeitsvektor kann dann in eine Komponente parallel zum Ufer und eine senkrecht zum Ufer aufgeteilt werden, dies sollen die x- und yRichtung sein. Eine Schreibweise hierfür ist die Komponentenschreibweise vektorieller Größen: v = (vx , vy ) (II.17) und somit v F = ( v Fx , 0 ) .
II Mechanik
169
In dem Wasser bewegt sich ein Boot mit einer Eigengeschwindigkeit vB relativ zum Wasser. Ist das Wasser in Ruhe, so ist dies auch die Geschwindigkeit relativ zum Grund v G . v B = ( 0 , v By )
vB
y
vG a
x
y
h
v
hmax h0
a
Bild II-5 Schiefer Wurf
vy vx
b
xw
vF
Bild II-4 Geschwindigkeiten im Fluß In einem strömenden Fluß ist nun v B unterschiedlich von v G . Die Geschwindigkeit des Bootes kann nun entweder relativ zum Grund oder relativ zum Wasser angegeben werden. Der Zusammenhang ist: (II.18) v G = v B + v F = ( v Fx , v By )
Es gilt also, daß sich die einzelnen Komponenten unabhängig addieren. Hieraus lassen sich die folgenden Größen berechnen: b Zeit zum Überqueren t = v By
(II.19)
x
Fall eine Parabel (Wurfparabel). Es soll auch zugelassen werden, daß der Stein in einer Höhe h0 abgeworfen wird. Aus den Bedingungen, daß am Ende der Bewegung der Wert für y = 0 sein muß und am höchsten Punkt der Wert für vy = 0 sein muß, folgen die Gleichungen für den schiefen Wurf aus einer Anfangshöhe h0 und mit einer Anfangsgeschwindigkeit v0: v 0 x = v 0 ⋅ cos a (II.25) v 0 y = v 0 ⋅ sin a
(II.26)
v x ( t ) = v 0 ⋅ cos a = const
(II.27)
v y ( t ) = v 0 ⋅ sin a − gt
(II.28)
1 y ( t ) = h 0 + v 0 ⋅ sin a − g t 2 2 x ( t ) = v 0 ⋅ t ⋅ cos a
(II.29) (II.30)
( v 0 ⋅ sin a ) + 2 g h0
Weg in x-Richtung s Gx = v Fx ⋅ t
(II.20)
Weg in y-Richtung s Gy = v By ⋅ t
(II.21)
Gesamter Weg s G =
(II.22)
Flughöhe h max = h 0 +
(II.23)
Flugweite x w = v 0 ⋅ t F ⋅ cosa
(II.24)
Wenn in den Gleichungen (II.29) bis (II.32) der Wert für h0 auf 0 gesetzt wird, so ergeben sich die Gleichungen für den Fall eines schiefen Wurfes mit Anfangshöhe 0. 2 v ⋅ sina (II.34) Flugzeit t F = 0 g
Geschwindigkeit v G =
2 2 s Gx + s Gy 2 2 v Fx + v By
⎛ v By ⎞ Richtung a = arctan ⎜ ⎟ ⎝ v Fx ⎠
Beispiel: In einem Fluß der Breite 500 m fließt Wasser mit einer
Strömungsgeschwindigkeit von 2 m/s. Senkrecht zum Ufer startet ein Boot mit einer Eigengeschwindigkeit von 10 m/s. Wie lange braucht das Boot für die Überquerung, und wie groß ist die seitliche Abdrift d? Lösung: Zeit
500 m t= = 50 s 10 m s
Abdrift
d=2
m ⋅ 50 s = 100 m s
Flugzeit t F =
g
Flughöhe h max = Flugweite
1.2.1 Schiefer Wurf Ein weiteres Beispiel für eine zusammengesetzte Bewegung ist die Bewegung eines Steines, der unter einem bestimmten Winkel α mit einer Anfangsgeschwindigkeit v0 geworfen wird (schiefer Wurf). In diesem Fall handelt es sich um die Überlagerung einer gleichmäßigen Bewegung in x-Richtung mit einer gleichförmig beschleunigten Bewegung (freier Fall) in y-Richtung. Die Flugbahn unter dem Einfluß einer konstanten Kraft (Erdanziehung) ist in diesem
v 0 ⋅ sin a +
2
v 02 ⋅ sin 2 a 2g
(II.32) (II.33)
v 02 ⋅ sin 2 a 2g
(II.35)
x w = v 0 ⋅ t F ⋅ cos a = xw =
(II.31)
2 ⋅ v 02 ⋅ sin a ⋅ cos a g
v 02 ⋅ sin 2 a g
(II.36)
Beispiel: Ein Stein wird unter einem Winkel von 30° mit einer
Anfangsgeschwindigkeit von 20 m s–1 geworfen. Wie weit fliegt er, und wann trifft er auf den Boden? Lösung:
Flugweite Flugzeit
xw =
tF =
( 20 ms −1 ) 2 ⋅ sin 60 ° 9, 81 m s − 2
2 ⋅ 20 m s −1 ⋅ sin 30 ° 9, 81 m s −2
= 35, 31 m
= 2 , 04 s
170
Physik
1.3 Kreisbewegung
1.3.3 Kreisfrequenz
Bei einer Kreisbewegung bewegt sich eine punktförmige Masse auf einer Kreisbahn mit dem Radius r. Wenn in gleichen Zeiten Δt gleiche Strecken Δs auf dem Umfang zurückgelegt werden, so überstreicht auch die Verbindungslinie zum Zentrum des Kreises in gleichen Zeiten Δt gleiche Winkel Δj.
Oft werden die Drehzahl n oder auch die Frequenz f einer kreisförmigen Bewegung angegeben. Im Gegensatz zur Frequenz f wird die Größe w auch Kreisfrequenz genannt.
vu
w = 2π f
w x n 1 1 Hz s min
2π n w= 60
(II.42)
1.3.4 Winkelbeschleunigung r
Δf Δs
Bild II-6 Kreisbewegung
1.3.1 Bahngeschwindigkeit Unter Bahngeschwindigkeit oder auch Umfangsgeschwindigkeit versteht man die Geschwindigkeit, mit der sich eine Masse m auf dem Umfang eines Kreises mit dem Radius r bewegt. Wenn sich die Masse in der Zeit Δt um die Strecke Δs weiterbewegt hat, wird von der Verbindungslinie zwischen der Masse und dem Zentrum des Kreises der Winkel Δj überstrichen. Zwischen den Größen r, Δs und Δj gilt die Gleichung: Δj =
Δs r
j s r rad m m
Δs = r ⋅ Δj
Umfangsgeschwindigkeit v u =
Δj Δs =r Δt Δt
oder Bahngeschwindigkeit v u = r ⋅ w
In diesem Fall gelten analoge Gleichungen zu (II.4) und (II.5).
1 j = j0 + w0 t + a t 2 2
(II.45)
(II.38)
Hierbei sind w0 und j0 die Anfangswerte zur Zeit t = 0 der Winkelgeschwindigkeit und des Winkels.
(II.39)
Beispiel: Ein Elektromotor läuft mit einer Drehzahl n = 600 min–1.
(II.40)
Nach dem Abschalten wird er mit konstanter Winkelbeschleunigung a abgebremst, bis er nach 50 Umdrehungen zum Stillstand kommt. a) Wie groß ist die Winkelbeschleunigung? b) Wie lange ist die Bremszeit tB? Lösung: a) Anfangswerte:
j0 = 0,
w0 = 2 π
n −1 s = 62 , 83 s −1 60
50 Umdrehungen ergeben:
1.3.2 Winkelgeschwindigkeit
j = 50 ⋅ 2 π = 314 ,16 rad
Die Winkelgeschwindigkeit w ist durch w Δj Δt 1 rad s s
(II.43)
(II.37)
Δj . Δt
Δj Δt
a Δw Δt 1 1 s s2 s
Δw Δt
(II.44)
Die Größe w wird Winkelgeschwindigkeit genannt.
w=
a=
w = w 0 + at
mit der Abkürzung
w=
Werden in gleichen Zeiten ungleiche Wegstrecken auf dem Umfang zurückgelegt, ändert sich also die Umfangsgeschwindigkeit, muß der Körper eine Tangentialbeschleunigung erfahren. Jetzt werden in gleichen Zeiten ungleiche Winkel überstrichen, daher ändert sich die Winkelgeschwindigkeit ebenfalls. In diesem Fall liegt eine Winkelbeschleunigung vor. Analog zur linearen Beschleunigung wird die Winkelbeschleunigung definiert:
Aus (II.44) folgt:
(II.41)
definiert, wobei Dj der in der Zeiteinheit Dt überstrichene Winkel ist. Bei einer Kreisbewegung mit konstanter Winkelgeschwindigkeit w (gleichförmige Kreisbewegung) ist die Umfangsgeschwindigkeit vom Betrag her konstant, allerdings ändert sie laufend die Richtung.
a=−
w0 tB
.
Winkelbeschleunigung
a=−
62,83 s = −6,28 s −2 10 s
b) In (II.45) eingesetzt: j = w0 t B −
Bremszeit
w 0 t B2 2t B
tB =
=
1 w0 tB 2
2 j 2 ⋅ 314 ,16 rad = = 10 s w0 62 , 83 s −1
II Mechanik
171
2 Dynamik
Die Einheit der Kraft im SI-System ist 1
In der Kinematik wird die Bewegung von Massen durch geeignete Formeln beschrieben, ohne daß nach der Ursache für eine Bewegung oder eine Änderung eines Bewegungszustandes gefragt wird. In der Dynamik werden diese Ursachen untersucht.
2.1 Newtonsche Axiome I. Newton (1643 bis 1727) hat drei grundlegende Axiome formuliert, die das Verhalten von Körpern unter dem Einfluß äußerer Kräfte und das Zusammenspiel von Kräften untereinander beschreiben. Diese Newtonschen Axiome sind die Grundlagen der klassischen Mechanik und werden in der Tabelle II-1 aufgeführt:
kg m
, s2 hierfür wird die Abkürzung 1 N (1 Newton) verwendet. kg m (II.49) 1N =1 2 s An der Erdoberfläche wirkt auf alle Körper die Gewichtskraft oder Schwerkraft FG = m ⋅ g (II.50) mit der Erdbeschleunigung g m g = 9, 81 2 (II.51) s Eine nicht mehr zulässige Einheit der Kraft ist 1 kp (1 Kilopond). Dies ist die Gewichtskraft auf die Masse von 1 kg. Somit gilt:
Tabelle II-1 Newtonsche Axiome Newtonsche Axiome
Formulierung
1. Axiom: Trägheitsgesetz
Jeder Körper beharrt im Zustand der Ruhe oder der gleichförmig geradlinigen Bewegung, solange er nicht durch äußere Kräfte gezwungen wird, diesen Zustand zu ändern.
2. Axiom Aktionsgesetz
Die zeitliche Änderung der Bewegungsgröße (Impuls) p = mv ist gleich der resultierenden Kraft F.
3. Axiom Wechselwirkungsgesetz actio = reactio
Wirkt ein Körper 1 auf einen Körper 2 mit der Kraft F12, so wirkt der Körper 2 auf den Körper 1 mit einer gleich großen, entgegengesetzten Kraft F21.
Das Aktionsgesetz läßt eine zeitliche Änderung sowohl der Masse als auch der Geschwindigkeit zu. In der allgemeinen Form gilt: Dp D ( m ⋅ v ) Dv Dm (II.46) F= = = m⋅ +v⋅ Dt Dt Dt Dt Ist die Masse konstant, so ist Δm = 0, und es gilt mit Δv = a: Δt (II.47) F = m⋅a Dieses Gesetz wird auch als Newtonsches Grundgesetz bezeichnet, gilt in dieser Form aber nur für konstante Massen.
2.2 Kraft
Nach dem Newtonschen Grundgesetz ist die Kraft F bei konstanter Masse proportional zur Beschleuni gung a. Die Kraft ist eine vektorielle Größe. Kraft und Beschleunigung haben dieselbe Richtung.
F = m⋅a
F m a kg m s −2 kg m s −2
(II.48)
Gleichung
1 kp = 9,81 N
Δp F= Δt F12 = − F21
(II.52)
Hängt eine Masse m an einer Feder, so wird die Feder um eine Strecke x gedehnt und zwar solange, bis die Rückstellkraft der Feder und die Gewichtskraft auf die Masse m entgegengesetzt gleich groß sind. Die Rückstellkraft der Feder wird durch die Federeigenschaften beeinflußt und in der Federkonstanten c festgelegt. Da die Rückstellkraft entgegengesetzt zur Auslenkung gerichtet ist, gilt
Rückstellkraft
Frück = − cx
Federkonstante c = −
Frück x
(II.53) c Frück x (II.54) Nm −1 N m
Zerlegung und Zusammensetzung von Kräften Kräfte sind Vektoren und müssen somit vektoriell addiert werden. Die grafische Lösung für die Addition zweier Kräfte und die sich daraus ergebende resultierende Kraft erfolgt so, daß der Anfangspunkt des zweiten Vektors in den Endpunkt des ersten Vektors verschoben wird. Es entsteht ein Parallelogramm, das
172
Physik
y
eine Komponente senkrecht zur Unterlage, der Normalkraft FN, und eine Komponente parallel zur Unterlage, der Hangabtriebskraft FH, zerlegt werden.
F
F2 b g
m
F1 a
x
FN
Bild II-7 Kräfteparallelogramm
x-Komponente
Fx = F1 cos a + F2 cos b
(II.55)
y-Komponente
Fy = F1 sin a + F2 sin b
(II.56)
daraus folgt für die resultierende Kraft: F=
Fx2 + Fy2
(II.57)
F=
F12 + F22 + 2 F1 F2 cos ( a − b )
(II.58)
Nach Umkehrung dieser Gleichungen lassen sich die Teilkräfte aus der Resultierenden und den Winkeln berechnen: sin ( b − g ) sin ( b − a )
(II.59)
sin ( g − a ) (II.60) sin ( b − a ) Oft ist es notwendig, eine Kraft F in zwei senkrecht zueinanderstehende Komponenten zu zerlegen. In den Gleichungen (II.59) und (II.60) ist dann a = 0° und b = 90° zu setzen F2 = F
y F F2 g F1
a FG
Kräfteparallelogramm Mit Hilfe der trigonometrischen Gleichungen lassen sich die folgenden Beziehungen für die Addition von Kräften ableiten:
F1 = F
Bild II-9 Schiefe Ebene
FH
x
a
Die Beträge dieser Kräfte sind: FH = m g sina
(II.64)
FN = m g cosa
(II.65)
Die Hangabtriebskraft beschleunigt den Körper, während die Normalkraft den Druck auf die Unterlage bewirkt. Durch die Normalkraft wird wegen der immer vorhandenen Reibung eine der Hangabtriebskraft entgegengesetzte Reibungskraft FR verursacht. Reibungskraft
FR = m FN = m m g
(II.66)
Die Größe m wird als Reibungszahl bezeichnet und hängt von der Beschaffenheit der beiden an der Reibung beteiligten Körper ab und von der Art der Bewegung. Sie ist eine dimensionslose Zahl. Bei der Bewegung eines Fahrzeuges ist die Rollreibung zu berücksichtigen. Einige typische Werte für die Reibungszahl sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt. Hierbei ist zwischen Haftreibung und Gleitreibung zu unterscheiden. Tabelle II-2 Werte für die Reibungszahl m Stoffpaar
Haftreibung
Gleitreibung
Stahl/Stahl Stahl/Holz Stahl/Eis Holz/Holz Gummi/Asphalt Gummi/Beton Gummi/Eis
0,15 0,5 – 0.6 0,027 0,65 0,9 0,65 0,2
0,12 0,2 – 0,5 0,014 0,2 – 0,4 0,85 0,5 0,15
Bild II-8 Zerlegung von Kräften F1 = F cos g
(II.61)
F2 = F sing
(II.62)
Der Winkel der Resultierenden mit der Kraft F1 errechnet sich zu: ⎛F ⎞ g = arctan ⎜ 2 ⎟ ⎝ F1 ⎠
(II.63)
Schiefe Ebene Befindet sich ein Körper auf einer Schiefen Ebene, so wirkt auf ihn die Schwerkraft in der in Bild II-9 angezeigten Richtung. Diese Schwerkraft kann in
Beispiel: Ein Fahrzeug der Masse m = 1000 kg befindet sich auf
einer Schiefen Ebene mit dem Neigungswinkel a = 10°. Die Reibungszahl sei m = 0.1. Wie groß ist die Beschleunigung des Wagens? Lösung: Normalkraft:
FN = m g cos a = 1000 kg ⋅ 9, 81 m s 2 ⋅ 0 , 984 = 9660 N Reibungskraft: FR = m FN = 0 ,1⋅ 9660 N = 966 N
Hangabtriebskraft: FH = m g sin a = 1000 kg ⋅ 9 , 81 m s 2 ⋅ sin10 = 1703 N Resultierende Kraft: F = FH − FR = 1703 N − 966 N = 737 N
Beschleunigung: a =
F 737 N = = 0 , 737 m s 2 m 1000 kg
II Mechanik
173
Kräfte bei Kreisbewegungen Soll sich eine Masse m auf einer Kreisbahn mit konstanter Winkelgeschwindigkeit bewegen, so bleibt zwar der Betrag der Umfangsgeschwindigkeit konstant, nicht aber die Richtung (siehe Bild II-10). Die Masse m hat sich in der Zeit Δt vom Punkt P1 nach P2 bewegt. Dabei hat sich der Vektor der Geschwindigkeit von v1 nach v2 verändert, der Betrag ist aber geblieben. Da sich die Richtung geändert hat, gilt v2
2
v1 P Δf 2
geographischen Breite untersucht werden. Dabei wird angenommen, daß die Erde eine homogene Kugel sei mit dem Radius rE = 6378 km. Die Fallbeschleunigung ist die Resultierende aus Erdbeschleunigung und Zentrifugalbeschleunigung. Am Pol ist der Abstand von der Drehachse = 0, somit tritt hier keine Zentrifugalbeschleunigung auf, und für die Fallbeschleunigung gilt aF = g. Am Äquator ist die Zentrifugalbeschleunigung maximal, nämlich aZP = w2rE. Da sich die Erde in 24 Stunden einmal um sich selbst dreht, gilt am Äquator:
Δv v2
Δf
2π ⎛ ⎞ 3 a ZP = ⎜ ⎟ ⋅ 6378 ⋅ 10 m ⎝ 24 ⋅ 60 ⋅ 60 s ⎠ v1
a ZP = 0 , 034
P1
m . s2
Fallbeschleunigung a F = g + a ZP
und, da Zentrifugalbeschleunigung und Erdbeschleunigung entgegengesetzt wirken
Bild II-10 Zentripetal-Beschleunigung Δv = v 2 − v 1
(II.67)
a F = ( 9, 81 − 0 , 034 )
Die Geschwindigkeitsänderung läßt sich auch durch die Winkeländerung ausdrücken: Δv = v ⋅ Δj
(II.68)
Δv v ⋅ Δj = = v⋅w Δt Δt
m m = 9,776 2 . s2 s
g
Die Richtung von Dv ist zum Zentrum der Kreisbahn gerichtet, die Geschwindigkeit hat sich daher in Richtung auf das Zentrum geändert, somit muß auch eine Beschleunigung in Richtung auf das Zentrum der Kreisbahn erfolgen a Zp =
(II.73)
ar
r
rE
f f
g g
aZP aZP
(II.69)
und mit (II.40) a Zp = w 2 r a Zp = w 2 r
(II.70) a Zp ms
−2
w2 r s −2 m
(II.71)
Diese Beschleunigung ist die Zentripetalbeschleunigung. Wegen des 2. Newtonschen Axioms wirkt daher eine Kraft, die Zentripetalkraft FZp = mw 2 r
(II.72)
Sie muß aufgewendet werden, um eine Masse m auf einer Kreisbahn zu halten. Die entgegengesetzt gerichtete gleich große Kraft ist die Zentrifugalkraft. Die dazugehörende Beschleunigung heißt Zentrifugalbeschleunigung. Diese Kraft tritt bei allen Rotationsbewegungen auf, dabei ist mit dem Radius r in Gleichung (II.72) der Abstand von der Drehachse gemeint. Als Beispiel soll die Abhängigkeit der Fallbeschleunigung auf der Erdoberfläche von der
Bild II-11 Fallbeschleunigung und geographische Breite Für andere geographische Breiten muß entsprechend Bild II-11 der Abstand von der Drehachse r und die Komponente der Zentrifugalbeschleunigung ar in Richtung auf den Erdmittelpunkt bestimmt werden, denn nur diese Komponente wirkt der Erdbeschleunigung, die ja zum Erdmittelpunkt gerichtet ist, entgegen. Es gelten die folgenden Gleichungen: r = r E ⋅ cos j
(II.74)
j a ZP = w 2 ⋅ r = w 2 ⋅ rE ⋅ cos j
(II.75)
ar =
j a ZP
⋅ cos j
a r = w 2 ⋅ r E ⋅ cos 2 j
(II.76) (II.77)
und damit
a F = g − w 2 ⋅ r E ⋅ cos 2 j
(II.78)
174
Physik
2.3 Impuls Im 2. Newtonschen Axiom wird die zeitliche Änderung der Bewegungsgröße p gleich der resultierenden Kraft gesetzt. Die Bewegungsgröße ist der Impuls. Bei konstanter Kraft F gilt: p = mv
p m v N s kg m s −1
Δ p F= ⇒ Δ p = F ⋅ Δt Δt
(II.79)
(II.80)
Die Kraft ist also gleich der zeitlichen Änderung des Impulses. Die Größe t2
∫ F d t = p 2 − p1 = Δ p
(II.81)
t1
wird als Kraftstoß bezeichnet. Ist die Kraft zeitlich konstant, so vereinfacht sich Gleichung (II.81) zu Δ p = F ⋅ Δt = F ( t 2 − t 1 ) (II.82) Die Impulsänderung Δp , die ja auch ein Vektor ist, hat die Richtung der angreifenden resultierenden Kraft. Beispiel: Eine konstante Kraft von 2 kN wirkt 10 s lang auf ein
ruhendes Fahrzeug der Masse m = 800 kg. Wie groß sind a) der Kraftstoß, b) der Impuls, c) die Geschwindigkeit nach 10 s? Lösung:
Lösung: Gesamtimpuls zu Beginn: p g = ( 200 kg + 80 kg ) ⋅ 2 m / s = 560 Ns
Impulsänderung durch Δ p = F Δt = 300 N ⋅ 0,2 s = 60 Ns
den
Impuls des Bootes nach p B′ = 200 kg ⋅ 2 m / s − 60 Ns = 340 Ns
Sprung: dem
340 Ns = 1,7 m / s 200 kg Impuls des Mannes nach dem pM ′ = 80 kg ⋅ 2 m / s + 60 Ns = 220 Ns
Sprung:
Geschwindigkeit des Bootes: v B′ =
Geschwindigkeit des Mannes: v M ′ =
Sprung:
220 Ns = 2,75 m / s 80 kg
Gesamtimpuls am Ende: p g′ = ( 340 + 220 ) Ns = 560 Ns Die positiven Vorzeichen bei beiden Geschwindigkeiten zeigen an, daß sich sowohl der Mann wie auch das Boot weiter in der ursprünglichen Fahrtrichtung des Bootes bewegen, der Gesamtimpuls hat sich nicht verändert. Da der Impuls ein Vektor ist, muß die Impulserhaltung auch für jede Komponente gelten. Beispiel: Der Mann aus dem voranstehenden Beispiel springt
nicht in Fahrtrichtung, sondern senkrecht zur Fahrtrichtung in positiver y-Richtung vom Boot. Wie groß ist die Geschwindigkeit des Bootes und des Mannes direkt nach dem Sprung? Lösung: Die Geschwindigkeit des Bootes und des Mannes in Fahrtrichtung bleiben unverändert.
Δ p = F ⋅ Δt = 300 N ⋅ 0,2 s = 60 Ns
vB =
−60 Ns m = −0 , 3 200 kg s
vM =
60 Ns m = −0 , 75 80 kg s
Das Boot bewegt sich also in entgegengesetzter Richtung zum Mann.
a) F ⋅ Δt = 2000 N ⋅ 10 s = 20 000 Ns
b) Δ p = p 2 − p 1 = F ⋅ Δt ⇒ p = 20 000 Ns c) v =
Δ p 20 000 Ns m km = = 25 = 90 m 800 kg s h
Impulserhaltungssatz Wirkt nun auf ein System keine äußere resultierende Kraft, so ist entsprechend (II.82) die Änderung des Impulses Dp = 0. Daraus folgt, daß in diesem Fall der Impuls konstant sein muß. Dieses gilt für den Gesamtimpuls des betrachteten Systems. Besteht das System aus mehreren Massen mit Einzelimpulsen pi, so gilt der Impulserhaltungssatz für den Gesamtimpuls p ges = p1 + p 2 + p 3 + ... + p n = const (II.83) Dabei können sich die Einzelimpulse durchaus ändern, wenn nur der Gesamtimpuls konstant bleibt. Eine weitergehende Betrachtung wird im Kapitel Stoßprozesse durchgeführt. Beispiel: Aus einem Boot der Masse 200 kg, welches sich in
ruhendem Wasser (äußere Kräfte = 0) mit einer Geschwindigkeit von 2 m/s bewegt, springt in Fahrtrichtung ein 80 kg schwerer Mann. Dabei stößt er sich 0,2 s lang mit einer Kraft von 300 N ab. Wie groß sind die Geschwindigkeiten des Bootes und des Mannes direkt nach dem Sprung?
2.4 Arbeit, Leistung, Wirkungsgrad und Energie Arbeit Wirkt eine Kraft auf eine Masse m und verschiebt sie dabei die Masse m um den Weg Ds, so hat die Kraft den Zustand des Körpers verändert, es wurde Arbeit verrichtet. Schließt die Kraft einen Winkel a mit der Richtung von Ds ein, so gilt für die Teilarbeit DW auf dieser Wegstrecke: ΔW = F ⋅ Δ s ⋅ cos a
(II.84)
Es wirkt nur die Projektion der Kraft in Richtung des Weges. Die für den gesamten Weg aufzubringende Arbeit ist dann aus der Summe der Teilarbeiten zu berechnen. W = ∑ΔW
(II.85)
Ist die Kraft während des gesamten Vorganges konstant und parallel zum Weg, so folgt aus Gleichung (II.84) und (II.85) für die gesamte Arbeit W = F⋅s
W F s Nm N m
(II.86)
Die Einheit der Arbeit ist 1 Nm, dafür wird die Abkürzung 1 J (Joule) verwendet.
II Mechanik
1 J = 1 Nm = 1
175 kg m 2 s2
Immer dann, wenn eine Masse m gegen eine Kraft F bewegt wird, muß Arbeit verrichtet werden. Wird die Masse in Richtung der Kraft bewegt, wird Arbeit gewonnen. Wird z.B. eine Masse m gegen die Gewichtskraft um eine Höhe Δs = h angehoben, so ist dafür die Hubarbeit Whub = FG ⋅ h = mgh
F
Fr Wspann x
s
Bild II-13 Spannarbeit
Wspann =
1 Fr x 2
(II.91)
Wspann =
1 2 cx 2
(II.92)
Leistung, Wirkungsgrad Die Leistung P gibt an, wieviel Zeit Δt zur Verrichtung einer Arbeit ΔW benötigt wird.
mg W = mgh
m
x
(II.88)
gegen die konstante Gewichtskraft zu verrichten. Die Fläche im F-s-Diagramm ist somit gleich der Arbeit.
h
F
(II.87)
h
s
P=
Bild II-12 Hubarbeit
P ΔW Δ t Nms −1 Nm s
ΔW Δt
(II.93)
Hieraus folgt:
Wird ein Körper beschleunigt, so ist Beschleunigungsarbeit zu verrichten. Nach Gleichung (II.5) gilt, daß für den zusätzlich während der Beschleunigungszeit Δt zurückgelegten Weg Δs gilt: 1 2 Δs = a ( Δ t ) . 2
P=
ΔW F ⋅ Δ s = Δt Δt
(II.94)
P = F⋅v
(II.95)
Die SI-Einheit der Leistung ist das Watt. J Nm 1 W =1 =1 s s
Aus Gleichung (II.3) folgt
(II.96)
Δv a und somit Δt =
2 ( Δv ) v 22 − v12 1 ⎛ Δv ⎞ a⎜ = . ⎟ = ⎝ ⎠ a 2 2a 2a 2
Δs =
Damit gilt mit
a
Wbeschl = m a ⋅ Δ s
Beschleunigungsarbeit Wbeschl =
m2
1 m ( v 22 − v12 ) (II.89) 2
Hierbei ist vorausgesetzt, daß keine weiteren Arbeiten, wie z.B. Reibungsarbeit, zu verrichten sind. Wird ein Körper bei vorhandener Reibungskraft auf horizontalem Weg bewegt, so ist jetzt Reibungsarbeit gegen die Reibungskraft zu verrichten: Reibungsarbeit W R = FR ⋅ ( s 2 − s 1 ) = FN ⋅ m ⋅ g ⋅ ( s 2 − s1 )
m1
Bei allen Maschinen und Antrieben gibt es immer Verluste durch Reibung, Wärme etc. Die von der Maschine geleistete Arbeit ist immer kleiner als die zugeführte Arbeit. Das Verhältnis von abgegebener Arbeit zu zugeführter Arbeit wird Wirkungsgrad h genannt.
(II.90)
Um eine Feder zusammenzudrücken, muß ebenfalls Arbeit gegen die Rückstellkraft der Feder geleistet werden. Wird eine Feder um die Strecke x zusammengedrückt, so ist die Rückstellkraft nicht konstant, sondern gemäß Bild II-13 von der Auslenkung abhängig. Auch hier ist die Spannarbeit gleich der gestrichelten Fläche in Bild II-13. Es gilt
Bild II-14 Antriebsleistung
h=
Wab ≤1 Wzu
(II.97)
Der Wirkungsgrad ist eine dimensionslose Größe. Beispiel: Ein beladener Förderkorb mit der zulässigen Gesamt-
masse m1 = 1000 kg ist über eine Rolle mit dem Gegengewicht m2 = 400 kg verbunden. Der Korb wird zu Beginn mit der Beschleunigung a = 1 ms–2 aufwärts beschleunigt, bis er dann mit
176
Physik
einer konstanten Geschwindigkeit von 5 ms–1 nach oben fährt. Die Reibungskraft FR wird als konstant mit 500 N angenommen. Welche Dauerleistung und welche maximale Leistung muß die Antriebsmaschine bei einem Wirkungsgrad von 0,8 leisten?
Welche Energie geht durch Verformungsarbeit während des Aufpralles verloren? Lösung: Umwandlungsenergie = Differenz der potentiellen Energien.
Lösung: Während der Phase der beschleunigten Bewegung ist die Kraft:
Δ E = m g ( h 0 − h1 )
Fa = m 1 ( g + a ) − m 2 ( g − a ) + FR = 7786 N
Δ E = 0,981 J
Fa v 2 = 48, 67 kW h Während der Phase der gleichförmigen Bewegung gilt: Pa =
2.5 Stoßprozesse
Fv = ( m 1 − m 2 ) g + FR = 6386 N Pv =
Fv v 2 = 39,91 kW h
Energie Wird einem Körper Arbeit zugeführt, so erhöht sich seine Energie E. Energie und Arbeit werden in der gleichen Einheit gemessen (II.87). Δ E = E 2 − E 1 = ΔW
(II.98)
Wird einem Körper Hubarbeit zugeführt, so erhöht sich seine Lageenergie oder auch potentielle Energie Epot. Durch Beschleunigungsarbeit wird die kinetische Energie Ekin erhöht. Es gilt für die potentielle Energie
E pot = m g h
(II.99)
1 m v 2 (II.100) 2 Die unterschiedlichen Energieformen können während des Ablaufes eines Vorganges in andere Energieformen umgewandelt werden. Es gilt jedoch der grundlegende Satz von der Erhaltung der Energie in einem abgeschlossenen System.
und für die kinetische Energie E kin =
Energieerhaltungssatz: In einem abgeschlossenen System ist die Summe aller Energien, die Gesamtenergie, zu jedem Zeitpunkt konstant. Energie kann sich in verschiedene Formen umwandeln und zwischen verschiedenen Teilen des Systems austauschen. E1 + E 2 + E 3 + ... + E n = const
(II.101)
Beispiel: Eine Stahlkugel (m = 1 kg) fällt aus einer Höhe von 2 m
auf eine Stahlplatte. Wie groß ist ihre Geschwindigkeit kurz vor dem Aufprall? Lösung: Energien in Höhe h:
vor dem Aufprall:
Stoßen zwei Körper zusammen, so berühren sie sich kurzzeitig und ändern ihren Bewegungszustand. Je nach Art der Energieübertragung unterteilt man mechanische Stöße in elastische und inelastische Stöße, nach den geometrischen Verhältnissen in gerade und schiefe Stöße, zentrale und exzentrische Stöße. Im Rahmen diese Buches werden nur gerade, zentrale Stöße behandelt. Die Stoßpartner bewegen sich also auf einer Geraden und treffen sich auf der Verbindungslinie ihrer Mittelpunkte. Elastischer Stoß Beim elastischen Stoß ist die Bewegungsenergie E vor dem Stoß gleich der Bewegungsenergie E' nach dem Stoß. (Größen nach dem Stoß werden durch ′ gekennzeichnet.) Weiterhin gilt der Impulserhal tungssatz (II.83) p = p ′.
Energieerhaltung 1 1 1 1 m v 2 + m v 2 = m v ′ 2 + m 2 v 2′ 2 2 1 1 2 2 2 2 1 1 2
Impulserhaltung m 1 v 1 + m 2 v 2 = m 1 v 1′ + m 2 v 2′ Geschwindigkeiten ( m1 − m 2 ) v 1 + 2 m 2 v 2 v1′ = m1 + m 2
mgh = Aufprallgeschwindigkeit
1 mv2 2
1 mv2 2 ve =
2 g h siehe auch (II.10)
ve =
2 ⋅ 9, 81
m m ⋅ 2 m = 6,26 s s2
Beispiel: Eine Stahlkugel (m = 1 kg) fällt aus einer Höhe von 2 m
auf eine Stahlplatte und springt dann bis zu einer Höhe von 1,90 m zurück.
(II.103)
(II.104)
(II.105)
nach dem Stoß
( m 2 − m1 ) v 2 + 2 m1 v 1 v 2′ = m1 + m 2
(II.106)
Beispiel: Eine Kugel der Masse m1 = 2 kg, v1 = 3 m s–1 stößt
elastisch mit einer ruhenden Kugel m2 = 1 kg, v2 = 0 m s–1 zusammen. Wie groß sind die Geschwindigkeiten nach dem Stoß? Lösung:
E pot = m g h , E kin = 0 E pot = 0 , E kin =
(II.102)
v 1′ = v 2′ =
( 2 − 1)
kg ⋅ 3 m s + 2 ⋅ 1 kg ⋅ 0 m s 2 kg + 1 kg
( 1− 2)
kg ⋅ 0 m s + 2 ⋅ 2 kg ⋅ 3 m s 2 kg + 1 kg
=1 m s =4 m s
Haben beide Kugeln gleiche Massen, so ergibt sich: v 1′ = v 2 und v 2′ = v 1.
Inelastischer Stoß Beim inelastischen Stoß wird ein Teil der Bewegungsenergie in andere Energiearten, z.B. Verformungsenergie oder Wärmeenergie ΔE, umgewandelt.
E1 + E 2 + ... + E n = E1′ + E 2′ + ... + E n′ + Δ E (II.107)
II Mechanik
177
Um ΔE berechnen zu können, sind weitere Angaben notwendig. Haben nach dem Stoß beide Körper dieselbe Geschwindigkeit, so liegt ein vollkommen inelastischer oder auch unelastischer Stoß vor. (II.108) v 1′ = v 2′ = v ′ m1 v1 + m 2 v 2 = ( m1 + m 2 ) v ′
(II.109)
m v + m2 v2 v′ = 1 1 m1 + m 2
(II.110)
Beispiel: Ein Auto (m1 = 1000 kg, v 1 = 100 kmh–1) stößt frontal
vollkommen inelastisch mit einem zweiten entgegenkommenden Wagen (m2 = 1500 kg, v 2 = – 120 km h–1) zusammen. Die Dauer des Stoßes sei 0,5 s, beide Fahrer wiegen 100 kg. Das Minus zeichen bei v 2 bedeutet, daß v 2 entgegengesetzt zu v 1 gerichtet ist. a) Wie groß ist die Geschwindigkeit beider Fahrzeuge nach dem Aufprall? b) Welche Kräfte haben beide Fahrer auszuhalten?
Mit dieser Formel wird allerdings nur der Betrag des Drehmomentes berechnet, die Richtung ergibt sich aus der Rechte-Hand-Regel: Der Daumen der rechten Hand wird in die Richtung von r gehalten, der Zeigefinger in Richtung Fs, der Mittelfinger zeigt die Richtung von M an.
Massenmittelpunkt, Schwerpunkt Greifen an einem starren Körper, also einem System von fest miteinander verbundenen Massenpunkten, beliebige äußere Kräfte an, so wird das System eine Translation und eine Rotation durchführen. Das System ist nur dann im statischen Gleichgewicht, wenn die Summe aller äußeren Kräfte und die Summe aller äußeren Drehmomente = 0 ist.
∑ Fa = 0
(II.113)
∑ Ma = 0
(II.114)
Dieses Gleichgewicht stellt sich dann ein, wenn der Körper in einem ganz bestimmten Punkt durch eine Stützkraft FS unterstützt wird. Diese muß entgegengesetzt gleich der Gewichtskraft aller Massenpunkte sein.
Lösung: a) nach (II.110)
1100 kg ⋅ 100 km h −1 − 1600 kg ⋅ 120 km h −1 v′ = 1100 + 1600 kg v ′ = −30,37 km h −1
y
b) nach (II.82)
m2
ys
Δ p 1 100 kg ⋅ ( −30,37 − 100 ) km h −1 F1 = = = −2747 N Δt 0,5 s
m1
m3 S m4
Δ p 2 100 kg ⋅ ( −30,37 + 120 ) km h −1 F2 = = = 1792,6 N Δt 0,5 s
xs
x
Bild II-16 Schwerpunkt
N FS + ∑ m i g = 0
2.6 Rotation
(II.115)
i =1
Drehmoment
Dadurch ist (II.113) erfüllt. Weiterhin muß bezüglich einer beliebigen Drehachse das Gesamtdrehmoment gleich der Summe der Einzeldrehmomente sein.
m
r
Fs
a
N M ges + ∑ M i = 0
F
Bild II-15 Drehmoment
Um einen Körper in Drehbewegung oder Rotation zu versetzen, muß auf diesen Körper eine resultierende Kraft wirken, die in einem Abstand r von der Drehachse angreifen muß. Die Richtung der Kraft darf aber nicht auf der Verbindungslinie vom Zentrum der Drehbewegung zum Angriffspunkt der Kraft liegen. Der Winkel a darf also nicht 0° sein. Ist dies der Fall, so bewirkt nur die Komponente der Kraft Fs senkrecht zur Verbindungslinie Angriffspunkt – Drehachse eine Rotation. Die Größe M = r ⋅ Fs = r ⋅ F ⋅sina
(II.116)
i =1
Aus diesen Gleichungen kann die Koordinate dieses Punktes bestimmt werden. Dieser Punkt ist der Schwerpunkt oder Massenmittelpunkt des starren Körpers. Die Lage hängt von der Massenverteilung ab. Gezeichnet sind vier willkürlich angeordnete Massen und ein noch zu bestimmender Schwerpunkt S. Die Schwerpunkt-Koordinaten berechnen sich bei einer räumlichen Anordnung zu N
xs =
∑ mi x i i =1 N
∑ mi i =1
N
ys =
∑ mi yi i =1 N
∑ mi i =1
N
zs =
∑ mi z i i =1 N
(II.117)
∑ mi i =1
(II.111) Beispiel: Berechnung der Schwerpunktkoordinaten folgender An-
heißt Drehmoment.
M = r⋅F
(II.112)
ordnung: m1 = 200 g, m2 = 300 g, m3 = 100 g. Die Massen sitzen auf den Endpunkten eines gleichseitigen Dreiecks. Die Punktkoordinaten sind: P1 = (20, 20), P2 = (20, 80), P3 = (71,962, 50).
178 y
Physik Bild II-17 Beispiel Schwerpunkt
m2·P2
ys
Lösung:
L1 = 2 ⋅ 0,1 kg ⋅ ( 0,3 m ) ⋅ 2 s 2
S
m3·P3
L1 = 0 , 036
m1 ·P1
kg m s
2
b) Da der Drehimpuls konstant bleibt, gilt:
xs
2 ⋅ m r12 ⋅ w 1 = 2 ⋅ m r22 ⋅ w 2
x
r2 =
mit Lösung:
L 1 = 2 ⋅ m r12 ⋅ w 1
a) Drehimpuls:
xs = ys =
200 g ⋅ 20 + 300 g ⋅ 20 + 100 g ⋅ 71,9652 = 28,66 200 g + 300 g + 100 g
r1 2
folgt: w 2 =
200 g ⋅ 20 + 300 g ⋅ 80 + 100 g ⋅ 50 = 55 200 g + 300 g + 100 g
2 m r12 w1 2 m r12 4
= 4 w1
w 2 = 8 s −1
Dieser Punkt ist eingezeichnet.
Drehimpuls Bei Bewegungen auf einer Kreisbahn kann in Analogie zur Berechnung des Drehmomentes auch das Produkt r ⋅ p, mit dem Impuls p, gebildet werden. Die hier vereinfacht wiedergegebene Ableitung gilt allerdings nur für Kreisbewegungen in einer Ebene. Mit den Gleichungen für Kreisbewegungen gilt: r⋅ p = r⋅m v (II.118) r ⋅ p = r ⋅ mwr (II.119) r ⋅ p = m r 2w
(II.120) 2
Die Größe mr ist das Trägheitsmoment J eines Massenpunktes: J m r2 (II.121) kg m 2 kg m 2
J = mr2
Das Produkt r ⋅ p wird Drehimpuls L genannt.
Drehimpuls L L = r⋅ p
(II.122)
L = Jw L = r⋅ p
(II.123) L r p kg m 2 s −1 m kg m s −1
M=
ΔL Δt
(II.128)
oder auch M = Ja
(II.129)
J ist das bereits oben eingeführte Massenträgheitsmoment einer punktförmigen Masse m im Abstand r von der Drehachse. Sind, wie in der nebenstehenden Abbildung, zwei Massen m1 und m2 in unterschiedlichen Abständen r1 und r2 auf einer massenlosen Stange gelagert, und greift an der Masse m1 die Kraft F an, so werden beide Massen wegen des angreifenden Drehmomentes in Rotation versetzt. Das Gesamtträgheitsmoment beider Massen kann durch folgende Überlegung bestimmt werden. Die Drehmomenten-Gleichung lautet: r1
r2 m2
m1 F
(II.125) m2
m1
(II.126) Bild II-18 Rotation zweier Punktmassen
Wirken keine äußeren Drehmomente, so ist DL = 0 und somit L = const, der Gesamtdrehimpuls bleibt also konstant. L ges = L1 + L 2 + L 3 + ... + L n = const
M = m r 2a
(II.124)
Weiterhin gilt für das Drehmoment Δp M = r⋅F = r⋅ Δt
Trägheitsmoment Wird eine Punktmasse m, die sich auf einer Kreisbahn bewegt, durch die Kraft F beschleunigt, so gilt nach (II.3), (II.47) und (II.112): Δv Δw und mit der WinM = r⋅ma = r⋅m = r ⋅m⋅r Δt Δt kelbeschleunigung a (II.43).
(II.127)
Beispiel: Zwei gleiche Massen, m = 100 g, rotieren im Abstand
r = 30 cm von der Drehachse mit einer Winkelgeschwindigkeit w = 2 s–1. a) Wie groß ist der Drehimpuls? b) Wie ändert sich die Winkelgeschwindigkeit, wenn der Abstand der Massen halbiert wird?
M = r1 ⋅ F = r1 m 1 a1 + r2 m 2 a 2
(II.130)
Da die Winkelbeschleunigung α überall gleich ist, gilt a a (II.131) a= 2 = 1 r2 r1 2
M = r1 m 1a + r22 m 2 a
M=
(
2 r1
)
m 1 + r22 m 2 a
(II.132) (II.133)
II Mechanik
179
M = J ges ⋅ a
1 2 2 mr w 2
(II.134)
E kin =
J ges = r1 m 1 + r22 m 2
(II.135)
und mit dem Trägheitsmoment eines Massenpunktes:
J ges = J 1 + J 2
(II.136)
Rotationsenergie E rot =
(II.137)
Diese Rotationsenergie ist eine weitere mögliche Bewegungsenergie. Somit gibt es zwei kinetische oder Bewegungsenergien: Translations- und Rotationsenergie.
mit 2
Für n einzelne Massenpunkte gilt n
J ges = ∑ J i i =1 n
J ges = ∑ ri2 m i
(II.138)
i =1
Bei homogenen Körpern wird diese Summe zum Integral. Das Trägheitsmoment nicht punktförmiger Massen hängt von der Geometrie des Körpers und von der Lage der Drehachse ab J ges = ∫ r 2 d m = ∫ r 2 r d V
(II.139)
Vol
mit der Dichte m r= (II.140) V In der folgenden Tabelle sind einige Beispiele für unterschiedliche Geometrie gegeben, wobei die Drehachse immer parallel zu einer Symmetrieachse liegt und durch den Schwerpunkt des Körpers führt. Tabelle II-3 Trägheitsmomente spezieller Körper Punktmasse
J = mr
Stab Achse durch Stabende, senkrecht zum Stab
1 J = ml 2 3
Stab Achse durch Stabmitte, senkrecht zum Stab
J=
1 ml 2 12
Vollzylinder Drehachse = Längsachse
J=
1 2 mr 2
dünne Scheibe Drehachse senkrecht zur Scheibe
J=
1 2 mr 2
Hohlzylinder Drehachse = Längsachse
J=
1 m ( ra2 + ri2 ) 2
dünner Ring Drehachse senkrecht zum Ring
J = mr 2
Kugel
J=
E rot =
1 J A w2 2
Rotationsenergie Rotiert ein Körper um eine beliebige Drehachse A, so hat jeder Massenpunkt kinetische Energie nach (II.100). Für einen Massenpunkt gilt mit (II.40) und (II.89):
1 J A w2 2
w2 E rot J 2 J kg m s − 2
(II.142)
(II.143)
Beispiel: Eine Kugel mit dem Radius r = 5 cm rollt ohne Reibung
auf einer schiefen Ebene (Neigungswinkel a = 20°) aus einer Höhe h = 2 m. Wie groß ist ihre Translationsgeschwindigkeit am Ende der schiefen Ebene? Lösung: Energien in Höhe h:
E pot = m g h E kin = 0
am Ende der Ebene:
(II.144)
E pot = 0
1 1 mv 2 + Jw 2 (II.145) 2 2 Aus dem Energieerhaltungssatz folgt, daß die Gesamtenergie in Höhe h gleich der Gesamtenergie am Ende der schiefen Ebene sein muß, daher gilt: E kin =
mgh =
2
2 2 mr 5
(II.141)
1 1 2 v2 mv 2 + ⋅ mr 2 2 2 2 5 r
(II.146)
gh =
v2 v2 7 + = v2 2 5 10
(II.147)
v=
10 gh 7
(II.148)
v=
10 m m ⋅ 9,81 2 ⋅ 2 m = 5,3 7 s s
Die im vorigen Kapitel angegebenen Massenträgheitsmomente beziehen sich auf die Rotation um eine Achse durch den Schwerpunkt. Liegt die Drehachse nicht durch den Schwerpunkt, ist aber das Trägheitsmoment JS bezüglich der Schwerpunktachse bekannt, so läßt sich das Trägheitsmoment JA bezüglich der beliebigen Achse durch folgende Überlegung bestimmen: Eine Rotation um eine beliebige Achse kann ersetzt werden durch eine Rotation um die Schwerpunktachse und eine Translation des Schwerpunktes. Die Kugel in Bild II-19, Seite 180 soll um eine Viertelumdrehung von links nach rechts rollen. Der momentane Drehpunkt ist der Auflagepunkt P. Während dieser Drehung hat sich der Punkt A auf dem Umfang des Kreises bewegt. Das Zentrum des Kreises Z (Schwerpunkt der Kugel) hat sich linear um die Strecke P1 P2 weiterbewegt. Den Endzustand kann man auch erreichen, indem die Kugel zunächst in der Stellung 1 eine Viertelumdrehung macht und dann ohne Drehung um die Strecke P1 P2 nach rechts verschoben wird.
180
Physik A A
Z
Z
P1
P2
Die Erdanziehungskraft an der Oberfläche der Erde auf eine Masse m kann ebenfalls durch (II.157) bestimmt werden. Der Abstand r12 ist in diesem Fall gleich dem Erdradius rE = 6378 km. Die Gewichtskraft auf eine Masse m läßt sich ausdrücken durch: g mE m rE2
Bild II-19 Steinerscher Satz Die Rotationsenergie für die Drehung um P ist: 1 (II.149) E rot = J P w 2 2 In der zweiten Betrachtungsweise gilt: 1 1 E kin = m v S2 + J S w 2 (II.150) 2 2 1 E kin = ( m r 2 + J S ) w 2 (II.151) 2 Somit gilt:
JP = mr 2 + JS
(II.152)
Diese letzte Gleichung ist der Steinersche Satz. Die Drehachse durch P hat von der Drehachse durch den Schwerpunkt den Abstand r. Beispiel: Das vorige Beispiel soll mit Hilfe des Steinerschen
Satzes gelöst werden:
2 JP = mr2 + mr2 5
Lösung:
mgh =
(II.153)
1 7 ⋅ m r 2w2 2 5
(II.154)
1 7 mgh = ⋅ mv2 2 5
(II.155)
10 gh 7
(II.156)
v=
mE =
= mg
(II.159)
g rE2 g
(II.160)
m ⋅ ( 6370 ⋅ 10 3 m) 2 s2 Nm 2 6 , 67 ⋅ 10 −11 kg 2
9, 81 mE =
m E = 5, 97 ⋅ 10 24 kg
(II.162)
Auch die Bewegung der Planeten läßt sich durch (II.157) deuten. Sie ist von Johannes Kepler in den drei Keplerschen Gesetzen beschrieben. 1. Die Planeten bewegen sich auf Ellipsen, in deren gemeinsamen Brennpunkt die Sonne steht. 2. Jeder Strahl von der Sonne zu einem Planeten überstreicht in gleichen Zeiten gleiche Flächen. 3. Die Quadrate der Umlaufzeiten der Planeten verhalten sich wie die dritten Potenzen der großen Halbachsen ihrer Bahnen um die Sonne.
3 Elastische Verformung fester Körper ΔF
ΔFn
ΔFt
ΔΑ
2.7 Gravitation Zwischen zwei Massen m1 und m2 besteht immer eine Anziehungskraft, die Gravitationskraft FG. Die Richtung dieser Kraft liegt in der Verbindungslinie beider Massen, für den Betrag gilt: F12 r12
m2
m1
FG =
g m1 m 2 r122
(II.157)
g = 6,672 59 ⋅ 10 −11
ΔF ΔA
(II.158)
Der Abstand r12 ist bei einer räumlichen kugelförmigen Ausdehnung der Massen der Abstand der beiden Kugelzentren.
(II.163)
Dabei wird die zur Fläche ΔA senkrechte Komponente von S die Normalspannung s und die zur Fläche parallele Komponente Schubspannung t genannt.
2
Nm kg 2
S ΔF ΔA Nm − 2 N m 2
Normalspannung s =
mit der Gravitationskonstanten
Bild II-21 Spannung
Elastische Verformungen sind reversible Vorgänge unter dem Einfluß einer äußeren Kraft, nach Beendigung der Einwirkung geht die Verformung vollständig zurück. Entscheidend für die Größe der Verformung ist, abgesehen von den Materialeigenschaften des untersuchten Festkörpers, die Spannung. Diese ist definiert: Spannung S =
Bild II-20 Gravitationsgesetz
(II.161)
Schubspannung t =
Δ Fn ΔA
Δ Ft ΔA
(II.164) (II.165)
Unter Einwirkung einer Normalspannung wird sich ein Körper dehnen. Die Dehnung e ist die relative Längenänderung bezogen auf die Ausgangslänge l0.
II Mechanik
Dehnung e =
181 Δl l1 − l 0 = l0 l0
(II.166)
Zwischen Normalspannung und Dehnung gilt im Bereich elastischer Verformung das Hooksche Gesetz s = e⋅ E
(II.167)
E ist eine materialabhängige Größe und heißt: Elastizitätsmodul. E=
s e
E e s Nm − 2 1 Nm − 2
(II.168)
In der Technik ist für den Elastizitätsmodul E die Einheit N/mm2 geläufig. Unter dem Einfluß einer Spannung verändert sich normalerweise auch das Volumen eines Körpers. Es gilt für einen Stab der Dicke d unter einseitiger Belastung: ΔV = e ⋅ (1 − 2 m ) V
(II.169)
mit der Poissonzahl Δd d m=− 0 e
(II.170)
Nur wenn m = 0,5 ist, bleibt das Volumen unverändert.
4 Mechanik der ruhenden Flüssigkeiten und Gase Im Gegensatz zu Festkörpern, bei denen die Atome auf festen Plätzen sitzen, können in Flüssigkeiten und Gasen die Atome bzw. Moleküle leicht gegeneinander verschoben werden. Die Atomabstände in Flüssigkeiten und Festkörpern sind ähnlich, in Gasen wesentlich größer. Festkörper und Flüssigkeiten haben ähnliche Dichten, Gase eine viel geringere Dichte. Für die Dichte r gilt: m r= V
r m V kg m − 3 kg m 3
(II.171)
Wird nun an einer Stelle der Flüssigkeit oder des Gases auf die Oberfläche eine Kraft ausgeübt, so überträgt sich diese auf das ganze Volumen. Das Verhältnis Kraft zu Fläche wird Druck p genannt. Wegen der leichten Verschiebbarkeit der Moleküle ist der Druck überall gleich groß und wirkt senkrecht auf die Oberfläche. ΔF ΔA
1 bar = 10 5 Pa
(II.174)
4.2 Kompressibilität Flüssigkeiten und Gase werden durch äußeren Druck komprimiert, ihr Volumen nimmt ab. V = Va ( 1 − c Δ p)
(II.175)
χ ist die Kompressibilität c=−
1 ΔV ⋅ Va Δ p
(II.176)
Da sich das Volumen verkleinert, muß sich die Dichte vergrößern. r=
ra
(II.177)
(1 − c Δ p )
ra und Va sind die dabei jeweiligen Anfangswerte. Da c von Flüssigkeiten sehr viel kleiner ist als bei Gasen, werden Flüssigkeiten oft als inkompressibel betrachtet. Technische Anwendung: hydraulische Presse.
4.3 Volumenausdehnung Durch Temperaturerhöhung wird normalerweise das Volumen vergrößert. (Ausnahme: Anomalie des Wassers zwischen 0 °C und 4 °C, Wasser hat bei 4 °C sein kleinstes Volumen und damit seine größte Dichte) V = V0 (1 + g ΔJ )
(II.178)
g ist der Volumenausdehnungskoeffizient oder kubische Ausdehnungskoeffizient, V0 ist das Volumen bei 0 °C, ΔJ wird dann ebenfalls auf 0 °C bezogen. Die Dichte wird bei Temperaturerhöhung kleiner (Ausnahme s.o.) r=
r0 1 + g ΔJ
(II.179)
4.4 Hydrostatischer Druck in Flüssigkeiten
4.1 Druck
p=
Eine weiter außerhalb des SI-Systems, aber nach DIN 1301 zulässige Bezeichnung ist
p ΔF ΔA Nm − 2 N m − 2
Die Einheit ist 1 Pascal: 1 Pa = 1
N m2
(II.172)
Auf jedes Flüssigkeitsmolekül wirkt die Schwerkraft. Auf den Boden eines mit Flüssigkeit gefüllten Gefäßes wirkt dann die Gewichtskraft aller in der Flüssigkeit befindlichen Moleküle unter der Annahme, daß sich die Dichte nicht ändert: FG = m g = r V g FG = r Ah g
FG = rg h (II.181) A Dieser durch die Schwerkraft verursachte Druck wird Schweredruck genannt. Herrscht über der Flüssigkeit
Damit wird der Druck
(II.173)
(II.180)
p=
182
Physik
noch ein weiterer äußerer Druck pa, z.B. der Luftdruck, so ist der Gesamtdruck am Boden ph = pa + rg h
(II.182)
Dieser Gesamtdruck ist der hydrostatische Druck. Er ist neben dem äußeren Druck nur von der Höhe der Flüssigkeitssäule über dem Boden abhängig, nicht aber von der gesamten Masse der Flüssigkeitssäule. Er ist damit unabhängig von der Form des Gefäßes und wirkt auch auf alle Seitenwände.
4.5 Schweredruck in Gasen Der Schweredruck von Gasen errechnet sich ebenfalls durch die Gewichtskraft der über einer Fläche stehenden Gassäule. Im Gegensatz zu Flüssigkeiten ändert sich die Dichte in der Gassäule merklich. Wendet man diese Überlegung auf den Luftdruck an, so läßt sich der Luftdruck in einer bestimmten Höhe über der Erdoberfläche berechnen durch barometrische Höhenformel p = p 0 ⋅ e
−
r0 g h p0
(II.183)
Nach DIN 5450 gilt: Für eine Lufttemperatur von kg 0 °C ist p 0 = 1, 013 25 ⋅ 10 5 Pa und r0 = 1, 293 3 . m Bei der Ableitung von (II.183) ist vorausgesetzt, daß die Temperatur konstant bleibt. Beispiel: In welcher Höhe ist der Luftdruck auf die Hälfte des
Wertes an der Erdoberfläche gesunken? Lösung:
ln
r gh p = ln 0 , 5 = − 0 p0 p0
h=−
p0 r0 g
ln 0 , 5 = 5537 m
F1 h1 h
F3
F4
h2
FA = A ( p 2 − p1 ) = rFl gA ( h 2 − h1 )
FA = g rFl VFl = gm Fl
(II.185)
Die Auftriebskraft ist gleich der Gewichtskraft der verdrängten Flüssigkeit. Sie ist nach oben gerichtet. Der gleiche Sachverhalt gilt auch in Gasen, nur sind dort wegen der geringeren Dichten der Gase auch die Auftriebskräfte wesentlich kleiner.
5 Hydrodynamik In der Hydrodynamik wird das Verhalten von strömenden Flüssigkeiten unter dem Einfluß äußerer Kräfte untersucht.
5.1 Kontinuitätsgleichung Der Massenstrom m gibt an, welche Masse einer Flüssigkeit pro Zeiteinheit durch einen Querschnitt A strömt. Massenstrom m r v A m = r v A (II.186) kg s −1 kg m − 3 m s −1 m 2 Wenn in der betrachteten Flüssigkeit keine Quellen oder Senken vorhanden sind, ist der Massenstrom konstant. r1 v 1 A1 = r2 v 2 A 2 = const
(II.187)
Ist die Flüssigkeit inkompressibel, so ist ihre Dichte r konstant, und es gilt m V = = v A = const r mit dem Volumenstrom V Volumenstrom V A v V = Av m 3 s −1 m 2 m s −1
(II.188)
(II.189)
Gleichung (II.187) oder (II.188) ist die Kontinuitätsgleichung.
FA
5.2 Bernoulli-Gleichung
F2
Bild II-22 Auftrieb
Muß gegen einen Druck p ein Flüssigkeitsvolumen ΔV am Ort 1 in eine Strömung gebracht werden, so ist hierfür die Arbeit
4.6 Auftrieb
W1 = F1 ⋅ Δ s = p1 A1 Δ s = p1 ΔV1
Auf einen Körper wirkt von allen Seiten der hydrostatische Druck nach (II.182). Da der Druck in größeren Tiefen zunimmt, entsteht dadurch eine resultierende Kraft nach oben, die Auftriebskraft FA . FA = ∑ F = F1 + F2 + F3 + F4 (II.184)
aufzubringen. Tritt diese Flüssigkeit am Ort 2 wieder aus, so wird die Arbeit
Da sich die Seitenkräfte paarweise aufheben, verbleibt FA = F1 + F2
ΔW = ( p 2 − p1 ) ΔV
(II.190)
W2 = p 2 ΔV2
frei. Da die Flüssigkeiten inkompressibel sein sollen, gilt ΔV1 = ΔV2 = ΔV. Für die Differenz der Arbeiten gilt somit: (II.191)
Bei einer strömenden Flüssigkeit haben die Teilvolumina auch kinetische Energie, befinden sie sich auf
III Thermodynamik
183
unterschiedlicher Höhe über der Erdoberfläche, so kommt noch potentielle Energie hinzu. Der Energieerhaltungssatz gilt dann in der Form: 1 1 p1 ΔV + m v12 + m g h1 = p 2 ΔV + m v 22 + m g h 2 2 2 (II.192) oder mit m = r ⋅ ΔV 1 1 (II.193) p1 + r v 12 + r g h1 = p 2 + r v 22 + r g h 2 2 2 oder allgemein 1 (II.194) p ges = p + r v 2 + r g h = const 2 Gleichung (II.194) ist die Bernoulli-Gleichung inkompressibler Flüssigkeiten ohne Reibungsverluste. Der Gesamtdruck setzt sich aus dem Betriebsdruck p, 1 dem Staudruck oder dynamischen Druck rv 2 und 2 dem Schweredruck rg h zusammen und ist konstant.
Treten Reibungsverluste auf, wird (II.193) in der Form 1 1 p1 + r v12 + r g h1 = p 2 + r v 22 + r g h 2 + p V 2 2
(II.195)
geschrieben, mit dem Druckverlust pV, der in der Praxis durch eine Verlusthöhe hV =
pV rg
(II.196)
angegeben wird.
5.3 Innere Reibung 2 1 v Δv
Bild II-23 Innere Reibung
Δx
Zwischen den Molekülen einer Flüssigkeit treten Anziehungskräfte auf. Der Einfluß dieser Kräfte auf die Strömung wird innere Reibung genannt. Um eine bewegliche Platte 1 der Fläche A mit konstanter Geschwindigkeit v parallel zu einer festen Wand 2 zu verschieben, ist eine Kraft FR notwendig. In der Flüssigkeit wird sich im Idealfall ein lineares Geschwindigkeitsgefälle Dv/Dx einstellen. Die kennzeichnende Größe dieser Reibung ist die Viskosität, die durch (II.198) definiert ist. FR = h A
Reibungskraft
Δv Δx
(II.197)
mit der dynamischen Viskosität: h=
FR ⋅ Δ x A ⋅ Δv
h FR Δ x A Δ v Ns/m 2 N m m 2 m s −1
(II.198)
III Thermodynamik 1 Grundbegriffe Die Thermodynamik beschreibt das Verhalten auch komplizierter Vielteilchensysteme mit Hilfe einiger wenigen Größen, den Zustandsgrößen. Alle beteiligten Teilchen werden zu einem thermodynamischen System zusammengefaßt. Dieses wird als abgeschlossenes System bezeichnet, wenn weder Energie noch Masse mit der Umgebung ausgetauscht werden. Die Zustandsgrößen werden bei der mathematischen Behandlung des thermodynamischen Systems verwendet. Meßbare Zustandsgrößen sind Druck (siehe Kapitel II, 4.1), Temperatur und Volumen, davon abgeleitet sind z.B. die Entropie und die Innere Energie. Als Bezugsmenge wird oft das Mol (siehe Tabelle I-1) benutzt, in diesem Fall spricht man von molaren Größen.
peratur haben. Im thermodynamischen Gleichgewicht haben alle Stoffe gleiche Temperatur.
2.1 Einheiten Es gibt im praktischen Gebrauch verschiedene Temperaturskalen. Diese werden durch Fixpunkte festgelegt. Dies sind Temperaturen, bei denen ein wohldefinierter physikalischer Vorgang abläuft. Fixpunkte können Gefrierpunkt und Siedepunkt des Wassers sein. Die Temperatureinheiten zwischen den Fixpunkten sind dann willkürlich festgelegt. Im europäischen Raum ist die Celsius-Skala (J), der Abstand zwischen Gefrier- und Siedepunkt des Wassers ist in 100 Teile unterteilt, im angloamerikanischen Raum die Fahrenheit-Skala (JF) gebräuchlich. Die SI-Skala ist die Kelvin-Skala (T).
2 Temperatur Die Temperatur ist ein Maß für die fühlbare Wärme eines Materials. Beim Kontakt zweier Körper mit verschiedenen Temperaturen kann man beobachten, daß sich die Temperaturen ausgleichen, und daß nach einer bestimmten Zeit beide Körper die gleiche Tem-
Skala
Gefrierpunkt
Siedepunkt
Celsius Fahrenheit Kelvin
0 °C 32 °F 273,15 K
100 °C 212 °F 373,15 K
184
Physik
Eine Temperaturerhöhung von ΔJ = 1 °C entspricht auch einer Erhöhung von ΔT = 1 K. Die Umrechnungsformel lautet: T J K °C
T = ( J + 273,15 ) K
(III.1)
Sollen Werte der Celsius-Skala in Fahrenheit umgerechnet werden, so gilt die Beziehung J=
Betrachtet wird ein Stab der Länge l1 bei der Temperatur T1. Wird dieser Stab auf die Temperatur T2 erwärmt, so dehnt er sich um die Strecke Dl = l2 – l1 aus. Für die meisten Festkörper gilt: l 2 = l1 ⋅ ( 1 + a l ( T2 − T1 ) )
(III.3)
oder
J JF °C °F
5 ( dF − 32 ) ° C 9
3.1 Feste Stoffe
(III.2)
Beispiel: Ein Körper hat eine Temperatur von 300 K. Welche
Celsius- und Fahrenheit-Werte ergeben dies? Lösung:
J = T − 273,15 K = 300 K − 273,15 K = 26,85 C
9 9 J F = ⎛⎜ J + 32 ⎞⎟ F = ⎛⎜ ⋅ 26,85 + 32 ⎞⎟ F = 80,33 F ⎝5 ⎠ ⎝5 ⎠
2.2 Temperaturmessung Die Temperaturmessung ist eine indirekte Messung, es werden physikalische Größen gemessen, die temperaturabhängig sind. Aus der gemessenen Größe wird dann die gesuchte Temperatur berechnet. Zu diesen temperaturabhängigen Effekten gehören z.B.: Ausdehnung fester, flüssiger und gasförmiger Körper, Änderung des elektrischen Widerstandes von Metallen und Halbleitern, Thermospannung und Thermoelemente, optische Strahlung.
Δl = a l ⋅ ΔT l
(III.4)
Die Größe a1 heißt linearer Ausdehnungskoeffizient oder Längenausdehnungskoeffizient. Diese Größe ist materialabhängig und kann in bestimmten Temperaturgrenzen als konstant betrachtet werden. Einige typische Zahlenwerte sind in Tabelle III-1 dargestellt. Bei Temperaturerhöhung findet nicht nur eine Verlängerung, sondern auch eine Volumenvergrößerung statt. Für den Volumenausdehnungskoeffizienten av gilt: Tabelle III-1 Linearer Ausdehnungskoeffizient Material
al · 106 in K–1
Aluminium Messing Kupfer V2A-Stahl Glas
23,8 19 16,4 16 9
3 Thermische Ausdehnung a v = 3a l
W
(III.5)
und für die Volumenänderung: ΔV = a v ⋅ ΔT V r1 r2 0
r T2 T1
Bild III-1 Thermische Ausdehnung
Fast alle Stoffe dehnen sich bei Erwärmung aus. Wenn ein Stoff erwärmt wird, so führen die Atome bzw. Moleküle Schwingungen mit größerer Amplitude aus, die Schwingungsmittelpunkte zweier benachbarter Atome rücken auseinander, makroskopisch hat dies eine Ausdehnung des Körpers zur Folge. Aufgetragen ist die potentielle Energie zwischen zwei Atomen als Funktion des Abstandes. Ein Atom ist am Ort r = 0, das andere Atom hat hiervon den Abstand r. Bei der Temperatur T1 ist der mittlere Abstand zwischen beiden Atomen gleich r1, bei der Temperatur T2 > T1 ist dieser Abstand r2. Um die Strecke Dr = r2 – r1 hat sich der mittlere Abstand also vergrößert.
(III.6)
Da die Masse unverändert bleibt, muß sich bei Volumenvergrößerung die Dichte verkleinern. r2 =
r1 1 + a v ΔT
(III.7)
3.2 Flüssigkeiten Bei Flüssigkeiten kann eine Ausdehnung nur in allen Richtungen erfolgen, daher ist hier nur der Volumenausdehnungskoeffizienten av sinnvoll. Im allgemeinen gilt auch hier, daß sich bei Temperaturerhöhung das Volumen vergrößert und somit die Dichte verkleinert. Eine Ausnahme bildet das Wasser, dessen Dichte bei Erwärmung ab 0 °C zunächst zunimmt und bei 4 °C seinen größten Wert hat. Anschließend nimmt die Dichte ab (Anomalie des Wassers). Aufgrund dieses Effektes frieren Seen im Winter von oben her zu, und das Wasser bleibt am Boden flüssig. Einige typische Zahlenwerte sind in Tabelle III-2 angegeben.
III Thermodynamik
185
Tabelle III-2 Volumen-Ausdehnungskoeffizient bei 20 °C
Bei konstanter Temperatur folgt aus (III.10) und (III.12) das Gesetz von Boyle-Mariotte
Material
av · 103/K–1
p V = const T = const
Wasser Quecksilber Dieselkraftstoff
0,208 0,182 1,0
4 Ideale Gase
(III.13)
4.1 Allgemeine Zustandsgleichung idealer Gase
3.3 Gase Bei den tatsächlich vorhandenen realen Gasen haben die Moleküle ein Eigenvolumen und üben untereinander Anziehungskräfte aus. Der Einfluß dieser Größen ist schwer zu erfassen, deshalb geht man zunächst von einer Vereinfachung oder auch Idealisierung aus. Unter solchen idealen Gasen versteht man solche Gase, bei denen gilt: Die Gasmoleküle besitzen kein Eigenvolumen. Anziehungskräfte zwischen den Gasmolekülen sind nicht vorhanden. Es finden nur elastische Stöße statt.
Die Gleichungen (III.10), (III.12) und (III.13) lassen sich zu einer einzigen Gleichung zusammenfassen, sofern die Stoffmenge des betrachteten Gases in der Einheit mol angegeben wird. Für eine Stoffmenge von n Mol kann man diese Gleichungen in der Form p V p 0 V0 = n T T0
(III.14)
zusammenfassen, wobei die Größen, die mit 0 indiziert sind, die Normgrößen eines idealen Gases bei der Temperatur 0 °C sind: p 0 = 101 325 Pa
V0 = 22 , 413 83 dm 3 /mol
Solche Gase können z.B. nicht verflüssigt werden. Für diese idealen Gase gilt bei Erwärmung unter konstantem Druck folgendes Gesetz, welches von Gay-Lussac zu Beginn des 19. Jahrhunderts durch Experimente festgestellt wurde: Vv = V0 ( 1 + a v J ) p = const
(III.8)
Hierbei ist J die Temperatur in °C und V0 das betrachtete Gasvolumen bei J = 0 °C. Gleichung (III.8) ergibt eine Gerade, deren Schnittpunkt mit der Temperaturachse bei – 273,15 °C (= 0 K) liegt. Daraus folgt für den Ausdehnungskoeffizienten idealer Gase: 1 av = = 0 , 003 661 K −1 273,15 K
(III.9)
Aus (III.8) folgt weiter:
V = const p = const T
(III.10)
(III.11)
und analog zu (III.10): p = const V = const T
p 0 V0 T0
R=
(III.16)
folgt pV = n RT
(III.17)
Die Größe R ist die universelle Gaskonstante und hat den Zahlenwert: R=
101 325 Pa ⋅ 22 , 413 83 dm 3 J = 8, 314 41 273,15 K ⋅ mol mol K (III.18)
N A = 6 , 022 045 ⋅ 10 23 mol −1 ,
V0 T0
Wird das Volumen jedoch konstant gehalten und die Temperatur erhöht, so steigt auch der Druck des Gases. Hierfür gilt: p J = p 0 ( 1 + a v J ) V = const
mit der Abkürzung
Da in einem Mol eines Gases stets die gleiche Anzahl von Molekülen vorhanden ist, nämlich die Avogadro-Konstante
1 VT = V0 ⎛⎜ 1 + ( T − 273,15 ) ⎞⎟⎠ ⎝ 273,15
Mit T0 = 273,15 K ergibt dies VT = T
(III.15)
T0 = 273,15 K
(III.12)
(III.19)
kann die universelle Gaskonstante R auch durch molekulare Größen bestimmt werden: R = k⋅NA
(III.20)
mit der Boltzmann-Konstante k = 1, 380 66 ⋅ 10 − 23
J K
(III.21)
Wird die Menge des zu betrachtenden Gases nicht in der Einheit mol, sondern in kg angegeben, so muß für jede Gassorte eine spezielle Gaskonstante Rs angegeben werden. Zur Umrechnung muß die Dichte r0 des
186
Physik
Gases bei 0 °C und die betrachtete Gasmasse m in kg bekannt sein. Es gilt: p (III.22) Rs = 0 r 0 T0 und p V = m Rs T
(III.23)
4.2 Kinetische Gastheorie Die makroskopischen Zustandsgrößen p und T eines Gases hängen mit der Teilchenbewegung, den Stößen der Moleküle mit der Wand und der kinetischen Energie der Moleküle zusammen. Die Moleküle und ihre Bewegung werden durch ihre Masse mM, die Dichte r und ihre mittlere Geschwindigkeit vm definiert. Die Zusammenhänge zwischen diesen Größen werden in der kinetischen Gastheorie abgeleitet. Die Geschwindigkeitsverteilung wird durch die Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung beschrieben. Diese Verteilungsfunktion gibt die Wahrscheinlichkeit dafür an, daß eine Geschwindigkeit im Intervall zwischen v und v + Δv liegt. 3
⎛ mM ⎞ 2 − f ( v ) ⋅ Δv = 4 π v 2 ⎜ ⎟ ⋅e ⎝ 2π k T ⎠
In Bild III-2 T 2 = 3 ⋅ T 1.
mit
f (v)
mM v2 2k T
⋅ Δv
willkürlichen
(III.24)
Einheiten
ist
Bild III-2 Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung
T1
oder E kin =
Die Temperatur eines Gases hängt nach (III.30) mit der Bewegungsenergie der Moleküle zusammen. Erhöht man diese Energie z.B. durch Zuführung von Wärmeenergie ΔQ, so muß sich die Temperatur um ΔT erhöhen, solange keine Phasenänderungen ablaufen. ΔQ C ΔT ΔQ = C ⋅ ΔT (III.31) J J/K K Der Faktor C ist die Wärmekapazität. C=
C m C molare Wärmekapazität C m = n
spezifische Wärmekapazität c =
v2 =
3k T mM
(III.25)
1 N ⋅ mM v2 3 V
(III.27)
oder 1 2 rv 3 und für die mittlere kinetische Energie: p=
E kin =
1 mM v2 2
(III.28)
(III.34)
F
Bild III-3 Volumenarbeit
Wird einem System von außen Wärmeenergie ΔQ zugeführt, so wird nicht die gesamte Energie zur Erhöhung der Temperatur aufgebraucht, ein Teil kann in der Regel in Arbeit ΔW umgewandelt und nach außen abgegeben werden. Wird die abgegebene Arbeit negativ gezählt, so gilt ΔQ = ΔU − ΔW
(III.26)
(III.33)
Die spezifische Wärmekapazität von Wasser beträgt kJ . z.B. 4 ,182 kg K
ds
Für den Druck gilt: p=
(III.32)
Je nach Bezugsmenge wird die spezifische (bezogen auf 1 kg) oder molare (bezogen auf 1 Mol) Wärmekapazität benutzt.
v
3 vw 2 vm ist von der Temperatur T abhängig
vM =
ΔQ ΔT
p,V
Die Verteilungskurve hat das Maximum bei der wahrscheinlichsten Geschwindigkeit vw, die mittlere Geschwindigkeit vm liegt bei vm =
(III.30)
4.3 Wärmeenergie
T2
0
3 kT 2
(III.35)
Die Größe ΔU ist die innere Energie des Systems und wird durch die innere Bewegung der Teilchen bestimmt. Im folgenden soll als abgegebene Arbeit nur mechanische Arbeit betrachtet werden, die durch Volumenänderung, d.h. Bewegung eines Kolbens, verrichtet werden kann. Dehnt sich ein Gas aus und bewegt dabei einen Kolben um die Strecke Δs, so wird dabei die Arbeit ΔW verrichtet. ΔW = − F ⋅ Δ s = −
F ⋅ A⋅ Δs A
(III.36)
oder
(III.29)
ΔW = − p ⋅ ΔV
(III.37)
III Thermodynamik
187
4.4 Zustandsänderungen idealer Gase Bei der Diskussion von Zustandsänderungen wird eine Zustandsgröße konstant gehalten und dann die Variation der anderen untersucht. Hier sollen nur die Zustandsgrößen T, V und p und deren Variation in den folgenden Prozessen untersucht werden. Die betrachtete Stoffmenge ist 1 Mol. Die Ausgangsgleichung ist das allgemeine Gasgesetz (III.17). Isotherme Zustandsänderungen Isotherme Zustandsänderungen sind solche bei konstanter Temperatur T. Gleichung (III.17) wird dann zu pV = const
(III.38)
Zur grafischen Darstellung wird das p-V-Diagramm benutzt. In dieser Darstellung sind die Isotherme idealer Gase Hyperbeln. Dargestellt sind zwei Isotherme T2 und T1, mit T2 > T1. Ändert ein Gas seinen Zustand von 1 nach 2, so folgt für die Volumenarbeit durch Integration von (III.37) W12 = − R T ln
V2 V1
(III.39)
Isochore Zustandsänderungen
isotherme Änderung T2 isochore Änderung T1
W12 V2
V
Bild III-4 p-V-Diagramm Bei isochoren Zustandsänderungen wird das Volumen konstant gehalten. Diese Änderung wird im p-VDiagramm durch eine senkrechte Strecke zwischen Ausgangs- und Endpunkt dargestellt (gestrichelte Linie in Bild III-4). Bei einer isochoren Änderung muß dem System Wärme zugeführt werden, da sich die Temperatur erhöht. Wegen des konstanten Volumens wird keine Volumenarbeit abgegeben. W12 = 0
(III.41)
und somit ΔU = C mv ΔT
(III.42)
Isobare Zustandsänderungen Bei isobaren Zustandsänderungen wird der Druck konstant gehalten. Diese Änderung wird im p-VDiagramm durch eine waagerechte Strecke zwischen Ausgangs- und Endpunkt dargestellt (Bild III-4). Bei einer isobaren Änderung muß dem System Wärme zugeführt werden, da sich die Temperatur erhöht und außerdem Volumenarbeit, deren Größe dem schraffierten Rechteck entspricht, abgegeben wird. W12 = − p ⋅ ( V2 − V1 )
(III.43)
Da die Volumenarbeit ≠ 0 ist, wird die Temperaturerhöhung bei zugeführter Wärmeenergie anders sein als bei isochoren Prozessen. Auch hier werde 1 Mol betrachtet: ΔQ = C mp ΔT
(III.44)
ΔQ = C mv ΔT + p ΔV
(III.45)
p ΔV = R Δ T
(III.46)
C mp ΔT = C mv ΔT + R ΔT
(III.47)
C mp − C mv = R
(III.48)
Isentrope Zustandsänderung Isentrope oder auch adiabatische Zustandsänderungen laufen ohne Wärmeaustausch mit der Umgebung ab. Für diese Zustandsänderungen gelten die Poissonschen Gleichungen:
isobare Änderung
V1
ΔQ = C mv ΔT
mit (III.35) und (III.37) gilt:
Ist V2 Ɑ V1, expandiert das Gas also, so ist W12 negativ und wird vom Gas geleistet. Anschaulich entspricht die Volumenarbeit der schraffierten Fläche im p-V-Diagramm.
p
ßerung der inneren Energie ΔU und somit zur Temperaturerhöhung zur Verfügung. Für 1 Mol gilt:
(III.40)
Führt man von außen Wärmeenergie zu, wird nach Gleichung (III.35) die Temperatur erhöht, und die gesamte zugeführte Wärmeenergie steht zur Vergrö-
pV c = const
(III.49)
T V c−1 = const
(III.50)
Tc = const p c−1
(III.51)
Tabelle III-3 Isentropenexponenten Gas
c
Helium Argon Wasserstoff Sauerstoff Luft Kohlendioxid Methan Ammoniak
1,67 1,67 1,41 1,40 1,40 1,30 1,32 1,31
188
Physik
Die Größe c heißt Isentropenexponent, hängt von der Gasart ab, und ist immer >1
c=
C mp
(III.52)
C mv
In der Tabelle III-3 ist für einige Gase der Isentropenexponent aufgeführt. Im p-V-Diagramm verlaufen Isentrope steiler als Isotherme und schneiden daher die Isotherme (siehe Bild III-5).
4.5 Kreisprozesse Unter Kreisprozessen wird eine Abfolge von Zustandsänderungen verstanden, die nach beliebigen Zwischenzuständen wieder zum Ausgangszustand zurückkehrt. Als Beispiel soll hier der Carnot-Prozeß vorgestellt werden.
Die Nutzarbeit des Kreisprozesses für einen Umlauf entspricht der im p-V-Diagramm eingeschlossenen Fläche. Um unterschiedliche Kreisprozesse vergleichen zu können, wird der thermische Wirkungsgrad h verwendet. Dieser ist definiert durch h=
W Q zu
(III.53)
Für den Carnot-Prozeß gilt: hC =
T2 − T1 T2
(III.54)
Es läßt sich zeigen, daß der Carnot-Prozeß den theoretisch höchsten thermischen Wirkungsgrad aller denkbaren Kreisprozesse besitzt. Er ist immer kleiner als 1 und nur abhängig von den Temperaturen T2 und T1. Beispiel: Welchen Wirkungsgrad besitzt eine Maschine, die einen
Carnot-Prozeß zwischen den Temperaturen 100 °C und 0 °C durchführt? Lösung:
p3·V3 Isentrope T2
p4·V4 Isotherme
p2·V2
Bild III-5 Carnot-Prozeß
p1·V1 T1
Carnotscher Kreisprozeß Beim Carnot-Prozeß wird Wärme in mechanische Arbeit umgewandelt. Der Beginn sei im Punkt 1 auf der Isothermen T1 bei V1 und p1. Es werden nacheinander die folgenden Schritte durchgeführt: 1. Schritt isotherme Kompression auf p2, V2 2. Schritt isentrope Kompression auf T2, p3, V3 3. Schritt isotherme Expansion auf p4, V4 4. Schritt isentrope Expansion auf T1, p1, V1, also zum Ausgangspunkt. Bei den einzelnen Schritten werden in unterschiedlicher Weise Wärme zu- oder abgeführt und Arbeit geleistet oder ins System gesteckt. Hier soll nur die gesamte Bilanz angegeben werden:
obere Temperatur
T2 = ( 100 + 273,15 ) K = 373,15 K
untere Temperatur
T1 = ( 0 + 273,15 ) K = 273,15 K
Wirkungsgrad
h=
373,15 − 273,15 ⋅ 100% = 26 , 8% 373,15
5 Wärmeübertragung Wärme kann grundsätzlich nur vom System höherer Temperatur zum System mit niedrigerer Temperatur übertragen werden. Wärme kann durch Wärmeleitung, Wärmeströmung oder Wärmestrahlung transportiert werden.
5.1 Wärmeleitung Wärmeleitung findet durch Energieübertragung ohne Materietransport statt. Damit dieser Energietransport geschehen kann, muß eine Koppelung zwischen benachbarten Atomen vorhanden sein. Beispiel: Wärmetransport durch eine feste Wand. Hier können benachbarte Atome durch Schwingung Energie weitergeben. Als Maß dient die Wärmestromdichte qth q th =
ΔQ A Δt
q th ΔQ A Δ t W/ m 2 Ws m 2 s
(III.55)
Tabelle III-4 Wärmeleitfähigkeit W mK
Material (feste Stoffe)
l in
Aluminium Eisen Kupfer Normalbeton Eis Glas Mineralfaser
221 67 393 2,1 2,2 0,8 0,04
Material (Flüssigkeiten)
l in
Wasser Benzin Transformatorenöl Xylol Glyzerin Quecksilber Aceton
0,6 0,14 0,13 0,13 0,28 9,2 0,17
W mK
Material (Gase)
l in
Luft Kohlendioxid Wasserdampf Argon
0,026 0,015 0,031 0,016
W mK
IV Schwingungen
189
Wenn angenommen wird, daß der Wärmetransport nur in einer Richtung, die als x-Richtung bezeichnet wird, stattfinden kann, so gilt für die Wärmestromdichte: ΔJ q th = − l (III.56) Δx Die Größe l ist die Wärmeleitfähigkeit des Kontaktes W , ΔJ die Temperaturdifferenz. Die in der Einheit mK Wärmeleitfähigkeit ist temperaturabhängig. In der Tabelle III-4 sind einige Werte bei 20 °C angegeben.
5.2 Wärmeströmung Wärmeströmung oder auch Konvektion ist stets mit einem Materietransport verbunden und findet in Flüssigkeiten oder Gasen statt. Beispiel: Zentralheizung. Die mathematische Behandlung ist sehr kompliziert und kann hier nicht behandelt werden.
5.3 Wärmestrahlung Unter Wärmestrahlung wird die Wärmeübertragung durch elektromagnetische Strahlung verstanden. Jeder Körper sendet und empfängt Wärme durch Strahlung, wobei die Absorption und Emission vom Material und der Oberflächenbeschaffenheit abhängt. Dies wird durch den Emissionsgrad e angegeben. e ist eine Zahl < 1. Die gesamte Leistungsbilanz eines Körpers der ebenen Fläche A und der Temperatur T1 in einer Umgebung der Temperatur T2 wird durch das Stefan-Boltzmann-Gesetz beschrieben: S = Ae s ( T24 − T14 )
(III.57)
mit der Konstanten s = 5, 67 ⋅ 10 − 8
W m2 K 4
(III.58)
(siehe auch Abschnitt VII.4).
IV Schwingungen Schwingungen sind periodische Vorgänge sowohl mechanischer (z.B. Masse an einer Feder) als auch elektromagnetischer Systeme (z.B. Schwingkreis). Kennzeichnend ist, daß Energie periodisch umgewandelt wird. Die Zeit für eine Periode wird durch die Schwingungszeit T angegeben. Die Anzahl der Perioden pro Zeiteinheit wird Frequenz f genannt: f =
ist die Kreisfrequenz der ungedämpften Schwingung. Diese wird auch Eigenfrequenz genannt. Bei (IV.4) ist die Auslenkung y zur Zeit t = 0 ebenfalls = 0 v0 y f
1 T
v0 t
(IV.1)
Oft wird auch die Kreisfrequenz w verwendet. Kreisfrequenz
w = 2π f =
2π T
(IV.2)
Wird die Auslenkung eines schwingenden Systems mit y bezeichnet, so gilt, daß sich nach einer Periode ein bestimmter Schwingungszustand wiederholt. Bei einer ungedämpften Schwingung gilt: y(t ) = y(t + T )
(IV.3)
y( 0) = 0
Ist jedoch der Nulldurchgang der Schwingung nicht zur Zeit t = 0, so liegt eine Phasenverschiebung um einen Phasenwinkel ϕ vor, und die Schwingung läßt sich durch y ( t ) = y sin ( w0 t + j )
1 Freie ungedämpfte harmonische Schwingungen Es gibt eine Vielzahl von möglichen Schwingungen, deren Auslenkung sich durch eine Sinus-Funktion beschreiben läßt. Diese Schwingungen werden harmonische Schwingungen genannt. Da eine SinusFunktion sich als Projektion einer gleichmäßigen Kreisbewegung darstellen läßt (siehe Abschnitt Geometrie), kann der Winkel j durch w0 ⋅ t ersetzt werden: y ( t ) = y sin ( w0 t )
Bild IV-1 Harmonische Schwingung
(IV.4)
y(t) ist die momentane Auslenkung oder Augenblickswert, y die Amplitude oder maximale Auslenkung, w0
(IV.5)
darstellen. Der Phasenwinkel kann positiv oder negativ sein. Bei positivem Phasenwinkel wird die Sinuskurve nach links verschoben. Die Schwingungszeit T bzw. die Frequenz f hängt je nach schwingungsfähigem System von den unterschiedlichsten Systemgrößen ab. Wird z.B. eine Masse m an einer Feder mit der Federkonstanten c angehängt, so gilt bei diesem Federpendel für die Schwingungszeit: Federpendel T = 2π
m c
T m c s kg N/m
(IV.6)
Wird eine Masse m an einem Faden der Länge l angehängt und zu Schwingungen mit kleiner Auslen-
190
Physik
kung angeregt, so gilt für dieses Fadenpendel oder auch mathematisches Pendel: Fadenpendel T = 2π
T l g s m m s −2
l g
(IV.7)
g ist dabei die Erdbeschleunigung, die Schwingungszeit ist bei diesem Pendel unabhängig von der Masse m. Beispiel: Eine Pendeluhr geht in 24 Stunden um 1 Stunde nach.
Die Pendellänge ist l1 = 50 cm. Welche Länge l2 muß das Pendel haben, damit die Uhr richtig geht? Das Pendel wird als mathematisches Pendel angenommen. Lösung:
T1 2 π l 1 = = T2 2 π l 2 l 2 = l1
T 22 T12
l1 l2
Wird einem schwingungsfähigen System während der Schwingung Energie entzogen, so verringert sich die Amplitude im Lauf der Zeit. Dieser Energieverlust kann in der Mechanik z.B. durch Reibung, bei elektromagnetischen Schwingungen durch ohmsche Verluste oder Ummagnetisierungsverluste verursacht werden. Wegen dieser Verluste nimmt die Amplitude ab und die Ausschläge werden immer kleiner. Sind die Verluste proportional zur Geschwindigkeit (oder zum elektrischen Strom), so läßt sich die Schwingung durch folgende Gleichung wiedergeben: y = y e
−
t t
sin ( wt + j )
oder
23 h ⎞ = 50 cm ⋅ ⎛⎜ ⎟ ⎝ 24 h ⎠
2
y = y e − d t sin ( wt + j )
= 45,9 cm
Frequenzen elektromagnetischer Schwingungen werden durch L und C festgelegt. So gilt für einen Schwingkreis:
l m m
Bild IV-2 Feder- und Fadenpendel
elektrischer Schwingkreis T = 2π LC
(IV.8)
Allen diesen Beispielen gemeinsam ist aber, daß die mathematische Beschreibung der Schwingung durch (IV.5) gegeben ist. Kennzeichnung jeder ungedämpften Schwingung ist, daß die Amplitude y zeitlich konstant bleibt, dem System wird keine Energie entzogen. Beispiel: Eine Masse m = 500 g hängt an einem Faden der Länge
d=
1 t
(IV.11)
Die für die Abnahme der Amplitude maßgebende e-Funktion enthält eine für die Dämpfung charakteristische Größe t, die auch als Zeitkonstante des Systems bezeichnet wird und angibt, zu welchem Zeit1 punkt die Amplitude auf den Wert = 0,3678 ≈ 37% e der Ausgangsamplitude gefallen ist. Die Frequenz w der gedämpften Schwingung ist kleiner als die Frequenz w0 der freien Schwingung. w=
w02 − d 2
(IV.12)
Diese Abweichungen sind aber für kleine Dämpfungen vernachlässigbar. Beispiel: Ein Federpendel mit einer Federkonstanten c = 30 N/m,
an dem eine Masse m von 2 kg hängt, führt gedämpfte Schwingungen mit einer Anfangsamplitude y = 10 cm aus. Die Zeitkonstante t ist 2 s, der Phasenwinkel j ist 0°. Welche Auslenkung liegt nach einer Zeit von t = 5 s vor? Lösung:
Kreisfrequenz 2m T = 2π = 2,84 s 9,81 m s −2
1 1 f= = = 0,35 Hz T 2,84 s
(IV.10)
mit
l = 2 m. Mit welcher Frequenz f schwingt die Masse? Lösung:
(IV.9)
Auslenkung
w=
c = m
30 N / m = 3,87 s −1 2 kg
y = 5 cm ⋅ e − 5 2 ⋅ sin ( 3, 87 ⋅ 5 ) = 0,169 cm
(IV.13)
(IV.14)
3 Erzwungene Schwingungen 2 Gedämpfte Schwingungen e –t/t
Bild IV-3 Gedämpfte Schwingung
Bei einer erzwungenen Schwingung greift von außen über eine Koppelung eine periodische Kraft mit einer Frequenz W an. Das schwingungsfähige System, welches aufgrund seiner Bauart im ungedämpften Fall mit der Eigenfrequenz w0 schwingen würde, wird dann zu erzwungenen Schwingungen mit der Frequenz der angreifenden Kraft angeregt. Dabei ist auch mit einer Phasenverschiebung zwischen angreifender Kraft und System zu rechnen. Für das System gilt dann:
IV Schwingungen y^
191 Bild IV-4 Resonanzkurve
y
y
y1
10
y2
0 –10 –20
1
Vv / 0
2
y = y sin ( W t + j )
(IV.15)
F m
( w02 − W 2 ) + ( 2d W) 2
(IV.16) 2
und den Phasenwinkel tanj =
2 dw0 w ( 02 − W 2 )
(IV.17)
Die Amplitudenfunktion hat bei kleiner Dämpfung dann ein Maximum, wenn die Erregerfrequenz und die Eigenfrequenz übereinstimmen (W/w0 = 1). Dieses Verhalten wird als Resonanz bezeichnet. Der Kurvenverlauf für verschiedene Dämpfungen ist in Bild IV-4 gezeigt. Aufgetragen ist die Amplitude als Funktion von W/w0. Allerdings verschiebt sich bei größeren Dämpfungen die Lage des Maximums zu kleineren Erregerfrequenzen.
t
y 2 ( t ) = y 2 sin ( wt + j2 )
(IV.19)
beschrieben. Die grafische Darstellung kann entweder im y(t)Diagramm oder im Zeigerdiagramm erfolgen. Letztere wird in der Elektrotechnik oft verwendet. Unter einem Zeiger wird ein zweidimensionaler Pfeil verstanden, dessen Länge der Amplitude und dessen Winkel dem Phasenwinkel entspricht. Dieser Zeiger rotiert mit der Frequenz w um den Koordinatenursprung. Durch die Überlagerung (Addition) zweier Schwingungen entsteht wieder eine harmonische Schwingung gleicher Frequenz. Die Berechnung der Amplitude und der Phasenlage erfolgt anhand des Zeigerdiagramms. Mit dem Kosinussatz (siehe Mathematik) gilt für die Amplitude: y =
y 12 + 2 y 1 y 2 cos ( j2 − j1 ) + y 22
und für den Phasenwinkel: y sin j1 + y 2 sin j2 tan j = 1 y 1 cos j1 + y 2 cos j2
(IV.20)
(IV.21)
Aus diesen Gleichungen lassen sich einige Spezialfälle ableiten: 1) gleiche Amplitude, Phasendifferenz = π, 3π
4 Überlagerung harmonischer Schwingungen
y =
y 12 − 2 y 1 y 2 + y 22
(IV.22)
y = ( y 1 − y 2 ) = 0 (IV.23) also Auslöschung der resultierenden Schwingung. 2) Phasendifferenz = 0: 2
Werden Schwingungen überlagert, so müssen verschiedene Möglichkeiten betrachtet werden: Die Schwingungen können gleiche oder unterschiedliche Frequenz und gleiche oder senkrecht zueinander liegende Schwingungsrichtungen haben. Diese Fälle sollen für sinusförmige (harmonische) Schwingungen untersucht werden.
y =
y 12 + 2 y 1 y 2 + y 22
(IV.24)
y = ( y 1 + y 2 ) = y 1 + y 2 also Addition der Amplituden. 2
4.1 Schwingungsrichtung parallel zueinander
Bild IV-6 Zeigerdiagramm
Gleiche Frequenz Betrachtet werden zwei Schwingungen, die unterschiedliche Phasenwinkel haben können, aber mit gleicher Frequenz und gleicher Schwingungsrichtung schwingen. Die Schwingungen werden durch die Formeln y1 ( t ) = y 1 sin ( wt + j1 )
6
4
2
Bild IV-5 Addition von Sinusschwingungen
Die Amplitude y und die Phasenverschiebung hängen von der Frequenz der angreifenden Kraft ab. Für ein Federpendel der Masse m, an der eine Kraft F angreift, gilt für die Amplitude:Resonanzkurve y =
0
(IV.18)
y
y2 f2 f1
f
y1
(IV.25)
192
Physik
Geringer Frequenzunterschied Sind die Frequenzen zweier sich überlagernder Schwingungen fast gleich, treten Schwebungen auf. Hierbei verändert sich die Amplitude der resultierenden Schwingung periodisch. Im folgenden wird angenommen, daß beide Ausgangsamplituden gleich sind. y1 ( t ) = yˆ sin (ω1t )
(IV.26)
y2 ( t ) = yˆ sin (ω 2 t )
(IV.27)
y res ( t ) = y1 ( t ) + y 2 ( t )
(IV.28)
4.2 Schwingungsrichtung senkrecht zueinander Werden zwei Schwingungen mit ganzzahligem Frequenzverhältnis, die senkrecht zueinander schwingen, überlagert, so entstehen geschlossene Figuren: 1
1
2
2 3
yres = yˆ ⎡⎣sin (ω1t ) + sin (ω 2 t ) ⎤⎦
3
4
4 1
(IV.29)
2
Mit sin a + sin b = 2 sin
a+ b a− b ⋅ cos 2 2
4
(IV.30)
folgt aus Gleichung (IV.29) ⎛ ω + ω2 ⎞ ⎛ ω − ω2 ⎞ yres ( t ) = 2 yˆ sin ⎜ 1 t ⎟ ⋅ cos ⎜ 1 t⎟ ⎝ 2 ⎠ ⎝ 2 ⎠
(IV.31)
Bei geringen Frequenzdifferenzen können die Argumente der trigonometrischen Funktionen mit Dw = w1 – w2 umgeschrieben werden: Schwebung y
y
0
t
0
w1 + w2 , 2
(IV.32)
(IV.33)
aber die Amplitude ändert sich periodisch zwischen 0 und 2 yˆ. Während einer Periode der Kosinus-Funktion ändert sich die Amplitude zweimal von 0 auf 2 yˆ , somit ist die Schwebungsfrequenz wS = 2
w1 − w2 = Δw 2
Lissajous-Figuren. Die beiden Schwingungsrichtungen seien x- und y-Richtung. Die Schwingungen sind durch x ( t ) = xˆ ⋅ sin (ω x t ) y ( t ) = yˆ ⋅ sin (ω y t + ϕ )
t
Die resultierende Schwingung ist ebenfalls eine harmonische Schwingung mit der Frequenz
wres =
Bild IV-8 Verfahren zur punktweisen Konstruktion von Lissajous-Figuren (j = 90°)
und
Bild IV-7 Schwebung ⎛ Δω ⎞ yres = 2 yˆ sin ω res t ⋅ cos ⎜ t⎟ ⎝ 2 ⎠
3
(IV.34)
Dieses Verhalten ist in Bild IV-7 wiedergegeben, hierbei sind zwei Schwingungen überlagert, deren Frequenzen sich um 15% unterscheiden.
(IV.35)
gegeben. Die Lissajous-Figuren können im Prinzip punktweise konstruiert werden. Für den Fall gleicher Frequenzen und Phasendifferenz j = 90° ist das Verfahren in Bild IV-8 dargestellt. Auf der x- und auf der y-Kurve werden die Auslenkungen zu gleichen Zeitpunkten, hier mit 1 ... 4 bezeichnet, abgemessen und in einem rechtwinkligen Koordinatensystem aufgetragen. Für die vorgegebene Phasendifferenz ergibt sich als Lissajous-Figur ein Kreis. Sind die Amplituden nicht gleich, ist aber die Phasendifferenz 90°, so ergeben sich Ellipsen, deren Hauptachsen parallel zu den Koordinatenachsen liegen. Ist die Phasendifferenz nicht 90°, so ergeben sich ebenfalls Ellipsen, allerdings liegen deren Hauptachsen nicht mehr parallel zu den Koordinatenachsen. Diese Lissajous-Figuren lassen sich in der Elektrotechnik mit Hilfe eines Oszilloskops darstellen; sie dienen zur Messung des Phasenwinkels zwischen zwei Spannungen. Werden bei einer gemessenen Ellipse nach Bild IV-9 die beiden Werte y1 und y2, also einmal das Maximum in y-Richtung, zum anderen der Schnittpunkt mit der y-Achse, gemessen, so läßt sich hieraus der Phasenwinkel j bestimmen zu:
V Wellen
193 v x :v y
y1
1:1
f = 0° 0
y2
y2 y1
(IV.36)
In Bild IV-10 sind für die Frequenzverhältnisse 1 : 1, 1 : 2 und 1 : 3 für verschiedene Phasenwinkel die Lissajous-Figuren angegeben.
0 0
0
0
0
0 1:3
0 0
0
Bild IV-9 Bestimmung des Phasenwinkels j = arcsin
0 0
1:2
f = 90°
f = 45°
0
0
0 0
0
0
Bild IV-10 Lissajous-Figuren
V Wellen Wenn schwingungsfähige Systeme miteinander so verbunden sind, daß sich die Schwingung von einem System zum nächsten System übertragen kann, so setzt sich eine an einem System angeregte Schwingung im Raum fort, und man spricht von einer Welle. Dies soll im Bild V-1 veranschaulicht werden. Dabei ist es zur Ausbreitung von Wellen notwendig, daß die einzelnen Systeme durch gegenseitige Rückstellkräfte gekoppelt sind. Dargestellt sind zwei Momentaufnahmen einer Reihe von Massen, die durch Federn verbunden sind. Die Masse m1 wird angestoßen und schwingt mit der Frequenz f um ihre Ruhelage. Wegen der Koppelung durch die Federn setzt sich diese Schwingung fort, und es entsteht eine Welle, die sich hier nach rechts ausbreitet. Die einzelnen Massen schwingen um ihre Ruhelage, bewegen sich also nicht in Ausbreitungsrichtung der Welle. Es findet kein Materietransport, sondern nur Energietransport statt. Wenn die Schwingungsrichtung der Massen senkrecht zur Ausbreitungsrichtung der Welle ist, so wird dieser Wellentyp Transversalwelle genannt. Im Bild V-1 ist mit der Größe l der Abstand zwischen zwei gleichen Schwingungszuständen eingetragen. Dieser Abstand ist die Wellenlänge l. Ist dagegen die Schwingungsrichtung der einzelnen Massen parallel zur Ausbreitungsrichtung der Welle, so liegt eine Longitudinalwelle vor. Bei einer Longitudinalwelle ändert sich in Ausbreitungsrichtung der Welle die Dichte
der schwingungsfähigen Systeme. In Bild V-1 ist nur eine einzige Reihe von schwingungsfähigen Massen gezeichnet. Werden allerdings viele Reihen gleichzeitig angeregt, liegt eine räumliche Wellenausbreitung vor.
r
x
Bild V-2 Wellentypen Werden gleiche Schwingungszustände in benachbarten Ketten miteinander verbunden, so erhält man eine zusammenhängende Fläche, die Wellenfront genannt wird. Die Form der Wellenfront hängt von der Form des Wellenerregers ab. In Bild V-2 sind zwei verschiedene Wellenfronten gezeichnet, links die Fronten einer Kugelwelle, rechts die Fronten einer ebenen Welle. Da die Wassermoleküle in beiden Typen nur vertikal schwingen, liegt hier in beiden Fällen eine Transversalwelle vor.
1 Harmonische Wellen 1.1 Ausbreitung
m1
l
Bild V-1 Wellenausbreitung in einer linearen Kette
Wie bei den harmonischen Schwingungen werden die Wellen harmonisch genannt, deren mathematische Beschreibung durch eine Sinus-Funktion möglich ist. Im Gegensatz zu den Schwingungen, bei denen ja nur eine zeitliche Änderung der Auslenkung y zu betrachten war, ist bei Wellen auch eine räumliche Abhängigkeit der Auslenkung zu berücksichtigen.
194
Physik
Die Welle in Bild V-1 hat sich nach der Schwin1 gungszeit T = der einzelnen Systeme um die f Wellenlänge l nach rechts fortbewegt. Hiermit läßt sich die Ausbreitungsgeschwindigkeit c definieren: l Ausbreitungsgeschwindigkeit c = (V.1) T c = l⋅ f (V.2) Wird die Masse m1 zu einer Sinusschwingung y = yˆ ⋅ sin (ω t ) angeregt, so werden auch alle anderen
⎡ 2π ⎛ x ⎞ ⎤ y = yˆ ⋅ sin ⎢ ⎜ t − ⎟ ⎥ ⎣ T ⎝ c ⎠⎦ ⎡ ⎛ t x ⎞⎤ y = yˆ ⋅ sin ⎢2π ⎜ − ⎟ ⎥ ⎣ ⎝ T λ ⎠⎦
(V.11)
c=
K r
(V.12)
(V.3)
Longitudinalwellen in Festkörpern
c=
E r
(V.13)
(V.4)
Elektromagnetische Wellen in Materie
c=
(V.5)
Beispiel: Eine harmonische Welle habe eine Phasengeschwindig-
keit c = 300 m/s und eine Frequenz von 100 Hz. Zur Zeit t = 0 wird sie mit einer Amplitude y^ = 10 cm angeregt. a) Wie groß ist die Wellenlänge l? b) Wie groß ist die Auslenkung am Ort x = 9 m nach einer Zeit von 0,15 s? Lösung:
c 300 m s = =3m f 100 s
⎡ ⎛ 0,15 s 9 m ⎞ ⎤ − b) y = 10 cm ⋅ sin ⎢ 2π ⎜ ⎟⎥ ⎣ ⎝ 0,01 s 3 m ⎠ ⎦
y = 10 cm ⋅ sin [ 2 π ( 15 − 3 ) ] = 10 cm ⋅ sin ( 24 π ) = 0 cm
Phasengeschwindigkeit cp r
In Gleichung (V.5) und (V.7) bedeutet ein negatives Zeichen in der Klammer eine Ausbreitung der Welle in positiver x-Richtung. Bei einer Kugelwelle ändert sich die Amplitude mit dem Abstand vom Erregerort. Dieser Wellentyp wird durch folgende Gleichungen beschrieben. ⎡ ⎛ t x ⎞⎤ yˆ (V.8) y = 1 ⋅ sin ⎢2π ⎜ − ⎟ ⎥ r ⎣ ⎝ T λ ⎠⎦ yˆ (V.9) y = 1 ⋅ sin (ω t − k x ) r yˆ1 ist die Amplitude für den Abstand r = 1.
l=
Wellentyp
c=
Gleichung (V.5) beschreibt die zeitliche und räumliche Ausbreitung einer ebenen harmonischen Welle. Die Amplitude yˆ bleibt konstant. Die Schwingungsgleichung kann durch Einführung der Wellenzahl k umgeschrieben werden: 2π Wellenzahl k = (V.6) l (V.7) y = yˆ ⋅ sin (ω t − k x )
a) nach (V.1)
Tabelle V-1 Phasengeschwindigkeit
Longitudinalwellen in Gasen, Schallwellen in Gasen Longitudinalwellen in Flüssigkeiten
Massen sinusförmig schwingen, allerdings zeitversetzt gegen m1. Eine Masse, die um x von m1 entfernt x ist, wird um die Zeit t 1 = später denselben Schwinc gungszustand erreichen. Es gilt: y = yˆ ⋅ sin ⎣⎡ω ( t − t1 ) ⎦⎤
Die Ausbreitungsgeschwindigkeit c, besser als Phasengeschwindigkeit bezeichnet, da zur Bildung der Wellenfronten Orte gleicher Phase miteinander verbunden werden, hängt vom Wellentyp und vom Medium, in dem sich die Welle bewegt, ab. In der folgenden Tabelle sind einige Beispiele angegeben.
(V.10)
1 e r e 0 mr m0
(V.14)
c Isentropenexponent, p Druck, r Massendichte, K Kompressionsmodul, E Elastizitätsmodul, e0 Elektrische Feldkonstante, er Permittivitätszahl, m0 Permeabilität, mr relative Permeabilität
1.2 Interferenz Unter Interferenz wird die Überlagerung von Wellen verstanden. Dabei gilt, daß bei nicht zu großen Amplituden der beteiligten Wellen sich jede Welle ungestört ausbreiten kann und die momentanen Auslenkungen addiert werden können. Dies wird das Verfahren der ungestörten Superposition genannt.
Interferenz von Wellen gleicher Frequenz Zwei Wellen gleicher Frequenz, die sich in gleicher Richtung ausbreiten, können sich im allgemeinen durch ihre Amplitude und durch eine Verschiebung gleicher Schwingungszustände unterscheiden. Diese räumliche Verschiebung ist der Gangunterschied D. Die beiden Wellen sind nach Gleichung (V.7) durch y1 = yˆ1 ⋅ sin (ω t − k x )
(V.15)
und 2π Δ ⎞ ⎛ y2 = yˆ 2 ⋅ sin ⎜ ω t − k x + λ ⎟⎠ ⎝
(V.16)
gegeben. Die resultierende Welle läßt sich durch Addition der Teilwellen bestimmen. Sie hat dieselbe Frequenz und dieselbe Wellenlänge, damit auch dieselbe Phasengeschwindigkeit wie die beiden Ursprungswellen, aber eine andere Amplitude. Haben beide Wellen die gleiche Amplitude yˆ1 = yˆ2 = yˆ0, so gilt:
resultierende Welle πΔ ⎞ ⎛ πΔ ⎞ ⎛ yres = 2 yˆ 0 cos ⎜ ⎟ sin ⎜ ω t − k x + λ ⎟ ⎝ λ ⎠ ⎝ ⎠
(V.17)
V Wellen
195
π D⎞ y res = y res sin ⎛⎜ wt − k x + ⎟ ⎝ l ⎠
(V.18)
Amplitude
y res = 2 y sin ( wt ) cos ( k x )
Sonderfälle:
n = 0, 1, 2, …
(V.20)
Die Phasenlage der resultierenden Welle ist gegenüber den Ausgangswellen unverändert, die Amplitude ist doppelt so groß wie die Ausgangsamplituden. Für gerade Werte von n hat die Kosinusfunktion den Wert 1, für ungerade Werte den Wert –1. In diesem Fall πD in wird aber die Welle wegen des Summanden l der Sinusfunktion um l / 2 verschoben, so daß die ursprüngliche Phasenlage beibehalten wird (konstruktive Interferenz). b) D = ( 2 n + 1)
l , mit 2
n = 0, 1, 2, …
(V.21)
In diesen Fällen wird y res = 0, die Wellen löschen sich aus (destruktive Interferenz). Stehende Wellen y
(V.24)
An den Stellen, an denen der Kosinusterm in (V.24) verschwindet, hat auch die resultierende Welle zu allen Zeiten keine Auslenkung. Dies ist der Fall für solche Orte, die um l/2 voneinander entfernt sind. Der erste Nullpunkt hängt von der Art der Reflexion ab, an einem dichteren Medium liegt er in der Grenzfläche, sonst um l/4 vor der Grenzfläche. In den Punkten dazwischen ergibt sich je nach Laufzeit eine Auslenkung, die maximal den doppelten Wert der Ursprungsamplitude haben kann. In Bild V-3 ist oben die Reflexion an einem dichteren Medium, unten an einem dünneren Medium dargestellt. Dabei muß noch berücksichtigt werden, daß bei Reflexion an einem dichteren Medium ein Phasensprung von l/2 eintritt.
2 Huygensches Prinzip
neue Wellenfront
(V.19)
ankommende Welle
π D⎞ y res = 2 y 0 cos ⎛⎜ ⎟ ⎝ l ⎠
a) D = nl, mit
beschrieben werden. Auch hier ergibt sich die resultierende Welle durch Addition der Teilwellen. Unter Anwendung des Additionstheorems folgt:
Bild V-4 Huygenssches Prinzip x y
x
Bild V-3 Stehende Wellen
Laufen die Wellen, die zur Interferenz gelangen, nicht in gleicher Richtung, sondern einander entgegen, so entstehen stehende Wellen. Dies kann z.B. durch Reflexion an einem Spiegel geschehen. Die beiden Wellen können bei gleicher Amplitude nach Gleichung (V.7) durch y1 = y ⋅ sin ( wt − k x )
(V.22)
und y 2 = y ⋅ sin ( wt + k x )
(V.23)
Die Wellenausbreitung kann nach dem Huygensschen Prinzip (nach Christian Huygens) dadurch erklärt werden, daß jeder Punkt, der von einer Wellenfront getroffen wird, wiederum Ausgangspunkt einer sogenannten Elementarwelle wird. Diese ist, da es sich um punktförmige Erreger handelt, eine Kugelwelle (siehe Kap. V.1). Die neue Wellenfront entsteht als Einhüllende aller dieser Teilwellen. Dieses Prinzip gilt nicht nur für eine Wellenausbreitung in Medien, sondern ganz allgemein, auch für elektromagnetische Wellen, wie z.B. Licht. Mit Hilfe dieses Prinzips lassen sich Vorgänge wie Reflexion, Brechung und Beugung erklären.
2.1 Reflexion Eine ebene Wellenfront W, die sich mit der Geschwindigkeit c bewegt, erreicht zu einem bestimmten Zeitpunkt den Punkt A eines Spiegels. Für die Strecke DB braucht die Wellenfront die Zeit t1. Vom Punkt A geht eine Elementarwelle aus, die dann, wenn der Punkt B erreicht ist, den Radius
196
Physik
a1
E
D
A
C
Grenzfläche
B
a2
Bild V-5 Reflexion
Bild V-8 Brechungsgesetz
a
Welle die Geschwindigkeit c1 und laufe unter einem Winkel a1 ein, im Medium 2 sei die Geschwindigkeit c2 und der Winkel a2. Beim Erreichen des Punktes A wird hier eine Elementarwelle ausgesendet, die dann, wenn die Welle im Medium 1 nach der Zeit t1 den
b
Punkt B erreicht hat, den Radius AE hat. Die Einhüllende im Medium 2 ist BD . Im Dreieck ABD gilt:
Spiegel
Bild V-6 Reflexionsgesetz sina1 =
AE = c ⋅ t 1 hat. In der Zeit t1/2 ist der Punkt C in der Mitte zwischen A und B erreicht. Die Elementarwelle, die in C angeregt wird, hat den Radius AE / 2, wenn die Wellenfront nach der Zeit t1 den Punkt B erreicht hat. Die Einhüllende dieser Elementarwellen ist mit W' bezeichnet. Da die Dreiecke AEB und ADB kongruent sind, folgt, daß beide Wellenfronten mit dem Spiegel denselben Winkel bilden. Üblicherweise werden nicht die Wellenfronten, sondern die darauf senkrecht stehenden Wellennormalen gezeichnet, um die Richtung einer Welle darzustellen. Auch werden die Winkel nicht zur Spiegelfläche, sondern zur Senkrechten auf der Spiegelfläche gemessen, wie in Bild V-6 zu ersehen ist. Es gilt das Reflexionsgesetz: Einfallswinkel = Ausfallswinkel
a= b
(V.25)
DB AB
und im Dreieck AEB: sina 2 =
AE . AB
Weiter gilt DB = c 1 ⋅ t 1 ,
AE = c 2 ⋅ t 2 .
Hieraus folgt sin a1 DB c 1 ⋅ t 1 = = sin a 2 AE c 2 ⋅ t 1
das Brechungsgesetz sin a1 c 1 = sin a 2 c 2
(V.26)
Dies Gesetz ist ebenfalls für alle Wellenarten gültig.
2.2 Brechung D c1
a1 A
C E
Bild V-9 Beugung an einer Öffnung
Grenzfläche B
F c2
a2
Bild V-7 Brechung
Wenn sich die Welle in Gebieten mit unterschiedlichen Phasengeschwindigkeiten ausbreitet, so ändert sich beim Durchgang durch die Grenzfläche die Richtung der Wellenfronten. Im Medium 1 habe die
2.3 Beugung Trifft eine Welle auf eine Wand, in der sich eine kleine Öffnung befindet, so breitet sich die Welle hinter der Öffnung nicht geradlinig aus, sondern auch in dem Teil des Raumes, der durch die Wand abgedeckt ist, ist die Welle bemerkbar. Dieses Phänomen wird als Beugung bezeichnet. Die Beugung läßt sich mit Hilfe des Huygensschen Prinzips so verstehen, daß von der Öffnung Elementarwellen ausgehen. Sind mehrere Öffnungen vorhanden, so entsteht das
V Wellen
197
Beugungsfeld durch Interferenz der einzelnen Elementarwellen. Dies ist in Bild V-10 für den Fall eines Doppelspaltes aufgezeigt. Die Kreise stellen die Maxima der Elementarwellen dar. An den Punkten, an denen sich die Elementarwellen schneiden, erfolgt Verstärkung. Die Verbindungslinien dieser Schnittpunkte liegen auf Hyperbeln, deren Asymptoten zur Ausbreitungsrichtung unter den Winkeln a verlaufen. Für diese Winkel gilt mit ganzen Zahlen n die Bedingung n=3 n=2
c c vq = − fb fq fq
n=1 d
Kugelwellen nicht mehr in einem Punkt. Der Beobachter im Punkt B erkennt eine kürzere Wellenlänge. Im Bild V-11 ist links eine ruhende Quelle, die eine Welle der Wellenlänge l aussendet, rechts eine bewegte Quelle dargestellt. Die Quelle bewegt sich nach rechts mit der Geschwindigkeit vq. Der Beobachter sieht nun eine kleinere Wellenlänge lB. In der Zeit Tq = 1 hat sich die Quelle um die Strecke fq v q Tq nach rechts bewegt, somit ist die Wellenlänge l B = l − v q Tq verkleinert, die Frequenz hat sich jedoch c vergrößert: l B = l − v q Tq . Mit l = wird daraus: f
n=0
c c = fb fq
fB =
l
Bild V-10 Beugung am Doppelspalt
(V.28)
vq ⎞ ⎛ ⎜1− ⎟ c ⎠ ⎝
(V.29)
fq c = fQ vq c − vQ 1− c
(V.30)
Quelle
Beobachter
Formel
erfüllt ist.
→
→
f B = fQ
c − vB c − vQ
(V.31)
3 Dopplereffekt
→
←
f B = fQ
c + vB c − vQ
(V.32)
←
→
f B = fQ
c − vB c + vQ
(V.33)
←
←
f B = fQ
c + vB c + vQ
(V.34)
l sin a n = n , d
n = 0, 1, 2, …
(V.27)
vq
vq = 0
l
lB
Bild V-11 Dopplereffekt Wenn sich der Erreger einer Welle, die Quelle, und der Beobachter relativ zum Medium, in dem die Welle übertragen wird, bewegen, so treten Frequenzverschiebungen auf, die Dopplereffekt genannt werden. Dabei ist es für die Berechnung wichtig, ob sich die Quelle oder der Beobachter bewegen. Beobachten kann man den Dopplereffekt beim Herannahen eines hupenden Autos: Bei Annäherung erhöht sich zunächst die Frequenz, der Ton wird höher, beim Entfernen erniedrigt sich die Frequenz und der Ton wird niedriger. Zunächst soll der Fall des ruhenden Beobachters und der sich auf den Beobachter zu bewegenden Quelle untersucht werden. Von einer punktförmigen Quelle werden Kugelwellen ausgesendet. Da sich die Quelle bewegt, liegen die Zentren der zu verschiedenen Zeiten nacheinander ausgesendeten
Zu unterscheiden ist, ob und wie sich Quelle und Beobachter relativ zueinander bewegen. In den Gleichungen V.31 bis V.34 sind die möglichen Fälle angegeben. Wenn Quelle oder Beobachter ruhen, so ist in der entsprechenden Gleichung diese Geschwindigkeit = 0 zu setzen. Beispiel: Eine Schallquelle sendet einen Ton von 440 Hz aus. Die
Quelle bewegt sich mit 100 km/h an einem ruhenden Beobachter vorbei. Frage: Welche Frequenz nimmt der Beobachter a) bei Annäherung b) bei Entfernung der Quelle wahr? Die Schallgeschwindigkeit beträgt 330 m/s. Lösung: Da die Geschwindigkeit vB = 0 ist, folgt: a) v Q = 100
km 100 m m = = 27,78 h 3,6 s s
198
Physik f B = fQ
b) f B = f Q
c 440 ⋅ 330 = = 480,44 Hz c − v Q 330 − 27 , 78
a
P
c 440 ⋅ 330 = = 405,8 Hz c + v Q 330 + 27 , 78
Ein Sonderfall tritt dann ein, wenn sich die Quelle mit derselben Geschwindigkeit bewegt wie die ausgesendete Welle, z.B. eine Schallwelle. Es entsteht das Wellenbild nach Bild V-12 links. Alle Kugelwellen addieren sich im Punkt P, es entsteht die sogenannte Schallmauer, die mit der Quelle mitläuft. Wird die Geschwindigkeit der Quelle größer als die Schallgeschwindigkeit, so sind die Verhältnisse entsprechend Bild V-1 rechts. Für den Öffnungswinkel des entstehenden Machschen Kegels gilt: Öffnungswinkel sina =
c vQ
(V.35)
Auf dem Kegelmantel bildet sich eine einheitliche Wellenfront, die von einem Beobachter als Knall wahrgenommen wird. Diese Wellenfront bewegt sich mit der Quelle. In Vorwärtsrichtung ist die Quelle nicht zu hören. Die Gleichungen (V.31) bis (V.34) gelten nur für den Fall, daß sich die Welle in einem Medium als Träger
vQ
Bild V-12 Schallmauer und Machscher Kegel der Welle ausbreitet. Eine Sonderstellung nehmen hier die elektromagnetischen Wellen ein (z.B. Licht), denn diese benötigen kein Medium, um sich auszubreiten. In diesem Fall gibt es bei bewegten Quellen und Beobachtern auch eine Frequenzverschiebung, diese ist aber nur von der Relativgeschwindigkeit zwischen Quelle und Beobachter abhängig. Bei Annäherung von Quelle und Beobachter gilt: f B = fQ
c+v c−v
(V.36)
Entfernen sich Quelle und Beobachter, so muß v durch –v ersetzt werden. f B = fQ
c−v c+v
(V.37)
VI Akustik In der Akustik wird die Ausbreitung von Schallwellen in festen, flüssigen und gasförmigen Medien untersucht. In festen Stoffen können diese Wellen Longitudinalwellen und Transversalwellen sein, in Flüssigkeiten und Gasen gibt es nur Longitudinalwellen, weil dort die zur Ausbreitung von Transversalwellen notwendigen rückstellenden Querkräfte fehlen. Im folgenden werden vorzugsweise Schallwellen in Gasen behandelt, weil diese im täglichen Leben eine übergeordnete Rolle spielen.
Schall breitet sich in Gasen und Flüssigkeiten durch Druckänderungen als Longitudinalwelle aus. Hiermit verbunden ist eine Dichteschwankung, eine Druckschwankung und eine Schwankung der Geschwindigkeit der einzelnen Moleküle um die jeweiligen konstanten Mittelwerte (Index 0), die auch ohne Schall vorhanden sind. Dichte r = r0 + rw
(VI.1)
p = p0 + pw
(VI.2)
Geschwindigkeit v = v 0 + v w
(VI.3)
mit den Bezeichnungen: rw : Wechseldichte, pw: Schallwechseldruck Schalldruck, vw: Schallschnelle
p ( x , t ) = p 0 + p sin ( wt − k x )
oder
(VI.4)
und für die Schallschnelle: v w ( x , t ) = v sin ( wt − k x )
(VI.5)
mit v =
1 Schallausbreitung
Druck
Die Lösungsfunktion als Funktion von Ort und Zeit hängt unter anderem vom Erregertyp ab. Für den einfachsten Fall einer eindimensionalen sinusförmigen Erregung lautet sie für den Schalldruck:
p r0 c
(VI.6)
Tabelle VI-1 Schallgeschwindigkeit und Schallkennimpedanz
Luft –20 °C Luft 0 °C Luft 20 °C Eis Holz Glas Beton Stahl
Dichte r/kg m–3
c/ms–1
Z/Ns m–3
1,396 1,293 1,21 920 600 2500 2100 7700
319 331 344 3200 4500 5300 4000 5050
445 427 416 2,94 ⋅ 106 2,7 ⋅ 106 13 ⋅ 106 8,4 ⋅ 106 39 ⋅ 106
VI Akustik
199
Hierbei ist c die Schallgeschwindigkeit. Die Größe r0 ⋅ c wird als Schallkennimpedanz Z, früher auch als Schallwellenwiderstand, bezeichnet. Z r0 c Nm −1 kg/m 3 m/s
Z = r0 ⋅ c
(VI.7)
Die Schallkennimpedanz ist eine charakteristische Größe für das jeweilige Ausbreitungsmedium und ist bei ebenen Wellen konstant. Für die Schallgeschwindigkeit in Gasen gilt (siehe Abschnitt 1): c=
cp r
(VI.8)
c Ri T .
(VI.9)
In Festkörpern gilt: c=
Schallgeschwindigkeit
E r
(VI.10)
2 Reflexion, Transmission, Absorption Jedes Medium wird durch seine Schallkennimpedanz beschrieben. Treffen nun Schallwellen auf eine Grenzfläche zwischen zwei Medien mit unterschiedlicher Schallkennimpedanz, so wird ein Teil reflektiert, ein Teil tritt ins Medium ein. Der Reflexionsfaktor r ist definiert als das Verhältnis des Schalldruckes pr der reflektierten Welle zu dem Schalldruck pe der einfallenden Welle. Ie
Z1
2
(VI.13)
Ein großer Reflexionsgrad r tritt immer dann auf, wenn die Schallkennimpedanzen der beteiligten Medien sehr unterschiedlich sind. Dabei ist es gleichgültig, welches der beiden Medien die größere Schallkennimpedanz besitzt. Wird die Schallwelle im Medium 2 gedämpft, so wird die Welle bei genügend dickem Medium 2 vollständig absorbiert. Der Schallabsorptionsgrad as wird definiert durch: Schallabsorptionsgrad a s =
oder c=
⎛ Z − Z1 ⎞ rs = ⎜ 2 ⎟ ⎝ Z 2 + Z1 ⎠
Z2
Z1 It
Ir
Bild VI-1 Reflexion und Transmission
Reflexionsfaktor r =
pr pe
(VI.11)
Werden die Intensitäten Ir und Ie ins Verhältnis gesetzt, so erhält man den Reflexionsgrad rs =
Ir p2 = r2 = r 2 Ie pe
(VI.12)
Werden die Schallkennimpedanzen für senkrechten Einfall mit Z1 bzw. Z2 bezeichnet, so gilt für senkrechten Einfall:
Ie − Ir I = 1 − r (VI.14) Ie Ie
a s = 1 − rs = 1 − r 2
(VI.15)
Wird nun der Schall im Medium 2 nicht vollständig absorbiert, weil z.B. die Wand zu dünn ist, so tritt ein Teil It der einfallenden Schallintensität Ie durch das Medium 2 durch. Dieser Anteil wird als Schalltransmissionsgrad ts bezeichnet. Auch an der zweiten Grenzfläche wird dann ein Teil der dort ankommenden Intensität reflektiert. Schalltransmissionsgrad t s =
It Ie
(VI.16)
Der Absorptionsgrad gibt an, welcher Teil der einfallenden Welle nicht reflektiert wurde, der Transmissionsgrad gibt den Anteil an, der durch eine Wand hindurch gelangt ist. Die in der Wand tatsächlich verlorengegangene Schallintensität wird durch den Schalldissipationsgrad ds angegeben. Somit gilt der Zusammenhang: rs + t s + ds = 1
(VI.17)
rs + a s = 1
(VI.18)
3 Ultraschall Unter Ultraschall wird der Schall verstanden, dessen Frequenz jenseits (= ultra) der menschlichen Hörschwelle von ca. 20 kHz liegt. Die obere Grenze liegt bei etwa 1 GHz. Die zugehörigen Wellenlängen liegen in Luft zwischen etwa 2 cm und 0,34 mm. Für den Ultraschall gibt es in der Praxis eine Vielfalt von Einsatzmöglichkeiten. Dazu nachfolgend einige Beispiele: Ultraschall-Echolot, Ultraschall-Blindenleitgerät, Ultraschall-Alarmanlagen, Werkstoffprüfung, Materialprüfverfahren, Medizin.
200
Physik
VII Optik Die Optik ist die Lehre vom Licht, seiner Ausbreitung, dem Aufbau optischer Instrumente und allen den Erscheinungen, die mit dem Auge wahrgenommen werden können. Heute wird zwischen der klassischen Optik und der Quantenoptik unterschieden. In der klassischen Optik wird das Licht als Welle verstanden. Seit Beginn dieses Jahrhunderts sind allerdings viele Experimente durchgeführt worden, deren Deutung nicht im Rahmen der Wellentheorie möglich ist. Zur Erklärung muß angenommen werden, daß das Licht sich wie ein Teilchen, als Korpuskel, dem sogenannten Lichtquant, verhält. Dieses Bild ist immer dann anzuwenden, wenn Licht mit Materie in Wechselwirkung tritt, also zum Beispiel bei der Absorption und Emission, aber auch bei der Streuung von Licht.
0
2
1 e 0 m0
(VII.1)
zusammen. Die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum hat den Wert c = 2 , 997 924 58 ⋅ 10 8
m s
(VII.2)
Auch hier gilt, wie bei allen Wellen, der Zusammenhang c = l ⋅ f zwischen der Wellenlänge l und der Frequenz f. Das sichtbare Licht nimmt nur einen kleinen Teil des Spektrums der elektromagnetischen Wellen ein (siehe Bild VII-1). Alle die dort aufgeführten Wellen sind elektromagnetische Wellen und breiten sich im Vakuum mit der Lichtgeschwindigkeit c aus. Die Frequenzen erstrecken sich von 104 bis 1020 s–1.
4
l/m
Bild VII-1 Spektrum der elektromagnetischen Wellen Die Ansichten über die Natur des Lichtes haben sich im Laufe der Jahrhunderte grundlegend gewandelt. Newton stellte im 17. Jahrhundert eine Korpuskulartheorie auf, eine Lichtquelle sendet kleine Korpuskeln aus, die sich geradlinig mit großer Geschwindigkeit fortbewegen, bis sie im menschlichen Auge durch Nervenanregung wahrgenommen werden. Reflexion und Brechung von Licht konnten hiermit erklärt werden, Beugung und Interferenz jedoch nicht. Dies gelang Huygens im Jahr 1678 mit der von ihm entwickelten Wellentheorie, die von Young (1802) durch Experimente untermauert wurde. Nach der Entdeckung der Polarisation durch Malus (1808) hat Fresnel (1815) das Licht als transversale Welle beschrieben, und daß das Licht eine elektromagnetische Transversalwelle ist, wurde von Maxwell (1865) entdeckt. Die physikalischen Größen, die sich bei elektromagnetischen Wellen zeitlich und räumlich periodisch ändern, sind die elektrische Feldstärke und damit verbunden auch die magnetische Feldstärke. Beide stehen senkrecht aufeinander und senkrecht zur Ausbreitungsrichtung. Das Licht breitet sich mit der Naturkonstanten Lichtgeschwindigkeit aus. Die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum hängt mit der
Wird nun die Ausbreitung des Lichtes durch Öffnungen, durch Blenden oder an Gegenständen vorbei betrachtet, und sind diese Gegenstände groß gegenüber der Wellenlänge des Lichtes, so kann die Ausbreitung des Lichtes nach den Gesetzen der geometrischen Optik bestimmt werden, im anderen Fall muß die Wellenoptik herangezogen werden. Die Lichtwellen werden in ihren Ausbreitungsrichtungen durch die Strahlen gekennzeichnet, die senkrecht auf den Wellenfronten stehen (siehe Kapitel V). Bei ebenen Wellen sind die Strahlen parallel. Kreuzen sich zwei Lichtstrahlen, so beeinflussen sie sich gegenseitig nicht.
2.1 Reflexion des Lichtes
Lot
b a
Spiegel
–2
Lichtgeschwindigkeit c =
2 Geometrische Optik Langwellen
–4
–6
Mittelwellen
–8
Ultrakurzwellen
Mikrowellen Radar
–10
Infrarot
–12
Röntgenstrahlung UV-Strahlung sichtbares Licht
g Strahlung
1 Eigenschaften des Lichtes
elektrischen Feldkonstante e0 und der magnetischen Feldkonstante m0 durch die Gleichung
Bild VII-2 Reflexionsgesetz Wird ein einfallender Lichtstrahl an einer ebenen Fläche reflektiert, so gilt das Reflexionsgesetz: Einfallender Strahl, reflektierter Strahl und Einfallslot liegen in einer Ebene. Der Einfallswinkel a und der Reflexionswinkel b sind gleich. Das Einfallslot ist hier das Lot auf der Spiegelfläche. Dies Gesetz wurde bereits in Kapitel V mit der Wellentheorie abgeleitet.
VII Optik
201
L2
zustellen sind, werden für einfache Anwendungen Spiegel genommen, deren Oberfläche aus einer Kugel geschnitten wurde. Diese haben zwar Abbildungsfehler, beschränkt man sich jedoch auf Strahlen, die nahe der optischen Achse einfallen, so können diese Fehler vernachlässigt werden. Der Brennpunkt hat im Rahmen dieser Näherung den Abstand r f = (VII.3) 2 Diese Größe f ist die Brennweite. Zur Bildkonstruktion werden mindestens zwei Strahlen benötigt. Es werden die Strahlen verwendet, deren Verlauf sich einfach konstruieren läßt, nämlich ein achsenparalleler Strahl 1 und ein Brennpunktstrahl 2. Strahl 1 verläuft nach der Reflexion durch den Brennpunkt, Strahl 2 wird achsenparallel reflektiert. Hier können je nach Lage des Gegenstandes G virtuelle oder reelle Bilder entstehen (siehe Bild VII-5). Wird der Abstand des Gegenstandes vom Spiegel mit der Gegenstandsweite g, der Abstand des Bildes mit der Bildweite b bezeichnet, so gilt die Abbildungsgleichung 1 1 1 (VII.4) = + f g b
L1 Auge
Bild VII-3 Bildentstehung Ein Beobachter, der vor einem ebenen Spiegel steht, sieht sein Bild hinter dem Spiegel. Das menschliche Auge in Zusammenarbeit mit dem Gehirn kann keine Richtungsumkehrung oder Abweichungen von der geradlinigen Ausbreitung des Lichtstrahles wahrnehmen. Eine Lichtquelle L1, die vor einem Spiegel steht und deren Licht in das Auge fällt, erscheint dem Beobachter hinter dem Spiegel, dabei wird der tatsächlich vorhandene Strahlenverlauf durch das menschliche Gehirn in den nicht vorhandenen, gestrichelt gezeichneten Verlauf umgedacht. Das Bild L2 der Lichtquelle erscheint dort, wo sich die gedachten Strahlen kreuzen. Bilder, die durch einen nicht wirklich vorhandenen Schnittpunkt, sondern einen gedachten Schnittpunkt entstehen, heißen virtuelle Bilder. Schneiden sich zwei Lichtstrahlen tatsächlich, so entsteht ein reelles Bild.
optische Achse
Die Gegenstandsgröße G und die Bildgröße B lassen sich aus einfachen geometrischen Überlegungen bestimmen, und es gilt: Abbildungsmaßstab B b (VII.5) b= =− G g
F
In diesem System sind die einzelnen Größen mit Vorzeichen behaftet, die positiven Richtungen weisen nach oben und vom Spiegel zum Brennpunkt, in diesem Fall nach links. Ob das Bild reell oder virtuell, verkleinert oder vergrößert wird, hängt von der Gegenstandsweite ab. Es gilt:
Bild VII-4 Parabolspiegel
Im folgenden soll die Reflexion an nicht ebenen Spiegeln untersucht werden. Dabei hat der Spiegel im Querschnitt eine Parabelform; das räumliche Gebilde wird Paraboloid genannt. Diese Parabolspiegel haben die Eigenschaft, alle Strahlen, die parallel zur Symmetrielinie, der optischen Achse, einfallen, so zu reflektieren, daß sie sich in einem Punkt, dem Brennpunkt F, schneiden. Da Parabolspiegel schwer her-
g
virtuell
aufrecht
vergrößert
f < g < 2f
reell
höhenverkehrt
vergrößert
g > 2f
reell
höhenverkehrt
verkleinert
2 1 1
1 2
1
M
F 2
M
G
2
1
2
B
B G
1
F
M
2
Bild VII-6 Bildkonstruktion am Hohlspiegel M: Mittelpunkt des Hohlspiegels; F: Brennpunkt; G: Gegenstand; B: Bild
F
G
B
202
Physik
Beispiel: Vor einem Hohlspiegel mit dem Krümmungsradius
r = 10 cm steht in 3 cm Abstand ein 2 cm großer Gegenstand. Wie groß sind Bildweite und Bildgröße?
Es gelten folgende Beziehungen zwischen den Winkeln in der Abbildung VII-6:
r = 5 cm 2
Reflexionsgesetz
a1 = b
(VII.6)
1 1 1 1 1 = − = − b f g 5 3
Brechungsgesetz
sin a1 c1 = sin a 2 c 2
(VII.7)
Lösung: f =
b = −7,5 cm B = −G
b −7,5 cm = −2 cm ⋅ = 5 cm g 3 cm
Da b negativ ist, ist das Bild ein virtuelles Bild, B ist positiv, somit ist das Bild aufrecht, was dem Bild VII-5 c entspricht.
Jedem Medium wird eine Zahl zugeordnet, die durch das Verhältnis der Lichtgeschwindigkeit im Medium zu der im Vakuum definiert ist. Brechungsindex
n=
2.2 Brechungsgesetz Trifft ein Lichtstrahl schräg auf die Grenzfläche zwischen zwei nicht absorbierenden Stoffen, in denen das Licht unterschiedliche Lichtgeschwindigkeit hat, so wird ein Teil des einfallenden Lichtes reflektiert, ein anderer Teil tritt in das zweite Medium ein. Dabei ändert sich die Ausbreitungsrichtung an der Grenzfläche. Dies wird als Brechung bezeichnet. Medium 1
c Vac c
(VII.8)
Der Brechungsindex des betreffenden Materials hängt allerdings von der Wellenlänge des Lichtes ab. Die Tatsache, daß der Brechungsindex von der Wellenlänge des Lichtes abhängt, heißt Dispersion. Im optischen Bereich ist die Abhängigkeit normalerweise so, daß mit steigender Wellenlänge der Brechungsindex kleiner wird. Mit Hilfe der Brechungsindizes läßt sich das Brechungsgesetz auch schreiben:
Medium 2
Brechungsgesetz
b a1
a2
Bild VII-6 Brechungsgesetz
sin a1 n 2 = sin a 2 n1
(VII.9)
Stoffe mit kleinerem Brechungsindex sind optisch dünner, solche mit größerem Index optisch dichter.
Tabelle VII-1 Brechungsindizes für l = 589 nm, 20 °C und 1013 hPa Feste Stoffe
n
Flüssigkeiten und Gase
n
Eis Flußspat Steinsalz Optische Gläser Borkron BK1 Flint F3 Schwerflint SF4 Quarzglas Plexiglas Diamant
1,31 1,4338 1,5443
Wasser Äthylalkohol Leinöl Benzol
1,333 1,3618 1,486 1,5012
Luft Sauerstoff Stickstoff Kohlendioxid
1,000 292 1,000 271 1,000 298 1,000 449
1,51 1,6128 1,7550 1,4588 1,50 . . . 1,52 2,4173
Tabelle VII-2 Dispersion einiger Stoffe Farbe und Wellenlänge l Brechungsindex Stoff
violett 396,8 nm
blau 430,7 nm
blaugrün 486,1 nm
grün 527 nm
gelb 589 nm
rot 656,2 nm
dunkelrot 760,8 nm
Wasser
1,3435
1,3406
1,3371
1,3352
1,333
1,3312
1,3289
Flint F3
1,6542
1,6355
1,6246
1,6190
1,6128
1,6081
1,6029
VII Optik
203
Totalreflexion 1
2
3
4 5 n2 = 1 6 n1 = 1,5 7
Bild VII-7 Totalreflexion
P
sichtigen Material, normalerweise aus Glas. Die Kante CF ist die brechende Kante K und der Winkel e der brechende Winkel. Die Fläche ABDE heißt die Basis des Prismas. Im Bild VII-9 ist ein symmetrischer Strahlengang gezeichnet, die Winkelhalbierende von e steht senkrecht auf dem Lichtstrahl. In diesem Fall des symmetrischen Strahlengangs gilt für den Ablenkwinkel d, daß dieser minimal wird. Ist das Prisma von Luft umgeben und hat den Brechungsindex n, so gilt die Gleichung: F
K e
K
Das Brechungsgesetz (VII.9) gilt unabhängig davon, ob das Licht aus einem optisch dichteren oder optisch dünnerem Medium austritt. Tritt das Licht aus einem optisch dichteren Medium in ein optisch dünneres Medium, so verläuft der Strahl wie in Bild VII-7 dargestellt, er wird vom Einfallslot weggebrochen. Wenn der Lichtstrahl aus einem optisch dichteren Medium in z.B. Luft tritt, so ist n2 Ɱ n1, und es folgt für den Ausfallswinkel nach (VII.9) Totalreflexion sin a 2 =
n1 ⋅ sin a1 n2
(VII.10)
Da n1 Ɑ n2, kann der Fall eintreten, daß bei einem bestimmten Einfallswinkel a1 der Wert für sin a2 Ɑ 1 wird. Ab diesem Grenzwinkel kann dann der Lichtstrahl nicht mehr ins Medium 2 eintreten, er wird vollständig reflektiert. Dies Phänomen heißt Totalreflexion. In Bild VII-7 sind einige Strahlenverläufe, ausgehend vom Punkt P, gezeichnet. Der Grenzwinkel ergibt sich in diesem Beispiel zu sin a1 =
n2 1 = n1 1, 5
C
D
E
a
d b
A
B
Bild VII-9 Prisma K
rot
a weiß
b blau
Bild VII-10 Spektrale Zerlegung
sin
d+e e = n ⋅ sin 2 2
(VII.11)
Aus einer Messung des Ablenkwinkels d kann, bei bekanntem brechenden Winkel e, der Brechungsindex des Prismas bestimmt werden. d+e 2 n= e sin 2 sin
a1 = 41, 81
und liegt zwischen den Strahlen 6 und 7. Technische Anwendung findet dieses Phänomen bei der Nachrichtenübertragung in Lichtleitern. Ein Lichtleiter ist im Prinzip so aufgebaut, daß ein optisch dichteres Material, der Kern, von einem optisch dünneren Material, dem Mantel, umgeben ist. Auf die Stirnfläche eintretendes Licht wird an der Grenzfläche Kern – Mantel totalreflektiert. Kern n1 Mantel n2 Luft
Bild VII-8 Lichtleiter
Prisma Ein Prisma ist ein von geraden, gegeneinander geneigten Flächen begrenzter Körper aus einem durch-
(VII.12)
Dies Verfahren kann auch bei Flüssigkeiten angewendet werden. Die zu untersuchende Flüssigkeit wird dann in ein Hohlprisma gefüllt und der Ablenkwinkel bestimmt. Da der Brechungsindex von der Wellenlänge abhängt, kann mit einem Prisma Licht spektral zerlegt werden. Einfallendes weißes Licht, in dem alle Wellenlängen bzw. Farben vertreten sind, wird durch ein Prisma nach Farben zerlegt. Für rotes Licht ist der Brechungsindex kleiner als für blaues Licht, daher ist der Ablenkwinkel für rotes Licht kleiner als für blaues Licht (siehe Tabelle VII-2).
Linsen In allen optischen Systemen und Geräten werden Linsen verwendet. Dieses sind Glaskörper, die durch zwei Kugelflächen begrenzt sind. In der technischen Optik (nach DIN 1335) werden für die Brechung an einer Kugelfläche Vorzeichen festgelegt. Es gilt: Die
204
Physik y
Bild VII-11 Vorzeichenkonvention F′
S
z
C
f′ +r
F′ n2
n1
1
+∞
1 S
F –∞
f′
C F′
r 2
2
Bild VII-13 Sammel- und Zerstreuungslinse
f′
f
Bild VII-12 Brennpunkte einer konvexen Kugelfläche Achse durch den Kugelmittelpunkt ist die optische Achse, zugleich z-Achse des Koordinatensystems. Die positive z-Richtung wird durch die Laufrichtung des Lichtes festgelegt. Die y-Achse steht senkrecht auf der z-Achse und weist von unten nach oben. Der Radius der Kugel ist positiv, wenn das Zentrum C der Kugel in positiver z-Richtung vom Scheitelpunkt S liegt, hier also nach rechts. Sämtliche Strecken, die von S in negativer z-Richtung gemessen werden, erhalten ein negatives Vorzeichen. Da durch eine Kugelfläche Medien mit unterschiedlichen Brechungsindizes n1 und n2 getrennt werden, ist der Strahlenverlauf auf beiden Seiten der Fläche unterschiedlich. Die Brennpunkte F und F' sind so definiert, daß Strahlen, die von ihnen ausgehen, so gebrochen werden, daß sie achsenparallel weiter verlaufen. Für die Brennweiten f und f ' gilt: Brennweite
f =
n1 r n 2 − n1
n2 r f′= n 2 − n1
(VII.13)
(VII.14)
Kommen die Strahlen nicht aus dem Brennpunkt, sondern aus einem weiter entfernten Punkt im Abstand g, so schneiden sich alle Strahlen im Abstand b. Für diese Abstände gilt die f′ f Abbildungsgleichung − =1 (VII.15) b g Dabei ist g gemäß der Definition negativ einzusetzen. Der Einfachheit halber soll angenommen werden, daß die Linsendicke vernachlässigbar klein ist, es sich also um dünne Linsen handelt. An beiden Grenzflä-
chen zwischen der Linse und dem umgebenden Medium, im allgemeinen Luft, werden die Lichtstrahlen gebrochen. Bei dünnen Linsen kann man den Strahlengang konstruieren, indem beide Brechungen durch eine Brechung an der Mittellinie ersetzt werden. Es gibt Sammellinsen, oder konvexe Linsen, und Zerstreuungslinsen, oder konkave Linsen. Der Strahlenverlauf ist in Bild VII-13 dargestellt. Die tatsächlichen Strahlen sind durchgezogen gezeichnet, bei der Zerstreuungslinse wird der Brennpunkt durch die gestrichelt gezeichnete gedachte rückwärtige Verlängerung konstruiert. Da der Brennpunkt auf der linken Seite liegt, hat die Zerstreuungslinse eine negative Brennweite. Die Linse sei nun in Luft und besitze den Brechungsindex nL. Es gilt für die Brennweite f ': 1 ⎛1 1⎞ = ( n L − 1) ⎜ − ⎟ ⎝ r1 r2 ⎠ f′
(VII.16)
r1 Radius der linken Kugelfläche, r2 Radius der rechten Fläche. Sind beide Brennweiten gleich, so wird (VII.15) zur 1 1 1 Linsenformel (VII.17) = − f b g Den Kehrwert der Brennweite f nennt man die Brechkraft oder Dioptrie D. D=
1 f
Der Abbildungsmaßstab ist: B b b′ = = G g
D f m −1 m
(VII.18)
(VII.19)
Zur Konstruktion der Abbildung durch Linsen verwendet man zweckmäßigerweise folgende Strahlen: 1. Strahl parallel zur optischen Achse: durch den Brennpunkt, 2. Strahl durch die Linsenmitte: keine Ablenkung, 3. Strahl durch den Brennpunkt: parallel zur optischen Achse.
VII Optik
205
1 2
3 G
F
B
F
F
B
–g
G
F G
Bild VII-14 Abbildung durch eine Sammellinse
+b
F
B
F
GB
–b
Bild VII-15 Abbildung durch Zerstreuungslinsen
–g
In Bild VII-14 sind für zwei Fälle die Bildkonstruktionen durchgeführt. Links: Gegenstand außerhalb der doppelten Brennweite: Es ergibt sich ein reelles, höhenverkehrtes und verkleinertes Bild. Rechts: Gegenstand innerhalb der Brennweite: Es ergibt sich ein virtuelles, aufrechtes und vergrößertes Bild. Beispiel: Ein Gegenstand der Größe 4 cm steht 25 cm entfernt
von einer Sammellinse der Brennweite f = 5 cm. Wie groß sind a) Bildweite, b) Abbildungsmaßstab und c) Bildgröße? Lösung:
1 1 1 1 1 = + = + b f g 5 cm − 25 cm
a) Bildweite
b = 6,25 cm b=
c) Bildgröße
B = b ⋅ G = −0 , 25 ⋅ 4 cm = −1 cm
Da b positiv ist, liegt das Bild rechts von der Linse, B ist negativ, somit ist das Bild höhenverkehrt, dies entspricht dem Bild VII-14 a. Beispiel: Ein Gegenstand der Größe 4 cm steht 3 cm entfernt von
einer Sammellinse der Brennweite f = 5 cm. Wie groß sind a) Bildweite, b) Abbildungsmaßstab und c) Bildgröße? Lösung:
1 1 1 1 1 = + = + b f g 5 cm − 3 cm
a) Bildweite
b=
Bei der Abbildung durch Zerstreuungslinsen werden im Prinzip die gleichen Strahlen verwendet wie bei Sammellinsen, nur entstehen hier grundsätzlich virtuelle Bilder, da sich die Strahlen ja nie schneiden können. Werden zwei Linsen kombiniert, und zwar so, daß sie in einem Abstand e voneinander stehen, so ergibt sich für das System eine Gesamtbrennweite nach folgender Formel: Brennweite einer Linsenkombination
Beispiel: Ein Linsensystem besteht aus einer Sammellinse der
Brennweite f1 = 10 cm und einer Zerstreuungslinse der Brennweite f2 = –6 cm. Beide haben einen Abstand von e = 5 cm. Wie groß ist die Brennweite des Systems? Lösung:
1 1 1 5 cm = + − = 0,0167 cm −1 f ges 10 cm − 6 cm − 6 ⋅ 10 cm 2
f ges = 60 cm
b −7,5 cm = = 2,5 g − 3 cm
Tabelle VII-3 Bauformen von Linsen
bi-konvex
plan-konvex
(VII.20)
In Linsensystemen werden die verschiedensten Formen verwendet, die gängigsten Bauformen von Linsen sind in Tabelle VII-3 aufgeführt.
b = −7,5 cm b) Abbildungsmaßstab
B = b ⋅ G = 2 , 5 ⋅ 4 cm = 10 cm
b ist jetzt < 0, B > 0, somit liegt ein virtuelles, vergrößertes Bild vor.
1 1 1 e = + − f ges f1 f 2 f1 ⋅ f 2
b 6,25 cm = = −0 , 25 g − 25 cm
b) Abbildungsmaßstab
c) Bildgröße
bi-konkav
plan-konkav
Radien
r1 > 0 r2 < 0
r1 = ∞ r2 < 0
r1 < 0 r2 > 0
r1 = ∞ r2 > 0
Brennweite
f >0
f >0
f <0
f <0
206
Physik
2.3 Optische Geräte In optischen Geräten werden je nach Anwendung Linsen unterschiedlichster Bauformen zu Linsensystemen zusammengesetzt. Sie dienen dazu, den Sehwinkel zu vergrößern. I
Le A N
H K Li
Nahpunkt. Eine weitere Vergrößerung ist nur mit Hilfe optischer Instrumente erreichbar. Wird der Sehwinkel mit Instrument als s′ bezeichnet, so ist die Vergrößerung G definiert zu
a
G b
B
Bild VII-16 Das menschliche Auge Das menschliche Auge Da jede optische Erscheinung mit dem Auge wahrgenommen wird, soll hier kurz die Wirkungsweise des menschlichen Auges dargestellt werden. Das Prinzip ist in Bild VII-16 dargestellt. Das Auge wird von der Lederhaut Le eingehüllt, darunter liegt die Aderhaut A und die lichtempfindliche Netzhaut N. Das Licht fällt durch die Hornhaut H und die Augenkammer K, tritt durch die Linse Li und dann auf die Netzhaut N. Der Augennerv tritt am Blinden Fleck B durch das Auge. Durch die variable Krümmung und damit variable Brennweite der Linse kann das Auge Gegenstände in verschiedenen Entfernungen scharf auf die Netzhaut abbilden. Die Iris I regelt als Blende die eintretende Lichtmenge. Der Abstand, in dem man noch eben scharf sehen kann, ist der Nahpunkt, er liegt beim jungen Menschen bei ca. 10 cm, beim älteren Menschen weiter entfernt. Als deutliche Sehweite ist ein Abstand von s0 = 25 cm definiert. Der Fernpunkt liegt beim normalsichtigen Menschen im Unendlichen. Fehlsichtigkeit tritt dann auf, wenn parallel einfallende Strahlen nicht auf der Netzhaut (Bild VII-17 a), sondern beim kurzsichtigen Auge vor der Netzhaut (Bild VII-17 b), beim weitsichtigen Auge hinter der Netzhaut (Bild VII-17 c) fokussiert werden. Die lichtempfindlichen Sinneszellen sind die in der Netzhaut eingebetteten Stäbchen und Zäpfchen. Die Zäpfchen sind farbempfindlich, während die Stäbchen nur Grautöne unterscheiden können, dafür sind sie aber wesentlich lichtempfindlicher. Von einem reellen Gegenstand wird durch das optische System des Auges ein umgedrehtes, reelles Bild auf der Netzhaut erzeugt. Das menschliche Gehirn dreht auf Grund seiner Erfahrung dieses Bild um, so daß wir von einem aufrechten Gegenstand auch ein aufrechtes Bild „sehen“. Der Gegenstand erscheint dem Auge unter dem Sehwinkel s. Soll der Gegenstand vergrößert betrachtet werden, so muß der Sehwinkel vergrößert werden, man muß näher an den Gegenstand herangehen. Dies geht aber nur bis zum
Bild VII-17 Augenfehler
c
s G
B
Vergrößerung
G=
G F
Bild VII-18 Sehwinkel
tan s ′ tan s
(VII.21)
s′
s
s′ f
Bild VII-19 Lupe Lupe Eine Lupe als einfachstes optisches Instrument ist eine Sammellinse hoher Brechkraft. Die Vergrößerung hängt von der Brennweite der Linse, aber auch vom Abstand des Gegenstandes von der Linse ab. Um eine vergleichbare Angabe zu erzielen, wird festgelegt, daß sich der Gegenstand in der Brennebene der Lupe befindet und sich das Auge auf unendlich eingestellt, akkomodiert, hat. Diese Vergrößerung bezeichnet man als Normalvergrößerung. Verglichen wird der sich dann ergebende Sehwinkel mit dem, bei dem sich der Gegenstand ohne Lupe in der deutlichen Sehweite s0 befindet. Mit tan s ' =
G G und tans = folgt für die f − s0
Vergrößerung einer Lupe G = −
s0 f
(VII.22)
VII Optik
207
Wird der Gegenstand näher an die Lupe herangebracht, so entsteht ein virtuelles, aufrechtes vergrößertes Bild. Mikroskop Noch bessere Vergrößerungen erzielt man mit einem Mikroskop. Dies ist im Prinzip eine Kombination aus zwei Sammellinsen, dem Objektiv Obj mit den Brennpunkten F1 und dem Okular Ok mit den Brennpunkten F2. Das Objektiv entwirft vom Gegenstand G ein reelles Zwischenbild ZB fast im Brennpunkt F2. Dieses Zwischenbild wird mit dem Okular, das wie eine Lupe wirkt, betrachtet. Die nahezu parallel austretenden Strahlen werden durch die Augenlinse auf der Netzhaut gebündelt. Eingezeichnet ist die sogenannte Tubuslänge t, der Abstand zwischen beiden Brennpunkten der Linsen. Die Gesamtvergrößerung ergibt sich zu: Ok ge
Au
Obj
F2 ZB
F1
F2
G t
solche, bei denen das Bild höhenverkehrt erscheint, diese werden in der Astronomie verwendet (Keplersches Fernrohr), und solche mit aufrechten Bildern (Galileisches Fernrohr). Der grundsätzliche Strahlenverlauf ist in Bild VII-21 gezeichnet. Die Brennpunkte von Objektiv F1 und Okular F2 fallen zusammen. Die parallel austretenden Strahlen werden auch hier im Auge auf der Netzhaut fokussiert. Die Gesamtvergrößerung berechnet sich zu Vergrößerung eines Fernrohrs GF = −
f1 f2
(VII.24)
Werden die Brennweiten mit richtigem Vorzeichen eingesetzt, so ergibt sich beim Keplerschen Fernrohr eine negative Vergrößerung, also eine Bildumkehr, beim Galileischen Fernrohr eine positive Vergrößerung, also ein aufrechtes Bild. Durch den Einbau einer weiteren Linse kann allerdings auch im Keplerschen Fernrohr ein aufrechtes Bild erzielt werden; das Fernrohr wird dadurch nur länger. Eine Verlängerung des Fernrohres kann vermieden werden, indem der Strahl durch geeignete Prismen umgelenkt wird. Technische Angaben eines Fernglases sind die Vergrößerung und der Durchmesser DE der Eintrittsöffnung, normalerweise des Objektivs. Die Angabe 7 × 50 besagt, daß die Vergrößerung GF = 7 ist und die Eintrittsöffnung einen Durchmesser von 50 mm hat. Für den Durchmesser DA der Austrittsöffnung gilt: DE DA
Bild VII-20 Mikroskop
GF =
Vergrößerung eines Mikroskops t ⋅ s0 GM = f1 ⋅ f 2
Die Leistungsfähigkeit bei Dämmerung wird nach DIN 58386 durch die Dämmerungszahl Z gekennzeichnet.
Obj
(VII.23)
Z=
Ok
s′
F1 F2
DA =
s
50 mm = 7,14 mm 7
und Z=
Obj
(VII.26)
Bei dem Fernglas 7 × 50 ist
ZB s
GF ⋅ D E
(VII.25)
Auge s′
Ok
7 ⋅ 50 = 18, 7
hingegen bei 8 × 30 gilt: DA =
30 mm = 3,75 mm 8
Z = 8 ⋅ 30 = 15, 5 F1 F2
Bild VII-21 Fernglas
somit ist das Glas 7 × 50 in der Dämmerung besser geeignet. Die Augenpupille ist maximal 8 mm im Durchmesser, es hat also keinen Sinn, ein Fernrohr zu benutzen, bei dem DA > 8 mm ist.
Fernglas Beim Fernrohr liegt der zu betrachtende Gegenstand sehr weit entfernt, es treten parallele Strahlen in das Linsensystem. Es gibt verschiedene Anordnungen,
Photoapparat Ein Photoapparat bildet – wie das Auge – den Gegenstand auf einer lichtempfindlichen Schicht, dem Film, ab. Das Objektiv besteht, um Linsenfehler zu
208
Physik
vermeiden, aus Vielfach-Linsensystemen. Im Gegensatz zum Auge muß für unterschiedliche Entfernungen des Gegenstandes vom Objektiv der Abstand Film– Objektiv variiert werden, um eine scharfe Abbildung zu erreichen. Wie beim Auge kann die einfallende Lichtmenge durch eine variable Blende geregelt werden. Als technische Angabe für Objektive dient nach DIN 4521 das Verhältnis vom Durchmesser der Eintrittsöffnung zur Brennweite DE f
relative Öffnung =
(VII.27)
Steht z.B. auf einem Objektiv 1 : 2,8, f = 50 mm, so bedeutet dies bei einer Brennweite von 50 mm eine maximale Eintrittsöffnung von 17,85 mm. Der Kehrwert der relativen Öffnung ist die Blendenzahl k oder kurz Blende. f Blende k = DE
(VII.28)
Die nach DIN 4522 genormten Blendenzahlen sind: 1; 1,4; 2; 2,8; 4; 5,6; 8; 11; 16; 22. Sie sind so gewählt, daß sich bei Vergrößerung der Blendenzahl um einen Wert die Lichtintensität halbiert, daher ist der Faktor zwischen benachbarten Blendenwerten
2.
3 Wellenoptik Die Eigenschaften der Wellen sind bereits im Abschnitt V besprochen worden, hier sollen spezielle Eigenschaften der Lichtwellen dargestellt werden.
3.1 Interferenz Bei Überlagerung von Wellen gleicher Frequenz können sich die Wellen je nach Gangunterschied auslöschen oder verstärken. Da Licht eine sehr kleine Wellenlänge hat, ist dieser Effekt nicht so leicht zu sehen. Außerdem braucht man zur Interferenz Licht gleicher Wellenlänge und fester Phasenbeziehung j. Normale Temperaturstrahler senden Licht nicht kontinuierlich aus, sondern in räumlich begrenzten Wellenpaketen. Zwei Wellenpakete, die von unterschiedlichen Orten einer Lichtquelle emittiert wurden, können nur dann interferieren, wenn sie zu gleicher Zeit am Interferenzort eintreffen. Entscheidend für die Interferenzfähigkeit ist, daß die WegdifG
1
n
2
F A B D
E
Tabelle VII-4 Kohärenzlängen
Lichtquelle
Kohärenzlänge
weißes Licht Spektrallampe Halbleiter-Laser He-Ne-Laser
1 – 2 mm 20 cm 150 m 2 km
Da aber bei normaler Lichtemission einzelne Bereiche von Lichtquellen das Licht ohne feste Phasenbeziehung abstrahlen, müssen bei Interferenzversuchen einige experimentelle Tricks angewendet werden. Licht gleicher Frequenz und fester Phasenbeziehung wird kohärentes Licht genannt. Sehr gut geeignete Lichtquellen für Interferenzversuche stehen heutzutage durch die Laser zur Verfügung. Diese liefern besonders scharf gebündelte Lichtstrahlen mit sehr guter Kohärenz. Interferenzerscheinungen können in speziellen Fällen auch im normalen Tageslicht beobachtet werden, z.B. rühren die schillernden Oberflächen von mit Öl bedecktem Wasser von Interferenz her. Dies soll an einer dünnen Schicht erläutert werden. In einer solch dünnen Schicht wird einfallendes Licht an den Grenzflächen vielfach reflektiert, ein Teil auch immer transmittiert. Die vom Beobachter aufgenommenen Lichtstrahlen haben dann unterschiedliche Wegstrecken zurückgelegt. Da weißes Licht einfällt, sind alle Wellenlängen vorhanden. Die Interferenzbedingung für Auslöschung kann unter einem festen Winkel nur für eine Wellenlänge erfüllt sein, daher wird, wenn diese Farbe ausgelöscht wird, aus dem weißen Licht farbiges Licht. Der Strahlengang ist in Bild VII-22 dargestellt. Der von der Lichtquelle L ausgehende Lichtstrahl wird im Punkt A teilreflektiert und trifft als Strahl 1 im Punkt G auf. Ein Teil wird zum Punkt D gebrochen, dort teilreflektiert und vom Punkt B als Strahl 2 ebenfalls nach G gelenkt. Im Punkt G interferieren die Strahlen 1, 2, 3 . . . Der geometrische Gangunterschied zwischen Strahl 1 und 2 beträgt AD + DB − AF , der optische n ( AD + DB ) − AF . Mit Hilfe des Brechungsgesetzes und der Tatsache, daß bei Reflexion an einem dichteren Medium ein Phasensprung von l/2 auftritt, kann für den Gangunterschied Δ zwischen den Strahlen 1 und 2 abgeleitet werden:
L a
ferenz nicht länger als die Wellenzüge ist. Der größte Gangunterschied, bei dem noch Interferenz möglich ist, ist die Kohärenzlänge l. In Tabelle VII-4 sind Kohärenzlängen einiger typischer Lichtquellen aufgelistet.
3 C
Δ = 2 d n 2 − sin 2 a − d
Bild VII-22 Interferenz
l 2
(VII.29)
Auslöschung tritt dann ein, wenn die Bedingung
VII Optik
209
2 d n 2 − sin 2 a = ( m + 1) l , m = 0, 1, 2, … (VII.30) erfüllt ist. Beugung am Spalt
3.2 Beugung
und in dieser bestimmten Richtung herrscht Dunkelheit. Auslöschung tritt immer dann auf, wenn die Bedingung sin a min =
Fällt auf eine Öffnung ein Bündel aus parallelem monochromatischem Licht, so ist hinter der Öffnung auch in den Bereichen, die im geometrischen Schattenbereich liegen, Lichtintensität zu beobachten. Diese Lichtbeugung läßt sich ebenfalls nur mit Hilfe der Wellennatur des Lichtes erklären. Bei Lichtwellen ist in der Regel die Öffnung größer als die Wellenlänge des eingestrahlten Lichtes.
ml , b
πb sin 2 ⎛⎜ sin a ⎞⎟ ⎠ ⎝ l
I a Spalt = I 0
⎛ π b sin a ⎞ ⎜ ⎟ ⎝ l ⎠
a
1 l sin a max ≈ ⎛⎜ m + ⎞⎟ , ⎝ 2⎠ b
a Δ
Bild VII-23 Beugung am Spalt I Ia I0 0,5
0 –10
–5
(VII.32)
2
berechnet werden kann. Im Bild VII-24 ist diese Intensitätsverteilung aufgetragen. Die Maxima liegen näherungsweise in der Mitte zwischen zwei Nullstellen, für sie gilt Maxima Beugungsbild
1 2 5 6
(VII.31)
erfüllt ist. Es kann gezeigt werden, daß die Intensität in einer bestimmten Richtung hinter einem Spalt nach der Formel
Spalt
b
m = 1, 2, 3, …
0
5
10 p b sina l
Bild VII-24 Intensitätsverteilung hinter einem Spalt Als Öffnung wird ein Spalt der Breite b betrachtet. Jeder Punkt des Spaltes, der von dem einfallenden Licht getroffen wird, ist nach dem Huygensschen Prinzip (siehe Abschnitt 1) Ausgangspunkt einer Elementarwelle. Die von den einzelnen Punkten ausgehenden Strahlen haben gegeneinander unterschiedliche Gangunterschiede. Wenn der Gangunterschied zwischen den beiden Randstrahlen genau l beträgt, ist der Gangunterschied zwischen einem Randstrahl und dem Mittenstrahl, also z.B. Strahl 1 und Strahl 5, l/2, und diese beiden Strahlen löschen sich aus. Aber auch zwischen 2 und 6 besteht dann der Gangunterschied l/2, und diese beiden löschen sich ebenfalls aus. So läßt sich in diesem Fall zu jedem Strahl immer ein anderer mit dem Gangunterschied l/2 finden, somit löschen sich alle Strahlen aus
m = 1, 2, 3, …
(VII.33)
Die Beugung am Spalt liefert keine sehr scharfen Intensitätsmaxima. Gitter Ein optisches Gitter ist eine Anordnung von vielen gleichen Spalten. Zur Interferenz gelangen jetzt einmal die Strahlen aus einem Spalt, aber auch Strahlen aus benachbarten Spalten (s. Bild VII-25). Das Beugungsbild hat jetzt ebenfalls Maxima und Minima, die Schärfe hängt von den Größen b und g ab, aber auch davon, wieviele Strahlen p zur Interferenz gelangen, d.h., wieviele Spalte beleuchtet werden. Die Hauptmaxima, das sind die Maxima, die durch Interferenz aus benachbarten Spalten entstehen, liegen so, daß die Bedingung sin a max =
ml , g
m = 0, 1, 2, …
(VII.34)
erfüllt ist. Die gesamte Intensitätsverteilung ist eine Funktion, die aus Überlagerung von Interferenz am einzelnen Spalt und aus benachbarten Spalten entsteht. Sie lautet: Beugung am Gitter
g
b
a Δ
Bild VII-25 Beugung am Gitter
210
I a Gitter
Physik pg π sin 2 ⎛⎜ sin a ⎞⎟ ⎝ l ⎠ = I a Spalt ⋅ π g sin 2 ⎛⎜ sin a ⎞⎟ ⎝ l ⎠
(VII.35)
Die Lage der Maxima ist von der Wellenlänge abhängig, somit können Gitter zur Trennung von verschiedenen Wellenlängen bzw. Farben verwendet werden, indem hinter dem Gitter durch geeignet angebrachte Blenden bis auf einen Wellenlängenbereich Δl das Licht ausgeblendet wird. Dies wird in Gittermonochromatoren angewendet. Polarisation Da Licht eine elektromagnetische Transversalwelle ist, ist es möglich, die Schwingungsrichtung so zu be einflussen, daß der elektromagnetische Feldvektor E nur in einer Ebene schwingt. Da der magnetische Feldvektor H immer senkrecht zum E -Vektor steht, schwingt auch dieser in einer Ebene. Solch ein Licht wird linear polarisiertes Licht genannt. Erzeugen kann man linear polarisiertes Licht u.a. durch Polarisationsfilter. Dies sind Filter, in denen lange organische Molekülketten liegen. In Richtung der Ketten kann dem einfallenden natürlichen Licht durch Energieübertragung an die Elektronen in den Molekülketten Energie entzogen werden, diese Schwingungsrichtung fehlt dann im Licht hinter dem Filter. Da jede Schwingungsrichtung als vektorielle Summe von zwei ausgezeichneten senkrecht zueinander stehenden Richtungen zusammengesetzt werden kann, liegt bei Fehlen einer dieser beiden Richtungen nur noch eine Schwingungsrichtung in einer Ebene vor. Trifft Licht der Intensität I0 auf einen solchen Polarisator P, so wird die Intensität nach dem Polarisator IP halbiert, da ja eine Schwingungsrichtung fehlt. I IP = 0 (VII.36) 2 Wird dieses linear polarisierte Licht durch ein zweites Polarisationsfilter A (Analysator) geschickt, so ist die Intensität hinter dem Analysator abhängig von der Verdrehung des Analysators gegen den Polarisator.
Ist die Ausbreitungsrichtung des Lichtes die z-Rich tung, die Schwingungsrichtung des -Vektors die xE Richtung, dann schwingt der H -Vektor in y-Richtung. Die in Bild VII-26 eingezeichneten Linien im Polarisator geben die Durchlaßrichtung an; diese steht senkrecht auf den Molekülketten.
ap
Luft Glas
n
90°C
Bild VII-27 Polarisation durch Reflexion
Auch durch Reflexion an einer Glasplatte kann Licht linear polarisiert werden. Durch den einfallenden und reflektierten Strahl wird eine Ebene festgelegt, die Einfallsebene. Fällt natürliches Licht unter einem bestimmten Winkel, dem Brewsterscher Winkel oder auch Polarisationswinkel ap, auf die Glasplatte, so fehlt dann im reflektierten Strahl eine Schwingungsebene, und zwar die Ebene parallel zur Einfallsebene. Dies ist dann der Fall, wenn reflektierter und gebrochener Strahl senkrecht zueinander stehen. Für den Polarisationswinkel gilt: sin a p = n ⋅ sin ( 90 − a p )
(VII.38)
sin a p = n ⋅ cos a p
(VII.39)
Polarisationswinkel
n = tana p
(VII.40)
Das reflektierte Licht ist dann senkrecht zur Einfallsebene linear polarisiert. Dieser Effekt wird z.B. in der Fotografie benutzt, um störende Reflexionen zu unterdrücken: Durch ein Polarisationsfilter vor dem Kameraobjektiv (Analysator) kann die linear polarisierte reflektierte Intensität durch richtige Drehung des Analysators beeinflußt werden.
4 Photometrie
f z y A x P
Bild VII-26 Linear polarisiertes Licht Intensität hinter dem Analysator I A = I P ⋅ cos 2 j
(VII.37)
In der geometrischen Optik wird allein die Frage nach Abbildungen und Strahlengängen untersucht, nicht aber Größen wie Lichtintensität, Helligkeit oder Strahlleistung. Diese Begriffe werden in der Photometrie definiert und angewendet. Dabei interessiert die gesamte Strahlungsleistung sowie deren räumliche und spektrale Verteilung. In der objektiven Photometrie wird die Strahlungsleistung mit einem Meßinstrument gemessen, die Größen erhalten den Index „e“ (energetisch). Wird die Strahlungsleistung mit dem Auge bewertet, spricht man von subjektiver Photometrie, und die Größen erhalten den Index „v“ (visuell).
VII Optik
211
4.1 Strahlungsphysikalische Größen Unter Licht wird die elektromagnetische Strahlung im Wellenlängenbereich von 380 nm bis 780 nm verstanden. Die Begriffe sind in der DIN 5031 festgelegt. Es gibt verschiedene Effekte, Strahlungsenergie in andere Energieformen umzuwandeln und so der Messung zugänglich zu machen, z.B. Erwärmung, Änderung des Widerstandes von Halbleitern oder Entstehung eines Photostromes in Photodioden. Die auf einen Detektor treffende Strahlungsleistung Qe, auch Strahlungsfluß oder Lichtstrom genannt, ist die pro Zeiteinheit Δt auftreffende Strahlungsenergie ΔQe Strahlungsleistung Fe =
Δ Qe Δt
Fe ΔQe Δ t W J s
(VII.41)
r
Bild VII-28 Raumwinkel
W A r2 sr m 2 m 2
(VII.42)
A ⋅ W0 r2
Fe I e W W W/sr sr
(VII.46)
Fe AW
Le Fe A W W/(m 2 sr) W m 2 sr
(VII.47)
Ie Le A W/sr W/(m 2 sr) m 2
(VII.48)
Strahlstärke I e ( e1 ) = L e A1 cos e1
Die Strahlstärke als Funktion des Abstrahlungswinkels wird oft in Datenblättern angegeben. In Bild VII-29 sind im Polardiagramm für zwei unterschiedliche Strahlertypen die Strahlcharakteristik dargestellt, Kurve b ist die einer Leuchtdiode mit starker Vorwärtsstrahlung, Kurve a gehört zu einem Strahler mit konstanter Strahldichte Le, einem sogenannten Lambert-Strahler. Für diesen gilt Lambertsches Gesetz
definiert. Der Raumwinkel ist dimensionslos, aber der Deutlichkeit halber wird er in der Einheit 1 sr, 1 Steradiant, angegeben. W=
Der Faktor A2 ⋅ cos e2 gibt die wirksame senkrecht zur Strahlrichtung stehende Fläche an. Ein Sender strahlt die Strahlstärke Ie ab. Die Einheit der Strahlstärke Ie W ist 1 . Für die gesamte vom Empfänger aufgesr nommene Strahlungsleistung gilt dann:
Le =
Die Strahlungsleistung, die auf einen Empfänger trifft, hängt bei konstantem Sender von der Fläche des Empfängers, von der Richtung der Empfängerfläche und vom Abstand vom Sender ab. Da die Strahlung sich räumlich ausbreitet, ist der Raumwinkel ein Maß für den erfaßten Bereich. Zur Definition des Raumwinkels kann man sich eine punktförmige Lichtquelle im Zentrum einer Kugel vorstellen. Die gesamte Strahlungsleistung verteilt sich auf die gesamte Kugeloberfläche. Wird eine Teilfläche A bestrahlt, so ist der zugehörige Raumwinkel W nach der Gleichung A r2
(VII.45)
Die gesamte vom Sender in einen bestimmten Raumwinkel ausgesendete Strahlstärke und somit der Strahlungsfluß hängt von der wirksamen Fläche von A1 und von der pro Flächeneinheit ausgesendeten Strahlleistung, der Strahldichte Le, ab. Strahldichte
A1
W=
A2 ⋅ cos e 2 ⋅ W0 r2
Fe = I e ⋅ W A2
Raumwinkel
W=
Strahlungsleistung
e2
e1
Sender – Empfänger groß und ist die Empfängerfläche klein, so kann der Empfänger als ebene Fläche aufgefaßt werden. Die in den folgenden Formeln benötigten Winkel sind die zwischen der Flächennormalen und der Strahlrichtung. Der Sender hat die Fläche A1, der Empfänger A2. Der schraffiert eingetragene Raumwinkel ist
(VII.43)
mit W0 = 1 sr. Da die Kugeloberfläche O = 4pr2 ist, gilt für den gesamten Raumwinkel: 4 πr 2 gesamter Raumwinkel Wmax = 2 = 4 π sr (VII.44) r
Streng genommen gilt diese Definition für eine kugelförmige Empfängerfläche. Ist jedoch der Abstand
I e ( e1 ) = I e ( e 0 ) ⋅ cos e1
(VII.49)
Zu diesem Strahlertyp gehören alle Körper mit rauhen, diffus reflektierenden Flächen. Sie erscheinen aus allen Richtungen gleich hell. Für die auf den Empfänger treffende Strahlungsleistung gilt dann unter Zusammenfassung aller bisherigen Gleichungen: Fe = L e
A1 cos e1 A2 cos e 2 W0 r2
(VII.50)
Unter der spezifischen Ausstrahlung wird die pro Flächeneinheit emittierte Strahlungsleistung definiert:
212
Physik
Boltzmann-Konstante
a b
0°
k = 1, 381 ⋅ 10 −23 J K
45°
Ein typischer Verlauf ist in Bild VII-30 dargestellt. Es sind hier die prinzipiellen Kurvenverläufe für drei Temperaturen dargestellt, wobei T1 > T2 > T3 ist. Das Maximum der spektralen Strahldichte lmax verschiebt sich mit höheren Temperaturen zu kleineren Wellenlängen entlang der gestrichelt gezeichneten Hyperbel. Es gilt das Wiensche Verschiebungsgesetz:
100%
90° 60%
Bild VII-29 Strahlcharakteristik
Fe = L e cose1W A1
Me =
(VII.51)
Auf der Empfängerseite ist die Bestrahlungsstärke Ee, der auf die Empfängerfläche bezogene Strahlungsfluß, wichtig. Ee =
Fe A2
(VII.52)
lmax ⋅ T = const = 2898 mmK
Le,λ T1
ΔL e Δl
L e, l
ΔL e
Δl
W/(m 2 sr nm) W/(m 2 sr) nm
(VII.53)
Le, l ist also die im Wellenlängenintervall Δl emittierte Strahldichte ΔLe. Besonderes Interesse hat die spektrale Verteilung der Wärmestrahlung von Körpern. Jeder Körper sendet Wärmestrahlung aus, deren spektrale Verteilung (also deren Farbe) von der Temperatur abhängt. Für einen idealisierten Körper, nämlich einen solchen, der alle auftreffende Strahlung vollständig absorbiert, kann die spektrale Strahldichte berechnet werden. Diese Körper werden schwarze Körper genannt. Für diese Körper gilt die Plancksche Strahlungsformel für die Temperaturabhängigkeit der Strahldichte: Plancksche Strahlungsformel L e, l ( l , T ) =
c1 1 1 ⋅ ⋅ l5 e c 2 l T − 1 W0
(VII.54)
Die Konstanten c1 und c2 hängen mit der Lichtgeschwindigkeit c und einer weiteren Naturkonstanten, dem Planckschen Wirkungsquant h und der Boltzmann-Konstante k zusammen: c 1 = 2 h c 2 = 1,191 ⋅ 10 −16 Wm 2
(VII.55)
2
c2 =
(VII.59)
Betrachtet man nicht die spektrale Strahldichte, sondern die insgesamt von einem schwarzen Strahler ausgesendete Leistung, so gilt das Stefan-Boltzmannsche Gesetz:
Ist die Strahlung über einem größeren Wellenlängenbereich vorhanden, so werden spektrale Größen zur Beschreibung nötig sein. Dies wird durch den Index l gekennzeichnet, so ist z.B. die spektrale Strahlungsdichte durch Le, l gekennzeichnet und definiert durch spektrale Strahldichte
L e, l =
(VII.58)
hc = 1, 439 ⋅ 10 − 2 mK k
(VII.56)
Plancksches Wirkungsquant h = 6 , 626 ⋅ 10 −34 Js
(VII.57)
T2 T3 l
Bild VII-30 Schwarzer Strahler Me (T ) = s ⋅T 4
(VII.60)
mit der Konstanten s = 5, 670 ⋅ 10 − 8
W m2 K 4
(VII.61)
4.2 Lichttechnische Größen Werden Strahlungen nicht mit objektiven Instrumenten, sondern mit dem Auge beurteilt, so muß die spektrale Lichtempfindlichkeit des Auges berücksichtigt werden. Strahlen z.B. eine rote und eine grüne Lichtquelle mit gleicher Strahlungsleistung, so empfindet das Auge die grüne Quelle ca. 16mal heller. Das Auge hat sich im Lauf der Entwicklung dem Sonnenlicht angepaßt, und somit für Grün die größte Empfindlichkeit entwickelt. Die Augenempfindlichkeit ist bei Tageslicht eine andere als bei Nacht, hier ist sie zu kleineren Wellenlängen, also zu Blau hin, verschoben. Die Augenempfindlichkeit für Tageslicht wird mit dem Hellempfindlichkeitsgrad V(l) und die für Nachtlicht mit V ′(l) bezeichnet. Bei Tageslicht sind die Zäpfchen (photopische Anpassung), bei Nachtsehen die Stäbchen (skoptopische Anpassung) angesprochen. Wird mit dem Lichtstrom Fv der Helligkeitseindruck bezeichnet, so gilt bei einfarbigen Lichtquellen:
VII Optik
213
Fv = K m Fe V ( l )
(VII.62)
Die Konstante Km wird als Maximalwert des photometrischen Strahlungsäquivalents bezeichnet. Sie ist in einer noch zu definierenden Einheit: lm (1 lm = 1 Lumen) (VII.63) K m = 683 W Diese Größe ist mit der SI-Einheit Candela (s. Abschnitt I) verknüpft. Licht mit der Frequenz f = 540 ⋅ 1012 Hz hat eine Wellenlänge von 555 nm. Der Hellempfindlichkeitsgrad V(555) = 1, somit gilt für die Lichtstärke 1 Candela: 1 W (VII.64) I v = 1 cd = K m I e = K m 683 sr und damit der o.a. Wert für Km. Als abgeleitete Einheiten sind für den Lichtstrom das Lumen 1 lm = 1 cd sr und für die Beleuchtungsstärke Ev das Lux 1 lx = 1 lm/m2 erlaubt.
schaften des Lichtes verstanden waren. Nach der Wellentheorie ist es zwar ebenfalls möglich, daß eine Lichtwelle aus einem Metall Elektronen herausschlagen kann, nur muß dann die Bewegungsenergie der Elektronen im Vakuum von der Intensität des eingestrahlten Lichtes abhängen. Gemessen wurde aber, daß die Energie der Elektronen von der Frequenz des Lichtes abhängt. Die Aussage der Quantenphysik ist, daß jedem Materie-Teilchen eine Welle und jeder Welle ein Materie-Teilchen zugeordnet werden kann. Diese Lichtquanten heißen Photonen. Die Photonen haben die Eigenschaft, daß sie sich im Vakuum mit Lichtgeschwindigkeit bewegen, eine Bewegungsenergie und eine Bewegungsgröße oder auch Impuls haben. Der Zusammenhang zwischen beiden Betrachtungsweisen erfolgt über die Grundgleichungen Energie
W = h⋅ f W=
Beispiel: Welchen Lichtstrom empfängt eine 20 cm × 30 cm große
Fläche, auf die das Licht einer 2,40 m entfernten punktförmigen Lichtquelle von 80 cd senkrecht auftrifft?
Impuls
Lösung: Raumwinkel
W=
A 0,2 m ⋅ 0,3 m = = 0,0104 sr r2 ( 2,4 m ) 2
Fv = I e ⋅ W = 80 cd ⋅ 0,0104 sr = 0,833 lm Beispiel: Welche Lichtstärke Iv muß eine Lichtquelle haben,
damit an einem r = 1,5 m entfernten Arbeitsplatz die Beleuchtungsstärke Ev = 500 lx beträgt?
E v r 2 500 lx ⋅ ( 1,5 m ) = = 1125 cd W0 1 sr 2
Lösung:
Iv =
p=
(VII.65)
hc l
(VII.66)
h l
(VII.67)
h ist das Plancksche Wirkungsquant, W und p sind Energie und Impuls, die Teilchengrößen f und l sind Frequenz und Wellenlänge des Lichtes, also die Wellengrößen. Trifft nun eine Lichtwelle der Frequenz f auf eine geladene Metallplatte, so kann das entsprechende Photon die Energie W an die Elektronen des Metalls abgeben. Ist die Energie groß genug, um ein Metallelektron aus der Metalloberfläche herauszuschlagen, so wird das Metall entladen. Dazu
Tabelle VII-5 Photometrische Größen Strahlungsphysikalische Größen
Lichttechnische Größen
Größe
Zeichen
Einheit
Größe
Zeichen
Einheit
Strahlungsenergie
Qe
Ws
Lichtmenge
Qv
lm s
Strahlungsleistung
Fe
W
Lichtstrom
Fv
lm
2
spez. Ausstrahlung
Me
W/m
spez. Lichtausstrahlung
Mv
lm/m2
Strahlstärke
Ie
W/sr
Lichtstärke
Iv
cd = lm/sr
Strahldichte
Le
W/(m2 sr)
Leuchtdichte
Lv
cd/m2
Bestrahlungsstärke
Ee
W/m2
Beleuchtungsstärke
Ev
lx = lm/m2
Bestrahlung
He
Ws/m2
Belichtung
Hv
lx s
5 Licht als Korpuskel Trifft Licht auf eine negativ geladene Metallplatte, so können unter geeigneten Bedingungen Elektronen ausgelöst werden. Dieser Effekt ist der Photoeffekt oder auch lichtelektrische Effekt. Entdeckt wurde dieser Effekt bereits 1887, richtig erklärt konnte er aber erst werden, nachdem die Korpuskel-Eigen-
ist es notwendig, daß das Photon eine Mindestenergie hat, nämlich die Energie, die benötigt wird, um ein Elektron aus dem betreffenden Material austreten zu lassen. Diese Energie heißt Austrittsenergie oder Austrittsarbeit. Die Bewegungsenergie des Elektrons im Vakuum ist dann gleich der Energie des eingestrahlten Lichtes, vermindert um die Austrittsarbeit.
214
Physik
Wkin = h ⋅ f − WA
(VII.68)
Der Photoeffekt ist erst dann bemerkbar, wenn das Licht eine Grenzenergie oder Grenzfrequenz fGr bzw. Grenzwellenlänge lGR hat. Die hier gebräuchliche Einheit der Energie ist das Elektronenvolt. Aus der Definition der Energie in der Elektrotechnik elektrische Energie Wel = Q ⋅ U
(VII.69)
ist die Energie einer Ladung abhängig von der Spannung, mit der sie beschleunigt wurde. Die Ladung eines Elektrons ist die Elementarladung: e 0 = 1,602 ⋅ 10 −19 As
(VII.70)
Wird dieses Elektron mit der Spannung 1 V beschleunigt, so hat es die Energie: Wkin = e 0 ⋅ U
Wkin = 1, 602 ⋅ 10
(VII.71) −19
Ws
(VII.72)
1 eV = 1,602 ⋅ 10 −19 Ws
(VII.73)
Die Austrittsarbeit hängt vom Material und von der kristallographischen Orientierung der Oberfläche ab. Typische angenäherte Werte sind in Tabelle VII-6 angegeben. Die Grenzwellenlänge errechnet sich nach (VII.66) zu Grenzwellenlänge hc lGr = (VII.74) WA lGr =
6 , 627 ⋅ 10 −34 Js ⋅ 3 ⋅ 10 8 m s 1 ⋅ WA 1, 602 ⋅ 10 −19 J eV
lGr = 1241 ⋅
1 WA
( lGr in nm, WA in eV )
(VII.75) (VII.76)
Tabelle VII-6 Austrittsarbeit Metall
WA in eV
λGr in nm
W Ni Ag Au Cu Cs Cs auf W
5,0 4,6 4,5 5,4 4,6 2,0 1,35
248 270 275 229 270 620 920
Dabei ist die Austrittsarbeit in eV anzugeben, die Wellenlänge wird in nm berechnet. Da die Ladungsträger ins Vakuum austreten, nennt man diesen Effekt auch den äußeren Photoeffekt. Daneben gibt es noch den inneren Photoeffekt. Hierbei wird ebenfalls die Energie der einfallenden Photonen an Elektronen abgegeben, nur treten diese z.B. bei Phototransistoren, Photodioden oder Photowiderständen nicht ins Vakuum, sondern werden im Festkörper auf andere Energiezustände gehoben und verändern somit die Leitfähigkeit des Bauteils.
Literaturhinweise [1] Hering, E.; Martin, R.; Stohrer, M.: Physik für Ingenieure: Springer, 2007 [2] Meschede, D. (Hrsg.): Gerthsen Physik: Springer, 2006 [3] Böge, A.; Eichler, J.: Physik: Vieweg, 2005 [4] Lindner, H.: Physik für Ingenieure: Fachbuchverlag Leipzig im Carl-Hanser-Verlag, 2006 [5] Dobrinski, P.; Krakau, G.; Vogel, A.: Physik für Ingenieure: Teubner, 2007
VIII Anhang
215
VIII Anhang A Physikalische Größen und Einheiten Tabelle VIII-1 Abgeleitete Größen Bezeichnung
Symbol
Einheit
Arbeit, Energie
W
1 J = 1 Nm = 1 Ws = 1
Beleuchtungsstärke
E
1 Lux = 1 lx
Beschleunigung
a
1
m s2
Bewegungsgröße Impuls
p
1
kg m s
Massendichte
r
1
kg m3
Drehimpuls
L
1
kg m 2 s
Drehmoment
M
1 Nm = 1
Druck
p
1 Pa = 1
Elastizitätsmodul
E
1
Frequenz
f
1 = 1 Hz s
Geschwindigkeit
v
1
Kraft
F
1 N =1
Leistung
P
1 W =1
Lichtstrom
F
1 Lumen = 1 lm = 1 cd sr
Raumwinkel
W
1 Steradiant = 1 sr
spez. Wärmekapazität
c
1
Trägheitsmoment
J
1 kg m 2
Winkelgeschwindigkeit
w
1 s
kg m 2 s2
kg m 2 s2
kg N =1 m2 m s2
kg N =1 m2 m s2
m s kg m s2 kg m 2 s3
J m2 =1 2 kg K s K
216
Physik
B Zahlenwerte physikalischer Größen Tabelle VIII-2 Naturkonstanten Avogadro-Konstante
NA
6,022 136 7 ⋅ 1023 mol–1
Boltzmann-Konstante
k
1,380 658 ⋅ 10–23 J/K
elektrische Feldkonstante
e0
8,854 187 8 ⋅ 10–12 As/(Vm)
Elementarladung
e
1,602 18 ⋅ 10–19 As
Gravitationskonstante
g
6,672 59 ⋅ 10–11 Nm2/kg2
Lichtgeschwindigkeit im Vakuum
c
2,997 924 58 ⋅ 108 m/s
magnetische Feldkonstante
m0
4p ⋅ 10–7 (Vs)/(Am)
Plancksches Wirkungsquantum
h
6,626 07 ⋅ 10–34 Js
Ruhemasse des Elektrons
m0e
9,109 389 7 ⋅ 10–31 kg
Ruhemasse des Protons
m0P
1,672 623 1 ⋅ 10–27 kg
Stefan-Boltzmann-Konstante
s
5,670 51 ⋅ 10–8 W/(m2 K4)
universelle Gaskonstante
R
8,314 41 J/(mol K)
Nach dem von K. von Klitzing 1980 entdeckten quantisierten Halleffekt (Nobelpreis 1985) läßt sich auch für den elektrischen Widerstand R aus Naturkonstanten eine exakte Basisgröße bestimmen.
R=
h , i = 1, 2, 3, … i e2
R = 25 812 , 8 W
Tabelle VIII-3 Zahlenwerte m3 mol
Molvolumen idealer Gase
22 , 413 83 ⋅ 10 − 3
Radius der Erde, Äquators
rE = 6378 km
Radius der Erde, Pole
rP = 6356 km
Masse der Erde
m E = 5, 977 ⋅ 10 24 kg
Masse des Mondes
m M = 7 , 35 ⋅ 10 22 kg
Entfernung Erde – Mond
384,4 ⋅ 10 3 km
Entfernung Erde – Sonne
149, 6 ⋅ 10 6 km
Erdbeschleunigung
g = 9, 806 65
Tripelpunkt des Wassers
TTr = 273,16 K
Dichte der Luft
rLuft = 1, 2928
Absolute Temperatur
−273,15 °C
Normaldruck
p 0 = 1, 013 25 ⋅ 10 5 Pa
m s2
kg m3
(VIII.1)
(VIII.2)
217
Werkstoffkunde I Stoffe 1 Eigenschaften der Stoffe Der Begriff des Stoffes entstammt der Chemie, ist aber für den technischen Gebrauch als Werkstoff auf die praktisch nutzbaren Stoffe begrenzt. Die Anforderungen an die Eigenschaften eines Werkstoffes und ihre praktische Erfüllung bestimmen dann seine Nutzbar-
keit. In der Elektrotechnik erscheint die Antwort hierzu recht einfach: Da „nur“ elektrische und magnetische Felder auftreten können, müßten elektrische und magnetische Eigenschaften ausreichen. Elektrische und besonders auch magnetische Vorgänge führen aber dazu, daß ein zusätzliches Anforderungsprofil entsteht, wie es in der Mechanik üblich ist (Tabelle I-1).
Tabelle I-1 Beanspruchung von Werkstoffen (prinzipielle Übersicht) Bereich
Beanspruchungen
Mechanik
Kräfte Korrosion Temperatur
z.B. Zug, Druck, Torsion z.B. Feuchtigkeit, (elektro-)chemische Prozesse z.B. Hoch- und Tieftemperatur-Prozesse
Elektrik
Felder Kräfte Korrosion Temperatur
z.B. Stromfluß, Magnetisierung, dielektrische Verschiebung z.B. Zug, Druck, Torsion z.B. Feuchtigkeit, (elektro-)chemische Prozesse z.B. Hoch- und Tieftemperatur-Prozesse
Dem Anforderungskatalog stehen die Eigenschaften der, vorzugsweise festen, Werkstoffe gegenüber (Tabelle I-2). Für die Praxis müssen diese Eigenschaften durch meßbare Größen charakterisiert werden, um die richtige Auswahl treffen zu können. Wegen ihrer Grundeigenschaften elektrische Leitfähigkeit und hohe Festigkeit bei guter Verformbarkeit nehmen die Metalle eine Sonderstellung unter den
Werkstoffen ein. Darüber hinaus sind von den z.Z. bekannten 104 Elementen die meisten Metalle. Nur 15 Elemente zählen zu den Nichtmetallen, und ungefähr 8 Elemente fallen unter die heute besonders interessanten Halbmetalle oder Übergangselemente. Andererseits soll nicht verkannt werden, daß die Chemie eine Vielzahl von „maßgeschneiderten“ Sonderwerkstoffen geschaffen hat.
Tabelle I-2 Eigenschaftsanforderungen an Materialien bei verschiedenen Einsatzgebieten (Auswahl) Gebiet
Eigenschaften
Physik Chemie Mechanik Elektrik Technologie
Dichte, Schmelzpunkt, Siedepunkt, Wärmedehnzahl, Wärmeleitfähigkeit usw. Atomgewicht, Wertigkeit, Affinität, Korrosionsbeständigkeit usw. Härte-, Zug-, Druck-, Biege-, Torsions-, Dauerfestigkeit usw. Elektrische und magnetische Leitfähigkeit, Permittivität, Permeabilität, Remanenz usw. Biege-, Härte-, Schweiß-, Löt-, Gieß-, Platifizier-, Tiefziehbarkeit usw.
2 Atombau und Periodensystem Stoffe, die sich auf chemischem Wege nicht weiter in andere Stoffe zerlegen lassen, nennt man Elemente. Die kleinsten, noch mit den charakteristischen Eigenschaften eines Elementes ausgestatteten Teilchen heißen Atome. Sie bestehen aus dem Atomkern mit Protonen und (Ausnahme Wasserstoff) Neutronen und der Atomhülle mit Elektronen, daher auch Elektronenhülle. Die Massen der Atome liegen im Bereich von 10–22 ... 10–24 g, die Durchmesser bei 10–9 ... 10–10 m (Lichtwellenlänge ungefähr 500 ⋅ 10–9 m). Protonen und Neutronen haben fast die gleiche Masse
von 1,67 ⋅ 10–24 g. Das Neutron hat keine elektrische Ladung. Das Proton hat mit 1,6 ⋅ 10–19 As (Amperesekunden) die gleiche Ladung wie das negative Elektron, jedoch mit positivem Vorzeichen. Die Ruhemasse des Elektrons ist mit 9,1 ⋅ 10–28 g verschwindend gegenüber der Protonen- oder Neutronenmasse. Die Anordnung dieser Materieteilchen wird im Bohrschen Atommodell als kugelförmiger Kern mit Protonen, Neutronen und Kugelschalen für die Elektronen beschrieben. Nach dem genaueren Orbitalmodell bewegen sich die Elektronen auf komplizierten Bahnen, wie sie durch räumliche Schwingungen vorgegeben
218
Werkstoffkunde
werden (dreidimensionaler Oszillator). Daraus resultieren Aufenthaltsräume mit hoher Besetzungswahrscheinlichkeit und bestimmter Orientierung (Bild I1a ... c). Die Orbitale entstehen bei der räumlichen Schwingung durch Knotenflächen in Form konzentrischer Kugeln (Bild I-1a und b) und räumlicher Knotenflächen, die durch (gedachte) Schnittflächen (Bild I-1c) die Schwingungsbereiche in räumliche Bezirke, Orbitale (engl.: orbit = Planetenbahn) aufteilen. In jedem Orbital können dann wieder 2 Elektronen schwingen, die sich nach Pauli durch ihre Eigenrotation (Spin) voneinander unterscheiden. z
z
x
y
1s
x
y
a)
b)
z
z
x
z
x
x
2p
y
y
y
2s
c)
1s 2s 2p K- L-Schale d)
Bild I-1 Orbitalmodell a) 1s-Zelle (K-Schale). Besetzung mit 2 Elektronen möglich b) 2s-Zelle (L-Schale, teilw.). Die Kugel ist innen von einer Knotenfläche begrenzt (Hohlkugel), 2 Elektronen möglich c) 2p-Zelle (L-Schale, forts.) mit den möglichen 3 × 2 Elektronen und jeweils einer (gedachten) Trennwand in den 3 Ebenen d) Neon als Beispiel 1s, 2s und 2p, d.h. K- und LSchale sind voll besetzt Das dynamische Verhalten des gesamten Systems rechtfertigt dann wieder die einfachere Betrachtung als kugelförmige Atomhüllen (Bild I-1d) mit der klassischen Bezeichnung der 7 möglichen „Schalen“ von K bis Q oder mit den sogenannten Hauptquantenzahlen 1 bis 7. Ihnen werden auch die Hauptenergieniveaus zugeordnet. Die weitere Unterteilung in Unterenergieniveaus oder „Zellengruppen“ erfolgt durch die Nebenquantenzahlen, die mit den Buchstaben s, p, d und f bezeichnet werden.
Den Spin, d.h. den Eigendrehimpuls der Elektronen, kann man sich mechanisch als entgegengesetzte Rotation, magnetisch als entgegengesetzte magnetische Momente vorstellen. Für die bildhafte Darstellung, wie z.B. in Bild I-1, benutzt man dazu gegeneinander gerichtete Halbpfeile ( ). Ordnet man die Elemente, repräsentiert durch die in der Chemie üblichen Kurzzeichen, nach der Zahl der Protonen im Kern und damit auch nach der Zahl der Elektronen in der Außenhülle an, so gelangt man zum Periodensystem der Elemente (PSE Bild I-2). Die Anordnung ist so getroffen, daß nicht nur die Ordnungszahl (unterhalb der Symbole) von oben nach unten zunimmt, sondern auch die Energie. Ungefähr gleiche Energiestufen sind auf gleiche Höhe gesetzt. Durch Energiezufuhr können Elektronen auf höhere Energieniveaus gebracht werden, die sie dann unter Energieabgabe, z.B. Lichtemission, wieder verlassen. Werden ein oder mehrere Elektronen durch Energiezufuhr vollständig vom Atom entfernt, entstehen ionisierte Atome oder Atomionen. Die Ionisierungsenergie (gemessen in Elektronenvolt = eV mit 1 eV = 1,6 ⋅ 10–19 Ws), nimmt durch die Abschirmwirkung der Schalen mit der Annäherung an den Atomkern zu. Durch den Austausch von Hüllelektronen sind die Atome – von den Edelgasen abgesehen – zu chemischen Reaktionen fähig. Die hieran beteiligten Elektronen heißen Valenzelektronen. Aus einer Hülle können bis zu 8 Elektronen abgegeben werden, das verbleibende positive Atomion heißt Kation. Es können aber auch bis zu 4 Valenzelektronen aufgenommen werden; das so entstandene Atomion heißt Anion. Die Ladung der Atomionen wird rechts oben am Elementsymbol gekennzeichnet, z.B. H+, Al3+, Cl–, S2– oder S– –. Die Metalle bilden nur positive Atomionen, die Nichtmetalle vorzugsweise negative Atomionen. Unten rechts am Elementsymbol erscheint die Anzahl der Atome (oder Ionen), z.B. H2O, H2SO4. In der Isotopentechnik erscheinen auf der linken Seite der Elementsymbole noch unten die Ordnungszahl (= Protonenzahl) und oben die Massenzahl (= Nukleonenzahl). So hat z.B. das Kohlenstoff(bezugs)isotop für die Massenbestimmung mit der Ordnungszahl 6 und der Massenzahl 12 die Schreibweise 126C. Das Periodensystem (Bild I-2) wird in Perioden 1 ... 7 entsprechend den 7 Schalen K ... Q senkrecht und 8 Hauptgruppen, welche der Auffüllung der jeweils äußersten Elektronenschale entsprechen, waagerecht aufgeteilt (xa in der untersten Zeile von Bild I-2) In den Nebengruppen werden jeweils die zweit- und drittäußerste Schale aufgefüllt (xb in der untersten Zeile von Bild I-2). Die Metalle, als Mehrzahl der Elemente, sind links und unten im PSE und die Nichtmetalle rechts oben zu finden. Die Halbmetalle wie etwa B, Si, As, Te usw., auch Übergangselemente genannt, bilden die „Grenze“ (Bild I-3)
I II
II
IV
V
219
s-Zelle
Schalen-Bez. Schalen-Nr.n
Periode-Nr.
I Stoffe
H He K 1 1 2 Li Be L 2 3 4
p-Zellen (3) B C N O F Ne 2 5 6 7 8 9 10
Na Mg M 3 11 12 Al Si P S Cl Ar 3 13 14 15 16 17 18 K Ca N 4 19 20
d-Zellen (5) Sc Ti V Cr Mn Fe Co Ni Cu Zn 3 21 22 23 24 25 26 27 28 39 30
Ga Ge As Se Br Kr 4 31 32 33 34 35 36 Y Zr Nb Mo Tc Ru Rh Pd Ag Cd 4 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48
Rb Sr O 5 37 38 In Sn Sb Te I Xe 5 49 50 51 52 53 54 Cs Ba P 6 55 56
f-Zellen (7) Ce Pr Nd Pm Sm Eu Gd Tb Dy Ho Er Tm Yb Lu 4 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71
La 5 57 Ht Ta W Re Os Ir Pt Au Hg 72 73 74 75 76 77 78 79 80
VI Ti Pb Bi Po Al Rn 6 81 82 83 84 85 86 VII Q 7 Fr Ra 87 88 1a 2a
Ac 6 89 3a 4a 5a 6a 7a 8a 3b 4b 5b 6b 7b
8b
Th Pa U Np Pu Am Cm Bk Cf Es Fm Md Nb Lw 5 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 1b 2b Lanthaniden und Actiniden
Bild I-2 Periodensystem der Elemente (PSE) mit Perioden Nr. I ... VII, Schalenbezeichnungen K ... Q, Schalen Nr. n = 1 ...7, Hauptgruppen Nr. 1a ... 8a und Nebengruppen Nr. 1b ... 8b sowie den Lanthaniden und Actiniden
PERIODEN
I
1H Wasserstoff
2 He Helium
II
3 Li Lithium
4 Be Beryllium
5B Bor
6C Kohlenstoff
7N Stickstoff
8O Sauerstoff
9F Fluor
10 Ne Neon
III
11 Na Natrium
12 Mg Magnesium
13 Al Aluminium
14 Si Silizium
15 P Phospor
16 S Schwefel
17 Cl Chlor
18 Ar Argon
IV
19 K Kalium
20 Ca Calcium
31 Ga Gallium
32 Ge Germanium
33 As Arsen
34 Se Selen
35 Br Brom
36 Kr Krypton
37 Rb Rubidium
38 Sr Strontium
49 In Indium
50 Sn Zinn
51 Sb Antimon
52 Te Tellur
53 I Iod
54 X Xenon
55 Cs Caesium
58 Ba Barium
81 Tl Thallium
82 Pb Blei
83 Bi Wismut
84 Po Polonium
85 At Astatin
86 Rn Radon
1a
2a
3a
4a
5a
6a
7a
8a
V
VI
HAUPTGRUPPEN
Bild I-3 Kurzform des Periodensystems der Elemente (nur Hauptgruppen) Metalle Nichtmetalle
Übergangselemente Edelgase
220
Werkstoffkunde
In der Richtung von unten links nach oben rechts, d.h. Metalle – Nichtmetalle steigt auch die Elektronegativität. Es ist dies die (relative) Fähigkeit der Atome, bei der Bindung Elektronen aufzunehmen.
3 Aufbau der festen Körper Die in der Praxis besonders wichtigen festen Stoffe basieren auf den Bindungskräften der Atomhüllen. Die Ionenbindung, auch heteropolare Bindung genannt (Bild I-4a), kommt durch Ladungsaustausch (Elektronen) zustande. Die Atomionen aus chemischen Reaktionen führen zu starken Anziehungskräften und stabilen Konfigurationen. Typische Vertreter sind demnach die anorganischen Verbindungen. Bei der Atombindung, auch homöopolare Bindung oder kovalente Bindung (Bild I-4b) genannt, haben benachbarte Atome gemeinsame Elektronen(paare). Diese Bindungsart ist typisch für nichtmetallische Elemente und organische Verbindungen. Liegt eine metallische Bindung vor (Bild I-4c), haben die Atome ein Elektron abgegeben und stellen positive (Atom)Ionen dar. Die abgegebenen Elektronen sind als bewegliche Leitungselektronen (Elektronengas) allen Atomrümpfen gemeinsam zugeordnet. Diese Bindungsart ist die Grundlage der elektrischen Leitfähigkeit und typisch für alle Metalle. Die Van der Waalsoder zwischenmolekulare Bindung wird durch die Dipolbildung benachbarter Teilchen (Atome oder Moleküle) bewirkt. Es ergeben sich daraus schwache anziehende Kräfte (Bild I-4d). – –
a)
– –
–
–
–
–
–
–
– –
–
– –
–
–
–
–
–
Kombination vor. Im Regelfall führen die Bindungskräfte zu regelmäßigen, räumlich periodischen Strukturen der kleinsten Teile (Atome, Ionen oder Moleküle), den Kristallen. Stoffe, die nicht regelmäßig, also nicht kristallin, aufgebaut sind, bezeichnet man als amorph, das heißt gestaltlos. Ein Kristall kann sehr klein, z.B. nur mikroskopisch sichtbar, sein, dann spricht man von Kristallit oder Korn. Die Zusammenlagerung vieler Kristallite liefert dann erst ein größeres Gebilde, den Polykristall. Kann ein Kristallit in den makroskopischen Bereich wachsen, entsteht ein Einkristall. Die kleinste Einheit, die bereits die Kristallstruktur aufweist und im Kristall periodisch wiederkehrt, ist die Elementarzelle. Die räumlich regelmäßige Anordnung einer großen Anzahl von Elementarzellen führt zum Raumoder Kristallgitter. Mit der Kugelform der Atome wird der Aufbau der Kristallgitter aus Elementarzellen eine Frage der Anordnung von Kugeln im Raum. Die einfachste Form ist die kubisch-primitive (kp) Elementarzelle, ein Würfel, dessen Ecken mit sich berührenden „Kugeln“ besetzt ist (Bild I-5). Der Abstand längs einer Würfelkante ist die Gitterkonstante a. Die vereinfachte Darstellung zeigt Bild I-6a. Ein zusätzliches Atom in der Raummitte (Bild I-6b) führt zum kubischraumzentrierten Gitter (krz). Wird auf jeder Flächenmitte ein Atom eingefügt, entsteht das kubischflächenzentrierte Gitter (kfz) (Bild I-6c). Die beiden letztgenannten sind die häufigsten metallografischen Gittertypen. Als hexagonale Struktur ist noch die Elementarzelle mit der hexagonal dichtesten Packung (hdp) (Bild I-6d) bedeutsam. Die Halbleiterwerkstoffe Germanium und Silizium kristallisieren in Form eines Diamantgitters (dia) (Bild I-7). Die Elementarzelle des Diamantgitters ist kubisch-flächenzentriert mit einer tetraedrischen Unterstruktur.
b)
a
d
c)
d)
Bild I-4 Bindungsarten a) Ionenbindung oder heteropolare Bindung, z.B. Na+Cl– b) Atombindung, homöopolare oder kovalente Bindung, z.B. Ge c) metallische Bindung, z.B. Cu d) Van der Waals- oder Molekülbindung, z.B. Ar (kristallisiert) Im allgemeinen überwiegt zwar die eine oder andere Bindungsart, in der Praxis liegt jedoch immer eine
a
Bild I-5 Kubisch primitive Elementarzelle (kp) als Anordnung von Kugeln im Raum, a = Gitterkonstante, d = Atom(kugel)durchmesser Die idealisiert dargestellten Gitter sind in Wirklichkeit durch Gitterfehler und Fremdatome verzerrt. Die in reinen Stoffen möglichen Gitterfehler sind in der Tabelle I-3 zusammengestellt. Die von einzelnen Atomen herrührenden nulldimensionale Fehler werden auch Punktdefekte genannt. Die möglichen Fehler
I Stoffe
221 zeigt Bild I-8. Eine Leerstelle oder ein Zwischengitteratom haben jeweils einen Fehler zur Folge. Aus der Kombination von beiden, dem Frenkel-Defekt, folgen zwei Fehler.
Würfel kp a) + 1 Atom in jeder Flächenmitte
+ 1 Atom in Raummitte a
kfz a
krz
c)
b)
hdp
c
d) a
Bild I-6 Elementarzellen a) kp = kubisch-primitiv b) krz = kubisch-raumzentriert c) kfz = kubisch-flächenzentriert d) hdp = hexagonal dichteste Packung a, b, c = Gitterkonstanten
a
Bild I-7 Diamantgitter Entstehung des Diamantgitters aus zwei ineinander gestellten kfz-Gittern. Der Versatz der kfz-Gitter beträgt 1/4 Raumdiagonale
Oberfläche
Oberfläche
b)
c)
a)
Bild I-8 Nulldimensionale Fehlstellen a) Leerstelle b) Zwischengitteratom (Atom falsch eingebaut) c) Frenkel-Defekt, Atom wandert im Gitter und erzeugt zwei Fehler Bei eindimensionalen Fehlern, auch Versetzungen genannt, haben die Fehler eine linienförmige Ausdehnung. Bild I-9a zeigt eine Stufenversetzung, die das Ende einer zusätzlichen (Halb-)Ebene darstellt. In Bild I-9b sind Teilbereiche gegeneinander geglitten und haben eine Schraubenversetzung bewirkt. Als Maßzahl wird die Anzahl der „Durchstoßpunkte pro Flächeneinheit“ in 1/cm2 angegeben. Bei normalen Fertigungswerkstoffen liegen die Zahlenwerte für Versetzungen im Bereich von 106 ... 1012 cm–2, wohingegen Halbleiter-Einkristalle Werte von weniger als 10 cm–2 aufweisen. Treffen Kristallgitter verschiedener Orientierung aufeinander, so können sie (Bild I-10) gegeneinander gekippt, gedreht oder beides zusammen sein. Als Folge davon müssen sich Übergänge bilden, die zu sog. Korngrenzen führen. Die Kristalle bilden dabei regellose Korngrenzflächen gegeneinander aus. Mechanische Beanspruchungen können dazu führen, daß eine gewisse Ordnung in die Orientierung hineinkommt. Es ergeben sich Kornorientierungen, Vorzugsrichtungen oder Texturen. So liegen z.B. die Kanten der Elementarzellen nach dem Walzen von Blechen weitgehend in der Walzrichtung.
Tabelle I-3 Gitterfehler Ausdehnung (atomar)
Nulldimensional
Eindimensional
Zweidimensional
Bezeichnung
1. Leerstelle 2. Zwischengitteratom (Schottky-Fehlordnung) 3. Frenkel-Fehlordnung (Kombination von 1 und 2)
Versetzungen
Korngrenzen
Konzentration (in Metallen)
Leerstellenkonzentration = f (Temp.) ≈ 10–7 ... 10–11
Versetzungdichte = f (Verformung, Wärmebehandlung) ≈ 106 ... 1012 cm/cm3
Korngrenzenflächen = f (Korngröße) ≈ 102 cm2/cm3
222
Werkstoffkunde Zusatz(halb)ebene
kippen
drehen
a)
Versetzungslinie
b)
Bild I-10 Zweidimensionale Fehler a) Kippung b) Drehung
a)
4 Chemische Grundzusammenhänge
b)
Versetzungslinie
Bild I-9 Eindimensionale Fehler a) Stufenversetzung b) Schraubenversetzung
Werden in einen Kristall Fremdatome eingelagert, ist er nicht mehr rein. Man spricht von Mischkristallen, festen Lösungen oder Legierungen. Die Einlagerung kann auf Gitterplätzen der Wirtsatome erfolgen, dann entsteht ein Substitutions-Mischkristall (Bild I-11). Werden Fremdatome auf Zwischengitterplätzen eingelagert, ergeben sich Einlagerungs- oder interstitielle Mischkristalle.
Wie bei den Bindungsarten kurz angedeutet, vermögen die Atome – über ihre Valenzelektronen – miteinander zu reagieren. Es entstehen dann neue Stoffe, die dem Bereich anorganische Chemie zugeordnet werden, wenn es sich beim Stoffaufbau weitgehend um Ionenbindungen handelt. Bei der organischen Chemie steht das Kohlenstoffatom mit überwiegend kovalenten Bindungen im Mittelpunkt. Das, wie das Kohlenstoffatom, gleichfalls vierwertige Silicium ist Basis einer eigenständigen Reihe von Kunststoffen, den Siliconen. Für den Aufbau von Stoffen benutzt die Chemie die Synthese, während die Untersuchung des Aufbaues mit Hilfe der Analyse erfolgt. Zur Beschreibung dieser Vorgänge dienen Formelsprache und Reaktionsgleichung unter Benutzung der Elementsymbole. So ist mit H2SO4 Schwefelsäure gemeint, und C2H5OH kennzeichnet eindeutig Alkohol als Ethylalkohol (Ethanol). Reagieren Stoffe miteinander, so beschreibt die Reaktionsgleichung die Ausgangsstoffe und Endprodukte nach Art und relativer Menge. Die Darstellung entspricht einer mathematischen (Additions-)Gleichung, bei der an die Stelle des Gleichheitszeichens ein Pfeil die Reaktionsrichtung kennzeichnet. Ist der Reaktionsablauf nicht umkehrbar (irreversibel), zeigt dies ein einfacher Pfeil an.
Ort des Fremdatoms
Gitterplatz
Zwischengitterplatz
Art des Mischkristalls
Substitions-Mischkristall (substitutioneller Mkr.)
Einlagerungs-Mischkristall (interstitieller Mkr.)
Durchmesser
Fremdatom ≈ Wirtsatom
Fremdatom < Wirtsatom
Mischkristallbildung bei ebenem Gitter (schematisch) • Wirtsatome • Fremdatome
Bild I-11 Mischkristalle in ebener Darstellung (schematisch)
I Stoffe
223
Beispiel: Die Verbrennung von Ethanol C2H5OH +
Ihre Moleküle bauen sich aus dem Säurewasserstoff und dem Säurerest auf. Der Säurerest ist eine nicht selbständig existenzfähige Atomgruppe aus Nichtmetall und Sauerstoff. Da allein nicht beständig, sind es auch keine Moleküle. Derartige Atomgruppen werden Radikale genannt, im Beispiel SO3. Die Säuren sind gegenüber den meisten Metallen aggressiv, da in vielen Fällen die Wasserstoffatome gegen Metallatome, die dann als Ionen in Lösung gehen, ausgetauscht werden können. Säuren schmecken – verdünnt (!) – sauer, ätzen die Haut und verfärben, ähnlich wie Basen, Farbstoffe. Dieser Effekt wird für Indikatoren benutzt. Nach „Brönsted“1) lautet die umfassendere Definition: Säuren sind Protonenspender (Moleküle oder Ionen), Basen sind Protonenfänger (Moleküle oder Ionen). Die Protonenübergangsreaktion nennt man Protolyse. Dieser Vorgang findet auch in geringem Umfang im Wasser statt und wird dann Autoprotolyse genannt. Nach „Brönsted“ liegt dem folgende Reaktion zugrunde:
+ 3 H2O
2 CO2
3 O2
3 Mol 2 Mol + Wasser Kohlendioxid
1 Mol 3 Mol + Ethanol Sauerstoff
Mol steht hierbei für die Stoffmenge, die aus genau sovielen Teilchen besteht wie 12 g des Kohlenstoffisotops 12C, nämlich 6,023 ⋅ 1023 Teilchen/mol (Avogadrosche Konstante NA oder Loschmidtzahl NL). Bei umkehrbaren (reversiblen) Reaktionen kennzeichnet ein Doppelpfeil die beiden möglichen Reaktionsrichtungen, z.B. N2
+
2 NH3
3 H2
1 Mol Stickstoff + 3 Mol Wasserstoff
2 Mol Ammoniak
Die Verbindungen des Sauerstoffs mit anderen Elementen, die Oxide, sind von besonderer Bedeutung, die Schwermetalloxide als Erze zur Gewinnung von Metallen, die Leichtmetalloxide wegen ihrer hohen Schmelzpunkte als (oxid)keramische Werkstoffe. Die zur Oxidbildung gehörige chemische Reaktion ist die Oxidation, allgemeiner als Elektronenabgabe eines Moleküls oder Ions definiert. Die damit verbundene Aufnahme eines Elektrons durch ein anderes Molekül oder Ion ist die Reduktion. Die zwangsweise miteinander verkoppelten Oxidations- und Reduktions-Prozesse führen die Bezeichnung Redox-Reaktionen. pH-Skala Metalloxide können ihrerseits wieder mit Wasser reagieren und bilden Hydroxide, sie enthalten die einwertige OH-Gruppe (Hydroxyl-Gruppe) und bilden bei den Metallen der 1. und 2. Hauptgruppe (Alkaliund Erdalkalimetalle) Basen oder Laugen. Sie sind in Metall- und OH-Ionen gespalten und stellen sich als seifige, die Haut ätzende Flüssigkeiten dar.
+
H2O
OH−
In dieser Gleichgewichtsreaktion ist die Konzentration der beiden Ionenarten vom Prinzip her gleich groß, aber mit 10–7 Mol pro Liter sehr gering. Andererseits muß das Produkt dieser beiden Ionenkonzentrationen als Ionenprodukt des Wassers mit Kw = 10–14 mol2/l2 als Gleichgewichtsbedingung bei Zugabe von Säuren oder Basen konstant bleiben. Es verschieben sich lediglich die Konzentrationverhältnisse von H3O+ zu OH–. „Drehpunkt“ dieses Geschehens ist der Zahlenwert 10–7 der Hydroniumionenkonzentration. Der negative Exponent dieser Konzentrationsangabe (lt. Definition der negative dekadische Logarithmus der Hydroniumionenkonzentration) ist der pH-Wert. Er hat große Bedeutung, da mit diesem Zahlenwert die Angaben „sauer“, pH < 7, „neutral“, pH = 7 und „basisch“, pH > 7 präzise beurteilt werden können. Zwangsweise liegen die Grenzen für sehr starke Säuren dann bei pH = 0 und für sehr starke Basen bei pH = 14 (s. Tabelle I-4). Die Bestimmung ist elektrisch oder mit Indikatoren sehr genau möglich.
Ca(OH)2
Metalloxid + Wasser
+
Hydroniumion + Hydroxidion
Wasser
Beispiel: CaO
H3O+
H2O + H2O
Hydroxid
Die Oxide dreiwertiger Metalle sind amphoter, d.h. sie können sowohl schwache Basen als auch schwache Säuren bilden. Oxide von Nebengruppenelementen in höheren Wertigkeiten bilden – mit Wasser – Säuren. Nichtmetalloxide bilden mit Wasser Säuren. Beispiel: SO2
+
H2SO3
H2O
Nichtmetalloxid + Wasser
1)
Säure
Brönsted, Johannes Nicolaus, Dänischer Chemiker, lebte von 1879 bis 1947.
Tabelle I-4 pH-Skala ←⎯ Zunahme der Säurewirkung –– – 0
1
2
3
4
5
6
––––Zunahme der Basenwirkung 7
8
9
10
11
12
13
14
224
Werkstoffkunde
Tabelle I-5 Elektronegativitätsskala nach „Pauling“ (Zahlenwert relativ mit Maximum 4 bei Fluor) K 0,8
Na, Ba Li, Ca 0,9 1,0
Mg 1,2
Al 1,5
Zn 1,7
Si 1,8
H 2,1
P 2,1
C 2,5
S 2,5
N 3,0
Cl 3,0
← elektropositiver
Beispiel:
Säure +
Base
F 4,0
elektronegativer →
Treffen Säuren und Basen in solchen Konzentrationen zusammen, daß pH = 7 erreicht wird, so spricht man von Neutralisation. Das Ergebnis ist Wasser und ein Salz.
HCl + NaOH
O 3,5
NaCl +
Tabelle I-6 Elektrochemische Spannungsreihe nach „Pauling“ a) Metalle (Normalpotentiale bezogen auf die Normal-Wasserstoffelektrode) b) einige Nichtmetalle
Salz + Wasser
Cs = Cs+ + e– Li = Li+ + e– Rb = Rb+ + e– K = K+ + e– Ba = Ba++ + 2e– Sr = Sr++ + 2e– Ca = Ca++ + 2e– + Na = Na + e– La = La+++ + 3e– ++ Mg = Mg + 2e– Be = Be++ + 2e– +++ Al = Al + 3e– Mn = Mn++ + 2e– ++ Zn = Zn + 2e– Cr = Cr+++ + 3e– ++ Fe = Fe + 2e– Cd = Cd++ + 2e– ++ Co = Co + 2e– Ni = Ni++ + 2e– Sn = Sn++ + 2e– Pb = Pb++ + 2e– H2 = 2 H+ + 2e– Cu = Cu++ + 2e– 2 J – = J2 + 2e Ag = Ag+ + e– Pd = Pd++ + 2e– ++ Hg = Hg + 2e– 2 Br– = Br2 (fl) + 2e– Pt = Pt++ + 2e– 2 H2O = O2 + 4 H+ + 4e– 2 Cl– = Cl2 + 2e– Au = Au+ + e– – 2 F = F2 + 2e–
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33.
Salze im klassischen Sinne bestehen aus positiven Metallionen und negativen Säurerestionen. Nach „Brönsted“ sind alle Stoffe Salze, die im festen Zustand Ionengitter bilden. Bei der Namensbildung steht an erster Stelle das elektropositivere Element (Metall siehe auch Tabelle I-5) meist unverändert. Dann folgt der Name des elektronegativeren Bestandteiles mit einer entsprechenden Endung (z.B. NaCl = Natriumchlorid). Die Endung -id weist darauf hin, daß es sich um ein Salz mit einem Säurerest (Cl–) aus einer sauerstofffreien Säure handelt. Bei Säureresten aus stabilen Säuren mit normalem Sauerstoffgehalt lautet die Endung -at (z.B. Na2SO4 = Natriumsulfat). Entstammt der Säurerest einer sauerstoffärmeren Säure, ist die Endung -it (z.B. Na2SO3 = Natriumsulfit). Rührt der Säurerest von einer besonders sauerstoffarmen Säure her, kommen der Zusatz -hypo- und die Endung -it dazu (z.B. NaClO = Natriumhypochlorit). Bei Säureresten von besonders sauerstoffreichen Säuren lautet der Zusatz per- und die Endung -at (z.B. NaClO4 = Natriumperchlorat). Wurden die Säure-Wasserstoffatome nicht vollständig durch Metallatome ersetzt, ergeben sich saure oder hydrogene Salze (z.B. NaHCO3 = Natriumhydrogencarbonat, früher Natriumbicarbonat oder – trivial – Natron).
5 Elektrochemie Innerhalb eines Moleküles ziehen sich die Kationen und Anionen an. In wässeriger Lösung gehen diese Kräfte durch die Permittivität des Wassers (er = 80) auf 1/80 zurück. Die Moleküle sind in Ionen dissoziiert, die eine elektrische Stromleitung als Leiter 2. Ordnung ermöglichen. Die Lösung wird zum Elektrolyten, in dem unter der Einwirkung einer elektrischen Spannung ein Materietransport erfolgt. Die positiven Kationen wandern zur Katode, die negativen Anionen zur Anode. Nach Ladungsausgleich, Elektronenabgabe bzw -aufnahme, ist der zum Ion gehörige Stoff elementar verfügbar. Der Vorgang heißt Elektrolyse und ermöglicht die Zerlegung eines Stoffes durch den elektrischen Strom. Wasserfrei ist der gleiche Vorgang in Schmelzen von Ionenkristallen als Schmelzfluß-Elektrolyse möglich.
+ e–
Met. Ox.
H2O
a)
Red.
→ ←
– Ox. + e
Te– – → ← Te Se– – → ← Se S– – → ←S 2 J– → ← J2 –→ 2 Br ← Br2 2 Cl– → ← Cl2 2 F– → ← F2 b)
+ 2e– + 2e– + 2e– + 2e– + 2e– + 2e– + 2e–
Volt – 0,92 – 0,78 – 0,51 + 0,53 + 1,07 + 1,36 + 2,85
Volt – 3,02 – 3,02 – 2,99 – 2,92 – 2,90 – 2,89 – 2,87 – 2,71 – 2,37 – 2,34 – 1,70 – 1,67 –1,05 – 0,76 – 0,71 – 0,44 – 0,40 – 0,28 – 0,25 – 0,14 – 0,13 0,00 + 0,34 + 0,53 + 0,80 + 0,83 + 0,85 + 1,06 + 1,2 + 1,23 + 1,36 + 1,68 + 2,85
II Elektrische Leitfähigkeit
225
Die Neigung der Metalle zur Abgabe von Elektronen (Oxidation) ist verschieden stark und durch die unterschiedliche Bindung der Valenzelektronen an den Atomkern bedingt. Das Bestreben eines Metalles, Elektronen abzugeben und als Ion in Lösung zu gehen, nennt man Lösungsdruck. Er kann als elektrische Spannung in Volt gemessen werden und liefert die elektrochemische Spannungsreihe (Tabelle I-6). Der Nullpunkt ist dabei (willkürlich) für Wasserstoff angesetzt. Die unedlen, leicht reagierenden Elemente haben ein zunehmend negatives Potential gegenüber Wasserstoff; umgekehrt werden die Elemente mit wachsendem positiven Potential edler und reaktionsträger. Die negativeren, d.h. weiter oben stehenden (Tabelle I-6) Metalle haben den größeren Lösungsdruck gegenüber den positiveren, also weiter unten stehenden Metallen. Als Folge davon reduzieren die „oberen“ die „unteren“ Metalle und gehen selbst in Lösung. Nutzt man den Lösungsdruck zwischen unterschiedlichen Elementen durch Einbringen in einen Elektrolyten aus, so entstehen Galvanische Elemente oder Primärelemente. Der Stoffumsatz bei der Elektrolyse transportiert je Ladung 1,6 ⋅ 10–19 As, d.h. bei einem Mol mit 6 ⋅ 1023 Teilchen = 96 500 As = F = Faraday-Kon-
stante. Bezieht man die transportierte und abgeschiedene Masse auf 1 As, so ergibt sich das für jeden Stoff charakteristische elektrochemische Äquivalent (c). Diese Größe mit 1,118 mg/As bei Silber diente früher zur Festlegung von 1 A. Da die meisten technisch genutzten Metalle unedler als Wasserstoff sind, müßten sie sich unter H2Entwicklung lösen. In der Praxis unterliegen diese Metalle in großem Umfang dieser chemischen Korrosion. In gewissen Grenzen wird dieser Prozeß durch die Bildung passiver Deckschichten (meist Oxidschichten) eingeschränkt. Eine Korrosion besteht aus einem anodischen Teilprozeß Me → Me++ + 2e, d.h. Me gibt als Metall 2 Elektronen e ab, und einem katodischen Teilprozeß 2 H+ + 2e → H2, bei dem 2 Wasserstoffionen unter Aufnahme von 2 Elektronen freien Wasserstoff liefern. Man erkennt, daß eine passive Deckschicht den anodischen Teilprozeß verhindern kann und eine hohe H2-Überspannung den katodischen Prozeß zu hemmen vermag. Man kann ein Metall dadurch elektrochemisch vor Korrosion schützen, daß man es mit Hilfe einer äußeren Stromquelle oder durch leitende Verbindung mit einem unedleren Metall zur Katode macht (katodischer Korrosionsschutz).
II Elektrische Leitfähigkeit 1 Leitungsmechanismus Metallische Leiter sind Leiter 1. Ordnung, denn mit dem Stromfluß ist kein Materietransport verbunden. Die elektrische Leitfähigkeit ist dabei an die Existenz freier Elektronen, dem sogenannten Elektronengas, gebunden. Für die Leitfähigkeit eines Stoffes ist die Anzahl der verfügbaren Teilchen (n), ihre Beweglichkeit (m) und die Teilchenladung (e) maßgebend. Da der Leitungsmechanismus sowohl auf negative (Index n) als auch positive (Index p) Ladungsträger zurückgehen kann, gilt für die Leitfähigkeit g: g = e ( n n ⋅ mn + n p ⋅ m p )
g e n m S/cm As cm −3 cm/Vs (II.1)
Für den normalen elektrischen Leiter liegen nur die negativen Elektronen als Ladungsträger vor; damit entfällt der Term mit den p-Indizes. Die Beweglichkeit m der Ladungsträger ist die pro Einheit der elektrischen Feldstärke E (meist in V/cm) bewirkte Driftgeschwindigkeit, d.h. die der allgemeinen Teilchenbewegung in einer bestimmten Richtung überlagerte Geschwindigkeit. Die in der Praxis auftretenden Werte von Leitfähigkeit, Teilchenzahl und Beweglichkeit sind für einige charakteristische Materialien in der Tabelle II-1 zusammengestellt.
Tabelle II-1 Elektrische Leitfähigkeit g, Elektronenkonzentration nn und Elektronenbeweglichkeit mn einiger Werkstoffe bei Raumtemperatur
Material Cu Al Ag Ge Si InSb
g S/cm
nn cm −3
mn cm 2/Vs
⋅ 104 58 34,5 ⋅ 104 61,4 ⋅ 104 2,3 ⋅ 10–2 4,35 ⋅ 10–6 3,5 ⋅ 102
8,45 ⋅ 1022 6,0 ⋅ 1022 5,87 ⋅ 1022 2,4 ⋅ 1013 1,5 ⋅ 1010 2,8 ⋅ 1016
43 36 65 3 600 1 400 78 000
Im Festkörper mit seinem Kristallgitter haben die Atome eine periodische Anordnung mit definierten Abständen. Zwischen den Atomen machen sich Austauschkräfte bemerkbar, die die Besetzung der einzelnen Energieniveaus beeinflussen. Gemäß dem Pauli-Prinzip, nach dem in einem Atom keine zwei Elektronen in bezug auf ihren Zustand völlig übereinstimmen können, dürfen in einem gegebenen System die Energieniveaus und Spinorientierungen nur einmal belegt sein. Da die Beeinflussung über den ganzen Kristall reicht, gilt das Pauli-Prinzip entsprechend weiträumig. Die bei Einzelatomen
226
Werkstoffkunde
diskreten Energieniveaus der Elektronen spreizen sich zu Energiebändern auf (Bild II-1). Neben den mit Ladungsträgern besetzten Bändern treten energetisch unbesetzte oder verbotene Zonen auf. Für den Leitungsmechanismus sind das letzte noch mit Elektronen besetzte Band, das Valenzband, und das nächste für eine Besetzung mögliche Band, das Leitungsband, bedeutsam. Nur im letzteren verfügen Elektronen über die für einen Stromtransport nötige Beweglichkeit. Aus der Ähnlichkeit der statistischen Energieverteilung im Valenzband mit der bei Gasen rührt auch die Bezeichnung Elektronengas her. W W3
Leitungsband verbotene Zone
W2
Valenzband
W1
0, 100 und 300 K dargestellt. Das Fermi-Niveau WF ist dabei willkürlich auf den (Bezugs-)Wert 0 gelegt, und die Energie ist als Differenz DW gegenüber diesem Wert in eV aufgetragen. Der tatsächliche Wert des Fermi-Niveaus gibt die Energie an, über welche die Teilchen auch noch beim absoluten Nullpunkt verfügen. Es ist offensichtlich, daß die Lage des Fermi-Niveaus in der verbotenen Zone entscheidenden Einfluß auf die Leitfähigkeit eines Stoffes hat.
2 Isolator Bild II-3a zeigt ein Bandschema mit einer breiten verbotenen Zone von DWB = 2 eV und daneben die Energieverteilung bei 300 bzw. 600 K für ein mittig liegendes Fermi-Niveau. Offensichtlich verfügt kein Teilchen über eine ausreichende Energie, um in das Leitungsband zu gelangen. Im vollbesetzten Valenzband ist auch keine Beweglichkeit der Teilchen und damit keine Leitfähigkeit vorhanden. Es liegt das typische Bandschema eines Isolators vor. W eV Leitungsband
Bild II-1 Energiebänder durch Aufspaltung der Energieniveaus 䊞 䊞 durch Elektronen besetzte Niveaus Wegen der statistischen Energieverteilung können Teilchen die verbotene Zone überwinden und aus dem Valenzband in das Leitungsband gelangen und dort Leitfähigkeit bewirken. Die Wahrscheinlichkeit, mit der die Energie eines Elektrons einen gewissen vorgegebenen Wert über- oder unterschreitet, wird durch den Verlauf der Fermi-Funktion F(W) beschrieben. In Bild II-2 ist sie für die 3 Temperaturen
+2
a)
+1 WF
ΔWB = 2 eV
–1 –2 Valenzband
W eV
ΔW eV
b) 300 K
100 %
0
50
100 %
+0,5 WF
ΔWB = 0,5 eV
0.2 0.1
50
Leitungsband
0.4 0.3
F(W) 0
–0,5 0K
Valenzband
WF 0
F(W)
100 K
–0.1 –0.2
Bild II-3 Bandschemata (Prinzip-Beispiele) a) Isolator, Bandabstand DWB = 2 eV b) Halbleiter, Bandabstand DWB = 0,5 eV WF = Fermi-Niveau, –––– Ⳏ 300 K und . . . . . Ⳏ 600 K
–0.3 –0.4 –0.5 0
10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 F(W) %
Bild II-2 Fermi-Funktion F(W) für die Temperaturen 0 K (––––), 300 K (– – –) und 100 K (– . – . – )
Die punktierte Linie für 600 K zeigt aber auch eine andere Tendenz auf. Mit steigender Temperatur wächst die Wahrscheinlichkeit, daß Ladungsträger im Leitungsband verfügbar werden. Der Isolator wird leitend, d.h. er schlägt durch!
II Elektrische Leitfähigkeit
227 einem unvollständig besetzten 3s-Band (Bild II-4a) und für Kupfer mit überlappendem 3d- und 4s-Band (Bild II-4c). (Siehe auch I.2 Atombau und Periodensystem.) Mit sinkender Temperatur und damit steigender Beweglichkeit der Teilchen nimmt die Leitfähigkeit der metallischen Leiter bis zum absoluten Nullpunkt um etwa 4 Zehnerpotenzen zu.
3 Halbleiter Wird der Bandabstand merklich kleiner als 1 eV, so tritt eine ausreichende Anzahl von Teilchen auf, die in das Leitungsband gelangen können (Bild II-3b). Es ist dies der typische Fall des Halbleiters, bei dem im reinen Zustand das Fermi-Niveau genau mittig liegt. Leitfähigkeit ist jetzt sowohl über das Leitungsband mit seinen thermisch gewonnenen Elektronen (n) als auch im teilweise leergewordenen Valenzband über Defektelektronen oder Löcher (p) möglich. Es ist sofort ersichtlich, daß die Leitfähigkeit einerseits durch Temperaturerhöhung (z.B. beim Stromdurchgang) oder durch Verschiebung des Fermi-Niveaus zum Leitungs- bzw. Valenzband (durch Dotierung) erhöht werden kann. Trotz zunehmender Beweglichkeit der Teilchen mit sinkender Temperatur verschwindet beim absoluten Nullpunkt die Leitfähigkeit von Halbleitern.
5 Supraleiter Eine größere Zahl von Metallen und Legierungen zeigt bei sehr tiefen Temperaturen ein schlagartiges Ansteigen der Leitfähigkeit um mehr als 20 Zehnerpotenzen. Der Effekt heißt Supraleitung und die Temperatur, bei der er eintritt, Sprungtemperatur Tc. Die Höhe der Sprungtemperatur ist materialabhängig und liegt für reine Metalle unter 10 K (Heliumkühlung), während Legierungen Werte um 20 K erreichen und damit bereits in den Bereich der Wasserstoffkühlung (Siedepunkt von Wasserstoff: 20 K bzw. – 253 °C) gelangen. Ein entscheidender Schritt gelang in den letzten Jahren mit Mischoxiden auf der Basis Seltene Erden – Barium – Kupfer (SE – Ba – Cu – O), mit denen Sprungtemperaturen bei Stickstoffkühlung (Siedepunkt Stickstoff: 77 K bzw – 196 °C) möglich sind (Tabelle II-2).
4 Normalleiter Sind andererseits Bänder unvollständig besetzt oder überlappen Valenz- und Leitungsband (die verbotene Zone ist dann negativ), so liegt der Fall des metallischen Leiters vor. Das Fermi-Niveau liegt jetzt innerhalb des Leitungsbandes. In Bild II-4 sind die beiden Fälle dargestellt, einmal für Natrium mit W
W
W 4p-Band leer
3p-Band leer 3s-Band halbvoll
4s-Band halbvoll
WF 3d-Band voll
3p-Band voll 0 a)
50
100 F(W) %
b)
c)
Bild II-4 Bandschemata von Leitern a) Unvollständig besetztes Band, als Beispiel Natrium. Das 3s-Band ist nur zur Hälfte besetzt b) Fermi-Funktion für 300 K mit Lage zu a) und c) c) Überlappende Bänder, als Beispiel Kupfer. Das voll besetzte 3d-Band liegt innerhalb des nur zur Hälfte besetzten 4s-Bandes
Tabelle II-2 Sprungtemperaturen einiger Basismaterialien für Supraleiter Material
Ga
Al
Sn
Pb
Nb
NbTi
Nb3Sn
Nb3Ga
Nb – Al – Ge
SE – Ba – Cu – O
Tc /K
1,1
1,1
3,7
7,3
9,2
10
18
20,3
21
> 35 ... 90
228
Werkstoffkunde
Da die Supraleitung durch magnetische Felder – auch durch das eigene Feld eines im Supraleiter fließenden Stromes – aufgehoben werden kann, unterscheidet man weiche Supraleiter oder Supraleiter 1. Art, die gegen magnetische Felder bis zu einer kritischen Feldstärke Hc = 0,1 MA/m beständig sind, und harte Supraleiter oder Supraleiter 2. Art, die noch sehr starke magnetische Felder (Hc > 10 MA/m) vertragen. Für den praktischen Gebrauch ist die Angabe der kritischen Stromdichte Sc, bei der die Supraleitfähigkeit durch das eigene Magnetfeld des fließenden Stromes aufgehoben wird, geeigneter. Nach dem derzeitigen Kenntnisstand wird die Supraleitung von paarweise spinkompensierten Elektronen, die nicht mehr dem Pauli-Prinzip gehorchen, den sog. Cooper-Paaren, mit einer sehr hohen Beweglichkeit bewirkt. Die Cooper-Paare verursachen durch Ringströme an der Leiteroberfläche ein magnetisches Kompensationsfeld für das Leiterinnere, was zu einem magnetfeldfreien Raum, d.h. mr = 0 (!) führt. In den harten Supraleitern bestehen bei Stromfluß im Inneren normal- und supraleitende Bereiche in Form sogenannter Flußschläuche nebeneinander, die allerdings durch den fließenden Strom in Bewegung geraten und damit Instabilitäten bewirken. Durch Inhomogenitäten (Gitterfehler) im Aufbau des Supraleiters lassen sich sogenannte Pinning-Zentren schaffen, die eine Stabilisierung herbeiführen. Derart stabilisierte Systeme führen die Bezeichnung HochfeldSupraleiter oder Supraleiter 3. Art. Die Leitfähigkeit eines Supraleiters ist gegenüber Kupfer ungefähr um soviel größer wie die Leitfähigkeit von Kupfer gegenüber einem Isolator (etwa 20 Zehnerpotenzen)!
U H = RH
B I d
U B d I RH V T mm A cm 3 / As
(II.2)
mit B = Flußdichte, I = Strom, d = Leiterdicke (Bild II-5) und RH = Hallkonstante = A/e ⋅ n = A ⋅ m/g. Die Hallkonstante ist damit von der Beweglichkeit m und der Leitfähigkeit g bzw. Teilchenkonzentration n und Elementarladung e abhängig. Bei normalen Leitern ist die Konstante A = 1, bei Halbleitern A = 3p/8. Die Ablenkung der Strombahnen durch das Magnetfeld führt zu einem Winkel gegenüber der ursprünglichen (Längs-)Richtung, dem Hallwinkel QH UH/I V/A 0.8
R∞ Rlin
0.4 –1 –0.8
–0.4
0 0.2 –0.4
Rlin
–0.8
R∞
–1
R R0
B T
0.6 a)
D
20
6 Halleffekt Die Driftgeschwindigkeit bewegter Ladungsträger führt zu deren Ablenkung in einem Magnetfeld (Bild II-5). Die quer zum Stromfluß auftretende Hallspannung UH ist
15
b) L
10 N 5
B d
+++++
I
e
UH
– –F–l – –
Fq
0
UH, b
Ul, l
Bild II-5 Halleffekt (Prinzip) Stromdurchflossener Leiter (Länge l, Breite b und Dicke d) im Magnetfeld. I = Strom (Betriebsstrom), B = Magnetfeld, Fl, Fq = Längs- bzw. Querkraft, Ul = Längsspannung (Betriebsspannung), UH = Hallspannung und QH = Hallwinkel
0.4
0.8
1.2
+ –B T
Bild II-6 a) Normierte Hallspannung in Abhängigkeit vom anliegenden Magnetfeld. Im Leerlauf (R∞) und mit Abschlußwiderstand Rlin für optimal lineare Kennlinien b) Relativer Widerstand in Abhängigkeit vom anliegenden Magnetfeld für InSb-NiSb-Feldplatten mit verschiedenen Dotierungen (n. Siemens AG). D: g = 200 S/cm, L: g = 550 S/cm und N: g = 880 S/cm)
II Elektrische Leitfähigkeit
229
Q m B ° cm 2 /Vs T
tan QH = m ⋅ B
K B0 =
(II.3)
U 20 I1n ⋅ B
K B0 U I B V/ AT V A T
(II.4)
Der Hallwinkel hat eine Verlängerung der Strombahnen im Leiter zur Folge, woraus ein erhöhter Widerstand resultiert. Dieser Effekt wird in der Feldplatte ausgenutzt. Im Prinzip wechseln dazu ein Material mit großer Hallkonstante (z.B. InSb oder InAs) mit einem guten Leiter, d.h. Material mit verschwindender Hallkonstante, ab (Bild II-7a und b). Die Pfeile symbolisieren in den Abbildungen die Strombahnen. Unter dem Einfluß eines Magnetfeldes weisen sie einen längeren Weg auf. Die entstehenden Hallspannungen werden durch die querliegenden – Äquipotentialflächen erzwingenden – Leiter kurzgeschlossen. Damit liegt ein magnetfeldabhängiger Widerstand vor. Wie aus dem Diagramm der relativen Widerstandsänderungen in Bild II-6b hervorgeht, sind die Zusammenhänge nur stark nichtlinear. Auch ist die Polarität des Magnetfeldes nicht erkennbar, da nur die Stärke des Feldes in die Widerstandsänderung eingeht. Wenn nicht mit einer Vormagnetisierung gearbeitet wird, bewirkt ein magnetisches Wechselfeld eine Ausgangspannung doppelter Frequenz am „Arbeitswiderstand“ Feldplatte. Die grundsätzlichen Abmessungen von Hallgeneratoren und Feldplatten sind in Bild II-7 unter c und d aufgeführt.
d.h. der Hallwinkel ist nur von der Beweglichkeit der Ladungsträger (mn oder mp) und der magnetischen Flußdichte abhängig. Weil bei vorgegebenen Abmessungen die Hallspannung außer von einem eingeprägten Strom I nur noch vom einwirkenden Magnetfeld B abhängt, steht damit als Hallgenerator ein einfacher Meßsensor für magnetische Felder zur Verfügung. In Bild II-6a ist die auf den Ruhestrom normierte Ausgangsspannung eines Hallgenerators über der magnetischen Flußdichte B leerlaufend (R∞) und mit einem für beste Linearisierung der Kennlinie (Rlin) ermittelten Abschlußwiderstand dargestellt. Wie sofort ersichtlich und wie es auch dem Prizip der Entstehung der Hallspannung entspricht, ist ihr Vorzeichen von der Polarität des Magnetfeldes abhängig. Magnetische Wechselfelder erzeugen dementsprechend eine – vorzeichenrichtige – Wechselspannung. Die Ruheströme für Hallgeneratoren liegen zwischen einigen und einigen hundert mA. Bei Flußdichten von 1 T erreichen die Hallspannungen im Leerlauf Werte von 0,1 bis 1 V. Zur leichteren Berechnung wird oft die sog. Leerlaufempfindlichkeit KB0 in V/AT bei Nennstrom I1n und (meist) B = 1 T für die Leerlaufhallspannung U20 angegeben. KB0 ist definiert zu Leiter
Leiter a)
b)
ohne Magnetfeld
mit Magnetfeld Halbleiter
Halbleiter
Elektrisches System FA24
FP30 1.2 1
6
9
1.9 1.2 13 19
1 c)
3
0.4 max d)
Bild II-7 Feldplatte a) und b) prinzipieller Aufbau (Erläuterungen im Text) c) Abmessungen eines Hallgenerators (Siemens FA 24) d) Abmessungen einer Feldplatte (Siemens FP 30)
230
Werkstoffkunde
III Elektrische Leiter r 10–6 Ωm
1 Normalleiter Die Daten der wichtigsten Leitermaterialien sind in der Tabelle III-1 zusammengestellt. Für Leitkupfer ist der Mindestwert der elektrischen Leitfähigkeit (DIN EN 13604) 57 ⋅ 106 S/m bzw. der spezifische Widerstand 0,0175 ⋅ 10–6 Ω ⋅ m. Je nach Vorbehandlung und Reinheit kann die elektrische Leitfähigkeit des Kupfers zwischen 60 ⋅ 106 S/m bei extremer Reinheit und 55 ⋅ 106 S/m bei gerinfügigen Verunreinigungen schwanken. Aus diesem Grunde kommt in der Elektrotechnik (DIN 40500) ausschließlich elektrolytisch raffiniertes E-Kupfer (Werkstoffnummer 2.0060) oder das sauerstofffreie SE-Kupfer (Werkstoffnummer 2.0070) in Betracht (DIN 17007). Mit zunehmender Temperatur sinkt die Leitfähigkeit bzw. steigt der Widerstand der Leiterwerkstoffe. Generell sind metallische Leiter als Kaltleiter oder PTC (engl. positive temperature coefficient) zu klassifizieren. Eine geringe Temperaturabhängigkeit weisen die wegen ihrer guten Langzeitkonstanz zunehmend an Bedeutung gewinnenden Metallfilmwiderstände auf. Preiswert galvanisch hergestellt, erreichen sie Temperaturkoeffizienten a ⯝ 0,02 ... 0,005%/°C (Tabelle III-1). Für heiztechnische Zwecke sind die Anforderungen an den Temperaturgang der Heizleiter wesentlich geringer, dafür ist der Temperaturbereich wesentlich größer. Bild III-1 zeigt den spezifischen Widerstand für einige Heizleitermaterialien in Abhängigkeit von der Temperatur. Auffällig ist hierbei das Verhalten der NiFe-Legierung e) mit zunächst Kaltleitercharakteristik, die beim Erreichen der CurieTemperatur (siehe IV.2 Verhalten von Materie im Magnetfeld) in einen praktisch konstanten Widerstand übergeht.
1.6 a 1.4
c
b
1.2 d 1.0
e
0.8 0.6 0.4 0.2
0
T 200 400 600 800 1000 1200 °C
Bild III-1 Spezifischer Widerstand von Heizleitermaterialien in Abhängigkeit von der Temperatur (nach Vacuumschmelze GmbH) a) Megapyr I (FeCr25Al5) b) Megapyr II (FeCr20Al5) c) Vacromium (FeNi30Cr20) d) Vacromium C (NiCr20) e) Nickeleisen 701 (NiFe29Cr1)
2 Halbleiter Beim reinen Halbleiter ist, wegen des mittig in der verbotenen Zone liegenden Fermi-Niveaus, die Anzahl der ins Leitungsband übergehenden Elektronen nn gleich der Anzahl der im Valenzband frei werdenden Defektelektronen np. Die so rein thermisch erzeugte Teilchendichte heißt Intrinsicdichte oder
Tabelle III-1 Daten einiger Leiterwerkstoffe Der spezifische Widerstand r in 10–6 Ω ⋅ m ist zahlenmäßig gleich mit der gebräuchlichen Angabe in Ω ⋅ mm2/m Metall
Silber Kupfer Gold Aluminium Zink Nickel Eisen Zinn Blei
Leitfähigkeit gegenüber Silber = 100% 100 96 73 62 31 25 18 15 8
elektrische Leitfähigkeit
spezifischer Widerstand
Temperaturkoeffizient
g
r
10 6 S/ m
10 −6 Wm
a %/ ° C
61 58 41 38 17 15 10 9 4,5
0,0163 0,0173 0,025 0,026 0,059 0,067 0,098 0,115 0,222
0,41 0,43 0,39 0,43 0,42 0,69 0,56 0,46 0,42
III Elektrische Leiter
231
auch Intrinsiczahl ni. Allgemein gilt der Zusammenhang n cm − 3
n n ⋅ n p = n i2
rungen durch fremde Atome mit einem anderen Fermi-Niveau als dem des Halbleiters. Liegt das eingebrachte Fermi-Niveau nahe dem Leitungsband, stehen zusätzliche Elektronen für den Leitungsmechanismus zur Verfügung, sog. n-Dotierung (Bild III-2a). Wegen der vom Donator im Übermaß vorhandenen Elektronen auch Überschuß- oder n-Leitung genannt. Liegt andererseits das Fermi-Niveau des störenden Gitters nahe dem Valenzband, sog. pDotierung, werden durch den Akzeptor vermehrt Elektronen aus dem Valenzband abgezogen, und es entsteht die p-Leitung oder Defekt(elektronen)leitung (Bild III-2b). Die Dotierung erfolgt durch Diffusion oder Ionenimplantation. Da Gl. III.1 unverändert gültig ist, wird mit der Zunahme einer Ladungsträgerart die andere automatisch vermindert und führt damit zu einem bipolaren Leitungsmechanismus. Halbleiter finden sich vorzugsweise in der 4. Hauptgruppe (IVa) des Periodensystems. Die Tabelle III-3 zeigt einen Ausschnitt daraus. Darin sind die als Akzeptoren (A) geeigneten Elemente der 3. Hauptgruppe und die Donatoren (D) der 5. Hauptgruppe entsprechend gekennzeichnet. Der Bandabstand gibt die Breite der verbotenen Zone in eV an. Verbindungshalbleiter gewinnen neben den Elementhalbleitern zunehmend an Bedeutung. Bringt man Elemente der III. und V. Hauptgruppe des Periodensystems im stöchiometrischen Verhältnis zusammen, so ist bei derartigen III – V-Verbindungen wieder eine ähnliche Konfiguration der Valenzelektronen wie bei Elementhalbleitern möglich. Bei geeigneten Bandstrukturen kann der Leitungsmechanismus ähnlich wie bei Elementhalbleitern durch Dotieren gesteuert werden. In der Tabelle III-4 sind an einigen ausgewählten Beispielen die wesentlichen
(III.1)
Aus der Intrinsiczahl folgt die Intrinsic- oder Eigenleitfähigkeit g e n m (III.2) S/cm As cm −3 cm 2 /Vs
gi = en i ( m n + m p )
Die Grunddaten für Germanium (Ge) und Silizium (Si) sind in der Tabelle III-2 zusammengestellt. Daraus ist sofort ersichtlich, daß zum Erreichen der Eigenleitfähigkeit die Konzentration von Fremdteilchen kleiner als ca. 1013 cm–3 bei Ge und kleiner als ca. 1010 cm–3 bei Si sein muß. Bei ca. 1020 Teilchen pro cm3 für Metalle bedeutet dieses eine Reinheit von besser 10–9 (= 1 ppb = 1 part per billion = 1 Fremdteilchen auf 1 Milliarde {amerik. billion!} Teilchen) bei Ge und besser 10–12 bei Si. Wegen der Abhängigkeit der Leitfähigkeit vom Reinheitsgrad kann umgekehrt über die Messung der Leitfähigkeit eines Halbleitermaterials dessen Reinheit bestimmt werden. Tabelle III-2 Intrinsiczahlen und Ladungsträgerbeweglichkeiten von Germanium und Silicium Material
ni cm
−3
2,4 ⋅ 1013 1,5 ⋅ 1010
Ge Si
mn
mp
2
cm 2 /Vs
cm / Vs 3900 1350
1900 850
Dotieren ist die Änderung der Leitfähigkeit eines hochreinen Halbleiters durch Verschieben des FermiNiveaus. Es erfolgt über das Einbringen von Stö-
W
ΔWD
WF
Leitungsband Wirtsatome
W
Leitungsband
ΔWB
WL WD WV
WF
Leitungsband Fremdatome
WL ΔWB
WV
Valenzband a)
ΔWA
WA
Valenzbänder b)
Bild III-2 Dotierung (schematisch) a) Bandschema eines Überschußleiters, n-Leitung b) Bandschema eines Defektelektronenleiters, p-Leitung Leitungsband, Valenzband Wirtsatome, Valenzband Fremdatome, • Elektronen, WL, WV Leitungs- bzw. Valenzbandkanten der Wirtsatome, WF Fermi-Niveau, DWB Bandabstand der Wirtsatome, WD Donatorniveau, DWD Donatorabstand, WA Akzeptorniveau und DWA Akzeptorabstand
232
Werkstoffkunde
Tabelle III-3 Ausschnitt aus dem Periodensystem der Elemente Halbleiter, (A) Akzeptoren und (D) Donatoren (gegenüber IV), a Hauptgruppenelemente und b Nebengruppenelemente Gruppe
3 Valenzelektronen
4 Valenzelektronen
III a
IV b
Symbol Ordn.-Zahl B-abst. eV
B 5 (A) 1,1
Symbol Ordn.-Zahl B-abst. eV
Al 13 (A)
Symbol Ordn.-Zahl B-abst. eV
Ga 31 (A)
Symbol Ordn.-Zahl B-abst. eV
In 49 (A)
5 Valenzelektronen
a
6 Valenzelektronen
V b
a
VI b
a
7
VII b
N
C 6
7 Valenzelektronen a
b
O 8
F 9
6 Si
14 1,09
Ge
32 0,67 Sn 50
S
P 15 (D) 0,33
16
As 33 (D) 1,1
34
Sb 51 (D)
0,09
Cl 17
Br
Se
35 2,05
Te 52
J 53
0,34
1,3
Tabelle III-4 Daten einiger Verbindungshalbleiter. Zum Vergleich sind die Elementhalbleiter Ge und Si mit aufgeführt. BA Bandabstand, ri Intrinsicwiderstand, Smp Schmelzpunkt, mn Elektronenbeweglichkeit und mp Löcherbeweglichkeit Smp °C
BA eV
ri W⋅ cm
1,106 0,67
2,3 ⋅ 105 1 420 46 936
V –VI III –V
0,15 0,17
0,03 0,0045
PbTe InAs PbS
IV –VI III –V IV –VI
0,28 0,37 0,4
0,01 0,1 3,1
Ga-Antimonid In-Selenid
GaSb InSe
III –V III –VI
0,69 0,96
In-Phosphid Ga-Arsenid
InP GaAs
III –V III –V
Ga-Phosphid
GaP
Si-Karbid
SiC
Name
Formel
Silizium Germanium
Si Ge
Tetradymit In-Antimonid
Bi2Te3 InSb
Altait In-Arsenid Bleiglanz
Elementgruppen
mn cm 2 /Vs
mp cm 2 /Vs
1 350 3 900
480 1 900
573 523
800 75 000
400 780
910 940 1 117
2 100 22 600 650
840 200 250
0,06 12 500
702 660
4 000 –
750 5
1,25 1,38
10 5 ⋅ 107
1 060 1 260
3 500 4 000
650 450
III –V
2,29
–
–
1 000
–
IV –IV
3,5
60
8
Bemerkungen
Elektr. Kühlmat. Hallgeneratoren, RH = 400 cm3/As Infrarotdet. RH = 100 cm3/As lichtempf. Widerstand, Infrarotdet. IR- und UV-empfindlich Gunn-Elemente Elektrolumineszens, LED, IR-Dioden, FET IR-Dioden, grüne Lichtstrahlung, LED blaue Lichtstrahlung
IV Magnetische Leitfähigkeit
233
Daten verschiedener Verbindungs-Halbleiter aufgezeigt, wobei nicht nur III – V-Verbindungen berücksichtigt wurden. Vergleichsweise sind auch Germanium und Silizium noch mit aufgeführt. Zur Herstellung der für Halbleiterbauelemente notwendigen Sperrschichten, d.h. Übergänge zwischen p- und n-leitenden Materialien, ist noch die Umdotierung wichtig. Durch eine stärkere als die vorher eingebrachte Dotierung kann die p- oder n-Leitung umgekehrt werden. Mit Hilfe dieser Umdotierung können auch Mehrfachfolgen von p- und n-Schichten erzeugt werden. Nur so ist die heute übliche Planartechnologie zur Herstellung integrierter Schaltungen möglich.
3 Supraleiter Das grundsätzlich bereits über eine recht hohe Sprungtemperatur verfügende Niob (9,2 K, siehe Tabelle II-2 Nb) liefert als NbTi bzw. Nb3Sn z.Z. die gebräuchlichsten Supraleitermaterialien. NbTi liegt als leicht zu fertigender Legierungswerkstoff vor, wohingegen Nb3Sn als Verbindungssupraleiter einen
bestimmten Formierungsprozeß erfordert. NbTi ermöglicht bei einer Temperatur von 2 K (Heliumkühlung) Flußdichten von 10 T und Nb3Sn solche bis 16 T. Supraleitendes Material wird zur Stabilisierung in einen normalleitenden Träger (Substrat) auf Cu-Basis (Cu – Sn- oder Cu – Ni-Matrix je nach Herstellprozeß) eingebracht. Die dadurch bedingte Aufteilung des Leiters in Normal- und Supraleiter wird durch das Querschnittsverhältnis a = qCu/qSL beschrieben, mit qCu = Kupferquerschnitt und qSL = Supraleiterquerschnitt. Selbst wenn die zulässigen Stromdichten für Normalleiter mit 103 A/cm2 angesetzt werden, ist die Stromtragfähigkeit von Supraleitern immer noch um mehr als 102 größer als die von Normalleitern. Eine praktisch brauchbare Form von HochtemperaturSupraleitern (Stickstoffkühlung) würde den bislang weitgehend auf Hochfeldmagnete in Forschungseinrichtungen und kleinen Sonderanwendungen im Mikrowellenbereich beschränkten Einsatz von Supraleitern auch für die Anwendung in Energieübertragungssystemen, Motoren und Generatoren interessant machen.
IV Magnetische Leitfähigkeit 1 Modellvorstellung
N
Die zur elektrischen Elementarladung äquivalente magnetische Größe ist das Bohrsche Magneton m B = 9, 27 ⋅ 10 −24 Am 2
(1 A ⋅ m 2 = 1 J /T)
I
Im Gegensatz zur „einpoligen“ Elementarladung ist das Bohrsche Magneton zweipolig und damit ein magnetischer Dipol mit Nord- und Südpol. Die gleichfalls benutzte Bezeichung magnetisches Moment geht auf die Tatsache zurück, daß die magnetischen Dipole nur verdreht, aber nicht verschoben werden können. Zur Modellvorstellung des magnetischen Dipols ist in Bild IV-1 die Magnetpolbildung eines Ringstromes dargestellt (die unvollständig gezeichneten Feldlinien sollen die Vorstellung erleichtern). Gelangt die Anordnung in ein magnetisches Feld (gestrichelt in Bild IV-1), so wird der Dipol eine Drehbewegung ausführen, ohne den Platz zu verlassen. Die Größe des für die Drehbewegung notwendigen Drehmomentes M folgt aus M = m B ⋅ B ⋅sin a
M m B B sin a J J/T T 1
(IV.1)
Hierbei ist B die Flußdichte, mB das magnetische (Dipol-)Moment und a der (kleinste) Winkel zwischen „Magnet“ und Feld. Wichtig ist das magnetische Moment mB des Modells, dessen Betrag sich als Strom multipliziert mit der umrandeten Fläche ergibt. Betrachtet man den Stromring als Elektronenbahn
S Magnetfeld von einem Nordpol kommend
Bild IV-1 Kreisstrom (stromdurchflossener Ring) als magnetischer Dipol
und die Fläche als zum Bahnradius gehörig, so ist das damit verkoppelte magnetische Moment als Bahnmoment zu deuten. Der mechanisch als Eigenrotation gedeutet Spin der Elektronen führt dementsprechend zum Spinmoment. Alle magnetischen Erscheinungen der Materie, die für den praktischen Gebrauch bedeutsam sind, gehen damit auf die Überlagerung von Spin- und Bahnmomenten zurück.
2 Verhalten von Materie im Magnetfeld Meßzahl für die Reaktion eines Werkstoffes auf ein Magnetfeld, d.h. seine magnetische Leitfähigkeit ist entweder die Permeabilität m oder die (magnetische)
234
Werkstoffkunde
Suszeptibilität km. Für den freien Raum gilt – unter Verzicht auf die Kennzeichnung des Vektorcharakters von Flußdichte B und magnetischer Feldstärke H –
Magnetische Momente vereinfachte im kubischen Gitter Darstellung Bezeichnung
mr
km
(IV.2)
diamagnetisch
<1 <0 (≈ 1) (≈ 0)
mit m0 = 1,26 ⋅ 10–6 Vs/Am (bzw. H/m). Für den materieerfüllten Raum ist eine multiplikative oder additive Beschreibung möglich:
paramagnetisch
>1 >0 (≈ 1) (≈ 0)
B H m0 T A / m Vs/ Am
B = m0 ⋅ H
B = m0 ⋅ mr ⋅ H
bzw.
B = m0 ⋅ H + J
(IV.3a und b) 2
B ist die erreichte Flußdichte in Vs/m oder T und H das erregende magnetische Feld in A/m. J ist die mit B dimensionsgleiche magnetische Polarisation. Die relative Permeabilitätszahl mr ist der Multiplikationsfaktor für die Flußdichte im materieerfüllten Raum gegenüber dem Vakuum. Die Polarisation J gibt den auf die Materie entfallenden Flußdichteanteil an, der zusätzlich zum Anteil m0H des Vakuums auftritt. Aus Gl. IV.3 folgt: mr = 1 +
ferromagnetisch
antiferromagnetisch
1
0
>1 >0 (≈ 1) (≈ 0)
J M = 1+ = 1 + km H m0 H
J, M H m0 mr , k m T A/ m Vs/ Am 1
(IV.4)
Mit km = Suszeptibilität(szahl) und M = J/m0 = Magnetisierung. M ist der Feldsstärkeanteil, der für die zusätzliche Flußdichte in der Materie aufzubringen ist. Der für die Praxis wichtige Zusammenhang zwischen J und B folgt aus Gl. IV.3 zu J = B − m0 H
J B H m0 T T A/ m Vs/ Am
(IV.5)
Diamagnetismus: Trifft ein äußeres Magnetfeld auf die Kreisströme der Elektronenbahnen, so wird – gemäß Lenz’scher Regel (siehe Grundlagen der Elektrotechnik) – ein Feld induziert, das dem erzeugenden entgegengerichtet ist. Es entsteht ein sog. induziertes magnetisches Moment. Dies ist die einfachste Form des Magnetismus, die grundsätzlich in allen Stoffen vorkommt. Das resultierende Feld ist schwächer als das erregende. Materialien, die ausschließlich diesen Effekt zeigen, heißen diamagnetisch. Die Suszeptibilität km ist negativ, etwa – 10–6. Die Permeabiltät mr ist dann praktisch gleich 1 (Bild IV-2). Zu den diamagnetischen Stoffen gehören die Edelgase, die nichtmetallischen Elemente – außer O2 und S2 – sowie die Metalle Ag, Au, Cd, Cu, Hg, Pb und Zn, ferner die Halbleitermaterialien Ge, Si und Se. Normalerweise ist die Suszeptibilität temperaturunabhängig. Ausnahmen hiervon machen Sb, Bi, Ga, Tl und C (als Graphit). Paramagnetismus liegt vor, wenn sich die magnetischen Momente im atomaren Bereich unvollständig kompensieren. Die resultierenden magnetischen Mo-
ferrimagnetisch
1
0
Bild IV-2 Ordnungszustände magnetischer Momente (schematische Übersicht) ↑ magnetisches Moment mit relativer Größe und Richtung mente mit ihren willkürlichen Orientierungen werden durch ein äußeres Magnetfeld ausgerichtet. Die resultierende Flußdichte ist etwas größer als im Vakuum. Die Suszeptibilität ist positiv mit Werten von etwa km = 10–5 ... 10–3. Die Permeabilitätszahl mr ist damit praktisch nur unwesentlich größer als 1. Da die Wärmebewegung der Teilchen der ausrichtenden Wirkung des Magnetfeldes entgegenwirkt, ist der Paramagnetismus temperaturabhängig. Ferromagnetismus: Kompensieren sich im atomaren Bereich erst magnetische Momente größerer, gleich ausgerichteter Gebiete, den sog. Weiss’schen Bezirken, Elementarbereichen oder Domänen, so liegt Ferromagnetismus vor. Die Suszeptibilität km und Permeabilität mr erreichen sehr hohe Werte. Dieser Ausnahmezustand in der Ordnung der Spinmomente wird durch Austauschkräfte hervorgerufen, denen mit steigender Temperatur die Wärmebewegung der Atome (-rümpfe) entgegenwirkt, so daß ab einer bestimmten Temperatur – der Curie-Temperatur – wieder der ungeordnete, d.h. paramagnetische Zustand, vorherrscht. Antiferromagnetismus: Die Austauschkräfte können im Gitter auch zu einer paarweise antiparallelen Ordnung der magnetischen Momente führen. Dieser
IV Magnetische Leitfähigkeit
235
Ordnungszustand heißt antiferromagnetisch. Nach außen hin ist ein solches System durchweg unmagnetisch und verhält sich bei den üblichen Untersuchungen wie ein paramagnetischer Stoff. Auch dieser Ordnungszustand wird thermisch aufgehoben. Die zugehörige Temperatur heißt Néel-Temperatur. Ferrimagnetismus: Sind bei antiparalleler Ausrichtung die magnetischen Momente ungleich groß, so verbleibt in einer Richtung ein resultierendes magnetisches Moment, mit ähnlicher Wirkung wie bei ferromagnetischen Materialien. Dieser unvollständig kompensierte Antiferromagnetismus wird Ferrimagnetismus genannt. In Bild IV-2 sind die möglichen Ordnungszustände der magnetischen Momente schematisiert zusammengestellt.
3 Magnetisierung Die Weiss’schen Bezirke sind durch Austauschkopplungen bis zur Sättigung magnetisiert. Diese spontane Magnetisierung erfolgt im Kristallgitter immer nur in den Richtungen der leichten Magnetisierbarkeit, den (magnetisch) leichten Richtungen. Beim kubischen Gitter des Eisens sind dies z.B. die Würfelkanten. Die Diagonalen dazu sind schwerer zu magnetisiern, d.h. es liegen (magnetisch) schwere Richtungen vor. Die Ausrichtung der magnetischen Momente erfolgt wegen der Weiss’schen Bezirke durch Wandverschiebungen und Drehprozesse. (Bloch-)Wandverschiebungen (Bild IV-3b) sind für Magnetisierungen mit kleinen Feldstärken wichtig. Mit zunehmender Feldstärke müssen auch Bezirke magnetisiert werden, die mit dem aufmagnetisierenden Feld Winkel > 90° einschließen. Hierbei treten irreversible Drehungen auf, wobei die spontan magnetisierten Bezirke ihre Magnetisierungsrichtung um 180° ändern (Bild IV-3c). Die weitere Ausrichtung bis zur Sättigung erfolgt über einfache reversible Drehungen (Bild IV-3d). Die plötzlichen Richtungswechsel der Magnetisierung durch die irreversiblen Drehungen sind auch unter dem Namen Barkhausensprünge bekannt. H
a)
b)
H
c)
Bild IV-3 Stufen der Magnetisierung a) ungestörter Zustand b) (Bloch-)Wandverschiebung c) irreversible Drehungen d) reversible Drehung H magnetisierendes Feld zunehmender Stärke
H
d)
4 Magnetisierungskurve Der Zusammenhang zwischen der erregenden Feldstärke H und der daraus im Inneren des Werkstoffes resultierenden Flußdichte B, d.h. der Addition von J und m0H ist bei Werkstoffen mit hoher Permeabilität im allgemeinen nicht linear. Der nur experimentell zu ermittelnde Zusammenhang zwischen H und B wird durch die Magnetisierungs- oder Hysteresekurve (schleife) beschrieben (Bild IV-4). Für einen noch nie magnetisierten (oder einwandfrei entmagnetisierten) Werkstoff beginnt die Neu- oder Kommutierungskurve im Koordinatenursprung und wird im Anfangsbereich durch Wandverschiebungen (Bild IV-4 a), im Hauptteil durch irreversible Drehungen (Bild IV-4 b) und, im Bereich bis zur Sättigungsflußdichte Bs (Bild IV-4 c), durch reversible Drehungen bestimmt. Bei gegen Null absinkender Feldstärke sinkt die Flußdichte auf einem höher liegenden Kurvenast (Bild IV4 d) gegen die Remanenzflußdichte (Remanenzinduktion) Br ab. Dies ist die Auswirkung der irreversiblen Drehungen, die erst durch eine entgegengerichtete Koerzitivfeldstärke – Hc wieder bis auf B = 0 gebracht werden können. Eine weitere Steigerung von H in negativer Richtung führt zu einer negativen Sättigungsflußdichte, die ihrerseits erst wieder durch eine positive Koerzitivfeldstärke auf Null gebracht werden kann. Eine Rückkehr zum Koordinatenursprung ist auf diese Weise nicht möglich. Der Werkstoff verfügt über eine Hysterese. B Br d Bs
reversible Drehungen irreversible Drehungen
c b
–Hc
a
Wandverschiebungen Hc
H
–Br –Bs
Bild IV-4 Grundsätzlicher Verlauf und Entstehung einer Magnetisierungskurve oder Hystereseschleife (Erläuterungen im Text) Zur Entmagnetisierung muß von einer Sättigungsfeldstärke, Punkt 1 oder 2 in Bild IV-5 mit allmählich absinkenden Feldstärkewerten ständig ummagnetisiert werden. Die gleichfalls mögliche thermische Entmagnetisierung durch Überschreiten der CurieTemperatur dürfte nur in Sonderfällen anwendbar sein. Verluste: Die Fläche der Hystereseschleife, d.h. das Integral der Funktion B von H, stellt eine „Verlustfläche“ A dar. Diese Verluste treten bei jedem Durchlauf der Kurve auf und sind damit der Frequenz f proportional. Ist die Fläche der Hystereseschleife
236
Werkstoffkunde B
1 3 5
p W/ kg
p = ph + pw
B1
H
6 2
B = Scheitelwert der sinusförmigen Flußdichte und r = Dichte des Werkstoffes. Damit werden die im allgemeinen zusammengefaßten Verluste p
4
(IV.8)
Bei konstanter Netzfrequenz f = 50 Hz sind die Verluste nur noch von der Blechdicke d und der Aussteuerung B abhängig. Da die Blechdicke für den allgemeinen Fall variabel bleiben muß, die Aussteuerung aber bis in den nichtlinearen Bereich durchgeführt wird, ist die Flußdichte mit B = 1,0 T und B = 1,5 T genormt. Daraus folgen die Verlustkennziffern p1,0 und p1,5, meist in W/kg angegeben.
5 Permeabilität H 1 2 3
H~
m=
4 5 6
gleich den Verlusten A in Ws/m3 und das Materialvolumen gleich V, so ergibt sich die, auf die Masse bezogene, Hysterese-Verlustleistung ph zu A⋅ f r
DB DH
(IV.9)
D ist die zur jeweiligen Definition gehörige Differenz. Die Permeabilität m ist in die absolute Permeabilität m0 mit der Einheit H/m und eine weiter zu definierende unbenannte Zahl mr aufzuspalten.
Bild IV-5 Entmagnetisierung (schematisch) B1 (Rest-)Vormagnetisierung, H∼ abklingendes, entmagnetisierendes Wechselfeld, 1, 2, 3, ... Umkehrpunkte auf der Kommutierungskurve, d.h. abklingende Scheitelwerte von H∼, – . – . – Kommutierungskurve und – – – Ergänzung der (äußersten) Hystereseschleife.
ph =
Eine der wichtigsten Kenngrößen magnetischer Werkstoffe ist die Permeabilität m. Sie gibt den zahlenmäßigen Zusammenhang zwischen Flußdichte B und Feldstärke H an:
ph A f r W/ kg Ws/ m 3 s −1 kg/ m 3
(IV.6)
m = m0 ⋅ mr mit m0 = 4 p ⋅ 10 −7 Vs / Am = 1,256 ⋅ 10 −6 H / m
Anfangspermeabilität = Steigung im Nullpunkt. Die Anfangspermeabilität mA oder mi (engl.: i = initial) entspricht der Steigung der Neukurve im Ursprung (Bild IV-6a). Die formale Definition lautet: m A = mi =
1 B ⋅ m0 H
B m~ mA
^
B m~ mA ^
H
g 2 p w = 1, 64 ( Bfd ) r pw g r B f d W/ kg S/ m kg/ m 3 T s −1 m
(IV.7)
(IV.11) H → 0
B
3
mit r = Dichte (kg/m ). Die elektrische Leitfähigkeit g der meisten magnetischen Werkstoffe führt zu Wirbelstromverlusten pw, die sich, bei der Verwendung von dünnen Blechen der Dicke d und sinusförmiger Flußdichte B, nach der klassischen Wirbelstromtheorie ergeben zu
(IV.10)
a)
H
H b)
Bild IV-6 Wechselfeldpermeabilität a) Definition der Anfangs- (mA) und Wechselfeldpermeabilität (m∼) an der Kommutierungskurve b) Wechselfeldpermeabilität m∼ in Abhängigkeit von der magnetischen Feldstärke Da mit H = 0 keine Messungen mehr durchführbar sind, ist hierfür ein sehr kleiner Wert (einige mA/cm) festgelegt. Ältere Angaben benennen m5, d.h. H =
V Magnetika
237
5 mOe = 4 mA/cm. In Anlehnung daran findet man oft auch als Angabe m4.
B a)
Wechselfeldpermeabilität = Steigung bei großer Aussteuerung. Die Wechselfeldpermeabilität m∼ entspricht der üblichen Permeabilitätszahl mr, mit der Definition (Bild IV-6a): m~ =
1 B ⋅ m0 H
ΔH
(IV.12)
H
H groß
H wird zweckmäßig von H = 0 bis zu einem maximalen Wert bei dem Bs erreicht wird geführt und das Ergebnis als Diagramm über H aufgetragen (Bild IV-6b). Für H = 0 geht m∼ dann in mA über. Ist zusätzlich zur Wechselfeldaussteuerung noch ein magnetisierendes Gleichfeld H= vorhanden, so ergibt sich die Überlagerungspermeabilität (s.a. mrev).
Reversible Permeabilität = Steigung innerhalb der Hystereseschleife. Wird ein magnetischer Werkstoff mit einem Gleichfeld H= vormagnetisiert und mit kleinen Wechselfeldstärken ausgesteuert, so ergeben sich die in Bild IV-7a dargestellten Verhältnisse. Einer inneren Magnetisierungskennlinie folgend, verläuft die Aussteuerung flacher gemäß: m rev =
ΔB
1 DB ⋅ m 0 DH
(IV.13) DH → 0, H = ≠ 0
DB und DH liegen dabei immer innerhalb der Hystereseschleife. mrev sollte meist groß sein, damit trotz Gleichstromvormagnetisierung der magnetische Kreis noch einen genügend großen induktiven Widerstand aufweist. Ein Sonderfall der reversiblen Permeabilität ist die permanente Permeabilität mperm, die in der Dauer-
B Br b) F ΔB
mperm
ΔH
H
Bild IV-7 Permeabilitäten innerhalb der Hysteresekurve a) Reversible Permeabilität b) Permanente Permeabilität magnetik wichtig ist. Der Arbeitspunkt liegt im 2. (oder 4.) Quadranten (Bild IV-7b). Da bei Dauermagneten die Flußdichte – und deren Konstanz – die entscheidende Größe ist, sollte mperm ⯝ 1 sein, um bei einem störenden Wechselfeld keine Änderungen des magnetischen Arbeitspunktes zu verursachen.
V Magnetika Tabelle V-1 Übersicht über Magnetika (Ohne Anspruch auf Vollständigkeit, Metalloxide ohne Fe2O3) Metalle reine Metalle
Metalloxide (Ferrite) Legierungen
weich
hart
weich
hart
weich
hart
Fe
–
Fe – Si
Fe – Al – Ni
Mn – Zn – O
Ba – O
Ni
Fe – Ni
Fe – Al – Ni – Co
Ni – Zn – O
Sr – O
Co
Fe – Co
Fe – Ni – Cu
Mg – Mn – O
(Gd)
Fe – Al
Fe – Co – V
Y – O (Granat)
Cu – Mn – Al
Pt – Co Co – Sm
238
Werkstoffkunde
Bei den Magnetika werden vom Werkstoff her Metalle und deren Legierungen sowie Metalloxide (Ferrite) und, nach den Anwendungseigenschaften, Weich- und Hartmagnetika (Dauermagnete) unterschieden. In Tabelle V-1 ist eine grundsätzliche, aber nicht vollständige, Übersicht der magnetischen Werkstoffe zusammengestellt.
2 Weichmagnetika
1 Metalloxide (Ferrite)
Metalle: Eisen wird als Weicheisen für Relais und als Karbonyl-Eisen(pulver) in geringem Umfang für Hochfrequenzkerne und zur Abbildung von Magnetfeldern (Bittersche Methode) benutzt. Nickel findet rein gelegentlich (im Sättigungsbereich) Anwendung als magnetostriktiver Ultraschallgeber, ansonsten dient es, ähnlich wie Kobalt, als Legierungsbestandteil für verschiedene magnetische Werkstoffe. Von den übrigen Metallen gilt in erster Näherung, daß die Schwermetalle (z.B. Cu, Ag, Bi, Au usw.) diamagnetisch und die Leichtmetalle (z.B. Al, Mg, Na, Ca usw.) paramagnetisch sind.
Ferrite der Elektrotechnik sind chemische Verbindungen des Eisen(III)-oxids Fe2O3 mit zweiwertigen Metalloxiden (M″O) vom allgemeinen Typus M″O ⋅ Fe2O3 Die Gitterstruktur der am meisten verbreiteten kubischen Ferrite entspricht der des Halbedelsteins Spinell. In der normalen kubischen Spinellstruktur mit ihrem flächenzentrierten Sauerstoffionen-Gitter (Bild V-1) befinden sich die zweiwertigen Metallionen (Punkte in Bild V-1) auf Tetraederplätzen und die dreiwertigen (Dreiecke in Bild V-1) auf Oktaederplätzen. Vertauschen die zwei- und dreiwertigen Ionen ihre Plätze, entstehen die inversen Spinelltypen. Nur diese und die aus beiden bestehenden Mischtypen liefern magnetische Ferrite. Sie sind vom Prinzip her ferrimagnetisch. Als Metalloxide sind die Ferrite keramische Werkstoffe und daher elektrische Nichtleiter.
Bild V-1 Kristallgitter eines Spinells 䊊 Sauerstoffion, 䊉 zweiwertiges Metallion und 䉭 dreiwertiges Metallion (zur besseren Übersicht sind die Gitterplätze nur teilweise besetzt)
Weichmagnetische Werkstoffe sind durch eine Koerzitivfeldstärke von Hc < 1 kA/m gekennzeichnet. Unter den Elementen kommen nur weichmagnetische Stoffe vor, und zwar die Ferromagnetika Eisen, Nickel, Kobalt sowie das für die Praxis bedeutungslose Gadolinium (Curietemperatur 16 °C).
Legierungen: Eisen ist mit verschiedenen Legierungszusätzen wie Si, Ni, Co, Mo u.a. der wichtigste magnetische Werkstoff. Neben den Zusätzen haben auch die Art der Behandlung z.B. warm- oder kaltgewalzt, nachgeglüht usw. erheblichen Einfluß auf die Verluste (p1,0 bzw. p1,5) eines Elektrobleches. Höherwertige Bleche sind durchweg kornorientiert. Für die Unterscheidung von Elektroblechen ist häufig noch die veraltete Bezeichnung Dynamoblech mit den Abstufungen Dyn.-Bl. I ... IV zu finden. Die heutigen enger tolerierten Anforderungen bedienen sich gemäß DIN 46400 einer Viererkombination aus Buchstaben und Zahlen, Tabelle V-2. In der Tabelle V-3 sind für einige nach dem genannten Schema bezeichnete Werkstoffe, neben der Werkstoffnummer, die Grunddaten zusammengestellt. Bevorzugtes Anwendungsgebiet sind Transformatoren, Motoren und Generatoren. Werkstoffe für Übertrager behandelt DIN 41301 und 41302 sowie IEC 404-8-6. Der Kurzname besteht hierbei aus einem Buchstaben und einer Ziffer, wobei, mit im Alphabet fortschreitenden Buchstaben, die Legierungsanteile wachsen. A bedeutet gar nicht oder schwach Si legiert, C definiert
Tabelle V-2 Bezeichnung von Elektroblechen 1.
Kennbuchstabe
V kalt oder warmgewalzt, nicht kornorientiert VH kaltgewalzt, nicht schlußgeglüht VM kornorientiert
2.
Verluste
Hundertfaches der Verlustkennziffer p1,0
3.
Blechdicke
Hundertfaches der Blechdicke in mm
4.
Kennbuchstabe
bei Kennbuchstabe V zusätzlich: A kaltgewalzt oder B warmgewalzt und geglüht
V Magnetika
239
Tabelle V-3 Grunddaten einiger Elektrobleche nach DIN 46400 (B25 = Flußdichte bei H = 25 A/cm) p 1, 0
p1, 5
W/kg
W/ kg
B 25 T
1,1 1,3 1,35 2,3 3,6
2,7 3,3 3,3 5,3 8,1
1,49 1,49 1,49 1,54 1,58
0,35 0,35 0,50 0,50 0,50
0,9 1,3 1,1 1,7 2,3
2,3 3,3 2,7 4,1 5,4
1,47 1,47 1,47 1,48 1,51
1.0361 1.0363 1.0364 1.0366
0,50 0,50 0,65 0,65
2,80 4,30 3,30 5,00
6,60 10,50 8,00 12,00
1,62 1,58 1,62 1,58
1.0865 1.0861 1.0856
0,27 0,30 0,35
0,89 0,97 1,11
1,40 1,50 1,65
Werkstoffnummer
d mm
V110-35A V130-35A V135-50A V230-50A V360-50A
1.0899 1.0898 1.0897 1.0893 1.0890
0,35 0,35 0,50 0,50 0,50
V90-35B V130-35B V110-50B V170-50B V230-50B
1.0883 1.0880 1.0879 1.0875 1.0873
VH280-50 VH430-50 VH330-65 VH500-65 VM89-27 VM97-30 VM111-35
Kurzname
Hc A/ m
mmax
≈ 100 ... 300
≈ 5 000
≈1
≈ 30 000
alle Magnetwerkstoffe noch Eigennamen der Hersteller, z.B. Vacofer für Werkstoffe der Klasse A, Mumetall aus Klasse E oder Vacuflux bei Klasse F von der Firma Vacuumschmelze GmbH.
mit Si legiert, D sind Ni-Legierungen, E und F sind hoch nickelhaltig und noch weiter legiert. Die Tabelle V-4 gibt eine Übersicht über einige Werkstoffe dieser Klasse. Zusätzlich zu den DIN-Bezeichnungen haben
Tabelle V-4 Grunddaten einiger Übertragerwerkstoffe nach DIN 41301 Werkstoffsorte
Chemische Zusammensetzung
d mm
Hc A/m
Bs T
Tc °C
Stahl mit ≈ 2,5 ... 4,5% Si
0,5 0,35
100
2,03
750
m16
m4
p W/ kg
Kennzeichnende Eigenschaften, Verwendung
450
–
–
Permeabilität bei kleinen Feldstärken
Kurzname
Werkstoffnummer
A0
1.3850
A2
1.3852
0,35
60
2,0
750
900
–
A3
1.3853
0,35 0,20
35
1,92
750
900 750
– – –
C2
1.3856
C5
1.3859
D1a
1.3915
Stahl mit ≈ 3,5 ... 4,5% Si
Stahl mit ≈ 36 ... 40% Ni
0,35
30
2,0
750
1300
0,35
15
2,0
750
abhängig von Walzrichtung
0,35 0,05
50
1,3
250
2400 2300
– –
2200
–
2900 2500
– –
0,35 0,1 1,3
250
p1,5 ≈ 1
p1,0 ≈ 0,5 ... 1 Herstellung von Übertragern in der Nachrichtentechnik
D3
1.3916
0,35 0,05
15
E3
2.4591
2
0,7 – 0,8 400
– –
20 000 p0,5 ≈ 0,03 16 000
E4
2.4592
Ni – Fe-Legierung 0,35 mit ≈ 75% Ni, 0,05 weitere Zusätze 0,35 0,05
1
0,6 – 0,8 270 400
– –
35 000 30 000
F3
1.3922
Ni – Fe-Legierung 0,35 mit ≈ 50% Ni 0,05
10
1,5
–
470
4 000 p1,0 ≈ 0,03
240
Werkstoffkunde
Nickel ist, wie schon Tabelle V-3 zeigt, von größtem Einfluß auf die magnetischen Eigenschaften von Eisen. Während ca. 75% Ni einen hochpermeablen Werkstoff mit mA > 104 liefert, sinkt bei ca. 25 ... 30% Ni die Curie-Temperatur unter die Raumtemperatur, so daß unmagnetische Stähle entstehen. Für die Technologie ist die gute Auswalzbarkeit von Fe – NiLegierungen bis in den Bereich von d ⯝ 50 mm wichtig. Für extrem dünne Schichten im mm-Bereich der Halbleitertechnologie sind hochpermeable Legierungen mit 78% Ni aufdampfbar. Amorphe Metalle: Unter dieser Bezeichnung oder auch unter dem Namen Metallgläser werden weichmagnetische Werksttoffe mit extremen Eigenschaften geliefert. Es handelt sich dabei um Legierungen auf Fe – Ni- bzw. Co – Ni – Fe-Basis, die nicht kristallin sind! Diese Eigenschaft wird durch eine außerordentlich hohe Abkühlgeschwindigkeit von ca. 106 K/s, d.h. 1000 K/ms, beim Erstarren aus der Schmelze und bis zu 25% kristallisationsverzögernde Zusätze erreicht. So ist z.B. die Co-Ni-Fe-Legierung der Fa. Vacuumschmelze GmbH als O50Ni20Fe6Si12B12 aufgebaut. Die bestechendste Eigenschaft derartiger Werkstoffe ist die in Bild V-2 erkennbare hohe Permeabilität. Im Gegensatz zu anderen Weichmagnetika weisen diese Werkstoffe aber erhebliche Härte- (⯝ 1000 HV02) und Zugfestigkeitswerte (Rm ⯝ 2 kN/ mm2) auf. Die thermische Belastbarkeit ist nicht durch die Curie-Temperatur, sondern durch die Kristallisationstemperatur von ca. 400 ... 500 °C begrenzt. Die bei anderen hochpermeablen Materialien gefürchtete Empfindlichkeit gegen mechanische Beanspruchungen tritt bei amorphen Metallen nicht auf.
106
m~
Co-Ni-Fe
105
Fe-Ni
104
103 0,1
1
^ H 10 A/m
Bild V-2 Wechselfeldpermeabilität amorpher Metalle (Metallgläser) Beispiel: Vitrovac der Fa. Vacuumschmelze GmbH (f = 50 Hz)
Kernbleche: Während für Großtransformatoren die Kernbleche aus Plattenmaterial dem jeweiligen Bedarf entsprechend zugeschnitten werden, ist für Kleintransformatoren die Anwendung vorgefertigter Kerne bzw. Kernbleche zweckmäßiger. Material- und fertigungsmäßig sind die abfallosen EI- (Bild V-3a) bzw. UI-Schnitte (Bild V-3c) besonders günstig. In Varianten zu diesen Schnitten werden die „I’s“ durch ein mehr oder weniger vollständiges E (Bild V-3f) bzw. U ersetzt. Es entstehen dann EE- bzw. UUFormen, bei denen die Luftspalte der Kerne innerhalb der Wicklungen liegen. Eine spezielle Variante der EKernform ist der Drehstrom-E-Kern, mit drei gleich breiten Stegen. Eine verarbeitungsmäßig aufwendige, für geringe Luftspalte aber beste Kernblechform ist der M-Schnitt (Bild V-3b). Der Luftspalt d kann von „klemmender Zunge“, d.h. verschwindendem Luftspalt, bis zu einer Breite von mehreren Millimetern variiert werden. Um die Lage der Bleche auch im fertigen Transformator kontrollieren zu können, sind die Bleche an einer Ecke (oben rechts in Bild V-3b) abgeschrägt. Philbertschnitte in PU- (Bild V-3d) oder in PL-Form (Bild V-3e), mit den verbreiterten Querstegen in den magnetisch schweren Richtungen, nutzen bei Gosstexturen (leichte Richtungen längs, schwere Richtungen quer und in Dickenrichtung der Bleche) das Material besser aus. Die beste Ausnutzung der Gosstextur liefert der herstellungs- und verarbeitungsmäßig aufwendige Schnittbandkern (Bild V-3h und k). Der für das Einbringen in die Wicklungen geteilte Kern ist an den Trennflächen sorgfältig geschliffen und muß in der Fertigung immer wieder mit den einander zugehörigen Flächen zusammengebracht werden. Für rationelle Fertigungen sind fertig geklebte Blechpakete in EE-Form oder als Steckkerne, die über Kerben (K) und Vorsprünge (N) einrastend zusammenhalten (Bild V-3g und i), trotz magnetisch ungünstigerer Eigenschaften (Luftspalt) vorteilhaft. Um die durch dünne Bleche niedrig gehaltenen Wirbelströme auch in einem Blechpaket klein zu halten, sind die einzelnen Bleche elektrisch voneinander zu isolieren. Diese Maßnahme hat einen Verlust an Eisenquerschnitt zur Folge, der durch den Eisenfüllfaktor gekennzeichnet wird. Er gibt den relativen Anteil des Eisens an der gesamten magnetischen Querschnittsfläche an. Mit sinkender Blechdicke sinkt auch der Füllfaktor, da die Isolation nicht beliebig dünn gemacht werden kann. Für die üblichen Blechdicken von 0,25 ... 0,5 mm liegt der Eisenfüllfaktor bei 95%. Er kann bei sehr dünnen Blechen bis etwa 35% absinken. Weichmagnetische Ferrite: Wegen der Nichtleitereigenschaften der Ferrite, und den damit fehlenden Wirbelstromverlusten, sind sie besonders für hohe Frequenzen und die Nachrichtentechnik interessant. Die praktisch genutzten Werkstoffe sind alle sog. Mischferrite. Dementsprechend auch die Bezeich-
V Magnetika
241
c c
Pv mW/g 102
c
c
d 2c
c c
c
4c
200 mT
100 mT
c
2c
50 mT c
6c a)
1
10
25 mT
b) 100
c c c
3c
c c c
6c
c c c 10–1
f)
c
c c c
g)
N K
h)
10–2 –1 10 a)
100
101
Pv mW/mm3 1
10
2c
e)
f 102 kHz
5 2 1 0.5 0.2
c
d)
20 MHz
c)
10–1 10–2
i)
k)
Bild V-3 Blechschnitte für Kleintransformatoren a) EI-Kernblech (abfallarm) b) M-Kernblech oder Mantelkernblech mit oder (fast) ohne Luftspalt d c) UI-Kernblech (abfallarm) d) Philbertkernblech PU e) Philbertkernblech PL f) EE-Kernblech g) und i) Steckkern(blechpaket) h) und k) Schnittbandkern
nungen wie Mn – Zn-Ferrit o.ä. Für Ferrite typisch sind die geringen Sättigungsflußdichten von ca. 0,3 ... 0,5 T. Als keramische Werkstoffe sind sie mit r = 3 ... 5 g/cm3 von geringer Dichte, absolut korrosionsbeständig und schlechte Wärmeleiter. Die bei hohen Aussteuerungen auftretende Verlustwärme ist demgemäß nur schwierig abzuführen. Wegen der Fequenzabhängigkeit werden die Verluste in Diagrammen über der Frequenz (Bild V-4a) mit der Aussteuerung als Parameter oder über der Austeuerung (Bild V-4b) mit der Frequenz als Parameter dargestellt. Zu beachten ist noch die für tiefe Frequenzen oft sehr hohe Permittivitätszahl der Ferrite, die bei hohen Frequenzen stark absinkt.
10–3 10–4 10–5 10–6 10–7 10–1 b)
^
100
101
102
B mT
Bild V-4 Darstellung der Kernverlustleistung pv bei Ferriten a) Verlustleistung in mW/g in Abhängigkeit von der Frequenz mit der Spitzenflußdichte als Parameter (Sifferit N22 von Siemens AG) b) Verlustleistung in mW/mm3 in Abhängigkeit von der Spitzenflußdichte mit der Frequenz als Parameter (Ferroxcube 4B1 von Valvo)
Mn – Zn-Ferrite sind hochpermeabel mit mi-Werten von 1000 bis gegen 10 000. Ihre elektrische Leitfähigkeit ist mit g ⯝ 1 S/m für Ferrite hoch, ebenso die Sättigungsflußdichte mit 0,5 T. Sie sind aus diesen Gründen in geringem Maße auch für Leistungsübertrager geeignet.
242
Werkstoffkunde
Ni – Zn-Ferrite sind die verbreitetsten Ferrite überhaupt. Die Anfangspermeabilität liegt bei mi ⯝ 100 ... 1000. Der nutzbare Frequenzbereich reicht bis oberhalb 100 MHz. Wegen der geringen elektrischen Leitfähigkeit von g ⯝ 10–5 S/m kann in vielen Fällen die Wicklung direkt ohne Zwischenisolation auf den Ferritkörper aufgebracht werden.
kommt, sollte diese und damit Br und Hc groß sein. Die Energiedichte, das Produkt aus korrespondierenden B- und H-Werten, weist ein Maximum, das Energieprodukt (B ⋅ H)max auf (Bild V-6b). Es ist ein für einen Magnetwerkstoff charakteristischer Wert. B I
Ba – Co-Ferrite können noch, allerdings mit erheblichen Verlusten, bis zu sehr hohen Frequenzen genutzt werden. Sie finden daher bevorzugt für Entstördrosseln Verwendung. III
Kernformen: Die Bauformen der ferritischen E-Kerne (Bild V-5a) schließen an die entsprechenden Blechschnitte an und sind so ausgelegt, daß sie in die Wickelkörper der Blechkerne passen. Für höhere Frequenzen kommen dann die Spulenkörper in Form von Schalen-, X- und RM-Kernen in Frage (Bild V-5b, c und d). X- und RM-Kerne sind Bauformen, die dem geringen Platzangebot in gedruckten Schaltungen besser entsprechen als die Rundformen. Darüber hinaus gibt es noch eine große Anzahl verschiedener Kernformen wie Stäbe, Schraubkerne, Ein- und Mehrlochkerne usw. 7,7
H
BH b)
a)
(BH)max
Bild V-6 Entmagnetisierungskurve und Energiedichte a) Entmagnetisierungskurve im 2. Quadranten, I reversibler Bereich, II Knickbereich, III irreversibler Bereich, Ba und Ha Flußdichte bzw. Feldstärke im Arbeitspunkt b) Energiedichte B ⋅ H in Abhängigkeit von der Flußdichte B, mit höchster Energiedichte (B ⋅ H)max 11
30,4
Luftspalt
26
21,2
5,4
30
Ba
II
16,3 Luftspalt b)
a) 24,5
10,8
23 ,6
9,6
17 Luftspalt
4,4
23,2
11,2
4,4
2,5 24,5
,7
19
Luftspalt
45°
16,5
15,6 c)
d)
Bild V-5 Einige Ferritkerne mit ihren Hauptabmessungen a) E-Kern: E30 b) Schalenkern: S26 × 16 c) X-Kern: X26 d) RM-Kern: RM8
3 Hartmagnetika (Dauermagnete) (DIN 17410) Hartmagnetisch ist ein Werkstoff mit Hc > 1 kA/m (10 A/cm). Da die in einem Dauermagneten gespeicherte Energie über die Fläche der Hystereseschleife zum Ausdruck
Entmagnetisierungskurve (Bild V-6a): Sie ist mit dem reversiblen Bereich I, dem Knickbereich II und dem irreversibler Bereich III in unterschiedliche Nutzungsbereiche aufgeteilt. Im reversiblen Bereich, mit seinem linearen Teil, erfolgen Arbeitspunktänderungen – z.B. durch äußere Felder – auf dieser Kennlinie. Im Knickbereich und auch im irreversiblen
V Magnetika
243
Bereich verlagern äußere Felder den Arbeitspunkt auf innere Kennlinien der Entmagnetisierungskurve. Diese ist bei Dauermagnetwerkstoffen häufig als Polarisationskurve, d.h. J = f(H) dargestellt. Bild V-7 zeigt die Zusammenhänge hierzu, indem von der bekannten B = f(H)-Kurve (dick ausgezogen) die Vakuumflußdichte m0H abgezogen ist. Während der Remanenzpunkt für beide Kurven gleich bleibt, ist die Koerzitivfeldstärke unterschiedlich. Bei der Koerzitivfeldstärke BHc wird die Flußdichte B, d.h. die Flußdichte des Systems auf Null gebracht. Bei der Koerzitivfeldstärke JHc wird die dem Werkstoff zugehörige Polarisation auf Null gebracht. Aus diesem Grunde ist für die Werkstoffcharakterisierung bei Dauermagneten die Kurve J = f(H) wichtig. Im Idealfall würde JHc → ∞ und die Sättigungspolarisation Js gleich der Remanenzflußdichte Br werden, die einem äußeren Feld m0H entgegenwirkt. Die Flußdichte B des (idealen) Gesamtsystems wird dann: B = Br – m0H (V.1) B J Bsat
J = f(H)
Hsat H
–H JHC BHC
–B
Bild V-7 Zusammenhang zwischen Flußdichte B und Polarisation J (Erläuterungen im Text) Damit fällt die „ideale Entmagnetisierungskennlinie“ linear von Br bis BHc = Br/m0H mit der Steigung der idealen permanenten Permeabilität mperm = 1 ab. Die Entmagnetisierungskurve als B = f(H) stellt die im allgemeinen nichtlineare Innenleitwertkennlinie des Werkstoffes dar. Der jeweilige Innenleitwert Li folgt dann zu Li = m0 ⋅ mp
B T
(V.2)
mp = Permeabilität des Magnetwerkstoffes im Arbeitspunkt. Für ein Dauermagnetfeld in Luft gilt aber mr = 1, d.h. bei Anpassung eines Dauermagnetwerkstoffes an Luft muß ein Arbeitspunkt gefunden werden, bei dem mp = mr = 1 ist! Ein guter Dauermagnetwerkstoff muß also eine Entmagnetisierungskennlinie aufweisen, die möglichst weit oberhalb und gut parallel zur Geraden B = m0H (in Bild V-8 gestrichelt und zum besseren Vergleich aus dem Nullpunkt verschoben) verläuft.
1.2
c
1.0
0.8 e
0.6
d
B = f(H)
B = μ0 H Br
FeAlNi- und FeAlNiCo-Legierungen (Bild V-8b und c) mit Energieprodukten von 10 ... 30 kJ/m3 sind auch heute noch die wichtigsten Magnetwerkstoffe. Es handelt sich hierbei um Ausscheidungslegierungen, die erst durch eine Wärmebehandlung (Tempern), gegebenenfalls unter Einwirkung eines Magnetfeldes (Formanisotropie), die gewünschten Eigenschaften erhalten. Diese Legierungen sind sehr hart und nur durch Schleifen zu bearbeiten.
0.4
b
0.2
g
H 600 kA/m
500
400
300
f 200
a 100
0
Bild V-8 Entmagnetisierungskurven einiger Hartmagnetika a) Kobaltstahl (FeCo15) b) AlNi120 (FeNi26Al13Cu3Ti, z.B. Reco 120 von Valvo) c) AlNiCo500 (FeCo24Ni15Al9, z.B. Ticonal 750 von Valvo) d) Platin – Kobalt (PtCo23) e) SE-Co (im wesentlichen SmCo5, z.B. Vacomax 155 der Vacuumschmelze GmbH) f) betonter Ba-Ferrit (z.B. Koerox 330 der Krupp Widia-Fabrik) g) normaler Ba-Ferrit (z.B. Koerox 300 der Krupp Widia-Fabrik) FeNiCu- und FeNiCuCo-Legierungen mit Energieprodukten um 10 kJ/m3 zeichnen sich durch leichte Bearbeitbarkeit aus. Selten-Erd-Magnete oder SECo-Magnete (Bild V-8e), mit Energieprodukten von 200 kJ/m3 und mehr, ist eine Kurzbezeichnung für Magnetwerkstoffe auf der Basis Seltene Erdmetalle–Kobalt. Wichtigster Vertreter der Seltenen Erden ist dabei Samarium (Sm). Die permanente Permeabilität erreicht bei diesen Materialien sehr genau den Wert 1. Hartmagnetische Metalloxide (Ferrite): Die hartmagnetischen Ferrite haben, genau wie die weichmagnetischen, eine geringe Dichte, hohe Korrosionsbeständigkeit, geringe Remanenzflußdichte und niedrige Curie-Temperatur. Bild V-8 zeigt in f und g Entmagnetisierungskurven von Ba-Ferriten. Neben
244
Werkstoffkunde
der geringen Remanenzflußdichte fallen die hohe Koerzitivfeldstärke und die Steigung mit mperm ⯝ 1 auf. Als keramische Werkstoffe sind Ferritmagnete nicht nur mechanisch hart, sondern auch bruchempfindlich. Der spezifische Widerstand aller Ferritmagnete ist mit r > 10 Ωm sehr hoch, wodurch sie selbst in hochfrequenten Feldern eingesetzt werden können.
Ba-Ferrit: Hier kommt eigentlich nur der hexagonale Ba-Ferrit vom Typus BaO ⋅ 6 Fe2O3 mit einem Energieprodukt von 25 kJ/m3 für die technische Anwendung in Betracht. Er liegt sowohl isotrop als auch anisotrop, meist noch mit geringen Zusätzen von Sr, Pb und/oder Co vor. In der Tabelle V-5 sind die Daten einiger typischer Dauermagnetwerkstoffe zusammengestellt.
Tabelle V-5 Daten einiger typischer Dauermagnetwerkstoffe Werkstoff
Werkstoffnummer
Dichte r
( BH ) max kJ / m 3
Br T
B Hc kA/ m
J Hc kA/ m
mperm
Tc K
Herstellung, Bearbeitung
g/ cm 3
Kurzname
DIN
IEC
Legierungen Isotrop AlNiCo9/5 AlNiCo18/9 AlNiCo7/8p
1.3728 1.3756 1.3715
R 1-0-3 – R 1-2-3
6,8 7,2 5,5
9,0 18,0 7,0
0,550 0,600 0,340
44 80 72
47 86 84
4,0 ... 5,0 3,0 ... 4,0 2,0 ... 3,0
1030 ... 1180
Anositrop AlNiCo35/5 AlNiCo44/5 AlNiCo52/6 AlNiCo60/11 AlNiCo30/14
1.3761 1.3757 1.3759 1.3763 1.3765
– R 1-1-2 – R 1-1-6 –
7,2 7,2 7,2 7,2 7,2
35,0 44,0 52,0 60,0 30,0
1,120 1,200 1,250 0,900 0,680
47 52 55 110 136
48 53 56 112 144
3,0 ... 4,5 2,5 ... 4,0 1,5 ... 3,0 1,5 ... 2,5 1,5 ... 2,5
1030 ... 1180
FeCoVCr11/2 FeCoVCr4/1
2.4570 2.4571
R 3-1-3 –
– –
11,0 4,0
0,800 1,000
24 5
24 5
2,0 ... 8,0 9,0 ... 25,0
1000
ReCo80/80 ReCo120/96 ReCo160/80 ReCo48/60p
– – – –
R 5-1-1 R 5-1-2 R 5-1-3 R 5-3-1
8,1 8,1 8,1 5,2
0,650 0,770 0,900 0,500
500 590 640 360
800 960 800 600
1,05
1000
80 120 160 48
Metalloxide Isotrop Hartferrit 7/21 Hartferrit 3/18p
1.3641 1.3614
S 1-0-1 S 1-2-2
4,9 3,9
6,5 3,2
0,190 0,135
125 85
210 175
1,2 1,1
723
Anisotrop Hartferrit 20/19 Hartferrit 20/28 Hartferrit 24/23 Hartferrit 25/25 Hartferrit 9/19p Hartferrit 10/22p
1.3643 1.3645 1.3647 1.3651 1.3616 –
S 1-1-1 S 1-1-2 S 1-1-3 S 1-1-5 S 1-3-1 S 1-3-2
4,8 4,6 4,8 4,8 3,4 3,5
20,0 20,0 24,0 25,0 9,0 10,0
0,320 0,320 0,350 0,370 0,220 0,230
170 220 215 230 145 165
190 280 230 250 190 225
1,1 1,1 1,1 1,1 1,1 1,1
723
Herstellung: Gießen oder Sintern. Bei Magneten mit Binder Pressen oder Spritzen. Bearbeitung: Schleifen. Verwendung: max. 400 ... 500 °C
Herstellung: Sintern. Kunststoffgebundene Magnete durch Pressen, Spritzen, Walzen, Extrudieren. Bearbeitung: Schleifen
VI Dielektrische Eigenschaften
245
VI Dielektrische Eigenschaften nenhülle. Wegen der geringen Trägheit der Elektronen folgt die Elektronenpolarisation Wechselfeldern bis zu den Frequenzen der UV-Strahlung. In Materialien mit instabilem Charakter der Elektronenverteilung ist die Elektronenpolarisierbarkeit besonders groß.
1 Modellvorstellungen zur dielektrischen Polarisation U+ A
E
Ionenpolarisation verschiebt die Ionen unter dem Einfluß des elektrischen Feldes und bewirkt eine Deformation des Gitters. Der Stoff ist polar. Ionenpolarisation ist bis zu Frequenzen der IR-Strahlung möglich. Ionen- und Elektronenpolarisation sind von ähnlicher Größenordnung, kaum temperaturabhängig und können unter dem Oberbegriff Deformationspolarisation zusammengefaßt werden.
d
U–
Bild VI-1 Plattenkondensator Ladung bei Spannung U bzw. Feldstärke E ohne und mit Dielektrikum (schematisch) Ladung ohne Dielektrikum (freie Ladungen) zusätzliche Ladungen (durch das Dielektrikum gebunde Ladungen) + – Dipole des Dielektrikums In einem elektrischen Feld sammeln sich auf jeder Platte (freie) Ladungen an (nicht schraffierte Kreise in Bild VI-1). Wird der Raum zwischen den Platten mit einem Dielektrikum gefüllt, so wirken auch darin die Kräfte des elektrischen Feldes. Sie verursachen im atomaren bzw. molekularen Bereich eine Polarisation, d.h. eine Verschiebung positiver bzw. negativer Teilchen, die als Beeinflussung vorhandener oder durch Ladungsverschiebungen infolge der Wirkung des elektrischen Feldes gebildeter Dipole verstanden werden kann (Bild VI-1). Die Folge davon sind zusätzliche Ladungen auf den Kondensatorbelägen, sogenannte gebundene Ladungen oder auch influenzierte Ladungen. Die Ladung Q auf dem Kondensator mit Dielektrikum ergibt sich zu Q = e 0 e r AE
Q e0 A E As F/ m m 2 V/ m
(VI.1)
A = (Kondensator-)Plattenfläche, E = Feldstärke, e0 = elektrische Feldkonstante oder absolute Dielektrizitätskonstante = 8,85 ⋅ 10–12 F/m und er = Permittivitätszahl oder relative Dielektrizitätszahl. Die Größe ke = er − 1
(VI.2)
heißt elektrische Suszeptibilität. Sie gibt, ähnlich wie beim Magnetfeld, die durch die Materie zusätzlich mögliche Feld(linien)dichte an. Elektronenpolarisation ist die Verschiebung der Ladungsschwerpunkte von Atomkern und Elektro-
Ordnungspolarisation setzt Dipolmomente im molekularen Aufbau voraus. Die einzelnen Dipole ordnen sich weitgehend in Feldrichtung (Bild VI-2), daher Ordnungs- oder Orientierungspolarisation. Der Stoff ist (di)polar. Der ordnenden Kraft des elektrischen Feldes wirken thermische Kräfte entgegen. Die Ordnungspolarisation und Grenzfrequenz (bis etwa 109 Hz) sind stark temperaturabhängig.
E=0
E
E=0
a)
E
b)
Bild VI-2 Ordnungspolarisation (schematisch) Die zunächst regellos orientierten Dipole ordnen sich unter dem Einfluß eines elektrischen Feldes E a) Dipol-Darstellung b) Schema-Darstellung Grenzflächenpolarisation tritt bei Dielektrika mit Einschlüssen guter Leitfähigkeit auf. Frei bewegliche Ladungsträger der Einschlüsse können zu den Grenzen wandern und wie gebundene Ladungen wirken. Diese Grenzflächenpolarisation führt zu einer höheren Polarisation als dem homogenen Material entspräche und bewirkt ein er über dem des eigentlichen Dielektrikums. Der Grenzfall tritt auf, wenn das Dielektrikum eine gewisse Leitfähigkeit zeigt. Eine Unterscheidung zwischen Ladungsbewegung zur Grenzflächenpolarisation und Leitfähigkeit ist dann nicht mehr möglich.
246
Werkstoffkunde
Bild VI-3 zeigt schematisch den aus den verschiedenen Mechanismen resultierenden Frequenzgang der Polarisation. Die Endbereiche der verschiedenen Polarisationsarten sind durch Steilabfälle der Permittivitäten und wegen der dabei auftretenden Resonanzerscheinungen durch starke Verluste gekennzeichnet (Bild VI-3b). er Ordnungspolarisation
den. Derartige künstliche Piezoelektrika zeigen stärkere Effekte als die natürlichen. Die bekanntesten natürlichen Piezoelektrika sind der Quarz und der Turmalin. Künstliche Piezoelektrika basieren auf Mischoxiden von Ba, Ti, Pb, Nb u.a. Pyroelektrika sind polare piezoelektrische Materialien mit einer spontanen Polarisation, die ihre Ursache in getrennten Schwerpunkten der positiven und negativen Ladungen in der Kristallstruktur hat. Weil die Polarisation zwar mit der Temperatur veränderlich, aber selbst bis zum Schmelzpunkt des Materials nicht aufhebbar ist, heißt dieser Effekt pyroelektrisch.
Ionenpolarisation
3 Elektrische Materialeinteilung
Elektronenpolarisation a) tand
b)
UHF
IR
UV
f
UHF
IR
UV
f
Bild VI-3 Frequenzabhängigkeit der Polarisation und der Verluste (prinzipieller Verlauf) a) Beiträge der verschiedenen Polarisationsmechanismen zur Permittivität b) Bereiche ausgeprägter Verluste durch Resonanzerscheinungen tan d = Verlustfaktor, f = Frequenz, UHF = Ultrahochfrequenz, IR = Infrarot(strahlung) und UV = Ultraviolett(strahlung)
2 Dielektrische Materialeinteilung Die Elektronenpolarisation, mit der Verschiebung der Elektronen gegenüber dem Atomkern, ist in allen Stoffen von Null verschieden. Daraus folgt grundsätzlich für alle Dielektrika eine Permittivität er > 1 bzw. eine positive elektrische Suszeptibilität. Ferroelektrika sind Materialien mit einer sehr großen Permittivität (er ⯝ 104) und einer Hystereseschleife mit Verschiebungsdichte D = f(E) bei der Aussteuerung. Das Auftreten einer Koerzitivfeldstärke Ec führt – in Anlehnung an den Begriff Magneten – zum Elektreten. (Mit Piezoelektrika ist dieser Effekt noch stärker realisierbar.) Piezoelektrika reagieren mit einer Polarisation(sänderung) auf eine mechanische Deformation und umgekehrt. Deformationsrichtung und Polarisationsrichtung – meist senkrecht zueinander – sind dabei einander fest zugeordnet. Bei einer Reihe von Materialien mit in kleinen Bereichen geordneten Dipolen (auch hier Weiss’sche Bezirke genannt) kann eine bei erhöhter Temperatur erfolgte Ausrichtung der Dipolmomente über einen größeren Bereich durch Abkühlung „eingefroren“ und eine starke remanente Polarisation erzeugt wer-
Isolatoren: Die wesentlichste Kenngröße eines Isolators ist der Isolationswiderstand mit spezifischen Widerständen von r = 1010 ... 1020 Ωm. In der technischen Anwendung ist dabei noch zwischen Durchgangs- und Oberflächenwiderstand zu unterscheiden. Durchgangswiderstand ist eine von den inneren Eigenschaften des Stoffes abhängige und für ihn charakteristische Größe. Er wird aus dem Querstrom I bestimmt, den eine angelegte Spannung U (Bild VI-4a) durch den Werkstoff treibt. Wegen einer stets vorhandenen Anzahl freier Ladungsträger wird dieser Querstrom niemals absolut zu Null. Unmittelbar nach dem Anlegen einer Gleichspannung tritt noch ein Polarisationsstrom auf, der u.U. durch die Trägheit der Dipolmomente eine merkliche Abklingzeit (Relaxationszeit) aufweist. Wird der Querstrom durch Ionen verursacht (Materialtransport), so ist über längere Zeit mit einer Zerstörung des Isolators zu rechnen. Prüfling I I U
a)
U
U
U
b)
Prüfling
Bild VI-4 Isolationswiderstand a) Durchgangswiderstand b) Oberflächenwiderstand U = Spannung und I = Strom Der Durchgangswiderstand nimmt mit steigender Temperatur ab. Der daraus folgende erhöhte Querstrom trägt seinerseits zu einem Temperaturanstieg bei. Falls sich kein Gleichgewicht durch Ausgleich mit der Umgebungstemperatur einstellt, kommt es zum Wärmedurchschlag. Oberflächenwiderstand (Bild VI-4b) ist im strengen Sinne keine Materialeigenschaft, da Oberflächenbe-
VI Dielektrische Eigenschaften
247
schaffenheit und -verunreinigungen die entscheidenden Faktoren sind. Verunreinigungen auf der Oberfläche eines Isolators ermöglichen Kriechströme. Die dadurch verursachten Kriechspuren können die Oberfläche des Materials angreifen und die Leitfähigkeit weiter erhöhen. Der Widerstand gegen die Kriechspurbildung, die Kriechstromfestigkeit, ist in der Praxis meist wichtiger als der Oberflächenwiderstand selbst. Durchschlagfestigkeit ist die beim Spannungsdurchschlag eines Isolierstoffes wirksame elektrische Feldstärke E0, in kV/cm oder kV/mm angegeben. Die Durchschlagfestigkeit ist nur unter gleichen Bedingungen vergleichbar, da sie sowohl von der Elektrodenform als auch Materialdicke abhängt (DIN 53481 bzw. VDE 0303). Im allgemeinen sinkt die Durchschlagfestigkeit mit zunehmender Materialdicke. Die Durchschlagfeldstärke ist auch noch von der Anstiegsgeschwindigkeit der angelegten Spannung abhängig. Wegen der Zeitabhängigkeit des thermischen oder Wärmedurchschlages muß die Prüfung über Zeit (> 40 s) erfolgen. Für die Zuverlässigkeit elektrischer Geräte ist die Isolationseigenschaft der Werkstoffe auch bei langzeitiger Temperaturbelastung wichtig. Man unterscheidet daher nach VDE bzw. IEC Wärmebeständigkeitsklassen, wie sie in der Tabelle VI-1 aufgeführt sind.
tor tan d für die Beschreibung der Verluste maßgebend. In der Ersatzschaltung (Bild VI-5) liegt der Kapazität C der Leitwert G parallel. Definitionsgemäß ist der dielektrische Verlustfaktor das Verhältnis von Wirk- zu Blindleistung, daraus folgt: tan d =
G R C w S W F s −1
G 1 = wC wRC
(VI.4)
jvC YC C
G
a)
d
b)
G
Bild VI-5 Verlustbehafteter Kondensator a) (Parallel-)Ersatzschaltung, C = idealer Kondensator, G = Verlustleitwert b) Kapazitiver Leitwert Yc in der komplexen Ebene, d = Verlustwinkel mit w = Kreisfrequenz und R = 1/G. Das Produkt des Verlustfaktors tan d mit der Permittivität er liefert die, besonders in der Kabeltechnik wichtige, (dielektrische) Verlustzahl oder Verlustziffer e ′′ = e r ⋅ tan d
(VI.5)
Tabelle VI-1 Wärmebeständigkeitsklassen nach DIN/IEC Klasse
Grenztemperatur °C
Isolierstoffcharakteristika
Y
90
Organische Stoffe, ungetränkt
A
105
Organische Stoffe mit organischen Bindemitteln
E
120
Lackdrähte
B
130
Anorganische Stoffe mit organischen Bindemitteln
F
155
Anorganische Stoffe mit besonderen organischen Bindemitteln
H
180
Anorganische Stoffe z.B. mit Silikon
C
> 180
Anorganische Stoffe ohne Bindemittel
Erfahrungsgemäß genügt für die Halbierung/Verdoppelung der Lebensdauererwartung bei einer Isolation nach: Klasse A eine um 8 °C erhöhte/verminderte Betriebstemperatur Klasse B eine um 10 °C erhöhte/verminderte Betriebstemperatur Klasse H eine um 12 °C erhöhte/verminderte Betriebstemperatur
Kondensatoren: Mit C = Q/U folgt für Kondensatoren die Kapazität C aus Gl. VI.1 zu C e0 A d A (VI.3) C = e0 er F F/ m m 2 m d Als Werkstoffgröße ist die Permittivitätszahl er des Dielektrikums und der damit verbundene Verlustfak-
Eine weitere für Gleichstrom und niedrige Frequenzen angewandte Verlustdefinition ist über das Produkt R ⋅ C (Gl. VI.4) als Isolationszeitkonstante oder Isolationsgüte möglich. Sie wird in MΩ ⋅ mF oder zahlen- und dimensionsgleich in s angegeben. Aus den verschiedenen Arten der Polarisation folgen für die Dielektrika unterschiedliche Größenordnungen der Permittivität, die in der Tabelle VI-2 einmal prinzipiell zusammengestellt sind. Bei den keramischen Materialien wird in der Praxis noch zwischen niederdielektrischer Keramik, NDKMaterialien, und hochdielektrischer Keramik, HDKMaterialien, unterschieden.
248
Werkstoffkunde
Tabelle VI-2 Eigenschaften dielektrischer Werkstoffe Stoff
unpolar
polar
ferroelektrisch
er
< 10
10 ... 100
> 100
Temperaturgang
gering
gering
stark
Verluste
gering
gering
stark frequenzabhängig
NDK-Materialien basieren auf nicht-ferroelektrischen Titanaten. Temperaturgang, Verlustfaktor (10–4 bis 10–5) und Spannungsabhängigkeit von er sind gering. Die elektrische Langzeitstabilität ist gut. HDK-Materialien basieren auf ferroelektrischem Bariumtitanat mit stark temperatur- und spannungsabhängiger Permittivität. Der Verlustfaktor ist mit 10–2 ... 10–3 recht hoch. In der Tabelle VI-3 sind abschließend die Permittivitätszahlen einiger ausgewählter Materialien zusammengestellt.
Tabelle VI-3 Permittivitätszahlen einiger Werkstoffe Material
er
Al2O3-Keramik TiO2-Keramik Quarzglas Bor-Silikat-Glas Kalk-Alkali-Glas Porzellan Glimmer Diamant (C) Silizium (Si) Germanium (Ge) Steatit (SiO2/Al2O3/MgO) Papier Polyvinylchlorid (PVC) Polyäthylen (PE) Polypropylen (PP) Polystyrol (PS) Polycarbonat (PC) Polytetrafluoräthylen (PTFE)
9,8 85 3,8 4–6 6–8 4–8 5–6 5,6 11,9 16,2 6–7 4 – 5,6 ≈3 2,3 2,2 3 2,8 2,1
VII Dielektrika Die Dielektrika lassen sich nach ihrem Vorkommen in natürliche und künstliche und nach ihrem chemischen Aufbau in anorganische und organische unterteilen.
1 Natürliche anorganische Dielektrika Glimmer ist ein leicht spaltbares, schneid- und stanzbares Naturprodukt mit hervorragenden elektrischen Eigenschaften. Glimmerreste werden mit Kunstharzen verpreßt (Mikanit) oder nach einem Spezialverfahren zu einem glimmerähnlich nutzbaren Vlies verarbeitet. E0 bis zu 1000 kV/cm, er ⯝ 6 ... 8, tan d ⯝ 2 ⋅ 10–4. Quarz ist reines Siliziumdioxid, hochtemperaturfest, mit geringer Wärmedehnung und guter UVDurchlässigkeit bis 185 nm. Abgeleitete Produkte sind Quarzglas, Quarzgut, gezüchtete Quarzkristalle und Quarzmehl (Füllstoff). E0 = 300 ... 400 kV/cm, er = 3 ... 4, tan d = 10–2 ... 10–6 (stark von der Reinheit abhängig).
Wegen seines Piezoeffektes hat Quarz besondere Bedeutung als elektromechanischer Wandler und Resonator zur Frequenzstabilisierung in der Nachrichtentechnik. Gase: Hierbei ist Luft mit einer Durchschlagfestigkeit von 20 ... 30 kV/cm der am häufigsten angewandte Isolator. Technisch sind außerdem noch Stickstoff (N, E0 ⯝ 20 kV/cm), Kohlendioxid (CO2, E0 ⯝ 24 kV/cm) und Schwefelhexafluorid (SF6, E0 ⯝ 100 kV/cm) bedeutsam. Wegen der durch erhöhten Druck verminderten Teilchenbeweglichkeit steigt die Ionisierungsfeldstärke für den Durchbruch und damit auch die Durchschlagfestigkeit mit einer Druckerhöhung. Erschwert ionisierbar sind auch elektronegative Gase, die bevorzugt als Halogenverbindungen – z.B. CCl4, CCl2F2, CF4, SF6 u.a. – mit großer Ionenmasse und dementsprechend niedriger Wanderungsgeschwindigkeit genutzt werden. So hat das technisch bedeutsame Schwefelhexafluorid (SF6) eine um etwa den Faktor 2,5 höhere Durchschlagfestigkeit als Luft.
VII Dielektrika
2 Natürliche organische Dielektrika Papier weist als Isolierpapier je nach Behandlung und Tränkung sehr unterschiedliche Eigenschaften auf. Durch Tränkung entstehen die Öl-, Öllack-, Schellackpapiere- und Kunstharzpapiere mit E0 etwa 25 ... 50 kV/mm gegenüber ca. 10 kV/mm bei einfachen Papieren. Vorteilhaft ist die geringe Dicke von Papierisolationen, nachteilig sind die hohen Verluste mit tan d = 0,5 ... 10–2. er liegt bei 2 ... 8. Textilstoffe werden meist getränkt verarbeitet, wobei besonders Lackseide (Ölseide) wegen der geringen Dicke und der guten elektrischen und mechanischen Eigenschaften wichtig ist. Baumwolle und Seide werden als Fäden und Bänder getränkt und ungetränkt als Umhüllungen für blanke und lackierte Drähte benutzt. Öle sind als Isolieröle (DIN 5107) hochsiedende Destillationsprodukte des Erdöls. Isolationswiderstand und Durchschlagfestigkeit (5 ... 30 kV/mm) sind besonders in dünnen Schichten günstig. tan d ⯝ 10–3 und er = 2 ... 3 sind niedrig. Nachteilig sind die starke Wärmedehnung, Temperaturabhängigkeit der Viskosität, Entflammbarkeit, Feuchtigkeitsaufnahme aus der Luft und Alterung durch den Luftsauerstoff. Die Alterungsprodukte (Säuren, Metallseifen, Schlamm u.ä.) erhöhen die Verluste und mindern die Wärmeleitfähigkeit des Öls. Eine Regeneration ist möglich.
3 Künstliche anorganische Dielektrika Vorzugsweise Metalloxide, die als keramische Massen teigig geformt, getrocknet und gebrannt ihre endgültigen Eigenschaften erhalten. Nachbearbeitung ist wegen der Härte durchweg nur (naß-)schleifend möglich. Für die praktische Handhabung sind noch verschiedene Oberflächenbehandlungen notwendig: Metallisieren ist für die Kontaktierung bei Dielektrika oder als Basismaterial für Hochfrequenzschaltungen notwendig. Glasieren und Lackieren dient zum Schutz der meist rauhen oder porösen Oberfläche gegen Verschmutzung und Feuchtigkeitsaufnahme. Hydrophobieren ist eine besondere Art des Feuchtigkeitsschutzes durch Aufbringen dünnster (bis monomolekularer) Silikonschichten, die durch ihre niedrigen Oberflächenspannungen wasserabweisend sind. Metalloxide von Aluminium (Al2O3) und Titan (TiO2) werden hochrein wegen ihrer geringen Verluste besonders bei hohen Frequenzen als Trägermaterial eingesetzt. E0 ⯝ 10 kV/mm, Aluminiumoxid: er = 9,8 und tan d = 10–4 (... 10–3), Titandioxid: er = 85 und tan d = 4 ⋅ 10–3. Porzellan hat als Ausgangsmaterialien Kaolin (Aluminiumsilikat Al2O3 ⋅ SiO2 ⋅ H2O, Porzellanerde), Feldspat (Al2O3 ⋅ CaO2 ⋅ SiO2) und Quarz (SiO2). Das
249 Endprodukt ist durch die Zusammensetzung und geringe weitere Zusätze in weiten Grenzen beeinflußbar. Porzellane gehören zu den dichten keramischen Massen. Sie sind bei Raumtemperatur beständig gegen Basen und Säuren (Ausnahme: Flußsäure) und hochwiderstandsfähig gegen elektrische Funken. Für das bei Isolatoren wichtige Hartporzellan betragen E0 = 30 ... 35 kV/mm, er = 4 ... 8 und tan d = 0,02 ... 0,1. Titanate mit Barium (BaTiO3), Kalzium (CaTiO3) und Strontium (SrTiO3) erreichen als HDKMaterialien sehr hohe Permittivitäten (er bis 104 bei Bariumtitanat, das auch piezoelektrisch ist). Für NDK-Materialien auf Titandioxid-Basis (Rutil) kann der Temperaturkoeffitzient TK in weiten Grenzen zwischen positiven und negativen Werten eingestellt werden. er = 102 ... 104 und tan d = 10–3 ... 10–5.
4 Künstliche organische Dielektrika Zellulosekunststoffe sind durch chemische Behandlung von Zellulose erhaltene Fasern und Folien. Für Isolationen sind die blau eingefärbten Triazetat(Tmax = 115 °C) und Azetobutyratfolien (Tmax = 120 °C) wichtig. E0 ⯝ 20 ... 50 kV/mm, er = 4 und tan d ⯝ 0,01 ... 0,02. Chlophene sind thermisch und chemisch gut beständige chlorierte Diphenyle, die jedoch bei Bränden durch die Bildung von polychlorierten Biphenylen (PCB) umweltgefährlich sind. Kunststoffe, z.B. phenolhaltige, können von Chlophenen angegriffen werden! Bei der Entsorgung sind die Sondermüllvorschriften zu beachten. E0 ⯝ 200 kV/cm, er = 4,5 ... 6 und tan d ⯝ 10–3. Als biologisch ungefährliche synthetische Isolierflüssigkeit kann Pentaerythrit-Tetraester eingesetzt werden. E0 ⯝ 200 kV/cm, er = 3,3 und tan d = 10–3. Polykondensationsprodukte treten vorwiegend als Duroplaste auf, d.h. als Kunststoffe, die beim Erhitzen vorübergehend schmelzen oder erweichen und dann in einen harten, unlöslichen und unschmelzenden Endzustand übergehen. Es gibt sie rein, modifiziert und plastifiziert. Die wichtigsten sind: Phenoplaste (PF) in selbst- oder nichtselbsthärtender Ausführung. Sie finden Anwendung bei Lacken, Preßmassen und Schichtstoffen (Hartpapiere und -gewebe). E0 ⯝ 5 ... 20 kV/mm, er = 4 ... 9, tan d = 0,05 ... 0,3 und Tmax ⯝ 160 °C. Aminoplaste (HF) ähneln den Phenoplasten, sind im Gegensatz dazu jedoch farbecht und lichtbeständig. Sie haben glatte Oberflächen mit geringer Haftfähigkeit und werden für Lacke, Schichtstoffe und Preßmassen verwandt. E0 = 10 ... 20 kV/mm, er = 5 ... 7, tan d ⯝ 0,1 und Tmax ⯝ 150 °C. Polyester(-harze) (PETP) sind flüssige bis elastische oder auch splitterharte Kunstharze. E0 ⯝ 30 kV/mm, er ⯝ 3, tan d ⯝ 0,03 und Tmax = 110 °C.
250
Werkstoffkunde
Ungesättigte Polyesterharze (UP) nehmen eine Mittelstellung zwischen Kondensations- und Polymerisationsharzen ein, da die über Katalysatoren erfolgende Aushärtung bereits eine Polymerisation darstellt. Thermisch nicht härtbare Typen von Polyestern dienen zur Herstellung mechanisch und elektrisch hochwertiger Folien und Fasern. Mit Glasfasern als Füllstoff ergeben die Polyesterharze die glasfaserverstärkten Kunststoffe (GFK).
Polytetrafluorethylen (PTFE) (Teflon) ist das gegen Chemikalien beständigste synthetische Material. Es ist außerordentlich korrosions-, feuchtigkeits- und temperaturbeständig (Betriebstemperaturen von –200 ... 260 °C). E0 ⯝ 30 kV/mm, er ⯝ 2, tan d = 2 ⋅ 10–4 und Tmax = 280 °C.
Epoxidharze (EP) werden wie Polyesterharze eingesetzt, haben ihnen gegenüber jedoch eine höhere mechanische Festigkeit und ein sehr hohes Haftvermögen auf beinahe allen Untergründen (Klebstoff). E0 ⯝ 40 kV/mm, er = 3 ... 5, tan d ⯝ 0,02 und Tmax = 130 °C.
Silikone sind Kunststoffe, bei denen die Kettenbildung über das vierwertige Silizium erfolgt. Hervorstechend sind die hohe Temperaturbeständigkeit und die geringen Temperaturbeiwerte der mechanischen und elektrischen Daten. Silikone sind absolut tropenfest und neigen nicht zu Schimmelansatz. Sie zeigen gutes Kriechstrom- und Lichtbogenverhalten. Durch elektrische Funken entsteht isolierendes Siliziumdioxid und kein leitender Kohlerückstand wie bei organischen Stoffen. Nachteilig ist der grundsätzlich höhere Preis gegenüber anderen Werkstoffen.
Polyurethane (PU) sind lackartig als Lötlacke interessant. Tmax = 120 °C. Thermisch höher belastbar ist Polyesterimidlack. Die Durchschlagspannung derartig isolierter Drähte liegt bei etwa 4 ... 6 kV, tan d ⯝ 0,01 (stark temperaturabhängig). Polymerisationsprodukte Vorwiegend Thermoplaste, d.h. in der Wärme weich und in der Kälte zähhart bis spröde. Polystyrol (PS) ist glasklar und spröde, hat niedrige Verlustfaktoren noch bis zu sehr hohen Frequenzen und eine geringe Wasseraufnahmefähigkeit. Nachteilig sind die geringe Wärmefestigkeit (Tmax = 75 °C), schlechte Licht- und Wetterbeständigkeit sowie die Gefahr von Spannungskorrosionen bei Kontakt mit Lösungsmitteln. Anwendung findet Polystyrol für Spritzgussmassen (meist schlagfestes PS), elektrisch hochwertige Formteile und Folien für Kondensatoren und HF-Kabel. E0 ⯝ 100 kV/mm, er ⯝ 3 und tan d = 3 ⋅ 10–4. Polyethylen (PE) hat Ähnlichkeit mit Paraffinen, eine wachsartige Oberfläche, sehr geringe Wasseraufnahmefähigkeit, ist trüb und quillt wenig in polaren, aber stark in unpolaren Lösungsmitteln und in der Hitze. Durch Vernetzung (VPE = Vernetztes PE), d.h. Bildung von Riesenmolekülen aus den durch Polymerisation entstandenen langen PE-Fadenmolekülen, lassen sich die mechanischen und thermischen Eigenschaften weiter verbessern. Der Isolationswiderstand ist mit 1017 Ω cm sehr hoch. PE findet Anwendung für Spritzgußmassen, Folien, elastische, sehr korrosionsbeständige Formteile und Hochspannungskabel. E0 ⯝ 100 kV/mm, er = 2,3, tan d ⯝ 10–4 und Tmax = 70 °C (unvernetzt) bzw. 90 °C (vernetzt, erhöhte Kurzschlußbelastbarkeit bei Kabeln). Polyvinylchlorid (PVC) ist ein weitverbreiteter, abriebfester und zäher Kunststoff mit guten Isolationseigenschaften. Achtung, beim Verbrennen oder Verschwelen wird HCl abgespalten! PVC findet für Formteile, Folien und Isolationen vielfältige Anwendungen. E0 ⯝ 40 kV/mm, er = 3, tan d = 0,02 ... 0,1 und Tmax = 70 °C.
5 Silikone
Silikonöle weisen nur eine geringe Änderung der Viskosität zwischen – 60 ... 300 °C auf. Anwendung (teuer) als Imprägniermittel und flüssiges Dielektrikum. E0 ⯝ 10 kV/mm, er ⯝ 3, tan d ⯝ 10–3 und Tmax ⯝ 300 °C. Silikonharze dienen zur Herstellung von warm- und lichtbogenfesten, unbrennbaren Preßstücken. E0 = 10 ... 30 kV/mm, er ⯝ 3, tan d = 2 ... 5 ⋅ 10–3 und Tmax = 100 ... 200 (u.U ... 300) °C. Silikonelastomere (Silikonkautschuke) sind gummielastische Massen mit Temperaturbeständigkeit und Biegsamkeit zwischen ca. – 80 ... 250 °C. Sie finden Anwendung als Isolierungen und dauerelastische, hochwarmfeste Verbindungen zwischen praktisch beliebigen Werkstoffen. E0 = 10 ... 30 kV/mm, er = 3 ... 9, tan d = 0,01 ... 0,1 und Tmax ⯝ 180 °C.
Literaturhinweise [1] Boll, Richard: Weichmagnetische Werkstoffe. PUBLICIS MCD, 1990 [2] Cassing, Wilhelm; Hübner, Klaus-Dieter; Stank, Wolfram: Praxislexikon Magnettechnik. Renningen: Expert Verlag GmbH, 2004 [3] Fischer, Hans: Werkstoffe der Elektrotechnik. München: Hanser Fachbuchverlag, 2003 [4] Gundlach, F.-W.; Meinke, Hans H.; Lange, K.; Löcherer, K.-H. (Hrsg.): Taschenbuch der Hochfrequenztechnik, 3 Bd. Berlin Heidelberg New York, Springer Verlag, 1992 [5] Michalowski, Lothar: Magnettechnik, Grundlagen und Anwendungen, Fachbuchverlag Leipzig, 1995 [6] Siemens AG, Ferrite und Zubehör. EPCOS Bst. Nr. EPC 61002, 2002 [7] Spickermann, Diethart: Werkstoffe der Elektrotechnik und Elektronik. Würzburg: Vogel Verlag, 2002
VII Dielektrika [8] Münch, Waldemar von: Werkstoffe der Elektrotechnik. Stuttgart: Teubner Verlag, 2004
Normenblätter (Hinweise) Elektrobleche
DIN 46400, DIN EN 10107, IEC 60404 Werkstoffnummern DIN 17007, DIN EN 10027 Übertragerbleche DIN 41301 und 41302, IEC 404-8-6 Hartmagnetika DIN 17410, IEC 68(CO)85 Weichmagnetika DIN IEC 68(212)CD E-Kupfer DIN 40500 Leitkupfer DIN EN 13604, ISO/TR 4745 Isolation DIN IEC 60085, VDE 0390 Supraleitfähigkeit VDE 390, DIN EN IEC 61788
251 Diagramme und Daten wurden aus Veröffentlichungen folgender Unternehmen übernommen: BASF Ludwigshafen DKI Deutsches Kupferinstitut, Berlin EBG Gesellschaft für elektromagnetische Werkstoffe mbH, Bochum Heusler KG, Dillenburg Krupp Widia-Fabrik, Essen Maurer Magnetic AG, Grüningen, Schweiz Neosid Pemetzrieder KG, Halver Siemens AG, München Vacuumschmelze, Hanau Valvo, Hamburg Vogt electronic AG, Obernzell
253
Grundlagen der Elektrotechnik I Grundbegriffe 1 Aufbau der Atome
3 Spannung
Die Eigenschaften aller Elemente lassen sich durch den Aufbau der Atome erklären. Die Atome bestehen aus einem Kern und einer Hülle. Der Atomkern besitzt einen Durchmesser von ca. 10–14 m, die Ausdehnung der Atomhülle hängt von der Ordnungszahl im Periodensystem ab und beträgt einige 10–10 m. Im positiv geladenen Atomkern befindet sich nahezu die gesamte Masse des Atoms. Er besteht aus Neutronen und Protonen. Die Hülle ist negativ geladen und wird durch Elektronen gebildet. Im neutralen Atom sind die Anzahl der Elektronen in der Hülle und die Protonenanzahl im Kern gleich. Die Elektronen in der Hülle können sich nur in bestimmten Schalen, die durch ihre Energie unterschieden sind, bewegen. In jeder Schale ist nur eine bestimmte Anzahl von Elektronen maximal möglich. Die Elektronen der in der Regel nicht vollständig besetzten äußeren Schalen sind die Valenzelektronen. Jedes Elektron besitzt die negative Elementarladung
Werden elektrische Ladungen getrennt, muß hierzu Arbeit verrichtet werden. Die Größe der Arbeit ist proportional zur Ladungsmenge und kann durch die Gleichung
e 0 = 1,60218 ⋅ 10 -19 As
(I.1)
Die Masse eines Elektrons ist wesentlich kleiner als die eines Protons oder Neutrons. Das Verhältnis von Elektronenmasse zu Protonenmasse ergibt sich durch m el 1 ≈ m p 1836
(I.2)
Wird von einem Atom ein Elektron entfernt, ist der Rest positiv geladen. Dieses geladene Atom wird Ion genannt. Bei Entfernung eines Elektrons entsteht ein einfach positiv geladenes Ion. Wird ein Elektron hinzugefügt, liegt ein einfach negativ geladenes Ion vor.
2 Ladungsträger Ein Stoff ist nur dann elektrisch leitfähig, wenn er bewegliche Ladungsträger besitzt. Die Ladungsträger können negativ oder positiv sein. In Metallen liegen immer negative Ladungsträger, also Elektronen vor. Hier können sich die Valenzelektronen sehr leicht vom Atom trennen, sie werden dann freie Elektronen genannt. Auf den festen Plätzen im Kristallgitter bleiben positive Ionen. Da sie nicht beweglich sind, liefern sie keinen Beitrag zum Ladungstransport. In Halbleitern können aber auch Defektelektronen oder Löcher als Ladungsträger vorkommen. In Gasen und Flüssigkeiten sind auch die Ionen am Ladungstransport beteiligt. Hier ist dann mit dem Ladungstransport auch ein Massentransport verbunden.
W = U ⋅Q
(I.3)
beschrieben werden. Die Größe U wird als Spannung bezeichnet. Spannung U =
U
W Q J V= J As As
W Q
(I.4)
Die Einheit 1 J/As wird als 1 V (Volt) bezeichnet. Durch diese Spannung wird auf eine Ladung eine Kraft ausgeübt. Die Spannung ist somit Ursache für eine Bewegung von Ladungsträgern.
4 Strom 4.1 Bewegung von Ladungsträgern Da man in der Elektrotechnik hauptsächlich metallische Leiter einsetzt, wird die Bewegung der Ladungsträger in Metallen untersucht. Die Ladungsträger führen bei Temperaturen > 0 K ständig statistisch verteilt unregelmäßige Bewegungen durch. Aus dieser Bewegung ergibt sich eine mittlere Geschwindigkeit. m (I.5) mittlere Geschwindigkeit v m = 0 s Wird dieser statistischen Bewegung eine einseitig gerichtete Bewegung überlagert, bewegen sich alle Elektronen zusätzlich mit einer Strömungsgeschwindigkeit oder auch Driftgeschwindigkeit vd. vd A l
Bild I-1 Driftgeschwindigkeit Mit dieser Bewegung ist ein Ladungstransport verbunden. An einer bestimmten Stelle des Leiters können in der Zeiteinheit Dt alle die Elektronen durch den Querschnitt fließen und somit zum Ladungstransport beitragen, deren Abstand kleiner als l ist. Im Volumen lA befinden sich nellA Elektronen, wobei nel die Dichte der Elektronen (Anzahl pro Volumeneinheit) ist. Da jedes Elektron die Elemen-
254
Grundlagen der Elektrotechnik
tarladung besitzt, ist die in diesem Volumen vorhandene Ladung DQ. DQ = nellAe0 und mit
(I.6)
l = v0 ⋅ Dt .
Widerstand R =
Ladung pro Volumeneinheit DQ = n el Ae 0 v d D t (I.7) Die Elektronendichte ist eine Materialkonstante und beträgt z.B. für Kupfer nel = 8,47 ⋅ 1019 mm–3.
4.2 Stromstärke Die Ladungsmenge DQ, die pro Zeiteinheit Dt durch einen Leiterquerschnitt tritt, ist die Stromstärke I. Stromstärke I =
DQ Dt
I DQ Dt A As s
(I.8)
I = n el Ae 0 v d
(I.9)
Im Internationalen Einheitensystem (SI-System) ist die Stromstärke als Basisgröße durch die Kraft zwischen zwei stromdurchflossenen Leitern definiert: 1 Ampere ist die Stärke eines zeitlich unveränderlichen Stromes, der, durch zwei im Vakuum parallel im Abstand von 1 Meter voneinander angeordnete, geradlinige, unendlich lange Leiter von vernachlässigbar kleinem kreisförmigen Querschnitt fließend, zwischen diesen Leitern je 1 Meter Leiterlänge die Kraft 2 ⋅ 10–7Newton hervorruft. Beispiel: Ein Kupferleiter von A = 1,5 mm2 wird von einem
Strom I = 15 A durchflossen. Wie groß ist die Driftgeschwindigkeit der Elektronen?
I 15 A = n el Ae 0 8, 47 ⋅ 10 19 mm −3 ⋅ 1, 5 mm 2 ⋅ 1, 602 ⋅ 10 −19 As mm = 0 , 74 s Diese Driftgeschwindigkeit ist relativ gering. Dagegen breitet sich ein elektrisches Signal mit Lichtgeschwindigkeit aus. vd =
4.3 Stromdichte In der Technik wichtig für die Belastbarkeit von Leitungen ist die Stromdichte S, also die auf den Querschnitt bezogene Stromstärke. S I A A (I.10) A mm 2 mm 2 Da die Querschnittsfläche in der Regel in mm2 angegeben wird, ist die in der Technik gebräuchliche A . Einheit der Stromdichte [ S ] = 1 mm 2
Stromdichte S =
Ohmsches Gesetz U = R ⋅ I (I.11) Die materialabhängige Größe R bezeichnet man als elektrischen
I A
5 Das Ohmsche Gesetz Wird an einen Leiter in einem geschlossenen Stromkreis eine Spannung U angelegt, fließt in dem Leiter ein Strom I. Strom und Spannung sind einander proportional. Die Abhängigkeit läßt sich beschreiben durch:
R
U I
W=
U I V V A A
(I.12)
Die Einheit ist 1 Ohm = 1 Ω. Der Kehrwert des elektrischen Widerstandes ist der Leitwert. G R 1 1 Leitwert G = (I.13) S= W R W Seine Einheit ist 1 Siemens = 1 S.
6 Spezifischer Widerstand, Leitfähigkeit Der elektrische Widerstand eines metallischen Leiters hängt vom Material, der Länge l und dem Querschnitt A ab. Er wird dadurch verursacht, daß die Ladungsträger im Leiter durch Stöße mit den auf festen Plätzen sitzenden Ionen in ihrer Bewegung gehemmt werden. rl l = Widerstand eines Drahtes R = (I.14) A kA Die Größe r ist der spezifische Widerstand. spezifischer Widerstand r R A l RA (I.15) r= W mm 2 l W mm 2 m m Die Einheit von r kann umgerechnet werden in W mm 2 (I.16) = 10 − 6 W m [ r] = 1 m Analog zum Leitwert ist der Kehrwert des spezifischen Widerstandes die Leitfähigkeit k k r 1 1 Leitfähigkeit k = (I.17) Wm r Wm In Tabelle I-1 sind Zahlenwerte des spezifischen Widerstandes und der Leitfähigkeit aufgeführt. Der Wert für Kupfer kann je nach Reinheit schwanken. Der hier angegebene Wert ist der internationale Standardwert. Tabelle I-1 Spezifischer Widerstand und Leitfähigkeit
Leiterwerkstoff
r/W mm2/m
k/S/m
Silber
0,0163
61 ⋅ 106
Kupfer
0,0173
58 ⋅ 106
Aluminium
0,0263
38 ⋅ 106
Messing
0,0752
13,3 ⋅ 106
Manganin
0,435
2,3 ⋅ 106
I Grundbegriffe
255
Beispiel: Der Widerstand eines Kupferdrahtes der Länge 160 m
bei einem Querschnitt von 1,5 mm2 soll berechnet werden.
R=
rl 0 , 0173 W mm 2 ⋅ 160 m = = 1, 845 W A m ⋅ 1,5 mm 2
Beispiel: Bei 10 °C ist der Widerstand eines Kupferdrahtes
Beispiel: Aus Manganindraht von A = 1 mm2 soll ein Widerstand
von 60 Ω gewickelt werden. Wie lang muß der Draht sein?
l = RAk = 60 W ⋅ 10 −6 m 2 ⋅ 2 , 3 ⋅ 10 6
0
RJ0 =
Kupfer
3,9 ⋅ 10–3
Aluminium
3,7 ⋅ 10–3
Messing
1,6 ⋅ 10–3
Manganin
0,01 ⋅ 10–3
lineare Näherung
RJ = RJ 0 [ 1 + a ( J − J 0 ) ]
1 + a ( J − 20 )
=
200 W 1 + 3, 9 ⋅ 10 − 3 K −1 ( 10 − 20 ) K
= 208,1 W
= 273 W
Tabelle I-2 Temperaturkoeffizient a20 3,7 ⋅ 10–3
R J = R J0 [1 + a ( J − J 0 )] = 208,1 W [1 + 3, 9 ⋅ 10 −3 (100 − 20 ) ]
Die elektrische Leitung in Festkörpern ist mit der Bewegung von Ladungsträgern verbunden. Diese stoßen mit den auf festen Plätzen sitzenden Atomen oder Ionen zusammen. Die Schwingung der Atome und Ionen um ihren Platz ist temperaturabhängig. Deshalb ist auch der elektrische Widerstand temperaturabhängig. Bei höheren Temperaturen ist die freie Weglänge und die Beweglichkeit der Ladungsträger kleiner und somit der Widerstand größer. In Metallen ist die Anzahl der freien Ladungsträger temperaturunabhängig, in Halbleitern nicht. Daher haben Metalle und Halbleiter unterschiedliche Temperaturabhängigkeiten. Der spezifische elektrische Widerstand von Metallen und damit auch der Widerstand steigt mit zunehmender Temperatur. Im Temperaturbereich von ca. 200 K bis 400 K läßt sich diese Abhängigkeit bei Metallen in linearer Näherung durch eine Gerade darstellen.
Silber
RJ
Dann kann hiermit RJ berechnet werden.
7 Temperaturabhängigkeit des elektrischen Widerstandes von Metallen
a20/K–1
200 W. Wie groß ist er bei 100 °C?
Zunächst muß der Widerstand RJ bestimmt werden.
S = 138 m m
Leiterwerkstoff
chung (I.18) eine Näherung ist, hängt der Wert für a von der Bezugstemperatur ab. Als Bezugstemperatur wird meistens 20 °C genommen.
Die lineare Näherung ist recht grob. Genauer kann die Temperaturabhängigkeit durch eine quadratische Näherung angepaßt werden.
Quadratische Näherung RJ = R0 (1 + A ( J − J 0 ) + B ( J − J 0 ) 2 )
A und B sind Materialkonstanten. Als Bezugstemperatur wird J0 = 0 °C angenommen. R0 ist dann der Widerstand bei 0 °C. Ein oft benutzter Metallwiderstand zur Temperaturmessung ist der Platinwiderstand Pt100, der 100 W bei 0 °C hat. Für Pt sind die Konstanten A = 3.90802 ⋅ 10–3 K–1, B = – 0.5802 ⋅ 10–6 K–2. Bei Halbleitern fällt der spezifische Widerstand mit steigender Temperatur zunächst, da hier mehr Ladungsträger frei gesetzt werden. Anschließend steigt der Widerstand wie bei Metallen, da die Beweglichkeit verringert wird. Supraleiter zeigen unterhalb einer charakteristischen Temperatur, der Sprungtemperatur Tc, überhaupt keinen meßbaren Widerstand mehr. Werkstoffe, bei denen der Widerstand mit steigender Temperatur zunimmt, haben einen positiven Temperaturkoeffizienten (PTC). Nimmt der Widerstand ab, besitzen sie einen negativen Temperaturkoeffizienten (NTC). Halbleiter
metallischer Leiter
(I.18)
Dabei ist RJ der Widerstand bei der Temperatur J und RJ0 der Widerstand bei der Bezugstemperatur J0. Die Größe a ist der Temperaturkoeffizient. Da Glei-
(I.19)
T
Supraleiter
T
Tc
T
Bild I-2 Prinzipieller Verlauf des spezifischen Widerstandes
256
Grundlagen der Elektrotechnik
II Der Gleichstromkreis 2.1 Knotenregel
1 Zählpfeilsysteme I
R1
U
R
Bild II-1 Zählpfeilsystem
I1 A I 3 I2
U
R3
R2
I4
R4
B
Damit in einem Leiter ein elektrischer Strom fließen kann, muß ein geschlossener Stromkreis vorliegen. In elektrischen Schaltungen werden die Spannungs- und Stromrichtungen allgemein durch Pfeile gekennzeichnet. Die Richtung der Spannung wird in Schaltbildern durch einen Pfeil dargestellt, der von + nach – verläuft. Die Stromrichtung wird ebenfalls durch einen Pfeil angegeben, der beim Verbraucher von + nach – gezeichnet wird. Diese Stromrichtung wird als technische Stromrichtung bezeichnet; die tatsächliche Bewegung der Elektronen ist dieser Richtung entgegengesetzt. In der linken Seite von Bild II-1 sind Spannungs- und Strompfeil entgegengesetzt, man spricht hier vom Erzeuger-Zählpfeilsystem. Auf der Verbraucherseite sind Spannungs- und Strompfeil gleichgerichtet; hier liegt das Verbraucher-Zählpfeilsystem vor. In den meisten Fällen wird die Pfeilzuordnung im Verbraucher- Zählpfeilsystem vorgenommen. I U1
U2
Bild II-3 Knotenregel Knotenpunkte sind Punkte, an denen sich der Stromkreis verzweigt. Das 1. Kirchhoffsche Gesetz bezieht sich auf diese Punkte, z.B. im Bild II-3 auf die Punkte A und B. In diesen Knotenpunkten muß die Summe der zufließenden Ströme gleich der Summe der abfließenden Ströme sein. Im Punkt A gilt I1 = I 2 + I 3
(II.1)
I1 − I 2 − I 3 = 0
(II.2)
Werden alle in einen Knoten hineinfließenden Ströme mit positivem, alle abfließenden Ströme mit negativem Vorzeichen versehen, läßt sich die Knotenregel aufstellen. n
Knotenregel
∑ Ik = 0
(II.3)
k =1
Diese Regel wird auch das 1. Kirchhoffsche Gesetz genannt.
2.2 Maschenregel Bild II-2 Schaltung
R
Liegt nun eine Schaltung nach Bild II-2 vor, so hängt die tatsächliche Stromrichtung von der Höhe der Spannungen U1 und U2 ab. In diesem Fall gibt man für den Strom willkürlich eine Richtung vor und bezeichnet diese als Bezugsrichtung oder Zählrichtung. Fließt der technische Strom tatsächlich in der willkürlich gewählten Richtung, wird er positiv gezählt, im anderen Fall negativ.
2 Kirchhoffsche Gesetze Eine elektrische Schaltung besteht in der Regel aus mehreren Spannungsquellen und Widerständen, die sehr unterschiedlich miteinander verbunden sein können. Das gesamte System wird auch als Netzwerk bezeichnet. Für die Berechnung von Strömen und Spannungen in einem solchen Netzwerk sind die beiden Kirchhoffschen Gesetze, die auch als Knotenregel und Maschenregel bezeichnet werden, von großer Bedeutung.
R1 U U1 I
R3 U2
R2
U3
II
U4
R4
III
Bild II-4 Maschenregel Das 2. Kirchhoffsche Gesetz bezieht sich auf Maschen von Netzwerken. Maschen sind geschlossene Teile von Netzwerken. In der Schaltung nach Bild II-4 gibt es drei Maschen. Masche I wird durch die Spannungsquelle, R1 und R2 gebildet, Masche II durch R3, R4 und R2 und Masche III durch die Spannungsquelle, R1, R3 und R4. Die Maschenregel ist eine Gleichung für die Spannungen innerhalb einer Masche. Bei einem frei wählbaren Umlaufsinn, hier gegen den Uhrzeigersinn, werden die Spannungen, die dem Umlaufpfeil entgegen gerichtet sind, negativ gezählt. Die Richtungen der Spannungspfeile an den Spannungsquellen ist von + nach –, an den einzelnen Widerständen werden die Spannungspfeile in den entsprechenden Stromrichtungen gezeichnet.
II Der Gleichstromkreis
257
In der dargestellten Schaltung lassen sich z.B. folgende Maschenregeln aufstellen: I) U − U 2 − U 1 = 0
(II.4)
II) U 2 − U 4 − U 3 = 0
(II.5)
III) U − U 4 − U 3 − U 1 = 0
(II.6)
Beispiel: In der Schaltung nach Bild II-6 soll die Teilspannung
U1 berechnet werden. Die Spannung U ist 300 V.
U1 R 1 = = ; U 3R 3
U 1 = 100 V
3.2 Parallelschaltung I2
I1
U
Innerhalb einer Masche gilt immer – unter Berücksichtigung der Vorzeichen – die Maschenregel.
R1
I3
R2
R3
n
Maschenregel
∑Uk = 0
(II.7)
k =1
Bild II-7 Parallelschaltung
3 Schaltung von Widerständen
In einer Parallelschaltung von Widerständen liegt an jedem Widerstand die gleiche Spannung U. Somit gilt mit
Für die Kombination von Widerständen gibt es im Prinzip zwei Möglichkeiten, Reihen- oder Serienschaltung und Parallelschaltung.
Ik =
3.1 Reihenschaltung
Parallel- Ersatzwiderstand
R1
R2
R3
U U1
U2
U3
U Rk
n U U =∑ R k =1 R k
und (II.3);
n 1 1 =∑ R k =1 R k
(II.13)
Der gesamte Leitwert errechnet sich als Summe der einzelnen Leitwerte. n
Leitwert G = ∑ G k
(II.14)
k =1
Bild II-5 Reihenschaltung In einer Reihenschaltung fließt durch jeden Widerstand derselbe Strom I. Für die Spannungsfälle an den einzelnen Widerständen gilt nach dem Ohmschen Gesetz U k = I ⋅ Rk . Mit Gleichung (II.7) gilt somit U − I ⋅ R1 − I ⋅ R2 − I ⋅ R3 = 0
(II.8)
U = I ⋅ ( R1 + R 2 + R 3 ) = I ⋅ R ges
(II.9)
Oft besteht eine Parallelschaltung nur aus zwei Widerständen. Dann errechnet sich der Ersatzwiderstand aus R ⋅R Parallelwiderstand R = 1 2 (II.15) R1 + R2 Beispiel: Berechnung des Ersatzwiderstandes der Schaltung nach
Bild II-8. Die Widerstände werden zu Gruppen zusammengefaßt. RI =
n
Reihen-Ersatzwiderstand R ges = ∑ R k
(II.10)
150 W ⋅ 250 W 150 W + 250 W
Weiterhin folgt für die Spannungsfälle an den einzelnen Widerständen U 1 : U 2 : U 3 = R1 : R 2 : R 3
Hieraus resultiert die Spannungsteilerregel. Sie besagt, daß sich die Teilspannungen zur Gesamtspannung verhalten, wie die Teilwiderstände zum Gesamtwiderstand. Spannungsteiler
Uk R = k U R ges
(II.12)
120
150
100
(II.11)
1 1 1 1 = + + RII 120 Ω 240 Ω 360 Ω
R = ( 100 + 93, 75 + 65, 45 ) W = 259, 2 W
R II = 65, 45 W
k =1
= 93,75 W ;
240
250
360
Bild II-8 Beispiel Ersatzwiderstand
3.3 Stern-Dreieck Umwandlung R1
R2
R U
R
R5
A
R U1
Bild II-6 Beispiel Spannungsteiler
R3
B
R4
Bild II-9 Brückenschaltung
258
Grundlagen der Elektrotechnik
Nicht immer lassen sich Widerstände zu Gruppen zusammenfassen. Als Beispiel wird die Schaltung nach Bild II-9 betrachtet. Zu einer Lösung gelangt man, wenn eine Stern-Dreieckumwandlung oder eine Dreieck-Sternumwandlung durchgeführt wird. Hierunter versteht man eine rechnerische Umwandlung einer Schaltung in eine elektrisch gleichwertige Schaltung. Die Schaltungen sind dann gleichwertig, wenn zwischen entsprechenden Punkten in den beiden Schaltungen gleiche Widerstände oder Leitwerte vorhanden sind. Wenn zwischen den Punkten 1 und 2 im Stern und im Dreieck derselbe Widerstand liegen soll, muß gelten: R12 ( R23 + R31 ) R12 + R23 + R31
(II.16)
R ( R + R12 ) R2 + R3 = 23 31 R12 + R23 + R31
(II.17)
R31 ( R12 + R23 ) R12 + R23 + R31
(II.18)
R1 + R2 =
R3 + R1 =
Die Ersatzschaltung ergibt dann die in Bild II-9 dargestellte Schaltung. Der Gesamtwiderstand berechnet sich aus
18 ⋅ 12.5 ⎞ R AB = ⎛⎜ 5 + ⎟ W = 12. 38 W ⎝ 18 + 12.5 ⎠
C
(II.19)
15
3 5
A
I1
I2
N
B
I3
7.5
5 D
Bild II-12 Beispiel Stern-Dreieck-Umwandlung
3.4 Meßbereichserweiterung Durch geeignet gewählte Widerstände lassen sich die Meßbereiche von Strom- und Spannungsgeräten anpassen. RM ist jeweils der Innenwiderstand des verwendeten Meßgerätes. 3.4.1 Voltmeter
Aus diesen drei Gleichungen lassen sich Bestimmungsgleichungen für die Umwandlungen ableiten. Sie lauten
Um den Meßbereich eines Voltmeters zu erweitern, ist nach Bild II-13 ein Vorwiderstand zu schalten.
Tabelle II-1 Dreieck-Stern- und Stern-Dreieck-Umwandlung Dreieck in Stern
Stern in Dreieck
R1 =
R12 ⋅ R 31 R12 + R23 + R 31
(II.19)
R12 = R1 + R 2 +
R1 ⋅ R2 R3
(II.22)
R2 =
R 23 ⋅ R12 R12 + R 23 + R 31
(II.20)
R 23 = R 2 + R 3 +
R2 ⋅ R3 R1
(II.23)
R3 =
R 31 ⋅ R 23 R12 + R 23 + R 31
(II.21)
R 31 = R 3 + R1 +
R 3 ⋅ R1 R2
(II.24)
2
1
2
R2
R1
R12 R23
R3
R31 1
3
Bild II-11 Dreieck
Bild II-10 Stern
Beispiel: In der Schaltung Bild II-9 soll der Gesamtwiderstand
zwischen den Punkten A und B berechnet werden. R1 = 10 W, R2 = 15 W, R3 = 25 W, R4 = 5 W, R5 = 15 W. Das Dreieck aus R1, R3 und R5 wird in einen Stern umgerechnet. R1 R 3 10 ⋅ 25 RA = = W = 5W ; R1 + R 3 + R 5 10 + 25 + 15
RC =
RD =
R1 R 5 R1 + R 3 + R 5
R3 R5 R1 + R 3 + R 5
3
=
10 ⋅ 15 W = 3W 10 + 25 + 15
=
25 ⋅ 15 W = 7,5 W 10 + 25 + 15
Wenn mit U1 der neu einzustellende Meßbereich und mit UM der vorhandene Meßbereich des Gerätes bezeichnet wird, kann mit Hilfe der Maschenregel der erforderliche Vorwiderstand berechnet werden. U1 = U M + U V
(II.20)
U R U1 = 1+ V = 1+ V UM UM RM
(II.21)
II Der Gleichstromkreis UM
259
UV
4 Reale Spannungsquelle
RV
V
I Ri
Ra
Uq
Uk
Ra
U1
Bild II-13 Erweiterung des Spannungs-Meßbereichs
U1 UM
(II.22)
RV = R M ( n − 1)
(II.23)
Meßbereichsverhältnis n = Vorwiderstand
3.4.2 Amperemeter RN IN I1
IM
A
Bild II-14 Erweiterung des Strom-Meßbereichs Für die Meßbereichserweiterung eines Strommeßgerätes nach Bild II-14 wird ein Widerstand parallel zum Meßgerät geschaltet. Um die Größe dieses Nebenwiderstandes zu berechnen, muß man von der Knotenregel ausgehen. I1 = I M + I N
(II.24)
I I1 R = 1+ N = 1+ M IM IM RN
(II.25)
I Meßbereichsverhältnis n = 1 IM
(II.26)
Bild II-15 Reale Spannungsquelle Wird eine reale Spannungsquelle durch einen Widerstand belastet, sinkt die zwischen den Polen (Klemmen) vorhandene Spannung UK, die als Klemmspannung bezeichnet wird. Ursache hierfür ist der immer vorhandene innere Widerstand einer Spannungsquelle. Die Spannung Uq wird als Quellspannung oder Leerlaufspannung bezeichnet. Im Ersatzschaltbild Bild II15 läßt sich ablesen IRi + IRa − U q = 0
(II.28)
U K = IRa
(II.29)
Klemmspannung U K = U q − IRi
(II.30)
Uk Uq
ΔU R i = – ΔI
Ik
I
Bild II-16 Kennlinie einer Spannungsquelle
0,45 W, welches den Skalenendwert von 2 A hat, soll für einen Verbraucherstrom von 20 A eingesetzt werden.
Sind Ri und Uq unabhängig vom Belastungsstrom, liegt eine lineare Quelle vor, deren Kennlinie in Bild II-16 dargestellt ist. Wenn I = 0 ist, folgt aus Gleichung (II.30) UK = Uq. Ist dagegen der Widerstand Ra = 0 (Quelle kurzgeschlossen), nimmt der Strom seinen Maximalwert an. U Kurzschlußstrom I K = 0 (II.31) Ri Aus der Kennlinie läßt sich auch der Innenwiderstand Ri bestimmen. DU Innenwiderstand Ri = − (II.32) DI
a) Welcher Nebenwiderstand ist zu schalten? b) Welche Stellung nimmt der Zeiger an, wenn statt des unter a) errechneten Nebenwiderstandes ein Widerstand von 0,025 W genommen wird.
Eine Spannungsquelle mit einem Innenwiderstand Ri = 0 wird als ideale Spannungsquelle oder Konstantspannungsquelle bezeichnet.
Nebenwiderstand
RN =
RM n −1
(II.27)
I1 ist der zu messende Strom, also der neue Meßbereich, IM der vorhandene Meßbereich. Beispiel: Ein Strommeßgerät mit einem Innenwiderstand von
a) n =
20 A = 10 ; 2A
b) n = 1 +
RN =
0 , 45 W = 0 , 05 W 9
RM 0 , 45 W = 1+ = 19 ; RN 0 , 025 W
I 1 = 19 ⋅ 2 A = 38 A
20 A ⋅ 100% = 52 , 6% des Skalenendwertes 38 A
4.1 Kombination von Spannungsquellen Spannungsquellen können in Reihe oder parallel geschaltet werden. Von Interesse ist auch hier der resultierende Innenwiderstand und die Quellspannung der gesamten Anordnung.
260
Grundlagen der Elektrotechnik
4.1.1 Reihenschaltung
5 Ersatzstromquelle
Die Kombination kann durch eine einzelne Quelle ersetzt werden, die durch Quellspannung und Innenwiderstand charakterisiert wird. Um diese Größen zu berechnen, nimmt man zunächst an, daß die Quelle nicht belastet ist. Die Klemmspannung ist dann gleich der Quellspannung.
Jede Quelle kann auch entsprechend Bild II-18 durch eine Ersatzstromquelle mit einem Quellstrom Iq und einem parallel dazu liegenden Innenwiderstand betrachtet werden. Es gelten die Beziehungen
Quellspannung U q = U 1 + U 2 U + U2 Uq Ik = 1 = R1 + R2 Ri
(II.34)
Ri = R1 + R2
(II.35)
Kurzschlußstrom Innenwiderstand
(II.33)
I1
Kurzschluß
R1
Ii = 0
(II.49)
Leerlauf I i = I q
(II.50)
I=0
(II.51)
U = I q Ri
(II.52)
I
UK R2
R1
Iq
I Ii
R2 U K
U2
U1
(II.47) (II.48)
I2
U1
I = Iq
U=0
U
R1
R
Bild II-18 Ersatzstromquelle
U2
Bild II-17 Kombination von Spannungsquellen 4.1.2 Parallelschaltung
Im folgenden Beispiel Bild II-19 soll der aktive Zweipol einmal durch eine Ersatzspannungsquelle und einmal durch eine Ersatzstromquelle dargestellt werden.
Um die Quellspannung und den Innenwiderstand zu bestimmen, wird zunächst die Quelle nicht belastet. (UK = Uq) I1 = I 2 =
Ausgleichsstrom
U1 − U 2 R1 + R2
Quellspannung U q = U 2 + I 2 R2 U q = U 2 + R2
U1 − U 2 R1 + R2
(II.36)
Ersatzspannungsquelle U q = U (II.39)
I1 = I 2 + I K
linke Masche
I 2 R2 + U 2 = 0 I 1 R1 + I 2 R2 + U 2 − U 1 = 0
Kurzschlußstrom IK =
U U IK = 1 + 2 R1 R2
U 1 R2 + U 2 R1 R1 ⋅ R2
Innenwiderstand Ri = R1 parallel R2
Bild II-19 Beispiel Ersatzquelle
(II.37)
Ri =
IK
RR = 1 2 R1 + R2
(II.53)
R1 R2 R1 + R2
(II.54)
(II.40)
IK =
U R1
(II.55)
(II.41)
Ersatzstromquelle
(II.42) Ri =
(II.43) (II.44)
Uq
R2 R1 + R2
Ri =
Aus dem Kurzschlußstrom (I = IK) läßt sich der Innenwiderstand berechnen.
rechte Masche
R2
U
(II.38)
U R + U 2 R1 Uq = 1 2 R1 + R2
Knoten
R1
(II.45) (II.46)
Iq =
U = IK R1
R1 R2 R1 + R2
(II.56) (II.57)
6 Netzwerkberechnung Die Berechnung von Strömen, Spannungen oder Leistungen in einer beliebigen elektrischen Schaltung bezeichnet man als Netzwerkberechnung. Zur Berechnung der Ströme und Spannungen kann man im Prinzip immer Knoten- und Maschenregeln anwen-
II Der Gleichstromkreis
261
den. Dies kann allerdings in komplizierten Netzwerken zu einer großen Zahl von Unbekannten und damit Gleichungen führen. Hier führen manchmal andere Verfahren schneller zum Ziel.
6.1 Gemischte Schaltungen I1
I3 I2
U1
U2 R3
R2
R1 I
6.2 Überlagerungsverfahren Ein weiteres Verfahren ist die Berechnung mit Hilfe des Helmholtzschen Überlagerungsverfahrens. Bei der Berechnung von Zweigströmen in einem Netzwerk mit mehreren Spannungsquellen werden zunächst alle Spannungsquellen bis auf eine kurzgeschlossen. Für diesen Fall werden die Teilströme berechnet. Dann wird dasselbe Verfahren für eine weitere Spannungsquelle durchgeführt und wieder die Teilströme berechnet. Der gesamte Zweigstrom ergibt sich als Summe der Teilströme. I1
II
I3
U1 R1
Knotenregel
I1 − I 2 − I 3 = 0 ;
Masche I
U 1 − I 1 R1 − I 2 R2 − U 2 = 0 ;
Masche II
U 2 + I 2 R2 − I 3 R3 = 0
I11
Knotenregel
I1 − I 2 − I 3 = 0 ;
Masche I
100 W ⋅ I 1 + 100 W ⋅ I 2 = −10 V ;
Masche II
R2
I21 I31
U1
R3
R1
I12
Mit Zahlenwerten und nach Umstellung
U2
R3
Bild II-20 Beispiel Netzwerk Zunächst soll an Hand eines Beispiels die Berechnung mit Hilfe der Kirchhoffschen Gesetze erfolgen. Die Spannungspfeile werden von + nach – gezeichnet. Die Strompfeile werden willkürlich angenommen. Sollte für einen der Ströme ein negativer Wert berechnet werden, ist der Pfeil falsch gewählt worden. Die Werte in der Schaltung Bild II-20 sind: U1 = 20 V, U2 = 30 V, R1 = R2 = 100 W, R3 = 50 W.
I2
R2
I22 I32
100 W ⋅ I 2 − 50 W ⋅ I 3 = −30 V
R1
R3
U2 R2
Durch Einsetzen kann dieses Gleichungssystem gelöst werden. I 1 = 75 mA ;
I 2 = −175 mA ;
I 3 = 250 mA
Aus dem negativen Wert für I2 ist zu erkennen, daß die tatsächliche Stromrichtung der eingezeichneten Pfeilrichtung entgegengesetzt ist. Beispiel: In der Schaltung nach Bild II-9 soll der Strom durch
den Widerstand R5 berechnet werden. Die angelegte Spannung ist 100 V. Ausgehend vom Ergebnis in Gleichung (II.19) ist der Gesamtstrom
I ges =
100 V = 8, 08 A ; 12 , 38 W
U AN = 8, 08 A ⋅ 5 W = 40 , 4 V ;
U NB = 100 V − 40 , 4 V = 59,6 V I2 =
59, 6 V = 3, 31 A ; 18 W
I3 =
59, 6 V = 4 , 77 A 12 , 5 W
Die Spannung über R5 ist gleich der Spannung zwischen den Punkten C und D in Bild II-12: U CD = 4 , 77 A ⋅ 7 , 5 W − 3, 31 A ⋅ 3 W = 25,85 V .
Bild II-21a, b, c Überlagerungsverfahren Das Verfahren soll an Hand der Schaltung in Bild II21a dargestellt werden. Zunächst werden alle Spannungen bis auf U1 kurzgeschlossen. Es entsteht die Ersatzschaltung nach Bild II-21b. Der Teilstrom I11 errechnet sich zu
I 11 =
R2 + R3 U1 = U1 (II.58) R2 ⋅ R3 R1 R2 + R2 R3 + R3 R1 R1 + R2 + R3
Werden im nächsten Schritt alle Spannungen bis auf U2 kurzgeschlossen, entsteht die Ersatzschaltung Bild II-21c. Jetzt läßt sich der Teilstrom I22 berechnen. I 22 = U 2
R1 + R3 R1 R2 + R2 R3 + R3 R1
(II.59)
262
Grundlagen der Elektrotechnik 100 100 ⎞ U AB 0 = 10 V ⎜⎛ − ⎟ = 1, 67 V ; ⎝ 200 300 ⎠
und daraus weiter: I 12 = U 2
R3 R1 R2 + R2 R3 + R3 R1
I 1 = I 11 + I 12
100 ⋅ 200 100 ⋅ 100 W+ W = 116 , 67 W 100 + 200 100 + 100
(II.60)
Ri =
(II.61)
U AB = 1, 67 V
Haben die Spannungsquellen einen nicht vernachlässigbaren Innenwiderstand, darf dieser nicht kurzgeschlossen werden.
1000 = 1, 49 V 116.67 +1000
A
6.3 Ersatzspannnungsquelle
Uq1
I2 Uq2
Oft ist in Netzwerken nur nach einer Teilspannung oder einem Teilstrom gefragt. In diesem Fall läßt sich die Methode der Ersatzspannungsquelle anwenden. Als Beispiel wird die in Bild II-22 dargestellte Brükkenschaltung mit einer Last R5 betrachtet. In der Meßtechnik interessiert als Meßgröße die Spannung UAB zwischen den Punkten A und B bei einer Belastung durch ein Meßgerät.
R1
R2
I3 R3
R4
B
Bild II-23 Beispiel Methode der Ersatzspannungsquelle Beispiel: Berechnung des Stromes I3 durch den Widerstand R3
(Bild II-23).
U q1 = 6 V ,
U1 U
R1
R3
R5
A R2
R 2 = 0,8 W ,
U3
R4
I2 =
Bei nicht belasteter Brücke besteht zwischen den Punkten A und B die Spannung UAB0. Diese Spannung wird als Quellspannung einer Ersatzspannungsquelle gesehen.
U q1 − U q 2 R1 + R 2
Die Klemmspannung sinkt bei Belastung mit Ra =
R3 R4 R3 + R4
(II.62)
U AB = U q
R1 ⎞ ⎛ R3 U AB 0 = U ⎜ − ⎟ ⎝ R3 + R4 R1 + R2 ⎠
(II.63)
I3 =
R R R1 R2 + 3 4 R1 + R2 R3 + R 4
Brückenspannung U AB = U AB 0
R5 Ri + R5
(II.64) (II.65)
Beispiel: In der Schaltung nach Bild II-22 gelten folgende Werte:
R1 , R3 , R 4 = 100 W, R2 = 200 W , R5 = 1 k W , U = 10 V .
6V−4V = 1, 54 A ; 0,5 W + 0,8 W
0,8 ⋅ 0,5 W = 0 , 307 W 0,8 + 0,5
U AB 0 = U 3 − U 1
Die Spannung UAB ist dann als Klemmspannung einer Spannungsquelle mit der Quellspannung UAB0 anzusehen. Der Innenwiderstand dieser Ersatzspannungsquelle ist durch die Brückenwiderstände festgelegt. Er wird dadurch bestimmt, daß die äußere Spannungsquelle U kurzgeschlossen wird.
=
U q = U q 2 + I 2 R 2 = 4 V +1,54 A ⋅ 0,8 W = 1,23 V
Ri =
Wie groß ist die Spannung UAB?
R3 = R4 = 6 W
B
UAB
Ri =
R1 = 0 , 5 W ,
Die im gestrichelten Rechteck liegenden Bauteile werden zu einer Ersatzspannungsquelle zusammengefaßt. Die Quellspannung kann aus dem unbelasteten Fall bestimmt werden.
Bild II-22 Brücke
Innenwiderstand
Uq2 = 4 V ,
= 3W
auf
Ra 3W = 1, 23 V = 1,11 V ; 3 W + 0,307 W R a + Ri
1,11 V = 0 , 37 A 3W
6.4 Nichtlineare Gleichstromkreise Bisher wurde vorausgesetzt, daß die Widerstände in den Netzwerken nicht stromabhängig sind. Derartige Netzwerke werden als lineare Netzwerke bezeichnet. Ist der Widerstand eines Bauteils stromabhängig, wird diese Abhängigkeit normalerweise durch eine Kennlinie dargestellt. Die Bestimmung von Spannungen und Strömen im Kreis erfolgt meistens grafisch. Zur Erläuterung wird die Schaltung nach Bild II-24 betrachtet. In Bild II-25 sind auf der Ordinate der Strom und auf der Abszisse die Spannung UD an der Diode aufgetragen. Die Kennlinie der Diode ist als Kurve 1 eingetragen. Weiter ist als Gerade 2 die Kennlinie des Ohmschen Widerstandes eingetragen. Diese Gerade errechnet sich durch
II Der Gleichstromkreis
263
UR U −UD (II.66) = R R Da durch Widerstand und Diode der gleiche Strom fließt, stellt sich als Arbeitspunkt A der Schnittpunkt beider Kennlinien ein. Es fließt der Strom IA und an der Diode liegt die Spannung UDA. I=
UR
7 Energie, Leistung, Wirkungsgrad Fließt durch einen Widerstand R eine Ladung Q, wird die Arbeit W nach Gleichung (I.3) bestimmt. (II.67)
Hieraus bestimmt sich die Leistung P.
UD
Leistung P = Bild II-24 Nichtlineare Kreise
U
W =U⋅I t
U/R 2
1 A
IA
UD
URA
UDA U
Bild II-25 Bestimmung des Arbeitspunktes Beispiel: Die Diode in der Schaltung nach Bild II-24 hat eine
Kennlinie gemäß Bild II-26. Der Widerstand R1 ist 6 W, die Spannung U ist 1,8 V. Um wieviel Prozent ändert sich die Spannung UR, wenn zu R1 ein Widerstand R2 von 4 W parallel geschaltet wird?
Die Kennlinie von R1 ist die Gerade 2. Der Schnittpunkt mit der Spannungsachse liegt bei 1,8 V, der mit der Stromachse bei U 1, 8 V I= = = 0 , 3 A . Schnittpunkt mit Kennlinie 1: UD = o,9 V; 6W R1
U R = U − U D = 1, 8 V − 0 , 9 V = 0,9 V .
Der Widerstand R ändert sich durch die Parallelschaltung auf den 6⋅4 Wert R = W = 2 , 4 W . Die zugehörige Kennlinie ist die Ge6+ 4
1, 8 V = 0 , 75 A die Ordinate schneidet. Der 2,4 W Schnittpunkt mit der Kurve 1 liegt bei 1,0 V. Die Spannung am Widerstand ist jetzt U R′ = 1, 8 V − 1, 0 V = 0 , 8 V . rade 3, die bei I =
U R′ − U R 0 , 8 − 0 , 9 = V = − 0,11 . Die Spannung hat sich um 0, 9 UR 11% verringert.
I
P U I W = VA V A
(II.68)
Die Einheit der Leistung ist das Watt. Die Rückführung auf die SI-Grundeinheiten ergibt 1 W = 1 VA = 1
I
0.9
W U I t J = Ws = VAs V A s
Arbeit W = U ⋅ I ⋅ t
kg m 2 J Nm =1 =1 s s s3
(II.69)
Für die Leistung lassen sich mit Hilfe des Ohmschen Gesetzes nach Gleichung (I.11) die folgenden Beziehungen ableiten: U2 P= (II.70) R (II.71) P = R⋅ I2
7.1 Leistungsanpassung Wird in einem Gleichstromkreis ein Ohmscher Verbraucher an eine reale Spannungsquelle angeschlossen, ist die vom Verbraucher aufgenommene Leistung abhängig von dessen Widerstand. Betrachtet wird die Schaltung nach Bild II-15. Uq und Ri der Spannungsquelle sind bekannt. Die vom Verbraucher aufgenommene Leistung ist dann Uq Ra PV = U K ⋅ I = U q ⋅ (II.72) Ri + R a Ri + R a PV = U q2
Ra
(II.73)
( Ri + R a ) 2
Für die Extremfälle Ra = 0 W und Ra = ∞ verschwindet die aufgenommene Leistung. Dazwischen muß ein Maximum liegen. Die Lage dieses Maximums läßt sich mit Hilfe der Differentialrechnung bestimmen. dPV ( R i + R a ) − 2 R a ( R i + R a ) = dR a ( Ri + R a ) 4 2
(II.74)
P
1 3
0.5
Ri
2
Bild II-27 Leistungsanpassung
0.l 0.2
Ra
1.0
1.8
UD
Bild II-26 Beispiel Nichtlinearer Kreis
Zur Bestimmung der Lage des Maximums muß dieser Ausdruck = 0 werden. Das ist dann der Fall, wenn der Zähler = 0 wird. Man erhält die Gleichung
264
Grundlagen der Elektrotechnik
( Ri + R a ) 2 − 2 R a ( Ri + R a ) = 0
(II.75)
mit der Lösung Ra = Ri
(II.76)
In diesem Fall ist der Leistungsverlust am Innenwiderstand gleich der vom Verbraucher aufgenommenen Leistung. Bei großen Leistungen kann man keine Leistungsanpassung vornehmen; verwendet wird sie allerdings häufig in der Nachrichtentechnik. I
7.3 Wirkungsgrad Der Wirkungsgrad h ist definiert als Verhältnis von zugeführter Energie WZu oder Leistung PZu zur Nutzenergie WN oder Nutzleistung PN. Da es bei allen Maschinen und Antrieben Verluste gibt, ist der Wirkungsgrad immer kleiner als 1 oder 100%. Wirkungsgrad h =
WN P = N ≤1 WZu PZu
(II.80)
Die Differenz zwischen zugeführter Leistung und Nutzleistung ist die Verlustleistung.
Ri
Verlustleistung
Ra
Uq
PV = PZu − PN
(II.81)
7.4 Umwandlung elektrischer Energie
Bild II-28 Beispiel Leistungsanpassung Beispiel: In der Schaltung Bild II-28 sind Uq = 10 V und Ri =
0,5 W.
a) Welchen Wert muß Ra haben, damit er eine Leistung von 10 W verbraucht? b) Welche Leistung kann Ra maximal umsetzen?
Elektrische Energie kann in andere Energieformen umgewandelt werden. Beispiele sind Umwandlung in Wärmeenergie (Kochplatte, Tauchsieder) oder mechanische Energie (Antriebe, Pumpen). 7.4.1 Wärme
(II.77)
Die für eine Temperaturerhöhung von DT oder DJ notwendige Wärmeenergie DQ ist gegeben durch
Pa ( R i + R a ) = U q2 ⋅ R a
(II.78)
DQ = mc D T = mc D J
U q2 ⎞ ⎛ R a2 + ⎜⎜ 2 R i − ⎟ R a + R i2 = 0 Pa ⎟⎠ ⎝
(II.79)
2
⎛ Uq ⎞ a) Pa = I 2 ⋅ R a = ⎜ ⎟ ⋅ Ra ⎝ Ri + R a ⎠ 2
R a2 − 9 W R a + 0 , 25 W 2 = 0 ;
( = ( 4,5 −
) − 0 , 25 ) W = 0 , 28 W
R a 1 = 4 , 5 + 4 , 5 2 − 0 , 25 W = 8, 97 W ; Ra 2
4,5
2
2
2 ⎛ Uq ⎞ ⎛ 10 ⎞ b) Pa max = ⎜ ⎟ ⋅ R i = ⎜ ⎟ ⋅ 0 , 5 W = 50 W ⎝ 1⎠ ⎝ Ri + Ri ⎠
Da die Kelvin-Skala und die Celsius-Skala dieselben Temperaturschritte haben, kann die Temperaturdifferenz sowohl in K als auch in °C angegeben werden. m ist die Masse und c die spezifische Wärmekapazität des zu erwärmenden Materials. Sie beträgt für Wasser cWasser = 4,19
Energie von 15 kWh von J1 = 15 °C auf J2 = 80 °C erwärmen (1 Liter Wasser hat die Masse 1 kg)?
1 kWh = 3600 kWs
Da jede Zuleitung zu einem Verbraucher einen Ohmschen Widerstand RL besitzt, wird immer elektrische Energie verbraucht. Der Widerstand der Zuleitung berechnet sich nach Gleichung (I.14). Hierbei ist für l die gesamte Leiterlänge, also der doppelte Abstand zwischen Verbraucher und Spannungsquelle einzusetzen.
m=
entfernt. Die Leitung besteht aus Kupfer und hat einen Durchmesser von 8 mm. Wieviel Prozent der am Verbrauchsort zur Verfügung stehenden Leistung von 20 kW gehen verloren, wenn die Spannung
Strom I =
r ⋅ 2 l 0 , 0173 ⋅ 4800 ⋅ 4 W = 1, 65 W; = A p ⋅82
20 kW = 45, 45 A ; 440 V
Verlust auf der Leitung PL = RL ⋅ I 2 = 1,65 ⋅ 45,452 W = 3408 W 100 ⋅ 3408 prozentualer Anteil % = 17% 20 000
DQ = c ⋅ ( J 2 − J1 )
4 ,19
15 ⋅ 3600 kJ = 198, 3 kg kJ ⋅ ( 80 − 15 ) K kg K
Beispiel: Wie lange dauert es, um 5 l Wasser von J1 = 15 °C mit
einer Kochplatte, die eine Leistungsaufnahme von 800 W hat, zum Sieden zu bringen (J2 = 100 °C)? Der Wirkungsgrad beträgt 75%. PN = h ⋅ PZu ; t=
W mm 2 ⎞ ⎛ beim Verbraucher 440 V beträgt ⎜ r Cu = 0 , 0173 ⎟? m ⎠ ⎝
Leitungswiderstand R L =
kJ . kg K
Beispiel: Wieviel Liter Wasser lassen sich mit einer elektrischen
7.2 Leistungsverlust auf Leitungen
Beispiel: Ein Verbraucher ist 2,4 km von der Spannungsquelle
(II.82)
PN =
DQ m ⋅ c ⋅ ( J 2 − J 1 ) ; = t t
m ⋅ c ⋅ ( J 2 − J1 ) PZu ⋅ h
kJ ⋅ ( 100 − 15 ) K kg K = 2986 s = 49, 5 min kJ 0,8 ⋅ 0 , 75 s
5 kg ⋅ 4,19 t=
7.4.2 Mechanische Energie Elektrische Energie kann auch in potentielle oder kinetische Energie umgewandelt werden. Für diese Energieformen gelten die Gleichungen:
III Das Elektrische Feld E pot = mgh und E kin =
265 1 mv 2 (siehe Physik II.2.4). 2
Hierbei gilt natürlich ebenfalls der Energieerhaltungssatz. Beispiel: Aus einer Grube sollen bei täglich 6 h Arbeitszeit
innerhalb von 3 Tagen 12 000 m3 Wasser über eine Förderhöhe von 10 m gepumpt werden. Welche Leistung muß der Motor aufnehmen, wenn ein Wirkungsgrad h = 70% vorhanden ist?
12 ⋅ 10 kg ⋅ 9,81
WPot = mgh ; PZu =
mgh = t⋅h
m
⋅ 10 m s2 = 25, 9 kW 0,7 ⋅ ( 3 ⋅ 6 ⋅ 3600 ) s 6
Beispiel: Eine Güterzuglokomotive soll einen Güterzug von 500 t
auf eine Geschwindigkeit von 100 km/h bringen. Die Lokomotive nimmt eine konstante Leistung von 2000 kW bei einem Wirkungsgrad von 40% auf. Wie lange braucht der Zug bis zum Erreichen der Endgeschwindigkeit?
PZu ⋅ h =
1 mv 2 W kin ; = 2 t t 2
mv 2 t= = 2 ⋅ h ⋅ PZu
100 m ⎞ 500 ⋅ 10 3 kg ⋅ ⎛⎜ ⎟ ⎝ 3,6 s ⎠ = 241 s = 4 min 2 kgm 2 ⋅ 0,4 ⋅ 2000 ⋅ 10 3 3 s
Beispiel: Ein Gleichstrommotor wird mit dem Drehmoment M =
1 . Die min am Motor liegende Spannung beträgt U = 400 V, der aufgenommene Strom I = 17 A. Wie groß ist der Wirkungsgrad des Motors?
35 Nm belastet und hat dabei die Drehzahl n = 1500
PN = 2p nM ;
PN = 2 p
1500 1 ⋅ 35 Nm = 5497 W ; 60 s
PZu = UI = 400 ⋅ 17 W = 6800 W
h=
PN PZu
5497 W = 0 , 81 oder 81%. 6800 W
=
III Das Elektrische Feld Wenn in jedem Punkt des Raumes eine physikalische oder technische Größe definiert ist, so bezeichnet man dies als Feld. So kann man z.B. in jedem Punkt eines Zimmers eine Temperatur messen; es ist ein Temperaturfeld definiert. An jedem Punkt über der Erdoberfläche herrscht eine Anziehungskraft, dies ergibt ein Kraftfeld, in diesem Fall das Gravitationsfeld. Im ersten Fall liegt, da die Temperatur eine skalare Größe ist, ein Skalarfeld, im zweiten Fall ein Vektorfeld vor.
1 Grundgrößen 1.1 Kräfte zwischen Ladungen Zwischen elektrischen Ladungen bestehen immer Kräfte. Haben zwei Ladungen das gleiche Vorzeichen, stoßen sie sich ab, bei ungleichem Vorzeichen ziehen sie sich an. Die Größe der Kraft hängt von der Größe der Ladungen und von deren Abstand ab und wird durch das Coulombsche Gesetz beschrieben. Q1 F 21
Der Abstand zwischen den beiden Ladungen ist r12. Die Richtung der Kraft ist durch die Verbindungslinie zwischen beiden Ladungen gegeben. Die Ladung Q1 übt auf die Ladung Q2 die Kraft F12 aus. Im Bild III-1 oben haben die Ladungen unterschiedliches Vorzeichen, die Kraftpfeile sind aufeinander zu gerichtet. Im unteren Teil haben die Ladungen gleiches Vorzeichen. Die Ladung Q2 übt auf Q1 eine entgegengesetzt gleich große Kraft aus. Sind mehr als 2 Ladungen vorhanden, werden zunächst die Kräfte zwischen zwei Ladungen berechnet und dann aus allen Kräften die resultierende Kraft bestimmt.
Fres F31
F12 Q2
Q1
ungleich F21
Q1
Q2 F 12 r12
gleich
Q2
Bild III-1 Coulombsches Gesetz Coulombsches Gesetz F12 =
1 Q1Q2 ⋅ 4πε 0 r122
(III.1)
As Vm
Q3
Bild III-2 Beispiel Kräfte zwischen Ladungen
Beispiel: Drei Ladungen (Q1 = –3 As, Q2 = Q3 = 3 As, Bild III-2)
befinden sich an den Eckpunkten eines gleichseitigen Dreiecks (a = 5 cm). Wie groß ist die Kraft auf die Ladung Q1?
Die Größe e0 heißt elektrische Feldkonstante e 0 = 8.854 ⋅ 10 −12
F21
(III.2)
Da die Ladungen vom Betrag her gleich sind und gleiche Abstände haben, gilt für die Beträge F21 = F31. Die Richtungen sind unterschiedlich und verlaufen in Verlängerung der Dreieckseiten.
266
Grundlagen der Elektrotechnik
F21 =
1 3 ⋅ 10 −6 As ⋅ 3 ⋅ 10 −6 As ⋅ = 32 , 35 N 4 pe 0 ( 0,05 m ) 2
Die Größe der resultierenden Kraft kann entweder aus der Zeichnung abgelesen werden oder mit Hilfe der Trigonometrie berechnet werden:
Fres = 2 ⋅ 32 , 35 N ⋅ cos 30 = 56 N
1.2 Feldstärke Kräfte zwischen Ladungen sind im ganzen Raum vorhanden, deshalb liegt ein Feld vor. Werden zwei Ladungen Q und q im Abstand r betrachtet, kann man willkürlich eine der beiden Ladungen als felderzeugende Ladung Q, die andere als Probeladung q annehmen. Das Coulombsche Gesetz lautet dann F=
1 Qq ⋅ 4 pe 0 r 2
Feldstärke E 2 . Hieraus ergibt sich die resultierende Feldstärke E res .
1.3 Feldlinien Die Konstruktion nach Βild III-3 kann in beliebigen Punkten durchgeführt werden, somit kann in jedem Punkt der Vektorpfeil der resultierenden elektrischen Feldstärke konstruiert werden. Werden die Anfangspunkte der Pfeile durch tangentiale Linien verbunden, erhält man für diesen Dipol Linien wie in Bild III-4. Diese Linien sind die elektrischen Feldlinien.
(III.3)
Wird nun, um eine Definition unabhängig von der F Probeladung q zu erhalten, der Quotient betrachq tet, erhält man eine Größe, die allein von der felderzeugenden Ladung Q und dem Abstand r abhängig ist. Diese Größe nennt man die elektrische Feldstärke E F q F (III.4) E= N V = N As q As m Da die Kraft ein Vektor ist, muß auch die elektrische Feldstärke ein Vektor sein. Die Richtung von E ist gleich der Richtung von F auf eine positive Probeladung. Die Feldstärke ist von der felderzeugenden Ladung und deren geometrischer Anordnung abhängig. Ist Q eine Punktladung, kann die elektrische Feldstärke nach (III.3) und (III.4) angegeben werden. Feld einer Punktladung
E=
1 Q ⋅ 4 pe 0 r 2
Bild III-4 Dipol Eigenschaften elektrischer Feldlinien: Sie verlaufen von der positiven zur negativen Ladung. Die Tangenten geben die Richtung der Kraft auf eine positive Probeladung an. An den Orten größerer Feldliniendichte ist die Kraftwirkung größer. Elektrische Feldlinien schneiden sich nie. Da in elektrischen Leitern die Ladungen frei beweglich sind, werden sie solange verschoben, bis keine tangentiale Kraft mehr vorhanden ist. Daher stehen Feldlinien immer senkrecht auf elektrischen Leitern. Im Bild III-5 sind einige Feldlinienbilder angegeben. Links für eine positive Punktladung, in der Mitte für zwei entgegengesetzt geladene Platten, rechts für eine positiv geladene Spitze vor einer ebenen Leiterfläche.
(III.5)
E1 Eres
A E2 Q1
a)
b)
c)
Bild III-5 Feldlinienbilder Q2
Bild III-3 Elektrisches Feld Sind mehrere Ladungen beteiligt, können auch hier wieder die einzelnen Beiträge vektoriell addiert werden. Dies soll am Beispiel eines Dipols nach Bild III-3 dargestellt werden. Ein Dipol besteht aus zwei gleich großen, entgegengesetzten Ladungen. Die positive Ladung Q1 erzeugt im Punkt A die Feldstärke E1 . Da Q1 positiv ist, zeigt E1 von Q1 weg. Die negative Ladung Q2 erzeugt die zur Ladung gerichtete
1.4 Potential, Spannung Wenn in einem elektrischen Feld eine positive Ladung von einem Punkt A nach einem Punkt B verschoben wird, muß gegen die herrschende Kraft Verschiebungsarbeit verrichtet werden. Verschiebungsarbeit B B (III.6) WAB = − ∫ F ⋅ ds = − ∫ qE ⋅ ds A
A
Es kann gezeigt werden, daß diese Arbeit unabhängig vom Weg ist. Sie hängt nur von der Lage der beiden
III Das Elektrische Feld
267
Punkte im elektrischen Feld ab. Das Vorzeichen in Gleichung (III.6) ist so gewählt, daß zu leistende Arbeit positiv gezählt wird.
1.6 Elektrischer Fluß
B WAB = − q ∫ Eds = qU AB
(III.7)
A
WAB = − ∫ E ⋅ ds q A B
Spannung U AB =
(durchgezogen) und die elektrischen Feldlinien (gestrichelt) dargestellt.
(III.8)
Wird der Ausgangspunkt A sehr weit (im Grenzfall ins Unendliche) entfernt, ist der Quotient aus der jetzt aufzubringenden Arbeit und der Probeladung q das
Die elektrischen Ladungen sind Ausgangspunkt der elektrischen Feldlinien. Je größer die Ladung, desto mehr Feldlinien gehen von ihr aus. Denkt man sich eine Kugel mit dem Radius r um eine Ladung, so bezeichnet man alle durch die Kugeloberfläche durchtretenden Feldlinien als den elektrischen Fluß y. Ladung Q und Fluß y sind direkt proportional zueinander. Die Konstante wird zu 1 festgelegt und es gilt
B W∞B = − ∫ E ⋅ ds (III.9) q ∞ Die Spannung zwischen zwei Punkten A und B ist die Potentialdifferenz zwischen diesen Punkten.
Für eine Punktladung gilt nach Gleichung (III.5)
Spannung U AB = j B − j A = Dj
(III.10)
Oberfläche einer Kugel
A Kugel = 4 pr 2
(III.15)
DWAB = q ⋅ Dj
(III.11)
elektrischer Fluß y = Q = A Kugel ⋅ e 0 E
(III.16)
Potential
jB =
Ist das elektrische Feld nach Betrag und Richtung konstant, spricht man von einem homogenen Feld. Wird der Abstand zwischen den Punkten A und B mit d bezeichnet, folgt aus Gleichung (III.8) im homogenen Feld
homogenes Feld: U = E ⋅ d
y=Q
(III.13)
Q = 4 pe 0 r 2 E
(III.14)
Der Fluß, dividiert durch die gesamte Oberfläche der Kugel, wird als Flußdichte D bezeichnet.
Flußdichte D =
y A
(III.12)
Flußdichte D = e 0 E
1.5 Äquipotentiallinien Werden in einem elektrischen Feld Punkte mit gleichem Potential durch Linien verbunden, entstehen die Äquipotentiallinien. Zwischen zwei Punkten auf einer Äquipotentiallinie besteht keine Potentialdifferenz und auch keine Spannung. Hieraus folgt, daß bei Verschiebung einer Ladung auf einer Äquipotentiallinie keine Verschiebungsarbeit zu verrichten ist. Weiterhin folgt aus der Vektorrechnung, daß Äquipotentiallinien und Feldlinien immer senkrecht aufeinander stehen müssen. Da Feldlinien auch immer senkrecht auf Leiteroberflächen stehen, sind alle Leiteroberflächen auch Äquipotentiallinien. Meßtechnisch einfacher ist es, Potentiallinien auszumessen. Sind sie bekannt, können die für die Kraftwirkungen wichtigen Feldlinien konstruiert werden. Im Bild III-6 sind für eine metallische Spitze und eine ebene metallische Gegenelektrode die Äquipotentiallinien
D y A As As m 2 m2 D e0 E As As V m 2 Vm m
(III.17)
(III.18)
Allgemeiner formuliert lautet Gleichung (III.17) in Verbindung mit Gleichung (III.13): Der durch eine geschlossene, beliebig geformte Oberfläche A gehende elektrische Fluß y ist gleich der Summe der von dieser Fläche eingeschlossenen Ladungen. n y = ∫ DdA = ∑ Qi
(III.19)
i =1
Daraus folgt für die elektrische Feldstärke eine der vier grundlegenden Maxwellschen Gleichungen
1
n
∫ EdA = e e ∑ Qi 0 r i =1
(III.20)
Steht das elektrische Feld überall senkrecht zu A und ist es konstant, so ist D=
Q A
(III.21)
1.7 Energie geladener Teilchen im elektrischen Feld
Bild III-6 Äquipotentiallinien
Da auf geladene Teilchen im elektrischen Feld immer eine Kraft wirkt, werden sie nach den Gesetzen der Mechanik immer beschleunigt. Fel = qE = ma
(III.22)
268
Grundlagen der Elektrotechnik
Ist das elektrische Feld konstant, so ist auch die Beschleunigung konstant. Nach Durchlaufen einer Potentialdifferenz Dj sind die erreichte Bewegungsenergie und die elektrische Energie nach Gleichung (III.11) gleich. 1 2 mv = q ⋅ Dj = qU 2
(III.23)
positiven Kern verschieben kann. Es entsteht ein elektrischer Dipol. Auch können eventuell schon vorhandene Dipole im Feld gedreht werden. Es entsteht ein Polarisationsfeld Ep, das dem äußeren Feld E0 entgegengesetzt gerichtet ist. Im Inneren ist das resultierende Feld Ei = E0 − E p
Wenn ein Elektron die Potentialdifferenz von 1V durchläuft, hat es die Energie von 1,602 ⋅ 10–19 As ⋅ 1 V = 1,602 ⋅ 10–19 J. Hieraus leitet sich eine Energieeinheit ab: 1 Elektronenvolt 1 eV = 1,602 ⋅ 10 -19 J
EP
Bild III-8 Polarisation
Befindet sich Materie in einem elektrischen Feld, wirkt auf alle Ladungen in dieser Materie eine elektrische Kraft. Da in Leitern und Nichtleitern unterschiedliche Beweglichkeit der Ladungsträger vorliegt, sind auch die beobachteten Effekte von den Leitereigenschaften der Materialien abhängig.
2.1 Leiter In einem Leiter sind die Ladungsträger (in Metallen sind das die Elektronen) frei beweglich. Bringt man zwei aufeinander liegende Metallplatten in ein elektrisches Feld, werden die Ladungen so verschoben (Bild III-7), daß sich eine gleiche Anzahl von Ladungen auf den entsprechenden Oberflächen gegenüber liegen. Im Leiter wird durch diese Ladungsverschiebung ein Feld Einfl erzeugt, das denselben Betrag wie das äußere Feld, aber entgegengesetzte Richtung hat. Das resultierende elektrische Feld im Inneren eines Leiters verschwindet daher immer. E i = E a − E infl = 0
E0
(III.24)
2 Materie im elektrischen Feld
(III.26)
(III.25)
Diese Ladungsverschiebung heißt Influenz. Werden die Platten im elektrischen Feld getrennt und dann aus dem Feld genommen, bleiben die Platten geladen.
Das Feld im Inneren ist gegenüber dem ursprünglichen Feld E0 geschwächt worden. Zahlenmäßig wird dies durch Ei =
E0 er
erfaßt. er ist die Permittivitätszahl des Materials. Sind die äußeren Platten mit einer konstanten Spannungsquelle verbunden, fließen nach Einbringen eines Dielektrikums so viele Ladungen nach, bis sich das ursprüngliche Feld E0 wieder eingestellt hat. Damit wird aber nach Gleichung (III.13) der elektrische Fluß y und auch die Flußdichte D ebenfalls größer und es gilt D = er e0 E
Werkstoff
In Nichtleitern gibt es keine frei beweglichen Ladungen. Deshalb ist auch das Innere eines Nichtleiters im elektrischen Feld nicht feldfrei. Diese Stoffe werden Dielektrika genannt. Hier kann durch das äußere Feld ein inneres Feld erzeugt werden, indem die negative Elektronenhülle eines Atoms sich gegenüber dem
er
Glas
4 ... 12
Glimmer
5 ... 8
Porzellan
6
Transformatorenöl
2,3
Luft
2.2 Nichtleiter
(III.28)
Tabelle III-1 Permittivitätszahlen bei 20 °C
Wasser
Bild III-7 Influenz
(III.27)
81 1,0006
3 Kondensatoren Wenn zwischen zwei isolierten Leiteroberflächen eine Spannung liegt, laden sich die Leiteroberflächen auf. Ein solches Bauelement ist ein Kondensator. Er dient zur Speicherung elektrischer Ladungen und Energie. Die Ladungsmenge Q, die bei vorgegebener Spannung U gespeichert werden kann, hängt von der Geometrie und vom Material zwischen den Kondensatorplatten ab. Der Quotient aus Q und U wird als Kapazität bezeichnet.
III Das Elektrische Feld
269
3.1 Kapazität Die Kapazität eines Kondensators ist definiert durch Kapazität
C=
C Q U As F= As V V
Q U
(III.29)
Die Einheit der Kapazität ist 1 F (1 Farad). 3.1.1 Plattenkondensator Ein Plattenkondensator besteht aus zwei parallelen Platten im Abstand d. Bis auf den Randbereich ist das elektrische Feld E homogen. Befindet sich zwischen den Platten Vakuum oder Luft, gilt D=
C Pl
Q U = e0 E = e0 A d Q A = = e0 U d
(III.30) (III.31)
Befindet sich zwischen den Platten ein Material mit der Permittivitätszahl er, dann gilt C Pl = e 0 e r
A d
(III.32)
3.1.2 Spezielle Kondensatoren 1 2
Ein Kugelkondensator besteht aus zwei konzentrisch angebrachten Kugeln. Die Vorteile eines Kugelkondensators liegen darin, daß keine Streufelder auftreten, da keine Ecken vorhanden sind. Die elektrischen Feldlinien verlaufen radial-symmetrisch und ändern ihren Abstand von innen nach außen. Das Feld ist also nicht homogen. Für die Kapazität eines Kugelkondensators ergibt sich mit der in Bild III-10 dargestellten Geometrie:
Kugelkondensator C Kugel = 4 pe 0 e r
r1 r2 (III.34) r2 − r1
Der Zylinderkondensator besteht aus zwei ineinander liegenden konzentrischen Zylindern. Wird der Radius des äußeren Zylinders mit r2 und der des inneren Zylinders mit r1 bezeichnet, gilt bei einer Länge L des Kondensators für die Kapazität:
Zylinderkondensator C Zyl = 2 pe 0 e r
L ⎛r ⎞ ln ⎜ 2 ⎟ ⎝ r1 ⎠
(III.35)
Jedes Koaxialkabel ist von seiner Bauform her ein Zylinderkondensator. In der Hochfrequenztechnik ist diese Kapazität daher zu berücksichtigen. Für die Kapazität einer einzelnen zylindrischen Leitung mit dem Radius r, die in einer Höhe h über der Erde liegt, gilt
Kapazität einer Leitung
3
Bild III-9 Blockkondensator
4
C L = 2 pe 0 e r
L 2 ⎞ ⎛h h ln ⎜ + ⎛⎜ ⎞⎟ − 1 ⎟ ⎜r ⎟ ⎠ ⎝ r ⎝ ⎠
für h >> r
C L = 2 pe 0 e r
L 2h ⎞ ⎛ ln ⎜ ⎟ ⎝ r ⎠
(III.36)
(III.37)
Auch zwei im Abstand d verlaufende Leitungen mit dem Radius r und der Länge L besitzen eine Kapazität. r
r1
h
r2
Bild III-10 Kugelkondensator Ein Blockkondensator besteht aus n Platten eines Kondensators, die wie in Bild III-9 verbunden sind. Es ist eine Parallelschaltung mit (n – 1) wirksamen Kondensatoren.
Blockkondensator C Block = ( n − 1) e 0 e r
A d
(III.33)
r
r
L
d
Bild III-11 Kapazität von Leitungen
270
Grundlagen der Elektrotechnik
Kapazität einer Doppelleitung L C DL = pe 0 e r 2 ⎛ d ⎞ d + ⎛⎜ ⎞⎟ − 1 ⎟⎟ ln ⎜⎜ ⎝ ⎠ 2r ⎝ 2r ⎠ für d >> r
C DL = pe 0 e r
L
Mit Gleichung (III.20) wird
(III.38)
r2
r3
r1
r2
E2 =
Q ; 2 pe 0 e r 2 rl
U = ∫ E 1 dr + ∫ E 2 dr
(III.39)
d ln ⎛⎜ ⎞⎟ ⎝r⎠
Q ; 2 pe 0 e r 1 rl
E1 =
U=
(III.40)
r ⎞ r Q ⎛ 1 1 ln 2 + ln 3 ⎟ ⎜ 2 pe 0 l ⎝ e r 1 r1 e r 2 r2 ⎠
Die Kapazität pro Länge l C ′ =
Beispiel: In einem Plattenkondensator nach Bild III-12 sind
d1 = 0,3 mm, d2 = 0,5 mm starke Isolierplatten untergebracht. Ihre Permittivitätszahlen sind e1r = 3,8 und e2r = 4,7. Die Fläche A einer Platte beträgt 900 cm2. Die obere Platte trägt die positive Ladung Q = 2,5 · 10–6, die untere die negative Ladung – Q. Wie groß sind die Flußdichten und die elektrischen Feldstärken in den beiden Dielektrika und die Spannungen, mit denen die Isolierplatten beansprucht werden?
Q
d1
d2
(III.41)
2 pe 0 Q = (III.42) r r Ul 1 1 ln 2 + ln 3 e r 1 r1 e r 2 r2
F m = 115, 5 ⋅ 10 −12 F = 115 nF 1 7 , 5 1 15 m km + ln ln 3 5 2 7,5 2 p 8, 85 ⋅ 10 −12
C′ =
3.2 Schaltungen mit Kondensatoren 3.2.1 Reihenschaltung Werden zwei in Reihe geschaltete ungeladene Kondensatoren aufgeladen, muß auf jeden Kondensator dieselbe Ladungsmenge DQ geflossen sein.
Medium 1 Medium 2 Q
U1
U
U2
Bild III-12 Beispiel Plattenkondensator Die Flußdichte muß in beiden Materialien gleich sein, da beide Platten des Kondensators die gleiche Ladung tragen.
As Q 2 , 5 ⋅ 10 −6 As = = 27 , 8 ⋅ 10 −6 2 A 900 ⋅ 10 − 4 m 2 m As 27 , 8 ⋅ 10 −6 2 D1 V V m E1 = = = 826 ⋅ 10 3 = 826 As e0 er 1 m mm 8, 854 ⋅ 10 −12 ⋅ 3, 8 Vm As 27 , 8 ⋅ 10 −6 2 D2 V V m = E2 = = 668 ⋅ 10 3 = 668 As e0 er 2 m mm 8, 854 ⋅ 10 −12 ⋅ 4, 7 Vm V U 1 = E 1 ⋅ d 1 = 826 ⋅ 0 , 3 mm = 248 V ; mm D1 = D2 =
U 2 = 668
V ⋅ 0 , 5 mm = 334 V mm
Beispiel: Ein Koaxialkabel enthält nach Bild III-13 zwei Isola-
tionsschichten mit er1 = 3 und er2 = 2, einen Innenleiter mit dem Radius r1 = 5 mm, einen Außenleiter mit r3 = 15 mm. Der Radius r2 ist 7,5 mm. Wie groß ist die Kapazität des Kabels je km Leitungslänge?
C1 C2 U
U
Bild III-14 Kondensatorschaltungen DQ1 = DQ2 = Q
(III.43)
U = U1 + U 2
(III.44)
U U 1 1 = 1 , = 2 Q C1 Q C2
(III.45)
U U1 + U 2 U1 U 2 = = + Q Q Q Q
(III.46)
1 1 1 = + C ges C 1 C 2
(III.47)
Reihenschaltung
1 C ges
n
=∑
i =1
1 Ci
(III.48)
3.2.2 Parallelschaltung Sind zwei Kondensatoren parallel geschaltet, liegt an beiden die Spannung U. Für die während des Ladens aus der Spannungsquelle entnommene Ladung DQ gilt jetzt
er1 er2
DQ = DQ1 + DQ2 r1 r2 r3
Bild III-13 Beispiel Koaxialkabel
(III.49)
Da die Kondensatoren zu Beginn nicht geladen waren (Qv = 0), gilt DQ1 = Qn − Qv = Q
(III.50)
III Das Elektrische Feld
271
Q Q1 + Q2 Q1 Q2 = = + U U U U
(III.51)
C ges = C 1 + C 2
(III.52)
werden die Kondensatoren in geladenem Zustand von den Spannungsquellen getrennt und der Schalter S geschlossen (C2 = 3 nF und C3 = 6 nF). Auf welche Spannungen werden die einzelnen Kondensatoren aufgeladen? Die Spannungen an den einzelnen Kondensatoren vor Schließen des Schalters werden mit U* bezeichnet, nach Umladen werden die Spannungen mit U benannt. Für die einzelnen Spannungen gilt DUi = Ui – U*i . Die Ladungsmenge, die vom Kondensator C1 fließt, muß sowohl C2 als auch C3 aufladen. Außerdem gilt die Maschenregel.
n
Parallelschaltung C ges = ∑ C i
(III.53)
i =1
3.2.3 Gemischte Schaltungen Beispiel: Die Gesamtkapazität der Schaltung nach Bild III-15 mit
den Werten C1 = 80 pF, C2 = 20 pF, C3 = 200 pF, C4 = 100 pF soll berechnet werden.
C1
C2
C1
B C2
U2*
C3
C3
A
Bild III-17 Beispiel Umladungsvorgänge ohne Spannungsquelle
C4 DU i = U i − U *i ;
Bild III-15 Beispiel Berechnung der Gesamtkapazität
U1 − U 2 − U 3 = 0 ;
Kondensatoren sind zunächst nicht aufgeladen. Welche Ladungen und welche Teilspannungen haben die Kondensatoren nach Schließen des Schalters S (C1 = 300 nF, C2 = 200 nF, C3 = 400 nF, U = 120 V)?
C 1 ⋅ U 1 + C 2 ⋅ U 2 = C 1 ⋅ U *1 + C 2 ⋅ U *2 ;
C 1 ⋅ U 1 + C 3 ⋅ U 3 = C 1 ⋅ U 1* + C 3 ⋅ U 3* Zahlenwerte:
Die Ladungsmenge, die durch C1 fließt, muß auch durch die Parallelkombination fließen. Es lassen sich folgende Gleichungen aufstellen
U1 − U 2 − U 3 = 0 ;
8U 1 + 3U 2 = 8 ⋅ 150 V + 3 ⋅ 50 V ;
8U 1 + 6U 3 = 8 ⋅ 150 V Dieses Gleichungssystem hat die Lösungen
C2
U 1 = 130 V ;
S
− C 1 ⋅ DU 1 = C 3 ⋅ DU 3
Hieraus lassen sich für die drei gesuchten Spannungen für den allgemeinen Fall, daß die Kondensatoren 2 und 3 vor dem Umladungsprozess schon aufgeladen sind, die drei Gleichungen ableiten:
Beispiel: Die in der Schaltung nach Bild III-16 vorhandenen
C3
DQ1 = DQ 2 = DQ 3 ;
− C 1 ⋅ DU 1 = C 2 ⋅ DU 2 ;
Die linke Gruppe ergibt 100 pF, die rechte Gruppe 300 pF. Die 100 ⋅ 300 Gesamtkapazität ist dann C ges = pF = 75 pF . 100 + 300
C1
S
U1*
U 2 = 103, 33 V ;
U 3 = 26 , 67 V .
3.3 Energie des elektrostatischen Feldes Bild III-16 Beispiel Umladungsvorgänge mit Spannungsquelle
U
In einem aufgeladenen Kondensator ist eine bestimmte Energie gespeichert. Die Größe der gespeicherte Energie kann durch die Formel
DW = u Dq U = U 1 + U 23 ;
DQ1 = DQ 2 + DQ 3 ;
C1U 1 = C 2 U 23 + C 3 U 23 = U 23 ( C 2 + C 3 ) ; U 23 = U 1
U1 =
C1 C1 C1 ⎞ ⎛ = U1 ⎜ 1 + ; U = U1 + U1 ⎟; ⎝ C2 + C3 C2 + C3 C2 + C3 ⎠
(III.54)
bestimmt werden. Q
W
120 V U = = 80 V C1 300 1+ 1+ 200 + 400 C2 + C3
U
U 2 = U − U 1 = 120 V − 80 V = 40 V ; Q1 = C 1U 1 = 300 ⋅ 10 −9 F ⋅ 80 V = 24 ⋅ 10 −6 As ; Q 2 = C 2 U 23 = 200 ⋅ 10 −9 F ⋅ 40 V = 8 ⋅ 10 −6 As ; Q 3 = C 3 U 23 = 400 ⋅ 10 −9 F ⋅ 40 V = 16 ⋅ 10 −6 As Beispiel: Der Kondensator C1 = 8 nF ist zunächst mit einer
Spannungsquelle von U = 150 V verbunden, C2 ist in gleicher Richtung auf 50 V aufgeladen, C3 ist ungeladen. Anschließend
Bild III-18 Energie im elektrischen Feld
Mit u ist die zeitlich veränderliche Spannung am Kondensator gemeint. Die Ladung q und die Spannung u sind aber nicht unabhängig voneinander, sondern über Gleichung (III.29) verbunden. Energie eines Kondensators Q
Q
q 1 Q2 1 dq = = CU 2 2 C 2 0C
W = ∫ udq = ∫ 0
(III.55)
272
Grundlagen der Elektrotechnik
Grafisch ist die Energie, die bei einer Spannung U und der damit im Kondensator vorhandenen Ladung Q gespeichert ist, durch die schraffierte Dreiecksfläche in Bild III-18 gegeben. W=
1 1 QU = CU 2 2 2
(III.56)
Die im Kondensator gespeicherte Energie befindet sich nicht auf den Elektroden, sondern ist im elektrischen Feld zwischen den Kondensatorplatten gespeichert. Ein wichtiger Begriff ist die Energie pro Volumen, die Energiedichte. Zur Berechnung wird die in einem bestimmten Volumen vorhandene Energie durch das Volumenelement dividiert. DW Energiedichte w = DV
(III.57)
Für einen Plattenkondensator läßt sich diese Größe unter Verwendung oben abgeleiteter Formeln einfach berechnen.
W=
1 1 e0 er A CU 2 = ( Ed ) 2 2 2 d
(III.58)
1 1 W = e 0 e r E 2 Ad = e 0 e r E 2 V 2 2
(III.59)
1 Energiedichte w = ED 2
1 1 e 0 e r E 2 = ED 2 2
(III.61)
Soll in einem beliebigen inhomogenem Feld die Energiedichte berechnet werden, muß das Integral bestimmt werden.
V
1 ∫ EDdV 2V
R
folgt, daß der Strom dann kleiner werden muß. Wegen i=
du dQ =C C dt dt
wird die zeitliche Änderung von uC ebenfalls kleiner. U = u c + RC
(III.65)
−t ⎛ ⎞ Laden eines Kondensators u C = U ⎜ 1 − e RC ⎟ (III.66) ⎝ ⎠
Der Kondensator lädt sich auf die Endspannung U auf. Der Strom nimmt ab. −t
Ladestrom i = I 0 ⋅ e RC
(III.67)
uC
63%
0
t
t
Bild III-20 Spannung am Kondensator i I0
37%
t
t
Bild III-21 Ladestrom
Der Strom I0 ist der Strom zu Beginn des Ladevorganges, also zur Zeit t = 0. Er ist bestimmt durch
i
I0 =
U
du dt
Wird zum Zeitpunkt t = 0 der Schalter S geschlossen, hat diese Differentialgleichung die Lösungsfunktion
0
uC S
(III.64)
(III.62)
3.4 Laden und Entladen eines Kondensators C1
(III.63)
(III.60)
Gleichung (III.60) gilt in dieser Form nicht nur im homogenen Feld, sondern für konstantes er allgemein. Energiedichte
W = ∫ wdV =
Maschenregel U = u C + iR
U
Das Volumen des elektrischen Feldes im Kondensator ist V = Ad. Mit D = e0erE gilt
w = ∫ EdD = ∫ e 0 e r EdE =
damit die Kondensatorspannung uC als Funktion der Zeit. Aus der
Bild III-19 Laden eines Kondensators
Wenn ein Kondensator nach Bild III-19 über einen Widerstand aufgeladen wird, vergrößert sich die Ladungsmenge auf den Kondensatorplatten und
U R
(III.68)
Das Produkt RC hat die Dimension einer Zeit und wird Zeitkonstante genannt. Zeitkonstante t R C V As t = RC (III.69) s =WF W= F= A V
III Das Elektrische Feld
273
Diese Größe gibt an, nach welcher Zeit die Spannung auf den Wert 1 – e–1 = 63% angestiegen ist, bzw. nach welcher Zeit der Strom auf den Wert e –1 = 37% gefallen ist. Der Wert für t kann aus der grafischen Darstellung der Kondensatorspannung ermittelt werden. Er ergibt sich als Schnittpunkt der Tangente an die Spannungskurve zur Zeit t = 0 mit der gestrichelt gezeichneten horizontalen Geraden U (Bild III-20). Beim Entladen eines Kondensators über einen ohmschen Widerstand R nimmt die Kondensatorspannung im Lauf der Zeit ab; der fließende Strom ebenfalls. Ist der Kondensator zu Beginn auf die Spannung U aufgeladen, nimmt diese Spannung ab. Entladen eines Kondensators −t
u C = U e RC = U e
−t t
3.5 RC-Reihenschaltung u
i
t0
t
uR t
i uR t
(III.70)
−t
Strom i = I 0 ⋅ e RC
(III.71)
i
Die in Bild III-21 dargestellte Kurve gilt in dieser Form für den Strom beim Laden und Entladen und für die Kondensatorspannung beim Entladen eines Kondensators.
uR
Beispiel: In der Schaltung nach Bild III-22 wird der Kondensator
C = 100 mF über den Widerstand R1 = 2 kW aufgeladen (R2 = 1 kW, UA = 100 V).
a) Auf welche Endspannung lädt sich der Kondensator auf? b) Wie groß ist die Spannung am Kondensator nach einer Zeit von 30 ms? Die Spannungsquelle und die beiden Widerstände können als Ersatzspannungsquelle mit Innenwiderstand aufgefaßt werden. Die Spannung, die den Kondensator auflädt, ergibt sich aus
U = UA
R2 . R1 + R2
(III.72)
R1 UA
R2 S
C
Bild III-22 Beispiel Aufladen eines Kondensators
t
Bild III-23 Differenzieren Legt man an eine RC-Reihenschaltung einen Rechteck-Impuls an, wird der Kondensator im gleichen Takt aufgeladen und entladen. Ist die Zeitkonstante t ungefähr so groß wie die Impulsdauer t0, kann der Kondensator nicht vollständig aufgeladen werden. Der Ladestrom, und damit auch die Spannung am ohmschen Widerstand, hat einen Verlauf wie in Bild III-23 oben. Die Zeitkonstante nimmt von oben nach unten ab. Je kleiner die Zeitkonstante τ gegenüber der Impulsdauer t0 wird, desto schneller fällt die Spannung uR auf 0 ab. Im Grenzfall entstehen Nadelimpulse. Wird das Rechtecksignal mathematisch differenziert, entsteht das gleiche Funktionsbild. Deshalb spricht man in diesem Fall auch von einem Differenzierglied. u
Der Innenwiderstand der Ersatzspannungsquelle ist
Ri =
R1 R 2 . R1 + R 2
(III.73)
uC
t0
t
Mit Gleichung (III.66) gilt
uC = U A mit
−t ⎞ R2 ⎛ ⎜1− e t ⎟ R1 + R 2 ⎝ ⎠
(III.74)
uC
t = Ri C
(III.75)
1 kW a) Endspannung U = 100 V = 33, 33 V 3 kW 1⋅ 2 2 kW = kW ; b) R i = 1+ 2 3
t
uC
t
2 t = ⋅ 10 3 W ⋅ 100 ⋅ 10 −6 F = 66,7 ms; 3
−30ms ⎛ ⎞ u30ms = 33,33 ⎜ 1 − e 66,7ms ⎟ = 12,07 V ⎜ ⎟ ⎝ ⎠
t
Bild III-24 Integrieren
274
Grundlagen der Elektrotechnik
Die Spannung uC am Kondensator ist im Bild III-24 aufgetragen. Die Zeitkonstante t wird hier von oben nach unten immer größer. Bei sehr großem Wert von t
wird der Kondensator nahezu linear aufgeladen. Dies entspricht dem mathematischen Vorgang des Integrierens. Die Schaltung stellt jetzt ein Integrierglied dar.
IV Das Magnetische Feld Neben den elektrischen Kräften und Feldern gibt es in der Natur auch magnetische Kräfte und Felder. Jede sich bewegende elektrische Ladung erzeugt ein magnetisches Feld. Jedes magnetische Feld wird durch bewegte Ladungen erzeugt. Diese Aussage gilt für Elektromagnete und Dauermagnete. Fließt durch Elektromagnete ein Strom, ist damit eine Bewegung von Ladungen verbunden. In Dauermagneten sind die bewegten Ladungen die Elektronen, die immer um die Atomkerne kreisen und somit Kreisströme hervorrufen. Außerdem rotieren alle Elektronen um die eigene Achse. Diese Bewegung wird Spin genannt und erzeugt ebenfalls magnetische Felder. In vielen Stoffen heben sich die von den einzelnen Elektronen erzeugten Magnetfelder gegenseitig auf; in Dauermagneten nicht.
1 Feldlinien
1.2 Stromdurchflossene Leiter S
N
I Leiter
Bild IV-2 Magnetfeld um einen Leiter
1.1 Dauermagnet Wie beim elektrischen Feld wird auch das Magnetfeld durch Feldlinien dargestellt. Wenn eine drehbar gelagerte Magnetnadel um einen Dauermagneten herumgeführt wird, stellt sie sich parallel zu den Feldlinien ein. Verbindet man alle Stellungen tangential, erhält man das Feldlinienbild eines Dauermagneten (Bild IV-1). N
Sind zwei Magnete vorhanden, ziehen sich ungleiche Pole an. Die magnetischen Feldlinien werden mit Richtungspfeilen versehen. Ihre Richtung ist willkürlich festgelegt. Im Außenraum eines Dauermagneten verlaufen sie vom Nordpol zum Südpol. Da die Feldlinien immer geschlossen sind, verlaufen sie im Inneren eines Dauermagneten vom Südpol zum Nordpol.
S
Bild IV-1 Dauermagnet Wird ein Dauermagnet geteilt, haben beide Teile dieselben magnetischen Eigenschaften wie der Ausgangsmagnet. Es gibt also, im Gegensatz zu den elektrischen Ladungen, keine einzelne magnetische Pole, sondern nur Dipole. Magnetische Feldlinien sind daher grundsätzlich geschlossene Linien. Die magnetischen Pole werden aus historischen Gründen Nord- und Südpol genannt. Auch die Erde besitzt ein Magnetfeld. Eine Magnetnadel wird sich auch hier parallel zu den Feldlinien einstellen. Der Pol der Nadel, der in die geographische Nordrichtung zeigt, heißt Nordpol.
Bringt man eine Magnetnadel in die Nähe eines stromdurchflossenen Leiters und führt sie um den Leiter herum, dann ergibt die tangentiale Verbindung aller Einstellungen Kreise, in deren Zentrum der Leiter liegt. Die technische Stromrichtung ist durch das Kreuz angegeben, sie zeigt in die Zeichenebene hinein. Die Richtung der Feldlinien kann durch die Rechtsschrauben-Regel beschrieben werden. Dreht man eine rechtsgängige Schraube so, daß sie sich in der technischen Stromrichtung weiterbewegt, ist die Richtung der magnetischen Feldlinien durch die Drehrichtung gegeben. Diese Richtung läßt sich auch mit Hilfe der rechten Hand bestimmen. Der Daumen der rechten Hand wird in Richtung der technischen Stromrichtung gehalten. Die gekrümmten Finger zeigen dann die Richtung der Magnetfeldlinien an.
1.3 Stromdurchflossene Spule Wenn stärkere Magnetfelder erzeugt werden sollen, werden Spulen verwendet. Wird ein Leiter auf einen zylindrischen Spulenkörper gewickelt, erhält man eine Zylinderspule. Jeder Leiter erzeugt ein Magnetfeld. Zwischen den Leitern heben sich die von den
IV Das Magnetische Feld
N
275 östlicher Länge in der Antarktis (Bild IV-5). Die Abweichung des Erdmagnetfeldes von der geographischen Nord-Süd-Richtung ist die Deklination; sie ist abhängig vom Ort auf der Erde. In Deutschland beträgt diese Abweichung etwa 2° in westlicher Richtung. Die Feldlinien verlaufen – bis auf die Äquatorgegend – nicht parallel zur Erdoberfläche. Die Neigung zur Horizontalen wird Inklination genannt.
S
N
Bild IV-3 Zylinderspule einzelnen Leitern erzeugten Felder gegenseitig auf. Im Außenraum und im Inneren der Spule addieren sich die einzelnen Beiträge zum Gesamtfeld. Das in der Mitte der Spule entstehende Feld ist dann die Vektorsumme aller einzelnen Felder. In der Mitte der Zylinderspule kann das Feld bei großer Spulenlänge als homogen angesehen werden. Im Außenraum ist das Feldlinienbild gleich dem eines Dauermagneten. Man kann einer Zylinderspule somit auch einen Nordpol und einen Südpol zuordnen.
r
A
Bild IV-4 Ringspule
Wird der zylindrische Spulenkörper zu einem Kreis gebogen, entsteht eine Ringspule. Das hier aus der Überlagerung aller einzelnen Magnetfelder entstehende resultierende Feld hat die Eigenschaft, nur im Inneren des Spulenkerns vorhanden zu sein. Es gibt keine Stelle, an der die Feldlinien, die ja geschlossene Linien darstellen, austreten können.
1.4 Magnetfeld der Erde Die Erde besitzt ein Magnetfeld. Eine Magnetnadel zeigt in die Richtung zum magnetischen Pol. Da der Nordpol der Magnetnadel in die geographische Nordrichtung zeigt, andererseits aber zum magnetischen Südpol weist, liegt der magnetische Südpol auf der Nordhalbkugel. Er befindet sich bei ungefähr 74° nördlicher Breite und 100° westlicher Länge nordwestlich von Nordgrönland. Der magnetische Nordpol auf der Südhalbkugel liegt nicht genau gegenüber. Er liegt bei ungefähr 72° südlicher Breite und 155°
Äquator
S
Bild IV-5 Magnetfeld der Erde Das Magnetfeld der Erde ist nicht so symmetrisch, wie in Bild IV-5 dargestellt. Durch Satellitenmessungen ist bekannt, daß das Magnetfeld durch den Sonnenwind stark deformiert wird. Der Sonnenwind besteht aus Wasserstoff- und Heliumionen sowie aus Elektronen. Diese Teilchen treffen mit einigen 100 km/s die Erde. Dadurch wird das Magnetfeld auf der Tagseite stark zusammengedrückt, auf der Nachtseite der Erde wird das Magnetfeld zu einem langen Schweif deformiert, der bis über die Mondbahn hinaus geht. Die Ursache für das Erdmagnetfeld ist nicht genau bekannt. Wahrscheinlich rührt es von der Bewegung des ionisierten flüssigen Erdkerns her. Das Erdmagnetfeld ist in seiner Stärke und seiner Richtung nicht konstant. Vor etwa 4 Millionen Jahren war die Polarität entgegengesetzt. Dies kann aus der Richtung der Magnetisierung in alten Gesteinen festgestellt werden.
2 Magnetische Grundgrößen 2.1 Feldstärke Bringt man in die Nähe eines stromdurchflossenen Leiters eine Magnetnadel und stellt sie senkrecht zur Richtung der Feldlinien, die wie konzentrische Kreise um den Leiter liegen, so wird die Nadel durch die Wechselwirkung mit dem Magnetfeld in Richtung der Magnetlinien gedreht. Es wird also ein Drehmoment M ausgeübt. Die Größe von M ist ein Maß für die Stärke des Magnetfeldes. Dieses wird mit H bezeichnet M∼H
(IV.1)
276
Grundlagen der Elektrotechnik H ⋅ 2p r = I
(IV.9)
Feld um einen Leiter H =
r H
I 2p r
(IV.10)
Beispiel: Ein massiver Kupferleiter ist nach Bild IV-7 von einem Kupferrohr umschlossen. Diese Anordnung dient als Hin- und Rückleitung. In beiden Leitern fließt der gleiche Strom I = 100 A. Wie groß ist die Feldstärke als Funktion des Abstandes vom Mittelpunkt?
Bild IV-6 Magnetfeld um einen Leiter
I
Erhöht man den Strom I im Leiter, erhöht sich auch das Drehmoment und somit die Feldstärke H∼I
r2
r1
r3
(IV.2)
Werden n Leiter verwendet, hängt die Stärke des Drehmomentes von allen Strömen ab: n
H ∼ ∑ Ii
(IV.3)
H
i =1
Die Summe aller Ströme, die von einer geschlossenen Feldlinie umgeben sind, ist die Durchflutung. n
Q I A A
Durchflutung Q = ∑ I i i =1
(IV.4)
Zur Berechnung von Feldstärken kann das Durchflutungsgesetz benutzt werden. Ist die Feldstärke nicht konstant, gilt für die Durchflutung: Θ = (IV.5) Ú Hds
Durchflutungsgesetz
Bild IV-7 Beispiel Magnetfeld um konzentrische Doppelleiter
n
Ú Hds = Â I
i
(IV.6)
i =1
Für den Sonderfall einer konstanten Feldstärke ist
Zunächst wird der Bereich 0 < r < r1 betrachtet. Die Stromdichte S ist überall konstant. Stromdichte
S1 =
n
∑ Ii = H ⋅l .
(IV.7)
i =1
Der Weg l muß dabei geschlossen sein. Zur Berechnung des Feldes in einer Ringspule nach Bild IV-4 wird der mittlere Radius r gewählt. Der geschlossene Weg ist dann l = 2pr und es gilt:
Feld in einer Ringspule H =
r2 r3 r
r1
IN 2p r
(IV.8)
Dieses Feld ist nicht konstant, sondern fällt nach außen mit 1/r ab. Ist jedoch der mittlere Radius groß gegenüber dem Windungsdurchmesser d, kann H innerhalb des Ringquerschnittes als konstant angenommen werden. Ein weiteres Beispiel für die Anwendung von Gleichung (IV.6) ist die Berechnung des Magnetfeldes um einen geraden stromdurchflossenen Leiter. Das Magnetfeld ist auf Kreisbahnen um den Leiter konstant. Der nach dem Durchflutungsgesetz geforderte geschlossene Weg mit konstanter Feldstärke muß gleich dem Umfang eines Kreises sein. Es fließt nur ein Strom I. Nach Gleichung (IV.6) gilt
I ; p ⋅ r12
Durchflutung Q = S 1 ⋅ pr 2 Das Feld in einem beliebigen Abstand r wird mit dem Durchflutungsgesetz berechnet.
H=
S ⋅ pr 2 Q I ⋅ pr 2 Ir = 1 = = 2 pr 2 pr pr12 2 pr 2 pr12
(IV.11)
H nimmt linear mit r zu. Für r = r1 ist die Grenze dieses Bereiches erreicht. H1 =
100 A I A = = 1591 m 2 pr1 2 p ⋅ 0,01 m
Im Bereich r1 < r < r2 kommt kein weiterer Strom hinzu, die Durchflutung bleibt konstant (Q = I). H nimmt nach Gleichung (IV.10) mit 1/r ab bis zum Wert H2 =
100 A I A . = = 795 m 2 pr2 2 p ⋅ 0 , 02 m
Im Bereich r2 < r < r3 nimmt die Durchflutung wieder ab. Q = Q1 − I
H=
p ( r 2 − r22 )
(IV.12)
p ( r32 − r22 )
( (
r 2 - r22 1 Ê ◊ÁI - I 2 2 2π r ÁË r3 - r2
) ˆ˜ ) ˜¯
(IV.13)
IV Das Magnetische Feld
277
Für Abstände r > r3 ist die Feldstärke H = 0. Die Abhängigkeit der Feldstärke vom Abstand ist in Bild IV-7 unten aufgetragen. Soll das Feld in einer Zylinderspule berechnet werden, ist kein geschlossener Weg zu finden, auf dem die Feldstärke konstant ist. Der für die Berechnung notwendige geschlossene Weg wird in einzelne Stücke aufgeteilt. Auf diesen ist entweder H konstant, oder Beiträge von verschiedenen Wegelementen kompensieren sich. Wird der Umlaufweg nach Bild IV-8 gelegt, gilt für die einzelnen Wegabschnitte:
Das Gesetz, nach dem Magnetfelder bei beliebiger Leitergeometrie zu berechnen sind, ist das BiotSavartsche Gesetz. Jedes Teilstück ds eines stromdurchflossenen Leiters, durch den der Strom I fließt, trägt zum Feld in einem beliebigen Punkt P bei. Der Beitrag eines Teilstückes ds im Punkt Q ist I ⋅ ds Biot-Savartsche Gesetz dH = sin a (IV.19) 4 pr 2
4
I
Bild IV-9 Biot Savartsches Gesetz
∞
a l2
2
3
P 1 l1
Bild IV-8 Feld in einer Spule Auf dem Teilstück 1 ist das Feld konstant und gleich dem gesuchten Feld, H = const. Alle Beiträge, die auf dem Teilstück 2 entstehen, werden durch entgegengesetzte Beiträge auf dem Teilstück 3 kompensiert. Das Teilstück 4 ist soweit entfernt gedacht, daß dort H = 0 gilt. Das Wegintegral aus Gleichung (IV.6) ergibt dann H 1 ⋅ l1 + H 2 ⋅ l 2 + H 3 ⋅ l 3 + H 4 ⋅ l 4 = H 1 ⋅ l1
(IV.14)
Wird die Windungszahl mit N bezeichnet, so ist die Durchflutung Q = NI
Feld in einer Zylinderspule
H=
Q NI = l l
H Rand =
NI 2 l2 + d2
H Mitte =
NI l +d2
Um das gesamte Feld im Punkt P zu bestimmen, müssen alle einzelnen Beiträge zusammengefaßt werden. Ist ein Leiter zum Beispiel zu einem Kreis gebogen, läßt sich das Magnetfeld genau im Mittelpunkt mit Gleichung (IV.19) berechnen. Für jedes Leiterelement ds gilt a = 90° und sin a = 1. Der Abstand zum Punkt P (Zentrum) ist überall gleich. Die Gesamtlänge der Strombahn ist 2pr. Zentrum eines Kreisstromes I ◊ 2π r I (IV.20) = 4π r 2 2r Für einen Punkt P auf der Mittelpunktsachse ist die Berechnung etwas komplizierter. I (IV.21) H= sin 3 b 2R H= Ú dH =
(IV.15)
R ,r = R2 + l 2 r Achse eines Kreisstromes
(IV.16)
H=
In den Randbereichen der Spule ist allerdings das Feld H1 nicht konstant. Damit Gleichung (IV.16) trotzdem angewendet werden kann, muß die Spulenlänge groß sein gegenüber dem Durchmesser der Spule. Ist diese Bedingung nicht erfüllt, liegt also eine kurze Spule vor, ist das Feld nicht homogen und muß auf andere Weise ausgerechnet werden. Der Durchmesser der Spulenwicklung ist d, die Länge l. kurze Zylinderspule
Q
r
mit sin b =
IR 2 2
(
R2 + l 2
)
(IV.22)
3
I
H
ds
r
Bild IV-10 Feld im Zentrum eines Kreisstromes
(IV.17)
2
r
(IV.18)
Wenn l >> d ist, kann d im Nenner von Gleichung (IV.17) vernachlässigt werden und es folgt Gleichung (IV.16).
R
b l
P
Bild IV-11 Feld auf der Achse eines Kreisstromes
278
Grundlagen der Elektrotechnik
Beispiel: Zwei parallel stromdurchflossene Leiter mit einem
Abstand von a = 45 mm führen nach Bild IV-12 die Ströme I1 = 90 A, I2 = 70 A. Der angegebene Punkt P ist von den Leitern b = 50 mm, c = 30 mm entfernt. Wie groß ist die Feldstärke im Punkt P? Welche Richtung hat sie zur Verbindungslinie der beiden Leiter?
A B I1
I2
a g a P
b H1
U e
H2
Bild IV-13 Spannungsstoß
H
t
Bild IV-12 Beispiel Magnetfeld von 2 Leitern Die von den einzelnen Strömen erzeugten Magnetfelder stehen senkrecht auf den jeweiligen Verbindungslinien zum Punkt P. Die Beträge berechnen sich nach Gleichung (IV.10).
H1 =
90 A A = 286 , 5 ; 2 p ⋅ 0 , 05 m m
H2 =
70 A A = 371, 4 2 p ⋅ 0 , 03 m m
Diese Komponenten können im entsprechenden Maßstab unter dem richtigen Winkel gezeichnet werden. Das resultierende Feld A kann aus der Zeichnung abgelesen werden zu H = 350 . Der m gesuchte Winkel kann ebenfalls abgelesen werden: e = 56°. Soll die Lösung rechnerisch gefunden werden, müssen zunächst die Winkel im Dreieck PI1I2 berechnet werden. Dies kann durch die Anwendung von Sinus- und Kosinussatz erfolgen.
Wird der Fluß auf eine Flächeneinheit bezogen, ergibt sich die Flußdichte B. Flußdichte B =
B f A Vs T = 2 Vs m 2 m
f An
Die Einheit ist 1 Tesla. A
An B a
Bild IV-14 Magnetischer Fluß
a2 + b2 − c2 cos g = = 0 , 805 ; 2 ab g = 36 , 37 ;
a = 62 , 73 ,
b = 80 , 9
Der Winkel zwischen H1 und H2 ist 180 – a = 117,3°, für die resultierende Feldstärke H gilt
H = 286 , 5 2 + 371, 4 2 − 2 ⋅ 286 , 5 ⋅ 371, 4 ⋅ cos 62 , 73
A A = 350 m m
Für den Winkel zwischen H und H2 gilt sin j =
286 , 5 ⋅ sin 62 , 73 ; 350
2.2 Fluß, Flußdichte Die Gesamtheit aller Feldlinien nennt man den magnetischen Fluß F. Diese Größe kann gemessen werden, indem eine geschlossene Leiterschleife aus dem Magnetfeld herausgezogen wird. Während der Bewegung der Leiterschleife entsteht zwischen den Punkten A und B eine zeitlich veränderliche Spannung. Die Fläche unter der Spannungskurve wird als Spannungsstoß bezeichnet (Bild IV-13). Dieser Spannungsstoß wird proportional zur Flußänderung Df durch die Leiterschleife gesetzt. Der magnetische Fluß wird in Weber (Wb) gemessen. f U t Wb = Vs V s
Die Fläche An ist dabei die vom Magnetfeld durchsetzte Fläche. Steht das Magnetfeld nicht senkrecht auf der Fläche, gilt nach Bild IV-14 A n = A ⋅ cos a
(IV.25)
Zwischen der magnetischen Flußdichte und der magnetischen Feldstärke gilt im Vakuum die Beziehung (IV.26) B = m0 ⋅ H
j = 46 , 7 .
e = ( 90 − 80 , 94 ) + 46 , 7 = 55, 76
Fluß f = ∫ udt
(IV.24)
(IV.23)
Die Konstante m0 ist die magnetische Feldkonstante oder auch Permeabilität des Vakuums. magnetische Feldkonstante Vs (IV.27) m 0 = 4 p ⋅ 10 − 7 Am Beispiel: Eine lange Zylinderspule wird von einem Strom I
durchflossen. Wie groß sind das magnetische Feld und die Flußdichte im Inneren der Spule (N = 1000, I = 5 A, l = 1 m)?
H=
NI 1000 ⋅ 5 A A = = 5000 ; l 1m m
B = m 0 H = 4 p ⋅ 10 −7
Vs A ⋅ 5000 = 6 , 28 ⋅ 10 −3 T Am m
Die elektrische Feldkonstante und die magnetische Feldkonstante bestimmen die Ausbreitung von elektromagnetischen Wellen im Vakuum.
IV Das Magnetische Feld
279
3 Kräfte im Magnetfeld 3.1 Kräfte auf bewegliche Ladungsträger
Die drei Vektoren v , B und F stehen alle senkrecht aufeinander. Bewegt sich ein Elektron (negative Ladung) in einem Magnetfeld nach Bild IV-16, stehen die Feldlinien immer senkrecht auf dem Vektor der Geschwindigkeit des Elektrons. Damit muß auch die Kraft immer senkrecht auf der Geschwindigkeit stehen. Der Kraftvektor liegt immer in der Zeichenebene. Die Bewegung des Elektrons unter dem Einfluß einer zu jedem Zeitpunkt senkrecht stehenden Kraft ist eine Kreisbahn. Die Kraft ist dann zum Mittelpunkt gerichtet, die Richtung der momentanen Geschwindigkeit ist die Tangente an den Kreis. Der Radius der Kreisbahn ergibt sich aus der Überlegung, daß die Zentrifugalkraft gleich der Lorentzkraft ist.
Im Gegensatz zu elektrischen Feldern, in denen auf Ladungen immer eine Kraft ausgeübt wird, werden im Magnetfeld Kräfte nur auf bewegte Ladungen ausgeübt. Sie dürfen sich dabei nicht parallel zu den magnetischen Feldlinien bewegen.
mv 2 = e 0 vB r mv r= e0 B
Lorentzkraft FL = qvB ⋅sin j
3.2 Stromdurchflossener Leiter
Ausbreitungsgeschwindigkeit c =
1 e0 m0
(IV.28)
Für die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum gilt entsprechend der SI Definition (s. Physik I.2) m c = 299792458 . Somit läßt sich hieraus die Elekts rische Feldkonstante bestimmen zu 1 As ε0 = 2 = 8,8541878 ⋅ 10 −12 (IV.29) c ⋅ μ0 Vm
(IV.30)
(IV.31) (IV.32)
v f
S B
F
B
Bild IV-15 Lorentzkraft
F
N I
Der Winkel j ergibt sich aus der Richtung der Geschwindigkeit v und der Richtung des Magnetfeldes B. Mit dieser Gleichung läßt sich nur der Betrag der Lorentzkraft berechnen. Die Richtung kann mit Hilfe der Drei-Finger-Regel der rechten Hand bestimmt werden. Die drei Finger werden rechtwinklig zueinander gestellt. Der Daumen zeigt in Richtung der Geschwindigkeit, der Zeigefinger in Richtung des Magnetfeldes und der Mittelfinger bei positiver Ladung in Richtung der Kraft; bei negativer Ladung entgegengesetzt zur Kraft. B v
F r
Bild IV-16 Kreisbahn unter dem Einfluß der Lorentzkraft
B
I F
Bild IV-17 Kraft auf Leiter im Magnetfeld
Auch in einem stromdurchflossenen Leiter werden Ladungen bewegt. Bringt man diesen Leiter in ein äußeres Magnetfeld, wird auch hier eine Kraft auf die Ladungen und damit auf den Leiter ausgeübt. Da die Ladungen negativ sind und die technische Stromrichtung der tatsächlichen Richtung der Elektronenbewegung entgegengesetzt ist, heben sich beide negativen Vorzeichen auf. Die Richtung der Kraft kann mit der Drei-Finger-Regel bestimmt werden. Zeigt der Daumen in Stromrichtung und der Zeigefinger in Richtung des Magnetfeldes, dann gibt der Mittelfinger die Kraftrichtung an.
Die Ermittlung der Kraftrichtung ist auch unter dem Namen Motorregel bekannt. Hier wird allerdings die linke Hand benutzt. Sie wird so in das Magnetfeld gehalten, daß die magnetischen Feldlinien in die Innenfläche der linken Hand eintreten und die Fingerspitzen in Stromrichtung zeigen. Der abgespreizte Daumen zeigt dann die Kraftrichtung an. Das Magnetfeld des Dauermagneten und das durch den Strom im Leiter erzeugte Magnetfeld überlagern
280
Grundlagen der Elektrotechnik S
F
N
Bild IV-18 Resultierendes Feld um einen Leiter sich. Auf der linken Seite von Bild IV-18 sind das durch den stromführenden Leiter und das durch den Dauermagneten erzeugte Feld gezeichnet, rechts das daraus entstehende resultierende Feld. Die Richtung der Kraft auf den Leiter ist aus diesem Feldlinienbild zu entnehmen. Die Kraft ist immer zu kleineren Feldstärken, also zu weiter auseinander liegenden Feldlinien, gerichtet. Die Größe der Kraft hängt neben der Flußdichte B und der Stromstärke I auch noch von der Länge des Leiters l im Magnetfeld und vom Winkel, den der Leiter mit den Magnetfeldlinien einschließt, ab. Dies folgt direkt aus Gleichung (IV.30). Kraft im Magnetfeld F = lIB sin j
(IV.33)
ment, das versucht, die Schleifenfläche senkrecht zu den Magnetfeldlinien zu stellen. Die rechteckige Leiterschleife und das Magnetfeld sind in Bild IV-19 dargestellt. Die Kantenlänge b liegt parallel zum Feld B, daher wird auf diesen Teil des Leiters keine Kraft ausgeübt. Auf die Rechteckseiten der Länge a wirken gleichgroße, entgegengesetzte Kräfte F = IBa. Die Schleife dreht sich um die Achse bei b/2. Drehmoment b (IV.36) M = 2⋅ I ⋅ B⋅a⋅ = I ⋅ B⋅a⋅b = I ⋅ B⋅ A 2 magnetisches Moment m =
Befindet sich ein stromführender Leiter in einem Magnetfeld, welches durch einen anderen Leiter hervorgerufen wird, muß auf den Leiter ebenfalls eine Kraft ausgeübt werden. Das Magnetfeld am Ort von Leiter 2 ist nach Gleichung (IV.10) und Bild IV-20: H1 =
I1 2p d
F21
F12
H2
H1 I1
3.3 Magnetisches Moment
a
I
b
(IV.38) d
(IV.34)
In einem äußeren Magnetfeld wird auf einen weiteren Magneten ein Drehmoment ausgeübt. Eine Magnetnadel wird sich in Richtung der Feldlinien einstellen. Der Quotient aus Drehmoment und Flußdichte wird magnetisches Moment genannt. magnetisches Moment m M B M Vs m = (IV.35) 2 Am Nm = VAs B m2
(IV.37)
3.4 Kräfte zwischen zwei parallelen Leitern
Die Kraft wirkt immer senkrecht zu der Fläche, die durch das Magnetfeld und die Stromrichtung definiert wird. Sind Leiter und Magnetfeld senkrecht zueinander, dann ist die Kraft F = lIB
M = I⋅A B
I2
Bild IV-20 Kräfte zwischen zwei Leitern Mit Gleichung (IV.34) gilt für die Kraft auf den Leiter 2, die durch das Magnetfeld des Leiters 1 hervorgerufen wird: F12 = m 0 H 1 I 2 l =
m0 I1 I 2 l 2p d
(IV.39)
Die Richtung dieser Kraft kann nach der RechteHand-Regel bestimmt werden und ist in Bild IV-20 eingezeichnet. Durch das Magnetfeld des Leiter 2 wird am Ort des Leiters 1 ein Magnetfeld H2 =
I2 2p d
(IV.40)
erzeugt. Hierdurch wird nach der gleichen Überlegung die Kraft B
Bild IV-19 Leiterschleife im Magnetfeld Das magnetische Moment ist ein Vektor, der vom Süd- zum Nordpol zeigt. Eine vom Strom durchflossene Spule erfährt in einem Magnetfeld ein Drehmo-
F21 = m 0 H 2 I 1l =
m0 I 2 I 1l 2p d
(IV.41)
ausgeübt. Die Beträge sind gleich, die Richtungen entgegengesetzt. Es gilt die Aussage: Zwei parallele vom Strom in gleichen Richtungen durchflossene Leiter ziehen sich an.
IV Das Magnetische Feld
281
Die von beiden Strömen hervorgerufenen Magnetfelder überlagern sich. F
F
vx =
I I = neA nebd
(IV.45)
1 dIB ⋅ = RH ne bd RH 1 Hall-Koeffizient R H = m3 ne As
F
Hallspannung U H =
IB b n e 1 As m3
⋅
(IV.46)
(IV.47)
y
F
z x b UH
d B
Bild IV-21 Feldlinien um zwei Leiter
I
Zwischen den beiden Leitern sind die Richtungen der Feldlinien entgegengesetzt, das resultierende Feld wird hier geschwächt. Sind beide Ströme gleich groß, verschwindet das Feld genau in der Mitte. Die Kraft wirkt in Richtung des schwächeren Magnetfeldes. Die beiden Leiter ziehen sich also an. Sind die Stromrichtungen in beiden Leitern entgegengesetzt, wird das resultierende Feld zwischen den Leitern verstärkt. Die Kräfte sind jetzt so gerichtet, daß sich beide Leiter abstoßen. Zwei parallele vom Strom in entgegengesetzten Richtungen durchflossene Leiter stoßen sich ab.
3.5 Hall-Effekt Wird ein leitendes Plättchen in ein senkrecht zu seiner Oberfläche stehendes Magnetfeld gebracht und eine Spannungsquelle nach Bild IV-22 angeschlossen, fließt im Plättchen ein Strom in der angegebenen Richtung. Auf diese bewegten Ladungsträger wird durch das senkrecht zur Bewegungsrichtung stehende Magnetfeld die Lorentzkraft nach Gleichung (IV.30) ausgeübt. Bei der angegebenen Anordnung wird auf die Ladungsträger eine solche Kraft ausgeübt, daß die negativen Ladungsträger zur Oberseite des Plättchens abgelenkt werden und somit an der Unterseite ein Überschuß an positiven Ladungen entsteht. Durch die Ladungstrennung wird ein elektrisches Feld zwischen Ober- und Unterseite aufgebaut. Es entsteht die Hallspannung UH. Im Gleichgewicht sind die Lorentzkraft und die durch das elektrische Feld auf die Ladungen wirkende Kraft entgegengesetzt gleich groß. FLy = − ev x Bz
Fel = − eE = − e
(IV.42)
UH d
U H = d v x Bz
Mit Gleichung (I.9) ist
(IV.43) (IV.44)
Bild IV-22 Hall-Effekt Tabelle IV-1 Hall-Koeffizienten
Werkstoff
R H /10 −11
Cu
–5.5
Al
–3.6
Ag
–9.0
Au
–7.5
Cd
+ 6.0
Sn
+ 14.0
InAs
–10–7
m3 As
Durch Messung dieser Größe können die Ladungsträgerdichte und die Art des Leitungsmechanismus (Elektronen oder Löcherleitung) bestimmt werden. Sind die Ladungsträger Elektronen, ist der HallKoeffizient negativ; bei Löcherleitung ist er positiv. Da die Hallspannung direkt proportional zur Flußdichte B ist, werden Hall-Sonden zur Messung von Magnetfeldern verwendet. Bei bekannter Geometrie und bekanntem und konstantem Strom durch die Hallsonde ist die Hallspannung proportional zum Magnetfeld. Eine weitere Anwendung findet der Hallgenerator in der Meßtechnik. Er wird dann eingesetzt, wenn das Produkt zweier Größen gemessen werden soll. In Bild IV-23 ist die Prinzip-Schaltung angegeben. Der Strom IH wird durch die Verbraucherspannung U festgelegt. Dabei muß dieser Strom klein gegen den Strom durch den Verbraucher gehalten werden. Dies wird durch den geeigneten Vorwiderstand RV erreicht. Der Strom durch den Verbraucher wird durch
282
Grundlagen der Elektrotechnik RV
U
dia
IH
UH
R
N
S para
I
Bild IV-24 Messung der Suszeptibilität B
Bild IV-23 Hallgenerator
Die magnetische Suszeptibilität kann gemessen werden, indem der zu untersuchende Stoff in ein inhomogenes Magnetfeld gebracht wird. Stoffe mit negativer Suszeptibilität werden zu Orten geringerer Feldstärke herausgedrückt, Stoffe mit positiver Suszeptibilität zu Orten größerer Feldstärke gezogen.
eine in Reihe geschaltete Spule geschickt, die das für den Halleffekt erforderliche Magnetfeld erzeugt. Die Hallspannung ist proportional zum Produkt aus Strom und Spannung des Verbrauchers, also auch zu seiner Leistung
Die magnetische Polarisation gibt die Änderung der magnetischen Flußdichte an. Die Änderung der magnetischen Feldstärke wird durch die Magnetisierung M beschrieben.
UH ∼ IH ⋅ B ∼ U ⋅ I ∼ P .
Magnetisierung M = H M − H 0
(IV.56)
B M = M − H0 m0
(IV.57)
M = m r H 0 − H 0 = ( m r − 1) H 0
(IV.58)
M = cM H0
(IV.59)
4 Energie des Magnetfeldes
Polarisation J = m 0 M
(IV.60)
Analog zu Gleichung (III.61) gilt im Falle eines Magnetfeldes für die Energiedichte
Die Magnetisierung ist bei vielen Stoffen proportional zur magnetischen Feldstärke H und somit ist für diese Stoffe cM konstant. Ausnahme hiervon bilden die nichtlinearen magnetischen Werkstoffe, wie z.B. die ferromagnetischen Werkstoffe. Nach ihrem Verhalten in Magnetfeldern werden Werkstoffe in die in der Tabelle IV-2 aufgeführten Hauptklassen eingeteilt.
(IV.48)
Der Hallgenerator ist im Prinzip eine Multiplizierschaltung für zwei Ströme. Zur Leistungsmessung muß ein Strom als Meßgröße an Stelle der Verbraucherspannung genommen werden.
Energiedichte w = ∫ HdB
(IV.49)
Wenn der Zusammenhang zwischen Flußdichte B und Feldstärke H nicht linear ist, kann dieses Integral nicht in einfacher Weise berechnet werden.
Tabelle IV-2 Einteilung magnetischer Werkstoffe
5 Materie im Magnetfeld Wird Materie in ein magnetisches Feld gebracht, ändert sich, analog zur Materie im elektrischen Feld, die Flußdichte B. Diese Änderung wird relativ zur Flußdichte im Vakuum angegeben. relative Permeabilität Induktionsflußdichte
mr =
BM BM = m0 H 0 B0
(IV.50)
B M = m r B0 = m r m 0 H 0 (IV.51)
Die dimensionslose Zahl mr ist die relative magnetische Feldkonstante oder relative Permeabilität. Die durch die Materie zusätzlich hervorgerufene Flußdichte ist die magnetische Polarisation
J = B M − B0
J = ( m r − 1) B 0 = ( m r − 1) m 0 H 0
magnetische Suszeptibilität J = c M B0 = c M m 0 H 0
c M = ( mr − 1)
(IV.52) (IV.53) (IV.54) (IV.55)
diamr < 1 , c M < 0 magnetisch
−10 −4 < c M < −10 −9
paramr > 1, c M > 0 magnetisch
10 −6 < c M < 10 −2
ferromr >> 1, c M >> 1 mr > 500 magnetisch Das unterschiedliche Verhalten der Materie im Magnetfeld ist auf die Elektronenstruktur und die damit verbundenen magnetischen Momente zurückzuführen. Jedes Elektron erzeugt durch seine Bewegung magnetische Momente. Es gibt zwei unterschiedliche Bewegungen der Elektronen, die magnetische Momente erzeugen. Zum einen ist es die Bewegung um den Atomkern. Hierdurch wird das magnetische Bahnmoment erzeugt. Zum anderen rotiert das Elektron um seine eigene Achse. Diese Rotation wird Spin genannt. Durch diese Rotation entsteht das
IV Das Magnetische Feld
283
magnetische Spinmoment. In jedem Stoff liegt eine Überlagerung von Bahnmoment und Spinmoment vor. Die Magnetisierung M ergibt sich als Summe aller magnetischen Momente. Ein auf einer Kreisbahn um den Atomkern kreisendes Elektron kann als kreisförmiger Strom betrachtet werden, da Ladung transportiert wird. Bei einer Umlaufzeit T ist dieser Kreisstrom I =
e0 we0 = 2p T
we0 p r 2 e0 w r 2 m B = IA = = 2p 2
(IV.62)
In der Quantenmechanik der Physik wird gezeigt, daß die Beziehung h m el w r 2 = 2p
(IV.63)
gilt, mit der Naturkonstanten h, dem Planckschen Wirkungsquant und der Elektronenmasse mel. Gleichung (IV.62) kann hiermit umgeformt werden zu
m B = 9, 274 ⋅ 10 −24 Am 2
e0 h 4 p m el
(IV.64) (IV.65)
Je nach Anordnung und Eigenschaften der magnetischen Momente in der Materie reagiert diese in unterschiedlicher Weise auf äußere Magnetfelder.
5.1 Diamagnetismus Der Diamagnetismus ist bei allen Stoffen vorhanden, aber bei bestimmten Konfigurationen der magnetischen Momente der einzelnen Atome wird er von anderen magnetischen Eigenschaften überdeckt. Zu beobachten ist der Diamagnetismus bei allen Stoffen mit abgeschlossenen Elektronenschalen. Ohne äußeres Magnetfeld kompensieren sich die magnetischen Momente aller Elektronen eines Atoms. Unter dem Einfluß eines äußeren Feldes führen die Momente, analog zur Bewegung eines Kreisels, Präzessionsbewegungen aus. Dies ist eine Bewegung, die ein rotierender Körper durchführt, an dem eine äußere Kraft angreift. Der Körper weicht senkrecht zur Kraftrichtung aus. Unter dem Einfluß des Magnetfeldes B laufen die Spitzen der einzelnen magnetischen Momente auf Kreisbahnen um die Richtung von B. Hierdurch entsteht ein zusätzliches Moment, welches der Richtung des äußeren Feldes entgegengesetzt ist und es schwächt. Somit muß die Suszeptibilität negativ sein. Der Diamagnetismus wird also durch das äußere Feld induziert. Die Suszeptibilität diamagnetischer Stoffe ist nicht temperaturabhängig.
Bild IV-25 Ursache des Diamagnetismus
m
(IV.61)
Das magnetische Moment dieses Kreisstromes ist nach Gleichung (IV.37): magnetisches Moment
Bohrsches Magneton m B =
B
Tabelle IV-3 Suszeptibilität von diamagnetischen Stoffen Material
cM
N2 (gasförmig)
−6. 75 ⋅ 10 −9
Bi
−1.5 ⋅ 10 −4
Au
−2. 9 ⋅ 10 −5
Cu
−1 ⋅ 10 −5
Wasser
−7 ⋅ 10 −6
5.2 Paramagnetismus Diese Stoffe haben normalerweise eine ungerade Anzahl von Elektronen, oder die Elektronenschalen sind nicht gefüllt. Somit verbleibt für jedes Atom ein resultierendes magnetisches Moment. Ohne äußeres Magnetfeld sind alle diese einzelnen Momente statistisch in alle Richtungen verteilt und das resultierende Moment verschwindet. Unter dem Einfluß eines äußeren Magnetfeldes richten sich die atomaren Momente in Feldrichtung aus und verstärken das Magnetfeld. Die Suszeptibilität ist daher positiv. Da die thermische Bewegung der Atome, und damit auch die der atomaren Momente, mit steigender Temperatur zunimmt, wird dieser Ordnungszustand der Momente im äußeren Feld bei höherer Temperatur schlechter. Daher muß die Suszeptibilität von der Temperatur abhängig sein. C Curie-Gesetz c M = (IV.66) T Die Größe C heißt Curie-Konstante und ist materialabhängig. Tabelle IV-4 Suszeptibilität von paramagnetischen Stoffen
Material
cM
O2 (flüssig)
3.6 ⋅ 10 −3
O2 (gasförmig)
1.5 ⋅ 10 −6
Pt
2.5 ⋅ 10 −4
Al
2. 4 ⋅ 10 −5
284
Grundlagen der Elektrotechnik
5.3 Ferromagnetismus
5.3.1 Magnetisierungskurve Hysterese J, E
Ferromagnetische Stoffe haben, wie paramagnetische Materialien, ein resultierendes magnetisches Moment pro Atom. Durch gegenseitige Kräfte stellt sich ein Zustand ein, bei dem in größeren Bereichen ohne äußeres Magnetfeld alle Momente in einer Richtung ausgerichtet sind. Diese Bereiche, die nach ihrem Entdecker benannten Weißschen Bezirke, können Durchmesser bis zu 1 mm haben. Die Wände, die diese Bezirke trennen, sind die Bloch-Wände. Ohne äußeres Feld sind die Momente der einzelnen Bezirke statistisch verteilt, der Werkstoff ist dann nach außen unmagnetisch.
BS III
BR Neukurve
II I
HC
H
Bild IV-27 Hysterese Diese komplizierten Vorgänge verlaufen nicht linear mit steigender Feldstärke, daher ist auch die Magnetisierungskurve keine Gerade. Üblicherweise wird nicht die Magnetisierung M aufgetragen, sondern die Polarisation J oder die Flußdichte B. Da für diese Stoffe mr >> 1 ist: c M ≈ mr und J ≈ B (IV.67)
H
H
H
Bild IV-26 Weißsche Bezirke Wird ein solches Material in ein Magnetfeld gebracht und dieses langsam vergrößert, geschieht die Magnetisierung des Materials in mehreren Schritten. Zunächst werden sich die Bezirke, deren Momente in etwa in Richtung des Magnetfeldes liegen, vergrößern. Es werden also die Wände zwischen den Weißschen Bezirken verschoben. Bei kleinen Feldstärken ist dieser Vorgang reversibel (Bereich I in Bild IV27), bei Abschalten des Feldes werden die Verschiebungen rückgängig gemacht. Wird die Feldstärke weiter vergrößert, werden diese Wandverschiebungen irreversibel (Bereich II). Werden die Feldstärken noch größer, so werden schließlich alle Momente der einzelnen Bezirke gedreht, bis sie in der Endstellung parallel zum angelegten Magnetfeld liegen (Bereich III). Die Magnetisierung hat jetzt ihren Sättigungswert Ms erreicht.
Wird die Feldstärke nach Erreichen der Sättigungsmagnetisierung verringert, verläuft die Magnetisierungskurve auf einem anderen Weg, da die Vorgänge teilweise irreversibel sind. Wird das Magnetfeld umgepolt und dann wieder bis zur Sättigung magnetisiert, erhält man die in Bild IV-27 aufgezeigte Kurve. Aus dieser Hysteresekurve lassen sich folgende Größen ablesen: Die verbleibende Flußdichte bei abgeschaltetem Magnetfeld wird als Remanenzflußdichte oder Remanenz Br bezeichnet. Sie ist ein Maß für die Stärke von Dauermagneten. Die magnetische Feldstärke, die notwendig ist, um den Stoff zu entmagnetisieren (Wert B = 0 einzustellen), wird als Koerzitivfeldstärke Hc bezeichnet. Wird ein Stoff magnetisiert, muß hierzu Energie aufgewendet werden. Diese Energie wird für die Verschiebung der Wände und die Drehung der Momente aufgewendet. w = ∫ HdB = ∫ Hm 0 m r ( H ) dH
(IV.68)
Da die relative Permeabilität keine Konstante und der mathematische Zusammenhang nicht genau bekannt ist, kann dieses Integral normalerweise nicht berechnet werden. Die Bestimmung der aufzuwendenden Energie pro Volumeneinheit bis zu einer bestimmten Magnetisierung kann grafisch geschehen, indem die schraffierte Fläche in Bild IV-28 bestimmt wird. J, B
Bild IV-28 Magnetisierungsenergie H
IV Das Magnetische Feld
285
Da bei einem vollen Durchlauf der Hysteresekurve in Bereichen, in denen der Werkstoff entmagnetisiert wird, Energie frei wird, ist die gesamte pro Volumeneinheit benötigte Energie bei einem vollen Durchlauf der Kurve aus der Fläche der Hysteresekurve zu entnehmen (Bild IV-29).
J, B
H J, B
J, B BP
ΔB2
P ΔH2
ΔB1
H
ΔH1
HP
H
Bild IV-31 Bestimmung der Permeabilität Bild IV-29 Ummagnetisierungsverluste w = °冮 HdB = AHysterese
(IV.69)
Magnetische Werkstoffe werden in magnetisch harte und magnetisch weiche Materialien unterteilt. Magnetisch harte Werkstoffe besitzen eine große Fläche, und damit bei gleicher Remanenz eine große Koerzitivfeldstärke, magnetisch weiche Stoffe eine kleine Hysteresefläche (siehe Bild IV-30).
31 unten), erhält man für jede Feldstärke nur einen Wert. Dieser Wert ist nicht konstant, sondern von H abhängig. Bestimmt wird mr für die Feldstärke HP, indem vom Nullpunkt eine Gerade zum Punkt P auf der Neukurve gezeichnet wird und dann DB1 und DH1 abgelesen werden. Hieraus wird mr berechnet. relative Permeabilität mr =
1 DB1 m 0 DH1
(IV.70)
mr
J, B weich
hart
H
Bild IV-30 harte und weiche Werkstoffe 5.3.2 Verlauf der Permeabilität Die relative Permeabilität mr ist durch Gleichung (IV.50) definiert. Ihr Wert kann aus der Hysteresekurve bestimmt werden. Hierzu wird der 1. Quadrant der Magnetisierungskurve betrachtet. Bei vorgegebener Feldstärke H wird die zugehörige Flußdichte B abgelesen und dann mit Gleichung (IV.50) mr berechnet. Wie aus Bild IV-31 oben zu entnehmen ist, sind bei einer Feldstärke bis zu drei verschiedene Flußdichten möglich. Daher kann es auch drei verschiedene Werte für die relative Permeabilität geben. Die relative Permeabilität ist von der magnetischen Vorgeschichte des Werkstoffes abhängig. Wird die Bestimmung an der Neukurve vorgenommen (Bild IV-
ma
H
Bild IV-32 Verlauf der Permeabilität Der prinzipielle Verlauf ist in Bild IV-32 dargestellt. Ausgehend von einem Anfangswert ma durchläuft die Kurve ein Maximum. Die Werte für ma liegen im Bereich von einigen Hundert bis zu einigen Tausend. Für manche Überlegungen ist es notwendig, nicht die relative Permeabilität, sondern eine Größe zu verwenden, die aus der Steigung der Kurve bestimmt wird. Dies wird differentielle Permeabilität md genannt. Im Punkt P wird die Tangente an die Hysteresekurve gezeichnet und deren Steigung nach Bild IV31 unten durch DB2 und DH2 bestimmt. differentielle Permeabilität
md =
1 DB2 m0 DH 2
(IV.71)
5.3.3 Temperaturabhängigkeit Grundlage für die ferromagnetischen Eigenschaften ist die Ausrichtung der magnetischen Momente in den Weißschen Bezirken. Diese Ausrichtung wird als spontane Magnetisierung bezeichnet. Eine solche
286
Grundlagen der Elektrotechnik
Ausrichtung wird durch die thermische Energie beeinflußt. Je höher die Temperatur, desto größer ist die thermische Bewegung, und desto geringer wird der Ordnungsgrad sein. Bei Überschreitung einer kritischen Temperatur werden die Weißschen Bezirke zerstört und der Werkstoff wird paramagnetisch. Als Maß für diesen Ordnungsgrad dient der Sättigungswert der Magnetisierung oder der Polarisation. Die Temperaturabhängigkeit von Js ist in Bild IV-33 gezeigt. Js(T)/Js(0) 1
0
1
T /T c
Bild IV-33 Sättigungsmagnetisierung
Aufgetragen sind relative Sättigungswerte, bezogen auf den Wert bei 0 K als Funktion der Temperatur, bezogen auf die kritische Temperatur TC. Diese kritische Temperatur ist die Curie-Temperatur. Für Temperaturen oberhalb der Curie-Temperatur gilt für die Suszeptibilität das C Curie-Weißsche Gesetz c M = (IV.72) T − TC Die Curie-Temperaturen einiger Stoffe sind in Tabelle IV-5 aufgeführt. Tabelle IV-5 Curie-Temperatur und Sättigungspolarisation Werkstoff
TC/K
J s (0)
Gd
289
2.54
Ni
631
0.64
Fe
1042
2.18
Co
1400
1.81
Vs m2
5.4 Antiferromagnetismus
a
b
c
Bild IV-34 Magnetische Stoffe a) ferro b) antiferro c) ferri Voraussetzung für die ferromagnetischen Eigenschaften sind die Weißschen Bezirke mit den parallel eingestellten magnetischen Momenten (Bild IV-34a). Unter bestimmten Bedingungen stellen sich in einigen Werkstoffen die Momente nicht parallel, sondern antiparallel ein (Bild IV-34b). Für diese Stoffe gilt wie für die Ferromagnetika, daß sie sich oberhalb einer kritischen Temperatur, der Néel-Temperatur TN, paramagnetisch verhalten, da die Ordnung der Momente durch die höhere Temperatur zerstört wird. Unterhalb der Néel-Temperatur sind diese Stoffe schwach magnetisch, da sich die Momente gegenseitig kompensieren. Typische Substanzen sind MnO, NiO, CoO, CrF3, FeO.
5.5 Ferrimagnetismus In ferrimagnetischen Stoffen sind die Momente ebenfalls antiparallel eingestellt. Im Gegensatz zu den antiferromagnetischen Stoffen sind sie hier nicht gleich groß (Bild IV-34c). Die Ferrite haben große technische Bedeutung, sowohl als weichmagnetische, als auch als dauermagnetische Werkstoffe. Sie sind keine Metalle, sondern Ionenkristalle. Im Vergleich zu Metallen (r ≈ 10–7 W m) haben sie einen wesentlich größeren spezifischen Widerstand (1 < r < 103 W m). Daher treten kaum Wirbelströme auf. Ferrite werden als Spulenkerne für Anwendungen bei hohen Frequenzen eingesetzt. Die Abhängigkeit der spontanen Magnetisierung von der Temperatur ist sehr kompliziert und kann durchaus für die einzelnen Werkstoffe unterschiedlich sein. Auch diese Stoffe werden oberhalb der ferrimagnetischen Curie-Temperatur paramagnetisch. Typische Werkstoffe sind MeO ⋅ Fe2O3, (Me = Fe, Co, Ni).
5.3.4 Magnetostriktion
6 Magnetische Kreise
Durch die Verschiebung der Bloch-Wände bei der Magnetisierung von ferromagnetischen Stoffen kann eine Längenänderung des Werkstückes auftreten. Es kommen sowohl Verlängerungen, positive Magnetostriktion, als auch Verkürzungen, negative Magnetostriktion, vor. Die relativen Längenänderungen sind Dl ≈ 4 ⋅ 10 − 5 ⎞⎟ . Technische Anwendung sehr klein ⎛⎜ ⎝ l ⎠ findet dieser Effekt bei der Erzeugung von Ultraschall bis zu einer Frequenz bis zu ungefähr 60 kHz.
Manchmal ist es zur Berechnung der Kombinationen von magnetischen Bauteilen hilfreich, formale Analogien zu elektrischen Schaltungen herzustellen. Dazu werden eine magnetische Spannung und ein magnetischer Widerstand eingeführt.
6.1 Magnetische Spannung In Analogie zur elektrischen Spannung nach Gleichung (III.8) kann man auch in magnetischen Kreisen eine magnetische Spannung definieren. Sie hat dann
IV Das Magnetische Feld
287 A
die gleiche formale Struktur wie die elektrische Spannung. Die Spannung zwischen den Punkten 1 und 2 ist die magnetische Spannung. magnetische Spannung V12 = ∫ Hds
I
2
l
(IV.73)
N
1
Die Addition aller Teilspannungen ergibt die magnetische Umlaufspannung (IV.74) V = °冮 H ⋅ dl = NI Dieser Ausdruck ist aber im Durchflutungsgesetz nach Gleichung (IV.6) aufgetreten. Q=V
Bild IV-35 Spule mit Eisenkern
(IV.75) B T
6.2 Magnetischer Widerstand Der magnetische Fluß in einem konstanten Magnetfeld einer Ringspule ist f = BA = m0 mr HA = m0 mr NI = V = f
IN A l
l m0 mr A
(IV.76)
l m0 mr A
1.5 BE 1.0
(IV.77)
In Analogie zu Gleichung (I.14) wird ein magnetischer Widerstand definiert. Magnetischer Widerstand Rm =
o
Rm l m0 A A Vs m m2 Vs Am
magnetischer Leitwert
m m A 1 L= = 0 r Rm l
0.5
0.1 HE 500
1000
1500
(IV.78)
H A/m
Bild IV-36 Magnetisierungskurve von Eisen (IV.79)
Das Produkt m0mr kann als magnetische Leitfähigkeit gedeutet werden. Die relative Permeabilität ist ein Maß dafür, magnetische Feldlinien zu leiten. Der formal gleiche Aufbau der Formeln für elektrische und magnetische Größen hat aber nur den Zweck, den Umgang mit magnetischen Größen zu vereinfachen. Es werden völlig andere Größen miteinander verglichen.
(mr Fe ≈ 2000), verläuft der in der Spule erzeugte magnetische Fluß fast vollständig im Eisenkern, obwohl die felderzeugende Spule nur an einer Stelle um den Eisenkern liegt. Der Fluß im Eisenkern ist daher überall gleich groß. Der Strom I durch die IN . Zu diesem Spule erzeugt das Magnetfeld H E = l Magnetfeld kann aus der Magnetisierungskurve die zugehörige Flußdichte BE abgelesen werden. A
6.3 Unverzweigte Kreise Ein unverzweigter magnetischer Kreis kann formal behandelt werden wie eine elektrische Masche
∑ V = Q = NI
I
lE N
(IV.80)
Ein oft benutzter magnetischer Kreis ist der geschlossenen Eisenkern ohne Luftspalt, wie er in Bild IV-35 gezeichnet ist. Der Eisenkern hat längs des Umlaufweges l überall den gleichen Querschnitt A. Abweichungen in den Ecken werden vernachlässigt. Die Neukurve ist in Bild IV-36 gegeben. Die Windungszahl der verwendeten Spule ist N. Da die relative Permeabilität von Eisen sehr viel größer ist als die von Luft
d
lL
o
Bild IV-37 Spule mit Luftspalt Wird nun in den Eisenkern ein Luftspalt der Breite d geschnitten (Bild IV-37), sind analog zur Maschenre-
288
Grundlagen der Elektrotechnik
gel zwei magnetische Spannungen zu addieren. Der magnetische Gesamtwiderstand ist gleich der Summe der Einzelwiderstände. Da der Luftspalt als sehr klein angenommen wird, ist der magnetische Fluß im Eisen und im Spalt gleich. Nach Gleichung (IV.77) ist f ⎛ lE lL ⎞ (IV.81) NI = + ⎟ ⎜ m0 A ⎝ mr 1⎠ NI = H E l E + H L l L
HL =
(IV.82)
BE m0
B T 1.5 BS 1.0 BE
0.5
(IV.83)
NI = H E l E +
0.1
BE lL m0
(IV.84)
HE
1000 HS 1500
500
Beispiel: Ein Ringkern mit der in Bild IV-36 angegebenen
Magnetisierungskurve hat eine mittlere Länge von l = 35 cm und eine Querschnittsfläche von A = 4 cm2. Die verwendete Spule hat eine Windungszahl von N = 200. a) Welche Stromstärke I wird benötigt, um einen Fluß von f = 4.4 ⋅ 10–4 Wb zu erzeugen? b) in den Kern wird ein Luftspalt von 0.3 mm geschnitten. Welche Stromstärke wird jetzt benötigt? f 4. 4 ⋅ 10 −4 Wb a) B E = = = 1.1 T A 4 ⋅ 10 -4 m 2 Aus der Magnetisierungskurve wird zu diesem B-Wert ein Feld A H E = 400 abgelesen. Hierzu wird ein Strom von m A 400 ⋅ 0 , 35 m H l m I= E = = 0 , 7 A benötigt. N 200
Bild IV-38 Einfluß des Luftspaltes Beispiel: Wie groß ist die Feldstärke und die Flußdichte in einem
Eisenkern mit 0.3 mm Luftspalt und einer mittleren Länge von 24 cm, wenn durch eine Spule mit 150 Windungen ein Strom von 2 A fließt?
HS =
BS =
Vs Am
= 8, 75 ⋅ 10 5
Nach Gleichung (IV.82) ist I L = IL =
6.4 Verzweigte Kreise Die Berechnung kann analog zu den Überlegungen in elektrischen Kreisen durchgeführt werden.
HElE + H LlL ; N
( 400 ⋅ 0 , 35 + 8,75 ⋅ 10 5 ⋅ 3 ⋅ 10 −4 ) A 200
A . m
n
Knotenregel ∑ fi = 0 n
Die Schnittpunkte dieser Geraden mit den Koordinatenachsen berechnen sich nach NI (IV.86) Schnittpunkte H S = lE m 0 NI
(IV.88)
i =1
= 2 , 01 A
Ist hingegen bei einer Spule mit Luftspalt die Durchflutung gegeben und nach dem magnetischen Feld gefragt, kann dies Problem nur grafisch gelöst werden, da die mathematische Form der Magnetisierungskurve nicht bekannt ist. Ausgehend von Gleichung (IV.84) ist zu sehen, daß das Feld im Eisen linear mit zunehmender Breite des Luftspaltes abnimmt. B H E l E = NI − E l L (IV.85) m0
BS =
Vs ⋅ 2 A ⋅ 150 Am = 1, 256 T −4 3 ⋅ 10 m
4 p ⋅ 10 −7
Maschenregel Q = ∑ H i l i
(IV.89)
i =1
Beispiel: Im mittleren Steg II des Transformatorkernes nach
Bild IV-39 soll ein Fluß von f2 = 1,6 ⋅ 10–3 Wb erzeugt werden. Auf Steg I befindet sich eine Spule mit 150 Windungen. Welcher Strom muß durch die Spule fließen? Die Magnetisierungskurve ist durch Bild IV-38 gegeben.
l1
l2
l3
40
1,1 T 4 p ⋅ 10 −7
200
BE = m0
2 A ⋅ 150 A = 1250 0 , 24 m m
Diese Werte und die Gerade werden in Bild IV-38 eingetragen. Die Koordinaten des Schnittpunktes mit der MagnetisierungskurA und B E = 0 , 97 T. ve sind H E = 280 m
b) BE und HE werden wie unter a) bestimmt. Das Feld im Luftspalt ist
HL =
H A/m
I 40
II
III
80
160
(IV.87)
lL Die Schnittpunkte dieser „Luftspaltgeraden“ mit der Magnetisierungskurve ergeben die gesuchten Werte für HE und BE.
360
Bild IV-39 verzweigter Kreis
40
V Induktion
289
Aus der Zeichnung lassen sich folgende geometrische Größen bestimmen:
l1 = 40 cm, l 2 = 16 cm, l 3 = 56 cm, A = 1, 6 ⋅ 10 −3 m 2 . Da sich die Spule nur auf dem Steg I befindet, sind die magnetischen Spannungen der beiden Zweige II und III gleich H 2l2 = H 3l3 ;
f 1, 6 ⋅ 10 −3 Wb B2 = 2 = = 1T . A 1, 6 ⋅ 10 − 3 m 2
Hierzu gehört nach Bild IV-38 H 2 = 300
A ; m
H3 =
f3 = B 3 A = 6 , 4 ⋅ 10
B1 =
f1 = 1, 4 T ; A
−4
H2l2 A = 85, 7 ; l3 m
Wb ;
B3 = 0 , 4 T ;
f1 = f2 + f3 = 2 , 24 ⋅ 10 −3 Wb ;
H 1 = 1100
A ; m
NI = H 1 l 1 + H 2 l 2 = 488 A ; I 1 = 3, 25 A
Tabelle IV-6 Analogie elektrischer-magnetischer Kreis elektrischer Kreis
magnetischer Kreis
Ursache
elektrische Spannung U; [U] = 1 V
magnetische Spannung Q = 冖 Hds = NI ; [ Q ] = 1A
Wirkung
Strom I; [I] = 1 A
Fluß f ; [ f] = 1Wb = 1Vs
Ohmsches Gesetz
R=
U I
Rm =
Q f
Widerstand
R=
l ; [ R ] = 1W cA
Rm =
A l ; [ Rm ] = 1 Wb m0 mr A
Leitfähigkeit
χ; [ c ] = 1
A Vm
m0 mr ; [ m0 mr ] = 1
Wb Vs =1 Am Am
V Induktion Eine der wichtigsten Erscheinungen für die Elektrotechnik ist die Induktion. Faraday erkannte im Jahr 1831, daß jede zeitliche Änderung des magnetischen Flusses in einer Leiterschleife eine Spannung hervorruft, die Spannung induziert. Ursache der Induktion ist die Lorentzkraft.
B
l
FL U
Find
v
1 Induktion bei Änderung der Fläche Bei der Bewegung eines Leiters in einem Magnetfeld senkrecht zu der Richtung der Feldlinien wird auf die Elektronen eine Kraft ausgeübt. Die Kraft ist bei den in Bild V-1 angegebenen Richtungen der Geschwindigkeit v und des Magnetfeldes B so, daß die Elektronen zum hinteren Teil des Leiters bewegt werden.
Bild V-1 Änderung der Fläche durch Bewegung des Leiters Im Bild V-1 ist die Lorentzkraft auf negative Ladungen eingezeichnet. Diese Trennung erfolgt solange, bis das elektrostatische Gegenfeld und die da-
290
Grundlagen der Elektrotechnik
durch erzeugte Kraft Find sich aufheben. Für die Beträge gilt Find = FL
(V.1)
e 0 vB = e 0 E ind =
Die durch Bewegung von Magneten oder Leitern erzeugten Induktionsströme haben eine solche Richtung, daß ihr Magnetfeld der Bewegung entgegengesetzt wirkt. B
u ind l
1
vB = E ind
I
(V.3)
u ind = vBl
(V.4)
Wenn auf die Größen uind, v, B die rechte Handregel angewendet wird, (v in Daumen, B in Zeigefinger und uind in Mittelfingerrichtung nach Bild V-2), ist: Induzierte Spannung u ind = − vBl Δs
B
(V.5) ZF
1 v
uind
Hind
(V.2)
D
MF l ZF
D
2
uind
I
Bild V-4 Lenzsche Regel
2
Es muß also bei der Bewegung Arbeit geleistet werden. Das Magnetfeld stand bei der bisherigen Betrachtung senkrecht zur Fläche. Ist dies nicht der Fall, wird der Fluß durch den Flächenanteil, der senkrecht zum Magnetfeld steht, bestimmt. Eine Flußänderung kann auch durch Rotation einer Leiterschleife nach Bild V-5 bewirkt werden. Die Schleife dreht sich mit der Winkelgeschwindigkeit w. l
MF
ΔA
v Find
v
Bild V-2 Bewegter Leiter im Magnetfeld Bei der betrachteten Bewegung des Leiters wird die Fläche um das Stück vergrößert
DA = l ⋅ Ds = l ⋅ v ⋅ D t
(V.6)
Flußänderung Df = B ⋅ DA = B ⋅ l ⋅ v ⋅ Dt
(V.7)
induzierte Spannung u ind = −
Df Dt
(V.8)
Wird die Leiterschleife in Bild V-2 zwischen den Punkten 1 und 2 durch einen Widerstand verbunden, fließt ein Strom. Hierfür kann das in Bild V-3 dargestellte Ersatzschaltbild verwendet werden. 1
I
uq
vt b
b
B
B
Bild V-5 Rotation einer Leiterschleife
Momentaner Fluß t f = B ⋅ A ⋅ cos w t Daraus resultiert eine induzierte Spannung u ind = −
df = B ⋅ A ⋅ w ⋅ sin w t dt
Bild V-3 Induktion als Ersatzspannungsquelle Der Strom, der in Bild V-2 durch den Leiter fließt, erzeugt selbst wieder ein Magnetfeld. Die Richtung dieses induzierten Feldes ist so, daß auf den Leiter eine Kraft ausgeübt wird, die die Bewegung des Leiters hemmt (Bild V-4). Das wird als Lenzsche Regel bezeichnet.
(V.10)
Wechselspannung u = u ⋅ sin wt
(V.11)
Scheitelspannung u = B ⋅ A ⋅ w
(V.12)
Wird nicht nur eine Schleife, sondern eine Spule mit N Windungen gedreht, ist die
Scheitelspannung u = N ⋅ B ⋅ A ⋅ w 2
(V.9)
(V.13)
Beispiel: Ein in Richtung Ost-West liegender Metallstab von 2 m
Länge fällt aus 15 m Höhe zu Boden. Welche Spannung wird durch das Erdmagnetfeld induziert, wenn der Stab den Boden erreicht (BErde = 20 mT)?
v=
2 gh =
2 ⋅ 9, 81 ⋅ 15
u ind = vBl = 17 ,16
m m = 17 ,16 ; s s
m ⋅ 20 ⋅ 10 −6 T ⋅ 2 m = 0 , 68 mV s
Beispiel: Eine quadratische Spule mit der Kantenlänge a = 5 cm
und N1 = 50 Windungen rotiert mit n = 250 min–1 um ihre Sym-
V Induktion
291
metrieachse im Inneren einer langen Zylinderspule, die je cm 8 Windungen hat und von 6 A durchflossen wird. Welchen Scheitelwert erreicht die induzierte Spannung?
B Sp = m 0
N Sp I l Sp
B Sp = 4 p ⋅ 10 −7
;
Vs 8 ⋅ 6 A = 6 mT ; Am 10 −2 m
u = N 1 ⋅ B ⋅ A ⋅ 2p ⋅ n ; u = 50 ⋅ 6 ⋅ 10 −3
250 1 Vs ⋅ ( 5 ⋅ 10 −2 m) 2 ⋅ 2 p ⋅ = 20 mV 60 s m2
o/10–4Wb 5
2 Induktion bei Änderung des Magnetfeldes
4 3
Bei konstanter Fläche einer Leiterschleife oder einer Spule kann durch Magnetfeldänderungen eine Flußänderung hervorgerufen werden. Dies kann z.B. durch Stromänderung in einer Erregerspule erreicht werden. Die Flußänderung ist dann Flußänderung
df m 0 N err dI err = dt l err dt
(V.14)
Dieser Effekt wird bei Transformatoren verwendet. Das Induktionsgesetz lautet bei N Windungen einer Feldspule Induktionsgesetz u ind = − N dA ⎞ dB ⎛ u ind = − N ⎜ An +B n ⎟ ⎝ dt dt ⎠
df dt
Wird eine Schleife im inhomogenen Feld bewegt, entsteht eine Induktionsspannung, da sich bei der Bewegung der Fluß ändert und in den gegenüberliegenden Teilen der Schleife unterschiedliche Spannungen induziert werden. In den in Bild V-6 parallel zur Bewegungsrichtung liegenden Teilen der Schleife werden keine Spannungen induziert.
(V.15)
2 1 0
U/B 5 4 3 2 1 0
(V.16)
10 20 30 40 50 t/ms
–1
30 40 50 10 20
t/ms
–2
An ist der Flächenanteil, der senkrecht zu den Feldlinien steht. Aus Gleichung (V.16) geht hervor, daß es gleichgültig ist, ob sich die magnetische Flußdichte bei gleichbleibender Fläche (Transformatorenprinzip) oder die Fläche bei gleichbleibender Flußdichte (Generatorenprinzip) ändert. Entscheidend ist, daß sich der Fluß in einer Leiterschleife ändert. Wird eine Leiterschleife in einem homogenen Magnetfeld bewegt, ändert sich der Fluß nicht. Die durch die auch hier vorhandene Lorentzkraft verursachte Verschiebung der Elektronen hebt sich in gegenüberliegenden Teilen der Schleife gegenseitig auf.
–3 –4
Bild V-7 Beispiel Induktion Beispiel: Eine Spule mit N = 100 Windungen wird von einem
Fluß Φ durchsetzt, der den in Bild V-7 oben dargestellten Verlauf hat. Welchen zeitlichen Verlauf hat die induzierte Spannung? In den Zeitintervallen 0 ... 10 ms, 20 ... 30 ms, > 40 ms ändert sich der Fluß nicht, somit ist in diesen Bereichen uind = 0 V. Im Intervall 10 ... 20 ms gilt
df 4 ⋅ 10 −4 Vs =− = −40 mV ; dt 10 ⋅ 10 −3 s
u ind = − N
df = −100 ⋅ ( − 40 mV ) = 4 V dt
Im Intervall 30 ... 40 ms hat die induzierte Spannung denselben Wert mit umgekehrtem Vorzeichen. Die induzierte Spannung ist in Bild V-7 unten aufgetragen.
3 Die Induktivität einer Spule 3.1 Selbstinduktion
V u = 0V
V u = 0V
Bild V-6 Bewegung einer Schleife im homogenen und inhomogenen Feld
In der Ringspule in Bild IV.4 mit der Windungszahl N soll der Strom i beliebig veränderbar sein. Wird der eingespeiste Strom geändert, so ändert sich auch der von diesem Strom erzeugte magnetische Fluß f. Wegen dieser Flußänderung wird eine Spannung in der Spule induziert. Dieser Vorgang wird Selbstinduktion genannt. Die induzierte Spannung ist nach
292
Grundlagen der Elektrotechnik
der Lenzschen-Regel dem erzeugenden Strom entgegen gesetzt. df (V.17) dt Da die Flußänderung durch eine Stromänderung verursacht wird, gilt auch u ind = − N
u ind = − L
di dt
Induktivität
(V.18) L = u ind
dt di
L H=
u i t Vs (V.19) V A s A
Die Einheit ist 1 Henry, 1 H. Aus Gleichung (V.17) und (V.18) folgt df A ⋅ dB L = N⋅ = N⋅ di di
Bei koaxialen Leitern ist die Gesamtinduktivität nach folgenden Gleichungen zu berechnen: Innenleiter
Zwischenraum
(V.29) (V.30)
Außenleiter m0 mr l r24 ⎛ r2 ( 3 r22 − r12 )( r22 − r12 ) ⎞ La = ⎜ ln − ⎟ ⎠ 2 p ( r22 − r12 ) ⎝ r1 4 r24 (V.31) gesamte Induktivität L ges = Li + L ZW + L a
(V.32)
r2 r1 r
(V.20)
dB dH ⋅ (V.21) dH di Befindet sich kein ferromagnetischer Stoff in der Spule, so ist dB = m0 (V.22) dH
m0 mr l 8p m0 mr l r1 ln L ZW = r 2p
Li =
L = NA
Bild V-9 Koaxialleiter
3.2 Gegeninduktion
dH N = di l
(V.23)
A Induktivität L = m0 N 2 l Ist der Spulenkörper ferromagnetisch, gilt dB = m0 md dH
(V.24)
(V.25)
A l md ist die differentielle Permeabilität. L = m0 md N 2
(V.26)
Die Induktivität spielt in Wechselstromkreisen eine große Rolle. Sie ist für beliebige Leiteranordnungen und Leitergeometrien schwierig zu berechnen, läßt sich aber in Wechselstromkreisen gut durch Messungen bestimmen. m ml 2l 3 Einfachleitung L = 0 r ⎛⎜ ln ⎛⎜ ⎞⎟ − ⎞⎟ (V.27) 2p ⎝ ⎝ r ⎠ 4 ⎠ Doppelleitung
l
L=
m0 mr l ⎛ ⎛ a ⎞ 1 ⎞ ⎜ ln ⎜ ⎟ + ⎟ p ⎝ ⎝ r ⎠ 4⎠
l r
a r
Bild V-8 Doppel-Leitung
Befindet sich in der Nähe einer stromdurchflossenen Spule Sp1 eine zweite Spule Sp2, so verläuft ein Teil des von der Spule 1 erzeugten Magnetfeldes auch durch die Spule 2. Die Spulen sind magnetisch gekoppelt. Der vom Strom I1 in der Spule 1 erzeugte magnetische Fluß durchsetzt die Spule 2 nur zum Teil. Dieser Anteil ist f12. Der Gesamtfluß in der Spule 2 ist dann fG 12 = N 2 f12
(V.33)
N 2 f12 ∼ I 1
(V.34)
N 2 f12 = M 12 I 1
(V.35)
Sp1 N1
Sp2 N2 o12
I1
Bild V-10 Gegeninduktion
(V.28) Der Faktor M12 wird als Gegeninduktivität bezeichnet. Bei Abwesenheit von ferromagnetischen Materialien ist die Gegeninduktivität eine Konstante. Wird der Strom in der Spule 1 geändert, wird in der Spule 2 eine Spannung induziert. df12 di = − M 12 1 = (V.36) dt dt Wird die Spule 2 vom Strom durchflossen, so wird in der Spule 1 eine Spannung u2 = − N 2
u1 = − M 21
di 2 dt
(V.37)
V Induktion
293
induziert. Die Gegeninduktivitäten sind gleich, wenn die Permeabilitäten nicht vom Magnetfeld abhängen, wenn also keine ferromagnetischen Stoffe beteiligt sind. Wie aus Bild V-10 ersichtlich, wird Spule 2 nicht vom gesamten in Spule 1 erzeugten Fluß durchsetzt. f1 = f12 + fs 1
(V.38)
f2 = f21 + fs 2
(V.39)
f12 wird als Hauptfluß, fs1als Streufluß bezeichnet. Es lassen ich folgende Ausdrücke definieren: Streufaktoren s1 =
fs 1
fs 2
; s2 =
f1
(V.40)
f2
Streuinduktivitäten L s 1 = s1 L1 ; L s 2 = s 2 L 2 (V.41) Koppelungsfaktoren k 1 = 1 − s1 ; k 2 = 1 − s 2 (V.42) totaler Koppelungsfaktor k =
k1 k 2
(V.43)
Hauptflüsse f12 = k 1F1 ; f21 = k 2 f2 Gegeninduktivität M =
(V.44)
k 1 k 2 L1 L 2 = k L1 L 2 (V.45)
Beispiel: Wie groß sind die Streufaktoren für die in Bild V-11
dargestellte Anordnung zweier konzentrisch ineinander liegender Zylinderspulen? Die Abmessungen der beiden Spulen sind
d 1 = 18 mm, l1 = 60 mm, N 1 = 250 , d 2 = 10 mm, l 2 = 30 mm, N 2 = 24 .
⎛ 10 mm ⎞ s1 = 1 − ⎜ ⎟ ⎝ 18 mm ⎠
2
= 0 , 691
3.3 Energie im Magnetfeld einer Spule Zum Aufbau des Magnetfeldes in einer Spule ist Energie erforderlich. Ist die Induktivität L bekannt, kann die benötigte Energie berechnet werden. di dt
(V.46)
dW = u ⋅ i ⋅ dt
(V.47)
di dW = L ⋅ i ⋅ dt = L ⋅ i ⋅ di dt
(V.48)
u=L
Wird die Spule nach Bild V-12 geschaltet, steigt der Strom vom Wert i = 0 A bis zum Maximalwert U i = = I an. Damit beträgt die der Spule zugeführte R und im Magnetfeld gespeicherte Energie: I
Energie des Magnetfeldes W = ∫ Li ⋅ di
(V.49)
0
Ist die Induktivität konstant, enthält die Spule kein ferromagnetisches Material, kann dieses Integral berechnet werden. 1 2 (V.50) LI 2 Bei Anwesenheit von ferromagnetischen Materialien ist zur Bestimmung der Energie das grafische Verfahren nach Bild IV.28 anzuwenden.
Energie in einer Spule W = N1
N2 d1
d2
3.4 Ein- und Ausschaltvorgänge l1
i
R
Bild V-11 Beispiel Gegeninduktion u Fluß
f1 = m 0 H 1 A1 = m 0
induzierte Spannung
M=
4 p ⋅ 10
df12 N N p d 2 di = − m0 1 2 2 1 4 l1 dt dt
di1 ist die Gegeninduktivität M. dt
Gegeninduktivität −7
u2 = − N 2
M = m0
2 Vs ⋅ 250 ⋅ 24 ⋅ p ⋅ (10 ⋅ 10 −3 m ) Am = 9, 87 ⋅ 10 −6 H 4 ⋅ 60 ⋅ 10 −3 m
f s1 = = 1 − 12 ; f1 f1
m0 s1 = 1 −
i1 N 1 p d 22 l1 4
i N p d 12 m0 1 1 l1 4
2
⎛d ⎞ = 1− ⎜ 2 ⎟ ; ⎝ d1 ⎠
uind
Bild V-12 Spule
Wird im Stromkreis von Bild V-12 zur Zeit t = 0 der Schalter S geschlossen, ändert sich der Strom i. Damit wird in der Spule eine Spannung induziert. Es gilt nach der Maschenregel u + u ind − iR = 0
N 1 N 2 p d 22 ; 4 l1
Streufaktor fs1 = f1 − f12 ; fs 1
L
U S
i1 N 1 p d 22 l1 4
f12 = m 0 H 1 A 2 = m 0
Der Faktor vor
i1 N 1 p d 12 ; l1 4
u−L
di = iR dt
(V.51) (V.52)
Zu Beginn des Vorganges ist der Strom i = 0, am U erEnde hat der Strom seinen Maximalwert I = R reicht. Die mathematische Form dieser Differentialgleichung ist wie die beim Aufladen eines Kondensators. Die Lösungsfunktion ist wie in Gleichung (III.67) durch eine e-Funktion darzustellen.
294
Grundlagen der Elektrotechnik I
R − ⋅t ⎞ ⎛ Einschalten i = I ⎜ 1 − e L ⎟ ⎝ ⎠
(V.53) R
t − ⎞ ⎛ i = I ⎜1− e t ⎟ ⎝ ⎠
(V.54)
Zeitkonstante t =
S
Bild V-14 Beispiel Kurzschließen einer Spule
L
L R
(V.55)
i U/R
t=
0, 2 H = 50 W
63% a) i = Ie
−
t t
Vs A = 4 ms V 50 A
0, 2
= 2A ⋅ e
−
2 ms 4 ms
= 1, 21A ;
b) u R = i ⋅ R = 1, 21A ⋅ 50 W = 60,65 V
0
t
t
c) u L = L ⋅
Bild V-13 Einschaltvorgang einer Spule Wird eine Spule, durch die ein konstanter Strom I fließt und in der ein konstantes Magnetfeld besteht, kurzgeschlossen, wird eine Spannung induziert, die nach der Lenzschen Regel versucht, das Magnetfeld aufrecht zu halten. Der Strom wird seinen Endwert ebenfalls nach einer e-Funktion erreichen. Kurzschließen i =
R − ⋅t Ie L
(V.56)
Beispiel: Eine Konstantstromquelle nach Bild V-14 speist die
Reihenschaltung aus R = 50 W und L = 200 mH mit einem Strom I = 2 A. Zum Zeitpunkt t = 0 wird der Schalter geschlossen. a) Welcher Strom fließt durch den Widerstand nach 2 ms? b) Welche Spannung liegt dann am Widerstand? c) Welche Spannung liegt dann an der Spule?
− di R = L ⋅ I ⋅ ⎛⎜ − ⎞⎟ ⋅ e ⎝ L⎠ dt
⎛ 50 W ⎞ u L = 0, 2 H ⋅ 2 A ⋅ ⎜ − ⎟ ⎝ 0, 2 H ⎠
Rt L
;
2 ms − e 4 ms
= −60 , 65 V ;
uR + uL = 0
3.5 Zusammenschalten von Induktivitäten Für die Zusammenschaltung von Induktivitäten gelten dieselben Gesetze wie bei Ohmschen Widerständen. n
L ges = ∑ Li
Reihenschaltung
(V.57)
i =1
n 1 1 =∑ L ges i =1 Li
Parallelschaltung
(V.58)
VI Wechselstrom 1 Grundbegriffe des Wechselstroms Wechselstrom oder Wechselspannung sind Größen, bei denen sich die Werte zeitabhängig periodisch wiederholen. Der arithmetische Mittelwert der sich periodisch mit der Zeit ändernden Augenblickswerte ist gleich Null. Die Zeitspanne, nach der sich der periodische Verlauf gleichartig wiederholt, ist die Periodendauer T. Die Zahl der Perioden pro Zeit nennt man die Frequenz f. f T 1 Frequenz f = (VI.1) 1 s T s Die Einheit der Frequenz ist [f ] = s = Hz (Hertz). Nach DIN 5488 unterscheidet man periodische Vorgänge, deren Mittelwert nicht Null wird und solche, deren Mittelwert Null wird. Ist der Mittelwert Null, spricht man von einer Wechselgröße. Bei den Wechselgrößen unterscheidet man die nichtsinusförmigen und die sinusförmigen Vorgänge (Sinusgrößen). Im Bild VI-1 ist der Verlauf einer Sinusgröße dargestellt.
U 90° 180°
270°
360°
a = vt T
Bild VI-1 Verlauf einer Sinusgröße
–1
1.1 Erzeugung einer sinusförmigen Wechselspannung Wird eine Leiterschleife mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω in einem homogenen Magnetfeld gedreht (Bild VI-2), so hängt die Größe der indu-
VI Wechselstrom
295
zierten Spannung von der Winkelgeschwindigkeit und der vom Magnetfeld durchsetzten Fläche ab. induzierte Spannung u ind = −
u ind
dF = B ⋅ A ⋅ w ⋅ sin wt dt
V
B A w Vs 1 m2 s m2 (VI.2)
Maximalwert der Spannung (Scheitelwert û): Scheitelwert u = B ⋅ A ⋅ w
(VI.3)
N
Mit f = 100 s–1 folgt für die Kreisfrequenz w = 2pf = 2 ⋅ 3,14 ⋅ 100 s–1 = 6,28 ⋅ 102 s–1. Die Leiterschleife hat also einen Bogen von 2p ⋅ 100 in einer Sekunde zurückgelegt. Für die Periodendauer ergibt sich
T=
2p 2 ⋅ 3,14 = = 10 −2 s −1 . w 6 , 28 ⋅ 100 s -1
1.2 Phasenverschiebung Werden in einem Magnetfeld zwei Leiterschleifen, die in einem Winkel ϕ zueinander versetzt sind, mit gleicher Winkelgeschwindigkeit gedreht, so werden in ihnen zwei sinusförmige Spannungen induziert, die sich nicht decken. Nach Bild VI-3 erreichen beide Spannungen ihr Maximum um den Phasenwinkel ϕ verschoben.
v U
u1
u2
f
90° 180°
270°
360°
S
Bild VI-2 Induktionsvorgang Rotiert die Leiterschleife einmal im Magnetfeld, hat sie einen Winkel von 360° überstrichen. Dabei wurde in die Leiterschleife eine Wechselspannung induziert, deren zeitlicher Verlauf einer Sinusschwingung entspricht. Die Leiterschleife hat mit der Winkelgeschwindigkeit ω in der Periodendauer T einen Winkel α = 2π (Bogenmaß) überstrichen. In Anlehnung an die gleichförmige Rotation mit der Winkelgeschwindigkeit ω hat man für Wechselgrößen die Kreisfrequenz definiert. Kreisfrequenz
w=2p f
w f s −1 s −1
(VI.4)
Die Kreisfrequenz ω gibt an, welcher Bogen in einer Sekunde überstrichen wird. Hieraus ergibt sich die Periodendauer T. Periodendauer T =
2p w
(VI.5)
Beispiel: Eine Leiterschleife dreht sich mit einer Umdrehung pro
Sekunde. Welchen Wert hat die Kreisfrequenz und die Periodendauer? Mit f = 1 s–1 folgt für die Kreisfrequenz w = 2pf = 2 ⋅ 3,14 ⋅ 1 s–1 = 6,28 s–1. Die Leiterschleife hat also einen Bogen von 2π in einer Sekunde zurückgelegt. Für die Periodendauer ergibt sich
T=
2p 2 ⋅ 3,14 = = 1 s −1 . w 6 , 28 s -1
Beispiel: Eine Leiterschleife dreht sich mit 100 Umdrehungen pro
Sekunde. Welchen Wert hat die Kreisfrequenz und die Periodendauer?
Bild VI-3 Liniendiagramm zweier phasenverschobener Spannungen Die Spannungen sind phasenverschoben. Nach Bild VI-3 erreicht die Spannung u2 den Maximalwert später als die Spannung u1. Die Spannung u2 eilt der Spannung u1 nach.
1.3 Effektivwert Mit dem Scheitelwert i ergibt sich der Effektivwert Ieff eines sinusförmigen Wechselstroms: i (VI.6) Effektivwert I eff = = 0 , 707 ⋅ i 2 Der Effektivwert Ieff eines sinusförmigen Stroms verrichtet an einem Widerstand R die gleiche elektrische Arbeit wie ein gleich großer Gleichstrom. Gleiche Überlegungen für die Spannung ergeben den Effektivwert Ueff einer sinusförmigen Wechselspannung:
Effektivwert U eff =
u 2
= 0 , 707 ⋅ u
(VI.7)
Effektivwerte werden wie Gleichstromwerte durch Großbuchstaben bezeichnet, eventuell zusätzlich durch den Index „eff“. Beispiel: Welchen Effektivwert weist ein sinusförmiger Wech-
selstrom mit Scheitelwert i = 32 A auf? I=
i 2
= 0 , 707 ⋅ i = 0 , 707 ⋅ 32 A = 22 , 624 A
296
Grundlagen der Elektrotechnik
Beispiel: Welchen Scheitelwert weist eine sinusförmige Span-
nung mit dem Effektivwert U = 220 V auf?
U2
u = 2 ⋅ U = 1, 414 ⋅ 220 V = 311, 08 V
U
f
1.4 Darstellungsarten Eine Sinusgröße ist eindeutig bestimmt durch die Angabe von Amplitude, Frequenz und Phasenlage. Handelt es sich um Sinusgrößen mit gleicher Frequenz, genügen zwei Angaben, um die Sinusgröße eindeutig zu bestimmen. Aus diesem Grund kann bei der Berechnung von sinusförmigen Vorgängen auf die Darstellung in Abhängigkeit von der Zeit (Frequenz) verzichtet werden. Für die Berechnung von Sinusgrößen in der Elektrotechnik haben sich zwei Verfahren durchgesetzt: die Zeigerdarstellung und die Darstellung der Größen in der komplexen Zahlenebene. 1.4.1 Zeigerdarstellung von Sinusgrößen Der zeitliche Verlauf einer sinusförmigen Wechselgröße kann über ein Linien- oder ein Zeigerdiagramm dargestellt werden. Aus der Geometrie ist bekannt, daß sich eine Sinuskurve aus der Drehung eines Zeigers im Einheitskreis konstruieren läßt. Umgekehrt kann jede Sinuskurve durch einen Zeiger, der nach Bild VI-4 rotiert, dargestellt werden.
U1
Bild VI-5 Addition zweier Zeiger
U
U2 U1
f
Bild VI-6 Subtraktion zweier Zeiger 1.4.2 Darstellung von Sinusgrößen in der komplexen Zahlenebene Eine Sinusgröße läßt sich durch die Zeigerdarstellung relativ einfach darstellen. Durch das graphische Verfahren dieser Darstellungsart ist eine genaue Auswertung oft unmöglich oder sehr zeitaufwendig. Aus diesem Grund wurden die Zeiger in der Gaußschen Zahlenebene als komplexe Größen dargestellt und können somit berechnet werden. In der Gaußschen Zahlenebene wird jeder Punkt dieser Ebene durch eine komplexe Zahl beschrieben. komplexe Zahl Z = a + jb
x f x f
90°
180° 270° 360°
Bild VI-4 Konstruktion eines Zeigers aus einer Sinusgröße
+ Im
Wird die Länge des Zeigers als Maximalwert der Sinusgröße festgelegt, kann der Augenblickswert in Abhängigkeit vom zurückgelegten Winkel bestimmt werden. Augenblickswert
x = x ⋅ sinj
a = (Z · cos a) Z
(VI.8)
Zeichnerisch läßt sich der Augenblickswert ermitteln, indem von der Zeigerspitze das Lot auf die durch den Kreismittelpunkt gehende Gerade gefällt wird. Das Zeigerdiagramm stellt eine „Momentaufnahme“ der sich drehenden Zeiger dar. Die Addition zweier sinusförmiger Wechselgrößen in der Zeigerdarstellung ergibt sich, wenn ein Zeiger parallelverschoben wird, bis sein Ursprung auf der Spitze des zweiten Zeigers liegt (Bild VI-5). Die Subtraktion zweier Zeiger ergibt sich, wenn ein Zeiger parallelverschoben wird, bis seine Spitze auf der Spitze des zweiten Zeigers liegt (Bild VI-6).
(VI.9)
Faktor a stellt den reellen Anteil dar und Faktor jb den imaginären Anteil. Beschreibt man den Endpunkt eines Zeigers Z , der vom Nullpunkt der Gaußschen Zahlenebene ausgeht, durch eine komplexe Zahl (Bild VI-7), so ist damit auch der komplexe Zeiger eindeutig bestimmt.
(Z · sin a)
a Re – Im
Bild VI-7 Zeiger in der komplexen Zahlenebene
kartesische Form Z = a + jb = Z 1 + Z 2 (mit Z 1 = a und Z 2 = jb)
(VI.10)
Der Zeiger Z kann also durch die Addition der beiden Zeiger Z 1 und Z 2 gebildet werden.
VI Wechselstrom
297
Vereinbarungsgemäß wird für die komplexe Darstellung von Zeigern das gleiche Symbol und die gleiche Definition benutzt wie für den Zeiger selbst. Der komplexe Zeiger wird mit dem unterstrichenen lateinischen Buchstaben der Größe bezeichnet. Der Betrag wird nur durch den lateinischen Buchstaben angegeben. Betrag des Zeigers
Z =Z=
Z 12
+
Z 22
i;u A V u i
90° 180°
270° 360°
vt
(VI.11)
Der Winkel mit der reellen Achse kann folgendermaßen berechnet werden: Winkel des Zeigers a = arctan
Z2 Z1
(VI.12)
Der Betrag des Zeigers läßt sich über die Phasenlage in den Realteil und den Imaginärteil zerlegen. Realteil Z 1 = Z ⋅ cos a
(VI.13)
Imaginärteil Z 2 = Z ⋅sin a
(VI.14)
Mit Hilfe dieser Zerlegung kann der Zeiger in der polaren Form beschrieben werden. polare Form
Z = Z ⋅ ( cos a + j sin a )
(VI.15)
Mit Hilfe der Eulerschen Gleichung ist die Exponentialform des Zeigers möglich: Eulersche Gleichung cos a + j sin a = e j a Exponentialform
Z = Z ⋅e
ja
= Z ⋅e
ja
(VI.16) (VI.17)
Die bisher aufgeführten Möglichkeiten der Darstellung eines Zeigers in der komplexen Ebene gelten allgemein, also unabhängig davon, ob der Winkel α konstant oder eine Funktion der Zeit ist. Bei der Behandlung von Wechselstromaufgaben muß jedoch zwischen den Operatoren und den Zeigern unterschieden werden. Operatoren sind zeitlich konstante Größen. Sie symbolisieren meistens Widerstände. Ihr Winkel α zu der reellen Achse ist zeitlich konstant. Zeiger symbolisieren sinusförmige Wechselgrößen. Ihr Winkel α ist eine Funktion der Zeit (Summe aus w ⋅ t + j), obwohl diese Tatsache bei der Darstellung nicht berücksichtigt wird. Berücksichtig wird der Unterschied zwischen Operatoren und Zeigern bei der mathematischen Behandlung dieser Größen und zwar beim Integrieren und Differenzieren.
Bild VI-8 Verlauf von Strom und Spannung am Ohmschen Widerstand i=
u R
(VI.19)
Der Wechselstrom hat also zu jeder Zeit einen Wert abhängig von u und R. Zwischen Strom und Spannung tritt keine Phasenverschiebung auf (Bild VI-8). Der Scheitelwert des Stroms und der ohmsche Wechselstromwiderstand berechnet sich zu u Scheitelwert i = R ohmscher Wechselstromwiderstand u U R= = i I 1 i I Wechselstromleitwert G = = = R u U
(VI.20)
(VI.21) (VI.22)
Die Darstellung in der komplexen Schreibweise ergibt folgende Gleichungen:
ohmsches Gesetz I =
U Z
(VI.23)
Widerstandsoperator Z = R = Leitwertoperator Y =
U I
(VI.24)
1 =G Z
(VI.25)
2.2 Kapazität i;u A V u i
2 Grundschaltelemente im Wechselstromkreis
90°
180°
270°
360°
t
2.1 Ohmscher Widerstand Wird ein ohmscher Widerstand an eine Wechselspannung angeschlossen, ergibt der 2. Kirchhoffsche Satz: 2. Kirchhoffsche Satz u − i ⋅ R = 0
(VI.18)
Bild VI-9 Verlauf von Strom und Spannung an einer Kapazität
298
Grundlagen der Elektrotechnik
Wird eine Kapazität an eine Wechselspannung angeschlossen, so ergibt der 2. Kirchhoffsche Satz 2. Kirchhoffsche Satz u −
1 ∫ idt = 0 C
(VI.26)
du = C ⋅ u ⋅ w ⋅ cos( w ⋅ t ) dt (mit u = u ⋅ sin( w ⋅ t ) )
(VI.27)
Zwischen dem Strom i und der Spannung u besteht eine Phasenverschiebung von ϕ = 90° (Bild VI-9). Teilt man die Spannung durch den Strom, ergibt sich der kapazitive Blindwiderstand XC kapazitiver Blindwiderstand w C 1 As s V
u U 1 = = i I w ⋅ C
kapazitiver Leitwert
(VI.28)
BC = w ⋅ C
(VI.29)
Der Kondensator im Wechselstromkreis ist also für den Wechselstrom kein unüberwindliches Hindernis, er wirkt aber trotzdem wie ein Widerstand. Dieses ist leicht zu verstehen, wenn man sich vorstellt, daß bei jeder Periode Ladungsträger zwischen den Kondensatorplatten und der Spannungsquelle bewegt werden. Die Darstellung in der komplexen Schreibweise ergibt die Gleichungen VI.30 bis VI.32. U ohmsches Gesetz I = (VI.30) Z Widerstandsoperator 1 U (VI.31) Z= = − j XC = j w⋅C I 1 Leitwertoperator Y = = j w ⋅ C = j BC Z
1 1 ⋅ ∫ udt = − ⋅ u ⋅ cos w ⋅ t w⋅ L L
(VI.35)
Zwischen dem Strom i und der Spannung u besteht eine Phasenverschiebung von ϕ = –90° ( Bild VI-10). Teilt man die Spannung durch den Strom, ergibt sich der induktive Blindwiderstand XL. induktiver Blindwiderstand w L u U 1 Vs (VI.36) XL = = = w ⋅ L I i s A 1 induktiver Leitwert B L = (VI.37) w⋅ L
Die Spule im Wechselstromkreis ist also nicht widerstandslos, obwohl der ohmsche Anteil vernachlässigt wird. Der induktive Blindwiderstand der Spule ist durch die auftretende Selbstinduktionsspannung an der Spule zu erklären. Diese Spannung der Spule bewirkt, daß der Spulenstrom der Wechselspannung um 90° nacheilt. Die Darstellung in der komplexen Schreibweise ergibt die Gleichungen VI.38 bis VI.40. ohmsches Gesetz I =
U Z
(VI.38)
Widerstandsoperator Z = j w ⋅ L = j X L =
U (VI.39) I
1 1 = = − j BL Z j w⋅ L
(VI.40)
Leitwertoperator Y =
Beispiel: Ein Widerstand von R = 100 W wird an einem Wech-
selstromnetz mit U = 220 V und f = 50 Hz betrieben. Welchen Wert hat der sich einstellende Strom? Darstellung des Zeigerbildes. u U 220 V = 2 , 2 A ; Winkel ist Zeigerdarstellung: i = I = = = R R 100 W nicht darstellbar.
i;u A V u
Komplexe Darstellung: I =
i
180°
(VI.34)
(VI.32)
2.3 Spule
90°
i=
di dt
(mit u = u ⋅ sin( w ⋅ t ))
i = C⋅
XC =
u=L
270°
360°
U U 220 V ⋅ e j 0 = = = 2, 2 A ⋅ e j 0 Z R 100 W ⋅ e j 0
I
vt
U Zeigerbild
i u
R
+Im I, R
Bild VI-10 Verlauf von Strom und Spannung an einer Induktivität
U Re
komplexe Darstellung
Wird eine Spule an eine Wechselspannung angeschlossen, so ergibt der 2. Kirchhoffsche Satz: di (VI.33) 2. Kirchhoffsche Satz u − L = 0 dt
–Im
Bild VI-11 Darstellung von Strom und Spannung am ohmschem Widerstand in der Zeiger- und komplexen Form
VI Wechselstrom
299
Vs wird an einem A Wechselstromnetz mit U = 220 V und f = 50 Hz betrieben. Welchen Wert hat der sich einstellende Strom? Darstellung des Zeigerbildes.
Beispiel: Eine Induktivität von L = 100 m
Zeigerdarstellung:
=
U As = j ⋅ w ⋅ C ⋅ U ⋅ e j 0 = j ⋅ 2 ⋅ p ⋅ 50s -1 ⋅ 100 ⋅ 10 −6 ⋅ 220 ⋅ Ve j 0 Z V As j 90 e = 0 , 03142 ⋅ ⋅ 220 ⋅ e j 0 V = 6 , 9 ⋅ Ae j 90 V
3 Schaltungen von Wechselstromwiderständen
220 V ⋅ e j 0 j ⋅ 2 ⋅ p ⋅ 50s -1 ⋅ 100 ⋅ 10 −3
Vs A
Bei der weiteren Betrachtung von Wechselstromwiderständen werden nur noch die Effektivwerte der Wechselstromgrößen verwendet. Es wird nicht mehr ausdrücklich darauf hingewiesen, ob es sich bei dem benutzten Wert um einen Operator oder um einen Zeiger handelt.
220 V ⋅ e j 0 = 7 ⋅ Ae − j 90 Vs j 90 e 31, 42 ⋅ A
U
i
u
I Zeigerdarstellung
L
jvL
+Im
U
–Im
Re I komplexe Darstellung
Bild VI-12 Darstellung von Strom und Spannung am induktiven Widerstand in der Zeiger- und komplexen Form As wird an einem V Wechselstromnetz mit U = 220 V und f = 50 Hz betrieben. Welchen Wert hat der sich einstellende Strom? Darstellung des Zeigerbildes.
Beispiel: Eine Kapazität von
C = 100 μ
3.1 Reihenschaltung von Wechselstromwiderständen Im Zeigerbild für die Reihenschaltung drehen sich die Zeiger der Spannungen gleichmäßig um einen gemeinsamen Drehpunkt. Die Lage der Spannungen zueinander bleibt immer erhalten. Die Zeiger der Spannungen können also addiert oder subtrahiert werden. Da Wirk- und Blindanteil immer senkrecht aufeinander stehen, ist das Spannungsdreieck stets rechtwinklig. Für die Größen im rechtwinkligen Dreieck gilt: Gesamtspannung U 2 = U R2 + U B2
(VI.41)
U = U R2 + U B2
(VI.42)
Wirkanteil der Spannung
U R = U 2 − U B2 = U ⋅ cos j
i
(VI.43)
Blindanteil der Spannung U B = U 2 − U R2 = U ⋅ sin j
I
u
As ⋅ 220 V = 6 , 9 A V
I=
Komplexe Darstellung: U U ⋅e j0 = = Z jw ⋅ L
⇒ I = w ⋅ C ⋅ U = 2 ⋅ p ⋅ 50s -1 ⋅ 100 ⋅ 10 −6 Komplexe Darstellung:
1 1 ⋅ ∫ udt = − ⋅ u ⋅ cos w ⋅ t L w⋅ L U 220 V ⇒I= = =7 A Vs w⋅ L 2 ⋅ p ⋅ 50s -1 ⋅ 100 ⋅ 10 −3 A
i=
I=
Zeigerdarstellung: du i = C⋅ = w ⋅ C ⋅ u ⋅ cos w ⋅ t ut
(VI.44)
3.1.1 Wirkwiderstand und Induktivität U
C
+Im
I U Re
–Im
jvC –1
Bild VI-13 Darstellung von Strom und Spannung am kapazitiven Widerstand in der Zeigerund komplexen Form
Im allgemeinen enthält jede Induktionsspule neben dem induktiven Widerstand XL auch einen ohmschen Widerstand R. Im Ersatzschaltbild werden beide Größen in Reihe geschaltet, da sie vom selben Strom durchflossen werden (Bild VI-14). Der Strom erzeugt am Widerstand den Spannungsfall UR = I ⋅ R und an der Induktivität den Spannungsfall UL = w ⋅ L ⋅ I. Beide Spannungen haben im Zeigerbild verschiedene Richtungen. Addiert ergeben die beiden Spannungszeiger den Zeiger der Gesamtspannung U. Nach Bild VI-15 liegt der Zeiger UR in Richtung des Stroms I, der Zeiger UL eilt dem Strom um 90° vor.
300
Grundlagen der Elektrotechnik i
Scheinwiderstand
u
Z=
R
uR
R + 2
Z = R + jX L
X L2
(VI.52)
Phasenwinkel j = arctan
uL
(VI.51)
XL R
(VI.53)
Beispiel: Eine Spule mit einem ohmschen Widerstand von R =
L
100 W und einem induktiven Blindwiderstand von XL = 200 W wird an eine Spannung von U = 200 V angeschlossen. Wie groß sind Scheinwiderstand und Stromstärke? Welche Spannungsfälle treten an den Bauelementen des Ersatzschaltbildes auf? Welcher Phasenwinkel herrscht zwischen Spannung und Strom?
Bild VI-14 Induktivität und ohmscher Widerstand im Wechselstromkreis
Zeigerdarstellung: Z=
I=
U
UL
U 200 V = = 0 , 89 A Z 223, 6 W
U R = I ⋅ R = 0.89 A ⋅ 100 W = 89 V ; U L = I ⋅ X L = 0 , 89 A ⋅ 200 W = 178 V
UR
f
R 2 + X L2 = 100 2 W 2 + 200 2 W 2 = 223, 6 W
I
j = arctan
Bild VI-15 Zeigerbild der Reihenschaltung von ohmschen Widerstand und Induktivität
XL 200 = arctan = 63, 4 ° R 100
Komplexe Darstellung: j = arctan
XL 200 = arctan = 63, 4 ° R 100
Das durch die Zeigeraddition entstehende Spannungsdreieck kann nach dem Lehrsatz von Pythagoras berechnet werden.
Z = R + jX L = 100 W + j 200 W = 223, 6 W ⋅ e j 63 , 4
Gesamtspannung
U R = I ⋅ R = 0 , 89 A ⋅ e − j 63,4 ⋅ 100 W ⋅ e j 0 = 89 V ⋅ e − j 63 , 4
U 2 = U R2 + U L2 = I 2 ⋅ R 2 + I 2 ⋅ X L2 = I 2 ( R 2 + X L2 ) (VI.45)
U L = I ⋅ X L = 0 , 89 A ⋅ e − j 63,4 ⋅ 200 W ⋅ e j 90 = 178 V ⋅ e j 26 , 6
Hieraus folgt das ohmsche Gesetz für Wirkwiderstand und Induktivität im Wechselstromkreis.
UR
Gesamtspannung U = I ⋅ R 2 + X L2 Scheinwiderstand
Z=
R + 2
X L2
I=
UL
f
(VI.46) (VI.47)
Der Scheinwiderstand entspricht der Hypotenuse eines rechtwinkligen Dreiecks, dessen Katheten dem Wirkwiderstand R und dem induktiven Blindwiderstand XL entsprechen. Die Phasenverschiebung zwischen der Gesamtspannung U und dem Strom I erhält man nach Bild VI-15. Phasenverschiebung j = arccos
UR I⋅R R = arccos = arccos U I⋅Z Z
(VI.48)
j = arctan
UL I ⋅ XL X = arctan = arctan L UR I⋅R R
(VI.49)
In der komplexen Darstellung ergeben sich folgende Zusammenhänge: Gesamtspannung U = U R + U L = I ⋅ R + I ⋅ jX L = I ⋅ ( R + jX L ) = I ⋅ Z (VI.50)
U 220 V ⋅ e j 0 = = 0 , 89 A ⋅ e − j 63 , 4 Z 223, 6 W ⋅ e j 63 , 4
U
I
Bild VI-16 Beispiel: Reihenschaltung von ohmschem Widerstand und Induktivität 3.1.2 Wirkwiderstand und Kapazität Sind in einem Wechselstromkreis ein ohmscher Widerstand R und eine Kapazität mit dem kapazitiven Blindwiderstand XC nach Ersatzschaltbild (Bild VI17) in Reihe geschaltet, erzeugt der Strom am Widerstand den Spannungsfall UR = I ⋅ R und an der Kapa1 ⋅I. zität den Spannungsfall U C = w⋅C Beide Spannungen haben im Zeigerbild verschiedenen Richtungen. Addiert ergeben die beiden Spannungszeiger den Zeiger der Gesamtspannung U. Nach Bild VI-18 liegt der Zeiger UR in Richtung des Stroms I, der Zeiger UC eilt dem Strom um 90° nach.
VI Wechselstrom
301
i
u
Beispiel: Ein ohmscher Widerstand von R = 100 W und eine
uR
R
uC
C
Kapazität mit einem kapazitiven Blindwiderstand von XC = 200 W werden an eine Spannung von U = 200 V angeschlossen. Wie groß sind Scheinwiderstand und Stromstärke? Welche Spannungsfälle treten an den Bauelementen auf? Welcher Phasenwinkel herrscht zwischen Spannung und Strom?
Bild VI-17 Kapazität und ohmscher Widerstand im Wechselstromkreis
Zeigerdarstellung: Z=
I=
I
f
R 2 + X C2 = 100 2 W 2 + 200 2 W 2 = 223, 6 W
U 200 V = = 0 , 89 A Z 223, 6 W
U R = I ⋅ R = 0 , 89 A ⋅ 100 W = 89 V ;
UR
U C = I ⋅ X C = 0 , 89 A ⋅ 200 W = 178 V
UC
U
j = arctan
XC R
= arctan
200 = 63 , 4 ° 100
Komplexe Darstellung:
Bild VI-18 Zeigerbild der Reihenschaltung von ohmschem Widerstand und Kapazität
j = arctan
XC R
= arctan
200 = 63 , 4 ° 100
Z = R − jX C = 100 W − j 200 W = 223, 6 W ⋅ e − j 63 , 4
Das durch die Zeigeraddition entstehende Spannungsdreieck kann nach dem Lehrsatz von Pythagoras berechnet werden. Gesamtspannung U 2 = U R2 + U L2 = I 2 ⋅ R 2 + I 2 ⋅ X C2 = I 2 ( R 2 + X C2 ) (VI.54)
Hieraus folgt das ohmsche Gesetz für Wirkwiderstand und Induktivität im Wechselstromkreis. Gesamtspannung U = I ⋅ R + 2
Scheinwiderstand
Z=
X C2
R 2 + X C2
(VI.57)
UC I ⋅ XC X = arctan (VI.58) = arctan C UR I⋅R R In der komplexen Darstellung ergeben sich folgende Zusammenhänge. Gesamtspannung j = arctan
U = U R + U C = I ⋅ R + I ⋅ jX C == I ⋅ ( R + jX C ) = I ⋅ Z (VI.59)
Scheinwiderstand Z=
Z = R + jX C
R 2 + X C2
Phasenwinkel j = arctan
U R = I ⋅ R = 0 , 89 A ⋅ e j 63 , 4 ⋅ 100 W ⋅ e j 0 = 89 V ⋅ e j 63 , 4 U C = I ⋅ X C = 0,89 A ⋅ e j 63, 4 ⋅ 200 Ω ⋅ e− j 90 = 178 V ⋅ e− j 26,6
I
f
U
(VI.60)
UR
UC
(VI.56)
Phasenverschiebung UR I⋅R R = arccos = arccos U I⋅Z Z
U 220 V ⋅ e j 0 = = 0 , 89 A ⋅ e j 63 , 4 Z 223, 6 W ⋅ e − j 63 , 4
(VI.55)
Der Scheinwiderstand entspricht der Hypotenuse eines rechtwinkligen Dreiecks, dessen Katheten dem Wirkwiderstand R und dem kapazitiven Blindwiderstand XC entsprechen. Die Phasenverschiebung zwischen der Gesamtspannung U und dem Strom I erhält man nach Bild VI-18.
j = arccos
I=
Bild VI-19 Beispiel: Reihenschaltung von ohmschem Widerstand und Kapazität 3.1.3 Wirkwiderstand, Induktivität und Kapazität Sind in einem Wechselstromkreis ein ohmscher Widerstand R, eine Induktivität mit dem induktiven Blindwiderstand XL und eine Kapazität mit dem kapazitiven Blindwiderstand XC nach Bild VI-20 in Reihe geschaltet, erzeugt der Strom am Widerstand den Spannungsfall UR = I ⋅ R, an der Induktivität den Spannungsfall UL = w ⋅ L ⋅ I und an der Kapazität den 1 Spannungsfall U C = ⋅I. w⋅ C i
R
uR
C
L
uC
uL
u
(VI.61) XC R
(VI.62)
Bild VI-20 Kapazität, Induktivität und ohmscher Widerstand im Wechselstromkreis
302
Grundlagen der Elektrotechnik
Die Spannungen haben im Zeigerbild verschiedenen Richtungen. Addiert ergeben die Spannungszeiger den Zeiger der Gesamtspannung U. Nach Bild VI-21 liegt der Zeiger UR in Richtung des Stroms I, der Zeiger UC eilt dem Strom um 90° nach und der Zeiger UL eilt dem Strom um 90° vor.
Gesamtspannung U = U R + U ′ = I ⋅ R + I ⋅ j ⋅( X L − XC ) =
Scheinwiderstand Z=
I f
UR
UC
UL< UC
Bild VI-21 Zeigerbild der Reihenschaltung vom ohmschem Widerstand, Induktivität und Kapazität Das durch die Zeigeraddition entstehende Zeigerbild kann nach dem Lehrsatz von Pythagoras berechnet werden. Gesamtspannung U 2 = U R2 + U ′ 2 = U R2 + ( U L − U C ) 2 = I 2 ⋅ R2 + I 2 ⋅ X ′ 2 = I 2 ( R2 + ( X L − XC )2 )
(VI.63) Hieraus folgt das ohmsche Gesetz für die Reihenschaltung von Wirkwiderstand, Induktivität und Kapazität im Wechselstromkreis. Gesamtspannung U = I ⋅ R 2 + ( X L − X C ) 2 (VI.64) R2 + ( X L − XC )2
(VI.65)
Der Scheinwiderstand entspricht der Hypotenuse eines rechtwinkligen Dreiecks, dessen Katheten dem Wirkwiderstand R und der Differenz des induktiven Blindwiderstandes XL und des kapazitiven Blindwiderstand XC entsprechen. Die Phasenverschiebung zwischen der Gesamtspannung U und dem Strom I erhält man nach Bild VI-21. Phasenverschiebung
j = arccos
UR I⋅R R = arccos = arccos U I⋅Z Z
j = arctan
U′ I⋅X′ = arctan UR I⋅R
= arctan
X L − XC R
R2 + ( X L − XC )2
(VI.69) (VI.70)
( X L − XC ) R
(VI.71)
Bei der Reihenschaltung von R, L und C stellt der ohmsche Widerstand den Realteil dar, während der Imaginärteil eine Zusammensetzung aus induktiven und kapazitiven Blindwiderstand ist. Der Imaginärteil kann verschiedene elektrische Eigenschaften aufweisen. Ist der induktive Anteil größer als der kapazitive, ergibt die Zusammenfassung einen induktiv wirkenden Blindwiderstand.
U
Scheinwiderstand Z =
Z = R + j ⋅( X L − XC )
Phasenwinkel j = arctan
UL
(VI.68)
= I ⋅ ( R + j ⋅ ( X L − X C )) = I ⋅ Z
(VI.66)
X L > X C ⇒ X ′ = X Lers = X L − X C
Ist der kapazitive Anteil größer als der induktive, ergibt die Zusammenfassung einen kapazitiv wirkenden Blindwiderstand. X C > X L ⇒ X ′ = X Cers = X C − X L
In der komplexen Darstellung ergeben sich folgende Zusammenhänge.
(VI.73)
Sind kapazitiver und induktiver Anteil gleich groß, wird der Imaginärteil Null; die Schaltung hat einen rein ohmschen Charakter. In diesem Fall spricht man von einer Reihenresonanz. Reihenresonanz 1 (VI.74) X L = XC ⇒ X ′ = 0 = w⋅ L − w⋅C Über die Resonanzbedingung der Gleichung VI.74 kann die Resonanzfrequenz f0 bzw. ω0 berechnet werden. Resonanzbedingung w0 ⋅ L =
1 1 ⇒ w02 = ⇒ w0 = L⋅C w0 ⋅ C
Resonanzfrequenz f 0 =
1 L⋅C
w0 1 = 2⋅p 2⋅p ⋅ L⋅C
(VI.75)
(VI.76)
Beispiel: Ein ohmscher Widerstand von R = 100 W, eine Indukti-
vität mit einem induktiven Blindwiderstand von XL = 300 W und eine Kapazität mit einem kapazitiven Blindwiderstand von XC = 200 W werden an eine Spannung von U = 200 V angeschlossen. Die Netzfrequenz beträgt f = 50 Hz. Wie groß sind Scheinwiderstand und Stromstärke? Welche Spannungsfälle treten an den Bauelementen auf? Welcher Phasenwinkel herrscht zwischen Spannung und Strom? Welche Resonanzfrequenz hat diese Schaltung? Zeigerdarstellung:
(VI.67)
(VI.72)
Z=
R2 + ( XL − XC )
2
= 100 W + ( 300 W − 200 W) 2
I=
2
U 200 V = = 1, 71 A Z 141,4 A
2
= 141, 4 W
VI Wechselstrom
303
U R = I ⋅ R = 1, 71 A ⋅ 100 W = 171 V ;
Für die Größen im rechtwinkligen Dreieck gilt:
U L = I ⋅ X L = 1, 71 A ⋅ 300 W = 513 V ;
Gesamtstrom
U C = I ⋅ X C = 1, 71 A ⋅ 200 W = 342 V
j = arctan
(XL
− XC ) R
= arctan
( 300 W − 200 W) 100 W
I= = 45 °
V 300 X A = 0 , 955 Vs ; L= L = 1 w A 2 ⋅ p ⋅ 50 s
C=
1 = w⋅ XC
f0 =
w0 2⋅p
=
=
1
2 ⋅ p ⋅ 0 , 955
Vs As ⋅ 15, 9 ⋅ 10 −6 A V
= 40 , 84
1 s
Komplexe Darstellung:
j = arctan
(XL
− XC ) R
= arctan
300 Ω − 200 Ω = 45° 100 Ω
Z = R − j ( X L − X C ) = 100 Ω − j ( 300 − 200 ) Ω = 141, 4 Ω ⋅ e j 45 I=
U 220 V ⋅ e j 0 = = 1, 71 A ⋅ e − j 45 Z 141, 4 Ω ⋅ e j 45
I R2 + I B2
U L = I ⋅ X L = 1, 71 A ⋅ e
⋅ 300 Ω ⋅ e
j 90
= 513 V ⋅ e
(VI.78)
Wirkstrom
IR =
I 2 − I B2 = I ⋅ cosj
(VI.79)
Blindstrom
IB =
I 2 − I R2 = I ⋅ sin j
(VI.80)
Für jede Parallelschaltung gilt, daß der Gesamtstrom die Summe der Teilströme in den Parallelzweigen ist. In der Parallelschaltung gilt als wesentlicher Grundsatz, daß Leitwerte addiert werden können. Sind ein Wirkwiderstand R und ein induktiver Blindwiderstand XL parallelgeschaltet, treibt die anliegende Wechselspannung nach Bild VI-23 einen Wirkstrom U I W = = U ⋅ G durch den Wirkwiderstand und einen R U Blindstrom I B = = U ⋅ B L durch den BlindwiderXL stand. i
U R = I ⋅ R = 1, 71 A ⋅ e − j 45 ⋅ 100 Ω ⋅ e j 0 = 171 V ⋅ e − j 45 − j 45
j 45
iR
U C = I ⋅ X C = 1, 71 A ⋅ e − j 45 ⋅ 200 Ω ⋅ e − j 90 = 342 V ⋅ e − j 135
UC
iB
R
u
UL > UC
(VI.77)
3.2.1 Wirkwiderstand und Induktivität
1 As = 15, 9 ⋅ 10 −6 1 V V 2 ⋅ p ⋅ 50 ⋅ 200 s A
2⋅p⋅ L⋅C 1
I 2 = I R2 + I B2
L
Bild VI-23 Parallelschaltung von Induktivität und ohmschem Widerstand im Wechselstromkreis
U
f I
UR
UL
Der Wirkstrom zeigt in Richtung der Spannung U (Bild VI-24), der Blindstrom eilt um 90° nach. U
Bild VI-22 Beispiel: Reihenschaltung von ohmschen Widerstand, Induktivität und Kapazität
3.2 Parallelschaltung von Wechselstromwiderständen Im Zeigerbild für die Parallelschaltung drehen sich die Zeiger der Ströme gleichmäßig um einen gemeinsamen Drehpunkt. Die Lage der Ströme zueinander bleibt immer erhalten. Die Zeiger der Ströme können also addiert oder subtrahiert werden. Da Wirk- und Blindanteil immer senkrecht aufeinander stehen, ist das Stromdreieck stets rechtwinklig.
IR
f I
IB
Bild VI-24 Zeigerbild der Parallelschaltung von ohmschem Widerstand und Induktivität
Das durch die Zeigeraddition entstehende Zeigerbild kann nach dem Lehrsatz von Pythagoras berechnet werden.
304
Grundlagen der Elektrotechnik i
Gesamtstrom I = 2
I R2
+
I B2
= U ⋅G +U 2
2
2
⋅ B L2
= U ⋅(G + 2
2
B L2
) (VI.81)
Hieraus folgt das ohmsche Gesetz für die Parallelschaltung von Wirkwiderstand und Induktivität im Wechselstromkreis. Gesamtstrom
I = U ⋅ G 2 + B L2
Scheinwiderstand
G + 2
B L2
Bild VI-25 Parallelschaltung von Kapazität und ohmschen Widerstand im Wechselstromkreis
IC f
IR
U
Bild VI-26 Zeigerbild der Parallelschaltung von ohmschem Widerstand und Kapazität
Gesamtstrom
I U ⋅G G j = arccos R = arccos = arccos I U ⋅Y Y IL U ⋅ BL B = arctan = arctan L IR U ⋅G G
(VI.85)
I 2 = I R2 + I C2 = U 2 ⋅ G 2 + U 2 ⋅ BC2 = U 2 ( G 2 + BC2 ) (VI.92)
(VI.86)
Hieraus folgt das ohmsche Gesetz für die Parallelschaltung von Wirkwiderstand und Kapazität im Wechselstromkreis.
In der komplexen Darstellung ergeben sich folgende Zusammenhänge:
Gesamtstrom I = I R + I L = U ⋅ G + U ⋅ ( − jB L ) = U ⋅ ( G − jB L ) = U ⋅ Y (VI.87)
Scheinleitwert Y = G − jB L (VI.88) Y = G 2 + B L2
(VI.89) 1 1 Z= = Y G − jBl
(VI.90)
BL G
(VI.91)
Phasenwinkel j = arctan
C
I
(VI.84)
Phasenverschiebung
Scheinwiderstand
R
(VI.83) 1
Der Scheinleitwert entspricht der Hypotenuse eines rechtwinkligen Dreiecks, dessen Katheten dem Leitwert des Wirkwiderstandes R und dem Leitwert des induktiven Blindwiderstandes XL entsprechen. Die Phasenverschiebung zwischen der Gesamtspannung U und dem Strom I erhält man nach Bild VI-24.
j = arctan
iC
(VI.82)
Scheinleitwert Y = G 2 + B L2 1 Z= = Y
u
iR
Gesamtstrom I = U ⋅ G 2 + BC2
(VI.93)
Scheinleitwert Y = G 2 + BC2
(VI.94)
Der Scheinleitwert entspricht der Hypotenuse eines rechtwinkligen Dreiecks, dessen Katheten dem Leitwert des Wirkwiderstandes R und dem Leitwert des kapazitiven Blindwiderstandes XC entsprechen. Die Phasenverschiebung zwischen der Gesamtspannung U und dem Strom I erhält man nach Bild VI-26.
Phasenverschiebung
3.2.2 Wirkwiderstand und Kapazität Sind in einem Wechselstromkreis ein ohmscher Widerstand R und eine Kapazität mit dem kapazitiven Blindwiderstand XC nach Ersatzschaltbild (Bild VI25) parallel geschaltet, erzeugt die Spannung U durch den Widerstand den Strom IR = U ⋅ G und durch die Kapazität den Strom IC = BC ⋅ U. Beide Ströme haben im Zeigerbild verschiedene Richtungen. Addiert ergeben die beiden Stromzeiger den Zeiger des Gesamtstromes I. Nach Bild VI-26 liegt der Zeiger IR in Richtung der Spannung U; der Zeiger IC eilt der Spannung um 90° vor. Das durch die Zeigeraddition entstehende Stromdreieck kann nach dem Lehrsatz von Pythagoras berechnet werden.
j = arccos
IR U ⋅G G = arccos = arccos I U ⋅Y Y
(VI.95)
j = arctan
IC U ⋅ BC B = arctan = arctan C IR U ⋅G G
(VI.96)
In der komplexen Darstellung ergeben sich folgende Zusammenhänge.
Gesamtstrom I = I R + I C = U ⋅ G + U ⋅ jBC = U ⋅ ( G + jBC ) = U ⋅ Y (VI.97) Scheinleitwert Y = G + jBC
(VI.98)
Y = G 2 + BC2
(VI.99)
Phasenwinkel ϕ = arctan
BC G
(VI.100)
VI Wechselstrom
305
3.2.3 Wirkwiderstand, Induktivität und Kapazität Sind in einem Wechselstromkreis ein ohmscher Widerstand R, eine Induktivität mit dem induktiven Blindwiderstand XL und eine Kapazität mit dem kapazitiven Blindwiderstand XC nach Ersatzschaltbild (Bild VI-27) parallel geschaltet, erzeugt die Spannung durch den Widerstand den Strom IR = U ⋅ G, durch die Induktivität den Strom IL = BL ⋅ U und durch die Kapazität den Strom IC = BC ⋅ U. Die Ströme haben im Zeigerbild verschiedene Richtungen. Addiert ergeben die Stromzeiger den Zeiger des Gesamtstroms I. Nach Bild VI-28 liegt der Zeiger IR in Richtung der Spannung U, der Zeiger IC eilt der Spannung um 90° vor und der Zeiger IL eilt der Spannung um 90° nach. i iR R
u
iC
iL L
Scheinleitwert Y = G 2 + ( BC − B L ) 2
(VI.103)
Der Scheinleitwert entspricht der Hypotenuse eines rechtwinkligen Dreiecks, dessen Katheten dem Leitwert des Wirkwiderstand R und der Differenz des Leitwertes des kapazitiven Blindwiderstand XC und des Leitwertes des induktiven Blindwiderstandes XL entsprechen. Die Phasenverschiebung zwischen der Gesamtspannung U und dem Strom I erhält man nach Bild VI-28. Phasenverschiebung j = arccos j = arctan
IR U ⋅G G = arccos = arccos I U ⋅Y Y
(VI.104)
B − BL I′ U ⋅ B′ = arctan C = arctan IR U ⋅G G (VI.105)
In der komplexen Darstellung ergeben sich folgende Zusammenhänge:
C
Gesamtstrom I = I R + I ′ = U ⋅ G + U ⋅ j ⋅ ( BC − B L )
Bild VI-27 Parallelschaltung von Induktivität, Kapazität und ohmschen Widerstand im Wechselstromkreis
= U ⋅ ( G + j ⋅ ( BC − B L )) = U ⋅ Y
Scheinleitwert Y = G + j ⋅ ( BC − B L )
(VI.107)
Y = G 2 + ( BC − B L ) 2
(VI.108)
Phasenwinkel j = arctan IC U
IC < IL
IL I
Bild VI-28 Zeigerbild der Parallelschaltung von ohmschem Widerstand, Induktivität und Kapazität Das durch die Zeigeraddition entstehende Zeigerbild kann nach dem Lehrsatz von Pythagoras berechnet werden. Gesamtstrom I 2 = I R2 + I ′ 2 = I R2 + ( I C − I L ) 2 = U 2 ⋅ G 2 + U 2 ⋅ B ′ 2 = U 2 ( G 2 + ( BC − B L ) 2 )
(VI.101) Hieraus folgt das ohmsche Gesetz für die Parallelschaltung von Wirkwiderstand, Induktivität und Kapazität im Wechselstromkreis. Gesamtstrom I = U ◊ G + ( BC - BL ) 2
( BC − B L ) G
(VI.109)
Bei der Parallelschaltung von R, L und C stellt der ohmsche Widerstand den Realteil dar, während der Imaginärteil eine Zusammensetzung aus induktivem und kapazitivem Blindwiderstand ist. Der Imaginärteil kann verschiedene elektrische Eigenschaften aufweisen. Ist der induktive Anteil größer als der kapazitive, ergibt die Zusammenfassung einen induktiv wirkenden Leitwert.
IR
f
(VI.106)
2
(VI.102)
BL > BC ⇒ B′ = BLers = BL − BC
(VI.110)
Ist der kapazitive Anteil größer als der induktive, ergibt die Zusammenfassung einen kapazitiv wirkenden Leitwert. BC > BL ⇒ B′ = BCers = BC − BL
(VI.111)
Sind der kapazitive und der induktive Anteil gleich groß, wird der Imaginärteil Null; die Schaltung hat einen rein ohmschen Charakter. In diesem Fall spricht man von einer Parallelresonanz. Parallelresonanz BL = BC ⇒ B′ = 0 = ω ⋅ C −
1 ω ⋅L
(VI.112)
Über die Resonanzbedingung der Gleichung (VI.112) kann die Resonanzfrequenz f0 bzw. ω0 berechnet werden.
306
Grundlagen der Elektrotechnik I
Resonanzbedingung w0 ⋅ C =
1 1 ⇒ w02 = ⇒ w0 = L⋅C w0 ⋅ L
Resonanzfrequenz f 0 =
1 L⋅C
f
(VI.113)
vität mit einem induktiven Blindwiderstand von XL = 300 W und eine Kapazität mit einem kapazitiven Blindwiderstand von XC = 200 W werden an eine Spannung von U = 200 V angeschlossen. Die Netzfrequenz beträgt f = 50 Hz. Wie groß sind Scheinleitwert und Gesamtstromstärke? Welche Ströme fließen durch die Bauelemente, welcher Phasenwinkel herrscht zwischen Spannung und Strom? Welche Resonanzfrequenz hat diese Schaltung? Zeigerdarstellung:
Bild VI-29 Beispiel: Parallelschaltung von ohmschem Widerstand, Induktivität und Kapazität
3.3 Gemischte Schaltungen Die Lösung von gemischten Schaltungen im Wechselstromkreis kann ebenfalls mit Hilfe der Zeigerdarstellung und der komplexen Rechnung erfolgen. Der Lösungsweg soll an einem Beispiel (Bild VI-30) dargestellt werden.
1 1 = = 10 ⋅ 10 −3 S ; R 100 W
BL =
i
1 1 = = 3, 33 ⋅ 10 −3 S ; X L 300 W
i1
1 1 BC = = = 5 ⋅ 10 −3 S X C 200 W Y = G + ( BC − B L ) 2
i2
i3
u
2
Bild VI-30 Gemischte Schaltung im Wechselstromkreis
= (10 ⋅ 10 −3 ) 2 S 2 + ( 5 ⋅ 10 −3 S − 3, 3 ⋅ 10 −3 S ) 2 = 10 ,14 ⋅ 10 −3 S I = U ⋅ Y = 200 V ⋅ 10 ,14 ⋅ 10 −3 S = 2 , 03 A
Beispiel: Lösung mit Hilfe der Zeigerdarstellung:
I R = U ⋅ G = 200 V ⋅ 10 ⋅ 10 −3 S = 2 A ;
U = 200 V ;
Z1 = R12 + X L2 = 1002 Ω2 + 2002 Ω 2 = 223,6 Ω
I C = U ⋅ B C = 200 V ⋅ 5 ⋅ 10 −3 S = 1 A
I1 =
G 10 ⋅ 10 −3 S = arccos = 9, 5 ° Y 10,14 ⋅ 10 -3 S
C=
1 = w⋅ XC
f0 = =
w0 2⋅p
=
1 As = 15, 9 ⋅ 10 −6 1 V V 2 ⋅ p ⋅ 50 ⋅ 200 s A
2 ⋅ p ⋅ 0 , 955
Vs As ⋅ 15, 9 ⋅ 10 −6 A V
= 40 , 84
1 s
Z 2 = R22 + XC2 = 1002 Ω 2 + 2002 Ω2 = 223,6 Ω
= 10 ,14 ⋅ 10 −3 S ⋅ e j 9 , 6 I = U ⋅ Y = 200 V ⋅ e j 0 ⋅ 10 ,14 ⋅ 10 −3 S ⋅ e j 9 , 6 = 2 , 03 A ⋅ e j 9 , 6 I R = U ⋅ G = 200 V ⋅ e j 0 ⋅ 10 ⋅ 10 −3 S ⋅ e j 0 = 2 A ⋅ e j 0 I L = U ⋅ B L = 200 V ⋅ e j 0 ⋅ 3, 3 ⋅ 10 −3 S ⋅ e − j 90 = 0 , 66 AV ⋅ e − j 90 I C = U ⋅ B C = 200 V ⋅ e j 0 ⋅ 5 ⋅ 10 −3 S ⋅ e j 90 = 1 A ⋅ e j 90
U 200 V = = 0 , 89 A Z 2 223, 6 W
j 2 = arctan
XC R2
= arctan
200 = 63, 4 ° 100
Strom eilt der Spannung vor! Parallelzweig 3 mit Widerstand R3 = 200 W
Komplexe Darstellung: Y = G − j ( B C − B L ) = 10 ⋅ 10 −3 S − j ( 5 ⋅ 10 −3 − 3, 3 ⋅ 10 −3 ) S
XL 200 = arctan = 63, 4 ° R1 100
Strom eilt der Spannung nach! Parallelzweig 2 mit Widerstand R2 = 100 W und Kapazität XC = 200 W
I2 =
1 2⋅p ⋅ L⋅C 1
200 V U = = 0 , 89 A Z 1 223, 6 W
j1 = arctan
V A = 0 , 955 Vs ; L= = 1 w A 2 ⋅ p ⋅ 50 s 300
XL
f = 50 Hz
Parallelzweig 1 mit Widerstand R1 = 100 W und Spule XL = 200 W
I L = U ⋅ B L = 200 V ⋅ 3, 3 ⋅ 10 −3 S = 0 , 66 A ;
j = arccos
IC IL
w0 1 (VI.114) = 2⋅p 2⋅p ⋅ L⋅C
Beispiel: Ein ohmscher Widerstand von R = 100 W, eine Indukti-
G=
IR
U
I3 =
200 V U = = 1A R3 200 Ω
j 3 = arctan
0 = 0° R3
Die rechnerische Addition der Ströme kann erfolgen, wenn die Zweigströme in ihre Real- und Blindstromanteile aufgelöst werden. I 1 R = I 1 ⋅ cos j1 = 0 , 89 A ⋅ cos ( −63, 4 ° ) = 0 , 89 A ⋅ 0 , 448 = 0 , 399 A
VI Wechselstrom
307
I 1 B = I 1 ⋅ sin j1 = 0 , 89 A ⋅ sin ( −63, 4 ° ) = 0 , 89 A ⋅ ( − 0 , 894 ) = −0 , 796 A
I 2 R = I 2 ⋅ cos j 2 = 0 , 89 A ⋅ cos ( 63, 4 ° ) = 0 , 89 A ⋅ 0 , 448 = 0 , 399 A I 2 B = I 2 ⋅ sin j 2 = 0 , 89 A ⋅ sin ( 63, 4 ° ) = 0 , 89 A ⋅ 0 , 894 = 0 , 796 A
I 3 R = I 3 ⋅ cos j 3 = 0 , 89 A ⋅ cos ( 0 ° ) = 1 A ⋅ 1 = 1 A I 3 B = I 3 ⋅ sin j 3 = 0 , 89 A ⋅ sin ( 0 ° ) = 1 A ⋅ 0 = 0 A I gesR = I 1 R + I 2 R + I 3 R = 0 , 399 A + 0 , 399 A +1 A = 1, 798 A I gesB = I 1 B + I 2 B + I 3 B = −0 , 796 A + 0 ,796 A + 0 A = 0 A I ges =
2 2 2 2 I ges R + I gesB = 1, 798 + 0 A = 1, 798 A
Die zeichnerische Lösung erfolgt durch Addition der Stromzeiger nach Bild VI-31
f1
f2
4.1 Hochpaßschaltung mit RC- und RL-Glied Das in Bild VI-32 dargestellte RC-Glied stellt einen Hochpaß dar.
I1
I2
I3
Zusammenschaltung von ohmschen Widerständen R, Kapazitäten C und Induktivitäten L zu komplexen Netzwerken. Ein Filter ist ein Netzwerk, das aus einem Frequenzgemisch einen bestimmten Frequenzbereich hervorhebt und einen anderen unterdrückt. Im Durchlaßbereich der Filter werden die zu übertragenden Größen kaum, im Sperrbereich dagegen stark gedämpft. Der Übergang von Sperr- in den Durchlaßbereich wird durch die Grenzfrequenz fG festgelegt. Nach der Lage der Sperr- bzw. Durchlaßbereiche unterscheidet man zwischen Tief-, Hoch- und Bandpaßschaltungen.
I ges
U
C
uE
Bild VI-32 Hochpaßschaltung mit Kapazität und ohmschem Widerstand
uA
R
Bild VI-31 Beispiel: Gemischte Schaltung im Wechselstromkreis in der Zeigerdarstellung Lösung in der komplexen Darstellung:
In der komplexen Darstellung wird zuerst die Gesamtimpedanz Zges ermittelt. Z 1 = R1 + jX L = 100 W + j 200 W = 223, 6 W ⋅ e j 63 , 43 Z 2 = R 2 − jX C = 100 W − j 200 W = 223, 6 W ⋅ e − j 63 , 43 Z 3 = R 3 + j 0 = 200 W + j 0 = 200 W ⋅ e j 0 In der Parallelschaltung können Leitwerte addiert werden, die Impedanzen müssen also in Leitwerte umgerechnet werden.
Y1 =
1 1 = = 4 , 47 ⋅ 10 −3 S ⋅ e − j 63 , 4 Z 1 223, 6 W ⋅ e j 63 , 4
= ( 2 , 0 − j 4 , 0 ) ⋅ 10 −3 S Y2 =
1 1 = = 4 , 47 ⋅ 10 −3 S ⋅ e j 63 , 4 Z 2 223, 6 W ⋅ e − j 63 , 4
= ( 2 , 0 + j 4 , 0 ) ⋅ 10 −3 S
Y3 =
1 1 = = 5 ⋅ 10 −3 S ⋅ e j 0 = ( 5, 0 − j 0 ) ⋅ 10 −3 S Z 3 200 W ⋅ e j 0
Y ges = Y 1 + Y 2 + Y 3 = ( 2 , 0 + j 4 , 0 ) ⋅ 10 −3 S + ( 2 , 0 − j 4 , 0 ) ⋅ 10 −3 S + ( 5, 0 − j 0 ) ⋅ 10 −3 S = ( 9, 0 + j 0 ) ⋅ 10 −3 S = 9, 0 ⋅ 10 −3 S ⋅ e j 0
I ges = U ⋅ Y ges = ( 200 V ⋅ e j 0 ) ⋅ ( 9 ⋅ 10 −3 S ⋅ e j 0 ) = 1, 8 A ⋅ e j 0
4 Passive Filter Passive Filter sind Schaltungen mit einem frequenzabhängigen Übertragungsverhältnis der Eingangsgröße zur Ausgangsgröße. Sie bestehen aus einer
Für die Filter sind Grenzfrequenz und Phasengang von besonderem Interesse. Die Grenzfrequenz ist die Frequenz, bei der das Verhältnis Ausgangsspannung 1 beträgt. UA zu Eingangsspannung UE den Wert 2 Das Verhältnis von Ausgangsspannung zu Eingangsspannung wird Amplitudengang genannt. Amplitudengang (RC) UA = UE
R R + 2
X C2
1
= 1+
(VI.115)
1 (w⋅ C ⋅ R)2
Der Amplitudengang hat für den Fall R =
1 den w⋅C
Wert UA = UE
1 1+
=
1 ⎛⎜ w ⋅ C ⋅ 1 ⎞⎟ ⎝ w⋅C ⎠
1
.
(VI.116)
2
2
Aus (VI.116) ergibt sich die Grenzfrequenz: 1 (VI.117) Grenzfrequenz (RC) f g = 2⋅p ⋅ R⋅C Der Phasengang, die Abhängigkeit des Winkels ϕ zwischen Ausgangs- und Eingangsspannung, ist stark von der Frequenz abhängig.
308
Grundlagen der Elektrotechnik
Phasengang arctan ϕ = f (ω )
(VI.118)
Der Winkel ϕ nimmt für verschiedene Frequenzen unterschiedliche Werte an. Häufig gebrauchte Grenzwerte: 1 = arctan( ∞ ) = 90 ° w=0 j = arctan w⋅C ⋅ R 1 w= R⋅C C⋅R 1 j = arctan = arctan = arctan(1) = 45° w⋅C ⋅ R C⋅R (Grenzfrequenz) 1 w=∞ j = arctan = arctan( 0 ) = 0 ° w⋅ C ⋅ R Im Bild VI-33 sind Amplituden- und Phasengang einer Hochpaßschaltung dargestellt. Sperrbereich
1,0
Durchlaßbereich
UA UE 0,6
65° 45°
UA UE
0,4 0,2
f
C
0,2
0,5
1
UA
=
UE
f
10
XC R + 2
=
X C2
UA = UE
1
Wird anstatt des RC-Gliedes ein RL-Glied (Bild VI34) als Hochpaß eingesetzt, ergeben sich die Gleichungen (VI.119 und VI.120):
1+
uA
Bild VI-34 Hochpaßschaltung mit Induktivität und ohmschem Widerstand
XL R 2 + X L2
=
Grenzfrequenz (RL)
1 R ⎞ 1 + ⎛⎜ ⎟ ⎝ w⋅ L ⎠ fg =
R 2⋅p ⋅ L
2
1 den w⋅C
⎛⎜ w ⋅ C ⋅ 1 ⎞⎟ ⎝ w⋅C ⎠
(VI.119)
4.2 Tiefpaßschaltung mit RC- und RL-Glied Das in Bild VI-35 dargestellte RC-Glied stellt einen Tiefpaß dar.
(VI.122)
2
fg =
1 2⋅p ⋅ R⋅C
(VI.123)
Häufig gebrauchte Grenzwerte: w=0 w=
j = arctan
1 = arctan( 0 ) = 0 ° w⋅C ⋅ R
1 R⋅C
w=∞
C⋅R = arctan (1) = 45° C⋅R (Grenzfrequenz)
j = arctan w ⋅ C ⋅ R = arctan( ∞ ) = 90 °
Im Bild VI-36 sind Amplituden- und Phasengang einer Tiefpaßschaltung dargestellt. Sperrbereich
Durchlaßbereich 85°
UA 0,8 UE 0,6
65°
0,4
(VI.120)
.
2
Daraus folgt die Grenzfrequenz
1,0
Amplitudengang (RL)
1
=
1
j = arctan w ⋅ C ⋅ R = arctan
R L
(VI.121)
1+ (w⋅ C ⋅ R)2
1
Grenzfrequenz (RC)
Bild VI-33 Amplituden- und Phasengang der Hochpaßschaltung mit Kapazität und ohmschem Widerstand
uE
Bild VI-35 Tiefpaßschaltung mit Kapazität und ohmschem Widerstand
Der Amplitudengang hat für den Fall R =
25°
5 v vg
2
uA
Für einen RC-Tiefpaß ergeben sich die charakterisierenden Gleichungen (VI.121 bis VI.123): Amplitudengang (RC)
5°
0,1
UA = UE
uE
Wert
85°
0,8
R
f
0,2 0,1
UA UE
45°
f
25° 5°
0,2
0,5
1
2
5 v vg
10
Bild VI-36 Amplituden- und Phasengang der Tiefpaßschaltung mit Kapazität und ohmschem Widerstand
VI Wechselstrom
309
Wird anstatt des RC-Gliedes ein RL-Glied (Bild VI-37) als Tiefpaß eingesetzt, ergeben sich die Gleichungen (VI.124 und VI.125):
Amplitudengang (BP) UA UE
1
=
L uE
R
uA
Bild VI-37 Tiefpaßschaltung mit Induktivität und ohmschem Widerstand
Amplitudengang (RL) UA = UE
XL R + 2
X L2
=
Grenzfrequenz (RL)
1 R ⎞ 1 + ⎛⎜ ⎟ ⎝ w⋅ L ⎠ fg =
(VI.124)
2
(VI.125)
Bei einem Bandpaß sind zwei verschiedene Filter (Hoch- und Tiefpaß) hintereinander geschaltet (Bild VI-38).
uE
R
R
UA
1 ⋅ UE 3
=
(VI.131)
1 2⋅p ⋅ R⋅C
(VI.132)
Häufig gebrauchte Grenzwerte:
j = arctan
w=0
1− (w⋅ R ⋅ C )2 = arctan( ∞ ) = 90 ° 3⋅ w⋅ C ⋅ R
1 R⋅C
1− (w⋅ R ⋅ C)2 1−1 = arctan = arctan( 0 ) = 0 ° 3⋅ w⋅ C ⋅ R 3
w=∞ j = arctan
Bild VI-38 Bandpaßschaltung mit Kapazität und ohmschem Widerstand Ein Bandpaß überträgt zwischen zwei Grenzfrequenzen eine Eingangsspannung an einen Ausgang mit UA 1 U A max ≥ ⋅ . einem Verhältnis UE UE 2 Die Differenz der beiden Grenzfrequenzen wird als Bandbreite B bezeichnet. Bandbreite B = f go − f gu
1 2⋅p ⋅ R⋅C
obere Grenzfrequenz
j = arctan
uA
(VI.130)
Die Grenzfrequenzen stellen sich bei einem Bandpaß für folgende Frequenz ein: untere Grenzfrequenz
w=
C
max
f go = 3. 303 ⋅
4.3 Bandpaßschaltung
C
Die Ausgangsspannung für den Bandpaß wird maximal, wenn der Faktor wRC = 1 wird. maximale Ausgangsspannung
f gu = 0. 303 ⋅
R 2⋅p ⋅ L
(VI.129)
[( wRC ) 2 − 1] 2 9+ ( wRC ) 2
(VI.126)
Für den Bandpaß nach Bild VI-38 folgt für die Ausgangsspannung: Ausgangsspannung Bandpaß 1 1 + jwC R (VI.127) ⋅U E UA = 1 1 + R+ 1 jwC + jwC R jω RC UA = ◊U E (VI.128) ( jω RC + 1)2 + jω RC
1 − ( w ⋅ R ⋅ C ) 2 −∞ 2 = = arctan( −∞ ) = −90 ° 3⋅ w⋅ C ⋅ R 3⋅ ∞
Im Bild VI-39 sind Amplituden- und Phasengang einer Bandpaßschaltung dargestellt. Sperrbereich
Durchlaßbereich 80°
0,3
Bandbreite
UA UE 0,2 0,1
40° 0°
f
UA UE
f
–40° –80°
0,1
0,2
0,5
1
2
5 v vg
10
Bild VI-39 Amplituden- und Phasengang der Bandpaßschaltung mit Kapazität und ohmschem Widerstand
5 Schwingkreise Anstelle der Bandpaßschaltungen können bestimmte Frequenzbereiche auch durch eine Zusammenschaltung von ohmschem Widerstand, Induktivität und
310
Grundlagen der Elektrotechnik
Kapazität hervorgehoben oder bedämpft werden. Diese Schaltungen werden als Schwingkreise bezeichnet.
5.1 Reihenresonanz Bei der Reihenschaltung stellt sich für die ResonanzU frequenz fr der maximale Strom I r = ein, da sich R die Blindwiderstände gegenseitig kompensieren. w 1 Resonanzfrequenz f r = r = (VI.133) 2⋅p 2⋅p ⋅ L⋅C
Die Reihenschaltung verhält sich nach außen wie ein rein ohmscher Widerstand mit dem Phasenwinkel j = 0°. Innerhalb der Reihenschaltung erreichen die Spannungen an Induktivität und Kapazität wesentlich höhere Werte als die Klemmenspannung. Resonanzspannung an der Induktivität U rL = I r ⋅ wr ⋅ L
(VI.134)
Ir wr ⋅ C
(VI.135)
Die beiden Resonanzspannungen sind gleich groß, haben ihr Maximum jedoch um 180° verschoben. Die im Kreis auftretenden Verluste werden über den Dämpfungsfaktor d angegeben. Der Dämpfungsfaktor beinhaltet die an der Spule, am Kondensator und am Widerstand auftretenden ohmschen Verluste im Verhältnis zum Blindwiderstand. R (VI.136) wr ⋅ L Der Kehrwert des Dämpfungsfaktors wird als Güte Q des Schwingkreises bezeichnet.
Dämpfungsfaktor d =
Kreisgüte Q =
1 wr ⋅ L 1 L = = ⋅ d R R C
Bandbreite D f = f go − f gu
(VI.138)
Bei den Grenzfrequenzen erreicht die Gesamtimpedanz Z des Kreises den nanzimpedanz. Z go = Z gu = 2 ⋅ Z r
wr 1 = 2⋅p 2⋅p ⋅ L⋅C
(VI.140)
Die Parallelschaltung verhält sich nach außen wie ein rein ohmscher Widerstand mit dem Phasenwinkel j = 0°. Innerhalb der Parallelschaltung erreichen die Ströme durch die Induktivität und die Kapazität wesentlich höhere Werte als der Strom in der Zuleitung. Resonanzstrom durch die Induktivität I rL =
U wr ⋅ L
(VI.141)
Resonanzstrom durch die Kapazität (VI.142)
Die beiden Resonanzströme sind gleich groß, haben ihr Maximum jedoch um 180° verschoben. Die im Kreis auftretenden Verluste werden wie bei der Reihenresonanz über den Dämpfungsfaktor d angegeben. wr ⋅ L R
(VI.143)
1 R C = = R⋅ d ωr ⋅ L L
(VI.144)
Dämpfungsfaktor d = Kreisgüte Q =
Die Güte des Reihenschwingkreises wird größer, wenn die Induktivität kleiner und die Kapazität größer wird. Bandbreite Δ f = f go − f gu =
(VI.137)
Die Güte des Reihenschwingkreises wird größer, wenn die Induktivität größer und die Kapazität kleiner wird. Mit Hilfe der Güte kann die Bandbreite des Reihenschwingkreises bestimmt werden. f = r = fr ⋅ d Q
fr =
I rC = U ⋅ ω r ⋅ C
Resonanzspannung an der Kapazität U rC =
U R ein, da sich die Blindwiderstände gegenseitig kompensieren. Resonanzfrequenz
Resonanzfrequenz fr der minimale Strom I r =
2 -fachen Wert der Reso(VI.139)
5.2 Parallelresonanz Ein Parallelschwingkreis ist die Zusammenschaltung von ohmschem Widerstand, Induktivität und Kapazität. Bei der Parallelschaltung stellt sich für die
fr = fr ⋅ d Q
(VI.145)
Bei den Grenzfrequenzen erreicht die Gesamtimpe1 danz Z des Kreises den -fachen Wert der Reso2 nanzimpedanz. Z go = Z gu =
1 2
⋅ Zr
(VI.146)
6 Leistung und Arbeit im Wechselstromkreis 6.1 Leistung und Arbeit bei Phasengleichheit von Spannung und Strom Die Berechnung der Leistung im Gleichstromkreis erfolgt nach der Gleichung VI.147. Leistung im Gleichstromkreis
P =U⋅I
(VI.147)
VI Wechselstrom
311
Die Leistung im Wechselstromkreis kann analog zur Berechnung der Leistung im Gleichstromkreis für Werte erfolgen, die zeitlich zusammenfallen. Die Augenblicks- (Momentan-) Leistung ergibt sich zu: Momentanleistung p = u ⋅ i (VI.148)
mum, wenn die Phasenverschiebung zwischen Spannung und Strom 90° beträgt (Bild VI-42).
Da am Wirkwiderstand Spannung und Strom gleiche Phasenlage haben, folgt p = u ⋅ i ⋅ sin 2 w ⋅ t . (VI.149) Das Liniendiagramm (Bild VI-40) zeigt, daß die Leistung mit doppelter Frequenz oberhalb der Null p schwingt. achse um den Wert p m = 2 p VA
p 2
0
p
2p
Bild VI-41 Liniendiagramm der Leistung bei einer Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung t 1 s
Bild VI-40 Liniendiagramm der Leistung Der Mittelwert der Leistung berechnet sich zu: Mittelwert der Leistung 2p u ⋅i u ⋅i u ⋅i 2 w pm = sin t d t = == =U⋅I ( ) ∫ 2⋅p 0 2 2⋅ 2 (VI.150) Aus Gleichung (VI.150) ergibt sich, daß die Wirkleistung eines Wechselstroms in einem Stromkreis, der nur mit einem Wirkwiderstand belastet ist, gleich dem Produkt aus den Effektivwerten von Spannung und Stromstärke ist P U I Wirkleistung P = U ⋅ I (VI.151) VA = W V A Die Stromarbeit ist das Produkt der Wirkleistung P und der Zeit t. W P t Stromarbeit W = P ⋅ t (VI.152) Wh W h
6.2 Leistung und Arbeit bei Phasenverschiebung von Spannung und Strom Sind die Spannungs- und Stromwellen phasenverschoben (Bild VI-41), wird die Augenblicksleistung in den Bereichen negativ, in denen Spannung und Strom entgegengesetzte Vorzeichen haben. Der Mittelwert der Leistung verschiebt sich in Richtung Zeitachse. Die Wirkleistung wird also durch die Phasenverschiebung kleiner und erreicht ein Mini-
Bild VI-42 Liniendiagramm der Leistung bei einer Phasenverschiebung von 90 Grad zwischen Strom und Spannung Der Mittelwert der Leistung liegt im Bild VI-42 auf der Zeitachse und hat den Wert Null. Die Leistungskurve besteht aus positiven und negativen Halbwellen gleicher Größe, die Wirkleistung hat den Wert P = 0. Beträgt die Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung 90°, hat der Stromkreis eine rein induktive oder kapazitive Last. Der Effektivwert der Leistungskurve kann wiederum durch die Effektivwerte von Strom und Spannung bestimmt werden. Es handelt sich bei dieser Leistung jedoch um keine Wirkleistung, sondern um Blindleistung Q. Blindleistung ( j = 90 ° ) Q = U ⋅ I
(VI.153)
Von Wirkleistung spricht man, wenn Strom und Spannung keine Phasenverschiebung (j = 0°) aufweisen, die Zeiger beider Größen also gleiche Richtung haben.
312
Grundlagen der Elektrotechnik
Von Blindleistung spricht man, wenn Strom und Spannung eine Phasenverschiebung von 90° haben, die Zeiger beider Größen einen rechten Winkel bilden. Liegt der Phasenwinkel zwischen 0° und 90°, kann die Wirkleistung ermittelt werden, indem eine Zeigergröße in den Winkel 0° gelegt und die andere Zeigergröße in ihre Komponenten zerlegt wird, die in Richtung 0° und 90° zeigen (Bild VI-43).
leistung. Der andere Teil pendelt als Blindleistung zwischen der Spannungsquelle und dem Verbraucher hin und her. Zur Unterscheidung der verschiedenen Leistungsarten, hat man unterschiedliche Maßbezeichnungen eingeführt, und zwar mißt man die Wirkleistung in [P] = W, die Scheinleistung in [S] = VA und die Blindleistung in [Q] = var.
6.3 Leistung in komplexer Schreibweise I
Die Leistung ist definiert als S = U ⋅ I. Hieraus ergibt sich für die komplexe Schreibweise in der Exponentialform:
IB IW
f
komplexe Leistung
U
Bild VI-43 Zeigerdiagramm von Strom und Spannung bei beliebigem Winkel Im Bild VI-43 wird die Spannung nicht verschoben und der Strom in den Wirkstrom IW und den Blindstrom IB aufgeteilt. Wirkstrom
I W = I ⋅ cosj
(VI.154)
Blindstrom
I B = I ⋅ sinj
(VI.155)
Strom I * . Da ϕ = ϕU – ϕI die Verschiebung zwischen Spannung U und Strom I darstellt, gilt: U ⋅ I * = U ⋅ I ⋅ ( cos j + j sin j )
(VI.163)
Aus der vorhergehenden Definition ergeben sich die Gleichungen (VI.164) bis (VI.166).
Für die entsprechenden Leistungen folgt: Wirkleistung P = U ⋅ I ⋅ cosj
(VI.156)
Blindleistung Q = U ⋅ I ⋅ sinj
(VI.157)
Wirkleistung und Blindleistung haben ihre Maxima im Liniendiagramm um 90° verschoben, das heißt, man kann die beiden Leistungsanteile als Zeiger darstellen, die einen Winkel von 90° einschließen. Zwischen resultierendem Zeiger und Wirkleistung ist der Winkel ϕ (Bild VI-44).
S
Q
S = U ⋅ I * = U ⋅ I ⋅ e jjU ⋅ e − jj I = U ⋅ I ⋅ e j ( jU −j I ) (VI.162) Die komplexe Leistung ist das Produkt aus der komplexen Spannung U und dem konjugiert komplexen
Wirkleistung P Re ( U ⋅ I * ) = U ⋅ I ⋅ cosj
(VI.164)
Blindleistung Q Im ( U ⋅ I * ) = U ⋅ I ⋅ sinj
(VI.165)
Scheinleistung S
U ⋅ I* = U ⋅ I
(VI.166)
Beispiel: Ein induktiver Verbraucher nimmt bei Un = 220 V
einen Strom I = 2 A auf. Der Winkel zwischen Strom und Spannung beträgt j = 40°. Welchen Wert haben a) die Scheinleistung, b) die Wirkleistung und c) die Blindleistung? a) S = U ⋅ I = 220 V ⋅ 2 A = 440 VA
b) P = S ⋅ cos j = 440 VA ⋅ 0 , 766 = 337 W c) Q = S ⋅ sin j = 440 VA ⋅ 0 , 643 = 283 var
f P
6.4 Leistungsfaktor
Bild VI-44 Zeigerdiagramm der Leistung bei beliebigem Winkel (Operatoren) Der resultierende Zeiger stellt die Scheinleistung S dar. Scheinleistung S =
P2 + Q2
(VI.158)
S = P ⋅ cosj S = Q ⋅sinj
(VI.159) (VI.160)
S = P ⋅ cos j = U ⋅ I ⋅ cos j ⋅ cos j = U ⋅ I
(VI.161)
Die bei effektiver Spannung U und Stromstärke I abgegebene nutzbare Leistung beträgt also nur den durch den Faktor cos ϕ gegebenen Teil der Schein-
Die von einem Verbraucher aufgenommene Wirkleistung ist über den Faktor cos ϕ mit der Scheinleistung verknüpft. Der Faktor cos ϕ wird daher als Leistungsfaktor bezeichnet. P (VI.167) S Der Leistungsfaktor gibt an, wieviel Prozent der Scheinleistung S als Wirkleistung P im Verbraucher umgesetzt werden. In der Praxis soll der Leistungsfaktor möglichst nahe bei Eins liegen, damit die Zuleitungen nicht unnötig mit Blindstrom belastet werden, da dieser Blindstrom auf der Zuleitung Verluste erzeugt.
Leistungsfaktor cosj =
VII Drehstrom
313
VII Drehstrom 1 Erzeugung von mehrphasigem Wechselstrom Dreht man in einem homogenen Magnetfeld drei in einem Winkel von 120º versetzte gleiche Spulen (Bild VII-1) mit der Winkelgeschwindigkeit ω, so werden folgende Spannungen in den Spulen induziert:
verwendet, da sie einen hohen Aufwand an Leitungsmaterial erfordern und keinen Vorteil gegenüber Wechselstromsystemen bieten.
2 Phasenverkettung Betrachtet man die im Dreiphasensystem erzeugten Spannungen in einem beliebigen Zeitpunkt, so ergeben sich beispielsweise folgende Werte: Zeitpunkt ϕ = 0º u1 = 0 ; u 2 = 0 , 866 ⋅ u ; u 3 = −0 , 866 ⋅ u
120.000°
Zeitpunkt ϕ = 90º u1 = u ; u 2 = −0 , 5 ⋅ u ; u 3 = −0 , 5 ⋅ u
120.000° S
Zeitpunkt ϕ = 240º u1 = −0 , 866 ⋅ u ; u 2 = 0 ; u 3 = 0 , 866 ⋅ u
v N
120.000°
Bild VII-1 Erzeugen eines Dreiphasensystems Spannung Spule 1 u1 = u ⋅ sin( w ⋅ t ) Spannung Spule 2 u 2 = u ⋅ sin( w ⋅ t + 120 ° ) Spannung Spule 3 u 3 = u ⋅ sin( w ⋅ t + 240 ° )
(VII.1)
Bei der Bildung der Summen der Augenblickswerte erkennt man, daß zu jedem beliebigem Zeitpunkt die Gesamtspannung der drei Stromkreise den Wert Null ergibt. Da die induzierten Spannungen stets in ihrer Addition den Wert Null ergeben, können die Spulen an einem Spulenende zusammengefaßt werden, ohne daß ein Kurzschluß entsteht (Bild VII-3). Werden die Spulen derart zusammengefaßt, spricht man von einer Verkettung. Man unterscheidet zwei Arten der Verkettung: die Sternschaltung und die Dreieckschaltung. U1
(VII.2) (VII.3)
Das Zeigerdiagramm der erzeugten Spannung ist in Bild VII-2 dargestellt. S
U1
U3 120°
N
120°
U2
Bild VII-3 Verkettung eines Dreiphasensystems U3
120°
U2
Bild VII-2 Zeigerdiagramm der Spannungen gemäß Bild VII-1 Schließt man an jede der Spulen einen ohmschen Verbraucher mit gleichen Werten an, so treiben die Spannungen einen Strom durch die Verbraucher, der gleiche Amplitude hat, aber jeweils um den Winkel von 120º versetzt ist. Solche voneinander unabhängigen Dreiphasensysteme werden in der Praxis nicht
2.1 Sternschaltung Eine Sternschaltung erhält man, wenn die Enden der drei Generatorspulen in einem Punkt, dem Sternpunkt, zusammengeschaltet werden (Bild VII-4). Die in den Spulen induzierte Spannung wird Strangspannung UStr genannt; die zwischen den Abgangsklemmen des Generators gemessene Spannung ist die Leiterspannung UL. Ein Zusammenhang zwischen den Strangwerten und den Leiterwerten des symmetrischen Drehstromsystems in Sternschaltung ist im Bild VII-5 zu erkennen.
314
Grundlagen der Elektrotechnik W1
V1
zwischen den Abgangsklemmen des Generators gemessene Spannung.
W2
V2
W2
U1
U2
U1
Bild VII-4 Spulenanordnung bei einer Verkettung im Stern
UL1L2
UL2N I3
UL3N
I2
V1
Bild VII-6 Spulenanordnung bei einer Verkettung im Dreieck UL3L1 UL3L2
UL2L3
U2 V2
I1
UL1N
W1
UL1N
UL1L2
UL3N UL2N UL2L3
Ein Zusammenhang zwischen den Strangwerten und den Leiterwerten des symmetrischen Drehstromsystems in Dreieckschaltung ist im Bild VII-7 dargestellt.
Bild VII-5 Sternschaltung mit Zeigerbild der Spannungen Nach Bild VII-5 ergeben sich folgende mathematischen Zusammenhänge. Strangspannung U Str = U 1 N = U 2 N = U 3 N (VII.4) Leiterspannung 1-2: U L1L2 = U 1 N − U 2 N = U 1 N ⋅ e − j 90 − U 2 N ⋅ e j 150 = U Str ⋅ ( 0 , 866 − j 1, 5 ) = 1, 732 ⋅ e − j 60 ⋅ U Str (VII.5) Leiterspannung 2-3: U L2L3 = U 2 N − U 3 N = U 2 N ⋅ e j 150 − U 3 N ⋅ e j 30
I12
UL1L2 I31
(VII.6) Leiterspannung 3-1: U L3L1 = U 3 N − U 1 N = U 3 N ⋅ e j 30 − U 1 N ⋅ e − j 90 = U Str ⋅ ( 0 , 866 + j 1, 5 ) = 1, 732 ⋅ e + j 60 ⋅ U Str (VII.7) Strangstrom I Str = I 1 N = I 2 N = I 3 N = I L1 = I L2 = I L3 (VII.8)
Die Leiterströme entsprechen in der symmetrischen Sternschaltung den Strangströmen, die Leiterspannungen einer symmetrischen Sternschaltung betragen das 1, 732 = 3 -fache der Strangspannungen. Für einen symmetrischen Drehstromverbraucher in Sternschaltung gelten gleiche Bedingungen.
UL3L2
UL1L2
I23
UL2L3
Bild VII-7 Dreieckschaltung Spannungen
UL2L3
mit
Zeigerbild
der
Nach Bild VII-7 ergeben sich folgende mathematischen Zusammenhänge: Strangstrom
= U Str ⋅ (1, 732 − j 0 ) = 1, 732 ⋅ e − j 180 ⋅ U Str
UL3L2
I Str = I 12 = I 23 = I 31
Leiterstrom 1: I 1 = I 12 − I 31 = I 12 ⋅ e − j 60 − I 31 ⋅ e j 60 = I Str ⋅ ( 0 − j 1, 732 ) = 1, 732 ⋅ e − j 90 ⋅ I Str
Leiterstrom 2: I 2 = I 23 − I 12 = I 23 ⋅ e − j 90 − I 12 ⋅ e − j 60 = I Str ⋅ ( −1, 5 + j 0 , 866 ) = 1, 732 ⋅ e j 150 ⋅ I Str
Leiterstrom 3: I 3 = I 31 − I 23 = I 31 ⋅ e j 60 − I 23 ⋅ e j 180 = I Str ⋅ (1, 5 + j 0 , 866 ) = 1, 732 ⋅ e j 30 ⋅ I Str
Strangspannung U Str = U 12 = U 23 = U 31
(VII.9)
(VII.10)
(VII.11)
(VII.12) (VII.13)
2.2 Dreieckschaltung
Die Leiterspannungen entsprechen in der symmetrischen Dreieckschaltung den Strangspannungen; die Leiterströme einer symmetrischen Dreieckschaltung
Eine Dreiecksschaltung erhält man, wenn die drei Generatorspulen in Reihe geschaltet werden (Bild VII-6). Die in den Spulen induzierte Spannung ist die
betragen das 1, 732 = 3 -fache der Strangströme. Für einen symmetrischen Drehstromverbraucher in Dreieckschaltung gelten gleiche Bedingungen.
VII Drehstrom
315 Beispiel: Gegeben ist ein symmetrischer Verbraucher mit
3 Leistung des Dreiphasenstroms In symmetrisch belasteten Dreiphasensystemen sind die Werte für U, I und ϕ für die drei Stromkreise (Phasen) gleich. Die Leistung in jedem Strang ist somit identisch und kann nach den Gleichungen (VI-156) bis (VI-161) berechnet werden. Strangscheinleistung S Str = U Str ⋅ I Str
(VII.14)
Strangwirkleistung PStr = U Str ⋅ I Str ⋅ cos j
(VII.15)
Strangblindleistung QStr = U Str ⋅ I Str ⋅sinj (VII.16) Die Gesamtleistung des Dreiphasensystems ist die Summe der Strangleistungen. Scheinleistung S = 3 ⋅ SStr
(VII.17)
Wirkleistung P = 3 ⋅ PStr
(VII.18)
Blindleistung Q = 3 ⋅ QStr
(VII.19)
Berechnung der Leistung über die Leiterspannung und den Leiterstrom:
induktiver Last in Dreieckschaltung mit folgenden Werten: U = 100 V; Z = 300 W ej20. Welchen Wert und Phasenlage haben die Ströme in den Zuleitungen? Welchen Wert hat die Scheinleistung? Strangströme: I 12 =
U L1L2 100 V ⋅ e − j 60 = = 0 , 33 A ⋅ e − j 80 = ( 0 , 057 − j 0 , 325 ) A Z 12 300 W ⋅ e j 20
I 23 =
U L2L3 100 V ⋅ e j 180 = 0 , 33 A ⋅ e j 160 = ( −0 , 31 + j 0 ,113) A = Z 23 300 W ⋅ e j 20
I 31 =
U L3L1 100 V ⋅ e j 60 = = 0 , 33 A ⋅ e j 40 = ( 0 , 25 + j 0 , 212 ) A Z 31 300 W ⋅ e j 20
Ströme in der Zuleitung: I 1 = I 12 − I 31 = 0 , 057 A - j 0,325 A − ( 0 , 25 A + j 0,212 A ) =
= −0 ,193 A - j 0 , 537 A = 0 , 57 A e − j 110 I 2 = I 23 − I 12 = −0 , 31 A + j 0,113 A − ( 0 , 057 A - j 0,325 A ) = = −0 , 367 A + j 0 , 438 A = 0 , 57 A e j 130 I 3 = I 31 − I 23 = 0 , 25 A + j 0,212 A − ( − 0 , 31 A + j 0,113 A ) = = 0 , 56 A + j 0 ,1 A = 0,57 A e j 10 Scheinleistung: S = 3 ⋅ U ⋅ I = 3 ⋅ 100 V ⋅ 0 , 57 A = 98, 7 VA ≈ 100 VA
Sternschaltung S = 3 ⋅ U Str ⋅ I Str = 3 ⋅
UL 3
⋅ IL =
3 ⋅U L ⋅ I L
(VII.20)
IL
3 ⋅U L ⋅ I L
(VII.21)
Dreieckschaltung: S = 3 ⋅ U Str ⋅ I Str = 3 ⋅ U L ⋅
3
=
Aus der Übereinstimmung der beiden Gleichungen ergibt sich, daß die Leistung eines Dreiphasensystems unabhängig davon berechnet wird, ob eine Sternoder Dreieckschaltung vorliegt. Die Wirk- und Blindleistungen im Dreiphasensystem bei symmetrischer Belastung werden entsprechend berechnet. Aus Gründen der Vereinfachung werden bei Berechnungen die Leiterwerte des Dreiphasensystems ohne Indizes geschrieben.
4 Das unsymmetrische Dreiphasensystem Nicht bei jedem Verbraucher oder bei jedem Belastungsfall kann gewährleistet werden, daß die Impedanzen der drei Stränge gleichen Wert oder gleiche Phasenlage haben. Tritt ein Ungleichgewicht im Dreiphasensystem auf, hat das Verschiebungen im Netz zur Folge. Damit diese Verschiebungen, besonders im Niederspannungsnetz, nicht zu große Auswirkungen auf die Phasenlage haben, wird das Netz, wenn ungleichmäßige Belastungen zu erwarten sind, nicht als Dreileiternetz, sondern als Vierleiternetz ausgeführt.
4.1 Das unsymmetrische Dreileiternetz
Wie groß sind die Strangströme und die Strangspannungen und welche Phasenlage haben sie? Welchen Wert hat die Scheinleistung? U 57 , 7 V U 100 V U Str = = 0 , 577 A = = 57 , 7 V ; I = Str = 100 Ω R 3 3
Im Dreiphasennetz sind die Leiterspannungen in Größe und Phasenlage vorgegeben. Treten am Verbraucher Unsymmetrien auf, so verschieben sich die Ströme in den Zuleitungen, ergeben als Summe aber immer noch Null! Beim Verbraucher in der Sternschaltung nehmen die Strangspannungen einen anderen Winkel und eine andere Größe ein.
Mit den Vorgaben im symmetrischen Drehstromnetz folgt für die Ströme und Spannungen:
Beispiel: Gegeben ist ein unsymmetrischer, im Stern geschalteter
Beispiel: Ein symmetrischer Drehstromverbraucher ist im Stern
geschaltet. Bekannt sind U = 100 V und R = 100 W.
I 1 = 0 , 577 A e
− j 90
;
U 1 N = 57 , 7 V e
− j 90
;
I 2 = 0 , 577 A e j 150 ;
U 2 N = 57 , 7 V e j 150 ;
I 3 = 0 , 577 A e j 60 ;
U 3 N = 57 , 7 V e j 60 ;
Scheinleistung: S = 3 ⋅ U ⋅ I = 3 ⋅ 100 V ⋅ 0 , 577 A = 100 VA oder in der komplexen Form
S = 3 ⋅ ( U Str ⋅ I * = 100 VA ⋅ e
Str
j0
) = 3 ⋅ 57 , 7 V ⋅ 0 , 577 A ⋅ e j ( ( -90 )−( −90 ) )
Drehstromverbraucher mit folgenden Werten: U = 100 V; R1 = 100 W; R2 = 50 W; R3 = 100 W. Für die Berechnung muß eine Stern-Dreieck-Umwandlung durchgeführt werden. R12 =
R1 ◊ R 3 + R 3 ◊ R 2 + R 2 ◊ R1 R3
R 23 =
R1 ◊ R 3 + R 3 ◊ R 2 + R 2 ◊ R1 R1
R 31 =
R1 ◊ R 3 + R 3 ◊ R 2 + R 2 ◊ R1 R2
316
Grundlagen der Elektrotechnik Ströme in der Dreieckschaltung:
Mit Hilfe der Umwandlung können die Dreieckwiderstände bestimmt werden, die den gleichen Leiterstrom erzeugen, wie die Strangwiderstände der Sternschaltung.
100 W ⋅ 100 W + 100 W ⋅ 50 W + 100 W ⋅ 50 W ⋅ = 200 W 100 W 100 W ⋅ 100 W + 100 W ⋅ 50 W + 100 W ⋅ 50 W ⋅ = = 200 W 100 W 100 W ⋅ 100 W + 100 W ⋅ 50 W + 100 W ⋅ 50 W ⋅ = = 400 W 50 W
R12 = R 23 R 31
I 23
I 31
Nun können die Ströme in der Dreieckschaltung berechnet werden.
Ströme in der Zuleitung:
I 1 = I 12 − I 31 = 0 , 25 A - j 0,433 A − ( 0 ,125 A + j 0,216 A ) =
U L1L2 100 V e − j 60 = = 0,5 A e − j 60 = 0, 25 A − j 0,433 A V R12 200 e j 0 A U 100 V e j 180 = L2L3 = = 0,5 A e j 180 = −0,5 A + j 0 A V R23 200 e j 0 A U 100 V e j 60 = L3L1 = = 0, 25 A e j 60 = +0,125 A + j 0,216 A V R31 400 e j 0 A
I 12 =
I 23
I 31
U L1L2 100 V e − j 60 = = 0,5 A e − j 60 = 0, 25 A − j 0,433 A V R12 200 e j 0 A U 100 V e j 180 = L2L3 = = 0,5 A e j 180 = −0,5 A + j 0 A V R23 200 e j 0 A U L3L1 100 V e j 60 = = = 0, 25 A e j 60 = 0,125 A + j 0,216 A V R31 400 e j 0 A
I 12 =
= 0 ,125 A + j 0 , 649 A = 0 , 66 A e j 79 I 2 = I 23 − I 12 = −0 , 5 A + j 0 A − ( 0 , 25 A − j 0,433 A ) = = −0 , 75 A − j 0 , 433 A = 0 , 866 A e j 150 I 3 = I 31 − I 23 = 0 ,125 A + j 0,216 A − ( − 0 , 5 A + j 0 A ) = = 0 , 625 A + j 0 , 216 A = 0,66 A e j 19
Scheinleistung: S ges = S 1 + S 2 + S 3 = U L 1 L 2 ⋅ I 12 + U L 2 L 3 ⋅ I 23 + U L 3 L 1 ⋅ I 31 = = 100 V ⋅ 0,5 A + 100 V ⋅ 0,5 A + 100 V ⋅ 0,25 A = = 50 VA + 50 VA + 25 VA = 125 VA
Ströme in der Zuleitung:
I 1 = I 12 − I 31 = 0 , 25 A - j 0,433 A − ( 0 ,125 A + j 0,216 A ) = = 0 ,125 A + j 0 , 649 A = 0 , 66 A e j 79 I 2 = I 23 − I 12 = −0 , 5 A + j 0 A − ( 0 , 25 A − j 0,433 A ) = = −0 , 75 A − j 0 , 433 A = 0 , 866 A e
j 150
I 3 = I 31 − I 23 = 0 ,125 A + j 0,216 A − ( − 0 , 5 A + j 0 A ) = = 0 , 625 A + j 0 , 216 A = 0,66 A e j 19
I12 I1
I2 I23
I31
Bild VII-8 Zeigerdiagramm der Ströme gemäß Beispiel
I3
4.2 Das unsymmetrische Vierleiternetz Muß in einem Dreiphasensystem mit starken Unsymmetrieen gerechnet werden, wird das Vierleiternetz eingesetzt. Beim Vierleiternetz ist der Sternpunkt des Verbrauchers mit dem Sternpunkt der Spannungsquelle über einen separaten Leiter (Neutralleiter) verbunden (Bild VII-9). Treten am Verbraucher ungleiche Belastungen in den verschiedenen Phasen auf, wird der Differenzstrom des Systems über den Neutralleiter zur Spannungsquelle zurückgeleitet. Neutralleiterstrom
I N = I1 + I 2 + I 3
(VII.22)
I1 Sind die Ströme in den Zuleitungen bekannt, können die Spannungen an den Widerständen der Sternschaltung berechnet werden.
UL1N IN
U 1 N = I 1 ⋅ R1 = 0 , 66 A ⋅ e j 79 ⋅ 100 W = 66 V ⋅ e j 79 U 2 N = I 2 ⋅ R 2 = 0 , 866 A ⋅ e − j 150 ⋅ 50 W = 43, 3 V ⋅ e − j 150 U 3 N = I 3 ⋅ R 3 = 0 , 66 A ⋅ e
j 19
⋅ 100 W = 66 V ⋅ e
j 19
Die Strangspannungen haben bei einer unsymmetrischen BelasU 100 V = = 57 , 7 V, den 3 3 sie bei einer symmetrischen Belastung aufweisen. Der Sternpunkt verschiebt sich um einen Wert U0 aus der Ursprungslage.
I3
UL1L2
UL2N UL3N
UL3L1 UL3L2
I2
UL2L3
UL1L2 UL1N UL3N UL2N UL2L3
tung also nicht mehr den Wert U Str =
Bild VII-9 Sternschaltung mit Zeigerbild der Spannungen im Vierleiternetz
Scheinleistung:
Ist der Widerstand des Neutalleiters sehr klein gegenüber dem Widerstand des Verbrauchers, verschiebt sich beim Vierleiternetz die Sternpunktspannung nicht; die Strangspannungen bleiben in Phasenlage und Größe erhalten.
S ges = S 1 + S 2 + S 3 = U 1 N ⋅ I 1 + U 2 N ⋅ I 2 + U 3 N ⋅ I 3 = 66 V ⋅ 0 , 66 A + 43, 3 V ⋅ 0 , 866 A + 66 V ⋅ 0 , 66 A = 43,56 VA + 37 , 5 VA + 43,56 VA = 124,62 VA Beispiel: Gegeben ist ein unsymmetrischer, im Dreieck geschal-
teter Drehstromverbraucher mit folgenden Werten: U = 100 V; R12 = 200 W; R23 = 200 W; R31 = 400 W.
Beispiel: Gegeben ist ein unsymmetrischer, im Stern geschalteter
Drehstromverbraucher mit folgenden Werten: U = 100 V; R1 = 100 W; R2 = 50 W; R3 = 100 W. Unter der Voraussetzung, daß der Widerstand des Neutralleiters gegen Null geht, folgt:
VII Drehstrom U Str =
U 3
=
317
100 V 3
= 57 , 7 V ;
Strangströme: U 57 , 7 V ⋅ e − j 90 I 1 = 1N = = 0 , 577 A ⋅ e − j 90 100 W R I2 =
U 2 N 57 , 7 V ⋅ e j 150 = = 1,154 A ⋅ e j 150 50 W R
I3 =
U 3 N 57 , 7 V ⋅ e j 30 = = 0 , 577 A ⋅ e j 30 R 100 W
Der über den Neutralleiter abfließende Strom ergibt sich zu:
Literaturhinweise [1] Hagmann, G.: Grundlagen der Elektrotechnik: Aula-Verlag, 2006 [2] Hering, E.; Martin, R.; Stohrer, M.: Physik für Ingenieure: Springer, 2002 [3] Frohne, H.: Moeller Grundlagen der Elektrotechnik: Teubner, 2005 [4] Zastrow, D.: Elektrotechnik: Vieweg, 2006 [5] Lindner, H.: Physik für Ingenieure: Fachbuchverlag Leipzig im Carl-Hanser-Verlag, 2006
I N = I 1 + I 2 + I 3 = 0 , 577 A ⋅ e − j 90 + 1,154 A ⋅ e j 150 + 0 , 577 A ⋅ e j 30 = ( 0 − j 0 , 577 ) A + ( − 1, 0 + j 0 , 577 ) A + ( 0 , 5 + j 0 , 289 ) A = = ( − 0 , 5 + j 0 , 289 ) A = 0,577 A ⋅ e j 150
SEITE 318 VAKAT
319
Elektronik I Leitungsmechanismen bei Halbleitern, pn-Übergang 1 Einführung in die Halbleiterphysik Im Periodischen System der Elemente findet man zwischen den Metallen und den Nichtmetallen Elemente, die als Halbleiter bezeichnet werden. Es handelt sich hierbei um Materialien mit einer spezifischen Leitfähigkeit, die in dem Bereich zwischen der spezifischen Leitfähigkeit von metallischen Leitern und der von Isolatoren liegt. Die wichtigsten Halbleiterwerkstoffe sind das Silizium (Si) und das Germanium (Ge). Selen (Se) wird dagegen nur noch zur Herstellung kleinerer Netzgleichrichter verwendet. Hinzu kommen jedoch noch die intermetallischen Verbindungen wie Gallium-Arsenid (GaAs), Gallium-Phosphid (GaP) und Indium-Arsenid (InAs). Sie werden hauptsächlich zur Herstellung von Fotohalbleitern und Hallgeneratoren verwendet. Silizium und Germanium sind 4wertige Elemente; also bilden Atome mit vier Valenzelektronen das Kristallgitter (Tetraeder-Gefüge) von reinem Silizium und Germanium.
In reinem Silizium gibt nun jedes Si-Atom an vier Nachbaratome je ein Elektron ab oder nimmt von jedem der vier ein Elektron zur Aufrechterhaltung der Elektronenpaarbindung an. In einem reinen Siliziumkristall sind alle Valenzelektronen fest gebunden, so daß keine freien Elektronen zur Verfügung stehen. Wird ein solcher Kristall der Einwirkung von Energie in Form von Licht und/oder Wärme ausgesetzt, so beginnen die Atome zu schwingen (thermische Eigenbewegung). Unter diesen Bedingungen können Valenzelektronen aus ihren Bindungen herausspringen und werden damit zu freien Elektronen, so daß die Leitfähigkeit des Materials größer wird. An der Stelle, an der ein Valenzelektron aus seiner Bindung gerissen wurde, fehlt nun jedoch eine negative Ladung. Infolge der positiven Ladung der Protonen im Atom verbleibt dem Atom eine positive Ladung, die als „Defektelektron“ oder „Loch“ bezeichnet wird. 4+
4+
4+
4+
freies Elektron 4+ 4+
Loch
4+ 4+
Silizium-Kristall 4+ Silizium-Kristall 4+
Bild I-1 Elektronenpaarbindung bei Silizium Bei diesen Elementen werden die Atome durch die Elektronenpaarbindung zusammengehalten. In den Atomkoordinationsgittern lagern sich die Atome mit ihren äußeren Elektronenschalen so aneinander, daß ihre Bindung über zwei Elektronen erfolgt. Die Atome teilen sich die Elektronen der äußersten Schale. Diese erhält so nach Bild I-1 den Bau einer Edelgasschale (Abschnitt Werkstoffkunde). Bei einem störungsfreien Kristallgitteraufbau und absolutem Temperaturnullpunkt (J0 = – 273 °C = 0 K(elvin) befinden sich alle Atome im Ruhezustand. Die Leitfähigkeit des Halbleitermaterials ist unter den genannten Bedingungen gleich Null, und damit ist das Material ein absoluter Nichtleiter.
Bild I-2 Thermische Paarbildung beziehungsweise Generation im Teilchen-Modell Das Entstehen eines freien Elektrons und eines Loches nach Bild I-2 wird als „thermische Paarbildung“ oder „Generation“ bezeichnet. Bei andauernder Energiezuführung werden fortlaufend Elektronen frei, die scheinbar ziellos durch den Kristall wandern, bis sie auf ein Loch treffen und dort wieder in einen festen Atomverband zurückspringen. Dieser Vorgang wird „Rekombination“ genannt. Paarbildung und Rekombination sind stets im Gleichgewicht. Die Anzahl der verfügbaren Ladungsträger hängt aber von der Temperatur ab und wird mit steigender Temperatur größer. Im Bereich der Raumtemperatur verdoppelt sich in etwa die Anzahl der Ladungsträgerpaare, wenn eine Temperaturerhöhung um 10 K vorgenommen wird. Diese Erhöhung der Leitfähigkeit mit steigender Temperatur wird allgemein „Eigenleitung“ genannt.
320 Beim Anlegen einer Spannung entsteht im Kristall ein elektrisches Feld, daß die frei gewordenen Elektronen vom Minuspol zum Pluspol der Spannungsquelle zieht. Sie springen auf ihrem Weg dahin immer von einem Loch zum anderen und „fallen hinein“ (rekombinieren). Damit wandern die Löcher aber scheinbar vom Pluspol zum Minuspol der Spannungsquelle. In jedem Halbleitermaterial stehen also zum Ladungstransport sowohl Elektronen als auch Löcher zur Verfügung. Diesen bipolaren Leitungsmechanismus gilt es zu nutzen. Neben dem Teilchen-Modell gibt es noch das Bändermodell, das auf Überlegungen der Quantentheorie zurückgeführt wird (siehe Abschnitt Werkstoffkunde). Danach kann Ladung (Energie) nur in Portionen, also bestimmten ganzzahligen Vielfachen der Grundladung e (Elektronenenergie) existieren. In einem Kristall können nach Pauli nur zwei Elektronen dasselbe Energieniveau haben. Dadurch liegen die Energieniveaulinien der Elektronen des Kristalls sehr dicht in Form von Bändern beieinander. Bei Festkörpern geben also Bänder die möglichen Energiezustände der Elektronen an: 1. Die Elektronen können keine beliebigen Energiewerte im Kristall einnehmen, sondern nur solche, die innerhalb eines Bandes liegen. 2. Die Elektronen können im Kristall keine Energiezustände einnehmen, deren Werte zwischen den Bändern, daß heißt, in der verbotenen Zone, liegen. 3. Eine Energiezufuhr kann ein Anheben der Elektronen auf höhere Energiebänder bewirken, daß heißt, die verbotene Zone kann von den Elektronen übersprungen werden. 4. Nur in teilweise besetzten Bändern kann eine Elektronenleitung vonstatten gehen. In absolut leeren Bändern sind keine Elektronen vorhanden, und in völlig besetzten sind keine erlaubten Energieniveaus mehr vorhanden. 5. Bei Energieabgabe springen alle vorher angeregten Elektronen auf noch freie Plätze in den niederen Energiebändern zurück. Werden Elektronen aus dem Valenzband VB in das Leitungsband LB angehoben, so ist die Elektronenbesetzung des VB nicht mehr komplett. Dieses VB mit relativ wenig unbesetzten Elektronenzuständen verhält sich nun hinsichtlich der Leitfähigkeit so, als wären die entstandenen Lücken positiv geladene Teilchen in einem sonst leeren Band. Bei den Halbleitern ist deshalb eine n-Leitung durch die negativ geladenen Elektronen im Leitungsband und eine p-Leitung durch die positiv geladenen Defektelektronen des Valenzbandes zu unterscheiden. Der „thermischen Paarbildung“ im Teilchenmodell steht also hier nach Bild I-3 die Anhebung eines Valenzelektrons durch Temperaturanstieg vom oberen Rand des Valenzbandes zum unteren Rand des Lei-
Elektronik LB ΔW = 1,1 eV VB
Bild I-3 Generation im Bändermodell tungsbandes adäquat gegenüber. Die zur Paarbildung notwendige Energie wird Bindungsenergie genannt und entspricht der Breite der verbotenen Zone. Bei der bisher besprochenen „Eigenleitung“ hängt die Leitfähigkeit, also die Anzahl der freien Ladungsträger (Elektronen und Löcher) nur von der Temperatur ab. Wie macht man die Leitfähigkeit möglichst temperaturunabhängig? 4+
4+
5+ 4+
Silizium-Kristall 4+
Bild I-4 n-Dotierung von Silizium Die Leitfähigkeit wird fast temperaturunabhängig, wenn man Störstellen im Gitter (Bild I-4) durch das gezielte Einbringen von Fremdatomen in das Kristallgitter des reinen Halbleitermaterials einbaut. Ein derartiger Einbau von Fremdatomen wird als Dotieren bezeichet. Zum Dotieren sind Stoffe geeignet, die entweder ein Valenzelektron mehr oder ein Valenzelektron weniger besitzen als zum Beispiel Silizium. Die Elemente Phosphor (P), Arsen (As) und Antimon (Sb) haben fünf Valenzelektronen und damit ein Elektron mehr als Silizium hat. Bringt man Atome dieser Elemente in das Kristallgitter der Halbleiter, so wird ein Elektron für die Elektronenpaarbindung im Kristall nicht gebraucht. Es entsteht ein Elektronenüberschuß im Kristallgitter (Elektronenspender = Donatoren). Wird dagegen mit Bor (B), Aluminium (Al), Gallium (Ga) oder Indium (In) dotiert, entsteht im Kristall ein Elektronenmangel, weil diese Atome nur über drei Valenzelektronen verfügen. Eine Paarbindung ist nicht komplett, daß heißt es fehlt eine negative Ladung, was bedeutet, daß wir nun nach Bild I-5 Löcher (Defektelektronen) eingebracht haben (Elektronenempfänger = Akzeptoren).
I Leitungsmechanismen bei Halbleitern, pn-Übergang
321 zwischen den beiden unterschiedlich dotierten Siliziumschichten infolge ihrer Wärmebewegung) verlagern sich Elektronen aus dem n-Bereich, in dem sie die Majoritätsträger (Mehrheit) darstellen, in den p-Bereich und rekombinieren mit den Löchern. Ebenso diffundieren Defektelektronen (Löcher) aus dem p-Bereich in den n-Bereich und rekombinieren mit den Elektronen.
4+
4+
3+ 4+
p-dotiert
n-dotiert
Silizium-Kristall 4+
Bild I-5 p-Dotierung von Silizium Diese durch gezielte Verunreinigung bewirkte Leitfähigkeit wird Störstellenleitung genannt. Sie ist maßgebend für die Leitfähigkeit aller dotierten Halbleitermaterialien und ist fast unabhängig von Temperaturänderungen. Mit Hilfe des Bändermodells läßt sich dieses Phänomen auch erklären: Durch die Dotierung entstehen zusätzliche Energieniveaus, so daß ein Ladungsträgertransport bei äußerst kleiner Energiezufuhr möglich ist. Die Lage der neuen Energieniveaus ist im Bild I-6 für n-dotiertes Material und Bild I-7 für p-dotiertes Material erkennbar. LB +
Donatorniveau Donatorion VB n-dotiert
Antidiffusionsspannung
Bild I-8 pn-Übergang mit Antidiffusionsspannung Diese Ladungsträger sind nunmehr für den Stromtransport verloren. Es bildet sich eine Grenzschicht aus, die keine oder nur sehr wenige freie Ladungsträger enthält, die sogenannte Sperrschicht. Infolge der fehlenden Ladungsträger ist die Leitfähigkeit dieser Zone sehr gering. Da im p-Bereich aufgrund der Dotierung negative Atomrümpfe (Ionen) und im n-Bereich positive Atomrümpfe im Kristallgitter eingebunden sind, entsteht eine Raumladung, also eine Potentialdifferenz und damit ein elektrisches Feld, die eine weitere Diffusion unterbindet und somit die Breite der Sperrschicht begrenzt. Diese Antidiffusionsspannung ist von der Dotierung, vom Grundmaterial und der Temperaturspannung abhängig. Weil diese Spannung, die manchmal auch als Diffusionsspannung bezeichnet wird, nur unmittelbar an der Sperrschicht auftritt, kann sie von außen nicht gemessen werden.
Bild I-6 Energieniveau bei n-dotiertem Silizium p-dotiert
n-dotiert
LB Akzeptorion Akzeptorniveau +
VB
Antidiffusionsspannung
p-dotiert
Bild I-7 Energieniveau bei p-dotiertem Silizium Wir haben nun n-dotiertes und p-dotiertes Halbleitermaterial zur Verfügung und kennen zwei Leitungsmechanismen, nämlich n-Leitung und p-Leitung.
2 Der pn-Übergang Fügt man n- und p-dotiertes Halbleitermaterial aneinander, liegt ein pn-Übergang nach Bild I-8 vor. Infolge Diffusion (Verschieben von Ladungsträgern
+
U
Bild I-9 pn-Übergang in Sperrichtung Legt man nun nach Bild I-9 von außen an den pnÜbergang eine größere Spannung an, die dieselbe Polarität wie die Antidiffusionsspannung aufweist, also eine Spannungsquelle mit dem Minus-Pol an den p-Bereich und dem Plus-Pol an den n-Bereich, so werden Elektronen in den p-Bereich gepumpt, die dann ihrerseits mit den Löchern rekombinieren.
322
Elektronik
In den n-Bereich werden zusätzliche Löcher gepumpt (Elektronen abgesaugt). Die Folge ist eine Ausweitung der Sperrschicht, da diese Grenzschicht weiter an Ladungsträgern verarmt. Der Widerstand der Sperrschicht wird nahezu unendlich groß. Polt man nun die Spannungsquelle nach Bild I-10 um (Plus-Pol an den p-Bereich und den Minus-Pol an den n-Bereich), werden Elektronen in den n-Bereich eingebracht, während Defektelektronen in den p-Bereich verbracht werden. Die Folge ist, daß rekombinierte Teilchen sofort durch neue ersetzt, die Sperrschicht abgebaut und bei genügend großer angelegter Spannung zum Verschwinden gebracht wird. Damit fließt ein größer werdender Strom durch den pn-Übergang. Überschreitet die Spannung den Wert der Antidiffusionsspannung, wird der Durchlaßstrom schnell sehr groß.
p-dotiert
n-dotiert
Antidiffusionsspannung
+
U
Bild I-10 pn-Übergang in Durchlaßrichtung Ein pn-Übergang ist also ein Bauelement, dessen Widerstand von der Richtung der angelegten Spannung abhängig ist. Man unterscheidet eine Sperrichtung und eine Durchlaßrichtung.
II Dioden 1 Kennlinien Aus den Diodenkennlinien nach Bild II-1 lassen sich Daten für den Einsatz und das Verhalten der einzelnen Diodentypen ermitteln.
Ge ⇒ U(TO) = 0,2 ... 0,4 V
IF
a
Si ⇒ U(TO) = 0,5 ... 0,8 V
b Durchlaßbereich
UR(BR) U(TO)
UR
Legt man an die Kennlinie in Durchlaßrichtung eine Tangente, wenn die Kennlinie in eine Gerade übergeht, so schneidet diese Tangente die Spannungsachse bei der Schleusenspannung U(TO). Es gelten folgende Werte:
UF
Der Sperrbereich wird von den Größen Sperrspannung UR und Sperrstrom IR beschrieben (R steht für reverse direction, engl.: Rückwärtsrichtung). Es gelten folgende Werte: Ge ⇒ IR = 10 ... 500 mA Si ⇒ IR = 5 ... 500 nA
Sperrbereich
IR
a) Silizium b) Germanium
Bild II-1 Vierquadrantenkennlinie für Silizium- und Germanium-Dioden Der Durchlaßbereich wird von den Größen Durchlaßspannung UF und Durchlaßstrom IF beschrieben (F steht für forward direction, engl.: Vorwärtsrichtung).
Im Koordinatenursprung scheint in der Kennlinie ein Knick zu sein. Bei genauerem Hinsehen findet man als Ursache einen Wechsel der Einheitengröße bei Strom und Spannung. Die Spannung UR(BR) ist hier nach Bild II-1 die rückwärtige Durchbruchspannung. Die Durchbruchspannung ist als die Spannung definiert, für die die maximale Feldstärke im pn-Übergang einen kritischen Wert erreicht und der Sperrstrom sehr plötzlich große Werte annimmt. Der Strom am pn-Übergang setzt sich aus einem Löcherinjektionsstrom ins n-Gebiet, einem Elektro-
II Dioden
323
neninjektionsstrom ins p-Gebiet und einem Rekombinations-Generationsstrom in der Raumladungszone zusammen. Dieser Strom ist temperaturabhängig. Je höher die Temperatur wird, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß die Elektronen große Geschwindigkeiten annehmen. Die Temperaturspannung UT ist eine Funktion der Temperatur und läßt sich über den Energieerhaltungssatz aus der Wärmelehre ermitteln. Setzt man voraus, daß die Elektronen, bedingt durch die Temperatur T, eine bestimmte Energie besitzen, ohne daß eine elektrische Spannung vorhanden ist, so ist die Temperaturspannung als eine Spannung erklärbar. k ⋅T e
Temperaturspannung U T =
(II.1)
mit k = 1,3804 ⋅ 10 Ws/K (Boltzmannkonstante) und e = 1,602 · 10–19 As (Elementarladung) (für T = 300 K ist UT ≈ 26 mV)
Sperr- und Durchlaßverhalten einer Diode sind temperaturabhängig. Bei einem Anstieg der Sperrschichttemperatur JJ um ca. 10 K bei einer Ge-Diode und ca. 7 K bei einer Si-Diode verdoppelt sich der Sperrstrom. Die Schleusenspannung verringert sich mit zunehmender Sperrschichttemperatur JJ um ca. 2 mV/K. Durchlaßkennlinien IF = f (UF) o
o
TU = 25 C ; TU = 100 C BAY 44, BAY 45, BAY 46 3
10
IF
mA 2
10
Mittelwerte Streuwerte
–23
1
10
Tritt nun eine elektrische Feldstärke infolge einer angelegten Spannung auf, so wird die Bewegung der Elektronen zum positiven Potential gerichtet sein. Insgesamt kann der Strom mathematisch wie folgt als die Kennlinie einer Diode in Durchlaßrichtung so beschrieben werden:
10
I = I S ⎧⎨ e U T − 1⎫⎬ ⎩ ⎭
10
0
10
TU = 100oC –1
U
Diodenkennlinie
(II.2)
Hierbei ist IS eine Konstante (Sättigungsstrom), die von der Konstruktion der Diode und verschiedenen Materialparametern abhängt.
25oC
–2
–3
10
0
0,2
0,4
0,6
0,8 V 1,0
UF Sperrkennlinien IR = f (UR) TU = 25oC ; TU = 100oC
BAY 45
IR nA
Bild II-3 Durchlaßkennlinien einer Diode als f(T) Die Diagramme in Bild II-2 und II-3 zeigen die Temperaturabhängigkeit der Sperr- beziehungsweise Durchlaßkennlinien für 25 °C und 100 °C.
104 TU = 100oC
2 Kenndaten und Grenzwerte
103
102
25oC
101
Mittelwerte Streuwerte
100
10–1
0
50
100
150
V UR
Bild II-2 Sperrkennlinien einer Diode als f(T)
Diodenhersteller geben in den Datenblättern eine Reihe von Kennwerten an. Diese Kennwerte sind getrennt nach Grenzdaten und Kenndaten zu bewerten. Grenzwerte sind solche Werte, die auf keinen Fall überschritten werden dürfen, weil das Bauelement sonst zerstört werden könnte. Ein einzelner Grenzwert darf auch dann nicht überschritten werden, wenn andere Grenzwerte nicht voll ausgenutzt sind. Dioden können auf verschiedene Arten elektrisch überlastet werden; durch einen zu großen Durchlaßstrom IF, eine zu hohe Sperrspannung UR, eine zu große, in ihr umgesetzte Verlustleistung PV oder durch eine zu hohe Sperrschichttemperatur JJ max. Die Datenblätter enthalten nach DIN 41782 Stromund Spannungswerte mit folgenden Bedeutungen:
324
Elektronik
Stoßspitzenspannung URSM, Periodische Spitzensperrspannung URRM, Dauergrenzstrom IFAV, Durchlaßstrom-Effektivwert IFRMS und Stoßstrom-Grenzwert IFSM. Beim Betrieb einer Diode entsteht sowohl in Durchlaßrichtung als auch in Sperrichtung eine Verlustleistung PV in der Diode, wobei bei niedrigen Frequenzen die Sperrverluste gegenüber den Durchlaßverlusten vernachlässigbar klein sind. PV = UF ⋅ IF
Verlustleistung
(II.3)
Zur Berechnung dieser Verlustleistung muß UF näher bestimmt werden. Es gilt: UF = U(TO) + rF ⋅ IF Eingesetzt in Gleichung II.3 ergibt sich: PV = (U(TO) + rF ⋅ IF) ⋅ IF = U(TO) ⋅ IF + rF ⋅ IF2
(II.4)
Sowohl Spannung als auch Strom sind hier abhängig von der Zeit f(t). Der 1. Teil der Summe in Gleichung II.4 beschreibt den DC-Anteil der Leistung, während der 2. Teil der Summe den AC-Anteil darstellt. Damit ergibt sich PV = U(TO) ⋅ IFAV + rF ⋅ I2RMS und wegen IRMS = F ⋅ IFAV mit F ≡ Formfaktor ergibt sich die totale Verlustleistung Ptot ≥ PV = U(TO) ⋅ IFAV + rF (F ⋅ IFAV)2
(II.5)
Diese Verlustleistung führt zur Erwärmung des Halbleiterkristalls. Die größte zulässige Verlustleistung wird als totale Verlustleistung Ptot vom Hersteller für bestimmte Temperaturbedingungen angegeben. In diesem Zusammenhang muß auch die zulässige Impulsbelastbarkeit von Dioden gesehen werden. Wird die Diode mit einer rechteckförmigen Spannung betrieben, kann mit dem Diagramm nach Bild II-4 gearbeitet werden. Hier ist die Abhängigkeit des zulässigen Stroms IF von der Impulsdauer ti aufgetragen. Als Parameter wird hier n = ti /T angege-
ben. Je größer der Parameter n wird, um so geringer wird der zulässige Strom in Durchlaßrichtung. Hauptsächlich durch die Verlustleistung bei Durchlaßbetrieb entsteht in der Sperrschicht Wärme, durch die sich die Sperrschichttemperatur erhöht. Diese darf die maximale Sperrschichttemperatur JJ max nicht überschreiten, weil der Kristall seine Halbleitereigenschaften ansonsten stark verändert und die Diode zerstört wird. Die höchste zulässige Sperrschichttemperatur hängt vom Material ab: JJ max ≈ 70° bis 90 °C bei Germaniumdioden und JJ max ≈ 150° bis 200 °C bei Siliziumdioden. Besteht die Gefahr, daß die höchstzulässige Sperrschichttemperatur infolge der Verlustleistung und der Umgebungstemperatur überschritten werden kann, so muß die Diode „gekühlt“ werden. Als Kenndaten werden Eigenschaften der Dioden angegeben, die das Verhalten in bestimmten Arbeitspunkten kennzeichnen. Die Kenndaten werden in dynamische und statische Daten unterteilt. Statische Kenndaten beschreiben das Gleichstromverhalten während dynamische Kenndaten über das Verhalten bei Wechselstrom- und Impulsbetrieb informieren. Der statische Durchlaßwiderstand RF ist der Gleichstromwiderstand einer Diode. Er ist nicht konstant, sondern hängt vom gewählten Arbeitspunkt ab. Oberhalb der Schleusenspannung ist RF sehr klein, unterhalb aber bereits relativ groß. Der dynamische Durchlaßwiderstand rF ist der Wechselstromwiderstand der Diode. Er läßt sich aus der Stromänderung DIF infolge einer Spannungsänderung DUF für einen bestimmten Arbeitspunkt aus dem Kennlinienbild ermitteln. Der dynamische Durchlaßwiderstand wird mit steigendem Durchlaßstrom kleiner. Sein Wert wird vom Hersteller in den entsprechenden Datenblättern in doppelt-logarithmischen Diagrammen, zum Beispiel im Diagramm nach Bild II-5 dargestellt.
Zulässige Impulsbelastbarkeit IF = f (t i);n = Parameter, TU = 25 °C BAY 44, BAY 45, BAY 46
IF 102
A
n=0
ti
0,005 0,01
101
n=
ti T
IF T
0,02
100
10
0,05
0,1
0,2
Bild II-4 Zulässige Impulsbelastbarkeit
–1
10–5
10–4
10–3
10–2
10–1
100
t
i
101 s
II Dioden
325
Dynamischer Durchlaßwiderstand rF
104
Diodenkapazität C = f (UR)
rF = f (IF); Meßfrequenz f = 1 MHz BAY 44, BAY 45, BAY 46
C
rF Ω
BAY 44, BAY 45, BAY 46
10 pF
103
102 BAY 44 BAY 45 BAY 46
5 101
100 10–2
10–1
100
101
mA 102 IF
0 10–1
Bild II-5 Dynamischer Durchlaßwiderstand rF einer Diode
DU F DI F
101
V 102 UR
Bild II-6 Dioden-Kapazität als Funktion der Sperrspannung
dynamischer Durchlaßwiderstand rF =
100
(II.6)
Der statische Sperrwiderstand RR ist im gesamten zulässigen Sperrbereich sehr groß. Er ändert sich auch nur relativ wenig in Abhängigkeit von der Sperrspannung. Wird jedoch die höchstzulässige Spitzensperrspannung URSM überschritten, so wird der Sperrwiderstand plötzlich sehr klein. Eine normale Diode ist dann nicht mehr funktionsfähig. Die Sperrschicht, die sich zwischen dem p-dotierten und dem n-dotierten Material ausbildet, wirkt als Isolator wie ein Dielektrikum, an das sich auf beiden Seiten ein gut leitendes Material anschließt. Jede Diode besitzt daher auch ohne angelegte Spannung eine Sperrschichtkapazität. Sie wird nach Bild II-6 mit zunehmender Sperrspannung kleiner, weil die Breite der Sperrschicht größer wird. Aus der Sperrschichtkapazität und der zwischen den Anschlüssen der Diode und dem Gehäuse auftretenden Kapazität ergibt sich die Diodenkapazität CD. Obwohl diese Diodenkapazität einen relativ kleinen Wert hat, kann sie beim Diodeneinsatz sehr störend wirken. So bildet eine Diode mit einem Vorwiderstand ein RC-Glied, das eine bestimmte Zeitkonstante hat. Bei Betrieb mit einer Wechselspannung sehr hoher Frequenz wirkt das RC-Glied als Tiefpaß, bei Impulsbetrieb als Integrierglied, durch das eine Impulsverformung auftritt. Beim Einsatz in der Digitaltechnik müssen also Dioden mit sehr kleiner Diodenkapazität ausgewählt werden.
Die Sperrschicht ist abgebaut, wenn eine Diode in Durchlaßrichtung betrieben wird. Nun befinden sich zahlreiche Ladungsträger im Bereich der Grenzschicht zwischen dem p- und n-Material. Bei schlagartigem Umpolen der äußeren Spannung (Übergang vom Durchlaß- in den Sperrbetrieb) kann eine Sperrwirkung des pn-Überganges erst dann entstehen, wenn alle Ladungsträger aus der Grenzschicht abgeflossen sind (Träger-Staueffekt, TSE). IF tr r
IR
I RM IR
t
Bild II-7 Sperrverzögerungszeit trr
Die Zeit, die das Ausräumen der Ladungsträger aus der Grenzschicht erfordert, wird Sperrverzögerungszeit trr (reverse recovery time) oder Rückwärtserholzeit trr genannt. Bild II-7 zeigt den Zusammenhang zwischen dem maximal auftretenden Sperrstrom IRM und der Dauer des fließenden Sperrstroms, bis dieser auf ca. 10% von IRM abgesunken ist, bei der die Sperrverzögerungszeit endet.
326
Elektronik
Die Sperrverzögerungszeit soll aus mehreren Gründen möglichst klein sein. So kann unmittelbar nach dem Umschalten vom Durchlaß- in den Sperrbereich bereits eine hohe Sperrspannung UR anliegen, während noch für eine gewisse Zeit ein relativ großer Ausräumstrom IR fließt. Kurzzeitig ergibt sich dadurch eine hohe Verlustleistung, durch die die Diode zerstört werden kann. Eine TSE-Beschaltung (RCReihenglied parallel zur Diode) mindert diesen Effekt. Weiterhin bestimmt die Sperrverzögerungszeit aber auch die höchste Frequenz, die mit der betreffenden Diode noch gleichgerichtet werden kann. Eine Gleichrichtung ist nur möglich, wenn die Dauer der zu sperrenden Halbwelle größer als die Sperrverzögerungszeit ist. Bei Betrieb einer Diode (aber auch aller anderen Halbleiterbauelemente) wird die in der (oder den) Sperrschicht(en) auftretende Verlustleistung PV in Wärme umgewandelt. Diese Wärme muß über das den Kristall umschließende Gehäuse aus Metall, Kunststoff oder Glas an die Umgebungsluft abgeführt werden. Aufgrund der thermischen Gesetze geschieht dieses in dem Maße, je größer die Temperaturdifferenz zwischen Sperrschicht und Umgebungsluft ist und je besser die Ableitung der erzeugten Wärme erfolgen kann. Wie gut die Wärme von der Sperrschicht (J = junction) durch das Material an die Luft (U = Umgebung, auch A für engl. = ambient) abgeführt werden kann, wird durch den Wärmewiderstand Rth JU beschrieben, wobei der Index „th“ den thermischen Widerstand beschreibt. Den mathematischen Zusammenhang beziehungsweise die Definition des Wärmewiderstandes kann man leicht formulieren. Wärmewiderstand
Rth JU =
JJ − JU PV
(II.7)
Bei Dioden mit Verlustleistungen PV < 1 W genügt meist die Wärmeableitung über die Oberfläche des Gehäuses. Der Wärmewiderstand umfaßt den Weg von der Sperrschicht über das Gehäuse an die Umgebungsluft. Bei Verlustleistungen PV > 1 W reicht die Wärmeableitung über das Gehäuse allein nicht mehr aus, weil die Oberfläche des Gehäuses zu klein ist. Um die abstrahlende Oberfläche zu vergrößern, wird die Diode auf einen zusätzlichen Kühlkörper gesetzt. Hierfür eignen sich Metalle, die eine gute Wärmeleitfähigkeit bei gleichzeitig geringem Gewicht haben. Werden Dioden mit einem zusätzlichen Kühlkörper betrieben, so setzt sich der Wärmewiderstand Rth JU aus einer Reihenschaltung der drei Teilwiderstände → Rth JG (Wärmewiderstand Sperrschicht – Gehäuse), Rth GK (Wärmewiderstand Gehäuse – Kühlkörper) und Rth K (Wärmewiderstand des Kühlkörpers) zusammen. → Rth JU = Rth JG + Rth GK + Rth K
Der gesamte Wärmerwidestand Rth JU zwischen Sperrschicht und Umgebungsluft ist nun wegen der großen Oberfläche kleiner als der Wärmewiderstand Rth JU, der für das Halbleiterbauelement ohne Kühlkörper gilt. Je kleiner der Wärmewiderstand ist, um so größere Wärmemengen können von der Sperrschicht abgeführt werden. Die Wärmespeicherung kann durch entsprechende Ersatzschaltbilder (zum Beispiel „Kondensator“) dargestellt und berechnet werden. Zulässige Verlustleistung PV =
JJ − JU Rth JG + Rth GK + Rth K
(II.8)
Der Wärmewiderstand Rth K eines Kühlkörpers ist aber nicht nur von der Größe der Oberfläche, sondern auch vom Material abhängig. Diese Materialabhängigkeit wird meistens in einem Diagramm angegeben. Heute werden in zunehmendem Umfang Rippenkühlkörper verwendet. Sie werden hauptsächlich aus einer Aluminiumlegierung gefertigt. Zwischen dem Gehäuse des Bauelementes und dem Kühlkörper soll ein sehr enger Kontakt bestehen, damit der Wärmewiderstand Rth GK möglichst klein wird. Dies läßt sich mit einer Wärmeleitpaste, zum Beispiel Siliconfett erreichen.
3 Kennzeichnung von Halbleiter-Bauelementen Die Typenbezeichnung setzt sich nach „Pro Electron“ aus zwei (für Typen, die vorwiegend in Rundfunk-, Fernseh- und Magnettongeräten verwendet werden) oder drei (Typen für kommerzielle Zwecke, beziehungsweise Industrietypen) Buchstaben und einer Zahlenkombination zusammen. Bei amerikanischen Herstellern ist die Bezeichnung 1N... für Dioden und 2N ... für Transistoren üblich, wobei die Zahl vor dem „N“ die Anzahl der internen pn-Übergänge kennzeichnet. Hier ist das Ausgangsmaterial der Bauelemente nicht erkennbar. Die nachfolgende dreioder vierstellige Zahl ist eine Registriernummer ohne besondere technische Aussage. Das folgende Schema zeigt die Kennzeichnung von Halbleiter-Bauelementen der Firma Siemens und anderer Firmen. Darin bedeuten: 1. Buchstabe (Ausgangsmaterial): A Germanium; B Silizium; C Material mit einem Energieabstand von mehr als 1,3 eV, zum Beispiel Gallium – Arsenid; D Material mit einem Energieabstand von weniger als 0,6 eV, zum Beispiel IndiumAntimonid; R Halbleiter-Material für Photoleiter und Hallgeneratoren 2. Buchstabe (Verwendungszweck): A Allgemeine Kleinsignalgleichrichtung, Schaltdiode; B Kapazitätsdiode; C NF-Transistor; D NFLeistungstransistor; E Tunneldiode; F HF-Transistor; G Oszillatordiode für HF-Anwendung, auch Multi-
II Dioden
327
chips; H Diode, die auf ein Magnetfeld anspricht, Hall-Feldsonde; L HF-Leistungstransistor; N Optokoppler; P Fotodiode, Fotoelement (strahlungsempfindliches Bauelement); Q Leuchtdiode (strahlungserzeugendes Bauelement); R Elektrisch ausgelöste Steuer- oder Schaltbauteile mit Durchbruchcharakteristik; S Schalttransistor; T Elektrisch oder mittels Licht ausgelöste Steuer- oder Schaltbauteile mit Durchbruchcharakteristik; U Leistungs-Schalttransistor; X Verfielfacherdiode; Y Leistungsdiode; Z Z-Diode, Referenzdiode Der 3. Buchstabe (nur X, Y und Z) kennzeichnet kommerzielle Typen.
4 Diodenarten Dioden unterscheidet man zweckmäßigerweise nach ihrer Anwendung voneinander. Die bisher beschriebenen Grenz- und Kenndaten werden hierbei je nach Ausprägung der Dioden und der beabsichtigten Anwendung als Vor- oder Nachteile angesehen und zielgerichtet verwendet. Die folgenden Diodenarten stellen nur eine willkürliche Auswahl dar.
Alle mit den Vorgängen im Halbleitermaterial zusammenhängenden elektrischen Eigenschaften sind durch geeignete Wahl der Konzentration der Fremdatome (Donatoren beziehungsweise Akzeptoren) beiderseits des pn-Überganges, durch Wahl der Dicke von p- und n-Bereich, durch Wahl der Kristallfläche und durch das Herstellungsverfahren in weiten Grenzen beeinflußbar. In der Art, wie die gewünschten Konzentrationen von Donatoren und Akzeptoren in das Grundmaterial Silizium eingebracht werden, unterscheiden sich die möglichen grundsätzlichen Herstellungsverfahren. Beim Legierungsverfahren nach Bild II-8 wird eine kleine Aluminium- oder Indiumkugel (-draht) auf eine n-dotierte Siliziumscheibe gebracht. Beides zusammen wird soweit erhitzt, bis sich ein kleiner geschmolzener Al-Si-Bereich bildet, der nach dem Abkühlen eine p-leitende Zone bildet. Das Restaluminium bildet den Kontakt der p-Zone. Die genaue Lage, die Fläche und die Eindringtiefe des entstandenen pn-Überganges sind nur schwer exakt zu steuern. Das Legierungsverfahren wird deshalb nur noch in Sonderfällen eingesetzt.
Tabelle II-1 Diodenarten und Anwendungsbereiche Art
Schaltzeichen
Anwendungsbereich
SiliziumFlächendiode
Universaldiode zur Gleichrichtung von Spannungen und Strömen in der Elektrotechnik, Elektronik und Meßtechnik
SiliziumGleichrichterzelle
Gleichrichten von Strömen und Spannungen in der Leistungselektronik
GermaniumSpitzendiode
Gleichrichten von kleinen Wechselspannungen und -strömen bis zu hoher Frequenz. Anwendung als schnelle Schaltdiode in der Digitalelektronik
Schottky-Diode
Gleichrichten von kleinen Wechselspannungen und -strömen bis zu extrem hoher Frequenz. Anwendung als sehr schnelle Schaltdiode. Bestandteil monolithischer integrierter Schaltungen in der Digitalelektronik
Backwarddiode
Gleichrichten extrem kleiner Wechselspannungen bei hoher Frequenz
Tunneldiode
Schwingungserzeugung im Mikrowellenbereich. Schnelle Schaltdiode in der Digitalelektronik
Kapazitätsdiode
Abstimmung von Schwingkreisen, automatische Nachstimmschaltungen, Modulationsschaltungen, Mischer und Frequenzvervielfacher
Z-Diode
Begrenzen von Spannungen, Spannungs-Referenzelement in der Meßtechnik, Schaltungen zur Spannungsneubildung Magnetfeldabhängige Steuerungen
Magnetdiode M
Suppressor-Diode
Begrenzen von Überspannungsspitzen im gesamten Bereich der Elektronik
328
Elektronik Al (flüssig)
p-Si
Al n-Si
Al n-Si
n-Si Legierung bei T = 600 °C ohmscher Kontakt
Epitaxieschicht
Bild II-8 Prinzip des Legierungsverfahrens Das Festkörper-Diffusionsverfahren erlaubt eine wesentlich bessere Kontrolle der Eindringtiefe des pnÜberganges. Bei diesem Verfahren werden nach Bild II-9 einkristalline n-dotierte Si-Scheiben bei hohen Temperaturen einer Dotierstoff enthaltenen Atmosphäre ausgesetzt. Die Fremdatome diffundieren in das n-Silizium, wobei sich durch geeignete Wahl von Temperatur und Zeit die Eindringtiefe sehr genau einstellen läßt. Die Fläche des für eine einzelne Diode benutzten pn-Überganges wird hierdurch jedoch nicht bestimmt. Diese muß durch Zerkleinern in Einzelkristalle gewünschter Größe erfolgen. Der dann seitlich freiliegende pn-Übergang muß zusätzlich geätzt und abgedeckt werden. 3-wertiges Material n-Si Diffusion bei T = 900 ... 1300 °C
p-Si
Al
p-Si ohmscher Kontakt n-Si ohmscher Kontakt
n-Si
Bild II-9 Prinzip des Diffusionsverfahrens Durch das Planarverfahren ist eine wesentlich bessere Kontrolle der Geometrie von pn-Übergängen möglich. Bei diesem Verfahren wird nach Bild II-10 auf der einkristallinen n-dotierten Si-Scheibe bei hohen Temperaturen durch Sauerstoffzufuhr eine SiO2Schicht aufgebracht, durch die quasi keine Fremdatome eindringen können. Durch einen photolithographischen Prozeß wird in diese SiO2-Schicht ein Fenster eingefügt, das einer Dotierstoff enthaltenen Atmosphäre ausgesetzt wird. Die Fremdatome diffundieren an dieser Stelle in das n-Silizium. So läßt sich durch geeignete Wahl von Temperatur und Zeit die Eindringtiefe und die Fläche des für eine einzelne Diode benutzten pn-Überganges sehr genau einstellen. O2 n-Si
SiO2 n-Si
Oxydation bei T = 900 ... 1200 °C
SiO2
3-wertiges Material
Al
tierte Si-Scheibe durch chemische Reaktion bei der Entstehung abgeschieden. Die weiteren Schritte entsprechen dem oben beschriebenen Planar-Diffusionsverfahren.
ohmscher Kontakt
Hinsichtlich der inneren Verluste bringt das EpitaxieVerfahren nach Bild II-11 eine weitere Verbesserung gegenüber dem einfachen Planar-Diffussionsverfahren mit sich. Hierbei wird auf der niederohmigen einkristallinen n-dotierten Si-Scheibe epitaktisch eine ebenfalls, allerdings hochohmige, einkristalline n-do-
ohmscher Al Kontakt n-Si n-Si n-Si+ n-Si+ Diffusion bei p-Si ohmscher Kontakt T = 900 ... 1200 °C
SiO2
n-Si n-Si+ Substrat
SiO2
Bild II-11 Epitaxie-Planar-Diffusionsverfahren Diese grundsätzlichen Herstellungsverfahren können natürlich auch für die Fertigung von Transistoren und anderen HL-Bauelementen angewendet werden. Zur Herstellung von Feldeffekttransistoren und integrierten Schaltkreisen wird neuerdings die Ionenimplantation angewendet. Bei diesem Verfahren werden die Dotierungsatome in einem elektrischen Feld ionisiert und mit hoher Geschwindigkeit in das Grundmaterial „geschossen“. Da sich hierbei die Eindringtiefe sehr genau steuern läßt, sind die pn-Übergänge sehr scharf abgegrenzt, so daß unerwünschte Kapazitäten klein gehalten werden können. Auch die Größe des einzelnen Transistorsystems kann verringert werden, was die Integrationsdichte von ICs erhöht.
4.1 Kapazitätsdioden Bei den Kapazitätsdioden wird die Sperrschichtkapazität und die Abhängigkeit ihrer Größe von der anliegenden Sperrspannung als gewünschte spezielle Eigenschaft benutzt. Die in Sperrichtung betriebene Kapazitätsdiode kann mit einem Plattenkondensator verglichen werden. Die Breite der Sperrschicht, daß heißt hier der Plattenabstand, kann durch die Größe der Sperrspannung variiert werden. So wird mit zunehmender Sperrspannung die Breite der Sperrschicht größer und damit die Sperrschichtkapazität Cj kleiner. Um eine starke Spannungsabhängigkeit der Sperrschichtkapazität zu erreichen, bildet man hyperabrupte pn-Übergänge. Die Diffusionstechnik macht es möglich, Siliziumdioden mit eng tolerierter und recht verlustfreier Sperrschichtkapazität herzustellen. rs
n-Si n-Si p-Si ohmscher Diffusion bei T = 900 ... 1200 °C Al Kontakt
Bild II-10 Planar-Diffusionsverfahren
3-wertiges Material
Cs
Ls Cj
rs Ls
rj
Cj
Bild II-12 Ersatzschaltungen von Kapazitätsdioden
Bei den Kenndaten ist die Nennkapazität von wesentlicher Bedeutung. Sie wird in den Datenblättern stets für bestimmte Sperrspannungen angegeben und wird nicht nur durch die Sperrschichtkapazität Cj gebildet. Die Sperrschicht bildet keinen idealen kapazitiven
II Dioden
329
Blindwiderstand, sondern ist im Zusammenhang mit den anderen Anteilen der Diode in den Ersatzzschaltungen nach Bild II-12 zu betrachten. Neben der Kapazität Cj ist auch die Güte Q einer Kapazitätsdiode beim praktischen Einsatz von Bedeutung, da Kapazitätsdioden für den Einsatz in HF-Schwingkreisen vorgesehen sind. Unter Vernachlässigung der Serieninduktivität LS läßt sich die Güte nach Bild II-12 definieren. 1
Güte Q =
wC j ⋅ rs +
Gleichung II.9 läßt erkennen, daß die Güte frequenzabhängig ist. Die Serieninduktivität (bedingt durch die Anschlußdrähte) ist bei hohen Frequenzen nicht vernachlässigbar. Die meisten Anwendungen ermöglichen die Verwendung eines Ersatzschaltbildes nach Bild II-12b. Hierbei kann der Sperrschichtwiderstand rj und die Anschlußkapazität Cs vernachlässigt werden. In den Datenblättern der Hersteller wird die Abhängigkeit der Güte von der Frequenz in Diagrammen dargestellt, desgleichen die Temperaturund Sperrspannungsabhängigkeit der ausnutzbaren Kapazität. Wegen ihrer relativ kleinen Kapazitäten werden Kapazitätsdioden überwiegend als Schwingkreiskapazitäten in der Hochfrequenztechnik eingesetzt. Sie haben in Radio- und Fernsehgeräten den früher üblichen mechanischen Drehkondensator weitgehend verdrängt.
L
CP
CD
URL
RL UB
UF
V1
(II.9)
1 wC j ⋅ r j
CS
Bild II-14 a Diode als elektronischer Schalter
RV U St
Bild II-13 Prinzipschaltung einer Nachstimmschaltung
Die Kapazität der Kapazitätsdiode ist in den Nachstimmschaltungen nach Bild II-13 meistens nur eine Teilkapazität. Durch Ansteuern mit einer veränderbaren Gleichspannung Ust wird die Sperrschichtkapazität und damit auch die Resonanzfrequenz des Schwingkreises verändert (siehe Abschnitt Nachrichtentechnik).
4.2 Schalterdioden In einem Stromkreis muß ein Schalter in der Stellung „Geschlossen“ einen möglichst kleinen Widerstand (idealer Wert R = 0 W) und in der Stellung „Offen“ einen möglichst großen Widerstand (idealer Wert R = ∞ W) haben. Mit mechanischen Schaltern lassen sich die idealen Werte weitgehend erreichen, bei elektronischen Schaltern jedoch nur näherungsweise. Die Diode stellt einen elektronischen Schalter dar, wenn ihr kleiner Durchlaßwiderstand RF und ihr großer Sperrwiderstand RR als Schalterzustand be-
Bild II-14 b RL
–URL
V1
–UR
– UB
nutzt werden. Der Schaltzustand der Diode als Schalter hängt also von der Polarität der angelegten Betriebsspannung UB in der Schaltung nach Bild II-14a und II-14b ab. Wird der Lastwiderstand RL als Widerstandsgerade in das Kennlinienfeld einer Diode nach Bild II-15 eingetragen und eine Rechteckspannung UB mit positiven und negativen Amplituden verwendet, so können die jeweils auftretenden Spannungen und Ströme in den beiden sich einstellenden Arbeitspunkten AP abgelesen und die zugehörigen Leistungen ermittelt werden. IF mA
UB
UB R IF
t
UR UB UR
Durchlaßbereich AP
UBR
AP
IR
UF UB R
Sperrbereich IR mA
UR
UB U F
Bild II-15 Kennlinienfeld einer Diode mit Arbeitsgerade und Arbeitspunkten
Die Schnittpunkte der Durchlaß- und Sperrkennlinien mit den Widerstandsgeraden ergeben die sich einstellenden Arbeitspunkte bei leitender Diode (Schalter geschlossen) und gesperrter Diode (Schalter offen). Diodenschalter UB = IF ⋅ RL + UF (Schalter geschlossen) UB = IR ⋅ RL + UR (Schalter offen)
330
Elektronik
Beim Arbeitspunkt in Durchlaßrichtung fällt an der Diode die Durchlaßspannung UFA ab, während am Widerstand die Spannung (UB – UFA) abfällt. Durch beide Bauelemente fließt der Strom IFA (Durchlaßstrom im Arbeitspunkt). Da auch in Sperrichtung ein geringer Strom (Sättigungsstrom, Reststrom) fließt, fällt auch am Widerstand in Sperrichtung eine minimale Spannung ab. Wichtige Grenzdaten: maximale Sperrspannung URRM; maximaler Durchlaßstrom IFAVM; maximale Sperrschichttemperatur JJ max; maximale Verlustleistung Ptot; minimale Sperrverzögerungszeit trr min Schaltleistung
2 PS = I F2 ⋅ R L ≤ I FAVM ⋅ RL
(II.10)
Die Schaltleistung PS, die mit einer Diode geschaltet werden kann, ist wesentlich größer als die zulässige Verlustleistung der Diode. Sie hängt praktisch nur von der Betriebsspannung ab.
etwa 5 A bezeichnet. Der Bereich der Leistungsgleichrichterdioden erstreckt sich von etwa 5 A bis 2000 A. Die Durchbruchspannung UR(BR) eines normalen pnÜberganges liegt für sinnvolle Störstellenkonzentration von ca. 1016 cm–3 in der Größenordnung von einigen 10 V. Das reicht für Netzgleichrichter (mögliche Sperrspannungen bei einem 230 V-Netz liegen bei 650 V) nicht aus. Deshalb sind für solche Gleichrichterdioden andere Konstruktionen notwendig und zwar die pin-Struktur nach Bild II-16. Hierbei befindet sich zwischen zwei hochdotierten p- und n-Gebieten noch eine eigenleitende Schicht (i-Gebiet) oder eine schwach n- beziehungsweise p-leitende Schicht. Diese Zwischenschicht nimmt nun die gesamte Sperrspannung auf. p+
n+ i
4.3 Schottky-Dioden Unter bestimmten Bedingungen stellt sich eine Gleichrichterwirkung auch zwischen einer n-dotierten Siliziumschicht und einer aufliegenden Metallelektrode ein. Dieser Effekt wurde nach seinem Entdecker „Schottky-Effekt“ benannt. Weil die Elektronen im nSilizium einen höheren Energiezustand haben als die Elektronen im Metall, wandern Elektronen aus dem n-Silizium in das Metall. Dadurch entsteht in der Grenzschicht eine Raumladungszone. In Durchlaßrichtung erreichen die frei beweglichen Elektronen des Siliziums eine so hohe Energie, daß sie aus der n-Zone in das Metall hineinwandern. Die frei beweglichen Elektronen des Metalls können dagegen bei Raumtemperatur das Metall nicht verlassen. Daher kann auch nach Umpolen der angelegten Spannung kein Elektronenfluß in dem Silizium-Kristall zustandekommen. Der Übergang vom Sperr- in den Durchlaßzustand und umgekehrt erfolgt sehr schnell, da es praktisch keine Sperrschichtkapazität gibt, die von Ladungsträgern geräumt werden muß. Die Schaltzeiten von Schottky-Dioden sind daher sehr klein. Darum werden Schottky-Dioden als integrierte Bauelemente in integrierten Schaltkreisen der Digitalelektronik (zum Beispiel Schottky-TTL in 74LSxxBausteinen) verwendet. Schottky-Dioden werden auch als „Hot-CarrierDioden“ (engl. = heiße Ladungsträger-Diode) bezeichnet aufgrund des höheren Energiezustandes der Elektronen im Silizium im Vergleich zum Metall. Wichtige Kennwerte: Einschaltverzögerungszeit ttr ≈ 50 ps; Ausschaltverzögerungszeit trr ≈ 100 ps; Diodenkapazität CD ≈ 10 pF; Sperrstrom IR ≈ 5 mA
4.4 Gleichrichter-Dioden Gleichrichterdioden lassen sich in Klein- und Leistungsgleichrichterdioden unterteilen. Als Kleingleichrichterdioden werden in der Regel Dioden mit höchstzulässigen Durchlaßströmen von einigen mA bis zu
Bild II-16 Schematische Darstellung einer pin-Diode Bei einer pin-Diode ist die Feldstärke über die gesamte i-Schicht konstant. Damit ist die Sperrspannung UR proportional zur Dicke di der i-Schicht. Reine iSchichten sind in der Praxis nicht erreichbar, denn hier dürften absolut keine Störstellen enthalten sein. Leistungsgleichrichter werden deshalb als p+nn+Diode oder p+pn+-Diode realisiert. Die Durchbruchspannung UR(BR) von p+nn+-Dioden in Abhängigkeit von der Dotierung und der Dicke dn des n-dotierten Mittelgebietes zeigt das Diagramm nach Bild II-17. Heute werden Leistungsgleichrichter dioden mit Durchbruchspannung in der Größe von 4800 V hergestellt. UBR V 3000
dn = 100 μm
1000
dn = 30 μm
300
dn = 10 μm
100 1 N cm3
30
10
10–17
10–16
10–15
10–14
Bild II-17 Durchbruchspannung in Abhängigkeit von der Dotierung und der Dicke des Mittelgebietes
II Dioden
331
4.5 Z-Dioden Wird bei einer Si-Diode die Sperrspannung über den Wert URRM hinaus erhöht, steigt der Strom nach dem Überschreiten der Durchbruchspannung UR(BR) plötzlich sehr stark an. Dioden, die in Sperrichtung einen sehr scharf einsetzenden, steilen Stromanstieg nach Bild II-18 besitzen, werden Z-Dioden genannt. Wegen ihrer charakteristischen Kennlinie im Sperrbereich (Bereich der Durchbruchspannung) kann die Z-Diode zur Stabilisierung oder Begrenzung von Gleichspannungen benutzt werden. Bei den Z-Dioden überlagern sich im Bereich der Durchbruchspannungen zwei unterschiedliche physikalische Effekte. So tritt bei Z-Dioden mit einer Z-Spannung von UZ < 5 V eine innere Feldemission auf, die als ZenerEffekt bezeichnet wird. Ein Durchbruch aufgrund des UR
UZ0 IZ0
höhung eine verstärkte Feldemission bewirkt. Bei Z-Dioden mit UZ > 6 V wird mit zunehmender Temperatur die freie Weglänge der Ladungsträger kleiner. Um den gleichen Durchbruchstrom aufgrund des Lawineneffekts zu erzielen, sind bei größeren Temperaturen größere Sperrspannungen notwendig. Diese Z-Dioden haben einen positiven Temperaturkoeffizienten a. Bei positiven Temperaturkoeffizienten verschiebt sich die Kennlinie zu höheren Z-Spannungen. Der höchstzulässige Sperrstrom IZ max ergibt sich nach Bild II-18 als Schnittpunkt der Leistungshyperbel Ptot mit der Sperrkennlinie der Z-Diode. Z-Dioden werden in einem Arbeitsbereich betrieben, der zwischen dem Stromwert IZ max und einem Wert IZ liegt, der unmittelbar hinter dem scharfen Kennlinienbereich ist. Lieferbar sind Z-Dioden mit Z-Spannungen UZO zwischen 2,4 V und einigen 100 V. Da ihr Arbeitspunkt immer im Bereich der Durchbruchspannung liegt, muß zur Strombegrenzung unbedingt ein Vorwiderstand RV nach Bild II-19 verwendet werden. RV
IV
Ptot
IZ
IZmax
IR
Bild II-18 Charakteristische Kennlinie einer Z-Diode mit Arbeitsbereich Zener-Effektes erfolgt, weil beim Überschreiten einer bestimmten Feldstärke beim Silizium Elektronen aus dem Gitterverband herausgelöst werden. Die dabei freiwerdenden Elektronen und Löcher erhöhen die Anzahl der freien Ladungsträger und damit die Leitfähigkeit der Diode. Dadurch steigt der Sperrstrom IZ stark an. Bei Z-Dioden mit etwa UZ > 6 V erfolgt dagegen der Durchbruch aufgrund des Lawineneffektes (engl.: avalanche breakdown) und führt zu einem scharfen Abknicken der Kennlinie. Beim Lawinen-Effekt ist die Geschwindigkeit der vorhandenen beweglichen Ladungsträger infolge der hohen Feldstärke so groß, daß sie beim Aufprall auf Atome Elektronen und Löcher herauslösen, die als frei bewegliche Ladungsträger nun ihrerseits weitere Ladungsträger aus dem Atomverband herausschlagen. Weil der Sperrstrom IZ dadurch sehr schnell anwächst, wird dieser Vorgang als Lawinendurchbruch bezeichnet. Zwischen etwa 5 V < UZ < 6 V liegt ein Gebiet, in dem sich Zener-Effekt und Lawinen-Effekt überlagern. Z-Dioden mit einer Durchbruchspannung UZ < 5 V haben für die Durchbruchspannung einen negativen Temperaturkoeffizienten, weil eine Temperaturer-
UE
UA
V1
Bild II-19 Z-Diode mit Vorwiderstand
Wichtig ist der differentielle Widerstand rZ der Diode, der die Steilheit der Arbeitskennlinie beschreibt. Je kleiner dieser Widerstand ist, um so geringer ist die Spannungsänderung bei einer bestimmten Stromänderung. Der differentielle Widerstand rZ liefert also eine Aussage über den Stabilisierungsgrad der Z-Diode. Er ist nicht völlig konstant, sondern hängt von der Temperatur, dem Z-Strom und der Z-Spannung nach Bild II-20 ab.
1000 rZ Ω
Differentieller Widerstand rZ = f (UZ) Tj = 25 °C IZ = 1mA
100
5mA 10mA
10
1 0
5
10
15
20
UZ V
Bild II-20 Differentieller Widerstand rZ Die für eine Z-Diode in den Datenblättern angegebene Z-Spannung gilt oft für einen Strom IZ = 5 mA. Die Abstufung zwischen den Spannungen entspricht häufig der E-24-Reihe. Um die Toleranzen der an-
332
Elektronik
gegebenen Z-Spannungen zu kennzeichnen, wird an die Typenbezeichnung des Grundtyps der Kennbuchstabe der Güteklasse angehängt. Wichtige Grenzdaten: max. Sperrschichttemperatur JJ max; maximale Verlustleistung Ptot; maximaler Durchlaßstrom IFAVM; Wärmewiderstand Rth JU Wichtige Kenndaten: Nennspannung UZO bei IZ = 5 mA; differentieller Widerstand rZ bei IZ = 5 mA, 1 mA
5 Anwendungsschaltungen Dioden sind in vielen Funktionen und Leistungskategorien einsetzbar. Ihre Anwendung in der Nachrichtentechnik unterliegt anderen Gesichtspunkten als in der Leistungselektronik oder Digitaltechnik.
5.1 Begrenzerschaltungen Ein Einsatzgebiet der Diode als Schalter sind Begrenzerschaltungen. Das sind Schaltungen, die Spannungsamplituden oberhalb oder unterhalb eines bestimmten positiven oder negativen Pegels durchlassen oder unterdrücken. Im Bereich der Digitaltechnik müssen sowohl Störspannungsspitzen unterdrückt wie auch das Rauschen bei Signalen herausgefiltert werden. Diodenschalter wie Differenzier- und Integrierglieder lassen sich auch zur Impulsformung einsetzen. Begrenzerschaltungen werden auch zur Unterdrückung von Störspannungsspitzen in der Signaltechnik eingesetzt, aber auch zur Trennung der einzelnen Amplitudenhöhen eines Fernseh-BAS-Signals benutzt.
ua
R ue
G
Die sinusförmige Eingangsspannung ue ist so klein, daß die Diodenschwellspannung UD nicht vernachlässigbar klein ist. Bild II-21 zeigt eine Begrenzerschaltung, bei der die Ausgangsspannung ua in Durchlaßrichtung auf die Schwellspannung beschränkt ist. In Sperrichtung liegt allerdings die Spannung ue in voller Größe, also mit dem Scheitelwert, an. Die Schaltung dient zum Begrenzen positiver Spannungswerte auf den Wert der Diodenschwellspannung UD, bei Reihenschaltung mehrerer Dioden auf die entsprechende höhere Spannungssumme. In der Schaltung nach Bild II-22 sind Diode V1 und Widerstand R gegenüber Bild II-21 getauscht. Die Ausgangsspannung ua ist gleich Null, solange die Diode noch gesperrt ist, so daß kein Strom fließt. Überschreitet die Eingangsspannung ue den Wert der Diodenschwellspannung UD, so fließt ein sinusförmiger Strom durch den Widerstand R und läßt eine proportionale Spannung abfallen. Bei kleinen Amplituden von ue setzt der Stromfluß und damit die Ausgangsspannung ua deutlich später als die Eingangsspannung ein. Da bei negativer Eingangsspannung ue die Diode sperrt, ist die Ausgangsspannung ua in der Zeit gleich Null. Statt einer Diode sind in der Schaltung nach Bild II-23 mehrere in Reihe geschaltete Dioden V1 bis V4 eingesetzt, so daß außer der negativen Amplitude auch ein erheblicher Anteil (hier 4 ⋅ 0,7 V) der positiven Spannungswerte unterdrückt wird. Bild II-24 zeigt eine Schaltung, die sowohl positive als auch negative Eingangssignale ue am Ausgang begrenzt. Die Ausgangsspannung ua wird hier durch die antiparallele Reihenschaltung von jeweils 2 Dioden (V1, V2 und V3, V4) auf die doppelte Diodenschwellspannung UD begrenzt.
UD ua
V1
t
Bild II-21 Spannungsbegrenzung auf die Diodenschwellspannung UD und zugehöriges Liniendiagramm
ue V1 U ue
G
R
t
ua ua
t
Bild II-22 Schaltung zur Restspannungsunterdrückung und zugehöriges Liniendiagramm
II Dioden
333 ue M × UD
Bild II-23 Begrenzerschaltung mit zugehörigem Liniendiagramm
V1 V2 V3 V4 ue
G
t
ua
R
ua t
ua
R ue
G
V1
V3
V2
V4
2·UD
ua
t
Bild II-24 Schaltung zur Begrenzung positiver und negativer Eingangssignale
2·UD
ua
R V1 ue
V2
G R1
UB ( + UD ) 2
UB
R2
ua –(
UB + UD ) 2
Mit Hilfe der Schaltung nach Bild II-25 wird der Begrenzungspegel der Ausgangsspannung einstellbar gemacht. Die Spannung UB wird durch die Widerstände R1 in zwei gleiche Teile aufgeteilt. Diese Teilspannungen spannen die Dioden V1 und V2 in Sperrichtung vor, so daß immer dann eine der beiden Dioden durchlässig wird, wenn die Eingangsspannung ue in positiver oder negativer Richtung den Wert UB /2 + UD überschreitet. Ist die Spannung UB einstellbar, kann der Begrenzungspegel variiert werden. Bild II-26 zeigt eine Begrenzerschaltung, bei der die Diode V1 durch die Gleichspannungsquelle UB in Sperrichtung vorgespannt ist. Solange sie gesperrt ist, hat sie den größten Widerstand im Generator- und Batteriestromkreis. Die Diode wird leitend, sobald ihre Anode um den Betrag der Schwellspannung positiver ist als die Kathode. Dies ist der Fall, wenn die Eingangsspannung ue mindestens einen positiven Wert von UB + UD hat. Steigt ue weiter an, bleibt die Ausgangsspannung ua auf diesen Wert begrenzt.
5.2 Gleichrichter Haupteinsatzgebiet der Klein- und Leistungsgleichrichterdioden ist die Gleichrichtung niederfrequenter Wechselspannungen, insbesondere von Netzspannungen.
t
Bild II-25 Schaltung mit einstellbarem Begrenzungspegel der positiven und negativen Ausgangsspannung mit zugehörigem Liniendiagramm
Im allgemeinen benötigen elektronische Schaltungen als Energieversorgung eine oder mehrere Gleichspannungsquellen. Bei höherem Energiebedarf ist die Verwendung von Batterien unwirtschaftlich. Darum erfolgt eine Speisung aus dem Wechselspannungsnetz (AC). Hierbei ist neben einer Abwärtstransformation auch eine Gleichrichtung der Wechselspannung zu Gleichspannung (DC) erforderlich. Halbleiterdioden sind hierfür wegen ihrer kleinen Durchlaßspannung, ihrer hohen Belastbarkeit und ihres großen Verhältnisses zwischen Sperrwiderstand und Durchlaßwiderstand sehr gut geeignet. 5.2.1 Einweggleichrichter (M1) Bei der in Bild II-27 dargestellten Schaltung ist die Diode nur während der positiven Halbwellen der AC leitend. Die Schwellspannung UD der Diode V1 sei vernachlässigbar klein gegenüber der Spitzenspannung US1 der vom Transformator gelieferten Spannung U1 (= URMS). Daher fließt auch nur während dieser Zeitdauer ein Strom ID durch den Lastwiderstand RL. An diesem Widerstand kann aber nur dann eine Spannung auftreten, wenn ein Strom fließt. Der Spannungsverlauf am Lastwiderstand entspricht also einer pulsierenden DC, die nur aus positiven sinusförmigen Halbwellen besteht.
334
Elektronik ua R
Bild II-26 Schaltung mit einstellbarem Begrenzungspegel der positiven Ausgangsspannung und zugehörigem Liniendiagramm
UB + UD
V1 ue
t
ua
G UB
UD
Während der negativen Halbwelle liegt die Diode in Sperrichtung an dem Spitzenwert US1 der AC, daß heißt, die Diode muß für US1 = URRM = ( 2 ⋅ U1) geeignet sein. UD UN
U1
V1
t
ID RL
UL IL
UL
IL = ID t
T1
Bild II-27 Einweggleichrichterschaltung (M1) mit ohmscher Last
UAV IFAV
UD
USchleuse
t
Die am Lastwiderstand RL auftretende Spannung UL ist nach Bild II-28 eine pulsierende Gleichspannung (DC). Wird sie mit einem Gleichspannungs-Meßinstrument (Drehspulinstrument) gemessen, bildet dieses den arithmetischen Mittelwert UAVL beziehungsweise den arithmetischen Mittelwert IAVL aus der pulsierenden DC. Wird sie dagegen mit einem Dreheiseninstrument gemessen, bildet dieses den quadratischer Mittelwert (Effektivwert) URMSL aus der pulsierenden DC. Während der positiven Halbwelle der Trafospannung ist die Diode jeweils leitend, und es fließt durch die Diode ein periodischer Spitzendurchlaßstrom IFRM = ( 2 ⋅ ID).
Auswahlkriterien: URRM periodische Spitzensperrspannung IFRM periodischer Spitzendurchlaßstrom Die Ausgangsspannung UL einer Einweggleichrichterschaltung pulsiert so stark, daß sie zur Energieversorgung von elektronischen Geräten nicht geeignet ist. Teilweise Abhilfe schafft die Schaltung nach Bild II-29. Der Ladekondensator CL wirkt in dieser Schaltung als Speicher, der jeweils in der positiven Halbwelle aufgeladen wird. Durch die Diode V1 fließt dann gleichzeitig der Ladestrom IC für den Kondensator CL und der Laststrom IL. In den negativen Halbwellen, in denen die Diode sperrt, entlädt sich der Kondensator über den Lastwiderstand, so daß dieser auch in den Sperrzeiten der Diode von einem Strom durchflossen wird. Auf diese Art wird die pulsierende DC geglättet. Im Bild II-30 sind die Strom- und Spannungsverläufe für verschiedene Fälle dargestellt.
Bild II-28 Ausgangsspannung der Einweggleichrichterschaltung nach Bild II-27 UD
IL
ID UN
U1
IC
V1 CL
RL
UL
T1
Bild II-29 Einweggleichrichterschaltung (M1) mit ohmscher Last und Ladekondensator
Wie gut der Ladekondensator CL diese Glättung bewirkt, hängt hauptsächlich von zwei Bedingungen ab: 1. Kapazität des Ladekondensators: Je kleiner seine Kapazität CL ist, desto stärker entlädt er sich in der negativen Halbwelle. Damit wird die Welligkeit größer und der arithmetische Mittelwert UAVL kleiner. 2. Größe des Lastwiderstandes RL: Je hochohmiger der Lastwiderstand RL ist, umso geringer ist der Strom, den er in den negativen Halbwellen aus dem Ladekondensator CL zieht, daß heißt, desto weniger wird der Ladekondensator entladen. Die Größe der mittleren Ausgangsgleichspannung UAVL, aber auch die ihr überlagerte Brummspannung UBr, ist sehr stark abhängig von der Kapazität des Ladekondensators und vom Laststrom. Die folgende Tabelle II-2 gilt unter der Voraussetzung, daß der Kondensator eine Kapazität von 1 mF je 1 mA Laststrom hat.
II Dioden
335
Tabelle II-2 Charakteristische Werte und Faktoren für einfache Gleichrichterschaltungen Schaltungsart
M1
M2
B2
Leerlaufspannung UAVL
( 2 ⋅ U1)
( 2 ⋅ U1)
( 2 ⋅ U1)
Ausgangsgleichspannung UAV2
1,2 ⋅ U1
1,3 ⋅ U1
1,3 ⋅ U1
Durchlaßstrom IFAVM
IL
0,5 ⋅ IL
0,5 ⋅ IL
max. Sperrspannung URRM
2 ⋅ ( 2 ⋅ U1)
2 ⋅ ( 2 ⋅ U1)
( 2 ⋅ U 1)
Faktor k (UBr)
4,8 ⋅ 10 s
1,8 ⋅ 10 s
1,8 ⋅ 10–3 s
Faktor k (UBr ss)
14 ⋅ 10–3 s
5 ⋅ 10–3 s
5 ⋅ 10–3 s
Frequenz fBr
50 Hz
100 Hz
100 Hz
–3
–3
Unter der oben genannten Bedingung kann für die Ausgangsgleichspannung UAVL mit hinreichender Genauigkeit nach Tabelle II-2 UAVL ≈ 1,2 ⋅ U1 angenommen werden. Bei RL = ∞ W wird während der negativen Halbwellen kein Strom aus dem Kondensator gezogen, so daß für die Leerlauf-Ausgangsgleichspannung gilt UAVL = 2 ⋅ U1 – UD = US1 – UD Für große Werte von U1 kann die Spannung UD vernachlässigt werden. In einer Einweggleichrichterschaltung mit Ladekondensator ist die Diode nicht mehr während einer gesamten Halbwelle, sondern nach Bild II-30 nur noch während eines kurzen Zeitabschnittes leitend. Dieser Zeitabschnitt hängt von den Augenblickswerten der Spannungsdifferenz zwischen Kathode und Anode ab. Die Nachladung des Ladekondensators beginnt jeweils während der positiven Halbwelle der Trafospannung zu dem Zeitpunkt, in dem die Spannung an der Anode um etwa 0,6 V größer wird als die Spannung an der Kathode. Die Nachladung wird beendet, sobald die Spannung an der Anode wieder unter die Spannung an der Kathode, also unter die Kondensatorspannung, abgesunken ist. Da hier in sehr kurzer Zeit eine große Energie nachgeladen werden muß, ist der Ladestrom erheblich größer als der entnommene Gleichstrom. Darum geben die Hersteller in den Datenblättern oft einen Höchstwert für den Ladekondensator an. Die maximal mögliche Sperrspannung im Leerlauf ist URRM = 2 ⋅ ( 2 ⋅ U1) nach Tabelle II-2, da der Ladekondensator dann auf + US1 aufgeladen ist, jedoch der negative Spitzenwert der Eingangsspannung U1 den Wert – US1 hat. Bild II-30 zeigt diesen Umstand im unteren Teil auf. Wegen der fortlaufenden Auf- und Entladung des Kondensators ist der mittleren Ausgangsgleichspannung UAV2 immer noch eine Wechselspannung (Restwelligkeit) überlagert, die nichtsinusförmig ist, aber
eine Frequenz f = 50 Hz hat, wenn die Gleichrichterschaltung mit Netzfrequenz betrieben wird. Diese überlagerte Wechselspannung wird als Brummspannung UBr bezeichnet, da sie zum Beispiel in einem Lautsprecher als tiefes Brummen gut hörbar ist. Die am Ladekondensator abfallende Brummspannung läßt sich mit den in Tabelle II-2 angegebenen K-Faktoren hinreichend genau berechnen. Brummspannung U Br = K ⋅ periodischer Spitzenstrom
IL CL
(II.11)
I FRM ≤
U AVL Ri ⋅ R L
(II.12)
Der Wert der Brummspannung hängt also im wesentlichen von der Kapazität des Ladekondensators, der Größe des Laststroms und einer schaltungsspezifischen Konstanten ab. Einschaltspitzenstrom
I FRME ≤
U S1 Ri
(II.13)
Der periodische Spitzenstrom IFRM läßt sich nach Gleichung II.12 berechnen, der Einschaltspitzenstrom IFRME nach Gleichung II.13. 5.2.2 Mittelpunktschaltung (M2)
Um die Höhe der Brummspannung grundsätzlich zu verkleinern, werden nach Bild II-31 zwei Einweggleichrichter zu einer Mittelpunktgleichrichterschaltung zusammengefaßt. Für einen solchen Zweiweggleichrichter wird ein Transformator mit einer Mittelanzapfung benötigt, die auf Masse gelegt wird und als Bezugspunkt dient. Eine Analyse der Schaltung ergibt, daß die Diode D1 für die Dauer der positiven Halbwelle der Spannung U1 leitend ist, während die Diode D2 gesperrt ist. In der negativen Halbwelle verhalten sich die Dioden umgekehrt. Jede Diode wird aber nur noch mit einem Diodenstrom ID belastet, der dem halben Laststrom IL entspricht.
336
Elektronik UD
UD
t 2 · U1 UAV UAZ
UL
t UL
IL=I1
tAufl.
t
tEntladung
IDiode IL
IDiode IL
IFAV
UL
IDiode=IL
IFAV
t
a)
UAV
UBrSS
t t
UDiode USchleuse
b)
t
Bild II-32 Ausgangsspannung einer M2-Schaltung mit/ohne Ladekondensator 2 · 2 · U1 mit RL ohne CL mit RL und mit CL ohne RL, mit CL
Bild II-30 Strom- und Spannungsverlauf für verschiedene Werte von RL und CL Dies führt dazu, daß sowohl in der positiven als auch in der negativen Halbwelle ein Strom durch den Lastwiderstand RL fließt. Da das in derselben Richtung geschieht, muß von DC gesprochen werden. ID
V1
U1 UD
Die Mittelpunktschaltung wird nur noch in Ausnahmefällen eingesetzt. Ein Transformator mit Mittelanzapfung ist teurer und hat wegen der zweiten Sekundärwicklung ein größeres Gewicht. 5.2.3 Brückengleichrichterschaltung (B2) Die am häufigsten verwendete Gleichrichterschaltung ist die Brückenschaltung. Sie kommt mit einem normalen Transformator aus, benötigt aber vier Dioden. ID
V1
U1
UD
U1
UD
UN
IL RL
T1
UL
UN
IL IC CL
RL
UL
V2
T1
U1 U D V2
Bild II-31 Mittelpunktgleichrichterschaltung (M2) mit ohmscher Last Die am RL abfallende Spannung U2 besteht nach Bild II-32 nur aus positiven sinusförmigen Halbwellen mit einer Frequenz f = 100 Hz, daß heißt, die negativen sinusförmigen Halbwellen werden einfach „nach oben“ geklappt. Genau wie bei einem Einweggleichrichter kann auch hier nach der Schaltung in Bild II-33 ein Ladekondensator parallel zum Lastwiderstand geschaltet werden, der die pulsierende DC entsprechend Bild II32 weiter glättet.
Bild II-33 Mittelpunktgleichrichterschaltung mit ohmscher Last und Ladekondensator In der Schaltung nach Bild II-34 kann man bei angenommener Polarität der Spannung U1 den Strom IL in seinem Flußverlauf verfolgen und so erkennen, daß der Laststrom IL, der sich aus der Summe der beiden ID UD UN
V1
IL V2
U1
T1
V3
RL V4
UD
UL
Bild II-34 Brückengleichrichterschaltung (B2) mit ohmscher Last
II Dioden
337
Tabelle II-3 Technische Daten der Baureihe B40C... Blockgleichrichter Typ
U1
IFRM
Strombegrenzungswiderstand Ri
B40C800
40 V
0,8 A
1W
2 500 mF
B40C1000
40 V
1,0 A
1W
2 500 mF
B40C1500/1000
40 V
1,5 A
1W
2 500 mF
B40C3200/2200
40 V
3,2 A/2,2 A
0,6 W
5 000 mF
B40C5000/3300
40 V
5,0 A/3,3 A
0,5 W
10 000 mF
Diodenströme ID bildet, stets in der gleichen Richtung durch den Lastwiderstand RL fließt. Der Spannungsabfall am Lastwiderstand ist also eine pulsierende DC, die nur aus positiven sinusförmigen Halbwellen besteht und eine Frequenz f = 100 Hz hat. Die Ausgangsgrößen dieser Schaltung sind identisch mit denen der Mittelpunktschaltung. Die pulsierende DC wird nach Bild II-35 durch die Parallelschaltung eines Ladekondensators CL zum Lastwiderstand RL geglättet. Bezüglich der Auflade- und Entladevorgänge ergeben sich ähnliche Verhältnisse wie bei der Mittelpunktschaltung. Die Auf- und Entladung des Kondensators erfolgt bei der Brückenschaltung in jeder Halbwelle. Auch bei der Brückengleichrichterschaltung mit Ladekondensator hat die Ausgangsspannung noch eine Restwelligkeit. Entsprechende Werte können der Tabelle II-2 entnommen werden. Um den Aufbau von Gleichrichterschaltungen zu vereinfachen, bieten die Hersteller komplette Gleichrichtersätze in einem Kunststoff- oder Metallgehäuse an. Lieferbar sind verschiedene Baureihen. Der Einsatzbereich kann bei diesen Baureihen von Brückengleichrichtern direkt aus der Typenbezeichnung abgelesen werden. So bedeutet B = Brückenschaltung. Der Buchstabe C bedeutet, daß der Gleichrichter für eine kapazitive Last, daß heißt, für den Betrieb mit einem Ladekondensator vorgesehen ist. Bei Doppelwerten des Laststroms gilt der erste Wert für eine Chassismontage des Gleichrichters, der zweite Wert für eine freistehende Montage. Um die Brummspannung am Ausgang der oben beschriebenen Schaltungen zu senken, schaltet man ID V1 UN
U1
T1
V3
ID
CL max
an den Ausgang der Schaltung nach Bild II-35 einen Filter. Der in die Schaltung nach Bild II-36 integrierte RCTiefpaß reduziert die Brummspannung um den Glättungsfaktor g.
V1 UN
U1 CL T1V3
CL
IC RL
UL
V4
Bild II-35 Brückengleichrichterschaltung (B2) mit ohmscher Last und Ladekondensator
CS
RL
UL
V4
Bild II-36 B2-Schaltung mit RC-Siebglied Der Kondensator in der RC-Tiefpaß-Filterschaltung nach Bild II-37 stellt für höhere Frequenzen einen Kurzschluß beziehungsweise einen sehr geringen kapazitiven Blindwiderstand dar. Die Schaltung kann als Spannungsteiler mit UBr2 als Ausgangsspannung betrachtet werden. Glättungsfaktor g=
U Br1 = U Br2
2 wBr ⋅ RS2 ⋅ C S2 + 1
(II.14)
RS UBr1
CS
UBr2
Bild II-37 Schaltung eines RC-Siebgliedes
IL V2
RS
V2
Der RC-Filter nach Bild II-37 kann auch durch einen LC-Filter nach Bild II-38 ersetzt werden mit dem Vorteil einer effektiveren Filterung und geringen ohmschen Verlusten. Glättungsfaktor g =
4 wBr ⋅ L2S ⋅ C S2 + 1
(II.15)
Ein Filter mit der Schaltung nach Bild II-19 hat zusätzlich den Vorteil, daß auch eine Stabilisierung der Ausgangsspannung vorgenommen wird, wenn
338
Elektronik
vorausgesetzt werden kann, daß die Brummspannung kleine Amplituden aufweist. Glättungsfaktor g = 1 +
RV rZ
(II.16)
Wird mit einem Zwei-Kanal-Oszilloskop die Wechselspannung über dem Ladekondensator CL und dem Siebkondensator CS (Bild II-36) gemessen, also die Spannung UL am Ausgang der Schaltung, so zeigen nach Bild II-39 beide Spannungen deutliches Einschwingverhalten. LS U Br1
20.00 10.00 0.00 –10.00 –20.00
u1
8.00 6.00 4.00 2.00 0.00 –2.00
u C2
0
10
20
30
40
t 50 ms 25.00 10.00 5.00 0.00 –5.00 u1
uC2 CS
UBr2
Bild II-38 Schaltung eines LC-Siebgliedes Schaltungsdaten: Spannung US1 = 12 V, Ladekondensator CL = 10 mF, Siebwiderstand RS = 160 W, Siebkondensator CS = 50 mF, Lastwiderstand RL = 1 kW Nach ungefähr 100 ms befindet sich die Schaltung im „stationären Zustand“, die Schaltung ist eingeschwungen, und es zeigt sich am Ausgang eine Gleichspannung UAVL = 8 V, die von einer geringen Brummspannung überlagert ist.
8.00 6.00 4.00 2.00 0.00 –2.00
0
20
40
60
t 100 ms
Bild II-39 Einschwingverhalten einer B2-Gleichrichterschaltung mit Ladekondensator und RC-Siebglied
UN
U1
V1
C1
5.3 Spannungsvervielfacher Zum Betrieb von Oszilloskopen und Bildröhren oder Geiger-Müller-Zählrohren werden Gleichspannungen benötigt, die erheblich größer als die Netzspannungen sind und damit bereits im Bereich der Hochspannung liegen. Da diese Spannungsquellen nur sehr kleine Lastströme liefern müssen, ist es meist günstiger, keine speziellen Hochspannungstransformatoren einzusetzen, sondern die hohen Gleichspannungen mit Hilfe von Spannungsverdoppler- oder Spannungsvervielfacherschaltungen zu erzeugen. Die Delon-Schaltung besteht aus zwei Einwegschaltungen, die nach Bild II-40 zuammengeschaltet sind. Je nach Polarität der Spannung U1 ist entweder die Diode V1 oder die Diode V2 in Durchlaßrichtung geschaltet. Infolgedessen werden die Kondensatoren C1 und C2 mit der angegebenen Polarität geladen. Die Ladespannungen beider Kondensatoren liegen in Reihe, so daß sie sich zur Gesamtspannung U2 = UAV2 (im unbelasteten Zustand) addieren.
80
U2
T1
V2
C2
Bild II-40 Spannungsverdopplerschaltung (Delon-Schaltung)
Gesamtspannung UAV2 = UC1 + UC2 = 2 ⋅ US1 (II.17)
UC1 = US1. In der nächsten Halbwelle liegt die Diode V1 in Sperrichtung. An V1 liegt dann die Summe aus US1 + UC1 = 2 ⋅ US1 als Sperrspannung an. Diese Spannung ist jetzt die Speisespannung für die zweite Gleichrichterstufe. Über V2 wird der Kondensator C2 dann auf die Spannung 2 ⋅ US1 aufgeladen. Die Dioden müssen eine periodische Spitzensperrspannung URRM = 2 ⋅ US1 in beiden Schaltungen ermöglichen, während der Strom IFM = IL beträgt. Beiden Schaltungen können nur kleine Lastströme entnommen werden. Die Belastung der Schaltungen erfolgt in der Praxis so, daß die Ausgangsspannung minimal sinkt. maximale Ausgangsgleichspannung UAV2 ~ 0,8 ... 0,9 ⋅ (2 ⋅ US1) (II.18)
Diese Schaltung ist also eine Spannungsverdopplerschaltung im Leerlaufbetrieb. Bild II-41 stellt eine Villard-Schaltung dar. Bei entsprechender Polarität der Spannung U1 liegt die Diode V1 in Durchlaßrichtung und lädt den Kondensator C1 in der eingezeichneten Polarität auf den Wert
Die Villard-Schaltung läßt sich zur Vervielfacherschaltung erweitern. Werden nach Bild II-42 zwei oder mehr Villard-Schaltungen hintereinander geschaltet (hier drei Villard-Schaltungen), so entsteht eine Hochspannungskaskadenschaltung. Für die Ausgangsspannung U2 einer unbelasteten Kaskadenschal-
II Dioden
339 C1
UN
so verschiebt sich der Arbeitspunkt A0 aufgrund der Parallelverschiebung der Arbeitsgeraden nach A1 oder A2, je nachdem, ob es sich um eine Spannungserhöhung oder -minderung handelt. Aufgrund der steilen Kennlinie ändert sich UZ deutlich weniger als UE, so daß die Ausgangsspannung UA = UZ nahezu gleich bleibt (UE ≈ 2 ... 4 ⋅ UA, UE min ≈ 1,2 ... 2 ⋅ UA).
V2
U1
C2
V1
U2
T1
Bild II-41 Spannungsverdopplerschaltung (Villard-Schaltung)
RV
tung gilt Gleichung II.17, wobei n die Anzahl der aneinandergereihten Villard-Schaltungen bedeutet. maximale Ausgangsgleichspannung UAV2 ≈ n ⋅ 2 ⋅ US1
(II.19)
Die Dioden müssen eine periodische Spitzensperrspannung URRM = 2 ⋅ US1 ermöglichen, während der Strom IFM = n ⋅ IL beträgt. Es sind nur geringe Lastströme möglich. Kaskadenschaltungen mit vielen Stufen zeigen deutlich ein Hochlaufen der Ausgangsspannung, weil die einzelnen Kondensatoren nacheinander aufgeladen und die Ladungen von einem Kondensator auf den nächsten verschoben werden.
U1
UN
T2
C1′′
C1′
C1 V1 C2
V2
V1′ C2′
V2′
V1′′
V2′′
C 2′′
U2
Bild II-42 Spannungsvervielfacherschaltung nach Villard
5.4 Diode als Konstantspannungsquelle (Z-Diode) Bild II-43 zeigt die Grundschaltung für die Spannungsstabilisierung mit Hilfe einer Z-Diode. Als stabilisierte Ausgangsspannung UA tritt die an der Z-Diode liegende Spannung UZ auf. Im zulässigen Arbeitsbereich bleibt sie sowohl bei einer Änderung der Eingangsspannung UE als auch bei einer Änderung des Laststroms IA nahezu konstant (IV = IZ + IA = const). Dieses kann aber nur eintreten, wenn der Diodenstrom IZ jeweils um den gleichen Betrag kleiner wird wie der Laststrom IA größer. Der Arbeitspunkt der Z-Diode wandert daher nach Bild II-44a auf der Kennlinie in Richtung auf A2. Infolge der steilen Kennlinie der Z-Diode ändert sich die Ausgangsspannung UA nur um einen kleinen Betrag, daß heißt, UZ bleibt nahezu konstant, wenn sich der Laststrom IA ändert. Wird dabei jedoch IZ < IZ min, so wandert der Arbeitspunkt in den waagerechten Bereich der Kennlinie, so daß sich UA sehr stark ändert, daß heißt, die stabilisierende Wirkung der Z-Diode ist beendet (IZ min ≈ 0,1 ⋅ IZ max, IA max ≈ 0,9 ⋅ IZ max). Ändert sich die Eingangsspannung UE um den Betrag ± DUE bei konstantem Laststrom IA nach Bild II-44b,
IA
IV IZ
UE
V1
RA
UA
Bild II-43 Grundschaltung einer Spannungsstabilisierung mit Z-Diode Beim praktischen Einsatz der Stabilisierungsschaltung nach Bild II-43 überlagern sich beide Fälle, so daß eine exakte Trennung kaum noch möglich ist. Der gewählte Vorwiderstand RV muß beiden Erwartungen gerecht werden. Er läßt sich näherungsweise mit der Gleichung II.18 berechnen. Zu verwenden ist dann ein Widerstandswert nach der E-Reihe, der zwischen den beiden Werten, aber näher an RV max liegt. Vorwiderstand −UZ U −UZ U RV max ≈ E min RV min ≈ E max I Z min + I A max I Z max + I A min (II.20) Die Stabilisierung wird bei einer vorgegebenen Z-Diode um so besser, je größer die Eingangsspannung gewählt wird. Die Verlustleistung am Vorwiderstand RV nimmt allerdings schneller zu als der relative Stabilisierungsfaktor S. ΔUZ
UZ UE
RV
IZmin I Z
A2
Ptot
IL A1 IZmax
UE RV IZ
Bild II-44 Ermittlung der Arbeitspunktverschiebung a) konstante Eingangsspannung und variable Last b) konstante Last und schwankende Eingangsspannung
340
Elektronik
Es hat sich als zweckmäßig erwiesen, das Verhältnis der Relativwerte der Schwankungen von Eingangsund Ausgangsspannung als Stabilisierungsfaktor S einzuführen. Stabilisierungsfaktor DU E R ⎞ U UE ⎛ S= = ⎜1+ V ⎟ ⋅ A DU A ⎝ rZ ⎠ U E UA
zu finden. Die Schaltung nach Bild II-45 zeigt eine solche Ersatzschaltung, in der die Z-Diode als Spannungsquelle mit der Quellenspannung UZO und dem Innenwiderstand Ri = rZ verwendet wird. Mit ihrer Hilfe läßt sich der Ausgangswiderstand einer solchen Stabilisierungsschaltung bestimmen. RV
IV
(II.21)
Der differentielle Widerstand rZ einer Z-Diode wird für bestimmte Stromwerte in den Datenblättern der Hersteller genannt. Auch die Z-Spannung UZO wird für konkrete Werte des Z-Stroms IZ angegeben. Damit ergibt sich die Möglichkeit, eine Ersatzschaltung für die Z-Diode in der Schaltung nach Bild II-43
IA IZ
UE
rZ
V1
RA
UA
UZ0
Bild II-45 Ersatzschaltung einer Z-Diode mit Vorwiderstand und ohmscher Last
III Mehrschichtdioden und -trioden Silizium-Gleichrichterdioden mit „pin“-Übergang werden wegen ihrer hohen Durchlaßströme und verhältnismäßig hohen Sperrspannungen überwiegend in industriellen Anlagen zur Gleichrichtung der Netzwechselspannung eingesetzt. Für zahlreiche Anwendungen werden aber regelbare, steuerbare Gleichspannungen gefordert. Bereits im Jahre 1958 wurde ein steuerbarer SiliziumGleichrichter (SCR = Silicon-controlled-rectifier) entwickelt, der ähnliche Eigenschaften zeigte wie die erwähnte Gleichrichterzelle. Dieses elektronische Bauelement erhielt die Bezeichnung „Thyristor“.
n+
Au(Sb) S Al S (anlegiert) (anlegiert)
~ 14cm–3) p n(~10 p Al(anlegiert)
verkleinerte Draufsicht K
p+
MD-Träger
S
Au(Sb)-Folie Si-Tablette
Bild III-1 Realer Aufbau des Thyristors Heute geht man bei der Herstellung von Thyristoren von einem hochohmigen n-dotierten Siliziumplättchen aus, in das von beiden Seiten Akzeptoren (B, Al, Ga) eindiffundiert werden. Anschließend wird als Kathode eine Sb-dotierte Au-Folie an der Oberseite einlegiert, wodurch dort ein stark dotiertes n-Gebiet
(n+) entsteht. Auch die Al-Kontakte für die Steuerelektrode und die Anode werden anlegiert. Die entstandene „Silizium-Tablette“ nach Bild III-1 wird anodenseitig auf einen Molybdänträger aufgebracht. Die Tablette ist meist rund, da so das elektrische Feld an den Rändern besser zu handhaben ist. Unter dem Sammelbegriff „Thyristoren“ werden häufig die Mehrschicht-Halbleiter zusammengefaßt, die einfach Mehrschichtdioden und -trioden genannt werden. Sie sind jeweils aus drei oder mehr pnÜbergängen aufgebaut und haben ein ausgeprägtes Schalt- beziehungsweise Kippverhalten. Diese Mehrschicht-Halbleiter besitzen zwei Schaltzustände, und zwar den Schaltzustand „Ein“ = leitend und den Schaltzustand „Aus“ = gesperrt. Das Umschalten vom gesperrten in den leitenden Zustand wird als „Zünden“ und das Umschalten vom leitenden in den gesperrten Zustand als „Löschen“ bezeichnet. Sowohl der Zündvorgang als auch der Löschvorgang laufen in sehr kurzer Zeit ab. Bei den Bauelementen mit Einrichtungs-Betrieb (Vierschichtdiode, Thyristor) werden die beiden Hauptanschlüsse wie bei der Diode mit Anode und Kathode bezeichnet. Ein Stromfluß ist nur möglich, wenn die Anode positiv gegenüber der Kathode ist. Bei den Bauelementen mit Zweirichtungs-Betrieb (Diac, Triac) werden die Hauptanschlüsse dagegen Anode 1 (A1) und Anode 2 (A2) genannt.
III Mehrschichtdioden und -trioden Thyristor und Triac haben einen Steueranschluß, der als Gate (G) bezeichnet wird. Die Zündung erfolgt mit einem Steuerstrom über das Gate und löst einen wesentlich größeren Hauptstrom durch das Bauelement aus. Von großer Bedeutung ist ihr Einsatz als Leistungsschalter. Durch die gezielte und vermehrte Anwendung von Thyristoren hat sich inzwischen ein eigenes Fachgebiet der Elektronik, die Leistungselektronik, entwickelt. Triacs haben wegen ihres ZweirichtungsBetriebes (aber relativ geringem Durchlaßstrom) und ihrer recht einfachen Ansteuermöglichkeit zum Beispiel über Diacs eine weite Verbreitung in Phasenanschnittschaltungen zur Leistungssteuerung von Lampen (Helligkeit) und zur Drehzahlsteuerung von Kleinmotoren gefunden.
1 Vierschichtdioden Vierschichtdioden haben nach Bild III-2 eine pnpnZonenfolge in einem Silizium-Kristall. An den beiden äußeren Zonen sind die Anschlüsse sperrschichtfrei angebracht.
I II III
p n p n
A K
Bild III-2 Zonenfolge in einem Silizium-Kristall
Beim Anlegen einer kleinen Spannung UD in der eingezeichneten Polarität (Anode positiver als die Kathode) liegen die Sperrschichten I und III in Durchlaßrichtung, während die Sperrschicht II in Sperrrichtung gepolt ist. An dieser Schicht fällt dementsprechend die gesamte anliegende Spannung UD ab. Die Vierschichtdiode befindet sich im Blockierbereich (hochohmiger Bereich), so daß lediglich ein sehr kleiner Sperrstrom ID durch das Bauelement fließt. Wird die Spannung UD weiter erhöht, so steigt die Feldstärke in der Sperrschicht II an. Bei einem bestimmten Spannungswert, der Nullkippspannung U(BO) O, wird die Feldstärke jedoch so groß, daß ein Durchbruch an Sperrschicht II auftritt und plötzlich ein stark ansteigender Strom IT durch die Vierschichtdiode fließt. Dieser Vorgang wird als „Zünden“ bezeichnet. Der Strom IT muß durch einen Vorwiderstand RV begrenzt werden. Die Vierschichtdiode geht in den Durchlaßbereich (niederohmiger Bereich) über, und die Spannung UD an der Diode sinkt plötzlich auf einen kleinen Wert ab. Diese Durchlaßspannung UT beträgt etwa 0,5 ... 1,2 V. Der Durchlaßbereich einer Vierschichtdiode, also ihr weiterer Kennlinienverlauf nach dem Zünden, ähnelt dem der normalen Silizium-Diode.
341 IF mA Durchlaßbereich
U(BR)F
IH
UR(BR) UR V
UH Sperrbereich
UF V Blockierbereich
Bild III-3 Kennlinie einer Vierschichtdiode
IR μA
Die Vierschichtdiode kippt in den Blockierbereich zurück, wenn der Strom IT durch die Diode den Haltestrom IH unterschreitet. Dieser Zusammenhang wird als „Löschen“ bezeichnet. Im Sperrbereich der Vierschichtdiode, also im 3. Quadranten der Kennlinie nach Bild III-3, kann man erkennen, daß erst bei einer sehr hohen Durchbruchspannung U(BR) R der Durchbruchstrom zum Fließen gelangt. Bei dieser Polarität sind die Sperrschichten I und III in Sperrichtung gepolt. Eine Vierschichtdiode „zündet“ also nur, wenn sie in Vorwärtsrichtung betrieben wird und die anliegende Spannung UD größer als die Kippspannung U(BO) O wird. Auch bei einer Verringerung der Spannung UD bleibt die Diode leitend, sie „löscht“ erst wieder, wenn der Haltestrom IH unterschritten wird. Kennwerte: Schaltspannung U(BO) O ((≈ 20 ... 200 V), Haltestrom IH (≈ 1 ... 45 mA), Schaltzeit (100 bis 600 ns)
56k
R1
UB 50V
100nF
C1 ua
V1 1k
R2
Bild III-4 Sägezahngenerator mit Vierschichtdiode
4E20–8
Die Schaltung in Bild III-4 zeigt einen Sägezahngenerator mit Vierschichtdiode. Der Kondensator C wird über die Widerstände R1 und R2 aufgeladen, bis dieser den Wert U(BO) O der Vierschichtdiode erreicht. Nach der erfolgten Zündung entlädt sich C sehr schnell über die Diode und den Widerstand R2, der den Entladestrom begrenzt. Sobald bei der Entladung der Haltestrom IH unterschritten wird, kippt die Diode in den Sperrzustand zurück, und es beginnt ein neuer Ladevorgang. Die sägezahnförmige Ausgangsspannung nach Bild III-5 kann linearer gemacht werden, indem man
342
Elektronik
ua
ist zwar technisch zulässig, aber im Sinne einer Steuerung nicht erwünscht. 2 maximale Betriebsspannung U DRM ≤ U (BO) O (III.2) 3 t
Bild III-5 Liniendiagramm der sägezahnförmigen Ausgangsspannung das Verhältnis von UB zu U(BO) O größer macht. In dem Falle wird nur der nahezu lineare Beginn der nach der e-Funktion verlaufenden Ausgangsspannung benutzt. Der gleiche Effekt wird erzielt, wenn die Spannungsquelle durch eine Konstantstromquelle ersetzt wird. UB UB ≥ R1 ≥ IH I T max
Lastwiderstand
(III.1)
Ist der Lastwiderstand der Vierschichtdiode zu hochohmig, kann nicht der erforderliche Haltestrom IH fließen. Es kommt nicht zum dauerhaften Zünden der Diode. Eine rechnerische Einschätzung ermöglicht Gleichung III.1.
2 Thyristoren Die Einrichtungs-Thyristortrioden werden allgemein als Thyristoren bezeichnet und sind generell aufgebaut wie Vierschichtdioden. Das einzig neue ist das als Steueranschluß zusätzlich herausgeführte Gate (G). A G
p n p n
A G
K
p n p n
A G1
K
p n p n
G2 K
Bild III-6 Anschlüsse der EinrichtungsThyristortrioden
Der Anschluß ist nach Bild III-6 sowohl an der innenliegenden p-Schicht (kathodenseitig gesteuerter Thyristor) als auch an der innenliegenden n-Schicht (anodenseitig gesteuerter Thyristor) möglich. Auch zwei Gateanschlüsse sind möglich, jedoch wird die Thyristortetrode selten verwendet. Die wichtigste Bauart ist der kathodenseitig gesteuerte, rückwärtssperrende Thyristor. Unabhängig von der Polarität der zwischen Anode und Kathode liegenden Spannung ist bei kleinen Spannungswerten mindestens ein pn-Übergang in Sperrichtung. Der Thyristor ist daher sowohl im Vorwärtsbetrieb (Anode positiv gegenüber Kathode) als auch im Rückwärtsbetrieb (Anode negativ gegenüber Kathode) zunächst gesperrt. Wird im Vorwärtsbetrieb die Spannung weiter erhöht, kippt der Thyristor genau wie die Vierschichtdiode bei U(BO) O schlagartig in den leitenden Zustand. Dieser Vorgang
Um ein Überkopfzünden zu vermeiden, darf die maximale Betriebsspannung des Thyristors die Nullkippspannung nicht erreichen. Für ausreichende Sicherheit kann gesorgt werden, indem ein Thyristortyp mit höherer Nullkippspannung verwendet wird. ID ITAV
UT Durchlaßbereich
IH ID
URRM
Blockierbereich IR
Sperrbereich
UDRM U D
Bild III-7 Charakteristische Kennlinie eines Thyristors In Rückwärtsrichtung verhält sich ein Thyristor wie eine gesperrte Diode. Solange die maximal zulässige Sperrspannung U(BR) R nicht überschritten wird, fließt nur ein sehr kleiner Sperrstrom IR. Wird dieser Spannungswert überschritten, so steigt der Sperrstrom lawinenartig an, und der Thyristor wird zerstört. Die charakteristische Kennlinie eines Thyristors nach Bild III-7 ähnelt also stark der Kennlinie einer Vierschichtdiode. Thyristoren können durch Ansteuerung des Gates gezündet werden, wenn die Anode positiver ist als die Kathode. Bei den kathodenseitig gesteuerten Thyristoren ist eine positive Gatespannung UG erforderlich, die einen Gatestrom IG in den Thyristor hineinfließen
2000 1000 V
Kippspannung u(BO)
20V
100
10
1
0
40
80
120 160 mA 200 Zündstrom IGT
Bild III-8 Zündkennlinie eines Thyristors zur Vertikalsteuerung
III Mehrschichtdioden und -trioden
343
läßt. Der Zündvorgang hängt wesentlich von der Größe des jeweiligen Gatestroms IG ab. Durch ihn gelangen Ladungsträger in die Halbleiterzonen, und infolge der gegenseitigen Beeinflussung der pn-Übergänge kippt der Thyristor bei niedrigeren Werten von UD in den leitenden Zustand. Den Zusammenhang zwischen Kippspannung U(BO) O und Zündstrom IGT zeigt das Diagramm nach Bild III-8. Diese Art der Zündung bezeichnet man als Vertikalsteuerung. Sie wird selten angewendet, da sich der Zündzeitpunkt nur ungenau einstellen läßt. Um den Zündzeitpunkt genauer einstellen zu können, geben die Hersteller Zünddiagramme für Thyristoren an, die den Zusammenhang zwischen der Gatespannung und dem Gatestrom beschreiben. Diese weisen nach Bild III-9 drei wichtige Zonen auf: • Unterhalb der Zündspannung UGD ist eine Zündung nicht möglich, weil die erforderliche Zündenergie nicht zur Verfügung steht. • Oberhalb der Zündspannung UGD liegt der Bereich, in dem zwar eine Zündung erfolgen kann, die aber von mehreren zusätzlichen Faktoren abhängt, wie zum Beispiel der anliegenden Durchlaßspannung, der Sperrschichttemperatur, u.a. • Sichere Zündung ist gewährleistet, wenn die Gatespannung größer als UGT und der Gatestrom größer als IGT sind. Begrenzt wird dieser Bereich durch die Grenzwerte UGTM, IGTM und die maximal zulässige Gate-Verlustleistung PG tot.
ren (Durchlaßzustand) als IT und UT anstelle von ID und UD bezeichnet. Die wichtigsten Kenndaten von Thyristoren werden im Kennlinienfeld nach Bild III10 dargestellt. ID ITAV ILAT IH ID
URRM
UT VorwärtsDurchlaßbereich Blockierbereich IR UDRM UD VorwärtsSperrbereich
RückwärtsSperrbereich
Bild III-10 Darstellung der wichtigsten Kenndaten eines Thyristors Der hohe Durchlaßstrom stellt genügend Ladungsträger zur Verfügung, um die pn-Übergänge im leitfähigen Zustand zu halten, wenn der Einraststrom ILAT kurzzeitig überschritten wird. Um den Thyristor wieder in den Sperrzustand zu bringen, muß der Durchlaßstrom kleiner als der Haltestrom IH werden. Dieser Strom hängt vom jeweiligen Thyristortyp ab und liegt zwischen einigen mA und etwa 100 mA. Auch der Haltestrom ist stark temperaturabhängig. IT
UG
RL
UL
V1
UT
U
UGTmax
UGT PGtot
IGT
IGTmax
IG
Bild III-9 Eingangskennlinie und Zünddiagramm eines Thyristors Das Zündverhalten hängt relativ stark von der Sperrschichttemperatur des Thyristors ab. Je höher die Temperatur, desto kleiner werden die zur sicheren Zündung erforderliche obere Zündspannung UGT und der obere Zündstrom IGT. Nach dem Zünden kippt der Thyristor sehr schnell vom Blockierbereich in den Durchlaßbereich. Die Durchlaßkennlinie ähnelt der von Silizium-Dioden, jedoch ist die Durchlaßspannung etwas größer. In den Datenblättern werden die Strom- und Spannungswerte bei gezündeten Thyristo-
Bild III-11 Thyristor mit Lastwiderstand an Wechselspannung
Wird ein Thyristor nach Bild III-11 mit sinusförmiger Wechselspannung betrieben, so erfolgt ein Löschen bei jedem Nulldurchgang der Betriebsspannung, weil dadurch zwangsläufig der Haltestrom unterschritten wird. Der Thyristor muß also nach jedem positiven Nulldurchgang erneut gezündet werden. Beim Betrieb mit Gleichspannung wird üblicherweise der Thyristor gelöscht, indem man einen kurzen negativen Spannungsimpuls an die Anode gibt. Dadurch wird der Thyristor kurzzeitig im RückwärtsSperrbereich betrieben und somit gelöscht. Das Löschen über das Gate ist bei den meisten Thyristoren nicht möglich (Ausnahme: GTO-Thyristor). Bei Wechselspannungsbetrieb ist der Thyristor in der negativen Halbwelle stets gesperrt, und eine Zündung ist nur in der positiven Halbwelle möglich. Der Zündvorgang kann jeweils bei einem bestimmten Phasenwinkel a der anliegenden Wechselspannung erfolgen. Bild III-12 zeigt hier die entsprechenden Zusammenhänge auf.
344
Elektronik
U
2p p
t,f
UL
2p a
p
Θ
t,f
UD
destwartezeit liegen, die Freiwerdezeit oder Erholzeit tq genannt wird. Aber auch ein zu schneller Strom- oder Spannungsanstieg im Zünd- beziehungsweise Löschzeitpunkt kann zu unkalkulierbaren Zuständen einschließlich der Zerstörung des Thyristors führen (Strom- und Spannungssteilheit). Durch entsprechende Schutzbeschaltungen des Thyristors (siehe Abschnitt 3.5) kann dem entgegengewirkt werden. Thyristoren werden in großem Umfang als Leistungsschalter und zur Leistungssteuerung in Gleich-, Wechsel- und Drehstromkreisen eingesetzt. Mit einem Thyristor als Steuerelement nach Bild III-11 ist nur Halbwellenbetrieb möglich, daß heißt, nur die positiven Halbwellen (max. Stromflußwinkel Q = 180°) gelangen an die Last und erbringen maximal eine Halbierung der wirksamen Leistungsaufnahme. Eine Verringerung des Stromflußwinkels bedeutet eine weitere Verringerung der Leistung.
a
p
RL
I
2p
t,f
a Zündverzögerungswinkel Θ Stromflußwinkel
UR U1
V1
V2
Bild III-12 Liniendiagramm einer sinusförmigen Spannung am Thyristor Der Thyristor wird jeweils bei a = 90° gezündet und automatisch bei wt = 180°, also beim nächsten Nulldurchgang, gelöscht. Ein Strom fließt also nur während 180° ≥ wt ≥ 90° durch den Thyristor. Diese Zeitspanne wird auch als Stromflußwinkel Q bezeichnet. Der Stromflußwinkel Q wird zur Berechnung des arithmetischen Mittelwertes des Stroms ITAV benötigt, aber natürlich auch zur Berechnung des quadratischen Mittelwertes. Um diese Berechnung zu vermeiden, wird der Zusammenhang zwischen Verlustleistung, Stromflußwinkel Q und Strom ITAV in Diagrammen angegeben. Die hier gezeigte Leistungssteuerung wird als Phasenanschnittsteuerung bezeichnet und ermöglicht eine stufenlose Leistungssteuerung. Grenzdaten: periodische Spitzensperrspannung UDRM und URRM; maximale Stoßspitzenspannung UDSM und URSM; Dauergrenzstrom ITAV; maximaler periodischer Spitzenstrom ITRM; maximaler Durchlaßstrom ITRMS Kenndaten: Nullkippspannung U(BO) O; Sperrströme ID, IR; Durchlaßspannung UT, Haltestrom IH; Einraststrom ILAT; Zündstrom IGT; Zündspannung UGT Beim Betrieb des Thyristors sind dynamische Kennwerte zu beachten. Der zum Zünden erforderliche Gatestrom muß mindestens so lange fließen, bis die Zündung erfolgt ist. Diese Zeit wird als Zündzeit tgt bezeichnet. Zwischen dem Löschzeitpunkt im Nulldurchgang des Durchlaßstroms und der Wiederkehr einer Spannung in Vorwärtsrichtung muß eine Min-
Bild III-13 Antiparallelschaltung zweier Thyristoren für Vollwellenbetrieb
U
2p p
t, f
UL
2p a
p
Θ
t, f
UD
2p
a
p
t, f
a Zündverzögerungswinkel Θ Stromflußwinkel
Bild III-14 Liniendiagramm einer sinusförmigen Spannung bei Vollwellenbetrieb
III Mehrschichtdioden und -trioden Eine Grundschaltung für den Vollwellenbetrieb nach Bild III-13 ist die Antiparallelschaltung zweier Thyristoren. Hier ist zu beachten, daß die Gatespannungen UG1 und UG2 jeweils potentialfrei zugeführt werden müssen. Dies erfolgt in modernen Steuerungen mit Hilfe von Optokopplern, aber auch mit Übertragern. Die Synchronisation muß so erfolgen, daß jeweils mit dem gleichen Phasenanschnittwinkel α der V1 in der positiven und der V2 in der negativen Halbwelle der Betriebsspannung gezündet wird. Im Liniendiagramm nach Bild III-14 wird ein Zündwinkel a = 90° angenommen. Bei Vollwellenbetrieb ist eine Leistungssteuerung zwischen P = 0 W und P = Pmax möglich. Der Zusammenhang zwischen der gesteuerten Leistung P und dem Phasenanschnittwinkel a ist nichtlinear aufgrund der Nichtlinearität der sinusförmigen Versorgungsspannung. Bei kleineren Leistungen werden wegen des Schaltungsaufwandes statt dieser Antiparallelschaltung von Thyristoren Triacs und Diacs verwendet.
3 Diac Schaltet man zwei Vierschichtdioden antiparallel zueinander intern in einen Silizium-Kristall, so erhält man eine Zweirichtungs-Thyristordiode, die sowohl in Vorwärts- wie auch in Rückwärtsrichtung gezündet werden kann. Die übliche Bezeichnung ist „Diac“ (= diode alternating current switch = Diodenwechselstromschalter), aber auch die Bezeichnung Triggerdiode ist üblich. Prinzipieller Aufbau und Schaltzeichen sind in Bild III-15 zu sehen. Während dieser Diac insgesamt 5 Schichten hat, gibt es auch solche mit 3 Schichten (pnp).
Diacs mit drei Schichten erfolgt der Spannungseinbruch nach dem Zünden nur um einen bestimmten Spannungsbetrag DU. IF
positiver Durchlaßbereich
UR U(BR)R
positiver Blockierbereich
IHF UHR
UHF IHR
negativer Blockierbereich negativer Durchlaßbereich
U(BR)F UF
Bild III-16 Kennlinie einer Zweirichtungs-Thyristordiode
Diacs lassen sich als elektronische Wechselstromschalter verwenden. Sie werden überwiegend für relativ kleine Ströme gefertigt und hauptsächlich zur Ansteuerung von Triacs eingesetzt. Kennwerte: Durchbruchspannungen U(BR) F, U(BR) R; Durchbruchströme I(BR) F, I(BR) R; Halteströme IHF, IHF; maximaler Spitzenstrom Imax Wegen seines Kippverhaltens in Vorwärts- und Rückwärtsrichtung werden Diacs hauptsächlich in Zündschaltungen für Triacs eingesetzt. Die Zündschaltung nach Bild III-17 zeigt das Prinzip eines Dimmers, wobei der Widerstand RL für den Gate-Widerstand eines Triacs steht. 230V/50Hz
Bild III-17 Prinzip der Zündschaltung eines Dimmers
R1 10k
n
p
500k
n n
345
p
Bild III-15 Aufbau und Schaltzeichen eines Diacs
U
R2 V1
C
Aufgrund der Antiparallelschaltung ergibt sich für den Rückwärtsbereich (3. Quadrant) ein spiegelbildlicher Verlauf der Kennlinie im Vorwärtsbereich (1. Quadrant). Nach Überschreiten der Durchbruchspannungen U(BR) R und U(BR) F kommt ein Strom in der jeweiligen Richtung schlagartig zum Fließen, der durch einen Vorwiderstand begrenzt werden muß. Die charakteristische Kennlinie eines Diacs mit Blokkier- und Durchlaßbereich zeigt Bild III-16. Sowohl bei Betrieb im Vorwärts- als auch im Rückwärtsbereich kann der gezündete und damit niederohmige Diac nur durch Unterschreiten seines Haltestroms wieder in den Blockierzustand gebracht werden. Bei
BR100 100nF
UL
RL 20
Der Kondensator C wird in dieser Schaltung über R1 und R2 durch die anliegende AC jeweils auf- und umgeladen. Die RC-Schaltung muß so ausgelegt werden, daß die Spannung UC in jeder Halbwelle U(BR) F beziehungsweise U(BR) R erreicht, da der Diac sonst nicht zündet. Wenn der Diac zündet, entlädt sich der Kondensator C schlagartig über den Diac und den Widerstand RL. Dadurch entsteht an RL ein kurzer positiver beziehungsweise negativer Stromimpuls. Durch Verstellen des Ladewiderstandes R2 kann der Zündzeitpunkt des Diacs während der Halbwellen
346
Elektronik
verändert werden. Die Spannungshöhe und die Impulsdauer hängen im wesentlichen von der Kapazität des Kondensators, dem Durchlaßwiderstand des Diacs und der Spannungsdifferenz DU des Diacs ab. Der Diac bleibt gezündet, bis sein Haltestrom unterschritten wird, was beim nächsten Nulldurchgang der Wechselspannung eintritt.
4 Triac Ein Triac (= triode alternating current switch) kann von seinem technologischen Aufbau her, aber auch aufgrund seiner Funktion nach Bild III-18 als eine Antiparallelschaltung zweier Thyristoren aufgefaßt werden. A2 n
p
rant) übereinstimmt. Eine entsprechende Zündung kann auch in den anderen Quadranten erfolgen, erfordert aber größere Steuerleistungen. Wegen der vier möglichen Steuerungsarten werden für die Gateströme vier zugehörige Werte angegeben. Mit Triacs lassen sich in recht einfacher Weise Phasenanschnittsteuerungen für Vollwellenbetrieb aufbauen. Wegen der niedrigen zulässigen kritischen Spannungssteilheit ist der Einsatz bei Lasten mit stark induktivem Anteil nicht gut möglich.
5 Schutz der Dioden und Trioden Dioden, Triacs und Thyristoren müssen, wie alle Bauelemente in der Elektronik, gegen Überlastung geschützt werden. Den Überstromschutz übernehmen superflinke Sicherungen und Sicherungsautomaten mit magnetischer und thermischer Schnellauslösung.
A2
n
RL
G
p n
A1
n
A1
R
Bild III-18 Aufbau und Schaltzeichen eines Triacs
G
UN
V1 C
Der Triac hat zwei Vorwärtsrichtungen und kann am Gate mit einem Zündstrom beziehungsweise einer Zündspannung beliebiger Polarität gezündet werden. Die Kennlinie eines Triacs nach Bild III-19 zeigt einen spiegelbildlichen Verlauf im I. und III. Quadranten des Kennlinienfeldes auf der Basis der Kennlinie eines Thyristors. Ein gezündeter Triac kippt genau wie ein Thyristor nur dann wieder in den Sperrzustand zurück, wenn sein Haltestrom unterschritten wird. ID UT positiver Durchlaßbereich
Zum Schutz der Bauelemente gegen hohe Spannungsanstiegsgeschwindigkeit (du/dt) werden RCGlieder eingesetzt und den Ventilen nach Bild III-20 parallel geschaltet. Die Hersteller geben hier Dimensionierungshilfen in Tabellen- oder Diagrammform. Die RC-Beschaltung dient gleichzeitig dem Schutz vor den Folgen des Trägerstaueffektes. Zum Schutz der Bauelemente gegen hohe Stromanstiegsgeschwindigkeit (di/dt) werden kleine Schutzinduktivitäten LS nach Bild III-21 in Reihe zu den Ventilen geschaltet. Hier reicht unter Umständen bereits die Induktivität des Netztransformators oder die Anschlußdrähte der Bauelemente aus. RL
IH
–UA2A1 U(BR)
negativer Blockierbereich
C
–ID
UN
V1
UA2A1
negativer Durchlaßbereich –UT
R
positiver U Blockierbereich (BR) IH
Bild III-19 Kennlinie eines Triacs
Triacs werden meistens mit einem Impuls gezündet, dessen Polarität mit der Polarität der an Anschlüssen A1 und A2 anliegenden Spannung (I. und III. Quad-
Bild III-20 Schutzbeschaltung gegen hohe Spannungsanstiegsgeschwindigkeit (du/dt)
LS
Bild III-21 Schutzbeschaltung gegen hohe Stromanstiegsgeschwindigkeit (di/dt)
Um einen gewissen Schutz gegen Überspannungen sicherzustellen, werden von den Herstellern fertig zugeschnittene Baugruppen geliefert, die zusätzlich einen Varistor parallel zum RC-Glied enthalten. Auch andere Schutzorgane finden hier Verwendung. Solche Baugruppen können natürlich auch in Gleichrichterschaltungen wie hier nach Bild III-22 integriert werden.
III Mehrschichtdioden und -trioden
347
R
U
C V1
V2
V3
V4
UN
T1
Bild III-22 Fertige Baugruppen zum Schutz gegen Überspannungen Da Triacs und Thyristoren in wenigen Mikrosekunden zünden, muß auch der Strom in sehr kurzer Zeit auf den Wert ansteigen, den die Last aufgrund der zum Zündzeitpunkt anliegenden Spannung „zieht“. RL
0,1mH 100nF
230V/50Hz
Dimmer
Bild III-25 Zünden eines Triacs durch R DC am Wechselstromnetz L
0,1mH
Bild III-23 Entstörmaßnahme für Dimmerschaltungen
A1
Derartig kurze Stromanstiege verursachen jedoch Hochfrequenzstörungen, die sich beim Rundfunkund Fernsehempfang störend bemerkbar machen. Daher sind Entstörmaßnahmen für Dimmer zum Beispiel nach Bild III-23 vorzunehmen (Entstörfilter).
6 Zündmethoden Bei Thyristoren und Triacs muß zwischen der Vertikal- und der Horizontalsteuerung unterschieden werden. In der Praxis wird der Steuerstrom größer als der obere Zündstrom gewählt. Begrenzt wird der UG V 15
10
70W 20W
7W
10μs
2W 5
0
DC 1 2
t=1ms
3
4
100μs 5
Bild III-24 Gate-Eingangskennlinie
Steuerstrom durch die zulässige Steuerverlustleistung PG, die in Datenblättern für definierte Impulsdauern nach Bild III-24 angegeben wird. Die Einschaltzeit des Thyristors muß beendet sein, bevor der Impuls seinen Scheitelwert erreicht hat. Die Vertikalsteuerung (Bild III-8) wird nur selten angewendet, weil eine genaue Bestimmung der Zündwinkel nicht erreicht werden kann und nur Steuerwinkel bis a = 90° möglich sind. Die Horizontalsteuerung weist diese Mängel nicht auf. Die Ansteuerung erfolgt häufig durch Zündimpulse und ermöglicht das Zünden auch bei kleiner Spannung und niedriger Temperatur. Die Steuerung kann mit Einzelbauelementen oder mit Ansteuer-IC’s verwirklicht werden. Bei Betrieb der Schaltung nach Bild III-25 an Wechselspannung zündet der Triac bei geschlossenem Schalter S mit dem Anstieg der sinusförmigen Betriebsspannung. Der Zündzeitpunkt kann durch die Wahl des Gatevorwiderstandes RG und damit der Einstellung des Gatestroms für Steuerwinkel bis a = 90° bestimmt werden. Er löscht wieder, wenn beim nächsten Nulldurchgang der Wechselspannung sein Haltestrom zwangsläufig unterschritten wird. Solange Schalter S geschlossen ist, fließt ein Wechselstrom durch den Lastwiderstand.
6
7
8
IG A
S
RG
V1
UN
A2
U
Die Schaltung ermöglicht das Einschalten von Wechselstromlasten. Ersetzt man die Spannungsquelle und den Schalter S durch ein Digitalgatter, kann eine Last kontaktlos und fast leistungslos eingeschaltet werden. Wird die Stromzufuhr ins Gate unterbrochen, so wird der Triac mit dem nächstfolgenden Nulldurchgang des Laststroms löschen (Vertikalsteuerung). Die Schaltung nach Bild III-26 zeigt ein Grundprinzip einer Phasenanschnittsteuerung mit Kondensatorladung. In der positiven Halbwelle der Betriebsspannung wird der Kondensator C über den veränderbaren Vorwiderstand RG aufgeladen. Je nach Widerstandswert von R2 steigt die Spannung am Kondensator schnell oder langsam an. Dadurch wird die zum Zünden des Thyristors erforderliche Gatespannung erst mit einer einstellbaren Verzögerung gegenüber dem Beginn der positiven Halbwelle der Betriebsspannung erreicht. Auf diese Weise kann der Zündzeitpunkt „beliebig“ eingestellt werden. Sobald der Thyristor gezündet hat, wird der Kondensator über die GateKathodenstrecke des Thyristors teilweise wieder entladen. Der Widerstand R1 begrenzt den maximalen Gatestrom.
348
Elektronik U
RL
V2
R1
t, f
RG R2
UN
UR1
V1
t, f
C
UL
Bild III-26 Grundprinzip einer Phasenanschnittsteuerung Der Lastwiderstand ist vor das RC-Glied gezogen worden und bietet den Vorteil, daß die Ladespannung des Kondensators nach dem Zünden auf die geringe Durchlaßspannung des Thyristors begrenzt wird. Mit dieser Schaltung lassen sich Stromflußwinkel 20° < Q < 160° erreichen. Bei der Horizontalsteuerung erfolgt die Ansteuerung zweckmäßigerweise durch Zündimpulse und ermöglicht präzises Zünden zu jedem gewünschten Zeitpunkt innerhalb der Halbwellen. Dies läßt sich durch eine Synchronisierung des Impulsgenerators mit der Netzspannung erreichen. Die Schaltung nach Bild III-27 läßt den Vollwellenbetrieb mit einem Thyristor zu. Der B2-Gleichrichter läßt eine Spannung am Widerstand R1 abfallen. Mit Hilfe des RC-Gliedes (R5 und C1) kann nun der Zeitpunkt eingestellt werden, an dem der Unijunction-Transistor (UJT) durchsteuert und Spannungsimpulse an R3 hervorgerufen werden, die den Thyristor am Gate ansteuern. Der Widerstand R4 dient zur Begrenzung des Gatestroms.
a
V2
a
U
t, f
UD
a
a
t, f
Bild III-28 Liniendiagramm einer Vollwellenschaltung mit Thyristor Im Liniendiagramm nach Bild III-28 ist ein Phasenanschnittwinkel a = 90° angenommen, so daß hier IL und UL jeweils mit halbierten positiven Halbwellen wirksam sind, also die Hälfte der maximalen Leistung an die Last (Lampe) gelangt. 100 P 90 % 80
RL V1
U
70
UL
R2
60
R5
50
u UR1
UN V3 T1
V4
UD R1
V5
R4 V6 UR3
40
uC
C1
30
R3
20
Bild III-27 Schaltung zum Vollwellenbetrieb mit einem Thyristor
10
a0
Aufgrund der Spannung UR1 ist der Thyristor immer im Vorwärtsbetrieb und kann darum in jeder Halbwelle gezündet werden. Die Leistung ist theoretisch zwischen 0 ≤ P ≤ Pmax steuerbar, zum Beispiel kann die Helligkeit einer Lampe von 0% bis 100% gesteuert werden. Die Grenzbereiche (a < 15° und a > 165°) lassen sich mit dieser Schaltung nicht realisieren.
U0
0
0 15 30 45 60 75 90 105 120 135 150 165 180 180 165 150135 120 105 90 75 60 45 30 15 0
Bild III-29 Zusammenhang zwischen Anschnittwinkel, Stromflußwinkel und Leistung Der Zusammenhang zwischen Pmax und dem jeweiligen Winkel ist im Bild III-29 dargestellt. Hier ist erkennbar, daß der Zusammenhang nichtlinear ist.
IV Transistoren
349
IV Transistoren Der Prototyp des Transistors wurde im Jahre 1948 gefunden, als die US-Amerikaner John Bardeen und Walter H. Brattain bei der Untersuchung von Diodenübergängen eine Metallprüfspitze auf die n-Schicht aufsetzten und so unbeabsichtigt eine pnpSchichtfolge entstand. Zu ihrer Überraschung stellten sie bei weiteren Messungen fest, daß bei Widerstandsänderungen in der einen Grenzschicht auch der Widerstand der anderen Grenzschicht beeinflußt wird. Damit war das Grundprinzip des Transistors entdeckt. Das Kunstwort „Transistor“ entstand aus der Bezeichnung „transfer resistor“, was soviel wie „Widerstandsänderungen von einer Grenzschicht zur anderen übertragen“ bedeutet.
1 Bipolare Transistoren Ergänzt man die pn-Schichtenfolge einer Diode um eine weitere n- oder p-Schicht, so erhält man die Schichtenfolge eines Transistors. Entsprechend der Schichtenfolge unterscheidet man npn- oder pnpTransistoren. Am Ladungstransport sind aufgrund der verschiedenen Dotierungsarten sowohl Löcher als auch Elektronen beteiligt. Darum spricht man hier von „bipolaren“ Transistoren im Gegensatz zu den „unipolaren“ Transistoren, die im Kapitel 4.2 beschrieben werden. Die mittlere Schicht bezeichnet man als Basis. Sie dient zum Steuern des Transistors. Die beiden äußeren Schichten heißen Emitter (sendet Ladungsträger aus) und Kollektor (sammelt Ladungsträger ein). Der Pfeil am Emitter gibt die technische Stromrichtung des Emitterstroms an. C
B
B
N P N
C C B
B E
E
E
C
C
P N P E
C B
B E E
Bild IV-1 Schichtenfolge, Ersatzschaltbild und Schaltzeichen von npn- und pnp-Transistoren
Als Ersatzschaltbild nach Bild IV-1 kann man die Reihenschaltung zweier Dioden verwenden, die eine gemeinsame Kathode beziehungsweise Anode haben. Die eine Diode ist die Basis-Emitter-Diode, die andere die Basis-Kollektor-Diode.
Anhand dieses Ersatzschaltbildes nach Bild IV-1 soll die grundsätzliche Polung eines als Verstärker betriebenen Transistors nach folgenden Bedingungen beschrieben werden: 1. Die Basis-Emitter-Diode ist grundsätzlich in Durchlaßrichtung zu betreiben. 2. Die Basis-Kollektor-Diode ist grundsätzlich in Sperrichtung geschaltet. Um den Transistor als Verstärker betreiben zu können, müssen für die Basis zwei Voraussetzungen erfüllt sein: 1. Sie muß sehr gering dotiert sein; Dotierungsgrad 1/100 des Emitters! 2. Sie muß sehr dünn sein gegenüber der mittleren freien Weglänge der Majoritätsträger (1 bis 100 μm). Sind diese beiden Voraussetzungen erfüllt, kann mit einem kleinen Eingangsstrom (Basisstrom) ein großer Ausgangsstrom (Kollektorstrom) gesteuert werden.
1.1 Transistoreffekt Durch die in Durchlaßrichtung betriebene BasisEmitter-Diode eines npn-Transistors fließt ein großer Durchlaßstrom (Emitterstrom), der so gerichtet ist, daß die durch Dotierung vorhandenen Elektronen zur Basis wandern. In der Basis findet diese große Menge an Elektronen wegen des geringen Dotierungsgrades der Basis nur wenig Löcher als Rekombinierungspartner vor. Es kommt deshalb nur zu einer geringen Anzahl von Rekombinationen. Der größte Teil der vom Emitter kommenden Elektronen überschwemmt die Basis als freie Ladungsträger. Da die Basis sehr dünn ist, werden die Elektronen aufgrund ihrer Eigengeschwindigkeit zum Kollektor hin abgedrängt. Das Überschreiten der Kollektor-BasisSperrschicht bildet für die Elektronen kein Problem, da sie in der Basis Minoritätsträger sind. Die Sperrschicht eines pn-Überganges stellt jedoch nur für die Majoritätsträger ein Hindernis dar. Wegen der geringen Anzahl von Rekombinationen in der Basis gelangen also fast alle vom Emitter ausgesandten Elektronen zum Kollektor. Es fließt ein Kollektorstrom, der etwas kleiner ist als der Emitterstrom, denn die durch Rekombination in der Basis gebliebenen Elektronen würden die Basis negativer machen, wenn sie nicht nach außen abgeführt würden. Dieser Elektronenstrom, der aus der Basis herausfließen muß, damit Basispotential und Emitterstrom konstant bleiben, stellt den Basisstrom dar. Er bestimmt den Arbeitspunkt des Transistors. Wird der Basisstrom größer, werden mehr Elektronen aus der Basis entnommen, als zur Erhaltung eines
350
Elektronik
stabilen Zustandes notwendig wäre. Die Basis wird positiver und die Basis-Emitter-Spannung und der Emitterstrom werden größer. Werden weniger Elektronen entnommen, so wird der Emitterstrom kleiner. Durch diesen kleinen Basisstrom, der zum Emitterstrom im gleichen Verhältnis steht wie der Dotierungsgrad der Basis zum Dotierungsgrad des Emitters, kann der große Emitter- beziehungsweise Kollektorstrom gesteuert werden. Beim npn-Transistor sind vorwiegend Elektronen am Ladungstransport beteiligt, während beim pnpTransistor vornehmlich Löcher am Ladungstransport beteiligt sind. Deren Bewegungsrichtung ist wegen der umgekehrten Polung des pnp-Transistors jedoch die gleiche wie die der Elektronen beim npn-Transistor, nämlich vom Kollektor zum Emitter. Somit erübrigt sich die Beschreibung der physikalischen Wirkungsweise des pnp-Transistors. Letztlich ist ja auch der Löcherstrom ein Elektronenstrom, der auf der indirekten Elektronenbewegung beruht (darum sind Elektronen beweglicher als Löcher). Wegen der unterschiedlichen Beweglichkeit von Elektronen und Löchern sind npn-Transistoren für hohe Frequenzen besser geeignet als pnp-Transistoren. Viele elegante und einfache Schaltungen lassen sich mit „Komplementärpärchen“ (je ein npnund pnp-Transistor mit identischen Daten) realisieren. IC
–IC –IB –UBE
–UCE –IE
IB UBE
1.2 Transistorkennlinien Um das Betriebsverhalten eines Transistors im Normal- und Grenzfall beschreiben zu können, ist die Kenntnis der Ein- und Ausgangsgrößen erforderlich. Eingangsgrößen: Basis-Emitter-Spannung UBE Basisstrom IB Ausgangsgrößen: Kollektor-Emitter-Spannung UCE Kollektorstrom IC Die Eingangskennlinie IB = f(UBE) eines Transistors ist in Bild IV-3 dargestellt. Mit dem Basisstrom verändert sich zwangsläufig auch der Kollektorstrom. Darum müssen Kollektorspannung und Sperrschichttemperatur konstant gehalten werden. UCE 5V 3V 8V
IB mA
1000 800 600 400 200 0
0,2
0,4
0,6
0,8
1,0 UBE V
Bild IV-3 Eingangskennlinie eines Transistors UCE
IE
Bild IV-2 Spannungs- und Strompfeile an Transistoren (a + b) Die Spannungen am Transistor werden nach Bild IV-2 durch zwei Indices gekennzeichnet, nämlich durch die Indices der Elektroden, zwischen denen die Spannung gemessen wird. Die Reihenfolge der Indices beziehungsweise die Richtung der Spannungspfeile gibt die Meßrichtung an: Kollektor-Basisspannung UCB, Basis-Emitterspannung UBE und KollektorEmitterspannung UCE. Die Ströme am Transistor werden durch einen Index gekennzeichnet, und zwar durch den Index der Elektrode, durch die sie fließen. Die Festlegung der Richtungspfeile kann man nach verschiedenen Gesichtspunkten vornehmen: Entweder nach der tatsächlichen Bewegungsrichtung der Ladungsträger im Kristall und in den Zuleitungen (zur physikalischen Deutung) oder nach der allgemein üblichen technischen Stromrichtung, vom Pluspol zum Minuspol. Transistoren sind in zahlreichen Gehäuseformen (Bauformen) lieferbar, die nur zum Teil genormt sind.
Da die Basis-Emitter-Strecke eines Transistors eine Diode in Durchlaßrichtung ist, hat die Eingangskennlinie die Form einer Diodenkennlinie in Durchlaßrichtung. Der Basisstrom steigt stark an, sobald die Basis-Emitter-Spannung einen bestimmten Wert (die Diffusionsspannung) überschritten hat. Für andere Werte von UCE ergeben sich andere Eingangskennlinien, wie Bild IV-3 zeigt. UBE ≈ 0,2 V bis 0,3 V bei Ge-Transistoren UBE ≈ 0,6 V bis 0,7 V bei Si-Transistoren Hieraus läßt sich der Ersatzwiderstand rBE zwischen Basis- und Emitteranschluß des Transistors berechnen, durch den die Steuerspannungsquelle belastet wird. DC-Eingangswiderstand
RBE =
U BEA I BA
(IV.1)
Dieser Gleichstromwiderstand RBE darf nicht mit dem differentiellen Eingangswiderstand rBE (Kleinsignal-Eingangswiderstand) des Transistors verwechselt werden. Er stellt die Steigung der Eingangskennlinie im jeweiligen Kennlinienpunkt, sprich Arbeitspunkt, dar. Für eine Diodenkennlinie gilt Gleichung II.2, die dementsprechend auch für eine Transistor-Eingangs-
IV Transistoren
351
kennlinie gilt. Berechnet man mathematisch die 1. Ableitung der Kurve, so gilt: I BS ⋅ e UUBE I dI B 1 T = = ≈ BA dU BE rBE UT UT
differentieller Widerstand rBE ≈
für UBE >> UT
UT I BA
(IV.2)
UCE = 5V
ΔIC
4 3 IC 2
UCE = 3V
1 0
5
10 ΔIB
15
20
25 I B mA
Bild IV-4 Stromsteuerkennlinie Die Stromverstärkung B wird durch den Dotierungsgrad der einzelnen Schichten des Transistors eingestellt, ist also in erster Linie hiervon abhängig und weniger von anderen Einflußgrößen. Tatsächlich ist zwischen IC und IB über einen weiten Bereich eine Proportionalität vorhanden, der Graph ergibt annähernd eine Gerade. Für verschiedene Werte von UCE ergeben sich unterschiedliche Stromverstärkungskennlinien, wie Bild IV-4 zeigt. I Gleichstromverstärkung B = C (IV.3) IB Kleinsignalverstärkung
DI b= C DI B
UCE = 5V
80 60 40
Der differentielle Widerstand rBE ist bedeutend kleiner als der Basis-Emitter-Ersatzwiderstand RBE. Bei der Aufnahme der Stromsteuerkennlinie IC = f(IB) nach Bild IV-4 wird der Basisstrom IB verändert, während UCE jeweils konstant gehalten wird. Bereits bei der Untersuchung der Funktionsweise des Transistors ist erkennbar, daß der Kollektorstrom mit dem Basisstrom verknüpft ist. IC mA 5
IC mA 100
20 0
0,2
0,4
Bild IV-5 Spannungssteuerkennlinie Steilheit S =
dI C I ª C dU BE UT
[S] =
mA V
(IV.5)
Eine Sperrschichttemperatur von 45 °C ergibt UT = 24,4 mV. Die theoretisch mögliche Steilheit eines Transistors für Überschlagsrechnungen beträgt bei dieser Temperatur 1 (IV.6) Steilheit S = 36 ⋅ ⋅ I C V Für Kleinsignal-Transistoren stimmt diese Gleichung recht gut, bei Leistungs-Transistoren weichen die errechneten Werte von den tatsächlichen Größen erheblich ab. Die Ausgangskennlinien beschreiben den Zusammenhang zwischen den beiden Ausgangsgrößen, dem Kollektorstrom IC und der Kollektor-Emitter-Spannung UCE. Bei konstanter Sperrschichttemperatur muß entweder der Basisstrom oder die Basis-EmitterSpannung konstant gehalten werden, wenn die Kennlinien eindeutig sein sollen.
1000
IC
Ausgangskennlinien IC = f (UCE) IB = Parameter (Emitterschaltung) BC 237, BC 238, BC 239
4mA
3,5mA
mA
3mA
800
2,5mA
600
(IV.4)
Die Spannungssteuerkennlinie IC = f(UBE) ergibt annähernd den exponentiellen Verlauf einer Diodenkennlinie (siehe Eingangskennlinie). Die Steigung S der Kennlinie nach Bild IV-5 wird in Anlehnung an die Röhrentechnik als Steilheit S bezeichnet. Beim „idealen Transistor“, bei dem der Kollektorstrom exponentiell mit der Basis-Emitter-Spannung steigt, ist das Verhältnis von Steilheit zu Kollektorstrom konstant. Die Gleichung ergibt sich aus der 1. Ableitung der Diodenkennlinie unter Berücksichtigung der Temperaturspannung UT.
1,0 U BE V
0,8
0,6
2mA
400
1,5mA
1mA 200 IB = 0,5mA
0
1
2
3
4
5V
UCE
Bild IV-6 Ausgangskennlinienfeld mit IB als Parameter
352
Elektronik
1000
Ausgangskennlinien IC = f (UCE) UBE = Parameter (Emitterschaltung) BC 237, BC 238, BC 239 UBE = 0,61V
IC mA
800 0,60V
600 0,59V 0,58V
400
0,57V 0,56V
200 0,52V
0
2
1
0,53V
0,55V 0,54V 0,51V
4
3
5V
UCE
Bild IV-7 Ausgangskennlinienfeld mit UBE als Parameter Man unterscheidet deshalb zwei Ausgangskennlinienfelder: 1. das Ausgangskennlinienfeld, bei dem IB konstant gehalten wird (IB als Parameter, Bild IV-6) 2. das Ausgangskennlinienfeld, bei dem UBE konstant gehalten wird (UBE als Parameter, Bild IV-7) Der Verlauf der beiden Ausgangskennlinienfelder ist grundsätzlich gleich. Bei beiden Kennlinienfeldern steigt der Kollektorstrom schon bei kleinen Werten der Kollektor-Emitter-Spannung stark an, um dann ab Erreichen eines bestimmten Wertes von UCE in die Sättigung überzugehen. Dieser Wert von UCE, der vom jeweiligen Basisstrom abhängig ist, heißt Sättigungsspannung UCE sat. Wird UCE größer als UCE sat, steigt der Kollektorstrom nur noch sehr gering an. Die Kennlinien beider Kennlinienfelder zeigen nach Überschreiten der Sättigungsspannung einen sehr
IC II
I IB
B=f(UCE)
UCE
IB
Du= f (IB)
rBE = f (UCE) III
UBE
IV
Bild IV-9 Vier-Quadranten-Kennlinienfeld eines Transistors
UBE V
Je flacher die Ausgangskennlinien verlaufen, desto weniger hängt die Stromsteuerkennlinie vom Parameter UCE ab.
0,8
IB
0,6
3mA
0,4
2mA
IB = const. 0,2 0
flachen Verlauf. Wenn der Arbeitspunkt eingangsseitig festgehalten wird (UBE, IB), ändert sich der Kollektorstrom kaum. Die Stromverstärkung wird durch die Dotierung eingestellt, kann also durch UCE kaum beeinflußt werden. Um zu untersuchen, welche Rückwirkung die Ausgangsspannung UCE des Transistors auf die Eingangsspannung UBE ausübt, wird UBE in Abhängigkeit von UCE dargestellt. Damit die Kennlinien eindeutig sind, wird der Basisstrom IB konstant gehalten. Bild IV-8 zeigt für verschiedene Werte von IB das Kennlinienfeld der Spannungsrückwirkung Du. Es ist erkennbar, daß die Spannungsrückwirkung sehr gering ist. Das Verhältnis von DUBE/DUCE liegt bei etwa 10–4 bis 10–6. Eine Darstellungsweise, die die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Kennlinien besonders deutlich macht, ist das Vierquadranten-Kennlinienfeld. Hier werden alle vier Quadranten eines Koordinatenkreuzes zur Darstellung der verschiedenen Kennlinien ausgenutzt, wobei die gegenseitige Abhängigkeit in Bild IV-9 deutlich wird. Im I. Quadranten wird das Ausgangskennlinienfeld mit IB als Parameter dargestellt, im II. Quadranten die Stromsteuerkennlinie, im III. Quadranten die Eingangskennlinie und im IV. Quadranten die Rückwirkungskennlinien.
2
4
6
8
1mA 10
UCE V
Bild IV-8 Spannungsrückwirkungskennlinie
1.3 Kenn- und Grenzwerte des Transistors Um den Arbeitsbereich eines Transistors nach Bild IV-10 einzugrenzen, sind Grenzwerte und Kenndaten zu ermitteln und zuzuordnen. Grenzwerte: zu hohe Kollektor-Emitter-Spannung UCE > UCE max, zu großer Kollektorstrom IC > IC max, zu große Verlustleistung PV > Ptot, zu hohe Sperr-
IV Transistoren
353 gilt
IC
PV ≈ U CE ⋅ I C ≤ Ptot
Ptot IB = const
Sperrschichttemperatur JJ ≈ 90 ⴗC bei GermaniumTransistoren und JJ ≈ 150 ⴗC bis 200 ⴗC bei SiliziumTransistoren.
UCE
Bild IV-10 Zulässiger Arbeitsbereich eines Transistors
Oberhalb einer bestimmten, vom Basisstrom abhängigen Kollektor-Emitter-Spannung wächst der Kollektorstrom plötzlich sehr stark mit UCE an. Dieses Verhalten wird als „2. Durchbruch“ bezeichnet. Hier darf ein Transistor nicht mehr betrieben werden.
Temperaturabhängigkeit der zulässigen Gesamtverlustleistung Ptot = f (TU); Rth = Parameter BC 237, BC 238, BC 239 Ptot W
IC Übersteuerungsbereich
0,4
0,3 RthJU
UCB=0V
RthJG
normaler Kennlinienverlauf aktiver Bereich
RBE IB=0 RBE=0 IE=0
Emitterdiode gesperrt Emitter offen
UCE0
Durch die Verlustleistung bei Dauerbetrieb entsteht in der Sperrschicht Wärme; die Sperrschichttemperatur erhöht sich. Sie darf bestimmte Werte nicht überschreiten, weil der Kristall ansonsten seine Halbleitereigenschaften stark verändert und der Transistor zerstört wird. Die zulässige Sperrschichttemperatur TJ hängt vom Halbleitermaterial ab.
Basis offen
ICmax
(IV.8)
Durchbruchbereich
0,2
0,1
0
Sperrbereich
100
TU °C
Bild IV-12 Durchbruchspannungen und Restströme eines Transistors
200
Bild IV-11 Verlustleistung in Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur schichttemperatur JJ > JJ max, zu große Basis-EmitterSpannung UBE > UBE max, zu großer Basisstrom IB > IB max können zur Zerstörung des Transistors führen. Das Diagramm nach Bild IV-11 zeigt, wie hoch die Verlustleistung bei einer bestimmten Umgebungstemperatur sein darf. Wird jedoch die im Transistor erzeugte Wärme durch einen Kühlkörper Rth JG oder durch eine Montage auf ein Chassis besser abgeführt, so ist die Gesamtverlustleistung auch noch bei höheren Umgebungstemperaturen zulässig. Gesamtverlustleistung PV = U CE ⋅ I C + U BE ⋅ I B ≤ Ptot
Wegen U CE ⋅ I C >> U BE ⋅ I B
U U UCB0 UCE UCE0 CER CES UCEV
(IV.7)
Bild IV-12 zeigt die wichtigsten Durchbruchspannungen und die zugehörigen Restströme. Es gilt folgende Beziehung: UCEO < UCER < UCES < UCEV Statische Kenndaten: Gleichstromverstärkung B, Sättigungsspannung UCE sat, Restströme ICEO Die Sättigungsspannung ist vor allem dann von Interesse, wenn ein Transistor im Schalterbetrieb arbeitet. Sie ist die Spannung, die zwischen Kollektor und Emitter abfällt, wenn der Transistor voll durchgesteuert ist. Sie wird auch Restspannung genannt. Gerade bei kleinen Kollektorstromwerten macht sich in den pn-Übergängen der Reststrom störend bemerkbar. Wenn der Basisstrom noch Null ist, fließt zum Beispiel schon ein geringer Kollektorstrom. Dies ist der Kollektor-Emitter-„Reststrom“ ICEO. Das ist der auf der Eigenleitung beruhende Sperrstrom der Kollektor-Emitter-Strecke; er ist stark temperaturabhängig.
354
Elektronik
Die oben beschriebenen Kennlinien liefern die Daten für die Gleichstromsteuerung und den Großsignalbetrieb. Infolge der Krümmung der meisten Kennlinien muß man zur Beschreibung des Kleinsignalverhaltens des Transistors die Steigung der Kennlinien im Arbeitspunkt verwenden (Tangente an die Kennlinie im AP). Die grafische Ermittlung dieser Kennwerte ist meist ungenau. Sie werden darum in den Datenblättern der Hersteller als Zahlenwert genannt. Die Datenblätter geben die dynamischen Kenngrößen in Form der h-Parameter oder y-Parameter an, die nur für einen bestimmten Arbeitspunkt, eine bestimmte Temperatur und eine bestimmte Frequenz gelten. Sie stellen die Wechselstrom-(Signal-)kennwerte dar. Während diese Transistor-Kenndaten im NF-Bereich meist als h-Parameter angegeben sind, werden sie im HF-Bereich und bei den Feldeffekttransistoren als y-Parameter dargestellt. Diese Parameter sind Verhältnisgrößen und beschreiben wegen der Vierpoltheorie das Gesamtverhalten eines Transistors als Kleinsignalverstärker, wenn man ihn als Vierpol nach Bild IV-13 betrachtet. u 1 = h 11 ⋅ i 1 + h 12 ⋅ u 2 ,
i 2 = h 21 ⋅ i 1 + h 22 ⋅ u 2
Die Begriffe kurzgeschlossener und offener Eingang oder Ausgang beziehen sich immer auf den Wechselspannungsanteil eines Signals. Ein solcher Kurzschluß läßt sich zum Beispiel leicht mit Hilfe eines ausreichend großen Kondensators herstellen.
i1
i2
u1
u2
Bild IV-13 Transistor als Vierpol Auf Transistoren angewendet: u BE = h11 ⋅ i B + h12 ⋅ u CE ,
i C = h 21 ⋅ i B + h 22 ⋅ u CE (IV.9)
Die in den Datenblättern angegebenen Parameter gelten immer nur für einen ganz genau definierten Arbeitspunkt. Soll der Transistor in einem anderen Arbeitspunkt betrieben werden, müssen die h-Parameter für den neuen Arbeitspunkt umgerechnet werden. Aus den Diagrammen nach Bild IV-14 läßt sich jeweils der Faktor He für den neugewählten Kollektorstrom oder für die neugewählte Kollektorspannung ablesen. Daraus lassen sich die h-Parameter für den neuen Arbeitspunkt berechnen. umgerechnete h-Parameter h neu = halt ⋅ H ei h neu = halt ⋅ H eu
Mit den h-Parametern läßt sich das für alle Grundschaltungen des Transistors gültige WechselstromErsatzschaltbild nach Bild IV-15 beschreiben.
Tabelle IV-1 Bedeutung der h-Parameter Bedeutung der h-Parameter Ermittlung aus Kennlinien/Meßgrößen: h11 = rBE =
DU BE u BE = DI B iB
Kurzschluß-Eingangswiderstand (Einheit W)
für UCE = const und uCE = 0 h12 = Du =
DU BE u BE = DU CE u CE
Leerlauf-Spannungsrückwirkung (dimensionslos)
für IB = const und iB = 0 h 21 = b =
DI C i C = DI B iB
Kurzschluß-Stromverstärkung (dimensionslos)
für UCE = const und uCE = 0 h 22 =
i DI C 1 = = C rCE DU CE u CE
für IB = const und iB = 0
(IV.10)
h neu = halt ⋅ H ei ⋅ H eu
Leerlauf-Ausgangsleitwert (Einheit eines Leitwertes)
IV Transistoren
102
355 Spannungsabhängigkeit der h-Parameter He = f (UCE); IC = 2mA BC 107, BC 108, BC 109
Stromabhängigkeit der h-Parameter He = f (IC); UCE = 5V BC 107, BC 108, BC 109 He
UCE = 5V
5 He
IC = 2mA
2,0
h11e
101 5
1,5
h21e h11e
1,0
h12e
Bild IV-14 Diagramme zur Umrechnung der h-Parameter für andere Arbeitspunkte
h12e 100
h21e
5
0,5
h22e
h22e 10–1 10–1
5 100
iB
ue
0
1 IC 5 10 mA
10
iC h 21 iB
h11
1 h22
ua
h 12 ua
Bild IV-15 Wechselstrom-Ersatzschaltbild eines Transistors In den Datenblättern werden häufig die für die Emitterschaltung gültigen h-Parameter (h-Parameter mit dem Index „e“ gekennzeichnet) angegeben, die sich mit Hilfe der Gleichungen in Tabelle IV-2 leicht in die h-Parameter für die anderen Grundschaltungen umrechnen lassen.
20
UCE V
Zusätzlich macht sich bei höheren Frequenzen auch die Laufzeit der Ladungsträger durch den Transistor bemerkbar. Aus diesen Gründen wird die Stromverstärkung b des Transistors mit zunehmender Frequenz kleiner. Bei der Grenzfrequenz fg ist die Verstärkung um 3 dB gesunken. Die Frequenzabhängigkeit der Stromverstärkung eines Transistors ist in Bild IV-16 im Prinzip dargestellt. Die Frequenz, bei der b = 1 ist, wird als Transitfrequenz fT bezeichnet. Die Transitfrequenz fT hängt sowohl vom Kollektorstrom als auch von der Spannung ab. Bei Kleinsignalverstärkern mit geringen Eingangsleistungen ist das Rauschen von Transistoren im NFund HF-Bereich von Bedeutung.
Tabelle IV-2 Umrechnungsfaktoren Basisschaltung
h11 b =
h11 e Sh e
h 21 b = −
h 21 e + Dh e Sh e
Kollektorschaltung
h12 b = − h 22 b =
h12 e − Dh e Sh e
h 22 e Sh e
Dh e = h11 e ⋅ h 22 e − h12 e ⋅ h 21 e
Wichtig für das Wechselstromverhalten sind die Sperrschichtkapazitäten des Transistors; ihr Wert hängt von der anliegenden Sperrspannung ab. Die Kollektor-Basis-Kapazität CCB liegt zwischen Emitter- und Basis-Anschluß im Gegenkopplungskreis und bildet mit dem Ausgangswiderstand des Transistors einen Hochpaß für die Signalfrequenzen.
h11 c = h 11 e
h 12 c = − h12 e + 1
h 21 c = − h 21 e − 1
h 22 c = h 22 e
Sh e = 1 − h 12 e + h 21 e + Dh e
Das Stromrauschen ist dabei auf Unregelmäßigkeiten im Ladungsträgerfluß zurückzuführen. Solche Effekte treten in Halbleitern durch Generation und Rekombination von Ladungsträgern auf, aber auch an Metall-Halbleiterübergängen. Thermisches Rauschen dagegen beruht auf der regellosen Bewegung thermisch angeregter Ladungsträger.
356
Elektronik
b 100 70
Grundsätzlich muß zwischen zwei FET-Gruppen unterschieden werden, und zwar zwischen den Sperrschicht-FET (auch J-FET genannt) und den IG-FET (IG = isoliertes Gate). Bei den IG-FET unterscheidet man zwischen den Typen je nach technischer Ausführung der Isolierschicht und dem verwendeten dotierten Halbleitermaterial. Eine Übersicht bietet Bild IV-17. In der heutigen Technologie verwendet man als Isolierschicht fast ausschließlich Siliziumdioxyd. Daher kommen MOS-FET (metal-oxide-semiconductor) am häufigsten vor. Da die Steuerung des Stroms im FET über ein elektrisches Feld erfolgt, fließt in den Steuereingang des FET (Gate G) quasi kein Strom. Folglich hat der FET einen sehr hohen Eingangswiderstand und wird nahezu leistungslos angesteuert. Der Einsatz als Wechselspannungsverstärker beschränkt sich dabei fast nur auf die Vorverstärkerstufe im HF- und NF-Bereich. Das Hauptanwendungsgebiet der FET liegt jedoch bei den integrierten Schaltungen der Analogtechnik und insbesondere der Digitaltechnik, also Verwendung als Schalter. Die Weiterentwicklung der FET hat zu Typen wie VMOSFET, SIPMOSFET und IGBT geführt, die die Einsatzgebiete ausgedehnt haben.
10
1 0,001 0,01
1 fgo
0,1
f MHz 10 fT 100
Bild IV-16 Stromverstärkung in Abhängigkeit von der Frequenz Mit der Zunahme der Temperatur steigt auch das thermische Rauschen an. Ein Maß für das in einem Transistor erzeugte Rauschen ist die Rauschzahl F, die in den Datenblättern meistens im logarithmischen Wert in dB angegeben ist. Hiermit kann nun bei einer gegebenen Verstärkerschaltung die Mindestnutzspannung berechnet werden, die am Eingang anliegen muß, damit am Ausgang des Verstärkers das Nutzsignal um einen bestimmten Faktor größer als das Rauschen ist. Die so erzeugte Rauschspannung deckt unter Umständen ein weites Frequenzband ab und führt bei sehr geringen Signalspannungen in der Nachrichtentechnik zu erheblichen Problemen.
2 Feldeffekttransistoren (FET) Neben den bipolaren Transistoren gibt es die „unipolaren“ Transistoren, bei denen am Ladungsträgertransport nur eine Ladungsträgerart, also entweder Löcher oder Elektronen, beteiligt sind. Die Steuerung des Stromflusses erfolgt bei ihnen durch ein elektrisches Feld. Deshalb wird bei den unipolaren Transistoren auch von „Feld-Effekt-Transistoren“ (FET) gesprochen.
2.1 Aufbau und Wirkungsweise des Sperrschicht-FET Sperrschicht-FET werden als P-Kanal- oder N-KanalTyp hergestellt. Ihre Schaltzeichen sind in Bild IV-18 dargestellt. Im folgenden wird ein N-Kanal-Typ beschrieben. Bei einem P-Kanal-Typ sind lediglich die Kanal- und Gatedotierung sowie die Polaritäten der Spannungen zu vertauschen. Bild IV-19 zeigt den prinzipiellen Aufbau eines NKanal-Sperrschicht-FET mit den drei Anschlüssen Gate G, Drain D und Source S. Er besteht im wesentlichen aus einem länglichen Stück n-dotierten
Feldeffekt-Transistoren (FET)
Sperrschicht-FET (PN-FET)
Insulated-Gate-FET (u.a. MOS-FET)
N-KanalP-Kanal- Selbstsperrende Selbstleitende SonderSperrschicht Sperrschicht MOS-FET MOS-FET Bauarten FET FET
N-Kanal N-Kanal P-Kanal P-Kanal Dual-Gate- V-MOS-FET MOS-FET SIPMOS-FET
Bild IV-17 Übersicht zu den Transistoren
IV Transistoren
357 D
ID
Bild IV-19 Prinzipieller Aufbau eines N-Kanal-Sperrschicht-FET
D –UGS
G
N-Kanal-JFET
UDS
S
–ID
P D
UGS
G
–UDS
S
NKanal
P
G
P-Kanal-JFET
G
Bild IV-18 Schaltzeichen eines Sperrschicht-FET vom N-Kanal-Typ oder P-Kanal-Typ
S
Halbleitermaterial, dessen Anschlüsse an den Enden Drain (engl.: Abfluß, Senke) und Source (engl.: Quelle) genannt werden. In die Seiten wird p-dotiertes Halbleitermaterial eindiffundiert, so daß pnÜbergänge entstehen. Diese sind miteinander verbunden und bilden den Gate-Anschluß. Durch eine entsprechende Steuerspannung UGS zwischen dem Gateund Source-Anschluß wird der pn-Übergang in Sperrrichtung betrieben, so daß in den Steueranschluß lediglich ein geringer Sperrstrom fließt. Der pn-Übergang darf nicht in Durchlaßrichtung betrieben werden! Verbindet man nun das Gate mit dem Source und legt zwischen Drain und Source eine Spannung UDS nach Bild IV-20a, so bildet sich an beiden pn-Übergängen eine Sperrschicht. Dadurch reduziert sich die für die Leitfähigkeit wirksame Kanalbreite, so daß der Kanalwiderstand erhöht wird. D
D
ID
G
S
D
UDS
G
N- P Kanal
Wird die Spannung UDS fortwährend erhöht, so wird der Kanal nach Bild IV-20b schmaler, bis die beiden Sperrschichten aneinander stoßen und den Kanal abschnüren. Am Drain-Anschluß ist die Abschnürung deutlicher. Dieser Wert der Spannung UDS wird maximale Sättigungsspannung UDSS genannt. Den zugehörigen Wert des Stroms ID nennt man maximaler Sättigungsstrom IDS. Für Werte UDS > UDSS bleibt der Stromfluß erhalten. Durch eine negative Steuerspannung UGS nach Bild IV-21a wird die Breite der Sperrschicht an den pn-Übergängen beeinflußt. Im Betrieb überlagern sich die Wirkungen der beiden Spannungen und zeigen die in Bild IV-21b beschriebene Eingrenzung des Kanals.
ID
UDS P
D S
Bild IV-20 Abhängigkeit der Kanalbreite von der Drain-Source-Spannung UDS
S
D
ID
ID
UDS G
G –UGS
–UGS S
S
Bild IV-21 Abhängigkeit der Kanalbreite von UDS und der Steuerspannung UGS
358
Elektronik
Die Steuerspannung UGS darf bei einem N-Kanal-PNFET nicht positiv werden, da dieses zur Zerstörung des Bauelementes führen kann.
N
P
UBS
B
Die Funktion eines selbstleitenden P-Kanal-MOSFET entspricht der des selbstleitenden N-KanalMOS-FET. Der IG-FET vom Normally-Off-Typ (auch Anreicherungs-, Enhancement- oder selbstsperrender Typ genannt) nach Bild IV-24 besitzt bei einer Steuerspannung UGS = 0 V keinen leitfähigen Kanal zwischen Drain und Source. Er bildet sich erst, wenn die angelegte Steuerspannung einen Schwellenwert UGS(TO) überschreitet. ID G
D UDS S
±UGS
Bild IV-23 Prinzipieller Aufbau eines selbstleitenden N-Kanal-MOS-FET
D
ID G
N-Kanal
N
D
G
UGS
2.2 Aufbau und Wirkungsweise des MOSFET Beim Sperrschicht-FET wird die Veränderung des wirksamen Kanalquerschnittes zur Einstellung des Widerstandes der Drain-Source-Strecke benutzt. Beim FET mit isoliertem Gate hingegen wird die Variation des Kanalwiderstandes mit Hilfe der Ladungsträgerdichte betrieben, wobei die Anzahl der geeigneten Ladungsträger zwischen Drain und Source durch ein elektrisches Feld gesteuert wird. Hierbei unterscheidet man generell zwei Versionen. Der IG-FET vom Normally-On-Typ (auch Verarmungstyp, Depletion-Typ genannt) nach Bild IV-22 ist genau wie der Sperrschicht-FET ein selbstleitender Typ. Bei einer Steuerspannung UGS = 0 V existiert bereits ein leitender Kanal zwischen Drain und Source, dessen Ladungsträgerdichte je nach Kanalart (NKanal oder P-Kanal) und der Polarität der Steuerspannung weiter erhöht oder verringert werden kann.
UDS
S
S
UGS
UDS
N-Kanal-MOSFET
–UDS
P-Kanal-MOSFET
N-Kanal-MOSFET
–ID –ID G ±UGS
D G
D –UDS S
–UGS
S
Bild IV-24 Schaltzeichen selbstsperrender IG-FET
P-Kanal-MOSFET
Normally-Off-Typ Normally-On-Typ
Bild IV-22 Schaltzeichen selbstleitender IG-FET Der prinzipielle Aufbau eines selbstleitenden N-KanalMOS-FET ist in Bild IV-23 dargestellt. Der Gate-Anschluß ist vom Halbleitermaterial durch eine Isolierschicht getrennt. Bei einer Steuerspannung UGS = 0 V fließt durch den N-Kanal bereits ein Drainstrom. Durch eine negative Steuerspannung UGS nimmt die Elektronendichte im Kanal ab, da die Elektronen durch das elektrische Feld abgedrängt werden. Damit nimmt aber der Widerstand zwischen Drain und Source zu. Bei UGS = UP existiert kein N-Kanal mehr zwischen Drain und Source, daß heißt, der Drainstrom ID wird zu Null. Legt man eine positive Steuerspannung an das Gate, so wird die Ladungsträgerdichte im Kanal größer; die Leitfähigkeit des Kanals wird vergrößert. Der IG-FET kann sowohl über die Gate-SourceSpannung als auch über eine Spannung zwischen Bulk B und Source S gesteuert werden. Der Einfluß dieser Spannung ist aber geringer, und diese Steuerungsmöglichkeit wird seltener genutzt. Meist sind Bulk und Source miteinander intern verbunden.
Der prinzipielle Aufbau eines selbstsperrenden N-Kanal-MOS-FET ist in Bild IV-25 dargestellt. Bei einer Steuerspannung UGS = 0 V fließt kein Drainstrom, da ein Kanal nicht durch entsprechende Dotierung eingebaut wurde. Legt man eine positive Steuerspannung an das Gate, so werden Elektronen aus dem p-dotierten Substrat in Richtung Gate gezogen und führen dort zur Ausbildung eines N-Kanals. Der zum Fließen kommende Drainstrom wird um so größer, je größer die positive Steuerspannung wird. UDS
S UGS N
N P
UBS
D
G
B
Bild IV-25 Prinzipieller Aufbau eines selbstsperrenden N-Kanal-MOSFET
IV Transistoren
359
Die Funktion eines selbstsperrenden P-Kanal-MOSFET entspricht der des selbstsperrenden N-KanalMOS-FET.
raturunabhängig ist, daß heißt, der Temperaturkoeffizient wird Null. Bild IV-28 zeigt den Temperatureinfluß auf die Übertragungskennlinie.
2.3 Kennlinien von FET
ID
Bei einem J-FET fließt in das Gate nur der Sperrstrom des pn-Übergangs, so daß eine Eingangskennlinie für den PN-FET nicht existiert. Interessant sind die Steuer- und Ausgangskennlinie eines J-FET nach Bild 4-26. ID
ID IDS
G
TU3
0V
D S
–2 V –3 V –4 V UGS
TU1 TU2
TK=0
UGS
–1 V
UP
IDS
UDS
Bild IV-26 Steuer- und Ausgangskennlinie eines J-FET Diesen Kennlinien können alle relevanten Gleichspannungs- und -stromwerte entnommen werden. Bild IV-27 zeigt die Steuerkennlinie ID = f(UGS) eines J-FET. Die Steuerkennlinie gilt für UDS = const. Bei UGS = 0 V hat der Drainstrom ID eines J-FET seinen höchsten Wert IDS und verringert sich mit negativer werdender Steuerspannung. Die Spannung UGS, bei der der Drainstrom auf Null reduziert ist, wird Abschnürspannung UP (engl. pinch-off-voltage) genannt und liegt je nach Typ bei Werten zwischen 2 V und 10 V. ID IDS
–UGS
UP3 UP2 UP1
Die Gate-Source-Spannung UGSK für den temperaturunabhängigen Kompensationspunkt läßt sich in Näherung berechnen. Gate-Source-Spannung U GSK ≈ U P + 0 , 7 V Soweit möglich sollte dieser Wert mit der Steuerspannung eingestellt werden, um eine thermische Arbeitspunktstabilisierung unnötig zu machen. Von Nachteil ist hier, daß die Kennlinie keine Gerade ist und somit das Ausgangssignal verzerrt sein kann. Das Ausgangskennlinienfeld (ID-UDS-Kennlinie mit UGS als Parameter) nach Bild IV-29 läßt sich mit Unterstützung durch Bild IV-26 qualitativ erklären. Steigert man die Spannung UDS von Null an, so steigt der Strom ID bei UGS = const zunächst linear mit der Spannung, der Kanalwiderstand bleibt in etwa konstant (ohmscher Bereich). Mit wachsendem Strom beginnt sich der Kanal merklich zu verengen, der Kanalwiderstand nimmt zu, und der Anstieg von ID mit UDS wird immer geringer, bis beide Sperrschichten sich nahezu berühren. Man sagt, der Kanal ist abgeschnürt. ID Abschnürgrenze 3 2 1 UGS = 0V UGS = –1V
–UGS UP
Bild IV-28 Temperatureinfluß auf die Übertragungskennlinie
UGS = –2V
Bild IV-27 Steuerkennlinie ID = f(UGS) eines J-FET
Während bei den bipolaren Transistoren der Kollektorstrom mit steigender Temperatur ebenfalls ansteigt, wird der Drainstrom beim J-FET mit steigender Temperatur kleiner. Dies hat seine Ursache darin, daß die frei beweglichen und durch Dotierung entstandenen Ladungsträger durch die thermische Eigenbewegung der Atome in ihrer Beweglichkeit gemindert werden. Mit steigender Temperatur wird aber auch die Abschnürspannung größer. Beide Effekte zusammen haben zur Folge, daß es einen Drainstromwert gibt, der tempe-
Bild IV-29 Ausgangskennlinienfeld mit UGSals Parameter
UGS = –3V UGS = –4V UDSP
UDSS
UDS
Die Drain-Source-Spannung UDSP, bei der diese Abschnürung (pinch off) eintritt, ist in Bild IV-29 eingezeichnet. UDSP wird auch Kniespannung genannt. Abschnürspannung UDSP ≡ UDSS + UGS
(IV.11)
Mit wachsender Steuerspannung UGS wird die Abschnürgrenze früher, daß heißt bei kleinerem Strom ID und kleineren Werten von UDSP erreicht. Die IDUDS-Kennlinien verschieben sich daher mit zuneh-
360
Elektronik
mender Gate-Source-Sperrspannung zu kleineren Drainstromwerten. Verbindet man alle Abschnürpunkte nach Bild IV-29 miteinander, so erhält man die Abschnürgrenze, die den ohmschen Bereich (Bereich 1) vom aktiven Bereich (Bereich 2) – auch Sättigungsbereich genannt – trennt. Oberhalb von UDSP steigt der Drainstrom nur noch wenig an. Wird die Spannung UDS zu weit erhöht, so kommt es zu einem Durchbruch (Bereich 3) zwischen Drain und Source, wobei der Drainstrom so stark ansteigt, daß die Gefahr der Zerstörung des FET eintritt. Da der J-FET eine quadratische Abhängigkeit des Drainstroms von der Steuerspannung hat, sind seine nichtlinearen Verzerrungen bei einer Spannungsaussteuerung wesentlich geringer als beim bipolaren Transistor. Für das Betreiben des J-FET im aktiven Bereich, sprich Verstärkerbereich, läßt sich somit die Steilheit S errechnen. Praktische Werte für die maximale Steilheit liegen zwischen 1 mA/V und 50 mA/V. Die Steilheit S ist ein direktes Maß für die Spannungsverstärkung einer J-FET-Verstärkerstufe. Je größer S, umso größer ist auch die zu erwartende Spannungsverstärkung Vu. Im ohmschen Bereich kann der J-FET als spannungsgesteuerter Widerstand eingesetzt werden. Bei den IG-FET fließt kein Strom in das Gate, da es durch eine Isolationsschicht vom übrigen Halbleiter getrennt ist, so daß auch hier keine Eingangskennlinie existiert. Die Steuer- und Ausgangskennlinie eines selbstleitenden N-Kanal-MOS-FET, also vom NormallyOn-Typ, zeigt Bild IV-30. Diesen Kennlinien können alle relevanten Gleichspannungs- und Stromwerte entnommen werden. Da auch der PN-FET ein selbstleitender FET ist, ergeben sich hier generell zahlreiche Übereinstimmungen im Verhalten. ID D
1V
S
UP
Gate-Source-Spannung U GSK ≈ U P + 2 , 5 V (IV.12) Die Steuer- und Ausgangskennlinie eines selbstsperrenden N-Kanal-MOS-FET, also vom NormallyOff-Typ, zeigt Bild IV-31. Diesen Kennlinien können alle relevanten Gleichspannungs- und Stromwerte entnommen werden. Die Schwellenspannung UGS (TO) kann als die Spannung an der Gateelektrode verstanden werden, die die Störstellenladung und die Raumladung kompensiert. ID
ID
G
UGS
5V
D
4V
S
3V 2V 1V UGS
UDS
Bild IV-31 Steuer- und Ausgangskennlinie eines selbstsperrenden N-Kanal-MOS-FET
ID 2V
G
Steuerspannung UGS. Der Normally-On-Typ kann also sowohl als Verarmungs-FET als auch wie ein Anreichherungs-FET betrieben werden. Der Drainstrom kann durch eine positive Gatespannung UGS nicht weiter beliebig erhöht werden, weil ab einem bestimmten Spannungswert eine Vergrößerung der Leitfähigkeit des Kanals nicht mehr möglich ist. Die Steuerkennlinie (ID-UDS-Kennlinie) des selbstleitenden N-Kanal-MOS-FET zeigt, daß bereits bei UGS = 0 V ein Drainstrom fließt. Selbstleitende MOSFET haben wie die J-FET einen geringen positiven Temperaturkoeffizienten. Der Drainstrom wird also mit steigender Temperatur kleiner. Die Gate-SourceSpannung UGSK für den temperaturunabhängigen Kompensationspunkt läßt sich in Näherung berechnen.
0V
UGS
Sie ist nur geringfügig von der Temperatur abhängig. Darum läßt sich die Steuerspannung UGSK für einen temperaturkompensierten Arbeitspunkt gut näherungsweise berechnen.
–1V
Steuerspannung U GSK ≈ U GS (TO) + 2 , 5 V
–2V
Je größer die Steuerspannung UGS ist, um so größer wird der Drainstrom. Ein maximaler Sättigungsstrom läßt sich daher nicht angeben.
UDS
Bild IV-30 Steuer- und Ausgangskennlinie eines selbstleitenden N-Kanal-MOS-FET Für die Ausgangskennlinie (ID-UDS-Kennlinie) gelten im Prinzip die Aussagen zum J-FET. Hier wird die Spannung UGS als Parameter verwendet, während die Drain-Source-Spannung verändert wird. Deutlich erkennbar ist die Abhängigkeit des Drainstroms ID vom Wert der negativen und positiven
(IV.13)
2.4 Kennwerte von FET Wie bei den bipolaren Transistoren und Dioden unterscheidet man auch hier Kenn- und Grenzwerte. Für die Kenngrößen werden in den Datenblättern je nach Bedarf Mittelwerte und/oder obere und/oder untere Streuwerte angegeben. Die Kennliniendarstellungen sind, falls nicht anders vermerkt, MittelwertDarstellungen und gelten nur für die jeweils angege-
IV Transistoren
361
bene Temperatur. J-FET können auf verschiedene Weise elektrisch überlastet werden: Drain-Source-Spannung UDS > UDS max Drain-Gate-Spannung UDG > UDG max Gate-Source-Spannung Drain-Strom Gate-Strom
UGS > UGS max
ID > ID max = IDSS IG > IG max
Verlustleistung
PV > Ptot
Sperrschichttemperatur
JJ > JJ max
Liegt zwischen dem Kanal- und dem Gate-Anschluß eine zu hohe Spannung, kann der in Sperrichtung betriebene pn-Übergang zerstört werden. Die Spannungswerte UDS max, UDG max und UGS max dürfen nicht überschritten werden und liegen bei den heute verwendeten N-Kanal-J-FET etwa zwischen 20 V und 30 V. Der durch das Gate fließende Sperrstrom ist normalerweise vernachlässigbar klein. Bei kurzzeitigem Betrieb des pn-Überganges in Durchlaßrichtung darf der dann fließende Strom IG den Wert IG max nicht überschreiten. IG liegt meistens in der Größenordnung von 10 mA. Beim Betrieb eines FET liegt zwischen Drain und Source die Spannung UDS, und es fließt der Strom ID. Daraus ergibt sich eine Verlustleistung, die im FET zur Erwärmung des Kristalls führt. Diese Verlustleistung PV muß kleiner als die größte zulässige Verlustleistung Ptot sein. Temperaturabhängigkeit der zulässigen Gesamtverlustleistung Ptot = f (TU)
Ptot W
totale Verlustleistung PV = U DS ⋅ I D ≤ Ptot
(IV.14)
Hauptsächlich durch die Verlustleistung im Dauerbetrieb entsteht in der Sperrzone und im Kanal Wärme, durch die sich die Temperatur im Bauelement erhöht. Die in den Datenblättern angegebene Sperrschichttemperatur JJ bezieht sich auf die höchste im Kanal auftretende Kanaltemperatur JJ max. Bei den üblichen FET beträgt Jk max etwa 150 bis 200 °C. In den Datenblättern einiger Hersteller wird ein Diagramm für die Temperaturabhängigkeit der zulässigen Verlustleistung angegeben. In Bild IV-32 kann direkt abgelesen werden, wie groß Ptot bei einer bestimmten Umgebungstemperatur ist. Mit den statischen Kenndaten wird das Gleichstromverhalten eines FET beschrieben. Die Transistoren werden nach dem Drain-Source-Kurzschlußstrom IDSS ausgesucht und eventuell in Gruppen A, B und C eingeteilt. Der Strom IDSS ist der Drainstrom, der bei einem selbstleitenden FET mit Drain-Source-Kurzschluß fließt. Der pn-Übergang wird zwischen Gate und Kanal in Sperrichtung betrieben. Trotzdem fließt hier ein GateReststrom – IGSS. Wie Bild IV-33 zeigt, hängt die Größe dieses Sperrstroms von der Temperatur ab. Temperaturabhängigkeit des Sperrstromes –IGSS nA
IGSS = f (TJ)
101
100
10–1
0,4
10–2 0,3
10–3 0,2
0
50
100
150
TJ °C
Bild IV-33 Temperaturabhängigkeit des Sperrstroms
0,1
0
50
100
160
TU o C
Bild IV-32 Temperaturabhängigkeit der zulässigen Verlustleistung
Um einen FET zu sperren, ist die Gate-SourceAbschnürspannung – UP erforderlich. Diese Spannung ist arbeitspunktabhängig und unterliegt einer großen Streuung. Den statischen Eingangswiderstand RGS des gesperrten pn-Übergangs kann man in Abhängigkeit von der Spannung UGS aus dem entsprechenden Diagramm in den Datenblättern herauslesen. Er liegt in der Größenordnung von 109 bis 1011 W und kann in vielen Anwendungsfällen vernachlässigt werden.
362
Elektronik
Für den N-Kanal-J-FET ergeben sich etwa die folgenden praktischen Richtwerte: Drain-Source-Spannung UDS max ≈ 25 V bis 30 V Gate-Source-Spannung UGS max ≈ – 8 V ID max ≈ 25 mA
Drain-Strom Gate-Strom
Die y-Parameter haben komplexe Werte, daß heißt, die Ein- und Ausgangsspannungen u1 und u2 beziehungsweise die Ein- und Ausgangsströme i1 und i2 sind ebenfalls komplexe Größen. Vierpolgleichungen i1 = y11 ⋅ u e + y12 ⋅ u a
IG max ≈ 10 mA Ptot ≈ 200 mW
Verlustleistung
Sperrschichttemperatur
JJ max ≈ 125 °C
Aufgrund des vorhandenen pn-Übergangs zwischen Bulk und den anderen Anschlüssen müssen die Grenzwerte für diese Spannungen beachtet werden. Drain-Bulk-Spannung UDB > UDB max
Übertragungskennlinie ID = f (–UGS) ID 10 mA 9 8
Gate-Bulk-Spannung UGB > UGB max
7
Infolge des isolierten Gate ergibt sich für den MOSFET ein sehr hoher Eingangswiderstand rGS in der Größenordnung von etwa 1015 W. Statische Aufladungen können dementsprechend nicht entladen werden, was zu sehr hohen Feldstärken führt, die bei Überschreitung einer bestimmten Feldstärke zu einem Durchschlag und damit zur Zerstörung des MOS-FET führen. Für den N-Kanal-MOS-FET ergeben sich etwa die folgenden praktischen Richtwerte: Drain-Source-Spannung UDS max ≈ 22 V bis 35 V ID max ≈ 20 mA bis 50 mA
Drain-Strom
Sperrschichttemperatur
JJ max ≈ bis 200 °C
Drain-Bulk-Spannung UDB max ≈ 30 V bis 35 V Bei der Kleinsignalaussteuerung eines FET können die Kennlinien in einem Bereich um den Arbeitspunkt durch Geraden angenähert werden. Der FET verhält sich dann wie ein linearer, aktiver Vierpol. –y12
i1 Yg
ΔID
6 5
4 3 2 1
0
ue
i2 ua YL
(y21 – y12)ue
y11 + y 12
y12+ y 22
Bild IV-34 AC-Ersatzschaltbild eines FET Für diesen Vierpol kann das AC-Ersatzschaltbild bei niedrigen, aber auch bei hohen Frequenzen bestimmt werden. Um das Wechselstromverhalten eines FET zu beschreiben, werden seine dynamischen Kennwerte nach Bild IV-34 angegeben. Üblich ist es, an Stelle der Hybrid-Koeffizienten (h-Parameter) die y-Leitwertparameter anzugeben. Sie sind bei FET sinnvoller, da die Stromverstärkung für FET’s nicht angegeben werden kann.
1
2
ΔUGS
Ptot ≈ 150 mW bis 200 mW
Verlustleistung
ig
(IV.15)
i 2 = y 21 ⋅ u e + y 22 ⋅ u a
3 –UGS
V
Bild IV-35 Übertragungskennlinie Aus der Steuerkennlinie nach Bild IV-35 kann grafisch die Vorwärtssteilheit y21 ermittelt werden. Hierbei wird die Steilheit der Kennlinie im Arbeitspunkt bei UDS = const ermittelt. Vorwärtssteilheit
y 21 =
DI D DU GS
(IV.16)
Da eine Annäherung durch eine Gerade im AP häufig zu ungenau ist, steht meistens ein entsprechendes Diagramm nach Bild IV-36 zur Verfügung, aus dem die Steilheit für jeden Drainstrom und die A-, B- oder C-Typen ablesbar ist. Wichtig ist in diesem Zusammenhang der differentielle Ausgangswiderstand rds. Er ist der Kehrwert des Ausgangsleitwertes y22. Ausgangsleitwert
y 22 =
DI D DU DS
(IV.17)
Der Ausgangsleitwert beschreibt die Steilheit der Ausgangskennlinie im Arbeitspunkt für UGS = const. Seine Bestimmung wird im Diagramm nach Bild IV-37 dargestellt. Da eine Annäherung durch eine Gerade im AP häufig zu ungenau ist, steht i.d.R. ein entsprechendes Dia-
IV Transistoren
363 auch, die die y-Parameter komplex werden lassen. Wir haben Ein- und Ausgangskapazität sowie die Rückwirkungskapazität nach Bild IV-39 zu berücksichtigen.
Vorwärtssteilheit y21 = f (ID) UDS = 15V ; f = 1 kHz ; TU = 25 °C
7,5 y21
BF C
BF B
mS
Dynamischer Drain-Source-Widerstand rDS = f (–UGS); UDS = 0; f = 1kHz; TU = 25 °C rDS kΩ
BF A
5
2
10
BF
101
2,5
A
BF
B
BF
C
100
0
10
20
ID mA
10
Bild IV-36 Vorwärtssteilheit
10
-1
-2
0
1
3
2
Ausgangskennlinie ID 10 mA
ID = f (UDS) ; UGS = Parameter
Bild IV-38 Dynamischer Drain-Source-Widerstand In den Datenblättern der Hersteller werden arbeitspunktbezogen die Werte für die Kurzschluß-Eingangskapazität Ciss, die Kurzschluß-Ausgangskapazität Coss und die Rückwirkungskapazität Crss angegeben. Analog zum bipolaren Transistor lassen sich auch für den FET die Betriebsgrößen des Vierpols, nämlich die Wechselspannungsverstärkung sowie die Ein- und Ausgangsleitwerte anhand des AC-Ersatzschaltbildes nach Bild IV-34 wie folgt berechnen. Die betriebliche Spannungsverstärkung des Vierpols ist das Verhältnis von Ausgangsspannung zur Eingangsspannung. Spannungsverstärkung ua y 21 Vu = =− (IV.18) ue y 22 + YL
UGS = 0V
9 8 –0,5V 7 6 –1V
ΔID
5 4
–1,5V
3 –2V
2 1 0
–2,5V 5
10
ΔUDS
4 –U 5 GS V
15 UDS
V
Bild IV-37 Ausgangskennlinien gramm nach Bild IV-38 zur Verfügung, aus dem der dynamische Drain-Source-Widerstand für jede GateSource-Spannung und die A-, B- oder C-Typen ablesbar ist. Erheblichen Einfluß haben im HF-Bereich die dort wirksam werdenden Kapazitäten, die beim J-FET durch den pn-Übergang und bei den IG-FET durch die Isolierschichten entstehen. Die Kapazitäten sind es
Der Eingangsleitwert des Vierpols ist das Verhältnis von Eingangsstrom zur Eingangsspannung. Eingangsleitwert y12 ⋅ y 21 y i = y11 + = y11 + y12 ⋅ Vu (IV.19) y 22 + YL Der Ausgangsleitwert des Vierpols ist das Verhältnis von Ausgangsstrom zur Ausgangsspannung. Um ihn bestimmen zu können, wird an den Ausgang eine Spannung ua angelegt, während die Stromquelle eine Unterbrechung darstellt. Ausgangsleitwert
y0 =
i2 ua
= y22 -
y12 ◊ y21 y11 + Yg
(IV.20)
364
Elektronik Eingangskapazität C11 = f (–UGS) UDS = 10V ; f = 1 MHz ; TU = 25 °C
10 C11 pF 8
Rückwirkungskapazität C12 = f (–UGS) UDS = 20V ; f = 1 MHz ; TU = 25 °C 1,5 C12 pF
7
Bild IV-39 Kennlinien der Eingangs- und Rückwirkungskapazität
1,0
6 5 4
0,5
3
2 1 0
0
–UGS 10 V
5
5
–UGS 10 V cgd
ggd
g
ue
d
S *ue
ggs
gds
s
ggd
g
ua
ue ggs
cgs
S *ue
d gds
cds
s
s
ua s
Bild IV-40 AC-Ersatzschaltbilder für den NF- und HF-Bereich von J-FET g
ue
s
d
S *ue
gds
ua
s
cgd
g
ue
cgs
S *ue
d cgs gds
s
ua
s
Bild IV-41 AC-Ersatzschaltbilder für den NF- und HF-Bereich von MOS-FET Aufgrund der spezifischen Kennwerte von J-FET läßt sich das Wechselstromersatzschaltbild stark vereinfachen und für die NF- und HF-Bereiche getrennt darstellen im Bild IV-40. Die Daten von FET mit isoliertem Gate unterscheiden sich nur unwesentlich von J-FET. Die Steuerkennlinien unterscheiden sich in der Lage zum Nullpunkt, der Kennlinienverlauf ist ähnlich. Auch für MOS-FET läßt sich das Wechselstromersatzschaltbild stark vereinfachen und für die NF- und HF-Bereiche getrennt darstellen im Bild IV-41. Aufgrund der Isolierschicht zwischen Kanal und Gate sind beim MOS-FET die Leitwerte ggs und ggd zwischen Gate und Source beziehungsweise Gate und
Drain so gering, daß sie vernachlässigt werden können. Damit ergibt sich dieses AC-Ersatzschaltbild. Bei höheren Frequenzen wird die Gate-Kanal-Kapazität durch die Kondensatoren cgs und cgd berücksichtigt. Der Kanal wird in diesem Ersatzschaltbild durch den Ausgangsleitwert gds, die Kapazität cds und die Stromquelle S ⋅ ue elektrisch dargestellt. Vergleicht man diese AC-Ersatzschaltbilder mit dem aktiven Vierpol nach Bild IV-34, so lassen sich die y-Parameter, also die Leitwertparameter, ermitteln. Für die Sourceschaltung von FETs werden diese y-Parameter mit einem zusätzlichen Index s gekennzeichnet, wie wir es schon von den Bipolaren Transistoren her kennen.
V Besondere Halbleiter-Bauelemente
365
V Besondere Halbleiter-Bauelemente 1 Unijunction-Transistor (Doppelbasisdiode) Unijunction-Transistoren (UJTs) werden aus einem homogenen, n-dotierten Si-Kristall als Planartyp oder Legierungstyp nach Bild V-1 hergestellt. An zwei gegenüberliegenden Seiten sind sperrschichtfreie Anschlüsse angebracht, die als Basis 1 (B1) und Basis 2 (B2) bezeichnet werden. Unsymmetrisch zu diesen Basisanschlüssen ist als Emitter (E) eine p-Zone angeordnet. Dadurch entsteht ein pn-Übergang, der die Funktion einer Diode hat. B2
Sperrschicht B1
Solange die Eingangsspannung UEB1 kleiner ist als UA, wird die Diode in Sperrichtung betrieben und es fließt ein sehr kleiner Sperrstrom. Wird die Eingangsspannung UEB1 aber um die Schwellenspannung der Ersatzdiode größer als UA, so wird die Diode in Durchlaßrichtung betrieben und es fließt ein Emitterstrom IE. Höckerspannung U EB1 ≥ 0 , 7 V + U A = U EP
(V.1)
Wird UEB1 > UEP, so fließt ein Emitterstrom und es werden Löcher in das n-dotierte Silizium injiziert. Damit vergrößert sich die Leitfähigkeit der Strecke zwischen E und B1. Daher fließt jetzt bei einer geringeren Spannung UEB1 ein größerer Strom IE als vorher bei einer größeren Spannung UEB1.
B2
E
E
Bild V-3 Kennlinie eines UJT
UEB1
P
Bereich des abnehmenden Widerstandes
UP
P N-Silizium N-Silizium
Bild V-1 Schichtfolge beim UJT als Planartyp oder Legierungstyp
UV
B1
Aus der physikalischen Wirkungsweise läßt sich das Ersatzschaltbild des UJT nach Bild V-2 herleiten, wobei sich zwei interne Vorgänge überlagern. B2 rB2
UF UEB1
A
IE rB1
UBB h*UBB
E
B2 B1
B1
Bild V-2 Ersatzschaltbild und Schaltzeichen eines UJT Legt man zwischen B2 und B1 eine positive Spannung UBB bei offenem Emitteranschluß, so fließt ein relativ kleiner Elektronenstrom von B1 nach B2, der von der Größe der Spannung UBB und der des statischen Interbasiswiderstandes RBB abhängt. Wird dagegen eine Spannung UEB1 zwischen E und B1 gelegt ohne eine Spannung UBB, so zeigt diese Strecke das Verhalten einer Diode. In einer Schaltung liegen aber beide Spannungen am UJT. Für die Betriebsspannung wirkt der UJT wie ein Spannungsteiler, der die Spannung UBB im Verhältnis der Teilwiderstände aufteilt. Der mit „A“ gekennzeichnete Punkt in der Schaltung liegt also auf einem Ruhepotential UA.
IP
IV
IE
Mit dem Talpunkt („Valley“) beginnt der Sättigungsbereich, weil eine weitere Verkleinerung von rB1 durch Ladungsträgerinjektion nicht mehr möglich ist. Die UJT-Kennlinie nach Bild V-3 geht daher in die Kennlinie einer normalen Si-Dioden-Kennlinie über, und der Strom IE steigt mit steigender Spannung UEB1 wieder an. Sowohl das Umschalten vom hochohmigen Zustand in den niederohmigen Zustand als auch das Umschalten vom niederohmigen in den hochohmigen Zustand erfolgt sehr schnell, wenn die Spannung UEB1 die Höckerspannung UEP überschreitet beziehungsweise unter den Wert der Talspannung UEV absinkt, also UEB1 < UEV wird. Die Hersteller geben eine charakteristische Kennlinie nach Bild V-3 an, in der die Definitionen der einzelnen Kennwerte angegeben sind. Grenzwerte: Zu hohe Spannung UBB; zu hohe Spannung – UEB1; zu hoher Emitterstoßstrom IE; zu hohe Gesamtverlustleistung PV; zu hohe Sperrschichttemperatur JJ Statische Kenndaten: Interbasiswiderstand rBB; Temperaturbeiwert a Aus dem Kennlinienfeld nach Bild V-4 ist zu erkennen, daß sowohl Höckerspannung und Talspannung als auch der Talstrom von der Spannung UBB abhängig sind.
366
Elektronik
IE mA
Bild V-4 Kennlinienfeld eines handelsüblichen UJT
UBB = 0V
16
Kondensators als auch der Transistorstrom über den UJT ab. Aus diesem Grunde treten an RB2 Spannungsimpulse auf. Wird nun uC kleiner als die Talspannung UEV, so sperrt der UJT wieder und ein neuer Aufladevorgang des Kondensators beginnt.
12
2 Darlington-Transistor
8
UB
4 0
UBB= 5 10 15
20
30V
R1
2 4 6 8 10 12 14 16 18 UEB1 V
CK1
B
C E
Anwendungen: Wegen ihres Schaltverhaltens werden UJTs hauptsächlich in Sägezahn- oder Zündgeneratoren in der Schaltung nach Bild V-5 für Thyristoren beziehungsweise Triacs eingesetzt. Die Spannung uC wirkt in dieser Schaltung als Steuerspannung des UJT.
uC
E
CK2
R2 RE
Bild V-7 Verstärker in Kollektorschaltung für höhere Gleichstrom- und WechselstromVerstärkung
UB R1
C
B
RB1
C1 RB2
UB1
Bild V-5 Sägezahnspannungsgenerator beziehungsweise Zündgenerator mit UJT
Der Kondensator C wird über R1 geladen, und die Spannung uC steigt entsprechend einer e-Funktion nach Bild V-6 an. Sobald uC > UEP wird, zündet der UJT, und es fließt sowohl der Entladestrom des
Eine Möglichkeit, höhere Gleichstrom-Verstärkung zu erhalten, bietet der Darlington-Transistor, der in der Schaltung in Bild V-7 zu sehen ist. Der zweite Transistor arbeitet hier als Lastwiderstand für den ersten Transistor, der als Emitterfolger (Kollektorschaltung, siehe Abschnitt VI) geschaltet ist. Durch eine derartige Kopplung zweier Transistoren mit gleicher Schichtfolge ergeben sich für den DarlingtonTransistor interessante Werte für den Eingangswiderstand und den Ausgangswiderstand der Schaltung. Eingangswiderstand Rein = rBE + ( b + 1) ( R E / / R A )
Ausgangswiderstand Raus
UC UEP
(V.2)
rBE + Rg = β +1
mit h#11 = rBE = rBE1 + b1 ⋅ rBE2
und
(V.3) b = b1 ⋅ b2
Schleusenspannung UBE = UBE1 + UBE2
UEV t
UB1 IE RB1
UEV t
Bild V-6 Ein- und Ausgangsspannungen der Schaltung nach Bild V-5
Interessant wird der Darlington-Transistor neben hohem Eingangswiderstand und kleinem Ausgangswiderstand nach Bild V-8 durch seine hohe Stromverstärkung, die i.d.R. bei B > 2000 liegt. Dieser Transistor gilt aus diesem Grunde als DC-Verstärker und wird insbesondere in Leistungsverstärkern (siehe Abschnitt VII) eingesetzt. Werden zwei Transistoren mit unterschiedlicher Schichtfolge zusammengeschaltet, so entsteht ein Komplementär-Darlington-Transistor. Das Verhalten eines Darlington-Transistors wird im wesentlichen durch die Eigenschaften des ersten Transistors bestimmt. Komplementär-Darlington-Transistoren haben den Vorteil, daß sie nur eine sehr kleine Schleusenspannung UBE haben. Darlington-Transistoren beziehungsweise Komplementär-Darlington-Transistoren können durch zu-
V Besondere Halbleiter – Bauelemente
367
iB
S
S
G
h # *i
21 B
Rg # h11 u1 ug
N
P iC RE
N
u2
N
RA
D
Bild V-8 AC-Ersatzschaltbild eines Darlington-Transistors
Bild V-9 Grundsätzlicher Schichtaufbau eines VMOS-FET
sammengeschaltete Einzeltransistoren realisiert werden, in den meisten Fällen empfiehlt sich jedoch die Benutzung eines fertig konfektionierten Typs, wie er von zahlreichen Herstellern (zum Beispiel Siemens) angeboten wird.
3 VMOS-Transistoren Die Grenzwerte des Drainstroms IDM und der DrainSource-Spannung UDSS begrenzen die mit einem Feldeffekt-Transistor zu steuernde Leistung. Die höchste mit einem FET zu steuernde Leistung ergibt sich also als Pmax = IDM ⋅ UDSS. Höhere Grenzwerte des Drainstroms IDM erfordern eine höhere Steilheit. Die läßt sich aber nur durch eine Verkürzung des Kanals erreichen. Eine Verkürzung des Kanals geht aber zu Lasten der DrainSource-Spannung UDSS. In der Konsequenz bedeutet dies aber, daß die maximal zu steuernde Leistung gleich bleibt. Offensichtlich läßt sich mit der bisher beschriebenen Technologie ein FET zur Steuerung höherer Leistungen nicht verwirklichen. Bild V-9 beschreibt den grundsätzlichen Schichtaufbau eines VMOS-FET (vertical-metal-oxide-semiconductor-field-effekt-transistor). In eine Vier-LagenStruktur ist ein V-förmiger Graben eingeätzt. Hier fließt der Drainstrom ID senkrecht, also vertikal durch durch den Kristall. Bei positiver Ansteuerung des Gate bildet sich ein durchgehender Strompfad beiderseits des Grabens mit einem sehr niedrigen Bahnwiderstand aus, so daß der Drainstrom, durch den V-förmigen Einschnitt geteilt, zu beiden Source-An-
schlüssen fließt. Somit ist der Kanalquerschnitt groß und die Kanallänge kurz. Im Ergebnis bedeutet dies ein Bauteil mit hoher zulässiger Verlustleistung bei hoher Spannungsfestigkeit und großem Verstärkungsfaktor. Der selbstsperrende N-Kanal-VMOS-FET weist praktisch keine Schaltverzögerung auf. Die Source-Elektrode überbrückt die obere N- und P-Schicht, was eine parasitäre Diode zwischen Gate und Source ergibt. Bei Anwendungen mit induktiver Last funktioniert die Diode als Freilaufdiode, so daß eine zusätzliche Schutzbeschaltung der Drain-SourceStrecke i.d.R. unnötig ist. Kennlinien und Grenzwerte von VMOS-FET sind identisch mit denen der MOS-FET. Der Unterschied besteht lediglich in den Werten. Die Parallelschaltung von VMOS-FET ist fast problemlos möglich, da der positive Temperaturkoeffizient des Kanals für thermische Stabilität sorgt. Aufgrund des hohen Eingangswiderstandes, der hohen Spannungsfestigkeit und der hohen Stromverstärkung ist der VMOS-FET ein sehr gut geeignetes Bauteil für Pegelumsetzer und Treiberschaltungen (zum Beispiel TTL-, TTL-LS- und CMOSFamilie). Für höhere Betriebsspannungen ist die VMOSTechnik nicht gut geeignet, da die Isolierschicht in der Spitze der V-Rinne nicht die erforderliche gleichmäßige Dicke besitzt, so daß es dort zu Durchschlägen kommt.
Tabelle V-1 Unterschied zwischen Standard-MOS-FET und Leistungs-MOS-FET MOS-FET
VMOS-FET
Drainstrom ID
mA
A
Einschaltwiderstand RDS (On)
100 W ... 500 W
0,1 W ... 10 W
Gate-Source-Spannung UGS
0 V ... 5 V
0 V ... 10 V
368
Elektronik
4 SIPMOS-Transistoren Eine wesentlich andere Konstruktion kommt bei den SIPMOS-Leistungstransistoren (Siemens-PowerMOS; eingetragenes Warenzeichen der Siemens AG) nach Bild V-10 zur Anwendung. Al
Scource
SiO2
Gate
n+Poly-Si
Bild V-10 Aufbau eines SIPMOS-FET (Siemens-Bild)
n+
Elec
tron
flow
Epi layer Substrate Metal
n–
Drain n+
Diese sind vertikal in Planartechnik aufgebaut und haben eine doppelt implantierte Kanalstruktur. Bei einem N-Kanal-FET dient das niederohmige n+-Substrat mit der darunter liegenden Metallschicht als Träger und Drainanschluß. Über dem niederohmigen n+-Substrat liegt eine n–-Epitaxieschicht, die je nach zu realisierender Sperrspannung verschieden dick und entsprechend dotiert ist. Darüber liegt das Gate aus n+-polykristallinem Silizium mit hoher Dotierung, eingebettet in isolierendes Siliziumdioxid. Das Gate bildet eine Gitterstruktur. In die Gitteröffnungen sind die Sourcezellen hineindotiert. Diese werden durch eine abdeckende Metallisierung (hier mit Aluminium) parallel geschaltet. Also kann man sagen, daß ein SIPMOS-FET aus der Parallelschaltung einiger tausend einzelner MOS-Systeme in einem Chip besteht. Die Gateschicht wird in einer Ecke des Chips unbedeckt gelassen und kann dort kontaktiert werden. SIPMOS-FET haben sehr hohe Eingangswiderstände, aber Durchlaßwiderstände RD (on) von nur wenigen Ohm. Ihre Schaltzeit liegt in der Größenordnung von einigen hundert Nanosekunden und ist mit einer Ansteuerschaltung nach Bild V-11 variabel machbar, um zu große Stromsteilheiten beim Einschalten nach Bild V-12 zu vermeiden beziehungsweise zu variieren. SIPMOS-FET benötigen nur beim Einschalten Energie und zwar hauptsächlich zum Aufladen der Gate-Drain-Kapazität. Wie der VMOS-FET hat auch 100V 4mH
V1
5A 10V
RG
D G
V2 S
Bild V-11 Ansteuerschaltung für SIPMOS-FET
ID A
18 16 14 12 10 8 6 4 2 0
18 100 470
1k
0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 1,6 1,8 2,0
t μs
Bild V-12 Schaltverhalten des Drainstroms für verschiedene Gatewiderstände dieser FET einen positiven Temperaturbeiwert und kann sich somit gegen thermische Überlastung selber schützen. SIPMOS-FET sind selbstsperrende FET und können auch aus diesem Grunde als schneller Leistungsschalter in der Leistungselektronik Verwendung finden. Reicht der Drainstrom eines SIPMOS-FET nicht aus, so können nahezu beliebig viele nach Bild V-13 parallel zueinander geschaltet werden und gleichzeitig angesteuert werden. Zum Ausgleich von Unsymmetrien werden Gate-Widerstände (R = 4,7 W bis 200 W) empfohlen. UB RL
R
S
G R
S
V4 D
V3 D
V2 D
V1 D G
G R
S
G
S
R
UE
Bild V-13 Parallel geschaltete SIPMOS-FET für höhere Stromleistungen Gleichzeitig wird eine Drainstromreduzierung um den Faktor 0,8 empfohlen. → ID ges = 0,8 ⋅ ID ⋅ n (n = Anzahl der FET) Schnelles Ein- und Ausschalten, aber auch sicherer Schutz gegen unbeabsichtigtes Einschalten müssen gewährleistet werden. Die komplementären SIPMOSKleinsignaltransistoren BSS100 und BSS110 sind gut geeignet, um auch SIPMOS-FET mit großer Eingangskapazität oder parallel geschaltete SIPMOSFET schnell zu steuern. Die Treiberschaltung nach Bild V-14 (Fa. Siemens) bietet auch im spannungslosen Zustand einen sicheren Schutz gegen unbeabsichtigtes Einschalten.
V Besondere Halbleiter – Bauelemente
369
US UT R1
TDA 47xx Q
V5 IN4148
R2
BC550
BSS110 D G S
V4 C1
T1
R D G
BSS100 D G S
V3
S
Scource
Npolysilicion
+
P
N
V1
+
Drain
N
RG
–
P
+
N
Collector
P
Bild V-15 Aufbau eines SIPMOS-FET und eines IGBT an dieser Seite. Deshalb wird dieser Anschluß auch Kollektor genannt. In eingeschaltetem Zustand bewirkt der pn-Übergang die Reduzierung des Einschaltwiderstandes RD (on) durch Ladungsträgerinjektion.
5 IGBT Ein IGBT (insulated-gate-bipolar-transistor) beruht grundsätzlich auf der Technologie der SIPMOSTransistoren. Bild V-15 macht hier die Unterschiede deutlich. Während der SIPMOS-FET auf einem n+n–-Substrat am Drain aufgebaut ist, hat der IGBT ein homogenes Substrat mit einem speziell ausgebildeten pn-Übergang
C C G
G
E E
Bild V-16 Schaltzeichen und Ersatzschaltbild eines IGBT
Der IGBT ist eine Kombination aus MOS-FET und Bipolarem Transistor. Entsprechend verhält sich der IGBT am Eingang wie ein selbstsperrender MOSFET und kann nahezu leistungslos gesteuert werden. Ausgangsseitig ist der IGBT einem bipolaren Leistungstransistor ähnlich. Deshalb kann er relativ hohe Spannungen (zur Zeit bis 1700 V) und Ströme (zur Zeit ungefähr 600 A) pro Chip schalten mit zunehmender Tendenz. Aus diesem Zusammenhang resultiert das Schaltzeichen und Ersatzschaltbild eines IGBT nach Bild V-16.
Tabelle V-2 Typenübersicht und Kenndaten (Fa. Siemens) SIPMOS-FET RDS (on)/W
ID (on)/A
Gehäuse
BUZ 10
50
0,1
12
TO-220
BUZ 20
100
0,2
8
TO-220
BUZ 31
200
0,2
12,5
TO-220
BUZ 45
500
0,8
7,5
TO-3
BUZ 84
800
2,0
4,7
TO-3
BUZ 54
1000
2,0
4,7
TO-3
Typ
UCE/V
IC /A
Gehäuse
BUP 304
1000
25
TO-218
UCE/V
IC/A
IGBT
IGBT-Module Typ
– N -polysilicion
N
Die Versorgungsspannung für die Ansteuerschaltung kann hier UT = 10 V bis 15 V betragen. Der Widerstandswert von RG liegt ungefähr bei 10 kW, während R1 = 2,2 kW und R2 = 1 kW betragen. Der Kondensator C1 hat einen Wert von 0,47 mF. Die Werte für R und C bemessen sich nach der Größe des Transformators T1 beziehungsweise seiner Leistungsbeanspruchung.
UDS/V
Emitter
–
–
Bild V-14 Treiberschaltung für schnelles Ein- und Ausschalten von SIPMOS-FET (Fa. Siemens)
Typ
Gate
Al SiO2
N
V2
Gate
Al
SiO2
C
UCE (sat)/V
Bemerkungen
BSM50GB100D
1000
2 × 50
5
Halbbrücke
BSM15GD100D
1000
6 × 15
5
Vollbrücke
370
Elektronik
100 IDS A 80
UGS=15V
Bild V-17 Ausgangskennlinienfeld eines SIPMOS-FET (obere Reihe) und eines IGBT (untere Reihe)
20 IDS A 15
11V
60
10
40 8V
UGS=15V
5
20
5V
5V 0
200
400
600
800
1000
VDS V
4V 0
200 ICE A
20
150
15
ICE A
4
2
6
8
10V
UGS=15V
18V
100
10 VDS V
9V
10 UGS=15V
50
12V
5
10V 6V 0
200
400
600
800
1000 VCE V
7V 0
Die Ausgangskennlinien nach Bild V-17 zeigen einen SIPMOS BUZ 54 und einen IGBT BUP 304 bei gleicher Chipgröße. Das Schaltverhalten der beiden Bauelemente unterscheidet sich hauptsächlich durch den Spannungsabfall im eingeschalteten Zustand. So hat der BUZ 54 bereits bei 5 A einen Spannungsabfall von 8 V, während der BUP 304 bei 10 A auf weniger als 3 V Spannungsabfall kommt. Erkennbar ist außerdem, daß der Einschaltwiderstand RD (on) weniger spannungsabhängig ist als der der SIPMOS-FET. Im Schaltbetrieb ist die Gesamtverlustleistung quasi identisch mit der temperaturabhängigen Durchlaß verlustleistung. Der Einschaltwiderstand RD (on) wird in den Datenblättern für 25 °C angegeben. IGBT haben im Gegensatz zu SIPMOS-FET aufgrund der unterschiedlichen Herstellungstechnolo-
2
4
6
8
10 VCE V
gie keine integrierte Inversdiode. Deshalb muß bei Verwendung des IGBT als Schalter mit induktiven Lasten eine separate Freilaufdiode geschaltet werden. In „Modulen“ sind IGBT, Inversdioden und andere erforderliche Schutzbausteine zusammengefaßt. Sie sind rationelle Bausteine im Leistungsteil von selbstgeführten Stromrichtern (siehe Abschnitt 15), vor allem bei Zweipuls- (B2) und Sechspuls-Brückenschaltungen (B6). Grundsätzlich kann man einen IGBT dadurch abschalten, indem man die Gate-Emitter-Spannung auf „Null“ setzt. Um das Abschaltverhalten zu verbessern und auch Notabschaltungen leichter zu ermöglichen, wird der IGBT nach Bild V-18 auch mit negativen Spannungen an der Gate-Emitter-Strecke angesteuert.
VI Analoge Verstärker U ULF
Ein
371
Aus
UGE
UGE
t ULR
UEG
V2
ULR
UEG
V3
UE
RG
V5 V6
V1
0 V4
ULF IG
Bild V-19 Prinzipschaltung einer Treiberstufe mit komplementären Transistoren t
Bild V-18 Liniendiagramm von Steuerstrom und -spannung
Der Gatevorwiderstand RG begrenzt (wie beim SIPMOS) die entstehenden Steuerstromimpulse. Um die Steuerspannungen zu erzeugen, verwendet man Treiberstufen mit komplementären Transistoren, wobei die Schaltung nach Bild V-19 nur eine mögliche Prinzipschaltung darstellt.
VI Analoge Verstärker Der Transistor ist ein aktives Bauelement im Gegensatz zu passiven Bauelementen wie zum Beispiel Dioden oder Widerstände. Einer Transistorschaltung kann am Ausgang mehr Signalleistung entnommen werden als ihr am Eingang zur Verfügung steht. In den meisten Anwendungsfällen werden Transistoren verwendet, um kleine Eingangsspannungen und -ströme zu großen Ausgangsspannungen und -strömen zu verstärken. Der Signalverlauf, also die Form der Signale, bleibt erhalten, während sich der Amplitudenwert der Signale vergrößert. Da Eingangsund Ausgangssignale einander ähnlich sind, arbeitet der Transistor als Analogverstärker. Die zur Umformung (Verstärkung) eines anliegenden Signals erforderliche Hilfsenergie liefert die Betriebsspannung. Unter Signal versteht man eine bestimmte Eingangsspannung, einen bestimmten Eingangsstrom oder eine bestimmte Eingangsleistung mit den entsprechenden Ausgangsgrößen. Zu verstärkende Signale liefern Mikrophone, Tonabnehmersysteme von Plattenspielern, CD-Playern, Tonköpfen in Recordern, Antennen, Vorverstärker. Die verstärkten Signale (Ausgangssignale) können über entsprechende Wandler (Lautsprecher, Bildröhren, Motoren und andere Ausgabeeinheiten) hörbar beziehungsweise sichtbar gemacht werden.
1 Bipolarer Transistor als Verstärker Der bipolare Transistor muß als gleichstromsteuerndes Bauelement verstanden werden. Wechselspannungen, also Signale mit positiven und negativen Amplituden, können nur mit Hilfe von Schaltungskniffen verstärkt werden. Bildet man zum
Beispiel eine Mischspannung aus einer Gleich- und einer Wechselspannung, indem man einem Gleichstrom die Sinalspannung entsprechend der Schaltung nach Bild VI-1 überlagert, so verstärkt der Transistor diese pulsierende Gleichspannung. +12V vom Siebkondensator RC
R1
CK2
3 CK1 2 B
1 G
4
C E
R2
RL zum Siebkondensator
Bild VI-1 Transistor als AC-Verstärker Bild VI-2a stellt die sinusförmigen Ein- und Ausgangsspannungen an den Punkten 1 und 4 dar. Die Phasenverschiebung zwischen den beiden Kurven ergibt sich aus der generellen Phasenverschiebung bei der Emitterschaltung und der Phasenverschiebung aufgrund der beiden RC-Glieder. Bild VI-2b zeigt die Mischspannungen an der Basis (Punkt 2) und am Kollektor (Punkt 3) des Transistors. Der Gleichanteil muß so groß bemessen sein, daß die Mischspannung keine negativen Anteile hat. Ohne diese Maßnahme würden nur die positiven Amplituden verstärkt werden. Durch einen Kondensator kann der Gleichstromanteil am Ausgang der Verstärkerschaltung unterdrückt werden.
372
Elektronik
USig/V 1,0
UL/V 1,0
0,6
0,6
4
0,2 0 -0,2
0,2 0 -0,2
1
-0,6
-0,6
-1,0
-1,0 t/ms 500
100
0
UBE/mV 700 2 670 640
300
200
400
UCE /V
uBE 6,4
uCE
5,8
3
5,2 4,6
0
100
300
200
Der besondere Vorteil des Vierquadranten-Kennlinienfeldes eines bipolaren Transistors liegt darin, daß bestimmte Daten von einem Quadranten direkt in einen anderen Quadranten, also von einem Kennlinienfeld in ein anderes, übertragen werden können. Daher läßt sich die Verstärkerwirkung eines bipolaren Transistors im Vierquadranten-Kennlinienfeld besonders gut darstellen und erläutern. In Bild VI-3 sind die Zusammenhänge für eine prinzipiell zu erstellende Verstärkerschaltung dargestellt und graphisch erläutert. Zunächst muß die Arbeitsgerade des Kollektorwiderstandes RC (5 kW gewählt) in das Ausgangskennlinienfeld eingezeichnet werden. Sie verläuft von links oben nach rechts unten und endet IC mA
II
2,0
UCE=5V
IB=
RC=5kW
1,5 Arbeitspunkt
1,0 8
6
4
10μA 8μA 6μA 4μA 2μA
0,5
IB μA
I
2 2
4
6
8
0,5
10 UCE UB V
DUCE=5,25V 0,1V UCE=5V UBE=1,25V 1,5 1,0
UCE=5V
2,0 III
UBE V
Bild VI-3 Verstärkerwirkung eines bipolaren Transistors im Vier-QuadrantenKennlinienfeld
IV
400
t/ms
4,0 500
Bild VI-2 Sinusförmige Ein- und Ausgangsspannungen sowie Mischspannungen an Basis und Kollektor
auf der X-Achse bei U CE = U B
(10 V gewählt)
(VI.1)
auf der Y-Achse bei IC =
UB RC
(2 mA errechnet)
(VI.2)
Der Arbeitspunkt AP1 sollte liegen bei U CEA =
UB 2
(5 V errechnet)
(VI.3)
Diese Wahlen ergeben im I. Quadranten einen IC = 1 mA, im II. Quadranten einen IB ≈ 5 mA und weitergeführt in den III. Quadranten ein UBE = 0,5 V. Der Arbeitspunkt AP liegt nun fest bei ICA = 1 mA und UCEA = 5 V. Legt man nun an die Basis des Transistors eine Eingangswechselspannung (AC) Uess = 0,1 V, so wird die Gleichspannung von ihr überlagert. Für die AC wandert nun der AP im III. Quadranten an der Kennlinie entlang zwischen IB = 2 mA und 8 mA. Somit ändert sich auch der IC und wandert nun zwischen IC = 0,5 mA und 1,25 mA. Die Änderung des Kollektorstroms ruft am Arbeitswiderstand RC eine Spannungsänderung hervor, so daß sich auch UCE zwischen UCE = 7,25 V und 1,25 V um DUCE = 6 V ändert. Bei einer Änderung der Eingangsspannung Ue um einen bestimmten Wert ergibt sich bei diesem Transistor eine Änderung der Ausgangsspannung Ua um einen entsprechend vergrößerten Betrag. Es ist erkennbar, daß die Ausgangsspannung gegenüber der Eingangsspannung verzerrt ist. Es handelt sich demnach um eine Spannungssteuerung des Transistors. Im Falle einer Stromsteuerung des Transistors (der Basisstrom entstammt einer „Stromquelle“) kann
VI Analoge Verstärker
ΔIC=4mA
Ic
IB 27 18 9 μA ΔIB=18mA
0
373
Ic IB = mA const. 6 Rc 27μA 5 4 18μA Ic 3 2 9μA 1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 U ΔICE=6V UB CE UCEmin V URCmax
t
UCEmax
t
URCmin
Bild VI-4 Stromsteuerung man von einer Betrachtung nach Bild VI-4 ausgehen, bei der die Ausgangsspannung nahezu unverzerrt am Kollektorwiderstand abfällt.
1.1 Grundschaltungen Ein Verstärker hat stets zwei Anschlüsse für den Eingang und zwei Anschlüsse für den Ausgang. Transistoren haben aber nur drei Elektroden (Beinchen). Wird ein Transistor als Verstärker eingesetzt, muß eine dieser Elektroden sowohl zu den Eingangsanschlüssen als auch zu den Ausgangsanschlüssen gehören. Damit ergeben sich drei Möglichkeiten, Transistoren als Verstärker zu betreiben. Diese drei Schaltungen werden als Transistor-Grundschaltungen bezeichnet. Die jeweilige Bezeichnung der Transistor-Grundschaltung ist von derjenigen Elektrode abgeleitet, die gemeinsamer Bezugspunkt für das Eingangs- und Ausgangssignal ist. Jede der drei Grundschaltungen hat besondere Eigenschaften. Sie werden durch eine Reihe von Kenngrößen näher beschrieben. Wichtige Kenngrößen sind: Wechselstromeingangswiderstand re, Wechselstromausgangswiderstand ra, Spannungsverstärkung Vu, Stromverstärkung Vi, Leistungsverstärkung Vp, Phasendrehung des Signals j und Grenzfrequenz der Schaltung fg. Das Vierpol-Ersatzschaltbild nach Bild VI-5 in Anlehnung an Bild IV-15 gilt ebenso wie die folgenden Betriebsgrößen für alle Grundschaltungen.
ue
h11
Vu =
ua h21 ⋅ R L = u e Dh ⋅ R L + h11
h21i B
ug
(VI.5)
mit Dh = h11 ⋅ h22 – h12 ⋅ h21 Strom- und Spannungsverstärkung sind ebenso wie der Eingangswiderstand re lastabhängige Größen. Eingangswiderstand re =
Dh ⋅ R L + h11 1 + h 22 ⋅ R L
(VI.6)
Der Ausgangswiderstand ra ist vor allem vom Innenwiderstand Rg der Signalquelle abhängig. Er läßt sich nach dem Ohmschen Gesetz vom Ausgang her berechnen. Ausgangswiderstand ra =
h11 + Rg ua = i C Dh + h 22 ⋅ Rg
(VI.7)
Unter Leistungsverstärkung versteht man das Verhältnis von Ausgangs- zur Eingangsleistung. Leistungsverstärkung VP =
2 h21 ⋅ RL (1 + h22 ⋅ R L ) ( h11 + Dh ⋅ R L )
(VI.8)
Mit Hilfe der Gleichungen VI.4 bis VI.8 lassen sich die betrieblichen Übertragungseigenschaften eines Transistorverstärkers berechnen. Dabei muß berücksichtigt werden, daß die h-Parameter nur für den Kleinsignalbetrieb im NF-Bereich gelten. Die Spannungsrückwirkung des Transistors ist in den meisten Fällen so gering, daß man sie vernachlässigen kann und die Ersatzschaltungen nach Bild VI-6 gültig sind. Aufgrund dieser Tatsache lassen sich Vereinfachungen vornehmen. iB
iC
iB Rg
Die betriebliche Stromverstärkung ist also stets kleiner als die Kurzschlußstromverstärkung b des Transistors als Bauelement. Auch für die Berechnung der betrieblichen Spannungsverstärkung Vu werden die Vierpolgleichungen benutzt. Durch geschicktes Einsetzen ergibt sich dann Spannungsverstärkung
iC
h21*iB 1 h22
ua
ue
RL
h11
1 h22
ua
h12i a
Bild VI-5 Vierpol-Ersatzschaltbild mit Last und Signalquelle Für einen beliebigen Abschlußwiderstand RL kann mit Hilfe der Vierpolgleichungen (Tabelle IV-1) die Stromverstärkung Vi des Transistors bestimmt werden. Stromverstärkung Vi =
iC h 21 = i B 1 + h 22 ⋅ R L
(VI.4)
b Rg
iB
iC
c
h21*iB ue
ug e
h11
1 h22
RL
ua e
Bild VI-6 Ersatzschaltungen bei Vernachlässigung der Spannungsrückwirkung
374
Elektronik Bild VI-8 Ein Wechselstrom-Ersatzschaltbild der Emitter-Grundschaltung
So beschreiben folgende sechs Werte das Verhalten des Transistors selber. Stromverstärkung I B= C IB
rCE
DI b = C = h 21 DI B
und
RC
rBE
Eingangswiderstand R BE =
U BE IB
und rBE =
DU BE = h11 DI B
Spannungsverstärkung
Ausgangswiderstand BCE =
U CE IC
und rCE =
|VuE | =
DU CE 1 = DI C h 22
−β ⋅ rCE rBE
RC =
β ⋅ RC ⋅ rCE rBE (RC + rCE )
(VI.11)
Stromverstärkung
Um die Betriebsgrößen der Grundschaltungen bestimmen zu können, müssen die Grundbedingungen für den Betrieb der Schaltungen definiert werden. Der Arbeitspunkt wird generell durch eine Gleichspannungsquelle am Eingang eingestellt. Er wird jeweils so eingestellt, daß die Schaltung im linearen Teil der Eingangskennlinie arbeitet und Kleinsignalbetrieb vorliegt, also der Arbeitspunkt nicht in den Sättigungsbeziehungsweise Sperrbereich gelangen kann. Zu der Emitter-Grundschaltung nach Bild VI-7 zählt auch der Kollektorwiderstand RC. Dieser ist unbedingt erforderlich, damit eine Wechselspannung, also ein Ausgangssignal am Kollektor entstehen kann. Ohne den Arbeitswiderstand RC liegt der Kollektor des Transistors über die Gleichspannungsquelle wechselstrommäßig auf Masse, was einen wechselstrommäßigen Kurzschluß bedeuten würde.
ViE = b ⋅
rCE RC + rCE
(VI.12)
Leistungsverstärkung V pE = b 2 ⋅
2 rCE ⋅ RC ( RC + rCE ) 2 ⋅ rBE
(VI.13)
maximale Leistungsverstärkung Vp max bei Leistungsanpassung, also wenn RC = rCE · Phasendrehung des Signals 180°. Die Emitterschaltung liefert sowohl eine Strom- und als auch eine Spannungsverstärkung, die beide > 1 sind. Somit liefert diese Schaltung die größtmögliche Leistungsverstärkung und wird deshalb häufig angewendet. In der Kollektor-Grundschaltung nach Bild VI-9 liegt der Kollektor wechselstrommäßig auf Masse. UCC
UCC RC
ua ue
ue
Bild VI-7 EmitterGrundschaltung
RE
Die Eigenschaften der Emitter-Grundschaltung hängen nicht nur von den Kennwerten des Transistors selbst, sondern auch von der Größe des Kollektorwiderstandes ab. Die Kennwerte dieser gesamten Grundschaltung bezeichnet man als Betriebsgrößen. Ein mögliches Wechselstrom-Ersatzschaltbild, basierend auf Bild VI-6 (Emitter-Grundschaltung) zeigt Bild VI-8. Wechselstromeingangswiderstand reE = rBE = h11 e
(VI.9)
Wechselstromausgangswiderstand raE = rCE RC
(VI.10)
ua
Bild VI-9 KollektorGrundschaltung
Wird der Basisstrom erhöht, so erhöhen sich auch der Kollektorstrom und der Spannungsabfall am Emitterwiderstand RE. Die Phasenverschiebung zwischen Ausgangs- und Eingangsspannung beträgt also 0°. Die Eigenschaften der Kollektor-Grundschaltung hängen nicht nur von den Kennwerten des Transistors selbst, sondern auch von der Größe des Emitterwiderstandes ab. Ein Wechselstrom-Ersatzschaltbild der Kollektor-Grundschaltung zeigt Bild VI-10. Da in den Datenblättern der Hersteller die Kenndaten des Transistors nur für die Emitter-Grundschaltung angegeben werden, ist es sinnvoll, die Betriebsgrößen der Kollektor- und Basis-Grundschaltung auf die Kennwerte der Emitter-Grundschaltung zurückzuführen.
VI Analoge Verstärker
375
Bild VI-10 WechselstromErsatzschaltbild der KollektorGrundschaltung
rCE
RC
Bild VI-12 WechselstromErsatzschaltbild der BasisGrundschaltung
rBE RE
rBE
Wechselstromeingangswiderstand reC = reE + b ⋅ R E
(VI.14)
Wechselstromausgangswiderstand raC = R E
rBE + R g
(VI.15)
b
Spannungsverstärkung VuC ≈ 1
(VI.16)
Stromverstärkung ViC = ( b + 1) ⋅
rCE ( R E + rCE )
(VI.17)
Leistungsverstärkung V pC ≈ ViE
(VI.18)
Die Kollektorschaltung hat bei hohem Eingangswiderstand einen niedrigen Ausgangswiderstand. Sie findet also häufig Anwendung als Impedanzwandler, zum Beispiel zur Anpassung hochohmiger Generatoren an niederohmige Verbraucher. Auch in Endstufen von Leistungsverstärkern findet sie Anwendung, da ihre Stromverstärkung etwa so groß ist wie die der Emitterschaltung. In der Basis-Grundschaltung nach Bild VI-11 liegt die Basis wechselstrommäßig auf Masse. Wird die Eingangsspannung (Spannung zwischen Emitter und Basis) größer, der Emitter also negativer, so wird der Transistor niederohmiger. Es fließt daher ein erhöhter Kollektorstrom, der am Kollektorwiderstand RC einen erhöhten Spannungsabfall bewirkt. Die Phasenverschiebung zwischen Ausgangs- und Eingangsspannung beträgt dann 0°. UCC
Wechselstromausgangswiderstand Rg ⎞ ⎛ raB = RC rCE ⋅ ⎜ 1 + b ⋅ ⎟ rBE ⎠ ⎝
(VI.20)
und für Rg ⇒ 0 W: raB ≈ RC rCE
(VI.21)
Spannungsverstärkung VuB = VuE − 1
(VI.22)
Stromverstärkung ViB ≈ 1
(VI.23)
Leistungsverstärkung V pB ≈ VuB
(VI.24)
Die Stromverstärkung ist quasi gleich eins und der Ausgangsstrom praktisch identisch mit dem Eingangsstrom. Damit erfolgt eine schnellere Steuerung des Ausgangsstroms durch den Eingangsstrom als bei den anderen Grundschaltungen. Die obere Grenzfrequenz der Basisschaltung hängt von der Stromverstärkung des Transistors ab. obere Grenzfrequenz
fa ≈ b ⋅ f g
(VI.25)
Wegen ihrer hohen Grenzfrequenz fa wird die Basisschaltung vorzugsweise in der Hochfrequenztechnik eingesetzt. Sie hat bei einem niedrigen Eingangswiderstand einen verhältnismäßig hohen Ausgangswiderstand.
1.2 Arbeitspunktstabilisierung
RC
ue
Die Eigenschaften der Basis-Grundschaltung hängen nicht nur von den Kennwerten des Transistors selbst, sondern auch von der Größe des Kollektorwiderstandes ab. Ein Wechselstrom-Ersatzschaltbild der Basis-Grundschaltung zeigt Bild VI-12. Wechselstromeingangswiderstand r reB = eE (VI.19) b
ua
Bild VI-11 Basis-Grundschaltung
Zum Betrieb eines Transistors ist nach Bild VI-1 und Bild VI.3 neben der Spannungsversorgung UB auch ein Widerstand RC in der Kollektorzuleitung erforderlich. Der Kollektorwiderstand RC hat zwei verschiedene Aufgaben zu erfüllen. Er muß den Kollektorstrom IC
376
Elektronik
begrenzen und die im Transistor auftretende Stromverstärkung b in eine Spannungsverstärkung Vu umwandeln. Der Transistor muß mit genau festgelegten Werten für IC und UCE betrieben werden. Das Bestimmen und Einstellen dieser Werte bezeichnet man als „in den Arbeitspunkt bringen“ oder „den Arbeitspunkt einstellen“. Der Arbeitspunkt AP (siehe Kap. 6.1) wird durch UCEA und ICA festgelegt und durch IBA eingestellt und gehalten. Bei einer vorgegebenen Betriebsspannung UB läßt sich der erforderliche RC errechnen. RC =
U B − U CEA I CA
(VI.26)
I CA (VI.27) B Der Arbeitspunkt eines Transistors im Kleinsignalbetrieb als NF-Verstärker sollte möglichst in der Mitte der Widerstandsgeraden liegen (Gleichung VI.3). Dadurch wird verhindert, daß ein Signal infolge der Kennlinienkrümmungen unsymmetrisch verstärkt wird. Bei Ansteuerung des Transistors mit einem sinusförmigen Signal an der Basis ändert sich der Kollektorstrom um einen bestimmten Wert nach oben und unten. Man kann sagen, daß sich der AP an der Widerstandsgeraden entlang um den AP herum hin und her bewegt. Der Arbeitspunkt des Transistors kann durch Einstellung des Basisstroms und durch Einstellung der Basis-Emitter-Spannung festgelegt werden. Die Basis-Emitter-Strecke muß in Durchlaßrichtung betrieben werden, damit ein Kollektorstrom fließen kann. Das wird durch eine Basisvorspannung UBE erreicht, die doppelt so groß sein muß wie die Schleusenspannung der Basis-Emitter-Diode. Die einfachste Schaltung zur Erzeugung dieser Basisvorspannung und zur Einstellung des Basisstroms mit Hilfe des Basisvorwiderstandes R1 ist in Bild VI-13 dargestellt. I BA =
UB RC
R1
C K2 CK1
B
C
Bild VI-13 Einstellung des Arbeitspunktes mit Basisvorwiderstand
E
Der Spannungsabfall an R1 muß so groß sein, daß von der Spannung UB gerade noch die Basisvorspannung übrig bleibt, die die Basis-Emitter-Diode in Durchlaßrichtung betreibt. U B − U BEA I BA mit IBA nach Gleichung VI.27.
Basisvorwiderstand
R1 =
(VI.28)
Durch diese Schaltungsmaßnahme (Konstantstrom) wird der Arbeitspunkt des Transistors eingestellt. Die Basisvorspannung bleibt sowohl bei Schwankungen von UB als auch bei Temperaturschwankungen nahezu konstant, weil der Spannungsabfall bei einem Ansteigen von IBA an R1 höher wird. Dadurch wird UBE wieder kleiner, verbunden mit einem Rückgang von IBA auf seinen ursprünglichen Wert. Von Vorteil ist auch der stets sehr hochohmige Widerstand R1, weil dadurch die Spannungs- und die Signalquelle nur gering belastet werden. Nachteilig ist dagegen, daß aufgrund der Exemplarstreuungen der Transistoren jede einzelne Transistorstufe abgeglichen werden muß, was nach einem möglichen Auswechseln eines Transistors wiederholt werden muß. Die Kondensatoren CK1 und CK2 verhindern, daß eine Gleichspannung an den Signalgenerator oder eine davor liegende Verstärkerstufe gelangt. Eine weitere Möglichkeit, einen Transistor in den AP zu bringen, ist die Erzeugung der Basisvorspannung durch einen Basisspannungsteiler nach Bild VI-14. Der Strom durch R1 teilt sich an der Basis auf in den Basisstrom IBA und den Querstrom Iq, so daß durch R1 die Summe aus Iq und IBA fließt, durch R2 jedoch nur der Iq. UB RC
R1
CK2 CK1
B
C E
R2
Bild VI-14 Einstellung des Arbeitspunktes mit Basisspannungsteiler
Der Querstrom Iq sollte verhältnismäßig groß gegenüber dem Basisstrom gewählt werden. Dies erreicht man, indem der Spannungsteiler entsprechend niederohmig gemacht wird, so daß er als unbelastet gelten kann und somit eine von Belastungsschwankungen weitgehend unabhängige UBE liefern kann. Richtwert I q = ( 2 ... 10 ) ⋅ I B Die Berechnung der Teilerwiderstände ergibt sich aus:
R1 =
U B − U BEA I q + I BA
(VI.29)
R2 =
U BEA Iq
(VI.30)
Da die Eingangskennlinie sehr steil verläuft, ergibt schon eine kleine Änderung von UBEA eine große Änderung des Basisstroms. Deshalb erfolgt die genaue Einstellung des Arbeitspunktes bei dieser Schaltung durch ein Potentiometer anstelle von R2.
VI Analoge Verstärker
377
Die Lage des Arbeitspunktes ist nicht temperaturstabil. Eine einfache Möglichkeit zur thermischen Arbeitspunkt-Stabilisierung läßt sich realisieren, indem man parallel zum Widerstand R2 einen NTC-Widerstand schaltet, der unmittelbar an dem Transistorgehäuse oder an dem Kühlkörper des Transistors installiert wird. Mit steigender Temperatur wird der Widerstandswert des NTC aufgrund des negativen Temperaturkoeffizienten kleiner. Da der Ersatzwiderstand einer Parallelschaltung immer kleiner ist als der kleinste Teilwiderstand, wird auch der Spannungsabfall an dieser Parallelschaltung kleiner, so daß IB heruntergeregelt wird und damit auch IC nicht weiter ansteigt. Mit dem Widerstand R2 läßt sich die Wirksamkeit des NTC einstellen. Je niederohmiger R2 ist, um so geringer ist der Einfluß des NTC auf den Widerstandswert der Parallelschaltung. Diese Art der Arbeitspunkt-Stabilisierung wird betrieben, wenn es sich um eine Verstärkerstufe mit hoher Ausgangsleistung handelt, man also auf den Emitterwiderstand RE verzichten möchte (wegen zu großer Leistungsverluste in ihm) und die infolge der Verlustleistung des Transistors abgegebene Wärmemenge groß genug ist, um eine ausreichend große Wirkung auf den NTC-Widerstand auszuüben. In den meisten Emitterschaltungen wird eine Arbeitspunktstabilisierung durch Gegenkopplung angestrebt. Man spricht von einer Rückkopplung, wenn ein Teil der Ausgangsenergie eines Verstärkers auf seinen Eingang zurückgeführt wird. Liegt das rückgekoppelte Signal mit dem Eingangssignal in Phase, wirkt es also gleichsinnig mit dem Eingangssignal, spricht man von Mitkopplung (Schalter- und Trigger-Anwendungen). Wirkt das rückgekoppelte Signal jedoch dem Eingangssignal entgegen, so spricht man von Gegenkopplung. Bild VI-15 soll den Signalfluß bei einem gegengekoppelten Verstärker verdeutlichen. Der strichpunktierte Kasten stellt den gegengekoppelten Verstärker dar, während der mit „Verstärker“ gekennzeichnete Kasten den rückkopplungsfreien Verstärker darstellt. Das mit „Rückführung“ gekennzeichnete Übertragungsglied koppelt nun eine Ausgangsgröße –entweder dem Ausgangsstrom oder der Ausgangsspannung proportional – aus und führt diese Größe mit umgekehrtem Vorzeichen dem Verstärkereingang zu. i1 u1 Eingang
u1v i1v
Verstärker
u2v i2v
u2 i2 Ausgang
Vorteile der Gegenkopplung sind: Die Verstärkerkennwerte werden gegenüber Temperatureinflüssen und Exemplarstreuung stabilisiert. Die Ein- und Ausgangswiderstände und die Verstärkung lassen sich in ihrer Größe beeinflussen. Die nichtlinearen Verzerrungen (Klirrfaktor) werden verringert. Der Übertragungsbereich (Bandbreite) eines Verstärkers kann erhöht werden (Verringerung der linearen Verzerrungen). Eine Gegenkopplung hat immer eine Verringerung der Verstärkung zur Folge. Gegenkopplung kann durch das Einfügen eines Emitterwiderstandes RE in die Schaltung nach Bild VI-14 erreicht werden. UB RC
R1
CK2 CK1
E
RE
R2
Beschreibung der Regelung: Aufgrund einer Temperaturerhöhung erhöht sich der Strom IC. Daraufhin wird die Spannung URE beispielsweise von 1 V auf 1,1 V ansteigen. Da UR2 durch den Basisspannungsteiler konstant gehalten wird, muß die Basisvorspannung UBE um 0,1 V auf 0,6 V sinken. Das wiederum führt zu einem Absinken des Basisstroms IB. Durch die Gleichstromverstärkung B sinkt der Kollektorstrom IC um einen entsprechenden Betrag ab. Das führt zu einer Senkung der Spannung an RE; der ursprüngliche Zustand ist wieder erreicht. Da sich UBE bei jeder kleinsten Emitterstromänderung sofort mit verändert, wird die thermische Arbeitspunktstabilisierung mit Hilfe eines Emitterwiderstandes in fast allen Verstärkerschaltungen angewandt. V1 u1v
u2v
ik
u1
Bild VI-15 Blockschaltbild des Signalflusses bei einem gegengekoppelten Verstärker
CE
Bild VI-16 Transistorverstärker mit Emitterwiderstand und Emitterkondensator
Der Emitterstrom IE läßt am Widerstand RE in der Schaltung nach Bild VI-16 eine Spannung URE abfallen. Ändert sich der Strom IE im Transistor aufgrund einer Temperaturänderung, so regelt sich die Transistorschaltung selber aus.
ik uk Rückführung i1v = i1 – ik u1v = u1 – uk
C
B
u2 uk
RE
RC Bild VI-17 Strom-SpannungsGegenkopplung (Regelkreis)
378
Elektronik
Diesen Effekt bezeichnet man als Strom-SpannungsGegenkopplung, da eine Stromänderung am Ausgang (IE = ik) in eine Spannungsänderung am Eingang (UBE = u1 – uk) umgewandelt wird (Bild VI-17). Die Güte der Stabilisierung des eingestellten Arbeitspunktes hängt von der Spannung am Widerstand RE und damit vom Widerstandswert ab. Die Änderung des Kollektorstroms infolge einer Erwärmung des Transistors kann als Störgröße im Gegenkopplungskreis aufgefaßt werden.
nicht an die konstante Betriebsspannung angeschlossen, sondern an das veränderliche Kollektorpotential. Da der Widerstand R1 gleich- und wechselspannungsmäßig wirksam ist, spricht man von einer Gleich- und Wechselspannungsgegenkopplung. Ändert sich in dieser Schaltung die Temperatur, so ändert sich auch der eingestellte Kollektorstrom, damit auch die Spannung UCE und als Folge davon die Basisvorspannung UBE.
Richtwert URE ≈ (0,1 ... 0,2) ⋅ UB
RC =
U B − U CEA I CA + I BA
(VI.33)
Der Widerstand R2 muß so berechnet werden, daß an ihm die Summe der Spannungen aus URE und UBE abfällt.
R1 =
U CEA − U BEA I BA
(VI.34)
R1 =
U B − ( U BEA + U RE ) I q + I BA
(VI.31)
R2 =
U BEA + U RE Iq
(VI.32)
Im Bild VI-16 ist der Emitterwiderstand nur dann gleichstrommäßig wirksam, wenn er mit einem Kondensator CE überbrückt ist, der auch bei der unteren Grenzfrequenz der Verstärkerstufe noch sehr niederohmig gegen RE ist und deshalb jede Wechselspannung (= Signal), die am Emitter auftritt, nach Masse kurzschließt. Befindet sich in der Schaltung nach Bild VI-16 der Kondensator CE, so ist wechselstrommäßig nur der Kollektorwiderstand RC wirksam. Diese Schaltung verhält sich wechselstrommäßig wie eine Emitterschaltung ohne RE, bei der die Batteriespannung um den Betrag UREA kleiner ist als im vorliegenden Fall. Eine weitere Möglichkeit zur thermischen Arbeitspunktstabilisierung zeigt die Schaltung nach Bild VI-18. Im Gegensatz zur Stromgegenkopplung, bei
Zur Berechnung von RC kann IBA wegen B > 100 vernachlässigt werden. In der Schaltung nach Bild VI-19 wird die Arbeitspunkteinstellung wieder durch einen Basisspannungsteiler unter Ausnutzung der Gegenkopplung vorgenommen. UB RC CK2 CK1
R1 B
Bild VI-19 Arbeitspunkteinstellung durch Basisspannungsteiler bei SpannungsStromGegenkopplung
C E
R2
Die Wechselspannungsgegenkopplung läßt sich hier nur schwer unwirksam machen, so daß diese Schaltung nicht häufig Verwendung findet. Kollektorwiderstand
UB RC CK2 R1 CK1
B
C E
Bild VI-18 Thermische Arbeitspunktstabilisierung mit SpannungsStrom-Gegenkopplung
RC =
U B − U CEA I CA + I BA + I q
(VI.35)
Basisspannungsteilerwiderstände
R1 =
U CEA − U BEA I BA + I q
(VI.36)
R2 =
U BEA Iq
(VI.37) RN ik
der eine dem Ausgangsstrom proportionale Spannung zum Eingang zurückgekoppelt wird, koppelt man hier einen Teil der gegenphasigen Ausgangsspannung zum Eingang zurück (Spannungs-Strom-Gegenkopplung). Die Stabilisierung wird um so besser, je größer das Verhältnis RC/R1 wird. Die Gegenkopplung geschieht durch den Widerstand R1, der den Basisstrom IBA zur Arbeitspunkteinstellung liefert. Dieser ist jedoch
i1
i1v R1
u1
u1n 1 uv
u2
Bild VI-20 Spannungs-Strom-Gegenkopplung (Regelkreis)
VI Analoge Verstärker
379
Die Wirkung der Spannungs-Strom-Gegenkopplung läßt sich nach Bild VI-20 mit Unterstützung von Bild VI-15 nachvollziehen. Der Widerstand RN ist der Gegenkopplungswiderstand R1 nach Bild VI-19.
als Parallelschaltung des Kollektorwiderstandes RC mit dem Ausgangswiderstand r0 (Bild VI-21) des Transistors nach Bild VI-22.
1.3 Emitterschaltungen
Rein = R1 储 R2 储 ri = RB 储 rBE
Die Emitterschaltung nach Bild VI-16 ist die am häufigsten eingesetzte Grundschaltung. Der Emitter ist bei dieser Schaltung wechselstrommäßig der gemeinsame Anschluß für den Eingang und Ausgang des Transistors.
Ausgangswiderstand
iB
1
RS uS
iC
h21*iB ue R1
R2
1 h22
h11
RC
2
ua
Eingangswiderstand
Raus = RC 储 r0 = RC 储 rCE
b
RA
iC c
iB
h21*iB ue
1
RS
iC
h21*iB
ue
RB
uS
1 h22
h11
RC
Rs
2
Rein RB
ri
ro
RL
e
Nunmehr läßt sich die AC-Ersatzschaltung nach Bild VI-22 vollständig umrechnen nach Bild VI-23 mit den gegebenen Werten. Mit RL = RC 储 RA ;
Rg = R1 储 R2 储 RS
und ug = uS ⋅
R1 R2 R S + R1 R2
gilt für die Spannungsverstärkung Vu =
b ⋅ rCE R L rBE
(VI.40)
und die Stromverstärkung Vi = b ⋅
rCE R L + rCE
(VI.41)
Die Leistungsverstärkung der Stufe, also von Klemme 1 nach Klemme 2 gemäß Bild VI-22, ist geringer als die Multiplikation der errechneten Spannungsund Stromverstärkungswerte. Leistungsverstärkung
Raus RC
ua
Bild VI-23 AC-Ersatzschaltung mit umgerechneter Signalquelle
Diese Schaltung wird mit dem Abschlußwiderstand RA belastet und von einer Signalquelle uS mit dem Innenwiderstand RS gespeist. Bild VI-21a zeigt das AC-Ersatzschaltbild der Emitterschaltung mit dem integrierten Emitterkondensator CE, wobei das AC-Ersatzschaltbild des Transistors nach Bild VI-6 verwendet wird. Der Emitterwiderstand RE erscheint nicht in diesem Ersatzschaltbild, da er durch CE kurzgeschlossen wird. Die Spannungsrückwirkung wird hier vernachlässigt. Der Innenwiderstand der Gleichspannungsquelle kann für Wechselspannungen zu Null genommen werden, so daß der Kollektorwiderstand und der Widerstand R1 gegen Masse liegen. Faßt man die Parallelschaltung der Widerstände R1 und R2 zum Ersatzwiderstand RB zusammen, so erhält man Bild VI-21b. Somit ergibt sich für diese Transistorstufe die Ersatzschaltung nach Bild VI-22. io
1 h22
e
RA
Bild VI-21 AC-Ersatzschaltbild der Emitterschaltung mit Emitterkondensator
1
h11
ug
2
ua
(VI.39)
Der Wechselstrom-Ausgangswiderstand bei der Emitterschaltung wird also wegen raE >> RC durch den Kollektorwiderstand RC bestimmt.
Rg
iB
(VI.38)
RA
us
Bild VI-22 Vollständige AC-Ersatzschaltung Der Wechselstrom-Eingangswiderstand Rein wird bei der Emitterschaltung hauptsächlich durch den dynamischen Eingangswiderstand rBE des Transistors bestimmt. Der Ausgangswiderstand Raus ergibt sich
VStufe = Vu2 ⋅
R B ⋅ reE R A ⋅ ( R B + reE )
(VI.42)
Hier sind jetzt auch die Wechselstromverluste in den Widerständen RC, R1 und R2, die zur Arbeitspunkteinstellung erforderlich sind, berücksichtigt. Bei der Emitterschaltung wird das Ausgangssignal gegenüber dem Eingangssignal um 180° phasenverschoben verstärkt wiedergegeben.
380
Elektronik
Die Koppelkondensatoren CK1 und CK2 stellen im Idealfall für die Signalspannung einen Kurzschluß dar. Sie bestimmen die untere Übertragungsfrequenz des Verstärkers ebenso wie der Emitterkondensator, denn je größer ihre Wechselstromwiderstände mit abnehmender Frequenz werden, um so geringer wird die Spannungsverstärkung der Schaltung. Darum muß für die Koppelkondensatoren CK1 und CK2 eine untere Grenzfrequenz fu angegeben werden, für die diese zu berechnen sind. Als Grenzfrequenz ist die Frequenz festgelegt, bei der die Spannungsverstärkung Vu auf 0,707 der Verstärkung bei mittleren Frequenzen abgesunken ist. Das entspricht einer Dämpfung von 3 dB. Koppelkondensatoren CK 1 = CK 2
(VI.43)
In Gleichung VI.43 beschreibt Raus den Ausgangswiderstand der signalgebenden Schaltung und Rein den Eingangswiderstand der aufnehmenden Schaltung beziehungsweise des Lastwiderstandes. Die Kapazität des Emitterkondensators ergibt sich für eine vorgegebene untere Grenzfrequenz fu mit folgender Überlegung nach Bild VI-24. ig
h21*ig Rg
Rs us ue
R1
u2
u1
RL
CE
Bild VI-24 AC-Ersatzschaltung für Emitterschaltung mit Emitterkondensator Faktisch liegt der Kondensator CE parallel zum Widerstand RE und muß somit bei der Berechnung der Spannungsverstärkung berücksichtigt werden. Bei der Grenzfrequenz ist die Verstärkung um 3 dB abgesunken. Bei Frequenzen unterhalb der Grenzfrequenz ist der Emitterkondensator nicht mehr wirksam. Emitterkondensator Rg + rBE + b ⋅ R E 2 pf u ⋅ R E ⋅ ( Rg + rBE )
(VI.44)
Wird der Emitterwiderstand RE nicht durch den Kondensator CE nach Bild VI-16 überbrückt, so ist er nach Bild VI-25 auch wechselstrommäßig wirksam. In diesem Fall liegt eine Gleich- und Wechselstromgegenkopplung vor. Ein Teil der AC-Ausgangsspannung ua, der Signalspannungsabfall an RE, wird auf den Eingang zurückgekoppelt.
1 h22
RC
2
RA
ua
RE
Bild VI-25 AC-Ersatzschaltung für Emitterschaltung ohne Emitterkondensator Diese AC-Gegenkopplung hat Auswirkungen auf die Spannungsverstärkung. Vereinfacht gilt: mit u a ≈ − ( i B ⋅ h 21 e ) ⋅ R L
und u e = i B ⋅ [ h11 e + ( h21 e + 1) ⋅ R E ]
Spannungsverstärkung Vu′ = −
h 21 e ⋅ R L
[ h11 e + ( h21 e + 1) ⋅ RE ]
(VI.45)
Durch die AC-Gegenkopplung wird die AC-Verstärkung der Transistorstufe herabgesetzt. Daraus folgt, daß die Spannungsverstärkung V′u einer Transistorstufe mit RE ohne CE kleiner ist als bei einer Stufe mit CE 储 RE.
wenn
ug RE
R2
Näherung Vu′ ≈ −
h11
CE =
h21*iB h11
RL = RC 储 RA:
1 = 2 pf u ⋅ ( Raus + Rein )
iC
iB
1
R E >>
RL RE
(VI.46)
rBE b
Die Wechselstromgegenkopplung macht zwar die Spannungsverstärkung kleiner, ergibt jedoch zwei erhebliche Vorteile: Die Spannungsverstärkung läßt sich auf einen gewünschten Wert mit Hilfe der beiden Widerstände RC und RE einstellen! Die Spannungsverstärkung wird praktisch unabhängig von den Daten des Transistors und hängt nur von den beiden Widerständen ab (wichtig beim Bau von Seriengeräten und bei Reparaturen)! Es ist erkennbar, daß der AC-Eingangswiderstand der Schaltung nach Bild VI-26 andere Werte hat als in der Schaltung nach Bild VI-22. Der Eingangswiderstand des Transistors als solcher ist durch die ACWirkung des RE größer geworden. Eingangswiderstand Rein = RB 储 [h11 e + (h21 e + 1) ⋅ RE]
(VI.47)
Der Eingangswiderstand der gegengekoppelten Schaltung wird aber weiterhin im wesentlichen durch die Größe der Spannungsteiler-Widerstände bestimmt. Der Ausgangswiderstand der Schaltung ohne Beachtung von RC und RA wird durch den RE erhöht. Es gilt vereinfacht:
VI Analoge Verstärker
381
Ausgangswiderstand
Raus
UB
h 21 e ⋅ R E ⎡ ⎤ ≈ rCE ⋅ ⎢1 + ⎥ ⎣ ( h11 e + R E + RS ) ⎦
(VI.48)
Dieser „widerstandsbehaftete“ Transistor läßt sich nutzen. Die Transistorschaltung mit RE hat das Verhalten einer Stromquelle, da der Widerstand RE die Eigenschaft hat, den Signalstrom zu stabilisieren beziehungsweise bei konstanter Eingangsspannung konstant zu halten. Konstantstromquellen nach Bild VI-26 haben einen sehr großen, theoretisch unendlich hohen Innenwiderstand. UCC R1
RL
UCC
C
R1 C
CK1
B
Bild VI-27 Kollektorschaltung mit Basisspannungsteiler iB
IL
V1
RE
R2
R1
IL
h21*iB
Rg
h11
V1
iC
u1 R2
RE
V2
ug
RE
Der Kondensator als Lastwiderstand in der Schaltung nach Bild VI-26b wird linear und nicht nach einer Exponentialfunktion geladen. Die Z-Diode V2 stabilisiert die Versorgungsspannung VCC. Der differentielle Innenwiderstand dieser Konstantstromquelle läßt sich leicht berechnen. Innenwiderstand (VI.49)
Wegen IL ≈ IE läßt sich der Strom dieser Konstantstromquelle berechnen. Laststrom IL ≈
U RE U R2 − U BEA = RE RE
u2 RE
RL
Bild VI-28 AC-Ersatzschaltung der Kollektorschaltung
Bild VI-26 Konstantstromquellen
h ⋅R ⎤ dU L ⎡ = rCE ⋅ ⎢1 + 21 e E ⎥ ri = dI L ⎣ ( h11 e + R E ) ⎦
CK2
E
(VI.50)
1.4 Kollektorschaltungen Eine Kollektorschaltung mit Basisspannungsteiler ist in Bild VI-27 dargestellt. Bei der gezeigten Schaltung wird die Basisvorspannung durch den Vorwiderstand R2 erzeugt und der AP durch den Emitterwiderstand RE stabilisiert. Der Emitterwiderstand darf nicht durch einen Kondensator gebrückt werden, weil an RE das Ausgangssignal abgegriffen wird. Die Kondensatoren Ck1 und Ck2 trennen den Generator und den Lastwiderstand gleichstrommäßig von der Schaltung. Diese Schaltung wird nun (vgl. 6.1.3) mit dem Lastwiderstand RL belastet und von einer Signalquelle uS mit dem Innenwiderstand RS gespeist. Die Parallelschaltung der Widerstände R1 und R2 faßt man zum Ersatzwiderstand RB zusammen.
Nun läßt sich die AC-Ersatzschaltung nach Bild VI-28 mit den gegebenen Werten vollständig berechnen. R g = R1 R2 R S ,
ug = uS ⋅
R1 R2 R S + R1 R2
Die Kennwerte der vollständigen Schaltung lassen sich aus dem AC-Ersatzschaltbild nach Bild VI-28 herleiten und erklären. Unter Berücksichtigung des Lastwiderstandes und rCE Ⰷ RE 储 RL gilt dann: AC-Eingangswiderstand RE ⋅ RL ⎤ ⎡ Rein ≈ ⎢ rBE + b ⋅ ( R E + R L ) ⎦⎥ ⎣
(VI.51)
Der Wechselstrom-Eingangswiderstand der Kollektorschaltung ist folglich größer als der einer Emitterschaltung, wird jedoch durch die Parallelschaltung des Basisspannungsteilers RB deutlich harabgesetzt. Der Wechselstrom-Ausgangswiderstand der Kollektorschaltung ist laut Ersatzschaltbild in seinem Wert kleiner als bei der Emitterschaltung. AC-Ausgangswiderstand Raus = R E
rBE + R g b
(VI.52)
Für die Spannungsverstärkung gilt grundsätzlich: Spannungsverstärkung Vu =
ua DU RE = ≈1 u e DU RE + DU BE
(VI.53)
382
Elektronik
Da die Summe der Spannungen unter dem Bruchstrich größer ist als der Wert oberhalb, gilt Vu < 1! Für die Stromverstärkung gilt grundsätzlich: Vi =
i a DI C + DI B = = b +1 ie DI B
die Batterie (Netzteil) kurzgeschlossen wird. Somit ist der Basisspannungsteiler im AC-Ersatzschaltbild nicht vorhanden. iC
iB
(VI.54) Rs
h21*iB
Näherungsweise kann mit Vi ≈ b gerechnet werden. Da die Leistungsverstärkung Vp das Produkt aus Vu und Vi ist, gilt bei Vu ≈ 1 und Vi ≈ b eine Leistungsverstärkung
us
Vp ≈ Vi ≈ b
Bild VI-30 AC-Ersatzschaltbild der Basisschaltung
(VI.55)
Da ein größerer Basisstrom bei der Kollektorschaltung auch einen höheren Kollektorstrom und damit Emitterstrom bewirkt, wird auch bei steigendem Basisstrom der Spannungsabfall an RE größer. Bei der Kollektorschaltung entsteht somit keine Phasenverschiebung zwischen dem Ein- und Ausgangssignal. Die Grenzfrequenz unterscheidet sich hier kaum von der der Emitterschaltung. Aufgrund des hohen Eingangswiderstandes und des niedrigen Ausgangswiderstandes wird die Kollektorschaltung als Impedanzwandler verwendet; sie ermöglicht die Anpassung hochohmiger Signalquellen an kleine Verbraucherwiderstände. Durch die geringe Belastung des Signalgenerators ist sie gut verwendbar als Eingangsstufe für mehrstufige Verstärkerschaltungen.
1.5 Basisschaltung Bei der Basisschaltung ist die Basis gemeinsamer Bezugspunkt (Elektrode) für das Ein- und Ausgangssignal. Bild VI-29 zeigt eine vollständige Verstärkerstufe, die mit einem Basisspannungsteiler (R1 und R2) zur Basisvorspannungserzeugung versehen ist. Beachtenswert ist hier der Anschlußpunkt für die Versorgungsspannung UB. UB RC
1 h22
h11
RC
u2
RA
Die Kennwerte lassen sich aus dem AC-Ersatzschaltbild nach Bild VI-30 herleiten und erklären. AC-Eingangswiderstand Rein =
R E ⋅ rBE u1 = i1 rBE + ( b + 1) ⋅ R E
(VI.56)
Der Wechselstrom-Eingangswiderstand der Basisschaltung ist wesentlich niedriger als der der beiden anderen Grundschaltungen. Generell gilt für den Wechselstrom-Ausgangswiderstand der Basisschaltung AC-Ausgangswiderstand Raus ≈
rBE + ( b + 1) ⋅ R S rCE ⋅ R S
RC ≈ RC
(VI.57)
Die Spannungsverstärkung einer Basisschaltung ergibt sich aus zur Emitterschaltung ähnlichen Zusammenhängen. Da bei der Basisschaltung rCE >> RC ist, gilt Spannungsverstärkung Vu ≈
b ⋅ RC rBE
(VI.58)
Ist ein Lastwiderstand vorhanden, so liegt dieser parallel zu RC und muß entsprechend berücksichtigt werden. b (VI.59) Stromverstärkung Vi = ≈1 b +1
B
Da die Leistungsverstärkung das Produkt aus Spannungs- und Stromverstärkung ist, gilt näherungsweise:
CB
Leistungsverstärkung V p ≈ Vu ≈
CK1 E
RE
R1
u1 R E
CK2
C
R2
Bild VI-29 Verstärkerstufe in Basisschaltung mit Basisspannungsteiler Der Arbeitspunkt wird durch den Widerstand RE stabilisiert. Der Kondensator CB sorgt dafür, daß die Basis des Transistors wechselspannungsmäßig auf Masse gelegt wird. Für Wechselspannungen schließt der Kondensator CB den Widerstand R2 des Spannungsteilers kurz, während der Widerstand R1 durch
b ⋅ RC rBE
(VI.60)
Aus der Art der Ansteuerung ist erkennbar, daß es keine Phasendrehung zwischen Eingangs- und Ausgangssignal geben kann. Die höchste übertragbare Frequenz fgo liegt bei der Basisschaltung in der Nähe der Transitfrequenz, aber auf jeden Fall oberhalb der Grenzfrequenz der Emitterschaltung. Den Grund dafür findet man im Wechselstrom-Ersatzschaltbild. Da die Basis direkt an Masse liegt, kann über die interne Kapazität CCB des Transistors das Ausgangssignal nicht auf den Eingang zurückgeführt werden.
VI Analoge Verstärker
383
Die Grenzfrequenz der Basisschaltung errechnet sich daher zu fgo = b ⋅ fgo Emitter
(VI.61)
Aufgrund der hohen Grenzfrequenz wird diese Schaltung fast ausschließlich in Hoch- und Höchstfrequenzschaltungen eingesetzt (Eingangsstufe für Signalfrequenzen größer 100 MHz). Ein weiterer Vorteil ist der niedrige Eingangswiderstand der Basisschaltung, der eine sehr gute und einfache Anpassung an die niedrige Antennenimpedanz von Z = 75 W ermöglicht.
ID mA R =2,25kΩ D 10 10 Abschnürgrenze 9 9 –UGS =0V 8 8 –0,5V 7 7 UDS +15V 6 6 –1,0V 5 5 A –1,5V A 4 4 3 3 –2,0V 2 2 –2,5V 1 1 0 0 –UGS 5 V 4 3 2 1 0 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 UDS V UDS UB
2 Feldeffekt-Transistor als Verstärker Feldeffekt-Transistoren haben im Vergleich zu den bipolaren Transistoren für die Anwendung als ACVerstärker zwei erhebliche Vorteile. Auf die geringeren nichtlinearen Signalverzerrungen beim FET ist bereits hingewiesen worden. Die große Eingangsimpedanz der FET ist ein weiterer Vorteil, denn sie ermöglicht eine große Spannungsverstärkung. Der Verstärkungsvorgang bei den FET ist im Prinzip identisch mit dem der bipolaren Transistoren (Bild VI-31). ID
UB
S
UDS ΔU GS
Bild VI-32 Verstärkungsvorgang beim J-FET Eine nahezu verzerrungsfreie Verstärkung des Signals DUGS ist nur zu erwarten, wenn der Arbeitspunkt im Ausgangskennlinienfeld auch bei maximaler Amplitude des Signals nicht über die Abschnürgrenze hinaus in den ohmschen Bereich wandert. Bild VI-32 veranschaulicht den beschriebenen Vorgang. Die Analogie zu den bipolaren Transistoren ist unübersehbar.
2.1 Arbeitspunkteinstellung und -stabilisierung
D G
t ΔUDS=6,75V
URD
RD
–UGS
t ΔUGS=1V
Bild VI-31 Prinzipschaltung eines Verstärkers mit J-FET
Durch eine negative Gate-Source-Spannung –UGS wird bei diesem N-Kanal-J-FET der Arbeitspunkt eingestellt, der damit sowohl für die Übertragungskennlinie wie auch für das Ausgangskennlinienfeld bestimmt ist. Dort liegt der Arbeitspunkt im Schnittpunkt der Arbeitsgeraden mit der ID-UDS-Kennlinie mit UGS als Parameter. Die Arbeitsgerade gehorcht den gleichen Bedingungen wie bei den bipolaren Transistoren. Das zu verstärkende Signal DUGS wird der GateSource-Spannung überlagert und läßt nunmehr in der Summe den Arbeitspunkt auf der Arbeitsgeraden wandern. Die positive Amplitude des Signals läßt die Gate-Source-Spannung UGS positiver werden und somit den Drainstrom ID ansteigen. Dadurch erhöht sich der Spannungsabfall am Drainwiderstand RD. Infolge dieser Spannungserhöhung muß die DrainSource-Spannung UDS kleiner werden. Ein- und Ausgangsspannung haben hier also entgegengesetzte Polarität, was von der Emitterschaltung bei den bipolaren Transistoren her bekannt ist.
Bei der Verwendung des FET als Verstärker wird nur der Abschnürbereich des Ausgangskennlinienfeldes benutzt. Der Arbeitsbereich, also der Bereich, in dem der Arbeitspunkt liegen darf, ist durch folgende Kurven beziehungsweise Werte begrenzt: die Verlusthyperbel, die Abschnürgrenze und die Kennlinien für die maximale und minimale Gate-Source-Spannung. Bei Kleinsignal-Aussteuerung legt man den Arbeitspunkt in den oberen Bereich der Übertragungskennlinie bei einem großen Ruhestrom IDA, da hier die Kennlinie nahezu linear verläuft. Muß ein temperaturunabhängiger Arbeitspunkt gewählt werden, kann der Kompensationspunkt genommen werden. Für diesen Arbeitspunkt wird in Kapitel 4.2 die GateSource-Spannung UGSK ermittelt. Größere Nichtlinearität ist hier allerdings die Folge. Bei der Aussteuerung muß gewährleistet werden, daß die Drainspannung die im Datenblatt angegebene Durchbruchspannung U(BR) DS nicht übersteigt. In Bild VI-32 ist der Arbeitspunkt so gewählt, daß UDS = UB /2 ist. Wie bei einem Verstärker mit bipolarem Transistor ist das ein guter Arbeitspunkt. Dieser Arbeitspunkt muß nun mit der Gate-SourceSpannung UGS eingestellt werden. Bild VI-33 zeigt die Steuerkennlinien der drei möglichen N-KanalTypen mit günstigen Arbeitspunkten für den Betrieb in AC-Verstärkern.
384
Elektronik ID
ID
D S
G
G
UP
UGS
D S
UP
ID
IDS G
UGS
sinkender Drainstrom führt zu einem entgegengesetzten Effekt. Es handelt sich also bei diesem Sourcewiderstand RS um eine Gleichstrom-Gegenkopplung, wie sie beim bipolaren Transistor zur thermischen Arbeitspunktstabilisierung bereits behandelt worden ist.
D S
UGS
Bild VI-33 Steuerkennlinien der drei N-Kanal-Typen
RD CA
Beim J-FET und beim MOS-FET vom Normally-OnTyp ist die Steuerspannung UGS negativ, beim MOSFET vom Normally-Off-Typ dagegen positiv zu machen. Eine Arbeitspunktstabilisierung ist nur bei der Source Schaltung, die der Emitterschaltung entspricht, vorzusehen. Die beiden anderen Grundschaltungen sind infolge der internen Gegenkopplung thermisch stabil. J-FET sind selbstleitende Typen, bei denen auch ohne Gate-Source-Spannung ein großer Drainstrom fließt. Dies ist auch bei den MOS-FET vom Normally-OnTyp der Fall. Dieser Umstand ermöglicht die Arbeitspunkteinstellung und -stabilisierung mit Hilfe der automatischen Gate-Source-Spannung. Die automatische Erzeugung IDA UB RD
G
–UGS RV
U RS
D S
UDSA
RS
Bild VI-34 Arbeitspunktstabilisierung mit automatischer Gate-Source-Spannung
dieser Spannung mit Hilfe eines Widerstandes RS in der Sourceleitung zeigt die Schaltung nach Bild VI-34. Der durch die Widerstände RD und RS fließende Drainstrom IDA läßt am Sourcewiderstand RS eine Spannung URS abfallen. Die Source-Elektrode ist daher um den Wert dieser Spannung positiver als das über den Widerstand RV auf Masse gelegte Gate, wobei daran erinnert sei, daß die Gate-Source-Strecke quasi einen unendlich hohen Widerstand darstellt und somit kein Gatestrom fließt. Damit wird deutlich, daß mit Hilfe des Sourcewiderstandes RS die GateSource-Spannung eingestellt werden kann. Gate-Source-Spannung U RS = − U GS = I DA ⋅ RS
UB
IDA
(VI.62)
Ein steigender Drainstrom führt zu einer negativer werdenden Gate-Source-Spannung, die ihrerseits den Drainstrom begrenzt beziehungsweise verkleinert. Ein
D
CE
ue
RV
UDSA
S
G
ua
URS
RS
CS
Bild VI-35 Vollständige Verstärkerstufe mit J-FET
Wird der FET mit einer Wechselspannung angesteuert, fällt an RS eine Wechselspannung ab, die eine gegenkoppelnde Wirkung hat. Wie in der Emitterschaltung (bipolare Transistoren) wird auch hier die AC-Verstärkung gemindert. Will man eine ACGegenkopplung vermeiden, kann durch einen genügend großen Kondensator CS der Widerstand RS wechselspannungsmäßig kurzgeschlossen werden. Die Kondensatoren CE und CA nach Bild VI-35 dienen zur Ein- und Auskopplung des Signals. Je größer der Widerstand RS gewählt wird, um so geringer wird eine mögliche Arbeitspunktverschiebung aufgrund von Exemplarstreuungen des FET sein. Nachteilig ist dann jedoch die sich ergebende Lage des Arbeitspunktes im unteren Teil der Übertragungskennlinie. Bei den selbstsperrenden MOS-FET ist die automatische Vorspannungserzeugung nicht möglich. Aus diesem Grunde werden die Normally-Off-Typen immer und die anderen FET bei bestimmten Gelegenheiten mit Hilfe eines Gate-Spannungsteilers nach Bild VI-36 „in den Arbeitspunkt gebracht“ und mit dem Sourcewiderstand RS gegen Arbeitspunktschwankungen stabilisiert. UB
IDA
R1
RD CA
CE
D G S
ue
R2
RS
ua CS
Bild VI-36 Verstärkerschaltung mit selbstsperrenden MOS-FET
VI Analoge Verstärker
385
Für direkt gekoppelte Verstärkerschaltungen können nur FET verwendet werden, deren Drain-Source- und Gate-Source-Spannung gleiche Polarität haben. Je nach Verhältnis der Widerstände R1, R2 und RS lassen sich mit dem Spannungsteiler entsprechende Vorspannungen am Gate einstellen. Jetzt lassen sich auch Arbeitspunkte im oberen Teil der Übertragungskennlinie einstellen. Unter Vernachlässigung des Gatestroms IG läßt sich der Drainstrom ID berechnen. Drainstrom
Weitere Schaltungen zur Arbeitspunkteinstellung und -stabilisierung haben zusätzlich zum Ziel, einen hohen Eingangswiderstand des Verstärkers zu realisieren. Die Bootstrap-Schaltung nach Bild VI-37 läßt sich genauso wie die Spannungs-Gegenkopplung nach Bild VI-38 mit selbstsperrenden FET anwenden. Die Spannungsverstärkung wird durch die Gegenkopplung herabgesetzt, was bereits von den bipolaren Transistoren her bekannt ist. UB RD
R2 ⋅ U B − U GS U − U GS R1 + R2 = 0 ID = RS RS
(VI.63)
Je größer der Spannungsabfall an den Widerständen R2 und RS gewählt wird, um so besser lassen sich Änderungen des Arbeitspunktes durch Exemplarstreuungen des FET oder Temperaturschwankungen reduzieren. Der Spannungsteiler sollte aber nicht zu hoch gewählt werden, da sonst die exponentionelle Temperaturabhängigkeit des Gatestroms wirksam wird. Wird der Spannungsteiler zu niederohmig, wird der Wechselstrom-Eingangswiderstand der Verstärkerschaltung wesentlich reduziert. Bei vorgegebenen Werten für den Bereich des gewünschten Arbeitspunktes (Wandern des AP auf der Arbeitsgeraden) läßt sich der Sourcewiderstand durch Vorgabe des maximalen und minimalen Ruhestroms (IDA+, IDA–) berechnen. U + − U GSA− (VI.64) Sourcewiderstand R S = GSA I DA + − I DA−
CA
R1
CE
Bild VI-38 Verstärkerstufe mit selbstsperrenden FET und Spannungsgegenkopplung
D G
S
UB RD R2
CE
CA
R1 D G
S
CN
Der Spannungsteiler kann als unbelastetet angenommen werden. Teilerverhältnis
R1 UB = −1 R2 I DA ⋅ RS + U GSA
(VI.65)
Häufig wird die Spannung URS in der Größenordnung um 1 V gewählt, während der Querstrom Iq durch den Teiler im Mikroampere-Bereich liegt. Da sich der Drainstrom bei Temperaturerhöhung nur geringfügig verringert, können FET ohne zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen parallelgeschaltet werden.
D
Die Spannungs-Gegenkopplung kann für Signalspannungen mit höherer Frequenz aufgehoben werden. Hierzu wird der Gegenkopplungswiderstand in der Schaltung nach Bild VI-38 in zwei Widerstände mit gleichem Widerstandswert aufgeteilt und ein Kondensator vom Mittelpunkt des Teilers gegen Masse geschaltet, wie in Bild VI-39 zu sehen ist. Für die Signalspannung bestimmt der Widerstand R2 den Eingangswiderstand der Schaltung. Der Arbeitspunkt bei Drainschaltungen, die den Kollektorschaltungen entsprechen, läßt sich auf die gleiche Weise wie zuvor beschrieben einstellen.
S
2.2 Grundschaltungen von FET
UB R1
RD CA
CE
G R3
R2
C3
Bild VI-39 Spannungsgegenkopplung ohne Signalgegenkopplung
RS
Bild VI-37 BootstrapSchaltung mit selbstsperrenden FET
Das Betriebsverhalten von FET wird durch die vier typischen Eigenschaften dieser Transistoren bestimmt: – hoher Eingangswiderstand im NF-Bereich – verhältnismäßig geringe Vorwärts-Steilheit
386
Elektronik
– hoher Ausgangswiderstand (da spannungsgesteuerte Stromquelle) – vernachlässigbar kleine Spannungsrückwirkung im NF-Bereich. Entsprechend der Emitter-, Kollektor- und Baisschaltung des bipolaren Transistors läßt sich der FET als Verstärker in der Source-, Drain- und Gateschaltung betreiben. Jede dieser Grundschaltungen weist hinsichtlich der Betriebsgrößen typische Eigenschaften auf. Die wichtigsten Kenngrößen dieser Grundschaltungen sind: Wechselstrom-Eingangswiderstand Rein, Wechselstrom-Ausgangswiderstand Raus, Spannungsverstärkung Vu, Stromverstärkung Vi, Phasenverschiebung j. In den fogenden Abschnitten werden die Betriebsgrößen (Kenngrößen) der drei Grundschaltungen mit N-Kanal-J-FET beschrieben beziehungsweise berechnet.
CA
cgd
ZS
ue
ggd
us
cgs ggs
D
CE Zs
G
i2 d gds
S*ue
gds
cds
ua
s
ZL
s
S
ua
Za
ue
us
CS
R2
RS
Bild VI-41 Source-Schaltung mit Gatespannungsteiler cgd
2.2.1 Sourceschaltung
g i1
RD
R1
ZS R1 R2
us
ZS us
RB
ggd
i2 d cgs S*ue RD ue ZA ua c ggs gds ds s s cgd ggd i2 d g i1 cgs S*ue ZL ua ue g g cds
g i1
Die Source-Schaltungen nach Bild VI-35 und Bild VI-41 sind die am meisten verwendeten Verstärkerschaltungen des FET. Mit Hilfe der Widerstände RV, RS und RD oder R1, R2, RS und RD wird der Arbeitspunkt des FET eingestellt und stabilisiert. Um eine AC-Gegenkopplung zu verhindern, ist der Sourcewiderstand in beiden Schaltungen durch einen genügend großen Kondensator CS kurzgeschlossen. Die Kondensatoren CE und CA dienen in beiden Schaltungen zur gleichstrommäßigen Entkopplung des FET-Verstärkers von der Signalquelle und vom Lastwiderstand. Aufgrund der komplexen y-Parameter der VierpolErsatzschaltung soll hier für die vorläufige Betrachtung ein komplexer Innenwiderstand ZS der Signalquelle und ein komplexer Lastwiderstand ZA als Abschlußwiderstand angenommen werden. Zur Source-Schaltung nach Bild VI-35 gehört das AC-Ersatzschaltbild nach Bild VI-40. Der Widerstand ZL steht hier als Ersatzwiderstand für die Parallelschaltung von ZA und RD.
UB
I DA
gs
ds
s
s
Bild VI-42 AC-Ersatzschaltbilder zur Source-Schaltung nach Bild VI-41 Als Vereinfachung findet man RB für R1 储 R2 und ZL als Ersatzwiderstand für ZA 储 RD in Bild VI-42b. Nimmt man Gleichung IV.28 in Verbindung mit dem Ersatzschaltbild, so erhält man die betriebliche Spannungsverstärkung der Source-Schaltung. Spannungsverstärkung Vu =
S + g gs S + g ds + g gs + G L
(VI.66)
Bei niedrigen Frequenzen können die kapazitiven Elemente des Ersatzschaltbildes ebenso vernachlässigt werden wie der sehr geringe Rückwirkungsleitwert ggd, so daß sich die Gleichung mit einer rein ohmschen Last RL vereinfachen läßt. Spannungsverstärkung (NF) S g ds + G L
Bild VI-40 AC-Ersatzschaltbild zur SourceSchaltung nach Bild VI-35
Vu = −
In der Schaltung nach Bild VI-41 wird der Arbeitspunkt durch den Gatespannungsteiler eingestellt. Zur Source-Schaltung nach Bild VI-41 gehört das AC-Ersatzschaltbild nach Bild VI-42a. Am Eingang des J-FET liegt die Parallelschaltung von R1 und R2, am Ausgang liegt wieder die Parallelschaltung von ZA und RD.
Das negative Vorzeichen in der Gleichung weist auf die Phasenverschiebung j zwischen Ein- und Ausgangssignal hin. Der Kanalwiderstand rds = 1/gds ist sehr hochohmig, so daß gilt: rds >> RL Spannungsverstärkung (NF) Vu ≈ − S ⋅ R L
(VI.67)
(VI.68)
VI Analoge Verstärker
387
Die betriebliche Stromverstärkung der Source-Schaltung läßt sich mit Gleichung IV.29 für niedrige Frequenzen bei rein ohmscher Last berechnen. Stromverstärkung (NF) Vi =
S ⋅ GL (VI.69) g gs ( g ds + G L )
Mit gds << GL gilt dann: Stromverstärkung (NF) Vi ≈
S g gs
(VI.70)
Da der Leitwert ggs sehr klein ist, ergibt sich rein rechnerisch eine große Stromverstärkung bei tiefen Frequenzen. Bei hohen Frequenzen bewirken die kapazitiven Elemente des Ersatzschaltbildes eine Reduzierung der Stromverstärkung. Der AC-Eingangswiderstand Rein ist derjenige Widerstand, mit dem die Verstärkerschaltung die Signalquelle belastet. Der komplexe Eingangsleitwert yi der Source-Schaltung läßt sich nach Gleichung IV.30 berechnen. Es ergibt sich folgende Vereinfachung: (VI.71)
Es ist erkennbar, daß sich der kapazitive Anteil des Eingangsleitwertes bei größeren Werten für die Spannungsverstärkung beträchtlich erhöht, wodurch die obere Grenzfrequenz erheblich reduziert wird. Bei Annahme eines rein ohmschen Generatorleitwertes Gg ergibt sich folgender Zusammenhang: obere Grenzfrequenz fo =
g gs + G g + g gd ( 1 − Vu )
2 p [ C gs + C gd ( 1 − Vu ) ]
Ausgangsleitwert ya ≈ gds
(VI.72)
Die kapazitive Rückwirkung über den Kondensator Cgd bewirkt also die niedrige Grenzfrequenz der Source-Schaltung. Der komplexe Generatorleitwert Yg läßt sich als Parallelschaltung ZS 储 RB berechnen. Bei niedrigen Frequenzen ist der Eingangsleitwert rein reell und sehr klein
AC-Eingangswiderstand Rein ≈ RV 储 rgs oder Rein ≈ RB 储 rgs da rgs >> RV Rein ≈ RV
oder Rein ≈ RB
AC-Ausgangswiderstand da rds >> RD gilt folgende Näherung: Raus ≈ RD Obwohl eine AC-Gegenkopplung die Spannungsverstärkung mindert, wird sie häufig angewendet, da sie die Source-Schaltung positiv beeinflußt. Die AC-Gegenkopplung bewirkt eine Verbesserung des Frequenzganges und der Stabilität. Außerdem ergeben sich geringere nichtlineare Verzerrungen des Signals. Um nicht die volle Gleichstrom-Gegenkopplung für Wechselsignale wirksam werden zu lassen, benutzt man häufig eine Schaltung nach Bild VI-43. Hier wird eine Strom-Spannungs-Gegenkopplung durch UB RD
R1
CA
(VI.73) CE
und kann in vielen Fällen näherungsweise gelten als Eingangsleitwert yi ≈ ggs
jwC rss ( S − jwC rss ) g gs + jwC iss + Yg
(VI.75)
D G
S R S′
(VI.74)
Der AC-Ausgangswiderstand Raus ist derjenige Widerstand, der als Innenwiderstand der Verstärkerstufe für einen Lastwiderstand wirksam ist. Der komplexe Ausgangsleitwert ya der Source-Schaltung läßt sich nach Gleichung IV.31 berechnen. Ausgangsleitwert y a = g ds +jwC oss +
oder rgs >> RB
gilt folgende Näherung:
Eingangsleitwert S − g gd ⎞ ⎛ y i = g gs + g gd ⎜ 1 + ⎟ g ds + g gd + G L ⎠ ⎝
(VI.76)
Der Ausgangsleitwert läßt sich aus den Kennlinien zum Beispiel nach Bild VI-33 ermitteln. Die wesentlichen Merkmale der Source-Schaltung im NF-Betrieb sind der geringe Eingangsleitwert, die große Spannungsverstärkung bei hochohmigem Lastwiderstand, die große Stromverstärkung und mittlere Werte für den Ausgangsleitwert.
Raus ≈ RD 储 rds
Eingangsleitwert yi y i = g gs + g gd + jwC iss − ( g gd + jwC rss ) ⋅ Vu
Bei niedrigen Frequenzen ergibt sich näherungsweise:
ue
ua
R2 RS
CS
Bild VI-43 Verstärkerschaltung mit einstellbarer WechselstromGegenkopplung
einen Sourcewiderstand RS′ bewirkt. Die kapazitiven Elemente des Ersatzschaltbildes können bei niedrigen Frequenzen vernachlässigt werden. Bei ohmscher Last ergibt sich dann folgende Gleichung:
388
Elektronik
Spannungsverstärkung (NF) Vu′ ≈
−S G L + g ds + RS′ G L ( S + g ds )
(VI.77)
Da das Sourcepotential dem Gatepotential folgt (ua = ue – ugs), wird die Drainschaltung auch Sourcefolger genannt.
Bei großer Steilheit S und einem großen Sourcewiderstand R′S wird die Verstärkung nur durch das Verhältnis der Widerstände RL und R′S bestimmt. Spannungsverstärkung (NF) R Vu′ ≈ − L RS′
(VI.78)
Ausgangswiderstand 1 = ra′ ≈ rds (1 + S ⋅ RS′ ) y a′
Der Wert in der Klammer ist die Kreisverstärkung in der Gegenkopplungsschleife. Wie in Verstärkerschaltungen mit bipolaren Transistoren wird die untere Grenzfrequenz durch die Widerstände und Kapazitäten (Hochpässe) in den Ein- und Ausgangskreisen bestimmt. FETs sind gleichstromsteuernde Bauelemente und haben keinen Einfluß auf die untere Grenzfrequenz fu. Die Kapazitätwerte für CE und CA lassen sich berechnen nach folgenden Gleichungen. Koppelkondensatoren 1 CE = 2 p ⋅ fu ( RB + Z S ) 1 2 p ⋅ fu ( RD + Z A )
Jeder Hochpaß in der Verstärkerschaltung bewirkt bei der unteren Grenzfrequenz eine Absenkung der Verstärkung um 3 dB. Soll in jeder Verstärkerstufe insgesamt nur eine Absenkung von 3 dB zugelassen sein, müssen die Kondensatoren 1,7mal so groß wie berechnet gewählt werden. Der Sourcekondensator, der die Gegenkopplung für die Signale aufheben soll, kann nach folgender Gleichung berechnet werden: CS =
D
CE
S
G
Der Ausgangswiderstand des Transistors wird durch die „stabilisierende Wirkung“ des Gegenkopplungswiderstandes erhöht. Angenähert ergibt sich für den Ausgangswiderstand des Transistors folgender Wert:
CA =
UB
IDA R1
S 2p ⋅ fu
2.2.2 Drainschaltung Die Schaltung nach Bild VI-44 zeigt einen J-FET als Verstärker in einer Drain-Schaltung. Hier darf der Sourcewiderstand nicht durch einen Kondensator gebrückt werden, weil in dieser Schaltung das Ausgangssignal am Sourcewiderstand abgegriffen wird. Der Koppelkondensator CE verhindert eine Gleichstromkopplung mit dem Generator.
ue
CA
RS
R2
ua
Bild VI-44 J-FET als Verstärkerbauelement in DrainSchaltung
Nimmt man nun Gleichung IV.28 in Verbindung mit dem Grundersatzschaltbild, so ergibt sich die betriebliche Spannungsverstärkung der Drain-Schaltung. Spannungsverstärkung Vu =
S + g gs + jw ( C iss − C rss ) S + g gs + g ds + jw ( C iss + C oss − 2 C rss ) + YL
(VI.79) Die Spannungsverstärkung der immer kleiner als Eins. Da die Bereich vernachlässigt werden sich die Gleichung VI.79 bei erheblich. Spannungsverstärkung (NF) Vu =
Drain-Schaltung ist Kapazitäten im NFkönnen, vereinfacht rein ohmscher Last
S + g gs
(VI.80)
S + g ds + g gs + G L
Das AC-Ersatzschaltbild zur Drain-Schaltung nach Bild VI-44 zeigt Bild VI-45. Der Leitwert GL ist hier der Ersatzleitwert für RA 储 RS . Sind S und GL sehr viel größer als ggs und gds, kann die Gleichung VI.93 weiter vereinfacht werden. Analog zur SourceSchaltung läßt sich auch die Stromverstärkung der Drain-Schaltung ermitteln.
ZS uS
R1 R2
cgs ggs i2 d g i1 cgd (ue-ua) ue ua ggd cds g S(ue-ua) ds s s
RS
ZA
Bild VI-45 AC-Ersatzschaltbild zur Drain-Schaltung Wie bei der Source-Schaltung läßt sich auch der komplexe Eingangsleitwert der Drain-Schaltung ermitteln. Für den NF-Bereich und bei rein ohmscher Last vereinfacht sich die Gleichung. Eingangsleitwert (NF) y i = g i = g gs + g gd −
g gs ( S + g gs ) S + g gs + g ds + G L
(VI.81)
VI Analoge Verstärker
389
Sind S und GL sehr viel größer als ggs und gds, ergibt sich mit ggd ≈ 0 eine weitere zulässige Vereinfachung.
UB RD
R1
CA
Eingangsleitwert (NF) yi = gi =
D
g gs ⋅ G L
G
(VI.82)
S + GL
S
CE
Wiederum analog zur Source-Schaltung läßt sich auch der komplexe Ausgangsleitwert der DrainSchaltung ermitteln. Für den NF-Bereich ergibt sich mit ggd ≈ 0 und bei rein ohmschem Generatorleitwert Gg diese Gleichung.
ua ue
Bild VI-46 GateSchaltung
RS
R2 CG
Ausgangsleitwert (NF) y a = g a = S + g ds +
g gs ( G g − S ) g gs + G g
(VI.83)
Der AC-Eingangswiderstand Rein ist derjenige Widerstand, mit dem die Verstärkerschaltung die Signalquelle belastet.
Berechnung der Betriebsgrößen im Vergleich mit der Vierpol-Ersatzschaltung möglich. Nimmt man nun Gleichung IV.28 in Verbindung mit dem Ersatzschaltbild, so ergibt sich die betriebliche Spannungsverstärkung der Gate-Schaltung. cds
AC-Eingangswiderstand Rein ≈ RV 储 (1 + S ⋅ RS) rgs
s
oder
ue
ZS
Rein ≈ RB 储 (1 + S ⋅ RS) rgs also: Rein ≈ RV
uS
RS
gds
i1
i2 d ggd
ggs
cgs
ua
g
oder Rein ≈ RB
RD
S*ue c gd
ZA
g
Der AC-Ausgangswiderstand Raus ist derjenige Widerstand, der als Innenwiderstand der Verstärkerstufe für einen Lastwiderstand wirksam ist.
Bild VI-47 AC-Ersatzschaltbild zur Gate-Schaltung nach Bild VI-46
AC-Ausgangswiderstand Raus ≈ RS 储 1/S also: Raus ≈ 1/S
Spannungsverstärkung
Die Drain-Schaltung ist vergleichbar mit der Kollektorschaltung von bipolaren Transistoren. Während der Eingangswiderstand sehr groß ist, wird der Ausgangswiderstand klein. Im Gegensatz zur Kollektorschaltung ist der Ausgangswiderstand unabhängig von Widerständen im Eingang. Der Vorteil der Drain-Schaltung gegenüber der Source-Schaltung ist der geringere Ausgangswiderstand. Deshalb wird die Drain-Schaltung als Impedanzwandler und bei Verwendung eines Leistungs-FET auch als Leistungsverstärker benutzt.
Vu =
S + g ds + jwC ds g gd + g ds + jw( C gd + C ds ) + YL
(VI.84)
Im NF-Bereich können wiederum die kapazitiven Leitwerte vernachlässigt werden, so daß sich bei rein ohmscher Last und RL = RD 储 RA folgende Gleichung ergibt. Spannungsverstärkung (NF) Vu =
S + g ds g gd + g ds + G L
(VI.85)
Sehr stark vereinfacht ergibt sich dann:
2.2.3 Gateschaltung
Vu(NF) ≈ S ⋅ RL
Bei der Gate-Schaltung nach Bild VI-46 liegt das Eingangssignal zwischen Source und Gate, während das Ausgangssignal zwischen Drain und Gate abgegriffen wird. Das Eingangssignal soll wieder von einer Signalquelle US mit dem komplexen Innenwiderstand ZS geliefert werden. Belastet wird die Verstärkerstufe mit dem komplexen Abschlußwiderstand ZA. Das AC-Ersatzschaltbild nach Bild VI-47 zeigt die Besonderheiten dieser Schaltung und macht die
Bei niedrigen Frequenzen liegt die Stromverstärkung bei ungefähr Vi ≈ – 1. Der AC-Eingangswiderstand Rein ist derjenige Widerstand, mit dem die Verstärkerschaltung die Signalquelle belastet. In der Schaltung nach Bild VI-46 ist erkennbar, daß der Kondensator CG die Widerstände R1 und R2 des Gatespannungsteilers für Signale kurzschließt, so daß diese Widerstände im AC-Ersatzschaltbild nach Bild VI-47 nicht mehr erscheinen.
390
Elektronik
Eingangsleitwert y i = S + g gs + g ds + jw( C gs + C ds )
−
( g ds + jwC ds ) ( S + g ds + jwC ds ) g gd + g ds + jw ( C gd + C ds ) + YL
(VI.86)
Für den NF-Bereich sind die Kapazitäten wieder vernachlässigbar. Eingangsleitwert (NF) y i = g i = S + g gs +
g ds ( G L − S + g gd )
(VI.87)
g gd + g ds + G L
Analog dazu erhalten wir nun nach Gleichung IV.31 den Ausgangsleitwert des FET. Ausgangsleitwert y a = g gd + g ds + jw( C gd + C ds )
−
( g ds + jwC ds ) ( S + g ds + jwC ds ) S + g gs + g ds + jw( C gs + C ds ) + Yg
(VI.88)
Für den NF-Bereich sind die Kapazitäten wieder vernachlässigbar. Ausgangsleitwert (NF) g ds ( g ds + G g ) y a = g a = g gd + (VI.89) S + g gs + g ds + G g Die wesentlichen Merkmale der Gate-Schaltung sind ein großer Eingangs- und ein kleiner Ausgangsleitwert. Mit der Gate-Schaltung ist die höchste Grenzfrequenz aller Grundschaltungen zu erreichen. Sie wird darum fast ausschließlich bei hohen Frequenzen verwendet.
2.3 Weitere Anwendungen Konstantstromquellen sind Schaltungen mit einem sehr hochohmigen Innenwiderstand, die in einem größeren Spannungsbereich nahezu gleichbleibende Ströme zur Verfügung stellen. Mit selbstleitenden Feldeffekt-Transistoren lassen sich solche Konstantstromquellen besonders einfach realisieren. Bei der Spannung UGS = 0 V fließt durch einen J-FET der maximale Drainstrom. In der Schaltung nach Bild VI-48 läßt sich die Gate-Source-Spannung mit Hilfe des Sourcewiderstandes RS variieren und damit wiederum der Ausgangsstrom IL veränderbar gestalten. Der Arbeitspunkt des FET muß im Abschnürbe-
reich des Ausgangskennlinienfeldes liegen, daß heißt, die Drain-Source-Spannung UDS darf nicht kleiner sein als UDSP. Unter Vernachlässigung des Gatestroms ergibt sich eine einfache Gleichung. U B = U DS − U GS + R L ⋅ I L
Die Gatespannung wird meistens in der Weise gewählt, daß der Arbeitspunkt in der Mitte der Steuerkennlinie liegt. Hier läßt sich auch ermitteln, welche Gate-Source-Spannung für einen bestimmten Laststrom IL bei vorgegebenem Sourcewiderstand erforderlich ist. − U GS (VI.90) Laststrom I L = I D = RS Bei vorgegebenem Ausgangsstrom darf der Lastwiderstand einen bestimmten maximalen Wert nicht übersteigen. maximaler Lastwiderstand R L max =
UB +UP IL
(VI.91)
Bei konstanter Betriebsspannung der Schaltung läßt sich der Innenwiderstand dieser Konstantstromquelle berechnen. Innenwiderstand ri = R S + rDS ( S ⋅ R S + 1)
Der Arbeitspunkt eines IG-FET wird nun in den ohmschen Bereich der Ausgangskennlinie gelegt und so die Drain-Source-Strecke als spannungsgesteuerter Widerstand betrieben. Mit Hilfe der Gate-SourceSpannung läßt sich dieser Widerstand zwischen Werten von einigen Ohm bis in den MegaohmBereich hinein nahezu leistungslos variieren. Da die ID-UDS-Kennlinien des FET aber nur für kleine Werte von UDS annähernd linear verlaufen, sind die Anwendungsmöglichkeiten sehr eingeschränkt. Wird ein Festwiderstand RV nach Bild VI-49 in Reihe zum Drain-Source-Widerstand eines J-FET geschaltet, entsteht ein Spannungsteiler, der sich leicht berechnen läßt. UB RV
rDS
UDS ≥ UDSP
UC
RS
UGS
IL
UL
Bild VI-48 Konstantstromquelle mit J-FET
–UGS
RL
(VI.92)
Bild VI-49 U DS J-FET als
Spannungsteiler U DS = U GS ⋅
spannungsgesteuerter Widerstand rDS RV + rDS
(VI.93)
Der geringste Widerstand der Drain-Source-Strecke ergibt sich, wenn die Steuerspannung UGS = 0 V ist. Damit ergibt sich eine interessante Kenngröße (mit b
VI Analoge Verstärker
391
als Materialkonstante), der minimale Drain-SourceWiderstand.
Im Vergleich zum bipolaren Transistor weist der FET beim Einsatz als Schalter einige Vorteile auf:
minimaler Drain-Source-Widerstand 1 rDS (on) = − b ⋅ UP
– nahezu leistungslose Steuerung aufgrund des hohen Eingangswiderstandes – Drainstrom sehr gering im gesperrten Zustand – für integrierte Schaltungstechnik aufgrund der einfachen Herstellung und geringen Abmessungen gut geeignet – selbstsperrende IG-FET für digitale Logikschaltungen besonders geeignet, da die einzelnen Schalterstufen direkt gleichstrommäßig gekoppelt werden können – gutes dynamisches Schaltverhalten, da nur Majoritätsträger am Strom beteiligt sind.
(VI.94)
Der Widerstand der Drain-Source-Strecke läßt sich auch in der folgenden Form angeben: Drain-Source-Widerstand rDS (on) rDS = U 1 − GS UP
(VI.95)
Durch eine Rückkopplung zwischen Drain und Source wird die vorhandene Nichtlinearität weitgehend aufgehoben, wenn eine Spannung UGS gewählt wird, die sich zur Hälfte aus der Steuerspannung USt am Eingang und der Spannung UDS zusammensetzt. I ID
Bild VI-50 Selbstleitender IG-FET als spannungsgesteuerter Widerstand
R R
UDS
USt
UGS
Die Schaltung nach Bild VI-51 zeigt einen selbstsperrenden N-Kanal-IG-FET als Schalter im Serienbetrieb. Solange die Eingangs- oder Steuerspannung UE kleiner ist als die Schwellenspannung UGS (TO), befindet sich der FET im gesperrten Zustand und auf der Arbeitsgeraden im Arbeitspunkt AP1. In diesem Zustand fließt nur der sehr geringe Drainstrom ID (Off), wobei der Gleichstromwiderstand RDS (Off) und der differentielle Widerstand rDS (Off) etwa den gleichen Wert (109 – 1011 W) haben. ID mA Abschnürgrenze
Eine entsprechende Schaltung mit einem selbstleitenden IG-FET zeigt Bild VI-50. Für die Drain-Source-Strecke ergibt sich RDS als RDS = rDS =
U St 1− 2 ⋅ UP
UGS
1
RSt =
⎞ ⎛U b ⎜ St − UP ⎟ + ⎠ ⎝ 2
U St U DS 2R
≈ rDS
(VI.96)
1−
Wählt man die Widerstände R sehr hochohmig, kann der Strom I vernachlässigt werden und der Näherungswert aus Gleichung VI.96 wird gültig. UB RL D UE
AP2
ID(On)
rDS (on)
Damit errechnet sich der gesteuerte Widerstand RSt. gesteuerter Widerstand
G
UB RL
S
Bild VI-52 Ausgangskennlinienfeld eines IG-FET mit Arbeitsgerade
UA
Bild VI-51 Selbstsperrende N-Kanal-IG-FET als Schalter im Serienbetrieb
ID(Off)
AP1 UGS = 0V UDS(On)
UB UDS V
Überschreitet die Eingangsspannung die Schwellenspannung, so verschiebt sich der Arbeitspunkt an der Arbeitsgeraden entlang zu größeren Drainstromwerten. Bei einer ausreichenden Eingangsspannung stellt sich der Arbeitspunkt AP2 im ohmschen Bereich des Kennlinienfeldes nach Bild VI-52 ein. Es fließt nun ein Drainstrom ID (On), da die Drain-Source-Strecke relativ niederohmig ist, wobei auch hier der Gleichstromwiderstand RDS (Off) und der differentielle Widerstand rDS (Off) etwa den gleichen Wert (10 bis einige 100 W) haben. Schalterstufen erhalten für die Integration besonders günstige Eigenschaften, wenn man als Lastwiderstand ebenfalls einen IG-FET verwendet, der gegensinnig zum eigentlichen Schalttransistor besteuert wird. Das wird sehr einfach, wenn man für Steuerund Last-FET komplementäre Systeme verwendet (C-MOS-Technik). Wird der eigentliche Schalttran-
392
Elektronik
V1
UE
V2
UB
UA
Bild VI-53 Schalttransistor in C-MOS-Technik
sistor V2 nach Bild VI-53 leitend, so wird der Lasttransistor V1 gesperrt. Der Lasttransistor V1 ist also bei Einschaltung sehr hochohmig, was im Hinblick auf einen geringen Leistungsverbrauch in integrierten Schaltkreisen vorteilhaft ist. Die Schaltung nach Bild VI-53 stellt einen Inverter mit komplementären IG-FET dar.
Die Übertragerkopplung, also die Signalübertragung von einer Stufe zur nächsten mit Hilfe eines „Transformators“, hat in der modernen Elektronik kaum noch eine Bedeutung. Das gilt auch für die Gleichstromkopplung in der diskreten Schaltungstechnik. Eine Gegenkopplung über zwei Stufen hinweg läßt sich jedoch nur bei der galvanischen Kopplung realisieren. In Operationsverstärkern (OpAmp) ist die galvanische Kopplung wichtigstes Prinzip. Die kapazitive Kopplung nach Bild VI-54 ist wohl die problemloseste Kopplungsart. Aber während bei einer galvanischen Kopplung zwischen zwei Verstärkerstufen sowohl Gleichspannungs- als auch Wechselspannungssignale übertragen werden, können hier nur Wechselspannungen übertragen werden. UB R1
3 Mehrstufige Verstärker Obwohl integrierte Schaltkreise (IC = integrated circuits) die bisherigen diskreten Schaltungen und Transistoren immer mehr verdrängen, werden die Transistoren auch in Zukunft noch in vielen elektronischen Schaltungen eine erhebliche Bedeutung behalten. Dieses gilt insbesondere auch für die Lösung von Anpassungsproblemen an Ein- und Ausgängen von integrierten Schaltkreisen sowie für die Leistungsverstärker. Ein Verstärker besteht einerseits aus einer oder mehreren Vorstufen, die hauptsächlich zur Spannungsverstärkung und eventuell zur Signalbeeinflussung (zum Beispiel Klangregelung) dienen. Andererseits besteht er aus einem Leistungsverstärker, der mit einem Eingangssignal hoher Spannungsamplitude angesteuert wird und dessen Aufgabe es ist, vor allem eine Leistungs- oder Stromverstärkung vorzunehmen. Der Leistungsverstärker selbst kann aus einer oder mehreren Treiberstufen und einer Endstufe bestehen. Treiberstufen haben die Aufgabe, die zum Ansteuern der Endstufe notwendige Steuerleistung zur Verfügung zu stellen. Um eine optimale Leistungsübertragung zu gewährleisten, sollte zwischen Treiber- und Endstufe eine Leistungsanpassung vorliegen. Das bedeutet, daß der Eingangswiderstand der Endstufe gleich dem Ausgangswiderstand der Treiberstufe sein sollte. Es nicht ohne weiteres möglich, zwei Verstärkerstufen miteinander zu koppeln, da die Gleichspannungspotentiale der miteinander zu koppelnden Schaltungspunkte nicht übereinstimmen. Die Kopplung hat die Aufgabe, Signalspannungen vom Ausgang der einen Stufe möglichst unverfälscht auf den Eingang der nachfolgenden Stufe zu übertragen. Dabei ist grundsätzlich zwischen drei Kopplungsarten zu unterscheiden: Übertragerkopplung, kapazitive Kopplung (RC-Kopplung) und galvanische Kopplung (Gleichstromkopplung).
RC1
CK3
CK2
CK1
RC2
R3
V2
V1 ue
R2
CE RE
CE
R4
ua
RE
Bild VI-54 Kapazitive Kopplung zweier Transistorstufen Die Kopplung der einzelnen Stufen erfolgt mit Hilfe eines Koppelkondensators CK2, während die Stufen des Verstärkers gleichstrommäßig voneinander unabhängig sind. Daher können die Arbeitspunkte jeder Stufe getrennt voneinander eingestellt werden. Die untere Grenzfrequenz des Verstärkers hängt wesentlich von dem RC-Glied (Hochpaß) ab, das durch den Koppelkondensator und den Eingangswiderstand Rein der nachfolgenden Stufe sowie den Ausgangswiderstand Raus der vorausgehenden Stufe nach Bild VI-55 gebildet wird. CK
ue r CE1
R C1
Raus
R3
R4
rBE2
Rein
Bild VI-55 Koppelkondensator in Wechselwirkung zwischen Ein- und Ausgangswiderstand Der Koppelkondensator CK muß so bemessen sein, daß Wechselspannungen bei der unteren Grenzfrequenz noch ungehindert auf die nächste Stufe übertragen werden. Die Grenzfrequenz des Hochpasses ist gleich der unteren Grenzfrequenz fgu des Verstärkers, wenn CK die einzige beeinflussende Kapazität dar-
VI Analoge Verstärker
393
stellt. Damit läßt sich die Kapazität des Koppelkondensators berechnen. Koppelkondensator 1 CK = 2p f gu ( Raus + Rein )
R1
RC2
R3
(VI.97)
Die wirksamen Widerstände lassen sich nach Bild VI-63 als Parallschaltung berechnen. Die Nennspannung dieses Koppelkondensators ergibt sich aus der Differenz der Ruhepotentiale des Kollektors von V1 und der Basis von V2. Je niedriger die untere Grenzfrequenz sein soll, um so größer muß die Kapazität des Koppelkondensators sein. Die untere Grenzfrequenz f ′gu eines mehrstufigen Verstärkers ist nicht identisch mit der unteren Grenzfrequenz fgu der gleichartigen Teilverstärkerstufe. Für einen vielstufigen Verstärker mit n identischen Stufen gilt dann: Grenzfrequenz
UB RC1
f gu′ = f gu ( 2 ) ( n − 1 )
(VI.98)
Es findet auch eine Minderung der Verstärkung bei der oberen Grenzfrequenz f go ′ statt, da sich die jeweiligen Querkapazitäten summieren. Das bedeutet, daß die Bandbreite B′ des Gesamtverstärkers kleiner ist als die Bandbreite B der Teilverstärkerstufen. Bei der RC-Kopplung mehrerer Stufen kann für bestimmte Frequenzen eine große Phasenverschiebung zwischen Ausgangs- und Eingangsspannung auftreten. Eine Gegenkopplung kann unter Umständen in eine Mitkopplung verkehrt werden. Wesentlich günstiger ist es, mehrere Transistoren galvanisch zu koppeln und alle Arbeitspunkte der Schaltung durch eine einzige Gleichspannungs-Gegenkopplung zu stabilisieren. Diese direkte Kopplung nach Bild VI-56 ist jedoch nur möglich, wenn die Potentiale des Kollektors von V1 und der Basis von V2 gleich sind. Der Nachteil mehrstufiger Verstärker mit direkter Kopplung liegt darin, daß sich geringe Arbeitspunktverschiebungen der ersten Stufe verstärkt auf die nachfolgende(n) Stufe(n) auswirken. Temperaturänderungen oder Bauteiltolerenzen bei Ersatzbestückung können dafür verantwortlich sein.
V1 ue
V1 ua
R2
R4
Bild VI-57 Potentialanpassung durch Spannungsteiler Wenn die Potentiale des Kollektors von V1 und der Basis von V2 jedoch nicht gleich sind, so kann man das Basisruhepotential von V2 über einen von der Kollektor-Emitter-Spannung von V1 versorgten Spannungsteiler gewinnen. U BE2 R4 ≈ U CE1 R3 + R4
Nachteilig ist jedoch, daß auch die Signalspannung im Verhältnis der Spannungsteilerwiderstände R3 und R4 nach Bild VI-57 herabgesetzt wird. Damit läßt sich die Gesamtverstärkung näherungsweise berechnen. Gesamtverstärkung
Vu ges ≈ Vu 1 ⋅
R 4 rBE2 DU BE2 = Vu 1 ⋅ DU CE1 R3 + R 4 rBE2
(VI.99)
Der Arbeitspunkt der 1. Stufe nach Bild VI-58 wird mit Hilfe des Widerstandes R2 für den A-Betrieb eingestellt. Der Emitterwiderstand R4 sorgt für die thermische Arbeitspunktstabilisierung infolge der Stromgegenkopplung. Da der R4 nicht durch einen Emitterkondensator gebrückt ist, wirkt sich die Stromgegenkopplung verstärkungsmindernd auf die Wechselspannung aus. Arbeitspunktverschiebungen infolge Temperaturänderung werden an die 2. Stufe weitergegeben. Zur Verbesserung der Aussteuerbarkeit der 2. Stufe wird deren Arbeitspunkt durch den Spannungsteiler aus R3 und R5 auf den gleichen Arbeitspunkt wie die 1. Stufe eingestellt. Der Verlust von Signalspannung
UB
UB
RC2 R1
RC1 V2
RE
CK2
R3
CK2
V2
V1
V1 ue
R1
C K2
CK1
RC2
RC1
CE
Bild VI-56 Direkte Kopplung zweier Transistorstufen
ua
ue
CE u a R2
R4
R5
R6
Bild VI-58 Optimierung der Arbeitspunkte durch Potentiometer
394
Elektronik
am Widerstand R5 ist in dieser Variante nicht zu vermeiden. Die Gesamtverstärkung ist relativ klein, weil die am Ausgang der 1. Stufe liegende Signalspannung u.a. durch den Spannungsteiler und den kleinen Eingangswiderstand der 2. Stufe stark herabgesetzt wird. Die Herabsetzung der Signalspannung durch das Koppelglied kann vermieden werden, wenn man einen der beiden Spannungsteilerwiderstände R3 und R4 durch ein Bauelement ersetzt, dessen Wechselstromwiderstand (differentieller Widerstand) sich von seinem Gleichstromwiderstand wesentlich unterscheidet.
Es gilt DU CE1 ≈ DU BE2
In beiden Fällen wird also die Signalspannung durch das Koppelglied nur unwesentlich herabgesetzt. Allerdings sind diese Schaltungen aufwendiger. Sie sollten wegen des besonders hohen Aufwandes für das Koppelglied nur bei hohen Anforderungen an geringes Rauschen verwendet werden. Die genannten Nachteile lassen sich weitgehend vermeiden, wenn man den zweistufigen Verstärker mit komplementären Transistoren aufbaut, wie die Schaltung nach Bild VI-61 zeigt.
UB R1
RC1
R1
RC2 V3
C K1
V1 ue
R4
V1
CK2
ue
R4
UB
C1
V2
V2 ua
R2
RC1
ua R2
R3
R5
Bild VI-59 Potentialanpassung durch Spannungsteiler mit Z-Diode
Bild VI-61 Zweistufiger Verstärker mit komplementären Transistoren
Es erfolgt wie gewünscht eine Herabsetzung des Gleichspannungspotentials, jedoch keine Herabsetzung der Signalspannung. Nun bestehen zwei Möglichkeiten:
Beide Transistoren arbeiten auch hier in Emitterschaltung. Mit den Widerständen R2 und R4 werden die Arbeitspunkte so eingestellt, daß beide Stufen im A-Betrieb arbeiten, so daß jeweils ein größtmöglicher Aussteuerbereich vorhanden ist. Mit dieser Schaltung läßt sich eine höhere Verstärkung erreichen. Bei mehrstufigen Verstärkern wird neben der gleichstrommäßigen Gegenkopplung auch eine zusätzliche wechselstrommäßige Gegenkopplung über mehrere Stufen verwendet. Eine Gegenkopplung liegt vor, wenn ein Teil der Signalspannung am Ausgang des Verstärkers gegenphasig, daß heißt mit einer Phasenverschiebung von 180° auf den Eingang des Verstärkers zurückgeführt wird. Solange diese Phasenbedingung eingehalten wird, kann die Rückkopplung über eine Stufe oder auch über mehrere Stufen erfolgen. Die Verstärkerkennlinie wird linearisiert. Dadurch werden die sonst auftretenden Verzerrungen verringert. Bei der Schaltung nach Bild VI-62 handelt es sich um einen zweistufigen NF-Verstärker mit galvanischer Kopplung beider Stufen. Für Wechselspannungen arbeiten die Transistoren V1 und V2 in Emitterschaltung ohne Gegenkopplung. Die Widerstände R1 und RE dienen der Arbeitspunkteinstellung und -stabilisierung. RE bewirkt eine Gleichstromgegenkopplung für den Transistor V2. Für Gleichspannungen arbeitet V2 bezüglich seines Emitterpotentials als Emitterfolger. Bei Vernachlässigung von UBE2 ist damit sein Emitter-DC-Potential gleich dem Kollektor-DCPotential von V1.
– man ersetzt R3 durch ein Bauelement mit niedrigem differentiellen Widerstand oder – man ersetzt R4 durch ein Bauelement mit hohem differentiellen Widerstand. In beiden Fällen ist das Spannungsteilerverhältnis wechselstrommäßig wesentlich günstiger als bei einer Kopplung mit ohmschem Spannungsteiler. Für die erste Möglichkeit bieten sich Dioden und Z-Dioden an, die nach Bild VI-59 integriert werden. Bei der zweiten Möglichkeit wird der Widerstand R4 durch eine Transistorkonstantstromquelle in Bild VI-60 ersetzt. UB R1
RC1 R3
RC2
R5
V2 V1
V3 ua
ue
R2
R4
RE
Bild VI-60 Potentialanpassung durch Transistorkonstantstromquelle
VI Analoge Verstärker
395 UB
RC2
RC1
CK2 u1
CK1
V2 V1
ua
R1 ue
CE
RE
Bild VI-62 Zweistufiger NF-Verstärker mit galvanischer Kopplung und Gegenkopplung
Über den Widerstand R1 ist der Transistor V1 für DC voll gegengekoppelt. Aufgrund des Kondensators CE ist der Verstärker für Wechselgrößen nicht gekoppelt.
u2
R1 u1 R2
uk
Bild VI-64 Prinzip der Spannungs-SpannungsGegenkopplung UB RC2
RC1
CK2 i1
R1
u2
V2 V1
ik u1 u1
ua
RK u2
RN
ue RE1
R2
Bild VI-63 Prinzip der Strom-StromGegenkopplung Das Prinzip der Strom-Strom-Gegenkopplung läßt sich anhand des in Bild VI-63 dargestellten Regelkreises unter Beachtung der Schaltung nach Bild VI-62 nachvollziehen. Eine Erhöhung des Emitterstroms von V2 bewirkt eine Erhöhung des Spannungsabfalles an RE, wodurch das Basisruhepotential von V1 größer wird. Dadurch wird der Basisstrom von V1 erhöht, was zu einer Erhöhung des Kollektorstroms von V1 führt. Damit senkt sich das Basisruhepotential von V2; der Transistor V1 wird weniger leitend und der Emitterstrom von V2 verringert sich. Bei galvanisch gekoppelten Verstärkerstufen sind die Transistoren direkt oder über ohmsche Widerstände miteinander verbunden. Alle Arbeitspunkte werden durch eine einzige Gleichspannungsgegenkopplung stabilisiert. Durch eine wechselstrommäßige Gegenkopplung können die Eigenschaften des Verstärkers weiter verbessert werden. Bei geeigneter Dimensionierung kann zum Beispiel die Spannungsverstärkung weitgehend unabhängig von den Transistordaten und deren Streuung gemacht werden. Hierbei wird häufig eine Spannungs-Spannungs-Gegenkopplung verwendet. In Bild VI-64 wird das Grundprinzip der Spannungs-Spannungs-Gegenkopplung dargestellt.
RE2
Bild VI-65 Schaltung mit Anwendung der Spannungs-Spannungs-Gegenkopplung Die Ausgangswechselspannung u2 wird über den Widerstand R1 auf den Emitter von V1 zurückgekoppelt. Das zur Emitterwechselspannung uk phasengleiche Signal u2 vergrößert uk, so daß auch die Eingangswechselspannung u1 größer werden muß. Die Gesamtverstärkung wird allerdings kleiner. Die Schaltung nach Bild VI-65 gibt dieses Prinzip der Spannungs-Spannungs-Gegenkopplung wieder. Kombiniert man beide Gegenkopplungsverfahren miteinander, ergibt sich die Schaltung nach Bild VI-66. Der Emitter von V1 liegt nun nicht mehr auf Nullpotential. Die Gleichspannung an RE1 ist jedoch vernachlässigbar klein, wenn man diesen Widerstand genügend klein und RK genügend groß wählt. UB
RC2
RC1
CK2 V2 V1 ue
RK ua
R1 R E1
RE2
CE
Bild VI-66 Zweistufiger NF-Verstärker mit galvanischer Kopplung und doppelter Gegenkopplung
396
Elektronik
Diese beiden Widerstände sind für die AC-Gegenkopplung zuständig, während R1 und RE2 für die DC-Gegenkopplung über beide Stufen hinweg sorgen. Die Gegenkopplung hat aber auch einen wesentlichen Einfluß auf die Bandbreite des Verstärkers. So wird die Bandbreite um so größer, je stärker die Verstärkung Vu durch die Gegenkopplung auf V ′u verkleinert wird. Dies ist besonders bei Breitbandverstärkern von Bedeutung. Macht man nun die AC-Gegenkopplung sehr stark b2 ⋅ RC2/RK >> 1, so vereinfacht sich die Gleichung weiter. Spannungsverstärkung Vu′ ≈
RK RE1
(VI.100)
NF-Verstärker werden häufig in integrierter Schaltungstechnik (IC) hergestellt. Es handelt sich dabei um galvanisch gekoppelte Verstärkerstufen, wobei die Gesamtverstärkung und der Frequenzgang häufig nur durch eine äußere Beschaltung beeinflußt werden. Ein Beispiel für einen solchen NF-Verstärker ist der IC TAA 370 in Bild VI-68. 1
10
6 +UB
8
4 A 3
9 E
2 0V
TAA 370
In Anlehnung an die Schaltung nach Bild VI-61 kann auch eine Schaltung nach Bild VI-67 verwendet werden, in der Komplementärtransistoren miteinander verschaltet sind. Der Spannungsabfall am Widerstand RC1 stellt die Basis-Emitter-Spannung UBE2 für V2. Der Widerstand R3 stellt die DCGegenkopplung dar. Die Reihenschaltung aus R4 und C4 verringert die Gegenkopplung für Wechselspannungen.
5
7
Bild VI-68 Innenbeschaltung des IC TAA 370 Als Schaltungsbeispiel (application) ist in Bild VI-69 ein Hörgeräteverstärker dargestellt. Die Ausgangsleistung der Schaltung beträgt P = 1,5 mW, wobei sich die Verstärkung und damit die Lautstärke mit dem Potentiometer R1 einstellen läßt.
UB R1
UB
RC1
CK1
R2 C5
V2 V1
6 4 8 10 TAA 370 9 5 7 2 1 3
CK2 R3
ue
R2
R4
RC2
R4
ua
C1 C4
Bild VI-67 Zweistufiger NF-Verstärker mit Komplementärtransistoren Diese Schaltungskombination ermöglicht oft eine einfachere Potentialanpassung.
RL ZL
C2 R3
C3
C4
Bild VI-69 Hörgeräteverstärker als Application des TAA 370
UB = + 1,3 V, R1 = 25 kW, R2 = 5 kW, R3 = 1,5 kW, R4 = 120 kW, C1 = 0,47 mF, C2 = 22 nF, C3 = C4 = 1 mF; C5 = 2,2 mF, RL = 100 W, ZL = 300 W
VII Endstufen
397
VII Endstufen 1 Betriebsarten Um möglichst große Leistungen an einen Verbraucher, wie zum Beispiel einen Lautsprecher, abgeben zu können, braucht man Endstufen. Das sind Verstärkerschaltungen, bei denen eine möglichst große Signalleistung im Vordergrund steht, während die Spannungsverstärkung nur eine Nebenrolle spielt. Da große Leistungen selbstverständlich auch große Spannungen und Ströme bedeuten, werden die Transistorkennlinien in den Endstufen voll durchgesteuert. Eine nicht völlig lineare Kennlinie führt dabei zu Verzerrungen des Ausgangssignales. Bei Leistungsverstärkern können verschiedene Arbeitspunkte auf der Arbeitsgeraden gewählt werden. Man unterscheidet dann Verstärker im A-Betrieb, Verstärker im B-Betrieb und Verstärker im AB-Betrieb. Bisher wurde der Arbeitspunkt immer in die Mitte des geradlinigen Kennlinienfeldes gelegt. Diese Betriebsart nennt man A-Betrieb. Für die Arbeitspunkteinstellung ist die Vorspannung UBEA erforderlich, aus der ein Basis-Ruhestrom IBA beziehungsweise ein Kollektor-Ruhestrom ICA folgt. Der Transistor wird dabei durch beide Halbwellen des Steuersignals ausgesteuert. Die Ruheströme fließen aber auch, wenn die Signalspannung Null ist. Bei diesen im A-Betrieb arbeitenden Verstärkern werden beide Halbwellen einer sinusförmigen Signalspannung mit einem einzigen Transistor verstärkt. Man spricht deshalb auch von einem Eintakt-Betrieb. Beim B-Betrieb wird der Transistor ohne Vorspannung UBE betrieben. Der Basisstrom und der Kollektorstrom sind Null, wenn die Signalspannung Null ist. Daraus folgt, daß der Transistor nur eine Halbwelle einer Wechselspannung verstärken kann. Hierbei liegt der Arbeitspunkt im unteren Kennlinienknick der Steuerkennlinie. Die andere Halbwelle muß von einem zweiten Transistor verstärkt werden. Man spricht dann von einem Gegentakt-Betrieb, weil die zwei Transistoren abwechselnd, nämlich im Takt der positiven und negativen Halbwellen, im aktiven Bereich arbeiten. Nach der Verstärkung werden die beiden Halbwellen wieder zusammengefügt. Da im B-Betrieb keine Ruheströme fließen, ist die Verlustleistung des Verstärkers wesentlich geringer als beim A-Betrieb, was kleinere Kühlkörper zur Folge hat und Energie sparen hilft. Um nichtlineare Verzerrungen zu mildern, bildet man eine Synthese zwischen A- und B-Betrieb zum AB-Betrieb. Hierbei wird wie beim A-Betrieb durch eine Basis-Vorspannung UBE ein Ruhestrom eingestellt, der aber wesentlich geringer ist als beim A-Betrieb. Die Vorspannung UBEA ist gerade so groß, daß sie die Schleusenspannung der Basis-Emitter-Diode kompensiert. Auch hier ist nur ein Gegentakt-Betrieb sinnvoll.
IC
AB
B AB-Betrieb t B-Betrieb
Bild VII-1 Lage der Arbeitspunkte bei B- beziehungsweise AB-Betrieb im Kennlinienfeld
t
Sowohl Vorverstärker als auch Treiberstufen werden hauptsächlich als A-Verstärker in Emitter- oder Kollektorschaltung betrieben. Bei großen Leistungen spielt der Wirkungsgrad eine erhebliche Rolle. Gute Endstufen erreichen einen Wirkungsgrad von nahezu 70%. Die Verlustleistung der Transistoren wird im Transistor in Wärme umgewandelt und muß an die Umgebungsluft abgegeben werden. Wegen der relativ hohen Verlustleistung sind die Endtransistoren meistens auf Kühlkörper montiert.
2 Schaltungen Durch den ständig fließenden großen Ruhestrom tritt bei A-Betrieb eines Leistungsverstärkers die größte Verlustleistung auf, wenn der Verstärker nicht ausgesteuert wird. Der Wirkungsgrad einer solchen Schaltung kann nicht größer als 50% werden. Für Leistungsverstärker werden im allgemeinen Verstärkerstufen in Kollektorschaltung (Emitterfolger) verwendet, da sie einen hohen Eingangswiderstand bei niedrigem Ausgangswiderstand aufweist. Eine solche Kombination ist zur Speisung niederohmiger Verbraucher wie Lautsprecher notwendig. Die Schaltung nach Bild VII-2 zeigt einen Emitterfolger mit gleich großen positiven und negativen Betriebsspannungen, wie er überwiegend bei AudioVerstärkern verwendet wird. Von Vorteil ist die einfache Arbeitspunkteinstellung (keine zusätzlichen Widerstände erforderlich) und der Fortfall der Koppelkapazitäten am Ein- und Ausgang. Der Lastwiderstand RL steht symbolisch für den Lautsprecher. +UB V1 ue RE
ua
RL –UB
Bild VII-2 Emitterfolger mit positiven und negativen Betriebsspannungen
398
Elektronik
Infolge der Arbeitspunkteinstellung für A-Betrieb, also im linearen Teil der Eingangskennlinie, ergibt sich ein Basis-Ruhestrom IBA, ein Kollektor-Ruhestrom ICA und somit eine Kollektor-Emitter-Ruhespannung UCEA ≈ UB. Damit läßt sich die Verlustleistung im Transistor berechnen. Transistorverlustleistung PT = U CEA ⋅ I CA ≈
U B2 RE
(VII.1)
Bei ue = 0 V ist die auftretende Verlustleistung gleichzeitig die maximale Transistorverlustleistung. Die bei ue ≠ 0 V auftretende Verlustleistung ist stets kleiner. Die von den Betriebsspannungsquellen gelieferte Gesamtleistung läßt sich ebenfalls näherungsweise berechnen. Gesamtleistung
Pges
2U B2 ≈ RE
PL =
U B2 RL ⋅ 2 2( R L + R E ) 2
Die Transistorverlustleistung PT ist also 8mal so groß wie die maximale Ausgangsleistung. Die von den Betriebsspannungsquellen aufzubringende Leistung ist sogar 16mal so groß wie die maximale Ausgangsleistung. Damit kann der Wirkungsgrad h dieser Schaltung berechnet werden. PL max ≈ 6 , 25% Pges
(VII.5)
Bild VII-3 zeigt die Schaltung nach Bild VII-2 in der üblichen vereinfachten Form. Durch die Krümmung der Kennlinien bei größeren Aussteuerungen entstehen Verzerrungen. +UB
V1
ue ua
RE
–UB
Bild VII-4 Serien-GegentaktVerstärker
V1
ue
V2
RL
ua
–UB
(VII.3)
Die Ausgangsleistung ist bei Leistungsanpassung (RE = RL) maximal. U2 (VII.4) maximale Ausgangsleistung PL max = B 8 RL
Wirkungsgrad h =
+UB
(VII.2)
Diese Leistung ist völlig unabhängig von der Aussteuerung des Transistors. Die an den Lastwiderstand abgegebene Ausgangsleistung hängt vom Widerstandsverhältnis RE/RL ab. Ausgangsleistung
Die Nachteile des A-Betriebes sind: kleiner linearer Aussteuerbereich, geringe Ausgangsleistung, kleiner Wirkungsgrad. Endstufen in A-Betrieb finden in der Praxis Verwendung als Gegentakt-A-Endstufen bei sehr hochwertigen Endstufen. Im Ausgangskennlinienfeld nach Bild VII-1 ist erkennbar, daß die Amplitude des Ausgangssignals bei B-Betrieb etwa die Größe der Betriebsspannung UCE max = UB erreichen kann. Bei einer entsprechenden Ansteuerung kann jedoch nur eine Halbwelle des Signals verstärkt werden.
RL
Bild VII-3 Emitterfolger in der vereinfachten Form
Dazu bedarf es eines neuen Schaltungskonzeptes. Man schaltet nach Bild VII-4 zwei Transistoren gleichstrommäßig in Reihe (Serien-Gegentakt-Verstärker), wobei der eine ein npn- und der andere ein pnp-Transistor mit sonst identischen Daten (Komplementärtransistoren) ist. In dieser Schaltung wird während der positiven Halbwelle des Eingangssignals nur der npn-Transistor (V1) der Gegentakt-Endstufe leitend. Es fließt ein Kollektorstrom durch den Lastwiderstand mit der eingezeichneten Spannungsrichtung. Während der negativen Halbwelle der Eingangswechselspannung wird der pnp-Transistor (V2) leitend, und es fließt ein Strom in entgegengesetzter Richtung durch den Lastwiderstand. Die beiden einzeln verstärkten Halbwellen werden im Lastwiderstand wieder zu einem Gesamtsignal zusammengefügt. Es fließt jedoch erst dann ein Kollektorstrom, wenn die Amplitude des Ansteuersignals größer ist als der Schwellwert der Basis-Emitterdiode der Transistoren. Das Ausgangssignal ist daher bei einem Gegentakt-BVerstärker im Bereich des Nulldurchganges, kleine Eingangsspannungen vorausgesetzt, zwangsläufig verzerrt. Bei größeren Eingangswechselspannungen sind diese Übernahmeverzerrungen jedoch von untergeordneter Bedeutung. Beim AB-Betrieb wird der Arbeitspunkt nach Bild VII-1 etwas in Richtung des A-Arbeitspunktes verschoben. Um diesen Arbeitspunkt einzustellen, muß an die Basis-Emitterdioden eine Basis-Vorspannung UBE gelegt werden, so daß beide Transistoren schon ohne Ansteuerung geringfügig leitend sind. Die Schaltung nach Bild VII-5 zeigt die Prinzipschaltung
VII Endstufen
399 +U B
Bild VII-5 Prinzipschaltung eines Gegentaktverstärkers in AB-Betrieb
V1 UBE1
ue
UBE2
RL
Nachteile sind: Transistoren-Pärchen (KomplementärTransistoren) erforderlich, gegenüber A-Betrieb größere Verzerrungen bei kleiner Aussteuerung. Will man ohne Komplementär-Transistoren arbeiten, wird am Eingang für einen Transistor eine Phasenumkehrstufe benötigt. +U B
ua
R1
V2
V1 UBE1
–UB
eines Gegentaktverstärkers in AB-Betrieb mit den beiden Gleichspannungsquellen UBE, die für die Basisvorspannung erforderlich sind. Da der Ruhestrom nicht gleich Null ist, verschlechtert sich der Wirkungsgrad der Schaltung geringfügig. Liegt bei dieser Variante eine Ansteuerung mit einer kleinen Signalspannung vor, so ist die Verzerrung deutlich kleiner. Der Verstärkungsvorgang erfolgt in der gleichen Weise wie beim B-Betrieb. Die maximale Ausgangswechselleistung, die mit einem Gegentakt-B-Verstärker erreicht werden kann, läßt sich mit folgender Überlegung bestimmen. Zwei Emitterfolger im Gegentakt-B-Betrieb haben eine doppelt so hohe Aussteuerbarkeit (± UB statt ± UB /2) und damit eine 4mal so große Ausgangsleistung wie ein Emitterfolger im A-Betrieb. Die Ausgangsleistung ist bei Leistungsanpassung (RE = RL) maximal. max. Ausgangsleistung PL max =
U B2 2 RL
Transistorverlustleistung PT = 0 ,1⋅
U B2 RL
(VII.6)
(VII.7)
Bei gleicher Ausgangsleistung ist die Verlustleistung eines Transistors bei Gegentakt-B-Betrieb ungefähr 40mal kleiner als bei A-Betrieb. Die von den Betriebsspannungsquellen gelieferte Gesamtleistung läßt sich bei sinusförmiger Vollaussteuerung näherungsweise berechnen. Gesamtleistung
Pges =
2U B2 p ⋅ RL
(VII.8)
Damit kann der Wirkungsgrad h dieser Schaltung berechnet werden. Wirkungsgrad h =
PL max = 78, 5% Pges
(VII.9)
Vorteile von Leistungsverstärkern im AB- und BBetrieb sind: kleiner Ruhestrom und kleine Verlustleistung, großer Wirkungsgrad (≈ 70%), großer Aussteuerbereich (≈ ± UB), große Ausgangswechselleistung.
ue
UBE2
RL V2
R2 –UB
ua
Bild VII-6 Spannungsteiler mit integrierten Dioden
Die Vorspannung nach Bild VII-5 läßt sich relativ einfach über einen Spannungsteiler aus den Betriebsspannungen UB gewinnen. Die Schaltung nach Bild VII-6 zeigt einen Spannungsteiler mit integrierten Dioden. Da die Durchlaßkennlinie einer Diode praktisch dieselbe Temperaturabhängigkeit wie die Eingangskennlinie eines Transistors aufweist, kann man mit dieser Variante auch die Temperaturdrift der Transistoren auffangen. Wenn die beiden Dioden sich in der gleichen Weise erwärmen wie die Transistoren (gemeinsame Montage auf einen Kühlkörper), nehmen die Spannungen UBE1 und UBE2 im selben Maße ab wie die Basis-Emitter-Spannungen der Transistoren. Die Folge ist, daß der Ruhestrom nahezu konstant bleibt. Das eigentliche Problem beim Gegentakt-AB-Verstärker besteht in der Stabilisierung des Ruhestroms. Der Ruhestrom kann sich wegen der kleinen Lastwiderstände durch thermische Rückkopplung leicht aufschaukeln und zur Zerstörung des Transistors führen. Die beiden Emitterwiderstände RE1 und RE2 in der Schaltung nach Bild VII-7 bewirken eine Stromgegenkopplung, also eine Arbeitspunktstabilisierung. Die Widerstände sind durch die Dioden V5 und V6 gebrückt, die schon bei geringen Eingangssignalen leitend werden. Wäre dieses nicht der Fall, so würde die Wechselstromverlustleistung in den Emitterwiderständen unvertretbar groß werden. Der Kollektorruhestrom sollte an den Emitterwiderständen einen Spannungsabfall von ungefähr 0,2 V bis 0,3 V hervorrufen (wenn Si-Dioden verwendet werden); die Spannungsabfälle sollen bei ue = 0 V kleiner sein als die Schleusenspannungen der Dioden. Wird die Eingangsspannung so groß, daß aufgrund des erhöhten Emitterstroms der Spannungsabfall an RE den Wert von 0,7 V übersteigt, wird die entsprechende Diode leitend. Infolge des sehr niedrigen
400
Elektronik
RE1
V5
Bild VII-7 Gegentakt-AB-Verstärker mit Emitterwiderständen zur Arbeitspunktstabilisierung
RE2
V6 RL
ua
+UB
R1 V1 V3
ue
V4
Um eine höhere Stromverstärkung zu erreichen, verwendet man eine Darlington-Schaltung oder als Endtransistoren Darlington-Transistoren. Die Transistoren V1′-V1 beziehungsweise V2′-V2 benötigen in der Schaltung nach Bild VII-9 eine Basis-Emitter-Spannung, die doppelt so groß ist wie die in der Schaltung nach Bild VII-8. Deshalb benutzt man hier jeweils zwei in Reihe geschaltete Dioden.
V2 R2
–UB
V7 R3 V3
differentiellen Widerstandes der Diode fließt praktisch die gesamte Wechselleistung über die Diode, so daß an RE kein wesentlicher Leistungsverlust entsteht und die Spannungsabfälle auf die Durchlaßspannungen der Dioden begrenzt werden. Diese Schaltung hat allerdings einen erheblichen Nachteil, da nur ein Teil des Signaleingangswechselstroms in die Basis der Transistoren gelangt, während der andere Teil über die Widerstände R1 und R2 ungenutzt abfließt. Die Folge ist eine relativ geringe Gesamtstromverstärkung der Stufe und damit eine geringe Leistungsverstärkung. Ersetzt man die Widerstände R1 und R2 in der Schaltung nach Bild VII-7 durch Konstantstromquellen, so erhöht man deutlich den Eingangswiderstand der Schaltung. Der differentielle Innenwiderstand der Quellen ist sehr hoch. Die Schaltung nach Bild VII-8 hat nun den hohen Eingangswiderstand eines Emitterfolgers ohne Eingangsspannungsteiler. Praktisch haben diese Konstantstromquellen einen unendlich hohen Innenwiderstand. Somit muß der Vorverstärker (Signalquelle) nur noch den für die Aussteuerung der Transisitoren erforderlichen Basisstrom liefern. Die Z-Dioden werden häufig durch die Reihenschaltung aus zwei bis drei in Durchlaßrichtung betriebene Siliziumdioden ersetzt. Die mit den bisher besprochenen Schaltungen erzielbaren Ausgangsströme werden von den Transistoren V1 und V2 oder deren Stromverstärkungen bestimmt.
V9
V7 R3
+UB
R1 V1
V3
ue R4
V8 V10
ua V6 RL
V4
R2
V2
ue
V4 R4 V8
V10
V1
RE1
V5
RE2
V6 RL
V2′
ua
V2
R2
–UB
Durch den Widerstand R5 werden die Ruheströme von V1′ und V2′ stabilisiert. Auf diese Weise kann erreicht werden, daß die Basis-Ruheströme von V1 und V2 gleich sind, da ansonsten die Übernahmeverzerrungen nicht vernachlässigbar klein wären. Manchmal ist es schwierig, für Verstärker mit höheren Ausgangsleistungen geeignete pnp/npn-Transistorpaare zu finden. Daraus folgt die Absicht, für bestimmte Anwendungen Transistoren vom gleichen Leitungstyp für V1 und V2 zu verwenden. Dann wird eine Darlington-Schaltung mit komplementären Transistoren, wie die Schaltung nach Bild VII-10 zeigt, ausgeführt. Die Transistoren V1 und V2 sind vom gleichen Leitungstyp (npn). Der Darlington-Transistor V1′-V1 wirkt wie der Transistor V1 nach Bild VII-8 als npn-Transistor und der Darlington-Transistor V2′-V2 ebenfalls als npnTransistor in der gleichen Funktion wie der Transistor V2 nach Bild VII-8.
Bild VII-8 Gegentakt-ABVerstärker mit hohem Eingangswiderstand
V7 R3
V4 R4 V10
V1′ R5
V3
ue
+UB
R1
V9
V8 –UB
V1′
Bild VII-9 Gegentakt-AB-Verstärker mit Darlington-Transistoren
R5
V5
RE1 RE2
+UB
R1
V9
R2
V1
RE1
V5
RE2
V6 RL
V2′ R6
V2 –UB
Bild VII-10 Gegentakt-AB-Verstärker mit Endtransistoren vom gleichen Leitungstyp ua
VII Endstufen
401
Die Schaltung nach Bild VII-10 wird als QuasiKomplementär-Endstufe bezeichnet. Der DarlingtonTransistor V2′-V2 benötigt zur Vorspannungserzeugung lediglich die Diode V4. Die Widerstände R5 dienen der Ruhestromeinstellung der Transistoren V1′ und V2′. Diese Gegentakt-Endstufen bilden die Grundlage für zahlreiche weitere Schaltungen. Die vorgestellten Endstufen arbeiten mit Emitterfolgern, die eine Spannungsverstärkung Vu ≈ 1 aufweisen. Ziel ist, die Spannungsverstärkung zu erhöhen. Die Endtransistoren in der Schaltung nach Bild VII-11 sind Darlington-Schaltungen entsprechend den Schaltungen nach Bild VII-9 und Bild VII-10. Der Übersichtlichkeit wegen sind sie als einfache Transistoren dargestellt. Legt man die Signalspannung ue zwischen die Dioden V3 und V4, so ist die Schaltung identisch mit Bild VII-8. Legt man jedoch die Signalspannung u′e an den Emitter des Transistors V7, arbeitet dieser bezüglich der Signalspannung als Transistor in Basisschaltung und betrachtet die Stromquelle mit Transistor V8 als Arbeitswiderstand. Da eine Basisschaltung ein Vu > 1 hat, tritt am Kollektor von V7 nun eine Wechselspannung ue auf, die größer ist als die Signalspannung u′e. R1
V9
V7
ue′
R3
ue
V3
V4
V1
RE1
V5
RE2
V6 RL
R4 V8 V10
+UB
R2
Bild VII-11 Gegentakt-AB-Verstärker mit erhöhter Spannungsverstärkung
ua
V2
–UB
Durch den Wechsel des Signaleinganges ist also eine Spannungsverstärkung erreicht worden. Zu beachten ist jedoch, daß bei Ansteuerung zwischen V3 und V4 das Eingangs-Ruhepotential Null ist. Bei Ansteuerung der Schaltung am Emitter des Transistors V7 liegt jedoch das Eingangs-Ruhepotential in der Nähe der Betriebsspannung +UB (genauer: auf UB – UR). Ein Vorverstärker kann also nicht wahlweise angeschlossen werden, sondern sein Ausgangs-Ruhepotential muß angepaßt werden. Die Schaltung nach Bild VII-12 zeigt die Möglichkeit einer Ruhepotentialanpassung. Der Vorverstärker liefert die Signalspannung ue″ an die Basisverstärkerstufe mit V11, wobei die Widerstände R1 und R6 eine Strom-Spannungs-Gegenkopplung darstellen. Die Wechselspannung u′e ist entsprechend dem Widerstandsverhältnis R1/R2 größer als die vom Vorverstärkers gelieferte Signalspannung u″. e Am Ausgang des Vorverstärker ist das EingangsRuhepotential wieder Null.
V11 ue′′
R6
+U B
R1
V9 ue′
V7 R3
V3
V1
RE1
V5
RE2
V6 RL
ue R4
V4
V2
V8 V10
ua
R2
–UB
Bild VII-12 Möglichkeit einer Ruhepotentialanpassung mit OP am Eingang Gegentakt-Verstärker können auch mit unsymmetrischer Spannungsversorgung betrieben werden. Allerdings ist dann ein Koppelkondensator einzufügen. Um einen gleichstrommäßigen Kurzschluß zu vermeiden, muß der Lastwiderstand mittels des Kondensators mit der Endstufe verbunden sein. Die Schaltung nach Bild VII-13 zeigt eine quasikomplementäre Endstufe mit unsymmetrischer Spannungsversorgung. Die Transistoren V1 und V2 sind npn-Transistoren und werden durch das komplementäre Transistorenpaar V1′ und V2′ angesteuert. Der Transistor V3 arbeitet in Emitterschaltung und bewirkt eine Spannungsverstärkung. Mit dem Trimmer R5 wird der Ruhestrom der Transistoren V1 und V2 eingestellt. Um eine zu starke wechselstrommäßige Belastung von V3 zu vermeiden und um die Spannungsverstärkung von V3 möglichst groß zu machen, ist ein Wechselspannungsbootstrap (C2) vorhanden. Der Kondensator C4 und der Widerstand R12 sind für eine Wechselspannungsgegenkopplung zur Einstellung einer definierten Spannungsverstärkung erforderlich. Der Lastwiderstand RL kann bei unsymmetrischer Spannungsversorgung einseitig am Plus- oder Minuspol der Versorgungsspannung liegen. Ist der Lastwiderstand RL zum Beispiel am Minuspol angeschlossen, wird der Kondensator bei leitendem npn-Transistor etwa auf die halbe Betriebsspannung UB aufgeladen. Während der Sperrphase des npn-Transistor wirkt der +U B
R6 C2
R7
V1′
V4 R5 y V5 V6
RE3 RE4
R C 3 R 8 V7 11 ue
R9
V1
RE2 V2′
V3
C1 V2
RC4
R10
RL C4
R12
ua
Bild VII-13 Quasikomplementäre Endstufe mit unsymmetrischer Spannungsversorgung
402 Kondensator als Spannungsquelle für den pnpTransistor und treibt einen Strom durch ihn. Dadurch wird der Kondensator wieder etwas entladen. Die Änderung der Kondensatorspannung muß durch die Wahl eines genügend großen Kondensators klein gehalten werden. Der Kondensator wird im Takt des Signals auf- und entladen. Der Kondensator erspart eine Spannungsquelle mit Mittelanzapfung, weil sich an ihm eine Spannung UB /2 aufbaut, die als Speisespannung für den Transistor V2 wirkt. Von Nachteil ist, daß der Kondensator und der Lastwiderstand einen Hochpaß bilden. Soll dessen untere Grenzfrequenz sehr niedrig sein, muß die Kapazität des Kondensators sehr groß sein. Gegentakt-AB-Verstärker größerer Leistung und höherer Ansprüche bezüglich möglichst kleiner Verzerrungen sind bereits sehr aufwendig. Die Schaltung nach Bild VII-14 realisiert einen hohen Eingangswiderstand durch einen Operationsverstärker in Elektrometerschaltung. Die Spannungsverstärkung der Gesamtschaltung wird durch das Verhältnis der Widerstände R6 und R7
Elektronik
V14 V7 ue R8 OP R7 C
R4
R5 R6 R4 V15
R3
+UB
V5 V3 V1 V10 V8 V11 R1 V9 V12 R2R1 ue RL V13 V2 V4 V6 R3
–UB
Bild VII-14 Gegentakt-AB-Verstärker großer Leistung mit sehr hohem Eingangswiderstand eingestellt. Da das Ausgangspotential des OP gleich Null ist, dient V7 zur Potentialverschiebung. Aufgrund der Aufwendigkeit solcher Schaltungen haben sich inzwischen Gegentaktverstärker in integrierter Schaltungstechnik durchgesetzt.
VIII Operationsverstärker 1 Einführung Eine wichtige lineare, integrierte Schaltung ist der Operationsverstärker, der in Kurzform mit OpAmp (operations-amplifier) oder OP bezeichnet wird. Diese Art von Verstärkern wurde fast ausschließlich als Rechenverstärker, also für Rechen-Operationen in Analog-Rechnern eingesetzt. Obwohl er aus einer Vielzahl von Transistoren, Dioden und Widerständen aufgebaut ist, kann er vom Anwender als ein einziges, kompaktes Verstärker-Bauelement betrachtet werden. Der besondere Vorteil der OPs liegt darin, daß sich seine Eigenschaften durch einfache äußere Beschaltungen stark variieren lassen. OPs sind daher in immer größer werdendem Umfang in analogen Schaltungen, aber auch in Schaltungen der Digitaltechnik anwendbar und integrierbar.
2 Differenzverstärker Operationsverstärker (OP) haben einen Differenzverstärker mit Transistoren als Eingangsschaltung.
Differenzverstärker sind dadurch gekennzeichnet, daß bei gleicher Ansteuerung der beiden Eingänge die Ausgangsspannung UA (nahezu) Null ist; die Gleichtaktverstärkung ist also sehr klein. Das Gleichtaktsignal bewirkt jedoch in beiden Transistoren eine Verschiebung des Gleichstrom-Arbeitspunktes. Die Kollektorströme ändern sich. In der Realität sind die Transistoren nicht völlig identisch, so daß das Gleichtaktsignal eine geringe Änderung des Ausgangssignals zur Folge hat. Differenzverstärker sind sehr unempfindlich gegenüber Temperatureinflüssen. Bild VIII-1 zeigt einen vollständigen Differenzverstärker. Bezogen auf den Ausgang A heißt der Eingang E– invertierender Eingang und der Eingang E+ nichtinvertierender Eingang. Betrachtet man die Steuerspannung an beiden Eingängen der Schaltung, können unabhängig vom Aufbau und der Form dieser Signalspannungen bezogen auf die Wirkung im Differenzverstärker zwei Aussagen getroffen werden:
VIII Operationsverstärker
403
Tabelle VIII-1 Operationsverstärker (Auswahl) Kenndaten bei UB = ± 15 V und TU = 25 °C Bipolare Eingänge TBA 221 TAA 521 mA 741 709
TAA 761
FET-Eingänge LF 355 LF 357
V0
100 dB
93 dB
85 dB
80 dB
80 dB
G
90 dB
90 dB
79 dB
100 dB
100 dB
Uo
± 6 mV
± 2 mV
± 6 mV
± 3 mV
± 3 mV
IE
80 nA
300 nA
500 nA
30 pA
30 pA
re ra IA UA max
2 MW 75 W 20 mA ± 13 V
250 kW 150 W 10 mA ± 13 V
200 kW o. K. 70 mA ± 13 V
1012 W 50 W 25 mA ± 13 V
1012 W – – ± 13V
fT
500 kHz
5 MHz
200 kHz
2,5 MHz
25 MHz
Typ Leerlaufverstärkung (open loop gain) Gleichtaktunterdrückung (CMRR) Offsetspannung (offset voltage) Eingangsruhestrom (bias current) Eingangswiderstand Ausgangswiderstand Ausgangsstrom (max.) Ausgangsspannung (max.) Transitfrequenz
RC2
RC1 B
E– us1
E+
C
C
E
E
V1 V2
Meist wird die Gleichtaktunterdrückung G in dB angegeben. Gleichtaktunterdrückung G in dB C MRR ( dB) = 20 ⋅ log G (VIII.4)
UCC A uAB
B
B
C MMR rBE R E b
us2 IE
R1 B
UD
V4
UD
V5
C
V3
E
RS –UCC
Bild VIII-1 Vollständiger Differenzverstärker Jede Eingangsspannung an den Eingängen eines Differenzverstärkers läßt sich immer in zwei Komponenten zerlegen, nämlich in eine Gleichtaktspannung UGl, die sich als arithmetisches Mittel aus den beiden Eingangsspannungen ergibt und in eine Differenzspannung UD. u + us 2 (VIII.1) Gleichtaktspannung U Gl = s 1 2 Differenzspannung U D = u s 2 − u s 1
(VIII.2)
Die Eingangsspannungsdifferenzen werden mit der hohen Differenzverstärkung vd, gleiche Eingangsspannungen dagegen mit der wesentlich kleineren Gleichtaktverstärkung vGl verstärkt. Das Verhältnis der beiden zueinander wird als Gleichtaktunterdrückung G bezeichnet und beschreibt die Güte eines Differenzverstärkers. Gleichtaktunterdrückung G=
Vd r + 2 R E ⋅ ( b + 1) b ⋅ R E ≈ = BE rBE 2 rBE VGl
(VIII.3)
dB W W 1 Ersetzt man die Transistoren im Differenzverstärker durch Darlington-Transistoren, läßt sich der Differenz-Eingangswiderstand mindestens verdoppeln. Soll er noch größer werden, verwendet man als Eingangstransistoren FETs. Die Endstufen in OPs bestehen im wesentlichen aus Gegentakt-Endstufen oder Eintakt-Endstufen mit „open collector“.
3 Grundlagen des OP Bei OPs mit Differenzeingang reagiert der Verstärker nur auf die Differenz der beiden Eingangssignale. Die Differenzeingangsspannung UD ist die Spannung, die als resultierende Spannung am Eingang des Verstärkers liegt. Differenzeingangsspannung U D = U E+ − U E−
(VIII.5)
Diese Spannung UD wird nun mit der Leerlaufverstärkung V0 (open loop gain) verstärkt an den Ausgang gebracht und ist als Ausgangsspannung UA meßbar. Ausgangsspannung U A = V0 ⋅ U D
(VIII.6)
Die Gleichungen geben den mathematischen Zusammenhang der elektrischen Größen unter der Voraussetzung wieder, daß in die Eingänge des OPs kein Eingangsstrom fließt.
404
Elektronik
Tabelle VIII-2 Gegenüberstellung von idealem und realem OP charakteristische Eigenschaften
idealer OP
realer OP
Leerlaufverstärkung V0
∞
103 bis 107
Eingangswiderstand re
∞W
106 bis 1014 W
Ausgangswiderstand ra
0W
30 bis 100 W
Temperaturdrift
nicht vorhanden
von – 50 °C bis + 75 °C vernachlässigbar
Übertragungsbandbreite B
∞ Hz
104 bis 107 Hz
Aussteuerbereich UA = f (UE)
– ∞ V bis + ∞ V
– UB bis + UB
Das Ersatzschaltbild eines OPs nach Bild VIII-2 „beschreibt“ elektrisch einen „realen OP“ mit den entsprechenden Ein- und Ausgangsgrößen. Sollen die Eingangsströme Null sein, muß der Eingangswiderstand re des OPs unendlich groß sein. Die Ausgangsspannung UA muß in der Folge ebenfalls unendlich groß sein können. Da diese Spannung an einem Lastwiderstand einen entsprechenden Strom zieht, muß der Ausgangsstrom bei konstanter Ausgangsspannung ebenfalls konstant sein. Das kann aber nur der Fall sein, wenn der Ausgangswiderstand ra des OPs Null ist.
UA V UA max
15 10 5
–UD μV
15 10
5
5 5
ra
U D re UE–
G
Bild VIII-2 Ersatzschaltbild eines Operationsverstärkers A
V0*UD
E+ UA UE+
Deshalb muß die Leerlaufverstärkung V0 ebenfalls unendlich groß sein. Nach Bild VIII-3 sind Ausgangsspannung UA und Eingangsdifferenzspannung UD nur proportional bis zu dem Wert ± UA max, bei dem der OP in die Sättigung geht. Wegen der hohen Leerlaufverstärkung wird ein unbeschalteter OP bereits bei kleinen Eingangsspannungen in die Sättigung gesteuert. So würde zum Beispiel bei V0 = 30 000 eine Störspannung von nur 0,1 mV bereits eine Änderung der Ausgangsspannung von 3 V bewirken. Die Daten eines „realen OPs“ können den Datenblättern der Hersteller entnommen werden. Die Daten eines „idealen“ und „realen“ OPs sind einander in der Tendenz gegenübergestellt. Die meisten Operationsverstärker werden in einer Rückkopplungsschaltung betrieben, daß heißt, ein Teil der Ausgangsgröße (in der Regel ein Teil der Aus-
10 15 UD μV
10 15
E–
Bild VIII-3 Übertragungskennlinie eines OP
–UA max
–UA V
gangsspannung) wird auf den Eingang zurückgeführt. Bei der Rückkopplung unterscheidet man zwischen einer Mitkopplung und einer Gegenkopplung. Bei der Mitkopplung wird die Ausgangsgröße gleichphasig auf den Eingang zurückgeführt, daß heißt, das Eingangssignal wird in seiner Wirkung verstärkt. Für den Fall der reinen Mitkopplung der Schaltung nimmt die Amplitude der Ausgangsspannung so lange zu, bis die Sättigung des Verstärkers erreicht ist. Bei der Gegenkopplung wird ein Teil der Ausgangsgröße gegenphasig auf den Eingang zurückgeführt und somit das Eingangssignal in seiner Wirkung geschwächt. Die Gesamtverstärkung nimmt ab. Die Grundschaltung des Inverters (invertierender OP) wird dargestellt in Bild VIII-4. Wegen V0 = ∞ gilt ⇒ UD = 0 V. Deshalb liegt der Punkt A auf Masse. Punkt A ist „virtueller Nullpunkt“, und es gilt: Spannungsverstärkung Vu = −
R U2 =− 2 R1 U1
(VIII.7)
Diese Gleichung gilt für den „idealen“ OP. Die Verstärkung wird also nur durch das Widerstandsverhältnis und damit unabhängig von den spezifischen Kenngrößen des OP festgelegt. Der Fehler bei Annahme eines „idealen“ OPs gegenüber korrekter Rechnung beträgt nur ungefähr 1%. Unter Beachtung der Widerstandstoleranzen kann in
VIII Operationsverstärker R1
I1
405
A I2
R2
Eingangswiderstand des beschalteten OP re′ ≈ rGl
IN = 0A
Ausgangswiderstand des beschalteten OP
UD = UN = 0V
U1
(VIII.11)
U2
Idealer OP
Bild VIII-4 Grundschaltung des idealen invertierenden OP der Praxis mit der Gleichung für den „idealen“ OP bei V0 ≥ 60 dB gearbeitet werden. Bezogen auf einen an den Ausgang geschalteten Verbraucher wird der endliche Ausgangswiderstand r′a des realen OP um den Faktor der Schleifenverstärkung g niederohmiger.
ra′ = ra ⋅
Vu V0
(VIII.12)
Die beiden Eingänge E+ und E– sind eigentlich die Basisanschlüsse der Eingangstransistoren der Differenzverstärkerstufe. Es fließt daher ein Basisstrom, daß heißt, in den OP fließen die Eingangsruheströme IN und IP. Obwohl diese Ströme sehr klein sind, können sie infolge der unterschiedlichen Spannungsabfälle an den äußeren Widerständen eine Spannungsdifferenz an den Eingängen des OPs bewirken. Diese Spannungsdifferenz wird verstärkt und würde ohne geeignete Maßnahmen als Störgröße am Ausgang des OPs auftreten. R2
Ausgangswiderstand des beschalteten OP ra′ =
ra V + ra ⋅ u V0 V0
R1
(VIII.8)
Der Eingangswiderstand eines „realen“ OPs ist nicht, wie beim „idealen“ OP angenommen, unendlich groß. Darum gilt:
U1
IN
IP
Bild VIII-6 Kompensation der Eingangsruheströme
U2
R3
Eingangswiderstand des beschalteten OP r′e = R1
(VIII.9)
Beschaltet man einen OP gemäß Schaltung nach Bild VIII-5, so entsteht ein nichtinvertierender Verstärker.
Die Kompensation der Eingangsruheströme läßt sich durch den Widerstand R3 in der Schaltung nach Bild VIII-6 erreichen. Dabei gilt: R3 = R1 储 R2
UD R2 U1
U2 UN
R1
Bild VIII-5 Grundschaltung des idealen nichtinvertierenden OP
Die Verstärkung des nichtinvertierenden OPs hängt nur von der äußeren Beschaltung ab und kann in weiten Grenzen unabhängig von der Leerlaufverstärkung frei festgelegt beziehungsweise eingestellt werden. Gleichung VIII.10 läßt erkennen, daß die Verstärkung Vu nicht kleiner als 1 werden kann, was beim invertierenden OP möglich ist. Spannungsverstärkung Vu = 1 +
R2 R1
(VIII.10)
Bei niedrigen Frequenzen (f < 100 Hz) tritt als Eingangswiderstand r′e der Schaltung der sehr hohe Gleichtaktwiderstand rGl des OPs auf.
(VIII.13)
Die identischen Spannungsabfälle an den beiden Eingängen verhindern eine Differenzspannung an den Eingängen. Soll ein nichtinvertierender OP zur Anwendung kommen, umgeht man diese Schwierigkeit generell durch Verwendung eines OPs mit FET-Eingang. Bei diesen Typen können die Eingangsruheströme ganz vernachlässigt werden. Beim realen OP sind die Transistoren der Differenzverstärkerstufe am Eingang natürlich nicht absolut identisch. Die interne Differenzspannung zwischen UBE1 und UBE2 wird als Offset-Spannung UO bezeichnet. Diese Spannung ist die Ursache dafür, daß die Ausgangsspannung UA am Ausgang ungleich Null ist, auch wenn die Spannung UD am Eingang durch Kurzschließen und auf Masse legen der beiden Eingänge zu Null gemacht wurde . Je nach OP-Typ gibt es verschiedene, vom Hersteller empfohlene Schaltungsmöglichkeiten zur Kompensation der Offset-Spannung UO. Besonders einfach ist die äußere Beschaltung für die Offset-Spannungskompensation beim Typ 741. Nach Bild VIII-7 ist lediglich ein 10 kΩ-Widerstand zwi-
406
Elektronik R2 R1
U1
+UB 2 7 6 3 741 1 5 4
R3 –UB
Bild VIII-7 Kompensation der Offset-Spannung
U2
10k
schen Pin 1 und Pin 5 anzuschließen und abzugleichen. Dieser Abgleich ist in der Weise vorzunehmen, daß bei an Masse gelegtem Eingang des OP die Ausgangsspannung gleich Null wird. Die Kompensation der Eingangsruheströme erfolgt in Bild VIII-7 durch Widerstand R3 nach Gleichung VIII.13. Unerwünschte und unvermeidbare interne Schalt- und Transistorkapazitäten ergeben zusammen mit den Widerständen in den OPs Tiefpässe. Ähnlich wie bei den Transistorverstärkerstufen führt das zu frequenzabhängigen Verstärkungsfaktoren, daß heißt, Vu bleibt nicht konstant bis zu höchsten Frequenzen. Der Frequenzgang ist also nicht linear. Auch die Phasendrehung zwischen Ein- und Ausgang ändert sich und kann aus einer Gegenkopplung eine Mitkopplung machen, so daß die OP-Schaltung „schwingt“. Der OP geht in den Oszillatorbetrieb über, er arbeitet als „Signalgenerator“. Diese unangenehme Nebenwirkung kann mit Hilfe eines RC-Gliedes, das nach Herstellerangaben zu dimensionieren ist, durch Frequenzkompensation vermieden werden. In zahlreichen OP-Typen wird die Frequenzkompensation bereits im Innern des OP vorgenommen.
4 Operationsverstärker als Verstärker In elektronischen Schaltungen werden Verstärker mit unterschiedlichen Verstärkungsfaktoren und mit bestimmtem dynamischen Übertragungsverhalten benötigt. Außerdem sind zusätzlich Schaltungen erforderlich, die diverse Rechenoperationen, wie zum Beispiel Addieren, Subtrahieren, Multiplizieren, Dividieren, Integrieren, Differenzieren ausführen können. Das gewünschte Verhalten kann man durch eine entsprechende Beschaltung eines OP erreichen.
4.1 Verstärker mit frequenzunabhängiger Gegenkopplung Wenn bei OP-Verstärkern im Gegenkopplungszweig ausschließlich ohmsche Widerstände benutzt werden, ist die Gegenkopplung frequenzunabhängig. Dadurch ist die Verstärkung Vu im zulässigen Arbeitsbereich des Verstärkers konstant und unabhängig von der Frequenz des Signals.
Wird R2 < R1, so wird auch Vu < 1. Die Eingangsspannung UE wird nicht verstärkt, sondern gedämpft. Einen Umkehrverstärker mit kontinuierlich einstellbarer Verstärkung (Abgleich von Reglerschaltungen) zeigt die Schaltung nach Bild VIII-8. Die Verstärkung kung wird mit R1, R2 und R3 eingestellt. Offsetspannung und Offsetstrom werden mit R7, R8 und R9 sowie R5 eingestellt. Die Dioden D1 und D2 bilden mit R6 und R10 einen Massepunkt. Hier wird ein OP 761 mit open-collector-Ausgang eingesetzt. R6 6k8 D1 1N4148 UE
D2 1N4148
R2 82k
R7 1k2 R1 10k R5 R8 220 10k R9 1k2
+15V R3 1M
R4 330 UA
761 C1 47pF
R10 6k8
–15V
Bild VIII-8 Umkehrverstärker mit kontinuierlich einstellbarer Verstärkung R2 82k 2
7
6 3 741 1 5 4
UE R1 33k
USt
R3 1M
10k BF 245
UA
Bild VIII-9 Regelverstärker mit kontinuierlicher Einstellung der Verstärkung
Eine kontinuierliche Einstellung der Verstärkung kann mit Hilfe des Feldeffekttransistors in der Schaltung nach Bild VIII-9 vorgenommen werden. In diesem Regelverstärker wird der Vorteil ausgenutzt, daß beim Elektrometerverstärker eine Änderung der Rückkopplungswiderstände keinen Einfluß auf den Eingangswiderstand der Schaltung hat. Der Eingangswiderstand beträgt hier R1 = 33 kW. Der normalerweise hohe Eingangswiderstand eines Elektrometerverstärkers wird in dieser Schaltung also nicht genutzt. Die Verstärkungseinstellung erfolgt durch Änderung des Drain-Source-Widerstandes RDS des FET, der in bestimmten Grenzen durch eine gesteuerte Gleichspannung variiert werden kann. Die Verstärkung dieses Regelverstärkers ist etwa im Bereich von Vu = 1 bis Vu = 150 veränderbar.
VIII Operationsverstärker
407
Die Elektrometerschaltung ist in Bild VIII-10 tragendes Element in dem sehr hochohmigen Spannungsmeßgerät. Der Eingang dieser Meßschaltung wird durch einen Spannungsteiler aus Meßwiderständen gebildet. Er ist so dimensioniert, daß sich die Meßbereiche 100 mV, 1 V, 10 V und 100 V ergeben.
R1 1k8
2 7 6 3 741 1 5 4 UA
0,1V
ZTK 9
R3
Um
20V
R6 1% 9M 1V R7 R1 900k 1% R8 10V 1M 90k 1% 100nF C1 100V R9 10k 1%
R2 1k
99k +15V 7 2 LH 0042 6 3 1 4 5 R5 –15V 10k
10k
100k 0,1mA
Bild VIII-10 Spannungsmeßgerät mit OP in Elektrometerschaltung Der Widerstand R1 dient zur Strombegrenzung in dem OP. Zusammen mit C1 bildet er einen Tiefpaß, dessen Aufgabe es ist, Oberschwingungen und Spannungsspitzen wegzufiltern. Die antiparallelen Dioden zwischen den OP-Eingängen begrenzen die Eingangs-Differenz-Spannung des OP. Der Trimmer R5 ermöglicht einen Abgleich des Meßinstrumentes.
Die Schaltung nach Bild VIII-12 realisiert eine Spannungsquelle mit sehr kleinem Innenwiderstand bei unsymmetrischer Spannungsversorgung des OP. Die Referenzspannung liefert eine Z-Diode. Am Ausgang des OP steht diese Spannung nun mit dem sehr kleinen Ausgangswiderstand des Spannungsfolgers zur Verfügung, während der dynamische Innenwiderstand der Z-Diode Werte von ca. 10 W bis 100 W haben kann. Deshalb kann der Ausgang der Schaltung erheblich stärker belastet werden als bei einer Stabilisierungsschaltung ausschließlich mit Z-Diode. UB R
7 741 4
5
6 1
Uz
UA
R1 10k
UA
UE 10k
Bild VIII-11 Impedanzwandler mit OP
Die Verstärkung Vu eines nicht-invertierenden OPVerstärkers berechnet sich nach Gleichung VIII.10. Läßt man den Wert des Widerstandes R1 gegen ∞ gehen, so wird der Bruchwert zu Null. Das gleiche geschieht, wenn man R2 = 0 W setzt. Die Verstärkung der Schaltung nach Bild VIII-11 wird damit zu Vu = 1, daß heißt, UE = UA. Es gelten die Gleichungen VIII.11 und VIII.12. Ausgangswiderstand r ra′ = a V0
7
6 3 741 1 5 4
R3
3
Bild VIII-13 Konstantspannungsquelle mit einstellbarer Ausgangsspannung
R2
2
2
Bild VIII-12 OP als Spannungsquelle mit sehr kleinem Innenwiderstand
mit
Vu = 1
Um die Ausgangsspannung regel- oder einstellbar zu machen, kann auch die Prinzipschaltung in Bild VIII-13 einer Konstantspannungsquelle verwendet werden. R ⎞ ⎛ Ausgangsspannung U A = ⎜ 1 + 2 ⎟ ⋅ U Z ⎝ R1 ⎠ R
R2
R1
2 3
U2
(VIII.15)
Bild VIII-14 OP als Addierer
7 741 4
5
6 1
(VIII.14)
Diese Schaltung bewirkt also eine Impedanzwandlung, da sie einen hohen Eingangswiderstand und einen sehr niedrigen Ausgangswiderstand hat.
UA
U1 10k
408
Elektronik
Auch hier ist der Ausgangswiderstand durch die hohe Verstärkung des OP sehr klein und kann durch einen nachgeschalteten Spannungsfolger noch gemindert werden. Der Operationsverstärker in der Schaltung nach Bild VIII-14 ist so beschaltet, daß die zwei Eingangsspannungen U1 und U2 elektrisch addiert und verstärkt werden. Ausgangsspannung −UA =
R R ⋅ U1 + ⋅U 2 R1 R2
R ⋅ (U1 + U 2 ) R3
(VIII.17)
R R R ⋅ U1 + ⋅ U 2 + ... + ⋅U n R1 R2 Rn
(VIII.18)
Bei der Dimensionierung eines Addierer muß beachtet werden, daß die maximale Ausgangsspannung eines OP knapp 1 V unter der Versorgungsspannung des OP liegt. R1
R2 2
R1
UE2
B
10k
7
+U B15k 2 7
820 C 500
1k
10k
6 3 741 1 5 4
UA
15k –UB
10k
Sollen Wechselspannungen mit kleiner Amplitude in einer normalen Brückengleichrichterschaltung B2 gleichgerichtet werden, ergibt sich wegen der Schwellenspannungen der Dioden der Nachteil, daß zwischen den positiven Halbwellen am Ausgang je nach Wert der Amplitude mehr oder weniger deutlich Lücken erkennbar sind. Besonders in der Meßtechnik sind Gleichrichterschaltungen erforderlich, die auch kleine Spannungen linear verarbeiten. V1
Bild VIII-15 OP als Subtrahierer
V2 I2 R2
R1
6 3 741 1 5 4
UE1
Bild VIII-16 Subtrahierer als Verstärker in Meßbrücken
1k 1k
Das Minuszeichen in der Gleichung weist lediglich auf die Phasendrehung des invertierenden OP hin. Der Addierer kann auf eine beliebige Anzahl n von Eingängen erweitert und nach folgender Gleichung berechnet werden : Ausgangsspannung −UA =
+UB
(VIII.16)
Setzt man R1 = R2 = R3, so vereinfacht sich die Gleichung zu Ausgangsspannung −UA =
gleichen Verstärkungsfaktor verstärkt und dann subtrahiert werden. Unsymmetrien in der Brücke können mit dem Potentiometer abgeglichen werden. Im Zusammenhang mit Meßbrücken (Brückenschaltung) nach Bild VIII-16 bietet der Subtrahierer die Möglichkeit, die massefreie Brückenspannung in eine massebezogene Spannung umzuwandeln, die dann weiterverarbeitet werden kann.
U1
OP1
V3
U2
V4
UA
R2 10k
Bild VIII-17 OP als Gleichrichter mit massefreier Gleichspannung
Die Schaltung nach Bild VIII-15 ist ein Subtrahierer. Sie entspricht im Prinzip der Schaltung des Differenzverstärkers. Mit ihr wird die zwischen den beiden Eingängen wirksame Spannung verstärkt. Zur Vereinfachung, aber auch um eine Offset-Stromkompensation realisieren zu können, werden die Widerstände nach Bild VIII-15 gewählt. Werden beide Eingänge gleichzeitig angesteuert, so gilt: Ausgangsspannung R U A = 2 ⋅ ( U E2 − U E1 ) R1
(VIII.19)
Mit den gewählten Widerständen arbeitet der Subtrahierer korrekt, da die Eingangsspannungen mit dem
In der Schaltung nach Bild VIII-17, die einen OP mit Brückengleichrichter im Rückkopplungszweig zeigt, muß der Gegenkopplungsstrom wegen des Gleichrichters stets in gleicher Richtung durch den Lastwiderstand in der Brücke fließen. Ein Drehspulinstrument als Lastwiderstand R2 im Querzweig der Brücke zeigt den arithmetischen Mittelwert dieses nichtlückenden Stroms an. arithmetischer Mittelwert I AV =
2 ⋅ I S 2 ⋅U S = p R1 ⋅ p
(VIII.20)
Diese Gleichrichterschaltung B2 ist zur Spannungsversorgung potentialfreier Lastwiderstände, wie zum Beispiel Anzeigeinstrumente geeignet.
VIII Operationsverstärker
409
Soll das gleichgerichtete Meßsignal jedoch einen Lastwiderstand speisen, der einpolig an Masse liegt, so ist die obige Schaltung ungeeignet. Die Schaltung nach Bild VIII-18 besteht aus einem Einweggleichrichter mit OP und einem Addierer. Wenn R1 = R2 = R3 = 2 ⋅ R4 = R6 = R gewählt wird, dann ist US3 = US1. R3
R6
R2 R4 V1 R1
U1
2 7 6 3 741 1 5 4 OP
V2
1
2 7 6 3 741 1 5 4 OP
U2 10k
Frequenzgang der Amplitudenverstärkung ua = f ( w) ue
F=
(VIII.23)
Die Amplitudenverstärkung wird meistens in Dezibel (dB) umgerechnet. Dezibel ist eine logarithmische Maßeinheit und wurde ursprünglich als Maß für die Dämpfung eingeführt. Sie kennzeichnete ein Leistungsverhältnis. Es gilt: Leistungsverhältnis
2
U3
Pa P in dB = 10 ⋅ lg a (dB) Pe Pe
10 dB = 1B (Bel)
(VIII.24)
Oft drückt man auch das Verhältnis zweier Spannungen oder Ströme in dB aus.
10k
Spannungsverhältnis
Zweiweggleichrichter-Schalter Zweiweggleichrichter-Schalter mitOPs mit OPs
Bild VIII-18 Gleichrichter für kleine Spannungen mit OP (Zweiweggleichrichter)
Ua U in dB = 20 ⋅ lg a (dB) Ue Ue
Wird jedoch der Widerstand R6 anders gewählt, so gilt: R Ausgangsspannung U S3 = 6 ⋅ U S1 (VIII.21) R
Die Schaltung nach Bild VIII-19 zeigt einen Integrator mit invertierendem OP. Beim Integrator wird ein Teil der Ausgangsspannung über einen Kondensator auf den invertierenden Eingang des OPs zurückgekoppelt.
Der Zweiweggleichrichter nach Bild VIII-18 liefert eine pulsierende Gleichspannung wie eine normale B2-Schaltung. Ein Drehspulinstrument am Ausgang zeigt wegen seiner mechanischen Trägheit einen konstanten (arithmetischen) Mittelwert an.
4.2 Verstärker mit frequenzabhängiger Gegenkopplung Werden die ohmschen Widerstände, die bisher in den Schaltungen ausschließlich verwendet wurden, durch Kapazitäten oder Induktivitäten ersetzt, ist die Verstärkung Vu für Frequenzen unterhalb f0 nicht mehr konstant. Mit Wechselstromwiderständen ist der Frequenzgang des beschalteten OP definierbar als Frequenzgang Rückführimpedanz F ( jw ) = Eingangsimpedanz
(VIII.22)
Die Darstellung des frequenzabhängigen Übertragungsverhaltens, aufgeteilt in den Frequenzgang der Amplitudenverstärkung in doppeltlogarithmischer Darstellung und den Frequenzgang der Phasenverschiebung linearer Darstellung, wird Bode-Diagramm genannt. Ein BodeDiagramm zeigt, wie ein Baustein ein sinusförmiges Eingangssignal frequenzabhängig an den Ausgang bringt.
(VIII.25)
uC iC
C
iR
Bild VIII-19 Integrierer mit invertierendem OP
R1 ue
ua
Das Bodediagramm eines Integrators zeigt Bild VIII-20, wobei die linke Achse die Verstärkung (gain) in dB und die rechte Achse die Phasenverschiebung (phase range) in Grad (deg) anzeigt (hier für R1 = 100 kW und C = 1 nF). Vu/dB 40
f/Deg
20
–258
0
–266
–20
–274
–40
–282
–60 10
–250
100
1k
–290 100 k 10 k Frequenz in Hz
Bild VIII-20 Bodediagramm eines Integrierers
410
Elektronik
Eine RC-Schaltung verursacht eine Phasenverschiebung der Ausgangsspannung um – 90°. Zusammen mit der Phasenverschiebung des invertierenden OP von – 180° ergibt das die dargestellte Phasenverschiebung von – 270°. Diese ist jedoch identisch mit einer Verschiebung von + 90°. Unter der Voraussetzung, daß der OP ideale Eigenschaften aufweist, gilt die Gleichung: Ausgangsspannung
R1
iC ue
ua
Bild VIII-22 Prinzipschaltung eines Differentiators
t
ua = −
iR
uC
1 ∫ u e dt + U a 0 R1 ⋅ C 0
(VIII.26)
Ua0 ist die Spannung, die zu Beginn der Integration am Ausgang der Schaltung vorhanden ist. Das Produkt R1 ⋅ C = TI wird Integrierzeit genannt. Ist die Eingangsspannung ue(t) = UE = const (also eine Gleichspannung), so ist auch der Strom IR = – IC = const. Damit vereinfacht sich die Integralgleichung zur folgenden linearen Gleichung U ⋅t Ausgangsspannung U A = − E (VIII.27) R1 ⋅ C Somit ist die Ausgangsspannung UA eine lineare Größe und verläuft nicht, wie am Kondensator erwartet, nach einer e-Funktion. Sie kann je nach Polarität der Eingangsspannung nur noch linear ansteigen oder abfallen.
heißt, die Leerlaufverstärkung V0 geht gegen Unendlich, so gilt Ausgangsspannung − u a = R1 ⋅ C
C2
R4 R1
2 3
ue
Bild VIII-23 Reale Schaltung eines Differentiators
R1
7 741 4
(VIII.28)
Die Ausgangsgröße ua des Differentiator hängt also von der zeitlichen Änderung der Eingangsspannung ue ab. Eine konstante Eingangsspannung verursacht beim Differentiator also keine Ausgangsgröße. Die Schaltung eines Differentiators nach Bild VIII-22 ist kaum zu verwenden, da Signale höherer Frequenzen mit der Leerlaufverstärkung V0 verstärkt werden. Mit dem Kondensator C2 (R1 ⋅ C2 ≈ R4 ⋅ C gewählt) in der Schaltung nach Bild VIII-23 kann das durch Störfrequenzen verursachte Rauschen des Differentiators herabgesetzt werden.
Bild VIII-21 Realer Integrierer mit invertierendem OP
C
du e dt
5
R4
6 1
C
ua
R3
2 3
7 741 4
ue
5
6 1 ua
R3
10k 10k
In der Praxis erweist sich eine Schaltung nach Bild VIII-19 als wenig zweckmäßig. Die endliche Gleichtaktunterdrückung, der Eingangsruhestrom und die Drift werden aufsummiert. Der Integrator würde immer in eine Endlage „laufen“. Der Widerstand R3 in der Schaltung nach Bild VIII21 dient zur Kompensation des Eingangsruhestroms. Der Widerstand R4 bestimmt die Gleichspannungsverstärkung Vu beziehungsweise stabilisiert den Gleichspannungsbetriebspunkt. Elektrolytkondensatoren sollten wegen der relativ hohen Leckströme nicht verwendet werden. Durch den theoretisch unendlich großen Eingangswiderstand des OP entlädt sich der Kondensator fast nie. Die Schaltung nach Bild VIII-22 zeigt die Prinzipschaltung eines Differentiators mit invertierendem OP. Betrachten wir den OP wieder als ideal, daß
Die Kreisfrequenz w sollte wegen R4 ⋅ C (Eingangszeitkonstante) geschickt gewählt werden (w << 1/ R4 ⋅ C). Im Bode-Diagramm eines Differentiators ist der Amplitudengang eine Gerade, die mit 20 dB/Dekade ansteigt. In der Schaltung nach Bild VIII-24 wird ein OP als Wechselspannungsverstärker verwendet. Aufgrund der vorhandenen Kondensatoren muß man hinsichtlich AC- und DC-Verstärkung/-Verhalten unterscheiden. So trennt der Kondensator C3 den OP gleichspannungsmäßig von der Signalquelle, während der Widerstand R3 dafür sorgt, daß ein Ruhestrom fließen kann. Der Kondensator C1 macht die Gegenkopplung für DC voll wirksam.
VIII Operationsverstärker
411
ue C3 R3
ua R2
R1
Bild VIII-24 OP als Wechselspannungsverstärker
C1
Z1
+UB
Das bedeutet aber, daß Aus- und Eingang unter Berücksichtigung der Offset-Spannung auf dem gleichen Gleichspannungspotential liegen. Eine Korrektur der Eingangsruheströme und ihrer Spannungsabfälle an R2 und R3 läßt sich leicht vornehmen, indem man R2 ≈ R3 wählt. Die Schaltung stellt insgesamt einen AC-Verstärker mit Hochpaß-Verhalten dar. Die untere Grenzfrequenz fu läßt sich analog zu CR-Gliedern berechnen als 1 untere Grenzfrequenz f u = (VIII.29) 2 p ⋅ R1 ⋅ C1 Der Eingangswiderstand der Schaltung ist praktisch gleich R3. ue C3
70 mA. Lieferbar sind von verschiedenen Herstellern auch Operationsverstärker, die Ausgangsleistungen von 25 W bei einem Ausgangsstrom von 3,5 A bereitstellen. Zu ihrer Realisierung geben Datenblätter die häufig recht einfache externe Beschaltung an. Bei zahlreichen Anwendungen sind noch höhere Leistungen erforderlich, die sich erreichen lassen, wenn dem OP eine Gegentakt-Leistungsendstufe nachgeschaltet wird. Diese Endstufen sind dann meistens mit externen Leistungstransistoren aufgebaut.
R2
E
R1 A V1 –UB
Bild VIII-26 OP-Verstärker mit Leistungsendstufe Bei der Schaltung eines OP-Verstärkers nach Bild VIII-26 ist als Leistungsendstufe ein komplementärer Emitterfolger für B-Betrieb angefügt. Der Gegenkopplungswiderstand R2 des invertierenden OP muß am Ausgang der Endstufe angeschlossen werden. +12V
ua
R3
R2 100k
R2 C1 A
E
R1 10k
R1
Bild VIII-25 NF-Bootstrap-Verstärker mit OP
Hier ist nun eine Variante des Elektrometer-NFVerstärkers hilfreich. Der NF-Bootstrap-Verstärker in der Schaltung nach Bild VIII-25 hat einen besonders hohen Eingangswiderstand. Der Widerstand R3 liegt nicht an Masse, sondern am Punkt A, der eine Wechselspannung führt, die wegen UD_ ≈ 0 V fast genau den gleichen Wert hat wie die Eingangswechselspannung ue. Deshalb fließt durch den Widerstand R3 praktisch kein Wechselstrom. Der Widerstand R3 und damit der Eingangswiderstand dieser Schaltung werden dynamisch (also wechselstrommäßig) hochtransformiert. Die Ausgangs-Offsetspannung ist kleiner als in der oben erwähnten Schaltung.
4.3 OP als Leistungsverstärker Bei Operationsverstärkern vom Typ 741 (Gegentaktausgang) liegt der zulässige Ausgangsstrom bei 20 mA, beim Typ 761 (open collector) liegt er bei
V1
2
7
6 3 741 1 5 4
BC 140 R5 68
A BC 160
R3 10k
–12V
Bild VIII-27 OP mit Gegentakt-Emitterfolger im AB-Betrieb Die Übernahmeverzerrungen in der obigen Schaltung lassen sich mit der Schaltung nach Bild VIII-27 erheblich reduzieren. Dieser nachgeschaltete Gegentakt-Emitterfolger ermöglicht immerhin schon einen zulässigen Laststrom von ungefähr 200 mA. Müssen die Übernahmeverzerrungen auf fast Null reduziert werden, erhöht sich der Schaltungsaufwand erheblich. Hier muß unter Umständen der GegentaktEmitterfolger im AB-Betrieb betrieben werden. Um den Schaltungsaufwand zu reduzieren, wurden Ansteuerschaltungen in integrierter Schaltungstechnik entwickelt. Eine Möglichkeit ist der ICL 8063 nach Bild VIII-28, der für eine Ansteuerung mit dem
412
Elektronik
2N3055
30V R2 9k R1 E 1k
R3 1M 7 6 3 741 1 5 4
C3 1nF
2
C1 1nF
15 16
C2 1 1nF 12
14 13 11
ICL 8063
8
2
7
R4 1M –30V
4
5
R5 0,4/5W
10 9
6
C4
R6 0,4/5W
A
C5
Die Frequenz-Achse ist normiert, so daß der Durchlaßbereich des TP bei f /fg = 1 endet und Spannungen mit Frequenzen f > fg hier mit 60 dB/Dekade oder 18 dB/Oktave bedämpft werden. Das normierte Bode-Diagramm eines aktiven Hochpaß-Filters zeigt, daß der Durchlaßbereich des HP bei f /fg = 1 beginnt und Spannungen mit Frequenzen f < fg mit 60 dB/Dekade oder 18 dB/Oktave bedämpft werden. Bei der Grenzfrequenz fg tritt eine Dämpfung/Verstärkung von 3 dB/Dekade/– 3 dB/Dekade auf.
2N2955
ue R
Bild VIII-28 Leistungs-OP ICL 8063 (Intersil)
R
C
OP-Typ 741 ausgelegt ist. Der Kurzschlußschutz für die beiden angesteuerten Leistungstransistoren ist im IC enthalten. Dem Ausgang der nebenstehenden Schaltung können Ströme bis ca. 3 A entnommen werden.
Netzwerke aus ohmschen, induktiven und kapazitiven Widerständen, die eingesetzt werden, um den Frequenzgang gezielt zu beeinflussen, nennt man Filter. Ideale Tiefpaß-Filter sollen Nutzsignale mit f < fg unverfälscht übertragen und alle Störsignale mit f > fg unterdrücken. Dieses Ziel kann mit konstantem Übertragungsfaktor im Durchlaßbereich (f < fg) und mit starkem Amplitudenabfall oberhalb der Grenzfrequenz erreicht werden. Der Übergang vom Durchlaßbereich zum Sperrbereich (f > fg) sollte sehr steil erfolgen. Durch das Einbringen eines Verstärkerelementes in den Filter erreicht man, daß aus der generellen Dämpfung des Signals eine Verstärkung mit Vu ≥ 1 wird. 0,01
0,1
1
10
100
60 dB/Dekade bzw. 18 dB/Oktave
–50
1 f0 = 2pRC als Grenzfrequenzeiner Filterstufe
In der Schaltung nach Bild VIII-30 sind RC-Glieder mit OPs als Impedanzwandler zu einem Tiefpaß 3. Ordnung zusammengeschaltet. Durch die direkte Gegenkopplung der OPs ist die DC-Verstärkung der Gesamtschaltung gleich eins. Jede der n Filterstufen hat bei der Frequenz f0 eine Dämpfung von 3 dB/ Dekade. Die gesamte Schaltung hat aber bei der Frequenz f0 eine Dämpfung von n ⋅ 3 dB/Dekade. Der Tiefpaß 3. Ordnung nach Bild VIII-30 hat eine Dämpfung von 3 dB/Dekade bei der Grenzfrequenz fg < f0. Oberhalb der Frequenz f0 wird die Ausgangsspannung mit 60 dB/Dekade bedämpft. Diese Schaltung realisiert ein Gauß-Filter, da das BodeDiagramm nach Bild VIII-31 die Gaußfunktion eines Tiefpaß-Filters zeigt.
0 –20 –40 –60
–30 –40
Gauss-Filter 3. Ordnung
Vu/dB 20
1000 v vg
–3 –10 –20
C
Bild VIII-30 Tiefpaß-Filter 3. Ordnung mit OPs
4.4 Aktive Filterschaltungen
v dB
ua
R
C
Bild VIII-29 Normiertes Bode-Diagramm eines aktiven Tiefpaß-Filters
Es gibt sehr viele Schaltungsvarianten zu Aufbau und Ausführung von aktiven Filtern. Man unterscheidet aktive Tief- und Hochpässe sowie selektive Filter wie aktive Bandsperren und Bandpässe. Bild VIII-29 zeigt das normierte Bode-Diagramm eines aktiven Tiefpaß-Filters 3.Ordnung.
–80 10
100
1k
10 k 100 k Frequenz in Hz
Bild VIII-31 Bode-Diagramm eines Gauß-Filters Charakteristikum eines Gauß-Filters ist der relativ flache Einsatz des Amplitudenganges oberhalb der Grenzfrequenz fg. Der flache Einsatz ist aber gemessen am idealen Filter ein erheblicher Nachteil. Dem gegenüber steht der Vorteil dieses Filtertyps, daß bei sprungförmiger Änderung der Eingangsspannung die Ausgangsspannung nicht überschwingt.
IX Elektronische Schalter, Kippstufen
413
Durch Vertauschen von R und C erhält man einen Hochpaß 3. Ordnung. Gauß-Filter höherer Ordnung lassen sich so aufbauen. Es gibt viele Methoden zum Aufbau aktiver Tief- und Hochpaßfilter höherer Ordnung. Bei den meisten Filtern ist ihre Berechnung und Dimensionierung äußerst aufwendig.
C1
Bild VIII-32 Aktive Bandsperre mit OP
C2 R3
R1
v dB –3 –10
0,01
1 rg2 10
0,1 rg1
100
1000
v vg BS TP
–20
HP
–30 –40
Bild VIII-33 Normiertes Bode-Diagramm einer Bandsperre
–50
C3 R2
ue
R1
ua
C1
Um nur bestimmte Frequenzen zu verstärken oder zu unterdrücken, benötigt man selektive Filter. Mit einer Kombination von Hoch- und Tiefpaß kann man selektive Filter aufbauen. Die Schaltung nach Bild VIII-32 zeigt eine leicht berechenbare Bandsperre. Wählt man R1 = R2 = 2 ⋅ R3 und C1 = C2 = C3/2, so gilt für die Mittenfrequenz dieser Bandsperre folgende Gleichung: Mittenfrequenz
f =
1 2 p ⋅ R1 ⋅ C1
R2 C3 C2 R3
ue C4
R4
ua R5
Bild VIII-34 Aktiver Bandpaß
(VIII.30)
Dieses Filter überträgt Signale hoher und tiefer Frequenzen unverändert. In einem bestimmten Frequenzbereich werden jedoch die Signale stark unterdrückt. Bei der Grenzfrequenz (Resonanzfrequenz) hat das Filter einen hohen Übertragungswiderstand. Das Bode-Diagramm nach Bild VIII-33 zeigt das normierte Bode-Diagramm einer Bandsperre. Es ist erkennbar. daß die obere Grenzfrequenz des Tiefpasses unterhalb der unteren Grenzfrequenz des Hochpasses liegt.
Zur Verstärkung bestimmter Frequenzen kann das Doppel-T-Filter in die Rückkopplung als Gegenkopplung des OP geschaltet werden. Die Schaltung nach Bild VIII-34 zeigt einen aktiven Bandpaß. Beim Bandpaß werden Spannungen unterhalb und oberhalb bestimmter Frequenzen bedämpft und das Frequenzband dazwischen unverändert übertragen. In der Regel wird man versuchen, die Signale mit der favorisierten Frequenz zu verstärken.
IX Elektronische Schalter, Kippstufen 1 Transistor als Schalter Wird ein Transistor als Schalter betrieben, so hat er zwei Arbeitspunkte, zwischen denen er im Betriebsfall je nach Betriebszustand wechselt. Der Übergang von einem Arbeitspunkt zum anderen wird durch ein entsprechendes Steuersignal am Eingang des Transistors erreicht. Damit dieser Übergang möglichst schnell ablaufen kann, muß das Steuersignal einen sprungartigen Verlauf im Schaltzeitpunkt haben (Rechteckimpuls).
UB RLast RV E
Bild IX-1 Transistorschalter mit ohmscher Last
414
Elektronik
Bild IX-1 zeigt einen Transistorschalter mit ohmschem Lastwiderstand im Serienbetrieb. Das Kennlinienfeld nach Bild IX-2 zeigt die Anordnung der Arbeitspunkte A1 und A2 auf der Arbeitsgeraden. Die Arbeitsgerade ist die Kennlinie des Kollektorwiderstandes RC, der in diesem Betriebsfall der Lastwiderstand RLast ist. Bei IB = 0 A fließt der sehr geringe Kollektor-Emitter-Reststrom ICEO. Damit ist UCE ≈ UB. Der Arbeitspunkt A1 kann weiter nach unten verschoben werden, indem die Basis beispielsweise auf negatives Potential gelegt wird. IC ICmax A2
Bild IX-2 Ausgangskennlinienfeld mit Arbeitsgerade und Arbeitspunkten IB
A1 I = 0A B UB UCE
Steuert man den Transistor mit einem großen Basisstrom IB an, fließt ein großer Kollektorstrom (Arbeitspunkt A2). Die Spannung UCE nimmt einen minimalen Wert UCE min = UCE sat bei UCB = 0 V an. Der Idealzustand eines Schalters mit R = ∞ W (Arbeitspunkt A1) und R = 0 W (Arbeitspunkt A2) wird von einem Transistorschalter nicht realisiert. Der Transistor erreicht seine Arbeitspunkte jeweils entlang der Arbeitsgeraden. Je mehr ein Transistor übersteuert wird, um so sicherer wird der Arbeitspunkt A2 erreicht und gehalten. Als Folge des überhöhten Basisstroms ergibt sich ein weiter reduziertes UCE sat. Den Grad der Übersteuerung gibt man als den Übersteuerungsfaktor ü an. Er ist das Verhältnis zwischen dem tatsächlich fließenden Basisstrom IB ist und dem Basisstrom IB soll, der eigentlich nur erforderlich wäre, um UCB = 0 V zu erreichen. Im Schalterbetrieb wird ein Transistor meistens übersteuert. Je stärker die Übersteuerung, desto kürzer wird die Einschaltzeit tein des Transistors. Die Einschaltzeit ergibt sich als Summe aus Verzögerungszeit td und Anstiegszeit tr. Die Verzögerungszeit td (delay time) ergibt sich aus der Tatsache, daß die Sperrschichtkapazität CEB am Anfang ungeladen ist und die Emitterdiode in Durchlaßrichtung gepolt werden muß. Die Anstiegszeit tr (rise time) ist eine definierte Größe, d.h., sie ist die Zeit, während der der Ausgangsstrom vom 0,1 auf den 0,9 fachen Endwert ansteigt. Die Einschaltzeit tein wird mit zunehmendem Basisstrom kleiner.
IB
Bild IX-3 Ein- und Ausschaltverhalten des Transistors
–IB
IC
Ausräumstrom
t
90%
10%
td tr t ein
ts tf taus
t
Nachteilig ist jedoch, daß damit die Ausschaltzeit taus des Transistors größer wird. Die Basis-EmitterStrecke wird durch den großen Basisstrom mit Ladungsträgern überschwemmt und muß beim Ausschalten erst von ihnen geräumt werden, um zu sperren. Diese Speicherzeit ts (storage time) ergibt sich aus der Sperrschichtkapazität CCB. Hinzu kommt die Abfallzeit tf (fall time) als definierte Zeitgröße. Den Zusammenhang macht Bild IX-3 deutlich. Die Einschaltzeit läßt sich durch kleine Werte für RB und große Übersteuerung verkürzen. Eine Schaltung zur Realisierung solcher Zustände zeigt Bild IX-4. Der Basisvorwiderstand RB wird durch die Teilwiderstände RB1 und RB2 ersetzt. UCC
Bild IX-4 Schaltung zur Verbesserung des Schaltverhaltens
RC
C1 RB1 ua
RB2
ue
Im Einschaltmoment schließt der Kondensator C1 den Widerstand RB2 kurz, so daß der Basisstrom nur durch RB1 begrenzt wird und somit zur schnellen Übersteuerung führt. Ist der Kondensator geladen, begrenzt der Basisvorwiderstand RB wieder den Basisstrom. Im Ausschaltmoment läuft der gleiche Prozeß mit umgekehrtem Vorzeichen. Übersteuerungsfaktor ü =
I B ist I B soll
(IX.1)
mit I B soll =
IC B
gewählt: ü ≈ 2 ... 10
(IX.2)
IX Elektronische Schalter, Kippstufen
415
mit RC = Rlast:
RC =
UB − U CE sat IC
RB =
UE − U BE IB
Überschlägig kann RB ≈ 10 ⋅ RC gewählt werden. Die Sperrverluste sind sehr klein gegenüber den Durchlaßverlusten und können daher meistens vernachlässigt werden. Verlustleistung im Sperrzustand PSperr = UCE ⋅ ICBO
(IX.3)
Die Durchlaßverluste lassen sich meßtechnisch und rechnerisch recht einfach bestimmen. Verlustleistung im Durchlaßzustand PD = UCE sat ⋅ ICA2 = PV
(IX.4)
Die Umschaltverluste lassen sich nicht so leicht bestimmen, weil die Strom- und Spannungswerte sich während des Umschaltens ständig ändern. Bei einem Schalter mit ohmscher Last sind Ein- und Ausschaltverluste beim Umschalten gleich groß, was bei kapazitiven und induktiven Lasten nicht der Fall ist. In der Praxis sind die wesentlich größeren Ausschaltverluste bei induktiven Lasten besonders zu beachten. Die Berechnung der Umschaltverluste kann allenfalls überschlägig erfolgen. Umschaltverluste PSch ≈ UB ⋅ I Cmax ⋅
( t ein + t aus ) T
In der Praxis werden Transistoren für den Betrieb als Leistungsschalter bezüglich ihrer Verlustleistung meistens recht großzügig ausgewählt. Es muß auf die korrekte Bemessung der Kühlkörper geachtet werden. Auch die Einhaltung der Grenzwerte UCE max und IC max des ausgewählten Transistors muß gewährleistet sein. Das ist besonders wichtig im Hinblick auf den kleinen Kaltwiderstand einer Glühlampe im Einschaltmoment oder auch wegen des hohen Anlaufstroms von Gleichstrommotoren. Relais, Hubmagnete oder Motore haben einen überwiegend induktiven Anteil und können insgesamt durch die Ersatzschaltung einer Spule (Induktivität und ohmscher Spulenwiderstand in Reihe) elektrisch beschrieben werden. In der Schaltung nach Bild IX-5 ist der RLast so gewählt, daß er mit dem in Bild IX-1 übereinstimmt. Die Arbeitsgerade, die sich aus diesem Widerstand ergibt, ist im Kennlinienfeld gestrichelt eingetragen. Auf ihr liegen die statischen Arbeitspunkte A1 und A2. Aufgrund der Selbstinduktionsspannung kann der Kollektorstrom zunächst nur gering ansteigen, was zur Folge hat, daß sich der dynamische Arbeitspunkt dem Arbeitspunkt A2 von unten nähert. Diesen Vorgang zeigt das Kennlinienfeld nach Bild IX-6. Im Moment des Ausschaltens wird die in der Induktivität gespeicherte Energie frei und bewirkt eine hohe Selbstinduktionsspannung, die so gepolt ist, daß UB
(IX.5) LLast
Bei Transistoren im Schalterbetrieb ergibt sich die gesamte Verlustleistung Pges als die Summe der Teilverluste. Verlustleistung Pges = PSperr + PD + PSch
RLast
(IX.6)
Bei Leistungstransistoren liegen die Werte für die Ein- und Ausschaltzeiten im Bereich von 1 ... 3 ms. Wenn die Lasten zudem noch in größeren Zeitabständen geschaltet werden, gilt folgende Vereinfachung
RV
E
Bild IX-5 Transistorschalter mit induktiv-ohmscher Last IC
für T >> ( t ein + t aus ) gilt
ICmax
Pges ≈ PD = U CE sat ⋅ I CA2 = PV
(IX.7)
Für den Impulsbetrieb (im Gegensatz zum Dauerbetrieb) kann eine mittlere Verlustleistung definiert und berechnet werden.
IB
mittlere Verlustleistung Pm = PV ⋅ n =
U2 ⋅n R
(IX.8)
Periodendauer T = t i + t p Tastverhältnis ν =
ti T
IB = 0 A UB
(IX.9)
Bild IX-6 Ausgangskennlinienfeld mit eingezeichnetem Verlauf des Arbeitspunktwechsels
UCE
416
Elektronik
sie als positive Kollektorspannung wirkt. Die Selbstinduktionsspannung erhöht die Kollektor-EmitterSpannung UCE soweit, daß sie größer als die Betriebsspannung UB werden kann. Sie kann Werte erreichen, durch die der Transistor zerstört wird (UCE > UCEO). Der Umschaltvorgang verläuft entlang der dynamischen Umschaltkurve nach Bild IX-6 und macht die Spannungsüberhöhung deutlich. Aus diesem Grund muß ein Transistorschalter im Serienbetrieb mit induktiven Lasten (Relais) vor Überspannungen im Ausschaltmoment geschützt werden.
achtet werden, daß der dynamische Arbeitspunkt nicht zu lange in der Hyperbel verweilt. In der Schaltung nach Bild IX-9 ist die Prinzipschaltung eines Transistorschalters mit einem Kondensator als Lastwiderstand dargestellt. Der Kondensator ist als „reale“ Kapazität dargestellt. UB
CLast
UB LLast
RS
RV
E RLast
Bild IX-9 Transistor mit Kondensator als Last
DS
RV
E
RLast
Bild IX-7 Transistorschalter mit Freilaufdiode
IC ICmax
Ein einfacher, aber wirksamer Schutz ist eine Freilaufdiode, wie sie in der Schaltung nach Bild IX-7 zu sehen ist. Die Freilaufdiode liegt für die Betriebsspannung UB in Sperrichtung und ist somit unwirksam. Erst im Ausschaltmoment, also dann, wenn infolge der Induktionsspannung die Kollektorspannung größer als UB wird, liegt die Diode in Durchlaßrichtung. Der dann fließende Strom IF baut die Energie des Magnetfeldes so rasch ab, daß eine gefährliche Überspannung nicht auftreten kann. Der Widerstand RS begrenzt den Strom durch die Diode auf zulässige Werte und wandelt die magnetische Energie in Wärme um. Die Wirkung dieser Schutzmaßnahme ist im Kennlinienfeld nach Bild IX-6 eingezeichnet. Die Arbeitsgerade kann beim Schalterbetrieb des Transistors nach Bild IX-8 durch die Verlustleistungshyperbel verlaufen, jedoch müssen die statischen Arbeitspunkte außerhalb liegen. Bei induktiver beziehungsweise kapazitiver Last muß darauf gePtot
IC ICmax
A2
Bild IX-8 Ausgangskennlinienfeld mit Arbeitsgerade und Verlusthyperbel IB
A1 IB = 0 A UB
UCE
IB
IB = 0 A UB UCE
Bild IX-10 Ausgangskennlinienfeld mit eingezeichnetem Verlauf des Arbeitspunktwechsels Ohne diesen Parallelwiderstand, der im Kennlinienfeld nach Bild IX-10 als gestrichelte Arbeitsgerade dargestellt ist, wäre ein statischer Betrieb im Arbeitspunkt A2 nicht möglich. Der Wert dieses RLast ist mit dem Widerstandswert nach Bild IX-1 identisch gewählt, um die Wirkung von CLast anschaulicher darstellen zu können. Qualitativer Verlauf und Richtung des Arbeitspunktverlaufs beim Ein- und Ausschalten sind im Kennlinienfeld nach Bild IX-10 eingezeichnet. Je niedriger der Kapazitätswert ist, desto mehr nähert sich die Übergangskennlinie der gestrichelten Arbeitsgeraden. In der Schaltung nach Bild IX-11 wird ein Transistor als Schalter verwendet, um ein Leistungsrelais an den Ausgang eines Digitalgatters (hier NOT-Glied) anzupassen. Liegt der Ausgang des Gatters auf L-Potential, so ist der Transistor gesperrt; bei H-Potential hingegen ist der Transistor leitend und damit das Relais im erregten Zustand.
IX Elektronische Schalter, Kippstufen
417 +5V K1
V2 R1 E
R2
1
V1
Bild IX-11 Transistorschalter als „Interface“
Bild IX-12 Transistorschalter mit Unterstützung zum sicheren Sperren
UCC RC
RB1 ua ue
RB2
Je nachdem, wie ein Kippvorgang ausgelöst oder eingeleitet wird, aber auch nach der Anzahl der stabilen Zustände einer Kippschaltung, unterscheidet man folgende Arten: bistabile Kippstufen, monostabile Kippstufen, astabile Kippstufen und Triggerschaltungen. Die Art der Kippstufen hängt nach Bild IX-13 von der technischen Ausführung der Koppelelemente Z1 und Z2 ab. Sind die Koppelelemente Z1 und Z2, wie hier im Bild dargestellt, ohmsche Widerstände R1 und R2, so ist diese Kippschaltung eine „bistabile Kippstufe“. Ist das Koppelelement Z1 ein ohmscher Widerstand R1, jedoch das Koppelelement Z2 durch das Koppelelement Z4 (C2 und R2) ersetzt, so ist diese Kippschaltung eine „monostabile Kippstufe“. Ist das Koppelelement Z2 weiterhin ein ohmscher Widerstand R2, wird jedoch das Koppelelement Z1 durch das Koppelelement Z3 (C1 und R1) ersetzt, so handelt es sich bei der Kippschaltung ebenfalls um eine „monostabile Kippstufe“. Werden in der Kippschaltung sowohl Koppelelement Z1 durch Koppelelement Z3 wie auch Koppelelement Z2 durch Koppelelement Z4 ersetzt, so handelt es sich bei dieser Kippschaltung um eine „astabile Kippstufe“.
2.1 Bistabile Kippstufe Um zu verhindern, daß auch bei L-Potential der Transistor leitend wird, verwendet man häufig eine Schaltung nach Bild IX-12. Hier reicht das L-Potential häufig nicht aus, um eine Basisvorspannung zu bewirken, die den Transistor leitend werden läßt. In der Signalverarbeitung wird der Transistorschalter meistens an seinem Ausgang durch die Eingangswiderstände nachfolgender Transistorschalter belastet. Diese Belastung kann sowohl gegen Masse als auch gegen die Betriebsspannung UB auftreten.
Eine bistabile Kippstufe nach Bild IX-14, auch „FlipFlop“ (FF) genannt, besitzt zwei stabile Schaltzustände. Hier sind beide Transistorschalter identisch dimensioniert. Es ist erkennbar, daß der Kollektor von V1 direkt auf die Basis des Transistors V2 einwirkt wie auch der Kollektor von V2 direkt auf die Basis des Transistors V1 einwirkt. UB RC1 R1
2 Kippschaltungen mit Transistoren Kippschaltungen bestehen hauptsächlich aus zwei Transistor-Schaltstufen, bei denen gleichzeitig eine Stufe leitend und die andere Stufe gesperrt ist.
RC1
UA1
UB
Z2
Z1
R2
R1
RB1 E1 Z3 R1 C1
UA1
R2
V1
V2 RB1 E2
RB2 E1
Bild IX-14 Bistabile Kippstufe, auch „Flip-Flop“ (FF)
RC2 V2
V1
RC2
UA2
RB2 E2 Z4 R2 C2
Bild IX-13 Gemeinsame Kriterien und Synthese von Kippstufen
Ist der Transistor V2 im Sperrzustand, so ist V1 leitend und damit UA1 ≈ UCE sat. Die Basis des Transistor V1 liegt über den Widerstand R2 und RC2 an UB. Somit liegt die Basis von V2 über R1 und RC1 an UCE sat1 von V1 und ist sicher gesperrt. Je nachdem, welcher der beiden Transistoren als erster durchsteuert, stellt sich ein bestimmter, aber dann nicht von selbst veränderbarer Zustand an den Ausgängen ein. An die Basisanschlüsse der Transistoren V1 und V2 nach Bild IX-14 sind die Eingänge E1 und E2 angebunden. Geht man von obiger Darstellung aus, daß heißt, V1 leitend und V2 gesperrt, und bringt man
418
Elektronik
nun auf den Eingang E1 einen positiven Spannungsimpuls UE1, so wird V2 leitend und V1 gesperrt und damit UA1 ≈ UB. Dies hat zur Folge, daß die Basis von V2 über R1 auf UB gehalten wird und der Transistor V2 leitend bleibt. Bringt man nun auf den Eingang E2 einen positiven Spannungsimpuls UE2, so wird V1 leitend. Die beiden positiven Spannungsimpulse auf E1 und E2 haben also den ursprünglichen Zustand wiederhergestellt. Die Werte für UA1 und UA2 sind einander entgegengesetzt. Zum Umschalten in den jeweils entgegengesetzten Zustand ist nur ein kurzzeitiger Eingangsimpuls am jeweiligen Steuereingang erforderlich. Der dann eingenommene Zustand wird solange gespeichert, bis ein entsprechender Impuls am anderen Eingang einen neuen Zustand herbeiführt. Aus diesem Grund können Flip-Flops (bistabile Kippstufen) in der Digitaltechnik als Informationsspeicher eingesetzt werden. Beim Anlegen der Spannung UB an ein FF tritt ein beliebiger, aber stabiler Ausgangszustand ein, der nur von den Parameterstreuungen der Transistoren abhängt. UB RC1
RC2 R1
V3
Parallelkondensatoren CK ≤
RC + R B 4 , 6 ⋅ f ⋅ RC ⋅ R B
(IX.12)
mit der Frequenz der Eingangssignale f =
f ein 2
2.2 Monostabile Kippstufe Es gibt zwei Versionen der monostabilen Kippstufe (Bild IX-13). Sie werden mit Kennzeichnung der Eingänge E1 und E2 vorgestellt. Ein positives Signal auf den Eingang E2 läßt das Monoflop nach Bild IX-16 vom stabilen Zustand in den nichtstabilen Zustand kippen. Nach einer von der Schaltungsdimensionierung abhängigen Zeit ti kippt er von selbst in die stabile Schaltstellung zurück und kann nach einer bestimmten Zeit trec erneut gesetzt werden. UB RC1
R2 R1
UA1
RC2 C2
V1
V2
UA2
RB2
R2 E2
UA1
V1
V3 RB1
RB2
E1
E2
UA2
Bild IX-15 Bistabile Kippstufe mit definiertem Grundzustand Soll nach dem Anlegen der Spannung UB ein definierter Ausgangszustand festliegen, so muß die Schaltung nach Bild IX-14 entsprechend Bild IX-15 modifiziert werden. Die Diode V3 bewirkt in dieser Schaltung, daß der Transistor V1 immer vor dem Transistor V2 leitend wird und nach dem Einschalten der Versorgungsspannung somit UA1 ≈ UCE sat ist. Berechnet werden kann eine solche Schaltung prinzipiell nach folgenden Gleichungen (UBE und UV3 vernachlässigt): Kollektorwiderstand RC1 = RC2 =
U B − U CE sat IC
≈
UB IC
(IX.10)
1 ⋅ RC ⋅ B (IX.11) ü Durch weitere Maßnahmen, wie zum Beispiel Parallelschaltung von Kondensatoren zu den Widerständen R1 und R2, kann die Flankensteilheit der Ausgangsspannungen verbessert werden.
Vorwiderstand
R1 = R2 =
Bild IX-16 Prinzipschaltung einer monostabilen Kippstufe Beim Anlegen der Versorgungsspannung UB wird der Transistor V1 leitend, weil sein Basisstrom über RC2 und R2 größer ist als derjenige nach V2. Der Kondensator C2 wird über RC2 geladen, daß heißt, die Spannung UC2 am Kondensator ist am Ende des Ladevorganges gleich der Spannung UB. Es fließt kein Strom mehr über C2 in die Basis des Transistors. Lediglich der normale Basisstrom IB fließt über R2 zu. Die Spannung UBE am Transistor V1 beträgt ca. 0,7 V. Ein positives Signal auf den Eingang E2 läßt den Transistor V2 leitend werden, wodurch die Spannung an der Basis von V1 auf einen Wert von UBE = – UB heruntergezogen wird, da der positive Anschluß von C2 auf Masse gelegt wird. Der Transistor V1 sperrt infolgedessen. Der Kondensator C2 beginnt nun damit, sich über den Widerstand R2 auf die Batteriespannung + UB umzuladen. Wenn sich der Kondensator auf UBE = + 0,7 V umgeladen hat, wird der Transistor V1 wieder leitend und damit UA1 ≈ 0 V. Schaltzeit t i = R2 ⋅ C 2 ⋅ ln 2
(IX.13)
Der Kondensator C2 muß sich wieder in den normalen Zustand umladen, also von ca. 0 V auf UC2 = + UB. Man spricht hier von der Erholzeit t rec = 5 ⋅ RC2 ⋅ C 2
(IX.14)
IX Elektronische Schalter, Kippstufen
419
Die nächste Triggerung (positives Signal an E2) des Monoflops sollte nicht vor Ablauf der Erholzeit erfolgen, da sonst C2 nicht voll aufgeladen wird und die Schaltzeit „unkalkulierbar“ verkürzt wird. Mit handelsüblichen Bauteilen lassen sich Impulszeiten von ca. 10 ms bis maximal 10 s erreichen. Bei Verwendung von FET können längere Zeiten erreicht werden.
Gleichstrommäßig sind die beiden Transistorschalter so ausgelegt, daß sie bei fehlenden Kondensatoren voll leiten würden. Die Frequenz der Ausgangsspannung sowie das Impuls-Pausen-Verhältnis hängen von den Zeitkonstanten der beiden RC-Glieder R2 ⋅ C2 beziehungsweise R1 ⋅ C1 ab. Periodendauer T = ( R1 ⋅ C1 + R2 ⋅ C 2 ) ⋅ ln 2
UB > 6V RC1
R1
12V CQY 26
RC2
CQY 26 390
R2
C1
V2
V1
UA2
V3
RB1
33k
33k
0,047m
E1
0,047m BC 107
2.3 Astabile Kippstufe Im Prinzip ist eine astabile Kippstufe nach Bild IX-18 eine geschickte Kombination zweier Monoflops ohne Eingänge. Beide Monoflops sind so geschaltet, daß sie sich jeweils nach Ablauf der durch die Zeitglieder bestimmten Schaltzeiten gegenseitig triggern (schalten). Da beide Schalter nur noch über Kondensatoren wechselstrommäßig miteinander gekoppelt sind, hat die Schaltung zwei instabile Zustände. Sie kippt daher fortlaufend von einem instabilen Zustand in den anderen und erzeugt dabei eine Ausgangsspannung mit einem kontinuierlichen, rechteckförmigen Verlauf (Rechteckgenerator).
R1 C1
Die Blinkschaltung in Bild IX-19 ist in dieser Form verwendbar. Die Dioden vor der Basis der Transistoren haben die gleiche Funktion wie in Bild IX-17 beschrieben.
2.4 Triggerschaltungen Als Schmitt-Trigger wird eine Kippschaltung bezeichnet, die beim Überschreiten einer bestimmten Eingangsspannung UE1 vom Ruhezustand in den Arbeitszustand kippt und erst beim Unterschreiten einer bestimmten Eingangsspannung UE2 wieder in den Ruhezustand zurückkippt. Schmitt-Trigger nach Bild IX-20 werden häufig als Schwellenwertschalter eingesetzt. Wie bei jeder Kippschaltung erfolgt das Kippen stets sprunghaft, so daß auch bei einem beliebigen Verlauf der Eingangsspannung die Ausgangsspannung eines Schmitt-Triggers rechteckförmig ist und nur die beiden Spannungswerte UA min und UA max erscheinen, also ein digitales Signal vorliegt. Da das Kippen meistens schnell erfolgt, ergeben sich steile Flanken. Das Eingangssignal ist ein analoges Signal; der Schmitt-Trigger kann also als Analog-Digital-Wandler gelten. UB RC1
RC2
RC2
R2 C2
R1 V1
UA1 V1
(f = 0,5Hz)
Bild IX-19 Blinkschaltung mit LEDs
UB RC1
BA 170
Blinkschaltung mit LEDs
Wegen ti ≈ trec ist für ti durch C2 eine untere Grenze T liegt. gegeben, die praktisch bei t i ≈ 10 Im Moment der Triggerung liegt die volle negative Batteriespannung UB an der Basis-Emitter-Strecke des Transistors und beansprucht sie in Sperrichtung. Diese BE-Strecken haben aber schon bei Spannungen um 6 V ihre Durchbruchspannungen, wodurch dieser pnÜbergang stark gefährdet ist. Die Zeit ti wird durch die schnelle Entladung des Kondensators stark verkürzt. Abhilfe schafft hier die Diode V3 nach Bild IX-17.
390
BC 107 BA 170
Bild IX-17 Verbesserte monostabile Kippstufe
V2
UA2
V2 R2
UE
Bild IX-18 Prinzipschaltung einer astabilen Kippstufe
(IX.15)
RE
URE
UA
RL
Bild IX-20 SchmittTrigger als Schwellenwertschalter
420
Elektronik
Über den gemeinsamen Emitter-Widerstand RE liegt eine gleichstrommäßige Mitkopplung zwischen den beiden Transistoren vor. Der Spannungsteiler aus R1 und R2 muß so dimensioniert sein, daß V2 mit der sich einstellenden Emitterspannung URE voll durchgesteuert ist. Die Ausgangsspannung UA min ist die Summe aus URE + UCE sat. Der Schmitt-Trigger befindet sich jetzt im Ruhezustand. Er bleibt im Ruhezustand, solange die Eingangsspannung UE < UE1 ist, wobei UE1 die obere Schwellspannung des Schmitt-Triggers darstellt. Die Mitkopplung bewirkt, daß der Schmitt-Trigger bei einer Erhöhung von UE über UE1 hinaus sehr schnell vom Ruhezustand in den Arbeitszustand kippt, wobei V1 leitend und V2 gesperrt (UA max = UB) ist. Dieser Arbeitszustand bleibt solange erhalten, wie UE > UE2 ist. Wird die Eingangsspannung UE < UE2, kippt der SchmittTrigger in den Ruhezustand zurück.
UB RC1
R3
K
C1
V3
R1
V1
V2 R2
Bild IX-22 Lichtabhängiger Schwellenwertschalter
V4 RE
URE
Dämmerungsschalter Dämmerungsschalter
Ruhelage 2: V1 leitend, V2 gesperrt mit UE > UE2 Ausschaltspannung
UA
Bild IX-21 Übertragungskennlinie des Schmitt-Triggers
U E2 = U RE1 + U BE1 = I C1 ⋅ R E + U BE1
Kollektorstrom
I C1 =
U B − U CE sat1
(IX.20)
RC1 + R E
Ausgangsspannung U A = U B (Leerlauf)
–UE
UE2 UE1
(IX.19)
(IX.21)
Hilfreich zur Berechnung ist die Überlegung, daß beim Ausschalten für den Ausschaltmoment IC1 = IC2 sein muß! (IX.22) Hysteresespannung DUE = UE1 – UE2
UE
Die Spannungsdifferenz zwischen UE1 und UE2 wird als Schalthysterese des Schmitt-Triggers bezeichnet. Der Zusammenhang zwischen Ein- und Ausgangsspannung wird in Bild IX-21 in Form der Übertragungskennlinie dargestellt. Die Flankensteilheit kann durch Parallelschalten eines Kondensators zu R1 verbessert werden. Sprunghafte Änderungen des Kollektorpotentials von Transistor V1 wirken sich so schneller auf V2 aus. Bei dem lichtabhängigen Schwellenwertschalter nach Bild IX-22 wird der Schaltvorgang bei einer bestimmten Beleuchtungsstärke ausgelöst. Solange auf die Fotodiode V4 kein Licht fällt, ist diese hochohmig, V1 leitend und damit V2 gesperrt. Fällt ausreichend Licht auf V4, kippt der Trigger und das Relais K zieht an. Als Hilfe zur Berechnung eines Schmitt-Triggers können folgende Überlegungen dienen: Ruhelage 1: V1 gesperrt, V2 leitend mit UE < UE1
3 Operationsverstärker als Schalter Wird ein OP ohne Gegenkopplung betrieben, so ist seine Leerlaufverstärkung V0 voll wirksam. Legt man den OP nach Bild IX-23 mit dem invertierenden Eingang auf Masse und an den nichtinvertierenden Eingang eine variable Spannung, so ist diese Eingangsspannung UE auch gleichzeitig die Differenzspannung UD, die mit V0 verstärkt als Ausgangsspannung UA an den Ausgang des OP gelangt. Durch die sehr hohe Leerlaufverstärkung (beim idealen OP ist V0 = ∞) gelangt der OP schnell in die Sättigung, daß heißt die Ausgangsspannung erreicht schnell die positive oder negative Aussteuergrenze des jeweiligen OP nach Bild IX-24. R1
UA
UE
Einschaltspannung U E1 = U RE2 + U BE1 = I C2 ⋅ R E + U BE1
Kollektorstrom
I C2 =
U B − U CE sat RC2 + R E
Ausgangsspannung U A = U RE2 + U CE sat2
(IX.16)
Bild IX-23 Nichtinvertierender OP als Schalter (IX.17) Beispiel: Die Aussteuergrenze eines OP soll UA = ±12 V und die
(IX.18)
Leerlaufverstärkung V0 = 105 betragen. Es gilt:
UA = UD ⋅ V0 ⇒ UD = UA/V0 = ±12 V/105 = ±0,12 mV
IX Elektronische Schalter, Kippstufen
421
UA
so kehren sich die oben dargestellten Überlegungen um (siehe Bild IX-26). Der Schaltpunkt dieser Schwellwertschalter liegt also bei einer Spannung UE nahe 0 V.
–UE
UE
–UA
Bild IX-24 Übertragungskennlinie eines Komparators nach Bild IX-23
Demnach reicht eine Eingangsspannung von ± 0,12 mV aus, um den OP an die jeweilige Aussteuergrenze zu bringen. Der Signalwechsel am Ausgang findet also theoretisch immer beim Polaritätswechsel der Eingangsspannung statt. Der OP realisiert einen Komparator ohne Hysterese (Komparator = Spannungs-Vergleicher; to compare: engl. = vergleichen).
4 Kippschaltungen mit Operationsverstärker 4.1 Triggerschaltungen mit Operationsverstärker Ein Schwellwertschalter ohne Hysterese ist in der Praxis kaum verwendbar, denn die dem eigentlichen Signal überlagerten Störspannungen führen zum mehrfachen Umschalten. Bild IX-27 Schwellwertschalter mit Hysterese
R3 R1
UE
R1
UA R2
UE
UA
Bild IX-25 Schaltung eines invertierenden Komparators UA
Bild IX-26 Übertragungskennlinie eines invertierenden Komparators
UE
–UE
–UA
Durch Mitkopplung lassen sich Schaltungen realisieren, die diese Hysterese aufweisen. In der Schaltung nach Bild IX-27 wird die Spannung am Widerstand R2 mitgekoppelt. Weil die Eingangsspannung auf den invertierenden Eingang geführt wird, heißt diese Schaltung „Invertierender Komparator mit Hysterese“. Die Ausgangsspannung kann nur zwei definierte Werte annehmen, nämlich UA ≈ ± UB. R2 (IX.23) Mitkopplungsspannung U R2 = U B ⋅ R2 + R3 Wenn das Eingangssignal UE den Wert von UR2 erreicht, kippt die Ausgangsspannung von + UB nach – UB um. Der Grund liegt darin, daß die Differenzspannung UD ihren Nullpunkt durchläuft. Nun liegt der nichtinvertierende Eingang wegen des Spannungsteilers aus R2 und R3 auf einem negativen Potential, nämlich auf – UR2. UA
Natürlich ändert sich die Ausgangsspannung nicht in unendlich kurzer Zeit. Die Anstiegsgeschwindigkeit (slew rate) der Ausgangsspannung des OP 741 liegt zum Beispiel bei 1 V/ms, daß heißt, der Wechsel der Ausgangsspannung von der positiven zur negativen Aussteuergrenze (und umgekehrt) dauert im obigen Beispiel ca. 24 ms. Außerdem muß eine zusätzliche „Erholzeit“ infolge der Übersteuerung des OP berücksichtigt werden. Legt man nach Bild IX-25 den nichtinvertierten Eingang auf Masse und an den invertierten Eingang die Eingangsspannung nach nebenstehender Schaltung,
–UE
UE2
–UA
Bild IX-28 Übertragungsverhalten eines Komparators mit Hysterese
UE1
UE
422
Elektronik
Wenn das Eingangssignal den Wert von – UR2 erreicht, kippt die Ausgangsspannung von – UB nach + UB um. Die rückgekoppelte Spannung UR2 des Spannungsteilers stellt also die Ein- und die Ausschaltschwelle des Komparators dar. Das Übertragungsverhalten des Komparators ist in Bild IX-28 dargestellt. Die Schaltpunkte liegen symmetrisch um das Nullpotential. Der Betrag der Schalthysterese ist also die Summe aus UE1 und UE2 und läßt sich berechnen als Hysteresespannung UHy = 2 ⋅ UB ⋅
Beispiel: Ein invertierender Komparator (mit idealem OP) soll
für die Schaltpunkte UE1 = 10 V und UE2 = 8 V berechnet werden. Die Aussteuergrenzen des OP liegen bei UA = ± 12 V. R3 = R4 = 100 kW und R2 = 33 kW. Zu bestimmen sind die Referenzspannung, die Mitkopplungsspannung U2 und der Wert von R2. Lösung: In zwei Schaltbilder sind die Potentiale unmittelbar vor dem Signalwechsel von UA einzutragen. Daraus kann man erkennen: Die Hysterese beträgt 2 V. Die Spannung am Punkt A verändert sich nur um 1 V infolge der Spannungsteilung durch R3 und R4, wenn sich die Eingangsspannung von 10 V auf 8 V ändert. Dieselbe Spannungsänderung muß durch die Mitkopplungsspannung U2 erfolgen; somit muß U2 = 0,5 V sein. Damit kann R2 als Teilerwiderstand berechnet werden. Wegen R3 = R4 und theoretisch unendlich großem OP-Eingangswiderstand ist UR3 = UR4. Mit UD = 0 V gilt im Schaltaugenblick: UR3 = 10 V – 0,5 V = 9,5 V. Damit ergibt sich als Referenzspannung URef = – 9 V!
R2 (IX.24) R2 + R3
Sollen die Schaltpunkte nicht symmetrisch um das Nullpotential liegen, muß der jeweils benutzte Eingang auf den gewünschten Spannungswert (Referenzspannung) mit umgekehrtem Vorzeichen gelegt (vorgespannt) werden.
UB R3
R5
UA
–UE
Bild IX-29 Übertragungskennlinie eines Komparators mit einstellbarer Schaltschwelle U E2
UE1
R1
R4
I UE
Q UA
R2
UE
Bild IX-31 Komparator mit einstellbarer Schaltschwelle und einstellbarer Hysterese UA
–UA
–URef R4 R3
Bild IX-32 Übertragungskennlinie zum Komparator nach Bild IX-31
Bild IX-30 Komparator mit frei wählbaren Schaltpunkten
A
–UE
R1 UE
UA U2 R2
Die Ausgangsspannung UA ist wiederum die positive oder negative Aussteuergrenze des OP. Die Übertragungskennlinie nach Bild IX-29 zeigt das prinzipielle Schaltverhalten. Der OP in der Schaltung nach Bild IX-30 schaltet um, wenn das Potential am Punkt A den Wert Null durchläuft. Mit den Widerständen R1 und R2 sind die Ein- und Ausschaltpunkte im Zusammenhang mit R3 und R4 einstellbar. In dieser Schaltung sind die Schaltpunkte völlig frei wählbar.
UE2 UE1
UE
Die Schaltung nach Bild IX-31 zeigt einen invertierenden Komparator, bei dem Schaltschwelle und Hysterese mit Hilfe der Potentiometer R5 und R3 eingestellt werden. Der OP liegt an einer unsymmetrischen Versorgungsspannung, so daß die Ausgangsspannung UA entsprechend der Übertragungskennlinie nach Bild IX-32 maximal zwischen 0 V und UB springen kann.
4.2 Astabile Kippstufe mit Operationsverstärker Beschaltet man den Eingang eines invertierenden Komparators (mit Hysterese) nach Bild IX-33 mit einem RC-Glied, das seine Spannung vom Ausgang des OP bezieht, so erhält man eine astabile Kippstufe.
IX Elektronische Schalter, Kippstufen
423
Die Mitkopplungsspannung U2 hat dieselbe Polarität wie die Ausgangsspannung und wird durch den Spannungsteiler erstellt.
Bild IX-33 Astabile Kippstufe mit OP
R3 OP1
UA U2 C
R2
Der Kondensator lädt sich über den Widerstand R3 auf die Spannung UA auf. Erreicht die Kondensatorspannung uc den Wert von U2, so kippt der Ausgang, und der Kondensator lädt sich in die andere Richtung um. Dieser Vorgang wiederholt sich kontinuierlich. U + U2 Impulsdauer t i = R3 ⋅ C1 ⋅ ln A U A − U2
(IX.25)
Da ti = tp ist und somit T = 2 ⋅ t und außerdem U2 ersetzbar ist, erhält man für die Periodendauer R ⎞ ⎛ T = 2 ⋅ R3 ⋅ C1 ⋅ ln ⎜ 1+ 2 ⋅ 2 ⎟ ⎝ R1 ⎠
U A + 0, 7 V U A − U2
4.3 Monostabile Kippstufe mit Operationsverstärker Schaltet man parallel zum Kondensator C1 nach Bild IX-34 eine Diode V1, dann sorgt die Schleusenspannung US der Diode dafür, daß der Kondensator sich nur in einer Richtung bis zur Mitkopplungsspannung U2 laden kann (Voraussetzung: U2 > US gewählt). Die Schaltung kann nur nach einem der beiden Ladevorgänge kippen. Es handelt sich also um eine monostabile Kippstufe.
Bild IX-34 Monostabile Kippstufe mit OP
R3
UE
t UA
U2 > 0,7V
U2
ue
0,7V
t
–U2 –UA
uc trec
ti
(umladen über R3)
Bild IX-35 Liniendiagramm einer monostabilen Kippstufe Der Kondensator lädt sich aber jetzt nur auf die Schleusenspannung US der Diode, so daß ein weiterer Kippvorgang nicht ausgelöst wird. Wird die Diode umgepolt, so ist der Ablauf genau umgekehrt zu verfolgen. Die Zeit trec, die der Kondensator benötigt, um sich von – U2 auf US aufzuladen, sollte bis zum nächsten Abrufen des Zeitgliedes verstreichen, da sonst ti nicht immer gleich ist.
4.4 Bistabile Kippstufe mit Operationsverstärker Eine bistabile Kippstufe mit OP stellt die Schaltung nach Bild IX-36 dar. +U
Bild IX-36 Bistabile Kippstufe mit OP
R2
Reset R1
R1
A
UA UE
V1
C1
(IX.27)
(IX.26)
Mit f = 1/T läßt sich die Taktfrequenz der astabilen Kippstufe berechnen. Die Ausgangsspannung ist eine Rechteckspannung mit positiver und negativer Amplitude (Rechteckgenerator).
UC
Impulsdauer t i = R3 ⋅ C1 ⋅ ln
Abgerufen wird hier die Zeit ti, indem man für einen Moment den nichtinvertierenden Eingang des OP negativer als den invertierenden Eingang macht. Dadurch kippt der OP am Ausgang auf – UA, der nichtinvertierende Eingang wird somit auf – U2 gelegt, und der Kondensator lädt sich nach Bild IX-35 um. Wird uC = – U2, so kippt der OP erneut.
R1
uC
Die Ausgangsspannung wird für eine bestimmte Zeit ti auf einem bestimmten Pegel gehalten. (Timer, Zeitglied). Die Polarität der Ausgangsspannung wird von der Richtungslage der Diode V1 bestimmt.
R2
Set
R3
R4
424
Elektronik
Die Wirkungsweise der Schaltung ergibt sich aus dem Aufbau. Der Schaltungsaufwand ist sehr gering gegenüber dem Aufwand, der betrieben werden muß bei der Realisierung einer solchen Schaltung mit Transistoren. Auch die Schaltschnelligkeit des OP ist deutlich höher.
UB 1
R1 uc
UTr
C
UA CB
5 Zeitgeber 555 Monostabile und astabile Kippschaltungen lassen sich für zahlreiche Anwendungen mit einer integrierten Standardschaltung realisieren, die als Zeitgeber mit der Typenbezeichnung IC 555 (Bild IX-37) bekannt ist. 1
VCC
Trigger/Set
Discharge
Output
Threshold
Reset
Control Voltage
IC 555 CMOS-Version 7555
22 100k
V1
Bild IX-39 Nachtriggerbarer Timer mit dem IC 555 Das „Nachtriggern“ wird solange fortgesetzt, bis eine ausreichend lange Impulslücke auftritt. Die Verweilzeit t′i nach dem letzten Impuls hängt allerdings auch von VCC ab. Der IC 555 ist auch als astabile Kippstufe einsetzbar. Während der Impulsdauer ti ist die Ausgangsspannung Ua ≈ VCC. Impulsdauer ti und Pausendauer tp sind unabhängig voneinander einstellbar.
Bild IX-37 Belegungsplan eines IC 555
UB R1
1
Der Timer-IC 555 ist in der Schaltung nach Bild IX-38 als monostabile Kippstufe beschaltet. Die Verweilzeit ti hängt nur von dem zeitbestimmenden RC-Glied und nicht von der Betriebsspannung des IC ab. Pin 2 ist der „Set“-Eingang, der auf die negative Flanke des Set-Signals reagiert.
V2
555
555 R2 Ua CB
C
UB
1
Bild IX-40 Astabile Schaltung mit dem IC 555
R1 555
UTr
C
UA
UB
uC
R1
1
CB
555 A
Bild IX-38 Timer-IC 555 als monostabile Kippstufe An Pin 5 ist stets ein Kondensator CB = 10 nF gegen Masse zu schalten. Bei einer Versorgungsspannung von VCC = + 5 V ist der Ausgang TTL-kompatibel; während der Verweilzeit ti ist Ua ≈ VCC. Die Zeit kann zwischen 1 ms und ca. 15 min liegen. Verweilzeit ti = R1 ⋅ C ⋅ ln 3
(IX.28)
Die einfache monostabile Kippstufe ist in der Schaltung nach Bild IX-39 zu einer nachtriggerbaren monostabilen Kippstufe erweitert worden. Gibt man innerhalb der Verweilzeit ti einen erneuten Impuls mit negativer Flanke auf den Trigger (Pin 2), so wird dadurch das Rückkippen der KS verzögert. Bei einer schnellen Folge von Impulsen kann dadurch das Rückkippen der KS beliebig verzögert werden.
CB
Bild IX-41 Lichtabhängiger Trigger mit dem IC 555 Für die astabile Schaltung nach Bild IX-40 gelten folgende Regeln: (IX.29) Impulsdauer t i = ( R1 + R2 ) ⋅ C ⋅ ln 2 Pausendauer t p = R2 ⋅ C ⋅ ln 2
(IX.30)
Als Trigger wird der IC 555 in der Schaltung nach Bild IX-41 verwendet. Fällt Licht auf den Fototransistor, wird er niederohmig, und die abfallende Flanke triggert den IC 555, der aufgrund der Ausgangsspannung Ua ≈ VCC und des Ausgangsstroms (max. 200 mA) unmittelbar ein Relais schalten könnte.
X
Oszillatoren
425
6 Trigger TCA 345 A Neben einer Vielzahl an Triggern, z.B. aus der TTL-Typenreihe 74xx und der CMOS-Typenreihe 40xx, gibt es auch andere Trigger-IC-Typen. Der TCA 345 A nach Bild IX-42 ist einfach in eine Schaltung zu integrieren und durch die Auswahl der Versorgungsspannung UB leicht entsprechend dem
1 I UCC
TCA 345 A
UI V 7 Q 6 5 4 3 2 1
Schaltzeichen, allgemein
10V
RPY63 R1 2 1 4 5k6
3 R2 R3
TCA 345A
Bild IX-43 TCA 345Applikation als Dämmerungsschalter
2k
UEin
Hysterese
UAus
2 4 6 8 10 12 14 16 UB V
Bild IX-42 TCA 345 mit Belegungsplan und Übertragungskennlinie
zugehörigen Diagramm auf bestimmte Schwellwerte und zugehörige Hysteresespannungen einzustellen. Die Schaltung nach Bild IX-43 zeigt einen Dämmerungsschalter mit dem LDR RPY 63 und dem TCA 345 A. Die Schaltung wird mit dem Poti R2 so abgeglichen, daß bei Tageslicht (LDR niederohmig) die Eingangsspannung des TCA größer als UEin ist, so daß der Ausgang (Pin 4) auf 10 V liegt. Dadurch wird ein Schalten des Relais verhindert. Nach Einbruch der Dunkelheit unterschreitet die Eingangsspannung den Wert von UAus und das Relais zieht an.
X Oszillatoren 1 Allgemeines Oszillatoren sind elektronische Schwingungserzeuger. Sie dienen zur Erzeugung von ungedämpften sinusförmigen Schwingungen. Einsatzgebiete liegen vor in Sendern (Erzeugung der Hochfrequenz), Empfängern (Bildung der Zwischenfrequenz), Meßgeräten (Sinus, Rechteckgeneratoren) und elektronischen Musikinstrumenten (Synthesyser). Oszillatoren bestehen aus einem Verstärker und einem Rückkopplungsnetzwerk, das meistens eine Mitkopplung darstellt. Diese Rückkopplung muß bestimmte Bedingungen erfüllen, damit Sinusschwingungen entstehen. Das Rückkopplungsnetzwerk besteht aus einem Resonator und einer Anpassungsschaltung. Unter einem Resonator ist ein schwingungsfähiges Netzwerk, zum Beispiel ein Schwingkreis oder ein Schwingquarz, zu verstehen, das mit seiner Eigenfrequenz die Schwingfrequenz des Oszillators bestimmt. Da ein Resonator normalerweise verlustbehaftet ist, würde nach dem Anschwingen die Ausgangsamplitude exponentiell abnehmen, so daß eine gedämpfte Schwingung statt der gewünschten ungedämpften Schwingung zustande käme. Die Verluste der Schaltung müssen also durch einen Verstärker kompensiert werden.
Deshalb wird ein Teil der Ausgangsgröße (Spannung oder Strom) auf den Resonator zurückgeführt, so daß die Schwingung des Resonators erneut angestoßen wird (Selbsterregung). Eine Selbsterregung kann nur bei einer Phasengleichheit von Eingangs- und Ausgangsgröße entstehen, daß heißt, es muß eine Mitkopplung vorliegen (Phasenbedingung). Eine Mitkopplung hat als generelle Tendenz die Übersteuerung des Verstärkers zur Folge und liefert keine sinusförmige Ausgangsspannung mehr. Es muß also eine Amplitudenbegrenzung vorgenommen werden. Bildet man das Verhältnis von Ausgangsspannung ua zur Eingangsspannung ue und nennt diese Verstärkung v, so kann man auch das Verhältnis von rückgekoppelter Spannung ur zur Ausgangsspannung ua bilden und nennt dieses Verhältnis Kopplungsfaktor K. u Grundbedingung v = a ur = K ⋅ ua (X.1) ue Das Produkt K ⋅ v bezeichnet man als Ringverstärkung. Die Ringverstärkung muß mindestens gleich eins sein (K ⋅ v = 1), damit die Selbsterregung einsetzen kann (Amplitudenbedingung). Dieser Mindestwert reicht aus, um eine bestehende Schwingung zu erhalten (ungedämpfte Schwingung).
426
Elektronik
Ist die Ringverstärkung K ⋅ v < 1, kommt keine Schwingung zustande oder eine vorhandene Schwingung „reißt“ ab. Ist die Ringverstärkung K ⋅ v > 1, schaukelt sich die Amplitude der Schwingung auf, und es treten durch Übersteuerung Verzerrungen auf. Soll ein Oszillator anschwingen, muß die Ringverstärkung K ⋅ v > 1 sein; nach dem Anschwingen jedoch muß sich der Verstärkungs- oder Kopplungsfaktor mit wachsender Amplitude „automatisch“ auf K ⋅ v = 1 verringern. Sind die Schwingungsbedingungen nur für eine Frequenz erfüllt, schwingt der Verstärker nur auf dieser einen Frequenz; die Schwingung ist sinusförmig.
Der Oszillator schwingt mit der Frequenz f0, für die diese Phasenschieberkette insgesamt genau eine Phasenverschiebung von 180° bewirkt. Die Phasenverschiebung der einzelnen RC-Glieder ist nicht gleich groß, da jeweils das folgende Glied das vorausgehende belastet. Frequenz der Ausgangsspannung 1
f0 =
(X.2)
6 ⋅ 2p ⋅ R ⋅ C
Die Widerstände R1, R2 und rBE ergeben sich durch den Verstärker. Deshalb sind die Widerstände R danach zu dimensionieren. Widerstandsbestimmung
2 Sinusgeneratoren (RC-Oszillatoren) Bei sehr hohen Ansprüchen an die Genauigkeit der erzeugten Frequenz wird als frequenzbestimmendes Bauteil anstelle des Schwingkreises ein Schwingquarz eingesetzt. Die maximale Abweichung seiner Eigenschwingungen beträgt etwa 0,0001%. RC-Oszillatoren werden vorzugsweise für den Frequenzbereich von 0,01 Hz bis 500 kHz verwendet, da LC-Oszillatoren in diesem Bereich nur durch „unhandlich“ große Induktivitäten (schlechte Güte, relativ hohes Gewicht) und Kapazitäten realisiert werden können. Man unterscheidet zwei Arten von RC-Oszillatoren: Phasenschieber- und Wien-Brücken-Oszillatoren.
Rückkopplungsfaktor
R = R1 R2 rBE
K=
(X.3)
1 29
(X.4)
Um die Amplitudenbedingung zu erfüllen, muß der Verstärkungsfaktor des Verstärkers generell → v ≥ 29 sein.
Bild X-2 Phasenschieberoszillator
+UB RB
RC R
R
R
CB C
C
C
V1
ua
+U B R1 RC
R
V1
C
C
C
R
ua R2
RE
CE
Bild X-1 Prinzip des Phasenschieberoszillators Das Prinzip des Phasenschieberoszillators läßt sich nach Bild X-1 erläutern. Die Ausgangsspannung ua einer Emitterschaltung ist gegenüber der Eingangsspannung um 180° phasenverschoben. Um die Phasenbedingung (Mitkopplung) zu erfüllen, muß das Rückkopplungsnetzwerk ebenfalls eine Phasenverschiebung von 180° zwischen der Ausgangsspannung des Verstärkers und der rückgekoppelten Teilspannung erzeugen. Mindestens drei in Reihe geschaltete RC-Glieder sind erforderlich, um diese Phasenverschiebung zu erzeugen, da jedes Glied eine Phasenverschiebung von weniger als 90° bewirkt. Im allgemeinen werden alle Kondensatoren und Widerstände der Phasenschieberkette gleich groß gemacht. Eine Selbsterregung tritt ein, wenn die am Poti RC abgegriffene Rückkopplungsspannung groß genug ist.
Die Kondensatoren und Widerstände der Phasenschieberkette können auch gemäß der Schaltung nach Bild X-2 vertauscht werden, ohne daß sich die Wirkungsweise grundsätzlich ändert. Die Amplitudenbegrenzung erfolgt hier durch eine Verstärkungsregelung. Bei großer Amplitude lädt sich der Kondensator CB aufgrund der Gleichrichterwirkung der BasisEmitter-Strecke auf. Dadurch kommt es zu einer Arbeitspunktverschiebung des Transistors, wodurch die Verstärkung geringer wird, bis die Ringverstärkung K ⋅ v = 1 (v = 29) ist. Bei Phasenschieberoszillatoren ist die Amplitudenstabilisierung sehr kritisch, da die Abstimmelemente
R ue
C
R
C
ua
Bild X-3 Wien-Brücke als Rückkopplungsnetzwerk
X Oszillatoren
427
R oder C synchron veränderbar sein müssen. Die Frequenzkonstanz dieser Schaltung genügt selten den Ansprüchen moderner Schaltungen. Aus diesen Gründen werden Phasenschieberoszillatoren in der Praxis wenig angewendet. Eine wesentliche Verbesserung ergibt sich bei Verwendung einer Wien-Brücke als Rückkopplungsnetzwerk. Die Wien-Brücke nach Bild X-3 ist ein frequenzabhängiger Spannungsteiler. Die Schaltung besteht aus der Reihenschaltung eines RC-Tiefpasses mit einem RC-Hochpaß, wobei die Ausgangsspannung ua am Hochpaß abgegriffen wird. Bildet man mathematisch das Verhältnis von Ausgangsspannung ua zur Eingangsspannung ue, ergibt sich für eine bestimmte Frequenz eine maximale Ausgangsspannung und ein Phasenverschiebungswinkel von 0° zwischen Aus- und Eingangsspannung.
Mit R2 = 22 kW und R1 = 10 kW ergibt sich eine Verstärkung Vu = 3,2, die zum Anschwingen ausreicht. Die gegeneinander geschalteten Z-Dioden parallel zum Widerstand R2 dienen hier zur Amplitudenbegrenzung, führen also die Verstärkung auf Vu = 3 zurück. ue R
R1=2R2
ua
C
R
C
R2
u ( wRC ) 2 − 1 Daraus ergibt sich bei e = 3 + j und ua wRC Trennung von Real- und Imaginärteil die
Resonanzfrequenz
f0 =
1 2 p ⋅ RC
(X.5)
und die maximale Ausgangsspannung bei f0 U amax =
1 Ue 3
(X.6)
Wird ein Oszillator mit der Wien-Brücke aufgebaut, darf der Verstärker zwischen Aus- und Eingangsspannung keine Phasenverschiebung haben. Es müssen also zwei Emitterschaltungen in Reihe verwendet werden. Bei Verwendung eines Operationsverstärkers muß die Rückkopplung auf den nichtinvertierenden Eingang erfolgen. Die Schaltung nach Bild X-4 zeigt einen Wien-Brücken-Oszillator mit OP, bei dem die rückgekoppelte Spannung ur auf den nichtinvertierenden Eingang gelegt ist. Die Ausgangsspannung ua der Schaltung ist hier die Eingangsspannung der Wien-Brücke.
Bild X-5 Wien-Robinson-Brücke als Rückkopplungsnetzwerk Bessere Eigenschaften als die Wien-Brücke zeigt ihre Weiterentwicklung zur Wien-Robinson-Brücke als Rückkopplungsnetzwerk nach Bild X-5. Der WienBrücke ist ein fester, frequenzunabhängiger ohmscher Spannungsteiler parallel geschaltet, dessen Widerstände R1 und R2 im Verhältnis 2:1 stehen. Im Resonanzfalle ist die Ausgangsspannung dieser Brücke ua = 0 V. Das Verhalten der Wien-Robinson-Brücke kommt dem eines idealen Schwingkreises wesentlich näher.
Bild X-6 Wien-RobinsonOszillator mit OP
C R1
R C
ua
R
R4 R2 V1
V2
R2
C1
R1
R3
R C ua ur
R
C
Bild X-4 Wien-BrückenOszillator mit OP
Die Verstärkung Vu des OP kann mit den Widerständen R1 und R2 eingestellt werden und muß, da der Kopplungsfaktor nach Gleichung X.6 bekannt ist, zum Anschwingen größer als 3 sein.
Die Wien-Robinson-Brücke muß etwas verstimmt betrieben werden, da ihre Ausgangsspannung im Resonanzfall gleich Null ist, also auch die Rückkopplungsspannung gleich Null wäre. Die Verstärkerstufe muß eine relativ große Verstärkung haben. Die Schaltung nach Bild X-6 zeigt einen einfachen WienRobinson-Oszillator. Der Widerstand R2 nach Bild X-5 ist hier ersetzt durch die Reihenschaltung des Widerstandes R2 mit dem FET V1. Das Netzwerk aus Diode V2, Kondensator C1 und Poti R3 bewirkt eine Stabilisierung der Ausgangsamplitude.
428
Elektronik
Die Frequenz des Oszillators läßt sich durch Verstellen der beiden Widerstände R verändern, die allerdings Doppelpotentiometer mit guten Gleichlaufeigenschaften sein müssen.
3 Funktionsgeneratoren Als Funktionsgeneratoren werden Signalgeneratoren bezeichnet, die mindestens zwei verschiedene Ausgangsspannungen mit jeweils unterschiedlichem Verlauf erzeugen. Kompakte Geräte dieser Art werden in breit gefächerten Qualitäts- und Ausstattungskategorien hergestellt. Die Signale können in den verschiedensten Frequenzbereichen, mit unterschiedlichen Amplituden und in variablen Anstiegs- oder Abfallzeiten bei den Sägezahn- und Dreiecksignalen Verwendung finden. Eine Dreieckspannung kann mit Hilfe eines Operationsverstärkers erzeugt werden, der als Integrierer geschaltet ist und eine Rechteckspannung als Eingangsspannung hat. Sägezahngeneratoren erzeugen eine sägezahnförmige Ausgangsspannung. Sie kann auf vielfältige Art erzeugt werden. Die Ladekurve von Kondensatoren, die mit einer Stromquelle, mit einem UnijunctionTransistor UJT oder mit einem OP geladen werden, können zu diesem Zweck benutzt werden. Rechteckgeneratoren können mit monostabilen Kippstufen, mit Schmitt-Triggern oder mit Operationsverstärkern hergestellt werden. Wird ein Funktionsgenerator gesucht, der alle diese Signalspannungen erzeugen soll, können integrierte Bauelemente wie zum Beispiel der IC 8038 oder der XR 2206 verwendet werden.
Die Frequenz f0 der Schwingungen hängt von dem Kondensator CT zwischen den Pins 5 und 6 und dem Widerstand RT an Pin 7 beziehungsweise Pin 8 ab. Für Widerstandswerte von 4 kW bis 200 kW ist die Temperaturstabilität optimal; für den Kondensator werden Werte zwischen 1 nF und 100 mF empfohlen. Amplitude Ausg. Sinus/Dreieck 100K 33K 25K 47K Offset V+
2μ 1K
16
2
15
3
14
4
13
5
12
6
11
7
10
8
9
1
16
2
15
3
14
V+ Frequenzbestimmender Kondensator
4
12
DV
6
11
Frequenzbestimmender Widerstand
7
10
8
9
Synchronis.-Ausgang Referenz.Filterkondens. FSK-Eingang
13
VCO
RA
500Ω 1μF
V+ 10K Ausg. Rechteck
1
16
2
15
3
14
4
13
5
12
6
11
7
10
8
9
Bild X-9 Widerstandsauswahl durch Pegelbeschaltung > 2V < 1V
Symmetrie Kurvenform
5
S1
Die Schaltung nach Bild X-8 zeigt die Standardbeschaltung zur Erzeugung von Sinussignalen, wobei der Schalter S1 geschlossen sein muß. Das Poti an Pin 7 dient der Frequenzeinstellung. Wird der Schalter S1 geöffnet, werden dreieckförmige Signale erzeugt. Ihre Amplitude ist etwa doppelt so groß wie die der sinusförmigen Spannung.
R2
Eing.-AM Ausg. Sinus/Dreieck Ausg. Multipl.
RB 25K
Bild X-8 Schaltung zur Erzeugung von Sinussignalen
R1
Multiplizierer und Sinusformer
CT RT
1
Der XR 2206 kann nach Bild X-9 mit zwei verschiedenen Widerständen an den Pins 7 und 8 betrieben werden. Je nach dem Pegel des logischen Signals an Pin 9 ist entweder der Widerstand R1 oder der Widerstand R2 wirksam.
Stromschalter
Bild X-7 Pin-Belegung des integrierten Funktionsgenerators XR 2206 Der XR 2206 ist ein monolithisch integrierter Funktionsgenerator, der Sinus-, Rechteck-, Dreieck-, Rampenund Pulsfrequenzen von hoher Stabilität liefert. Die Ausgangssignale können durch eine externe Spannung sowohl amplituden- als auch frequenzmoduliert werden. Allein durch die äußere Beschaltung kann die Arbeitsfrequenz im Bereich von 0,01 Hz bis über 1 MHz gewählt werden. Die Pin-Belegung zeigt Bild X-7.
R1
1
16
2
15
3
14
4
13
5
12
6
11
7
10
8
9
V+ 4,7K
Bild X-10 Impuls- und Sägezahnspannungserzeugung
R2
Die Schaltung nach Bild X-10 erzeugt Impuls- und Sägezahnspannungen. Impulsbreite und Tastverhältnis beziehungsweise Anstiegs- und Abfallzeit können durch Wahl der Widerstände R1 und R2 zwischen 1% und 99% gewählt werden. Ihre Werte sollten zwischen 1 kW und 2 MW liegen.
XI Schaltungstechniken
429
XI Schaltungstechniken 1 Integrierte Schaltungen Integrierte Schaltungen (IC = integrated circuit) werden in weiter zunehmender Zahl auf den Markt gebracht. Niedrige Herstellungskosten bei großen Stückzahlen, hohe Zuverlässigkeit, geringer Platzbedarf und hohe Arbeitsgeschwindigkeiten sind die wesentlichen Vorteile der integrierten Schaltungen im Vergleich zu Schaltungen mit diskreten Bauelementen. Die Bauelemente eines IC und ihre Verdrahtung werden in einem gemeinsamen Fertigungsprozeß auf einem einkristallinen Halbleiterplättchen aus Silizium (Chip) hergestellt. Diese Chips nach Bild XI-1 sind nur wenige Quadratmillimeter groß und werden in ein Gehäuse eingebaut, wobei die Chipanschlußkontakte durch sehr dünne Drähte mit den „Pins“ des Gehäuses verbunden werden. Aus Kostengründen werden möglichst viele Chips auf einer Siliziumscheibe (wafer) untergebracht. Die Komplexität der Schaltungen auf den Chips steigt stetig mit weiter voranschreitender Integrationsdichte,
also der Anzahl der Transistorfunktionen je Chip. Möglich wird das durch die bereits in Abschnitt II.4 beschriebene Planartechnik. Bei den monolythisch integrierten Schaltungen sind alle zum Funktionieren erforderlichen Bauelemente der Schaltung, die auf einem konventionellen Vorbild mit diskreten Bauelementen beruht, in einen Halbleiterkristall hineindotiert, auch Bauelemente wie Kondensatoren, Dioden, Transistoren oder Widerstände nach Bild XI-2. Neben bipolaren Transistoren werden auch MOS-FET in Planartechnik (Abschnitt IV.2) in monolythisch integrierten Schaltungen eingebracht. Im Kristall müssen die Einzelbauelemente durch Isolierschichten voneinander getrennt sein. Überwiegend werden npn-Transistoren in den IC realisiert, da sie bessere elektrische Eigenschaften haben und einfacher herstellbar sind als pnp-Transistoren. Die besondere Anordnung der einzelnen dotierten Bereiche ergibt sich aus technologischen Notwendigkeiten. Die Kontakte können nur auf der Siliziumoberfläche angebracht werden, und die Transistoren sind von p-dotierten Gebieten zur gegenseitigen Isolierung umgeben, so daß sich immer in Sperrrichtung liegende pn-Übergänge ergeben.
Dual-Line-Gehäuse 14 Pin (DTP 14)
Bild XI-3 Monolythischer IC und konventionelles Vorbild
1
Metallbahnen
1
n n+ n+ Kondensator
p
n n+
p
n SiO2 Widerstand
Transistor p-Si Wafer
Chips
Bild XI-1 Wafer, Chip und Bauform eines IC Anode Kathode SiO2
SiO2 n+ n
R
p
p-Silizium
D
n
n
p-Silizium
Ermittler Basis Kollektor SiO2
SiO2 n+ n
C
p-Silizium
n p
n
p-Silizium
Bild XI-2 Schichtenfolge der Bauelemente
Bild XI-3 zeigt eine einfache Schaltung mit diskreten Bauelementen und ihre Realisierung in monolythisch integrierter Technik. Als Isolationsschicht zwischen der Siliziumoberfläche und den Leiterbahnen dient eine SiO2-Schicht, die durch thermische Oxydation der Siliziumoberfläche erzeugt wird. Weitere Leiterbahnschichten können auf ähnliche Weise darübergelegt werden, während Löcher in der SiO2-Schicht zum Anschluß von Kontakten eingebracht werden. Die Leiterbahnen bestehen im wesentlichen aus Aluminium. Auch bei den integrierten Schaltungen unterscheidet man zwischen Bipolarschaltungen und MOSSchaltungen und ferner zwischen integrierten Analog- und Digitalschaltungen. Die Herstellungsverfahren sind zwar weitgehend identisch, aber während man bei Analogschaltungen mit einigen hundert Einzelbauelementen auf einem Chip auskommt, werden bei Digitalschaltungen einige hunderttausend
430
Elektronik
Tabelle XI-1 Integrationsgrade ( Fa. Siemens) Integrationgrad
SSI (small scale integration) MSI (medium scale integration) LSI (large scale integration) VLSI (very large scale integration)
Anzahl der Funktionen
Mittlere Anzahl der Transistoren
System
2 – 20
100
bipolar digital + analog
3
20 – 100
500
bipolar digital + analog unipolar digital MOS-IC
8
100 – 50 000 < 100 000
bipolar digital + analog unipolar digital MOS-IC
20
> 100 000
unipolar digital CMOS-IC
> 50 000
Einzelbauelemente benötigt. Die Frage, ob bipolare oder unipolare Systeme günstiger sind, läßt sich nur über Nebenbedingungen klären, wie zum Beispiel die Integrationsdichte und die beabsichtigte Anwendung. Integrierte Schaltkreise in Bipolar-Technik kommen als Analog- und Digitalschaltungen zur Anwendung, im ersten Fall als Verstärker (siehe Abschnitt VI) und im zweiten Fall als Schalter (siehe Abschnitt IX). Als Vorteile gegenüber der MOS-Technik ist hier die Fähigkeit zu nennen, große Ströme zu treiben und die kurze Schaltzeit beziehungsweise die hohe Grenzfrequenz der bipolaren Transistoren.
+UD
Eingänge
T1 T2 6
T1
T3 T2 T4
Ausgang
T3
> 30
schaltbilder beschrieben. Die Komplexität der Innenbeschaltung eines einfachen Operationsverstärkers (Abschnitt VIII) zeigt die Schaltung nach Bild XI-4. Andere integrierte Analogschaltungen dienen Regelungszwecken, in der Energieelektronik zum Zünden von Thyristoren und Triacs oder sind für zahlreiche Anwendungen in Rundfunk- und Fernsehgeräten entworfen worden. Spannungsregler (TDB 78xx), Zeitgeberschaltungen (TDB 555), Drehzahlregler (TCA 955) und viele mehr sind in der verfügbaren Bestellpalette enthalten.
7 3 2
Mittlerer Flächenbedarf in mm2
Eingänge zum Widerstand n n n n
n
p
p n
+UD p n
Transistor T1 Transistor T2 Widerstand 0 (Multiemittereingänge)
Bild XI-5 NAND-Gatter in TTL-Technik (Fa. Siemens)
T4 1 5 4 Innenschaltungeines TL x741x
Bild XI-4 Innenbeschaltung eines Operationsverstärkers Integrierte monolythische Schaltungen für analoge Anwendungen enthalten überwiegend widerstandsgekoppelte Verstärker ohne Koppelkondensatoren. Analogschaltungen setzen sich meist aus verhältnismäßig einfachen Grundschaltungen zusammen, wie sie in Abschnitt VI besprochen werden. Differenzverstärker werden aufgrund der Temperaturkompensation häufig verwendet. Die tatsächliche Innenbeschaltung ist für den Anwender nicht bedeutsam, jedoch wird der innere Funktionsablauf und die Wirkungsweise der Gesamtschaltung durch Block-
Die integrierten Digitalschaltungen unterscheidet man nach der Ausführungsform der Grundgatter und spricht von Logikfamilien. Von den wichtigsten bipolaren Familien (TTL = transistor transistor logic; ECL = emitter coupled logic; I2L = integrated injection logic) werden zwei kurz behandelt (siehe Kapitel Datentechnik). Bild XI-5 stellt ein NAND-Gatter in TTL-Ausführung dar. Die Eingänge des Gatters sind als mehrere Emitter eines Transistors in der integrierten Schaltung erkennbar. Die einzelnen Bauelemente sind durch pdotiertes Silizium voneinander getrennt. Eine Weiterentwicklung dieser TTL-Technik zu höherer Integrationsdichte und verbesserten Schaltzeiten erbrachte die I2L-Technik. Über die zusätzlich integrierten Komplementärtransistoren nach Bild XI6 bekommen die eigentlichen Transistoren einen konstanten Strom, so daß die Schaltung frei von größeren Stromschwankungen bleibt. Die rasche Änderung des
XI Schaltungstechniken
431 +UD Rext
C1.1 C1.2 B1 C1.3
+V Rext Gatter 1 Gatter 2 C1.1 C1.2 C1.3
PNP
PNP
p
C2.1 C2.2 C2.3
NPN B1 B2 NPN
C2.1 p
n n+
Gatter 1
Kondensator
Ausgang +UCC
+UD Ausgang
E
Tn Sn Sn n-Si-Substrat
Leitung
Masse
Kollektorwiderstand
Bild XI-8 Hybrid-Dünnschicht-Schaltkreis und realisierte Schaltung
Si-Oxid
Eingang
Dp A Dn
Glasträger
Basisvorwiderstand
Gatter 2
differentiellen Innenwiderstandes der Konstantstromquelle ergibt höhere Arbeitsgeschwindigkeiten. Wesentlichster Vorteil der I2L-Technik ist jedoch, daß ungefähr 11mal soviele Gatter auf einer bestimmten Fläche integriert werden können als bei der TTLTechnik.
Tp
+UCC
Masse Eingang
p
Bild XI-6 NAND-Gatter in I2L-Technik (Fa. Siemens)
+UD
Transistor
C2.2 C2.3 B.2
Tp Isol.-Zonen Tn p-Wanne
Bild XI-7 Inverter in CMOS-Technik (Fa. Siemens) Integrierte Schaltkreise in MOS-Technik bringen den großen Vorteil mit, daß ein MOS-Transistor fast leistungslos gesteuert wird (siehe Abschnitt IV.2). Der Stromkanal mit den Source- und Drain-Gebieten ist von den umgebenden p-Gebieten elektrisch isoliert. Da dieses auch beim Gate der Fall ist, stellt ein MOS-FET ein selbstisolierendes Bauelement dar, das nicht durch zusätzliche Maßnahmen im Chip von anderen Bauelementen isoliert werden muß. Dieser und weitere Effekte sorgen dafür, das MOS-Schaltungen erheblich weniger Platz beanspruchen als gleichartige bipolare Schaltkreise. Die CMOS-Technik (C = complementary) ist heute die dominierende Technik bei den integrierten digitalen Schaltkreisen, weil sie leistungsarm ist und sehr hohe Integrationsdichten ermöglicht. Im Bild XI-7 ist erkennbar, daß eine Aluminiumschicht den gesamten Chip überzieht. Da direkte Kontaktierungen in den meisten Fällen nicht notwendig sind (isoliertes Gate), kann auf ausgeprägte Leiterbahnen verzichtet werden. Die Schaltung in Bild XI-7 zeigt einen Inverter in CMOSTechnik. Die Aufteilung von integrierten Schaltungen in Standard-Schaltungen und in kundenspezifische Schaltungen ist fließend. Als Standard-Schaltungen werden IC bezeichnet, die jedem Anwender zugänglich sind und ohne weitere Abänderung verwendet werden können. Kundenspezifische Schaltungen sind IC, die im Auftrag von Anwendern auf der Grundlage spezieller technischer Vorgaben und Konzepte realisiert werden.
Integrierte Schaltkreise in Hybrid-Technik (hybrid = gemischt) werden bei geringen Stückzahlen für kundenspezifische Schaltungen eingesetzt. Wenn eine Schaltung zu viele passive Schaltelemente (Kondensatoren) enthält, so daß eine monolythisch integrierte Schaltung nicht angezeigt erscheint, setzt man diese Technologie ebenfalls ein. Dabei werden die passiven Bauelemente auf eine isolierende Trägerplatte aus Glas oder Keramik aufgebracht. Sie existieren als Schicht auf der Oberfläche, Widerstände, zum Beispiel in Mäanderform. Transistoren und integrierte Halbleiterschaltkreise werden in Form von Chips auf die Trägerplatte gebracht und durch dünne Gold- und Silberdrähte mit den anderen Teilen der Schaltung verbunden. Bei der Gesamtherstellung ist zwischen der Dickschicht- und Dünnschichttechnologie zu unterscheiden. Erstere benutzt man für kleinere Serien, deren Schaltungsfunktionen flexibel sein sollen, letztere für große Stückzahlen mit festen Schaltungsfunktionenen. Dünnschichtschaltungen lassen sich für fast alle Anwendungsbereiche bis hin zur Höchstfrequenztechnik herstellen. Bild XI-8 zeigt als Beispiel einen Hybrid-Dünnschicht-Schaltkreis, der die dargestellte konventionelle Schaltung nachbildet.
2 SMD-Technik Auch bei den Schaltkreisen mit diskreten Bauelementen geht der Trend zu kleineren Schaltungsaufbauten mit höherer Bestückungsdichte und zur Automatisierung der Fertigung. In gedanklicher Fortentwicklung der Hybrid-Technologie kommt man von der Einsteck- zur Oberflächenmontage. Dazu mußten neue Gehäuseformen entwickelt werden. Oberflächenmontierbare Bauelemente nennt man SMD (surface mounted devices). Die Fertigungstechniken zur Verarbeitung solcher Bauelemente nennt man SMT (surface mounted technology). Bedrahtete Bauelemente
Einsteckmontage
Leiterplatte SMD Leiterplatte
SMD Oberflächenmontage
Klebepunkt
Bild XI-9 Einsteck- und Oberflächenmontage
432
Elektronik
Die oberflächenmontierbaren Bauelemente werden auf der gleichen Seite der Platine aufgebracht, auf der sich die Leiterbahnen befinden. Deshalb lassen sie sich auf beiden Platinenseiten montieren (Bild XI-9), was bei der Einsteckmontage nur mit großem Aufwand zu bewerkstelligen ist. Die Bauelemente haben keine oder nur sehr kurze Anschlußdrähte und sind in ihren Abmessungen relativ klein. Die Platine muß nicht mit Bohrlöchern für die Bestückung versehen werden. Es sind alle Leiterplattenmaterialien geeignet; sowohl Keramiksubstrate als auch flexible Träger werden eingesetzt. Die Leiterplatten können verkleinert werden, und es ergeben sich verbesserte Hochfrequenzeigenschaften. Als Gesamtvorteile werden genannt: Miniaturisierung und Rationalisierung bei höherer und gleichmäßigerer Qualität sowie Zuverlässigkeit. Allerdings werden sehr hohe Anforderungen an die Positioniergenauigkeit und Zuverlässigkeit der Bestückungsautomaten und die Löt-(Klebe-)verfahren gestellt.
Kerko Heißleiter Tantal-Ko Kaltleiter Varisto
MKT-Ko Varisto
Simit 01
Trafo
Optokoppler CEREC SMD SOD 80
SOD 123
SOT 123
SOT 23
SO 6 ... SO 20 L
PLCC
MIKROPACK
Bild XI-10 Gebräuchliche SMD-Gehäuse Die neuentwickelten Gehäuseformen müssen den Anforderungen hinsichtlich geringer Abmessungen, geeigneter Lötanschlüsse, hoher Lötwärmebeständigkeit, automatengerechter Verpackung und automatischer Bestückbarkeit gerecht werden. Bild XI-10 zeigt einige bei der Fa. Siemens gefertigte SMDGehäuseformen. Nahezu alle diskreten aktiven und passiven Bauelemente sowie zahlreiche integrierte Schaltungen gibt es mittlerweile in SMD-Gehäusen. Als Verpackungsart setzt sich zunehmend der Gurt gegenüber dem Magazin durch. Einige Magazinformen zeigt Bild XI-11. Für die SMD-Technik mußten neue Layoutregeln entwickelt werden, in denen berücksichtigt wird, wie die Platine gefertigt, geprüft, repariert und gewartet werden soll.
Bild XI-11 Gebräuchliche Magazintypen
Flächenmagazin
Stapelmagazin Stangenmagazin Linearmagazin
Bei den geringen Abmessungen der Bauteile und der großen Packungsdichte wirken sich Löt- und Klebefehler oder Unregelmäßigkeiten im Lötvorgang besonders gravierend aus. Hier müssen Lötverfahren und Klebeverfahren sorgfältig ausgesucht werden. Da zum Beispiel beim Wellenlöten die Platine mit dem Bauteil kopfunter liegt, muß der Klebepunkt das Bauteil sicher fixieren. Liegt zuviel Kleber unter dem Bauteil, verschiebt es sich eventuell. Liegt zuwenig Klebemittel an, hält das Bauteil beim Lötvorgang die Position nicht ein, zumal die SMD-Bauteile vom Lötmittel voll umflutet werden und der hohen Temperatur des Bades ausgesetzt sind. Es muß also nach dem Grundsatz „so wenig wie möglich, aber so viel wie nötig“ verfahren werden. Bei Verwendung von Keramiksubstraten mit einem Reflow-Lötvorgang kann auf Kleber ganz verzichtet werden. Hier wird zunächst Lötpaste auf die Lötflächen aufgebracht, anschließend werden die Lötanschlüsse der Bauelemente in die Paste gedrückt und schließlich die Paste durch Wärmeeinwirkung aufgeschmolzen. Bestückungsautomaten haben die Probleme der Kleberdosierung und der Lötungen praktisch gelöst. Zusätzliche Anforderungen an den Bestückungsautomaten müssen von Fall zu Fall entschieden und gelöst werden. So sollten möglichst alle Bauelemente mit einem Bestückkopf bestückbar und eine genaue Plazierung der Bauelemente gewährleistet sein. Auch sollte der Bestückungsautomat keine Auswirkung auf das Layout haben. Welche Bestückungsautomaten eingesetzt werden, hängt vor allem von der Zahl der zu bestückenden Platinen und der Häufigkeit des Platinenwechsels ab. Bei der Pick-and-Place-Methode wird ein Bauelement nach dem anderen aufgesetzt, bei der Simultan-Methode dagegen werden mehrere Bauelemente gleichzeitig erfaßt und auf der Platine gleichzeitig abgesetzt, was hohe Stückzahlen ermöglicht. Bei einem Platinenwechsel werden dann aber hohe Rüstzeiten erforderlich.
XII Optoelektronik
433
XII Optoelektronik
Fotowiderstände bestehen aus Halbleiter-Mischkristallen als Basismaterial. LDR können sowohl an Gleichspannung wie auch an Wechselspannung betrieben werden, da sie ohne pn-Sperrschicht sind. Der Widerstandswert von Fotowiderständen wird mit zunehmender Beleuchtungsstärke kleiner. Ein LDR hat bei einer bestimmten Lichtwellenlänge seine größte Empfindlichkeit. Für die Herstellung von LDR, deren spektrale Empfindlichkeit im Bereich des sichtbaren Lichtes liegt, werden als Halbleitermaterialien Cadmiumsulfid (CdS) und Cadmiumselenid (CdSe) verwendet. Die spektrale Empfindlichkeit von LDR aus Bleisulfid (PbS) und Indiumantimonid (InSb) liegt dagegen im Infrarotbereich; die spektrale Empfindlichkeit von Germanium und Silizium liegt zwischen 800 nm und 1600 nm. –1,5
9 ca.6
0,6
Alle Halbleitermaterialien werden bei Energiezufuhr von außen in Form von Wärme oder Licht niederohmiger, da neue Ladungsträgerpaare gebildet werden, die die Eigenleitfähigkeit erhöhen. Die Zahl der durch das auftreffende Licht freigesetzten Elektronen wird um so größer, je größer die Beleuchtungsstärke ist, weil erhöhte Lichteinstrahlung eine Energiezufuhr bedeutet. Dieser Vorgang wird als „Innerer fotoelektrischer Effekt“ bezeichnet. Trifft Licht auf eine pn-Sperrschicht, werden infolge der Energiezufuhr Kristallbindungen aufgerissen. Es entstehen bewegliche Ladungsträger-Paare, die infolge des vorhandenen elektrischen Feldes sofort abfließen. Dabei wandern die Löcher in die p-Schicht und die Elektronen in die n-Schicht. Ohne angelegte äußere Spannung wird die p-Schicht zum Pluspol und die n-Schicht zum Minuspol einer Spannungsquelle. Licht ist physikalisch gesehen eine elektromagnetische Strahlung in einem bestimmten Frequenzbereich. Dabei wird sichtbares Licht von nichtsichtbarem Licht unterschieden. Das natürliche weiße Sonnenlicht ist eine Mischung von elektromagnetischen Schwingungen der verschiedensten Wellenlängen. Wellenlänge und Frequenz sind zueinander umgekehrt proportional. Die Energie der Lichtstrahlung ist der Frequenz proportional. Die Farbanteile des Lichtes werden als Spektralfarben bezeichnet. Das unsichtbare Infrarotlicht (IR) hat eine Wellenlänge l von 780 nm bis etwa 1000 nm. Rotes, sichtbares Licht (780 nm bis 630 nm) schließt sich an, geht in orangefarbenes Licht (630 nm bis 590 nm) über, während gelbes Licht (590 nm bis 560 nm) den farblichen Übergang zum Grünbereich (560 nm bis 490 nm) bildet. Über den Anteil an blauem Licht (490 nm bis 440 nm) und violetter Spektralfarbe (440 nm bis 380 nm) endet der sichtbare Teil und geht in den nichtsichtbaren Teil (380 nm bis 10 nm), dem ultravioletten Licht (UV) über.
2.1 Fotowiderstand (LDR – light dependent resistor)
14
+0,5
–9,6
1 Grundsätzliche Überlegungen
15
Typischer Aufbau
LDR 03
Bild XII-1 Typischer Aufbau und Bauform eines LDR Fotowiderstände haben die höchste Lichtempfindlichkeit unter den fotoelektronischen Halbleiterbauelementen. Bild XII-1 zeigt den typischen mäanderförmigen Aufbau eines LDR. Die wichtigsten Kennwerte von LDR sind der Dunkelwiderstand und der Hellwiderstand, der in den Datenblättern meistens für eine Beleuchtungsstärke von 100 Lux angegeben wird. 10000
2 Optoelektronische Bauelemente
R Ω
Bauelemente zur Umwandlung elektrischer Größen in optische Strahlung und umgekehrt werden als optoelektronische Bauelemente bezeichnet. Man unterscheidet dabei zwischen lichtemittierenden (lichtabstrahlenden) und lichtabsorbierenden (lichtaufnehmenden) Bauelementen. Bei einigen, im sichtbaren Licht arbeitenden Fotohalbleitern führt auch die vom Auge nicht wahrgenommene infrarote Strahlung zu einer Änderung der Leitfähigkeit. Hier werden für bestimmte Anwendungen optische Filter verwendet, um deren Einflüsse gering zu halten.
1000
100
10 10
100
1000
Bild XII-2 Kennlinie des LDR 03
10000
Ev lx
434
Elektronik
Die Kennlinie des LDR 03 zeigt Bild XII-2. Seine maximale Versorgungsspannung beträgt UB = 150 V und seine maximale Verlustleistung Ptot = 100 mW. Dunkelwiderstand R0 = Widerstandswert nach 1 Minute völliger Abdunkelung; R0 > 10 MW Hellwiderstand RH = Widerstandswert bei 100 Lux oder 1000 Lux; RH100 = 500 W ... 50 kW Beim praktischen Einsatz von Fotowiderständen muß beachtet werden, daß der Widerstandswert einer Änderung der Beleuchtungsstärke mit einer relativ hohen Trägheit folgt. Bild XII-3 zeigt prinzipiell die Einstellträgheit eines Silizium-LDR.
1000M
RF 100M ( Ω)
Dunkelwiderstand 20sec nach Lichtsperre nach 5min Beleuchtung mit E = RF = f(t), E = Por. 5Lx 50Lx
10M
Ohne Beleuchtung fließt durch die pn-Sperrschicht einer Fotodiode wie bei jeder normalen Diode ein Sperrstrom, der bei den Fotodioden meistens als Dunkelstrom IR bezeichnet wird. Als Folge der Beleuchtung tritt ein zusätzlicher Fotostrom IFot auf, der 0
101
lFot 100 μA
10–1
500Lx 5000Lx 10–2
1M
100k
5Lx
10–3
Hellwiderstand 50Lx nach Einschalten der Beleuchtung 500Lx mit E =
10k
1k 500 200 100 50 20 10
10–4 10–2
5000Lx 1 2 5 10 20 50 100 0,1
100(msec) 10 1
100
t
1000 (sec)
100
101
102
Ev lx
103
Bild XII-5 Zusammenhang zwischen Fotostrom und Beleuchtungsstärke
Bild XII-3 Einstellträgheit eines Silizium-LDR Fotowiderstände sind daher nicht besonders gut für einen Einsatz geeignet, bei dem schnelle Änderungen der Beleuchtungsstärke erfaßt werden müssen. Bei E = 50 Lx benötigt dieser LDR eine Zeit von 100 ms, um seinen Widerstandswert RF von 100 MW auf 10 kW zu mindern; bei E = 500 Lx noch eine Zeit von 15 ms. Fotodioden werden in Sperrichtung an einer äußeren Spannung betrieben; damit ist zu ihrem Betrieb nach Bild XII-4 ein Vorwiderstand und eine Betriebsspannung erforderlich.
10–1
104 IRo pA 103
102
2.2 Fotodiode und Fotoelement UB
101
RV
D1
100
UF
Bild XII-4 Fotodiode mit Vorwiderstand
0
20
40
60
80
100 TU °C
Bild XII-6 Temperaturabhängigkeit einer Fotodiode
XII Optoelektronik
IFot
1,2
IFot(25°C) 1,0
435 % 100 Srel 80
0,8
60 0,6
40 0,4
0,2
0 –30 –20 –10 0 10 20 30 40 50 60 70 80°C TU
Bild XII-7 Normierte Darstellung der Temperaturabhängigkeit einer Fotodiode linear mit der Beleuchtungsstärke ansteigt. Bild XII-5 zeigt den Zusammenhang zwischen Fotostrom und Beleuchtungsstärke. Wie jedes Halbleiter-Bauelement hat auch die Fotodiode eine deutliche Temperaturabhängigkeit (Bild XII-6). Besser zu erkennen ist diese Abhängigkeit im Bild XII-7, deren Kennlinie das Verhältnis normiert darstellt. Bei einer Änderung der Temperatur kann der Korrekturfaktor abgelesen werden, mit dem der bezogene Fotostrom multipliziert wird. Wie alle lichtempfindlichen Bauelemente haben auch die Fotodioden eine spektrale Empfindlichkeit. Für die Fotodiode BPW 32 ist die relative spektrale Empfindlichkeit in Bild XII-8 dargestellt. Die größte Empfindlichkeit dieser Fotodiode liegt bei einer Wellenlänge von l ~ 800 nm, was etwa einer Farbe zwischen Dunkelrot und Infrarot entspricht. Dies ist auch bei den meisten anderen Typen von Silizium-Fotodioden der Fall. Zu unterscheiden ist zwischen den pn-Fotodioden und den pin-Fotodioden. Der großflächige pn-Übergang bei den Fotodioden hat eine große Sperrschichtkapazität zur Folge. Daher liegen die Schaltzeiten von pn-Fotodioden im Bereich von Mikrosekunden. Um die Sperrschichtkapazität zu verkleinern, wurden die pin-Fotodioden entwickelt, deren Schaltzeiten im Nanosekunden-Bereich liegen (Abschnitt II.4.4). Bild XII-9 zeigt den technologischen Aufbau von pin-Fotodioden, bei denen sich zwischen den sehr dünnen p- und n-Schichten eine breite IntrinsicSchicht befindet. Wegen der daraus resultierenden hohen Feldstärke in dieser Schicht werden die bei
20
0 400
600
800
1000
1200 nm λ
Bild XII-8 Relative spektrale Empfindlichkeit der Fotodiode BPW 32 Lichteinfall – SiO2-Abdeckung
p-Gebiet Instrinsic-Zone
Metallkontakt
n-Gebiet
+
Bild XII-9 Technologischer Aufbau einer pin-Fotodiode Beleuchtung erzeugten Ladungsträger-Paare viel schneller als bei den pn-Fotodioden in die p- beziehungsweise n-Schicht abgesaugt. Diese größere Beweglichkeit der Ladungsträger verbessert das Schaltverhalten. Infolge der relativ breiten i-Schicht haben pin-Fotodioden wesentlich höhere Sperrspannungen. Sie liegen bei UR ~ 50 V bis 100 V. Die Fotoströme sind bei den pin-Fotodioden nur etwa halb so groß wie bei den pn-Fotodioden. In den letzten Jahren haben pin-Fotodioden eine steigende Bedeutung erlangt. Sie werden zum Beispiel aufgrund ihrer hohen Empfindlichkeit im Infrarotbereich und wegen ihrer kurzen Schaltzeiten bei der Fernsteuerung mit moduliertem Infrarotlicht eingesetzt. Fotodioden können wegen des gleichartigen technologischen Aufbaues und des gleichen Funktionsprinzips auch als Fotoelemente betrieben werden. Sie arbeiten dann im IV. statt im III. Quadranten des
436
Elektronik IF
I
UF/V
–UF/V 0,3 5 0,1 0,2 10
200Lx 400Lx
0,4
15 20
600Lx 800Lx
25 30
1000Lx
IR/pA
III
IV
Bild XII-10 Vier-Quadranten-Kennlinienfeld einer Fotodiode Kennlinienfeldes (Bild XII-10). Infolge der Ladungstrennung in der pn-Schicht durch das einfallende Licht und mit Unterstützung der Diffusionsspannung bildet sich eine Spannung in Durchlaßrichtung, daß heißt, es ist keine äußere Betriebsspannung notwendig. Legt man einen Widerstand an die Kontaktierung der p- und n-Schichten, fließt ein Strom, der in bezug auf die Spannung negativ zu sehen ist. Damit hat man eine Spannungsquelle, die Licht direkt in elektrische Energie umwandelt (Fotoelement, Solarzelle). Fotoelement und Solarzelle unterscheiden sich nur dadurch, daß eine Solarzelle zur Erzeugung höherer Leistungen vorgesehen ist. Licht
n-Schicht
Metallelektroden UA pn-Übergang
– +
p-Schicht
mV 700
70
600
IK
500 400
60
Kurzschlußstrom IK μA
E = 0Lx
reflex-Schicht“ (schwarzblaue Oberfläche) versehen, damit möglichst viel Licht eindringen kann. Zur Erzeugung höherer Leistungen werden solche Zellen parallel und in Reihe zusammengeschaltet. Hundert solcher Solarzellen erbringen eine elektrische Leistung von 100 W unter der Bedingung, daß die Strahlungsleistung der Sonne 1000 W/m2 beträgt. Der Wirkungsgrad liegt folglich bei 10%. Zur Energieumwandlung trägt bei Verwendung von Silizium nicht nur das sichtbare Licht bei, sondern nach Bild XII-12 auch Licht mit höherer Wellenlänge. Die Kennwerte von Fotoelementen, wie Leerlaufspannung U0 und Kurzschlußstrom IK lassen sich mit den Meßschaltungen nach Bild XII-13 ermitteln.
Leerlaufspannung U0
II
U0
50 40
U0
300
30
200
20
100
10
0
IK
0 E
Kennlinien eines Fotoelements
Meßschaltungen
Bild XII-13 Kennlinie und Meßschaltung eines Fotoelementes Solarzellen werden in zunehmendem Maße für die Energieversorung ortsfester Verbraucher mit niedrigem Verbrauch, wie zum Beispiel Leuchtbojen, Sendeanlagen, Parkscheinautomaten in Großstädten, kleinere Wochenendhäuser, verwendet.
2.3 Fototransistoren C
Bild XII-11 Schnitt durch ein Fotoelement Eine typische Solarzelle ist 10 cm × 10 cm groß und besteht aus kristallinem Silizium. Der interne Aufbau und die Kontaktierung der Anschlüsse ist in Bild XII-11 erkennbar. Die Oberfläche ist mit einer „Anti% 100 80 60 40 20 0 400
E C B
C E
CdSe
Si
E
Sonnenspektrum
500
600 700 sichtbares Licht
B
Bild XII-14 Ersatzschaltbild und Schaltzeichen von Fototransistoren 800
900 1000 1100 Wellenlänge λ
Bild XII-12 Strahlungsspektrum des Sonnenlichtes und Spektralempfindlichkeit von Solarelementen
Wie jeder Transistor enthält auch der Fototransistor zwei pn-Übergänge, die lichtempfindlich sind, weshalb normale Transistoren in lichtundurchlässige Gehäuse gegossen werden. Hier wird die KollektorBasis-Sperrschicht als lichtempfindliche Schicht benutzt. Die Wirkungsweise und damit das Ersatz-
XII Optoelektronik
437
schaltbild nach Bild XII-14 entspricht einer Fotodiode parallel zur CB-Strecke. Der durch die freigesetzten Ladungsträger hervorgerufene Strom wirkt wie ein Basisstrom. Die Lichtempfindlichkeit ist um den Verstärkungsfaktor B des Transistors größer als die der Fotodiode. Der Basisanschluß kann herausgeführt sein, was die Einstellung eines Arbeitspunktes erleichtert und die Steuermöglichkeiten vergrößert.
Technisch benutzt wird dieser Effekt in der Leuchtdiode, die auch als Lumineszenzdiode (LED = light emitting diode) bezeichnet wird. LED’s werden grundsätzlich in Durchlaßrichtung betrieben.
Irel
100 % 80
10
100lx
30lx 0,1
Bild XII-15 Kennlinien20 25 feld eines UCE Fototransistors 0lx
0
5
10
15
Das Ausgangskennlinienfeld des Transistors nach Bild XII-15 hat nicht mehr den Basisstrom IB als Parameter, sondern die Beleuchtungsstärke E. Bei E = 0 Lx fließt praktisch kein Kollektorstrom IC. Mit größer werdender Beleuchtungsstärke steigt der Strom an. Die IC-Achse im Kennlinienfeld ist meistens logarithmisch eingeteilt, da sich der Kollektorstrom um mehrere Zehnerpotenzen ändert. Die Schaltgeschwindigkeiten von Fototransistoren liegen zwischen 2 ms bis 100 ms und sind damit kleiner als die der Fotodioden. Die Schaltgeschwindigkeit ist um so niedriger, je kleiner der Lastwiderstand und je größer die Amplitude des Lichtimpulses ist. Um die Lichtempfindlichkeit weiter zu erhöhen, kann der Transistor auch als Darlington-Fototransistor ausgeführt werden.
2.4 Lumineszenzdioden und Flüssigkristalle In den lichtemittierenden Fotohalbleitern wird elektrische Energie in Strahlungsenergie umgewandelt. Das geschieht im Bereich einer dünnen pn-Sperrschicht. Hierbei wandern etwa gleich viele Elektronen von der n-Schicht in die p-Schicht wie Löcher von der p-Schicht in die n-Schicht. Die n-Schicht ist jedoch deutlich stärker dotiert als die p-Schicht. Dies führt dazu, daß der Strom durch die Sperrschicht fast vollständig ein Elektronenstrom ist. Die in die p-Schicht gelangenden Elektronen rekombinieren mit den dort vorhandenen Löchern. Dabei wird Energie frei, die je nach Ausgangsmaterial der Diode als sichtbares Licht oder als Infrarotstrahlung nach außen tritt.
red hyper-red
0
300lx
1
orange
20
super-red
1000lx
yellow
40
blue
0lx
E=300
pure-gree n green
60
100 IC
0,01
Vλ
400
450
500
550
600
650
λ
700
Bild XII-16 Spektralkennlinien und Strahlungsmaxima einiger LED’s Grundmaterial für Leuchtdioden sind Gallium-Verbindungen mit unterschiedlichen Dotierungen. Für den Bereich des sichtbaren Lichtes werden grün-, gelb-, orange-, rot- und blauleuchtende LED’s geliefert. Für den nichtsichtbaren Infrarotbereich werden verschiedene IRED (infrared emitting diode) angeboten. In allen Fällen erstreckt sich das erzeugte Lichtspektrum jeweils nur über einen schmalen Bereich (monochromatische Leuchtquellen). Bild XII-16 zeigt die Strahlungsmaxima und die Spektralkennlinien einiger LED’s. Tabelle XII-1 gibt eine Übersicht über die Zusammensetzung einiger LED’s mit den zugehörigen Gallium-Verbindungen und Dotierungsstoffen. Als Fremdatome dienen Zinkdampf (Zn + O), Stickstoff (N), Phosphor (P) oder Silizium (Si). In der Prinzipschaltung nach Bild XII-17 ist der zur Strombegrenzung und Spannungseinstellung erforderliche Widerstand RV enthalten. Die erzeugte Lichtstärke IV wird bei LED’s für den sichtbaren Lichtbereich meistens in Millicandela (mcd) angegeben. Sie hängt nahezu linear von der Größe des Durchlaßstroms IF ab. Für den praktischen Betrieb von LED’s ist der Zusammenhang zwischen IF und UF von Bedeutung. Kennwerte einer Leuchtdiode sind die Leuchtfläche, die Strahlungsleistung (LichtUB RV
D1
UF
Bild XII-17 LED mit Vorwiderstand
438
Elektronik
Tabelle XII-1 Übliche Zusammensetzung von LED’s und IRED’s Werkstoff
SiC
Schleusenspannung
GaP
GaP
GaAsP
2,7 V
2,4 V
2,2 V
GaAs
GaAsP
GaAs
1,6 V
1,4 V
GaAs
Dotierung
SiC
stark mit N
schwach mit N
schwach mit N
mit P
Zn + O
Zn
Si
Wellenlänge λ (nm)
480
565
590
625
650
700
900
930
Farbe
blau
grün
gelb
orange
hellrot
rot
infrarot
infrarot
20°
10°
0°
10°
20°
0°
10° 60°
1,0
30°
1,0 1...2μm
0,9 0,8
40°
0,8
50°
0,7
50° 0,6
40°
0,6
60° 70° 0,4 80°
30°
0,5 0,4
0,2
0
0,2
0,4
0,2
0
Richtcharakteristiken von LEDs
Bild XII-18 Richtcharakteristiken von LED’s strom) und die Lichtstärke (Helligkeit). Die Schleusenspannung ist aufgrund anderer Ausgangsmaterialien höher als bei Silizium-Dioden. Grenzwerte: UR max = 5 V , Ptot = 100 mW ,
IF max = 50 mA , JJ max = 100 °C
Durch entsprechende Form der aufgesetzten Kunststoffkörper ist es möglich, den LED’s unterschiedliche Richtcharakteristiken zu geben. In den Bildern XII.18a und XII.18b sind die Richtcharakteristiken für zwei Standardausführungen mit Öffnungswinkeln von 60° (breit) und 25° (gebündelt) angegeben. Die Lebensdauer von LED’s und IRED’s liegt bei normalen Betriebsbedingungen bei 100 000 h. Geringer Spannungs- und Strombedarf (je nach Typ 5 mA, 10 mA oder 20 mA), kleine Abmessungen, einfache Montage und hohe Packungsdichte geben ihnen einen sehr breiten Anwendungsbereich. Da LED’s Schaltzeiten von 5 ns bis 20 ns haben, können sie auch zur Abstrahlung von sich sehr schnell ändernden Lichtsignalen verwendet werden, zum Beispiel in Optokopplern (siehe Abschnitt XII.4). Bei den Laser-Dioden (engl.: light amplification by stimulated emission of radiation) wird das im pnÜbergang erzeugte monochrome Licht im Inneren des Kristalls an den inneren Flächen verspiegelt und tritt an der Stirnfläche mit relativ schmalem Austrittswinkel, aber großer Lichtstärke aus. Bild XII-19
teilreflektierender Belag
reflektierende Rückfläche P N
15...30° austretender Laserstrahl
Bild XII-19 Prinzipieller Aufbau einer Laserdiode zeigt den grundsätzlichen Aufbau einer Laserdiode als Kantenstrahler. Wird das Licht impulsartig abgestrahlt, sind mit diesen Bauelementen Leistungen bis ungefähr 100 W möglich. Sie eignen sich zur Nachrichten- und Datenübermittlung in Lichtwellenleitern. Zur Abtastung von CD-Plattenspielern und als Lesestift in Scannergeräten werden sie ebenfalls benutzt. Laser höherer Leistung sind zum Beispiel aus der Medizin (optisches Skalpell) nicht mehr wegzudenken. Eine interessante und zukunftsträchtige Variante zur Anzeige von Informationen stellen die Flüssigkristalle (engl.: liquid crystal) dar. Flüssigkristalle sind glasklare Flüssigkeiten, deren Moleküle einen regelmäßigen einkristallinen Aufbau aufweisen. Sie befinden sich in einem speziellen Aggregatzustand, in dem Stoffe aus dem flüssigen in den festen Zustand übergehen. Flüssigkristallwerkstoffe zeigen bei Einwirkung eines elektrischen Feldes Veränderungen ihrer Kristallstruktur.
Glassubstrat Abstandshalter
Flüssigkristallschicht
transparente elektrisch leitende SnO2-Elektrode
Bild XII-20 Prinzipaufbau einer LCD-Anzeige
XII Optoelektronik
439
Je nach Grundsubstanz gehen sie entweder vom durchsichtigen in den weitgehend undurchsichtigen Zustand über (wird meist verwendet) oder umgekehrt. Dieses geschieht dadurch, daß ihre Moleküle sich in bestimmter Weise ausrichten. Nach Abschalten des elektrischen Feldes stellt sich der ursprüngliche Zustand wieder ein. Flüssigkristalle leuchten nicht. Einfallendes Fremdlicht wird an den undurchsichtigen Bereichen reflektiert und macht damit die flächenmäßige Form der Elektroden des elektrischen Feldes sichtbar. Mit Unterstützung von Polarisationsfiltern und geschickt angebrachten Lichtquellen kann der Prinzipaufbau nach Bild XII-20 vollendet werden. LCD-Anzeigen (liquid crystal display) werden in Uhren, Taschenrechnern und zahlreichen anderen Geräten verwendet. Bei wirksamen Spannungen von 1,5 V bis 3 V und einem Strom in der Größenordnung von 1 mA werden Anzeigen mit sehr geringen elektrischen Leistungsanforderungen erreicht.
3 Anzeigeeinheiten Bild XII-21 zeigt eine einfache Schaltung zur Kontrollanzeige der Betriebsspannung mit einer LED. Eine Umpolung der LED macht die Schaltung zur Anzeige einer negativen Betriebsspannung fähig. Soll eine solche Anzeige für Wechselspannung installiert werden, muß die LED vor der hohen Sperrspannung geschützt werden. Eine antiparallel geschaltete normale Diode übernimmt diesen Schutz, da sie eine Schleusenspannung von 0,7 V hat und darum die Sperrspannung an der LED unter 5 V hält. Die beiden LED’s in Bild XII-22
RV
D1 ... D3=1N4148
150
D4
D1
D5
D6
D7
+12V D8 D2 D3 D4 ... D8 = CQY 85
Bild XII-23 Polaritätsanzeige mit Symbolen haben unterschiedliche Farbabstrahlungen, übernehmen den gegenseitigen Schutz und zeigen die jeweilige Polarität farblich verschieden an. Bild XII-23 zeigt eine Schaltung, bei der LED’s so geschaltet sind, daß sie die Polarität in Symbolen anzeigt. Ist zum Beispiel die Betriebsspannung positiv, so sind die Dioden D1 und D3 in Sperrichtung geschaltet. Auf diese Weise kann der Strom nur den Weg über alle LED’s und die Diode D2 nehmen. Ist dagegen die Betriebsspannung negativ, so fließt der Strom über die dann in Durchlaßrichtung liegenden Dioden D1 und D3 sowie über die LED’s D5 bis D7. a b
Bild XII-24 7-Segment-Anzeige mit Leuchtdioden
f g
24V/50Hz c e
1k2 Kathode
CQY87
1N4148
Bild XII-21 Betriebsspannungsanzeige
+10V
390
CQY85
CQY87
Bild XII-22 Farbige Polaritätsanzeige mit LED’s
d
Zur Darstellung einer beliebigen Dezimalziffer kann man 7-Segment-Anzeigen nach Bild XII-24 verwenden. Für jedes Segment ist ein Anschluß (a bis g) nach außen geführt, im vorliegenden Bild zusätzlich der Anschluß für die gemeinsame Kathode. Bei manchen 7-Segment-Anzeigen wird die gemeinsame Anode herausgeführt, so daß die Anzeige mit negativen Spannungen angesteuert werden kann. In den Segmenten sind LED’s angeordnet, deren Licht über Lichtleiter nach außen geführt wird. Bild XII-25 zeigt eine 7-Segment-Anzeige in ihrer mechanischen Ausführung. Erhöht man die Anzahl der Segmente auf sechzehn, können außer Ziffern auch Buchstaben und Sonderzeichen dargestellt werden. Diese SechzehnsegmentAnzeigen nach Bild XII-26 bezeichnet man als alpha-
440
Elektronik Bild XII-25 7-Segment-Anzeige mit Dezimalpunkt und LED’s
IE
IA C
E
IA C B
IA
C
E
LED
Fotodiode
IE
IA C
U
E
E
E 1
8
9
10
15
6
11
14
13
5
4
C
U E
LED
B Fototransistor
DarlingtonFototransistor
Bild XII-27 Prinzipschaltbilder einiger Optokoppler
3
12
16
7
LED
2
C
U
Fototransistor
IE
=LEDs
IE
U
E
LED
C
Bild XII-26 Darstellung der Segmente einer alphanumerischen Anzeigeeinheit
numerische Anzeigeeinheit. Diese Anzeigen werden auch mehrstellig angeboten und können zu langen Zeilen erweitert werden. Bei der Realisierung solcher Anzeigen mit LED’s stößt man auf ein gewichtiges Problem. Diese Dioden haben eine Stromaufnahme von ca. 20 mA und vervielfachen sich mit der Anzahl der verwendeten LED’s. Mehrstellige Anzeigen lassen die Stromversorgung für kleine Geräte nahezu unlösbar werden. Baut man sowohl die 7-Segment-Anzeigen wie auch die alpha-numerischen Anzeigen mit Flüssigkristallen auf, lassen sich sehr komplexe Anzeigeeinheiten mit zahlreichen Zeilen und Stellen aufbauen, die infolge ihrer geringen Leistungsaufnahme direkt an digitalen IC mit hoher Integrationsdichte betrieben werden können.
4 Signalübertragung mit Optokoppler Optokoppler sind optoelektronische Koppelelemente zur Signalübertragung bei galvanischer Trennung von Ein- und Ausgang. Als Sender dient eine IR-Diode, die über einen Lichtleiter direkt auf einen Empfänger strahlt. Als Empfänger dienen überwiegend Fotodioden, Fototransistoren mit und ohne herausgezogene Basis und Fototriacs. Die Schaltungen nach Bild XII-27 zeigen den prinzipiellen Aufbau einiger Optokoppler. Zwischen Eingangs- und Ausgangsseite dürfen, je nach Bauform, Potentialdifferenzen bis zu einigen kV bestehen. In Optokopplern werden elektrische Signale in optische Signale umgewandelt und über eine Isolationsstrecke übertragen. Im Anschluß daran wird das optische Signal wieder in ein elektrisches Signal umgewandelt. Der Optokoppler ist durch das System der Signalübertragung absolut rückwirkungsfrei.
Die wichtigsten Kenngrößen sind das Stromübertragungsverhältnis CTR (current transfer ratio), daß das Verhältnis von Ausgangsstrom zu Eingangsstrom beschreibt, und die Grenzfrequenz fg, bei der der AC-CTR-Wert auf 50% des DC-CTR-Wertes abgesunken ist. Bild XII-28 zeigt einige Optokoppler der Fa. Siemens mit Pin-Belegung, Bauform und innerer Schaltung. 5.7 5.5
7.62 6.5 6.3 0.35 0.25
3.5 3.3 18 7.62 8.82
0.55 0.45
0.9 0.6
1 6 Anode-1 2 5 Cathode-2 3 4 N.C.-3 CNF 17F 1 6 Anode-1 2 5 Cathode-2 3 4 N.C.-3 BRT 11H/M input circuit BRT 23H/M 1 6 An.(+)-1 2 5 Cat.(–)-2 3 4 N.C.-3
1min 0,8min 3.3 2.9 2.54 typ spacing
6-Base 5-Collector 4-Emitter 65-Collector 4-Emitter output circuit 6-Anode 2 not definet 5-Potential A1/A2 4-Anode 1
Bild XII-28 Optokopplertypen (Fa. Siemens) Bei Optokopplern mit Fotodioden ergibt sich ein CTR-Wert von ca. 1%, bei Fototransistoren kann der CTR-Wert 100% betragen. Werden im Optokoppler Darlington-Transistoren verwendet, steigt der CTRWert auf bis zu 500%. Manche Optokoppler verfügen über eine Grenzfrequenz nahe bei 10 MHz. Bei Optokopplern mit einem Fototransistor als Empfänger ergeben sich Schaltzeiten von ungefähr 3 ms. Bei LED’s als Sender macht sich eine alterungsbedingte Abnahme ihrer Strahlungsleistung über einen längeren Zeitraum durch eine Verringerung des CTRWertes bemerkbar. Hohe Ströme und/oder hohe Umgebungstemperaturen sind der Grund dafür und sollten vermieden werden.
XIII Analog-Digital-Wandler Optokoppler lassen sich sehr günstig in Verbindung mit Digitalschaltungen verwenden. Sie werden in Interface-Schaltungen verwendet, um zum Beispiel eine Potentialtrennung zwischen der Zentraleinheit eines Computers und seinen Peripheriegeräten herbeizuführen. Wird die optische Kopplung zwischen Lichtsender und Lichtempfänger nicht im Inneren des Bauelementes, sondern über äußere Reflexstellen vorgenommen, spricht man von Lichtschranken. Nur wenn das Licht an einer geeigneten, dafür vorgesehenen Stelle reflektiert wird, gelangt es an den Empfänger. Derartige Bauelemente werden auch Reflexsensoren genannt. In die Gruppe der Lichtschranken gehören auch die Gabellichtschranken, bei denen Lichtsender und -empfänger in getrennten Holmen eines U-förmigen Gehäuses integriert sind. Der Lichtstrahl kann durch einen dazwischengeschobenen Gegenstand unterbrochen werden. Gabellichtschranken werden zur Prozeßüberwachung verwendet, aber auch in Alarmanlagen, Positionsmeldern, zur Drehzahlüberwachung oder zur Informationsübernahme in Beleglesern (Scanner).
441 gnetischen Störungen und in der eindeutigen galvanischen Trennung zwischen Sender und Empfänger. Bild XII-29 zeigt das Schema eines optischen Übertragungssystems für den lokalen Bereich, hier eine Schnittstelle zwischen einer TTL-Technologie und einer ECL-Technologie. Die Anbindung der LWL an die LWL-Bauteile und die optomechanische Verbindung der LWL miteinander sind die eigentlichen Probleme dieser Technologie, die sich aber durch hohe Präzision bei der Montage bewältigen lassen. Bild XII-30 zeigt das Prinzip der Montagetechnik für eine Plastik-LWL. Der LWL wird im Gehäuse durch Klebeband oder einen Klebepunkt fixiert. Sendeoder Empfangsdiode sind im Gehäuse integriert. Elektrische Schnittstelle (z.B. TTL-ECL) Optische Schnittstelle Sender (z.B.DIN-,SMA- Empfänger Steckverbin.) Eingang
Ausgang
5 Faseroptische Übertragungsmittel Die optische Nachrichtenübertragung über Lichtwellenleiter (LWL) gewinnt ständig an Bedeutung. Um hohe Frequenzen realisieren zu können, wird als Strahlungsquelle eine IR- oder eine Laserdiode und als Empfänger eine Fotodiode verwendet. Medien für die optische Übertragung sind Glas oder Plastik. Zur Nachrichtenübertragung mit hohen Übertragungsraten bei großen Entfernungen werden bevorzugt Glasfasern verwendet. Plastikfasern dagegen sind für niedrige Übertragungsraten im lokalen Bereich und zur Lösung vielfältiger Anwendungen in der Steuer- und Regelungstechnik verwendbar. Bedingt durch die gegenwärtige Fasertechnologie werden die aktiven LWL-Bauteile für die Wellenlängen um 850 nm ausgelegt. Vorteile dieser Technik liegen in der Unempfindlichkeit gegenüber elektroma-
Treiber, Signalverarbeitung
Sendediode
Empfangs- Verstärker diode Signalaufbereitung
Bild XII-29 LWL-Übertragungsstrecke (Fa. Siemens) Gehäuse Reflektor FaserumFaserkern mantelung
Bohrung (Faseraufnahme)
Linse Chip
Trägerband (elektrische Anschlüsse)
Bild XII-30 Sende- und Empfangsdioden für Plastik-LWL (Fa. Siemens)
XIII Analog-Digital-Wandler 1 Grundlagen Häufig werden physikalische Größen (Temperatur, Druck, Längen, Drehzahl, u.a.) dezentral erfaßt und zentral ausgewertet, dargestellt und bearbeitet. Mit Hilfe entsprechender Sensoren erhält man die Meßgröße meist in analoger Form als Stromstärke oder als Spannung. Ein digitales Signal läßt sich aber besser über größere Entfernungen ohne Signalwertfälschung übertragen. Außerdem kann mit bestimm-
ten Verfahren der Nachrichten- und Datentechnik (Multiplexverfahren) eine Übertragungsleitung mehrfach ausgenutzt werden. Um vorhandene analoge Signale in verwertbare digitale Signale umzuwandeln, benötigt man AnalogDigital-Wandler. Eine digitale Messung läßt sich als Zählvorgang begreifen. Also kann man die analoge Größe in eine Impulsreihe mit bestimmter Frequenz umformen und diese Impulse dann in einer bestimmten Zeiteinheit zählen.
442
Elektronik
2 Spannungs-Frequenz-Wandler
3 Sägezahnverfahren
Zur Umformung einer Signalspannung in eine der Spannung proportionale Frequenz verwendet man einen Spannungs-Frequenz-Umsetzer (-Wandler) nach Bild XIII-1. Der Operationsverstärker N1 ist hier als Integrator geschaltet, der die Spannung ue über die Zeit integriert und damit eine negative Sägezahnspannung ua bewirkt. Je größer die Eingangsspannung ist, desto steiler ist der Anstieg der Ausgangsspannung. Die Spannung Ue vergleicht der Operationsverstärker N2 (Komparator) mit der negativen Spannung UV des Spannungsteilers aus R2 und R3. Sobald ua den Wert UV erreicht, kippt der Komparator N2 und steuert den Transistor V1 durch. Der leitende Transistor hebt die Vergleichsspannung auf nahezu 0 V an. Gleichzeitig entlädt sich der Kondensator C1 über den Transistor, bis die Ausgangsspannung ua = 0 V wird. Dieser Vorgang führt dazu, daß der Komparator erneut seine Ausgangsspannung umkehrt und nun den Transistor sperrt. Damit beginnt der Integrationsvorgang der Meßgröße ue erneut.
Beim Sägezahnverfahren wird die analoge Spannung ue mit einer linear ansteigenden Sägezahnspannung nach Bild XIII-2 verglichen. Die Komparatoren N1 und N2 vergleichen die Meßgröße und die Sägezahnspannung miteinander. Sobald die Sägezahnspannung ≥ 0 V wird, beginnt der Vergleich, denn nun liegt der eine Eingang des EXCLUSIV-ODER-Gatters (N3) auf „H“, das UND-Gatter (N4) ist vorbereitet, und die Impulse des Rechteckgenerators (Oszillators) gelangen an den Ausgang A der Schaltung. Wenn die Sägezahnspannung den Wert der Meßgröße ue erreicht, kippt der Komparator N1 am Ausgang von „L“ auf „H“. Der Ausgang des EXCLUSIVODER-Gatters (N3) verändert sich auf „L“, und das UND-Gatter (N4) sperrt weiteren Impulsen des Rechteckgenerators den Durchgang zum Ausgang. R1 ue
N1
N3
N4
=1
C1
&
A
N2 G
R1
C1 N1
ue
ua R3
–UB
G
0V N2
R4
UV
R2
Bild XIII-2 Schaltung zum Sägezahnverfahren V1 f ~ ue 0V
Bild XIII-1 Spannungs-Frequenz-Umsetzer Am Ausgang der Schaltung erhält man Impulse, deren Frequenz vom Wert der Eingangsspannung abhängt. Die Frequenz f ist proportional zur Spannung ue. Da sich der Kondensator nur in einer endlichen Zeit entlädt, kommt hier ein systematischer Meßfehler zum Tragen. ue Erzeugte Frequenz f ≈ (XIII.1) U V ⋅ R1 ⋅ C1 unter der Bedingung für die Rückstellzeit tR ⇒
Du a ⋅ R 2 ⋅ C1 << R1 ⋅ C1 UB
Schaltet man hinter diesen Umsetzer einen digitalen Frequenzmesser, so wird die Gesamtschaltung zu einem digitalen Spannungsmesser. Für R1 = 100 kW, R2 = 700 W, R3 = 800 W, C1 = 1,25 nF, UB = – 15 V und ue = 10 V ergibt sich nach Gleichung XIII.1 eine Frequenz von 10 kHz. Da die Rückstellzeit nicht berücksicht ist, liegt der tatsächliche Wert niedriger. Der Spitzenwert von ua und UV liegt bei – 8 V.
Die beiden Schaltpunkte der Komparatoren N1 und N2 begrenzen also die Zeitdauer Dt, während der die Impulse gezählt werden. Bei linearer Sägezahnspannung ist Dt der Meßgröße ue direkt proportional, und die Anzahl der Impulse entspricht der Höhe der Eingangsspannung. Nach jeder Messung muß der Zähler auf Null zurückgesetzt werden. Das letzte Zählergebnis kann mit einem Anzeigespeicher bis zur Vorlage des nächsten Zählergebnisses festgehalten werden, um eine ruhende Anzeige zu ermöglichen. Es lassen sich Meßgenauigkeiten von etwa 0,1% des Endwertes erreichen. Um Oberwellen der Meßgröße aus dem Meßergebnis herauszuhalten, ist ein Tiefpaßfilter am Eingang vorteilhaft.
4 Dual-Slope-Verfahren Beim „Doppelintegrationsverfahren“ (dual-slope-converter) erfolgt die Umwandlung in zwei aufeinander folgenden Schritten. Die Meßgröße ue wird während der konstanten vorgegebenen Zeit T1 integriert. Die Ausgangsspannung ua (Sägezahnspannung) ändert sich entsprechend der Gleichung XIII.2. Ausgangsspannung 1 ua (t ) = − ⋅ u e ⋅ T1 (XIII.2) R1⋅ C1 Bei konstanter Integrationszeit wird der Höchstwert der Ausgangsspannung ua durch den Wert der Eingangsspannung ue bestimmt.
XIII Analog-Digital-Wandler ue G
D
V1 R1
S G
D
C1 N1 u a
V2 S
T1
443
N2 N3
T2
URef Steuerlogik T2
&
A
N4 G Oszillator
N5
Bild XIII-3 Dual-Slope-Verfahren Im zweiten Schritt wird der Kondensator C1 über die Konstantspannungsquelle entladen. Die Ausgangsspannung ua des Integrators N1 in der Schaltung nach Bild XIII-3 ändert sich linear, bis der Komparator N2 den Spannungswert Null feststellt. Die Entladezeit T2 richtet sich ausschließlich nach der vorher im 1. Schritt aufgenommenen Ladungsmenge, also nach dem Höchstwert von ua. Diese Entladezeit wird genutzt, um die Digitalisierung der Meßgröße ue zu bewirken, indem der Oszillator N4 während der Entladezeit T2 seine Impulse auf den Ausgang gibt. Die Zählzeit T2 und die konstante Oszillatorfrequenz bestimmen die Anzahl der Impulse. Zählzeit T 2 =
ue ⋅ T1 U ref
(XIII.3)
Der Steuerlogik-Baustein bildet die Integrationszeit durch Frequenzteilung aus dem Oszillator N4, hält den FET-Transistor V1 für die Integrationszeit T1 leitend und den FET-Transistor V2 gesperrt. Nach Ablauf der Integrationszeit T1 gibt die Steuerlogik ein „H“-Signal auf das UND-Gatter N3 und schaltet die Transistoren um, so daß sich der Kondensator über die Konstantspannungsquelle Uref entlädt. Während dieser Zeit T2 gibt auch der Komparator N2 ein „H“-Signal an das UND-Gatter N3, so daß die Impulse des Oszillators an den Ausgang gelangen. Der Zählvorgang beziehungsweise die Zeit T2 ist beendet, sobald sich der Kondensator auf ua = 0 V entladen hat und der Komparator N2 ein „L“-Signal an das UND-Gatter N3 gibt, womit er weitere Impulse unterdrückt. Es lassen sich Meßgenauigkeiten von etwa 0,01% des Endwertes erreichen, wenn die Integrierzeit T1 durch Frequenzteilung von der Oszillatorfrequenz bestimmt wird. Die mittlere Umsetzungszeit liegt bei etwa 5 ms. AD-Wandler nach diesem Prinzip haben eine große Verbreitung gefunden.
5 Flash-Wandler Beim Verfahren mit parallelen Komparatoren nach Bild XIII-4 wird die angelegte Meßspannung UE mit genau festgelegten Referenz- und Teilreferenzspan-
nungen verglichen. Der hier dargestellte 3-Bit-ADUmsetzer macht 7 Komparatoren und ebensoviele Vergleichsspannungen erforderlich, die über einen Spannungsteiler erzeugt werden. Solange die angelegte Meßspannung UE kleiner ist als die über R8 abfallende Vergleichsspannung, zeigt der Ausgang des Komparators N7 eine logische „0“ an, die in eine logische „1“ übergeht, sobald die angelegte Meßspannung UE größer wird als die über R8 abfallende Vergleichsspannung. Dieser Trend setzt sich mit größeren Meßspannungen UE entsprechend fort. Ist die angelegte Meßspannung UE größer als die Spannungssumme über den Widerständen R5 bis R8, aber kleiner als die Spannungssumme über den Widerständen R4 bis R8, zeigt der Ausgang des Komparators N4 eine logische „1“ an, während der Ausgang des Komparators N3 eine logische „0“ verzeichnet. QA Q B QC
Bild XIII-4 Prinzipschaltung eines Flash-Wandlers
N1
X/Y-Decoder
N2
N3
N4
N5
N6
N7
UE URef
R1
R2
R3
R4
R5
R6
R7
R8
Der X/Y-Dekoder ermittelt zunächst den Komparator, bei dem die Vergleichsspannung erstmalig größer ist als die Meßspannung. Das wird durch eine UNDVerknüpfung eines jeden Komparators mit dem nächsten erfolgen. Mit weiteren Codierstufen erhält man hier das 3-Bit-Ausgangssignal an den Ausgängen QA bis QC. Für einen 8-Bit-AD-Wandler sind 255 Komparatoren mit den entsprechenden Vergleichsspannungen aufzuwenden. AD-Umsetzer nach diesem Verfahren mit parallelen Komparatoren ermöglichen Umsetzfrequenzen von mehr als 100 MHz. Diese Umsetzer werden als FlashWandler bezeichnet. Es gibt sie als IC-Bausteine (8- und 12-Bit-Umsetzer).
6 Wandler nach dem Wägeverfahren Das Wägeverfahren ist ein Vergleichsverfahren, bei dem die digitale Aussage an die gegebene analoge Eingangsgröße durch schrittweise Annäherung (sukzessive Approximation) ermittelt wird. Die digitale Ausgangsgröße wird über einen Operationsverstärker, der als bewerteter Addierer geschaltet ist, in die analoge Form (Treppenspannung) zurückversetzt und dann über einen Komparator mit der analogen Meßgröße verglichen. Dabei wird zunächst das höchste Bit des Speichers auf „1“ gesetzt.
444
Elektronik
Tabelle XIII-1 Zahlenbeispiel zur schrittweisen Umsetzung 1. Schritt
128 < 165
Q7 = 1
128
2. Schritt
165 – 128 = 37 64 > 37
Q6 = 0
0
3. Schritt
32 < 37
Q5 = 1
32
4. Schritt
37 – 32 = 5 16 > 5
Q4 = 0
0
5. Schritt
8>5
Q3 = 0
0
6. Schritt
4<5 5–4=1
Q2 = 1
4
7. Schritt
2>1
Q1 = 0
0
8. Schritt
1=1
Q0 = 1
1 Σ 165
Das Zahlenbeispiel (Tabelle XIII-1) soll die schrittweise Umsetzung des Wertes 165 bei einem 8-BitAD-Wandler verdeutlichen. Das Umsetzungsverfahren benötigt zwar viele Schritte, arbeitet aber insgesamt wesentlich schneller als ein Wandler nach dem Integrationsverfahren. Die mittlere Umsetzungszeit beträgt für einen 10-Bit-ADWandler etwa 10 ms.
7 Integrierte Wandler Analog-Digital-Umsetzer sind als integrierte CMOSSchaltungen für vielfältige Anwendungen verfügbar. Je nach der vorgesehenen weiteren Verwendung der digitalen Ausgangsgrößen werden diese ICs mit dual-
codierten Ausgängen, parallelen BCD-Ausgängen oder n-Digit-BCD-Multiplexausgängen unterschieden. BCD-Ausgänge werden für die Ansteuerung von digitalen Anzeigeeinheiten verwendet, während dual codierte Parallelausgänge für die digitale Datenverarbeitung mit Computern benötigt werden. Alle Wandler sind durch zwei wesentliche Kenngrößen charakterisiert: die Auflösung und die Umsetzzeit. Die Auflösung sagt aus, wie fein ein Analogwert von dem Wandler in einen Digitalwert umgesetzt wird. Sie wird in Bit angegeben. 4 Bit entsprechen einer Genauigkeit von ca. 7%, während 8 Bit eine Genauigkeit von 0,4% bieten und dem Standard entsprechen. Die Umsetzzeit gibt an, wieviel Zeit der Wandler benötigt, um den Wert der anliegenden Spannung in ein Digitalwort umzusetzen. Bei der digitalen Bildverarbeitung werden extrem kurze Zeiten verlangt, während sie bei anderen Gelegenheiten eher von untergeordneter Bedeutung sind. Je nach gewünschter Umsetzzeit werden die verschiedenen Verfahren eingesetzt. Mit sukzessiver Approximation arbeiten die ADWandler der ADC-08xx-Familie. Sie haben eine Auflösung von 8 Bit, eine Umsetzzeit von 100 ms und eine Zugriffszeit von 135 ns bei einer einfachen Versorgungsspannung von 5 V. Die Referenzspannung ist wählbar. Der Wandler ist für den direkten Anschluß an den Mikroprozessor 8080 und seine Verwandten konzipiert worden. Der von der Fa. Datel hergestellte ADC 847 hat bei einer Auflösung von 8 Bit eine Umsetzzeit von 9 ms. Der MAX132 der Fa. Maxim ist ein relativ langsamer 18-Bit-AD-Wandler mit seriellem Ausgang, der nach dem Multi-Slope-Verfahren arbeitet. Es können bis zu 100 Wandlungen pro Sekunde erfolgen. Er eignet sich besonders für den Einsatz in Datenerfassungssystemen, Waagen und Schalttafel-Instrumenten.
XIV Digital-Analog-Wandler 1 Grundlagen
2 D/A-Wandler-Varianten
Um vorhandene digitale Signale in verwertbare analoge Signale umzuwandeln, benötigt man DigitalAnalog-Wandler. Diese Wandler stellen das unverfälschte analoge Signal wieder her und ermöglichen seine analoge Weiterverarbeitung (zum Beispiel Verstärkung). Voraussetzung ist in den meisten Anwendungsfällen, daß das digitale Signal ein parallel anstehendes Datenwort ist, das eine mehrstellige Binärzahl darstellt.
Eine einfache Schaltung eines 3-Bit-DA-Wandlers mit Operationsverstärker zeigt Bild XIV-1. Es handelt sich hierbei um einen invertierenden OP, bei dem die Eingangswiderstände entsprechend der Wertigkeit der digitalen Stelle mit nachgeschalteter Umkehrstufe gewählt werden müssen. Das 3-Bit-Eingangssignal QA bis QC liegt an den Eingängen E1 bis E3, so daß R1 = R, R2 = R/2 und R3 = R/4 gewählt werden müssen. Ein weiterer Ein-
XIII Digital-Analog-Wandler
445
R3
E3
URef
R2
E2
R5
R8
UE
Rg
2R R
R1
E1
QD
R7
2R
UA1
R6
QC
UA2
R9
R
QB
R
Bild XIV-1 Schaltung eines 3-Bit-DA-Wandlers mit OP gang E4 mit einem Eingangswiderstand R4 = R/8 erweitert diesen Wandler zu einem 4-Bit-DA-Wandler. Dieser 3-Bit-DA-Wandler wandelt ein 3-Bit-Datenwort in eine analoge Treppenspannung UA2 nach Bild XIV-2 am Ausgang um. UE/V 6 3 0
0
UA2/V
4
8
12
Ua
2R
12 10 8 6 4 2 0 –2 16 t/ms 20
QA
Bild XIV-3 R-2R-Netzwerk für einen 4-Bit-Wandler
2R 2R
Die Schaltung nach Bild XIV-4 soll die Grundlage für den Einstieg in eine knappe Netzwerkberechnung bieten. Die Widerstände R7 und R8 liegen zueinander parallel, haben also insgesamt den Widerstand R. Als Reihenschaltung mit R6 ergibt sich wieder der Wert 2R. Der Widerstand R5 mit 2R liegt nun parallel zum Ersatzwiderstand der bisher berechneten Widerstände R6, R7 und R8. R2 URef
R1
R3
Bild XIV-2 Liniendiagramm zur Schaltung nach Bild XIV-1
R6 R5
R7
R8
R2 = R4 = R6 = R R1 = R3 = R5 = R7 = R8 = R2
Bild XIV-4 Schaltung zur Netzwerkberechnung Das Netzwerk hat einen Gesamtersatzwiderstand von R. Die Referenzspannungsquelle Uref wird also mit R belastet. Der ihr entnommene Strom teilt sich auf R1 und R2 zu gleichen Teilen auf, was sich an allen Knoten wiederholt. Durch die senkrecht gezeichneten Widerstände des Netzwerkes nach Bild XIV-4 fließen Ströme, deren Werte sich jeweils halbieren (von der Spannungsquelle aus betrachtet), aber in allen Schaltumständen konstant bleiben.
3 Integrierte Wandler A1 5 A2 6 A3 7 A4 8 A5 9 A610 A711 A 12
VCC = 5V 13 14 5M 15 5k
DAC 0808
Der 4-Bit-DA-Wandler läßt sich für weitere Dekaden nach dem 8-4-2-1-BCD-Code erweitern. Für jede weitere Dekade sind vier Widerstände erforderlich, deren Widerstandswerte um den Faktor 0,1 je Dekade kleiner werden. Diese Art der Erweiterung kann theoretisch beliebig erweitert werden. Die Anforderungen an die Genauigkeit der Widerstände werden bei den Stellen höchster Wertigkeit sehr groß und lassen sich kaum noch erfüllen. Darum benutzt man ein Schaltungsprinzip, bei dem die verwendeten Widerstände in derselben Größenordnung liegen. Im Prinzip wird in der Schaltung nach Bild XIV-1 eine Summation der bewerteten Einzelströme durchgeführt. Das läßt sich auch mit einem Kettenleiter oder R-2R-Netzwerk für einen 4-Bit-Wandler nach Bild XIV-3 bewerkstelligen. Entsprechend dem logischen Zustand der digitalen Eingänge QA bis QD werden die Umschalter entweder auf Masse gelegt oder auf den invertierenden Eingang des OP geschaltet, so daß der bewertete Strom im Addierer summiert wird (oder gegen 0-Potential abfließt) und als Ausgangsspannung Ua erscheint. Die Umschalter werden durch elektronische Schalter realisiert. Der Gegenkopplungswiderstand Rg läßt sich je nach gewünschter analoger Ausgangsspannung Ua berechnen, da durch ihn der Summenstrom fließt. Integrierte Schaltkreise der Industrie enthalten zusätzlich oft einen Speicher für das digitale Datenwort. Üblich sind sind 8-Bit-DA-Wandler.
R4
2
VRef
Bild XIV-5 Digital/AnalogUmsetzer mit dem IC DAC 0808 5M
4 16 C1
8
3 VEE = –15V
Ua
446
Elektronik
Der DAC 0808 ist ein monolithischintegrierter Digital/Analog-Wandler mit einer Einstellzeit von 150 ns für Vollaussteuerung des Ausgangsstroms. Die digitalen Eingänge sind TTL- und CMOS-kompatibel. Bei einer Versorgungsspannung von ± 5 V werden maximal 33 mW aufgenommen. Einen Digital/AnalogUmsetzer für eine Ausgangsspannung von 10 V zeigt die Schaltung nach Bild XIV-5.
Ausgangsspannung A A A U a = 10 V ⋅ ⎛⎜ 1 + 2 + ... + 8 ⎞⎟ ⎝ 2 4 256 ⎠
(XIV.1)
Als Operationsverstärker läßt sich der LM741 verwenden. Für den Kondensator C1 reichen 0,1 mF aus. Als digitale Eingänge stehen die Anschlüsse A1 bis A8 zur Verfügung.
XV Leistungselektronik Aufgabe der Leistungselektronik ist das kontaktlose Steuern, Schalten, Regeln und Umformen elektrischer Energie. Im Rahmen dieses Abschnittes werden nur die Grundfunktionen der Stromrichter im Bereich des Schaltens, Steuerns und Umformens elektrischer Energie behandelt. Als Stromrichtergrundfunktionen werden Gleichrichter, Wechselrichter und Umrichter beschrieben, wobei Wechselstromumrichter und Gleichstromumrichter (Gleichstromsteller) voneinander unterschieden werden müssen. Für den Aufbau solcher Schaltungen benötigt man Dioden, Thyristoren und zunehmend Transistoren (Bipolare Transistoren, SIPMOS, IGBT). Diese Bauelemente werden als ideale Schalter (Stromventile) betrachtet, daß heißt, im gesperrten Zustand wird der Sperrstrom und im leitenden Zustand der Spannungsabfall vernachlässigt. Es wird von einer Stromglättung ausgegangen, daß heißt, ein Gleichstrom geht ungewollt nicht auf den Wert 0 A zurück.
Bild XV-2 Blockschaltbild eines Wechselrichters Wechselrichter formen eine Gleichspannung in eine beliebige Wechselspannung, auch Drehstrom um. Die Energie fließt dabei hauptsächlich von der Gleichstrom- zur Wechselstromseite. Bild XV-2 zeigt das Blockschaltbild eines Wechselrichters. Die Schaltung nach Bild XV-3 zeigt die Hauptstromkreise eines selbstgeführten Wechselrichters. Die einzeichneten IGBTs können durch Thyristoren oder SIPMOS-FET ersetzt werden. Hilfsstromkreise zur Löschung der Thyristoren, Freilaufdioden oder RCGlieder zum Schutz der Transistoren sind nicht eingezeichnet. Durch geschicktes Ansteuern der IGBTs kann für die RL-Last ein Dreiphasennetz mit beliebiger Frequenz aus der anliegenden Gleichspannung Ud erzeugt werden.
Bild XV-1 Blockschaltbild eines Gleichrichters
V1
V2
V3
Ud
Gleichrichter formen eine beliebige Einphasen- oder Dreiphasenwechselspannung (Drehstrom) in eine Gleichspannung um. Die Energie fließt dabei hauptsächlich von der Wechselstrom- zur Gleichstromseite. Bild XV-1 zeigt das Blockschaltbild eines Gleichrichters.
V4
V5
L1
R1
L2
R2
L3
R3
V6
Bild XV-3 Hauptstromkreise eines selbstgeführten Wechselrichters
XV Leistungselektronik U1, f1
447 Bild XV-4 Blockschaltbild eines Wechselstromumrichters
jedoch in anderer Reihenfolge als beim Wechselstromumrichter. Innerhalb der Gleichstromumrichter hat der Gleichstromsteller eine relativ hohe Bedeutung. Er hat keinen Zwischenkreis.
U2 , f2
Die Ströme sind zwar nicht sinusförmig, man kann mit ihnen aber Drehstromasynchronmotore betreiben. Wechselstromumrichter formen eine Wechselspannung in eine andere beliebige Wechselspannung (andere Frequenz, aber auch anderer Spannungswert möglich) um. Bild XV-4 zeigt das Blockschaltbild eines Wechselstromumrichters.
DC-Spannungszwischenkreis
DC-Stromzwischenkreis
AC-Zwischenkreis
Bild XV-7 Stromrichter mit Zwischenkreis Dioden werden für den ungesteuerten Betrieb verwendet, Thyristoren für den gesteuerten Betrieb, Transistoren für Schalterzwecke bei Gleichstromanwendungen, z.B. in Wechselrichtern.
1 Gleichrichterschaltungen/ Stromversorgung Die Benennung und Kennzeichnung von Stromrichtern wird nach Tabelle XV-1 vorgenommen.
Bild XV-5 Wechselstromumrichter mit Gleichstromoder Gleichspannungs-Zwischenkreis Fast unabhängig von der Eingangs-Wechselspannung werden Wechselstromumrichter mit einem Gleichstrom-Zwischenkreis oder einem GleichspannungsZwischenkreis betrieben. Hier liegen nach Bild XV-5 ein Gleichrichter und ein Wechselrichter in Reihe, wobei die beiden Stromrichter über einen Zwischenkreis verbunden sind.
Bild XV-6 Blockschaltbild eines Gleichstromumrichters Gleichstromumrichter formen eine Gleichspannung in eine beliebige Gleichspannung um. Bild XV-6 zeigt das Blockschaltbild eines Gleichstromumrichters. Auch hier liegen ein Wechselrichter und ein Gleichrichter in Reihe, wobei die beiden Stromrichter nach Bild XV-7 über einen Zwischenkreis verbunden sind,
Beispiel: B2HAF ⇒
B → 2 → HA → F →
Kennbuchstabe Kennzahl (Pulszahl) Steuerbarkeit Hilfszweige
Man unterscheidet ungesteuerte und gesteuerte Gleichrichter. Ungesteuerte Gleichrichter werden in Elektrolyseanlagen und zur Speisung von Gleichstromnetzen, vor allem für Straßen-, U- und Vollbahnen eingesetzt. Gesteuerte Gleichrichter haben ihre größte Bedeutung in der Antriebstechnik mit Gleichstrommaschinen, wo die Drehzahl mit Hilfe der Veränderung der Ankerspannung stufenlos eingestellt werden kann. Sie ermöglichen aber auch die Energieumkehr. Bei kontrollierter Absenkung einer Last mit Hilfe einer Gleichstrommaschine arbeitet diese als Generator, wobei die erzeugte Energie als Nutzbremsung über den Gleichrichter als netzgeführten Wechselrichter in das treibende Netz eingespeist werden kann. In Verbindung mit selbstgeführten Wechselrichtern können auch Drehstromantriebe mit Hilfe der Veränderung der Spannung und der Frequenz in ihrer Drehzahl stufenlos eingestellt werden. Ungesteuerte Gleichrichter können wie gesteuerte Gleichrichter mit dem Zündwinkel a = 0° betrachtet und berechnet werden. Die maximal erreichbaren und zu verarbeitenden Werte stimmen hier überein. Auch die Trafoleistungen werden identisch berechnet.
448
Elektronik
In der Leistungselektronik herrschen meist ohmschinduktive Lasten mit sehr hohen Strömen vor. Die Nachteile einer Spannungsglättung mit Kondensatoren werden hier deutlich: unrealistisch hohe Kapazitäten, stoßstromartige Belastung der Halbleiter und größere Welligkeit bei größerer Belastung. In der Leistungselektronik wird deshalb das Prinzip der Stromglättung mit Hilfe von Glättungsdrosseln angewendet. Glättungsdrosseln werden stets in Reihe mit dem Verbraucher geschaltet und haben das Bestreben, den einmal fließenden Strom aufrechtzuerhalten („Lenzsche Regel“). Sie widersetzen sich der Änderung des Stroms, indem sie eine Selbstinduktionsspannung erzeugen oder gespeicherte magnetische Energie abgeben. Der Laststrom setzt sich bei idealer Glättung aus Stromblöcken zusammen. Für die Reihenschaltung einer idealen Induktivität L mit einem ohmschen Widerstand R als Last an einer sinusförmigen Wechselspannung ergibt sich das Liniendiagramm von Strom und Spannung nach Bild XV-8 im eingeschwungenen Zustand. Der Phasenverschiebungswinkel je läßt sich mit den bekannten Gleichungen bestimmen. Man erkennt, daß der Strom Ie nicht Null ist, wenn die anliegende Spannung U bereits Null geworden ist.
U, Ie
U Ie vt
30° fe
Bild XV-8 Liniendiagramm von Strom und Spannung V1 U1
U2
Bezeichnung
Einwegschaltung
Mittelpunktschaltung M
Zweiwegschaltung
Brückenschaltung B Verdopplerschaltung D Vervielfacherschaltung V Wechselwegschaltung W Polygonschaltung P
Steuerbarkeit Kurzzeichen
Bedeutung
U C H HA (HK)
ungesteuert vollgesteuert (controlled) halbgesteuert halbgesteuert mit anodenseitiger (katodenseitiger) Zusammenfassung der Ventile Zweigpaar gesteuert
Haupt- und Hilfszweige Kurzzeichen
Bedeutung
A (K)
anodenseitige (katodenseitige) Zusammenfassung der Hauptzweige Löschzweig Rücklaufzweig Freilaufzweig Freilaufzweig gesteuert Vervielfachungsfaktor
Q R F FC n
UL
UR
RL
Betreibt man eine solche Last in der Schaltung nach Bild XV-9 (M1C) und mit einem Phasenanschnittwinkel a = 0°, so ergibt sich das Liniendiagramm nach Bild XV-10. Der Thyristor V1 führt also noch
Ergänzende Kennzeichen
HZ
Ud
L
Bild XV-9 Gesteuerte Einweggleichrichterschaltung (M1C)
Tabelle XV-1 Benennung und Kennzeichnung von Stromrichtern Schaltungsart
Id
XV Leistungselektronik
449 L
U,I a = 0°
U Id
360°
V2
V3
Strom, obwohl seine Anoden-Katoden-Spannung negativ gepolt ist. Der Gleichstrom Id fließt also länger als 180°. Das Liniendiagramm nach Bild XV-11 zeigt die Zusammenhänge zwischen dem Strom und den Spannungen UL und UR. Während UR dem Stromverlauf folgt, kann man erkennen, daß die positiven und negativen Spannungs-Zeit-Flächen der (Induktions-)Spannung UL gleich groß sind. An der Induktivität L kann keine Gleichspannung abfallen. Betreibt man die Schaltung nach Bild XV-9 mit einem Phasenanschnittwinkel a = 120°, so ergibt sich das Liniendiagramm nach Bild XV-12. Der Stromverlauf Id ist angenähert sinusförmig, abgesehen von den Ladevorgängen. Die positive Spannungs-Zeit-Fläche Ud ist größer als die negative und macht als Differenz die aufgenommene Wirkleistung deutlich. U,I
RL
Ud
vt
Bild XV-10 Liniendiagramm von Strom und Spannung bei a = 0°
Id UR
U2
U1
180°
UL
V4
V1
Bild XV-13 Vollgesteuerte Brücken-Gleichrichterschaltung (B2C) mit RL-Last Die Schaltung nach Bild XV-13 zeigt eine vollgesteuerte Zweipuls-Brücken-Gleichrichterschaltung B2C mit RL-Last. Betreibt man diese Schaltung mit einem Phasenanschnittwinkel a = 120°, so ergibt sich das Liniendiagramm nach Bild XV-14. Der Gleichstrom Id erreicht nicht die Stromkurve des eingeschwungenen Stroms Ie. Damit ist der Strom im ersten Stromweg bereits erloschen, wenn der zweite Stromweg zündet. Als Folge treten Stromlücken auf, deren Breite von den Werten der Last und dem Phasenanschnittwinkel abhängen. Wird der Phasenanschnittwinkel a gleich dem Phasenverschiebungswinkel j, ergibt sich ein Liniendiagramm nach Bild XV-15. Der Gleichstrom Id besteht aus Sinusbögen, während die Stromlücken auf Null geschrumpft sind. Verkleinert man den Phasenanschnittwinkel weiter, kommt es zur Überschneidung der Stromverläufe, und man spricht von nichtlückendem (kommutierendem) Betrieb. U,I
a = 0°
U2 Id
UL
U
U
UR
Id
Id 360°
180°
vt
vt Ie
Ie
Bild XV-11 Liniendiagramm von Strom und Spannungen bei a = 0°
Bild XV-14 Liniendiagramm einer B2C-Schaltung mit a = 120°
U,I
U,I
Bild XV-12 Liniendiagramm bei einem Phasenanschnittwinkel a = 120°
U Ud
Id = Ie
Id
90°
US
US
360°
vt
a = fe
vt
Bild XV-15 Liniendiagramm einer B2C-Schaltung mit a = j
450
Elektronik
Geht der Laststrom von einem Stromweg auf einen anderen Stromweg über, ohne daß vorher der Strom im abgebenden Ventil Null geworden ist, so bezeichnet man diesen Vorgang als Kommutierung. Je nach Ursache spricht man von netzgeführten oder lastgeführten Stromrichtern; zusammen bilden sie die Gruppe der fremdgeführten Stromrichter. Udα Udo
Widerstandslast
0,5 Induktive Last
0
Induktive Last –0,5
–1,0
Aktive Last
0
30
60
90
Wechselrichterbetrieb Gleichrichterbetrieb
1,0
150 a 180 grd
120
Bild XV-16 Lastabhängige Steuerkennlinien einer B2C-Schaltung Die Ausgangsspannung Ud des vollgesteuerten B2Stromrichters (B2C) hängt nicht nur vom Phasenanschnittwinkel a, sondern auch von der Lastart ab. Bei der Last unterscheiden wir zwischen Widerstandslast, induktiver Last und aktiver Last. Unter aktiver Last ist das Betreiben eines Stromrichters auf eine Gegenspannung, zum Beispiel Akkumulator oder induzierte Spannung U0 eines Gleichstrommotors, zu verstehen. Die lastabhängigen Steuerkennlinien nach Bild XV-16 beschreiben das Verhältnis von gesteuerter Gleichspannung Uda zu ungesteuerter Gleichspannung Ud0 bei verschiedenen Lastarten. Man erkennt, daß die Ausgangsspannung Uda bei idealer induktiver Last bei einem Phasenanschnittwinkel α = 90° zu Null wird. Wird der Phasenanschnittwinkel bei aktiver Last α > 90°, geht der B2-Stromrichter (B2C) in den lastgeführten Wechselrichterbetrieb über. Bei großen Gleichstromleistungen wird der Gleichstrom dem Drehstromnetz entnommen. Beispielhaft L1 L2 L3
L1 V1 L2 V2 L3 V3
werden die M3C-Gleichrichterschaltung (gesteuerte Dreipulsmittelpunktschaltung) und die vollgesteuerte Sechspulsbrückengleichrichterschaltung (B6C) erläutert. Bild XV-17 zeigt eine M3C-Schaltung mit ohmschinduktiver Last an einem Dy-Transformator mit herausgezogenem Sternpunkt. Bei einem Phasenanschnittwinkel α = 0° arbeitet diese Schaltung als ungesteuerter Gleichrichter M3 (Thyristoren durch Dioden ersetzt). Es ist immer das Stromventil leitend, dessen Anoden-Katoden-Spannung das positivste Potential besitzt. Bei idealer Stromglättung ergeben sich Stromblöcke mit einer Länge von 120°, während die Gleichspannung Ud nur eine sehr geringe Welligkeit aufweist (Tabelle XV-2). Bei rein ohmscher Last können die Thyristoren V1 bis V3 erst 30° nach dem Nulldurchgang der Sternspannungen gezündet werden, da erst dann die Ventilspannungen positiv werden. Ein Impulssteuergerät muß je Periode drei um 120° phasenverschobene Impulse an die Gates liefern. Bei einem Phasenanschnittwinkel α ≤ 30° arbeitet diese Schaltung bei ohmscher Last nach Bild XV-18 im nichtlückenden Betrieb, bei einem Phasenanschnittwinkel 30° ≤ α ≤ 150° dagegen im lückenden Betrieb. Ist die Induktivität L nach Bild XV-17 ausreichend groß, wird Id vollständig geglättet, und es treten keine Lücken auf. Bild XV-19 zeigt den Verlauf von Ud (ω t) und Id (ω t) bei α1 = 0°, α2 = 30°, α3 = 60° und α4 = 90° im Gleichrichterbetrieb. Die Spannung Udα wird bei α4 = 90° zu Null. Ue
a) a 30°
Ud
360°
vt
180°
360°
vt
Ue
b) Id
180° 150°
a
L UL U R
30° RL
N
Bild XV-17 M3C-Schaltung mit ohmsch-induktiver Last
Bild XV-18 M3C-Schaltung mit ohmscher Last bei a) nichtlückendem und, b) lückendem Betrieb
XV Leistungselektronik
451 Wechselrichterbetrieb L1
L1 Udia
L
RL V4
2
3
1
2
3
1
2
3
1
2
UL
Ud
L3
L3 1
Id
V3
L2
L2
Udia
Udia
V2
V5
UR
V6
3
Bild XV-19 Verlauf der Verbraucherspannung bei verschiedenen Phasenanschnittwinkeln und Übergang vom Gleichrichterin den Wechselrichterbetrieb Wird der Phasenanschnittwinkel α > 90°, so wird die Spannung Udα negativ. Nun kann sich zwar die Spannung Udα umpolen, wegen der Stromventile jedoch nicht der Strom Id. Die Schaltung geht in den Wechselrichterbetrieb über. Die bestehenden Strom- und Spannungsverhältnisse sind nur möglich, wenn die angeschlossene Last eine aktive Last, also eine Gleichstrommaschine im Generatorbetrieb ist. Die von der Maschine im Bremsbetrieb erzeugte Energie wird ins Netz zurückgespeist (Nutzbremsung). Die Schaltung funktioniert nur in dieser Weise, wenn weiterhin das Dreistromnetz angeschlossen ist, da durch dieses Netz das periodische Schalten der Thyristoren mitbestimmt wird. Es handelt sich hier um einen netzgeführten Wechselrichter. Aufgrund der nicht unendlich kurzen Kommutierungszeit und der Freiwerdezeit der Stromventile kann der Phasenanschnittwinkel nicht auf α = 180° ausgedehnt werden. Bei Erreichen der Wechselrichtergrenze erlangen die Thyristoren ihre Sperrfähigkeit nicht rechtzeitig wieder, so daß mehrere Thyristoren gleichzeitig noch leitend sind. Uda UL1N UL2N UL3N UStrang
Bild XV-21 Vollgesteuerte Sechspulsbrückenschaltung (B6C) Transformatortypenleistung vorteilhafter als die M3Schaltung. Da hier ein Sternpunkt nicht erforderlich ist (in der Schaltung nach Bild XV-17 führt er den gesamten Strom Id), wird diese Schaltung fast immer bei höheren Leistungen verwendet. Für den Vergleich einzelner Werte siehe Tabelle XV-2. Die lastabhängige Steuerkennlinie eines B6C-Stromrichters zeigt Bild XV-22. Die Steuerkurven bei rein induktiver oder ohmscher Last liegen in weiten Bereichen übereinander. Für den Betrieb an aktiver Last gelten die Aussagen zur M3C-Schaltung sinngemäß. Halbgesteuerte Stromrichter nach den Schaltungen in Bild XV-23 (B2HK) und in Bild XV-24 (B2HZ) können nur als Gleichrichter eingesetzt werden, da Wechselrichterbetrieb nicht möglich ist. Die Dioden wirken zu bestimmten Zeiten wie Freilaufdioden und reduzieren die Blindleistung um die Hälfte. Diese Uda Udo 1,0 0,5
Widerstandslast Induktive Last
0 t
–UStrang a=120°a=120° a=135° a=150° a=165°
Bild XV-20 Fremdgeführter Wechselrichterbetrieb mit Kippvorgang bei α = 165° Dieser Umstand führt zu einem sprungartigen Verändern der Ausgangsspannung, wie in Bild XV-20 für α = 165° dargestellt ist. Man nennt diesen Vorgang Wechselrichterkippen. Der maximale Anschnittwinkel wird häufig durch den Betreiber auf αmax = 150° eingestellt. Auch für die M3C-Schaltung läßt sich die lastabhängige Steuerkennlinie berechnen und konstruieren. Sie weist große Ähnlichkeit mit der Kennlinie nach Bild XV-16 auf. Die vollgesteuerte Sechspulsbrückenschaltung B6C nach Bild XV-21 ist auch hinsichtlich Welligkeit und
Induktive Last
–0,5 –1,0
Gleichrichterbetrieb
Udia
V1
Aktive Last
0
30
60
90
120
150
Wechselrichterbetrieb
Gleichrichterbetrieb
a=0° a=30° a=60° a=90° a=120° a=150° 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3
180
a grd
Bild XV-22 Lastabhängige Steuerkennlinie der B6C-Schaltung
V1 U1
V4
Ud Uo
U2 V2
Ld
Id
M LFeld
V3
Bild XV-23 Halbgesteuerte Stromrichter (B2HK)
UBr/Ud
Welligkeit w
2,619
3,090
S1/Ud0 ⋅ Id
STr/Ud0 ⋅ Id
primärseitige Scheinleistung
Typenleistung
Steuerkennlinie
Uda/Ud0
0 0
0,2
0,4
0,6
90
150
180 a grd
–1,0
–0,5
0
0,5
1,0
0
30
60
90
0
Induktive Last
120
150
Induktive Last
180 a grd
–1,0
–0,5
0
0,5
30
60
90
Aktive Last
120
150
Induktive Last
180 a grd
–1,0
–0,5
0
0,5
1,0
0
30
60
90
120
150
Induktive Last
180 a grd
1,05 (RL)
1,06 (RL)
0,82/ü (RL)
0,820 (RL)
Widerstandslast
Aktive Last
Induktive Last
1,23 (RL)
1,111 (Ld)
1,345 Dy
Udα Udo
1,05 (Ld)
1,23 (RL)
1,0
0,816/ü (Ld) 1,05 (Ld)
1,11 (RL)
1,0/ü (Ld) 1,111 (Ld)
0,478/ü (RL) 1,209 (RL)
0,816 (Ld)
1,11 (RL)
1,000 (Ld)
3 = 2,449
0,588 (RL)
0,333
2⋅
0,042
0,577 (Ld)
Widerstandslast
Bild XV-21
0,58 (RL)
B6H
B6C
B2HZ Bild XV-24
2,34 (U2 = UStr) 1,35 (U2 = ULeiter)
halbgesteuert
vollgesteuert
Sechspuls-Brückenschaltung
0,785 (RL)
Udα Udo
0,5
2 = 1,414
0,483
0,9
B2HK Bild XV-23
B2C
halbgesteuert
Bild XV-13
vollgesteuert
Zweipuls-Brückenschaltung
0,707 (Ld)
0,588 (RL)
Widerstandslast
Aktive Last
Induktive Last
1,460 Dz, Yz
1,209 (Ld)
0,472/ü (Ld)
0,5777 (Ld)
Udα Udo
0,8
3 = 2,449
0,5777 (Ld)
0,333
2⋅
0,183
1,189
1,17 (U2 = UStr)
1,0
60
M3 Bild XV-17
Udα Udo
30
1,211/ü
I1/Id
netzseitiger Leiterstrom
gesteuerte Gleichspannung mit a ≠ 0°
1,571
1,571
ITRMS/Id
I2/Id
1,0
2 = 1,414
ITAV/Id
UR max/U2
ventilseitiger Leiterstrom
Transformator
Spitzenwert
Ventilsperrspannung/Ventilstrom
0,707
Udeff/U2
Effektivwert
1,21
0,45
Ud0/U2
arithm. Mittelwert
120
Prinzipschaltung nach
Gleichspannung/ungesteuerte Stromrichterschaltung mit a = 0°
M1
Bild XV-9
Kennzeichen
Dreipuls-Mittelpunktschaltung
Wechselrichterbetrieb Gleichrichterbetrieb
Einpuls-Mittelpunktschaltung
Wechselrichterbetrieb Gleichrichterbetrieb
Stromrichterschaltung
Wechselrichterbetrieb Gleichrichterbetrieb
Tabelle XV-2 Stromrichterschaltungen
452 Elektronik
XV Leistungselektronik
V1 U1
453
V4
Str = 3,09 ⋅ Udi ⋅ Id ;
Id
Id = Udi/R
Ud
U2 V3
Ld
Uo
Udi = 0,45 ⋅ U2 ;
(nach Tab. XV-2)
Udi = 0,45 ⋅ 220 V = 99 V Id = 99 V/8 Ω = 12,375 A
M LFeld
V2
Str = 3,09 ⋅ 99 V ⋅ 12,375 A = 3785,6 VA In dieser Schaltung muß der Trafo eine wesentlich höhere Bauleistung als die Gleichstromleistung haben.
Bild XV-24 Halbgesteuerte Stromrichter (B2HZ) Schaltungen können für die Drehzahlsteuerung von Gleichstrommotoren geringer Leistung ohne Nutzbremsung verwendet werden. Die Induktivitäten Ld glätten den Strom Id und verhindern lückenden Strom. Berechnung der Trafotypenleistung: Bei der Berechnung von Transformatoren wird die Scheinleistung S = U ⋅ I zugrundegelegt. Für den idealen Transformator ist in der herkömmlichen Elektrotechnik die Gleichheit von Primär- und Sekundärscheinleistung unter der Voraussetzung von sinusförmigen Spannungen und Strömen gültig. In der Leistungselektronik sind Ströme und auch Spannungen jedoch nicht sinusförmig und zudem auf der Primär- und Sekundärseite verschieden. Um diese Ungleichungen und die auf der Sekundärseite auftretenden Gleichstromanteile zu berücksichtigen, führt man die Transformatorentypenleistung PTR ein, die dem Mittelwert von Primär- und Sekundärleistung entspricht. Tabelle XV-2 stellt die entsprechenden Faktoren zur Berechnung bei verschiedenen Schaltungen zur Verfügung. Auch ohmsche Widerstände belasten ein Wechselstromnetz mit Blindleistung, wenn sie mit gesteuerten Gleichrichtern betrieben werden. Die fließenden Ströme sind nicht-sinusförmig. Der Grund für das Vorhandensein der Blindleistung ist darin zu finden, daß sich solche nicht-sinusförmigen Größen in eine unendliche Zahl sinusförmiger Teilschwingungen und einen Gleichanteil zerlegen lassen, die als Summe die nicht-sinusförmige Größe ergeben. Amplitude und Frequenz der Teilschwingungen lassen sich mit mathematischen Verfahren nach Fourier berechnen. Eine genaue Analyse ergibt, daß die Wirkleistung der Last nur durch die Grundwelle (Grundschwingung nach Fourier) des Stroms erzeugt wird. Diese Grundwelle erzeugt aufgrund ihrer Phasenverschiebung gegenüber der Spannung auch eine Blindleistung. Da diese durch die Anschnittsteuerung zustande kommt, heißt diese Blindleistung auch Steuerblindleistung. Die Oberschwingungen des Stroms tragen zur Scheinleistung bei, erzeugen aber nur Blindleistung. Beispiel: Zu berechnen ist die Trafotypenleistung des Transfor-
mators in der Schaltung nach Bild XV-9 mit U2 = 220 V, ü = 1 und R = 8 Ω und das Verhältnis von STr zu Pdi. Lösung: Der Trafo muß für die maximale Belastung, also bei α = 0° berechnet werden.
2 Anwendungsschaltungen Bei der Dimensionierung eines Netzteiles beginnt man stets mit den Spannungs-, Strom- und Leistungsbedingungen am Ausgang. Die Frage nach der Stabilität, Genauigkeit und Einstellbarkeit der Ausgangsgrößen steht dabei im Vordergrund. Im Abschnitt II.5.4 wird die Stabilisierung der Ausgangsspanung mit Hilfe einer Z-Diode erläutert. Dort fließt jedoch der Laststrom durch den Vorwiderstand, so daß an ihm eine hohe Verlustleistung in Wärme umgesetzt wird, was zumindest bei größeren Strömen unangemessenen Aufwand bedeutet. Die Schaltung nach Bild XV-25 zeigt ein Netzteil mit Längstransistor V6 als 2N3055. Hier ist der Laststrom identisch mit dem Kollektor-Emitter-Strom des Transistors. 4 x 1N4006
V1
V6
2N3055
RV
V3
RL CL V5 V2
V4
Bild XV-25 Netzteil mit Längstransistor An der Z-Diode fällt die konstante Referenzspannung UZ ab, die ständig mit der Ausgangsspannung am Lastwiderstand RL verglichen wird. Aus diesem Vergleich wird die Steuerspannung UBE für den Transistor V6 abgeleitet, so daß als Ausgangsspannung des Netzteiles die Differenz der beiden Spannungen besteht. Eine Änderung der Ausgangsspannung hat eine gegenläufige Änderung der BasisEmitter-Spannung zur Folge. Ob diese Änderung von der Eingangsspannung oder vom Ausgangsstrom (Änderung der Last) herrührt, ist für diesen Reglungsvorgang bedeutungslos. Ausgangsspannung
UA = UZ – UBE
(XV.1)
In der Schaltung nach Bild XV-25 ist die Ausgangsspannung konstant und auch von außen her nicht veränderbar. Soll die Ausgangsspannung regelbar sein, kann eine Schaltung nach Bild XV-26 verwendet werden, in der der Transistor V3 als Regler wirkt.
454
Elektronik V5 V1
RE
R3
R2 V4
V2 R4
V3
UE
RL UA
R1 V6
UB
UZ
R5
Bild XV-26 Netzteil mit Längstransistor und regelbarer Ausgangsspannung
Widerstand R3 wird hier vom Laststrom IA durchflossen, der eine Spannung abfallen läßt. Diese Spannung bildet die Basis-Emitter-Spannung des Transistors V9. Wird diese Spannung größer 0,7 V, so wird der Transistor V9 leitend und legt die Basis von V7 annähernd auf Kollektorpotential. Dadurch wird der Basisstrom von V7 kleiner, so daß der Laststrom nicht weiter ansteigen kann. Will man den maximalen Laststrom größer machen, kann in die Basisstrecke von V9 ein zusätzlicher Widerstand eingebaut werden. V6 V1
Zur Erhöhung des zulässigen Laststroms werden die Transistoren V4 und V5 als Darlington-Transistoren betrieben. Die Spannung UB ist eine mit Hilfe des Potentiometers R4 einstellbare Teilspannung der Ausgangsspannung UA. Teilspannung UB = UZ – UBE3
V8
V2
V3
R3
R1 V7 R2 C1 V5
V4 V6
V5 V3
V7
R6 U A
UE R3 R1 V2
V4 R4
R7
(XV.2)
Wird die Eingangsspannung UE größer, nimmt auch zuerst die Ausgangsspannung UA zu. Damit wird die Basis-Emitter-Spannung von V3 größer, somit auch IB3 und in der Folge auch IC3. Die Schaltung aus R1, V1, RE und Transistor V2 bildet eine Konstantstromquelle. Somit wird IB4 beziehungsweise IB5 kleiner, die beiden Transistoren steuern zu und damit wird die Ausgangsspannung UA kleiner. Die Stabilisierung gegen Schwankungen der Eingangsspannung UE wird durch die Konstantstromquelle verbessert, da die Verstärkung von V3 dadurch insgesamt vergrößert wird. Die Ausgangsspannung läßt sich also allein durch das Teilerverhältnis des Spannungsteilers R3, R4 und R5 einstellen. Die kleinste Ausgangsspannung wird durch die Z-Diode V6 festgelegt. Der Maximalwert der Ausgangsspannung ist die Differenz zwischen der maximalen Eingangsspannung und der Sättigungsspannung UCE sat des Transistors V5. Die Berechnung des Widerstandes R2 richtet sich nach dem IZ max der Diode. Er sorgt dafür, das selbst bei völlig gesperrtem Transistor V3 die Referenzspannung UZ ansteht. Beide angesprochenen Schaltungen haben den Nachteil, daß sie nicht kurzschlußfest sind. Eine sichere Methode zur Messung und Feststellung eines hohen Stroms zeigt die Schaltung nach Bild XV-27. Der
V1 T1
R5
R2
V9
C2
Bild XV-27 Kurzschlußfestes Netzteil
R5 R4 R6 UA R7
Bild XV-28 Operationsverstärker als Regelverstärker Anstelle des einstufigen Regelverstärkers kann auch ein Operationsverstärker eingesetzt werden. Erwünscht sind hierbei OP mit einer sehr hohen Leerlaufverstärkung. Die Ausgangsspannung der Schaltung nach Bild XV-28 wird praktisch nur noch von der Konstanz der Referenzspannungsquelle, hier der Z-Diode, bestimmt. Den Kurzschlußschutz übernehmen in dieser Schaltung V7 und R5. Integrierte Festspannungsregler, aber auch integrierte einstellbare Spannungsregler, sind in großer Zahl auf dem Markt. Die integrierte Strombegrenzung einschließlich des thermischen Überlastungsschutzes machen diese Bauelemente praktisch unempfindlich gegenüber Kurzschluß und Überlastung. Integrierte Festspannungsregler sind für den Fall konzeptioniert, daß nur eine konstante Ausgangsspannung gebraucht wird. Bei den integrierten Festspannungsreglern der 78xxund 79xx-Serie, die von zahlreichen Herstellern (Siemens, Texas, Signetics) produziert werden, geben die letzten beiden Ziffern (xx) die posititive oder negative Ausgangsspannung in Volt an. Im Normalfall kann das Bauteil mit seinen drei Anschlüssen in sehr einfachen Grundschaltungen mit einem Siebkondensator CE im Eingangskreis (0,22 mF bis 1 mF) und einem Ausgangskondensator CA zur Verbesserung der Brummspannung im Ausgangskreis nach Bild XV-29a und XV-29b verwendet werden. Die Tabelle XV-3 gibt einen Überblick über die wichtigsten Kenndaten der Serie 78xx, wobei die maximalen Lastströme von der Gehäuseform und dem verwendeten Kühlkörper abhängig sind. In der digitalen Steuerungstechnik wird für die Spannungsversorgung von TTL-Gattern eine konstante Betriebsspannung von +5 V benötigt. Die Schaltung nach Bild XV-30 zeigt dafür ein geregeltes Netzgerät. Es kann mit Strömen bis zu 1,5 A belastet werden.
XV Leistungselektronik
455
Tabelle XV-3 Kenndaten der 78xx-Serie (Auswahl) Typ
UA
UA min; UA max
IL max
UE min; UE max
7805
+5 V
4,8 V ... 5,2 V
0,1 A; 0,5 A; 1,5 A
7V
... 25 V
7806
+6 V
5,75 V ... 6,25 V
0,1 A; 0,5 A; 1,5 A
8V
... 25 V
7808
+8 V
7,7 V ... 8,3 V
0,1 A; 0,5 A; 1,5 A
10,5 V ... 25 V
7812
+12 V
11,5 V ... 12,5 V
0,1 A; 0,5 A; 1,5 A
14,5 V ... 30 V
7815
+ 15 V
14,4 V ... 15,6 V
0,1 A; 0,5 A; 1,5 A
17,5 V ... 30 V
7818
+ 18 V
17,3 V ... 18,7 V
0,1 A; 0,5 A; 1,5 A
21 V
... 33 V
7824
+ 24 V
23 V
0,1 A; 0,5 A; 1,5 A
27 V
... 33 V
... 25 V
Reichen die Ausgangsleistungen des Spannungsreglers für den Verwendungszweck nicht aus, kann die Ausgangsleistung mit der Schaltung nach Bild XV-31 fast beliebig heraufgesetzt werden. Der Widerstandswert von R2 bestimmt den Einsatzwert des Transistors V2, von dem an der Laststrom am Regler vorbeizuführen ist. Transistor V1 in Verbindung mit dem Widerstand R1 sorgen für den Kurzschlußschutz des Längstransistors V2. Hierbei ist R1 so zu bemessen, daß beim Erreichen des maximalen Kollektorstroms von V2 der Transistor V1 leitend wird und somit die Basis-Emitter-Strecke von V1 kurzgeschlossen wird.
78xx
UE
CE
UA
CA
a) 79xx
–UE
–UA
CA
CE
R1
V2 V1
R2
b)
Bild XV-29 Integrierte Festspannungsregler a) 78xx-Serie b) 79xx-Serie mit Siebkondensatoren
UE
78xx
CE
CA
UA
V5 4 x 1N4006 V1
1N4006 7805 C
Bild XV-31 Schaltung zur Erhöhung der Ausgangsleistung
V2
230V 50Hz
CE
V3
+5V
CA
V4
Bild XV-30 Netzgerät zur Spannungsversorgung von TTL-Gattern Der Siebkondensator CE im Eingangskreis hat 2,2 mF, während der Ausgangskondensator CA mit 47 mF hoch gewählt wird, um die in der digitalen Steuerungstechnik auftretenden stoßartigen Lastströme besser auffangen zu können.
Als integrierte einstellbare Spannungsregler stehen zahlreiche Typen zur Verfügung, so zum Beispiel der LM 317 (für positive Ausgangsspannungen) und der LM 337 (für negative Ausgangsspannungen), aber auch das vielfältig verwendbare Spannungsregler-IC μA 723.
3 Schaltnetzteile Die Forderung, für den Einsatz in Computern und elektronischen Geräten der Unterhaltungselektronik mit kleinen Gehäusen geeignete Netzteile zu bauen, die geringe Wärmeverlustleistungen aufweisen und geringes Gewicht haben, führte zur Entwicklung von Schaltnetzteilen.
456
Elektronik
Das Prinzip der Schaltnetzteile beruht darauf, daß man den arithmetischen Mittelwert der Ausgangsspannung durch periodisches Öffnen und Schließen eines Schalters (Schalttransistor) beeinflußt und durch Variation der Ein- und Ausschaltzeiten die Höhe der Ausgangsspannung einstellt und auch bei Lastwechseln stabilisiert. Je nach Anordnung der Schalttransistoren wird nach Bild XV-32 zwischen Sekundär- und Primär-Schaltnetzteilen unterschieden.
gleicher, einem Modulator zur Veränderung des Tastverhältnisses und einem Oszillator (Rechteckgenerator) mit konstanter Frequenz. Die Steuerung wird von integrierten Steuerschaltungen (Steuer-IC) übernommen, die es mittlerweile zahlreich auf dem Markt gibt (z.B. TDA 4918, TDA 4919 der Fa. Siemens). IE
IL
T V2 C
RL
UA
L1 RL UA
N
UE
D
CL SekundärSchaltnetzteil
S
Modulator Oszillator Steuer-IC
Bild XV-33 Sperrwandler mit selbstsperrendem MOS-FET
URef
L1 RL UA
N CL Potentialtrennung PrimärSchaltnetzteil
V1
G
Modulator Oszillator Steuer-IC URef
Bild XV-32 Blockschaltbilder von Sekundärund Primär-Schaltnetzteilen Beim Sekundär-Schaltnetzteil liegt der Schalttransistor auf der Sekundärseite, beim Primär-Schaltnetzteil auf der Primärseite. Um die Verluste in den Netztransformatoren klein zu halten, wird die Schaltfrequenz in den kHz-Bereich gelegt. So werden Wirkungsgrade von 80% bei stark reduziertem Gewicht, kleinen Bauvolumen und geringer Wärmeentwicklung erreicht. Ein Nachteil der Sekundär-Schaltnetzteile ist, daß ein Standardnetztransformator eingesetzt werden muß. Die Querschnittsfläche, damit das Volumen und somit auch das Gewicht des Eisenkerns hängen aber auch von der Frequenz des Netzes ab. Beim PrimärSchaltnetzteil wird zuerst die Netzspannung gleichgerichtet, dann geschaltet (getaktet) und erst jetzt zur Potentialtrennung auf den Transformator gebracht. Durch die gegenüber der Netzfrequenz wesentlich höhere Taktfrequenz können nun bei gleicher Leistung Transformatoren mit wesentlich kleineren Abmessungen und kleinerem Gewicht verwendet werden. Das Kernmaterial muß allerdings in seinen magnetischen Werten besser sein. In der Praxis werden primärgetaktete Netzteile wesentlich häufiger verwendet. Als Schalttransistor werden Transistoren benötigt, die für höhere Ströme und Sperrspannungen geeignet sind. SIPMOS-FET, aber auch IBGT kommen hier zunehmend zum Einsatz und ermöglichen Schaltnetzteile (SNT) mit immer höheren Leistungen. Der Steuerblock für den Schalttransistor besteht aus einem PI-Regler mit vorgeschaltetem Soll-Ist-Ver-
Je nach Verwendungszweck und Aufwand werden entweder Sperr- oder Durchflußwandler in verschiedenen Varianten angewendet. Im Sperrwandler nach Bild XV-33 ist der Schalttransistor V1 ein selbstsperrender MOS-FET. Der Transformator T hat gegensinnige Wickelrichtung auf der Primär- und Sekundärseite. Während der Einschaltdauer t1 des Transistors V1 wird vom Transformator Energie aufgenommen, die in der Sperrphase t2 des Transistors V1 an die Sekundärseite abgegeben wird. In der Leitphase des Transistors ist die Diode V2 gesperrt, in der Sperrphase dagegen leitend, so daß der Kondensator in der Zeit t2 geladen wird. Mit der Periodendauer T = t1 + t2 und dem Tastverhältnis v = t1/T erhält man bei einer Transformatorübersetzung ü = 1 die Ausgangsspannung UA. v Ausgangsspannung U A = (XV.3) ⋅U E 1− v Die Ausgangsspanunng ist ausschließlich vom Tastverhältnis abhängig und kann bei schwankender Eingangsspannung konstant gehalten werden. Das Tastverhältnis wird vom Steuer-IC in geeigneter Weise verändert. Der Durchflußwandler nach Bild XV-34 verfügt über einen Transformator T mit gleichem Wicklungssinn auf der Primär- und Sekundärseite und einer zusätzlichen Wicklung, die es ermöglicht, ohne GleichstromIE
T
V3 V4
UE D G
V1 S
IL
L
V2
Bild XV-34 Durchflußwandler mit Entmagnetisierungspfad
C
UA RL
XV Leistungselektronik
457
stromvormagnetisierung zu arbeiten. Während der Einschaltdauer t1 des Transistors V1 ist die Diode V3 leitend; und es fließt ein Strom durch die Induktivität L und somit ein Laststrom IL in den Lastwiderstand RL. In der Sperrphase des Transistors V1 ist die Diode V3 dagegen gesperrt, die Diode V4 aber leitend und wirkt hier wie eine Freilaufdiode für die Induktivität, so daß der Kondensator C und die Induktivität in der Zeit t2 ihre gespeicherte Energie an die Last abgeben. In dieser Zeit wird die im Transformator gespeicherte Energie über die jetzt leitende Diode V2 wieder an die Quelle zurückgegeben. t1 U E ⋅ (XV.4) T ü Die Gleichung XV.4 gilt unter der Annahme eines nichtlückenden Betriebes, daß heißt, der Strom durch die Induktivität L wird niemals Null. Das Prinzip des Sperrwandlers und des Durchflußwandlers gibt es in zahlreichen Varianten, die aber hier nicht weiter vertieft werden sollen.
Ausgangsspannung U A =
4 Elektronische Schalter Bild XV-35 Zündung eines Thyristors RL mit Gleichspannung
S
V2
UN
V1
RG
Strom durch den Lastwiderstand. Die Diode V2 unterstützt den Thyristor in Sperrichtung. Ein Phasenanschnittwinkel α = 0° entspricht einem einfachen Einschaltvorgang im Nulldurchgang der Versorgungsspannung. Einen „Nullspannungsschalter“ zeigt die Schaltung nach Bild XV-36, wobei der Lastwiderstand RL aufgrund der B2-Gleichrichterbrücke nur Gleichstromleistung aufnimmt. Nullspannungsschalter lassen sich schaltungstechnisch mit Ansteuer-ICs (z.B. TCA 785, Siemens) realisieren und vermeiden im Netz die bei Phasenanschnittsteuerungen auftretenden höherfrequenten Oberschwingungen. Gleichspannung kann auch mit einem Thyristor geschaltet werden. Das Problem ergibt sich erst mit dem Löschen des Thyristors. Der Gleichstrom unterschreitet nicht von allein den Haltestrom, wie das bei Wechselstrom im Nulldurchgang der Fall ist. Es existieren zahlreiche „Gleichstromschalter“ mit Thyristoren. Als einfaches Beispiel dient die Schaltung nach Bild XV-37. Im Grundzustand sind die Thyristoren V1 und V2 im gesperrten Zustand. Wird der Einschalt-Thyristor V1 gezündet, fließt ein Gleichstrom durch den Lastwiderstand RL und das RC-Glied aus RA und C. Nach einer Zeit 5 ⋅ τ ist der Kondensator auf eine Spannung von (UN – UT) geladen, und es fließt in diesem Kreis kein Strom mehr.
RA
RL C
U
UN
Bei Betrieb der Schaltung nach Bild XV-35 an Wechselspannung zündet der Thyristor bei geschlossenem Schalter S kurz nach dem Beginn der positiven Halbwelle der Betriebsspannung durch geeignete Wahl des Gatevorwiderstandes RG. Er löscht wieder, wenn sein Haltestrom kurz vor dem nächsten Nulldurchgang der Wechselspannung zwangsläufig unterschritten wird. Solange S geschlossen ist, fließt in jeder positiven Halbwelle der Spannung UN ein RL
V1 UN
T1 V3
UL V2 UD
R2
V5
R1
V6 V4
R3
Bild XV-36 Einfacher Nullspannungsschalter
USt
V2
V1
Bild XV-37 Gleichstromschalter mit Thyristoren für ohmsche Last Wird nun der Ausschalt-Thyristor V2 gezündet, so wird die Anode von V1 für einen Moment auf ein Potential von [– (UN – UT) ≈ – UN] gelegt, so daß der Thyristor V1 gelöscht wird. Der Kondensator C lädt sich über den Lastwiderstand RL sehr schnell um, so daß in diesem Kreis kein Strom mehr fließt. Der Widerstand RA ist so hochohmig zu wählen, daß sein Strom unter dem Haltestrom des Ausschalt-Thyristors V2 liegt und somit von allein löscht. Nun sind die Thyristoren V1 und V2 im gesperrten, also im Grundzustand. Zuverlässig funktioniert diese Schaltung nur bei ohmscher Last. Bei ohmsch-induktiver Last wird der Gleichstromschalter nach Bild XV-38 benutzt. Das
458
Elektronik Bild XV-38 Gleichstromschalter für ohmsch-induktiver Last
I
V1
V2
Die Schaltung nach Bild XV-39 zeigt eine Prinzipschaltung mit Thyristoren als Schalter bei Anschluß an ein Wechselstromnetz, während Bild XV-40 den Anschluß an ein Drehstromnetz zeigt.
V3
5 Elektronische Steller L1
L2
C
Löschen erfolgt nun mit dem Löschthyristor V2 mit Unterstützung der Induktivitäten L1 und L2 sowie des Kondensators, die hier als Reihenschwingkreis wirken. Antiparallel geschaltete Thyristoren (für hohe Ströme), Thyristor mit antiparalleler Diode oder Triacs werden von der Industrie als fertige Baugruppen unter der Bezeichnung „Elektronische Lastrelais“ (ELR) angeboten. Sie ermöglichen das kontaktlose Schalten hoher Ströme mit hoher Schalthäufigkeit ohne den bei Lastschützen auftretenden Lichtbogen mit den negativen Folgen für die Kontakte. Auch phasenrichtiges Einschalten bei gemischt ohmsch-induktiven Verbrauchern ist leicht machbar.
Um einen Verbraucher durch ein Halbleiterbauelement nicht nur ein- und auszuschalten, sondern auch in seiner Leistung zu steuern, gibt es nach Bild XV-41 grundsätzlich für Wechselstromnetze die Phasenanschnittsteuerung und die Periodengruppensteuerung, auch Schwingungspaketsteuerung genannt. Dem gleichen Zweck dient im Gleichstromnetz der Gleichstromsteller (Chopper). Das Grundprinzip einer Phasenanschnittsteuerung mit Impulszündung ist im Bild XV-42 dargestellt. Bei jeder Halbwelle wird der Kondensator C1 über R1 und R2 aufgeladen. Sobald die Kondensatorspannung die Durchbruchspannung des Diacs erreicht, zündet der Diac, und der Kondensator entlädt sich über den Diac und die Gatestrecke des Triacs. Dadurch wird der Triac gezündet. Der Phasenanschnittwinkel α kann durch eine Veränderung der Ladezeit des Kondensators verändert werden. U
Anschnittsteuerung
L1 N
vt
Last
Bild XV-39 Thyristoren als Schalter am Wechselstromnetz
U
Periodengruppensteuerung
vt
L1
Bild XV-41 Prinzip der Phasenanschnittsteuerung und Periodengruppensteuerung
L2 L3
Last
Bild XV-40 Thyristoren als Schalter am Drehstromnetz
Die Impulsdauer dieser Schaltung ist gering und für stark induktive Lasten nicht verwendbar. Darum werden Zündschaltungen heute mit integrierten Schaltungen (z.B. TCA 785, Siemens) zusammen mit Impulsverstärkern, Zündübertragern und gekoppelten Reglern realisiert. Die Phasenanschnittsteuerung dient zum Steuern von Wechselstrommotoren und Lampen. Weiter oben wurde bereits gezeigt, daß auch bei ohmschen Lasten unter diesen Umständen Blindleistung auftritt. Es treten nichtsinusförmige Ströme auch in den Lampen-
XV Leistungselektronik
459 I
RL
ID S
R1
IV RG
R2
U A1
V1
V1
R Ud
UN
L
A2
C
V2
Bild XV-43 Prinzipschaltung eines Gleichstromstellers Bild XV-42 Grundprinzip einer Phasenanschnittsteuerung mit Impulszündung kreisen auf, die das Netz belasten und vorgeschaltete Filter erfordern. Bei der Periodengruppensteuerung schaltet ein Nullspannungsschalter die Last periodisch jeweils für eine bestimmte Anzahl an Perioden der Wechselspannung ein oder aus. Durch Variation der Ein- oder Ausschaltdauer kann man die mittlere Leistung eines Verbrauchers in weiten Grenzen einstellen. Diese Steuerungsart eignet sich nicht für Wechselstrommotore und Lampen, wohl aber zum Steuern von Widerstandsheizungen. Es treten keine Oberwellen auf, was diese Steuerungsart netzrückwirkungsarm gestaltet. Gleichstromschalter nach Bild XV-38 werden nicht nur für sporadische Ein- und Ausschaltvorgänge von Gleichstromverbrauchern in größeren Zeitabständen verwendet. Im Austausch mit IGBT und SIPMOSFET können sie in der Schaltung nach Bild XV-43 als Schalter verwendet werden. Betätigt man den Schalter S mit variablen Ein- und Ausschaltzeiten (wobei die Summe der Zeiten konstant bleibt), kann man damit die Leistungsaufnahme eines Gleichstromverbrauchers steuern beziehungsweise „stellen“.
id ud i
iv t
Bild XV-44 Liniendiagramme zur Schaltung nach Bild XV-43 Ist der Schalter geschlossen (also U = Ud), fließt aufgrund der Induktivität L ein linear ansteigender Strom I in die Last R. Ist der Schalter dagegen offen, wirkt die Diode V1 als Freilaufdiode für die Induktivität, und es fließt der Strom IV in die Last. Somit wird die Last sowohl in den Ein- wie auch in den Ausschaltzeiten vom Strom durchflossen. Das Diagramm nach Bild XV-44 zeigt die Liniendiagramme der wirkenden Spannungen und Ströme im Zusammenhang mit der Zeit t. Der Strom Id ist hier die Summe aus den beiden anteiligen Strömen.
461
Technische Kommunikation/Technisches Zeichnen I Grundlagen der zeichnerischen Darstellung Buchstaben kennzeichnen die Härtegrade von Minen:
1 Zeichengeräte Eine Technische Zeichnung muß nach DIN 6774 Teil 1 in der Weise angefertigt werden, daß sie übersichtlich, unmißverständlich, auch in verkleinertem Maßstab lesbar bleibt, kostengünstig reproduzierbar und dauerhaft archivierbar ist. Zu dem Zweck benötigt man entsprechendes Papier und angepaßtes Zeichengerät. Für die Entwurfzeichnung verwendet man Bleistifte, heute in der Form nachfüllbarer Feinminenhalter mit Minen definierter Härte und Linienbreite.
B = H = HB = F =
schwarz (weich) hart hart, schwarz (mittelhart) fest.
Ziffern verweisen auf feinere Abstufungen der Härtegrade. Zirkel, Lineale und Schablonen erleichtern und beschleunigen die Zeichenarbeit. Zur Erstellung der endgültigen Zeichnung werden Tuschefüller und Schrift-
Tabelle I-1 Auswahl wichtiger Normen für das technische Zeichnen DIN EN ISO 128 DIN EN ISO 3098 DIN EN ISO 5455 DIN EN ISO 5457 DIN 6771 DIN 6774 DIN ISO 5455 DIN 6789 DIN ISO 286 DIN ISO 1302 DIN ISO 5456 DIN ISO 128 DIN 406 DIN ISO 6410 DIN 461 DIN EN 61082 DIN EN 61082 T. 1 DIN EN 61082 T. 2 DIN EN 61082 T. 3 DIN 40719 T. 2 DIN IEC 60971 DIN VDE 0281/0293 DIN EN 60617 DIN EN 60617-6 DIN EN 60617-11 DIN VDE 0530 DIN 40717 DIN 40712 DIN 40713 DIN 40714 DIN 40719 T9 DIN 40719 T10 DIN 40719 T11 DIN 66001 IEC 617-12 DIN 46199
Linien Normschrift Blattgröße, Maßstäbe Faltungen von Technischen Zeichnungen Schriftfelder und Stücklisten Ausführungsrichtlinien Maßstäbe Zeichnungssystematik Allgemeine Toleranzen Oberflächenangaben Dreidimensionale Projektion Ansichten, Schnittdarstellung Arten und Regeln der Maßeintragung Darstellung von Gewinde Graphische Darstellungen Schaltungsunterlagen, graf. Symbole für Schaltpläne Schaltungsunterlagen, Begriffe, Einteilung Regeln für Stromlaufpläne, Funktions- und Schaltpläne Verbindungspläne und -listen, Geräteverdrahtungspläne Kennzeichnung von Betriebsmitteln Stromrichterbenennungen und -kennzeichen Leitungen Schaltzeichen für Schaltungsunterlagen Elektrische Maschinen Meßgeräte, Zähler, Anzeigen, Meßgrößenumformer Anschlußbezeichnungen und Drehsinn Schaltpläne, Installationspläne Veränderbarkeit, Einstellbarkeit, Widerstände Schaltglieder, Antriebe, Auslöser Transformatoren, Drosselspulen, Wandler Ausführung von Anschlußplänen Ausführung von Anordnungsplänen Zeitablaufdiagramme – Schaltfolgediagramme Informationsverarbeitung Computertechnik Anschlußbezeichnungen
462
Technische Kommunikation
sowie Schreibschablonen verwendet, die der Prüfnorm DIN 6775 entsprechen. Sie können für das normgerechte Zeichnen und Beschriften nach DIN 15 Teil 1 und 2 verwendet werden. Auf die Geräte und Maschinen, die beim computergestützen Zeichnen (CAD = computer aided design) Verwendung finden, soll in Abschn. 4 eingegangen werden. Zeichenpapier ist meist dicker als normales Schreibpapier und für die Verwendung von Tuschefüllern geeignet. Häufig wird festes, durchscheinendes Transparentpapier verwendet, das für das Lichtpausverfahren geeignet ist. Die Blattgröße, sprich das Papier-Format, ist nach DIN 6771 T6 festgelegt. Diese Normreihe ist so gestaltet, daß durch fortgesetztes Falten bzw. Schneiden des Blattes in der Mitte jeweils das nächst kleinere Format entsteht. Das Ausgangsformat ist gleich der metrischen Flächeneinheit, d.h., A0 entspricht der Größe 1 m2. Alle Zeichenblattgrößen können in der Hoch- oder Querlage verwendet werden. Bevorzugt sind die Formate A4 bis A0 zu verwenden. Bei A4-Format wird die Hochlage bevorzugt.
2 Normen für Technische Zeichnungen Die moderne Produktion ist gekennzeichnet durch eine extreme Arbeitsteilung. Die Technische Zeichnung ist hierbei als Informationsträger über Planungsvorgaben, die Vorbereitung und Ausführung von Anlagen und Geräten zu betrachten. Es handelt sich um Beschreibungen, die vollständig alle Fakten wiedergeben, aber keine unnötigen Angaben enthalten. Die Darstellung ist weitestgehend symbolhaft mit einem Minimum an Textangaben, was die internationale Kooperation vereinfacht. Die Übersichtlichkeit und Eindeutigkeit von Technischen Zeichnungen wird durch das strikte Einhalten von vereinbarten Regeln erreicht. Diese Regeln
Linienart
werden als Zeichnungsnormen vom Deutschen Institut für Normung (DIN) herausgegeben, wobei diese die Normen und Empfehlungen der Internationalen Normenorganisation (ISO = International Organization for Standardization) zur weltweiten Vereinheitlichung berücksichtigen. Eine Auswahl wichtiger Normen für das technische Zeichnen, hier besonders für die Elektrotechnik, sind in Tabelle I-1 zusammengefaßt.
3 Darstellung und Bemaßung von Körpern Eine Technische Zeichnung ist in vervielfältigter Form oder als Verkleinerung nur dann einwandfrei zu lesen, wenn die Strichstärken nach DIN 15 ausgeführt sind. Zur Unterscheidung von Werkstück und Hilfslinien sowie der Bemaßung benötigt man grundsätzlich zwei verschiedene Linienbreiten. Zusätzlich ist noch eine Linienbreite für die Schrift und die graphischen Symbole vorgesehen. Für die zeichnerische Darstellung ist vorzugsweise die Liniengruppe 0,5 und für die größeren Formate A1 und A0 die Liniengruppe 0,7 nach Bild I-1 anzuwenden. In der Liniengruppe 0,5 ist für die Schrift und die graphischen Symbole die Linienbreite 0,35 und in der Liniengruppe 0,7 die Linienbreite 0,5 zu verwenden. Eine Übersicht über die verwendeten Linienarten und ihre Verwendung in Technischen Zeichnungen gibt Bild I-1. Technische Zeichnungen werden beschriftet mit Buchstaben und Zeichen nach DIN 6776 ISO 3098. Bild I-2 zeigt die Normschrift des deutschen Alphabets in der vertikalen Form und die griechische Schrift in der schrägen Form. Aufgrund der Forderung nach guter Lesbarkeit auch bei Verkleinerung der Vorlage besteht ein enger Zusammenhang zwischen Linienbreite, Schrifthöhe und Zeichenabstand, wie in Bild I-2 dargestellt.
Benennung
Linienbreite in mm
Volllinie (breit) Volllinie (schmal)
0,25
0,35
0,5
0,7
1,0
1,4
2
0,13
0,18
0,25
0,35
0,5
0,7
1
0,25
0,35
0,5
0,7
1,0
1,4
2
sichtbare Kanten u. Umrisse Maß- u. Maßhilfslinien Schraffuren Begrenzungen von abgebrochenen Ansichten verdeckte Kanten
0,13
0,18
0,25
0,35
0,5
0,7
1
Mittel-, Symmetrielinien
0,25
0,35
0,5
0,7
1,0
1,4
2
0,13
0,18
0,25
0,35
0,5
0,7
1
Kennzeichnung von Behandlungsarten Umrisse von angrenzenden Teilen
Freihand- oder Zickzacklinie (sm) Strichlinie (breit) Strichpunktlinie (schmal) Strichpunktlinie (breit) Strich-Zweipunktlinie (schmal)
Verwendung
Bild I-1 Benennung und Verwendung von Linien nach DIN EN ISO 128
I Grundlagen der zeichnerischen Darstellung
463
Kenngröße h
Form A (d = h/14) 2,5 3,5 5
7
10
14
20
Form B (d = h/10) 2,5 3,5 5
7
10
14
20
a b c d e
0,35 3,5 – 0,18 1,05
1 10 5 0,5 3
1,4 14 7 0,7 4,2
2 20 10 1 6
2,8 28 14 1,4 8,4
0,5 3,5 – 0,25 1,5
11,4 10 15 10,7 14,2
12 14 17 11 16
2,8 20 10 11,4 18,4
14 28 14 12 12
1 7 3,5 0,5 3
a
e
b
d
h
Bedeutung der Kenngrößen: h Höhe der Großbuchstaben a Abstand zwischen zwei Buchstaben bei einem Wort b Zeilenabstand c Höhe der Kleinbuchstaben d Schriftdicke e Abstand zwischen zwei Wörtern
0,7 5 2,5 0,35 2,1
c
0,7 7 3,5 0,35 2,1
h
0,5 5 2,5 0,25 1,5
Die Schrift darf vertikale oder unter einem Winkel von 15° nach rechts geneigt sein.
Alpha
Ny
Beta Gamma
Ksi Omikron
Delta
Pi
Epsilon Zeta
Rho
Beta Gamma Delta
Ny
Ksi
Epsilon Zeta
Theta
Jata
Tau Ypsilon
Phi
Eta
Theta
Jata
Tau Ypsilon
Phi
Kappa Lambda
Chi
Psi
Kappa Lambda
My
Omega
My h
Alpha
Sigma
Eta
Omikron
Pi
Rho
Sigma
Chi
Psi
Omega
Bild I-2 Normschrift nach DIN 6776 ISO 3098
In den meisten Fällen kann das Werkstück nicht in seiner natürlichen Größe dargestellt werden. Nach DIN ISO 5455 werden in Technischen Zeichnungen die in Bild I-3 empfohlenen Maßstäbe verwendet. Die vollständige Angabe eines Maßstabes besteht aus dem Wort „Scale“, in der Bundesrepublik Deutschland „Maßstab“ und der Angabe des Maßstabsverhältnis. Maßstäbe DIN ISO 5455 12/79 Art Empfohlene Maßstäbe Verkleinerungen 1 : 2 1:5 1 : 10 1 : 20 1 : 50 1 : 100 1 : 200 1 : 500 1 : 1000 1 : 2000 1 : 5000 1 : 10000 Vergrößerungen 50 : 1 20 : 1 10 : 1 5:1 2:1 Natürliche Größe 1:1 Der in der Zeichnung verwendete Maßstab ist im Schriftfeld der Zeichnung einzutragen.
Bild I-3 Empfohlene Maßstäbe nach DIN ISO 5455
Form, Inhalt und Anordnung des Schriftfeldes für A4 Formate nach DIN 6771 T1 zeigt Bild I-4, während die Gestaltung Technischer Zeichnungen für A3 Formate nach DIN 6771 T5 in Bild I-5 dargestellt wird mit Beschreibung der wichtigsten Angaben im Schriftfeld. Das Blatt ist mit der Rahmeneinteilung für elektrotechnische Darstellungen als Grobraster vorbereitet. Bei Zeichnungen für die Arbeitsvorbereitung umfaßt das Schriftfeld noch eine Stückliste, die jedoch auch als Beiblatt angefügt werden kann. Die Stückliste kann für die Kalkulation, die Bestellung von Bauoder Ersatzteilen uvm. verwendet werden. Die Leserichtung der Zeichnung entspricht grundsätzlich der Leserichtung des Schriftfeldes. Alle Maße, Symbole und Wortangaben sind so einzutragen, daß sie von unten oder von rechts lesbar sind, wenn die Zeichnung in Leserichtung gehalten wird.
464
Technische Kommunikation
5
Blattrand
20
43
(Oberfläche)
10 Datum
36
Name
6,5
(Zul.Abw.)
87
18 (Gewicht)
Maßstab (Werkstoff)
11
Heftrand
25
(Benennung) 55
(Zeichnungsnummer)
Urspr.
Ers. für:
Blatt
4,2
(Firma)
13
4,2
21
Bearb Gepr. Norm
Blätter 13 Alle Maße sind Ungefährmaße
43 130
Schriftfeld
Bild I-4 Anordnung des Schriftfeldes für A4 Format nach DIN 6771
4,2
Ers. durch:
I Grundlagen der zeichnerischen Darstellung 1
2
465 5
4
3
6
8
7
A
A
B
B
Heftrand
C
C
81,3
43,2
68,6
71,1
(45,7)
D
10 30,5
4a
38,1
a
61
D
71,1
E
E
14
17
15a 15c 11 18
9
12
1
13
F
F
Schriftfeld 1
Feld
2
3
4
5
6
7
Eintragung
1
Kennzeichnungsblöcke von Anlage und Ort (z.B. nach DIN 40 719, Teil 2)
7
Änderungsvermerke
8a
Datum
9
Sondervermerke des Zeichnungs-Erstellers
9a
Bearbeitungs- und Prüfvermerke
10
Benennung
11
Firma (Zeichnungs-Ersteller)
12
Unterlagen-Nummer, Zeichnungs-Nummer
13
Blatt-Nummer und gegebenenfalls Anzahl der Blätter
14
Ursprung
15a
Ersatzvermerke: Ersatz für . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15b
Ersetzt durch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
Auftraggeber, Auftragsbezeichnung
18
Zeichnungsnummer des Auftraggebers
Bild I-5 Anordnung des Schriftfeldes für A3 Format nach DIN 6771
8
466
Technische Kommunikation
6 +– 0,3
4 +0,1
4 +0,1
Maßlinien werden im allgemeinen nach Bild I-7 rechtwinklig zu den Körperkanten gezeichnet, wobei die erste Maßlinie einen Abstand von etwa 10 mm zur Körperkante hat und weitere Maßlinien im Abstand von 7 mm gezeichnet werden. Als Maßlinienbegrenzung dienen Pfeile und Punkte nach Bild I-8a. Es können auch Schrägstriche nach Bild I-8b verwendet werden, die stets von links unten nach rechts oben verlaufen bezogen auf die jeweilige Maßlinie und unter einem Winkel von 45°. Innerhalb einer
4 +0,1
Die Norm DIN 406/ISO 129 gilt für das Eintragen von Maßen in Technischen Zeichnungen, nicht jedoch für die Maßeintragung durch Koordinaten und für die maschinelle Programmierung von numerisch gesteuerten Arbeitsmaschinen. Die Bemaßung kann auf drei Arten erfolgen: funktionsbezogen nach Bild I-6a, fertigungsbezogen nach Bild I-6b oder prüfbezogen nach Bild I-6c. Alle drei Bemaßungsarten können auch gleichzeitig angewendet werden und sind häufig gleich.
15 +– 0,3
4 +0,25 –0,3
6 +– 0,3 21 +– 0,3
a)
19 +0,1 0
b)
c)
Bild I-6 Bemaßungsarten nach DIN 406/ISO 129 a) funktionsbezogen b) fertigungsbezogen und c) prüfbezogen
15
25 50
Bild I-7 Blechbemaßung
t= 4 10 40
Maßlinie Maßzahl Maßpfeil Maßhilfslinie
1,5d
5d 15o
Eine funktionsbezogene Bemaßung liegt vor, wenn bestimmten Maßen im Hinblick auf die Funktion des Teiles eine maximale Toleranz zugeordnet ist und deren Überschreiten zur funktionellen Unbrauchbarkeit führt. Eine fertigungsbezogene Bemaßung liegt vor, wenn sich die Maße ohne Umrechnung direkt für die Fertigung verwenden lassen. Eine prüfbezogene Bemaßung liegt vor, wenn sich die Maße ohne Umrechnung direkt für die Prüfung verwenden lassen. Nach DIN 7182 T1 besteht ein Maß aus einer Maßzahl und einer Maßeinheit. In Technischen Zeichnungen wird bei Millimetermaßen auf die Maßeinheit verzichtet. Bei der Maßeintragung sind die Linienbreiten nach DIN 15 (siehe Bild I-1) anzuwenden.
2,5d
40 40
Bild I-8 Maßlinienbegrenzung a) mit Pfeilen und Punkten b) mit Schrägstrichen technischen Zeichnung ist grundsätzlich nur eine Art der Maßlinienbegrenzung anzuwenden. Winkelangaben werden bei Blechen im allgemeinen nach Bild I-9a durch Längenangaben vorgenommen. Bei flachen Werkstücken, z.B. Blechen, wird die Werkstückdicke in der (Bild I-7) oder neben der Darstellung (Bild I-9b) mit dem Buchstaben t angegeben. Bei Platzmangel wird der Punkt in Kombination mit dem geschlossenen Pfeil nach Bild I-10 verwendet, bei nicht ausgefüllten Pfeilen wird der Schrägstrich verwendet. Maßlinien werden vorzugsweise durchgezogen, wobei die Maßzahl stets über der Maßlinie steht. Bei Platzmangel dürfen die Maße nach Bild I-11 eingetragen werden. Maßlinien werden parallel zu dem anzugebenden Maß oder als Bogen zwischen den Schenkeln eines Winkels nach Bild I-12 eingetragen.
I Grundlagen der zeichnerischen Darstellung
467
15
15
15 30
40
20 40
Bild I-9 Bemaßung von Blechen mit Durchbrüchen
5
t=2 10
20 40
10
40
a)
20
4
b)
20
4
2
2
4
4
2
2
4
8
4
8
Winkelmaße werden in der Art nach Bild I-13 eingetragen. Eintragungen sollten in den schraffierten Bereichen vermieden werden; ist dieses nicht möglich, so ist die Schraffur an der Stelle zu unterbrechen. Mittellinien und Körperkanten dürfen nicht als Maßlinien benutzt werden. Maßzahlen dürfen nicht durch Linien geschnitten werden. Radien bzw. Halbmesser dienen zum Bemaßen von Rundungen an Werkstücken. Bei der Wahl der Radien sind die Rundungshalbmesser nach DIN 250 zu benutzen. Maßzahlen für Radien werden nach Bild I14 stets durch ein vorgestelltes großes „R“ gekennzeichnet. Die Maßlinien für Radien erhalten nur einen Maßpfeil am Kreisbogen. Der Mittelpunkt des Radius muß nur gekennzeichnet werden, wenn seine Lage aus Funktions- oder Fertigungsgründen festgelegt sein muß. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, bei großen Radien die Lage des Mittelpunktes in der Art nach Bild I-15 festzulegen. Einfaches Anreißen eines Langloches wird bei Verwendung der Maßeintragung nach Bild I-16 unterstützt.
Bild I-10 Bemaßung in Ausnahmefällen
8
Bild I-11 Bemaßung bei Platzmangel
3,5
60o
20
20
t=2
R1
0
R1 t=2
40
Bild I-12 Eintragen von Maßlinien
90 °
°
58
11
0°
40
R4
21° 25°
75
°
15
83 °
8°
5°
Bild I-14 Blech mit Radien
40
°
65
R4
R6
° 90
43°
90
R60
t=2 90 °
50°
15°
°
5
Bild I-13 Eintragen von Winkelmaßen
Bild I-15 Blech mit großen Radien
468
Technische Kommunikation Bild I-16 Blech mit Langloch
Da bei der Herstellung von Werkstücken die Nennmaße nicht genau eingehalten werden können, erhalten unter Berücksichtigung der Funktion und einer wirtschaftlichen Fertigung die Nennmaße maximal zugelassene Abweichungen, Toleranzen. Bei Maßen ohne Toleranzangaben sind die Freimaßtoleranzen nach DIN 7168 zu beachten. Die Maßeintragung in Technischen Zeichnungen ist nach DIN 406 festgelegt. Grenzabmaße sind nach Bild I-20 hinter der Maßzahl des Nennmaßes einzutragen; das obere Grenzabmaß steht hierbei höher, das untere Grenzabmaß tiefer als das Nennmaß. Das ISO-Toleranzsystem nach DIN 7150 gilt für Längenmaße von 1 bis 500 mm, die in 13 Nennmaßbereiche eingeteilt sind. Nach DIN 7152 werden sog. ISO-Toleranzfelder nach Bild I-21 festgelegt. Hierbei haben die A(a)-Felder bzw. die Z(z)-Felder den größten Abstand zur „Nullinie“, wobei für Bohrungen das A-Feld oberhalb und das Z-Feld unterhalb der Nullinie liegt. Die H(h)-Felder liegen an der Nullinie. Ein ISO-Toleranzfeld wird durch ein ISO-Toleranzkurzzeichen gekennzeichnet, das aus einem Buchstaben zur Lagebestimmung und einer Zahl zur Toleranzgrößenbestimmung nach DIN 7151 besteht. Alle
7,5
R5
10 25
t=2
5 30
Ist aus der Zeichnung nicht eindeutig erkennbar, daß das dargestellte Teil eine kreisrunde Form hat, so ist vor die Maßzahl ein Durchmesserzeichen ∅ nach Bild I-17 zu setzen. Hier ist eine fertigungsbezogene Bemaßung zu erkennen, was durch die Eintragung der Maßbezugsebene gefördert wird. Bei quadratischen Formen ist vor die Maßzahl das Quadratzeichen ⵧ zu setzen. Ein eingetragenes Diagonalkreuz weist zusätzlich auf eine ebene Fläche hin. Durch Bruchkanten nach DIN 6 werden Werkstücke verkürzt dargestellt, um Platz zu sparen. Bei der Eintragung nach Bild I-18 sind die Linienbreiten nach DIN 15 (siehe Bild I-1) anzuwenden. R2
Maßbezugsebene R2 R1
18 40
1,5x45o
12,5
12,5
20
30
Bild I-17 Fertigungsbezogene Bemaßung eines Stufenbolzens
15
40
3,2
55 45
50
o
5
50
3,2
18
30o 65
105,5 240
Voraussetzung für große Serien- und Massenfertigung ist, daß die gefertigten Teile ohne Nacharbeit eingebaut und wahllos untereinander ausgetauscht werden können. Die Maße der ineinanderzufügenden Teile müssen so festgelegt werden, daß entsprechend ihrer Funktion Spiel oder Übermaß nach Bild I-19 entsteht, also z.B. Welle in Bohrung mit Lagerspiel, Bolzen in Bohrung mit Preßsitz.
3x45o
38
42
56
38
58
38
42
3,2
18 12,5
ISO-Toleranzfelder lassen sich „beliebig“ kombinieren. Aus Kostengründen werden die Toleranzfeldkombinationen nach dem Paßsystem der Einheitsbohrung (DIN 7154) oder der Einheitswelle (DIN 7155) ausgewählt. In beiden Systemen erhält der Innenbzw. Außenpaßteil die Toleranzfeldlage H bzw. h nach Bild I-22. Aus der Lage der ISO-Toleranzfelder
469
20
Übermaß
I Grundlagen der zeichnerischen Darstellung
Spiel
800
2,5
Vollzylinder
Spiel
650
p0 pu
pu p0
20
Paarung mit Spiel oder Übermaß
Übermaß
Hohlzylinde Hohlzylinder
1:20 30
Grenzpaarungen
3o
Bild I-19 Paarung mit Spiel oder Übermaß, Grenzpassungen
600 + 0,1
Kegelstumpf
32 – 0,2
Bild I-18 Darstellung von Bruchkanten nach DIN 6 a) Vollzylinder b) Hohlzylinder c) Kegelstumpf
32 +– 0,1
32,198 32,195
a)
gefügter Paßteile entstehen somit Spieltolerenzen, Übergangstoleranzen oder Übermaßtoleranzen. Jede für den jeweiligen Betriebszweck zu klein gewählte Toleranz verteuert unnötig das Produkt. Daher werden, wenn es die Betriebssicherheit erlaubt, weite Maßtoleranzen angewendet. Eine Passungsauswahl, die den meisten Anforderungen der Fertigung genügt, ist in DIN 7157 T2 festgelegt als Reihe I. Bei ISO-Toleranzfeldkurzzeichen nach DIN 7150 stehen nach Bild I-23 gemäß DIN 406 die Innenmaßbezeichnungen über denen für die Außenmaße. Die Oberflächenrauheit eines Werkstückes wird nach DIN 4760 beschrieben und im Hinblick auf seine Funktion und wirtschaftliche Fertigung gewählt.
b)
c)
2 1 12H7/h6
d)
Nennmaß
a Z
a) Bild I-21 ISO-Toleranzfelder nach DIN 7152 bei a) Bohrungen b) bei Wellen
2
–0,1 30–0,2
e)
h J
+0,3 30+0,1
Bild I-20 Maßeintragung nach DIN 406 und Freimaßtoleranzen nach DIN 7168
A H
1
H7 12h6
z 0
–0,020
30f7 –0,041
b)
j
470
Technische Kommunikation A
B
C
Bohrungen D E F G H J K M N
0
P
h Einheitswelle
Spiel
R
0 S
a = Mittenrauhwert in mm oder mit dem Rauheitsgrad b = Fertigungsverfahren, Behandlung oder Überzug c = Bezugsstrecke d = Rillenrichtung e = Bearbeitungszugabe f = andere Rauheitsmeßgrößen
Z
Spiel od. Übermaß Übermaß
Einheitsbohrung H r
0 c d a
s-z
0
m n p g h j k
e f
Wellen
b
Spiel od. Übermaß Übermaß
Spiel
Bild I-22 Paßsystem der Einheitsbohrung oder der Einheitswelle
8
Die Oberflächengüte wird nach DIN ISO 1302 durch Rauheitsmaße und ihre Darstellung in Technischen Zeichnungen festgelegt. Bild I-24 zeigt die Lage der Oberflächenangaben am Symbol. Darin bedeutet:
Nähere Erläuterung in Auswahl gibt die Tabelle I-2 nach DIN ISO 1302. Symbole mit Zusatzangaben nach Bild I-24 sind so anzuordnen, daß sie von unten oder von rechts zu lesen sind, ausgenommen an Rundungen. Bei einheitlicher Oberflächenbeschaffenheit eines Teiles genügt nach Bild I-25 eine Oberflächenangabe in der Nähe des Teiles, während bei Drehkörpern nach Bild I-26 die Oberflächenangaben an einer der beiden symmetrischen Mantellinien einzutragen sind. Oberflächenangaben für Innenrundungen wie Hohlkehlen, Bohrungen, Außenrundungen und Schrägen sind nach Bild I-27 auf die Maßlinie des Radius
67
16h9
Bild I-23 Bemaßung von Toleranzen gemäß DIN 406
50
+0,2
16
H8
37,5
60 40e8
50 r6
H7
48d11
1,85 48
H11
DIN 4761 enthält die Grundlagen zur qualitativen Beschreibung, Einteilung und Klassierung technischer Oberflächen. Prüfung der Rauheit erfolgt nach DIN 4775 mit einer Anzahl von Einzelmessungen in folgender Reihenfolge: • Sichtprüfung auf Fehler wie Risse, Rillen, Poren, usw. • Sicht- und/oder Tastvergleich mit Oberflächenvergleichsmustern nach DIN 4769 T1 • Messung mit elektrischen Tastschnittgeräten nach DIN 4772 b c(f)
a e
d
Bild I-24 Lage der Oberflächenangaben am Symbol
RZ 40
Bild I-25 Oberflächenangabe bei einheitlicher Oberflächenbeschaffenheit RZ 25
RZ 16
RZ 10
Bild I-26 Oberflächenangabe bei Drehkörpern
I Grundlagen der zeichnerischen Darstellung
471
Tabelle I-2 Symbole ohne/mit Angaben nach DIN ISO 1302 1. Symbole ohne Angaben Symbol
Bedeutung
1.1
Grundsymbol. Es soll nur allein benutzt werden, wenn seine Bedeutung durch eine zusätzliche Wortangabe erläutert wird.
1.2
Kennzeichnung für eine materialabtrennend zu bearbeitende Oberfläche ohne nähere Angaben.
1.3
Kennzeichnung für eine Oberfläche, für die eine materialabtrennende Bearbeitung nicht zugelassen ist. Dieses Symbol ist auch in Zeichnungen anzuwenden, um festzulegen, daß die Oberfläche in dem Zustand eines vorhergehenden Arbeitsganges zu belassen ist, unabhängig davon, ob dieser Zustand durch materialabtrennende Bearbeitung oder auf andere Weise erreicht wurde.
2. Symbole mit Angaben über prinzipielle Oberflächen-Kriterien Bedeutung
Symbol Entfernung von Material ist freigestellt
gefordert
unzulässig
2.1
3,2
3,2
3,2
Eine Oberfläche mit Angabe der größten zulässigen Rauheit Ra von 3,2 mm
2.2
6,3 1,6
6,3 1,6
6,3 1,6
Eine Oberfläche mit Angabe der größten Ra = 3,2 mm und kleinsten Ra = 1,6 mm zulässigen Rauheit
3. Symbole mit zusätzlichen Angaben Die Symbole dürfen einzeln oder mit einem Symbol zusammen verwendet werden. Symbol 3.1
gefräst
3.2
2,5
3.3
Bedeutung Herstellungs-Verfahren: gefräst
Bezugsstrecke: 2,5 mm
Rillenrichtung: Senkrecht zur Projektionsebene der Ansicht
3.4
Bearbeitungszugabe: 2 mm 2
3.5
(R1= 0,4)
Angabe einer anderen Rauheitsmeßgröße als Ra in Klammern, z.B. Rt = 0,4 mm
472
Technische Kommunikation
2
1:1
1:
19°
42°
(Durchmessers) bzw. auf eine besondere Linie an die Schräge zu setzen. Mit Hilfe der Projektion lassen sich u.a. Körper auf einer Ebene darstellen. Man benutzt zu dem Zweck die Zentral- und Parallelprojektion. Bei der allgemeinen Parallelprojektion verlaufen die Projektionsstrahlen parallel zueinander und treffen schräg, also unter einem bestimmten Winkel, auf die Projektionsebene. Diese Methode liefert sehr anschauliche Abbildungen mit nur begrenzter Maßgenauigkeit. Sie wird angewendet bei den axonometrischen Projektionen, zu denen nach DIN 5 T1 die isometrische Projektion und nach DIN 5 T2 die dimetrische Projektion zählen.
Die isometrische Darstellung nach Bild I-28 findet Anwendung, wenn an einem Körper Wesentliches in drei Ansichten gezeigt werden soll. Alle Abmessungen werden im gleichen (= iso) Maßstab gezeichnet. Bild I-29 zeigt ein Beispiel für isometrische Darstellung mit Maßeintragung.
1:1
3 6,
R3
R3
1, 6
2 3,
Bild I-27 Oberflächenangabe bei Innen- und Außenrundungen, Schrägen
7°
Bild I-30 Dimetrische Darstellung nach DIN 5 4
5
11,5
30°
35°
30°
32
5 18
4
10
32
Bild I-28 Isometrische Darstellung nach DIN 5
Bild I-29 Beispiel für isometrische Darstellung mit Maßeintragung
11,5
4 4
10 32
5 15
22
18
32
5
15
22
Bild I-31 Beispiel für dimetrische Darstellung mit Maßeintragung
Man wählt die dimetrische Darstellung nach Bild I30, wenn vorwiegend in der Vorderansicht Wesentliches gezeigt werden soll. Es werden hier zwei (= di) Maßstäbe verwendet. Bild I-31 zeigt ein Beispiel für dimetrische Darstellung mit Maßeintragung, wobei der Körper nach Bild I-29 erneut Verwendung findet. Bei der senkrechten Parallelprojektion (Normalprojektion), auch orthogonale oder rechtwinkelige Projektion genannt, verlaufen die Projektionsstrahlen parallel zueinander und treffen senkrecht auf die Projektionsebene. Diese Darstellung wird nach DIN 6 für Technische Zeichnungen verwendet und liefert maßgerechte Ansichten des Werkstückes nach Bild I-32. Meist wird der Körper in drei senkrecht zueinander stehende Ebenen projiziert und zwar in die Vorderansicht, die Draufsicht und die Seitenansicht von Links. Durch Klappen der Vorderansicht um 90° nach vorn entsteht die Draufsicht und durch Klappen der Vorderansicht um 90° nach rechts entsteht nach Bild I-33 die Seitenansicht. Zwischen Seitenansicht und Drauf-
I Grundlagen der zeichnerischen Darstellung
473
Bild I-32 Normalprojektion nach DIN 6
Bild I-35 zeigt ein vollständig bemaßtes Beispiel mit verdeckten Kanten. Die Linienbreite ist gemäß Bild I1 zu verwenden. 8
10
15
Hüllform
Seitenansicht
40
Vorderansicht
Rückansicht
10
Seitenansicht
15
10
Untersicht
Draufsicht
10 (6)
8
(5)
Seitenansicht
(3)
(7)
um 90 o
3 4
(7)
10
(7)
40
Vorderansicht
(8)
10
1
5
10
2
1
15
(6)
25
(2)
4
8
10 25
(8)
verdeckte Körperkanten
o
um 90
(3) 6
5
15
(4)
Draufsicht 2
1
Bild I-33 Entstehung von Draufsicht, Vorderansicht und Seitenansicht sicht werden die Körperkanten mittels einer Geraden unter 45° zur Projektionsachse (siehe Bild I-28 und I-30) übertragen. Es können auch beliebige Ansichten dargestellt werden. Ausgehend von der Vorderansicht wird dann nach Bild I-34 für jede Ansicht die Betrachtungsrichtung durch einen Pfeil mit einem Großbuchstaben gekennzeichnet. A C C
A
Bild I-35 Vollständig bemaßtes Beispiel mit verdeckten Kanten Um Werkstücke und Bauelemente in ihrer inneren Form besser darstellen zu können, schneidet man den Körper auf und stellt die Schnittfläche dar. Ein Schnitt ist die gedachte Zerlegung eines Werkstückes durch eine Ebene senkrecht zur Zeichenebene. Schnittflächen werden nach DIN 6 durch schmale Vollinien in gleichmäßigem Abstand unter einem Winkel von 45° zu den Hauptumrissen oder einer Achse schraffiert. Treffen Schnittflächen mehrerer Teile zusammen, so sind die Schraffurlinien der verschiedenen Schnittflächen nach Bild I-36 entgegengesetzt zueinander zu
B
B
Bild I-34 Festlegung der Betrachtungsrichtung
Bild I-36 Zusammentreffen mehrerer Schnittflächen
474
Technische Kommunikation Bild I-37 Schmale, voll geschwärzte Schnittflächen
zeichnen, wobei auch der Abstand der Linien enger oder weiter gesetzt werden kann. Schmale Schnittflächen werden nach Bild I-37 voll geschwärzt. Stoßen mehrere schmale Schnittflächen aneinander, so ist zwischen diesen nach Bild I-38 ein geringerer Abstand zu lassen, damit Fugen entstehen. Für Beschriftungen innerhalb von Schnittflächen ist die Schraffur zu unterbrechen. Bild I-40 Halbschnitt
Bild I-38 Schmale Profilquerschnitte
Werkstücken wird der Halbschnitt bevorzugt rechts angeordnet. Die Trennlinie wird durch die Mittellinie (Symmetrieachse als strichpunktierte Linie) gebildet.
Bild I-39 Vollschnitt
Bild I-41 Teilschnitt (Ausbruch )
Beim Vollschnitt nach Bild I-39 denkt man sich die vordere Werkstückhälfte ganz herausgeschnitten. Beim Halbschnitt nach Bild I-40 ist ein Viertel des Körpers herausgeschnitten gedacht. Er wird angewendet als vereinfachte Darstellung von spiegelbildgleichen Hohlkörpern, um durch die Schnitthälfte die innere Form und durch die Ansichtshälfte die äußere Form zu verdeutlichen. Bei symmetrischen
Beim Teilschnitt nach Bild I-41 (Ausbruch) wird nur ein Teil des Werkstückes geschnitten gezeichnet und hat als Begrenzungslinie die Freihandlinie nach DIN 15 oder eine Zickzacklinie auf Plotterzeichnungen. Verläuft ein Schnitt nicht in einer Ebene, sondern versetzt oder unter verschiedenen Winkeln nach Bild I-42, so wird er mit einer breiten Strichpunktlinie in einer Ansicht gekennzeichnet. Die Blickrichtung auf die Schnittfläche wird mit Pfeilen verdeutlicht. Sind mehrere Schnitte vorhanden, so sind die
A
B
Schnitt A - B
Bild I-42 Schnitt unter verschiedenen Winkeln
I Grundlagen der zeichnerischen Darstellung
475
A
C
B
D
Schnitt A - D
Bild I-43 Schnitt in mehreren Ebenen
30°
30°
30°
55°
60°
60°
3°
betreffenden Strichpunktlinien am Anfang und Ende durch Großbuchstaben näher zu kennzeichnen. Das jeweilige Schnittbild ist mit derselben Buchstabenkombination zu versehen. Bei Schnitten in mehreren Ebenen ist die Kennzeichnung und Darstellung nach Bild I-43 vorzunehmen.
a)
b)
c)
d)
e)
f)
Bild I-44 Grundformen der gebräuchlichsten Gewinde a) metrisches Regelgewinde b) metrisches Feingewinde c) Whitworth-Rohrgewinde d) Trapezgewinde e) Sägengewinde f) Rundgewinde Sämtliche Gewindearten werden nach DIN ISO 6410 vereinfacht dargestellt. Genormte Gewinde werden mit ihren Kurzzeichen nach DIN 202 benannt. Die Gewinde werden durch ihr Profil, die Steigung, die Gangzahl und den Windungssinn bestimmt. Die Grundformen der gebräuchlichsten Profile sind in Bild I-44 dargestellt.
Wichtigstes Gewinde ist Metrisches ISO-Gewinde und Metrisches ISO-Feingewinde nach DIN 13 neben dem Metrischen ISO-Trapezgewinde nach DIN 103, Metrischen Sägengewinde nach DIN 513, WhitworthRohrgewinde nach DIN 259 und DIN 2999 und Rundgewinde nach DIN 405 (z.B. Elektrogewinde E 14). Nach DIN ISO 6410 wird in der Schnittdarstellung der Gewindedurchmesser als schmale und der Kerndurchmesser als breite Vollinie nach Bild I-45 und Bild I-46 dargestellt. Bei der Gewindedarstellung in der Draufsicht finden die Darstellungen des 3/4Kreises nach Bild I-47a und b Anwendung. Bei Innengewinde in Ansichtdarstellung nach Bild I-48a und Bild I-49a werden 2 Strichlinien zur Darstellung verwendet. Gewindebegrenzung ist auch in Schnittdarstellung nach Bild I-48b mit breiter Volllinie zu zeichnen. Der Gewindeauslauf in Kernlöchern bei Innengewinde nach Bild I-49b wird i.d.R. nicht gezeichnet. Die vollständige Darstellung des Gewindes in einem Kernloch ist in Bild I-49c vollzogen. Eine vollständig bemaßte Montageplatte ist in Bild I50 gezeichnet mit der Darstellung und Kennzeichnung der Innengewinde (M10). DIN 199 T1 listet in alphabetischer Reihenfolge die wichtigsten Zeichnungsbegriffe auf, definiert Form und Inhalt knapp und dient somit der Vereinheitlichung der Terminologie für Zeichnungen. Eine Gesamtzeichnung enthält z.B. eine Maschine, eine Anlage oder ein Gerät im zusammengebauten Zustand. Eine Gruppenzeichnung nach Bild I-51 zeigt auch das zusammengebaute Gerät maßstabsgetreu und korrekt in der räumlichen Lage, jedoch sind nur die Einzelheiten dargestellt, die von Bedeutung sind. So sind hier verdeckte Kanten nur enthalten, als sie zusätzlich erforderliche Informationen liefern. Die Bemaßung ist hier in den Teilzeichnungen vorgenommen worden. Schriftfeld und Stückliste liefern die restlichen erforderlichen Angaben für die Fertigung. Das Lesen einer Technischen Zeichnung beginnt mit der Entnahme der wichtigsten Grundinformationen aus dem Schriftfeld, z.B. Maßstab. Die Analyse der Aufgabe und Funktion des Gerätes schließt sich an.
Außendurchmesser & Gewindebegrenzung als breite Vollinie 3/4 Kreis
d
Kegelkuppe 45
o
b l Gewindekernlinie als schmale Vollinie
Bild I-45 Außengewindedarstellung nach DIN ISO 6410
Technische Kommunikation
22
13 5,5 Sechskantschraube DIN 931 M 8 x 35 - 8.8
20
30
35
100 60 20 A
Bild I-46 Schraubendarstellung, hier nach DIN 931
20
M8
14,4
476
M10 b)
150
a)
Außen-
als schmale Vollinie
80
60
Bild I-47 Darstellungen des 3/4-Kreises M10
45
40
Kern-
als breite Vollinie
B
Bild I-50 Vollständig bemaßte und gekennzeichnete Montageplatte
Bild I-48 Innengewinde in Ansichtdarstellung
30 o
25
20
M8
6,5
diesem Moment durch eine zentrale Explosion zerlegt. Es handelt sich um eine isometrische Darstellung, bei der alle Einzelteile auseinander gezogen gezeichnet und numeriert werden. In der Stückliste sind diese Nummern mit den entsprechenden Namen, Bezeichnungen und evtl. Bestellnummern für die Ersatzteilbeschaffung versehen. Diese Art der Darstellung eignet sich gut für das Verständnis technisch-konstruktiver Zusammenhänge und für die Ersatzteilbeschaffung.
Gewindeauslauf
Bild I-49 Gewindedarstellung in Kernlöchern
4 Normteile und Konstruktionselemente
Allgemeine Formerfassung mit speziellen Angaben zu Größen und Abmessungen folgt; Formelemente begreifen und auseinandernehmen, zerlegen in räumliche Grundkörperformen. Ihnen sind die entsprechenden Wortangaben, Symbole, Kurzzeichen und Maße zuzuordnnen. Die Kenntnis der entsprechenden Normen ist hierbei unabdingbar notwendig. Die Zuordnung der Werkstoffe aus dem Schriftfeld ist z.B. für die Auswahl der Werkzeuge zur Bearbeitung und Herstellung der Werkstücke erforderlich. Die Oberflächenangaben sind zur endgültigen Bearbeitung der Oberflächen in der Endphase der Fertigung der Zeichnung zu entnehmen. Explosionszeichnungen nach Bild I-52 führen diesen Namen aufgrund der Besonderheit der Darstellung, bei der man den Eindruck hat, das Gerät wird in
Nach DIN 57100/IEC 364-4-41/VDE 0100 Teil 410 sind Schutzmaßnahmen gegen gefährliche Körperströme zu treffen. Zum Schutz gegen direktes Berühren von aktiven Teilen elektrischer Betriebsmittel können die aktiven Teile als solche isoliert werden oder der Schutz kann durch Abdeckungen oder Umhüllungen, sprich Gehäuse, bewirkt werden. Es handelt sich also um konstruktive Maßnahmen. Im Zusammenhang mit dem Schutz gegen gefährliche Körperströme werden die elektrischen Betriebsmittel (Geräte und Anlagen) nach VDE 0100 in Schutzklassen, z.B. Schutzklasse II (Schutzisolierung) eingeteilt. Bei der Schutzisolierung werden elektrisch nichtleitende Materialien zur Herstellung der Gehäuse verwendet, so daß aktive Teile räumlich und elektrisch vom Benutzer bzw. Anwender völlig
I Grundlagen der zeichnerischen Darstellung
477
Bild I-51 Platinenhalter als Gruppenzeichnung 2
4
9 10 5
7
3
67
92
6
80 1
210
8
10
2
Stck Gewindestift
DIN 553-M3 × 8
9
2
Stck Klemmschiene
8
4
Stck Zylinderschraube
Polyamid DIN 912-M4 × 25 8.8
7
1
Stck Rändelschraube
6
2
Stck Sechskantmutter
5
1
Stck Drehgriff
St50 K
4
1
Stck Drehachse
St50 K
3
1
Stck Stehlager
St37 K
2
1
Stck Stehlager
St37 K
1
1
Stck Grundplatte
Pos Men Einh Benennung
5.8
St50-1 DIN 555-M10
4.6
St37 K Norm-Kurzbez.
Allgemeintoleranzen DIN 7168-m
Maßstab 1.2
Datum Name bearb 1.2.88 gepr Norm
Platinenhalter
Werkstoff
Blatt Bl Zust Änderung Datum Name
478
Technische Kommunikation
8
10
7
9 1 2
6
5 3
1 2 3 4 4 5 6 7 8 9 10
Festschaltstück (Hauptkontakt) Schaltbrücke (Hauptkontakt) Hilfsschalter HS 107 Lichtbogenkammer Schaltstückträgerplatte Schaltkopf mit beweglichen Magneten (Anker) Rückstellfeder Spule Festmagnet Sockel
Bild I-52 Explosionszeichnung als Serviceplan getrennt sind. Gehäuse aus elektrisch leitfähigen Materialien werden mit einem Anschluß für den Schutzleiter PE/PEN versehen. Die Einteilung der Betriebsmittel in Schutzarten hat eine andere Bedeutung. Nach IEC 529 (1976)/ DIN 40050 (1980) werden mechanische Eigenschaften eines Betriebsmittels festgelegt, nämlich die Abdichtung, sprich Kapselung, gegen feste Fremdkörper und gegen Wasser. Die jeweils gültige Schutzart wird durch ein Kurzzeichen angegeben, das aus
den Buchstaben IP (engl.: international protection) und zwei Kennziffern nach Tabelle I-3 besteht. Die erste Kennziffer gibt den Berührungs- und Fremdkörperschutz und die zweite Kennziffer den Wasserschutz an. Aus Betriebsgründen notwendige Gehäuseöffnungen (z.B. Steckverbindungen oder zur Kühlung erforderliche Öffnungen) müssen so beschaffen sein, daß mit dem „IEC-Prüffinger“ nach DIN 57470/VDE 0470 keine aktiven Teile berührt werden können.
Tabelle I-3 Schutzarten nach IEC 529/DIN 40050 Kennziffer
Schutzumfang IP xx Berührungs- und Fremdkörperschutz
Wasserschutz
0
kein Schutz gegeben
kein Schutz gegeben
1
Schutz gegen Fremdkörper d > 50 mm
Schutz gegen senkrecht fallendes Tropfwasser
2
Schutz gegen Fremdkörper d > 12 mm
Schutz gegen schräg fallendes Tropfwasser
3
Schutz gegen Fremdkörper d > 2,5 mm
Schutz gegen Sprühwasser
4
Schutz gegen Fremdkörper d > 1 mm
Schutz gegen Spritzwasser
5
Schutz gegen Staubablagerung
Schutz gegen Strahlwasser
6
Schutz gegen Staubeintritt
Schutz bei Überflutung
7
–
Schutz beim Eintauchen
8
–
Schutz beim Untertauchen
I Grundlagen der zeichnerischen Darstellung
479
Kunststoff-Leergehäuse für die Aufnahme von Schaltern und Schützen werden nach IP 54, IP 55 oder IP 65 ausgefertigt. Aus Kostengründen ist die Schutzart nicht zu hoch anzusetzen. Zusätzliche Schutzarten nach VDE 0170/171 betreffen den Schlagwetter- und Explosionsschutz. Die Leitungseinführung in die Gehäuse erfolgt über Kabeltüllen bzw. Kabelverschraubungen nach DIN 43620 mit normierten Bohrungen mit PgGewinde oder Vorprägungen im Gehäuse. Für die Errichtung von Verteileranlagen in Schaltanlagen gilt die Norm DIN VDE 0660/IEC 947, EN 60947, für die Errichtung von Installationsverteilern und Zählerplätze gilt DIN VDE 0603. Die Gehäuse können Schnellbefestigungsschienen (Hutschiene u.ä.) für Kleinschütze, Schmelzsicherungen, Zeitrelais, LS-Automaten und weitere Kleingeräte nach DIN 46277/EN 50022 enthalten. Für Gehäuseabmessungen sollte das 25 mm Rastergrundmaß nach DIN 43660 verwendet werden, also z.B 150 mm, 175 mm, 187,5 mm, 225 mm, ... 750 mm. Schalter sind Betriebsmittel, die elektrische Geräte oder Anlagen von anderen Anlagen oder Geräten in der Weise trennen, daß sie Strompfade verbinden, unterbrechen oder trennen. Schalter werden nach VDE 0660 unterschieden hinsichtlich ihrer Bauform, ihrem mechanischen Verhalten in den Schaltstellungen, nach der Betätigungsart, nach dem Schaltvermögen, nach dem Verwendungszweck und nach der Art der Lichtbogenlöschung. Tabelle I-4 gibt die wichtigsten grundlegenden Schaltzeichen nach DIN 40900/IEC 617 für die Darstellung von Schaltern und Schaltgeräten wieder. Nicht alle Schaltereigenschaften sind durch Schaltzeichen darstellbar. Die Schaltglieder nach Tabelle I-4 können einzeln oder in Gruppen beliebig kombiniert werden. Der Antrieb der Schaltglieder kann per Hand, durch Motor, elektromagnetisch oder elektromechanisch erfolgen. Die Antriebssymbole können je nach Funktionsabsicht den Schaltgliedern zugeordnet werden. Während bei Rastschaltern das Schaltglied in der jeweiligen Schaltstellung bleibt, kehrt das Schaltglied von Tastschaltern bei Aufhebung des Tastdruckes selbsttätig in die Ausgangsstellung zurück. Schloßschalter nach Bild I-53 sind Schalter mit Rückstell-
a)
b)
Bild I-54 Schaltgeräte (VDE 0660) a) dreipoliger Leistungstrenner b) Trennschalter, Lastschalter, Leistungsschalter
a)
b)
c)
Bild I-53 Schaltglieder mit verschiedenen Antrieben a) Schließer als Rastschalter mit Handantrieb b) Öffner als Tastschalter, Betätigung durch Drücken c) einpoliger Schloßschalter mit elektrothermischer und -magnetischer Auslösung kraft und mechanischer Sperre, wobei eine Freiauslösung integriert ist. Die Freigabe der Sperre kann per Hand erfolgen, aber auch, wie hier dargestellt, durch elektrothermische und elektromagnetische Überstromauslösung. Die gestrichelte Wirklinie wird häufig weggelassen, wenn die Funktion eindeutig zugeordnet ist. Mehrpolige Schloßschalter nach Bild I-54 werden nach DIN 40900/IEC 617 auch als Schaltgeräte bezeichnet. Die Einteilung der Schalter nach ihrem Schaltvermögen erfolgt nach VDE 0660. Leerschalter bzw. Trennschalter dienen ausschließlich zum fast stromlosen Schalten von Stromkreisen. Sie sollten nur als NH-Sicherungstrenner vor einem Leistungsschalter verwendet werden. Leistungschalter haben ein Einschalt- und Ausschaltvermögen in Höhe der möglichen Kurzschlußströme, während Motorschalter zum Schalten von Motoren geeignet sind und für den Anlaufstrom der Motore bemessen sind. Leistungschalter werden vornehmlich an Netzschaltstellen mit Dauereinschaltung oder geringer Schalthäufigkeit verwendet. Sie können nach VDE 0113 auch als Hauptschalter verwendet werden, die für Be- und Verarbeitungsmaschinen vorgeschrieben sind und im Reparaturfall eine Maschine gänzlich vom Netz trennt. Es werden häufig Nockenschalter mit abschließbarem Antrieb nach Bild I-55 verwendet. Ein einfaches Einhängebügelschloß bringt hier Sicherheit.
c)
d)
Betätigung durch Drücken Betätigung durch Ziehen Betätigung durch Drehen
Betätigung durch Schlüssel Betätigung durch Rolle, Fühler
Kraftantrieb allgemein
Öffner
Wechsler mit Unterbrechung
Voreilender Schließer eines Kontaktsatzes
Nacheilender Öffner eines Kontaktsatzes
Schließer, schließt verzögert bei Betätigung
Öffner, schließt verzögert bei Rückfall
Elektromechanischer Antrieb mit Rückfallverzögerung
Betätigung durch elektromagnetischen Überstromschutz
Notschalter
Antrieb mit besonderen Eigenschaften, allgemein
Elektromechanischer Antrieb mit Ansprechverzögerung
Betätigung durch Motor
Elektromechanischer Antrieb, allgemein, Relaisspule, allgemein
Schaltschloß mit mechanischer Freigabe
Handantrieb, allgemein
Schließer
Antriebe elektromechanisch, elektromagnetisch
Antriebe
DIN 40900/IEC 617
Schaltglieder
Benennung
Tabelle I-4 Schaltglieder, Antriebe und Schaltgeräte nach DIN 40900/IEC 617
0
M
Schwimmerschalter, schließend
Druckwächter, öffnend
Näherungsschalter induktiv, Schließerverhalten
Öffner
Schließer
Grenz-/Endschalter
Tastschalter mit Raststellung und 1 Öffner, handbetätigt durch Schlagen (z.B. Pilzdrucktaster)
Tastschalter mit Raststellung und 1 Schließer, handbetätigt durch Drücken
Tastschalter mit Schließer und Öffner, handbetätigt durch Drücken
Druckschalter (nicht rastend)
Steuergeräte Steuergeräte
P
Fe
480 Technische Kommunikation
Betätigung durch elektromagnetischen Antrieb
Elektromechanischer Antrieb eines Thermorelais Betätigung durch Flüssigkeitspegel
Betätigung durch thermischen Überstromschutz
Elektromechanischer Antrieb mit Ansprech- und Rückfallverzögerung
3poliger Schalter mit Schaltschloß mit drei elektrothermischen Überstromauslösern, drei elektromagnetischen Überstromauslösern, Motorschutzschalter
3poliger Leistungsschalter
3poliger Trennschalter
3poliges Schütz mit drei elektrothermischen Überstromauslösern
Schütz (Schließer)
Schaltgeräte
I> I> I>
I Grundlagen der zeichnerischen Darstellung 481
482
Technische Kommunikation Bild I-55 „Abschließbarer“ Hauptschalter als Reparaturschalter
nung für die Wechsler an thermischen Überstromauslösern (z.B. Motorschutzrelais) nach Bild I-58 erfolgt. Steckvorrichtungen sind zweiteilige Schaltgeräte zum Verbinden von ortsfesten Betriebsmitteln mit beweglichen Geräten oder Leitungen. Sie bestehen aus Stecker und Steckdose bzw. Kupplung innerhalb eines Leitungszuges. Es werden Steckvorrichtungen mit und ohne Schutzleiter verwendet sowie zweipolige und vielpolige Steckvorrichtungen für vielfältige Aufgaben zum Einsatz gebracht. Steckverbinder (Messer- und Federleisten), Steckverbinderleisten nach DIN 41612 und andere (z.B. HF- und NF-Steckverbinder nach DIN 47284) werden als Steckerbuchse(n) und Steckerstift(e) nach DIN 40713 gemäß Bild I-59 gezeichnet. Damit die elektrischen Geräte Geräte verschiedener Hersteller von der Konstrukion her kompatibel sind, wurde mit DIN 41494 eine einheitliche „Bauweise für elektronische Einrichtungen“ erstellt. Diese Norm entspricht der sog. „19-Zoll“-Bauweise. Das hierbei bevorzugte Leiterplattenformat für die Messerleisten ist die sog. „Europakarte“. Normal ist, daß die Fe-
Lastschalter haben ein Schaltvermögen bis etwa zum doppelten Nennstrom. VDE 0660 beschreibt auch Hilfsstromschalter, die vornehmlich in Steuerstromkreisen als Taster, Steuerkontakte an Schützen und Hilfsschalter verwendet werden. An die Kontakte werden nur geringe Leistungsanforderungen gestellt. Haupt- oder Leistungsschütze verfügen über Kontakte für große Leistungen und zusätzliche sogenannte Hilfskontakte, während Hilfsschütze ohne Leistungskontakte gebaut werden, da sie ausschließlich zu Steuerungszwecken gebaut werden. Schließeranschlüsse: 2.Ziffer 3-4 1
3
2 4
Hauptkontakte: Einerziffer
5
6
13
A1
A2
14
Schützspule: A1-A2
23
24
Öffneranschlüsse: 2.Ziffer 1-2
33
41
51
42
34
52
Wechsleranschlüsse: 2.Ziffer 1-2-4
72 74
61
71
62
Steuerkontakte: Doppelziffer
Nach DIN EN 50005 und DIN EN 50011/50012 erfolgt die Anschlußkennzeichnung von Schützen und Hilfsschützen gemäß Bild I-56. Die Schützspule hat die Anschlußkennung A1-A2, die Hauptkontakte haben die Einerziffern 1 – 2/3 – 4/5 – 6 während die Steuerkontakte mit Doppelziffern gekennzeichnet sind. Mit der 1. Ziffer werden die Kontakte fortlaufend nummeriert (Ordnungszahl) während die 2. Ziffer einen Öffner, Schließer oder Wechsler (Funktionsziffer) kennzeichnet. Zeitrelais haben eine Kontaktkennung nach DIN EN 50042 gemäß Bild I-57, während die Kontaktken17
15
15
18
16
16
Bild I-57 Kennzeichnung von zeitverzögerten Steuerkontakten
Bild I-58 Kennzeichnung von thermischen Überstromauslösern
95
96
Bild I-56 Anschlußkennzeichnung von Schützen und Hilfsschützen nach DIN EN 50005 und DIN EN 50011/50012
98
DIN 40713 Steckerstift Steckerbuchse
DIN 40717 Einfach-Steckdose ohne Schutzkontakt Einfach-SchutzkontaktSteckdose
18
Schutzkontaktstecker
Bild I-59 Einfache Steckverbindungen nach DIN 40713 und DIN 40717
125
60
55
50
40
T
U
V
W
Y
Z
70
65
S
80
75
R
85
P
Q
90
110
100
L
N
0
+5
K
140
155
170
M
– 25
– 10
I
– 40
G
H
– 55
F
180
250
200
– 65
E
300
C
D
400
350
Jmax/°C
Jmin/°C
B
2. Stelle
1. Stelle
A
Kennbuchstabe
≤ 90
100
75 ≤ 50
≤ 50
≤ 50
95
≤ 75
≤ 50
95
≤ 75 85
100
≤ 80
60 Tage im Jahr
≤ 65
100
≤ 95
≤ 100
Jahres- 30 mittel Tage im Jahr
3. Stelle Feuchtebeanspruchung
95
≤ 50
65
75
85
85
90
100
übrige Tage
BE betaut
BE nicht betaut
BE nicht betaut
BE nicht betaut
BE leicht betaut
BE betaut
BE betaut
BE dauernd naß
Bemerkungen zu Bauelementen
Tabelle I-5 Anwendungsklassen und Zuverlässigkeitsangaben nach DIN 40040
30 000 000
10 000 000
3 000 000
1 000 000
300 000
100 000
30 000
10 000
3 000
1 000
300
100
30
10
3
1
0,3
0,1
4. Stelle Ausfallrate
300
1 000
3 000
10 000
30 000
100 000
300 000
5. Stelle Beanspruchungsdauer in h
in erschütterungsfreien Geräten & Anlagen
in ortsfesten Stromerzeugern & nicht erschütterungsfreien Anlagen
in Schiffsanlagen & Autoradios
in tragbaren Geräten
für Bordelektronik
für Bordelektronik
an Verbrennungsmotoren angebaut
Beispiele des Bauelementeeinsatzes
6. Stelle Mechanische Beanspruchung
20
26 000
20 000
16 000
85 44
8 500
4 300
3 500
2 200
1 000
max. Höhe über NN in m
300
530
600
700
840
untere Druckgrenze in mbar
7. Stelle Luftdruck
I Grundlagen der zeichnerischen Darstellung 483
484
Technische Kommunikation
derleiste beim Einbau dem Gestell, sprich Gehäuse, zugeordnet ist. Als zweipolige Steckvorrichtung mit Schutzleiter wird in Deutschland das sog. „Schuko®-System“ mit Steckgeräten gemäß DIN 49440 verwendet. Die zeichnerische Darstellung erfolgt nach DIN 40717 gemäß Bild I-59. Dreipolige Steckverbinder mit Schutzkontakt werden nach Bild I-60 gezeichnet. 4
4
Bild I-60 Dreipoliger Steckverbinder mit Schutzkontakt
Sogenannte Pilotkontakte nach Bild I-61b sorgen bei Bedarf dafür, daß die Steckverbindung nur im spannungslosen Zustand betätigt werden kann. Diese Kontakte schließen beim Einstecken nach den übrigen Kontakten bzw. öffnen beim Herausziehen vor den übrigen Kontakten, so daß z.B. nach Bild I-62 eine Schützschaltung die Leitung spannungslos schalten kann. Elektronische Bauelemente werden nach ihrer technischen Funktion und Leistung unter Berücksichtigung ihrer individuellen Grenz- und Kennwerte ausgewählt. Zusätzlich werden sie aber auch nach dem Grad ihrer klimatischen und mechanischen Beanspruchung und hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit, sprich ihrer Ausfallrate bestimmt.
Pos. und Bild
l in A
Stromart
Netzspannung in V
C
a
16
E
220 bis 240
6h
b
32
380 bis 415
9h
D
220/380 bis 240/415
6
d
E
220 bis 240
6h
380 bis 415
9h
3× 380 bis 415
6h
220/38ß bis 240/415
6h
63
f
125
g
D
L2
L3
L1
N
b
a
h
c
e
L L
C Code für die Lage der Schutzleiterbuchse als Uhrzeigerstellung („Uhrzeit“); E Einphasen-Wechselstrom; D Drehstrom
c
Pilotbuchse
L
L
e
d L2 L1
f
Pilotbuchse L2
L3
L3 L1
N g
Bild I-61 Beispiele von Steckdosen für die genormten Netzspannungen nach DIN IEC 38
Für die Herstellung von mehrpoligen Industriesteckvorrichtungen, bekannt unter der nicht mehr gültigen Norm CEE 17, gelten VDE 0623 Teil 1 und Teil 20, die den Normen IEC 309-1 und IEC 309-2 (ab 1995 allein gültig) entsprechen. Industriesteckvorrichtungen haben ein rundes Profil gemäß Bild I-61b mit einer Unverwechselbarkeitsnut bzw. -nase, die der Sicherstellung der richtigen Einstecklage des Steckers dient. Die Buchsen bzw. Stifte sind auf einem Kreis (Teilkreis) angeordnet. Die Schutzkontakte müssen beim Einführen des Steckers früher Kontakt geben und sich später trennen als die den Betriebsstrom führenden Kontakte. Die Lage der Buchsen und Stifte für die genormten Netzspannungen nach DIN IEC 38 stellt Bild I-61a dar. Hier wird die Unverwechselbarkeit zusätzlich durch die Lage der Kontakte gewährleistet.
Pilotkontakt
Bild I-62 Steckverbinder mit Pilotkontakt Nach DIN 40040 werden die „Anwendungsklassen und Zuverlässigkeitsangaben für Bauelemente der Nachrichtentechnik und Elektronik“ bestimmt und gekennzeichnet. Tabelle I-5 bietet eine Übersicht. Zur Kennzeichnung der Anwendungsklassen werden drei bis achtstellige Buchstabenkombinationen verwendet, die entsprechend dem Schlüssel nach Tabelle I-6 zusammengefügt werden:
I Grundlagen der zeichnerischen Darstellung
485
Tabelle I-6 Buchstabenkombination und ihre Bedeutung 1. Stelle
Untere Grenztemperatur
2. Stelle
Obere Grenztemperatur
3. Stelle
Feuchtebeanspruchung
4. Stelle
Ausfallquotient
5. Stelle
Beanspruchungsdauer
6. Stelle
Mechan. Beanspruchung
7. Stelle
Luftdruck
8. Stelle
Sonderbeanspruchung
Klimatische Anwendungsklasse
Zuverlässigkeitsangabe
Mechan. Anwendungsklasse
Über Stellen, die den Kennbuchstaben X tragen, werden keine Angaben gemacht. Der Kennbuchstabe Z weist auf Einzelbestimmungen hin, die den Herstellerangaben direkt zugeordnet werden müssen. Widerstände und Kondensatoren werden als einstellbare (im Wert variierbare) Bauteile hergestellt, aber auch als Festwiderstände bzw. Festkondensatoren. Die Kennzeichnung erfolgt durch Farbcode nach
DIN 41429 oder durch Zahlen und Buchstaben nach DIN 40825. Bei DIN 41429 kann die Codierung mit zwei oder drei zählenden Ziffern erfolgen. In Bild I-63 ist die Kennzeichnung von Widerständen in der ersten Version hinsichtlich der Leserichtung und der Codierung gemäß Farbauswahl dargestellt. Da bei der Herstellung von Widerständen und Kondensatoren bei großer Serien- und Massenfertigung
1.Ring ohne Angabe des Temperaturbeiwertes
Der erste Ringe liegt näher am Ende des Widerstandes
Widerstände mit zwei zählenden Ziffern mit Angabe des Temperaturbeiwertes
Wertringe
Multiplikator Toleranz
Kennfarbe
Wertziffer
Multiplikator
Toleranz
Temperaturbeiwert aR 10–6 K–1
Bemerkungen
keine silber gold schwarz braun rot orange gelb grün blau violett grau weiß
– – – 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9
– × 10–2 Ω × 10–1 Ω × 100 Ω × 101 Ω × 102 Ω × 103 Ω × 104 Ω × 105 Ω × 106 Ω × 107 Ω × 108 Ω × 109 Ω
±20 ±10 ±15 – ±1 ±2 – – ±10,5% ±10,25% ±10,1% – –
– – – ±200 ±100 ±150 ±115 ±125 – – – – –
Die Farben gold und silber sind leitend und deshalb nicht immer verwendbar. Ausweichmöglichkeiten: statt gold: für 10–1 weiß für ±5% grün statt silber: für 10–2 grau für ±10% weiß
= 1110,01 Ω = 1110,1 Ω = 1111,0 Ω = 1110 Ω = 1100 Ω = 1111 kΩ = 1110 kΩ = 1100 kΩ = 1111 MΩ = 1110 MΩ = 1100 MΩ = 1000 MΩ
TK
Der Abstand zwischen Temperaturbeiwert (umlaufend, unterbrochen oder Punkt) und Toleranzring ist größer als zwischen den anderen Ringen.
Bild I-63 Kennzeichnung von Widerständen durch Farbcode (Auszug)
486
Technische Kommunikation Abweichungen, Toleranzen. Von festgelegten Toleranzen ausgehend werden nach DIN 41426 Staffelwerte für sogenannte E-Reihen (Internationale Normreihen) berechnet als geometrische Reihen.
die ausgewiesenen Nennwerte ohne erhöhte Kosten nicht genau eingehalten werden können, erhalten diese unter Berücksichtigung ihrer Funktion und der erforderlichen Genauigkeit maximal zugelassene
E-Reihen (Auszug) E6 E12 E24 E48
Nach DIN 41426
1,0 1,0
1,5 1,2
2,2
1,5
1,8
3,3
2,2
2,7
4,7
3,3
3,9
4,7
6,8 5,6
6,8
1,00 1,05 1,10 1,15
1,21 1,27 1,33 1,40
1,47 1,54 1,62 1,69
1,78 1,87 1,96 2,05
2,15 2,26 2,37 2,49
2,61 2,74 2,87 3,01
3,16 3,32 3,48 3,65
3,83 4,02 4,22 4,42
4,64 4,87 5,11 5,36
5,62 5,90 6,19 6,49
6,81 7,15 7,50 7,87
DIN-Reihe R5 R10
8,2
1,0 1,1 1,2 1,3 1,5 1,6 1,8 2,0 2,2 2,4 2,7 3,0 3,3 3,6 3,9 4,3 4,7 5,1 5,6 6,2 6,8 7,5 8,2 9,1 8,25 8,66 9,09 9,53
Nach DIN 323 1,00
1,00
1,60 1,25
1,60
2,50 2,00
2,50
4,00 3,15
4,00
6,30 5,00
6,30
8,00
R20
1,00 1,12 1,25 1,40 1,60 1,80 2,00 2,24 2,50 2,80 3,15 3,55 4,00 4,50 5,00 5,60 6,30 7,10 8,00 9,00
R40
1,00 1,12 1,25 1,40 1,60 1,80 2,00 2,24 2,50 2,80 3,15 3,55 4,00 4,50 5,00 5,60 6,30 7,10 8,00 9,00 1,06 1,18 1,32 1,50 1,70 1,90 2,12 2,36 2,65 3,00 3,35 3,75 4,25 4,75 5,30 6,00 6,70 7,50 8,50 9,50
Bei jeder Reihe können die üblichen Toleranzen gewählt werden.
Bild I-64 E-Reihen und DIN-Reihen (Auszüge)
Schicht-Festwiderstände Schichtmaterial
Kohle
Anforderungen
allgemein
erhöht
DIN
44051 (983)
44052 (9.83)
Anwendungsklasse
FKF (FHF)
FKF
Widerstandswertereihe E24 ±2% ±5%
Widerstandsabweichung bei Anlieferung
Kohlegemisch
Metall
Metalloxid
Metallglasur
erhöht
allgemein
erhöht
erhöht
erhöht
44055 (9.83)
44054 (9.83)
44061 (9.83)
44063 (9.83)
44064 (9.83)
FKF
FKF
FKF
FHF FZF
FHF
E24
E24
E24
E24
E24
E24
±2% ±5%
±1% ±2%
±12% ±10%
±0,5% ±1% ±2%
±2% ±5%
±0,5% ±1% ±2%
±1300
B1): C: D: E:
±250
B1): 0 ± 100 C: 0 ± 150
–150 bis –1500
Temperaturkoeffizient in 10–6/K (zwischen 20 °C und 70 °C)
0 ± 100 0 ± 150 0 ± 125 0 ± 115
DRzul nach 1000 h Dauerprüfung bei P70
ⱕ ±(5% · R + 0,1 W) bis 1 M W +10% · R –5% · R über 1 M W
ⱕ ±(2% · R + 0,05 W) bis 1 M W +4% · R –2% · R über 1 M W
ⱕ ±(1% · R + 0,05 W) bis 1 M W +2% · R –1% · R über 1 M W
ⱕ ±4% · R –2% · R +0,1 W
ⱕ +1% · R –0,5% · R +0,05 W
ⱕ ±2% · R +0,1 W
ⱕ ±1% · R +0,1 W
DRzul nach 8000 h Dauerprüfung bei P70
ⱕ (+10% · R –1% · R + 0,1 W) bis 1 M W +20% · R –5% · R über 1 M W
ⱕ (+4% · R –2% · R + 0,05 W) bis 1 M W +8% · R –2% · R über 1 M W
ⱕ (+2% · R –1% · R + 0,05 W) bis 1 M W +4% · R –1% · R über 1 M W
ⱕ (+4% · R –15% · R +0,1 W)
ⱕ (+2% · R –0,5% · R +0,05 W)
ⱕ (+4% · R –3% · R +0,1 W)
ⱕ (+2% · R +0,1 W)
1
) Diese Buchstaben sind der 2. Kennbuchstabe der Baugrößebeziehung.
Bild I-65 Übersicht über Schicht-Festwiderstände
0,5
I Grundlagen der zeichnerischen Darstellung
33,5–1,5
4,06–0,5
487
33,5–1,5
1,8–0,2
34,5–1,5
Cu-Draht verzinnt
30+5
7,1–0,5
34,5–1,5
3,3–0,2
Farbringe für Widerstandswerte Farbring für Toleranz
17 max 3 max 3 max
30+5
5,4 max Abmessungsangaben nach DIN 41099 (Entw.)
mit Lack bedeckt
3 oder 4 Farbringe für Widerstandswerte Farbring für Toleranz d
0,8
0,65
6 lackiert
Bild I-66 Bauformen von Widerständen (teilweise genormt)
– 38+3
l
– 38+3
0
a)a)
b)b) Bild I-67 Auswahl an Kondensator-Bauformen (teilweise genormt)
Technische Kommunikation
10+1 8,2–0,6
– 23+0,1 31,4–0,8
B
E
13,1–+0,4
14,2–0,15
30,1–+0,1
16,9–+0,4
– 10+0,5
26,2–0,2
– 12+0,5 8–0,8
– 6+1,5
2
18,6–0,2
8–0,6
3 A 2 DIN 41472(TO-3) – 6+0,1 – 5+0,2
5+0,5
0,5
5,2–0,3
– 25+0,2
C
9+0,5
5+0,5
4,75–0,15
5,5–0,15
1,1
B C
E
0,45
1,1
10,9–+15
2
– 71+4
B A 3 DIN 41878(TO-8)
13,5–+1
20,2–0,15
1,1
39,55–0,8
0,85
4,1+0,1 B
E
CB E
14,45–0,3
0,13,2–0,1
488
B
2,54–+0,3
+0,02 0,9 x 0,16–
18 A 3 DIN 41876 (TO-18)
50 B 3 DIN 418676 (TO-50)
a)
Maßbild SOT-54
4,5
7,6min.
1,5 3,0 6,7max.
6
2,54
4,8max. 5,2max.
Kühlblech
15,0
3,2
1,5
12,7
4,2max.
7
3,
10,0max.
1,3
12,7min.
4,8max.
.9,8max.
1,5
4,8max.
4,6max.
15,2max. 45°
2
45°
1,3
1,15 0,95
0,55 5,1
TO 202
2,5
0,9
2,55
11,5max.
5,5 5,5
TO 220
5,1
2,54
1,5max.
24
2,4max.
1,5max.
0,5min. 0,45x0,25
– 14+0,25
1,6 2,54
15,9–+0,6
13
7,6–+0,2
6,4–0,2 7,6+0,6
4 3
Kunststoff-Steckgehäuse ähnl. 20A 24 DIN 41866 24 Anschlüsse Gewicht etwa 3g
1 2
6–0,3
12
33,4–0,2
11,5+0,5
4
5
6 7 8
3 2 9
1
9,2–0,2
5,84
8,4–0,2
0,45 9,5+0,5
c)
3,6–0,5 4max.
0,46x0,28
3,2min. 5,1max.
0,5min.
b) 15,25–+0,25
21max.
12,7max.
Maßbild SOT-93
13,6min.
10,7min.
3,0
0,75
8,3
7,6
1,5
3,
2
14 4,25 4,15
12,7min
0,8
E B C
Kunststoff-Steckgehäuse 20A 24 DIN 41866 4 Anschlüsse
0,4
1,6
I Grundlagen der zeichnerischen Darstellung 62,5 9,5
Kathode
26,5
5
0,54:0,05
0,56–0,1
489
Kathode 25,4min.
7,62max.
25,4min.
2,71max.
Glasgehäuse DO-7
Kunststoffgehäuse DO-13
6,3 max.
7
Anode
26
Sinterglasgehäuse DOM 22
Metallgehäuse DO-13
8max.
4,5
52,5min. 29 max. 3 8
SW 11
26
9
M5
Kathode
– 0,8+05
8,5
– 100+5
42,5min. – 0,8+0,05
40
3,3
90 13,5max. 8,5max.
22min.
Metallgehäuse 101 A 2
d)
Bild I-68 Bauformen von Dioden, Transistoren und ICs (teilweise genormt)
Muttergewinde
P
Es sind folgende E-Reihen genormt: E6 = ± 20%;
E12 = ± 10%;
E24 = ± 5%;
E48 = ± 2%;
E96 = ± 1%;
E192 = ± 0,5%;
Außer nach E-Reihen sind Widerstandswerte ebenfalls nach sog. (DIN-)R-Reihen gemäß DIN 323 genormt. Bild I-64 stellt Auszüge aus E- und DINReihen dar. Eine Übersicht über Schicht-Festwiderstände auf der Basis des bisher gesagten liefert Bild I-65. Die Bauformen von Widerständen nach Bild I-66 sind nur teilweise genormt. Dies gilt auch für Kondensatoren nach Bild I-67, wobei hier die Anzahl aufgrund der verwendeten Materialien größer ist. Halbleiter-Bauelemente wie Dioden, Transistoren und ICs sind ebenfalls nur z.T. genormt. Bei den ICs und den Bausteinen aus dem Computerbau ist die Normung der Bauformen am weitesten fortgeschritten, was die Kompatibilität von Mikrochips erheblich erhöht. Die Übersicht nach Bild I-68 zeigt nur eine Auswahl an genormten und nicht genormten Baufor-
d=D
d2 = D2
Bolzengewinde
h3
60o
d3
D1
H1
60o
Bild I-69 Maßbild des Metrischen ISO-Gewindes DIN 13
men, wobei zu beachten ist, daß zahlreiche Bauformen das Rastermaß von 2,54 mm einhalten, was die Layouterstellung vereinfacht.
5 Wichtige Normteile des Maschinenbaues Maschinenteile können fest, z.B. durch Schweißen, oder lösbar, z.B. durch Schrauben verbunden werden. Für Schraubverbindungen wird überwiegend das „Metrische ISO-Gewinde“ nach DIN 13 T1 verwendet, das nach DIN 202 mit dem Großbuchstaben „M“ und dem Außen- bzw. Nenndurchmesser bezeichnet wird (siehe Bild I-46: M8 × 35). Bild I-69 zeigt ein Maßbild (Auswahl der wichtigsten Werte) des Metrischen ISO-Gewindes nach DIN 13 und Tabelle I-7 die wichtigsten Kennwerte und Kenndaten für dieses Gewinde. Schraubverbindungen können durch Schraube und Mutter, oder nur durch eine Schraube erfolgen, wenn
M64
M56
M48
M42
M36
M30
M24
M20
M16
M5 M6 M8 M10 M12
M4
M3
M2,5
M2
M1,6
M1,2
M1
2,5 3 3 3,5
3,5 4 4 4,5
4,5 5 5 5,5
5,5 6 6
M22
M33
M45
M60
M68
M52
M39
M27
M18
2 2 2,5 2,5
0,8 1 1,25 1,5 1,75
0,5 0,6 0,7 0,75
0,35 0,4 0,45 0,45
0,25 0,25 0,25 0,3 0,35
P
Steigung
M14
M4,5
M3,5
M2,2
M1,8
M1,4
M1,1
Gewinde-Nenndurchmesser d=D Reihe 1 Reihe 2
56,428 60,103 64,103
42,077 44,752 48,752 52,428
30,727 33,402 36,402 39,077
54,046 57,505 61,505
40,129 42,587 46,587 50,046
39,479 41,866 45,866 49,252 53,252 56,639 60,639
29,211 31,670 34,670 37,129
28,706 31,093 34,093 36,479
19,294 20,752 23,752 26,211
18,933 20,319 23,319 25,706
20,376 22,051 25,051 27,727
3,374 3,681 3,681
2,760 3,067 3,067 3,374
2,147 2,454 2,454 2,760
1,534 1,840 1,840 2,147
1,227 1,227 1,534 1,534
11,835 13,835 15,294 17,294
11,546 13,546 14,933 16,933
2,977 3,248 3,248
2,436 2,706 2,706 2,977
1,894 2,165 2,165 2,436
1,353 1,624 1,624 1,894
1,083 1,083 1,353 1,353
0,433 0,541 0,677 0,812 0,947
0,491 0,613 0,767 0,920 1,074
4,134 4,917 6,647 8,376 10,106
4,019 4,773 6,466 8,160 9,853
4,480 5,350 7,188 9,026 10,863
12,701 14,701 16,376 18,376
0,271 0,325 0,379 0,406
0,307 0,368 0,429 0,460
18,4 32,3 42,3 53,6
8,6 11,3 14,7 17,2
0,443 1,14 2,14 4,08 6,27
0,12 0,156 0,308
0,108
0,037
0,024
220 294 330 425 458 492 586
9 9 10 110 115 120 62 66 70 55 58 62
75,4 92,0 133 183
–
–
–
7 8 8 9
5 5 6 7
3 4 4 4
2,5 3 3 3
1 1,6 1,6 2 2,5
0,5 0,5 0,8
0,5
0,3
0,3
– – – –
Gewicht kg/1000 St.
85 92 98 105
60 66 72 78
39 44 50 56
–
–
–
– – – –
Dicke
46 50 54 58
34 37 40 43
23 25 28 31
28 30 34 37
7 8 9
6,5
5
4
15 17 19 21
–
–
–
10 12,5 17 21 24
3,2 3,7 4,3
2,7
2,2
1,7
– – – –
Außen-∅
5,3 6,4 8,4 10,5 13
–
–
–
– – – –
Loch-∅
Scheibe nach DIN 125
40,5 43 47 50,5
29,5 32 35 37,5
19,5 21 24 26,5
12 14 15,5 17,5
4,2 5 6,8 8,5 10,2
2,5 2,9 3,3 3,7
1,45 1,6 1,75 2,05
0,189 0,217 0,244 0,244
0,215 0,245 0,276 0,276
0,135 0,135 0,135 0,162 0,189
0,153 0,153 0,153 0,184 0,215
2,459 2,850 3,242 3,688
1,421 1,567 1,713 2,013
0,75 0,85 0,95 1,1 1,25
Mutter H1
KernLochbohr ∅ mm
Bolzen h3
2,387 2,764 3,141 3,580
1,371 1,509 1,648 1,948
1,573 1,740 1,908 2,208
0,729 0,829 0,929 1,075 1,221
Mutter D1
Gewindetiefe
2,675 3,110 3,545 4,013
0,693 0,793 0,893 1,032 1,171
Bolzen d3
Kerndurchmesser
0,838 0,938 1,038 1,205 1,373
Flankendurchmesser d2 = D2
Tabelle I-7 Metrisches ISO-Gewinde nach DIN 13 Teil 1 (12.86), Regelgewinde-Nennmaße
70 75 80 85
50 55 60 65
32 36 41 46
22 24 27 30
8 10 13 17 19
5,5 6 7
3,5 4 4,5 5
2,5 3 3 3 3,2
90 95 100
–
s
Schlüsselweite
80,8 86,5 92,4 98
57,7 63,5 69,3 75
36,9 41,6 47,3 53,1
25,4 27,7 31,2 34,6
9,2 11,5 15 19,6 21,9
6,4 6,9 8,1
5,8
4 4,6
2,9 3,5 3,5 3,5 3,7
104 110 116
–
–
e
Spitzkant
490 Technische Kommunikation
I Grundlagen der zeichnerischen Darstellung
491 des Kopfes konstruiert, meist jedoch mit Hilfe von Schablonen in der ausführlichen Darstellung erstellt. Bei der vereinfachten Darstellung werden die Fasenkanten weggelassen. Produktklassen nach DIN 267 kennzeichnen bei Schrauben und Muttern verschiedene Ausführungen hinsichtlich der Gewinde- und Maßtoleranzen sowie der Oberflächen. Die Festigkeitsklassen werden nach DIN ISO 898 durch zwei Zahlen angegeben, die durch einen Punkt getrennt sind. Die erste Zahl beschreibt die Nennzugfestigkeit, während die zweite das Streckgrenzenverhältnis (Zähigkeit einer Schraube) festlegt. Tabelle I-8 ordnet den Maßbildern dreier Normschrauben die entsprechenden Normwerte zu. Bei Sechskantschrauben nach DIN 931 ist die Schraube nicht in der gesamten Länge l1 mit Gewinde versehen, sondern nur der Teil b1. Sechskantschrauben nach DIN 933 verfügen über ein Gewinde bis Kopf. Die Bezeichnung einer Zylinderschraube mit Innensechskant, mit Gewinde M12 und Nennlänge l = 60 mm, mit der Festigkeitsklasse 10.9 ist also:
das Muttergewinde in den Maschinenteil geschnitten ist. Bei Schraubverbindungen mit Mutter und Schraube muß das Durchgangsloch größer als der Nenndurchmesser der Schraube gebohrt werden, damit die Schraube durchgeführt werden kann. Unterlegscheiben, Mutter und Schraube, wie auch andere Normteile, zeichnet man nicht im Schnitt. Schraubenköpfe werden häufig als Sechskantköpfe ausgeführt. Daneben gibt es nach Bild I-70 zahlreiche andere Formen, wie z.B. Zylinderkopf-, Innensechskant-(Inbus-), Senkkopf-, Schlitz-, Kreuzschlitzschraube u.v.a. d b1 a)
b)
c)
d)
e)
f)
g) h)
Bild I-70 Schraubenarten a) Sechskantschraube b) Innensechskantschraube c) Halbrundschraube d) Senkschraube e) Zylinderschraube f) Linsensenkholzschraube mit Kreuzschlitz g) Gewindestift mit Kegelkuppe h) Stiftschraube
Zylinderschraube DIN 912 – M12 × 60 – 10.9 Die Bezeichnung einer Sechskantschraube, mit Durchmesser d = 10 mm und Nennlänge l1 = 80 mm, mit der Festigkeitsklasse 8.8 ist also: Sechskantschraube DIN 931 – M10 × 80 – 8.8 Die Gewindelänge beträgt lt. Tabelle I-4 b1 = 26 mm (l1 ≤ 125 mm), während der Schaft demzufolge 54 mm lang ist. Die gebräuchlichsten Mutterarten zeigt Bild I-72. Eine Auswahl mit Maßbildern zeigt Tabelle I-9 mit entsprechender DIN-Bezeichnung.
d
e
Eckmaß e
Der Sechskantkopf einer Schraube, aber auch entsprechende Mutter, hat „abgerundete“ Kanten, sogenannte Fasenkanten. Diese Fasenkanten werden nach Bild I-71 aus dem Eckmaß und der Schlüsselweite
3e 4 Schlüsselmaß s
M10
M10
35
Bild I-71 Ausführliche und vereinfachte Darstellung einer Sechskantschraube Bild I-72 Muttern a) Sechskantmutter b) Vierkantmutter c) Hutmutter d) Nutmutter e) Kronenmuttern f) Schlizmutter g) Zweilochmutter
492
Technische Kommunikation
d1
d a
l1
r2
c
s1
k1
l1
d
a
b1
b2
d1
k1
M4
2,1 14
20
7
7,74
3,6
M5
2,4 16 22
22
8,5
8,87
M6
3
18 24
24
10
M8
3,8 22 28
28
M10 4,5 26 32
t I1 min von
I2 von
I3 von
s1
s2
2,8
4
7
3
2
22
70
5
70
6
40
4,7
3,5
5
8
4
2,5 30
80
6
80
8
50
11,05
5,9
4
6
10
5
3
30
90
6
80
10
60
13
14,38
7
5,3
8
13
6
4
35
110
8
110
12
80
32
16
18,90
9,4
6,4 10
17
8
5
40
150
8
150
16
100
M12 5,3 30 36
36
18
21,10 11,7
7,5 12
19
10
6
45
180
10
150
20
120
M16 6
38 44
44
24
26,75 16,3 10
16
24
14
8
55
200
12
150
25
160
M20 7,5 46 52
52
30
33,53 19,8 12,5 20
30
17
10
65
220
16
200
30
200
M24 9
60
36
39,98 22,1 15
36
19
12
75
220
16
200
40
200
b)
e2
l3
k2
54 60
e1
b2
t k2
Zylinderschrauben mit Innensechskant DIN 912
Sechskantschrauben DIN 933 Produktklassen A und B
Sechskantschrauben DIN 931 Produktklassen A und B
s2
d
r
e1
b1
c k1
ausgesenkt auf e2 r1
∅ s1
30°
d
r
30°
∅ s1
Tabelle I-8 Normwerte einiger ausgewählter Schrauben
24
d) h) e)
a)
k)
c)
l)
g)
f)
m)
i)
n)
bis
bis
bis
Bild I-73 Schraubensicherungen a) Federring b) Flächenscheibe c) Zahnscheibe d) Federscheibe e) Schnoor-Sicherung f) selbstsichernde Sechskantmutter g) Sicherungsmutter h) Spring-Stopp Sechskantmutter i) TENSILOCK Sicherungsschraube k) Kronenmutter mit Splint l) Sicherungsbleche m) Drahtsicherung n) Kunststoffsicherungsring
I Grundlagen der zeichnerischen Darstellung
493
n
30 ° r
m3
m5
m5
h2
h2
h1
m2
r
120°
s
d
d 120°
m1
120°
d
12 0
d
°
m4 30°
d 120°
15°
d1
30°
30°
Tabelle I-9 Normwerte einiger ausgewählter Muttern
Sechskantmuttern DIN 934 Produktklassen A und B
Flache Sechskantmuttern Sechskantmuttern DIN 439 Produktklassen selbstsichernd A und B DIN 985
für s = 7 ... 17 für s = 19 ... 145 Kronenmuttern DIN 935 Produktklassen A und B
d
h1
h2
n
d1
e
m1
m2
m3
m4
m5
s
Splint DIN 94
M4
8,1
5
5
3,2
2,2
2,9
3,2
3,2
1,2
7
1 × 10
M5
10,4
5
6
4
2,7
3,2
3,5
4
1,4
8
1,2 × 12
M6
11,5
6
7,5
5
3,2
4
4,5
5
2
10
1,6 × 12
M8
16,2
8
9,5
6,5
4
5,5
6
6,5
2,5
13
2 × 16
M10
19,6
10
12
8
5
6,5
7
8
2,8
17
2,5 × 20
M12
17
21,9
12
15
10
6
8
9
10
3,5
19
3,2 × 22
M16
22
27,7
16
19
13
8
10,5
11
13
4,5
24
4 × 28
M20
28
34,6
20
22
16
10
14
15
16
4,5
30
4 × 36
M24
34
41,6
24
27
19
12
15
16
19
5,5
36
5 × 40
Unterlegscheiben sollen nur verwendet werden, wenn die Oberfläche der verschraubten Teile weich oder uneben ist oder aber einfach nicht beschädigt werden soll. Damit Schraubverbindungen sich nicht selbst lösen können, sind geeignete Vorkehrungen zu treffen. Gebräuchliche Sicherungen gegen das Lösen der Mutter sind nach Bild I-73 Federringe (DIN 127 und 7980), Fächerscheiben (DIN 6798), Zahnscheiben (DIN 6797) und Federscheiben (DIN 137). Um die Schraubverbindung zu sichern, verwendet man Gegenmuttern oder Sicherungsmuttern (DIN 7967). Auch selbstsichernde Muttern nach DIN 985 und 986, mit einem sich in das Schraubengewinde einpressenden Kunststoffring, kommen zur Anwendung.
6 Nutzen der Normung Die Technische Zeichnung als Informationsträger dient bei einem Fertigungs- bzw. Erstellungsauftrag als Verständigungsmittel zwischen der Planungsbzw. Projektierungsstelle und der Werkstatt bzw. der Montagestelle. Durch das durchgängige Verwenden der Zeichnungsnormen wird die Zeichenarbeit erleichtert und eine klare Darstellung des Werkstückes bzw. der Anlage erreicht. Die Normung stellt durch Vereinheitlichung eine zweckdienliche Ordnung von Erzeugnissen und Verfahren her. Sie legt die Form, Größe und Ausführung gleichartiger Erzeugnisse fest, so daß eine beliebige Austauschbarkeit von Teilen herbeigeführt wird. Dieser Umstand ermöglicht die Serien- und Massenfertigung und die damit verbundene Automatisierung. Normen sind bewährte Lösungen für häufig wiederkehrende Aufgaben. Technische Fortschritte können immer nur mit zeitlichem Verzug eingearbeitet werden, so daß die Normen eher konservativ denn innovativ sind.
494
Technische Kommunikation
II Schaltungsunterlagen Beim Zeichnen von Schaltplänen werden alle zugehörigen Maschinen, Geräte, Schaltteile und Leitungen nicht maßstabsgetreu und der tatsächlichen Ausführung ähnlich gezeichnet, sondern durch genormte graphische Symbole dargestellt. Bei der Erstellung von Schaltungsunterlagen für die Elektrotechnik sind zusätzlich zur rein zeichnerischen Darstellung die einschlägigen elektrotechnischen Vorschriften und Normen, insbesondere DIN 57100/ VDE 0100, zu beachten. Normen werden erstellt und publiziert von der Internationalen Elektrotechnischen Kommission (IEC) in IEC-Publikationen und vom Europäischen Komitee
für elektrotechnische Normung (CENELEG) in Europäischen Normen (EN) für nahezu alle europäische Länder, z.B. in DIN EN 50005 „Industrielle Niederspannungsgeräte, Anschlußbezeichnungen und Kennzahlen“ oder in sog. Harmonisierungsdokumenten, z.B. HD 21 als DIN 57281/VDE 0281 „VDE-Bestimmungen für Starkstromleitungen“. Für nationale Normung ist die Deutsche Elektrotechnische Kommission im DIN und VDE (Verband Deutscher Elektrotechniker) zuständig, wobei möglichst IEC-Publikationen mit eingearbeitet oder übernommen werden bzw. auch umgekehrt.
Tabelle II-1 Wichtige VDE-Bestimmungen Wichtige VDE-Bestimmungen VDE 0100 VDE 0101 VDE 0102 VDE 0105 VDE 0107 VDE 0108 VDE 0128 VDE 0132 VDE 0134 VDE 0141 VDE 0160 VDE 0165 VDE 0168 VDE 0190 VDE 0193
Bestimmungen für das Errichten von Starkstromanlagen bis 1000 V Bestimmungen für das Errichten von Starkstromanlagen über 1 kV Leitsätze für die Berechnung der Kurzschlußströme VDE-Bestimmungen für den Betrieb von Starkstromanlagen Bestimmungen für elektrische Anlagen in medizinisch genutzten Räumen Bestimmungen für das Errichten und den Betrieb von Starkstromanlagen in Versammlungsstätten, Waren- und Geschäftshäusern, Hochhäusern, Beherbergungsstätten und Krankenhäusern Vorschriften für Leuchtröhrenanlagen mit Spannungen von 1000 V und darüber Merkblatt für den Betrieb elektrischer Anlagen in landwirtschaftlichen Betrieben Merkblatt für die Bekämpfung von Bränden in elektrischen Anlagen Anleitungen zur Ersten Hilfe bei Unfällen (VDE-Druckschrift) Bestimmungen und Richtlinien für Erdungen in Wechselstromanlagen für Nennspannungen über 1 kV Bestimmungen für die Ausrüstung von Starkstromanlagen mit elektronischen Betriebsmitteln Bestimmungen für die Errichtung elektroscher Anlagen in explosionsgefährdeten Betriebsstätten Bestimmungen für das Errichten und den Betrieb elektrischer Anlagen in Tagebauen, Steinbrüchen und ähnlichen Betrieben Bestimmungen für das Einbeziehen von Rohrleitungen in Schutzmaßnahmen von Starkstromanlagen mit Nennspannungen bis 1000 V Richtlinien für den Anschluß und die Anbringung von Elektroden-Durchlauferhitzern
VDE 0210 VDE 0211 VDE 0228
Bestimmungen für den Bau von Starkstrom-Freileitungen über 1 kV Bestimmungen für den Bau von Starkstrom-Freileitungen mit Nennspannungen bis 1000 V VDE-Bestimmungen für Maßnahmen bei Beeinflussung von Fernmeldeanlagen durch Starkstromanlagen
VDE 0410 VDE 0411 VDE 0413 VDE 0414 VDE 0426
Regeln für elektrische Meßgeräte VDE-Bestimmungen für elektronische Meßgeräte und Regler Bestimmungen für Geräte zum Prüfen der Schutzmaßnahmen in elektrischen Anlagen Bestimmungen für Meßwandler Bestimmungen für einpolige Spannungssucher bis 250 V Wechselspannung gegen Erde
VDE 0510 VDE 0530 VDE 0532 VDE 0541 VDE 0550
Bestimmungen für Akkumulatoren und Akkumulatoren-Anlagen Bestimmungen für umlaufende elektrische Maschinen Bestimmungen für Transformatoren und Drosselspulen Bestimmungen für Stromquellen zum Lichtbogenschweißen mit Wechselstrom Bestimmungen für Kleintransformatoren
II Schaltungsunterlagen
495
Tabelle II-1 Fortsetzung Wichtige VDE-Bestimmungen
VDE 0620 VDE 0660 VDE 0675 VDE 0680
VDE 0701 VDE 0710 VDE 0712 VDE 0800 VDE 0855 VDE 0860 VDE 0871 VDE 0874 VDE 0875 VDE 0877
BDE-Bestimmungen für Baustromverteiler für Nennspannungen bis 380 V Wechselspannung und für Ströme bis 630 A Vorschriften für Steckvorrichtungen bis 750 V 100 A Bestimmungen für Niederspannungsschaltgeräte Leitsätze für den Schutz elektrischer Anlagen gegen Überspannungen Bestimmungen für Schutzbekleidung, Schutzvorrichtungen und Werkzeuge zum Arbeiten an unter Spannung stehenden Betriebsmitteln Bestimmungen für die Instandsetzung, Änderung und Prüfung gebrauchter elektrischer Verbrauchsmittel (Geräte) Vorschriften für Leuchten mit Betriebsspannungen unter 1000 V Bestimmungen für Entladungslampenzubehör mit Nennspannungen bis 1000 V Bestimmungen für Errichtung und Betrieb von Fernmeldeanlagen einschließlich Informationsverarbeitungsanlagen Bestimmungen für Antennenanlagen Bestimmungen für netzbetriebene Rundfunk- und verwandte elektronische Geräte Bestimmungen für die Funk-Entstörung von Hochfrequenzgeräten und -anlagen VDE-Leitsätze für Maßnahmen zur Funk-Entstörung Bestimmungen für die Funk-Entstörung von Geräten, Maschinen und Anlagen für Netzfrequenzen von 0 bis 10 kHz Leitsätze für das Messen von Funkstörungen
Eine Auswahl der wichtigsten VDE-Bestimmungen zeigt Tabelle II-1. Schaltungsunterlagen sind Schaltpläne, Tabellen, Diagramme und Beschreibungen, die Angaben für das Fertigen, Errichten und die Erhaltung elektrischer Anlagen vermitteln. Die Norm DIN 40719 legt die Einteilung von Schaltungsunterlagen und die entsprechenden Begriffe, wie sie in der Elektrotechnik üblich sind, fest. Schaltungsunterlagen werden in zwei Gruppen eingeteilt und zwar nach dem Zweck und der Art der Darstellung. Ein Schaltplan (engl.: diagram) zeigt die Art, in der die verschiedenen elektrischen Betriebsmittel zueinander in Beziehung stehen und miteinander verbunden sind. Ein Diagramm (engl.: chart) ist die graphische Darstellung errechneter oder gemessener Werte und sollte nach DIN 461 dargestellt werden. Die Linienbreiten werden nach DIN 15 etwa im Verhältnis Netz zu Achsen zu Kurve wie 1:2:4 gewählt in der Darstellung nach Bild II-1. Prinzipiell unterscheidet man Diagramme im kartesischen Koordinatensystem (Bilder II-2, II-3 und II4), Diagramme im Polarkoordinatensystem nach Bild II-5, Flächendiagramme nach Bild II-6 und Nomogramme nach Bild II-7. Das Übersichtsdiagramm (z.B. charakteristische Darstellung) nach Bild II-2 wird ohne Achseneinteilung gezeichnet; auf eine nichtlineare Teilung ist hinzuweisen.
Benennung
VDE 0612
3 Einheit 2
1
0
0
1
Einheit
3 Benennung (Formelzeichen)
Bild II-1 Diagrammdarstellung nach DIN 461 und DIN 40719 Diagramme zur quantitativen Darstellung erhalten an den Achsen eine bezifferte Teilung, wobei jeder negative Wert mit dem entsprechenden Vorzeichen zu versehen ist. Mindestens der erste und der letzte Teilstrich ist mit dem Wert der Einteilung zu versehen. Die Einteilung kann linear nach Bild II-3, doppelt-logarithmisch nach Bild II-4 erfolgen oder auch in linear-logarithmischer Einteilung. Die Einheit darf nicht in Klammern gesetzt werden. Bei mehreren Kurven nach Bild II-4 werden an jede Kennlinie der Parameter oder andere Hinweise mit evtl. näherer Erläuterung in der Bildunterschrift verwendet.
496
Technische Kommunikation 2 A
Widerstand R
I 1
0
–1
–2 –200
–100
0
100
Frequenz f
Bild II-2 Diagramm im kartesischen Koordinatensystem
V
200
U
Bild II-3 Diagramm mit linearer Einteilung
20o
0o
10o
10o
20o
1,0 105 R W 104
0,8 30
o
40
o
o
30
0,6
LDR 07 103
50o
LDR 02
40o 0,4
50o
102
60o 70o 101 101
102
103
104 EV 105 lx
Bild II-4 Diagramm mit doppelt-logarithmischer Einteilung
1 Schaltzeichen nach DIN In DIN 40700 bis DIN 40717, letztere teilweise ersetzt durch DIN 40900, sind die Schaltzeichen als „Graphische Symbole für Schaltungsunterlagen“ der Elektrotechnik mit ihrer Benennung und Bedeutung festgelegt. DIN 40900 Teil 1 bis Teil 13, „Graphische Symbole für die Elektrotechnik“, liegt in der harmonisierten Fassung IEC 617 Teil 1 bis Teil 13 der Internationalen Elektrotechnischen Kommission (IEC) als Norm vor. Betriebsmittel einer Schaltung werden durch genormte Schaltzeichen dargestellt. Es muß das Schaltzei-
60o 0,2
o
80
70o 80o
Bild II-5 Diagramm im Polarkoordinatensystem
chen gewählt werden, das für eine beabsichtigte Aussage gerade ausreichend ist, also ist das Schaltzeichen so einfach wie möglich zu halten. Ein gewähltes Schaltzeichen sollte durchgängig in der Zeichnung verwendet werden. Schaltzeichen setzen sich aus Symbolelementen und Grundelementen wie in Bild II-8 zusammen. Blocksymbole nach Bild II-9 sind vereinfachte Darstellungen von Funktionseinheiten oder Baueinheiten durch ein einzelnes Schaltzeichen. Wenn für ein konkretes Betriebsmittel kein genormtes Schaltzeichen existiert, so kann durch die Kombination von Grundsymbolen, Symbolelementen, Kennzeichen oder Schaltzeichen eine neues Schaltzeichen entworfen werden.
II Schaltungsunterlagen
497
90 80 70 60 50 40 30 20 10 0
2 1 3 6
1
2
3
4
5
6
5
4
30%
nutzbare Energie
100%
40%
30%
Bild II-6 Flächendiagramm
Verluste
10
0
–5
–10
20
30
5
10
40
50
o
C 15
o
F
60
Bild II-7 Nomogramm
Wh
Wh Wattstunden
chen dürfen nach Bild II-10 gedreht oder gespiegelt werden, wenn ihre Bedeutung dadurch nicht verändert wird. Werden Schaltzeichen verkleinert oder vergrößert, so sollen ihre Proportionen wie in Bild II11 erhalten bleiben.
3
f1
=
f2
Meßgerät, integrierend
Bild II-9 Blocksymbol als Funktionseinheit U
U
Wattstundenzähler Wh
U
U U
U U
Wh
Wattstundenzähler mit Drucker, fernbetätigt
U
Bild II-10 Variable Lage von Schaltzeichen im Schaltplan
Bild II-8 Schaltzeichen aus Symbol- und Grundelementen Die Lage, in der Schaltzeichen in den Normblättern dargestellt sind, ist nicht die einzig gültige. Schaltzei-
Bild II-11 Darstellungsgrößen von Schaltzeichen
498
Technische Kommunikation
Tabelle II-2 Schaltzeichen nach DIN 40900 (Auszug) Schaltzeichen (Auszug) Passive Bauelemente
DIN 40900 Teil 4
Widerstand, allgemein Widerstand, veränderbar, allgemein Widerstand mit Schleifkontakt Widerstand, spannungsabhängig Varistor U
Widerstand, temperaturabhängig Heißleiter
u
Kondensator, allgemein Kondensator, gepolt, z.B. Elektrolyt-Kondensator
Kondensator, veränderbar Spule, Wicklung, Induktivität Spule mit Magnetkern Piezoelektrischer Kristall, Schwingquarz
Halbleiter-Bauelemente Halbleiterdiode, allgemein Z Diode, Esaki-Diode Kapazitätsdiode Tunneldiode Zweirichtungsdiode, Diac
Thyristortriode, Kathode gesteuert Thyristortriode, bidirektional Triac
NPN-Transistor
DIN 40900 Teil 5
II Schaltungsunterlagen
499
Tabelle II-2 (Fortsetzung) Schaltzeichen (Auszug) Halbleiter-Bauelemente
DIN 40900 Teil 5
Unijunction Transistor, Basis N-Typ Sperrschicht-FET mit N-Kanal (JFET) Isolierschicht-FET, Anreicherungstyp mit N-Kanal (IGFET, MOS-FET) Isolierschicht-FET, Verarmungstyp mit N-Kanal (IGFET, MOS-FET) Hall-Generator
Fotoelektrische Bauelemente
DIN 40900 Teil 5
Fotowiderstand Fotodiode
Fotoelement Fotozelle
Fototransistor NPN-Typ
Leuchtdiode
Optokoppler
2 Elektrische Betriebsmittel Die Kennzeichnung von Betriebsmitteln erfolgt nach IEC 750 (1983)/DIN 40719 Teil 2 (1978) und stellt die Beziehung her zwischen dem Betriebsmittel in der Anlage und den verschiedenen Schaltungsunterlagen, wie z.B. Schaltplänen, Stücklisten, Stromlaufplänen und Anweisungen. Sie erfolgt in Kennzeichnungsblöcken mit Vorzeichen zur sicheren Unterscheidung der Blöcke. Bei senkrechtem Leitungsverlauf nach Bild II-12 steht die Betriebsmittelkennzeichnung links und die Anschlußkennzeichnung rechts; bei waagerechtem Verlauf dagegen steht die Betriebsmittelkennzeichnung unten.
13
Anlage Art, Zählnummer Ort
= 2K –K8 +M4
14
Bild II-12 Lage der Betriebsmittelkennzeichnung im Plan
Kann auf die Kennzeichnung der Anlage und des Ortes verzichtet werden, so kann die Kennzeichnung der Betriebsmittel und der Anschlüsse nach Bild II-13 erfolgen. In den meisten Fällen reicht der Kennzeichnungsblock 3 aus. Die Kennzeichnung der Funktion in Kennzeichnungsblock 3 kann entfallen, wird sie jedoch vorgenommen, so sind die Kennbuchstaben nach Tabelle II-5 entsprechend DIN 40719 zu verwenden.
500
Technische Kommunikation
Tabelle II-3 Kennzeichnungsblöcke nach DIN 40719 Kennzeichnung elektrischer Betriebsmittel (DIN 40719) Kennzeichnungsblock
Vorzeichen
Beispiel
Erklärung zum Beispiel
1
Anlage
=
= B3
Anlage B3
2
Ort
+
+ D4
Stockwerk D, Raum 4
3
Art
–
– K2T
Schütz, Nr. 2, Zeitrelais
4
Anschluß
:
: 12
Anschluß Nr. 12
Zählnummer
Funktion
• Nur zur Kennzeichnung erforderliche Blöcke angeben • Vorzeichen kann entfallen, wenn Verwechselung des Blockes ausgeschlossen ist • Mindestangabe in Block 3 ist die Zählnummer
Tabelle II-4 Kennbuchstaben für die Art der Betriebsmittel Kennbuchstaben für die Art der Betriebsmittel Kenn- Art des Betriebsmittels buchstabe
Beispiele
A
Baugruppen, Teilbaugruppen
Verstärker, Magnetverstärker
B
Umsetzer von nichtelektrischen auf elektrische Größen und umgekehrt
Meßumformer, thermoelektrische Fühler, Thermozellen, Mikrofon, u.ä.
C
Kondensatoren
D
Verzögerungseinrichtungen, Speichereinrichtungen, binäre Elemente
Plattenspeicher, Magnetbandgeräte, Verzögerungsleitungen
E
Verschiedenes
Beleuchtungseinrichtungen, Heizeinrichtungen; Einrichtungen, die ansonsten hier nicht benannt werden
F
Schutzeinrichtungen
Sicherungen, Schutzrelais, Trennsicherungen, Überspannungsableiter
G
Generatoren, Stromversorgungen
Rotierende Generatoren, Batterie
H
Meldeeinrichtungen
Optische und akustische Meldegeräte
K
Relais, Schütze
Leistungsschütze, Hilfsschütze, Zeitrelais
L
Induktivitäten
Drosselspulen
M
Motoren
N
Verstärker, Regler
Operationsverstärker
P
Meßgeräte, Prüfeinrichtungen
Anzeigende, schreibende und zählende Meßeinrichtungen, Uhren
Q
Starkstrom-Schaltgeräte
Leistungsschalter, Schutzschalter, Motorschutzschalter
R
Widerstände
Einstellbare Widerstände, Heißleiter
II Schaltungsunterlagen
501
Tabelle II-4 Fortsetzung Kennbuchstaben für die Art der Betriebsmittel Kenn- Art des Betriebsmittels buchstabe
Beispiele
S
Schalter, Wähler
Taster, Endschalter, Steuerschalter
T
Transformatoren
Spannungswandler, Stromwandler
U
Modulatoren, Umsetzer
Diskriminator, Frequenzwandler, Umformer, Wechselrichter
V
Röhren, Halbleiter
Elektronenröhren, Dioden, Transistoren, Thyristoren
W
Übertragungswege, Hohlleiter, Antennen
Schaltdrähte, Sammelschienen, Dipole
X
Klemmen, Stecker, Steckdosen
Trennstecker und -steckdosen, Prüfstecker, Lötleisten, Klemmenleisten
Y
Elektrisch betätigte mechanische Einrichtungen
Bremsen, Kupplungen, Ventile
Z
Abschluß, Ausgleichseinrichtungen, Filter, Begrenzer, Gabelanschlüsse
Kabelnachbildungen
U V W
R8
M 3
X3
K L M
2 M1
7 8 9
U V W
1
1 X1
R7
7
M4
M 3
2
Bild II-13 Vereinfachte Betriebsmittelkennzeichnung
Tabelle II-5 Kennbuchstaben für die allgemeine Funktion Kennbuchstaben für die allgemeine Funktion Kenn- Allgemeine Funktion Kenn- Allgemeine Funktion buchbuchstabe stabe A
Hilfsfunktion
N
Messung
B
Bewegungsrichtung
P
Proportional
C
Zählung
O
Zustand (Stop, Start, Begrenzung)
D
Differenzierung
R
Rückstellen, Löschen
F
Schutz
S
Speichern, aufzeichnen
G
Prüfung
T
Zeitmessung, verzögern
H
Meldung
V
Geschwindigkeit (beschleunigen, bremsen)
J
Integration
W
Addieren
K
Tastbetrieb
X
Multiplizieren
L
Leiterkennzeichnung Y
Analog
M
Hauptfunktion
Digital
Z
502
Technische Kommunikation 1U
Für die Kennzeichnung der Anlage und des Ortes benennt DIN 40719 weitere Kennbuchstaben, die hier aber nicht aufgeführt werden sollen.
1V 1W 1N
1U
3 Schaltungsunterlagen der Energietechnik
1W1
1U2
1V2
1W2
2U2
2V2
2W2
2V1
2W1
2U1
Bei der Ausfertigung elektrischer Schalt- und Verdrahtungspläne genügt oft eine einzige Linienbreite nach DIN 15. Für A4 und A3 Formate ist die Linienbreite 0,5 günstig. Stromwege werden geradlinig und möglichst kreuzungsfrei dargestellt. Die Verbindungslinien verlaufen parallel zu den Rändern der Zeichnung. Die Anschlußstellen an Betriebsmittel werden nicht besonders dargestellt, sie werden aber gemäß DIN 42400 mit einer Anschlußkennzeichnung versehen nach Bild II-14. Zusammengehörende Anschlüsse werden mit 1 und 2 gekennzeichnet. Von der Energieseite her gesehen gilt 1 = Eingang und 2 = Ausgang.
2
1V1
T4
T4
1
1V 1W 1N
1U1
2U
2V 2W 2N
a
2U
2V 2W 2N
b
Bild II-17 Anschlußkennzeichnung von Drehstromtransformatoren Leitungsverbindungen ohne Klemmpunkt nach Bild II-18 sind für zu plottende Zeichnungen vorgesehen; sie werden auch mit ausgefülltem Punkt dargestellt. Leitungskreuzungen haben keine elektrische Verbindung.
1 1
A1 A2
Leitungsverbindungen
2
2
Bild II-14 Kennzeichnung der Anschlußstellen von Betriebsmitteln Hat ein Betriebsmittel nach Bild II-15 mehrere Anschlüsse, so wird fortlaufend numeriert. Die Anschlüsse von Drehstrommotoren werden nach Bild II-16 gekennzeichnet, während die Anschlüsse von Drehstromtransformatoren gemäß Bild II-17a gekennzeichnet werden, wobei unter Umständen auch die Innenanschlüsse nach Bild II-17b zu kennzeichnen sind.
1.1 2.1 3.1
1
3
5
1.2 2.2 3.2
2
4
6
U1 V1 W1
U
V
Bild II-15 Anschlußnumerierung mehrpoliger Betriebsmittel (allgemein) U
W
V
W
U2 V2 W2 offene Schaltung
Sternschaltung
keine Leitungsverbindung
Bild II-18 Leitungsverbindungen mit/ohne Klemmpunkt
Dreieckschaltung
Bild II-16 Anschlußkennzeichnung von Drehstrommotoren
Bei der Art der Darstellung von Schaltungsunterlagen unterscheidet DIN 40719 zwischen ein- oder mehrpoliger Darstellung. Bei der einpoligen Darstellung (engl.: single-line representation) werden zwei oder mehr Leiter durch eine einzige Linie mit entsprechender symbolhafter Ergänzung dargestellt. Mehrere gleiche Geräte oder Bauelemente können durch ein einziges Schaltzeichen dargestellt werden. Bei mehrpoliger Darstellung (engl.: multiline representation) wird jedes Betriebsmittel durch ein Schaltzeichen dargestellt. Bezüglich der Darstellung der Schaltzeichen kann eine weitere Unterscheidung vorgenommen werden. Bei der zusammenhängenden Darstellung (engl.: assembled representation) werden alle Schaltzeichen eines Betriebsmittels (z.B. Relais mit Schaltkontakten) zusammenhängend gezeichnet. Bei der aufgelösten Darstellung (engl.: detached representation) werden Schaltzeichen für elektrische Betriebsmittel (z.B. Relais mit Schaltkontakten) getrennt gezeichnet und so angeordnet, daß jeder Stromweg (Strompfad) geradlinig verläuft und somit gut zu verfolgen ist. Ein Übersichtsschaltplan (engl.: block diagram) nach DIN 40719 ist die vereinfachte Darstellung einer Schaltung, wobei nur die wesentlichen Teile zur Gliederung elektrischer Einrichtungen und ihrer Systembeschreibung berücksichtigt werden. Im Beispiel nach Bild II-19 ist der einpolige Übersichtsschaltplan einer Wendeschützschaltung ohne Steuerleitungen dargestellt.
II Schaltungsunterlagen
503
~ 50Hz 4
400V 3/PE
gelöster Darstellung für den Hauptstromkreis und die Steuerung einer Wendeschützschaltung. Die Kontaktbelegungspläne der Schütze fehlen im Steuerstromkreis, aber die Anschlußbezeichnungen für die Klemmleisten sind integriert. Diese Form der Stromlaufpläne ist die meist verwendete Darstellungsform. Aus ihm wird der Verdrahtungsplan entwickelt. Verdrahtungspläne (engl.: wiring diagrams) zeigen die inneren und/oder äußeren Verbindungen zwischen elektrischen Betriebsmitteln, ohne Aufschluß über die Wirkungsweise zu geben. Verdrahtungspläne können durch entsprechende Tabellen ersetzt werden. Der Verdrahtungsplan nach Bild II-21 gibt die Schaltungen nach Bild II-19 und II-20 wieder. Die Schütze K1 und K2 werden wie auch das Motorschutzrelais F2 durch ein Rechteck dargestellt. Die Verbindungsleitungen können einzeln oder zusammengefaßt gezeichnet werden. Die Anschlußstellen werden nach Bild II-22 mit Leitungsnummern oder mit den Zielbezeichnungen versehen, d.h., am Ende einer Verbindungsleitung wird angegeben, mit welcher Anschlußklemme das andere Leitungsende
3
–F1
3
4 –K1
–K2
3
3
3 3 –F2
4
–M1
M 3~
Bild II-19 Übersichtsschaltplan einer Wendeschützschaltung
Ein Stromlaufplan (engl.: circuit diagram) ist die ausführliche Darstellung einer Schaltung mit ihren Einzelteilen. Er zeigt die Arbeitsweise einer elektrischen Einrichtung. Er kann in aufgelöster und zusammenhängender Darstellung zur Anwendung kommen. Bild II-20 zeigt die Stromlaufpläne in auf-
Hauptstromkreis 400 V 3/PE
X1:14 X1:15 X1:16 X1:11
Bild II-20 Stromlaufpläne in aufgelöster Darstellung für Haupt- und Hilfsstromkreis
~50 Hz
L1
X1:13 1
~F3 2 95
–F1
–F2 96 X1:5 11
–S0 12
1 3 5
–K1
1 3 5
11
–K2 2 4 6
11
–S2
2 4 6
S1 12
96
2 4 6
95
13
14
21
K1 22
22 A1
X1:1 X1:2 X1:3 X1:4
M 3
X1:9
21
K2
–K1 N
X1:12
A1
–K2 A2
14
K2
S2
X1:7
–F2
–M1
13
14
K1 14
1 3 5
12 X1:8
X1:6
13
–S1
U1 V1 W1 PE
L1 L2 L3 PE
Hilfsstromkreis
A2
13
504
Technische Kommunikation
Bild II-21 Verdrahtungsplan einer Wendeschützschaltung
L1 L2 L3
–M1
M
A1 1
5 13 21
3
3
A1 1
5
13 21
6
14 22
3 U1 V1 W1 PE
K1 A2 2
K2 6 14 22
4
4
A2 2
X1:8 X1:7
11
13
12
14
1
3
2
4
–S1
5
95
6
96
F2 F3
F1
14
11
13
12
14
–X1 1 2 3 4
5 6 7 8 9
10 11 12 13 14 15 16
L1 L2 L3
12
–S0
PE N
13
S0:11 S2:12 S1:13 S1:11 S2:14
11
V1 U1 W1 PE
X1:5
Netz
–S2 X1:9 X1:6
verbunden ist. Der Verdrahtungsplan dient als Unterlage für die Fertigung und Montage und wird bei umfangreichen Anlagen unterteilt in Geräteverdrahtungspläne, Verbindungspläne und Anschlußpläne. Die Verbindungen innerhalb eines Gerätes stellt der Geräteverdrahtungsplan (engl.: unit wiring diagram) dar, während der Verbindungsplan (engl.: interconnection diagram) die Verbindungen zwischen den verschiedenen Geräten einer Anlage darstellt. Ein Anschlußplan (engl.: terminal diagram) zeigt die Anschlußpunkte einer elektrischen Einrichtung und die daran angeschlossenen inneren und äußeren leitenden Verbindungen. Der Anschlußplan nach Bild II-23 zeigt die Belegung der Klemmenleiste X1. Die zum Motor M1 am Planort T4 abgehende Leitung W2 ist vom Typ NYY 4 × 2,5. Ein Ersatzschaltplan (engl.: equivalent circuit diagram) ist eine besondere Ausführung eines erläuternden Schaltplanes für die Analyse und Berechnung von Stromkreiseigenschaften. Ein Ablaufdiagramm oder eine Ablauftabelle (engl.: sequence chart or table) zeigt Arbeitsvorgänge in einer festgelegten Reihenfolge, während Zeitablaufdiagramme (engl.: time sequence chart or table) zusätzlich die Zeitabstände zwischen aufeinanderfolgenden Arbeitsvorgängen zeigen.
41 42 43 44
41 42 43 44
~48V ~48V –24V +24V Leitungsnummern
–X2
–X1 21 22 23
X1:22 X1:21 X1:23
X2:16 X2:15 X2:17
15 16 17
Zielbezeichnungen
Bild II-22 Kennzeichnung von Verbindungsleitungen mit a) Leitungsnummern oder b) Zielbezeichnungen –X1
NYY 4x2,5
–M1:U1 –M1:V1 –M1:W1 –M1:PE
1 2 3 4
–F2:2 –F2:4 –F2:6
Anschlußplan
Bild II-23 Anschlußplan der Klemmenleiste X1
II Schaltungsunterlagen
505 Bild II-24 Elektro-Installationsplan einer Wohnung
Balkon Wohnraum
Kind Eßraum
Bad Flur 1
Flur 2 E
Eltern
Küche E
FI1 IN= 25A vierpolig IDN=30mA
IN= 25A vierpolig IDN=30mA
hWh
FI3 IN= 40A vierpolig IDN=300mA
WC
16A
Balkon/Kind
16A
Bad/Eltern
Bild II-25 Übersichtsplan zum Installationsplan
16A Eßraum/Wohnraum
16A
FI2
Diele
Küche/Kühlgerät
16A
Küche
16A
Flur 1,2/Diele/WC
20A
Elektroherd
16A
Heißwassergerät
16A
Waschmaschine
16A
Geschirrspülmaschine
16A
Wäschetrockner
16A
Elektrogerät, allgemein
Gerätelisten schlüsseln die für eine Fertigung erforderlichen Konstruktionselemente, Geräte, elektrischen Einrichtungen und Leitungen auf nach Anzahl, Typ und auch Bestellnummern der Hersteller. Im Installationsplan nach DIN 40719 Teil 5 werden die Betriebsmittel mit Schaltzeichen in einpoliger Darstellung annähernd lagerichtig in den Gebäudegrundriß eingezeichnet. Bild II-24 zeigt den ElektroInstallationsplan für eine Wohnung mit mehreren
E
Installationsbereichen nach VDE 0100. DIN 18015 Teil 1 legt sowohl Installationszonen als auch die Leitungsführung und die rämliche Lage der meisten Betriebsmittel fest. Im Übersichtsplan nach Bild II-25 werden die Stromkreise festgelegt und die Nennwerte der Betriebsmittel eingetragen. Nach DIN 57100/VDE 0100 ergibt sich auch die Verwendung entsprechender Leitungen und Schutzmaßnahmen, z.B. FI-Schutzschalter.
506
Technische Kommunikation
4 Schaltungsunterlagen der Elektronik Ersatzschaltpläne, bzw. Ersatzschaltbilder sind nach DIN 40719 besondere Ausführungen eines erläuternden Schaltplanes für die Analyse und Berechnung von Schaltkreisen und realen Bauteileigenschaften im Vergleich zu „idealen“ Bauelementen. So hat z.B. jeder Kondensator außer der gewünschten Kapazität noch weitere elektrische Eigenschaften, die sich als Komponenten in einem Ersatzschaltbild nach Bild II-26 darstellen und analysieren lassen. Die Serieninduktivität L ergibt sich als Folge der Wirkung der Anschlußdrähte bei höheren Frequenzen und der Serienwiderstand RS als Kontaktwiderstand an den Anschlüssen. Die Kondensator-Kapazität C ist die gewünschte Größe, während der Parallelwiderstand Ris C RS
L
als Isolationswiderstand des Dielektrikums zu verstehen ist, der bei bestimmten Kondensatoren für die Selbstentladung des Kondensators verantwortlich ist. Die Frequenzabhängigkeit eines realen Kondensators läßt sich mit entsprechenden Ortskurve nach Bild II27 darstellen, während sich z.B. die Temperaturabhängigkeit mit einem doppeltlogarithmischen Diagramm (Z = f(f) mit der Temperatur J als Parameter) nach Bild II-28 darstellen läßt.
4.1 Allgemeines Die Darstellung logischer Elemente und Verknüpfungen wird in Katalogen und Datenbüchern unterschiedlich gehandhabt. Bild II-29 zeigt daher eine Gegenüberstellung der logischen Grundfunktionen, die noch häufig anzutreffen sind. Die Darstellung der Schaltzeichen nach DIN 40900 setzt sich aber immer weiter durch.
Ris DIN 40900
Bild II-26 Ersatzschaltbild eines Kondensators (reales Verhalten)
Bild II-27 Ortskurve eines Kondensators, d.h., Beschreibung des Frequenzverhaltens
j X
v
NICHT
1
UND
&
ODER
>1 =
NAND
&
&
NOR
>1 =
>1 =
DIN alt
USA
Bild II-29 Schaltsymbolvergleich RS
R
Z
4.2 Schaltzeichen nach DIN 40900 Teil 12 Binäre Elemente Symbolaufbau: Ein Symbol besteht aus einer Kontur, dem Block, oder aus Kombinationen von Konturen und den Funktionskennzeichen. Das Seitenverhältnis der Konturen ist ohne Bedeutung. Die Eingangsleitungen werden nach Bild II-30 links und die Ausgangsleitungen rechts angeordnet. Die Funktionskennzeichen nach Bild II-31 beschreiben die logische Funktion der Schaltung.
103 Ω
Z
102
o
–60 C –30oC o 0C 40oC
101
Kontur
Funktionskennzeichen
100
10–1
101
102
103
104
105
106
107
108
Hz
f
Bild II-28 Scheinwiderstand eines Kondensators in Abhängigkeit von der Temperatur
Eingangslinien
*
*
*
*
*
*
*
*
Bild II-30 Kontur
Ausgangslinien
II Schaltungsunterlagen
507
Besitzt eine Schaltung einen oder mehrere Eingänge, die zu mehr als einem Element der Schaltung führen, kann ein Steuerblock nach Bild II-32 benutzt werden (siehe auch Anwendungsbeispiele). Zeichen & >1 = =1 ∑ COMP CTR DIV MUX P–Q SRG X/Y 1 G
Bedeutung UND-Verknüpfung ODER-Verknüpfung Exclusiv-ODER-Verknüpfung Summierer Komparator Zähler Teiler Multiplexer Subtrahierer Schieberegister Codierer oder Codeumsetzer Schmitt-Trigger Monostabile Kippstufe (allgemein) Monostabile Kippstufe (nicht nachtriggerbar) Astabile Kippstufe (allgemein)
Bild II-31 Funktionskennzeichen
Symbol
Beschreibung Element-Kontur
Steuerblock-Kontur
Beispiel: a b c d
a b c d
Bild II-32 Steuerblock-Kontur Ein- und Ausgänge: Die Symbole der Ein- und Ausgänge nach Bild II-33 legen die Beziehungen zwischen den internen und externen Logikzuständen fest. Die Negation am Einund Ausgang kann unterschiedlich dargestellt werden. DIN 40900 empfiehlt auf nationaler Ebene den Negationskreis zu verwenden. In Datenbüchern findet man häufig die zweite Darstellungsweise. Abhängigkeitsnotation: Mit Hilfe der Abhängigkeitsnotation werden Zusammenhänge zwischen Eingängen, Ausgängen oder Einund Ausgängen angegeben, ohne interne Elemente und Zwischenverbindungen im einzelnen genau darzustellen. Somit lassen sich kompakte und aussagekräftige Symbole herstellen. Bild II-34 gibt eine Übersicht über Arten der Abhängigkeit und zeigt
Symbol
Beschreibung Negierter Eingang Negierter Ausgang Negierter Eingang Negierter Ausgang Eingang mit Hysterese Ausgang mit offenem Kollektor 3-state-Ausgang Freigabeeingang Schiebeeingang rechts Schiebeeingang links aktiv bei ansteigender Flanke Dynamischer aktiv bei abfallender Flanke Eingang
}
Bild II-33 Kennzeichnung von Ein- und Ausgängen einige Beipiele hierzu. Die Adressen-Abhängigkeit (A) kennzeichnet Adresseneingänge eines Speichers. Die Steuer-Abhängigkeit (C) kennzeichnet Zeitsteuer- oder Takteingänge. Das Kennzeichen ist häufig bei Flipflops zu sehen. Anwendungsbeispiele: Bei Anwahl eines Eingangs über die Abhängigkeitsnotation G nimmt der interne Logikzustand des Ausgangs den internen Zustand des Eingangs an. Liegt an den drei Eingängen beispielsweise „1“, „1“, „1“ wird der Eingang 7 zum Ausgang geschaltet. Mit dem Eingang EN kann der Multiplexer aktiviert werden (low-aktiv). Die gesteuerten Eingänge des Richtungstreiber sind UND-verknüpft. Die freigewählte Zahl (hier 3) wird neben dem Buchstaben G geschrieben und an jedem weiteren UND-verknüpften Eingang (EN). 1 und 2 des Freigabeeingangs geben jeweils in Verbindung mit dem Verstärker die Richtung an, wie sie die Zahlenfolge am 3-state-Ausgang zuordnet. Über die Steuereingänge M wird die Betriebsart wie links schieben, rechts schieben oder paralleles Laden dargestellt. Den Einfluß des Takteingangs C wird durch die entsprechende Zahl und die Schieberichtung durch zusätzliche Pfeile gekennzeichnet. Über die Eingänge 4,5D werden anstehende Daten mit der ansteigenden Flanke an C5 parallel geladen. Über den Steuereingang C3 kann der BCD-Zähler die 3D-Eingänge parallel laden. Die Betriebsart: Zählrichtung (vorwärts „+“, rückwärts „–“) erfolgt über den Eingang M2 und mit G1 erfolgt die Zählfreigabe. Mit dem Rücksetzeingang R wird der Zähler rückgesetzt. Nach jeder erneuten Zählung liefert der Ausgang PIN 7 einen negativen Impuls. Bei Speichern können die Speicherstellen durch Adreßeingänge (Kennzeichen A) angewählt werden. Der dargestellte Speicher besitzt 1024 Speicherstellen (1 k) mit den Adressen 0 bis 1023. Die Daten können am Ausgang ((0)A ... (7) A, 8 Bit) mit „H“ am Steuereingang gelesen und mit „L“ über die mit 2D gekennzeichneten Leitungen eingeschrieben werden.
508
Technische Kommunikation
Kennbuchstabe und Abhängigkeitsform
Wirkung bei „1“ am Eingang
Wirkung bei „0“ am Eingang
Erlaubt die Funktion Erlaubt die Funktion
Verhindert die Funktion Verhindert Zugriff der Eingänge ∇ Ausgänge hochohmig Ausgang „0“
A Adresse C Steuerung EN Freigabe
Erlaubt die Funktion Erlaubt die Funktion bei gewählter Betriebsart
G M
UND Modus
N R S
Exclusiv-ODER Rücksetzen Setzen
Verhindert die Funktion
UND, G
Beispiele: a b c
a b c
& &
a > b =1 c
1 G1 1
ODER, V
a
> =1 b
a
a b c
&
G1 G2 1
N, Exclusiv-ODER V1 1
b =1 c
a N1
& S
a b c
b a
b 1
c
C, STEUERUNG a b
& S
C1
& R
1D
a b & c
& R
C1 C2 1,2D
Bild II-34 Abhängigkeitsnotation
7 11 0 10 9 4 2 3 2 1 15 14 13 12
SRG4
MUX 0 G7
11 9 0 C5/2 /3 10 M1 4 1 1 6 7
Bild II-35 Multiplexer
2 3 4 5 6 7
2,5D 4,5D 4,5D 4,5D 4,5D 3,5D
15 14 13 12
Betriebsart (MODE)
19 1
M 00 01 10 11
Halt rechts schieben links schieben paralleles Laden
G3 3EN1 3EN2
Bild II-37 Schieberegister
CTRDIV10 15 10 5 1 9
1 2 3 4 5 6 7 8 9
2
18 17 16 15 14 13 12 11
4 12 13 3
Bild II-36 Richtungstreiber
1,2+/1,2– M2 G1 C3 R 3D
1,2CT=0 1,2CT=0
6 11 14 2 7
Bild II-38 Zählerbaustein
II Schaltungsunterlagen
509
RAM 1k x 8 0 0 A 1023 9
(0) (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7)
Wird eine Platine mit vorhandenen Leiterbahnen eingesetzt, sollte der Entwurf die notwendigen Unterbrechungen und Brücken aufweisen.
A,2D A,2D A,2D A,2D A,2D A,2D A,2D A,2D
1C2(Write) 1EN(Read) G1
Bild II-39 RAM (random acces memory)
4.3 Entwurf von Schaltungen 4.3.1 Verdrahtungsplan mit Universalplatinen Kleinere elektronische Einzelschaltungen lassen sich mit geringem Aufwand durch Universalplatinen realisieren. Solche Platinen sind Lochrasterplatten aus einem meist 1,5 mm starkem Isoliermaterial (Hartpapier oder Pertinax) mit Bohrungen im 1/10″-Raster (2,54 mm) und 1 mm Durchmesser oder sie bestehen aus einem Isolierstoff mit Längsleiterbahnen oder Lötaugen aus Kupfer (Auflage 35 mm) mit einem Rastermaß 1/10″ und einem gleichmäßigen Rastermaß mit Löchern von ebenfalls 1 mm Durchmesser. Außer Streifen- und Punktrasterplatien sind Printplatten mit zusätzlich verschiedenen Steckerleistenanschlüssen nach DIN 41612 im Angebot der Herstellerfirmen. Die gebräuchliche Europlatine hat die Abmessungen 160 ⋅ 100 mm. Tabelle II-6 führt gängige Maße von Printplatinen auf. Tabelle II-6 Maße von Printplatinen
4.3.2 Entwurf und Herstellung gedruckter Schaltungen Gedruckte Schaltungen sind heute Bestandteil der meisten elektronischen Geräte. Ihr Vorteil liegt in der computergesteuerten Fertigung und der schnellen Austauschbarkeit im Servicefall. Zur Herstellung gedruckter Schaltungen verwendet man heute vorwiegend fotobeschichtete Platinen aus Hartpapier oder Epoxyd-Hartgewebe als Trägermaterial. Sie können einseitig oder beidseitig fotobeschichtet sein. Ihre Kupferauflage ist meist 35 mm und die Platinengröße unterschiedlich (Beispiele: 60 ⋅ 100 mm, 250 ⋅ 250 mm). Die Bauelemente werden abschließend über Verbindungsleitungen aus Kupfer miteinander verbunden. Das folgende Bild II40 zeigt die notwendigen Schritte bei der Herstellung eines Labormusters bis zur fertigen Platine und Bild II-41 wählt als Beispiel die Schaltung eines Rechteckgenerators zur Erläuterung der Arbeitsabläufe. Schaltplan Lageskizze Layoutentwurf Layoutvorlage Belichten
Plattenstärke
1 mm, 1,5 mm, 2 mm
Lochdurchmesser
0,8 mm, 1 mm
Rastermaße
2,54 mm, 5,08 mm
Ätzen
Leiterbreite
> 0,8 mm
Bohre
Leiterabstand
> 0,8 mm
Bestücken
Kupferauflage
35 mm, 70 mm
Ausgangslage zur Schaltungsrealisierung ist in allen Fällen der Schaltplan und die Stückliste aller benötigten Bauelemente. Die Bauelemente sollten steckbar sein und müssen in das 1/10″-Raster passen. Nach Festlegung der Platinengröße wird eine Lageskizze (Entwurf) mit der Lage der Bauelemente und den notwendigen Verbindungen erstellt. Bei der Bauelementepositionierung kann für einen übersichtlichen Aufbau der Eingang links und der Ausgang rechts vorgesehen werden oder alle Anschlüsse werden auf eine Leiterplattenseite gelegt. Die Verbindungen sollte kurze Wege aufweisen und Kreuzungen nach Möglichkeit nicht vorhanden sein. Bei Verwendung einer Lochrasterplatine werden die Bauelemente lagerichtig auf die Platine gesteckt und auf der Unterseite mit Silberdraht verlötet.
Entwickeln
Bild II-40 Arbeitsschritte zur Herstellung eines Labormusters
Die Anordnung der Leiterbahnen auf der Platine nennt man Layout. Zur Layouterstellung benötigt man transparentes 1/10″-Rasterspapier, eine Folie, Klebesymbole, Leiterstreifen und Lötaugen. Von der Lageskizze werden auf einem ersten Blatt entsprechend der Größe die Lage der Bauelemente und ihre Anschlüsse übertragen. Anschließend wird ein zweites Blatt über das erste gelegt und die Verbindungsleitungen eingezeichnet. Dieses Blatt dient als Vorlage für alle Klebematerialien. Zunächst werden alle Lötaugen aufgebracht, danach die Leiterbahnen. Das völlig lichtundurchlässige Layout wird unter die fotobeschichete Platine nach Bild II-42 gelegt und von unten ca. 2 Min. mit ultraviolettem Licht (UVLicht) bestrahlt, um die Leiterbahnen auf die Fotoschicht zu übertragen. Die Platine wird daraufhin in ein Entwicklerbad gegeben, wo die belichteten Stel-
510
Technische Kommunikation Schaltung
Stückliste
R1 V1
V2
+
R2 2 –7 LM741 6 3+ 5 4 1 R3 – R4
R6
A
KOND v R5
Anordnung der Bauelemente
Lageskizze
Name
Bezeichnung
R1 R2 R3 R4 R5 R6 C1 V1 V2 IC
Trimmwiderstand Kohleschichtwiderstand Kohleschichtwiderstand Trimmwiderstand Kohleschichtwiderstand Trimmwiderstand Kunststoffkondensator Siliziumdiode Siliziumdiode Operationsverstärker
Aufbringen der Lötaugen
Type/Wert 100k 10k 100k 100k 10k 4,7k 0,01μF 1N4001 1N4001 uA741
Herstellen der Verbindungen
Lageplan R1 V2 R4R5
V1 R2
Brücke
C1 R4 R6
+ – A ⊥
R3
Bild II-41 Arbeitsschritte am Beispiel eines Rechteckgenerators
len von einer Schutzschicht (Fotolack) entfernt werden. Beim anschließenden Ätzen werden alle Kupferflächen, die nicht zum Layout gehören, entfernt. Fotoschicht Kupferschicht Basismaterial Leiterbahn Basismaterial
Bild II-42 Vor- und nach dem Ätzvorgang
Der Ätzvorgang dauert bei Verwenden von Eisen-IIIChlorid und einer Temperatur von 40 °C etwa 10 bis 20 Minuten. Die Platine wird gewässert, um Ätzmittelreste abzuspülen und mit einem Lösungsmittel (Azeton) kann der Abdecklack entfernt werden. Als Ätzmittel wird häufig Eisen-III-Chlorid (FECl3), Ätznatron (NaOH) oder Ammoniumpersulfat (NH4)2S2O8 verwendet. Aus Sicherheitsgründen sollten bei Umgang mit allen Chemikalien Handschuhe und Schutzbrille getragen werden. Desweiteren ist eine sachgerechte Entsorgung zu gewährleisten. Der Ätzvorgang selbst hängt von der Konzentration des Ätzmittel, der Temperatur und der Ätzzeit ab. Bei zu langer Ätzzeit oder zu hoher Ätzkonzentration kommt es zu Unterätzungen. Leiterbahnen werden vor Oxidation geschützt, wenn sie mit Zinn, Silber oder Gold überzogen oder mit Lötlack eingesprüht werden. Die Breite der Leiterbahnen sollte in Abhängigkeit der durchfließenden Ströme gewählt werden, damit keine unzulässigen Erwärmungen (i.d.R max. 65 °C)
auftreten. Ein Leiter von 35 mm Dicke kann bei 1 bis 2 mm Breite mit etwa 1,5 bis 2 A belastet werden. Hierbei tritt eine Temperaturerhöhung von 10 K auf. Um Spannungsüberschläge zu vermeiden dürfen Leiterbahnen nicht beliebig eng zueinander verlegt werden. Nach der Platinenherstellung werden die Löcher in den Lötaugen mit einer Ständerbohrmaschine mit Hartmetallbohrern gebohrt. Anschließend kann die Bestückung erfolgen. Diese so von Hand erstellten Layouts haben den Nachteil, daß Fehler nie ganz ausgeschlossen werden können.
5 Projektierung Werden technische Geräte oder Schaltungen entwickelt und konstruiert ist eine umfangreiche Planung erforderlich. Zunächst muß das Problem definiert werden mit den jeweiligen Forderungen an die Schaltung und ihren Eigenschaften. Bei komplexen Aufgaben empfielt es sich im Team zu arbeiten und nach Lösungsmöglichkeiten mit den auftretenden Vorund Nachteilen zu suchen. Ist eine Entscheidung getroffen, werden Aufgaben und Prioritäten aufgelistet und Verantwortlichkeiten zugewiesen. Ein festgelegter Zeitplan ist genau so einzuhalten wie die Obergrenze der zugestandenen Geldmittel. Nach Durchführung der Arbeit erfolgt eine Auswertung. Beispiel: Universal-Eingabeplatine für einen Einplatinencomputer
Definition: Platine mit Stromversorung, Eingangsbuchsen für den Analog-Digitalteil und Ausgangsbuchsen für den DigitalAnalogteil.
II Schaltungsunterlagen Ziel: Die Schaltung soll innerhalb einer Woche erstellt und getestet sein. Die Einzelteile sollen weniger als 50,00 DM kosten. Vorhanden ist eine veränderbare Gleichspannungsquelle 2 bis 15 V/2 A. Die konstruierte Schaltung muß zur Verfügung stellen: – + 5 V stabil für die Computerplatine – + 12 V für externe Versuchsschaltungen – 2 DA-Ausgänge – 4 AD-Eingänge
511 Durchführungsplan: – Entwurf der Schaltung – Beschaffung der Materialien – Aufbau des Prototyps auf einer Steckplatine – Herstellung der Platine – Erprobung der Platine Die Schaltung (Bild III-3) wird unter III-2 beschrieben und unter Kapitel IV die Realisierung der Platine.
III Schaltungssynthese und -analyse 1 Beispiele aus der Elektrotechnik Für die Schaltungssynthese wie auch die -analyse ist die Kenntnis der Schaltzeichen, der Kennzeichnung von Betriebsmitteln und der Anschlußkennzeichnung notwendig. Auch die umfangreichsten und komplexesten Schaltungsaufgaben setzen sich aus der Kombination bzw. Verknüpfung einiger Grundschaltungen zusammen. Weil das Problem einer zu planenden Steuerung in der Regel durch die Darstellung einer Schaltung in einem Stromlaufplan gelöst wird, ist dieser besonders wichtig und darum im Beispiel nach Bild III-1 dargestellt. Im Schriftfeld der Zeichnung werden unten rechts die Blattnummer und die Anzahl der Blätter für eine Anlage angegeben, hier also Blatt 5 von 7 Blättern. Darüber im Schriftfeld angeordnet steht mit einem Gleichheitszeichen als Vorzeichen der Kennzeichnungsblock „Anlage“ (hier = 2B4.D3) und mit einem Pluszeichen als Vorzeichen der Kennzeichnungsblock „Einbauort“ (hier Schaltschrank + 2E4). Diese Kennzeichnung gilt für alle auf diesem Blatt dargestellten Betriebsmittel und müssen auf diesem Blatt folglich nicht mehr angegebenen werden.
Der Motor ist am Aufstellungsort + T4 installiert, während die Tasterkombination im Schaltpult + 3P4 integriert ist. Der Hinweis auf ein anderes Blatt wird nach einem Schrägstrich, der Planabschnitt nach einem Punkt geschrieben; die Hauptstromversorgung kommt also von Blatt 4 (= .D3/4..; 2B4-Anlage mit Funktionsgruppe D = Leistungskreis) und geht nach Blatt 6 (= .D4/6..), um dort in Planquadrat 1 (= .D4/ ... 1) fortgeführt zu werden. Die Steuerspannung kommt von Blatt 2 aus Planquadrat 3. Für die Wartung und Instandhaltung sind zusätzliche Informationen einzufügen, wie z.B. die Nennstromwerte für Sicherungen und Auslösebereich der Motorschutzschalter bzw. -relais. Die Reihenklemmenanschlüsse für den Motor (X1: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7) und die Tasterkombination (X1: 11, 12, 13) sind ebenfalls angegeben.
2 Beispiele aus der Elektronik Schaltungen in der Elektronik werden so dargestellt, daß sich der Signalfluß von links nach rechts ergibt. Dies bezieht sich auch auf die Nummerierung der Bauelemente.
512
Technische Kommunikation 1
A
2
=. D3/4.8
L1 L2 L3 PE
3
2L1
230V
4
5
6
7
30 x 5 Cu
50Hz
400V 3/PE
25 x 3 Cu
50Hz
F1...F3 1
A
= .D4/6.1
1 1 1
=. M1/2.3 2L2
8
L1 L2 L3 PE 25A 2 2 2
3
Q1 10A
B
I
–K3 4
–K2
2 4 6
2
2,5
2 4 6
S2
C
W2 U2 V2
2 2,5
M 3
U1 V1 W1
7,5kW 400V
X1 12 3 4 +3P4 13 X1 5
K4
X1:7
13
6
K3
E
X1:9,10
A1
–K2
A2
4 14 4 22 3 2 3 4 3 6
D
13 14
Leitungen ohne Querschnittsangabe H07V-U1,5
21
K3
22
–K3
K1
14
21
K2
C
2
S1
D
6
–F4
–M1
95 98 96 X1 11 1
+3P4
–K1 7-12A 2 4
+T4
–X1:8
F4
B
1 3 5
1 3 5
1 3 5
I 2
13 21 1 3 5
3 4 4 4
22 A1
A1
–K4
A2
14 22 2 4 6
13 21 1 3 5
A1
–K1
A2 0...30s
5
5 6 D3
6 6 6
14 22 2 4 6
E
A2 13 21 1 3 5
F
F
Zust.
Änderung
Datum
1
Zeichnungsnr. d Auftraggebers
Datum Bearb. Gepr. Name Norm
Auftraggeber Urspr.
2
Firma
Ers. f.
Blatt 5
Zeichnungsnummer
Ers. d.
3
=2B4.D3 +2E4 7 Bl
4
5
6
7
8
4
5
6
7
8
Bild III-1 Stern-Dreieck-Schützschaltung 1
2
3
A
A
B
B
R6
R3
V3 R5 C3
V1
C
C1 + + –
V2
C2
C
+
R8
+
V4
D
R1
R2
D
R7
R4
E
E
F
F
Zust.
Änderung
1
Datum
Datum Bearb. Gepr. Name Norm
2
Bild III-2 Kopfhörerverstärker
Zeichnungsnr. d Auftraggebers
Auftraggeber Urspr.
Firma
Ers. f.
3
4
Blatt 2
Zeichnungsnummer
Ers. d.
5
6
7
4 Bl
8
III Schaltungssynthese und -analyse 1
2
513
3
4
5
6
7
8
A
A
+12V V2 V1 1N4007
+5V
UI 7805 U0 GND
Uin B
R1 39k
R4 33k
R2 1,5k
R5 4,7k
C2
C1
V5
V6
R7 560
R8 560
a1 a2 a3 a4 a5 a6 a7 a8 a9 a10 a11 a12 a13 a14 a15 a16 a17 a18 a19 a20 a21 a22 a23 a24 a25 a26 a27 a28 a29 a30 a31 a32
V3
+ + –
C
TLC272 V4 D
+ + – R3 27k
B
C
D
R6 27k
E
E
F
F
Zust.
Änderung
1
Datum
Datum Bearb. Gepr. Name Norm
2
Zeichnungsnr. d Auftraggebers
Auftraggeber Urspr.
Firma
Ers. f.
3
Blatt 2
Zeichnungsnummer
Ers. d.
4
5
6
7
4 Bl
8
Bild III-3 Stromversorgung für einen Einplatinencomputer
Beispiel 1: Bild III-2 zeigt beispielhaft die Schaltung eines
Beispiel 2: Bild III-1 zeigt die Stromversorgung für einen Ein-
Kopfhörerverstärkers. Die Eingangsspannung wird über R1 eingespeist. Dieser Widerstand dient auch zur Lautstärkeeinstellung. Über den Operationsverstärker wird das Signal verstärkt und gelangt über C2 zur Komplementärendstufe. Diese besteht aus einem npn- und pnpTransistor der jeweils die negative oder positive Signalhalbwelle über C3 dem Kopfhöreranschluß zuführt. Beide Transistoren arbeiten in Kollektorgrundschaltung. Ihre Basisspannung und damit ihr Ruhestrom wird über zwei in Durchlaßrichtung betriebene Dioden V1 und V2 eingestellt. Ohne V1 und V2 würden Übernahmeverzerrungen entstehen. Die Schaltung ist für eine unsymmetrische Spannung ausgelegt. Sie benötigt daher R3 und R4, um den invertierenden Eingang auf die halbe Betriebsspannung zu legen.
platinencomputer. Die Schaltung selbst wird mit einer Gleichspannung betrieben. V1 dient zur Vermeidung einer falschen Polung. Die notwendigen 5 V für den Computer werden mit dem Stabilisierungs-IC 7805 erreicht. Die 12 V-Spannung dient zur Spannungsversorgung zusätzlicher Versuchsschaltungen. Um ohne Meßgerät auszukommen wurden zwei Komparatoren eingesetzt, die über Leuchtdioden die gewünschte Spannung anzeigen (LED grün) oder bei zu hoher Spannung warnen (LED rot)
514
Technische Kommunikation
IV CAD-Technik 1 Allgemeines Unter CAD (Computer Aided Design) versteht man ganz allgemein computergestütztes konstruieren. Hierbei steht die Erstellung technischer Unterlagen im Vordergrund. Für die Elektrotechnik und Elektronik sind dies einmal Stromlauf- und Funktionspläne, Verdrahtungspläne, Lagepläne oder Layouts zur Herstellung gedruckter Schaltungen und zum Anderen Simulationsprogramme, die Entwicklungsarbeiten erheblich verkürzen. Vorteile beim Einsatz dieser Technik liegen in der schnellen Korrigierbarkeit von Fehlern.
Leitungen oder Schriften ermöglichen eine optimale Darstellung. Mit Hilfe von Bauteileeditoren können Bauteilebibliotheken selbst erweitert werden. Eigene Symbole lassen sich somit herstellen und Vergößerungen und Verkleinerungen sind problemlos durchzuführen. Da Zeichnungen reproduziert werden können sind auch nachträgliche Änderungen möglich. Die Zeichnungsausgabe erfolgt auf einem Drucker oder Plotter. CAD-Zeichnungen lassen sich abspeichern und in andere Programme wie beispielsweise Textverarbeitungsprogramme einfügen. Der Einsatz von CAD bedeutet eine erhebliche Zeitersparnis gegenüber Arbeiten am konventionellen Zeichenbrett.
2 Hardware und Software Unter Hardware versteht man alle Geräte die zu einer Computeranlage gehören. Hierbei unterscheidet man Eingabegeräte wie Tastatur, Maus, Grafiktablett mit Lupe und Scanner. Ausgabegeräte sind Bildschirm, Drucker und Plotter. Die Zeichnungen werden häufig mit Hilfe der Maus durchgeführt. Hierbei werden die Bewegungen der Rollkugel in Signale umgewandelt und von einem Maustreiber (spezielles Programm) ausgewertet. Der Scanner wird eingesetzt, um über eine Optik Punkt für Punkt ganze Bilder einzulesen. Neben dem Drucker wird als Pheripheriegerät zur Ausgabe von Grafiken der Plotter eingesetzt. Mit seinem Schreibstift kann direkt auf Papier oder Folie geschrieben werden. Beim Fotoplotter belichtet ein Lichtstrahl das Papier. Oft arbeiten CAD-Systeme mit zwei Bildschirmen, wobei der eine als Grafik- und der andere als Textbildschirm genutzt wird. Grundvoraussetzung vieler CAD-Programme sind Rechner ab 486 mit 16 MBRAM. Beispiele für Zeichenprogramme sind AUTOCAD, AUTOSKETCH und besonders auf die Bedürfnisse in der Elektrotechnik und Elektronik abgestellt ORCAD und WSCAD. Zur Layouterstellung wird häufig EAGLE eingesetzt und im Bereich der Simulationsprogramme sind PSPICE und MICROCAP und für den Ausbildungsbereich ELECTRONIC WORKBENCH zu nennen. Um CAD-Systeme richtig und effektiv einzusetzen bedarf es einer gründlichen Einarbeitung.
3 Erstellen von Schaltplänen Bei der Erstellung technischer Zeichnungen am Bildschirm können Fehler schnell korrigiert werden. Häufig verwendete Symbole sind in Bibliotheken gesammelt und können dort abgerufen werden. Sie lassen sich beim Laden beliebig plazieren und können gedreht oder gespiegelt werden. Nachträgliches Verschieben von Baugruppen, Bauteilen,
4 Erstellen von Layouts EAGLE ist ein bekanntes und weitverbreitetes CADProgramm und für den Entwurf von Platinenlayouts optimiert. Die Ausgabe der Layouts kann über Matrixdrucker, Plotter, Fotoplotter, Laserdrucker und Bohrmaschinen erfolgen. Mit dem Layout-Editor lassen sich beliebige Leiterbahnbreiten, Lötaugenformen und -durchmesser herstellen. Er kann für konventionelle und SMD-Technik eingesetzt werden. Schaltpläne können auch mit anderen CAD-Programmen beispielsweise mit ORCAD gezeichnet werden. Die im Anschluß an die Zeichenarbeit erstellte Netzliste kann in EAGLE-Script-Dateien konvertiert werden. In der Netzliste (Netlist) befinden sich alle verwendeten Bauelemente und ihre Verbindung untereinander. Beispiel: Entwurf einer gedruckten Schaltung mit dem Programm
EAGLE Mit dem EDIT-Befehl wird der Schaltpan (Schematic) und mit USE-Befehl die gewünschte Bibliothek (Library) geöffnet. Aus dieser kann das entsprechende Bauteil gewählt und in einem zuvor gewählten Rahmen (Frames) plaziert werden. Der Schaltplan nach Bild IV-1 kann mit den Befehlen „Schieben (MOVE), Löschen (DELETE) und Drehen (ROTATE)“ korrigiert und geändert werden. Bauelemente werden mit Namen (NAME) und Wert (VALUE) eindeutig gekennzeichnet. Mit dem NET-Befehl lassen sich die entsprechenden Verbindungen zeichnen und Verbindungspunkte mit einem Lötpunkt (JUNCTION) versehen.
Der Befehl ERC (Electrical Rule Check) ermöglicht eine Überprüfung der Verbindungen auf Kurzschlüsse. Mit dem Speicherbefehl (WRITE) wird die Schaltung abgespeichert. Der BOARD-Befehl läßt auf dem Bildschirm eine Leerplatine erscheinen mit allen Bauelementen des Schaltplans nach Bild IV-2. Die dem Bauelement im Schaltplan zugeordnete Bauform erscheint automatisch. Man braucht sich beispielsweise keine Gedanken mehr zu machen, ob das IC TLC272 mit 8 oder 14 PINs (Anschlüsse) versehen ist. Die Bauelemente sind durch Luftlinien (Gummileitungen) miteinander so verbunden, wie der Schaltplan dies vorgegeben hat.
IV CAD-Technik
515
R7
560R
R8
3
U2A
1
TLC272P 4
2
D2
D3
LED grn
560R
LED rt
8
C2
2
33k C1 4.7k
3 1 VI V0 GND
10μF
R1
39k R4
R2
1N4007
1.5k R5
+BATT
10μF
U1 7805
D1
VG64FMIR 5
7
TLC272P
27k
R3
27k R6
6 U2B
+5V
+5V
+12V
+12V
A0_0 A0_1
AI_3 AI_2 AI_1 AI_0 GND
CC1 CC2 CC3 CC4 CC5 CC6 CC7 CC8 CC9 CC10 CC11 CC12 CC13 CC14 CC15 CC16 CC17 CC18 CC19 CC20 CC21 CC22 CC23 CC24 CC25 CC26 CC27 CC28 CC29 CC30 CC31 CC32
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32
U$2C
Bild IV-1 Schaltplan Document:
REV:
Anschluß für BASIC-EMUF Date: 15.10.1994 09:09:16
Die Elemente können nach den Wünschen des Entwicklers verschoben und auf die vorgegebene Leerplatine plaziert werden (Bild IV-3). Mit dem Befehl AUTO erfolgt ein automatisches Routen (Herstellen des Layouts, Leiterplattenentflechtung) oder mit dem Befehl ROUTE ein manuelles. Am BOARD lassen sich anschließend auch noch Korrekturen durchführen. Dies ist in der Praxis not-
Sheet: 1/1
wendig, nicht weil Verbindungen falsch gelegt oder vergessen worden sind, sondern weil beispielsweise Versorgungsspannungsleitungen breiter ausgelegt werden sollen. Nach Abschluß der Designarbeit erzeugt das Programm die verschiedenen Daten zur Platinenherstellung. Hierzu gehören Layout, Lötmaske, Lageplan und Stücklisten. Bild IV-4 zeigt den Lagenplan und Bild IV-5 das entsprechende Layout.
27k R4
33k
D1
U1 7805
Bild IV-2 Leerplatine und Bauelemente
C2 10μF
560R R6 C1 10μF
R7
39k
R2
1.5k U2 TLC272 27k R1
560R
4.7k
D2
1
D3
32
R8
U$2C VG64FMIR
R3
Technische Kommunikation
R5
516
IV CAD-Technik
517 Bild IV-3 Anordnung der Bauelemente auf der Platine
VG64FMIR U$2 1
32
560R 560R D2 R8
R5 R4
TLC272 C2 10μF
R2 4.7k R1 33k
C1 10μF
1.5k
D1
U1 7805
39k
U2
R3 27k
D3
27k
R6
R7
Von Hand erstellte Layouts haben den Nachteil, daß Fehler nie ganz ausgeschlossen werden können. Bei CAD-Systemen treten keine Fehler mehr auf, wenn das Programm richtig bedient wird.
5 Anwendungen in der Elektronik – – – – – – –
Elektronische Schaltungen Schaltungsentwurf Entwurf gedruckter Schaltungen Layout Leiterplattenentflechtung Stücklistenerstellung Bestückungsplan
6 Auswahl von CAD-Systemen Entwurf gedruckter Schaltungen – Richtlinien zum Entwurf – Herstellung gedruckter Schaltungen – Stromlaufplan – Layouterstellung (Freihand, CAD) – Bestückungsliste – Stückliste – Maske für Lötstoplack – Bearbeitungszeichnung
SK-07
5.3 K/W
U1 7805 E$12
U2
27k
27k
TLC272
C1 33k R4 4.7k R5 1.5k R2 39k R1
10μF
C2
10μF
E$11
R3
R6
R7
R8
D2
560R
D3
560R
32 1
D1
518 Technische Kommunikation
VG64FMIR U$2
Bild IV-4 Lageplan
IV CAD-Technik
519
drb.2508RWP
Bild IV-5 Layout
521
Datentechnik I Digitaltechnik 1 Grundbegiffe der Digitaltechnik Als Teilgebiet der Elektronik, Automatisierungs-, Nachrichten- und Datenverarbeitungstechnik kann mit Hilfe der Digitaltechnik eine große Zahl technischer Probleme gelöst und das Verständnis komplexer Systeme gefördert werden. Im Gegensatz zu analogen Schaltungen, wo Werte über einen Bereich kontinuierlich ausgegeben werden, können Ein- und Ausgangssignale digitaler Schaltungen nur zwei mögliche stabile Zustände annehmen. Man spricht daher von einem binären System, das aufgrund der Zweiwertigkeit logische Entscheidungen ermöglicht. Die Schaltungen selber nennt man logische Schaltungen. Hierbei sind die binären Zustände zwei Spannungswertbereichen (Pegeln) zugeordnet. Der niedrigere Spannungsbereich (näher an minus unendlich) wird mit LOW und der positivere Spannungsbereich (näher an plus unendlich) wird mit HIGH bezeichnet. Die genauen Werte sind von der schaltungstechnischen Realisierung abhängig. Soll technologieunabhängig gearbeitet werden, also ohne auf die besonderen Bedingungen zu achten, mit denen die Schaltung später vielleicht realisiert werden soll, werden die binären Zustände mit den Zeichen „0“ und „1“ beschrieben. Je nach gewähltem Bezugspunkt wird zwischen positiver und negativer Logik unterschieden. Dabei entspricht bei positiver Logik die „1“ dem H- und die „0“ dem L-Pegel; bei negativer Logik dagegen die „0“ dem H- und die „1“ dem L-Pegel (Bild I-1). Die Zeichen „0“ und „1“ heißen Bits. Das Bit (Binary Digit = Binärzeichen) ist die kleinste Informationseinheit. Vier Bits ergeben eine Tetrade oder Nibble, und 2 Tetraden ergeben ein Byte. Die nachfolgend größeren Informationseinheiten sind mit Potenzen zur Basis 2 festgelegt (Bild I-2). Ein Byte nennt man in 8-Bit-Systemen auch „Wort“. Allgemein kann aber ein „Wort“ auch aus mehreren Bytes zusammengesetzt sein. Die höchste und niederwertigste Stelle eines Wortes wird besonders gekennzeichnet. Man spricht vom MSB (Most Significant Bit) und vom LSB (Least Significant Bit). Die Grundelemente digitaler Schaltungen sind logische Grundbausteine. Sie besitzen voneinander unabhängige Eingänge und einen Ausgang, dessen Ausgangsvariable jeweils von Eingangsvariablen abhängt. Bausteine mit solchen Grundverknüpfungen nennt man Gatter. Jede Verknüpfung kann durch ein Schaltzeichen, eine Wertetabelle (Wahrheitstabelle, Funktionstabelle), eine Gleichung oder einen Impulszeitplan (Funktionszeitplan) dargestellt werden. Die grafische Darstellung mit Schaltzeichen wird verwendet, um größere Zusammenhänge aufzuzeigen.
Die Wertetabelle drückt in übersichtlicher Weise aus, welche Ausgangszustände sich bei allen möglichen Eingangszuständen ergeben. Der Impulszeitplan stellt den Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangssignalen dar und erlaubt damit den Zugang zu den Meßtechniken. Informationseinheiten positive Logik
1 0
negative Logik
0
H-Pegel 1
L-Pegel
H-Pegel L-Pegel
Bild I-1 Pegelzuordnung
Informationseinheiten 1 Bit 1 Byte = 1 kByte = 1 MByte =
2 10 2 20 2
= = =
("0" oder "1") 8 Bit 1024 Bit 1048576 Bit
Begriffe
1
0
1
1
0
1
1
0
Bit Bit Bit Bit Bit Bit Bit Bit Tetrade
Tetrade Byte
Bild I-2 Informationseinheiten und Begriffe Gleichungen sind Hilfsmittel, um mit dem Einsatz der Schaltalgebra vereinfachte Schaltungen zu finden. Die Aussage jeder dieser genannten Darstellungsformen ist dabei dieselbe. Alle logischen Zusammenhänge in der Digitaltechnik lassen sich durch die drei Grundverknüpfungen beziehungsweise Grundfunktionen NICHT (Negation), UND (Konjunktion) und ODER (Disjunktion) beschreiben. Weitere abgeleitete Verknüpfungen vereinfachen die Realisierung digitaler Schaltungen. Es handelt sich dabei um die Funktionen: NAND, NOR, Exclusiv ODER (Antivalenz) und Exclusiv NOR (Äquivalenz). Als Übersicht zeigt Bild I-3 die Schaltzeichen aller Grundverknüpfungen mit einer Funktionsbeschreibung in Form einer Wertetabelle, eines Impulszeitplans und einer Funktionsgleichung. Besitzt eine Verknüpfung nur einen Eingang, sind zwei Eingangs-
522
Datentechnik
Schaltzeichen UND A B
&
Q
ODER A B
> =1
Q
B 0 0 1 1
A 0 1 0 1
Q 0 0 0 1
A
B 0 0 1 1
A 0 1 0 1
Q 0 1 1 1
A
A 0 1
Q 1 0
A
NICHT A
1
Q
Funktionsgleichung
Impulszeitplan
Wertetabelle
t B
t Q
t
B Q
&
Q
NOR A B
= >1
Q
Exclusiv ODER A B
=1
Q
Exclusiv NOR A B
=
Q
Q=A
B
t t
t
t
A B
B
t
Q
NAND
Q=A
B 0 0 1 1
A 0 1 0 1
Q 1 1 1 0
A
B 0 0 1 1
A 0 1 0 1
Q 1 0 0 0
A
B 0 0 1 1
A 0 1 0 1
Q 0 1 1 0
A
B 0 0 1 1
A 0 1 0 1
Q 1 0 0 1
A
Q=A
t B
t Q
t
Q=A
B
Q=A
B
Q=A
B
Q=A
B
t B
t Q
t
t B
t Q
t
t B
t Q
kombinationen, bei zwei Eingängen vier verschiedene Eingangskombinationen möglich. Bei n-Eingängen gibt es 2n verschiedene Eingangskombinationen.
2 Logische Grundschaltungen 2.1 Grundverknüpfungen Einfache Schaltungen aus Leuchtdiode und Schalter, bei der die Eingangsgröße der Schalter mit den Zuordnungen: Schalter offen = „0“ und Schalter geschlossen = „1“, und die Ausgangsgröße die Leuchtdiode mit den Zuordnungen: LED leuchtet nicht = „0“ und LED leuchtet = „1“ ist, verdeutlichen die jeweilige Funktion (Bild I-4).
t
Bild I-3 Logische Verknüpfungen
2.1.1 NICHT-Verknüpfung Die NICHT-Verknüpfung (NOT) hat nur eine Eingangsvariable. Da die Ausgangsvariable immer den entgegengesetzten Wert der Eingangsvariablen annimmt, spricht man auch von einem Inverter. Ist der Schalter geöffnet („0“), kann Strom durch die Leuchtdiode fließen und sie leuchtet („1“). Bei geschlossenem Schalter („1“) ist die Diode kurzgeschlossen. Damit fließt durch die Leuchtdiode kein Strom und sie leuchtet nicht („0“). 2.1.2 UND-Verknüpfung Eine UND-Verknüpfung (AND) besitzt mindestens zwei Eingangsvariable. Der Ausgang wird nur „1“, wenn alle Eingänge „1“ sind, wenn also A UND B
I Digitaltechnik
523
R
Bild I-4 Grundverknüpfungen
+
NICHT
S
–
S1
R
S2
+ UND –
R
S1 S2
+ ODER –
UND n gleichzeitig 1 ist. Die Schaltung zeigt, daß die Diode nur leuchten kann („1“ ergibt), wenn der eine UND der andere Schalter geschlossen ist (also „1“ aufweist). 2.1.3 ODER-Verknüpfung Eine ODER-Verknüpfung (OR) erhält am Ausgang dann eine „1“, sobald eine Eingangsvariable „1“ ist, wenn also ein ODER zwei ODER n-Eingänge „1“ sind. In der Schaltung leuchtet die Diode („1“), sobald einer der Schalter geschlossen („1“) ist.
2.2 Realisierungsmöglichkeiten logischer Verknüpfungen Logische Verknüpfungen lassen sich durch Mechanik (Schalter, Schütze), Elektronik oder Software reali5V R A
V1 B
Q
sieren. In der Elektronik werden Schalter durch Dioden und Transistoren ersetzt. Bild I-5 zeigt Grundverknüpfungen solcher Bauelemente. Man spricht auch von Dioden-Widerstandslogik oder Transistor-Diodenlogik. Ihr Einsatz ist so heute nicht mehr üblich. Die Schaltungen dienen lediglich zum Grundverständnis logischer Schaltungen. Der Eingang ist jeweils mit A beziehungsweise B und der Ausgang mit Q gekennzeichnet. Bei der UNDSchaltung stellt sich beispielsweise nur die Spannung +5 V („1“) am Ausgang ein, wenn A und B an +5 V („1“) liegen, weil dann beide Dioden gesperrt sind. In den drei möglichen anderen Fällen ergibt sich eine Spannung von ca. 0,7 V („0“) am Ausgang. Bei der ODER-Schaltung reicht es, wenn A oder B auf +5 V liegt, um am Ausgang ungefähr 5 V („1“) zu erzeugen. Liegt bei der NICHT-Schaltung A auf Masse („0“), ist der Transistor gesperrt, und die Ausgangsspannung nimmt den Betriebsspannungswert +5 V („1“) an. Der Transistor schaltet nur durch, wenn der Eingang A mit +5 V („1“) verbunden wird. Die Ausgangsspannung beträgt in diesem Fall etwa 0,2 V („0“). Heute setzt man integrierte Standardbausteine ein. Die angebotenen Logikfamilien unterscheiden sich durch unterschiedliche Pegel, durch Verlustleistungen und Laufzeiten. Die Bausteine selbst besitzen oft mehrere Gatter (Bild I-6). Ihre PIN- oder Anschlußbelegung können aus den entsprechenden Datenbüchern entnommen werden. Bei Betrachtung des IC’s von oben (On Top) ist die Zählrichtung immer von links oben nach rechts oben. Bei der Darstellung von Funktionsplänen werden die Betriebsspannungsanschlüsse nicht mit gezeichnet. Als Beispiel dient ein Baustein mit vier NANDGattern. Weitere Beispiele sind in den Kapiteln „Integrierte Schaltungen“ und „Programmierbare Logikbausteine“ zu finden.
5V
5V R1
A
V1 B
Q
V2
A
V1
R2
V2
V3
V2
5V R1
Q V1
A
R2
V2
V3
B R V3
UND
ODER
UA UB UQ
UA UB UQ
UA
UQ
UA UB UQ
0V 0V 5V 5V
0V 0V 5V 5V
0V 5V
5,0V 0,2V
0V 0V 5V 5V
0V 5V 0V 5V
0,7V 0,7V 0,7V 5,0V
Bild I-5 Dioden- und Transistorlogik
0V 5V 0V 5V
0,7V 5,0V 5,0V 5,0V
NICHT
NAND
0V 5V 0V 5V
5,0V 5,0V 5,0V 0,7V
Q
524
Datentechnik Zählrichtung 14 13 12 11 10 9 8
IC
1 2 3 4 5 6 7
PIN-Belegung
+5V
14 13 12 11 10 9 8
7400
1 2 3 4 5 6 7
Betriebsspannung
&
&
&
&
Zählrichtung von oben gesehen!
Bild I-6 Standardbaustein mit NAND-Gattern Schaltalgebra Symbole für Verknüpfungszeichen
UND ODER NICHT XOR
Vorrangregel
A B A B A B A +B A A A B A +B
+ +
Verknüpfung mit einer Konstanten
Q= A B C Q = A (B C) A B C
&
&
Q
Erweiterung Q =A A A & Q A
A A A
&
Q
Q =A A A > A =1 Q
Q
A B= B A A > B =1 Q
A A A
> =1 Q
B A
&
B A
> =1 Q
Assoziativgesetz
(A B) C = A (B C) A B C A B C
&
&
&
Q
&
Q
A B C
&
Q
(A B) C = A (B C) A > > B =1 =1 Q C A > B =1 Q A C >1 Q B >1 = C =
Distributivgesetz A (B C) = (A B) (A C) A > B & =1 Q C
B
B
A
C
Q=A
A 0
&
Q =0
A 1
> =1 Q = 1
A 0
> =1 Q = A
A A
&
Q=0
A > A =1 Q = 1
Doppelnegation A=A A
1
A
1
A
Abgeleitete Regeln
A (B C) = (A B) (A C) A & Q B >1 C =
&
&
Verknüpfung mit dem Komplement
Kommutativgesetz A B=B A A & Q B
A 1
> =1 Q
A
&
C
> =1 > =1
A A A A A
(A (A B (A (A
B)= A B B)= A A B =A B B) = A B B) = A
Q
&
De Morgansche Gesetz
A B=A B A & Q B
A B
> =1 Q
A B=A B A >1 Q B =
A B
&
Q
Bild I-7 Regeln und Gesetze der Schaltalgebra
I Digitaltechnik
525 Das De Morgansche Gesetz hilft bei der Umsetzung der Grundfunktionen in NOR- und NAND-Technik. Eine NAND-Verknüpfung der Variablen A und B kann durch Negierung dieser Variablen in eine ODER-Verknüpfung umgewandelt werden, und bei einer NOR-Verknüpfung ist durch Negieren der Variablen ein Ersatz durch UND möglich (siehe auch Bild I-11). Da alle Grundfunktionen durch NAND oder NOR nachgebildet werden können (Bild I-12), läßt sich die Lagerhaltung durch den Einsatz dieser Techniken verkleinern. Im Bild I-7 sind die Verknüpfungen mit einer Konstanten und wichtige abgeleitete Regeln zusammengefaßt. Sind beispielsweise Doppelnegierungen bei einer Variablen vorhanden, so heben sich diese praktisch auf. Eine Erweiterung mit einer einmal vorhandenen Variablen darf immer durchgeführt werden, weil hiermit das Resultat nicht beeinflußt wird. Vom Absorptionsgesetz spricht man, wenn eine der Variablen keine Auswirkung auf das Ergebnis hat. Bei der Analyse logischer Schaltungen können mit Hilfe der Schaltalgebra Schaltfunktionen in die entsprechende Wertetabelle umgesetzt werden. Erfolgt die Programmierung in der SPS mit nicht grafikfähigen Programmiergeräten, sind ebenfalls Kenntnisse der Schaltalgebra zur richtigen Programmierung notwendig.
3 Schaltalgebra 3.1 Allgemeines Die Schaltalgebra ist ein Hilfsmittel zur mathematischen Beschreibung logischer Funktionen. Mit ihren Regeln und Gesetzen können Gleichungen umgeformt, vereinfacht und so Schaltungen optimal realisiert werden (Synthese von Schaltungen). Für die Verknüpfungszeichen von Variablen existieren unterschiedliche Darstellungen. Die beiden in der Digitaltechnik häufig angewandten Formen sind in der Übersicht (Bild I-7) mit aufgeführt. In der Schaltalgebra muß eine bestimmte Rangfolge der Operationen eingehalten werden. Sie besagt, daß NICHT-Verknüpfungen vor UND- und ODER-Verknüpfungen durchzuführen sind (Vorrangregel). Das Kommutativgesetz wird auch Vertauschungsgesetz genannt. Danach können die einzelnen Eingangsvariablen vertauscht werden. So darf beispielsweise nach Bild I-4 bei der UND-Verknüpfung zuerst S1 und dann S2 oder umgekehrt geschaltet werden. Die Reihenfolge der Schalter hat keinen Einfluß auf die Funktion der Gesamtschaltung. Dasselbe gilt auch für die Parallelschaltung der Schalter bei der ODERVerknüpfung. Mit dem Assoziativgesetz werden Variable einer UND- oder einer ODER-Verknüpfung zusammengefaßt. Weil das Assoziativgesetz Variable durch Klammern verbindet, heißt das Gesetz auch Verbindungsgesetz. Klammern können hierbei gesetzt oder fortgelassen werden. Wird für eine Schaltung eine festgelegte Anzahl von Eingängen benötigt, läßt sich die Aufgabe mit diesem Gesetz lösen. Das Distributiv- oder Verteilungsgesetz ist aus der Algebra bekannt. Hiermit kann eine gemeinsame Variable ausgeklammert werden.
Wertetabelle
3.2 Normalform einer binären Funktion 3.2.1 Disjunktive Normalform Geht man von der Wertetabelle im Bild I-8 aus, kann für jede Zeile dieser Tabelle ein Funktionsterm geschrieben werden. Für Zeile 1 zum Beispiel: /A /B /C (sprich: A nicht UND B nicht UND C nicht). Die so durch UND verknüpften Funktionsterme nennt
Minterme
C
B
A
Q
0 0 0 0 1 1 1 1
0 0 1 1 0 0 1 1
0 1 0 1 0 1 0 1
1 1 0 0 1 0 1 0
Maxterme
C C C C C C C C
A B C A B C
A B C A B C
A B C A B C
A A A A A A A A
B B B B B B B B
A B C A B C
A A A A A A A A
B B B B B B B B
C C C C C C C C
A B C A B C A B C A B C
Gleichungen Konjunktive Normalform Q=A Q=A Q=Q
B C B C
A A
B C B C
(I-1) (I-2) (I-3)
Disjunktive Normalform Q = (A B C)
(A B C)
(A B C)
(A B C)
(I-4)
Bild I-8 Disjunktive und konjunktive Normalform
526
Datentechnik
man Minterme. Von Interesse ist, wann die Funktion „1“ ist. Sie soll nach der Wertetabelle den Wert „1“ erhalten in der Zeile 0, ODER in Zeile 1, ODER in Zeile 4, ODER in Zeile 6. Damit läßt sich die Gleichung (I.1) für Q aufstellen. Man spricht von der disjunktiven (ODER-) Normalform (DNF). Sind in einer Wertetabelle die Anzahl der „0“-Funktionen für Q geringer, ist es günstiger, die Gleichung für /Q aufzustellen und anschließend das Ergebnis zu invertieren.
der Verknüpfungen gezeichnet werden, wie das beispielhaft für die Gleichung (I.1) im Bild I-9 gezeigt wird. Oft sind keine negierten Eingänge wie /A, /B, /C vorhanden. Dann heißen die Eingänge A, B und C, und die notwendige Invertierung wird durch ein NICHT-Gatter realisiert. Bild I-10 verdeutlicht dies an der Umsetzung der Gleichungen (I.1) und (I.4), wobei die Eingangsinverter durch die Invertierungszeichen dargestellt sind.
3.2.2 Konjunktive Normalform
3.2.4 Schaltungsminimierung mit Hilfe der Schaltalgebra
Die konjunktive (UND-) Normalform (KNF) erhält man, wenn die Maxterme, also alle ODER-Verknüpfungen, die Q = „0“ ergeben, UND-verknüpft werden (I.4). Jede Schaltung läßt sich durch eine Gleichung in disjunktiver oder konjunktiver Normalform beschreiben. 3.2.3 Umwandeln der Gleichung in Schaltzeichen A
B
C
A
&
B
C
A
&
B
C
A
B
&
C
&
Mit Hilfe der Schaltalgebra lassen sich die Gleichungen vereinfachen und in eine digitale Schaltung umsetzen. Bild I-11 zeigt die Vereinfachung der Gleichung (I.1). Mit dem Distributivgesetz erhält man eine ODERVerknüpfung mit dem Komplement der Variablen. Da dies „1“ ergibt, kann die entsprechende Variable aufgrund der UND-Verknüpfung mit dieser Konstante entfallen. Das Ergebnis bildet die Gleichung (I.5). Zur besseren Übersicht werden bei den Gleichungen die UND-Zeichen fortgelassen. 3.2.5 Umsetzung in NAND- oder NOR-Technik
Q
Bild I-9 Umsetzung einer Gleichung in eine Schaltung Gleichungen lassen sich in die genormte Darstellung umwandeln, indem die entsprechenden Schaltzeichen nach (I-1)
Jede Grundfunktion läßt sich nach Bild I-12 durch NAND- oder NOR-Funktionen ersetzen. Besteht nun der Wunsch, die Schaltung nach Gleichung (I.4) nur aus NAND- oder NOR-Bausteinen aufzubauen, werden die Bausteine entsprechend eingesetzt, und man erhält eine funktionsfähige Schaltung. Treten hierbei Doppelnegierungen auf,
nach (I-4)
C B A
C B A
&
& Q
&
Q
&
Bild I-10 Schaltungen aus den Gleichungen (I.1) und (I.4)
&
B C
Q=A Q=
A
ABC
Q = AB Q = AB Q = AB
B C A BC
(C
C) 1
A B C
A B C
ABC
AB C
AC AC AC
(B
B)
C B A 1 & 1
1
Q &
1
Bild I-11 Schaltungsminimierung
I Digitaltechnik
527
Grundfunktion
Ersatz durch NAND
A
&
Q
&
A B
&
Q
&
A B
A B
A B
C B A
Ersatz durch NOR
Q
&
&
&
&
Q
&
&
Bild I-12 Ersatz der Grundfunktionen durch NAND- und NOR-Technik
& &
Q
& &
2 x UND
3 x NICHT
1 x ODER
& &
&
&
&
& &
&
Q
&
&
C B A 3 x NICHT
2 x UND
1 x ODER
Q
Bild I-13 Umsetzung einer Schaltung in NAND- und NOR-Technik dürfen Gatter entfallen, wie dies im Bild I-13 am Beispiel der Umsetzung in NAND- und NORTechnik gezeigt wird. NAND-Technik Die Gesamtschaltung benötigt dann eine geringere Anzahl an Gattern. NOR-Technik Das umständliche Verfahren, andere Grundfunktionen so durch NAND zu ersetzen, kann umgangen werden, wenn die Ausgangsgleichung sofort nach de Morgan umgewandelt wird. Hierbei wird bei Änderung des Verknüpfungszeichens (aus UND wird
ODER und umgekehrt) eine Negierung über beide Variable aufgetrennt. Bild I-14 weist dies in Form einer Tabelle nach. Die eigentliche Umwandlung kann ganz formal erfolgen (Bild I-15). Gleichung (I.5) wird zweimal negiert. Dadurch ändert sich die Gleichung nicht. Nun wird, unter Ersatz des ODER-Zeichens durch das UNDZeichen, die untere Invertierung überall dort, wo sich das ODER-Zeichen befindet, unterbrochen. Jede Invertierung wird dann zu einem NAND erweitert.
528
Datentechnik
A
B
0 0 1 1
0 1 0 1
A
B
A B
1 1 1 0
A
B
0 1 1 1
1 0 0 0
A
B
A B
A B
A B
1 1 0 0
1 0 1 0
1 1 1 0
1 0 0 0
0 1 1 1
Bild I-14 Umwandlung nach de Morgan
Q
&
&
Q= AB
AC
Q= AB
AC
Q= AB
AC
(I-5)
&
&
&
A
B
&
A
A
C
A C
B
(I-6)
werden, wie das in Bild I-17 aus der Entwicklung der Gleichung I.7 dargestellt ist. Man spricht dann von einer Vermaschung.
Der Vorteil in diesem Verfahren liegt darin, daß man in der Gleichung (I.6) schon die Schaltung „sehen“ kann. De Morgan Tritt die Forderung nach NAND mit nur zwei Eingängen auf, werden die entsprechenden Doppelnegierungen in eine Gleichung eingefügt. Die Umsetzung der Gleichung (I.7) in NAND-Technik zur NAND-Form Gleichung (I.8) und der Ergebnisbildung Gleichung (I.9) werden im Bild I-16 verdeutlicht. Eine aus dieser Gleichung erstellte Schaltung ist recht aufwendig. Sie kann rationeller hergestellt werden, wenn vorhandene Verknüpfungen mehrmals genutzt
ABCD
ABCD
ABCD
(I-7)
ABCD
ABCD
ABCD
(I-8)
ABCD
ABCD
ABCD
(I-9)
Bild I-16 NAND-Umwandlung für zwei Eingänge
A B C D & & & & &
&
& & &
Q
& &
& & & &
Bild I-15 Umsetzung nach NAND
&
& &
Bild I-17 Vermaschung
I Digitaltechnik
529
Wertetabelle
Aufteilung der Variablen
Zeile
B
A
0 1 2 3
0 0 1 1
0 1 0 1
A
A
A
A
B
B B
B
Zuordnung der Zeilen Zeile
B
A
0 1 2 3
0 0 1 1
0 1 0 1
A A A A A
B B B B
A
A
A
B A B A B
B
3
2
B A B A B
B
1
0
A
A
Vereinfachung Zeile
B
A
Q
0 1 2 3
0 0 1 1
0 1 0 1
1 0 1 0
A
A
B
1
Q= A
B
B
1
B
1
Q= A
B
B
1
A
B=A
Q=
A
B
Q=A
Bild I-18 Entwicklung der KV-Tabelle 3.2.6 KV-Tabelle Das von Karnaugh und Veitch entwickelte Verfahren ist praktisch eine besondere Art, eine Wertetabelle zu schreiben. Jedem Kästchen des Diagramms ist eine Zeile der Wertetabelle zugeordnet. Damit ergibt sich die Anzahl der Felder aus der Zahl der Eingangskombinationen. Die Anordnung erfolgt so, daß sich jeweils von Feld zu Feld nur eine Variable ändern darf (Bild I-18). Im Bild sind die entsprechenden Felder schraffiert und die Zuordnung der Zeilen zu den Feldern gekennzeichnet. Vergleicht man zwei benachbarte Felder und verknüpfen die dafür stehenden konjunktiven (UND-) Verknüpfungen disjunktiv (ODER), wie in der Gleichung dargestellt, dann läßt sich erkennen, daß nach einer Vereinfachung nur eine Variable das Ergebnis bildet. Damit sind Vereinfachungen durch Schleifenbildung möglich. Bild I-19 zeigt verschiedene Darstellungen von KV-Tafeln für 2 bis 5 Variable. Verknüpft, d.h. zu Schleifen zusammengefaßt, werden dürfen immer nur 2, 4, 8 . . ., also 2n Variable in senkrecht oder waagerecht nebeneinander liegenden benachbarten Feldern. Die Randfelder gelten ebenfalls als benachbart. Bild I-20 zeigt hierzu Beispiele mit den sich hieraus ergebenden Gleichungen. Alle Schleifen sind durch
UND verbunden. Für die Ergebnisbildung muß jede dieser Schleifen durch ODER verknüpft werden. Eine teilweise gegenseitige Überdeckung der Schleifen ist hierbei zulässig. Es sollten möglichst viele Variable in die Schleifenbildung einbezogen werden, um so den Gesamtausdruck der Gleichung zu verkleinern. Damit reduzieren sich die benötigten Bauelemente einer Schaltung unter Umständen erheblich. Können bestimmte Eingangskombinationen nicht auftreten, dann darf dies in der KV-Tafel gekennzeichnet werden (z.B. durch ein x). Für eine optimale Lösung werden diese Felder mit in die Schleifenbildung einbezogen. 3.2.7 Analyse logischer Schaltungen Soll eine Übersicht über alle möglichen Ausgangszustände in Abhängigkeit der jeweiligen Eingänge erstellt werden, ist die Wertetabelle eine geeignete Darstellungsform. Wird sie aus einer Schaltung ermittelt, spricht man von der Analyse einer digitalen Schaltung. Bild I-21 zeigt beispielhaft einen Lösungsweg auf. An die Ausgänge der Gatter werden die entsprechenden Verknüpfungsgleichungen (hier Q0 bis Q4) geschrieben und mit ihren jeweiligen Zuständen „1“ beziehungsweise „0“ in eine Tabelle eingeordnet. Der
530
Datentechnik für 2 Variable
Wertetabelle Zeile BA 0 0 0 1 0 1 2 1 0 3 1 1
A
A
B 3
2
B 1
B 1
0
0
A
1
0
1
0
für 3 Variable
Zeile 0 1 2 3 4 5 6 7
CB 0 0 0 0 0 1 0 1 1 0 1 0 1 1 1 1
A 0 1 0 1 0 1 0 1
A
A
3
2
7
6
A BC 11
C
B 10 C
5
4
1
0
00
B C
01 für 4 Variable
Zeile D C B A
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
0 0 0 0 0 0 0 0 1 1 1 1 1 1 1 1
0 0 0 0 1 1 1 1 0 0 0 0 1 1 1 1
0 0 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1
0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1
A
A
3
7
6
2
DC
D
11
B 11 15 14 10
10
D
9 13 12
8
00
B
1
C
5
4
0
BA 11 10 00 01
D
01
C
C
für 5 Variable A
A D
B
CBA ED 111 110 100 101 001 000 010 011 11 10
D
00 B D C
E
C
C E
C
E
01
Bild I-19 KV-Diagramme für 2 bis 5 Variable
C
Ausgang Q = Q2 v Q3 v Q4 beinhaltet dann die eigentliche Lösung. Es kann eine Überprüfung der gefundenen Gleichung vorgenommen werden, wenn die Lösungsgleichung mit den Regeln der Schaltalgebra vereinfacht wird. 3.2.8 Synthese logischer Schaltungen Soll eine Schaltung entworfen werden, spricht man von der Synthese einer Schaltung. Das meist in verbaler Form vorliegende Problem wird skizziert, und Variable und Ausgänge werden entsprechend zugeordnet. Über eine Wertetabelle werden bei allen möglichen Eingangskombinationen die gewünschten oder geforderten Ausgangskombinationen beschrieben. Anschließend erfolgt die Umsetzung der Wertetabelle in eine Gleichung, die dann gegebenenfalls
vereinfacht wird. Über diese Gleichung wird die Schaltung gezeichnet. Anschließend wählt man die entsprechenden Standardbausteine zur Realisierung der Schaltung aus. Beispiel 1: Eine Anlage soll von drei Temperatursensoren über-
wacht werden. Überschreitet die Temperatur einen vorgegebenen Wert, soll eine Meldung durch eine Anzeige erfolgen. Dies ist immer dann der Fall, wenn mindestens zwei der Sensoren „1“ melden. Die Schaltung soll mit dem Standardbaustein 7400 realisiert werden. Bild I-22 zeigt das Technologieschema, die Wertetabelle und eine mögliche Lösung. Beispiel 2: Konzeption eines Dual-Gray-Codierers. Ziel der
Schaltung ist es, eine anliegende 4-Bit-Dualzahl in den Graycode umzuwandeln. Die Schaltung besitzt jeweils 4 Ein- und Ausgänge. Zur Lösung der Aufgabe empfiehlt es sich, zunächst wieder die Wertetabelle aufzustellen (Bild I-23).
I Digitaltechnik
531
A
A
A
A
1
C
B
A
A
C
1
B 1
1
1
1
B
C
B
C
B
1
A
A
C
C
1
B
B
Q2 = AB
B
C
C
1
1
C
1
Q1 = BC
Q = AB
Q=C
Q = AC
A
A 1
A
A D
1
1
B
Q = BC AB
1
D
B
B
C
1
1
1
x
x
x
x
x
1
1
D x D x
B 1
D
1
C
C
C Q1= CD
1
D
B 1
1
B
D
1
A
A
D
C
C
C
Q2 = BD Q = CD
C
C
Q1= A
Q = CD BD
D
Q=A
Q2 = BC BC
Bild I-20 Beispiele für Schleifenbildung Analyse
C
Gleichungen
Schaltung B A 1
Q0 = A
& &
&
Q1= BC
1
Q4 = AB Q3 = AC
Q =Q4 Q3
Q2
Q =AB AC
BC
Q =AB AC BC Q
=
Q2 = BC
Tabelle:
C B A
0 0 0 0 1 1 1 1
0 0 1 1 0 0 1 1
Q0 = A
1 0 1 0 1 0 1 0
0 1 0 1 0 1 0 1
Q1= BC Q2 = BC Q3 = AC
Q4 = AB Q = Q2 Q3 Q4
0 0 0 0 0 0 1 1
0 0 0 0 1 0 1 0
0 0 1 0 0 0 1 0
Q = ABC
ABC
ABC
AC
BC
1 1 1 1 1 1 0 0
0 0 1 0 1 0 1 1
Nachweis: C B A
Q
0 0 0 0 1 1 1 1
0 0 1 0 1 0 1 1
0 0 1 1 0 0 1 1
0 1 0 1 0 1 0 1
Q=
AB
ABC
Bild I-21 Analyse einer Schaltung
532
Datentechnik
Technologieschema T1 T2
Anlage
Schaltung
Meldung M
T3
Gleichung
Wertetabelle T3 T2 T1 0 0 0 0 0 1 0 1 0 0 1 1 1 0 0 1 0 1 1 1 0 1 1 1
M 0 0 0 1 0 1 1 1
M =
T1 T2 T3
M = T1 T2
T1 T2 T3
T1 T2 T3
T1 T3
T2 T3
Schaltung aus der Gleichung T3 T2 T1
T1 T2 T3
Umwandlung nach NAND M = T1 T2
T1 T3
T2 T3
M = T1 T2
T1 T3
T2 T3
& >1 =
&
M
& Zuordnung der PIN-Belegung T3 T2 T1
IC 2
IC 1 1 2 &
3
4 5 &
6
9 10 &
12 & 8 13
4 5 &
11
1
&
6M
3
2 IC = 7400
4 Zahlensysteme in der Digitalund Datenverarbeitung Zahlen in der Digitaltechnik werden in binärer Form dargestellt. In der Datenverarbeitung sind das Dualsystem und das Hexadezimalsystem von Bedeutung. Jedes Zahlensystem besteht aus einer Anzahl von Ziffern zu einer Basis. Der Exponent bestimmt den Stellenwert, also die Wertigkeit der Ziffer. Die Ziffern selbst sind die Faktoren der Stellenwerte. Beim Dualsystem liegt die Basis 2 mit den Zeichen „0“ und „1“ und beim Hexadezimalsystem die Basis 16 mit den Zeichen „0“ bis „F“ zugrunde. Das Dezimalsystem mit der Basis 10 besitzt einen Ziffernvorrat von „0“ bis „9“, also 10 Zeichen oder Ziffern. Bild I-24 zeigt die drei Zahlensysteme im Vergleich.
Bild I-22 Synthese einer Schaltung
4.1 Dualsystem Synthese 4.1.1 Bildung der Dualzahlen und Umwandlung in Dezimalzahlen Im Dualsystem (Zweiersystem) werden nur die Ziffern „0“ und „1“ verwendet. Die Dualzahlen werden vom Prinzip her wie die Dezimalzahlen gebildet. Der Wert der Dualzahl ist die Summe der Produkte von Ziffer und Stellenwert. An zwei Beispielen wird dies durch Umwandlung einer Dual- in eine Dezimalzahl verdeutlicht (Bild I-25). 4.1.2 Umwandlung dezimal nach dual Die Dualzahl aus der Dezimalzahl erhält man, indem die Dezimalzahl jeweils durch zwei dividiert wird. Treten Restbeträge auf, wird dies durch „1“, sonst
I Digitaltechnik
533
Wertetabelle
Q0
A Dual
Gray
1 B
D 0 0 0 0 0 0 0 0 1 1 1 1 1 1 1 1
C 0 0 0 0 1 1 1 1 0 0 0 0 1 1 1 1
B 0 0 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1
A 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1
Q3 0 0 0 0 0 0 0 0 1 1 1 1 1 1 1 1
Q2 Q1 Q0 0 0 0 0 0 1 0 1 1 0 1 0 1 1 0 1 1 1 1 0 1 1 0 0 1 0 0 1 0 1 1 1 1 1 1 0 0 1 0 0 1 1 0 0 1 0 0 0
1 1
1
1
1
Q1
A 1
1 B
1
1
1
1
D
1 1
C
B
1
Q3
A
1
1
1
1
1 1
B D
1
1
1
1
1
1
1
1
C Gleichung 2
Schaltung 1
Gleichung 1
DCB A
Q0 = A Q1 = B Q2 = C Q3 = D
& 1
D
1 C
Q0 = AB AB Q1 = BC BC Q2 = CD CD Q3 = D
1 C
Q2
A
D
1
>1 =
B C D
Schaltung 2 DCBA
Q0
1
=1
Q0
=1
Q1
=1
Q2
& Q3 &
1
&
1
&
>1 =
Q1
>1 =
Q2
&
Bild I-23 Synthese einer Schaltung
Q3
Synthese Zahlensystem
Dezimalsystem
Dualsystem
1
3
10 10
0
2
1
2 2 2 2
Hexadezimalsystem 0
161 160
Basis Ziffernvorrat
1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 2
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0
1 1 1 1 1 1 1 1 0 0 0 0 0
1 1 1 1 0 0 0 0 1 1 1 1 0 0 0 0 1
1 1 0 0 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1 0
0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0
1 1 1 1 1
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 A B C D E F 0 1 2 3 4
Bild I-24 Zahlensysteme
534
Datentechnik 2
4
2
3
2
2
2
1
2
0
0
2
–1
2
–2
2
Beispiel 1
–3
2
–4
Bild I-25 Umwandlung von Dualin Dezimalzahlen
Beispiel 2
1 0 1 0 1 0 1 0 (2) 0 0*2 1 1*2 2 0*2 3 1*2 4 0*2 5 1*2 6
0*2 7 1*2
= =
0 (10) 2 (10) 0 8 0 32
= = = =
(10) (10) (10) (10)
1 0 1 0 ,1 0 1 (2) –3 1*2 –2 0*2 –1 1*2 0 0*2 1 1*2
= = = 2 0*2 = 3 1*2 =
0 (10) 128 (10)
= =
= 0,125 (10) = 0 (10) 0,5 0 2 0
(10) (10) (10) (10)
8
(10)
10,625 (10)
170 (10) 135 (10) 135 67 33 16 8 4 2 1
: : : : : : : : :
10,625 (10) 2 2 2 2 2 2 2 2 2
= 67 Rest = 33 Rest = 16 Rest = 8 Rest = 4 Rest = 2 Rest = 1 Rest = 0 Rest
1 1 1 0
10 5 2 1
: : : :
2 2 2 2
= = = =
Rest Rest Rest Rest
0 1 0 1
0 0
1 0 1 0, 1 0 1
0 1 0,625*2 = 0,25 *2 = 1 0 0 0 0 1 1 1 (2) 0,5 *2 =
durch „0“ gekennzeichnet. Die Folge der sich ergebenden 0- und 1-Werte entspricht dann der Dualzahl. Man sucht also die in der Dezimalzahl enthaltenen Zweierpotenzen. Zahlen hinter dem Komma werden mit 2 multipliziert und das Vorkommaergebnis jeweils hinter das Komma der Dualzahl übertragen (Bild I-26).
4.2 Hexadezimalsystem Für die Darstellung der dezimalen Zahlen 10 bis 15 werden im Hexadezimalsystem die zusätzlichen Zeichen A, B, C, D, E und F verwendet. Bei großen Zahlenwerten benötigen Dualzahlen sehr viele Ziffern. Sie werden unübersichtlich lang und damit unhandlich. Man verwendet daher Hexadezimalzahlen, die sich auf einfache Weise aus Dualzahlen bilden lassen. Jeder Tetrade wird eine Hexadezimalzahl zugeordnet. Die Umwandlung einer Hexadezimalzahl in eine Dezimalzahl und umgekehrt erfolgt vom Prinzip her wie die Umwandlung beim Dualsystem. Bild I-27 führt ein Beispiel auf. 1 1 11 0 0 0 0 10 10 0 10 1 F 0 A 5 F0 A 5
5 2 1 0
(16) 0 5 * 161 10* 162 0 * 163 15* 16
(2)
= 5 = 160 = 0 = 61440 61605(10)
Bild I-27 Bildung und Umwandlung von Hexadezimalzahlen
1,25 0,5 1
Bild I-26 Umwandlung von Dezimal- in Dualzahlen
4.3 Rechnen mit Dualzahlen Bild I-28 zeigt die Grundregeln für zweistellige Dualzahlen und Beispiele für mehrstellige Dualzahlen, wo die jeweilige Dezimalzahl im Vergleich mit angegeben ist. Bei der Addition entsteht bei der Summenbildung 1 + 1 ein Übertrag, der zur nächsthöheren Stelle addiert werden muß. Bei der Subtraktion 0 – 1 muß eine Zahl von der nächsthöheren Stelle geholt (geborgt) werden. Die Multiplikation erfolgt wie bei den Dezimalzahlen durch Teilproduktbildung mit anschließender Addition. Bei der Division wird festgestellt, wie oft der Dividend im Divisor enthalten ist. Dies geschieht wie bei dem Dezimalsystem durch Subtraktion.
4.4 Zahlen in Rechenanlagen 4.4.1 Darstellung von Zahlen In Rechenanlagen unterscheidet man die Darstellung als Festpunkt- oder Gleitpunktzahl. Bei den Festpunktzahlen erfolgt die Kennzeichnung einer positiven Zahl mit dem MSB = „0“ (MSB = Most Significant Bit = Höchstwertigstes Bit), und die negative Zahl besitzt „1“ als MSB (Bild I-29). Da die negative Zahl im Zweierkomplement dargestellt ist, setzt dies voraus, daß eine bestimmte Wortbreite n festliegt. Damit ist auch der Zahlenbereich bei nur positiven Zahlen (Z) mit Zmin = 0 und Zmax = 2n und bei positiver und negativer Zahlendarstellung mit Zmin = – 2(n–1) und Zmax = 2(n–1) – 1 begrenzt. Das Beispiel führt bei unterschiedlichen Wortbreiten die kleinste und größte
I Digitaltechnik
535 Addition von Dualzahlen Addition mehrstelliger Dualzahlen
Addition zweier Dualzahlen 0 0 0
A +B S
1 0 1
0 1 1
A = 67 = + B = 33 =
1 1 +1 0
1000011 100001 + 1 Übertrag 1100100
S = 100 = Übertrag Subtraktion von Dualzahlen Subtraktion zweier Dualzahlen
A –B D
1 0 1
0 0 0
Subtraktion mehrstelliger Dualzahlen
1 1 1 0
0 1 –1 1
A = 67 – B = 33
= =
1000011 100001 Übertrag –1 = 0100010
D=
Übertrag Multiplikation von Dualzahlen
Multiplikation zweier Dualzahlen A *B P
1 0 0
0 0 0
Multiplikation mehrstelliger Dualzahlen
1 1 1
0 1 0
A = 13
1 1 0 1 0 0 0 0 0 1
* 0 0 1 1 = 1 0 0
B= 3
A * B = 39
0 0 1 1 0 0 1 1 01 1 11
Division von Dualzahlen Division zweier Dualzahlen A :B Q
0 0 0
1 0 0
0 1 0
Division mehrstelliger Dualzahlen 1 1 1
A =44
10 110 – 10 0 110 – 100 10 –10 00
B= 4
A : B =11
Format
Beispiel
positive Zahl
Bild I-28 Rechnen mit Dualzahlen Zmin
4
Zmax
–8
7
8
– 128
127
16
– 32768
32767
Bit
negative Zahl
1
0 0 0
n
15 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0
0
0 : 10 0 = 1 0 1 1
Vorzeichen-Bit (MSB) dual
Zahlenkreis
dezimal
MSB 0 0 0 0 0 0 0 0 1 1 1 1 1 1 1 1
1 1 1 1 0 0 0 0 1 1 1 1 0 0 0 0
0100 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1 0 0
1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0
7 6 5 4 3 2 1 0 –1 –2 –3 –4 –5 –6 –7 –8
0011 0010 0001 0000 1111
3
4
5
2
0101
1
7
0
0111
– 8 1000
–1
1110
0110
6
–7
–2
1101
–6 –3 –4 –5 1100
1001
1010
1011
Bild I-29 Festpunktzahlen
536
Datentechnik
darstellbare Zahl auf und zeigt in Form einer Tabelle und am Zahlenkreis die Zahlen – 8 bis +7 bei einer Wortbreite von n = 4. Bei der Gleitpunktzahlendarstellung ist das MSB wie bei den Festpunktzahlen dem Vorzeichen vorbehalten, es folgen Binärstellen für den Exponent und für die Mantisse. Der darstellbare Zahlenbereich hängt vom Exponenten ab. Häufig werden Doppelworte, wie z.B. zwei 16-Bit-Worte benutzt. Bild I-30 beschreibt das Format dualer Gleitpunktzahlen auch anhand eines Beispiels.
Beispiele:
Dualzahl: 01010101 EK: 10101010
EK 10101010 +1 ZK 10101011
4.4.3 Subtraktion mit Hilfe des Komplements Mit Hilfe des Zweierkomplements lassen sich Subtraktionen durchführen. Der Rechner führt diese Subtraktion praktisch auf eine Addition zurück. Er bildet zunächst das Zweierkomplement der zu sub-
Format Exponent
Mantisse MSB Mantisse
Beispiel: Festpunktzahl 10,625
Gleitpunktzahl 0,10625 * 10 Mantisse
2
Dualzahl 1010,101
Exponent
duale Gleitpunktzahl
Dualzahl
01010101 * 24
1010,101
0 0 0 0 0 0 1 0 0 1 0 1 0 1 0 1 . . . 0
Bild I-30 Gleitpunktzahlen
4.4.2 Einer- und Zweierkomplement Das Zweierkomplement ZK einer Zahl Z ist deren Ergänzung zur nächsthöheren Wertigkeit Bn, wobei n die Stellenanzahl und B Basis des Zahlensystems ist. Dagegen ist das Einerkomplement EK die Ergänzung der Zahl Z zur nächsthöheren Wertigkeit Bn – 1. Dies sollen die in Bild I-31 aufgeführten Beispiele in Form einer Tabelle an Dezimal- und an Dualzahlen verdeutlichen.
trahierenden Zahl durch Invertieren der Zahl (EK) und führt anschließend eine Addition mit „1“ durch. Werden Festpunktzahlen mit beliebigen Vorzeichen addiert, muß der Rechner das Ergebnis auf seine Korrektheit überprüfen. Das Ergebnis ist falsch, wenn die Operanden gleiches Vorzeichen besitzen und das Ergebnis ein davon verschiedenes Vorzeichen.
n B –1
B
n
n B
Z
EK
100
10
2
100
22
77
99
99
365
1000
10
3
1000
635
364
999
999
101
011
1000
2
3
1000
101
101
111
111
1010
0110
10000
2
4
10000
1010
1010
1111
1111
Z
ZK
22
78
635
Bei den Dualzahlen erhält man das Einerkomplement der Zahl Z durch Invertierung aller Stellen der Zahl und das Zweierkomplement einer Zahl Z durch die Addition des Einerkomplements mit „1“.
Bild I-31 Bildung des Komplements
Beispiele: n Beispiele: = 10 = 00001010 AA = 10 = 00001010 = –2 = 11111110 BB = –2 = 11111110 + (–B) A +A(–B) = =
A = 2 = 00000010 B = –10 = 11110110
00001000 00001000 = 8= 8 A + (–B) =
11111000 = – 8
I Digitaltechnik
537
Vorgehensweise des Rechners:
sechzehn Kombinationen bilden kann, werden sechs dieser Bit-Kombinationen, die nicht benötigt werden, Pseudotetraden (Pseudo griech. scheinbar) genannt. Allgemein werden diese überschüssigen Elemente als Redundanz (siehe auch 1.5.6) bezeichnet. Die einzelnen BCD-Codes unterscheiden sich durch die Lage der Pseudotetraden. Beim BCD-Dual-Code sind dies beispielsweise die Codewörter 1010 bis 1111 und beim Aikencode die Codewörter von 0101 bis 1010. Durch Reihenbildung der jeweiligen Codewörter können beliebig lange Dezimalzahlen codiert werden.
B = 00000010 → EK = 11111101 + 1
ZK(B) = 11111110 ←⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 11111110 A + (–B) = 00001000
5 Codes 5.1 Allgemeines Nach DIN 43300 sind Codes eindeutige Zuordnungen von Zeichen eines Zeichenvorrates zu den Zeichen des anderen Zeichenvorrates. Codierung ist die Zuordnung eines Zeichens aus dem Zeichenvorrat X zu einem Zeichen des Zeichenvorrats Y, und Decodierung ist die Rückführung des Zeichens aus dem Zeichenvorrat Y zum Zeichen des Zeichenvorrats X. Ist die codierte Information eine Zahl, spricht man von einem numerischen Code. Sind zusätzlich Buchstaben und Zeichen codiert, ist es ein alphanumerischer Code. Kommt in einem Code die Wertigkeit der Stellen zum Ausdruck, ist es ein bewerteter (z.B. BCD) oder gewichteter Code. Ist die Anordnung im Code ohne Wertigkeit der einzelnen Stelle, spricht man von einem unbewertetetem oder ungewichtetem Code (z.B. 3-Excess-Code). Ändert sich das vorherige Zeichen zum nachfolgenden immer nur um 1 Bit, ist es ein einschrittiger (z.B. Gray-Code), ansonsten ein mehrschrittiger Code. Die Zuordnungsvorschrift wird in Codetabellen festgelegt. Bild I-32 zeigt eine Übersicht gängiger 4-Bit-Codes (tetradische Codes). BCD–Code
8421
8421
0 0 0 0 0 0 0 0 1 1 1 1 1 1 1 1
0 0 0 0 1 1 1 1 0 0 0 0 1 1 1 1
0 0 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1
0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9
0 0 0 0 0 0 0 0 1 1
0 0 0 0 1 1 1 1 0 0
Beispiel:
Wertigkeit: 8 4 2 1 Dualzahl: 1 0 0 1 = 1 ⋅ 8 + 0 ⋅ 4 + 0 ⋅ 2 + 1 ⋅ 1 = 8 + 1 = 9
Treten bei der Addition Pseudotetraden auf, ist eine Korrektur mit +6 dual nötig. Beispiel:
A = 15 = 0001 0101 B = 17 = 0001 0111
A = 11 = 0001 0001 B = 12 = 0001 0010
0010 1100 Pseudotetrade A + B = 23 = 0010 0011 0000 0110 Korrektur A + B = 32 = 0011 0010
Gray–Code
Aiken–Code
0 0 1 1 0 0 1 1 0 0
0 1 0 1 0 1 0 1 0 1
Pseudo– Tetraden
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Pseudo– Tetraden 0 0 1 0 1 0 0 1 0 0 1 1 0 1 1 1 0 0 1 0 0 1 0 1 1 0 1 1 1 0 Pseudo– Tetraden
1 0 1 0 1 0 1 0 1 0
Dezimalzahl
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
8 4 2 1
Dezimalzahl
8 4 2 1
3–Excess–Code
Dieser Code wird allgemein BCD-Code oder auch 8-4-2-1-Code genannt. Da die Stellenbewertung im Dualsystem angegeben ist, ist dieser Code ein bewerteter Code.
2421
Dezimalzahl
Dezimalzahl
Dual–Code
5.3.1 BCD-Dual-Code
2 4 2 1
0 1 2 3 4
0 0 0 0 0
0 0 0 0 1
0 0 1 1 0
0 1 0 1 0
Pseudo– Tetraden 5 6 7 8 9
5.2 Binär-Code Als Binärcode bezeichnet man Wörter aus Binärzeichen. Die Darstellung erfolgt wie bei den Dualzahlen.
5.3 BCD-CodeDual-Code Im BCD-Code (BCD = Binary Coded Decimal) wird jede Stelle einer Dezimalzahl durch ein binäres 4-BitMuster (Tetrade) dargestellt. Da man mit vier Stellen
1 1 1 1 1
0 1 1 1 1
1 0 0 1 1
1 0 1 0 1
Dezimalzahl
A = 00001010
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
0 0 0 0 0 0 0 0 1 1 1 1 1 1 1 1
0 0 0 0 1 1 1 1 1 1 1 1 0 0 0 0
0 0 1 1 1 1 0 0 0 0 1 1 1 1 0 0
0 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1 0
Bild I-32 Codes
Bild I-33 zeigt eine häufige Anwendung des BCD-Codes, wie dieser Code auch allgemein genannt wird. Er steuert dort über einen Decoder 7-Segmentanzeigen (Bild I-34). Handelsübliche Anzeigen gibt es mit einer gemeinsamen Anode oder einer gemeinsamen Katode. Bei einem Segment mit einer gemeinsamen Anode leuchtet beispielsweise die „0“ auf, wenn die Segmente a, b, c, d, e und f Spannung erhalten („1“ sind).
5.3.2 3-Excess-Code Aiken-Code Gray-Code Der 3-Excess-Code ist ein nicht bewerteter, symmetrischer Code. Seine „Spiegelachse“ liegt zwi-
538 0
Datentechnik 1
1
0
0
BCD–Code 23 22 21 20 0 0 0 0 1 1 1 1 0 0
0 0 1 1 0 0 1 1 0 0
1
1
1
BCD–7– Segment– Decoder
BCD–7– Segment– Decoder
0 0 0 0 0 0 0 0 1 1
0
0 1 0 1 0 1 0 1 0 1
g 0 0 0 1 1 1 1 0 1 1
0
0
Bild I-33 Ansteuerung mit BCD-Code
0
BCD–7– Segment– Decoder
7–Segment–Code f e d c b a 1 0 0 0 1 1 1 0 1 1
1 0 1 0 0 0 1 0 1 0
1 0 1 1 0 1 1 0 1 1
1 1 0 1 1 1 1 1 1 1
1 1 1 1 1 0 0 1 1 1
1 0 1 1 0 1 1 1 1 1
a
a b
a f
b
c
f
d
e
c
d
b
a g
e
e
c
b
d c
e
d
f
f g
g
Bild I-34 7-Segmentanzeigen und Ansteuerung schen 410 und 510. Beim Rechnen sind Korrekturen notwendig. Beispiel
A = 15 = 0100 1000 B = 17 = 0100 1010 1000 0010 1101 0011 Korrektur A + B = 32 = 0110 0101
stimmung einer Position auf einer Wegstrecke. Bild I-35 veranschaulicht dies an einem Codelineal, das von Sensoren abgetastet wird. Mögliche Fehljustierungen beschränken bei diesem Code den Fehler auf ein Bit. Bei Einsatz des Dual-Codes würden sich beim Übergang von der Zahl 3 nach 4 drei Stellen verändern und bei Fehljustierung der Sensoren einen erheblichen Fehler erzeugen.
Bei diesem Code können gerade und ungerade Zahlen durch die letzte Stelle leicht unterschieden werden und eine Komplementbildung ist durch Vertauschen von „0“ und „1“ ebenfalls einfach auszuführen.
BCD-Code
Gray-Code
5.3.3 Aiken-Code Der Aiken-Code ist ein symmetrischer Code mit der Bewertung 2421. Beispiel: BCD-Code
Wertigkeit: 2 4 2 1 Dualzahl: 1 1 0 1 = 1 ⋅ 2 + 1 ⋅ 4 + 0 ⋅ 2 + 1 ⋅ 1 = 2 + 4 + 1 = 7 Ungerade und gerade Zahlen sind wie beim 3-Excess-Code durch die letzte Stelle leicht erkennbar. Dieser Code benötigt beim Rechnen keine Korrekturen.
0111 1000
0100 1100
5.4 Gray-Code Der Gray-Code läßt sich für jede Wortbreite realisieren. Er ist ein unbewerteter oder ungewichteter Code und unterscheidet sich von dem vorherigen und nachfolgenden Bitmuster jeweils nur um ein Bit. Man spricht auch von einem einschrittigen Code. Er wird oft zur Umwandlung analoger Größen in eine digitale Information umgesetzt, wie beispielsweise die Be-
Fehlabtastung
Bild I-35 Abtastung und Fehljustierung
I Digitaltechnik
539
5.5 Codierung alphanumerischer Zeichen
Tabelle I-1 Zahlen und Buchstaben im ASCII-Code
Der ASCII-Code (ASCII = American Standart Code of Information Interchange = Amerikanischer Standardcode zum Datenaustausch) (Bild I-36, Tabelle I-2) ist genormt nach DIN 6603. 00
0 0 0 0 0 0 0 0 1 1 1 1 1 1 1 1
0 0 0 0 1 1 1 1 0 0 0 0 1 1 1 1
0 0 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1
0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1
0 NUL SOH STX ETX EOT ENQ ACK BEL BS HT LF VT FF CR SO SI
00
1 DLE DC1 DC2 DC3 DC4 NAK SYN ETB CAN EM SUB ESC FS GS RS US
01
0
10
" # $ % & ( ) * +
/
0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 : ; < = > ?
01
1 @ A B C D E F G H I J K L M N O
10
1
11
P Q R S T U V W X Y Z
a b c d e f g h i j k l m n o
–
Bit 7 6 5 4 3 2 1
0
11
1
p q r s t u v w x y z
0
30
A
41
a
61
1
31
B
42
b
62
2
32
C
43
c
63
3
33
D
44
d
64
4
34
E
45
e
65
5
35
F
46
f
66
6
36
G
47
g
67
7
37
H
48
h
68
8
38
I
49
i
69
9
39
J
4A
j
6A
K
4B
k
6B
L
4C
l
6C
M
4D
m
6D
N
4E
n
6E
O
4F
o
6F
P
50
p
70
Q
51
q
71
R
52
r
72
S
53
s
73
T
54
t
74
U
55
u
75
V
56
v
76
W
57
w
77
X
58
x
78
Y
59
y
79
Z
5A
z
7A
DEL
ASCII-CODE
Bild I-36 ASCII-Code Er ist ein 7-Bit-Code, mit dem man 27 = 128 Zeichen codieren kann. Außer den Ziffern 0 bis 9 und den Buchstaben a bis z beinhaltet dieser Code Sonderund Steuerzeichen. Bild I-36 beschreibt die Möglichkeit der Zeichenzuordnung zu den jeweiligen Binärzeichen. Benötigt man beispielsweise den Code für A, dann läßt sich der über die Bitfolge Bit7, Bit6, Bit5 mit 100 und Bit4, Bit3, Bit2 und Bit1 mit 0001 finden (A = 1000001). Die häufig benötigten Zahlen und Buchstaben sind in Hex-Darstellung unter der Tabelle I-1 zusammengefaßt. Bei Übertragungen wird ein 8. Bit (Parity-Bit = Paritäts-Bit) zur Fehlererkennung mit übertragen. Beispiel für die Codierung: R
O 1010010
M 1001111
1001101
Tabelle I-2 Bedeutung der Abkürzungen im ASCII-Code NUL
NULL
Null
SOH
START OF HEADING
Beginn der Kopfzeile
STX
START OF TEXT
Textbeginn
ETX
END OF TEXT
Textende
EOT
END OF TRANSMISSION
Übertragungsende
ENQ
ENQUIRE
Anfrage für Übertragung
ACK
ACKNOWLEDGE
Antwort bejahend
BEL
BELL
Klingelzeichen
BS
BACK SPACE
Rückschritt
HT
HORIZONTAL TABULATION
Tabellierung (horizontal)
VT
VERTICAL TABULATION
Tabellierung (vertikal)
LF
LINE FEED
Zeilenvorsprung
FF
FORM FEED
Seitenvorschub
540
Datentechnik
Tabelle I-2 (Fortsetzung) CR
CARRIAGE RETURN
Wagenrücklauf
SO
SHIFT OUT
Dauerumschaltung
SI
SHIFT IN
Rückschaltung
DLE
DATA LINK ESCAPE
Datenumschaltung
DC1...4
DEVICE CONTROL
Steuersignale
NAK
NEGATIVE ACKNOWLEDGE
Antwort verneinend
SYN
SYNCHRON
Synchronisation
ETB
END OF TRANSMISSION BLOCK
Übertragungsblockende
EM
END OF MEDIUM
Aufzeichnungsende
ESC
ESCAPE
Umschaltung
FS
FILE SEPARATOR
Trennzeichen
GS
GROUP SEPARATORS
Gruppentrennzeichen
RS
RECORD SEPARATOR
Untergruppenkennzeichen
US
UNIT SEPARATOR
Teilgruppentrennzeichen
DEL
DELETE
Löschen
5.6 Fehlererkennung und Redundanz Um einen Fehler bei der Übertragung digitaler Informationen zu erkennen, müssen außer den eigentlichen Daten weitere Zeichen übertragen werden. Ein Maß für diese zusätzlichen Zeichen ist die Redundanz (Weitschweifigkeit). Beispiel: Wird ein 4-Bit-Wort übertragen, ergeben sich 24 = 16
Kombinationsmöglichkeiten. Daraus folgt, daß mit n-Bits 2n = Z Kombinationen möglich sind. Um beispielsweise die Ziffern 0 bis 9 darzustellen, sind nur 10 Zeichen notwendig. Die gesuchte Anzahl n, die zur Darstellung dieser Zeichen notwendig ist, läßt sich über den Logarithmus zur Basis 2 (Log. dualis) finden (Gleichung I.1).
ln Z ln 10 = = 3, 3219 ln 2 ln 2
Erzeugt werden kann das Paritätsbit (gerade Parität) mit Hilfe von EXOR-Verknüpfungen. Bild I-38 zeigt eine mögliche Schaltung zu Erzeugung gerader Parität und die Überprüfung eines Datenwortes. Soll eine ungerade Parität erzeugt werden, ist ein zusätzlicher Inverter nötig. Eine nicht korrekte Datenübertragung wird durch Paritätsprüfung im Empfänger erkannt. Die genaue Ortung des Fehlers ist allerdings so nicht möglich. Erzeugung des Paritätsbit P 1 1 0 1 0 0 0 1
(I.1)
=1
Dies bedeutet, daß 3,2.. Bit eigentlich nur notwendig sind. Da zur Darstellung dieser Zeichen aber 4 Bit benutzt werden, ist die Redundanz R nach der Gleichung (I.2) 0,68 Bit.
=1
ld Z =
=1 =1 =1
R = n – ld Z = 4 Bit – 3,32 = 0,68 Bit (I.2) Beim ASCII-Code beträgt demnach die Redundanz mit n = 8: R = 8 Bit – 7 = 1 Bit. Der Dual- und Gray-Code enthält keine Redundanz, da hier alle Codewörter benutzt werden.
5.6.1 Einfache Prüfung auf Parität
Überprüfung des Paritätsbit
Wird ein Bit der eigentlichen Information zur Fehlererkennung zugefügt, spricht man von einem Paritätsbit. Es kann das Wort auf eine gerade Anzahl von „1“sen (even parity check) oder ungerade Anzahl von „1“sen (odd parity check) ergänzen (Bild I-37). P
gerade
0
korrekte Daten
1 1 0 1 0 0 0 1 =1
=1 =1 =1
D6 D5 D4 D3 D2 D1 D0
1
0
1
0
1
0
1
1
0
1
"1" "0"
=1 =1
Daten
Paritätsbit ungerade
=1
1
1
0
Bild I-37 Paritätsbit
1
0
fehlerhafte Daten
Bild I-38 Erzeugung und Überprüfung des Paritätsbits
I Digitaltechnik
541
5.6.2 Kreuzsicherungsprüfung
4-Bit-Worten bestehende Datenblock mit zusätzlichen Paritätsbits übertragen. Im Empfänger erfolgt anschließend eine Prüfung auf Parität. Fehlerhafte Daten werden erkannt, da die Ortung durch den Kreuzungspunkt (im Bild gekennzeichnet) erfolgt. Durch Invertierung kann eine Korrektur erfolgen. Mehrfachfehler können auf diese Weise allerdings nicht korrigiert werden. Paritätsbit
Eine weitere Möglichkeit, Fehler zu erkennen und eine Korrektur vorzunehmen, ist die Kreuzsicherungs- oder Kreuzparitätsprüfung. Hierbei wird ein Datenblock mit Paritätsbits für die Reihen und mit einem Paritätswort für die Spalten des Übertragungsblockes versehen. Im Bild I-39 wurde der aus sieben Übertragungs– fehler 0
1
0
1
0
0
1
0
0
1
1
0
0
0 1 0
1
Parity-Bit
0
1
0
0
Parity-Bit
0
1
0
1
0
0
1
0
1
0
Parity-Bit
1
1
0
0
0
1
1
0
0
0
Parity-Bit
1
0
0
1
0
1
0
0
1
0
Parity-Bit
0
1
0
0
1
0
1
0
0
1
Parity-Bit
0
1
1
1
1
0
1
1
1
1
Parity-Wort
1
0
0
0
0
0
0
0
0
Übertragungsblock
Parity-Bit
1
Bild I-39 Kreuzparitätsprüfung
1
5.6.3 Hamming-Code Daten
D3 0 0 0 0 0 0 0 0 1 1 1 1 1 1 1 1
D2 0 0 0 0 1 1 1 1 0 0 0 0 1 1 1 1
D1 0 0 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1
Daten + Redundanz
D0 D0 D1 0 0 0 1 1 1 0 0 1 1 1 0 0 1 0 1 0 1 1 1 0 0 0 1 0 1 1 1 0 0 1 0 0 0 1 1 0 0 1 1 0 1 0 0 0 1 1 1
D2 0 0 0 0 0 0 0 0 1 1 1 1 1 1 1 1
D3 0 1 1 0 1 0 0 1 0 1 1 0 1 0 0 1
D4 0 0 0 0 1 1 1 1 0 0 0 0 1 1 1 1
D5 0 0 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1
D6 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1
Daten korrekt
D6 D5 D4 D3 D2 D1 D0 0 1 0 1 0 1 0 =1 =1 0 =1 =1 =1 0 =1
=1 =1 0 =1
Bild I-40 Bildung des Übertragungswortes beim Hamming-Code
P0 P1 D3 P2 D2 D1 D0
Paritätsbit fehlerhaft
Datenbit fehlerhaft
D6 D5 D4 D3 D2 D1 D0 0 1 0 1 0 1 1
D6 D5 D4 D3 D2 D1 D0 1 1 0 1 0 1 0 =1
=1 =1 0
=1
=1 1
=1
=1
=1 =1 0
=1
=1
Bild I-41 Fehlerermittlung
=1 1 =1
=1 =1 0
=1 1 =1
=1
542
Datentechnik
Mit Hilfe des Hamming-Codes ist es möglich, fehlerhafte Bits genau zu bestimmen und danach zu korrigieren. Hierzu werden mehrere Prüfbits übertragen, wobei die Anzahl der Prüfbits von der Informationswortbreite abhängt. Den Zusammenhang zwischen Informationswortbreite und Anzahl der Redundanzbits nennt man auch Hamming-Distanz. Nachfolgend sind in Tabelle I-3 für übliche Wortbreiten die Anzahl der Datenbits und Prüfbits angegeben.
Eingangsvariablen bestimmt werden (kombinatorische Schaltungen). Schaltwerke sind Schaltnetze, die ein zusätzliches Speicherverhalten aufweisen können (sequentielle Schaltungen). Die meisten Grundschaltungen brauchen nicht aus einzelnen Gattern aufgebaut werden, sondern werden von den Herstellern als komplexe digitale Schaltung für universelle Einsätze angeboten oder können durch zusätzliche äußere Beschaltung den individuellen Wünschen angepaßt werden. In diesem Zusammenhang spielen programmierbare Digitalbausteine wie PAL’s und Gal’s eine immer größere Rolle. Sie werden in der Automatisierungs-, Meß- und Datentechnik eingesetzt oder sind Teilbausteine größerer hochintegrierter Schaltungen.
Tabelle I-3 Daten- und Prüfbits Wortbreite
8
16
32
64
Datenbits
4
11
26
57
Prüfbits
4
5
6
7
6.2 Schaltnetze
Beispiel zur Bildung des Übertragungswortes (Bild I-40): P1
Logische (kombinatorische) Schaltungen, deren Ausgänge eindeutig von den Eingangsvariablen bestimmt werden, bezeichnet man als Schaltnetze. In diesen Schaltungen befinden sich keine Speicherelemente.
wird aus D3, D2 und D0 gebildet. Für die gerade Parität steht „0“ und für ungerade Parität „1“. Die Quersumme der „1“sen aus a, b und c ergibt mit dem Prüfbit immer eine gerade Parität. Für eine 4-Bit-Information werden 3 Prüfbits benötigt. Damit wird das Datenwort 7 Bit breit. Nach dem Beispiel werden die Daten mit D2, D4, D5 und D6 ohne Änderung übertragen. Die entsprechenden Prüfbits P0(D0), P1(D1) und P2(D3) werden jeweils in Abhängigkeit der durch Pfeile gekennzeichneten Daten gebildet: a = P0, D0, D2 und D3; b = P1, D0, D1 und D3; c = P2, D0, D1 und D2 und nach Zusammensetzung des zu übertragenden Datenwortes: a = D0, D6, D4 und D2; b = D1, D6, D5 und D2; c = D3, D6, D5 und D4. Die Prüfung der Daten erfolgt so, daß ein Prüfbit mit mindestens zwei Datenbits in Verbindung gebracht wird. Je nach 3-BitAusgangswort ist das fehlerhafte Bit, Datenbit oder Paritätsbit, erkannt und kann durch Invertierung korrigiert werden. Die Prüfung nach der Datenübertragung zeigt an, daß alle Daten korrekt übertragen wurden, weil das Prüfausgangswort 0 0 02 ergibt. Bei fehlerhafter Datenübertragung wird dies durch das Prüfausgangswort in der Weise angezeigt, daß es mindestens zwei „1“sen beinhaltet. Wurde das Paritätsbit selber fehlerhaft übertragen, wird dies nur durch eine „1“ mitgeteilt. Da die Bitkombinationen den entsprechenden Daten- beziehungsweise Paritätsbits zugeordnet sind, kann der Fehler erkannt und behoben werden. Bild I-41 veranschaulicht mögliche Fehlerkombinationen. Im ersten Fall ist D0 (Paritätsbit) fehlerhaft und im zweiten Fall das Datenbit D6.
6.2.1 Rechennetze Eine der wesentlichen Rechenschaltungen ist der Addierer, weil die Recheneinheit des Prozessors viele Rechenoperationen auf Additionen zurückführt. 6.2.1.1 Halbaddierer Halbaddierer addieren zwei binäre Werte und zeigen die Summe und den Übertrag an (Bild I-42). 6.2.1.2 Volladdierer Sollen n-stellige Zahlen addiert werden, wird für jede Binärstelle ein Addierwerk benötigt. Ein Halbaddierer ist mit seinen zwei Eingängen hierzu nicht geeignet, weil eventuelle Überträge der niederwertigeren Stelle auch verarbeitet werden müssen. Schaltungen, die den Eingangsübertrag mit verarbeiten können, nennt man Volladdierer. Bild I-43 zeigt dies beispielhaft. Ein Volladdierer läßt sich aus Halbaddierern aufbauen, wenn die Summe A + B eines Halbaddierers einem zweiten Halbaddierer zugeführt und dort mit dem Übertrag der niederwertigen Stelle addiert wird. Der Übertragsausgang muß über ein ODER-Gatter gesondert herausgeführt werden (Bild I-44). Der
6 Digitale Grundschaltungen 6.1 Allgemeines Digitale Schaltungen können nach Schaltnetzen und Schaltwerken unterschieden werden. Schaltnetze sind Schaltungen, deren Ausgänge eindeutig von den Beispiel X = 0 1 0 Y = 1 1
X+Y = 1 0 1 A = B =
1 1
Wertetabelle B
A
0 0 1 1
0 1 0 1
Schaltung
CO
0 1 1 0
0 0 0 1
Schaltzeichen
B A
A
P
B
Q
=1
&
CO
CO
A+B = 1 0
Summe Übertrag CO
Bild I-42 Addition einer Binärstelle und Halbaddierer
I Digitaltechnik
543
Beispiel X = 0 1 0 Y = 1 1
X+Y = 1 0 1 1 1 1
A = B =
I-45 zeigt. Die Gleichung für den Übertrag läßt sich vereinfachen.
Schaltzeichen
Übertrag Cl
A
P
B
Q
Cl
Cl
6.2.1.3 Serieller n-Bit-Addierer
CO
A+B = 1 0
Bild I-43 Volladdierer
Summe Übertrag
Eingang für den Eingangsübertrag wird mit CI = Carry In und der Übertragsausgang mit CO = Carry Out abgekürzt. Die Realisierung eines Volladdierers kann auch über die Wertetabelle vorgenommen werden, wie Bild
Führt man dem Addierer nacheinander taktweise die Zahlen A und B zu und verarbeitet eventuell auftretende Überträge, die beim nachfolgenden Takt addiert werden müssen, dann ergibt sich aus den Einzelsummen die Gesamtsumme nach n-Takten. Das Beispiel Bild I-46 zeigt das Prinzip für zwei 4-Bit-Zahlen. Für die Ein- und Ausgabe werden hier Schieberegister benötigt, die taktsynchron gesteuert werden müssen. Im dargestellten Beispiel steht die Summe nach dem vierten Takt in einem Speicher zur Verfügung. Bit 3 2 1 0
A B
Schaltung
3 2 1 0
A
P
P
C
B
Q
Q
A = 1001 B = 0101
CI
>1 =
A 0 1 0 1 0 1 0 1
0 1 1 0 1 0 0 1
Carry
CO
1 0 0 0 1
P Q CI CO
0 1 0 0 1
0 0 1 0 1
1 1 0 1 0
Bild I-46 Serielle Addition Schaltung
Wertetabelle B 0 0 1 1 0 0 1 1
Q CI
CO
Bild I-44 Volladdierer aus zwei Halbaddierern
CI 0 0 0 0 1 1 1 1
Bit 3 2 1 0
P
CO 0 0 0 1 0 1 1 1
CI
B
A &
&
&
KV-Diagramme
A
A 1
1 B
&
B
1
1
1
CI 1
CI &
1
1
&
CO = AB
BC AC &
Bild I-45 Volladdierer aus Grundgattern
CO
544
Datentechnik
6.2.1.4 Paralleler n-Bit-Addierer
Stellenzahl erhöht sich der Schaltungsaufwand erheblich, aber die Zeit bleibt auf zwei Gatterlaufzeiten begrenzt. Als Standardbaustein bietet sich Look ahead Carry Generator 74182 an.
Da der Aufbau eines parallelen n-Bit-Addierers über die Wertetabelle zu aufwendig ist, wird er aus Volladdierern hergestellt. Für jede zu addierende Bitstelle ist hierbei ein Volladdierer vorzusehen. Da bei der niedrigsten Stelle kein Eingangsübertrag anfällt, würde hier ein Halbaddierer ausreichen. In der Praxis baut man Addierer nur aus Volladdierern auf und legt den Eingangsübertragseingang der niederwertigsten Stelle auf „0“ (Masse). Das Prinzip eines 4-Bit-Volladdierers und ein Standardbaustein sind im Bild I-47 dargestellt. B2
B3 A3
A1
CO CO3
CI
CO2
CO1
10 8 3 1 11 7 4 16 13
CI
CO 2
74LS83
A0 CI
CO 3
Subtrahierer können mit Hilfe von Volladdierern realisiert werden, indem der Eingangsübertragsanschluß CI auf „1“ (+U) gelegt wird und der Subtrahend invertiert wird. Diese Vorgehensweise entspricht der Addition mit dem Zweierkomplement (Bild I-49). B0
B1
A2 CI
6.2.1.5 Subtrahierer
CO 1
CO0
0
0
3
9 6 2 15
CO
14
0
3 0 3 CI
Bild I-47 Paralleler 4-Bit-Volladdierer und Standardbaustein Die Rechenzeit der Schaltung ist gegenüber der eines einzelnen Volladdierers größer, da die Summe bei diesem erst gebildet werden kann, wenn die Überträge den nachfolgenden Stufen zugeführt wurden. Ergibt sich bespielsweise bei der niederwertigsten Stufe ein Übertrag, wirkt sich dies auf alle folgenden Stufen aus. Die benötigte Zeit wird auch als Mindestadditionszeit (Add Time) bezeichnet. Kürzere Rechenzeiten erhält man mit speziellen Rechenbausteinen (Carry Look Ahead). Hier wird der Übertrag durch Verknüpfungsschaltungen „vorausschauend“ direkt aus den Eingangswerten ermittelt. In Bild I-48 ist noch einmal die Wertetabelle und die Gleichung für den Übertrag angegeben. Setzt man die Gleichung für beliebige Stellen um, so ergibt sich die Gleichung für ci + 1. Diese Gleichung teilt man auf in die Variable gi (Carry Generate), die angibt, ob ein Übertrag auftreten wird und pi (Carry Propagate), die in Verbindung mit c0 den Übertrag weiterleiten muß. Das Bild zeigt die Entwicklung einer Stelle und die Gleichungen für einen 4-Bit-Addierer. Mit steigender A B ci ci + 1 0 0 0 0 0 0 1 0 0 1 0 0 0 1 1 1 1 0 0 0 1 1 0 1 1 1 0 1 1 1 1 1 ci = C
ci + 1 = ABC ABC ABC ABC = C(AB AB) AB(C C) = C(A B) AB
B B B B 3 2 1 0
A A A A 3 2 1 0 74LS83 0 3 0
1 1 1 1
0 3
3 CI
CO
+ 5V
Bild I-49 4-Bit-Subtrahierer Ändert man die Schaltung nach Bild I-50, erhält man ein universelles Additions-Subtraktionsnetz. Die Eingänge S0 bis S4 sind Steuereingänge, mit denen entsprechende Operationen durchgeführt werden können. S0 und S1 dienen zum Durchschalten der Zahlen A und B, und mit S2 und S3 kann jeweils eine Invertierung vorgenommen werden, um das EinerKomplement zu bilden. Mit S4 wird nach Wunsch A B ci
=1
&
pi & gi
ci + 1
ci + 1 = ci pi gi Gleichungen für einen 4-Bit-Addierer c1= g0 p0c0 c2= g1 p1c1= g1 p1 (g0 p0c0)=g1 p1g0 p1p0c0 c3 = g2 p2c2 c4 = g3 p3c3
Bild I-48 Carry-Look-Prinzip
I Digitaltechnik
545
zusätzlich „1“ addiert, um in Verbindung mit S2 beziehungsweise S3 das Zweier-Komplement zu erhalten. Soll die Operation A – B durchgeführt werden, muß S0 und S1 auf „1“, S2 auf „1“, S3 auf „0“ und S4 auf „1“ liegen A0
&
A1
=1
&
B0
&
B1
=1
&
S0 S1
0 1 P 0 0 Q 1 1 CI CO
=1
6.2.2.1 Einfacher Komparator Bild I-50 Einfaches Rechenwerk
S4
Beispiel
A = B =
1001 0100
A+B = 13 =
1101
Übertrag
Einfache Komparatoren (Bild I-52) prüfen zwei Zahlen A und B auf Gleichheit. Nur wenn beide Eingangsvariablen „0“ oder beide Eingangsvariablen „1“ Schaltung
9 = 4 =
Korrektur
Vom Prinzip lassen sich zwei 4-Bit-Volladdierer zur Addition zweier BCD-Dualzahlen verwenden (Bild I-51). Hierbei muß nur berücksichtigt werden, daß eine Summe > 910 einen Übertrag für die nächste Decade anzeigen und eine Ergebniskorrektur erfolgen muß. Die Korrekturschaltung addiert mit Hilfe des 2. Addierers zu jeder Summe des 1. Addierers bei Auftreten einer Pseudotetrade oder eines Übertrages 62. 6.2.2 Komparatoren
=1 S2 S3
6.2.1.6 Addierer für BCD-Dualzahlen
0
A
3 0
3 Q
B 3 CI
1 0011 = 3
0
P
3 0
+ 0110
0
0
P
3 Q
&
3 CI
CO
CO
&
Bild I-51 Addierer für BCD-Zahlen
CO
Einfache Komparatoren
Wertetabelle B
A
Q0
0 0 1 1
0 1 0 1
1 0 0 1
Schaltzeichen
Standartbaustein
COMP P P=Q Q
1 2 4 6 8 11 13 16 17 3 5 7 9 12 14 16 18
Schaltung 1-Bit-Komparator
4-Bit-Komparator
B A
A0 B0
A1
Q
G1 0
COMP
P 7 0
P=Q
Q 7
B1 &
B A
Q
A2 B2
&
& &
Q
A3 B3
Bild I-52 Einfache Komparatoren
546
Datentechnik 6.2.2.2 Komparator mit Größerund Kleiner-Vergleich
sind, wird der Ausgang Q = „1“ (Wertetabelle). Diese Aufgabe erfüllen die dargestellten Schaltungen. Für n-Bit bietet sich eine einfache Erweiterung durch eine Äquivalenzschaltung für jede Bitstelle und anschließender UND-Verknüpfung an, wie das Beispiel für den 4-Bit-Komparator zeigt. Als Standardbaustein bietet sich der 8-Bit-Komparator 74HC688 an. Wertetabelle B 0 0 1 1
A 0 1 0 1
A=B 1 0 0 1
A
Weitergehende Komparatoren vergleichen zusätzlich nach den Gesichtspunkten A < B und A > B. Bild I-53 zeigt die entsprechende Wertetabelle für den 1-Bit-Vergleich, die Schaltung und das Schaltzeichen.
Schaltung
Schaltzeichen
B A
COMP P P
A>B 0 1 0 0
&
P=Q
A
P>Q
A=B
Bild I-53 1-Bit-Komparator
A>B
&
A=B
B A
B A
&
&
&
A
A=B
&
&
&
A>B
A
a)
&
&
A=B
A>B
b) A=B
A
A=B
A>B
B
B A
A
&
A
&
&
&
&
&
A=B
c)
Bild I-54 Universalkomparator
&
A>B
A
&
A=B
A>B
I Digitaltechnik
547 aktivieren, daß ein Bitvergleich möglich wird. Bei A > B wird mit dem Ausgang A = B die nächstniederwertige Stelle gesperrt und die Meldung A > B über die nachfolgende ODER-Verknüpfung sofort dem Ausgang gemeldet. Weil der Vergleich bei der Stelle mit der höchsten Wertigkeit beginnt, wird die dafür zuständige Stufe nach Bild I-55 beschaltet. Die Eingänge A > B und A < B liegen auf „0“ (Masse) und der Eingang A = B auf „1“ (+U).
Ein Komparator für n-Bitstellen wird durch Zusammenschalten mehrerer Universalkomparatoren erstellt. Die Bilder a) bis d) im Bild I-54 zeigen die Entwicklung dieses Komparators auf. Außer den Eingängen für die Vergleichbits besitzt der Universalkomparator drei zusätzliche Eingänge, um bei einem Vergleich mehrerer Binärstellen die einzelnen Stufen miteinander zu verbinden. Der Eingang A = B = „1“ hat die Aufgabe, die Schaltung so zu B3
B2 A3
B1 A2
A>B A=B A
A>B A=B A
B0 A1
A>B A=B A
A>B A=B A
A0
A>B A=B A
A>B A=B A
A>B A=B A
Bild I-55 Komparator für 4 Bit 6.2.3 Codewandler und Decoder 6.2.3.1 Codewandler
X/Y GRAY/BCD 1 1 2 2 4 4 8 8
Quell-Code
Ziel-Code
Gleichungen
Gray DC B A 0000 0001 0011 0010 0110 0111 0101 0100 1100 1101
BCD DC B A 0000 0001 0010 0011 0100 0101 0110 0111 1000 1001
ABCD = AD ABC ABCD ABC ABC
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9
BBCD = BCD CB CBCD = CD DBCD = D
Schaltung
KV-Tafeln A
B
A B CD
A 1
1
x
x
x
1
1
1 C ABCD
x
B
x x
D
1
1
x
x
x
x
&
x x
D
1
1 C BBCD
& &
A
& A
B
x
A 1
1
x
x
x
& x x
1 C CBCD
B D
x
x
x
x
x
1
1
x
D
&
B
1
C DBCD
& &
Bild I-56 Gray-BCD-Codewandler
C D
A>B A=B A
A>B A=B A
548
Datentechnik
Ein Codewandler (Codierer) ordnet einen Code einem anderen Code zu. Er setzt einen Quellcode in einen Zielcode um, er ist praktisch ein „Übersetzer“. Beispiel: Um einen Gray/BCD-Codierer zu entwerfen, wird
Quell- und Zielcode in einer Wertetabelle gegenübergestellt. Für jede Stelle muß dann ein KV-Diagramm benutzt und die Gleichung ermittelt werden. Anschließend ist aus der Gleichnung die Schaltung zu zeichnen (Bild I-56).
6.2.4 Multiplexer und Demultiplexer Multiplexer und Demultiplexer sind „elektronische Schalter“, die Eingangsinformationen verschiedener Datenleitungen auf einen Ausgang (Multiplexer) oder eine Eingangsinformation auf verschiedene Ausgangsdatenleitungen (Demultiplexer) schalten. Welche Leitungen durchgeschaltet werden, bestimmt die Steuerung des „Schalters“ (Bild I-58). Multiplexer
Demultiplexer
6.2.3.2 1-aus-n-Decoder Wie aus der Wertetabelle (Bild I-57) hervorgeht, erhält jeweils ein zugewiesener Ausgang „1“ in Abhängigkeit einer dualen Eingangsinformation. Q1 schaltet beispielsweise bei der Eingangskombination A = „1“ und „B“ = 0 auf „1“. Hierbei kann die Schaltung um einen zusätzlichen Freigabeeingang erweitert werden. Ein Steuersignal kann dann den Baustein aktivieren. Ist der Freigabeeingang F = „0“, sind auch alle Ausgänge „0“. Mit Decodern lassen sich z.B. verschiedene Speicherbausteine oder Baugruppen anwählen.
B
A
0 0 1 1
0 1 0 1
Funktion
B
Steuerung
Bild I-58 Prinzip Aufgabe dieser Bausteine kann es sein, die parallel anliegenden Daten eines Sendebausteins über eine Leitung zu übertragen und im Empfängerbaustein die Daten wieder parallel anliegen zu lassen. Dies geschieht mittels Zeitmultiplexverfahren, wobei die ent-
A
Speicher 1 angewählt Speicher 2 angewählt Speicher 3 angewählt Speicher 4 angewählt
Speicher 1 Speicher 2
&
Speicher 3 &
CE
Speicher 4 CE
&
CE CE
&
Decoder
Schaltungen
Wertetabelle B
A
Q0
Q1
Q2
Q3
0 0 1 1
0 1 0 1
1 0 0 0
0 1 0 0
0 0 1 0
0 0 0 1
Schaltzeichen DEC 0 1
0 0 1 G 2 3 3
B
B
A F
A &
Q0
Q1
&
Q1
&
Q2
&
Q2
&
Q3
&
Q3
&
Q0
&
ohne Freigabe-
Bild I-57 1-aus-4-Decoder und Anwendungsbeispiel
mit Freigabe-Eingang
I Digitaltechnik
549 Nach Bild I-60 kann die Schaltung zusätzlich mit einem Freigabeeingang versehen werden. Bei FE = „1“ gelangt das angewählte Datenbit zum Ausgang Q. Standardbausteine besitzen häufig einen 3-stateAusgang. Ein Anwendungsbeispiel für Multiplexer zeigt das Prinzip des gemultiplexten Adreß-Datenbusses (Bild I-61) auf. Einige Prozessoren und Controller besitzen, um Anschlußleitungen einzusparen, so einen Bus. Hierbei werden Adressen und Daten zeitlich nacheinander auf das Bussystem geschaltet. Die Steuerung nimmt die CPU vor.
sprechenden Datenleitungen zeitlich nacheinander und synchron durchgeschaltet werden. 6.2.4.1 Multiplexer Multiplexer verteilen die Daten D verschiedener Eingänge, die durch Adressen angewählt werden, auf einen Ausgang Q (Bild I-59). Soll beispielsweise das Datenbit von D0 zum Ausgang Q gelangen, muß A0 mit „0“ und A1 mit „0“ angewählt werden. Dies wird auch aus der Gleichung deutlich. Die Anzahl der notwendigen Adreßleitungen ist von der Anzahl der gewünschten Dateneingänge abhängig. Schaltung
Schaltzeichen
A1 A0
& &
& &
&
MUX A0 A1 D0 D1 D2 D3
& D
&
0 1 0 1 2 3
G
0 3 D
&
D0 D1 D2 D3
Gleichung: A0 A1 D0
A0 A1 D1
A0 A1 D2
A0 A1 D3
Bild I-59 Multiplexer
Schaltung A1 A0
& &
& &
& &
Q
& &
D0 D1 D2 D3
7 11 10 9 4 3 2 1 15 14 13 12
74LS251 MUX EN 0 G0 7 2 0 1 2 3 4 5 6 7
5 6
Bild I-60 Multiplexer mit Freigabeeingang und Standardbaustein
FE
"1" = Adressen "0" = Daten
Adressen
Daten
A0 A1 A2 A3
D0 D1 D2 D3
MUX EN G1 D0
A0
D1
A1
D2
A2
D3
A3 t
Bild I-61 Gemultiplexter Adreß-Datenbus
550
Datentechnik Schaltung
Schaltzeichen
Gleichungen
DX
D0 =A0 A1 D
Bild I-62 Demultiplexer
A1A0 &
D0
&
D
A0 A1
D1
&
D2
&
D3
0 0 G 1 3
D1 =A0 A1 D 0 1 2 3
D
D0 D1 D2 D3
D2 =A0 A1 D D3 =A0 A1 D
6.2.4.2 Demultiplexer
6.3.1 Speicherbausteine
Mit Hilfe von Demultiplexern kann eine Eingangsinformation auf verschiedene Ausgänge verteilt werden (Bild I-62). Die erforderlichen Auswahlleitungen (Adressen) sind abhängig von der Anzahl der Ausgangs-Datenleitungen.
6.3.1.1 Allgemeines Flipflop Unter Flipflops versteht man Schaltungen, deren zwei Ausgänge immer komplementäre stabile Zustände aufweisen. Das Ausgangsverhalten selbst wird über zwei Eingänge beeinflußt. Damit ist die Speicherung einer binären Information möglich. Bei den, durch einen Takt gesteuerten Flipflops, wird nach taktzustandsgesteuerten und taktflankengesteuerten Flipflops unterschieden. Flipflops lassen sich mit NANDund NOR-Gattern realisieren.
6.3 Schaltwerke Schaltwerke (Sequentielle Logik) sind Schaltnetze mit einem Speicherverhalten. Die wichtigste Grundschaltung ist das Flipflop (bistabile Kippstufe). a 0
0
b
A
Q
&
Q
&
B
0
1
1
1
c
A
Q
&
Q
&
B
1
1
0
0
A &
B
&
d Q
Q
1
0
1
A &
&
B 0
Q
Q
0
1
1
Wertetabelle A 0 0 1 1
B 0 1 0 1
Q 1 1 0 0
+
Q 1 0 1 1
Bemerkungen irregulär
Bild I-63 Funktion eines Flipflops mit NAND-Gattern
Speicherung
+
+ Q
&
Q
Q
A
Q
B Q
&
Q
Q
1
1
0
t prellen
0
t A
Speicherung
B
Bild I-64 Prinzip des Prellens und entprellter Schalter
I Digitaltechnik
551
Beispiel: Flipflop aus NAND-Gattern
lassen sich aus NAND- oder NOR-Gattern aufbauen (Bild I-65).
Ein NAND erzeugt am Ausgang immer eine „1“, wenn mindestens ein Eingang mit „0“ belegt ist. Damit ergeben sich die Ausgangszustände Bild I-63 a bis c. Die Wertetabelle faßt alle Schaltzustände zusammen. Q1 = „1“ und Q2 = „1“ entspricht nicht der Funktion eines Flipflops. Diese Eingangskombination, die diesen Ausgangszustand hervorruft, ist daher logisch „verboten“, sie ist irregulär. Sind die Eingangspegel komplementär (ein Eingang „0“ und der andere „1“ oder umgekehrt), schaltet das Flipflop. Bei „1“ an beiden Eingängen bleibt der vorherige Zustand erhalten; man spricht dann vom Speicherzustand. Oft werden Schalter oder Taster als Eingabe von digitalen Systemen eingesetzt. Hierbei kann es zu Prellen kommen. Der Kontakt öffnet sich kurzzeitig wieder, und die konkrete Schaltung erkennt mehrere Impulse. Durch Pull-up-Widerstände an den Eingängen ist die Eingangskombination A = „0“ und B = „0“ nicht möglich. Sobald der Taster gedrückt ist, wird der Zustand gespeichert. Bild I-64 zeigt das Prinzip des Prellens und Abhilfe durch ein Flipflop.
6.3.1.3 Flipflops mit dominierenden Eingängen Bei Flipflops mit dominierenden Eingängen (Bild I-66) können aufgrund der Eingangsbeschaltung irreguläre Zustände an den Ausgängen nicht auftreten. Das R-Flipflop ist ein RS-FF mit dominierendem R-Eingang, weil ein Rücksetzen immer bei R = „1“ erfolgt, unabhängig vom Zustand an S. Das SFlipflop ist ein RS-FF mit dominierendem Setzeingang. Unabhängig vom Zustand am R-Eingang wird das Flipflop bei S = „1“ gesetzt. Das E-Flipflop speichert bei gleichen Eingangszuständen R = S immer. 6.3.1.4 D-Flipflop
6.3.1.2 RS-Flipflop
Mit dem D-Flipflop (Data Latch) läßt sich eine binäre Information speichern, solange C = „1“ ist. Irreguläre Zustände treten nicht auf. Bild I-67 zeigt ein D-Flipflop aus NAND-Gattern mit der zugehörenden Wertetabelle und dem Schaltzeichen.
Beim RS-Flipflop (R = Reset = Rücksetzen, S = Set = Setzen) folgt der Ausgang Q immer dem Eingang S. Die Eingangszustände S = R = „1“ sind „verboten“, und die Speicherung erfolgt bei S = R = „0“. RS-FF’s
Wertetabelle
Schaltungen S
&
R
Q
&
S 0 0 1 1
Q
Q
&
&
R
Q
Q
Q Q 0 1 0
S
&
Q
S
1R
&
C
&
&
R
&
Q
Q
Q
S 0 0 1 1
&
R
R 0 1 0 1
Q Q 0 1 1
Q Q 1 0 0
S 0 0 1 1
Q
S1
R
R 0 1 0 1
Wertetabelle
Schaltung
D
S
Q
R
Q Q 1 0 1
Bild I-65 RS-Flipflop aus NANDund NOR-Gattern mit Wertetabelle und Schaltzeichen
E-Flipflop
Q &
R 0 1 0 1
Q
S
S-Flipflop
S
S 0 0 1 1
Q Q 1 1 1 0 0 1 0 1
S
R-Flipflop
R
R 0 1 0 1
Schaltzeichen
&
&
Q
Q
C 0 0 1 1
D 0 1 0 1
Q Q Q 0 1
Q Q Q 1 1
Q Q 0 1 Q
Q Q 1 0 Q
Q
S1
R1
Bild I-66 Flipflop mit dominierenden Eingängen
Schaltzeichen
1D
Q
C1
Bild I-67 D-Flipflop
552
Datentechnik steigenden oder abfallenden Flanke des Clock- beziehungsweise Taktsignals übernommen werden. Von einem taktzustandsgesteuertem Flipflop spricht man, wenn die Daten nur bei C = „1“ oder C = „0“ übernommen werden. D-Flipflops werden für kurzzeitige Speicheroperationen eingesetzt. Hierbei werden die an den D-Eingängen anliegenden Informationen mit dem Takt übernommen. Der Takt bestimmt damit den Zeitpunkt der Datenübernahme (Bild I-69).
Impulszeitdiagramm Übernahme der "1" Übernahme der "0"
D 1 0 C 1
t
0 Q1
t
0
t
6.3.1.5 JK-Flipflop Erweitert man das RS-FF nach Bild I-70 durch zwei UND-Gatter und entsprechender Rückkopplung, werden unzulässige Eingangskombinationen verhindert. Die entgegengesetzten Zustände an den Eingängen J und K werden beim nächsten Takt übernommen. Ist J = K = „0“, ändert sich der Ausgang nicht, und bei J = K = „1“ schaltet das Flipflop mit jedem Takt um. Hierbei wirkt das Flipflop dann wie ein T-Flipflop.
td
Bild I-68 Impulsdiagramm Da das Flipflop das Eingangssignal verzögert, spricht man auch von einem Delay-Flipflop (siehe Impulsdiagramm Bild I-68). Soll der Zustand vom Dateneingang in Abhängigkeit einer Flanke übernommen werden, spricht man vom einflankengesteuerten D-Flipflop. Der Eingangswert kann mit der antaktzustandsgesteuert
1D
Q
6.3.1.6 Master-Slave-JK-Flipflop Das Master-Slave-JK-Flipflop (Bild I-71) ist ein zweiflankengesteuertes Flipflop, weil es bei ansteigender oder abfallender Flanke die Eingangsinformation aufnimmt und speichert und mit der zur Eingangsübernahme komplementären Flanke die Information zum Ausgang weiter schaltet. Es besteht immer aus zwei JK-Flipflops, dem Master (Herr) und dem Slave (Diener). Das Zeichen an den Ausgängen deutet einen retardierenden Ausgang an. Dies bedeutet nach DIN 40700, daß der Zustandswechsel des Flipflops an den Ausgängen erst dann wirksam wird, wenn die Eingangsvariable zu ihrem ursprünglichen Wert zurückgekehrt ist.
taktflankengesteuert Q
1D
C1
C1
Q
1D
C1
Bild I-69 Taktgesteuerte Flipflops
RS-Flip-Flop
S
&
S
Q
JK-Flip-Flop
1S
Q
C1
C &
R
R
&
J C K
1R
Q
S
1J
Q
C1 &
R
1K
Bild I-70 JK-Flipflop
Prinzip
Schaltzeichen Q
1J
1J
1J
C1
C1
C1
1K
1K
1K
1
Q
Wertetabelle J 0 0 1 1
K 0 1 0 1
Q Q 0 1 Q
Bild I-71 Master-Slave-Prinzip
I Digitaltechnik
553 C
Bild I-72 beschreibt die Funktion und zeigt die Auswirkung der Eingangsbeschaltung auf den Ausgang Q. Das Master-Slave-Flipflop übernimmt bei der ansteigenden Flanke die Eingangsinformation. Während dieser Zeit ist der Slave gesperrt und gibt bei abfallender Flanke die Information – hier sperrt das Master-FF – an den Slave weiter.
C
t J
t J
t K
t K
1
t Q
Schwelle 2
t Q
t
0
t
Bild I-73 Impulsdiagramm
Schwelle 1 t
6.3.1.7 T-Flipflop Slave wird gesperrt Master öffnet
Slave öffnet Master sperrt
Das T-Flipflop (Trigger-Flipflop, Toggle-Flipflop) ist flankengesteuert und besitzt nur den Takteingang. Es schaltet wie das JK-Flipflop bei der Eingangskombination J = „1“ und K = „1“ jeweils mit der Taktflanke die Ausgangszustände um (Bild I-75). T-Flipflops werden in Zähler- und Teilerschaltungen eingesetzt.
Bild I-72 Zeitverhalten des Master-Slave-JK-Flipflop Betrachtet man die Auswirkung des Clock-Signals in einer zeitlichen Reihenfolge, so ergeben sich die dargestellten Zustände im Master-Slave-JK-FF. Jeweils beim Überschreiten der Schwelle 1 und 2 laufen die dargestellten Reaktionen ab. Mit der ansteigenden Flanke wird der Slave gesperrt, und der Master kann die Eingangsinformation übernehmen, um sie mit der abfallenden Flanke zum Slave zu bringen. Während dieser Zeit ist der Master gesperrt. Bild I-73 verdeutlicht diesen Zusammenhang mit dem Impulszeitdiagramm, und Bild I-74 zeigt die Anschlußbelegung von drei gängigen Standardbausteinen. 74LS73
74LS74
4
S
3
C1
2
1D
1
R
10
S
11
C1
12
1D
13
R
5
14 1
C1
6
3
1K
2
R
9
7
1J
5
C1
8
10
1K
6
R
7 GND 14 VCC
1J
6.3.2 Grundschaltungen aus Speicherbausteinen 6.3.2.1 Register Register sind aus Speicherbausteinen zusammengesetzte Einheiten. Man unterscheidet hierbei allgemeine Register, die zur kurzzeitigen Speicherung kleiner Datenmengen wie 8-, 16- oder 32-Bit-Datenworte dienen, und Schieberegister, die die gespeicherte Information jeweils mit einem Takt weitergeben. Mit 74LS109
12
5 2 4
S 1J C1
6
13
3
1K
7
1
R
11 14 12
S 1J C1
13
1K
15
R
9
8
11 GND 4 VCC
8 GND 16 VCC
Q Q
Bild I-74 Standardbausteine
Bausteine mit gleichen Eigenschaften
C T
9
Impulszeitdiagramm
T-Flipflop
C
10
+ t
C
1J C1 1K
1D
Q
t
Bild I-75 T-Flipflop mit Impulsdiagramm und funktionsgleiche Bausteine
C
C1
Q
554
Datentechnik unterscheiden sich die Betriebsarten der Schieberegister. Ist ein Ausgang mit dem Eingang verbunden, spricht man vom Ringschieberegister. Im Bild I-77 ist ein Schieberegister für die parallele Eingabe dargestellt. S und R sind zusätzliche Vorbereitungseingänge. Die Ansteuerung verhindert das gleichzeitige Anstehen von Setz- und Rücksetzsignal und läßt die parallelen Daten nur mit dem Freigabeeingang zu. Register mit seriellem Dateneingang und parallelen Datenausgängen bezeichnet man auch als SerienParallel-Umsetzer und Register mit parallelen Eingängen und seriellem Datenausgang als ParallelSerienumsetzer. Im Bild I-78 sind zwei Standardbausteine für eine serielle Übertragung zusammengeschaltet. Die anliegenden parallelen Daten werden geladen und mit jedem Takt über eine Leitung dem Baustein 74164 zugeführt. Dieser Baustein stellt nach 8 Takten das eingegebene Datenwort wieder zur Verfügung. In der Mikroprozessortechnik sind solche parallel/seriellund seriell/parallel-Wandler Bestandteile von Interfaceschaltungen.
dem Taktsignal (C = Clock) werden die Daten in das Register eingegeben, und mit OE (Output Enable) können die gespeicherten Daten freigegeben werden. 6.3.2.2 Schieberegister Schieberegister bestehen aus hintereinander geschalteten D-Flipflops oder JK-Flipflops mit untereinander verbundenen Takteingängen. Sie geben die gespeicherte Information jeweils mit einem Takt von Flipflop zu Flipflop weiter. Bild I-76 zeigt eine mögliche Schaltung und beschreibt die Funktion mit dem Impulszeitdiagramm. Zur Verdeutlichung sind die Pegel-Ausgänge Q0 bis Q3 gesondert herausgeführt. Das Datenbit liegt am Eingang D an und wird mit dem 1.Takt übernommen. Damit wird Q0 „1“. Mit dem nächsten Takt wird „0“ von D übernommen, und die „1“ von Q0 gelangt nach Q2. Nach dem 5. Takt ist das Schieberegister „leer“. Man unterscheidet Schieberegister nach ihrer Länge und ihrer Betriebsart. Je nach Datenein- und ausgabe (seriell, parallel) und Schieberichtung (links, rechts)
parallele Ausgabe Q2
Q0
Q1
Q3
serielle Eingabe
Q
1J
D
1J
C1
1K
Q
1J
C1 Q
1K
&
Q
C1 Q
Q
1J C1
Q
1K
Q
1K
C Serien-Parallel-Umsetzer
Q0
C D Q0 1 Q1 1 Q2 1
t
t+1
t
t+2
t
t+3
t
t+4
Q1
Q2
Q3
t
Q3 1
Bild I-76 Schieberegister
t
Impulszeitdiagramm parallele Ausgabe D0
D1
D2
D3
EN &
1 T R
& S 1J C1 1K R
& S 1J C1 1K R
& S 1J C1 1K R
S 1J C1 1K R
serielle Ausgabe
Q
Bild I-77 Parallel-Serien-Register
I Digitaltechnik
555
parallel/seriell
seriell/parallel
SRG8 G1(Shift) G2(Load)
SRG8 C1/ R
Parallele Eingabe
+
0
1
1
1
0
3D
1
0
0
0
0
0
1
1
1
2D
1
1
0
0
0
0
1
1
1
2D
1
1
0
0
0
0
1
1
1
1
1
0
0
0
0
1
1
1
1
1
0
0
0
0
1
1
1
1
1
0
0
0
0
1
1
1
1
1
0
0
0
0
0
1
1
1
1
1
0
1D
Parallele Ausgabe
serielle Übertragung
C3/
Laden nach 1. Schieben ° ° ° nach 7. Schieben nach 8. Schieben
Bild I-78 Schieberegisteranwendung
6.3.2.3 Frequenzteiler
Schaltung +
Frequenzteiler erzeugen nach z Impulsen an ihrem Eingang einen Ausgangsimpuls und teilen somit die Eingangsfrequenz durch z. Sie bestehen aus Flipflops, die hintereinander geschaltet sind und deren Ausgang Q jeweils das nachfolgende Flipflop ansteuert. Jedes Flipflop teilt im Verhältnis 2:1. Mit vier Flipflops läßt sich ein Teilerverhältnis von 24 = 16 realisieren. Zähler und Teiler bestehen aus gleicher Hardware mit unterschiedlicher Signalauswertung. Der Teiler besitzt immer einen Eingang und einen seriellen Ausgang, während der Zähler seine Information als paralleles Wort ausgibt. Durch entsprechende Verknüpfungen lassen sich ungeradzahlige Teilerverhältnisse realisieren. Daher wird auch nach geradzahligen und ungeradzahligen Teilern unterschieden. Bild I-79 gibt die Schaltung eines 5 zu 1-Teilers wieder. Nach dem 5. Impuls erfolgt eine Rücksetzung über das NAND-Gatter, um mit Rückstellung aller Flipflops neu zu beginnen. Will man das Impulspausenverhältnis gleich machen, dann muß am Ausgang D ein zusätzliches Flipflop eingesetzt werden. Ein Anwendungsbeispiel ist in Bild I-80 dargestellt. Aus einem Rechteckgenerator gewinnt man durch zwei Teilerbausteine unterschiedliche Frequenzen.
& C
1J C1 1K R
1J C1 1K R
1J C1 1K R
D
Impulsdiagramm C
1
2
3
4
5
t QA t
QB t D
1 t
Bild I-79 Frequenzteiler 5:1
556
Datentechnik
74LS90 CTR
& 7CT0
& 7CT0
G7
G7
+ DIV2
+ DIV2
G
Bild I-80 Zählerbausteine als Frequenzteiler
74LS90 CTR
0
0
CT
+
DIV5
+
2
DIV5
500Hz
1000Hz
CT
2
20Hz 10Hz
100Hz
6.3.2.4 Zähler Frequenzteiler
Zähler“. Ist nach dem n-Zählimpuls der Zustand Null erreicht, bezeichnet man den Zähler allgemein als „Modulo-n-Zähler“. Zähler lassen sich nach der Zählrichtung als Vorwärts- oder Rückwärtszähler, nach der Zahlendarstellung, z.B. als BCD- oder Dualzähler und nach Art der Taktansteuerung als Asynchronoder Synchronzähler einteilen. Bild I-81 zeigt einen universellen Standardbaustein.
Zähler gehören zu den Grundbausteinen der Digitaltechnik. Sie werden z.B. zum Zählen von Stückzahlen, Zählen von Umdrehungen eines Motors oder Zählen einer Zeiteinheit eingesetzt. Die Impulse zur Ansteuerung des Zählers liefert eine Zeitbasis oder unterschiedliche Sensoren. Die Eigenschaft des Zählers, zu addieren oder zu subtrahieren (immer 1) und zu speichern, läßt sich mit Flipflops erreichen. Die gezählten Impulse erscheinen an einem Parallelausgang. Die Zählerkapazität ist von der Anzahl n der Flipflops abhängig. Dabei gilt als maximale Zählerkapazität Kmax = 2n. Ein Zähler aus 4 Flipflops hat somit Kmax = 16. Er erreicht nach 16 Zählimpulsen wieder Null. Man spricht von einem „Modulo-164510B CTRDIV10 1,2 + / 1,2 – M2 G1 C3 R
15 10 5 1 9 4
Bei einem Asynchronzähler wird der Takt nur dem ersten Flipflop zugeführt. Die nachfolgenden Stufen werden jeweils von der Vorstufe gesteuert. Im Bild I-82 wurden zum Aufbau eines Vorwärtszählers JKFlipflops eingesetzt. Die Arbeitsweise der Flipflops
4510B
7 0 6 1 11
TC 40 12 1
VorRückwärtsZähler
Lade13 2 schaltung
33 1PL 15 10 5 9
6
3D
12
6.3.2.4.1 Asynchroner Zähler
11
13
14
3
2
1,2CT = 9 1,2CT = 0
2 14 3 2
CE
CP
Reset
UP/DN
Bild I-81 Universalzähler
7
Schaltung Q0 +
+
C
Schaltbild
Q1 +
Q2
Q3 +
CTR DIV16 C
1J
1J
1J
1J
+
Q0
C1 1K
C1 1K
C1 1K
C1 1K
+
Q1
+
Q2
+
Q3
Bild I-82 Asynchronzähler
I Digitaltechnik
557 Impulsdiagramm
C
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 1 2 3 4
t QA
t QB
t QC
t QD
Bild I-83 Impulsdiagramm des Asynchronzählers
t
Asynchronzähler Rückwärtszähler Schaltbild
Schaltung
CTR DIV16 Q0
1J C
C1 1K
Q1
1J C1 1K
Q2
1J C1 1K
Q3
1J C1 1K
C
–
Q0
–
Q1
–
Q2
–
Q3
Impulsdiagramm C
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 111213 14 15 16 1 2 3 4
t QA t QB t QC t
QD t
Bild I-84 Rückwärtszähler und Impulsdiagramm
558
Datentechnik Bild I-85 zeigt eine mögliche Umschaltung für die Zählrichtung. Die asynchrone Schaltung hat den Nachteil, daß falsche Ausgangszustände bei höheren Frequenzen auftreten, weil hier Verzögerungszeiten eine Rolle spielen. Beispielsweise können beim Übergang von 3 nach 4 noch die Zustände 2 und 0 (Bild I-86) oder beim Übergang von 7 nach 8 die Zustände 6, 4 und 0 auftreten.
entspricht der von T-Flipflops, da J = K = „1“ anliegt. Geht man davon aus, daß vor Einsetzen des ersten Taktes an den Ausgängen Q0 bis Q3 „0“ anliegt (Bild I-83), wird mit der abfallenden Flanke des 1. Taktes Q0 auf „1“ und mit der abfallenden Flanke des nachfolgenden Taktes Q0 auf „0“ gesetzt. Da der Ausgang Q0 als Takt für das nachfolgende Flipflop wirkt, schaltet Q1 mit der abfallenden Flanke von Q0 auf „1“. Nach dem 7. Impuls liegt am parallelen Ausgang der Schaltung die Binärfolge 0111 unter Berücksichtigung der Wertigkeiten Q0 mit 20 = „1“, Q1 mit 21 = „1“, Q2 mit 22 = „1“ und Q3 mit 23 = „0“ an. Nach dem 16. Impuls sind alle Ausgänge „0“, und der Vorgang wiederholt sich. Damit handelt es sich um einen Modulo-16-Zähler. Der Rückwärtszähler unterscheidet sich vom Vorwärtszähler schaltungstechnisch durch die Steuerung der einzelnen Flipflops, wie dies in Bild I-84 dargestellt ist. Im Gegensatz zum Vorwärtszähler erhält das jeweils nachfolgende Flipflop seinen Zustand von /Q. Damit kehrt sich die Zählrichtung entsprechend um.
6.3.2.4.2 Asynchroner BCD-Vorwärtszähler Der asynchrone Dualzähler (Bild I-87) kann als BCD-Zähler arbeiten, wenn nach der 9 die Rückstellung auf 0 erfolgt. Dies erreicht man durch eine Auswertschaltung. Der Zählerstand 10 wird zum Rückstellen benutzt (Bild I88). Da die RESET-Schaltung (hiermit werden alle Flipflop-Ausgänge auf „0“ gesetzt) Low-aktiv ist, genügt ein NAND mit Anschluß an die Ausgangswertigkeiten 23 = Q3 und 21 = Q1. Um ein korrektes Rücksetzen zu erreichen, ist in der Praxis eine Verzögerung notwendig. Hier wird das durch die Laufzeit zweier Gatter realisiert.
Umschaltlogik
Schaltbild
+
+ 1J
C
CTR DIV16 C1+/2M1 M2
1J
&
C1 1K
&
C1 1K
& &
S
+–
Q0
+–
Q1
+–
Q2
+–
Q3
Bild I-85 Schaltung zur Zählerumkehr
0011 = 3 C 1
2
3
4
5
6 t
QA t QB t QC t QD
t 0010 = 2 0000 = 0 0100 = 4
Bild I-86 Fehler durch Signallaufzeiten
I Digitaltechnik
559
Q0 +
C
Q1 +
Q2 +
Q3 &
+
1J
1J
1J
1J
C1
C1
C1
C1
1K
1K
1K
1K &
&
Bild I-87 Asynchroner BCD-Vorwärtszähler
Impulsdiagramm C
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 1 2 3 4
t
QA 1 0
t
QB 0 0
t
QC 0 0
t
QD
1 0
t
6.3.2.4.3 Synchroner Dual-Vorwärts-1-Zähler Bei den synchronen Zählern werden die Takteingänge aller FFs gleichzeitig (synchron) angesteuert, und alle Ausgangszustände ändern sich ebenfalls gleichzeitig. Sie sind daher gegenüber Asynchronzählern schneller. Bei der Realisierung mit JK-Flipflops werden die Vorbereitungseingänge entsprechend geQ3 Q3+1 0 0 0 0 0 0 0 0 1 1 1 1 1 1 1 1
0 0 0 0 0 0 0 0 1 1 1 1 1 1 1 1
Q2 Q2+1 0 0 0 0 1 1 1 1 0 0 0 0 1 1 1 1
0 0 0 1 1 1 1 0 0 0 0 1 1 1 1 0
Q1 Q1+1 0 0 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1
Bild I-88 Impulsdiagramm des BCDZählers
0 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1 0
Q0 Q0+1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1
1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0
Bild I-89 Tabelle zur Realisierung des Synchronzählers BCD-Zähler
schaltet. Hilfreich ist es hierzu, die Zustände der Flipflops vor und nach dem Taktimpuls zu betrachten und jeweils das Flipflop an der Stelle zu kennzeichnen, wo eine Umschaltung erfolgen muß. Mit dieser Überlegung kann dann durch Verknüpfung entschieden werden, ob J = K = „1“, das heißt das Flipflop durch den Eingangstakt schalten soll. Bild I-89 zeigt eine Tabelle mit der entsprechenden Kennzeichnung durch Pfeile. Da das FF1 hiernach mit jedem Takt umschalten muß, wird J = K auf „1“ gelegt. Das FF2 muß jedesmal schalten, wenn auch Q0 schaltet. Alle Gleichungen sind nachfolgend aufgeführt. Das schaltungstechnische Umsetzen der nachfolgenden Gleichungen führt zur Schaltung Bild I-90. Gleichungen: für FF1: für FF2: für FF3: für FF4:
J=K=1 J = K = Q0 J = K = Q0 Q1 J = K = Q0 Q1 Q2
6.3.2.4.4 Zähler für mehrere Decaden Sollen mehrere BCD-Zähler zusammengeschaltet werden, kann das asynchron oder synchron vorgenommen werden. In der Praxis bevorzugt man die
560
Datentechnik Schaltung Q0
C
Q1
1J
1J
C1 1K R
C1 1K R
Q2
&
Q3
&
1J
1J C1 1K R
C1 1K R
Bild I-90 Synchronzähler
Stelle 101
Stelle 100
Stelle 101
Stelle 100
CTR DIV10 G1 0 1+ CT
CTR DIV10 G1 0 1+ CT
CTR DIV10 G1 0 1+ CT
CTR DIV10 G1 0 1+ CT
CT = 0
3
CT = 0
3
CT = 0
3
CT = 0
Bild I-91 Asynchroner und synchroner Zähler für zwei Stellen
3
C
C
asynchron
synchron
Ansteuerung mit einem L-Pegel. Dieser erzeugt einen H-Impuls am Ausgang G1 und – weil C zunächst als Kurzschluß wirkt (der Kondensator ist nicht geladen) – damit einen L-Pegel am Ausgang G2. Nach Öffnen des Tasters wird dieser Zustand solange beibehalten, bis der Kondensator C sich aufgeladen und am Eingang von G2 L-Pegel anliegt. Damit erhält der Ausgang G2 H-Pegel und der Ausgang G1 wieder L-Pegel. Die stabile Lage ist wieder erreicht. Die Zeitdauer des LPegels am Ausgang G2 entspricht der Zeit ti und hängt von der Zeitkonstanten R ⋅ C ab. Die stabile Lage des NOR-Monoflops wird durch einen kurzen H-Impuls unterbrochen. Da der Kondensator C zuvor nicht geladen war (der Ausgang G1 führte H-Pegel und der Eingang G2 über R1 ebenfalls), ergibt der H-Impuls am Eingang ein L am Ausgang G1 und damit ebenfalls am Eingang G2. Der H-Impuls im Rückkopplungszweig hält diesen Zustand solange aufrecht, bis der Kondensator C über R1 aufgeladen die Schaltspannung erreicht hat und am Ausgang wieder einen L-Pegel erzeugt. Die Ansteuerung von Monoflops erfolgt über Differenzierglieder. Das Bild I-93 zeigt zwei Beispiele, die je nach gewünschter Steuerflanke gewählt werden können.
synchrone Zusammenschaltung, weil hier keine Zwischenzustände auftreten können. Im Beispiel Bild I-91 ist einmal die asynchrone und die synchrone Zusammenschaltung dargestellt. Bei der synchronen Zusammenschaltung werden beide Zählerbausteine gleichzeitig vom Takt angesteuert. Mit G1 = „0“ ist der Zähler jeweils gesperrt.
6.4 Sonderschaltungen 6.4.1 Monoflops Monostabile Kippstufen oder Monoflops besitzen eine stabile Lage und können durch einen Steuerimpuls für eine bestimmte Zeit ti in eine instabile Lage versetzt werden und an einem Ausgang einen Impuls liefern. Hierbei kann je nach Schaltungsdimensionierung eine Impulsverlängerung oder Impulskürzung erfolgen (Bild I-92). Der Ausgangsimpuls ist nur von den Daten des Monoflops und nicht von der Dauer des Steuerimpulses abhängig. Im Bild I-93 sind zwei Monoflops als Beispiel mit unterschiedlichen Grundgattern aufgeführt. Das NANDMonoflop verläßt seine stabile Lage bei einer kurzen Impulsverlängerung
Schaltzeichen
Impulskürzung A
A Q A
1
ti
t
t Q
Q
Q
ti
Bild I-92 Monoflop und Betriebsarten
ti
t
ti
ti
t
I Digitaltechnik
561 +
+
+
G1
G1
G2
C
G2
C
&
&
R
R
Ansteuerungsmöglichkeiten
+
&
&
6.4.2 Astabile Kippstufen Monoflop Astabile Kippstufen sind Rechteckgeneratoren und Bestandteil vieler digitaler Schaltungen. Sie dienen als Zeitbasis digitaler Meßgeräte, als Taktoszillator für ein Controller- oder Prozessorsystem oder werden als Baudratengenerator eingesetzt. Sie können mit Hilfe von Gatterschaltungen aufgebaut werden. Bild I-95 zeigt eine Schaltung mit einem Schmitt-Trigger, dem zugehörenden Impulsdiagramm und zwei weitere mögliche Schaltungen. Liegt am Ausgang L-Pegel, kann sich der Kondensator über R entladen. Bei Unterschreiten der Einschaltschwelle am Eingang des Schmitt-Trigger nimmt der Ausgang Q H-Pegel an,
In der Praxis setzt man integrierte Bausteine ein (Bild I-94). Die entsprechende Zeit ti wird durch externe Beschaltung mit einem Widerstand R und einem Kondensator C festgelegt, wobei die Werte den Datenbüchern der Hersteller entnommen werden können. Durch die vorhandenen Eingänge sind unterschiedliche Triggermöglichkeiten vorhanden. Man unterscheidet nichtretriggerbare und retriggerbare Monoflops. Bei der nichtretriggerbaren Stufe ergeben sich bei erneuter Ansteuerung durch einen Impuls während der aktiven Zeit ti keine Ausgangsänderungen. Der Baustein 4528B besitzt zwei retriggerbare und rücksetzbare Monoflops.
3 4 5
+
74121
11 10
R 6
&
1
1
&
2 1 5 4
13
1
4528B
+ 6 1
7
3 14 15 11 12
Bild I-93 Monoflops aus Grundgattern und Ansteuermöglichkeiten
R C
1
10 1
9
Bild I-94 Integrierte Monoflops
562
Datentechnik UC V 1,6 0,8
R
t UQ V 5,0
Q C
t
R1
R
& G1
Q1
G2
1
C2
1
C
C1
R2 &
gen. Als Beispiel dient der Baustein 4060B. Er besteht aus einem Generator und einem sich anschließenden Teiler. Zu seiner Funktion brauchen nur wenige externe Bauelemente zugefügt werden (Bild I-96). Seine Oszillatorfrequenz läßt sich bis 214 teilen. Dies hängt vom gewählten Ausgang ab.
und C kann über R wieder aufgeladen werden, bis die Ausschaltschwelle erreicht ist, um an Q wieder einen L-Pegel zu erzeugen. Die Frequenz der Ausgangsspannung ist von der Zeitkonstante tau = R ⋅ C abhängig. Zum Einsatz kommen auch hier integrierte SchaltunMR
MR 4060B
11
Bild I-95 Generatorschaltungen
Q2
4060B 11
&
& 10
&
&
9
10
100k
9
9 10 11 12
4060B CTR14 Cx Rx +
&
3
CT = 0
R C
CT
2,2k f=
100pF
1 2,3 * R * C
22..37pF
9 11 13
7 5 4 6 14 13 15 1 2 3
nach Datenbuch der Firma Philips
Bild I-96 Standardbaustein mit Taktgenerator
II Integrierte Schaltkreise der Digitaltechnik 1 Allgemeines Integrierte Schaltkreise (Integrated Circuit, IC) bestehen aus einer großen Anzahl von Transistorfunktionen, die auf einem Halbleiterkristall (Chip) integriert sind. Der Chip ist in einem Kunststoff- oder Keramikgehäuse eingebaut. Über Anschlüsse (Pin’s) erfolgt die Verbindung zur Schaltung. Mit Hilfe moderner Herstellungsverfahren wird die Integrationsdichte dieser Schaltungen immer größer und die entsprechenden Chips kleiner, leistungsfähiger und
kostengünstiger. IC’s lassen sich nach Kriterien wie Integrationsdichte, Funktion und Technologie einordnen. Bei der Integrationsdichte wird beispielsweise nach SSI (Small Scale Integration), MSI (Medium Scale Integration), LSI (Large Scale Integration) und VLSI (Very Large Scale Integration) unterschieden. Die Grenzen zwischen den Gruppen sind fließend und nicht einheitlich festgelegt. Digitalschaltungen (Logik- und Speicherschaltungen) werden in bipolarer oder unipolarer Technik hergestellt. Bei den bipolaren Logikschaltungen wird nach
II Integrierte Schaltkreise der Digitaltechnik
563
Digitale integrierte Schaltungen
Standard Logik
ASIC
PLD
TTL
ECL
CMOS
BiCMOS
PROM
Prozessoren
Cell Array
Gate Array
PLA
FPGA
Speicher
PAL
GAL
Bild II-1 Übersicht: Integrierte digitale Schaltungen TTL (Transistor-Transistor-Logic) und ECL (Emitter Coupled Logic) unterschieden, bei den unipolaren Logikschaltungen nach MOS (Metal Oxide Silicon) und CMOS-Typen (Complementary MOS). Sind beide Technologien auf einem Chip realisiert, spricht man von BiCMOS-Technik. Außer den zuvorgenannten Standardschaltungen bieten die Hersteller anwendungsspezifische Schaltungen (ASIC = Application Specific IC) an, die sich nach vollkundenspezifischen (full custom) und halbkundenspezifischen (semi custom) Schaltungen unterscheiden. Hierunter versteht man vor allem Gate Arrays, Cell Arrays und PLD’s (PLD = Programmable Logic Device). Unter einem Array versteht man allgemein eine Matrix, die verknüpft werden kann. Bild II-1 zeigt eine Übersicht digitaler integrierter Schaltkreise. Speicher und Prozessoren sind in gesonderten Kapiteln aufgeführt.
2 Umgang mit integrierten Schaltungen IC’s sind elektrostatisch gefährdete Bauelemente (EGB). Sie müssen daher geschützt werden. Der Hersteller versieht diese Bauteile mit einem besonderen Kennzeichen (Hand als Piktogramm). Bei MOS-Schaltungen ist eine Schutzschaltung häufig integriert. Trotzdem kann es zur Zerstörung der Bauteile bei Berührung der Bausteinanschlüsse durch elektrostatische Entladungen kommen, wenn nicht besondere Regeln beim Umgang mit diesen Bauelementen beachtet werden. Hierzu zählen Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz wie hochohmig leitende
Fußbodenbeläge und ein Handgelenkband mit Erdung über einen Ableitwiderstand. Die Werkzeuge müssen ebenfalls aus einem antistatischen Material bestehen bzw. leitend sein. Alle Geräte für Reparaturzwecke sind zu erden. Dies gilt beispielsweise auch für einen Lötkolben, dessen Erdung über einen Widerstand durchgeführt wird. Bei hoher Arbeitsfrequenz der Bauelemente gelangen beim Umschalten Stromspitzen auf die Betriebsspannungsleitung. Bei der Schaltungsentwicklung muß daher gesorgt werden, daß alle Spannungsversorgungen direkt am Versorgungsanschluß des IC’s durch einen Kondensator abgeblockt sind. Um die Einkopplung von Fremdsignalen zu vermeiden, ist es weiterhin notwendig, daß keine langen Leiterbahnen bei der Entwicklung eines Layouts verlegt werden.
3 Daten und Begriffe der Logikschaltungen 3.1 Grenz- und Kenndaten Grenzdaten sind absolute Grenzwerte. Bei Überschreitung dieser Werte kann die integrierte Schaltung zerstört werden. Kenndaten sind Mittelwerte, die durch Angabe eines garantierten Streubereiches (worst case) ergänzt wurden.
3.2 Pegel H- und L-Pegel sind bestimmten Spannungsbereichen zugeordnet, die eingehalten werden müssen, um die logische Funktion zu gewährleisten. Für Ein- und
Bild II-2 Pegelwerte und Störabstand
564
Datentechnik
Ausgang einer Schaltung gelten unterschiedliche Pegelwerte. Bild II-2 veranschaulicht dies am Beispiel eines Standard-TTL-Bausteins. Die Schaltung erkennt „L“ von 0 ... 0,8 V (UIL) und „H“ von 2 V ... 5 V (UIH). Liefern muß die Schaltung für „L“ 0 ... 0,4 V (UOL) und für „H“ 2,4 V ... 5 V (UQH) (siehe auch Tabelle II-1). Der Bereich zwischen „L“ und „H“ ist nicht definiert. Man spricht hier auch von dem „verbotenen Bereich“. In Datenbüchern wird häufig die Übergangskennlinie, also die Abhängigkeit der Spannung UO (U Output) von UI (U Input), angegeben (Bild II-3). Die Schraffierung kennzeichnet hier den verbotenen Bereich. Mit der angegebenen Meßschaltung kann diese Kennlinie statisch aufgenommen werden. Übertragungskennlinie UO V 5
tung zwischen zwei Gattern bei unterschiedlichen Pegeln ist in Bild II-4 deutlich hervorgehoben. Häufig liegen die gemessenen Stromwerte weit unter den maximal zulässigen Werten. Da IQL max 16 mA beträgt, dürfen unter worse case-Bedingungen höchstens 10 Gattereingänge einen Ausgang belasten. Die Ausgangsbelastung (Ausgangslastfaktor) nennt man Fan Out. Hiermit wird ausgesagt, mit wieviel Lasteinheiten ein Ausgang belastet werden darf. Für Standard-TTL gilt ein Fan out von 10 und für CMOS ein Fan out von 50. Sollen mehr als 10 Eingänge an einen Standard-TTL-Ausgang angeschlossen werden, müssen Treiberstufen eingesetzt werden.
Meßschaltung
TTL
4
&
&
3 2,4
V
UI
V
UO
2
1 0,4
0 0
1 0,8
2 2
3
4
5
UI V
Bild II-3 Übertragungskennlinie und Meßschaltung +U
3.3 Störsicherheit Unter statischer Störsicherheit versteht man die Sicherheit gegen eingekoppelte Störspannungen, deren Einwirkung zeitlich größer als die Gatterlaufzeit ist. Man spricht hier auch vom Störabstand. Störspannungen bis zur Größe des Störspannungsabstandes haben keinen Einfluß auf die logische Funktion der Schaltung. Bei Standard-TTL beträgt der statische Störspannungsabstand 1,2 V (siehe Bild II-2).Unter dynamischer Störsicherheit versteht man die Sicherheit gegen Störspannungen mit kürzeren Zeiten als die Gatterlaufzeit. Die Werte des dynamischen Störabstandes sind von der Dauer des Störimpulses, der Temperatur und der jeweiligen Schaltung abhängig.
IOH
IIH
Um die Pegelwerte einhalten zu können, darf das Gatter nur vorgegebenen Belastungen ausgesetzt sein. Jeder Eingang eines Gatters belastet das vorherige Gatter. Bei Standard-TTL fließt bei L ein maximaler Strom von 1,6 mA aus dem Gatter (IIL = – 1,6 mA). Diese Stromgröße wird mit Fan IN = 1 (Eingangslastfaktor FI) bezeichnet. Bei H fließt ein max. Strom von 40 uA in das Gatter (IIH = 40 uA). Die Stromrich-
IIL
IOL
H
&
L
A
&
H
IIL
L
3.4 Lasteinheit
+U
&
H
&
A
L
IIH
Bild II-4 Stromrichtung zwischen den Gattern und Kennzeichnung der Ströme
3.5 Temperaturbereich Bei der Angabe des Temperaturbereichs wird zwischen Lagerungstemperatur und zulässiger Umgebungstemperatur im Betrieb unterschieden. So liegt
II Integrierte Schaltkreise der Digitaltechnik
565 Für kurze Impulse kann die Gatterlaufzeit, wie dargestellt ist, ausgenutzt werden. Das Zeitliniendiagramm beschreibt die Pegel an den einzelnen Gattern. Der Ausgang B ist zunächst „H“, da der Eingang A L-Pegel führt. Nimmt A H-Pegel an, schaltet B nach der Verzögerungszeit auf L. C schaltet nach L und der nachfolgende Inverter G3 gibt den Impuls mit der Impulszeit einer Verzögerungszeit heraus. Wünscht man Impulszeiten mehrerer Gatterlaufzeiten, sind zusätzlich jeweils zwei Inverter zwischen G1 und G2 einzusetzen.
beispielsweise die Lagerungstemperatur bei IC’s mit Kunststoffgehäusen zwischen 55 °C bis 125 °C, die zulässige Umgebungstemperatur im Standardbereich bei der 74LS-Serie von 0 °C bis 70 °C und bei den MOS-Typen der 4000B-Serie von – 40 °C bis 85 °C.
3.6 Gatterlaufzeit Ändert man den Eingangspegel einer Gatterschaltung, z.B. eines Inverter, von L nach H, so dauert es eine gewisse Zeit, bis der Ausgang auf die Eingangsänderung reagiert. Das Zeitverhalten gibt die Gatterlaufzeit (tpd = propagation delay time) wieder, wobei die Angabe sich auf die Differenz der Ein- und Ausgangsflanke in 50%iger Höhe bezieht. Bei Aufbau von Schaltungen mit Mehrebenen können durch unterschiedliche Laufzeiten fehlerhafte und ungewünschte Verhaltensweisen wie kurzzeitige Impulse (Glitches) am Ausgang auftreten. Im Bild II-5 durchlaufen die Signale A und B drei Gatter, während C zwei und D nur ein Gatter durchläuft. Durch Umorganisation der Schaltung kann erreicht werden, daß die Eingangssignale gleiche Zeiten durchlaufen. Oft wird auch statt der Signallaufzeit die maximale Schaltfrequenz angegeben.
3.7 Verlustleistung Bei digitalen Schaltungen wird häufig die Verlustleistung pro Gatter angegeben. Hierbei handelt es sich um einen Mittelwert, der davon ausgeht, daß der Gatterausgang abwechselnd L- und H-Pegel führt. Bei den einzelnen Familien gibt es erhebliche Unterschiede, wie auch dem Bild II-6 entnommen werden kann. Vergleicht man ferner die Stromaufnahme eines Standard-TTL-Bausteins, sind auch deutliche Unterschiede der Stromwerte zu erkennen, wenn alle Ausgänge einmal L- und einmal H-Pegel führen. Die größte Verlustleistung tritt im dynamischen Betrieb
Laufzeit
Laufzeitunterschiede
100%
Ebene 1
Ebene 2
Ebene 3
50%
tpHL
A B C D
t
tpLH
100%
&
&
&
50%
t Ausnutzung von Laufzeiten G1 A
&
B G2 &
C
G3 &
&
A B
&
C D
&
Q
Q
A
t
B
A B C D
&
t
C
t
Q
t tpd
Bild II-5 Gatterlaufzeiten
Q
Q
566
Datentechnik
bei hohen Frequenzen auf. Der Schaltungsentwickler sollte beim Einsatz digitaler Schaltungen darauf achten, daß die Verlustleistung der eingesetzten Bausteine möglichst gering ist. Hierdurch können die Netzteile klein und kompakt dimensioniert werden, und die geringere Wärmeentwicklung der Bauelemente erspart aufwendige Kühlmaßnahmen. Ein Beispiel hierfür ist die 3,3 V-Technologie. In diesem Zusammenhang ist auch der Begriff Speed-PowerProduct zu nennen, der das Produkt aus Geschwindigkeit und Leistungsaufnahme eines Gatters in Verbindung mit Energiebilanzen angibt.
Tabelle II-1 Kennwerte ausgewählter TTL-Serien Kennwerte
74
74S
Betriebsspannung (V) ± 5%
5
5
5
5
5
UIL (V) <
0,8
0,8
0,8
0,8
0,8
UIH (V) >
2
2
2
2
2
UOL (V) <
0,4
0,5
0,5
0,5
0,5
UOH (V) >
2,4
2,7
IOL (mA) max 16
8
4 TTL-Familie
tp (ns)
10
4.1 Eigenschaften und Kenndaten
P (mW)
10
Bild II-6 zeigt die Mitglieder-TTL-Familie im Vergleich von Gatterlaufzeit und Verlustleistung. In Tabelle II-1 sind ihre Kenndaten aufgelistet.
74LS
2,7
74ALS
U-2V
74F
2,7
20
30
24
9
3
5
3
2
20
1,2
4
nach Unterlagen der Firma Philips Abkürzungen: UIL Eingangsspannung für L-Pegel; UIH Eingangsspannung für H-Pegel; UOL Ausgangsspannung für L-Pegel; UOH Ausgangsspannung für H-Pegel; IOL Ausgangsstrom bei L-Pegel
P tp mWns 25 20
15 10 5
74
74H
74L
74S
74LS
Die Bausteine der einzelnen Untergruppen sind PINkompatibel (gleiche Funktion und Anschlußbelegung) und besitzen als gemeinsame Kenndaten die Betriebsspannung, Pegelwerte und den Temperaturbereich. Unterschiede bestehen vor allem in der Gatterlaufzeit und der Verlustleistung. Bei der LowPower- und High-Speed-Untergruppe sind die internen Widerstandswerte gegenüber Standard verändert, um die Leistungsaufnahme geringer zu machen (Low) und die Geschwindigkeit zu erhöhen (High). Die beiden Eigenschaften verlaufen allerdings gegensätzlich. Weitverbreitet sind die Low-Power-Schottky-Typen mit ihrer gegenüber Standard-TTL geringeren Leistungsaufnahme und etwa gleicher Geschwindigkeit. Bild II-7 zeigt einige LS-Bausteine aus dem umfangreichen Herstellerangebot mit ihren Anschlußbelegungen. Advanced-Schottky und Advanced-LowPower-Schottky sind verbesserte Nachfolgetypen sowie die FAST-Serie, die gegenüber der LS-Serie ihre Gatterdurchlaufzeit erhöhen konnte.
74ALS
74AS
74F
Bild II-6 Verlustleistung und Gatterlaufzeit
4.2 Standard-TTL Bei den Standardbausteinen der TTL-Familien haben sich folgende Funktionseinheiten herausgebildet: Grundgatter wie z.B. NICHT (Inverter), UND, ODER, NOR und XOR Flipflops wie z.B. RS-Flipflop, D-Flipflop und JK-Flipflop Multiplexer und Datenselektoren Demultiplexer und Decoder Rechenschaltungen wie z.B. Addierer Komparatoren Zähler und Frequenzteiler Schieberegister Treiber Sonderschaltungen wie z.B. Schmitt-Trigger und Zeitglieder
Schaltungen der Standardserie (Bezeichnung 74xx) bestehen aus bipolaren Transistoren, die als Schalter arbeiten. Sie sind so dimensioniert, daß sie beim Durchschalten übersteuert werden und so voll in den Sättigungsbereich gelangen (gesättigte Logik). Die TTL-Familie ist die Weiterentwicklung der DTL (Dioden-Transistor-Logik) und RTL (Widerstands-
II Integrierte Schaltkreise der Digitaltechnik 74LS00 1 2 4 5
&
9 10
&
12 13
&
1
74LS02
&
3
1
1 2
6
5 6
8 11
5
1
6
1
8
11
1
10
13
1
12
2 3 4
74LS85 0 COMP P 3 PQ 3
74LS10
1 2
3
4
4 5
6
4 5
6
8 9
10
9 10
8
9 10
8
11 12
13
12 13
11
12 13
11
74LS73 14 1 3 2
4
74LS86 3
2 3
9
10 12 13 15 9 11 14 1
74LS32 1
3
74LS16 1 2
567
7 5 10 6
1J C1 1K R
12
1J C1 1K R
9
7 11 10 9 4 3 2 1 15 14 13 12
7 6 5
< = >
13 4
13
74LS75 C1 C2
2
1D
3
1D
7
2D
6
2D
1 2 13 3 4 5 9 10 11
&
12
&
6
&
8
74LS393 CTRDIV10 CT= 0
16 1 15 14 9 8 10 11
+
0
CT 3
8 74LS151 EN MUX 0 0 G 7 2
74LS138 DX 6
1 2 3
5 4 5 6
&
15 14 13 12 11 10 9 7
74LS244 1
19
EN
2
18
11
9
4
16
13
7
6
14
15
5
8
12
17
3
2
18
4
16
6
14
8
12
1
Transistor-Logik). Drei typische Vertreter der Standardserie dienen als Beispiel. Digitalbausteine Beispiel 1: Baustein IC 7400
Bild II-8 zeigt die Innenschaltung des 14poligen IC’s und den Aufbau eines NAND-Gatters. Hier erkennt man die Merkmale der weitverbreiteten Logik mit einem Multiemitter-Transistor im Eingang (V1) und einer Gegentaktendstufe (Totem-Pol-Stufe) am Ausgang (V3, V4). Von der Funktion her läßt sich diese Schaltung als Weiterentwicklung der RTL (Widerstands-TransistorLogik) und der DTL (Dioden-Transistor-Logik) ansehen. Wenn jetzt ein oder beide Eingänge der Schaltung auf Masse liegen (L-Pegel), kann der Transistor V2 nicht durchschalten. Damit ist auch V4 gesperrt, und V3 schaltet durch und erzeugt einen HPegel am Ausgang. Liegen beide Eingänge auf +5 V (H-Pegel), schaltet V2 durch, und am Ausgang entsteht ein L-Pegel, da auch V3 durchschaltet. Transistor V4 ist dann gesperrt. An dieser Schaltung erkennt man auch die Auswirkung offener Eingänge auf den Ausgang der Schaltung. Werden beide Eingänge offen gelassen, fließt über die Basis-Kollektor-Diode des Multiemitter-Transistors Strom in den Transistor V2 und schaltet die-
Bild II-7 Digitalbausteine mit Anschlußbelegung
sen und auch V4 durch. Offene Eingänge wirken wie anliegende H-Pegel. Man legt daher bei NAND- und UND-Gattern die nicht benötigten Eingänge auf +5 V und bei ODER- und NOR-Gattern auf 0 V. Müssen Ausgänge verschiedener Gatter logisch miteinander verknüpft werden, ist dies mit Totem-pole-Schaltungen nicht möglich. Gatter mit solchen Gegentaktendstufen dürfen an ihren Ausgängen nicht parallel geschaltet werden, da ein Kurzschluß entstehen kann, wenn ein Gatterausgang „L“ und der andere „H“ liefert. Abhilfe schaffen Gatter mit offenem Kollektor (Open Collector, o. C., siehe Beispiel 2). Beispiel 2: Baustein IC 7401
Im Bild II-9 sind die Innenschaltung des Baustein 7401 und der Aufbau eines Gatters dargestellt. Ein Lastwiderstand RL muß extern eingebaut werden, da der Ausgang ohne Lastwiderstand keinen Pegel ausgeben kann. Stufen mit offenem Collektor (o. C.) lassen am RL Betriebsspannungen von 15 V oder 30 V zu. TTL-Treiber können damit Kleinverbraucher direkt ansteuern. Gatter mit o. C dürfen mit ihren Ausgängen parallel geschaltet werden. Der Ausgang erreicht nur dann H-Pegel, wenn alle Eingänge auf H-Pegel lie-
568
Datentechnik 14
1
2
14 &
R3
13 &
3
V3
12 10 11 9 10
4 5
R2
R1
& &
6
V2
V1
V4
V5 V6
8
R4
9
7
V7
8
Bild II-8 Baustein 7400
7
verdrahtete UND-Schaltung verdrahtete ODER-Schaltung 14 1
14
2 3
13 &
12 &
4 5
6
R2
R1
9 8
11
10
V3
V4 V5
10 &
V2
V1
R3
9 &
7
8
Bild II-9 Baustein 7401
7
+
UND
+
RL
ODER
RL
Schaltung
Schaltung A
&
B
&
Q
Wertetabelle
Gleichung
A
&
B
&
&
Wertetabelle
A
B
Q
A
B
Q
L L H H
L H L H
L L L H
L L H H
L H L H
L H H H
Q=A∧B Q=A∨B
Gleichung
Q=A∨B
H L
& & n=2
Bild II-10 Verdrahtete UND- und ODER-Schaltung
Q=A∨B
+
+
RL
RL
IRL IQL
Q
IRL IIL IIL
&
IIL IIL
&
N=4
H
L
H
L
& &
IOH
IIH IIH
&
IOH
IIH IIH
&
n=2
Bild II-11 Stromrichtung und -größe bei unterschiedlichen Ansteuerungen
N=4
L L
II Integrierte Schaltkreise der Digitaltechnik
569
gen; ansonsten liegt L-Pegel am Ausgang an. Man spricht von einer verdrahteten UND-Schaltung (Wired AND). Wird der Ausgang mit einem nachfolgenden Inverter verbunden, ergibt sich eine verdrahtete ODER-Verknüpfung (Wired OR). Bild II-10 zeigt die beiden genannten Schaltungen und verdeutlicht die Funktion anhand der Wertetabelle und der Gleichungen. Der Wert des Kollektorwiderstandes läßt sich für eigene Bedürfnisse berechnen oder man nutzt für Standardanwendungen die Tabellen der Hersteller (Tabelle II-3). Das Berechnungsbeispiel bezieht sich auf die Schaltung Bild II-11.
RL >
U max − UOL
RL <
IOL max − N ⋅ IIL
U min − UOH n ⋅ IOH + N ⋅ IIH
RL >
5,25 V − 0,4 V 16 mA − 4 ⋅ 1,6 mA
RL <
RL > 505 Ohm
4 ,75 V − 2,4 V 2 ⋅ 250 uA + 4 ⋅ 40 uA
RL < 3560 Ohm
Beispiel 3: Baustein IC 7402
Liegt an beiden Eingängen der Schaltung Bild II-12 ein L-Pegel, wird V3 und V4 gesperrt und damit auch V6. V5 schaltet durch und erzeugt einen H-Pegel am Ausgang. Bei Anliegen eines HPegels an nur einem der Eingänge entsteht am Ausgang ein LPegel. Die Schaltung erfüllt damit die NOR-Funktion.
(II.1)
Tabelle II-3 Ermittlung des Kollektorwiderstandes RLmax
RLmin
N n 1 2 3 4 5 6 7 8 9
1 8100 7120 6350 5730 5220 4790 4430 4120 3850
2 4350 4050 3790 3560 3350 3170 3010 2860 –
3 2970 2830 2700 2580 2470 2370 2280 2190 –
4 2260 2170 2100 2020 1950 1890 1830 1780 –
5 1820 1760 1710 1660 1620 1570 1530 – –
6 1520 1480 1450 1410 1380 1350 1320 – –
7 1310 1280 1250 1230 1200 1180 1150 – –
337 379 433 505 607 758 1110 1515 3030
nach Datenbuch der Firma ITT
14 1
2
14
R2
R3
R5
13
™1
3
V3
12
™1
8
4 5
R1
11
V1
V4
V2
V5
V9
9
10
™1
6
V6
9
™1
7
V7
10
V8 R4
8
7
4.3 Schaltungen mit 3-state Schaltung
Schaltzeichen +
R1
R2
1 EN
R3
Q
V3 E
E V1
V2
V5 Q
R5 EN
R6
V6
V4
V7
Q
EN Prinzip
R4
Bild II-13 3-state-Gatter
Bild II-12 Baustein IC 7402
570
Datentechnik
Tristate-Schaltungen besitzen außer den Pegelausgaben L und H noch eine dritte Möglichkeit. Sie sind in der Lage, mit einem Steuereingang (EN Enable = Freigabe) einen Ausgang hochohmig zu schalten. Damit können diese Schaltungen in parallelen Bussystemen eingesetzt werden. In der Hauptsache handelt es sich bei Einsatz dieser Schaltungen um Leistungstreiber, Richtungstreiber, Zwischenspeicher und Speicherschaltungen. In der Prinzipdarstellung (Bild II-13) schaltet ein H-Pegel am Eingang EN die Transistoren V6 und V7 durch und sperrt damit die beiden Endstufentransistoren V3 und V4. Der Ausgang Q besitzt damit keinen definierten H- oder LPegel mehr. Er ist praktisch abgeschaltet; man spricht auch davon, daß der Ausgang hochohmig ist.
von einem AND/NAND-Gatter oder OR/NORGatter. Bausteine der ECL-Familie sind bedeutend schneller als andere Bausteinfamilien. Sie erreicht Schaltzeiten von kleiner 1 ns. Der Grund ist die Konstantstromquelle des Differenzverstärkers, der die Transistoren nicht in die Sättigung kommen läßt (ungesättigte Logik). Ein weiterer Vorteil ist der relativ hohe Ausgangslastfaktor von 25. Nachteil dieser Technik sind hohe Verlustleistungen bis 40 mW. Auffallend sind die drei Betriebsspannungen UEE, UCC1 und UCC2. UCC1 dient als Hilfsspannung für Abschlußwiderstände. Häufig werden aber die beiden Anschlüsse UCC1 und UCC2 gemeinsam auf Masse zusammengelegt. Tabelle II-4 faßt die Kenndaten dieser Baugruppe zusammen. UCC1
4.4 Schottky-TTL und Low-Power-Schotky Schottky-Dioden besitzen einen Metall-Halbleiterübergang und Schwellspannungen, die zwischen denen von Germanium- und Silizium-Dioden bei ca. 0,4 V liegen. Ein Schottky-TTL-Gatter besitzt wesentlich kürzere Schaltzeiten als ein Standardgatter; es hat aber den Nachteil, daß die Leistungsaufnahme sehr hoch (20 mW) ist. Weitverbreitet sind heute die Bausteine der LS-Serie (Low-Power-Schottky) wegen der geringeren Leistungsaufnahme von etwa 2 mW pro Gatter und des höheren Fan out gegenüber Standard Typen. Die Schaltzeiten dieser Serie liegen bei 9 ns. Bild II-14 zeigt ein Gatter der SchottkyTTL-Serie. + R1
R2
R6
A
A∧B A B
UEE
Tabelle II-4 Kenndaten V10
V7 V1
R7
Q B
A∧B
Bild II-15 ECL-Gatter mit zwei Ausgängen
V8 V2
V6
V4
V5
V11
V3 R3
R4
UCC2
Betriebsspannung (V) Low-Pegel (V) < High-Pegel (V) > Ausgangsstrom (mA) tp (ns) P (mW)
10K-Reihe
100k-Reihe
– 5,2 – 0,81 – 1,85 – 50 2 25
– 4,5 – 0,88 – 1,81 – 55 0,80 40
R5
V9
Bild II-14 Low-Power-Schottky-Gatter
5 Emittergekoppelte Logik Kennzeichen der emittergekoppelten Logik (Emitter Coupled Logic) ist der Differenzverstärker im Eingang und die Auskopplung über den Emitter (Bild II-15). Aufgrund des technologischen Aufbaus können ECL-Schaltungen auch zwei Ausgänge führen, deren Pegel invers zueinander sind. Man spricht dann
6 Integrierte MOS-Schaltungen Der Vorteil gegenüber Schaltungen in bipolarer Technik ist der geringere Leistungsbedarf, der allerdings mit zunehmender Frequenz steigt. MOSSchaltungen (MOS = Metal Oxide Semiconductor) sind sehr hochohmig und nehmen praktisch nur im dynamischen Betrieb Leistung auf. Weiter lassen sich hohe Packungsdichten erreichen, und es werden weniger Einzelschritte bei der Herstellung benötigt. Der Nachteil liegt in der Verarbeitungsgeschwindigkeit durch stets vorhandene Streukapazitäten. MOSSchaltungen sind somit viel langsamer als Standard-
II Integrierte Schaltkreise der Digitaltechnik
571
TTL-Schaltungen. Auch hier haben sich unterschiedliche Familien ausgebildet.
Die Betriebsspannung kann zwischen 2 und 15 V liegen. +
6.1 NMOS- und PMOS-Technik Kennzeichen dieser Schaltungstechnik ist, daß sie entweder nur mit NMOS- oder nur mit PMOS-Typen aufgebaut sind. Das Einsatzgebiet der MOS-Technik liegt bei hochintegrierten Schaltungen wie z.B. der Speichertechnologie. Bild II-16 zeigt das Prinzip eines P- und NMOS-Schalters als Inverter mit der jeweiligen Wertetabelle. Der n-Kanal-Type leitet bei Ansteuerung mit einem H-Pegel und der p-KanalType bei Ansteuerung mit einem L-Pegel. n-Kanal-Inverter
+
Q A
D B
G
D B Q
A G
S
S
A 0 1
Q 1 0
Bemerkung n-Kanal sperrt n-Kanal leitet
A 0 1
Q 1 0
V2 Eingang
Ausgang
Bild II-17 CMOS-Inverter
Gegenüber MOS-Schaltkreisen ist die Leistungsaufnahme bei verbesserten Schaltzeiten und größerem Störspannungsabstand wesentlich kleiner. Gegenüber bipolarer Technik ist die höhere Intergrationsfähigkeit hervorzuheben. Die Pegeländerungen von H nach L und umgekehrt liegen genau bei halber Betriebsspannung. Aufgrund des sehr hohen Eingangswiderstandes werden CMOS-Schaltungen gegen statische Aufladungen mit Schutzschaltungen versehen (Dioden im Einund Ausgang). Da die FET’s direkt zwischen Betriebsspannung und Masse liegen, wirkt der durchgeschaltete Transistor immer als Lastwiderstand. CMOS-Schaltungen besitzen einen großen Spannungsversorgungsbereich (2 V bis 15 V) und damit je nach Betriebsspannung einen großen Störabstand. Aufgrund der niedrigen Leistungsaufnahme sind CMOS-Schaltungen auch für den Batteriebetrieb gut einsetzbar. CMOS-NOR
p-Kanal-Inverter
+
V1
Bemerkung p-Kanal leitet p-Kanal sperrt
Bild II-16 n-Kanal- und p-Kanal-Schalter
6.2 CMOS CMOS-Inverter Die CMOS-(Complementary MOS-)Logikfamilie besteht aus N- und P-Kanal-MOS-Transistoren. Bild II-17 verdeutlicht die Funktion am Beispiel eines Inverters. Je nach Ansteuerung ist immer einer der beiden Transistoren leitend. Bei Ansteuerung mit „L“ leitet der p-Kanal V1 und bei Ansteuerung mit „H“ der n-Kanal V2. CMOS-Gatter nehmen praktisch nur im dynamischen Betrieb Leistung auf. Die statische Verlustleistung ist nahezu Null, weil stets einer der beiden Transistoren gesperrt ist und damit kein Strom mehr durch die Schaltung fließt. Type A
6.2.1 4000-Serie Bei den CMOS-Typen der 4000-Familie unterscheidet man die ungepufferte Serie A (ältere Serie) und die gepufferte Serie B. Die Ausgänge der B-Serie sind mit Puffern, die aus Doppelinverter bestehen, versehen. Bild II-18 zeigt ein NOR-Gatter beider Typen. Sobald ein Eingang H-Pegel besitzt, wird V1 oder V2 gesperrt und ergibt für den Ausgang Q einen L-Pegel. Nur wenn beide Eingänge mit einem L-Pegel angesteuert werden, leitet V1 und V2, während V3 und V4 gesperrt sind. In diesem Fall führt der Ausgang H-Pegel. Type B
+
A
+
A
V1
B
B V2 Q
Q
V3
A B
V4
1
Q
V3
A B
1
1
1
Q
Bild II-18 CMOS-NOR
572
Datentechnik
UO V
UO V
15 A B 5
CMOS
4
10
TTL
3
2
5
1 UI V
0 0
1
2
3
4
5
0 0
5
10
15
UI V
Bild II-19 Übertragungskennlinie Bild II-19 vergleicht die Übertragungskennlinien eines Inverters beider Serien bei unterschiedlichen Betriebsspannungen. Das steile Schaltverhalten der B-Serie ist deutlich zu erkennen. Die Leistungsaufnahme bei unterschiedlichen Frequenzen beschreibt Bild II-20. Erst ab etwa 1 MHz erreichen diese Bauelemente die Verlustleistung von LS-Typen. Tabelle II-5 gibt die Kenndaten der CMOS-Familie wieder. Bei positiver Logik liegt die Betriebsspannung zwischen +3 V und +15 V. Die Spannung für den HPegel muß mindestens 70% und für den L-Pegel mindestens 30% der Betriebsspannung betragen. Offene Eingänge sind nicht zulässig, und unbenutzte Eingänge müssen auf Masse (0) oder Betriebsspannung (1) liegen. CMOS-Gatter dürfen mit ihren Ausgängen nicht parallel geschaltet werden, weil sich je nach Ansteuerung ein undefinierter Ausgangszustand ergibt.
P mW 100,0 10,0 LSTTL 1,0 0,1
CMOS
0,01 0,001 0,0001 100
1k 10k 100k 1M 10M
Bild II-20 Leistungsaufnahme
Serie A
Serie B + V10 V12
+ V1
V2
V3
V4
V6
V8
V5 V7
V1
V2
V3
V4
V5
V7
V6 V8
V9
V11
Bild II-21 Schaltung mit Schutzdioden
OUT
IN Enable
Bild II-22 Schaltung mit 3-state
f Hz
II Integrierte Schaltkreise der Digitaltechnik
573
Tabelle II-5 Daten der CMOS-Familie Betriebsspannung
4000B 3 – 15 V
LSTTL 5 V ± 5%
HC 2–6 V
HCT 5 V ± 10%
Verlustleistung (statisch) Verlustleistung (100 kHz) Gatterlaufzeit max. Taktfrequenz Ausgangstreiberstrom
1 μW 100 μW 94 ns 4 MHz 0,5 mA
2 mW 2 mW 10 ns 33 MHz 8 mA
2,5 nW 75 μ W 8 ns 55 MHz 4 mA
2,5 nW 75 μW 8 ns 55 MHz 4 mA
anliegenden H-Pegel sperren beide Transistoren. Der Schalter kann für analoge und digitale Signale eingesetzt werden. Eingang und Ausgang können beliebig zugeordnet werden. Eine Signalverstärkung erfolgt allerdings nicht. Bild II-23 zeigt als Beispiel den Baustein IC 4016 mit seiner Anschlußbelegung und den Aufbau eines der vier Schalter. CMOS-Schaltungen müssen aufgrund der extrem hohen Eingangswiderstände (>100 MOhm) gegen statische Aufladungen geschützt werden. Sie besitzen daher im Eingang Schutzschaltungen, die je nach Typ und Hersteller unterschiedlich sind. Wie schon bei der TTL-Familie, bieten auch hier die Hersteller unterschiedliche Bausteine an. Bild II-24 zeigt eine kleine Auswahl gebräuchlicher IC’s.
Die Ein- und Ausgänge dieser Schaltungen sind mit Schutzdioden gegen statische Überspannungen gesichert (Bild II-21). Sollen mehrere Bausteine trotzdem eine gemeinsame Signalleitung bekommen, müssen, wie bei den TTLBausteinen, 3-state-Schaltungen benutzt werden. Nach Bild II-22 wird die Schaltung bei EN = L in den hochohmigen Zustand versetzt. Ist EN = H, wird der anliegende Eingangspegel (L oder H) zum Ausgang Q übertragen. 6.2.2 CMOS-Schalter CMOS-Bausteine Der bilaterale CMOS-Schalter besteht aus einem p- und n-Kanal-MOS. Durch einen L-Pegel am Steueranschluß E0 werden beide Transistoren mit den Anschlüssen Y0 und Z0 leitend. Durch einen 4016 B Y0 1 # E0 13 4 # 5 8 # 6 11 # 12
Z0
2 V1
3
10
Bild II-23 CMOS-Schalter
Z0 4011B
™1
3
™1
4
™1
10
™1
V2
E0
9
4001B 1 2 5 6 8 9 12 13
Y0
+
11
1 2 5 6 8 9 12 13
4030B
&
3
&
4
&
10
&
11
1 2 5 6 8 9 12 13
4073B
=1
3
=1
4
=1
10 11
=1
1 2 8 3 4 5 11 12 13
4555B 2 3
&
9
&
6
&
10
1 14 13 15
1 X/Y 0 1 2 2 EN 3
4 5 6 7
1 X/Y 0 1 2 2 EN 3
12 11 10 9
VDD 16 GND 8
4068B 1 3 5 9 11 13
1 1 1 1 1 1
40106B 2 4 6 8 10 12
1 3 5 9 11 13
Bild II-24 CMOS-Bausteine
4518B 2 1 2 4 7 6 8 10 9 12 10 15
+ ™1CT
0
3 +
0
™1CT 3
4502B 3 4 5 6 11 12 13 14
4 12 3 6 1 10 13 15
EN G1 1
4015B 9 6
5 7 7 2 1 9 11 13 14 15
SRG4 C1/ R
10 SRG4 C1/ R 10
VDD 16 GND 8
5 4 3 10 13 12 11 2
574
Datentechnik
6.2.3 High-Speed-CMOS
reich (4 V bis 6 V). Für die Übergänge von „L“ nach „H“ und umgekehrt liegen die Schaltspannungen bei 30% bzw. 70% der Betriebsspannung. Bild II-26 vergleicht die Betriebsspannung und die Pegelbereiche der gängigsten Typen.
Die HC/HCT-Logikreihe (High-Speed-CMOS/HCTTL kompatibel) verbindet die Vorteile der bipolaren Technik mit ihrer hohen Schaltgeschwindigkeit und die geringere Leistungsaufnahme der StandardCMOS-Serie (Tabelle II-3). Dadurch sind diese Bausteine den 74LS- und 4000-Typen überlegen. Die 74HCT-Serie ist TTL-kompatibel und kann bei einer Betriebsspannung von 5 V jeden LS-Typ ersetzen, da eine zusätzliche Kompatibilität der Spannungspegel vorliegt (Tabelle II-6). Zu beachten ist aber, daß der Ausgangstreiberstrom nur die Hälfte des LSTTL beträgt. Die 40xxHC/HCT-Serie ist pinkompatibel zur 4000-Serie. Bild II-25 zeigt die Eingangsschaltung einer HCT-Version und die Übertragungskennlinien bei einer Betriebsspannung von 5 V.
6.2.4 BICMOS BICMOS (Bipolar CMOS) vereinigen bipolare mit CMOS-Technik. Durch die CMOS-Technik wird die Leistungsaufnahme wesentlich gesenkt und durch die bipolare Technik die Geschwindigkeit erhöht. Zu dieser Serie zählen die Bausteine 74BCxx und 74ABTxx. Während bei den BC-Typen die Gatterlaufzeiten bei einer Betriebsspannung von 5 V bei 3,8 ns liegen, bewegen sich die Gatterlaufzeiten bei ABT unter 3 ns. Die Bauelemente sind funktions-
UO V V3
5
V1 4 100
V4
170
3
V2
HCT
HC
2
V5
1
Bild II-25 HC-Eingangsschaltung und Übertragungskennlinie
0
Die beiden Widerstände im Eingang und V1 und V2 dienen als Schutzschaltung bei elektrostatischen Entladungen. Im Gegensatz zu LS-Typen besitzen HC-Typen einen größeren VersorgungsspannungsbeLSTTL
1
2
Ua V
4
HCT Ua V
Ue V 6
3
H
5
und pinkompatibel zu LS-TTL oder FAST (74F/74S/74HC). Relativ neu ist die Entwicklung und das Angebot von Niederspannungsschaltkreisen; sogenannte 3,3 V-Logikschaltkreise (Low Voltage).
HC
Ue V 6
UI V
0
Ue V 6
H
Betriebsspannung Ua UCC LS HCT HC V V 6
5
5
5
5
4
4
4
4
3
3
3 2
H H
3
H
2
2
H
1
L
2
L 1
L
1 L
0 4,5V
UCC 5,5V
L
0 4,5V
UCC 5,5V
Bild II-26 Betriebsspannungen und Pegelbereiche
1 L
0 4,5V
UCC 5,5V
0
II Integrierte Schaltkreise der Digitaltechnik
575
Die Verlustleistung dieser Bausteine gegenüber der 5 V-Technik ist etwa um 1/3 niedriger.
7 Interfaceschaltungen Interfaceschaltungen passen die Logikfamilien untereinander an. Das ist bei unterschiedlichen Pegelwerten notwendig. Sie verbinden auch Logikschaltungen mit weiteren elektronischen Systemen. Die Verbindung von CMOS zu TTL läßt sich über Puffer realisieren und von TTL nach CMOS über einen Pull-upWiderstand realisieren. Bei 5 V Betriebsspannung ist auch eine direkte Kopplung möglich (Tabelle II-6). Bild II-27 zeigt Beispiele, bei denen die LogikFamilien mit unterschiedlichen Betriebsspannungen betrieben werden. UCC
Der Pull-up-Widerstand Rp beträgt 2 bis 10 kOhm bei der Umsetzung von TTL nach Standard-CMOS. Für die Umsetzung von Standard-CMOS mit einer Betriebsspannung von 6 V bis 15 V nach 74HC ist ein zusätzlicher Umsetzer (4049/50B) beispielhaft eingesetzt. Das 74HC-Standard-CMOS-Interface wurde zum einen mit einem Transistor und zum anderen mit einem Umsetzer (TC5020BP) erreicht.
8 Anwendungsspezifische integrierte Schaltungen 8.1 Allgemeines Um eine gewünschte Schaltung zu realisieren, kann bei der Entwicklung digitaler Systeme auf Standard-
UCC
UCC 4049
Rp
TTL
Standart CMOS
UCC
Standart CMOS
UCC
74HC
UCC
TC5020BP
U1
IN
Standart CMOS
74HC
UCC
U2
OUT
Standart CMOS
74HC
Nach Datenblatt der Firma Toshiba
Bild II-27 Interface-Schaltungen
Tabelle II-6 Anpassung unterschiedlicher Familien bei 5V Betriebsspannung von 74HC/5 V 74HCT 4000B/5 V 4000B/6 – 15 V TTL
zu
74HC/5 V
74HCT
4000B/5 V
4000B/6 – 15 V
TTL
direkt direkt direkt Puffer Pull-upWiderstand
direkt direkt direkt Puffer direkt
direkt direkt direkt Puffer Pull-upWiderstand
Puffer Puffer Puffer direkt Puffer
direkt direkt direkt Puffer direkt
576
Datentechnik
bausteine der unterschiedlichen Logikfamilien zurückgegriffen werden. Mit ihnen werden Baugruppen geschaffen, deren Bausteine durch Signalverbindungen jeweils miteinander verbunden sind. Jeder Baustein benötigt eine eigene Spannungsversorgung. Die Größe der Baugruppe ist jeweils von der Komplexität ihrer Aufgabe abhängig. Soll der Platzbedarf reduziert werden, werden anwendungsspezifische integrierte Schaltungen (ASIC’s = Application Specific IC) gewählt. Sie besitzen eine höhere Integrationsdichte und bei Reduzierung der Systemverlustleistung eine geringere Ausfallrate in Verbindung mit hoher Flexibilität. Anwendungsspezifische integrierte Schaltungen können in zwei Hauptgruppen unterteilt werden, zum einen in die Gruppe der kundenspezifischen IC’s (Custom IC) mit den Bereichen der halbkundenspezifischen (Semi Custom) und den vollkundenspezifischen (full custom) Schaltungen und zum anderen in die Gruppe der programmierbaren Logikbausteine (PLD = Programmable Logic Device). Das für den Anwendungsfall notwendige Systemwissen wird vom Anwender selbst eingebracht oder er nutzt Hersteller-Design-Zentren, die durch Beratung und gezielte Unterstützung eine optimale Lösung anstreben.
8.2 Kundenspezifische IC’s Bei den kundenspezifischen IC’s wird nach Fullcustom- und Semi-custom-Bausteinen unterschieden. Der Full-custom-Baustein wird vom Hersteller nach den Kundenanforderungen entwickelt und hergestellt.
Bei einer relativ langen Entwicklungszeit von über einem Jahr und dem hohen Fertigungsaufwand sind solche Bausteine nur für Großkunden mit großen Produktionsmengen wirtschaftlich. Semi-custom-Bausteine umfassen die Typen Gate-Arrays und CellArrays oder Standard Cells (Bild II-28). Sie sind von den Herstellern als Gruppen von Gatterbausteinen und Logikzellen aufgebaut. Array Ausgangsbasis der Gate-Arrays sind vorgefertigte Grundbausteine aus vielen P- und N-Kanal-MOSTransistoren, die als Gatter aufgefaßt werden können. Nach Wünschen des Kunden werden die Basiszellen zu einer Logikschaltung entsprechend verdrahtet. Erste Muster für den Kunden sind schon nach wenigen Wochen verfügbar, so daß die Entwicklungskosten gegenüber den vollkundenspezifischen Schaltungen deutlich niedriger liegen. Der SiliziumAusnutzungsgrad bei einem beliebigen Layout liegt bei etwa 40%. Bei den Cell-Arrays bedient sich der Entwickler beim Schaltungsentwurf der Zellbibliotheken, die gewünschte Funktionen wie Zähler,
Schaltungsentwurf
Umsetzung in einen Logikplan
Logiksimulation
Gate Array Basic cell
Layouterstellung
Logiksimulation mit Einfluß der Verdrahtung Maskenherstellung
I/O cell Standart cells
Prototypherstellung
ROM RAM
Musteruntersuchung
RAM
Bild II-28 Gate-Array und Standard Cells
Serienfertigung
Bild II-29 Array-Entwicklung
II Integrierte Schaltkreise der Digitaltechnik
577
Multiplexer oder Speicher beinhalten. Im Gegensatz zu den Gate-Arrays, wo Grundfunktionen erstellt werden, sind diese „Basiszellen“ mit größeren Teilaufgaben vorgefertigt. Der Entwicklungsaufwand dieser Bausteine ist größer als bei den Gate-Arrays. Da jedoch die Anordnung der Zellen und auch die Zellbreite vom Entwickler gewählt werden, ergibt sich eine optimal genutzte Chipfläche, die bei hohen Stückzahlen Kostenvorteile mit sich bringen kann. Bild II-29 zeigt den Ablaufplan einer Cell-ArrayEntwicklung.
8.3 Programmierbare Logikbausteine Programmierbare Logikbausteine (PLD = Programmable Logic Device) sind Standardbausteine, deren Funktion erst durch Software hergestellt wird. Ihre innere Struktur besteht je nach Type aus einer programmierbaren UND- und ODER-Matrixschaltung für Ein- und Ausgänge unter Einbeziehung weiterer Logikbausteine wie beispielsweise Flipflops, Register und Treiberstufen. Der universelle Einsatz derselben Bausteine für unterschiedliche Funktionen ist möglich. Hinzu kommt, daß die Gesamtschaltung in einem IC-Baustein untergebracht werden kann, wozu sonst mehrere TTL- oder CMOS-Standardbausteine nötig wären. Hieran erkennt man den Vorteil programmierbarer Bausteine gegenüber diskreten Logikbausteinen. Ihre Integration ist höher, sie sind flexibler zu handhaben, und die Schaltungsentwicklung erfolgt durch Software. Damit ergeben sich kurze Entwicklungszeiten bei niedrigen Kosten. Je nach Hersteller existieren unterschiedliche Bezeichnungen programmierbarer Schaltkreise. FPGA (Field programmable Gate Array) sind für Logikschaltungen mit bis zu 10 000 Gattern pro Array universell einsetzbar und schnell umzuprogrammieren. Ihre Versorgungsspannung beträgt 5 V. PLA (Programmable Logic Array) eignen sich für Logikschaltungen bis zu 300 Gattern pro Array. Ihr Betriebsspannungsbereich geht von 2 V bis 6 V und ihr Stromverbrauch liegt bei 8 mA. EPLD (Erasable PLD) und EEPLD (Electrically EPLD) sind weitere Bezeichnungen für programmierbare Schaltkreise. Bekannte Vertreter dieser Bausteine sind PAL’s und GAL’s. Im Gegensatz zu den Gate-Arrays kann der Anwender ihre Funktion durch Programmierung mit PROM
entsprechenden Programmiergeräten selbst bestimmen. Hierzu muß die Information in einer JEDECDatei vorliegen. Während GAL’s mehrmals programmiert werden können, kann dies bei PAL’s nur einmal durchgeführt werden. Die Grundstruktur und die Programmierung der unterschiedlichen PLDTypen sind einander sehr ähnlich. 8.3.1 PROM PROM-Bausteine (Programmable Read Only Memory) werden unter dem Kapitel Speicherbausteine beschrieben. An dieser Stelle soll nur auf die von anderen PLD’s verschiedene Grundstruktur hingewiesen werden. Das AND-Array (UND-Matrix) ist bei diesen Bausteinen festverdrahtet, während das OR-Array (ODER-Matrix) einmal programmiert werden kann. PLA’s besitzen eine programmierbare UND- und ODER-Matrix und PAL’s nur eine programmierbare UND-Matrix (Bild II-30). 8.3.2 PAL PAL (Programmable Array Logik) sind Bauelemente, die eine Logikmatrix enthalten und vom Anwender programmiert werden können. Mit ihnen können mehrere kleinere Logikschaltungen in einem Gehäuse untergebracht werden. PAL’s enthalten eine Matrix (Verbindungen aus Zeilen und Spalten) und logische Funktionsbausteine wie NICHT, UND, ODER und Flipflops. Während sich im Eingang eine programmierbare Matrix befindet, ist die nachfolgende ODER-Matrix fest verdrahtet. Bild II-31 zeigt eine UND-Matrix mit intakten Sicherungen. Da der UND-Baustein das invertierte und nichtinvertierte Signal erhält, ist Q = „0“. Dies wird auch durch die angegebene Gleichung deutlich. Eine programmierte Matrix erkennt man an den defekten Sicherungen. Nicht programmierte (intakte) Brücken (Fuse = Sicherung) sind an dem Kreuz im Schnittpunkt zu erkennen. Im nichtprogrammierten Zustand ist der Ausgang der UND-Verknüpfung immer „0“. Die Verknüpfungsausgänge der UND-Matrix (Produktlinien) werden dann der ODER-Matrix zugeführt und bei einigen PAL-Bausteinen mit dem Ausgang verbunden. Bild II-32 zeigt hierzu Beispiele. Die Bausteine 10L8 und 14L8 zeigen, daß die Ausgänge auch invertiert sein können. Bei den PAL-
PLA
Matrix
Matrix
&
PAL Matrix
&
&
1
Bild II-30 Strukturen unterschiedlicher PLD’s
Matrix
1
1
578
Datentechnik
A
nicht programmierte UND-Matrix A
B
B Q=
A *A *B*B
Fuse &
&
Q
Q
programmierte UND-Matrix A
B
A
B Q=
A* B
Fuse &
&
Q
Q
Bild II-31 Prinzip und vereinfachte Darstellung der Matrix PAL
10H8
10L8 20
1
20
1
20
2
™1
19
2
19
18
3
17
4
18
3
™1
4
™1
17
4
™1
5 6
™1 ™1
19
16 15
7
™1
14
8
™1
13
9
™1
10
5 6
UND-Matrix
3
™1
UND-Matrix
2
™1
™1 ™1
16 15
5 6
18
UND-Matrix
1
14H4
™1
17
™1
16
™1
15
™1
14
7
™1
14
7
8
™1
13
8
13
12
9
™1
12
9
12
11
10
11
10
11
Bild II-32 Einfache PALBausteine
Ausgangskonfigurationen L-Typen &
™1
R-Type &
&
&
&
&
&
&
&
&
&
&
™1
&
™1
1D
C1
Bild II-33 Ausgangskonfigurationen
II Integrierte Schaltkreise der Digitaltechnik
579
Typen können verschiedene Ausgangskonfigurationen bei einer allen gemeinsamen UND-Matrix im Eingang unterschieden werden (Bild II-33). Man findet die gewünschten Bauteile anhand der Typenbezeichung (Tabelle II-7). Der Typenname beschreibt die Anzahl der Ein- und Ausgänge durch jeweils eine Zahl, während der Buchstabe die interne Funktion und Struktur des PAL angibt. Die Zahl nach dem Buchstaben gibt die Anzahl der Ausgänge an. Tabelle II-7 PAL-Typen und Bezeichnungen H: L: C: R: X:
UND-ODER (High aktiv) UND-NOR (Low aktiv) UND-ODER UND-ODER-Inverter-Register UND-ODER-EXODER-Register
1
0123456789012345678901 01234567891111111111222222222233 0 1 2 3 4 5 6 7
™1
Bild II-34 zeigt am Beispiel des Bausteins 16L8 die Grundstruktur von PAL-Bausteinen. Die UNDMatrix besteht aus einunddreißig Spalten. Sieben Zeilen werden jeweils der ODER-Verknüpfung zugeführt und eine Zeile dem Ausgangs-3-state-Treiber. Um die Programmierung durchzuführen, wird eine JEDEC-Datei (JEDEC = Joint Device Engineering Council, Komitee für Standards in der Datentechnik) erzeugt und einem Programmiergerät zugeführt. Die jeweiligen Verbindungen werden durch die Programmierung aufgetrennt. Eine Zerstörung der sogenannten „Security Fuse“ verhindert das Auslesen des PAL’s. Die Schaltungsbeschreibung selbst erfolgt mit Booleschen Gleichungen, Wahrheitstabellen, Status(State-)Diagrammen, Grafiken oder in einer höheren Programmiersprache. Normalerweise kann jeder übliche Editor eingesetzt werden. Bei der Schreibweise gibt es je nach Anwendungsprogramm unterschiedliche Darstellungsformen. Darstellungsformen für Verknüpfungen:
19
Funktion
Darstellung
NICHT UND ODER
* +
2 8 9 10 11 12 13 14 15
™1
18
3 16 17 18 19 20 21 22 23
™1
17
4 24 25 26 27 28 29 30 31
™1
16
™1
15
6 40 41 42 43 44 45 46 47
™1
14
7 48 49 50 51 52 53 54 55
9
Bild II-34 PAL 16L8
#
Viele Hersteller bieten hierzu Entwicklungskits an, die außer Programmierungsmöglichkeiten zusätzliche Simulationsprogramme beinhalten. Damit läßt sich bereits statisch feststellen, ob der Baustein die gewünschten Funktionen auch tatsächlich, wie geplant, durchführt. Zwei Beispiele sollen das Programmieren von PAL’s veranschaulichen. konzipiert werden, wie das die Schaltskizze Bild II-35 zeigt. Zur Verfügung steht ein PAL 12L6. Die Zuordnung der Eingänge und der Ausgänge mit frei wählbaren Namen zu den Anschlüssen des PAL-Bausteins ist beliebig. Damit kann das Platinenlayout je nach Wunsch und Notwendigkeit angepaßt werden. Hier wurde die Zuordnung festgelegt. Zuordnung der Eingangssignale zu den PAL-Anschlüssen: Programm: Adreßdecoder CS = pin 1; Freigabeanschluß des Decoders A11 = pin 2; Anschlüsse an den Adreßbus A12 = pin 3 A13 = pin 4 A14 = pin 5 A15 = pin 6
™1
13
3-state-Ausgang: CE1.OE = CS CE2.OE = CS CE3.OE = CS
8
56 57 58 59 60 61 62 63
!
Beispiel 1: Ein Decoder soll zur Auswahl dreier Speicher so
5 32 33 34 35 36 37 38 39
/ & |
Gleichungen: ™1
12
!CE1 = A15 &A14 & A13 & A12 & !A11 !CE2 = A15 & A14 & !A13 & A12 & A11 !CE3 = A15 & A14 & !A13 & !A12 & !A11
11
Mit einem Compiler wird eine JEDEC-Datei erzeugt, aus der ersichtlich ist, an welcher Stelle jeweils eine
580
Datentechnik PAL-Baustein
Schaltskizze
12L6 CS 1 Decoder CE1 CE2 CE3
CS
ROM 4Kx8Bit CS
RAM1 2Kx8Bit CS RAM2 16Kx8Bit CS
Bild II-35 PAL-Baustein als Decoder Sicherung des PAL-Bausteins zerstört bzw. nicht zerstört wurde. Die „0“ gibt die intakte und die „1“ die unterbrochenen Fuse an. Man kann sich auch vorstellen, es sei nur noch dort, wo sich die „0“ befindet, eine Verbindung mit einem Eingang. Bild II-36 zeigt einen Auszug aus der JEDEC-Datei ab Adresse 0000. Die Adressen 0032 bis 0063 sind gesondert herausgezogen. Hier sind auch die intakten Sicherungen in den Spalten 1, 4, 8, 12 und 16 gekennzeichnet. Sie stellen die jeweiligen Verbindungen zu den Eingängen dar und sind UND-verknüpft. Mit dem CS-Anschluß wird der Decoder freigegeben (Steuerung der 3-state-Ausgänge). Bild II-37 zeigt dies im Zusammenhang mit den Eingängen für einen Ausgang. Spalte 0 1 L0032
4
8
12
16
20
A11 2
19 CE1
A12 3
18 CE2
A13 4
17 CE3
A14 5
16
A15 6
15
7
14
8
13
9
12
10
11
PIN CS 1 A11
A11 2 A12 3
A12
A13 4
A13
A14 5
A14
A15 6
A15
&
Bild II-37 Umsetzung der Gleichung für CE1 31
10110111011101110111111111111111 &
PIN A11 2
A12 3 A13 4 A14 5 A15 6
Die Funktionsbeschreibung einer Schaltung kann auch mit einer Wertetabelle erfolgen (Beispiel 2). Zur Überprüfung können Testvektoren zugefügt werden. Die mit
Bild II-36 Auszug aus der JEDEC-Datei und Darstellung der UND-Verknüpfung einem Compiler erzeugte JEDEC-Datei wird daraufhin softwaremäßig mit einem Simulator getestet. Allen programmierten Zeilen ist eine Adresse zugeordnet.
II Integrierte Schaltkreise der Digitaltechnik
581
Beispiel 2: Mit dem PAL 16L8 soll eine 7-Segmentanzeige zur
Darstellung in hexadezimaler Form genutzt werden. Im Gegensatz zum Beispiel 1 erfolgt die Eingabe hier mit einer Wertetabelle. Programm: HEX-Decoder mit 7-Segmentanzeige Zuordnung der Eingangssignale zu den PAL-Anschlüssen: A = pin 2 B = pin 3 C = pin 4 D = pin 5 Ausgangssignale des Decoders: a = pin 19 b = pin 18 c = pin 17 d = pin 16 e = pin 15 f = pin 14 g = pin 13 Wertetabelle: D C B 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 1 0 1 0 0 1 0 0 1 1 0 1 1 1 0 0 1 0 0 1 0 1 1 0 1 1 1 0 1 1 0 1 1 1 1 1 1
A 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1
: : : : : : : : : : : : : : : : :
a 1 0 1 1 1 1 1 1 1 1 1 0 1 0 1 1
b 1 1 1 1 0 0 0 1 1 1 1 0 0 1 0 0
c 1 1 0 1 1 1 1 1 1 1 1 1 0 1 0 0
d 1 0 1 1 1 1 1 0 1 1 0 1 1 1 1 0
e 1 0 1 0 0 0 1 0 1 0 1 1 1 1 1 1
f 1 0 0 0 1 1 1 0 1 1 1 1 1 0 1 1
g 0 0 1 1 1 1 1 0 1 1 1 1 0 1 1 1
Bild II-38 zeigt einen Auszug aus der JEDEC-Datei und Bild II-39 einen Auszug aus der Fuse-Map. Die Fuse-Map oder Fuse-Matrix, die ebenfalls vom Compiler erzeugt wird, dient zur Dokumentation und zur Kontrolle. Sie beschreibt das logische Verhalten des Bausteins. Die Reihen und Spalten sind wie bei der Bausteinbeschreibung durchnumeriert. 8 Reihen führen jeweils über das ODER-Gatter zum Ausgang. Die Eingänge steuern die Spalten von 0 bis 31. Die Kreuze in der Fuse-Map kennzeichnen hierbei die Verbindungen zwischen Reihen und Spalten. Nimmt man beispielsweise den Bereich der Reihen 0 bis 7 für den Ausgangsanschluß des Segments „a“, PIN 19, kommt man zu folgender Gleichung: a = /B ⋅ /C ⋅ D + B ⋅ C + /D ⋅ C + /D ⋅ B + /A Hierbei gilt folgende Zuordnung: A /A B /B C /C D /D
= = = = = = = =
Spalte 0 Spalte 1 Spalte 4 Spalte 5 Spalte 8 Spalte 9 Spalte 12 Spalte 13
Zum gleichen Ergebnis für das Segment „a“ kommt man, wenn die Gleichung aus der Wertetabelle mit Hilfe einer KV-Tabelle vereinfacht wird. Die Soft-
*L0000 *L0032 *L0064 *L0096 *L0128 *L0160 *L0256 *L0288 *L0320 *L0352 *L0384 *L0512 *L0544 *L0576 *L0608 *L0640 *L0672 *L0768 *L0800 *L0832 *L0864 *L0896 *L0928 *L1024 *L1056 *L1088 *L1120 *L1152 *L1280 *L1312 *L1344 *L1376 *L1408 *L1440 *L1536 *L1568 *L1600 *L1632 *L1664 *L1696 *C9B81 *V1 *V2 *V3 *V4
Bild II-38 Auszug aus der JEDEC-Datei (Beispiel 2) ware setzt damit nicht nur die Wertetabelle um, sie vereinfacht auch gleichzeitig. 8.3.3 GAL GAL’s (Generic Array Logic) sind von der Firma Lattice Semiconductor entwickelt worden. Sie können als eine Weiterentwicklung der PAL’s aufgefaßt werden. Diese Bausteine können PAL’s ersetzen und bis zu 100mal elektrisch gelöscht und neu programmiert werden. Nach Lattice wird ein Datenerhalt von 20 Jahren garantiert. Die CMOS-Bausteine besitzen TTL-kompatible Ein- und Ausgänge, und die Verzögerungszeiten liegen je nach Type zwischen 10 und 35 ns. Unbenutzte Eingänge sind wie bei allen MOSBausteinen mit +UCC oder GND zu verbinden. Die Programmierung erfolgt mittels geeigneter Programmiergeräte. Das Auslesen der GAL-Funktion kann mit Hilfe einer programmierten Sicherheitszelle verhindert werden (Kopierschutz). GAL’s besitzen ge-
582
Datentechnik 1
0 1 2 3 4 5 6 7
OE + + + !pin19 + + + +
8 9 10 11 12 13 14 15
OE + + + !pin18 + + + +
16 17 18 19 20 21 22 23
OE + + + !pin17 + + + +
24 25 26 27 28 29 30 31
OE + + + !pin16 + + + +
32 33 34 35 36 37 38 39
OE + + + !pin15 + + + +
40 41 42 43 44 45 46 47
OE + + + !pin14 + + + +
48 49 50 51 52 53 54 55
OE + + + !pin13 + + + +
56 57 58 59 60 61 62 63
OE + + + !pin12 + + + +
pin2 pin1
3
5
4 18
17
7
6 16
15
8 14
9 13
11
Bild II-39 Auszug aus der Fuse-Map (Beispiel 2) genüber PAL’s eine programmierbare Ausgangszelle (OLMC = Output Logic Macro Cell). Bild II-40 zeigt die innere Struktur dieses Bausteins mit seiner Anschlußbelegung. Die programmierbare UND-Matrix ist wie bei den PAL-Bausteinen aufgebaut. Für jeden Ausgang ist eine programmierbare Ausgangszelle vorgesehen. Bild II-41 zeigt eine der OLMC’s im Zusammenhang und ihre Programmiermöglichkeiten. Je nach zugeführtem Kontrollwort ergibt sich eine der aufgeführten Ausgangskonfigurationen.
8
OLMC
19
8
OLMC
18
8
OLMC
17
8
OLMC
16
8
OLMC
15
8
OLMC
14
8
OLMC
13
8
OLMC
12
2
3
4
5
6
7
8
9
11
Bild II-40 GAL 16V8 Zur Programmierung von GAL-Bausteinen sind Programmiergeräte erforderlich. Ihre Handhabung ist einfach, da sie nur an einem Computer angeschlossen werden. Der Schaltungsentwurf hängt vor allem von den Möglichkeiten der zugehörigen Software ab. Die eigentliche Programmierung erfolgt wie bei den PALBausteinen. Nach der Eingabe von Boole’schen Gleichungen oder von Wertetabellen mit einem Editor erzeugt ein GAL-Assembler die erforderliche JEDEC-Datei. Die Anschlußbelegung für den Programmierbetrieb unterscheidet sich vom Arbeitsbetrieb nach Bild II-42. An den Anschlüssen RAG0 bis RAG5 erfolgt die Adressierung der 64 Zeilen des Bausteins. Die Daten werden seriell mit dem Anschluß CLK dem Dateneingang SDIN zugeführt und zu Kontrollzwecken (verify) dem Datenausgang SDOUT entnommen. Bild II-43 zeigt das Prinzip mit der Zuordnung der Adressen. Am Anschluß P, /V wird dem Baustein mitgeteilt, ob programmiert oder ob Daten ausgelesen
II Integrierte Schaltkreise der Digitaltechnik
583
OLMC als Ausgang
OLMC als Eingang
UND-Matrix
UND-Matrix
VCC ™1
=1
XOR(n)
OLMC als Registerausgang
UND-Matrix
UND-Matrix
OLMC als Ein-/Ausgang
™1 =1
™1 =1
1D C1
XOR(n)
XOR(n)
Normalbetrieb
I/CLK
GAL16V8
VCC
20
VIL
1
VCC
20
2
I
I/O/Q
19
2
EDIT
P/V
19
3
I
I/O/Q
18
3
RAG1
RAG0
18
4
I
I/O/Q
17
4
RAG2
VIL
17
5
I
I/O/Q
16
5
RAG3
VIL
16
6
I
I/O/Q
15
6
RAG4
VIL
15
7
I
I/O/Q
14
7
RAG5
VIL
14
8
I
I/O/Q
13
8
SCLK
VIL
13
9
I
I/O/Q
12
9
SDIN
SDOUT
12
10
GND
STR
11
GND
10
OE
Programmierbetrieb
GAL16V8
1
CLK
I/OE
11
Bild II-42 Anschlußbelegung im Arbeits- und Programmierbetrieb
GAL OLMC CLK SDIN 0
31 32
Schieberegister
63
SDOUT
32 31
0
Matrix
Matrix
Elektr. Signatur
Elektr. Signatur
33 Reservierter Adreßbereich 59 60
Bild II-41 OLMC und ihre Programmiermöglichkeiten
Architektur-Kontrollwort
61 SECURITY CELL 62 RESERVED 63 BULK ERASE
82 Bits
Bild II-43 Interne Struktur des GAL 16V8
584
Datentechnik
werden sollen. Im Programmierbetrieb muß dem Anschluß EDIT eine Spannung von 16,5 V zugeführt werden. 8.3.4 pLSI, ispLSI pLSI- (programmable Large Scale Integration-)Bausteine und ispLSI (in-system pLSI)-Bausteine der Firma Lattice gehören zu den PLD’s, mit denen auch komplexere Schaltungen realisiert werden können. Im Bild II-44 ist die Struktur dieser Bausteine beispielhaft dargestellt. Tabelle II-6 gibt eine Übersicht über die Familienmitglieder. Im GRP (Global Routing Pool) liegen die Verbindungen zu den GLB’s (Generic Logic Blocks) und zu den Ein- und Ausgängen. Das Prinzip eines GLB beschreibt Bild II-45. Über 18 Eingänge können 20 Produktterme gebildet und den Ausgängen kombinatorisch über AND, OR oder XOR oder über Register zugeführt werden. Bei den Registern kann man zwischen D-, T- und JK-Registern wählen. Zur Programmierung der ispLSI-Bausteine ist kein externes Programmiergerät erforderlich. Die ProI/O
I/O
RESET
grammierdaten werden dem Baustein über ein Interface von der Druckerschnittstelle des PC zugeführt. pLSI- und ispLSI-Familie: Type
1016
fmax (MHz) tpd (ns) GLB’s Register I/O Pin/Gehäuse
80
I/O
I/O
1048
80
70
Beispiel: Schalter ispGDS22
Es handelt sich hierbei um programmierbare Schalter (GDS = General Digital Switch) der Firma Lattice Semiconductor. Sie ersetzen die bekannten mechanischen DIP-Schalter. Die Bezeichnung isp (in-system programmable) bedeutet, daß es sich um einen im System programmierbaren Baustein handelt. Weitere Bausteine dieser Serie sind die IC’s ipsGD18 und ipsGD14. Sie unterscheiden sich nur in der Zahl der Anschlüsse und damit der Anzahl der programmierbaren Schalter.
I/O
IN
I/O
Output Routing Pool IN
A0
C7
A1
C6
A2
C5
A3
C4
A4
C3
A5
C2
Global Routing Pool
A6
C1
A7
C0 B0
SDI/IN MODE/IN 1
B1
B2
B3
B4 B5
B6
I/O
Output Routing Pool
Output Routing Pool
I/O
1032
80
15 15 15 20 16 24 32 48 96 144 192 288 36 54 72 106 44/PLCC 68/PLCC 84/PLCC 120/PQFP
Generic Logic Block D7 D6 D5 D4 D3 D2 D1 D0 I/O
1024
I/O
I/O
I/O
B7 Clock Network
Output Routing Pool ispEN I/O
I/O
I/O
I/O
Bild II-44 Baustein 1032
von GRP
18
Logic Array
Bild II-45 Prinzip GLB
20
Product Term Sharing Array
4
OLMC
4
Ausgänge zu GRP, ORP oder I/O
II Integrierte Schaltkreise der Digitaltechnik
585
Schaltermatrix A0
I/O Cell
A1
I/O Cell
A2
I/O Cell
A3
I/O Cell
A4
I/O Cell
A5
I/O Cell
A6
I/O Cell
A7
I/O Cell
A8
I/O Cell
A9
I/O Cell
A10
I/O Cell
ispGDS22 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
B10 B9 B8 B7 B6 B5 B4 B3 B2 B1 B0
Über eine programmierbare Schaltermatrix (Bild II46) können jeweils Schalterverbindungen von Ax nach Bx hergestellt werden. Hierbei ergeben sind nach Bild II-47 verschiedene Konfigurationsmöglichkeiten. Der Baustein erlaubt Signallaufzeiten von 7,5 ns und benötigt einen Strom im Stand-by-Betrieb von 25 mA. In der Funktionstabelle sind die verschiedenen Programmiermöglichkeiten aufgeführt. Beispielsweise ist der Schalter S nur geschlossen, wenn C0 H-Pegel I/O Macrocell Konfiguration S MUX 0 0 1 G 3
C1 C2
Schalter Matrix
B0 A0 A1 B1 A2 B2 SDIN SDOUT A3 B3 A4 B4 VCC B5 A5 GND A6 B6 B7 A7 MODE SCLK B8 A8 A9 B9 A10 B10
Bild II-46 Schaltermatrix und Bausteinanschlüsse des ipsGDS22
und C1 L-Pegel besitzt. Durch C0 = „0“ wird der 3-state-Treiber, der das Signal vom Multiplexer erhält, gesperrt. Die Programmierung des Bausteins kann beispielsweise über eine parallele Schnittstelle eines Mikrocontrollersystems oder über den PC und ein Interface direkt erfolgen. Hierbei sind jeweils nur 4 Zuleitungen nötig (Bild II-48). Die Programmierdaten müssen mit Hilfe eines Taktes (CLK) seriell am Bausteinanschluß SDIN eingelesen werden. Die Betriebsart wird am Anschluß MODE durchgeführt, und die Kontrolle erfolgt durch Lesen der Daten am PIN SDOUT. Bild II-49 beschreibt über das State-Diagramm die notwendigen Programmierzustände. Die Pegelzustände sind für die Signale MODE und SDIN beschrieben. Um beispielsweise die Identifikationsnummer des Bausteins lesen zu können, wird der
Q
MC-System
VCC
ispGDS
C0 Funktionstabelle C2 0 0 1 1 1
C1 C0 0 0 1 0 0 0 1 0 0 1
Q 0 1 0 1 X
Bemerkung (TTL Low) (TTL High) (Aktiv Low) (Aktiv High) (Eingangspegel)
Bild II-47 Konfigurationsmöglichkeiten
28 27 26 25 24 23 22 21 20 19 18 17 16 15
I/O-Port
SDIN SCLK MODE SDOUT
Bild II-48 Anschluß an ein MC-System
586
Datentechnik State Diagramm
Load ID
Shift ID
HL
Load Command
LX Idle State (Normal Operation)
HH
Execute Command
LX Shift State (Load Commands)
LX HH
Execute State (Execute Command)
HL
nach Datenblatt der Firma Lattice
Bild II-49 State-Diagramm Baustein mit MODE = „H“ und „SDIN“ = „L“ unter Zuführung eines Taktes am Anschluß SCLK in den Ausgangszustand (Normal Operation) gebracht. Anschließend wird mit 7 Takten die 8-Bit-Information am Anschluß SDOUT ausgegeben. Die einfache Programmierung dieses Bausteins zeigt das nachfolgende Programm: Die Schalterfunktion ist aus der Zuweisung der PIN’s ersichtlich. PIN 20 soll aktiv „H“ und PIN 19 aktiv „L“ sein.
L0121 00000000000000000000000000000000* L0153 0001110000011111100111* L0175 1110011011111100011000 L0197 1111110011111111111111* C1464*
title = ‘Stupid cross connect test’ „device = ispgds22 „Network pin 27 = pin 2 pin 26 = pin 3 pin 5 = pin 24 pin 6 = pin 23 pin 20 = h pin 19 = l pin 17 = pin 8 pin 16 = pin 9 pin 15 = pin 10
Für viele Logik-Compiler besteht die Schaltungsbeschreibung aus einem Deklarationsteil und einer Beschreibung der gewünschten Logik. Im Deklarationsteil wird der gewählte Baustein eingetragen und in einem weiteren Teil erfolgt für die Anschlußbelegung eine gewünschte sinnvolle Namenszuordnung (Definition der Signale). Bei einigen Compilern sind Kenntnisse über die Innenschaltung des Bausteins (Datenbuch) zur Beschreibung erforderlich, um Einund Ausgänge nicht zu vertauschen. Andere Compiler geben eine Maske mit der Anschlußbelegung des Bausteins aus. Das nachfolgende Programm dient als Beispiel.
JEDEC file for ispGDS22, created by GASM v1.0 * F0* QP28*QF219 L0000 11111111110 11111111101 11111111011 11111110111 11111101111 11011111111 1011111111 0111111111 1111111111 1111111111 1111111111*
title = ‘Schalter Test1’ „ device = ispgds18 „Network pin 24 = pin 1 pin 24 = pin 1 pin 24 = pin 1 pin 24 = pin 1 pin 24 = pin 1 pin 24 = pin 1 pin 24 = pin 1 pin 24 = pin 1 pin 24 = pin 1
II Integrierte Schaltkreise der Digitaltechnik
587
Nach Aufruf des Assemblers erscheint die nachfolgende Meldung: GASM: ispGDS Assembler copyright © 1992 Lattice Semiconductor, written by Guy Townsend Reading Source File Fuse Checksum = JEDEC file successfully written to disk DOC file successfully written to disk Der JEDEC file gibt Aufschluß über die jeweiligen Verbindungen, die an der „0“ zu erkennen sind. JEDEC file for ispGDS18, created on 1/4/1994 Created by GASM v1.0
9 Gehäuse Die Hersteller bieten digitale Schaltungen in unterschiedlichen Gehäusen an. Bei den Standardbausteinen verwendet man hauptsächlich das DIL-(Dual-InLine-)Gehäuse. Der PIN-Abstand beträgt hierbei 1/10 Inch (2,54 mm). Bei Prozessoren und Controllern werden PLCC-(Plastic Leadless Chip Carrier-) Gehäuse eingesetzt. Das nachfolgende Bild II-50 gibt eine Übersicht gängiger Gehäuseformen mit ihren Bezeichnungen.
P-LCC44 1-40
P-DIP 14
14
1
Plastic package
(Plastic dual inline package) 40-LEAD TSOP
C-QFP-24 24 1
Ceramic package
P-ZIP-20/19
C-PGA 68
1
68
Plastic zigzag inline package
Ceramic pin grid array
Bild II-50 Gehäuseformen
588
Datentechnik
III Mikrocomputertechnik 1 Komponenten eines Mikrocomputers
2 Mikroprozessoren
Mikrocomputer (Bild III-1) bestehen aus hochintegrierten Funktionseinheiten wie der Zentraleinheit (CPU = Central-Process-Unit), dem eigentlichen Mikroprozessor, Speichereinheiten, wie ROM (Read Only Memory = Nur-Lese-Speicher) und RAM (Random-Access Memory = Schreib-Lese-Speicher), die das auszuführende Programm in Maschinensprache enthalten sowie Ein- beziehungsweise Ausgabeeinheiten, die die Verbindung mit peripheren Geräten wie Steuer- und Meßeinrichtungen oder Bildschirm, herstellen.
2.1 Allgemeines
MP Zentraleinheit
Speichereinheit
Ein/Ausgabe
Peripherie
Bild III-1 Mikrocomputersystem Ein- und Ausgabeeinheiten werden auch als Schnittstellen (Interfaces) bezeichnet. CPU, Speicher und E/A-Einheit ergeben die Hardware des Mikrocomputers. Untereinander verbunden sind die Hardwarekomponenten durch Leitungen, denen unterschiedliche Aufgaben zugeordnet sind. Die jeweils parallel liegenden Leitungen werden auch Bussystem genannt. Man unterscheidet daher nach Daten-, Adreß- und Steuerbus. Damit der Mikroprozessor Funktionen ausführen kann, ist außerdem Software erforderlich, wie beispielsweise das Betriebs- oder Startprogramm.
Man unterscheidet nach der Architektur der CPU CISC-Prozessoren (Complex Instruction Set Computer), RISC-Prozessoren (Reduced Instruction Set Computer) und Signalprozessoren. Das RISCKonzept unterscheidet sich von der in PC’s (Personal Computer) eingesetzten CISC-CPU, die viele Befehle mit komplexen Funktionen und damit mehreren Maschinenzyklen besitzt, im wesentlichen durch einen gekürzten, einfacheren Befehlssatz und durch eine schnellere Befehlsabarbeitung, da die meisten Befehle nur einen Maschinenzyklus benötigen. Während RISC- und CISC-Prozessoren nach dem Prinzip der Rechnerarchitektur arbeiten, wie sie von Von Neumann entwickelt wurde, besitzen digitale Signalprozessoren eine Architektur, bei der die Bussysteme für Daten und Programme getrennt sind. Alle Befehle, die von der CPU ausgeführt werden können, stellen den Befehlssatz (Instruction Set) des Prozessors dar. Der Mikroprozessor kann nur Befehle ausführen, die in binärer Form vorliegen (Maschinensprache). Der von den Prozessoren angesprochene mögliche Adreßraum ist von der Anzahl seiner Adreßleitungen abhängig. Hieraus ergibt sich die mögliche Informationsmenge (Speicherkapazität), die der Prozessor verarbeiten kann. Der Adreßbus ist unidirektional ausgelegt, da die Adressen nur von der CPU aus übertragen werden, während der Datenbus, über den der gesamte Datenverkehr abgewickelt wird, bidirektional ausgelegt ist, weil Daten von der CPU und zur CPU gelangen müssen. Eine wichtige Kenngröße ist die Breite des Datenbusses. Man unterscheidet je nach Datenverarbeitungsbreite 8-Bit-, 16-Bit-, 32-Bitund 64-Bit-Prozessoren. Die Leistungsfähigkeit von Prozessoren wird durch die Zahl möglicher Befehle pro Sekunde (MIPS = Million Instructions Per Second) bestimmt. Dies hängt wesentlich von der Taktfrequenz ab, mit der das System arbeitet. Mit dem Steuerbus bestimmt die CPU, mit welchen Baugruppen (z.B. Speicher oder E/A-Bausteine) eine Kommunikation stattfinden soll.
2.2 Architektur Mikroprozessoren besitzen weitgehend gleiche Grundfunktionseinheiten wie Steuerwerk, Rechenwerk und Speicher- oder Registerwerk. Über ein internes Bussystem (Adressen-, Daten- und Steuerbus) erhält der Prozessor Zugang zu den Einheiten des Mikrocomputers. Das Steuerwerk holt einen Befehl von einer externen Speicherstelle zur CPU und decodiert ihn im Befehlsregister. Unter eventueller Einbeziehung von Rechen- und Registerwerk veranlaßt das Steuerwerk dann die Ausführung des Befehls. Der
III Mikrocomputertechnik
589
Befehl aus dem Speicher holen
Steuerwerk BefehlsDecodierung
Rechenwerk
Befehl dekodieren
Speicherwerk
BefehlsAusführung
Befehl ausführen
Bild III-2 Operationsprinzip
Steuerwerk
Rechenwerk Interner
Datenbus
BefehlsRegister
FlagRegister
ArbeitsRegister
ALU
Stapelzeiger
BefehlsDecoder Akkumulator Steuerung
ZwischenRegister
Befehlszähler
Adreßbus Steuer- und Meldeleitungen
Bild III-3 Blockbild einer CPU Mikroprozessor arbeitet dabei in zyklischen Zeitabläufen. Er liest einen Befehl (Fetch), führt die Operation durch (Execute) und holt den nächsten Befehl (Von Neumann Architektur und Operationsprinzip) (Bild III-2). Die Aufgabe des Steuerwerkes besteht in der Befehlsannahme durch ein Befehlsregister (InstructionRegister), der anschließenden Decodierung und der Steuerung zur Durchführung des Befehls. Bei der Decodierung wird die eingehende Bit-Folge in ein Mikroprogramm umgewandelt. Ferner muß das Steuerwerk auf externe Signale reagieren. Beispielsweise muß nach einem RESET der Anfangszustand der CPU erreicht werden. Bild III-3 zeigt schematisch die wesentlichen Bestandteile eines Prozessors, die nachfolgend beschrieben und am Beispiel der 8-BitProzessoren 8085 und Z80 konkretisiert werden. Das Rechenwerk mit dem Akkumulator und dem Zwischenregister, in denen sich die Operanden befinden, kann arithmetische und logische Operationen mit Hilfe der ALU (Arithmetic-Logic-Unit) durchführen. Die ALU besteht im Prinzip aus einem Paralleladdierwerk und einer logischen Einheit, mit der die Verknüpfungen NICHT, UND, ODER und XOR
durchgeführt werden können. Das Kennzeichen-, Status- oder Flagregister gibt Aufschluß über die Ergebnisse der Operationen, beispielsweise ob das Ergebnis Null (Zero) war oder ob ein Übertrag (Carry) aufgetreten ist. Es wird so möglich, in Abhängigkeit der Zustandsbits Sprünge zu programmieren (siehe auch Abschnitt Maschinensprache). Dem Rechenwerk ist ein Speicherwerk angeschlossen. Dort befinden sich allgemeine Register (Arbeitsregister), in denen vorübergehend Zwischenergebnisse abgespeichert werden können. Ein Register besitzt meist eine auf ein Datenwort beschränkte Kapazität (8-, 16oder 32-Bit). Register mit bestimmten Aufgaben sind der Befehlszähler (Program-Counter) und der Stapelzeiger (Stackpointer). Der Befehlszähler zeigt immer auf die nächstfolgende Adresse, die der Prozessor abarbeiten soll. Er erhöht sich nach jedem Adressenaufruf automatisch jeweils um 1 und legt damit die Reihenfolge der Operationen fest. Speicherstelle für Speicherstelle wird somit nacheinander abgearbeitet (Bild III-4). Nur bei Sprungbefehlen, Unterprogrammaufrufen oder Unterbrechungsanforderungen wird der Befehlszähler auf einen neuen Wert gesetzt.
590
Datentechnik Speicher Inhalt Adresse 0000 Befehl 1
Befehlszähler 0000 0001 0002
0001
Befehl 2
0002
Befehl 3
+1
Bild III-4 Prinzip Befehlszähler Lifo-Prinzip Der Stapelzeiger (siehe auch Abschnitt Maschinensprache) ist ein besonderer Adressenzeiger, der immer auf die Adresse des Stapelspeichers zeigt, in der die letzte Eingabe erfolgte (Ende des Stack). Als Stapelspeicher (Stack oder Kellerspeicher) kann jeder beliebige Teil des Arbeitsspeichers (RAM) verwendet werden. Bei jeder Dateneingabe wird der Stapelzeiger decrementiert (erniedrigt), so daß sich der „Stapel“ von einer vorgegebenen Adresse zu immer niedrigeren Adressen aufbaut. Die Daten werden in der Reihenfolge, in der sie eintreffen, auf den Stack gebracht und müssen in umgekehrter Reihenfolge zurückgeholt werden (Bild III-5). Man bezeichnet ihn daher auch als LIFO-Speicher (Last In, First Out). Aufgabe des Stack ist es, bei Interrups (UnterbreLast in
2.3 Übersicht gängiger Mikroprozessoren Tabelle III-1 zeigt Beispiele gängiger Mikroprozessoren mit möglichem Adreßraum, Daten- und Adreßbusbreite und Taktfrequenz. Die Mikroprozessoren einer Familie mit weitergehenden Eigenschaften können Maschinenprogramme ihrer Vorgängertypen ausführen, sie sind also aufwärtskompatibel.)
2.4 8-Bit-Mikroprozessoren 2.4.1 8085-CPU Bild III-6 zeigt die Pinbelegung (Anschlußbelegung) und den Registerplan, Bild III-7 die Architektur des Prozessors. Tabelle III-2 gibt die Bedeutung der Anschlüsse wieder. Der Prozessor 8085 ist mit den 8-Bit-Arbeitsregistern B, C, D, E, H und L und den 16-Bit-Registern Stapelspeicher, Befehlszähler und Adressenzwischenspeicher ausgestattet. Die Arbeitsregister B/C, D/E und H/L stehen für die Datenspeicherung und bei der Durchführung von Befehlsoperationen zur Verfügung.
First out
Daten Daten
Daten Arbeitsspeicher
chungsanforderungen) oder Unterprogrammaufrufen die Hauptprogrammadresse zu speichern, um nach Rückkehr in das Hauptprogramm bei richtiger Adresse mit dem Programm fortfahren zu können (siehe auch Abschnitt Maschinensprache). Außerdem dient er zur Datensicherung der Arbeitsregister des Hauptprogramms, wenn einzelne Register im Unterprogramm benötigt werden. Um die genaue zeitliche Folge der Vorgänge (Timing) durchführen zu können, benötigt der Prozessor einen quarzgesteuerten Taktgenerator. Dieser liefert das Bezugssignal für alle Abläufe in einem Mikroprozessorsystem und bestimmt damit die Arbeitsgeschwindigkeit des Mikrocomputers. Bei einigen Prozessoren ist der Generator integriert, so daß nur noch ein externer Quarz angeschlossen werden muß.
Bild III-5 Lifo-Prinzip
Tabelle III-1 Übersicht gängiger Mikroprozessoren
1
Typ
Adreßraum
Datenbus Adreß-/Datenbus
Adreßbus
Taktfrequenz
6502 Z80 8080 8085 8086 68000 80286 68020 80386 80486
64 kByte 64 kByte 64 kByte 64 kByte 1 MByte 16 MByte 16 MByte 4 GByte 4 GByte 4 GByte
D0 ... D7 D0 ... D7 AD0 ... AD7 AD0 ... AD7 AD0 ... AD15 D0 ... D15 D0 ... D15 D0 ... D31 D0 ... D31 D0 ... D31
A0 ... A15 A0 ... A15 A8 ... A15 A8 ... A15 A16 ... A19 A0 ... A23 A0 ... A23 A0 ... A31 A0 ... A31 A0 ... A31
4 MHz 4 MHz 4 MHz 4 MHz 10 MHz 16 MHz 16 MHz 16 MHz 16 MHz 25 MHz
) Die Entwicklung führt zu immer schnelleren Prozessoren. Der z.Zt. in PC’s eingesetzte Pentium besitzt eine Busbreite von 64 Bit und arbeitet mit über 200 MHz (66 MHz extern).
III Mikrocomputertechnik
591
8085 1
X1
2
X2
9 8 7
RST5 RST6 RST7
10 6 36
INTR TRAP RESIN
39 35
HOLD READY
5
SID
AD0 AD1 AD2 AD3 AD4 AD5 AD6 AD7 A8 A9 A10 A11 A12 A13 A14 A15 RD WR CLKO ALE S0 S1 IO/M HLDA RESO SOD INTA
12 13 14 15 16 17 18 19 21 22 23 24 25 26 27 28 32 31 37 30 29 33 34 38 3 4 11
SOD
Flag-Register
B-Register
C-Register
D-Register
E-Register
H-Register
L-Register
Stapelzeiger Befehlszähler
Bild III-6 PIN-Belegung und Registerplan der 8085 CPU
SID
INTA INTR RST5.5
Steuerung für serielle Ein- und Ausgabe
BefehlsRegister
Akkumulator
Akkumulator
Decoder
ZwischenRegister
RST6.5 RST7.5 TRAP
Unterbrechungssteuerung
FlagRegister
B-Register
C-Register
D-Register
E-Register
H-Register
L-Register
ALU
Stapelzeiger Befehlszähler
X1 X2 CLK
Adressenzwischenspeicher
Zeit- und Ablaufsteuerung READY RESET IN RESET OUT HLDA HOLD IO/M SI SOWR RD ALE
Adressenpuffer A8..A15
Adreßbus
Bild III-7 8085-Prozessor CPU
Daten/Adressenpuffer AD0..AD7
Adreß/Datenbus
592
Datentechnik
Tabelle III-2 Bedeutung der Anschlüsse AD0 ... AD7 A8 ... A15 /RD /WR ALE X1, X2 IO//M S0, S1 Trap RST7.5, RST6.5, RST5.5 INTR /INTA SID SOD HOLD HLDA /RESET IN RESET OUT READY
Adreß-/Datenbus Adreßbus Ausgangssignal zum Lesen einer Speicherstelle oder eines Portbausteins Ausgangssignal zum Schreiben einer Speicherstelle oder eines Portbausteins Steuersignal zur Adressenzwischenspeicherung des L-Adreßbytes Quarzanschluß E/A-Bausteine und Speicherunterscheidung Kontrollsignale und Statussignale Interrupteingänge mit festen Verzweigungsadressen Interrupteingänge mit festen Verzweigungsadressen Interrupteingang mit vereinbarter Verzweigungsadresse Interruptbestätigung von INTR Serieller Eingang Serieller Ausgang Eingang zur Abkopplung der CPU (Aufruf externer Geräte) Bestätigung von HOLD durch die CPU Rücksetzen (ADR 0000) Quittung auf RESET IN Wartezustand der CPU
Akkumulator, Zwischenregister und ALU mit Flagregister und Befehlsregister sind ebenfalls für die Aufnahme von 8 Bit konstruiert. Die Arbeitsregister B/C, D/E und H/L können als Registerpaare (RP) zusammengefaßt werden, um 16 Bit aufnehmen zu können. Die Funktionen innerhalb des Prozessors werden durch die Zeit- und Ablaufsteuerung bestimmt. Der Baustein besitzt hierzu einen internen Generator, der nur von einem zusätzlichen Quarz beschaltet werden muß. Eine Taktgeberschaltung erzeugt die entsprechenden Taktsignale. Der Ausgang CLK gibt die halbe Quarzfrequenz aus (Bild III-8). CPU
X1
+
= 16 kByte groß. Da der zeitliche Verlauf der Daten und Adressen bei Darstellung jeder Bit-Position unübersichtlich wird, werden hier Daten- und Adresseninhalte schematisch in einem Liniendiagramm zusammengefaßt. Bild III-10 verdeutlicht dies an einem Beispiel. 8085 AD0/AD7
1D
1
A0..A7
EN ALE
1D
D0..D7
C
A8..A15
A8..A15
C1
X2
CLK OUT
Bild III-8 Takterzeugung Der Adreßbus ist 16 Bit breit. A0 bis A7 (niederwertiges Adreßbyte) wird über den Daten-/Adreßbus AD0 bis AD7 im Zeitmultiplexbetrieb übertragen. Mit Hilfe der Steuerleitung ALE (Address Latch Enable) können die Adressen zwischengespeichert werden (Bild III-9). Die Anschlüsse A8 bis A15 entsprechen dem höherwertigen Adreßbyte des Adreßbusses. Mit 16 Adreßleitungen wird der mögliche Adreßraum 216 = 65 536
Bild III-9 Adressenzwischenspeicher Während die Adressen A8 bis A15 konstant bleiben, werden die Adressen A0 ... A7 und Daten D0 bis D7 umgeschaltet. Adressen und Dateninhalte werden immer in hexadezimaler Form angegeben. Die Darstellung des Zusammenwirkens aller Signale auf dem Bussystem bezeichnet man als Bustiming. Bild III-11 zeigt die beteiligten Signale während eines Speicherschreib- und Lesezugriffs. In Datenbüchern findet man häufig zusätzlich Pfeile im Zeitliniendiagramm, die gegenseitige Abhängigkeiten kennzeichnen. Sind weder Daten noch Adressen vorhanden, ist der Bus im Ruhezustand; er ist hochohmig. Dies ist durch die gestrichelte Linie bei den Signalen AD0 ... AD7 im Lesezyklus dargestellt. Beim Lesezyklus gibt die CPU zunächst die 16-Bit-
III Mikrocomputertechnik
AD0
Adresse 0
AD1 AD2 AD3
AD4
AD6 AD7
Darstellung im Liniendiagramm
Daten
1
0
1
A0..A7
D0..D7
0
0
10
EB
0
1
1 0
AD5
593
0
1
0
1
0
1
A8
1
A9
1
A8..A15
A10
1
EF
A11
1 0
A12
A13
1
A14
1
A15
1
10EF EB
Adresse: Daten:
Bild III-10 Darstellung der Daten und Adressen
t
T1
T2
T3
T1
CLK
CLK
A8..A15
A8..A15
IO/M
IO/M A0.A7
D0..D7
A0.A7
AD0..AD7
AD0..AD7
ALE
ALE
WR
RD
Speicher schreiben
Bild III-11 Bustiming Daten Adressen
T2
T3
D0.D7
Speicher lesen
594
Datentechnik
Adresse auf den Adreßbus. Mit dem Taktsignal ALE wird eine Adressenspeicherung A0 bis A7 ermöglicht, und die Leseaufforderung an /RD geht danach auf „L“-Pegel. Der Datenbus wird kurz hochohmig und gibt dann dem angewählten Speicherplatz die Möglichkeit, Daten auf den Datenbus zu bringen. Die Daten stabilisieren sich auf dem Bus und werden gelesen. Mit der ansteigenden Flanke des RD-Signals ist der Vorgang beendet. Beim Schreibzyklus werden die Daten sofort nach dem L-Byte der Adresse von der CPU ausgegeben. Für den Schreib- oder Lesezyklus sind jeweils drei Taktzyklen erforderlich. Der Steuerbus kann mit seinen Anschlüssen in unterschiedliche Aufgabenbereiche gegliedert werden. Die System-Kontrollsignale steuern die Baugruppen wie z.B. RD, WR, IO/M, die an das Mikrocomputersystem unmittelbar angeschlossen sind. Mit Low am Ausgang /RD oder /WR (Low-aktive Ausgänge) teilt
die CPU mit, ob sie lesen oder schreiben will. Hierbei ist eine Verknüpfung mit den Adreßsignalen notwendig, damit ein bestimmter E/A-Baustein adressiert oder eine bestimmte Speicherzelle beschrieben oder ausgelesen werden kann. Die Unterscheidung zwischen Speicher und I/O-Baustein wird mit der Steuerleitung IO, /M durchgeführt. Bei „L“ an diesem Ausgang wird lesend oder schreibend auf den Speicher und bei „H“ auf einen I/O-Baustein zugegriffen. Zur Unterscheidung zwischen Speicher und I/OBaustein kann auch ein Decoder eingesetzt werden. Wird der Decoder entsprechend Bild III-12 angeschlossen, erhält man an den gekennzeichneten Ausgängen das Signal für „Speicher lesen (/MR)“, „Speicher schreiben (/MW)“, „Ein-Ausgabebaustein lesen (/IOR)“ und „Ein- und Ausgabebaustein schreiben (/IOW)“. Dies läßt sich über die Funktionstabelle (Tabelle III-3) des 74LS138 leicht nachvollziehen.
8085 X1
AD0 AD1 AD2 AD3 AD4 AD5 AD6 AD7 A8 A9 A10 A11 A12 A13 A14 A15
X2 RST5 RST6 RST7 INTR TRAP RESIN HOLD READY SID
IO/M RD WR MR MW IOR IOW 0 0 1 1
74LS138
DEC 0
G0 7 3
RD WR CLKO ALE S0 S1 IO/M HLDA RESO SOD INTA
+
&
0 1 2 3 4 5 6 7
MR MW IOR IOW
0 1 0 1
1 0 1 0
0 1 1 1
1 0 1 1
1 1 0 1
1 1 1 0
Bild III-12 Steuerung der Schreib- und Lesesignale mit Decoder
Tabelle III-3 Funktionstabelle 74LS138 E1
E2
E3
A0
A1
A2
Y0
Y1
Y2
Y3
Y4
Y5
Y6
Y7
1
x
x
x
x
x
1
1
1
1
1
1
1
1
x
1
x
x
x
x
1
1
1
1
1
1
1
1
x
x
0
x
x
x
1
1
1
1
1
1
1
1
0
0
1
0
0
0
0
1
1
1
1
1
1
1
0
0
1
1
0
0
1
0
1
1
1
1
1
1
0
0
1
0
1
0
1
1
0
1
1
1
1
1
0
0
1
1
1
0
1
1
1
0
1
1
1
1
0
0
1
0
0
1
1
1
1
1
0
1
1
1
0
0
1
1
0
1
1
1
1
1
1
0
1
1
0
0
1
0
1
1
1
1
1
1
1
1
0
1
0
0
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
0
III Mikrocomputertechnik
595
Die CPU unterscheidet zwischen folgenden Zeitabläufen: Operationsholzyklus, Speicherlese- und -schreibzyklus, E/A-Lese- und Schreibzyklus, Interruptquittung und Bus-Ruhezustand. Allgemein spricht man von Maschinenzyklen, die in unterschiedlichen Verbindungen einen Befehlszyklus beschreiben. Der Maschinenzyklus selbst besteht wieder je nach Aufgabe aus einer unterschiedlichen Anzahl von Taktzyklen. In Bild III-13 ist der Zusammenhang zwischen Takt-, Maschinen- und Befehlszyklus an einem Beispiel aufgezeichnet.
Mit RESET IN wird der Programmzähler auf die Adresse 0000 gesetzt, und die Interrupteingänge werden gesperrt. Eine Bestätigung wird an RESET OUT durchgeführt. Damit können weitere Bausteine zurückgesetzt werden. In Bild III-21 ist eine übliche RESET-Schaltung mit dargestellt. Beim Einschalten wirkt der Kondensator C als Kurzschluß und ermöglicht durch „L“ einen RESET. Die Diode V sorgt für ein schnelles Entladen des Kondensators, so daß bei kurzzeitigem Aus- und Einschalten des Systems RESET wieder wirksam wird.
Taktzyklus Speicher
00111110
Operationscodeholzyklus Maschinenzyklus 1
Speicherlesezyklus Maschinenzyklus 2
Befehlszyklus 1. Speicherstelle lesen
11111111
Befehl
Daten Operationscode
2. Speicherstelle lesen
Bild III-13 Takt-, Maschinen- und Befehlszyklus Der erste Maschinenzyklus ist immer ein Operationscodeholzyklus. In ihm ist der Operationscode (OPCode), und damit alle Steuerungsvorgänge für den Prozessor, enthalten. Ob weitere Maschinenzyklen folgen, hängt von dem entsprechenden Befehl ab. Obwohl der Operationscodeholzyklus auch vom Prinzip her ein Speicherlesezyklus ist, besitzt er im Gegensatz hierzu einen Taktzyklus mehr, weil während dieser Zeit die Decodierung im Befehlsregister erfolgen muß. Im aufgeführten Beispiel bekommt der Prozessor mit dem OP-Code (Maschinenzyklus 1), der aus dem Speicher geholt und zur Decodierung dem Befehlsregister zugeführt wird, gesagt, daß er den Inhalt der nachfolgenden Speicherstelle in den Akkumulator laden soll. Folglich befördert der nächste Maschinenzyklus (Maschinenzyklus 2) die Daten zum Akkumulator. Die Prozessor-Kontrollsignale geben Aufschluß über bestimmte Zustände des Prozessors oder geben eine bestimmte Meldung an die CPU. Hierzu gehören die Anschlüsse: S0, S1, RESET IN, RESET OUT, READY. S0 und S1 geben Aufschluß über den Zustand der CPU bei der Befehlsbearbeitung (Tabelle III-4). Tabelle III-4 Statussignale S0
S1
Funktion
0
0
Bus-Ruhezustand
0
1
CPU liest (Speicher, E/A)
1
0
CPU schreibt (Speicher, E/A)
1
1
CPU liest Operationscode
Bei READY „L“ geht die CPU in den Wartezustand, bis READY wieder „H“ wird. Dieser Anschluß dient zur Steuerung externer Geräte, die langsamer als die CPU sind. Der READY-Eingang kann auch zur schrittweisen Überprüfung von Programmen genutzt werden. Bus-Kontrollsignale ermöglichen einem anderen Prozessor oder auch Massenspeichern Zugriff auf das CPU-eigene Bussystem (DMA, Direct Memory Access = direkter Speicherzugriff). Das Bussystem wird von der CPU abgekoppelt. Hierzu zählen die Anschlüsse HOLD und HLDA. Bild III-14 zeigt das Prinzip. Wünscht der MP2 (Mikroprozessor) einen Speicherzugriff, so gibt er eine Meldung „H“ an den Anschluß HOLD des MP1. Dadurch wird das interne Bussystem des Prozessors vom externen Bussystem getrennt (hochohmig). Der MP2 erhält gleichzeitig eine Quittung über die Leitung HLDA mit „H“, um sein internes Bussystem an den externen Bus anzuschließen. In der Praxis werden hier DMA-Kontroller eingesetzt, die externen Geräten das direkte Arbeiten mit dem CPU-eigenen Arbeitsspeicher ermöglichen. Ein Prozessor muß auf äußere Ereignisse (Impulse, Pegel), wie auf die Meldung von Sensoren, Tastern oder externer Geräte reagieren können. Bei deren Ansprache muß ein Programm eine gewünschte Reaktion auslösen. Eine Möglichkeit besteht darin, alle Sensoren und Geräte softwaremäßig nacheinander abzufragen. Man spricht dann von der PollingMethode. Dies ist allerdings sehr zeitintensiv. Effektiver ist der Aufruf eines Unterprogramms bei der
596
Datentechnik
Speicher
1 1
MP1
S0 S1
Funktion
0 0 1 1
Bus-Ruhezustand (Speicher,E/A) CPU liest CPU schreibt (Speicher,E/A CPU liest Operationscode
0 1 0 1
HOLD HLDA
Bild III-14 Prinzip DMA
MP2
Reaktion eines Sensors. Erreichen kann man das durch eine Programmunterbrechung (Interrupt). Hierunter versteht man den direkten Zugriff externer Geräte auf die CPU. Wird ein Interrupteingang aktiviert, bearbeitet der Prozessor noch den gerade begonnenen Befehl und verzweigt dann in die Interruptroutine, zum Interrupt-Programm, um auf die Anforderung des Interrupts einzugehen. Der 8085 besitzt fünf Interrupteingänge. Zu den Unterbrechungs-Kontrolleitungen gehören die Unterbrechungseingänge (Interrupteingänge) TRAP, RST7.5, RST6.5, RST 5.5 mit unterschiedlicher Priorität, um bei gleichzeitiger CPU
Aktivierung aller Eingänge eindeutige Zuordnungen zu gewährleisten, und der Eingang INTR mit dem Quittungssignal INTA. Da gleichzeitige Anforderungen mehrerer Geräte vermieden werden müssen, ist bei vielen Prozessoren ein Prioritätsdecoder oder Interruptcontroller erforderlich, weil sie nur einen Interrupteingang besitzen. Bild III-15 zeigt für den 8085 beide Möglichkeiten auf. DMA Beim 8085 ist die Priorität hardwaremäßig festgelegt. Tabelle III-5 führt die Hardwareeinsprungadressen und die Prioritäten auf.
CPU
RST7.5 RST6.5 RST5.5
RST7.5 RST6.5 RST5.5
Speicher
Speicher
INT
E/A 1
E/A 1
PrioritätsDecoder
Name TRAP RST7.5 RST6.5 RST5.5 INTR
E/A 2
E/A 2
E/A 3
E/A 3
Priorität
Adresse
1 2 3 4 5
24 3C 34 2C
Bild III-15 Interruptmöglichkeiten
Eigenschaft
Triggerung
nicht maskierbar maskierbar maskierbar maskierbar
und H bis Abfrage H bis Abfrage (Speicherung) H bis Abfrage H bis Abfrage
III Mikrocomputertechnik
597
Tabelle III-5 Interrupt Akkumulator Name
Prioritätenfolge
Einsprungadresse
Eigenschaft
Triggerung
TRAP RST7.5 RST6.5 RST5.5
1 2 3 4
24 3C 34 2C
nicht maskierbar maskierbar maskierbar maskierbar
„L“ → „H“ „H“ „H“ „H“
alle gesperrt werden (Ausnahme: TRAP). Das Prinzip verdeutlicht Bild III-17 am Beispiel des RST7.5Eingangs. Nur wenn durch den Befehl SIM die Maske für RST7.5 gesetzt und durch den Befehl EI die Zulassung der Interrupts ermöglicht wurde, kann bei anliegendem Signal an RST7.7 eine Interruptannahme durch die CPU erfolgen, und der Programmzähler ruft die Adresse 3C auf. Der Interruptvorgang wird in Bild III-18 erläutert. Tritt im laufenden Hauptprogramm ein Interrupt auf, wird der gerade begonnene Befehl noch bearbeitet. Der Programmzählerinhalt wird zum Stack gebracht, und der Programmzähler zeigt auf die festgelegte Einsprungadresse, um das Interrupt-Programm ausführen zu können. Das Interrupt-Programm selbst befindet sich im Arbeitsspeicher, da sich zwischen den Interrupteinsprungadressen – hier steht in der Regel nur ein Sprungbefehl zum Arbeitsspeicher – nur wenige freie Speicherplätze befinden (siehe auch
Desweiteren ist der Tabelle zu entnehmen, mit welchem Pegel der Interrupteingang angesprochen werden muß (Triggerung) und welche Interrupteingänge softwaremäßig abgeschaltet werden können. Die Eingänge RST6.5, RST5.5 und INTR müssen mit Pegeln angesprochen werden. Bis zur Annahme durch die CPU muß der Pegel bei den genannten Eingängen anliegen. Der Eingang RST7.5 reagiert auf die ansteigende Flanke und speichert die Anforderung in einem Flipflop. Von der Softwareseite besteht für einige Interrupts die Möglichkeit, diese zu maskieren. Hierunter versteht man, Interrupts zu sperren oder zuzulassen. Die Programmierung läuft über den Inhalt des Akkumulators in Verbindung mit dem Befehl SIM (Set Interrupt Mask) ab. Bild III-16 zeigt die vom Hersteller angegebenen Bitpositionen. Mit den Befehlen EI (Enable Interrupt) können alle Interrupts zugelassen und mit DI (Disable Interrupt) Akkumulator
Bit
7
6
5
4
3
Akkumulator
2
1
0
Bit
7
7.5 MSE 7.5 6.5 5.5
6
5
4
3
7.5 6.5 5.5
IE
Flipflop rücksetzen "1"
2
1
0
7.5 6.5 5.5
Interruptmasken
Freigabe für Maske setzen "1"
Interruptfreigabe
Interruptmasken "1" Sperren "0" Freigabe
Anstehende Interrupt
Maskierung
Lesen
Bild III-16 Interruptmaske setzen und lesen
RST7.5
S
Akkumulator 1D
RESET IN
R
&
InterruptAnnahme
0 0 0 0 1 0 1 1 SIM
C1
EI
S
DI
R
3C Programmzähler
Bild III-17 RST7.5
598
Datentechnik Hauptprogramm
(Befehlszähler) --> Stack
Befehl Weitere Interrupts sperren
Befehl Befehl
Interruptadresse --> Befehlszähler
InterruptAnforderung
InterruptProgramm ausführen Alle Interrupts wieder zulassen
(Stack) --> Befehlszähler
Bild III-18 Interruptvorgang Tabelle III-7). Ein Interrupt-Programm ist wie ein Unterprogramm zu behandeln. Registerinhalte sind zu „retten“ und auf den Stack zu bringen. Den Abschluß bildet der Befehl RET (Return). (Programmbeispiele siehe Abschnitt Maschinensprache.) Für die serielle Datenübertragung besitzt der Prozessor 8085 einen eigenen Ein- und Ausgang (SID = Seriell In Data, SOD = Seriell Out Data). Hierbei wird die Information Bit für Bit zeitlich nacheinander übertragen. Die Steuerung erfolgt über ein Programm und der serielle Datenfluß über den Akkumulator. SID
Mit dem Befehl RIM gelangt das Bit am SIDAnschluß nach Bit 7 des Akkumulators. Von dort ist eine weitere Verarbeitung möglich. Zur Datenausgabe wird ebenfalls Bit 7 des Akkumulators benutzt. Hierzu muß der Ausgang SOD mit dem Befehl SIM freigegeben worden sein (Bild III-19). Um das Zusammenwirken mit Peripheriebausteinen darzustellen, ist in Bild III-20 ein 8085-Minimalsystem mit einem RAM (256 Bytes), EPROM (2 kByte), Zeitgeber und E/A-Ports abgebildet. Die Speicherkapazität der Bausteine läßt sich aus der Anzahl der Adreßleitungen ermitteln. Die Auswahl der Bausteine erfolgt mit den Adreßleitungen A11 und A12, so daß ein Speicherplan aufgestellt werden kann (Bild III-21). Die Portadressen können mit Hilfe der Beschreibung der Bausteine 8755 und 8156 (siehe Peripheriebausteine) gefunden werden. 2.4.2 Beispiel Z80 CPU Interrupt
1D
SOD
C1
1
Bild III-19 Bitposition im Akkumulator für den seriellen Ein- und Ausgang
Der Z80 besitzt die 6 Arbeitsregister B, C, D, E, H, L, die jeweils 8-Bit-Operationen oder als Registerpaare BC, DE und HL 16-Bit-Operationen ermöglichen, einen Akkumulator und das Flagregister als Hauptregister-Block. Die gleiche Anzahl Register sind als Zweitregister-Block vorhanden (Bild III-22). Außer Befehlszähler und Stapelzeiger sind die Spezialregister IX und IY als Indexregister, das IRegister (Interrupt-Vektor) und R-Register (RefreshSpeicher), der ein direktes Arbeiten mit dynamischen Speichern ohne zusätzlichen Bausteinaufwand ermöglicht, vorhanden. Die 16-Bit-Index-Register dienen zur Bearbeitung von Tabellen und Datenverschiebungen im Arbeitsspeicher.
III Mikrocomputertechnik
599 8755
8085 X1
X2
+
RST5 RST6 RST7 INTR TRAP RESIN
HOLD READY SID
RESET
+
AD0 AD1 AD2 AD3 AD4 AD5 AD6 AD7 A8 A9 A10 A11 A12 A13 A14 A15
CE AD0..AD7 CLK IOR
+
A8..A10
Port A
PROG/CE
IO/M READY
Port B
RD
RD WR CLKO ALE S0 S1 IO/M HLDA RESO SOD INTA
WR
ALE 8156
RD
Port A
WR ALE
Port B
CE IO/M RESET
Bild III-20 Minimalsystem nach Datenbuch der Fa. Siemens
Port C
AD0..AD7
Portadressen
Speicherplan
Port A: 19 18FF 8156
RAM
Port B: 1A Port C: 1B
1800
07FF
Port A: 00
8755
ROM
Bild III-21 Adressen der Bausteine 8156 und 8755
Port B: 01
0000
Hauptregister
Zweitregister
Akkumulator
Flags
A′
F′
B
C
B′
C′
D
E
D′
E′
H
L
H′
L′
Interrupt
I
Refresh
R
Indexregister
IX
Indexregister
IY
Stackpointer
SP
Befehlsz„hler
PC
Spezialregister
Bild III-22 Registerplan der Z80 CPU
600
Datentechnik 2x74LS244 Z80CPU
EN
EN
EN
Adreßbus
EN
74LS245 G3 3EN1 3EN2
INT NMI
1
HALT
2
RFSH M1
Datenbus
RESET BUSRQ BUSAK WAIT RD WR MREQ IORQ
Bild III-23 Z80-System
Tabelle III-6 Bedeutung der Anschlüsse CPU A0 ... A15 D0 ... D7 /RD /WR /RFSH /HLT /WAIT /INT /NMI /MREQ /IOREQ /BUSRQ
/BUSAK /RESET /M1
Adreßbus Datenbus Lesen Schreiben A0 ... A7 führen Refreshadresse (für dynamische Speicher) Software-Halt, die CPU wartet auf ein Interruptsignal Wartesignal (CPU beginnt mit Wartezyklen) Interrupteingang Nicht maskierbarer Interrupt (ADR 0066) Speicheranforderung. Bei „L“ an diesem Anschluß steht auf dem Adreßbus eine Adresse für einen Speicherzugriff an. E/A-Bausteinanforderung Busanforderung externer Geräte. Das interne Bussystem wird in den hochohmigen Zustand gebracht, damit externe Geräte Adreß-, Daten- und Steuerbus nutzen können. Busanforderungsbestätigung. Hiermit wird externen Geräten bestätigt, daß Adreß-, Daten- und Steuerbus benutzt werden darf. Rücksetzen Statusleitung (Maschinenzyklus 1)
III Mikrocomputertechnik
601
Als Taktgenerator wird ein externer Oszillator eingesetzt. Bild III-23 zeigt die Z80 CPU und deren Anschlußbelegung mit Taktgenerator und Treiberstufen. Im Gegensatz zur 8085 CPU sind 16 Adreßleitungen und 8 Datenleitungen herausgeführt. In Tabelle III-6 werden die Funktionen der jeweiligen Anschlüsse des Prozessors beschrieben. Der Z80 verfügt über den Befehlssatz des 8085 hinaus über weitere Befehle und zusätzliche Adressierungsarten wie indizierte und relative Adressierung (siehe auch Abschnitt Maschinensprache). Der Operationscode ist mit dem Code der 8085 CPU identisch. Unterschiede bestehen in der Mnemonik (Assembler). Tabelle III-7 Peripheriebausteine für ein Z80-System Z80-PIO
Parallel-E/A-Baustein
Z80 CTC
Zähler und Zeitgeberbaustein
Z80 DMA
Baustein für direkten Speicherzugriff
Z80 SIO
Serieller E/A-Baustein
8086 19 22 21 31 30 18 17 23 33
2.5 16-Bit-Prozessoren CPU In Personalcomputern ist die 8086-Familie sehr verbreitet (8086, 80286, 80386, 80486). 2.5.1 8086/80286 Die Prozessoren besitzen einen gemultiplexten Daten-Adreßbus (AD0 ... AD15) und die Adreßleitungen A16 ... A19. Damit steht ein Adreßbereich von 1 MByte (220 = 1 048 576) zur Verfügung. Der 8086 kann in den Betriebsarten MIN- und MAX-Mode eingesetzt werden. Die Auswahl erfolgt mit dem Anschluß MN/MX. Im MIN-Mode werden die Steuersignale für Speicher und E/A-Bausteine vom Prozessor erzeugt, und im MAX-Mode werden komplexere Systeme mit einem zusätzlichen Steuerbaustein zur Systemsteuerung (Buscontroller) betrieben. Bild III-24 zeigt die Pinbelegung beider Prozessoren und Tabelle III-8 die Bedeutung der Anschlüsse. Tabelle III-9 und III.10 beschreiben Steuerfunktionen. Das Prinzip des Prozessors beschreibt Bild III-25, und der Registersatz ist im Bild III-26 wiedergegeben.
80286
AD0 AD1 CLK AD2 READY AD3 RESET AD4 AD5 AD6 HOLD AD7 HLDA AD8 AD9 INTR AD10 AD11 NMI AD12 AD13 TEST AD14 MN/MX AD15 AD16 AD17 AD18 AD19 DEN DT/R M/IO ALE INTA BHE RO WR
16 15 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 39 38 37 36 35 26 27 28 25 24 34 32 29
36 38 40 42 44 46 48 50 37 39 41 43 45 47 49 51
31 63 64 57 59 61 54 53 29 52
D0 D1 D2 D3 D4 D5 D6 D7 D8 D9 D10 D11 D12 D13 D14 D15
A0 A1 A2 A3 A4 A5 A6 A7 A8 A9 A10 A11 A12 A13 A14 A15 A16 A17 A18 A19 A20 A21 A22 A23
CLK READY BHE HOLD S0 INTR S1 NMI PREQM/IO* BUSC/INTA* ERROR LOCK RESET HLDA CAP PEACK
34 33 22 28 27 26 25 24 23 22 21 20 19 18 17 16 15 14 13 12 11 10 8 7 1 5 4 67 66 68 65 6
Bild III-24 CPU 8086 und 80286
602
Datentechnik
Tabelle III-8 Bedeutung der Anschlüsse AD0 ... AD15 RD WR ALE INTR INTA NMI TEST RESET CLK MN/MX BHE/S7 DEN DT/R M/IO HOLD HLDA LOCK
S0, S1, S2
Adreß-/Datenbus Read Write Adress Latch Enable Interrupt Request Interrupt Acknowledge Non Mascable Interrupt Test Reset Clock Min/Max Bus High Enable/Status Data Enable Data Transmit/Receive Memory/IO Aufruf externer Geräte (DMA) Bestätigung auf HOLD (DMA) Angabe über Sperrung der CPU
Lesen Schreiben Adreßzwischenspeicherung Interruptabfrage Interruptbestätigung Nicht maskierbarer Interrupt Überprüfung des Wartezyklus Rücksetzen Takt Minimum-/Maximum-Mode Freigabe von L- oder H-Adreßteil Busfreigabe (Datenübertragung) Datenübertragung/-empfang Speicher und E/A-Zugriff
Statusinformation
Tabelle III-9 Steuerfunktionen BHE
A0
Funktion
0 0 1 1
0 1 0 1
Gesamtes Wort Oberes Byte von/zu Adresse Unteres Byte von/zu Adresse keine Funktion
Memory Interface
Tabelle III-10 Statusinformation S2
S1
S0
Funktion
0 0 0 0 1 1 1 1
0 0 1 1 0 0 1 1
0 1 0 1 0 1 0 1
Interruptbestätigung E/A-Lesen E/A-Schreiben Halt Codezugriff Speicher lesen Speicher schreiben Passiv
die Steuerung der Busschnittstelle. In der Befehlseinheit werden die von der Befehlswarteschlange (Instruction Queue) gelieferten Befehle decodiert. Bei Befehlsausführung kann die Befehlswarteschlange parallel mit dem nachfolgenden Maschinencode geladen werden. Damit steuert diese Einheit alle Vorgänge des Systems. Hauptbestandteil der Ausführungseinheit ist die aus 8-Bit-Systemen bekannte ALU. Die vier Hauptregister der Execution Unit A, B, C und D sind aus je zwei 8-Bit-Registern (L = Low und
ES
Instruktion Stream Byte Queue
CS
6 5 4 3 2 1
SS DS
Control System
IP BIU EU
AH
AL
BH
BL
CH
CL
DH DL SP
Operands Flags
BP SI DI
Bild III-25 Blockbild der 8086 CPU
III Mikrocomputertechnik
603
Allgemeine Registerkarte AH DH CH BH
Multiplikation Division E/A-Befehle — Schiebebefehle
AL DL CL BL
CS DS SS ES
Basis-Register
BP SI DI SP 15
Segment Register
Flags Befehlszeiger Status Word
F I WSW
Index-Register — Stackpointer 0
Bit
Code Segment Data Segment Stack Segment Extra Segment
15
Bild III-26 Registersatz und Funktion
0
Bit
2.5.2 Adressenbildung
H = High) zusammengesetzte 16-Bit-Register. Sie dienen zur Aufnahme von arithmetischen und logischen Operanden. Die Breite der übrigen Register beträgt 16 Bit. Das SP-Register (Stack Pointer) und BP-Register (Base Pointer) können für Stack- und 16Bit-Operationen verwendet werden. SI- und DIRegister sind Indexregister (Source Index = Quelle, Destination = Ziel).
In der BIU befinden sich die Segmentregister ES (Extra-Segment), CS (Code-Segment), SS (Stack Segment) und DS (Daten-Segment). Ihre Aufgabe ist es, den Speicherbereich über Segmente in vier Bereiche bis zu 64 KByte zu verwalten (Real Mode). Die Anfangsadressen stehen jeweils in den Segmentregi-
Arbeitsspeicher FFFFF Segment
31
Offset
16 15
0 64kB
gewählter Operand 64kB
64kB CS
SS 64kB
DS
ES 00000
0
0
0
0
0
0 0
0 0
1
0
0
0
0
0
1
1
1
1
0 0
0
0
0
0
0
0
0
0
1
1
1
1
1
1
1
1
Offset
Segment
Addierer
0
0
0 0
0
0
0
1 2
0
0
0 0 0
physikalische Adresse
F
1
1
1 F
1
Bild III-27 Bildung der physikalischen Adresse
604
Datentechnik
stern. Mit ihrer Hilfe und dem Befehlszeiger IP (Offset) wird die physikalische Adresse (absolute Adresse) nach Bild III-27 gebildet. Hierbei wird die 16-Bit Offsetadresse als L- und die 16-Bit-Segmentadresse als H-Teil einer fiktiven 20-Bit-Adresse angesehen. Das gewählte Segment gibt die Anfangsadresse des Segments an, und der Offset zeigt auf den gewählten Operanden. Ihre Addition ergibt somit die physikalische 20-Bit-Adresse. Ein Mikroprozessorsystem mit 16-Bit-Prozessoren besitzt außer den bekannten Speicher- und Ein- und Ausgabeeinheiten spezielle Peripheriebausteine, die jeweils eine besondere Aufgabe übernehmen, wie bespielsweise der Buscontroller (siehe auch Peripheriebausteine). Bild III-28 zeigt schematisch ein 8086System. Der Transceiver ist vergleichbar mit dem Zweirichtungstreiber in 8-Bit-Systemen. Über den Eingang T wird die Datenrichtung festgelegt, und mit /OE kann der BUS hochohmig geschaltet werden. Clock-Generator
Adressbus Datenbus
A0 A1 A2 A3 A4 A5 A6 A7 A8 A9
1
A
D0 D1 D2 D3 D4 D5 D6 D7
0 1023
10
WE CS Aktivierungsleitung Schreib-Lese-Leitung
Bild III-29 Anschlüsse an einem Speicherbaustein BUS-Controller
8086 CPU RES
Latch
Speicher ADR
Daten
Bild III-28 8086-System
Transceiver
3 Halbleiterspeicher
3.2 Kenndaten und Technologie
3.1 Allgemeines
Wichtige Kenndaten eines Speichers sind die Speicherkapazität (Capacity) in Verbindung mit der Angabe über die Speicherorganisation, die Zugriffszeit (Access Time), die von der Ansprache des Speichers vergeht bis zur Verfügbarkeit der Daten und die Leistungsaufnahme im aktiven und Ruhe-Betrieb (Standby). Die Speicherkapazität gibt die Informationsmenge an, die der Speicher aufnehmen kann. Sie wird üblicherweise in Kbit, KByte oder MByte angegeben. Die Kenndaten selbst sind von der Technologie, also dem Herstellungsverfahren des Speichers, abhängig. Hier unterscheidet man bipolare Speicher, deren Grundelemente der TTL- oder ECL-Technologie entsprechen, von unipolaren Speichern, deren Grundelemente in MOS-Technologie gefertigt sind.
Speicher dienen zur Speicherung und Sicherung von Daten und Programmen. Der Speicherbaustein muß den Prozessor mit Daten beliefern, und der Prozessor muß Daten darin ablegen können. Zur Auswahl eines bestimmten Speicherplatzes, einer Adresse, werden dem Baustein Adreßleitungen zugeführt. Die Daten gelangen über den Datenbus zum und vom Speicher, wenn der Prozessor die Schreib-Lese-Leitung aktiviert und die Speicherzelle ausgewählt wurde. Um eine Unterscheidung verschiedener Speicher durchführen zu können, besitzt der Baustein Aktivierungsoder Auswahleingänge. Bild III-29 zeigt die Anschlüsse eines 1 K × 8 Bit-Schreib-Lese-Speichers.
III Mikrocomputertechnik
605
Speicher-Technologien Bipolare Speicher TTL
MOS-Speicher
ECL
NMOS
CMOS
100 ns 200 nW
150 ns 20nW
Eigenschaften 50 ns 600 mW
15 ns 700 mW
Zugriffszeit Verlustleistung
Bipolare Speicher besitzen zwar eine geringere Zugriffszeit, haben aber eine höhere Leistungsaufnahme sowie eine geringere Integrationsdichte als unipolare Speicher, (siehe Bild III-30). Die heutigen großen Speicherkapazitäten werden mit CMOS-Speichern erreicht. Für den Entwickler spielt das Preis-Leistungsverhältnis und notwendige zusätzliche Steuerbausteine noch eine bedeutende Rolle.
Bild III-30 Speichertechnologien und Eigenschaften
Beispiel: Für einen 16-Bit Speicher (siehe Bild III-31) sind
normalerweise 16 Auswahlleitungen erforderlich. Durch den matrixförmigen Aufbau reduzieren sich die Auswahlleitungen auf 8, da 4 Zeilen- und 4 Spaltenleitungen benötig werden. Mit Hilfe jeweils eines 4-aus-1-Decoders können die 4 Leitungen von zwei Adressen angesprochen werden. Damit ergeben sich für den 16Bit Speicher insgesamt 4 Adreßleitungen. Um n-Speicherstellen zu adressieren, benötigt man 2n Adreßleitungen. Speichertechnologie Beispiel: Ein Speicher mit der Organisation 4 K × 8 Bit besitzt
3.3 Bedeutung der Anschlüsse
4096 Speicherstellen mit einer Wortbreite von 8 Bit. Damit sind 12 Adreßleitungen nötig.
Tabelle III-11 faßt die Anschlußbedeutungen, die bei Speichern auftreten, zusammen.
Adreßleitungen =
ln Speicherkapazität ln 4096 = = 12 ln 2 ln 2
(III.1)
Tabelle III-11 Anschlußbedeutungen A0 ... An D0 ... Dn CE, CE1, CE2, CS WE, WR RD O0 ... On OE ALE RAS CAS Vpp VCC GND
Adreßleitungen; über diese Leitungen wird der Speicherplatz angewählt. Datenleitungen; über diese Leitungen gelangen Daten vom oder zum Speicher. Chip Enable, Chip Select; über diese Leitung(en) kann der Speicherbaustein angewählt werden. Write Enable, Write; diese Leitung wird von der CPU aktiviert, wenn Daten in den Speicher geschrieben werden sollen. Read; diese Leitung wird von der CPU aktiviert, wenn Daten vom Speicher gelesen werden sollen. Output, Datenausgänge Output Enable; mit dieser Leitung werden die Ausgänge eines Speichers freigegeben. Adress Latch Enable; an diesem Anschluß kann die CPU bei einem gemultiplexten Adreß-/Datenbus die Adresse zwischenspeichern. Row Adress Select, Zeilenauswahlleitung Column Adress Select, Spaltenauswahlleitung Programming Voltage; an diesem Anschluß wird die Programmierspannung angelegt. Betriebsspannungsanschluß Ground, Masseanschluß
Die Speicherzellen in einem Speicherbaustein sind matrixförmig angeordnet, um die Anzahl der Auswahlleitungen möglichst gering zu halten. Die Ansprache der Speicherzelle ist nur möglich, wenn jeweils gleichzeitig eine Zeilenleitung und eine Spaltenleitung, oder auch X- und Y-Leitung, aktiv sind. Durch die Anordnung innerhab der Matrix ist jede Speicherstelle eindeutig bestimmt. Die Auswahl der Speicherstelle in der Matrix erfolgt über einen Zeilen- und Spaltendecoder, der jeweils über Adreßleitungen angesteuert wird. Die Anzahl der Adreßleitungen ist von der Anzahl der Speicherstellen abhängig.
A0
A1
X-Decodierer
3.4 Organisation und Aufbau 1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11 12
13
14
15
16
Y-Decodierer A2
A3
Bild III-31 Speichermatrix
606
Datentechnik RAM 1k x 1 D3
Adressbus
3.4.1 Bitorganisierter und wortorganisierter Speicher Der bitorganisierte Speicher speichert pro Adresse nur ein Bit. Er ist somit unabhängig von der Datenwortbreite. Beim wortorganisierten Speicher steht in jeder Adresse ein Datenwort. Damit sind n-Bitstellen gemeint, die gleichzeitig von einer Adresse angesprochen werden. Wortorganisierte Speicher, deren Wortbreite der Datenbreite des Mikroprozessors entsprechen, werden häufig für Arbeitsspeicher bei kleineren Mikroprozessor- oder Mikrocontrollersystemen eingesetzt (z.B. 8-Bit-Systemen). Ein Speicher mit der Kapazität von 4096 Bit kann als bitorganisierter Speicher (4 K × 1 Bit) (Bild III-32) oder als wortorganisierter Speicher (1 K × 4 Bit) (Bild III-33) aufgebaut sein (1 K Bit = 210 Bit). Beim bitorganisierten Speicher ist jeder Speicherzelle eine
RAM 1k x 1 D2 RAM 1k x 1 D1 RAM 1k x 1 D0
0 WE
A
0 1023
9
CS
Bild III-34 Vom bit- zum wortorganisierten Speicher RAM 4k x 1
Adesse 1
A0
0
2
D0 A
0 4095
D0 A11
11
Bild III-32 Prinzip und Schaltbild eines bitorganisierten Speichers
WE
4096
CS
Adresse zugeordnet, während der wortorganisierte Speicher pro Wort eine Adresse besitzt. Legt man die Anzahl der Speicherstellen zugrunde, dann besitzen beide dargestellten Speicher die gleiche Speicherkapazität.
eingänge WE (Write Enable = Schreibfreigabe) und CS (Chip Select = Bausteinauswahl) und ist häufig „Low“-aktiv (Bild III-35). Mit /CS oder /CE wird der einzelne Speicherbaustein ausgewählt. Beschrieben und ausgelesen wird er RAM 1k x 4
Adresse
A0
0
1 D3 D2 D1 D0
2
0 A 1023 A9 WE
1024
CS 4-Bit-Wort
Ist beim bitorganisierten Speicher eine bestimmte Wortbreite erforderlich, müssen verschiedene Speicher mit der gleichen Adresse angesprochen werden. Für ein 4-Bit-Datenwort müssen 4 Speicherbausteine adressenmäßig parallel geschaltet und mit /CS und /WE gleichzeitig angesprochen werden (Bild III-34). Zur Aus- und Eingabe von Daten ist eine interne Steuerschaltung notwendig, die je nach Speicher unterschiedlich sein kann. Sie erfolgt über die Steuer-
9
D0 D1 D2 D3
Bild III-33 Prinzip eines wortorganisierten Speichers und Schaltbild
durch Pegelumschaltung am WE- oder RD- und /WR-Eingang. 3.4.2 Speicher mit Adressenzwischenspeicher Außer Schreib-Leseeingang und Bausteinauswahl gibt es Speicher, die einen weiteren Steuereingang ALE (Adress-Latch-Enable) besitzen und damit ein internes Adressenzwischenregister. Sie können direkt an den gemultiplexten Daten-Adreßbus eines Mikro-
III Mikrocomputertechnik
607 DO
CS
controllers oder Mikroprozessors angeschlossen werden. Speicher und Prozessor sparen so Anschlußleitungen. Die Adressen und Daten werden hier zeitlich nacheinander auf gleichen Leitungen übertragen. Mit ALE übergibt der Prozessor seine Adresse einem Adressenzwischenspeicher im Speicherbaustein und liefert oder holt anschließend die Daten. Speicher ohne Adressenzwischenregister können von einem Prozessor mit gemultiplextem Daten-Adreßbus nur über ein externes Zwischenregister angesteuert werden. Im Bild III-36 ist ein Speicher mit und ohne Steuereingang ALE an einem Mikroprozessor angeschlossen.
&
&
Zeilendecoder
WE
Speichermatrix
WE
0 0 1
0 1 x
Damit der Speicher seine Funktion durchführt, muß der Prozessor über den Steuerbus zeitliche Bedingungen einhalten (Bild III-37). Beispielsweise muß zunächst die gewünschte Adresse auf dem Adreßbus anliegen, dann muß der Baustein, der diese Adresse besitzt, mit dem Auswahlsignal /CS angewählt werden. Desweiteren müssen Daten vom Datenbus angeboten werden, um sie danach mit dem Schreibsignal in den Speicher zu bringen. Damit die gewünschten Daten den Speicher oder die Daten des Speichers den Prozessor erreichen, müssen bestimmte zeitliche Bedingungen eingehalten werden. Zwischen dem Anliegen der Adresse (tWC = Write Cycle Time) und dem Einschreiben der Daten ist eine Zeitspanne tAS (Adress Setup Time) erforder-
Spaltendecoder
Adressen
CS
3.5 Zeitverhalten Speicher
Funktion Einschreiben der Daten Auslesen der Daten Baustein hochohmig
Bild III-35 Prinzip der Datensteuerung
Speicher 256 x 8
AD0..AD7
AdreßLatch
MP
ALE RD/WR CS AD0..AD7
D0..D7 AdreßLatch
MP
ALE
Speicher 256 x 8
A0..A7
RD/WR CS
AD-Bus
ALE
A0..A7
D0..D7
Bild III-36 Speicher mit und ohne Adressenzwischenspeicher
608
Datentechnik tWC
Adress
CS tAS
tWP
WE tDH
tDW DATA IN
DATA VALID
tRC Adress tAA CS tOH DATA OUT
Bild III-37 Zeitverhalten auf den Bus- und Steuerleitungen
DATA VALID
lich, weil sonst die Daten eine falsche Speicherstelle erreichen. Die Zeit, die benötigt wird, um das Einschreiben der Daten in den Speicher zu gewährleisten, ist die Mindestdauer des Schreibimpulses (/WE) und wird tWP (Write Pulse Width) genannt. Zur korrekten Datenübertragung müssen die Daten auf dem Datenbus stabil sein. Diese Zeit, in der sich die Daten auf dem Datenbus (Data Valid = Daten gültig) eingependelt haben, nennt man tDW (Data Valid Time). Mit tDH (Data Hold Time) wird die Zeit nach Ablauf des Schreibimpulses bezeichnet, solange noch Daten und Adressen anliegen. Beim Lesezyklus tRC (Read Cycle Time) stabilisieren sich die Adressen auf dem Bus in der Zugriffszeit tAA (Adress Access Time). Anschließend können die Daten gelesen werden.
3.6 Speichertypen Es werden zwei Hauptgruppen von Speichertypen unterschieden: Schreib-Lesespeicher und Festwertspeicher. Während Schreib-Lesespeicher als Arbeitsspeicher dienen, liegen in Festwertspeichern häufig benötigte konstante Daten vor, wie beispielsweise Tabellen oder Teile eines Betriebssystems (Firmware). 3.6.1 Festwertspeicher ROM (Read Only Memory = Nur-Lese-Speicher) sind Speicher, die im Normalbetrieb nicht beschrieben, sondern nur ausgelesen werden. Es sind Festwertspeicher (Nonvolatile Read-Only-Memory = nicht
Festwertspeicher ROM Type
Programmierung
Löschverfahren
ROM Read only Memory
Wird vom Hersteller mit Hilfe einer Maske gefertigt
nicht löschbar
PROM Programmable ROM
Durch Einsatz von Programmiergeräten (elektrisch)
nicht löschbar
EEPROM ELectrically PROM
Durch Einsatz von Programmiergeräten (elektrisch)
Durch UV_Licht nur völlig löschbar
elektrisch in der Schaltung programmierbar
Durch elektrische Impulse gezielt löschbar
elektrisch in der Schaltung programmierbar
elektrisch in der Schaltung nur völlig löschbar
EEPROM Electrically Erasable PROM Flash-EPROM
Bild III-38 Festwertspeicher
III Mikrocomputertechnik
609
flüchtige Speicher), da sie ihre Information ohne anliegende Betriebsspannung beibehalten. Daten und Programme gehen bei Ausfall der Spannungsversorgung nicht verloren. Bild III-38 gibt eine Übersicht über Festwertspeicher. 3.6.1.1 Masken-ROM Für Standardanwendungen kann der Hersteller ROMBausteine mit Hilfe einer Maske fertigen. Man spricht dann von einem Masken-ROM. Der Inhalt des Speichers ist nicht mehr veränderbar. Bild III-39 zeigt das Schaltbild eines ROM und die vereinfachte Darstellung. Speicher
ROM 1K x 4
ROM 1K x 4
0
0
A
0 1023
A
9
9
EN
EN
0 1023
(0) (1) (2) (3)
A A A A
3.6.1.2 PROM ROM, die mit Hilfe von Programmiergeräten programmiert werden können, sind PROM (Programmable Read Only Memory) oder fusible PROM (Sicherungs-PROM). Der Hersteller oder Anwender kann diese Bausteine nach eigenem Wunsch programmieren. Aufgebaut sind solche Festwertspeicher in Form einer Dioden- oder Transistormatrix (Bild III-40). Beim Programmiervorgang werden durch einen Stromstoß leitende Verbindungen abgeschmolzen. Einmal programmierte PROM behalten ihre Daten und sind nicht mehr löschbar. Die Ausgänge D0 ... D4 können in Abhängigkeit der Adresse die einprogrammierten Daten ausgeben. Die Leitungen X0 ... X3 nennt man Wortleitungen, die Leitungen Y0 ... Y3 werden Bit-Leitungen genannt. Mit 2 Adreßleitungen lassen sich 4 Wortleitungen ansprechen. Der Eingang CS (Chip Select) dient zur Anwahl des Speichers, und mit OE (Output Enable) werden die Ausgangstreiber aktiviert. 3.6.1.3 EPROM
A
Bild III-39 Schaltbild eines ROM und vereinfachte Darstellung
Ein EPROM (Erasable PROM) ist ein programmierbarer und löschbarer Festwertspeicher. Der Speicherinhalt kann durch Löschen und erneutes Beschreiben geändert werden. Beim Abschalten der Betriebsspannung gehen die Daten nicht verloren. Die Funktion einer Speicherzelle beruht auf Veränderung der Leitfähigkeit eines MOS-Transistors mit einem schwebenden (nicht angeschlossenen) Gate (FAMOS = Floating Gate Avalanche Injection MOS). Im nicht programmierten Zustand sperrt der Transistor. Leitend wird der Transistor durch den Programmiervorgang, bei dem dem Gate mit Hilfe des Lawineneffekts (Avalance-) eine Ladung aufgeprägt wird.
Prinzip +
A1
CS
0
1
Adreß-Decodierer
A0
0
Speicherinhalt 0
Adresse
X0
00
0
0
1
0
01
0
1
0
0
10
0
0
0
0
11
1
1
0
0
X1
X2
D3 D2
D1 D0
X3 Y0
Y1
Y2
Y3
Ausgangstreiber OE D3
D2
D1
D0
Bild III-40 Speicher mit Diodenmatrix
610
Datentechnik
PIN-Belegung
Funktionsbild
2716 8 7 6 5 4 3 2 1 23 22 19
A0 A1 A2 A3 A4 A5 A6 A7 A8 A9 A10
18 20
CE/PG OE
21
VPP
D0 D1 D2 D3 D4 D5 D6 D7
9 10 11 13 14 15 16 17
CE/PGM OE A0 A1 A2 A3 A4 A5 A6 A7 A8 A9 A10
ProgrammierLogik und Bausteinauswahl
00000000 01234567
Daten Kapazität
18K
AusgabeTreiber
Organisation
2K x 8
Zugriffszeit
350 ns
Y-Decodierer
Y-Gatter
Programmierspannung
25V
X-Decodierer
SpeicherMatrix 16384 Bit
Verlustleistung 525 mW aktiv Verlustleistung 132 mW standby Programmierzeit
100 s
Bild III-41 EPROM EPROM-Bausteine besitzen auf ihrer Oberseite ein Glasfenster, um ein Löschen zu ermöglichen. Dies geschieht durch Bestrahlung mit UV-Licht mit definierter Wellenlänge und Strahlungsdichte. Die Dauer der Bestrahung ist vom Bausteintyp abhängig (ca. 30 Min.). Der Löschvorgang löscht den gesamten Speicherinhalt. Eine unprogrammierte oder gelöschte Speicherstelle besitzt immer „1“ als Information. Zur Programmierung werden entsprechende Programmiergeräte benötigt. Die notwendige Programmierspannung ist vom Bausteintyp abhängig und höher als die Betriebsspannung (Tabelle III-12). Nach dem Programmiervorgang ist das Löschfenster zuzukleben, um kein Außenlicht eindringen zu lassen.
• Standby Im nicht aktiven Zustand (standby) werden interne Stufen des Bausteins abgeschaltet. Dadurch vermindert sich die Verlustleistung. Der Wartezustand wird durch eine „1“ am Eingang CE erreicht. Die Ausgänge sind in dieser Betriebsart hochohmig, unabhängig vom Eingang OE.
• Löschen Das Löschen geschieht mit ultraviolettem Licht. Nach dem Löschen liegt in jeder Speicherzelle die Information „1“.
• Programmieren Die Adresse der Speicherstelle, die programmiert werden soll, muß anliegen. Mit OE (Output En-
Tabelle III-12 EPROM-Beispiele Type
Kapazität
Organisation
Zugriffszeit
Leistungsaufnahme
2K×8 4K×8 8K×8 32 K × 8 64 K × 8 128 K × 8
350 ns 250 ns 250 ns 120 ns 120 ns 120 ns
500/125 mW 625/175 mW 500/200 mW 150/0,5 mW 150/0,5 mW 150/0,5 mW
Programmierspannung 2716 2732 2764 27C256 27C512 27C100
16 K 32 K 64 K 256 K 512 K 1M
25 V 21 V 21 V 12,5 V 12,5 V 12,5 V
(Nach Datenblatt der Firma INTEL)
Nachteil: Es ist nur möglich, den Gesamtbaustein zu löschen. Dazu muß er aus der Schaltung herausgenommen werden. Beschreibung der Beriebsarten:
• Lesezyklus Nach dem Anlegen einer gültigen Adresse wird der Baustein mit CE = „0“ aktiviert. Anschließend kann mit OE = „0“ der Dateninhalt der Adresse auf die Datenleitungen geschaltet werden. Danach wird mit OE = „1“ und CE = „1“ der Datenausgang hochohmig.
able) werden dann die Ausgangstreiber gesperrt und die Programmierspannung von 25 V angelegt. Während sich die Daten auf dem Datenbus befinden, wird über den Eingang CE/PGM (Chip Enable) der Programmierimpuls zugeleitet. Die Einhaltung der Adressenreihenfolge ist nicht notwendig. Allerdings müssen gewisse zeitliche Bedingungen wie die Impulslänge am Eingang CE eingehalten werden. Bild III-42 zeigt das Impulsdiagramm der Programmierung mit anschließender Lesekontrolle. Nach der
III Mikrocomputertechnik
611
Programmieren
Lesekontrolle
Adresse N
Adressen
Daten
Daten für ADR n
Daten OE
45 ms
Bild III-42 Programmierzyklus
CE/PGM
27512 A15 A12 A7 A6 A5 A4 A3 A2 A1 A0 00 01 02 GND
27128 Vpp A12 A7 A6 A5 A4 A3 A2 A1 A0 00 01 02 GND
2754 Vpp A12 A7 A6 A5 A4 A3 A2 A1 A0 00 01 02 GND
2732
2716
A7 A6 A5 A4 A3 A2 A1 A0 00 01 02 GND
A7 A6 A5 A4 A3 A2 A1 A0 00 01 02 GND
2716 2732
2754 VCC PGM NC VCC VCC A8 A8 A8 A9 A9 A9 A11 A11 A11 OE OEVpp OE A10 A10 A10 CE CE CE 07 07 07 06 06 06 05 05 05 04 04 04 03 03 03
27128 VCC PGM A13 A8 A9 A11 OE A10 CE 07 06 05 04 03
27512 VCC A14 A13 A8 A9 A11 OEVpp A10 CE 07 06 05 04 03
Bild III-43 Anschlüsse verschiedener EPROM-Typen Programmierung eines Datenwortes sollte immer eine Kontrolle der programmierten Bits erfolgen, um festzustellen, ob die gewünschten Daten im Speicher vorhanden sind (Verify Check). Hierbei darf bei diesem Baustein die Spannung am Anschluß Vpp = 25 V angeschaltet bleiben. EPROM-Programmiergeräte können, da die Speicherbausteine standardisiert sind, sowohl 24polige als auch 28polige EPROMs aufnehmen (Bild III-43).
A5..A12 CE OE WE VCC
A0..A4
3.6.1.4 EEPROM EEPROM (Electrically Erasable PROM), oft auch als E2PROM bezeichnet, haben eine geringere Speicherdichte als EPROM’s. Ihr Speicherprinzip beruht, wie bei den EPROM-Typen, auf dem „Floating Gate“ eines MOS-Transistors. EEPROM’s können Wort für Wort elektrisch gelöscht und neu programmiert werden. Allerdings ist die Zahl der möglichen Lösch-
CAT28C64B
Funktionsbild
64K-Bit EEPROM
Buffer Latches
Row Decoder
8192 x 8Bit
Control Logic
High Voltage Generator
Timer
DATA Polling Toggle Bit
Buffer Latches
ColumnDecoder
Array
32 Byte Page Register
I/O-Buffers
I/O0
I/O7
Nach Datenblatt der Firma CATALYST
Bild III-44 Funktionsbild eines EEPROM
612
Datentechnik
und Programmiervorgänge (ca. 10 000 Programmierzyklen) begrenzt. War der Datenerhalt vor einiger Zeit noch mit bis zu 10 Jahren angegeben, so liegen heutige Angaben bei bis zu 100 Jahren. EEPROM’s verlieren ihre Daten bei Betriebsspannungsausfall nicht. Der Vorteil gegenüber EPROM’s liegt darin, daß die Daten der einzelnen Speicherstellen gezielt in der Schaltung verändert werden können, ohne den Baustein zu entnehmen. Der schnelle Löschvorgang innerhalb weniger Millisekunden ist ein weiterer Vorteil. Ein EEPROM benötigt eine Programmierspannung von 5 V. Dies stimmt allerdings nur für die externe Zuführung. Im Inneren des Bausteins befindet sich ein Spannungsgenerator, der die Programmierspannung erheblich erhöht. EEPROM’s werden als parallele oder serielle Speicher mit verschiedenen Betriebsspannungen wie 1,8 V, 2,5 V, 2,7 V und 5 V angeboten. Tabelle III-13 führt einige Typen mit unterschiedlichen Kapazitäten auf. Bild III-44 zeigt das Funktionsbild eines EEPROM.
3.6.1.5 Flash-EPROM Flash-EPROM (Flash-Memory) verbinden die Eigenschaften eines RAM, EPROM und EEPROM. Im Gegensatz zur EPROM’s, die nur durch UV-Licht gelöscht werden können, sind Flash-EPROM’s elektrisch und in der Schaltung löschbar. Der Baustein kann insgesamt oder sektorweise gelöscht werden. Alle Bits müssen – abgesehen von neueren Typen – vor dem Löschen zuerst auf „0“ gesetzt werden. Die gelöschten Speicherstellen besitzen „1“ als Information. Bei der Programmierung verhalten sich FlashEPROM’s wie EEPROM’s. Sie können in der Schaltung Byte für Byte beschrieben werden. Allerdings erlauben diese Bausteine eine höhere Zahl von Programmierzyklen (bis zu 100 000 Zyklen). Die Programmierzeit liegt etwa bei 1/10 der Zeit eines EPROM. Die längste Programmierzeit benötigen EEPROM’s. Adressen und Daten werden zwischengespeichert (Adress Latch, Data Latch). Die gewünschten Betriebsarten wie Löschen und Program-
Tabelle III-13 EEPROM-Beispiele Type
Kapazität
Organisation
Zugriffszeit
HN58064 HN58C256 HN58C1001
64 K 256 K 1M
8K × 8 32K × 8 28K × 8
250 ns 200 ns 200 ns
(Nach Datenblatt der Firma Hitachi)
I/O Funktionsbild LöschSpannungs Schalter
WE
Kommandoregister
CE OE
ProgrammierSpannungs Schalter
I/O-Puffer
CE,OE-Logik
Y-Decoder A0..A15
LATCH
SpeicherMatrix
Latch X-Decoder
VerifySchalter
TSOP (Standard Pinout) A11 A9 A8 A13 A14 NC WE VCC Vpp NC A15 A12 A7 A6 A5 A4
CAT28F512 OE A10 CE I/O7 I/O6 I/O5 I/O4 I/O3 Vss I/O2 I/O1 I/O0 A0 A1 A2 A3
OE A10 CE I/O7 I/O6 I/O5 I/O4 I/O3 Vss I/O2 I/O1 I/O0 A0 A1 A2 A3
TSOP (Reverse Pinout) A11 A9 A8 A13 A14 NC WE VCC Vpp NC A15 A12 A7 A6 A5 A4
Bild III-45 Pin-Belegung und Funktionsbild eines FlashBausteins
III Mikrocomputertechnik
613
mieren realisiert man über ein Kommandoregister. Im Signature Mode (Hersteller-Kennzeichnung) befindet sich unter der Adresse 000016 der Hersteller-Code und unter Adresse 000116 der Baustein-Code. Die Hersteller geben in der Regel den Lösch- und Programmier-Algorithmus in den entsprechenden Datenbüchern mit an. Flash-EPROM lassen sich kostengünstiger als EEPROM herstellen. Bild III-45 zeigt als Beispiel das Funktionsbild und die Anschlußbelegung eines 512 K × 1 Bit-CMOS-Flash-Speichers. Mit den beiden TSOP-Gehäusevarianten lassen sich Platinenlayouts vereinfachen. 3.6.2 Schreib-Lesespeicher Die Daten dieses Speichers können über eine Adresse beliebig oft gelesen oder eingeschrieben werden.
Beim Ausfall der Betriebsspannung sind die Daten des Speichers allerdings verloren. Man spricht daher auch von flüchtigen Speichern (Volatile RAM). Eine Übersicht verschiedener Schreib-Lese-Speicher zeigt Bild III-46. 3.6.2.1 SRAM Statische RAM werden in bipolarer oder MOSTechnik ausgeführt. Sie arbeiten nach dem Prinzip einer bistabilen Kippstufe (Bild III-47). SRAM werden mit unterschiedlicher Kapazität und Organisation angeboten (Tabelle III-14). Aus der Tabelle ist zu erkennen, daß diese Speicher mit ihrer kurzen Zugriffszeit recht schnell sind. Bild III-48 zeigt das Funktionsbild eines SchreibLese-Speichers. Die Auswahl der 4-Bit-Speicher-
Schreib-Lesespeicher RAM Type
Speicherprinzip
SRAM Static RAM
Flipflop als Speicherzelle
NVRAM Nonvolatile SRAM
Statistische RAM mit Hintergrund EEPROM Transistor mit Kapazität Refresh notwendig
DRAM Dynamic RAM
SRAM mit internem Refresh
PSRAM Pseudo RAM
Bild III-46 Schreib-Lesespeicher
Prinzip
CS
RD/WR
&
&
1D C1
Funktion
a
D0
CS
RD/WR
0 0 1 1
0 1 0 1
&
Bild III-47 Prinzip einer Speicherzelle Tabelle III-14 SRAM-Beispiele Type
Kapazität
Organisation
Zugriffszeit
HM6287P HM6264 HM6207 HM6208 HM62256 HM621100 HM628128 HM621664 HM621400
64 K 64 K 256 K 256 K 256 K 1M 1M 1M 4M
64 K × 1 8K×8 256 K × 1 64 K × 4 32 K × 8 1M×1 128 K × 8 64 K × 16 1M×4
70 ns 150 ns 45 ns 45 ns 150 ns 35 ns 120 ns 25 ns 35 ns
Bemerkung D0 einschreiben Q lesen hochohmig hochohmig
614
Datentechnik
I/O1 I/O2
A0 A1 A2 A9 RD/WR
I/O3
&
E/A Schaltung Spaltendecodierer
I/O4
CS
A3 A4 A5 A6 A7
Zeilendecodierer
&
Speicher-Matrix 64 Zeilen 64 Spalten
CS WE STORE RECALL
Steuerung
Adressen
Zeilendecodierer
stelle erfolgt über die Matrix. Bei einer 64 × 64Speichermatrix wird die Spaltenmatrix in 16 × 4 Spalten zur Ansteuerung unterteilt. Damit ergeben sich für den Spaltendecoder 4 Adreßleitungen. Die Verbindung zum Datenbus erfolgt über die Ein- und Ausgabeschaltung. Die Steuerung der Bausteinauswahl geschieht hier über den Steuereingang /CS. Mit RD, /WR kann die Steuerung für Lesen oder Schreiben erfolgen. Datenein- und Datenausgabe erfolgt über Tristate-Treiber, über die es möglich ist, den Ausgang hochohmig zu schalten.
Bild III-48 Funktionsbild eines SRAMBausteins 3.6.2.2 NVRAM Das NVRAM (Nonvolatile SRAM) ist ein statisches RAM mit der Fähigkeit, über die Steuerleitung STORE seine Daten in ein spiegelbildgleiches EEPROM zu kopieren. Damit sind die Daten nicht mehr flüchtig. Sie bleiben bei Ausfall der Betriebsspannung erhalten. Die EEPROM-Daten können jederzeit über die Steuerleitung RECALL in das SRAM zurückgeholt werden. Bild III-49 zeigt das Funktionsbild eines NVRAM, und Bild III-50 erläutert die Steuerung der beiden unterschiedlichen Betriebsarten.
Schreib- und Leseschaltung
Speicher-Matrix
STORE
SRAM
Speicher-Matrix
EEPROM
RECALL
Spaltendecodierer
Bild III-49 Prinzip eines NVRAM
CAT22C10 NC
VCC
A4
NC
Betriebsarten CS WE RECALL STORE
A3
A5
Standby
1
x
1
1
A2
I/O3
Speicher lesen
0
1
1
1
A1
I/O2
Speicher schreiben
0
0
1
1
A0
I/O1
EEPROM nach RAM
x
1
0
1
CS
I/O0
EEPROM nach RAM
1
x
0
1
VSS
WE
RAM nach EEPROM
x
1
1
0
STORE RECALL
RAM nach EEPROM
1
x
1
0
Bild III-50 NVRAM und Betriebsarten
III Mikrocomputertechnik
615
Zeilendecodierer
RAS
Row-AdreßLatch
Prinzip
PIN-Belegung 2117 Speicher-Matrix
Adresse Spaltendecodierer
VBB
VSS
DIN
CAS
WE
OUT
RAS
A6
A0
A3
A2
A4
A1 Column-AdreßLatch
CAS
3.6.2.3 DRAM Dynamische RAM-Speicherzellen (Dynamic RAM’s) bestehen im Prinzip aus einem Transistor und einer Kapazität. Dadurch ergeben sich kleine Verlustleistungen bei großen Integrationsdichten. Der Transistor ist der Schalter, der die Kapazität auflädt oder entlädt, um den Informationszustand „1“ oder „0“ zu erhalten. Da sich die Kapazitäten in kurzer Zeit über Sperrschichten und Dielektrikum entladen, verliert der Speicher seine Information, und in bestimmten Zeitabständen muß ein Auffrischzyklus erfolgen. Beispielsweise kann nach 2 ms der gesamte Speicher aufgefrischt werden (Blockrefresh). Ein zusätzlicher Takt leitet den Zyklus ein. Während dieser Zeit kann die CPU nicht auf den Speicher zugreifen. Die Refreshzeiten (refresh = auffrischen) der einzelnen Speicher sind unterschiedlich. Der Betrieb dynamischer RAM’s hat eine besondere Adressierung, wie das folgende Beispiel zeigt.
A5
VDD
VCC
Bild III-51 Prinzip eines DRAM
Der Speicher 2117 besitzt eine Speicherkapazität von 16 K × 1 Bit. Die Speichermatrix selbst ist in Reihen und Spalten angeordnet. Um alle Speicherplätze anzusprechen, werden 14 Adreßleitungen benötigt. Damit man dennoch mit einem 14-DIL-Gehäuse auskommt, werden die Adressen in zwei Gruppen aufgeteilt (Zeilenadresse = Row-Adress und Spaltenadresse = Column-Adress), die zeitlich nacheinander mit den jeweiligen Steuerleitungen RAS (Row Address Strob = Reihenadressenzugriff) und CAS (Column Adress Strobe = Spaltenadressenzugriff) den Baustein ansprechen. Zunächst wird dem Baustein über den Adreßbus die Zeilenadresse zugeführt und im Latch gespeichert. Anschließend gelangt die Spaltenadresse zum Column-Latch. Den zeitlichen Zusammenhang eines Lese- und Schreibzyklus beschreibt Bild III-52. DRAM-Speicher sind deulich langsamer als SRAM-Speicher, wie aus der nachfolgenden Tabelle III-15 hervorgeht. Überlegen sind sie statischen Speichern allerdings durch eine höhere Integrationsdichte und geringerer Verlustleistung.
Lesezyklus RAS CAS Adresse
Zeilenadresse
Spaltenadresse Ausgangsdaten
Dout WE Schreibzyklus RAS CAS Adresse Dout WE
Zeilenadresse
Spaltenadresse Daten
Bild III-52 Lese- und Schreibzyklus eines DRAM
616
Datentechnik
Tabelle III-15 DRAM-Beispiele Type
Kapazität
Organisation
Zugriffszeit
21256 21464 21010 21044
256 K 256 K 1M 4M
256 K × 1 64 K × 4 1M×1 1M×4
150 ns 150 ns 130 ns 130 ns
(Nach Datenblatt der Firma INTEL)
Tabelle III-16 PSRAM-Beispiele Type
Kapazität
Organisation
Zugriffszeit
HM65256 HM658128 HM658512
256 K 1M 4M
32 K × 8 128 K × 8 512 K × 8
150 ns 120 ns 120 ns
(Nach Datenblatt der Firma Hitachi)
3.6.2.4 PSRAM
3.7 Speichererweiterung
PSRAM (Pseudo SRAM) sind nach außen hin wirkende statische RAM-Bausteine mit einer inneren Struktur und notwendigen Hilfsschaltungen eines dynamischen RAM. Die Refreshschaltung ist in diesem Baustein integriert.
Der Zentralspeicher oder Hauptspeicher eines Mikrocomputers besteht aus mehreren Speicherbausteinen (RAM, ROM). Die Erweiterung des Speicherraumes wird durch Parallelschalten aller Daten- und Adreßleitungen erreicht. Um das gleichzeitige Ansprechen mehrerer Bausteine zu verhindern, sind Auswahlbedingungen erforderlich. Adresse
A0
Speicher 1
Adreßbus
4FFF
Speicher 4
Speicher 2
4800
Speicher 3 A10 1
A11
CS
A12
1FFF 1800
2K x 8Bit
CS
A14
2800
Speicher 2
CS
A13
2FFF
Speicher 3
Speicher 4
07FF
Speicher 1
CS
0000
A15
Tabelle III-17 Adreßleitung A15 A14 A13 A12 A11 A10 A9 0 0
0 0
0 0
Speicher 1
0 0
0 0
0 0
0
0 0
A8
A7
A6
A5
A4
A3
A2
0 0
0 0
0 0
0 0
0 0
0 0
0 0
7
F
A1 A0 0 0
0 1
F
0
0
0
0
0
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
0 0
0 0
0 0
0 0
1 1
0 0
0 0
0 0
0 0
0 0
0 0
0 0
0 0
0 0
0 0
0 1
0
0
0
0
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
0 0
0 0
0 0
1 1
0 0
0 0
0 0
0 0
0 0
0 0
0 0
0 0
0 0
0 0
0 0
0 1
0
0
0
1
0
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
0 0
0 0
0 0
1 1
1 1
0 0
0 0
0 0
0 0
0 0
0 0
0 0
0 0
0 0
0 0
0 1
0
0
0
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
Speicher 2
Speicher 3
Speicher 4
Grundbereich Codierung Deaktivierung des Zentralsspeichers
Speicher 1 bis 4 bei Adressen > 1FFF
Bild III-53 Unvollständige Decodierung und Speicherplan
III Mikrocomputertechnik
617
Beispiel 1 (siehe Bild III-53): An einem 8-Bit-Prozessor sollen
Beispiel: Ein Zentralspeicher für einen 8-Bit-Prozessor soll mit
4 Speicher mit einer Kapazität von 2 K × 8 Bit angeschlossen werden. Da alle Speicher mit ihren Adreßleitungen A0 bis A10 an dem Adreßbus liegen, würden alle Speicher bei Ausgabe einer Adresse im Bereich bis 07FFH gleichzeitig angesprochen werden. Um dies zu verhindern, wird mit Hilfe der Auswahleingänge CS jedem Speicher ein bestimmter Speicherbereich zugeordnet. Es werden dazu die Adreßleitungen benutzt, die nicht zu den Adressenleitungen gehören, die an den Speichern angeschlossen sind. Da bei diesem Verfahren nicht alle Adreßleitungen des Systems in Gebrauch sind, können Speicher mit mehreren Adressen angesprochen werden. Beispielsweise wird mit der ADR 8000H dieselbe Speicherstelle wie mit der ADR 0000H angesprochen. Man spricht auch von unvollständiger Decodierung. Häufig werden Decodierer zur Unterscheidung der Speicher eingesetzt (Bild III-54). Der Decodierer wird dann von Adreßleitungen, die nicht an die einzelnen Speicher angeschlossen sind, gesteuert. Um eine Mehrfachansprache von Speicherstellen zu vermeiden, sollte ein Decodierer gewählt werden, der einen Auswahleingang besitzt. Mit Hilfe einer einfachen Logik können alle Adressen in die Decodierung mit einbezogen werden. Man spricht dann von vollständiger Decodierung (Tabelle III-17). Die Anfangs- und Endadressen der einzelnen Speicher werden jeweils aufgeführt. Da die Speicher eine Speicherkapazität von 2 K × 8 Bit besitzen, sind jeweils 11 Adreßleitungen (A0 ... A10) vorhanden (211 = 2048 = 2 K). Zur Unterscheidung der Speicher (Decodierung) werden die zwei nachfolgenden Adreßleitungen A12 und A13 benutzt. Alle übrigen Adreßleitungen werden über eine ODER-Verknüpfung zur Deaktivierung bzw. Aktivierung des Decoders eingesetzt. Damit sind die Speicherplätze eindeutig bestimmt und ergeben den in Bild III-54 dargestellten Speicherplan.
A15 A14 A13
A12 A11
seinem 64 K-Speicherraum voll ausgenutzt werden. Als Speicherbausteine stehen 16 K × 8-Bit-Speicher zur Verfügung. Zu jedem Speicher gehen somit 14 Adreßleitungen (A0 ... A13). Die Adreßleitungen A14 und A15 können dann zur Decodierung der vier Speicherbausteine herangezogen werden. Der Zentralspeicher eines PC mit 8086/80286 CPU und seinem 1 MB-Adreßbereich ist physikalisch in zwei Speicherblöcke mit je 512 kB aufgeteilt (Bild III-55). Die Auswahl wird über die Adresse A0 (Bank 0) und die Steuerleitung/BHE (Bank 1) vorgenommen. Die Datenleitungen sind so aufgeteilt, daß D0 bis D7 Bank 0 und D8 bis D15 Bank 1 verbinden, während die Adreßleitungen A1 bis A19 an beiden Speicherblöcken anliegen. Der Adreßbereich ist in einen RAM- und ROM-Bereich unterteilt. Dem eigentlichen Arbeitsspeicher sind max. 640 KByte zugeordnet und dem Bildschirmspeicher die nachfolgenden 128 Kbyte. Das BIOS (Basic Input/Output Services) liegt mit ebenfalls 128Kbyte bis zur Adresse FFFFF. Der zwischen Bildschirmspeicher (Video-RAM) und BIOS liegende Bereich ist für ROM-Erweiterungen wie beispielsweise das BIOS des Festplattenkontrollers reserviert. Aus diesem Speicherbereich werden ebenfalls 64 KByte als Expansionsspeicher (EMS) verwendet, um über Bank-Switching die Adressierung eines größeren Speicherbereiches zuzulassen. Prozessoren ab 80286 können mehr als 1 MByte adressieren. Der Speicher oberhalb 1 Mbyte wird Extendet Memory genannt und kann durch zusätzliche Speicherkarten realisiert werden (Erweiterungsspeicher). Mit Hilfe initialisierbarer Steuerprogramme kann dieser Speicherbereich zum Speichern von Daten oder zur Verwendung von Programmen genutzt werden.
Adresse
A10..A0
1FFF
Speicher 1
Speicher 4
Speicher 2 Speicher 3
Speicher 3
Speicher 4
1
DEC 0 1 2 CE 3
CS
Speicher 2 CS
2K x 8Bit CS
Speicher 1 CS
1800 17FF 1000 0FFF 0800 07FF 0000
Bild III-54 Vollständige Decodierung
3.8 Zentralspeicher Bei der Speicherverwaltung der 80 × 86 unterscheidet man die Betriebsarten Real Mode und Protected Mode. Im Real Mode wird ein Speicherbereich von 1 MB verwaltet, da nur die Adreßleitungen A0 bis A19 verwendet werden. Damit sind in dieser Betriebsart die Prozessoren mit dem 8086 kompatibel. Im Protected Mode werden alle Adreßleitungen und damit der Speicherbereich oberhalb von 1 MB (Extended Memory = Erweiterungsspeicher) ausgenutzt. Der 80286 kann somit einen Speicherbereich von 16 MB adressieren.
Der Zentralspeicher eines Mikroprozessorsystems ist sein Hauptspeicher. Soll ein solcher Zentralspeicher für ein Mikroprozessorsystem entworfen werden, muß die Größe des gewünschten Speichers bekannt sein. Anschließend können gängige Speicherbausteine ausgewählt, ein Speicherplan aufgestellt und der Adreßdecodierer geplant werden. ALE 8086 CPU AD0..AD15 A16..A19 BHE
FFFFF
Latch Adreßbus
System-ROM A0
BHE FFFFF
FFFFE
ROM-Erweiterungen C0000 Bildschirmspeicher A0000 Arbeitsspeicher
3 1
2 0
Bank1
Bank 0
00000
Bild III-55 Blockbild eines 1 MByte-Speichers und Speicherorganisation
618
Datentechnik
4 Peripheriebausteine
4.2 BUS-Treiber
4.1 Allgemeines
Jeder Bausteineingang, der an die CPU angeschlossen ist, belastet die CPU-Ausgänge. Dabei wird zwischen statischem und dynamischem Lastverhalten unterschieden. Beim dynamischen Lastverhalten spielen die parasitären Kapazitäten, also die Eigenkapazität der Bauteile und Kapazitäten, die durch den Schaltungsaufbau bedingt sind, eine große Rolle, weil hierdurch Signale verformt werden. Da auch die statische Belastbarkeit der CPU gering ist, dürfen nicht beliebig viele Bauelemente an den Prozessor angeschlossen werden. Um ein Fehlverhalten der CPU auszuschließen, werden BUS-Treiber zur Lasterweiterung und Signalformung eingesetzt. Handelsüblich sind Einrichtungs- (unidirektional) und Zweirichtungstreiber (bidirektional). Ihr Einsatz ist abhängig von der Datenflußrichtung. Während Einrichtungstreiber beispielsweise als Adressenbustreiber eingesetzt werden, dienen Zweirichtungstreiber zur Datenübertragung. Mit einem Eingang (OE = Output Enable) können die Treiber in einen hochohmigen Zustand (Tristate, siehe auch Abschnitt Integrierte Schaltungen) versetzt werden. Der Zweirichtungstreiber besitzt neben diesem Freigabeeingang einen weiteren Eingang zur Umschaltung der Datenflußrichtung (DIR = Direction). Bild III-57 zeigt einen Mikroprozessor mit Treiberstufen und erläutert über eine Funktionstabelle das Prinzip der Umschaltung des Zweirichtungstreibers. Mit dem Eingang OE = „0“ wird der Baustein aktiviert. Bei DIR = „1“ gelangen die Daten von A0 nach B0; bei DIR = „0“ von B0 nach A0. Eine „1“ am Steuereingang des Tristatetreibers veranlaßt diesen durchzuschalten, ansonsten ist der Ausgang hochohmig.
Peripheriebausteine sind Schnittstellenbausteine, die periphere Geräte wie Monitor, Tastatur, Drucker oder Disketten-Laufwerke mit dem Bussystem des Prozessors verbinden. Man unterscheidet einfache (nichtprogrammierbare) Bausteine, die ihre Funktion durch die hardwaremäßige Beschaltung in Verbindung mit den Ein- und Ausgabebefehlen des Prozessors durchführen und programmierbare Bausteine, die zunächst durch Software initialisiert werden müssen. Bausteine mit besonderen Aufgaben sind Treiberstufen, Taktgeneratoren, Zeitgeberbausteine (TIMER) und Steuerbausteine für den direkten Speicherzugriff (DMA = Direct Memory Access). Die Schnittstelle wird Interface genannt. Sie paßt die Signale der Schnittstellenbausteine an die Signale, die der Prozessor liefern oder empfangen kann, an. Damit ergibt sich für jeden Baustein eine Bus- und eine Geräte-Schnittstelle. Generell kann die Datenein- und -ausgabe mit dem Lesen und Beschreiben eines Speicherbausteins verglichen werden. Hat die Adresse den gleichen Aufbau wie die Speicheradresse, spricht man von „Memorymapped-Adressierung“. Der E-/A-Baustein wird hierbei als Teil des Speichers angesehen. Um Speicher und E-/A-Baustein zu unterscheiden, schafft man mit Adreßdecodern unterschiedliche Adreßbereiche. Bei einem 16 Bit breiten Adreßbus liegen dann E-/ABaustein und Speicher in einem Adreßbereich von 0000 bis FFFF. Wird die Unterscheidung zu den Speichern mit Signalen wie IO/M oder IORQ des Steuerbusses durchgeführt, spricht man von „I/O-mapped-Adressierung“. Hierbei wird bei IN-Befehlen oder OUTBefehlen eine 8-Bit-Adresse auf dem Low-Adreßbus übertragen. Unter Ausnutzung aller Adressen ergibt sich hierbei ein Adreßbereich von 00 bis FF. Bild III-56 stellt die beiden Adressierungen gegenüber. Memory-mapped
I/O-mapped
Adresse
Adresse
FFFF
FFFF RAM-Bereich RAM-Bereich I/O-Bereich
0000
0000 FF I/O-Bereich 00
Bild III-56 Adressierungsarten und Adressenaufteilung
4.3 Einfache E-/A-Bausteine für den parallelen Betrieb E-/A-Bausteine nennt man auch Portbausteine, da sie das „Tor“ zur Außenwelt sind. Sie werden direkt an den Datenbus angeschlossen und können als Einoder Ausgabebaustein funktionieren. Zur Auswahl der Bausteine ist ein Adreßdecoder nötig, der aus einer simplen Logik aufgebaut sein kann. Bringt man die Steuersignale WR und RD mit in die Decodierung des Adreßdecoders ein, kann die gleiche Adresse für Ein- und Ausgabeport benutzt werden, weil ein Zugriff mit RD nur lesend und mit WR nur schreibend erfolgt. Mit dem Eingabebefehl gelangen die Daten vom Eingabeport zum Akkumulator und mit dem Ausgabebefehl vom Akkumulator zum Ausgabeport. Der Datenfluß läuft immer über den Akkumulator. Da die Eingabedaten für den Portbaustein nur kurzzeitig anliegen brauchen, um von der CPU angenommen zu werden, lassen sich auch TristateTreiber als Eingabebausteine benutzen. Anwendungen für die Eingabe sind von Hand oder durch Maschinen betätigte Schalter, Taster oder Optokoppler. Mechanische Taster prellen oft. Der Prozessor er-
III Mikrocomputertechnik
619
Prozessor mit Treiberstufen
Zweirichtungstreiber
Zweirichtungstreiber D0.D7 DIR
&
&
OE
A1 2
B1
1 WR
3EN2 3EN1 G3 Einrichtungstreiber
A0..A15
zu den anderen Kanälen 74LS245 OE DIR
G3 3EN1 (BA) 3EN2 (AB)
a A1
B1
A2
B2
A3
B3
A4
B4
A5
B5
EN
EN
EN
Z80 CPU
A6
B6
A7
B7
A8
B8
OE
DIR
0 0 1
0 1 X
Datenrichtung B -> A A -> B hochohmig
Bild III-57 Prozessor mit Treiberstufen und Zweirichtungstreiber
EN
Zweirichtungstreiber Eingabeport Decoder Eingabeport
Adreßbus A7..A0
+
&
IOR
& Decoder
Datenbus
&
EN D0 D1 D2 D3 D4 D5 D6 D7
Bild III-58 Einfaches Eingabeport mit Decoder
620
Datentechnik Adreßbus A7..A0 &
&
EN C1 1D
IOW
& Decoder
Datenbus
D0
D1
1D C1
D2
1D C1
D3
1D C1
Ausgabeport D0 D1 D2 D3 D4 D5 D6 D7
D4
1D C1
D5
1D C1
D6
1D C1
D7
1D C1
1D C1
LE OE D0
D1
D2
D3
D4
D5
D6
D7
Bild III-59 Ausgabeport mit Decodierer und Portbaustein Bild III-59 zeigt die Innenschaltung des Ausgabebausteins mit dem entsprechenden Adreßdecodierer. Mit dem Befehl „OUT FF“ werden die Daten des Akkumulator zum Ausgangsport kopiert.
kennt dann unter Umständen mehrere Impulse. Dies muß durch Software oder Hardware ausgeschlossen werden. Um einen eindeutigen H-Pegel bei geöffneten Schaltern zu erhalten, sind jeweils Widerstände gegen +UCC gelegt (Pull-up-Widerstände). Ihre Werte liegen üblicherweise zwischen 1 kOhm und 10 kOhm. Die Ausgabedaten stehen nur kurzzeitig während des Ausgabe-Befehls an der Peripherie an. Da die Daten bis zur nächsten Ausgabe anstehen sollen, müssen sie gespeichert werden. Dies erreicht man mit D-Flipflops. Bild III-58 zeigt als Beispiel einen Eingabebaustein mit Decoder. Mit dem Befehl „IN FF“ gelangen die anliegenden Daten zum Akkumulator.
4.4 Programmierbare Schnittstellenbausteine Ein Kennzeichen dieser Bausteine (Bild III-60) sind 16 bzw. 24 programmierbare Ein-/Ausgabeleitungen, wobei 8 Leitungen jeweils zusammengefaßt ein Port darstellen. Die Funktion dieser Bausteine ist nicht allein hardwaremäßig festgelegt. Über ein Kommando- oder
Interner Datenbus
D7 D6 D5 D4 D3 D2 D1 D0
Port-Register
Port A
Port-Register
Port B
Port-Register
Port C
Steuerwort-Register
Funktion
A0 A1
Port A Port B Port C
Adreßdecodierer 3 2 1 0
Bild III-60 Prinzip eines programmierbaren Portbausteins
III Mikrocomputertechnik
621
Steuerwortregister kann die gewünschte Funktion und Betriebsart softwaremäßig eingegeben werden. Damit können Ports als Eingabe- oder Ausgabeports arbeiten. Desweiteren können Betriebsarten gewählt werden, bei denen Portleitungen als Steuer- oder Meldeleitungen definiert sind. Die einmal gewählte Funktion bleibt solange erhalten, bis der Inhalt des Steuerwortregisters überschrieben wird oder eine Rückstellung erfolgt. 8255 Ports und Steuerwortregister können über Adressen angesprochen werden. Besitzt ein Baustein ein zusätzliches Zustands- oder Statusregister, über das Zustände der Ports abgefragt werden, kann seine Adresse mit der Adresse des Kommandoregisters übereinstimmen. Die Unterscheidung der beiden Register erfolgt dann über die Steuerleitungen /RD und /WR. Um den Baustein zu initialisieren und die gewünschte Funktion zu speichern, muß zunächst das Steuerwort in das Steuerwortregister gebracht werden. Komplexere Bausteine, wie der 8156, besitzen zusätzlich einen Zeitgeber und Speicher. Sie benötigen dann mehr als zwei Adreßleitungen. Häufig eingesetzte Bausteine sind der 8255 von INTEL und Z80-PIO von ZILOG. Die Adressierung dieser Bausteine erfolgt wie bei den Speichern über einen Auswahleingang /CS (Chip Select). Das Signal für CS kann im einfachsten Fall aus dem Signal IO/M bzw. IORQ und einem Adreßsignal gebildet werden. Häufiger findet man Adreßdecoder aus Vergleicherstufen. Der Ausgang dieser Stufen wird nur dann „1“, wenn die Bitmuster am Eingang A mit denen an Eingang B übereinstimmen. Mit Hilfe von Jumpern (Steckbrücken) oder DIL-Schaltern ist dann jede Adresse von 00 bis FF wählbar. Bild III-61 stellt ein Beispiel für einen Adreßdecoder dar. Die Anschlußbelegung des Portbausteins erkennt man im Bild III62. Bild III-63 zeigt das Funktionsbild des 8255.
A0 A1
A0 A1 0
+5V
P
A2 A3
3 0 Q
A4 A5 A6 A7
0
Puffer
P
Q +5V
RESET
PA3 PA2 PA1 PA0 RD CS GND A1 A0 PC7 PC6 PC5 PC4 PC0 PC1 PC2 PC3 PB0 PB1 PB2
PA4 PA5 PA6 PA7 WR RESET D0 D1 D2 D3 D4 D5 D6 D7 Vcc PB7 PB6 PB5 PB4 PB3
Bild III-62 PIN-Belegung des 8255
Kanal A
PC0..PC3
PB0..PB7
Bild III-63 Funktionsbild des 8255
P<0 P=0 P>0
8255
Kanal C niederwertig Steuerung Gruppe B
CS
Bild III-61 Adreßdecoder für I/O-Bausteine
Kanal C höherwertig
SteuerLogik
&
3 < = >
PC4..PC7
RD WR A1 A0 CS
8255
COMP
3 0
PA0..PA7 Steuerung Gruppe A
P<0 P=0 P>0
3 < = >
Funktionsbild
Daten
COMP
Kanal B
622
Datentechnik
Tabelle III-18 Bedeutung der Anschlüsse Anschlüsse
Funktion
D0 ... D7 RESET CS RD WR A0, A1 PA0 ... PA7 PB0 ... PB7 PC0 ... PC7 VCC
Datenbus Rücksetzeingang Bausteinauswahl Leseeingang Schreibeingang Adreßleitungen Port A Port B Port C +5 V Betriebsspannung
Der Baustein besitzt 3 TTL-kompatible Ports mit je 8 Leitungen oder Kanälen. Port C kann in 2 Gruppen zu je 4 Leitungen unterteilt werden. Hierbei gibt es allerdings nur die Möglichkeit, die L-Bits, das sind die Leitungen PC0 bis PC3, und die H-Bits mit den Leitungen PC4 bis PC7 zusammenzufassen. Die Steuerlogik bestimmt mit dem Kommando- oder Steuerwort, ob ein Port als Eingabe- oder Ausgabeport arbeitet. Das Format dieses Steuerwortes sehen Sie im Bild III-64. Hierbei kommt jeder Bitstelle eine bestimmte Bedeutung zu. D1 entscheidet beispielsweise über Ein- oder Ausgabe von Port B, und D4 ordnet die Eigenschaften dem Port A zu. Beispiele Kommandowort
D7 D6 D5 D4 D3 D2 D1 D0
8255
Kanal C (L-Bits) 1 = Eingabe 0 = Ausgabe Kanal B 1 = Eingabe 0 = Ausgabe Betriebsart 0 = Betriebsart 0 1 = Betriebsart 1 Kanal C (H-Bits) 1 = Eingabe 0 = Ausgabe Kanal A 1 = Eingabe 0 = Ausgabe Betriebsart 00 = Betriebsart 0 01 = Betriebsart 1 1x = Betriebsart 2
Kennzeichenbit Betriebsart
10011011
Port A Port C Port B
8255
10000000
Port A
Port C Port B
8255 10001001
Port A Port C Port B
8255
1 = aktiv
10010001
Port A H-Bits L-Bits Port B
Bild III-64 Format des Steuerwortes und Beispiele
Eingabe RD
Ausgabe WR
Eingang
D7..D0
A1,A0
A1,A0
CS D7..D0
Bild III-65 Impulsdiagramm für die Betriebsart 0
CS Ausgang
III Mikrocomputertechnik
623
Der 8255 unterscheidet die Betriebsarten 0, 1 und 2. In der Betriebsart 0 können die Ports jeweils als Einoder Ausgabe programmiert werden, wobei das Port C noch in zwei 4-Bit-Leitungsgruppen unterteilt ist. Die Eingabedaten gelangen ohne Zwischenspeicherung zum Datenbus, während bei der Ausgabe der Daten eine Zwischenspeicherung erfolgt. Die im Bild III-64 aufgeführten Beispiele gelten für diese Betriebsart. Das zeitliche Zusammenwirken der Signale für die Ein- und Ausgabe gibt Bild III-65 wieder. Mit einem L-Pegel am Eingang /WR können Daten oder Steuerworte in den Baustein geschrieben und mit einem L-Pegel am Eingang RD können Daten vom Baustein gelesen werden. Während dieser Zeit muß die gültige Adresse an A0 und A1 anliegen. Angewählt wird der Baustein mit der Bausteinauswahlleitung /CS. Ein H-Pegel am Eingang RESET setzt alle internen Register zurück. Bei der Betriebsart 1 (getastete Ein-Ausgabe) kann Port A oder Port B als Eingabe oder Ausgabe benutzt 8255 PA0..PA7 OBF ACK INTR PC4 PC5 PB0..PB7 STB IBF INTR
Bild III-66 Steuerleitungen für die getastete EinAusgabe
8085 CPU
8255 Daten
RD RST 6.5 RST 5.5
WR
Daten
IBF STB INTR ACK OBF
werden. Das Port C dient mit je drei Leitungen zur Steuerung (Bild III-66). In dieser Betriebsart ist Handshake-Betrieb möglich (Bild III-67). Diese Betriebsart wird verwendet, wenn Geräte, die nicht synchronisiert sind, Daten austauschen sollen. Sobald die Eingabedaten den Portbaustein erreicht haben, kann über ein Interrupt der CPU eine Meldung gemacht werden. Über eine Interruptroutine werden die Daten eingelesen.Die genaue Funktion verdeutlicht das Prinzip im Bild III-68 in Verbindung mit dem gleichzeitig dargestellten Impulsdiagramm. Input Buffer Full (IBF) ist zunächst „0“. Damit wird dem Eingabegerät ein Zugang zu dem Eingabebaustein ermöglicht. Der Baustein 8255 zeigt an, daß er Daten aufnehmen kann. Stellt das Eingabegerät nun Daten zur Verfügung, wird dies dem Baustein durch STB = „0“ mitgeteilt, und die Daten werden übernommen. Gleichzeitig wird IBF = „1“ gesetzt und dem Eingabegerät signalisiert, daß keine weiteren Daten übertragen werden. Über INTRB = „1“ wird die Meldung von der Ankunft der Daten an die CPU übermittelt und kann über eine Interruptroutine von ihr bearbeitet werden. Beim Lesen der Daten werden INTRB und IBF wieder auf „0“ gesetzt. Sind die Ausgabedaten vom Ausgabegerät übernommen worden, kann dies wiederum über ein Interrupt der CPU mitgeteilt werden. Die CPU sendet Daten zum Baustein und gibt eine Meldung über OBF = „0“ zum Ausgabegerät, um die Ankunft neuer Daten mitzuteilen. Das Ausgabegerät kann die Daten übernehmen und mit ACKA = „0“ bestätigen und anschließend über INTRA neue Daten von der CPU anfordern. 8255 Bei der Betriebsart 2 erfolgt der Datenaustausch nur über einen gemeinsamen Datenbus. Die Adressen steuern in Verbindung mit /WR und /RD die Auswahl der Ports oder des Steuerwortregisters.
Eingabe
Ausgabe
Daten
Bild III-67 8255 in der Betriebsart 1
Tabelle III-19 Definition der Steuersignale in der Betriebsart 1 und 2 STB IBF OBF ACK INTR
Strobe Input Buffer Full Output Buffer Full Acknowledge Interrupt
„0“ ermöglicht es, Daten in den Eingangszwischenspeicher zu laden. „1“ zeigt an, daß Daten geladen wurden. wird „0“, wenn Daten geschrieben wurden Quittungseingang Unterbrechungsanforderung
624
Datentechnik 1D 1D 1D 1D 1D 1D 1D 1D
1D 1D 1D 1D 1D 1D 1D 1D
Daten
C1
WR
Daten
C1 ACK
S
STB
RD
R
INTE
&
S
&
R
IBF
S
OBF
R
INTR &
S
INTE
INTR
R
Impulsdiagramm für die Betriebsart 1 Eingabe STB
Ausgabe WR
Daten
OBF
IBF
INTR
INTR
ACK Ausgang
RD
Daten
Bild III-68 Funktionsprinzip der Betriebsart 1 Tabelle III-20 /CS /RD /WR A1 A0 Funktion 0
0
0
0
0
Kanal A → Datenbus
0
0
0
0
1
Kanal B → Datenbus
0
0
0
1
0
Kanal C → Datenbus
0
1
1
0
0
Datenbus → Kanal A
0
1
1
0
1
Datenbus → Kanal B
0
1
1
1
0
Datenbus → Kanal C
0
1
1
1
1
Datenbus → Steuerlogik
1
0
×
×
hochohmig
0
×
×
1
1
ungültige Bedingung
0
1
1
×
×
hochohmig
Voraussetzung für die Programmierung des Bausteins sind Kenntnisse der Registeradressen und der Steuerlogik. Tabelle III-20 zeigt die Zusammenarbeit der Steuersignale und Adressen mit ihrer Auswirkung auf die Datenrichtung. Zur Verdeutlichung sind die Adressen der Register zusätzlich extra aufgeführt. Die Initialisierung erfolgt immer so, daß zunächst das entsprechende Kommandowort in den Akkumulator geladen und anschließend der Inhalt des Akkumulators über einen OUT-Befehl mit Angabe der Steuerwortadresse zum Kommandoregister kopiert wird. Danach können die Ports mit ihren Adressen angesprochen werden. Arbeitsregister für Ein- und Ausgabe ist immer der Akkumulator. Das nachfolgende Programm zeigt beispielhaft eine einfache Byteeingabe in der Betriebsart 0 (siehe auch Abschnitt Maschinensprache). 8255 Beispiel: Im Hauptprogramm wird über das C-Register bestimmt,
von welchem Port die Daten geholt werden sollen. Die eingelesenen Daten sollen dann zu der Adresse gebracht werden, auf die das HL-Register zeigt. Das nachfolgende Listing zeigt eine mögliche Lösung:
III Mikrocomputertechnik
625
4.5 Zeitgeberbausteine
; Unterprogramm DATIN für 8255 und 8085 CPU ; Byte-Eingabe über ein Port in Abhängikeit des C-Registers ; Das gewünschte Port wird im Hauptprogramm über das Register C angewählt: ; Ist der Inhalt des Registers C = 00, dann wird Port A gewählt ; Ist der Inhalt des Registers C = 01, dann wird Port B gewählt ; Ist der Inhalt des Registers C = 02, dann wird Port C gewählt ; Die Eingabedaten werden zu der Adresse gebracht, auf die das HL-Register zeigt ; ;Programmbeginn ist die Adresse 8100 ; ;*****************************************************************
Zeitgeberbausteine (TIMER) dienen zur Anpassung zeitbedingter Programmabläufe zwischen dem Prozessor und peripheren Geräten. Sie enthalten meist voneinander unabhängige Zähler und können wie ein programmierbarer E/A-Baustein über ein Steuerwortregister für verschiedene Betriebsarten programmiert werden. 8085
ORG 8100 ADRPA EQU 00 ADRPB EQU 01 ADRPC EQU 02 ADRKR EQU 03 KW EQU 9B 8100 8101 8102 8104 8106 8107 8109 810C 810F 8111 8114 8116 8119 811B 811C 811D 811E
F5 C5 3E 9B D3 03 79 FE 01 FA 15 81 CA 1A 81 DB 02 C3 1C 81 DB 00 C3 1C 81 DB 01 77 C1 F1 C9
;Adresse Port A ;Adresse Port B ;Adresse Port C ;Adresse Kommandoregister ;Kommandowort ;alle Port auf Eingabe PUSH PSW ;(AF) zum Stack PUSH B ;(BC) zum Stack MVI A,KW ;8255 initialisieren OUT ADRKR ; MOV C,A ;Wahl zum Akkumulator CPI 01 ;(A) – 1, Flag setzen JM PORTA ; → Port A JZ PORTB ; → Port B IN ADRPC ;Port C Eingabe JMP RUECK ; IN ADRPA ;Port A Eingabe JMP RUECK ; IN ADRPB ;Port B Eingabe MOVE M,A ;(A) → (@HL) POP B: ;Stack → BC POP PSW ;Stack → AF RET ;zum Hauptprogramm zurück
DATIN:
PORTA: PORTB: RUECK:
Beispiel: Der 8253 besitzt zur Steuerung die Siganaleingänge
/WR, /RD und /CS. Als Adreßleitungen sind A0 und A1 zugeführt. Der Datenbus D0 bis D7 ist 8 Bit breit. Der Baustein verfügt über drei voneinander unabhängige Zähler mit jeweils drei externen Anschlüssen: Signalausgang OUT, Takteingang CLK und Steuereingang GATE (Bild III-69). Die Adreßleitungen A0 und A1 sind häufig direkt mit dem Adreßbus des MP-Systems verbunden. Mit ihrer Hilfe erfolgt die Auswahl eines der Zähler und die Adressierung des SteuerwortRegisters zur Betriebsart-Auswahl (MODE). Angewählt wird der Baustein über die Auswahlleitung /CS. Dieser Anschluß wird zur Adressenbildung über einen Adreßdecodierer gesteuert (Bild III70). Tabelle III-21 beschreibt die Datenrichtung in Abhängigkeit von Adreß- und Steuersignalen.
Die einzelnen Zähler sind voreinstellbare Abwärtszähler für eine 16-Bit-Wortbreite, die mit dem Signal des CLK-Eingangs getaktet werden. Die Taktfrequenz darf max. 2 MHz betragen. Bild III-71 zeigt das Prinzip eines der Zähler.
Funktionsbild
PIN-Belegung 8253 CLK 0
Datenbus
Puffer
Zähler 0
GATE 0 OUT 0
RD WR A0 A1 CS
CLK 1 Steuerlogik
Zähler 1
GATE 1 OUT 1
SteuerwortRegister
CLK 2 Zähler 2
GATE 2 OUT 2
D7 D6 D5 D4 D3 D2 D1 D0 CLK0 OUT0 GATE0 GND
VCC WR RD CS A1 A0 CLK2 OUT2 GATE2 CLK1 GATE1 OUT1
Bild III-69 Funktionsbild und Anschlußbelegung des 8253
8253
8085 AD0..AD7
Adreß/Datenbus
Daten A0 A1
Latch
A0..A7
ALE A8..A15 IO/M RD WR
Decodierer
Adreßbus
A9..A15
CS
OUT GATE CLK OUT GATE CLK OUT GATE CLK
Bild III-70 Baustein mit 8085 CPU
626
Datentechnik
Tabelle III-21
Steuerwortes und die Adressen der Zähler an. Mit Bit 7 und Bit 6 kann einer der Zähler gewählt werden, mit Bit 1, 2 und 3 wird die Betriebsart festgelegt. Bit 0 legt den Zählmodus fest und Bit 4 und 5 haben Einfluß auf das L- und H-Byte beim Lesen oder Beschreiben des Bausteins. Die Betriebsarten unterscheiden sich durch verschiedene Ausgangsimpulse. In der Betriebsart Mode 0 wird der Zähler über das Zählregister mit einem Anfangswert geladen, während der Ausgang OUT zu Beginn der Zählung „0“ ist. Mit jedem Takt wird der Zähler decrementiert und gibt bei Erreichen des Wertes Null eine „1“ am Ausgang aus. Man spricht bei dieser Betriebsart auch von Interrupt bei Zählernulldurchgang, weil sich die positive Flanke am OUT-Ausgang zum Auslösen von Unterbrechungsanforderungen gut eignet. Bild III-73 zeigt die beteiligten Signale beispielhaft für einen Zähleranfangswert = 4. Der Ausgangspegel bleibt so lange erhalten, bis der Zähler neu geladen wird. Der Zählvorgang selbst
/CS /RD /WR A1 A0 Funktion 0
1
0
0
0
Zähler 0 laden
0
1
0
0
1
Zähler 1 laden
0
1
0
1
1
Zähler 2 laden
0
1
0
1
1
Steuerwort laden
0
0
1
0
0
Zähler 0 lesen
0
0
1
0
1
Zähler 1 lesen
0
0
1
1
0
Zähler 2 lesen
0
0
1
1
1
Datenbus hochohmig
1
×
×
×
×
Baustein nicht angesprochen
0
1
1
×
×
Datenbus hochohmig
Zählregister
Interner Datenbus
8 Bit
8 Bit
Ausgabeund Triggerschaltung
16 Bit Zähler
OUT CLK
Bild III-71 Prinzip eines Zählers
GATE
Zwischenregister
Das Zählregister kann über den Datenbus mit einem Wert geladen werden, der bei Zählbeginn in den eigentlichen Zähler gelangt. Der Zählerzwischenspeicher enthält den jeweiligen Zählerstand und kann softwaremäßig abgefragt werden. Mit Hilfe des Steuerwortregisters kann die Zählart (dual oder dezimal) und die Betriebsart (Betriebsart 0 bis 5) festgelegt werden. Bild III-72 gibt das Format des
kann am Anschluß GATE mit „0“ unterbrochen werden und mit „1“ fortgeführt werden (Bild III-74, Bild III-73). In der Betriebsart Mode 1 kann eine monostabile Kippstufe nachgebildet werden. Nach dem Laden des Zählers wird er durch „1“ am Anschluß Gate gestartet. Der Ausgang wird dann „0“, bis der Zählerstand Null erreicht ist.
Zähler Lesen/Laden Betriebsart Zählweise SC1 SC0 RL1 RL0 M2
M1 M0 BCD 0 = dual 1 = dezimal
0 0 x x 1 1
Zähler Zähler Zähler Steuerwort
0 0 1 1
0 1 0 1
0 0 1 1
0 1 0 1
0 0 1 1 0 0
0 1 0 1 0 1
0 1 2 3 4 5
Adressierung Adresse
Betriebsarten
Zählerinhalt zwischenspeichern höherwertiges Byte niederwertiges Byte 1. L-Byte, 2. H-Byte
Bild III-72 Format des Steuerwortes und Adressen der Register
A1
A0
0 0 1 1
0 1 0 1
Register 0 Zähler 1 Zähler 2 Zähler Steuerwort
III Mikrocomputertechnik
627
CLK WR 3
4
2
(n = 4)
1
0
n
OUT bzw.
WR GATE
5
4
3
2
1
0
OUT (m = 5)
Bild III-73 Signalverlauf in der Betriebsart 0 BUS TriggerSchaltung CLK
&
AbwärtsZähler
AusgangsLogik
OUT
GATE
Bild III-74 Blockbild eines Zählers In der Betriebsart Mode 2 kann ein Zähler als Teiler oder Generator arbeiten. Nach dem Erreichen des Nullwertes beginnt sofort ein erneuter Zählvorgang. In der Betriebsart Mode 3 arbeitet der TIMER als Rechteckgenerator. In der Betriebsart Mode 4 spricht man auch vom softwaregesteuerten Signal, weil der Ausgang beim Erreichen des Nullwertes für die Dauer einer Taktperiode von „1“ auf „0“ geht. In der Betriebsart Mode 5 spricht man von einem hardwaregesteuerten Signal, weil der Zähler erst mit der ansteigenden Flanke des GATE-Signals startet. Wie in der Betriebsart Mode 4 geht der Ausgang beim Erreichen des Nullwertes für die Dauer einer Taktperiode von „1“ auf „0“. Eine mögliche Anwendung ist die, den TIMER für Ereigniszählungen einzusetzen. Man versteht darunter, daß der Zähler kontinuierlich bis zum Eintreffen einer Bedingung (eines Ereignisses) zählt. Hierbei ist es notwendig, den Zählerstand abzufragen und in Abhängigkeit von diesem Wert den Prozessor Entscheidungen treffen zu lassen. Der Zählerinhalt aller drei Zähler kann ausgelesen werden. Es gibt zwei Möglichkeiten, den Zählerstand zu erfahren. Einmal kann der gewünschte Zähler über A0 und A1 addressiert werden und mit /RD zur CPU gelangen. Wenn RL0 und RL1 auf „1“ gesetzt sind, handelt es sich um
einen 16-Bit-Wert. Der Lesebefehl muß dann zweimal erfolgen. Mit dem ersten Befehl wird das LSB (niederwertiges Byte) und mit dem zweiten das MSB (höherwertiges Byte) eingelesen. Während dieser Zeit muß aber das CLK-Signal abgeschaltet sein, beispielsweise durch den GATE-Anschluß, um einen gültigen Zählerinhalt zu bekommen. Eine zweite Möglichkeit besteht darin, den Zählerinhalt in den Zwischenspeicher zu bringen und zu lesen, ohne den eigentlichen Zählvorgang zu unterbrechen. Hierbei wird der entsprechende Zähler über das Steuerwort mit SC0 und SC1 ausgewählt, und RL0 und RL1 werden auf „0“ gesetzt. Die übrigen Bits sind hierbei ohne Bedeutung. Eine einfache Programmsequenz zeigt dies beispielhaft für den Zähler 1. Beispiel: Lesen des Zählerzustands
MVI A, 40 OUT 03 IN 01 MOV L,A IN 01 MOV H,A
;Zähler 1 und Zählerinhalt zwischenspeichern ;Steuerwort-Register, Wert zwischenspeichern ;(Zähler 1, L-Byte) → Akkumulator ;(Akkumulator) → L-Register „retten“ ;(Zähler 1, H-Byte) → Akkumulator ;(Akkumulator) → H-Register „retten“ ;Der Zählerstand liegt jetzt im Registerpaar H vor
Damit der Zähler seine Tätigkeit aufnimmt, muß er mit einem Zähleranfangswert geladen werden. Hierzu ist es notwendig, das entsprechende Steuerwort ins Steuerwort-Register zu schreiben und anschließend den gewünschten Zählwert einzubringen. Von Bedeutung ist nur die zuvor festgelegte Reihenfolge durch das Steuerwort mit RL0 und RL1.
4.6 Programmierbarer E/A-Baustein mit Speicher und Zeitgeber Neben programmierbaren E/A-Bausteinen werden solche mit zusätzlichen integrierten Baustufen wie TIMER und/oder Speicher angeboten. Beispiele hierfür sind der 8155 und 8755. Der 8755 besitzt ein internes ROM von 2 K × 8 Bit und ein 8-Bit-Port PA und PB, wobei im Gegensatz zum 8255 die einzelnen Bitleitungen als Aus- oder Eingang programmiert werden können.
628
Datentechnik Blockbild
PIN-Belegung 8155 PC3 PC4 Tin RESET PC5 Tout IO/M CE RD WR ALE AD0 AD1 AD2 AD3 AD4 AD5 AD6 AD7 VSS
ZustandsRegister KommandoRegister
statisches RAM 256 x 8 Bit
AD-Bus
PA0..PA7 A
Port A PB0..PB7
B
Port B PC0..PC5
Adreß-Latch
ALE IO/M RESET WR RD
C
Port C
Zeitgeber
VCC PC2 PC1 PC0 PB7 PB6 PB5 PB4 PB3 PB2 PB1 PB0 PA7 PA6 PA5 PA4 PA3 PA2 PA1 PA0
Tin Tout
Bild III-75 Blockbild und Anschlußbelegung des 8155 Beispiel: 8155/8156
Der Unterschied zwischen dem 8155 und dem 8156 besteht lediglich im Bausteinauswahlanschluß CE. An diesem Eingang wird der 8155 mit „0“, der 8156 mit „1“ angesteuert. Der Baustein besitzt 2 TTL-kompatible Ports (A und B) mit je 8 Leitungen und ein Port C mit 6 Leitungen. Die Speicherkapazität des RAM beträgt 256 × 8 Bit. Ferner ist ein 14-Bit-Zähler integriert. Der direkte Anschluß an den AD-Bus der 8085 CPU oder eines Mikrocontrollers ist wegen des vorhandenen Adressenregisters (Adreß-Latch) möglich (Bild III-75). Die Bedeutung der Anschlüsse werden in der Tabelle III-22 erklärt. Alle weiteren technischen Daten zeigt Bild III-77 (siehe Seite 110). Für parallele Ein- und Ausgaben besitzt der Baustein drei Ports: Port A und Port B mit 8 und Port C mit 6 Leitungen. Port C kann
durch das Kommando-Register so programmiert werden, daß an den Anschlüssen Steuersignale für die parallele Ein- und Ausgabe mit Quittungsbetrieb zur Verfügung stehen. In der Betriebsart ALT4 arbeiten dann die beiden anderen Ports im HandshakeBetrieb, während drei Leitungen von Port C dem Port A und 3 Leitungen dem Port B zugeordnet sind. Ein Beispiel für den Anschluß peripherer Geräte im Quittungsbetrieb (Handshaking) zeigt Bild III-76. Die Steuerleitungen können in der Betriebsartentabelle mit ALT4 verglichen werden. In den Betriebsarten ALT1 und ALT2 arbeiten alle Ports als einfache Ein- und Ausgabeports. Für die Adressierung der Ports, des KommandoRegisters und des Zeitgebers kommt der Baustein mit zwei Adreßleitungen nicht mehr aus, daher dienen A0, A1 und A2 zur Adressierung.
Tabelle III-22 Bedeutung der Anschlüsse: PIN
Funktion
D0 ... D7 AD0, AD7
Datenbus Adressen-/Datenbus
ALE RESET
Adress Latch Enable Rücksetzeingang
IO, /M CE /RD /WR PA0 ... PA7 PB0 ... PB7 PC0 ... PC5 TIMER IN TIMER OUT VCC GND
E/A-Speicherwahl Baustein-Auswahl Lese-Eingang Schreib-Eingang Port A Port B Port C Zeitgebereingang Zeitgeberausgang Betriebsspannung +5 V Masse 0 V
Anmerkungen Die Adresse wird mit der abfallenden Flanke des Signals ALE gespeichert. Adressenspeicher-Freigabe Eingang High-aktiv; ein H-Pegel an diesem Eingang setzt alle Register zurück und bringt die Ports in die Betriebsart 0 auf Eingabe. Eingang High-aktiv Eingang Low-aktiv Eingang Low-aktiv Bit 0 ... Bit 7 Bit 0 ... Bit 7 Bit 0 ... Bit 6
III Mikrocomputertechnik
629
8155 Peripherie-Schnittstelle Ausgabe-Daten
Port A
A INTR
(Daten empfangen)
A BF
(Daten bereit) (Quittung der empfangenen Daten)
A STB
Port C
B STB
Ausgabegerät
B BF
(Lädt den Datenspeicher Port B) (Puffer voll)
B INTR
(Puffer zum Lesen bereit)
Eingabegerät
Eingabe-Daten
Port B
RST-Eingang (8085)
Impulsdiagramm für die Eingabe BF
STROBE INTR
RD
Bild III-76 Baustein im Quittungsbetrieb
Eingabedaten
Die Programmierung erfolgt über das Kommando-Register. Eine einfache Programmsequenz zeigt den Programmiervorgang zur Ausgabe über das Port A. Beispiel:
MVI A,01 OUT 00 MVI A,FF OUT 01
;Portbaustein initialisieren ;PA = Ausgang ;Adresse des Kommando-Registers ;Daten → Akkumulator ;Datenausgabe an Port A ;am Port A liegen jetzt alle Ausgänge auf „1“
Neben dem Kommando-Register besitzt der 8155 ein Zustandsregister, wo der Zustand des Zeitgebers und der Zustand der Steuerleitungen abgefragt werden können. Die Adresse ist die des Kommando-Registers. Das ist möglich, weil in das KommandoRegister nur eingeschrieben werden kann und das ZustandsRegister nur gelesen wird. Der Zeitgeber des Bausteins ist ein 14Bit-Abwärtszähler, der die Impulse am Eingang Tin zählt und sich nach Ende der Zählung betriebsartenabhängig verhält, d.h. am Ausgang TIMER OUT einen Rechteckimpuls ausgibt, wenn das Ende der Zählung erreicht ist. Die Bedeutung der Bits für den Zeitgeber sind ebenfalls im Bild dargestellt. Beispiel: Der Portbaustein 8755 besitzt als Speicher ein EPROM
(elektrisch programmierbarer und UV-löschbarer Speicher) mit einer Speicherkapazität von 2 K × 8 Bit. Zur Bausteinauswahl sind die beiden Anschlüsse /CE1 (low-aktiv) und CE2 (highaktiv) anzusprechen. Als Ports besitzt der Baustein das Port A und das Port B mit jeweils 8 Leitungen oder Kanälen (Bild III-78, siehe Seite 631). Im Gegensatz zu vielen anderen Portbausteinen
kann hier jeder Kanal als Eingabe- oder Ausgabekanal arbeiten. Die Funktion wird durch die entsprechende Adressierung vorgenommen. Der Ein- oder Ausgabezustand jeden Kanals bestimmt das Datenrichtungs-Register (DDR). Die Funktion eines Kanals beschreibt Bild III-79 siehe Seite 631. 8155
4.7 Eingabe-Ausgabe-Bausteine für den seriellen Betrieb 4.7.1 Allgemeines Bausteine für den seriellen Betrieb übernehmen die Daten wortweise vom Prozessor und wandeln sie in eine kontinuierliche Folge serieller Informationen um. Des weiteren können Daten seriell empfangen werden und für den Prozessor in ein Datenwort parallel umgewandelt werden. Wesentlicher Bestandteil sind Parallel-Serienwandler und SerienParallelwandler. Bild III-80 zeigt das Prinzip der seriellen Übertragung mit einem E/A-Baustein. Der Aufwand, die Realisierung dieser Wandler mit logischen Schaltungen vorzunehmen, ist unwirtschaftlich. Man bedient sich daher USART’s (universell asynchron receiver/transmitter = Universeller AsynchronEmpfänger Sender) oder SIO’s (serial input/output = Serieller E/A-Baustein).
630
Datentechnik Format des Steuerwortes
TM2 TM1 IEB
IEA PC2 PC1 PB
PA 0 = Eingang 1 = Ausgang 00 = ALT1 Betriebsarten
11 = ALT2
01 = ALT3 10 = ALT4
Unterbrechungfreigabe 1 = freigeben
0 = sperren Zeitgeber 00 = NOP 01 = STOP 10 = STOP nach TC 11 = START
Betriebsarten ALT1
ALT2
PC0
Eingabe
PC1 PC2 PC3 PC4 PC5
Adressierung
ALT 3
ALT4
Ausgabe
A INTR
A INTR
Eingabe Eingabe
Ausgabe Ausgabe
A BF A STB
A BF A STB
Eingabe Eingabe Eingabe
Ausgabe Ausgabe Ausgabe
Ausgabe Ausgabe Ausgabe
B INTR B BF B STB
A2
A1
A0
0 0 0 0 1 1
0 0 1 1 0 0
0 1 0 1 0 1
Kommando-Register Port A Port B Port C Zähler (L-Byte) Zähler
Zeitgeber-Format
M2
M1
T13 T12
T11 T10
T9
Höherwertige Bits
Betriebsart
T8
T7 Zählwert
T6
T5
T4
T3
T2
Niederwertige Bits
Betriebsarten des Zeitgebers Betriebsarten-Bit
Impulsdiagramm an Tout
(MODE) Funktion
M2
M1
0
0
Ein Rechteckimpuls
0
1
RechteckGenerator
1
0
Ein Impuls am Ende der Z„hlung
1
1
Fortlaufende Impulse
Bild III-77 Technische Daten des 8155
Beginn der Zählung
Ende der Zählung
T1
T0
III Mikrocomputertechnik
631 Blockbild
PIN-Belegung
CLK READY
8755
PROG/CE1 PA0..PA7
AD0..AD7
A8..A10
Port A
A
EPROM 2K x 8 Bit
PB0..PB7 CE2 IO/M ALE / RD / IOW RESET / IOR
B
Port B
Adreß-Latch
PROG/CE VDD GND VCC
CE2 CLK RESET VDD READY IO/M IOR RD IOW ALE AD0 AD1 AD2 AD3 AD4 AD5 AD6 AD7 GND
VCC PB7 PB6 PB5 PB4 PB3 PB2 PB1 PB0 PA7 PA6 PA5 PA4 PA3 PA2 PA1 PA0 A10 A9 A8
Adressierung A1
A0
0 0 1 1
0 1 0 1
Kanal A Kanal B DDR A DDR B
Bild III-78
E/A-Baustein
D0
1D C1 PA0
D0 1D C1 R &
PA schreiben
DDR A schreiben
RESET
PA lesen
CPU
Bild III-79 Datenrichtungs-Register mit Datenleitung
Sendeleitung
Adreßbus
Peripherie
E-/A-Baustein Datenbus Steuerbus
Empfangsleitung
Bild III-80 Prinzip der seriellen Übertragung mit E/A-Baustein
632
Datentechnik Beispiel: Der USART 8251 ist ein universeller Synchron/Asyn-
4.7.2 USART Beim Senden gelangen die parallel gelieferten Daten vom Prozessor über Zwischenregister (Latch) und Parallel-Serienwandler auf die Sendeausgangsleitung. Beim Empfang müssen die seriellen Daten wieder in parallele Worte rückgeführt werden. Damit der Prozessor hinsichtlich des Zeitpunktes, wann Daten von ihm gesendet bzw. empfangen werden sollen, flexibler ist, wird ein zusätzliches Sende- und Empfangsregister eingebaut. Der Sender fügt noch zusätzliche Bits in den Datenstrom ein, damit der Prozessor sich nicht mit den Besonderheiten der speziellen Übertragungsverfahren wie beispielsweise Start- und Stopbits beschäftigen muß. Ähnlich muß der Empfänger Zeichen, die nicht zum Dateninhalt gehören, entfernen. Hierzu dient eine Steuerung des Taktstromes (Bild III-81). Die eigentliche Bausteinfunktion wird durch die Software festgelegt.
ParallelSerienWandler
SendeLatch
Datenbus
DatenLatch
EmpfangsLatch
Steuerung
chron-Sender/Empfänger-Baustein und kann durch den Prozessor für die gebräuchlichen Datenübertragungsverfahren programmiert werden. Bild III-82 gibt die Anschlußbelegung wieder und zeigt das Blockbild des Bausteins. Tabelle III-23 beschreibt die Bedeutung der Anschlüsse. Der Baustein kann im Synchron- oder Asynchronbetrieb eingesetzt werden. Die Betriebsarten unterscheiden sich im Aufbau des Übertragungszeichens und der Synchronisation. Beim Synchronbetrieb bestimmt das periphere Gerät die Übertragungsrate. Beim Asynchronbetrieb werden die Daten mit vorgegebener Taktfrequenz übertragen. Ein interner Frequenzteiler kann mit dem Mode-Wort auf die Teilverhältnisse 1, 16 oder 24 eingestellt werden. Mit zugeführtem Sendetakt und programmiertem Teilerverhältnis wird die Übertragungsgeschwindigkeit (Baudrate 1 Bd = 1 Bit/Sekunde) bestimmt. Der Baustein läßt Übertragungsgeschwindigkeiten bis zu 64 KBaud zu. Jede Übertragung beginnt mit einem Start-Bit und endet je nach Programmierung mit dem Paritybit und mit bis zu 2 Stop-Bits. Die Wortübertragung beginnt stets mit D0. Die Länge der zu übertragenden Worte ist zwischen 5 und 8 Bit programmmierbar. Der Sendevorgang über die Leitung TxD wird durch den Sendetakt TxC ausgelöst. Steht kein Sendezeichen an, hat der TxD-Ausgang H-Pegel. Der Baustein 8251 empfängt die seriellen Daten über die Leitung RxD. RxD liegt
Senden
Steuerung des Taktstroms
SerienParallelWandler
Empfangen
Bild III-81 Prinzip eines USART
DatenbusPuffer
Hilfs/EinAusgabe
OSR DTR RTS 8251
RESET CLK CS C/D WR RD
Sender SchreibLeseSteuerung
TxC
SendeSteuerung
TxC CTS TxEMPTY
Empfänger
RxD
TxRDY
Empfangssteuerung RxRDY
Bild III-82 Blockbild des 8251 und Anschlußbelegung
RxC SYNCFT/BO
D2 D1 D3 D0 RxD VCC GND RxC D4 DTR D5 RTS D6 DSR D7 RESET TxC CLK WR TxD CS TxEMPTY C/D CTS RD SYN/BD RxRDY TxRDY
III Mikrocomputertechnik
633
Tabelle III-23 Bedeutung der Anschlüsse PIN D0 ... D7 RESET CLK CS C/D RD WR DSR DTR RTS TxD TxC CTS TxEMPTY TxRDY RxD RxC RxREADY VCC GND
Funktion Datenbus Rücksetzen Systemtakt Bausteinauswahl Kennzeichnung der Daten als Steuer- bzw. Statuswort/Zeichen Daten oder Zustand lesen Daten oder Steuerinformation scheiben Betriebsbereitschaft DE-Einrichtung betriebsbereit Sender einschalten serielle Sendedaten Sendetakt Senderfreigabe Senderegister leer Sender kann Daten annehmen Serielle Empfangsdaten Empfangstakt Empfänger kann Daten liefern Betriebsspannung 5 V Masse 0 V
normalerweise auf H-Pegel. Bei fallender Flanke an diesem Eingang und Startbits erfolgt der Empfangsvorgang. Die Daten gelangen zum Datenbus-Puffer und können vom Prozessor abgeholt werden. Der Datenempfang wird durch den Anschluß RxRDY mit einem H-Pegel gemeldet. Zum Handshaking ist bei Empfangssteuerung der Ausgang RxRDY zuständig. SYNDET/BD hat unterschiedliche Funktionen, je nach programmierter Betriebsart. Die Anschlüsse DSR, DTR und RTS dienen zur Modemsteuerung.
Treten Fehler bei der Übertragung auf, wird dies im Statusregister (Tabelle III-24) gekennzeichnet.
Clock Chip Select Control/Data Read Write Data Set Ready Data Terminal Ready Request to Send Transmit Data Transmitter Clock Clear to Send Transmitter Empty Transmitter Ready Receive Data Receiver Clock Receiver Ready
für MODE werden die allgemeinen Betriebseigenschaften wie Synchron- oder Asynchronbetrieb, Zeichenlänge und Paritätsart festgelegt. Mit dem Kommandowort wird die Sende- und Empfangssteuerung beeinflußt. Die Reihenfolge „Betriebsart festlegen“ und anschließend „Kommandowort eingeben“ muß eingehalten werden, da beide Codes mit der gleichen Adresse Anschluß C/D = „1“ übergeben werden. Das Statusregister kann bei C/D = „1“ gelesen werden (Tabelle III-25). Dadurch kann der Prozessor den Zustand des Bausteins zu jeder Zeit abfragen (Bild III-84, 85).
Tabelle III-24 Übertragungsfehler Parity-Error Overrun-Error Framing-Error Break-Detection
(Paritätsfehler) (Überlauffehler) (Sperrschrittfehler) (Break-Erkennung)
Die Programmierung erfolgt wie bei den anderen E-/A-Bausteinen durch Laden des Kommandoregisters vom Prozessor über den Datenbus. Mit dem Steuerwort
Tabelle III-25 Register-Adressierung C/D
RD
WR
1 1
0 1
1 0
D7
D6
D5
D4
Statuswort-Register Kommandowort-Register
D3 D2
D1 D0
0 1
StatuswortRegister
KommandowortRegister
0 1 0 1
BetriebsartenwortRegister
&
&
&
&
0 1 0 1
Sender 0 1 0 1
Empfänger 0 1
Bild III-83 Prinzip der Adressierung
Bild III-84 Statuswort
Sende-Parallelregister frei nein ja Zeichen im Empfangsregister bereit nein ja Senderegister leer nein ja Paritätsfehler bei Empfang nein ja Überlauffehler bei Empfang nein ja Stopbit nicht erkannt nein ja Break Zustand nein ja Pegel an DSR nein ja
634
Datentechnik Mode-Wort
D7
D6
D5
D4
D3 D2
0 0 1 1 0 0 1 1 0 1 0 1 0 0 1 1
0 nicht zulässig 1 0 1
Kommando-Wort
D1 D0
0 1 0 1
D7
0 1 0 1
D6
D5
D4
D3 D2
D1 D0
Sender freigeben nein ja DTR setzen 0 H 1 L Empfänger freigeben 0 nein 1 ja BREAK-Zustand (L_Pegel) senden 0 nein 1 ja Fehlerbits rücksetzen nein ja Ausgang RTS setzen H L nächstes Steuerwort ist Mode-Wort nein ja Bei Asynchronbetrieb ohne Auswirkung
Betriebsart Synchron Asynchron Asynchron Asynchron
0 1
Zeichenlänge 8 Bit 6 Bit 7 Bit 8 Bit Paritätsbit ohne mit Paritätsart ungerade gerade Anzahl der Stopbits
0 1 0 1 0 1
1 1.5 2
0 1
Bild III-85 MODE- und Kommandowort
Bus-Controller AEN
Taktgenerator
MRDC MWTC
MB CMDLY
IORC IOWC INTA ALE MCE DEN DT/R
82288 X2 RES
X1 S0 S1 READY CLK
Speicher lesen Speicher Schreiben E/A-lesen E/A-schreiben Interrupt-Bestätigung
S0 S1 READY CLK
M/IO
RESET
RESET CLK 82284
C OE AdreßLatch
M/IO BHE
READY
AB
A0..A23
S1 CAS
S0 INTR
A0 CS
INT INTA
Prozessor
WR RD
80286 D0..D15
SP/EN
InterruptController
IR0..IR7
D0..D7 8259
TransCeiver DIR &
Bild III-86 Mikroprozessorsystem mit 80286 CPU
OE
DB
III Mikrocomputertechnik
635
4.8 Bausteine mit Sonderfunktionen
nur noch mit einem Quarz versehen (Anschluß X1 und X2), der dann die Frequenz bestimmt. Der Anschluß F/C (Frequency/Crystal select) dient zur Auswahl der Takterzeugung. Das PCLK-Signal (Peripheral Clock), das über ein Flipflop (PCLKGenerator) vom CLK-Signal erzeugt wird, ist für die Synchronisation peripherer Geräte verantwortlich. Die Erzeugung des /READY-Signals ist von der entsprechenden Steuerung abhängig (/ARDYEN, /ARDY, /SRDYEN, /SRDY). Das Signal dient zur Steuerung langsamerer Peripheriegeräte und fügt Wartezustände (Wait States) in einen Schreib- oder Lesezyklus ein. Am /RES (Reset in) kann das ResetSignal erzeugt werden. Der Buscontroller 82288 (Bild III-88) decodiert die Statussignale (S0, S1 und M/IO) des Prozessors und erzeugt mit dem CLK-Signal die Kommando- und Kontrollsignale (Tabelle III-26).
Einige Mikroprozessorsysteme besitzen außer den bekannten Speicher- und Ein- und Ausgabeeinheiten spezielle Peripheriebausteine, die jeweils eine besondere Aufgabe übernehmen. Als Beispiel wurde ein 80286-System gewählt (Bild III-86, bereits auf Seite 634). Außer dem bekannten Adreß-Latch und dem Transceiver, einem Zweirichtungstreiber und dem Prozessor gehören als weitere Bausteine ein Taktgenerator, ein Bus-Controller und ein InterruptController zum System. Der Taktgenerator 82284 (Bild III-87) besteht aus einem Oszillator (Osz. 9), der für den Systemtakt verantwortlich ist, einer Synchronisationseinheit, einer RESET-Schaltung und dem PCLK-Generator. Der Taktgenerator selbst kann durch einen externen Generator gesteuert werden, oder der interne Oszillator wird
82284
1
RES
1
RESET
Synchronisation
X1
Osz.
MUX
X2
CLK
EFI F/C ARDYEN
&
Synchronisation
&
Ready-Logik
™1
PCLK-Generator
ARDY SRDEN SRDY S1
READY PCLK
S0
Bild III-87 Taktgenerator 82284
82288 S0
S1
Status Decoder
M/IO
INTA IORC IOWC MRDC MWTC
Control Output Logic
DT/R DEN ALE MCE
State Machine
CLK CEN/AEN CENL CMDLY
Control Output Logic
Control Input Logic
READY
MB
Bild III-88 Bus-Controller
636
Datentechnik
Tabelle III-26 Kommando- und Kontrollsignale Kommandosignale
Kontrollsignale
Taktgenerator
INTA IORC IOWC MRDC MWTC
DT/R DEN ALE MCE
Watchdog Timer
Datenspeicher
Programmspeicher
Schnittstelle seriell Schnittstelle parallel
CPU
Interrupt-Controller sollen bei einer Unterbrechungsanforderung eines externen Gerätes am Prozessor einen Interrupt auslösen. Der Baustein 8259 im Bild III-86 besitzt 8 Eingänge für Interruptquellen (IR0 ... IR7). Der Prioritätsdecoder hat die Aufgabe, bei gleichzeitiger Anforderung mehrerer Quellen eine Reihenfolge der Bearbeitungssequenzen festzulegen.
5 Mikrocontroller 5.1 Allgemeines
Unterbrechungssteuerung
A/DWandler
Systemsteuerung
Mikrocontroller
D/A Wandler
Zähler
Zeitgeber
Bild III-89 Komponenten eines Mikrocontrollers
Mikrocontroller (MC) sind Bauelemente, bei denen auf einem Chip alle erforderlichen Bausteine eines Mikroprozessorsystems integriert sind. Hierzu gehören je nach Type der eigentliche Rechenkern mit Multiplikations- und Divisionseinheit und Taktoszillator, die Systemsteuerung und die Interrupteinheit. Die Kommunikation mit externen Baugruppen wird über parallele und serielle Schnittstellen ermöglicht. Für Meß-, Steuerungs- und Regelzwecke sind Analog-Digital-Wandler (AD-Wandler), Digital-Analog-Wandler (DA-Wandler) und Zähler integriert. Ein Watchdog-Timer („Wachhund“) kontrolliert den gesamten Arbeitsablauf. MC’s besitzen eigene Programmspeicher, die als ROM oder EPROM ausgeführt sein können und als Arbeitsspeicher ein internes RAM (siehe auch Abschnitt Halbleiterspeicher). Weiter besteht die Möglichkeit, das MCSystem mit externen Speichern zu erweitern. Bild III89 zeigt in einer Übersicht Komponenten eines Mikrocontrollers. Je nach Verwendungszweck sind bei den unterschiedlichen Typen nicht alle Funktionsstufen enthalten, dafür sind andere Stufen mehrfach vorhanden. Um die Gehäusegröße und damit PIN-Zahl in Abhängigkeit der Funktionsaufgaben möglichst gering zu halten, sind viele Anschlüsse für Doppelfunktionen vorgesehen.
Aus der Vielzahl der Einsatzgebiete sind die Schwerpunkte Datenverarbeitung, Industrieelektronik, Meß-, Steuerungs- und Regelungstechnik, Unterhaltungselektronik und Kraftfahrzeugtechnik zu nennen. Weitverbreitet sind 4-Bit- und 8-Bit-Versionen. Mikrocontroller verdrängen den klassischen Prozessor aus einigen Anwendungsbereichen, weil „Ein-ChipSysteme“ dort wirtschaftlicher zum Einsatz kommen. Einige Anwendungen, wie beispielsweise in der Automobilindustrie, werden erst durch MC’s ermöglicht. Bei größeren Stückzahlen sind MC’s mit ihrer integrierten Peripherie kostengünstiger als Prozessoren mit externen Peripheriebausteinen. Der Platzbedarf verringert sich erheblich, und die Betriebssicherheit steigt auf Grund der kleineren Anzahl von Fehlerquellen. Die Leistungsfähigkeit der MC’s liegt einmal in der relativ hohen Verarbeitungsgeschwindigkeit, da die meisten Befehle mit nur einem Befehlszyklus (z.B. 1 ms) auskommen, der flexiblen Adressierungsarten und den zahlreichen Bitverarbeitungsmöglichkeiten. Beispielsweise können logische Befehle mit einzelnen Bits durchgeführt oder einzelne Portbits gesetzt oder rückgesetzt werden, ohne andere Bits zu beeinflussen (siehe auch Abschnitt Maschinensprache). Werden in einem System mehrere Mikrocontroller eingesetzt, spricht man von einem Multi-Controller-
Tabelle III-27 Mikrocontroller Type
ROM kByte
RAM Byte
E/A 8-Bit-Port
ADC/E 8-Bit
Clock (MHz)
TIMER
8031 8051 8052 80C52 80512 80513 80515 80C517
– 14 18 18 14 12 12 12
128 128 256 256 128 256 256 256
4 4 4 4 6+1E 4 6+1E 7+1,5E
– – – – 18 – 18 12
12 12, 16 12, 16, 20 12 12 12, 16 12, 16 12, 16
2 2 3 3 2 3 3 4
III Mikrocomputertechnik
637
System, bei dem aus Verwaltungsgründen MC’s als Master oder Slave arbeiten. Der Master übernimmt hierbei die Organisation der Datenübertragung. Der entsprechende Einsatz wird den Bausteinen durch Software mitgeteilt. Die Kommunikation untereinander erfolgt über eine serielle Schnittstelle. Tabelle III-27 führt beispielhaft Mikrocontroller der 80x1x-Familie auf, die sich weltweit als Standard durchgesetzt hat. Bei den Mikrocontrollern dieser Serie werden zwei Versionen unterschieden. Man spricht von ROM-Versionen, wenn der Anwender über das interne ROM verfügen kann und von ROMlosen Versionen, wenn das interne ROM abgeschaltet ist. Der bis dahin interne Bereich ist dann als externer Bereich ansprechbar. Weitere Unterschiede liegen in der Anzahl der E/A-Ports und der Anzahl der Zeitgeber.
5.2 8-Bit-Mikrocontroller 5.2.1 Funktionsbeschreibung des MC 8051 Der MC 8051 besitzt einen Daten- und Programmspeicher. Eine Kommunikation mit peripheren Geräten ist über die serielle Schnittstelle (UART) und über parallele Schnittstellen (Port 0 bis 3) möglich. Um auf externe Geräte zu reagieren, sind Interrupteingänge vorhanden. Der TIMER ist als Zähler oder Zeitgeber programmierbar. Hauptbestandteil ist die 8051 CPU, der eigentliche Prozessor (Bild III-90). Bei dem Mikrocontroller 8051 können eine Reihe von Anschlußleitungen für unterschiedliche Verwendungen genutzt werden. Erkennbar sind die Doppelbelegungen anhand der PIN-Zuordnung, wie in Bild III91 dargestellt. In der Tabelle III-28 ist die Bedeutung der jeweiligen Anschlüsse aufgeführt.
DatenSpeicher
Zähler
ProgrammSpeicher
UART
8051 CPU
PIO
T0 T1 RxD TxD Port 0..3
Bild III-90 Vereinfachtes Blockbild
INT0 INT1
8051
XTAL1 XTAL2
EA RST
AD0 AD1 AD2 AD3 AD4 Ad5 AD6 AD7
PSEN ALE
PORT 3
RxD TxD INT0 INT1 T0 T1 WR RD
PORT 0
PORT 1
A8 A9 A10 A11 A12 A13 A14 A15
PORT 2
RxD TxD INT0 INT1 T0 T1 WR RD
P1.0 P1.1 P1.2 P1.3 P1.4 P1.5 P1.6 P1.7 RST P3.0 P3.1 P3.2 P3.3 P3.4 P3.5 P3.6 P3.7 XAL2 XAL1 GND
VCC P0.0 P0.1 P0.2 P0.3 P0.4 P0.5 P0.6 P0.7 EA ALE PSEN P2.7 P2.6 P2.5 P2.4 P2.3 P2.2 P2.1 P2.0
nach Datenblatt der Firma Siemens
Bild III-91 Anschlußbelung beim MC 8051
AD0 AD1 AD2 AD3 AD4 AD5 AD6 AD7
A15 A14 A13 A12 A11 A10 A9 A8
638
Datentechnik
Tabelle III-28 Bedeutung der Anschlüsse 8051 Bezeichnung
Funktion
AD0 ... AD7 RST VPD RxD TxD /INT0 /INT1 T0 T1 /WR /RD XAL2 XAL1 /E/A
Adreß-Datenbus Rücksetzen bei H-Pegel Bei Anschluß Ruhestrom für internes RAM Serielle Schnittstelle Serielle Schnittstelle (Interrupt)/Unterbrechungseingang (Interrupt)/Unterbrechungseingang (Timer 0)/Zähler/Zeitgeber 0 (Timer 1)/Zähler/Zeitgeber 1 (Write)/Schreiben (Read)/Lesen Quarzanschluß, Externe Taktmöglichkeit Quarzanschluß External Access/Externer Programmspeicherzugriff (bei L-Pegel); bei H-Pegel: 4 K intern, ab 4 K extern Program Store Enable/Externe Programmspeicherfreigabe Adress Latch Enable/Signal zur Adressenzwischenspeicherung Port (0, 1, 2, 3) digitale E/A, 8 Bit
/PSEN ALE PX.0 ... PX.7
ADR
RAM
B-Register
P0.0-P0.7
P2.0-P2.7
Port 0 Treiber
Port 2 Treiber
Latch
Latch
ROM
ProgrammAdreßRegister
Akkumulator
TMP2
Stapelzeiger
TMP1
Buffer Programmzähler
ALU
SRF und Zähler
PC Incrementierer
PSW BefehlsRegister
DPTR
Latch
Latch
Port 1 Treiber
Port 3 Treiber
Steuerung
Osz.
P1.0-P1.7
P3.0-P3.7 nach Datenblatt der Firma Intel
Bild III-92 Funktionsbild
III Mikrocomputertechnik
639
Das Funktionsbild des Bausteins gibt Bild III-92 wieder. Die CPU besteht aus dem Befehlszähler (PC), dem Befehlsdecoder der ALU (Rechen- und Logikeinheit) und der Steuerlogik. Der Progammzähler steuert den Programmablauf, und der Befehlsdecoder sorgt für die Befehlsausführung (siehe auch Abschnitt Mikroprozessortechnik). Die ALU des 8051 kann folgende Operationen durchführen: Addition, Subtraktion, Multiplikation, Division, Vergleichen, Rotieren. Außerdem können die logischen Operationen UND, ODER, Exclusiv ODER und Bitmanipulationen durchgeführt werden. Als Arbeitsregister dienen Akkumulator, die Register R0 bis R7 mit ihren vier Bänken (siehe auch Bild III-102) und das B-Register. Die Bänke können mit dem AlternativRegistersatz der Z80 CPU verglichen werden und die Register R0 bis R1 mit den von den 8-BitProzessoren bekannten Registern B, C, D, E, H und L. Im Gegensatz zu den genannten Registern wird
beim 8051 eine Adresse angesprochen, und die jeweiligen Registersätze werden durch Umschaltung aktiviert. Wie bei der Standard-CPU sind Stapelzeiger (Stack-Pointer), der hier bei einem RESET auf Adresse 07 gesetzt wird, der Programmzähler (PC = Program Counter) und das vom Mikroprozesser bekannte Kennzeichen oder Flagregister (hier: PSW = Programm Status Word) vorhanden. Die von einem herkömmlichen 8-Bit-Prozessor abweichenden zusätzlichen Baustufen sind im Blockbild III-92 besonders gekennzeichnet. Der Datenzeiger (DPTR = Data Pointer) zeigt auf die als nächstes zu bearbeitende Adresse des Datenspeichers. Zur Steuerung interner Funktionen dienen SpezialFunktions-Register (SFR = Special-Function-Register). Im Funktionsbild sind sie mit dem Block SFR und Zähler gekennzeichnet. Die genaue Aufteilung dieses Blockes zeigt Bild III-93. Tabelle III-29 erläutert die entsprechenden Kürzel der Registernamen.
Tabelle III-29 Special-Function-Register Bezeichnung
Funktion
P0 SP DPL DPH TCON TMOD TL0 TL1 TH0 TH1 P1 SCON SBUF P2 IE P3 IP PSW ACC
Port 0 (Stack-Pointer)/Stapelzeiger (Data-Pointer)/Datenzeiger (Data-Pointer)/Datenzeiger (Timer/Counter) Zeitgeber/Zähler (Timer/Counter) Zeitgeber/Zähler (Timer/Counter) Zeitgeber/Zähler 0 (Timer/Counter) Zeitgeber/Zähler 1 (Timer/Counter) Zeitgeber/Zähler 0 (Timer/Counter) Zeitgeber/Zähler 1 Port 1 (Serial Interface Control) Status/Kontroll-Register (Serial Data Buffer)/Serielles Pufferregister Port 2 (Interrupt Enable)/Interruptmaske/-freigabe Port 3 (Interrupt Priority)/Interruptpriorität Program Status Word Accumulator B
L-Byte H-Byte Control Betriebsart L-Byte L-Byte H-Byte H-Byte
B-Register
SFR und Zähler Zähler/ZeitgeberSteuerung Port 3
TCON TMOD TL0
Serielles Port
TH0
SCON
UnterbrechungsSteuerung
TL1
SBUF
(Senden)
IE
TH1
SBUF
(Empfang)
IP
interner Bus
Bild III-93 Special-Function-Register und Zähler
640
Datentechnik
5.2.2 Ein-/Ausgabeeinheit Die 4 E/A-Ports mit einer 8-Bit-Breite arbeiten bidirektional (in beiden Richtungen) und können jeweils einzeln unabhängig voneinander als Eingabe- oder Ausgabekanal arbeiten. Bild III-94 verdeutlicht dies an Hand der Portstruktur eines Kanals. Die Ausgabeinformation („0“ oder „1“) wird mit dem Schreibsignal dem D-Flipflop übergeben und steht somit dem Portausgang zur Verfügung. Der Zustand des D-Flipflops kann über Lesen des D-Flipflops (Latch lesen) jederzeit abgefragt werden. Soll eine Information eingelesen werden, wird das D-Flipflop gesperrt. Mit dem Lesesignal (PIN lesen) gelangt das anliegende Bit zum Datenbus. Bei einem RESET wird der Portanschluß auf Eingang geschaltet.
1D C1
PIN
einbezogen. Hier wird die Bausteinauswahl mit P2.0 durchgeführt. Port 3 kann neben Ein- und Ausgabe von Daten die im Anschlußplan angegebenen Funktionen durchführen. 5.2.3 RESET-Schaltung Damit die CPU nach dem Einschalten in einen definierten Anfangszustand gebracht wird, ist eine RESET-Schaltung notwendig (Bild III-96). Die CPU arbeitet dann immer ab Adresse 0000 des Speichers. Der Baustein wird durch einen „H“-Pegel am Anschluß RST zurückgesetzt. Beim Einschalten der Betriebsspannung muß der Anschluß mindestens für die Zeit von 1 ms H-Pegel besitzen. Bei der dargestellten Schaltung wirkt der Kondensator bei Anlegen der Versorgungsspannung wie ein Kurzschluß und legt zunächst „H“-Pegel an den RESET-Eingang. Nach Aufladung des Kondensators liegt „L“-Pegel an. Der MC 80(C)515 benötigt nur einen Kondensator am RESET-Anschluß, weil ein interner Widerstand vorhanden ist. 80(C)515
+5V +
+
Latch PIN Latch schreiben lesen lesen
RESET
8051
C
RESET
R
Bild III-94 Portstruktur eines Kanals
Bild III-96 RESET-Schaltungen
Port 0, 2 und 3 besitzen Doppelfunktionen. Beispielsweise wird das Port 0 zur Adressierung externer Speicher mit verwendet. Port 0 arbeitet dann als Adreß-/Datenbus. Bild III-95 zeigt den Anschluß eines externen Speichers an den Baustein.
5.2.4 Taktgenerator
+
8051 P0.0 XTAL1 P0.1 P0.2 XTAL2 P0.3 P0.4 P0.5 P0.6 P0.7 EA P2.0 RST
ALE RD WR
RAM 256 x 8 Bit
Adreß/Datenbus
Der interne Taktgenerator des MC 8051 braucht nur noch mit dem Quarz ergänzt zu werden, um seine Funktion ausführen zu können. Die Quarzfrequenz liegt in einem Bereich bis zu 12 MHz. Der Baustein kann auch über einen externen Taktgenerator gesteuert werden. Es wird dann XTAL1 auf Masse gelegt und XTAL2 über einen Treiber angeschlossen (Bild III-97). Der Taktgenerator erzeugt alle benötigten Taktsignale des Systems. +5V
8051 C1 ALE RD WR
Bild III-95 Anschluß an einen externen Speicher Da der dargestellte Speicher einen internen Adressenzwischenspeicher besitzt (Eingang ALE), ist kein zusätzlicher Zwischenspeicher erforderlich. Besitzt der externe Speicher eine größere Kapazität als 0,25 k, wird Port 2 ebenfalls in die Adressierung mit
R
XTAL1
CS
C2
XTAL2
1
8051 XTAL1 XTAL2
Bild III-97 Taktgenerator 5.2.5 Stromaufnahme Um die Stromaufnahme zu reduzieren, besitzt die CMOS-Version, beispielsweise der MC 80C51, zwei Betriebsarten. Im Power-down-Mode wird der interne Taktgenerator abgeschaltet und der MC damit in
III Mikrocomputertechnik
641
einen inaktiven Zustand gebracht. Die im internen RAM gespeicherten Daten bleiben erhalten. Mit einem Hardware-Reset kann diese Betriebsart beendet werden. Im Idle-Mode wird der Taktgenerator nur von der CPU getrennt und versorgt alle anderen Komponenten wie Zähler und serielle Schnittstelle weiterhin mit Taktsignalen. Diese Betriebsart kann über ein Reset oder aber auch über ein Interrupt beendet werden. Die unterschiedliche Stromaufnahme wird in Tabelle III-30 dargestellt. Tabelle III-30 Active Mode Frequenz
Idle Mode
VCC 4 V 5 V 6 V 4 V 5 V 6 V
0,5 MHz
1,6
2,2
3
0,6
0,9
1,2
3,5 MHz
4,3
5,7
7,5
1,1
1,6
2,2
8,0 MHz
8,3
11
14
1,8
2,7
3,7
12 MHz
12
16
20
2,5
3,7
5
auch von der Betriebsart „Auto Reload“. Ein gerade vorhandener Zählerstand läßt sich aus den SFR T1 bzw. T2 ablesen. Die Zähler/Zeitgeber sind Aufwärtszähler, die ein Überlauf-Kennzeichen erzeugen, beispielsweise beim 16-Bit-Zähler von FFFF nach 0000. Die Überlaufkennzeichen sind Bestandteil des TCON-Registers (Bit 7: TF1, Bit 5: TF0). Diese Kennzeichen dienen auch als Unterbrechungskennzeichen (Timer Interrut Flags) und werden durch ein Programm abgefragt. Bild III-98 zeigt das Prinzip eines 13-Bit-Zählers/Zeitgebers in der Betriebsart (Mode) 0. Über TR0, INT0(PIN) und Gate wird der Zeitgeber über eine TOR-Schaltung (das UND-Gatter wirkt als Schalter) aktiviert. Die Frequenz des Zeitgebers ist vom Quarz abhängig. Da jeder Maschinenzyklus den TIMER incrementiert und jeder Maschinenzyklus aus 12 Taktperioden besteht, erfolgt die im Bild dargestellte Teilung durch 12. Im Bild III-99 sind die Bitanordnung der zuständigen Register und die verschiedenen Betriebsarten aufgeführt.
TCON-Register
I (mA) TF1 TTR1 TF0
5.2.6 TIMER
OSC
Gate
IE1
IT1
IE0
IT0
TMOD-Register
Der MC 8051 verfügt über 2 interne 16-Bit-Zähler T0 und T1, die als Zähler (Counter) oder Zeitgeber (Timer) programmiert werden können. Man spricht von einem Zeitgeber, wenn der interne Takt benutzt wird. Mit Zähler/Zeitgeber können Ereignisse gezählt, Zeitintervalle oder Pulszeiten gemessen und Baudraten für die serielle Schnittstelle erzeugt werden. Die jeweilige Arbeitsweise wird in den entsprechenden SFR’s, dem TMOD-Register (Timer Modus) und TCON-Register (Timer Control) festgelegt. Hiermit kann beispielsweise der Zähler gestartet oder angehalten werden. Auch können in der Betriebsart 2 beide Zähler als 16-Bit-Zähler verwendet werden. In der Betriebsart 3 wird der Timer automatisch bei einem Überlaufen nachgeladen. Man spricht hier
T0 TR0 INT0
TR0
GATE C/T
M1
M0 GATE C/T M1
TIMER 1
TIMER 2 Betriebsarten
M1
M2
0 0 1 1
0 1 0 1
1
1
Funktion 13-Bit-Zähler/Zeitgeber 16-Bit-Zähler/Zeitgeber 8-Bit-Zähler/Zeitgeber Timer 0 TL0 ist 8-Bit Zähler oder Zeitgeber TH0 ist 8-Bit Zeitgeber Timer 1 Zähler stoppt
Bild III-99 Zähler-Betriebsarten und Register
:12
C/T=0 C/T=1
PIN
&
PIN 1
Bild III-98 TIMER in der Betriebsart 0
Control
5 Bits
8 Bits
TL0
TH0
TF0
Interrupt
M0
642
Datentechnik
5.2.7 Unterbrechungssystem Dem MC 8051 stehen 5 Interruptquellen (Interrupt = Unterbrechung) mit 2 Prioritätsebenen zur Verfügung. Nach Bild III-101 sind dies die beiden Eingänge INT0 und INT1, die beiden Zähler und eine interne serielle Schnittstelle. Nur das Interrupt der seriellen Schnittstelle wird durch Software ausgelöst, alle übrigen sind Hardware-Interrupts. Die Interrupteingänge INT0 und INT1 können je nach Programmierung flanken- oder pegelgesteuert sein. Nach
einer Interruptanforderung wird das gerade laufende Programm unterbrochen, und es erfolgt ein Sprung zum Interruptprogramm. Über eine Maske können Interrupts einzeln zugelassen oder gesperrt oder über die Interruptfreigabe alle Quellen freigegeben oder alle gesperrt werden. Liegen mehrere Interruptanforderungen gleichzeitig an, gilt die Prioritätenreihenfolge. Bei gewünschten Interrupts werden die entsprechenden Einsprungadressen des internen Programmspeichers angewählt (siehe auch Bild III-102).
Unterbrechungssystem
INT0
Programmspeicher
Externe Unterbrechung
03
Zähler 0 INT1
0B
Externe Unterbrechung
Einsprungadresse
13
Zähler 1
1B
Serielle Schnittstelle
23
InterruptMaske
EX0..ES
EA
=0 =1
Sperren Setzen
InterruptFreigabe EA = 0 EA = 1
Sperren aller Interrups Freigabe aller gesetzten Interrups
ES ET1 EX1 ET0 EX0 Externer Interrupt 0
Zähler 0 Externer Interrupt 1
Zähler 1 Serieller Port
Bild III-100 Unterbrechungssystem
III Mikrocomputertechnik
643
5.2.8 Speicher Als Speicher sind ein 128 bzw. 256 Byte RAM und 4 oder 8 KByte ROM integriert. Der 8052AH-BASIC besitzt zusätzlich intern einen Basicinterpreter mit 8 KByte EPROM. Mikrocontroller unterscheiden nach Daten- und Programmspeicher (Bild III-101). Befehle stehen daher nur im Programmspeicher. Der MC 8051 kann als 8-Bit-Mikrocontroller höchstens jeweils 64 KByte addressieren. Der MC besitzt als Programmspeicher ein internes 4KB ROM. Liegt der /EA-Anschluß auf „1“, wird von dort aus gelesen. Bei /EA „0“ wird der externe Programmspeicher angesprochen. Im internen Programmspeicher sind Einsprungadressen reserviert, wie der internen Speicheraufteilung zu entnehmen ist
Programmspeicher
(Bild III-102). Eine Gesamtübersicht verschafft Tabelle III-31. Der interne Datenspeicherbereich liegt von 00 bis FF, wobei sich bis Adresse 1F vier Registerbänke mit jeweils acht Registern R0 ... R7 befinden. Dieser Speicherbereich ist direkt und indirekt addressierbar (siehe Abschnit Maschinensprache). Der sich anschließende bitadressierbare Bereich (jedes Bit ist einzeln ansprechbar) ist direkt nur bis Adresse 2F addressierbar. Der weitere Datenspeicherbereich ist von einer Anzahl Registern, die teilweise ebenfalls bitadressierbar sind, belegt. Es sind Register mit speziellen Funktionen, wie der Stackpointer SP mit der Adresse 81. Die entsprechende Adressenaufteilung von 80 bis 7F sind in der Tabelle III-34 zu finden. Der 64 K externe Datenspeicher ist nur indirekt adressierbar.
Datenspeicher
FFFF
FFFF 64K extern
60K nur indirekt adressierbar
64K extern 1FFF 0FFF
4K intern
0000
FF
80 7F 00
SFR
128 intern
0000
Bild III-101 Speicherplan
Interner Datenspeicher
Interner Programmspeicher 0FFF
0023
Interrupt S
001B
Interrupt T1
0013
Interrupt 1
000B
Interrupt T0
0003
Interrupt 0
0000
Reset
Bild III-102 Speicheraufteilung
B ACC PSW IP P3 IE P2 SBUF SCON P1 TH1 TH0 TL1 TL0 TMOD TCON DPH DPL SP P0
FF SFR
80 7F 30 2F
bitadessierbar
R7 R0 R7 R0 R7 R0 R7 R0
Bank 3
Bank 2 Bank 1
Bank 0
20 1F 18 17 10 0F 08 07 00
644
Datentechnik
Tabelle III-31 Register- und Adressenübersicht Bit-Adressen SFR
Bit 7
B
F7
ACC
E7
PSW
D7
IP
BF
P3
Byte-
Bit 5
Bit 4
Bit 3
Bit 2
F6
F5
F4
F3
E6
E5
E4
E3
D6
D5
D4
D3
D2
BE
BD
BC
BB
BA
B7
B6
B5
B4
B3
B2
IE
AF
AE
AD
AC
AB
P2
A7
A6
A5
A4
A3
Bit 6
Bit 1
Bit 0
Adresse
F2
F1
F0
F0
E2
E1
E0
E0
D1
D0
D0
B9
B8
B8
B1
B0
B0
AA
A9
A8
A8
A2
A1
A0
A0
SBUF
99
SCON
9F
9E
9D
9C
9B
9A
99
98
98
P1
97
96
95
94
93
92
91
90
90
TH1
8D
TH0
8C
TL1
8B
TL0
8A
TMOD TCON
89
8F
8E
8D
8C
8B
8A
89
88
88
DPH
83
DPL
82
SP P0
81
87
86
85
84
83
82
MSB
80
80
LSB
5.2.9 Serielle Schnittstelle Alle Mikrocontroller der 8051-Familie verfügen über mindestens eine serielle Schnittstelle, mit der im Asynchron- oder Synchronbetrieb eine serielle Datenübertragung durchgeführt werden kann. Nach Bild III-103 besteht die chipinterne Schnittstelle aus dem Datenregister SBUF und dem Kontroll- oder Statusregister SCON. Das Datenregister SBUF besitzt ein Sende- und Empfangsregister, auf das lesend oder schreibend zugegriffen wird. Die Eingangsdaten gelangen über den Anschluß RxD in ein Schieberegister, wo eine Umwandlung des seriellen Datenstroms in eine parallele Information erfolgt. Nach Ausmaskierung der nicht zur Information gehörenden Bits wie Start- und Stopbit gelangen die Daten ins Empfangsregister. Die Ausgangsdaten gelangen über das Senderegister und über das SCON-Register zum Ausgang TxD. Mit dem Kontroll-/Statusregister SCON kann die gewünschte Betriebsart (Mode 0, 1, 2, 3) gewählt werden. Weiter enthält es die Steuerbits für Empfänger- und Senderinterrupt. In der Betriebsart 0 werden die Daten über RxD (P3.0) gesendet oder empfangen, und an TxD (P3.1) wird ein Sendetakt mit dem Tastverhältnis 1:1 bei einer festen Frequenz von fosz/12 ausgegeben.
81
Serielle Schnittstelle (UART)
SCON Kontroll-/Statusregister
TxD
SBUF Senderegister SBUF Empfangsregister
Takt
Schieberegister
Bild III-103 Serielle Schnittstelle
RxD
III Mikrocomputertechnik
645 Übertragungsrahmen
7
5
4
3
2
SM0 SM1 SM2 REN TB8 RB8
SCON
Betriebsart
6
SM0
SM1
0 0 1 1
0 1 0 1
MODE
1
0
TI
Ri
Übertragungsrate
0 1 2 3
fosz/12 variabel fest variabel
0
Daten Betriebsart
1
Startbit
Betriebsart
Daten
2,3
Bild III-104 zeigt die Bedeutung der Bitanordnung im SCON-Register und die Bitzuordnung zur Einstellung der einzelnen Betriebsarten.
5.3 16-Bit-Mikrocontroller Bild III-105 zeigt die Architektur des MC SAB80C515/535 als vereinfachtes Blockbild. Der Baustein besitzt außer den 6 Ports (= 48 Kanäle) zur digitalen Ein- und Ausgabe einen 8-Bit gemultiplexten A/D-Wandler-Eingang. Das 256 Byte interne RAM kann extern bis zu 64 KByte erweitert werden und ist bei Betriebsspannungsausfall über einen Anschluß ruhestromversorgt. Im Gegensatz zum ...515 hat der ...535 keinen internen Programmspeicher. Seine Programme müssen in einem externen ROM untergebracht werden. Außerdem ist im ...535 ein Watchdog-Timer integriert. Seine Aufgabe ist es, bei Störungen einen Reset auszulösen. Es handelt sich hierbei im Prinzip um einen 16-Bit-Zähler, der mit jedem Maschinenzyklus inkrementiert wird. Bei Überlauf erfolgt ein interner Reset, und ein Statusbit wird gesetzt, das durch eine Abfrage die Resetursache kennzeichnet. Im Programmablauf wird der Watchdog-Timer jedesmal vor dem Überlauf zurückgesetzt. Weitere Besonderheiten dieses Bausteins sind Capture-, Compare- und Reload-Funktionen des Zählers/Zeitgebers 2. Bei der Capture-Funktion (capture
Stopbit
Bild III-104 Bitzuordnung im SCON-Register und Betriebsarten
= einfangen) sind Zeitmessungen realisierbar, weil durch ein externes Signal ein Zwischenspeichern des Zählerstandes in ein entsprechendes SFR ausgelöst wird. Bei der Compare-Funktion (compare = vergleichen) kann eine Meldung (z.B. Interrupt) erfolgen, wenn der Inhalt des laufenden Timers 2 mit dem des Compare-Registers übereinstimmt. Mit der Reload-Funktion wird die Zykluszeit der Timer variiert. Hiermit läßt sich dann eine PWM (Pulsweitenmodulation) durchführen. Solche Signale können verwendet werden, um beispielsweise Schrittoder Gleichstrommotore steuern zu können. Die Port-Kanäle können digital oder analog über die gemultiplexten Eingänge genutzt werden. Der Baustein verfügt über eine programmierbare Referenzspannungsquelle. Der Vorteil in der Programmierbarkeit der Referenzspannung liegt einmal in der eventuell gewünschten unterschiedlichen Referenzspannung pro Kanal und in der veränderbaren Wandlerauflösung. Der Wandler selbst arbeitet nach dem Prinzip der sukzessiven Approximation mit einer Wandlungszeit von 15 ms. Bild III-106 zeigt das Blockbild des A/DWandlers mit dem SFR DAPR (D/A-ProgramRegister). Im L-Nibble ist die untere Grenze der Referenzspannung und im H-Nibble die obere Grenze definiert. Die Wahl des Analogeingangs ist im SFR
646
Datentechnik
Oszillator Watchdog
RAM
ROM
256 x 8
8k x 8
TIMER 0
CPU
TIMER 2
TIMER 1
Baudraten Generator USART 8 Bit
Interner Bus
U Ref.
P6
A/D
P5
P4
P3
P2
P1
URef AGND nach Datenblatt der Firma Siemens
Bild III-105 Blockbild des SAB 80C515/C535
ADCON BD CLK
BSY ADM MX2 MX1 MX0
AN0..AN7
MUX
S&H
A/D
AGND
ADDAT
IREF
Interne Referenzspannung D/A
AREF AGND
DAPR
Obere Grenze der Referenzspannung
Bild III-106 AD/DA-Wandler
Untere Grenze der Referenzspannung
P0
III Mikrocomputertechnik
647 Program Status Word PSW
ADCON festgelegt (A/D-Controll-Register), in dem auch festgelegt ist, ob nur eine oder fortlaufende Wandlungen stattfinden sollen.
Akkumulator
Flag-Register
Registerpaar B
6 Maschinensprache 6.1 Allgemeines
B
Soll ein Mikrocomputer Anweisungen ausführen, müssen die dazu erforderlichen Befehle in binärcodierter Form im Speicher vorliegen. Jeder in dieser Form zum Mikroprozessor gebrachte Befehl gelangt zum Befehlsregister, wird dort interpretiert und veranlaßt die CPU, die dazugehörende Operation auszuführen. Da der Mikroprozessor diese Anweisungen direkt in Operationen umsetzen kann, spricht man von Maschinensprache. Der Maschinencode (Mikrocode, Operationscode), nach denen der Mikroprozessor seine Operationen durchführt, ist hardwaremäßig festgelegt und bei den Prozessoren unterschiedlich. Alle Befehle, die der Mikroprozessor ausführen kann, stellen seinen Befehlssatz (Instructions Set) dar. Er wird in den Datenbüchern der Hersteller ausführlich beschrieben. Um in Maschinensprache zu programmieren, muß der Programmierer den Prozessor kennen. Hierbei ist vor allem die Kenntnis des Registerplans und des Befehlssatzes der CPU wesentlich. Als Beispiel dient der Prozessor 8085. Ein Auszug des Befehlssatzes befindet sich in Tabelle III-31 und Tabelle III-32. Bild III-107 zeigt den Registerplan der 8085 CPU. Hier sind alle Register zusammengefaßt, auf die man als Programmierer Einfluß üben kann. Die Register Akkumulator bis L-Register sind 8-Bit-Register. Der Stapelzeiger und der Befehlszähler sind 16-Bit Register. Damit ist die Bit-Zahl gemeint, die das jeweilige Register aufnehmen kann. Die Register B, C, D, E und H, L können zusammengefaßt werden. Sie arbeiten dann als Registerpaare B, D und H. Der Name des Registerpaares gibt an, wo sich jeweils die höherwertigen Bits befinden. Akkumulator und FlagRegister (Kennzeichen-Register) faßt man unter dem Namen PSW (Progamm Status Word) zusammen.
C Registerpaar D
D
E Registerpaar H
H
L
Stapelzeiger
SP
Befehlszähler
PC
Bild III-107 Registerplan der 8085 CPU
6.2 Maschinencode Für alle Befehle eines Mikroprozessors existiert eine Struktur unterschiedlicher Bits, die eine bestimmte Systematik beinhaltet. Daher lassen sich aus dem Format des Maschinencodes und aus der Kenntnis der Registertabelle weitere Befehle herleiten. Der Registername oder die Registerkennung und der Operationscode sind hardwaremäßig festgelegt. Beispiel: Der Befehl „INR D“ (Increment D) bedeutet, daß sich
der Registerinhalt nach Befehlsausführung um 1 erhöht. Der Operationscode lautet 00sss1002 (Bild III-108). Für die Platzhalter sss kann jetzt die Registerkennung 0102 = D-Register eingefügt werden, und man erhält den Maschinencode 000101002. Beispiel: Die Bitfolge 10110sss2 bedeutet, daß der Akkumulator
mit einem Register eine Oder-Verknüpfung durchführen soll. Mit welchem Register dies zu geschehen hat, ist wieder durch die Platzhalter sss (Quellenregister) symbolisiert. Damit lautet der Befehl ORA B: 101100002 und ORA C: 101100012. Die Z80 CPU besitzt bei gleichen Befehlen den gleichen Maschinencode. Die MC’s 8085 und Z80 arbeiten mit Informationseinheiten von 8 Bit (1 Byte).
Beispiel
0
0
0
B-Register
0
0
1
C-Register
0
1
0
D-Register
0
1
1
E-Register
1
0
0
H-Register
1
0
1
L-Register
1
1
1
A-Register
Register-Kennung 0
0
s
s
s
1
0
0
Operationscode für den Befehl INR
Bild III-108 Registertabelle und Herleitung von Befehlen
0 0
0
0
0
0
0
1
0
1
0
0
1
1
1
0
0
1
0
1
1
1
1
1
0
INR D
0
648
Datentechnik
6.3 Befehlsaufbau
genden Bytes wird dann die Adresse angegeben. Unterschieden werden dem Aufbau nach 1-Byte-, 2-Byte- und 3-Byte-Befehle (Bild III-110). Der 1-Byte-Befehl bedeutet, daß vom Akkumulatorinhalt der Inhalt des Registers B subtrahiert wird. Das Ergebnis wird wieder zum Akkumulator geschrieben. Im 2-Byte-Befehl werden die Daten 111111112 zum Akkumulator gebracht, und im 3-Byte-Befehl gelangen die Daten des Akkumulator zur Speicherstelle 1000 0010 0000 00002. Bei Angabe der Adresse ist wesentlich, daß die Reihenfolge genau eingehalten ist. Zunächst muß dem Befehlsregister das L-Byte (niederwertigsten 8 Bit) und dann das H-Byte (höherwertigsten 8 Bit) zugeführt werden.
Ein Befehl besteht aus einem Operationsteil und einem Operanden (Bild III-109). Das erste Byte des Befehls ist immer der Befehlscode (Operationscode). Befehl Operationsteil MOV
Transport
JMP
Sprung
ADD
Addition
Operand
Bild III-109 Aufbau eines Befehls
6.4 Befehlsdarstellung
Hiermit wird dem Prozessor mitgeteilt, welche Operation ausgeführt werden soll. In weiteren Bytes können sich Daten oder Adressen befinden. Soll der Prozessor Daten vom Akkumulator zu einer Speicherstelle bringen, dann ist dies mit einem Byte nicht mehr zu codieren, da die Adresse des Speichers schon 16 Bit ausmacht. Folglich wird dem Prozessor im ersten Byte mitgeteilt, daß er Daten zu einer Speicherstelle zu kopieren hat; in den beiden fol2-Byte-Befehl
1-Byte-Befehl
0
0
1
0
3-Byte-Befehl
11111111 ->A Daten
(A) - (B) ->A 1
Heute ist es nicht mehr üblich, in binärcodierter Form zu programmieren. Wenn von Maschinenprogrammen gesprochen wird, meint man die Assemblerdarstellung der Befehle. Die Mnemoniks (Symbole) der Operationscodes (Assembler) lassen sich mit einiger Übung leicht merken, da sie sich aus den Befehlsfunktionen ableiten lassen. Die Darstellung der Daten und Adressen erfolgt hierbei in hexadezimaler Form.
0
0
0
0
0
Operationscode
1
1
1
(A) -> 1000001000000000 H-Byte
1
1 0
Adresse
Operationscode
1
1
1
1
1 1
1 1
Daten
L-Byte
0
0
1
1
0
0
1
0
0
0
Operationscode
Bild III-110 Befehlsformate
0
0
0
0
0
0
L-Byte der Adresse
1
0
0
0
0
0
1
0
H-Byte der Adresse Beispiel:
Mnemonik/Assembler
Kommentar
MVI A,FF LD A,FF STA 8200
; Kopiere die Daten 111111112 zum Akkumulator ; Kopiere die Daten 111111112 zum Akkumulator ; Kopiere den Inhalt des Akkumulators zur Adresse ; 1000 0010 0000 00002
Um Schreibarbeit zu sparen und Programme übersichtlich zu halten, verwendet man bei Kommentaren häufig eine Kurzschreibweise. Alles, was in der Klammer steht, bedeutet dann den Inhalt eines Registers oder einer Adresse. Ein Pfeil gibt die Datenrichtung an. → B bedeutet: Akkumulatorinhalt nach B bringen (8200) → A bedeutet: Inhalt der Adresse 8200 zum Akkumulator bringen.
Beispiel: (A)
Die Umsetzung der Mnemonik und der Hexform in die Binärform des Maschinencodes erfolgt mit einem Übersetzerprogramm (Assembler).
(8085) (Z80) (8085)
6.5 Befehle Die Befehle eines Mikroprozessors lassen sich unter dem Gesichtspunkt der Befehlsfunktionen oder nach Adressierungsarten ordnen. 6.5.1 Befehlsfunktionen Bei den Datentransport-Befehlen (Kopierbefehlen) werden Daten unmittelbar in ein Register eingegeben oder Daten werden zwischen den Registern oder
III Mikrocomputertechnik
649 Mit den Schiebe-Befehlen (Rotations-Befehle) kann der Inhalt vom Akkumulator links oder rechts jeweils um eine Bitstelle verschoben werden. Dadurch gelangt Bitstelle 7 bei Links-Rotation zur Bitstelle 0 und Bitstelle 0 bei Rechts-Rotation zur Bitstelle 7. Hierbei wird auch gleichzeitig das Carrybit verändert. Eine weitere Befehlsart läßt die Rotation nur über das Carrybit zu. Bild III112 führt die verschiedenen Befehle auf. Mit Hilfe der logischen Befehle können zwischen dem Akkumulator und den Registern oder mit Konstanten logische Verknüpfungen wie UND, ODER und EXKLUSIV-ODER durchgeführt werden. Durch diese Befehle wird das Flag-Register beeinflußt. Mit den Sprungbefehlen wird der Ablauf eines Programms geändert. Der Prozessor arbeitet normalerweise Adresse für Adresse nacheinander ab. Es können unbedingte oder bedingte Sprünge programmiert werden. Ein unbedingter Sprung enthält im Befehl selbst eine Adresse und wird immer ausgeführt.
zwischen Speicher und Registern kopiert. Bei den Transportbefehlen wird zwischen verschiedenen Adressierungsarten unterschieden. In der Assemblerschreibweise ist es üblich, zunächst das Ziel und dann die Quelle anzugeben. MOV A,B bedeutet, daß Daten von B nach A transportiert werden sollen (Bild III111). MOV A,B Ziel B
Quelle Daten
A
Beispiel:
JMP 8200
Bild III-111 Assemblerschreibweise
;Springe zur Adresse 8200
Der bedingte Sprung ist von einer Bedingung abhängig. Hierbei ist zwischen bejahenden und verneinenden Sprüngen zu unterscheiden. Beispiel:
Mit Hilfe der arithmetischen-Befehle werden Daten oder Registerinhalte miteinander addiert, subtrahiert, inkrementiert (um 1 erhöht) oder dekrementiert (um 1 vermindert).
JNZ JZ
Springe, wenn Z nicht „1“ gesetzt ist. Springe, wenn Z „1“ gesetzt ist.
Die Bedingung überprüft der Mikroprozessor im Flagregister (Kennzeichen-Register). In Bild III-113 befindet sich die Anordnung der Bits. Die Bitstellen (Flags) werden bei bestimmten Operationen wie arithmetischen und logischen Befehlen gesetzt.
Beispiel: Die Inhalte der Speicherstellen A000 (Inhalt = 03H) und
A001 (Inhalt = 11H) werden addiert und das Ergebnis zur Speicherstelle A002 gebracht. Nach dem Programmablauf befindet sich in der Speicherstelle A002 der Inhalt 14H bzw. 0001 01002. Programm: Adresse
Operationscode
Assembler
Kommentar
0000
3A 00 A0
LDA A000
;(A000)
→A
0003
47
MOV B,A
;(A)
→ B „retten“
0004
3A 01 A0
LDA A001
;(A001)
→A
0007
80
ADD B
;(A) + (B) → A
0008
32 02 A0
STA A002
;(A)
000B
76
HLT
;Halt
→ A002
Beispiel
CY 0
vor der Befehlsausführung Akkumulator D7 D6 D5 D4 D3 D2 D1 D0 1 0 1 1 1 1 1 0
nach der Befehlsausführung
1
0
1
1
1
1
1
0
0
RAL 0
1
0 1
1
1
1
1
0
0
0
1
0
1
1
1
1
1
1
1
0
1
0
1
1
1
1
1
0
1
1
1
0
0
0
1
0
1
1
1
1
1
RAR 0
1
0
1
1
1
RLC 0
1
0
1
1
1
RRC
Bild III-112 Rotationsbefehle
650
Datentechnik 8085
S
Z
Z80
AC
P
CY
S
Z
AC
PV N CY
Beispiele: Das Carry-Flag wird bei arithmetischen Operation
Beispiel: Abfrage des Zero-Flag
gesetzt oder zurückgesetzt. Flagregister (A) = 1010 11112 (B) = 0110 00002 ____________________ _____ (A) + (B)
=
Bei einfachen Zählschleifen wird der Inhalt eines Registers so lange dekrementiert, bis der Registerinhalt Null ist.
(A) = 1011 11112 (B) = 1011 11112 ____________________ _____ =
0000 00002
Z wird auf „1“ gesetzt
(A) = 1010 00012 (B) = 0101 11112 ____________________ _____ (A) + (B)
=
Z und Cy wird auf „1“ gesetzt
1 0000 00002
= =
0011 11112 1000 11012
S = „0“ S = „1“
Das Hilfscarry-Flag wird durch arithmetische und logische Verknüpfungen bei Entstehen eines Übertrags von Bit 3 nach Bit 4 gesetzt. Das Parity-Flag gibt eine „1“-Meldung, bei gerader Parität der 1Bit-Stellen im Akkumulator und eine „0“-Meldung bei ungerader Parität (A) (A)
= =
1010 11112 1010 11012
P = „1“ P = „0“
Hauptprogramm
Unterprogramm
CALL UP
UP PUSH PSW PUSH .. B . POP B POP PSW RET
1 2
3
CALL UP HLT
Nach dem Befehl
PUSH PSW
Assembler
Bemerkung
0000
3E FF
MVI A,FF
;FF
0002
3D
DCR A
;(A) – 1 → A
0003
C2 02 00
JNZ 0002
;Null?
0006
76
HLT
;Halt
4
Adresse
PUSH B
Operationscode
LAST IN
3 Stapelzeiger
2 Stapelzeiger
1 CALL ADR Stapelzeiger
Stapelzeiger
Bild III-114 Stack-Prinzip
Speicher FIRST OUT
27F8 27F9
(C)
27FA
(B)
27FB
(F)
27FC
(A)
27FD
Rücksprung-
27FE
Adresse
27FF
→A
Unterprogramm- und Stapelspeicherbefehle: Programmteile oder Programme, die innerhalb eines Hauptprogramms häufiger benötigt werden, brauchen nur einmal programmiert werden. Solche Programme nennt man Unterprogramme. Wie bei Sprungbefehlen gibt es bedingte und unbedingte Unterprogrammbefehle. Ein unbedingter Unterprogrammaufruf wird mit dem Befehl CALL erreicht. Der Rücksprung zum Hauptprogramm erfolgt mit dem Befehl RET. Mit Aufruf des Unterprogramms wird die nachfolgende Hauptprogrammadresse zum Stack gebracht, um beim Rücksprung aus dem Unterprogramm das Hauptprogramm dort fortsetzen zu können. Oft werden im Unterprogramm Register benötigt, die im
Das Sign-Flag (Vorzeichen) bezieht sich auf das MSB (Most Significant Bit = höchstwertigstes Bit) des Akkumulators bei Interpretation des Datenwortes in Zweierkomplementdarstellung. (A) (A)
Adresse
Cy wird auf „1“ gesetzt
1 0000 11112
Ist das Ergebnis bestimmter Operationen „0“, dann wird das ZeroFlag gesetzt. Stack
(A) – (B)
Bild III-113 Bitanordnung im Flagregister
Nach dem Befehl 1 Stapelzeiger
2 Stapelzeiger
POP B
POP PSW 3
Stapelzeiger
RET
III Mikrocomputertechnik Hauptprogramm schon Daten übertragen bekommen haben und deren Inhalte sich nicht während des Unterprogrammablaufs ändern dürfen. Zur „Rettung“ dieser Daten wird dann ebenfalls der Stapelspeicher eingesetzt. Der Stapelspeicher (Stack) selbst ist Teil des Arbeitsspeichers. Er ist bei Programmierung von Unterprogrammen im Hauptprogramm stets zu initialisieren. Hiermit ist gemeint, daß der Stapelzeiger mit einer Adresse geladen wird. Dabei kann jeder beliebige Teil des Speichers als Stack verwendet werden. Da der Stapelspeicher mit der Adresse des Stackpointer beginnend bei jedem Aufruf je die zwei niederwertigeren Adressen mit Daten füllt, ist es zweckmäßig, ihn an die höchste Adresse des Arbeitsspeichers zu legen. Aus Bild III-114 geht das Prinzip hervor. Hier wird der Stackpointer auf die Adresse 27FF gebracht. Nach Aufruf des Unterprogramms mit CALL steht der Stackpointer auf der Adresse 27FD. Mit den Befehlen PUSH PSW und PUSH B im Unterprogramm werden die Inhalte der Register auf den Stack gebracht, sie werden für das Hauptprogramm „gerettet“. Der Stackpointer zeigt auf die Adresse 27F9. Im Unterprogramm kann jetzt mit den Registern A, B und C gearbeitet werden, weil am Ende des Unterprogramms durch POP B und POP PSW der Originalzustand der Register B und A wieder hergestellt wird. Mit POP B wird beispielsweise der Inhalt der Adresse 27F9 zum C-Register und der Inhalt der Adresse 27FA zum B-Register gebracht. Bei der Programmierung ist, wie auch das Beispiel zeigt, darauf zu achten, daß der zuletzt zum Stack gebrachte Registerinhalt als erstes vom Stack zurückgerufen wird (Last In-First Out), weil sonst Registerinhalte vertauscht werden. Ein- und Ausgabe-Befehle: Sollen Daten von einer E/A-Einheit zur CPU oder von der CPU zur E/AEinheit geleitet werden, wird das mit IN (Eingabebefehl) und OUT (Ausgabebefehl) durchgeführt. Hierbei muß hinter dem IN- und OUT-Befehl die jeweilige Adresse der E/A-Einheit (des Ports) angegeben werden. Beispiel:
IN FF:
Die Daten gelangen von der Portadresse FF zum Akkumulator OUT FF: Die Daten werden vom Akkumulator zur Portadresse FF gebracht. Bei Einsatz eines programmierbaren Portbausteins ist dieser zunächst zu initialisieren.
Interrupt-Befehle dienen zur Unterbrechungssteuerung (siehe auch Abschnitt Mikroprozessortechnik). Durch einen Impuls oder einen Pegel an einem Interrupteingang des Prozessors wird das laufende Programm nach Abarbeitung des gerade in Arbeit befindlichen Befehls unterbrochen. Es erfolgt ein Sprung zu einer vom Hersteller hardwaremäßig festgelegten Adresse, zur Interrupt-Routine. Der Befehlszählerstand wird auf dem Stack gespeichert, um
651 nach dem Rücksprung aus der Routine mit dem Programm fortfahren zu können. Die Anzahl der Interrupteingänge sind bei den Prozessoren unterschiedlich. Der MC 8085 besitzt die fünf Interrupteingänge TRAP, RST 7.5, RST 6.5, RST 5.5 und INTR. Hierbei wird zwischen maskierbaren und nichtmaskierbaren Interrupteingängen unterschieden. Mit dem Befehl SIM (Set Interrupt Mask) und Verwendung des Akkumulatorinhalts können die maskierbaren Interrupts gesperrt oder freigegeben werden, wenn allgemein Interrupts mit dem Befehl EI (Enable Interrupt) zugelassen werden. Mit DI (Disable Interrupt) kann die Zulassung der Interrupts verweigert werden. Aus Bild III-115 wird die Wirkung der Befehle sichtbar. Eine Interruptannahme erfolgt nur, wenn mit SIM die entsprechende Maske gesetzt wurde und mit EI die Freigabe erfolgt. Nicht von diesen Befehlen betroffen ist der TRAP-Interrupt (nicht maskierbar). Er wird bei einer Anforderung immer wirksam und besitzt Vorrang vor allen anderen Interruptzugriffen. TRAP +
EI
SIM
DI &
RST7.5
+
&
+
&
RST6.5
&
+
&
RST5.5
&
&
INTR
Maske
Bild III-115 Interruptannahme Ermöglicht die Interrupt-Maske Zugang verschiedener Geräte zur CPU und erfolgen Interruptanforderungen gleichzeitig, tritt die vom Hersteller festgelegte Priorität ein. In Bild III-116 ist die Priorität und die Lage der Hardware-Verzweigungen dargestellt. An der jeweiligen Adresse kann nur eine kleine Routine geschrieben werden, oder es steht dort ein Sprungbefehl zum Arbeitsspeicher. Wie ein Unterprogramm wird die Routine mit RET abgeschlossen. Mit dem Befehl RIM (Read Interrupt Mask) wird der Akkumulator geladen. Damit können die Maske und tatsächliche Unterbrechungen abgefragt werden, wie die Anordnung der Bits Bild III-117 zeigt. Der INTR-
652
Datentechnik Speicher
Priorität 1 TRAP
24
4 RST5.5
2C
3 RST6.5
34
2 RST7.5
3C
00
RST 0
08
RST 1
10
RST 2
18
RST 3
20
RST 4
28
RST 5
30
RST 6
38
RST 7
INTR
40
Bild III-116 Interruptadressen und Priorität
SIM
7.5
MS 7.5
6.5
Interrupteingang dient als Vektorinterrupt. Bei seiner Auslösung zeigt er nach Abfrage INTA (Interrupt Acknowledge) des Datenbusses auf eine der 8 Hardwareadressen (Bild III-117). Interrupt
5.5
6.5.2 Adressierungsarten Adressierung
Flipflop setzen "1"
Maske "1" freigeben "0" sperren
"1" setzen "0" rücksetzen
RIM 7.5
6.5
5.5
IE
7.5
Zustände
6.5
5.5
Maske
Bild III-117 Bit-Anordnung für SIM- und RIMBefehl implizite Adressierung
Bei den Transportbefehlen lassen sich verschiedene Adressierungsarten (Bild III-118) unterscheiden. Die implizite Adressierung enthät keine OperandenAdresse, wie das beispielsweise bei dem Kopieren der Daten von einem zum anderen Register der Fall ist. Hier ist im Befehl implizit (inbegriffen) die Funktion gegeben. Man bezeichnet diese Adressierungsart auch als Registeradressierung. Bei der unmittelbaren (immediate) Adressierung enthält der Befehl die zu verarbeitende Konstante. Hierbei kann es sich um eine 8-Bit- oder 16-Bit-Konstante handeln. Man spricht von direkter Adressierung, wenn die Speicherstelle im Befehl benannt wird. Die 16Register
Register
Konstante
Register
Konstante
RP
Register
Speicher
Speicherstelle
Register
Speicher
indirekte Adressierung
Register
Speicher
Kopiere Daten von Register zu Register
unmittelbare Adressierung Bringe eine Konstante in ein Register oder ein Registerpaar
direkte Adressierung Kopiere Daten von und zu einer
Bringe Daten von einem Register in die Speicherstelle, auf die ein Registerpaar zeigt
Bringe Daten von der Speicherstelle, die in einem Registerpaar steht, zum Register
.
RP
Register
Speicher RP
Bild III-118 Übersicht: Adressierungsarten
III Mikrocomputertechnik
653
Befehl Implizite Adressierung
Vor dem Befehl
MOV B, C
Unmittelbare Adressierung
MVI D, FF
Indirekte Adressierung
MOV A, M
Nach der Befehlsausführung
C
C
03
FF
B
B
FF
FF
D
D
03
FF
A
A
03
FF Speicher
Speicher ADR 8200
FF
ADR 8200
FF
RP H
RP H
8200
8200
Bild III-119 Beispiele Bit-Adresse folgt direkt hinter dem Operationscode. Bei der indirekten Adressierung wird die Adresse, die angesprochen werden soll, zuvor in einem Registerpaar abgelegt (siehe Beispiele Bild III-119). Der MC Z80 kennt außerdem noch die relative und indizierte Adressierung. Bei der relativen Adressierung erhält der Sprungbefehl eine durch eine Konstante festgelegte Distanzadresse, um von einer absoluten Adresse unabhängig zu sein. Die indizierte Adressierung legt das Indexregister und die Adressen fest. Beispiel: LD A,(IX + 0009) Sprung um (IX) + 9 Adressen.
Datenbus
WR
Alle Befehle, die ein Mikroprozessor durchführen soll, stehen im Speicher. Das Zusammenwirken von CPU und Speicher zeigt Bild III-120 an einem 2Byte-Befehl. Beim Einschalten wird der Programmzähler immer auf die Adresse (ADR) 0000 gestellt, die Steuerung der CPU wird mit RD (Read) aktiviert, und der Inhalt der ADR 0000 wird zur CPU gebracht. Dort erfolgt die Decodierung. Der Programmzähler
CPU Steuerung RD ADR 0000 lesen Daten
Adresse
3E
0000
FF
0001
00
0002
76
0003
RD Steuerung
6.6.1 Befehlszyklus
Programmzähler auf ADR 0000
Adreßbus
CPU
6.6 Befehlszyklus und Befehlszeiten
Speicher
(ADR 0000 = 3E) über Datenbus zur CPU
CPU decodiert 3E Programmzähler + 1 = ADR 0001 CPU Steuerung RD ADR 0001 lesen (ADR 0001 = FF) über Datenbus zum Akkumulator Programmzähler + 1 = ADR 0002
Bild III-120 Zusammenwirken von Speicher und CPU
654
Datentechnik Befehlszeit Befehlszyklus
Befehlsabruf 1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
Taktzyklus OperationsSchritt 1
OP-Code lesen 32
OperationsSchritt 2
OperationsSchritt 3
Adresse lesen Adresse lesen Akkumulator L-Byte H-Byte zum Speicher 00 82 schreiben
Vor dem Befehl STA 8200 Akkumulator
Adresse
FF
Nach Befehlsausführung
Seicher
8100
32
8101
00
PC
8102
82
8100
8103
8200
OperationsSchritt 4
Akkumulator FF
Adresse
Seicher
8100
32
8101
00
PC
8102
82
8103
8103
03
8200
FF
Bild III-121 Befehlszyklus Befehlszeit
Zeit Anzahl der Takte 05 -->A
Zeit: NEXT:
(A) - 1 ->A
MVI A,05 DCR A JNZ NEXT RET
nein Null?
ja RET
Bild III-122 Zählschleife
7 Takte 5 Takte 10 Takte bei Rücksprung sonst 7 Takte
III Mikrocomputertechnik erhöht sich automatisch um 1 und legt die ADR 0001 auf den Adreßbus. Der Inhalt dieser Adresse wird von der CPU wieder über den Datenbus gelesen. Mit der Information 3E erhält die CPU den Befehl, das nächste Byte zum Akkumulator zu bringen. Diese Befehlsbearbeitung erfordert eine gewisse Zeit. Das Einlesen und Ausführen eines Befehls bezeichnet man als Befehlszyklus (instruction cycle). Er wird in bestimmte Zeiteinheiten mit definierten Vorgängen, den Operationsschritten (states), aufgeteilt; jeder Operationsschritt wiederum in mehreren Taktzyklen. Der erste Operationszyklus ruft immer einen Befehl auf und wird daher Befehlsabrufzyklus (Opcode Fetch) genannt. Weitere Operationszyklen können der Speicher-Lesevorgang (Memory Read) und der Speicher-Einschreibvorgang (Memory Write) oder Ein/Ausgabeschnittstelle lesen oder schreiben sein. Die Operationszyklen werden auch als Maschinenzyklen bezeichnet. Bild III-121 führt dies beispielhaft für den Befehl STA 8200 an. Mit diesem Befehl wird der Inhalt des Akkumulators zur Adresse 8200 kopiert.
655 6.6.2 Befehlszeiten Die Befehlszeit (Dauer eines Befehls) ist zum einen von der Taktdauer und zum anderen von der Anzahl der Takte pro Befehl abhängig. Hieraus läßt sich die Zeit, die ein Programm benötigt, berechnen. Beispiel: Bei einem Taktzyklus von 0,5 ms ergibt sich mit 7 +
(15 ⋅ 5) – 3 = 79 Takte eine Zeitdauer von 39,5 ms für die in Bild III-122 (siehe Seite 134) dargestellte Zeitschleife. Soll die Zeitschleife genau 40 ms dauern, kann ein NOP-Befehl eingefügt werden.
7 Befehlsvorrat Der Befehlsvorrat eines Prozessors enthält alle Befehle, die er ausführen kann. Die nachfolgende Tabelle III-31 gibt einen Auszug aus dem Befehlsvorrat des MC 8085 und die Anzahl der Operationszyklen an. Tabelle III-32 informiert über den Operationscode einiger Befehle. Assembler Flags
Tabelle III-31 Befehlsvorrat Assembler
Bedeutung
Operationszyklen
MOV D,S
Move Data; Übertrage Daten
1
4
–
MVI K
Load Data Immediate Into Register; Lade Daten unmittelbar in das Register
2
7
–
LDA ADR
Load Akku From Memory; Bringe den Inhalt einer Adresse zum Akku
4
13
–
STA ADR
Store Akkumulator From Memory; Speichere Akkuinhalt direkt zum Speicher
LXI KK
Load 16 Bit Into Register Pair; Lade 16 Bit in ein Registerpaar
Taktzyklen
Flags
Transportbefehle:
Arithmetische und logische Befehle: INR D
Increment Register; Inkrementiere Registerinhalt
1
4
Z,S,P,HC
DCR D
Decrement Register; Dekrementiere Registerinhalt
1
4
Z,S,P,HC
ADD S
Add Register; Addiere Registerinhalt zum Akkumulator
1
4
Z,S,P,HC
ADC S
Add Register With Carry; Addiere mit Übertrag
1
4
Z,S,P,HC
SUB S
Subtract Register; Subtrahiere Registerinhalt vom Akkumulator
1
4
Z,S,P,HC
CMP
Compare Register; Vergleiche Register mit Akkumula- 1 tor (der Akkumulatorinhalt ändert sich hierbei nicht)
4
Z,S,P,HC
ADI K
Add Immediate; Addiere direkt zum Akkumulator
7
Z,S,P,Cy
2
656
Datentechnik
Tabelle III-31 (Fortsetzung) Assembler Operationszyklen Flags Assembler
Bedeutung
Operationszyklen
Taktzyklen
Flags
ACI K
Add With Carry; Addiere mit Carry zum Akkumulator
2
7
Z,S,P,Cy
SUI K
Subtract Immediate; Subtrahiere direkt zum Akkumulator
2
7
Z,S,P,Cy
SBI K
Subtract With Borrow; Subtrahiere direkt vom Akkumulator mit Borger
2
7
Z,S,P,Cy
CPI K
Compare With Immediate Data; Vergleiche direkt
2
7
Z,S,P,Cy
CMA
Complement With Akkumulator; Komplementbildung
1
4
-STC
STC
Set Carry; Carryflag setzen
1
4
Cy
INX RP
Increment; Inkrementiere Registerpaar
1
6
–
DCX RP
Decrement; Dekrementiere Registerpaar
1
6
–
ANA S
AND Register; UND-Verknüpfung mit Akkumulator
1
4
Z,S,P,Cy
XRA S
EXCLUSIV-OR; XOR-Verknüpfung mit Akkumulator
1
4
Z,S,P,Cy
ORA S
ÔR Register; ODER-Verknüpfung mit Akkumulator
1
4
Z,S,P,Cy
ANI K
UND-Verknüpfung mit Konstante
2
7
Z,S,P,Cy
XRI K
XOR-Verknüpfung mit Konstante
2
7
Z,S,P,Cy
ORI K
ODER-Verknüpfung mit Konstante
2
7
Z,S,P,Cy
RLC
Rotate Akku Left
1
4
Cy
RAL
Rotate Akku Left Through Carry
1
4
Cy
RRC
Rotate Akku Right
1
4
Cy
RAR
Rotate Akku Right Through Carry
1
4
Cy
JMP ADR
JUMP; direkter Sprung
3
10
–
JZ ADR
Jump On Zero; Springe, wenn Z-Flag gesetzt
3
10
–
JNZ ADR
Jump If Not Zero
3
10
–
JM ADR
Jump On Minus; Springe, wenn S-Flag gesetzt
3
10
–
JC ADR
Jump On Carry
3
10
–
JPO ADR
Jump On Parity Odd; Springe bei ungerader Parität
3
10
–
JPE ADR
Jump On Parity Even; Springe bei gerader Parität
3
10
–
CALL ADR
Unterprogrammaufruf
5
18
–
RET
Return, Rücksprung zum Hauptprogramm
3
10
–
Rotationsbefehle:
Sprungbefehle:
Unterprogrammaufruf und Stapelspeicher:
III Mikrocomputertechnik
657
Tabelle III-31 (Fortsetzung) Assembler Operationszyklen Flags Assembler
Bedeutung
Operationszyklen
Taktzyklen
Flags
PUSH B
BC zum Stack schreiben
3
12
–
PUSH D
DE zum Stack schreiben
3
12
–
PUSH H
HL zum Stack schreiben
3
12
–
PUSH PSW
AF zum Stack schreiben
3
12
–
POP B
BC vom Stack holen
3
10
–
POP D
DE vom Stack holen
3
10
–
POP H
HL vom Stack holen
3
10
–
POP PSW
AF vom Stack holen
3
10
–
IN
Eingabe zum Akkumulator
3
10
–
OUT
Ausgabe vom Akkumulator
3
10
–
EI
Enable Interrupts; Interrupts freigeben
1
4
–
DI
Disable Interrupts; Interrupts sperren
1
4
–
SIM
Set Interrupt Mask; Interruptmaske setzen
1
4
–
RIM
Read Interrupt Mask; Interruptmaske lesen
1
4
–
HLT
Halt
1
5
–
NOP
No Operation
1
4
–
E/A-Befehle:
Interruptbefehle:
Sonstige Befehle:
Tabelle III-32 Befehle und Operationscode (Auswahl) A
B
C
D
E
H
L
M
MOV A,
7F
78
79
7a
7B
7C
7D
7E
MOV B,
47
40
41
42
43
44
45
46
MOV C,
4F
48
49
4A
4B
4C
4D
7E
MOV D;
57
50
51
52
53
54
55
56
MOV E
5F
58
59
5A
5B
5C
5D
5E
MOV H;
67
60
61
62
63
64
65
66
MOV L,
6F
68
69
6A
6B
6C
6D
6E
MOV M,
77
70
71
72
73
74
75
658
Datentechnik
Tabelle III-32 (Fortsetzung) A
B
C
D
E
H
L
MVI A,K
3E XX
INR A
3C
DCR A
3D
MVI B,K
06 XX
INR B
04
DCR B
05
MVI C,K
0E XX
INR C
0C
DCR C
0D
MVI D,K
16 XX
INR D
15
DCR D
15
MVI E,K
1E XX
INR E
1C
DCR E
1D
MVI H,K
26 XX
INR H
24
DCR H
25
MVI L,K
2E XX
INR L
2C
DCR L
2D
STA ADR
32 XX XX
LDA ADR
3A XX XX
JMP ADR
C3 XX XX
CALL ADR
CD XX XX
JZ ADR
CA XX XX
RET
C9
JNZ ADR
C2 XX XX
JM ADR
FA XX XX
PUSH PSW
F5
POP PSW
F1
PUSH B
C5
POP B
C1
PUSH D
D5
POP D
D1
PUSH H
E5
POP H
E1
M
8 Hinweise zur Programmierung und Progammbeispiele
Marke einen Operanden zu, und mit ORG wird die Anfangsadresse des Programms festgelegt.
Größere Programme werden in überschaubare Blöcke zerlegt und in Bibliotheken als Module gespeichert. Sie lassen sich dann für andere Programme nutzen. Beispiele für immer wieder benötigte Module sind Zählschleifen, Tabellenverarbeitung, Rechenprogramme, Interruptverarbeitung und Ein- und Ausgaben. Programme werden mit einem Textverarbeitungsprogramm (Editor) geschrieben und anschließend assembliert. Der Assembler übersetzt die Mnemonik in den Maschinencode und überprüft das Programm auf Syntaxfehler. Weiterhin stellt das Assemblerprogramm Hilfen zur Programmierung bereit. Dazu gehören z.B. Zuweisungen von Marken (Labels) und Anweisungen wie ORG (Origin = Anfang) und EQU (Equate = gleichsetzen). EQU weist dem Namen der
Beispiel 1: Für eine langsame Ausgabeeinheit wird eine Zeit-
schleife benötigt. Daher soll ein Unterprogramm mit dem Namen TIME programmiert werden. Im Hauptprogramm wird die Zeitdauer in das Registerpaar BC gebracht. Unterprogamm: TIME ORG 0100 TIME PUSH PSW PUSH B LOOP: DCX B MOV A,B ORA C JNZ LOOP POP B POP PSW RET
AF zum Stack „retten“ BC zum Stack „retten“ Registerpaar BC – 1 → BC Flagbeeinflussung Springe, wenn nicht Null, nach LOOP vom Stack zurückholen AF vom Stack zurückholen Zurück zum Hauptprogramm
Eine Flagbeeinflussung muß hier vorgenommen werden, weil beim Inkrementieren eines Registerpaares keine Flags gesetzt werden, also auch nicht bei Null.
IV Computertechnik
659
Adresse OP-Code Marke
Assembler
Bemerkung
0100 0101 0102 0103 0104 0105 0108 0109 010A
PUSH PSW PUSH B DCX B MOV A,B ORA C JNZ LOOP POP B POP PSW RET
;(AF) → Stack ;(BC) → Stack ;(BC) – 1 → BC ;(B) → A ;(C) OR (A) → A ;(BC) = 0? ;(Stack) → BC ;(Stack) → AF ;zum Hauptprogramm
F5 C5 0B LOOP: 78 B1 C2 02 01 C1 F1 C9
Beispiel 2: Löschen eines Speicherbereiches
Die Anzahl der zu löschenden Speicherstellen steht im Register B (Anzahl) und die erste zu löschende Speicherstelle im HLRegister (Zeiger). Erhöht sich das HL-Register um 1, steht auto-
matisch die nächste Speicherstelle im Registerpaar. Damit zeigt das HL-Register immer auf die gewünschte Speicherstelle. Nach jedem Löschvorgang wird der Zähler um 1 vermindert und ein erneuter Löschvorgang durchgeführt, bis der Zähler auf Null steht. Marke
CLEAR:
Assembler
Bemerkung
PUSH PSW PUSH H SUB A MOV M,A INX H DCR B JNZ CLEAR POP H POP PSW HLT
;(AF) → Stack ;(HL) → Stack ;A = 0 ;1. Stelle löschen ;Zeiger + 1 ;Zähler – 1 ;Ende? ;(Stack) → HL ;(Stack) → AF
IV Computertechnik 1 Komponenten eines Computers Ein Computer besteht immer aus der Hard- und der Software. Die Software läßt sich aufteilen in Programme, die die Zentraleinheit ausführt, und Daten, mit denen sie arbeitet. Zur Hardware gehört die Zentraleinheit und eine Anzahl peripherer Geräte. Von ihrer Leistungsfähigkeit in Verbindung mit dem Prozessortyp und der Größe des Arbeitsspeichers hängt die Leistungsfähigkeit des gesamten Computersystems ab. Periphere Geräte können nach ihrer Aufgabe eingeteilt werden in Ein- und Ausgabegeräte wie Tastatur, Monitor, Drucker und Plotter und in periphere Speicher wie Magnetplattenspeicher und optische Speicher. Die Anzahl und Art der Peripheriegeräte hängt von der Aufgabe und vom Einsatzgebiet des Computers ab. In einem Personalcomputer (PC) (Bild IV-1) ist die Zentraleinheit mit der Speichereinheit in einem Tisch- oder Towergehäuse untergebracht. Als Speicher für das Betriebssystem und für Anwenderprogramme dient eine Festplatte oder ein CDROM-Laufwerk. Zur Datensicherung und Datenverwaltung werden 3,5′- und 5,25′-Laufwerke einge-
setzt. Der angeschlossene Drucker wird für die Textoder Grafikausgaben benutzt. Tastatur und Monitor ermöglichen die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine. Die heute überwiegend grafisch orientierten Anwenderprogramme vereinfachen ihre Bedienung mit einer Maus. Prozeßrechner besitzen eine zusätzliche Prozeßperipherie für digitale und analoge Eingangs- und Ausgangssignale.
2 Massenspeicher Massenspeicher lassen sich nach ihrer Funktion in Magnetplatten, optische Speichermedien und Halbleiterspeicher einordnen.
2.1 Magnetplatten 2.1.1 Diskette und Diskettenlaufwerk Die Diskette (Floppy-Disk) ist ein Speichermedium, auf der Daten gespeichert, gelöscht und wieder überschrieben werden können. Sie besteht aus einer etwa 2 mm dicken Kunststoffträgerfolie, auf der beidseitig CD-Rom-Laufwerk
Drucker
Monitor
3' Disketten-Laufwerk 5 1/4'Disk-Laufwerk Mikroprozessor und Arbeitsspeicher
Tastatur Mouse
Bild IV-1 Hardwarekomponenten eines Computers
660
Datentechnik
eine magnetisierbare Schicht (z.B. Eisenoxidschicht) aufgebracht ist. Man unterscheidet Maxi-(8′), Mini(5,25′) und Mikro-Disketten (3,5′), wobei die beiden letzten sich bei PC’s durchgesetzt haben. Die Größenangabe bezieht sich auf den Durchmesser der Diskettenscheibe, die fest in einer rechteckförmigen Kunststoffhülle mit ausgekleideten Vliesinnenseiten eingeschlossen ist. Dort ist sie gegen kleinste Verschmutzungen (Staub, Fingerabdrücke), die zum Datenverlust führen können, geschützt. Da Disketten unter dem Einfluß magnetischer Felder ebenfalls ihre Daten verlieren, dürfen sie solchen Feldern nicht ausgesetzt werden. Einmal beschriebene Disketten können vor einem erneuten Beschreiben, und damit vor einem eventuellen Datenverlust, dadurch geschützt werden, daß die Schreibschutzkerbe bei den 5,25′-Disketten mit einem lichtundurchlässigen Klebestreifen versehen wird. Die 3,5′-Disketten besitzen einen Schieber, mit dem man die Schreibschutzöffnung schließen kann (Bild IV-2). Disketten erhalten erst ihre Funktion, wenn sie vom Rechner durch ein Programm formatiert wurden.
Beschriftungsfeldfeld
Vlies
Schreibschutz
Diskette
Bild IV-2 3,5′- Diskette
Spur 0
Sektor
Bild IV-3 Diskettenscheibe
Durch die Formatierung wird die Diskette in konzentrische Spuren (Traks) und radiale Sektoren aufgeteilt (Bild IV-3). Beispielsweise kann eine Diskettenseite 80 Spuren mit 18 Sektoren besitzen. Auf den Spuren der einzelnen Sektoren befinden sich nach einem Speichervorgang die entsprechenden Daten, die dort in Datenblöcken zusammengefaßt werden. Außer dem Datenblock enthält ein Sektor eine Sektorerkennung, eine Erkennungs- und eine Datenblocklücke. In der Sektorerkennung befinden sich Sektor- und Spurnummer (Bild IV-4). Liegt in Spur 0 ein Verzeichnis der Datennamen mit Zuordnung von Sektoradresse und Spurnummer, kann die gewünschte Information schnell ausgelesen werden. Die Speicherkapazität einer Diskette ist von der Formatierung abhängig. Beispielsweise ergibt sich bei der oben genannten Diskette bei 512 Byte/Sektor und zwei Aufzeichnungsseiten eine Kapazität von 1440 kByte. Zur Kennzeichnung des Sektors 0 dient ein Indexloch oder ein Erkennungsbyte. Die sich ergebenen Datenblöcke sind fortlaufend nummeriert. Auf jeder Spur innerhalb eines Sektors kann eine bestimmte Anzahl Daten, z. B. 256 oder 512 Byte gespeichert werden. Dies ist jeweils abhängig von der Spurdichte. Je mehr Spuren sich auf der Diskette befinden, desto mehr Daten kann sie aufnehmen. Die Spurdichte wird mit TPI (Tracks Per Inch = Spuren pro Zoll) angegeben und die Aufzeichnungsdichte in BPI (Bits per Inch). Man spricht auch von FCI (Flux Changes per Inch = Flußwechsel pro Zoll). Da die inneren Spuren einen geringeren Umfang besitzen, sind sie die Basis für die Anzahl der Daten. Die mittleren Zugriffszeiten bei Disketten betragen 100 bis 200 ms. Die übliche Speicherkapazität beträgt heute 1,44 MByte. Standartlaufwerke verwenden beide Seiten der Diskette und besitzen daher zwei Schreib- und Leseköpfe (Kombiköpfe). Ist ein PC mit mehreren Laufwerken ausgestattet, hat das Erstlaufwerk den Namen A und das Zweitlaufwerk den Namen B. Der Name C ist in der Regel der Festplatte vorbehalten. Das Prinzip der Aufzeichnung und das Lesen von Daten zeigt Bild IV-5. Beim Speichern der Daten erzeugt ein Schreibstrom im Schreib- und Lesemagnetkopf ein Magnetfeld, das im Luftspaltbereich des Kopfes auf der Diskette eine Magnetisierung bewirkt. Beim Lesen entsteht in der Kopfwicklung durch magnetische Induktion eine Spannung, die von der Magnetisierung (Ausrichtung der Molekularmagnete) der Diskette abhängt.
Sektorerkennung Spur Nr.
Spur Sektor
Bild IV-4 Spurformat
Sektor Nr.
Kopf Nr.
ErkennungsLücke
Datenfeld
DatenblockLücke
IV Computertechnik
661 Schreibstrom
Lesespannung
Magnetschicht Trägermaterial Bewegung
Kombikopf Schreibstrom oder Lesespannung
Luftspalt
Bewegung
Magnetschicht Diskettenscheibe
Bild IV-5 Schreib-Lesekopf
Codierung „1,1“ und ein Datenbit „0“ die Codierung „1,0“. Bei MFM-Verfahren (Modified FM) wird nur ein Synchronisationsbit auf die Diskette gebracht, wenn eine „0“ als Datenbit vorausging. Weil dieses Verfahren weniger Flußwechsel benötigt, erhöht sich die mögliche Speicherkapazität.
Bild IV-6 verdeutlicht den Zusammenhang zwischen Daten, Schreibstrom und Magnetisierung und zeigt mögliche Codierungsverfahren auf. Beim FMVerfahren (Frequency Modulation = Frequenzmodulationsverfahren) werden den Datenbits Synchronisationsbits zugefügt. Ein Datenbit „1“ erhält hierbei die Prinzip
Daten
1
1
0
0
1
0
1
1
Schreibstrom
1
1
0
0
1
0
1
1
1
0
1
1
0
1
1
Magnetisierung Flußwechsel FM-Verfahren
Takt Daten
1
1
0
0
Synchronisation Schreibstrom
Magnetisierung MFM-Verfahren
Takt Daten
1
1
0
0
1
Synchronisation Schreibstrom
Magnetisierung
Bild IV-6 Codierungsverfahren
662
Datentechnik einem nachfolgenden Schreibverstärker zugeführt. Hochfrequente Störspannungen werden vorher über ein Filter (Tiefpaß) ausgesiebt. Über eine Differenzierstufe und nachfolgenden Komparator wird das Lesesignal in eine gewünschte digitale Form gebracht, um hier je nach Codierungsverfahren dem FDC die decodierten Daten zur Verfügung zu stellen (Bild IV-8). Dort wird der serielle Datenstrom dann wieder in das parallele Format gebracht. Die entsprechenden Signale der einzelnen Blöcke sind mit dargestellt. Bild IV-9 zeigt beispielhaft einen Floppy-DiskControler, in dem sich alle notwendigen Funktionseinheiten befinden, mit seiner 34poligen Steckerleiste und dem Anschluß an das Bussystem.
Das Diskettenlaufwerk wird über den Floppy-DiskControler von der CPU angesteuert. Der Antriebsmotor läßt die Diskette 300 mal in der Sekunde rotieren und die Schrittmotorsteuerung bringt die Köpfe in die richtige Positon auf der Diskette. Ferner erhält der FDC Signale für die Spur 0- und Schreibschutzerkennung. Beim Schreibvorgang wandelt der Controler die eingehenden zu speichernden parallelen Daten in einen seriellen Datenstrom um und steuert über einen Schreibverstärker den Schreib-Lesemagnetkopf an. Bild IV-7 zeigt das Prinzip eines Diskettenlaufwerks mit Controler. Beim Lesen von der Diskette wird jeder Flußwechsel vom Lesekopf aufgenommen und als Wechselpannung
Schreib/Lesekopf Diskette Adresse
Schrittmotor Motor Schreibschutz
FloppyDaten
Spur 0
DiskMotorsteuerung
Controller
Leseverstärker Steuerung
Bild IV-7 Diskettenlaufwerk mit Controler
Schreibverstärker
Diskette Schreib/Lesekopf
Daten
Datenregenerierung
Komparator
Differenzierer
Verstärker
Filter
Magnetisierung
Lesespannung
t
Differenzierer
t
Komparator
t
Digitalspannung t Daten
1
1
0
0
1
0
1
1
Bild IV-8 Aufbereitung der Diskettendaten
IV Computertechnik
663
A0..A15
82077AA A0 A1 A2
D0..D7 TC DACK DRQ INT WR RD RESET 13
A9..A15
CS
AdreßDecoder
2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34
DENSL no no INDEX MEA OSB OSA MEB DIR STEP WDATA WE WAK00 WP RDATA HDSEL DSKCD
Der Baustein selbst wird wie ein E/A-Baustein über eine Adresse angesprochen. Vorgänger des 82077AA sind die Controler 8272 und NEC765A.
1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 25 27 29 31 33
GND
Bild IV-9 Floppy-Disk-Controler mit Anschlüssen
Die Platten rotieren im Gegensatz zu den Disketten ständig mit Geschwindigkeiten ab 5200 Umdrehungen pro Minute. Da sich bei den hohen Rotationsgeschwindigkeiten zwischen Plattenoberfläche und Kopf ein Luftpolster bildet, können sich Kopf und Platte nie berühren. Der Kopf „fliegt“ somit über die Platte. Zum Starten und Landen des Kopfes dient eine nicht zum Speicherbereich gehörende Randzone, die sogenannte landing zone. Beim Ausschalten des Rechners erfolgt das korrekte Landen („Parken“) automatisch. Floppy-Disk-Computer Festplatten sind stoßempfindlich. Ein Berühren der Platte durch die Köpfe (Headcrash) führt zu deren Zerstörung.
2.1.2 Festplatte und Festplattenlaufwerk Die Funktion der Festplatte beruht wie bei den Disketten auf der Magnetisierung einer Oberfäche. Das Trägermaterial von Festplatten ist Aluminium, auf der eine sehr dünne magnetisierbare Schicht (z.B. Eisenoxid) aufgebracht ist. Um die Speicherkapazität zu erhöhen, sind mehrere Platten übereinander (Bild IV-10) auf einer gemeinsamen Achse angebracht. Die Platte selbst ist – wie bei den Disketten auch – in konzentrische Spuren und radiale Sektoren aufgeteilt. Achse
Platten mit Magnetschicht
Linearmotor
Motor
Bild IV-10 Prinzip des Festplattenlaufwerks
Daten Schreib/leseköpfe
Sektor Interleave 1 Interleave 2
1 1
7 2
13 3
2 4
8 5
14 6
Bild IV-11 Interleave-Faktor
3 7
9 8
15 9
4 10
10 11
16 12
5 13
11 14
17 15
6 16
12 17
664 Der Vorteil der Festplatten gegenüber Diskettenlaufwerken liegt in der Geschwindigkeit (mittlere Zugriffszeit 10 ms) und in der wesentlich höheren Speicherkapazität (2 GByte und mehr). Unter Zugriffszeit versteht man die Zeit, die der Schreib-Lesekopf benötigt, um zur gewünschten Spur (Einstellzeit) und dem gewünschten Sektor (Latenzzeit) zu kommen. Durch die Formatierung werden Datenspuren in konzentrischen Kreisen eingerichtet und festgelegt, wo Sektoren und Zylinder auf der Platte liegen. Je dichter die Spuren nebeneinander verlaufen, desto größer ist die mögliche Speicherkapazität. Die genau übereinander liegenden Spuren eines Plattenstapels nennt man Zylinder. Die Zylinder sind jeweils wieder in kleinere Speichereinheiten (Sektoren) aufgeteilt. Die Anzahl der Sektoren ist auf allen Spuren gleich. Die größte Datendichte liegt somit auf der innersten Spur. Da auf der äußeren Spur die gleiche Dateninformation liegt, ist die Datendichte hier geringer. Ausnahmen bilden Platten mit Zone-Bit-Recording, wo die inneren Spuren weniger Sektoren als die äußeren enthalten und somit die Platzverschwendung auf den äußeren Sektoren entfällt. Der Controler speichert zusätzlich Kontrolldaten, um die Position der Magnetköpfe zu bestimmen. Bei den Vorgängertypen war die Geschwindigkeit der Festplatten größer als der mögliche Rechnerzugriff. Die Spur eines Sektors konnte nicht bei jeder Umdrehung der Festplatte, sondern erst bei der zweiten oder dritten Umdrehung gelesen werden. Ein InterleaveFaktor paßte die Umdrehungsgeschwindigkeit der Festplatte an die Geschwindigkeit des Prozessors bzw. an die Geschwindigkeit an, mit welcher der Controler Daten von oder zur Festplatte übertragen kann. Bild IV-11 vergleicht die Sektorenfolge der Festplatte mit einem Interleave-Faktor 3 und eine mit dem Interleave-Faktor 1. Die Festplatte selbst kann in mehrere logische Laufwerke unterteilt (partioniert) werden, die dann vom Betriebssystem jeweils als eigenständige physikalische Laufwerke behandelt werden. Wechselplatten sind nicht fest installiert. Sie können problemlos ausgewechselt und transportiert werden. 2.1.3 Magnetbandgeräte Magnetbandgeräte (Streamer) dienen zur Aufnahme und Sicherung großer Datenmengen. Die Aufzeichnung der Daten erfolgt durch die Magnetisierung einer dünnen Eisenoxidschicht, die sich auf einer Trägefolie befindet. Ein unmittelbarer freier Zugriff auf bestimmte Daten ist nicht möglich.
2.2 CD-ROM- und CD-Laufwerk Das CD-Laufwerk (CD = Compact Disc) gehört heute zur Grundausstattung eines PC-Systems. Die CD zählt zu den optischen Speichern, bei denen zwischen CDWROM (Write Once Read Multiple, kann einmal beschrieben werden) und CD-ROM unterschieden wird. Ihr Vorteil gegenüber Festplatten liegt in der
Datentechnik sehr hohen Speicherkapazität (über 500 MByte) und den relativ kurzen Zugriffszeiten (unter 1ms). Die Datenspur liegt spiralförmig auf der CD vor und wird von innen nach außen gelesen. Die Daten der Standart CD sind in Tabelle IV-1 zusammengefaßt. Tabelle IV-1 Standart CD Durchmesser: Drehzahl: Abtastrichtung: Abtastgeschwindigkeit: Spurbreite: Abstand benachbarter Spurabschnitte:
120 mm 200 – 530 min–1 von innen nach außen konstant 0,6 mm 1 mm
CD Lasereinheit Motor
Datenverarbeitung
ServoSteuerung
Bild IV-12 Prinzip eines CD-Laufwerkes Bild IV-12 zeigt den prinzipiellen Aufbau eines CDLaufwerkes. Die Motordrehzahl ist zwischen der Innenabtastung und der Außenabtastung variabel, weil beim Lesen der CD ein konstanter Datenstrom erzeugt werden muß. Gegenüber Single-Speed-Laufwerken mit Datenübertragungsraten von 150 KByte pro Secunde ist der Faktor heutiger Laufwerke 20 und mehr. Die Servosteuerung sorgt für eine gezielte Führung der Abtasteinheit (Focus und Spurhaltung) über die Datenspur. Die digitalen Informationen auf der CD sind durch Vertiefungen auf der spiralförmig angeordneten Spur eingeprägt. Die Vertiefungen heißen Pits und die Stege dazwischen bezeichnet man mit Land. Der Wechsel zwischen Land und Pit wird beim Lesen der Daten von innen nach außen als „1“ interpretiert (Bild IV-13). Hierbei wird die Spur durch den gebündelten Laserstrahl abgetastet. Trifft der Laserstrahl auf ein Pit, erfolgt eine Reflektion, die im Idealfall zur Absorbtion des Lichtes führt. Trifft er auf keine Vertiefung, dann wird der Strahl voll reflektiert. Bild IV-14 verdeutlicht das Leseprinzip. Eine Laserdiode sendet das Laserlicht durch einen halbdurchlässigen Spiegel, einen Strahlteiler und eine Focussierlinse auf die Reflexionsschicht der CD. Das reflektierte Licht gelangt über den Strahlteiler auf den Lesedetektor. Der Lesedetektor besteht aus Fotodioden, die aus dem gewonnenen elektrischen Signal die Daten zur Verarbeitung weitergeben und Signale für die Servosteuerung gewinnen.
IV Computertechnik
665 Reflektion des Laserlichtes
CD und Digitalsignal Reflexionsschicht Schutzschicht
Pit
Land
1001
01
0001
001
Information
Bild IV-13 Signale und Reflexion des Laserlichtes CD
3 Eingabegeräte 3.1 Tastatur
Focussierlinse
Zur Eingabe von Zeichen und Befehlen wird in PCSystemen die Tastatur (Keyboard) verwendet. Bei den Tastenelementen selbst sind unterschiedliche Tastenarten und Anordnungen gebräuchlich. Die deutsche Tastatur hat die sogenannte QWERTZAnordnung mit Funktions- und Cursortasten und Nummernblock. Bei der internationalen Anordnung sind Z mit Y vertauscht (QWERTY-Anordnung). Die Tastatur besteht aus einer Tastaturmatrix, einem Mikrokontroller und einem Puffer-Speicher für die seriellen Daten, die der Tastaturschnittstelle (Tastatur-Interface) auf dem Motherboard zur Verfügung gestellt werden. Bild IV-15 zeigt das Blockschaltbild.
Strahlteiler Lesedetektor Objektiv
Laser
Bild IV-14 Leseprinzip
Tastaturkomponenten
Tastatur-Puffer TastaturMatrix
TastaturController Takt
Reset –5V
3
1
5
4 2
TastaturDecoder
Serielle Daten
Tastatur-Interface
zur Tastatur Reset
MikroController
Datenbus D0..D7 RC
Takt
A20
Serielle Daten
INT Schlüsselschalter
Bild IV-15 Tastaturinterface und -komponenten
666
Datentechnik
Erzeugung des Paritätsbit Taste Q W E R Z
7 2 Strobe
5
6 2
2
4 2
3 2
2 2
1 2
Daten
Die Funktion der Tastenmatrix ist aus Bild IV-16 ersichtlich. Die Tastatur erzeugt aus einem Tastendruck ein Bitmuster (Scan-Code = Zuordnung zur Tastennummer). Tastaturmatrix Der Tastatur-Controler (Beispiel 8048) wertet hierbei die Eingabe der Tastatur aus. Unterschieden wird zwischen dem Drücken der Taste („Make“-Codes) und dem Loslassen der Taste („Break“-Codes). Die beiden Codes unterscheiden sich nur durch das höchstwertigte Bit. Wird eine Taste gedrückt und nach bestimmter Zeit (z.B. 0,5 s) nicht losgelassen, sendet der Tastatur-Controler fortlaufend den gleichen Tastencode (Autorepeat-Funktion). Mit Hilfe des erzeugten Taktes durch den Mikrocontroler werden die Daten seriell zum Tastatatur-Interface geschrieben. Dort werden die seriellen Daten von einem weiteren Mikrocontroler (z.B. 8042) empfangen und in parallele Daten umgesetzt, die dann der CPU zur Verfügung gestellt werden. Die Zuordnung der ScanCodes zu den ASCII-Werten kann mit Hilfe eines Tastaturtreibers, z.B. KEYBGR.COM, selbst definiert werden. Die Übertragung zur CPU wird durch INT (Interrupt 1) ausgelöst.
3.2 Maus Text- und Grafik-Software verwenden einen Cursor (z.B. kurze blinkende Linie oder Lichtmarke verschiedener Form), um an die Stelle des Bildschirms zu zeigen, an der das nachfolgende Zeichen entsteht. Der Cursor kann sowohl mit Hilfe der Cursortasten als auch mit der Maus bewegt werden. Die MauseSoftware bewegt den Cursor auf dem Bildschirm genau in die Richtung, in der die Maus bewegt wird. Hierbei wird die Maus zu einer wichtigen Eingabeeinheit. Installiert wird sie durch die entsprechenden Maustreiber. Auf dem Markt existieren unterschiedliche Maustypen, z.B. mit zwei oder drei Tasten. Bei beiden ist wesentliches Element die Rollkugel. Xund Y-Richtung und Status der Maustasten wird an die serielle Schnittstelle weitergegeben.
0 2
Bild IV-16 Prinzip: Tastaturmatrix
4 Ausgabegeräte 4.1 Datensichtgeräte Datensichtgeräte dienen zur Wiedergabe alphanumerischer und grafischer Informationen. 4.1.1 Monitor Nach Bild IV-17 besteht der Monitor aus einer Bildröhre und aus Schaltungen für die Hochspannungserzeugung, Strahlstromablenkung (Ablenkeinheit), Synchronisierung und Signalverstärkung (Videoverstärker). Angesteuert wird der Monitor vom Videointerface (Grafikkarte) mit dem Videosignal und der Synchronisation. Das Videosignal ist das eigentliche Bildsignal und die Synchronisationssignale dienen dazu, ein stehendes Bild auf dem Monitor zu erzeugen. Würde der Einsetzpunkt des Bildes nicht immer an derselben Stelle liegen, hat man den Eindruck, das Bild würde „durchlaufen“. Die zur Monitoransteuerung notwendigen Daten befinden sich im Bildschirmspeicher, der Teil des Arbeitsspeichers ist oder im Video-RAM auf der Grafikkarte. Die Bildröhre selbst (Kathodenstrahlröhre) besteht aus einem Strahlerzeugersystem (Katode) und dem Bildschirm. Die von der Kathode austretenden Elektronen treffen durch Hochspannung beschleunigt auf dem Bildschirm auf und erzeugen hier einen sichtbaren Punkt, dessen Farbe bei monochromen (einfarbigen) Bildschirmen von der Leuchtschicht (weiß, grün, bernstein) des Bildschirmes abhängt. Zur Helligkeitseinstellung dient ein Einsteller, der von außen zugänglich ist und den Strahlstrom durch Potentialänderung zwischen Kathode und Steuergitter (Wehneltzylinder) beeinflußt. Das Steuergitter ist die Elektrode in der Bildröhre, die sich unmittelbar hinter der Katode befindet. Um ein einwandfrei scharfes Bild zu erhalten, muß der Elektronenstrahl gebündelt den Bildschirm erreichen. Dies wird durch ein elektrostatisches Feld erreicht, das wie eine Elektronenoptik wirkt. Eine Einstellmöglichkeit bietet der FOCUS-(Schärfe-) Einsteller.
IV Computertechnik
667 Ablenkeinheit Bildröhre
EingangsSchaltung
VideoVerstärker Kontrast
VertikalSynchronisation
Bildfrequenz
Schärfe
Bildkipp-Endstufe und Bildkipposzillator
Helligkeit
Bildhöhe
HorizontalSynchronisation Zeilenoszillator und Zeilenendstufe
HochspannungsErzeugung
Zeilenfrequenz
Bild IV-17 Blockbild eines Monitors Da der Elektronenstrahl das Bild zeilenweise erstellt, wird eine Ablenkschaltung benötigt, die den Elektronenstrahl durch Magnetfelder entsprechend ablenkt. Hierzu dienen die Horizontal- und Vertikalablenkspulenpaare (Ablenkeinheit). Um eine gleichmäßige Ablenkung von links nach rechts zu erhalten, wird den Horizontalablenkspulen ein sägezahnförmiger Strom zugeführt. Während des Rücklaufs (von rechts nach links) wird der Elektronenstrahl dunkel getastet. Die Anzahl der horizontalen Abtastungen pro Sekunde ergibt die Zeilen- oder Horizontalfrequenz, die bei den einzelnen Herstellern unterschiedlich ist (z.B. 30 ... 80 kHz bei 14′ Monitoren). Die lineare Ablenkung des Elektronenstrahls von oben nach unten bewirken die Vertikalablenkspulen. Bild IV-18 zeigt den Zusammenhang zwischen vertikaler und horizontaler Ablenkung. Die Amplitude der Bildablenkspannung ist für die Bildhöhe verantwortlich. Häufig ist hierfür ein Einsteller von außen zugänglich.
Zur Darstellung eines flimmerfreien Bildes müssen bei der Negativdarstellung (helle Zeichen auf dunklem Grund) mindestens 50 Bilder pro Sekunde geschrieben werden. Dies ergibt eine Bildwiederholfrequenz von 50 Hz. Die Positivdarstellung (dunkle Zeichen auf hellem Grund) erfordert mindestens 70 Hz. Die meisten Monitore arbeiten heute mit Bildfrequenzen zwischen 60 und 120 Hz. Eine Möglichkeit, Flimmern zu reduzieren, ist das Verschachteln zweier Halbbilder nach dem Zeilensprungverfahren (interlaced), wie das bei Fernsehgeräten der Fall ist. Hierbei werden zunächst die ungeraden und dann die geraden Zeilen geschrieben (Bild IV-19). Der Rücklauf ist immer unsichtbar. Bei 25 Halbbildern in der Sekunde wird beispielsweise eine Bildfrequenz von 50 Hz vorgetäuscht (Trägheit der Augen). 1 2 3 4 5 6 7 8 Vorlauf Rücklauf
IV
t
Bild IV-19 Zeilensprungverfahren Vertikalablenkung t Zeilenhinlauf Zeilenrücklauf
Bild IV-18 Vertikale und horizontale Ablenkung
Der Farbmonitor besitzt eine in-line-Röhre mit drei Elektronenerzeugungssystemen jeweils für die Grundfarben Rot (R), Grün (G) und Blau (B), mit der die entsprechenden Farbstreifen angeregt werden (Bild IV-20). Um eine gute Farbwiedergabe zu erhalten, müssen die Elektronenstrahlen ihre zugeordneten Farbstreifen
668
Datentechnik
Ablenkeinheit Farbreinheitmagnet Konvergenzmagnete
Elektronenstrahl Fixierungsringe
Lochmaske
R G B Elektronenstrahlsysteme
Lochmaske
BGR Farbstreifen
Bild IV-20 Farbbildröhre und Inlineprinzip durch den gemeinsamen Schnittpunkt der Schlitzmaske treffen (Konvergenz). Mit Hilfe von Dauermagneten, die um den Röhrenhals angeordnet sind, kann eine eventuell notwendige Nachjustierung erfolgen. Bei der Trinitron-Farbbildröhre besteht die Gittermaske aus senkrecht angeordneten Metallstreifen. Zur Stabilität können zusätzlich zwei Streifen waagerecht eingezogen sein. Das Elektronenerzeugersystem besteht aus drei Kathoden. Im Gegensatz zur In-line-Röhre sind alle anderen Elektroden nur einmal vorhanden. Das Verhältnis von Breite zur Höhe ist bei allen Standartmonitoren 4 : 3. Damit reicht die Bildschirmdiagonale zur Angabe über die Monitorgröße aus. Die Zahl der vertikal und horizontal ansprechbaren Bildpunkte (Pixel) gibt die Auflösung an. Eine Angabe von 1024 × 768 bedeutet, daß horizontal 1024 und vertikal 786 Pixel dargestellt werden. Den Abstand benachbarter Bildmittelpunkte bezeichnet man als Dot Pitch. Die vom Videointerface gelieferten Signale (wenige Volt) müssen noch verstärkt werden, um die Bildröhre aussteuern zu können. Die Amplitude des Signals ist mit dem Kontrasteinsteller veränderbar. Monitore erzeugen Röntgenstrahlen und elektromagnetische Felder. Während für Röntgenstrahlen eine
Röntgenverordnung existiert, gibt es für elektrostatische und magnetische Felder nur die allgemeinen Vorschriften VDE 0848. Die heutigen Monitore genügen alle der schwedischen MPR-Norm (Statens mät-och prorad), die jeweils Höchstwerte an der Bildschirmoberfläche vorschreiben. Sie können als strahlungsarm eingestuft werden. Monitor und Grafikarte müssen aufeinander abgestimmt sein, da die Karten mit unterschiedlichen Zeilen- und Bildfrequenzen angeboten werden. Der Multiscan-Monitor dagegen ist in der Lage, die Signale aller gängigen Grafikkarten zu verarbeiten, weil er das Bild automatisch nach den angebotenen Frequenzen einstellt (Bildfrequenzen 50 ... 90 Hz, Zeilenfrequenzen 15 ... 45 kHz). Das Videointerface (Bild IV-21) überträgt Daten zum Monitor. Die Grafikkarte besteht im Prinzip aus einem Zeichengenerator, der alle Zeichen, die auf dem Bildschirm dargestellt werden können, enthält, und aus einem Bildspeicher, in dem der gesamte Bildschirminhalt abgelegt ist. Der Bildspeicher wird dann z.B. 60 mal in der Sekunde abgefragt und zur Anzeige gebracht. In kürzester Zeit haben sich immer bessere Grafikstandarts herausgebildet. Tabelle IV-2 gibt einen Überblick über die Entwicklung von Grafikkarten. EGA-Karten können beispielsweise maximal 16 aus 64 Farben darstellen, während im VGA-Standart 256 Farben dargestellt werden können. Weitere Unterschiede liegen in der Signalübergabe zum Monitor. Während EGA mit digitalen Signalen arbeitet, werden bei den heute üblichen VGA- oder SVGA-Karten analoge Signale übertragen. Tabelle IV-2 Grafikkarten (Entwicklung) Karte
Format/Bildpunkte
Anzahl Bild-/ der ZeilenFarben frequenz
Hercules 768 ⋅ 320
–
50/18430
CGA
320 ⋅ 200
4
60/15750
EGA
640 ⋅ 350
16
60/21850
VGA
640 ⋅ 480 (800 ⋅ 600) 256
70/18750
Bei Grafikkarten wird nach zwei grundsätzlichen Betriebsarten, dem Text- und dem Grafikmodus, unterschieden. Im Text- oder Alphamodus liegt die Bildinformation zeichenorientiert im ASCII-Code mit einem zusätzlichen Attributbyte vor. Das Attribut bestimmt z.B. die Farbe des ASCII-Zeichens. Aufgeteilt wird der Bildschirm nach Textzeilen und Textspalten (Bild IV-22), z.B. in 80 Zeichen pro Zeile und 25 Zeilen. Hierzu ist eine relativ große Videobandbreite erforderlich.
IV Computertechnik
669 Videosignal
Prozessor
Video-Controller
Zeilen-Synchronisation
Monitor
Datenbus
Adreßbus
Bild-Synchronisation
Bildschirmspeicher
ASCII
Matrixcode
Zeichen-Generator
Bild IV-21 Videointerface 80
1 1
Zeilen
25 Spalten
Bild IV-22 Darstellung im Textmodus 4.1.2 LCD-Bildschirm Neben dem Monitor, der mit einer Bildröhre bestückt ist, sind LCD-Bildschirme im Einsatz. Sie sind als Flachbildschirme aufgebaut und benötigen weniger Platz. Ein weiterer Vorteil ist der geringere Stromverbrauch. Als Nachteile sind Kontrastarmut, vor allem bei Fremdlichteinwirkung, Temperaturabhängigkeit und Trägheit zu nennen.
4.2 Drucker Drucker (Printer) ermöglichen die Ausgabe alphanumerischer Zeichen für die Textverarbeitung und sind in der Lage, Diagramme und Zeichnungen zu erstellen. Im wesentlichen unterscheidet man heute Typenrad-, Nadel-, Tintenstrahl- und Laserdrucker. 4.2.1 Typenraddrucker Videointerface Typenraddrucker waren die ersten eingesetzten Drucker in Verbindung mit Computersystemen. Sie arbeiten nach dem Prinzip der Typenradschreibma-
schine und erzeugen ein ausgezeichnetes Schriftbild. Nachteile sind die geringe Druckergeschwindigkeit und die Unfähigkeit, Grafiken zu drucken. Ein weiterer Nachteil ist die Notwendigkeit, das Typenrad zu wechseln, wenn unterschiedliche Schriftarten in einem Schreiben verwendet werden sollen. 4.2.2 Matrixdrucker Sehr weite Verbreitung haben die Nadel- oder Matrixdrucker gefunden, weil sie relativ preiswert sind. Die Zeichen werden durch ein Punktraster dargestellt. Die Steuerung erfolgt über Nadeln des Druckkopfes. Üblich sind 9- bzw. 24-Nadeldrucker. Matrixdrucker sind relativ schnell, grafik- und farbfähig. Als Nachteil kann das etwas höhere Arbeitsgeräusch empfunden werden 4.2.3 Tintenstrahlrucker Durch sehr kleine Düsen wird Tinte auf das Blatt gebracht. Bei den Vorgängertypen trockneten häufig diese Düsen ein, wenn der Drucker wenig im Gebauch war. Tintenstrahldrucker wurden in letzter Zeit durch unterschiedliche technische Verfahren wesentlich verbessert. Sie arbeiten sehr leise und sind farbund grafikfähig. 4.2.4 Laserdrucker Das Drucksystem eines Laserdruckers kann mit dem Prinzip eines Fotokopierers verglichen werden. Die Druckgeschwindigkeit ist sehr groß und das Druckbild hervorragend.
670
Datentechnik
V Programmiertechnik Aufgabe der Programmiertechnik ist es, Verfahren bereitzustellen oder zu entwickeln, mit deren Hilfe die Eigenschaften programmierbarer Geräte verändert werden können. Voraussetzung dafür ist, daß diese Geräte über einen Befehlsvorrat sowie über die Freiheit verfügen, die Auswahl und die Reihenfolge der auszuführenden Befehle zu variieren. Die genannten „Geräte“ beinhalten in der Regel mindestens einen Prozessor oder Controler. Während eine SPS eindeutig programmierbar ist, erscheint eine Waschmaschine, obwohl sie einen Controler enthält, nur auf den ersten Blick programmierbar: über den Programmwahlschalter wählt der Benutzer aus fertigen, von ihm nicht veränderbaren Abläufen einen aus. Seine „Programmierung“ bezieht sich auf die Auswahl der berücksichtigten Daten (Art der Wäsche, Temperatur ...). Da diese Daten (oder Parameter) dem Gerät keine grundsätzlich neuen Eigenschaften verleihen, nennt man diese Vorgang nicht Programmieren sondern Parametrieren.
1 Programmiersprachen Der Begriff Programmiersprache entstammt der Analogie mit der menschlichen Sprache. Hier wie dort gibt es die Vokabeln (Befehle) und die Grammatik (Regeln). Dem Programmierstil der Pionierzeit lag keine „Sprache“ in diesem Sinne zugrunde, denn es fehlten die „Vokabeln“, die Begriffe, die synonym für bestimmte Inhalte (Befehle) standen. So war die Programmierung dadurch gekennzeichnet, daß jedes einzelne Bit im Speicher per Hand (Schalter) gesetzt bzw. gelöscht werden mußte. Unter einer höheren Programmiersprache ist im Folgenden zu verstehen, daß ein Befehl in eben dieser Sprache mehrere Maschinenbefehle zu seiner Umsetzung benötigt. In PASCAL lautet z.B. die Anweisung zur Addition zweier Variablen-Werte : U_Gesamt := U_R1 + U_R2 ; In Z80-Assembler sind für den (prinzipiell) gleichen Vorgang die folgenden Anweisungen nötig: Vorplanung der Registerbelegung: HL (HL + 1) (HL + 3) A B
= = = = =
Adresse des 1. Operanden Adresse des 2. Operanden Adresse des Ergebnisses Rechenregister Hilfsregister
LD HL, 8000 LD INC HL
; Adresse des 1. Operanden in das HL-Register A, (HL); Lade das A-Register mit dem 1. Operanden ; erhöhe den Inhalt des HL-Registers um 1
LD B, (HL) ADD B
INC HL LD (HL), A
; Lade das B-Register mit dem 2. Operanden ; Addiere den Inhalt des B-Registers zum Inhalt des A-Registers (das Ergebnis verbleibt im A-Register) ; erhöhe den Inhalt des HL-Registers um 1 ; lade die Speicheradresse, auf die das HL-Register zeigt, ; mit dem Ergebnis
Aus der Verwendung einer höheren Programmiersprache resultiert daher eine bessere Übertragbarkeit (Portierung) auf andere Rechnersysteme sowie eine effizientere Programmierung; allerdings steigt der Speicherbedarf teilweise drastisch an. Guter Programmierstil ist nur sehr bedingt von der verwendeten Programmiersprache abhängig. Mit der nötigen Disziplin und Sorgfalt läßt sich auch mit Sprachen, die nicht modular angelegt sind, sauber arbeiten. Es folgt daher eine unvollständige, alphabetisch sortierte Liste einiger Programmiersprachen, um die babylonische Vielfalt wenigstens zu benennen. Aufgrund der enormen Innovationsgeschwindigkeit können viele der bei einer Sprache genannten Eigenschaften z.Zt. bereits in eine andere Sprache übernommen worden sein.
1.1 Assembler Der Begriff Assembler ist doppeldeutig. Zum einen wird damit die (hier gemeinte) Assemblersprache und zum anderen das Programm, das aus einem Quelltext (siehe Beispiel) die Maschinenbefehle übersetzt, bezeichnet. Diese Dualität der Bezeichnungen findet sich auch bei anderen Programmiersprachen. „Assembler“ ist eine Programmiersprache, weil der einzelne, vom Zielprozessor verstehbare Befehl durch ein sinnvolles Synonym dargestellt wird. Diese Synonyme werden Mnemonics (Mneme: Gedächtnis, Erinnerung) genannt, da sie die Aktion des betreffenden Befehls in kürzester Form beschreiben. Beispiel: LD B,3E; Lade das B-Register mit dem Wert 3E16
Hier steht die Abkürzung (Mnemonic) LD für „lade“! Obwohl die Programmierung in Assembler hohe Anforderungen an den Programmierer stellt, weil er den Zielprozessor sehr gut kennen muß, gehört diese Sprache zu den niederen: jeder benutzte Maschinenbefehl wird durch eine Assembler-Anweisung dargestellt. Daher liefert diese Sprache keine Strukturierungshilfen (Wiederhol-Schleifen, Datentypen etc.) mit. Wer diese Sprache beherrscht, wird durch keine Sprachkonventionen reglementiert; man muß allerdings die volle Verantwortung selbst für einfachste Programmelemente (z.B. Ende einer Zählschleife) tragen. Der Vorteil dieser Sprache liegt in dem sehr schnellen Ablauf der erzeugten Programme sowie dem geringen Speicherplatzbedarf.
1.2 ADA Sowohl für den kommerziellen, den industriellen und den militärischen Bereich geeignet, ist ADA (Augusta Ada Byron, 1816 – 1862) eine universelle
V Programmiertechnik Sprache. Sie wurde mit den Schwerpunkten leichte Wartung/Prüfung sowie Portierbarkeit entwickelt. Ähnlich PASCAL dokumentiert sie sich weitgehend selbstständig und erlaubt aufgrund des modularen Konzeptes das arbeitsteilige Vorgehen bei großen Softwareprojekten. Eine geringe Innovationsgeschwindigkeit dieser Sprache ist der Preis für ein stabiles, an feste Spezifikationen gebundenes Konzept.
1.3 ALGOL Die technisch-wissenschaftlich orientierte Sprache ALGOL (Algorithmic Language) ist seit ca. 1960 verfügbar. Sie ist der „Urahn“ der modernen, blockorientierten und prozeduralen Sprachen (Klammerung durch BEGIN .. END). Hier wird erstmalig zwischen der Zuweisung := und dem Vergleich = schon bei den verwendeten Operatoren unterschieden. Dazu wird die Prozedur als Statement und die Funktion als Variable einsetzbar. Die geschriebenen Prozeduren und Funktionen können sich selber aufrufen (echte Rekursion) und die Bool’sche Algebra wird im Befehlsvorrat berücksichtigt.
1.4 BASIC Die leichte Erlernbarkeit stand im Vordergrund, als die Sprache BASIC (Beginner’s all pupose symbolic instruction code) anfang der sechziger Jahre am Dartmouth College/USA aus dem Vorbild FORTRAN als „verdünnter Aufguß“ entstand. Da BASIC ein Interpreter ist, ergeben sich kurze Testzeiten für die Programme. Allerdings werden diese recht langsam, wenn das Programm lang ist und viele Erklärungen (REM) sowie umfangreiche Kontrollstrukturen enthält. Die Sprache BASIC ist einfach, beansprucht wenig Speicherplatz und kann auf (fast) jedem Mikroprozessorsystem installiert werden. Da jeder Hersteller „sein“ BASIC weiterentwickelte und/oder an sein Mikroprozessorsystem anpaßte, entstanden im Laufe der Zeit unzählige, nichtkompatible aber immer leistungsfähigere BASIC-Dialekte. Die modernen BASIC-Versionen sind zu vollwertigen Konkurrenten der Sprachen C oder PASCAL geworden. Der große Bekanntheitsgrad sowie die Leistungsfähigkeit haben dazu geführt, daß professionelle Anwenderprogramme (Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Datenbanken) BASIC-Dialekte als Makrosprache zur Parametrierung benutzen.
1.5 C Die Eigenschaften von C stellen eine Mittlerfunktion zwischen den Assembler-Sprachen und höheren Sprachen dar. So besitzt C von Assembler die extrem hohe Abarbeitungsgeschwindigkeit mit einem sehr kompakten Code und von den (blockorientierten) höheren Sprachen deren Modularität und damit die gute Dokumentation und Wartungsfähigkeit.
671 Mit der größeren Nähe zur Prozessorebene obliegt dem Programmierer, ähnlich wie bei den AsemblerSprachen, eine größere Verantwortung bei der Kontrolle des Programmes. Beispielsweise müssen Typüberprüfungen von Objekten veranlaßt werden, während diese in PASCAL automatisch durchgeführt werden. Aus diesen Gründen wird C gern als Programmiersprache für systemnahe Probleme verwendet. Beschränken sich die Programmierer auf den Kernighan-Ritchie- oder den ANSI-Standard, so ist eine leichte Portierung auf die verschiedensten Rechnersysteme möglich.
1.6 FORTRAN Seit ca. 1955 verfügbar, ist FORTRAN (Formular Translator) eine der ersten Hochsprachen für den technisch-wissenschaftlichen Bereich. Ermöglicht wurde die (teilweise) Ablösung von den Assemblersprachen zu diesem Zeitpunkt durch größere, zur Verfügung stehende Arbeitsspeicher (4 bis 16 kByte). Durch die Hochsprachen-Eigenschaften sind die mit FORTRAN geschriebenen Programme austauschbar (portabel). So entstanden rasch große Programmsammlungen, die dieser Programmiersprache auch heute noch ihr Dasein sichern, obwohl es zu dieser Programmiersprache mittlerweile Alternativen gibt.
1.7 PASCAL Die modernen PASCAL-Sprachen lehnen sich alle an das von Niklaus Wirth Anfang der 70iger Jahre in Zürich entwickelte PASCAL (Blaise Pascal, 1623 – 1662) an. PASCAL, das ebenso wie ALGOL eine blockorientierte, prozedurale Sprache ist, wurde von Wirth ursprünglich für seine Studenten entwickelt, damit diese sich einen sauberen, strukturierten Programmierstil erwerben konnten. Hält sich der Programmierer an wenige Regeln, entsteht ein sich selbst dokumentierender Quelltext, so daß Wartung und Pflege der Programme vereinfacht werden. Zudem ermöglicht die Modularisierung sowie die Unterscheidung in lokale und globale Objekte eine Entwicklung großer Projekte in arbeitsteiligen Gruppen. Diese Eigenschaften, sowie wesentlich verbesserte PASCAL-Dialekte, tragen dazu bei, daß diese Sprache zunehmend als (semi-) professionelle Programmiersprache gilt. Die Verbesserungen der einzelnen Dialekte ohne Normung bzw Standard führt allerdings dazu, daß die erzeugten Programme kaum portabel sind.
1.8 PL/M Für die Mikroprozessoren 8080/85 und 8088/8086 sowie für die Controler-Familie 8051 wurde die Sprache PL/M (Programming Language for Microprozessors) aus der älteren Sprache PL/1 entwickelt. Diese erlaubt eine strukturierte Programmierung in
672 Modulen, die separat übersetzt und später gebunden werden können. Für zeitkritische Aufgaben können auch Programmteile in Assembler eingefügt werden. Die Nutzung dieser Sprache setzt allerdings gute Kenntnisse des Zielprozessor-Systems voraus, so daß die Anwender im professionellen Bereich zu finden sind.
2 Grundlagen der Programmierung Die Aufgabe beim Programmieren besteht darin, eine Befehlsfolge (Programm) für ein bestimmtes Prozessorsystem in dessen Speicher zu schreiben, so daß es vom Prozessor ausgeführt werden kann. Da der Prozessor nur binäre Befehle verstehen und verarbeiten kann, der Mensch wiederum lieber mit einer ihm vertrauten Sprache umgeht, wird das Programm möglichst in einer höheren Programmiersprache verfaßt und dann in die maschinenübliche, binäre Form übersetzt. Die lästige, syntaktische Strenge der meisten Programmiersprachen wird nun zu einem Vorteil, weil diese Arbeit des Übersetzens durch einen Computer mit einem entsprechenden Übersetzungsprogramm ausgeführt werden kann.
2.1 Interpreter Wie der Name ausdrückt, deutet (übersetzt) ein Interpreter das ihm zur Verfügung stehende Quellprogramm Anweisung für Anweisung, während das zu übersetzende Programm abläuft. Dieses Verfahren bedingt, daß sich der Interpreter und das zu übersetzende Programm immer gleichzeitig im Speicher befinden müssen, wenn das Programm ablaufen soll. Weiterhin wird jede Anweisung bei jedem Programmdurchlauf erneut gedeutet (übersetzt), wodurch sich zu den Programmablaufzeiten auch noch die Übersetzungszeiten addieren. Der größte Nachteil liegt somit in der großen Ausführungszeit der damit laufenden Programme. Da auch Leerstellen, lange Bezeichner und (teilweise) erklärende Kommentare die Laufzeit verlängern, verzichten viele Programmierer auf eine übersichtliche Programmierung zugunsten der Geschwindigkeit. Die Folge sind komplizierte, weil optimierte Programme, die kaum gewartet werden können. Ein Vorteil liegt in der Möglichkeit, relativ kleine und damit begrenzt leistungsfähige Interpreter einzusetzen. Diese Interpreter liefern aufgrund ihrer engen Zweckbestimmung (z. B. Meß-, Steuer- und Regelaufgaben) einen beachtlichen Befehlsvorrat und sind so klein, daß sie im Masken-ROM eines Controlers Platz finden.
2.2 Compiler Ein Compiler (Übersetzer) ist ein Programm, das ein Quellprogramm komplett übersetzt und dann anschließend bei Bedarf ablaufen läßt. Bei der Übersetzung werden die Kommentare zwar gelesen, aber
Datentechnik nicht bearbeitet; ebenso erzeugt ein langer Variablenname (oder ein beliebiger Bezeichner) genau den gleichen Verweis auf einen Speicherplatz wie ein kurzer Name, so daß die Übersetzungszeit zwar ansteigt, nicht aber die Laufzeit. Als weiterer Vorteil verbleibt die gute Selbstdokumentation eines solchen, mit aussagefähigen Variablennamen geschriebenen Quellprogrammes, das auch durch die reichliche Verwendung von Leerzeilen und Zeichen zur Verbesserung der Übersicht nicht langsamer ausgeführt wird. Das so erzeugte, lauffähige Programm kann später ohne Anwesenheit des Compilers gestartet werden. Diese Eigenschaft macht die erzeugten Programme kommerziell nutzbar, weil das erzeugte Programm (im Gegensatz zum Compiler oder Interpreter) geistiges Eigentum des Programmierers ist und somit nicht unter den Urheberrechtsschutz des Compiler-Lieferanten fällt.
2.3 Editor Der Editor ist ein Programm, das dem Schreiben des Quellprogrammes dient. Im Grunde ist dazu jedes Textverarbeitungsprogramm, das den geschriebenen Text (Quellprogramm oder Quelltext) in unformatierter Form abspeichern kann, geeignet. Unformatiert bedeutet hier ohne Textmerkmale wie fett, unterstrichen oder ähnlichen, z.B. für die Korrespondenz wichtigen Eigenschaften. Der Quelltext muß im reinen ASCII-Format vorliegen, damit der Interpreter, Compiler oder Assembler ihn verarbeiten können. Gleichzeitig bieten die Editoren großer, kommerzieller Textverarbeitungen vielfältige Annehmlichkeiten: – Blockbefehle (suchen, verschieben, kopieren, löschen ...) – komfortable Dateiverwaltung – Arbeit mit mehreren Dateien gleichzeitig (FensterTechnik)
2.4 Integrierte Entwicklungsumgebung Unter einer integrierten Entwicklungsumgebung versteht man ein Programmpaket, das alle Hilfsprogramme enthält, die zur Programmerstellung gebraucht werden: Editor, Interpreter oder Compiler, Linker und Debugger. Diese Hilfsprogramme werden dann je nach geforderter Aktivität menügesteuert aufgerufen. Häufig gehört auch ein umfassendes Hilfesystem dazu, das Syntaxfehler erkennt und Abhilfe vorschlägt. Diese Entwicklungsumgebungen, die für die meisten höheren Programmiersprachen verfügbar sind, beschleunigen die Programmerstellung enorm, weil die Zeit für einen Durchlauf – Quelltext erstellen und Programm testen – (Turn-Around-Time) drastisch verkürzt wird.
V Programmiertechnik
673
2.5 Methoden der Programmentwicklung
beschrieben. Dieses Gesamtproblem wird dann hierarchisch immer weiter aufgeteilt in Teilprobleme, bis diese zu lösbaren Aufgaben werden. Nach Bearbeitung der ersten, globalen Ebene stehen die beiden Teilprobleme exakt beschrieben fest. Je nach Umfang sollte auch hier die Problembeschreibung, jetzt für die zweite Ebene, detailliert und schriftlich erfolgen. Wird die Arbeit an den Teilproblemen verschiedenen Arbeitsgruppen übertragen, sind diese Beschreibungen verbindliche Abgrenzungen zu den anderen Teilproblemen. Auf der niedrigsten Stufe der Hierarchisierung werden sämtliche Aufgaben bearbeitet und die Ergebnisse entsprechend zu den höheren Ebenen zurückgereicht. Bis auf die unvermeidbare Fehlersuche ist das Programm damit fertig, denn der obige Hierarchisierungsplan liefert gleichzeitig das Rahmen- oder Hauptprogramm nebst Dokumentation.
Obwohl es theoretisch unendlich viele Wege zum Programm gibt, haben sich die Top-Down- und die Bottom-Up-Methoden etabliert, die es erlauben, den Weg nach ausgesuchten Kriterien zu optimieren. Eine exakte Problembeschreibung setzen allerdings beide Methoden voraus. Die Bearbeitung sehr großer Software-Projekte setzt weitergehende Verfahren voraus (Software-Engineering). Dazu gehört vor allem die Planung der zeitlichen Abhängigkeiten verschiedener Arbeitsteams (Netzplantechnik).
2.6 Problembeschreibung Der Abnehmer eines Programmes sollte vom Programmierer (-team) dazu gedrängt werden, eine schriftliche Beschreibung der erwarteten Leistungen des Programmes anzufertigen. Diese Beschreibung kann oder sollte gemeinsam mit dem Fachmann (Programmierer) erstellt werden, um überzogene, vom System nicht erfüllbare Anforderungen sofort auszuschließen oder ein anderes Zielsystem einzuplanen. Diese Beschreibung, auch Pflichtenheft genannt, sollte u.a. enthalten:
2.8 Bottom-Up-Methode Auch bei der Bottom-Up-Methode wird das Gesamtproblem in einem Pflichtenheft beschrieben. Der daran anschließende Lösungsweg beginnt nun aber auf der niedrigsten, der Aufgabenebene. Zu dem Beispiel in Abbildung würde das bedeuten, je nach Interessenlage oder Vorkenntnissen des Programmierers stehen etliche, mögliche Aufgaben zur Bearbeitung an. Er könnte mit einer Sammlung in Frage kommender Formeln der komplexen Rechnung beginnen bzw. bei mangelnden Kenntnissen, sich in diese einarbeiten. Nachdem alle für notwendig erachteten Aufgaben erledigt sind, werden sie in einem übergeordneten Rahmen (-Programm) zusammengefaßt, bis das Gesamtproblem gelöst ist.
– erwartete Ausgangsinformationen des Systems (eventuell grafisch; Farbdarstellung/Monochrom?) – benötigte Eingangsinformationen (Datei-Formate; Tastatur; Maus; Sensoren ... ) – Vorkenntnisse der Benutzergruppe (Online-HilfeSystem; Handbuch für Benutzer?) – gemeinsamer Datenzugriff mehrer Benutzer? (Konsistenz des Datenbestandes, Vermeidung unvollständiger Transaktionen) Eine große Sorgfalt im frühen Planungsstadium zahlt sich durch eine geringe Änderungswahrscheinlichkeit im Laufe der Arbeit aus.
2.9 Bewertung der Methoden Die Top-Down-Methode entspricht in ihrer Struktur am ehesten der Struktur effizienter, menschlicher Handlungsweise und verspricht daher ein zielgerichtetes, von unnötigen Seitenwegen freies Vorgehen.
2.7 Top-Down-Methode Unter Anwendung der Top-Down-Methode wird das Problem zu Beginn global, also in seiner Gesamtheit Ebene 1
Gesamtproblem Berechnung und Beschreibung eines Verstärkers mit Tiefpaß-Eigenschaften Eines
Ebene 2
Ebene 3
Teilproblem 1
Teilproblem 2
Berechnung
Darstellung
Aufgabe 1
Aufgabe 2
Aufgabe 3
Aufgabe 4
Bereitstellung der Rechenverfahren
Auswahl möglicher Bauelemente
Konstruktion des KoordinatenSystems
Zeichnen der Graphen
Bild V-1 TOP-DOWN-Methode
674 Damit wird gleichzeitig eine geringe Fehlerwahrscheinlichkeit sowie eine gute Selbstdokumentation erzielt. Die Gefahr dieser Methode liegt darin, „das Rad ständig neu“ zu erfinden: auf der letzten, der Aufgaben-Ebene werden Programmteile (Module) geschrieben, die die geforderte Aufgabe möglichst genau erledigen. Das führt zwangsläufig zu einer geringen Wiederverwertbarkeit der Module und schließt zudem die Verwendung bereits vorhandener, ähnlicher Module aus. Die Bottom-Up-Methode empfiehlt sich ausschließlich für kleinste Programmiervorhaben, denn die Gefahr, sich in Detaillösungen zu verirren, ist sehr groß. Zusätzlich besteht die Wahrscheinlichkeit, daß ergänzende Anforderungen einer der höheren Hierarchisierungsebenen an die (fertigen) Module von diesen dann nicht erfüllt werden können; dies führt häufig zur völligen Neukonzeption einiger Module. Erschwerend kommt die nachträgliche Dokumentation des Vorhabens hinzu. Da diese erst am Ende des dann fertigen Programmes erfolgen kann, steht die Dokumentation zwangsläufig nicht als Strukturierungshilfe während der Arbeit zur Verfügung; strukturelle Schwächen des Programmes sind so unvermeidbar. Als „Königsweg“ bietet sich die Top-Down-Methode unter Beachtung folgender Bedingungen an: 1) frühzeitig, auf höchstmöglicher Ebene, wird bereits geprüft, ob es für die zu lösenden Teilprobleme/ Aufgaben Standard-Lösungen (Module) gibt, bzw. ob es sich lohnt ein vorhandenes anzupassen 2) muß ein Modul vollständig neu geschrieben werden, ist auf gute Wiederverwertbarkeit zu achten; daraus folgt, daß Module, die nicht wiederverwertbar sind, so klein wie möglich sein sollten (Verweis auf Modularisierung/Bibliotheken)
2.10 Programm-Test Hiermit ist die Prüfung eines Programmes auf logische Fehler gemeint, denn die syntaktischen Fehler (Fehler in der Schreibweise, Verletzung von Konventionen) werden bereits vom Interpreter oder Compiler erkannt. Fehrlerfreie Programme gibt es nicht! Denn Fehlerfreiheit bedeutet nicht nur, daß aus der Anweisung A := 12 / B das Ergebnis „3“ resultiert, wenn die
Datentechnik Variable B augenblicklich den Wert 4 besitzt. Darin eingeschlossen ist die Erwartung, daß das Programm nicht einfach die Bearbeitung abbricht, falls „B“ den Wert Null annehmen sollte, sondern den Benutzer darüber informiert, daß dieser Fall eingetreten ist. Noch besser wäre es, wenn der Benutzer dann unter Alternativen wählen könnte, wie das Programm damit umgehen soll. Ein Instrument zur Fehlererkennung ist der Bleistifttest: alle vorkommenden Variablen werden in einer Tabelle aufgeführt und das Modul mit extremen Werten für die Eingangswerte „auf dem Papier“ gestartet. Alle Änderungen der Variablen werden in der Tabelle festgehalten und geben so ein Bild über die Zulässigkeit und den Erfolg der einzelnen Befehle des Programmes. Weiterhin existiert bei der Top-Down-Methode bereits ein Rahmenprogramm (Hauptprogramm), wenn die Module getestet werden sollen. Diesem Rahmenprogramm werden die oben genannten extremen Eingangswerte für die zu testenden Module übergeben und das Hauptprogramm mit den Modulen gestartet. Noch nicht fertige Module können in ihrem Ein-und Ausgabeverhalten durch kleine Simulationsmodule ersetzt werden, um das Hauptprogramm lauffähig zu machen. Zeigen sich dabei Unregelmäßigkeiten, bieten die Entwicklungsumgebungen die Möglichkeit, den vorliegenen Quelltext des Modules schrittweise abzuarbeiten und dabei die aktuellen Werte der Variablen in einer Tabelle auf dem Bildschirm zu verfolgen. Die Simulation von Programmen ist ein Verfahren, das bei der Software-Entwicklung für Microprozessoren und Controlern angewandt wird. Hier wird das Programm ja nicht auf dem Zielsystem (z.B. Controler), sondern auf einem PC entwickelt. Um die so erstellten Programme dennoch auf dem PC testen zu können, bieten viele derartige Entwicklungsumgebungen eine Simulation auf dem Entwicklungsrechner an. Ungefähr die Hälfte der vorhandenen Fehler können so vom Programmierer selbst entdeckt und behoben werden. Weitere Fehler können durch andere (objektivere) Mitglieder des Entwicklungsteams gefunden werden und ca. 10% der Fehler bleiben unerkannt.
VI Datenkommunikation 1 Einführung Die derzeit zu beobachtende rasante Entwicklung im Kommunikationsbereich hat ihre Ursache in der Digitalisierung aller Kommunikationsbelange, die ein Zusammenwachsen von Datenverarbeitung (besser Informationsverarbeitung) und Telekommunikation bewirkt. Man spricht von Informationstechnik (IT),
deren Ziel die Bereitstellung jeder gewünschten Information in geeignet aufbereiteter, d.h. aussagekräftiger Form zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort ist. Die sich daraus ergebenden Möglichkeiten sind so umfassend, daß sie als prägend für die kommenden Jahrzehnte angesehen werden: Man spricht vom Informationszeitalter, an dessen Anfang wir uns befinden.
VI Datenkommunikation Die Digitalisierung der Telekommunikation umfaßt die Digitalisierung der Informationsdarstellung, die Digitalisierung der Übertragungstechnik und die Digitalisierung der Vermittlungstechnik. Neue Konzepte und neue Technologien können sich aber nur dann gegen bereits etablierte Lösungen (und im Kommunikationsbereich gab es bereits eine voll ausgebaute und hochentwickelte Analogtechnik) durchsetzen, wenn sie gravierende Vorteile aufweisen; geringfügige Vorteile reichen nicht aus, um einen Verdrängungsprozeß in Gang zu setzen. Die Vorteile der Digitaltechnik gegenüber der Analogtechnik sind: Generell geringere Störanfälligkeit, größere Sicherheit gegen unbefugten Zugriff, niedrigere Kosten und neue Leistungsmerkmale. Die geringere Störanfälligkeit im Vergleich zur Analogtechnik resultiert aus der endlichen (meist sehr kleinen) Zahl diskreter Signalzustände, die eine verlustfreie (identisch dem Originalzustand) Regenerierung auch stark verrauschter Signale gestattet. Digitale Informationen können deshalb beliebig oft in Folge übertragen, regeneriert, aber auch kopiert werden. Es ist vielleicht weniger bekannt, daß Informationen in digitaler Form besser gegen unbefugten Zugriff geschützt werden können. Tatsächlich kann die Digitalisierung geradezu als Voraussetzung für eine wirksame Verschlüsselung angesehen werden. Es ist bezeichnend, daß im militärischen Bereich aus diesem Grunde, lange bevor die Digitaltechnik reif für eine allgemeine Einführung war (nämlich im zweiten Weltkrieg), bereits mit digitalen Signaldarstellungen (auch von Sprache) experimentiert wurde. Die Preisvorteile liegen in der möglichen hohen Integrationsdichte, die zu kleinen und bei großen Stückzahlen billig herzustellenden Einheiten hoher Funktionalität führt. Logisch komplexe Funktionen können in Digitaltechnik weitaus billiger als in Analogtechnik realisiert werden. Es sind aber nicht nur die direkten Auswirkungen (geringe Material- und Herstellungskosten), sondern auch die indirekten Auswirkungen wie kleine Abmessungen, geringes Gewicht und niedriger Stromverbrauch, sowie geringer Wartungsbedarf kostensenkend wirksam. So machen z.B. bei digitalen Vermittlungseinrichtungen Raumbedarf, Gewicht und Stromverbrauch nur einen Bruchteil entsprechender analoger Einrichtungen aus, was zu enormen Einsparungen bei Gebäuden und der Versorgungsinfrastruktur führt. Die bisher aufgezählten Vorteile liefern bereits hinreichende Argumente für die Einführung der Digitaltechnik. Wenn die Telekommunikation einen so rasanten Aufschwung genommen hat und sich anschickt, in Verbindung mit der Informationsverarbeitung sowohl die kommerzielle wie die private Umwelt prägend zu verändern, so ist dies nicht wegen der bisher erwähnten Vorteile der Digitaltechnik geschehen, sondern
675 wegen der möglichen neuen Leistungsmerkmale und den daraus resultierenden neuen Kommunikationskonzepten und -diensten. Ausgangspunkt für die neuen Leistungsmerkmale ist die Digitalisierung der Informationen. Alle Arten von Information, nämlich numerische Werte, Texte, Sprache, Musik und Bilder, werden in einheitlicher Weise als Bitketten dargestellt. Operationen, die auf binäre Informationen angewendet werden können, sind z.B. Rechnen, Vermitteln, Senden, Empfangen, Speichern, Suchen und Darstellen. Für einige dieser Operationen (z.B. Vermitteln, Senden, Empfangen, Speichern und Suchen) ist es unerheblich, welche Art von Information die Bitketten repräsentieren. Ein bestimmter Kommunikationsdienst (und darauf abgestimmte dienstspezifische Endgeräte) sind darauf angewiesen, daß die Bitketten in vorgeschriebener Weise binär verschlüsselte Informationen einer bestimmten Art enthalten; es ist beispielsweise nicht sinnvoll, ein Fax über ein Telefon auszugeben. Für den Transport der Bitketten und manche Aspekte des Speicherns und Suchens dagegen ist die Kenntnis der Bedeutung dieser Bitketten nicht erforderlich. Was sich hier abzeichnet, ist die Diensteintegration auf der Netzebene: Die logische Konsequenz der Digitalisierung ist das ISDN (Integrated Services Digital Network), also ein Netz, das binär verschlüsselte Daten unterschiedlicher Bedeutung für verschiedene Zwecke (Dienste) transportieren kann. Ein solches Netz ist bezüglich der darüber abzuwickelnden Dienste offen: beliebige, auch später neu zu definierende Dienste können darüber abgewickelt werden, solange bestimmte Randbedingungen (beispielsweise eine erforderliche Mindestdatenrate) erfüllt sind. Digitale Vermittlungseinrichtungen sind heute programmgesteuerte Datenverarbeitungsanlagen mit speziellen, vergleichsweise aufwendigen Ein-/Ausgabeeinrichtungen. Kommunikation ist damit ein computergesteuerter Vorgang. Gleichzeitig ergeben sich aus der Diensteintegration auf der Netzebene und der Tatsache, daß die kommunizierte Information in binärer Darstellung einer direkten Verarbeitung durch Computer zugänglich ist, vielfältige Möglichkeiten der Verknüpfung, die den Kern der Informationstechnik bilden.
2 Grundlagen 2.1 Verkehrsarten Grundsätzlich unterscheidet man zwei Arten von Netzwerkverkehr: Isochroner Verkehr und asynchroner Verkehr. Isochroner Verkehr ist dadurch gekennzeichnet, daß zwischen den Informationseinheiten eines Informationsstroms zeitliche Beziehungen bestehen, die beim
676 Transport nicht verloren gehen dürfen. Beispiele sind Sprache und Video. Bei asynchronem Verkehr bestehen zwischen den Informationseinheiten eines Informationsstroms keine zeitlichen Beziehungen. Beispiele hierfür sind interaktiver Terminalverkehr, File Transfer oder transaktionsorientierte Anwendungen. Ein universelles Netz muß sowohl isochronen Verkehr wie auch asynchronen Verkehr effizient transportieren können.
2.2 Vermittlungsprinzipien Es gibt zwei wichtige Vermittlungsprinzipien, die Leitungsvermittlung (circuit switching) und die Paketvermittlung (packet switching). Bei der Leitungsvermittlung wird zwischen den Kommunikationsendpunkten ein Kommunikationskanal (in den Anfängen der Telekommunikation wurde tatsächlich eine Leitung gestöpselt, daher die Bezeichnung) geschaltet, der den Kommunikationspartnern exklusiv zur Verfügung steht. Vorteile: Die Verbindung hat eine garantierte Dienstgüte bezüglich Datenrate und Verzögerung, die nicht von äußeren Umständen, wie der augenblicklichen Netzbelastung, abhängt. Nach dem Verbindungsaufbau steht den Kommunikationspartnern eine transparente Ende-zu-EndeVerbindung zur Verfügung. Nur beim Verbindungsaufbau entsteht Bearbeitungsaufwand in Zwischenknoten. Es gibt keine netzseitigen Vorgaben bezüglich der zu verwendenden Protokolle. Nachteile: Es werden Netzwerkressourcen reserviert, was eine schlechte Netzauslastung zur Folge hat, wenn die Partner die Verbindung nicht permanent auslasten können. Bereits beim Verbindungsaufbau werden Ressourcen reserviert, auch wenn die Verbindung schließlich nicht zustande kommt. Bei normaler Netzauslegung ist die Zahl der schaltbaren Verbindungen deutlich kleiner als die Zahl der Netzteilnehmer, so daß in Überlastsituationen kein Zugriff zum Netz besteht. Bei der Paketvermittlung wird die Nutzinformation in Informationsblöcke (Pakete) fester Maximallänge zerlegt, die voneinander unabhängig vom Sender zum Empfänger transportiert werden und deshalb alle Informationen enthalten müssen, die den Zwischenknoten eine korrekte Weiterleitung ermöglichen (insbesondere die Empfängeradresse). Vorteile: Keine Reservierung von Ressourcen. Auch bei unregelmäßiger und insgesamt geringer Nutzung durch einzelne Teilnehmer ist eine gute Auslastung der Verbindungswege möglich, da über
Datentechnik einen physikalischen Übertragungskanal mehrere Kommunikationsverbindungen geführt werden. Jeder Teilnehmer hat jederzeit Zugriff zum Netz. Jeder Netzteilnehmer kann über einen einzigen Netzzugang gleichzeitig mehrere Kommunikationsverbindungen zu anderen Netzteilnehmern unterhalten. Nachteile: Keine garantierte Dienstgüte. Zusätzlicher Overhead und Betriebsmittelverbrauch durch die Zerlegung der Originalinformation in Pakete und Hinzufügen zusätzlicher Steuerinformationen, die in jedem Paket enthalten sein und mittransportiert werden müssen (und die Umkehroperation auf Empfängerseite), durch Bearbeitungsaufwand in jedem Zwischenknoten für die korrekte Weiterleitung der Pakete sowie u.U. für die Sicherstellung von Sequenz, Eindeutigkeit und Vollständigkeit einer Folge von Paketen. Es ist offensichtlich, daß ein leitungsvermittelndes Netz gut geeignet ist, um isochronen Verkehr zu transportieren, aber weniger gut geeignet ist, um asynchronen Verkehr effizient transportieren zu können. Im Gegensatz dazu ist ein paketvermittelndes Netz gut für den Transport asynchroner Information, aber im Prinzip nicht für den Transport isochroner Information geeignet. Infolgedessen sind die klassischen Telekommunikationsnetze, insbesondere das Fernsprechnetz (das ja speziell für die Sprachkommunikation konzipiert wurde) und auch das daraus entwickelte ISDN leitungsvermittelnde Netze, wohingegen die klassischen Rechner- bzw. Datennetze (auch das Internet) paketvermittelnde Netze sind.
2.3 Vermittlungseinrichtungen Eine Vermittlungseinrichtung (switch) ist eine Vorrichtung, die über eine Reihe von Eingängen und Ausgängen verfügt und in der Lage ist, adreßgesteuert dynamisch Verbindungen zwischen beliebigen Ein- und Ausgängen herzustellen. Funktional kann man sich eine solche Vermittlungseinrichtung als eine zweidimensionale Anordnung von Schaltern vorstellen (Bild VI-1). Wie die Abbildung zeigt, können in einem Switch gleichzeitig mehrere Verbindungen zwischen disjunkten Paaren von Ein- und Ausgängen bestehen. Eine Switching-Anordnung, bei der ein freier Ausgang jederzeit von jedem Eingang aus erreichbar ist, wird als blockierungsfrei bezeichnet. Dies ist für eine einfache Schaltmatrix wie in der Abbildung trivial. Große Vermittlungseinrichtungen (mit sehr vielen Ein-/Ausgängen) können aber aus Aufwandsgründen nicht als einstufige Schaltmatrizen realisiert werden, da die Zahl der Schaltelemente quadratisch mit der Zahl der Ein-/Ausgänge wächst. Die Vermittlungstechnik ist ein altes und gut etabliertes Teilgebiet der Nachrichtentechnik, und es gibt eine Reihe von systematischen Anordnungen mit dem Ziel, mäßigen Aufwand mit guten betrieblichen Eigenschaften zu verbinden. Nicht alle arbeiten
VI Datenkommunikation
677
Eingänge E1
E2
EM
Ausgänge
A1
A2
A3
A4
blockierungsfrei. d.h. es kann vorkommen, daß ein freier Ausgang aufgrund einer internen Blockierung zeitweilig nicht erreichbar ist.
2.4 Klassifizierung von Netzen Die Klassifizierung von (Daten-)Netzen kann nach unterschiedlichen Kriterien erfolgen. Eine wichtige und auch häufig verwendete Möglichkeit ist die Unterscheidung nach Vermittlungsprizipien wie im vorigen Kapitel beschrieben. Eine andere Klassifikation basiert auf dem Ausdehnungsbereich. Man unterscheidet lokale Netze (Local Area Network = LAN) und Weitverkehrsnetze (Wide Area Network = WAN). Es sind zwei Besonderheiten, die zur Ausbildung spezieller lokaler Netze geführt haben, nämlich zum einen die begrenzte geographische Ausdehnung, zum anderen die Tatsache, daß der Begriff ,lokales Netz‘ immer auch einschließt, daß es sich um ein privates Netz handelt, das in seiner technischen Ausprägung wie in der Kostenstruktur unabhängig vom Angebot öffentlicher Netzbetreiber ist. Beim Überschreiten der Grundstücksgrenzen ist man in der Regel auf das Angebot eines öffentlichen Telekom-Anbieters angewiesen, das sowohl hinsichtlich der Dienstart wie auch der Dienstgüte (z.B. Datenrate) unter Umständen nicht den wirklichen Anforderungen entspricht. Darüber hinaus werden die Dienste öffentlicher Anbieter typischerweise (und auch richtigerweise) nutzungsabhängig tarifiert, d.h. intensive Nutzung verursacht entsprechend hohe Kosten. Im privaten/lokalen Bereich ist die Kostenstruktur eine andere: Hier dominieren die Investitionskosten und die Betriebskosten, die nicht oder kaum nutzungsabhängig sind, d.h. wenn ein privates/lokales Netz erst einmal etabliert ist, können durch zurückhaltende Nutzung kaum Kosten gespart werden. Dies ermöglicht in privaten/lokalen Netzen Betriebsweisen, bei denen ein permanenter Verkehr erzeugt wird (beispielsweise Polling-Verfahren, bei denen eine ausgezeichnete Station nachgeordnete Stationen im Wechsel permanent fragt, ob sie Daten zu übertragen haben).
A5
AN
Bild VI-1 Funktionsprinzip einer Vermittlungseinrichtung (Koppelmatrix)
Spezifische technische Lösungen werden auch durch die begrenzte geographische Ausdehnung (typischerweise deutlich unter 10 km) möglich. Die Ursache dafür liegt in der physikalisch bedingten endlichen Signalausbreitungsgeschwindigkeit (≤ Lichtgeschwindigkeit), die bei gegebenem Übertragungsmedium zu Signallaufzeiten führt, die nur von der Entfernung abhängen. Im Extrem – etwa bei Satellitenverbindungen – führt dies zu speziellen Vorgaben für einen effizienten Netzbetrieb. Laufzeiteffekte wirken sich um so gravierender aus, je größer die Übertragungsgeschwindigkeit ist. Für normale Datenraten in lokalen Netzen sind Laufzeiteffekte aber gering. Dies bedeutet, daß Verfahren zur Anwendung kommen können, deren Funktion (Effizienz) laufzeitabhängig ist. Dies ist z.B. beim Ethernet und beim Token-Ring der Fall. Koppelmatrix Die aufgeführten Besonderheiten haben dazu geführt, daß in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre spezielle lokale Netze (LANs) entworfen wurden, die in den achtziger Jahren weite Verbreitung gefunden haben. Allen gemeinsam war, daß es sich um paketvermittelnde ,Shared-Medium-Broadcast-Netze‘ handelte. ,Shared-Medium‘ bedeutet, daß alle Stationen eines LAN-Segments an ein gemeinsames Übertragungsmedium (typischerweise in Bus- oder Ringtopologie) angeschlossen sind und sich die verfügbare Bandbreite teilen. Der Betrieb ist so organisiert, daß die von einer sendenden Station ausgehende Information alle Stationen erreicht (Broadcast) und diejenige Station, die ihre eigene Adresse als Zieladresse im Kopf des Datenpakets angegeben findet, das vollständige Paket übernimmt. Die unterschiedlichen LANs unterscheiden sich charakteristisch in der Art und Weise, wie der Zugriff zum gemeinsam genutzten Medium organisiert ist.
2.5 Standardisierung Standards sind in allen technischen Bereichen von großer Bedeutung, besonders aber im Bereich der Kommunikation, wo ja per Definition immer mindestens zwei Partner beteiligt sind, die sich ansonsten in jedem einzelnen Fall über die zu verwendenden
678 Techniken verständigen müßten, was bei einer Vielzahl möglicher Kommunikationsbeziehungen unmöglich wäre. Standards können offizielle Standards (im Sinne von Norm) sein, die von den jeweils zuständigen nationalen oder internationalen Gremien festgeschrieben werden. Es können aber auch sogenannte De-factooder Industriestandards sein. Dabei handelt es sich um Produkte/Methoden, die sich am Markt durchgesetzt haben und dadurch marktbestimmend geworden sind. Solche Industriestandards sind in sehr schnellebigen Bereichen, wozu die Datenverarbeitung und die Datenkommunikation gehören, überproportional häufig anzutreffen. Im PC-Bereich sind beispielsweise die Betriebssysteme der Fa. Microsoft marktbestimmend, im Bereich der Datenkommunikation ist es das Internet, das auf den Internet-Protokollen basiert, die mit Förderung durch das amerikanische Verteidigungsministerium anfangs überwiegend im akademischen Bereich entwickelt und verbreitet wurden. 2.5.1 Standardisierungsgremien ISO (International Organization for Standardization) ISO ist der weltweite Zusammenschluß nationaler Normierungsgremien (für Deutschland ist das DIN (Deutsches Institut für Normung) Mitglied), dessen Aufgabe die Schaffung internationaler Standards (im Sinne von Normen) ist und dessen Festlegungen als einzige die Bezeichnung ,Internationaler Standard‘ (IS) tragen. ISO besitzt eine umfassende Zuständigkeit, die alle einer Normierung bedürfenden Bereiche einschließt mit Ausnahme der Elektrotechnik, für die die IEC (International Electrotechnical Commission) zuständig ist. Für Standardisierungen im Kommunikationsbereich, wo sich die Zuständigkeiten von ISO und IEC überschneiden, wurde 1987 ein gemeinsames Komitee, das Joint Technical Committee 1 (JTC 1) gegründet. ITU (International Telecommunications Union) Die ITU ist eine Unterorganisation der UNO und hatte 1995 Mitglieder aus 184 Staaten. ITU-T (-T steht für Telecommunication Standardization Sector), bis zu einer Neuorganisation 1994 CCITT (Comité International Télégraphique et Téléphonique), ist für die weltweite Abstimmung zwischen den öffentlichen Telekom-Anbietern zuständig. Die Standards – hier als Empfehlungen bezeichnet – werden in Study Groups erarbeitet und in einem vierjährigen Turnus verabschiedet. Die Empfehlungen werden – nach Sachgebieten geordnet – in Serien herausgegeben; sie bestehen aus einem Buchstaben, der die Serie kennzeichnet, gefolgt von einer durch einen Punkt abgetrennten Zahl für das Dokument (z.B. X.25). Folgende Serien sind für die Datenkommunikation von Bedeutung:
Datentechnik G-Serie: Fernsprechübertragung über drahtgebundene Verbindungen, Satelliten- und Funkverbindungen (auch allgemeine Übertragungsund Netzfragen) I-Serie: ISDN (aus Benutzersicht) Q-Serie: Fernsprech-Zeichengabe, Fernsprechvermittlung (auch allgemeine Zeichengabe und digitale Vermittlungseinrichtungen) T-Serie: Telematik-Endgeräte (Telefax, Teletex, Bildschirmtext) V-Serie: Datenübertragung über das Fernsprechund Telex-Netz X-Serie: Datenübertragung über öffentliche Datennetze. Da die ITU-T-Empfehlungen weltweit bei den Fernmeldeverwaltungen zum Einsatz kommen, erlangen sie automatisch große Verbreitung und Bedeutung. Die faktische Bedeutung ist so groß, daß ISO ITUEmpfehlungen berücksichtigen muß, falls diese für vergleichbare Funktionen vorher festgeschrieben wurden, was in der Vergangenheit des öfteren vorgekommen ist, da die ITU bei vorhandenem Regelungsbedarf bei den Telekomgesellschaften unter Zeitdruck arbeiten muß. ETSI (European Telecommunications Standards Institute) ETSI wurde 1988 als unabhängige europäische Institution ins Leben gerufen. Die Standards (ETS = European Telecommunications Standards) dienen dem Ziel, durch einheitliche Vorgaben eine europaweit ungehinderte Kommunikation sicherzustellen. Dies ist ein besonderes Anliegen der EU. Das ISO-Referenzmodell für Offene Systeme Der Hintergrund für diese Modellbildung ist eine bei der Softwareentwicklung weit verbreitete Vorgehensweise: Man zerlegt einen komplexen Gesamtvorgang in mehrere logisch schlüssige und möglichst unabhängig behandelbare Teile, die miteinander über wohldefinierte Schnittstellen verbunden sind. Für den Kommunikationsvorgang ist dies durch das OSI – Basic Reference Model geschehen (OSI steht für Open Systems Interconnection). Darin wird der Kommunikationsvorgang in sieben Schichten oder Ebenen (layers) unterteilt. Die in diesem Modell gewählte Aufteilung und die Zuordnung funktionaler Einheiten zu diesen Schichten ist nicht zwingend, wie ähnliche, aber keineswegs deckungsgleiche Strukturierungen in Firmenarchitekturen wie z.B. SNA (IBM) beweisen; sie hat sich aber als sinnvoll und stabil erwiesen und ist seit 1984 als ISO-Standard (IS 7498) festgeschrieben. Diese Fixierung ist die Voraussetzung für die Erarbeitung von Standards für die einzelnen Schichten. In jeder der sieben Schichten existieren Instanzen (entities), die die schichtspezifischen Dienste erbringen. Eine solche Instanz kommuniziert logisch mit
VI Datenkommunikation
679
einer Partnerinstanz (peer-to-peer), also einer Instanz gleicher Ebene in einem entfernten System. Dies geschieht durch den Austausch von Protocol Data Units (PDUs). Die Kommunikation zwischen Partnerinstanzen wird durch Protokolle geregelt. Unter einem Protokoll versteht man einen Satz von Regelungen für den Austausch von Informationen, d.h. konkret die Beschreibung der PDUs und ihrer Wirkungen im entfernten System. Die Anordnung ist streng hierarchisch. Eine Instanz der Schicht N kann nur das Dienstangebot einer Instanz der direkt darunterliegenden Schicht N – 1 in Anspruch nehmen und ihre eigenen Dienste nur einer Instanz der direkt darüberliegenden Schicht N + 1 anbieten. Dies geschieht über Dienstzugangspunkte (Service Access Points, SAPs). Der Transport von PDUs erfolgt in der Weise, daß eine Instanz eine von der übergeordneten Instanz übernommene PDU um eigene, für die Partnerinstanz bestimmte Kontrollinformationen (Protocol Control Information) ergänzt und zur weiteren Bearbeitung an die nachfolgende Instanz übergibt. Im entfernten System wertet jede Instanz die für sie bestimmte Kontrollinformation aus (und entfernt sie) und übergibt den Rest der PDU an die nächst höhere Instanz. Während die vertikale Kommunikation, d.h. die Kommunikation zwischen in der Hierarchie benachbarten Instanzen im gleichen System (konkret, wie SAPs realisiert und angesprochen werden) nicht der Standardisierung unterliegt, ist die horizontale Kommunikation zwischen Partnerinstanzen (d.h. die Kommunikationsprotokolle einer Ebene) Gegenstand der Standardisierung, ebenso wie die Beschreibung der Funktionen einer Ebene, d.h. der Leistungen, die der darüberliegenden Ebene angeboten werden.
Application Process
Die Funktionen der sieben Schichten des Referenzmodells (Bild VI-2) werden nachfolgend kurz beschrieben. Schicht 1 (Bitübertragungsschicht, Physical Layer) Die Schicht 1 beschreibt die Übertragungshardware; dazu gehören die elektrischen Verbindungen, die elektrische Darstellung der Bits (Leitungscodes), aber auch die Spezifikation von Kabeln und Steckern. Das Übertragungsmedium selbst gehört nicht dazu. Schicht 2 (Sicherungsschicht, Data Link Layer) Durch die Schicht 2 wird der Verkehr zwischen zwei direkt benachbarten Stationen (über eine Teilstrecke) geregelt; Fehlerbehandlung und Flußkontrolle für die Teilstrecke gehören dazu. Die Information wird in Blöcke geeigneter Länge unterteilt, die auf dieser Ebene als Rahmen (frames) bezeichnet werden und mit einem Fehlercode versehen werden, der eine Fehlererkennung und -behebung (meist durch Wiederholung) ermöglicht. Bei lokalen Netzen ist die Schicht 2 nochmals unterteilt in die Teilschicht 2a (Medium Access Control, MAC), die den Zugriff zum gemeinsamen Übertragungsmedium regelt, und die darüberliegende Teilschicht 2b (Logical Link Control, LLC), die die vom Medienzugriff unabhängigen Funktionen der Schicht 2 wahrnimmt. Schicht 3 (Vermittlungsschicht, Network Layer) Diese Schicht ist zuständig für die Wegwahl (routing), für das Multiplexen mehrerer Verbindungen über einzelne Teilstrecken und für Aspekte der Fehlerbehandlung und Flußkontrolle zwischen den Endsystemen einer Verbindung (nicht zwischen den Anwenderprozessen). Auf dieser Ebene werden die zu übertragenden Datenblöcke als Pakete bezeichnet.
Anwendungsprozeß
7
APPLICATION
peer-to-peer
ANWENDUNG
7
6
PRESENTATION
peer-to-peer
DARSTELLUNG
6
5
SESSION
peer-to-peer
KOMMUNIKATIONSSTEUERUNG
5
4
TRANSPORT
peer-to-peer
TRANSPORT
4
3
NETWORK
NETWORK
VERMITTLUNG
3
2
DATA LINK
DATA LINK
SICHERUNG
2
1
PHYSICAL
PHYSICAL
BITÜBERTRAGUNG
1
Physical Medium
Bild VI-2 Die Schichten des ISO-Referenzmodells
680 Schicht 4 (Transportschicht, Transport Layer) Die Transportschicht unterstützt die Verbindungen zwischen Prozessen in den Endsystemen; sie beschäftigt sich mit den Ende-zu-Ende-Aspekten einer Verbindung zwischen Prozessen (im Gegensatz zur Vermittlungsschicht, die Ende-zu-Ende-Aspekte der physikalischen Verbindung zwischen den Endknoten der Verbindung behandelt). Die Transportschicht verbirgt die Charakteristika des Netzes (lokales Netz, Weitverkehrsnetz, gar kein Netz) vor den darüberliegenden Schichten. Der Aufwand, der auf der Transportebene getrieben werden muß, hängt von den geforderten Leistungen ab, die über die Leistungen der Vermittlungsschicht hinausgehen. Schicht 5 (Kommunikationssteuerungsschicht, Session Layer) Die Kommunikationssteuerungsschicht dient vor allem der Synchronisation der Kommunikation zwischen den involvierten Prozessen. Jede Kommunikation kann logisch in die Phasen Verbindungsaufbau, Datentransfer und Verbindungsabbau gegliedert werden. Auf- und Abbau einer S-Verbindung (session) sind bestätigte Dienste, nach deren Ablauf die beiden Partner sich in einem gegenseitig genau definierten Zustand befinden. Die Funktionalität einer S-Verbindung ist zwischen den Partnerinstanzen der Kommunikationssteuerungsschicht aushandelbar in Abhängigkeit von den Erfordernissen der anfordernden Anwendung. Schicht 6 (Darstellungsschicht, Presentation Layer) Aufgabe der Darstellungsschicht ist es, Unterschiede in der Informationsdarstellung in den kommunizierenden Systemen zu überbrücken. Durch die Funktionen dieser Schicht wird sichergestellt, daß die ausgetauschten Informationen wechselseitig richtig interpretiert werden. Ein sehr einfaches Beispiel ist die gegebenenfalls erforderliche Abbildung unterschiedlicher Zeichencodes (wie ASCII oder EBCDIC) aufeinander. Schicht 7 (Anwendungsschicht, Application Layer) Anwendungen im Sinne der Schicht 7 sind nicht benutzerspezifische Anwendungen, die sich der Standardisierung generell oder doch im Rahmen des Kommunikationsvorgangs entziehen. Es gibt aber eine Reihe von grundsätzlichen Anwendungen von Kommunikationssystemen, die vielfach benötigt werden; die wichtigsten sind: File Transfer (FT): Austausch von Dateien Remote Job Entry (RJE): Absetzen von Rechenaufträgen in entfernten Systemen Virtual Terminal (VT): Nutzung der interaktiven Terminal-Dienste eines entfernten Rechners vom lokalen System aus
Datentechnik Message Handling Systems (MHS):
Austausch und Verwaltung von Mitteilungen an Benutzer anderer Systeme
Neben diesen Anwendungen, die auch als spezielle Dienstelemente (Special Application Service Elements, SASE) bezeichnet werden, gibt es auch allgemeine Dienstelemente (Common Application Service Elements, CASE); diese bezeichnen Grundfunktionen, die vielen Anwendungen gemeinsam sind und deshalb sinnvollerweise nicht speziell für jede einzelne Anwendung definiert werden. Dazu gehört das Auf- und Abbauen einer Verbindung auf der Anwendungsschicht, die Spezifikation der Anforderungen des betreffenden Dienstes an die Darstellungsschicht und die Kommunikationssteuerungsschicht sowie die Authentifikation der Benutzer eines Dienstes. Ein weiterer Komplex betrifft die zuverlässige Ausführung der Dienste, wodurch z.B. der korrekte Wiederanlauf nach einer Störung sichergestellt werden soll. Das Unterteilen des komplexen Kommunikationsvorgangs in Teilaspekte (Schichten) ist eine Maßnahme der Zweckmäßigkeit, die eine präzise Beschreibung und damit die Standardisierung erleichtert. Ein Benutzer interessiert sich jedoch nicht für Schichten und Strukturen, die ohnedies nicht explizit sichtbar sind, sondern für Anwendungen in ihrer Gesamtheit. Es ist deshalb wichtig, daß eine Anwendung als Ganzes durch einen vollständigen Satz von Standards für die einzelnen Ebenen beschrieben und realisiert wird.
3 Lokale Netze Neben Varianten lokaler Netze, die nur als Prototypen im akademischen Bereich realisiert worden sind und solchen, die als firmenspezifische Entwicklungen Marktbedeutung gehabt haben (wie z.B. HYPERchannel der Fa. Network Systems Corp.), sind es vor allem zwei Varianten, die weltweite Verbreitung gefunden haben, nämlich Ethernet (CSMA/CD = Carrier Sense Multiple Access with Collision Detection) und Token-Ring. Beide wurden durch IEEE (Institute of Electrical and Electronics Engineers) standardisiert und die Standards später von ISO übernommen. Ethernet wurde vom Forschungslabor der Fa. Xerox im Rahmen eines Konzeptes für ein papierloses Büro entworfen und später von der DIX-Firmengruppe (DEC, Intel, Xerox) weiterentwickelt und in die Standardisierung (IEEE 802.3) getragen. Der TokenRing ist von IBM entwickelt und als Standard bei IEEE (IEEE 802.5) durchgesetzt worden. Insgesamt ist Ethernet das weiter verbreitete LAN, der TokenRing hat aber insbesondere in durch IBM-Rechner geprägten Umgebungen Bedeutung gehabt.
3.1 Ethernet (CSMA/CD) Beim Ethernet gemäß IEEE-Standard handelt es sich um einen Koaxialkabel-Bus, an den die Teilnehmer-
VI Datenkommunikation
Higher Layers Data Link Layer
LLC MAC PLS
681
Endgerät
LLC MAC PLS MAU AUI
Teilnehmer-
Ethernet staController tion
-
Logical Link Control Medium Access Control Physical Signaling Medium Attachment Unit Attachment Unit Interface
Transceiver Cable
Physical Layer
AUI
Transceiver MAU
Bild VI-3 Komponenten eines Ethernet-Anschlusses
Tap Trunk
stationen angeschlossen werden. Durch Repeater können mehrere Kabelsegmente zu einem größeren Netz zusammengeschlossen werden. Die Maximallänge eines Kabelsegments beträgt 500 m, und es können maximal 100 Stationen daran angeschlossen werden; die Übertragungsgeschwindigkeit beträgt 10 Mbps (Megabit/sec). Die Komponenten eines Teilnehmeranschlusses sind Transceiver, Transceiver-Kabel und Ethernet Controller (Bild VI-3). Der Transceiver (Medium Attachment Unit = MAU) besteht aus dem eigentlichen Transceiver (transmitter/receiver), einer Sende-/Empfangseinheit, und einem als Tap bezeichneten Konnektor, durch den der physische Anschluß an das Kabel hergestellt wird. Das Transceiver-Kabel verbindet den am Bus (trunk) montierten Transceiver und den zur Teilnehmerstation gehörenden Ethernet Controller. Das Transceiver-Kabel ist dünner und flexibler als das Bus-Kabel und erlaubt das Aufstellen von Teilnehmerstationen in bis zu 50 m Abstand vom Bus. Dem Ethernet Controller steht durch diesen Aufbau netzseitig eine Schnittstelle (AUI = Attachment Unit Interface genannt) zur Verfügung, die von den spezifischen Eigenschaften des Übertragungsmediums und der Übertragungstechnik unabhängig ist, so daß ohne Auswirkungen auf den Ethernet Controller andere Medien und Übertragungsverfahren zum Einsatz kommen können. Der Ethernet Controller realisiert die MAC- und LLC-Funktionen. Zur Netzseite enthält der Controller noch die als PLS (Physical Signaling) bezeichnete Unterschicht, deren Aufgabe die Signalaufbereitung ist. Das Medienzugriffsverfahren CSMA/CD gehört zu den Random-Access-Verfahren, bei denen eine Station im Prinzip jederzeit Zugriff zum Medium hat. Das Verfahren funktioniert wie folgt: Eine sendewillige Station hört zunächst das Medium ab. Wenn das Medium frei ist, beginnt sie mit der Übertragung, ansonsten wartet sie, bis das Medium frei wird.
Station sendebereit Kanal abhören Kanal frei?
nein
Daten senden Kanal abhören Kollision? JAM-Signal senden
Warten gemäß Backoff-Strategie nein
Ende
Bild VI-4 Das CSMA/CD-Verfahren Ethernet Während des Sendens hört sie weiterhin das Medium ab. Wenn eine Kollision eintritt (dies kann geschehen, wenn zwei Stationen quasi gleichzeitig (d.h. in einem zeitlichen Abstand, der kleiner ist als die Signallaufzeit zwischen den Stationen) zu senden beginnen), dann bricht sie die Übertragung ab und sendet ein sogenanntes JAM-Signal aus, durch das sichergestellt werden soll, daß alle Stationen am Bus registrieren, daß eine Kollision aufgetreten ist. Nach einer durch die Backoff-Strategie festgelegten Wartezeit wird ein erneuter Übertragungsversuch gestartet. Durch die Backoff-Strategie muß sichergestellt werden, daß bei der Wiederholung eine erneute Kollision unwahrscheinlich ist. Das im Standard festgeschriebene Backoff-Verfahren wird als Truncated Binary Exponential Backoff bezeichnet und besagt, daß eine zufällige Anzahl von Zeiteinheiten gewartet wird, deren Mittelwert exponentiell mit der Zahl der erlittenen Kollisionen (für den gleichen Datenblock) steigt. Die vorgenannte Zeiteinheit, Slot Time genannt, spielt eine wichtige Rolle und manifestiert die Laufzeitabhängigkeit des CSMA/CD-Verfahrens:
682 Damit eine sendende Station eine auftretende Kollision sicher erkennen kann, darf die Übertragung nicht beendet sein, bevor das JAM-Signal die Station erreichen kann, d.h. die Dauer einer Übertragung muß mindestens das Doppelte der Signallaufzeit zwischen den an der Kollision beteiligten Stationen betragen. Dies muß auch für die Stationen maximaler Entfernung gelten, so daß dieser Wert (die Slot Time) bei gegebener Spezifikation der Kabel und des maximalen Netzausbaus eine Konstante ist; der durch den Standard festgelegte Wert beträgt 51,2 ms. Bei einer Übertragungsgeschwindigkeit von 10 Mbps ergibt sich daraus eine Mindestlänge von 512 Bits (= 64 Bytes) für einen zu übertragenden Datenblock (ethernet frame). Aufgrund dieser Gegebenheiten besteht beim Ethernet ein kritischer Zusammenhang zwischen den Netzparametern Netzausdehnung, Blockgröße und Übertragungsgeschwindigkeit, so daß – wenn z.B. die Übertragungsgeschwindigkeit erhöht wird – entweder die minimale Blockgröße um den gleichen Faktor erhöht oder die maximale Netzausdehnung um den gleichen Faktor verkleinert werden muß. Eine weitere negative Eigenschaft des CSMA-CDVerfahrens ist die Instabilität. Diese bewirkt, daß bei hoher Last (hervorgerufen durch viele Übertragungsanforderungen, allg. vom Typ Poisson) die Zahl der Kollisionen steigt und damit der Durchsatz abnimmt, so daß in der Konsequenz die Nutzdatenrate eines Ethernets nur etwa 40 – 50% der Nenndatenrate von 10 Mbps beträgt. Seit der Festlegung des ursprünglichen Standards hat es eine Reihe von Fortschreibungen gegeben. Dies betrifft zunächst die Anpassung an eine andere Infrastruktur. Entsprechend dem allgemeinen Trend (inzwischen ein internationaler Standard für die Gebäudeverkabelung) hin zur Sterntopologie, basierend auf Kupferdoppeladern (twisted pair) oder Glasfasern (optical fiber), wurden neue Varianten spezifiziert, die die Kurzbezeichnungen 10Base-T (10 steht für 10 Mbps Übertragungsgeschwindigkeit, Base für Basisbandtechnik und T für Twisted Pair) und 10Base-F (F für Fiber) tragen. Neuere Entwicklungen, die unter der Bezeichnung ,Fast Ethernet‘ laufen, haben die Erhöhung der Übertragungsgeschwindigkeit auf 100 Mbps zum Inhalt. Hiervon gibt es – völlig überflüssigerweise – gleich zwei Varianten. Die eine basiert auf dem CSMA/CDVerfahren (weshalb sie auch unter der Bezeichnung IEEE 802.3 läuft) und trägt die Bezeichnung 100Base-TX bzw. 100Base-FX für Twisted Pair bzw. Fiber. Nach den oben dargelegten Zusammenhängen ist mit der Erhöhung der Übertragungsgeschwindigkeit um den Faktor 10 eine Verkleinerung der Netzausdehnung um den gleichen Faktor (auf etwas über 200 m) verbunden. Die zweite Variante (IEEE 802.12) basiert auf einem neuen, als Demand Priority bezeichneten Zugriffsverfahren. Die Kurzbezeichnung ist 100Base-VG oder auch 100VG-AnyLAN. ,VG‘ steht für Voice Grade
Datentechnik und deutet an, daß die Übertragungsgeschwindigkeit von 100 Mbps auf relativ einfachen (Fernsprech-)Kabeln, wie sie für 10Base-T erforderlich sind, realisiert wird. Die Bezeichnung ,AnyLAN‘ weist darauf hin, daß diese Variante von den möglichen Netzstrukturen und von den unterstützten Frame-Formaten her als Aufstiegspfad sowohl für Ethernet- wie auch für Token-Ring-Installationen geeignet ist (allerdings nicht gleichzeitig, d.h. es können in einem Netz entweder Ethernet-Frames oder Token-Ring-Frames transportiert werden). Da man sich bei IEEE nicht auf einen der beiden Vorschläge einigen konnte, wurden 1995 beide standardisiert (ein Armutszeugnis für ein Standardisierungsgremium!). Die (technisch überlegene) Variante 100Base-VG konnte sich am Markt aber nicht durchsetzten. 1998/1999 wurde in einem weiteren Entwicklungsschritt Gigabit-Ethernet in mehreren Varianten (Bezeichnung: 1000Base-xx) standardisiert. 2002 wurden dann als bisher letzte Entwicklungsstufe erste Standards für ein 10-Gbps-Ethernet (10GBase-xx) in mehreren Varianten für unterschiedliche Entfernungen und LWL-Typen verabschiedet. Während für Gigabit-Ethernet noch eine Shared-Medium-Variante entwickelt wurde, die größere strukturelle Ergänzungen erforderte, um die im Standard für Gebäudeverkabelung geforderte Entfernung von 100 m überbrücken zu können, wird es eine solche für 10G-Ethernet nicht mehr geben. Generell geht die Entwicklung zum Ethernet-Switching (auch als Vollduplex-Variante bezeichnet), bei dem im zentralen Punkt des Verkabelungssterns ein Switch die Ethernet-Frames vermittelt. Hierbei wirken sich die Nachteile des EthernetZugriffsverfahrens nicht aus, weil es kein gemeinsam genutztes Medium mehr gibt und deshalb überhaupt kein spezielles Zugriffsverfahren benötigt wird. Voraussetzung für die Anwendbarkeit von Switching im allgemeinen und Ethernet-Switching im besonderen ist die Existenz einer Sternverkabelung, wie sie der Standard für die Gebäudeverkabelung vorschreibt.
3.2 Token-Ring Wie alle Ringe kann der Token-Ring als eine geschlossene Kette von gerichteten Punkt-zu-PunktVerbindungen betrachtet werden; die Stationen sind über einen Datenweg verbunden, der in Basisbandtechnik unidirektional betrieben wird. Jede Station empfängt die auf dem Ring befindliche Information, interpretiert die Kontrollinformation, regeneriert die Signale und leitet sie zur nächsten Station weiter. Die Auslegung der Netzstationen als aktive Elemente hat den Vorteil, daß sowohl hinsichtlich der Zahl der angeschlossenen Stationen wie auch der geographischen Ausdehnung große Netze aufgebaut werden können; sie hat den Nachteil, daß – wenn nicht andere Vorkehrungen getroffen werden – der Ausfall einer einzigen Station die Funktionsunfähigkeit des gesamten Rings zur Folge hat.
VI Datenkommunikation
683
Empfänger
Sender
Bild VI-5 Datenfluß im Token-Ring
Ringleitungsverteiler
Adapter Endgerät
Adapter Endgerät
Der Token (die Sendeberechtigung) kreist im Normalfall im Ring. Eine sendewillige Station muß warten, bis sie den Token (free token) erhält; dessen Status wandelt sie in ,besetzt‘ (busy token) und überträgt den anstehenden Datenblock. Die adressierte Station übernimmt die Daten, leitet sie aber gleichzeitig weiter durch den Ring (Bild VI-5). Es ist die Aufgabe der sendenden Station, den Informationsrahmen wieder vom Ring zu entfernen, wenn dieser den Ring umrundet hat. Anschließend generiert die Absenderstation einen neuen (freien) Token und sendet ihn zur Nachbarstation. Da es im Token-Ring eine natürliche Reihenfolge der Stationen gibt, brauchen die Stationen, wenn sie einen Informationsrahmen senden oder weiterleiten, die Nachbarstation nicht explizit zu adressieren. Dadurch ist die minimale Länge eines Rahmens sehr kurz; dies trifft insbesondere zu für den Token Frame (das ist der Rahmen, der im Ring kreist, wenn keine Nutzinformation zu übertragen ist); seine Länge beträgt gemäß Token-Ring-Standard 24 Bits. Die Laufzeitabhängigkeit des Token-Verfahrens resultiert daraus, daß eine sendewillige Station in jedem Falle – also auch, wenn keine andere Station sendet oder senden will – warten muß, bis sie in Besitz des Token gelangt, was um so länger dauert, je größer der Ring ist. Nach der Übertragung eines Datenblocks muß sie den Token wieder freigeben und warten bis der Token den Ring umrundet hat und wieder zu ihr gelangt, bevor sie einen weiteren Datenblock übertragen darf.
Adapter Endgerät
Bild VI-6 Stern-Ring-Verbindung über Ringleitungsverteiler (schematische Darst.)
Der Token-Ring ist ein Ring, der auf einer physikalischen Sterntopologie realisiert wird, indem benachbarte Ringstationen über eine zentrale Einheit, den Ringleitungsverteiler, miteinander verbunden werden. Eine Token-Ring-Installation besteht aus ringförmig verbundenen Ringleitungsverteilern, an die die Teilnehmerstationen, bestehend aus Token-Ring-Adapter plus Endgerät (typischerweise ein Rechner) über Anschlußkabel (drop cable, lobe) angeschlossen sind (Bild VI-6). An einen Token-Ring können maximal 200 Stationen angeschlossen werden; die Übertragungsgeschwindigkeit beträgt 4 Mbps oder 16 Mbps (aber nicht gemischt). Die zulässige Entfernung zwischen einer Station und dem Ringleitungsverteiler ist abhängig von der Datenrate und der Kabelqualität; sie beträgt aber mindestens die im Verkabelungsstandard geforderten 100 m. Die Verbindung der Teilnehmerstationen über ein zentrales Element hat den Vorteil, daß bei Ausfall einer Station oder Unterbrechung der Verbindungsleitung dieser Anschluß im Ringleitungsverteiler kurzgeschlossen werden kann, so daß die Kommunikation zwischen den verbleibenden Stationen ungestört stattfinden kann. Die Überbrückung an zentraler Stelle hat überdies den Vorteil, daß selbst bei Ausfall mehrerer benachbarter Stationen die Entfernung zwischen den verbleibenden Ringstationen praktisch unverändert bleibt, was andernfalls übertragungstechnische Probleme bereiten könnte. Es gibt keine Weiterentwicklung des Token-RingStandards und damit keine Zukunft für den TokenRing.
684
Datentechnik
FDDI (Fiber Distributed Data Interface, ISO 9314) ist im Grunde genommen ein an die höhere Übertragungsgeschwindigkeit (100 Mbps) und die größere Ringausdehnung (max. 200 km) angepaßte Variante des Token-Rings. FDDI war das erste der sogenannten High-speed-LANs, das standardisiert wurde. Hinsichtlich der Zukunftsperspektiven gilt die gleiche Aussage wie für den Token-Ring: FDDI hat keine Chance gegen die modernen Ethernet-Varianten.
im ISDN auch zwischen Endteilnehmer und Ortsvermittlungsstelle. Der unabhängige Signalisierungskanal erlaubt Leistungsmerkmale, die im Fernsprechnetz nicht möglich sind, etwa die Anzeige eines weiteren Verbindungswunsches (mit Anzeige der Rufnummer des rufenden Teilnehmers) während einer bestehenden Verbindung. Die leitungsvermittelten Nutzkanäle im ISDN (als B (Basis)-Kanäle bezeichnet) sind – abgesehen davon, daß ihre Datenrate aufgrund der Erfordernisse PCM-
3.3 ISDN Analoge Endst.
A
D
A
A NT
D
Dig. OVSt
DIVO
Digitale Fernvermittlungsstellen
DIVF
DIVF
Dig. OVSt
DIVO
S0
A
D
A NT D
NT
S0
Digitale Endstellen
A
S0
NT D
Analoge Endst.
S0
D
Digitale Endstellen
Zentraler Signalisierungskanal
Bild VI-7 Prinzipdarstellung des diensteintegrierenden digitalen Fernmeldenetzes Das ISDN (Integrated Services Digital Network) entsteht aus dem digitalen Fernsprechnetz. Die Digitalisierung des Fernsprechnetzes (in Deutschland Ende 1997 abgeschlossen) beinhaltet die Digitalisierung der Vermittlungseinrichtungen und der Verbindungen zwischen diesen. Beim Teilnehmer gibt es keine Veränderung, d.h. die Endgeräte (Fernsprechapparate, Faxgeräte) bleiben analog, so daß auch die Teilnehmeranschlußleitung weiter in analoger Technik betrieben werden muß. Dazu ist an der digitalen Ortsvermittlungsstelle (DIVO) eine Digital-/Analogwandlung erforderlich. Beim ISDN wird auch der Teilnehmeranschluß (Endgerät + Leitung) digitalisiert, so daß durchgehende digitale Verbindungen von Teilnehmer zu Teilnehmer möglich sind. Das ISDN ist vollständig durch ITU-T standardisiert, und die Empfehlungen werden, die Bedeutung des ISDN unterstreichend, in einer eigenen Serie, der I-Serie, herausgegeben. Neu im digitalen Fernsprechnetz und notwendige Voraussetzung vieler fortschrittlicher Funktionen im ISDN ist der zentrale Signalisierungskanal, über den unabhängig von den Nutzkanälen Kontrollnachrichten zwischen den Vermittlungseinrichtungen ausgetauscht werden. Im Gegensatz zu den Nutzkanälen, die leitungsvermittelt sind, ist der Signalisierungskanal als Verbindung zwischen DV-Anlagen (was die Vermittlungseinrichtungen de facto sind) paketvermittelt. Einen unabhängigen Signalisierungskanal (Outband-Signalisierung) gibt es mit dem D-Kanal
codierter Sprache (8 kHz Sampling Rate, 8-BitAuflösung) 64 kbps beträgt – nicht dienstspezifisch. Für den Teilnehmeranschluß sind zwei Kanalstrukturen spezifiziert: B + B + D16
Basisanschluß (Basic Access, BA)
30 × B + D64
Primärmultiplexanschluß (Primary Rate Access, PRA)
D16 beziehungsweise D64 bezeichnen einen paketvermittelten 16- bzw. 64-kbps-Signalisierungskanal. Beim Basisanschluß stehen dem Teilnehmer somit zwei unabhängig vermittelbare 64-kbps-Basiskanäle und ein 16-kbps-Signalisierungskanal, also eine Nettobitrate von 144 kbps, zur Verfügung. Beim Primärmultiplexanschluß (geeignet für größere Unternehmen) steht eine Nettobitrate von 1,984 Mbps zur Verfügung. Es können auch mehrere Basiskanäle zwischen den gleichen Endstellen vermittelt werden und so Verbindungen höherer Leistung (N × 64 kbps, N > 1) realisiert werden. Die D-Kanäle dienen vorrangig der Signalisierung, können aber auch für niederratige paketorientierte Datenübertragungen genutzt werden. Die physikalischen Schnittstellen eines Basisanschlusses sind in Bild VI-8 dargestellt. Von besonderer Bedeutung ist der Netzabschluß NT (Network Termination), der die Schnittstelle zwischen Teilnehmer und Telekom bildet und dem Teilnehmer die bus-fähige S0-Schnittstelle zur Verfü-
VI Datenkommunikation S0
R TE 1
TE 2
685 U NT
TA ET LT NT TA TE 1 TE 2 U S0
-
V LT
ET
ISDN-DIVO
Exchange Termination (Vermittlungsabschluß) Line Termination (Leitungsabschluß) Network Termination (Netzabschluß) Terminal Adapter (Endgeräteanpassung) Terminal Equipment Type 1 (ISDN-fähiges Endgerät) Terminal Equipment Type 2 (herkömmliches Endgerät) Leitungsschnittstelle der Teilnehmeranschlußleitung Teilnehmer schnittstelle zum Anschluß ISDN-fähiger Endgeräte
Bild VI-8 Physikalische Schnittstellen des ISDN-Basisanschlusses gung stellt. Der S0-Bus kann 200 m lang sein, und bis zu acht unterschiedliche Endgeräte können daran angeschlossen werden. Der Netzabschluß NT besitzt keine Vermittlungsfunktion, d.h., wenn zwischen zwei Fernsprechapparaten an einem S0-Bus eine Verbindung hergestellt wird, so geschieht dies (gebührenpflichtig!) über die Ortsvermittlungsstelle. S0-fähige digitale Endgeräte können direkt angeschlossen werden. Wenn Geräte mit anderen Schnittstellen (etwa herkömmliche analoge Fernsprechapparate) angeschlossen werden sollen, so kann dies über einen Terminal Adapter (TA) geschehen, der netzseitig über eine S0-Schnittstelle verfügt und benutzerseitig (R-Bezugspunkt) die für das anzuschließende Gerät erforderliche Schnittstelle besitzt. Der TA muß gegebenenfalls eine Datenratenanpassung vornehmen und – was aufwendig sein kann – die jeweiligen Signalisierungen aufeinander abbilden. Das heute angebotene ISDN ist das sogenannte EURO-ISDN. Im Gegensatz zu den ersten ISDNRealisierungen (auch der Deutschen Telekom), die auf den noch unvollständigen ITU-T-Standards von 1984 aufbauten, basiert das EURO-ISDN auf den ITU-T-Empfehlungen von 1988. Beim EURO-ISDN haben sich die europäischen Telekom-Verwaltungen auf ein einheitliches (Mindest-)Angebot an Diensten und Leistungsmerkmalen verpflichtet, die somit grenzüberschreitend europaweit genutzt werden können.
3.4 Breitband-ISDN (ATM-Technik) Das ISDN ist insofern noch kein wirklich universelles Netz als es durch die Beschränkung auf 64 kbps bzw. geringe Vielfache davon als Trägersystem für breitbandige Kommunikationsdienste nicht geeignet ist. Bei ITU wie auch bei der Deutschen Telekom und anderen Fernmeldeverwaltungen ist deshalb die Weiterentwicklung des ISDN zum Breitband-ISDN
(B-ISDN) von Anfang an geplant gewesen. Das Breitband-ISDN ist eine Weiterentwicklung des heutigen (Schmalband-)ISDN, d.h. grundsätzliche konzeptionelle Unterschiede gibt es nicht, insbesondere nicht, was den Stationsaufbau und die Prinzipien des Teilnehmerzugangs und der Signalisierung angeht. Als Netztechnik des B-ISDN wurde ATM (Asynchronous Transfer Mode) durch ITU-T festgeschrieben. Ein ATM-Netz ist universell einsetzbar, da es sowohl isochronen als auch asynchronen Verkehr tragen kann und eine dynamische Zuordnung von Bandbreiten gestattet. Insbesondere diese letzte Eigenschaft war für die Entscheidung zugunsten von ATM bedeutsam, da sich die Mitglieder der Standardisierungsgremien gleich zu Anfang nicht auf die Festlegung einer Kanalstruktur und der Bandbreiten (was für ein leitungsvermittelndes Netz unabdingbar ist) für das Breitband-ISDN einigen konnten. Dies war nicht die Folge eines mangelnden Einigungswillens, sondern unterstreicht die objektive Unmöglichkeit, eine derartige Festlegung (und damit Festschreibung auf Dauer) in sachgerechter Weise treffen zu können, da niemand in der Lage ist, eine ernstzunehmende Prognose zu stellen, welche Datenraten für welche Dienste in 15 oder 20 Jahren benötigt werden. Zunächst einige charakterisierende Merkmale des ATM-Verfahrens in Stichworten: ATM ist ein sogenanntes Fast Packet SwitchingVerfahren, auch als Cell Switching (Zellvermittlung) bezeichnet. Hierbei wird der Informationsstrom in kleine Pakete fester Länge und Struktur (Zellen) von 53 Bytes (5 Bytes Header (Zellkopf) und 48 Bytes Payload (Nutzinformation)) unterteilt. ATM basiert somit auf Vermittlungstechnik, und die Basistopologie eines ATM-Netzes ist der Stern.
686
Datentechnik
Die Zellen sind für alle Kommunikationsdienste gleich, d.h. beliebige Verkehrsströme werden vollkommen transparent übertragen. Die einfache Zellstruktur erlaubt eine hardware-gesteuerte Zellvermittlung, was bei den hohen Geschwindigkeiten in ATM-Netzen auch notwendig ist. Die ATM-Spezifikationen beziehen sich auf die Schichten 1 und 2 des OSI-Referenzmodells. Die Übertragungstechnik selbst ist nicht Bestandteil der ATMSpezifikation durch ITU-T, d.h. ATM kann auf jedem ausreichend fehlerfreien Übertragungsweg betrieben werden. Im öffentlichen Bereich ist dies vor allem die synchrone Übertragungshierarchie SDH (Synchronous Digital Hierarchy) mit den Übertragungsgeschwindigkeiten 155,52 Mbps und 622,08 Mbps. Im Teilnehmerzugangsbereich werden auch niedrigere Geschwindigkeiten angeboten (ab 2 Mbps). Wenn die ATM-Technik ihren Ursprung auch im öffentlichen Bereich hat (als Vermittlungs- und Multiplextechnik des Breitband-ISDN), so ist sie doch auch in privaten und lokalen Netzen einsetzbar, so daß sich erstmals die Perspektive einer einheitlichen Technik für alle Bereiche abzeichnet. Für den Einsatz im lokalen Bereich sind weitere Übertragungssysteme und -geschwindigkeiten definiert, teilweise von ITU-T, zum größeren Teil vom ATM-Forum (eine Vereinigung der wichtigsten Computer- und Telekommunikationsfirmen sowie von Netzbetreibern mit dem Ziel, die Standardisierung und Verbreitung von ATM voranzutreiben). Im lokalen Bereich sind 155-Mbps-Anschlüsse verbreitet, und es zeichnet sich ab, daß 622 Mbps im Backbone-Bereich genutzt werden wird. Grundsätzlich hat ein ATM-Netz die in Bild VI-9 gezeigte Struktur.
einem UNI kann sich auch ein (privates) ATM-Netz, bestehend aus privaten ATM-Vermittlungseinrichtungen mit daran angeschlossenen Endeinrichtungen (CPE = Customer Premises Equipment), verbergen.
Higher Layers
Higher Layers
ATM Adaption Layer (AAL) ATM Layer
L a y e r
P l a n e
M a M n a a n g a e g m e e m n e t n t
Physical Layer (PL)
Bild VI-10 Protokoll-Referenzmodell des Breitband-ISDN Das Protokoll-Referenzmodell des Breitband-ISDN (Bild VI-10) zeigt die bei ITU-T übliche (und vom OSI-Referenzmodell abweichende) Zweiteilung in eine User Plane und eine Control Plane, wobei die in der Control Plane verwendeten Protokolle Erweiterungen der für das Schmalband-ISDN spezifizierten Protokolle sind. Die ATM-Spezifikation umfaßt drei Schichten. Kern ist die mittlere Schicht (ATM Layer), die für das Vermitteln und Multiplexen von ATM-Zellen, d.h. für den Transport der Zellen durch das Netz, zustän-
NNI - Network Node Interface UNI - User Network Interface ATM
ATM UNI
ATM Switch
NNI
NNI
ATM Switch
ATM Switch
UNI
NNI
NNI UNI Customer Premises Equipment (CPE)
Die ATM-Vermittlungseinrichtungen (Switches) bilden ein vermaschtes Netz; sie kommunizieren über eine Network Node Interface (NNI) genannte Schnittstelle miteinander. Über die UNI-Schnittstelle (User Network Interface) können ATM-fähige Endgeräte an die Vermittlungen angeschlossen werden. Hinter
Bild VI-9 Struktur eines ATM-Netzes
dig ist. Der darüber angesiedelten AAL-Schicht (ATM Adaption Layer) obliegt die Anpassung an die höheren Schichten (Anpassung der verschiedenartigen Informationsströme an die Gegebenheiten des ATM-Netzes), während die darunterliegende PL-Schicht (Physical Layer) die Anpassung an das
VI Datenkommunikation
687
eigentliche Übertragungssystem übernimmt, das selbst nicht Bestandteil der ATM-Spezifikation ist. Neben der Benutzerebene, die für den Transport der Nutzdaten zuständig ist, sind noch die Steuerebene (Control Plane) und die Managementebene (Management Plane) definiert. Alle Ebenen benutzen für die Durchführung ihrer Funktionen das darunterliegende ATM-Netz. Die Steuerebene ist für Aufbau und Abbau von Verbindungen sowie deren Überwachung während ihres Bestehens zuständig. Da ATM verbindungsorientiert arbeitet, muß durch einen Signalisierungsvorgang auf der Steuerebene zunächst eine Verbindung aufgebaut werden, bevor Benutzerdaten fließen können. Die Managementebene umfaßt zwei Funktionen: Ebenenmanagement (Plane Management) und Schichtenmanagement (Layer Management).
daten (Payload) gibt es auf der ATM-Ebene keinen Fehlerschutz; für diese Daten ist der Fehlerschutz dienstabhängig auf den höheren Schichten zu organisieren. ATM arbeitet verbindungsorientiert, d.h. zwischen den Kommunikationspartnern muß eine virtuelle Verbindung (VCC = Virtual Channel Connection) aufgebaut werden, bevor Daten ausgetauscht werden können. Eine virtuelle Verbindung ist nicht nur durch ihre Endpunkte (Sender- und Empfängeradresse) charakterisiert, sondern auch durch Eigenschaften und Leistungsmerkmale, die als Dienstgüte (Quality of Service, QoS) bezeichnet und beim Verbindungsaufbau zwischen dem Teilnehmer und dem Netz ausgehandelt werden und deren Einhaltung durch das Netz garantiert wird. ATM-Zelle Network Interface
Physical Layer Die Aufgabe der physikalischen Schicht ist es, ATMZellen an die Gegebenheiten des Übertragungssystems anzupassen und zu übertragen. Die Dienste, die die physikalische Schicht der darüberliegenden ATM-Schicht bietet, nämlich den Transport gültiger Zellen und die Bereitstellung von Timing-Information (wird unter Umständen von Diensten höherer Schichten benötigt), sind unabhängig vom Übertragungssystem, d.h. die Eigenschaften des Übertragungssystems bleiben der ATM-Schicht verborgen, die ausschließlich auf der Basis von ATM-Zellen arbeitet.
ATM Adaption Layer (AAL) Packet
ATM-Layer Die ATM-Schicht erbringt die Kernfunktionen eines ATM-Netzes: das Vermitteln und Multiplexen von Zellen. Dies geschieht auf der Basis der im Zellkopf enthaltenen Informationen (Bild VI-11). Auf zwei der Felder soll hier kurz eingegangen werden: Virtual Channel Identifier (VCI), Virtual Path Identifier (VPI) Die in Vermittlungseinrichtungen (Switches) für das Vermitteln von ATM-Zellen benötigte Information ist in den VCI- und VPI-Feldern enthalten. Die VCIund VPI-Werte sind keine Adressen, sondern Kennungen (Labels), die für das Routing benutzt werden und nur innerhalb des ATM-Netzes von Bedeutung sind. Header Error Control (HEC) Schützt nur die Header-Information. Einbit-Fehler können korrigiert werden, Mehrbit-Fehler werden erkannt, fehlerhafte Zellen verworfen. Für die Nutz5 Octets
CBR
VBR
AAL
ATMZ ellen
Bild VI-12 Funktionsprinzip der AAL-Schicht Die Aufgaben der Anpassungsschicht sind die dienstgerechte Aufbereitung der Nutzinformation sowie die Zerlegung in Zellen auf Senderseite, die Extraktion der Nutzinformation und deren (zeitgerechte) Weitergabe auf Empfängerseite und die Bereitstellung
48 Octets
Payload
Header
GFC
VPI
4
8
VCI 16
PT CLP 3
1
HEC 8
Bits
Bild VI-11 Struktur der ATM-Zelle am User Network Interface
688
Datentechnik
und Auswertung der erforderlichen Steuer- und Management-Funktionen. Die AAL-Schicht regelt den Netzzugang. Die Festlegung von Dienstgüteparametern und deren Überwachung sowie Flußkontrollfunktionen sind Aufgaben des Netzzugangs. Es ist die AAL-Schicht, die einem ATM-Netz die Flexibilität verleiht, die unterschiedlichsten Dienste zu transportieren. Die AAL-Schicht stellt folgende Verbindungsklassen zur Verfügung: CBR (Constant Bitrate) für isochronen Verkehr fester Bitrate. Dieser ist optimal geeignet für Anwendungen, die einen permanenten Informationsstrom fester Rate erzeugen. Dazu zählen klassische Audiooder Videoanwendungen. Für eine CBR-Verbindung ist die maximale Bitrate (peak cell rate) frei wählbar. Realtime VBR (Variable Bitrate) für isochronen Verkehr variabler Bitrate. Solcher Verkehr entsteht bei der Anwendung von Kompressionsalgorithmen auf Video- und Audiosignale. Diese Klasse ist ohne Vorbild, da bisher kein Netz in der Lage war, solchen Verkehr adäquat (effizient) zu übertragen. UBR (Unspecified Bitrate) für asynchronen Verkehr variabler Bitrate. Hierüber kann asynchroner (paketorientierter) Verkehr ohne Service-Garantien übertragen werden. UBR-Verkehr soll die durch die vorher beschriebenen Verbindungsklassen (CBR und Realtime-VBR) nicht belegte Bandbreite im freien Spiel der Kräfte nutzen. Dabei baut ein Sender eine UBRVerbindung ohne QoS-Angaben auf und sendet dann
Bandwidth
mit maximaler Rate. Wenn in der Folge Überlastprobleme in Netzknoten auftreten, werden die Zellen solcher UBR-Verbindungen verworfen. Diese Vorgehensweise funktioniert nur unter der Prämisse, dass aufgrund der Gesamtkonstellation Überlastsituationen in Netzknoten seltene Ereignisse sind. ABR (Available Bitrate) für asynchronen Verkehr variabler Bitrate. Im Grundsatz hat ABR die gleiche Zielsetzung wie UBR, nämlich die für isochronen Verkehr nicht benötigte Bandbreite für asynchronen Verkehr zu nutzen. Dies geschieht hierbei jedoch nicht im freien Spiel der Kräfte, wobei jeder Teilnehmer maximalen Durchsatz anstrebt und die Begrenzung durch Überlastreaktionen des Netzes realisiert wird, sondern durch Hinzufügen eines Flusskontrollmechanismus (flow control, congestion control). Dies ist ein Regelkreis, über den die Zugangsrate beim Sender so gesteuert werden soll, dass weder der Empfänger noch Zwischenknoten (das Netz) überlastet werden, also Zellverluste vermieden werden. Im öffentlichen Bereich ist die ATM-Technik im Breitband-ISDN etabliert, das in Deutschland von der Deutschen Telekom nach einer Pilotphase seit 1997 als regulärer Dienst angeboten wird. Für den privaten/lokalen Bereich ist die Technik ebenfalls verfügbar, konkurriert hier aber mit den modernen Ethernet-Varianten, die funktional unterlegen, dafür aber deutlich billiger sind. Aus diesem Grunde kommt die ATM-Technik hier zur Zeit überwiegend im Backbone-Bereich und bei Anwendungen mit besonders hohen Anforderungen an die Isochronität (z.B. Multimedia) zum Einsatz.
Literatur
cell loss
1
ABR
VBR CBR Time
Bild VI-13 ATM-Verbindungsklassen
[1] Conrads, D.: Telekommunikation. 5., überarbeitete und erweiterte Auflage, Vieweg, 2004. [2] Kanbach, A., Körber, A.: ISDN. Die Technik. Schnittstellen, Protokolle, Dienste, Endsysteme. 3., neubarbeitete und stark erweiterte Auflage. Hüthig, 1998. [3] Kauffels, F.-J.: Lokale Netze. 2 Bde., mitp, 2003. [4] Siegmund, G.: ATM – Die Technik. 4., völlig neu bearbeitete Auflage, Hüthig, 2003. [5] Siegmund, G.: Technik der Netze. 5., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Hüthig, 2002.
689
Automatisierungstechnik de Wirkungsablauf findet in einem geschlossenen Kreis, dem Regelkreis, statt. Programmierbare Automatisierungsgeräte können die Aufgaben des Steuerns und Regelns ausführen, denn beide Funktionen beruhen auf Programmen unter Verwendung desselben Operationsvorrates.
1 Einführung Automatisierung: Reale Aufgaben der Automatisierungstechnik sind im Allgemeinen sehr komplex. Als umfassender Ausdruck für Steuerungs-, Regelungsund Visualisierungs-Vorgänge hat sich der Begriff der Automatisierung durchgesetzt. Er beinhaltet, dass Automatisierungsgeräte selbsttätig Programme befolgen und dabei Entscheidungen auf Grund vorgegebener Führungsgrößen und rückgeführter Prozessgrößen aus der Anlage sowie erforderlicher Daten aus internen Speichern des Systems treffen, um daraus notwendige Ausgangsgrößen für den Betriebsprozess zu bilden. Steuerung: Steuern oder Steuerung wird als Ablauf in einem System definiert, bei dem eine oder mehrere Eingangsgrößen andere Größen als Ausgangsgrößen aufgrund der dem System eigentümlichen Gesetzmäßigkeiten beeinflussen. Kennzeichen für das Steuern ist der offene Wirkungsablauf über der Steuerstrecke. Eine Steuerung liegt also vor, wenn Eingangsgrößen nach einer festgelegten Gesetzmäßigkeit Ausgangsgrößen beeinflussen. Die Auswirkung einer nicht vorhersehbaren Störgröße wird nicht ausgeglichen. Regelung: Immer dann, wenn Störgrößenänderungen das System nicht hinnehmbar beeinflussen können, werden Regelungen erforderlich. Die Regelgröße (Aufgabengröße) muss sich messtechnisch erfassen lassen, denn eine Regelung ist ein Vorgang, bei dem die Regelgröße fortlaufend erfasst, mit der Führungsgröße verglichen und abhängig vom Ergebnis dieses Vergleichs im Sinne einer Angleichung an die Führungsgröße beeinflusst wird. Der sich dabei ergeben-
Stromversorgung (PS)
DC24V
230 V~
24 V=
Die derzeit am weitesten verbreitete HardwarePlattform der Steuerungstechnik ist die Speicherprogrammierbare Steuerung SPS, wie sie in Bild 1 abgebildet ist, dort jedoch ohne den heute schon üblichen Anschluss an ein Feldbussystem zur Vernetzung mit anderen Steuerungskomponenten. Eine Speicherprogrammierbare Steuerung hat die Struktur eines Rechners, deren Funktion als Programm gespeichert ist. Sie besteht im einfachsten Fall aus einer Stromversorgung PS, einem Steuerungsprozessor CPU, einigen zentralen digitalen Eingabe- und Ausgabebaugruppen sowie einem internen Bussystem. Bei Bedarf können auch Baugruppen zur Analogwertverarbeitung oder für besondere Funktionen wie Regler, schnelle Zähler und Positionierungen hinzukommen. Die Peripheriebaugruppen und die Programmiersprachen sind auf die Belange der Steuerungstechnik ausgerichtet. Speicherprogrammierbare Steuerungen gibt es als modulare und kompakte Systeme für unterschiedliche Anforderungsniveaus. Ein typisches Merkmal von SPS-Steuerungen ist die zyklische Programmbearbeitung, wie in Bild 2 angedeutet.
Zentraleinheit SF (CPU) DC5V FRCE RUN STOP PUSH
EIN AUS
2 Automatisierungsgeräte
RUN STOP MRES
.. PG/PC.. Anschluss
Signalbaugruppen (SM) 16DE
16DA
16DE
16DA
E 0.0
A 4.0
EW 8
AW 12
..
..
E 0.7
A 4.7
E 1.0
A 5.0
..
..
E 1.7
A 5.7
2 AE PEW 320 322
2 AA PAW 336 338
Bild 1 Aufbau einer Speicherprogrammierbaren Steuerung ohne Feldbusanschluss DE = Digitale Eingänge, DA = Digitale Ausgänge, AE = Analoge Eingänge, AA = Analoge Ausgänge
690
Automatisierungstechnik
Eingänge
Zentralbaugruppe (CPU)
Ausgänge
Signalzustände der Eingänge E übernehmen
Steuerwerk und Taktsystem E0.0
A4.0
Zeiten
Merker
Zähler
Prozessabbild Eingänge
Prozessabbild Ausgänge
Zyklische Bearbeitung
Akku
Anpassung
Anpassung
Speicher
Programm abarbeiten 1. Anweisung 2. Anweisung
Letzte Anweisung E.0.7
A4.7 Signalzustände der Ausgänge A ausgeben
Schnittstelle zu PG/PC
Bild 2 SPS-Struktur und zyklische Programmbearbeitung
In der Praxis werden nicht mehr ausschließlich SPSbasierte Automatisierungssysteme eingesetzt, sondern vernetzte Steuerungssysteme bestehend aus SPSen und PCs mit unterschiedlichen Aufgaben, wobei die SPS mehr prozessnah und der PC mehr übergeordnet und datenverarbeitend genutzt wird. Soll die Steuerungsfunktionalität nicht mehr von einer modernen SPS, sondern von einem PC ausgeführt werden, so gibt es diese Lösung als Industrie-PC mit eingebauter SPS-Karte und zusätzlicher Feldbus-Schnittstelle. In Sonderfällen kommt auch eine sog. Soft-SPS-Lösung in Frage, bei der in einem PC die Funktion einer SPS softwaremäßig nachgebildet und Steuerungsaufgaben „nebenher“ miterledigt werden. Für die Programmerstellung macht es keinen Unterschied, ob die Hardware-Plattform ein PC oder eine SPS ist.
3 Grundzüge der SPS-Norm IEC 61131-3 Auch wenn das Programmieren von Steuerungen und Regelungen noch immer ein sehr individueller Prozess ist, muss seit Jahren der Standard der SPSProgrammier-Norm IEC 61131-3 zu Grunde gelegt werden, der eine rationellere Programmerstellung und größere Herstellerunabhängigkeit zum Ziel hat. Den Anwendungsprogrammierern müssen wirksame Mittel an die Hand gegeben werden, um wiederverwendbare und damit kostensparende Programme entwickeln zu können. Die Norm IEC 61131-3 bzw. DIN EN 61131-3 richtet sich daher in erster Linie an SPSHersteller. Für Anwendungsprogrammierer ist die SPS-Norm eher ein Dokument im Hintergrund, denn sie sind für ihre Arbeit auf ein reales IEC 61131-3 kompatibles Programmier- und SPS-System angewiesen.
Die Grundzüge dieser SPS-Norm werden in den folgenden Abschnitten dargelegt und bilden die Voraussetzungen dafür, mit einem der SPS-Norm entsprechenden Programmiersystem richtig umgehen zu können.
3.1 Programmorganisationskonzept Es ist ein hierarchisch gegliedertes System von so genannten Programmorganisationseinheiten (POE) eingeführt worden, bestehend aus einem Hauptprogrammtyp (Schlüsselwort: PROGRAM) mit Zugriffsmöglichkeit auf SPS-Eingänge/-Ausgänge und zwei Unterprogrammtypen davon einen Typ mit Gedächtnisfunktion (Schlüsselwort: FUNCTION_BLOCK) und einen Typ ohne Gedächtnisfunktion (Schlüsselwort: FUNCTION). Durch dieses Programmorganisationskonzept in Verbindung mit dem Datentyp- und Variablenkonzept zur Entwicklung strukturierter Programme wird die Wiederverwendbarkeit von Bausteinen bei späteren Anwendungen ermöglicht. Dadurch ist die neue Anwendungsprogrammierung sehr viel anspruchsvoller als die herkömmliche SPSProgrammierung geworden. Ein Steuerungsprogramm (Anwenderprogramm) ist eine in Programm-Organisations-Einheiten (POE) gegliederte Einheit. Anstelle der unhandlichen Bezeichnung Programmorganisationseinheit wird vereinfacht auch nur von Bausteinen gesprochen.
Programm-Organisationseinheiten
Programm (P)
Funktionsbaustein (FB)
Funktion (FC)
Automatisierungstechnik Jeder Baustein besteht aus einem
• Deklarationsteil für die Definition aller lokal verwendeten Variablen und einem
• Rumpf für die Anweisungen (Befehle) des ausführbaren Programms. Funktion: Dieser POE-Typ ist geeignet, wenn ein Funktionsergebnis ausschließlich aus den Eingangsvariablen des Bausteins zu ermitteln ist und unter dem Funktionsnamen des Bausteins zur Verfügung gestellt werden soll. Der Aufruf einer Funktion mit denselben Werten der Eingangsvariablen liefert deshalb immer denselben Ausgangswert zurück. Die SPS-Norm enthält einen Katalog von Standardfunktionen, die in SPS-Systemen zur Verfügung stehen sollten. Falls eine spezielle Funktion benötigt wird, kann diese vom Anwender selbst erzeugt werden, dabei muss jedoch beachtet werden, dass keine internen Zustandsvariablen deklarierbar sind, da der Bausteintyp Funktion dafür keine Speicherfähigkeit (Gedächtnis) besitzt. Eine Funktion stellt das Funktionsergebnis unter dem deklarierten Funktionsnamen zur Verfügung, sodass keine Ausgangsvariable deklariert werden muss. Es ist jedoch zulässig, Funktionen mit mehreren Ausgangsvariablen zu bilden. Funktionen können innerhalb eines Programmzyklus mehrfach aufgerufen werden, um mit unterschiedlichen Werten der Eingangsvariablen entsprechende Funktionsergebnisse zu ermitteln. Funktionsbaustein: Dieser POE-Typ ist geeignet, wenn aus den Werten von Eingangs- und Ausgangsvariablen sowie bausteininterner Zustandsvariablen neue Ergebnisse für eine oder mehrere Ausgangsvariablen ermittelt werden sollen. Alle Werte der Ausgangs- und Zustandsvariablen bleiben von einer Bearbeitung des Funktionsbausteins bis zur folgenden erhalten. Das bedeutet, dass es bei einer erneuten Bearbeitung des Funktionsbausteins mit den gleichen Werten der Eingangsvariablen zu anderen Ausgangsergebnissen kommen kann. Anschaulich spricht man hier von einem Bausteintyp mit Gedächtnis. Um die Fähigkeiten eines Funktionsbausteins in einem Programm auch mehrfach nutzen zu können, ist die sog. Instanziierung der Funktionsbausteine erforderlich, worunter man das Erzeugen einer Kopie (Instanz) des Bausteines versteht. Jede Instanz muss mit einem eigenen Namen versehen werden. Unter dem Instanznamen werden die jeweils letztgültigen Variablenwerte auf entsprechenden Speicherplätzen verwaltet, während das Bausteinprogramm im Original verbleibt und dort den Instanzen bei deren Ausführung zur Verfügung steht. Die SPS-Norm schlägt viele Standardfunktionsbausteine vor, die in SPS-Systemen verfügbar sein sollten. Spezielle Funktionsbausteine können vom Anwender selbst erzeugt werden. Auch sie unterliegen bei ihrer Anwendung der Instanzenbildung.
691 Programm: Dieser POE-Typ bildet die oberste Hierarchieebene der Programmorganisationseinheiten. Die SPS-Norm sieht vor, dass Programme (P) in Ressourcen (SPS-Systeme) auch instanziiert werden können. Einige SPS-Systeme verwenden den Bausteintyp Programm (P) als alleiniges Hauptprogramm zur Organisation des Anwenderprogramms, dass aus Funktionen (FC) und Funktionsbausteinen (FB) besteht. Der Programminhalt eines solchen (Haupt)Programms besteht dann nur aus Aufrufen der Funktionen und Funktionsbausteine und um deren Eingangs-/Ausgangs-Variablen mit realen SPS-Ein-/Ausgängen zu verbinden.
3.2 Deklaration von FBund FC-Bausteinen Anwenderprogramme bestehen immer auch aus sog. abgeleiteten Funktionen (FC) und/oder Funktionsbausteinen (FB), die erst durch Deklaration und Programmierung erzeugt werden müssen. Dabei sind Vorschriften zu beachten. Die Deklaration bezieht sich auf die Festlegung des Bausteintyps und auf die Bildung der Außenschnittstelle mit ihren Eingangsund Ausgangsvariablen (-parametern) sowie der außen nicht erkennbaren bausteininternen Zustandsvariablen bei Funktionsbausteinen. Die Programmierung bezieht sich auf den Bausteinrumpf, der die Steuerungslogik enthalten muss. Deklaration und Programmierung kann in Textform oder in Grafik erfolgen.
• Deklaration einer Funktion mit dem Funktionsnamen FC 1 Bei der Deklaration in Textform sind folgende Elemente zu verwenden: – das einleitende Schlüsselwort FUNCTION gefolgt vom Funktionsnamen, einem Doppelpunkt und dem Datentyp des Funktionswertes, – das Konstrukt VAR_INPUT...END VAR, mit dem die Namen und Datentypen der Eingangsvariablen der Funktion festlegt werden, – das Konstrukt VAR_OUT...END VAR für die Namen und Datentypen von Ausgangsvariablen, – das Konstrukt VAR_IN_OUT...END VAR, das die Namen und Datentypen von Durchgangsvariablen der Funktion festlegt, – falls erforderlich das Konstrukt VAR...END VAR, mit dem die Namen und Datentypen von internen temporären Hilfsvariablen festlegt werden können, deren Daten jedoch bei Beendigung der Funktion verloren gehen, – einem Funktionsrumpf mit dem auszuführenden Programm, – das abschließende Schlüsselwort END_FUNCTION.
692
Automatisierungstechnik
Beispiel 1: Deklaration einer Funktion FC
Allgemein
Ausführung in Textform
Ausführung in Grafik
FUNCTION FC1 : BOOL ; (*Außenschnittstelle*) VAR_INPUT Bezeichner1 : Datentyp ; Bezeichner2 : Datentyp ; END_VAR (*Funktionsrumpf*) Programm END_FUNCTION
FUNCTION FC1 : BOOL ; (*Außenschnittstelle*) VAR_INPUT Start : BOOL ; Ventil : BOOL ; END_VAR (*Funktionsrumpf*)
FUNCTION FC1 : BOOL ; (*Außenschnittstelle*)
BOOL BOOL
FC 1 Start
BOOL
Ventil
(*Funktionsrumpf*)
AND Start Ventil
AND
FC1 Start Ventil
END_FUNCTION
FC1
END_FUNCTION
• Deklaration eines Funktionsbausteins mit dem Namen FB 1: Die Deklaration eines Anwender-Funktionsbausteins in Textform erfolgt in ähnlicher Weise wie bei der Anwender-Funktion, dabei sind folgende Elemente zu verwenden: – das einleitende Schlüsselwort FUNCTION_ BLOCK gefolgt vom Funktionsbausteinnamen ohne einen Datentyp, – das Konstrukt VAR_INPUT...END VAR, mit dem die Namen und Datentypen der Eingangsvariablen des Funktionsbausteins festlegt werden, – das Konstrukt VAR_OUTPUT...END VAR, mit dem die Namen und Datentypen der Ausgangsvariablen des Funktionsbausteins deklariert werden (mehrere Ausgangsvariablen sind zulässig),
– das Konstrukt VAR_IN_OUT...END VAR, das die Namen und Datentypen von Durchgangsvariablen des Funktionsbausteins festlegt, deren Werte innerhalb des Bausteins durch das Programm verändert werden dürfen, – das Konstrukt VAR...END VAR, das die Namen und Datentypen der bausteininternen Zustandsvariablen des Funktionsbausteins festlegt. Dieses Konstrukt wird auch verwendet, um im Funktionsbaustein eine Instanz eines Standardfunktionsbausteins zu erzeugen, – einen Funktionsbausteinrumpf mit dem auszuführenden Programm, – das abschließende Schlüsselwort END_FUNCTION_BLOCK.
Beispiel 2: Deklaration eines Funktionsbausteins FB
Allgemein
Ausführung in Textform
Ausführung in Grafik
FUNCTION_BLOCK FB 1 (*Außenschnittstelle*) VAR_INPUT Bezeichner_1 : Datentyp ; Bezeichner_2 : Datentyp ; END_VAR VAR_OUTPUT Bezeichner_3 : Datentyp ; END_VAR VAR Bezeichner_4 : Datentyp ; END_VAR (*Funktionsbausteinrumpf*)
FUNCTION_BLOCK FB 1 (*Außenschnittstelle*) VAR Start : BOOL ; Reset : BOOL ; END_VAR VAR_OUTPUT Ausg : BOOL ; END_VAR VAR SRO_1 : RS ; END_VAR (*Funktionsbausteinrumpf*)
FU NCTION_BLOCK FB 1 (*Außenschnittstelle*)
BOOL BOOL
END_FUNCTION_BLOCK
S Q1 R1
END_FUNCTION_BLOCK
3.3 Variablen In Funktionen (FC) und Funktionsbausteinen (FB) sollte nur mit symbolischen Variablen programmiert werden, um damit bibliotheksfähige Programme zu erhalten, die keine Festlegungen bezüglich der Ver-
Reset
SRO_1 RS
RS Start Reset
BOOL
(*Funktionsbausteinrumpf*)
SRO_1 Programm
FB 1 Start Ausg
Ausg
Start Reset
S Q1 R1
Ausg
END_FUNCTION_BLOCK
wendung realer SPS-Eingänge/Ausgänge oder Merker enthalten. Erst auf der Ebene der Programme (P) sollte die Zuordnung der SPS-Eingänge/Ausgänge/ Zähler/Zeitglieder zu den direkten (realen) Eingangsund Ausgangsvariablen erfolgen.
Automatisierungstechnik
693
Eine Variable ist ein mit einem Namen (Bezeichner) versehener Speicherplatz, der im Anwenderprogramm als Platzhalter für Daten fungiert, die sich zur Laufzeit des Programms ändern können. Diese Variablen können symbolisch oder direkt adressiert sein. Unter Daten sollen hier Informationen aus technischen Anlagen verstanden werden, wie z.B. Messdaten über Temperaturen, Füllstände, Durchflussmengen, die verarbeitet und gespeichert werden müssen. Die Variablen sind die Mittel, um die Daten zu erfassen. Dabei wird für die Variablen ein bestimmter Datentyp festgelegt. Dieser Datentyp hängt direkt zusammen mit den auf ihn zulässigen Operationen. Einzelelement-Variablen enthalten einzelne Datenelemente mit einfachem Datentyp, die in der Tabelle 1 auszugsweise dargestellt und bei der Deklaration der Variablen zu berücksichtigen sind. Die Deklaration symbolischer Variablen erfolgt im dafür vorgesehenen Deklarationsteil der Bausteine unter einem Namen (Bezeichner) durch Verwendung von Schlüsselwörtern wie VAR, VAR_INPUT, VAR_OUTPUT, VAR_IN_OUT und Angabe eines Datentyps wie bei der Deklaration der Bausteine FC und FB bereits gezeigt. Der Speicherort wird durch das Betriebssystem automatisch festgelegt. Der Gültigkeitsbereich einer symbolischen Variablen ist lokal auf den Baustein beschränkt, in dem sie deklariert wurde, d.h. die Variable ist nur in diesem Baustein
bekannt. Eine Ausnahme von dieser Regel bilden symbolisch adressierte Globalvariablen, die in allen Bausteinen der SPS bekannt sind aber nur sparsam verwendet werden sollten. Bei der Deklaration von Variablen in Textform sind die in Tabelle 2 angegebenen Schlüsselwörter zu verwenden. Bei grafischer Deklaration führt das Programmiersystem die Anwendung dieser Regeln im Hintergrund aus. Multielement-Variablen enthalten mehrere Datenelemente die in Feldern (Arrays) oder Strukturen zusammengefasst sind
• Feld (Array): Ein Feld ist eine Sammlung von Datenelementen des gleichen Datentyps, die durch in eckigen Klammern [ ] angegebene Feldindizes angesprochen werden. Als Datentyp für Indizes sind z.B. INT, WORD, BYTE, BOOL zulässig. Es gibt eindimensionale und mehrdimensionale Felder. Beispiel 3: Eindimensionales Feld
(*Deklaration*) VAR Tabelle : ARRAY [0...3] OF BYTE := 16#00, 16#0F, 16#80, 16#FF END_VAR VAR_OUTPUT Wert : BYTE ; END_VAR (*Abfrage*) Wert := Tabelle [2]
Tabelle 1 Elementare Datentypen Schlüsselwort Bit-Datentypen BOOL BYTE WORD DWORD CHAR Arithmetiktypen INT DINT REAL Zeittypen TIME TIME OF DAY DATE
Datentyp Boolesche Variablen Bit-Folge und 8 Bit-Hex-Zahlen Bit-Folge und 16 Bit-Hex-Zahlen Bit-Folge und 32 Bit-Hex-Zahlen ASCII-Zeichen
Größe
Schreibweise und Wertebereiche
1 Bit 8 Bit
FALSE, TRUE 16# 0...FF
16 Bit
16# 0000...FFFF
32 Bit
16# 0000_0000...FFFF_FFFF
8Bit
‘A’
Ganze Zahlen (Festpunktzahlen) Ganze Zahlen (Festpunktzahlen) Reelle Zahlen (Gleitpunktzahlen)
16 Bit
–32768 bis +32767
32 Bit
L# –2147483648 bis +2147483647
32 Bit
Dezimalzahl mit Punkt: 341.7 oder Exponentialdarstellung: 3.417 E+02
Zeitdauer (IEC-Format) Uhrzeit (Tageszeit) Datum
32 Bit
TIME# –24d20h31m bis +24d20h31m
32 Bit
TIME_OF_DAY#23:59:59,9
16 Bit
DATE#1990-01-01
Hinweis: Es existiert kein besonderer Datentyp für BCD-Zahlen (Binär Codierte Dezimalzahlen), diese sind eine Teilmenge der Hexadezimalzahlen, für die es die Datentypen BYTE, WORD und DWORD gibt.
694
Automatisierungstechnik
Tabelle 2 Schlüsselwörter zur Deklaration von Variablen Schlüsselwort
Bezeichnung und Gebrauch der Variablen
VAR_INPUT ... END_VAR
Eingangsvariable: Von außerhalb kommend, nicht innerhalb des Bausteins änderbar.
VAR_OUTPUT ... END_VAR
Ausgangsvariable: Nach außen lieferbar.
VAR_IN_OUT … END_VAR
Durchgangsvariable: Von außen kommend, innerhalb des Bausteins änderbar, nach außen lieferbar.
VAR ... END_VAR
Zustandsvariable: Gebrauch nur innerhalb des Bausteines
VAR_GLOBAL ... END_VAR
Globalvariable: Globaler Geltungsbereich in SPS
VAR RETAIN
Zustandsvariable gepuffert (Remanenzverhalten).
CONSTANT
„Konstante Variable“, nicht veränderbar.
AT
Zuweisung eines direkten Speicherortes.
• Struktur: Eine Struktur ist eine Sammlung von Datenelementen unterschiedlicher Datentypen. Die Datenelemente sind in einer Hierarchie geordnet, z.B. Produkt, Version, Seriennummer, Datum. Direkte Variablen In der obersten Hierarchieebene der Programmorganisationseinheiten steht der Bausteintyp Programm (P). In diesem Baustein müssen nicht nur die zum Anwenderprogramm gehörenden Funktionsbausteine (FB) und Funktionen (FC) aufgerufen, sondern auch die Verbindungen zu den SPS-Eingängen/Ausgängen hergestellt werden. Nach den Vorschriften der Norm IEC 61131-3 sind diese Adressen dem Programm (P) jedoch nicht automatisch bekannt, d.h. sie müssen erst durch Deklaration bekannt gemacht werden, dazu dienen die sog. direkten Variablen. Bei der direkten Adressierung von Variablen wird als Variablenname der physikalische Speicherort des
Datenelements verwendet, also ein SPS-Eingang/ Ausgang oder auch Merker. Zur Unterscheidung der direkten Variablen von ihrem Speicherort wird ein vorgesetztes Prozentzeichen (%) gefolgt von einem Präfix zur Kennzeichnung des Speicherortes und ein Präfix für die Speichergröße verwendet, wie in der Tabelle 3 angegeben. Beispiel 4: Deklaration einer direkten Variablen
Allgemein
Ausführung in Textform
VAR AT %Operand : Datentyp ; END_VAR
VAR AT %IX4.7 : BOOL ; END_VAR
In einer zweiten Variante können zur Erzielung einer besseren Programmlesbarkeit Variablennamen eingeführt werden, die jedoch im Unterschied zu den richtigen symbolischen Variablen direkt mit dem physikalischen Speicherort (SPS-Eingang/Ausgang, Merker) verbunden sind (Beispiel 5).
Tabelle 3 Präfix für Speicherort und Größe der Operanden Präfix
Bedeutung
Beispiele für direkte Variablen
I Q M
Speicherort Eingang Speicherort Ausgang Speicherort Merker
X B W D
(Einzel)-Bit-Größe Byte-(8 Bit) Größe Wort-(16 Bit) Größe Doppelwort-(32 Bit)
Einzel-Eingänge Einzel-Ausgänge Eingangsbyte Ausgangsbyte Eingangswort Ausgangswort Eingangsdoppelwort
Beispiel 5: Deklaration einer direkten Variablen mit symbolischen Namen
Allgemein
Beispiel
VAR Bezeichner AT %Operand : Datentyp ; END_VAR
VAR Endschalter AT %IX4.7 : BOOL ; END_VAR
%IX0.7... %IX0.0 %QX0.7..%QX0.0 %IB0 = %IX0.7...%IX0.0 %QB0 = %QX0.7...%QX0.0 %IW0 = %IB0+%IB1 %QW0 = %QB0+%QB1 %ID0 = %IW0+%IW1
Automatisierungstechnik
695 Der Programmierer kann auswählen, ob er das Bausteinprogramm in einer grafischen Sprache oder in einer Textsprache programmieren will.
Anm.: Direkte Variablen sollten nicht in den Bausteintypen FB und FC verwendet werden, weil diese Programmteile dadurch hardwarespezifische Festlegungen enthalten würden wie beispielsweise, an welchen SPS-Eingang ein bestimmter Sensor angeschlossen wird. Das aber widerspricht der Forderung nach einer bibliotheksfähigen Gestaltung von FBund FC-Bausteinen.
– Für die grafischen Sprachen stehen in Standardbibliotheken grafische Symbole für Standardfunktionen (FC) und Standardfunktionsbausteine (FB) zur Verfügung. Diese Bausteinsymbole müssen in das Anwenderprogramm je nach Bedarf eingefügt werden, um die bezeichneten Aktionen dort ausführen zu lassen. – Die Textsprachen benutzen anstelle von Standardbausteinen sog. Standardoperatoren, die der Programmiersprache implizit bekannt sind. Ein Operator ist ein textliches Symbol, das eine Aktion darstellt, die an einem Operanden, d.h. einer symbolischen oder direkten Variable, ausgeführt wird.
Globale Variablen Globale Variablen sind solche, die durch eine entsprechende Deklaration in allen Bausteintypen innerhalb einer SPS bekannt gemacht wurden, also einen globalen Geltungsbereich haben. Der Deklarationsort ist der Baustein Programm (P). Globale Variablen werden verwendet, um auf einfache Art einen bausteinübergreifenden Datenaustausch zu erreichen. Das kann jedoch unerwünschte Nebenwirkungen haben und die Verwendbarkeit eines Bausteins einschränken. Eine bessere Lösung besteht in der Deklaration von Übergabevariablen im Baustein Programm (P), um die entsprechenden Eingänge und Ausgänge der dort aufgerufenen Bausteine miteinander zu verbinden.
Bei der Textsprache AWL stehen die einzelnen Anweisungen in Listenform untereinander. Jede Anweisung besteht aus einem Operator, der ggf. mit einem Modifizierer ergänzt wird {N für eine Negation, C für eine Bedingung, ( für Klammer auf, ) für Klammer zu}, gefolgt von einem oder mehreren durch Kommas getrennten Operanden. Eine Anweisung kann auch durch eine Sprungmarke gekennzeichnet sein. Die Verarbeitung der Anweisungen erfolgt in einem Ergebnisregister, dieses enthält das sog. Aktuelle Ergebnis (AE), das auf folgende Weise für das Beispiel in Bild 3 ermittelt wird:
Beispiel 6: Deklaration einer Globalvariablen
PROGRAM PRG (*Deklaration*) VAR_GLOBAL Bezeichner : Datentyp ; END_VAR (*Programmrumpf*) Programm END_PROGRAM
LD
E0 Lade den Wert des 1. Operanden (E0) in das Ergebnisregister ANDN E1 Verknüpfe das Aktuelle Ergebnis mit dem negierten Wert des 2. Operanden (E1) ST A4 Speichere das veränderte Aktuelle Ergebnis im Zieloperanden (A4)
3.4 Programmiersprachen Zur Erstellung der Steuerungsprogramme mit Hilfe einer Programmiersoftware stehen gemäß DIN EN 61131-3 fünf Programmiersprachen zur Verfügung stehen: Zwei textuelle Fachsprachen (AWL, ST) und zwei grafische Fachsprachen (KOP, FBS) sowie die übergeordnete Ablaufsprache (AS) mit grafischen und textuellen Elementen.
Die Tabelle 4 zeigt die Standardoperatoren der Anweisungsliste (AWL) mit kurzen Erläuterungen, auf die nicht mehr weiter eingegangen wird. Die den Standardoperatoren entsprechenden Standardbausteine werden weiter unten jedoch noch näher dargestellt.
Programmiersprachen Textsprachen
Grafische Sprachen Ablaufsprache AS
Anweisungsliste AWL LD E0 ANDN E1 ST A4
Strukturierter Text ST
Funktionsbausteinsprache FBS
Kontaktplan KOP S0
AND
A4 := S0 AND NOT S1
S0 S1
Bild 3 Übersicht zu genormten SPS-Programmiersprachen
A4
S1
A4
((
696
Automatisierungstechnik
Tabelle 4 Operatoren der Anweisungsliste (AWL) Operator
Modifizierer
Operand/Typ
Bedeutung
LD (Load)
N
Variable/Bool
ST (Store)
N
Setzt das aktuelle Ergebnis (AE) dem Operanden gleich. Speichert das aktuelle Ergebnis (boolesche 1 oder 0) auf die Operandenadresse.
S (Set) R (Reset)
Setzt booleschen Operator auf 1 Setzt booleschen Operator auf 0 zurück
AND OR XOR )
N, ( N, ( N, (
Boolesches UND Boolesches ODER Boolesches Exklusiv-ODER Bearbeitet die eingeklammerte Operation
CAL (Call) JMP
C, N C, N
GT GE EQ NE LE LT
( ( ( ( ( (
Vergleich auf größer als, > Vergleich auf größer gleich, >= Vergleich auf ist gleich, = Vergleich auf ungleich, <> Vergleich auf kleiner gleich,<= Vergleich auf kleiner als, <
ADD SUB MUL DIV
( ( ( (
Addition Subtraktion Multiplikation Division
Instanzname Marke
4 Programmstrukturen Unter einer Programmstruktur versteht man den Aufbau eines Anwenderprogramms aus Codebausteinen. Es können drei Strukturen unterschieden werden.
4.1 Lineares Programm Das gesamte Programm befindet sich in dem zyklisch bearbeiteten Programm (P). Die CPU arbeitet die Anweisungen der Reihe nach ab und beginnt dann wieder von vorne, wie in Bild 4 gezeigt. Programm (P)
Zyklisch
Programmbearbeitung
Aufruf eines Funktionsbausteins Sprung zur Marke
aufgabe enthält. Die Programmorganisationseinheit Programm (P) enthält die Aufruf-Anweisungen, nach deren Reihenfolge die einzelnen Bausteine bearbeitet werden. Gegenüber dem linearen Programm besteht der Vorteil in den besser überschaubaren kleinen Einheiten. Bild 5 lässt die Gliederungsstruktur und den Aufruf der beiden Funktionen mit der erforderlichen Parameterübergabe erkennen. Programm (P) LD Var1 FC 10 Var2, Var3
FC 10
LD Var1 FC 20 Var2, Var3
FC 20
Bild 5 Das Steuerungsprogramm besteht aus zwei unterschiedlichen Programmteilen Bild 4 Lineares Programm
4.2 Gegliedertes Programm Das Programm ist in mehrere Bausteine aufgeteilt, wobei jeder Baustein nur das Programm einer Teil-
4.3 Parametrierbares Programm Ein Unterprogramm ist parametrierbar, wenn es seine Eingangs- und Ausgangsvariablen dem Hauptprogramm bei jedem Aufruf erneut zur Verfügung stellt und sein Programm für jeden Aufruf erneut ausführt,
Automatisierungstechnik
697
Programm (P)
anliegende Signale erkennen, d.h. die unterschiedliche Wirkung von Öffner- und Schließerkontakten in Anlagen muss bei der Programmerstellung bedacht werden. Offene (unbeschaltete) Steuerungseingänge erzeugen Signalzustand „0“.
FB 10
CAL Instanz1 Var1= Var2=
Instanz1
CAL Instanz2 Var1= Var2=
Instanz2
5.2 Digitale Signale
Bild 6 Das Steuerungsprogramm besteht aus zwei Instanzen eines Programmteils um so aufrufspezifische Ergebnisse zu erzielen. Im Bild 6 ist die Parametrierbarkeit am Beispiel eines Funktionsbausteins (FB) dargestellt. Grundsätzlich ist dies auch bei Funktion (FC) möglich, jedoch mit der Einschränkung der nicht gegebenen Gedächtnisfähigkeit dieses Bausteintyps.
5 Eingabe- und Ausgabesignale In den technischen Prozessen treten physikalische Größen wie Temperaturen, Drucke, Durchflüsse etc. auf. Automatisierungsgeräte können in der Regel nur elektrische Signale erkennen und ausgeben. Wo erforderlich, muss also eine Signalumwandlung erfolgen. Man unterscheidet verschiedene Signalarten.
5.1 Binäre Signale Ein binäres Signal ist ein 1 Bit-Signal, das nur einen von zwei möglichen Signalzuständen annehmen kann. Ein typischer Binärsignal-Geber ist ein Schalter. Ein Signal heißt binär, wenn es nur zweier Werte fähig ist: (TRUE = 1, FALSE = 0). Die SPS-Hersteller haben für ihre Steuerungskomponenten ein Toleranzschema festgelegt, das den Wertebereich konkreter Spannungen den binären Signalzuständen zuordnet, die von den Geräten verarbeitet werden. Die Automatisierungsgeräte können nicht den Schaltzustand von angeschlossenen Schaltern, sondern nur
Dezimalzahl 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Dualzahl 8 4 2
1
0 0 0 0 0 0 0 0 1 1
0 1 0 1 0 1 0 1 0 1
0 0 0 0 1 1 1 1 0 0
0 0 1 1 0 0 1 1 0 0
Wert
1 Binärstelle = 1 Bit 1 Byte = 8 Bit 1 Wort = 2 Byte = 16 Bit 1 Doppelwort = 32 Bit
5.3 Analoge Signale Für ein analoges Signal ist charakteristisch, dass der Signalparameter (z.B. die Spannung) innerhalb bestimmter Grenzen jeden beliebigen Wert annehmen kann. Automatisierungsgeräte können intern keine analogen Signale verarbeiten. So genannte Analogbaugruppen nehmen eine Signalumsetzung vor und wandeln ein analoges Signal in ein digitales Signal um bzw. auch umgekehrt.
6 Eingabe-/Ausgabebaugruppen
u 30 V Signalzustand “TRUE (1)” 15 V 5V 0
Ein digitales Signal ist eine mehrstellige Bitkette, die durch Codierung eine festgelegte Bedeutung erhält, z.B. als Zahlenwert. Ein typischer DigitalsignalGeber ist ein Zifferneinsteller. Um z.B. die Zahlen 0 bis 9 darstellen zu können, sind vier Binärstellen erforderlich.
Signalzustand “FALSE (0)”
Bild 7 Signalzustände und Spannungspegel
t
Die im Bild 1 angedeuteten Eingabe- und Ausgabebaugruppen der SPS werden üblicherweise als zentrale digitale Eingabe- und Ausgabebaugruppen bezeichnet im Gegensatz zu den dezentralen Baugruppen (Slaves), die über ein Feldbussystem angeschlossen sind. Die digitalen Eingabe- und Ausgabebaugruppen umfassen meistens 1 Byte = 8 Bit; 2 Byte = 16 Bit; 4 Byte = 32 Bit Eingänge bzw. Ausgänge. Im Steuerungsprogramm können Bits, Bytes, Worte oder Doppelworte abgefragt oder angesteuert werden. Bei Analogbaugruppen sind entsprechend die Anzahl der Eingänge bzw. Ausgänge angegeben.
698
Automatisierungstechnik 255 Auflösung 8 Bit
Signal
10 V
51
4V
0
0 Zeit Umsetzer Analog
Register 0
MSB
0
z.B. ± 10 V z.B. 4 bis 20 mA z.B. 0 ... 300 Ohm z.B. Typ E, N, K mit Kennlinien – Linearisierung Widerstandsthermometer z.B. Pt 100-Standard mit Kennlinien-Linearisierung
Spannung Strom Widerstand Thermoelement
Die Baugruppen verfügen über eine parametrierbare Auflösung von z.B. 9 bis 15 Bit + Vorzeichen, unterschiedliche Messbereiche (einstellbar durch Messbereichsmodule und Software) sowie Alarmfähigkeit (Diagnose und Grenzwertalarme an die CPU). Analogausgabebaugruppen wandeln digitale Signale aus der SPS in analoge Signale für den Prozess um und sind für den Anschluss analoger Aktoren geeignet. Als Ausgangsbereiche werden angeboten: Spannungsausgang Stromausgang
1 1
z.B. ±10 V z.B. 0 bis 20 mA
Die Baugruppen haben eine Auflösung von 12 bis 15 Bit. Es sind unterschiedliche Messbereiche je Kanal einstellbar.
0 0 1 Digital
1
LSB
Bild 8 Ein Spannungswert wird in eine Zahl umgesetzt (vereinfacht)
Digitaleingabebaugruppen gibt es für DC 24 V und AC 120/230 V mit Potenzialtrennung über Optokoppler sowie Anzeige des aktuellen Signalzustandes durch Leuchtdioden. Aufgrund von Filtermaßnahmen gegen Störsignale liegt die Frequenzobergrenze für Eingangssignale bei etwa 50 Hz. Die Digitaleingabebaugruppen formen die Pegel der externen digitalen Signale aus dem Prozess in den internen Signalpegel des SPS-Systems um. Die Baugruppen sind z.B. geeignet für den Anschluss von Schaltern und 2-DrahtNäherungsschaltern (BERO). Digitalausgabebaugruppen gibt es für Lastspannungen DC 24 V oder AC 120/230 V bei spezifizierter Strombelastbarkeit und Potenzialtrennung mittels Optokoppler. Die Schaltfrequenz der Ausgänge wird nach ohmscher Last, induktiver Last und Lampenlast unterschieden und liegt im Bereich bis 100 Hz. Die Digitalausgabebaugruppen formen den internen Signalpegel des SPS-Systems in die externen, für den Prozess benötigten Signalpegel um. Die Baugruppen sind z.B. geeignet für den Anschluss von Magnetventilen, Schützen, Kleinmotoren, Lampen und Motorstartern. Analogeingabebaugruppen wandeln analoge Signale aus dem Prozess in digitale Signale für die interne Verarbeitung innerhalb der SPS um. Es können Spannungs- und Stromgeber, Thermoelemente, Widerstände und Widerstandsthermometer angeschlossen werden:
7 Verknüpfungssteuerungen SPS-Programme werden mit einem IEC 61131-3 orientierten Projektierungssystem (z.B. CoDeSys) als Projekte angelegt, in Bausteine programmiert und unter einem Dateinamen abgespeichert. Als Verknüpfungssteuerungen bezeichnet man solche Programme, die Ausgangssignale überwiegend unter Verwendung einfacher Logikbeziehungen, Speicherfunktionen, Zeitglieder, Zähler u.a. in zyklischer Bearbeitungsweise erzeugen. Damit stellen Verknüpfungssteuerungen den größten Teil der SPS-Programme dar. Neben den Verknüpfungssteuerungen gibt es noch die Programmart der Ablaufsteuerungen.
7.1 Logische Grundverknüpfungen in verschiedenen Darstellungen Nachfolgend wird eine Auswahl wichtiger Programmierfunktionen zur Realisierung von Verknüpfungssteuerungen gezeigt. In Bild 9 werden die logischen Grundverknüpfungen UND, ODER, NEGATION gezeigt. Die in diesen Beispielen vorkommenden Eingangs-/Ausgangsbezeichnungen wie E1, E2, A4 oder auch S1 usw. sind als kurze Namen von deklarierter Variablen mit zutreffenden Datentyp in entsprechenden Bausteinen zu betrachten und nicht zu verwechseln mit bekannten SPS-Operanden.
7.2 Zusammengesetzte logische Grundverknüpfungen Zu den logischen Grundverknüpfungen zählen auch die beiden häufig vorkommenden Strukturen UND-
Automatisierungstechnik
699
Funktion
Zeitdiagramm
FBS
UND A4 = E1 ∧ E2 A4 = E 1 & E 2 A4 = E1 E2
E1
E1
E2
KOP
AWL
E1
&
E2
A4
E2
A4
( )
LD E1 AND E2 ST A4
A4
ODER A4 = E1 ∨ E2
E1 E2
E1
E1
>= 1
A4
A4
E2
( )
E2
LD OR ST
E1 E2 A4
A4
NICHT A4 = E1
E1
E1
1
E1
&
E1
A4
A4
( )
LDN E1 ST A4
A4
AusgangsNEGATION A4 = E1 ∧ E2
E1 E2
E1
E2
A4
E2
A4
( )
LD E1 AND E2 STN A4
A4
Bild 9 Logischen Grundverknüpfungen nach IEC 61131-3 vor-ODER sowie ODER-vor-UND, die in Bild 10 in grafischer Form (FBS) und Textform (AWL) dargestellt sind. Die zugehörigen Schaltfunktionen heißen UND-vor-ODER-Verknüpfung 1) Allgemeiner Fall siehe nachfolgend bei DNF A = E1 E2 E3 ∨ E1 E2 ∨ E3
E1
Disjunktive Normalform für die UND-vor-ODERStruktur und Konjunktive Normalform für die ODER-vor-UND-Struktur. &
E2 >= 1
E3 E1
&
E2 E3
2) Spezieller Fall: Antivalenz (Exclusiv-ODER) E2 A = E1
E1
&
E1 E2 E3
E3 A4
LD XOR ST
E1 E2 A5
LD OR AND( ORN ORN ) AND ST
E1 E2
E1 E2
A4
>= 1
E2 E1
& A5
E2
ODER-vor-UND-Verknüpfung A = (E1 ∨ E2) ∧ (E1 ∨ E2) ∧ E3
LD AND ANDN OR( AND ANDN ) OR ST
E1
>= 1
E2 E1
& >= 1
E2 E3
A4
Bild 10 Zusammengesetzten logischen Grundverknüpfungen nach IEC 61131-3
E1 E2 E3 A4
700
Automatisierungstechnik
7.3 Schließer- und Öffnerkontakte, Drahtbruchsicherheit, Erdschlussgefahr
7.4 Speicherfunktionen
Befehlsgeber können auf einer Schließer- oder ÖffnerFunktion beruhen, d.h. bei Betätigung ein 1-Signal oder ein 0-Signal an den Steuerungseingang liefern. Ein Startbefehl für eine Steuerung ist mit einem 1-Signal, ein Haltbefehl mit einem 0-Signal auszuführen. Bei Gleichzeitigkeit muss der Haltbefehl Vorrang haben. Das Einschalten einer Steuerung durch einen Schließerkontakt (Arbeitsstromprinzip) und das Ausschalten mit einem Öffnerkontakt (Ruhestromprinzip) macht die Steuerung drahtbruchsicher. Bei Auftreten eines Drahtbruchs erfolgt kein unbeabsichtigtes Einschalten der Steuerung, jedoch wird eine eingeschaltete Steuerung abgeschaltet. Die Erdschlussgefahr erfordert geerdete Steuerkreise oder Isolationsüberwachung.
Viele Steuerungsaufgabe erfordern die Verwendung von Speicherfunktionen. Eine Speicherfunktion liegt dann vor, wenn ein kurzzeitig auftretender Signalzustand über den Programmzyklus hinaus festgehalten, d.h. gespeichert und erst zu einem späteren Zeitpunkt wieder gelöscht werden muss. Die Ausführung einer Speicherfunktion umfasst das Setzen und Rücksetzen des Speichers. Für die Speicherfunktionen stehen bistabile Standardfunktionsbausteine zur Verfügung, aus denen sich Instanzen zur Verwendung im Anwenderprogramm bilden lassen. Zu unterscheiden sind zwei Speicherbausteintypen, die unterschiedlich auf gleichzeitiges Eintreffen von Setz- und Rücksetzsignalen reagieren.
Speichern mit vorrangigem Rücksetzen 1
3
2
4
24 V
+
Anweisungsliste
Funktionsplan Speicher RS
0
1
2
3
4
5
6
7
M
Eingänge
SPS
E1
S Q1
E0
R1
A4
Ausgänge
0
1
2
3
4
5
6
7
1 oder 2 bleibt ohne Auswirkung
3 oder 4 bleibt ohne Auswirkung
2 1 und bewirken ungewolltes Einschalten
4 3 und verhindern gewolltes Ausschalten
24V
E1 E0 A4
Speichern mit vorrangigem Setzen Funktionsplan
0
3
2
4
1
2
3
4
5
6
+
Speicher
24 V
SR 7
E1
S1 Q1
E0
R
M
Eingänge
SPS Ausgänge
0
1
2
3
4
5
6
7
E1 Speicher.S E0 Speicher.R1 Speicher Speicher.Q1 A4
Zeitdiagramm
Bild 11 Auswirkungen von Erdschlüssen im nicht geerdeten Steuerkreis
1
LD ST LDN ST CAL LD ST
24V
Erdschlüsse lösen Kurzschlüsse aus, die zurAbschaltung derAnlage führen.
Bild 12 Auswirkung von Erdschlüssen im geerdeten Steuerkreis
Zeitdiagramm E1 E0 A4
A4
Anweisungsliste LD E1 ST Speicher.S1 LDN E0 ST Speicher.R CAL Speicher LD Speicher.Q1 ST A4
Automatisierungstechnik
701
Gegenseitiges Verriegeln
Verriegeln über den Setzeingang
Zwei Arten von Verriegelungen lassen sich unterscheiden, Bei dem gegenseitigen Verriegeln dürfen die Speicher nicht gleichzeitig gesetzt sein, z.B. für Motor-Rechtslauf und Linkslauf. Für die Ausführung von Speicherverriegelungen gibt es zwei Varianten.
Sp1 RS E1
S Q1
E2
R1
A4
Verriegeln über die Rücksetzeingänge Sp2
Sp1 RS E1
S Q1
E2
R1
A4
E4 A4
>= 1
A5
R1
Verriegeln über die Setzeingänge Sp1 E1 A5
&
RS
S Q1 E2
A4
R1 Sp2
E4 A4
&
A5
R1
Reihenfolgeverriegelung Bei einer Reihenfolgenverriegelung darf ein Speicher nur gesetzt werden, wenn zuvor ein oder mehrere andere Speicher gesetzt sind. Ein Beispiel sind hintereinander geschaltete Förderbänder. Auch bei der Reihenfolgeverriegelung gibt es zwei Ausführungsvarianten.
Verriegeln über den Rücksetzeingang Sp1 RS E1
S Q1
E2
R1
A4
Sp2 RS E3 E4 A4
>= 1
A5
R1
Die Flankenauswertung eines Signals ist dann erforderlich, wenn aus einem Signalwechsel von FALSE nach TRUE oder umgekehrt ein kurzer Impuls der Zeitdauer von einer Programmzykluszeit herzuleiten ist, unabhängig von der Betätigungsdauer des Signalgebers. Das ist z.B. wichtig, wenn bei einer Sicherheitsschaltung überprüft werden muss, ob ein Taster wirklich betätigt wurde oder nur dauerhaft durch Manipulation niedergehalten wird. Im Bild 13 werden Beispiele gezeigt, wie die Impulsgewinnung unter Verwendung von Standardfunktionsbausteinen für Flankenerkennung gelöst werden kann. P-Flanke und N-Flanke sind die Namen der Instanzen der Funktionsbausteine. Der Zykluszeitimpuls steht als Impulsoperand IO zur Verfügung.
RS
S Q1 E3
RS
S Q1
7.5 Flankenauswertung
RS
S Q1
&
E4
Sp2
E3
E3 A4
S Q1 R1
A5
7.6 Darstellung und Eigenschaften elektropneumatischer Stellglieder Elektropneumatische Stellglieder können mit Ausgangssignalen einer SPS angesteuert werden. Ihre Hilfsenergie ist Druckluft, mit der pneumatische Zylinder betätigt werden. Bild 14 zeigt drei häufig verwendete elektropneumatische Stellgliedtypen. 3/2-Wegeventil: Elektromagnetisches Ventil mit Rückstellfeder hat nur einen elektrischen Steuereingang Y1 und kann durch ein Stellsignal aus der Schaltstellung b in die Schaltstellung a geschaltet werden. Nach Beendigung des Stellsignals erfolgt eine federmechanische Rückstellung des Ventils, dessen Vorteil die definierte Schaltstellung im unbetätigten Zustand ist. 5/2-Wegeventil: Elektromagnetische Impulsventile haben zwei elektrische Steuereingänge Y1 und Y2, sie können durch kurze Ansteuerimpulse aus einer Schaltstellung in die andere umgeschaltet werden. Die Ventile übernehmen die RS-Speicherfunktion der Steuerung. Nachteil des Speicherverhaltens ist die nicht definierte Schaltstellung im unbetätigten Zustand, daher erfolgt meistens eine Ansteuerung von Y1 und Y2 mit inversen Signalen.
702
Automatisierungstechnik
FUP
AWL
Positive (steigende) Flanke 0 → 1
LD ST CAL LD ST
P_Flanke R_TRIG S1
IO
Q
CLK
Zeitdiagramm S1 P_Flanke.CLK P_Flanke P_Flanke.Q IO
S1 P_Flanke IO Zyklen 1 2 3 .. n n+1
Negative (fallende) Flanke 1 → 0
LD ST CAL LD ST
N_Flanke F_TRIG
S1
IO
Q
CLK
S1 F_Flanke.CLK F_Flanke F_Flanke.Q IO
S1 F_Flanke IO Zyklen 1 2 3 .. n n+1
P_Flanke
Speicher
R_TRIG E1
RS Q
CLK
E0
S R1 Q
A4
LD ST CAL LD ST LDN ST
E1 P_Flanke.CLK P_Flanke P_Flanke.Q Speicher.S E0 Speicher.R1
Der Impulsoperanden IO kann entfallen, wenn die Flankenauswertung nur an einer Stelle des Programms benötigt wird, im Beispiel zum Setzen des RSSpeichers.
Bild 13 Flankenauswertung nach IEC 61131-3 5/3-Wegeventil: Bei elektromagnetischen Impulsventilen mit Federzentrierung geht das Ventil im unbetätigten Zustand in die Mittelstellung. Daher kann neben der Vorwärts- und Rückwärtsbewegung des Zylinderkolbens auch eine Halteposition veranlasst werden. Funktionsdiagramme zeigen den Bewegungsverlauf von Zylindern. In der Ordinate wird der zurückgelegte Weg und in der Abszisse werden Schritte oder Zeiten aufgetragen. Zusätzlich können die Zustände von Magnetspulen der Ventile dargestellt werden.
7.7 Regeln für das Umsetzen von Schützschaltungen in SPS-Programme Eine gegebene Schützsteuerung, die z.B. zur Ansteuerung von Elektromotoren oder Elektropneumatik eingesetzt wurde, kann durch eine SPS-Steuerung
Einfachwirkender Zylinder mit Ansteuerung durch ein 3/2-Wegeventil
1Y1
a
b
unter sinngemäßer Anwendung der nachfolgenden Umsetzungsregeln ersetzt werden. 1. Der Hauptstromkreis wird unverändert außerhalb der SPS beibehalten. 2. Hauptschütze werden von den SPS-Ausgängen angesteuert und werden als OUT- oder IN-OUTVariable deklariert. Der Schaltzustand des Hauptschützes wird somit außerhalb des Bausteins in einem SPS-Ausgang gespeichert. Wird ein Kontakt K1 des Hauptschützes K1 am Bausteineingang abgefragt, ist K1 als Durchgangsvariable (IN_OUT) zu deklarieren. 3. Hilfsschütze werden durch temporäre oder statische Variablen innerhalb des Bausteins ersetzt. Wenn Hilfsschütze interne Speicherfunktionen ausüben, muss für jedes Hilfsschütz eine statische Speichervariable (VAR) deklariert werden.
Doppeltwirkender Zylinder mit Ansteuerung durch ein 5/2-Wegeventil
2Y1
Bild 14 Beispiele elektropneumatischer Stellglieder
2Y2
Doppeltwirkender Zylinder mit Ansteuerung durch ein 5/3-Wegeventil
3Y1
3Y2
Automatisierungstechnik
703
Beispiel 7: Umsetzung einer Schützschaltung in ein SPS-Programm
Hauptstromkreis bleibt erhalten
L1 L2 L3 PE
Ersatz-Funktionsplan
Steuerstromkreis wird ersetzt
F2
F3 S1
L1
&
S0
>= 1
K1
F1
K1
Aufruf FC 10 im Programm (P) Die Signalspeicherung für das Hauptschütz K1 erfolgt im SPS-Ausgang A 4.0, daher genügt der Bausteintyp Funktion. Die direkten Variablen müssen in Baustein (P) deklariert werden.
F2
FC 10
K1
S0
F2
S1
EN
M 3~
K1 N
4. Parallelschaltungen von Schützkontakten werden durch ODER-Verknüpfungen und Reihenschaltungen durch UND-Verknüpfungen der Variablen ersetzt. 5. Öffner von Schützkontakten werden negiert und Schließer bejaht abgefragt. 6. Öffner- und Schließerkontakte von Signalgebern wie Taster und Schalter werden im Programm bejaht abgefragt und als Eingabevariablen deklariert, wenn derselbe Kontakttyp beibehalten wird. 7. Die bejahte Abfrage von Signalgebern in Regel 6 gilt nicht bei Verwendung der Speicherfunktion anstelle der Selbsthaltung. 8. Die Umsetzungsregeln 1 bis 6 verändern nicht die vorgegebene Steuerungsstruktur, wenn die Schütze keine Zeitverzögerungen oder Wischerkontakte enthalten. Einschalt- und Ausschaltverzögerungen müssen mit Zeitgliedern und Wischerkontakten mit Flankenauswertung nachgebildet werden. Impulse von Wischerkontakten beim Einschalten (Ausschalten) entsprechen steigenden (fallenden) Flanken.
7.8 Zeitfunktionen Die Zeitbildung ist eine Grundfunktion der Steuerungstechnik. Es können zeitliche Abläufe, wie Warte- und Überwachungszeiten, Zeitmessungen oder Taktimpulse programmiert werden. In der Norm DIN EN 61131-3 sind neben einer Echtzeituhr drei Stan-
F2
%IX 0.0
S0
%IX 0.1
S1
%QX4.0
K1
K1 1)
M1
%IX 0.2
ENO
1) K1 ist als Durchgangsvariable (IN_OUT) deklariert. Auf die SPS-Ausgangsadresse %QX4.0 kann lesend und schreibend zugegriffen werden.
dardfunktionsbausteine für die Zeitbildung aufgeführt, die in Bild 15 gezeigt werden.
7.9 Zählerfunktionen Zählerfunktionen werden in Steuerungsaufgaben benötigt, um bestimmte Mengen oder Positionen durch Aufzählen von Impulsen zu erfassen, Frequenzen zu ermitteln oder die Funktion von Steuerwerken zu übernehmen. Grundsätzlich lassen sich Zähler in Automatisierungssystemen auf drei verschiedene Arten realisieren.
• Zähler werden als Funktionsbausteine oder Funktionen im Steuerungsprogramm aufgerufen und parametriert. Diese Zähler können je Zykluszeit nur einen Vorwärts- und einen Rückwärtszählimpuls verarbeiten. Die Verarbeitung von externen Zählimpulsen ist von der Zykluszeit und der Schaltfrequenz der Signaleingänge abhängig. Innerhalb dieses Kapitels wird ausschließlich diese Zählerart verwendet. • Zähler werden durch eine Variable vom Datentyp Integer oder Doppelinteger realisiert. Das Auf- bzw. Abwärtszählen erfolgt bei diesen Zählern mit Additions- bzw. Subtraktionsbefehlen. Diese Zähler können je Zykluszeit mehrere interne Vorwärtsbzw. Rückwärtszählimpulse verarbeiten. Die Verarbeitung von externen Zählimpulsen ist jedoch wieder von der Zykluszeit abhängig.
704
Automatisierungstechnik
Name
Funktion Grafische Darstellung
Zeitdiagramm
TP
Erzeugen eines Impulses
1 IN
TP BOOL
IN
Q
TIME
PT
ET
BOOL TIME
Q
0 1 0
t PT
PT
PT t
ET PT
t
TON
Einschaltverzögerung
1 IN
TON BOOL
IN
Q
TIME
PT
ET
BOOL TIME
Q
0 1 0
t PT
PT t
ET PT
t
TOF
Ausschaltverzögerung
1 IN
TOF BOOL
IN
Q
TIME
PT
ET
BOOL TIME
Q
0
t
1 0
PT
PT t
ET PT
t
Operandenbedeutung: IN = Startbedingung; PT = Zeitvorgabe; Q = Status der Zeit; ET = Aktueller Zeitwert Bild 15 Zeitglieder nach IEC 61131-3
• Zähler sind auf einer speziellen Baugruppe untergebracht oder sind als „Schnelle Zähler“ mit separaten Signaleingängen Teil des Betriebssystems der Zentralbaugruppe CPU. Mit diesen Zählern ist es möglich, externe Zählimpulse zu erfassen, die schneller als die Zykluszeit sind. Innerhalb des Steuerungsprogramms können Zählerstände mit Übergabevariablen abgerufen werden. Bei der Realisierung von Zählern unterscheidet man Vorwärts- bzw. Aufwärts-Zähler, Rückwärts- bzw. Abwärts-Zähler und Vor-Rückwärts- bzw AufAbwärts-Zähler. Der Zählerstand ergibt sich aus der Anzahl der positiven Signalflanken an den Eingängen für Vorwärts- und Rückwärtszählen.
In der Norm DIN EN 61131-3 sind für die drei Zähler die grafische Darstellung und die Arbeitsweise der Standardfunktionsbausteine festgelegt wie in Bild 16 abgebildet.
7.10 Vergleichsfunktionen Mit Vergleichsfunktionen werden die Werte zweier digitaler Operanden des gleichen Datentyps verglichen. Das sind in den meisten Fällen Variablen mit Datentypen für Zahlenwerte wie REAL (Dezimalzahlen mit Komma), INT (Ganzzahlen mit Vorzeichen) und WORD (vorzeichenlose Zahlen). Zur Durchführung von Vergleichen stehen Standardfunktionen (FC) zur Verfügung, die beliebig oft mit
Automatisierungstechnik Name
705 Grafische Darstellung
Aufwärts-Zähler
Arbeitsweise in ST-Sprache
CTU BOOL
CU
BOOL
R
INT
PV
Abwärts-Zähler
Q
CV
BOOL
INT
CTD BOOL
CD
BOOL
LD
INT
PV
Auf-Abwärts-Zähler
Q
CV
BOOL
INT
CTUD BOOL
CU
QU
BOOL
BOOL
CD
QD
BOOL
BOOL
R
BOOL
LD
INT
PV
CV
INT
IF R THEN CV := 0; ELSIF CU AND (CV < Pvmax) Then CV := CV+1; END_IF; Q := (CV >= PV) IF LD THEN CV := PV; ELSIF CD AND (CV < Pvmin) Then CV := CV-1; END_IF; Q := (CV <= 0) IF R THEN CV := 0; ELSIF LD THEN CV := PV; ELSIF CU AND (CV < Pvmax) THEN CV := CV+1; ELSIF CD AND (CV < Pvmin) THEN CV := CV-1; END_IF; QU := (CV >= PV) QD := (CV <= 0)
Bedeutung der Eingänge und Ausgänge: CU = Vorwärtszähleingang steigende Flanke; CD = Rückwärtszähleingang steigende Flanke; R = Rücksetzeingang; LD = Ladeeingang; PV = Ladewert; QU = Status Zählerstand (CV größer gleich Ladewert); QD = Status Zählerstand (CV kleiner gleich 0); CV = Zählerstand. Hinweis: Die numerischen Werte der Grenzvariablen Pvmax und Pvmin sind implementierungsabhängig. Mögliche Werte sind Pvmax = 32767 und Pvmin = –32768. Bild 16 Zählfunktionen nach IEC 61131-3 verschiedenen Eingangsparametern aufgerufen werden können. Das Vergleichsergebnis steht als binärer Signalzustand im aktuellen Ergebnis (AE) zur Verfügung, und zwar mit TRUE, wenn der Vergleich zutrifft und mit FALSE, wenn er nicht zutrifft. Die Tabelle 5 zeigt die Vergleichsmöglichkeiten für den einfachsten Fall von zwei Vergleichseingängen IN1 und IN2. Tabelle 5 Vergleichsfunktionen Name
Symbol
GT GE EQ LE LT NE
> >= = <= < <>
Beschreibung
7.11 MOVE-Funktion
IN1 größer IN2 IN1 größer gleich IN2 IN1 gleich IN2 IN1 kleiner gleich IN2 IN1 kleiner IN2 IN1 ungleich IN2
Beispie 8: Vergleich auf „größer“
GT Wert 20
INT INT
IN1 IN1
BOOL
>> Marke1
Sprungsymbol
Die Eingangsvariable „Wert“ vom Datentyp Integer wird mit der Integerkonstanten „20“ auf „größer als“ verglichen, siehe Bild 17. Am Ausgang des Vergleichers ist das Sprungsymbol durch eine Signallinie mit Doppelpfeil am Ende angegeben. Der Sprung ist bedingt, weil er vom Ausgang des Vergleichs abhängig ist. Ist die Vergleichsbedingung erfüllt, wird das Programm an der Stelle von Marke1 fortgeführt. Ist die Vergleichsbedingung nicht erfüllt, läuft das Programm linear weiter. Im Vergleichsbaustein ist der Name der Vergleichsfunktion angegeben (GT).
Bild 17
Die MOVE-Funktion zählt zu den arithmetischen Standardfunktionen. Sie hat genau einen Eingang und einen Ausgang und bewirkt das „Durchreichen“ von Daten der Eingangsvariablen an die Ausgangsvariable in Abhängigkeit von einem booleschen Freigabesignal EN, dabei darf der Datentyp auf der Ausgangsund Eingangsseite sogar verschieden sein. Die Nutzung der MOVE-Funktion zur Datentypumwandlung hat enge Grenzen. Sinnvoll ist z.B. die Umwandlung von BYTE in WORD. Mit der Datentypangabe ANY in Bild 18 ist kein neuer Datentyp gemeint. ANY ist der ranghöchste der sog. allgemeinen Datentypen der SPS-Norm, die sich nur an Hersteller wendet und
706
Automatisierungstechnik
mitteilt, dass jeder nachgeordnete Datentyp verwendet werden darf. Die Ausgestaltung der MOVEFunktion ist herstellerabhängig. MOVE BOOL ANY
EN OUT IN
ENO
ANY BOOL
Bild 18 MOVE-Funktion mit Ausführungssteuerung EN/ENO
7.12 EN /ENO-Mechanismus EN steht für Enable IN (boolescher Freigabe-Eingang) und ENO für Enable OUT (boolescher Freigabeausgang). Die SPS-Norm sieht vor, dass Funktionen (FC) in den Programmiersprachen FBS und KOP über diese Möglichkeit der Ausführungssteuerung verfügen müssen. Der Freigabe-Eingang EN kann mit einer Logikverknüpfung beschaltet sein (z.B. UND-Glied, Vergleicher). Der boolesche Ausgang ENO kann zur Ansteuerung nachfolgender Funktionen benutzt werden, weil er anzeigt, ob die Bausteinfunktion ordnungsgemäß ausgeführt wurde oder nicht. Die Variablen EN/ENO müssen nicht benutzt werden, wenn die Ausführung der Funktion in jedem Fall erfolgen soll. Ist bei Funktionsaufruf EN = 0, wird die Funktion nicht ausgeführt und ENO = 0 ausgegeben. Ist bei Funktionsaufruf EN = 1, wird die Funktion ausgeführt und der Ausgang meldet mit ENO = 1 die Fehlerfreiheit der Ausführung oder mit ENO = 0 einen Ausführungsfehler.
8.2 Aufruf von Funktionsbausteinen in FBS Am einfachsten gestalten sich Bausteinaufrufe und die damit verbundenen Werteübergaben in grafischer Programmiersprache, z.B. FBS. Die Einbindung eines Funktionsbausteins (FB) in ein Programm (P) geschieht in der logischen Reihenfolge: Deklarieren einer Instanz des Funktionsbausteins, Einfügen des Bausteinsymbols aus der Bausteinbibliothek und Zuordnung des Instanznamens, Anbindung der Instanz-Eingänge/Ausgänge an Variablen des aufrufenden Bausteins, z.B. auch an direkte Variablen, welche die Verbindung zu den realen SPS-Eingängen/Ausgängen halten. Instanzen werden deklariert wie Variablen durch Angabe eines Namens und eines Typs. Als Typ wird der Name des Funktionsbausteins verwendet. Beispiel 9: Programm P ruft Funktionsbaustein FB auf
PROGRAM PRG (*Deklaration*) VAR_INPUT Wert1 AT %IX0.0 : BOOL ; Wert2 AT %IX1.0 : BOOL ; Wert3 AT %IX1.7 : BOOL ; END_VAR VAR Instanz1 : FB 10 ; END_VAR VAR_OUTPUT Wert4 AT %QX4.0 : BOOL ; END_VAR (*Bausteinrumpf*)
Instanz1 FB 10 (*Deklarationsteil*)
8 Aufruf und Wertübergaben zwischen Bausteinen nach IEC 61131-3 8.1 Aufrufhierarchie der Bausteine P, FB und FC • Das Anwenderprogramm einer SPS hat einen hierarchischen Aufbau: An oberster Stelle steht ein Baustein des Typs Programm (P), dessen Deklaration und Gebrauch identisch ist mit denen der bereits beschriebenen Funktionsbausteine, jedoch mit den begrenzenden Schlüsselwörtern PROGRAM ... END_PROGRAM. In diesem Baustein können Instanzen von Funktionsbausteine (FB) sowie Funktionen (FC) aufgerufen werden. An mittlerer Stelle stehen die Bausteine des Typs Funktionsbaustein (FB). Innerhalb eines Funktionsbausteins können Instanzen anderer Funktionsbausteine oder auch Funktionen (FC) aufgerufen werden An unterster Stelle stehen die Bausteine vom Typ Funktionen (FC). Innerhalb einer Funktion können andere Funktionen (FC) aufgerufen werden.
Wert1
E0
Wert2
E1
Wert3
E2
A4
Wert4
(*Bausteinrumpf*) Programmteil (unsichtbar)
END_PROGRAM
8.3 Aufruf von Funktionsbausteinen in AWL Gleicher Deklarationsteil wie in der Grafiksprache FBS. Etwas schwieriger gestaltet sich der Bausteinaufruf und die damit verbundenen Werteübergaben in Textsprache, z.B. AWL. Es stehen mehrere Methoden zur Verfügung, deren einfachste ist die mit der formalen Argumentenliste, die auch vom Hersteller fest vorgegeben sein kann. Bei dieser Methode muss ein Funktionsbaustein mit dem Befehl CAL (unbedingt) oder CALC (bedingt) aufgerufen werden, gefolgt vom Instanznamen und der offenen Klammer. Darunter erscheint die auszufüllende Liste mit den Parame-
Automatisierungstechnik tern des aufgerufenen Instanzbausteins, die mit der geschlossenen Klammer beendet wird. Beispiel 10: Programm P ruft Funktionsbaustein FB auf
PROGRAM PRG (*Deklaration*) VAR_INPUT Wert1 AT %IX0.0 : BOOL ; Wert2 AT %IX1.0 : BOOL ; Wert3 AT %IX1.7 : BOOL ; END_VAR VAR Instanz1 : FB 10 ; END_VAR VAR_OUTPUT Wert4 AT %QX4.0 : BOOL ; END_VAR (*Bausteinrumpf*) CAL Instanz1 ( E0 := Wert1, E1 := Wert2, E2 := Wer3, A4 => Wert4 ); END_PROGRAM
8.4 Aufruf von Funktionen in AWL Gegenüber dem Aufruf von Funktionsbausteinen entfällt die Instanzbildung. Der Aufruf in der Grafiksprache FBS ist sonst der gleiche wie bei Funktionsbausteinen. Unterschiede bestehen beim Aufruf in der Textsprache AWL, da nicht der Operator CAL verwendet werden darf. Der Funktionsname ist als Operator in der Anweisung anzugeben. Es sind zwei Aufrufmethoden zu unterscheiden. Beim „formalen Aufruf“ wird als erste Anweisung einfach der Name der aufzurufenden Funktion geschrieben, gefolgt von der offenen Klammer. Danach wird je Anweisungszeile ein Eingangsparameter übergeben, wie bei der obigen formalen Argumentenliste, jedoch nur für die Funktionseingänge. Dann folgt die geschlossene Klammer, mit der die Funktion bearbeitet und das Ergebnis im Ergebnisregister gespeichert wird. Die letzte Anweisung speichert das Aktuelle Ergebnis (AE) des Ergebnisregisters in der Zielvariablen. Beispiel 11: Formaler Funktionsaufruf einer Funktion
PROGRAM PRG (*Deklaration*) VAR_INPUT Wert1 AT %IX0.0 : BOOL ; Wert2 AT %IX1.0 : BOOL ; Wert3 AT %IX1.7 : BOOL ; END_VAR VAR_OUTPUT Wert4 AT %QX4.0 : BOOL ; END_VAR (*Bausteinrumpf*) FC 10 ( E0 := Wert1, E1 := Wert2, E2 := Wert3, ); ST Wert4 END_PROGRAM
707 Beim „nichtformalen Aufruf“ muss zuerst der erste Eingangsparameter in das Ergebnisregister geladen werden. Dann kommt die Anweisung mit dem Namen der Funktion als Operator, gefolgt von den restlichen Eingangsparametern in richtiger Reihenfolge und durch Kommas getrennt im Operandenteil. Mit dem Abschluss dieser Anweisung berechnet die Funktion das Ergebnis und stellt es in das Ergebnisregister. In der letzten Anweisung wird das Aktuelle Ergebnis (AE) des Ergebnisregisters in der Zielvariablen gespeichert. Beispiel 12: Nichtformaler Aufruf einer Funktion
PROGRAM PRG (*Deklaration*) VAR_INPUT Wert1 AT %IX0.0 : BOOL ; Wert2 AT %IX1.0 : BOOL ; Wert3 AT %IX1.7 : BOOL ; END_VAR VAR_OUTPUT Wert4 AT %QX4.0 : BOOL ; END_VAR (*Bausteinrumpf*) LD Wert1 FC 10 Wert 2, Wert 3 ST Wert4 END_PROGRAM
9 Ablaufsteuerung Steuerungsprogramme, die einen schrittweisen Prozessablauf nach den Vorgaben von Ablauf-Funktionsplänen ausführen, werden Ablaufsteuerungen genannt.
9.1 Ablauf-Funktionsplan Der Ablauf-Funktionsplan ist eine eigenständige Planart zur prozessorientierten Darstellung von Steuerungsaufgaben. Eine verbale Aufgabenstellung soll aus Gründen der Klarheit und Vollständigkeit durch eine grafische Darstellung ersetzt werden, die bei der Planung, Inbetriebnahme und Störungssuche hilfreich sein soll. Ein richtig entworfener Ablauf-Funktionsplan muss bereits die Lösung einer entsprechenden Steuerungsaufgabe darstellen. Geeignete Steuerungsaufgaben sind solche, bei denen unterscheidbare Aktionen in einer ereignis- oder zeitgesteuerten Reihen- oder auch Parallelfolge ablaufen und die auf Wiederholung gerichtet sind. Anschauliche Beispiele dafür sind Produktionsanlagen. Der Ablauf-Funktionsplan stellt nur die grafischen Elemente für eine Ablaufbeschreibung zur Verfügung. Die Entwurfsmethode besteht darin, dass Steuerungszustände eingeführt und mit Aktionen verknüpft sowie Übergangsstellen zur Berücksichtung von Steuersignalen vorgesehen werden. Die Darstellung von Ablauf-Funktionsplänen kann auf zwei verschiedenen Normen beruhen:
708
Automatisierungstechnik
• DIN EN 60848 GRAFCET, Spezifikationssprache für Funktionspläne der Ablaufsteuerung. (Nachfolger der DIN 40719-6). Diese Norm definiert eine grafische Entwurfssprache für die funktionale Beschreibung des Verhaltens des Ablaufteils eines Steuerungssystems. Die Entwurfssprache wird „GRAFCET“ genannt. • DIN EN 61131, Speicherprogrammierbare Steuerungen, Teil 3: Programmiersprachen, hierin Elemente der Ablaufsprache (AS). Der Zweck der Ablaufsprache ist die Darstellung von Ablauffunktionen in SPS-Programm-Organisationseinheiten des Typs Funktionsbaustein oder Programm. Dazu gibt die Norm zwei Darstellungsvarianten für ihre Elemente an, eine ausführlich behandelte grafische Variante und eine textuelle Variante. DIN EN 60848 und DIN EN 61131-3 haben jeweils ihren eigenen spezifischen Anwendungsbereich. Während die Entwurfssprache GRAFCET für die Beschreibung des Verhaltens unabhängig von einer speziellen Realisierung (elektronisch, elektromechanisch, pneumatisch oder gemischt) ist, legt IEC 61131-3 die Beschreibungsmittel der Ablaufsprache AS zwecks Programmrealisierung fest. Bei der Darstellung der Aktionsblöcke wird auf die Unterschiede eingegangen.
als einziger Schritt aktiv sein. Die Schritte sind durch gerichtete Verbindungen in Form von vertikalen Linien miteinander verbunden. Die Eigenschaft eines Schrittes, aktiv oder inaktiv sein zu können, setzt ein Speicherverhalten im Steuerungsprogramm voraus. Jedem Schritt ist normalerweise eine Aktion zugeordnet, die in einem Aktionsblock angegeben und mit dem Schritt verknüpft werden kann. Die Aktion ist nicht Bestandteil des Schrittes. Die Ablaufkette besteht aus einer Folge von Schritten und Transitionen, die einfach oder verzweigt sein kann. Einfache Ablaufkette: Der Wechsel von Schritt und Transition wird als Folge wiederholt. Es wird eine Kettenschleife gebildet, um wieder zum Anfang zurückzukehren. Die zurückführende Wirkungslinie kann durch eine Pfeildarstellungen mit Angabe von Schrittnummern ersetzt werden.
S_1 %IX1.0
&
%IX1.1
TRAN12
S_2
9.2 Grafische Darstellung von Ablaufsteuerungsfunktionen
%IX2.0
Zur Darstellung von Ablaufstrukturen werden Ablauf-Funktionspläne verwendet, die auch als SFC (Sequential Function Chart) bezeichnet werden.
&
%IX2.1
TRAN23 S_3
Darstellung von Schritten und Transitionen Jeder mögliche Zustand einer Steuerung wird im Ablauf-Funktionsplan durch einen Schritt dargestellt. Ein Schritt ist entweder aktiv oder inaktiv und stellt einen Zustand der Steuerung dar. Ein Schritt muss grafisch durch einen Block dargestellt werden, der einen Schrittnamen in Form eines Bezeichners enthält, siehe Bild 19. Eine Sonderstellung nimmt der Anfangsschritt ein, der durch eine doppelte Umrahmung gekennzeichnet ist. Der Anfangsschritt muss beim Start des Ablaufs
Anfangsschritt (Initialschritt)
%IX3.0
Aktion
& TRAN31
Bild 20 Einfache (lineare) Ablaufkette Verzweigte Ablaufkette: Man unterscheidet je nach Art der Verzweigung zwischen der Alternativ-Verzweigung und der Simultan-Verzweigung.
S_1 gerichtete Verbindungen (Wirkungslinien)
Transition (Übergang) Schritt (Zustand)
Aktion
S_2 Aktion
Bild 19 Darstellung von Ablaufschritten
Automatisierungstechnik
709
• Alternativ-Verzweigung (1- aus n-Verzweigung, ODER-Verzweigung); es erfolgt die Auswahl und Bearbeitung nur eines Kettenstranges aus mehreren Kettensträngen. Am Verzweigungsanfang darf zur gleichen Zeit nur eine Transitionsbedingung wahr sein (Verriegelung) oder es muss eine Priorität vorgegeben werden, indem der Strang mit der niedersten Nummer die höchste Priorität hat. Zusätzlich wird mit einem Stern ( ) angegeben, dass die Transitionen von links nach rechts bearbeitet werden. Jedes Strang-Ende muss eine eigene Transitionsbedingungen zum Verlassen des Kettenstranges aufweisen. Anfang und Ende von Alternativ-Verzweigungen werden durch waagerechte Einfachlinien dargestellt. • Simultan-Verzweigung (Parallelbearbeitung mehrerer Kettenstränge, UND-Verzweigung); es erfolgt die gleichzeitige Aktivierung der Anfangsschritte mehrerer Kettenstränge, die dann aber unabhängig voneinander bearbeitet werden. Alle Kettenstränge unterliegen auf der Anfangsseite nur einer vorgelagerten gemeinsamen Transitionsbedingung. Bei der Zusammenführung der Kettenstränge (Endeseite) darf nur eine gemeinsame Transitionsbedingung vorhanden sein. Anfang und Ende von Simultan-Verzweigungen werden durch waagerechte Doppellinien dargestellt. TRAN41 S_1 Stern Priorität
Alternativ-Verzweigung (Anfang) Simultan-Verzweigung (Anfang)
onsbedingung von TRAN_12 den booleschen Wert FALSE hat, wird der Schritt S_7 aktiviert und Schritt 1 deaktiviert. Damit kann es in dieser Phase des Ablaufs nicht mehr zu einer Aktivierung der Schritte S_2 und S_5 kommen. Der Übergang von Schritt S_8 zu Schritt S_4 erfolgt erst, wenn die Transitionsbedingung von TRAN_84 den booleschen Wert TRUE annimmt. Schritt S_8 wird dann von S_4 zurückgesetzt. Für den Fall, dass der Anfangsschritt S_1 aktiv ist und die Transitionsbedingungen von TRAN_12 und TRAN_17 den booleschen Wert TRUE haben, wird wegen der festgelegten Priorität die SimultanVerzweigung bearbeitet. Es werden die Schritte S_2 und S_5 aktiviert und der Vorgängerschritt S_1 deaktiviert. Der Schritt S_4 wird erst erreicht, wenn die Vorgängerschritte S_3 und S_6 aktiv sind und die Transitionsbedingung von TRAN_34 den booleschen Wert TRUE annimmt. Die Schritte S_3 und S_6 werden dann von S_4 zurückgesetzt. Schleifen und Sprünge Ein Sprung führt unter Steuerung durch eine Transitionsbedingung von einem Schritt zu einem entfernten anderen Schritt, wobei der durch den Sprung gebildete Zweig keine Schritte enthält. Eine Schleife kann die Folge eines Sprunges sein, indem unter Steuerung durch eine Transitionsbedingung auf einen Vorgängerschritt zurückgesprungen wird. Dabei muss verhindert werden, dass sich das Programm in einer Endlosschleife verfängt. Schleife
1 TRAN12
S_2
2 TRAN17
S_5
S_1
S_7 TRAN12
TRAN23
TRAN56
TRAN14
Sprung
TRAN78
S_2 S_3
S_6
S_8 TRAN23
TRAN34
S_4
TRAN45
TRAN84
S_3 S_4
Simultan-Verzweigung (Ende) TRAN41 S_1
Endlosschleife
Alternativ-Verzweigung (Ende)
TRAN31
S_5
TRAN54
TRAN52
Bild 22 Sprung und Schleife
Bild 21 Verzweigte Ablaufkette
Aktionen, Aktionsblock
Wenn zum Beispiel der Anfangsschritt S_1 aktiv ist und die Transitionsbedingung von TRAN_17 den booleschen Wert TRUE liefert während die Transiti-
Mit einem Schritt ist in der Regel eine Aktion verbunden. Ein Schritt ohne zugehörige Aktion übt eine Warte-Funktion aus bis die nachfolgende Transitionsbedingung erfüllt ist. Da der Ablauf-Funktions-
710
Automatisierungstechnik
plan beschreiben soll, was in der gesteuerten Anlage zu geschehen hat, wird in der Norm der Begriff Aktion anstelle von Befehl verwendet. Der Aktionsblock ist ein grafisches Element zur Darstellung von Aktionen. Der Aktionsblock ist nicht Teil eines Schrittes und damit auch nicht Teil der Ablaufkette. Der Aktionsblock kann mit einem Schritt verknüpft oder als grafisches Element in einer Kontaktplan- bzw. Funktionsplandarstellung verwendet werden. Nachfolgend wird jedoch die Verknüpfung von Schritt und Aktionsblock bevorzugt. In vollständiger Darstellung besteht der Aktionsblock aus vier Teilflächen, die nicht alle genutzt werden müssen:
“a”
S_2
“b”
“c”
“d”
• • • •
Feld “a”: Bestimmungszeichen Feld “b”: Aktionsname Feld “c”: Anzeigevariable Feld “d”: Beschreibung der Aktion in AWL; ST; KOP, FBS
Im einfachsten Fall wird in Feld “b” der Name einer booleschen Variablen und in Feld “a” ein zutreffendes Bestimmungszeichen eingetragen.
D t #10s
S_2
Heizung Ein
Die Aktion wird ausgeführt, wenn der zugehörige Schritt gesetzt ist und eine Aktionssteuerung die Freigabe erteilt. Die Aktionssteuerung sorgt für die richtige Umsetzung der im Feld “a” eingetragenen Bestimmungszeichen. Im Beispiel lautet die Aktion „Heizung EIN“ und es ist das Bestimmungszeichen D zusammen mit einer Zeitangabe im Feld “a” eingetragen. Ergebnis: Die Heizung wird verzögert eingeschaltet. Es ist zulässig, mehrere Aktionen mit einem Schritt zu verbinden. Dies wird grafisch dargestellt durch aneinander gereihte Aktionsblöcke. L t # 20s N
S_3
Pumpe Ein Zylinder_vor
Pos_1
Pos_1
N-Befehl (nichtgespeichert)
S_2
N
Motor Ein
1 0 1 0
Schritt 2 Motor
S-Befehl (Setzen, gespeichert)
S_3
S
Motor Ein
1 0
Schritt 3
1 R-Befehl (Rücksetzen)
S_5
R
Motor Aus
L-Befehl (zeitbegrenzt)
S_6
L t # 20s
Zeitg1:Pumpe Ein
1
S_8
D t #10s
Schritt 5
0 1
Schritt 6
0
Ist Schritt 6 kürzer als T#20s, verkürzt sich auch die Einschaltzeit der Pumpe.
20s 1 0
D-Befehl (zeitverzögert)
Motor
0
1 0
Pumpe
Schritt 8 10s
Zeitg2:Heizung Ein 1 0
Heizung
Bild 23 Bestimmungszeichen N, S, R, L und D für Aktionen nach IEC 61131-3
Automatisierungstechnik
711
Tabelle 6 Symbole für Aktionen nach GRAFCET
S_6
Aktion A:=1
3s/S_7 S_7
Aktion B
3s/S_8 S_8
Aktion C
S3 S_9
Aktion V
Speichernde Aktion Aktion wird bei Aktivierung des Schrittes gespeichert. Beispiel: Setze den Wert der booleschen Variablen A auf TRUE
Zeitverzögerte Aktion Die verzögerte Aktion ist eine kontinuierlich wirkende Aktion, bei der die Zuweisungsbedingung erst nach 3s erfüllt ist. Beispiel: Ausgang B nimmt den Wert TRUE an, nachdem drei Sekunden seit der Aktivierung von Schritt S_7 vergangen sind. Zeitbegrenzte Aktion Die begrenzte Aktion ist eine kontinuierlich wirkende Aktion, bei der die Zuweisungsbedingung während der Dauer von 3s erfüllt ist. Beispiel: Ausgang C erhält den Wert TRUE für drei Sekunden nach Aktivierung von Schritt S_8. Bedingte Aktion Die Zuweisungsbedingung S3 beeinflusst die kontinuierlich wirkende Aktion. Beispiel: Ausgang V erhält den Wert TRUE, wenn in Schritt 9 Bedingung S3 erfüllt ist. Als boolesche Gleichung: V = S_9 & S3
Im Aktionsfeld “c” kann eine boolesche AnzeigeVariable eingetragen werden, die durch die Aktion gesetzt werden kann, um die Erledigung oder einen Fehlerfall (z.B. Zeitüberschreitung) anzuzeigen oder als Weiterschaltbedingung verwendbar ist.
Bedienfeld Signale Betriebsartenteil
Bestimmungszeichen für Aktionen (IEC 61131-3) Die Verknüpfung einer Aktion mit einem Schritt erfolgt formal durch ein sog. Bestimmungszeichen. Für jedes Bestimmungszeichen (N, S, R, L, D u.a.) muss in der Ablaufsteuerung eine Programmteil mit einer entsprechenden Ansteuerlogik für die im Feld “b” angegebene boolesche Ausgangsvariable vorhanden sein. Im Bild 23 ist für einzelne Bestimmungszeichen die Art der Ansteuerlogik mit Liniendiagrammen beschrieben. Die DIN EN 60848 unterteilt den Aktionsblock nicht. Die Art der Aktionsausgabe wird dort durch Symbole am Aktionsblock festgelegt, siehe Tabelle 6. Welche der Darstellungen verwendet wird, bestimmen in der Praxis die Vorteile für den jeweiligen Anwendungszweck. Ablaufsteuerungen werden mit speziellen Software-Tools der Automatisierungsfirmen entwickelt, die viel Detailarbeit übernehmen.
9.3 Betriebsartenteil und Bedienfeld Ablaufsteuerungen in der Praxis bestehen aus Ablaufketten und verfügen über einen übergeordneten Betriebsartenteil für die Inbetriebnahme, Anlagenbetrieb und Störungsbeseitigung. Ablaufsteuerungen bestehen im Prinzip immer aus folgenden Komponenten:
Signale der Anlage Schrittnummer
Betriebsartensignale B0 B1 B2 B3
Ablaufkette
Verriegelg. Zeiten, Zähler
Schrittnummer Aktionsausgabe Signale an Stellgeräte
Bild 24 Struktur einer Ablaufsteuerung Betriebsartensignale Betriebsartensignale sind die vom Betriebsartenprogramm erzeugten Steuersignale für das Weiterschalten und Rücksetzen der Ablaufkette sowie für die Freigabe von Aktionen.
• Rücksetzen RESET (B0) RESET wirkt durch die Übergabevariable B0 auf einen Eingangsparameter RUECKSETZ des Ablaufkettenbausteins und versetzt die Schrittkette in die Grundstellung oder wirkt über den RESET-Eingang
712
Automatisierungstechnik
Steuerung
Betriebsarten
Automatik A5
EIN
AUS E0
A4
E1 E2
Beenden Autom. Betr.
E4 0
Hand / Einzelschritt Schrittanzeige E5
A0 A1 A2 A3
Weiter_oB 0
Weiter_mB
Start / Quittierung E3
Aktion_Freigabe E6
Bild 25 Beispiel eines Bedienfeldes für Ablaufsteuerung
des Aktionsbausteins und setzt dort Speicher, Zeitglieder und Zähler zurück.
• Freigabe der Kette mit Bedingungen FREI_K_mB (B1) FREI_K_mB wirkt durch die Übergabevariable B1 auf einen Eingangsparameter WEITER_mB im Ablaufkettenbaustein. Nur wenn B1 = 1 ist, wird bei erfüllten Weiterschaltbedingungen der nächste Schritt gesetzt. Das B1-Signal kann ein Impuls bei HandEinzelschrittbetrieb oder ein Dauersignal bei Automatikbetrieb sein.
• Freigabe der Kette ohne Bedingungen FREI_K_oB (B2) FREI_K_oB wirkt durch die Übergabevariable B2 auf einen Eingangsparameter WEITER_oB im Ablaufkettenbaustein. Nur wenn B2 = 1 ist, wird im Hand-Einzelschrittbetrieb der nächste Schrittspeicher gesetzt, ohne dass die Weiterschaltbedingung erfüllt sein muss. Das B2-Signal muss immer ein Impulssignal mit der Länge von einer Zykluszeit sein.
• Freigabe Aktion FR_AKTION (B3) FR_AKTION wirkt durch die Übergabevariable B3 auf einen Eingangsparameter FREIGABE des Aktionsbausteins und kann dort einen Aktionsausgang freischalten bzw. sperren. Funktionen eines Bedienfeldes Eingriffe in Steuerungen sollen von einem Bedienfeld aus erfolgen, dessen Bedienoberfläche auf die Erfordernisse von Ablaufsteuerungen mit Betriebsartenteil abgestimmt ist. Die Kenntnisnahme der Einzelfunktionen der Befehlsgeber und Anzeigen des beispielhaften Bedienfeldes verdeutlicht die Komplexität und Praxisnähe von Ablaufsteuerungen.
Steuerung: AUS Steuerung: EIN Hinweis: Statt der beiden Taster kann auch ein EIN-AUS-Schalter bzw. ein Schlüsselschalter verwendet werden. Schalter E2: Betriebsart Wahl der Betriebsart: E2 = 1 für Automatik, E2 = 0 für Handbetrieb. Während eines Bearbeitungsprozesses kann zwischen Automatik und Handbetrieb umgeschaltet werden. Taster E3: Start/Einzelschritt Bei E2 = 1 (Automatik) werden durch Betätigung von E3 der Automatikbetrieb für das Weiterschalten der Ablaufkette mit Bedingungen sowie die Freigabe der Aktionen eingeschaltet und somit der automatische Ablauf der Kette gestartet. Bei E2 = 0 (Hand-/Einzelschrittbetrieb) erfolgt bei Betätigung von E3 eine Einzelschritt-Weiterschaltung der Schrittkette. Bei ausgeschalteter Steuerung kann durch Betätigen der Start/QuittierungsTaste ein RESET zum Rücksetzen der Schrittkette und der gespeicherten Aktionen ausgelöst werden, wenn sich die Anlage in der Grundstellung befindet. Taster E4: Beenden Automatikbetrieb Vorwahl zum Beenden der Betriebsart Automatik bei Erreichen der Grundstellung der Ablaufkette (vollständig beendeter Bearbeitungsprozess). Schalter E5: Weiterschaltbedingung für Hand-/ Einzelschrittbetrieb Bei E2 = 0 (Hand-/Einzelschrittbetrieb) muss die Art der Ablaufketten-Weiterschaltung festgelegt werden. Zur Auswahl stehen E5 = 1 (Weiterschalten Taster E0: Taster E1:
Automatisierungstechnik
Taster E6:
ohne Bedingungen) und E5 = 0 (Weiterschalten mit Bedingungen). Aktions-Freigabe In der Betriebsart Handbetrieb wird durch Taster E6 die Aktion des aktiven Schrittes solange ausgeführt, wie E6 betätigt ist.
10 Kommunikation in Automatisierungssystemen Die Automatisierungstechnik befindet sich im Umbruch. Durch Anwendung moderner Kommunikationstechnik erhofft man sich entscheidende Verbesserungen bei Effizienz und Flexibilität der Automatisierungsprozesse. Der Begriff der Automatisierungstechnik umfasst heute mehr als nur das Automatisieren im Sinne von Steuern, Regeln und Visualisieren, eingeschlossen ist auch das Kommunizieren. Zwischen den Anlagenkomponenten eines Automatisierungssystems müssen in der Regel Informationen ausgetauscht werden. Das sind im einfachsten Fall Signale von Sensoren und Aktoren, die zum übergeordneten Automatisierungsgerät gelangen müssen oder von dort herkommen. In anderen Fällen handelt es sich um Messwerte, Statusmeldungen und Diagnoseinformationen, die schon kompliziertere Daten darstellen. Realität ist auch, dass Auftragsdaten der Produktion zwischen Büro und Fertigungsanlage übertragen werden müssen. Es liegen also umfangreiche Kommunikationsbeziehungen in der Automatisierungstechnik vor, zu deren Bewältigung moderne Kommunikationssysteme verwendet werden.
10.1 Bussysteme Die klassische Informationsübertragung von Prozesssignalen mittels analoger Spannungs- oder Stromwerte passt nicht zur digitalen Datenverarbeitung in den Automatisierungsgeräten. Es ist deshalb naheliegend, auch die Informationsübertragung auf eine digitale Grundlage zu stellen. Um gleichzeitig den Verkabelungsaufwand so gering wie möglich zu halten, überträgt man Daten über Bussysteme in Form serieller Zweidrahtverbindungen, an die alle Teilnehmer angeschlossen sind. Für den Informationsaustausch werden Telegramme mit entsprechenden Sende- und Empfangsadressen sowie den Nutzdaten gebildet. Ein solches digitales Kommunikationssystem ist leichter erweiterbar durch Anschluss weiterer Teilnehmerstationen und Änderungen erfordern zum großen Teil nur softwaremäßige Eingriffe. Digitale Kommunikationssysteme vereinfachen nicht nur den sonst erforderlichen Verdrahtungsaufwand radikal, sondern bringen für den Anlagenbetreiber auch noch einen Zusatznutzen, indem außer den eigentlichen Messwerten nützliche Anlageninformationen wie z.B. Fehlermeldungen ohne großen Mehraufwand zusätz-
713 lich zur Verfügung stehen und Fernparametrierungen intelligenter Sensoren möglich sind. Je nach Anwendungsbereich werden in der Automatisierungstechnik unterschiedliche Bussysteme eingesetzt, deren wichtigste Merkmale ihre sog. Echtzeitfähigkeit und Störsicherheit sind. Echtzeit bedeutet, dass die neuen Daten immer „rechtzeitig“ eintreffen. Zu spät eintreffende Daten können sonst zu gefährlichen Anlagenzuständen führen. Verwendet werden nur noch standardisierte, offene Bussysteme. Standardisiert bedeutet international genormt in der IEC 61158 und Offenheit gewährt den Zugang zu Spezifikationen und Technologien, damit sich neue Anbieter mit eigenen Produkten am System beteiligen können. Für die Nutzer ergibt sich so der Vorteil einer größeren Unabhängigkeit von Herstellern bei der Auswahl der zu vernetzenden Anlagenkomponenten. Im prozessnahen Bereich der Anlage, der Feldebene, findet man überwiegend sogenannte Feldbussysteme mit Master-Slave-Kommunikation vor. Die Slaves sind die Buskomponenten, über die alle Eingangsund Ausgangssignale der Anlage erfasst bzw. ausgegeben werden. Die Master-Station ist ein Kommunikationsprozessor, der für die zyklische Bedienung der zugeordneten Slave-Stationen sorgt, indem er die Daten von Eingängen der Slaves abholt bzw. an Ausgänge von Slaves ausliefert. Bekannte MasterSlave-Systeme für den Feldbereich sind der AS-i-Bus (Aktor-Sensor-Interface), der PROFIBUS-DP (Process Field BUS-Dezentrale Peripherie), der INTERBUS-S und andere Systeme. In der Feldebene zählen Bussysteme seit vielen Jahren zum Stand der Technik. In komplexeren Anlagen mit mehrerer SPSen kann jedoch auch ein Datenaustausch zwischen Steuerungsstationen (SPSen) erforderlich sein. Das erfordert bereits die höherwertige Master-MasterKommunikation, die aber auch noch dem Produktionsbereich der Fabrik zuzurechnen ist. Muss ein noch weitergehender Datenaustausch unter Einbeziehung von Bürobereichen, z.B. der Fertigungssteuerung, verwirklicht werden, so wird eine zweite Netzinfrastruktur neben dem vorhandenen Feldbussystem erforderlich. Hierfür bietet sich dann das im Bürobereich bereits etablierte Ethernet-TCP/IP-Netz an. Schon lange wurde gefordert, das TCP/IP-Netz in die Fertigungsebene zu verlängern bei gleichzeitiger Erfüllung der Echtzeitbedingung. Ein Beispiel hierfür ist PROFINET als neues Kommunikationssystem. Bild 26 gibt eine Übersicht zu Bussystemen in der industriellen Kommunikation.
10.2 PROFINET – Offener Industrial Ethernet Standard PROFINET bietet sich als ein offenes und durchgängiges Konzept für Automatisierungslösungen auf Ethernetbasis an, im Bereich von Einzelmaschinen bis hin zu modular aufgebauten Anlagen mit verteilter Steuerungsintelligenz und gewährleistet dabei
714
Automatisierungstechnik
Produktionssteuerung und Wirtschaftlichkeit Bussysteme:
Verfügbarkeit und Qualität Aufträge Instandhaltung
UnternehmesERP leitebene
Anlagenvisualisierung Programmierung Diagnose
SPS Aktoren, Sensoren Bedienen/Beobachten
Betriebsleitebene
Steuerungs-ebene
ITKommunikation
MES
DatenKommunikation
Control
Kommunikationsprotokolle:
EthernetTCP/IP
HTTP OPC
PROFINET auf Switched Fast Ethernet
(S)RT IRT UDP/IP TCP/IP
PROFIBUS DP, PA AS-Interface EIB
FeldKommunikation
Fertigung-, Prozess-, GebäudeAutomatisierung
Produktion
Bild 26 Industrielle Kommunikation ERP = Enterprise Ressource Planning, MES = Manufacturing Execution Systems
1 2 GSDML L GSD
7
5 4
3
6
Bild 27 Bussystem PROFINET IO Ziffer 1
PROFINET IO IO-System
PROFIBUS DP DP-Mastersystem
2
IO-Controller
DP-Master
3 4
IO-Device Industrial Ethernet
DP-Slave Profibus
5
IO-Supervisor
6
HMI = Human Machine Interface GSD (XML-Datei)
PG/PC DP-Master Klasse 2 HMI
7
GSD (ASCII-Datei)
Bemerkung Alle Geräte (IO-Controller, IO-Devices) und Kommunikationsverbindungen Gerät, über das angeschlossene Feldgeräte angesprochen werden Dezentrale Feldgeräte z.T. mit eigener CPU Netzwerkinfrastruktur mit Switches (im Bild 27 nicht dargestellt) Programmieren, Inbetriebnahme/Diagnose Gerät zum Bedienen und Beobachten mit Zugriff auch auf IO-Devices über Ethernet! Gerätebeschreibungsdatei für die IO-Devices und DP-Slaves
Automatisierungstechnik durch Einbinden von PROFIBUS DP einen Investitionsschutz. Das Grundkonzept besteht aus
• PROFINET IO (dezentrale Feldgeräte) und • PROFINET CBA (verteilte Automatisierung) und schließt folgenden Leistungsumfang ein:
• Industrial Ethernet-Netzwerke mit aktiven Netzkomponenten (Switches, Router)
• Integration bestehender Feldbussysteme (PROFI• • • •
BUS DP, INTERBUS,...) Kommunikationskanäle für anforderungsabhängige Übertragungsleistung Herstellerübergreifendes Engineeringkonzept (Projektierung, Programmierung) Einsatz von IT-Technologien (Netzwerkadministration, Webserver, E-Mail, OPC) Sicherheitsgerichtete Kommunikation
PROFINET IO PROFINET IO ist die Kurzbezeichnung für das Steuerungskonzept „Dezentrale Feldgeräte“, dass mit einem Industrial Ethernet Netzwerk ein zentrales Steuerungsgerät (IO-Controller) mit dem dezentralen Feldgerätebereich (IO-Devices) verbindet und somit eine Ähnlichkeit mit dem weitverbreiteten Feldbussystem PROFIBUS-DP besitzt. Die Nutzdaten der Feldgeräte werden auch wieder zyklisch in Echtzeit in das Prozessabbild des IO-Controllers übertragen oder in umgekehrter Richtung an die IO-Devices ausgegeben. Das verwendete Kommunikationsmodell heißt Provider-Consumer-Verfahren und nicht mehr Master-Slave-Verfahren, obwohl der Datenverkehr mit den Feldgeräten in beiden Systemen nach dem gleichen Prinzip abläuft. PROFIBUS regelt den Buszugriff über die Token-Weitergabe, von der die DP-Slaves ausgeschlossen sind. Im Ethernet-System ist das nicht möglich, weil alle Teilnehmer am Netz beim Buszugriff gleichberechtigt sind. Der Provider sendet seine Daten ohne Aufforderung des Kommunikationspartners. Den IO-Devices wird deshalb beim System-Hochlauf mitgeteilt, dass sie mit einem Buszyklus von z.B. 10 ms mit aktuellen Daten versorgt werden. Die Eigenschaften der IO-Devices werden durch deren GSD-Datei (General Station Description auf XML-Basis) beschrieben, wie dieses auch von PROFIBUS DP her bekannt ist. Die Steuerungsintelligenz in Form eines Anwenderprogramms befindet sich bei PROFINET IO oftmals nur im IO-Controller, kann aber auch teilweise in intelligenten IO-Devices (Feldgeräte mit eigener CPU) untergebracht sein, auch wieder vergleichbar mit dem PROFIBUS DP-System. Das Bild 27 zeigt zusammen mit der anschließenden Gegenüberstellung der Grundbegriffe die Ähnlichkeit beider Systeme auf.
715 PROFINET-Kommunikationskanäle Die PROFINET-Kommunikation findet über Industrial Ethernet statt. Dabei werden die folgenden Übertragungsarten unterstützt: 1. Zyklische Übertragung von zeitkritischen Daten (Nutzdaten) 2. Azyklische Übertragung von Engineering-Daten und zeitunkritische Parametrierungs-, Konfigurierungs- und Diagnose-Daten. Für die genannten Übertragungsarten werden unterschiedliche Transportprotokolle verwendet, die man sich vereinfacht als Transportkanäle unterschiedlicher Leistungsstufen vorstellen kann. Bild 28 gibt eine Übersicht:
• TCP/UDP-IP-Kanal
(Standard-Transportprotokoll der IT-Welt) für die Übertragung zeitunkritscher PROFINET-Daten. Dieser Transportkanal steht auch zur generellen Anbindung der Automatisierungssysteme an die übergeordneten EthernetNetze wie den Firmen-eigenen Intranets und dem öffentlichen Internet zur Verfügung. • SRT-Kanal (Soft Real Time) für zeitkritische PROFINET-Daten. Hierbei handelt es sich um ein spezielles Transportprotokoll von PROFINET, um die im Feldbusbereich geforderte Echtzeitkommunikation zu ermöglichen. Werden Aktualisierungszeiten von ca. 10 ms bei zyklischer Datenübertragung gefordert, wird von „weicher“ Echtzeitbedingung gesprochen. Das SRT-Transportprotokoll wird als Software auf Basis vorhandner Controller realisiert. • IRT-Kanal (Isochrone Real Time) für ganz besonders anspruchsvolle Anforderungen an die Übertragung von PROFINET-Daten wie beispielsweise für Antriebssteuerungen. Hier sind „harte“ Echtzeitbedingungen einzuhalten, d.h. Aktualisierungszeiten von ca. 1 ms bei einer garantierten Taktgenauigkeit bis auf 1 μs. Die IRT-Kommunikation ist zeitschlitzgesteuert und setzt eine entsprechende Konfigurierung mit IRT-fähigen Geräten einschließlich der Switches voraus. IRT-fähige Switches schalten die Verbindungen zeitsynchronisiert (nicht adressgesteuert) bereits vor dem Eintreffen der EthernetTelegramme durch. Die Realisierung des IRTTransportprotokolls erfolgt auf Hardware-Basis durch einen ASIC. PROFINET nutzt auch das Prinzip der „Telegramm-Priorisierung“, um die Übertragung der Daten durch das Ethernet-Netzwerk zu verbessern. Vordringlichere Telegramme sollen die weniger eiligen Telegramme überholen können. Netzwerkkomponenten wie Switches können den Datenfluss priorisierter Telegramme steuern, dazu verwenden sie Zwischenspeicher.
10.3 OPC-Technologie Die OPC-Technologie (OLE for Process Control) bildet eine Datenbrücke zwischen einer Applikation,
716
Automatisierungstechnik
IT-Applikationen HTTP FTP SNMP DHCP OPC
1 TCP/IP-Kanal
PROFINET-Anwendungen
Standard Kanal
Parametrieren und Konfigurieren Lesen von Diagnosedaten Aushandeln des Nutzdatenkanals
Echtzeit Kanal
1
3
2
2 SRT-Kanal
TCP/UDP
Zyklische Nutzdatenübertragung Ereignisgesteuerte Meldungen undAlarme
IP SRT
3 IRT-Kanal
IRT
Taktsynchrone Nutzdatenübertragung
Ethernet
Bild 28 Kommunikationskanäle bei PROFINET
die Prozessdaten übergeordnet zu verarbeiten hat und einer Steuerungs-Hardware, die als gerätespezifischer Datenlieferant angesehen werden kann. OPC ist ein Client-Server-System. Ein OPC-Server ist eine Software-Komponente, die der Hersteller einer SPS-Hardware für diese zur Verfügung stellt, damit von übergeordneten Anwenderprogrammen (z.B. MS Excel) aus auf die spezifische Hardware zugegriffen werden kann. Für den OPC-Server, der auf einem PC läuft, muss eine unterlagerte Kommunikationsverbindung zur Hardware des Herstellers eingerichtet werden, z.B. PROFIBUS oder Industrial Ethernet-TCP/IP. Im Anwenderprogramm muss ein OPC-Client angelegt und konfiguriert werden, um auf einen OPCServer und somit auf die Prozessdaten beispielsweise einer SPS lokal oder entfernt zugreifen zu können. Die Entwicklung eines OPC-Client-Programms kann beispielsweise mit Excel-VBA oder durch Einbindung eines fertigen ActiveX-Elements gelöst werden.
Sicherheitsgrundnormen
11 Steuerungssicherheit Jede Maschinensteuerung ist mit einem Fehlerrisiko behaftet, dass sich durch besondere Maßnahmen bei der Entwicklung, Fertigung, Inbetriebnahme und Bedienung verringern aber nicht völlig ausschließen lässt. Fehlerursachen sind technisches oder menschliches Versagen. Sicherheitsrelevante Maßnahmen sind nicht allein unter dem Aspekt der technischen Funktion (Wie funktioniert die Sicherheitsmaßnahme?) sondern besonders auch unter rechtlichen Gesichtspunkten (Welche Sicherheitsvorschriften gelten?) zu sehen. Hinter allem aber steht eine soziale Verantwortung des Geräteherstellers und Betreibers, der sich bewusst sein sollte, dass der Werker an einer Maschine davon ausgeht, dass diese sicher ist.
Typ A-Normen Gestaltungsleitsätze, Grundbegriffe für Maschinen
Sicherheitsgruppennormen
Fachnormen
Typ B-Normen B1-Normen Allgemeine Sicherheitsaspekte
B2-Normen Bezug auf spezielle Sicherheitseinrichtungen
Typ C-Normen Spezifische Sicherheitsmerkmale einzelner Maschinengattungen
Bild 29: Hierarchie des europäischen Normenwerkes für Sicherheit von Maschinen
Automatisierungstechnik
11.1 Europäische Richtlinien und Sicherheitsnormen Drei für die Steuerungstechnik wichtige EG-Richtlinien seien hier besonders erwähnt:
• Niederspannungsrichtlinie 73/23/EWG: Schutz vor Gefahren durch elektrischen Strom bei Niederspannungsgeräten im Spannungsbereich 50 ... 1000 VAC, 75 ... 1500 VDC, CE-Kennzeichnungspflicht seit 1997. • Maschinenrichtlinie 89/392/EG, letzte Fassung 98/37 EG: Grundlegende Anforderungen an die Sicherheit der Maschinen zum Schutz der Gesundheit des Betreibers. Inzwischen gilt diese Richtlinie auch für Sicherheitsbauteile, CEKennzeichnungspflicht seit 1995. • EMV-Richtlinie 89/336/EWG (Elektromagnetische Verträglichkeit): Zwei grundlegende Anforderungen an die Geräte sind die sehr allgemein gehaltenen Grenzen für Störaussendung und Störfestigkeit bei Einstrahlung, CE-Kennzeichnungspflicht seit 1996. Die europäischen Normen zur Sicherheit von Maschinen weisen eine dreigeteilte hierarchische Struktur auf:
717
• Safety Integrity Level in IEC 61508: SIL 1 bis SIL 4 (Höchststufe)
• Kategorien in der DIN EN 954-1: KAT 1 bis KAT 4 (Höchststufe) Startfunktion
• Start-Funktionen müssen durch Erregen des entsprechenden Kreises erfolgen. Stoppfunktionen
• Stopp-Funktionen müssen durch Entregen des entsprechenden Kreises erfolgen und haben Vorrang vor zugeordneten Start-Funktionen. Das Rücksetzen der Stopp-Funktion darf keinen Gefahr bringenden Zustand einleiten. Bei den StoppFunktionen werden die Kategorien 0, 1 und 2 unterschieden. Anforderungen der Stopp-Kategorien: 1. Kategorie 0 ist ein Stillsetzen durch sofortiges Abschalten der Energiezufuhr zu den Antrieben, d.h. ein ungesteuertes Stillsetzen, z.B. durch Betätigung des Motor Leistungsschalters und aller Bremsen (mechanischer Stillsetzeinrichtungen).
• Typ A-Normen: Enthalten Gestaltungsleitsätze, die für alle Maschinen gültig sind. • Typ B-Normen: Sind Sicherheits-Gruppennormen, die auf unterschiedliche Maschinengruppen anwendbar sind, wie z.B. DIN EN 60204-1: Elektrische Ausrüstung von Maschinen. B2-Normen behandeln spezielle Sicherheitseinrichtungen, wie z.B. DIN EN 418: NOT-AUS-Einrichtungen. • Typ C-Normen: Sind Sicherheits-Fachnormen und beschreiben konkrete Anforderungen an einzelne Maschinenarten. Für Normen von Typ C gilt das „Vermutungsprinzip“, d.h. bei Einhaltung dieser Normen darf vermutet werden, dass die Anforderungen der betreffenden EG-Richtlinien erfüllt sind.
11.2 Sicherheitsbegriff Der Begriff Sicherheit eines Steuerungssystems ist auf die möglichen Folgen von auftretenden Fehlern bezogen, die Personen und Sachen betreffen. Davon zu unterscheiden ist der Begriff der Verfügbarkeit eines technischen Systems, die zwischen 0 und 100 % liegen kann, unabhängig von der Bedeutung der möglichen Folgen eines Ausfalls. Um funktionale Sicherheit einer Maschine zu erreichen, ist es erforderlich, dass die sicherheitsbezogenen Teile der Schutz- und Steuereinrichtungen korrekt funktionieren und sich im Fehlerfall so verhalten, dass die Maschine in einem sicheren Zustand bleibt oder dorthin gebracht wird. Das Maß für die erreichte funktionale Sicherheit wird in den Normen mit unterschiedlichen Wertigkeitsstufen ausgedrückt, und zwar mit:
StoppBefehl EIN AUS
M 3~
t
Bild 30 Stopp-Kategorie 0 2. Kategorie 1 ist ein gesteuertes Stillsetzen, bei dem die Energiezufuhr zu den Maschinenantrieben beibehalten wird, um das gesteuerte Stillsetzen ausführen zu können. Die Energiezufuhr wird erst dann unterbrochen, wenn der Stillstand erreicht ist, z.B. Gegenstrombremsung von Drehstrommotoren.
StoppBefehl
Stillstand n=0
EIN Stillsetzen
Antreiben
Bremsen
AUS t M 3~
Bild 31 Stopp-Kategorie 1 3. Kategorie 2 ist ein gesteuertes Stillsetzen, bei dem die Energiezufuhr zu den Maschinen-
718
Automatisierungstechnik
Tabelle 7 Beschreibung der Anforderungen für Sicherheitskategorien Kategorie
Kurzfassung der Anforderungen
Systemverhalten
Maßnahmen
B
• Sicherheitsbezogene Teile von Steue-
Das Auftreten eines Fehlers kann zum Verlust der Sicherheitsfunktion führen.
z.B. 1-kanaliger Sicherheitskreis, Erdung des Steuerstromkreises
rungen nach dem Stand der Technik. • Bauteile müssen den zu erwartenden Einflüssen standhalten.
• Anforderungen von „B“ müssen erfüllt Das Auftreten eines Feh- zusätzlich z.B.:
1
sein.
• Einsatz bewährter Bauteile und Sicherheitsprinzipien.
lers kann zum Verlust der Sicherheitsfunktion führen, aber höhere Zuverlässigkeit als in Kategorie B.
zwangsöffnende und zwangsgeführte Kontakte
• Anforderungen von „B“ müssen erfüllt Das Auftreten eines Feh- zusätzlich z.B.:
2
3
sein. Einsatz bewährter Bauteile und Sicherheitsprinzipien. • Testung der Sicherheitsfunktion in angemessenen Zeitabständen durch die Steuerung.
lers kann zum Verlust der Sicherheitsfunktion zwischen den Prüfungsabständen führen. Der Verlust der Sicherheitsfunktion wird durch die Prüfung erkannt.
Funktions-/Anlauftestung
• Anforderungen von „B“ sind zu erfül-
Wenn der einzelne Fehler auftritt, bleibt die Sicherheitsfunktion immer erhalten. Einige aber nicht alle Fehler werden erkannt. Eine Anhäufung unerkannter Fehler kann zum Verlust der Sicherheitsfunktion führen.
zusätzlich z.B.: 2-kanalige Ausführung von Sicherheitskreisen
Wenn Fehler auftreten, bleibt die Sicherheitsfunktion immer erhalten. Die Fehler werden rechtzeitig erkannt, um einen Verlust der Sicherheitsfunktion zu verhindern.
zusätzlich z.B.: Selbstüberwachung der Sicherheitskreise, Querschlusserkennung
len, Einsatz bewährter Bauteile und Sicherheitsprinzipien. • Einfehler-Sicherheit: Ein einzelner Fehler führt nicht zum Verlust der Sicherheitsfunktion. • Der einzelne Fehler wird erkannt mit der Einschränkung „wann immer und in angemessener Weise durchführbar“.
• Anforderungen von „B“ sind zu erfül-
4
len, Anwendung bewährter Prinzipien. • 1-Fehlersicherheit ist gewährleistet. • Erkennung des einzelnen Fehlers vor oder bei nächster Anforderung an die Sicherheitsfunktion (Selbstüberwachung). • Falls die Erkennung des einzelnen Fehlers nicht möglich ist, darf eine Anhäufung von Fehlern nicht zum Verlust der Sicherheitsfunktion führen. antrieben erhalten bleibt, z.B. Anhalten durch Vorgabe von Sollwert „0“.
EIN
StoppBefehl
Stopp Energie Sollwert auf Null setzen Bewegung
AUS
M
t G
Bild 32 Stopp-Kategorie 2
Handlungen im Notfall (NOT_AUS) Der neue Begriff Handlungen im Notfall ist Teil eines neuen Sicherheitskonzepts und steht für eine differenzierte Betrachtung der Handlungen, die im Notfall auszuführen sind. Im informativen Anhang der Norm DIN EN 60204-1 wird das noch in der Beratung befindliche Konzept erläutert. Eine Handlung im Notfall schließt einzeln oder in Kombination ein: 1. Stillsetzen im Notfall (Risiko durch einen Prozessablauf oder eine Bewegung) 2. Ingangsetzen im Notfall!
Automatisierungstechnik 3. Ausschalten im Notfall (Risiko durch elektrische Gefährdung) 4. Einschalten im Notfall! Die Norm macht nur Aussagen über Stillsetzen im Notfall sowie Ausschalten im Notfall und bestimmt, dass beide durch eine einzige menschliche Handlung auszulösen sind. Es besteht eine enge Anbindung der Notfallsignale an die Stoppkategorien:
• Stillsetzen im Notfall muss entweder als Stopp der Kategorie 0 oder 1 wirken und über die Risikoanalyse bestimmt werden. Für das Stillsetzen im Notfall der Kategorie 0 dürfen nur festverdrahtete, elektromechanische Betriebsmittel verwendet werden. Zusätzlich darf die Funktion nicht von einer elektronischen Schaltlogik (Hardware oder Software) oder von der Übertragung von Befehlen über ein Kommunikationsnetzwerk oder eine Datenverbindung abhängen. Bei der Stopp-Funktion der Kategorie 1 für die Stillsetz-Funktion im Notfall muss die endgültige Abschaltung der Energie der Maschinen-Antriebselemente sichergestellt sein und muss durch Verwendung von elektromechanischen Betriebsmitteln erfolgen. Anmerkung der Norm: Die Norm weist in ihrem deutschen Vorwort daraufhin, dass in Fällen, in denen andere Normen andere technische Lösungen zulassen als in DIN EN 60204-1 festgelegt ist, diese anderen technischen Lösungen zur Anwendung gelangen dürfen! Damit ist auch klargestellt, dass elektronische Betriebsmittel doch für NOTAUS-Einrichtungen unabhängig von der StoppKategorie eingesetzt werden dürfen, wenn diese unter Anwendung der Normen DIN EN 954-1 (Risikoanalyse) und/oder IEC 61508 die gleiche Sicherheit erfüllen, wie nach DIN EN 60204-1 gefordert. • Ausschalten im Notfall sollte vorgesehen werden, wo ein Schutz gegen direktes Berühren aktiver Stromkreisteile (z.B. Schaltgeräte in elektrischen Betriebsräumen) nur durch Abstand oder Hindernisse erreicht wird oder wo es die Möglichkeit einer anderen Gefährdung durch elektrische Energie gibt. Ein Ausschalten im Notfall wird durch Abschalten der Maschine von der Versorgung erreicht mit der Folge eines ungesteuerten Stillsetzens (Stopp-0Kategorie) der Maschine. Ist das nicht zulässig, kann es notwendig sein, einen anderen Schutz z.B. gegen direktes Berühren vorzusehen, sodass ein Ausschalten im Notfall nicht notwendig ist.
12 Regelungstechnische Grundbegriffe der Automatisierungstechnik Die folgenden Kapitel über regelungstechnische Grundbegriffe, Regelstrecken und Regler sind nur
719 eine enge Ausschnittsbetrachtung einer umfassenden Wissenschaft, die sich mit der gezielten Beeinflussung dynamischer Prozesse während des Prozessablaufs beschäftigt und dafür mathematische Methoden zur Systembeschreibung und -untersuchung entwickelt hat. Es geht hier nicht um die mathematische Behandlung von Regelkreisen, sondern im Kern nur darum, für eine bestimmte Regelungsaufgabe einen geeigneten Reglertyp auszuwählen und den Einfluss seiner Regelparameter auf das Verhalten im Regelkreis kennenzulernen.
12.1 Unterschied zwischen Steuern und Regeln, regelungstechnische Größen Kennzeichen einer reinen Steuerung ist der sog. offene Wirkungsablauf, d.h. die Eingangssignale enthalten keine Rückmeldungen über ihre aktuelle Auswirkung auf den Prozess. Dieser Fall ist z.B. bei einer einfachen Drehzahlsteuerung eines Motors gegeben, wie in Bild 33 dargestellt. Mit dem einstellbaren Widerstand kann die Motordrehzahl gesteuert werden. Eine unterschiedlich schwere Last tritt als Störgröße auf und beeinflusst die tatsächliche Motordrehzahl. Eine solche Wirkungsstruktur bezeichnet man als Steuerung, im Sinne von Vorwärtssteuerung. +U
Auf
w
Y x
Ab M
-U
z
Bild 33 Drehzahl-Steuerung Um die Darstellung unabhängig von einer bestimmten Anwendung zu machen, führt man allgemeingültige Symbole und steuerungstechnische Größen ein, wie Bild 34 zeigt, die man sich für den jeweiligen Anwendungsfall anschaulich übersetzen muss, z.B.: w = Führungsgröße ⇒ die Ausgangsspannung des Potenziometers (Sollwertvorgabe) y = Stellgröße ⇒ die Motorspannung; x = Steuergröße ⇒ die Drehzahl, bei der man einen gewünschten Sollwert und einen tatsächlichen Istwert zu unterscheiden hat; z = Störgröße ⇒ die unterschiedlichen Lasten.
720 w
Automatisierungstechnik y Steuereinrichtung
x
Steuerstrecke (Prozess) z
Bild 34 Struktur einer Steuerung Im Gegensatz zum Typ der Vorwärtssteuerung hat eine Regelung einen Informationsrückfluss, sodass ein geschlossener Wirkungsablauf entsteht, den man als Regelkreis bezeichnet. Beim Motor in Bild 35 wird die tatsächliche Drehzahl zu einem Regler zurückgeführt. Hat sich die Drehzahl durch eine stärkere Belastung verringert, kann dies erkannt und nachgeregelt werden. Steuerungen mit Rückführung werden als Regelungen bezeichnet. +U
Regler Auf
Regelstrecke
w y
Ab
y x
R
M
r Rückführung
z
-U
Bild 35 Drehzahlregelung Regeln ist ein Vorgang, bei dem eine Größe, die man die Regelgröße nennt, fortlaufend erfasst und mit einer anderen Größe, die man als Führungsgröße bezeichnet, fortlaufend verglichen wird. Abhängig vom Ergebnis des Vergleichs muss das Regelungsprogramm eine Ausgangsgröße bilden, welche die Regelgröße im Sinne einer Angleichung an die Führungsgröße beeinflusst. Der sich dabei ergebende Wirkungsablauf findet in einem geschlossenen Kreis, dem Regelkreis, statt. Das Erfassen der Regelgröße erfolgt durch Messen ihres aktuellen Wertes (Istwert). Die fortlaufende Erfassung bedeutet für eine SPS als Regler soviel wie
eine hinreichend häufige Abtastung des Messwertes. Die Angleichung der Regelgröße an die Führungsgröße wird durch das ablaufende Regelungsprogramm erreicht. Die SPS als Regler führt dabei einen Vergleich zwischen Führungsgröße w und Regelgröße x (genauer: Rückführgröße r) durch und ermittelt dabei die Regeldifferenz e. Aus der Regeldifferenz wird über die Reglerfunktion das Reglerausgangssignal yR ermittelt. Dieses ist eine leistungsarme Signalgröße, die einem Stellgerät zugeführt wird, das den passenden Anschluss an die Regelstrecke herstellt. Das Stellgerät besteht oft aus einem Stellantrieb und einem Stellglied. Der Stellantrieb bildet aus dem Reglerausgangssignal yR die Stellgröße y und betätigt das Stellglied, welches den Massen- oder Energiestrom für die geregelte Anlage dosiert. Die Regelstrecke ist derjenige Teil des Regelkreises, in dem die Regelgröße geregelt wird. Sie beginnt am Stellort, also dort, wo die Stellgröße y in den Massen- oder Energiestrom eingreift und endet am Messort, wo sich der Messfühler zur Erfassung der Regelgröße x befindet. Der Stellantrieb wird zur Regeleinrichtung gezählt, weil er ein eigenes Zeitverhalten besitzt und damit das Gesamtzeitverhalten der Regeleinrichtung beeinflusst. Das Stellglied dagegen wird zur Regelstrecke gerechnet, weil es sich um deren Ventile, Schieber, Klappen oder elektronische Schalter (Transistoren, Thyristoren) handelt. Der Messfühler gehört ebenfalls zur Regelstrecke, denn er arbeitet nicht trägheitslos und beeinflusst damit das Zeitverhalten der Regelstrecke. Bild 36 zeigt die Struktur einer Regelung in ausführlicher Darstellung. Gebräuchlich sind aber auch vereinfachte Darstellungen, wenn sie ihren Zweck erfüllen. In den Lösungen von Automatisierungsaufgaben kommen Steuerungen und Regelungen zusammen vor. Geregelt werden muss immer dann, wenn Größen auf genaue Werte geführt oder gegen den Einfluss veränderlicher Störgrößen z konstant gehalten werden müssen. So ist z.B. eine Ablaufsteuerung vom Prinzip her eine Steuerung. Wenn aber während der Zeitdauer eines Schrittes z.B. die Temperatur eines Mischgutes bei unterschiedlichen Füllmengen im Behälter konstant gehalten werden muss, kann dies
z w
Vergleicher + e = w-x
y Regelfunktion
x (r)
Regler
R Stellantrieb
Stellort y Stellglied
Strecke
Messort x
Stellgerät Messumformer
Regeleinrichtung
Bild 36 Ausführlich dargestellte Struktur eines Regelkreises
Messfühler
Regelstrecke
Automatisierungstechnik
721
nur mit einer unterlagerten Regelung erreicht werden. Die SPS kann eine Vielzahl zeitgleich ablaufender Vorgänge steuern und regeln.
piellen Aufbau eines digitalen Reglers, der auch für die SPS zutrifft. Takt
12.2 Regler-Technologien In späteren Abschnitten werden Reglertypen nur noch im Sinne von ausführbaren Regelfunktionen, also recht abstrakt, beschrieben. Die technologische Ausführung von Reglern dagegen unterliegt der technischen Entwicklung. Die ersten Regler waren schaltende Regler, die rein elektromechanische realisiert wurden und deren bekanntester Vertreter der noch heute verwendete Bimetallkontaktregler ist, wie er in einfachen Geräte, z.B. Toastern, vorkommt. Es wurden dann Regler für anspruchsvollere Regelfunktionen benötigt, um sowohl analoge Eingangssignale verarbeiten als auch analoge Ausgangssignale ausgeben zu können. Analoge Signale sind solche, die innerhalb bestimmter Grenzen wie z.B. ±10 V jeden beliebigen Wert annehmen können. Diese sog. Analogregler bestehen technologisch betrachtet aus einem Verstärker und benötigen eine Energiequelle. Verstärken ist dabei ein Vorgang, bei dem mit möglichst kleinem Energieaufwand am Verstärkereingang eine möglichst kräftige Energieabgabe der Energiequelle an den Verstärkerausgang signalgesteuert erfolgt. Als Verstärker für analoge Regler kommen elektronische aber auch pneumatische und hydraulische Elemente in Frage. Bei den elektronischen Operationsverstärkern werden die typischen Reglerfunktionen, die man mit den Kennbuchstaben P für proportional, I für integral und D für differenzial bezeichnet, durch spezielle Beschaltungsmaßnahmen erreicht, die den Anwender jedoch nicht interessieren müssen. Den Schlusspunkt dieser Entwicklung bildet der Universalregler in der Ausführung als analoger PID-Regler, der alle Funktionen ausführen kann, wie in Bild 37 schematisch dargestellt. 1 w
e
+
-
Kp P
I
+ +
yR
+
x D
Bild 37 PID-Regelfunktion Mit der Verfügbarkeit von preiswerten Mikrocontrollern lassen sich heute sog. digitale Regler mit entsprechender Software für den Regelalgorithmus sowie AD- und DA-Umsetzern für die Signalumwandlungen realisieren. Die Signale außerhalb des digitalen Reglers können nach wie vor analog sein, im Innern des Reglers werden nur digitale (zahlenmäßige) Signale verarbeitet. Bild 38 zeigt den prinzi-
w#
e#
+
-
TA
Regelalgorithmus
y#
D A
y
x# A D
x
Bild 38 Vereinfacht dargestellter Aufbau eines Digitalreglers. Mit # gekennzeichnete Größen sind die zu Regelungssignalen proportionalen Zahlenwerte Der digitale Regler führt eine taktgesteuerte Abtastregelung aus, weil er neue Eingangswerte erst entgegennehmen kann, wenn er einen Berechnungszyklus abgeschlossen hat, für den er eine gewisse Rechenzeit benötigt. Das hat zur Folge, dass neue Eingangsgrößen nur zu diskreten Zeitpunkten eingelesen und die Stellgröße nur zur diskreten Zeitpunkten ausgegeben werden können. Im Regelungsprogramm, dass in gleichen Zeitabständen bearbeitet werden muss, wird aus dem Momentanwert der digitalisierten Regelgröße x# und einer Führungsgröße w# die Regeldifferenz e# berechnet und daraus nach programmierten Funktionen die Stellgröße y# gebildet. Die genau einzuhaltenden Zeitabstände werden als Abtastzeit TA bezeichnet. Da auch der Analog-Digital-Umsetzer zur Umwandlung eines Momentanwertes der Regelgröße eine gewisse Zeit benötigt, muss dieser Wert für den Wandlungszeitraum mit einem Halteglied konstant gehalten werden, um Umwandlungsfehler zu vermeiden. Bei der Digitalisierung der Regelgröße x im Analog-Digital-Umsetzer kann je nach seiner Stellenzahl nur eine bestimmte Unterscheidungsfähigkeit für Signalwerte erreicht werden. Bei einer Stellenzahl von 8 Bit stehen nur 28 = 256 mögliche Zahlenwerte zur Verfügung, sodass sich bei einem Analogsignalbereich von 0 bis 10 V nur Spannungsstufen von ca. 40 mV unterscheiden lassen. Auf Grund der wert- und zeitdiskreten Signalverarbeitung der digitalen Regler ergeben sich Grenzen hinsichtlich der Verarbeitung höherer Signalfrequenzen. Dafür können digitale Regler aber nicht nur die PID-Regelfunktion nachbilden, sondern ermöglichen auch die Realisierung neuartiger Reglertypen.
13 Regelstrecken 13.1 Bespiele für Regelstrecken Das nachfolgend beschriebene Ordnungsschema soll helfen, um sich besser in der unübersehbaren Vielfalt möglicher Regelstrecken zurecht zu finden.
722
Automatisierungstechnik
Erstes Ordnungskriterium: Regelstrecken mit und ohne Ausgleich
Drittes Ordnungskriterium: Regelstrecken mit und ohne Totzeit.
Regelstrecken
mit Ausgleich
Regelstrecken
ohne Ausgleich
Als Beispiel für eine Regelstrecke mit Ausgleich sei die Temperaturregelung einer Heizungsanlage genannt. Bei Veränderung der Mischventilstellung erreicht die Raumtemperatur auf verändertem Niveau wieder einen stabilen Wert. Ausgleich bedeutet, dass die Regelgröße x der Strecke nach einer sprungartigen Änderung der Stellgröße y innerhalb einer abzuwartenden Übergangszeit wieder einen stabilen Zustand, den sog. Beharrungszustand erreicht. Regelstrecken mit Ausgleich und konstantem Übertragungsbeiwert KPS haben einen proportionalen Charakter und werden deshalb auch P-Strecken genannt. Bei einer Regelstrecke ohne Ausgleich würde die Regelgröße x nach einer sprungartigen Änderung der Stellgröße y keinen neuen Beharrungszustand finden. Dies ist z.B. der Fall bei einem Behälter mit dem Füllstand als Regelgröße x, wenn die Ablaufmenge in m3/h durch eine Pumpe konstant gehalten wird. Jede Änderung der Zulaufmenge in m3/h führt dann entweder zum Überlaufen oder Leerlaufen des Behälters. Regelstrecken ohne Ausgleich haben einen integralen Charakter und werden daher als I-Strecken bezeichnet.
ohne Totzeit
Ein bekanntes Beispiel für eine Regelstrecke mit Totzeit ist das Förderband. Durch eine Schieberöffnung (Stellgrößenänderung Δy) gelang mehr Fördergut auf das Band. Die höhere Ausschüttmenge (Regelgrößenänderung Δx) wirkt sich am Ende des Förderbandes jedoch nicht sofort aus, sondern erst nach einer Totzeit, die von der Geschwindigkeit und der Länge des Bandes abhängt. In der Praxis vorkommende Regelstrecken weisen zumeist Kombinationen von Eigenschaften auf. Die Kriterien Ausgleich, Verzögerung und Totzeit treten dann gemeinsam auf. Die nachfolgende Tabelle 8 zeigt Beispiele für Regelstrecken mit den genannten Ordnungskriterien. Die definierten Streckenparameter und typischen Sprungantworten werden im Anschluss erläutert.
13.2 Beschreibungsmittel zur Darstellung von Regelstreckeneigenschaften Für die Auswahl eines geeigneten Reglers muss das Verhalten der Regelstrecke bekannt sein. Man versucht das Verhalten der Regelstrecken durch die Angabe von Kennlinien und Zeitfunktionen zu beschreiben, um daraus die Regelstreckenparameter abzuleiten.
Zweites Ordnungskriterium: Regelstrecken mit und ohne Verzögerung. Regelstrecken
ohne Verzögerung (0. Ordnung)
mit einer Verzögerung (1. Ordnung)
Verzögerung bedeutet, dass die Regelgröße x einer sprungartigen Änderung der Stellgröße y nicht sprunghaft folgen kann, sondern erst nach einer bestimmten Zeit einen neuen stabilen Wert erreicht. Verzögerungen treten bei technischen Prozessen immer auf, wenn Energie zu- oder abgeführt oder Massen beschleunigt oder abgebremst werden müssen.
mit Totzeit
Kennlinien von Strecken mit Ausgleich, Übertragungsbeiwert KPS
Die Kennlinie einer Regelstrecke ist die grafische Darstellung des Zusammenhangs zwischen Stellgröße y und Regelgröße x. Eine Kennlinie ist somit ein Diagramm, bei mit n Verzögerungen dem die Abhängigkeit einer (n. Ordnung) physikalischen Größe von einer anderen physikalischen Größe (nicht der Zeit) dargestellt ist. Auf der senkrechten Achse können z.B. die Raumtemperatur und auf der waagrechten Achse die Stellung des Mischventils aufgetragen sein: T = f (α). Der Übertragungsbeiwert Ks der Regelstrecke ist durch den Quotienten der Änderung der Regelgröße x und der Änderung der Stellgröße y bestimmt. Im Signalflussplan entspricht dies dem Verhältnis der
Automatisierungstechnik
723 Ist diese statische Kennlinie eine Gerade aus dem Achsenursprung, spricht man von einer P-Regelstrecke mit konstantem Übertragungsbeiwert KPS (Index P für proportional, Index S für Strecke). Zur Berechnung von KPS darf man deshalb auch den ganzen Regelbereich einsetzen:
Ausgangsgröße bezogen auf die Eingangsgröße. Damit kann bei bekanntem Übertragungsbeiwert der Regelstrecke bei einer Änderung der Stellgröße Δy die zu erwartende Änderung der Regelgröße Δx bestimmt werden. Die Zeit für die Änderung spielt dabei insofern keine Rolle, weil die zu jeder Stellgrößenänderung sich ergebende Regelgrößenänderung abgewartet werden muss (Erreichen des Beharrungszustandes). Man spricht deshalb auch von der statischen Kennlinie der Regelstrecke. Die Kennlinie zeigt den Zusammenhang zwischen Regelgröße x und Stellgröße y innerhalb des Laufbereichs beider Größen bei konstantem Störgrößeneinfluss. Zu jedem Stellgrößenwert y ist der zugehörige Regelgrößenwert x im Beharrungszustand aufgetragen, siehe Bild 39.
K PS =
ΔX h ΔYh
mit
Xh = Stellwirkung (Regelbereich der Strecke) Yh = Stellbereich des Reglers Häufig haben Regelstrecken jedoch nichtlinearer Kennlinien, d.h. sie sind gekrümmt, sodass der Übertragungsbeiwert KPS keine Konstante ist. Das möchte man vermeiden, weil solche Strecken viel schwieriger
Tabelle 8 Regelstrecken Art der Strecke Beispiel
Sprungantwort
Streckenparameter
P-Strecke
x
KPS
y
x
x
Druck und Durchfluss in Flüssigkeitsrohrnetzen PT1-Strecke y
M
Signalflussplandarstellung
y
x
y
x
t
x
KPS, TS
Ts
x=n
e-Funktion
t
Drehzahl PT2-Strecke
x
KPS, Tu, Tg
Tg
y
x y
Tu
Tg
KPS Tt
P-Strecke mit Totzeit x
Ks
t
Tu
Ofentemperatur
x
Tt
y
y
x Ks
x
Tt
t
Fördermenge
I-Strecke
KIS
x
y x
Füllstand
Δx = Kis Δ y Δt t
y
x Kis
724
Automatisierungstechnik
P-Regelstrecke mit linearer Kennlinie
Regelgröße
x
K PS
x
x
= y = konstant
y y
Stellgröße
P-Regelstrecke mit nichtlinearer Kennlinie x
aber immer mehr verzögert und erst nach längerer Zeit den neuen Beharrungszustand erreicht. In der Tabelle 8 ist als Beispiel für eine PT1-Strecke die Drehzahländerung eines Motors angegeben. Der Motor hat auch ohne angeflanschte Arbeitsmaschine eine eigene Schwungmasse, die sich einer sofortigen Drehzahländerung widersetzt. Abstrakt ausgedrückt: Die PT1-Strecke ist eine Strecke mit Ausgleich und einen Energiespeicher, der die Verzögerung bewirkt. Die PT1-Strecke ist durch die Streckenparameter KPS (Übertragungsbeiwert) und TS (Verzögerungskonstante) gekennzeichnet. Die Verzögerungskonstante lässt sich durch Anlegen einer Tangente an die Sprungantwort ermitteln.
Regelgröße
x y K PS =
x
x = konstant y
y Stellgröße
y
Bild 39 Kennlinien von Regelstrecken mit Ausgleich zu regeln sind. Abhilfe kann durch eine umgekehrt nichtlineare Kennlinie des Stellgliedes geschaffen werden. Dieser mögliche „Trick“ zeigt auch, warum das Stellglied zur Regelstrecke gehört. Zeitverhalten von Regelstrecken mit Ausgleich Ausgangspunkt der Betrachtung sei eine Regelstrecke mit Ausgleich und linearer Kennlinie. Damit ist die Regelstrecke noch nicht eindeutig beschrieben, denn es fehlt noch die Kenntnis über das Zeitverhalten der Strecke. Die zusätzliche Fragestellung lautet: Wie reagiert die Regelgröße x der Strecke auf eine plötzliche Änderung der Stellgröße um Δy dargestellt im zeitlichen Verlauf? 1. Regelstrecke mit Ausgleich 0. Ordnung: P-Strecke Kennzeichen einer P-Strecke ist die proportionale Reaktion der Regelgröße x auf die Änderung der Stellgröße y. Wird die Stellgröße sprungartig verändert, reagiert die Regelgröße ebenfalls sprungartig. In der Tabelle 8 ist als Beispiel für eine P-Strecke ein Durchfluss in einer Rohrleitung angegeben. Wird durch stärkeres Öffnen eines Ventils am Anfang der Rohrleitung der Durchfluss erhöht, ist dies auch am Ende der Rohrleitung sofort in gleicher Weise der Fall, da die Flüssigkeit nicht komprimierbar ist. Die P-Strecke ist allein durch den Streckenparameter KPS (Übertragungsbeiwert) gekennzeichnet. 2. Regelstrecke mit Ausgleich 1. Ordnung: PT1-Strecke Kennzeichen einer PT1-Strecke ist ein anfänglich schneller Anstieg der Regelgröße x, der sich dann
3. Regelstrecke mit Ausgleich 2. Ordnung: PT2-Strecke Kennzeichen einer PT2-Strecke ist ein anfänglich langsamer Anstieg der Regelgröße x, der sich dann aber beschleunigt und danach wieder verzögert bis der neue Beharrungszustand erreicht wird. Als Beispiel für eine PT2-Strecke wird in Tabelle 8 eine Heizung angegeben. Es sind zwei Speicher vorhanden. Wird der Heißwasserdurchfluss sprungartig erhöht, muss sich erst der Heizkörper auf die neue Temperatur einstellen und dann erst wird mit dem Aufheizen der Raumluft begonnen. Die Streckenparameter aus der Sprungantwort der PT2-Strecke sind KPS (Übertragungsbeiwert) und die durch die eingetragene Wendetangente gebildeten Zeitkonstanten Tu (Verzugszeit) und Tg (Ausgleichszeit). Das Ordnungszahlschema lässt sich entsprechend der Anzahl der in einer Regelstrecke vorkommenden Speicher noch weiter erhöhen. 4. Regelstrecke mit Ausgleich und Totzeit: PTt Kennzeichen eines Totzeitverhaltens ist, dass sich die Regelgröße x zwar in gleicher Weise sprunghaft ändert wie die Stellgröße, jedoch erst um die Totzeit Tt zeitverzögert. In der Tabelle 8 ist als Beispiel ein Förderband angegeben, bei dem eine gewisse Zeit vergeht, bis eine veränderte Schüttmenge am Ende des Förderbandes ankommt. Die Streckenparameter der PTt-Strecke sind KPS (Übertragungsbeiwert) und Tt (Totzeit). 5. Regelstrecke ohne Ausgleich 0. Ordnung: I-Strecke Bei den I-Strecken bildet sich die Regelgröße x durch Aufsummieren einer Stellgrößenänderung Δy über fortlaufende Zeitabschnitte Δt. Kennzeichen einer I-Strecke ist der zeitproportionale Anstieg oder Rückgang der Regelgröße, verbunden mit Überlauf oder Leerlauf, wenn nicht genau Abfluss gleich Zufluss ist. Als Beispiel für eine I-Strecke ist in der Tabelle 8 ein offener Behälter mit freiem Zulauf angegeben.
Automatisierungstechnik
725 Der Ablauf des Experimentes gliedert sich in folgende Schritte:
1. Aufzeichnung der Übertragungsfunktion, Eintrag der Wendetangente, Bestimmung der Verzugszeit Tu, Ausgleichszeit T und Änderung der Regelgröße Δ x
1. Das Stellglied wird zum Zeitpunkt t0 um den Wert ∆y verstellt. Da es sich um eine Strecke mit Ausgleich handeln soll, wird die Regelgröße x einen um ∆x verschobenen Beharrungszustand einnehmen. Die Antwort der Regelgröße x wird mit einem y-t-Schreiber aufgezeichnet und liegt dann als Liniendiagramm vor. An den Kurvenverlauf der Sprungantwort wird die Wendetangente eingezeichnet und aus den Achsenabschnitte die Verzugszeit Tu und die Ausgleichszeit Tg bestimmt. 2. Daraus kann eine Ersatzfunktion, bestehend aus einem Totzeitglied mit der Totzeit Tt und einem PT1-Glied mit der Verzögerungszeit TS gebildet werden. 3. Die Übertragungsbeiwerte beider Glieder können als ein Übertragungsbeiwert KPS in einem P-Glied zusammengefasst werden. Da es sich im einfachsten Fall um eine Regelstrecke mit Ausgleich und linearer Kennlinie handeln soll, lässt sich der Übertragungsbeiwert aus
Δx
x
en W
d
n eta
ge
nte
t
Tg
Tu
2. Ersatzfunktion mit Tu als Totzeit und Tg als Verzögerungszeit Ts eines PT1-Gliedes bilden.
x 37%
Δx
K PS = 63%
TS = Tg
Tu
berechnen. Das nebenstehende Bild 40 zeigt das Vorgehen anschaulich. t
Erfahrungen haben ergeben, dass das Verhältnis von Verzugszeit Tu zu Ausgleichszeit Tg Auskunft über die Regelbarkeit der Strecke ergeben:
3. Die Regelstrecke kann näherungsweise durch ein P-Glied, ein Totzeitglied und ein PT1-Glied mit deren Streckenparametern Kps, Tt, Tu ,Tg beschrieben werden.
y
x K PS =
x y
T t = Tu
Δx Δy
gut regelbar
noch regelbar
schlecht regelbar
Tu 1 < Tg 10
Tu 1 = Tg 5
Tu 1 > Tg 3
TS = Tg
Bild 40 Bestimmung der Regelparameter einer unbekannten Regelstrecke
14 Regler
Bestimmung der Regelstreckenparameter
Aufgabe der Regler ist es, bei Abweichung der Regelgröße x von der Führungsgröße w die Reglerausgangsgröße yR so zu verändern, dass die Regelgröße x in möglichst kurzer Zeit optimal an die Führungsgröße w angeglichen wird. Ursache für die Abweichung kann eine aufgetretene Störgröße z oder die veränderte Führungsgröße w sein. In traditioneller Einteilung der Regler unterscheidet man
Damit ein zur Regelstrecke passender Regler gefunden und günstig dimensioniert werden kann, müssen zuerst einmal die Streckenparameter der Regelstrecke bekannt sein. Dazu muss ein Signalflussplan mit dem zugehörigen Übertragungsbeiwert KPS und den Zeitkonstanten ermittelt werden, der die zunächst noch unbekannte Regelstrecke möglichst gut beschreibt. Das kann auf experimentelle Art durch Aufnahme der Sprungantwort auf einen Stellgrößen- oder Störgrößensprung geschehen.
• stetige und unstetige Regler oder
• schaltende Regler (Zweipunkt-, Dreipunktregler), • analoge Regler und • digitale Regler.
726
Automatisierungstechnik
Aus Gründen der Umfangsbeschränkung soll hier auf die Darstellung der schaltungs- und gerätetechnischen Ausführungen von Reglern verzichtet werden. Es werden nur die typischen Eigenschaften bekannter Reglertypen anhand ihrer Regelfunktion und durch ihre sog. Sprungantworten beschrieben, siehe Übersicht in Bild 42. Danach wird übergeleitet zum PIDRegelalgorithmus für den digitalen Abtastregler, der als Softwareregler in einer SPS realisiert werden kann.
14.1 P-Regler, P-Regelfunktion Der P-Regler ist ein proportional wirkender Regler, der in seinem Arbeitsbereich, den man als Proportionalbereich bezeichnet, durch die Regelfunktion
yR = K PR ⋅ e
mit
KPR = Proportionalbeiwert
beschrieben ist. Eine sprunghafte Änderung der Regeldifferenz e am Eingang führt ohne Zeitverzögerung zu einer proportionalen sprunghaften Änderung der Reglerausgangsgröße yR am Ausgang, solange sich die Regeldifferenz e innerhalb des Proportionalbereichs bewegt. Setzt man die Regeldifferenz e = w – x in den Regelfunktion ein, so erhält man:
Das Zahlenbeispiel zeigt, dass bei einem P-Regler die Eingangsgröße x und Ausgangsgröße yR einander starr zugeordnet sind, solange sie sich im Proportionalbereich befinden. Wird in Folge einer Störeinwirkung z auf die Regelstrecke eine Änderung der Reglerausgangssgröße ΔyR erforderlich, dann ist dies nur bei einer gleichzeitigen Änderung der Regelgröße Δx möglich. Der P-Regler kann also eine Störung nicht völlig ausregeln. Der neue Beharrungszustand ist ein anderer Punkt auf der yR-x-Kennlinie des P-Reglers, in deren fallenden Verlauf die Umkehrung des Wirkungssinns der Regelung zum Ausdruck kommt. Die Änderung der Regelgröße Δx bei einer erforderlichen gleich großen Änderung der Reglerausgangsgröße ΔyR lässt sich verringern, wenn der Proportionalbereich XP verkleinert wird, indem man KP vergrößert. Dieser Verbesserung des P-Reglers sind aber Grenzen gesetzt, weil der Regelkreis instabil wird. Der P-Regler mit einem großen KP-Wert reagiert überempfindlich auf kleinste Regelgrößenänderungen mit zu starken Ausschlägen bei der Stellgröße, die dann in extremer Weise ständig zwischen yR = 0 und yR = Yh umschaltet.
w
+
Die feste Zuordnung von x und yR kann anschaulich als statische Kennlinie des P-Reglers dargestellt werden, deren Achsenabschnitte sich aus
yR Yh
0
XP w
0
K PR = 4, Y h = 10 V
w = 3,75 V,
yR
x
e
1,25 V 1,75 V 2,25 V 2,50 V 2,75 V 3,25 V 3,75 V
2,5 V 2,0 V 1,5 V 1,25 V 1,0 V 0,5 V 0,0 V
10 V 8V 6V 5V 4V 2V 0V
yR = K PR ⋅ (w − x )
berechnen lassen: Für yR = 0
⇒x
=w
Für yR = Yh = XP · KPR ⇒ x = w – XP
x
Zahlenbeispiel:
P
Yh K PR
x
X -Bereich
Diese Beziehung lässt erkennen, dass der P-Regler nicht das leisten kann, was von Reglern allgemein erwartet wird, nämlich die genaue Heranführung der Regelgröße x an die Führungsgröße w. Bei x = w wird die Reglerausgangsgröße yR = 0 und damit erhält die Regelstrecke kein Stellsignal y, um die Regelgröße x bilden zu können: Eine Heizung, der kein Wärmeträger zugeführt wird, kann keinen Temperaturwert bilden. Andererseits kennzeichnet den P-Regler eine direkte Zuordnung von Regelgröße x zu Stellgröße yR bei fest eingestelltem Proportionalbeiwert KPR und vorgegebener Führungsgröße w, solange sich die Regelgröße x noch innerhalb des Proportionalbereich XP befindet. Der Proportionalbereich XP lässt sich aus dem Stellbereich Yh und dem Proportionalbeiwert KPR berechnen:
Yh yR
KPR
-
yR = K PR ⋅ (w − x )
XP =
e=w-x
XP =
Yh K PR
=
10 V 4
= 2,5 V
Bild 41 Kennlinie des P-Reglers
Automatisierungstechnik Der P-Regler als einfachster kontinuierlicher Regler mit sehr schnellem Reglereingriff kann überall dort gut verwendet werden, wo die Strecke einen kleinen Regler-Proportionalbereich erlaubt. Das ist der Fall, wenn entweder nur geringe Störgrößen z auftreten oder das Verhältnis der Streckenzeitkonstanten Tg/Tu groß ist und geringe bleibende Regeldifferenzen Δx hinnehmbar sind.
14.2 I-Regler, I-Regelfunktion Der I-Regler ist ein integral wirkender Regler, der die Reglerausgangsgröße yR in vielen kleinen Stellschritten solange ändert, bis eine aufgetretene Regeldifferenz e = w – x vollständig beseitigt ist. Dabei ist die Änderungsgeschwindigkeit der Stellgröße direkt proportional zur noch vorhandenen Regeldifferenz e und einem Übertragungsbeiwert KIR: d yR = K IR ⋅ e dt
In der Arbeitsweise gleicht der I-Regler einem Boten, dessen Laufgeschwindigkeit von der Dringlichkeit des Auftrags abhängig ist, wenn man die Regeldifferenz e als Dringlichkeitsmaß deutet. Solange noch eine Regeldifferenz besteht, ist der I-Regler damit beschäftigt, sie zu beseitigen. Summiert man die unendlich vielen kleinen Stellschritte zur erzeugten Reglerausgangsgröße yR, so erhält man die I-Regelfunktion: yR = K IR ⋅ ∫ e ⋅ dt
mit KIR = Integrierbeiwert (Übertragungsbeiwert) In der Regelfunktion ist KIR als Integrierbeiwert nicht ganz leicht verständlich zu deuten KIR beinhaltet eine Zeit TI, die man als Integrierzeit bezeichnet, und die angibt, wie lange es dauert, bis der I-Regler den vollen Stellbereich Yh durchlaufen hat, wenn als Eingangsgröße die Regelgröße x um den vollen Bereich Xh geändert wird: K IR =
Yh TI ⋅ X h
Die beiden Bereiche Yh und Xh sind konstruktiv festliegende Werte, sodass als Einstellparameter des I-Reglers die Integrierzeit TI in Frage kommt. Je kleiner die Integrierzeit TI gewählt wird, umso schneller ändert sich die Reglerausgangsgröße yR in Abhängigkeit von der Regeldifferenz e. I-Regler arbeiten langsamer als P-Regler, lassen dafür aber keine bleibende Regeldifferenz bestehen. I-Regler sind ungeeignet für Regelstrecken mit großen Zeitkonstanten oder bei Strecken ohne Ausgleich. Für Regelstrecken, die nur durch eine Totzeit charakterisiert sind, ist der I-Regler von allen Reglertypen der am besten geeignete.
727
14.3 PI-Regler, PI-Regelfunktion Die Eigenschaften von P-Reglern und I-Reglern ergänzen sich gut, weil P-Regler dynamisch besser sind als I-Regler und I-Regler statisch besser sind als P-Regler. Also ist es naheliegend, die beiden Regelverhalten zum PI-Regler zu kombinieren. Die Regelfunktion des PI-Reglers ergibt sich aus der Addition der P-Regelfunktion und I-Regelfunktion: yR = K PR ⋅ e + K IR ⋅ ∫ e ⋅ dt
Die Regelfunktion lässt erkennen, dass die Änderung der Reglerausgangsgröße yR zum einen proportional zur Regeldifferenz e und zum anderen proportional zum Produkt aus Regeldifferenz und Zeit ist. Der erste Anteil sorgt für den schnellen und stabilen Reglereingriff und der zweite Anteil für die Beseitigung der bleibenden Regeldifferenz. Eine bekanntere Darstellungsform der PI-Regelfunktion ersetzt den Integrierbeiwert KIR durch einen Quotienten K IR =
K PR Tn
mit dem Vorteil, den Proportionalbeiwert KPR ausklammern zu können, sodass die PI-Regelfunktion nun in der Form ⎛ ⎞ 1 yR = K PR ⋅ ⎜ e + ⋅ ∫ e ⋅ dt ⎟ Tn ⎝ ⎠
entsteht. Die darin neu erscheinende Größe Tn wird Nachstellzeit genannt. Ausdrücken möchte man, dass der PI-Regler im Prinzip ein I-Regler ist, dessen Wirkungsbeginn aber um die Nachstellzeit Tn vorverlegt erscheint, also schneller eingreift. Tatsächlich beruht der schnellere Eingriff aber auf dem P-Anteil. KPR und Tn sind die Regelparameter (Einstellgrößen) mit denen der PI-Regler an die Regelstrecke optimal angepasst werden kann. Beide Parameter können einzeln oder gleichzeitig verstellt werden: Lässt man zunächst KPR konstant und verändert nur Tn, bleibt der P-Anteil in der Reglerausgangsgröße gleich hoch, es lässt sich aber die Stellgeschwindigkeit beeinflussen. Vergrößert man Tn, verringert sich die Stellgeschwindigkeit bei der Reglerausgangsgröße yR. Wird die Nachstellzeit Tn soweit vergrößert, dass sie gegen unendlich geht, erhält man das Verhalten eines P-Reglers. Umgekehrt erhöht sich die Stellgeschwindigkeit, wenn man die Nachstellzeit verringert. Dieses darf nicht zu weit getrieben werden, weil es die Schwingneigung und Instabilität des PI-Reglers erhöht. Was geschieht, wenn die Nachstellzeit Tn fest eingestellt bleibt und die Proportionalverstärkung KPR verändert wird? Durch die Änderung von KPR ändern sich beide Anteile der Reglerausgangsgröße im gleichen Verhältnis. Bei einer Vergrößerung von KPR
728
Automatisierungstechnik
e
Einheitssprung
e t Symbol
Signalflussplan
Bemerkung
Sprungantworten
P-Regler w w x
P
y
e
+ R
-
y K PR
R
K PR . e
yR
x XP =
I-Regler
I
Yh
y
y
e
+ R
K IR
yR
-
Δ t
K IR =
w y
+ R
e
x
y
K PR + +
K IR . e .Δ t Nachteil: Ungünstiges Zeitverhalten t Yh T I .X h
K IR
Vorteile: Günstiges Zeitverhalten,
R
yR
Nachteil: Lastabhängige bleibende Regeldifferenz
Vorteil: Keine bleibende Regeldifferenz
K PR = Propotionalverstärkung
PI-Regler
PI
P-Bereich
K PR
R
x
w x
t
T I = Integrierzeit w
w x
Vorteil: Günstiges Zeitverhalten
K PR . e
t
Keine bleibende Regeldifferenz
Tn Tn = Nachstellzeit Vorteile: Schnelleres Ausregeln einer Regeldifferenz gegenüber dem PI-Regler
PID-Regler w w x
PID
y
+ R
e
K PR K IR
-
D-Anteil + +
+
y yR
I-Anteil K PR . e
x K DR
R
Tn
P-Anteil
(Idealisierte Sprungantwort)
Bild 42 Signalflusspläne und Sprungantworten der wichtigsten Reglertypen
t
Keine bleibende Regeldifferenz Geeigent für schwierige Regelstrecken
Automatisierungstechnik erhöht sich der P-Anteil an der Gesamtverstellung und die Stellgeschwindigkeit. Der PI-Regler ist für den Einsatz in allen Streckentypen gut geeignet.
729 Tu und Tg verhalten, wenn die Auswirkung einer aufgetretenen Störgröße z auf die Regelgröße x ausgeregelt werden soll. x
14.4 PID-Regler, PID-Regelfunktion ohne Regler
Der PID-Regler ist ein PI-Regler mit einem zusätzlichen D-Anteil (D = Differenzial). Die Vorstellung von der Wirkung eines D-Anteils in einem Regler entspricht einem kurz geschlagenen Konterschlag gegen eine sehr starke Änderung der Regelgröße x, die sich infolge einer Störgröße z einstellen würde. Der D-Anteil bewirkt eine sehr kräftige aber nur kurz wirkende Veränderung der Reglerausgangsgröße, die sich aus ΔyR = K DR ⋅
de dt
mit KDR = Differenzierbeiwert
berechnet und dabei der zeitlichen Änderung der Regeldifferenz e proportional ist. In der Regelungstechnik wird die Eigenschaft eines Reglers, auf eine sich abzeichnende Entwicklung bereits im Voraus zu reagieren, als Vorhalt bezeichnet. Im Voraus bedeutet, der Regler beobachtet die Veränderung der Regeldifferenz bereits im aller ersten Ansatz bei ihrer Entstehung. Die PID-Regelfunktion bildet sich aus der PI-Regelfunktion erweitert mit dem Vorhaltglied: ⎛ 1 de ⎞ yR = K PR ⋅ ⎜ e + ⋅ ∫ e ⋅ dt + Tv ⋅ ⎟ T dt ⎠ n ⎝
Die Vorhaltzeit Tv ist vergleichbar der Nachstellzeit Tn eine eingesparte Zeit. Damit ist der PID-Regler im Prinzip ein PI-Regler, dessen Wirkungsbeginn um die Vorhaltzeit Tv vorverlegt erscheint, allerdings kann dies nicht in der Sprungantwort dargestellt werden. Der Vorteil des PID-Reglers gegenüber dem PIRegler ist die etwas schnellere Beseitigung einer aufgetretenen Regeldifferenz. Weil der PID-Regler alle bisher besprochenen Regelparameter, nämlich die Proportionalverstärkung KPR für den P-Anteil, die Integrierzeit TI bzw. die Nachstellzeit Tn für den I-Anteil und die Vorhaltzeit Tv für den D-Anteil enthält, wird er auch als Universalregler bezeichnet. Der PID-Regler ist wegen der Vielzahl der möglichen Einstellkombinationen zur Anpassung an alle Regelstreckentypen geeignet, aber etwas schwierig in der Handhabung.
I-Regler
PI-Regler
P-Regler
PID-Regler
t
Bild 43 Unterschiedliches Ausregeln einer Störung bei verschiedenen Reglertypen an einer Regelstrecke mit Ausgleich
14.6 PID-Reglerbaustein für digitale Abtastregelung Eine Faustformel besagt, dass digitale Abtastregler gute Regelergebnisse liefern, wenn die größte Strecken-Zeitkonstante TS etwa 10 mal größer als die Abtastzeit TA sein kann. Der Abtastzeitwert bestimmt sich aus der Programmbearbeitungszeit des Rechners einschließlich der Wandlungszeit des A/DUmsetzers. Ein gut zu erreichender Abtastzeitwert bei einer SPS liegt bei 100 ms. Systembedingt kann sich bei Abtastreglern das Reglerausgangssignal yR nur wertdiskret, also bestenfalls feinstufig, und zeitdiskret, nämlich im Takt der Abtastzeit TA, ändern, wie Bild 44 zeigt. x
TS
w
t TA y
R
14.5 Vergleich der verschiedenen Reglertypen Als Abschluss der Betrachtung verschiedener Reglertypen soll in Bild 43 vergleichend gezeigt werden, wie sich die Regler bei optimaler Einstellung an einer Regelstrecke mit Ausgleich und den Kenngrößen KPS,
t
Bild 44 Istwertabtastung und Regelspannungsausgabe
730
Automatisierungstechnik
Zusätzlich muss die PID-Regelfunktion an die arithmetischen Möglichkeiten eines digitalen Rechners angepasst werden. Die originale PID-Regelfunktion muss ersetzt werden durch einen wirkungsähnlichen PID-Regelalgorithmus, bei dem das Integral des I-Anteils durch eine Summe und das Differenzial des D-Anteils durch einen Differenzenquotienten ersetzt wird. Die differenziell kleine Zeitspanne dt in der Regelfunktion wird durch die Abtastzeit TA ersetzt. Eine SPS als Softwareregler verfügt dann mit ihren Additions-, Subtraktions, Multiplikations- und Divisions-Befehlen über die notwendigen Rechenoperationen zur Durchführung des PID-Regelprogramms, der die Stellgröße yR für jeden Abtastzeitpunkt k neu berechnet:
⎛ T e(k ) − e(k − 1) ⎞ yR (k ) = K PR ⋅ ⎜ e(k ) + A ⋅ eSUM(k) + Tv ⎟ T TA ⎝ ⎠ n
PID-Stellungsalgorithmus Digitale Abtastregler steuern häufig auch sog. I-Stellglieder an. Das sind motorische Stellantriebe, die erst durch ihren Vorschub die Stellgröße y bilden. Da solchen I-Stellgliedern nicht der Stellgrößenwert, sondern nur die Stellengrößenänderung zu geführt werden darf, gibt es auch noch einen zweiten PIDAlgorithmus, der nur die Änderung der Reglerausgangsgröße ΔyR pro Abtastzeit TA berechnet und als Geschwindigkeitsalgorithmus bezeichnet wird. Dieses Signal kann zur Bildung von entsprechend langen oder kurzen Schritt-Stellsignalen für die sog. Schrittregler verwendet werden.
yR (k ) = ⎛ 1 k e(k ) − e(k − 1) ⎞ K PR ⋅ ⎜ e(k ) + ⋅ ∑ e(i ) ⋅ TA + Tv ⋅ ⎟ Tn i=1 TA ⎝ ⎠
TA ⎛ ⎞ ⎜ e(k ) − e(k − 1) + T ⋅ e(k ) ⎟ n ⎟ Δy = K PR ⋅ ⎜ ⎜ Tv ⎟ ⎜ + T ( e(k ) − 2e(k − 1) + e(k − 2) ) ⎟ ⎝ A ⎠
Die in der Formel noch vorhandene fortlaufende Summenbildung kann mit einem rekursiven Algorithmus ausgeführt werden, sodass eine Speicherung aller Regeldifferenzen e nicht erforderlich ist. Es ergibt sich eine Formel zur Berechnung der Reglerausgangsgröße yR(k) zu den bestimmten Zeitpunkten k und bezeichnet sie als Stellungsalgorithmus. Die analoge Wertausgabe dieser Reglerausgangsgröße am Abtastreglerausgang der SPS, also nach der DigitalAnalog-Umsetzung, muss auf ein P-Stellglied geführt werden, das die richtige Stellgröße y an die Regelstrecke abgibt:
PID-Geschwindigkeitsalgorithmus Nachfolgend wird die Umsetzung des beschriebenen Stellungsalgorithmus in ein universelles PID-Reglerprogramm gezeigt, dessen P-Anteil, I-Anteil bzw. D-Anteil einzeln zu und abschaltbar sind, um quasikontinuierliche P-, PI- oder PID-Regelfunktionen ausführen zu lassen. Bild 45 zeigt zunächst das Funktionsschema des zu realisierenden PID-Reglerbausteins.
P_SEL TRUE
0.0 FALSE
KPR
w
+
TA
Tn I_SEL
I e
x
TRUE
0.0
x
FALSE
TA D
100.0
+
+ +
y 0.0
Tv D_SEL TRUE
0.0 FALSE
Bild 45 Funktionsschema eines PID-Reglerbausteins für Stellungsalgorithmus
Legende: w = Sollwert x = Istwert e = Regeldifferenz KPR = Proportionalverstärkung TA = Abtastzeit Tn = Nachstellzeit Tv = Vorhaltzeit y = Stellgröße P_SEL = P-Anteil I_SEL = I-Anteil D_SEL = D-Anteil
Automatisierungstechnik
731
Da die PID-Reglerfunktion über Speichereigenschaften verfügt, wird das Programm mit einem Funktionsbaustein realisiert. Über den Eingangsparameter EIN kann die Regelfunktion ein- oder ausgeschaltet werden. Im ausgeschalteten Zustand werden alle gespeicherten Werte zurückgesetzt. Weitere Eingangsparameter des Funktionsbausteins sind die Führungsgröße w (SW), die Regelgröße x (IW) sowie die Einstellwerte Proportionalbeiwert KPR (KP), Nachstellzeit Tn (TN), Vorhaltzeit Tv (TV) und die Abtastzeit TA (TA). Es wird angenommen, dass die Führungsgröße w und die Regelgröße x als Gleitpunktzahlen im Bereich von 0.0 bis 100.0 vorliegen. Die Proportionalverstär-
kung KP und die Zeitwerte TN, TV und TA sind ebenfalls als Gleitpunktzahlen anzugeben. Bei den Zeitwerten TN, TV und TA entspricht dabei der Zahlenwert einem Zeitwert in Sekunden. Mit den binären Eingangsparametern P_SEL, I_SEL und D_SEL können die einzelnen Anteile mit einem „1“-Signal zugeschaltet und mit einem „0“-Signal abgeschaltet werden. Die Ausgangsgröße STG des PID-Reglerbausteins ist die kontinuierliche Stellgröße yR in einem Gleitpunktzahlenbereich von 0.0 ... 100.0. Der PID-Reglerbaustein muss entsprechend der gewählten Abtastzeit TA in gleichen zeitlichen Abständen zur Bearbeitung aufgerufen werden.
Struktogramm des PID-Reglerbausteins mit Stellungsalgorithmus: EIN = FALSE JA STG:= 0 ESUM:=0 EK1:=0
NEIN
Lokale stationäre Variablen des Funktionsbausteins: EK1 = Regeldifferenz des vorhergehenden Abtastzeitpunktes mit dem Proportionalbeiwert KP multipliziert.
STG:= 0 EK:= KP (SW - IW) ESUM:= ESUM + EK STGI:= (ESUM TA)/TN STGD:= TV ( EK - EK1)/TA EK1:= EK
ESUM = Summe aller Regeldifferenzen, die mit dem Proportionalbeiwert KP multipliziert sind.
P_SEL = TRUE
Lokale temporäre Variablen des Funktionsbausteins:
STG:= STG + EK
EK = Regeldifferenz mit dem Proportionalbeiwert KP multipliziert. Der Wert entspricht dem P-Anteil.
I_SEL = TRUE STG:= STG + STGI
STGI = Berechneter I-Anteil der Stellgröße STG.
D_SEL = TRUE
STGD = Berechneter D-Anteil der Stellgröße STG.
STG:= STG + STGD STG < 0.0 JA
NEIN STG < 100.0
STG:= 0.0 JA
NEIN STG:= 100.0
14.7 SPS als kontinuierlicher PID-Abtastregler Der in 14.6 beschriebene PID-Reglerbaustein für den Stellungsalgorithmus ist noch kein gebrauchsfertiger digitaler SPS-Regler. Bild 46 zeigt in vereinfachter Form, was noch alles benötigt wird. Die SPS muss neben der CPU-Baugruppe selbstverständlich auch über eine Analogeingabebaugruppe und eine Analog-
ausgabebaugruppe verfügen. Programmmäßig ist nicht nur der Regelalgorithmus, sondern auch das Einlesen der analogen Regelgröße x und die Ausgabe der analogen Stellgröße y auszuführen, d.h. die Anbindung der SPS an den Messaufnehmer und das Stellglied der realen oder simulierten Regelstrecke zu realisieren. Praktisch umsetzen lässt sich eine solche SPS-Reglerlösung nur mit fertigen Programmierbausteinen aus der SPS-Bibliothek.
732
Automatisierungstechnik Takt Zahlenformatumwandlung
PID-Stellungsalgorithmus
Sollwert 0 0 0 0
BCD
w
Regelgröße x
EIN SW IW KP TN TV TA P_SEL I_SEL D_SEL
REAL
AE REAL
Analogwert ausgeben STG
REAL AA
Stellgröße y
Analogwert einlesen
Bild 46 SPS-Regelstruktur (vereinfacht)
14.8 Digitaler Schrittregler mit PI-Verhalten In der klassischen Analogregeltechnik wurde dieser Reglertyp mit einem Dreipunktregler und verzögerter Rückführung über dem Schaltverstärker realisiert, weshalb er dort auch als Dreipunkt-Schrittregler bezeichnet wurde. Die digitale Nachbildung dieses Reglertyps beruht nicht mehr auf dem Dreipunktregler, sondern auf dem PID-Geschwindigkeitsalgorithmus mit einer nachgesetzten Impulsausgabe zur Ansteuerung eines motorischen Stellantriebs, der einen Schieber oder ein Ventil mit einer Folge von Stellschritten öffnet oder schließt. Die so gebildete Stellgröße ist quasi-kontinuierlich, da jede Stellglied-
14.9 Zweipunktregler, Zweipunkt-Regelfunktion
e x<w
x=w x<w
t
y2
t
y1,y2 y1
y YI yP = KPR e Tn
position innerhalb des Stellbereichs erreichbar ist, wenn auch in kleinen Schritten. Werden keine Impulse ausgegeben, bleibt die Stellgröße unverändert. Mit den beiden binär wirkenden Impulsausgängen können die erforderlichen drei Schaltzustände „Rechtslauf“, „Linkslauf“ und „Aus“ für den Stellantrieb realisiert werden. Auf eine sprungförmige Änderung der Regeldifferenz e reagiert der PI-Schrittregler sofort mit einem „langen“ Schritt. Das Stellsignal y1 gibt dazu einen langen Impuls aus, der durch den P-Anteil des Regelalgorithmus verursacht wird. Die darauffolgenden kürzeren Impulse werden durch den I-Anteil des Regelalgorithmus gebildet, siehe Bild 47. Der PI-Schrittregler wirkt solange, bis keine Regeldifferenz mehr besteht.
Tn
Bild 47 Impulsverhalten eines PI-Schrittreglers
t
Bei der Zweipunkt-Regelfunktion wird ein binäres Stellgrößensignal mit den Zuständen „EIN“ und „AUS“ erzeugt. Bei „EIN“ erfolgt 100 % Leistungszufuhr für die Regelstrecke und bei „AUS“ dagegen 0 %. Die Kennlinie des Zweipunktreglers zeigt die Position der beiden Schaltpunkte auf der Regelgrößenachse x, deren Mittenlage durch die eingestellte Führungsgröße w festgelegt ist. Die Zuschaltung der Leistungszufuhr erfolgt, wenn die Regelgröße x den unteren Grenzwert unterschreitet. Die Leistungszufuhr wird abgeschaltet, sobald die Regelgröße x den oberen Grenzwert überschreitet. Es ist charakteristisch für Zweipunktregler, dass es für die Regelgröße x keinen Beharrungszustand gibt, dem sie zustreben kann. Die Stellgröße schaltet
Automatisierungstechnik
733
x AUS x2 x1 EIN
t
y
Bild 48 Zweipunkt-Regelfunktion mit Verlauf der Regelgröße
EIN AUS
t
ständig um und die Regelgröße verändert sich fortwährend im Rahmen einer noch zulässigen Schwankungsbreite, die durch die Differenz der beiden Schaltpunkte x2 und x1 festgelegt ist. Diese sog. Schalthysterese trägt zur Beruhigung des Regelvorgangs bei. Den Einfluss einer Störgröße z korrigiert der Zweipunktregler durch Änderung seines EINAUS-Schaltverhältnisses. Grafisch lässt sich der Zweipunkt-Regelungsvorgang anschaulich darstellen, wie Bild 48 zeigt.
noch zulässigem Überschwingen abgeschlossen wird. Diese Forderungen lassen sich nicht alle erfüllen, da einzelne Bedingungen sich auch widersprechen. Dämpft man beispielsweise die Überschwingweite, vergrößert sich die Ausregelzeit. Es ist daher nur möglich für eine vorliegende Regelungsaufgabe die günstigsten Reglereinstellungen im Sinne eines Kompromisses zu finden. Beurteilungsmaßstäbe für die Regelgüte sind die Anund Ausregelzeit sowie die Überschwingweite, wie in Bild 49 dargestellt.
14.10 Regelgüte
1. Die Anregelzeit Tan ist die Zeit, die bis zum erstmaligen Erreichen des Sollwertes der Regelgröße vergeht. 2. Die Ausregelzeit Taus ist die Zeit, die vergeht bis die Regelgröße x endgültig in den Toleranzbereich einmündet und darin verbleibt. 3. Die Überschwingweite xü wird in Prozent des Sollwertes der Regelgröße x festgelegt.
Ein Regler hat die Aufgabe, die Regelgröße x möglichst genau auf den durch die Führungsgröße w vorgegebenen Sollwert zu bringen und auch dort gegen den Einfluss einer Störgröße z zu halten. Außerdem wird gefordert, dass der Regelungsvorgang in möglichst kurzer Zeit und nur unter vorübergehenden
x
Literaturverzeichnis + 5%
xü
w -5%
t
T an Taus
Bild 49 Kriterien zur Regelgüte
DIN EN 61131-3, Speicherprogrammierbare Steuerungen, Teil 3: Programmiersprachen, Dezember 2003, Beuth Verlag Berlin DIN 19226 Teil 4, Leittechnik; Regelungstechnik und Steuerungstechnik; Begriffe für Regelungs- und Steuerungssysteme, Februar 1994, Beuth Verlag Berlin Lepers, H.: SPS-Programmierung nach IEC 61131-3, Franzis Verlag Poing, 2005 Mann, H., Schiffelgen, H., Froriep, R.: Einführung in die Regelungstechnik, Hanser Verlag München, 8. Auflage 1997
734 Reuter, M., Zacher, S.: Regelungstechnik für Ingenieure, Vieweg Verlag, 11. Auflage 2004 Seitz, M.: Speicherprogrammierbare Steuerungen, Fachbuchverlag Leipzig, 2003
Automatisierungstechnik Wellenreuther, G., Zastrow, D.: Automatisieren mit SPS, Theorie und Praxis, Verlag Vieweg Wiesbaden, 3. Auflage 2005 Wellenreuther, G., Zastrow, D.: Automatisieren mit SPS, Übersichten und Übungsaufgaben, Verlag Vieweg Wiesbaden, 3. Auflage 2007
735
Meßtechnik I Grundlagen und Grundbegriffe der Meßtechnik 1 Begriffe Es ist eine wesentliche Aufgabe der Meßtechnik, technische Vorgänge quantitativ zu erfassen und anhand der gemessenen Größen Funktionsabläufe zu steuern. Als Beispiel sei ein Kraftwerk zur Energieerzeugung genannt, bei dem nur über die Messung von Temperaturen, Leistungen, Drücken und anderen Größen Aussagen über den momentanen Zustand möglich sind und bei Abweichungen vom Sollwert geeignete Eingriffe in das System erfolgen können. Damit eine eindeutige Kommunikation möglich wird, sind die in der Meßtechnik verwendeten Begriffe, Meßverfahren und Maßeinheiten in entsprechenden Normen oder Vorschriften festgelegt: DIN 1301 Einheiten; DIN 1304 Allgemeine Formelzeichen; DIN 1313 Physikalische Größen und Gleichungen; DIN 1319 Grundbegriffe der Meßtechnik, VDI/VDE 2600 Metrologie (Meßtechnik) Einige häufig verwendete Begriffe aus der Meßtechnik sind im folgenden auszugsweise und zum Teil gekürzt nach DIN 1319 oder VDI/VDE 2600 wiedergegeben: Messen ist der experimentelle Vorgang, durch den ein spezieller Wert einer physikalischen Größe als Vielfaches einer Einheit oder eines Bezugswerts ermittelt wird. Meßwert: Gemessener spezieller Wert einer Meßgröße. Meßergebnis ist ein aus mehreren Meßwerten einer physikalischen Größe oder aus Meßwerten für verschiedene Größen nach einer festgelegten Beziehung ermittelter Wert oder Werteverlauf. Meßprinzip: Charakteristische physikalische Erscheinung, die bei der Messung benutzt wird. Beispiele: Temperaturmessung; Änderung des elektrischen Widerstandes eines metallischen Leiters durch Temperaturänderung. Meßverfahren: Spezielle Art der Anwendung eines Meßprinzips. Beispiel: Abgleich einer Instrumentenanzeige auf Null. Wird z.B. bei Brückenschaltungen als Nullabgleichverfahren bezeichnet. Meßgerät: Liefert oder verkörpert Meßwerte. Meßbereich: Bereich von Werten des Eingangssignals eines Meßgerätes, der entsprechend der Kennlinie dieses Meßgerätes eindeutig und innerhalb vorgegebener Fehlergrenzen durch Werte des Ausgangssignals abgebildet wird. Empfindlichkeit: Verhältnis einer Änderung der Ausgangsgröße zu der sie verursachenden Eingangsgröße.
Kalibrieren: Ermitteln des gültigen Zusammenhanges zwischen dem Meßwert oder dem Wert des Ausgangssignals und dem konventionell richtigen Wert der Meßgröße. Justieren: Einstellen oder Abgleichen eines Meßgerätes mit dem Ziel, die Anzeige des Meßgerätes möglichst nahe an den richtigen Wert der Meßgröße anzugleichen. Eichen: Von einer Eichbehörde nach den gesetzlichen Vorschriften und Anforderungen vorzunehmende Prüfung und Stempelung von Meßgeräten. Beispiele: Elektrizitätszähler, Waagen, Zapfsäulen. Meßumformer: Meßgerät, das ein analoges Eingangssignal in ein eindeutig damit zusammenhängendes analoges Ausgangssignal umformt. Beispiel: Temperaturmessung; eine Temperaturänderung wird in eine Widerstandsänderung umgeformt. Meßwandler: Am Ein- und Ausgang tritt die gleiche physikalische Größe auf; es wird keine Hilfsenergie benötigt. Beispiele: Spannungswandler, Stromwandler. Meßumsetzer: Die Signalstruktur von Ein- und Ausgang ist entweder unterschiedlich (analog-digital oder digital-analog) oder nur digital. Analoge Meßverfahren: Der Meßgröße wird ein Signal zugeordnet, das mindestens im Idealfall eine eindeutig umkehrbare Abbildung der Meßgröße ist (häufig Skalenanzeige). Digitale Meßverfahren: Der Meßgröße wird ein Signal zugeordnet, das eine mit fest gegebenen Schritten quantisierte Abbildung der Meßgröße ist (häufig Ziffernanzeige).
2 Einheiten Messen heißt „Vergleichen“. Die zu messende Größe wird damit als Vielfaches einer Einheit dargestellt. Hat eine Messung eine Spannung von 5 V ergeben (Größenwert), so heißt das, daß die gemessene Spannung das Fünffache der Einheit der Spannung 1 Volt beträgt. Größenwert = Zahlenwert ⋅ Einheit Wird in Gleichungen grundsätzlich das Produkt aus Zahlenwert und Einheit eingesetzt, spricht man von Größengleichungen. Sie gelten unabhängig von der Wahl der Einheiten und sind bevorzugt gegenüber Zahlenwertgleichungen anzuwenden, bei denen man die Einheiten vereinbart und nur noch Zahlenwerte in die Gleichungen einsetzt. Für die in der Physik verwendeten Einheiten hat man die folgenden sieben SI-Basiseinheiten (Système International d’Unités) nach Tabelle I-1 eingeführt:
736
Meßtechnik
Tabelle I-1 SI-Basiseinheiten Basisgröße
Länge Masse Zeit elektrische Stromstärke thermodynamische Temperatur Lichtstärke Stoffmenge
Basiseinheit Name
Einheitenzeichen
Meter Kilogramm Sekunde Ampere Kelvin
m kg s A K
Candela Mol
cd mol
als „richtig“ angenommener oder vereinbarter Wert für die Messung zugrunde gelegt, der konventionell richtige Wert. Sofern dies möglich ist, kann man ihn in der Praxis dadurch erhalten, daß man die zu messende Größe mit einem Meßgerät mit sehr viel kleinerer Abweichung (1/10 oder kleiner, d.h. Präzisionsmeßgerät) mißt. Die absolute Meßabweichung F ist der Unterschied zwischen dem erhaltenen Meßwert xa und dem konventionell richtigen Wert xr: absolute Meßabweichung F = xa – xr (I.1) Die relative Meßabweichung f ergibt sich zu: relative Meßabweichung
Aus diesen Basiseinheiten werden weitere SI-Einheiten abgeleitet, von denen einige in Tabelle I-2 aufgeführt sind.
f =
xa − xr F = xr xr
(I.2)
Tabelle I-2 Abgeleitete SI-Einheiten (Auswahl) Abgeleitete Größe
Name
Zeichen
Zusammenhang zu anderen SI-Einheiten
Kraft Energie Leistung Elektrische Spannung Elektrischer Widerstand Elektrische Kapazität Induktivität Magnetischer Fluß
Newton Joule Watt Volt Ohm Farad Henry Weber
N J W V Ω F H Wb
1 N = 1 kg ⋅ m/s2 1J=1N⋅m 1 W = 1 J/s 1 V = 1 W/A 1 Ω = 1 V/A 1 F = 1 A ⋅ s/V 1 H = 1 V ⋅ s/A 1 Wb = 1 V ⋅ s
Die Darstellung, die Bewahrung und die Weitergabe der SI-Basiseinheiten und wichtiger abgeleiteter SI-Einheiten werden wegen des beträchtlichen apparativen Aufwandes national von Staatsinstituten wahrgenommen; in der Bundesrepublik von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig.
relative Meßabweichung in %
f =
F xa − xr = ⋅100% xr xr
(I.3)
Die Ursachen für die Meßabweichungen lassen sich nach der Art ihrer Entstehung einteilen.
3.1 Systematische Abweichungen
3 Meßabweichung, Meßfehler Eine Meßabweichung ist der Unterschied zwischen dem erhaltenen und dem wahren Wert, oder, wenn der wahre Wert nicht bekannt ist, einem als richtig geltenden Wert, dem konventionell richtigen Wert. Der früher durchgehend gebrauchte Begriff Fehler sollte der Beschreibung von Meßgeräten vorbehalten bleiben, die festgestellte systematische Abweichungen aufweisen (DIN 1319). Das Ziel eines Meßvorganges ist es, den Wert der Meßgröße so genau wie möglich zu bestimmen. Bei einem Meßvorgang wird aber im allgemeinen nicht der gesuchte „wahre“ Wert gemessen, sondern ein Wert, der von diesem abweicht. Soll eine Aussage über diese Abweichung gemacht werden, muß der wahre Wert bekannt sein. Da dieser wahre Wert in der Regel aber nicht gefunden werden kann, wird ein
Sie entstehen beispielsweise durch das Meßinstrument selbst, das den Meßkreis beeinflußt (Spannungsfall am Strommesser) und sind in der Regel nach Betrag und Vorzeichen bekannt und somit korrigierbar. Diese Abweichungen machen, wenn sie nicht korrigiert werden, ein Meßergebnis unrichtig. Bekannte systematische Abweichungen Aa werden durch die Korrektion K erfaßt. Man erhält damit den berichtigten Meßwert xr: Korrektion K = –Aa
berichtigter Meßwert
xr = xa + K
(I.4)
3.2 Zufällige Abweichungen Sie entstehen durch Einflüsse, die dem Zufall unterliegen, wie zum Beispiel Rauschen, Störungen, Abnutzung und Bauteiländerungen. Sie sind prinzipiell
I Grundlagen und Grundbegriffe der Meßtechnik
737
nicht bekannt und können deshalb auch nicht korrigiert werden. Diese Abweichungen machen ein Meßergebnis unsicher. Häufig kann man für die zufälligen Abweichungen die Abweichungsgrenzen G angeben, innerhalb derer der Meßwert x „mit großer Wahrscheinlichkeit“ liegt:
Meßwert mit Abweichungsgrenzen
xr ± G
(I.5)
Das bedeutet, daß der Meßwert x im Bereich xr – G ≤ x ≤ xr + G liegt. Beispiel I.1 zeigt die unterschiedlichen Arten der Darstellung von Abweichungsgrenzen. Beispiel I.1: 5 V ± 0,2 V; 16,2 (1 ± 0,02) A; (1 ± 10%) kW. Die
Abweichungsgrenzen werden hier, den Erfahrungen aus der Praxis entsprechend, symmetrisch zum konventionell richtigen Wert angegeben.
Mit der maximal auftretenden Abweichung läßt sich auch die maximale relative Meßabweichung (Gleichung I.2) berechnen (der Begriff „maximal“ entfällt meist): (Maximale) relative Meßabweichung x ± G − x r ±G f = r = (I.6) xr xr Die (maximale) relative Meßabweichung wird in der Meßtechnik bevorzugt angegeben. Beispiel I.2: Zwei unterschiedliche Spannungen werden gemes-
sen: U1 = 8 V ± 0,1 V; U2 = 80 V ± 0,1 V. Die Abweichungsgrenzen sind für beide Messungen gleich. Erst die (maximale) relative Meßabweichung zeigt, daß die Messung von U2 genauer ist als die von U1:
f1 = ± 0,1 V/8 V = ±0,0125 = ±1,25%; f2 = ± 0,1 V/80 V = ±0,00125 = ±0,125%.
Zur Festlegung der Abweichungsgrenzen G werden praktische Erfahrungen, umfangreiche Messungen gleicher oder ähnlicher Art und die Statistik herangezogen. Überhaupt spielt die Statistik bei der Angabe von Abweichungen eine entscheidende Rolle. Da man den „wahren“ Wert niemals messen kann, läßt sich von einem Meßwert nur angeben, mit welcher Wahrscheinlichkeit er innerhalb eines bestimmten Wertebereiches liegt. Dazu werden die zwei Begriffe arithmetischer Mittelwert und (empirische) Standardabweichung verwendet.
3.3 Arithmetischer Mittelwert, Erwartungswert Der Einfluß von zufälligen Abweichungen auf das Meßergebnis läßt sich in der Regel dadurch verringern, daß zunächst die Messung häufig wiederholt wird, eventuell sogar mit unterschiedlichen Meßgeräten, und anschließend aus den n Einzelmessungen xi der arithmetische Mittelwert gebildet wird: 1 n arithmetischer Mittelwert x = ⋅ ∑ xi (I.7a) n i =1 n Anzahl der Messungen; xi die einzelnen Meßwerte
Läßt man die Zahl der Messungen gegen unendlich gehen, geht der arithmetische Mittelwert x in den
Erwartungswert m über, von dem man annimmt, daß er den konventionell richtigen Wert mit großer Wahrscheinlichkeit repräsentiert. n x in (1.7b) Erwartungswert m = lim ∑ n →∞ i =1 n n Anzahl der Messungen; xin die einzelnen Meßwerte
Der arithmetische Mittelwert kommt dem konventionell richtigen Wert meist schon sehr nahe, da in der Praxis die Abweichungen der Einzelmessungen sowohl positives als auch negatives Vorzeichen haben und sich damit teilweise aufheben. Trotzdem darf man nicht annehmen, daß der arithmetische Mittelwert gleich dem wahren Wert ist. Beispiel I.3: Eine wiederholt durchgeführte Spannungsmessung
liefert die Einzelwerte: 5,0 V; 5,1 V; 4,9 V; 5,2 V; 5,0 V; 5,1 V. Der nach Gleichung (I.7a) berechnete arithmetische Mittelwert ergibt 5,05 V. Eine zweite Meßreihe ergibt die Einzelwerte: 5,0 V; 5,3 V; 4,8 V; 5,2 V; 5,2 V; 4,8 V. Der arithmetische Mittelwert ist wiederum 5,05 V.
3.4 Standardabweichung Die Erfahrung zeigt, daß trotz des zahlenmäßig gleichen arithmetischen Mittelwertes der Meßreihen aus Beispiel I.3 dem Mittelwert der ersten Meßreihe eher der konventionell richtige Wert zugeordnet werden kann als dem zweiten, weil bei ihr die Einzelmessungen weniger voneinander abweichen. Deshalb wird die (empirische) Standardabweichung s (meist nur kurz als Standardabweichung bezeichnet) als Beurteilungskriterium für eine Meßreihe gebildet, die die Differenzen zwischen den Einzelmessungen und dem arithmetischen Mittelwert erfaßt und diese Differenzen vor der Summation quadriert, damit sie sich bei entgegengesetztem Vorzeichen nicht teilweise aufheben: Standardabweichung s=+
1 n 2 ∑( xi − x ) n − 1 i =1
(I.8a)
Das Quadrat der Standardabweichung wird mit Varianz bezeichnet:
Varianz s2 oder auch s2
(I.8b)
Der Ausdruck (n – 1) im Nenner anstatt n weist darauf hin, daß die Bildung der Standardabweichung erst für mehr als einen Meßwert sinnvoll ist. Beispiel I.4: Die Standardabweichung s errechnet sich nach
Gleichung (I.8a) für die erste Meßreihe von Beispiel I.3 zu s1 = 0,105 V; für die zweite Meßreihe ergibt sich s2 = 0,217 V.
Je größer die Standardabweichung s ist, desto mehr „streuen“ die Meßwerte, und um so weniger wird man vom arithmetischen Mittelwert auf den konventionell richtigen Wert schließen können. Die Behandlung von Meßabweichungen oder Meßfehlern geschieht nach Gesetzen der Wahrscheinlichkeitstheorie. Danach werden Meßwerte als Werte aufgefaßt, die mit einer bestimmten Wahrscheinlich-
738
Meßtechnik
keit in einem gegebenen Wertebereich auftreten (Kapitel 7 unten). Einzelheiten dazu sind z.B. in DIN 1319 aufgeführt.
4 Abweichungsfortpflanzung, Fehlerfortpflanzung Werden mehrere unterschiedliche abweichungsbehaftete Größen gemessen (z.B. Spannung U und Strom I), um daraus eine weitere Größe rechnerisch zu bestimmen (z.B. den Widerstand R), gehen die Meßabweichungen der Einzelgrößen in die rechnerisch bestimmte Größe in der nachfolgend dargestellten Weise ein. Gegeben ist F = f (x, y, z, ...). Darin steht F für den Gesamtfehler (z.B. von R), der durch die Einzelfehler der Größen x, y, z, ... (z.B. U, I) bestimmt wird. Die Einzelfehler erhält man durch partielles Differenzieren: ∂F ∂f ( x , y , z , ... ) = ; ∂x ∂x
∂F ∂f ( x , y , z , ... ) = ; ∂y ∂y
∂F ∂f ( x , y , z , ... ) (I.9) = ; ... ∂z ∂z Bei den Abweichungen bzw. Fehlern handelt es sich um endliche Differenzen, so daß aus Gleichung (I.9) folgt: ∂f ( x , y , z ,... ) ΔFx = ⋅ Δx ; ∂x ∂f ( x , y , z ,... ) ΔFy = ⋅ Δy ; ∂y
∂f ( x , y , z , ... ) ⋅ Δz ; ... (I.10) ∂z Der Gesamtfehler DF berechnet sich aus der Summe der Einzelfehler: ∂f ( x , y , z , ... ) ∂f ( x , y , z , ... ) ⋅ Δx + ∂x ∂y (I.11) ∂f ( x , y , z , ... ) × Δy + ⋅ Δz + ... ∂z Dieser Ausdruck wird in der Mathematik als totales Differential bezeichnet. Für Dx, Dy, Dz, ... werden die zugeordneten Abweichungsgrenzen ± Gx, ± Gy, ± Gz, ... eingesetzt. Wichtig ist, daß die Vorzeichen der einzelnen Abweichungsgrenzen (Dx, Dy, Dz, ...) so gewählt werden, daß sich die größtmögliche Gesamtabweichungsgrenze (DF) ergibt. Die tatsächlich auftretende Gesamtabweichungsgrenze kann damit niemals größer werden als die berechnete. ΔF =
Beispiel I.5: An einem Spannungsteiler werden die zwei Teil-
spannungen U1 = 12 V ± 0,2 V und U2 = 16 V ± 0,1 V gemessen. Daraus sollen die Gesamtspannung und der Gesamtfehler bestimmt werden. Bezogen auf Gleichung (I.11) gilt: x ↔ U1; y ↔ U2. ⇒ F = f (U1, U2) = U1 + U2; Dx = DU1 = ± 0,2 V; Dy = DU2 = ± 0,1 V. Mit Gleichung (I.11) folgt:
∂( U 1 + U 2 ) ∂U 1
⋅ ΔU 1 +
Beispiel I.6: Die Differenz zweier Ströme soll aus den zwei
gemessenen Strömen I1 = 290 mA ± 5 mA und I2 = 265 mA ± 5 mA berechnet werden. Mit den Zuordnungen entsprechend Beispiel I.5 und Gleichung (I.11) erhält man: x ↔ I1; y ↔ I2. ⇒ F = f (I1, I2) = I1 – I2; Dx = DI1 = ±5 mA; Dy = DI2 = ±5 mA.
ΔF =
∂( I 1 − I 2 ) ∂I 1
⋅ ΔI 1 +
∂( I 1 − I 2 ) ∂I 2
⋅ ΔI 2 = 1 ⋅ ΔI 1 + 1 ⋅ ΔI 2
Daraus folgt: I1 – I2 = (290 – 265) mA ± (5 + 5) mA = 25 mA ± 10 mA. Die relative Meßabweichung beträgt f = ± 10 mA/25 mA = ± 0,4 = ± 40%. Das Vorzeichen der Meßabweichungen wurde entsprechend der Anmerkung zu Gleichung (I.11) eingesetzt. Die Meßabweichung wird um so größer, je geringer die Differenz der Einzel-Meßwerte ist. Nach Beispiel I.6 soll die rechnerische Differenzbildung vermieden werden, wenn sich zwei abweichungsbehaftete Meßwerte nur wenig voneinander unterscheiden. Beispiel I.7: Spannung und Strom an einem Widerstand werden
gemessen: U = 100 V ± 0,5 V; I = 2,0 A ± 20 mA. Zu bestimmen sind die relativen Abweichungen für die Leistung an R und für den Widerstand R, wenn beide rechnerisch bestimmt werden. Die systematischen Fehler durch die Innenwiderstände der Meßinstrumente werden vernachlässigt. Wie in den Beispielen I.5 und I.6 ausführlich gezeigt, ergibt sich für P folgende Formel: ΔF =
∂( U ⋅ I ) ∂U
⋅ ΔU +
∂( U ⋅ I ) ∂I
⋅ ΔI = I ⋅ ΔU + U ⋅ ΔI
Daraus folgt die Leistung:
ΔFz =
ΔF =
Die Gesamtspannung aus diesen zwei Meßwerten ergibt sich zu: (12 + 16) V + DF = 28 V ± (0,2 + 0,1) V = 28 V ± 0,3 V. Die relative Meßabweichung beträgt: [(28 ± 0,3) V) – 28 V]/28 V = ± 0,011 = ± 1,1%.
∂( U 1 + U 2 ) ∂U 2
⋅ ΔU 2 = 1 ⋅ ΔU 1 + 1 ⋅ Δ U 2
P = U · I ± (I · DU + U · DI) = 100 V · 2 A ± (2 A · 0,5 V + 100 V · 20 mA) = 200 W ± (1 W + 2 W) = 200 W ± 3 W
Die relative Meßabweichung errechnet sich zu ±3 W/200 W = ± 1,5%. Für den Widerstand gilt: ΔF =
∂ ( UII ) ∂U
⋅ ΔU +
∂ ( UII ) ∂I
⋅ ΔI = ΔUII − ( UII 2 ) ⋅ ΔI .
(I.12)
R = 100 V/2 A ± ((0,5 V/2 A) + (100 V/4 A2) · 20 mA) = 50 Ω ± 0,75 Ω. Die relative Meßabweichung beträgt ± 0,75 Ω/50 Ω = ± 1,5%. Das bei der mathematischen Berechnung in Formel (I.12) auftretende Minuszeichen wird mit den Vorzeichen der Einzelmeßabweichungen so verknüpft, daß sich wieder die größtmögliche Gesamtmeßabweichung ergibt. Beispiel I.8: Aus zwei parallel geschalteten Widerständen soll
der Gesamtwiderstand Rp bestimmt werden. Gegeben: R1 = 1000 Ω ± 10 Ω; R2 = 200 Ω ± 2 Ω
ΔF = =
ΔF =
⎛ R R ⎞ ⎛ R R ⎞ ∂⎜ 1 2 ⎟ ∂⎜ 1 2 ⎟ ⎝ R1 + R 2 ⎠ ⎝ R1 + R 2 ⎠ ⋅ ΔR 1 + ⋅ ΔR 2 ∂R1 ∂R 2 R 22
( R1 + R 2 ) 2
⋅ ΔR 1 +
4 ⋅ 10 4 ⋅ 10 + 10 6 ⋅ 2
(1,44 ⋅ 10 6 )
R12
( R1 + R 2 ) 2
⋅ ΔR 2
Ω = 1,67 Ω
Damit ergibt sich: Rp = 167 Ω ± 1,67 Ω. Der relative Fehler beträgt ± 1,67 Ω/167 Ω = ± 1%.
I Grundlagen und Grundbegriffe der Meßtechnik
5 Fehlerangaben von Meßgeräten Bei Meßgeräten wird in der Regel die Fehlergrenze angegeben. Sie ist der maximal zugelassene prozentuale Fehler, der häufig auf den Meßbereichsendwert bezogen wird (DIN 43780). Sie gilt außerdem nur bei Einhaltung gewisser Referenzbedingungen (z.B. Referenzfrequenz 45 Hz bis 65 Hz ± 5 Hz).
5.1 Analog anzeigende Meßgeräte Bei analog (direkt wirkenden) anzeigenden Meßgeräten sind Genauigkeitsklassen nach DIN 43780 festgelegt. Die dort angegebenen Klassenzeichen sind gleich dem Betrag der Fehlergrenzen in Prozent. Dabei ist der absolute Fehler auf einen Bezugswert bezogen, in der Regel auf den Meßbereichsendwert. Wird dagegen ein Meßwert abgelesen, so ist dieser Meßwert der Bezugswert. Da der Bezugswert aber stets kleiner oder höchstens gleich dem Meßbereichsendwert ist, wird der Fehler um so größer, je kleiner der gemessene Wert ist. Deshalb gilt: Meßwerte möglichst im oberen Drittel der Skala ablesen! Folgende Genauigkeitsklassen sind nach DIN 43780 festgelegt: 0,05; 0,1; 0,2; 0,5; 1; 2,5; 5. Beispiel I.9: Ein Meßgerät gehört der Klasse 1 an und hat den
Meßbereichsendwert 100 V. Dann ist die Fehlergrenze ± 1% vom Meßbereichsendwert 100 V, also ± 1 V. Diese Fehlergrenze gilt für jeden angezeigten Meßwert. Beträgt der Meßwert 20 V, so ist der relative Fehler f = [(20 ± 1) V − 20 V]/20 V = ± 5%.
739
6 Arithmetischer Mittelwert und Effektivwert von Wechselgrößen Der Effektivwert einer periodischen Wechselspannung (eines periodischen Wechselstromes) gibt die gleiche Leistung ab wie eine gleichgroße Gleichspannung (Gleichstrom). Deshalb soll auch in der Regel der Effektivwert gemessen werden. Er berechnet sich nach der Formel: Effektivwert einer Wechselspannung u(t): T
U=
1 2 ∫ { u ( t )} d t T0
(I.14a)
Effektivwert eines Wechselstromes i(t): T
1 2 (I.14b) ∫ { i ( t )} d t T0 Der arithmetische Mittelwert oder Gleichanteil einer periodischen Wechselspannung oder eines periodischen Wechselstromes ergibt sich aus: Arithmetischer Mittelwert einer Wechselspannung u(t): I=
T
u=
1 ∫ { u ( t ) } dt T0
(I.15a)
Arithmetischer Mittelwert eines Wechselstromes i(t): T
1 (I.15b) ∫ { i ( t ) } dt T0 In der Meßtechnik hat er eine gewisse Bedeutung, weil Drehspulmeßinstrumente diesen Wert anzeigen. i=
5.2 Digital anzeigende Meßgeräte Durch die Elektronik im Instrument setzt sich der Gesamtfehler aus mehreren Anteilen zusammen. In der Praxis findet man häufig die folgende Fehlerangabe für den maximal auftretenden (absoluten) Fehler Fmax, der hier an einem Beispiel gezeigt werden soll: absoluter Fehler Fmax = ± (0,1% v.A. + 0,1% v.E. + 1 LSB)
(I.13)
v.A. von der Anzeige, also abgelesener Wert (of reading); v.E. vom Endwert, Anzeigebereichsendwert (of range); LSB Bit mit der geringsten Wertigkeit, in der Regel die Stelle ganz rechts, Quantisierungsfehler (least significant bit)
7 Häufigkeitsverteilung, Vertrauensbereich Trägt man die einzelnen Meßwerte einer gemessenen Größe, der zufällige Fehler überlagert sind, in Form einer Häufigkeitsverteilung (Histogramm) auf, erhält man in der Regel einen charakteristischen Verlauf, der sich für eine gegen unendlich gehende Anzahl von Meßwerten der Normal- oder Gauß-Verteilung („Gaußsche Glockenkurve“) annähert. Sie ist wie folgt definiert: Normalverteilung
Beispiel I.10: Angezeigter Meßwert: U = 7,50 V; Skalenendwert:
Usk = 9,99 V; 3stellige Anzeige. Absoluter Fehler Fmax (mit den Angaben aus Gleichung (I.13)): Fmax = ± (0,001 ⋅ 7,50 V + 0,001 ⋅ 9,99 V + 0,01 V) = ± 0,0275 V Relativer Anzeigefehler: fmax = ±0,0275 V/7,50 V = ± 0,003 67 = ± 0,367%
Der Bezugswert für den relativen Anzeigefehler ist auch hier der angezeigte Meßwert; der Fehler steigt mit kleiner werdendem Anzeigewert. Deshalb gilt auch hier: Meßwerte möglichst im oberen Drittel der Anzeige ablesen!
p( x ) =
1 2π ⋅ σ 2
⋅e
−
( x−x ) 2 2σ 2
(I.16)
x siehe Gleichung (I.7a), s2 siehe Gleichung (I.8b)
Die Erfahrung hat gezeigt, daß die Meßwerte für x = x mit zunehmender Wahrscheinlichkeit dem konventionell richtigen Wert entsprechen, je mehr sich die gemessene Verteilung der Normalverteilung annähert. Obwohl der Mittelwert x nicht zwangsläufig gleich dem wahren Wert ist, kann man ein Intervall um x
740
Meßtechnik
Tabelle I-3 Werte für t und t / n für verschiedene Werte des Vertrauensniveaus (1 – a)
Anzahl n der Einzelmessungen
112 115 110 130 100
(1 – a) = 68,26%
(1 – a) = 95%
(1 – a) = 99,5%
t
t/ n
t
t/ n
t
t/ n
1,84 1,15 1,06 1,02 1,00
1,30 0,51 0,34 0,19 0,10
12,71 12,78 12,26 12,05 11,98
8,98 1,24 0,71 0,37 0,20
127,32 115,60 113,69 113,04 112,87
90,03 12,50 11,17 10,56 10,29
Tabelle I-4 Zu Beispiel I.11
Messung Nr.
Spannung Ui in V
(xi − x ) in V
( xi − x )2 in V
t für (1 – a) = 95%
t / n für (1 – a) = 95%
1
100,2
– 0,4
0,16
aus Tabelle I-3
aus Tabelle I-3
2
100,4
– 0,6
0,36
3
199,3
– 0,5
0,25
4
199,0
– 0,8
0,64
5
100,1
– 0,3
0,09
x = 99,8 V
S=0
S = 1,50 s = 0,612 V
2,78
1,24
herum angeben, in dem der wahre Wert mit einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit (1 – a) liegt. Die Grenzen dieses Intervalls heißen Vertrauensgrenzen. Das Intervall ist der Vertrauensbereich, der sich aus dem Vertrauensniveau (1 – a) (Angabe in %, siehe Tabelle I-3) ergibt. t (I.17a) Obere Vertrauensgrenze x + ⋅s n t Untere Vertrauensgrenze x − (I.17b) ⋅s n x siehe Gleichung (I.7a), n Anzahl der Messungen, s Standardabweichung (Gleichung (I.8a)), t / n siehe Tabelle I-3
Tabelle I-3 zeigt Auszüge für t und t / n nach DIN 1319 Teil 3. Beispiel I.11: Eine Spannung wird fünfmal gemessen. Zu
bestimmen sind die Vertrauensgrenzen für ein Vertrauensniveau von 95%. Das Meßergebnis ist anzugeben. Meßwerte siehe Tabelle I-4. Daraus ergibt sich die obere Vertrauensgrenze zu: 99,8 V + 1,24 ⋅ 0,612 V = 99,8 V + 0,759 V; die untere zu 99,8 V –
0,759 V. Das Meßergebnis 99,8 V ± 0,759 V.
für
die
Spannung
lautet:
8 Bearbeitung und Auswertung von Meßwerten Die Bearbeitung und Auswertung von Meßwerten ist in der Regel rechenintensiv und wurde deshalb erst durch den Einsatz von Rechnern in größerem Umfang möglich. In diesem Zusammenhang haben Begriffe wie
Chi-Quadrat-Test, Quantile, Median, Regression, Splines und Klassierung
an Bedeutung gewonnen. Sie werden im Kapitel XI, PC-gestützte Meßverfahren und Meßsignalanalyse, dargestellt.
Meßtechnik
741
II Analog anzeigende Meßgeräte 1 Grundlagen Die analog anzeigenden Meßgeräte sind zum großen Teil von den digital anzeigenden abgelöst worden, weil letztere i.a. einen kleineren Meßfehler und einen geringeren Eigenverbrauch besitzen und häufig Funktionen wie automatische Meßbereichswahl, Speicherung von Meßdaten und eine Schnittstelle zur Meßdatenerfassung und -verarbeitung bieten. Die Analogmeßgeräte sollen hier deshalb nur auszugsweise und kurz behandelt werden. Die Wirkungsweise der im folgenden vorgestellten Meßgeräte beruht auf der Kraftwirkung auf einen stromdurchflossenen elektrischen Leiter im Magnetfeld: Kraft F = Q ⋅ (v × B) bzw. F = Q ⋅ v ⋅ B für v ⊥ B; F ⊥ B, v (II.1) F Kraft in N, Q Ladung der den Leiter durchfließenden Elektronen in A ⋅ s, v Geschwindigkeit der Elektronen in m/s, B magnetische Flußdichte in V ⋅ s/m2
Es wird vorausgesetzt, daß v und B senkrecht zueinander auftreten. F steht senkrecht auf v und B, die Richtung ergibt sich aus der „Rechten-Hand-Regel“. Benutzt man die zwei Beziehungen Q = I · t und v = I/t für den Stromfluß in einem elektrischen Leiter und setzt beides in Gleichung (II.1) ein, folgt daraus eine Darstellung für die Kraft, die auch unter dem Namen Lorentz-Kraft bekannt ist: Lorentz-Kraft F = B · I · l
(II.2)
l Spulenlänge, I Leiter- bzw. Spulenstrom in A, B magnetische Flußdichte in V ⋅ s/m2
Auch hier gilt für die Richtungsbeziehung der Größen B, I und F die „Rechte-Hand-Regel“. Die magnetische Flußdichte B kann durch einen Dauermagneten (Drehspulmeßwerk), durch die stromdurchflossene Spule selbst (Dreheisenmeßwerk) oder durch eine zweite Spule (Prinzip des Elektromagneten wie beim Elektrodynamischen Meßwerk) zur Verfügung gestellt werden. Im folgenden werden nur die Meßwerke, also die den Ausschlag direkt erzeugenden Elemente, betrachtet. Gehäuse, Anschlußklemmen, Bereichsumschalter, Vor- und Nebenwiderstände zur Meßbereichserweiterung und andere Bauteile, die das Meßwerk zum Meßgerät ergänzen, bleiben unberücksichtigt.
2 Drehspul-Meßwerk Den prinzipiellen Aufbau zeigt Bild II-1a. Eine drehbar gelagerte Spule befindet sich im Feld eines Dauermagneten. Abhängig von der Richtung des durchfließenden Stromes dreht sie sich gemäß der Lorentz-Kraft nach Gleichung (II.2) rechts oder links herum. Die Länge l ist die Spulenlänge „nach hin-
ten“. Durch eine Rückstellfeder (Spiralfeder), die gleichzeitig als Stromzuführung dient, wird eine Gegenkraft erzeugt. Der Zeiger kommt zum Stillstand, wenn das elektrische Moment und das mechanische Moment der Feder im Gleichgewicht sind. Die Skalenteilung ist linear, da das elektrische Moment linear vom Strom I und das mechanische Moment linear vom Drehwinkel a abhängt. Die Ausschlagrichtung hängt von der Stromrichtung ab (Gleichung II.2). Die für einen Zeigerausschlag erforderliche Leistung (Eigenverbrauch) ist sehr gering. So benötigt das Meßwerk des Meßinstrumentes „UM“ (AEG) für Vollausschlag einen Strom von 10 mA bei einer Spannung von 60 mV. Das entspricht einer Leistung von 0,6 mW. Das Meßwerk zeigt den arithmetischen Mittelwert (Gleichanteil) des fließenden Stromes an. Bei der Messung von Wechselströmen führt das bei den häufig vorkommenden sinusförmigen Stromverläufen zu der Anzeige Null (Voraussetzung: Frequenz f Ⰷ 1 Hz, d.h., das Instrument kann wegen seiner Trägheit dem Momentanwert des Stroms nicht mehr folgen). Damit das Meßwerk überhaupt einen Ausschlag zeigt, wird der Strom durch das Instrument (nicht der zu messende Laststrom) durch einen Einweg- oder Zweiweggleicher so in der Form geändert, daß der arithmetische Mittelwert nicht mehr Null ist. Bei Wechselströmen soll in der Regel der Effektivwert des Stromes gemessen werden, der im allgemeinen nicht mit dem arithmetischen Mittelwert übereinstimmt. Damit die Anzeige des Stromes wenigstens für sinusförmigen Stromverlauf richtig ist, wird die Skala des Instrumentes entsprechend korrigiert. Für sinusförmigen Stromverlauf ist der Effektivwert I = iˆ / 2 , der arithmetische Mittelwert bei Einweggleichrichtung iew = iˆ / π bzw. bei Zweiweggleichrichtung i = 2 ⋅ iˆ / π . Also wird die Skalenzw
beschriftung mit dem Wert I / i multipliziert. Dieser Wert heißt Kurvenformfaktor oder kurz Formfaktor und beträgt für Sinusform bei Einweggleichrichtung p/1,41 = 2,22 bzw. bei Zweiweggleichrichtung p/(2 ⋅ 1,41) = 1,11. Bei nicht sinusförmigem Stromverlauf ist das Verhältnis von Effektivwert zu arithmetischem Mittelwert nicht mehr gleich dem in die Skala eingearbeiteten Wert und damit der vom Instrument angezeigte Wert falsch! Die Messung von Gleich- und Wechselspannungen geschieht über das Ohmsche Gesetz. Eine angelegte Spannung verursacht bei bekanntem Meßwerkwiderstand einen ihr proportionalen Strom. Eine vor allem in der Präzisionsmeßtechnik verwendete Sonderbauform ist das Galvanometer. Die Drehspule ist an einem dünnen Metallfaden mit rechteckigem Querschnitt befestigt, der einseitig fest
742
Meßtechnik 1
Bild II-1 a) Drehspulmeßwerk (H & B) b) Spiegelgalvanometer 1
N 2
S
7
3
N
S 4
6 5
5 6
4 2
3 7
1 2 3 4 5 6 7
Permanentmagnet Weicheisenkern Polschuhe Drehspule Spiralfeder und Stromzuführung Nullpunkteinstellung Äquilibrierarm
a)
eingespannt ist und am anderen Ende durch eine Feder gespannt wird, Bild II-1b. Damit tritt so gut wie keine Lagerreibung auf. Die Spule befindet sich auch hier im Feld eines Dauermagneten. Fließt ein Strom durch sie hindurch, dreht sie sich und tordiert (verdrillt) den Metallfaden. Dadurch entsteht die Rückstellkraft. An dem Metallfaden ist ein Spiegel angebracht (Spiegelgalvanometer), der sich mitdreht und dessen Drehwinkel proportional zum Spulenstrom ist. Über einen Lichtstrahl und Umlenkspiegel können so kleinste Ströme im nA-Bereich durch kleinste Winkelauslenkungen des Spiegels in großen Entfernungen (1 m bis 10 m) als bequem ablesbare Lichtmarkenauslenkungen gemessen werden. Daten des Spiegelgalvanometers BSGe (Ruhstrat): Ein Strom von 40 nA ergibt auf einer Skala in 25 cm Entfernung vom Spiegel eine Lichtstrahlauslenkung von 1 mm.
1 2 3 4 6, 5, 67 6, 75
Spannband Spiegel Dauermagnet Spule mit Rahmen Stromzuführung Spannfeder
b)
quadrierten Momentanwerte, so daß der in Gleichung (I.14b) unter der Wurzel stehende Ausdruck gebildet und damit das Quadrat des Effektivwertes angezeigt wird. Durch eine entsprechende Formgebung der Bleche kann man erreichen, daß sich eine näherungsweise lineare Skalenteilung für die Ablesung des Effektivwertes ergibt. Bild II-2 Dreheisenmeßwerk (H & B)
Skala
Zeiger Spiralfeder Festeisen Nullsteller
Dreheissen
3 Dreheisen-Meßwerk Beim Dreheisen-Meßwerk befinden sich nach Bild II-2 ein festes und ein drehbar gelagertes Metallblech im Feld einer vom Meßstrom durchflossenen Spule. Die beiden Bleche werden magnetisiert und stoßen sich um so mehr ab, je größer der Strom ist. Die Kraft F ist proportional zu I2 (Prinzip „Elektromagnet“: F ∼ B2 ∼ I2). Damit ist die Ausschlagrichtung des Zeigers nicht mehr von der Stromrichtung abhängig. Bei der Messung von Wechselströmen bildet das Instrument bei Frequenzen des Stromes Ⰷ1 Hz wegen seiner Trägheit den Mittelwert aller
Dämpferflügel
Rundspule
Theoretisch zeigt das Instrument den Effektivwert des Wechselstromes unabhängig von der Kurvenform an. In der Praxis dagegen wird der Meßfehler bei der Messung von sinusförmigen Strömen mit Frequenzen oberhalb etwa (400 ... 1000) Hz durch die Induktivität der Spule und das Verhalten des Eisens mit steigender Frequenz größer. Deshalb ist bereits das Messen nichtsinusförmiger Ströme mit Frequenzen weit unterhalb (400 ... 1000) Hz mit erhöhten Meß-
II Analog anzeigende Meßgeräte
743 Bild II-3 Elektrodynamisches Meßwerk (H & B)
fehlern behaftet, weil die Oberschwingungsanteile oberhalb (400 ... 1000) Hz zunehmend unberücksichtigt bleiben und damit der gemessene Stromverlauf vom tatsächlichen Stromverlauf abweicht (Fourierzerlegung des nichtsinusförmigen Stromverlaufes). Da das magnetische Feld durch eine Spule und nicht durch einen Dauermagneten erzeugt wird und vorwiegend in Luft verläuft, ist die Flußdichte und damit die Kraft für die Zeigerauslenkung relativ klein. Daraus folgt, daß die für Vollausschlag erforderliche Leistung größer ist als bei Drehspulmeßwerken. Daten eines Dreheisen-Meßwerkes (A-V-Multizet): Strom für Vollausschlag 60 mA; Innenwiderstand 100 Ω. Daraus errechnet sich die Leistung für Vollausschlag zu (60 mA)2 · (100 Ω) = 360 mW.
4 Elektrodynamisches Meßwerk Nach Bild II-3 besteht das elektrodynamische Meßwerk aus einer feststehenden, vom Strom I1 durchflossenen Spule S1, die die Flußdichte B1 erzeugt, und einer zweiten, drehbar gelagerten Spule S2, die vom Strom I2 durchflossen wird. Es gilt: B1 = k1 · I1; F = k2 · B1 · I2 (mit Gleichung II.2); F = k1 · k2 · I1 · I2 bzw. F = k3 · I1 · U2 mit U2 = k4 · I2 (ki Konstante). Die Kraft oder das Moment des Zeigers ist proportional dem Produkt zweier Ströme, oder, wenn man einen der beiden Ströme proportional zu einer Spannung macht, dem Produkt aus Spannung und Strom. Darin liegt die große Bedeutung dieses Meßwerkes. Es wird hauptsächlich zur Leistungsmessung eingesetzt. Die Wirkleistung P eines Verbrauchers berechnet sich bei sinusförmigen Spannungen und Strömen aus
S1
S2
P = U · I · cos j. Schickt man den Strom des Verbrauchers durch die feststehende Spule (größerer Querschnitt, I1 im Bereich 1 ... 10 A) und macht den Strom I2 proportional zur angelegten Spannung am Verbraucher, so zeigt das elektrodynamische Meßwerk die Wirkleistung des Verbrauchers an. Das Meßwerk muß aus den zugeführten Größen U und I das Moment für den Zeigerausschlag bilden. Damit wird der cos j automatisch berücksichtigt. Die feststehende Spule bildet den Strompfad, die bewegliche den Spannungspfad. Die Ausschlagrichtung des Zeigers hängt von dem Anschluß der beiden Pfade zueinander ab; beim Ausschlag des Zeigers in die falsche Richtung (an den Anschlag links) müssen die zwei Anschlüsse eines der beiden Pfade vertauscht werden. Auch aus diesem Grund kennzeichnen die Hersteller je einen Anschluß beider Pfade mit
Tabelle II-1 Beschriftungen auf Meßinstrumenten (Auszug aus DIN 43780) Elektrodynamisches Meßwerk
Wechselstrominstrument
Eisengeschlossenes, elektrodynamisches Meßwerk
Gleich- und Wechselstrominstrument Drehstrominstrument mit einem Meßwerk
Elektrodynamisches Quotientenmeßwerk Drehstrominstrument mit zwei Meßwerken Eisengeschlossenes, elektrodynamisches Quotientenmeßwerk
Drehstrominstrument mit drei Meßwerken
Induktions-Meßwerk
Senkrechte Gebrauchslage
Bimetall-Meßwerk Elektrostatisches Meßwerk
Waagrechte Gebrauchslage
Vibrations-Meßwerk Thermoumformer allgemein Drehspul-Meßwerk mit Thermoumformer Isolierter Thermoumformer Gleichrichter Drehspul-Meßwerk mit Gleichrichter
Schräge Gebrauchslage mit Angabe des Neigungswinkels Zeigernullstellvorrichtung Prüfspannungszeichen: die Ziffer im Stern bedeutet die Prüfspannung in kV (Stern ohne Ziffer 500 V Prüfspannung)
Achtung (Gebrauchsanweisung beachten) Instrument entspricht bezüglich Prüfspannung nicht den Regeln
744 einem Stern oder einem Pfeil. Weitere Einzelheiten hierzu sind bei der Leistungsmessung aufgeführt. Die Messung der Wirkleistung bei nichtsinusförmigem Spannungs- und Stromverlauf ist nur bedingt möglich. Hier gelten ähnliche Einschränkungen wie beim Dreheisenmeßwerk. Viele Hersteller haben für den Spannungspfad u.a. die Meßbereiche 120 V, 240 V und 480 V vorgesehen; für den Strompfad die Meßbereiche 5 A, 1 A. Für eine Meßbereichserweiterung mit Spannungsund Stromwandler sind in der Regel die Meßbereiche 100 V und 5 A erforderlich. Weitere Einzelheiten hierzu folgen im Kapitel VI.7.4 „Meßbereichserweiterung bei der Leistungsmessung“.
Meßtechnik
5 Symbole und Instrumentenbeschriftungen In Tabelle II-1 ist ein Auszug aus DIN 43780 der auf Instrumenten aufgedruckten Symbole und Beschriftungen enthalten. Besonders wird auf das Symbol „Dreieck mit innenliegendem Ausrufungszeichen“ hingewiesen. Es bedeutet, daß in der Betriebsanleitung wichtige Hinweise zum Betrieb des Meßgeräts enthalten sind! So kann ein Meßgerät zwar einen Meßbereich 5000 V haben, aber die Prüfspannung zwischen den Anschlußklemmen und dem Gehäuse ist geringer.
III Oszilloskop Das Oszilloskop wird eingesetzt, um den zeitlichen Verlauf von Spannungen sichtbar zu machen. In der Standardausführung können periodische Signale mit einem Frequenzbereich von einigen Hz bis in den MHz-Bereich verarbeitet werden. Darüber hinaus gibt es Sonderausführungen für folgende Darstellungen: − Periodische Signale mit Frequenzen bis zu einigen GHz (Sampling-Oszilloskope). − Periodische Signale mit Frequenzen unterhalb einiger Hz (Speicheroszilloskope). − Einmalige Signalverläufe (Speicheroszilloskope). − Mehrere Signalverläufe gleichzeitig in zeitlich korrekter Zuordnung zueinander (Mehrkanal-Oszilloskope). Zwar stellt das Oszilloskop nur Spannungsverläufe dar, aber Stromverläufe lassen sich über einen bekannten ohmschen Widerstand in Spannungsverläufe überführen, ohne daß sich der zeitliche Verlauf ändert.
1 Aufbau eines Standard-Oszilloskopes Das Prinzipschaltbild eines Standard-Einkanal-Oszilloskopes wird in Bild III-1 gezeigt. Es gliedert sich in die vier Funktionseinheiten: Y-Ablenkung (Vertikalablenkung), X-Ablenkung (Horizontalablenkung), Oszilloskopröhre und Netzteil. Die im folgenden verwendeten Bezeichnungen und Größen sind aus der Praxis entnommen. Sie werden meist in englischer Sprache angegeben und sind bei den meisten Oszilloskopen in dieser Form zu finden.
1.1 Oszilloskopröhre Den Aufbau zeigt Bild III-2. Die von der Kathode emittierten Elektronen werden durch das positive Potential der Anode von ungefähr (1 ... 4) kV beschleunigt, im Wehnelt-Zylinder gebündelt und beim Durchlaufen des elektrischen Feldes der X- und Y-Ablenkplatten abgelenkt. Anschließend werden sie durch eine Nachbeschleunigungsanode in Schirmnähe mit einer Spannung von bis zu 20 kV weiter beschleunigt. Beim Auftreffen auf den Schirm wird eine spezielle Leuchtschicht durch die kinetische Energie der Elektronen zum Leuchten angeregt. Die Zahl der pro Zeiteinheit auf den Schirm auftreffenden Elektronen läßt sich durch die Spannung am Steuergitter über das Potentiometer INTENSITY (Helligkeit) einstellen. Die Bündelung des Elektronenstrahles wird durch die Spannung am Wehnelt-Zylinder über das Potentiometer mit der Aufschrift FOCUS (Schärfe) verändert. Die Ablenkung der Elektronen in y-Richtung (in x-Richtung entsprechend) läßt sich wie folgt berechnen: Beim Passieren der Anode ist ihre kinetische Energie gleich der aufgenommenen elektrischen Enegie m ⋅ v z2 / 2 = e ⋅ UAK . Für die Elektronengeschwindigkeit vz ergibt sich daraus:
Elektronengeschwindigkeit v z =
2 ⋅ e ⋅ U AK m
m Masse eines Elektrons, m = 9,1 ⋅ 10 kg; vz Geschwindigkeit der Elektronen an der Anode und damit an den Ablenkplatten in z-Richtung in m/s; UAK Spannung zwischen Anode und Kathode in V; –19 e Ladung eines Elektrons, e = 1,6 · 10 A · s. –31
III Oszilloskop
745
DC AC Y-Eingang GND
DC AC
Abschwächer
Y-POS Y-Verstärker K
V Div
WF A INT EXT LINE
Steuerung Zeit- SägezahnTrigger ablenkung generator s/DIV
Triggereingang
Y-t
NA
X-Verstärker
X-Y
DC AC X-Eingang GND
V Div
Kathode Wehneltzylinder Oszilloskop- Fokussierung Anode röhre Nachbeschleunigung
K W F A NA
Stromversorgung Netz
Bild III-1 Prinzipschaltbild eines Standard-Einkanal-Oszilloskopes Die Auslenkung yp in y-Richtung nach Durchlaufen der Platten berechnet sich gemäß yp = ay · t2/2 (a Beschleunigung) mit Fy = m · ay = e · Ey und daraus ay = e · Ey /m sowie t = l/vz zu: Ey ⋅ l 2 Auslenkung y p = (III.1) 4 ⋅ U AK UAK Spannung zwischen Anode und Kathode in V; Ey Feldstärke zwischen den Ablenkplatten in V/m; l Länge der Ablenkplatten in m, siehe Bild III-2.
Für die Verweildauer t der Elektronen zwischen den Platten wurde l/vz eingesetzt. Die Auslenkung ys = yp(L + l/2)/(l/2) auf dem Schirm ergibt sich nach dem Strahlensatz, siehe Bild III-2. Man kann mathematisch zeigen, daß die untere Seite des Dreiecks genau L + l/2 lang ist. Setzt man für yp den Ausdruck aus Gleichung (III.1) ein und setzt weiterhin L + l/2 = Lg, so folgt ys = (Ey /Lg)/(2 · UAK). Setzt man schließlich Ey = Uy /d und teilt beide Seiten durch Uy, erhält man die Ablenkempfindlichkeit der Oszilloskopröhre: Lg ⋅ l ys Ablenkempfindlichkeit = U y 2 ⋅ U AK ⋅ d cm m in bzw. anschaulicher in V V
(III.2)
Lg, l, d in m, siehe Bild III-2; UAK Spannung zwischen Anode und Kathode in V
Für eine große Ablenkempfindlichkeit ist demnach eine große Röhrenlänge Lg, eine große Ablenkplattenlänge l, eine große Feldstärke Uy /d zwischen den Ablenkplatten und eine kleine Beschleunigungsspannung UAK (kleine Elektronengeschwindigkeit und damit längere Kraftwirkung auf die Elektronen in y-Richtung) erforderlich.
1
–1000V
2
5
3 4
INTEN- FOCUS SITY
6
7
8 (5...20)kV
1 2 3 4 5 6 7 8 9
9
Heizung Kathode Wehneltzylinder Fokussierelektrode Anode X-Ablenkplatten Y-Ablenkplatten Nachbeschleunigungsanode Fluoreszenzschicht
Uy
Anode y
yS
Kathode z
yP
d l UAK
L
l/2
Lg
Bild III-2 Prinzip der Oszilloskopröhre
1.2 Y-Ablenkung Die darzustellende Wechselspannung gelangt zunächst über eine umschaltbare Eingangskopplung, meist mit AC/DC/GND bezeichnet, auf einen Spannungsteiler, der die Amplitude des Eingangssignals an den nachfolgenden Verstärker anpaßt und die Zu-
746 ordnung zwischen der Amplitude der Eingangsspannung (in Volt) und der auf dem Schirm der Oszilloskopröhre dargestellten Amplitude (in cm) festlegt. Dieser Y-Ablenkkoeffizient wird in V/cm oder in V/DIV (division, Teilstrich) angegeben; er läßt sich häufig in den Stufungen 1-2-5 von 10 mV/DIV bis 50 V/DIV fest einstellen. Über ein Potentiometer kann er im Bereich zweier benachbarter Stufen verändert werden. Allerdings läßt sich diese Veränderung nicht an der Stellung des Potentiometers ablesen, es ist lediglich die Aufschrift VAR (variabel, also nicht kalibriert) angebracht. Deshalb hat das Potentiometer entweder einen Schalter, oder eine der beiden Endstellungen ist mit CAL (kalibriert) gekennzeichnet und bedeutet, daß der am Stufenschalter angegebene Ablenkkoeffizient nur in dieser Schalteroder Potentiometerstellung gilt. Über ein weiteres Potentiometer mit der Aufschrift Y-POS (Y-Position) kann dem darzustellenden Eingangssignal eine Gleichspannung einstellbarer Amplitude hinzuaddiert werden und damit das Bild auf dem Schirm nach oben oder unten verschoben werden. Die Ausgangsspannung des Y-Verstärkers wird den Y-Ablenkplatten der Oszilloskopröhre zugeführt. In der Schalterstellung AC der Eingangskopplung wird in Reihe zum Eingangssignal ein Kondensator geschaltet, der den Gleichanteil unterdrückt. Diese Betriebsart wird angewendet, wenn einer Spannung mit großem Gleichanteil (z.B. 25 V) eine Wechselspannung mit kleiner Amplitude (z.B. 20 mV) überlagert ist und nur die Wechselspannung dargestellt werden soll (Beispiel: „Brummspannung“ bei einer Spannungsstabilisierungsschaltung). Für die Schalterstellung DC wird dieser Kondensator überbrückt, d.h., das Eingangssignal wird amplitudengetreu auf dem Schirm dargestellt. Die Stellung GND trennt das Eingangssignal ab und legt den internen Eingang auf die Spannung 0 V. Damit läßt sich bestimmen, welche Strahllage der Spannung 0 V entspricht. Das ist erforderlich, weil diese Lage durch Verändern der Stellung des POS-Potentiometers beliebig gewählt werden kann.
1.3 X-Ablenkung Bei der X-Ablenkung unterscheidet man zwei Betriebsarten: X-Y- und Y-t-Betriebsart.
X-Y-Betriebsart: Die Funktionseinheit vom Eingang bis zu den Ablenkplatten ist im Prinzip die gleiche wie beim Y-Verstärker. Da diese Betriebsart aber nur wenig angewendet wird, hat man sie meist als „Sparversion“ ausgelegt. So ist die umschaltbare Eingangskopplung häufig nicht vorhanden; der umschaltbare X-Ablenkkoeffizient ist entweder fest vorgegeben (z.B. 1 V/DIV) oder nur in wenigen Stufen einstellbar. Diese Betriebsart dient dazu, die Spannung in Y-Richtung in Abhängigkeit von der Spannung in X-Richtung zu zeigen. Auf diese Weise können z.B. Kennlinien von Dioden und Transistoren dargestellt werden.
Meßtechnik Y-t-Betriebsart: In dieser Betriebsart wird die an den Y-Eingang angeschlossene Spannung in Abhängigkeit von der Zeit dargestellt. Dazu ist eine Zeitbasiseinheit erforderlich, die eine sägezahnförmige Spannung erzeugt. Diese Spannung lenkt den Strahl in horizontaler Richtung vom linken bis zum rechten Bildrand mit gleichbleibender Geschwindigkeit ab und bildet damit die Zeitachse des darzustellenden Signals. Die Frequenz des Sägezahnes kann in einer 1-2-5-Stufung eingestellt werden und wird als X-Ablenkkoeffizient im Bereich ns/DIV bis s/DIV angegeben. Auch hier gibt es die Möglichkeit, den X-Ablenkkoeffizienten stufenlos über ein Potentiometer zu verändern. Die Beschriftung ist, wie beim Y-Ablenkkoeffizienten, VAR, mit besonderer Stellung CAL. Damit dem Auge bei Signalfrequenzen oberhalb etwa 25 Hz ein stehendes Bild erscheint, müssen die Signalverläufe von der Oszilloskopröhre immer wieder genau übereinander geschrieben werden. Dazu dient die Triggereinheit, die den Zeitpunkt des Schreibeinsatzes am linken Bildschirmrand in Abhängigkeit vom Momentanwert des Signals festlegt. Zunächst wird mit einem Schalter, der oft mit TRIGGER bezeichnet wird und die drei Stellungen INT/EXT/LINE hat, festgelegt, ob das Triggersignal intern gebildet werden soll (Stellung INT), extern über eine an die Eingangsbuchse TRIG EXT angeschlossene Spannung (Stellung EXT) oder mit der 50-Hz-Netzfrequenz (Stellung LINE, Bedeutung vor allem für die Energietechnik) erfolgen soll. Weiterhin kann über einen Schalter mit der Bezeichnung SLOPE (Flanke) und den Stellungen POS/NEG oder +/– bestimmt werden, ob zur Triggerung die positive oder negative Flanke des Signals benutzt werden soll. Mit dem Potentiometer LEVEL wird eingestellt, bei welchem Spannungswert des Signals die Ablenkung des Strahles in X-Richtung beginnen soll, sofern über einen weiteren Schalter mit der Bezeichnung MODE (Betriebsart) und den Stellungen AUTO/NORM die Betriebsart NORM eingestellt wurde. In der Stellung AUTO wird der Trigger-Spannungswert intern fest auf meist 0 V eingestellt, das Potentiometer LEVEL ist dann wirkungslos. Dem Signal des X-Verstärkers kann mit dem Potentiometer X-POS eine Gleichspannung einstellbarer Amplitude überlagert werden. Damit wird das Bild auf dem Schirm in X-Richtung verschoben.
1.4 Netzteil Das Netzteil stellt die Betriebsspannungen für die elektronischen Verstärker oder Funktionseinheiten und die Oszilloskopröhre zur Verfügung. Letztere benötigt spezielle Spannungen für die Heizung, den Wehnelt-Zylinder (ca. 300 V), die Anodenspannung (1 kV ... 2 kV) und die Leuchtschirmspannung (Nachbeschleunigungsspannung, 2 kV bis 20 kV).
III Oszilloskop
747
2 Oszilloskope mit speziellen Eigenschaften
das Signal von CHANNEL 2. Je nach Triggerung kann hier die zeitliche Zuordnung beider Signale verlorengehen, da in der Regel nur auf einen Kanal getriggert werden kann und der Strahl nach Abbildung des ersten Signals sofort mit der Abbildung des zweiten ohne erneute Triggerung beginnt. Ist die Signalfrequenz größer als etwa 50 Hz, erscheint dem Auge ein stehendes Bild beider Signale.
Im Zuge des technischen Fortschrittes wurde die oben beschriebene Standardausführung des Oszilloskopes den Forderungen der Anwender entsprechend erweitert.
2.1 Zwei- oder Mehrkanal-Oszilloskope Mehrkanal-Oszilloskope können mehrere verschiedene Signalverläufe gleichzeitig auf dem Schirm abbilden. Bei den Zweikanal-Oszilloskopen kann das auf zwei unterschiedliche Arten geschehen:
1. Es sind zwei identische Y-Ablenk-Einheiten vorhanden, CHANNEL 1 und CHANNEL 2 (Kanal 1, 2). Jeder Kanal ist mit den Bedienelementen nach Kapitel III.1.2 ausgestattet, und die Oszilloskopröhre besitzt zwei Paare Y-Ablenkplatten. Die Triggerung der X-Ablenkung erhält einen zusätzlichen Wahlschalter, mit dem CHANNEL 1 oder CHANNEL 2 zur Triggerung ausgewählt werden kann. Beide Elektronenstrahlen laufen nach der Triggerung streng parallel über den Schirm. Damit bleibt die zeitliche Zuordnung (Phasenbeziehung) zwischen beiden Signalen gewahrt. Diese Ausführung wird manchmal auch als „echtes Zweistrahl-Oszilloskop“ bezeichnet. 2. Die Oszilloskopröhre enthält nur ein Paar Y-Ablenkplatten (Bild III-3). Die Y-Ablenk-Verstärker beider Kanäle sind zunächst getrennt und identisch und besitzen jeder die in Kapitel III.1.2 genannten Bedienelemente. Der Gesamtverstärker ist in zwei Vorverstärker (für jeden Kanal einen) und einen Endverstärker aufgeteilt. Dem Endverstärker werden die Signale beider Kanäle über einen Umschalter zugeführt. Um beide Signalverläufe darstellen zu können, kann man zwischen zwei Betriebsarten wählen:
Y-Eingang CHANNEL 1 AC DC GND
V Div
Eingangskopplung Teiler AC DC GND
Bild III-3 Zweikanaloszilloskop Endverstärker Vorverstärker
V Div
Y-Eingang CHANNEL 2
Y-Ablenkplatten Steuerung für ALT/CHOPPED
a) Betriebsart ALTERNATE oder kurz ALT (alternierend): Zunächst wird das Signal von CHANNEL 1 vollständig auf dem Schirm abgebildet. Der Strahl läuft zum linken Schirmrand zurück und schreibt
b) Betriebsart CHOPPED oder kurz CHOP (zerhackt): Während der Strahl des Oszilloskopes über den Schirm läuft, wird dem Endverstärker abwechselnd das Signal des einen und dann des anderen Kanals zugeführt. Die Umschaltung erfolgt mit Frequenzen im Bereich von etwa 500 kHz bis 10 MHz. Geschieht die Umschaltung zwischen beiden Kanälen nicht immer an der gleichen Stelle des Schirmes, sondern ist statistisch verteilt, erscheinen beide Signale als stehendes, zusammenhängendes Bild. Die zeitliche Zuordnung zwischen beiden Signalen ist in dieser Betriebsart automatisch erfüllt.
Die X-Ablenkung erhält dann einen weiteren Umschalter mit den Stellungen ALT/CHOPPED. Mit dem für jeden Kanal vorhandenen Einstellknopf Y-POS können bei Mehrkanal-Oszilloskopen die einzelnen Signalverläufe so in vertikaler Richtung verschoben werden, daß sie sich nicht überlappen. Die Ausführung mit der ALT/CHOPPED-Betriebsart ist billiger als diejenige mit einer Zweikanal-Oszilloskopröhre und hat sich durchgesetzt, zumal das Prinzip auf mehr als zwei Kanäle erweiterbar ist. Diese Mehrkanal-Oszilloskope werden mit zwei, drei oder vier Kanälen, in Spezialausführungen auch acht oder mehr, gefertigt.
2.2 Speicheroszilloskope Bei dieser Ausführung wird bei den neuen Geräten fast ausschließlich die digitale Signalspeicherung angewendet. Das an den Eingang der Y-Ablenkung angeschlossene Signal wird einem Analog-DigitalUmsetzer zugeführt, in einen digital kodierten Wert umgesetzt und in einem Speicher abgelegt. Gleichzeitig wird der Amplituden- und der Zeitmaßstab mit abgespeichert. Anschließend kann das Signal ausgelesen und auf dem Schirm dargestellt werden. Häufig geschieht die Speicherung eines Signalverlaufes mit 8-Bit-Worten und 512 oder 1024 Abtastwerten pro Bildschirm. Dies setzt bei Signalfrequenzen von 1 MHz oder mehr sehr schnelle Analog-DigitalUmsetzer voraus. Dieses Verfahren hat folgende Vorteile: − Auch Vorgänge mit Frequenzen unterhalb etwa 20 Hz können als stehendes Bild wiedergegeben werden, da die Frequenz der Darstellung des Bildes auf dem Schirm mit der Frequenz des
748
Meßtechnik
gespeicherten Bildes in keinem Zusammenhang steht. Der korrekte abgespeicherte Zeitmaßstab wird deshalb eingeblendet. − Einmalige Vorgänge werden abgespeichert und anschließend periodisch mit einer Frequenz > 25 Hz auf dem Schirm wiedergegeben. − Speicheroszilloskope sind mit integriertem Schreiber erhältlich, so daß sich Vorgänge beliebiger Frequenz, periodisch oder einmalig, zu Dokumentationszwecken aufzeichnen lassen. Mit Vielfarbschreibern können bei Mehrkanal-Oszilloskopen mehrere Kanäle gleichzeitig, voneinander einfach unterscheidbar, aufgeschrieben werden.
2.3 Oszilloskope mit DifferenzverstärkerEingang Beim Einsatz von Mehrkanal-Oszilloskopen haben alle Eingangsspannungen das Gehäuse des Oszilloskopes als gemeinsames Bezugspotential. Ein Oszilloskop mit Differenzverstärker-Eingang besitzt beim Y-Ablenkverstärker zwei Kanäle, CHANNEL 1 und CHANNEL 2, und ähnelt damit einem ZweikanalOszilloskop. Ein weiterer Wahlschalter hat die Stellungen SINGLE/ADD. In der ersten Stellung werden beide Kanäle unabhängig voneinander benutzt (Zweikanal-Oszilloskop), in der zweiten Stellung wird die Summe beider Eingangssignale dargestellt. Zusätzlich hat der zweite Kanal noch einen Umschalter NORM/INV. In der Stellung INV wird das Signal von CHANNEL 2 invertiert und in Stellung ADD vom Signal des CHANNELS 1 abgezogen. Damit lassen sich auch Signalverläufe darstellen, die keinen gemeinsamen Bezugspunkt, also eine gemeinsame Gleichtaktspannung, haben. Wichtig bei Messungen mit Differenzverstärker-Eingang ist die vom Hersteller angegebene maximal zulässige Gleichtaktspannung (COMMON-MODE-VOLTAGE). Bild III-4 Anwendung eines Differenzverstärkers
L G
eingestellt und CHANNEL 2 invertiert. Dann bildet das Oszilloskop intern u1 + (– u2) = uR
und stellt damit die Spannung am Widerstand R dar.
2.4 Sampling-Oszilloskope Sampling-Oszilloskope werden dort eingesetzt, wo die Darstellung des Signals nicht mehr in Echtzeit erfolgen kann, also bei Signalfrequenzen oberhalb etwa 350 MHz. Das Prinzip ist in Bild III-5 gezeigt. Das Signal wird abgetastet, und zwar mit Abtastimpulsen, deren Dauer tp möglichst klein und deren zeitlicher Abstand ta nur wenig größer (Dt) als die Periodendauer ts des darzustellenden Signals ist (ta = ts + Dt). Die Momentanwerte der Spannungen gelangen auf ein Abtast-Halte-Glied, an dem ein formtreues Abbild des Originalsignals mit geringerer Frequenz steht und das dann auf dem Schirm angezeigt wird. 2
C
7 4
tS
tp
5
6
periodisches Meßsignal Abtastimpulse Schirmbild
tS + Δ t
realer Verlauf idealer Verlauf
Bild III-5 Prinzip des Sampling-Oszilloskopes In der Praxis kann der zeitliche Abstand zweier Abtastimpulse auch so gewählt werden, daß die Periodendauer ts zwischen zwei Abtastzeitpunkten mehrmals vergangen ist: ta = n · ts + Dt mit n = 1, 2, 3, ... Diese Betriebsart erfordert eine weniger kurze Abtastdauer tp, dafür dauert ein Bildaufbau entsprechend länger.
2.5 Zusatzeinrichtungen bei Oszilloskopen
Kalibrier-Spannungsquelle: An einer zusätzlichen Anschlußbuchse mit der Bezeichnung CAL OUT kann in der Regel ein Rechtecksignal mit kalibrierter Amplitude, Tastgrad und Periodendauer entnommen werden. Häufig handelt es sich um ein symmetrisch zur Nullinie gelegenes Rechtecksignal mit der Amplitude ± 1 V, einem Tastgrad 1 : 2 und der Frequenz 1 kHz. Damit kann, wenigstens teilweise, die Funktionstüchtigkeit des Y- und X-Verstärkers kontrolliert werden. Daneben dient dieses Signal auch zur Kalibrierung von Tastköpfen.
Tastköpfe: Der Eingang eines Oszilloskopes stellt für die ihn speisende Quelle eine Last von etwa 1 MΩ (Re) parallel zu etwa 50 pF (Ce) dar (Bild III-6a). Aus Gründen der Störunterdrückung
Y1
uR
3
1
R u1
(III.3)
u2
Y2
Y1 + Y2 Y2 INVERT. Oszilloskop
In Bild III-4 soll die Spannung am Widerstand R oszilloskopiert werden, wobei die Spannungsquelle und das Oszilloskop ein gemeinsames Bezugspotential (Masse, Gehäuse) haben, das nicht am Widerstand liegt. Die beiden Anschlüsse des Widerstandes werden mit den Eingängen CHANNEL 1 und CHANNEL 2 verbunden, die Betriebsweise wird auf ADD
III Oszilloskop
749
werden die darzustellenden Signale dem Oszilloskopeingang über abgeschirmte Kabel, meist Koaxialkabel mit einem Wellenwiderstand von (50 ... 75) Ω, zugeführt. Diese haben eine Kapazität von etwa (50 ... 100) pF pro Meter (CL/m). Selbst wenn man die Induktivität und die ohmschen Widerstände des Kabels vernachlässigt, bilden Leitungskapazität CL und Eingangskapazität Ce mit dem Innenwiderstand Ri der Signalquelle einen Tiefpaß.
Re wird mit 1 MΩ und Ri mit 50 Ω angenommen; damit ist der Summand Ri /Re im Nenner vernachlässigbar. Die Grenzfrequenz fg ergibt sich, wenn Imaginär- und Realteil im Nenner von Gleichung (III.4) gleich sind: 1 = wg · C · Ri und daraus fg = 1/(2 · p · C · Ri) mit C = CL + Ce (III.5) Beispiel III.1: Ein Koaxialkabel von 2 m Länge und einer Kapa-
zität von 50 pF/m (CL = 2 m ⋅ 50 pF/m = 100 pF), eine Oszilloskop-Eingangskapazität von 50 pF und ein SignalquellenInnenwiderstand von 50 Ω führen zu einer Grenzfrequenz nach Gleichung (III.5) von etwa 21,2 MHz. Nimmt man an, daß bei nichtsinusförmigen Signalen mindestens noch die 10. Harmonische gemäß Fourierzerlegung erfaßt werden muß, werden Signale mit Frequenzen oberhalb etwa 2,2 MHz bereits mehr oder weniger verfälscht dargestellt.
Das Verhältnis der Spannungen U e / U s berechnet sich für sinusförmige Spannungen mit C = Ce + CL zu: 1 ⋅ Re jω C 1 + Re Ue 1 jω C = = 1 1 Us ⋅ Re + Re jω C jω C + Ri 1 + Ri ⋅ Re 1 + Re jω C jω C
Um diese Probleme zu umgehen, hat man die Tastköpfe entwickelt, deren interner Aufbau in Bild III-6b dargestellt ist. Der Kondensator CTK ist von außen einstellbar und liegt parallel zu RTK . RTK mit CTK und C = CL + Ce mit Re bilden einen Spannungsteiler. Damit ist das Spannungsverhältnis:
1 1 = = Ri 1 + Re jω C 1 + Ri ⋅ 1 + + Ri ⋅ jω C Re Re
Ue Us
Us
a)
≈
1 1 + Ri ⋅ jwC
G u (t )
Ri
U1
Ue
(III.4)
CL
Meßobjekt Koaxialkabel
Re
Ce
G u (t )
Eingang Oszilloskop
Meßobjekt Tastkopf b)
CTK zu klein
1 1 + jwR e C 1+ 1 + jwR TK C TK
RTK · CTK = Re · C
CL
Koaxialkabel
Re
Ce
Ue
(III.6)
Eingang Oszilloskop
CTK zu groß
Bild III-6 Tastkopf a) Oszilloskop mit Signalquelle und Kabel b) zusätzlich mit Tastkopf c) dargestelltes Signal bei Tastkopfabgleich
(III.7)
Damit wird die Signalform eines beliebigen Eingangssignals nicht verändert, denn gemäß Fourierzerlegung dieses Signals werden alle vorkommenden Frequenzanteile um den gleichen Faktor herabgesetzt. Da C in der Regel größer als 100 pF ist und CTK als einstellbare Kapazität maximal etwa 30 pF gemacht werden kann, wird RTK größer als Re gewählt. Es werden Tastköpfe mit Teilerverhältnissen 10 : 1 und 100 : 1 angeboten.
c)
1 1 R TK ⋅ ⋅ Re jwC TK jwC + 1 1 + R e R TK + jwC jwC TK
Dieses Verhältnis wird frequenzunabhängig, wenn gilt:
Ri C U1 TK
=
=
Ue
RTK Us
U1
1 ⋅ Re jwC 1 + Re jwC
Hinweise: Korrekterweise müßte für die Teiler der Wert 1 : 10 oder 1 : 100 angegeben werden, es wird aber der Kehrwert genommen. Der am Oszilloskop eingestellte Y-Ablenkkoeffizient ist durch die Teilung mit dem Tastkopf nicht mehr gültig. Einige Oszilloskope erkennen den Anschluß eines Tastkopfes und geben eine entsprechende Mitteilung aus oder blenden den korrigierten Wert in die Anzeige oder den Schirm ein.
750 Beim Einsatz von Tastköpfen erhöht sich der Eingangswiderstand auf den Wert Re + RTK, während sich die Kapazität durch die Reihenschaltung von CTK und (CL + Ce) verringert (CTK < CL, Ce). Damit die Bedingung aus Gleichung (III.7) für unterschiedliche Werte Re und Ce von Oszilloskop-Eingängen mit dem jeweiligen Tastkopf erfüllt werden
Meßtechnik kann, schließt man an den Eingang des Tastkopfes die oben beschriebene Kalibrier-Spannungsquelle an und gleicht mit dem einstellbaren Kondensator das Bild auf dem Oszilloskopschirm auf ein Rechteck ab. Ist die Bedingung nach Gleichung (III.7) nicht erfüllt, ergeben sich Signalverläufe, wie sie in Bild III-6c dargestellt sind.
IV Schreibende Meßgeräte Beim Oszilloskop sind die beiden Betriebsarten X-YBetrieb und Y-t-Betrieb erläutert worden. Will man die dort auf dem Oszilloskopschirm dargestellten funktionalen Abhängigkeiten zu Dokumentationszwecken aufschreiben, benutzt man Schreibende Meßgeräte (Schreiber). Sie haben mit dem Aufbau eines Oszilloskopes einiges gemeinsam, deshalb werden auch die entsprechenden Beschreibungen aus Kapitel III.1 und das zugeordnete Bild III-1 verwendet. Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, daß die zu messende Spannung keine Elektronen auf ihrer Flugbahn ablenkt, sondern einen Schreibstift proportional auslenkt, der eine Schreibspur auf Papier hinterläßt.
1 Y-t-Schreiber
Y-Ablenkung: Die darzustellende Wechselspannung gelangt zunächst über eine umschaltbare Eingangskopplung, meist mit AC/DC/GND bezeichnet, auf einen Spannungsteiler, der die Amplitude des Eingangssignals an den nachfolgenden Verstärker anpaßt und die Zuordnung zwischen der Amplitude der Eingangsspannung (in Volt) und der auf dem Papier dargestellten Amplitude (in cm) festlegt (Bild III-1). Dieser Y-Ablenkkoeffizient wird in V/cm angegeben; er läßt sich häufig in den Stufungen 1-2-5 von 10 mV/DIV bis 50 V/DIV fest einstellen. Über ein Potentiometer kann er im Bereich zweier benachbarter Stufen verändert werden. Allerdings läßt sich diese Veränderung nicht an der Stellung des Potentiometers ablesen, es ist lediglich die Aufschrift VAR (variabel, also nicht kalibriert) angebracht. Deshalb hat das Po-
tentiometer entweder einen Schalter oder eine der beiden Endstellungen ist mit CAL (kalibriert) gekennzeichnet und bedeutet, daß nur in dieser Schalter- oder Potentiometerstellung der am Stufenschalter angegebene Ablenkkoeffizient gilt. Über ein weiteres Potentiometer mit der Aufschrift Y-POS (Y-Position) kann dem darzustellenden Eingangssignal eine Gleichspannung einstellbarer Amplitude hinzuaddiert und damit das Bild auf dem Papier seitlich verschoben werden. Die Ausgangsspannung des Y-Verstärkers bewirkt eine proportionale Auslenkung des Schreibstiftes.
t-Ablenkung: Die an den Y-Eingang angeschlossene Spannung soll in Abhängigkeit von der Zeit dargestellt werden. Dazu ist eine Zeitbasiseinheit erforderlich, die über einen Elektromotor für einen gleichmäßigen Papiervorschub sorgt. Die Geschwindigkeit dieses Vorschubes kann wiederum eingestellt werden in einer 1-2-5-Stufung und wird als X-Ablenkkoeffizient in ms/cm bis s/cm angegeben. Auch hier gibt es die Möglichkeit, den X-Ablenkkoeffizienten stufenlos über ein Potentiometer zu verändern. Die Beschriftung ist VAR, mit besonderer Stellung CAL.
Das Papier befindet sich häufig auf Rollen mit Längen Lp zwischen 20 m und 100 m (in X- bzw. t-Achsrichtung) und Breiten zwischen 20 cm und 30 cm (in Y-Achsrichtung). Die maximale Aufzeichnungszeit tmax ist gegeben durch die Papierlänge und den gewählten Ablenkkoeffizienten (tmax = Lp · (XAblenkkoeffizient)). Infolge der Massenträgheit der Schreibeinrichtung liegt die Grenzfrequenz relativ niedrig bei etwa 10 Hz.
V Digital anzeigende Meßgeräte
2 X-Y-Schreiber Der Papiervorschub wird abgeschaltet und der Schreibstift in X-Richtung über eine an einen zweiten Verstärker anzuschließende Spannung ausgelenkt. Dieser zweite Verstärker ist meist gleich aufgebaut wie der Y-Verstärker. Macht man die Spannung am X-Verstärker proportional zu einem Strom, lassen sich, wie beim Oszilloskop, beispielsweise Kennlinien von Dioden, Transistoren und spannungsabhängigen Widerständen aufschreiben.
3 Auslenkung des Schreibstiftes Die Umsetzung der Ausgangsspannung des Y-Verstärkers allgemein und des X-Verstärkers in der X-YBetriebsart in eine Schreibstiftauslenkung erfolgt im wesentlichen auf zwei Arten:
Direkte Auslenkung: Das Prinzip läßt sich an einem Drehspulmeßwerk zeigen (Bild II-1, Kapitel II.2). Die Verstärker-Ausgangsspannung wird an die Drehspule angeschlossen, verursacht einen proportionalen Strom und damit eine proportionale Zeigerauslenkung. An der Spitze des Zeigers ist der Schreibstift befestigt, der auf dem darunter vorbeilaufenden Papier den Momentanwert der Spannung markiert. Diese Art der Auslenkung läßt sich technisch nur für die Y-t-Betriebsart anwenden.
751
Kompensationsverfahren: Der Schreibstift kann durch eine Schlittenführung über einen Elektromotor und einen Seilzug in Y-Richtung über das Papier geführt werden. An der Schlittenführung ist in voller Papierbreite eine Potentiometerbahn befestigt. Am Schreibstift sitzt der Schleifer dieses Potentiometers, so daß der abgegriffene Spannungswert der Stellung des Schreibstiftes proportional ist. Das Ausgangssignal des Y-Verstärkers und der am Potentiometer abgegriffene Spannungswert werden einem Differenzverstärker zugeführt. Ist die Differenz nicht Null, wird der Schreibstift über den Elektromotor entsprechend verstellt, bis die Differenz zu Null geworden ist. Dann hat der Schreibstift seine Sollstellung erreicht.
Der Vorteil dieses Verfahrens gegenüber dem der direkten Auslenkung liegt zum einen in einer höheren Grenzfrequenz, da das Erreichen der Sollstellung des Schreibstiftes mit relativ großer Leistung über den Elektromotor erfolgen kann. Zum anderen ist es mit einem kleineren Fehler behaftet, weil kleine Abweichungen von der Sollstellung, z.B. durch Reibung des Stiftes auf dem Papier, vom Kompensationsverfahren erkannt und korrigiert werden; bei der direkten Auslenkung fehlt diese Rückmeldung. Die Auslenkung des Schreibstiftes zusätzlich in X-Richtung nach dem Kompensationsverfahren ist ohne weiteres möglich, so daß dieses Verfahren für X-Y-Schreiber eingesetzt wird.
V Digital anzeigende Meßgeräte Die im Kapitel II behandelten analog anzeigenden Meßgeräte werden zunehmend durch digital anzeigende Geräte ergänzt oder ersetzt. In der Tabelle V-1 sind einige Vorteile beider Verfahren einander gegenübergestellt.
1 Digitalvoltmeter Digital anzeigende Meßgeräte haben in der Regel einen Analog-Digital-Umsetzer für Gleichspannungen eingebaut. Für diese Umsetzer werden, je nach
Tabelle V-1 Vorteile von analog und digital anzeigenden Meßgeräten Analog anzeigende Meßgeräte
Digital anzeigende Meßgeräte
Meist keine Hilfsenergie (Batterie) erforderlich
Geringer Meßfehler, vor allem bei Gleichspannungsmessung (< 10–3)
Tendenzen/Änderungen leicht erkennbar (einfacher Abgleich auf Extremwert) Erfassen mehrerer Meßwerte gleichzeitig (Flugzeugkanzel)
Hoher Instrumenten-Innenwiderstand bei Spannungsmessung (10 MΩ bis 100 GΩ) Einfache Meßwert-Speicherung und -Weiterverarbeitung Mehrere Messungen (10 bis 1000) pro Sekunde möglich
Um die Vorteile beider Verfahren zu kombinieren, werden digital anzeigende Meßgeräte mit einer zusätzlichen Balkenanzeige mit bis zu 100 Einzelelementen gefertigt. Auf diese Weise wird eine quasianaloge Anzeige nachgebildet.
meßtechnischer Anforderung, unterschiedliche Verfahren verwendet. So sind diejenigen nach dem Prinzip des Mehrrampenverfahrens besonders für die Präzisionsmeßtechnik geeignet, da sie mit maximalen relativen Meßfehlern im Bereich ± 10–3 bis ± 10–6
752
Meßtechnik
behaftet sind. Allerdings benötigen sie für einen Meßzyklus Zeiten zwischen 0,1 s (Fehler ca. ± 10–3) und 10 s (Fehler ca. ± 10–6). Für Fehler ≥⏐± 10–5⏐werden diese Umsetzer als Integrierte Bausteine gefertigt und haben häufig einen Eingangs-Spannungsbereich von 0 bis ± 200 mV oder 0 bis ± 2 V. Maximale Fehler und Stellenzahl der Anzeige werden in der Regel einander angepaßt, so daß die Anzeige dann den Wertebereich von 0 bis ± 1999 (Fehler ca. ± 10–3), 0 bis ± 19 999 (Fehler ca. ± 10–4) oder 0 bis ± 199 999 (Fehler ca. ± 10–5) erfaßt. Im ersten Fall spricht man von einer 3½-stelligen Anzeige, und entsprechend für die anderen Fälle von 4½- oder 5½-stelliger Anzeige. In die Anzeige muß ein Komma eingefügt werden, wenn der angezeigte Zahlenwert der Spannung in Volt entsprechen soll. Daneben gibt es auch Digitalvoltmeterbausteine mit 3¾-, 4¾- oder 5¾-stelliger Anzeige mit einem Wertebereich von 0 bis ± 3999, 0 bis ± 39 999 oder 0 bis ± 399 999. Zur Messung von Wechselspannungen werden zwei Verfahren eingesetzt: a) Die zu messende Spannung wird gleichgerichtet und dann deren Scheitelwert gemessen. Anschließend wird dieser Wert durch 1,41 geteilt und angezeigt. Da aber nur für sinusförmigen Spannungsverlauf der Faktor 1,41 zwischen Effektivwert und Scheitelwert besteht, ist die Messung von Wechselspannungen auf diesen Signalverlauf beschränkt. Man findet dieses Verfahren häufig bei den Digitalvoltmetern mit 3½oder 3¾-stelliger Anzeige, seltener bei denen mit 4½- oder 4¾-stelliger Anzeige. b) Der Effektivwert wird tatsächlich gemessen. Das geschieht wiederum nach zwei Verfahren: b1) Der analoge Spannungsverlauf wird quadriert, dann über eine Periode integriert, auf diese Periode bezogen, aus dem so erhaltenen Wert die Wurzel gezogen und dann angezeigt. Damit wird die mathematische Darstellung des Effektivwertes schaltungstechnisch realisiert: T
Effektivwert U =
1 2 ∫ { u ( t )} d t T0
(V.1)
b2) Der analoge Spannungsverlauf wird pro Periode 100mal oder mehr abgetastet und über einen Analog-Digital-Umsetzer in Digitalwerte umgesetzt. Diese digital kodierten Spannungswerte werden dann, um Gleichung (V.1) zu erfüllen, quadriert, die Werte einer Periode summiert, durch die Anzahl der Werte geteilt, aus dem so erhaltenen Wert die Wurzel gezogen und angezeigt. Da hier Umsetzer mit einer Umsetzzeit verwendet werden müssen, die sich aus der Periodendauer der Wechselspannung, geteilt durch die Zahl der Abtastwerte pro Periode, ergibt, kommen nur Umsetzer nach dem Flash-Verfahren in Frage. Diese haben Umsetzzeiten im Bereich von wenigen Mikrosekunden, allerdings
sind die erreichten Fehler meist >⏐± 10–3⏐, da der Spannungswert innerhalb dieser kurzen Zeiträume nur mit 8 bit kodiert dargestellt werden kann. Das ist auch der Grund dafür, warum Digitalvoltmeter in den Gleichspannungsmeßbereichen kleinere Fehler aufweisen als in den Wechselspannungsmeßbereichen. Die Meßbereiche Integrierter Digitalvoltmeterbausteine können zur Messung größerer Spannungen durch ohmsche Widerstandsteiler (Bild VI-1) erweitert werden. Der Eingangswiderstand dieser Digitalvoltmeterbausteine liegt in der Größenordnung 100 MΩ bis 1 GΩ; beim Einsatz von Widerstandsteilern zur Meßbereichserweiterung wird der resultierende Eingangswiderstand des Digitalvoltmeters durch den Widerstand dieses Teilers bestimmt. Er liegt für Gleich- und Wechselspannungen häufig bei 10 MΩ.
2 Digitalmultimeter In Anlehnung an die analogen Multimeter wird auch bei Digitalvoltmetern durch Zusatzeinrichtungen die Messung von Strömen und Widerständen möglich und damit das Instrument zum Digitalmultimeter erweitert.
Messung von Widerständen: In das Instrument wird eine Konstantstromquelle eingebaut, deren Strom den unbekannten Widerstand durchfließt. Die an dem Widerstand entstehende Spannung ist dem Strom proportional und wird gemessen. Der Strom der Stromquelle und der Meßbereichsendwert für den jeweiligen Widerstandsmeßbereich werden so gewählt, daß sich beispielsweise ein Spannungswert von 200 mV ergibt: Im 200-ΩMeßbereich wird ein Strom für die Stromquelle von 1 mA eingestellt; im Meßbereich 2 kΩ entsprechend 0,1 mA. Bei einigen Meßgeräten kann der Strom um den Faktor 10 höher gewählt werden (Bezeichnung „HIGH“ im Gegensatz zu „LOW“), so daß sich eine maximale Spannung von 2 V ergibt. Das ist vorteilhaft, wenn der Widerstand von Dioden oder Transistoren in Durchlaßrichtung gemessen werden soll, da dann auch die Schwellspannung von Siliziumhalbleitern überschritten wird.
Die Meßbereiche sind meist dekadisch gestuft und reichen von 200 Ω bis 20 MΩ. Der Fehler des Meßgerätes bei Widerstandsmessungen liegt deutlich höher als bei Gleichspannungsmessungen, da die Stromquelle mit einem entsprechend höheren Fehler behaftet ist. Bei der Messung von Widerständen < 10 Ω gehen sowohl die Zuleitungswiderstände zum Meßinstrument als auch die Art des Anschlusses am zu messenden Widerstand in das Meßergebnis ein. Um dieses Problem zu umgehen, bieten Digitalmultimeter für Widerstands-Präzisionsmessungen die Vierpolmessung an. Dazu muß der Widerstand Potentialan-
V Digital anzeigende Meßgeräte schlüsse haben, an denen die Spannung über dem Widerstand unabhängig von der Art des Anschlusses und der Länge der Meßleitungen gemessen wird. Der Strom wird in die Stromanschlüsse eingespeist. Damit ist die Länge der Zuleitungen ohne Bedeutung. Besitzt der Widerstand keine Potentialanschlüsse, kann man versuchen, sie durch Anklemmen oder Anlöten zweier zusätzlicher Anschlüsse nachzubilden.
Messung von Strömen: Sie wird auf eine Spannungsmessung zurückgeführt, indem der zu messende Strom I einen in das Instrument eingebauten bekannten Widerstand R0 durchfließt. Damit ist die gemessene Spannung U dem Strom I proportional (U = I · R0). Die Meßbereiche sind in der Regel mit dem Faktor 100 gestuft und ergeben sich damit zu 2 mA, 200 mA und 20 A. Die Widerstände haben die Werte 100 Ω, 1 Ω und 0,01 Ω, damit sich beim Meßbereichsendwert eine Spannung von 200 mV einstellt. Der 20 A-Meßbereich ist in der Regel über getrennte Buchsen erreichbar und über eine Feinsicherung abgesichert. Da Sicherungen in den anderen niedrigeren Strommeßbereichen nicht vorgesehen sind, besteht die Gefahr einer Überlastung der Widerstände durch zu hohe Ströme, was entweder zu ihrer Zerstörung oder aber zur Änderung ihres Wertes und damit zur Erhöhung des Meßfehlers führen kann.
Es können sowohl Gleich- als auch Wechselströme gemessen werden. Da die Strommessung auf eine Spannungsmessung zurückgeführt wird, gelten bei der Messung von Wechselströmen die im Kapitel „Messung von Wechselspannungen“ aufgeführten Verfahren und Probleme hier gleichermaßen. Der Meßfehler ist bei Gleichstrommessungen um ein bis zwei Größenordnungen größer als bei Gleichspannungsmessungen, weil die Widerstände einen entsprechend höheren Fehler aufweisen, der sich durch Überlastung noch vergrößern kann. Bei der Wechselstrommessung kommen noch zusätzlich die bereits bei der Messung von Wechselspannungen gegenüber Gleichspannungen vorhandenen höheren Meßfehler hinzu.
3 Messung von Kapazitäten, Frequenzen und Stromverstärkungen Viele Digitalmultimeter sind noch zusätzlich mit einer oder mehreren der folgenden Meßmöglichkeiten ausgestattet.
753
Frequenzmessung: Für die Frequenzmessung wird der für die Analog-Digital-Umsetzung erforderliche interne Taktgeber, meist ein Quarzoszillator, zur Bereitstellung der Torzeit des Zählers herangezogen. Der Zähler selbst ist wegen des Mehrrampenverfahrens bei der Analog-Digital-Umsetzung ebenfalls schon im Baustein vorhanden. Als Meßbereiche stehen häufig 20 kHz und 200 kHz zur Verfügung; der Fehler liegt bei ca. ± 1%.
Kapazitätsmessung: Zur Messung der Kapazität eines Kondensators wird die für die Widerstandsmessung erforderliche Stromquelle benutzt. Bei Konstantstromladung eines Kondensators C mit dem Strom I0 über eine festgelegte Zeit Dt ergibt sich eine Spannungszunahme DU am Kondensator. Den Zusammenhang zwischen diesen Größen erhält man über die dem Kondensator zugeführte Ladung Q (Q = C · DU = I0 · Dt). Daraus folgt für C: C = I0 · Dt/DU. Die Meßbereiche sind häufig zu 2 nF, 200 nF und 2 mF gewählt. Der Fehler liegt in der Größenordnung (± 1 ... ± 5)%.
Stromverstärkung: Für die Messung der Stromverstärkung h21 von Transistoren wird in die Basis des Transistors ein Strom aus der für Widerstandsmessungen erforderlichen Stromquelle eingespeist und der Kollektorstrom gemessen. Wählt man den Strom der Stromquelle zu 0,01 mA und wird der Kollektorstrom zu 1,53 mA gemessen, muß nur das Komma in der Anzeige unterdrückt werden, damit die Stromverstärkung 153 angezeigt wird.
Für die hier angesprochenen Messungen von Kapazitäten, Frequenzen und Stromverstärkungen gilt, daß der Fehler meist im Bereich von ± 1% bis ± 5% liegt, und zwar relativ unabhängig von der Anzahl der Stellen des Digitalmultimeters.
4 Messung von Temperaturen Manchmal ist einem Digitalmultimeter eine Temperaturmeßeinrichtung in Form eines Widerstandsthermometers mit Platin-Widerstandselement (Nennwert meist 1000 Ω) beigefügt. Zur Messung der Temperatur wird entweder die bereits mehrfach erwähnte Stromquelle oder eine Brückenschaltung eingesetzt. Einzelheiten dazu im Kapitel VII-1.6, „Thermische Aufnehmer“.
754
Meßtechnik
VI Meßverfahren zur Messung elektrischer Größen Schalterstellung 1 2 3 4 5
1 Messung von Gleichspannungen Die Messung von Gleichspannungen kann mit analog oder digital anzeigenden Meßgeräten erfolgen. 9,0MΩ
1.1 Analog anzeigende Spannungsmeßgeräte Je nach maximal zulässigem Fehler werden entweder Dreheisen-Meßinstrumente der Klassen 1, 2,5 und 5 oder Drehspul-Meßinstrumente der Klassen 0,2, 0,5 und 1, für Präzisionsmessungen der Klassen 0,05 und 0,1 eingesetzt (Definition des Begriffs „Klasse“ in Kapitel I.5). Die Meßinstrumente sind entweder für nur einen Meßbereich ausgelegt oder verfügen durch den Einbau einer Meßbereichserweiterung über mehrere Meßbereiche. Die am häufigsten anzutreffenden Stufungen bei mehreren Meßbereichen sind 1-3-1030 ... und 2-5-20-50 ... Bei der Spannungsmessung wird das Meßinstrument von einem der Spannung proportionalen Strom durchflossen, der wiederum den proportionalen Zeigerausschlag bewirkt. Dieser Strom wird dem Meßkreis entnommen und verändert den Wert der zu messenden Spannung. Um die Belastung durch das Meßinstrument erfassen zu können, wird häufig dessen Kennwiderstand rK in Ω/V angegeben. Er muß mit dem Meßbereichsendwert multipliziert werden, um den Widerstand des Instrumentes (Innenwiderstand) zu erhalten. Bei Drehspulmeßinstrumenten liegt der Kennwiderstand im Bereich von 20 kΩ/V bis 200 kΩ/V, bei Dreheisenmeßinstrumenten dagegen nur bei etwa 200 Ω/V (siehe auch Beispiel VI.1).
1.2 Digital anzeigende Spannungsmeßgeräte Digital anzeigende Spannungsmesser (Digitalvoltmeter) besitzen in der Regel mehrere Meßbereiche, die dekadisch gestuft sind: 0,2 V, 2 V, 20 V, 200 V und 1000 V oder 0,4 V, 4 V, 40 V, 400 V und 1000 V. Als höchster Meßbereich wird 1000 V gewählt, weil es sich bei Spannungen größer 1000 V um Hochspannung handelt und damit besondere Isolationsmaßnahmen erforderlich werden. Der Innenwiderstand ist unabhängig vom gewählten Meßbereich und wird vom Eingangsspannungsteiler zur Meßbereichserweiterung gebildet (Bild VI-1). Er liegt häufig bei 10 MΩ, bei Präzisionsmeßgeräten ist er ausnahmsweise im kleinsten Meßbereich durch Abtrennen des Eingangsspannungsteilers erheblich größer, z.B. 10 GΩ. Der Eingangswiderstand des Analog-Digital-Umsetzers ist ≥ 10 GΩ und beeinflußt damit nicht das Teilerverhältnis des Widerstandsteilers beim Umschalten des Meßbereiches. Der Meßfehler liegt bei ≤⏐± 5 · 10–3⏐.
5 4 3 2 1
900kΩ 90kΩ 9kΩ
Meßbereich 400V 40V 4V 0,4V 0,04V Digitalvoltmeter
Meßbereich: 40mV
R1
Uein 1kΩ
C1
Re>100MΩ
Schutzbeschaltung gegen Überspannung R1 ca. 100kΩ bis 1MΩ C1 ca. 10nF bis 100nF
Bild VI-1 Typischer Eingangsspannungsteiler eines Digitalvoltmeters
1.3 Meßabweichung durch den Innenwiderstand des Spannungsmessers Ist der Innenwiderstand des Spannungsmessers (analog oder digital anzeigend) nicht unendlich groß, wird die zu messende Spannung durch das Meßinstrument verändert. In der Schaltung Bild VI-2 soll die Spannung über dem Widerstand R2 gemessen werden. Das Instrument hat den Innenwiderstand Ri. Ohne angeschlossenes Meßinstrument beträgt die Spannung U2 an R2: U2 = U0 · R2/(R1 + R2) mit angeschlossenem Meßinstrument: U'2 = U0 · (R2 冩 Ri)/(R1 + (R2 冩 Ri)) R1 U0
R2
U2
V Ri
U′2
Meßinstrument
Bild VI-2 Meßabweichung bei der Spannungsmessung
Die gemessene Spannung ist damit kleiner als der tatsächliche Wert ohne Instrument. Die daraus resultierende systematische Meßabweichung läßt sich berechnen, indem U2 und U'2 in die Formel für den relativen Fehler eingesetzt werden: f = ( x a − x r ) / x r = ( U 2′ − U 2 ) / U 2 = Ri ⋅ R2 Ri + R2 R1 + R2 ⋅ −1 = Ri ⋅ R2 U 0 ⋅ R2 + R1 Ri + R2 U0 ⋅
U 2′ −1 U2
VI Meßverfahren zur Messung elektrischer Größen Nach Gleichungsumformung folgt daraus: Systematische Meßabweichung
f =−
1 Ri 1+ Ri R2
(VI.1)
Die durch das Meßinstrument verursachte Meßabweichung wird um so kleiner, je größer dessen Innenwiderstand Ri im Verhältnis zur Parallelschaltung der Widerstände Ri und R2 ist. Deshalb gilt allgemein: Der Innenwiderstand von Spannungsmessern sollte so groß wie möglich sein! Beispiel VI.1: Ein analog anzeigendes Meßinstrument mit dem
Kennwiderstand rK = 100 kΩ/V hat im Meßbereich 0,3 V einen Innenwiderstand von 100 kΩ/V ⋅ 0,3 V = 30 kΩ; im Meßbereich 300 V einen Innenwiderstand von 100 kΩ/V ⋅ 300 V = 30 MΩ. Ein Digitalvoltmeter hat den meßbereichsunabhängigen Innenwiderstand 10 MΩ. Dann ist der Innenwiderstand des analog anzeigenden Meßgerätes in den Meßbereichen > 100 V größer als der des Digitalvoltmeters.
755
Der Fehler des Verfahrens hängt davon ab, wie genau die Spannung UN, deren Innenwiderstand RiN und die Widerstände RK und RN bekannt sind und wie empfindlich der Nullindikator ist. Mit Präzisionskompensatoren lassen sich Spannungen mit einem Fehler f <⏐±10–4⏐ messen. Allerdings verliert dieses Meßverfahren an Bedeutung, weil Präzisions-Digitalvoltmeter im 0,2-V- und 2-V-Meßbereich Fehler in der gleichen Größenordnung aufweisen und häufig Innenwiderstände im Bereich 1 GΩ bis 10 GΩ besitzen. Damit kann die Meßabweichung nach Gleichung VI.1 meist vernachlässigt werden.
2 Messung von Gleichströmen 2.1 Analog anzeigende Strommeßgeräte
Die Meßabweichung durch den endlichen Innenwiderstand des Spannungsmessers läßt sich vermeiden, wenn der für die Messung notwendige Strom von einer Hilfsenergiequelle geliefert wird. In Bild VI-3 ist das Prinzip gezeigt. Die Spannung UN ist bekannt, sie wird z.B. von einem Normalelement geliefert. Ihr Innenwiderstand RiN ist ebenfalls bekannt. Der Widerstandsteiler ist ein Präzisionsteiler mit dem Gesamtwiderstand RN und dem einstellbaren Teilwiderstand RK. Er wird häufig als einstellbarer Stufenwiderstand mit mehreren Dekaden ausgeführt. Die zu messende Spannung ist Ux, der Innenwiderstand ist Ri. Zur Messung wird der Abgriff am Widerstand RN solange verändert, bis der Nullindikator den Strom Null anzeigt. Dann gilt:
Drehspulmeßwerke benötigen einen Strom von etwa 10 mA bis 100 mA für Vollausschlag. Der Innenwiderstand liegt bei 1 kΩ bis 10 kΩ, so daß sich im kleinsten Strommeßbereich ein Spannungsfall über dem Meßwerk von 10 mV bis 100 mV ergibt. Für größere Ströme wird dem Meßwerk ein entsprechend kleinerer Widerstand parallelgeschaltet (Prinzip Stromteiler). Strommesser mit mehreren Strommeßbereichen sind häufig Bestandteil eines Multimeters, das zusätzlich noch Spannungs- und Widerstandsmessungen erlaubt. Dann wird die Stufung der Meßbereiche entsprechend der von den Spannungsmeßbereichen gewählt: 100 mA, 300 mA, 1 mA, 3 mA ... bis 1 A, seltener auch bis 10 A. Der Innenwiderstand oder der Spannungsfall wird für jeden Meßbereich angegeben und ist auf der Unterseite des Instrumentes ablesbar. Für das Meßinstrument UNIGOR A 43 beträgt der Spannungsfall unabhängig vom Strommeßbereich ungefähr 100 mV. Der Fehler der Strommessung ist durch die Klasse des Instrumentes gegeben und entspricht dem Fehler bei der Spannungsmessung.
Ux = Ua = UK = UN · RK/(RiN + RN)
2.2 Digital anzeigende Strommeßgeräte
1.4 Spannungsmessung mit dem Kompensator
(VI.2)
Mit diesem Verfahren ist es möglich, auch die Leerlaufspannung von Spannungsquellen mit sehr großem Innenwiderstand zu messen. Für die zu messende Spannung gilt: Ux < UN. RiN
UN
Ri
RN Rk U U k a
Nullindikator
Ux
Meßobjekt
Bild VI-3 Prinzip des Kompensators
Der zu messende Strom durchfließt einen bekannten Widerstand und verursacht an ihm einen Spannungsfall. Besitzt der Widerstand dekadische Werte (1 Ω, 10 Ω, 100 Ω ...), ist der Zahlenwert der gemessenen Spannung durch entsprechendes Setzen eines Kommas in der Anzeige als Stromwert in mA, mA oder A ablesbar. Meist wird eine Stufung in Anlehnung an die Spannungsmeßbereiche, aber mit dem Multiplikator 100, verwendet (200 mA, 20 mA, 2 A). Der Fehler der Strommessung ist mit f ≥⏐±10–2⏐deutlich höher als bei der Spannungsmessung. Für ein 4½-stelliges Digitalmultimeter beträgt der Spannungsfall beim Maximalstrom unabhängig vom Meßbereich typisch 200 mV, der Fehler liegt bei ± (0,4% of reading + 3 LSB), siehe dazu auch Kapitel V.
756
Meßtechnik
2.3 Meßabweichung durch den Innenwiderstand des Strommessers
3.2 Strommessung
In Bild VI-4 soll der Strom durch den Widerstand R1 gemessen werden. Strommessung R1
I′
A U0
I
Ri
Bild VI-4 Meßabweichung bei der Strommessung
Ohne Strommesser ergibt sich der Strom durch den Widerstand R1 zu: I = U0/R1, mit Strommesser dagegen zu I ⬘ = U0/(R1 + Ri). Eingesetzt in die Fehlerformel folgt daraus: f = ( x a − x r ) / x r = ( I ′− I ) / I
U0 U − 0 R + R1 R1 1 = i =− U0 R 1+ 1 Ri R1
Hier wird zum Instrument ein Widerstand Rp parallel geschaltet (Bild VI-5b), sofern ein größerer Strom als dem Meßbereich entsprechend gemessen werden soll. RiI ist der Innenwiderstand des Strommessers in einem Meßbereich (Wahl siehe unten), der zu messende Strom ist Ix. Ist II der am Strommesser abgelesene Strom, folgt mit dem Stromteiler: Ix R iI = II R iI R p
In der Praxis wird man für Rp einen Stufenwiderstand mit mehreren Dekaden wählen, den kleinsten Wert einstellen und diesen solange erhöhen, bis sich ein Ausschlag oder eine Anzeige im oberen Drittel des Meßbereichs ergibt. Achtung: Für den Dekadenwiderstand muß eine Ausführung mit nichtunterbrechendem Schalter verwendet werden, da der Strommesser sonst im Umschaltmoment durch den fehlenden Parallelwiderstand überlastet wird!
(VI.3)
Die Meßabweichung durch den endlichen Innenwiderstand des Strommessers ist um so kleiner, je kleiner er im Verhältnis zum Widerstand R1 ist. Der Innenwiderstand von Strommessern sollte möglichst klein sein!
3 Meßbereichserweiterung 3.1 Spannungsmessung Soll mit einem analog oder digital anzeigenden Spannungsmesser, dessen Innenwiderstand in einem Meßbereich (Wahl des Meßbereichs siehe unten) mit RiU gegeben ist, eine höhere Spannung Ux gemessen werden, schaltet man einen Widerstand Rv in Reihe zu dem Spannungsmesser (Bild VI-5a). Dieser Spannungsteiler liefert die Beziehung: Ux/UU = (RiU + Rv)/RiU Darin ist UU die am Instrument abgelesene Spannung. Da man Ux im allgemeinen nicht kennt, sind Rv und der Meßbereich des Spannungsmessers so einzustellen, daß sich ein Ausschlag oder eine Anzeige möglichst im oberen Drittel des Meßbereichs ergibt, da dann der Fehler klein ist. In der Praxis wird man für Rv einen Stufenwiderstand mit mehreren Dekaden wählen, den höchsten Wert einstellen und dann den Widerstand stufenweise verringern, bis der genannte Ausschlag erreicht ist. Achtung: Für den Dekadenwiderstand muß eine Ausführung mit unterbrechendem Schalter verwendet werden, da der Spannungsmesser sonst im Umschaltmoment durch den kurzgeschlossenen Reihenwiderstand überlastet wird!
Rv
II
RiI
A UX
UU
IX
V RiU
a)
b)
Rp
Bild VI-5 Meßbereichserweiterung a) Spannungsmessung b) Strommessung
4 Messung von Wechselspannungen 4.1 Analog anzeigende Wechselspannungsmeßgeräte Zur Messung von Wechselspannungen werden Meßgeräte mit Dreheisenmeßwerk, Drehspulmeßwerk und Thermoumformermeßwerk eingesetzt. 4.1.1 Spannungsmesser mit Dreheisenmeßwerk Die den Zeigerausschlag verursachende Kraft läßt sich durch die Lorentzkraft darstellen (F = B · I · I). Die Flußdichte B wird ebenfalls durch den Strom I erzeugt, so daß F = k1 · I 2 = k2 · U2 gesetzt werden kann. Durch die mechanische Trägheit des Zeigers wird daraus der Mittelwert der Spannung bei Frequenzen >>1 Hz gebildet. Berücksichtigt man die Wurzelbeziehung beim Aufbringen der Skalenteilung, wird theoretisch der Effektivwert U angezeigt: T
Effektivwert U =
1 2 ∫ { u ( t )} d t T0
(VI.4)
In der Praxis gilt das aber nur für sinusförmige Spannungen mit Frequenzen bis etwa (400 ... 1000) Hz. Oberhalb dieser Frequenzen nimmt der Zeigeraus-
VI Meßverfahren zur Messung elektrischer Größen schlag ab. Ein Grund dafür ist die mit steigender Frequenz zunehmende Impedanz (jwL) der Spule. Bei nichtsinusförmigen Spannungen wird der Signalverlauf nach Fourier zerlegt. Dabei muß die höchste noch zu berücksichtigende Signalfrequenz, das ist in der Regel die 10. bis 20. Harmonische, an der oberen Grenze des genannten Frequenzbereiches liegen. Auf diese Weise können bereits nichtsinusförmig verlaufende Spannungen mit einer Frequenz von 50 Hz mit einem erhöhten Meßfehler durch Verfälschung der Kurvenform behaftet sein. 4.1.2 Spannungsmesser mit Drehspulmeßwerk Das Drehspulmeßwerk zeigt den arithmetischen Mittelwert der Wechselspannung an. In der Praxis interessiert aber der Effektivwert, weil er für die Leistung maßgebend ist. Da aber arithmetischer Mittelwert und Effektivwert zahlenmäßig nicht übereinstimmen und der Umrechnungsfaktor zwischen beiden von der Kurvenform abhängt, ist dieses Instrument nicht zur Messung von Wechselspannungen geeignet. Es besitzt jedoch besondere Vorteile, nämlich geringen Eigenverbrauch und lineare Skalenteilung. Deshalb hat man, allerdings nur für sinusförmige Spannungen, die Skala so beschriftet, daß der korrekte Wert abgelesen wird. Da der arithmetische Mittelwert eines sinusförmigen Signals Null ist, wird der Spannungsverlauf mit einem Einweg- oder einem Brückengleichrichter so verändert, daß der arithmetische Mittelwert ungleich Null ist und damit ein Ausschlag erfolgt. Der Kurvenformfaktor oder kurz Formfaktor ist das Verhältnis von Effektivwert zu arithmetischem Mittelwert bei Einweg- bzw. Brückengleichrichtung. Er beträgt bei sinusförmigem Verlauf und Einweggleichrichtung 2,22 und bei Brückengleichrichtung 1,11. Mit diesen Faktoren werden die Werte auf der Skala multipliziert. Es sind Spannungen mit Frequenzen bis zu einigen 10 kHz meßbar. Meßinstrumente mit Drehspulmeßwerk und Gleichrichter zeigen nur bei sinusförmigen Wechselspannungen den Effektivwert richtig an! 4.1.3 Spannungsmesser mit Thermoumformermeßwerk Bei diesem Meßwerk durchfließt ein der Spannung proportionaler Strom einen sehr dünnen (einige mm) Widerstandsdraht. Der Draht erwärmt sich; seine Temperaturdifferenz zur Umgebungstemperatur ist dem Effektivwert des Stromes proportional. Die Temperatur wird mit einem Thermoelement gemessen (Kapitel VII.1.6). Der Vorteil dieses Verfahrens liegt darin, daß der Frequenzbereich für sinusförmige Spannungen von etwa 0,2 Hz bis 65 MHz reicht, bei Sonderausführungen bis 300 MHz. Die untere Frequenzgrenze ist dadurch gegeben, daß die Temperatur des Widerstandsdrahtes unterhalb 0,2 Hz dem Momentanwert des Stromes folgt. Gleichspannungen sind wieder
757 meßbar. Ein Nachteil ist, daß der Strom durch den Widerstandsdraht einige mA betragen muß, um Drahttemperaturen oberhalb 100 ºC und damit ausreichend große Spannungen am Thermoelement zu bewirken. Damit der Meßkreis nicht unzulässig hoch belastet wird, hat man elektronische Lösungen gefunden, die den Strom durch den Widerstandsdraht einer Hilfsspannungsquelle entnehmen, die durch die zu messende Spannung gesteuert wird.
4.2 Digital anzeigende Wechselspannungsmeßgeräte Zur Messung des Effektivwertes einer Spannung werden unterschiedliche Meßverfahren eingesetzt. 1. Verfahren: Vor allem bei Digitalmultimetern der unteren Preisklasse wird bei der Spannungsmessung der Scheitelwert gemessen, durch 1,41 geteilt und angezeigt. Diese Umrechnung zwischen Scheitel- und Effektivwert gilt aber nicht allgemein für beliebige Spannungsverläufe, so daß der Effektivwert nur bei sinusförmigem Spannungsverlauf richtig angezeigt wird. Die Scheitelwertmessung ist wegen des hohen Eingangswiderstandes des Analog-Digital-Umsetzers einfach möglich. Verglichen mit der Gleichspannungsmessung ist der Eingangswiderstand gleich, der Fehler ist um den Faktor 5 bis 10 größer. 2. Verfahren: Der Effektivwert wird tatsächlich gemessen; deshalb spricht man auch von einer „echten“ Effektivwertmessung. Verwendet werden elektronische Schaltkreise, die nach Gleichung VI.4 den analogen Spannungswert am Eingang zunächst quadrieren, diesen dann integrieren und anschließend die Wurzel ziehen. Der Fehler dieses Verfahrens ist >⏐± 10–3⏐, weil die erforderlichen mathematischen Operationen u.a. durch Logarithmieren und Potenzieren verwirklicht werden. Vor allem bei Geräten der Präzisionsmeßtechnik wird die zu messende Spannung pro Periode 100mal oder mehr abgetastet und in Digitalwerte umgesetzt. Anschließend werden diese digital kodierten Werte den erforderlichen Rechenoperationen nach Gleichung VI.4 zur Bildung des Effektivwertes unterzogen. Der so bestimmte Effektivwert ist mit einem kleineren Fehler behaftet als beim rein analogen Verfahren, erfordert aber einigen Aufwand. Es ist ein AnalogDigital-Umsetzer mit 8 bis 12 bit und einer Umsetzzeit erforderlich, die nur ein Bruchteil der Periodendauer der zu messenden Spannung ist (Umsetzzeit = Periodendauer/Abtastwerte pro Periode). Bei Meßgeräten mit „Echt-Effektivwertmessung“ gibt es Ausführungen, die zwar den Effektivwert tatsächlich messen, an das zu messende Signal aber die Bedingung knüpfen, daß der arithmetische Mittelwert Null ist. Das liegt daran, daß im Eingangskreis des Meßgerätes ein Kondensator in Reihe zu den Meßanschlüssen angeordnet ist. Dadurch vereinfacht sich zwar der elektronische Aufwand innerhalb des
758 Meßgerätes, schränkt aber seinen Einsatz wesentlich ein. Nicht immer weist die Betriebsanleitung eindeutig auf diese Tatsache hin. Eine wichtige Kenngröße bei der Messung von Wechselspannungen und -strömen ist der Crestfaktor als Verhältnis von Scheitelwert zu Effektivwert. Er darf einen bestimmten Wert nicht überschreiten und liegt in der Größenordnung 4 bis 10. Bei einem Crestfaktor von 4 kann demnach eine rechteckförmige Spannung mit einem Tastgrad 5 nur noch mit erhöhtem Fehler gemessen werden.
Meßtechnik
6.1 Gleichstrom-Meßbrücken zur Widerstandsmessung Eine Meßbrücke besteht nach Bild VI-6a aus vier Impedanzen oder Widerständen Z1 oder R1 bis Z4 oder R4 und wird von einer Spannungsquelle mit der Spannung usp gespeist. Zur Messung von Widerständen kann usp sowohl eine Gleich- als auch eine Wechselspannung sein, zur Impedanzmessung wird in der Regel eine sinusförmige Spannung verwendet. Man spricht dann von Gleich- oder Wechselstrommeßbrücken.
5 Messung von Wechselströmen 5.1 Analog anzeigende Wechselstrommeßgeräte Hier werden die gleichen Meßwerke verwendet wie bei der Wechselspannungsmessung. Da bei ihnen der Ausschlag stromproportional ist, können die Aussagen über die Wechselspannungsmessung entsprechend übernommen werden. Strommesser mit Dreheisenmeßwerk: Theoretisch wird der Effektivwert unabhängig von der Kurvenform angezeigt, in der Praxis dagegen wird der Zeigerausschlag bei Frequenzen oberhalb 400 Hz bis 1000 Hz geringer. Die Innenwiderstände sind gleich denen bei der Gleichstrommessung. Strommesser mit Drehspulmeßwerk: Die Anzeige ist ebenfalls nur für sinusförmige Ströme richtig, die Frequenzgrenze für sinusförmige Ströme liegt auch bei einigen 10 kHz. Die Innenwiderstände entsprechen denen bei der Gleichstrommessung, sofern die Instrumente einen elektronischen Präzisionsgleichrichter eingebaut haben. Strommesser mit Thermoumformermeßwerk: Die Innenwiderstände entsprechen denen bei der Gleichstrommessung, der Frequenzbereich reicht von 0,2 Hz bis ca. 65 MHz oder 300 MHz.
5.2 Digital anzeigende Wechselstrommeßgeräte Die Wechselstrommessung wird, wie bei der Gleichstrommessung, auf eine Spannungsmessung zurückgeführt. Deshalb sind die Innenwiderstände in beiden Fällen gleich. Entsprechend gilt analog zur Wechselspannungsmessung: Der Fehler ist größer als bei der Wechselspannungsmessung, weil der Fehler des Strommeßwiderstandes in das Meßergebnis eingeht.
6 Widerstands- und Impedanzmessung Für die Widerstands- und Impedanzmessung werden hauptsächlich die Brückenschaltung, der Vergleich mit einem bekannten Widerstand und die kombinierte Messung aus Strom und Spannung eingesetzt.
usp
Z1
ud0
Z2
Z3
Ud0
R3
R2 R4
U2
Z4
a)
R1
Usp
U4
b)
Bild VI-6 Meßbrücke a) allgemein b) Wheatstone-Meßbrücke für ohmsche Widerstände 6.1.1 Grundlagen Mit der Gleichstrom-Meßbrücke lassen sich nur ohmsche Widerstände messen. Eventuell vorhandene induktive Anteile ergeben den Wert Null, kapazitive Anteile den Wert unendlich. Die Spannung Ud0 in der Brückendiagonalen (Bild VI-6b) ergibt sich zu: Ud0 = U2 – U4
(VI.5)
R1 und R2 sowie R3 und R4 bilden einen Spannungsteiler. Der Strom in der Brückendiagonalen ist Null (Index „0“ für Ud0), und es werden folgende Teilspannungen abgegriffen: U 2 = U sp ⋅
R2 ; R1 + R2
U 4 = U sp ⋅
R4 R3 + R 4
(VI.6)
Für Ud0 folgt daraus: R4 ⎞ ⎛ R2 U d 0 = U sp ⋅ ⎜ − ⎟ ⎝ R1 + R 2 R3 + R4 ⎠ = U sp ⋅ Ud 0
R 2 R 3 + R 2 R 4 − R1 R 4 − R 2 R 4
( R1 + R 2 ) ( R 3 + R 4 )
R2 R3 − R1 R4 = U sp ⋅ R + ( 1 R2 ) ( R 3 + R 4 )
(VI.7)
Für die Anwendung der Brückenschaltung zur Widerstandsmessung gibt es zwei Verfahren: 1. Abgleichverfahren: Die Spannung Ud0 wird durch Abgleich zu Null gemacht. 2. Ausschlagverfahren: Die Spannung Ud0 ist ein Maß für die Abweichung eines zu messenden Widerstandes von einem Sollwert.
VI Meßverfahren zur Messung elektrischer Größen 6.1.2 Wheatstone-Meßbrücke im Abgleichverfahren Der unbekannte Widerstand ist R1. Mindestens einer der Widerstände R2 bis R4 wird solange verändert, bis Ud0 Null ist. Dann gilt nach Gleichung (VI.7): R1 = R 2
R3 R4
(VI.8)
Die Brücke ist abgeglichen. In der Praxis ist R2 stetig veränderbar, während das Verhältnis R3/R4 in dekadischen Stufen eingestellt werden kann und damit der Meßbereich für den zu messenden Widerstand gewählt wird. Die Meßunsicherheit dieser Meßbrücken ist <⏐±10–3⏐. Sie läßt sich auf <⏐±10–4⏐ verringern, wenn auch für den Widerstand R2 Stufenwiderstände eingesetzt werden, die mehrere Dekaden überstreichen und deren kleinste Stufung bei 1 Ω oder 0,1 Ω liegt. Es können Widerstände im Bereich von etwa 10 Ω bis 10 MΩ gemessen werden. Bei der Schleifdraht-Meßbrücke nach Bild VI-7 werden die Widerstände R1 und R2 durch einen homogenen Widerstandsdraht mit konstantem Querschnitt gebildet. Damit sind die Widerstände den jeweiligen Drahtlängen l proportional. R1 =
r ⋅ l1 ; A
R2 =
r ⋅ l2 A
(VI.9)
r spezifischer elektrischer Widerstand in Ω · m, l Drahtlänge in m, A Drahtquerschnittsfläche in m2
Daraus folgt die Abgleichbedingung: Rx = R4
l R1 = R4 ⋅ 1 l2 R2
(VI.10)
Der Schleifdraht wird häufig entweder als ausgestreckter Draht von 1 m Länge oder als Schleifdrahtwendel auf einem walzenförmigen Körper ausgeführt.
759 Die dann verwendete Thomson-Meßbrücke ist nach Bild VI-8 aufgebaut. Rx ist der zu messende Widerstand, RN ein bekannter Widerstand. R1 bis R4 sind im Vergleich zu Rx hochohmig. Für die Parallelschaltung aus den Zuleitungswiderständen Rzu und (R1 + R2) wird Rp eingeführt: Rp =
( R1 + R 2 ) ⋅ R zu
(VI.11)
R1 + R 2 + R zu
Damit erhält man für die Brückendiagonalspannung Ud0: U d 0 = U 3 − U x − U1 = I ( Rx + R p + RN ) ⋅ − I ⋅ Rx − I ⋅ R p ⋅
Ud 0
R3 R3 + R4
R1 R1 + R2
R p ⋅ R3 R ⋅R ⎞ ⎛ R x ⋅ R3 + N 3⎟ + ⎜ R3 + R4 R3 + R4 ⎟ ⎜ R3 + R4 ⎜ ⎟ A =I ⎜ ⎟ ⎜ − R − R p ⋅ R1 ⎟ x ⎜ ⎟ R1 + R2 ⎜ ⎟ ⎝ ⎠ B
(VI.12)
Die Thomson-Brücke ist für Ud0 = 0 abgeglichen. Diese Bedingung wird unabhängig von Rp und damit von Rzu, wenn sich die beiden oben gekennzeichneten Summanden A und B aufheben: R3 R1 = R 3 + R 4 R1 + R 2
(VI.13)
Das läßt sich z.B. durch eine entsprechende mechanische Kopplung der Widerstände R1 und R3 sowie R2 und R4 erreichen. I
Usp R4
Rx
Rx
U1 Rzu
R2
l2
Usp
R1
l1
Ux
RN
Bild VI-7 SchleifdrahtMeßbrücke
6.1.3 Thomson-Meßbrücke im Abgleichverfahren Die Messung von Widerständen kleiner 10 Ω erfordert die Anwendung von Potentialanschlüssen, um den Einfluß von Übergangswiderständen an den Anschlußklemmen zu verringern, da diese in der Größenordnung der zu messenden Widerstände liegen.
R1 R3 Ud0
U3
R2 R4
Bild VI-8 ThomsonMeßbrücke Setzt man die Abgleichbedingung aus Gleichung (VI.13) in Gleichung (VI.12) ein, so folgt durch Auflösen des Ausdruckes nach dem unbekannten Widerstand Rx: Rx = RN
R3 R4
(VI.14)
760
Meßtechnik
Es können Widerstände bis herab zu etwa 10–5 Ω gemessen werden. 6.1.4 Wheatstone-Meßbrücke im Ausschlagverfahren Bei der Meßbrücke im Ausschlagverfahren wird die Spannung Ud0 gemessen. Dann läßt sich der Widerstand R1 nach Gleichung (VI.7) bestimmen, wenn R2 bis R4 bekannt sind. Im Gegensatz zum Abgleichverfahren ist jetzt aber der Widerstand R1 veränderlich. Als Beispiel dient ein temperaturabhängiger Wider-
stand, bei dem die Temperatur über den Widerstandswert erfaßt wird. In der Praxis ergibt sich häufig die Forderung, daß eine Widerstandsänderung gegenüber einem Arbeitspunkt (Sollwert) gemessen werden soll. Für diesen Fall wird die Brücke so ausgelegt, daß die vier Widerstände im Arbeitspunkt gleich sind, die Brücke also abgeglichen ist (temperaturabhängiger Widerstand bei 0 ºC). Die Abweichungen des Widerstandes vom Arbeitspunkt (Sollwert) werden dann zweckmäßigerweise mit DR bezeichnet.
Tabelle VI-1 Viertel-, Halb- und Vollbrücken mit +DR oder ± DR Brückenanordnung
Usp
R +ΔR
R
Ud0
R
R
+ΔR
+ΔR +ΔR
+ΔR
Näherung
ΔR Ud0 = –Usp 4R + 2ΔR
ΔR ≈ –Usp 4R
ΔR Ud0 = Usp 4R + 2ΔR
ΔR ≈ Usp 4R
ΔR Ud0 = –Usp 2R + ΔR
ΔR ≈ –Usp 2R
ΔR Ud0 = –Usp 2R
−ΔR
+ΔR
exakt
−ΔR
+ΔR −ΔR
+ΔR
−ΔR
−ΔR
+ΔR
Ud0 = –Usp
2R · ΔR 4R2 – (ΔR)2
ΔR ≈ –Usp 2R
Ud0 = –Usp
ΔR(2R – ΔR) 4R2 – (ΔR)2
ΔR ≈ –Usp 2R
ΔR Ud0 = –Usp R
VI Meßverfahren zur Messung elektrischer Größen Setzt man in Gleichung (VI.7) R2 = R3 = R4 = R und R1 = R + DR ein, so folgt für Ud0: ⎛ R 2 − ( R + DR ) ⋅ R ⎞ U d 0 = U sp ⋅ ⎜ ⎟ ⎝ ( R + DR + R ) ⋅ 2 R ⎠ = U sp ⋅
U d 0 = U sp ⋅
− DR ⋅ R + R 2 − R 2 ( 2 R + DR ) ⋅ 2 ⋅ R
(VI.15)
− DR ( 4 R + 2 ⋅ DR )
R iE = ( R R ) + ( R R ) = R
6.1.5 Wheatstone-Meßbrücke im Ausschlagverfahren mit Widerstand in der Brückendiagonalen Bei der Berechnung der Spannung Ud0 wurde der Strom in der Brückendiagonalen bisher zu Null angenommen. Ist dagegen ein Widerstand Rd vorhanden (Bild VI-9a), empfiehlt sich zur Berechnung der Spannung in der Brückendiagonalen das Verfahren mit Ersatzspannungsquelle und Ersatzinnenwiderstand, bezogen auf die Anschlußpunkte A und B (Bild VI-9b). Die Ersatzspannung UE ist die Leerlaufspannung und damit die Spannung Ud0, die für einen unendlich großen Widerstand Rd berechnet worden ist (Gleichung VI.15). Der Ersatzinnenwiderstand RiE ergibt sich, wenn die Spannungsquelle „kurzgeschlossen“ und der Gesamtwiderstand zwischen A und B bestimmt wird. Er läßt sich direkt ablesen. (VI.17)
Für den Fall, daß alle 4 Widerstände gleich groß sind (R) und daß eventuelle Widerstandsänderungen ± DR unberücksichtigt bleiben, was wegen der kleinen Werte zulässig ist, folgt für RiE:
(VI.18)
Wird jetzt ein Widerstand Rd in die Brückendiagonale zwischen die Anschlüsse A und B eingefügt, berechnen sich der Strom Id in Rd und die Spannung Ud zu: Ud 0 Id = ; U d = I d ⋅ Rd (VI.19) RiE + Rd R1
DR ist mit Vorzeichen einzusetzen! Das bedeutet, daß bei einer Widerstandsabnahme von R1, d. h. R1 – DR, die Spannung Ud0 positiv ist (Bild VI-6b). Zwischen der Spannung Ud0 und der Widerstandsänderung DR besteht kein linearer Zusammenhang. Je nach Anwendungsfall und zulässiger Meßabweichung kann unter Umständen mit einem linearen Zusammenhang gerechnet werden: − DR (VI.16) U d 0 ≈ U sp für DR << R 4R Die beschriebene Brücke wird auch als Viertelbrücke bezeichnet, weil nur ein Widerstand veränderlich ist. In der Praxis werden Brückenschaltungen häufig so eingesetzt, daß zwei oder vier Widerstände veränderlich sind und Widerstandsänderungen mit positivem und negativem Vorzeichen gleichzeitig auftreten. Für diese Halb- oder Vollbrücken sind die Änderungen in positiver und negativer Richtung in der Regel gleich groß (⏐– DR ⏐= ⏐+ DR⏐). In Tabelle VI-1 sind die verschiedenen Brückenanordnungen zusammengestellt. Ist der Zusammenhang zwischen Ud0 und DR nichtlinear, kann er häufig durch eine lineare Abhängigkeit angenähert werden.
R iE = ( R1 R 2 ) + ( R 3 R 4 )
761
Usp R2
Id
Ud
A Rd B
RiE R3 Ud0
A
Id
Ud
Rd
R4
B
Bild VI-9 Brückenersatzschaltung mit Widerstand in der Brückendiagonalen a) Schaltbild b) Ersatzschaltbild Diese Art der Berechnung ist dann von Vorteil, wenn bei der Messung im Ausschlagverfahren in der Brückendiagonalen empfindliche Strommesser, z.B. Galvanometer, eingesetzt werden.
6.2 Wechselstrom-Meßbrücken zur Widerstands- und Impedanzmessung Wechselstrommeßbrücken dienen dazu, entweder ohmsche Widerstände oder Impedanzen zu messen. Die die Brücke speisende Spannung hat zweckmäßigerweise sinusförmigen Verlauf. 6.2.1 Messung von ohmschen Widerständen Die Brückenschaltung kann sowohl im Abgleich- als auch im Ausschlagverfahren eingesetzt werden. Es wird vorausgesetzt, daß die Widerstände keinen Blindanteil enthalten. Dann können die Gleichungen (VI.5) bis (VI.8) und (VI.14) mit dem Zusatz übernommen werden, daß alle Spannungen sinusförmigen Verlauf haben, also auch Ud0. Besonders bei der Verwendung der Brückenschaltung im Ausschlagverfahren liegen die auszuwertenden Spannungen in der Brückendiagonalen häufig im Bereich mV... mV und sind aufgrund von Störspannungen, die in der gesamten Meßeinrichtung auftreten, schwierig zu messen. Ist dagegen ud0 sinusförmig mit der Frequenz f0, wird eine Meßeinrichtung verwendet, die nur Signale der Frequenz f0 auswertet und damit die Wirksamkeit von Störspannungen und Rauschen auf einen sehr begrenzten Frequenzbereich um f0 herum einschränkt. Driftvorgänge beispielsweise durch Temperaturänderungen oder Alterung besitzen Frequenzen im Bereich unterhalb 1 Hz und treten damit nicht mehr störend in Erscheinung. Die Frequenz f0 wird in der Regel zu 420 Hz, 5 kHz oder 10 kHz gewählt. Die Frequenz von 420 Hz wird eingesetzt, damit man etwa in der Mitte zwischen der 7. und 8. Oberschwingung der Netzfrequenz von 50 Hz liegt (Fourierzerlegung z.B. von nichtsinusförmigen Verbraucherströmen am 50-Hz-Netz).
762
Meßtechnik
6.2.2 Messung von Impedanzen Mit der Wechselstrommeßbrücke lassen sich Impedanzen messen, die aus einer Induktivität L oder einer Kapazität C mit oder ohne ohmschen Anteil R bestehen. Dabei kann R parallel oder in Reihe zu L oder C angeordnet sein. Die Spannung Ud0 in der Brückendiagonalen ist nur dann Null, wenn sie nach Betrag und Phase Null ist. Damit muß sowohl ein Betragsals auch ein Phasenabgleich durchgeführt werden. Meßbrücken dieser Art besitzen also immer zwei Abgleichelemente, die wechselseitig solange einzustellen sind, bis die Spannung Ud0 Null ist. Da zwei Abgleichbedingungen vorhanden sind, können auch zwei unbekannte Größen für die zu messende Impedanz bestimmt werden. Angewendet wird dieses Verfahren zur Bestimmung der Elemente von realen Induktivitäten und Kapazitäten. Das Ersatzschaltbild einer realen Induktivität besteht aus der Reihenschaltung der Induktivität mit einem ohmschen Widerstand, der im wesentlichen durch den Widerstand der Wicklung verursacht wird. Ein realer Kondensator wird durch den Kondensator mit einem parallelgeschalteten Widerstand dargestellt, wobei der Widerstand den Isolationswiderstand erfaßt. Neben diesen anschaulichen Ersatzschaltbildern werden noch zwei weitere, weniger anschauliche, verwendet: In Reihe zu C wird ein Widerstand Rr bzw. parallel zu L ein Widerstand Rp geschaltet. Beide Darstellungsarten lassen sich ineinander umrechnen. Für den Abgleichfall gilt prinzipiell die gleiche Ableitung wie bei der Gleichstrom-Meßbrücke mit dem Unterschied, daß an die Stelle der Widerstände teilweise oder insgesamt Impedanzen treten. Zur Berechnung setzt man für die Impedanzen die Summe aus einem Wirk- und einem Blindanteil ein: Z 1 = R1 + jX 1 ;
Z 2 = R2 + jX 2 ;
Z 3 = R3 + jX 3 ;
Z 4 = R4 + jX 4
Rp ⋅ Z=
Z= =
Rp R p2 w 2 C p2 + 1
Rp R p jwC p + 1
−j
Rp R p2 w 2 C p2 + 1
+
=
R p (1 − jwR p C p ) R p2 w 2 C p2 + 1
R p2 wC p R p2 w 2 C p2 + 1
2 2 1 ⎡ Rp w C p ⎤ ⋅⎢ 2 2 2 ⎥ jw ⎢⎣ R p w C p + 1 ⎥⎦ 1 Cr
⇒ Rr =
Rp R p2 w 2 C p2
+1
Cr =
;
R p2 w 2 C p2 + 1 R p2 w 2 C p
(VI.24) Die Abgleichbedingungen können auch in der Exponentialform dargestellt werden. (VI.25) Z = R + jX = Z ⋅ e jj = Z ⋅ e jj ⇒ Z1 · Z4 = Z2 · Z3 und j1 + j4 = j2 + j3
(VI.26)
Die Anwendungen von Meßbrücken zur Widerstands- und Impedanzmessung werden in den Kapiteln VII.1 und VII.2 gezeigt.
6.3 Vergleich mit bekanntem Widerstand – Spannungsvergleich
(VI.21)
UN = I · RN ; Ux = I · Rx ineinander eingesetzt folgt: U Rx = RN x UN
(VI.27)
I
R 1 ⋅ R 4 − X 1 ⋅ X 4 + j ( R1 ⋅ X 4 + R 4 ⋅ X 1 )
(VI.22)
Real- und Imaginärteil müssen jeweils Null sein. Realteil = 0: R1 · R4 – X1 · X4 = R2 · R3 – X2 · X3 Imaginärteil = 0: R1 · X4 + R4 · X1 = R3 · X2 + R2 · X3
=
1 Rp + jwC p
(VI.20)
Z 1 ⋅ Z 4 = Z 2 ⋅ Z 3 ⇒ ( R1 + jX 1 ) ⋅ ( R4 + jX 4 )
= R2 ⋅ R3 − X 2 ⋅ X 3 + j ( R3 ⋅ X 2 + R2 ⋅ X 3 )
1 jwC p
Das vor allem in der Präzisionsmeßtechnik angewendete Verfahren ist in Bild VI-10 dargestellt. Ein bekannter Widerstand RN und der unbekannte Widerstand Rx sind in Reihe geschaltet und werden vom gleichen Strom durchflossen. Dann ergeben sich die folgenden Beziehungen:
Die Abgleichbedingung lautet: = ( R2 + jX 2 ) ⋅ ( R3 + jX 3 )
(VI.23) einsetzen. Dazu wird der Ausdruck der Parallelschaltung konjugiert komplex erweitert und in die Summe aus Real- und Imaginärteil zerlegt:
(VI.23)
Damit können beispielsweise Realteil R1 und Imaginärteil X1 von Z1 aus den bekannten Größen R2 bis R4 und X2 bis X4 bestimmt werden. Ist der reale Kondensator als Parallelschaltung aus Rp und 1/jwCp gegeben, läßt sie sich in eine äquivalente Reihenschaltung aus Rr (Realteil) und Cr (Imaginärteil) umrechnen und in die Gleichungen (VI.20) bis
RN U Rx
UN
. . Ux
V
Bild VI-10 Widerstandsmessung durch Spannungsvergleich
Voraussetzung bei dieser Ableitung ist, daß der Innenwiderstand des Spannungsmessers groß gegenüber den Widerständen RN und Rx ist. Kann er nicht vernachlässigt werden, ist die hierdurch verursachte Meßabweichung um so kleiner, je mehr die zwei Widerstände in ihrem Wert übereinstimmen.
VI Meßverfahren zur Messung elektrischer Größen
6.4 Messung von Strom und Spannung Werden an einem unbekannten Widerstand Strom und Spannung gleichzeitig gemessen, kann der Widerstandswert mit dem Ohmschen Gesetz berechnet werden. Bild VI-11 zeigt das Verfahren. Zur Erfassung von U und I sind zwei Meßschaltungen möglich. In der spannungsrichtigen Schaltung (Bild VI-11a) wird die am Widerstand anliegende Spannung U richtig gemessen, der Strommesser erfaßt zusätzlich den Strom DI durch den Spannungsmesser mit dem Innenwiderstand RU. Die hierdurch verursachte systematische relative Meßabweichung berechnet sich wie folgt: Angezeigter (gemessener) Wert xa = Rx 储 RU; richtiger Wert xr = Rx; eingesetzt folgt: f =
R x RU Rx
−1=
R x ⋅ RU R x + RU
⋅
R − R x − RU 1 −1= U Rx R x + RU
Ri
U0
V U
(VI.28)
A
ΔI U0 Rx
RU
a)
V
unbekannte Widerstand Rx im Verhältnis zum Innenwiderstand Ri des Strommessers ist. Deshalb ist dieses Verfahren bevorzugt zur Messung großer Widerstände einsetzbar.
6.5 Widerstandsmessung mit analogen Multimetern Analoge Multimeter bieten die Möglichkeit, den Wert von Widerständen wenigstens überschlägig zu messen. Dazu werden zwei Verfahren benutzt. Spannungsvergleich oder Parallelverfahren: Zunächst wird, siehe Bild VI-12, bei Leerlauf an den Meßklemmen A und B (Rx → ∞) mit dem Potentiometer Rv Vollausschlag am Meßinstrument eingestellt. RU ist der Innenwiderstand des Meßinstrumentes, Usp wird von einer eingebauten Batterie geliefert. Dann gilt für U0: RU
U 0 = U sp ⋅
systematische relative Meßabweichung 1 f = R 1+ U Rx A
763
Ri
Wird der unbekannte Widerstand Rx angeschlossen, ergibt sich für die Spannung Ux: RU R x
U x = U sp ⋅
I
ΔU Rx RU
(VI.30)
RU + R v
(VI.31)
RU R x + R v
Löst man die Gleichung (VI.31) nach Rx auf und setzt für Usp den entsprechend umgeformten Ausdruck aus Gleichung (VI.30) ein, so folgt Ux U0 Rx = ⋅ U RU + R v 1− x U0
b)
RU ⋅ R v
Bild VI-11 Widerstandsbestimmung durch Strom- und Spannungsmessung a) spannungsrichtige Schaltung b) stromrichtige Schaltung
(VI.32)
Mit den Abkürzungen b = Ux /U0 und RU 储 Rv = RiU ergibt sich die Gleichung (VI.33)
Die Meßabweichung ist als systematische Meßabweichung korrigierbar und um so kleiner, je größer der Innenwiderstand RU des Meßgerätes im Verhältnis zu dem zu messenden Widerstand Rx ist. Damit eignet sich dieses Verfahren besonders zum Messen kleiner Widerstände. In der stromrichtigen Schaltung (Bild VI-11b) wird der Strom richtig gemessen, der Spannungsmesser mißt zusätzlich den Spannungsfall DU am Innenwiderstand Ri des Strommessers. Die relative systematische Meßabweichung berechnet sich zu: Angezeigter (gemessener) Wert xa = Ri + Rx; richtiger Wert xr = Rx. Setzt man diese Ausdrücke in die Formel für die relative Meßabweichung ein, folgt:
R x = R iU ⋅
b 1− b
(VI.33) A
Rv
Usp
V
U0
Ux
Rx
RU B
Meßschaltung
Skala Ω
Bild VI-12 Widerstandsmessung nach dem Prinzip des Spannungsvergleiches
relative Meßabweichung f =
Ri + R x R −1= i Rx Rx
(VI.29)
Die Meßabweichung ist als systematische Meßabweichung korrigierbar und um so kleiner, je größer der
In Bild VI-12 ist auch der daraus folgende Skalenverlauf dargestellt. Für Ux = U0 (Vollausschlag) geht Rx → ∞; für Ux = 0 ist Rx = 0. Eine überschlägige Messung von Rx ist im Bereich 0,1 · RiU < Rx < 10 · RiU möglich.
764
Meßtechnik
Durch entsprechende Wahl von Rv und RiU (z.B. Vorwiderstände) lassen sich mehrere „Meßbereiche“ einstellen. Nach dem Abtrennen des zu messenden Widerstandes ist das Instrument auszuschalten, weil sonst ein ständiger Strom durch das Instrument fließt und die Lebensdauer der Batterie herabsetzt. Stromvergleich oder Reihenverfahren: Bei diesem Verfahren (Bild VI-13) wird der Strommesser bei Meßbeginn und bei Kurzschluß zwischen den Meßklemmen A und B durch Verändern des Widerstandes Rv auf Vollausschlag eingestellt. Dann ergibt sich für I0: I0 =
U sp
(VI.34)
Rv + R I
RI ist der Innenwiderstand des Strommessers und Usp die Spannung einer eingebauten Batterie. Mit dem unbekannen Widerstand Rx zwischen den Anschlüssen A und B fließt dann der Strom U sp Ix = (VI.35) Rv + R I + R x Gleichung (VI.35) wird nach Rx aufgelöst, und mit Gleichung (VI.34) folgt: I 1− x I0 (VI.36) R x = ( Rv + R I ) Ix I0 Mit den Abkürzungen Ix /I0 = b und (Rv + RI) = RiI ergibt sich: R x = R iI
1− b b
(VI.37)
Der sich daraus ergebende Skalenverlauf ist ebenfalls in Bild VI-13 dargestellt. RI Usp
Rv
A
A
Ix Rx
I0 B
Meßschaltung
Skala Ω
Bild VI-13 Widerstandsmessung nach dem Prinzip des Stromvergleiches Der unbekannte Widerstand Rx läßt sich überschlägig im Bereich 0,1 · RiI < Rx < 10 · RiI messen. Nach Abtrennen des zu messenden Widerstandes ist der Strom durch das Instrument Null, so daß die Lebensdauer der Batterie nicht dadurch verkürzt wird, daß das Instrument nicht ausgeschaltet wurde.
7 Leistungsmessung Neben der Wirkleistung P sind vor allem in der Energietechnik noch die Blindleistung Q und die Scheinleistung S von Bedeutung. Zwischen ihnen besteht die Beziehung
S2 = P2 + Q2
(VI.38)
7.1 Wirkleistungsmessung Die Wirkleistung P ist für beliebige Spannungs- und Stromverläufe definiert über T 1 u (t ) ◊ i (t ) d t Wirkleistung P = (VI.39) Ú T 0 Für den Fall, daß Spannung und Strom sinusförmigen Verlauf haben, ergibt sich P = U · I · cos j (VI.40) U, I Effektivwerte von Spannung und Strom in V bzw. A, cos j Phasenwinkel zwischen U und I
Ein positiver Winkel bedeutet, daß die Spannung dem Strom voreilt. Damit besitzen ideale Induktivitäten einen Phasenwinkel j = +90º, ideale Kapazitäten j = –90º. Die Leistungsmessung erfolgt entweder analog mit einem elektrodynamischen Meßwerk oder durch Auswertung der Beziehung nach Gleichung (VI.39) durch elektronische Baugruppen. Die Klemmenbezeichnungen sind DIN 43807 entnommen und in Bild VI-14 eingetragen. Die vom Strom durchflossene Spule wird im Schaltzeichen als waagerechter, durchgehender, dicker Leiter eingezeichnet und als Strompfad bezeichnet, der senkrechte dünnere Strich entspricht der Spannungsspule und heißt Spannungspfad. 7.1.1 Wirkleistungsmessung bei Wechselstrom Strom und Spannung werden nach Bild VI-14 gleichzeitig gemessen, so daß sich, wie bei der Widerstandsmessung im Kapitel VI.6.4, Bild VI-11, zwei mögliche Schaltungen ergeben: Stromrichtige Schaltung (Bild VI-14a) und spannungsrichtige Schaltung (Bild VI-14b). Die durch die Meßschaltung entstehenden systematischen Meßabweichungen nach Gleichung (VI.28) und (VI.29) sind auch hier gültig. Die Lastimpedanzen ZL sind in der Regel vergleichsweise klein, so daß man nach Kapitel VI.6.4 die spannungsrichtige Schaltung verwenden sollte. In der Praxis dagegen wird vorwiegend die stromrichtige Schaltung eingesetzt, weil je ein Spannungs- und ein Strompfadanschluß am Leistungsmesser gekennzeichnet sind (Stern, Pfeil, ...) und die Vereinbarung gilt, daß die gekennzeichneten Anschlüsse zu verbinden und an einen der Außenleiter L1, L2 oder L3 anzuschließen sind. Diese Regelung ist erforderlich, um bei der Aron-Schaltung eine Aussage über das Vorzeichen der gemessenen Leistung zu bekommen (Kapitel VI.7.1.4).
VI Meßverfahren zur Messung elektrischer Größen
765
Beispiel VI.2: Ein Leistungsmesser mit den Meßbereichen 100 V
und 5 A wird im Spannungspfad mit 50 V und im Strompfad mit 10 A betrieben. Damit wird der Strompfad überlastet, obwohl der Leistungsmesser gerade Vollausschlag zeigt.
Um die Überlastung eines Leistungsmessers ohne eingebauten Überlastschutz erkennen zu können, wird die vollständige Meßschaltung nach Bild VI-14c eingesetzt. Dazu schaltet man einen Strommesser in Reihe zum Strompfad und einen Spannungsmesser parallel zum Spannungspfad. Diese Kontrollinstrumente können die Klasse 2,5 oder 5 besitzen, da sie nur zum Erkennen der ungefähren Größe von Spannung und Strom dienen und gegebenenfalls eine Überlastung anzeigen. Da die Netzspannung relativ konstant ist, wird oft auf den zusätzlichen Spannungsmesser verzichtet. Leistungsmesser mit elektrodynamischem Meßwerk besitzen in der Regel keinen Überlastschutz, so daß hier häufig die vollständige Meßschaltung zum Einsatz kommt. Wird die Leistung auf elektronischem Wege gemessen, erübrigt sich der Einsatz der Kontrollinstrumente dann, wenn diese Geräte eine eingebaute Überlasterkennung besitzen. Hinweis: Die Begriffe „spannungsrichtig“ und „stromrichtig“ beziehen sich durchgehend auf die Verbraucherseite.
1 2 3 L1
5
1 2 3
5
L1
des Spannungspfades an den Sternpunkt angeschlossen. Andernfalls wird eine Meßschaltung nach Bild VI-15 eingesetzt. Die zwei externen Widerstände RU sind gleich dem Widerstand des Spannungspfades und bilden einen künstlichen Sternpunkt (Bild VI-15). Der Null- oder Neutralleiter kann entfallen. Auch hier wird in kritischen Fällen die vollständige Meßschaltung eingesetzt, wobei die Kontrollinstrumente grundsätzlich so eingeschaltet werden, daß ein Strommesser in Reihe zu jedem Strompfad eines Leistungsmessers und ein Spannungsmesser parallel zu jedem Spannungspfad in die Schaltung eingefügt wird. Da in der Regel die gesamte Wirkleistung Pges gemessen werden soll, muß der vom Leistungsmesser gemessene Wert P1 mit 3 multipliziert werden. Es gibt Leistungsmesser, die diese Multiplikation intern vornehmen und damit die Gesamtwirkleistung anzeigen. 7.1.4 Beliebig belastetes DreileiterDrehstromsystem Hier wird vorwiegend das Zwei-Leistungsmesser-Verfahren nach Aron eingesetzt. Die in Bild VI-16 dargestellte Anordnung der zwei Leistungsmesser in der Meßschaltung kann man anhand der Momentanwerte von Strom und Spannung ableiten. Die Last ist im Stern geschaltet, der Index „*“ kennzeichnet den Sternpunkt.
1 2 3
5
Bild VI-14 Leistungsmesserschaltungen a) stromrichtig b) spannungsrichtig c) vollständige Meßschaltung
L1 A V
N
N
N
a)
b)
c) P1
7.1.2 Wirkleistungsmessung in Drehstromsystemen Drehstromsystem ist die übliche Bezeichnung für ein dreiphasiges Wechselstromsystem. Die drei Spannungen haben untereinander einen Phasenwinkel von 120º bzw. 240º. Hier ist zu unterscheiden, ob das Drehstromsystem symmetrisch belastet ist (gleiche Impedanz der drei im Stern und/oder im Dreieck geschalteten Verbraucher), oder aber unsymmetrisch belastet ist (die drei an die Außenleiter angeschlossenen Lastimpedanzen sind nicht gleich). Bei symmetrischer Last kann der Null- oder Neutralleiter entfallen!
Bild VI-15 Leistungsmesserschaltung bei symmetrischer Last
RU
1 2 3
5
L1 L2 L3 2 x RU
Pges = 3 · P1
7.1.3 Symmetrisch belastetes Drehstromsystem Ist die Last im Stern geschaltet und der Sternpunkt zugänglich, wird der nicht gekennzeichnete Anschluß
künstlicher Sternpunkt
766
Meßtechnik P1
P2 I1
fL U31 U 3N
1 2 3 * * L1 L2 L3
5
1 2 3 * *
U1N U12
U2N fL U23
5
Bild VI-16 Zwei-Leistungsmesser-Verfahren nach Aron a) Anordnung der Leistungsmesser b) Zeigerdiagramm für den Sonderfall der symmetrischen Last in Sternschaltung
I3
fL Winkel der Last Pges = P1 + P2
a)
b)
p = u1* · i1 + u2* · i2 + u3* · i3 i1 + i2 + i3 = 0 ⇒ i2 = – i1 – i3 p = i1 · (u1* – u2*) + i3 · (u3* – u2*) ; u1* – u2* = u12 ; u3* – u2* = u32 p = i1 · u12 + i3 · u32
(VI.41)
Aus Gleichung (VI.41) folgt, daß kein Null- oder Neutralleiter angeschlossen sein darf, weil sonst die verwendete Beziehung i1 + i2 + i3 = 0 nicht mehr gilt. Der Übergang von den Momentanwerten zu den Effektivwerten wird z.B. beim elektrodynamischen Meßwerk durch die Trägheit des mechanischen Systems, bestehend aus Drehspule mit Zeiger, bewirkt. Ausgedrückt durch U, I und cos j ergibt sich die gesamte umgesetzte Wirkleistung Pges für den allgemeinen Lastfall zu: Pges = U12 · I1 · cos j1 + U32 · I3 · cos j3
(VI.42a)
Formelgrößen siehe Text
Darin ist j1 der Winkel zwischen U12 und I1 und entsprechend j3 der zwischen U32 und I3. Die Ausschläge der zwei Leistungsmesser sind vorzeichenrichtig zu addieren, da auch negative Ausschläge möglich sind (siehe unten). In der Praxis ist der Fall der unsymmetrischen Last in Sternschaltung kritisch, da die Höhe der Spannungen an den Lastimpedanzen vom Wert der einzelnen Lastimpedanzen abhängt. In Bild VI-16 ist das Zeigerdiagramm für symmetrische Last in Sternschaltung dargestellt. Die Phasenwinkel der drei Lastimpedanzen sind gleich. Bezeichnet man sie mit jL und zerlegt die zwei Winkel aus Gleichung (VI.42a) in die Summe oder Differenz aus dem Phasenwinkel jL der Last und dem Winkel von 30o (zwischen Leiterstrom und Mittelpunktspannung), so erhält man Pges = U12 · I1 · cos (jL + 30º) + U32 · I3 × cos (jL – 30º); symmetrische Last jL Winkel der Last
(VI.42b)
Hinweis: U32 hat die entgegengesetzte Zeigerrichtung von U23. Anhand des Lastfalles „Symmetrische Last“ wird auf einige Besonderheiten bei der Leistungsmessung nach Aron hingewiesen: 1. Nach Gleichung (VI.42b) hat ein Leistungsmesser einen negativen Ausschlag bei jL > 60º oder jL < – 60º. Bei Zeigerinstrumenten muß dann der Spannungspfad umgepolt werden. Eine Umpolung des Strompfades ist möglich, aber ungünstig, da Ströme im Ampere-Bereich geschaltet werden müssen und die Unterbrechung von induktiven Verbrauchern wegen möglicher Spannungsüberhöhungen problematisch sein kann. Viele Leistungsmesser besitzen deshalb einen entsprechenden Umschalter im Spannungspfad. Die so abgelesene Leistung ist bei der Berechnung der Gesamtwirkleistung negativ einzusetzen. 2. Auch der Ausschlag Null ist bei einem Leistungsmesser möglich, wenn gilt: jL = 60º oder jL = – 60º. 3. Beim Anschluß von idealen Blindwiderständen sind die Anzeigen der zwei Leistungsmesser nicht Null, da sie nicht den Winkel der Last mit + 90º oder – 90º erhalten, sondern einen um + 30º oder – 30º veränderten Winkel. Allerdings sind die Ausschläge der zwei Leistungsmesser entgegengesetzt gleich groß, so daß sich als Gesamtwirkleistung nach vorzeichenrichtiger Addition der korrekte Wert Null ergibt. 7.1.5 Beliebig belastetes VierleiterDrehstromsystem Die Leistungsmessung geschieht durch drei Leistungsmesser, die nach Bild VI-17 angeschlossen werden. Dabei kann die Last aus einer beliebigen Kombination von Verbrauchern bestehen (Verbraucher im Dreieck und/oder im Stern geschaltet und/oder Wechselstromverbraucher). Die gesamte umgesetzte Wirkleistung Pges ergibt sich aus der Summe der drei von den Leistungsmessern angezeigten Einzelwirkleistungen: Pges = P1 + P2 + P3.
VI Meßverfahren zur Messung elektrischer Größen P1
1 2 3
P2
5
1 2 3
P3
5
1 2 3
L1 L2 L3 N
Bild VI-17 Leistungsmesserschaltung im beliebig belasteten Vierleitersystem
5
Pges = P1 + P2 + P3
7.2 Blindleistungsmessung Für sinusförmigen Spannungs- und Stromverlauf berechnet sich die Blindleistung Q zu Blindleistung Q = U · I · sin jL (VI.43) jL Winkel der Last; U, I Effektivwerte von Spannung und Strom in V bzw. A
In größeren Firmen muß die meist durch Motoren verursachte induktive Blindleistung kompensiert werden, weil die zugehörigen Ströme das Netz zusätzlich belasten. 7.2.1 Blindleistungsmessung bei Wechselstrom Sie wird in der Praxis selten angewendet. Bei den analog anzeigenden Blindleistungsmessern wird ein Phasenschieber eingebaut, der im Spannungspfad eine Phasenverschiebung von 90º erzeugt (sin j = cos (90º – j)). Bei den digital anzeigenden Leistungsmessern wird der Phasenwinkel elektronisch gemessen und die Blindleistung nach Gleichung (VI.43) rechnerisch ermittelt. 7.2.2 Blindleistungsmessung in symmetrisch belasteten Dreileiter-Drehstromsystemen Q1
1 2 3 L1 L2 L3
767
tungsmesser erhält aber die Spannung U23 und den Strom I1, die den Winkel 90º zueinander haben. Er zeigt damit die Blindleistung für diesen Fall korrekt zu Null an. Andere Phasenwinkel der Last werden für die Blindleistungsmessung ebenfalls richtig erfaßt. Wegen der symmetrischen Last kann der Nulleiter entfallen. Die gesamte Blindleistung erhält man mit folgender Beziehung: Q ges =
3 ⋅ Q1 ; symmetrische Last
(VI.44)
Q1 vom Leistungsmesser angezeigte Blindleistung in Var; Qges gesamte Blindleistung in Var
Da die Spannung am Spannungspfad um den Faktor U 23 / U 1N =
3 zu groß ist, muß zur Berechnung der
gesamten Blindleistung Qges zunächst durch 3 geteilt und anschließend die gemessene Blindleistung Q1 mit 3 multipliziert werden. Das ergibt den Faktor 3/ 3 =
3 in Gleichung (VI.44).
7.2.3 Blindleistungsmessung in beliebig belasteten Vierleiter-Drehstromsystemen Die Meßschaltung nach Bild VI-19 entspricht der Aron-Schaltung bei der Wirkleistungsmessung. Die Gesamt-Blindleistung wird unabhängig von der Art der angeschlossenen Last richtig gemessen, wenn folgende Grundsätze beachtet werden:
5
I1 U23 Qges = 3 · Q1
Bild VI-18 Blindleistungsmessung im symmetrisch belasteten Dreileiter-Drehstromsystem; Zeigerbild für ohmsche Last Im Zeigerbild sind Spannung und Strom für einen ohmschen Verbraucher RL eingetragen (Bild VI-18). Damit ist der Phasenwinkel der Last Null. Der Leis-
1. Die angezeigten Blindleistungen Q1 und Q2 der zwei Leistungsmesser sind vorzeichenrichtig zu addieren und anschließend mit dem Faktor 3 zu multiplizieren. 2. Beim Anschluß der zwei Leistungsmesser ist auf richtige Polung zu achten (Bild VI-19). Der Faktor 3 entsteht auf die gleiche Weise wie im symmetrisch belasteten Drehstromsystem, jetzt aber über den zu groß gemessenen Strom. Q ges =
3 ⋅ ( Q1 + Q 2 ) ,
beliebige Last
(VI.45)
Q1, Q2 von den Leistungsmessern angezeigte Blindleistung in Var; Qges gesamte Blindleistung in Var
768
Meßtechnik Q1
Q2
kreis bewirken. Bild VI-20 zeigt eine Leistungsmesserschaltung mit Spannungs- und Stromwandler. Eine Kenngröße für den Spannungswandler ist die Nennübersetzung kNU.
1 2 3
5
1 2 3
5
UNp primärseitige Nennspannung in V; UNs sekundärseitige Nennspannung in V
L1 L2 L3 N
Die sekundärseitige Nennspannung ist in der Regel zu 100 V festgelegt, wenn die primärseitige Nennspannung anliegt. Qges =
3(Q1 + Q2)
Bild VI-19 Blindleistungsmessung im beliebig belasteten Drehstromsystem
Die Scheinleistung S ist das Produkt aus Spannung und Strom für jL = 0º: Scheinleistung S = U · I (VI.46) Sie wird gemessen, indem entweder U und I getrennt gemessen und dann multipliziert werden, oder aber Spannungs- und Strompfad erhalten je einen Gleichrichter mit anschließender Glättung im Spannungspfad. Dann werden beide Größen multipliziert, entweder analog im elektrodynamischen Meßwerk oder analog oder digital auf elektronischem Wege im digital anzeigenden Leistungsmesser.
7.4 Meßbereichserweiterung bei der Leistungsmessung Für die Meßbereichserweiterung von Spannungs- und Strompfad sind grundsätzlich die im Kapitel VI.3 aufgeführten Maßnahmen mit Vor- und Parallelwiderstand möglich. Allerdings wird der Einsatz von P1
1 2 3
L2
U u V
k K
Nennübersetzung des Stromwandlers I Np k NI = I Ns
(VI.48)
INp primärseitiger Nennstrom in A; INs sekundärseitiger Nennstrom in A
7.3 Scheinleistungsmessung
L1
Nennübersetzung des Spannungswandlers U Np k NU = (VI.47) U Ns
Bild VI-20 Leistungsmesserschaltung mit Spannungs- und Stromwandler
5
l L
v
Spannungs- und Stromwandlern bevorzugt, weil diese neben einer günstigeren Leistungsbilanz (keine Verluste an Vor- und Nebenwiderständen) eine galvanische Trennung zwischen Leistungskreis und Meß-
Der sekundärseitige Nennstrom beträgt in der Regel 5 A bei primärseitigem Nennstrom. Bei der Leistungsmessung mit Spannungs- und Stromwandlern ergibt sich die Beziehung zwischen der mit dem Leistungsmesser gemessenen Leistung P1 und der tatsächlich in der Lastimpedanz Z umgesetzten Wirkleistung PZ aus PZ = kNU · kNI · P1
(VI.49)
PZ Wirkleistung in der Impedanz Z in W; kNU, kNI siehe Gleichungen (VI.47, 48); P1 vom Leistungsmesser angezeigte Wirkleistung in W
Wichtig beim Einsatz von Stromwandlern ist, daß sie niemals sekundärseitig im Leerlauf betrieben werden dürfen, weil sonst sehr hohe lebensgefährliche Spannungen anliegen. Pro Spannungswandler können sekundärseitig mindestens drei Instrumente (Spannungspfade, Spannungsmesser) parallelgeschaltet werden; pro Stromwandler ebenfalls mindestens drei (Strompfade, Strommesser) in Reihe. Beide Wandler sind sekundärseitig zu erden, damit bei Fehlern im Wandler (Verbindung zwischen Primär- und Sekundärwicklung) sekundärseitig keine unzulässig hohen Spannungen auftreten.
7.5 Leistungsfaktormessung Der Leistungsfaktor cos j ist bei sinusförmigen Spannungen und Strömen gleich dem Kosinus des Winkels j zwischen U und I. Er wird entweder rechnerisch über zwei der drei gemessenen Größen P, Q und S über die Beziehungen j = arctan (Q/P) oder j = arccos (P/S) bestimmt, oder er wird mit einem entsprechend konstruierten cos-j-Meßgerät mit Kreuzspulmeßwerk gemessen. Digital anzeigende Leistungsmesser setzen häufig das rechnerische Verfahren ein.
8 Messung der Arbeit Die elektrische Arbeit W berechnet sich bei konstanter Leistung P zu:
VI Meßverfahren zur Messung elektrischer Größen
Schnitt A–B o2
SP1
i 1 (t ) o1(t)
J1
769
o1
o1
SP2
J2
iw
iw
i 2 (t )
N
o2(t)
A
B J1
o1(t)
o1(t)
AS
Zählwerk
Arbeit W = P · t für P = const
AS SP1 SP2 BM J1 J2
Aluminiumscheibe Stromspule Spannungsspule Bremsmagnet Joch Stromspule Joch Spannungsspule
(VI.50a)
W elektrische Arbeit in Ws bzw. kWh, P Leistung in W bzw. kW, t Zeit in s bzw. h
Ändert sich die Leistung mit der Zeit, müssen die Momentanwerte addiert und auf die Zeit bezogen werden. Mathematisch ausgedrückt heißt das, daß über die Momentanwerte p(t) der Leistung integriert werden muß: T
BM
Arbeit W = ∫ p ( t ) d t
(VI.50b)
0
Momentanwert der Leistung zeitabhängig W elektrische Arbeit in Ws bzw. kWh, p(t) Momentanwert der Leistung in W bzw. kW (zeitabhängig), T Dauer der Erfassung in s bzw. h
Die Messung der elektrischen Arbeit geschieht in jedem Haushalt zum Zweck der Gebührenerfassung mit einem Elektrizitätszähler, der nach dem Prinzip des Induktionszählers nach Bild VI-21 aufgebaut ist. Der von der Stromspule SP1 hervorgerufene sinusförmige magnetische Fluß F1 und der von der Spannungsspule SP2 verursachte magnetische Fluß F2 bewirken ein resultierendes Drehmoment für die Aluminiumscheibe, das dem Momentanwert der Wirkleistung proportional ist. Der Bremsmagnet BM erzeugt in der Scheibe Wirbelströme, die ein Gegendrehmoment proportional zur Drehzahl bewirken. Sind beide Drehmomente im Gleichgewichtszustand, ist der Momentanwert der Drehzahl der Scheibe dem Momentanwert der Wirkleistung proportional. Über ein Zählwerk werden die Momentanwerte addiert und damit die vom Elektrizitäts-Versorgungsunternehmen (EVU) gelieferte Arbeit gemessen. Sie wird aus praktischen Erwägungen nicht in Wattsekunden, sondern in Kilowattstunden angegeben.
Bild VI-21 Prinzip eines Induktionszählers für Wechselstrom
Der dargestellte Induktionszähler ist für die Messung in Wechselstromkreisen ausgelegt, kann aber auf die Erfassung der Arbeit in Drehstromsystemen dadurch erweitert werden, daß die Spulenanordnung dreimal (für jeden Außenleiter getrennt) angebracht wird. Damit sind dann drei Spannungs- und drei Stromspulen vorhanden. Der Anschluß geschieht, wie bei der Leistungsmessung in Wechselstromkreisen oder Drehstromsystemen, nach Bild VI-14 oder Bild VI-17. Intern ist der Elektrizitätszähler für die stromrichtige Meßschaltung verdrahtet. Die Proportionalitätskonstante zwischen der Anzahl der Umdrehungen der Aluminiumscheibe und der Arbeit heißt Zählerkonstante und wird auf dem Typenschild des Zählers in Umdrehungen/kWh angegeben.
9 Messung von L, C, Gütefaktor und Verlustfaktor Industriell gefertigte Induktivitäten und Kapazitäten sind keine idealen Bauelemente in dem Sinne, daß sie einen Phasenwinkel von genau + 90º oder – 90º zwischen U und I besitzen. Vielmehr treten Verluste auf, die in einem einfachen Ersatzschaltbild durch ohmsche Widerstände dargestellt werden (Bild VI-22). In Reihe zu der als ideal angenommenen Induktivität L liegt der Wirkwiderstand RL, der im wesentlichen den Wicklungswiderstand der Spule erfaßt. Es wird vorausgesetzt, daß die Spule keinen Eisenkern besitzt, weil dann durch die nichtlineare Beziehung zwischen der magnetischen Feldstärke H des Eisens und der Flußdichte B die Induktivität L vom Strom abhängt. Parallel zum Kondensator C liegt der Widerstand RC, der den Isolationswiderstand darstellt. Damit ergeben sich die Zeigerdiagramme in Bild VI-22.
770
Meßtechnik L
I
U L = I ⋅ R L2 + ( wL ) = I ⋅ Z L 1 UC = I ⋅ = I ⋅ ZC 2 ⎛ 1 ⎞ 2 ⎜ ⎟ + ( wC ) ⎝ RC ⎠ 2
C
RL
I
L UL
URL U
Ic IRc
C Rc U
Reihenersatzschaltung im
Parallelersatzschaltung im
U
I
d
d
Ic
UL
f URL
re
IRc
U
Komplexer Widerstand: ZL = RL + jωL
Komplexer Leitwert: YC = (1/RC) + jωC
Verlustwinkel: d ≠ π – | f| 2 Verlustfaktor: P tand = |Q|
Verlustwinkel: d ≠ π – | f| 2 Verlustfaktor: P tand = |Q|
re
Die verwendeten Meßverfahren messen in der Regel L und RL bzw. C und RC. Daraus wird Q oder tan d entweder manuell errechnet oder durch ein in das Meßgerät eingebautes Rechenprogramm bestimmt. Grundlage für die Meßverfahren ist die Brückenschaltung, die nach Kapitel VI.6.2.2 und Gleichung (VI.23) die Möglichkeit bietet, zwei Größen einer Impedanz zu messen: Realteil = 0: R1 · R4 – X1 · X4 = R2 · R3 – X2 · X3
Bild VI-22 Ersatzschaltbild und Zeigerdiagramm realer Spulen und Kondensatoren
Eine reale Spule kommt der idealen Spule um so näher, je kleiner RL im Verhältnis zur Impedanz XL = w · L ist. Für dieses Verhältnis gilt (w · L)/RL = tan ϕ. Damit könnte man durch die Angabe von ϕ oder tan ϕ die Eigenschaft einer Spule charakterisieren mit der Tendenz, daß eine reale Spule der idealen umso näher kommt, je mehr sich ϕ dem Wert 90º oder tan ϕ dem Wert ∞ nähert. Aus praktischen Erwägungen heraus hat man nicht den Winkel ϕ, sondern den Ergänzungswinkel zu 90º, d, gewählt. tan d wird als Verlustfaktor bezeichnet, der Kehrwert 1/tan d als Gütefaktor Q. Für reales L und C ergibt sich Gütefaktor einer Spule Q = 1/tan d = w · L/RL
Gütefaktor eines Kondensators Q = 1/tan d = w · C · RC
Die gemessenen Impedanzen stimmen mit denen von Spule bzw. Kondensator um so mehr überein, je kleiner RL und je größer RC ist. Da bei Kondensatoren häufig RC >> 1/(w · C) ist, ergeben sich dann relativ genaue Werte für C. Bei Induktivitäten sind in vielen Fällen Überschlagsmessungen für L möglich.
9.2 Messung von ZL, ZC, Gütefaktor und Verlustfaktor
f I
(VI.52)
(VI.51)
Zur Messung der Induktivität oder der Kapazität gibt es zwei prinzipiell unterschiedliche Meßverfahren.
9.1 Messung von ⏐ZL⏐oder ⏐ZC⏐ Dieses Meßverfahren wird hauptsächlich in VielfachMeßinstrumenten oder L- und C-Meßgeräten der unteren Preisklasse eingesetzt. In den zu messenden Kondensator oder in die Spule wird ein sinusförmiger Strom bekannter Frequenz (z.B. 1 kHz) eingespeist. Die sich einstellende Spannung wird gemessen und ist dem Betrag der Impedanz proportional.
Imaginärteil = 0: R1 · X4 + R4 · X1 = R3 · X2 + R2 · X3
(VI.53)
In Bild VI-23 sind drei Brückenanordnungen dargestellt. Allgemein gilt, daß die zu messende Größe mit dem Index „x“ versehen ist und an der Stelle von Z1 angeordnet wurde. Die jeweils zwei Abgleichelemente sind wechselseitig solange zu verstellen, bis die Spannung in der Brückendiagonalen Null ist. Dann lassen sich mit den Gleichungen (VI.53) die zwei unbekannten Elemente bestimmen. Bei der Kapazitätsmeßbrücke ist das Reihenersatzschaltbild für den Kondensator angegeben, das sich aber in das anschaulichere Parallelersatzschaltbild umrechnen läßt. Dieses Ersatzschaltbild hat den Vorteil, daß die folgende einfache Zuordnung der Elemente von Gleichung (VI.53) nach den Elementen des Bildes VI.23a gilt: R1 → Rx ; X1 → – 1/(w · Cx ); X2 → – 1/(w · C2 ); R3 → R3 ; X3 = X4 = 0
R2 → R2 ; R4 → R4 ;
Beispiel VI.3: Umrechnung eines Reihen-Ersatzschaltbildes in
ein Parallel-Ersatzschaltbild.
Z = Rr − j
R ⋅ w⋅ Cr − j 1 = r wCr wCr
wC ( R ⋅ w⋅ Cr + j ) wCr 1 = = r r Z Rr ⋅ w⋅ Cr − j ( Rr ⋅ w⋅ Cr ) 2 +1 =
Rr ⋅ w2 ⋅ Cr2
+j
wCr
=
1
+ jwCp
( Rr ⋅ w⋅ Cr ) 2 +1 ( Rr ⋅ w⋅ Cr ) 2 +1 Rp Cr ( R ⋅ w⋅ Cr ) 2 +1 ⇒ Rp = r Cp = ; Rr ⋅ w2 ⋅ Cr2 ( Rr ⋅ w⋅ Cr ) 2 +1
VI Meßverfahren zur Messung elektrischer Größen
Rx R2 C2
Cx = C2 ·
a)
Rx
R3
Usp Cx
Usp
Rx Cx
R3
Lx R2
R4
R4 R ; R = R2 · 3 R4 R3 x
771
Usp R4
C4
Lx = R2·R3·C4; Rx = R2·
R3
R3 R4
CN
R4
C4
Dim.: R4 = 1000 π Ω tand = R4ωC4 R C Cx = CN · 4 ; Rx = R3 · 4 R3 CN 5 C4 tand = 10 · F 1 mit ω = 2 · π · 50 s
b)
Bild VI-23 Beispiele für L- und C-Meßbrücken a) Kapazitätsmeßbrücke b) Induktivitätsmeßbrücke nach Maxwell-Wien c) Schering-Meßbrücke Die Schering-Meßbrücke dient zum Messen von Hochspannungskondensatoren für die Energietechnik. Damit ist die Frequenz zu 50 Hz festgelegt, die Brückenspeisespannung kann mehrere kV betragen. Durch die angegebene Dimensionierung von R4 läßt sich der Verlustfaktor direkt messen. Dieser darf bei Hochspannungskondensatoren bestimmte Werte nicht überschreiten, da sie sich sonst zu stark erwärmen und damit selbst zerstören. Moderne Meßgeräte verwenden intern häufig die Brückenschaltungen zur Bestimmung von Real- und Imaginärteil des zu messenden Bauelementes. Der Nullabgleich geschieht vollautomatisch. Güte- und Verlustfaktor werden berechnet, das Ersatzschaltbild des Kondensators oder der Spule kann sowohl in der Paralleldarstellung (Cp und RCp oder Lp und RLp parallel) als auch in der Reihendarstellung (Cr und RCr oder Lr und RLr in Reihe) auf einem LCDBildschirm dargestellt werden. Die einzelnen Größen einschließlich Meßfrequenz und Meßstrom (wichtig für Spulen mit Eisenkern) werden ebenfalls zahlenmäßig eingeblendet. Ein anderes Verfahren speist einen konstanten sinusförmigen Wechselstrom vorgegebener Frequenz in das zu messende Bauelement ein. Zwei Spannungsmesser mit phasenempfindlichem Gleichrichter messen die Spannung über dem Bauelement und filtern jeweils die Inphase-Komponente der Spannung mit dem Strom (entspricht dem Wirkanteil) und die ±90º-Komponente (entspricht dem induktiven oder kapazitiven Blindanteil) heraus. Daraus lassen sich dann die zu messenden Größen berechnen und anzeigen.
10 Messung magnetischer Größen Die am häufigsten gemessenen magnetischen Größen sind der magnetischer Fluß F in Weber (1 Wb = 1 Vs), die magnetische Flußdichte B in Tesla (1 T = 1 Vs/m2 = 1 Wb/m2), die magnetische Feldstärke H in A/m und die Permeabilität (m = m0 · mr = B/H).
10.1 Magnetischer Fluß Zeitlich veränderlicher Fluß: Handelt es sich um einen sinusförmig veränderlichen Fluß, der in seiner Gesamtheit durch eine bestimmte Fläche hindurchtritt (kein Streufluß), legt man um diese Fläche eine Spule mit N Windungen. In der Spule wird dann eine Spannung u(t) induziert: u(t ) = − N ⋅
d F( t ) dt
(VI.54)
Mit F(t) = Fm · sin wt und d(F(t))/dt = w · Fm · cos wt folgt für die Beziehung der Scheitelwerte um und Fm um = –N · w · Fm
(VI.55)
Dieses Verfahren hat den Vorteil, daß an Form und Größe der Fläche, durch die der Gesamtfluß hindurchtritt, keine Bedingungen gestellt werden, da die Spule nur diese Fläche voll umfassen muß. Zeitlich konstanter Fluß: Ist der zu messende magnetische Fluß zeitlich konstant, kann man den Strom, der den Fluß verursacht, ein- oder ausschalten. Durch diese Flußänderung wird eine Spannung in der benutzten Spule induziert. Der Momentanwert der induzierten Spannung hängt natürlich von dem zeitlichen Verlauf des Schaltvorgangs und damit vom zeitlichen Verlauf des Flusses F(t) ab. Integriert man aber die Momentanwerte der Spannung mit einem elektronischen Integrierer, so ist der erhaltene Spannungswert uges dem Gesamtfluß Fges proportional. Eine weitere Möglichkeit zur Flußmessung unabhängig vom zeitlichen Verlauf ist mit der bei der Messung der magnetischen Flußdichte B beschriebenen Hall-Sonde möglich. Diese mißt zwar die magnetische Flußdichte B, wenn aber B auf der Fläche A konstant ist, erhält man F durch Multiplikation mit der Fläche A (F = B · A). Ist B nicht konstant auf A, teilt man die Fläche in kleine Teilflächen auf, mißt die jeweilige Flußdichte B und summiert die erhaltenen Werte zum Gesamtfluß auf.
772
Meßtechnik
10.2 Magnetische Flußdichte
10.3 Magnetische Feldstärke
Die magnetische Flußdichte B wird zunehmend mit der Hallsonde gemessen (Bild VI-24). Der Strom I durchfließt ein Plättchen der Dicke d, wobei d klein ist gegenüber der Länge und der Breite. Das Plättchen wird senkrecht in der eingezeichneten Weise von einem Magnetfeld mit der Flußdichte B durchsetzt. Dann kann nach Bild VI-24 eine Spannung, die sogenannte Hallspannung, abgegriffen werden. Sie entsteht durch die Lorentzkraft, die auf die in einem Magnetfeld bewegten Elektronen eine Kraft ausübt und eine Ladungstrennung bewirkt. Hallspannung UH = (kH · I · B)/d (VI.56)
In Materialien, in denen die Permeabilitätszahl mr konstant ist (mr ⫽ f(i)), wird die magnetische Feldstärke dadurch bestimmt, daß man die magnetische Flußdichte B mit einem der oben genannten Verfahren mißt und über die Beziehung B = m0 · mr · H die Feldstärke errechnet. In ferromagnetischen Materialien ändert sich die Permeabilitätszahl mr mit der Flußdichte B. Zur Messung nutzt man aus, daß in parallelen magnetischen Kreisen die magnetische Spannung gleich groß ist. Der eine Kreis ist der Kreis mit dem ferromagnetischen Material, der andere parallele Kreis ein Luftkreis. Wird in beiden Kreisen ein homogenes Feld erzeugt, bestimmt man die Feldstärke im Luftkreis und hat damit gleichzeitig den Wert für den anderen Kreis. Die Feldstärke im Luftkreis wird über die induzierte Spannung gemessen, indem von den Formeln (VI.55) und F = B · A = m · H · A Gebrauch gemacht wird.
UH Hallspannung in V; kH Hallkonstante in m3/As; I Strom in A; B magnetische Flußdichte in Vs/m2; d Plattendicke in m
Die Hallkonstante kH ist besonders groß bei den technologisch gut beherrschten Materialien Indiumantimonid und Galliumarsenid. Sie liegt in der Größenordnung (102 ... 103) cm3/A · s.
UH/V 1,0
Schaltsymbol
I
UH
d B
–1,0
UH = f(B) 1,0
B/T
–1,0 RHY 10
Die Hallsonde vom Typ RHY 10 (Siemens) hat einen Gehäusedurchmesser von 2,5 mm. Der Nennstrom ist 100 mA. Bei einer Flußdichte von 1 T ergibt sich eine Leerlauf-Hallspannung von etwa 100 mV. Der Innenwiderstand der Hallspannungsquelle und der Stromeinspeisungsseite betragen jeweils etwa 2 Ω. Häufig wird die Leerlauf-Empfindlichkeit angegeben: Ausgangsspannungsänderung zu Stromänderung × Flußdichteänderung in der Einheit V/AT. Damit können unterschiedliche Hallsonden miteinander verglichen werden. Für die Sonde RHY 10 ergibt sich ein Wert von 0,1 V/(0,1 A × 1 T) = 1 V/AT. Das Vorzeichen der Hallspannung hängt von der Richtung des Magnetfeldes ab. Weiterhin lassen sich zur Messung magnetisch steuerbare Widerstände (Feldplatten) verwenden. Werden sie von einem Magnetfeld durchsetzt, nimmt ihr Widerstand R mit zunehmender Flußdichte B zu. Die Abhängigkeit ist nichtlinear. Die Feldplatte FP 30 N 60 E (Siemens) hat die äußeren Maße 3,2 mm × 1,2 mm. Der Widerstand beträgt bei B = 0 etwa 50 Ω; bei B = 0,3 T ist er auf den Wert 1,4 · 50 Ω angestiegen, bei B = 1 T auf 5 · 50 Ω. Durch eine Wechsel-Vormagnetisierung lassen sich Flußdichten im mT-Bereich messen. Der Widerstand ist ein reiner Wirkwiderstand, der nicht von der Richtung des Magnetfeldes abhängt.
Bild VI-24 Hallsonde a) Schaltsymbol b) Aufbau c) Kennlinie RHY 10 (Siemens)
10.4 Permeabilität Die magnetischen Eigenschaften ferromagnetischer Werkstoffe werden häufig durch die Magnetisierungskurven B = f(H) beschrieben. Ändert man die Feldstärke periodisch zwischen einem positiven und einem gleich großen negativen Wert, bekommt man die Hystereseschleife nach Bild VI-25. Im Teil a) ist die Meßschaltung zu deren Aufnahme dargestellt. Die magnetische Feldstärke H(t) ist dem Strom i1(t) = Im · sin wt in der Primärspule proportional. Dieser Strom wird als proportionaler Spannungsfall u1(t) = i1(t) · R1 dem X-Verstärker eines Oszilloskops zugeführt. Damit ist u1(t) = k · H(t). Die Flußdichte B(t) wird über F(t) ermittelt. Für die in der Sekundärspule induzierte Spannung u2(t) gilt nach Gleichung (VI.54): u2(t) = – N · dF(t)/dt. Für F(t) = Fm · sin wt ergibt sich u2(t) = – N · w · Fm × cos wt = –N · w · Bm · A · cos wt. Zwischen B(t) und H(t) besteht aber noch eine Phasenverschiebung von 90º. Deshalb wird die Spannung u2(t) zunächst über einen Tiefpaß aus R2 und C geschickt und anschließend dem Y-Verstärker des Oszilloskops zugeführt. Dieser Tiefpaß wirkt dann als Integrierer mit einer Phasenverschiebung von nahezu – 90º, wenn seine Grenzfrequenz wesentlich geringer ist als die Frequenz der den Transformator
VII Meßverfahren zur Messung nichtelektrischer Größen
773
R2 U
u2(t) R1
i1(t)
Bild VI-25 Messung der Hystereseschleife a) Meßschaltung b) Hystereseschleife
C
u1(t)
B
N Neukurve Br magn. Remanenz (Restmagnetismus) Hc Koerzitivfeldstärke
N
Br
H Hc
speisenden Spannung. Mit R2 = 1 MΩ und C = 1 mF ergibt sich eine Grenzfrequenz von etwa 1 Hz, und damit ist diese Bedingung bei einer Transformatorspeisung mit 50 Hz erfüllt. Über die Messung der Scheitelwerte von B und H nach einem der oben beschriebenen Verfahren kann auf der X- und Y-Achse eine Skalierung angebracht
werden. Der dargestellten Hystereseschleife läßt sich die flußdichteabhängige Permeabilität gemäß B = m · H entnehmen. Die von der Hystereseschleife eingeschlossene Fläche ist der für die Wirbelströme aufzubringenden Arbeit proportional. Weiterhin lassen sich die Koerzitivfeldstärke Hc und die Remanenzflußdichte Br ablesen.
VII Meßverfahren zur Messung nichtelektrischer Größen Tabelle VII-1 Vor- und Nachteile des elektrischen Messens nichtelektrischer Größen Vorteile
Nachteile
Hohe Meßgenauigkeit Große Empfindlichkeit Meist geringe Rückwirkung auf den Meßkreis Gute Anpassungsmöglichkeit an die Meßgröße Einfache Meßwertübertragung über 2-Draht-Leitung oder drahtlos Einfache Speicherung, Registrierung und Weiterverarbeitung Grenzfrequenz der Meßeinrichtung wesentlich höher als die der zu messenden Größe Große Ausgangsleistung durch elektrische Verstärker
Meist Hilfsenergie erforderlich Manchmal höherer Preis
Die elektrische Messung nichtelektrischer Größen gewinnt zunehmend an Bedeutung, da einerseits sehr leistungsfähige Meßverfahren entwickelt worden sind und andererseits die Meßdatenverarbeitung auf elektrischem Wege in Rechnern geschieht und damit die Umsetzung der nichtelektrischen Größen in elektrische Größen zwingend notwendig ist. In Tabelle
VII-1 sind einige Vor- und Nachteile der elektrischen Messung nichtelektrischer Größen gegenüber der nichtelektrischen Messung dargestellt. In Bild VII-1 ist eine Meßeinrichtung zur Messung nichtelektrischer Größen mit den verwendeten speziellen Bezeichnungen dargestellt. Ein Teil der Begriffe wurde schon im Kapitel I.1 erläutert.
774
Meßtechnik Bild VII-1 Prinzip einer Meßkette
Hilfsenergie Meßglieder Meßobjekt
Auswerter Sensor
Δu
Umformer ΔU1
ΔR
Meßgröße WiderstandsTemperatur thermometer
ck1 =
Δu ΔR
Umformer
Brückenschaltung
ck2 =
ΔR ΔU1
ΔU2 Spannungsverstärker
ck3 =
g Spannungsmesser
ΔU1 ΔU2
ck = ck1 · ck2 · ck3 · ck4 =
Ausgeber
ck4 =
ΔU2 g
Δu g
Meßkette: Die gesamte Meßeinrichtung wird als Meßkette bezeichnet. Sie beginnt bei dem Meßobjekt, dessen nichtelektrische Größe, hier am Beispiel der Temperaturmessung dargestellt, gemessen werden soll. Die Meßgröße Temperatur wird von einem Sensor oder Meßaufnehmer erfaßt, der das erste von mehreren Meßgliedern ist. Der Sensor kann entweder aktiv oder passiv sein. Ein aktiver Sensor setzt die thermische Energie in elektrische Energie um. So steht beim Thermoelement eine reale Spannungsquelle mit temperaturabhängiger Leerlaufspannung und Innenwiderstand zur Verfügung, der ein Strom entnommen werden kann. Beim passiven Sensor wird eine elektrische Größe durch die nichtelektrische Größe beeinflußt (in ihrem Wert geändert), wie das bei den temperaturabhängigen Widerständen, beispielsweise Widerstandsthermometern, NTC- und PTC-Widerständen, der Fall ist. Der sich ändernde Widerstandswert kann nicht direkt ausgewertet werden, sondern muß erst über einen Spannungsteiler oder einen eingeprägten konstanten Strom in eine auswertbare Spannungsänderung umgesetzt werden. Das geschieht in einem weiteren Meßglied.
Manche Meßeinrichtungen erfordern drei oder mehr Meßglieder, wie z.B. die Kraftmessung mit Dehnungsmeßstreifen (Kapitel VII.2.1). Die zu messende Kraft wird zunächst in eine Längenänderung, dann in eine Widerstandsänderung, diese in eine Spannungsänderung und schließlich in einen Zeigerausschlag umgesetzt. Ziel der Meßtechnik ist es, bei aktiven Sensoren die nichtelektrische Energie direkt, also ohne Zwischenschalten weiterer Energieformen, in elektrische Energie umzusetzen. Bei passiven Sensoren versucht man, die Zahl der Meßglieder so klein wie möglich zu halten. Am Ende der Meßkette steht der Ausgeber, der das Signal zur Anzeige und/oder zur Auswertung oder Weiterverarbeitung (Rechner) bereitstellt.
Meßwert
Meßglied-, Meßkettenkoeffizient: Die Eigenschaften der einzelnen Meßglieder werden durch den Meßgliedkoeffizienten cki erfaßt, der definiert ist als das Verhältnis von Eingangsgröße zu Ausgangs-
größe. Das Verhalten der gesamten Meßeinrichtung ergibt sich dann durch Multiplikation der einzelnen Meßgliedkoeffizienten zum Meßkettenkoeffizienten ck (siehe Beispiel VII.1). Beispiel VII.1: Temperaturmessung mit Widerstandsthermome-
ter; Bild VII-1 und Kapitel VII.1.1. R(J) = R0 · (1 + a · DJ) = R0 + R0 · a · DJ; R(J) – R0 = DR = R0 · a · DJ. Daraus ergibt sich der Meßgliedkoeffizient ck1 mit a = 4 · 10–3/ºC und R0 = 100 Ω zu: ck1 = DJ/DR = 1/(R0 · a) = 2,5 ºC/Ω. Wird DR in einer Viertelbrücke gemessen, so gilt für ck2 mit DU1 ≈ Usp · DR/(4 · R) (Näherungslösung, siehe Tabelle VI-1; im folgenden als exakte Beziehung verwendet): ck2 = DR/DU1 = 4 · R/Usp = 40 Ω/V = 40 mΩ/mV (mit Usp = 10 V). Ein eventuell erforderlicher Spannungsverstärker mit der Ausgangsspannung DU2 ist gekennzeichnet durch ck3 = DU1/DU2 = 1 mV/1000 mV („Verstärkung“ 1/ck3 = 1000). Abweichend von Bild VII-1 wird der Zusammenhang zwischen DU2 des Verstärkers und dem Strom DIi eines Zeigerinstrumentes über ck4 zugeordnet: ck4 = DU2/DIi = 1 mV/10 mA („Innenwiderstand“ ck4 = 100 Ω). Schließlich werden Strom und Ausschlag Dg über ck5 erfaßt: ck5 = 10 mA/1 Skt. Den Zusammenhang zwischen der Temperatur und den Skalenteilen erhält man durch Multiplikation der 5 Meßgliedkoeffizienten zum Meßkettenkoeffizienten ck:
ck = ck1 · ck2 · ck3 · ck4 · ck5 ck = (2,5ºC/Ω) · (40 mΩ/mV) · (1 mV/1000 mV) · (1 mV/10 mA) ck = · (10 mA/1 Skt ck = 10–4 ºC/Skt In Bild VII-1 wird DU2 auf einen Spannungsmesser gegeben. Dann gilt ck4 = DU2/g, ck = DJ/g. Hinweise: 1. Die Meßgliedkoeffizienten werden in der Regel auch dann mit Einheiten angegeben, wenn sie dimensionslos sind, siehe ck3. 2. Teile oder Vielfache der Einheiten sind beliebig wählbar, sollten sich aber an der Praxis orientieren: ck4 = 1 mV/10 mA = 1 V/10 mA = 100 V/1 A. Hier entspricht die Angabe 1 mV/10 mA am ehesten den in der Schaltung auftretenden Größen. 3. Die Bedeutung (Definition) eines Meßglied- oder Meßkettenkoeffizienten läßt sich in der Regel an seinen Einheiten ablesen. 4. Auch wenn „Skt.“ (Skalenteile) keine Einheit ist, wurde sie hier zum besseren Verständnis verwendet.
1 Meßaufnehmer Zunächst werden die physikalischen Prinzipien einiger wichtiger Aufnehmer aus meßtechnischer Sicht dargestellt.
VII Meßverfahren zur Messung nichtelektrischer Größen
1.1 Ohmsche Aufnehmer Es werden Widerstände betrachtet, die im hier vorkommenden Frequenzbereich weder eine kapazitive noch eine induktive Komponente besitzen. Der elektrische Widerstand R berechnet sich zu R=
r⋅ l l = g⋅ A A
(VII.1)
l Länge des Leiters in m, A Querschnittsfläche des Leiters in m2, g elektrische Leitfähigkeit in 1/(Ω · m), r spezifischer elektrischer Widerstand in Ω · m
Um den Wert des Widerstandes zu ändern, gibt es mehrere Möglichkeiten: 1. Ändern der Länge l: Über einen Schleifkontakt wird nur ein Teil des Gesamtwiderstandes R erfaßt. Das Prinzip ist vom Potentiometer her bekannt, wobei das Verändern der Schleiferstellung entweder durch eine Drehbewegung (Drehpotentiometer mit Teilwiderstand Ra, Bild VII-2a) oder eine Linearbewegung (Linearpotentiometer, „Flachbahnpotentiometer“ mit Teilwiderstand Rx, Bild VII-2a, b) erfolgen kann. Im einfachen Fall besteht der Widerstand aus einer Kohleschicht oder aus leitfähigem Kunststoff. Über einen Schleifkontakt aus Metall wird der Teilwiderstand abgegriffen. Rx
R Ra
R
1 x
2
a
l
1
2 1 Schleifer 2 Widerstandsmaterial auf Träger
a) R Rx
b) I=0
U1
R
Rv
Rv R U2 ~ Rv ~ x bzw. a c) U2 = U1
I1 U2
I=0 R
Rv
Besonders zuverlässig sind Drahtpotentiometer nach Bild VII-2b. Allerdings können die über den Schleifer abgegriffenen Widerstandswerte nur stufig eingestellt werden. Die meßtechnische Erfassung des Widerstandswertes geschieht entweder über einen Spannungsteiler (Bild VII-2c), eine Stromquelle (Bild VII-2d) oder in einer Brückenschaltung (Kapitel VI.6.1, Tabelle VI-1 und Gleichung VI.16). Hat das Spannungsmeßgerät (Bilder VII-2c, d) einen entsprechend hohen Eingangswiderstand (I ≈ 0), besteht eine lineare Beziehung zwischen Widerstandswert und zugeordneter Spannung. Damit kann man mit diesen Potentiometern Längen und Drehwinkel erfassen. Beispiel VII.2: Ein Draht-Potentiometer mit R = 1000 Ω besteht
aus N = 1000 Windungen. Dann kann der über den Schleifer abgegriffene Widerstand in Stufen von 1000 Ω/N = 1 Ω eingestellt werden. Dabei wird angenommen, daß der Schleifer ideal von Windung zu Windung übergreift. Man beachte, daß der relative Fehler durch diese Stufigkeit dann besonders groß ist, wenn kleine Widerstandswerte abgegriffen werden und ein Widerstandswert genau in der Mitte zwischen zwei abgreifbaren Werten eingestellt werden soll. Die maximal mögliche Abweichung zwischen Ist- und Sollwert beträgt ± 0,5 R/N, hier also ± 0,5 Ω, unabhängig vom abgegriffenen Widerstandswert. Der maximal mögliche relative Fehler nimmt also mit abnehmendem abgegriffenen Widerstandswert zu. So ergibt sich bei einem einzustellenden Widerstandswert von 20,5 Ω ein relativer Fehler von ± 0,5 Ω/ 20,5 Ω ≈ ± 2,4%. Deshalb werden manchmal Potentiometer mit einem Drehwinkel von 270º eingesetzt, wobei für die eigentliche Messung nur der Bereich von 180º bis 270º ausgenutzt wird. Dadurch bleibt der Fehler durch die Stufigkeit in vorgegebenen Grenzen.
2. Ändern von g oder r: Die elektrische Leitfähigkeit bzw. der spezifische Widerstand kann durch Temperatureinwirkung (Widerstandsthermometer, NTC-, PTC-Widerstände), Lichteinwirkung (Fotowiderstände), mechanische Dehnung oder Stauchung (Dehnungsmeßstreifen) und Magnetfeldeinwirkung (magnetfeldabhängige Widerstände) geändert werden (Tabelle VII-2). 3. Ändern der Fläche A: Hier ist im wesentlichen der bereits im vorigen Kapitel genannte und im Kapitel VII.2.1 näher beschriebene Dehnungsmeßstreifen zu nennen. Die relative Dehnung Dl/l eines elektrischen Leiters hat auch eine relative Flächenänderung zur Folge, die über die Querkontraktionszahl im „K-Faktor“ erfaßt ist.
1 Schleifer 2 Wicklung aus Widerstandsdraht 3 3 Träger 2
1
775
U2
U2 = I1· Rv U2 ~ Rv ~ x bzw. a d)
Bild VII-2 Potentiometer a) Schichtpotentiometer b) Drahtpotentiometer c) Auswerteschaltung mit Spannungsquelle d) Auswerteschaltung mit Stromquelle
1.2 Kapazitive Aufnehmer Die Kapazität eines Plattenkondensators berechnet sich unter Vernachlässigung der Randeffekte nach der Formel C = e0 · er · A/d
(VII.2)
er Dielektrizitätszahl; A Plattenfläche in m2; d Plattenabstand in m
Hierin können er, A und d verändert werden. Aus der sich dann ändernden Kapazität kann bei bekanntem rechnerischem Zusammenhang die zu messende Größe bestimmt werden. Dies sind in der Regel: 1. Längen oder Abstände, erfaßt über d, 2. Drehwinkel, gemessen über A nach dem Prinzip des Drehkonden-
776
Meßtechnik
Tabelle VII-2 Messung elektrischer und nichtelektrischer Größen durch Widerstandsänderungen Einflußgröße
Widerstandsänderung
Temperatur T
R(T) Widerstand bei der Temperatur T R0 Widerstand bei der Temperatur T0, häufig 0 ºC Abhängigkeit des Widerstandes von der Temperatur: 1. R(T) = R0(1 + A(T – T0) + B( T – T0)2), gilt allgemein für metallische Leiter, z.B. Cu, Pt, Ni. Näherung: R(T) ≈ R0(1 + A(T – T0)), für A wird hier auch a verwendet. A (bzw. a), B Materialkonstanten; A im Bereich + ( 3 ... 6 ) ⋅ 10–3 K–1, B im Bereich (– 1 ... + 10) ⋅ 10–6 K–2; Silizium-Temperatursensoren A ≈ 7,7 ⋅ 10–3 K–1, B ≈ 19 ⋅ 10–6 K–2; R0 im Bereich (1 ... 10) kΩ. 2. R(T) = R0 exp (B(1/T – 1/T0 )), gilt für spezielle Materialien, hier NTC-Widerstand, B Materialkonstante in der Größenordnung 3000 K bis 4000 K. 3. R(T) = RN exp (a(T – TN)), gilt für spezielle Materialien, hier PTC-Widerstand, näherungsweise in einem begrenzten, technisch ausgenutzten Temperaturbereich Tmax ≥ T ≥ TN gültig; Typenspektrum für TN im Bereich von ca. – 20 ºC bis 350 ºC und für RN im Bereich von ca. 1 Ω bis 100 kΩ; a Materialkonstante im Bereich (0,1 ... 0,7) K–1 oder meist angegeben in der Form (10 ... 70)%/K.
Licht, hier Beleuchtungsstärke E
R(E) = R0(E/E0)–g; Fotowiderstand R(E) Widerstand bei der Beleuchtungsstärke E; R0 Widerstand bei der Beleuchtungsstärke E0; g Materialkonstante im Bereich 0,5 ... 1,2.
Kraft, hier mechanische relative Dehnung Dl/l eines elektrischen Leiters
DR/R = K ⋅ Dl/l; K Materialkonstante, mit „K-Faktor“ bezeichnet; bei Dehnungsmeßstreifen (DMS) gilt: K ≈ 2. DR/R relative Widerstandsänderung des DMS; Dl/l relative Längenänderung von DMS und Werkstück, auf den der DMS aufgeklebt ist.
Magnetfeld, hier magnetische Flußdichte B
RB = R0(1 + k · B2); RB Widerstand bei der Flußdichte B; R0 Widerstand bei der Flußdichte 0; k Materialkonstante, angegeben wird meist RB /R0, liegt bei B = 1 T im Bereich 5 bis 15; R0 im Bereich ca. 10 Ω bis 1 kΩ.
Usp
I
C3
C
Ud0
G C
U=I· 1 jωc U=I· d jωe0erA C: Plattenkondensator
C4
C2
U
C – C2 2(C + C2) mit C3 = C4
Ud0 = Usp
Ud0
e0 · er · A – C2 d = Usp e · e · A 0 r + C2 2 d
(
(
C: Plattenkondensator
Bild VII-3 Meßschaltungen für kapazitive Aufnehmer sators, und 3. Füllstände in Behältern, erfaßt über das von Luft verschiedene er des eingefüllten Mediums. Gemessen wird zunächst die Kapazität C nach Bild VII-3 entweder durch Erfassen des Spannungs-
falls an dieser Kapazität bei Speisung aus einer sinusförmigen Wechselstromquelle bekannter Frequenz oder durch Einfügen in eine Wechselstrommeßbrücke. Die entsprechenden Formeln sind in Bild VII-3 eingetragen. Zur Berechnung der Spannung Ud0 in der Brückendiagonalen wird Gleichung (VI.7) verwendet, wobei für die Widerstände R1 bis R4 die Wechselstromwiderstände Z1 = 1/jwC1 bis Z4 = 1/jwC4 der als ideal angenommenen Kondensatoren eingesetzt werden. C3 und C4 sind hier gleich groß gewählt worden; sie können auch unterschiedliche Werte aufweisen und damit dem Meßaufbau angepaßt werden. Der mathematische Zusammenhang zwischen der Kapazität C und der zu messenden Größe wird in die Skala analog anzeigender Meßgeräte eingearbeitet oder bei digital anzeigenden Meßgeräten softwaremäßig berücksichtigt.
1.3 Induktive Aufnehmer Die Induktivität L einer Spule nach Bild VII-4a mit der Länge l, der Querschnittsfläche A = r2 · p, der Windungszahl N und einem Material innerhalb der
VII Meßverfahren zur Messung nichtelektrischer Größen Spule mit der Permeabilität m = m0 · mr berechnet sich für r << l näherungsweise aus L ≈ N2m0 mr · A/l
(VII.3)
N Windungszahl; mr Permeabilitätszahl; A Spulenquerschnittsfläche in m2; l Spulenlänge in m
Im Gegensatz zu den kapazitiven Aufnehmern kann in der Praxis nur die Permeabilitätszahl mr geändert werden, indem ein Material mit mr ⫽ 1 mehr oder weniger tief in die Spule eingetaucht wird. Die Möglichkeit, die Induktivität durch Abgreifen von Teilwindungen über Schleifkontakte zu ändern, wird kaum angewendet, da hierfür die Potentiometergeber besser geeignet sind. Die Meßverfahren zur Messung der Induktivität L nach Bild VII-4b entsprechen denen der kapazitiven Aufnehmer. Die Ableitung von Ud0 geschieht auf die gleiche Weise wie zu Bild VII-3b beschrieben. Es gilt L3 = L4. Induktive Aufnehmer werden bevorzugt zur Messung von Längen bzw. Abständen eingesetzt. A
m0 · mr
r l a)
I
G
L
Ud0 L2
U
U = I · jωL U = I · jω
L3
L
Usp
m0mr A N2 l
L4
L2 – L 2(L2 + L) mit L3 = L4
Ud0 = Usp
N2m0mr A l ≈ Usp 2 N m0 mr A 2 L2 + l Spulen ideal L2 –
b)
(
(
Bild VII-4 Induktive Aufnehmer a) Zur Berechnung der Induktivität b) Meßschaltungen
1.4 Optische Aufnehmer Einheiten für die lichttechnischen Größen sind das Lumen (lm) und das Lux (lx). Ein Lumen ist die Einheit des Lichtstromes Φ, der die gesamte von einer Lichtquelle abgegebene Strahlungsleistung darstellt. Ein Lux ist die Einheit der Beleuchtungsstärke E unter Berücksichtigung der beleuchteten Fläche. Beleuchtungsstärke E = Lichtstrom F/Fläche A; 1 lx = 1 lm/m2
(VII.4)
777 Licht ist der vom Auge wahrnehmbare Teil der Strahlung. Da die von einer Lichtquelle ausgesendete Strahlung meist aus einem Gemisch verschiedener Frequenzen und damit Farben besteht, muß der optische Aufnehmer auf diesen Frequenzbereich abgestimmt werden; er muß dort seine größte spektrale Empfindlichkeit aufweisen. Zu den wichtigen optischen Aufnehmern zählen: Fotowiderstand (wurde bereits bei den ohmschen Aufnehmern behandelt), Fotodiode und Fotovervielfacher. 1.4.1 Fotodiode Sie kann entweder aktiv oder passiv betrieben werden (Bild VII-5). Die typische Kennlinie ist im Teil a dargestellt. Zum Kennlinienfeld im IV. Quadranten gehört die Schaltung b, in der die Fotodiode als aktives Element geschaltet ist. Der von ihr gelieferte Strom ist der Beleuchtungsstärke E proportional. Durch Einfügen eines Widerstandes R kann eine proportionale Spannung UL ⵑ E abgegriffen werden. Nähert sich allerdings die Spannung über der Fotodiode ihrer Schwellspannung, wirkt dies wie eine parallel liegende Diode und ergibt die nach rechts steil ansteigenden Kennlinienabschnitte. Im III. Quadranten wird die Fotodiode mit der Schaltung nach Bild VII-5c in Sperrichtung und damit passiv betrieben. Der Sperrstrom steigt mit steigender Beleuchtungsstärke E, wobei der Zusammenhang zwischen Sperrstrom und Beleuchtungsstärke linear ist. Über einen Widerstand R kann eine entsprechende Spannung UR erzeugt werden. Beide Betriebsarten sind zur Messung der Beleuchtungsstärke E geeignet, wobei der passive Betrieb zwar eine Hilfsspannungsquelle erfordert, aber durch die in Sperrichtung vorgespannte Diode eine kleine Sperrschichtkapazität und damit eine hohe Grenzfrequenz für Wechselgrößen von 10 ... 100 MHz erreicht wird. In der aktiven Betriebsart erhält man nur wenige kHz. 1.4.2 Fotovervielfacher Die Wirkungsweise besteht darin, daß Lichtquanten aus einer fotoempfindlichen Kathode Elektronen (entsprechend einem Strom iK) auslösen, die auf ihrem Weg zu einer ersten Anode beschleunigt werden, und zwar so, daß jedes Elektron beim Auftreffen mehrere Elektronen (Vervielfachungsfaktor n) auslöst. Diese Elektronen werden wiederum auf ihrem Weg zu einer zweiten Anode beschleunigt, wo sich die Vervielfachung wiederholt. Insgesamt sind bis zu k = 10 Anoden vorhanden, so daß der Anodenstrom an der letzten Anode i = iK · nk beträgt. Fotovervielfacher sind so empfindlich, daß sich bei einem Verstärkungsfaktor nk = 108 einzelne Lichtquanten nachweisen lassen. Die für die Meßtechnik wichtigen Eigenschaften der drei aufgeführten Aufnehmer sind in Tabelle VII-3 zusammengestellt. Der Temperatureinfluß wurde nur grob klassifiziert angegeben, da er von der jeweiligen Beleuchtungsstärke abhängt.
778
Meßtechnik UAK
IAK
uA 60 II
IAK
I
40
20 –5 –4 –3 –2 –1 0
IR
0,1 0,2 0,3
IL
0,5 V UAK
E = 600 lx –20
UL
R
R
+ –
UR
1200 lx –40 1800 lx –60 R = 10kΩ
III
b) IV
Bild VII-5 Fotodiode a) Kennlinie b) aktive Betriebsart c) passive Betriebsart
c)
R = 10kΩ
BPW 20
a)
Tabelle VII-3 Eigenschaften von optischen Aufnehmern Aufnehmer
Fotowiderstand 2
Fotodiode aktiv 3
Fotodiode passiv
Fotovervielfacher 102
Grenzfrequenz in Hz
10
10
Stromempfindlichkeit in mA/lx
102
10–1
10–1
105
Material
CdS
Si
Si
Sb, Cs
max. spektrale Empfindlichkeit bei der Wellenlänge l in mm
0,65
0,85
0,85
0,4
Temperatureinfluß auf die Meßgröße
groß
mittel
mittel
sehr klein
1.5 Ladungsliefernde Aufnehmer
10
8
Widerstand Ri des Piezomaterials ausgleichen. Das elektrische Ersatzschaltbild zeigt Bild VII-6b.
Bei bestimmten Kristallen (z.B. Quarz oder Bariumtitanat) oder organischen Polymeren (z.B. Polyvinylidendifluorid PVDF) treten zwei Effekte auf. 1. Piezoelektrischer Effekt: Durch mechanische Verformung tritt an den gegenüberliegenden Seiten eines Plättchens eine Ladungsverschiebung und damit eine Polarisation auf (Bild VII-6a). Da der elektrische Widerstand der Materialien sehr hoch ist (r > 1013 Ω · cm), hat eine Ladungsänderung DQ eine Spannungsänderung DU gemäß DQ = C · DU zur Folge, wobei man diese Spannung über entsprechend angebrachte Elektroden abgreifen kann. Damit ist die Spannung eine Funktion der Verformung oder der die Verformung bewirkenden Größe, z.B. einer Kraft. Die Ladungsänderung ist der Kraftänderung proportional. DQ = kp · DF ⇒ DF = Cp · DU/kp ; kp ≈ (2 ... 250) · 10–12 A · s/N
(VII.5)
Darin ist kp die piezoelektrische Konstante. Die durch eine konstante Krafteinwirkung entstandene Spannung steht allerdings nicht beliebig lange zur Verfügung, da sich die Ladungen über den endlichen
F ++++
––––
u
i
Ri
Cp
u
F
a)
b)
Bild VII-6 Piezoaufnehmer a) Aufbau b) Ersatzschaltbild Beispiel VII.3: Ein Piezomaterial hat folgende Daten:
kp = 10–11 A · s/N, Fläche A = 10 cm2, Dicke d = 1 mm, r = 1014 Ω · cm, er = 5, F = 10 N Daraus lassen sich folgende Größen berechnen: Innenwiderstand Ri = r · d/A = (1014 · 0,1/10) Ω · cm · cm/cm2 = 1012 Ω Kapazität Cp = e0 · er · A/d = (8,85 · 10–12 · 5 · 10–3/10–3) F = 44 pF Ladung Q = kp · F = 10–11 · 10 A · s = 10–10 A · s Spannung U = 10–10 A · s/44 pF = 2,27 V Entladezeitkonstante t = Ri · Cp = 1012 · 44 · 10–12 s = 44 s
VII Meßverfahren zur Messung nichtelektrischer Größen Soll die Entladezeitkonstante durch ein angeschlossenes Spannungsmeßgerät nicht wesentlich verringert werden, ist der Innenwiderstand des Spannungsmeßgerätes größer als Ri zu wählen. Häufig wird die zu messende Spannung zunächst einem elektronischen Meßverstärker mit entsprechend hohem Eingangswiderstand zugeführt und erst anschließend gemessen. 2. Pyroelektrischer Effekt: Bei den genannten Materialien wird eine Polarisation auch durch Temperaturänderungen hervorgerufen. Der formelmäßige Zusammenhang lautet: DQ = kq · A · DT
(VII.6)
kq pyroelektrische Konstante in As/(m2 K); A Fläche in m2; DT Temperaturänderung in K
Dieser Effekt wird häufig bei den Bewegungsmeldern eingesetzt. Eine sich nähernde Person bewirkt durch ihre Körperwärme eine Änderung der Umgebungstemperatur, die von dem pyroelektrischen Aufnehmer erfaßt wird. Beispiel VII.4: Eine
50 mm dicke Scheibe liefert mit kq = 2 · 10–4 As/(m2 K), er = 50 und DT = 1 K:
DU = DQ/C = kq · A · DT/(e0 · er · A/d) = kq · DT · d/(e0 · er) DU = 2 · 10–4 · 1 · 50 · 10–6/(8,85 · 10–12 · 50) V = 20 V
Das Ersatzschaltbild ist gleich dem des Piezoaufnehmers in Bild VII-6b.
1.6 Thermische Aufnehmer Zu den wichtigsten thermischen Aufnehmern gehören temperaturabhängige Widerstände (Ohmsche Aufnehmer), pyroelektrische Aufnehmer (Ladungsliefernde Aufnehmer) und Thermoelemente. 1.6.1 Thermoelemente Verbindet man zwei elektrisch leitende, unterschiedliche Materialien nach Bild VII-7a punktförmig miteinander und hat diese Verbindungsstelle die Temperatur TM, so entsteht dort eine Thermospannung (Seebeck-Effekt). Thermospannung
Uth = kAB · TM
(VII.7)
kAB Thermoempfindlichkeit der Materialien A und B in V/K oder mV/100 K; TM Temperatur der Verbindungsstelle
Sie ist der Temperatur der Verbindungsstelle proportional. Die Konstante kAB ist die Thermoempfindlichkeit und wird in der Regel in mV/100 K angegeben. Die Indizierung gibt die Richtung der Spannung, bezogen auf die Materialien A und B, an. Ist kAB positiv, hat Material A das positivere Potential gegenüber Material B. In der Praxis bezieht man zur Angabe der Thermoempfindlichkeit die einzelnen Materialien (x) auf das Bezugsmaterial Platin (Pt) und gibt dann kxPt an. Zur Bestimmung von kAB bildet man die Differenz: kAB = kAPt – kBPt
(VII.8)
In der Praxis treten Thermospannungen grundsätzlich bei Temperaturdifferenzen auf. Insofern entspricht
779 Bild VII-7a nicht der Wirklichkeit. Vielmehr muß die entstehende Spannung gemessen oder anderweitig ausgewertet werden. Dazu wird an die zwei freien Enden nach Bild VII-7b ein Meßgerät angeschlossen, von dem angenommen werden soll, daß es einen durchgehenden elektrischen Kreis aus einem Material besitzt (Beispiel: Drehspulmeßwerk mit Cu-Zuleitungen, Cu-Anschlußklemmen, internen Cu-Leitern, Cu-Drehspule). Dann entsteht an jeder Verbindungsstelle zweier unterschiedlicher Materialien eine Thermospannung, deren Wert nach Gleichung (VII.7) eingesetzt wird. Die drei Teilspannungen werden zur Gesamt-Leerlaufspannung Uth0 addiert (Strom durch das Meßgerät zu Null angenommen). Uth0 = U1 + U2 + U3 = kCA · T1 + kAB · T2 + kBC · T3; mit Gleichung (VII.8) folgt daraus Uth0 = (kCPt – kAPt) T1 + (kAPt – kBPt) T2 Uth0 = + (kBPt – kCPt) T3 und nach einer Umformung und entsprechender Zusammenfassung Uth0 = kCPt(T1 – T3) + kAPt(T2 – T1) + kBPt(T3 – T2). Sorgt man dafür, daß die beiden zum Meßgerät führenden Verbindungsstellen die gleiche Temperatur besitzen, also T1 = T3 und wählt die für die Praxis anschaulichen Bezeichnungen T1 = T3 = TV als Temperatur der Vergleichsstelle und T2 = TM als Temperatur der Meßstelle, dann vereinfacht sich die Formel zu: Uth0 = kAPt(TM – TV) + kBPt(TV – TM) Schließlich wird unter Verwendung von Gleichung (VII.8) daraus: Uth0 = (kAPt – kBPt) · (TM – TV) Uth0 = kAB · (TM – TV)
(VII.9)
Die Spannung Uth0 ist der Temperaturdifferenz TM – TV proportional. Um die Temperatur TM messen zu können, muß die Temperatur TV bekannt sein. In der Praxis wird die Temperatur TV der Vergleichsstelle durch z.B. „Eiswasser“ mit 0 ºC (genau + 0,01 ºC) hergestellt und die zwei Verbindungsstellen in dieses Eis-Wasser-Gemisch eingetaucht. In Bild VII-7c sind zwei gängige Ausführungsformen von Thermoelementen zum Messen auch in Flüssigkeiten dargestellt. Um die Vergleichsstelle aus dem Anschlußkopf an einen geeigneteren Ort zu verlegen, werden Ausgleichsleitungen nach Bild VII-7d verwendet, die aus dem gleichen Material wie das eigentliche Thermoelement bestehen, aber billiger und flexibel sind. Damit entstehen im Anschlußkopf keine Thermospannungen. Der in der Meßschaltung nach Bild VII-7e fließende Strom berechnet sich aus I = Uth0/(Ri + RI), worin Ri der Innenwiderstand des Thermoelementes und RI der des Meßinstrumentes ist. Der Innenwiderstand des Thermoelementes ergibt sich durch den ohmschen Widerstand der Thermoelementanordnung.
780 TM
Anschlußklemme Anschlußsockel Haltering Halterohr
Uth
a)
T2 Material A
U2 U1 U3
T1 Material C b)
Anschlagflansch
Material B
keramisches Schutzrohr
T3 Material C
V Uth0
Meßstelle
TV
Material A
TM
Material B
Meßeinsatz
c)
Anschlußkopf
Material A
Bild VII-7 Thermoelemente a) theoretisches Prinzip b) praktisches Modell c) Ausführungsformen d) Ausgleichsleitung e) Meßschaltung
Anschlußkopf
Material B
Nennlänge
Material A
Meßtechnik
TV
Material C
I
Material B TM
TV
V
Ausgleichsleitung d)
e)
Tabelle VII-4 Thermoempfindlichkeit geeigneter Thermoelement-Materialien
TV
Beispiel VII.5: Ein Thermoelement aus der Materialkombination
Eisen-Konstantan liefert bei einer zu messenden Temperatur TM = 800 ºC und einer Temperatur der Vergleichsstelle von TV = 0 ºC eine Thermo-Leerlaufspannung von Uth0 = (kFe Konst) × (TM – TV) ≈ 5,2 · (800 – 0) K · mV/100 K = 41,6 mV.
Material x
kxPt in mV/100 K
Konstantan
– 3,47 ... – 3,04
Nickel
– 1,9 ... – 1,3
Platin
– 0,0
Kupfer
+ 0,75
Da die entstehenden Thermospannungen relativ klein sind, ist Silizium ein bevorzugtes Thermoelementmaterial. Allerdings gibt es bei der Fertigung zur Zeit noch technologische Probleme, die den Einsatz erschweren. Tabelle VII-5 enthält häufig verwendete Materialkombinationen und deren Eigenschaften.
Eisen
+ 1,9
1.7 Chemische Aufnehmer
Nickel-Chrom
+ 2,2
Silizium
+ 42 ... + 50
Chemische Aufnehmer werden zunehmend für Messungen im Zusammenhang mit Prozeßsteuerungen und der Umweltmeßtechnik eingesetzt. Hier sollen einige wenige vorgestellt werden: pH-Wert-Meßeinrichtung mit Glaselektrode, Aufnehmer zur Messung der Sauerstoffkonzentration und Aufnehmer zur Messung von Gaskonzentrationen allgemein.
In Tabelle VII-4 sind die Thermoempfindlichkeiten einiger Materialien gegenüber Platin eingetragen. Zwar sind theoretisch alle elektrischen Leiter untereinander zu Thermoelementen zu kombinieren, aber nur wenige Paarungen erfüllen die in der Praxis gestellten Forderungen: Die Verbindungsstelle muß schweißbar, die Schweißstelle muß über lange Zeit chemisch und mechanisch stabil und die Thermoempfindlichkeit sollte so groß wie möglich sein.
1.7.1 pH-Wert-Meßeinrichtung mit Glaselektrode Der pH-Wert ist der mit –1 multiplizierte dekadische Logarithmus der Konzentration von H+-Ionen. Eine Lösung mit dem pH-Wert 7 ist neutral (z.B. Trinkwasser), ein pH-Wert < 7 kennzeichnet saure, ein pHWert > 7 alkalische Flüssigkeiten.
VII Meßverfahren zur Messung nichtelektrischer Größen
781
Tabelle VII-5 Eigenschaften häufig verwendeter Thermoelemente Materialkombination A-B
Typ
maximal meßbare Temperatur in ºC
kAB in mV/100 K
Eisen-Konstantan
J
ca. 1800
ca. 5,2
Kupfer-Konstantan
T
ca. 1400
ca. 4,2
Nickelchrom-Nickel
K
ca. 1300
ca. 3,7
Platinrhodium-Platin, verschiedene Legierungen möglich
R, S, B
ca. 1700 ... 1800
ca. 0,6 ... 1,1
Den Aufbau einer Meßsonde zeigt Bild VII-8. Die Glaselektrode G ist mit einer Flüssigkeit vorgegebener Wasserstoffionenkonzentration pH0 gefüllt und nach unten hin so dünn, daß eine gewisse Leitfähigkeit (Widerstand 107 ... 1010 Ω) zur Flüssigkeit mit der gesuchten Konzentration pHx besteht. Die Bezugselektrode B ist mit einer speziellen Salzlösung gefüllt und steht über das poröse Glasgefäß in relativ guter elektrischer Verbindung mit der Meßflüssigkeit. Für die sich einstellende Spannung UpH ist folgender Zusammenhang gefunden worden: UpH = 2 · 10–4 × T · (pH0 – pHx) V/K. Mit T = 273 K, entsprechend 0 ºC, folgt daraus UpH0 = 0,0546 · (pH0 – pHx) in V
(VII.10)
Unterscheiden sich beide pH-Werte um 1 (pH0 > pHx), beträgt die Spannung 54,6 mV. Da der Innenwiderstand dieser Spannungsquelle im Bereich 107 ... 1010 Ω liegt, muß das Meßgerät zur Spannungsmessung einen wesentlich höheren Eingangswiderstand aufweisen. Deshalb setzt man häufig spezielle Meßverstärker mit entsprechend hohen Eingangswiderständen ein. U G
B
Erhitzt man Keramik aus Zirkonoxid (ZrO2) und Yttriumoxid (Y2O3) auf mindestens 350 ºC, leitet sie Sauerstoffionen. Nach Bild VII-9a bringt man an den gegenüberliegenden Seiten poröse Platinelektroden an. Stehen die zwei Elektroden unter dem Einfluß unterschiedlicher Sauerstoff-Partialdrücke p1 und p2, so entsteht eine Spannung U 0 = 0 , 05 ⋅ T ⋅ lg ( p 2 / p 1 ) ⋅
mV K
in mV
(VII.11)
T Keramiktemperatur in K; p1, p2 Partialdrücke in Pa oder bar
Bei T = 800 K und p2 = 10 · p1 ergibt sich ein Wert von U0 = 40 mV. Eine Sonderausführung ist die aus der Automobiltechnik bekannte Lambda-Sonde (Bild VII-9b). Erhält der Motor genau soviel Sauerstoff, wie zur vollständigen Verbrennung des Kraftstoffes erforderlich ist, so ist l = 1; bei l < 1 fehlt Sauerstoff, und man spricht von „fettem Gemisch“, bei l > 1 ist zu viel Sauerstoff und damit ein „mageres Gemisch“ vorhanden. Durch Verwendung des Platin-Katalysators hat man erreicht, daß sich die Spannung an der Sonde im Bereich 0,9 ≤ l ≤ 1,1 sehr stark ändert, nämlich von ca. 1 V auf 40 mV (Leerlaufkennlinie Bild VII-9b: p*1 ist der Partialdruck des thermodynamischen Gleichgewichtes).
1.8 Aufnehmer zur Messung von Gaskonzentrationen allgemein
M G Glasmeßelektrode enthält Flüssigkeit mit pH0 B Bezugselektrode M Meßflüssigkeit mit pHx U Meßspannung
1.7.2 Aufnehmer zur Messung der Sauerstoffkonzentration
Bild VII-8 Messung des pH-Wertes mit Glaselektroden
Die Glaselektrode hat nur eine begrenzte Lebensdauer und muß jeweils nach einigen Jahren ausgetauscht werden. Deshalb hat man nach weiteren Meßmöglichkeiten gesucht. Zur Zeit sind pH-Wert-Aufnehmer mit Feldeffekttransistor in der Entwicklung, die zwar eine höhere Lebensdauer, aber nicht die Zuverlässigkeit der Glaselektrodenausführung haben.
Bild VII-10 zeigt den prinzipiellen Aufbau eines Aufnehmers der Firma Figaro. Durch den Heizdraht wird die Oberfläche soweit erhitzt, daß die im Innern befindlichen Gase entweder oxidieren oder reduzieren und eine Elektronenverarmung oder Anreicherung bewirken. Damit ändert sich die Leitfähigkeit zwischen den Elektroden, und der Widerstand ist ein Maß für die Gaskonzentration. Prinzipiell reagieren diese Aufnehmer auf Konzentrationsänderungen sowohl von reduzierenden Gasen wie H2, CO, CH4, Kohlenwasserstoffen und Alkoholen als auch von oxidierenden Gasen wie N2 und O2, so daß eine Widerstandsänderung nicht einem bestimmten Gas
782
Meßtechnik p1
p2
O1
O2
Abgas Pt-Elektroden
mV U0
Pt
1,9·10–27 p1* in bar
1000
Pt
U0
Luft
ZrO2 Y2O3
400
ZrO2
T>350°C
200
keram. Schutzschicht
u0
600
0 0,6 0,8
1,0
1,2
1,4
l p1* siehe Text
a)
b)
Bild VII-9 Aufnehmer zur Messung der Sauerstoffkonzentration a) Prinzip b) Lambda-Sonde: Aufbau und Leerlaufspannung
Luft
10
Elektrode
R R0
Methan
Heizdraht 1
Elektrode Keramikrohr
Kohlenmonoxid Isobutan
gesintertes SnO2
Wasserstoff
0,1
Ethanol
500 1000 2000 5000 10000 Konzentration [ppm] a)
b)
Bild VII-10 Gassensor (Fa. Figaro) a) Aufbau b) Kennlinie
zugeordnet werden kann. Ändert allerdings nur ein Gas seine Konzentration, während die der anderen vorhandenen Gase konstant bleibt, läßt sich die Gaskonzentration messen. Nach diesem Verfahren werden z.B. Räume mit Gasheizanlagen auf ausströmendes Erdgas (CH4) überwacht. Durch die erforderliche Heizleistung von einigen Watt sind diese Aufnehmer nicht für Batteriebetrieb geeignet. Wurde die Heizung unterbrochen, stellt sich erst nach einer Betriebszeit von einigen Tagen der stabile Arbeitspunkt wieder ein. Eventuell ist sogar eine Neukalibrierung erforderlich.
2 Meßverfahren Ergänzend zu den im Kapitel „Meßaufnehmer“ beschriebenen Meßverfahren sollen hier einige weitere vorgestellt werden, wobei es sich um eine kleine Auswahl unter einer Vielzahl von eingesetzten Verfahren handelt. Dabei wird das der Messung zugrunde liegende Verfahren etwas ausführlicher gezeigt, um damit das Verständnis für hier nicht aufgeführte Verfahren zu erleichtern.
VII Meßverfahren zur Messung nichtelektrischer Größen
2.1 Kraftmessung mit Dehnungsmeßstreifen (DMS) Die Messung von Kräften geschieht in der Mehrzahl der Anwendungen mit Dehnungsmeßstreifen, weil dieses Verfahren sehr genau und technisch ausgereift ist. Das Prinzip beruht darauf, daß ein Meßkörper (z.B. ein Stab) durch die Einwirkung einer Kraft (Zug oder Druck) eine Längenänderung erfährt. Auf diesen Meßkörper ist ein elektrischer Leiter aufgeklebt, der den Längenänderungen zwangsweise folgen muß. Dadurch wird der Leiter länger und dünner oder kürzer und dicker und ändert seinen elektrischen Widerstand. Der mathematische Zusammenhang zwischen der Widerstandsänderung und der Kraft läßt sich für verschiedene Meßkörper ableiten, das Ergebnis wird im folgenden angegeben. Dehnungsmeßstreifen (DMS) werden nach Bild VII-11d entweder als Drahtgitter-DMS oder als Folien-DMS mit aufgedampftem Meßdraht in den Vorzugswerten 120 Ω, 350 Ω und 600 Ω hergestellt. Bestimmte Anwendungen erfordern einen geeigneten DMS-Aufbau; so dient beispielsweise die DMSRosette zum Messen von mehrachsigen mechanischen Spannungsverteilungen. Der Zusammenhang zwischen der relativen Längenänderung Dl/l des Meßkörpers und damit des DMS und der relativen Widerstandsänderung DR/R ist gegeben durch DR/R = K · Dl/l = K · e mit
e = Dl/l
(VII.12)
Formelzeichen siehe Text
K steht für K-Faktor. Sein Wert ist materialabhängig. Für metallische Leiter gilt K ≈ 2. Die maximale relative Dehnung emax beträgt für Metalle ≈10–3, damit man im elastischen Bereich bleibt. Daraus folgt die maximale relative Widerstandsänderung zu 2 ⋅ 10–3. Um derart kleine Widerstandsänderungen messen zu können, werden DMS in Brückenschaltungen eingesetzt. Gleichung (VII.12) gilt auch für den Fall, daß der Meßkörper gestaucht wird. Dann sind DR/R und e negativ einzusetzen, Bild VII-11b, c. Ein Problem beim Einsatz von Dehnungsmeßstreifen ist die Temperaturabhängigkeit des elektrischen Widerstandes. Bei einer Temperaturänderung von 1 ºC errechnet sich die relative Widerstandsänderung von Kupfer mit a = 4 · 10–3/K zu: R = R0(1 + a · DT) = R0 + R0 · a · DT ⇒ (R – R0)/R0 = DR/R0 = a · DT = (4 · 10–3/K) · 1 K ⇒ (R – R0)/R0 = 4 · 10–3 Damit bewirkt eine Temperaturänderung von 1/2 ºC die gleiche Widerstandsänderung wie die maximal zulässige Dehnung emax. Um dennoch mit DMS sinnvoll messen zu können, wird folgerndermaßen verfahren: Erstens wählt man als Material für die DMS Konstantan mit a < ⏐10–5 K–1⏐, und zweitens verwendet man in der Brückenschaltung zwei oder vier DMS. Beim Einsatz von zwei DMS spricht man von einer Halbbrücke, bei vier DMS von einer Vollbrücke. Die zwei
783 DMS in der Halbbrücke werden „untereinander“ angeordnet. Da sich deren Widerstände – gleiche Temperatur vorausgesetzt – gleichsinnig mit der Temperatur ändern, wird die Spannung in der Brückendiagonalen von Temperaturänderungen unabhängig. Natürlich muß man dafür sorgen, daß ein DMS gedehnt, der andere gestaucht wird, da sich andernfalls auch die Nutzsignale aufheben würden. Durch die gegensinnigen Widerstandsänderungen der DMS erhält man bei der Halbbrücke weiterhin ein größeres Ausgangssignal gegenüber dem Einsatz von nur einem DMS. Sind außerdem die Widerstandsänderungen bei Dehnung und Stauchung gleich groß (+ DR und – DR), ergibt sich ein linearer Zusammenhang zwischen der Widerstandsänderung und der Spannung Ud0 in der Brückendiagonalen. Man wird deshalb die Halbbrücke der Viertelbrücke vorziehen. Kann man Dehnung und Stauchung nicht gleichzeitig mit zwei DMS erfassen, wählt man trotzdem zwei DMS, von denen einer die Dehnung oder Stauchung erfaßt, der andere als „Dummy“ in innigem Wärmekontakt zum messenden DMS steht, aber nicht aufgeklebt wird. Er besorgt dann lediglich die Temperaturkompensation. Bei der Verwendung von vier DMS in einer Vollbrücke gelten die gleichen Aussagen wie bei der Halbbrücke mit dem Zusatz, daß die Spannung in der Brückendiagonalen nochmals größer ist, maximal doppelt so groß, wenn + DR und – DR gegeben sind. Die Anordnung der DMS ist in der Brückenschaltung so zu wählen, daß sich die zwei gestauchten diagonal gegenüberliegen, ebenso die zwei gedehnten. Als Meßkörper (Bild VII-11a, b, c) werden in der Regel ein einseitig fest eingespannter Stab, ein in Längsrichtung mit einer Kraft beaufschlagter Zylinder, auch Kraftmeßdose genannt, und ein tordierter Stab zur Messung des Drehmomentes verwendet. In Tabelle VII-6 sind die für diese Meßkörper möglichen Anordnungen für DMS und die sich daraus ergebenden Spannungen Ud0 aufgeführt. Dazu wurde in Gleichung (VI.7) für die Widerstände jeweils Ri ± DRi, i = 1 ... 4, eingesetzt. Häufig sind die Widerstände Ri gleich groß, d.h. R1 = R2 = R3 = R4 = R, weil die Brückenschaltung dann die größte Empfindlichkeit besitzt und damit maximales Ud0 liefert. In Tabelle VII-6 ist diese Dimensionierung zugrunde gelegt. Für die genannten Meßkörper gelten die folgenden Beziehungen: 1. Einseitig fest eingespannter Stab: Die Dehnung ist abhängig vom Ort des Aufklebens, die Abhängigkeit ist in Gleichung (VII.13) gegeben und in Bild VII-11a erläutert. 6⋅ x ⋅ F so = mit su = –so ; s = e · E (VII.13) b⋅h2 so Spannung auf der Oberseite und su Spannung auf der Unterseite des Balkens in N/m2; F Kraft in N; b Balkenbreite in m; h Balkenhöhe in m; x Aufklebeort der DMS, vom freien Balkenende aus gemessen; e = Dl/l relative Dehnung oder Stauchung; E Elastizitätsmodul in N/m2
784
Meßtechnik F
Für a), b), c) gilt: K ≈ 2, materialabhängig μ = 0,3 1,4 DMS gedehnt 2 DMS gestaucht
DMS mit e0 h
1 4
b
x
a)
Bild VII-11 Anordnung von Dehnungsmeßstreifen a) einseitig eingespannter Stab b) Kraftmeßdose c) Torsionsstab d) Technische Ausführungen
( ( = K1 · ΔR R
e0 = –eu = 6·x·F 2 = Δl l E·b·h
0
e1
F
2
1 45° e1
1
2
e2
DMS
e2
Mt
d
Mt DMS
Fläche A F = Δl = 1 · −ΔR R l K A·E e1 = – m · e2
–e2 =
b)
e1 = Mt
ΔR 16(1+m) Δl = = 1 · l K R E·π·d3
e2 = – e1 c)
Abdeckung
Abdeckung
Träger
Verankerung
Meßgitter
Anschlüsse
Träger Meßgitter
Verstärkung Anschlüsse
aktive Meßgitterlänge
aktive Meßgitterlänge DMS mit Drahtmeßgitter
Verankerung
DMS mit Folienmeßgitter
d) DMS-Rosette
su = – so gilt nur für den Fall, daß die DMS oben und unten genau untereinander aufgeklebt sind. Ein Sonderfall ergibt sich, wenn der Balken nur von oben oder nur von unten zugänglich ist. Dann kann
man zwei DMS aufkleben, die in der Brückenschaltung diagonal angeordnet werden müssen. Diese Anordnung ist weder temperaturkompensiert noch liefert sie eine lineare Abhängigkeit zwischen Ud0
VII Meßverfahren zur Messung nichtelektrischer Größen und DR/R. Einziger Vorteil: Die Spannung Ud0 ist doppelt so groß wie beim Einsatz nur eines DMS. Bei der Vollbrücke müssen die zwei DMS oben genau nebeneinander angeordnet werden, und die zwei DMS unten müssen sich genau unter den zwei oberen befinden, damit gleiche Dehnungen oder Stauchungen erfolgen und die berechnete Abhängigkeit gültig ist.
785 e=
s F = E A⋅ E
(VII.14a) 2
E Elastizitätsmodul in N/m ; A Fläche des Zylinders in m2; F Kraft in N
Darin ist A die Querschnittsfläche des Voll- oder Hohlzylinders. In der Regel werden Hohlzylinder verwendet, da sie gegenüber Vollzylindern bei gleicher Querschnittsfläche eine größere Stabilität aufweisen.
2. Kraftmeßdose: Bei Dehnung (+ e) oder Stauchung (– e) eines Zylinders in Längsrichtung findet gleichzeitig eine Umfangsabnahme (– DU/U) oder -zunahme (+ DU/U) in Querrichtung statt. Beide haben entgegengesetztes Vorzeichen und sind über die Querkontraktionszahl m = 0,3 miteinander verknüpft: DU/U = – 0,3 · e. Kraftmeßdosen werden als Vollbrücke aufgebaut und sind damit temperaturkompensiert. Die Abhängigkeit zwischen DR/R und Ud0 ist wegen m ⫽ 1 nichtlinear. Der Zusammenhang zwischen e und der Kraft F ergibt sich mit dem Hookschen Gesetz und der Beziehung „Spannung gleich Kraft pro Fläche“ zu
3. Tordierter Stab: Die relative Widerstandsänderung DR/R hängt mit dem Torsionsmoment Mt wie folgt zusammen: 16 ⋅ (1 + m ) ΔR (VII.14b) = K ⋅ Mt ⋅ R E⋅p⋅d 3 K K-Faktor (K ≈ 2); m Querkontraktionszahl (m = 0,3); E Elastizitätsmodul in N/m2; d Torsionsstabdurchmesser in m; M t Torsionsmoment in Nm
Bei der gezeigten Anordnung von 4 DMS sind deren Dehnung und Stauchung entgegengesetzt gleich groß, so daß sich ein linearer Zusammenhang zwischen DR/R und Ud0 ergibt.
Tabelle VII-6 Meßkörper mit Dehnungsmeßstreifen einseitig eingespannter Stab
F 1
Usp
R + ΔR
1
R − ΔR
Ud0 2 4
R + ΔR
1
R − ΔR
Ud0 2 4
R + ΔR
R + ΔR
1
R
2 F 1,4
Usp
2,3
1,4
Usp
F Kraftmeßdose 1 2 4
3 Usp
3
R
3 R − ΔR
3
R 2Ud04
R + ΔR
1
R − ΔR
R + m·ΔR
3
R − ΔR
Ud0 2 4
R + ΔR
1
R − ΔR
Ud0 2 4
Ud0 = –Usp
ΔR 2R
Ud0 = –Usp
ΔR R
R
R + m·ΔR
ΔR Ud0 = –Usp 2R + ΔR
ΔR(1+m) Ud0 = –Usp 2R + ΔR(m–1)
Mantelabwicklung Mt
Torsion 1
3
2
Usp
4
3 R − ΔR R + ΔR
Ud0 = –Usp
ΔR R
786
Meßtechnik risch leitenden Flüssigkeit mit einer Kunststoff-Isolierschicht versehen sind. Von Vorteil ist, daß die Meßeinrichtung nicht in den Füllraum hineinragt und damit nicht beschädigt werden kann und auch den Füllvorgang nicht behindert. Ist die Oberfläche durch eine Kunststoffschicht abgedeckt, können auch agressive Medien eingefüllt werden. Bei körnigem Schüttgut ist die obere Füllhöhe nicht eindeutig festgelegt, kann aber meist durch Erfahrungswerte oder durch Glätten der Oberfläche ausreichend genau erfaßt werden.
Da die Spannung in der Brückendiagonalen bei allen drei aufgeführten Meßkörpern maximal einige mV beträgt, verwendet man häufig zur Speisung der Brücke eine sinusförmige Wechselspannung mit 420 Hz oder 10 kHz. Dann kann zur Messung der Brückendiagonalspannung ein selektiver Wechselspannungsverstärker mit phasenempfindlichem Gleichrichter eingesetzt werden, so daß Meßfehler durch Störeinflüsse verringert werden.
2.2 Füllstandsmessung und Messung der Foliendicke
2. Foliendicke: Man kann zeigen, daß die Kapazität der Anordnung nicht davon abhängt, wo sich die Folie innerhalb der Kondensatorplatten befindet. Die Dicke d der Folie wird über die Kapazität der Kondensatoranordnung gemessen und bei einer Abweichung vom Sollwert entsprechend eingestellt, wenn sie sich auf dem Weg von der Spritzdüse zu der Aufwickelrolle befindet. Dabei darf die Folie nicht berührt werden, da sie noch heiß ist und sich im Zustand der Vernetzung befindet.
Das Prinzip beruht darauf, daß das Dielektrikum Luft eines Plattenkondensators durch einen Stoff mit er > 1 verdrängt wird. Damit ändert sich die Kapazität der Gesamtanordnung. Bild VII-12 zeigt zwei Modelle. Das erste dient zur Messung der Füllstandshöhe, das zweite zur Messung der Foliendicke von Kunststoffolien. In der Praxis hat sich bewährt, die relative Änderung der Kapazität DC/C0 in Abhängigkeit von der gesuchten Füllstandshöhe h oder Foliendicke d anzugeben. Dabei ist C0 die Kapazität für h = 0 oder d = 0. Die angegebenen Formeln sind entsprechend dargestellt.
2.3 Drehzahlmessung Die Drehzahl wird in min–1 angegeben, die Drehfrequenz in s–1. Zur Messung der Drehzahl kann im einfachsten Fall ein Impuls pro Umdrehung erzeugt und die Zahl der Impulse für genau eine Minute erfaßt werden. Dieses Verfahren ist nur sinnvoll, wenn sich die Drehzahl innerhalb der Meßzeit 1 min
1. Füllstandsmessung: Es wird ein rechteckförmiger Behälter verwendet, bei dem zwei gegenüberliegende Seiten mit Folie beklebt oder bedampft sind und bei einem elektrisch leitenden Schüttgut oder einer elektKondensatorplatten
Fläche A er = 1
er = 1
d
D er > 1
H h
er > 1 l b
e0·H·l b ΔC = C(h > 0) – C0
e0·A D ΔC = C(d > 0) – C0
C0 = C(h = 0) =
C0 = C(d = 0) =
= e0er·h·l + e0(H – h)·l – e0·H·l b b b = e0·l ·h (er – 1) b ΔC = h (e – 1) r C0 H
(er – 1)·d = e0·A · D d(1 – er) + erD (C(d>0): Reihenschaltung zweier Kondensatoren) ΔC = (er – 1)·d C0 d(1 – er) + erD
a)
b)
Bild VII-12 Kapazitive Verfahren zur Messung von a) Füllstand b) Foliendicke
VII Meßverfahren zur Messung nichtelektrischer Größen nicht ändert. Außerdem muß eine Minute gewartet werden, bis das Meßergebnis zur Verfügung steht. In der Praxis werden deshalb pro Umdrehung mehrere Impulse erzeugt. Dann gilt folgender Zusammenhang zwischen der Zahl der Impulse und der Drehzahl: Impulszahl N = n · p · t
(VII.15)
N gezählte Impulse; n Drehzahl in min–1; p Zahl der Impulse pro Umdrehung; t Meßzeit in min
Darin ist N die Zahl der in der Zeit t in einem elektronischen Zähler gezählten Impulse, n die gesuchte Drehzahl in min–1, p die Zahl der Impulse pro Umdrehung und t die Zeit in min, während der die Impulse gezählt werden. Man wird zweckmäßigerweise p · t so wählen, daß sich als Einheit 1 min ergibt, denn dann entspricht die Zahl N der Drehzahl n. Setzt man voraus, daß der Fehler der Meßeinrichtung vernachlässigbar klein ist, was in der Regel auch zutrifft, dann ergeben sich für p > 1 folgende Vorteile: 1. Die Drehzahl als Zahl N steht in weniger als 1 Minute zur Verfügung und ermöglicht das Erfassen von Drehzahländerungen. 2. Bei unveränderter Meßzeit steht die Drehzahl als Zahl N mit einer höheren Stellenzahl und damit höherer Genauigkeit zur Verfügung. Voraussetzung ist, daß sich die Drehzahl während der Meßzeit nicht ändert. M
M W
S u
M Magnete W Welle S Spule mit Eisenkernen a)
SM SM Schaltmagnet RM Rücksetzmagnet SE Sensorelement b)
SE RM
Lichtempfänger Lichtquelle
Segmentscheibe
787 Es stehen Meßeinrichtungen mit einem maximalen p von etwa 5000 zur Verfügung (Bild VII-13c). Beispiel VII.6: Eine Drehzahl wird mit einem Geber mit p = 120
gemessen. Wählt man p · t = 1 min, dann verringert sich die Meßzeit auf (1/120) min = 0,5 s, und die Zahl N der Impulse entspricht der Drehzahl in min–1. Auf diese Weise ist auch das Erfassen der Drehzahlerhöhung von Motoren vom Einschaltmoment bis zum Erreichen der Nenndrehzahl möglich. Beträgt die Meßzeit andererseits 1 min, erhält man bei einer (konstanten) Drehzahl von 3000 min–1 eine Anzeige N = 3000 · 120 = 360 000. Hier wird man zweckmäßigerweise p = 100 wählen und erhält dann N = 300 000. Bei entsprechender Kommasetzung ergibt sich die Drehzahl n = 3000,00 min–1.
In Bild VII-13 sind einige digitale Verfahren zur Drehzahlmessung dargestellt. Bild VII-13a zeigt eine Anwendung des Induktionsgesetzes. Nähert sich der Magnet der Spule, nimmt der magnetische Fluß zu, beim Entfernen ab. Durch diese Flußänderungen wird eine Spannung in der Spule induziert, die aber mit sinkender Drehzahl kleiner wird. Bei diesem Verfahren hat der Einsatz mehrerer Magnete auf der Welle noch den zusätzlichen Vorteil, daß die durch einen Magneten entstehende Unwucht bei mehreren Magneten verringert werden kann. Eine Weiterentwicklung zeigt Bild VII-13b (nach Unterlagen der Fa. Vakuumschmelze). Durch den Einsatz magnetfeldabhängiger Schalter hängt die Signalhöhe nicht mehr von der Drehzahl ab. Das entsprechend geformte Rad muß an oder auf der Welle angebracht werden. Der Vorteil der Verfahren nach Bild VII-13a und b liegt darin, daß sie sehr betriebssicher sind. Das gilt auch für das im Bild VII-13c dargestellte optische Verfahren. Als Lichtsender werden Leuchtdioden (LED) verwendet, und die Lichtempfänger sind Fotodioden. Auf der Welle werden industriell gefertigte Kunststoffscheiben mit Kreissegmenten angebracht, bei denen sich lichtdurchlässige und lichtundurchlässige Segmente abwechseln. Die Anzahl der auf einer Scheibe angeordneten Segmente kann bis zu maximal 10 000 (5000 lichtdurchlässige und 5000 lichtundurchlässige) betragen. Die analogen Verfahren zur Drehzahlmessung, die u.a. nach dem Prinzip des Wechselstromgenerators aufgebaut sind („Dynamoprinzip“), verlieren an Bedeutung, weil die Auswertung bzw. Anzeige auf digitalem Wege geschieht und der mechanische Verschleiß der Digitalverfahren geringer ist.
2.4 Durchflußmessung Prinzip einer Segmentscheibe c)
Bild VII-13 Digitale Verfahren zur Drehzahlmessung a) Spannungsinduktion b) Fe-Blendenrad (nach Unterlagen Fa. VAC) c) optische Verfahren
Bei den in Bild VII-14 gezeigten Durchflußmessern ist der Momentanwert der Drehzahl der Flügel- oder Turbinenräder dem Momentanwert der Menge des durchfließenden Mediums und damit seiner Geschwindigkeit proportional. Zur Bestimmung des gesamten in einer gegebenen Zeit durchgeflossenen Mediums müssen die Momentanwerte der Drehzahl addiert werden, d.h., es muß die Gesamtzahl der Umdrehungen erfaßt werden. Deshalb ist die Durchflußmessung verbunden mit einer Drehzahlmessung,
788
Meßtechnik
wobei die erforderliche Summenbildung häufig über ein mechanisches Zählwerk geschieht („Wasserzähler“ im Haushalt). Beim Flügelradzähler werden die Flügel tangential angeströmt, beim Woltmann-Zähler axial. Bei den Durchflußmessern nach dem Verdrängungsprinzip, wie sie bei den Gasmengenzählern im Haushalt angewendet werden, rollen zwei Ovalräder aufeinander und zur Meßkammer hin ab und schließen ein bestimmtes Volumen des Mediums ein (Ovalradzähler Bild VII-14c). Wird die Zahl der Umdrehungen erfaßt, ist auch das insgesamt durchgeströmte Volumen des Mediums bekannt. Die Drehung der Ovalräder wird durch den Druck des anströmenden Mediums auf das untere Rad im Bild VII-14c links bewirkt.
a)
keit n und der Fläche A aus V = v · A = v · d 2 · p/4. Dann folgt für das pro Zeiteinheit durchströmende Volumen V ´: V ´ = (d 2 · p/4) · (U/(B · d)) = (d · p/4) · (U/B) (VII.16) d Rohrdurchmesser in m, U gemessene Spannung an den Elektroden in V, B magnetische Flußdichte in Vs/m2 Beispiel VII.7: Ein Dauermagnet erzeugt eine Flußdichte von
B = 0,1 Vs/m2; der Rohrdurchmesser beträgt d = 5 cm. Bei einer Strömungsgeschwindigkeit des Mediums von n = 0,1 m/s ergibt sich eine Spannung von U = 10–1 (Vs/m2) · 5 · 10–2 m · 10–1 (m/s) = 5 · 10–4 V = 500 mV. Für V ´ folgt daraus V ´ = (5 · 10–2 m · p/4) × (5 · 10–4 V/(10–1 Vs/m2)) = 1,96 · 10–4 m3/s.
Die entstehenden Spannungen liegen im mV- oder mV-Bereich. Der Innenwiderstand dieser Spannungs-
b)
c)
Beim Prinzip der magnetischen Induktion nutzt man die Kraftwirkung auf bewegte elektrische Ladungen Q im Magnetfeld aus (Bild VII-15). Sie ist durch Fm = Q · v · B gegeben, wobei B und v senkrecht aufeinander stehen. Dann ist Fm wiederum senkrecht zu B und v. Die magnetische Flußdichte B wird durch einen von außen angebrachten Magneten erzeugt. Die erforderlichen elektrischen Ladungen Q stehen bei Flüssigkeiten durch die meist vorhandene Dissoziation in Form von Ionen zur Verfügung. In die Wand des Rohres werden an zwei gegenüberliegenden Stellen elektrische Kontakte in das elektrisch nichtleitende Rohr eingebracht, an denen die Spannung abgegriffen wird. Die elektrische Kraft ist durch Fe = Q · E = Q · U/d gegeben. Es gilt Fm = Fe und damit v = U/(B · d). Der Durchfluß, also das pro Zeiteinheit durchströmende Volumen V ′ in m3/s errechnet sich bei gegebener Strömungsgeschwindig-
Bild VII-14 Durchflußmessung (nach Unterlagen Fa. Siemens (a, b) und Fa. Orlicek (c)) a) Flügelradzähler b) Woltmanzähler c) Ovalradzähler
quelle ist sehr groß (Megaohm-Bereich). Deshalb sind geeignete Maßnahmen zur Störunterdrückung erforderlich. Bei der Ultraschall-Durchflußmessung nach Bild VII16 erzeugen zwei Ultraschallsender (S1, S2) kurze Ultraschallimpulse, die auf die zugeordneten Empfänger (E1, E2) gerichtet sind und von diesen empfangen werden. c ist die Geschwindigkeit, mit der sich der Ultraschall in dem im Rohr befindlichen Medium ausbreitet, wenn dieses ruht. Strömt das Medium mit der Geschwindigkeit v durch das Rohr, breiten sich die Schallwellen vom Sender S1 langsamer als mit c aus. Der genaue Wert ergibt sich aus c1 = c – v · cos a. Entsprechend folgt für die Geschwindigkeit der von S2 ausgesendeten Schallimpulse c2 = c + v · cos a. Mit der Entfernung L der zwei Sender und Empfänger voneinander folgt für die Laufzeiten
VII Meßverfahren zur Messung nichtelektrischer Größen B
Bild VII-15 Durchflußmessung nach dem Prinzip der magnetischen Induktion
v Fm d
789
wird. Für die Frequenzen f1 und f2 der Sender S1 und S2 folgt f1 =
1 c − v ⋅ cosα = ; t1 L
f2 =
1 c + v ⋅ cosα = ; t2 L
Aus der Differenz dieser zwei Frequenzen f2 − f1 = I
2 ⋅ v ⋅ cosα L
(VII.21)
ergibt sich für die Strömungsgeschwindigkeit v unabhängig von der Schallgeschwindigkeit c
U
v= v
L ( f2 − f1 ) 2 ⋅ cosα
(VII.22)
2.5 Zeit- und Frequenzmessung B
t1 =
(VII.20)
L ; c − v ⋅ cos α
t2 =
L c + v ⋅ cos α
(VII.17)
Die Laufzeitdifferenz berechnet sich zu t1 − t2 = 2 ⋅ L
v ⋅ cosα c 2 − v 2 ⋅ cos2 α
(VII.18) E2
c + v · cosa
c – v · cosa
V a S2
S1
L
E1
Bild VII-16 Ultraschall-Durchflußmessung
In Flüssigkeiten kann der Term v2 · cos2 a in Gleichung (VII.18) vernachlässigt werden, so daß sich als Näherungslösung ergibt t1 − t2 ≈ 2 ⋅ L
c 2 ( t1 − t2 ) v ⋅ cosα ⇒v≈ 2 c 2 ⋅ L ⋅ cosα
(VII.19)
Das Meßergebnis hängt allerdings noch von der Schallausbreitungsgeschwindigkeit c ab. Um diese Abhängigkeit auszuschalten, hat man z.B. die Ansteuerung der Ultraschallsender so gewählt, daß ein Schallimpuls, von S1 ausgesendet und von E1 empfangen, sofort wieder von S2 ausgesendet wird, von E2 empfangen und unverzögert von S1 ausgegeben
Die Messung der Zeit und der Frequenz geschieht auf digitalem Wege, wobei die Meßeinrichtung die Messung von Zeit und Frequenz ermöglicht. Das Prinzip ist in Bild VII-17 dargestellt. Ein Normalfrequenzgenerator stellt die Zeiteinheit in Form einer Sekunde oder dekadischer Teile oder Vielfache davon dar. Das periodische Signal mit der zu messenden Frequenz fx wird zunächst einer Eingangsschaltung zugeführt, die den Spannungswert an die Erfordernisse der nachfolgenden Torschaltung anpaßt. Sie enthält einen Abschwächer für große Signalamplituden, einen Verstärker für kleine Signalamplituden und eine Signalformerstufe. Letztere wandelt das Eingangssignal in ein rechteckförmiges Signal mit gleicher Frequenz um. Weiterhin können frequenzselektive Filter zugeschaltet werden, die unerwünschte Störfrequenzanteile ausfiltern. Außerdem kann häufig ein Gleichanteil im Meßsignal durch einen Kondensator unterdrückt werden (entsprechend den Schalterstellungen AC oder DC beim Oszilloskop). Die Torschaltung besteht aus einem UNDGlied und läßt das Signal mit der Frequenz fx für die von der Zeiteinheit vorgegebene Zeit passieren. Die Impulse werden vom Zähler gezählt. Nach Schließen des Tores wird der Zählerstand in die Anzeige übernommen und sichtbar gemacht. Wählt man als Torzeit nicht eine Sekunde, sondern dekadische Teile oder Vielfache davon, muß in der Anzeige lediglich das Komma entsprechend gesetzt werden. Je kürzer die Torzeit gewählt wird, desto schneller steht das Meßergebnis zur Verfügung, allerdings mit verminderter Stellenzahl, da in der vorgegebenen Zeit weniger Zählimpulse in den Zähler gelangen. Für genaue Messungen wird man deshalb Torzeiten von z.B. 10 s wählen. Die Steuerung hat innerhalb eines Meßzyklus hauptsächlich folgende Aufgaben: Setzen des Zählerstandes auf Null; Öffnen der Torschaltung für die eingestellte Zeit (...; 0,1 s; 1 s; 10 s; ...); Speichern des aktuellen Zählerstandes für die Anzeige in einem
790
Meßtechnik
Meßsignal fx tx
Zeit Eingangsschaltung X1 Start(Verstärker, Stop Filter ...) Frequenz
Frequenz
X2
&
X4
Zähler
Anzeige
X3
Zeit
Bild VII-17 Zeit- und Frequenzmessung a) Prinzip b) Ablaufdiagramm
Steuerung Start
Stop
X1 a) 0,1Hz 1Hz 10Hz
Frequenzteiler
Normalfrequenzgenerator
X2
10MHz
b)
X3
X4
Anzeigespeicher; Ansteuerung der Anzeigen im meist verwendeten Multiplexverfahren; Ansteuerung eines weiteren Zählers zur Bereitstellung der Torzeit. Die Torzeit wird dadurch gewonnen, daß ein Quarzoszillator auf einer relativ hohen Frequenz von 1 MHz oder 10 MHz schwingt. Diese Oszillatoren sind sehr frequenzstabil, wenn man die beiden wesentlichen Einflußgrößen „Temperatur“ und „Alterung“ so weit wie möglich ausschaltet. Die Temperaturabhängigkeit der Frequenz von ≤⏐±10–5 K–1⏐ kann durch Wahl einer optimalen Schnittebene für den Quarz und durch Einbau in einen Thermostaten weiter verringert werden. Zur Herabsetzung der Frequenzänderung infolge Alterung von ≤⏐±10–5 a–1⏐werden die Quarze dadurch künstlich gealtert, daß man sie etlichen Temperaturzyklen aussetzt. Zahl, Temperaturendwerte und Dauer dieser Zyklen sind Erfahrungswerte; sie liegen bei etwa 20 Zyklen von Zimmertemperatur bis 80 ºC über eine Dauer von mehreren Stunden. Die Frequenz des Quarzoszillators wird über einen Zähler aus mehreren Zähldekaden geteilt, wobei z.B. eine Frequenz von 1 Hz einer Periodendauer von 1 s entspricht und diese dann zur Öffnung der Torschaltung verwendet wird. Andere Toröffnungszeiten werden durch Zu- oder Abschalten einzelner Zähldekaden erreicht. Die Messung von Zeiten oder Periodendauern geschieht dadurch, daß das Eingangssignal mit der zu messenden Periodendauer tx mit der ersten positiven Flanke die Torschaltung öffnet und mit der folgenden wieder schließt. Während das Tor geöffnet ist, zählt der Zähler die Impulse des Quarzoszillators. Damit ist sein Zählerstand der Periodendauer tx proportional. Es ist deshalb wichtig, daß die Frequenz des Quarz-
oszillators möglichst hoch ist, damit der Zähler auch bei kleinen Periodendauern im ms-Bereich noch ausreichend Impulse zählen kann und so eine möglichst hohe Auflösung des Meßwertes möglich ist. Da man hohe Frequenzen und große Periodendauern mit hoher Stellenzahl und bei entsprechender Zählerkonstruktion auch mit hoher Genauigkeit messen kann, sollte man von dem zu messenden Signal zunächst die Größenordnung der Frequenz bestimmen und bei Frequenzen < 10 kHz die Periodendauer und bei Periodendauern < 100 ms die Frequenz messen. Die gesuchte Größe wird über die Beziehung f = 1/T berechnet. Komfortable Zähler wenden dieses Verfahren bereits automatisch an.
2.6 Weg- und Winkelmessung Mit den im Kapitel VII.1 vorgestellten ohmschen, kapazitiven und induktiven Aufnehmern können auch Wege (Abstände) und Drehwinkel gemessen werden. In Bild VII-18 ist das jeweilige Meßprinzip gezeigt. Wenn möglich, werden Differentialausführungen verwendet, da die Kennlinie einer angestrebten linearen Abhängigkeit nahe kommt. Für die resistiven Wegaufnehmer stehen Ausführungen von einigen mm bis zu einem Meter zur Verfügung. Die Winkelaufnehmer werden auch für Winkel bis zu 360º gefertigt. Bei den induktiven Wegaufnehmern läßt sich erkennen, daß die Kennlinie der Differential-Ausführung bereichsweise nahezu linear ist und außerdem positive und negative Wege vom Bezugspunkt aus meßbar sind. Bei den kapazitiven Aufnehmern wird die Kapazität sowohl durch eine wegproportionale Abstandsänderung als auch durch eine wegproportionale Flächenänderung variiert. Ver-
VII Meßverfahren zur Messung nichtelektrischer Größen wendet man einen Differentialkondensator und mißt die Kapazitätsänderung in einer Wechselstrom-Brückenschaltung, erhält man einen linearen Zusammenhang zwischen Weg- und Kapazitätsänderung. Auch die induktiven Differentialausführungen werden zum Messen in Brückenschaltungen eingefügt. R Ra
R Rx
2
1 x
Rx
a
l
2 1 Schleifer 2 Widerstandsmaterial auf Träger Rα
R
0
1
0
x
l
R
270°
a
a)
Fläche A e
Fläche A
1 3
d
C0 Usp
d
Ud0
C0
2 C
C∞
d
1,2 ortsfeste Platten 3 bewegliche Platte Ud0 = – Usp x d
b)
0
L
x Ud0
mr ® 1
L∞
0
x
L∞ = L(x → ∞) = L(m = m0) Ud0
R0
x
Ud0
0
Usp
0 R0
x
c)
Bild VII-18 Weg- und Winkelmessung: Prinzip und Kennlinie von a) ohmschen b) kapazitiven c) induktiven Aufnehmern
791
Für die Wechselstrom-Meßbrücken werden Frequenzen im kHz-Bereich verwendet, um den Einfluß von Oberschwingungen der 50-Hz-Energieversorgung klein zu halten. Außerdem lassen sich Filterschaltungen zur Messung der Spannung in der Brückendiagonalen mit kleineren Bauelementewerten realisieren. Bei den kodierten Weg- und Winkelaufnehmern ist jeder Weglänge oder jedem Drehwinkel ein eindeutig kodiertes digitales Signal zugeordnet (Bild VII-19). Diese Signale haben den Vorteil, daß sie auch in einer gestörten Umgebung eine weitgehend sichere Meßsignalübertragung gestatten. Außerdem steht das Signal in einer für die Weiterverarbeitung in einem Rechner geeigneten Form zur Verfügung. Auch der Meßaufbau ist relativ störunanfällig. Für die Kodierung der Scheiben wird häufig nicht der Binärcode verwendet, der eine eindeutig zugeordnete Stellenwertigkeit aufweist, sondern der Gray-Code, bei dem sich zwei benachbarte Codewörter nur in einer Stelle unterscheiden. Da die einzelnen Kodierungen bei Weg- oder Winkeländerungen nacheinander überstrichen werden, sind Übertragungsfehler einfach erkennbar. Allerdings benötigt das Auswertegerät einen Codewandler. Inkrementale Wegaufnehmer verwenden nach Bild VII-20a eine Leiste aus Glas oder Kunststoff (1), auf der in Querrichtung abwechselnd lichtdurchlässige und lichtundurchlässige Segmente aufgebracht wurden. Dieser Streifen wird an dem Gegenstand befestigt, dessen Weg gemessen werden soll. Das von einer Lichtquelle ausgesendete Licht wird bei Bewegung des Gegenstandes um eine Rasterlänge Dr durch die ortsfeste Leiste (2) einmal unterbrochen. Zählt man die Zahl der Hell-Dunkel-Wechsel oder der Dunkel-Hell-Wechsel und erhält den Wert n, so ist der zurückgelegte Weg n · Dr. Soll auch die Richtung des Weges von einem Bezugspunkt aus erfaßt werden, bringt man nach Bild VII-20b auf dem ortsfesten Streifen (2) zwei Hell-Dunkel-Segmente an, die einen Abstand von Dr + Dr/4 zueinander haben. Trifft das Maximum von u1 mit einer ansteigenden Spannung u2 zusammen, bewegt sich der Gegenstand nach rechts, bei einer Linksbewegung trifft das Maximum von u1 mit einer abfallenden Spannung u2 zusammen. Zur Festlegung des Bezugswertes für den Weg (x = 0) muß der Gegenstand in eine vorgesehene Position gebracht und der Zähler auf Null gesetzt werden. Auf die Streifen lassen sich Raster mit einem Abstand von minimal einigen mm aufbringen. Damit sind auch Wegmessungen bis zu dieser Größenordnung herab möglich.
2.7 Beschleunigungsmessung Die Messung nutzt den Zusammenhang zwischen der Kraft F und der Beschleunigung a (F = a · m) aus. In Bild VII-21a ist ein gedämpftes Feder-Masse-System dargestellt. Wird das Gehäuse beschleunigt, ändert
792
Meßtechnik x=0
10 x 31 max
16 x 31 max 26 x 31 max xmax 10000
11010
20 x 31 max
x=0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31
Wegaufnehmer, binär koordiniert 001011 11 · 360° a = 63 a=0 000000 111111 a = 360°
Wegaufnehmer Gray-kodiert
45 101101 a = 63 · 360° Winkelaufnehmer, binär koordiniert xmax
die Masse wegen ihrer Trägheit ihre Lage innerhalb des Gehäuses. Die zugeordnete Differentialgleichung lautet: m⋅
d2yM
+ w⋅
Eigenfrequenz w 02 = c / m dieses schwingungsfähigen Systems ist sehr groß. 2. Kleine Masse, weiche Feder und große Dämpfung (m und c klein, w groß): Dann folgt in erster Näherung
dy M + c⋅ yM dt
dt 2 d 2 yG = −m = −m⋅a dt 2
Bild VII-19 Kodierte Weg- und Winkelaufnehmer
(VII.23)
Formelzeichen siehe Text
d 2 yG w dy M ⋅ ≈− m dt dt 2
(VII.25)
Integriert man beide Seiten, ergibt sich
Darin ist m die Masse des an der Feder aufgehängten Körpers, c die Federsteifigkeit (Federrate), w ein Maß für die Dämpfung und a die gesuchte Beschleunigung. Zu beachten ist, daß Gehäuse und Masse nicht starr miteinander verbunden sind und deshalb yG- und yM-Koordinaten eingesetzt worden sind. Je nach Dimensionierung erhält das System unterschiedliche Eigenschaften.
dy w ⋅ yM ≈ − G = −vG dt m
Damit hat man einen Geschwindigkeitssensor für die Geschwindigkeit vG des Gehäuses realisiert. 3. Große Masse, weiche Feder und geringe Dämpfung (m groß, c und w klein): In Gleichung (VII.23) bleibt nur noch zu berücksichtigen
1. Steife Feder und kleine Masse (c groß und m klein): Dann können die zwei ersten Summanden der linken Seite aus Gleichung (VII.23) vernachlässigt werden, und die Differentialgleichung geht näherungsweise über in
Nach zweimaliger Integration folgt
– a ≈ c · yM/m
yM ≈ yG
(VII.24)
Diese Dimensionierung ergibt einen Beschleunigungsaufnehmer, da die Auslenkung yM der Beschleunigung a näherungsweise proportional ist. Die
(VII.26)
d2 yM dt
2
≈−
d 2 yG dt 2
= −a
(VII.27)
(VII.28)
Es handelt sich um einen Wegaufnehmer, der in dieser Form z.B. zur Messung von Erdbeben und zur Überwachung von Schwingtischen eingesetzt wird.
VII Meßverfahren zur Messung nichtelektrischer Größen
793
Licht Δr
Bild VII-20 Inkrementale Wegmessung a) Prinzip b) Erfassung der Richtung
u 1
Ur
2 u
+
Ur
–
G
∞
x
uk uk
x
u a)
Licht
Δr
u1
1 2 u2
G
G
+
∞ uk1
– + –
Q
1D C1
∞
&
Zähltakte vorwärts ^ Rechtsbewegung =
&
Zähltakte rückwärts ^ Linksbewegung =
Q
uk2
Ur u1
Ur Referenzspannung 1 bewegliche Leiste 2 ortsfeste Leiste
u2 uk1
t
uk2
b)
Rechtsbewegung
Q Q uk1 uk2
Linksbewegung
Q Q
F Gehäuse Dehnungsmeßstreifen (auf Ober u. Unterseite) Dehnung
Feder yM
Masse
Dämpfung
0
Feder
yG Masse 0
a)
Gehäuse
b)
Bild VII-21 Beschleunigungsaufnehmer a) Gedämpftes Feder-Masse-System b) Biegebalken mit Dehnungsmeßstreifen
794 Eine weitere Ausführungsform ist in Bild VII-21b dargestellt. Gezeigt wird nur der eigentliche Aufnehmer ohne Gehäuse. Die Dimensionierung wird so vorgenommen, daß sich die Abhängigkeit aus Gleichung (VII.24) ergibt. Der Biegebalken wird mit Dehnungsmeßstreifen auf Ober- und Unterseite be-
Meßtechnik klebt. Die Widerstandsänderungen sind der Dehnung und diese wiederum der Kraft proportional. Die Kraft ist schließlich über die Masse mit der Beschleunigung verknüpft. Die Widerstände der Dehnungsmeßstreifen werden in einer Brückenschaltung gemessen.
VIII Meßdatenaufbereitung Die von den Meßaufnehmern gelieferten elektrischen Größen sind häufig Spannungen im mV- oder mVBereich. Zur Weiterverarbeitung in Rechnern müssen sie zunächst auf Werte im V-Bereich verstärkt werden, weil die Analog-Digital-Umsetzer entsprechende Größen benötigen. Außerdem wird eine eventuell erforderliche Übertragung der Meßgröße in analoger Form über größere Entfernungen mit geringem Fehler möglich. Zu diesem Zweck muß der Einfluß der stets vorhandenen Störungen auf das Meßsignal so klein wie möglich gehalten werden. Theoretische Untersuchungen und praktische Erfahrungen haben zu den im folgenden dargestellten Schaltungen geführt, die für eine Vielzahl von Meßaufgaben anwendbar sind.
HStör
d
1
2 Fläche A
uStör
G
G
uMess
a) HStör
d Last
1 Verringerung der Störeinflüsse von außen Unter Störungen sollen hier unerwünschte Signale verstanden werden, die von außen in den Meßkreis gelangen. Das kann nach Bild VIII-1 induktiv oder kapazitiv geschehen. Störquellen sind beispielsweise das 50-Hz-Wechselstromnetz, Gleichstromsteller für Motoren, nahegelegene Hochfrequenzsender oder Schaltvorgänge an Verbrauchern. Induktive Einwirkung: Die Störspannung uStör hat im Leiter 1 einen Strom iStör zur Folge, dessen magnetischer Fluß FStör in der Zuleitung zum Meßverstärker (Leiter 2) eine Störspannung induziert, die sich dem Meßsignal überlagert. Um die induzierte Störspannung klein zu halten, sollte der Abstand d möglichst groß und die vom Leiter 2 eingeschlossene Fläche A möglichst klein gemacht werden. Letzteres erreicht man z.B. durch Verdrillen der Hin- und Rückleitung von Leiter 2. Allerdings hat das den Nachteil, daß die Kapazität zwischen diesen Leitern größer wird und die im Meßsignal enthaltenen hohen Frequenzanteile schwächt.
Meßkreis
Last
iStör
1 uStör
Meßkreis
CK
2 Ri G
Re
G
CL
uMess
b)
Bild VIII-1 Einwirken von Störungen in einem Meßkreis a) induktiv b) kapazitiv Kapazitive Einwirkung: Zwischen den zwei Leitern 1 und 2 (Bild VIII-1b) besteht die durch den Aufbau bedingte Koppelkapazität CK, die mit der Parallelschaltung aus der Kapazität des Leiters 2, dem Eingangswiderstand Re des Meßverstärkers und dem Innenwiderstand Ri der Signalquelle uMess einen Spannungsteiler bildet. Der Einfluß von Ck ist um so kleiner, je größer d (Ck ∼ 1/d) und CL und je kleiner Re und Ri sind. Die genannten Maßnahmen zur Störspannungsverringerung sind nur in begrenztem Maße anwendbar, so
VIII Meßdatenaufbereitung
795
daß man grundsätzlich die Zuleitung vom Meßwertaufnehmer zum Verstärker abschirmt (Bild VIII-2a). Dann wird bei induktiver Einwirkung eine Spannung in der Abschirmung induziert, die aber nicht mehr in den Meßkreis gelangt. Bei kapazitiver Einwirkung entsteht die Koppelkapazität zur Abschirmung und damit gegen den gemeinsamen Bezugspunkt („Masse“). Allerdings bildet nun die Abschirmung mit dem Innenleiter eine Kapazität CLS, so daß eine frequenzabhängige Spannungsteilung zwischen Ri und CLS stattfindet. Um die Kapazität CLS unwirksam zu machen, wird das Potential der Abschirmung auf dem gleichen Wert gehalten wie das des Innenleiters, und zwar über eine nachgeführte Spannungsquelle (Impedanzwandler mit Operationsverstärker) mit dem Innenwiderstand ≈ 0 (Bild VIII-2b). Dann ist die Spannung an CLS ebenfalls ≈ 0 und dieser Kondensator ohne Wirkung. Eine besondere Bedeutung kommt dem Anschluß mit den gebräuchlichen Bezeichnungen „Erde, Masse, Systemerde oder Gehäuse“ zu. An diesen Anschluß, der in der Regel mit dem Gehäuse verbunden ist und der außerdem mit „Erde“ (meist über den Schutzleiter) in Verbindung steht, wird die Abschirmung der Leitungen gelegt. Dabei werden die Abschirmungen nur an einer Seite, zweckmäßigerweise an der Verstärkereingangsseite, mit diesem Punkt verbunden.
Ri
CLS
R1
G UMess
CLS
∞ + –
R1
R2
Falsch! + ∞ –
CLS
G
R1
a)
R2
Richtig! Analoge Baugruppen
AnalogDigitalUmsetzer
Analoge Masse b)
+ ∞ –
R1
Ri
R2
a)
G Δup
UMess
+ ∞ –
CLS
Ri UMess
+ ∞ –
G UMess
Ri
zusammenzuführen (Bild VIII-3b). Bei Baugruppen, die sowohl einen Analog- als auch einen Digitalteil enthalten (A-D- oder D-A-Umsetzer), sind in der Regel die Masseanschlüsse für den Analog- und den Digitalteil getrennt herausgeführt, damit die relativ hohen Ströme im Digitalteil in der Masseleitung des Analogteiles keinen Spannungsfall hervorrufen. Er würde sich sonst dem Analogsignal überlagern.
Digitale Baugruppen
Digitale Masse SystemMasse/Erde
Bild VIII-3 Erdung von Meßsystemen a) Wirkung einer Erdschleife b) sternförmige Erdung, Analog- und Digitalteil getrennt
R2
2 Meßverstärker b)
Bild VIII-2 Abschirmung von Signalleitungen a) Grundschaltung b) Abschirmung mit nachgeführtem Potential Bild VIII-3a zeigt zunächst den Fall, daß die Abschirmung an beiden Enden mit Masse verbunden ist. Da die beiden Masseanschlüsse in der Regel nicht auf gleichem Potential liegen, sondern einen Potentialunterschied Dup aufweisen, überlagert dieser sich dem Nutzsignal uMess. Wird dagegen die Abschirmung nur einseitig an Masse angeschlossen und der untere Anschluß der Meßspannungsquelle getrennt von der Masse zum Eingang des Verstärkers geführt, ist der Potentialunterschied wirkungslos. Deshalb sind auch die Masseanschlüsse einzelner Baugruppen und weiterer Abschirmungen sternförmig in einem Punkt
Als Meßverstärker werden Operationsverstärker eingesetzt, die geeignet ausgesucht und beschaltet werden. Da die zu verstärkenden Spannungen häufig im mV- oder mV-Bereich liegen, dürfen die durch den Verstärker selbst hervorgerufenen „inneren“ Störungen nicht in die Größenordnung des Nutzsignals kommen, denn sie werden um den gleichen Faktor verstärkt wie das Nutzsignal. Damit bleibt das Verhältnis von Nutz- zu Störsignal am Ein- und Ausgang des Verstärkers gleich. Als wichtigste innere Störquellen sind zu nennen: Rauschen des Verstärkers: Das Rauschen wird hervorgerufen durch thermische Vorgänge in den Widerständen und Halbleitern, die nach statistischen Gesetzen ablaufen. Es tritt prinzipiell bei Temperaturen oberhalb 0 K auf und läßt sich in zwei Anteile aufteilen: Weißes Rauschen, das für alle Frequenzen die gleiche Amplitude aufweist, und 1/f-Rauschen,
796 dessen Amplituden mit steigender Frequenz abnehmen. Durch die Wahl geeigneter technologischer Verfahren bei der Fertigung der Verstärker läßt sich das Rauschen in gewissen Grenzen verringern. Weiterhin kann man bei Verstärkern des gleichen Typs Unterschiede im Rauschen feststellen, so daß sich das Aussuchen rauscharmer Verstärker aus einer großen Stückzahl lohnen kann. Die am Eingang handelsüblicher Verstärker auftretende Rauschspannung ist von der Bandbreite B abhängig und liegt bei B = 1 kHz in der Größenordnung 100 nV bis 10 mV (siehe auch Kapitel Nachrichtentechnik, I.4.11.1). Offsetspannung: Durch innere Unsymmetrien ist die Ausgangsspannung nicht Null, wenn die Eingangsspannung Null ist. Dem Nutzsignal ist damit eine Fehlspannung überlagert. Durch Anlegen einer entgegengesetzt gleich großen Spannung (Offsetspannung) an den Eingang des Verstärkers läßt sich diese Fehlspannung kompensieren. Auch sie ist eine verstärkerspezifische Kenngröße und kann durch Aussuchen entsprechender Exemplare klein gehalten werden. Je nach Verstärkertyp liegt die Offsetspannung im Bereich ±5 mV ... ± 0,5 mV. Die Fehlspannung tritt mit der am Operationsverstärker eingestellten Verstärkung multipliziert am Ausgang auf. Drift: Kenngrößen ändern sich unter der Einwirkung von Einflußgrößen. Für die hier betrachteten Meßverstärker ist besonders die Abhängigkeit der Offsetspannung von der Temperatur und der Zeit wichtig. Es wurden deshalb für besonders kritische Anwendungen Baugruppen entwickelt, bei denen der eigentliche Verstärker seine Funktion periodisch für kurze Zeit unterbricht, den Momentanwert seiner Offsetspannung selbsttätig ermittelt und diese an seinen Eingang zur Kompensation anlegt. Meßverstärker mit Operationsverstärkern werden häufig in zwei Schaltungen nach Bild VIII-4 eingesetzt. Im Teil a) handelt es sich um einen nichtinvertierenden Verstärker, dessen Verstärkung v durch das Widerstandsverhältnis bestimmt ist (v = 1 + R2/R1). Der Eingangswiderstand der Schaltung ist gleich dem des Operationsverstärkers. Geeignet ist diese Schaltung für Meßspannungen, deren einer Anschluß mit dem Erdanschluß des Operationsverstärkers verbunden werden kann. Soll dagegen die Spannung in der Brückendiagonalen einer Brückenschaltung verstärkt werden und muß
Meßtechnik + ∞ – u1 R1
ua= (1+
a) u1
ua
R2
R2 )u R1 1
+ ∞ –
R0
R0
R2
+ ∞ –
R1
ua
R2
– ∞ +
R0
R0
u2
ua= (1+
2R2 )(u – u1) R1 2
b)
Bild VIII-4 Meßverstärker mit Operationsverstärkern a) Nichtinvertierender Verstärker b) Meßverstärker oder Instrumentation Amplifier ein Anschluß der Brückenspeisespannung geerdet werden, ist eine Schaltung nach Bild VIII-4a nicht möglich, weil aus Gründen der Störspannungsverringerung auch der übliche Masseanschluß des Operationsverstärkers mit dem Erdanschluß verbunden werden sollte. Dann wird eine Kombination aus drei Operationsverstärkern nach Bild VIII-4b verwendet. Die Verstärkung ergibt sich zu: ua = (1 + 2R2/R1) · (u2 – u1)
(VIII.1)
Für eine hohe Gleichtaktunterdrückung ist es wichtig, daß gleich bezeichnete Widerstände nach Bild VIII-4b in ihrem Wert um weniger als ± 1% voneinander abweichen.
IX Bussysteme für die Meßtechnik
797
IX Bussysteme für die Meßtechnik Meßbus Die hier betrachteten Bussysteme werden bevorzugt in der Meßtechnik eingesetzt und dienen dazu, den Befehls- und Meßdatenverkehr zwischen Meßgeräten und der Erfassungs- und Verarbeitungsstation (Rechner) zu organisieren.
1 Grundbegriffe Ergänzend zu den im Kapitel Nachrichtentechnik, XVI.1, genannten Begriffen werden einige weitere dargestellt. Die Befehls- und Datenworte können seriell oder parallel und synchron oder asynchron übertragen werden. Die Umwandlung von parallel anstehenden Digitalworten in serielle und umgekehrt geschieht über Schieberegister. Serielle Übertragung: Es genügt eine Zweidrahtleitung zur Übertragung, wenn der Takt aus dem Bitmuster zurückgewonnen werden kann, andernfalls überträgt man den Takt über eine dritte Leitung (Kapitel Nachrichtentechnik, V.4.4.7). Beginn und Ende des Wortes werden i.a. über ein Start- und ein Stopbit gekennzeichnet. Der Informationsaustausch läßt sich vereinfachen und beschleunigen, wenn noch einige zusätzliche Leitungen zur Verfügung stehen. So hat die serielle Rechnerschnittstelle V.24 (auch mit RS-232 bezeichnet) insgesamt 8 Leitungen. Die serielle Übertragung wird bevorzugt für die Überbrückung größerer Entfernungen eingesetzt. Parallele Übertragung: Die in der Regel 8 Bit breiten Worte werden über 8 parallele Leiter übertragen. Damit wird die Übertragung beschleunigt, erfordert aber einen höheren Aufwand an Leitungen. Bei der parallelen „Centronics“-Rechnerschnittstelle (LPT) sind 8 Datenleitungen und 9 Steuerleitungen sowie 8 Masseleitungen vorhanden. Diese Schnittstelle wurde zunächst speziell für die Ansteuerung eines Druckers entwickelt, wird heute aber universell für Peripheriegeräte, wie Streamer, Scanner und externe Datensicherungsgeräte, eingesetzt. Die Leitungslänge ist auf etwa 15 m begrenzt. Synchrone Übertragung: Der Datenfluß geschieht kontinuierlich, und die einzelnen Bits lassen sich anhand des parallel übertragenen Taktsignals eindeutig zuordnen. Synchronisationszeichen kennzeichnen Anfang und Ende der Übertragung. Ein Übertragungsprotokoll stellt die erfolgreiche Übertragung sicher.
Asynchrone Übertragung, Handshake-Verfahren: Im einfachsten Fall sind für diese Art der Übertragung zunächst zwei Leitungen erforderlich, von denen die eine die bevorstehende Übertragung eines Datenwortes durch den Sender signalisiert und die andere nach erfolgter Übertragung die erfolgreiche Übernahme durch den Empfänger meldet. Die Daten werden über weitere Leitungen parallel oder seriell übertragen. Zugriff „Client-Server“: Der Client, z.B. der Benutzerrechner, fordert einen Dienst an, z.B. ein Anwenderprogramm oder eine Datenblattsammlung, den der Server zur Verfügung stellt. Zugriff „Peer-to-Peer“: Alle Rechner sind gleichberechtigt, und jeder stellt jedem seine freigegebenen Ressourcen zur Verfügung. Sind mehr als zwei Geräte (ein Rechner und/oder weitere Rechner/Meßgeräte) miteinander verbunden, kann es zu Kollisionen kommen, wenn gleichzeitig mehrere Geräte bzw. Rechner auf die gemeinsame Verbindungsleitung zugreifen. Hier sollen nur einige Prinzipien zum reibungslosen Ablauf des Datenverkehrs kurz dargestellt werden. Beim Token-Verfahren wird ein „Zeichen“ zentral vergeben und weitergereicht. Nur der momentane Besitzer des Zeichens kann Daten senden. Die Haltezeit des Zeichens ist zeitlich beschränkt. Greifen z.B. beim Peer-to-PeerNetzwerk mehrere Rechner/Geräte gleichzeitig auf die Leitung zu, wird ein Signalpegel auf der Leitung verändert (Open-Collector-Verknüpfung aller Geräte), so daß alle Geräte den Zugriff beenden und jeder einzelne nach einer statistisch vorgegebenen Zeit einen erneuten Verbindungsaufbau startet. Eine Verbesserung ergibt sich, wenn ein spezieller Übertragungskanal belegt werden kann und dies von den anderen Geräten eindeutig erkannt wird. Ein Übertragungsprotokoll sorgt dafür, daß jedes Gerät innerhalb einer bestimmten Zeit eine Verbindung aufbauen kann. Serielle Rechnerschnittstelle V.24 oder RS-232: Die Daten werden üblicherweise seriell und asynchron, mit Blocks zu je 7 oder 8 Datenbits plus Start- und Stopbit, übertragen. Am Rechner befindet sich ein 25- oder 9-poliger Sub-D-Stecker. Die Spannungspegel zeigt Tabelle IX-1. Für die Verbindung von nur zwei Geräten (Rechner zum Meßgerät) kann eine Verbindung über ein Nullmodem-Kabel ausreichend sein.
Tabelle IX-1 Spannungspegel der seriellen Rechnerschnittstelle V.24 Daten
Steuersignale
Low Ⳏ (– 3 ... – 15) V typ. –10 V High Ⳏ (+ 3 ... + 15) V typ. +10 V
Low Ⳏ (+ 3 ... + 15) V High Ⳏ (– 3 ... – 15) V
typ. + 10 V typ. – 10 V
798
Meßtechnik
Parallele oder Centronics-Rechnerschnittstelle: Die Signale werden mit TTL-Pegel (0 V, + 5 V) asynchron im Handshake-Verfahren übertragen.
2 IEC-Bus Die folgenden Begriffe werden verwendet: Talker: Das Gerät ist z.Zt. nur als Sender (Sprecher) tätig. Listener: Das Gerät ist z.Zt. nur als Empfänger (Hörer) tätig. Tabelle IX-3 stellt die verwendeten Busbefehle dar. Schnittstelleninformationen: Sie gliedern sich wie folgt auf:
a) Universalbefehle: Sie wirken auf alle angeschlossenen Geräte. b) Adressierte Befehle: Mit dem Befehl wird die Geräteadresse übertragen, so daß nur das angesprochene Gerät entsprechend reagiert. c) Weitere Befehle: Sie lassen sich den genannten zwei Befehlsarten nicht eindeutig zuordnen. Jedes der angeschlossenen Meßgeräte erhält eine nur ihm zugeteilte Identifikationsnummer (möglich sind 1 bis 14, einstellbar über Schalter an jedem Gerät), mit dem es individuell erkannt und angesprochen werden kann. Es wird unterschieden zwischen Geräteund Schnittstelleninformationen. Geräteinformationen: Meßbereichseinstellungen, Meßdaten, Statusabfragen.
Tabelle IX-2 Daten IEC-Bus Daten
Erläuterungen, Ergänzungen
Normen
IEEE-488 IEC 625
24poliger Stecker*) 25poliger Stecker*)
max. Gerätezahl
15
1 Controller; 14 Meßgeräte
max. Leitungslänge insgesamt
20 m
max. Leitungslänge zwischen 2 Geräten
2m
Verbindung der Geräte über SteckerBuchse-Kombination
Übertragungsrate Leitungen
20 ... 1000 kByte/s 8 Datenleitungen: D0 ... D7 3 Steuerleitungen 5 Steuerleitungen TTL-Pegel: (0 ... 1,4) V (2,5 ... 5) V TTL-Pegel: (0 ... 1,4) V (2,5 ... 5) V
evtl. schnelle Treiber erforderlich für parallele Übertragung Datenübergabe/Handshake**) Steuerung Datenaustausch negative Logik; Open-CollectorVerbindung aller Teilnehmer positive Logik
Steuersignale Daten *) sonst völlig gleichwertig; **) in Tabelle IX-3
Tabelle IX-3 Befehle am IEC-Bus Befehl
Bedeutung
Funktion
REN ATN SRQ EOI IFC DAV*) NRFD*) NDAC*)
remote enable attention service request end of identify interface clear data valid not ready for data no data accepted
Gerätebedienung nur über IEC-BUS Gerätenachrichten oder Schnittstellennachrichten Dienstanforderung letztes Byte der Übertragung Rücksetzen der Geräte in Ausgangszustand Daten sind gültig nicht zur Datenaufnahme bereit Daten nicht übernommen
*) Handshake-Befehle
IX Bussysteme für die Meßtechnik
799
Tabelle IX-4 Befehle innerhalb der Schnittstelleninformationen Universalbefehle
Bedeutung
Funktion
LLO DCL PPU SPE SPD
local lockout device clear parallel poll unconfigure serial poll enable serial poll disable
Sperren der Bedienelemente Rücksetzen Ende Statusabfrage Statusabfrage Sperren Statusabfrage
Adressierte Befehle
Bedeutung
Funktion
GTL GET SDC PPC
go to local group execute trigger select device clear parallel poll configure
manueller Gerätebetrieb Trigger für Meßstart Rücksetzen Listener Listenerkonfiguration
Weitere Befehle
Bedeutung
Funktion
UNL UNT LAD x TAD x
unlisten untalk listener address talker address
Adressen aller Listener-Geräte gelöscht Adressen aller Talker-Geräte gelöscht Empfängeradresse x Senderadresse x
Damit könnte die Datenübertragung über den IECBus prinzipiell so aussehen wie in Tabelle IX-5 beschrieben: Tabelle IX-5 Prinzipieller Ablauf einer Datenübertragung über den IEC-Bus Datenleitungen D0 ... D7
Steuerbefehle/Steuerleitungen
Erläuterungen
ATN
REN
SRQ
IFC
EOI
0
0
0
0
0
–
Ausgangszustand
0
1
0
0
0
–
Gerätebedienung über IEC-Bus aktivieren
1
1
0
1
0
–
Geräte in den Ausgangszustand setzen
1
1
0
0
0
UNL
Adressen aller Listener-Geräte werden gelöscht
1
1
0
0
0
LAD 1 LAD 2 usw.
Gerät 1 als Listener Gerät 2 als Listener usw.
1
1
0
0
0
TAD 3
Gerät 3 als Talker; die vorhergehende Talkeradresse wird automatisch gelöscht
0 0 ... 0
1 1 ... 1
0 0 ... 0
0 0 ... 0
0 0 ... 1
Datenwort 1 Datenwort 2 ... Letztes Datenwort
1
1
0
0
0
UNL
Adressen aller Listener-Geräte werden gelöscht
800
Meßtechnik
3 DIN-Meßbus Dieser Bus ist relativ einfach aufgebaut und wurde für Anwendungen in der Meßtechnik entwickelt. Seine Kenndaten sind in DIN 66 348, Teil 2, enthalten. Tabelle IX-6 listet einige Eigenschaften auf.
Kernstück des ASI-Systems ist ein Slave-Chip, der die Sensoren S bzw. Aktuatoren A (Bild IX-1) an die ASI-Leitung ankoppelt. Er kann in den Sensor/Aktuator eingebaut werden, wenn nur ein Element zum Einsatz kommt (Bild IX-1, unten links), oder es wird ein Modulbaustein in den ASI-Slave integriert, so daß
Tabelle IX-6 Einzelheiten zum DIN-Meßbus (DIN 66 348, Teil 2) Kenngröße
Daten
Erläuterungen
Organisation
1 Master, Slaves
Regelfall: Rechner als Master, Meßgeräte als Slaves
maximale Teilnehmerzahl Übertragungsart Datenwortlänge Prüfverfahren
32 seriell, asynchron 7 bit + Paritätsbit Paritätsbit + Blockprüfung (DIN 66022, 66219) Blockübertragung mit Start-StopBetrieb, max. 128 Byte je Block typisch 9,6 kbit/s; bis zu 1 Mbit/s möglich 500 m
Betriebsart Übertragungsrate maximale Bus-Leitungslänge
maximale Leitungslänge Gerät-Bus Verbindungsleitung (Busleitung und Verbindung Gerät-Bus)
Spannungspegel Steckverbindung
evtl. Polynomprüfung möglich (DIN 66219)
mit Repeatern einige km; Busleitung an den Enden mit Widerständen abgeschlossen (100 ... 510 Ω; DIN 66348, Teil 2)
ca. 5 m 5adrig + Abschirmung: 2 für Senden 2 für Empfangen 1 für Betriebserde 1 für Schirmung ähnlich Tabelle IX-1; Einzelheiten u.a. in EIA RS-485
Signalleitungen paarweise verdrillt; Betriebserde: Verbindung der potentialfreien Bezugspunkte untereinander
Sub-D-Stecker, 15polig, abgeschirmt, am Gerät
Pin-Nr. 11 12 19 14 11 18
4 Aktuator-Sensor-Interface (ASI) ASI ist von einer größeren Anzahl von Unternehmen als Schnittstelle im Bereich der Prozeßsteuerung eingeführt worden. Es werden nur binäre Elemente miteinander vernetzt, so daß es vom Prinzip her Einschränkungen im Funktionsumfang gibt. Sind diese Einschränkungen ohne Bedeutung, ergibt sich ein kostengünstiges und unkompliziertes System. Bild IX1 stellt den prinzipiellen Aufbau dar, Tabelle IX-7 listet einige Eigenschaften auf. Weitere Einzelheiten können der Literatur entnommen werden [IX.1].
Galvanische Trennung zwischen Bus und Geräten vorgeschrieben Belegung Abschirmung Sender-Daten Sender-Daten Empfänger-Daten Empfänger-Daten Betriebserde
maximal vier S/A-Elemente verwendet werden können (Bild IX-1, unten rechts). Ein Sensor kann z.B.der Grenzwertschalter für eine maximal zulässige Temperatur sein, ein Aktuator der Ein-Aus-Schalter für eine Heizung. Der ASI-Master verbindet die ASILeitung mit dem Steuergerät, das ein Rechner, aber auch eine speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) sein kann. Aus dem prinzipiellen Aufbau folgt, daß das ASI-System hierarchisch unterhalb der Feldbussysteme anzusiedeln ist und die Aufgabe hat, den Verdrahtungsaufwand (Stichwort „Kabelbaum“) zu verringern.
IX Bussysteme für die Meßtechnik
801
Tabelle IX-7 Einzelheiten zum ASI-System Eigenschaft
Daten
Erläuterungen
Organisation
1 Master; max. 31 Slaves
je Slave max. 4 binäre Sensoren/Aktuatoren; 5-bit-Adresse erforderlich
Übertragungsart Datenwortlänge
seriell Masteraufruf: 14 bit; Slaveantwort: 7 bit
mit Start- und Stopbit siehe auch Bild IX-2
Prüfverfahren (siehe auch Bild IX-2)
Startbitfehler Alternierungsfehler Pausenfehler Informationsfehler Paritätsfehler Endebitfehler Aufruflängenfehler
1. Impuls stets negativ strenger Wechsel pos./neg. Pause: max. 1 Impulslänge folgt aus Kodeeigenschaft gerade Parität (posit. Imp.) letzter Impuls stets positiv Zeiten definierter Pause
Verbindungsleitung
Energieversorgung (24 V DC) und Datenübertragung über gemeinsame Zweidrahtleitung, nicht abgeschirmt
Entkopplung über Parallelschaltung R mit L je Leiter (39 Ω, 50 mH)
Übertragungsrate
167 kbit/s; davon 53,3 kbit/s für Daten
Systemreaktionszeit max. 5 ms (bei 31 Slaves); verringert sich mit abnehmender Slaveanzahl
maximale Leitungslänge
100 m
Repeater für größere Leitungslängen
Steckverbindung
M 12, vierpolig, nach IEC 947-5-2 Anhang D Linie, Baum und deren Kombinationen
Netz-Topologie Energieversorgung der Slaves
24 V DC; max. ca. 100 mA je Slave; max. ca. 2 A insgesamt
bei höherem Gesamtstrom größere Leitungsquerschnitte erforderlich
Modulationsart
Sensor: Non-Return-to-Zero-Kode (NRZ); daraus Manchester-II-Kode, übertragen in Alternierender Puls-Modulation (APM)
siehe Nachrichtentechnik, Kap. V.4.4; Impulse in (sin2 x)-Form
Steuerung
Rechner (PC), SPS
ASI-Master ASI-Leitung Netzgerät ASI-Slave
ASI-Slave
Sensor/ Aktuator
Modulbaustein S/ S/ S/ S/ A A A A
Bild IX-1 Prinzipieller Aufbau des ASI-Systems
802
Meßtechnik Masterpause
Masteraufruf
Slavepause
Slaveantwort
0 SB A4 A3 A2 A1 A0 I4 I3 I2 I1 I0 PB 1
0 I3 I2 I1 I0 PB 1
ST
ST
EB ST SB A4 ... A0 I4 ... I0 I3 ... I0 PB EB
Startbit Steuerbit Slaveadresse Information Master an Slave Information Slave an Master Paritätsbit Endebit (Stopbit)
Die genannte Modulationsart erfordert eine geringe Kanalbandbreite. Durch die in Bild IX-2 dargestellte Kodierung ist eine sehr effektive Fehlererkennung möglich: Bis zu 3 Fehler pro Nachricht werden sicher
EB
Bild IX-2 Aufbau einer ASI-Nachricht erkannt, 4 und 5 Fehler mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,9999%. Die Korrektur erfolgt dann über eine erneute Datenübermittlung.
X Probleme bei der Digitalisierung analoger Meßwerte Meßwerte liegen häufig in analoger Form als Spannungswerte vor. Sie werden in eine digital kodierte Form umgesetzt, wenn − eine (nahezu) fehlerfreie Übertragung erforderlich ist (siehe dazu auch Kapitel Nachrichtentechnik, V.4.4 und XVII.1); − Signalverläufe gespeichert werden sollen (Speicheroszilloskop); − eine Weiterverarbeitung (Rechner, PC) erfolgen soll; Digitalisierungsfehler − Messungen mit sehr geringem Meßfehler notwendig sind (Vorteil Digitalmeßgerät gegenüber Zeigermeßgerät). Die zu diesem Zweck eingesetzten Analog-DigitalUmsetzer sind an anderer Stelle dieses Buches beschrieben. Hier soll auf einige Probleme, die durch den Umsetzvorgang entstehen, aus meßtechnischer Sicht eingegangen werden. Inwieweit die einzelnen Anteile bei der Anwendung noch berücksichtigt werden müssen, hängt davon ab, ob es sich um ein fertiges Gerät (z.B. Digitalvoltmeter) oder einen zu entwickelnden Meßaufbau handelt.
1 Fehler bei der Digitalisierung Der Analog-Digital-Umsetzer hat den Eingangsspannungsbereich 0 ... + ûAD (Unipolarausführung) bzw. –ûAD ... + ûAD (Bipolarausführung). Bei einem N-BitUmsetzer beträgt die kleinste Quantisierungsstufe ûAD/(2N – 1) (unipolar) bzw. 2 · ûAD/(2N – 1) (bipolar). Daraus ergeben sich die Fehlergrenzen F (absolut) und f (relativ), wenn der Momentanwert der Signalspannung bei einem Unipolarsignal mit uS bezeichnet wird bzw. bei einem Bipolarsignal mit uS+ (größter positiver Signalwert) und – uS (Bipolarsignal, kleinster negativer Signalwert), zu: –
1 1 Fu = ± ◊ uˆ AD N 2 2 -1
(unipolar)
bzw. 1 2 Fb = ± ◊ uˆ AD N (bipolar) 2 2 -1 1 uˆ 1 (unipolar) fu = ± ◊ AD ◊ N 2 uS 2 - 1
(X.1)
X Probleme bei der Digitalisierung analoger Meßwerte
803
bzw. 1 uˆ AD 4 ⋅ fb = ± ⋅ 2 uS+ + −uS− 2 N − 1
(bipolar)
Bild X-1 Zur Ableitung des Effektivwertes der Quantisierungsrauschspannung uNQ
us
(X.2)
Formelzeichen siehe Text
Aus Gleichung (X.2) geht hervor, daß für eine kleine Fehlergrenze die Zahl N möglichst groß und der Wert der Signalspannung nur geringfügig kleiner als der Spannungsbereich des Umsetzers sein sollte. Bei langsam veränderlichen Signalspannungen us kann für uS << ûAD durch Zuschalten eines geeigneten Spannungsverstärkers die Fehlergrenze fu bzw. fb entsprechend klein gehalten werden.
uNQ ûx
2 Signal-Quantisierungs-Geräuschabstand
x0
0
Im Kapitel Nachrichtentechnik, V.4.4.5, Bild V-33, ist das Quantisierungsrauschen (Quantisierungsgeräusch) für den Fall eines sinusförmigen Signalverlaufes dargestellt. Der Verlauf der Quantisierungsrauschspannung uNQ (Bild X-1) ist abhängig vom Nutzsignalverlauf uS, kann aber näherungsweise durch einen sägezahnförmigen Verlauf erfaßt werden, der mit x0 periodisch ist. Ihr Effektivwert UNQ berechnet sich wie folgt:
u
us
x
Bild X-2 a) Quantisierungsrauschspannung uNQ des Spannungsverlaufes uS b) wie a), aber mit Oversampling, OSR = 2
2
U NQ ≈
x 1 0⎡ x ⎤ ⋅ ∫ ⎢uˆ x (1 − 2) ⎥ d x x0 0 ⎣ x0 ⎦
= uˆ x
1 1 1 ≈ uˆ AD ⋅ N ⋅ 3 2 3
uNQ
t
ΔT
mit uˆ x ≈ uˆ AD ⋅
1 2N
(X.3)
Formelzeichen siehe Bild X-1, Gleichung (X.2) und Text
Für den Signal-Quantisierungs-Geräuschabstand (das Signal-Rausch-Verhältnis) aSQ ergibt sich: ⎡ U ⎤ ⎡U ⎤ a SQ = 20 ⋅ lg ⎢ S ⎥ ≈ 20 ⋅ lg ⎢ S ⋅ 2 N ⋅ 3 ⎥ U u ⎣ AD ⎦ ⎣ NQ ⎦
a) u
(X.4)
us
US Effektivwert der Signalspannung uS; UNQ Effektivwert der Quantisierungsrauschspannung; ûAD maximale Eingangsspannung des A-DUmsetzers (siehe Text zu Gleichung (X.2))
Für eine sinusförmige Signalspannung uS mit dem Scheitelwert ûAD und dem Effektivwert
US = uˆ AD / 2 folgt daraus die im Kapitel Nachrichtentechnik, V.4.4.5, angegebene Gleichung (V.43):
uNQ
⎡ uˆ ⎤ aSQSinus ≈ 20 ⋅ lg ⎢ AD ⋅ 2 N ⋅ 3 ⎥ ˆ u ⋅ 2 ⎣ AD ⎦
⎡ 3⎤ N = 20 ⋅ lg ⎢ 2 N ⋅ ⎥ ≈ 20 ⋅ lg [ 2 2 ⎣ ⎦ Formelzeichen siehe Gleichung (X.4)
]
(X.5) b)
ΔT 2
t
804
Meßtechnik
Oversampling: Die Signalabtastfrequenz fab = (2,2 ... 4) · fM max nach Shannon (siehe Kapitel Nachrichtentechnik, V.4.4.2, Aliasing-Effekt und Gleichung (V.35)) wird um einen Faktor, die Oversamplingrate OSR, erhöht. Unter der Voraussetzung, daß sich zwei benachbarte Signalamplitudenwerte ohne Oversampling um mehr als den Wert einer Quantisierungsstufe unterscheiden, wird durch die erhöhte Abtastfrequenz ein „Zwischenwert“ nach Bild X-2 eingefügt und damit die Quantisierungsrauschspannung uNQ im Bereich dieses Abtastwertes verringert. Für den Fall, daß die Amplitudenverringerung von uNQ bei allen Abtastwerten auftritt, verringert sich der Effektivwert UNQ um den Faktor 1/ OSR .
4 Abtast-Halte-Glied Über ein Abtast-Halte-Glied muß der analoge Eingangswert für den Umsetzer solange konstant gehalten werden, bis der Umsetzvorgang abgeschlossen ist. Im Kapitel Nachrichtentechnik, V.4.4.3, ist dargestellt, inwieweit sich diese Forderung mit nichtidealen Bauteilen erfüllen läßt.
5 Aliasing Der mit Aliasing bezeichnete Effekt bei der Abtastung von periodischen Signalverläufen ist im Kapitel Nachrichtentechnik, V.4.4.2, Aliasing-Effekt dargestellt.
6 Erfassung von Momentanwerten 3 Verbesserung des Signal-RauschVerhältnisses Neben dem Quantisierungsgeräusch sind dem zu messenden Signal noch weitere Rauschanteile überlagert, die sowohl vom Meßsignal selber als auch vom Meßaufbau herrühren. Für die Wirkung aller Anteile zusammen werden deren Effektivwerte (UN1, UN2) errechnet und, da sie voneinander unabhängig (unkorreliert) sind, in folgender Weise zum resultierenden Signal-Rausch-Verhältnis aSN verknüpft: ⎡ ⎤ US a SN = 20 ⋅ lg ⎢ ⎥ 2 2 ⎢⎣ U N1 + U N 2 + ... ⎥⎦
(X.6)
US Effektivwert der Signalspannung, UN1, UN2 Effektivwerte zweier Rausch-(Stör-)Spannungen (unkorreliert)
Handelt es sich bei den zu messenden Größen um Gleichsignale, kann durch n-faches Messen und Mittelwertbildung das Signal-Rausch-Verhältnis aSN(n) verbessert werden [X.1]: ⎡U ⎤ a SN( n ) = 20 ⋅ lg ⎢ S ⋅ n ⎥ ⎦ ⎣UN
(X.7)
n Zahl der Messungen für die Mittelwertbildung, US Effektivwert der Signalspannung, UN Effektivwert der Rausch-(Stör-)Spannung
Das Verfahren kann auch bei periodischen Wechselsignalen mit konstanter Kurvenform angewendet werden, sofern durch ein geeignetes Triggersignal die zeitliche Zuordnung und damit die Mittelwertbildung für ein oder mehrere Signalwerte erfolgen kann. Für die Messung von Gleichgrößen besteht weiterhin die Möglichkeit, den Frequenzbereich von Störungen bzw. Rauschen und damit deren Wirkung auf das Nutzsignal durch Filter auf sehr niedrige Werte einzugrenzen.
Über ein Antialiasing-Filter wird erreicht, daß die höchste im gegebenen Signalverlauf vorkommende Frequenz fM max beträgt. Die größte Steigung ergibt sich für 0º bzw. 180º: du dt = u ⋅ 2 ⋅ p ⋅ f M max ⋅ cos ( 2 ⋅ p ⋅ f M max ⋅ t )
u = u ⋅ sin ( 2p ⋅ f M max ⋅ t ) ⇒
(X.8)
Zwei benachbarte Abtastwerte unterscheiden sich um so mehr, je kleiner die Abtastfrequenz fab ist und je näher man sich am Nulldurchgang des Signalanteiles mit der Frequenz fM max befindet. Die größte Differenz ergibt sich für den (theoretischen) Fall fab = 2 · fM max zu 2 · û, wenn genau der positive und der negative Scheitelwert erfaßt werden (Kapitel Nachrichtentechnik, V.4.4.2, Aliasing-Effekt). Eine Abschätzung des maximal möglichen Unterschiedes Dumax zweier benachbarter Abtastwerte erhält man für folgende Annahmen: 1. fab >> fM max; 2. Das abzutastende Signal ist sinusförmig mit f = fM max (nur höchstmögliche Signalfrequenz vorhanden). In der Umgebung des Nulldurchganges ergibt sich mit der Näherung u(t) ≈ û · 2p · t/T und der Beziehung T = 1/fM max:
⎛ 1 ⎞ Δu max = u ( t = t 1 ) − u ( t = 0 ) = u ⎜ ⎟ − u(t = 0) ⎝ f ab ⎠ ≈ u ⋅ 2p ⋅
f M max f ab
Für den maximalen relativen Fehler folgt daraus: f max =
Δu max f ≈ 2 p ⋅ M max u f ab
(X.9)
fM max Frequenz des höchsten sinusförmigen Signalanteiles, fab Abtastfrequenz
Der Einfluß dieses Fehlers ist dann von besonderer Bedeutung, wenn Momentanwerte, d.h. Signal- bzw. Meßwerte in Echtzeit, erfaßt werden sollen.
XI PC-gestützte Meßverfahren und Meßsignalanalyse
805
XI PC-gestützte Meßverfahren und Meßsignalanalyse Der Rechner oder PC wird in der Meßtechnik zunehmend eingesetzt, um 1. umfangreichere statistische Berechnungen zur Verringerung der Fehlergrenzen auszuführen, 2. die funktionale Abhängigkeit einer Meßreihe in einem Diagramm optimal darzustellen, 3. Kenngrößen des Signalverlaufes zu ermitteln, 4. das Meßsignal zu analysieren, damit die gewünschte Größe möglichst fehlerfrei bestimmt wird, und 5. häufig vorkommende Meßabläufe zu automatisieren. Die Meßwerte gelangen entweder manuell in den Rechner, z.B. durch die Eingabe einer Meßwerttabelle über die Tastatur, oder aber der Rechner kommuniziert über ein Bussystem (siehe Kapitel IX) mit der Meßeinrichtung und liest die Meßwerte automatisch ein. Es hängt vom verwendeten Programm zur Meßwerterfassung und Meßsignalanalyse ab, welche der im folgenden aufgeführten Funktionen ausführbar sind bzw. welche zusätzlichen Funktionen noch zur Verfügung stehen.
Überschreitet die Summe einen kritischen Wert, sind die Meßwerte nicht normalverteilt.
Obere Vertrauensgrenze Untere Vertrauensgrenze
1 Statistische Verfahren zur Meßsignalauswertung Im Kapitel I.3.3 und I.3.4 sind der arithmetische Mittelwert und die Standardabweichung von Meßwerten aufgeführt:
arithmetischer Mittelwert x =
Standardabweichung s=+
1 n ⋅∑ xi n i =1
1 n 2 Â ( xi - x ) (XI.2) n - 1 i =1
n Anzahl der Messungen; xi die einzelnen Meßwerte
Sie lassen sich mit einem entsprechenden Rechnerprogramm berechnen. Sind den Meßwerten zufällige Meßabweichungen überlagert, ergibt sich (theoretisch, für n → ∞) die Normal- oder Gaußsche Verteilung: Normalverteilung p( x ) =
1 2p ⋅ s
2
⋅e
−
( x−x ) 2 2s2
(XI.3)
x siehe Gleichung (XI.1), s2 = s2 (siehe Gleichungen (I.8a, b) und (XI.2))
Da die Zahl der Meßwerte endlich ist und sie nur bedingt die Normalverteilung erfüllen, ist das folgende Testverfahren entwickelt worden:
Chi-Quadrat-Test: Vereinfacht ausgedrückt werden die Differenzen zwischen den einzelnen Meßwerten und den zugeordneten Werten der Normalverteilung gebildet, quadriert und addiert.
x+
t
⋅s
(XI.4a)
x−
t ⋅s n
(XI.4b)
n
Quantile, Median, Zentralwert: Ein a-Quantil teilt eine nach der Größe der Werte geordnete Wertetabelle (Stichprobe) so in zwei Teile, daß a · 100% der Werte unterhalb und (1 – a) · 100% oberhalb der Trennungslinie liegen. Häufig wird das 0,50-Quantil (a = 0,50) verwendet, das die Wertetabelle halbiert. Es wird auch mit Median oder Zentralwert bezeichnet. Angewendet werden Quantile, um die Lage von einzelnen Meßwerten bezüglich einer Gesamtheit zu erfassen (daher die Bezeichnung „Lagemaß“). Sie werden von Ausreißern relativ wenig beeinflußt (sie sind robust).
2 Graphische Darstellung
(XI.1)
Vertrauensgrenzen: Weiterhin können die Vertrauensgrenzen errechnet werden, wobei die erforderlichen Zahlenwerte (siehe Kapitel I.7, Tabelle I-3 und DIN 1319 Teil 3) im Programm abgespeichert sind:
Approximation: Mit geeigneten Rechnerprogrammen werden die vorliegenden Meßwerte (Tabelle oder direkt eingelesen) in Form eines Diagramms dargestellt. Da die funktionale Abhängigkeit in vielen Fällen mathematisch nicht vorgegeben ist, muß eine geeignete Formel gefunden werden. Dazu wählt der Anwender aus einer Vielzahl von möglichen Funktionen eine ihm geeignet erscheinende aus. Beispiele hierfür sind: Potenzreihendarstellung: y = a0 + a1 · x + a2 · x2 + a3 · x3 + ... Exponentialdarstellung: y = b 0 + b1 ⋅ e
−
x b2
Geradendarstellung: y = c0 + c1 · x Logarithmische Darstellung: ⎛ x ⎞ (XI.5) y = d 0 + d 1 ⋅ log ⎜ ⎟ ⎝ d2 ⎠ Im allgemeinen Fall geht die gewählte Funktion nicht durch alle vorgegebenen Meßpunkte, was in der Praxis auch nicht unbedingt wünschenswert ist (sonst beeinflussen „Ausreißer“ den Verlauf überproportional). Das Rechnerprogramm ermittelt die Zahlenwerte für die Abweichungen zwischen den
806
Messtechnik
einzelnen Meßwerten und der gewählten Kurvenannäherung, quadriert und addiert sie. Eine geeignete Kurvenform ist in der Regel diejenige, bei der diese Summe ein Minimum erreicht. Das Verfahren wird auch mit „kleinste Summe der Abweichungs- bzw. Fehlerquadrate“ bezeichnet. Unter dieser Vorgabe optimiert das Programm anschließend die Koeffizienten a0, a1, a2, a3 ... für die Potenzreihendarstellung, b0 ... b2 für die Exponentialdarstellung usw. Regression: Die funktionale Abhängigkeit wird in der Form y = a0 + a1 · x + ... + am · xm angenommen, und die Koeffizienten a0 bis am werden unter der Zielsetzung „kleinste Summe der Abweichungsquadrate“ bestimmt. Für den Fall, daß n Messungen durchgeführt wurden, gilt folgender Ansatz, der sich in Matrizenschreibweise darstellen läßt: y 1 = a 0 + a 1 ⋅ x 1 + a 2 ⋅ x 12 + ... + a m ⋅ x 1m ...
...
...
...
y n = a 0 + a 1 ⋅ x n + a 2 ⋅ x n2 + ... + a m ⋅ x nm
⇒
⎛ 1 x 1 ... x 1m ⎞ ⎛ a 0 ⎞ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ y = ⎜ ... ... ... ... ⎟ ⋅ ⎜ ... ⎟ = X ⋅ a ⎜ ... ... ... ... ⎟ ⎜ ... ⎟ ⎝ 1 x n ... x nm ⎠ ⎝ a m ⎠ X
(XI.6)
a
Die gesuchte Koeffizientenmatrix a ergibt sich zu: a = (XT · X)–1 · XT · y
(XI.7) –1
XT transponierte Matrix, (XT · X) Matrizenprodukt, (XT · X) Matrix des Matrizenproduktes (XT · X)
inverse
Auf den Beweis, daß es sich bei dem dargestellten Rechengang tatsächlich um einen Kurvenverlauf mit der kleinsten Summe der Abweichungsquadrate handelt, wird hier verzichtet. Lineare Regression: Es wird vorausgesetzt, daß eine Abhängigkeit in der Form y = a0 + a1 · x besteht. Die Koeffizienten a0 und a1 werden wiederum unter der Zielsetzung „kleinste Summe der Abweichungsquadrate“ ermittelt. Für die lineare Regression gilt in Gleichung (XI.6) m = 1, so daß die Matrix X nur die ersten zwei Spalten besitzt, von denen die erste wiederum nur aus Einsen besteht. Die Koeffizienten der gesuchten Geraden ergeben sich analog zu Gleichung (XI.7): −1 ⎛ a0 ⎞ a = ⎜ ⎟ = (X T ⋅ X) ⋅ X T ⋅y ⎝ a1 ⎠
(XI.8)
XT transponierte Matrix, (XT · X) Matrizenprodukt, (XT · X)–1 inverse Matrix des Matrizenproduktes (XT · X)
Die so ermittelte Gerade wird auch als Ausgleichsgerade bezeichnet. Abweichungsgrenzen, Vertrauensbereich: Diese Größen können meist vom Rechnerprogramm berechnet und in das Diagramm eingezeichnet werden.
Splines: Läßt sich keine Kurvenform finden, die alle gegebenen Meßwerte ausreichend genau annähert, zerlegt man den Wertebereich der Meßwerte in mehrere Teilbereiche und sucht für jeden Teilbereich eine geeignete Kurvenform. Um an der Stoßstelle zweier benachbarter Kurven weder Sprünge noch Knickpunkte zu haben, müssen der Wert und die erste Ableitung beider Kurven im Verbindungspunkt gleich sein. Die so bestimmten Kurvenverläufe bezeichnet man mit Splines.
3 Ermittlung von Kenngrößen, Klassierung Liegt dem Rechner der funktionelle Zusammenhang zweier Größen vor, können wichtige Kenngrößen durch Berechnen der zugeordneten mathematischen Formel ermittelt werden. Dazu gehören: − Arithmetischer Mittelwert (Berechnung nach Gleichung (I.15)); − Effektivwert (Berechnung nach Gleichung (I.14)); − Extremwert (Maximalwert, Minimalwert; durch Berechnung der ersten und zweiten Ableitung und Vorzeichenerfassung); − Gleichrichtwert (Betragsbildung und Berechnung nach Gleichung (I.15)). Das Rechnerprogramm kann häufig auch Klassierungen durchführen, d.h. bei einem Kollektiv von gleichartigen Elementen (z.B. gemessenen Spannungswerten) die Häufigkeitsverteilung nach bestimmten Merkmalen (z. B. Abweichungen vom Sollwert) in vorgegebene oder vereinbarte Klassen feststellen (z.B. Abweichung (0 ... +1)%, (>+1 ... + 2)%) (DIN 1319 Blatt 1). Zur Klassierung gehören auch Begriffe wie Spitzenwert (relativ, absolut), Verweildauer (Zeitdauer, während der ein Wert einen Referenzwert überschritten/unterschritten hat) und Spannenwert (Differenz zwischen einem Maximalwert und dem benachbarten Minimalwert). Weitere Begriffe und Einzelheiten enthält DIN 45667.
4 Meßsignalanalyse Bei den nachfolgend dargestellten Verfahren sind die gemessenen Signalwerte zeitabhängig. Dabei kann das Meßsignal selber zeitabhängig sein, oder aber ein zeitunabhängiges Meßsignal wird von einem zeitabhängigen Störsignal überlagert. Es wird jeweils nur das Prinzip dargestellt, weitere Einzelheiten können den Kapiteln Nachrichtentechnik und Systemtheorie in diesem Buch sowie der einschlägigen Literatur entnommen werden. Gemeinsames Kennzeichen der aufgeführten Verfahren ist, daß sie aufwendige mathematische Berechnungen erfordern, womit sich der Einsatz eines Rechners anbietet.
XI PC-gestützte Meßverfahren und Meßsignalanalyse
4.1 Verfahren
Fourierzerlegung, Fouriertransformation: Für periodische und nichtperiodische Signale werden die im Signalverlauf enthaltenen Frequenzanteile bestimmt. Mit der Fast-Fourier-Transformation (FFT) ist ein für den Rechnereinsatz besonders geeignetes Verfahren entwickelt worden (siehe auch Kapitel Nachrichtentechnik, I.4.9.2, I.4.9.3, und Kapitel Systemtheorie).
Autokorrelation, Kreuzkorrelation: Das gemessene Signal wird bei der Autokorrelation zeitlich verschoben und mit dem nichtverschobenen Signal verglichen. Die Übereinstimmung ist maximal, wenn die Verschiebung Null ist. Bei der Kreuzkorrelation werden zwei Signalverläufe miteinander verglichen und auf Übereinstimmung untersucht (siehe auch Kapitel Nachrichtentechnik, I.4.11.2, und Systemtheorie).
Digitale Filter: Sie haben den Vorteil, daß die Filtercharakteristik (Tiefpaß, Bandpaß, ...) und die Grenz- bzw. Resonanzfrequenzen softwaremäßig programmiert werden können und sich letztere auch auf sehr niedrige Werte einstellen lassen (siehe auch Kapitel Nachrichtentechnik, VI.2.7).
4.2 Anwendungen 4.2.1 Messung des Klirrfaktors Nach der Fourierzerlegung des gemessenen periodischen Signalverlaufes wird der Klirrfaktor nach der Formel Klirrfaktor k ′ =
U 22 + U 32 + U 42 + ... U1
(XI.9)
berechnet. Für eine weitere Definition des Klirrfaktors siehe Kapitel Nachrichtentechnik, I.4.12.3.
807 Schäden auftreten: Nur eine der im Kugellager vorhandenen 20 Kugeln ist defekt, und das Lager kann noch einige Tage oder Wochen weiter benutzt werden. Erst dann wird die Betriebssicherheit durch den Ausfall weiterer Kugeln verringert, bis schließlich durch das Blockieren des Lagers der Stillstand erzwungen und der Schaden maximal wird. Zur Schadenfrüherkennung nimmt man über ein Mikrofon das Geräusch des intakten Lagers auf und führt eine Frequenzanalyse durch, die im Rechner als Sollmuster gespeichert wird. Die Geräuschmessung mit anschließender Analyse erfolgt jetzt periodisch, und das aktuell aufgenommene Spektrum wird mit dem gespeicherten Sollmuster verglichen. Mit jeder defekten Kugel ändert sich das Spektrum, so daß die oben geschilderten Maßnahmen rechtzeitig ergriffen werden können. Im Laufe der Zeit hat man Erfahrungen sammeln können, wie bestimmte Lagerschäden das Frequenzspektrum verändern, so daß das Meßverfahren immer zuverlässiger geworden ist. 4.2.3 Abstandsmessung Ein (bandbegrenztes) Rauschsignal wird von einem Mikrofon aufgenommen (S1), verstärkt und von einem Lautsprecher abgestrahlt (S2). Führt man mit S1 und S2 eine Kreuzkorrelation durch, ergibt sich ein Maximum für eine Zeitverschiebung t beider Signale zueinander, die genau der Laufzeit zwischen Mikrofon und Lautsprecher entspricht (siehe auch Kapitel Nachrichtentechnik, I.4.11.2, und Systemtheorie). 4.2.4 Erkennung periodischer Signalanteile Liegt ein durch z. B. Rauschen gestörter Signalverlauf vor, können darin enthaltene periodische Anteile dadurch erkannt werden, daß das Signal autokorreliert wird. Es ergeben sich Maxima im Abstand der Periodendauer des im Signal enthaltenen periodischen Anteils.
4.2.2 Geräuschmessung zur Schadenfrüherkennung
5 Automatisierung von Meßabläufen
Die Lager von Motoren und Generatoren unterliegen dem Verschleiß. Bei einem notwendigen Austausch des Lagers sind weniger die Kosten für das Lager und den Austausch als vielmehr das entgangene Entgelt während der Ausfallzeit entscheidend. Es wird deshalb angestrebt, Lagerschäden möglichst früh zu erkennen und den Austausch optimal vorzubereiten (auszutauschendes Lager vorhanden, Außerbetriebnahme während einer Zeit geringer Auslastung). Das ist möglich, weil in der Regel zunächst nur geringe
Besitzen die Meßgeräte eine Schnittstelle zur Verwendung eines Bussystems nach Kapitel IX, können Meßabläufe automatisiert werden. Der Rechner kann im einfachsten Fall die Meßablaufsteuerung (Wahl des Meßgerätes, Meßbereichseinstellung, Meßzeitpunkt) mit anschließender Meßwertspeicherung übernehmen. Darüber hinaus können die Meßwerte bearbeitet, analysiert und auf Grund der Ergebnisse erforderliche Steueraufgaben ausgeführt werden. Auf diese Weise laufen Industrieprozesse ab.
808
Messtechnik
Literaturverzeichnis
Spezielle Literatur:
Literatur allgemein:
[IX.1] Kriesel, W., Madelung, O. W. (Hrsg.): Das Aktuator-Sensor-Interface für die Automation. Verlag Hanser München, Wien. 1. Auflage 1994 [X.1] Schrüfer, E.: Signalverarbeitung. Verlag Hanser München, Wien. 1. Auflage 1990
Bergmann, K.: Elektrische Meßtechnik. Verlag Vieweg Braunschweig/Wiesbaden. 6. Auflage 1996 Felderhoff, R.: Elektrische und elektronische Meßtechnik. Verlag Hanser München, Wien. 8. Auflage 2007 Schrüfer, E.: Elektrische Meßtechnik. Verlag Hanser München, Wien. 9. Auflage 2007 Tränkler, H.-R.: Taschenbuch der Meßtechnik. Oldenbourg-Verlag München, Wien. 4. Auflage 1996
809
Energietechnik I Elektrische Maschinen Elektrische Maschinen sind Energiewandler, deren Funktion auf den Gesetzen des Elektromagnetismus beruht. Zu den elektrischen Maschinen gehören die Transformatoren (ruhende elektrische Maschinen) und die rotierenden Maschinen, die elektrische Energie in mechanische Energie (Elektromotor) oder mechanische Energie in elektrische Energie (Generator) umformen. Nach der Stromart unterscheidet man Gleichstrom-, Drehstrom- und Einphasenwechselstrommaschinen.
Bild I-1 Einphasen-Kerntransformator OS-Wicklung
US-Wicklung
1 Transformatoren 1.1 Aufgaben eines Transformators Mit Hilfe eines Transformators wird Wechsel- oder Drehstromleistung gegebener Spannung und Frequenz in solche höherer oder niedrigerer Spannung bei gleichbleibender Frequenz umgewandelt. Ohne die Transformatorentechnik ist der heutige Einsatz der elektrischen Energie in allen Bereichen unseres Lebens nicht denkbar. Die in den Kraftwerken erzeugte elektrische Energie wird durch Transformatoren auf Spannungsebenen umgewandelt, die einen rationellen Transport über weite Entfernungen ermöglichen. Transformatoren großer Leistung werden in den Netzen der Energieversorgungsunternehmen (EVU) eingesetzt. Im unteren Spannungsbereich werden Einphasen-Transformatoren in großer Stückzahl verwendet, um die für die dortigen Anwendungen erforderlichen Spannungen zu erzeugen. Ebenso wandeln Transformatoren Signale der Nachrichtentechnik um (Übertrager), oder sie dienen in der Meßtechnik zur Anpassung der zu messenden Signale an den Meßbereich des Meßgerätes (Wandler). Obwohl Transformatoren kein rotierendes Teil besitzen, werden sie in der Energietechnik zum Bereich der Maschinen gezählt.
Bild I-2 Einphasen-Manteltransformator Beim Einphasen-Kerntransformator sind die beiden äußeren Schenkel mit jeweils der halben Windungszahl der Ober- und der Unterspannungsseite bewickelt. Beim Einphasen-Manteltransformator befinden sich die beiden Wicklungen auf dem mittleren Schenkel. Der mittlere Schenkel wird wie von einem Mantel durch zwei Außenschenkel umgeben. 1 OS-Wicklung 2 NS-Wicklung 12
Bild I-3 DrehstromDreischenkeltransformator
1.2 Bauteile eines Transformators Ein einfacher Transformator besteht aus einem geschlossenen Eisenkern und zwei Spulen, die auf diesen Kern gewickelt sind. Der Eisenkern besteht aus einzelnen, gegeneinander elektrisch isolierten speziellen Dynamoblechen, um den Wirbelstrom, der bei Wechselströmen entsteht, zu unterdrücken. 1.2.1 Eisenkerne Die Vielzahl der Einsatzgebiete der Transformatoren erfordert verschiedene Bauformen. Es gibt die Kernoder Mantelbauform. In den Bildern Bild I-1 und Bild I-2 sind Einphasen-Transformatoren in verschiedenen Bauformen dargestellt.
Beim Drehstrom-Transformator erfolgt die Aufteilung der Wicklungen auf die Schenkel des Transformators wie in Bild I-3 gezeigt. Die Sonderbauform des Fünfschenkel-Transformators findet man bei großen Energietransformatoren, da hierbei die Querschnitte der Joche nur ungefähr 58% der Säulenquerschnitte betragen. Dadurch verringert sich die Baugröße erheblich. 1.2.2 Wicklungen Im Aufbau der Wicklung unterscheidet man zwei Arten, die Zylinderwicklung und die Scheibenwicklung.
810
Energietechnik Tabelle I-1 Kühlmittel und Kurzzeichen
OS
US
Bild I-4 Zylinderwicklung 1 Unterspannung 2 Oberspannung
Kühlmittel
Kurzzeichen
Mineralöle oder entsprechende synthetische Flüssigkeiten mit einem Brennpunkt ≤ 300 °C
O
andere synthetische Flüssigkeiten
L
Gas, Brennpunkt > 300 °C
G
Luft
A
Wasser
W
Kühlmittelbewegung 1 2 1 2 1 2 1
natürlich
N
erzwungen, gerichtet
D
erzwungen, nicht gerichtet
F
Beispiel: Typenschildaufschrift AN Trockentransformator mit
Bild I-5 Scheibenwicklung
Bei der Zylinderwicklung wird die Röhre der Oberspannungswicklung über die der Unterspannungswicklung gestülpt (Bild I-4). Diese Wicklungsart findet man bei den meisten Transformatoren. Die Scheibenwicklung unterteilt die Ober- und Unterspannungswicklung in einzelne übereinander angeordnete Scheiben (Bild I-5). 1.2.3 Kühlung Wie bei allen elektrischen Maschinen erzeugen die Transformatoren Verluste, die Wicklungen und Eisenkerne erwärmen. Diese Verluste müssen vom Transformator an die Umgebung abgeführt werden. Transformatoren werden in Trockentransformatoren und solche mit flüssigem oder gasförmigem Wärmeüberträger eingeteilt. Bei den Trockentransformatoren übernimmt die Umgebungsluft den Wärmetransport über Konvektion oder mittels Strahlung (Selbstkühlung). Neben der Selbstkühlung kann die Wärme durch künstlichen Zug, z.B. durch Lüfter, abgeführt werden (Zwangskühlung). Transformatoren mit flüssigem Wärmeübertrager, in der Hauptsache Öl, weisen gegenüber den Trockentransformatoren einige Vorteile auf. Infolge des größeren spezifischen Gewichts, der größeren spezifischen Wärme und der größeren Wärmeleitfähigkeit kann einerseits die erzeugte Wärmemenge der Wicklungen und des Eisenkerns besser abgeführt, zum anderen eine große Wärmemenge in der Kühlflüssigkeit gespeichert werden, was bei kurzzeitigen Überlastungen bedeutsam ist. Das im Transformator eingesetzte Kühlverfahren erkennt man am Typenschild. Die Bedeutung der Kurzzeichen sind in Tabelle I-1 aufgeführt.
natürlicher Luftkühlung; OFAN Öltransformator mit erzwungener Ölkühlung und natürlicher Luftkühlung.
1.3 Wirkungsweise eines Einphasen-Transformators In den Grundlagen der Elektrotechnik werden die Begriffe Selbstinduktion und gegenseitige Induktion anhand zweier gekoppelter Spulen erläutert. Ein Einphasen-Transformator besteht aus einer Wicklung auf dem linken Schenkel (Primärwicklung mit der Windungszahl N1) und einer Wicklung auf dem rechten Schenkel (Sekundärwicklung mit der Windungszahl N2).
N1
N2
Bild I-6 EinphasenTransformator Beide Wicklungen sind magnetisch über den geschlossenen Eisenkern miteinander verbunden (Bild I-6). Bei der weiteren Betrachtung des Transformators wird angenommen, daß die Primärwicklung an eine sinusförmige Wechselspannung U1 angelegt wird und alle anderen Größen ebenfalls einen sinusförmigen Verlauf aufweisen. Verzerrungen durch Sättigung und Oberschwingungen werden vernachlässigt. 1.3.1 Leerlauf Bei offener Sekundärwicklung (I2 = 0) erregt der Strom I1, der durch die Primärspule fließt, den magnetischen Fluß F1 = Fh + F1s.
I Elektrische Maschinen
811
F0
R1 ist der ohmsche Widerstand der Primärwicklung. Durch das ständige Ummagnetisieren des Eisenkerns entstehen dort Verluste. Diese Verluste berücksichtigt man durch einen Ersatzwiderstand RFe, der parallel zur Hauptinduktivität Lh angeordnet und vom Strom IFe durchflossen wird. Die in dem Widerstand RFe erzeugte Verlustleistung PFe wird auch als Leerlaufleistung P0 bezeichnet, da der Leerlaufstrom sehr gering ist und die Verluste am Widerstand R1 in diesem Fall vernachlässigbar klein sind. Leerlaufspannung
I0
F1s U1 U10
N1 N2
U20 U2
Bild I-7 Einphasen-Transformator im Leerlauf Der Hauptfluß Fh ist durch den Eisenkern mit beiden Spulen verkettet und induziert in den Spulen die Spannungen (Bild I-7): U 10 f N 1 Fh V Hz 1 Vs
(I.1)
U 20 f N 2 Fh V Hz 1 Vs
(I.2)
Übersetzungsverhältnis U N ü = 10 = 1 U 20 N 2
2 U 10 RFe
PFe U 10 RFe W V Ω
(I.10)
1.3.2 Belastung
Leerlauf-Sekundärspannung U 20 = j 4 , 44 ⋅ f ⋅ N 2 ⋅ Fh
(I.9)
Eisenverlustleistung (Leerlaufleistung) PFe =
Leerlauf-Primärspannung U 10 = j 4 , 44 ⋅ f ⋅ N 1 ⋅ Fh
U 10 = RFe ⋅ I Fe
(I.3)
Die beiden Spannungen sind phasengleich; ihre Beträge verhalten sich wie die Windungszahlen. Das Verhältnis der beiden Leerlaufspannungen U10 und U20 zueinander bezeichnet man als Übersetzungsverhältnis ü des Transformators. Der Streufluß F1s ist nur mit der Primärspule verkettet und induziert dort die Selbstinduktionsspannung.
Wird an den Klemmen der Sekundärspule ein Belastungswiderstand angeschlossen (Bild I-8), fließt durch die Sekundärspule ein Strom I2. F0 F1
I0 + I2
F2
F1s F2s U1 U10
N1 N2
I2
U20 U2
Bild I-8 Einphasen-Transformator bei Last
Selbstinduktionsspannung U 1 s = j 4 , 44 ⋅ f ⋅ N 1 ⋅ F1 s
U 10 f N 1 F1 s V Hz 1 Vs
(I.4)
Hieraus läßt sich die Streuinduktivität und die Streureaktanz berechnen. Streuinduktivität L1 s N 1 F1 s I 1 F L1 s = N 1 ⋅ 1 s (I.5) Vs 1 Vs A I1 A Streureaktanz X 1 s w L1 s X 1 s = w ⋅ L1 s (I.6) Vs Ω Hz A Die Spannungsgleichung für den leerlaufenden Transformator lautet: Primärspannung U 1 = ( R1 + jX 1 s ) ⋅ I 1 + U 1 h
(I.7)
Sekundärspannung U 2 = U 20
Dieser Strom erzeugt am Wirkwiderstand R2 der Sekundärspule und an der Streuinduktivität X2s einen Spannungsfall. Die Spannungsgleichungen des belasteten Transformators lauten: Primärspannung U 1 = (R1 + jX 1σ ) ⋅ I1 + U 1h
(I.11)
Sekundärspannung U 2 = −(R2 + jX 2σ ) ⋅ I 2 + U 20σ
(I.12)
Der Strom I2 verursacht eine magnetische Durchflutung Q2 = N2 ⋅ I2. Hierdurch wird ein magnetischer Fluß F2 erzeugt, der entgegen F1 gerichtet ist. Nach dem Durchflutungsgesetz gilt: resultierende Durchflutung Θ μ = Θ1 − Θ 2
Θ μ Θ1 Θ 2 A A A
(I.13)
Durchflutung im Primärkreis (I.8)
Q1 = N 1 ( I 1 − I Fe )
(I.14)
812
Energietechnik
Diese Formel gilt für alle Belastungsfälle, muß also ausgehend vom Leerlauf über verschiedene Belastungsfälle bis zum Kurzschluß Gültigkeit haben. Es folgt für den Leerlauf: Leerlauf Durchflutung Qm = N 1 ⋅ I m = Q10 = N 1 ⋅ ( I 0 − I Fe )
strom ergibt sich aus dem Durchflutungsgesetz nach Division durch N1: Primärstrom I 1 = I m + I Fe
(I.17)
I1 N 2 1 = = I2 N1 ü
(I.18)
Die Ströme verhalten sich also umgekehrt zu ihren Windungszahlen. Geht man von einem idealen Transformator ohne Wirkverluste und Streuinduktivitäten aus, so ist die Scheinleistung, die auf der Primärseite vom Transformator aufgenommen wird, gleich der sekundären Scheinleistung. (I.19)
Mit dieser Annahme ergeben sich folgende Abhängigkeiten: U1 I 2 = U2 I1
(I.20)
U 12 ⋅ Z 1 = U 22 ⋅ Z 2
(I.21)
U 22
=
Z 1 N 12 = = ü2 Z 2 N 22
1 ⋅ I2 ü
(I.24)
R2′ = ü 2 ⋅ R2
(I.25)
X 2′ s = ü 2 ⋅ X 2 s
(I.26)
R1
I1
X1s
X2s iFe RFe
U1
Q1 = Qm + Q2 ≈ Q2
U 12
I 2′ =
(I.23)
(I.16)
Für große Leistungstransformatoren ergibt ein Vergleich der Magnetisierungsdurchflutung Qm mit der Durchflutung Q2N, daß die durch den sekundären Nennstrom hervorgerufene Durchflutung viel größer ist als die Magnetisierungsdurchflutung. Damit gilt:
S1 = U 1 ⋅ I 1 = S 2 = U 2 ⋅ I 2
U 2′ = ü ⋅ U 2
(I.15)
Im Belastungsfall mit I2 nimmt der Transformator aus dem Netz einen Strom I1 auf, der die Gegendurchflutung Q2 = N 2 ⋅ I 2 kompensiert. Für den Primär-
N + 2 ⋅ I2 N1
erfolgt mit dem Übersetzungsverhältnis ü. Die umgerechneten Größen werden mit einem „′“ gekennzeichnet. Durch die Umrechnung erhält man folgende Größen:
Die Widerstände der Sekundärseite verhalten sich mit dem Quadrat der Windungszahl umgekehrt zu denen der Primärseite. Berechnungen am Transformator oder das Zeichnen von Zeigerbildern erfordert einen großen Aufwand, da Primär- und Sekundärseite normalerweise eine andere Spannungsebene haben. Zeigerbilder müßten einen anderen Maßstab erhalten, die Berechnung muß umständlich ausgeführt werden. Dieses umgeht man, indem beide Seiten des Transformators auf eine Spannungsebene, die der Primärspannung oder die der Sekundärspannung, umgerechnet werden. Die Umrechnung der Sekundärgrößen
magn
Xh
R2
is Uh
U2
Bild I-9 Vollständiges Ersatzschaltbild des Einphasen-Transformators Mit Hilfe der umgerechneten Größen kann das Ersatzschaltbild und das Zeigerdiagramm so gezeichnet werden (Bild I-9), als handele es sich um einen Stromkreis mit einer Bezugsspannung. Die Größen in dem Ersatzschaltbild können durch zwei Versuche, Kurzschluß- und Leerlaufversuch, bestimmt werden. 1.3.3 Leerlaufversuch Der Leerlaufversuch wird mit offenen Sekundär- oder Primärklemmen gefahren (Bild I-10). Bei offenen Primärklemmen wird die Nennspannung U2N an die Sekundärklemmen angelegt und der sich einstellende Strom I0, die Leistung P0 und der Leistungsfaktor cos j0 gemessen. I0
(I.22)
i0
P0
W
A U1N V
V U2 = U20
Bild I-10 Schaltung im Leerlaufversuch mit Meßanordnung Mit den gemessenen Werten können, wenn sie auf Strangwerte umgerechnet sind, die Hauptinduktivität Lh und der fiktive Eisenverlustwiderstand RFe bestimmt werden. Dabei werden der Wirkwiderstand der Kupferwicklung und die induktive Streureaktanz vernachlässigt. Eisenverluststrom I Fe = I10 ◊ cos ϕ 0
(I.27)
I Elektrische Maschinen Magnetisierungsstrom Eisenverlustwiderstand
813 I magn = I 10 ⋅ sin j0
(I.28)
U 10 I Fe
(I.29)
RFe =
Xh =
LH =
Blindwiderstand der Hauptinduktivität Xh =
U 10 I magn
(I.30)
Wird der Leerlaufversuch nicht mit Nennspannung durchgeführt, muß der gemessene Leerlaufstrom I10 auf den eigentlichen Nennwert umgerechnet werden. Nenn-Leerlaufstrom
⎛U ⎞ I 10 N = I 10 ⋅ ⎜ 1 N ⎟ ⎝ U 10 ⎠
i0 I 0 N I1 N % A A
(I.32)
(I.34)
Beispiel: Bei einem Einphasen-Transformator sind das relative
Leerlaufstromverhältnis i0 = 2% und der Leistungsfaktor im Leerlauf cos j0 = 0,1 bekannt. Die Nenndaten des Transformators sind UN = 60/10 kV; SN = 1 MVA. Wie groß ist der Eisenverlustwiderstand und die Hauptinduktivität bei f = 50 Hz?
I1 N =
SN 1 MVA = = 16 , 67 A; U1 N 60 kV
I 10 N =
i 0 ⋅ I 1 N 2 % ⋅ 16 , 67 A = = 0 , 333 A 100 % 100 %
Über den Leistungsfaktor können die Ströme durch den Eisenverlustwiderstand und die Hauptinduktivität berechnet werden. I Fe = I 0 ⋅ cos j 0 = 16 , 67 A ⋅ 0,1 = 1,667 A ;
I magn = I 0 ⋅ sin j 0 = 16 , 67 A ⋅ 0,99 = 16,58 A R Fe =
U1N 60 kV = = 35, 99 kΩ ; I Fe 1,667 A
Beim Kurzschlußversuch wird eine Trafoseite kurzgeschlossen und an die andere Trafoseite eine variable Spannung angeschlossen (Bild I-11). PK W
IK = I1N
U1K V
Kann der Versuch nicht unter Nennbedingungen durchgeführt werden, muß die gemessene Leistung auf den Nennwert hochgerechnet werden. P0 N
1.3.4 Kurzschlußversuch
A
Die im Leerlaufversuch gemessene Wirkleistung P0 ist identisch mit der am Eisenverlustwiderstand erzeugten Leistung PFe. Findet der Leerlaufversuch bei Nennbedingungen statt, so gilt: Eisenverlustleistung P P U I PFe = P10 N = U 1 N ⋅ I 10 N ⋅ cos j0 Fe 10 N 1 N 10 N W W V A (I.33)
⎛ U2 ⎞ = P0 ⋅ ⎜ 12N ⎟ ⎝ U 10 ⎠
XH 3610 Ω Vs = = 11, 49 1 A 2⋅p ⋅ f 2 ⋅ p ⋅ 50 s
(I.31)
Da der im Leerlauf fließende Strom im Verhältnis zum Nennstrom sehr gering ist, und um Vergleiche mit anderen Transformatoren herstellen zu können, wird für Transformatoren das relative Leerlaufstromverhältnis i0 angegeben. relatives Leerlaufstromverhältnis ⎛I ⎞ i 0 = ⎜ 0 N ⎟ ⋅ 100% ⎝ I1 N ⎠
U1N 60 kV = = 3, 61 kΩ I magn 16,58 A
V U2 = 0
Bild I-11 Schaltung im Kurzschlußversuch mit Meßanordnung Die Spannung wird hochgeregelt, bis im Transformator Nennstrom fließt. Gemessen werden die so eingestellte Spannung Uk, die aufgenommene Wirkleistung Pk und der Leistungsfaktor cos jk. I1K R1
X2s
X1
R2s
U1K
Bild I-12 Ersatzschaltbild des Kurzschlußversuchs Unter Vernachlässigung des Magnetisierungsstroms und der Eisenverluste (I0 << IN) kann das Ersatzschaltbild des Transformators wie im Bild I-12 dargestellt werden. Die Größen R1; R2′ ; XS1; X′S2 werden durch Rechnung ermittelt.
Kurzschlußimpedanz
Zk =
Uk Ik
(I.35)
Kurzschlußwiderstand Rk = Zk · cos jk
(I.36)
Kurzschlußblindwiderstand Xk = Zk · sin jk
(I.37)
Bei Leistungstransformatoren gilt: Rk = R1 + R2′
R1 = R2′ = R2 ⋅ ü
(I.38) 2
Widerstand der Primärwicklung
(I.39) R1 =
Rk 2
Widerstand der Sekundärwicklung R2 =
(I.40)
Rk (I.41) 2⋅ü2
814
Energietechnik
X k = X S 1 + X S′ 2
(I.42)
X S 1 = X S′ 2 = X S 2 ⋅ ü 2
(I.43)
U kN =
Streublindwiderstand im Primärkreis X X S1 = k 2
Zk =
(I.44)
U kN 2400 V = = 144 W IN 16,67 A
R k = Z k ⋅ cos j k = 144 Ω ⋅ 0 , 5 = 72 Ω ;
(I.45)
X k = Z k ⋅ sin j k = 144 Ω ⋅ 0 , 866 = 124 , 7 Ω
Erfolgt die Messung nicht unter Nennbedingungen (Ik ≠ IN), müssen die ermittelten Werte auf Nennwerte umgerechnet werden. ⎛I ⎞ Nenn-Kurzschlußspannung U kN = U k ⋅ ⎜ kN ⎟ (I.46) ⎝ Ik ⎠
R1 = R2 =
R k 72 = Ω = 36 Ω ; 2 2 R 2′ ü2
=
2
(I.47)
Die im Kurzschlußversuch ermittelte Verlustleistung Pk ist identisch mit der in den Wicklungen erzeugten Kupferverlustleistung PCu. Findet der Kurzschlußversuch mit Nennstrom statt, gilt:
Ferner wird aus den Meßergebnissen die relative Kurzschlußspannung uk bestimmt. Die relative Kurzschlußspannung gibt den Spannungsfall am Transformator bei Nennbetrieb an und liegt zwischen 4% und 16%. relative Kurzschlußspannung
36 Ω ⎛ 60 kV ⎞ ⎜ ⎟ ⎝ 10 kV ⎠
2
R 2′ =
X k 124 , 7 = Ω = 62 , 35 Ω ; 2 2
X 2′ s =
X k 124 , 7 Ω = 62 , 35 Ω = 2 2
X2s =
X 2′ s ü2
=
R k 72 = Ω = 36 Ω ; 2 2
=1 Ω
X 1s =
Kupferverluste PCu = P1 kN = U 1 kN ⋅ I 1 N ⋅ cos ϕ k (I.48)
⎛U ⎞ u k = ⎜ kN ⎟ ⋅100% ⎝ UN ⎠
u k ⋅U N 4 % ⋅ 60 kV = = 2400 V 100% 100 %
Über den Leistungsfaktor cos jk können die Widerstände und Streuinduktivitäten berechnet werden.
Streublindwiderstand im Sekundärkreis Xk XS2 = 2⋅ü2
⎛I ⎞ Nenn-Kurzschlußverluste PkN = Pk ⋅ ⎜ kN ⎟ ⎝ Ik ⎠
SN 1 MVA = = 16 , 67 A ; U1 N 60 kV
I1 N =
62 , 35 Ω ⎛ 60 kV ⎞ ⎜ ⎟ ⎝ 10 kV ⎠
2
= 1, 73 Ω
Der bei diesemTrafo maximal fließende Strom berechnet sich zu ID 2 =
I2 N I ⋅ü 16 , 67 A ⋅ 6 ⋅ 100% = 1 N ⋅ 100% = ⋅ 100% = 2500 , 5 A uk uk 4%
1.3.5 Wirkungsgrad
Der Wirkungsgrad eines Systems ergibt sich aus u k U kN U N % V V
(I.49)
Wirkungsgrad h =
Pab Pzu
(I.52)
Tritt am Transformator bei Nennbetrieb ein sekundärseitiger Kurzschluß auf, kann der hierbei fließende Dauerkurzschlußstrom ID über die relative Kurzschlußspannung bestimmt werden.
Für den Transformator ergibt sich unter Berücksichtigung der Verluste: zugeführte Wirkleistung
Dauerkurzschlußstrom
Pzu = Pab + PV = Pab + PFe + PCu
I I D = N ⋅100% uk
I D I N uk A A %
(I.50)
Erfolgt der Kurzschlußversuch nicht bei Transformatornenntemperatur von J = 75 °C, muß die ermittelte Kupferverlustleistung auf Nenntemperatur umgerechnet werden. Verlustleistung bei Nenntemperatur PCu 75 = PCu K ⋅
235 + 75 235 + J K
PCu 75 PCu K J K W W °C
(I.51)
Beispiel: Bei einem Einphasen-Transformator sind die relative
Kurzschlußspannung uk = 4% und der Leistungsfaktor im Kurzschluß cos jk = 0,5 bekannt. Die Nenndaten des Transformators sind UN = 60/10 kV; SN = 1 MVA. Wie groß sind die Widerstände der Wicklungen, welchen Wert haben die Streuinduktivitäten bei f = 50 Hz? Wie hoch ist der im Kurzschlußfall sekundärseitig maximal fließende Strom?
h=
Pab Pab + PFe + PCu
(I.53) (I.54)
Die Eisenverluste PFe werden meßtechnisch im Leerlaufversuch bestimmt. Sie sind gleich den Nennverlusten im Leerlauf PFe = P0N. Da die Leerlaufverluste nur von der angelegten Spannung abhängig sind, müssen die Verluste bei Spannungsänderung entsprechend umgerechnet werden. ⎛ U ⎞ PFe∗ = PFe ⋅ ⎜ ⎟ ⎝ UN ⎠ PFe*
2
(I.55)
Eisenverluste bei beliebiger Spannung U
Die Kupferverluste PCu sind identisch mit den Verlusten PkN aus dem Kurzschlußversuch. Sie entstehen an den Wicklungen des Transformators und sind nur
I Elektrische Maschinen
815
abhängig vom Strom. Entspricht der Strom nicht dem Nennstrom, müssen die Kupferverluste entsprechend umgerechnet werden. ⎛ I ⎞ * PCu = PCu ⋅ ⎜ ⎟ ⎝ IN ⎠
I1 N =
16, 67 A ⎞ ⎛ PkN = I N ⋅ U kN ⋅ cosϕ k = 16, 67 A ⋅ 1500 V ⋅ ⎜ ⎟ ⋅ 0,5 ⎝ 0 , 625 ⋅ 16, 67 A ⎠ = 20 kW
2
(I.56)
hN =
P*Cu Kupferverluste bei beliebigem Strom I Der Wirkungsgrad h des Transformators kann jetzt für jeden Arbeitspunkt bestimmt werden. h=
Pab = * Pab + PFe* + PCu
Pab 2
2
⎛ U ⎞ ⎛ I ⎞ Pab + PFe ⋅ ⎜ ⎟ + PCu ⋅ ⎜ ⎟ ⎝ UN ⎠ ⎝ IN ⎠ (I.57)
Der optimale Wirkungsgrad des Transformators ergibt sich, wenn die Eisenverluste gleich den Kupferverlusten sind. Für den Normalbetrieb kann davon ausgegangen werden, daß die Spannung U der Nennspannung entspricht und konstant ist (PFe* = PFe ). Der
SN 1 MVA = = 16 , 67 A U1 N 60 kV
Pab Pab + PFe N + PCu N
=
1 MW = 0 , 97 1 MW ⋅ 10 kW ⋅ 20 kW
1.4 Aufbau und Schaltung von Drehstrom-Transformatoren 1.4.1 Wirkungsweise In Drehstromnetzen werden zum Transformieren von Spannungen Drehstrom-Transformatoren eingesetzt.
I
II
III
1
optimale Wirkungsgrad stellt sich ein, wenn gilt: ⎛ I ⎞ PFe = PCu ⋅ ⎜ ⎟ ⎝ IN ⎠ I = IN ⋅
2
PFe = IN ⋅ a PCu
(I.58) a=
PFe PCu
Pab = PN ⋅ a
(I.59) 2U
(I.60)
Eine Aussage über den wirtschaftlichen Einsatz eines Transformators kann über den Wirkungsgrad nicht erfolgen, da der Trafo nicht ständig gleichmäßig belastet wird. Eine wirtschaftliche Betrachtung erfolgt mit dem Jahreswirkungsgrad ha. Jahreswirkungsgrad h a =
Wab Wab + WFe + WCu
(I.61)
elektrische Jahresarbeit Wab = Pab ⋅ t B
Wab Pab t B Wh W h
(I.62)
WFe PFe t E Wh W h
(I.63)
WCu PCu t B Wh W h
(I.64)
Jahres-Leerlaufarbeit WFe = PFe ⋅ t E
Jahres-Wirkverlustarbeit WCu = PCu ⋅ t B
2
2V
Bild I-13 Drehstrom-Transformator Bei den Drehstrom-Transformatoren werden drei Einphasen-Transformatoren auf einem gemeinsamen Eisenkern mit drei Schenkeln gewickelt (Bild I-13). Die Schenkel des Transformators sind, da sie in einer Ebene angeordnet werden, unterschiedlich lang. Diese Anordnung führt zu unterschiedlichen Magnetisierungsströmen. Bei symmetrischer Last sind die Unterschiede so gering, daß der DrehstromTransformator in seinem Betriebsverhalten wie ein Einphasen-Transformator betrachtet werden kann. Im Drehstromtransformator können die Wicklungen im Dreieck oder im Stern geschaltet werden. Aus dieser Schaltungsart ergibt sich beim Berechnen der Größen des Transformators, daß sämtliche Rechnungen vorzugsweise im Strang erfolgen sollten. Für die Dreiecksschaltung gilt: S N Str =
1 ⋅ SN 3
tB Betriebszeit; tE Einschaltzeit
U N Str = U N
Beispiel: Bei einem Einphasen-Transformator sind die Kurz-
I N Str =
schlußspannung U1k = 1500 V und der Leistungsfaktor im Kurzschluß cos jk = 0,5 bekannt. Die Nenndaten des Transformators sind UN = 60/10 kV; SN = 1 MVA. Wie hoch ist der Wirkungsgrad im Nennbetrieb bei cos j = 1, wenn die Leerlaufverluste PFeN = 10 kW betragen und die Kurzschlußspannung bei I1k = 0,625 ⋅ IN ermittelt wurde?
2W
1 3
(I.65) (I.66)
⋅IN
(I.67)
Für die Sternschaltung gilt: S N Str =
1 ⋅ SN 3
(I.68)
816 U N Str =
Energietechnik 1 3
⋅U N
(I.69)
I N Str = I N
(I.70)
SN Gesamtnennscheinleistung; SN Str Nennscheinleistung eines Strangs (Phase); UN Außenleiternennspannung; UN Str Strangnennspannung; IN Leiternennstrom; IN Str Strangnennstrom
1.4.2 Schaltgruppen Beim Drehstromtransformator können die Wicklungen auf der Oberspannungsseite (primär) und auf der Unterspannungsseite (sekundär) unterschiedlich geschaltet werden. Neben der Dreiecksschaltung und der Sternschaltung wird auf der Unterspannungsseite die Zickzackschaltung eingesetzt. Die eingesetzten Schaltungsarten werden am Transformator durch Buchstaben kenntlich gemacht (Tabelle I-2). Tabelle I-2 Kurzzeichen der Wicklungsschaltung OS
US
Dreieck
D
d
Stern
Y
y
Zickzack
–
z
Sternpunkt geerdet
N
n
1U 1V 1W
U
2U 2V 2W N
W
V
Dy5
u
U w Yzn5
v 2U 2V 2W N
W
V
u
Bild I-14 Auswahl von Schaltgruppen Die gebräuchlichsten Schaltgruppen nach VDE 0532 sind in Bild I-14 dargestellt. Die nach den Buchstaben stehende Zahl gibt die Phasenverschiebung der Unterspannungsseite gegen die Oberspannungsseite an. Die Verschiebung kann durch Multiplikation der nachgestellten Zahl mit dem Winkel 30° berechnet werden. Beispiel:
Yy0 → 0 ⋅ 30 ° = 0 ° ;
Kurzschlußspannungen gleich bei maximaler Abweichung von 10% (uk1 ≅ uk2), sonst erfolgt eine unterschiedliche Lastaufteilung. Nennleistungsverhältnis nicht kleiner als 1:3.
Ia =
w v
1U 1V 1W
Übersetzungsverhältnis muß gleich sein und Schaltgruppen müssen passen, sonst treten Ausgleichsströme im Leerlauf auf.
v
V w
W
Sollen mehrere Transformatoren parallelgeschaltet werden, müssen folgende Bedingungen nach VDE 0532 eingehalten werden:
Ausgleichsstrom
u
U
2U 2V 2W
1.5 Parallelschalten von Transformatoren
Die Zusammenschaltung zweier Transformatoren mit unterschiedlichen Schaltgruppen kann nach VDE 0532 Teil 10 erfolgen. Sind zwei Transformatoren mit unterschiedlichen Spannungen zusammengeschaltet (Stufenschalter nicht auf gleicher Stellung), fließt zwischen den Transformatoren ein Ausgleichsstrom folgender Höhe:
Yyn0 1U 1V 1W
auftretenden Flüsse müssen sich immer zum Fluß im Leerlauf ergänzen. Unsymmetrische Belastungen führen bei einigen Schaltungsarten zu Streuflüssen, die das Transformatorgehäuse unzulässig erwärmen können. Transformatoren mit den Schaltgruppen Yyn, Dyn, Yzn und Dzn können unsymmetrische Lasten problemlos übertragen.
Du ⎛ ⎛ uk 1 ⎞ ⎛ uk 2 ⎞ ⎞ ⎜⎜ ⎟⎟ ⎟ +⎜ ⎝ ⎝ I1 N ⎠ ⎝ I 2 N ⎠ ⎠
D u u K 1 I a I1 N (I.71) % % A A
Δu [%] Abweichung der Trafospannungen U1, U2
Dieser Ausgleichsstrom fließt schon im Leerlauf und erzeugt Verluste. Außerdem reduziert er die übertragbare Leistung der Transformatoren, da er sich ebenfalls zum Laststrom addiert. Die Parallelschaltung von Transformatoren mit unterschiedlicher Kurzschlußspannung uK führt dazu, daß der Transformator mit der kleineren Kurzschlußspannung einen prozentual höheren Anteil der Last übernehmen muß. Die Lastaufteilung wird wie folgt berechnet: rel. Ersatzkurzschlußspannung u k ers
S N ges ⎧⎛ S N 1 ⎞ ⎛ S N 2 ⎟ +⎜ ⎨⎜ ⎩⎝ uk 1 ⎠ ⎝ uk 2
⎞ ⎛ SN 3 ⎞ ⎫ ⎟ +⎜ ⎟⎬ ⎠ ⎝ uk 3 ⎠ ⎭
u k ers u k 1 S N % % VA
(I.72) Dy5 → 5 ⋅ 30 ° = 150 °
1.4.3 Unsymmetrische Belastungen Jeder Transformator muß sowohl im elektrischen als auch im magnetischen Gleichgewicht sein, d.h., die in den einzelnen Schenkeln des Transformators
S1 = S N 1 ⋅
( u k ers ⋅ S ges ) ( u k 1 ⋅ S N ges )
(I.73)
uk ers relative Ersatzkurzschlußspannung der Parallelschaltung SN ges Summe der Trafonennleistungen S1 + S2 + . . . Sges tatsächlich abgenommene Scheinleistung der Parallelschaltung
I Elektrische Maschinen
817
Beispiel: Die Transformatoren T1 mit UN = 10/0,4 kV, SN =
630 kVA, uk = 4% und T2 mit UN = 10/0,4 kV, SN = 1000 kVA und uk = 4,5% werden parallelgeschaltet. Alle weiteren Voraussetzungen einer Parallelschaltung sind gegeben. Welche maximale Last darf diese Parallelschaltung übertragen, ohne daß einer der Transformatoren überlastet wird?
heraus, kann anhand von Diagrammen die mögliche Überlast, die nicht zur Verminderung der Lebensdauer führt, bestimmt werden. 2,0
u k ers
S N ges ⎧⎛ S N 1 ⎞ ⎛ S N 2 ⎞ ⎫ ⎟⎬ ⎟ +⎜ ⎨⎜ ⎩⎝ u k 1 ⎠ ⎝ u k 2 ⎠ ⎭
=
1630 kVA ⎛ 630 kVA 1000 kVA ⎞ + ⎜ ⎟ ⎝ 4% 4,5% ⎠
spannung den Wert 1 ergeben.
1,6 2
k2
1,4 1,2
Scheinleistung
( u k 1 ⋅ S N ges ) = 4% ⋅ 1630 kVA = 1519, 8 kVA u k ers
1,8
= 4 , 29%
Da keiner der Transformatoren überlastet werden darf, muß das ( u k ers ⋅ S ges ) mit der kleinsten relativen KurzschlußProdukt ( u k ⋅ S N ges )
S ges =
t = 0,5
1
Ermittlung der relativen Ersatzkurzschlußspannung:
4,29%
1.6 Transformatorschutz Der Schutz von Transformatoren kann über vorgeschaltete Schutzeinrichtungen (Sicherungen, elektronische Schutzrelais) oder über direkt am Transformator eingebaute Schutzgeräte erfolgen. Zu diesen im Trafo eingebauten Schutzgeräten gehört der Buchholzschutz ebenso wie eine Temperaturüberwachung. Der Buchholzschutz ist eine sehr einfache, aber wirksame Schutzmethode. Treten an den Isolationen der Spulen Schwachstellen auf und kommt es dadurch zu Windungsschlüssen, so entstehen als Folgewirkung dieser Schlüsse Teilentladungen, die Zersetzungsgase produzieren. Diese Gase werden im Buchholzschutz aufgefangen. Ab einer bestimmten Gasmenge erfolgt über Schwimmerkontakte eine Meldung oder die Abschaltung des Transformators. Ein innerer Lichtbogen (Kurzschluß) hat zur Folge, daß eine starke Ölströmung im Transformator auftritt. Diese Ölströmung bewirkt am Stauschieber im Buchholzrelais eine Kontaktgabe. Der Transformator wird sofort abgeschaltet. Die Temperaturmessung verhindert bei Wechselbelastungen eine thermische Zerstörung des Transformators, indem die jeweils zulässige Temperatur über Grenzkontakte eingestellt wird. Bei einer Überschreitung dieser Temperatur wird der Transformator abgeschaltet.
1.7 Überlastung von Transformatoren Transformatoren sind so ausgelegt, daß sie ihre Nenndaten bei Dauerbetrieb über 24 h und einer bestimmten Kühlmitteltemperatur (normalerweise 20 °C) ohne Schädigung der Isolation und anderer Betriebsgeräte aufrecht erhalten können. Für den Notfallbetrieb können Transformatoren überlastet werden, d.h., sie können kurzfristig eine Leistung höher als die Nennleistung abgeben (VDE 0536 oder Herstellerangaben). Erfolgt dieser Notbetrieb nach einer Nennbelastung, muß der Betreiber eine Verkürzung der Lebensdauer des Transformators in Kauf nehmen. Erfolgt eine Überlastung nicht aus dem Nennbetrieb
4 6 8 12
1,0 0,2
0,4
0,6 k1
1,0
0,8
1,2
Bild I-15 k1 und k2 für Öltransformatoren bei 20 °C Umgebungstemperatur Zur Ermittlung der möglichen Überlast S2 muß die vorausgegangene Belastung des Transformators S1 für (24 – t) Stunden und die Nennleistung bekannt sein. Jetzt kann aus den Gleichungen (I.74) und (I.75) die mögliche Überlast mit der maximalen Überlastzeit als Parameter aus dem Bild I-15 ermittelt werden. S (I.74) Faktor der Vorbelastung K 1 = 1 SN Faktor der Überlast K 2 =
S2 SN
(I.75)
Sollte der Transformator mit Überlast betrieben werden, muß der Strom auf das 1,5fache begrenzt werden (Notfallbetrieb: 2fache des Nennstroms). Beispiel: Wie lange kann ein Drehstromöltransformator mit SN =
1000 kVA eine Überlast von 200 kVA übernehmen, wenn der Transformator mit einer Dauerlast von S = 800 kVA betrieben wird?
K1 =
S1 800 kVA = = 0,8 ; S N 1000 kVA
K2 =
S 2 1200 kVA = = 1, 2 S N 1000 kVA
Nach Bild I-15 ergibt sich eine Überlastzeit von ungefähr 5 h.
1.8 Aufstellen von Transformatoren Beim Aufstellen von Transformatoren ist darauf zu achten, daß sie leicht zugänglich sind, die Sicherheitsabstände eingehalten werden, die Austauschbarkeit gewährleistet ist, eine ausreichende Belüftung oder Klimatisierung vorhanden ist und die Geräuschentwicklung berücksichtigt wird. Bei Transformatoren mit Isolierflüssigkeiten als Kühlmittel sind Auffangwannen oder Gruben vorzusehen, die die gesamte Isolierflüssigkeit und auftretendes Wasser aufnehmen können (Pumpensumpf
818
Energietechnik
vorsehen). Bei Transformatoren mit mehr als 1000 l brennbarer Isolierflüssigkeit ist zwischen Transformator und Grube eine Schottervorlage anzuordnen. Nähere Angaben im AGI Blatt J 11 (Arbeitsgemeinschaft Industriebau e.V.).
1.9 Sondertransformatoren Zu den Sondertransformatoren zählen diejenigen Transformatoren, die aufgrund ihrer Bauart besondere Eigenschaften aufweisen oder nicht alle Anforderungen eines Transformators erfüllen. 1.9.1 Spartransformatoren Bei Spartransformatoren weisen Ober- und Unterspannungswicklung einen gemeinsamen Teil auf, der als Parallelwicklung bezeichnet wird (Bild I-16). I1 I2
U1 I 1
N1 N2
U2 III
I2
Eigenleistung S NE = ( U 1 N − U 2 N ) ⋅ I 1 N
Beispiel: Ein Spartransformator soll in einem 110 kV-Dreh-
stromnetz den Spannungsfall der Leitung von UL = 1 kV ausgleichen. Die zu übertragende Leistung beträgt 10 MVA. Der Spannungsfall auf der Leitung ist als Strangspannung zu betrachten. Der Spartransformator wird normalerweise in den Strang als Einphasen-Transformator eingeschaltet. Zur Berechnung der Durchgangsleistung ist deshalb die Strangspannung des Netzes zu berechnen. U 110 kV Strangspannung U Str = N = = 63, 51 kV 3 3
Nennstrom
IN =
Durchgangsleistung Eigenleistung
Bild I-16 Spartransformator
(I.77)
Die Eigenleistung ist derjenige Leistungsanteil, der über den magnetischen Kreis übertragen werden muß. Der Vorteil des Spartransformators gegenüber einem Volltransformator ist, daß durch die kleinere Eigenleistung erhebliche Materialeinsparungen erzielt werden. Ein Nachteil ist, daß die Ober- und Unterspannungsseite galvanisch miteinander gekoppelt sind. Eingesetzt werden Spartransformatoren als Kuppeltransformatoren zwischen dem 380 kV- und dem 220 kV-Netz, um Spannungen nach längeren Leitungen hochzutransformieren, als Anlaßtransformator für Asynchronmotoren und als Vorschaltgerät für Natrium-Dampflampen.
SN 3 ⋅U N
=
10 MVA 3 ⋅ 110 kV
= 52 , 5 A
S ND = 63, 51 kV ⋅ 52 , 5 A = 3,34 MVA
S NE = DU ⋅ I 1 N = 1 kV ⋅ 52 , 5 A = 52,5 kVA
1.9.2 Drosselspulen
Reihenwicklung
N1 N2 Parallelwicklung
Bild I-16 a Ersatzschaltbild eines Spartransformators
Der weitere Anteil der Wicklung ist auf die Oberspannung beschränkt und heißt Reihenwicklung. Beide Wicklungsteile sind in Reihe geschaltet und sitzen auf einem gemeinsamen Eisenkern. Die elektrische Leistung wird beim Spartransformator nicht nur magnetisch übertragen, sondern je nach Übersetzungsverhältnis auch direkt über die galvanische Verbindung. Hieraus resultieren zwei Leistungsbegriffe: die Durchgangsleistung SND und die Typenoder Eigenleistung SNE. Für den Einphasenspartransformator gilt: Durchgangsleistung S ND U 1 N I 1 N (I.76) S ND = U 1 N ⋅ I 1 N VA V A
Drosselspulen werden häufig als Reihendrosselspulen zur Begrenzung von Kurzschlußströmen eingesetzt. Die Drosselspulen werden als kurzschlußstrombegrenzende Spulen stets ohne Eisenkern gebaut, damit die im Kurzschluß auftretenden hohen Feldstärken keine Sättigungserscheinungen hervorrufen. Gekennzeichnet wird die Drosselspule durch ihren Spannungsfall im Nennbetrieb ΔUN Str, dem Nennstrom IN, der Eigenleistung und der Bauleistung. Eigenleistung S E = 3 ⋅ DU N Str ⋅ I N
(I.78)
Bauleistung S D =
(I.79)
3 ⋅U N ⋅ I N
Übliche Baugrößen liegen bei einem prozentualen Spannungsfall ΔuN im Nennbetrieb von 3 bis 10%. prozentualer Spannungsfall Du N =
DU N Str UN
⋅ 3 ⋅ 100 %
(I.80)
Der für eine Drosselspule benötigte Spannungsfall ergibt sich aus der Reduzierung der Kurzschlußleistung nach der Drosselspule. S ′′ − S K′′ 2 Du N = 1,1 ⋅ 100%⋅S D ⋅ K 1 (I.81) S K′′ 1 ⋅ S K′′ 2 S K′′ 1 Kurzschlußleistung ohne Drosselspule; S K′′ 2 Kurzschlußleistung mit Drosselspule
I Elektrische Maschinen
819 Bild I-16 b Aufstellung einer Strombegrenzungsspule;
a Dm
a Abstand der Drosselspulen-Mittelachse zum Metallteil
>500
Bei der Aufstellung von Drosselspulen ist darauf zu achten, daß die Stromwärmeverluste abgeführt werden können. Die Drosselspule muß soweit von Metallteilen entfernt aufgestellt werden, daß keine unzulässige Erwärmung solcher Teile durch Wirbelströme auftreten kann. Der Abstand zu Konstruktionsteilen aus Stahl sowie Eisenarmierungen sollte mehr als 500 mm betragen. Kann nicht auf metallische Konstruktionsteile verzichtet werden, sollten diese durch nichtleitende Materialien getrennt werden. Ferner sollte die magnetische Feldstärke den Wert von H = 20 A/cm nicht überschreiten. Zur Ermittlung der Feldstärke kann folgende Formel benutzt werden: Feldstärke H I N Dm a N I ⋅N⋅D (I.82) H = 0 ,1⋅ N 2 m A A cm cm − a cm Dm mittlerer Durchmesser der Drosselspule; a Abstand der Drosselspulenmittelachse zum Metallteil; N Windungszahl der Drosselspule Beispiel: Die Kurzschlußleistung an einer Verteilung soll von
S K′′ 1 = 600 MVA auf S K′′ 2 = 100 MVA reduziert werden. Die Nennspannung ist UN = 10 kV, der Nennstrom IN = 600 A. Welche Daten muß die Kurzschlußdrosselspule haben? Der prozentuale Spannungsfall berechnet sich zu:
Du N = 1,1 ⋅ 100% ⋅ S D ⋅
S K′′ 1 + S K′′ 2 S K′′ 1 ⋅ S K′′ 2
1.10 Meßwandler Meßwandler sollen Spannungen und Ströme in elektrischen Anlagen für Meß-, Schutz- und Verrechnungszwecke auf meßbare Werte mit genormten Meßbereichen umwandeln. Die wesentlichen Anforderungen sind sichere Trennung zwischen Mittelspannungsnetz und Meßstromkreis und eine möglichst genaue Abbildung der zu messenden Größen. Diese Forderungen werden bisher überwiegend mit induktiven Wandlern gelöst. Induktive Wandler sind Spezialtransformatoren kleiner Leistung entsprechend dem Leistungsbedarf der angeschlossenen Meßeinrichtung. Die elektrischen Eigenschaften von Wandlern lassen sich wie bei Transformatoren erklären, wobei Spannungswandler fast im Leerlauf arbeiten (Ri >>>) und Stromwandler fast im Kurzschluß (Ri <<<). Meßwandler sind entsprechend ihrer Genauigkeit in Klassen eingeteilt. Normwerte sind: Klassen 0,1 – 0,2 – 0,5 – 1,0 – 3,0 – 5,0 – 10. Ferner werden die Wandler noch nach der Art ihres Einsatzes unterschieden. Soll der Wandler für Messungen eingesetzt werden, wird das mit einem „M“ hinter der Klasse verdeutlicht. Wandler für Schutzaufgaben erhalten ein „P“ hinter der Klasse (z.B. die Klasse 1,0 M oder Klasse 1,0 P). Zur Veranschaulichung, bis zu welchem Strom die Klassengenauigkeit eingehalten wird, steht hinter der Einsatzart noch der Faktor, bezogen auf den Nennstrom, bis zu dem die Klassengenauigkeit nicht überschritten wird. Beispiel: Klasse 5P10 bedeutet, daß der Wandler bis 10 ⋅ IN einen Meßfehler < 5% hat. 1.10.1 Spannungswandler Spannungswandler werden mit induktiver und kapazitiver Übersetzung gebaut. Die Grundschaltungen von Spannungswandlern in Drehstromnetzen und die Schaltzeichen sind in Bild I-17 dargestellt. a) U1U2U3
b) U1
V1,V2
U2
= 1,1 ⋅ 100 % ⋅ 3 ⋅ 10 000 V ⋅ 600 A ×
600 ⋅ 10 6 VA − 100 ⋅ 10 6 VA 600 ⋅ 10 6 VA ⋅ 100 ⋅ 10 6 VA
Oberspannung
= 9, 53%
e
Der Spannungsfall an der Drossel sollte mindestens 9,53% betragen. Die Eigenleistung der Spule hat dann folgenden Wert: SE = 3 ⋅ DUN Str ⋅ I N = 3 ⋅
9, 53% ⋅ 10 000 V 100% ⋅ 3
Unterspannung
n
⋅ 600 A = 0,99 MVA
u1
v1,v2
u2
1.9.3 Streufeldtransformatoren Streufeldtransformatoren haben eine hohe Kurzschlußspannung. Dadurch wird erreicht, daß im Transformator bei auftretendem Kurzschluß kein hoher Strom fließen kann, der den Transformator zerstört. Dieses Verhalten nennt man auch spannungsweich. Zu den Streufeldtransformatoren gehören Klingel-, Spielzeug-, Schutz-, Zünd- und Schweißtransformatoren sowie Transformatoren für Leuchtröhrenanlagen.
v1v2v3
Bild I-17 Schaltungen von Spannungswandlern a) drei einpolig isolierte Wandler mit Hilfswicklung in offener Dreiecksschaltung b) zwei zweipolig isolierte Wandler in V-Schaltung Da der Strom im Sekundärkreis des Spannungswandlers sehr klein ist (Ri >>>), folgt, daß bei einem Kurzschluß im Sekundärkreis des Spannungswand-
820
Energietechnik
lers die Kurzschlußströme zur Zerstörung des Wandlers führen können. Spannungswandler werden zweioder einpolig isoliert gefertigt. Zweipolig isolierte Wandler (Anschluß zwischen zwei Außenleitern) besitzen eine Primärwicklung, die mit allen Anschlüssen entsprechend dem Isolationspegel des Hochspannungsnetzes isoliert ist. Bei einpolig isolierten Wandlern (Anschluß zwischen Außenleiter und Erde) ist nur eine Klemme der Primärwicklung für die volle Netzspannung isoliert. Der zweite Anschluß wird geerdet. Als Isoliermittel für Spannungswandler wird Gießharz eingesetzt.
Strom eine resultierende Durchflutung, die sich um den Ständer dreht und im Luftspalt ein umlaufendes Feld (Drehfeld) erzeugt. 1U1 2V1
2W1
1W1
1V1
1.10.2 Stromwandler Stromwandler werden hauptsächlich als induktive Wandler gebaut. Die Schaltzeichen und Schaltungen von Stromwandlern sind in Bild I-18 dargestellt. L1
K
L zum Verbraucher
k
l
Bild I-18 Schaltung eines Stromwandlers Da der Stromwandler nahezu im Kurzschluß betrieben wird, entsteht beim Öffnen der Sekundärseite an den Sekundärklemmen eventuell eine Überspannung, die zur Gefährdung von Personen und zum Überschlag führen kann. Die genormten Ströme der Sekundärseite sind: Meßkern 5A, 1A (2A), 0,5A; Schutzkern 5A, 1A. Stromwandler werden in den verschiedensten Ausführungen hergestellt. Nach Art der Wicklung unterscheidet man zwischen den Einleiterstromwandlern, die primär nur eine Windung besitzen, und den Wickelstromwandlern, bei denen die Primär- und Sekundärwicklungen aus vielen Windungen bestehen. Der Vorzug der Einleiterstromwandler liegt in ihrer großen Kurzschlußfestigkeit, da auf einen ohne Schleife durch den Kern geführten Leiter praktisch keine mechanischen Beanspruchungen wirksam werden. Der Wickelstromwandler läßt sich dagegen besser bei kleinen primären Strömen einsetzen. Er kann durch Umschaltlaschen in der Primärwicklung an verschiedene Nennströme angepaßt werden. In einem Stromwandler lassen sich mehrere Kerne unterbringen, die für verschiedene Aufgaben eingesetzt werden, so z.B. ein Kern für Messungen und ein Kern für Schutzaufgaben.
2U1
Bild I-19 Grundaufbau einer zweipoligen Drehfeldmaschine Dieses Drehfeld hat, bei drei Spulen im Ständer, einen Winkel von 360° überstrichen, wenn die Spannung eine Periode durchlaufen hat. Die Umlaufgeschwindigkeit des Drehfeldes ist also von der Frequenz der angelegten Spannung abhängig. Ordnet man sechs Spulen, die um 60° verdreht sind, im Ständer an (Bild I-20), benötigt das Drehfeld zwei Perioden, bis es einen Winkel von 360° überstrichen hat. 2V2
Werden an einem Ständer drei Spulensysteme in einem Winkel von 120° angeordnet und schließt man diese Spulen an ein Drehspannungssystem wie in Bild I-19 dargestellt an, so erzeugt der dann fließende
2W2 1V1
2W1
1U2
2U2
2V1
1W1 1W2
2U1
1V2
Bild I-20 Grundaufbau einer vierpoligen Drehfeldmaschine Damit ist die Umlaufgeschwindigkeit des Drehfeldes auch von der Anzahl der im Ständer vorhandenen Pole abhängig. Drehzahl n =
2 Drehstrommaschinen
1U1
f ⋅ 60 p
n f p min −1 Hz −
(I.83)
n Drehzahl des Drehfeldes; f Frequenz der Netzspannung; p Anzahl der Polpaare
Die Anzahl der Polpaare kann aus dem Winkel zwischen den Ständerspulen ermittelt werden.
I Elektrische Maschinen
821
Tabelle I-3 Zusammenhang zwischen Polpaarzahl und Drehzahl Polpaarzahl
Polzahl
Anzahl der Spulen
1
2
3
120
1T
2
4
6
60
2T
3
6
9
40
3T
p
2p
3p
360 ° 3p
pT
Winkel zwischen den Spulen in °
2.1 Die Drehstromasynchronmaschine Die Drehstromasynchronmaschine spielt in der Antriebstechnik eine überragende Rolle, da sie aufgrund ihres einfachen Aufbaus nahezu wartungsfrei ist und durch die Frequenzumrichtertechnik problemlos gesteuert werden kann. Asynchronmaschinen gibt es von Leistungen < 1 kW bis in den MW-Bereich. Die Asynchronmaschine ist eine Drehfeldmaschine und besitzt daher im Ständer eine Drehstromwicklung. Der Läufer ist ebenfalls mit einer Drehstromwicklung ausgestattet, die beim Schleifringläufer über Schleifringe und Bürsten herausgeführt wird, beim Kurzschlußläufer aus Profilstäben (Kupfer oder Bronze) besteht, die an den Enden verbunden sind. Bei kleineren Maschinen werden die Läuferwicklungen im Spritzgußverfahren aus Aluminium hergestellt. 2.1.1 Wirkungsweise der Asynchronmaschine Die Betrachtung der Asynchronmaschine im Stillstand zeigt ein Verhalten wie ein Transformator. Das Drehfeld im Ständer induziert im Läufer eine Spannung und diese wiederum einen Strom. Die ohmschen Verluste kennzeichnen die Ständer- oder Läuferwicklung, die Streuinduktivitäten entstehen an den Wickelköpfen und an den Nuten. I1 R1
X1
X2s iFe
U1
RFe
I0 Xh
R2s
imagn U2
Uh
Bild I-21 Vollständiges Ersatzschaltbild der Drehstromasynchronmaschine als Käfigläufer (Läuferspulen kurzgeschlossenen) im Stillstand Das Ersatzschaltbild der Asynchronmaschine ist im Stillstand also identisch mit dem Trafoersatzschaltbild (Bild I-21). Bei der Betrachtung der Asynchronmaschine bei sich drehendem Läufer kann das Trafoverhalten nicht mehr ohne weiteres herangezogen werden. Durch die induzierte Spannung im Läufer
Zeit für eine Umdrehung des Drehfeldes
wird ein Stromfluß hervorgerufen, der mit dem umlaufenden Ständerdrehfeld eine Kraft auf den Läufer ausübt. F = I L ⋅ BSt ⋅ l ⋅ sin a
F I L BSt l Vs N A m m2
(I.84)
IL Läuferstrom; BSt Ständerfluß; l Länge der Spulen im Feld; a Winkel zwischen I und B normal 90°
Das hieraus resultierende Drehmoment beschleunigt den Läufer in Richtung des Drehfeldes. M = F⋅
d 2
M F d Nm N m
(I.85)
d Läuferdurchmesser
Da der Läufer ebenfalls in Richtung des Drehfeldes bewegt wird, entsteht in ihm ein geringerer Stromfluß (Ui = B ⋅ v ⋅ l) und somit ein kleineres resultierendes Moment. Hat der Läufer die gleiche Drehzahl wie das Drehfeld erreicht, ist I = 0 ⇒ M = 0. Bedingt durch Reibungs- und Widerstandsverluste im Läufer, muß immer ein Drehmoment zur Deckung der Verluste vorhanden sein. Der Läufer kann also niemals synchron mit dem Ständerdrehfeld mitlaufen. Der Unterschied zwischen der synchronen Drehzahl und der tatsächlichen Drehzahl des Läufers wird als Schlupf s bezeichnet. Schlupf s =
n0 − n L f − f L Df = = n0 f f
synchrone Drehzahl n 0 =
(I.86)
f ⋅ 60 f ⋅ 60 ; Läuferdrehzahl n L = L p p
2.1.2 Betriebsverhalten der Asynchronmaschine Das Betriebsverhalten der Drehstromasynchronmaschine ist nicht mehr mit dem des Transformators zu vergleichen, da diese Maschine eine elektrische Leistung in eine mechanische Leistung umformt. Damit das Verhalten der Asynchronmaschine deutlicher wird, betrachtet man verschiedene Betriebszustände und verallgemeinert hieraus das Verhalten.
822
Energietechnik
2.1.2.1 Spannungsgleichung, Ersatzschaltbild Im Stillstand der Asynchronmaschine gilt das Transformatorersatzschaltbild und die Transformatorgleichung im Kurzschluß. Die Ständerspannungsgleichung lautet: Ständerspannung ⎧ ( R ⋅ jX H ) ⎫ U 2′ = 0 = − I 2′ ⋅ ( R2′ + jX s′ 2 ) + I 0 ⋅ ⎨ Fe ⎬ (I.87) ⎩ ( RFe + jX H ) ⎭
Die Läuferspannungsgleichung lautet: Läuferspannung ⎧ ( R ⋅ jX H ) ⎫ U 1 = I 1 ⋅ ( R1 + jX s 1 ) + I 0 ⋅ ⎨ Fe ⎬ ⎩ ( RFe + jX H ) ⎭
(I.88)
X *H = 2 ⋅ p ⋅ Df ⋅ L H ⋅
(I.89) Df f = 2⋅p ⋅ ⋅ f ⋅ LH f f
X *H = s ⋅ X H mit
s=
Df f
(I.90) (I.91)
und
X H = 2 ⋅ p ⋅ f ⋅ LH
Diese Beziehung kann gleichermaßen für die Streuinduktivität Xs und den Eisenverlustwiderstand RFe aufgestellt werden. Für die Ständerspannungsgleichung ergibt sich hieraus: Ständerspannung ⎧ ( sRFe ⋅ jsX H ) ⎫ U 2′ = 0 = − I 2′ ⋅ ( R2′ + jsX s′ 2 ) + I 0 ⋅ ⎨ ⎬ ⎩ ( sRFe + jsX H ) ⎭ (I.92) ⎧ ( R ⋅ jX H ) ⎫ ⎛ R′ ⎞ U 2′ = 0 = − I 2′ ⋅ ⎜ 2 + jX s′ 2 ⎟ + I 0 ⋅ ⎨ Fe ⎬ ⎝ s ⎠ ⎩ ( RFe + jX H ) ⎭ (I.93) Die Gleichung (I.93) ergibt sich aus der Gleichung (I.93) durch Ausklammern des Schlupfes s. Den ohmschen Widerstand im Läuferkreis der Gleichung (I.94) kann man wie folgt aufteilen: Ständerwirkwiderstand
R2′ 1− s = R2′ + ⋅ R2′ s s
R1
X1
X2s iFe
U1
RFe
i0
R2s
imagn
Xh
U2
Uh
1–s × R 2 s
Bild I-22 Vollständiges Ersatzschaltbild der Drehstromasynchronmaschine als Käfigläufer
Transformator. Die in diesem Widerstand umgesetzte Leistung ist die an der Welle der Maschine abgegebene oder aufgenommene mechanische Leistung einschließlich der Reibungsverluste. 2.1.2.2 Leistungsfluß
Die induktiven Widerstände X s′ 2 und XH sowie die Eisenverluste RFe sind proportional zur Frequenz zwischen Ständer und Läufer. Da sich diese Frequenz mit steigender Drehzahl verringert, verringern sich auch die Widerstände. Ständer-Läufer-Impedanz X *H = 2 ⋅ p ⋅ D f ⋅ L H
I1
(I.94)
Das Ersatzschaltbild der Asynchronmaschine ist identisch mit dem des Transformators (Bild I-22). Der auf der Sekundärseite angeordnete Widerstand (1 − s) R 2′ ⋅ entspricht einem Lastwiderstand beim s
Die von einer Asynchronmaschine aufgenommene Wirkleistung berechnet sich wie folgt: aufgenommene Wirkleistung Pzu = Pel = 3 ⋅ U Str1 ⋅ I Str 1 ⋅ cos ϕ
(I.95)
Von dieser Leistung werden die im Ständer auftretenden Verluste PCu1 und PFe abgezogen. Die verbleibende Leistung wird über den Luftspalt als Luftspaltleistung Pδ übertragen. Die an der Welle abgegebene Leistung ist die Luftspaltleistung abzüglich der im Läufer auftretenden Verluste PCu2. Luftspaltleistung R′ 2 Pδ = Pel − (PCu 1 + PFe ) = 3 ⋅ I ′2Str ⋅ 2 = 3 ⋅ U H ⋅ I 2′ ⋅ cos ϕ 2 s (I.96) Kupferverlustleistung im Läufer 2 PCu2 = 3 ⋅ I 2′ Str ⋅ R2′ = s ⋅ Pd
(I.97)
mechanisch abgebbare Leistung Pab = Pmech = Pd − PCu2 = Pd − s ⋅ Pd = (1 − s ) ⋅ Pd
(I.98) Die mechanische Leistung der Asynchronmaschine ist also stark schlupfabhängig, d.h., für den Schlupf s = 1 (Stillstand) kann an der Welle keine Leistung abgegeben werden. Die gesamte Leistung, die über den Luftspalt transportiert wird, setzen die Läuferwicklungen in Verlustwärme um. Beim Schlupf s = 0 (Synchronismus) ist die über den Luftspalt transportierte Leistung Null, da der Widerstand im Ständer⎛ R′ ⎞ kreis gegen ∞ geht ⎜ 2 ⇒ ∞ ⎟ . Zwischen s = 1 und ⎝ s ⎠ s = 0 durchwandert die Luftspaltleistung ein Maximum, das beim Kippschlupf sK auftritt. Der Wirkungsgrad h des Asynchronmotors ergibt sich aus dem Verhältnis der abgegebenen zur aufgenommenen Wirkleistung. Wirkungsgrad h=
Pab Pmech P − PCu2 = ≅ d = 1− s Pzu Pd + PFe + PCu1 Pd
(I.99)
I Elektrische Maschinen
823
Motormoment M=
Pmech 2⋅ p⋅n
M=
Pd 2 ⋅ p ⋅ n0
Pmech n M W sec −1 Nm
Die Stromgleichung zu: I ′ Str 2 =
(I.100)
⎡ R2′ ⎢ ⎢ s −j = U H ⋅⎢ ⎛ ⎛ R2′ ⎞ ⎛ ⎛ R2′ ⎞ 2 2 ⎢⎜⎜ ⎜⎜ ⎟ + X s′ ⎟ ⎢⎣ ⎝ ⎝ s ⎠ ⎝⎝ s ⎠
(I.101)
Die Gleichung (I.101) ergibt sich durch Ersetzen von n = (1 – s) ⋅ n0 und Pmech = (1 – s) ⋅ Pδ . 2.1.2.3 Betriebskennlinien Mit den Gleichungen I.89 und I.94 kann die Betriebskennlinie des Asynchronmotors berechnet werden. Diese Berechnung erfordert jedoch einen hohen Rechenaufwand. Deshalb wird die Betriebskennlinie des Asynchronmotors über ein vereinfachtes Ersatzschaltbild (Bild I-23) ermittelt. X2s
I1 iFe U1
RFe
i0
R2s
Xh
U2
4000
6 A
–1
min ; W 3000
n
cos h Pzu
2000 I1 1000
Uh
⎤ ⎥ X s′ ⎥ 2 ⎥ ⎞ ⎞ ⎟ + X s′ 2 ⎟ ⎥ ⎠ ⎠ ⎥⎦ (I.103)
Aus der Gleichung erkennt man, daß der Strom für s = ∞ einen Maximalwert annimmt und für s = 0 Null wird.
n, P
imagn
UH ⎛ R2′ ⎞ + jX s′ ⎟ ⎜ ⎝ s ⎠
P ab
4,5
1 0,9
3 I
0,6
1,5
0,3
1–s × R 2 s
cos
Das an der Welle auftretende Drehmoment berechnet sich zu:
0 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Nm M
Bild I-23 Vereinfachtes Ersatzschaltbild der Drehstromasynchronmaschine als Käfigläufer
Bild I-24 Belastungskennlinie eines 1 kW-Drehstrom-Asynchronmotors
Hierbei werden die Ständerverluste und Ständerstreuinduktivitäten vernachlässigt, was für Maschinen >15 kW beim Betrieb mit Nennfrequenz keinen großen Einfluß auf die Kennlinie hat. Bei kleineren Maschinen werden die Betriebskennlinien für erste Betrachtungen hinreichend genau erfaßt. Nach dem vereinfachten Ersatzschaltbild ist die Spannung an der Hauptinduktivität gleich der Netzspannung und somit der Magnetisierungsstrom I0 nur von der Höhe der angelegten Spannung abhängig. Da der Strom im Ständerkreis auch direkt von der angelegten Spannung abhängig ist, ergibt sich für das Moment folgende Abhängigkeit:
Der Leistungsfaktor steigt mit sinkendem Schlupf bis zu einem Maximalwert und fällt dann wieder. Die Abhängigkeiten von I ′2, M, P und cos j vom Schlupf sind im Bild I-24 dargestellt. 2.1.3 Kurzschlußläufer Die Läuferwicklungen beim Kurzschluß- oder Käfigläufer bestehen aus Stäben, die in eine vorgefertigte Nut eingelegt oder gespritzt werden. Die gebräuchlichsten Nutformen sind der Rundstab, Hochstab und Doppelstab (Bild I-25). Rundstabläufer
Doppelstabläufer
d d ⋅ F = I 2′ ⋅ BSt ⋅ l ⋅ ⋅ sin a ; 2 2 BSt ≈ I 0 ≈ U H ; I 2′ ≈ U H ⇒ M ≈ U H2
M=
Ebenso wie die Luftspaltleistung hat das Moment sein Maximum beim Kippschlupf. Dieses Moment wird als Kippmoment MK bezeichnet. Die Spannungsgleichung des vereinfachten Ersatzschaltbildes ergibt sich zu: R′ U Str 1 = U H = I ′ Str 2 ⋅ ⎛⎜ 2 + jX s′ ⎞⎟ ⎝ s ⎠
(I.102)
Hochstabläufer
Bild I-25 Nutformen des DrehstromAsynchronmotors
Der Rundstabläufer hat praktisch die gleichen Eigenschaften wie ein Läufer mit gewickelten Spulen. Beim Hochstab- oder Doppelstabläufer bewirkt die
824
Energietechnik
Form der Nuten, daß nicht mehr alle Nutabschnitte von der gleichen Anzahl von Feldlinien geschnitten werden. Hieraus resultiert, daß die tiefer liegenden Nutbereiche von mehr Feldlinien, die Bereiche in der Nähe des Luftspaltes dagegen von weniger Feldlinien umschlossen sind. Als Folge dieser ungleichmäßigen Feldlinienverteilung ist die Selbstinduktivität am unteren Nutbereich größer als am Luftspalt. Die Induktionsspannung ist also am Luftspalt am geringsten. Der Strom ist nicht mehr gleichmäßig in der Nut verteilt, sondern wird in Richtung Luftspalt gedrängt. Als Folge dieser Stromverdrängung wird der Wirkwiderstand größer, die Streuinduktivität kleiner. Der resultierende Scheinwiderstand wird kleiner, der Strom im Läufer also größer. Ausschlaggebend ist jedoch, daß das Läufermoment wesentlich stärker steigt als der Strom, da das Moment im Anlauf von der im Luftspalt umgesetzten Wirkleistung abhängig ist. Hat der Käfigläufer nicht einen Rundstab, sondern eine andere Stabform, so bezeichnet man den Käfigläufermotor auch als Stromverdrängungsläufer.
Gegenmoment nicht größer als das Sattelmoment wird (nähere Festlegungen in VDE 0530). 2.1.3.1 Anlaßverfahren Befindet sich der Läufer der Asynchronmaschine im Stillstand (Anlauf), wird ein hoher Strom (6 – 8 facher Nennstrom) aus dem Netz aufgenommen. Dieser Strom verursacht auf den Zuleitungen einen erhöhten Spannungsfall. Deshalb versucht man, diesen Strom zu verringern. Möglichkeiten der Anlaufstrombegrenzung sind die Senkung der Ständerspannung, der Stern-Dreieckanlauf und die Beschaltung mit einem Widerstand im Ständerkreis. Durch Verändern der Ständerspannung kann die Höhe des Stroms und des Moments beeinflußt werden. Da der Motor normalerweise für die angelegte Netzspannung gekauft wurde, ist eine Spannungsänderung nur in eine Richtung möglich.
3
M
1 2 3
Bild I-27 Ständerspannungsänderung mit Thyristorsteller
M 3
1 Doppelstabläufer 2 Hochstabläufer 3 Rundstabläufer
n
Bild I-26 Drehzahl-Drehmomentkennlinien verschiedener Nutformen des Drehstrom-Asynchronmotors Der Stromverdrängungsläufer hat jedoch den Nachteil, daß im Bereich der synchronen Drehzahl die Streuinduktivität im Gegensatz zum Normalmotor größer und somit der Leistungsfaktor schlechter ist. Ebenso ist das Kippmoment kleiner als bei stromverdrängungsfreien Motoren. Die realen DrehmomentDrehzahlkennlinien dieser Maschinen sind im Bild I-26 dargestellt. Im Bereich kleiner Drehzahlen fällt auf, daß das Moment von seinem Anlaufwert leicht abfällt und dann bis zum Kippmoment ansteigt. Diese Verminderung des Moments verursachen Oberwellenmomente, die sich dem Grundmoment überlagern. Die Oberwellen werden bei der theoretischen Betrachtung der Asynchronmaschine vernachlässigt, da ihr Einfluß nur im unteren Drehzahlbereich auftritt. Das durch den Momentenabfall entstehende minimale Moment bezeichnet man als Sattelmoment. Beim Anfahren der Maschine ist darauf zu achten, daß das
Die Ständerspannung kann durch einen Transformator (Spartrafo) oder durch einen Thyristorschalter (Bild I-27) verändert werden. Bei der Spannungverringerung verändert sich der Strom proportional zur Spannung, das Moment jedoch quadratisch (I ≈ U; M ≈ U2). Eine Anlaufschaltung durch Spannungssenkung ist aus diesen Gründen nur für leichte Anlaufbedingungen möglich. L1L2L3
W1 V1 U1
W2 M
3
V2 U2
Bild I-28 SternDreieck-AnlaufStromlaufplan
Beim Stern-Dreieck-Anlauf (Bild I-28) werden die Ständerwicklungen während des Anlaufvorganges im Stern geschaltet. Hierdurch liegt an den Wicklungen
I Elektrische Maschinen
825
eine geringere Spannung (Strangspannung) an, und es fließt ein kleinerer Strom. Mit dem Strom verringert sich jedoch das Anlaufmoment
Stromverhältnis
IY = ID
Momentenverhältnis
U 3⋅Z = 1 3 ⋅U 3 Z
⎛ U ⎞ ⎜ ⎟ MY ⎝ 3 ⎠ = MD U2
c)
b)
d)
(I.104)
2
=
1 3
(I.105)
Der Stern-Dreieck-Anlauf darf nur bei leichten Anlaufbedingungen eingesetzt werden, wenn der Motor mit verminderter Last anläuft, da beim Umschalten von Stern- auf Dreieckschaltung ein Stromstoß auftritt, der annähernd gleich dem Anlaufstrom sein kann. L1L2L3
Bild I-30 Schaltung zum Gleichstrombremsen von Asynchronmotoren Die Gleichstrombremsung ist die effektivste Bremsmethode. Hierbei wird der Motor vom Netz getrennt und die Ständerwicklungen nach Bild I-30 an einen Gleichstrom niedriger Spannung angeschlossen. Das sich dabei einstellende Moment kann aus der Drehzahl-Drehmomentenkennlinie ermittelt werden, indem die Drehzahl n durch die Bremsdrehzahl nBG = n0 – n ersetzt wird. Der Bremsgleichstrom IBG sollte den 2,5 fachen Wert des Nennstromes nicht überschreiten. Bei dieser Bremsart ist kein Anlauf in entgegengesetzter Richtung möglich, und die Wärmeentwicklung in den Spulen ist gering. Anhaltswerte für die Berechnung des Gleichstroms sind in Gleichung I.106 und Tabelle I-4 zusammengefaßt. Bremsgleichstrom
M 3
a)
Bild I-29 Stromlaufplan der KUSA-Schaltung
Schaltet man einen Widerstand in einen Strang (Bild I-29), so verhält sich der Asynchronmotor wie ein Wechselstrommotor mit Hilfswicklung. Diese Schaltung wird auch KUSA-Schaltung (Kurzschlußläufer-Sanftanlauf) genannt. Durch den Widerstand in einem Strang wird das Drehfeld in ein elliptisches Feld verwandelt, und das Moment sinkt mit zunehmendem Widerstand. Der Strom in dem mit dem Widerstand behafteten Strang sinkt zwar, dafür steigen jedoch die Ströme in den anderen beiden Strängen. Durch die KUSA-Schaltung erhält man ein kleineres Moment, jedoch keine kleineren Ströme. 2.1.3.2 Bremsverfahren Mögliche Bremsverfahren für den Asynchronmotor sind die Abbremsung über mechanische Bremsen, die Gleichstrombremsung, die Gegenstrombremsung und die übersynchrone Bremsung. Bei der mechanischen Bremsung wird der Motor nicht belastet. Nachteil dieser Bremsart ist, daß die Bremsbeläge einem hohen Verschleiß unterliegen und somit ein hoher Wartungs- und Ersatzaufwand notwendig ist. Diese Bremsart sollte nur als Zusatz- oder Notbremse eingesetzt werden.
I BG ≤ k ⋅ I N ⋅1, 5
(I.106)
Tabelle I-4 Faktor zur Bestimmung des Gleichstroms beim Gleichstrombremsen von Asynchronmotoren Schaltungsart
a
b
c
d
k-Faktor
1,225
1,41
2,21
2,45
Die Gleichspannung berechnet sich nach Gleichung I.108 und Tabelle I-5 Bremsgleichspannung U Gl = C ⋅ I BG ⋅ RStrwarm (I.107) U Gl = 1, 3 ⋅ C ⋅ I BG ⋅ RStrkalt
(I.108)
Tabelle I-5 Faktor zur Bestimmung der Gleichspannung beim Gleichstrombremsen von Asynchronmotoren Schaltungsart
a
b
c
d
C-Faktor
2
1,5
0,667
0,5
Beispiel: Ein Drehstromasynchronmotor mit einem Nennstrom
In = 50 A und einem Strangwiderstand RStr = 2 Ω wird im warmen Zustand über eine Gleichstrombeschaltung nach Schaltungsart b abgebremst. Welcher Gleichstrom darf maximal zugelassen und welche Gleichspannung sollte an die Wicklungen angelegt werden?
826
Energietechnik
Für Schaltungsart b gilt:
I BG ≤ k ⋅ I N ⋅ 1, 5 = 1, 41 ⋅ I N ⋅ 1, 5 = 1, 41 ⋅ 50 A ⋅ 1, 5 = 105, 75 A
U Gl = C ⋅ I BG ⋅ R Strwarm = 1, 5 ⋅ 105, 75 A ⋅ 2 Ω = 317 , 25 V
Die Gegenstrombremsung hat eine extreme Bremswirkung. Hierbei werden zwei Phasen des Ständers vertauscht. Am Ständer stellt sich ein gegenläufiges Drehfeld ein, das versucht, den Läufer mitzureißen. Der Schlupf wird größer 1. Wird eine Gegenstrombremsung aus einer Nenndrehzahl nahe der Leerlaufdrehzahl ausgeführt, ist die thermische Motorbelastung zweimal so groß wie beim Anlauf. Bei der Gegenstrombremsung wird die mechanische Leistung und zusätzlich die aufgenommene elektrische Leistung in Wärme umgewandelt. Deshalb muß überprüft werden, ob der Bremsvorgang länger als 5 s dauert, da die Maschine sonst thermisch überlastet wird. Damit die Maschine nicht in entgegengesetzte Richtung anläuft, muß ein Drehzahlwächter den Bremsvorgang überprüfen und die Netzspannung kurz vor dem Stillstand abschalten. Die übersynchrone Bremsung kann nur eingesetzt werden, wenn die Last den Motor antreibt. Die Asynchronmaschine arbeitet dann als Generator und hat einen Schlupf s < 0; der Läufer dreht also schneller als das Ständerfeld. Dieser Bremsvorgang hat wenig Stromwärmeverluste. Eingesetzt wird er bei Dahlanderantrieben, bei Frequenzumrichterantrieben und bei einer Beschleunigung der Maschine durch die Last, wie z. B. bei Hebezeugen. 2.1.3.3 Drehzahlsteuerung Eine Drehzahländerung des Käfigläufermotors kann durch Verändern der Ständerspannung, Veränderung der Frequenz und geeignetes Umschalten von Spulengruppen in der Ständerwicklung erfolgen. 2.1.3.4 Ständerspannungsänderung Die Ständerspannungsänderung läßt eine Drehzahlsteuerung nur bis zum Kippschlupf zu. Einschränkungen: Die Verluste vergrößern sich, der Wirkungsgrad sinkt, und es besteht die Möglichkeit, daß durch
Netz
2.1.3.5 Frequenzänderung Eine Frequenzänderung hat zur Folge, daß die synchrone Drehzahl der Maschine entsprechend der Beziehung n0 = f/p beeinflußt wird. Da durch eine Frequenzänderung die Höhe der induktiven Widerstände ebenfalls verändert wird, muß neben der Frequenz auch die Spannung in gleicher Richtung variiert werden. Zur Drehzahlsteuerung von Asynchronmaschinen werden deshalb Frequenzumrichter eingesetzt, bei denen durch geeignete Maßnahmen die Frequenz und die Spannung parallel beeinflußt werden. Zum Einsatz gelangen zwei Arten von Frequenzumrichtern, der Spannungszwischenkreisumrichter und der Stromzwischenkreisumrichter. Beim Stromzwischenkreisumrichter (Bild I-31) wird die Netzspannung über eine gesteuerte Gleichrichterbrücke in eine Gleichspannung mit variabler Höhe umgewandelt. Auf der Motorseite wird die Gleichspannung in 120°-Rechteckblöcke (mit der entsprechenden Frequenz) auf die Wicklungsstränge des Motors gegeben. Eine Induktivität im Gleichstromkreis bestimmt die Höhe des Gleichstroms. Die Motorspannung stellt sich annähernd sinusförmig mit überlagerten Kommutierungsspitzen ein. Die Oberschwingungen des Stroms weisen ihre höchsten Amplituden bei den niedrigen Ordnungszahlen auf. Bei Teilbelastung gehen die Oberschwingungen anteilig zurück, da sie stromabhängig sind. Um die Oberschwingungen klein zu halten, sollte ein zwölfpulsiger Umrichter eingesetzt werden. Stromzwischenkreisumrichter werden bei mittleren und größeren Leistungen eingesetzt, da sie Bremsenergie in das Netz zurückspeisen können. Im Gegensatz zum
Ausgang
I
I t
a) 6-pulsig
Lastwechsel ein Gegenmoment auftritt, das größer als das Kippmoment ist und damit zum Stillstand des Motors führt. Spannungsverminderung wird bei getakteten Motoren eingesetzt. Läuft der Motor im Leerlauf, kann der Leerlaufstrom durch eine Spannungsverminderung gesenkt werden. Dadurch treten weniger Verluste in der Primärwicklung und in den Zuleitungen auf.
t
b) 12-pulsig
Bild I-31 Stromzwischenkreisumrichter
I Elektrische Maschinen
827
U-Umrichter kann der I-Umrichter nicht mehrere Motore gleichzeitig versorgen. Der U-Umrichter nimmt Blindleistung aus dem Netz auf und gibt Oberwellen an das Netz ab.
Netz
Ausgang
U t
Bild I-32 Spannungszwischenkreisumrichter
Netz
Ausgang
I
I
t
a) 6 pulsig
t
b) 18 pulsig
Bild I-32 a Spannungszwischenkreisumrichter in PAM-(Chopper-)Schaltung Beim Spannungszwischenkreisumrichter (Bild I-32) wird über einen Gleichrichtersatz eine Gleichspannung konstanter Höhe aus dem Drehstromnetz erzeugt. Diese Gleichspannung wird mit elektronischen Schaltern (Transistoren, Thyristoren) in eine Wechselspannung mit veränderbarer Frequenz und Spannung umgeformt. Eine veränderbare Spannung wird erzeugt, indem die Pulsbreite der Ausgangsimpulse verändert wird (Pulsweitenmodulation, PWM). Bei dieser Steuerungsart werden Oberschwingungen niedriger Ordnungszahlen weitgehend unterdrückt (5, 7, 11). Die der Pulsfrequenz entsprechenden Oberschwingungen bleiben jedoch unabhängig von der Grundfrequenz in voller Amplitude wirksam. Im Strom bilden sich ebenfalls Oberschwingungen aus, die aus den vorhandenen Spannungsoberschwingungen und den induktiven Einflüssen (Wicklung) resultieren. Moderne Frequenzumrichter arbeiten mit Pulsfrequenzen im kHz-Bereich. Dadurch werden die Stromoberschwingungen stark verringert, da die Induktivitäten einen hohen Widerstand in diesem Frequenzbereich darstellen. Bei der PWM schalten
moderne MOS-FET’s oder IGBT’s Spannungsimpulse von 500 V in 200 ns (Änderungsgeschwindigkeit von 2500 V/ms) auf die Ausgänge des Frequenzumrichters. Wenn diese Potentialsprünge ungefiltert an die Ausgangsklemmen gegeben werden, wirken sie sich direkt auf die Motorzuleitung aus. Mit den Leitungsinduktivitäten und -kapazitäten entstehen Schwingkreise, die von den Rechteckimpulsen des Frequenzumrichters immer wieder angeregt werden und sich unkontrolliert aufschaukeln können. Ebensolche Vorgänge können mit den Streuinduktivitäten und Wicklungskapazitäten des Motors auftreten. Die Folge dieser Schwingungen sind Störstrahlungen, die durch eine abgeschirmte Leitung gemildert werden können. Hierdurch entstehen aber weitere Kapazitäten, die wiederum Schwingkreise aufbauen. Durch die hohe Spannungsänderungsgeschwindigkeit können ferner Spannungsspitzen entstehen, die die Isolation des Motors beanspruchen und zerstören können. Durch kapazitive Ableitungen werden Meßanordnungen beeinflußt. Filter am Ausgang des Frequenzumrichters können diese Vorgänge vermeiden oder mindern. Sie dürfen die Frequenzen unter 100 Hz jedoch nicht beeinflussen! Je höher die Schaltfrequenz, desto besser der Einfluß der Filter. Je kleiner die Schaltfrequenz, desto teurer die Filter. Optimale Schaltfrequenzen liegen bei 20 kHz. Für Frequenzumrichter ohne Filter kann ein 10 m langes Motorkabel schon als lange Leitung betrachtet werden. Die Spannung am Anfang der Leitung ist dann nicht mehr gleich der Spannung am Ende (in der 50 Hz-Technik liegt die Grenze bei 50 km). R Δx
X Δx
GΔx
CΔx
Bild I-33 Ersatzschaltbild Leitungsstück Für einen Leitungsabschnitt gilt folgendes Ersatzschaltbild (Bild I-33). Für hohe Frequenzen kann R → 0 und G → ∞ gesetzt werden. Beispiel: Mit der Ausbreitungsgeschwindigkeit v und dem Wel-
lenwiderstand Z ergeben sich für ein Kabel NYY-I 4 × 2,5 mm2 mit R = 14 Ω/km, L = 0,7 H/km und C = 100 nF/km folgende Werte: Ausbreitungsgeschwindigkeit
v=
1 L⋅C
L C v Vs As m A V s
(I.109)
L C Z Vs As Ω A V
(I.110)
Wellenwiderstand Z=
L C
⇒ Z = 84 W und v = 120 m/ms
828
Energietechnik
Ist die Leitung nicht mit dem Wellenwiderstand abgeschlossen, liegt eine Fehlanpassung vor, d.h., Teile des Signals werden am Leitungsende reflektiert. Für einen Umrichter mit Ri << Z und einem Motor mit Ri >> Z ist die Verbindungsleitung beidseitig nicht angepaßt. Der Reflexionsfaktor berechnet sich zu: R −Z ≅ −1 (I.111) Umrichterreflexionsgrad r = i Ri + Z Motorreflexionsgrad r =
Ri − Z ≅1 Ri + Z
(I.112)
Am Motor wird die Spannung erhöht (Faktor 2), am Umrichter wird sie umgedreht. Ein Spannungssprung wird nach einer Laufzeit t1 = l/v am Kabelende reflektiert. (I.113) U 2t 1 = U 2 + U 2 = 2 ⋅ U 2 Am Kabelanfang wird die Welle erneut reflektiert und in der Polarität umgekehrt. Für hohe Frequenzen wird die Motorinduktivität groß und die Motorkapazität klein. Daher wird die Spannungsflanke verkleinert und auf eine Sinuswelle mit einer Wellenlänge der 4 fachen Kabellänge heruntergedämpft. Diese Sinusschwingung nimmt exponential ab. Frequenz der Sinusschwingung f =
v v 1 = = λ 4l 4l ⋅ L ⋅ C
(I.114)
Für eine Länge von 100 m folgt eine Frequenz von f = 300 kHz. Durch den Frequenzumrichter wird neben der 50 Hz-Sinusschwingung eine Sinusschwingung von 300 kHz auf das Kabel gegeben. Diese hochfrequente Schwingung führt zu Störstrahlungen auf benachbarte Betriebsmittel. Soll die Ausbildung einer hochfrequenten Sinusschwingung vernachlässigbar klein bleiben, muß die Anstiegszeit der Spannung über dem 10 fachen der Signallaufzeit liegen, also unter 10 m Kabellänge (ohne Filter). Nach VDE 0530 T 1 Beiblatt 2 treten keine Motorschäden auf, wenn U < 1000 V und du/dt < 500 V/ms ist. Schnelle Halbleiterschalter reduzieren zwar die Schaltverluste im Umrichter, erhöhen aber die Verluste im Motor. Deshalb muß auch die Wärmeklasse der Motoren berücksichtigt werden. Y = 90°; A = 105°; E = 120°; B = 130°; F = 155°; H = 180° (Grenztemperatur). Durch hohe oder sich schnell ändernde Spannung wird die Isolation einer schnelleren Alterung unterzogen! Beim Einsatz von Frequenzumrichtern zur Steuerung eines DAsM müssen einige Fakten beachtet werden: Mit der Drehzahl ändert sich auch die Kühlwirkung des auf der Motorwelle mitlaufenden Lüfters. Bei kleinen Drehzahlen tritt dadurch eine schlechtere Kühlung des Motors ein, die nur zum Teil durch Abnahme der Eisenverluste ausgeglichen wird. Bei Drehzahlerhöhung über die Nenndrehzahl nehmen die Eisenverluste stärker zu als die Kühlwirkung des Lüfters.
Die Umrichterausgangsspannungen und -ströme sind mit Oberwellen behaftet, die im Motor Zusatzverluste verursachen. Die Motorgeräusche können durch die Oberwellen höher werden. Der Maximaldrehzahl sind durch mechanische Vorgaben Grenzen gesetzt (Kugellager, kritische Drehzahl). Die Vorteile gegenüber dem Gleichstrommotor sind: Verschleißfrei, hohe Schutzart, höhere Überlastbarkeit, schneller unsteuerbar. Baugrößen zur Zeit bei U-Umrichter bis 900 kVA, bei I-Umrichtern bis 3,4 MVA. 2.1.3.6 Polumschaltung Die Umschaltung von Spulen im Ständer erfordert getrennte Wicklungen, woraus sich eine geringere Ausnutzung des Wicklungsmaterials ergibt. Die Aufteilung der Wicklung in verschiedene Bereiche (Dahlander) ermöglicht ebenfalls die Veränderung der Drehzahl. Die Drehzahländerungsmöglichkeiten sind bei diesen Maschinen abhängig von der Polpaarzahl und können nur unter 3000 min–1 liegen. Da die Läuferpolpaarzahl entsprechend der des Ständers ausgeführt werden muß, eignen sich hauptsächlich Käfigläufermotore für die Polumschaltung. Eine Besonderheit der Dahlanderschaltung ist die Ausführung der Wicklungen als Polamplitudenmodulationswicklung (PAM-Wicklung). Diese Wicklungsform läßt eine höhere Ausnutzung des eingesetzten Materials zu. 2.1.4 Der Schleifringläufer Beim Schleifringläufer sind die Läuferspulen gewickelt und über Schleifringe herausgeführt. Es ist somit möglich, die Läuferwicklung zu beschalten oder eine Fremdspannung an diese Wicklung anzuschließen. Ein großer Nachteil des Schleifringläufers im Verhältnis zum Käfigläufer ist der erheblich höhere Wartungsaufwand. 2.1.4.1 Anlaßverfahren Die für den Käfigläufer eingesetzten Anlaßverfahren können überwiegend auch für den Schleifringläufer eingesetzt werden. Durch die Möglichkeit der Beschaltung der Läuferspulen bietet sich beim Schleifringläufer als Anlaßverfahren die Beschaltung mit Vorwiderständen an. Für das Motormoment gilt: Motormoment
M ≈ Pd = 3 ⋅ I 2′ ⋅
R2′ s
(I.115)
Ein gleiches Moment erhält man, wenn bei einer Veränderung von R′2 der Schlupf s gleichermaßen geändert wird. Hieraus ergibt sich: R2′ ( R2′ + Rv′ ) = s s*
s* ⎞ Rv = R2 ⎛⎜ − 1⎟ ⎝ s ⎠
(I.116) für
s* > s
(I.117)
I Elektrische Maschinen
829
Durch einen zusätzlichen Läuferwiderstand kann der Anlaufstrom begrenzt und gleichzeitig das Anlaufmoment erhöht werden. Durch eine stufenweise Verringerung der Größe des Vorwiderstandes kann der Motor nun angelassen werden.
3 M 3
M 3
U= U=a
Bild I-34 Widerstandsanlassen von Schleifringläufermotoren
⎛ 1 ⎞ Rv = R2 ⋅ ⎜ − 1⎟ ⎝ sK ⎠
Bild I-35 Untersynchrone Kaskade bei Schleifringläufermotoren
Verändert sich der Schlupf, so verändert sich auch die gleichgerichtete Läuferspannung.
Der Anlassvorgang erfolgt durch Widerstandskaskaden, die über Schütze abgeschaltet werden, oder durch einen Thyristorschalter (Bild I-34), der den Widerstand stufenlos zu- oder abschalten kann. Bei dieser Anlaufvariante werden zusätzliche Verluste im Vorwiderstand PRv = 3 ⋅ I22 ⋅ Rv erzeugt, die abgeführt werden müssen. Das maximale Anlaufmoment wird erreicht, wenn der Vorwiderstand folgenden Wert hat: Läufervorwiderstand
I
(I.118)
Hierbei läuft der Motor mit Kippmoment an. Nachteile dieser Anlaufvariante sind, daß im Vorwiderstand eine erhebliche Verlustleistung erzeugt wird und die Schaltung recht aufwendig ist. 2.1.4.2 Bremsverfahren Zusätzlich zu den bekannten Bremsverfahren des Käfigläufermotors kann beim Schleifringläufer die Kennlinie beim Gleichstrombremsen durch Vorschaltwiderstände so verändert werden, daß der Motor mit Kippmoment abgebremst wird.
U =s = s ⋅ U =
(I.120)
Diese Gleichspannung muß betragsgleich mit der am Wechselrichter erzeugten Spannung sein. (I.121) Wechselrichterspannung U = s = − U = a Die am Wechselrichter erzeugte Spannung muß nun wiederum mit der Netzspannung gleich sein. U = a = U = T ⋅ cos a
(I.122)
a Zündwinkel des Wechselrichters
⎡ p Netzspannung U = T = U T ⋅ ⎢ ⎢⎣ 3 ⋅ 2
(
)
⎤ ⎥ ⎥⎦
(I.123)
Da die Läuferspannung am Gleichrichter nicht umgekehrt werden kann, ist mit dieser Schaltung nur untersynchroner Betrieb möglich (0 ≤ s ≤ 0,5). Hieraus ergibt sich, daß der Motor mit dieser Beschaltung nicht ohne Hilfsmittel anlaufen kann. Der Motor muß bis zur halben Drehzahl mit einem Anlaßwiderstand hochgefahren werden. Aus der Bedingung für die Spannungen im Gleichstromkreis ergibt sich für den Zündwinkel a ein Wert zwischen 90° ≤ a ≤ 150°. M
2.1.4.3 Drehzahlsteuerung Eine zusätzliche Möglichkeit, die Drehzahl und das Moment des Schleifringläufers zu ändern, bietet die Änderung der Läuferspannung (Untersynchrone Kaskade, USK). Hierbei werden die herausgeführten Läuferspulen an einen Gleichrichter, der eine Gleichspannung erzeugt, angeschlossen (Bild I-35). Diese Gleichspannung ist über einen nachgeschalteten Wechselrichter und Transformator mit dem Netz verbunden. Die erzeugte Gleichspannung verhält sich zur Läuferspannung folgendermaßen: Gleichspannung des Läuferkreises ⎛ U= = ⎜ ⎝
2 ⋅3⎞ ⎟ ⋅U L p ⎠
(I.119)
a = 150 n o*
a=0 no n
Bild I-36 Drehzahl-Drehmomenten Kennlinie für verschiedene Ansteuerwinkel der Untersynchrone Kaskade bei Schleifringläufermotoren
830
Energietechnik
Durch diese Steuerung wird die Drehzahl-Drehmomentenkennlinie in ihrer Form erhalten (Bild I-36); es stellt sich abhängig vom Ansteuerwinkel eine neue Leerlaufdrehzahl n*0 ein. ⎡ ⎛U ⎞⎤ n *0 = n 0 ⋅ ⎢1 + ⎜ = T ⋅ cos a ⎟ ⎥ ⎠⎦ ⎣ ⎝ U=
(I.124)
Ein Teil der in dem Läufer übertragenen Wirkleistung kann wieder an das Netz abgegeben werden. Da diese Art der Drehzahlsteuerung sehr aufwendig ist, wird sie nur bei größeren Maschinen (20 kW . . . 20 MW) eingesetzt.
2.2 Linearmotor In der Antriebstechnik wird normalerweise eine geradlinige Bewegung aus einer drehenden Bewegung eines Motors abgeleitet. Der Linearmotor formt die elektrische Energie direkt in eine geradlinige Bewegung um, ein Getriebe kann entfallen. 2.2.1 Aufbau des Linearmotors Beim Linearmotor wird der Ständer als flaches, doppeltes oder einseitiges Blechpaket gebaut. Zwischen, oberhalb oder unterhalb des Ständerblechpaketes liegt der gestreckte Läufer (Läuferschiene), die Reaktionsschiene.
Die Polzahl hat im Gegensatz zum Asynchronmotor keinen Einfluß auf die Synchrongeschwindigkeit. Das Wanderfeld induziert in den Läufer (Reaktionsschiene) eine Spannung, die einen Strom fließen läßt. Strom und Wanderfeld bilden eine magnetische Kraft, die zu einer geradlinigen Bewegung führt. Wie beim Asynchronmotor tritt beim asynchronen Linearmotor ein Schlupf s zwischen Wanderfeld und Bewegungsgeschwindigkeit v auf. Bewegungsgeschwindigkeit v = (1 − s ) ⋅ 2 ⋅ t p ⋅ f
(I.124 b)
Vorteile eines Linearmotors: Kein Getriebe erforderlich, daher weniger Verluste; Kühlung sehr gut, da der Läufer nur kurz erwärmt wird; Läufer nicht mehr am Gerät; Bremsen wie beim Asynchronmotor. Nachteile: Luftspalt ist größer als beim Asynchronmotor, dadurch größere Magnetisierungsströme, größere Verluste; Läufer muß den gesamten Weg abdecken, dadurch hohe Kosten; die Speisefrequenz muß variabel sein (Anlauf, Abbremsen). Eine Realisation hat der Linearmotor beim Transrapid gefunden. Hier wird jedoch der Ständer mit dem Läufer vertauscht. In die Schiene sind die Drehstromspulen eingebaut, und im Fahrzeug befindet sich die Läuferschiene. Dieser Aufbau hat den Vorteil, daß dem Fahrzeug die Antriebsenergie nicht über Schleifringe zugeführt werden muß.
a) Kurzständer, Reaktionsschiene auf dem ganzen Weg v b) Kurzläufer, Ständer auf dem ganzen Weg v
Bild I-37 Linearmotor als a) Kurzständer b) Kurzläufermotor Durch die gestreckte Anordnung (Bild I-37) wird das Drehfeld in ein Wanderfeld (Schubfeld) umgeformt. Neben dem asynchronen Linearmotor kann auch ein Synchron- oder Gleichstromlinearmotor aufgebaut werden. Beide haben in der technischen Anwendung jedoch keine Bedeutung. Beim asynchronen Linearmotor wird im Ständer das Wanderfeld aufgebaut, indem die Spulen durch ein Drehstromnetz gespeist werden. Das Wanderfeld hat eine Synchrongeschwindigkeit vS. Es wandert während einer Periode um die Strecke eines Polpaares 2 ⋅ tp (doppelte Polteilung). Synchrongeschwindigkeit vS t p f vS = 2 ⋅t p ⋅ f (I.124 a) m 1 m s s tp Polteilung; f Netzfrequenz
2.3 Drehstromsynchronmaschinen Im Unterschied zur Asynchronmaschine (DAsM) wird bei der Synchronmaschine (DSM) das Polrad (Läufer) mit Gleichstrom erregt. Der Ständer besitzt wie bei der DAsM eine Drehstromwicklung. Da der Strom im Polrad nicht über den Luftspalt induziert, sondern von einer Gleichspannung erzeugt wird, ist die Läuferfrequenz f2 = 0. Die Frequenz des Ständers wird aus der Drehzahl und den Polpaarzahlen bestimmt, wenn es sich um einen Generator handelt, sonst bestimmen die Frequenz und die Polpaare die Drehzahl. Ein weiterer Vorteil der DSM ist, daß der zur Erregung des Läufers benötigte Strom nicht aus dem Netz als Blindleistung bezogen werden muß, sondern aus einem Gleichstromnetz stammt. Deshalb kann der Luftspalt der DSM etwas vergrößert werden. Die Größe des Luftspalts der DSM liegt zwischen 0,5 cm und 11,5 cm; im Vergleich dazu bei DASM < 0,3 cm. Beim Einsatz der DSM als Generator wird die Polpaarzahl von der Antriebsmaschine bestimmt. Als Antriebsmaschinen dienen Dieselmaschinen mit n = 1000 . . . 1800 min–1, Wasserturbinen mit n = 100 . . . 400 min–1 und Dampf- oder Gasturbinen mit n = 3000 min–1. Die Erregung der DSM kann über eine direkt auf der Welle angebrachte Erregermaschine, meist eine Außenpolmaschine, oder über Umrichter direkt aus dem Netz erfolgen. Die DSM kann als Außen- oder Innenpolmaschine gebaut werden. Bei der Außenpolmaschine liegen die Erre-
I Elektrische Maschinen
831
gerwicklungen im Ständer, und der Läufer nimmt die Drehstromwicklung auf. Bei der Innenpolmaschine nimmt der Ständer die Drehstromwicklung und der Läufer die Erregerwicklung auf. Ferner wird die DSM als Schenkelpol (geringe Drehzahl) oder als Turboläufer (hohe Drehzahl) gebaut.
Die Polradspannung Up berechnet sich zu: Polradspannung
UR Ie
d N
Bild I-38 Leerlaufkennlinie U – f (I) der Synchronmaschine Da die Erregung der DSM aus einem Gleichstromnetz entnommen wird, hängt die Leerlaufspannung nur vom fließenden Erregerstrom ab. Die Abhängigkeit ist im Bild I-38 dargestellt.
S N
2.3.1 Wirkungsweise der Synchronmaschine Bei der DSM besteht der Ersatzstromkreis aus dem im Ständer enthaltenen Widerstand, der Streuinduktivität des Ständers und der Spannung Ui (Bild I-39). Xh
Xs
(I.125)
Durch entsprechende Ausführung des Polrades erzielt man einen sinusförmigen Verlauf der Polradspannung. Beim DS-Motor hängt die Drehzahl wie bei der DAsM von der Polpaarzahl des Polrades ab (n = f/p). Beim DS-Generator hängt die erzeugte Frequenz von der Polpaarzahl und der Drehzahl des Polrades ab (f = n ⋅ p). Wird die DSM an ein Drehstromnetz angeschlossen, fließt im Ständer ein Drehstrom, der zusammen mit dem induzierten Strom vom Polrad ein resultierendes Drehfeld erzeugt. Dieses Drehfeld rotiert mit synchroner Drehzahl parallel zum Polrad,
Ui
I1
N v l B Up Vs m m 2 V − s m
U p = B⋅l ⋅v ⋅ N
n S
a)
N
R1
S
U1
Up
Ui n
N
Bild I-39 Ersatzschaltbild der Drehstromsynchronmaschine
S
b)
Die Spannung Ui setzt sich aus dem stromabhängigen Spannungsfall an der Hauptinduktivität und der durch das Polrad induzierten Spannung Up zusammen. Vernachlässigt man die Abhängigkeit der Hauptinduktivität von der Sättigung und setzt den Widerstand zu Null, so vereinfacht sich der Ersatzstromkreis der DSM wie im Bild I-40 dargestellt. I1
Xd
d N S n
R1
N
c)
U1
S
Up
Bild I-40 Vereinfachtes Ersatzschaltbild der Drehstromsynchronmaschine
Bild I-41 Stellung des Polrades der Synchronmaschine bei a) Generatorbetrieb b) Leerlauf c) Motorbetrieb
832
Energietechnik
wenn die DSM nicht belastet wird. Im motorischen Zustand verschiebt sich das Polrad um einen nacheilenden Winkel d, dem Polradwinkel, entsprechend der Last. Hierdurch wird das Polrad vom resultierenden Magnetfeld wie durch ein Gummiband bei synchroner Drehzahl hinterhergezogen. Im generatorischen Zustand verschiebt sich das Polrad um einen voreilenden Winkel und zieht somit das resultierende Drehfeld hinter sich her (Bild I-41). Wird die DSM als Generator eingesetzt, muß die an den Klemmen abgegebene Spannung immer einen konstanten Wert haben. Der Erregerstrom muß ständig der Belastung nachgeführt werden. Das kann eine erhebliche Erhöhung des Erregerstroms gegenüber dem Leerlauf zur Folge haben. Der Erregerstrom kann jedoch nicht immer schnell genug nachgeführt werden. Deshalb können bei plötzlichen Laständerungen Spannungsschwankungen auftreten. Ud Ud
U1
Ud
Up
U1
U1 Up
Up d
oder in Gegenphase mit der Netzspannung U1 ist. Neben der Wirkleistung wird auch Blindleistung abgegeben oder verbraucht. Dieses ist jedoch nicht beliebig regulierbar. Regeln für die Synchronmaschine: Blindleistung kann nur über die Erregung gesteuert werden. Wirkleistung kann nur durch Änderung der mechanisch zu- oder abgeführten Leistung an der Welle eingestellt werden. Diese beiden Kriterien können nicht nur einzeln, sondern auch zusammen zum Steuern der Maschine eingesetzt werden. Hieraus ergeben sich folgende Betriebszustände der Maschine: In Netzen sind meist induktive Verbraucher vorhanden, somit kann über die DSM ein Ausgleich der Blindleistung erzeugt werden, indem man die Maschine im übererregten Zustand betreibt. Wird im über- oder untererregten Zustand keine Wirkleistung abgenommen, betreibt man den sogenannten Phasenschieberbetrieb (cos j = 0). Synchronmaschinen sind generell im Stern geschaltet, da die dritte Oberwelle bei dieser Schaltung nicht auftritt. Bei Dreieckschaltung würde die dritte Oberwelle einen Kreisstrom in den Wicklungen erzeugen, der erhebliche Verluste zur Folge hätte.
d
2.3.2 Spannungsgleichung der Synchronmaschine
I I
a)
b)
I
c)
Bild I-42 Belastung eines verlustlosen Synchrongenerators a) im Leerlauf untererregt b) bei Belastung kapazitiv c) bei rein ohmscher Belastung Bei steigender Belastung wird die Klemmenspannung sinken, bei sinkender Belastung wird die Klemmenspannung ansteigen. Im Bild I-42 sind verschiedene Betriebszustände einer DSM dargestellt. Aus Bild I-42 erkennt man, daß die Spannung U1 mit der Spannung Up in Phase liegt, wenn ein reiner Blindstrom fließt. Wird ein Wirkstrom gefordert, verschieben sich die Spannungen zueinander; im motorischen Bereich wandert die Spannung Up in Richtung der negativen, imaginären Achse (der Winkel d wird negativ); im generatorischen Bereich wandert die Spannung Up in Richtung der positiven, imaginären Achse (der Winkel d wird positiv). Da die Spannung Up über den Erregerstrom eingestellt wird, kann durch Veränderung des Stromes IE die Spannung Up variiert werden. Durch Übererregen (Up > U1) wird der Strom I1 so gelegt, daß sich die Maschine wie eine Kapazität verhält. Durch Untererregen (Up < U1) verhält sich die Maschine wie eine Induktivität. Man erkennt, daß der Strom I1 annähernd in Phase
Nach vollständigem Ersatzschaltbild lautet die Spannungsgleichung für den Ständer: Ständerspannung U 1 = I 1 ⋅ ( R1 + jX S 1 ) + [ ( I 1 + I e ) ⋅ jX H ]
(I.126)
Polradspannung U P = I e ⋅ jX H
(I.127)
U 1 = I 1 ⋅ ( R1 + j [ X S 1 + X H ] ) + U p
(I.128)
Die Spannung Up wird als Polradspannung bezeichnet. Sie ist diejenige Spannung, die vom Erregerfeld in die Drehstromspulen induziert wird. Faßt man die Induktivitäten der Gleichung (I.129) zusammen und vernachlässigt den Widerstand R1, ergibt sich die vereinfachte Spannungsgleichung der DSM U 1 = I 1 ⋅ jX d + U p
(I.129)
2.3.3 Anlauf und Synchronisation Im Leerlaufbetrieb ist der Ständerstrom I1 = 0, die Klemmenspannung gleich der Polradspannung U1 = Up. Bei offenen Klemmen ist die Klemmenspannung abhängig von der Erregung. Wird die Synchronmaschine an ein Netz konstanter Spannung angeschlossen und die Polradspannung gleich der Klemmspannung eingestellt, so ist der Ständerstrom gleich Null. Eine Erhöhung der Polradspannung hat zur Folge, daß das Spannungsgleichgewicht nicht
I Elektrische Maschinen
833
mehr vorhanden ist. Es muß ein Ständerstrom fließen, der an dem induktiven Widerstand der Maschine einen Spannungsfall UXd erzeugt. Dieser Spannungsfall stellt das Spannungsgleichgewicht in Phasenlage und Größe wieder her. Uxd
U1
U1 Up
Up
I
a)
Uxd
Up
U1
I
b)
c)
Bild I-43 Synchronmaschine im Phasenschieberbetrieb a) untererregt, induktiv b) Leerlauf c) übererregt kapazitiv Man nennt diesen Betriebszustand Phasenschieberbetrieb, da die Maschine bei Up > U1 einen kapazitiven Strom aus dem Netz aufnimmt (kompensiert) und für UP < U1 einen induktiven Strom aufnimmt (Bild I43). Die DSM wird als Phasenschieber in Verbrauchernähe eingesetzt, um das Übertragungssystem von der Bereitstellung von Blindleistung zu entlasten. Setzt man die DSM als Motor ein, erfolgt kein Anlauf ohne Hilfseinrichtungen, da das Ständerfeld den Läufer so schnell überstreicht, daß kein resultierendes Moment gebildet werden kann. Bei größeren Maschinen erfolgt der Anlauf mit Anwurfmotoren. Hat der Anwurfmotor die DSM soweit beschleunigt, daß die synchrone Drehzahl erreicht ist, kann die Maschine unter folgenden Bedingungen an das Netz geschaltet werden: gleiche Spannungen; gleiche Phasenlage; gleiche Phasenfolge; gleiche Frequenz. Eine weitere Hilfseinrichtung ist eine zusätzliche Käfigwicklung im Läufer. Wird die Netzspannung angelegt, läuft die Maschine asynchron hoch und geht nach Erreichen der Leerlaufdrehzahl in den Synchronismus über. Bei diesem Anlaufverfahren ist zu beachten, daß die Erregerwicklungen über einen Widerstand kurzgeschlossen werden müssen, da sonst eine unzulässig hohe Spannung in den Spulen durch das Drehfeld induziert wird. Nach Erreichen der synchronen Drehzahl verhält sich der unbelastete Motor wie ein Phasenschieber. Wird der Motor belastet, muß über den Luftspalt eine Wirkleistung übertragen werden; das Netz muß Wirkleistung liefern. Die Belastung bremst die Welle ab, es entsteht zwischen Läuferfeld und Ständerfeld ein Winkel. Dieser Winkel erzeugt eine Kraft zwischen den beiden Feldern; mit dem Läuferradius wird ein Moment auf die Welle M = F ⋅ r übertragen. Ein Moment bedeutet, daß Wirkleistung übertragen wird. Da die
Synchronmaschine „keine“ Wirkleistungsverbraucher besitzt, wird die gesamte aus dem Netz aufgenommene Wirkleistung an die Welle weitergegeben.
3 Einphasen-Asynchronmotoren Einphasen-Asynchronmotoren (Wechselstrommotoren) werden wegen des einfachen Einphasenanschlusses dort eingesetzt, wo preiswerte und robuste Motoren benötigt werden. Der Einphasenmotor hat einen ähnlichen Aufbau wie ein Drehstrommotor. Der Läufer ist immer als Kurzschlußläufer ausgebildet. Man unterscheidet den einsträngigen Motor und den zweisträngigen Motor.
3.1 Einsträngiger Motor Beim einsträngigen Motor besteht die Ständerwicklung im einfachsten Fall nur aus einem Wicklungsstrang, der Arbeitswicklung. Diese Wicklung ist auf die Klemmen U1 und U2 herausgeführt. Sie erzeugt beim Anlegen einer Wechselspannung ein Wechselfeld; der Motor kann nicht anlaufen. Soll der Motor zum Drehen gebracht werden, muß er in eine beliebige Richtung angeworfen werden (Anwurfmotor). Nach diesem Anwurfvorgang bleibt der Motor im Betrieb. Der einsträngige Motor hat sehr schlechte Betriebswerte. Seine abgegebene Leistung beträgt nur etwa 50% bis 60% der eines gleich großen Drehstrommotors, das Kippmoment liegt bei 40% eines Drehstrommotors und der Leistungsfaktor ist sehr gering. Aus diesen Gründen wird diese Motorform nur sehr selten eingesetzt.
3.2 Zweisträngiger Motor Beim zweisträngigen Motor wird zusätzlich zur Arbeitswicklung eine um 90° elektrisch versetzte Hilfswicklung angeordnet. Durch diese Hilfswicklung (Klemme Z1 und Z2) sollte ein Strom fließen, der zum Strom durch die Arbeitswicklung eine Phasenverschiebung von 90° hat. Dadurch erreicht man, daß beim Anlegen der Spannungen im Motor ein magnetisches Feld entsteht, das sich ähnlich dem Drehfeld um den Ständer bewegt. Durch die Hilfswicklung kann der Motor selbständig anlaufen; die Betriebseigenschaften verbessern sich. Am häufigsten wird der zweisträngige Motor als Kondensatormotor oder als Spaltpolmotor ausgeführt.
3.3 Kondensatormotor Wird ein Kondensator vor die Hilfswicklung geschaltet, ist der Strom in der Hilfswicklung voreilend zum Strom in der Arbeitwicklung. Soll bei dieser Anordnung ein Kreisdrehfeld erzeugt werden, müßte die Spannung der Hilfswicklung UH gegenüber der Spannung der Arbeitswicklung UA um genau 90° voreilend sein. Die Ströme müßten zu ihren Spannungen die gleiche Phasenlage haben, und die Durchflutung der Wicklungen müßte gleich sein. Diese Bedingungen
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Energietechnik
lassen sich nicht im gesamten Betriebsbereich des Motors verwirklichen, da durch den Schlupf sowohl die Widerstände und Ströme als auch der Phasenwinkel in den beiden Zweigen verändert werden. Man wählt deshalb den Nennbetriebspunkt für die Symmetriebedingung. Als Richtwert für die in den Hilfsstrang einzuschaltende Betriebskapazität CB gilt: CB ≈ 25 mF bis 35 mF je kW Motorleistung an 230 V. Z1
M CB
XH
mit C
XA
IH U2, Z2 I A U 1 N
U1
ohne C
Der Anlaufkondensator sollte die dreifache Kapazität des Betriebskondensators haben. Im Bild I-45 ist die Schaltung eines Kondensatormotors mit Anlauf- und Betriebskondensator dargestellt.
3.4 Spaltpolmotor Der Spaltpolmotor ist dem Prinzip nach ein Einphasenmotor. Der Läufer hat – wie ein normaler Asynchronmotor – einen Kurzschlußkäfig. Der Ständer ist durch ausgeprägte Pole mit konzentrischen Wicklungen und durch einen Kupfer- oder Aluminiumring, der teilweise vom Hauptfluß durchsetzt wird, gekennzeichnet (Bild I-46). FH
FK
L
n
L
Bild I-44 Schaltbild und Drehzahl-, Drehmomentverlauf eines Kondensatormotors mit Betriebskondensator
Kurzschlußring FK
Im Bild I-44 ist die Schaltung eines Kondensatormotors mit Betriebskondensator dargestellt. Bei der Auswahl der Kondensatoren sind die Vorschriften nach DIN 48501 und VDE 0560 zu beachten, da die Spannung am Kondensator stets größer ist als die Speisespannung des Netzes. In der Praxis kommen Kondensatorspannungen von bis zu 550 V vor, obwohl die Netzspannung nur 230 V beträgt. Kondensatormotore laufen selbständig an und weisen verbesserte Betriebseigenschaften gegenüber dem Anwurfmotor auf. Allerdings ist im Vergleich zum Drehstrommotor das Anlauf- oder Kippmoment noch sehr gering. Eine Erhöhung des Anlaufmomentes kann durch eine Reihenschaltung eines weiteren Kondensators (Anlaufkondensator) zum Betriebskondensator erreicht werden. Dieser Kondensator verschiebt den Symmetriepunkt zum Anlaufpunkt. Der Nachteil dieser Beschaltung ist jedoch, daß durch die hohe Kapazität in Verbindung mit der Spule der Blindwiderstand herabgesetzt wird und damit ein höherer Strom erzeugt wird, der den Motor zu stark erwärmt. Aus diesem Grund wird der Anlaufkondensator über eine geeig nete Einrichtung beim Erreichen einer vorgegebenen Drehzahl abgeschaltet. Z1
M CA
XH
CB XA IH U2, Z2 I A U1 N
mit CA und C B U1
ohne C
L n
Bild I-45 Schaltbild und Drehzahl-, Drehmomentverlauf eines Kondensatormotors mit Betriebs- und Anlaufkondensator
N
FH
Bild I-46 Prinzipdarstellung des Spaltpolmotors mit Kurschlußring Dieser Ring dient als Hilfsphase. In ihn wird ein Strom induziert, der ein Magnetfeld aufbaut, das dem Hauptfeld entgegengesetzt ist. Durch die Phasenverschiebung zwischen Hauptfluß und Ringfluß entsteht ein sich um den Ständer bewegendes Feld. Dieses Feld ermöglicht ein selbständiges Anlaufen des Spaltpolmotors. Eingesetzt wird der Spaltpolmotor wegen seines geringen Anzugsmomentes für Kleinantriebe.
4 Drehstrommotor im Einphasenbetrieb Der einphasige Betrieb eines Drehstrommotors kann durch eine Störung, aber auch gewollt, herbeigeführt werden. Ohne zusätzliche Beschaltung verhält sich ein Drehstrommotor im Einphasenbetrieb wie ein Einphasen-Asynchronmotor. Er läuft nicht selbständig an, das Motormoment wird kleiner, die aufgenommene Leistung wird bei gleicher Belastung höher als im dreiphasigen Betrieb. Somit steigen die Verluste im Motor, und er erwärmt sich. Soll ein Drehstrommotor am Einphasennetz betrieben werden, muß, wie beim Einphasen-Asynchronmotor, eine Beschaltung mit einem Kondensator erfolgen. Diese Schaltung wird Steinmetzschaltung genannt. Bei der Steinmetzschaltung wird ein Kondensator entsprechend Bild I-47 parallel zu einer Drehstromwicklung geschaltet. Dadurch erzielt man einen selbständigen Anlauf des Motors mit ungefähr 25% bis 35% des Nennanlaufmomentes. Bei folgender Auslegung der Kapazität kann der Motor mit etwa 75% bis 80% seiner Nennleistung betrieben werden.
I Elektrische Maschinen
835
V
S
A1 S
A2
N S
N
A1 N
S
A2
N
N
S
N
S
U B1
B2
B1
+
B2
–
I)
+ –
II)
W
U I
N
A1 N
U
A2
B1
CB (mF/kW)
UN (V)
220
127
70
230
25
380
Ein höheres Anlaufmoment erzielt man durch einen Anlaufkondensator, der die zweifache Kapazität des Betriebskondensators aufweist. Dieser Kondensator sollte nach erfolgtem Anlauf abgeschaltet werden.
5 Sonderbauformen Zu den Sonderbauformen von Drehstrommotoren gehören der Schrittmotor und der Servomotor.
5.1 Schrittmotor Der Schrittmotor entspricht in seinem Aufbau und seiner Wirkungsweise dem Synchronmotor. Mit dem Schrittmotor kann je nach Bauform ein elektrischer Impuls in eine Drehbewegung mit definiertem Winkel umgeformt werden. Der Schrittmotor ist aus einem Läufer, bestehend aus Permanentmagneten, und einem Ständer mit mehreren, voneinander unabhängigen Spulen, aufgebaut. Im Bild I-48 ist ein Schrittmotor in unipolarer Ausführung dargestellt. Werden die Spulen A1 und B1 erregt, nimmt der Läufer die Stellung „I“ ein. Wird anstelle der Spule A1 die Spule A2 erregt, dreht sich der Läufer in die Position „II“. Der Läufer hat seine Position um den Winkel a (Schrittwinkel) verändert. Wird anstelle von B1 die Spule B2 erregt, dreht sich der Läufer wiederum um den Winkel a in die Stellung „III“. Wird als nächster Schaltschritt die Spule A1 wieder erregt, dreht sich der Läufer in die Position „IV“. Der nächste Schritt, Erregung A1 und B1, bringt den Läufer wieder in die Ausgangsposition zurück. Der Schrittmotor hat nach vier Schritten seine
N
S
A1 S
N
A2
S
Bild I-47 Schaltung eines Asynchronmotors im Einphasenbetrieb (Steinmetzschaltung) Tabelle I-6 Kapazität in Abhängigkeit von der Nennspannung
S
B2
–
III)
N
S
N
B1
+
S
B2
+ –
IV)
Bild I-48 Schrittmotor Ausgangsposition erreicht. Dieses Beispiel zeigt, daß ein Schrittmotor mit zwei Phasen im Ständer und einem Polpaar im Läufer pro Schritt einen Winkel von 90° zurücklegen kann. Der Schrittwinkel a hängt also von der Polpaarzahl und der Phasenzahl des Motors ab. 360 ° Schrittwinkel a = (I.130) 2⋅m⋅ p p Polpaarzahl des Läufers; m Phasenzahl des Ständers
Neben dem Vollschrittbetrieb (bei einem Schrittmotor mit 90° Schrittwinkel sind vier Schritte für eine Umdrehung notwendig) kann der Halbschrittbetrieb eingesetzt werden. Beim Halbschrittbetrieb wird nach jedem zweiten Schritt eine Spule abgeschaltet. Das führt dazu, daß sich der Rotor in eine Zwischenlage (einen halben Schritt) bewegt. Im Halbschrittbetrieb können anstatt der vier Schritte acht Schritte ausgeführt werden. Eine weitere Verfeinerung stellt der Mini- oder Mikroschrittbetrieb dar. Hierbei wird der Strom in den einzelnen Phasen schrittweise vermindert oder erhöht. Dadurch kann ein Vollschritt in kleine Einzelschritte unterteilt werden. Die genaue Steuerung dieser Schritte benötigt eine umfangreiche Steuerlogik und ist deshalb sehr teuer. Machbar ist heute eine Auflösung eines Vollschritts in bis zu 250 Einzelschritte.
5.2 Servomotor Der Maschinenbau fordert in zunehmendem Maße Motoren, die kurzzeitig die Drehzahl verändern können. Hierzu eignen sich besonders die Servomotoren. Mit ihnen lassen sich Winkel, Wege und Lagen hochdynamisch und beschleunigungsoptimal einstellen. Der Servomotor kann als Scheibenläufer- oder Stabankermotor gefertigt werden. Mit Ausnahme des Drehstrom-Asynchronmotors sind Servomotoren fast ausschließlich mit Permanentmagneten bestückt.
836
Energietechnik
Das Impuls- oder Spitzendrehmoment MImp ist das maximal zulässige Drehmoment, bei dem weder mechanische noch elektrische Grenzwerte überschritten werden. Es kann bis zum zehnfachen Wert des Nennmomentes betragen. Der Kurzzeit- oder Impulsstrom IImp ist der Strom, der das Impulsdrehmoment erzeugt. Bei Drehstrommotoren ist die Strombegrenzung auf den Scheitelwert dieses Stroms einzustellen. Der Regelungsfaktor kN gibt an, wie sich die Motordrehzahl bei konstanter Klemmenspannung ändert, wenn an der Welle eine zusätzliche Belastung auftritt. Regelungsfaktor n M kN Dn kN = (I.131) 1 −1 min Nm DM min Nm Je kleiner der Regelungsfaktor kN ist, desto weniger Einfluß haben Momentenänderungen auf die Drehzahl. 5.2.1 Scheibenläufermotor Der Scheibenläufermotor ist nach Bild I-49 aufgebaut. Das Magnetsystem besteht aus axial angeordneten Dauermagneten, die Ankerscheibe aus Leiterbahnen, die auf die Scheibe aufgeklebt oder durch fotochemische Ätzverfahren aufgebracht werden.
Permanentmagnet L+ Kollektor
N IA BE S
L–
Bild I-50 Servo-Stabankermotor Durch geeignete Formgebung des Ankers und der Kommutatorstege kann der Stabankermotor bis zu Drehzahlen von 0,2 min–1 eingesetzt werden. Kleine Ankerdurchmesser ergeben kleine Massenträgheitsmomente und somit kleine mechanische Zeitkonstanten. Nachteil des Stabankermotors ist, daß das Spitzendrehmoment im Bereich hoher Drehzahlen zu reduzieren ist, da die Kommutierungsgrenze leicht erreicht wird (Strom muß gesenkt werden ⇒ Ui = DI/Dt). Ferner treten bei diesem Motortyp Bürsten- und Kommutatorverschleiß auf (wartungsintensiv). Eine Alternative zu dem Stabankermotor mit Kommutator ist der bürstenlose Gleichstrom-Servomotor (Bild I-51). Steuersignal Spulensystem Steuerltg.
Dauermagnet N
NS SN
S Steuerltg.
Be Kohlebürste
Lagegeber Dauermagnet
IA
L+
Läuferscheibe
a) Aufbau
b) Prinzipschaltung
Bild I-51 Bürstenloser Servomotor L–
N
S Be
Bild I-49 Servoscheibenläufermotor
Die Stromzuführung erfolgt über axial angeordnete Kohlebürsten. Im Gegensatz zum herkömmlichen Motor sind die Richtungen von Ankerstrom und Ständerfluß vertauscht, das Funktionsprinzip ist aber erhalten geblieben. Die magnetische Kraft entsteht durch Zusammenwirken des Ständerflusses und des Ankerstroms. Durch die relativ große Scheibenoberfläche kann die erzeugte Verlustwärme sehr gut abgeführt werden. Scheibenläufermotoren sind daher gut geeignet für Anwendungen, die kurze Baulängen, hohe Beschleunigungen, große Wellendurchmesser und geringe Induktivität fordern. 5.2.2 Stabankermotoren Stabankermotoren (Bild I-50) gleichen in ihrer Bauweise den herkömmlichen Gleichstrommotoren. Die Erregung wird wie bei den Scheibenläufermotoren durch Dauermagnete erzeugt.
Bei diesem Motortyp ist die Erregung in den Rotor und die Wicklungen in den Stator eingebaut. Die Drehbewegung wird durch eine elektronische Kommutierungseinrichtung erzeugt, die die Statorspulen entsprechend der vorgegebenen Drehzahl mit einem getakteten Gleichstrom versorgt. Ein reibungsloser Betrieb dieser Maschine ist nur mit einem Lagegeber möglich. Der Lagegeber meldet der Steuerelektronik die jeweilige Lage des Rotors. Vorteile des bürstenlosen Gleichstrom-Servomotors sind wegfallende Bürstengeräusche und kein Verschleiß oder Abbrand an den Bürsten, stufenlos steuerbares Moment und Drehzahl, schneller Reversierbetrieb und hohe Schutzart.
6 Gleichstrommaschinen Gleichstrommaschinen werden wegen ihrer günstigen Betriebseigenschaften für regelbare Antriebe eingesetzt. Nachteil der Gleichstromantriebe gegenüber den Drehstromantrieben ist, daß für die Rotorwicklung ein Stromwender vorhanden sein muß. Trotz der daraus resultierenden hohen Wartungskosten hat sich der Gleichstrommotor bei großen Leistungen gegenüber den umrichtergesteuerten Drehstrommotoren behauptet.
I Elektrische Maschinen
837
6.1 Aufbau und Wirkungsweise Der Aufbau einer Gleichstrommaschine ist im Bild I-52 dargestellt. Ein drehbar gelagerter Rotor (Anker) ist mit Spulen bewickelt, die die Spannung über einen Schleifkontakt (Kollektor, Bürsten) zugeführt bekommen.
(I.135) für die in den Ankerspulen induzierte Spannung verändert sich unter diesen Voraussetzungen:
k1 Maschinenkonstante der Gleichstrommaschine
Läuferblechpaket mit Ankerwicklung Stromwender
Generator U ⋅ I = I ⋅ U i − I 2 ⋅ Ra
(I.137)
Wendepolkern Wendepolwicklung Kohlebürsten
Pel = Pmech − Pv
(I.138)
Motor U ⋅ I = I ⋅ U i + I 2 ⋅ Ra
(I.139)
Pel = Pmech + Pv
(I.140)
Erregerwicklung
Bild I-52 Gleichstrommaschine Der Anker dreht durch ein Magnetfeld, das von feststehenden Spulen (Stator) erzeugt wird. Beim Antrieb der Gleichstrommaschine wird in den Ankerspulen eine Spannung Ui induziert. Bei Beschaltung des Kollektors mit einem Widerstand treibt diese Spannung einen Strom durch die Spule. Die am äußeren Widerstand meßbare Spannung errechnet sich aus der Induktionsspannung und dem Spannungsfall der Spule. Klemmenspannung U = U i − I ⋅ Ra
(I.132)
Das an der Gleichstrommaschine vorhandene Drehmoment berechnet sich zu: Drehmoment
Die Gleichstrommaschine arbeitet also als Generator. Wird dagegen an dem Kollektor eine Spannung angelegt, treibt diese Spannung einen Strom durch die Ankerspulen. Der Ankerstrom erzeugt mit dem Statorfeld ein magnetisches Moment, die Maschine fängt an, sich zu drehen. Dreht sich die Maschine, induziert das Statorfeld wiederum eine Spannung in den Ankerwicklungen, die den Strom verringert. Netzspannung U = U i + I ⋅ Ra
(I.133)
Die Gleichstrommaschine arbeitet als Motor. Die induzierte Spannung Ui berechnet sich zu induzierte Spannung
DF Dt
Ui
M=
Pmech 2⋅p ⋅n
Drehmoment
M=
Ui ⋅ I 2⋅p⋅n
(I.141)
Ui I n M (I.142) V A s −1 Nm
Wird die induzierte Spannung durch Gleichung (I.136) ersetzt, ergibt sich für das Drehmoment der Gleichstrommaschine: M=
k1 ⋅ F ⋅ n ⋅ I 2⋅p ⋅n
(I.143)
M=
k1 ⋅ F ⋅ I 2⋅p
(I.144)
Beispiel: Von einem Gleichstrommotor sind folgende Werte
bekannt: UN = 200 V; IN = 10 A; PN = 1,9 kW; nN = 1800 min–1. Wie groß ist der Ankerwiderstand Ra, die im Nennbetrieb induzierte Spannung UiN und das Nennmoment MN?
MN =
PN = 2⋅p ⋅nN
U iN =
PN 1900 VA = = 190 V IN 10 A
1900 VA 2 ⋅ p ⋅ 1800 min −1 ⋅
B l v Vs m V m s m2
(I.134)
U N = U iN + I N ⋅ R a ⇒ R a =
Ui N F t V − Vs s
(I.135)
6.1.1 Ankerrückwirkungen
Bei der Gleichstrommaschine sind die mechanischen Daten des Stators und des Ankers konstant, sie verändern sich während des Betriebes nicht. Die Veränderung des magnetischen Flusses nach der Zeit kann über die Drehzahl erfaßt werden. Die Gleichung
M P n Nm W s −1
Gleichung (I.140) eingesetzt in Gleichung (I.142) ergibt:
Ra Widerstand im Ankerkreis
Ui = − N ⋅
(I.136)
Die Leistungsbilanz der Gleichstrommaschine ergibt sich, wenn die Spannungsgleichungen (I.133) und (I.134) mit dem fließenden Strom multipliziert werden.
Hauptpolkern
Ui = B ⋅ l ⋅ v
U i k1 F n V − Vs s −1
U i = k1 ⋅ F ⋅ n
1 min 60 s
= 10 , 08 Ws ;
U N − U iN 200 V − 190 V = = 1W IN 10 A
Durchströmt ein Strom die Ankerspule, wird von ihm ein Magnetfeld aufgebaut, das quer zum Feld des Stators liegt. Beide Felder ergeben zusammen ein nicht mehr symmetrisch von einem Statorpol zum anderen verlaufendes, sondern ein verzerrtes Feld (Bild I-53).
838
Energietechnik separate Spannungsversorgung, handelt es sich um eine fremderregte Maschine. Haben beide Systeme dieselbe Spannungsversorgung und sind parallelgeschaltet, handelt es sich um eine Nebenschlußmaschine. Sind die Anker- und die Statorspule in Reihe geschaltet, handelt es sich um eine Reihenschlußmaschine.
neutrale Zone
6.2.1 Nebenschlußmotor a) Feldverlauf ohne Kompensationswicklung
b) Feldverlauf mit Kompensationswicklung
Bild I-53 Feldverlauf Gleichstrommaschine Der Stromwender liegt nicht mehr in der neutralen Zone, also nicht mehr im Winkel von 90° zum Gesamtfeld der Maschine. Dadurch wird am Generator nicht mehr die maximale Spannung abgenommen und bei Motorbetrieb nicht mehr das maximale Drehmoment erzeugt. Ferner erfolgt die Stromwendung nicht mehr im spannungslosen Zustand der Wicklung. Durch den bei der Stromwendung auftretenden Kurzschluß kann es zum Bürstenfeuer an den Kommutatorstegen kommen. Diese Ankerrückwirkungen lassen sich durch Einbau der Wendepole beseitigen. Wendepole sind immer direkt im Bereich der Stromwendung angebracht. In diesen Bereichen wird der Strom in den Spulen von +I nach –I oder umgedreht geändert. Da diese Stromänderung relativ schnell erfolgt, wird in der jeweiligen Spule eine Spannung erzeugt (Ui ∼ di/dt). Je höher die Drehzahl der Maschine, desto größer die induzierte Spannung. Das hätte eine Funkenbildung zwischen den Bürsten und Kommutatorlamellen zur Folge (Bürstenfeuer). Zur Vermeidung des Bürstenfeuers wird durch die Wendepole ein Magnetfeld aufgebaut, das eine Gegenspannung im Bereich der Stromwender erzeugt, die der induzierten Spannung entgegenwirkt. Der Wendepol wird vom Ankerstrom durchflossen, damit beide induzierten Spannungen bei unterschiedlichen Betriebszuständen gleich sind. Eine weitere Aufgabe der Wendepole ist, die Verschiebung des Hauptfeldes im Bereich der Bürsten zu kompensieren. Bei großen, schnellaufenden Maschinen können die Ankerrückwirkungen nicht allein durch die Wendepole aufgefangen werden. Deshalb müssen zusätzlich Kompensationswicklungen eingebaut werden. Die Kompensationswicklungen sind in den Polschuhen der Maschine untergebracht und werden ebenfalls vom Ankerstrom durchflossen. Durch die Kompensationswicklung werden Feldverzerrungen im Bereich der Polschuhe verhindert.
6.2 Betriebsverhalten von Gleichstrommaschinen Die Gleichstrommaschinen unterscheidet man nach der Zusammenschaltung der Spulensysteme des Ankerkreises und des Stators. Haben Anker und Stator eine
Für den fremderregten Motor (Nebenschlußmotor) gelten die im Abschnitt 6.1 angeführten Grundgleichungen. In Bild I-54 sind die Schaltungen der Maschinen dargestellt. L+
L+ L–
L– A1
L–
L+
A2
A1 F2
F1
A2
E2
E1
B2
B2
B1 b) NebenschlußMaschine
B1 a) fremderregte GS-Maschine
Bild I-54 Schaltungen von Gleichstrom-Maschinen Die Erregerwicklung liegt jeweils an einer konstanten Spannung. Damit sind Erregerstrom und Erregerfeld konstant (Ankerrückwirkungen vernachlässigt). Nach Gleichung (I.136) ergibt sich für die Drehzahl Drehzahl n =
Ui F ⋅ k1
(I.145)
n=
U − I ⋅ Ra F ⋅ k1
(I.146)
n=
I ⋅ Ra U − F ⋅ k1 F ⋅ k1
(I.147)
Durch Ersetzen von I durch die umgeformte Gleichung (I.145) folgt n=
M ⋅ Ra U − F ⋅ k1 F 2 ⋅ k1 ⋅ k 2
(I.148)
Maschinenkonstante k 2 =
k1 2⋅p
(I.149)
Der Motorbetrieb stellt sich bei positivem Moment und positiver Drehzahl ein (Bild I-55). Der Nennbetrieb (UN; FN; Ra) liegt im Bereich von 0,9 . . . 0,99 ⋅ n0 (kleine bis große Maschinen). Aus diesem Grund wird nur der Teil der Kennlinie im Bereich der Leerlaufdrehzahl betrachtet. Für den Leerlaufpunkt (M = 0) gilt: Leerlaufdrehzahl n 0 =
UN k1 ⋅ FN
(I.150)
I Elektrische Maschinen M
839 Bild I-55 Drehzahl-, DrehmomentenKennlinie der NebenschlußMaschine
MA
MN nN n o
n
Für den Anlaufpunkt (n = 0) gilt: Anlaufmoment
MA =
k 2 ⋅ FN ⋅ U N Ra
(I.151)
Da die induzierte Spannung im Anlauf gleich Null wird, hängt die Größe des Anlaufstroms nur noch von UN und Ra ab. Hieraus ergibt sich, daß ein fremderregter Gleichstrommotor im Anlauf einen Zusatzwiderstand zur Strombegrenzung erhalten muß. Bereiche oberhalb vom Anlaufmoment auf der Kennlinie sind nicht zugelassen. Hierbei müßte das Lastmoment größer als das Anlaufmoment werden. Der Motor würde entgegen seiner ursprünglichen Richtung gedreht, der entstehende Strom wäre so groß, daß die Motorwicklungen verbrennen würden. Eine Drehzahlsteuerung bei der fremderregten Gleichstrommaschine und der Gleichstromnebenschlußmaschine ist durch folgende Maßnahmen möglich: Änderung der Spannung, des Flusses, des Ankerwiderstandes oder der magnetischen Erregung. Da die Nennerregung meist im Bereich der Sättigung liegt, kann eine Änderung nur durch Schwächung der Erregung erfolgen. Das wird durch einen Vorwiderstand im Erregerkreis möglich. Durch eine Feldschwächung verschiebt sich die Leerlaufdrehzahl zu höheren Werten. M
I *< I N
IN
n0
n*0
Bild I-56 Drehzahl-, Drehmomenten-Kennlinie der NebenschlußMaschine in Abhängigkeit von der Erregung
n
Wenn mit Feldschwächung gearbeitet wird, muß darauf geachtet werden, daß die Drehzahl nicht in Bereiche gelangt, die zur mechanischen Zerstörung der Maschine führt (Bild I-56). Das Anlaufmoment wird kleiner, da es proportional von F abhängig ist.
Soll bei höherer Drehzahl das gleiche Lastmoment abgenommen werden, muß der Ankerstrom erhöht werden. Das geht für den Dauerbetrieb jedoch nur bis zu In. Es folgt für das Moment: M * = k2 ⋅F *⋅ I N
(I.152)
M * F* = M N FN
(I.153)
Durch die Erhöhung der Drehzahl erfolgt die Kommutierung an den Wendepolen schneller, und die Stromänderungsgeschwindigkeit nimmt zu (dI/dt). Hieraus folgt eine höhere Induktionsspannung, die zu Funkenüberschlägen an den Kommutatorlamellen und zum Bürstenrundfeuer führen kann. Aus diesen Gründen wird die maximale Drehzahl in der Praxis auf 3 ⋅ n0 beschränkt. Mit einem zusätzlichen Widerstand Rv im Ankerkreis wird der Ankerstrom heruntergesetzt. Da das Moment direkt proportional zum Ankerstrom ist (M ∼ Ia), folgt für die Abhängigkeit vom Vorwiderstand: M≈
1 R a + Rv
(I.154)
Eine Drehzahlsteuerung der fremderregten Gleichstrommaschine wird in der Praxis kaum durchgeführt, da durch Vorschalten eines Widerstandes zusätzliche Verluste an diesem entstehen (Pvz = I2 ⋅ Ra). Ferner ist die Drehzahl im Nennbereich durch Widerstandsregelung kaum variierbar. M
Rv2
Rv1
Ra
no
n
Bild I-57 Drehzahl-, Drehmomenten-Kennlinie der Nebenschluß-Maschine in Abhängigkeit vom Ankerkreiswiderstand Der Zusatzwiderstand dient nur zum Hochfahren der Maschine, um einen hohen Anlaufstrom zu vermeiden (Kennlinie Bild I-57). Durch die Änderung der Ankerspannung kann die Drehzahl der Maschine kontinuierlich von Null bis zur Nenndrehzahl gefahren werden (Bild I-58). Durch Umpolen der Ankerspannung ist auch ein Drehzahlbereich von –n0 ⇔ +n0 möglich. Die Spannungsregelung wurde früher mit einem LeonardUmformer realisiert. Heute werden Thyristorschaltungen eingesetzt. Durch den Einsatz der modernen Elektronik ist eine Rückspeisung von Energie in das Netz möglich, wenn der Gleichrichter bei Lastbremsung als Wechselrichter eingesetzt wird. Die Steue-
840
M
Energietechnik nso ll Rn Ri
U1 U2 Un
V1 4 P0 1
i is t n is t n02 n01 n0
a)
M
b)
Bild I-58 a) Drehzahl-, Drehmomenten-Kennlinie der Nebenschluß-Maschine in Abhängigkeit von der Spannung b) Thyristorschaltung zur Spannungsänderung rung der Drehzahl durch Spannungsänderung ist ohne Zusatzverluste möglich! Das Abbremsen von fremderregten Gleichstrommaschinen kann auf verschiedene Arten erfolgen. Beim mechanischen Bremsen oder Wirbelstrombremsen wird Energie auf ein Bremssystem gegeben, das direkt auf die Welle wirkt. Beim Nutzbremsen muß die Drehzahl über der Leerlaufdrehzahl liegen. Dann werden Moment und Ankerstrom negativ. Diese Bremsart wird beispielsweise bei Gefällestrecken ausgenutzt (Förderbänder, Triebfahrzeuge). Der Motor geht in den generatorischen Zustand über. Beim Widerstandsbremsen wird der Motor vom Netz abgeschal-
a)
tet, und im Ankerkreis wird ein Widerstand eingeschaltet. Aus der Maschengleichung folgt: U = U i + I ⋅ Ra ⇒ U = 0 ⇒ U i = − I ⋅ Ra
Im Bremsbetrieb wird der Strom umgekehrt (Momentenumkehr). Beim Gegenstrombremsen wird die Ankerspannung umgekehrt. Hierdurch kehren sich auch Strom und Moment um. Die Gleichung hierfür lautet:
− U = I * ⋅ Ra + U i* ⇒ U i* = U i ⇒ − I * ⋅ Ra = U + U i (I.156) Damit der Strom (I*) im Bremsbetrieb nicht zu groß wird, muß ein Bremswiderstand in den Ankerkreis geschaltet werden. Beim Gegenstrombremsen muß im Nulldurchgang der Drehzahl abgeschaltet werden, da die Maschine sonst beschleunigt wird und entgegengesetzt anläuft. Im Bild I-59 sind verschiedene Bremskennlinien dargestellt. Beispiel: Von einem Gleichstromnebenschlußmotor sind be-
kannt: UN = 200 V; IN = 10 A; PN = 1,9 kW; nN = 1800 min–1; Ra = 1 Ω; UiN = 190 V. Wie groß ist die Leerlaufdrehzahl n0, der Anlaufstrom Ia, der Strom beim Gegenstrombremsen I* und der Strom beim Widerstandsbremsen ohne Zusatzwiderstand?
nN =
Ui0 U iN
⋅nN =
200 V ⋅ 1800 min −1 = 1894 , 7 min −1 190 V
U N = I A ⋅ R a + U iA ⇒ I A =
U N − U iA 200 V − 0 V = = 200 A 1W Ra
− I * ⋅ R a = UN + UiN ⇒ I * = − U iN = − I ⋅ R a ⇒ I =
Mn
n0
n
RV+ > RV*
+
MBr M*Br
*>0 RV
RV = 0
b)
U U iN U ⇒ F N ⋅ k 1 = iN = i 0 nN n0 FN ⋅ k1 ⇒ n0 =
M
–n0
(I.155)
UN + U iN 200 V+190 V = = 390 A Ra 1W
U iN 190 V = = 190 A Ra 1W
6.2.2 Reihenschlußmotor
Die Schaltung des Reihenschlußmotors ist in Bild I-60 dargestellt. L+ L–
M
A1 D2
A2
Mn nN
n + * RBr > RBr
* >0 RBr RBr = 0
Bild I-59 I-59 Drehzahl-, Drehzahl-, Drehmomenten-Kennlinie Drehmomenten-Kennlinie Bild der Nebenschluß-Maschine Nebenschluß-Maschine der a) beim a) beim Gegenstrombremsen Gegenstrombremsen b) beim Widerstandsbremsen
B2
B1
D1
Bild I-60 Schaltung einer ReihenschlußMaschine
Es gelten die Grundgleichungen der Gleichstrommaschine. Für den Ankerkreiswiderstand gilt jedoch: Ankerkreiswiderstand ∑ Ra = Ra + Rb + Rd (I.157) Rb Widerstand der Wendepolwicklung; Rd Widerstand der Erregerwicklung
I Elektrische Maschinen
841
Da die Erregerwicklung in Reihe mit dem Ankerkreis geschaltet ist, gilt hier die Beziehung F = f(I). Für den linearen Bereich der Magnetisierungskennlinie kann die Beziehung in eine linearabhängige Form überführt werden: (I.158) Erregerfluß F = c * ⋅ I
Eine Schwächung des Erregerfeldes kann nur erfolgen, wenn ein Widerstand parallel zur Spule geschaltet wird. Dieser Widerstand Rp muß niederohmig ausgeführt werden, da RD auch niederohmig ist.
Gleichung (I.137) und Gleichung (I.158) ergeben: Induktionsspannung U i = k1 ⋅ F ⋅ n = k1 ⋅ c * ⋅ I ⋅ n = k 3 ⋅ I ⋅ n
(I.159)
Maschinenkonstante k 3 = k 1 ⋅ c *
(I.160)
Weiter kann für die mechanische Leistung und das Moment folgende Umformung der Grundgleichung vorgenommen werden: mechanische Leistung Motormoment
Pmech = k 3 ⋅ n ⋅ I 2
M = k4 ⋅ I
2
M=
MA* I *< IN
MN
n N n*
∑ Ra U − k3 ⋅ I k3
(I.164)
Durch eine Feldschwächung wird das Anlaufmoment ebenfalls geschwächt. Im Nennbetrieb erfolgt bei gleichem Moment eine Drehzahlerhöhung (Bild I-62). Eine Spannungsänderung (Absenkung) bewirkt, daß weniger Strom durch die Maschine fließt und somit eine Verkleinerung des Anlaufmoments auftritt. Ebenfalls wird bei gleichem Moment die Drehzahl der Maschine reduziert. Bild I-63 Drehzahl-, DrehmomentenKennlinie der ReihenschlußMaschine bei verringerter Spannung
M
k 4 ⋅U 2
(I.165)
( k 3 ⋅ n + ∑ Ra ) 2
MA M
Bild I-61 Drehzahl-, DrehmomentenKennlinie der ReihenschlußMaschine
MA
MA* MN n*
MN nN
n
(I.162)
k3 (I.163) 2⋅p Aus den Gleichungen (I.162) und (I.163) geht hervor, daß beide vom Quadrat des Stromes abhängig sind. Eine Drehmoment-Drehzahlabhängigkeit kann über die Spannungsgleichung hergestellt werden.
Motormoment
MA(IN )
(I.161)
Maschinenkonstante k 4 =
Motordrehzahl n =
Bild I-62 Drehzahl-, DrehmomentenKennlinie der ReihenschlußMaschine bei verringerter Erregung
M
n
Aus der Gleichung (I.165) und der dazugehörigen Kennlinie (Bild I-61) erkennt man, daß die Drehzahl für ein sinkendes Gegenmoment steigt. Für ein Gegenmoment MG = 0 steigt die Drehzahl n ⇒ ∞; der Motor „geht durch“. Der Reihenschlußmotor muß also immer mit einem Gegenmoment betrieben werden, damit er nicht durch zu hohe Drehzahlen zerstört wird. Da das Drehmoment M ∼ I 2 ist, steht beim Anlauf ein sehr hohes Moment zur Verfügung. Der Reihenschlußmotor wird für Antriebe eingesetzt, die im Anlauf ein hohes Moment erfordern (Elektrofahrzeuge, Hebezeuge). Eine Drehzahlsteuerung des Reihenschlußmotors erfolgt über eine Feldschwächung, eine Spannungsänderung oder einen Vorwiderstand im Ankerkreis.
nN
n
Die Drehzahl-Drehmomentenkurve (Bild I-63) wird zu kleineren Werten verschoben. Eine Widerstandsänderung hat die gleichen Auswirkungen auf das Verhalten der Maschine wie eine Spannungsänderung. Bei der Reihenschlußmaschine ist keine Nutzbremsung möglich (keine konstante Spannung). Das Abbremsen der Maschine erfolgt über die Widerstandsoder Gegenstrombremsung. Bei der Widerstandsbremsung wird der Motor vom Netz genommen und der Ankerkreis umgepolt. Da der Stromfluß bei der Netztrennung unterbrochen wird, die Maschine aber mit ungefähr gleicher Drehzahl weiter läuft, erzeugt die verbleibende Remanenzspannung einen Stromfluß im Motor. Dieser Strom fließt gleichlaufend durch die Erregerwicklung und erzeugt wiederum eine Induktionsspannung im Anker. Durch die Umpolung des Ankers fließt der Strom entgegengesetzt durch den Anker und erzeugt mit dem Erregerfeld ein
842
Energietechnik Die Drehzahl bei halbem Nennmoment berechnet sich jetzt wie folgt: s 192 , 93 V ⋅ 60 U *i min = 2586 , 6 min −1 n* = = Vs k3 ⋅ I * 0 , 633 ⋅ 7 , 07 A A
Moment entgegen der Drehrichtung. Mit sinkender Drehzahl werden Ui und damit auch der Strom kleiner. MA
M
6.2.3 Doppelschlußmotor Der Doppelschlußmotor besitzt im Gegensatz zu den anderen Gleichstrommaschinen zwei Erregerwicklungen (Bild I-65).
MN nN
n
L+
MBr
Bild I-65 Schaltung einer Doppelschluß-Maschine
L–
a)
A1 M
E1
A2
E2
D2
D1
B2 MN nN
B1
n
MBr
RBr = 0
b)
RBr > 0
Bild I-64 Drehzahl-, Drehmomenten-Kennlinie der Reihenschluß-Maschine im Bremsbetrieb a) mit Vorwiderstand b) Gegenstrombremsen Beim Gegenstrombremsen wird die Ankerwicklung umgepolt und ein Bremswiderstand in den Kreis eingeschaltet, der zu hohe Ströme verhindern soll. Im Bild I-64 sind die Kennlinienverläufe der Bremsvorgänge dargestellt. Beispiel: Von einem Gleichstromreihenschlußmotor sind fol-
gende Daten bekannt: UN = 200 V; IN = 10 A; PN = 1,9 kW; nN = 1800 min–1; Σ Ra = 1 Ω. Das Nennmoment berechnet sich zu:
MN =
PN = 2⋅p ⋅nN
s min = 10 , 08 Ws 1 2 ⋅ p ⋅ 1800 min
1900 VA ⋅ 60
Über das Nennmoment und den Nennstrom können die Motorkonstanten berechnet werden: k3 = 2⋅p ⋅ k4 = 2⋅p ⋅
MN I N2
=
2 ⋅ p ⋅ 10 , 08 Ws Vs = 0 , 633 A 10 2 A 2
Da die Momente quadratisch von den Strömen abhängen, kann der Strom bei halbem Moment bestimmt werden: I* = I N ⋅
MN 10 , 08 Ws 1 = 10 A ⋅ = 10 A ⋅ = 7 , 07 A M* 0 , 5 ⋅ 10 , 08 Ws 0,5
Um die neue Drehzahl berechnen zu können, muß zuerst die Induktionsspannung bestimmt werden:
U *i = U N − I * ⋅ ∑ R a = 200 V − ( 7 , 07 A ⋅ 1 Ω ) = 192 , 93 V
Diese Erregerwicklungen sind als Nebenschluß- und als Reihenschlußwicklung ausgeführt. Je nachdem, welches Verhalten beim Motor überwiegen soll, wird eine der Wicklungen stärker ausgelegt. Der Doppelschlußmotor hat den Vorteil, daß auch bei einem Reihenschlußverhalten ein „Durchgehen“ der Maschine ausgeschlossen ist, da die Nebenschlußwicklung eine definierte Leerlaufdrehzahl vorgibt.
6.3 Betriebsverhalten von Gleichstromgeneratoren Obwohl der Einsatz von Gleichstromgeneratoren durch die Entwicklung der Leistungselektronik stark zurückgegangen ist, soll hier ein Überblick über das Betriebsverhalten der verschiedenen Generatoren gegeben werden. Ebenso wie bei den Motoren unterscheidet man zwischen fremderregtem Generator, Nebenschlußgenerator und Reihenschlußgenerator. Für die folgenden Betrachtungen wird angenommen, daß die Antriebsdrehzahl konstant ist. Die Spannung, die sich an den Generatorklemmen im unbelasteten Betrieb einstellt (Leerlaufspannung U0), entspricht der induzierten Spannung Ui nach Gleichung (1.136). Im Bild I-66 ist die Abhängigkeit der Leerlaufspannung vom Erregerstrom dargestellt. Ausgehend von der Remanenzspannung UR folgt die Spannungskurve entsprechend der Magnetisierungskennlinie dem Erregerstrom. Wird der Generator belastet, fließt durch die Ankerspule ein Strom, der in den Ankerwicklungen einen Spannungsfall Ua = I ⋅ Ra verursacht und ebenfalls ein Ankerquerfeld erzeugt, das zu Ankerrückwirkungen (Feldschwächung) führt. Aus diesen Gründen sinkt die Klemmenspannung bei Belastung am Generator.
I Elektrische Maschinen
843
Ui
Bild I-66 Leerlaufkennlinie U–f (I) des Gleichstromgenerators
UR Ie
Der Generator muß die Erregerspannung selbst liefern. Wird der Generator mit konstanter Drehzahl angetrieben, erzeugt der vorhandene Restmagnetismus eine Remanenzspannung UR. Diese Spannung treibt einen Strom durch den Erregerkreis. Dieser Strom erzeugt eine höhere Induktionsspannung, die einen höheren Erregerstrom zur Folge hat. Dieser Vorgang hält so lange an, bis ein Gleichgewicht zwischen der Induktionsspannung und dem Spannungsfall an den Widerständen des Erregerkreises herrscht. Induktionsspannung U i = I e ⋅ ( Ra + Re )
6.3.1 Fremderregter Generator Soll der fremderregte Generator mit konstanter Klemmenspannung betrieben werden, muß der Erregerstrom kontinuierlich nachgeregelt werden. Kann die Erregung nicht nachgeführt werden, sinkt die Klemmenspannung. Da die Erregung jedoch nur indirekt von der Belastung abhängig ist (Feldschwächung), liefert der fremderregte Generator bei Belastung eine verhältnismäßig konstante Klemmenspannung. Die Klemmenspannung schwankt je nach Größe der Maschine zwischen 10% und 2%.
Aus der Kennlinie Bild I-67 ist abzulesen, daß der stabile Betriebspunkt für die Leerlaufspannung vom Widerstand des Leerlaufkreises und der Drehzahl der Maschine abhängt. Für kleine Drehzahlen kann ein Punkt erreicht werden, an dem keine Selbsterregung der Maschine einsetzt. I
RL
UKl
U = f(IE )
I*Ra I*(R v + RE )
n = nN(const.) n*< n N n+< n *
Ui
XE
Bild I-68 Ersatzschaltbild des Nebenschlußgenerators Ist die Polung der Erregerwicklung falsch angeschlossen, wird durch den Erregerstrom eine Spannung induziert, die der Remanenzspannung entgegenwirkt. Das Ersatzschaltbild des Nebenschlußgenerators ist in Bild I-68 dargestellt. Es gelten folgende Gleichungen für den Erreger- oder Ankerkreis: Ankerkreisspannung U = U i − Ra ⋅ ( I + I e )
(I.167)
Erregerkreisspannung U = I e ⋅ Re
(I.168)
R a ⋅ I = U i − I e ⋅ Re U Uon
Ui UKl
b)
RE
Unter der Voraussetzung I >> Ie und Re >> Ra ergibt sich:
IE
a)
Ra
Ia
Beim Nebenschlußgenerator ist keine Fremdspannungsquelle vorhanden, die den Erregerstrom liefert. R v* > Rv
Ie URa
6.3.2 Nebenschlußgenerator
Uo
(I.166)
I
Bild I-67 Kennlinie U–f (I) des Gleichstromgenerators a) Leerlaufkennlinie für verschiedene Drehzahlen mit Lastwiderstand b) Belastungskennlinie für eine Drehzahl
(I.169)
Wird ein Widerstand RL an den leerlaufenden Generator angeschlossen, fließt über den Widerstand Ra nicht nur der Erreger-, sondern auch der Laststrom. Das hat zur Folge, daß Klemmenspannung und treibende Spannung für den Erregerstrom sinken. Je nach Größe von I ⋅ Ra stellt sich ein neuer Betriebspunkt am Generator ein. Die Kennlinie zeigt, daß die Klemmenspannung mit steigender Last bis zum Nullpunkt (Kurzschluß) kontinuierlich sinkt. Der Nebenschlußgenerator liefert im Kurzschluß einen Strom, der nicht größer als der Nennstrom wird. 6.3.3 Reihenschlußgenerator Da der Reihenschlußgenerator seine Erregung durch den im Anker fließenden Strom erhält, kann der Generator nur im Kurzschluß angefahren werden. Die vor-
844
Energietechnik
handene Remanenzspannung erzeugt einen Strom im kurzgeschlossenen Generatorkreis, der die Generatorspannung erhöht. Bei Belastung des Reihenschlußgenerators schwankt die Klemmenspannung sehr stark mit dem Laststrom, der gleichzeitig Erregerstrom ist. Ein Einsatz dieses Generatortyps ist nicht zu empfehlen. 6.3.4 Doppelschlußgenerator Der Doppelschlußgenerator hat, wie der Doppelschlußmotor, zwei Erregerwicklungen, die auf dem gleichen Polkern übereinandergewickelt sind. Eine der Wicklungen wird mit der Ankerspule in Reihe geschaltet, die andere Wicklung parallel. Je nach Schaltung und Auslegung der Wicklungen spricht man von einem kompoundierten Generator. Der Reihenschlußanteil der Wicklung erzeugt ein Feld in Richtung des Nebenschlußfeldes. Die Reihenschlußwicklung ist kleiner als die Nebenschlußwicklung. Dadurch wird die Spannung nahezu konstant gehalten. Der überkompoundierte Generator hat einen starken Reihenschlußanteil; die Spannung steigt mit zunehmender Belastung. Der gegenkompoundierte Generator hat die Reihenschlußwicklung so geschaltet, daß das Reihenfeld dem Feld der Nebenschlußwicklung entgegenwirkt. Mit zunehmender Belastung sinkt die Spannung.
6.4 Gleichstrommaschine am Wechsel- oder Drehstromnetz Häufig steht kein geeignetes Gleichstromnetz für den Betrieb einer Gleichstrommaschine zur Verfügung. Die benötigte Gleichspannung wird deshalb aus dem vorhandenen Wechsel- oder Drehstromnetz durch Gleichrichterschaltungen erzeugt. In diese Gleichrichterschaltungen können Dioden oder ansteuerbare Ventile (Transistor, Thyristor) eingesetzt werden. Über die ansteuerbaren Ventile besteht die Möglich-
keit, die Höhe der Gleichspannung zu verändern. Einen Überblick über diese stromrichtergespeisten Gleichstromantriebe gibt Tabelle I-7. Durch die beliebige Ansteuerbarkeit dieser Stromrichter kann die Drehzahl der Gleichstrommaschinen durch eine Spannungsänderung geregelt werden. Ferner kann durch geeignete Maßnahmen eine Rückspeisung von Energie in das Netz erfolgen (Mehrquadrantenantriebe). Zur optimalen Nutzung dieser Methode sollten die Anker- und Erregerwicklungen durch getrennte Spannungsquellen versorgt werden. 6.4.1 Wechselstrombrücken Wird die Gleichspannung aus dem Einphasenwechselstromnetz erzeugt, stehen die nachfolgend dargestellten Gleichrichterschaltungen zur Verfügung. 6.4.1.1 Einquadrantenantrieb (1-Q-Betrieb) Der Einquadrantenantrieb wird durch eine halbgesteuerte Einphasen-Brückenschaltung erreicht. Hierbei wird die Hälfte der Dioden durch steuerbare Ventile ersetzt. Die Maschine kann nur als Motor im I. oder III. Quadranten betrieben werden. Unterschieden wird bei dieser Brückenschaltung zwischen der symmetrischen und der unsymmetrischen Schaltung. Bei der unsymmetrischen Einphasen-Brückenschaltung (Bild I-69) können die Ventile mit einem Zündwinkel von a = 0° bis a = 180° angesteuert werden. Hierdurch ergibt sich eine Gleichspannung von 100% bis 0%. Die symmetrische Brückenschaltung (Bild I-70) läßt nur einen Zündwinkel von maximal 150° zu, da sonst Kippgefahr besteht. Der Unterschied der beiden Die symmetrische Brückenschaltung (Bild I-71) läßt nur einen Zündwinkel von maximal 150° zu, da sonst Kippgefahr besteht. Der Unterschied der beiden Gleichrichterschaltungen besteht darin, daß sich der Ankerstrom bei der symmetrisch gesteuerten Brücke
Tabelle I-7 Stromrichter für Gleichstrommaschinen Bezeichnung
Betriebsbereiche
Zusatzmaßnahmen
Einquadrantenantrieb mit Einfachstromrichter, halbgesteuert
I. oder III. Quadrant, nur Motorbetrieb
keine
Einquadrantenantrieb mit Einfachstromrichter, vollgesteuert
I., IV. oder III., II. Quadrant, Motor- und Generatorbetrieb
keine
Mehrquadrantenantrieb, Einfachstromrichter vollgesteuert
I., IV. und III., II. Quadrant, Motor- und Generatorbetrieb
Umschaltung im Ankerkreis, momentenfreie Pause 0,1 s bis 0,2 s
Mehrquadrantenantrieb, Einfachstromrichter vollgesteuert
I., IV. und III., II. Quadrant, Motor- und Generatorbetrieb
Umschaltung im Erregerkreis, momentenfreie Pause 0,5 s bis 2 s
Mehrquadrantenantrieb, Zweifachstromrichter vollgesteuert
I., IV. und III., II. Quadrant, Motor- und Generatorbetrieb
kreisstromfreie Gegenparallelschaltung, momentenfreie Pause 2 ms bis 10 ms
Mehrquadrantenantrieb, Zweifachstromrichter vollgesteuert
I., IV. und III., II. Quadrant, Motor- und Generatorbetrieb
kreisstromführende Kreuzschaltung, keine momentenfreie Pause
I Elektrische Maschinen
845 Ld
V1
Ld V1
V2
V2
RM
RM
V3
LM V3
Ud a
U
Uda
U
LM
V4
V4
Bild I-71 Vollgesteuerte Einphasen-Brückenschaltung Bild I-69 Unsymmetrische halbgesteuerte Einphasen-Brückenschaltung
werden. Im Gleichrichterbetrieb (I. oder III. Quadrant) steht für den Motor eine Spannung Udi a zur Verfügung, deren Höhe abhängig vom Steuerwinkel der Thyristoren ist.
Ld V1
V2
Brückenspannung U di a =
RM Ud a
U
LM V3
V4
Bild I-70 Symmetrische halbgesteuerte EinphasenBrückenschaltung gleichmäßig auf Thyristoren und Dioden aufteilt, bei der unsymmetrischen Brücke bewirken die zu einem Freilaufzweig angeordneten Dioden eine Entlastung der Thyristoren. Die mit diesen Brücken erzeugte Gleichspannung berechnet sich zu: Gleichspannung nach der Brücke U di a
2 = ⋅ U ⋅ ( 1 + cos a ) p
(I.170)
Die maximale Drehzahl erreicht die Maschine bei a = 0°. Die für die Maschine angegebene Nennleistung gilt für Nennspannung und Nennstrom bei vollkommen geglätteter Gleichspannung. Pulsierende Gleichspannungen enthalten Wechselstromanteile, die zusätzliche Verluste in der Maschine erzeugen. Für den Betrieb von Gleichstrommaschinen an Stromrichtern geben die Hersteller deshalb einen Zuschlagsfaktor F (der Faktor F ist aus den Herstellerlisten zu ermitteln) an, mit dem die Nennleistung für Stromrichterbetrieb berechnet werden muß. Maschinenleistung bei Stromrichterbetrieb n PT = M N ⋅ 2 ⋅ p ⋅ N ⋅ F 60
(I.171)
6.4.1.2 Zweiquadrantenantrieb (2-Q-Betrieb) Der Zweiquadrantenantrieb wird durch eine vollgesteuerte Einphasen-Brückenschaltung aufgebaut (Bild I-72). Alle Gleichrichterdioden werden durch steuerbare Ventile ersetzt. Die Zündimpulse für die Ventile werden aus dem Verlauf der Netzspannung abgeleitet. Abwechselnd zündet man zwei diagonal angeordnete Thyristoren, wodurch die beiden anderen gelöscht
2 ⋅ 2 ⋅ U ⋅ cos j p
(I.172)
Bei einem Zündwinkel von a = 90° ist die Gleichspannung Udi a = 0. Es steht kein Moment mehr zur Verfügung, der Motor steht. Wird der Winkel a über 90° vergrößert, geht die Maschine in den Generatorbetrieb und die Brückenschaltung in den Wechselrichterbetrieb über; die Maschine arbeitet im IV. oder II. Quadranten. Als maximaler Zündwinkel sollte a = 150° nicht überschritten werden, da die Freiwerdezeit der Ventile zu berücksichtigen ist. Eine Momentenumkehr ist mit dieser Schaltung nicht ohne weiteres möglich, daher kein generatorisches Bremsen. 6.4.1.3 Vierquadrantenantrieb (4-Q-Betrieb) Beim Vierquadrantenbetrieb wird ebenfalls eine vollgesteuerte Einphasen-Brückenschaltung eingesetzt. Ld V1
V2
RM Ud a
U V3
LM
V4
K2
K1
Bild I-72 Vollgesteuerte Einphasen-Brückenschaltung mit Wendeschützkombination für Vierquadrantenbetrieb Über eine Wendeschützkombination im Ankerkreis kann die Spannung am Motor umgepolt und somit die Drehrichtung umgedreht werden (Bild I-73). Hierdurch ist ein Betrieb der Maschine in allen vier Quadranten möglich. Eine Umschaltung sollte möglichst stromlos erfolgen, um Schaltüberspannungen und Drehmomentenstöße zu verhindern. Hierzu muß der Strom im Ankerkreis gemessen und der Istwert der Umschalteinrichtung übermittelt werden. Ein Umschaltvorgang läuft wie folgt ab:
846
Energietechnik
Der Steuerwinkel sollte auf 150° gebracht werden. Der dann herrschende Wechselrichterbetrieb läßt den Strom schnell auf Null abklingen. Im Stromnulldurchgang werden die Zündimpulse gesperrt, es wird umgeschaltet. Ist die Umschaltung abgeschlossen, werden die Zündimpulse mit einem Winkel von 150° wieder freigegeben. Durch eine Verringerung des Zündwinkels auf 90° bremst die Maschine bis zum Stillstand ab. Bei einem Winkel a < 90° kann die Maschine in entgegengesetzter Richtung hochfahren. Der Vierquadrantenbetrieb ist ebenfalls durch eine Umkehr der Erregerspannung möglich. Hierbei ist jedoch eine längere Pause zwischen den Schaltvorgängen einzuhalten! 6.4.2 Drehstrombrücken Steht dem Betreiber ein Drehstromnetz zur Verfügung, bieten sich folgende Brückenschaltungen zur Erzeugung von Gleichstromnetzen an. 6.4.2.1 Zweiquadrantenbetrieb (2-Q-Betrieb) Wird eine vollgesteuerte Drehstrombrückenschaltung nach Bild I-74 eingesetzt, so ergibt sich der Wert der Gleichspannung zu: Brückenspannung U di a =
3 ⋅ 2 ⋅ U ⋅ cos a p
(I.173)
Ld V1
V2
V3 RM
L1 Ud a
L2
LM
L3 V4
V5
V6
Bild I-73 Vollgesteuerte Drehstrom-Brückenschaltung Diese Brückenschaltung ermöglicht kleine Transformatorbauformen. In der gleichgerichteten Spannung sind nur Oberschwingungen mit Frequenzen vorhanden, die ein Vielfaches der sechsfachen Netzfrequenz betragen. Der Stellbereich ist wesentlich größer als bei der Wechselstrombrücke, und die Stromflußdauer beträgt in allen Brückenzweigen 120° (kein Lückbetrieb vorausgesetzt).
Ld L1 L2 L3
RM
UdaI Ud aIl LK
Ud a
LM
LK
Bild I-74 Vollgesteuerte Drehstrom-Brückenschaltung in Gegenparallelschaltung Zündwinkel, der gewährleistet, daß sich der Mittelwert der beiden Brückenspannungen in jedem Zeitpunkt vom Betrag her gleicht, jedoch ein entgegengesetztes Vorzeichen hat. Soll die Gleichspannung Uda verändert werden, müssen beide Zündwinkel aI und aII = 180° – aI entsprechend verstellt werden. Da die beiden Teilspannungen der Brücken nicht in jedem Zeitpunkt gleich sind, stellt sich über die Teilstromrichter ein Strom ein, der durch diese Wechselspannungskomponente erzeugt wird. Dieser Strom wird durch die Kreisdrossel LK begrenzt. Bei Antrieben mit größeren Leistungen wird ein Teilstromrichter nicht angesteuert, somit können die Kreisströme vermieden werden. Die Umschaltung erfordert hier jedoch eine gewisse Totzeit.
6.5 Universalmotor Ein Universalmotor ist ein kleiner Reihenschlußmotor, der mit Gleich- und Wechselstrom betrieben werden kann. Im Unterschied zum reinen Gleichstrommotor ist das Ständerblechpaket zur Vermeidung von Wirbelströmen aus Dynamoblech zusammengesetzt. Die Baugröße des Universalmotors geht bis zu einer Leistung von ungefähr 2000 W. Die Drehzahlbereiche sind anders als beim Einphasenwechselstrommotor nicht frequenzabhängig. Universalmotoren werden mit Drehzahlen von 1500 min–1 bis 30 000 min–1 gebaut. Wird der Motor mit Wechselstrom betrieben, entsteht in der Erregerwicklung neben dem ohmschen Widerstand noch der induktive Widerstand. Dadurch gehen Drehzahl und Leistung beim Übergang von Gleich- auf Wechselstrom zurück. U= U~ 1H2
1H1 1D2
1D1
2D2
2D1 2H2
2H1
6.4.2.2 Vierquadrantenbetrieb (4-Q-Betrieb) Mit den Wechselstrombrücken ist der Bremsbetrieb nur durch ein Umpolen der Erreger- oder Ankerspannung möglich. Das eignet sich nicht für Antriebe, die eine schnelle Drehrichtungsumkehr verlangen. Wird eine schnelle Drehrichtungsumkehr verlangt, kann die Drehstrombrücke in Gegenparallelschaltung nach Bild I-75 eingesetzt werden. Hierbei wird eine Stromumkehr durch zwei Drehstrombrücken, die mit entgegengesetzten Ventilrichtungen aufgebaut sind, ermöglicht. Die beiden Drehstrombrücken arbeiten parallel, jedoch mit einem
A1 A2
Bild I-75 Schaltung eines Universalmotors Soll die Leistung für Gleich- und Wechselstrom konstant gehalten werden, muß die Maschine eine höhere Windungszahl für den Gleichstrombetrieb erhalten (Bild I-76).
I Elektrische Maschinen
847
7 Auswahl von Motoren Wird ein Motor für einen Antrieb ausgewählt, müssen vorher einige Vorgaben geklärt sein. Bekannt sein müssen die für den Antrieb maßgebende Drehzahl/Drehmomentenkennlinie, die geforderte Dauerleistung, die geforderte Drehzahl, die mögliche Spannungsversorgung des Motors, der Aufstellungsort, die Betriebsart des Antriebs, eventuell erforderliche Zusatzmaßnahmen und der notwendige Motorschutz.
7.1 Auswahl unter Berücksichtigung der Normen In den DIN- und VDE-Vorschriften werden dem Betreiber Vorgaben gemacht, die zur Auswahl von geeigneten Motoren herangezogen werden sollten.
Tabelle I-8 Gegenüberstellung der Kurzzeichen für die Bauformen nach DIN IEC 34 Teil 7 und der alten DIN 42950 DIN IEC 34 Teil 7
DIN 42950
IM B 3
IM 1001
B3
IM V 5
IM 1011
V5
IM V 6
IM 1031
V6
IM B 6
IM 1051
B6
IM B 7
IM 1061
B7
IM B 8
IM 1071
B8
IM B 35
IM 2001
B 3/B 5
IM B 34
IM 2101
B 3/B 14
IM B 5
IM 3001
B5
IM V 1
IM3011
V1
IM V 3
IM 3031
V3
IM B 14
IM 3601
B 14
IM V 18
IM 3611
V 18
IM V 19
IM 3631
V 19
IM B 10
IM 4001
B 10
IM V 10
IM 4011
V 10
IM V 14
IM 4031
V 14
IM V 16
IM 4131
V 16
IM B 9
IM 9101
B9
IM V 8
IM 9111
V8
IM V 9
IM 9131
V9
7.1.1 Bauform und Baugrößen Die Bauformen für elektrische Maschinen sind in DIN 42950 (alt) und in der DIN IEC 34 Teil 7 festgelegt. Die DIN IEC 34 unterscheidet zwei Codetabellen für die Bezeichnung der Bauformen. In Tabelle I-8 und Bild I-76 sind die gebräuchlichsten Bauformen und Baugrößen aufgeführt.
MB3
IM V 6
IM V 8
IM B 6
IM B 5
IM V 9
IM B 7
IM V 1
IM B 14
IM B 35
IM B 8
IM V 3
IM V 18
IM V 5
IM B 9
IM V 19
IM B 34
Bild I-76 Die gebräuchlichsten Bauformen für Drehstrommotoren
7.1.2 Schutzart Durch die Wahl einer geeigneten Schutzart wird verhindert, daß schädigende Einwirkung von Wasser, Fremdkörpern und Staub das Betriebsverhalten des Motors verändern. Weiter muß die Berührung von rotierenden Teilen im Inneren eines Motors und das Berühren von spannungsführenden Teilen verhindert
werden. Die Schutzarten sind in der DIN 40050 zu EN 60529/VDE 0470 Teil 1 festgelegt. Als Kurzzeichen für die jeweilige Schutzart steht die Abkürzung IP (International Protection), gefolgt von zwei Kennziffern und zwei Buchstaben. Von den beiden Kennziffern gibt die erste Ziffer den Personen- oder Fremdkörperschutz an, die zweite Ziffer den Wasserschutz. Der dritte Buchstabe kann für einen zusätzlichen Schutz stehen, und der vierte Buchstabe stellt eine Ergänzung dar. Die ersten beiden Ziffern müssen nach dem IP-Zeichen vorhanden sein. Ist eine Ziffer nicht ausgeführt, muß sie durch ein X ersetzt werden. Der dritte und vierte Buchstabe muß nicht vorhanden sein.
848
Energietechnik
Tabelle I-9 Schutzarten erste Kennziffer
Erklärung
zweite Kennziffer
Erklärung
dritter Buchstabe
Erklärung
vierter Buchstabe
Erklärung
0
Kein Schutz
0
Kein Schutz
1
Schutz gegen zufälliges großflächiges Berühren; Schutz gegen Eindringen von Fremdkörpern größer als 50 mm
1
Schutz gegen senkrecht fallendes Wasser
A
Geschützt gegen Zugang mit dem Handrücken (50 mm)
M
Betriebsmittel geprüft auf die schädliche Wirkung durch Eintritt von Wasser, wenn die beweglichen Teile des Betriebsmittels in Betrieb sind
2
Schutz gegen Berühren durch Finger; Schutz gegen Eindringen von Fremdkörpern >12,5 mm
2
Schutz gegen Tropfwasser bei Schrägstellung des Gerätes bis zu 15°
B
Geschützt gegen Zugang durch Finger (12 mm Durchmesser, 80 mm Länge)
W
Geeignet zur Verwendung unter festgelegten Wetterbedingungen und ausgestattet mit zusätzlichen schützenden Maßnahmen oder Verfahren
3
Schutz gegen Berühren mit Werkzeugen oder gegen Eindringen von Fremdkörpern von einer Dicke > 2,5 mm
3
Schutz gegen Sprühwasser aus einem Winkel bis zu 60°
C
Geschützt gegen Zugang mit Werkzeug (2,5 mm Durchmesser, 100 mm Länge)
H
Hochspannungsbetriebsmittel
4
Schutz gegen Berühren mit Werkzeugen oder gegen Eindringen von Fremdkörpern von einer Dicke > 1 mm
4
Schutz gegen Spritzwasser aus beliebigen Richtungen
D
Geschützt gegen Zugang mit Draht (1,0 mm Durchmesser, 100 mm Länge)
S
Betriebsmittel geprüft auf schädliche Wirkung durch Eindringen von Wasser, wenn die beweglichen Teile im Stillstand sind
5
Vollständiger Schutz gegen Berühren; Schutz gegen schädliche Staubablagerungen
5
Schutz gegen Strahlwasser aus allen Richtungen
6
Vollständiger Schutz gegen Berühren; Schutz gegen Eindringen von Staub
6
Schutz gegen vorübergehende Überflutung, z.B. schwere See
I Elektrische Maschinen
849
Tabelle I-9 Fortsetzung erste Kennziffer
Erklärung
zweite Kennziffer
Erklärung
7
7
Schutz gegen schädliches Eindringen von Wasser beim Eintauchen
8
8
Schutz gegen jegliches Eindringen von Wasser
dritter Buchstabe
Erklärung
vierter Buchstabe
Erklärung
Tabelle I-10 Kühlungsarten von Motoren 1. Kennziffer
Bedeutung
2. Kennziffer
Bedeutung
0
Maschine mit freiem Luftein- und -austritt
0
Selbstkühlung
1
Maschine mit Rohranschluß, ein Einlaßkanal
1
Eigenkühlung (Ventilator)
2
Maschine mit Rohranschluß, ein Auslaßkanal
2
Eigenkühlung durch eine nicht auf der Welle angebrachten Belüftungseinrichtung
3
Maschine mit Rohranschluß, Einund Auslaßkanal
3
Fremdkühlung durch eine an die Maschine angebaute Belüftungseinrichtung. Antrieb von der Maschine abhängig
4
Oberflächengekühlte Maschine (Umgebungsluft)
4
5
Maschine mit eingebautem Wärmetauscher (Kühlmittel Umgebungsluft)
5
Fremdkühlung durch eine eingebaute Belüftungseinrichtung. Antrieb nicht von der Maschine abhängig
6
Maschine mit aufgebautem Wärmetauscher (Kühlmittel Umgebungsluft)
6
Fremdkühlung durch eine an die Maschine angebaute Belüftungseinrichtung. Antrieb nicht von der Maschine abhängig
7
Maschine mit eingebautem Wärmetauscher (Kühlmittel ist nicht Umgebungsluft)
7
Fremdkühlung durch eine nicht auf die Maschine aufgebaute Belüftungseinrichtung. Antrieb nicht von der Maschine abhängig oder durch Druckluft aus dem Versorgungsnetz
8
Maschine mit aufgebautem Wärmetauscher (Kühlmittel ist nicht Umgebungsluft)
8
Verdrängungskühlung (Fahrtwind)
9
Maschine mit getrennt aufgestelltem Wärmetauscher
850
Energietechnik
Tabelle I-11 Reduktionsfaktoren für die Nennleistung abhängig von der Höhe und Temperatur Aufstellungshöhe über NN in m
Kühlmitteltemperatur (KT) in °C < 30
30 – 40
45
50
1000
1,07
1,00
0,96
0,92
0,87
0,82
1500
1,04
0,97
0,93
0,89
0,84
0,79
2000
1,00
0,94
0,90
0,86
0,82
0,77
2500
0,96
0,90
0,86
0,83
0,78
0,74
3000
0,92
0,86
0,82
0,79
0,75
0,70
3500
0,88
0,82
0,79
0,75
0,71
0,67
4000
0,82
0,77
0,74
0,71
0,67
0,63
7.1.3 Kühlart Die Art der Kühlung von Maschinen ist nach DIN IEC 34 Teil 6 festgelegt. Diese DIN sieht zwei Kennzeichnungssysteme vor. Beide beginnen mit den Buchstaben IC (International Cooling). Bei der vollständigen Kennzeichnung folgen auf die Buchstaben IC zwei Blöcke mit je einem Buchstaben und zwei Ziffern, z.B. IC W 337 A 71. Die deutsche Norm empfiehlt dem Anwender bei luftgekühlten Maschinen die vereinfachte Kennzeichnung einzusetzen. Bei der vereinfachten Kennzeichnung beschreibt die erste Kennziffer die Art des Kühlmittelumlaufs, die zweite Ziffer die Art des Antriebs für den Kühlmittelumlauf. Die für den Antrieb vorgegebene Kühlungsart gewährleistet bei einer Kühlmitteltemperatur (KT) von 40 °C und einer Aufstellungshöhe bis 1000 m, daß der Antrieb mit Nennleistung betrieben werden darf. Bei abweichenden Bedingungen ist die zulässige Leistung entsprechend nachstehender Tabelle zu bestimmen. Diese Angaben sind Richtwerte. Es ist von jedem Hersteller eine genaue Information über die Reduktionsfaktoren einzuholen! Falls Motor und Antriebsmaschine nicht über ein Rohrsystem direkt ins Freie fremdbelüftet sind, muß die von den Maschinen erzeugte Wärmemenge über die Raumluft abgeführt werden. Hierzu ist eine gute Frischluftversorgung zur Kühlung der Maschinennotwendig. Ein oberflächengekühlter 110 kW-Motor mit 1500 min–1 benötigt in einer Stunde ungefähr
55
60
2200 m3 Kühlluft. Der erforderliche Kühlluftstrom berechnet sich nach folgender Formel: Kühlluftstrom
V L PV DJ m3 kW K s
0 , 77 V L = PV ⋅ DJ
(I.174)
PV gesamte Verlustleistung; DJ zulässige Temperaturdifferenz (Differenz zwischen Lufteintritts- und zulässiger Raumtemperatur)
7.1.4 Isolierstoffklassen In der DIN VDE 0530 sind die Isolierstoffe einschließlich der Tränkmittel in Isolierstoffklassen eingeteilt, denen genau festgelegte Temperaturwerte zugeordnet sind. Die höchstzulässige Dauertemperatur der Isolierstoffe setzt sich aus der Kühlmitteltemperatur und der Grenzübertemperatur der Wicklung zusammen. Weiter ist noch eine Erwärmungstoleranz zur Sicherheit zu berücksichtigen, da die Messungen nur einen Mittelwert der Erwärmung liefern. Bei den Grenztemperaturen wird davon ausgegangen, daß die Kühlmitteltemperatur den Wert 40 °C nicht übersteigt. 7.1.5 Motorschutz Motoren müssen durch geeignete Maßnahmen gegen zu hohe Erwärmung geschützt werden. Dabei ist zu beachten, daß Sicherungen nur ein Schutz gegen Kurzschlüsse sind und nicht gegen zu hohe Erwärmung, da sie die Vorbelastung des Motors nicht
Tabelle I-12 Grenztemperaturen von Isolierungen Klasse
Y
A
E
B
F
H
C
Grenztemperatur in °C
90
105
120
130
155
180
>180
I Elektrische Maschinen
851
Tabelle I-13 Betriebsarten S1 – Dauerbetrieb
Betrieb mit konstantem Belastungszustand, dessen Dauer ausreicht, den thermischen Beharrungszustand zu erreichen. Vorgabe ist die Leistung. Beispiel: S1; 50 kW
S2 – Kurzzeitbetrieb
Betrieb mit konstantem Belastungszustand, der aber nicht so lange dauert, daß der thermische Beharrungszustand erreicht wird. Mit einer nachfolgenden Pause, die so lange besteht, bis die Maschinentemperatur nicht mehr als 2 K von der Temperatur des Kühlmittels abweicht. Vorgabe ist die Leistung und die Betriebsdauer. Beispiel: S2; 20 min; 30 kW
S3 – Aussetzbetrieb ohne Einfluß des Anlaufvorganges
Betrieb, der sich aus einer Folge gleichartiger Spiele zusammensetzt, von denen jedes eine Zeit mit konstanter Belastung und eine Pause umfaßt. Der Anlaufstrom beeinflußt die Erwärmung nicht merklich. Vorgabe ist die Leistung, die Einschaltzeit tB und die Spieldauer tS oder die relative Einschaltdauer tr. tr = tB/tS. Beispiel: S3; 10%; 50 min; 20 kW
S4 – Aussetzbetrieb mit Einfluß des Anlaufvorganges
Betrieb, der sich aus einer Folge gleichartiger Spiele zusammensetzt, von denen jedes eine merkliche Anlaufzeit tA, eine Zeit mit konstanter Belastung und eine Pause tSt umfaßt. Vorgabe ist die relative Einschaltdauer, die Zahl der Anläufe pro Stunde und die Leistung. tr = (tA + tB)/(tA + tB + tSt). Beispiel: S4; 35%; 400 Anläufe; 25 kW
S5 – Aussetzbetrieb mit Einfluß des Anlaufvorganges und der elektrischen Bremsung
Betrieb, der sich aus einer Folge gleichartiger Spiele zusammensetzt, von denen jedes eine merkliche Anlaufzeit, eine Zeit mit konstanter Belastung, eine Zeit schneller elektrischer Bremsung tBr und eine Pause umfaßt. Vorgabe wie bei der Betriebsart S4, jedoch mit der Angabe der Bremsart. tr = (tA + tB + tBr)/(tA + tB + tBr + tSt). Beispiel: S5; 25%; 250 Spiele/h Gegenstrombremsung; 40 kW
S6 – Durchlaufbetrieb mit Aussetzbelastung
Betrieb, der sich aus einer Folge gleichartiger Spiele zusammensetzt, von denen jedes eine Zeit mit konstanter Belastung und eine Leerlaufzeit umfaßt. Es tritt keine Pause auf. Vorgabe wie Betriebsart S3. tr = tB/tS. Beispiel: S6; 20%; 45 kW
S7 – Ununterbrochener Betrieb mit Anlauf und elektrischer Bremsung
Betrieb, der sich aus einer Folge gleichartiger Spiele zusammensetzt, von denen jedes eine merkliche Anlaufzeit, eine Zeit mit konstanter Belastung und eine Zeit mit schneller elektrischer Bremsung umfaßt. Es tritt keine Pause auf. Vorgabe wie Betriebsart S5, jedoch keine relative Einschaltzeit tr = 1. Beispiel: S7; 10 kW; 300 Reversierungen/h
S8 – Ununterbrochener Betrieb mit periodischer Drehzahländerung
Betrieb, der sich aus einer Folge gleichartiger Spiele zusammensetzt. Jedes Spiel umfaßt eine Zeit mit konstanter Belastung und bestimmter Drehzahl. Anschließend eine oder mehrere Zeiten mit anderer Belastung, denen unterschiedliche Drehzahlen entsprechen. Vorgaben wie bei Betriebsart S5, jedoch für jede Drehzahl
S9 – Ununterbrochener Betrieb mit nichtperiodischer Last- und Drehzahländerung
Betrieb, bei dem sich Belastung und Drehzahl innerhalb des zulässigen Betriebsbereiches nichtperiodisch ändern. Es treten häufig Belastungsspitzen auf, die weit über der Nennleistung liegen können. Vorgabe ist eine passend gewählte Dauerbelastung, deren Grundlage die Wurzel aus dem quadratischen Mittelwert der Leistung oder des Stromes sein sollte. P =
P12 ⋅ t 1 + P22 ⋅ t 2 + P32 ⋅ t 3 t1 + t 2 + t 3
berücksichtigen. Zum Einsatz als Motorschutzgeräte kommen die thermischen Auslöser oder der Motorvollschutz. Bei größeren Motoren auch Relais, die das Wärmeabbild des Motors wiedergeben. Thermische Überlastungen eines Motors sind durch folgende Ursachen möglich: Erhöhte Verluste durch die Art des Betriebes; Blockieren des Läufers während des Betriebes; Anschluß- und Schaltfehler; erhöhte Verluste durch
Netzstörungen; Phasenausfall; Netzspannung; Beeinträchtigung der Kühlung. 7.1.5.1 Thermischer Auslöser Der thermische Auslöser (Motorschutzschalter) befindet sich im Hauptstromkreis und wird vom Motorstrom durchflossen. Der Motorschutzschalter ist für kleinere und mittlere Antriebe geeignet. Die Kosten dieser Schutzeinrichtung sind gering. Die
852
Energietechnik
Schutzfunktion ist jedoch nicht optimal, da der Motorschutzschalter nicht die Wicklungstemperatur direkt überwacht, sondern nur die Stromaufnahme des Motors. Fehlfunktionen des Motorschutzschalters können eintreten, wenn seine Belüftung nicht einwandfrei funktioniert. Dann kann der Motorschutzschalter bei erhöhter Umgebungstemperatur auslösen, ohne daß der Motor überlastet ist. Wird der Motorschutzschalter jedoch besser gekühlt als der Motor, so erfolgt keine Auslösung, obwohl der Motor überlastet wird. 7.1.5.2 Thermistor-Motorvollschutz Von einem Motorvollschutz spricht man, wenn in den Wicklungssträngen des Ständers des zu schützenden Motors temperaturabhängige Widerstände eingebaut sind. Diese Widerstände sind meistens Kaltleiter (PTC). Der Kaltleiter wird so ausgelegt, daß ein definierter Strom bei Betriebstemperatur durch den Schutzkreis fließt. Erhöht sich die Wicklungstemperatur auf unzulässige Werte, steigt der Widerstand des Kaltleiters sehr stark an. Im zugehörigen Auslösegerät wird dieser Widerstandsanstieg durch einen Stromabfall registriert; der Motor wird vom Netz geschaltet oder es erfolgt eine Störungsmeldung. Dieser Schutz ist für ständerkritische Motoren ausreichend. Läuferkritische Motoren benötigen zusätzlich noch ein Überlastrelais. Das Überlastrelais schützt den Motor, wenn der Läufer festgebremst ist. Zusätzlich übernimmt es noch den Leitungsschutz. 7.1.6 Abstimmung des Motors auf die Arbeitsmaschine Für die Auswahl eines geeigneten Motors für einen Antrieb müssen folgende Daten bekannt sein: Betriebsart; Anlauf-, Brems- und Umsteuervorgänge; Fremdträgheitsmomente; Momentenverlauf der Arbeitsmaschine; Drehzahlsteuerung; Netzverhältnisse; Aufstellungshöhe; Kühlmitteltemperatur; Bedarfsleis-
tung der Arbeitsmaschine. Die Nennleistung des Motors soll auf die Bedarfsleistung der Antriebsmaschine abgestimmt sein, da ein zu groß bemessener Motor einen höheren Anzugsstrom verursacht, wodurch größere Sicherungen und stärkere Leitungen erforderlich sind. Auch fährt der Motor in einem unwirtschaftlichen Betrieb, da der Leistungsfaktor und unter Umständen der Wirkungsgrad unter Teillast schlechter sind. Das Drehmoment der Antriebsmaschine ist aus entsprechenden Unterlagen des Herstellers zu entnehmen. In Bild I-77 sind einige typische Drehzahl-Drehmomentverläufe dargestellt. Kurve 1: Drehmoment praktisch gleichbleibend, Leistung proportional der Drehzahl. Gilt z.B. für Hebezeuge, Kolbenpumpen und Verdichter bei Förderung gegen konstanten Druck, Kapselgebläse, Walzwerke, Förderbänder, Mühlen ohne Lüfterwirkung, Werkzeugmaschinen mit gleichbleibender Schnittkraft. 4
M
1 2 3
n
Bild I-77 Drehzahl-, Drehmomentkennlinien verschiedener Arbeitsmaschinen Kurve 2: Drehmoment wächst proportional zur Drehzahl, Leistung proportional zum Quadrat der Drehzahl. Maschinen zum Glätten von Geweben und Papier, Heißmangel und Kalander.
Tabelle I-14 Überlastschutzeinrichtungen im Vergleich ( ++ sehr gut; + gut; – gering) Schutzeinrichtung
Überlastschutz
Kurzschlußschutz
Schalthäufigkeit
Leitung
Motor Motor (Ständer) (Läufer)
Motor
Leitung
Sicherung, Leistungsschalter (Überlast; Kurzschluß)
++
++
++
++
++
–
Sicherung; Schütz; Überlastschutz
++
++
++
++
++
++
Sicherung; Leistungsschalter (Überlast); Thermistor
+
++
+
++
++
–
Sicherung; Schütz; Thermistor
+
++
+
++
++
++
Sicherung; Schütz; Überlastschutz; Thermistor
++
++
++
++
++
++
I Elektrische Maschinen
853 mittleres Beschleunigungsmoment
Kurve 3: Drehmoment wächst proportional zum Quadrat der Drehzahl, Leistung proportional zur dritten Potenz der Drehzahl. Gilt für Kreiselpumpen, Ventilatoren, Kolbenmaschinen, die in ein offenes Rohrnetz fördern, Maschinen mit Schleuderwirkung, Schiffsantriebe, Rührwerke.
M bmi = M m − M l J Gesamtträgheitsmoment des Antriebes
Das Gesamtträgheitsmoment setzt sich aus dem Motorträgheitsmoment, dem Trägheitsmoment der Arbeitsmaschine und den Trägheitsmomenten von Kupplungen und Riemenscheiben, umgerechnet auf die Drehzahl der Motorwelle, zusammen. Kann wegen großer Trägheitsmomente/Lastmomente kein einwandfreier Anlauf erreicht werden, muß ein Sonderläufer oder ein größerer Motor eingesetzt werden, der dann aber bei Normalbetrieb schlechter ausgenutzt wird. Deshalb sollte ein Schleifringläufermotor, eine Anlaufkupplung oder ein Frequenzumrichter eingesetzt werden.
Kurve 4: Drehmoment nimmt umgekehrt proportional zur Drehzahl ab, die Leistung ist konstant. Dieser Verlauf ist nur für Regelvorgänge interessant. Kommt bei Zerspanungsmaschinen, Aufwickel- und Rundschälmaschinen vor. Für den Anlauf ist das mittlere Lastmoment Ml aus dem Moment Me nach beendetem Hochlauf zu bestimmen. Eine Überschlagsbestimmung für die angegebenen Kennlinien ergibt: Kurve 1: Ml = Me; Kurve 2: Ml = Me /2; Kurve 3: Ml = Me/3; Kurve 4: Ml. Ist das mittlere Hochlaufmoment Mm bekannt, ergibt sich für die Anlaufzeit ta des Antriebs folgender Wert: Anlaufzeit ta =
∑ J ⋅ n0 9, 55 ⋅ M bmi
ta J n 0 M bmi 2 s kg m min −1 Nm
(I.176)
7.1.6.1 Wartung von Maschinen Elektrische Maschinen haben nur wenige Teile, die einem Verschleiß unterliegen. Diese Verschleißteile bedürfen aber besonderer Beobachtung und regelmä-
(I.175)
Tabelle I-15 Liste von Wartungsarbeiten in Abhängigkeit vom Motortyp Zeitraum
Lager Wälzlager
alle 1 bis 2 Wochen
Maschinentyp Gleitlager
Käfig
Schleifring
Wartungsarbeiten Stromwender
×
Lagergeräusch und Lagererwärmung kontrollieren ×
Ölstandskontrolle ×
Kontrolle der Oberfläche des Stromwenders und der Bürsten einschließlich Halterung
alle 1 bis 2 Monate
×
×
Oberflächenkontrolle der Schleifringe und des Stromwenders, der Bürsten, der Haltevorrichtung und der Bürstenabhebevorrichtung
alle 3 bis 4 Monate
×
×
Überprüfung des Bürstendrucks
×
×
Kontrolle der Anschlußklemmen
jährliche Wartung
× ×
×
Kontrolle der Lager und Messung der Lagertemperatur ×
×
×
Messung des Isolationswiderstandes der Wicklungen
×
×
×
Reinigung verschmutzter Wicklungen
×
×
×
Messung der Wicklungstemperatur
×
×
Kontrolle der Schleifringe und Stromwender mit Zubehör
854
Energietechnik
ßiger Wartung. Insbesondere Lager sollten mit besonderer Sorgfalt gewartet werden, da sie einem ständigen Verschleiß unterliegen. Welche Wartungsarbeiten in welchen Abständen durchgeführt werden sollten, ist in Tabelle I-15 dargestellt. Die Angaben der Tabelle beziehen sich auf normale Betriebsbedingungen, also Dauerbetrieb über acht Stunden, Nennumgebungstemperatur und keine Verschmutzungen in der Kühlluft. Eine Veränderung der normalen Betriebsbedingungen ergibt andere Wartungsinter-
valle. Wartungs- und Kontrollarbeiten sollten in Motorstillstandszeiten durchgeführt werden. Neben den erwähnten Wartungs- und Kontrollarbeiten gehört auch die Überprüfung der Schutzgeräte in den Wartungsplan. 7.1.7 Störungsbeseitigung Die folgende Tabelle soll dem Betreiber einige Hinweise geben, welche Ursache einer eventuell aufgetretenen Störung zugrunde liegt.
Tabelle I-16 Störungen an Gleichstrommaschinen, ihre Ursache und Behebung Gleichstrommaschine Störungsart
Ursache
Abhilfe
Motor läuft nicht an
Sicherung defekt
Sicherung ersetzen
Bürsten liegen nicht auf
Bürstensitz überprüfen, Bürstenhalter reinigen, Bürsten auswechseln
Lager festgefressen
Lager auswechseln
Anker- oder Feldwicklung unterbrochen
Durchgang überprüfen, Wicklung ersetzen
Körperschluß der Wicklung
Auf Körperschluß prüfen (Kurbelinduktor), Wicklung erneuern
Erregerwicklung unterbrochen
Erregerwicklung auf Durchgang prüfen
Bürstenbrücke verstellt
Bürstenbrückenstellung prüfen (Markierung beachten)
defekte Kugellager
Kugellager ersetzen
verspannte Lagerschilder
Befestigungsschrauben gleichmäßig nachziehen
Motor überlastet
Belastung verringern
Kollektor unrund oder verschmutzt
Kollektor abdrehen, Glimmerisolation auskratzen, Kollektor reinigen
Wendepole falsch geschaltet
Schaltung überprüfen
Erregerwicklung hat Windungsschluß
Wicklung erneuern
Klemmenspannung zu hoch
Gleichspannung verringern
Motor läuft schwer an
Unruhiger Lauf
Bürstenfeuer zu stark
Motor läuft zu schnell
I Elektrische Maschinen
855
Tabelle I-17 Störungen an Asynchronmaschinen, ihre Ursache und Behebung Asynchronmotor Motor läuft nicht an
Motor läuft schwer an
Motor wird im Leerlauf zu warm
Motor wird im Dauerbetrieb zu warm
Motor brummt
Drehzahl sinkt bei Belastung stark ab
Schutz hat angesprochen
Schutzgerät überprüfen, einschalten
Lager festgefressen
Lager auswechseln
Wicklungsstrang im Läufer unterbrochen
Wicklungsstränge auf Durchgang prüfen
Ständerwicklungen haben Phasen- oder Körperschluß
Wicklungen überprüfen, auswechseln
Klemmenspannung zu niedrig
Spannungsfall auf Zuleitung überprüfen
Windungsschluß
Strangwiderstände messen, defekten Strang austauschen
falsche Ständerschaltung bei zu hoher Betriebsspannung
Ständer von Dreieck- auf Sternschaltung umschalten
Belastung zu hoch
Verringerung der Belastung
Eine Sicherung hat angesprochen (Zweiphasenlauf)
Klemmenspannung prüfen
Belüftung fehlt
Motor abstellen, bis Belüftung wieder vorhanden
Wicklungsstrang des Ständers hat Wicklungsschluß
Wicklung durchmessen, austauschen
Zweiphasenlauf
Klemmenspannung messen
Am Klemmbrett sind zwei Phasen und der Mittelleiter angeschlossen
Klemmenspannung messen
Maschine überlastet
Verringerung der Belastung
Läuferstäbe ausgelötet oder abgerissen
Läuferwicklung prüfen (Brandstellen)
Läuferblechpaket auf der Welle verschoben
Sitz des Läuferblechpaketes prüfen
856
Energietechnik
7.1.8 Anschlußkennzeichnungen von Maschinen Tabelle I-18 Gegenüberstellung von alten und neuen Bezeichnungen bei Maschinen Art der Maschine Transformator
neue Bezeichnung
alte Bezeichnung
1U1, 1V1, 1W1
U, V, W
1U2, 1V2, 1W2
X, Y, Z
2U1, 2V1, 2W1
u, v, w
2U2, 2V2, 2W2
x, y, z
Ankerwicklung
A1 – A2
A–B
Wendepolwicklung
B1 – B2
GW – HW
Geteilte Wendepolwicklung
1B1 – 1B2 2B1 – 2B2
Kompensationswicklung
C1 – C2
GK – HK
Reihenschlußwicklung
D1 – D2
E–F
Nebenschlußwicklung
E1 – E2
C–D
fremderregte Wicklung
F1 – F2
I–K
Dreiphasenmaschine
U1, V1, W1
U, V, W
U2, V2, W2
X, Y, Z
Schleifringläufer
K, L, M
u, v, w
Erregerwicklung
F1 – F2
I, K
Kondensatormotor
U1 – U2
U–V
Z1 – Z2
W–Z
Oberspannung
Unterspannung
Gleichstrommaschine
Wechselstrommaschine
Literaturhinweise [1] Schröder (Hrsg.): Elektrische Antriebe Bd. 1. Berlin: Springer 2002, ISBN 3-540-66846-2 [2] Giersch/Harthus/Vogelsang: Elektrische Maschinen. Stuttgart: Teubner, ISBN 3-519.46821.2 [3] Constantinescu/Simon/Liviu (Hrsg.): Elektrische Maschinen und Antriebssysteme. Wiesbaden: Vieweg 1999, ISBN 3-528-06426-9
857
II Elektrische Anlagen 1 Struktur der Elektrizitätswirtschaft Die Struktur der Elektrizitätsversorgung der Bundesrepublik Deutschland setzt sich aus den öffentlichen Energieversorgern, den Eigenanlagen der Industrien und der Deutschen Bahn AG zusammen. Die öffentliche Stromversorgung übernehmen die Energieversorgungsunternehmen (EVU). Die EVU sind für ihre Geschäftsergebnisse eigenverantwortlich; an ihrem Kapital können sich die öffentliche Hand und private Geldgeber beteiligen. Das Aufsichtsrecht über die Elektrizitätswirtschaft liegt in staatlicher Hand. Jede Strompreiserhöhung muß von staatlicher Seite genehmigt werden. Die EVU haben die Pflicht, jedem Anspruch auf Stromversorgung nachzukommen (Kontrahierungszwang). Die EVU müssen auf Antrag jeden Haushalt, Landwirtschafts-, Gewerbe- und Industriebetrieb zu zumutbaren Bedingungen anschließen und jederzeit mit Elektrizität in der gewünschten Menge beliefern. Um eine wirtschaftliche Versorgung der Verbraucher zu erreichen, werden die Versorgungsgebiete der EVU in sogenannten Demar-
Elektrische Energie wird heute überall eingesetzt. In Tabelle II-1 ist aufgeführt, wo die elektrische Energie abgenommen wird. Die erzeugte elektrische Energie teilte sich im Jahr 2002 auf folgende Primärenergieträger auf: Steinkohle Braunkohle Wasser Gas Heizöl Kernenergie Wind Sonstiges 0
5
10
15
20
25
30
35
Bild II-1 Bruttostromerzeugung der BRD 2002 in Prozent aufgeteilt auf Primärenergieträger
Tabelle II-1 Aufteilung der verbrauchten elektrischen Energie auf einzelne Bereiche Verbrauchte elektrische Energie
1991 (Petajoule)
1995 (Petajoule)
2000 (Petajoule)
Gesamt
14 611
14 269
14 190
Produzierendes Gewerbe
48 817
88 228
18 200
Dienstleistung
21 982
2 091
12 182
Private Haushalte
23 811
3 950
13 808
kationsverträgen festgelegt und räumlich bestimmt. Hieraus ergibt sich, daß jeder Verbraucher nur von einem EVU beliefert werden kann. Durch die europäische Gesetzgebung wurde mittlerweile jedem Verbraucher freigstellt sich ein geeignetes EVU (Stromlieferant) zu suchen. Die Demarkationsverträge sind somit nicht mehr voll wirksam. Die Stromtarife setzen sich aus dem Verrechnungspreis, dem Leistungspreis und dem Arbeitspreis zusammen. Zusätzlich werden noch Ausgleichsabgaben und Mehrwertsteuer berechnet. Verrechnungspreis: Überlassung der Meßeinrichtung. Leistungspreis: Setzt sich aus einem festen und einem verbrauchsabhängigen Anteil zusammen. Der verbrauchsabhängige Anteil wird entweder pauschal oder mit einer 96 h- oder 15 min-Messung ermittelt. Arbeitspreis: Wird pro bezogener Kilowattstunde berechnet.
Zusammensetzung der alternativen Energien: Wasser 48,9%; Wind 41,1%, Müll und Biomasse 9,5%; Sonne 0,5%. Insgesamt wurden 21 950 Mio. kWh an regenerativer Energie erzeugt (entspricht ungefähr 8% der EVU-Erzeugung). Die Energie durch Windkraftwerke wurde in ca. 12 000 Windanlagen erzeugt. Tabelle II-2 zeigt die Entwicklung der einzelnen Energieträger, die zur Erzeugung elektrischer Energie eingesetzt werden. Elektrische Energieanlagen dienen zur Versorgung der Verbraucher mit elektrischer Energie. Folgendes Schema zeigt den grundsätzlichen Verlauf des Energieflusses vom Erzeuger bis zum Verbraucher (Bild II-2). Nach dem Kraftwerk wird die erzeugte Energie auf ein höheres Spannungspotential gebracht, um die Transportkosten des Stroms zu reduzieren. Transportiert wird die elektrische Energie hauptsächlich über
858
Energietechnik
Tabelle II-2 Entwicklung der eingesetzten Primärenergieträger zur Verstromung Jahr
1955
1973
1991
2000
2002
Steinkohle
54%
34%
28%
25%
23%
Braunkohle
24,3% 25%
29%
26%
27,5%
Wasser
15,8%
3%
4%
4,5%
Gas
4,6% 15,8% 07%
9%
9%
Heizöl
1,3% 14,4% 13%
1%
1%
3,9% 27%
30%
28,5%
12%
13%
Kernenergie – Wind
–
Sonstiges
–
5,2%
–
– 1,7%
3%
3%
3,5%
(Quelle: DIW; statistisches Bundesamt; VDEW)
Freileitungen, in besonderen Fällen auch über Kabel. In Zentren des Energieverbrauchs wird die Spannung heruntertransformiert und über Verteiler an die Endkunden weitergeleitet. Um eine wirtschaftliche Energieversorgung gewährleisten zu können, sind folgende Voraussetzungen erforderlich: Erzeugung und Bedarf müssen einander entsprechen. Deckung der Grundlast mit Energie aus
Kraftwerken mit preisgünstiger Rohenergie. Erzeugung der Energie möglichst in der Region der Endverbraucher. Energieflußoptimierung mit Hilfe der Netzleittechnik. Eine Netzbelastungskurve (Darstellung der Energieabnahme über einen Tag) eines EVU könnte den Verlauf nach Bild II-3 aufweisen. Die Netzbelastungskurve zeigt Bereiche mit kontinuierlicher Energieabnahme (Grundlast). Bereiche, in denen die Last nicht die gleiche Höhe im Tagesverlauf aufweist, bezeichnet man als Mittellast. Bereiche, bei denen nur kurzzeitig ein Laststoß auftritt, bezeichnet man als Spitzenlast. Zur Grundlastdeckung werden Atom-, Braunkohle- und Laufwasserkraftwerkeeingesetzt, zur Mittellastdeckung Steinkohle- und Heizölkraftwerke und zur Spitzenlastdeckung Pumpspeicherund Gasturbinenkraftwerke.
2 Elektrische Energieerzeugung Die bei uns eingesetzte elektrische Energie wird hauptsächlich durch Umwandlung von sogenannten Primärenergieträgern erzeugt. Regenerative Energieträger setzen sich sehr langsam durch, da die Kosten der so erzeugten elektrischen Energie derzeit
Kernkraftwerke
Höchstspannungsnetz 380 kV
Großkraftwerke (Braunkohle)
Wasserkraftwerke
Höchstspannungsnetz 220 kV
Steinkohlekraftwerke
MittlereKraftwerke
Hochspannungsnetz 110 kV Mittelspannungsnetz
Industriekraftwerke Großindustrie
10 kV / 20 kV
Bild II-2 Schematischer Aufbau der Energieverteilung in der BRD
Niederspannungsnetz 400 V / 230 V MW
noch über den konventionellen Methoden zur Erzeugung elektrischer Energie liegen.
P Spitzenlast Mittellast Grundlast 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 Uhrzeit t
Bild II-3 Tagesbelastungskurve
2.1 Energiebedarf Der Energiebedarf der Weltbevölkerung ist in den Jahren 1900 bis 1950 um durchschnittlich 2,5% jährlich gestiegen. Von 1950 bis 1960 stieg der Energiebedarf um 4% und ab 1970 um 5,5% jährlich. Nach der Ölkrise im Jahr 1972 pendelte sich die Zunahme zwischen 2% und 3% pro Jahr ein. Derzeit werden auf der Welt 12 Milliarden Tonnen SKE (Steinkohleeinheiten) an Primärenergien verbraucht (Stand 1989). Die Energie wird hauptsächlich von nicht erneuerbaren Primärenergieträgern geliefert. So verteilte sich der Primärenergiebedarf der Welt im Jahr 1989 wie folgt auf: 39% Erdöl; 27% Kohle; 21%
II Elektrische Anlagen
859
2.3 Wärmekraftwerke
Erdgas; 12% Kernenergie und Wasserkraft. Der Begriff Steinkohleeinheit (SKE) wurde gebildet, als Kohle der weitaus wichtigste Energieträger war. Eine Steinkohleeinheit entspricht der Energiemenge, die bei der vollständigen Verbrennung von einem Kilogramm Steinkohle bestimmter Qualität freigesetzt wird. Tabelle II-3 zeigt Energieinhalte der Energieträger.
In Wärmekraftwerken herkömmlicher Bauart werden Primärenergieträger wie Öl, Gas oder Kohle verbrannt. Mit der hierbei erzeugten Wärme wird Wasser erhitzt, welches eine Dampfturbine antreibt. Der Wirkungsgrad dieser Energieumsetzung hängt im
Tabelle II-3 Energieinhalte von jeweils einem Kilogramm bzw. m3 verschiedener Energieträger Energieträger in kg
Energieinhalt in SKE
Energieinhalt in MJ
Braunkohle
0,31
9,0
Holz
0,5
14,7
1
29,3
Erdgas (m )
1,08
31,7
Rohöl
1,45
42,6
Heizöl, leicht
1,45
42,7
Benzin
1,48
43,5
Steinkohle 3
2,4·106
84 022
Kernbrennstoff (Urandioxid, angereichert auf 3,2%)
2.2 Energiereserven
starken Maße von der Differenz der Turbineneintrittsund -austrittstemperatur ab. Dampfturbinen arbeiten heute mit einer Eintrittstemperatur von ca. 600 °C und einer Austrittstemperatur von ca. 35 °C, Gasturbinen mit einer Eintrittstemperatur von ungefähr 1200 °C und einer Austrittstemperatur von 600 °C. Der Wirkungsgrad herkömmlicher Wärmekraftwerke liegt ohne Reinigung der Abgase bei ungefähr 40%. Kommt eine Abgasreinigung (Entstaubung, Entstickung, Entschwefelung) dazu, sinkt der Wirkungsgrad je nach Prozeß um ungefähr 5% – 10%. Um den Wirkungsgrad zu erhöhen, werden kombinierte Wär-
Die zur Erzeugung eingesetzten Primärenergieträger sind Stoffe, die im Laufe der Erdgeschichte durch Umwandlung von Pflanzenteilen (Kohle, Erdöl) entstanden sind, oder die als Erz vorkommen (Uran). Da diese Energieträger nicht nachwachsen und nicht reproduzierbar sind, ist ihr Einsatz für die Erzeugung von Strom von den vorhandenen Vorkommen abhängig. Zum heutigen Zeitpunkt geht man von folgenden Ressourcen (wahrscheinlich vorhandene Vorräte) und Reserven (nachgewiesene Vorräte) aus:
Tabelle II-4 Weltenergiereserven im Jahr 1990 (Millarden Tonnen SKE)
Ressourcen Reserven
Steinkohle
Ölschiefer
Braunkohle
Erdgas
Erdöl
Uran
8000
2000
1000
500
400
60
800
200
110
200
300
30
Teilt man die gesamten Energiereserven durch den derzeitigen Weltjahres-Energiebedarf von 12 Milliarden Tonnen SKE, ergibt sich ein Anhaltswert für die statistische Reichweite der Reserven. Die heute bekannten Reserven haben eine Reichweite von ca. 137 Jahren. Energiereserven durch die Kernfusion, durch Ausnutzung der Sonnenenergie und durch nachwachsende Rohstoffe können derzeit nur angenommen werden, da ein kostengünstiger Einsatz noch nicht möglich ist, weil die technische Realisation erst in der Zukunft erfolgen kann.
mekraftwerke geplant. Hierbei ist einer Gasturbine eine Dampfturbine nachgeschaltet; die nutzbare Temperaturdifferenz beträgt ungefähr 1000 °K. Der Wirkungsgrad wird dadurch auf über 50% erhöht. Als Nebeneffekt kann bei dieser Kraftwerksart die Reinigung der Abgase wesentlich einfacher ausgeführt werden. Eine weitere Erhöhung des Wirkungsgrades herkömmlicher Kraftwerke kann durch Heizkraftwerke erzielt werden. Bei diesen HKW wird eine Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) eingesetzt. Die KWK arbeitet in der ersten Phase wie ein herkömmliches
860
Energietechnik
Wärmekraftwerk. Primärenergieträger werden verbrannt. Ein Wärmeträger wird erhitzt und treibt eine Turbine an. In der zweiten Phase wird der von der Turbine kommende Wärmeträger zum Heizen von Wohnungen oder zur Erzeugung von Prozeßwärme eingesetzt. Folgende Gegenüberstellung zeigt die Wirkungsgrade der verschiedenen Kraftwerkstypen (Tabelle II-5):
lustwärme entsteht dadurch, daß die Turbine nur einen Teil der im Dampf enthaltenen Energie ausnutzen kann. Die Restenergie muß über Kühltürme oder Wärmetauscher an die Umgebung abgegeben werden. Im Bild II-4 ist ein Kohlekraftwerk im Prinzip dargestellt. Neuere Steinkohlekraftwerke erreichen einen Wirkungsgrad von 39% – 45% bei Investitionskosten von ungefähr 2000 DM/kW.
Tabelle II-5 Vergleich verschiedener Dampfkraftwerkstypen Verluste in %
erzeugte Energie in %
Transportverluste in %
bereitgestellte Energie in %
Zentrales Kraftwerk
64
36
4
32
Zentrales Heizkraftwerk
18
82
7
75
Dezentrales Blockheizkraftwerk
13
87
2
85
Die in der Tabelle II-5 angegebenen Zahlen sind Prozentangaben der eingesetzten Primärenergie. Beim Heizkraftwerk (HKW) und beim Blockheizkraftwerk (BHKW) sind die Zahlen Maximalwerte, die erreicht werden, wenn die angebotene Wärme auch abgenommen wird. Wärmekraftwerke erzeugen zur Zeit ungefähr 57% der elektrischen Energie in Deutschland. 2.3.1 Konventionelle Dampfkraftwerke In konventionellen Wärmekraftwerken wird normalerweise Steinkohle oder Braunkohle als Primärenergieträger eingesetzt. Hierbei gibt es die Rostfeuerung, die Kohlestaubfeuerung oder die Wirbelschichtfeuerung. Bei der Rostfeuerung wird die Kohle in Stücken auf wandernde Roste geschüttet. Die Kohle durchwandert den Brennraum, gibt ihre Energie an einen Dampferzeuger ab und fällt am Ende der Roste als Schlacke in entsprechende Behälter. Bei der Kohlestaubbefeuerung wird die Kohle feingemahlen und mit der Verbrennungsluft in den Feuerraum geblasen. Hierdurch wird eine bessere Verbrennung und Regelung erreicht. Bei der Wirbelschichtfeuerung wird die Kohle im körnigen Zustand in den Brennraum auf eine Lochplatte eingebracht. Durch die Lochplatte strömt von unten Luft, die die Kohle zum Schweben bringt oder in den Brennraum wirbelt. Durch Zufügen von Kalk und durch eine geringe Brenntemperatur (850 °C) entstehen so die wenigsten Schadstoffe. Die durch die Verbrennung erzeugte Energie wird von einem Energieträger (normalerweise Dampf) zu den Turbinen geleitet. An den Turbinen wird die Energie in Bewegungsenergie umgewandelt und treibt einen Generator an, der die Bewegungsenergie in elektrische Energie umwandelt. Bei diesen Umwandlungsvorgängen entstehen Verluste in Form von Wärme, die an die Umgebung abgeleitet werden muß. Die größte Ver-
Abluft Dampf 530 °C / 160 hPa Turbine Generator
Luft Brennstoff
Kondensator 22 °C
Bild II-4 Prinzip eines Dampfkraftwerks 2.3.2 Kombikraftwerke Das Kombikraftwerk (GuD-Kraftwerk) ist eine Kombination aus einem Gasturbinen- und einem Dampfturbinenkraftwerk. Bei diesem Kraftwerkstyp wird einer Gasturbine ein Dampfkessel nachgeschaltet. Die Turbinenabgase heizen im Dampfkessel ein Medium auf, das eine Dampfturbine antreibt (Bild II-5). Auf diese Art werden Ausnutzungsgrade von über 58% erreicht. Eine weitere Möglichkeit des Einsatzes einer Gasturbine in Kombination mit einem Dampfkessel ist das sogenannte Repowering. Einem vorhandenen Wärmekraftwerk wird eine Gasturbine vorgeschaltet. Die Abgase der Gasturbine dienen zum Vorwärmen der Verbrennungsluft. Hierdurch können Verbesserungen des Ausnutzungsgrades von bis zu 10% erzielt werden. 2.3.3 Kernkraftwerke Kernkraftwerke (KKW) sind eine Sonderform der Wärmekraftwerke. Bei den KKW wird als Primärenergieträger angereichertes Uran eingesetzt. Der weitere Ablauf ist ähnlich dem der konventionellen Kraftwerke. Man unterscheidet Druckwasser-, Siedewasser- und gasgekühlte-graphitmoderierte Reaktoren. In Deutschland wird zur Zeit ungefähr 29% der elektrischen Energie mit Kernreaktoren hergestellt. Um ein Gigawattjahr zu erzeugen, werden 160 t
II Elektrische Anlagen
861 Abluft Dampf 500 °C / 160 hPa
Zuluft
Turbine
Generator
Verdichter
Generator
500 °C
Kondensator 22 °C
Gasturbine
Bild II-5 Prinzip eines Gas- und Dampfkraftwerks (GuD-Kraftwerk) Natururan benötigt. Es fallen 20 t hochradioaktiver Abfall an. Die Reserve von Natururan gewährleistet ohne den Einsatz von Brutreaktoren eine Versorgung von ungefähr 100 Jahren oder 80 Terawattjahren. Ein Störfall (GAU) tritt nach statistischen Berechnungen alle 20 000 Jahre pro Kraftwerksblock auf. 2.3.3.1 Druckwasserreaktor Wasser wird als sogenannter Moderator und als Wärmeträger eingesetzt. Es wird unter einem so hohen Druck (p = 150 bar) gesetzt, daß es nicht mehr in die gasförmige Phase übergehen kann. Das durch die Kernspaltung erhitzte Wasser erwärmt über einen Wärmetauscher das Wasser des Turbinenkreislaufs, welches die Turbine antreibt (Bild II-6).
2.3.3.2 Siedewasserreaktor Beim Siedewasserreaktor ist ebenfalls Wasser der Moderator und Wärmeträger. Anders als beim Druckwasserreaktor wird das durch die Kernspaltung erhitzte Wasser nicht unter hohem Druck gehalten und kann somit verdampfen. Dieser Wasserdampf treibt die Turbine direkt an. Der Nachteil dieses Reaktors ist, daß die Turbine vom radioaktiven Dampf durchströmt wird (Bild II-7). 2.3.3.3 Hochtemperaturreaktor Bei diesem Reaktor werden die Kernbrennstäbe in einen Graphitklotz geschoben und mit einem Gas (CO2) beblasen. Als Wärmeträger wird also ein Gas
Schutzbereich
Wasser 320 °C 160 hPa Dampf 280 °C / 60 hPa Turbine
Generator
Reaktor
Kondensator 22 °C Speisewasserpumpe Umwälzpumpe
Bild II-6 Prinzip eines Druckwasserkernkraftwerks
Schutzbereich
Dampf 280 °C / 70 hPa Turbine
Reaktor
Kondensator 22 °C Speisewasserpumpe
Generator
Bild II-7 Prinzip eines Siedewasserkernkraftwerks
862
Energietechnik
eingesetzt. Dieses Gas wird über einen Wärmetauscher geleitet. Wasser wird erhitzt und treibt eine Turbine an. 2.3.4 Umweltschutz In zunehmendem Maße sind in den letzten Jahren Umweltschutzmaßnahmen für Kraftwerke eingesetzt worden. Maßnahmen für den Umweltschutz von Wärmekraftwerken sind der Bau von Entstickungs-, Entschwefelungs- und Entstaubungsanlagen.
Entstaubungsanlagen arbeiten hauptsächlich mit einem Elektrofilter (Bild II-8). Das Rauchgas wird zwischen Metallplatten (Niederschlagselektrode) durchgeleitet, zwischen denen sich profilierte Metallschienen (Sprühelektroden) befinden. Die Sprühelektroden werden an eine Gleichspannung von – 30 000 V bis – 80 000 V angeschlossen. Die Niederschlagselektroden werden geerdet und bilden den Pluspol. Durch den hohen Potentialunterschied entsteht an der Sprühelektrode ein hohes elektrisches
zum Schornstein
Absorberflüssigkeit
Rauchgas Absorbertank
Bild II-8 Prinzip einer REA nach dem Kalkstein/Gips-Verfahren Waschturm mit Kühlzone und Absorberteil
Kühlwasser
Entschwefelungsanlagen arbeiten hauptsächlich nach dem Naßwaschprinzip (Bild II-9). Hierbei wird das Rauchgas mit einer Waschsuspension besprüht, die das Schwefeldioxid durch eine chemische Reaktion weitgehend absorbiert. Hauptbestandteil dieser Entschwefelungsanlage ist der Wasch- oder Absorberturm, der eine Höhe von 40 m und einen Querschnitt von 15 m aufweisen kann. Die Waschflüssigkeit besteht aus einer Suspension von in Wasser gelöstem feingemahlenen Kalkstein (CaCO3). Teilweise wird anstelle des Kalksteins gebrannter Kalk eingesetzt. Nach der Wäsche ist das Rauchgas von ca. 95% des SO2 gereinigt. Durch die Wäsche entsteht als Endprodukt Kalziumsulfat-Dihydrat (Gips), nach folgender Reaktionsgleichung:
Feld. Dadurch können Elektronen austreten und die vorbeifliegenden Staubpartikel negativ aufladen. Die negativ geladenen Staubteilchen werden von der Niederschlagselektrode angezogen und lagern sich dort an. In regelmäßigen Abständen wird die Niederschlagselektrode durch ein Klopfwerk zum Vibrieren gebracht, und der Staub fällt in einen Ascheabzug. Neben dieser Entstaubungsanlage wird noch ein Fliehkraftabscheider eingesetzt, der sich jedoch nur zum Herausfiltern großer Staubpartikel eignet. Es gibt zur Zeit mehr als 60 Pilot-Entstickungsanlagen in Deutschland. Durchgesetzt hat sich das Rauchgas ein
SO 2 + CaCO 3 → CaSO 3 + CO 2 2CaCO 3 + 4H 2 O + O 2 → 2 ( CaSO 4 ⋅ 2H 2 O ) a) Längsschnitt Rauchgas
Ammoniak
b) Querschnitt Gleichspannung 30 bis 60 kV
Reingas
Platten Staub und Flugasche
Wabenkatalysator
Drähte
Bild II-9 Prinzip eines Elektrofilters
Rauchgas aus
Bild II-10 Prinzip einer Rauchgasentstickungsanlage nach dem SCR-Verfahren
II Elektrische Anlagen
863
SCR-Verfahren (Selective Catalytic Reduction), das die Stickoxide gezielt reduziert (Bild II-10). Rauchgase treten in den Reaktor ein, werden mit einem Gemisch aus Ammoniak (NH3) und Luft angereichert und durchströmen eine Katalysatorebene. Es laufen im wesentlichen zwei chemische Reaktionen ab:
4 NO + 4 NH 3 + O 2 → 4 N 2 + 6 H 2 O
zieren. Zum Vergleich: Im Jahr 1950 betrug der Ausnutzungsgrad 0,6 kg SKE/kWh. Die eingesetzten Umweltschutzmaßnahmen erfordern jedoch einen Einsatz von Energie. Damit wird ein Teil der Wirkungsgradverbesserung wieder aufgehoben. Als Beispiel soll ein Steinkohlekraftwerk mit verschiedener Bruttoleistung dienen.
6 NO 2 + 8 NH 3 → 7 N 2 + 12 H 2 O
2.4 Wasserkraftwerke
Das Ergebnis dieses Verfahrens ist Stickstoff und Wasser. Die Katalysatoranlage wird als DENOXReaktor bezeichnet. Sie besteht aus vielen Keramikkörpern (Wabenkatalysator) mit einer Grundfläche von 15 × 15 cm und einer Länge bis zu einem Meter. Der Gesamtkatalysator benötigt mehr als 500 m3 an Katalysatorelementen (über 2000 der Keramikkörper). Das keramische Basismaterial enthält Titanoxid (TiO2) und Verbindungen von Vanadium und Wolfram (V2O5, WO3). Eine weitere Katalysatortechnik setzt nicht Keramikkörper, sondern Plattenkatalysatoren aus einer Edelstahlverbindung ein. Durch diese Maßnahme kann der Ausstoß von Staub, Schwefeldioxid und Stickoxiden wesentlich verringert werden. Bei einer Stromerzeugung von 180 TWh ergibt sich von Jahr 1982 aus gesehen folgende Minderung:
In Deutschland waren im Jahre 1990 insgesamt 3826 Wasserkraftwerke am Netz, die zusammen eine Leistung von 2972 MW installierter Leistung aufwiesen. Von diesen Wasserkraftwerken wurden 591 von EVU mit einer Leistung von 2693 MW betrieben. Bei den Wasserkraftwerken bestehen die Unterschiede in den Fallhöhen des Wassers. Man unterscheidet zwischen Niederdruckanlagen (Fallhöhe < 25 m), Mitteldruckanlagen (Fallhöhe 25 m – 100 m) und Hochdruckanlagen (Fallhöhe > 100 m). Ferner wird noch die Art unterschieden, wie das Wasser eingesetzt wird. Laufwasserkraftwerke (Niederdruck) sind ständig in Betrieb und an Flußläufen mit hohem Wasseraufkommen oder hohem Gefälle zu finden. Eingesetzt wird die Kaplanturbine, deren Schaufeln entsprechend dem Wasseraufkommen verstellt werden können, und deren Wirkungsgrad auch bei weniger Wasseraufkommen noch relativ gut ist. Speicherkraftwerke (Mittel- oder Hochdruck) nutzen den vorhandenen Niederschlag aus, indem das anfallende Wasser in Talsperren gespeichert und bei Bedarf über die Turbine (meist eine Pelton- oder Francisturbine bei Mitteldruck) abgeleitet wird. Pumpspeicherkraftwerke (Hochdruck) dienen zum Ausgleich von Spitzenlasten. In Schwachlasttälern wird Wasser in ein höher gelegenes Speicherbecken gepumpt. Bei Spitzenlastbedarf oder Ausfall eines Wärmekraftwerks wird die gespeicherte Energie in elektrische Energie umgewandelt. Gezeitenkraftwerke (Niederdruck) nutzen die Bewegung des Meerwassers zwischen Ebbe und Flut aus. Bei Flut strömt das Wasser durch die Turbine in einen Speicher, von wo es bei Ebbe durch die Turbine wieder austritt. Um einen vernünftigen Kosten-
Tabelle II-6 Emissionsminderung von 1982 bis 1991
Bruttostromerzeugung in TWh Staub-Emission in kt
1982
1989
1991
180
180
180
80
18
18
SO2-Emission in Mt
1,55
0,2
0,2
NOx-Emission in Mt
0,5
0,4
0,15
Die Reduktion von CO2 kann nur mit großem Aufwand direkt, also zur Zeit ausschließlich durch die Erhöhung des Ausnutzungsgrades der Primärenergie, erfolgen. Es wird angestrebt, die Primärenergieausnutzung auf ungefähr 0,25 kg SKE/kWh zu redu-
Tabelle II-7 Wirkungsgradreduzierung durch Umweltschutzmaßnahmen
Bruttoleistung MW elektrischer Eigenbedarf MW
Kraftwerk I
Kraftwerk II
350
800
31
100% 8,8%
52
100% 6,5%
Entstaubung MW
0,5
0,14%
1,7
0,21%
Entstickung MW
1,2
0,34%
1,7
0,21%
Entschwefelung MW
6
1,71%
38,7
11,05%
Eigenbedarf insgesamt MW
10
1,25%
65,4
8,17%
864
Energietechnik
Nutzen-Effekt zu erhalten, ist ein Tidenhub von 10 m erforderlich. An der elektrischen Energieerzeugung hatten Wasserkraftwerke in Deutschland im Jahr 1989 einen Anteil von ungefähr 5%. Der Wirkungsgrad beträgt h ≈ 90%. Da in Deutschland schon die meisten Wasserreserven genutzt werden, ist eine weitere Steigerung nicht ohne den Einsatz großer Investitionen möglich.
leistung ab 6 m/s Windgeschwindigkeit (Windstärke 6); Nennleistung bis 24 m/s Windgeschwindigkeit (Windstärke 9); ab Windstärke 9 wird die Anlage abgeschaltet. Kleinere Anlagen setzen bei ungefähr 4 m/s Windgeschwindigkeit ein und erreichen ihre Nennleistung bei ungefähr 12 – 16 m/s. Die Kosten einer Kleinanlage (3,6 kW) beliefen sich 1992 auf ungefähr 42 TDM ohne Montage. Einsatzgebiete für Windkraftanlagen sind Orte, an denen möglichst das ganze Jahr eine durchschnittliche Windgeschwindigkeit von über 4 m/s herrscht. Das ist in Deutschland nur an der Küste und in den Mittelgebirgen der Fall (Bild II-11).
2.5 Windkraftwerke Die Erzeugung von elektrischer Energie durch Windkraftwerke ist stark an günstig gelegene Standorte gebunden. Die Windenergie ist eine nicht kontinuierlich vorhandene Energie. Eine konstante Energieversorgung kann allein durch Windenergie nicht gewährleistet werden. Die Kosten für Windenergie betragen zur Zeit in Deutschland für Kraftwerke mit einer Leistung von 100 . . . 300 kW ungefähr 0,2 DM/kWh. Als Beispiel für eine Windkraftanlage dient die im Jahr 1991 fertiggestellte WKA 60 mit einer Spitzenleistung von 1,2 MW (Standort KaiserWilhelm-Koog). Technische Daten: Beginn der Rotordrehung bei 4,9 m/s Windgeschwindigkeit (Windstärke 3); Nenn-
2.6 Solarkraftwerke Die Energieeinstrahlung der Sonne beträgt ein Vielfaches des derzeitigen Weltenergiebedarfs. Die Ausnutzung der Sonnenenergie ist jedoch durch die geringe Energiedichte je m2, die Ungleichmäßigkeit der Einstrahlung und die derzeitigen hohen Kosten für die Anlagen in den Industrieländern Europas noch nicht wirtschaftlich. Die Nutzung kann auf zwei Arten erfolgen. Die erste Möglichkeit besteht darin, daß die Sonnenenergie aufgefangen und in thermische Energie umgewandelt wird. Dieses Verfahren setzen die Sonnenwärmekraftwerke ein. Wird die Sonnenenergie direkt in elektrische Energie umgewandelt, so bezeichnet man diese Kraftwerke als photovoltaische Kraftwerke.
Kiel Hamburg Bremen Hannover
2.6.1 Sonnenwärmekraftwerke
Berlin
In Sonnenwärmekraftwerken werden die Sonnenstrahlen mit großen Reflektoren eingefangen, gebündelt und zum Erhitzen eines Wärmeträgers benutzt (Bild II-12). Der Wärmeträger durchströmt wiederum eine Turbine und erzeugt elektrische Energie. Die Herstellungskosten liegen derzeit bei ungefähr 0,16 DM/Wh. Die solarthermischen Kraftwerke sind gut umweltverträglich. Sie emittieren keinerlei Schadstoffe und kaum Lärm, jedoch Abwärme der Kraftwerkskühlung. Der Landbedarf ist gering, da nur Platz für die Fundamente benötigt wird. Zwischen den Fundamenten kann Weidewirtschaft betrieben werden.
Köln
v > 5 m/s 4 < v < 5 m/s
Frankfurt
Stuttgart München
Bild II-11 Geeignete Standorte zum Betrieb von Windkraftanlagen (Quelle: BMFT 1987)
Sonnenstrahlen
Wärmespeicher und -tauscher Turbine 300 °C heißes Öl
Kondensator
Bild II-12 Prinzip einer Solarfarmanlage mit Ringkollektoren
Generator
II Elektrische Anlagen
865
2.6.2 Photovoltaische Kraftwerke Bei diesen Kraftwerken wird die Lichtenergie der Sonne direkt in elektrische Energie umgesetzt. Bei Solarzellen werden heute bis zu 31% der eingestrahlten Sonnenenergie in elektrische Energie umgesetzt. Die Kosten dieser Solarzellen sind hoch. Solarzellen, die nur 12% der eingestrahlten Energie umsetzen, sind heute bereits kostengünstig zu fertigen. In Halbleitern werden die Photonen absorbiert und Ladungsträger mit Energie versehen. Die Energieausbeute beträgt bei Spitzenleistung ungefähr 1 W/100 cm2 Solarzellenfläche. Die Herstellung von kristallinen Solarzellen ist material- und energieaufwendig und deshalb teuer. Vorteil der Solarzellen ist, daß sie praktisch überall installiert werden können. Die Größe der Einheiten ist beliebig zusammensetzbar. Durch die dezentrale Installation werden Leitungswege und somit Kosten gespart. Die Kosten für photovoltaische Anlagen betragen zur Zeit 0,3 bis 0,4 DM/kWh bei durchgehender Nutzung. Das bedeutet bei optimistischer Schätzung für unsere Breitengrade Kosten von ungefähr 1,00 . . . 1,50 DM/ kWh. Da die Solarzellen überwiegend auf Dächern und an Fassaden montiert werden, erwächst kein Landbedarf. Es entstehen beim Betrieb keine Emissionen. Vollständiges Recycling ist möglich. Sollten die Solarzellen brennen, können giftige Dämpfe entstehen, wenn die Zellen aus Gallium-Arsenid oder KadmiumSulfid hergestellt worden sind. 2.6.3 Solar-Wasserstoff-Anlage In der Solar-Wasserstoff-Anlage wird die elektrische Energie, die von Solarzellen geliefert wird, genutzt, um in einer Elektrolyse Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten. Diese Anlagenform befindet sich zur Zeit im Versuchsstadium.
2.7 Sonstige Kraftwerke 2.7.1 Biomasse Unter Biomasse versteht man im energetischen Sinn alle pflanzlichen und tierischen Stoffe sowie deren
Umwandlungsprodukte und Abfälle, aus denen sich Energie gewinnen läßt. Der Einsatz von Biomasse zur Erzeugung von elektrischer Energie kann durch direktes Verbrennen oder Umwandlung in Gas und anschließendes Verbrennen erfolgen. Ferner können Gase, die beim Verfaulen von Biomasse entstehen, eingesetzt werden. Die Belastung der Umwelt ist geringer als bei Wärmekraftwerken, da bei den Biomassekraftwerken ein CO2-Kreislauf vorhanden ist und die Biomasse weniger Asche erzeugt und weniger Schwefel enthält. Einer vermehrten Nutzung von Biomasse stehen jedoch Nachteile entgegen. Ein Anbau von Energie-Biomasse entzieht der Weltbevölkerung landwirtschaftliche Flächen für die Nahrungsmittelproduktion. Die Energiebilanz ist nicht positiv, da der Energieertrag kleiner ist als der Energieaufwand für Anbau und Verarbeitung. Der Einsatz von Biomasse lohnt nur, wenn die Biomasse direkt verwertet werden kann. Die Beimischung von Ethanol aus dem Anbau von Raps oder Zuckerrüben zum Benzin ist eine weitere Möglichkeit des Einsatzes von Biomasse. Hierbei würden jedoch 10% der deutschen Ackerfläche benötigt, um 5% des Benzinanteils zu substituieren. 2.7.2 Brennstoffzellen Brennstoffzellen arbeiten ähnlich wie Batterien, nur wird der Energieträger fortwährend ersetzt. In einer Phosphorsäurezelle wird H2 an einer gasdurchlässigen Anode oxidiert. Die dabei entzogenen Elektronen fließen in einem externen Stromkreis durch einen elektrischen Verbraucher und geben dabei elektrische Leistung ab. Die H+-Ionen lösen sich in der Phosphorsäure. An der Kathode zersetzt sich Sauerstoff in OH-Ionen und nimmt dabei ein Elektron aus dem externen Stromkreis auf. Die OH- und die H+-Ionen verbinden sich an der Kathode in der Phosphorsäure zu Wasserdampf. Der Wasserdampf wird kontinuierlich aus der Phosphorsäure abgetrennt. Die so erzeugte Energie ist identisch mit der Reaktionsenthalpie der Gesamtreaktion 2 H2 + O2 →
Verbraucher Minus 4e–
Plus
4e– OH –
H+
H2O
Wasserstoff 2H 2
Sauerstoff OH–
H+ H2O
2H 2 H+
O2
O2
OH –
H2O H+
OH– H2O
2H2O
Wasser 2H 2O
Bild II-13 Prinzip einer Wasser-Sauerstoff-Brennstoffzelle
866
Energietechnik
2 H2O + Energie (Bild II-13). Der Wirkungsgrad heutiger Brennstoffzellen liegt bei ungefähr 50%. Die Betriebstemperatur der Phosphorzelle beträgt 200 °C. Als zukunftsträchtige Variante der Brennstoffzellen gilt die Festoxid-Brennstoffzelle. Eine Keramik aus Zirkonoxid, die nur Sauerstoff durchläßt, dient als Elektrolyt. Im Betrieb wird die Kathode mit Luft versorgt. Bei Temperaturen von 800 °C bis 1000 °C werden die Luftsauerstoffatome ionisiert (+2e). Die Sauerstoffionen wandern durch das Elektrolyt zur Anode, geben dort die zwei Elektronen ab und reagieren mit den Brennstoffatomen. Zwischen Anode und Kathode entsteht ein Potentialgefälle von ungefähr 1 V. Verbindet man die beiden Elektroden miteinander, kann ein Strom fließen. In dieser Brennstoffzelle dient Erdgas als Energielieferant. Mögliche Varianten der Brennstoffzelle sind in Tabelle II-8 aufgelistet.
Neutron umgewandelt. Hierbei wird eine sehr große Energiemenge freigesetzt. Deuterium (D oder 2H) enthält 1 Proton und 1 Neutron und kommt auf der Erde natürlich im Wasser als schweres Wasser D2O vor. Tritium (T oder 3H) enthält 1 Proton und 2 Neutronen und kommt auf der Erde nicht natürlich vor (1,8 kg), da es radioaktiv ist und mit einer Halbwertszeit von 12 Jahren zerfällt. Es wird in Kernreaktoren durch Kernspaltung gewonnen oder entsteht in der Hochatmosphäre, zerfällt aber direkt in 3 He. Fusion: T (1p, 2n) + D (1p, 1n) = He (2p, 2n) + n + Energie. Zur Zeit ist man noch nicht in der Lage, die Kernfusion über längere Zeit aufrecht zu erhalten. Aus heutiger Sicht rechnet man mit einem wirtschaftlichen Einsatz der Kernfusion in ungefähr 40 Jahren.
Tabelle II-8 Brennstoffzellen: Temperaturbereiche und Brenngase Brennstoffzellentyp
Temperatur in °C
Brenngas
Oxidant
Alkalisch
60 – 90
Wasserstoff reinst
Sauerstoff reinst
Membran
60 – 80
Wasserstoff
Sauerstoff, Luft
Phosphorsäure
160 – 220
Erdgas, Wasserstoff
Sauerstoff, Luft
Karbonatschmelzen
600 – 650
Erdgas, Kohlegas, Wasserstoff
Sauerstoff, Luft
Oxidkeramisch
800 – 1000
Erdgas, Kohlegas, Wasserstoff
Sauerstoff, Luft
Gegenüber konventionellen Wärmekraftwerken weisen Brennstoffzellen drei grundlegende Unterschiede auf: Der thermodynamische Wirkungsgrad der Energiewandlung von Wasserstoff und Sauerstoff in elektrische Energie ist bei niedrigen Betriebstemperaturen am höchsten. Der Wirkungsgrad der elektrochemischen Energieumwandlung nimmt im Teillastbereich zu. Brennstoffzellen können also auch bei geringer Belastung sehr effektiv betrieben werden. Brennstoffzellenkraftwerke lassen sich modular aus kleinen Standardbausteinen hoher Leistungsfähigkeit aufbauen. Wird die Brennstoffzelle in Form eines Brennstoffzellen-Blockheizkraftwerkes eingesetzt, kann die bei der chemischen Reaktion erzeugte Abwärme für Heizzwecke genutzt werden, und der Ausnutzungsgrad der Primärenergie erhöht sich bis zu 90%. Heute stehen Einheiten von Brennstoffzellen-Blockheizkraftwerken mit einer elektrischen Leistung von 200 kW als Pilotanlagen in Dorsten, Dortmund und Darmstadt. 2.7.3 Fusionsreaktor Im Fusionsreaktor werden Deuterium (schwerer Wasserstoff) und Tritium (überschwerer Wasserstoff) bei ungefähr 100 Millionen Grad zu Helium und einem
3 Elektrische Energieverteilung Für die Übertragung und Verteilung von elektrischer Energie werden hauptsächlich Drehstromnetze verwendet, in besonderen Fällen auch Einphasennetze oder Gleichstromnetze. Die Frequenz, mit der die Drehstromnetze betrieben werden, ist in den meisten Ländern 50 Hz. Länder wie die USA oder Japan benutzen eine Frequenz von 60 Hz. In Deutschland werden bevorzugt folgende Netzspannungen eingesetzt: Niederspannungsnetze 400 V (230 V), 500 V, 660 V; Mittelspannungsnetze 10 kV, 20 kV (35 kV); Hochspannungsnetze 110 kV, 220 kV, 380 kV. Der weitaus größte Teil der Verbraucher elektrischer Energie ist für den Anschluß an das Niederspannungsnetz vorgesehen. Nur Verbraucher größerer Leistung werden an ein Mittelspannungsnetz angeschlossen. Die Niederspannungsnetze speist man über Transformatoren aus dem Mittelspannungsverteilnetz. Die Mittelspannungsnetze werden entweder von regionalen Kraftwerken oder von einem Hochspannungsverteilnetz gespeist. Diese Hochspannungsnetze sind in einem europäischen Verbund zusammengeschlossen. Die drei Stromsysteme, die heute zur Anwendung gelangen, sind Drehstrom, Einphasen-Wechselstrom und Gleichstrom. Die wichtigsten Anwendungsgebiete und ihre Erzeugung zeigt Tabelle II-9.
II Elektrische Anlagen
867
Tabelle II-9 Stromformen, Anwendungen und Erzeugung Anwendung
Erzeugung
Drehstrom
Energieübertragung, Energieerzeugung, Energieverteilung, Verbraucher mit großen Leistungen, Motoren
Synchrongenerator
EinphasenWechselstrom
Haushaltsgeräte, Werkzeuge, Werkzeugmaschinen, Verbraucher mit kleinen Leistungen, Beleuchtung, 2 Frequenz 16 Hz, Fahrmotore für Bahnen 3
Entnahme aus dem Drehstromnetz, Synchrongenerator, Umrichter, rotierende Umformer
Gleichstrom
Elektrolyse, Galvanotechnik, Antriebe, Bahnmotore, Erregung von Magneten, Erregung von Synchronmaschinen, Elektrofilter, Farbspritzen, Steuerungen, Computer, Energieübertragung (HochspannungsGleichstrom-Übertragung)
Batterien, Brennstoffzellen, Gleichrichter, Gleichstromgenerator
3.1.1 Gleichstromnetz
I
Gleichstromnetze werden als Zwei- oder Dreileiternetze betrieben. Ausnahmen bilden Energiekabel, die im Meer verlegt sind. Dann reicht ein Leiter aus; der zweite Leiter wird durch das Meerwasser gebildet.
U
U
I
U
URL1 URL2
URL2 URL1 URL2
U
URL1 ZV
UV UV f
UV
I
Bild II-15 Wechselstromnetz mit Zeigerbild von Strom und Spannung (Leitung nur mit R)
UV I
URL1 URL2
Bild II-14 Gleichstromnetz mit Zeigerbild von Strom und Spannung In Gleichstromnetzen entstehen nur Wirkverluste; Spannung und Strom haben gleiche Phasenlage (Bild II-14). Werden Gleichstromkabel zur Energieübertragung eingesetzt, benötigen sie nur im Einschaltvorgang einen Ladestrom für die vorhandene Kapazität. Gleichstromkabel können also mit hoher Spannung betrieben werden und dabei weite Entfernungen überbrücken. Eingesetzt wird das Gleichstromnetz in der Energieverteilung hauptsächlich bei längeren Seekabelverbindungen (Ostseekabel) oder als Kupplung zwischen großen Verteilnetzen (OstWesteuropa). 3.1.2 Wechselstromnetz Einphasen-Wechselstromnetze werden als Zweileitersysteme betrieben, die symmetrisch oder unsymmetrisch zur Erde geschaltet sind. Zur Energieübertragung eignet sich das Einphasen-Wechselstromnetz nur für kleine Leistungen mit der Ausnahme des Bahnstromnetzes. Beim Bahnstromnetz wird diese Netzform eingesetzt, da nur ein einziger Stromabnehmer erforderlich ist.
Im Einleiter-Wechselstromnetz kann zwischen Strom und Spannung je nach Verbraucher eine Phasenverschiebung entstehen (Bild II-15). Im EinphasenWechselstromnetz wird Blindleistung transportiert, die einen Einsatz für größere Leistungen unwirtschaftlich werden läßt. 3.1.3 Drehstromnetz Das Drehstromnetz ist entweder als Dreileiter- (Leiter L1; L2; L3) oder als Vierleitersystem (Leiter L1; L2; L3; N) geschaltet. Im Drehstromnetz ergeben sich Außenleiterspannungen UL1L2, UL2L3, UL3L1 = U und Strangspannungen UL1N, UL2N, UL3N = UStr. Werden die Außenleiterspannungen zu den Strangspannungen ins Verhältnis gesetzt, erhält man den Verkettungsfaktor UL1L2/UL1N = 3 . Als Nennspannung der Betriebsmittel wird immer die verkettete Spannung angegeben. Bei symmetrischer Belastung ist zu jedem Zeitpunkt die Summe der Ströme gleich Null. Bei Dreiecksschaltung (Bild II-16) der Verbraucher gilt: Leiterstrom
I = 3 ⋅ I Str
Symmetriebedingung
I = I1 = I 2 = I 3
Leiterspannung U = U Str
(II.1) (II.2) (II.3)
Bei Sternschaltung (Bild II-17) der Verbraucher gilt: Leiterspannung U = 3 ⋅ U Str
(II.4)
868
Energietechnik I12 UL1L2
I31
UL1N UL3L2
UL3L2
UL1L2 UL3N
I 23
UL2N
U L2L3
U L2L3
Bild II-16 Dreiecksschaltung mit Zeigerbild der Spannungen I1 UL1N UL1L2
I3
UL3N UL2N
I2
UL1N UL3L2 U L3N
UL2N
UL2L3
Bild II-17 Sternschaltung mit Zeigerbild der Sternspannungen Symmetriebedingung U = U 12 = U 23 = U 31 Leiterstrom
I = I Str
(II.5) (II.6)
Ist bei einer unsymmetrischen Belastung im Drehstromnetz der Verbraucher im Stern geschaltet und der Sternpunkt über einen Neutralleiter geerdet, so wird der Neutralleiter von einem Differenzstrom durchflossen, der abhängig von der Unsymmetrie des Verbrauchers ist. Die Strangströme und Spannungen verändern sich entsprechend den Verbrauchern (Bild II-18). I1 UL1N UL1L2 UL3L2 I3
UL3N UL2N
I2 UL2L3
UL3N
UL1N UL2N
Bild II-18 Sternschaltung mit Zeigerbild der Sternspannungen bei unsymmetrischen Belastungen Der Vorteil des Drehstromnetzes gegenüber dem Einphasen-Wechselstromnetz besteht darin, daß im symmetrischen Betrieb mit den drei Leitern L1, L2, L3 die gleiche Leistung übertragen werden kann wie mit drei Einphasensystemen, die jedoch sechs Leiter dafür benötigen. Berechnungen von Drehstromnetzen können bei vorliegender Symmetrie durch Netzreduktion einphasig vorgenommen werden.
3.2 Netzstrukturen Die elektrischen Netze zur Übertragung und Verteilung der elektrischen Energie sollten stets so gestaltet werden, daß sie die Aufgabe der Energieverteilung
optimal erfüllen. Bedingt durch die Zunahme von immer größeren Kraftwerkseinheiten muß immer mehr Energie vom Ort der Erzeugung zum Verbraucher transportiert werden. Um Energie wirtschaftlich zu verteilen, muß die Nennspannung der Übertragungsleitungen entsprechend erhöht werden, da sich die Wirtschaftlichkeit und Zuverlässigkeit mit zunehmender Spannung erhöht. Übertragungsleitungen mit hohen Nennspannungen erfordern jedoch einen großen Platzbedarf für die Trasse. Ferner steigt mit zunehmender Spannung die Kurzschlußleistung, die von den Netzkomponenten beherrscht werden muß. Deshalb werden den gebräuchlichsten Spannungsebenen bestimmte Übertragungsfunktionen zugeordnet (Tabelle II-10). Tabelle II-10 Spannungsebene, Übertragungsleistung und Länge Spannung in kV
10
20
110
220
380
Leistung in MW
2
2
70
150
500
Leitungslänge in km
8
20
40
200
400
Unabhängig von der Spannungsebene ist die Struktur des Netzes stets so zu gestalten, daß ein Fehler die Versorgung mit elektrischer Energie nicht unterbricht. Erst ein zweiter Fehler muß zur Unterbrechung führen. 3.2.1 Strahlennetz Das Strahlennetz ist die einfachste Netzform. Von einem bestimmten Einspeisepunkt führen Leitungen strahlenförmig, oder auch vielfach verzweigt, zu den Verbrauchern (Bild II-19). Die Verbraucher werden also einseitig gespeist. Die Leitungsquerschnitte sollten bei Neuanlagen gleich sein, um eine spätere Umwandlung der Netzform zu ermöglichen. Vorteile: Übersichtliche Leitungsführung; kostengünstige Ausführung bei Abstufung des Leitungsquerschnittes; einfacher Leitungsschutz; einfache Blindleistungskompensation. Nachteile: Geringer Lastausgleich; schlechte Spannungshaltung; geringe Versorgungssicherheit; begrenzte Erweiterungsmöglichkeiten; selektives Abschalten gestörter Netzteile nicht möglich.
II Elektrische Anlagen
869
Bild II-21 Maschennetz
Bild II-19 Strahlennetz Anwendungsgebiete: Räumlich begrenzte Versorgungsgebiete; Hausinstallation; ländliche Versorgungsgebiete; Industriegebiete mit Verbrauchern gleicher Anschlußwerte ohne hohe Lastspitzen (Textilfabriken, Druckereien, feinmechanische Werkstätten). 3.2.2 Ringnetz Beim Ringnetz werden die Verbraucher zweiseitig gespeist (Bild II-20). Die Leitungen werden in Form von Ringen, ausgehend vom einspeisenden Netz, verlegt.
Bild II-20 Ringnetz Die Querschnitte der Leitungen sollen so bemessen sein, daß die Versorgung der Verbraucher auch einseitig erfolgen kann. Im Betrieb werden die Ringe teilweise offen gefahren. Diese Fahrweise vereinfacht den Netzschutz und läßt gleichzeitig die Möglichkeit offen, bei einer Störung nur defekte Abschnitte freizuschalten. Vorteile (gegenüber Strahlennetz): Leitungsreserven; höhere Versorgungssicherheit; verbesserter Lastausgleich; geringere Spannungsunterschiede; Möglichkeit selektiver Ausschaltung gestörter Netzteile. Nachteile: Versorgung nur über eine Station, daher bei deren Ausfall größeres Gebiet ohne Versorgung; erhöhte Ansprüche an Schutz; erhöhte Aufwendungen an Blindstromkompensation. Anwendungsgebiete: Nieder- und Mittelspannungsnetze der EVU; Industrienetze; 110 kV-Netze in Großstädten. 3.2.3 Maschennetz Das Maschennetz entsteht durch den Zusammenschluß aller Leitungen innerhalb eines Versorgungsbezirks (Bild II-21). Die Leitungen werden an den Knotenpunkten über Sicherungen oder Leistungsschalter miteinander ver-
bunden. Die Einspeisung des Netzes erfolgt über Stationen, die in den Schwerpunkten des Energiebedarfs aufgestellt sind. Vorteilhaft sind einheitliche Leitungsquerschnitte und gleiche Ausbildung der Knotenpunkte, die es ermöglichen, die Schwerpunktstationen bei Bedarf örtlich zu versetzen. Beim Maschennetz muß gewährleistet sein, daß im Fehlerfall eine rasche und selektive Abschaltung des defekten Netzabschnittes erfolgt. Vorteile: Hohe Versorgungssicherheit; Leitungsreserven; große räumliche Netzausdehnung möglich; beliebig erweiterbar; geringe Spannungsschwankungen; guter Lastausgleich. Nachteile: Hohe Investitionskosten; hohe Kurzschlußleistung; hohe Anforderungen an den Netzschutz; hohe Anforderungen an die Schaltgeräte; schwierige Netzauslegung. Anwendungsgebiete: Niederspannungsnetze in Industriebetrieben mit großer Lastdichte; Netze mit Verbrauchern, die große Laststöße verursachen; Mittelspannungsnetze der Industrie oder der EVU, die eine hohe Versorgungssicherheit fordern; 110 kVVerteilungsnetz der Landesversorgung. 3.2.4 Verbundnetz Die öffentliche Stromversorgung wird durch die EVU abgedeckt, deren Versorgungsgebiete durch Verträge abgegrenzt sind. In Deutschland gibt es über 900 EVU, von denen 679 beim Spitzenverband der Elektrizitätswirtschaft VDEW erfaßt sind. Von diesen erzeugen 53 Unternehmen nur Energie, 364 Unternehmen erzeugen und verteilen Energie und 262 Unternehmen verteilen nur Energie. Unter den 53 Unternehmen, die nur Energie erzeugen, gibt es die 8 Unternehmen der Deutschen Verbund Gesellschaft (DVG): Preag (Preußische Elektrizitäts AG); HEW (Hamburgische Electrizitäts-Werke); VEW (Vereinigte Elektrizitäts-Werke Westfalen AG); RWE (Rheinisch Westfälisches Elektrizitätswerk AG); Badenwerk AG; Bayernwerk AG; EVS Energieversorgung Schwaben AG; BEWAG Berliner Licht- und Kraft AG. Diese acht Unternehmen liefern ungefähr 80% der gesamten benötigten elektrischen Energie. Damit die Energie zwischen den Erzeugern ausgetauscht werden kann, wurde das Verbundnetz installiert. Das Verbund- oder Übertragungsnetz ist ausschließlich zum Transport der Energie vom Erzeuger (Kraftwerke, insgesamt 1235 in der alten BRD, davon 50%
870 unter 1 MW) zum Leitumspannwerk oder zwischen den Leitumspannwerken gedacht. Hierbei wird keine Energie an Verbraucher abgegeben. Neben der DVG gibt es noch die ARE (Zusammenschluß der regionalen EVU) und die VKU (Zusammenschluß der kommunalen EVU). Von den 679 erfaßten EVU sind 442 Unternehmen der öffentlichen Hand (95% Anteil und mehr), 112 sind gemeinschaftliche Unternehmungen (unter 95% öffentlich, unter 75% Anteil in privater Hand), und 113 EVU sind private Unternehmungen (mehr als 75% Anteil in privater Hand). Auf dem Gebiet der ehemaligen DDR wurde die VEAG mit 14 regionalen EVU gegründet (ein Zusammenschluß der Bayernwerke, des RWE und der Preag). Vorteile des Verbundsystems: Hohe Kraftwerksleistung, dadurch geringere Investitionen; geringere Betriebskosten; höhere Wirtschaftlichkeit; gleichmäßige Netzauslastung; kleinere mitlaufende Reserve; hohe Sicherheit vor Versorgungsunterbrechungen. Um die Vorteile des Verbundsystems richtig ausnutzen zu können, sind alle angeschlossenen Kraftwerksbetreiber verpflichtet, Reserven vorzuhalten. Die Sekundenreserve (Schnellregelung) sorgt dafür, daß jedes Kraftwerk seine Leistung innerhalb von 5 s um 1,25% und innerhalb der folgenden 5 s um 2,5% erhöhen kann (Turbinenventile werden nicht vollständig geöffnet). Die Minutenreserve wird durch schnellregelbare Kraftwerke (Gasturbine, Pumpspeicher) bereitgestellt. Die Stunden- oder Langzeitreserve unterstützt durch eine Erhöhung der Kraftwerksleistung der Grundund Mittellastkraftwerke die geforderte Dauerlast. Nachteile: Zentrale Lenkungsstelle; Steuerung nur mit Leitrechner möglich. Aufgaben: Übertragung großer Leistung über weite Entfernungen; Energieaustausch zwischen Kraftwerken; Energiesammelschiene zwischen Kraftwerken und Verbrauchsschwerpunkten.
4 Betriebsmittel der Energietechnik Folgende Betriebsmittel werden in den Netzen hauptsächlich eingesetzt: Mittelspannungskabel; Mittelspannungsschaltanlagen; Mittelspannungsschaltgeräte; Sekundärschutzgeräte; Transformatoren; Drosselspulen; Sternpunktbildner; Niederspannungskabel; Niederspannungsschaltanlagen; Niederspannungsschaltgeräte; Leitungen; Motore; Generatoren; Batterien; Gleichrichter; Wechselrichter. Der Einsatz dieser Betriebsmittel erfolgt unter den unterschiedlichsten Bedingungen. Es ist deshalb wichtig, die Größe und Art der Betriebsmittel den Gegebenheiten anzupassen.
4.1 Bemessung und Auswahl Für die Bemessung und Auswahl der Betriebsmittel und Geräte elektrischer Anlagen gelten verschiedenartige, teilweise einander widersprechende Forderungen. Einerseits sollen die Betriebsmittel aus wirtschaft-
Energietechnik lichen Gründen nicht überdimensioniert werden, andererseits müssen sie in Hinblick auf die Sicherheit und Verfügbarkeit den ungünstigsten Bedingungen und Beanspruchungen standhalten. Außerdem müssen Sicherheitsvorschriften eingehalten werden. Für die Bemessung und Auswahl der Betriebsmittel und Geräte gelten folgende Kriterien: Beanspruchung der Isolation im ungestörten Betrieb bei Ausgleichsvorgängen (z.B. durch Gewitterüberspannung); Erwärmung im Dauerbetrieb (Stromtragfähigkeit); Erwärmung durch Kurzschlußströme (thermisch); mechanische Beanspruchung; Ein- und Ausschaltvermögen; Spannungsfall bei Höchstlast; Sicherheitsvorschriften und Schutzmaßnahmen; Verfügbarkeit; Wartungsaufwand und Reparaturzeit; Errichtungs- und Betriebskosten; Umweltbelastung; Umgebungseinflüsse (Temperatur, Feuchtigkeit, Luftdruck, Staub, Gase, Dämpfe, Verschmutzung).
4.2 Kabel, Leitungen und Schienen Bei Freileitungen, Kabeln, Leitungen und Schienen handelt es sich um Betriebsmittel, die zum Transport oder zum Verteilen der elektrischen Energie dienen. Kabel und Leitungen werden in elektrischen Energieanlagen stets dann verlegt, wenn die für eine Isolierung der spannungsführenden Leiter gegeneinander oder gegen Erde notwendige Distanz in Luft nicht zur Verfügung steht, oder wenn es die Schutzmaßnahme gegen direktes Berühren spannungsführender Teile erfordert. Im Gegensatz zu Kabeln besitzen Leitungen eine nicht so hohe mechanische Festigkeit und dürfen nicht im Erdreich und Rüttelbeton verlegt werden. 4.2.1 Freileitungen Die wesentlichen Elemente einer Freileitung stellen Maste, Leiterseile und Isolatoren dar. Im Drehstromnetz werden die drei Leiter L1, L2, L3 insgesamt als Leitersystem bezeichnet. Bei Masten unterscheidet man Tragmaste und Abspannmaste. Die Tragmaste dienen dazu, die vertikalen Kräfte der Seile aufzunehmen. Die Abspannmaste können dagegen vertikale und horizontale Kräfte aufnehmen. Sie halten die Seile in einer definierten Spannung und bilden gleichzeitig die Anfangs- oder Endpunkte von Leiterseilen, die nur in bestimmten Längen gefertigt werden. Die Größe der Maste richtet sich nach der Nennspannung des Netzes, da für höhere Spannungen ein größerer Abstand zwischen den Leiterseilen erforderlich ist. Die einzuhaltenden Abstände sind in DIN VDE 0210/0211 festgelegt. Neben dem Gewicht der Leiterseile muß der Mast sein Eigengewicht und auftretende Fremdlasten, verursacht durch Wind und Eis, aufnehmen können. Als Leiterseile werden hauptsächlich Aluminium-Stahl-Verbundseile eingesetzt, da diese Materialkombination hinreichend große Spannweiten zwischen den Masten ermöglicht. Leiter der Verbundseile sind die Aluminiumdrähte, die außen um die Stahldrähte gewickelt sind. Die
II Elektrische Anlagen
871
400 mm
Stahldrähte befinden sich im Kern des Leiterseils und dienen der Festigkeitssteigerung. Die Kennzeichnung der Verbundseile erfolgt nach ihren Querschnittsanteilen (mm2), z.B. Al/St 300/50, d.h., im Kern des Seils sind Stahldrähte mit einem Gesamtquerschnitt von 50 mm2, um diesen Kern sind Aluminiumdrähte gewickelt, die einen Gesamtquerschnitt von 300 mm2 haben. Sollen höhere Ströme übertragen werden, werden Bündelleiter eingesetzt.
400 mm
Stahlseil Aluminiumseil
a)
b)
Bild II-22 Leiterseil a) Verbundseil b) Viererbündel Die Bündelleiter setzen sich aus mehreren Leiterseilen der gleichen Phase zusammen. Sie sind entweder als Zweier-, Dreier- oder Viererbündel angeordnet (Bild II-22). Um den Abstand zwischen dem Bündel auch bei Wind zu gewährleisten, sind alle 50 bis 80 m Distanzhalter eingebaut. Auf den Mastspitzen ist (ab Spannungen von 110 kV aufwärts) ein Erdseil verlegt. Dieses Erdseil dient dazu, auftretende Kurzschlußströme parallel zur Erde abzuführen (Verringerung der Schrittspannung in der Erde), ferner gewährleistet es einen Blitzschutz für die Leiterseile. Im Kern können Lichtwellenleiter angeordnet sein, die eine Kommunikation zwischen den einzelnen Netzpunkten ermöglichen. Die Isolatoren zwischen den Masttraversen und den Leiterseilen müssen die auftretenden mechanischen und elektrischen Kräfte beherrschen. Aufgebaut sind die Isolatoren in der Hauptsache aus einzelnen Kappenisolatoren, die zusammen die notwendige Isolationsstrecke bilden. Durch entsprechende Formgebung müssen die Isolatoren gewährleisten, daß keine Überschläge oder Kriechströme auftreten. Die Freileitungsseile sind bei der Ausführung Al/St für eine Betriebstemperatur von maximal 80 °C ausgelegt. Durch geeignete Schutzmaßnahmen (Überstromschutz, Kurzschlußstromschutz) ist zu gewährleisten, daß diese Temperatur nicht überschritten wird. Der Betriebstemperatur sind Stromwerte zugeordnet, die aus entsprechenden Tabellen entnommen werden können. Die Stromwerte beziehen sich auf die Betriebstemperatur bei einer definierten Umgebungstemperatur, einer definierten Windgeschwindigkeit und einer definierten Sonneneinwirkung.
4.2.2 Kabel Bei Starkstromkabeln unterscheidet man die Spannungsebene und den Isolierwerkstoff. Im Hochspannungsbereich bis 525 kV werden überwiegend Kabel mit einer Papier-Öl-Isolation eingesetzt. In Städten (110 kV-Ringnetz) setzt man bevorzugt Gasdruckkabel ein. Beim Gasdruckkabel liegt das Kabelsystem in einem Stahlrohr, das mit SF6 (Schwefel-HexaFluorid-Gas) oder mit Stickstoff gefüllt ist. Das Gas dient als Isolierung und Kühlung, da die Gasmoleküle in die auf dem Leiter angebrachte Papierschicht eindringen. Im Spannungsbereich bis 170 kV ist neben den erwähnten Isolierstoffen das VPE (vernetztes Polyäthylen) als Isolierstoff immer weiter verbreitet. Im Spannungsbereich bis 60 kV werden heute ausschließlich Kabel mit einer Kunststoffisolierung eingesetzt. Für die Spannungen 275 kV werden ebenfalls schon VPE-isolierte Kabel eingesetzt, für 400 kV sind Teststrecken mit VPE-isoliertem Kabel in Betrieb (Ladeleistung 8,1 MVA/km; C = 0,18 mF/km; IC = 12,4 A/km). Die langfristige Entwicklung liegt auf dem Gebiet der Hochtemperatur-supraleitendenKabel. Aus heutiger Sicht könnten damit die Übertragungsverluste um den Faktor 6 reduziert werden. Der Einsatz solcher HTSL-Kabel ist zur Zeit jedoch noch mit zu hohen Kosten (Kühlung) verbunden. Starkstromkabel werden als Ein-, Drei- oder Vierleiterkabel mit Kunststoffisolation oder massegetränkter Papierisolation hergestellt. Die Bezeichnung der Kabel ist noch nicht harmonisiert, es gelten daher die in Tabelle II-13 festgelegten Bezeichnungen. 4.2.2.1 Leiterwerkstoffe Als Leiterwerkstoff werden Kupfer oder Aluminium verwendet. Bei hohen thermischen oder elektrischen Beanspruchungen setzt man Sonderkabel mit Flüssigkeitskühlung oder Gasdruckkabel ein.
a)
b)
c)
d)
Bild II-23 Leiterformen a) eindrähtig b) mehrdrähtig rund c) sektorförmig d) mehrdrähtig sektorförmig
872
Energietechnik
Übliche Leiterformen der Starkstromkabel: Sektorleiter eindrähtig; Sektorleiter mehrdrähtig; Rundleiter eindrähtig; Rundleiter mehrdrähtig (Bild II-23). Sektorleiter werden hauptsächlich in Niederspannungskabeln eingesetzt, um eine bessere Ausnutzung des Kabelquerschnitts zu erreichen. Rundleiter setzt man in den Mittel- und Hochspannungskabeln ein, um eine günstigere Feldverteilung zu erzielen. 4.2.2.2 Leiterisolierung Die Leiterisolierung bei Niederspannungskabeln besteht aus Polyvinylchlorid (PVC), bei Mittelspannungskabeln aus PVC, Polyäthylen (PE), vernetztem Polyäthylen (VPE) oder getränktem Papier. Neuerdings werden immer mehr halogenfreie Isolierungen (HX) eingesetzt, um bei auftretenden Bränden einen Austritt von Chlor-Wasserstoff-Gas (HC) und Ruß zu verhindern. Das halogenfreie Kabel hat eine hohe Brandwiderstandsklasse (mit FE und Zahl 180 heißt, das Kabel hält 180 min dem Feuer stand, ohne einen Kurzschluß zu verursachen). Die gemeinsame Aderumhüllung kann bei Niederspannungskabeln aus einer gummi- oder PVC-haltigen Mischung bestehen. Bei Mittelspannungskabeln verwendet man die gleichen Isolierstoffe wie zur Aderisolierung. Um die Feldverteilung bei Mittelspannungskabeln zu verbessern, wird bei aus Einzeldrähten aufgebauten Leitern die Leiteroberfläche oft durch eine leitfähige Schicht umhüllt. Aus gleichem Grund wird auch eine leitfähige Schicht außen auf die gemeinsame Aderumhüllung aufgebracht. Wegen der geringen Leitfähigkeit dieser Schicht werden bei Kunststoffkabeln zusätzliche metallene Schirme eingebaut, die bei Störungen (z.B. Erdschluß) die auftretenden Fehler-
4.2.2.3 Aufbau Nach der Zuständigkeit der jeweiligen Herstellernorm gibt es Leitungen und Kabel, deren Aufbau und technische Daten in den zur Zeit noch geltenden deutschen Normen festgelegt sind. Außerdem gibt es Leitungen, die aufgrund internationaler Vereinbarungen von vielen Ländern der Erde anerkannt sind. Wesentliche Merkmale des Aufbaus sind anhand verschieden aufgebauter Kennzeichnungsschlüssel erkennbar. Die nach deutschen Normen gefertigten Leitungen und Kabel besitzen eine Kennzeichnung auf Basis eines aus Buchstaben aufgebauten Schlüssels, dem stets ein N (für Normen) vorangestellt ist. Die Bedeutung weiterer Buchstaben ist in Tabelle II-13 dargestellt. 4.2.2.4 Erwärmung Wird ein Leiter vom Strom durchflossen, entstehen Stromwärmeverluste. Diese Verluste erhöhen die Leitertemperatur. Ist die Temperatur des Leiters höher als die ihn umgebende Materie, gibt der Leiter Energie an seine Umgebung ab, und die Erwärmung des Leiters nimmt weniger stark zu. Ab einer bestimmten Leitertemperatur gibt der Leiter sämtliche in ihm erzeugte Wärmeenergie an die Umgebung ab. Damit hat der Leiter seine zum Strom gehörende Betriebstemperatur erreicht. zugeführte Wärme Q zu =
Q zu I l t
I 2 ⋅l ⋅t A⋅ c
A
Ws A m s mm
2
c (II.7) m 2 mm ⋅ Ω
Tabelle II-11 Abmessung des Schirms bei Hochspannungskabeln Nennquerschnitt des Außenleiters in mm2
25 – 120
Nennquerschnitt des Schirms in mm2
16
ströme fortleiten. Übliche Werte für Schirmquerschnitte nach Tabelle II-11. Bei Niederspannungskabeln wird der bei einigen Kabeltypen eingebaute Schirm (NYCY; NYCWY) nicht nur zum Ableiten von Fehlerströmen benutzt, sondern dient außerdem als Schutz (PE)-, Neutral (N)oder PEN-Leiter. Der konzentrische Leiter (Schirm) besteht meist aus Kupfer, auch wenn die übrigen Leiter des Kabels aus Aluminium bestehen. Folgende Schirmquerschnitte sind hierbei vorgeschrieben:
150 – 300 25
400 – 500 35
gespeicherte Wärme Q sp Q sp = r ⋅ c ⋅ l ⋅ A ⋅ D T
Ws
r kg dm 3
c
l
A
T
kJ m mm 2 K kg ⋅ K (II.8)
Für einen Zeitbereich von ungefähr 5 s kann bei Kabeln und Leitungen davon ausgegangen werden,
Tabelle II-12 Abmessungen des Schirms bei Niederspannungskabeln Nennquerschnitt des Außenleiters in mm2
1,5 – 16
25
35 – 240
Nennquerschnitt des Schirms in mm2
gleich dem Außenleiter
16
0,5 ⋅ Außenleiter
II Elektrische Anlagen
873
Tabelle II-12 Normierte Kurzzeichen für Kabel Kurzzeichen
Bedeutung
N
Normleitung oder -kabel
A
Aluminiumleiter
Y
Leiter- oder Mantelisolierung aus PVC
2Y
Leiter- oder Mantelisolierung aus Polyethylen (PE)
2X
Leiter- oder Mantelisolierung aus vernetztem Polyethylen (VPE)
HX
Leiter- oder Mantelisolierung aus vernetztem halogenfreiem Polymer
F
flache Leitungsform
M
Leitungsmantel für mittlere mechanische Beanspruchung
C
konzentrischer Leiter
CW
wendelförmig aufgebrachter konzentrischer Leiter
-J
Zusatz mit grüngelbem Leiter (Schutzleiter)
-O
Zusatz ohne grüngelben Leiter
RE
eindrahtiger Rundleiter
RM
mehrdrahtiger Rundleiter
SE
eindrahtiger Sektorleiter
SM
mehrdrahtiger Sektorleiter
RF
feindrahtiger Rundleiter
daß die erzeugte Wärmemenge nur im Leiter gespeichert wird. Hieraus berechnet sich eine Erhöhung der Leitertemperatur. Temperaturdifferenz I 2 ⋅t ⋅ K DT = A2
K A mm 4 ⋅ K mm 2 K A s s⋅ A2
Wärmemenge gleich der vom Kabel abgegebenen Wärmemenge. stationärer Zustand Q zu = Q ab
(II.10)
abgegebene Wärme
T I t
(II.9)
Q Wärmemenge; I Strom; t Zeit; c spezifischer Leitwert; l Leiterlänge; A Leiterquerschnitt; c spezifische Wärme; r Dichte; T Temperatur; K Materialkonstante (Cu = 5 ⋅ 10–3; Al = 11,57 ⋅ 10–3)
Zulässige Kabelendtemperaturen bei Kupferleitern sind für eine PVC-Isolation 160 °C und für eine VPEIsolation 250 °C. Im Kurzschlußfall kann, wenn der Kurzschlußstrom bekannt ist, die sich einstellende Kabeltemperatur mit Hilfe der Formel (II.9) berechnet werden. Im Normalbetrieb stellt sich bei genügend langer Belastung ein stationärer Temperaturzustand am Kabel ein. Dann ist die im Kabel erzeugte
a p d T l t W Ws − m K m s K⋅m2 (II.11)
Q ab
Q ab = a ⋅ p ⋅ d ⋅ l ⋅ D T ⋅ t
a Wärmeübergangszahl; d Kabelaußendurchmesser
Setzt man die Gleichungen (II.7) und (II.12) gleich, ergibt sich die Temperaturdifferenz des Kabels zur Umgebungsluft für den stationären Zustand. Temperaturdifferenz DT =
A I ⋅ ⎛⎜ ⎞⎟ a⋅ c⋅p⋅d ⎝ A⎠
2
(II.12)
874
Energietechnik
Die für die Erwärmung angestellten Betrachtungen gelten für Einleiterkabel. Bei Mehrleiterkabeln verändern sich zugeführte und gespeicherte Wärmemenge um den Faktor der Adernzahl. Beispiel: In einem Kabel NYY-O 3 × 95 mm2 fließt ein Kurz-
schlußstrom von IK = 20 kA. Wie schnell muß das Kabel bei einer Umgebungstemperatur von 20 °C durch die Schutzeinrichtung abgeschaltet werden?
DT =
DT ⋅ A2 I 2 ⋅t ⋅ K ⇒t= 2 A2 I ⋅K 140 K ⋅ ( 95 ⋅ 3 ) mm 4 2
=
( 20 000 A ⋅ 3 ) 2 ⋅ 0 , 005
mm 4 ⋅ K s ⋅ A2
= 0 , 632 s
Welche Betriebstemperatur q stellt sich am Kabel ein, wenn der Dauerstrom IB = 200 A beträgt? Wärmeübergangszahl W a=9 ; Kabeldurchmesser d = 35 mm; spezifischer LeitK ⋅ m2 m wert k = 56 . mm 2 ⋅ Ω DT =
A I ⋅ ⎜⎛ ⎞⎟ a⋅ c⋅p⋅d ⎝ A⎠
2
2
3 ⋅ 95 mm 2 ⎛ 3 ⋅ 200 A ⎞ ⋅⎜ ⎟ = 22 , 79 K W m ⎝ 3 ⋅ 95 mm 2 ⎠ p 9 56 35 ⋅ ⋅ ⋅ mm K⋅ m2 mm 2 ⋅ Ω Kabelendtemperatur q = 42,79 °C. =
4.2.2.5 Verlegung Bei der Auswahl von Kabelanlagen ist darauf zu achten, daß die zulässige Erwärmung der Kabel bei Nennbetrieb oder bei Kurzschlußbelastung nicht überschritten wird. Die Belastung der Kabel soll so bemessen werden, daß die im Kabel erzeugte Wärme unter den gegebenen Verhältnissen sicher abgeführt werden kann. Sämtliche entlang der Verlegungsstrecke die Wärmeabfuhr beeinträchtigende Einflüsse müssen deshalb bei der Auslegung des Kabels berücksichtigt werden. Diese Einflüsse sind z.B.: Anhäufung mehrerer Kabel; Umgebungstemperatur; verschiedene Bodenarten; Verlegung an einer Wand, auf Pritschen oder in einem Kanal. Die nach VDE tabellierten Werte für die Belastbarkeit von Kabeln oder von Systemen gelten für einzeln verlegte Kabel und setzen gleichmäßige Umgebungsbedingungen voraus. Die Tabellen für die Strombelastbarkeit von Kabeln haben als Grundlage die DIN VDE 0298 Teil 2 11/79. 4.2.2.6 Verlegung in Erde Bei der Verlegung der Kabel in Erde liegt der Tabelle II-14 die sogenannte EVU-Last zugrunde. Nach 10 Stunden Vollast folgt periodisch eine mindestens gleich lange Periode mit 60% Vollast. Daraus ergibt sich der Belastungsgrad m = 0,7. Weicht die Last von der EVU-Last ab, sind die Tabellen mit den angegebenen Faktoren umzurechnen. Dann ergibt sich der Belastungsgrad m über die vorliegende Lastverteilung von 24 Stunden aus folgender Gleichung:
t
Belastungsgrad m =
2 1 ∫ I ( t ) dt 24 ⋅ I max t1
(II.13)
Imax Tageshöchstwert als Mittelwert der Lastspitze über 15 min; I(t) Strom als Funktion der Zeit
Bei Kabelhäufung, einem spezifischen ErdbodenK⋅m wärmewiderstand R th E ≠ 1 und bei Abdeckung W der Kabel mit Abdeckhauben sind die in der Tabelle II-14 angegebenen Werte ebenfalls umzurechnen. Für die in der Tabelle II-13 aufgeführten Belastbarkeitswerte werden folgende Betriebsbedingungen zugrunde gelegt: Bettungstiefe 0,7 – 1,2 m; Erdbodentemperatur 20 °C; spezifischer ErdbodenwärmewiK⋅m ; Belastungsgrad m = 0,7. derstand R th E = 1 W Weichen die Verlegebedingungen von denen der Tabelle II-14 ab, muß der in der Tabelle angegebene Stromwert mit den Faktoren f1 und f2 multipliziert werden. Es ergibt sich ein neuer Stromwert, der für die maximale Belastung des Kabels maßgebend ist. maximale Kabelbelastung
I Z = I Tab ⋅ f 1 ⋅ f 2 (II.14)
Sind die Kabel mit Kabelabdeckhauben mit Lufteinschluß verlegt, muß der errechnete Stromwert zusätzlich mit dem Faktor 0,9 multipliziert werden. Beispiel: 4 Kabelsysteme NYY-O 3 × 1 × 150 mm2 sind in Erde
im Abstand von 7 cm als Dreiecksbündel verlegt. Belastungsgrad K⋅m , Erdbom = 0,85; Erdbodenwärmewiderstand R th E = 1, 0 W dentemperatur θE = 25 °C. Welcher maximale Strom darf über das Kabel geführt werden?
I Z = I Tab ⋅ f 1 ⋅ f 2 = 366 A ⋅ 0 , 93 ⋅ 0 , 62 = 211 A Faktor f1 aus Tabelle II-16, Faktor f2 aus Tabelle II-18. Da in dieser Anordnung vier Systeme parallel geschaltet sind, kann ein Strom von IZ = 4 ⋅ 211 A = 844 A übertragen werden.
4.2.2.7 Verlegung in Luft Bei Verlegung der Kabel in Luft gilt Dauerlast als normale Betriebsweise. Die angegebenen Stromstärken beziehen sich auf frei in Luft verlegte Kabel. Wärmeabgabe durch Strahlung und Konvektion wird nicht behindert, die Umgebungstemperatur steigt nicht, und fremde Wärmequellen fehlen. Folgende Voraussetzungen sollten erfüllt sein: Abstand der Kabel von Wand, Boden oder Decke mindestens 2 cm; bei nebeneinanderliegenden Kabeln Abstand mindestens 2facher Kabeldurchmesser; bei übereinanderliegenden Kabeln Abstand zwischen den Lagen mindestens 20 cm; Abstand zwischen den Kabeln mindestens 2facher Durchmesser; Schutz gegen direkte Sonnenbestrahlung, keine Erhöhung der Raumtemperatur durch die Kabelverlustwärme; Umgebungstemperatur 30 °C. Für abweichende Verhältnisse sind die in den Tabellen II.20 bis II.21
II Elektrische Anlagen
875
Tabelle II-13 Belastbarkeit von Kabeln bei Erdverlegung (in A) Isolierwerkstoff
PVC
Anordnung
1×
2×
3 × oder 4 ×
3 × 1 als Bündel
3 × 1 nebeneinander
Nennquerschnitt Cu in mm2 1,5
40
32
26
–
–
2,5
54
42
34
–
–
4
70
54
44
–
–
6
90
68
56
–
–
10
122
90
75
–
–
16
160
116
98
107
127
25
206
–
128
137
163
35
249
–
157
165
195
50
296
–
185
195
230
70
365
–
228
239
282
95
438
–
275
287
336
120
499
–
313
326
382
150
561
–
353
366
428
185
637
–
399
414
483
240
743
–
464
481
561
300
843
–
524
542
632
400
986
–
600
624
730
500
1125
–
–
698
823
Tabelle II-14 Umrechnungsfaktoren f1 bei Verlegung in Erde mit VPE-Kabel Erdbodentemperatur °C
spezifischer Erdbodenwärmewiderstand 0,7 K ⋅ m/W
spezifischer Erdbodenwärmewiderstand 1,0 K ⋅ m/W
Belastungsgrad
Belastungsgrad
0,5
0,6
0,7
0,85
1,0
0,5
0,6
0,7
0,85
1,0
5
1,24
1,21
1,18
1,13
1,07
1,11
1,09
1,07
1,03
1,00
10
1,23
1,19
1,16
1,11
1,05
1,09
1,07
1,05
1,01
0,98
15
1,21
1,17
1,14
1,08
1,03
1,07
1,05
1,02
0,99
0,95
20
1,19
1,15
1,12
1,06
1,00
1,05
1,02
1,00
0,96
0,93
1,02
1,00
0,98
0,94
0,90
0,95
0,91
0,88
25 30
876
Energietechnik
Tabelle II-15 Umrechnungsfaktoren f1 bei Verlegung in Erde mit PVC-Kabel Erdbodentemperatur °C
spezifischer Erdbodenwärmewiderstand 0,7 K ⋅ m/W
spezifischer Erdbodenwärmewiderstand 1,0 K ⋅ m/W
5
1,29
1,26
1,22
1,15
1,09
1,13
1,11
1,08
1,04
1,00
10
1,27
1,23
1,19
1,13
1,06
1,11
1,08
1,06
1,01
0,97
15
1,25
1,21
1,17
1,10
1,03
1,08
1,06
1,03
0,99
0,94
20
1,23
1,18
1,14
1,08
1,01
1,06
1,03
1,00
0,96
0,91
1,03
1,00
0,97
0,93
0,88
0,94
0,89
0,85
25 30
Tabelle II-16 Umrechnungsfaktoren f2 bei Verlegung in Erde, einadrige Drehstromsysteme in gebündelter Anordnung und 7 cm Abstand zueinander, Isolierung VPE Anzahl der Systeme
spezifischer Erdbodenwärmewiderstand 0,7 K ⋅ m/W
spezifischer Erdbodenwärmewiderstand 1,0 K ⋅ m/W
Belastungsgrad
Belastungsgrad
0,5
0,6
0,7
0,85
1,0
0,5
0,6
0,7
0,85
1,0
1
1,09
1,04
0,99
0,93
0,87
1,11
1,05
1,00
0,93
0,87
2
0,97
0,9
0,84
0,77
0,71
0,98
0,91
0,85
0,77
0,71
3
0,88
0,8
0,74
0,67
0,61
0,89
0,82
0,75
0,67
0,61
4
0,83
0,75
0,69
0,62
0,56
0,84
0,76
0,70
0,62
0,56
5
0,79
0,71
0,65
0,58
0,52
0,80
0,72
0,66
0,58
0,52
6
0,76
0,68
0,62
0,55
0,50
0,77
0,69
0,63
0,55
0,50
Tabelle II-17 Umrechnungsfaktoren f2 bei Verlegung in Erde, einadrige Drehstromsysteme in gebündelter Anordnung und 7 cm Abstand zueinander, Isolierung PVC Anzahl der Systeme
spezifischer Erdbodenwärmewiderstand 0,7 K ⋅ m/W
spezifischer Erdbodenwärmewiderstand 1,0 K ⋅ m/W
Belastungsgrad
Belastungsgrad
0,5
0,6
0,7
0,85
1,0
0,5
0,6
0,7
0,85
1,0
1
1,01
1,02
0,99
0,93
0,87
1,04
1,05
1,00
0,93
0,87
2
0,94
0,89
0,84
0,77
0,71
0,97
0,91
0,85
0,77
0,71
3
0,86
0,79
0,74
0,67
0,61
0,89
0,81
0,75
0,67
0,61
4
0,82
0,75
0,69
0,62
0,56
0,84
0,76
0,70
0,62
0,56
5
0,78
0,71
0,65
0,58
0,52
0,80
0,72
0,66
0,58
0,52
6
0,75
0,68
0,62
0,55
0,50
0,77
0,69
0,63
0,55
0,50
II Elektrische Anlagen
877
Tabelle II-18 Belastbarkeit von Kabeln bei Luftverlegung (in A) Isolierwerkstoff
PVC
Anordnung
1×
2×
3 × oder 4 ×
3 × 1 als Bündel
3 × 1 nebeneinander
Nennquerschnitt Cu in mm2 1,5
26
20
18,5
20
25
2,5
35
27
25
27
34
4
46
37
34
37
45
6
58
48
43
48
57
10
79
66
60
66
78
16
105
89
80
89
103
25
140
118
106
118
137
35
174
145
131
145
169
50
212
176
159
176
206
70
269
224
202
224
261
95
331
271
244
271
321
120
386
314
282
314
374
150
442
361
324
361
428
185
511
412
371
412
494
240
612
484
436
484
590
300
707
–
481
549
678
400
859
–
560
657
817
500
1000
–
–
749
940
Tabelle II-19 Umrechnungsfaktor f2 bei Verlegung von Drei- oder Vierleiterkabeln auf dem Boden Anzahl der Kabel nebeneinander ohne Abstand
1
2
3
6
9
0,90
0,84
0,80
0,75
0,73
Tabelle II-20 Umrechnungsfaktor f2 bei Verlegung von Drei- oder Vierleiterkabeln auf Kabelwannen Anzahl der Kabelwannen übereinander mit mindestens 20 cm Abstand 1
0,95
0,84
0,80
0,75
0,73
2
0,95
0,80
0,76
0,71
0,69
3
0,95
0,78
0,74
0,70
0,68
6
0,95
0,76
0,72
0,68
0,66
878
Energietechnik
angegebenen Umrechnungsfaktoren anzuwenden. Bei Abweichungen der Umgebungstemperatur vom vorausgesetzten Wert von 30 °C gilt für die zulässige Belastung: I Z′ = I Z ⋅
t L − tU t L − t UN
(II.15)
I′Z Belastung bei abweichender Umgebungstemperatur; IZ Belastung bei Nenntemperatur (30 °C); tL zulässige Grenztemperatur; tU Umgebungstemperatur; tUN 30 °C
Weichen die Verlegebedingungen von denen der Tabelle II-19 ab, muß der in der Tabelle angegebene Stromwert mit den Faktoren f2 für die Verlegebedingung und f1 für die abweichende Temperatur gemäß Formel (II.16) multipliziert werden. Es ergibt sich ein neuer Stromwert, der für die maximale Belastung des Kabels maßgebend ist. maximale Kabelbelastung
I Z = I Tab ⋅ f 1 ⋅ f 2 (II.16)
Beispiel: Drei Kabel NYY-I 4 × 240 mm2 werden über eine
Kabeltrasse geführt. Umgebungsbedingungen: 40 °C. a) Verlegung auf dem Boden ohne Abstand, b) auf einer Kabelwanne ohne Abstand.
Welcher maximale Strom darf über ein Kabel geführt werden? a)
I Z = I Tab ⋅ f 1 ⋅ f 2 = 436 A ⋅ 0 , 8 ⋅
70 ° − 40 ° = 302 A 70 ° − 30 °
b)
I Z = I Tab ⋅ f 1 ⋅ f 2 = 436 A ⋅ 0 , 8 ⋅
70 ° − 40 ° = 302 A 70 ° − 30 °
a) Faktor f2 aus Tabelle II-20 b) Faktor f2 aus Tabelle II-21 In beiden Anordnungen darf der Stromwert 302 A nicht überschreiten. Da drei Kabel parallelgeschaltet sind, kann diese Anordnung 906 A übertragen.
Kurzschluß, nur bei Überlastschutz oder nur bei Kurzschluß. 4.2.2.8.1 Überlastschutz Zum Schutz bei Überlast von Kabeln und Leitungen, die nicht im Erdreich verlegt sind, gibt die VDE 0100 Teil 430 Werte für die einzusetzenden Schutzorgane an. In der Tabelle II-19 werden Angaben für den Betrieb mit Dauerlast gemacht. Stromkreise mit Dauerlast: Beleuchtungsstromkreise für gewerbliche Anlagen; gewerblich genutzte Elektrowärmegeräte; Zuleitungen zu Speicherheizgeräten; Druckerhöhungspumpen. Stromkreise ohne Dauerlast: Hauptleitungen; Zuleitungen zu Aufzugsmotoren; Steckdosenstromkreise. Beleuchtungsstromkreise im Haushalt können nach Belastungsart höher abgesichert werden. Zum Schutz vor Überlast müssen folgende Bedingungen erfüllt sein: Nennstromregel
IB < IN < IZ
I 2 < 1, 45 ⋅ I Z
Auslöseregel
(II.17) (II.18)
IB zu erwartender Betriebsstrom; IZ Strombelastbarkeit der Leitung oder des Kabels; In Nennstrom des Schutzorgans; I2 der Strom, der eine Auslösung des Schutzorgans unter den in den Gerätebestimmungen festgelegten Bedingungen bewirkt (großer Prüfstrom)
Der Strom I2 ist für Leitungsschutzsicherungen der Betriebsklasse gL und für Leitungsschutzschalter Typ L in Tabelle II-21 dargestellt. Nach VDE 0660 ergibt eine Verknüpfung zwischen der Nennstromregel und der Auslöseregel folgende Formel:
IN = f ⋅ IZ
(II.19)
IN Nennstrom der Überstromschutzeinrichtung; IZ Strombelastbarkeit; f Faktor
4.2.2.8 Überstromschutz Nach Ermittlung der Strombelastbarkeit der eingesetzten Kabel sind geeignete Überstromschutzorgane auszuwählen, die die Kabel vor betriebsmäßiger Überlast und vollkommenem Kurzschluß schützen. Es wird deshalb zwischen dem Überlastschutz und dem Kurzschlußschutz unterschieden. Überstromschutzorgane können schützen bei Überlast und
Schutzorgane zum Schutz gegen Überlast müssen am Anfang jedes Stromkreises und an allen Stellen eingebaut werden, an denen die Strombelastbarkeit gemindert wird, sofern ein vorgeschaltetes Schutzorgan den Schutz nicht sicherstellen kann. Überlastschutzorgane können jedoch dann an beliebiger Stelle
Tabelle II-21 Abhängigkeit des großen Prüfstroms vom Nennstrom des Schutzorgans Nennstrom IN in A
bis 4
über 4 bis 10
über 10 bis 25
über 25
großer Prüfstrom IZ in A
2,1 ⋅ IN
1,9 ⋅ IN
1,75 ⋅ IN
1,6 ⋅ IN
Tabelle II-22 Verknüpfungsfaktor zwischen Nennstrom- und Auslöseregel Nennstrom in A
bis 4
über 4 bis 10
über 10 bis 25
über 25
Faktor f für Schmelzsicherungen nach DIN VDE 0636 und Leitungsschutzschalter nach DIN VDE 0641
0,69
0,76
0,83
0,91
Faktor f für Leistungsschalter nach DIN VDE 0660
1,0
II Elektrische Anlagen
879
Schutzorgane zum Schutz gegen Überlast müssen am Anfang jedes Stromkreises und an allen Stellen eingebaut werden, an denen die Strombelastbarkeit gemindert wird, sofern ein vorgeschaltetes Schutzorgan den Schutz nicht sicherstellen kann. Überlastschutzorgane können jedoch dann an beliebiger Stelle des Stromkreises angeordnet werden, wenn der Leitungsabschnitt vor dem Überlastschutzorgan im Falle eines Kurzschlusses geschützt ist und weder Abzweige noch Steckvorrichtungen enthält. Überlastschutzorgane dürfen entfallen, wenn die Leitung durch Überlastschutzorgane vorgeschalteter Stromkreisabschnitte wirksam geschützt ist (gilt nicht für feuerund explosionsgefährdete Räume). Überlastschutzorgane dürfen für Verbindungsleitungen zwischen elektrischen Maschinen, Anlassern, Transformatoren, Gleichrichtern, Akkumulatoren und deren Schaltanlagen entfallen (Verbindungsleitung muß für Nennlast ausgelegt sein). Überlastschutzorgane dürfen für Freileitungen und Erdkabel in Verteilungsnetzen entfallen. Eine Leitung braucht keinen Überlastschutz, wenn sie einen Verteiler speist und die Summe der Nennströme aller dort vorhandenen Sicherungen den Überlastschutz der Leitung gewähren. Parallel geschaltete Kabel dürfen durch ein gemeinsames Überlastschutzorgan gegen Überlast geschützt werden. Dies ist jedoch nur dann zulässig, wenn sie gleicher Art und gleich lang sind, gleichen Querschnitt und keine Abzweige haben. Bei parallelgeschaltetem Kabel mit ungleichem Querschnitt kann ein gemeinsames Schutzorgan nach folgender Beziehung berechnet werden: zulässiger Strom der Parallelschaltung ⎛ A ⎞⎞ ⎛ ⎛A ⎞ ⎛A ⎞ I Z = I Z 1 ⎜ 1 + ⎜ 2 ⎟ + ⎜ 3 ⎟ + ... + ⎜ n ⎟ ⎟ ⎝ A1 ⎠ ⎠ ⎝ ⎝ A1 ⎠ ⎝ A1 ⎠
(II.20)
I Z = I Tab ⋅ f1 ⋅ f 2 = 436 A ⋅ 0 , 8 ⋅
70 ° − 40 ° = 302 A 70 ° − 30 °
b)
I Z = I Tab ⋅ f 1 ⋅ f 2 = 436 A ⋅ 0 , 8 ⋅
70 ° − 40 ° = 302 A 70 ° − 30 °
In beiden Anordnungen darf der Stromwert 302 A nicht überschreiten. Da drei Kabel parallelgeschaltet sind, kann diese Anordnung 906 A übertragen. Als Schutzorgan darf eine Sicherung benutzt werden, da die Kabel gleichen Querschnitt und gleiche Länge haben. Für den Nennstrom der Sicherung folgt: IN = f ⋅ IZ = 0,91 ⋅ 906 A = 824,5 A. Der nächste Sicherungsnormwert liegt bei 800 A. Über die Kabelstrecke kann ein Betriebsstrom von maximal 800 A übertragen werden. Beispiel: Drei Kabel NYY-I 4 × 50 mm2, NYY-I 4 × 150 mm2
und NYY-I 4 × 95 mm2 liegen parallel und versorgen gemeinsam einen Verbraucher. Die Verlegung erfolgt in Erde bei Nennbedingungen. Wie groß muß der Nennstrom der gemeinsamen Sicherung sein? Nach der Querschnittsmethode (Gleichung II.22) gilt: A res = A1 + A 2 + A 3 = 50 mm 2 +150 mm 2 + 95 mm 2 = 295 mm 2 Nach der Tabelle II-14 für die Belastbarkeit von Kabeln bei Erdverlegung gilt für 300 mm2 ⇒ IZ = 524 A und für 240 mm2 ⇒ IZ = 464 A. Hieraus folgt:
DI = 60 A ;
DA = 60 mm 2 ⇒
DI A =1 DA mm 2
Für den Querschnitt 295 mm2 ergibt sich eine Strombelastbarkeit von
295 mm 2 − 240 mm 2 = 55 mm 2 ⇒ 464 A + 55 mm 2 ⋅ 1
A mm 2
= 519 A = I Z I N = f ⋅ I Z = 0 , 91 ⋅ 519 A = 472 A Der Sicherungsnennstrom darf den Wert 472 A nicht überschreiten (IN = 400 A). Nach der Ersatzmethode (Gleichung II.21) ergibt sich:
95 ⎞ ⎛ 50 ⎞ ⎞ ⎛ ⎛ A ⎞ ⎛ A ⎞⎞ I Z = I Z 1 ⎜ 1 + ⎜ 2 ⎟ + ⎜ 3 ⎟ ⎟ = 353 A ⎛⎜ 1+ ⎛⎜ ⎟ +⎜ ⎟⎟ ⎝ ⎝ 150 ⎠ ⎝ 150 ⎠ ⎠ ⎝ ⎝ A1 ⎠ ⎝ A1 ⎠ ⎠ = 353 A ⋅ 1, 967 = 694 A I N = f ⋅ I Z = 0 , 91 ⋅ 694 A = 631 A
IZ zulässige Gesamtbelastung des parallel geschalteten Systems; IZ1 zulässige Belastung der Leitung L1 mit dem Querschnitt A1, wobei als Leitung 1 die Leitung mit der höchstzulässigen Belastung (querschnittstärkste Leitung) des Systems zu setzen ist; A1 Querschnitt der Leitung 1; A2 Querschnitt der Leitung 2; A3 Querschnitt der Leitung 3; An Querschnitt der n-ten Leitung
Eine weitere Möglichkeit zur Bestimmung des Schutzorgans ist die Addition der Querschnitte resultierender Leitungsquerschnitt A res = A1 + A 2 + A 3 + ... + A n
a)
(II.21)
Die Festlegung des Schutzorgans erfolgt nach den Tabellen II.14 bis II.21 und dem errechneten Querschnitt Ares, wobei nicht genormte Querschnitte entweder abzurunden sind oder IZ durch Interpolation ermittelt wird. Beispiel: Drei Kabel NYY-I 4 × 240 mm2 werden über eine
Kabeltrasse geführt. Umgebungsbedingungen: 40 °C. a) Verlegung auf dem Boden ohne Abstand; b) auf einer Kabelwanne ohne Abstand.
Welcher maximale Strom darf über ein Kabel geführt werden und wie müssen die Kabel abgesichert werden?
Der Nennstrom der Sicherung darf in diesem Fall den Wert 631 A nicht überschreiten (IN = 630 A).
4.2.2.8.2 Kurzschlußschutz Der Kurzschlußschutz muß durch ein Schutzorgan gewährleistet werden, das den Stromkreis abschaltet, bevor eine schädliche Erwärmung der Leiterisolation oder der Anschluß- und Verbindungsstellen eintritt. Das Schutzorgan muß mindestens ein Ausschaltvermögen besitzen, das dem größten Strom bei vollkommenem Kurzschluß entspricht. Der größte Kurzschlußstrom kann durch Berechnung, durch Untersuchung an einer Netznachbildung, durch Messung oder anhand von Angaben des zuständigen EVU bestimmt werden. Das Schutzorgan muß am Leitungsanfang angeordnet sein. Eine Versetzung vom Anfang um maximal 3 m ist allerdings unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Als Abschaltkriterium für das Schutzorgan ist der kleinste einpolige Kurzschlußstrom bei vollkommenem Kurzschluß maßgebend. Die Ausschaltzeit t, in der die Kabel oder Leitungen beim Auftreten eines Kurzschlusses
880
Energietechnik
abzuschalten sind, können bei Kurzschlüssen bis 5 s Dauer nach Gleichung (II.9) oder Gleichung (II.22) ermittelt werden: maximale Kurzschlußdauer t=
k 2 ⋅ A2 I2
t
k A I A⋅ s mm 2 A s mm 2
(II.22)
A Leiterquerschnitt; I Strom bei vollkommenem Kurzschluß; k Materialbeiwert nach Tabelle II-24
Tabelle II-23 Faktor k für verschiedene Isolierstoffe nach VDE 0100 T 540 Werkstoff der Isolierung Leitermaterial
G 60 °C
Anfangstemperatur Endtemperatur
PVC 70 °C
VPE 90 °C
IIK 85 °C
200 °C 160 °C 250 °C 220 °C
Cu
141
115
143
134
Al
87
76
94
89
Die Isolierwerkstoffe und ihre höchstzulässige, am Leiter auftretende Temperatur: Gummi G 200 °C; Polyvinylchlorid PVC 160 °C; vernetztes Polyäthylen VPE 250 °C; Butyl-Kautschuk IIK 220 °C. Nach Ermittlung der benötigten Abschaltzeit des Schutzorgans muß aus den von den Herstellern der Schutzorgane veröffentlichen Listen ein geeignetes Gerät ausgesucht werden. Sollte die zu erwartende Abschaltzeit unter 0,1 s betragen, muß das Produkt (k2 ⋅ A2) größer sein als der vom Hersteller des Schutzorgans angegebene Wert (I 2 ⋅ t). thermischer Energiewert k 2 ⋅ A 2 ≥ I 2 ⋅ t
(II.23)
Schutzorgane für den Schutz bei Kurzschluß müssen am Anfang jedes Stromkreises sowie an allen Stellen eingebaut werden, an denen die Kurzschlußstrombelastbarkeit gemindert wird, sofern ein vorgeschaltetes Schutzorgan den geforderten Schutz bei Kurzschluß nicht sicherstellen kann. Beispiel: Wann muß ein Kabel NYY-I 4 × 95 mm2 bei einem
Kurzschluß von 10 kA abgeschaltet werden, wenn es vor dem Kurzschluß mit Dauerlast betrieben wurde? Abschaltzeit 2
Werkstoff der Isolierung t=
Leitermaterial
G 30 °C
Anfangstemperatur Endtemperatur
PVC 30 °C
VPE 30 °C
IIK 30 °C
200 °C 160 °C 250 °C 220 °C
Cu
–
143
176
166
Al
–
95
116
110
k 2 ⋅ A2 = I2
⎛ A⋅ s ⎞ 2 2 ⎜ 115 ⎟ ⋅ ( 95 mm ) ⎝ mm 2 ⎠
(10 000 A ) 2
= 1,19 s
4.2.3 Leitungen Leitungen sind im Gegensatz zu Kabeln nicht so hoch mechanisch belastbar. Nach DIN VDE 0100 Teil 523 sind für Leitungen Mindestquerschnitte vorgeschrieben, deren Größe von der Verlegungsart abhängig ist (Tabelle II-24).
Tabelle II-24 Mindestquerschnitt in Abhängigkeit von der Verlegungsart Verlegungsart
Mindestquerschnitt in mm2 Cu
Al
feste, geschützte Verlegung
1,5
2,5
Leitungen in Schaltanlagen und Verteilern bei Stromstärken bis 2,5 A
0,5
–
über 2,5 A bis 16 A
0,75
–
über 16 A
1,0
–
bewegliche Leitungen für den Anschluß von Geräten bis 1 A Stromaufnahme, maximale Länge der Leitung 2 m
0,1
–
bewegliche Leitungen für den Anschluß von Geräten bis 2,5 A Stromaufnahme, maximale Länge der Leitung 2 m
0,5
–
bewegliche Leitungen für den Anschluß von Geräten bis 10 A Stromaufnahme
0,75
–
bewegliche Leitungen für den Anschluß von Geräten über 10 A bis 16 A Stromaufnahme, Mehrfachsteckdosen, usw.
1,0
–
II Elektrische Anlagen
881
Tabelle II-25 Kurzübersicht über Kurzzeichen des vereinheitlichten Kennzeichnungssystems Kennzeichnung
H – harmonisierte Bestimmung
A – anerkannter nationaler Typ
Nennspannung
03 – 300/300 V
05 – 300/500 V
07 – 450/750 V
Isolierhülle Mantel
V – PVC
R – Natur und/oder synthetischer Kautschuk
S – Silikonkautschuk
Leiterart
– U – eindrahtiger Leiter
– R – mehrdrahtiger Leiter
– F – feindrahtiger Leiter
Tabelle II-26 Verlegungsarten von Leitungen nach DIN VDE 0298 Teil 4 Verlegungsart
Ausführung
A
Verlegung in wärmedämmenden Wänden, – Aderleitungen und mehradrige Leitungen im Elektroinstallationsrohr, – Aderleitungen im Elektroinstallationsrohr in geschlossenen Fußbodenkanälen, – ein- und mehradrige Mantelleitungen im Elektroinstallationsrohr, – ein- oder mehradrige Mantelleitungen im Elektroinstallationsrohr im Fußboden.
B1
Verlegung in Elektroinstallationsrohren oder -kanälen, – Aderleitungen im Elektroinstallationsrohr oder -kanal auf der Wand und im Elektroinstallationsrohr in belüfteten Fußbodenkanälen, – Aderleitungen, einadrige Mantelleitungen und mehradrige Leitungen im Elektroinstallationsrohr im Mauerwerk.
B2
Verlegung in Elektroinstallationsrohren oder -kanälen, – mehradrige Leitungen im Elektroinstallationsrohr oder -kanal auf der Wand oder auf dem Fußboden.
C
Direkte Verlegung, – mehradrige Leitungen auf der Wand oder auf dem Fußboden, – einadrige Mantelleitungen auf der Wand oder auf dem Fußboden, – mehradrige Leitungen in der Wand oder unter Putz, – Stegleitungen unter Putz.
E
Verlegung frei in der Luft. Die ungehinderte Wärmeabgabe wird gewährleistet. – bei Abständen der Leitungen von der Wand ≥ 0,3 d, – bei nebeneinanderliegenden Leitungen mit einem Zwischenraum von mindestens 2fachem Leitungsdurchmesser, – bei übereinanderliegenden Leitungen mit einem senkrechten Zwischenraum von mindestens 2fachem Leitungsdurchmesser.
Im Gegensatz zu den Kabeln sind die Bezeichnungen der Leitungen vereinheitlicht worden (Tabelle II-25). Ebenso wie bei Kabeln ist bei Leitungen die Strombelastbarkeit in Tabellen niedergelegt. Richtwerte für die Strombelastbarkeit von Leitungen sind in DIN VDE 0298 Teil 4 festgelegt. In der VDE wird die Verlegung von Leitungen in fünf Verlegungsarten getrennt.
Für die Werte in der Tabelle II-27 gelten Dauerbetrieb bei 30 °C Umgebungstemperatur und eine zulässige Betriebstemperatur von 70 °C (PVC). Der Nennstrom der Überstromschutzeinrichtung wird nach DIN VDE 0100 Teil 430 berechnet. Weicht die Umgebungstemperatur von dem festgelegten Wert ab, müssen die Werte der Tabelle II-27 mit dem Faktor f2 der Tabelle II-28a multipliziert werden.
882
Energietechnik
Tabelle II-27 Strombelastbarkeiten von Kupferleitungen und -kabeln für feste Verlegung nach Tabelle II-26 (in A) Anzahl der belasteten Adern
2
3
2
3
Verlegeart
A
Querschnitt in mm2
IZ
IN
IZ
IN
IZ
1,5
15,5 13
13
13
17,5 16
2,5
19,5 16
18
16
24
4
26
25
24
20
6
34
32
31
10
46
40
16
61
25
2
B1
3
2
B2 IN
IZ
IN
2
C IN
IZ
IN
IZ
15,5 13
15,5 13
14
13
20
21
20
21
20
19
32
32
28
25
28
25
25
41
40
36
35
37
42
40
57
50
50
50
63
56
56
76
80
68
80
80
73
63
101
100
35
99
80
89
80
125
50
119
100
108
100
70
151
125
136
95
182
160
120
210
200
3
E IN
IZ
IN
IZ
19,5 16
17,5 16
20
20
18,5 16
16
26
25
24
20
27
25
25
25
26
25
35
35
32
32
37
35
34
32
35
33
32
46
40
41
40
48
40
43
40
50
50
46
40
63
63
57
50
66
63
60
63
63
68
63
61
50
85
80
76
63
89
80
80
80
89
80
90
80
77
63
112
100
96
80
118
100
101
100
125
111
100
110
100
95
80
138
125
119
100
145
125
126
125
151
125
134
125
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
153
125
125
192
160
171
160
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
196
160
164
160
232
200
207
200
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
288
250
188
160
269
250
239
250
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
Tabelle II-28a Umrechnungsfaktor f2 für verschiedene Temperaturen
IZ
3
IN
IZ
Tabelle II-28b Umrechnugsfaktor f1 für Häufung in den Verlegungsarten B1, B2 und C
Umgebungstemperatur in °C
Faktor f2
über 20 bis 25
1,06
1
1,0
über 25 bis 30
1,00
2
0,79
über 30 bis 35
0,94
3
0,69
über 35 bis 40
0,87
4
0,63
über 40 bis 45
0,79
6
0,56
über 45 bis 50
0,71
8
0,52
über 50 bis 55
0,61
10
0,49
über 55 bis 60
0,5
14
0,43
Werden bei den Verlegungsarten B1, B2 und C mehr als eine Leitung zusammen verlegt (Häufung), müssen die Belastbarkeitswerte nach Tabelle II-28b mit dem Faktor f1 multipliziert werden. Beispiel: Ein Verbraucher mit einem Nennstrom IN = 15,5 A
(Einstellwert des Überlastrelais) soll über eine NYM-Leitung mit Energie versorgt werden. Die Leitung wird mit 7 weiteren Leitungen nach Verlegungsart C auf der Wand verlegt. Umgebungstemperatur 40 °C. Welchen Querschnitt muß die Leitung haben?
IN
Anzahl der belasteten Leitungen
Faktor f1
Faktor f1 für Häufung ergibt bei 8 Leitungen f1 = 0,52. Faktor f2 für andere Umgebungstemperaturen ergibt f2 = 0,87. Der erforderliche Strom IZ nach Strombelastbarkeitstabelle ergibt sich zu:
IZ =
15,5A IN = = 34,3A f1 ⋅ f 2 0,52 ⋅ 0,87
Nach Verlegungsart C muß die Leitung einen Querschnitt von A = 6 mm2 haben.
II Elektrische Anlagen
883
4.2.3.1 Spannungsfall auf Kabeln und Leitungen
Gesamtspannung
Für die nach den vorgegebenen Belastungs- und Schutzkriterien ausgewählten Kabel und Leitungen muß ein ordnungsgemäßer Betrieb sichergestellt werden. Hierzu dürfen bestimmte Grenzwerte der Spannung nicht unter- oder überschritten werden. In den Gerätebestimmungen ist eine Spannungsdifferenz von ± 10%, bezogen auf die Nennspannung des Betriebsmittels, zugelassen. Nach VDE 0100 Teil 520 ist der einwandfreie Betrieb einer Anlage bei einem Spannungsfall von maximal 4% gewährleistet. Für Anlagen im Wohnbereich fordern die EVU in den TAB (Technische Anschluß-Bedingungen) folgenden maximalen prozentualen Spannungsfall e: e = 0,5% bis 100 kVA; e = 1,0% bis 250 kVA; e = 1,25% bis 400 kVA; e = 1,5% über 400 kVA. In Verbrauchsanlagen ist nach DIN 18015 Teil 1 ein Spannungsfall von 3% zulässig. Berechnung des Spannungsfalls:
U = DU + U V
Gleichstrom DU =
(II.28)
Leitungsspannungsfall l c⋅ A Leitungsverlustleistung l DP = D U ⋅ I = I 2 ⋅ 2 ⋅ c⋅ A DU = I ⋅ 2 ⋅ R L = I ⋅ 2 ⋅
UR U UX
UV
l
2⋅l ⋅ I c⋅ A
I
A
m A mm 2
c m Ω ⋅ mm 2
I
Einphasen-Wechselstrom 2 ⋅ l ⋅ I ⋅ cos r c⋅ A
l
I
A
m A mm
2
c r m ° Ω ⋅ mm 2 (II.25)
Drehstrom
DU =
3 ⋅ l ⋅ I ⋅ cos r c⋅ A
l
I
A
m A mm
2
c r m ° Ω ⋅ mm 2 (II.26)
Der absolute Spannungsfall ΔU in Volt wird durch folgende Beziehung in den prozentualen Spannungsfall e umgerechnet:
D U ⋅ 100% prozentualer Spannungsfall e = U
(II.27)
ΔU Spannungsfall; l Leitungslänge; I Strom; A Querschnitt; c spezifische Leitfähigkeit; U Nennspannung; r Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung
Gleichstrom (Bild II-24): U
ΔU
Bild II-25 Zeigerbild von Strom und Spannung bei Wechselstromleitungen
Leitungsspannungsfall DU = 2 ⋅ ( U R + jU X )
(II.31)
realer Leitungsspannungsfall D U = 2 ⋅ I ⋅ ( R ≈ ⋅ cos ϕ + X ≈ ⋅ sin ϕ )
(II.32)
Leitungsverlustleistung DP = 2 ⋅ I 2 ⋅ R≈
(II.33)
Drehstrom (Bild II-26): U UR
U
UR
UX
UR cos
UR sin
U UV
UX sin I
UX UX cos
Bild II-26 Zeigerbild von Strom und Spannung bei Drehstromleitungen
UV
I
(II.30)
Einphasen-Wechselstrom (Bild II-25):
(II.24)
DU =
(II.29)
Bild II-24 Zeigerbild der Spannungen bei Gleichstromleitungen
DU = 3 ◊ I ◊ ( Rª ◊ cos ϕ + X ª ◊ sin ϕ )
(II.34)
DP = 3 ⋅ I 2 ⋅ R≈
(II.35)
dU = 3 ◊ I ◊ ( X ª ◊ cos ϕ - Rª ◊ sin ϕ )
(II.36)
δU induktiver Anteil am Spannungsfall; R≈ = r′ ⋅ l: X≈ = x′ ⋅ l; r′ längenbezogener Wechselstromwirkwiderstand; x′ längenbezogener Wechselstromblindwiderstand
884
Energietechnik
Beispiel: Ein Kabel mit A = 120 mm2; r′ = 0,184 Ω/km; x′ =
0,08 Ω/km; l = 350 m wird mit einem Strom I = 180 A (cos ϕ = 0,9) beaufschlagt. Wie hoch sind der Spannungsfall und die Leistungsverluste am Kabel bei a) Drehstrom 380 V, b) Einphasenwechselstrom 220 V und c) Gleichstrom 220 V? a) ΔU =
3 ⋅ I ⋅ ( R » ⋅ cos ϕ + X » ⋅ sin ϕ ) =
3 ⋅ 180 A
× (( 0,35 km ⋅ 0,184 Ω km ) ⋅ 0 , 9
Beim Ziehen von Kabeln sind die höchstzulässigen Zugbeanspruchungen nach den Herstellervorgaben einzuhalten. Sollte eine Verlegung bei Außentemperaturen < 5°C notwendig werden, müssen sie vor dem Ziehen in einem erwärmten Raum gelagert werden. 4.2.3.3 Ersatzschaltung von Kabeln und Leitungen
+ ( 0,35 km ⋅ 0,08 Ω km ) ⋅ 0 , 44 ) = 21, 9 V DP = 3 ⋅ I 2 ⋅ R ≈ = 3 ⋅ 180 2 A 2 ⋅ 0 , 35 km ⋅ 0,184 Ω km = 6 , 26 kW Pges = 3 ⋅ U ⋅ I = 3 ⋅ 380 V ⋅ 180 A = 118,5 kW
b) D U = 2 ⋅ I ⋅ (R ≈ ⋅ cos ϕ + X ≈ ⋅ sin ϕ) = 2 ⋅ 180 A
Als Ersatzschaltbild von Kabeln und Freileitungen kann die Π- oder T-Ersatzschaltung eingesetzt werden (Bild II-27).
W⎞ × ⎜⎛ ⎜⎛ 0,35 km ⋅ 0,184 ⎟ ⋅ 0, 9 ⎝⎝ km ⎠ W⎞ ⎞ + ⎛⎜ 0,35 km ⋅ 0,08 ⎟ ⋅ 0 , 44 ⎟ = 25, 3 V ⎝ ⎠ km ⎠ DP = 2 ⋅ I 2 ⋅ R ≈ = 2 ⋅ 180 2 A 2 ⋅ 0 , 35 km ⋅ 0,184
W = 4 ,17 kW km
a)
Pges = U ⋅ I = 220 V ⋅ 180 A = 39,6 kW c) DU = I ⋅ 2 ⋅ R L = I ⋅ 2 ⋅
l c⋅ A
b)
350 m = 180 A ⋅ 2 ⋅ = 18, 75 V m 56 ⋅ 120 mm 2 mm 2 ⋅ Ω
DP = DU ⋅ I = I 2 ⋅ 2 ⋅
Bild II-27 Ersatzschaltbild Leitungsstück a) T – Ersatzschaltung b) Π – Ersatzschaltung
l c⋅ A
= 180 2 A 2 ⋅ 2 ⋅ 56
350 m = 3, 375 kW m ⋅ 120 mm 2 2 mm ⋅ Ω
Kabel oder Freileitungen setzen sich aus Widerständen, Induktivitäten und Kapazitäten zusammen. In Tabelle II-29 sind einige Werte dargestellt.
Pges = U ⋅ I = 220 V ⋅ 180 A = 39,6 kW
4.2.4 Sammelschienen 4.2.3.2 Verlegung von Kabeln und Leitungen Bei der Verlegung von Kabeln und Leitungen ist die VDE 0100 Teil 520 zu beachten. Sie hat so zu erfolgen, daß eine Gefährdung von Personen und Umwelt ausgeschlossen ist. Die Verlegung in Bauwerken ist in DIN 18015 festgelegt. Beim Verlegen von Kabeln und Leitungen sind die höchstzulässigen Biegeradien zu beachten. Ferner ist sicherzustellen, daß ihre Eigenschaften nicht gemindert werden. Deshalb sind folgende Einflüsse zu beachten: Verminderung der Strombelastbarkeit; mechanische, thermische und chemische Beschädigungen; Einwirkungen des Erdreichs; Bodenbewegungen, Schwingungen, Erschütterungen; dynamische Beanspruchungen durch Stoßkurzschlußströme; Streuströme und Korrosion.
Neben Kabeln, Leitungen und Freileitungen sind Stromschienen zum Transport von elektrischer Energie einsetzbar. Da Stromschienen starr und schwierig zu verlegen sind, beschränkt man sich beim Einsatz hauptsächlich auf Schaltanlagen. Neben Kurzschlußströmen und dem Dauerstrom muß die maximal auftretende Sammelschienentemperatur bekannt sein, da die starre Verlegung keine großen Längenänderungen durch Temperaturausdehnung zuläßt. Für die Stromschienen in Schaltanlagen wird die Dauerstrombelastbarkeit nach DIN 43671 für Kupfer und nach DIN 43670 für Aluminium bestimmt werden. Für fabrikfertige Schienensysteme gibt der Hersteller die Dauerstrombelastbarkeit vor (DIN VDE 0100 Teil 523). Einen Auszug aus der DIN zeigt Tabelle II-32 für Leitermaterial E-CuF30.
Tabelle II-29 Kenndaten von Kabeln Querschnitt in mm2
Typ
Wirkwiderstand in Ω/km
Induktiver Widerstand in Ω/km
Kapazität in nF/km
0,4 kV 4 × 35
NYY
0,52
0,09
–
10 kV 3 × 35
Gürtelkabel
0,52
0,12
300
20 kV 3 × 70
Hochstädter
0,27
0,13
280
II Elektrische Anlagen
885
Tabelle II-29 Belastbarkeit von Stromschienen bei Frequenzen bis 60 Hz Wechselstrom Breite × Dicke mm
Querschnitt mm2
Schienenanzahl gestrichen
Schienenanzahl blank
1
1
2
2
20 × 5
100
319
560
274
500
30 × 5
150
447
760
379
672
40 × 5
200
573
952
482
836
50 × 5
250
697
1140
583
994
20 × 10
200
497
924
427
825
30 × 10
300
676
1200
573
1060
40 × 10
400
850
1470
715
1290
50 × 10
500
1020
1720
852
1510
60 × 10
600
1180
1960
985
1720
80 × 10
800
1500
2410
1240
2110
100 × 10
1000
1810
2850
1490
2480
120 × 10
1200
2110
3280
1740
2866
160 × 10
1600
2700
4130
2220
3590
200 × 10
2000
3290
4970
2690
4310
Die in der Tabelle II-29 aufgeführten Werte beziehen sich auf eine Umgebungstemperatur von 35 °C und eine Schienentemperatur von 65 °C. Die Anordnung der Schienen ist für die Strombelastbarkeit maßgebend. Bei der Belastbarkeit der Stromschienen spielt die Frequenz des Stroms eine Rolle. Können die in der Tabelle II-29 vorausgesetzten Umgebungsbedingungen oder Materialbeiwerte nicht eingehalten werden, muß der Tabellenwert über Korrekturfaktoren korrigiert werden. Folgende Korrekturfaktoren müssen bei Abweichungen von den Normalbedingungen angewandt werden: k1 Korrekturfaktor für leitfähigkeitsabhängige Belastungsänderungen; k2 Korrekturfaktor für andere Luftund/oder Schienentemperaturen; k3 Korrekturfaktor für aus der Anordnung bedingte thermische Belastungsänderung; k4 Korrekturfaktor für bei Wechselstrom elektrisch aus der Anordnung bedingte Belastungsänderung; k5 Korrekturfaktor für standortabhängige Einflüsse. Für die Strombelastbarkeit gilt dann:
Dauerstrombelastung frequenzabhängig I Dauer x = I Dauer 50 ⋅
50 fx
(II.38)
Bei der Auswahl der Stromschienen und der Festlegung der Anordnung ist zu beachten, daß bei Schienen für Wechselstrom die Stromverdrängung eine Widerstandserhöhung zur Folge hat, die durch Wahl einer anderen Profilform oder durch eine andere Anordnung der Leiter klein gehalten werden kann. Das Verhältnis der Strombelastbarkeit von verschiedenen Profilen zeigt Bild II-28. Wenn es die Strom-
a) 100%
b) 118 %
c) 125% d) 157 %
Dauerstrombelastung I Dauer = I Tabelle ⋅ k 1 ⋅ k 2 ⋅ k 3 ⋅ k 4 ⋅ k 5
(II.37)
Für Frequenzen fx > 50 Hz sind die Belastungswerte nach der Formel zu ermitteln.
e) 128 %
f) 154 %
g) 171 %
Bild II-28 Verschiedene Stromschienenanordnungen und die entsprechenden Strombelastbarkeiten bei gleichem Querschnitt
886
Energietechnik
Tabelle II-30 Umrechnungsfaktor k2 in Abhängigkeit von der Schienen- und Umgebungstemperatur Schienentemperatur in °C
Lufttemperatur in °C 0
10
20
30
40
45
50
55
60
65
55
1,47
1,30
1,14
0,92
0,67
0,55
0,35
–
–
–
60
1,54
1,37
1,22
1,01
0,78
0,68
0,58
0,34
–
–
65
1,60
1,47
1,29
1,10
0,88
0,79
0,67
0,51
0,32
–
70
1,65
1,51
1,36
1,18
0,98
0,89
0,80
0,65
0,50
0,33
80
1,77
1,63
1,49
1,34
1,15
1,07
0,99
0,86
0,76
0,64
90
1,88
1,74
1,61
1,46
1,31
1,24
1,15
1,05
0,97
0,86
100
1,98
1,84
1,72
1,58
1,45
1,38
1,30
1,20
1,14
1,04
110
2,06
1,94
1,82
1,69
1,56
1,50
1,43
1,34
1,28
1,20
120
2,15
2,03
1,91
1,79
1,66
1,61
1,54
1,46
1,40
1,34
125
2,18
2,07
1,95
1,84
1,71
1,65
1,59
1,52
1,46
1,40
stärke zuläßt, werden zwecks einfacher Montage eine oder zwei Flachschienen je Leiter verlegt. Zwei Schienen sind im Hinblick auf die Verluste am günstigsten und deshalb zu bevorzugen. Für größere Stromstärken haben sich vier Flachschienen als günstige Anordnung erwiesen. Der Abstand zwischen der zweiten und dritten Schiene ist zu vergrößern, um eine bessere Stromverteilung zu erreichen. Eine Vergrößerung von 10 auf 30 mm bringt noch keine wesentliche Verbesserung. Es hat sich gezeigt, daß die Stromanteile der einzelnen Schienen bei einem Abstand von 70 mm nur noch um ± 7% voneinander abweichen. Die Belastung der vier Schienen sieht dann folgendermaßen aus:
4.2.4.1 Längenausdehnung von Stromschienen Durch die beim Stromfluß auftretenden Verluste I2 ⋅ R ergeben sich bei Stromschienen Temperaturerhöhungen. Sie rufen bei Leitern eine Längenausdehnung hervor. Längenausdehnung l0 Dl DT a m m K K −1
Dl = l0 ⋅a⋅D T
(II.39)
l0 Länge der Leiter bei Verlegetemperatur; ΔT Temperaturunterschied zwischen Verlegetemperatur und Umgebungstemperatur; α linearer Wärmeausdehnungskoeffizient (αCu = 1,7 ⋅ 10–5 K–1; αAl = 2,3 ⋅ 10–5 K–1)
Tabelle II-31 Stromverteilung bei vier Parallelschienen Schiene
1
2
3
4
Stromaufnahme in % vom Gesamtstrom
26,7
23,3
23,3
26,7
Die temperaturabhängige Längenänderung kann bedeutende mechanische Beanspruchungen in den Leitern, an deren Stützpunkten und an Geräteanschlüssen hervorrufen, wenn in längeren Leitungszügen keine Ausdehnungsstücke vorgesehen werden. Die auftretenden Kräfte können nach Gleichung II.41 berechnet werden.
Reichen vier Flachschienen nicht aus, sollte auf andere Profile ausgewichen werden. Bei Verwendung von weiteren Flachschienen würde sich ein verhältnismäßig großer Querschnitt ergeben, der noch dazu sehr unwirtschaftlich ist. Eine Anordnung von sieben Schienen ergibt zum Beispiel folgende Stromaufteilung: Tabelle II-32 Stromverteilung bei sieben Parallelschienen Schiene
1
2
3
4
5
6
7
Stromaufnahme in % vom Gesamtstrom
25,6
14,2
7,5
5,4
7,5
14,2
25,6
II Elektrische Anlagen
Dl = l 0 ⋅ a ⋅ D T = E Elastizitätsmodul
887
F ⋅ l0 ⇒ F = a⋅ E ⋅ A⋅D T E⋅A
(II.40)
N , A Leiterquerschnitt mm2 mm 2
Aus Gleichung (II.40) folgt die spezifische Beanspruchung F′ für den Temperaturunterschied von einem Kelvin und pro mm2 Querschnittsfläche. spezifische Beanspruchung
Bei der Berechnung von FH in Drehstromanlagen kann für IP der Wert 0,93 ⋅ IP3 eingesetzt werden. Setzen sich die Hauptleiter aus Einzelleitern zusammen, ist die Stromkraft zwischen den Teilleitern: ⎛μ Teilleiterkraft FT = ⎜ 0 ⎝ 2π
2
⎞ Ip ⎟⋅ 2 ⎠ t
⎛l ⋅ ⎜⎜ T ⎝ aT
⎞ ⎟⎟ ⎠
(II.44)
(II.41)
aT Teilleitermittenabstand; a Hauptleitermittenabstand; l Stützabstand; lT größter Abstand eines Zwischenstücks vom Stützpunkt oder vom benachbarten Zwischenstück; FH Stromkraft zwischen den Hauptleitern; FT Stromkraft zwischen den Teilleitern; IP Stoßkurzschlußstrom; t Anzahl der Teilleiter
Schaltanlagen müssen dem auftretenden Kurzschlußstrom bis zum Auslösen des übergeordneten Schaltgeräts gewachsen sein. Die Hauptkräfte dabei müssen die Sammelschienen, die Befestigungsmittel und die Schaltgeräte aufnehmen. Beim Erstellen von Schaltanlagen müssen die Beanspruchungen der Sammelschienen und ihrer Abstützungen untersucht werden. Das kann durch Prüfung am Schaltfeld oder durch Berechnung erfolgen.
Die Festigkeit von starren Stromleitern wird besonders durch ihr Schwingungsverhalten beeinflußt. Das ist wiederum von den Einspannbedingungen, der zulässigen plastischen Verformung und vom plastischen Gelenk abhängig. Die Biegespannung s einer Stromschiene darf im Kurzschluß eine bestimmte Grenze nicht überschreiten, falls der Werkstoff nicht überbeansprucht werden soll. Bei Festlegung dieser Grenze wird davon ausgegangen, daß eine bleibende Durchbiegung der Schiene von 3 . . . 5% der Stützlänge zulässig ist.
F′ = a⋅ E
F′ a E N N −1 K mm 2 K ⋅ mm 2
4.2.4.2 Kurzschlußfestigkeit
Beanspruchung der Stromschiene:
4.2.4.3 Mechanische Kurzschlußfestigkeit Die Stromkraft zwischen den Hauptleitern, die vom gleichen Strom durchflossen werden, ist nach Bild II-29: a F1 F1 F2
σ H = Vσ ⋅ Vr ⋅ β ⋅
σ T = VσT ⋅ Vr ⋅
lT
l F1
T
FH ⋅ l 8 ⋅W
s F l W N (II.45) N cm cm 3 cm 2
Teilleiterbeanspruchung
F2
a) Hauptkräfte F1 T
aT
Hauptleiterbeanspruchung
FT ⋅ lT 8 ⋅ WT
s F l W N N cm cm 3 cm 2
(II.46)
Vs Verhältnis von dynamischer zu statischer Leiterbeanspruchung; Vr Verhältnis von dynamischer Beanspruchung mit erfolgloser dreipoliger Kurzunterbrechung (KU) der Energieversorgung zu dynamischer Beanspruchung ohne dreipolige KU; VF Verhältnis von dynamischer zu statischer Kraft auf den Stützpunkt; b Faktor für die Hauptleiterbeanspruchung, abhängig von der Träger- und Befestigungsart; W Widerstandsmoment
b) Teilleiterkräfte
Neben der Biegespannung, die eine Verformung der Schienen zur Folge hat, muß die Größe der Stützpunktbelastung ermittelt werden.
Bild II-29 Kraftwirkung auf Stromschienen
Stützpunktbeanspruchung FS = VF ⋅ Vr ⋅ a ⋅ FH
c) Abmessungen
(II.47) Hauptleiterkraft l ⎛ m ⎞ F = ⎜ 0 ⎟ ⋅ I 1 ⋅ I 2 ⋅ ⎛⎜ ⎞⎟ ⎝ a⎠ ⎝ 2⋅p ⎠
F m0 I l a (II.42) H N A cm cm m
Im Kurzschluß ist I1 = I2 = IP; daraus folgt für ein Schienensystem mit einem Hauptleiter: l ⎛m ⎞ F = ⎜ 0 ⎟ ⋅ I p2 ⋅ ⎛⎜ ⎞⎟ ⎝ a⎠ ⎝ 2p ⎠
F m0 I l a (II.43) H N A cm cm m
Eine Stromschiene gilt als kurzschlußsicher verlegt, wenn die resultierende Leiterbeanspruchung stot unterhalb der Streckgrenze liegt. s tot = s H + s T
(II.48)
s tot ≤ q ⋅ R p 0 , 2
(II.49)
σ T ≤ R p 0,2
(II.50)
Rp 0,2 Mindestwert der Streckgrenze; R′p 0,2 Höchstwert der Streckgrenze; q Plastizitätsfaktor
888
Energietechnik
Beispiel: Ein Sammelschienensystem aus Kupfer 50 × 10 mit
einem Stützerabstand l = 30 cm und einem Abstand zwischen den Hauptleitern a = 10 cm wird mit einem Stoß-Kurzschlußstrom von Ip3 = 40,33 kA belastet. Hält das Schienensystem diese Belastung aus? Zusätzliche Angaben: W = 0,833 cm3 bei senkrecht stehender Schiene; b = 0,73 bei mehreren Stützern; q = 1,83 bei N für E-Cu F30; senkrecht stehender Schiene; R p 0 , 2 = 25 000 cm 2
Vs ⋅ Vg = 1, 8 bei Drehstrom und dreipoligem Kurzschluß. l ⎛m ⎞ F = ⎜ 0 ⎟ ⋅ I p2 ⋅ ⎛⎜ ⎞⎟ ⎝ a⎠ ⎝ 2p ⎠ H 4 ⋅ p ⋅ 10 − 7 m ⋅ 0 , 93 ⋅ 40 , 33 ⋅ 10 3 A 2 ⋅ 0 , 3 m = 844 ,1 N = ( ) 0,1 m 2⋅p
s H = Vs ⋅ Vr ⋅ b ⋅
FH ⋅ l 8⋅W
= 1, 8 ⋅ 0 , 73 ⋅
s tot ≤ q ⋅ R p 0 , 2 ⇒ 4993, 2
844 ,1 N ⋅ 30 cm 8 ⋅ 0 , 833 cm 3
= 4993, 2
N cm 2
N N ≤ 1, 85 ⋅ 25 000 cm 2 cm 2
Das Sammelschienensystem hält diesem Kurzschluß stand.
Wird die Bedingung stot > 0,8 ⋅ R′p 0,2 erfüllt, kann die Schiene nur statische Kräfte auf die Stützer übertragen, da sie vorher verformt wird. Liegt stot jedoch weit unter 0,8 ⋅ R′p 0,2, muß das Frequenzverhalten der Schiene nach VDE 0103 Abschnitt 6.4 kontrolliert werden. Dabei sollte die mechanische Eigenschwingungszahl nicht in der Nähe der einfachen, doppelten oder dreifachen Netzfrequenz liegen ( ± 5%), damit keine Schäden durch Resonanz auftreten. Die Beanspruchung Fs der Stützer darf die vom Hersteller gewährleistete Mindestbruchlast (DIN 48113 VDE 0674 Teil 1) der Isolatoren nicht überschreiten. Für Stützisolatoren, die auf Umbruch beansprucht werden, ist der Abstand h des Kraftangriffspunktes zu beachten. Fred = Fr ⋅ k red
(II.51)
Fr gewährleistete Mindestbruchkraft der Stützer; kred Reduktionsfaktor für die zulässige Umbruchkraft 4.2.4.4 Thermische Kurzschlußfestigkeit Da die Größe des Kurzschlußstroms und sein zeitlicher Verlauf stark von der Art und dem Ort sowie dem Netzaufbau abhängig ist, wird zur Bemessung der Betriebsmittel der Begriff thermisch wirksamer Kurzzeitstrom Ith eingeführt (VDE 0103). Der Kurzzeitstrom ist der betriebsfrequente Wechselstrom (Effektivwert) konstanter Amplitude, der bei einer Stromflußdauer von der Größe der Kurzschlußdauer tK die gleiche Wärmemenge erzeugt, wie der in seinen Gleich- und Wechselstromanteilen veränderliche Kurzschlußstrom. Zur Bestimmung des Kurzzeitstroms Ith wird der jeweils ungünstigste Kurzschlußfall, also der dreipolige Kurzschluß, zugrunde gelegt. Die Abkühlung des Leiters ist so gering, daß sie vernachlässigt werden kann. Empfohlene maximale Leitertemperaturen im Kurzschlußfall sind: blanke Leiter, massiv oder verseilt aus Cu oder Al 200 °C; Stahl 300 °C.
Es gilt für einen einzelnen Kurzschlußvorgang von der Kurzschlußdauer tK: thermischer Kurzzeitstrom
I th = I k′′3 ⋅ m + n
(II.52) Faktor m berücksichtigt die Wärmewirkung des Gleichstromgliedes; Faktor n berücksichtigt die Wärmewirkung der Wechselstromglieder. Die Abhängigkeit der Faktoren m und n von der Kurzschlußdauer tK kann aus Diagrammen entnommen werden. Als Kurzschlußdauer tK muß die Summe der RelaisKommandozeiten und der Schalter-Gesamtausschaltzeit eingesetzt werden. Bei einem generatorfernen Kurzschluß ist Ik = I″k. Damit wird n = 1. Bei einer Kurzschlußdauer von tK > 1 s liefert das Gleichstromglied keinen nennenswerten Anteil zur Wärmeentwicklung (m = 0). Bei mehreren kurz aufeinanderfolgenden Kurzschlußvorgängen werden die thermisch wirksamen Kurzzeitströme Ith i, die zu den einzelnen Kurzschlußdauern tki gehören, zu einem resultierenden thermisch wirksamen Kurzzeitstrom Ith zusammengefaßt. wirksamer Kurzzeitstrom
n
I th2 i ⋅ t ki
i =1
tk
∑
I th = n
gesamte Kurzschlußdauer t k = ∑ t ki
(II.53) (II.54)
i =1
Betriebsmittel gelten als thermisch kurzschlußfest, wenn gilt: I th ≤ I th N
I th ≤ I th N ⋅
bei t k ≤ t kN
t kN tk
bei t k ≥ t kN
(II.55)
(II.56)
Ith N Nennkurzzeitstrom des Betriebsmittels; tkN Nennkurzschlußdauer des Betriebmittels (1 s)
4.3 Schaltanlagen Als Schaltanlagen bezeichnet man die Gesamtheit der an einem Ort zu einer Einheit zusammengebauten Betriebsmittel. Schaltanlagen dienen zum Verbinden und Trennen von Freileitungen und Kabeln. In der Hoch- und Höchstspannungsebene dienen die Schaltanlagen hauptsächlich als Knotenpunkte für die Verteilung der Energie im Verbundnetz oder als Umspannanlagen, wenn sie die Verteilung auf niedrigere Spannungsebenen vornehmen. Mittelspannungsschaltanlagen befinden sich hauptsächlich in Ortsnetzen. Sie verteilen die elektrische Energie bis zu bestimmten Lastschwerpunkten. An diesen Lastschwerpunkten befinden sich Transformatorenstationen, die die Energie auf die Niederspannungsebene heruntertransformieren. Niederspannungsschaltanlagen sind die elektrischen Verbindungs- und Verteilzentren beim Verbraucher.
II Elektrische Anlagen 4.3.1 Hochspannungsschaltanlagen Hoch- und Höchstspannungsschaltanlagen sind bisher in Freiluftausführung errichtet worden. Dabei werden die Betriebsmittel auf Unterkonstruktionen aufgebaut, die dem Betriebspersonal eine Begehung der Anlage während des Betriebs ermöglichen. Einzuhaltende Mindestabstände der spannungsführenden Teile zur Erde oder untereinander sind durch die DIN VDE 0101 vorgeschrieben. Die Verbindung zwischen den einzelnen Betriebsmitteln wird bei Anlagen mit hoher Leistung in Rohrbauweise durchgeführt, andernfalls kommen Seilverbindungen zum Einsatz. Da die Schaltanlagen an Lastschwerpunkten installiert werden sollen, diese Schwerpunkte jedoch immer näher an Wohngebieten liegen, mußte aus Kosten- und Umweltgründen eine andere Form der Schaltanlagen konzipiert werden. Heute werden Schaltanlagen im Bereich von Ballungsgebieten in metallgekapselter Ausführung gebaut. Die spannungsführenden Teile sind von einer Metallhülle umgeben. Die Hülle ist im Inneren mit Gas (SF6 Schwefel-Hexa-Fluorid) bis zu einem Druck von 2,5 bar gefüllt. Da SF6-Gas im Vergleich zur Luft eine 2,5fach höhere Durchschlagsfestigkeit aufweist, können die in der VDE 0101 geforderten Mindestabstände zwischen spannungsführenden Teilen und Erdpotential erheblich unterschritten werden. Metallgekapselte Schaltanlagen werden fabrikfertig hergestellt; die erforderlichen Komponenten werden am Aufstellungsort, nach den örtlichen Transportgegebenheiten zusammengebaut. Der eigentliche Zusammenbau der Anlage findet in einer Schaltanlagenfabrik statt. Da bei diesen Anlagen die Mindestabstände nach VDE 0101 unterschritten werden dürfen, muß der Hersteller durch Prüfungen belegen, daß seine Anlage den geforderten Bedingungen nach VDE 0670 standhält. Die vom Hersteller vorzunehmende Prüfung der Anlage wird nach VDE als Typprüfung bezeichnet. 4.3.2 Mittelspannungsanlagen Bei der Ausführung von Mittelspannungsschaltfeldern unterscheidet man zwischen den Bauformen nach VDE 0101 und nach VDE 0670. Die nach VDE 0670 gebauten Schaltfelder sind hinsichtlich Isoliervermögen, Schutz gegen Berühren, Stromtragfähigkeit, Schaltvermögens und mechanischer Funktionen nach den Vorschriften an einem Prototyp des Schaltfeldes zu prüfen (Typprüfung). Außerdem ist an jedem gebauten Schaltfeld eine Stückprüfung durchzuführen. Beim Bau von Schaltfeldern nach VDE 0101 ist die Einhaltung von Mindestabständen unter Spannung stehender Teile gegeneinander und gegen geerdete Teile vorgeschrieben. 4.3.2.1 Bauart von Mittelspannungsschaltanlagen Bauarten von Mittelspannungsschaltanlagen: Anlagen mit Festfeldern mit Einfach- oder Doppelsammelschiene. Die Betriebsmittel wie Leistungsschalter und Lasttrennschalter sind fest eingebaut.
889 Anlagen mit ausfahrbaren Schaltgeräten (Schaltwagentechnik) mit Einfach- oder Doppelsammelschiene. Die Betriebsmittel, hauptsächlich der Leistungsschalter, sind ausfahrbar auf einem Schaltwagen angeordnet. Anlagen mit fest eingebaute Betriebsmittel, die jedoch mit einer hermetisch luft- und feuchtedichten Kapselung versehen sind. Als Betriebsmittel dient hier ausschließlich der Vakuumleistungsschalter mit Trenn- und Erdungsschalter. Schaltanlagen können offen, gekapselt, gekapselt und geschottet ausgeführt werden. Bei der offenen Anlage ist die Vorderseite des Schaltfeldes bis zu einer Höhe von 1,80 m mit Blech abzudecken. Innere Schottwände im Bereich der Sammelschiene entfallen, nur das Schaltanlagenende wird durch ein Endblech oder mit Hartgipsplatten verschlossen. Den rückseitigen Abschluß bilden Gitter- oder Blechtüren. Diese Schaltfelder dürfen nur in abschließbaren elektrischen Betriebsräumen aufgestellt werden. Unter sicherheitstechnischen Gesichtspunkten sollte diese Bauweise nicht mehr eingesetzt werden. Die gekapselte Schaltanlage ist vollständig von Blech umschlossen. Diese Schaltfelder zeichnen sich durch erhöhten Berührungsschutz aus. Die einzelnen Schaltfelder dieser Bauform sind größtenteils durch eine Schottwand aus Metall oder einer nicht metallischen Wand getrennt. Eingesetzt werden diese Anlagen mit festeingebauten Geräten in kleineren Abnehmerstationen oder in Netzstationen. Technische Daten: Nennstrom der Sammelschiene bis 1250 A, Nennkurzzeitstrom 20,2 kA (1 s). Bei der gekapselten und geschottete Schaltanlage (Bild II-30) sind die einzelnen Räume im Schaltfeld durch metallische Zwischenwände voneinander getrennt. Sammelschienenraum 4 Niederspannungsraum
1
Schaltgeräteraum
2 3
Kabelanschlußraum
1 Schaltereinschub , 2 Stromwandler 3 Spannungswandler , 4 Druckentlastungsklappen
Bild II-30 Gekapseltes und geschottetes Schaltfeld So wird die Wirkung eines eventuell auftretenden Störlichtbogens auf den entsprechenden Entstehungsort innerhalb des Schaltfeldes begrenzt. Die Schottung der einzelnen Räume muß mindestens gleich der
890
Energietechnik
Schottung der gesamten Schaltanlage sein. Diese Form der Schaltanlagentechnik bietet den größtmöglichen Schutz des Bedienpersonals vor Berühren spannungsführender Teile, vor möglichen Auswirkungen eines Störlichtbogens und eine hohe Versorgungssicherheit. Eingesetzt werden Anlagen mit ausfahrbaren Schaltgeräten als Schwerpunktstationen im EVU-Netz, als Kraftwerkseigenbedarfanlagen und Abnehmerstationen mit hohem Leistungsbedarf. Technische Daten: Nennstrom der Sammelschiene bis 5000 A; Nennkurzzeitstrom bis 60 kA (1 s).
1
2
A
3 D
4
1 2 3 4 5 6
Sammelschiene Trennschalter Gasdichte Durchführung Vakuumschalter Kabelsteckbuchse Kabelabgang
A B C D
Sammelschienenraum Schalterraum Kabelraum Niederspannungsraum
B 5 6 C
Bild II-31 Gekapseltes mit Isoliergas gefülltes Schaltfeld (Isoliergas in den Räumen A und B) Bei den Schaltanlagen mit einer gasdicht metallgekapselten Sammelschiene (Bild II-31) sind die einzelnen Räume durch Feststoffschottung voneinander getrennt. Sammelschiene und Schalterräume sind entweder mit SF6, mit einem Gemisch aus SF6 und N2 oder mit Luft als Isoliermedium umgeben. Ausführungsvarianten dieses Schaltanlagentyps sind die einpolige oder die dreipolige Kapselung der Sammelschiene. Bei den einpolig gekapselten Schaltfeldern kann ein drei- oder zweipoliger Kurzschluß mit 99% Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Bei diesen Anlagen sind die Sammelschienen von Umwelteinflüssen wie Staub, Feuchtigkeit, Ungeziefer weitgehend unabhängig. Für die Sammelschiene sollte jedoch eine Berechnung der Temperaturerhöhung im Vollastbetrieb, insbesondere bei Strömen > 2000 A, durchgeführt werden. Ferner sollte bei den einpolig-gekapselten Anlagen die Auswirkung von Wirbelströmen auf die Kapselung untersucht werden. Technische Daten: Nennstrom der Sammelschiene bis 3150 A; Nennkurzzeitstrom bis 31,5 kA (3 s). 4.3.2.2 Störlichtbogenfestigkeit Schaltanlagen müssen so konstruiert sein, daß im Fehlerfall das vor der Anlage stehende Bedienpersonal optimal geschützt ist. Die Auswirkung des Störlichtbogens hängt von der Lichtbogenarbeit ab. Sie ist das Produkt aus Lichtbogenstrom, Lichtbogenspannung und anstehender Zeit. Durch die freiwerdende
Energie entsteht ein innerer Überdruck und örtliche Erwärmungen; die Schaltanlage wird mechanisch und thermisch beansprucht. Bei der Zersetzung der Werkstoffe durch den Lichtbogen können heiße gas- und dampfförmige Spaltprodukte entstehen, die aus der Schaltanlage austreten. Grundsätzlich sollten Maßnahmen zur Verminderung der Wahrscheinlichkeit von inneren Lichtbögen getroffen werden. Besonders gefährdete Stellen sind Kabelendverschlüsse, Schraubverbindungen von Leitern, Meßwandler und reine Feststoffisolierungen. Störungen im Bereich von Schaltgeräten beruhen meist auf Bedienungsfehlern oder auf unzureichender Wartung. Folgende Maßnahmen sollten deshalb getroffen werden: Mechanische und elektrische Verriegelung der Schaltgeräte; Kontrolle vor Inbetriebnahme neuer Anlagen; geschottete Schaltfelder; Einsatz fester Isolierstoffe in Bereichen geringer dielektrischer Beanspruchung; Schrumpfschlauchumhüllung von Schienen (fußpunktfrei); Einsatz von Seriengeräten. Bei der Konstruktion und Planung von Schaltanlagen sollte darauf geachtet werden, daß die bei Entstehung eines Störlichtbogens freiwerdende Energie möglichst gering ist. Die Lichtbogenenergie ist abhängig vom Strom, der Zeit und der Lichtbogenbrennspannung. Die Lichtbogenbrennspannung ist bei Hochstromlichtbögen unabhängig vom Strom und proportional zu Lichtbogenlänge. Um die Lichtbogenenergie möglichst gering zu halten, sollten Maßnahmen getroffen werden, die Kurzschlußstrom und Brennspannung verringern und die Lichtbogenzeit verkürzen. Die Verringerung des Kurzschlußstroms kann mit vorgeschalteten Drosselspulen, Paralleleinspeisungen und Stoßkurzschlußstrombegrenzern erfolgen. Die Zeit bis zum Abschalten des Lichtbogens kann durch geeignete Schutzmaßnahmen verkürzt werden. Die Verringerung der Brennspannung (Lichtbogenlänge) kann durch möglichst kurze Elektrodenabstände erreicht werden. Da ein Störlichtbogen innerhalb von Schaltanlagen nicht ausschließbar ist, wurden Kriterien geschaffen, die eine Prüfung der Schaltanlagen unter gleichen Bedingungen gewährleisten. Diese Prüfung zeigt das Verhalten der Schaltanlage im Fehlerfall auf. Prüfbedingungen und Kriterien sind in der VDE 0670 Teil 6 beschrieben (früher PhelaRichtlinien). Nach VDE 0670 Teil 6 werden folgende Kriterien bewertet: Ordnungsgemäß gesicherte Türen, Abdeckungen usw. dürfen sich nicht öffnen; Teile dürfen nicht weggeschleudert werden (Druckentlastungsklappen, Sichtfenster); in den äußeren Abschlußwänden dürfen unter der Lichtbogeneinwirkung keine Löcher durch Einbrennen, Zersplittern oder Aufreißen entstehen; durch Austreten heißer Gase dürfen sich keine senkrecht angebrachten Stoffindikatoren entzünden; die waagerecht angebrachten Indikatoren dürfen sich nicht entzünden; Erdverbindungen dürfen sich nicht
II Elektrische Anlagen
891
lösen. Über die Prüfung wird ein Protokoll erstellt, in dem der genaue Prüfverlauf, eine Anlagenbeschreibung und der Aufbau der Anlage wiedergegeben wird. Die Personensicherheit hängt nicht nur von der Ausführung der Schaltanlage ab, sondern auch von den Aufstellungs- und Betriebsbedingungen. So kann es z.B. bei Anlagen mit hoher Kurzschlußleistung, die in kleinen Räumen untergebracht sind, zu erheblichen Beschädigungen an den Gebäuden kommen. Durch den Lichtbogen im Schaltfeld kommt es dort zu rascher Erwärmung der Umgebungsluft. Hierdurch wird das Gasvolumen im Brennraum explosionsartig vergrößert, was zu einer Druckerhöhung führt. Das würde in einem abgeschlossenen Volumen einen Druckanstieg zur Folge haben, der bis zur mechanischen Belastungsgrenze des Schaltfeldes ansteigen könnte. Aufgabe der Druckentlastungsklappen ist der Druckabbau im Schaltfeld. Die Klappen öffnen nach etwa 5 . . . 8 ms. Nach Öffnung strömt das heiße Gas in den Schaltanlagenraum, bis ungefähr 95% der Luftmenge den Brennraum verlassen hat und dort eine Temperatur von ungefähr 6000 K erreicht ist. Diese sogenannte Emissionsphase dauert rund 100 ms. Die Emissionsphase ist im Vergleich zu der bei Störlichtbogenversuchen angesetzten Versuchsdauer von 1 Sekunde sehr kurz. In der anschließenden thermischen Phase werden Elektrodenwerkstoffe und Isolierstoffe verbrannt und verdampft. Es kommt zu einem weiteren Ausstoß heißer Gase, die jetzt nahezu die Temperatur des Lichtbogens (6000 K) haben und deren Menge vom Anteil der Verdampfungsvorgänge abhängig ist. Durch Untersuchungen hat man festgestellt, daß das ausgestoßene Gasvolumen das 3fache Volumen des Lichtbogenbrennraumes erreicht. Nach Gleichung (II.59) ergibt sich für den Anlagenraum folgender Druckanstieg: ausgedehntes Volumen Va = 3 ⋅ V0
(II.57)
Differenzdruck ⎛ 3 ⋅ V0 ⎞ ⎛V ⎞ Dp = ⎜ a ⎟ ⋅ p 0 = ⎜ ⎟ ⋅ p0 ⎝ Vu ⎠ ⎝ Vu ⎠
(II.58)
V0 Volumen des Lichtbogenbrennraums; Va Volumen des ausgestoßenen Gases; Vu Volumen des Anlagenraums; p0 Druck im Anlagenraum vor Zündung des Lichtbogens; Δp Druckerhöhung nach Lichtbogenzündung im Anlagenraum
Die Widerstandsfähigkeit von planen Wänden (Ausfachung im Stahlbetonskelettbau) wurde für Gasbetonsteinmauerwerk und Kalksandsteinmauerwerk durch Versuche ermittelt. Die Versuche ergaben, daß Gasbetonmauerwerk von 12 cm Stärke bei einer Druckwelle von ungefähr 15 hPa nachgab, Kalksandsteinmauerwerk mit 1/2 Lochstein im Zementmörtel gab bei einer Druckwelle von 60 hPa nach, und Kalksandsteinmauerwerk aus 1/2 Lochstein im Kalkmörtel gab bei einer Druckwelle von 30 hPa
nach. Die Anhaltswerte zeigen, daß schon geringe Druckerhöhungen im Schaltanlagenraum zu dessen Zerstörung führen kann. Es sollte deshalb in jedem Anlagenraum für eine ausreichende Druckentlastung gesorgt werden. Beispiel: Welcher Differenzdruck stellt sich in einem Raum von
VU = 63 m3 ein, wenn ein Störlichtbogen in einem Schaltfeld mit einem Volumen V0 = 0,5 m3 ungefähr 1 s brennt? Wie erhöht sich der Druck bei einem Raumvolumen von VU = 150 m3 Differenzdruck
3 ⋅ 0 ,5 m 3 ⋅ 0 ,1 MPa ⎛ 3 ⋅ V0 ⎞ Dp = ⎜ = 23 hPa ⎟ ⋅ p0 = V 63 m 3 ⎝ u ⎠ Differenzdruck 3 ⋅ 0 ,5 m 3 ⋅ 0 ,1 MPa ⎛ 3 ⋅V0 ⎞ Dp = ⎜ = 1 hPa ⎟ ⋅ p0 = V 150 m 3 ⎝ u ⎠
4.3.2.3 Schaltgeräte Um Energie vom Erzeuger zum Verbraucher zu leiten, ist eine große Anzahl von Schaltgeräten erforderlich. Während mit dem Begriff Schaltgeräte elektrische Betriebsmittel zum Verbinden, Unterbrechen oder Trennen von Strompfaden bezeichnet werden, sind Schalter spezielle Schaltgeräte zum mehrmaligen Ein- und Ausschalten von Strompfaden. Bei Schaltern werden bewegliche Schaltstücke durch Bauelemente des Gerätes mechanisch geführt und legen beim Schalten stets denselben vorbestimmten Weg zurück. Als gültige Bestimmung für Wechselstromschalter für Spannungen über 1 kV sind die VDE-Bestimmungen VDE 0670 maßgebend. Schalter werden ausgeführt als Trennschalter, Last- und Lasttrennschalter und als Leistungsschalter (Leistungstrenner). Entsprechend ihren unterschiedlichen Aufgaben werden unterschiedliche Anforderungen an das Ein- und Ausschaltvermögen gestellt. Für die Auswahl der Schaltgeräte sind folgende Begriffe von Bedeutung: Nennspannung; Nennstrom; Nennfrequenz; Nennisolationspegel; Nennschaltfolge; Nennkurzschlußausschaltstrom (symmetrisch); Kurzschlußausschaltstrom (asymmetrisch); Nennkurzschlußdauer; Nennkurzschlußeinschaltstrom; Nennkurzzeitstrom. 4.3.2.3.1 Trennschalter Trennschalter (DIN VDE 0670 Teil 2) stellen beim Ausschalten eine Trennstrecke her und dienen zum annähernd stromlosen Schalten oder zum Schalten von Strömen, wenn keine wesentliche Änderung der Spannung zwischen den Schaltstücken auftritt. Im eingeschalteten Zustand muß der Trennschalter, den Strom unter normalen Betriebsbedingungen und für eine festgelegte Zeit unter Bedingungen wie im Kurzschlußfall führen können. Die Trennstrecke muß ein Isoliervermögen aufweisen, das den in den Bestimmungen festgelegten Anforderungen entspricht. Die Trennstrecke muß entweder sichtbar oder aber ihr Vorhandensein durch eine Schalterstellungsanzeige
892 eindeutig erkennbar sein. Übliche Bauformen von Trennschaltern sind Klapptrennschalter und Schubtrennschalter. 4.3.2.3.2 Last- und Lasttrennschalter Lastschalter (DIN VDE 0670 Teil 301) haben ein Schaltvermögen, das den beim Ein- und Ausschalten von Betriebsmitteln und Anlagenteilen in ungestörtem Zustand auftretenden Beanspruchungen entspricht. Lasttrennschalter weisen in der Aus-Stellung eine zusätzliche Trennstrecke auf. Übliche Bauformen von Lastschaltern sind Messerlasttrennschalter, Kipprohr-Lasttrennschalter und Schublasttrennschalter. Zum Löschen der Betriebsströme werden am häufigsten Isolierstoff-Löschkammern verwendet. Lasttrennschalter werden nach ihrem konstruktiven Aufbau unterschieden: Verwendung derselben Kontaktanordnung zum Herstellen der Trennstrecke und zum Ausschalten des Belastungsstroms; gesonderte Schaltglieder zur Herstellung der Trennstrecke. Zum Schutz des Bedienpersonals wird in der DIN VDE 0670 Teil 301 gefordert, daß Lasttrennschalter zwei Einschaltungen mit dem Nenn-Kurzschlußeinschaltstrom durchführen können müssen, ohne zerstört zu werden. 4.3.2.3.3 Leistungsschalter Leistungsschalter (DIN VDE 0670 Teil 101 bis Teil 108) genügen den auftretenden Beanspruchungen, die beim Ein- und Ausschalten von Betriebsmitteln und Anlagenteilen im gestörten und ungestörten Zustand, insbesondere unter Kurzschlußbedingungen, auftreten. Im Mittel- und Hochspannungsleistungsschalter ist nicht, wie beim Niederspannungsleistungsschalter, die Umgebungsluft Schaltmedium, sondern es werden Medien wie Druckluft, Öl, Schwefelhexafluorid (SF6) und Vakuum (10–9 bar) zur Lichtbogenlöschung eingesetzt. Allen Schaltprinzipien, die mit einem Löschmittel arbeiten, ist gemeinsam, daß die Unterbrechung eines Stroms physikalische Wirkungsmechanismen erfordert, die im Vergleich zum ruhenden Lichtbogen mit einer Erhöhung des Energieumsatzes, also mit größeren Energieverlusten verbunden sind. Kontakte und Schaltkammer werden sehr hohen Temperaturen ausgesetzt, was zu entsprechendem Materialabtrag führt. Deshalb wird die Lebensdauer der Schaltkammer und der Kontakte durch Kurzschlußschaltungen stark beeinflußt. Die gebräuchlichste Ausführungsart von Mittelspannungsleistungsschaltern ist der Vakuumschalter (Bild II-32). Der Einsatz der ölarmen und SF6Leistungsschalter ist auf einige Spezialfälle beschränkt. Im Gegensatz zu den herkömmlichen Schaltprinzipien benötigt man beim Vakuumschalter kein Löschmedium und erzeugt deshalb nur einen geringen Energieumsatz bei der Lichtbogenlöschung. Der Strom fließt nach der Kontakttrennung bis zum nächsten Stromnulldurchgang über ein Plasma, das
Energietechnik Anschlußscheibe
festes Kontaktstück bewegbares Kontaktstück Isolator Metall-Faltenbalg
Bild II-32 Schaltkammer eines Vakuumleistungsschalters sich aus der Verdampfung von Kontaktmaterial bei der Kontakttrennung bildet. Die Ladungsträger des Plasmas kondensieren sehr rasch an den Kontakten oder den Metallflächen der Schaltkammer. Sie werden durch Ladungsträger ersetzt, die der Lichtbogen wiederum durch Verdampfen von Elektrodenmaterial in seinen Fußpunkten selbst erzeugt (Metalldampfbogen). Dieser Lichtbogen hat das Bestreben, sich in viele kleine einzelne Lichtbögen zu teilen, die dann nur noch eine kleine treibende Spannung benötigen und somit wenig Energieumsatz hervorrufen. Die Teillichtbögen verteilen sich über die gesamte Kontaktfläche, die dadurch kalt bleibt (Lichtbogen brennt diffus). Nähert sich der Stromwert dem Nulldurchgang, verlöschen immer mehr Teillichtbögen, bis der letzte Lichtbogen abreißt. Da die Ladungsträgerbildung im Bereich des Stromnulldurchgangs aussetzt, wird die Schaltstrecke schnell entionisiert. Damit ist die Lichtbogenlöschung vollzogen. Bei Stromstärken größer 10 kA geht der diffuse Lichtbogen in einen einzigen Lichtbogen über, der durch die höhere Stromstärke mehr Plasma erzeugt und an der Brennstelle Materialaufschmelzungen hervorruft. Da viel Material verdampft ist, tritt im Stromnulldurchgang keine Verfestigung ein; der Lichtbogen brennt weiter. Deshalb werden die Kontaktstücke so geformt, daß der Lichtbogen von seinem eigenen Magnetfeld auf eine Kreisbahn um den Kontakt gezwungen wird und somit nicht an einer Stelle stehen bleibt (Transversalmagnetkontakt). Es wird nicht soviel Material verdampft wie beim stehenden Lichtbogen, und die Strecke kann sich im Stromnulldurchgang verfestigen. Vorteile des Vakuumschalters gegenüber den Leistungsschaltern mit anderen Löschmedien: Geringer Übergangswiderstand, da Kontaktfläche fremdschichtfrei; geringe Lichtbogenspannung und damit niedrige Schaltarbeit; rasche Wiederverfestigung der Schaltstrecke bei kleinem Kontaktabstand (6 bis 25 mm); geringer Platzbedarf (ungefähr 1,5 dm3, ölarm ungefähr 8,5 dm3); niedriger Kontaktmaterialverschleiß; hohe Schalthäufigkeit ohne Wartungs-
II Elektrische Anlagen
893
arbeiten; geringe Masse der Kontakte, darum kleinere Antriebe. Die Einsatzgebiete des Vakuumleistungsschalters sind sehr vielfältig. Durch intensive Forschung kann der Vakuumleistungsschalter mittlerweile zum Schalten sämtlicher Verbraucher eingesetzt werden. Ausnahmen bilden Motore mit einem Anlaufstrom < 600 A, wenn damit zu rechnen ist, daß der Motor während des Anlaufvorgangs abgeschaltet werden kann. In diesem Fall sind Überspannungsschutzmaßnahmen empfehlenswert. Ferner kann beim Schalten von Induktionsöfen eine Überspannungsschutzmaßnahme erforderlich werden. Festkontakt Magnetspule rotierender Lichtbogen Schaltkammer Beweglicher Kontakt Gasströmung
a) eingeschaltet b) Lichtbogenlöschung
c) ausgeschaltet
Bild II-33 Schaltvorgang eines SF6-Leistungsschalters Löschprinzip in Gasschaltern (Bild II-33): Bei der Kontakttrennung wird ein Lichtbogen erzeugt, der das ihn umgebende Gas auf eine Temperatur von ungefähr 20 000 K aufheizt. Der Lichtbogen wird durch den zurückgehenden Schaltkontakt in eine Düse hineingezogen. Das Löschmedium expandiert durch die Erhitzung des Lichtbogens sehr stark und wird durch die Düse an dem Lichtbogen vorbeigeleitet. Der Lichtbogen wird gekühlt (Energieentzug). Im Stromnulldurchgang entzieht diese Strömung dem Lichtbogen genügend Energie, um ein Abreißen des Lichtbogens zu bewirken. Durch den kalten Löschgasstrom wird der Strecke zwischen festem und beweglichem Kontakt soviel Energie entzogen, daß bei wiederkehrender Spannung keine neue Zündung des Lichtbogens möglich ist. Als Löschgas eignet sich SF6, da es ein hohes Wärmeaufnahmevermögen hat. Es ist unbrennbar und hat eine hohe dielektrische Festigkeit. Außerdem ist es ein elektronegatives Gas, das freie Elektronen binden kann. 4.3.2.3.4 Erdungsschalter Erdungsschalter (DIN VDE 0670 Teil 2) schalten annähernd stromlos und eignen sich für das Erden und Kurzschließen ausgeschalteter Betriebsmittel und Anlagenteile. Erdungsschalter sind einschaltfest, d.h., werden sie auf einen Kurzschluß geschaltet, schließen sich die Kontakte und die Strombahnen halten den unter Kurzschlußbedingungen fließenden Strom über eine festgelegte Zeit.
4.3.2.3.5 Sicherungen Anschlußband
Kennmelder
Schmelzleiter Isolierrohr
Signalschmelzdraht
Quarzsandmischung
Bild II-34 HH Sicherung Aufbau Sicherungen (DIN VDE 0670 Teil 4) sind Schaltgeräte, bei denen die Strombahn durch Abschmelzen bestimmter Teile unter Wirkung eigener Stromwärme unterbrochen wird (Bild II-34), wenn der Strom in festgelegter Zeit einen bestimmten Wert überschreitet. Sicherungen begrenzen im Kurzschlußfall den auftretenden Kurzschlußstrom auf Werte, die weit unter dem unbeeinflußten Stoßkurzschlußstrom liegen. Diese Strombegrenzung gewährleistet einen wirksamen Schutz der nachgeschalteten Anlagen vor Schäden durch thermische und dynamische Beanspruchungen. Sicherungen werden in der Hauptsache zum Schutz von Transformatoren und Kondensatoren eingesetzt. 4.3.2.3.6 IS-Begrenzer IS-Begrenzer sind Schaltgeräte, die Stromkreise in sehr kurzer Zeit nach ihrer Auslösung auftrennen, den Strom auf eine parallel angeordnete Quarzsandsicherung in Spezialausführung kommutieren und dort löschen. Messerkontakt Isolierrohr Leiter, Sprengbrücke Sprengkapsel
Löscheinrichtung Schmelzleiter Kennmelder
Bild II-35 Aufbau des IS-Begrenzers Der IS-Begrenzer (Bild II-35) besteht aus zwei in einem Isolierstoffgehäuse angeordneten, mit Längsschlitzen versehenen Rohrstücken, die an ihrer einen Stirnfläche an die Stromanschlüsse angeschlossen und an der anderen zusammengelötet sind. Im Inneren dieser rohrförmigen Kontaktstücke befindet sich eine Sprengkapsel, die über ein Zündgerät durch Entladung eines Kondensators ausgelöst wird. Durch
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Energietechnik
den hohen Druck der Sprengung spreizen sich die Kontaktfinger und unterbrechen den Hauptstromkreis. Die Sicherung, die für eine kleine Nennstromstärke ausgelegt ist, begrenzt und löscht den kommutierten Kurzschlußstrom noch in seinem Anstieg. Da die Ausschaltverzögerung des IS-Begrenzers wesentlich unter 1 ms liegt, ist der Durchlaßstrom klein und die strombegrenzende Wirkung sehr groß. IS-Begrenzer werden in Mittelspannungsanlagen bis 36 kV eingesetzt und dienen zum raschen Auftrennen von Sammelschienen bei Schaltanlagen mit hoher Kurzschlußleistung.
4.3.2.4.3 Differentialrelais Die am Anfang und am Ende des Schutzobjektes gemessenen Ströme oder die von den Strömen abgeleiteten Spannungen werden nach Phasenlage und Größe einander angepaßt und in einem Meßwerk verglichen (Bild II-37).
4.3.2.4 Schutzgeräte
Bild II-37 Anordnung eines Differentialrelais am Beispiel eines Transformators
Zum Schutz von Betriebsmitteln in Netzen > 1 kV stehen unterschiedliche Schutzeinrichtungen zur Verfügung, deren Aufgabe es ist, Fehler zu erkennen und diese selektiv und schnell aus dem Netzverband abzuschalten, damit Fehlerauswirkungen so gering wie möglich bleiben. Die heute eingesetzten Schutzrelais werden hauptsächlich elektronisch ausgeführt. 4.3.2.4.1 Überstromrelais/Überstromzeitrelais Ströme oberhalb eines einstellbaren Schwellwertes werden ein- oder mehrphasig erfaßt und nach einer einstellbaren Zeit abgeschaltet. Die Auslösezeit ist unabhängig davon, um wieviel der Schwellwert überschritten wurde (Unabhängige MaximalstromZeitrelais = UMZ-Relais). t
t t I> tI>> a)
tE I>
I>>
I
b)
I>>
I
Bild II-36 Kennlinien vorn a) UMZ-Relais b) AMZ-Relais Zu den Überstromrelais gehört auch das AMZ-Relais (Abhängige Maximalstrom-Zeitrelais). Die Auslösezeit ist abhängig von dem fließenden Strom. In Bild II-36 sind die Kennlinien der Überstromrelais dargestellt. 4.3.2.4.2 Überlastrelais Die Temperaturverhältnisse des Schutzobjektes werden mit gleicher thermischer Zeitkonstante nachgebildet. Vorbelastungen werden vom thermischen Abbild in dem Relais entsprechend den Erwärmungsund Abkühlungskurven erfaßt. Nach Überschreiten von einstellbaren Temperaturschwellen werden Melde- oder Auslösesignale abgegeben. Überlastrelais setzt man zum Schutz von thermisch gefährdeten Maschinen, Transformatoren und Motoren, seltener für Kabel ein.
Iein
ΔI > ΔI Zul
Iaus
Trafo
Beim Überschreiten eines einstellbaren Verhältnisses von Differenz- zu Durchgangsstrom erteilt das Relais ein Auslösekommando. Differentialrelais sind als Transformator- und Generator-Differentialrelais verfügbar. Leitungsdifferentialrelais besitzen je Leitungsende Meßwerke (Relais), die über Hilfsadern miteinander verbunden sind. 4.3.2.4.4 Distanzrelais Die Fehlerentfernung vom Relais wird über eine Widerstandsmessung, abgeleitet aus Kurzschlußstrom und -spannung, einem Auslösebereich zugeordnet. Entsprechend der am Relais einstellbaren Entfernungs-Zeit-Kennlinie löst das Relais den zugehörigen Leistungsschalter aus oder stellt eine Schutzreserve dar. Distanzrelais arbeiten in mehrseitig gespeisten und vermaschten Netzen ohne Hilfsverbindung selektiv mit kürzesten Auslösezeiten. 4.3.2.4.5 Kurzunterbrechungsrelais Erkennen Überstromzeitrelais oder Distanzrelais einen Fehler, wird diese Information zu einem KURelais weitergeleitet. Das KU-Relais schaltet den fehlerbehafteten Bereich ab und nach einer einstellbaren Pausenzeit von rund 300 ms wieder zu. In dieser Pausenzeit ist eine Lichtbogenfehlerstrecke entionisiert, und der Betrieb kann unterbrechungsfrei fortgeführt werden. Eine erfolglose Kurzunterbrechung führt zu einer endgültigen Abschaltung. 4.3.2.4.6 Erdschlußrichtungsrelais Aus der vektoriellen Zuordnung von Nullstrom und Nullspannung wird eine Richtungsanzeige gewonnen. Ein Vergleich der Anzeigen im Netz weist auf die Fehlerstelle hin. Weitere Schutzrelais: Vergleichsschutzeinrichtung; Sammelschienenschutz; Frequenzrelais; Spannungsrelais; Schieflastrelais; Rückwärtsrelais. 4.3.3 Anlagenräume Bei der Planung von Innenraumanlagen ist neben den betrieblichen Erfordernissen darauf zu achten, daß die ausgewählten Räume grund- und hochwasserfrei
II Elektrische Anlagen
Fluchtrichtung
500
700
Fluchtrichtung
500
a) Anlagen > 1 kV
700
Montagegang
1000
600
Im Normalfall geschlossen gegen das Eindringen von Kleintieren, Schnee und Regen; leichte, selbsttätige Öffnung der Einrichtung bei einem Überdruck < 10 hPa; Druckentlastung in eine Region, in der sich normalerweise keine Personen aufhalten, während der Druckentlastung dürfen sich keine Bauteile lösen. Die Anordnung der Schaltfelder richtet sich nach ihrer Anzahl, der Anlagenbauform und nach den Betriebsbedingungen.
500
sind und guten Zugang für Bedienung, Transportmittel und Brandbekämpfung bieten. Die Wände, Decken und Fußböden müssen trocken sein. Verlegung von Rohrleitungen für Flüssigkeiten, Dampf und brennbare Gase in, über und unter Räumen für Schaltanlagen ist zu vermeiden. Unter Umständen müssen bauliche Maßnahmen zum Schutz der elektrischen Anlage durchgeführt werden. Die Innenflächen der Schalthauswände sind möglichst glatt herzustellen, damit Staubablagerungen vermieden werden. Das Mauerwerk ist zu verputzen, Betondecken mit glatter Untersicht können unverputzt bleiben. Der Fußbodenbelag muß leicht zu reinigen, druckfest, gleitsicher und abriebfest sein. Stufen oder schräge Fußbodenflächen sind in Schaltanlagenräumen unbedingt zu vermeiden. Fenster sind so anzuordnen, daß sie bedient werden können, ohne daß das Personal in den Gefahrenbereich spannungsführender Teile gerät. Bei Aufstellung der Schaltfelder an der Wand dürfen dort keine Fenster angeordnet werden (Ausnahme: Glasbausteine). Ausgänge und Türen sind so anzuordnen, daß der Fluchtweg aus der Anlage nicht mehr als 40 m beträgt. Bei mehr als 40 m Anlagenlänge müssen zwei Ausgänge vorgesehen werden, wovon einer ein Notausgang sein kann. Türen müssen nach außen aufschlagen und so beschaffen sein, daß der Zutritt unbefugter Personen jederzeit verhindert wird, während in der Anlage befindliche Personen diese jedoch ungehindert verlassen können. Die Türen müssen feuerhemmend und aus nichtbrennbaren Baustoffen hergestellt sein. Außen sind Türen mit Warnschildern WS 1 und Zusatzschild ZS 1 nach DIN 40008 Teil 3 zu versehen. Installationsleitungen sind so zu verlegen, daß sie durch Lichtbogeneinwirkung möglichst nicht gefährdet werden können. Teile der Installation, die gewartet werden müssen, sind so anzubringen, daß bei fachgerechtem und sorgfältigem Arbeiten keine Berührungsgefahr mit unter Spannung stehenden Anlagenteilen besteht. Die Belüftung des Anlagenraumes muß so vorgesehen werden, daß eine Raumtemperatur von +35 °C und eine relative Feuchte von 70%, bezogen auf 35 °C, nicht überschritten wird. Die Raumtemperatur darf nicht unter Werte von – 5 °C sinken. Die Einhaltung dieser Richtwerte vermeidet die Bildung von Schwitzwasser und hemmt die Korrosion von Bauelementen. Ferner wird hierdurch verhindert, daß die Kriechstrecken durch hohe Luftfeuchtigkeit herabgesetzt werden. In Gegenden mit starker Luftverschmutzung sind die Räume mit gefilterter Luft unter schwachem Überdruck zu halten. Lüftungsöffnungen müssen gegen Regen und Spritzwassereinfall gesichert sein. Bei Höhen bis ungefähr 2,50 m über dem Gelände sind außerdem hinter den Lüftungsöffnungen Stocherbleche anzubringen. Um Schäden an den Wänden und Decken des Schaltanlagenraumes bei einem Störlichtbogen zu verhindern, sollten Druckentlastungseinrichtungen vorgesehen werden, die folgende Kriterien erfüllen:
895
b) Anlagen < 1 kV
Bild II-38 Mindestgangbreiten nach VDE 0101 und VDE 0100 T. 729 Die erforderlichen Mindestgangbreiten sind nach VDE 0101 einzuhalten (Bild II-38). Die Mindestgangbreite bei Innenraumanlagen ist in Abhängigkeit von der Ganglänge und der Art der Schutzvorrichtung zu wählen. Die Mindestbreite der Wege und Gänge darf nicht unterschritten werden, auch nicht durch hineinragende Teile wie Antriebe und Steuerschränke. Weiterführende Angaben über die Ausführung von Anlagenräumen können im AGIArbeitsblatt J11 nachgelesen werden. Da das Entstehen von Bränden in Schaltanlagenräumen nicht ausgeschlossen werden kann, sollte bei der Planung vorbeugender Brandschutz berücksichtigt werden. Hierzu gehören kleine Brandabschnitte, feuerhemmende und feuerbeständige Abtrennungen, Kabelund Leitungsschottungen zu Nachbarräumen. Die Auswirkung eines Brandes auf die Umgebung hängt von der Brandbelastung (Brandlast) ab. Sie entspricht der theoretisch freisetzbaren Energie sämtlicher brennbarer Stoffe bezogen auf eine definierte Grundfläche (kWh je m2 Brandabschnittsfläche). Über die Verbrennungswärme von Kabeln und Leitungen geben Ausarbeitungen des Verbandes der Sachversicherer (VdS) Anhaltswerte. 4.3.4 Niederspannungsschaltanlagen Für den Bau von Niederspannungsschaltanlagen und Verteilern gelten verschiedene VDE-Normen, die sich wiederum auf andere VDE-Normen beziehen (Bild II-39).
896
Energietechnik
VDE 0603
VDE 0660 T 500
Installationskleinverteiler und Zählerplätze
Teil 4 501 - 504 TSk Anlagen PTSK Anlagen
VDE 0106 T 100 Berührungsschutz
VDE 0100 T 410 Schutzmaßnahme
VDE 0100 T 729 Aufstellen und Anschließen
Behördenvorschriften BG , UVV , usw.
Bild II-39 Überblick der VDE-Vorschriften für Niederspannungsschaltanlagen 4.3.4.1 Niederspannungs-Schaltgerätekombinationen Unter den Oberbegriff NSK fallen alle Niederspannungsanlagen bis 1000 V AC und bis 1000 Hz oder 1500 V DC einschließlich elektromechanische und elektronische Betriebsmittel. Eine Ausnahme bilden die Installationskleinverteiler. Bei den NSK-Anlagen wird unterschieden in Typgeprüfte Schaltgerätekombination (TSK) und Partiell typgeprüfte Schaltgerätekombination (PTSK). Für die Typprüfung sind folgende Voraussetzungen vorgeschrieben: Umgebungstemperatur von Innenraumanlagen ≤ 40 °C; Mittelwert darf nicht > 35 °C und nicht < 5 °C sein (über 24 h gemessen). Abstände innerhalb der Anlagen müssen bei den TSK-Anlagen nach VDE 0110, bei den PTSK nach VDE 0660 (0100) ausgeführt werden. Die Erwärmung innerhalb der Schaltschränke ist bei den TSK-Anlagen durch Versuche zu überprüfen, bei denen die Grenztemperatur der Geräte nicht überschritten werden darf; bei PTSK-Anlagen muß die Anlagenerwärmung nach Anlage R VDE 0660 ermittelt oder durch eine Erwärmungsprüfung nachgewiesen werden. Schutzmaßnahmen müssen entsprechend VDE 0100 Teil 410 ausgeführt werden; Kurzschlußschutz der Anlage muß gewährleistet sein (Informationen über Kurzschlußfestigkeit der Anlage vom Hersteller); gegebenenfalls muß der Hersteller die zu verwendenden Sicherungseinsätze genau definieren. Nicht fabrikfertige Schaltanlagen und Verteiler müssen nach VDE 0100 Teil 510 und 729 errichtet werden; an ihnen muß eine Isolations- und eine Erwärmungsprüfung nach VDE 0660 T. 5 durchgeführt werden. Ferner muß die Kurzschlußfestigkeit und die Einhaltung der Schutzmaßnahme nachgewiesen werden. 4.3.4.1.1 Niederspannungs-Schaltgeräte Niederspannungsschaltgeräte unterscheiden sich von Hochspannungsschaltgeräten durch den geringeren
Isolieraufwand, eine teilweise erheblich höhere Schalthäufigkeit und höhere Ströme. Deshalb müssen andere Konstruktionskriterien beachtet werden als bei Hochspannungsschaltgeräten. 4.3.4.1.1.1 Leistungsschalter Leistungsschalter müssen unter betriebsmäßigen Bedingungen Ströme und Kurzschlußströme schalten können. Zum Schalten gehört das Einschalten, das Ausschalten und das Führen. Bei den NS-Leistungsschaltern wird unter zwei Bauarten unterschieden: dem Nullpunktlöscher und dem strombegrenzenden Leistungsschalter. Beim Nullpunktlöscher wird der zu schaltende Strom im Nulldurchgang gelöscht und zwar erst im eingeschwungenen Zustand. Beim strombegrenzenden Leistungsschalter wird der Strom vor Erreichen des Maximums geschaltet. Für die Auslegung der nachgeschalteten Betriebsmittel ist nur noch der Durchlaßstrom ID maßgebend. Neben den bislang bekannten offenen Leistungsschaltern für größere Leistungen und den gekapselten Leistungsschaltern für kleinere Leistungen wird in Anlehnung an die Mittelspannungstechnik ein Niederspannungsleistungsschalter mit Vakuumschaltkammer angeboten. Dieser Schalter hat gegenüber den herkömmlichen Schaltern den Vorteil, daß der Lichtbogen innerhalb der Vakuumkammer brennt, die Kontakte eine wesentlich höhere Anzahl von Kurzschluß- oder Nennstromschaltungen durchführen können; dieser Schalter ist weniger wartungsintensiv. Lichtbogenausblasräume entfallen, eine Gefährdung des Bedienpersonals kann auch bei offenen Schaltschranktüren ausgeschlossen werden. Die wichtigen Daten für Niederspannungsleistungsschalter sind das Bemessungs-Kurzschlußschaltvermögen, der Bemessungsstrom und der Bemessungskurzzeitstrom. Bemessungs-Kurzschlußausschaltvermögen Icn und Bemessungs-Kurzschlußeinschaltvermögen Icm müssen mindestens dem an der Einbaustelle auftretenden unbeeinflußten Anfangs-Kurzschlußwechselstrom I″k sein. Leistungsschalter, die als selektiver Schutz eingesetzt werden, müssen in der Schließstellung den Augenblickswert des unbeeinflußten Kurzschlußstroms (Stoßkurzschlußstrom ip) und den Kurzschlußstrom während der festgelegten Verzögerungszeit führen können. Angaben hierüber sind aus den Herstellerkatalogen zu entnehmen. Tritt eine Überlast oder ein Kurzschluß auf, muß der Schalter einen Auslöseimpuls erhalten. Je nach Bauart erfolgt dieses über Auslöser, die direkt in den Strombahnen eingebaut sind, oder über Relais, die den Arbeitsstrom- oder Unterspannungsauslöser des Schalters beeinflussen. 4.3.4.1.1.2 Schütze Schütze sind zum häufigen betriebsmäßigen Schalten mit betriebsmäßiger Überlast (Gebrauchskategorien) ausgelegt. Sie müssen durch geeignete Maßnahmen vor Kurzschlußeinwirkungen geschützt werden.
II Elektrische Anlagen
897
Tabelle II-32 Gebrauchskategorien nach DIN VDE 0660 für Wechselstrom (AC) und Gleichstrom (DC) Ic Ein-und Ausschaltstrom; Ie Bemessungsbetriebsstrom Gebrauchskategorie
Typischer Anwendungsfall
AC-1
Nicht induktive oder schwach induktive Last
1,5
0,8
AC-2
Schleifringläufermotoren: Anlassen, Ausschalten
4,0
0,65
AC-22
Schalten gemischter ohmscher und induktiver Last einschließlich mäßiger Überlast
4,0
0,65
AC-3
Käfigläufermotoren: Anlassen, Ausschalten während des Laufes
8,0
0,35 – 0,45
AC-4
Käfigläufermotoren: Anlassen, Gegenstrombremsen, Reversieren, Tippen
10,0
0,35 – 0,45
AC-5 a
Schalten von Gasentladungslampen
3,0
AC-5 b
Schalten von Glühlampen
1,5
AC-6 a
Schalten von Transformatoren
8,0 – 10,0
AC-6 b
Schalten von Kondensatorbatterien
AC-7 a
Schwach induktive Last in Haushaltsgeräten und ähnlichen Anwendungen
1,5
0,8
AC-7 b
Motorlast für Haushaltsgeräte
8,0
0,35 – 0,45
AC-8 a
Schalten von hermetisch gekapselten Kühlkompressoren mit manueller Rückstellung der Überlastauslöser
6,0
0,35 – 0,45
AC-8 b
Schalten von hermetisch gekapselten Kühlkompressoren mit automatischer Rückstellung der Überlastauslöser
6,0
0,35 – 0,45
DC-1
Nicht induktive oder schwach induktive Last
1,5
DC-13
Steuern von Elektromagneten
1,5
DC-20
Schließen und öffnen Leerlast
DC-21
Schalten ohmscher Last
DC-22
Schalten gemischter ohmscher und induktiver Last einschließlich mäßiger Überlast
DC-23
Schalten stark induktiver Last
DC-3
Nebenschlußmotoren: Anlassen, Gegenstrombremsen, Reversieren, Tippen, Widerstandsbremsung
4,0
DC-5
Reihenschlußmotoren: Anlassen, Gegenstrombremsen, Tippen, Reversieren, Widerstandsbremsung
4,0
DC-6
Schalten von Glühlampen
1,5
Ein- und Ausschaltbedingungen Ic/Ie
Die Gebrauchskategorien sind in DIN VDE 0660 Teile 102, 107 und 200 festgelegt. In Tabelle II-33 ist ein Überblick der Gebrauchskategorien dargestellt. Schütze müssen ohne Verschweißen der Kontakte und ohne starken Schaltstückabbrand den Bemes-
siehe VDE
cos ϕ
0,45
0,35 – 0,45 siehe VDE
sungseinschaltstrom ein- und ausschalten können. Die elektrische Lebensdauer eines Schützes ist durch die Anzahl der Schaltspiele unter den festgelegten Betriebsbedingungen vorgegeben. Bei Abweichungen erhöht oder mindert sich die Schützlebensdauer erheblich.
898
Energietechnik
4.3.4.1.1.3 Sicherungen Sicherungen sind Schutzeinrichtungen, die ein nachgeschaltetes Betriebsmittel durch Abschmelzen eines oder mehrerer Schmelzleiter vor einem Überlastoder Kurzschlußstrom schützen. In der DIN VDE 0636 sind für Sicherungen Kennlinienbereiche festgelegt. In diesen Zeit-Strom-Bereichen müssen Sicherungen auslösen. Die große Toleranz der Kennlinienfelder entsteht durch unvermeidbare Fertigungstoleranzen. Niederspannungssicherungen werden nach ihren Betriebsklassen und Bauarten klassifiziert. Bedeutung der Buchstaben: g Ganzbereichsschutz; a Teilbereichsschutz; L Kabel- oder Leitungsschutz; M Schaltgeräte (Motorschutz); R Halbleiterschutz; Tr Transformatorenschutz. Sicherungen gibt es in verschiedenen Ausführungen: NH-Einsätze 500 V AC, 440 DC und 660 AC; DEinsätze 500 AC, 600 DC (660 AC); DO-Einsätze 380 AC und 250 DC. 4.3.4.1.1.4 Leitungsschutzschalter Leitungsschutzschalter sind handbetätigte Schutzgeräte (ein Arbeitsstromauslöser kann teilweise angebaut werden) im Leistungsbereich bis 63 A Nennstrom und 415 V AC, 440 V DC. Es sind strombegrenzende Schalter mit fest eingestelltem thermisch-verzögertem und elektromagnetisch-unverzögertem Auslöser. Sie werden mit verschiedenen Auslösecharakteristiken nach DIN VDE 0641 geliefert. Die in Deutschland eingeführten Auslösekennlinien L und G sind durch die Auslösekennlinien B und C ersetzt worden. 4.3.4.1.1.5 Fehlerstromschutzschalter Fehlerstromschutzschalter (FI-Schalter Bild II-40) schalten den zu schützenden Anlagenbereich ab, wenn über die geerdeten, nicht zum Betriebsstromkreis gehörenden leitfähigen Anlagenteile oder über den menschlichen Körper ein Fehlerstrom (Differenzstrom) fließt, der den Auslösestrom des FISchutzschalters überschreitet. Der Vorteil des FI-Schutzschalters gegenüber anderen Schutzgeräten in der Niederspannungstechnik ist, 1 3 5 N
Prüftaste ΔI
2 4 6 N
Bild II-40 Stromlaufplan FI-Schutzschalter
daß geringe Fehlerströme (ΔI = 0,01 A bis 1 A) erkannt werden und zu einer sofortigen Abschaltung führen. Dadurch kann der FI-Schutzschalter zum Schutz bei indirektem Berühren, bei einpoligem direktem Berühren (IΔN ≤ 0,03 A), zum Erdschlußschutz oder zum Schutz gegen Brände durch Erdschlußfehlerströme eingesetzt werden. Da immer mehr elektronische Bauelemente in den Netzen eingesetzt werden und diese Bauelemente Ströme erzeugen, die stark von der Sinusform abweichen, sind für den Schutz bei indirektem Berühren nach DIN VDE 0100 Teil 410 pulsstromempfindliche Geräte entsprechend DIN VDE 0664 zu verwenden. Diese Geräte lösen auch bei Gleichfehlerströmen aus, die innerhalb einer Periode der Netzfrequenz Null oder nahezu Null werden. In vielen Industrienetzen werden Schaltungen eingesetzt, bei denen im Fehlerfall glatte Gleichfehlerströme mit geringer Restwelligkeit auftreten können (Drehstrom-Gleichrichterschaltung). Hierfür dürfen die pulsstromempfindlichen Geräte nicht eingesetzt werden (DIN VDE 0160). Deshalb hat man einen FI-Schutzschalter entwickelt, der in Anlehnung an die pulsstromempfindliche FI-Schutzeinrichtung gefertigt wird. Diese allstromsensitive FI-Schutzeinrichtung hat eine Zusatzeinheit für die Erfassung von glatten Gleichfehlerströmen entsprechend IEC 479.
5 Schutzmaßnahmen Maßnahmen zum Schutz vor den Gefahren der elektrischen Energie sind in VDE-Bestimmungen zusammengefaßt worden. Sie gelten als „allgemein anerkannte Regeln der Technik“ und sind in diversen Gesetzen und Verordnungen als bindende Ausführungsnorm vorgeschrieben. Trotz dieser Rechtsvorschriften wird den VDE-Bestimmungen von juristischer Seite lediglich Rechtsnormqualität zugestanden. Das bedeutet, daß ein bloßer Verstoß gegen die VDEBestimmungen noch nicht strafbar ist; erst wenn dadurch ein Unfall ausgelöst wird, ist mit einer strafrechtlichen Verfolgung zu rechnen. Wichtigste VDE-Vorschriften (Auswahl): VDE 0100 Nennspannungen bis 1000 V; VDE 0101 Nennspannungen über 1000 V; VDE 0105 Betreiben von Starkstromanlagen. Darüber hinaus gibt es für spezielle Bereiche VDE-Vorschriften, die weiterreichende Anforderungen an die Errichtung von elektrischen Anlagen stellen als die oben genannten Vorschriften. Dazu gehören: VDE 0107 (medizinisch genutzte Räume); VDE 0108 (Menschenansammlungen); VDE 0118 (Bergbau unter Tage); VDE 0165 (explosionsgefährdete Bereiche); VDE 0168 (Errichten elektrischer Anlagen in Tagebauen, Steinbrüchen und ähnlichen Betrieben); VDE 0800 (Fernmeldetechnik; Errichten und Betreiben). Zu Maßnahmen, die eine Gefährdung des Menschen und der Tiere durch den elektrischen Strom auf ein
II Elektrische Anlagen
899
tragbares Minimum reduzieren sollen, unterscheidet die VDE zwischen zwei Schwerpunkten: Schutz gegen direktes Berühren und Schutz gegen indirektes Berühren.
5.1 Wirkung des Stroms Der elektrische Strom bewirkt beim Fließen durch den menschlichen Körper physikalische und physiologische Wirkungen. Physikalische Wirkungen: Strommarken an den Stromeintrittsstellen; innere Verbrennungen z.B. an Gelenken; Flüssigkeitsverlust, Verkochungen; Verbrennungen und Blendungen durch Lichtbogen. Physiologische Wirkungen: Muskelkontraktion, Nervenerschütterungen; Muskelverkrampfungen (Erstickungsgefahr); Blutdrucksteigerung; Herzstillstand; Herzkammerflimmern. Mediziner und Ingenieure beschäftigen sich damit, die Wirkung des Stroms auf den menschlichen Körper zu analysieren und gefährliche Grenzwerte aufzuzeigen. In Tabelle II-34 ist die Wirkung des elektrischen Stroms bei Längsdurchströmung auf den menschlichen Körper aufgezeigt (nach Koeppen):
Kleidung (Schuhe) ab. Nach Versuchen kann der Körperwiderstand Werte zwischen 300 Ω und 1000 Ω annehmen. Ein weiterer Einflußfaktor auf die Höhe des durch den Körper fließenden Stroms ist die Frequenz der Berührungsspannung.
5.2 Schutz gegen direktes Berühren Der Schutz gegen direktes Berühren soll verhindern, daß betriebsmäßig unter Spannung stehende Anlagenteile berührt werden können. Das kann erreicht werden durch Aufbringen einer Isolierung (Kabel und Leitungen), Abdecken oder Umhüllen (Schaltanlagen, Stecker), Aufstellen von Hindernissen (Gittertüren, Geländer, Schutzbalken, aber nicht Farbmarkierungen am Boden!) oder durch Abstände (Freileitung). Werden Anlagen in Räume aufgestellt, die für jedermann zugänglich sind (Betriebsstätten), müssen die Schutzvorrichtungen mechanisch widerstandsfähig sein und zuverlässig befestigt werden. Türen oder Abdeckungen dürfen nur mit Werkzeug zu öffnen oder zu entfernen sein (Schraubendreher, Schlüssel). In Anlagenräumen (abgeschlossene elektrische Be-
Tabelle II-34 Wirkung des elektrischen Stroms auf den menschlichen Körper Stromstärke in mA
Wirkung
Durchströmungsdauer
≤1
Strom gerade noch spürbar, kitzeln wie durch Ameisen
≤5
Gefühl wie Einschlafen der Hand, schwache Versteifung
10
Krämpfe, Loslassen unterhalb der Werte noch möglich
ab 2000 s
200
Krämpfe, Loslassen unterhalb der Werte noch möglich
ab 10 ms
25
Blutdrucksteigerung, Herzunregelmäßigkeit, Bewußtlosigkeit möglich
ab 2000 s
50
Blutdrucksteigerung, Herzunregelmäßigkeit, Bewußtlosigkeit möglich
ab 10 s
50
Tod durch Herzkammerflimmern, Herzstillstand, Atemstillstand
ab 1000 s
1000
Tod durch Herzkammerflimmern, Herzstillstand, Atemstillstand
ab 10 ms
3000 – 8000
Innere und äußere Verbrennungen, Herzstillstand während der Durchströmung. Tod durch Verbrennung oder Verkohlung
Mit Hilfe der Gleichung (II.60) kann der durch den Körper fließende Strom berechnet werden. Körperstrom
I=
U Z
(II.59)
U ist die vom Menschen berührte Spannung und Z der Widerstand des menschlichen Körpers. Der Widerstand hängt von der Höhe der Berührungsspannung, dem Stromweg durch den Körper, der Hautbeschaffenheit (dünn, dick, hornig, feucht) und der
triebsstätten) müssen die Anlagen nur gegen zufälliges Berühren geschützt werden.
5.3 Schutz gegen indirektes Berühren Der Schutz gegen indirektes Berühren soll bewirken, daß elektrisch leitende Anlagenteile, die betriebsmäßig nicht spannungsführend sind, keine gefährlichen Berührungsspannungen annehmen können oder im Fehlerfall eine Abschaltung der Spannung erfolgt.
900
Energietechnik
Bild II-41 Arten der Schutzisolation Der Schutz gegen indirektes Berühren wird durch folgende Schutzmaßnahmen bewirkt: Schutzisolierung; Schutztrennung; nichtleitende Räume; Schutzkleinspannung, Funktionskleinspannung; Schutz durch Abschalten oder Meldung, Überstromschutzeinrichtung, FI-Schutzeinrichtung, Isolationsüberwachung, Schutzleitungssystem. 5.3.1 Schutzisolierung Schutzisolierte Geräte erkennt man an einem doppelten Quadrat auf dem Leistungsschild. Die Schutzisolation wird dadurch erreicht, daß die vorhandene Basisisolation verstärkt und eine zusätzliche Isolation zur Basisisolation aufgebracht wird. Durch die Schutzisolation soll das Auftreten gefährlicher Spannungen an berührbaren, aus Metall bestehenden Teilen elektrischer Betriebsmittel verhindert werden (Bild II-41). Schäden an der Schutzisolierung können deren Wirkung aufheben. Ferner kann die Schutzisolierung durch eine nicht ordnungsgemäße Handhabung und Reparatur aufgehoben werden (Isolierteile werden durch metallische Teile ersetzt, Feuchtigkeit im Gerät). Beim Einsatz von schutzisolierten Handgeräten muß auch die Zuleitung den gleichen Anforderungen wie das Gerät genügen. Beispiele für schutzisolierter Geräte: Isolierende Gehäuse (Kaffeemaschine, Haarfön, Leuchten, Bohrmaschine); vollisolierendes Installationsmaterial (Leitungen NYM, Schalter, Steckdosen, Verteiler). In schutzisolierten Geräten darf ein Schutzleiter nicht angeschlossen werden, es sei denn, es ist eine besondere Stelle für den Schutzleiter gekennzeichnet. Wird der Schutzleiter innerhalb des schutzisolierten Gerätes an ein leitfähiges Teil angeschlossen, ist das Gerät nicht mehr schutzisoliert. 5.3.2 Schutztrennung Die Schutztrennung ist eine Schutzmaßnahme, die hauptsächlich für Montagearbeiten in engen Räumen
eingesetzt wird. Die Schutzwirkung dieser Maßnahme kann nur mit Einschränkungen hervorgehoben werden. 1L1
2L1
1L1
2L1
1N
2L2
1N
2L2
Potentialausgleich a) ein Verbraucher
b) mehrere Verbraucher
Bild II-42 Schaltungen für Schutztrennung Durch einen Trenntransformator oder einen Motorgenerator (schutzisoliert) wird eine Trennung vom allgemeinen Netz vorgenommen (Bild II-42). Um eine optimale Schutzwirkung zu gewährleisten, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Es darf nur ein Verbraucher pro Trenntrafo oder Motorgenerator angeschlossen werden. Der geschützte Stromkreis darf nicht geerdet oder mit anderen Anlagenteilen verbunden werden. Die Steckdose darf keinen Schutzleiterkontakt haben (Schutzisolierung). Bewegliche Leitungen zu den Verbrauchern müssen mindestens die Bauart H 07 RN-F (NMHöu) haben. Bei besonderer Gefährdung des Benutzers durch metallisch leitenden Standort (Kessel, Stahlgerüst) muß ein leitfähiges Verbrauchsmittelgehäuse durch einen besonderen Leiter (grün/gelb) sichtbar mit dem Standort verbunden werden. Durch den Schutztrenntrafo wird eine erdfreie Sekundärspannung erzeugt. Tritt am Betriebsmittel ein Körperschluß auf, kann kein Strom fließen, da keine weitere leitende Verbindung zum Stromkreis besteht.
II Elektrische Anlagen
901
Bei einem weiteren Fehler im Stromkreis kann, da nun eine weitere Verbindung geschaffen wurde, ein erheblicher Stromfluß auftreten, wenn der Betreiber das Gerät berührt. Um die Wahrscheinlichkeit solcher Doppelfehler gering zu halten, darf nur ein Verbraucher an das Netz angeschlossen werden. Ferner sorgt der Leiter zwischen Gehäuse und Standort für eine Überbrückung des menschlichen Körpers und verhindert so gefährliche Berührungsspannungen. Bei der Schutztrennung darf das Produkt aus der Nennspannung in V und der Leitungslänge in m den Wert 100 000 nicht überschreiten. Die Leitungslänge sollte nicht größer als 500 m werden. Neben dieser klassischen Schutztrennung läßt die VDE 0100 Teil 410 auch den Anschluß mehrerer Verbraucher an einen Stromkreis zu. Die Körper dieser Verbraucher müssen über einen erdfreien Potentialausgleich miteinander verbunden werden. Weiter muß gewährleistet sein, daß ein vorgeschaltetes Sicherungsorgan bei einem zweiten Körperschluß innerhalb von 0,2 s auslöst. 5.3.3 Schutz durch nichtleitende Räume Bei dieser Schutzmaßnahme (Bild II-43) soll das gleichzeitige Berühren zweier schadhafter Geräte verhindert werden. ≥ 2,50m
Betriebsmittel
Betriebsmittel Isolierschicht
Bild II-43 Schutz durch nichtleitende Räume Hierzu ist es erforderlich, daß die im Raum vorhandenen Betriebsmittel mindestens einen Abstand von 2,50 m (außerhalb des Handbereiches 1,25 m) voneinander haben, und das gleichzeitige Berühren eines Betriebsmittels und eines fremden leitfähigen Teils ausgeschlossen ist. An die festeingebauten Betriebsmittel und an Steckdosen darf kein Schutzleiter angeschlossen werden. Die Betriebsmittel dürfen jedoch untereinander mit einem erdfreien Potentialausgleich verbunden werden. Fußboden und Wände müssen mindestens einen Isolationswiderstand von RISO = 50 kΩ bei Spannungen bis 500 V Wechseloder 750 V Gleichspannung und RISO = 100 kΩ bei Spannungen über 500 V Wechsel- und 750 V Gleichspannung aufweisen. Außerdem müssen Vorkehrungen getroffen werden, daß durch fremde, leitfähige Teile keine Spannung aus dem betreffenden Raum verschleppt werden kann. 5.3.4 Schutzkleinspannung Schutzkleinspannung (SELV – safty extra low voltage) ist eine Schutzmaßnahme, bei der Stromkreise mit Nennspannungen bis 50 V Wechselspannung und
120 V Gleichspannung ungeerdet betrieben werden und bei Speisung aus Stromkreisen höherer Spannung von diesen galvanisch sicher getrennt sind (Bild II-44). 1L1
1N
2L2 2L1
Bild II-44 Schaltungen für Schutzkleinspannung Wenn die SELV die Spannung von 25 V Wechsel- oder 60 V Gleichspannung überschreitet, muß ein Schutz gegen direktes Berühren sichergestellt werden. Erzeugt wird die Schutzkleinspannung mit: Sicherheitstransformatoren nach DIN VDE 0551; Transformatoren mit sicherer elektrischer Trennung DIN VDE 0804; Umformern mit elektrisch getrennten Wicklungen nach DIN VDE 0530; Generatoren nach DIN VDE 0530 mit nicht elektrischem Antrieb; galvanischen Elementen, Akkumulatoren oder anderen elektrochemischen Stromquellen nach VDE 0510; elektronischen Geräten nach DIN VDE 0160, bei denen sichergestellt ist, daß die zulässigen Spannungsgrenzen im Fehlerfall (extern und intern) nicht überschritten werden. Stecker von Geräten für Schutzkleinspannung dürfen nicht in Steckdosen oder Kupplungen einsteckbar sein, die mit anderen (höheren Spannungen) betrieben werden. Ebenso dürfen Steckdosen und Kupplungen keine Stecker von Betriebsmitteln anderer Spannungen aufnehmen können. Leitungen sollten getrennt von Leitungen anderer Stromkreise verlegt werden. Ist das nicht möglich, muß die Leitung durch einen geerdeten Metallschirm oder -mantel von den Leitungen anderer Stromkreise getrennt sein. In die Erdungsmaßnahme dürfen weder elektrische Leiter und andere aktive Teile, noch die Körper (Gehäuse) der Betriebsmittel einbezogen werden. Auch Verbindungen zwischen Körpern eines SELV-Stromkreises mit Schutzleitern oder Körpern anderer Stromkreise ist unzulässig. Durch diese strikte Trennung des SELVStromkreises von anderen Stromkreisen soll verhindert werden, daß höhere Spannungen über die Erdverbindung übertragen werden. Die Schutzkleinspannung ist vom Schutzwert her gesehen eine sehr gute Schutzmaßnahme, da auch beim Auftreten mehrerer Körperschlüsse keine größere Spannung als 50 V AC oder 120 V DC auftreten können. Da jedoch nur geringe Spannungen zulässig sind, kann diese Maßnahme nicht überall zur Anwendung kommen und
902
Energietechnik
ist auf wenige Sonderfälle beschränkt (Kinderspielzeug, medizinische Geräte, leitende Kessel, nasse Räume). 5.3.5 Funktionskleinspannung Die Funktionskleinspannung ist eine Schutzmaßnahme, bei der Stromkreise mit Nennspannungen bis 50 V AC und 120 V DC betrieben werden. Sie wird dann eingesetzt, wenn die an die Schutzkleinspannung gestellten Forderungen nicht erfüllt werden oder wenn Betriebsmittel aus Funktionsgründen geerdet werden müssen. Auch wenn Betriebsmittel (Schütze, Relais, Schalter) eine Isolierung gegenüber Stromkreisen höherer Spannung besitzen, die nicht derjenigen genügt, die für die Schutzkleinspannung gefordert ist, wird diese Schutzmaßnahme angewendet.
Die sichere Trennung wird in der DIN VDE 0106 behandelt. Ein Stromkreis ist sicher getrennt, wenn ein einzelner Fehler nicht zum Übertritt der Spannung eines Stromkreises in einen anderen führt. Sie wird durch doppelte oder verstärkte Isolierung (DIN VDE 0160), durch Schutzschirmung oder durch eine Kombination aus beiden erreicht. 5.3.6 Schutz durch Abschalten und Melden Beim Schutz durch Abschalten oder Melden spielt die vorhandene Netzform eine wesentliche Rolle (Bild II-46). TN-C Netz
PE
TN-S Netz L1 L2 L3 N PE
PEN
1L1
RB 1N
Körper
Körper
a)
TN-C-S Netz L1 L2 L3 N PE
2L2 2L1
Bild II-45 Schaltungen für Funktionskleinspannung Funktionskleinspannungen (PELV – protectiv extra low voltage oder FELV – functional extra low voltage) können mit den in Bild II-45 dargestellten Schaltungen erzeugt werden. Funktionskleinspannung mit sicherer Trennung (PELV) liegt vor, wenn alle Bedingungen der Schutzkleinspannung erfüllt sind. Funktionskleinspannung ohne sichere Trennung (FELV) liegt vor, wenn eine sichere Trennung wie bei der Schutzkleinspannung nicht hergestellt werden kann. Im Gegensatz zur Schutzkleinspannung können bei der Funktionskleinspannung aktive Teile oder Körper geerdet sein. Es können Betriebsmittel (Schalter, Schütze, Transformatoren) eingesetzt werden, deren Isolierung gegenüber den Stromkreisen höherer Spannung nicht den Bedingungen entsprechen, die für Schutzkleinspannung gefordert sind, die also nicht sicher elektrisch getrennt sind. Beim Einsatz der Funktionskleinspannung ist der Schutz gegen direktes Berühren durch Isolierung oder durch Abdecken und Umhüllen der aktiven Teile sicherzustellen. Wird die Funktionskleinspannung von Geräten ohne sichere Trennung zur Primärseite erzeugt, müssen die Verbrauchsmittel in die Schutzmaßnahme des vorgelagerten Netzes einbezogen werden. Normalerweise sind Steuerungen von Schützen als Funktionskleinspannung einzustufen, da keine sichere Trennung zwischen Steuerspannung und geschalteter Spannung besteht.
RB
RE
Körper
Körper
b) L1 L2 L3 PE
RE
Körper
Körper
c)
Bild II-46 a) TN-Netz b) TT-Netz c) IT-Netz Die VDE unterscheidet die Netzformen IT-Netz, TTNetz und TN-Netz. Beim TN-Netz erfolgt noch eine Untergliederung zwischen TN-C-, TN-S- und TN-CS-Netz. Bedeutung der Kurzzeichen: Erster Buchstabe: Erdungsbedingungen des speisenden Netzes; T direkte Erdung eines Punktes (Stern-
II Elektrische Anlagen
903
punkt des Transformators); I entweder Isolierung aller aktiven Teile von der Erde oder Verbindung eines Punktes über eine Impedanz (Sternpunkt des Transformators über Petersenspule oder hochohmigen Widerstand geerdet). Zweiter Buchstabe: Erdungsbedingungen der Körper der elektrischen Anlage; T Körper direkt geerdet, unabhängig von der etwa bestehenden Erdung eines Punktes der Stromversorgung; N Körper direkt mit der Betriebserde verbunden. In Wechselspannungsnetzen ist der geerdete Punkt im allgemeinen der Sternpunkt. Wichtig für die Schutzmaßnahme Abschalten und Melden ist, daß im Fehlerfall die dauernd zulässige Berührungsspannung 50 V bei Wechselspannung und 120 V bei Gleichspannung nicht überschreiten darf. 5.3.6.1 Überstromschutzeinrichtung Der Schutz durch Überstromschutzeinrichtungen kann in allen Netzformen eingesetzt werden (Schutz durch Abschalten). Haupteinsatzgebiet ist jedoch das TN- und das TT-Netz (Bild II-47). L1 L2 L3 N PE
PEN RB
M 3
a)
L1 L2 L3 N PE RB
b)
RA
M 3
Bild II-47 a) Schutz durch Abschalten im TN-Netz b) Schutz durch Abschalten im TT-Netz Der Schutz kann nur gewährleistet werden, wenn im Fehlerfall ein Strom fließt, der zum Auslösen der Schutzeinrichtung führt. Im Fehlerfall muß also ein geschlossener Stromkreis aufgebaut werden, der diesen Fehlerstrom führen kann, ohne am defekten Gerät eine für den Betreiber gefährliche Berührungs-
spannung entstehen zu lassen. Das wird im TN-Netz durch Verbindung des Transformator-Sternpunktes mit jedem Körper erreicht. Als Verbindungsleitung dient der PEN-Leiter (früher MP-Leiter). Da der Trafosternpunkt zusätzlich geerdet ist, wird ein zusätzlicher Schutz erreicht. Alle nicht betriebsmäßig unter Spannung stehenden Teile von Betriebsmitteln oder Anlagen müssen direkt mit dem PEN-Leiter oder über einen besonderen Schutzleiter (PE) mit diesem verbunden werden. Ein besonderer Schutzleiter ist im TN-Netz für Querschnitte > 10 mm2 gefordert. Diese Forderung basiert auf der Tatsache, daß Leiter < 10 mm2 mechanisch nicht sehr stabil sind und leicht ein Drahtbruch auftreten kann. Wenn ein Drahtbruch im PEN-Leiter auftritt, kann eine gefährliche Berührungsspannung auf die zu schützenden Körper übertragen werden, da neben der Schutzleiterfunktion auch der Betriebsstrom geführt werden muß. Das wird durch die Aufteilung auf PE- und N-Leiter verhindert. Ebenso sollte der PEN- oder der PE-Leiter mehrfach mit einer Erdverbindung versehen werden. Hierdurch wird die Sicherheit im Netz weiter erhöht. Als Kennzeichnung für den PEN- oder den PE-Leiter ist grün/gelb vorgeschrieben. Grün/gelb gekennzeichnete Leiter dürfen ausschließlich als PEN- oder PELeiter eingesetzt werden. Für das TN-Netz gelten folgende Bedingungen: Die Fehlerspannung zwischen Körper und Erde darf 50 V bei Wechsel- und 120 V bei Gleichspannung nicht überschreiten; Stromkreise mit Steckdosen, Stromkreise bis 35 A Nennstrom und Stromkreise mit ortsveränderlichen Betriebsmitteln müssen bei einem Fehler innerhalb von 0,2 s abgeschaltet werden; alle anderen Stromkreise müssen bei einem Fehler in 5 s abgeschaltet werden; für die Stromkreisgleichung gilt ZS ⋅ Ia ≤ U0 mit ZS Impedanz der Fehlerschleife, Ia Abschaltstrom für die erforderliche Zeit und U0 Nennspannung gegen Erde. Für das TT-Netz gelten folgende Bedingungen: Die Fehlerspannung zwischen einzelnen Körpern und zwischen Körper und Erde darf 50 V bei Wechselund 120 V bei Gleichspannung nicht überschreiten; können Körper gleichzeitig berührt werden, müssen sie durch einen Schutzleiter miteinander verbunden werden; im Fehlerfall muß das Schutzorgan in mindestens 0,2 s abschalten; beim Einsatz eines FISchutzschalters sollte der Erdungswiderstand den Wert 200 Ω nicht überschreiten; für die Stromkreisgleichung gilt RA ⋅ Ia ≤ UL mit RA Erdungswiderstand der Erder der Körper, Ia Abschaltstrom für die erforderliche Zeit und UL zulässige Berührungsspannung. Beispiel: Wie hoch darf die Impedanz der Fehlerschleife im
TN-Netz sein, wenn die Nennspannung Leiter – Erde U0 = 230 V beträgt und ein Steckdosenstromkreis mit einer gL-Sicherung IN = 16 A und Ia = 170 A bei 0,2 s abgesichert werden soll?
Z S ◊ I a £ U0 fi Z S £
U 0 230 V = = 1,35 W I a 170 A
904
Energietechnik
Wie hoch darf der Erdungswiderstand im TT-Netz werden, wenn gleiche Voraussetzungen wie oben vorliegen?
RA ⋅ I a ≤ U L ⇒ RA ≤
UL Ia
=
ZS ⋅ Ia ≤U0 ⇒ ZS ≤
50 V = 0 , 29 W 170 A
RA ⋅ I a ≤ U L ⇒ RA ≤
Die FI-Schutzeinrichtung kann in allen Netzformen eingesetzt werden (Bild II-48). L1 L2 L3 N PE
Ia
=
230 V = 7 , 667 kΩ 0 , 03 A
Wie hoch darf der Erdungswiderstand im TT-Netz werden, wenn gleiche Voraussetzungen wie oben vorliegen?
5.3.6.2 FI-Schutzeinrichtung
PEN
U0
UL 50 V = = 1, 667 kW Ia 0,03 A
5.3.6.3 Isolationsüberwachung Die Schutzmaßnahme Isolationsüberwachung entspricht der Schutzmaßnahme „Meldung“. L1 L2 L3
RB
PE Z<
FI
RB M 3
Überwachungseinrichtung M 3
Bild II-48 Schutz durch Abschalten im TN-Netz mit zusätzlichem FI-Schalter
Bild II-49 IT-Netz mit Verbrauchern und Schutzmaßnahmen
Sie ermittelt den Differenzstrom zwischen Hin- und Rückleiter. Tritt im Netz ein Fehler auf, wird ein Teil des Stroms abgeleitet. Dieser Fehlerstrom benutzt nicht den Rückleiter des Netzes, sondern einen anderen Weg (Schutzleiter, menschlichen Körper). Überschreitet der Fehlerstrom einen bestimmten Wert, führt das zum Abschalten des Stromkreises durch den FI-Schutzschalter, da die Summe des Stroms im Hinund Rückleiter nicht mehr Null wird. Zur Zeit sind FI-Schutzschalter mit einem Auslösestrom von 10 mA bis 1000 mA erhältlich. Der Einsatz von Geräten mit einem Auslösestrom ≤ 30 mA führt zu einem hohen Schutzgrad, da der Übergangswiderstand bei der höchsten zulässigen Berührungsspannung wesentlich höher sein darf als bei der Überstromschutzauslösung. Die Abschaltzeit der FISchutzschalter beträgt 20 – 60 ms. Betrachtet man die Auslösezeit und den Auslösestrom der FI-Schutzeinrichtung, so erkennt man, daß Geräte mit einem Auslösestrom ≤ 30 mA einen optimalen Schutz auch bei hohen Berührungsspannungen bieten, da nur der Ableitstrom von 30 mA als Auslösekriterium herangezogen wird. Werden in Netzen FI-Schutzschalter mit kleinem Auslösestrom eingesetzt, kann es zu Fehlauslösungen kommen, wenn schlecht isolierte Geräte eingesetzt werden, oder wenn die kapazitive Ableitung der Betriebsmittel zu groß wird. Hier hilft eine Unterteilung der Netzabschnitte in kleinere Einheiten.
Diese Schutzmaßnahme darf nur im IT-Netz eingesetzt werden (Bild II-49), da hierbei ein erster Fehler nur gemeldet und nicht, wie im TT- oder TN-Netz, abgeschaltet werden muß. Eine zu hohe Berührungsspannung entsteht nicht, es können also alle eingeleiteten Arbeits- und Produktionsprozesse vollendet werden. Beim ersten Fehler im IT-Netz (Erdschluß) nimmt der Schutzleiter das Potential des den Fehler auslösenden Außenleiters an. Das stellt aber keine Gefahr dar, da über den Schutzleiter (Schutzleitungssystem) alle Körper und alle berührbaren Metallteile dieses Potential annehmen, somit auch keine Potentialdifferenzen überbrückt werden können. Bei einem zweiten Fehler in einem anderen Außenleiter muß eine Auslösung durch eine andere Schutzeinrichtung erfolgen, da gefährliche Berührungsspannungen zwischen zwei Körpern entstehen können (Bedingungen wie TN-Netz). Die Isolationsüberwachung ist also keine Schutzmaßnahme, die für sich allein eingesetzt werden kann. Nur in Verbindung mit der Überstromauslösung oder FI-Schutzschalter ist ein Schutz vor den Gefahren des elektrischen Stroms gegeben.
Beispiel: Wie hoch darf die Impedanz der Fehlerschleife im TN-
Netz sein, wenn die Nennspannung Leiter – Erde U0 = 230 V beträgt und ein Steckdosenstromkreis mit einer gL-Sicherung IN = 16 A und einem FI-Schutzschalter mit ΔIa = 30 mA abgesichert werden soll?
5.3.6.4 Zusätzlicher Potentialausgleich Beim Einsatz eines IT-Netzes wird gefordert, daß alle Körper und Metallteile über einen Schutzleiter miteinander verbunden sind. Das bedeutet, daß alle metallischen Gehäuse der elektrischen Betriebsmittel über einen Schutzleiter miteinander zu verbinden sind. Ebenso müssen alle metallischen Konstruktionsteile mit diesem Schutzleiter verbunden werden (Rohre, Träger).
II Elektrische Anlagen
905
L1 L2 L3
Z<
RA
M
Wasserleitung
Metallgerüst Heizung Elektroverbraucher
Der zusätzliche Potentialausgleich sollte mehrfach geerdet sein. Er sollte so beschaffen sein, daß bei einem zweiten Erdschluß im IT-Netz der dann fließende Kurzschlußstrom eine Auslösung der Schutzgeräte bewirkt und zwischen gleichzeitig berührbaren Betriebsmitteln oder Körpern keine gefährliche Berührungsspannung auftritt (Bild II-50).
6 Arbeiten an elektrischen Anlagen Die Schutzmaßnahmen beziehen sich auf die Errichtung von elektrischen Anlagen. Der Schutz vor den Gefahren des elektrischen Stroms kann nicht nur auf die Errichtung beschränkt bleiben, sondern muß auch während des Betriebs und vor allem während erforderlicher Reparaturmaßnahmen gelten. Nach Fertigstellung und Inbetriebnahme der Anlage ist die VDE 0105 (Betrieb von Starkstromanlagen) für die Betreiber und Benutzer bindend. Inhaltliche Aussagen der VDE 0105: Elektrische Anlagen und Betriebsmittel sind in einem sicheren Zustand zu erhalten. Schädliche Rückwirkungen der Anlage und der Betriebsmittel auf andere Einrichtungen und die Umgebung sind zu verhindern.
Bild II-50 Zusätzlicher Potentialausgleich im IT-Netz
Alle Tätigkeiten, die mit dem Betrieb von Starkstromanlagen zusammenhängen, müssen gefahrlos ausgeführt werden können. Der Betreiber oder Benutzer (Unternehmer) ist verantwortlich dafür, daß elektrische Anlagen in seinem Einflußbereich nur von einer Elektrofachkraft selbst oder unter Leitung und Aufsicht einer Elektrofachkraft betrieben werden. Die Arbeiten an elektrischen Anlagen dürfen von folgenden Personen ausgeführt werden: Elektrofachkräften, die auf Grund der fachlichen Ausbildung und Erfahrung mögliche Gefahren selbst erkennen können; elektrotechnisch unterwiesene Personen erhalten eine Belehrung durch eine Elektrofachkraft über mögliche Gefahren. Zu den Personen, die bei Arbeiten an elektrischen Betriebsmitteln der Gefahr eines Elektrounfalls ausgesetzt sind, gehören im wesentlichen die Angehörigen der Elektroberufe, also Elektrofachkräfte und elektrotechnisch unterwiesene Personen. Ist die elektrische Anlage entsprechend den Normen und Vorschriften errichtet, ist die Gefahr eines elektrischen Unfalls sehr gering. Um den ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten, müssen regelmäßige Kontrollen an den Betriebsmitteln erfolgen. In der VDE 0105
Tabelle II-34 Übersicht von Prüffristen an elektrischen Anlagen Art des Betriebsmittels
Prüffrist
Art der Prüfung
Elektrohandwerkszeug auf Baustellen
3 – 6 Monate, bei Mehrschichtbetrieb kürzer
Schutzmaßnahme, augenfällige Mängel
Elektrohandwerkszeug im stationären Betrieb
6 Monate
Schutzmaßnahme, augenfällige Mängel
Büromaschinen
1 – 2 Jahre
Schutzmaßnahme, augenfällige Mängel
Fertigungseinrichtungen
1 – 2 Jahre
Sichtkontrolle und Prüfung des Schutzleiteranschlusses
Elektrische Anlagen und ortsfeste Betriebsmittel
mindestens alle 4 Jahre
Schleifenwiderstand messen, Außenleiter gegen Neutralleiter und gegen Schutzleiter
FI-Schutzschalter – bei nichtstationären Anlagen – bei stationären Anlagen
täglich alle 6 Monate
Durch Betätigen der Prüfeinrichtung
906
Energietechnik
werden die erforderlichen Prüfungen an den elektrischen Anlagen und Betriebsmitteln, die von dem Fachpersonal durchzuführen sind, vorgeschrieben. In Tabelle II-35 sind einige Prüffristen aufgeführt. Die Zeitabstände dieser Prüfungen legen die für die Betriebe zuständigen Behörden fest (UVV; BG; ElBerg-V; Gewerbeaufsicht). Die bei den Kontrollen erkannten Mängel müssen sofort abgestellt werden. Falls eine dringende Gefahr besteht, muß dafür gesorgt werden, daß die Anlage oder das Betriebsmittel in seinem mangelhaften Zustand nicht verwendet wird (VBG 4). Hierzu ist meist eine Reparatur an den Betriebsmitteln notwendig. Diese Reparatur kann von Elektrofachkräften, unterwiesenen Personen oder Laien durchgeführt werden, eine Elektrofachkraft muß aber immer die Aufsicht übernehmen. Vor Reparaturbeginn sind Maßnahmen zu ergreifen, die eine Gefährdung des eingesetzten Personales verhindern. Folgende Maßnahmen müssen durchgeführt werden: Freischalten (über 1 kV sichtbare Trennstrecke); gegen Wiedereinschalten sichern (Schild, Sperrelemente); Spannungsfreiheit feststellen (Meßgerät, vorher Funktion prüfen; nur durch Elektrofachkraft oder unterwiesenen Person); Erden und kurzschließen (sichtbar); benachbarte, unter Spannung stehende Teile abdecken oder abschranken (Gefahrenbereich). Es folgt eine Unterweisung des Personals über noch verbleibende Gefahrenpunkte.
Danach können die Arbeiten aufgenommen werden. Nach Beendigung der Arbeiten ist ein Zuschalten erst erlaubt, wenn die o.g. Maßnahmen in umgekehrter Reihenfolge aufgehoben wurden und sich die aufsichtführende Person vom ordnungsgemäßen Zustand der Anlage oder des Betriebsmittels überzeugt hat. Teilweise läßt sich eine Reparatur nur bei nicht spannungsfreiem Zustand durchführen. Diese Arbeiten dürfen nur von Elektrofachkräften oder elektrotechnisch unterwiesenen Personen durchgeführt werden. Hierbei ist die Einhaltung strengster Sicherheitsmaßnahmen gefordert. Selbstverständlich müssen Arbeiten an elektrischen Anlagen mit entsprechender Schutzausrüstung und Werkzeugen durchgeführt werden. (VDE 0680, Anlage 18; VDE 0682, Anlage 19).
7 Überprüfung der Schutzmaßnahme Nach DIN VDE 0100 Teil 610 sind elektrische Anlagen vor der Inbetriebnahme einer Erstprüfung zu unterziehen. Vor der Erstprüfung müssen die nach DIN VDE 0100 Teil 510 geforderten Schaltungsunterlagen zur Verfügung stehen. Zu dieser Prüfung gehören: Besichtigung der Anlage; Erprobung der Anlage und Überprüfung der Schutzmaßnahme. Das Ergebnis der Prüfung wird in einem Protokoll festgehalten. Die Besichtigung der Anlage sollte bei vollständig abgeschalteter Anlage durchgeführt
Tabelle II-35 Wichtige Prüfungen nach DIN VDE 0100 Teil 610 Schutzmaßnahme
Prüfungsbestimmungen
Schutzkleinspannung
Meßgleichspannung U = 250 V, sichere Trennung zwischen aktiven Teilen und aktiven anderen Stromkreisen, Isolationswiderstand RISO ≥ 0,25 MΩ
Funktionskleinspannung
Meßgleichspannung U = 250 V, sichere Trennung zwischen aktiven Teilen und aktiven anderen Stromkreisen, Isolationswiderstand RISO ≥ 0,25 MΩ
Schutzisolierung
Besichtigung der Isolierung
Schutztrennung
Meßgleichspannung U = 250 V, sichere Trennung zwischen aktiven Teilen und aktiven anderen Stromkreisen, Isolationswiderstand RISO ≥ 0,25 MΩ; bei U = 500 V muß der Isolationswiderstand RISO ≥ 0,5 MΩ sein, bei U = 1000 V muß der Isolationswiderstand RISO ≥ 1 MΩ sein
Hauptpotentialausgleich
Messung; Verbindung zwischen fremden leitfähigen Teilen und Hauptpotentialausgleichsschiene prüfen; Durchgängigkeit des Schutzleiters
TN-Netz TT-Netz IT-Netz
Messung des Isolationswiderstandes RISO ≥ 0,5 MΩ bei UN ≤ 500 V und RISO ≥ 1 MΩ bei UN ≥ 500 V; Abschaltung der Überstromschutzorgane in der erforderlichen Zeit; Auslösung der FI-Schutzeinrichtung mindestens beim Erreichen des festgelegten Differenzstroms
Auswahl und Einstellung der ÜberstromSchutzeinrichtung
Einflüsse nach DIN VDE 0100 Teil 430 und DIN VDE 0298 Teil 2 und Teil 4 (Häufung, Temperatur) sind für den Schutz gegen Überlast zu berücksichtigen. Die richtige Zuordnung der Schutzorgane für den Schutz bei Kurzschluß ist gemäß DIN VDE 0100 Teil 430 und Beiblatt 5 zur DIN VDE 0100 zu überprüfen.
II Elektrische Anlagen
907
werden. Sie hat den Zweck, zu überprüfen, ob die Einhaltung der Maßnahmen zum Schutz gegen gefährliche Körperströme nach VDE 0100 Teil 410 erfolgt ist. Nach dieser VDE wird überprüft, ob Trenn- und Schaltgeräte an den richtigen Stellen angeordnet sind, Brandschottungen ordnungsgemäß eingebracht wurden, Neutral- und Schutzleiter gekennzeichnet sind und ein leichter Zugang für die Bedienung und Wartung vorhanden ist. Eine Übersicht der wichtigsten Prüfungen nach DIN VDE 0100 Teil 610 gibt Tabelle II-36. Werden bereits bestehende Anlagen erweitert oder geändert, so muß geprüft werden, ob die Erweiterung oder Änderung der Anlage den Normen entspricht und die Sicherheit der bestehenden Anlage durch diese Erweiterung oder Änderung nicht beeinträchtigt wird.
8 Kurzschlußberechnung (VDE 0102) Tritt an irgendeiner Stelle eines Netzes eine Verbindung zwischen Leitern oder zwischen Leitern und Erde auf, spricht man von einem Kurzschluß. Der Strom wird durch die treibende Spannung und den noch vorhandenen Widerstand bestimmt. Da die Spannung als starr angenommen wird, bestimmt nur die Größe des Netzwiderstandes die Höhe des Kurzschlußstroms. Ein Kurzschluß zwischen den drei Leitern eines Drehstromnetzes ist normalerweise der größte Kurzschlußstrom in einem Netz.
Ip
dreipoliger Kurzschlußstrom
IK =
c ⋅U N
(II.61)
3 ⋅ ZK
Der Faktor c gibt eine Spannungsüberhöhung des Netzes an. In Niederspannungsnetzen ist dieser Faktor eins. Der Spitzenwert des Kurzschlußstroms ist der sogenannte Stoßkurzschluß IP. Stoßkurzschluß
I P = k ⋅ 2 ⋅ I K′′
(II.62)
Der Wert k hängt vom Verhältnis des ohmschen Widerstandes zum Blindwiderstand ab. Systemkonstante k = 1, 02 + ( 0 , 98 ⋅ e −3 ( R
X)
)
(II.63)
Die Voraussetzungen zur Kurzschlußstromberechnung sind: Keine Änderung in der Art des Kurzschlusses; Stufentrafos sind auf die Hauptanzapfung eingestellt; Lichtbogenwiderstände werden nicht berücksichtigt. Die Kurzschlußströme werden mit Hilfe einer Ersatzspannungsquelle berechnet. RQ
~
XQ
U
3
Bild II-52 Netzersatzschaltung Hierzu muß der Scheinwiderstand ZK für jedes Betriebsmittel berechnet werden. Bei Netzeinspeisungen (Bild II-52) muß zur Berechnung der Kurzschlußimpedanz die Nennspannung UQN und die Kurzschlußleistung S″QK bekannt sein.
obere Hüllkurve
2 2IK
Netzimpedanz
ZQ =
2 c ⋅ U QN
(II.64)
S QK ′′
untere Hüllkurve
RT
abklingende Gleichstromkomponente
XT
Bild II-51 Zeitlicher Verlauf eines generatorfernen Kurschlusses Der maximale Kurzschlußstrom wird erreicht, wenn der Kurzschluß im Nulldurchgang der Spannung auftritt. Da es sich immer um ein Netz mit Induktivitäten handelt, treten Ausgleichsvorgänge auf, die mit einer Gleichstromkomponente iDC behaftet ist (Bild II-51). Gleichstromkomponente i DC = 2 ⋅ I k′′ ⋅ e −2 p ⋅ f ⋅ t ⋅ ( R X )
(II.60)
Nach Abklingen der Ausgleichsvorgänge stellt sich ein stationärer Kurzschluß IK (dreipolig generatorfern) ein, der nach Gleichung (II.62) berechnet wird:
Bild II-53 Transformatorersatzschaltung Der Wirkwiderstand kann bei Netzeinspeisungen generell vernachlässigt werden. Bei Transformatoren (Bild II-53) sollten die relativen Kurzschlußspannungen uK und die Nennleistung SN bekannt sein. Trafoimpedanz ZT =
2 uK ◊ UTN 100% ◊ STN
(II.65)
908
Energietechnik
ohmscher Trafowiderstand
RT =
Bei Transformatoren größerer Leistung (MVA) kann der Wirkwiderstand vernachlässigt werden. RL
XM
RM
2 u R ⋅ U TN (II.66) 100% ⋅ S TN
3 M 3
UM
~
XL
Bild II-56 Stark vereinfachte Asynchronmotorersatzschaltung
3
Die Kurzschlußimpedanz der Asynchronmotoren (Bild II-56) hängt vom Verhältnis des Anlaufstroms zum Nennstrom ab. Impedanz des Asynchronmotors
Bild II-54 Leitungsersatzschaltung
ZM =
Leitungsimpedanzen (Bild II-54) berechnen sich aus dem bezogenen Impedanzwert und der Leitungslänge. R L = rL′ ⋅ l
Leitungswiderstand Leitungsreaktanz
X L = x ′L ⋅ l RG
3
~
G
(II.67) (II.68)
Xd
(II.71)
Widerstand des Asynchronmotors RM ª 0,42 ◊ Z M
(II.72)
Nach VDE 0102 müssen Asynchronmotoren bei einer Kurzschlußstromberechnung nur berücksichtigt werden, wenn folgende Voraussetzung erfüllt ist: (II.73) S I MN > 0,01 ◊ I K¢¢ ohne Motor S PMN 0,8 £ (II.74) S STN È c ◊ 100 ◊ STN ˘ Í ˙ - 0,3 SQK ¢¢ Î ˚
UP
Bild II-55 Synchronmaschinenersatzschaltung Bei Synchronmotoren und -generatoren (Bild II-55) muß die relative Anfangsreaktanz x″d bekannt sein. Anfangsreaktanz der Synchronmaschine X d′′ =
2 I MN U MN ◊ I A SMN
x d′′ ⋅ U N2 100% ⋅ S GN
(II.69)
Widerstand der Synchronmaschine RG = k ⋅ X d′′
(II.70)
Gleichung (II.74) gilt, wenn Asynchronmotoren über Transformatoren auf die Kurzschlußstelle speisen. Stromrichtergespeiste Motore müssen nur berücksichtigt werden, wenn der Stromrichter auch im Wechselrichterbetrieb arbeiten kann. Wird die Kurzschlußstelle über einen Transformator mit elektrischer Energie versorgt, müssen die von der Kurzschlußstelle aus gesehenen Impedanzen mit dem Quadrat der Trafoübersetzung angeglichen werden. Beispiel: Nach nebenstehender Zeichnung ist ein dreipoliger
Kurzschluß im Kurzschlußpunkt entstanden. Die Netzdaten lauten wie folgt:
′′ = 350 MVA; SQK
UN
u K = 4 %;
= 1250 kVA
Trafo
Trafo
= 10 / 0,4 kV;
W ; km W Leitung 2 : r′ = 0 ,150 ; km Leitung 1 :
Der Faktor k kann nach Tabelle II-37 bestimmt werden.
SN
r′ = 0,067
Tabelle II-37 Faktor k in Abhängigkeit von Nennspannung und Nennleistung
Generatornennspannung (kV)
Generatornennleistung (MVA)
k
>1
> 100
0,05
>1
< 100
0,07
<1
–
0,15
W ; km W x′ = 0,08 ; km x′ = 0,08
l = 1000 m l = 500 m
III Elektrische Energieanwendung
909
Da der Kurzschluß im Niederspannungsnetz aufgetreten ist, beträgt der Spannungsüberhöhungsfaktor c = 1. Die ohmschen Anteile von Netz und Transformator können vernachlässigt werden. Also ist die berechnete Impedanz in diesem Fall gleich der Reaktanz zu setzen.
ZQ = ZT =
2 c ⋅ U QN
S QK ′′
=
Aus der Kurzschlußimpedanz und der Netzspannung ergibt sich der dreipolige Kurzschlußstrom.
IK =
c ⋅U N 3 ⋅ZK
=
1 ⋅ 400 V 3 ⋅ 87 , 9 mΩ
= 2627 A
1 ⋅ 10 000 2 V 2
400 2 V 2 ⋅ = 0 , 46 mW 350 ⋅ 10 6 VA 10 000 2 V 2
2 u K ⋅ U TN 4% ⋅ 400 2 V 2 = = 5,12 mW 100% ⋅ S TN 100% ⋅ 1250 ⋅ 10 3 VA
1 W 1 = 0 , 067 ⋅ 1 km ⋅ = 0 ,11 mW km 25 2 ü2 1 W 1 = x 1′ ⋅ l 1 ⋅ = 0 , 08 ⋅ 1 km ⋅ = 0 ,13 mW km ü2 25 2
R L 1 = r1′ ⋅ l 1 ⋅ X L1
L1
W ⋅ 0 , 5 km = 75 mW km W = x 2′ ⋅ l 2 = 0 , 08 ⋅ 0 , 5 km = 40 mW km
R L 2 = r2′ ⋅ l 2 = 0 ,15 X L2
L2
Aus den berechneten Einzelwiderständen kann die Gesamtimpedanz des Kurzschlußpunktes bestimmt werden. Z K = ( RL1 + RL 2 ) + j ( X Q + X T 1 + X L1 + X L 2 )
A
= [ ( 0 ,11 + 75 ) + j ( 0 , 46 + 5,12 + 0 ,13 + 40 ) ] mW
Kurzschlußpunkt
= ( 75,11) mW + j ( 45, 71) mW = 87 , 9 mW ⋅ e j 31 , 3 °
Bild II-57
III Elektrische Energieanwendung 1 Kompensationsanlagen In elektrischen Wechsel- und Drehstromnetzen entsteht neben der Wirkleistung auch Blindleistung, die im Netz zwischen Verbraucher und Erzeuger hin und her pendelt. Der durch Blindleistung verursachte Strom belastet die Zuleitungen, erzeugt Spannungsfälle auf den Zuleitungen und Stromwärmeverluste. Es ist daher anzustreben, möglichst wenig umhervagabundierende Blindleistung auf dem Netz zu haben. Einige Verbraucher benötigen aber Blindleistung (Motore, Transformatoren, auch Leitungen). Deshalb muß versucht werden, diese Blindleistung am Ort des Bedarfs bereitzustellen, ohne die Zuleitungen damit zu belasten. Da die meisten Verbraucher induktive Blindleistung benötigen, bietet sich die kapazitive Kompensation dieser Blindleistung an. Für die Leistungen gelten folgende Gleichungen III.1 bis III.3: Wirkleistung P = S · cos ϕ
(III.1)
Blindleistung Q = S · sin ϕ
(III.2)
Blindleistung Q = P · tan ϕ
(III.3)
Aus den Formeln ist ersichtlich, daß der Winkel ϕ (Leistungsfaktor cos ϕ) ein Maß für die Blindleistung
ist. Der Winkel ϕ gibt eine Verschiebung zwischen Strom und Spannung wieder. Ist diese Verschiebung groß, wird im Netz viel Blindleistung benötigt. Es ist daher anzustreben, einen möglichst kleinen Winkel zwischen Strom und Spannung zu fahren. Da in den Netzen unterschiedliche Verbraucher verschiedene Lastwechsel aufweisen, verändert sich bei jedem Lastwechsel der Leistungsfaktor cos ϕ und somit auch der Winkel zwischen Strom und Spannung.
M
M
M
M
Bild III-1 Einzelkompensationsanlage Es bieten sich drei Kompensationsarten an, und zwar die Einzelkompensation, die Gruppenkompensation und die Zentralkompensation. Bei der Einzelkompensation (Bild III-1) wird der Kondensator direkt am Betriebsmittel angeschlossen und ist nur mit diesem Betriebsmittel gemeinsam am Netz.
910
Energietechnik Tabelle III-1 Faktor zur Ermittlung der erforderlichen Kondensatorleistung je kW Wirkleistung
M
M
M
vorhandener cos r gewünschter cos j
M
0,80 0,85 0,90 0,92 0,94 Bild III-2 Gruppenkompensationsanlage Bei der Gruppenkompensation (Bild III-2) wird die Kompensationseinrichtung jeweils einer Verbrauchergruppe zugeordnet. Die Zentralkompensation (Bild III-3) wird überwiegend als Blindleistungsregelanlage eingesetzt.
M
M
M
Regler
M
0,98 1,11 1,25 1,31 1,37
0,60
0,58 0,71 0,85 0,91 0,97
0,70
0,27 0,40 0,54 0,60 0,66
0,80
–
0,13 0,27 0,33 0,39
0,82
–
0,08 0,21 0,27 0,33
0,84
–
0,03 0,16 0,22 0,28
0,86
–
–
0,11 0,17 0,23
0,88
–
–
0,06 0,11 0,17
0,90
–
–
–
0,06 0,12
0,92
–
–
–
–
0,06
M
Bild III-3 Zentralkompensationsanlage Sie ist normalerweise direkt einer Schaltanlage zugeordnet und kann verschiedene Kondensatorgruppen ein- oder ausschalten. Welche dieser Kompensationsarten die für den jeweiligen Zweck geeignete ist, hängt von den Verbrauchern und der Belastungsart ab. Bei großen Verbrauchern mit konstantem Leistungsbedarf und großer Einschaltdauer ist eine Einzelkompensation wirtschaftlich. Bei vielen kleinen Verbrauchern mit unterschiedlichem Leistungsbedarf und wechselnder Einschaltdauer ist eine Zentralkompensation vorteilhafter. Die Einzelkompensation wird hauptsächlich bei größeren Motoren und Transformatoren eingesetzt. Hierdurch werden die Zuleitungen und Schaltelemente vom Blindstrom entlastet. Bei der Kompensation eines Motors ist darauf zu achten, daß bei Teilbelastung keine Überkompensation und beim Auslauf nach erfolgter Abschaltung keine Selbsterregung des Motors auftritt. Deshalb wird der Motor nur bis 90% der Leerlaufblindleistung kompensiert. Im Vollastbetrieb ergibt diese Kompensation einen Leistungsfaktor von cos ϕ ≈ 0,9, im Leerlauf etwa 0,95 bis 0,98. Die erforderliche Kondensatorleistung ist QC = 0 , 9 ⋅ 3 ⋅ U ⋅ I 0
0,50
(III.4)
I0 Leerlaufstrom des Motors
Eine weitere Möglichkeit, die Kondensatorleistung zu ermitteln, ist eine aus der Praxis abgeleitete Formel, wonach die Kondensatorleistung ungefähr das 0,35fache der Nennleistung des Motors betragen
sollte (QC ≈ 0,35 ⋅ PN). Anhand der Tabelle III-1 kann, ausgehend von dem vorhandenen Leistungsfaktor, die erforderliche kapazitive Blindleistung ermittelt werden, um den gewünschten Leistungsfaktor zu erhalten. Hierzu muß die vorhandene Wirkleistung mit dem ermittelten Faktor multipliziert werden. Beispiel: Der vorhandene Leistungsfaktor von cos ϕ1 = 0,6 bei P
= 200 kW soll auf einen Leistungsfaktor cos ϕ2 = 0,9 verbessert werden. Welche Kondensatorleistung muß dem Netz hinzugeschaltet werden?
Q C = P ⋅ Faktor = 200 ⋅ 10 3 VA ⋅ 0 , 85 = 170 ⋅ 10 3 VA Die Kondensatorleistung müßte dann 170 kvar betragen.
Bei Festkompensation von Transformatoren kann der Kondensator sowohl auf der Oberspannungsseite wie auch auf der Unterspannungsseite angeschlossen werden. Nach den Richtlinien vom VDEW sind Kondensatorleistungen nach Tabelle III-2 auf der Unterspannungsseite des Transformators anzuschließen. Werden Kondensatoren an der Unterspannungsseite des Transformators installiert, kann es bei Wegfall der induktiven Last zu Spannungserhöhungen kommen, wenn die Kondensatoren eingeschaltet bleiben. Nach Gleichung III.5 kann die Spannungserhöhung hinreichend genau berechnet werden. Spannungserhöhung Q D u = uk ⋅ C S NT
Δu u k Q C S NT % % VA VA
(III.5)
Beispiel: Ein Transformator mit SN = 315 kVA, uk = 4% und
UN = 10/0,4 kV wird mit einer Kondensatorleistung von QC = 180 kvar beschaltet. Welche Spannungsüberhöhung tritt im Leerlauf auf?
Du = u k ⋅
QC S NT
= 4% ⋅
180 ⋅ 10 3 VA 315 ⋅ 10 3 VA
= 2 , 28%
III Elektrische Energieanwendung
911
Tabelle III-2 Erforderliche Kondensatorleistung in Abhängigkeit von Trafoleistung und Spannung BemessungsTransformator mit Oberleistung des spannung Transformators Kondensatorleistung in kvar in kVA
Bei der Auslegung des Sicherungsorgans für Kondensatoranlagen sollte der Nennstrom der Sicherung den 1,6 – 1,8fachen Nennstrom der Kondensatoranlage haben.
2 Beleuchtungsanlagen
2,5
3
3,5
5
6
5
6
7
100
6
8
10
160
10
12,5
15
250
15
18
22
Beleuchtungsanlagen dienen dazu, Sicherheit und Arbeitsqualität zu erhöhen. Bei der Planung einer Beleuchtungsanlage ist darauf zu achten, daß die Beleuchtung dem jeweiligen Zweck unter optimalem Energieeinsatz entspricht. Wichtige Kriterien einer guten Beleuchtung sind Blendungsfreiheit, Leuchtdichteverteilung, Lichtfarbe, Gleichmäßigkeit und Farbwiedergabe. Kriterien zur Auswahl von Leuchten und Planung von Beleuchtungsanlagen werden von der „Fördergemeinschaft Gutes Licht“ entworfen und sind in der DIN 5035 sowie in der Publikation Nr. 3.5 der LiTG festgehalten.
315
18
20
24
2.1 Grundgrößen der Lichttechnik
400
20
22,5
28
630
28
32,5
40
Grundgrößen der Beleuchtungstechnik: Lichtstrom F in Lumen (lm), Lichtstärke I in Candela (cd), Beleuchtungsstärke E in Lux (lx). Aus diesen Grundgrößen ergeben sich die Leuchtdichte und die Lichtausbeute nach den Gleichungen (III.6) und (III.7).
5 – 10 kV 15 – 20 kV 25 – 30 kV 25
2
50 75
Durch den Einsatz moderner Leistungselektronik sind in Drehstromnetzen sehr oft Oberwellen vorhanden. Durch Oberwellen kann es in kompensierten Netzen zu Resonanzerscheinungen kommen, die Überströme, erhöhte Spannungen und verzerrte Spannungsformen zur Folge haben.
Leuchtdichte
L=
I A
Lichtausbeute h Li =
M
Verdrosselte Kompensation mit der Möglichkeit die Resonanzfrequenzen der einzelnen Kreise auf die Oberschwingungen einzustellen
Bild III-4 Verdrosselte Zentralkompensationsanlage
Beispiel: Im Netz ist die 5. Oberwelle vorhanden, also 250 Hz.
Die Resonanzfrequenz sollte also im Bereich von 200 bis 220 Hz liegen. Alle Frequenzen oberhalb der 5. Oberwelle erzeugen an der verdrosselten Einheit nur noch induktive Ströme. Im Netz ergeben sich keine Resonanzen mehr.
(III.6)
h F P lm lm W W
(III.7)
Der Lichtstrom F ist das von der Lichtquelle nach allen Seiten abgestrahlte Licht. Die Lichtstärke I ist ein Maß für die Intensität der Lichtstrahlung. Die Lichtausbeute hLi ist ein Maß für das Verhältnis von erzeugtem Lichtstrom zur eingesetzten elektrischen Leistung. Die Leuchtdichte L einer Lichtquelle oder einer beleuchteten Fläche ist für den im Auge entstehenden Lichtreiz verantwortlich und damit für den im Gehirn hervorgerufenen Helligkeitseindruck. Mittel-
e I
r
r
In Netzen mit Oberwellen ist es deshalb erforderlich, Kompensationsanlagen mit verdrosselten Kondensatoren einzusetzen (Bild III-4). Bei verdrosselten Kondensatoren wird dem Kondensator eine Drosselspule vorgeschaltet. Die Resonanzfrequenzen des Kondensators und der Drosselspule sollten unterhalb der ersten Oberwelle des Netzes liegen.
F P
L I A cd cd m 2 m2
h
I
a
Bild III-5 Beleuchtungsstärke in einem Punkt bei senkrechtem und bei schrägem Lichteinfall
912
Energietechnik
werte von Leuchtdichten sind in Tabelle III-3 zusammengefaßt. Die Beleuchtungsstärke E ist ein Maß für das auf eine Fläche treffende Licht. Die Beleuchtungsstärke beträgt 1 lx, wenn senkrecht einfallendes Licht mit einem Lichtstrom von 1 lm gleichmäßig auf eine Fläche von 1 m2 trifft. Da sich der Lichtstrom in der Praxis normalerweise nicht gleichmäßig über die Fläche verteilt, ist die nach der Flächenformel ermittelte Beleuchtungsstärke als mittlere Beleuchtungsstärke Em aufzufassen. Die Beleuchtungsstärke in einem Punkt wird aus der Entfernung zur Lichtquelle und der Stärke der Lichtquelle berechnet (Bild III-5).
Lichtquellen wie Leuchtenbänder oder Leuchtenflächen. Auch zusätzlich durch Begrenzungsflächen reflektiertes Licht wird durch die Punktbeleuchtungsformel nicht erfaßt. In DIN 5053 sind Beleuchtungsstärken für verschiedene Raumarten vorgegeben. Tabelle III-4 listet eine Auswahl der Raumarten auf. Die Beleuchtung sollte so beschaffen sein, daß Gegenstände auf einer Arbeitsfläche gleichmäßig beleuchtet werden. Eine direkte oder indirekte Blendung sollte möglichst vermieden werden. Außerdem soll die Nennbeleuchtungsstärke in einem Raum (Raumzone) als Mittelwert in einer Höhe von 0,85 m über dem Fußboden konstant sein.
Beleuchtungsstärke
2.2 Lichtquellen
E=
I I ⋅ cos e = 2 ⋅ cos 3 e r2 h
(III.8)
Nach dem fotometrischen Entfernungsgesetz nimmt die Beleuchtungsstärke mit dem Quadrat der Entfernung ab. Dieses Gesetz gilt jedoch nicht für flächige
Die zur Lichterzeugung eingesetzten Lichtquellen werden als Lampen bezeichnet. Unter den Lampen gibt es eine große Auswahl, die von preiswerten Glühlampen mit eine Lichtausbeute von 20 lm/W bis hin zu Niederdruck-Natriumdampflampen mit einer Lichtausbeute von bis zu 183 lm/W reicht.
Tabelle III-3 Mittelwerte für Leuchtdichten Strahlendes Objekt
Leuchtdichte in cd/cm2
Sonne
ungefähr 150 000
klarer Himmel
0,2 bis 1,2
Mond
ungefähr 0,25
Glühlampe klar
100 bis 2000
Leuchtstofflampe
0,3 bis 1,3
Xenon-Hochdrucklampe
15 000 bis 95 000
gut beleuchtete Straße
0,2 ⋅ 10–3
untere Grenze der Hellempfindlichkeit
1 ⋅ 10–8
Tabelle III-4 Beleuchtungsstärken für verschiedene Raumarten Art des Raumes
Beleuchtungsstärke in lx
Büroraum – normal
500
Büroraum – Großraumbüro
750 bis 1000
Zeichenraum
750
Verkehrswege in Gebäuden
100
Maschinenräume, Energieverteilräume
100
Räume zur Montage feinster Teile
1500
III Elektrische Energieanwendung
2.3 Glühlampen Glühlampen stehen bis zu einer Leistungsaufnahme von 2000 W zur Verfügung. Das Glühlampenlicht wird zur allgemeinen Wohnraumbeleuchtung und für spezielle, stimmungsbetonte Lichteffekte eingesetzt. Die Lichterzeugung erfolgt durch Temperaturstrahlung eines auf etwa 2500 °C erhitzten Wolframdrahtes. Die Lebensdauer einer Glühlampe beträgt ungefähr 1000 h bei einer Lichtausbeute zwischen 9 bis 15 lm/W. Sie benötigt keine zusätzlichen Betriebsmittel. In neueren Glühlampen wird ein Halogen eingebracht. Die Lichterzeugung erfolgt wie bei der normalen Glühlampe; durch das Halogen wird eine Kolbenschwärzung verhindert und die Lebensdauer der Lampe verdoppelt. Die Lichtausbeute liegt zwischen 15 und 25 lm/W. Die Halogen-Niedervoltlampen benötigen einen Transformator.
2.4 Leuchtstofflampen Leuchtstofflampen haben Leistungsstufen zwischen 4 und 58 W. Die Lichterzeugung erfolgt durch elektrische Entladungen zwischen zwei Elektroden in einer Quecksilberdampfatmosphäre. Durch diese Entladungen wird unsichtbares UV-Licht erzeugt, das einen Leuchtstoff, der an der Innenwand der Leuchtstofflampe angebracht ist, zum Leuchten anregt. Die Lichtfarbe der Leuchtstofflampe kann je nach Leuchtstoffkombination verändert werden. Die Lichtausbeute dieser Lampen liegt zwischen 60 und 100 lm/W, die Lebensdauer bei ungefähr 7500 h. Eingesetzt werden Leuchtstofflampen für wirtschaftliche Beleuchtungszwecke in der Innen- und Außenbeleuchtung. Neben den Standard-Leuchtstofflampen werden die Kompakt-Leuchtstofflampen produziert. Kompakt-Leuchtstofflampen arbeiten wie die Standardlampen, sind jedoch erheblich kürzer oder flacher. Zur Erzeugung der Zündimpulse und zur Strombegrenzung werden Vorschaltdrossel und Starter benötigt (elektronisches Vorschaltgerät).
2.5 Entladungslampen Unter Entladungslampen versteht man Metalldampflampen. Zu den Metalldampflampen gehören die Quecksilber-Hochdrucklampe (HQL), die HalogenMetalldampflampe (HQI) und die Natrium-Hochdrucklampe (NAV). Bei der Quecksilber-Hochdrucklampe wird die Lichterzeugung durch eine Entladung im Quecksilberdampf im Quarzbrenner bei Überdruck eingeleitet. Der Glaskolben ist mit einem rot strahlenden Leuchtstoff (Yttrium-Vanadat) versehen, der durch die UVStrahlung zum Leuchten angeregt wird. Die Lichtausbeute dieser Lampe liegt bei 32 bis 60 lm/W, die Lebensdauer bei 9000 h. Zum Betreiben wird ein Vorschaltgerät benötigt. Der volle Lichtstrom wird nach ungefähr 4 bis 5 Minuten erreicht. Eine Wiederzündung ist erst nach Abkühlen der Lampe möglich.
913 Bei der Halogen-Metalldampflampe werden dem Quecksilber Halogenverbindungen bestimmter Metalle beigemischt. Die Lichterzeugung erfolgt durch Verdampfen der Metallhalogene in der Quecksilberatmosphäre. Die Lichtausbeute liegt zwischen 62 und 100 lm/W, die Lebensdauer zwischen 2000 und 6000 h. Zum Betrieb ist ein Vorschalt- und ein Zündgerät erforderlich. Der volle Lichtstrom steht nach 2 bis 4 Minuten zur Verfügung. Eine Wiederzündung kann nach 2 bis 15 Minuten erfolgen. Die Natrium-Hochdrucklampen ergeben Licht, indem in einem Keramikbrenner Natriumdampfentladungen erzeugt werden. Der Keramikbrenner läßt in heißem Zustand Licht durch sein Kristallgitter, so daß eine starke Natrium-Linienstrahlung (monochromatisches Licht) entsteht. Die Lichtausbeute liegt zwischen 70 und 150 lm/W, die Lebensdauer bei 9000 h. Zum Betrieb ist ein Vorschaltgerät und bei einigen Typen ein Zündgerät erforderlich. Der volle Lichtstrom steht nach 5 bis 7 Minuten zur Verfügung, eine Wiederzündung erfolgt in weniger als einer Minute.
2.6 Leuchten Leuchten haben die Aufgabe, den von einer Lichtquelle (Lampe) erzeugten Lichtstrom so zu beeinflussen, daß eine optimale Beleuchtung erreicht wird. Die Leuchte soll die Lampe und die übrigen elektromechanischen Innenteile gegen mechanische Beschädigung sowie vor Staub und Feuchtigkeit schützen. Bei der Auswahl der Leuchte, sorgfältiger Abstimmung von Beleuchtungsniveau, Lichtfarbe und Körperfarbe ist es empfehlenswert, sich anhand der Unterlagen der Hersteller zu vergewissern, daß die Leuchten nicht nur den lichttechnischen Anforderungen genügen, sondern auch den entsprechenden Gesetzen und Vorschriften über Leuchten und Beleuchtungsanlagen. Wichtige Gesetze und Vorschriften: DIN VDE 0710, DIN VDE 0100; DIN VDE 0875 und DIN 40050. Bei der Auswahl der Leuchte ist zu beachten, daß ein erheblicher Teil der Energie in Wärme umgewandelt wird. Diese Wärmeentwicklung ist bei der Auswahl und Montage der Leuchte zu berücksichtigen. In DIN VDE 0100 Teil 559 sind Kriterien niedergelegt, die der Errichter von Beleuchtungsanlagen beachten muß, damit die Anlage nicht Personen und Nutztiere durch gefährliche Körperströme und Sachen nicht durch zu hohe Temperaturen gefährdet. In der Norm wurden Klassen geschaffen, nach denen man die von der Leuchte ausgehende Gefährdung durch Wärmeentwickelung abschätzen kann. Folgende Einteilung wurde gewählt. Kennzeichen : Gilt nur für Leuchten mit Entladungslampen. Temperaturen von 130°C im normalen Betrieb und 180 °C im Fehlerfall des Vorschaltgerätes werden nicht überschritten. Für direkte Montage auf Gebäudeteilen
914
Energietechnik
aus nichtbrennbaren, schwer- und normalentflammbaren Baustoffen nach DIN 4102 Teil 1.
entsprechen, auch wenn sie beschichtet, furniert oder lackiert sind.
Kennzeichen : Gilt für Leuchten mit Glühlampen und Leuchten mit Entladungslampen. Leuchten mit begrenzter Oberflächentemperatur. Im Fehlerfall können keine Temperaturen auftreten, die zur Entzündung von brennbaren Stäuben und Fasern führen. Für Montage in Betriebsstätten geeignet, die durch brennbare Stäube und Fasern feuergefährdet sind.
2.7 Berechnung von Beleuchtungsanlagen
Kennzeichen : Gilt für Leuchten und Entladungslampen. Temperaturen von 130 °C im normal Betrieb und 180 °C im Fehlerfall des Vorschaltgerätes werden an der Befestigungsfläche und an allen, der Leuchte benachbarten Flächen, nicht überschritten. Für Montage auf Einrichtungsgegenständen (Möbel, daher „M“) aus Werkstoffen, die in ihrem Brandverhalten nichtbrennbaren oder schwer- oder normalentflammbaren Baustoffen nach DIN 4102 Teil 1 entsprechen, selbst wenn sie beschichtet, furniert oder lackiert sind. Kennzeichen : Gilt für Leuchten mit Glühlampen und Leuchten mit Entladungslampen. Temperatur von 115 °C wird im Fehlerfall an der Befestigungsfläche sowie an allen der Leuchte benachbarten Stellen nicht überschritten. Für direkte Montage auf Einrichtungsgegenständen aus Werkstoffen, die in ihrem Brandverhalten nichtbrennbaren oder schwer- oder normalentflammbaren Baustoffen nach DIN 4102 Teil 1
Bei der Berechnung von Beleuchtungsanlagen in geschlossenen Räumen spielt neben der Leuchtenauswahl und den Raumabmessungen auch die Raumgestaltung eine Rolle. Für die Auslegung der Raumbeleuchtung ist der Raumwirkungsgrad eine wichtige Größe. Er ergibt sich aus dem Raumfaktor und den Reflexionsgraden der Raumbegrenzung (Wände, Decken, Fußboden). Der Raumfaktor ist abhängig von den geometrischen Abmessungen des Raumes und deshalb sehr exakt zu berechnen. Für normale, rechteckige Räume gilt: Raumfaktor
Kr =
a⋅b h ⋅(a + b)
a b h m m m
(III.9)
Sind Räume rund oder n-eckig und nicht zu lang gestreckt, kann Gleichung (III.10) angewendet werden: Kr =
A h⋅2⋅ A
A h m2 m
(III.10)
Soll in dem zu beleuchtenden Raum eine Leuchte mit indirekter Charakteristik eingesetzt werden, gilt Gleichung (III.11): Kr =
3⋅ a ⋅ b 2 ⋅ h1 ⋅ ( a + b )
(III.11)
Kr Raumfaktor; a Länge des Raumes; b Breite des Raumes; h Lichtpunkthöhe über Nutzebene; A Fläche des Raumes; h1 Deckenhöhe über Nutzebene
Tabelle III-5 Reflexionsgrade Farbe/Material
Reflexionsgrad
Farbe/Material
Reflexionsgrad
weiß, lichtcreme
70 – 80%
hellelfenbein, RAL 1015
75%
hellgelb
55 – 65%
hellgrün, rosa
45 – 50%
pastellorange, RAL 2003
50%
himmelblau
40 – 45%
kieselgrau, RAL 7032
40%
braunbeige, RAL 1011
30%
ockergelb, olivgrün, hellbraun
25 – 35%
orange, zinnoberrot
20 – 35%
betongrau, RAL 7023
20%
dunkelgrün, -rot, -grau
10 – 15%
brillantblau, RAL 5067
10%
schwarz
Ahorn, Birke
50 – 60%
Eiche hell
30 – 40%
Nußbaum
15 – 20%
Verputz, Gips
80%
Fliesen, weiß
60 – 75%
Ziegel, gelb
35 – 40%
Beton
20 – 40%
Ziegel, rot
10 – 25%
Email, weiß
65 – 75%
Aluminium, matt
55 – 60%
Glas, klar
6 – 10%
4%
III Elektrische Energieanwendung
915 kungsgrad hBel bestimmt werden. Er ist das Produkt aus Leuchtenwirkungsgrad hLb und Raumwirkungsgrad hR.
Die Bestimmung der Reflexionsgrade des Raumes ist in der Praxis nicht so ohne weiteres möglich, da die Raumgestaltung in der Planungsphase noch nicht eindeutig vorliegt. Es ist darum erforderlich, voraussichtliche Reflexionsgrade mit dem Bauherren abzustimmen. In Tabelle III-6 sind einige Reflexionsgrade aufgeführt. Sind Raumfaktor und Reflexionsgrade bekannt, kann mit Hilfe der Herstellerlisten der Beleuchtungswir-
Beleuchtungswirkungsgrad h Bel = h R ⋅ h Lb (III.12) Die für einen Raum erforderliche Leuchtenzahl kann mit Hilfe der Gleichung (III.13) ermittelt werden.
Tabelle III-6 Beleuchtungswirkungsgrad hBel (%) in Abhängigkeit vom Raumfaktor und den Reflexionsgraden für eine Anbauspiegelraster-Leuchte Reflexionsgrad Decke
80
80
50
50
70
50
30
Wand
50
30
50
30
50
30
50
Boden (Nutzebene)
30
30
30
30
20
10
10
0,6
39
33
37
32
37
36
31
0,8
48
42
46
41
46
44
39
1,0
54
48
51
46
51
49
44
1,25
61
55
57
53
57
54
50
1,5
66
60
62
58
62
58
54
2,0
71
66
66
62
66
61
58
2,5
75
71
70
67
69
64
61
3,0
79
75
73
70
72
67
64
4,0
81
78
75
72
74
68
66
5,0
84
81
77
75
76
70
67
Raumindex
Tabelle III-7 Einteilung der Farbwiedergabeeigenschaften Stufe der Farbwiedergabe
Beschreibung
1
sehr gute Farbwiedergabe 1A
erfüllt höchste Ansprüche
1B
erfüllt hohe Ansprüche
2
gute Farbwiedergabe 2A
erfüllt die Ansprüche der üblichen Sehaufgaben in Büroräumen und Werkstätten
2B
erfüllt viele Ansprüche
3
weniger gute Farbwiedergabe
4
die Erkennung von Farben ist stark eingeschränkt oder gar nicht möglich
916
Energietechnik
Tabelle III-8 Lichtfarben und die Farbwiedergabeeigenschaft Lichtfarbe
warmweiß (ww)
ähnlichste Farbtemperatur
Stufe der Farbwiedergabe
Handelsbezeichnungen Osram-Typ
Philips-Typ
2700 K
1B
41
82
1A
–
92
3
30
29
1B
31
83
1A
32
93
2B
20
33
2A
25
25
1B
21
84
1A
22
94
1B
11
95
3000 K
neutralweiß (nw)
tageslichtweiß (tw)
4000 K
5000 K
Leuchtenzahl n=
p⋅ Em ⋅ A h Bel ⋅ z ⋅ F
Für den Raumfaktor ergibt sich bei direkter Lichtverteilung
E A z h Bel F (III.13) lm − − m 2 − − lm m2 n p
p Planungsfaktor > 1, berücksichtigt die Alterung; z Anzahl der Lampen pro Leuchte
Die hier gemachten Angaben und Formeln geben nur einen kleinen Überblick in die Auslegung von Beleuchtungsanlagen. Für das einwandfreie Erkennen von Gegenständen ist die Lichtfarbe der Lichtquellen von großer Bedeutung. Außerdem wird dadurch ein harmonisches Farbklima erreicht, das sich auf Stimmung und Wohlbefinden des Menschen positiv auswirkt. Die Lichtfarbe der Lampen hängt stark von der Erzeugung des Lichtes ab. Damit unterschiedliche Lampen in ihrer Lichtfarbe verglichen werden können, wird sie durch die Farbtemperatur gekennzeichnet. Ferner wird eine Einstufung der Güte der Farbwiedergabe unternommen. In Tabelle III-8 sind die genormten Stufen der Farbwiedergabe aufgeführt. Beispiel: Für einen Büroraum mit den Abmessungen Breite a =
5 m, Länge b = 7 m, Leuchtenhöhe über Nutzebene h = 1,95 m und Raumhöhe hR = 2,8 m soll eine Beleuchtungsanlage ausgelegt werden. Für Büroräume beträgt die Nennbeleuchtungsstärke Em = 500 lx.
Kr =
a ⋅b 5 m⋅7 m = = 1,49 ≈ 1,5 h ⋅ (a + b) 1,95 m ⋅ (5 m + 7 m)
Mit einer Leuchtstofflampe der Lichtfarbe weiß wird vom Hersteller ein Lichtstrom von 5400 lm angegeben. Die Refexionsgrade der Decke (70%), der Wände (50%) und des Fußbodens (20%) werden geschätzt. Für eine Spiegelrasterleuchte zum Deckenanbau ergibt sich entsprechend dem Raumfaktor und den Reflexionsgraden ein Beleuchtungswirkungsgrad von hBel = 0,62. Die Anzahl der Leuchten berechnet sich jetzt zu
n=
p ⋅ Em ⋅ A = ηBel ⋅ z ⋅ Φ
lm ⋅ (5 m ⋅ 7 m) m2 = 6,5 Leuchten 0,62 ⋅ 1 ⋅ 5400 lm
1,25 ⋅ 500
Gewählt werden 7 Leuchten.
Literaturhinweise [1] Heuck/Dettmann/Schulz: Elektrische Energieversorgung. Wiesbaden: Vieweg, 7. Auflage 2007 [2] div. Verfasser: Schalten, Schützen, Verteilen in Niederspannungsnetzen. München: Publicis MCD; Siemens AG, 1997
917
Nachrichtentechnik I Grundlagen der Nachrichtenübertragung 1 Prinzip der elektrischen Nachrichtenübertragung Die Nachrichtentechnik hat die Aufgabe, Nachrichten auszutauschen. Nachrichten sind z.B. Fragen, Beobachtungen und Befehle; der Begriff wird im Kapitel I.3 weiter aufgeschlüsselt. Unter dem Begriff Nachrichtenübertragung wird hier die elektrische Nachrichtenübertragung verstanden, denn zur Übermittlung von Nachrichten werden Spannungen und Ströme sowie elektrische und magnetische Felder eingesetzt. Die Übertragung beginnt nach Bild I-1 mit der Nachrichtenquelle, die die Nachrichten aussendet, und endet mit der Nachrichtensenke, die sie empfängt. Zwischen beiden liegt das elektrische Nachrichtenübertragungssystem, dessen Funktionseinheiten dargestellt sind und anhand der RundfunkSprachübertragung erläutert werden. Das Sprachsignal in Form von Luftdruckänderungen wird mit einem Mikrofon in proportionale Spannungsänderungen umgewandelt und verstärkt. Da viele unterschiedliche Nachrichten gleichzeitig übertragen werden (große Zahl von Rundfunksendern mit unterschiedlichen Programmen), muß der Frequenzbereich des Sprachsignals (15 Hz bis 15 kHz) in einen anderen Frequenzbereich umgesetzt werden. Das geschieht im Modulator. Anschließend stellt der Sender die für die Übertragung erforderliche Leistung (kW bis MW) bereit und sorgt über eine Antenne für die Aussendung in Form eines elektromagnetischen Feldes. Dieses wird von der Antenne des Empfängers aufgenommen. Da viele Nachrichten gleichzeitig, aber mit unterschiedlichen Frequenzbereichen, an der Empfängerantenne vorhanden sind, filtert ein selektiver Empfänger einen bestimmten Frequenzbereich
und damit eine bestimmte Nachricht (den gewünschten Rundfunksender) aus. Der Demodulator setzt den empfangenen Frequenzbereich wieder in den Originalfrequenzbereich (15 Hz bis 15 kHz) um. Das Signal wird verstärkt und einem Lautsprecher zugeführt, der das elektrische Signal in ein Schalldrucksignal umwandelt, damit es vom Ohr (Empfänger) aufgenommen werden kann. Bei der Nachrichtenübertragung ist es wünschenswert, die folgenden Bedingungen zu erfüllen: 1. Die Übertragung soll über sehr große Entfernungen unbeeinflußt von Hindernissen (Häusern, Bergen) möglich sein. Häufig wird zusätzlich ein lückenloser Empfang innerhalb eines vorgegebenen geografischen Gebietes gefordert (Rundfunk- und Fernsehempfang). 2. Es sollen viele unterschiedliche Nachrichten gleichzeitig übertragen werden, die der Empfänger aber wieder eindeutig voneinander trennen kann. 3. Der Empfänger kann entscheiden, ob er die Nachricht empfangen will oder nicht. 4. Die Übertragung von Daten und deren Weiterverarbeitung soll einfach möglich sein. Die elektrische Nachrichtentechnik erfüllt diese Forderungen in nahezu idealer Weise: Die überbrückbaren Entfernungen reichen um den Erdball, bis zum Mars und darüber hinaus (Punkt 1). Weltweit senden einige tausend Sender ihre Programme, ohne daß es zu nennenswerten gegenseitigen Beeinflussungen kommt (Punkt 2). Durch Ausschalten der Energieversorgung kann der Empfang von Nachrichten beendet werden. Im Vergleich dazu kann beispielsweise bei akustischer Nachrichtenübertragung durch Laut-
Elektrisches Nachrichten-Übertragungssystem Signalübertragung Übertragungskanal Mikrofon als Umsetzer
Verstärker Modulator UKW-Sender
Elektromagnetisches Feld
Sprecher, Nachrichtenquelle
selektiver Empfänger Demodulator Verstärker
Lautsprecher als Umsetzer
Störquellen
Bild I-1 Prinzip der Nachrichtenübertragung am Beispiel der Rundfunk-Tonübertragung
Ohr, Nachrichtensenke
918
Nachrichtentechnik
sprecher der Empfänger nicht so ohne weiteres den Empfang beenden (Punkt 3). Die übertragenen Daten liegen bereits in einer für die Weiterverarbeitung optimalen Form vor (Punkt 4). Die Übertragung geschieht entweder drahtgebunden (z.B. Fernsprechverkehr im Nahbereich, lokale Datennetze) oder drahtlos durch elektromagnetische Felder (z.B. Rundfunk- und Fernsehübertragung, Fernsprechverkehr im Fernbereich, Satellitenkommunikation). Für die drahtlose Übertragung werden Frequenzen im Bereich von etwa 10 kHz bis z.Zt. 250 GHz benutzt. Tabelle I-1 gibt einen Überblick über die Nutzung dieses Frequenzbereiches durch die Rundfunk- und Fernsehsender, die bis etwa 1 GHz den weitaus größten Teil davon belegen. Daneben sind auch FreVLF RF LF MF HF
Very Low Frequencies Radio Frequencies Low Frequencies Medium Frequencies High Frequencies
quenzzuteilungen für den Amateur- und den Polizeifunk eingetragen. Insgesamt gibt es noch eine Vielzahl von weiteren Anwendern, denen Frequenzbereiche zugeteilt worden sind. Als Beispiel seien hier aufgeführt: Feste und bewegliche Seefunkdienste, Navigationsfunkdienste, Raumforschung und Weltraumfunkdienste, Normalfrequenz- und Zeitzeichenfunkdienste, Wetterfunkdienste. Weiterhin gibt es Frequenzen, die speziellen Verwendungen vorbehalten sind, z.B. Grubenalarmfunk (68,010 – 68,030 MHz), Funkstellen in Rettungsfahrzeugen (243,000 MHz), Weltraum-Notruf-Frequenz (20,007 MHz), SeefunkNot- und Anruffrequenz (2,182 MHz). Die in Tabelle I-1 verwendeten Abkürzungen haben folgende Bedeutung (nach DIN 40 015): VHF UHF SHF EHF LW
Very High Frequencies Ultra High Frequencies Super High Frequencies Extremely High Frequencies Langwelle
MW KW UKW UV
Mittelwelle Kurzwelle Ultrakurzwelle Ultraviolettstrahlung
Tabelle I-1 Frequenz- und Wellenlängenbereiche und deren Nutzung durch einige wichtige Dienste. Bezeichnung
Frequenz Definition
Myriameterwellen (VLF)
Wellenlänge verwendet
3 kHz ... 30 kHz
Definition
verwendet
100 km ... 10 km
Radiowellen (RF)
ab 30 kHz
≤ 10 km
Kilometerwellen (LF, LW) Rundfunk auf „Langwelle“
30 kHz ... 300 kHz
10 km ... 1 km
Hektometerwellen (MF, MW) Rundfunk auf „Mittelwelle“ Amateurfunk
300 kHz ... 3000 kHz
Dekameterwellen (HF, KW) u.a. Rundfunk auf „Kurzwelle“ Amateurfunk
3 MHz ... 30 MHz
Meterwellen (VHF) Fernsehen Band I Polizei UKW-Rundfunk Amateurfunk Fernsehen Band III
30 MHz ... 300 MHz
Hochfrequenzwellen
300 MHz ... 300 GHz
Dezimeterwellen (UHF) Fernsehen Band IV/V Amateurfunk Amateurfunk und Ortungsfunkdienst
300 MHz ... 3 GHz
Zentimeterwellen (SHF) oder Mikrowellen Satellitenfunk
3 GHz ... 30 GHz
Strahlung
ab 3000 GHz
150 kHz ... 285 kHz
2 km ... 1,05 km 1000 m ... 100 m
525 kHz ... 1605 kHz 1875 kHz
571 m ... 187 m 160 m 100 m ... 10 m
6 MHz ... 19 MHz 3,5 MHz ... 30 MHz*)
49 m ... 16 m 80 m ... 10 m*) 10 m ... 1 m
41 MHz ... 68 MHz 86,5 MHz 87 MHz ... 104 MHz 144 MHz ... 146 MHz 174 MHz ... 230 MHz
7,3 m ... 4,4 m 3,5 m 3,5 m ... 2,9 m 2,08 m ... 2,05 m 1,7 m ... 1,3 m 1 m ... 1 mm 100 cm ... 10 cm
470 MHz ... 960 MHz 430 MHz ... 440 MHz 1250 MHz ... 1300 MHz; 2300 MHz ... 2350 MHz
64 cm ... 31 cm 70 cm ... 68 cm; 24 cm ... 23 cm 13 cm ... 12,7 cm 10 cm ... 1 cm
10,95 GHz ... 12,75 GHz
2,7 cm ... 2,4 cm
≤ 100 mm
*) Für die Funkamateure stehen in diesem Bereich mehrere schmale Frequenzbereiche zur Verfügung. Erläuterungen der Abkürzungen siehe Text.
I Grundlagen der Nachrichtenübertragung
2 Aufgaben der Nachrichtentechnik Ein wesentliches Problem bei der Nachrichtenübertragung liegt darin, daß die Nachrichten durch Störungen verfälscht werden. Deshalb entwickelt die Nachrichtentechnik Verfahren, mit denen diese Verfälschungen so klein wie möglich gehalten werden können. Für die nicht vermeidbaren Verfälschungen wird gefordert, daß sie erkennbar sind und sich korrigieren lassen. Aber auch bei einer ungestörten Nachrichtenübertragung treten Verfälschungen auf. Sie werden durch den begrenzten Frequenzbereich des Übertragungskanals verursacht. Hier muß die Nachrichtentechnik Lösungen finden, mit denen eine möglichst große Anzahl von Nachrichten mit einem vertretbaren Maß an Verfälschungen übertragen werden kann.
3 Grundbegriffe Die Nachrichtentechnik bekam ihre ersten Impulse durch den weltweiten Einsatz des Telefons, aber erst 1948 begründete Shannon mit seiner Informationstheorie die moderne Nachrichtentechnik. Es werden folgende Begriffe verwendet (auszugsweise DIN 44 300): Nachricht:
Sie besteht aus der Information und dem Signal. Sie wird unverändert weitergegeben. Information: Sinngehalt der Nachricht (was mitgeteilt werden soll). Signal: Die physikalische Realisierung der Nachricht (wie es mitgeteilt wird). Daten: Sie werden, im Gegensatz zu Nachrichten, verändert und weiterverarbeitet. Analoge Signale: Kontinuierlich über der Zeit dargestellte Signale. Digitale Signale: Zu diskreten Zeitpunkten dargestellte Signale; die Amplitudenwerte sind kodiert. Beispiel I.1: Jemand hat sich einen Hund zugelegt und möchte
das einem anderen mitteilen. Die Information „Ich habe mir einen Hund zugelegt“ kann durch unterschiedliche Signale übermittelt werden: Das Wort „Hund“ als geschriebener Text, ein Bild des Hundes, das Wort „Hund“ im Morsealphabet oder beliebige andere Zeichen. Wichtig ist, daß die im Signal vorhandenen Zeichen vorher zwischen Sender und Empfänger in ihrer Bedeutung vereinbart worden sind, sonst „versteht“ der Empfänger die Nachricht nicht.
4 Nachricht, Information und Signal Um zu zeigen, welche Signalverläufe zur Nachrichtenübertragung geeignet sind, muß zunächst der Begriff „Informationsgehalt“ erläutert werden.
919 Um zu zeigen, daß das tatsächlich sinnvoll ist, wird zunächst ein Maß dafür gesucht, wie „wichtig“ eine Nachricht (ein Zeichen) ist. Da einerseits die Nachricht aus mehreren Zeichen (Buchstaben, Ziffern) zusammengesetzt ist, andererseits die Wichtigkeit der Nachricht von persönlichen Dingen beeinflußt wird und damit nicht wertneutral ist, kann sich die Bewertung nur darauf beziehen, wie häufig die einzelnen Zeichen auftreten. Die zu definierende Größe wird Informationsgehalt I genannt und muß, um nicht mit den Gesetzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung im Widerspruch zu stehen, die drei folgenden Bedingungen erfüllen: 1. Der Informationsgehalt ist um so kleiner, je größer die Wahrscheinlichkeit p ist, daß dieses Zeichen auftritt. 2. Der Informationsgehalt eines Zeichens mit der Wahrscheinlichkeit p = 1 (das Zeichen tritt sicher auf) ist Null. 3. Der Informationsgehalt voneinander unabhängiger Zeichen soll sich addieren. Diese drei Forderungen werden durch die folgende Formel erfüllt:
Informationsgehalt I ( x i ) = ld
1 p( x i )
in bit
(I.1)
xi die einzelnen Zeichen; ld Logarithmus zur Basis 2; p(xi) Wahrscheinlichkeit für das Auftreten des Zeichens xi
Die Wahl der Basis 2 ist nicht zwingend, aber naheliegend, da die binäre Kodierung mit ihren zwei Zuständen sehr häufig angewendet wird. Aus Gleichung (I.1) ergibt sich eine wichtige Aussage: Es handelt sich nur dann um eine echte Information, wenn der Empfänger sie nicht schon vorher kennt. Beispiel I.2: Die Wahrscheinlichkeit, 6 „richtige“ Zahlen im
Lotto „6 aus 49“ ausgewählt zu haben, ist ungefähr 1/14 000 000. Mit Gleichung (I.1) ist der Informationsgehalt der Nachricht, tatsächlich 6 richtige Zahlen zu haben, etwa ld (14 000 000) ≈ 23,7 bit. In dem hohen Zahlenwert spiegelt sich wider, wie wichtig diese Nachricht für den Empfänger ist. Demgegenüber ist die Wahrscheinlichkeit, keine 6 richtigen Zahlen getippt zu haben, etwa (1 – 1/14 000 000) ≈ 0,999 999 93. Daraus folgt der Informationsgehalt zu ungefähr ld (1/0.999 999 93) bit ≈ ld (1,000 000 07) bit ≈ 0,000 000 1 bit. Der sehr kleine Zahlenwert zeigt, daß diese Nachricht unwichtig ist, weil man sie „so gut wie sicher erwartet hat“. Wendet man die Ergebnisse auf das Morsealphabet an, so war es sinnvoll, dem am häufigsten vorkommenden Buchstaben „e“ mit der Auftrittswahrscheinlichkeit p(e) ≈ 14% die kürzeste Kodierung, einen Punkt, zuzuordnen. Ein einzelner Punkt kann bei der Übertragung am ehesten „verlorengehen“. Da aber I(e) nur etwa 2,84 bit ist, trägt ein fehlender Buchstabe „e“ nur geringfügig zur Nachrichtenverfälschung bei. Anschaulich liegt das daran, daß man diesen Buchstaben am ehesten in verfälschte Texte einfügt, weil er „sowieso erwartet“ wird und man damit erfahrungsgemäß die Verfälschung schnell und einfach korrigiert (siehe auch Kapitel XVII.1.1, Quellenkodierung).
4.1 Informationsgehalt
4.2 Signale in der Nachrichtentechnik
Bereits Morse hatte in seinem Alphabet den am häufigsten vorkommenden Buchstaben „e“ mit einem Punkt, also mit der kürzesten Kodierung, dargestellt.
Bild I-2 stellt eine Übersicht über die in der Elektrotechnik verwendeten Signalverläufe unter dem Gesichtspunkt dar, ob sie zur Informationsübertragung
920
Nachrichtentechnik Signale
DETERMINISTISCHE SIGNALE
STOCHASTISCHE SIGNALE
Der zukünftige, zeitliche Signalverlauf ist vorherbestimmbar
Der zukünftige Signalverlauf ist nicht bekannt (nicht determiniert). Die statistische Struktur des Signals kann jedoch bekannt sein.
STATIONÄR
NICHT STATIONÄR
STATIONÄR
Vorgang mit konstanten Kenngrößen, funktionell beschreibbar
Vorgang mit nicht konstanten Kenngrößen, funktionell beschreibbar
statistischer Vorgang mit zeitunabhängigen statistischen Eigenschaften: Effektivwert, arithmetischer Mittelwert
PERIODISCH
NICHT PERIODISCH
Signale der Wechselstromtechnik, harmonische, nicht harmonische Schwingungen mit zeitlich konstanten Kenngrößen: Amplitude, Leistung, Effektivwert, Frequenz, Phasenwinkel
Testsignale der Meß- und Regelungstechnik und der Nachrichtentechnik: Sprungfunktion, Dirac-Impuls
Nachrichtentechnik
Bild I-2 Signale in der Nachrichtentechnik
geeignet sind. Da ein Signal nur dann Information enthält, wenn sein Verlauf vorher nicht bekannt ist, sind auch nur die stochastischen Signale für die Nachrichtentechnik geeignet.
n
1
=
Da sich eine Nachricht in der Regel aus mehreren Zeichen (Buchstaben, Ziffern) zusammensetzt und der Informationsgehalt der einzelnen Zeichen nach Gleichung (I.1) bestimmt wird, ergibt sich der Informationsgehalt der vollständigen Nachricht durch die Bildung der Summe aus dem Informationsgehalt der einzelnen Zeichen, multipliziert mit der Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens. Dieser Wert wird Entropie genannt und mit H bezeichnet: Entropie oder mittlerer Informationsgehalt H = ∑ p i ⋅ ld i
Entscheidungsgehalt H 0 = H max = ∑ p 0 ld
4.3 Entropie
NICHT STATIONÄR
1 pi
in bit
(I.2)
pi Wahrscheinlichkeit für das Auftreten des Zeichens xi
Der Wert ist stets positiv. Er wird maximal, wenn alle Zeichen xi mit der gleichen Wahrscheinlichkeit pi auftreten: pi = p0. Man nennt diesen Wert Entscheidungsgehalt H0.
1 p0
1 1 1 n ld = ld n p0 p0
in bit
(I.3)
alle Zeichen gleich wahrscheinlich mit der Wahrscheinlichkeit p0
4.4 Redundanz Sind die Wahrscheinlichkeiten pi für das Auftreten der Zeichen xi nicht gleich, ergibt sich eine Entropie, die kleiner ist als der Maximalwert H0. Die Differenz zwischen H0 und H wird Redundanz R („Weitschweifigkeit“) genannt, die relative Redundanz r ergibt sich durch Division durch H0: R = H0 − H
Redundanz
Relative Redundanz r =
in bit H0 − H H0
(I.4a) in bit (I.4b)
Die Redundanz ist der Anteil, der keine Information enthält und damit überflüssig ist. Sie verlängert die Zeitdauer zur Übertragung, gestattet andererseits aber eine Fehlererkennung und -korrektur (Kapitel XVII.1). Das wird am folgenden Beispiel I.3 gezeigt.
I Grundlagen der Nachrichtenübertragung
921
Beispiel I.3: Wenn in der deutschen Sprache die 26 Buchstaben
mit gleicher Wahrscheinlichkeit (pi = 1/26) aufträten, folgte daraus H = H0 = ld 26 = 4,7 bit. Nach Küpfmüller ergibt sich aber H ≈ 1,3 bit. Das liegt daran, daß 1. die Buchstaben nicht gleichwahrscheinlich auftreten (z.B. e häufiger als k), 2. bestimmte Buchstabenfolgen häufiger sind als andere (z.B. „ei“ häufiger als „kp“ oder „ein“ häufiger als „dol“) und 3. bestimmte Buchstabenfolgen sehr unwahrscheinlich sind (z.B. „aai“ oder „sfk“). Damit ergibt sich die relative Redundanz r ≈ (4,7 – 1,3)/4,7 ≈ 72%. Das heißt, daß nur 28% der Sprache Information enthalten und 72% überflüssig sind. Der positive Aspekt der Redundanz liegt darin, daß auch dann eine nahezu fehlerfreie Sprachübermittlung möglich ist, wenn die Übertragung gestört ist: In einer lärmerfüllten Fabrikhalle kann man sich relativ fehlerfrei verständigen, obwohl man wegen der Geräusche nur einen Bruchteil der gesprochenen Worte vollständig versteht.
4.5 Informationsfluß Der Informationsfluß F gibt den pro Zeiteinheit übermittelten mittleren Informationsgehalt an:
Informationsfluß
F=
H Tm
in
bit s
(I.5)
sen technischer Realisierung ab und ist eine Konstante, die gleichzeitig ein Maß für seine Leistungsfähigkeit ist.
4.7 Nachrichtenquader Ein Übertragungskanal kann nur dann ein zeit- und amplitudendiskretes Signal (Begriffe siehe Kapitel I.4.8) fehlerfrei übertragen, wenn es eine maximale Frequenz fg und eine maximale Anzahl N unterschiedlicher Amplitudenwerte besitzt, die binär mit DS = ld N bit kodiert werden. Liegt ein kontinuierliches Signal vor, läßt es sich auf ein zeit- und amplitudendiskretes Signal zurückführen. DS ist die Dynamik des Signals. Es wird nach dem Abtasttheorem von Shannon theoretisch mit 2 ⋅ fg, praktisch mit ≥ 2,2 ⋅ fg abgetastet. Für seine Übertragung wird die Zeit TS benötigt. Dann kann man die Gesamtheit des Signals darstellen als das „Volumen V1“ eines Quaders mit den „Seitenlängen“ Bandbreite 2 ⋅ BS1, Dynamik DS1 und Zeit TS, Bild I-3.
Tm mittlere Zeit zur Übertragung eines Nachrichtenelementes in s, siehe Gleichung (I.6)
Da ein Nachrichtenelement meist aus mehreren Symbolen (Zeichen) besteht, berechnet sich Tm zu:
Tm = ∑ p i Ti
in s
(I.6)
i
Ti Dauer zur Übertragung eines Symbols mit der Wahrscheinlichkeit pi in s
4.6 Kanalkapazität, Dynamik
V1
V1
TS
TS DS2 = D
DS1
2 · BS2 = 2 · B
2 · BS1 a)
c)
D
T
Die Kanalkapazität C ist der maximale Informationsfluß, der über einen gegebenen Nachrichtenkanal ohne Fehler übertragen werden kann:
Kanalkapazität ⎛ H⎞ = 2⋅ B⋅ D C = Fmax = ⎜ ⎟ ⎝ Tm ⎠ max
in bit/s
(I.7a)
Tm mittlere Zeit zur Übertragung eines Nachrichtenelementes nach Gleichung (I.6) in s, B Bandbreite des Signals in Hz, D Dynamik (siehe Kapitel I.4.7 und Gleichung I.7b)
Dynamik
D = ld N
in bit
(I.7b)
N Anzahl der diskreten Amplitudenstufen, siehe Kapitel I.4.7
PS ⎛P ⎞ + 1 = B ⋅ ld ⎜ S + 1⎟ ⎝ PN ⎠ PN
2·B
B
b)
Bild I-3 Nachrichtenquader: a) gegebenes Signal mit DS1, BS1, TS, b) Kanal mit gegebenem B, D, c) an den Kanal (b) angepaßtes Signal (a)
Weiterhin gilt: C = 2 ⋅ B ⋅ ld
D
in bit/s (I.7c)
PS Signalleistung in W, PN Rausch- bzw. Störleistung in W, B Bandbreite des Signals in Hz, D Dynamik (siehe Kapitel I.4.7 und Gleichung I.7b)
Der Zusammenhang zwischen der Kanalkapazität C und den Größen B, PS und PN wurde von Shannon abgeleitet, die Erklärung für die Dynamik D folgt im anschließenden Kapitel I.4.7. Die Kanalkapazität eines gegebenen Übertragungskanals hängt von des-
Der Kanalquader ist in seinem „Querschnitt“ 2 ⋅ B ⋅ D vorgegeben. Der „Querschnitt“ des Signalquaders muß so gewählt werden, daß er durch die Öffnung des Kanalquaders „hindurchpaßt“, ohne im Idealfall Lücken zu lassen. In Bild I-3 wurde die zu große Bandbreite BS1 des gegebenen Signals verringert und die Dynamik DS1 entsprechend vergrößert und damit der Kanalkapazität angepaßt: 2 ⋅ BS1 ⋅ DS1 = 2 ⋅ B ⋅ D. Gelingt dies bei gleicher Zeit TS im Signal- und im Kanalquader, wie in Bild I-3 dargestellt, spricht man
922
Nachrichtentechnik
von Echtzeitübertragung. Für die Modulation und die Kodierung von Signalen wird die Anpassung zwischen Signal und Kanal wie folgt vorgenommen (Signalgrößen mit Index „S“, Kanalgrößen ohne Index): C = CS
B = BS; D = DS
DS > D
DS < D
Echtzeitübertragung. Dies wird für die folgende Zusammenstellung vorausgesetzt. (C > CS ist zwar möglich, wird aber vermieden, da dann die teuren Kanalkapazitäten nicht voll ausgenutzt werden.) Einseitenband-Amplitudenmodulation. Die Bandbreite (Frequenzbereich des Signals) wird nur in einen anderen Frequenzbereich verschoben. Frequenzmodulation, Pulscodemodulation. Der für den Kanal zu große Dynamikbereich des Signals wird verkleinert und in die größere Bandbreite des Kanals umgesetzt. Pulscodemodulation. Die zur Verfügung stehende größere Dynamik des Kanals wird dadurch ausgenutzt, daß mehrere Abtastwerte des Signals in einem Codewort zusammengefaßt werden. Damit ist für die Kanalbandbreite ein kleinerer Wert als für die Signalbandbreite erforderlich: BS > B.
Beispiel I.4: Ein Kanal hat die Bandbreite 4,5 kHz und kann
256 Amplitudenwerte übertragen. Dann ist seine Dynamik D = ld (256) bit = 8 bit und seine Kanalkapazität C = 2 ⋅ B ⋅ D = 2 ⋅ 4,5 ⋅ 103 ⋅ (ld 256) bit/s = 72 ⋅ 103 bit/s. Soll über diesen Kanal ein Signal mit 1024 Amplitudenstufen übertragen werden, ohne daß die zur Übertragung notwendige Zeit geändert wird (Echtzeitübertragung), läßt sich die Signalbandbreite BS bestimmen: C = 2 ⋅ B ⋅ D = 2 ⋅ 4,5 ⋅ 103 ⋅ (ld 256) bit/s = 2 ⋅ BS ⋅ (ld 1024). Daraus folgt: BS = fS = 3,6 kHz. (Es wurde, wie in der Praxis häufig anzutreffen, BS = fS, d.h. Signalbandbreite gleich höchster Signalfrequenz, gesetzt.)
4.8 Signale im Zeitbereich: Analog, digital, kontinuierlich, diskret In Bild I-4 sind die in der Nachrichtentechnik auftretenden Signalverläufe s(t) im Zeitbereich dargestellt (s(t): Spannungs-, Strom- oder Feldverlauf). Es wird vorausgesetzt, daß das zu übertragende Signal (z.B. Sprachsignal) in analoger Form nach Bild I-4a vorliegt, d.h. zu jedem Zeitpunkt existiert ein eindeutig zugeordneter Amplitudenwert, und alle Amplitudenwerte innerhalb eines Wertebereiches sind möglich. Shannon hat gezeigt, daß es unter bestimmten Voraussetzungen ausreicht, den Signalverlauf nur noch zu diskreten Zeitpunkten zu erfassen (Bild I-4b). Das analoge Signal wird abgetastet. Ist die Zeitdauer ta der Abtastung viel kleiner als der Abstand T der Abtastzeitpunkte, kann man die Signale mehrerer Nachrichten gleichzeitig über einen Kanal übertragen, indem man die einzelnen Signale in dem Zeitbereich
T nacheinander anordnet (Zeitmultiplexverfahren, siehe Kapitel IX, Mehrfachübertragung). Der Amplitudenwert von analogen Signalen oder Daten kann auf dem Weg vom Sender zum Empfänger durch Störungen verfälscht werden. In kritischen Fällen wandelt man deshalb den analogen Amplitudenwert in einen digital kodierten Wert um, indem man ihn als ganzzahliges Vielfaches einer kleinsten Einheit DU (Bild I-4.c, d) darstellt. Das Signal besteht nur noch aus den zwei logischen Zuständen 0 und 1. Damit kann auch bei gestörter Übertragung der richtige Wert häufig noch erkannt werden. Das Signal nach Bild I-4c tritt am Ausgang eines Digital-AnalogUmsetzers, also auf der Empfängerseite, auf. Bild I-4d zeigt ein analoges Signal, das auf der Senderseite zur Übertragung aufbereitet worden ist, indem es abgetastet und anschließend in einem Analog-DigitalUmsetzer in digital kodierte Werte umgesetzt wurde. Dabei können der kodierte und der tatsächliche Wert maximal um ± DU/2 voneinander abweichen:
größte Abweichung bei digitaler Kodierung: ±
1 1 DU =± ⋅ n ⋅U 2 2 2 −1
(I.8)
n Anzahl der Bits zur Kodierung, U Maximalwert von s(t) in V, DU = U/(2n – 1) in V
s(t)
a)
s(t)
t
b)
s(t)
s(t)
3·ΔU 2·ΔU ΔU
3·ΔU 2·ΔU ΔU
c)
t
d)
T 2T 3T
T 2T
t
t
Bild I-4 Signaldarstellungen im Zeitbereich a) zeit- und amplitudenkontinuierlich, analog b) zeitdiskret, amplitudenkontinuierlich, analog c) zeitkontinuierlich, amplitudendiskret, digital d) zeit- und amplitudendiskret, digital
4.9 Signale im Frequenzbereich Für die rechnerische Erfassung von Übertragungskanälen hat es sich bewährt, das Amplitudenspektrum der Signale, d.h. die Amplituden der im Signal vorkommenden Frequenzanteile in Abhängigkeit von der Frequenz darzustellen. Man benutzt dazu die Beziehung zwischen Frequenz und Periodendauer, f = 1/T, die in dieser Form nur für periodische Signale gilt und die deshalb auf die in der Nachrichtentechnik verwendeten stochastischen Signale erweitert werden muß. Siehe auch Kapitel Signal- und Systemtheorie.
I Grundlagen der Nachrichtenübertragung
923
4.9.1 Periodische sinusförmige Signale In Bild I-5a ist sowohl der Verlauf in Abhängigkeit von der Zeit, s(t), als auch der Verlauf in Abhängigkeit von der Frequenz, ⎪S(f )⎪, dargestellt. Der Zusammenhang zwischen beiden Darstellungen ist durch f0 = 1/T gegeben. Hinweis: S(f ) kann nach Gleichung (I.14) eine komplexe Funktion sein. Für die Darstellung wählt man dann entweder S(f ) oder ⎪S(f )⎪. s(t)
|S( f )|
T
t
f0 = 1 T
a) s(t)
f
|S( f )|
T/2
T
3f0
5f0 f
b)
Bild I-5 Signaldarstellung periodischer Funktionen im Zeit- und Frequenzbereich a) sinusförmiges Signal b) rechteckförmiges Signal 4.9.2 Periodische nichtsinusförmige Signale
Fourierreihe ∞
s ( t ) = a 0 + ∑ [ a n ⋅ cos ( n ⋅ w 0 ⋅ t ) + b n ⋅ sin ( n ⋅ w 0 ⋅ t ) ] n =1
T
T
a0 =
1 2 ∫ s ( t ) dt ; a n = T ∫ s ( t ) ⋅ cos ( n ⋅ w0 ⋅ t ) dt ; T 0 0
bn =
2 ∫ s ( t ) ⋅ sin ( n ⋅ w 0 ⋅ t ) d t T 0
T
(I.9a)
Eine für die Nachrichtentechnik vorteilhafte Darstellung hat die Form: ∞ s(t ) = s0 + ∑ sn ⋅ cos ( n ⋅ ω 0 ⋅ t + ϕ n )
2 ⋅U 0 p
⎛ 1 ⋅ sin (1⋅ w ⋅ t ) + 1 ⋅ sin ( 3 ⋅ w ⋅ t ) ⎜ 0 0 ⎝1 3
+
1 ⋅ sin ( 5 ⋅ w0 ⋅ t ) + ...⎞⎟ ⎠ 5
(I.10)
Die Scheitelwerte der Amplituden bei den diskreten Frequenzen n ⋅ w0/2p = n ⋅ f0 sind in Bild I-5b in das Diagramm ⎪S(f )⎪ = f(f ) eingetragen. (Hinweis: Es können auch die Effektivwerte der Amplituden eingetragen werden. Die Scheitelwerte nach Gleichung (I.10) sind dann durch 2 zu dividieren.)
Die Informationsübertragung geschieht mit stochastischen Signalen. In der Praxis reicht es aber häufig aus, die Eigenschaften eines Übertragungskanals oder eines Vierpols mit nichtperiodischen deterministischen Signalen zu erfassen, denn man kann daraus auf das näherungsweise Verhalten bei stochastischen Signalen schließen. Um die in einem nichtperiodischen Signal enthaltenen Frequenzanteile zu bestimmen, wird zunächst eine für die Anwendung in der Nachrichtentechnik besonders geeignete Darstellung für periodische Signale abgeleitet und anschließend auf nichtperiodische Signale erweitert. Fouriertransformation:
Bild I-5b zeigt als Beispiel einen periodischen rechteckförmigen Verlauf s(t). Zur Berechnung der im Signal enthaltenen Frequenzanteile wird die Fourierreihe verwendet, mit der das Signal s(t) auch in folgender Form darstellbar ist:
s(t ) =
4.9.3 Nichtperiodische Signale
f0
t
Wird s(t) entsprechend dem Verlauf in Bild (I.5b) in Gleichung (I.9a) mit s(t) = U0 und den Integralgrenzen 0 bis T/2 sowie s(t) = – U0 und den Integralgrenzen T/2 bis T eingesetzt, ergibt sich:
(I.9b)
n =1
Der Zusammenhang zwischen beiden Darstellungen ist gegeben durch: a0 = s0 , an = sn ⋅ cos ϕ n ; bn = − sn ⋅ sin ϕ n ; sn = an2 + bn2 (I.9c)
Eulersche Formel: cos x =
e jx + e − jx 2
Für die in Gleichung (I.9b) dargestellten Summanden gilt damit: j nw t + j ∞ − j nw t + j e ( 0 n) +e ( 0 n) s(t ) = s0 + ∑ sn ⋅ 2 n =1 ∞ ∞ 1 1 = s 0 + ∑ s n ⋅ e jjn e jnw0 t + ∑ s n ⋅ e − jjn e − jnw0 t 2 2 n =1 n =1 (I.11) jj n − jj n s ⋅e s ⋅e ; C −n = n Definitionen: C n = n 2 2
Für den zweiten Summanden in Gleichung (I.11) kann man schreiben: ∞
∑ s n ⋅ e − jjn
n =1
−∞ 1 − jnw0 t 1 e = ∑ s n ⋅ e jjn e jnw0 t 2 2 n =−1
(I.12)
Setzt man (I.12) in (I.11) ein, folgt:
Komplexe Fourierreihe: +∞
s ( t ) = ∑ C n ⋅ e jnw0 t mit C n = n =−∞
T
1 − jnw t ∫ s(t ) ⋅ e 0 d t T 0 (I.13)
924
Nachrichtentechnik
Formal ist eine negative Frequenz eingeführt worden, wobei zu jeder negativen Frequenz – n ⋅ f0 eine entsprechende positive Frequenz + n ⋅ f0 gehört. Die Darstellung in Gleichung (I.13) heißt komplexe Fourierreihe. Das in einem nichtperiodischen Signal enthaltene Spektrum erhält man durch den Grenzübergang T → ∞ und damit n ⋅ f0 → f, f0 = 1/T → df. Die Summe geht in ein Integral über, die entstehende Funktion S(f ) heißt (komplexe) Spektraldichte der Zeitfunktion s(t), die mathematische Operation ist die Fouriertransformation.
Fouriertransformation: +∞
S ( f ) = ∫ s ( t ) ⋅ e − j 2 pft dt ;
eines Übertragungssystems) als das Verhältnis von Ausgangsgröße S2(f ) zu Eingangsgröße S1(f ) sowie deren Betrag A(f). Die zugeordneten Zeitfunktionen werden mit h(t) und a(t) bezeichnet:
H( f ) =
+∞
Zugeordnete Zeitfunktionen: h(t), a(t) Dämpfungsmaß und b(t) Phasenmaß.
Beispiel I.5: Die Eingangsspannung des in Bild I-7 gezeigten
Tiefpasses ist ein Einheitssprung.
−∞
S(f) Spektraldichte eines gegebenen Zeitsignals s(t)
s(t)
(I.15)
S1(f) Eingangsgröße, S2(f) Ausgangsgröße, H(f) auch mit „Spektraldichte“ eines Übertragungssystems bezeichnet; Beispiel: Verhältnis von Ausgangs- zu Eingangsspannung an einem Tiefpaß, siehe Beispiel I.5
(I.14)
s ( t ) = ∫ S ( f ) ⋅ e j 2 pft df
S2 ( f ) = H ( f ) e − jb ( f ) ; S1 ( f )
H ( f ) = A( f )
−∞
Übertragungsfunktion:
R
|S( f )|
u1(t)
u1(t)
u2(t)
C
U0
1 a)
T a) – 2
+T t 2 s(t)
f
|S( f )|
A( f )
|S( f )|
f
c)
b)
t
b)
t
f
d)
f
Bild I-6 Signaldarstellung nichtperiodischer Funktionen im Zeit- und Frequenzbereich a) Rechteckimpuls b) stochastisches Signal In Bild I-6a ist ein Rechteckimpuls mit der dazugehörigen Spektraldichte dargestellt. Es wurde gemäß Hinweis im Kapitel I.4.9.1 der Betrag ⎪S(f )⎪ aufgetragen. Es sind unendlich viele Frequenzanteile vorhanden, was durch den unendlich steilen Anstieg und Abfall hervorgerufen wird. Da ein Übertragungskanal niemals unendlich viele Frequenzen übertragen kann, ist der dargestellte Rechteckimpuls in dieser Form nicht übertragbar. Das ist andererseits auch nicht erforderlich, denn mit technischen Mitteln kann er nicht erzeugt werden: Zu den Zeitpunkten – T/2 und + T/2 müßten unendlich viele Funktionswerte zwischen 0 und 1 gleichzeitig existieren, was im Widerspruch zur Eindeutigkeit physikalischer Gesetze steht. Bild I-6b zeigt ein stochastisches Signal (z.B. Sprache) mit zugehöriger Spektraldichte. Zwei weitere Größen zur Beschreibung eines Systems sind die Übertragungsfunktion H(f ) („Spektraldichte“
u2(t) U0 t
e)
Bild I-7 Sprungantwort eines Tiefpasses a) Schaltbild b) Einheitssprung als Anregung c) Spektraldichte des Einheitssprunges d) Übertragungsfunktion des Tiefpasses e) Ausgangsspannung des Tiefpasses Die Übertragungsfunktion ergibt sich zu:
H( f ) = A( f ) =
S 2 ( f ) U 2 ( jw ) 1 = = ; S 1 ( f ) U 1 ( jw ) 1 + j wT
T = RC
1 1 + ( wT )
2
Der nach Gleichung I.14 berechnete Betrag der Spektraldichte, ⎪S(f)⎪, ist in Bild I-7c eingezeichnet, A(f) in Bild I-7d. Formt man Gleichung (I.15) um und setzt für S1(f) die Spektraldichte des Einheitssprunges ein, ergibt sich: S2(f) = S1(f) ⋅ H(f) und daraus mit Gleichung (I.14) durch Rücktransformation der in Bild I.7e eingezeichnete Verlauf der Spannung am Ausgang des Tiefpasses.
I Grundlagen der Nachrichtenübertragung
925
Diskrete Fouriertransformation (DFT) Es wird von einem zeitbegrenzten Signal ausgegangen, das zu den Zeitpunkten n ⋅ Ta abgetastet wird. Dabei hat n den Bereich von 0 bis N – 1. Ta ist das Abtastintervall. Die gesamte Meßzeit ist dann N ⋅ Ta. Damit setzt man in Gleichung (I.14): t → n ⋅ Ta, s(t) → s(n ⋅ Ta), e–jwt → e–jwnTa. Es ergibt sich:
Diskrete Fouriertransformation: N −1
S d ( f ) = ∑ f ( nTa ) ⋅ e − j 2 p kn / N n=0
mit
k = 0 ,1, ... , N − 1
(I.16)
Durch geeignete mathematische Algorithmen kann man auch bei einer großen Anzahl von Abtastwerten die Transformation ausreichend schnell durchführen. Schnelle Fouriertransformation (Fast Fourier Transform, FFT) Der Grundgedanke ist, die Folge f(n) eines gegebenen Signals mit N Werten so zu zerlegen, daß mehrere kleinere Teilfolgen entstehen, die getrennt transformiert und anschließend zur Gesamtfunktion überlagert werden können. Diese Aufteilung ist dann besonders günstig, wenn sich N aus 2k mit k = 2, 3, 4, ... ergibt. Die Eingangsfolge wird zunächst in zwei Teilfolgen zerlegt, deren Elemente den Abstand 2 ⋅ Ta haben. Diese 2 Teilfolgen werden wiederum in je 2 Teilfolgen zerlegt mit dem Abstand 4 ⋅ Ta u.s.w., bis die einzelnen Folgen nur noch aus 2 Elementen bestehen. Auf diese wird dann der DFT-Algorithmus angewendet. Laplacetransformation Die Laplacetransformation unterscheidet sich von der Fouriertransformation u.a. dadurch, daß die zeitlichen Vorgänge für t < 0 Null sind. Der betrachtete Vorgang setzt im Zeit- und Frequenzbereich erst ab t = 0 ein (keine negativen Frequenzen) und steht damit in anschaulicherer Beziehung zur Praxis als bei der Fouriertransformation. Um Verwechslungen mit dem Laplace-Operator s zu vermeiden, wurde die Zeitfunktion mit f(t) anstatt s(t) bezeichnet. Die Transformationsformeln lauten:
Laplacetransformation: ∞
L [ f ( t ) ] = F ( s ) = ∫ f ( t ) ⋅ e − st dt ; +0
L−1 [ F ( s ) ] = f ( t ) =
c + j∞
1 st ∫ F ( s ) ⋅ e ds 2 pj c − j∞
(I.17)
L–1 inverse Laplacetransformation (Rücktransformation); F(s) Laplacetransformierte der Zeitfunktion f(t)
s ist der Laplace-Operator (in der Literatur auch mit p bezeichnet), es gilt s = s + jw. Die Einheit ist 1/s, die Analogie zum Frequenzspektrum ist damit gegeben. Der Realteil s mußte eingeführt werden, damit die Integrale nach Gleichung (I.17) endliche Werte
ergeben, er spielt bei den weiteren Betrachtungen keine Rolle. Im folgenden soll die Anwendung ohne mathematische Ableitungen gezeigt werden. Berechnung eines Zeitvorganges mit der Laplacetransformation: Das gegebene Netzwerk als Verkörperung einer Leitung, eines Vierpols oder eines Übertragungskanals wird in die s-Ebene transformiert: Widerstände R bleiben unverändert, Kapazitäten erhalten die „Impedanz“ 1/sC, Induktivitäten und Gegeninduktivitäten erhalten die „Impedanz“ sL bzw. sM. Hier wird die Analogie zur komplexen Rechnung erkennbar, die ja nur für eingeschwungene sinusförmige Vorgänge gilt. Ist ein Kondensator zum Zeitpunkt t = 0 auf die Spannung U0 aufgeladen (diese Spannung kann sich zum Zeitpunkt t = 0 nicht sprunghaft ändern), wird das in der s-Ebene durch Reihenschaltung einer Spannungsquelle mit der Spannung U0 /s zum Kondensator berücksichtigt. Die Richtung dieser Spannungsquelle ist die gleiche wie die der Spannung am Kondensator zum Zeitpunkt t = 0. Hinweis: Auch wenn die Spannung dieser Spannungsquelle für t > 0 als konstanter Wert in Erscheinung tritt, obwohl sich der Kondensator in der Regel umlädt, ist das Ergebnis der Berechnung richtig, denn die am Kondensator in der Zeitebene auftretende Spannung entspricht der Summe (vorzeichenrichtig addiert) aus der eventuell vorhandenen Spannung U0 /s und der Spannung am Kondensator 1/sC in der s-Ebene! Fließt durch eine Spule oder Gegeninduktivität zum Zeitpunkt t = 0 ein Strom I0 (dieser Strom kann sich zum Zeitpunkt t = 0 ebenfalls nicht sprunghaft ändern), wird dies durch eine Spannungsquelle mit der Spannung L ⋅ I0 in Reihe zu sL berücksichtigt. Die Richtung dieser Spannungsquelle ist entgegengesetzt zur Richtung des zum Zeitpunkt t = 0 fließenden Stromes I0 (die Spule wird zur Spannungsquelle). Auch hier gilt: Die in der Zeitebene an der Spule auftretende Spannung entspricht der Summe aus der Spannungsquelle mit der Spannung L ⋅ I0 und der an der Spule mit sL anstehenden Spannung (vorzeichenrichtig addiert). Wird das Netzwerk von Spannungs- und/oder Stromquellen ab t = 0 gespeist, ist deren Verlauf in die s-Ebene zu transformieren und entsprechend einzusetzen. Häufig vorkommende Verläufe kann man Tabellen entnehmen, siehe Tabelle I-2. Die zu berechnende Größe wird zunächst in der s-Ebene nach den Regeln einer Netzwerkberechnung mit den dort gültigen Gesetzen (Ohmsches Gesetz, Kirchhoffsche Gesetze, Spannungsteiler, Überlagerungssatz) bestimmt. Dann wird sie unter Anwendung einer Tabelle in die Zeitebene zurücktransformiert. Die in Tabelle I-2 aufgelisteten Äquivalenzen sind für die Hin- und Rücktransformation anwendbar. Zwei Rechenregeln sind wichtig. Regel 1: Besteht die Zeitfunktion aus mehreren Summanden, werden diese einzeln transformiert und in der s-Ebene wieder zu
926
Nachrichtentechnik
einer Summe vereinigt; das gilt entsprechend für eine Summe in der s-Ebene bei Rücktransformation in die Zeitebene. Regel 2: Eine Konstante, mit der die Zeitfunktion multipliziert wird, bleibt als multiplikative Konstante in der s-Ebene erhalten und umgekehrt. Die Spannungen und Ströme haben in der s-Ebene die Einheit Vs bzw. As, was wiederum auf eine Spektralverteilung hindeutet.
Der Schalter in der Zeitebene wird in der s-Ebene durch eine Sprungfunktion der Höhe U1 ersetzt: U1/s (Tabelle I-2, Sprungfunktion 1/s, multipliziert mit der Konstanten U1, Regel 2). Die Widerstände und Kondensatoren gehen gemäß den dargestellten Regeln in die s-Ebene über; der auf die Spannung U0 aufgeladene Kondensator erhält in Reihe eine Spannungsquelle mit der Spannung U0 /s. Die Richtung ist die gleiche wie die der Spannung an C für t = 0. Die gesuchte Spannung UC ist die Reihenschaltung aus U0 /s und der Spannung an 1/sC. Für das Netzwerk können die 3 Gleichungen angesetzt werden:
Tabelle I-2 Korrespondenzen zur Laplacetransformation (Auswahl)
U1 1 U0 = I ⋅ R1 + I 1 ⋅ R 2 ; I = I 1 + I 2 ; I 1 ⋅ R 2 = I 2 ⋅ − s sC s Daraus kann I2 berechnet werden:
F(s)
f(t) 1 ⋅ I2 = R1
1 s
1
1 s2
t
1 s+a
e − at
1 s(s + a)
1 ⋅ (1 − e − at ) a
1
1
(s + a) (s + b) 1 s(s + a) (s + b)
1 U0 − sC s Der erste Summand von UC muß so umgeformt werden, daß ein A entsteht, der dann mit Regel 2 und Tabelle Ausdruck Bs ( s + a )
(I-2) zurücktransformiert werden kann (A, B und a sind Konstante, die kein „s“ enthalten):
UC
a≠b
1 ( e − at − e − bt ) b−a
a≠b
1 b ⋅ e − at − a ⋅ e − bt + ab a ⋅ b( a − b)
2
mit t =
C
uC(t = 0) = U0
a) I U1 s
R1 R 2 C R1 + R 2
4.10 Abtasttheorem von Shannon R2
U1
⎞ ⎟⎟ − U 0 ⎠
Ein einmaliger rechteckförmiger Spannungsverlauf kann dadurch auf das Netzwerk gegeben werden, daß die Spannung U1 zum Zeitpunkt t1 (0 < t1 < ∞) zu Null gemacht wird. Weiterhin wird der Wert der Kondensatorspannung zum Zeitpunkt t1 für die in Reihe zum Kondensator liegende Spannungsquelle vorzeichenrichtig eingesetzt (also den Wert U0/s aus dem ersten Teil durch uC(t1)/s ersetzen). Die weitere Berechnung erfolgt analog zu dem oben gezeigten Rechengang.
Kondensator C zum Zeitpunkt t = 0 auf die Spannung U0 in der eingezeichneten Richtung aufgeladen ist. Zum Zeitpunkt t = 0 wird eine Gleichspannung U = U1 auf das Netzwerk geschaltet. Berechnet werden soll der Verlauf der Spannung am Kondensator C.
R1
R1 + R 2 U R2 − 0 R + R2 s s+ 1 R 2 R1 C
U1 + U 0
−t R2 ⎛ ⎞ ⎛ u C = ⎜ U1 + U 0 ⎟ ⋅ ⎜⎜ 1 − e t ⎝ ⎠ ⎝ R1 + R 2
Beispiel I.6: In Bild I-8 ist ein Netzwerk gezeigt, in dem der
t=0
1 1 = ⋅ ⋅ R1 C s
Der zweite Summand, – U0 /s, wird nach Regel 1 zu – U0 direkt zurücktransformiert. Die am Kondensator stehende Spannung für t ≥ 0 ist damit:
1 − e − at − a ⋅ t ⋅ e − at a2
1 s( s + a)
für UC folgt: UC = I2 ⋅
t ⋅ e − at
(s + a)2
R1 + R 2 R2 R1 + R 2 s+ R 2 R1 C
U1 + U 0
R1
I2(s) R2
I1(s)
1 SC U0 s
UC(s)
b)
Bild I-8 Berechnung eines nichtperiodischen Vorganges mit der Laplace-Transformation a) Netzwerk in der Zeitebene b) Netzwerk in der s-Ebene
Abtasttheorem im Zeitbereich Enthält ein analoges kontinuierliches Signal nur Frequenzanteile bis zu einer maximalen Frequenz fg, so ist der Signalverlauf eindeutig dadurch gegeben, daß nach Bild I-9 das Signal zu diskreten Zeitpunkten T1, T2, T3 usw. abgetastet wird. Für die konstanten zeitlichen Abstände der Abtastimpulse, Tn+1 – Tn, und damit für die Abtastfrequenz fab gilt:
Abtastfrequenz f ab =
1 ≥ 2 ⋅ fg Tn+1 − Tn
fab ≥ 2,2 ⋅ fg
(theoret.) ;
(prakt.)
fg höchste im Signal vorkommende Frequenz in Hz
(I.18)
I Grundlagen der Nachrichtenübertragung
927
s(t)
nik besitzen sie eine große Bedeutung (siehe I.4.11.3): Zum einen als Nutzsignal zur Nachrichtenübertragung, zum anderen als Störsignal in Form von Rauschen. 4.11.1 Rauschen T1 T2 T3
t
Bild I-9 Signalabtastung Es genügt, diese abgetasteten Amplitudenwerte zu übertragen. Der Empfänger kann daraus das Originalsignal durch Zwischenschalten eines Tiefpasses zurückgewinnen. Weitere Einzelheiten dazu folgen bei der Behandlung der Pulsamplitudenmodulation PAM im Kapitel V.4.1. Die meisten vorkommenden Signale sind vom Prinzip her frequenzbandbegrenzt (Sprachsignal enthält aufgrund des Kehlkopfaufbaues nur Frequenzen bis etwa 15 kHz). Aus praktischen Erwägungen heraus könnte es aber erforderlich sein, den im Originalsignal enthaltenen Frequenzbereich einzuschränken, weil dann die Abtastfrequenz verringert werden kann. Die sich hieraus ergebenden Vorteile werden bei den Zeitmultiplexverfahren im Kapitel IX, Mehrfachübertragung, beschrieben. Allerdings bedeutet eine zusätzliche Frequenzbandbegrenzung auch eine Signalverfälschung (z.B. werden sehr schnelle Signaländerungen verlangsamt). Da es keine Filter mit unendlich steiler Flanke bei der maximal zulässigen Frequenz fg gibt und bei der Abtastung eines sinusförmigen Signals mit f = fg möglicherweise immer genau in den Nulldurchgängen abgetastet wird, wählt man die Abtastfrequenz zu fab ≥ 2,2 ⋅ fg. Abtasttheorem im Frequenzbereich Ein Signal mit der begrenzten Zeitdauer Tg läßt sich vollständig durch das Frequenzspektrum bei den diskreten Frequenzen im Abstand Df darstellen:
Frequenzabstand 1 Df ≤ 2 ⋅ Tg Df ≤
1 2 , 2 ⋅ Tg
a) Äußere Quellen:
Atmosphärisches Rauschen: Es entsteht im wesentlichen durch Blitzentladungen von Gewittern. Das Rauschspektrum nimmt oberhalb etwa 10 MHz deutlich ab.
Kosmisches Rauschen: Es handelt sich um die Radiostrahlung entfernter Sterne. Es tritt ab etwa 50 MHz störend in Erscheinung, wenn das atmosphärische Rauschen abgeklungen ist.
b) Innere Quellen:
Widerstandsrauschen oder thermisches Rauschen: Es entsteht in Wirkwiderständen. Der Mittelwert der Rauschspannung u R berechnet sich zu:
Widerstandsrauschen: Rauschspannung uR = 4 kTBR
(I.20a)
k Boltzmann-Konstante 1,38 · 10–23 Ws/K; T absolute (thermodynamische) Temperatur in K; B Bandbreite (ausgewerteter oder berücksichtigter Frequenzbereich) in Hz; R Widerstand in Ω
Der Rauschstrom ergibt sich zu:
Widerstandsrauschen: Rauschstrom iR =
4 kTB R
(I.20b)
Formelgrößen siehe Gleichung (I.20a)
(theoretisch) ; (praktisch)
Rauschen ist ein statistischer Vorgang, der durch Wärmebewegung von Ladungsträgern hervorgerufen wird und deshalb ein stochastisches Signal darstellt. Nach der Herkunft des Rauschens unterscheidet man äußere und innere Quellen.
(I.19)
Tg begrenzte Zeitdauer des Signals in s
Gleichung (I.19) folgt aus der Verknüpfung von Zeit und Frequenz über die Fouriertransformation. Für den Faktor 2,2 gilt die gleiche Begründung wie oben.
4.11 Zufällige (stochastische) Signale Zufällige (stochastische) Signale haben keine erkennbaren zeitabhängigen Gesetzmäßigkeiten, trotzdem besitzen sie in den meisten Fällen sogenannte statistische Kenngrößen, die nicht von der Zeit abhängen, sofern man diese Kenngrößen über einen genügend großen Zeitraum betrachtet. Für die Nachrichtentech-
Ein rauschender Widerstand erzeugt an einem gleich großen nichtrauschenden (d.h. idealisierten) Widerstand bei Leistungsanpassung die Rauschleistung
Rauschleistung u i pR = R ⋅ R = kTB 2 2
bei Leistungsanpassung (I.20c)
Formelgrößen siehe Gleichung (I.20a) Beispiel I.7: Bei Zimmertemperatur (20 °C Ⳏ 293 K) beträgt die
Rauschspannung eines Widerstandes R = 10 kΩ bei einer Bandbreite von 1 MHz:
uR = 4 ⋅ 1,38 ⋅ 10 −23
Ws 1 V ⋅ 293 K ⋅ 106 ⋅ 10 4 = 12,7 mV K s A
Die Rauschleistung errechnet sich zu: p R = 1, 38 ⋅ 10 −23
Ws 1 ⋅ 293 K ⋅ 10 6 = 4 ⋅ 10 −15 W K s
928
Nachrichtentechnik
Sie ist unabhängig vom Wert des Widerstandes. Da die Rauschspannung von der Temperatur abhängt, werden Verstärker für besondere Anwendungen (Empfänger für Signale von Weltraumsonden) im Temperaturbereich von einigen Kelvin betrieben (aber oberhalb der Supraleitung). Die Rauschspannung des 10-kΩWiderstandes würde dann bei 10 K Betriebstemperatur von 12,7 mV auf etwa 2,3 mV absinken.
1/f-Rauschen oder Funkelrauschen: Rauschen, das bei Frequenzen unterhalb 1 kHz auftritt und zu niedrigeren Frequenzen hin zunimmt (Amplitude ∼ 1/f). Es macht sich besonders bei Halbleitern (Transistoren) unangenehm bemerkbar. „Popcorn“-Rauschen: Es handelt sich um sporadisch auftretendes Rauschen mit kurzer Dauer (μsBereich) und Amplituden, die um ein Vielfaches über denen des „normalen“ Rauschens liegen. Es führt in Verstärkerschaltungen häufig zu Übersteuerungen. Schrotrauschen: Es wird verursacht durch ungleichmäßige Ladungsträgerinjektion bzw. -emission in Halbleitern und Elektronenröhren. Das mittlere Stromschwankungsquadrat ist gegeben zu:
i s2 = 2 ⋅ q e ⋅ I ⋅ B
Stromverteilungsrauschen: Es entsteht durch statistische Schwankungen der Stromaufteilung auf Basis und Kollektor bei Transistoren bzw. auf Gitter und Anode bei Elektronenröhren.
c) Weißes Rauschen: Im betrachteten Frequenzbereich sind, über einen größeren Zeitbereich betrachtet, alle Frequenzen mit gleicher Amplitude vorhanden. d) Kennzeichnung der Rauscheigenschaften von Verstärkern und Empfängern: Mit Störabstand wird das Verhältnis von Signalleistung PS zu Störsignalleistung PN bezeichnet:
Störabstand P S= S PN
oder
P S = 10 lg S PN
in dB
Rauschzahl
(I.24)
FZ ist die zusätzliche Rauschzahl, die das (zusätzliche) Rauschen des Vierpols oder Verstärkers angibt; FZ = 0 heißt, daß er rauschfrei ist. a F = 10 lg F in dB
Rauschmaß
P Rauschabstand a r = 10 lg S PN
in db
(I.25) (I.26)
PS Signalleistung (engl. signal); PN Rauschleistung (engl. noise)
Sind zwei Verstärkerstufen hintereinandergeschaltet, wie in Bild I-10 gezeigt, ergibt sich als Gesamtrauschzahl:
Gesamtrauschzahl zweistufiger Verstärker F = F1 +
F2 − 1 G1
(I.27)
(I.21)
In der Rundfunk-Empfangstechnik wird ein Störabstand von 26 dB entsprechend PS /PN ≈ 400 gefordert. Zum Vergleich der Rauscheigenschaften von Verstärkern oder Empfängern wird die Rauschzahl F verwendet. Sie ist definiert als das Verhältnis von Signal- zu Rauschleistung am Eingang bezogen auf das entsprechende Verhältnis am Ausgang:
( P /P ) F= S N e (PS /PN ) a
JV = 1 + FZ J SS
F1 Rauschzahl des Verstärkers 1; F2 Rauschzahl des Verstärkers 2; G1 Leistungsverstärkung des Verstärkers 1
PS Signalleistung (engl. signal); PN Rauschleistung (engl. noise)
Rauschzahl P + PN G ⋅ k ⋅ B ⋅ JV P F = SS = 1+ N = 1+ PSS PSS G ⋅ k ⋅ B ⋅ J SS = 1+
qe Elementarladung des Elektrons 1,6 · 10–19 As; B Bandbreite in Hz; I Anoden- bzw. Halbleiterstrom in A
(I.23)
Die Rauschzahl am Ausgang eines Vierpols (Verstärkers) hängt auch vom Rauschen der Signalquelle ab, deshalb verwendet man bevorzugt die Rauschtemperatur Q. Der Vierpol hat die Leistungsverstärkung G und wird als rauschfrei angenommen. Am Eingang liegt ein Widerstand R, der die gleiche Rauschleistung PN am Ausgang des Vierpols erzeugt wie der Vierpol selber: PN = G ⋅ k ⋅ B ⋅ JV (Gleichung I.20c, Leistungsanpassung; Formelgrößen siehe Gleichung I.20a). JV ist die Rauschtemperatur des Vierpols. Entsprechend rauscht auch die den Vierpol speisende Signalquelle mit der Rauschtemperatur JSS: PSS = G ⋅ k ⋅ B ⋅ JSS. Die effektive Rauschleistung am Ausgang ergibt sich durch Addition: Peff = G ⋅ k ⋅ B(JSS + JV). Der Ausdruck (JSS + JV) wird effektive Rauschtemperatur Jeff genannt. Damit folgt für die Rauschzahl:
Schrotrauschen als Stromschwankungsquadrat:
Rauschmaß F = 10 ⋅ lg( F ) in dB
(I.22)
PS Signalleistung; PN Rauschleistung; Indizes: e Eingang; a Ausgang
G1
G2
Bild I-10 Rauschen eines zweistufigen Verstärkers
Die erste Verstärkerstufe sollte deshalb ein möglichst niedriges Rauschen (F1) und eine hohe Verstärkung (G1) besitzen. 4.11.2 Kenngrößen von stochastischen Signalen a) Mittelwerte: Es werden Definitionen wie in der Meßtechnik verwendet, die auf die Anwendungen in der Nachrichtentechnik zugeschnitten sind. Deshalb
I Grundlagen der Nachrichtenübertragung
929
wird das Integrationsintervall häufig von – T bis +T gewählt, so daß sich der Faktor 1/2 vor dem Integral ergibt.
Arithmetischer Mittelwert T →∞
1 ∫ s ( t ) dt 2 ⋅ T −T
Die im vorigen Kapitel erläuterten Kenngrößen finden Anwendung in der Korrelations-Meß- und -Übertragungstechnik. Das Prinzip soll an zwei Beispielen gezeigt werden.
Quadratischer Mittelwert T
s 2 = lim
T →∞
1 2 ∫ {s ( t )} dt 2 ⋅ T −T
Effektivwert S eff =
Streuung
s2
T
s 2 = lim
T →∞
1 ∫ {s ( t ) − s }2 dt 2 ⋅ T −T
Standardabweichung s =
s2
(I.28)
In der Praxis kann der Grenzübergang T → ∞ nicht verwirklicht werden. Es hat sich aber gezeigt, daß der jeweilige Mittelwert schon nach kurzer Zeit (Erfahrungswert) erreicht wird und sich bei weiterer Erhöhung von T nicht mehr wesentlich ändert. b) Korrelationsfunktionen: Korrelation heißt Ähnlichkeit bzw. Übereinstimmung, auch Verknüpfung.
Autokorrelationsfunktion (AKF): T
1 (I.29) ∫ s ( t ) ⋅ s ( t − t ) dt T →∞ 2 ⋅ T −T Anschaulich beschreibt sie die „innere Ähnlichkeit“ eines Signals mit sich selbst, wenn man beide um die Zeit t gegeneinander verschiebt. FSS ( t ) = lim
Beispiel I.8:
a) Die Autokorrelationsfunktion für eine Gleichspannung U0 berechnet sich zu: FSS(t) = U20 ≠ f(t). Die Ähnlichkeit ist stets gleich groß und maximal. b) Für einen sinusförmigen Verlauf s ( t ) = s ⋅ cos( w t + j ) folgt: s2 cos w t . Wenn t = 0 ist, stimmen beide Signale F SS ( t ) = 2 überein, und die Ähnlichkeit ist maximal. Für wt = ± 90° bzw. ± 270° weichen beide Signale maximal voneinander ab, die Ähnlichkeit ist Null. c) Das Signal ist Rauschen. Da Rauschen ein statistischer Vorgang ist, besteht keinerlei Ähnlichkeit zwischen benachbarten Augenblickswerten, und damit ergibt sich: FSS(t ≠ 0) = 0.
Kreuzkorrelationsfunktion (KKF): T
FS 1 S 2 ( t ) = lim
T →∞
1 ∫ s1 ( t ) ⋅ s 2 ( t − t ) dt 2 ⋅ T −T
(I.30)
Sie gibt die Ähnlichkeit zweier unterschiedlicher Signale an. c) Spektrale Leistungsdichte: Sie ist die Leistung P als Funktion der Frequenz, bezogen auf Df :
Spektrale Leistungsdichte DP FS ( f ) = lim Df → 0 Df
Theorem von Wiener-Khintchine: Die spektrale Leistungsdichte ist die Fouriertransformierte der Autokorrelationsfunktion.
4.11.3 Anwendungen der Kenngrößen von stochastischen Signalen
T
s = lim
(I.31)
a) Die Bilder von Raumsonden sind beim Empfang auf der Erdoberfläche sehr stark durch Rauschen gestört, wobei die Amplituden des Nutzsignales nur ein Bruchteil derjenigen des Störsignales sind. Man veranlaßt deshalb die Raumsonde, dasselbe Bild viele tausendmal zu senden. Mit jedem neu eintreffenden Bild wird die Autokorrelationsfunktion, bestehend aus der Überlagerung von Nutz- und Rauschsignal, mit allen vorhergehenden Bildern gebildet. Das Nutzsignal ist durch das wiederholte Senden ein quasi periodisches Signal, dessen Autokorrelationsfunktion ein Maximum bei t = 0 hat (t = 0 gilt bei periodischen Signalen mit der Periodendauer T auch für T, 2T, 3T, ...). Die Autokorrelationsfunktion des Rauschens geht nach Beispiel I.8 gegen Null, so daß nach einer ausreichenden Anzahl von Bildwiederholungen das Nutzsignal nahezu ungestört übrig bleibt. (Siehe dazu Kapitel XVII.3). b) Das Rauschen eines Verstärkers kann in der Praxis dadurch verringert werden, daß das Nutzsignal in zwei oder mehr getrennten rauschenden Verstärkern parallel verstärkt und von den Ausgangssignalen die Kreuzkorrelationsfunktion gebildet wird. Das Rauschen der Verstärker ist nicht korreliert, so daß es sich teilweise heraushebt. Übrig bleibt das korrelierte Nutzsignal, das eine maximale Übereinstimmung für t = 0 aufweist.
4.12 Verzerrungen Der (komplexe) Frequenzgang oder der (komplexe) Übertragungsfaktor eines Vierpols oder eines Verstärkers ist das Verhältnis einer beliebigen Ausgangsgröße zu einer beliebigen Eingangsgröße. In der Praxis wird es sich meist um gleichartige Größen handeln, z.B. Spannungen. Der komplexe Frequenzgang wird mit H(jw) bezeichnet und kann in Form von Betrag und Phase oder als Summe von Realteil R(w) und Imaginärteil X(w) dargestellt werden:
(Komplexer) Frequenzgang oder (komplexer) Übertragungsfaktor: H ( jw ) = H ( jw ) ⋅ e jb ( w ) = C ⋅ e a ( w ) ⋅ e jb ( w ) = R ( w ) + jX ( w )
(I.32)
a Dämpfungsmaß; b Phasenmaß; C Konstante, falls Eingangs- und Ausgangsgröße unterschiedliche Dimension besitzen, R(w) Realteil, X(w) Imaginärteil
930
Nachrichtentechnik
a wird als Dämpfungsmaß, b als Phasenmaß bezeichnet; P a = lg D = lg 1 P2
D Dämpfungsfaktor; P1 Leistung am Eingang; P2 Leistung am Ausgang; siehe auch Kapitel I.5, Kenngrößen der Übertragungsstrecke
R
u1 a) u1
Hängen a bzw. b von der Frequenz ab, spricht man von Dämpfungsverzerrungen bzw. Phasenverzerrungen.
Dämpfungsverzerrungen: a = f ( w )
Phasenverzerrungen: b = f ( w )
gungsfaktor (Übertragungsfunktion) nach Gleichung I.32 bzw. I.33:
=
1
j arctan ( wRC ) 2 wRC ⋅e 1 + ( wRC ) 2
C
u2
R
u2(t) U0
Bild I-11 RC-Hochpaß
4.12.1 Lineare Verzerrungen Von linearen Verzerrungen spricht man, wenn Eingangs- und Ausgangssignal eines Vierpols oder Verstärkers nicht den gleichen zeitlichen Verlauf haben, aber keine zusätzlichen Frequenzen im Ausgangssignal gegenüber dem Eingangssignal enthalten sind (Fourierzerlegung beider Signale). Sie entstehen häufig dadurch, daß der Vierpol oder Verstärker Tiefpaßverhalten besitzt und damit den Frequenzbereich einschränkt (siehe Beispiel I.9). Diese Verzerrungen sind prinzipiell korrigierbar.
Bild I-12 Lineare Verzerrungen a) RC-Tiefpaß b) Eingangssignal c) linear verzerrtes Ausgangssignal
Sie entstehen an gekrümmten Kennlinien, an denen der Quotient aus Spannung und Strom nicht mehr konstant ist, sondern von der Spannung bzw. dem Strom abhängt (z.B. bei Dioden, spannungsabhängigen Widerständen). Es entstehen zusätzliche neue Frequenzen im verzerrten Ausgangssignal, wie sie sich z.B. ergeben, wenn man als Eingangssignal eine sinusförmige Größe wählt und für die verzerrte Ausgangsgröße die Fourierzerlegung durchführt. Bild I-13 zeigt das Entstehen nichtlinearer Verzerrungen an einer gekrümmten Kennlinie. D
u1 a)
periodisches Rechtecksignal durchläuft einen RC-Tiefpaß nach Bild I-12a. Der Frequenzgang ergibt sich U 1 bei unbelastetem Ausgang zu: H ( jw ) = 2 = . Die U 1 1 + jwRC
Oberschwingungen werden mit wachsender Frequenz zunehmend gedämpft, so daß das Signal am Ausgang in seinem zeitlichen Verlauf verändert ist (Bild I-12c). Durch Reihenschaltung eines weiteren Vierpols mit dem inversen Frequenzgang −1
= (1 + jwRC ) kann das verzerrte Signal
wieder in den Originalzustand versetzt werden.
R
u2
iD u2
Beispiel I.10: Ein
1 ⎛ ⎞ H inv = ⎜ ⎟ ⎝ 1 + jwRC ⎠
t
4.12.2 Nichtlineare Verzerrungen
( wRC ) 2 wRC +j 1 + ( wRC ) 2 1 + ( wRC ) 2
Ein nicht sinusförmiges Signal am Eingang hat am Ausgang eine Phasenverzerrung, da b(w) = arctan (1/wRC) ≠ const. Ebenso treten Dämpfungsverzerrungen auf, da a = f(w).
u1
t
3 T 4
c)
Beispiel I.9: Ein RC-Hochpaß nach Bild I-11 hat den Übertra-
jwRC U2 = = U 1 1 + jwRC
T 4
(I.33)
U1 Eingangsspannung, U2 Ausgangsspannung
H ( jw ) =
U0
b)
Bei Vierpolen verwendet man auch den aus der Regelungstechnik stammenden Begriff „Übertragungsfunktion“ für das Verhältnis von Ausgangs- zu Eingangsspannung bei Leerlauf am Ausgang. U Übertragungsfunktion H ( jw ) = 2 U1 bei Vierpolen, Leerlauf am Ausgang
u2
C
uD u1
b)
Bild I-13 Entstehung von nichtlinearen Verzerrungen an einer idealisierten Diodenkennlinie
I Grundlagen der Nachrichtenübertragung
931
4.12.3 Klirrfaktor
Der Ausdruck 1/ 2 im Zähler und im Nenner ist wegen des Überganges von den Scheitel- zu den Effektivwerten erforderlich.
Der Klirrfaktor dient zur Beurteilung von nichtlinearen Verzerrungen. Zur Bestimmung wird folgendes Verfahren eingesetzt: Der Prüfling (z.B. Verstärker) erhält ein sinusförmiges Eingangssignal mit der Frequenz f0 (bei NF-Verstärkern in der Regel 1 kHz). Aus dem Ausgangssignal wird die Grundschwingung mit der Frequenz f0 ausgefiltert. Ein eventuell verbleibendes Restsignal ist durch nichtlineare Verzerrungen des Verstärkers entstanden, dessen Effektivwert gleich dem Effektivwert aller Oberschwingungen ist. Dieser Wert ist um so größer, je mehr das Ausgangssignal von der Sinusform abweicht. Er heißt Klirrfaktor und ist wie folgt definiert (DIN 40 110 und 40 148):
⎤ p2 ⎡⎛ 1⎞ 2 ⎛ 1 ⎞ 2 ⎛ 1 ⎞ 2 ⎛ 1 ⎞ 2 ⎢ ⎜⎝ ⎟⎠ + ⎜⎝ ⎟⎠ + ⎜⎝ ⎟⎠ + ⎜⎝ ⎟⎠ + ... ⎥ = 1 3 5 7 8 ⎦ ⎣ Damit erhält man:
k=
p2 −1 8 = 0 , 435 oder 43,5% 2 p 8
Klirrfaktor ∞
k=
U + U + U + ... = U + U + U + ... 2 2 2 1
2 3 2 2
2 4 2 3
5 Kenngrößen der Übertragungsstrecke
∑U
2 i
∑U
2 i
i =2 ∞
(I.34)
i =1
U1 Effektivwert der Grundschwingung oder ersten Harmonischen; U2 Effektivwert der ersten Oberschwingung oder zweiten Harmonischen usw.
Er wird meist in % angegeben. Daneben gibt es noch die folgende Darstellung:
Der Faktor 2U0 /p 2 läßt sich im Zähler und im Nenner als gemeinsamer Faktor ausklammern und kürzen. Im Zähler wurde dann in der eckigen Klammer zunächst der Wert (1/1)2 addiert und anschließend wieder abgezogen. Für die eckige Klammer im Zähler und im Nenner gilt:
Klirrfaktor k ′ =
U 22 + U 32 + U 42 + ... U1
(I.35)
Der Zusammenhang zwischen k′ und k ist gegeben durch: k′ k= 1+ k ′2 Je kleiner der Klirrfaktor ist, um so weniger unterscheiden sich k′ und k. Für besondere Anwendungen werden Teilklirrfaktoren verwendet: Teilklirrfaktoren: U U k 2 ≈ k 2′ = 2 ; k 3 ≈ k 3′ = 3 ... (I.36) U1 U1 Das „≈“-Zeichen gilt, wenn die Teilklirrfaktoren viel kleiner als 1 sind. 1 Klirrdämpfung a k = 20 lg (I.37) k
Beispiel I.11: Für den in Bild I-5 dargestellten rechteckförmigen
Signalverlauf gibt Gleichung (I.10) die Fourierreihe an. Setzt man die Effektivwerte in Gleichung (I.34) ein, folgt für den Klirrfaktor: 2
k=
=
2 2 2 ⎤ ⎛ 2U 0 ⎞ ⎡ ⎛ 1 ⎞ ⎛ 1⎞ ⎛ 1⎞ ⎜ ⎟ ⎢ ⎜ ⎟ + ⎜⎝ ⎟⎠ + ⎜⎝ ⎟⎠ + ... ⎥ ⎝ p 2 ⎠ ⎣⎝ 3 ⎠ 5 7 ⎦ 2
2 2 2 2 ⎤ ⎛ 2U 0 ⎞ ⎡ ⎛ 1 ⎞ ⎛ 1⎞ ⎛ 1⎞ ⎛ 1⎞ ⎟ ⎢ ⎜ ⎟ + ⎜⎝ ⎟⎠ + ⎜⎝ ⎟⎠ + ⎜⎝ ⎟⎠ + ... ⎥ ⎜ ⎝ p 2 ⎠ ⎣⎝ 1⎠ 3 5 7 ⎦
⎡⎛ 1⎞ 2 ⎛ 1 ⎞ 2 ⎛ 1 ⎞ 2 ⎛ 1 ⎞ 2 ⎤ ⎢ ⎜⎝ ⎟⎠ + ⎜⎝ ⎟⎠ + ⎜⎝ ⎟⎠ + ⎜⎝ ⎟⎠ + ... ⎥ − 1 3 5 7 ⎣ 1 ⎦ ⎡ ⎛ 1⎞ 2 ⎛ 1 ⎞ 2 ⎛ 1 ⎞ 2 ⎛ 1 ⎞ 2 ⎤ ⎢ ⎜⎝ ⎟⎠ + ⎜⎝ ⎟⎠ + ⎜⎝ ⎟⎠ + ⎜⎝ ⎟⎠ + ... ⎥ 3 5 7 ⎣ 1 ⎦
Unter „Übertragungsstrecke“ werden hier bevorzugt entweder einzelne Vierpole, Verstärker und elektrische Leitungen oder aber Kombinationen aus ihnen verstanden (Hinweis 1: Natürlich lassen sich auch Verstärker und Leitungen unter dem Begriff „Vierpol“ einordnen. Hinweis 2: In Bild I-14 ist ein komplexer Vierpol als Kettenschaltung von Leitung 1 → Verstärker 1 → Leitung 2 → Verstärker 2 → Leitung 3 → Tiefpaßfilter → Leitung 4 dargestellt). Um die Verknüpfung von Eingangs- und Ausgangsgrößen sowohl von Einzelvierpolen als auch von Gesamtvierpolen zu erfassen, wurden die folgenden Kenngrößen definiert (Indizes: 1 Eingang, 2 Ausgang):
5.1 Dämpfungsfaktor
Leistungsdämpfungsfaktor
Spannungsdämpfungsfaktor
Stromdämpfungsfaktor
DP =
DI =
P1 P2
DU =
(I.38a)
U1 U2
I1 I2
(I.38b) (I.38c)
Die Dämpfungsfaktoren sind ≥ 1, wenn die Größen am Ausgang höchstens gleich denen am Eingang sind. Ein Dämpfungsfaktor D < 1 bedeutet damit eine Verstärkung. Da man bei einer Verstärkung aber von der Vorstellung eines Zahlenwertes > 1 ausgeht, hat man Übertragungsfaktoren definiert:
5.2 Übertragungsfaktor Er wird auch mit Verstärkungsfaktor bezeichnet. P2 Leistungsübertragungsfaktor TP = (I.39a) P1
Spannungsübertragungsfaktor TU =
Stromübertragungsfaktor TI =
I2 I1
U2 U1
(I.39b)
(I.39c)
932
Nachrichtentechnik
Da in der Nachrichtentechnik Dämpfungs- und Übertragungsfaktoren (Verstärkungsfaktoren) im Bereich von mehreren Zehnerpotenzen vorkommen und in einer Übertragungskette mehrere dieser Werte miteinander multipliziert werden müssen, hat man logarithmische Maße definiert, bei denen die Multiplikation in eine Addition übergeht. Als Basis dient die Zahl 10 (verwendet bei Vierpolen und Verstärkern) oder die Zahl e = 2,718 ... (verwendet bei elektrischen Leitungen).
5.3 Dämpfungsmaß
v U = − aU = 20 ⋅ lg
U2 U1
in dB für Z 1 = Z 2 (I.41b)
Stromübertragungsmaß v I = − a I = 10 ⋅ lg
I 22 Z 2 ⋅ I 12 Z 1
v I = − a I = 20 ⋅ lg
I2 I1
in dB
in dB für Z 1 = Z 2
(I.41c)
Z1 Eingangswiderstand des Vierpols, reell, Z2 Lastwiderstand am Ausgang des Vierpols, reell
Es wird in Dezibel (dB) angegeben.
Leistungsdämpfungsmaß a P = 10 lg
P1 P2
(I.40a)
in dB
Spannungsdämpfungsmaß U2 Z aU = 10 ⋅ lg 1 ⋅ 22 in dB, Z1 U 2 U2 U aU = 10 ⋅ lg 12 = 20 ⋅ lg 1 U2 U2
Besteht eine Übertragungsstrecke aus der Hintereinanderschaltung („Kettenschaltung“) von mehreren Einzelvierpolen, folgt das Gesamtdämpfungsmaß aus der Summe der Teildämpfungsmaße: a ges = a1 + a 2 + a 3 + ... mit
I 12 ⋅ Z 1 I 22 ⋅ Z 2
in dB für Z 1 = Z 2
in dB;
I2 I a I = 10 ⋅ lg 12 = 20 ⋅ lg 1 I2 I2
5.5 Pegel in dB für Z 1 = Z 2 (I.40c)
Z1 Eingangswiderstand des Vierpols, reell, Z2 Lastwiderstand am Ausgang des Vierpols, reell
Die Bedingung Z1 = Z2 spielt bei der Leistungsanpassung (Verstärker) und der Leitungsanpassung (elektrische Leitungen) eine Rolle. Mit der Beziehung lg[x2] = 2 ⋅ lg[x] ergeben sich dann die dargestellten Formeln. Das Dämpfungsmaß ist positiv, wenn die Ausgangsgröße kleiner ist als die Eingangsgröße. Die Übertragungsmaße (Verstärkungsmaße) ergeben sich analog zu den Gleichungen (I.40).
Häufig interessiert das Verhältnis einer Leistung, einer Spannung oder eines Stromes zu einem beliebigen Bezugswert. Man spricht dann von einem Pegel. Wichtig ist, daß zu einer Pegelangabe der Bezugswert angegeben wird oder dieser Wert bekannt ist. 5.5.1 Absoluter Pegel
Beide Bezeichnungen werden verwendet, und der Wert wird in Dezibel (dB) angegeben. Sie unterscheiden sich vom Dämpfungsmaß durch das Vorzeichen. Das Verstärkungsmaß ist positiv, wenn die Ausgangsgröße größer ist als die Eingangsgröße. Ein positives Verstärkungsmaß ist damit ein negatives Dämpfungsmaß und umgekehrt.
Leistungsübertragungsmaß P v P = − a P = 10 ⋅ lg 2 in dB P1 Spannungsübertragungsmaß U2 Z v U = − aU = 10 ⋅ lg 2 ⋅ 12 in dB Z 2 U1
(I.41a)
Absoluter Leistungspegel P L P abs = 10 ⋅ lg x in dBm 1 mW
(I.43a)
Absoluter Spannungspegel LU abs = 20 ⋅ lg
5.4 Übertragungsmaß, Verstärkungsmaß
(I.42)
aU1 = – 12 dB; aU2 = 25 dB; aU3 = – 40 dB. U1 = 1 mV; U3 = ? mV. aU ges = aU1 + aU2 + aU3 = (– 12 + 25 – 40) dB = – 27 dB. Da Z1 und Z2 nicht gegeben sind, wird Z1 = Z2 gesetzt. aU ges = 20 lg (U1/U3) = – 27 dB. aU ges ist negativ, und damit wird U1 verstärkt. Für U3 folgt: U1/U3 = 10– 27/20, U3 = U1/10– 27/20 = U1/1027/20 = 1 mV ⋅ 22,4 = 22,4 mV.
Stromdämpfungsmaß
a I = 10 ⋅ lg
an = − vn
Beispiel I.12: Gegeben:
(I.40b)
Gesamt-Dämpfungsmaß(-Verstärkungsmaß):
Ux 775 mV
Absoluter Strompegel Ix L I abs = 20 ⋅ lg 1, 29 mA
in dB für Z 1 = Z 2 (I.43b)
in dB für Z 1 = Z 2 (I.43c)
Die Bezugswerte (Zusatz „m“ bei der Leistungsangabe in dB) sind vom Telefon abgeleitet, bei dem an der Hörkapsel eine mittlere elektrische Leistung von 1 mW an 600 Ω (Widerstand des Telefons und Leitungs- oder Wellenwiderstand der Telefonleitung) zur Verständigung ausreicht. 5.5.2 Relativer Pegel
Relativer Leistungspegel P L P = 10 ⋅ lg x in dBr P0
(I.44a)
I Grundlagen der Nachrichtenübertragung
933 • Übertragungsmaß (Pegel) a = L1 – L2 in dB, negativ
Relativer Spannungspegel U LU = 20 ⋅ lg x in dBr mit Z 1 = Z 2 U0
(I.44b)
Es gilt: L1 Pegel am Punkt 1 in dB (LP oder LU oder LI)
Relativer Strompegel I L I = 20 ⋅ lg x in dBr mit Z 1 = Z 2 I0
L2 Pegel am Punkt 2 in dB (LP oder LU oder LI) (I.45) (I.44c)
P0, U0, I0 sind geeignet gewählte Bezugsgrößen. In der Antennen-Meßtechnik wird beispielsweise U0 = 1 mV gewählt, weil bei Antennenspannungen in dieser Größenordnung Mono-Rundfunkempfang möglich wird. Die Angabe erfolgt dann in dB (mV). In der folgenden Tabelle I-3 sind einige Pegelangaben aufgelistet. 5.5.3 Dämpfungsmaß, Übertragungsmaß Sie sind folgendermaßen definiert: • Dämpfungsmaß (Pegel) a = L1 − L 2 in dB, positiv
Ein negatives Dämpfungsmaß ist damit ein Übertragungsmaß und bedeutet, daß die Ausgangsgröße größer ist als die Eingangsgröße. 5.5.4 Pegeldiagramm Um bei komplexen Übertragungsstrecken einen schnellen Überblick über die an jedem Ort herrschenden Pegel bzw. Absolutwerte zu erhalten, verwendet man das Pegeldiagramm. Bild I-14 zeigt ein Beispiel. Zu jedem Ort ist der vorhandene Pegel (hier Spannungspegel) sofort angebbar. Durch die willkürliche aber praktische Festlegung der Eingangsgröße U1 auf einen Pegel von 0 dB kann man außerdem erkennen, ob der Pegel irgendwo einen kritischen Wert unterschreitet, so daß ein Mindest-Störabstand nicht mehr gewährleistet ist.
Tabelle I-3 Beispiele für Pegelangaben Pegelart
Definition
Bezeichnung
Absoluter Leistungspegel
P ⎞ 10 ⋅ lg ⎛⎜ ⎟ ⎝ 1 mW ⎠
dBm
P ⎞ 10 ⋅ lg ⎛⎜ ⎟ ⎝ 1 W⎠
dBW
U ⎛ ⎞ 20 ⋅ lg ⎜ ⎟ ⎝ 775 mV ⎠
dB
⎛ U ⎞ 20 ⋅ lg ⎜ ⎟ ⎝ 1 V⎠
dBV
Relativer Pegel
⎛ P⎞ 10 ⋅ lg ⎜ ⎟ ⎝ P0 ⎠
dBr
Absoluter Pegel in Antennenschaltungen
⎛ U ⎞ 20 ⋅ lg ⎜ ⎟ ⎝ 1 mV ⎠
dB (mV)
Absoluter Pegel, reduziert auf 0-dBr-Punkt
Es gilt: P P P = + dBm dBm0 dBr
Absoluter Spannungspegel
dBm0
Verstärker 1 Verstärker 2 Filter Leitung 2 Leitung 3 Leitung 4 v2 = 45 dB v1 = 20 dB a4 = 6 dB a3 = 10 dB a5 = 5 dB a2 = 25 dB a1 = 15 dB Leitung 1
U1
25 dB
20 dB 0 –20 dB 1V
5 dB –15 dB 1,78 V 0,178 V
15 dB 9 dB
–20 dB 1,78 V 0,1 V
U2
5,62 V 2,82 V
4 dB
1,58 V
Bild I-14 Pegeldiagramm
934
Nachrichtentechnik
II Vierpole, Zweitore I1
1 Vierpol allgemein 1.1 Grundlagen Vierpole (nach DIN 4899 auch „Zweitore“) sind Funktionseinheiten mit zwei Toren, wobei zu jedem Tor ein Klemmenpaar gehört. An eines der Tore wird das Eingangssignal angeschlossen, die zugehörigen Anschlüsse werden mit Eingangsklemmen bezeichnet. Entsprechend wird an den zwei Ausgangsklemmen das Ausgangssignal abgegriffen. Eventuell erforderliche Anschlüsse für eine Stromversorgung werden nicht mitgezählt. Der interne Aufbau besteht aus einer beliebigen Zusammenschaltung von Widerständen, Kondensatoren, Spulen, Transformatoren, Dioden, Transistoren usw. Es wird vorausgesetzt, daß die Vierpole zeitinvariant sind, d.h. die Eigenschaften hängen nicht von der Zeit ab. Im folgenden wird der Begriff „Vierpol“ anstelle von „Zweitor“ verwendet. Vierpole werden in folgender Weise charakterisiert: Passive Vierpole:
Die am Ausgang entnehmbare Leistung ist kleiner oder gleich der am Eingang zugeführten Leistung. Aktive Vierpole: Die am Ausgang entnehmbare Leistung ist größer als die am Eingang zugeführte Leistung. Lineare Vierpole: Innerhalb des Vierpols gilt, daß in jedem Zweig das Verhältnis von Spannung zu Strom nicht vom Strom bzw. der Spannung abhängt. Enthält ein Vierpol nichtlineare Bauelemente wie Dioden, Transistoren oder spannungsabhängige Widerstände, werden deren Kennlinien häufig linearisiert. Dadurch entsteht näherungsweise ein linearer Vierpol. Nichtlineare Vierpole: Die nichtlinearen Kennlinien von z.B. Dioden, Transistoren, spannungsabhängigen Widerständen und Spulen mit Eisen werden nicht linearisiert. Damit ist die funktionale Abhängigkeit zwischen den Eingangs- und Ausgangsgrößen des Vierpols nicht so einfach darstellbar wie bei linearen Vierpolen. Die folgenden Ausführungen setzen lineare, zeitinvariante Vierpole voraus. Die elektrische Leitung ist ein Vierpol besonderer Art. Sie wird deshalb im nächsten Kapitel gesondert behandelt.
I2
U1
U2
a) I1 U1
I2 U2
b)
Bild II-1 Vierpol a) allgemein b) gemeinsamer Anschluß für Ein- und Ausgang Bild II-1 zeigt die für die Ein- und Ausgangsgrößen verwendeten Bezeichnungen (DIN 1344, 40 148). Der Vierpol nach Bild II-1b besitzt die Besonderheit, daß ein Eingangs- und ein Ausgangsanschluß miteinander verbunden sind. Vierpole dieser Art werden bevorzugt verwendet, da die durchgehende Verbindung häufig als Anschlußpunkt für Abschirmungen, für das Gehäusepotential und den Netz-Schutzleiter dient. Auf diese Weise lassen sich Störungen in Signalkreisen klein halten. Die Richtung des Stromes I2 wird in der Regel positiv genommen, wenn er in den Vierpol hineinfließt. Diese Betrachtungsweise ist z.B. für Vierpole in Telefon-Signalkreisen sinnvoll, da Generator (Sprecher) und Verbraucher (Hörer) ihre Rollen tauschen und damit der Signalfluß in beiden Richtungen erfolgt. Die im folgenden dargestellten Beziehungen für Vierpole sind wesentliche Ergebnisse der Vierpoltheorie und sind aus zwei Gründen von besonderer Bedeutung: 1. Umfangreiche Vierpole lassen sich auf wenige sogenannte „Elementarvierpole“ zurückführen bzw. als Kombination aus diesen darstellen. Die Parameter dieser Elementarvierpole sind in Tabelle II-4 zusammengestellt. 2. Mehrere Vierpole können durch geeignet gewählte Parameter der Einzelvierpole auf einfache Weise zu einem Gesamtvierpol zusammengefügt werden (Tabelle II-1 und Bild II-2).
1.2 Vierpolgleichungen, Zusammenschaltung von Vierpolen Der Vierpol wird in seinen Eigenschaften vollständig durch zwei Gleichungen beschrieben, die die vier Größen U1, U2, I1 und I2 nach Bild II-1 miteinander verknüpfen. Je nach Art dieser Verknüpfung ergeben sich unterschiedliche Parameter (Faktoren bei den Spannungen und Strömen, siehe Tabelle II-1, linke Spalte). Die Bedeutung dieser unterschiedlichen Parameter liegt darin, daß eine bestimmte von den
II Vierpole, Zweitore
935
5 möglichen Arten der Zusammenschaltung zweier Einzelvierpole nach Bild II-2a ... e nur mit den zugeordneten Parametern erfolgen kann. Die mittlere Spalte von Tabelle II-1 listet die Arten der Zusammenschaltung auf, während in der rechten Spalte die erforderlichen Parameter stehen und welche Operationen für eine Zusammenschaltung erforderlich sind. Liegen die Parameter in einer anderen als der geforderten Form vor, müssen sie anhand von Tabelle II-2 umgewandelt werden. Hinweise zu Tabelle II-1: 1. Bei den H-Parametern ist alternativ auch die Schreibweise mit kleinen Buchstaben zulässig, um
die Verbindung zu den bei Transistoren verwendeten h-Parametern herzustellen. So wird beispielsweise die Stromverstärkung nicht mehr mit B bzw. b, sondern mit h21 bezeichnet. 2. Bei der Reihen-Parallel- und der Parallel-ReihenSchaltung (Bild II-2c, d) muß der zweite Vierpol zwischen Ein- und Ausgang in der dargestellten Weise „gedreht“ werden. Prinzipiell kann die Zusammenschaltungen zweier Vierpole nach Bild II-2c oder Bild II-2d auf 4 Arten erfolgen. Bild II-2f zeigt am Beispiel der Reihen-ParallelSchaltung, wie bei einer von diesen vier Möglichkeiten der Zusammenschaltung U1b = 0 erzwungen wird.
Tabelle II-1 Vierpolgleichungen und Zusammenschaltung von zwei Vierpolen (siehe Hinweise im Text) Name der Parameter, Vierpolgleichungen
Art der Zusammenschaltung zweier Vierpole (siehe Bild II-2)
Zugehörige Parameteroperationen; Vierpol 1: Index a, Vierpol 2: Index b
Vierpolgleichungen in Leitwertform: Y-Parameter
Eingänge parallel, Ausgänge parallel (Bild II-2a)
Y 11 = Y 11 a + Y 11 b
I 1 = Y 11 ⋅ U 1 + Y 12 ⋅ U 2 I 2 = Y 21 ⋅ U 1 + Y 22 ⋅ U 2
Vierpolgleichungen in Impedanzform: Z-Parameter U 1 = Z 11 ⋅ I 1 + Z 12 ⋅ I 2
Y 12 = Y 12 a + Y 12 b Y 21 = Y 21 a + Y 21 b Y 22 = Y 22 a + Y 22 b
Eingänge in Reihe, Ausgänge in Reihe (Bild II-2b)
U 2 = Z 21 ⋅ I 1 + Z 22 ⋅ I 2
Z 11 = Z 11 a + Z 11 b Z 12 = Z 12 a + Z 12 b Z 21 = Z 21 a + Z 21 b Z 22 = Z 22 a + Z 22 b
Vierpolgleichungen in ReihenParallel- oder Hybrid-Form: H-Parameter
Eingänge in Reihe, Ausgänge parallel (Bild II-2c)
H 11 = H 11 a + H 11 b
U 1 = H 11 ⋅ I 1 + H 12 ⋅ U 2
Achtung: Zweiter Vierpol muß nach Bild II-2c am Ausgang gedreht werden. Erläuterung siehe Bild II-2f
H 22 = H 22 a + H 22 b
I 2 = H 21 ⋅ I 1 + H 22 ⋅ U 2
alternative Schreibweise: h-Parameter
H 12 = H 12 a + H 12 b H 21 = H 21 a + H 21 b h 11 = h 11 a + h 11 b h 12 = h 12 a + h 12 b h 21 = h 21 a + h 21 b
U 1 = h 11 ⋅ I 1 + h 12 ⋅ U 2
h 22 = h 22 a + h 22 b
I 2 = h 21 ⋅ I 1 + h 22 ⋅ U 2
Eingänge parallel, Ausgänge in Reihe. (Bild II-2d)
C 11 = C 11 a + C 11 b
U 2 = C 21 ⋅ U 1 + C 22 ⋅ I 2
Achtung: Zweiter Vierpol muß nach Bild II-2d am Ausgang gedreht werden.
C 22 = C 22 a + C 22 b
Vierpolgleichungen in Kettenform: A-Parameter
Kettenschaltung (Bild II-2e)
Vierpolgleichungen in ParallelReihen-Form: C-Parameter I 1 = C 11 ⋅ U 1 + C 12 ⋅ I 2
U 1 = A 11 ⋅ U 2 + A 12 ⋅ ( − I 2 ) I 1 = A 21 ⋅ U 2 + A 22 ⋅ ( − I 2 )
C 12 = C 12 a + C 12 b C 21 = C 21 a + C 21 b
⎡ A 11 ⎢A ⎣ 21 ⎡ A 11 a ⎢A ⎣ 21 a
A 12 ⎤ = A 22 ⎥⎦ A 12 a ⎤ ⎡ A 11 b A 12 b ⎤ ⋅ A 22 a ⎥⎦ ⎢⎣ A 21 b A 22 b ⎥⎦
Matrizenmultiplikation; Index a: linker Vierpol Index b: rechter Vierpol
936
Nachrichtentechnik Za
Ya
Yb
Zb b)
a)
Ha
Ca
Cb
Hb
c)
d)
Aa
Ab
e)
I2a
I2a
I2
U1a
U1a I2 U1 U1b
f)
U1
I2b
U1b = 0 (erzwungen)
U2
I2b
U2
U1b
g)
Bild II-2 Zusammenschaltung von Vierpolen a) Parallel-Parallel-Schaltung b) Reihen-Reihen-Schaltung c) Reihen-Parallel-Schaltung d) Parallel-Reihen-Schaltung e) Kettenschaltung f) Reihen-Parallel-Schaltung (unterer Vierpol nicht gedreht) g) Reihen-Parallel-Schaltung (unterer Vierpol gedreht)
Auch zwei weitere, hier nicht dargestellte Möglichkeiten, führen dazu, daß eine Spannung zu Null erzwungen wird. Nur die „gedrehte“ Version von Vierpol 2 nach Bild II-2g erfüllt die Bedingungen U1 = U1a + U1b für die Reihenschaltung am Eingang und I2 = I2a + I2b für die Parallelschaltung am Ausgang. In analoger Weise läßt sich die Drehung für die Parallel-Reihen-Schaltung nach Bild II-2d begründen. 3. Bei der Kettenschaltung zweier Vierpole müssen die A-Parameter des links angeordneten Vierpols auch bei der Matrizenmultiplikation links stehen.
Da zwei Gleichungen unabhängig von der Art der Parameter den Vierpol vollständig und eindeutig beschreiben, können die Parameter mit Tabelle II-2 ineinander umgerechnet werden.
1.3 Bestimmung der Vierpolparameter Die Bestimmung der Vierpolparameter wird am Beispiel von Z11 gezeigt. In der Gleichung U1 = Z11 ⋅ I1 + Z12 ⋅ I2 wird I2 durch Leerlauf am Ausgang zu Null erzwungen. Korrekterweise spricht man bei Z11 von der Leerlauf-Eingangsimpedanz. Dann ergibt sich Z11 aus dem Verhältnis U1/I1. Die
II Vierpole, Zweitore
937
Tabelle II-2 Umrechnung von Vierpolparametern
Y
Z
H
C
A
Y
Z
Y 11 Y 21
Z 22 det Z − Z 21 det Z
Y 12 Y 22
Y 22
− Y 12
det Y − Y 21
det Y Y 11
det Y
det Y
1 Y 11 Y 21 Y 11 det Y Y 22 − Y 21 Y 22
− Y 12 Y 11 det Y Y 11 Y 12 Y 22 1 Y 22
− Y 22 −1 Y 21 Y 21 − det Y − Y 11 Y 21 Y 21
Z 11 Z 21
det Z Z 22 − Z 21 Z 22
H − Z 12 det Z Z 11 det Z Z 12 Z 22
Z 12 Z 22 1 Z 22
1 Z 11
− Z 12 Z 11
Z 21
det Z Z 11
Z 11
Z 11 Z 21 1 Z 21
det Z Z 21 Z 22 Z 21
1 H 11 H 21 H 11 det H H 22 − H 21 H 22
C − H 12 H 11 det H H 11 H 12 H 22 1 H 22
H 11
H 12
H 21
H 22
H 22
− H 12
det H − H 21
det H H 11
det H
det H
− det H H 21 − H 22 H 21
Bestimmung von Z12 wird über I1 = 0 erreicht. Diese Impedanz heißt Leerlauf-Übertragungsimpedanz. Obwohl Z11 ohne Berücksichtigung von Z12 (I2 = 0 gesetzt) und Z12 ohne Berücksichtigung von Z11 (I1 = 0 gesetzt) bestimmt worden ist, erfüllen sie die Gesamtgleichung U1 = Z11 ⋅ I1 + Z12 ⋅ I2. Das liegt an der Gültigkeit des Überlagerungssatzes. (Hinweis: Eine Gleichung mit 2 Unbekannten läßt sich so nicht lösen.) Allgemein gilt: I2 = 0 wird durch Leerlauf am Ausgang, I1 = 0 durch Leerlauf am Eingang erzwungen. Analog wird U2 = 0 durch Kurzschluß am Ausgang, U1 = 0 durch Kurzschluß am Eingang erreicht. In Tabelle II-3 sind alle Parameter dargestellt. Da Vierpole im allgemeinen auch Induktivitäten und Kapazitäten enthalten, spricht man korrekterweise von Impedanzen bzw. Admittanzen. Werden die Bezeichnungen Widerstände und Leitwerte bei den Vierpolparametern verwendet, setzt man voraus, daß der Anwender diese Bezeichnungen gegebenenfalls durch die korrekten Begriffe ersetzt.
1.4 Elementarvierpole Häufig lassen sich Vierpole, aufgebaut aus einer Vielzahl von Einzelelementen, auf wenige sogenannte Elementarvierpole zurückführen, deren Vierpolparameter in Tabellen abgelesen werden können und die zur Bildung des Gesamtvierpols entsprechend zu-
− H 11 H 21 −1 H 21
det C C 22 − C 21 C 22 1 C 11 C 21 C 11 C 22 det C − C 21 det C
A C 12 C 22 1 C 22
A 22 A 12 −1 A 12
A − det A A 12 A 11 A 12
− C 12 C 11 det C C 11
A 11 A 21 1 A 21
det A A 21 A 22 A 21
A 12 A 22 −1 A 22
det A A 22 A 21 A 22
A 21 A 11 1 A 11
A − det A A 11 A 12 A 11
A 11
A 12
A 21
A 22
− C 12 det C C 11 det C
C 11
C 12
C 21
C 22
1 C 21 C 11 C 21
C 22 C 21 det C C 21
sammengefügt werden müssen. In Tabelle II-4a sind zunächst die Vierpolparameter der Elementarvierpole „T-Vierpol“ und „p-Vierpol“ dargestellt. Die anschließend aufgelisteten Vierpole „Längswiderstand“, „Querwiderstand“ und die „G-Vierpole 1 und 2“ in Tabelle II-4b sind aus Tabelle II-4a abgeleitet, indem die entsprechenden Impedanzen mit Zn = 0 oder Zn → ∞ eingesetzt werden. Die Z-Parameter existieren beim Längswiderstand nicht, weil entweder I1 oder I2 zu Null erzwungen wird und damit der jeweils andere Strom ebenfalls Null ist (I1 = I2). Dieser steht aber in der Definitionsgleichung im Nenner, so daß man einen unbestimmten Ausdruck erhält. Beim Querwiderstand führen die zu Null erzwungenen Spannungen bei den YParametern zu unbestimmten Ausdrücken.
1.5 Betriebskenngrößen Beim Einsatz von Vierpolen gibt es sechs Verknüpfungen zwischen den Größen U1, U2, I1 und I2. Man bezeichnet sie als Betriebskenngrößen in Vorwärtsrichtung, wenn die Signalflußrichtung im Vierpol von links nach rechts verläuft (Bild II-3a). Entsprechend handelt es sich um Betriebskenngrößen in Rückwärtsrichtung bei einer Signalflußrichtung von rechts nach links (Bild II-3b). Die Lage des Vierpols bleibt dabei unverändert. Diese Kenngrößen sind in Tabelle II-5 dargestellt.
938
Nachrichtentechnik
Tabelle II-3 Definitionen und Bezeichnungen von Vierpolparametern Z-Parameter
Y-Parameter
H-Parameter
C-Parameter
A-Parameter
Z 11 =
U1 I1 I = 0 2
Z 12 =
U1 I 2 I1 = 0
Leerlauf-Übertragungsimpedanz rückwärts
Z 21 =
U2 I 1 I2 = 0
Leerlauf-Übertragungsimpedanz vorwärts
Z 22 =
U2 I 2 I1 = 0
Y 11 =
I1 U 1 U2 = 0
Y 12 =
I1 U 2 U1 = 0
Kurzschluß-Übertragungsadmittanz rückwärts
Y 21 =
I2 U 1 U2 = 0
Kurzschluß-Übertragungsadmittanz vorwärts
Y 22 =
I2 U 2 U1 = 0
H 11 =
U1 I 1 U2= 0
Kurzschluß-Eingangsimpedanz
H 12 =
U1 U 2 I1= 0
Leerlauf-Spannungsrückwirkung
H 21 =
I2 I 1 U2= 0
Kurzschluß-Stromübersetzung vorwärts
H 22 =
I2 U 2 I1= 0
Leerlauf-Ausgangsadmittanz
C 11 =
I1 U 1 I2= 0
Leerlauf-Eingangsadmittanz
C 12 =
I1 I 2 U1= 0
Kurzschluß-Stromrückwirkung
C 21 =
U2 U 1 I2= 0
Leerlauf-Spannungsübersetzung
C 22 =
U2 I 2 U1= 0
Kurzschluß-Ausgangsimpedanz
A 11 =
U1 U 2 I2= 0
reziproke Leerlauf-Spannungsübersetzung vorwärts
A 12 =
U1 − I 2 U2= 0
negative reziproke Kurzschluß-Übertragungsadmittanz vorwärts
A 21 =
I1 U 2 I2= 0
reziproke Leerlauf-Übertragungsimpedanz vorwärts
A 22 =
I1 − I 2 U2= 0
negative reziproke Kurzschluß-Stromübersetzung vorwärts
Leerlauf-Eingangsimpedanz
Leerlauf-Ausgangsimpedanz
Kurzschluß-Eingangsadmittanz
Kurzschluß-Ausgangsadmittanz
II Vierpole, Zweitore
939
Tabelle II-4a Parameter der Elementarvierpole „T-Vierpol“ und „p-Vierpol“ p-Vierpol
T-Vierpol Z1
Z2
(Y)
(Z)
Z2
Z3
Z1
Y 11 =
Z2 + Z3 Z1 Z 2 + Z1 Z 3 + Z 2 Z 3
Y 11 =
Y 12 =
− Z2 Z1 Z 2 + Z1 Z 3 + Z 2 Z 3
Y 12 = −
1 Z2
Y 21 =
− Z2 Z1 Z 2 + Z1 Z 3 + Z 2 Z 3
Y 21 = −
1 Z2
Y 22 =
Z1 + Z 2 Z1 Z 2 + Z1 Z 3 + Z 2 Z 3
Y 22 =
Z 11 = Z 1 + Z 2 Z 12 = Z 2 Z 21 = Z 2 Z 22 = Z 2 + Z 3
Z 12
Z 22
H 11 =
H 12
H 12 =
H 22
1 Z1 + Z 2 − Z2 = Z1 + Z 2 Z2 = Z1 + Z 2 Z Z = Z3 + 1 2 Z1 + Z 2
H 21 = H 22 =
C 11 =
C 12
C 12
C 22
C 21 C 22
Z1 Z2 Z1 + Z2 Z1 Z1 + Z2 − Z1 Z1 + Z2 Z1 + Z2 + Z3 Z 3 (Z1 + Z 2 )
Z1 + Z 2 + Z 3 Z1 (Z 2 + Z 3 ) − Z3 = Z2 + Z3 Z 23 = Z2 + Z3 Z2 Z3 = Z2 + Z3
C 11 =
C 21
1 1 + Z2 Z3
Z1 (Z 2 + Z 3 ) Z1 + Z 2 + Z 3 Z1 Z 3 = Z1 + Z 2 + Z3 Z1 Z 3 = Z1 + Z 2 + Z3 Z (Z + Z 2 ) = 3 1 Z1 + Z 2 + Z 3
H 11 =
H 21
(C)
Z1 Z 2 + Z1 Z 3 + Z 2 Z 3 Z2 + Z3 Z2 = Z2 + Z3 − Z2 = Z2 + Z3 1 = Z2 + Z3
1 1 + Z1 Z 2
Z 11 =
Z 21
(H)
Z3
940
(A)
Nachrichtentechnik
A 11 = 1 +
Z1 Z2
A 12 = Z 1 + Z 3 + A 21 =
A 11 = 1 +
A 12 = Z 2 1 1 Z2 A 21 = + + Z1 Z 3 Z1 Z 3 Z A 22 = 1 + 2 Z1
Z1 Z 3 Z2
1 Z2
A 22 = 1 +
Z2 Z3
Z3 Z2
Tabelle II-4b Parameter von vereinfachten Elementarvierpolen aus Tabelle II-4a Längswiderstand
Querwiderstand
G-Vierpol 1 Z2
Z
Z
(Y)
Y 11 =
(H)
Z1
Z2
1 1 + Z1 Z 2 1 =− Z2 1 =− Z2 1 = Z2
1 Z1
Y 11 =
Y 12 = −
Y 12
Y 12 = −
Y 21
Y 21
existieren nicht
1 Z 1 =− Z 1 = Z
existieren nicht
Y 22
Z 11 = Z 1
Z 11 = Z 1 + Z 2
Z 12 = Z 1
Z 12 = Z 2
Z 21 = Z Z 22 = Z
Z 21 = Z 1 Z 22 = Z 1 + Z 2
Z 21 = Z 2 Z 22 = Z 2
H 11 = 0
H 12 = 1
H 12 = 1
H 21 = −1 H 22 = 0
H 21 = −1 1 H 22 = Z
C 12 = −1 C 21 = 1 C 22 = Z
Y 22
Z 12 = Z
H 11 = Z
C 11 = 0
Y 21
1 Z1 1 =− Z1 1 1 = + Z1 Z 2
Z 11 = Z
1 Z = −1
Z1 Z 2 Z1 + Z 2 Z1 = Z1 + Z 2 Z1 =− Z1 + Z 2 1 = Z1 + Z 2
H 11 = H 12 H 21 H 22
(C)
Z1
Y 11 =
Y 22
(Z)
1 Z
G-Vierpol 2
1 Z1
C 11 =
C 11 =
C 12
C 12 = −1
C 21 = 1 C 22 = 0
C 21 = 1 C 22 = Z 2
H 11 = Z 1 H 12 = 1 H 21 = −1 H 22 =
1 Z1 + Z 2 Z2 =− Z1 + Z 2 Z2 = Z1 + Z 2 Z Z = 1 2 Z1 + Z 2
C 11 = C 12 C 21 C 22
1 Z2
II Vierpole, Zweitore
941 A 11 = 1 A 12 = 0
A 11 = 1
(A)
A 12 = Z A 21 = 0 A 22 = 1
A 22
I1
I2
G U1 a)
Vierpol
b)
Za
U2
Signalflußrichtung
I1 Ze
1 Z =1
A 21 =
U1
I2 Vierpol
U2
A 11 = 1
A 11 = 1 +
A 12 = Z 2 A 21 =
A 12 = Z 1
1 Z1
A 22 = 1 +
Z1 Z2
Z2 Z1
1 Z2 =1
A 21 = A 22
Tabelle II-5 Definitionen der Betriebskenngrößen (nach [II.1]) Betriebskenngröße im Vorwärtsbetrieb
Definition
Eingangsadmittanz
Y in =
I1 U1
Eingangsimpedanz
Z in =
U1 I1
Übertragungsadmittanz vorwärts
Y üf =
I2 U1
Übertragungsimpedanz vorwärts
Z üf =
U2 I1
Spannungsübersetzung vorwärts
v uf =
U2 U1
Stromübersetzung vorwärts
v if =
I2 I1
Betriebskenngröße im Rückwärtsbetrieb
Definition
Ausgangsadmittanz
Y out =
I2 U2
Ausgangsimpedanz
Z out =
U2 I2
Übertragungsadmittanz rückwärts
Y ür =
I1 U2
Übertragungsimpedanz rückwärts
Z ür =
U1 I2
Spannungsübersetzung rückwärts
v ur =
U1 U2
Stromübersetzung rückwärts
v ir =
I1 I2
G
Signalflußrichtung
Bild II-3 Signalflußrichtung bei Vierpolen a) Vorwärtsrichtung b) Rückwärtsrichtung
Da im allgemeinen Fall an den Ausgang eines in Vorwärtsrichtung betriebenen Vierpols eine Lastimpedanz Za nach Bild II-3 angeschlossen ist, sind die Betriebskenngrößen in Tabelle II-6 für diesen Fall aufgelistet. Für Vierpole in Rückwärtsrichtung ist der Eingang mit einer Lastimpedanz Ze beschaltet. Die in Tabelle II-6 aufgelisteten Betriebskenngrößen vereinfachen sich dann, wenn die Lastimpedanz entweder Null ist (Kurzschluß am Ein- bzw. Ausgang, entspricht einer unendlich großen Lastadmittanz) oder unendlich groß ist (Leerlauf am Ein- bzw. Ausgang, entspricht einer Lastadmittanz Null). In Tabelle II-7 sind die entsprechenden Größen eingetragen.
942
Nachrichtentechnik
Tabelle II-6 Betriebskenngrößen mit Lastadmittanz Ya bzw. Ye Betriebskenngrößen in Vorwärtsrichtung Y-Parameter
Z-Parameter
H-Parameter
C-Parameter
A-Parameter
Yin
det Y + Y 11 ⋅ Y a Y 22 + Y a
1 + Z 22 ⋅ Y a Z 11 + Y a ⋅ det Z
H 22 + Y a det H + H 11 ⋅ Y a
C 11 + Y a ⋅ det C 1 + C 22 ⋅ Y a
A 21 + A 22 ⋅ Y a A 11 + A 12 ⋅ Y a
Zin
Y 22 + Y a det Y + Y 11 ⋅ Y a
Z 11 + Y a ⋅ det Z 1+ Z 22 ⋅ Y a
det H + H 11 ⋅ Y a H 22 + Y a
1 + C 22 ⋅ Y a C 11 + Y a ⋅ det C
A 11 + A 12 ⋅ Y a A 21 + A 22 ⋅ Y a
Yüf
Y 21 ⋅ Y a Y 22 + Y a
− Z 21 ⋅ Y a Z 11 + Y a ⋅ det Z
H 21 ⋅ Y a det H + H 11 ⋅ Y a
− C 21 ⋅ Y a 1 + C 22 ⋅ Y a
−Y a A 11 + A 12 ⋅ Y a
Züf
− Y 21 det Y + Y 11 ⋅ Y a
Z 21 1+Z 22 ⋅ Y a
− H 21 H 22 + Y a
C 21 C 11 + Y a ⋅ det C
1 A 21 + A 22 ⋅ Y a
vuf
− Y 21 Y 22 + Y a
Z 21 Z 11 + Y a ⋅ det Z
− H 21 det H + H 11 ⋅ Y a
C 21 1 + C 22 ⋅ Y a
1 A 11 + A 12 ⋅ Y a
vif
Y 21 ⋅ Y a det Y + Y 11 ⋅ Y a
− Z 21 ⋅ Y a 1+Z 22 ⋅ Y a
H 21 ⋅ Y a H 22 + Y a
− C 21 ⋅ Y a C 11 + Y a ⋅ det C
−Y a A 21 + A 22 ⋅ Y a
Betriebskenngrößen in Rückwärtsrichtung Y-Parameter
Z-Parameter
H-Parameter
C-Parameter
A-Parameter
Yout
det Y + Y 22 ⋅ Y e Y 11 + Y e
1 + Z 11 ⋅ Y e Z 22 + Y e ⋅ det Z
H 22 + Y e ⋅ det H 1 + H 11 ⋅ Y e
C 11 + Y e det C + C 22 ⋅ Y e
A 21 + A 11 ⋅ Y e A 22 + A 12 ⋅ Y e
Zout
Y 11 + Y e det Y + Y 22 ⋅ Y e
Z 22 + Y e ⋅ det Z 1+Z 11 ⋅ Y e
1 + H 11 ⋅ Y e H 22 + Y e ⋅ det H
det C + C 22 ⋅ Y e C 11 + Y e
A 22 + A 12 ⋅ Y e A 21 + A 11 ⋅ Y e
Yür
Y 12 ⋅ Y e Y 11 + Y e
− Z 12 ⋅ Y e Z 22 + Y e ⋅ det Z
− H 12 ⋅ Y e 1 + H 11 ⋅ Y e
C 12 ⋅ Y e det C + C 22 ⋅ Y e
− Y e ⋅ det A A 22 + A 12 ⋅ Y e
Zür
− Y 12 det Y + Y 22 ⋅ Y e
Z 12 1+Z 11 ⋅ Y e
H 12 H 22 + Y e ⋅ det H
− C 12 C 11 + Y e
det A A 21 + A 11 ⋅ Y e
vur
− Y 12 Y 11 + Y e
Z 12 Z 22 +Y e ⋅ det Z
H 12 1 + H 11 ⋅ Y e
− C 12 det C + C 22 ⋅ Y e
det A A 22 + A 12 ⋅ Y e
vir
Y 12 ⋅ Y e det Y + Y 22 ⋅ Y e
− Z 12 ⋅ Y e 1+Z 11 ⋅ Y e
H 22 + Y e ⋅ det H
C 12 ⋅ Y e C 11 + Y e
− Y e ⋅ det A A 21 + A 11 ⋅ Y e
− H 12 ⋅ Y e
Hinweise: det Z = Z 11 ⋅ Z 22 − Z 12 ⋅ Z 21 det Y = Y 11 ⋅ Y 22 − Y 12 ⋅ Y 21 det C = C 11 ⋅ C 22 − C 12 ⋅ C 21 det H = H 11 ⋅ H 22 − H 12 ⋅ H 21 det A = A 11 ⋅ A 22 − A 12 ⋅ A 21
Es wurde die Admittanz Ya bzw. Ye an Stelle der Impedanz Za bzw. Ze eingesetzt, weil sich dadurch eine übersichtlichere Schreibweise ergibt. Die Umrechnung geschieht über Ya = 1/ Za; Ye = 1/ Ze.
II Vierpole, Zweitore
943
Tabelle II-7 Betriebskenngrößen für die Sonderfälle „Kurzschluß“ und „Leerlauf“ Betriebskenngrößen in Vorwärtsrichtung bei Leerlauf am Ausgang (Za → ∞) Y-Parameter
Z-Parameter
H-Parameter
C-Parameter
A-Parameter
Yin
det Y Y 22
1 Z 11
H 22 det H
C 11
A 21 A 11
Zin
Y 22 det Y
Z 11
det H H 22
1 C 11
A 11 A 21
Yüf
0
0
0
0
0
Züf
−Y 21 det Y
Z 21
− H 21 H 22
C 21 C 11
1 A 21
vuf
− Y 21 Y 22
Z 21 Z 11
− H 21 det H
C 21
1 A 11
vif
0
0
0
0
0
Betriebskenngrößen in Rückwärtsrichtung bei Leerlauf am Eingang (Ze → ∞)
Y-Parameter
Z-Parameter
H-Parameter
C-Parameter
A-Parameter
Yout
det Y Y 11
1 Z 22
H 22
C 11 det C
A 21 A 22
Zout
Y 11 det Y
Z 22
1 H 22
det C C 11
A 22 A 21
Yür
0
0
0
0
0
Zür
−Y 12 det Y
Z 12
H 12 H 22
− C 12 C 11
det A A 21
vur
− Y 12 Y 11
Z 12 Z 22
H 12
− C 12 det C
det A A 22
vir
0
0
0
0
0
Betriebskenngrößen in Vorwärtsrichtung bei Kurzschluß am Ausgang (Za = 0) Y-Parameter
Z-Parameter
H-Parameter
C-Parameter
A-Parameter
det C C 22
A 22 A 12
Yin
Y 11
Z 22 det Z
1 H 11
Zin
1 Y 11
det Z Z 22
H 11
C 22 det C
A 12 A 22
Yüf
Y 21
− Z 21 det Z
H 21 H 11
− C 21 C 22
1 A 12
Züf
0
0
0
0
0
vuf
0
0
0
0
0
vif
Y 21 Y 11
det Z Z 22
H 21
− C 21 det C
1 A 22
944
Nachrichtentechnik
Betriebskenngrößen in Rückwärtsrichtung bei Kurzschluß am Eingang (Ze = 0) Y-Parameter
Z-Parameter
H-Parameter
C-Parameter
A-Parameter
Yout
Y 22
Z 11 det Z
det H H 11
1 C 22
A 11 A 12
Zout
1 Y 22
det Z Z 11
H 11 det H
C 22
A 12 A 11
Yür
Y 12
− Z 12 det Z
− H 12 H 11
C 12 C 22
− det A A 12
Zür
0
0
0
0
0
vur
0
0
0
0
0
vir
Y 12 Y 22
− Z 12 Z 11
− H 12
C 12
− det A A 11
det H
Beispiel II.1: In Bild II-4 ist ein Netzwerk gezeigt, mit dem RC-
Damit ergibt sich für A11:
Oszillatoren aufgebaut werden können. Es dient dazu, bei einer Frequenz f = f0 einen Phasenwinkel von 180° zwischen U1 und U2 zu erzeugen (Gegenphase, deshalb ist das Vorzeichen ohne Bedeutung). Die für eine Gesamtphasenverschiebung von 360° erforderlichen weiteren 180° werden mit einem Transistor bzw. einer Operationsverstärkerschaltung erreicht.
R U1
a) U1
C
R
R
= (1 + jwRC ) (1 + jwRC ) + ( 2 R + R 2 jwC ) ( 2 jwC − w 2 C 2 R ) = (1 + 2 jwRC − w 2 C 2 R 2 + 4 jwCR − 2 w 2 C 2 R 2 − 2 w 2 C 2 R 2 − jw 3 C 3 R 3 ) = 1 + 6 jwRC − 5 w 2 C 2 R 2 − jw 3 C 3 R 3
R
C
= 1 − 5 w 2 C 2 R 2 + jwRC ( 6 − w 2 R 2 C 2 ) Für einen Phasenwinkel 0° oder 180° muß der Imaginärteil von 1/A11 und damit von A11 Null sein, d.h. es muß gelten: 6 6 − w02 R 2 C 2 = 0 . Für die Frequenz folgt: w0 = . Setzt man RC diesen Wert in die Gleichung für 1/A11 ein, ergibt sich:
U2
C
R
R
C
T-Vierpol
A 11 = A 11 TVP ⋅ A 11 pVP + A 12 TVP ⋅ A 21 pVP
C
C
1 1 = = A 11 w 1 − 5 C 2 R 2 w 02 0
U2
b)
Berechnet werden soll diese Frequenz in Abhängigkeit von R und C und das Verhältnis von Ausgangsspannung zu Eingangsspannung bei dieser Frequenz. Das Netzwerk wird zerlegt in die Elementar-Vierpole „T-Vierpol“ und „p-Vierpol“. Da beide in Kettenschaltung zusammengeschaltet sind, werden nach Tabelle II-1 die A-Parameter beider Vierpole benötigt. Gesucht ist vuf. Der Ausgang ist nicht belastet, so daß sich nach Tabelle II-7 vuf = 1/A11 ergibt. A11 ist das Ergebnis der Matrizenmultiplikation der A-Parameter beider Vierpole. Da hier nur ein Parameter zu berechnen ist, genügt es, von dem links angeordneten T-Vierpol die obere Zeile, also A11TVP und A12TVP zu bestimmen, von dem rechts stehenden p-Vierpol die erste Spalte, also A11pVP und A21pVP. Diese Parameter werden Tabelle II-4a entnommen, in die die Bauelemente aus Bild II-4 eingesetzt werden:
A 11TVP = 1 + RjwC ; A 12TVP = R + R + R 2 jwC A 11 p VP = 1 + RjwC ; A 21 p VP = jwC + jwC + RjwCjwC = 2 jwC − w 2 C 2 R
⎛ 6⎞ 1 − 5C R ⎜ ⎟ ⎝ RC ⎠
2
=−
2
1 29
Da der Wert negativ ist, beträgt die Phasenverschiebung bei w0 zwischen Ein- und Ausgangsspannung 180°, die Amplitude ist am Ausgang auf 1/29 abgesunken.
p-Vierpol
Bild II-4 Phasenschieber-Netzwerk (zu Beispiel II.1) a) Netzwerk b) Zerlegung in zwei Elementarvierpole
1 2
Beispiel II.2: Das Phasenschieber-Netzwerk aus Bild II-4 ist am
Ausgang mit einem Widerstand Ra belastet, Bild II-5.
R U1
R
R C
C
C
U2
Ra
a) R U1
R
C
T-Vierpol
R
C
Ra
C
U2
p-Vierpol
b)
Bild II-5 Phasenschieber-Netzwerk (zu Beispiel II.2), am Ausgang belastet a) Netzwerk b) Einbeziehen von Ra in den p-Vierpol
II Vierpole, Zweitore Zur Berechnung der Spannungsverstärkung vorwärts wird ent1 verwendet, oder der A 11 + A 12 ⋅ Y a
945
weder die Formel v uf =
I0
Widerstand Ra wird mit dem parallel liegenden Kondensator zu1 Ra ⋅ Ra jwC = sammengefaßt zu: Z ges = . Dieser Wert 1 1 + R a jwC Ra + jwC
a)
G Ye
Ye
U1
wird in die Formel aus Beispiel 1 an entsprechender Stelle eingesetzt: A 11 TVP = 1 + RjwC ; A 12 TVP = R + R + R 2 jwC A 11 pVP = 1 +
A 21 pVP = jwC +
Z ges
RjwC Z ges jwC + 1 + RjwC + = Z ges Z ges
Za
U2
2 Z a UG
Vierpol
Ze U0
I0
I2
G
Za
Vierpol
Z ges + R R ; = Z ges Z ges 1
Vierpol
Za
I1 Ze
G
Vierpol
U0
b)
Nach einigen Umformungen folgt schließlich:
Ra U 1 . = 2 = A 11 U 1 ⎛ R a (1 − 5 w 2 R 2 C 2 ) + R ( 3 − R 2 w 2 C 2 ) ⎞ ⎜ ⎟ 2 2 2 ⎝ + jwRC ( 6 R a + 4 R − w R C R a ) ⎠
Bild II-6 Übertragungssymmetrische Vierpole a) Stromeinspeisung b) Spannungseinspeisung
Für Ra → ∞ folgt daraus der Wert aus Beispiel 1. Der Phasenwinkel beträgt Null oder 180° für 6Ra + 4R – w20R2C2Ra = 0; d.h.
w0 =
6 Ra + 4 R R 2 C 2 Ra
=
1 4R 6+ RC Ra
Setzt man diesen Wert ein, ergibt sich nach einiger Rechnung: U 1 1 = 2 = A 11 w U1 w R R2 0 0 − 29 − 23 −4 2 Ra Ra
Re
R2
Ie
I2
R1
U0
Ra
a) R2
I1
Der Wert ist negativ, demnach handelt es sich um den Phasenwinkel 180°. Auch hier bekommt man das Ergebnis aus Beispiel II.1 mit Ra → ∞.
Re
Ia Ra U0
R1
2 Spezielle Vierpole
b)
In der Vermittlungstechnik (Telefon) werden Vierpole benötigt, bei denen der Signalfluß in Vorwärts- und Rückwärtsrichtung gleich sein muß. Hat ein Vierpol diese und andere besondere Eigenschaften, lassen sie sich an den Vierpolparametern ablesen.
Bild II-7 Zur Ableitung der Übertragungssymmetrie (zu Beispiel II.3) a) Speisung am Eingang mit U0 b) Speisung am Ausgang mit U0
Ie =
2.1 Übertragungssymmetrische (reziproke) Vierpole Ein Vierpol ist übertragungssymmetrisch (kopplungssymmetrisch, reziprok), wenn für ihn der Kirchhoffsche Umkehrungssatz gilt (Bild II-6): Bei Stromeinspeisung mit I0 am Eingang und anschließend am Ausgang muß gelten: U1 = U2. Bei Spannungseinspeisung lautet die Bedingung: I1 = I2. Passive Vierpole sind übertragungssymmetrisch. Beispiel II.3: Bild II-7 zeigt einen Gamma-Vierpol, an dem die
Übertragungssymmetrie gezeigt werden soll. Der Einfachheit halber werden ohmsche Widerstände und eine Gleichspannungsquelle eingesetzt. Für die Speisung am Eingang (Bild II-7a) folgt: −I2 R1 = ; Ie R1 + R 2 + R a
U0 U 0 ( R1 + R 2 + R a ) ; = R1 ( R 2 + R a ) ( R1 + R 2 + R a ) R e + R1 ( R 2 + R a ) Re + R1 + R 2 + R a
− I2 =
U 0 ⋅ R1 R e ( R1 + R 2 + R a ) + R1 ( R 2 + R a )
In analoger Weise folgt bei Speisung am Ausgang (Bild II-7b):
I1 R1 ; = − I a R1 + R e Ia =
U0 R ⋅R Ra + R2 + 1 e R1 + R e
− I1 =
=
U 0 ( R1 + R e ) ( R1 + R e ) ( R a + R 2 ) + R1 ⋅ R e
;
U 0 ⋅ R1 R e ( R1 + R 2 + R a ) + R1 ( R 2 + R a )
Es gilt: I1 = I2. Damit ist der Vierpol übertragungssymmetrisch. Allgemein kann man die folgenden Bedingungen für übertragungssymmetrische Vierpole ableiten (Tabelle II-8):
946
Nachrichtentechnik
Tabelle II-8 Bedingungen für übertragungssymmetrische Vierpole Y-Parameter
Z-Parameter
H-Parameter
C-Parameter
A-Parameter
Y 12 = Y 21
Z 12 = Z 21
H 12 = − H 21
C 12 = − C 21
det A = 1
2.2 Widerstandssymmetrische Vierpole Bei widerstandssymmetrischen Vierpolen sind die Eingangsimpedanz bei beliebiger Abschlußimpedanz in Vorwärtsrichtung und die Ausgangsimpedanz (Blick vom Ausgang in den Vierpol hinein) bei gleicher Abschlußimpedanz am Eingang gleich. Die Bedingungen lauten (Tabelle II-9):
Ein Beispiel für einen nahezu rückwirkungsfreien Vierpol ist ein von einer Sendeantenne ausgesandtes elektromagnetisches Feld. Senderseitig läßt sich nicht feststellen, wie viele Lastimpedanzen in Form von Empfängerantennen vorhanden sind, sofern sie sich im Fernfeld der Senderantenne befinden (siehe Kapitel IV.1).
Tabelle II-9 Bedingungen für widerstandssymmetrische Vierpole
Y-Parameter
Z-Parameter
H-Parameter
C-Parameter
A-Parameter
Y 11 = Y 22
Z 11 = Z 22
det H = 1
det C = 1
A 11 = A 22
2.3 Längssymmetrische Vierpole
3 Wellenparameter passiver Vierpole
Bei längssymmetrischen Vierpolen sind alle Betriebseigenschaften unabhängig von der Betriebsrichtung, d.h. sie sind sowohl übertragungssymmetrisch als auch widerstandssymmetrisch. Damit ergeben sich die Bedingungen für die Parameter nach Tabelle II-10:
Die Leitungstheorie ist ein Teil der Vierpoltheorie und arbeitet mit Wellenparametern anstelle von Vierpolparametern. Da elektrische Leitungen als passive Vierpole übertragungssymmetrisch sind, hat man hierfür Wellenparameter festgelegt.
Tabelle II-10 Bedingungen für längssymmetrische Vierpole
Y-Parameter
Z-Parameter
H-Parameter
C-Parameter
A-Parameter
Y 11 = Y 22
Z 11 = Z 22
det H = 1
det C = 1
A 11 = A 22
Y 12 = Y 21
Z 12 = Z 21
H 12 = − H 21
C 12 = − C 21
det A = 1
Beispiel II.4: Der in Tabelle II-4a dargestellte T-Vierpol ist dann
längssymmetrisch, wenn nach Tabelle II-10 gilt: Z11 = Z22 und Z12 = Z21. Das ist der Fall, wenn gilt: Z1 = Z3. Dieses Ergebnis entspricht auch der Anschauung, da man bei längssymmetrischen Vierpolen nicht unterscheiden kann, ob man ihn in Vorwärts- oder Rückwärtsrichtung betreibt.
2.4 Rückwirkungsfreie Vierpole Wirkt die Ausgangsgröße nicht auf den Eingang zurück, spricht man von einem rückwirkungsfreien Vierpol. Passive Vierpole besitzen diese Eigenschaft nicht; in der Praxis kann man sie nur näherungsweise erfüllen. Bei Transistoren bemüht man sich, die Rückwirkung auf den Eingang so klein wie möglich zu machen. Tabelle II-11 stellt die notwendigen Bedingungen dar.
3.1 Allgemeine passive Vierpole Wird ein Vierpol in Vorwärtsrichtung betrieben und mit einer Lastimpedanz Za belastet (Bild II-8a), ergibt sich am Eingang die Eingangsimpedanz Zin. Sie ist abhängig vom Vierpol und der Lastimpedanz Za und läßt sich wie folgt berechnen: U 1 = Z 11 ⋅ I 1 + Z 12 ⋅ I 2 (1. Vierpolgleichung); Division durch
I1:
Z ⋅I U1 = Z 11 + 12 2 I1 I1
U 2 = Z 21 ⋅ I 1 + Z 22 ⋅ I 2 (2. Vierpolgleichung); Division durch
I2:
U2 I = Z 21 −: 1 + Z 22 I2 I2
Tabelle II-11 Bedingungen für rückwirkungsfreie Vierpole
Y-Parameter
Z-Parameter
H-Parameter
C-Parameter
A-Parameter
Y 12 = 0
Z 12 = 0
H 12 = 0
C 12 = 0
det A = 0
II Vierpole, Zweitore
Es gilt:
−U 2 = Za; I2
947 1 I1 ; = ( − Z a − Z 22 ) ⋅ I2 Z 21
Ausgangsimpedanz A ⋅ Z + A 12 Z out = 22 e A 21 ⋅ Z e + A 11
eingesetzt in die oberste Gleichung:
Eingangsimpedanz Z ◊Z Z in = Z 11 - 12 21 Z a + Z 22
Sonderfall Kurzschluß am Eingang (Ze = 0): A Z out K = 12 A 11
Sonderfall Kurzschluß am Ausgang (Za = 0): Z ◊Z det Z Z in K = Z 11 - 12 21 = Z 22 Z 22 Sonderfall Leerlauf am Ausgang (Za → ∞): Z in L = Z 11
Sonderfall Leerlauf am Eingang (Ze → ∞): A Z out L = 22 A 21
I2 Z in a) Ze
Vierpol
U2
Za
I1 U1
Vierpol
Z out
3.2 Längssymmetrische passive Vierpole Elektrische Leitungen sind längssymmetrische Vierpole, und deshalb sind die Wellenparameter besonders für diese Vierpole von Bedeutung. Für längssymmetrische Vierpole gilt nach Tabelle II-10: Z11 = Z22, Z12 = Z21, A11 = A22, det A = 1. Dann ergeben sich Eingangs- und Ausgangsimpedanz zu:
b)
Bild II-8 Eingangs- und Ausgangsimpedanz eines belasteten Vierpols a) Zin bei Za am Ausgang b) Zout bei Ze am Eingang In entsprechender Weise erhält man beim Betrieb in Rückwärtsrichtung und Lastimpedanz Ze am Eingang die Ausgangsimpedanz Zout (am Ausgang in den Vierpol hineingesehen):
Ausgangsimpedanz Z ◊Z Z out = Z 22 - 12 21 Z 11 + Z e
Sonderfall Kurzschluß am Eingang (Ze = 0): Z ⋅Z Z out K = Z 22 − 12 21 Z 11
Sonderfall Leerlauf am Eingang (Ze → ∞): Z out L = Z 22
Durch entsprechenden Ansatz weiterer Vierpolgleichungen können die Ein- und Ausgangsimpedanzen in Abhängigkeit von den Y-, C-, H- und A-Parametern dargestellt werden. Mit den A-Parametern ergibt sich:
Eingangsimpedanz A ⋅ Z + A 12 Z in = 11 a A 21 ⋅ Z a + A 22
Sonderfall Kurzschluß am Ausgang (Za = 0): A Z in K = 12 A 22
Sonderfall Leerlauf am Ausgang (Za → ∞): A Z in L = 11 A 21
Eingangsimpedanz 2 Z 12 A ◊ Z + A12 Z in = Z 11 = 11 a Z 11 + Z a A21 ◊ Z a + A11 Ausgangsimpedanz 2 A ⋅ Z + A 12 Z 12 Z out = Z 11 − = 22 e Z 11 + Z e A 21 ⋅ Z e + A 22
(II.1a)
(II.1b)
Sie sind gleich, wenn Ein- und Ausgang mit der gleichen Impedanz abgeschlossen werden (Ze = Za). Für die Sonderfälle Kurzschluß und Leerlauf ergibt sich:
Eingangsimpedanz bei Kurzschluß am Ausgang (Za = 0): 2 Z A Z in K = Z 11 − 12 = 12 Z 22 A 11
Eingangsimpedanz bei Leerlauf am Ausgang (Za → ∞): A Z in L = Z 11 = 11 A 21
Ausgangsimpedanz bei Kurzschluß am Eingang (Ze = 0): Z ⋅Z A Z out K = Z 22 − 12 21 = 12 Z 11 A 22
Ausgangsimpedanz bei Leerlauf am Eingang (Ze → ∞): A Z out L = Z 22 = 22 A 21
3.3 Wellenwiderstand bei passiven längssymmetrischen Vierpolen In Analogie zu den elektrischen Leitungen bestimmt man diejenige Lastimpedanz Za am Ausgang, bei der die Eingangsimpedanz Zin gleich Za ist. Dieser Wert wird Wellenwiderstand des Vierpols genannt. Aus Gleichung (II.1a) folgt damit:
948
Nachrichtentechnik Beispiel II.5: Bei dem längssymmetrischen Vierpol nach Bild II-9
Eingangsimpedanz
soll das Dämpfungsmaß berechnet werden. Er ist mit dem Wel-
Z 12 A ◊ Z + A12 Z in = Z a = Z 11 = 11 a Z 11 + Z a A21 ◊ Z a + A11 Eingesetzt folgt: 2 A ⋅ Z + A 12 Z 12 Z in = Z 11 − = 11 in Z 11 + Z in A 21 ⋅ Z in + A 11 Nach Zin aufgelöst: A 2 2 2 2 Z in = Z 11 − Z 12 bzw. Z in = 12 A 21 2
R ⋅R ⎞ ⎛ Z in L ⋅ Z in K = ( R1 + R 2 ) ⋅ ⎜ R1 + 1 2 ⎟ = ⎝ R1 + R 2 ⎠
lenwiderstand Z =
R1 ( R1 + 2 ⋅ R 2 ) nach Gleichung (II.2) abgeschlossen. Mit Gleichung (II.3) folgt: g = g u = g i = ln
U1 I = ln 1 = ln ( A 11 + U2 I2
⎛ R R2 ⎞ 1 ⎞ ⎛ ⎟ = ln ⎜ 1 + 1 + ⎜ 2 ⋅ R1 + 1 ⎟ ⎜ R2 R 2 ⎠ R 2 ⎟⎠ ⎝ ⎝ ⎛ R = ln ⎜ 1 + 1 + ⎜ R2 ⎝
R1 ( R1 + 2 R 2 ) ⎞ ⎟ ⎟ R 22 ⎠
A 12 kann man A 21 ersetzen durch das Produkt aus den Eingangsimpedanzen Zin L und Zin K:
Für R1 = R2 = R erhält man:
2 Z 11
⎛ g = ln ⎜⎜ 1 + 1 + ⎝
2
2
Die Ausdrücke Z 11 − Z 12 bzw.
−
2 Z 12
= Z in L ⋅ Z in K ⎛ ⎞ 2 2 ⎟ = Z 11 = Z 11 ⋅ ⎜⎜ Z 11 − − Z 12 ⎝ Z 22 ⎟⎠ Z in L 2 Z 12
⋅
Z in L
Z = 3 ⋅ R 2 = 3 ⋅ R;
A 12 A 12 = A 11 A 21
R1
Z inK
Wellenwiderstand
Z=
Z in L ⋅ Z in K
(II.2)
Da es sich um längssymmetrische Vierpole handelt, ist der Wellenwiderstand, vom Ausgang her gesehen, der gleiche.
U1 U2
I1 I2 komplexes Wellendämpfungsmaß
Stromdämpfungsmaß g i = ln
g=
1 U1 I1 ⋅ ( g u + g i ) = ln ⋅ = a + jb 2 U2 I2
a Dämpfungsmaß (wahlweise mit dem Kurzzeichen Np für Neper), b Phasenmaß
Für längssymmetrische Vierpole gilt (ohne Ableitung):
g = g u = g i = ln = ln( A 11 +
U1 I = ln 1 U2 I2
A 12 ⋅ A 21 ) = a + jb
Die drei Wellenübertragungsmaße sind gleich.
)
R1
Z
Bild II-9 Längssymmetrischer T-Vierpol (zu Beispiel II.5)
Die im folgenden behandelten Vierpole werden in der Nachrichtentechnik häufiger angewendet.
Die Übertragungseigenschaften eines passiven längssymmetrischen Vierpols, der mit dem Wellenwiderstand abgeschlossen ist, können durch die folgenden Wellenübertragungsmaße beschrieben werden: Spannungsdämpfungsmaß gu = ln
(
3.5 Spezielle Vierpole
3.4 Übertragungsmaß bei passiven längssymmetrischen Vierpolen
⎞ ⎟⎟ = ln 2 + 3 = 1, 32 (Np) ⎠
R2
Damit folgt für den Wellenwiderstand eines passiven längssymmetrischen Vierpols:
R2 + 2R2 R2
Der Ausdruck in der Klammer von g gibt das Spannungsverhältnis U1/U2 = 3,73 an. Bei passiven Vierpolen ist stets U1 ≥ U2 und I1 ≥ I2, so daß sich für g ein Wert ≥ 0 ergibt.
Z in K
A 12 A = Z in L ⋅ Z in K = 11 A 21 A 21
A 12 ⋅ A 21 )
(II.3)
3.5.1 Doppel-T-Filter Bild II-10 zeigt die Schaltung. Es handelt sich um zwei T-Vierpole, die eingangs- und ausgangsseitig parallel geschaltet sind. Die Schaltung ist am Ausgang nicht belastet. Mit Hilfe der für diese Art der Zusammenschaltung erforderlichen Y-Parameter (Tabelle II-1) wird die Spannungsübersetzung vorwärts berechnet. Die angegebene Dimensionierung führt zu einem einfachen Ergebnis für ⎪vuf⎪, das hier ohne Ableitung angegeben wird: v uf =
(1 − w 2 R 2 C 2 ) 2 . Es handelt sich (1 − w 2 R 2 C 2 ) 2 + 16 w 2 R 2 C 2
um eine Bandsperre, die bei der Frequenz w0 = 1/RC rechnerisch die Ausgangsspannung Null hat. In der Praxis wird man diesen Wert nicht erreichen können, da die Widerstände und Kondensatoren stets geringe Abweichungen voneinander haben. Bei entsprechender Auswahl der Bauelemente kann v uf w aber < 10–3 0 gemacht werden.
II Vierpole, Zweitore R
949
R
U1
3.5.3 Frequenzkompensierter Spannungsteiler C1
U2
2C
R1
C
U1
RC 2
Bild II-12 Frequenzkompensierter Spannungsteiler
Die Schaltung und die Z-Parameter dieses Vierpols sind in Bild II-11a angegeben. Z1 Z3
U2
Z2 Z4 Z2 Z 3 Z 1 Z 4 ( Z 1 + Z 3 )( Z 2 + Z 4 ) N N ( Z 1 + Z 2 )( Z 3 + Z 4 ) Z 2 Z 3 Z 1Z 4 N N N = Z1 + Z 2 + Z 3 + Z 4 a)
Z1
U1 Z2
C2 U2
Bild II-10 Doppel-T-Filter
3.5.2 Kreuzschaltung
U1
R2
Z3
U2
Z4
b)
In Bild II-12 ist der Fall gezeigt, daß mit den Widerständen R1 und R2 ein Spannungsteiler aufgebaut werden soll. Zu dem Widerstand R2 liegt eine unerwünschte Kapazität C2 parallel (Schaltungsund Transistorkapazität wie beim OszilloskopEingang: R2 = 1 MΩ; C2 = 50 pF). Damit bildet der Vierpol einen Tiefpaß und verfälscht den Signalverlauf des Eingangssignals. Durch Einsetzen und geeignete Dimensionierung des Kondensators C1 wird die Frequenzabhängigkeit der Spannungsteilung aufgehoben. Der Ausgang des Vierpols ist unbelastet, so daß für die Spannungsübersetzung vorwärts gilt: v uf = 1 / A 11 ; 1 jwC1 1 R1 + R 1 + jwR2 C 2 jwC1 Z1 = 1+ A 11 = 1 + = 1+ 1 ⋅ 1 R2 1 + jwR1 C1 Z2 R2 ⋅ jwC 2 1 R2 + jwC 2
R1 ⋅
Bild II-11 Kreuzvierpol a) Schaltung mit Z-Parametern b) umgezeichnet zur Wheatstoneschen Brückenschaltung
v uf = 1 / A 11 =
Die Spannungsübersetzung vorwärts ergibt sich bei Leerlauf am Ausgang nach Tabelle II-7 zu: Z v uf Z →∞ = 21 . Sie wird Null für Z2 ⋅ Z3 = Z1 ⋅ Z4. a Z 11 Diese Bedingung läßt sich bei Impedanzen dann erfüllen, wenn sie sowohl für den Real- als auch für den Imaginärteil gilt. Wird der Vierpol nach Bild II11b umgezeichnet, erkennt man die Wheatstonesche Brückenschaltung. Die oben angeführte Bedingung ist die Abgleichbedingung dieser Brücke.
Wählt man R1 ⋅ C1 = R2 ⋅ C2, so kürzt sich der Ausdruck, der die Kreisfrequenz w enthält, heraus. Die Spannungsübersetzung ist frequenzunabhängig und R2 . Mit den zwei Widerhat den Wert v uf = R1 + R2 ständen stellt man das gewünschte Teilerverhältnis ein und dimensioniert dann den Kondensator C1 zu: C1 = R2C2/R1.
1 R1 1 + jwR2 C 2 1+ ⋅ R2 1 + jwR1 C1
950
Nachrichtentechnik
III Leitungen I1
1 Leitungsbeläge und Leitungsgleichungen
d a e0 er m0
h
b)
E
i
D
a)
e m00
er d
D
a
m0 c)
d)
I2
L′
U1
Unter Leitung wird hier eine homogene Zweidrahtleitung (Doppelleitung) verstanden. Eine Leitung ist homogen, wenn die elektrischen Eigenschaften längs der Leitung konstant sind, was in der Regel dadurch erreicht wird, daß sich die mechanischen Abmessungen und das Material längs der Leitung nicht ändern. Zwischen den zwei Leitern liegt eine Spannung, und es fließt ein Strom in den einen Leiter hinein und im zweiten Leiter zurück. Die Anordnung der zwei Leiter zueinander kann unterschiedlich sein, siehe Bild III-1: a) Zwei Leiter parallel. Sind sie verdrillt, dann befindet sich Isoliermaterial zwischen den Leitern mit er > 1. b) Ein Leiter als Hinleiter gegenüber Erde als Rückleiter. c) Zwei konzentrisch angeordnete Leiter, von denen der innere als Hinleiter und der äußere als Rückleiter dient (Koaxialleitung). Bild III-1d zeigt die Verläufe des elektrischen und des magnetischen Feldes eines Koaxialkabels. Beide Felder stehen, und das gilt auch für die Leiteranordnungen Bild III-1a und b, senkrecht auf der Ausbreitungsrichtung der Welle. Man spricht deshalb bei der Ausbreitung von einem TEM-Typ (transversal elektromagnetisch). d
R′
H
Bild III-1 Anordnungen von Zweidrahtleitungen a), b), c) siehe Text d) Feldverläufe im Koaxialkabel Bild III-2 zeigt das Ersatzschaltbild einer elektrischen Leitung. Der im Leiter fließende Strom hat ein Magnetfeld zur Folge, das durch die Induktivität L′ erfaßt wird, und er verursacht an dem ohmschen Widerstand R′ der Leitung einen Spannungsfall. Hinund Rückleiter bilden einen Kondensator mit der Kapazität C′, und das zwischen den beiden Leitern vorhandene verlustbehaftete Dielektrikum ergibt den Leitwert G′. Dabei hat man die längs der Leitung kontinuierlich verteilten Größen Induktivität, Widerstand, Kapazität und Leitwert in jeweils einem diskreten Element (L′,
C′
G′
U2
l
Bild III-2 Ersatzschaltbild einer elektrischen Leitung R′, C′, G′ in Bild III-2) zusammengefaßt. Der Einfachheit halber berücksichtigt man die Elemente der Rückleitung in denen der Hinleitung und nimmt die Rückleitung als idealen Leiter an. Bei den hier betrachteten homogenen Leitungen nimmt der Wert dieser diskreten Elemente linear mit der Länge der Leitung zu. Deshalb werden sie auf eine Längeneinheit, meist 1 km, bezogen und als Leitungsbeläge L′, R′, C′ und G′ bezeichnet. Die Werte einer Leitung mit der Länge l0 erhält man durch Multiplikation der Leitungsbeläge mit l0: Rl 0 = R ′ ⋅ l 0 ;
Ll 0 = L ′ ⋅ l 0 ;
Cl 0 = C ′ ⋅ l 0 ;
Gl 0 = G ′ ⋅ l 0
Die Leitungsbeläge werden häufig in den Einheiten H/km, Ω/km, F/km und S/km oder, den Werten aus der Praxis angepaßt, in Ω/km, mH/km, nF/km und mS/km angegeben. Bei höheren Frequenzen ändern sich die Werte der Leitungsbeläge durch den Skineffekt. Tabelle III-1 enthält die Berechnungsformeln für die in Bild III-1 gezeigten Leiteranordnungen für niedrige und für hohe Frequenzen (nach [III.1]). Es handelt sich bei den in Tabelle III-1 angegebenen Formeln um Näherungslösungen, mit denen die ungefähren Werte der Leitungsbeläge berechnet werden können. Für eine genauere Bestimmung müssen die Frequenzabhängigkeit der Leitungsbeläge und die Feldverzerrungen berücksichtigt werden. Bei dem Induktivitätsbelag wurde das Feld in den Leitern vernachlässigt und nur das Feld zwischen den Leitern eingesetzt. Kapazitäts- und Leitwertbelag sind wie folgt verknüpft: G′ = C′ ⋅ (g/e). Da sich zwischen den beiden Leitern Isoliermaterial befindet, wird für die elektrische Leitfähigkeit der Ausdruck g = gisolier eingesetzt. Damit ergeben sich zwei Kabel-Kenngrößen:
Zeitkonstante für selbständige Entladung t = R⋅ C =
C′ e = G ′ gisolier
(III.1)
Verlustfaktor tan d =
g U 2 ⋅ G′ P = 2 = isolier Q U ⋅ w⋅ C ′ w⋅ e
P Wirkleistung in W, Q Blindleistung in Var
(III.2)
III Leitungen
951
Tabelle III-1 Leitungsbeläge für verschiedene Leiteranordnungen Widerstandsbelag R′ Anordnung
niedrige Frequenzen
Zweidraht-Leitung, Bild III-1a
R′ ≈ 2 ⋅
Eindraht-Leitung, Erde als idealer Rückleiter, Bild III-1b
r⋅ l 1 r ⋅ = 2⋅ A l A l 1 1 ≈ 2⋅ ⋅ = 2⋅ g⋅ A l g⋅ A r A 1 ≈ g⋅A
R′ ≈
R′ ≈
1 1 + d2 ⋅p Da2 − Di2 g⋅ g⋅ p ⋅ 4 4
Zweidraht-Leitung, Bild III-1a
L′ ≈
m0
Eindraht-Leitung, Erde als idealer Rückleiter, Bild III-1b
L′ ≈
Koaxial-Leitung, Bild III-1c
L′ ≈
Koaxial-Leitung, Bild III-1c
hohe Frequenzen R′ ≈ 2 ⋅
1 d ⋅ ⋅ p ⋅ f ⋅ g⋅ m g⋅ A 4
für
d ⋅ p ⋅ f ⋅ g ⋅ m >> 1 4
R′ ≈
1 d ⋅ ⋅ p ⋅ f ⋅ g⋅ m g⋅A 4
für
d ⋅ p ⋅ f ⋅ g ⋅ m >> 1 4
R′ ≈
p ⋅ f ⋅ g⋅ m p ⋅ f ⋅ g⋅ m + d D 2⋅ p ⋅ g⋅ 2⋅ p ⋅ g⋅ a 2 2
Induktivitätsbelag L′
p
⋅ ln
m0 2⋅ p m0 2⋅ p
2⋅ a d
L ′ ≈ 2, 3 ⋅
m0
m0
⋅ ln
4⋅ h d
L ′ ≈ 1,15 ⋅
⋅ ln
d Di
L′ ≈
m0 4⋅ p
p
⋅ ln
⋅ ln
p ⋅ ln
d Di
Kapazitätsbelag C′ Zweidraht-Leitung, Bild III-1a
C′ ≈
Eindraht-Leitung, Erde als idealer Rückleiter, Bild III-1b
C′ ≈
Koaxial-Leitung, Bild III-1c
C′ ≈
p ⋅ e0 ⋅ er 2⋅ a ln d 2 ⋅ p ⋅ e0 4⋅ h ln d 2 ⋅ p ⋅ e0 ⋅ er D ln i d
C′ ≈
C′ ≈
C′ ≈
p ⋅ e0 ⋅ er 2⋅ a ln d 2 ⋅ p ⋅ e0 4⋅ h ln d 2 ⋅ p ⋅ e0 ⋅ er D ln i d
Leitwertbelag (Ableitungsbelag) G′ Zweidraht-Leitung, Bild III-1a
C′ ≈
Eindraht-Leitung, Erde als idealer Rückleiter, Bild III-1b
C′ ≈
Koaxial-Leitung, Bild III-1c
C′ ≈
p⋅g 2⋅ a ln d 2⋅ p ⋅ g 4⋅ h ln d 2⋅ p ⋅ g D ln i d
C′ ≈
C′ ≈
C′ ≈
p⋅g 2⋅ a ln d 2⋅ p ⋅ g 4⋅ h ln d 2⋅ p ⋅ g D ln i d
2⋅ a d
4⋅ h d
952
Nachrichtentechnik
Bedeutung der Formelzeichen spezifischer elektrischer Widerstand in W ⋅ m elektrische Leitfähigkeit in 1/(W ⋅ m); g = 1/r Fläche des Leiters in m2 Frequenz in Hz As e0 elektrische Feldkonstante ≈ 8, 86 ⋅ 10 −12 Vm Vs m0 magnetische Feldkonstante ≈ 4 ⋅ p ⋅ 10 − 7 Am er Permittivitätszahl (Dielektrizitätszahl), materialabhängig mr Permeabilitätszahl, materialabhängig e Permittivität (Dielektrizitätskonstante), e = e0 ⋅ er m Permeabilität, m = m0 ⋅ mr d, a, h, Di, Da siehe Bild III-1 r g A f
Setzt man in Bild III-2 nicht die diskreten Elemente ein, sondern die längs der Leitung kontinuierlich vorhandenen Leitungsbeläge, führt die Berechnung dieses Vierpols auf die Leitungsgleichungen in Form eines Systems von partiellen Differentialgleichungen:
Leitungsgleichungen: ∂ 2u ∂ 2u ∂u = R ′⋅ G ′⋅ u + ( R ′⋅ C ′ + L ′⋅ G ′ ) + L ′⋅ C ′ 2 2 ∂t ∂t ∂x
(III.3a) ∂ i ∂i ∂ 2i = R ¢◊ G ¢◊ i + ( R ¢◊ C ¢ + L ¢◊ G ¢ ) + L ¢◊ C ¢ 2 2 ∂x ∂t ∂t (III.3b) 2
Die Lösung dieses Gleichungssystems ist für beliebige Verläufe von u(t) und i(t) bei Leitungen, bei denen alle vier Leitungsbeläge nicht Null sind, sehr umfangreich. In der Praxis sind häufig die nachfolgend aufgeführten Voraussetzungen entweder ganz oder wenigstens näherungsweise erfüllt, so daß man zu einfachen und überschaubaren Lösungen des Gleichungssystems kommt: 1. Spannung und Strom haben sinusförmigen Verlauf; die Leitungsbeläge können beliebig sein (Kapitel III.2). 2. Widerstands- und Leitwertbelag werden zu Null angenommen. Dann spricht man von einer verlustlosen Leitung. Spannungs- und Stromverlauf können beliebig sein (Kapitel III.4).
2 Leitung mit sinusförmigen Spannungen und Strömen Für sinusförmige Spannungen und Ströme läßt sich eine einfache Lösung der Differentialgleichungen (III.3a, b) angeben.
2.1 Allgemeine Lösung Die allgemeine Lösung lautet: u ( t , x ) = u1 ⋅ e − ax ⋅ cos ( wt + j1 − bx ) uh + u 2 ⋅ e ax ⋅ cos ( wt + j2 + bx ) ur i ( t , x ) = i1 ⋅ e − ax ⋅ cos ( wt + j1 − bx ) ih + i2 ⋅ e ax ⋅ cos ( wt + j2 + bx ) ir
(III.4a)
(III.4b)
j1 beliebiger Anfangswinkel von u und i , wird im folgenden zu Null gesetzt; x Längenkoordinate der Leitung: x = 0 Leitungsanfang, x = l Leitungsende; a Dämpfungskoeffizient; b Phasenkoeffizient (siehe Gleichung (III.6); u1, u 2 , i1, i 2 Integrationskonstanten, durch
Randbedingungen zu bestimmen (siehe Gleichungen (III.9a, b, III.10a, b))
Bestimmt man die vier Konstanten u1 , u 2 , i1 , i 2 in Gleichung (III.4a, b) so, daß sie z.B. Spannung und Strom am Anfang der Leitung (x = 0, siehe Gleichung (III.9a, b)) vorgeben, kann man an jedem Ort der Leitung zu jedem Zeitpunkt den Wert von Spannung und Strom berechnen. Beide Verläufe bestehen aus zwei Anteilen: Einer hinlaufenden Welle uh bzw. ih mit abnehmender Amplitude in Richtung Leitungsende und einer zurücklaufenden Welle ur bzw. ir mit abnehmender Amplitude in Richtung Leitungsanfang (Erklärung für die rücklaufende Welle siehe Kapitel III.3.1 und III.4.1).
2.2 Wellenwiderstand Bildet man an beliebigen Orten längs der Leitung zu beliebigen Zeitpunkten den Quotienten aus Spannung und Strom der hinlaufenden oder rücklaufenden
III Leitungen
953
Welle, ergibt sich ein konstanter Wert, der mit Wellenwiderstand Z bezeichnet wird und sich mit den Leitungsbelägen berechnen läßt:
Wellenwiderstand (allgemeine Leitung) Z=
(siehe Gleichung (III.6)). Gibt man sich am Leitungsanfang (x = 0, Index „a“) die Spannung Ua und den Strom Ia vor, so kann man die Integrationskonstanten berechnen:
R ′ + jwL ′ G ′ + jwC ′
(III.5)
Bedingungen am Leitungsanfang vorgegeben (x = 0, Ua, Ia):
U a = U1 +U 2 ; U +Z◊I 1 (U 1 - U 2 ) fi U 1 = a 2 a ; Z
2.3 Ausbreitungskoeffizient
Ia =
Die in Gleichung (III.4a, b) auftretenden Größen a und b ergeben sich aus der Lösung der Differentialgleichungen und sind mit den Leitungsbelägen verknüpft:
U2 =
Ua − Z⋅ Ia 2 U a + Z ◊ I a -γ x U a - Z ◊ I a γ x fi U ( x) = ◊e + ◊e 2 2 Uh Ur (III.9a) 1 ÊUa ˆ -γ x 1 Ê U a ˆ γx fi I (x) = ◊ Á + Ia˜ ◊e - ◊Á - Ia˜ ◊e ¯ ¯ 2 Ë Z 2 Ë Z Ih Ir (III.9b)
Ausbreitungskoeffizient g=
( R ′ + jwL ′ ) ⋅ ( G ′ + jwC ′ ) = a + jb
(III.6)
(Schreibweise g anstatt g gewählt.)
a Dämpfungskoeffizient
b Phasenkoeffizient
Der in Gleichung (III.6) auftretende Dämpfungskoeffizient a ist der Realteil, der Phasenkoeffizient b der Imaginärteil des Ausbreitungskoeffizienten g.
2.4 Verlustlose Leitung Bei einer verlustlosen Leitung gilt: R′ = G′ = 0, und Wellenwiderstand (Gleichung (III.5) und Ausbreitungskoeffizient g (Gleichung (III.6) berechnen sich zu: Z vL =
Wellenwiderstand
Ausbreitungskoeffizient γ vL = -ω 2 L ¢C ¢ = jω
L′ C′
(III.7)
Ua, Ia Spannung bzw. Strom am Anfang der Leitung (x = 0); Z Wellenwiderstand der Leitung; Index „h“: hinlaufende (auf das Leitungsende zulaufende) Welle, Index „r“: rücklaufende (vom Leitungsende zum -anfang zurücklaufende) Welle
In gleicher Weise kann man Spannung und Strom am Ende der Leitung (x = l, Index „e“) vorgeben. Das führt zu den folgenden Gleichungen:
Bedingungen am Leitungsende vorgegeben (x = l, Ue, Ie): U ( x = l ) = U e = U 1 ⋅ e − gl + U 2 ⋅ e gl
I ( x = l) = I e =
L ¢C ¢ = j β ;
α =0 (III.8) Weitere Eigenschaften der verlustlosen Leitung werden im Kapitel III.4 behandelt.
fi U ( x) =
In der Praxis interessiert weniger der zeitliche Verlauf als vielmehr die Amplitude längs der Leitung. Man wählt deshalb eine Lösungsdarstellung mit Zeigern: U ( x ) = U 1 ⋅ e − gx + U 2 ⋅ e gx
I(x) =
1 ( U 1 ⋅ e − gx + U 2 ⋅ e gx ) Z
U1; U2 Integrationskonstanten, durch Randbedingungen bestimmbar, Z Wellenwiderstand, g siehe Gleichung (III.6)
Auch hier bestehen Spannungs- und Stromverlauf aus einer hinlaufenden und einer rücklaufenden Welle. Der in Gleichung (III.4a, b) auftretende Dämpfungskoeffizient a ist der Realteil, der Phasenkoeffizient b der Imaginärteil des Ausbreitungskoeffizienten g
⇒ I(x) =
)
U e + Z ◊ I e γ (l - x ) ◊e 2 Uh +
2.5 Lösung mit Zeigerdarstellung
(
1 ◊ U 1 ◊ e - γ l - U 2 ◊ eγ l Z
U e - Z ◊ I e -γ ( l - x ) ◊e 2 Ur
(III.10a)
1 ⎛ Ue ⋅⎜ + I e ⎞⎟ ⋅ e g ( l − x ) ⎠ 2 ⎝ Z Ih -
1 ÊUe ˆ ◊ - I e ˜ ◊ e -γ (l - x ) ¯ 2 ÁË Z Ir
(III.10b)
Ue, Ie Spannung bzw. Strom am Ende der Leitung (x = l); Z Wellenwiderstand der Leitung, Index „h“: hinlaufende (auf das Leitungsende zulaufende) Welle, Index „r“: rücklaufende (vom Leitungsende zum -anfang zurücklaufende) Welle
Die Gleichungen (III.9a, b und III.10a, b) werden auch als physikalische Form der Leitungsgleichungen bezeichnet.
954
Nachrichtentechnik
2.6 Unendlich lange Leitung Für l → ∞ verschwindet in Gleichung (III.9a, b) die rücklaufende Welle, und es bleibt für die Verläufe von Strom und Spannung längs der Leitung: U(x) =
I(x) =
U a + Z ⋅ I a − gx U ⋅e = U a ⋅ e − gx mit I a = a 2 Z Uh Uh (III.11a)
U 1 ⎛ Ua ⋅⎜ + I a ⎞⎟ ⋅ e − gx = ⎛⎜ a ⎞⎟ ⋅ e − gx ⎝ Z ⎠ ⎝ Z ⎠ 2 Ih
mit
Ih
U Ia = a Z
Ein für die Praxis interessanter Fall ist der, daß am Ende einer endlich langen Leitung eine Impedanz Ze mit dem gleichen Wert wie der Wellenwiderstand Z der Leitung angeschlossen ist (Bild III-3): Anpassung Ze = Z
Dann gilt am Ende der Leitung: Ie = Ue/Z. Diese Bedingung gilt sowohl für das Leitungsende (aber noch in der Leitung) als auch für die Lastimpedanz Ze. Nach Gleichung (III.9a, b) verschwindet die rücklaufende Welle. Dieser Fall wird Anpassung genannt und hat sehr große Bedeutung bei der Signalübertragung auf verlustlosen Leitungen. Auch am Leitungseingang spricht man von Anpassung, wenn der Innenwiderstand (Impedanz) des Generators gleich dem Wellenwiderstand der Leitung ist (Bild III-3b). Die Bedeutung der Anpassung am Ein- und Ausgang einer Leitung wird bei der Ausbreitung von Wanderwellen auf einer Leitung (Kapitel III.4.2) gezeigt.
Phasengeschwindigkeit v =
Gruppengeschwindigkeit
x=0
U0
b)
Ia = Ih = Ir Ua
Leitung mit Z
x=0
Bild III-3 Anpassung a) am Ausgang b) am Eingang einer Leitung
Za = Z
dw db
(III.13)
Dispersion v ≠ v gr gegeben: L′ = 2,2 mH/km; C′ = 6 nF/km. Die Frequenz beträgt 1 kHz. Daraus berechnen sich folgende Größen:
Z = Z vL = =
Ze
Ze = Z
v gr =
Beispiel III.1: Von einer verlustlosen Fernsprechleitung sind
⇒ a = 0;
a)
w 2⋅ p ⋅ f = (III.12) b b
aus. Ist die Phasengeschwindigkeit unabhängig von der Frequenz, sind Phasen- und Gruppengeschwindigkeit gleich: w = v ⋅ b (aus Gleichung (III.12)). Dardw aus folgt: = v = v gr (siehe auch Kapitel III.4, Verdb lustlose Leitung). Man spricht von Dispersion, wenn Phasen- und Gruppengeschwindigkeit nicht übereinstimmen:
L′ = C′
v=
2 , 2 ⋅ 10 −3 V ⋅ s V ⋅ km A ⋅ km ⋅ 6 ⋅ A ⋅ s ⋅ 10 −9
2, 2 ⋅ 10 6 W = 606 W 6
jω L ′jωC ′ = −ω 2 L ′C ′ = jω L ′C ′
= j 2 ⋅ π ⋅ 105
Ue
x0 w = T b
Mit dieser Geschwindigkeit breitet sich eine Welle auf der Leitung aus. Die mittlere Leistung dagegen breitet sich auf der Leitung mit der
γ =γ vL =
Ie
Za
⇒v=
(III.11b)
2.7 Anpassung
Leitung mit Z
Bei der Ausbreitung einer Welle auf der Leitung (hinlaufende oder zurücklaufende Welle betrachtet) findet man die gleiche Phasenlage nach Gleichung (III.4a, b) bei konstant gehaltener Zeit nach x0 ⋅ b = 2 ⋅ p wieder. Andererseits ergibt sich an einem festen Ort die gleiche Phasenlage nach der Periodendauer T = 1/f. Ein Vergleich liefert: b ⋅ x0 = 2⋅p = w ⋅ T;
Ua, Ia Spannung bzw. Strom am Anfang der Leitung (x = 0), Z Wellenwiderstand
2.8 Phasengeschwindigkeit, Gruppengeschwindigkeit
1 s 2,28 2,2 ⋅ 6 ⋅ 10 −12 =j s km km b=
2 , 28 km
w 2 ⋅ p ⋅ f 2 ⋅ p ⋅ 10 3 ⋅ km km = = = 2 , 75 ⋅ 10 3 b b s ⋅ 2,28 s
3 Leitung mit sinusförmigen Spannungen und Strömen und beliebiger Abschlußimpedanz Ze 3.1 Reflexionsfaktor, Übertragungsfaktor Schließt man eine endlich lange Leitung am Ende mit einer beliebigen Impedanz Ze ab, so gilt bei x = l: Ue = Ze ⋅ Ie. In Gleichung (III.10a) eingesetzt, erhält man:
III Leitungen
955
Ze + Z Z −Z ⋅ I e ⋅ eγ ( l − x ) + e ⋅ I e ⋅ e −γ ( l − x ) 2 2 Uh Ur
Uh1, Ih1 vom Generator auf das Leitungsende zulaufende Welle; Ur1, Ir1 in Richtung Leitungsanfang reflektierte Welle; Uh2, Ih2 in die Impedanz Ze hineinlaufende Welle; Ze Impedanz am Ende der Leitung; Z Wellenwiderstand der Leitung
Ze am Ende der Leitung angeschlossene Impedanz, Z Wellenwiderstand der Leitung
Bild III-4 zeigt hin- und rücklaufende Welle der Spannung zu verschiedenen Zeitpunkten, wenn am Leitungsende Kurzschluß (a) oder Fehlanpassung (b) herrscht. Bei Kurzschluß hat die rücklaufende Welle stets die entgegengesetzt gleich große Amplitude wie die hinlaufende Welle, weil nur so die Bedingung erfüllbar ist, daß die Spannung am Ausgang wegen des Kurzschlusses zu jedem Zeitpunkt Null ist. Auch bei Fehlanpassung ermöglicht die rücklaufende Welle, daß die genannten zwei Bedingungen (Gleichung III.16a, b) erfüllt werden können.
U ( x) =
Das Verhältnis von zurücklaufender Welle zu vorlaufender Welle ist: Ur Z − Z −2 g ( l − x ) = e ⋅e Uh Ze + Z
(III.14)
Dieses Verhältnis am Ende der Leitung nennt man Reflexionsfaktor r:
Reflexionsfaktor U r= r Uh mit
x =l
Ze −1 z −1 Ze − Z Z = = = Ze + Z Ze +1 z +1 "2" Z "1"
(III.15)
u
Ze =z Z
u 3 0
Die Darstellung „2“ wird der Darstellung „1“ vorgezogen. Für das entsprechende Verhältnis der Ströme ergibt sich der gleiche Ausdruck. Am Leitungsende gelten die zwei Beziehungen:
u
1) U e / I e = Z
(III.16a)
u
(noch innerhalb der Leitung gemäß Definition von Z nach Kapitel III.2.2),
0
2) U e / I e = Z e (Ohmsches Gesetz für Ze) (III.16b)
u
Erst durch Einführen einer rücklaufenden Welle können beide Bedingungen erfüllt werden. Mit Gleichung (III.15) läßt sich auch die Amplitude der in die Impedanz Ze „hineinlaufenden“ Welle Uh2 berechnen: Ansatz: Z −Z folgt: U h 1 + U r 1 = U h 2 ; mit U r 1 = U h 1 e Ze + Z ⎛ Z −Z ⎞ Z −Z = U h 1 + U h1 e = U h1 ⎜ 1 + e ⎟ Ze + Z ⎝ Ze + Z ⎠
2Z = I h 1 ⋅ üi Ze + Z
Spannungsübertragungsfaktor üu =
I h 2 = I h1
2Z e Ze + Z
(III.17a)
Stromübertragungsfaktor 2Z üi = Ze + Z
l x 2 1
2 1
0 3 2
stehende Welle
1 uh 2 ur 3 uh + ur
l x 3
2 1 l x 3 2 1 l x
0
u l x
1
3 2
0 u
l x
0
a)
1
l x
0 u
l x
1
0 u
l x
3 2
3 2 1 l x
0 u
Maximum l x
0 Minimum b)
Bild III-4 Hin- und rücklaufende Welle am Ausgang a) Kurzschluß b) Fehlanpassung
2Z e = U h1 = U h1 ⋅ üu Ze + Z
in analoger Weise:
u
0
Ze am Ende der Leitung angeschlossene Impedanz; Z Wellenwiderstand der Leitung
U h2
1
3 2
Bisher wurde am Ende der Leitung eine diskrete Impedanz Ze eingesetzt. Dort kann aber auch eine zweite Leitung mit dem Wellenwiderstand Zel angeschlossen werden (Stoßstelle zweier Leitungen). Die Berechnung geschieht mit den angegebenen Formeln, indem Ze durch Zel ersetzt wird.
3.2 Eingangsimpedanz (III.17b)
Die Gleichungen (III.10a, b) werden umgeformt, und es wird von der Beziehung
956
Nachrichtentechnik
sinh g ( l − x ) =
e g( l−x ) − e − g( l−x ) ; 2
cosh g ( l − x ) =
e g( l−x ) + e − g( l−x ) ; 2
tanh γ (l − x ) =
sinh γ (l − x) eγ (l − x ) − e −γ (l − x ) = cosh γ (l − x) eγ (l − x ) + e −γ (l − x )
3.4 Leitung als Vierpol 3.4.1 Allgemeine Ersatzschaltung
Gebrauch gemacht. Dann können die Leitungsgleichungen in der mathematischen Form dargestellt werden: U ( x) = U e ⋅ cosh γ (l − x ) + Z ⋅ I e ⋅ sinh γ (l − x)
I ( x) = I e ⋅ cosh γ (l − x ) +
Ue Z
⋅ sinh γ (l − x)
⎛ cosh gl
( A ) = ⎜⎜ sinh gl
Ua ; Ia
Ze =
Ue ; Ie
U ( x = 0 ) = U a = U e ⋅ cosh gl + Z ⋅ I e ⋅ sinh gl
I ( x = 0 ) = I a = I e ⋅ cosh gl +
Ue ⋅ sinh gl Z
folgt:
Eingangsimpedanz am Anfang einer beliebig langen Leitung: Za = Z⋅
Z e + Z ⋅ tanh γ l
Da die Funktion tanh x für x > 3 nahezu 1 ist, hat eine hinreichend lange Leitung, d.h. g ⋅ l > 3, eine Eingangsimpedanz, die, unabhängig von der Impedanz am Leitungsende, näherungsweise gleich dem Wellenwiderstand der Leitung ist. Eingangsimpedanz am Anfang einer langen Leitung: Za ≈ Z
für g⋅ l > 3
Z
Z ⋅ sinh gl ⎞ ⎟ cosh gl ⎟ ⎠
(III.22)
Es gilt: det A = cosh2 gl – sinh2 gl = 1; A11 = A22. Der Vierpol „Leitung“ ist damit widerstands- und übertragungssymmetrisch, was sich unmittelbar aus der Anschauung bestätigen läßt (Kapitel II.2.1 und II.2.2). Es sind nur zwei Kenngrößen zur Beschreibung erforderlich: der Wellenwiderstand Z und das Produkt aus dem Ausbreitungskoeffizienten g und der Leitungslänge l. Gleichung (III.19) stimmt mit dem Ausdruck für die Eingangsimpedanz eines am Ausgang belasteten Vierpols überein, siehe Tabelle II-6. Bild III-5 stellt die Leitung als Elementarvierpol dar.
(III.19)
Z + Z e ⋅ tanh γ l
Ze am Leitungsende angeschlossene Impedanz; Z Wellenwiderstand der Leitung
⎝
(III.18)
Benutzt man weiterhin Za =
Häufig liegen Leitungen gegebener Länge l vor, bei denen ein Generator ein Signal in den Eingang einspeist und bei denen nur das Signal am Ende der Leitung interessiert. Man betrachtet die Leitung deshalb als Vierpol und wendet die Vierpolgesetze an. Aus den Gleichungen (III.18) kann man die A-Parameter ableiten:
R′ 2·l U1
a)
U1 G′ 2·l
L′ jv 2 · l
L′ jv 2 · l
R′ 2·l
1 jvC′ · l
G′· l
U2
l jvL′· l
R′· l 1 jvC′· 2 · l
1 jvC′· 2 · l
G′ U2 2·l
(III.20)
Z Wellenwiderstand der Leitung
b)
l
3.3 Verzerrungsfreie Leitung Bei dieser Leitung sind Dämpfungskoeffizient und Phasengeschwindigkeit unabhängig von der Frequenz. Die Bedingung lautet:
Verzerrungsfreie Leitung: ⇒ a = R′
C′ ; L′
Z=
R′ G ′ = L′ C′ L′ ; C′
b = w L ′C ′
(III.21) Damit werden Signale unabhängig von der Frequenz gedämpft und verzögert. Ein beliebiges Signal ändert also nicht seine Kurvenform. Es tritt am Leitungsende lediglich mit geringerer Amplitude und zeitverzögert auf.
Bild III-5 Leitung als Vierpol a) T-Vierpol b) p-Vierpol
Vergleicht man Gleichung (III.22) mit den entsprechenden Matrizen des T- und p-Vierpols (Tabelle II.4), läßt sich eine elektrische Leitung der Länge l als Vierpol darstellen. Es gelten folgende Beziehungen: p-Vierpol: A 11 = A 22 = cosh gl = 1 + ( R + jwL) ⋅ ( G + jwC ) ⋅ A 12 = Z ⋅ sinh gl = R + jwL
1 2
III Leitungen
957
sinh gl = ( G + jwC ) + ( R + jwL ) Z 2 1 × ( G + jwC ) ⋅ 4 ( R + jwL ) ⋅ ( G + jwC ) ⎞ ⎛ = ( G + jwC ) ⋅ ⎜ 1 + ⎟ ⎝ ⎠ 4 (III.23a) T-Vierpol: 1 A 11 = A 22 = cosh gl = 1 + ( R + jwL ) ⋅ ( G + jwC ) ⋅ 2 A 12 = Z ⋅ sinh gl A 21 =
1 4 ⎛ ( G + jwC ) ⋅ ( R + jwL ) ⎞ = ( R + jwL ) ⋅ ⎜ 1 + ⎟ ⎝ ⎠ 4
= ( R + jwL ) + ( G + jwC ) ⋅ ( R + jwL ) ⋅ 2
A 21
Z Wellenwiderstand der Leitung
Weiterhin gilt für Gleichung (III.23a, b): R = R′ ⋅ l; L = L′ ⋅ l; C = C′ ⋅ l; G = G′ ⋅ l. Vergleicht man die A-Parameter beider Vierpole mit gleichem Index miteinander, fällt auf, daß A12 und A21 nicht übereinstimmen. Das ist die Folge davon, daß die homogene Leitung durch diskrete Elemente nachgebildet worden ist. Man sieht, daß das nur bedingt zulässig ist. Durch Umformen der entsprechenden Gleichung (III.23a, b) und Zerlegung in Real- und Imaginärteil können die Elemente des p- bzw. T-Vierpols aus dem Wellenwiderstand Z und gl bestimmt werden: p-Vierpol: R + jwL = Z ⋅ sinh( gl ) ,
2 ⎛ gl ⎞ ⋅ tanh ⎜ ⎟ ⎝ 2⎠ Z
T-Vierpol: ⎛ gl ⎞ R + jwL = 2 ⋅ Z ⋅ tanh ⎜ ⎟ , ⎝ 2⎠
1 ⋅ sinh( gl ) Z
4.1 Eigenschaften Eine Leitung ist verlustlos, wenn gilt: R′ = G′ = 0. Damit folgen die Eigenschaften der Leitung zu: Verlustlose Leitung: a vL = 0 ⇒
Z vL =
(III.23b)
G + jwC =
4 Verlustlose Leitung
sinh gl = = G + jwC Z
G + jwC =
die Ableitung der Leitungsgleichungen (III.3a, b) verwendet wurden und bei denen die Leitungslängen infinitesimal klein waren. Demnach darf das Ersatzschaltbild nach Bild III-5 nur dann verwendet werden, wenn die Bedingung nach Gleichung (III.25) erfüllt ist. Bei einer elektrisch kurzen Leitung ist längs der Leitung zu einem beliebig angenommenen Zeitpunkt überall die gleiche Spannung und der gleiche Strom vorhanden.
(III.24)
Beide Vierpole erfassen die Leitung, wie oben begründet, nur näherungsweise.
v vL =
L′ ; C′
bvL = w L ′C ′ ;
w w = = b w L ′C ′
1 L ′C ′
(III.26)
Sowohl der Wellenwiderstand ZvL als auch die Phasengeschwindigkeit vvL sind frequenzunabhängig. Der Dämpfungskoeffizient ist erwartungsgemäß Null, der Wellenwiderstand ZvL ist reell. Die Lösung der Differentialgleichung (III.3a) lautet damit:
Lösung der Wellengleichung:
(III.27) u( x , t ) = u( x ± v ⋅ t ) Die sich ausbreitenden Wellen heißen Wanderwellen und haben die Eigenschaft, daß beliebige Signalverläufe bei der Ausbreitung in der Leitung weder in der Amplitude noch in der Signalform geändert werden. Das gilt aber nur, wenn die hinlaufende bzw. rücklaufende Welle für sich betrachtet wird. Bei Reflexionen am Leitungsanfang oder -ende gibt es Signalverfälschungen durch Überlagerungen, siehe Kapitel III.4.2 und Beispiel III.2. Die rücklaufende Welle läßt sich anschaulich erklären: Der Ausgang der Leitung sei offen. Da weder in der Leitung noch im Widerstand am Ausgang Leistung verbraucht wird, fließt die vom Generator zum Ausgang transportierte Leistung als rücklaufende Welle wieder zum Generator zurück.
Verlustarme Leitung: Auch wenn die Bedingung R′ = G′ = 0 in der Praxis nicht erfüllt ist, kann man doch häufig eine Leitung als „nahezu verlustlos“ ansehen, wenn gilt: wL′ >> R′; wC′ >> G′. Sie wird dann als verlustarme Leitung bezeichnet.
3.4.2 Elektrisch kurze Leitung
Gilt für eine Leitung ⎪g ⋅ l⎪<< 1, können in Gleichung (III.18) bzw. (III.22) Näherungen eingesetzt werden: sinh(y · l) ≈ y · l, 1 2 cosh ( g ⋅ l ) ≈ 1 + ( g ⋅ l ) für g ⋅ l << 1 (III.25) 2 Damit ergeben sich die Elementarvierpole nach Bild III-5. Das sind aber auch die Ersatzschaltungen, die für
4.2 Wanderwellen bei Reflexion am Leitungsein- und -ausgang Bild III-6a zeigt eine Anordnung, bei der zum Zeitpunkt t = 0 der Schalter geschlossen wird. Es gilt: Ri ≠ Z ≠ Re. ua ist nach der Spannungsteilerregel: Z ua = U 0 ◊ = uh(1)1 Ri + Z
958
Nachrichtentechnik
Ri
t=0
ur1 uh1
U0
ua Wellenwider- ue stand Z
a)
verlustlose Leitung, Länge l
uh2 Re
in den Widerstand Re und addieren sich zu der bereits seit T vorhandenen Spannung u(h12). Für 3T < t < 5T ist die Spannung an Re: u h(1)2 + u h(2)2 =
2 Re Z ⋅ ⋅ U0 Ri + Z R e + Z +
R − Z Ri − Z 2 R e Z ⋅ ⋅ U0 ⋅ ⋅ e Ri + Z R e + Z Ri + Z R e + Z
Für 5T < t < 7T folgt für die Spannung am Ende der Leitung
ue
u h(1)2 + u h(2)2 + u h(3)2 =
2 Re Z Z ⋅ ⋅ U0 + Ri + Z R e + Z Ri + Z
×
1V
2 Re ⎞ ⎛ Z u h(1)2 + u h(2)2 + u h(3)2 = ⎜ ⋅ ⋅ U0 ⎟ ⎠ ⎝ Ri + Z R e + Z
U0 = 1 V Ri = 10 Ω Z = 75 Ω l = 200 m Re = 1 MΩ 0
10
20
30 μs
R e − Z Ri − Z 2 R e ⋅ ⋅ ⋅ U0 R e + Z Ri + Z R e + Z
R − Z Ri − Z ⎛ × ⎜1+ e ⋅ ⎝ R e + Z Ri + Z t
⎡ R − Z Ri − Z ⎤ +⎢ e ⋅ ⎥ ⎣ R e + Z Ri + Z ⎦
b)
Bild III-6 Reflexion a) Modell b) Beispiel
2
⎞ ⎟⎟ ⎠
Auf diese Weise kann man den Spannungsverlauf am Ende der Leitung berechnen. Beispiel III.2: Ein Spannungssprung von 0 auf 1 V, den ein
Generator mit dem Innenwiderstand Ri = 10 Ω erzeugt, wird über eine 200 m lange Meßleitung (Koaxialkabel) mit dem Wellenwiderstand Z = 75 Ω auf den Eingang eines Oszilloskopes mit dem Eingangswiderstand Re = 1 MΩ gegeben. Bild III-6b zeigt den dargestellten Verlauf. Es ist danach sogar möglich, daß die Spannung am Ausgang der Leitung zeitweise über dem stationären Endwert liegt.
Eine Welle mit dieser Amplitude breitet sich auf der Leitung in Richtung Leitungsende aus und erreicht es nach der Laufzeit T. Am Leitungsende muß gelten: u h(1)1 + u r(1)1 = u h(1)2 ;
u r(1)1 = u h(1)1 ⋅
Re − Z Re + Z
(mit Gleichung (III.15))
u h(1)2 = u h(1)1 ⋅
2 Re Re + Z
(mit Gleichung (III.17a))
4.3 Elektrisch lange Leitung
uh1 auf das Leitungsende zulaufende Welle ur1 in Richtung Leitungsanfang reflektierte Welle uh2 in den Widerstand Re hineinlaufende Welle Re Widerstand am Ende der Leitung Z Wellenwiderstand der Leitung (reell, da verlustlose Leitung)
Die im Kapitel 4.2, Wanderwellen, und Bild III-6b dargestellten Mehrfachreflexionen am Ein- und Ausgang der Leitung bei Fehlanpassung treten nur dann störend in Erscheinung, wenn die Leitung „elektrisch lang“ ist. Die Bedingung lautet:
Für T < t < 3T ist die Spannung an Re gleich 2 Re Z u h(1)2 = ⋅ ⋅ U 0 . Die rücklaufende Welle Ri + Z R e + Z u r(1)1 wird nach 2T am Leitungsanfang ebenfalls teilweise reflektiert, die Amplitude ist: u h(2)1 = u r(1)1
R i − Z R e − Z Ri − Z Z = ⋅ ⋅ ⋅ U0 R i + Z R e + Z Ri + Z Ri + Z
Erreicht diese Welle nach 3T das Leitungsende, gehen davon uh(2)2 ◊ üu =
2 Re Re - Z Ri - Z Z ◊ ◊ ◊ ◊ U0 Re + Z Re + Z Ri + Z Ri + Z
Elektrisch lange Leitung: l > 0 , 01 mit l
l=
v f
(III.28)
l Länge der Leitung in m; v Phasengeschwindigkeit in m/s (Gleichung (III.26)); f Signalfrequenz in Hz
Dabei wurden die Gleichungen (III.6, III.12 und III.25) verwendet: g ⋅ l > 0 ,1
g⋅l = j ⋅ b⋅l =
oder
2⋅p ⋅ f ⋅l f ⋅ l 0 ,1 w⋅l ⇒ > 0 ,1 ⇒ > n n n 2p
f ◊l > 0,01 v
III Leitungen
959
Alternativ spricht man von elektrisch kurzer Leitung:
Elektrisch kurze Leitung: l v < 0 , 01 mit l = l f
(III.29)
l Länge der Leitung in m; n Phasengeschwindigkeit in m/s (Gleichung (III.26)); f Signalfrequenz in Hz
Anschaulich bedeutet eine elektrisch lange Leitung, daß zu einem beliebig angenommenen Zeitpunkt die Spannungs- und Stromverteilung längs der Leitung nicht mehr konstant ist. Beispiel III.3: Zur Darstellung von unbekannten Spannungsver-
läufen auf dem Oszilloskopschirm werden Koaxialkabel als Signalleitung verwendet. Ein solches Kabel hat häufig eine Länge von 2 m und eine Phasengeschwindigkeit n = 200 000 km/s. Die Signalfrequenz soll 1 MHz betragen (zur Vereinfachung zunächst sinusförmiges Signal angenommen). Dann ergibt sich mit Gleichung (III.28): l ⋅ f/ n = ((2 m) ⋅ (106)/s)/(2 ⋅ 108 m/s) = 10–2. Diese Leitung befindet sich im Übergangsbereich zwischen elektrisch kurzer und elektrisch langer Leitung. Ist das Signal nicht sinusförmig, was häufig der Fall ist, gilt für die Oberschwingungen, daß die Leitung elektrisch lang ist. Es kommt zu Signalverfälschungen, so daß bei Frequenzen im MHz-Bereich mit Anpassung gearbeitet werden sollte.
4.5 Stehende Wellen Betreibt man eine verlustlose Leitung am Ende im Leerlauf oder im Kurzschluß, ist der Reflexionsfaktor nach Gleichung (III.15) +1 für den Leerlauf- bzw. – 1 für den Kurzschlußfall. Spannung bzw. Strom am Ausgang werden zu Null erzwungen, so daß Stromund Spannungsmaximum (oder entsprechende andere Werte) entlang der Leitung ortsfest sind. Beide haben eine Phasenverschiebung von 90° zueinander. Bild III-7 zeigt den Spannungsverlauf auf einer Leitung bei Kurzschluß am Leitungsende (x = l), vom Ende aus betrachtet. Bildet man den Quotienten Umin/Umax aus dem Minimal- und dem Maximalwert der Spannung nach Bild III-4b unten, erhält man den Anpassungsfaktor, der mit dem Betrag des Reflexionsfaktors in der dargestellten Weise zusammenhängt:
Anpassungsfaktor m=
U min 1 − r = , U max 1 + r
und daraus
r =
1− m 1+ m (III.32)
r Reflexionsfaktor nach Gleichung (III.15)
4.4 Leitung als Transformator Der Wellenwiderstand einer verlustlosen Leitung ist reell (Gleichung (III.26)). Dann geht Gleichung (III.19) mit den Zusammenhängen tanh ( a ± jb ) =
sinh( 2 a ) ± j ⋅ sin( 2 b ) , cosh( 2 a ) + cos( 2 b )
sin(2 b ) = 2 ⋅ sin( b ) ⋅ cos( b ) ,
Für Leerlauf bzw. Kurzschluß ist m = 0. Mißt man das Spannungsmaximum Umax und das Spannungsminimum Umin mit einem Wechselspannungsmeßgerät, bekommt man mit Gleichung (III.15) auch eine Aussage über das Verhältnis von Abschlußwiderstand zu Leitungswiderstand. Herrscht am Ende der Leitung Anpassung, ist m = 1. u
cos(2 b ) = 2 ⋅ cos 2 ( b ) − 1 , sinh(0) = 0 ,
l
cosh(0) = 1 und a = 0
x
0
über in:
Eingangsimpedanz am Anfang der Leitung: Za = Z ⋅
Z e + j ⋅ Z ⋅ tan bl Z + j ⋅ Z e ⋅ tan bl
Ze am Leitungsende angeschlossene Impedanz; Z Wellenwiderstand der Leitung
Wählt man die Leitungslänge l zu l/4 (⇒ b ⋅ l = p/2) bzw. l/2 (⇒ b ⋅ l = p), folgt daraus für die Eingangsimpedanz am Anfang der Leitung: 2
Za
bl = p / 2
Za
bl = p
=
Z ; Ze
= Ze ;
Kurzschluß am Leitungsende
(III.30)
l/4-Transformator l/2-Transformator(III.31)
Ist der Wellenwiderstand Z = Z a ⋅ Z e , kann beim l/4-Transformator jeder Leitungsabschluß in jede andere Impedanz Za transformiert werden. Beim l/2Transformator erhält man am Eingang die am Ende der Leitung angeschlossene Impedanz Ze, und zwar unabhängig von den Leitungseigenschaften.
Bild III-7 Stehende Wellen (siehe auch Bild III-4)
4.6 Kettenleiter Schaltet man mehrere Vierpole in Kettenschaltung nach Bild III-8a zusammen, erhält man einen Kettenleiter. Die Berechnung erfolgt hier nach Bild III8b für einen verlustlosen Kettenleiter, weil er in der Praxis die größte Bedeutung hat. Abhängig davon, ob für die Einzelvierpole die T- oder p-Schaltung nach Bild III-5 gewählt wird, erhält man für die Einzelvierpole der Länge l mit Gleichung (III.23a, b):
T-Vierpol: cosh γ ◊ l = 1 -
ω 2 LC ; 2
Z=
L ◊ C
1 ω 2 LC 14 (III.33a)
960
Nachrichtentechnik
p-Vierpol:
Der Imaginärteil ist Null: ω LC ; 2 2
cosh γ ◊ l = 1 -
Z=
L C
Ê ω LC ˆ ◊ Á1 4 ˜¯ Ë 2
(III.33b) Ue
1
Ua
n
2
Ue
Ua
L C 2 l
w2 ⋅ L ⋅ C < 1 gilt deshalb: 2
C 2
a = 0 und cos(b) = 1 −
L C 2
C 2
C Ua 2
für 1 −
Kettenleiter mit n gleichen Elementen:
L C 2
C 2
a) a
+ Z ◊ I e ◊ sinh(n ◊ γ ◊ l )
Durchlaßbereich
Sperrbereich
b) 0
I ( x = 0 ) = I a = I e ⋅ cosh( n ⋅ g ⋅ l )
(III.34)
Für die hier betrachteten verlustlosen Kettenleiter wird gesetzt: R′ = G′ = 0.
v
b π
c) 0
v
4.7 Wellenfilter Eine Anwendung für die Kettenleiter gibt es bei den Wellenfiltern. Es werden bei Bedarf mehrere Elementarvierpole in Kettenschaltung verbunden. Der dann entstehende Gesamtvierpol soll betrachtet werden. Nach Gleichung (III.33a, b) gilt für T- und p-Vierpol: cosh(g ⋅ l) = 1 – (w2 ⋅ L ⋅ C/2). Trennt man g in Realund Imaginärteil a + jb, so folgt: cosh (a+jb)=cosh(a ) ◊ cos(b)+j ◊ sinh(a ) ◊ sin(b) =1 -
ω 2 ◊ L ◊C 2
w2 ⋅ L ⋅ C 2
Für 0 < w < 2 / L ⋅ C ist die Dämpfung Null, das Filter
U ( x = 0) = U a = U e ◊ cosh(n ◊ γ ◊ l )
Ue ◊ sinh(n ◊ γ ◊ l ) Z
w2 ⋅ L ⋅ C > 1 gilt: 2
ist im Durchlaßbereich. Für w > 2 / L ⋅ C nimmt die Dämpfung mit wachsender Frequenz zu. Bild III-9 zeigt Dämpfungs- und Phasenkoeffizient als Funktion der Frequenz.
Sind die Größen L, R, G und C eines Elementarvierpols der Länge l gegeben, kann die Kettenschaltung dadurch berechnet werden, daß man bei n Kettengliedern die Größe g ⋅ l durch n ⋅ g ⋅ l ersetzt (Gleichung III.18). Damit werden L, R, G und C jeweils mit n multipliziert:
+
w2 ⋅ L ⋅ C ; 2
b = 0, p, 2p, ... und cosh(a) = 1 −
n·l verlustlose Leitung
Bild III-8 Kettenleiter a) allgemeiner Aufbau b) elektrische Leitung als Kettenleiter c) Ersatzschaltbild der elektrischen Leitung
Die Mathematik liefert: ⎪cos(b)⎪≤ 1; ⏐cosh(a)⏐≥ 1.
n·l
L C 2
w2 ⋅ L ⋅ C 2 Diese Gleichungen werden erfüllt durch: w2 ⋅ L ⋅ C 1. a = 0 und cos(b) = 1 − oder 2. b = 0, p, 2 w2 ⋅ L ⋅ C . 2p, ... und cosh(a) = 1 − 2 cosh( a ) ⋅ cos( b ) = 1 −
Für 1 −
l
Ue
sinh(a) ⋅ sin(b) = 0 ;
.
|Z| imaginär reell d) 0
2 L·C
Bild III-9 Wellenfilter a) Schaltbild b) Dämpfungskoeffizient c) Phasenkoeffizient d) Wellenwiderstand Z
v
III Leitungen
961
5 Daten von Leitungen Tabelle III-2 gibt Beispiele für Leitungsbeläge häufig vorkommender Leitungen (Näherungswerte): Tabelle III-2 Beispiele für Leitungsbeläge R′ in W/km
Leitungstyp
L′ in mH/km
G′ in mS/km
C′ in nF/km
Freileitungen (Energieversorgung, f = 50 Hz)
0,2
1,5
0,5
5
Fernsprechleitung (f = 1 kHz)
5
2,2
0,8
6
60
0,6
1,0
50
Fernsprechkabel (f = 1 kHz)
Tabelle III-3 Leitungs-Kenngrößen für besondere Leitungen a
Bedingung
b
0
R′ = G′ = 0
R′ C ′ G ′ L ′ + 2 L′ 2 C′ mit G ′ ≈ 0 folgt
G′ << wC′ R′ << wL′
R′ G ′ = L′ C′
wL ′ << R′ G′ ≈ 0
R′ 2
C′ L′
R′
C′ L′
L′ C′
Verlustlose Leitung
w L ′C ′
L′ C′
Freileitung allgemein
w L ′C ′
L′ C′
Verzerrungsfreie Leitung
R′ jwC ′
Leitung mit geringem Querschnitt bei tiefen Frequenzen
wC ′R ′ 2
wC ′R ′ 2
6 Hochfrequenzleitungen 6.1 Hochfrequenz-Koaxialkabel In der Hochfrequenztechnik werden für die allgemeine Signalübertragung weitgehend Koaxialkabel mit geringen Verlusten eingesetzt. Für den in der Praxis wichtigen Wellenwiderstand Z gilt für geringe Verluste aR, mit den mechanischen Daten d = Durchmesser des Innenleiters und D = (Innen-)Durchmesser des Außenleiters und der Permittivitätszahl er: 60 er
⋅ ln
D d
Beispiel
w L ′C ′
Häufig kann man für die Leitungsbeläge Vernachlässigungen oder Näherungen angeben, so daß sich für den Dämpfungs- und Phasenkoeffizienten sowie für den Wellenwiderstand vereinfachte Ausdrücke ergeben. Sie sind in Tabelle III-3 zusammengestellt.
Z=
Z
(III.35)
Die zugehörige – geringe – Dämpfung wird mit dem Flächenwiderstand RF = r/d, d.h. spezifischer
Widerstand r durch Eindringtiefe d (s.a. Gleichung III.36), zu: D 1+ RF ⋅ er d (III.35a) aR = ⋅ D 2 ⋅ p ⋅ 60 ⋅ D ln d Wie das Diagramm in Bild III-10 zeigt, weist der zweite Term in der Gleichung (III.35a), nämlich [1 + D/d]/[ln(D/d)], minimale Werte im Bereich zwischen D/d = 3 ... 4 auf. Für D/d = 3,6 wird die Kabeldämpfung minimal. Die höchste Spannungsfestigkeit erreichen Koaxialkabel bei D/d = 2,7. Aus den typischen Werten von 2 ... 3 für er folgen die Standardwerte von 50, 60 und 75 Ω für Koaxialkabel. Für einfache Kabel weist D Werte von einigen mm auf, und der Außenmantel besteht aus ein- oder mehrlagigem Geflecht. Der Innenleiter kann aus Draht oder Litze aufgebaut sein. Die Isolation zwischen Innen- und Außenleiter ist geschäumtes PE oder PTFE. Kabel dieser Art mit 75 Ω Wellenwiderstand
962
Nachrichtentechnik Z εr Ohm
a 1 + D/d ln D/d
125
Z εr
Abschirmung wird oft durch doppeltes Außengeflecht realisiert. Die Tabelle III-4 zeigt die Typennamen und die grundsätzlichen Daten einiger einfacher Koaxialkabel. Durch den Skin-Effekt und die damit verbundene geringe Eindringtiefe d verschiebt sich der Stromfluß im Innenleiter mit zunehmender Frequenz immer mehr in die äußere Randschicht, so daß der Innenleiter hohl ausgebildet werden kann. Für die Praxis ergibt sich die durch den Skin-Effekt verminderte Eindringtiefe d zu
7
100
6
75
5
50
dCu = mm
25
dAg
1 + D/d ln D/d
4
mm 3
0 1
2
3
4
5
6
7
8
9 D/d
Bild III-10 Wellenwiderstand Z e r und Hilfsfunktion [1 + D/d]/[ln(D/d] als Funktion von D/d sind typisch für die in Häusern verlegten Breitbandkabel. Die üblichen 50-Ω-Meßkabel weisen wegen der notwendigen hohen Flexibilität gleichfalls diesen einfachen Aufbau auf. Die dann notwendige gute
=
66
für Kupfer;
f MHz 64
für Silber
(III.36)
f MHz
Die kommerzielle Technik stellt sowohl erhöhte Anforderungen an die Toleranzen der Kabeldaten als auch an die Langzeitstabilität. Für geringere Leistungen – ca. 10 kW im MHz- und 0,5 kW im GHzBereich – wird die Isolation noch raumfüllend aus geschäumtem verlustarmem PE ausgeführt. Der Außenleiter wird sowohl aus Stabilitätsgründen für die elektrischen Daten als auch aus Gründen der mechanischen Flexibilität gewellt ausgeführt. Der Innenleiter kann sowohl noch massiv als auch schon
Tabelle III-4 Daten einiger einfacher Koaxialkabel (nach ALCATEL kabelmetal) Typ
Wellenwiderstand Z/Ω
Durchmesser d/mm
Durchmesser D/mm
RG-58C/U
50 ± 2
2,95
4,95
RG-174A/U
50 ± 2
1,5
2,8
RG213/U (RG-8A/U) RG-214/U (RG-9A/U) RG-214 Superflex HF750,6/3,7L HFE751,0/6,5-90 HF750,7/3,7AL
50 ± 2
L 0,9 Cu/Sn L 0,5 Staku L 2,3 Cu L 2,3 Cu/Ag L 2,7 Cu/Ag L 0,6 Cu 1,0 Cu 0,74 Cu
7,3
10,3
7,3
10,8
6,0
10,3
3,7
6,0
6,5
8,8
3,7
5,8
RG-62A/U
93 ± 5
0,65 Staku
3,7
6,15
50 ± 2 50 ± 4 75 ± 3 75 ± 3,75 75 ± 3
C′ pF/m
Dämpfung dB/100 m 100 MHz
Dämpfung dB/100 m 1 GHz
PE
101
17
56
PE
101
29
92
PE
101
7
28
PE
101
7
28
PES
82
12
50
PE
68
11,5
41
PE
68
7,5
28
PES
56
8,4
29
PE hohl
42
9,0
35
Außen- Abschir- Isodurch- mung lation messer mm Gefl. Cu/Sn Gefl. Cu/Sn Gefl. Cu 2 × Gefl. Cu/Ag 2 × Gefl. Cu/Ag Gefl. Cu/Sn Gefl. Cu Al-F + Gefl. Cu/Sn Gefl. Cu
d = Durchmesser Innenleiter, L = Litze, D = Durchmesser Außenleiter, Cu = Kupferleiter (blank), Cu/Sn = Kupferleiter verzinnt, Cu/Ag = Kupferleiter versilbert, Staku = Stahl verkupfert, Al-F = doppelseitig aluminiumkaschierte Folie, Gefl. = Geflecht, PE = Polyäthylen, PES = Polyäthylen Schaum, C′ = Kapazitätsbelag
III Leitungen
963 Niederdruck-PE oder -PTFE. Bild III-12 zeigt in a) einen solchen Aufbau für ein FLEXWELL-Kabel von RFS kabelmetal. Die prinzipiellen Verläufe der elektrischen und magnetischen Feldlinien sind zum besseren Verständnis in Bild III-12b eingetragen. Das Innenleiterwellrohr ist im Inneren selbstverständlich feldfrei. In der Tabelle III-6 sind die Daten einiger FLEXWELL-Kabel zusammengestellt. Gegen äußere Einflüsse sind die Kabel in praktisch allen Fällen durch zusätzliche strapazierfähige Kunststoffummantelungen geschützt.
hohl sein. Bild III-11 zeigt als Beispiel den Aufbau von CELLFLEX-Kabeln der Fa. RFS kabelmetal. Die typischen Daten einiger gewellter Kabel mit geschäumter Isolation sind in der Tabelle III-5 zusammengestellt.
Bild III-11 Koaxialkabel mit geschäumter Isolation und gewelltem Außenmantel, CELLFLEX-Kabel von RFS kabelmetal
6.2 Hohlleiter Mit weiter zunehmender Frequenz ist es sogar sinnvoll, den Innenleiter ganz wegzulassen. Man kommt dann zum eigentlichen Hohlleiter. Bild III-13 zeigt die am meisten verwendeten Querschnittsformen.
Für noch höhere Leistungen bis in den MW-Bereich hinein werden Außen- und teilweise auch die Innenleiter als Wellrohre ausgebildet. Die Isolation erfolgt nur noch durch verlustarme Wendel oder Stützen aus
Tabelle III-5 Daten einiger ausgewählter CELLFLEX-Kabel von RFS kabelmetal Typ
Wellenwiderstand Z/W
Nenngröße
Isolation
C′ pF/m
Pmittel bei 1 GHz kW
Dämpfung dB/100m 100 MHz
Dämpfung dB/100m 1GHz
HCF HCF CF LCF LCF
50 ± 2 50 ± 1,5 75 ± 3 50 ± 1 50 ± 1
1/4″ 1/2″ 1/4″ 1/2″ 1 1/4″
PE-Schaum PE-Schaum PE-Schaum PE-Schaum PE-Schaum
82 82 54 76 78
0,26 0,78 0,33 1,18 3,6
5,8 2,59 4,2 2,16 0,85
19,5 11,2 14,2 7,2 3,1
Typ-Code: CF = CELLFLEX-Kabel, LCF = Low Loss CELLFLEX-Kabel, HCF = hochflexibles CELLFLEX-Kabel, PE = Polyäthylen, C′ = Kapazitätsbelag, Pmittel = zulässige mittlere Leistung (die maximalen Spitzenleistungen liegen wesentlich höher)
Tabelle III-6 Daten einiger ausgewählter FLEXWELL-Kabel von RFS kabelmetal Typ
Wellenwiderstand Z/W
HF 3/8″
50 ± 1
4,0 Drt
12,3 Wlr
HF 7/8″
50 ± 0,5
9,1 Ro
25,4 Wlr
HF 1 1/8″
50 ± 0,5
12,0 Ro
33,1 Wlr
HF 2 1/4″
50 ± 0,5
23,2 Wlr
57,2 Wlr
HF 3 1/8″
50 ± 0,5
34,7 Wlr
85,4 Wlr
HF 5″
75 ± 0,75
37,9 Wlr
140,5 Wlr
HF 8″
50 ± 0,5
88,5 Wlr
215 Wlr
Durchmesser d/mm
Durchmesser D/mm
Isolation
C′ pF/m
Pmittel 100 MHz kW
PTFE Wendel PE Wendel PTFE Wendel PE Wendel PE Wendel PE Wendel PE Wendel
74
3,7
71
Pmittel 1 GHz kW
Dämpfung 100 MHz dB/100 m
Dämpfung 1 GHz dB/100 m
1,12
2,76
9,3
8,5
2,59
1,18
3,9
73
17,4
5,0
0,94
3,4
70
26,7
8,1
0,53
1,79
70
54
16
0,36
1,26
46
116
34
0,197
0,69
69
279
0,15
0,36 (500 MHz)
119 (500 MHz)
Drt = Draht, Ro = Rohr, Wlr = Wellrohr, PE = Polyäthylen, PTFE = Polytetrafluoräthylen, C′ = Kapazitätsbelag, Pmittel = zulässige mittlere Leistung (die maximalen Spitzenleistungen liegen wesentlich höher)
964
Nachrichtentechnik
a)
Bild III-14 Feldverläufe in einem Rechteck-Hohlleiter mit TE- oder H-Welle ⎯⎯ = E-Feldlinien, − − − = H-Feldlinien
b)
Bild III-12 a) FLEXWELL-Kabel nach RFS kabelmetal mit gewelltem Außen- und Innenleiter sowie PE-Stützwendel b) Feldlinienbild eines Koaxialkabels nach a) a) ⎯⎯ = E-Feldlinien, − − − = H-Feldlinien
b
b a
a)
a
D b)
c)
Bild III-13 Querschnittsformen von Hohlleitern mit Verlauf des elektrischen Feldes a) rechteckig b) rund c) elliptisch In Bild III-14 ist ein Beispiel für den Momentanwert der Verläufe des elektrischen und des magnetischen Feldes dargestellt. Da bei Hohlleitern entweder das elektrische oder das magnetische Feld Komponenten in Ausbreitungsrichtung hat, gelten die Bezeichnungen nach Tabelle III-7.
Rechteckhohlleiter: 1. Index: Anzahl längs der Breitseite, 2. Index: Anzahl längs der Schmalseite. Der Index ist Null, falls keine Änderung längs der entsprechenden Seite auftritt. Rundhohlleiter, Elliptische Hohlleiter: 1. Index: Halbe Anzahl längs des Umfanges, 2. Index: Anzahl in radialer Richtung (Maximum in der Achse wird mitgezählt). Für elliptische Hohlleiter werden ev. noch Zusatzindizierungen verwendet, siehe dazu die Erläuterungen zu Bild III-18 weiter unten. Bild III-15 erläutert die Bezeichnungsweise an einigen Beispielen. Am häufigsten werden angewendet: Rechteckhohlleiter: H10- und E11-Welle Rundhohlleiter, Elliptische Hohlleiter: H11- und E01Welle Man kann sich die Ausbreitung als fortwährende Reflexion an den Wänden des Hohlleiters vorstellen. Das Material muß deshalb elektrisch gut leitend sein, damit in den Wandungen möglichst wenig Verluste entstehen. (Es gibt noch kein Material, das eine gute elektrische und eine gute magnetische Leitfähigkeit gleichzeitig besitzt.) Die elektromagnetischen Wellen breiten sich im Hohlleiter mit Lichtgeschwindigkeit c aus. Bild III-16 zeigt eine entsprechende Wellenfront. Folgende Größen lassen sich unmittelbar entnehmen: Gruppengeschwindigkeit: v g = c ⋅ sin a (III.37a) c Phasengeschwindigkeit: v p = (III.37b) sin α c Lichtgeschwindigkeit ≈ 3 ⋅ 108 m/s
Tabelle III-7 Bezeichnung der Wellen in Hohlleitern Typ
Komponente in Ausbreitungsrichtung
Bezeichnung (siehe auch Bild III-15)
E-Welle
elektrisches Feld
TM-Welle: Transversal-magnetische Welle
H-Welle
magnetisches Feld
TE-Welle: Transversal-elektrische Welle
Nach DIN 47 301 werden die sich ausbreitenden Wellen durch zwei Indizes gekennzeichnet, die die Zahl der Maxima der elektrischen Feldstärke E angeben:
Die Energieausbreitung geschieht mit der Gruppengeschwindigkeit. Die Phasengeschwindigkeit ist stets größer oder gleich der Lichtgeschwindigkeit.
III Leitungen
965 Für lkr < l ist g reell, d.h. die Welle wird gedämpft. Für lkr > l dagegen ist die Dämpfung Null, so daß eine Übertragung sinnvoll ist. Die Abmessungen des Hohlleiters (Durchmesser bzw. Länge und Breite nach Bild III-13) und lkr liegen in der gleichen Größenordnung. Einer Frequenz 3 GHz entspricht eine Wellenlänge von 10 cm, so daß die Hohlleiter für Frequenzen oberhalb dieses Wertes wirtschaftlich vertretbare Abmessungen bekommen. Hohlleiterabmessungen und zu übertragende Frequenz werden so aufeinander abgestimmt, daß sich nur der gewünschte Wellentyp ausbreiten kann: Die Frequenz der Welle ist größer als die kritische Frequenz des Wellentyps, aber kleiner als die aller anderen möglichen Wellentypen. Tabelle III-8 gibt Beispiele für die kritische Wellenlänge und die daraus folgende kritische Frequenz fkr, die aus der Beziehung fkr = c/lkr (c ist die Lichtgeschwindigkeit) folgt. Erst für Frequenzen oberhalb etwa 5 GHz ergeben sich für Hohlleiter handliche mechanische Abmessungen. Bild III-17 gibt Beispiele für den Verlauf des Dämpfungskoeffizienten in einem Kupfer-Rundhohlleiter. Zu erkennen ist die sprunghafte Zunahme der Dämpfung unterhalb der kritischen Frequenzen, was nach Gleichung (III.38) auch zu erwarten ist.
a)
b)
c)
100 E11-Welle
d)
50 dB km 20
Bild III-15 Beispiele für Schwingungstypen in Hohlleitern a) H10-Welle im Rechteckhohlleiter b) E11-Welle im Rechteckhohlleiter c) H11-Welle im Rundhohlleiter d) E01-Welle im Rundhohlleiter ⎯⎯ = E-Feldlinien, − − − = H-Feldlinien
10 H01-Welle 5
2 1
Wellenfront mit c a c a vg
a vp
Bild III-16 Ebene Welle im Rechteck-Hohlleiter
Die Wellenausbreitung wird erst oberhalb einer kritischen Wellenlänge lkr technisch nutzbar. Den Ausbreitungskoeffizienten kann man berechnen, er ergibt sich zu:
Ausbreitungskoeffizient: 1 1 γ = α + j β = 2π λkr2 λ 2
E01-Welle H11-Welle
a
lkr kritische Wellenlänge in m; l Wellenlänge der sich im Hohlleiter ausbreitenden Welle
5
2
10
20 GHz 50 f
100
Bild III-17 Dämpfungskoeffizienten im Cu-Rundhohlleiter mit 50 mm Innendurchmesser (nach Frommer, Funktechnik) Zu beachten ist noch, daß der (Feld-)Wellenwiderstand der Hohlleiter frequenzabhängig ist. Mit Z0, dem Wellenwiderstand des freien Raumes (s.a. Gleichung IV.4), und der kritischen Frequenz fkr des Hohlleiters gilt: ZF =
(III.38)
1
Z0 1 − ( f kr / f )
(III.39) 2
Die aus Gleichung (III.38) folgenden kritischen Frequenzen führen dazu, daß jeder Hohlleiter nur eine gewisse Bandbreite übertragen kann. Zwar sind
966
Nachrichtentechnik
Tabelle III-8 Beispiele für kritische Frequenzen und Wellenlängen bei Hohlleitern Rechteckhohlleiter
lkr
H10
2a
E11 E11 (a = b) E11 (a = 2b)
fkr für a = 200 mm
fkr für a = 10 mm
750 MHz
15 GHz
2 ab a2 + b2 2a
2 2a
1,06 GHz
21,2 GHz
1,68 GHz
33,5 GHz
5
Rundhohlleiter
lkr
fkr für D = 200 mm
fkr für D = 10 mm
H11 E01
1,71 ⋅ D 1,31 ⋅ D
877 MHz 1,15 GHz
17,6 GHz 22,9 GHz
a, b siehe Bild III-13 elliptischer Wellenrohrhohlleiter
im Prinzip auch höhere Schwingungstypen in Hohlleitern möglich, die jedoch in der Praxis vermieden werden. Ein Rechteckhohlleiter hat zunächst ein Frequenzverhältnis aus Frequenz der Grundwelle (1/2 Wellenlänge über a) zur Frequenz mit dem nächsthöheren Mode (2 ⋅ 1/2 Wellenlänge über a) von 1 zu 2. Praktisch genutzt wird aber nur ein Verhältnis von 1,2 zu 1,9. Um alle technischen Frequenzen übertragen zu können, gibt es standardisierte Typen mit einem Seitenverhältnis a : b = 2 : 1. In der Tabelle III-9 ist eine Auswahl von Rechteckhohlleitern aus IEC 153 zusammengestellt. Die R-Nummer entspricht dabei dem Zehnfachen der mittleren Betriebsfrequenz, gemessen in GHz. Beispiel: R 100 → mittlere Betriebsfrequenz 10 GHz × 10 → 100. Rundhohlleiter haben zwar den Vorteil, daß Wellen vom Typ H01 sich mit zunehmender Frequenz immer stärker im Zentrum konzentrieren und damit eine mit der Frequenz abnehmende Dämpfung aufweisen (s.a. Bild III-17), sie zeigen aber ein instabiles Verhalten bei höheren Frequenzen mit Energieentzug für den Grundmode. Nachteilig für Rechteck- und Rundhohlleiter ist in jedem Fall die geringe Flexibilität. Mobile Systeme sind damit nicht aufzubauen. Eine Lösung bieten hier die aus Wellrohren entwickelten elliptischen (Wellrohr-)Hohlleiter (Bild III-18). Sie sind, fast wie gewöhnliche Kabel, trommelbar und weisen Fertigungslängen von ca. 250 m auf. Wie Bild III-13 bereits zeigt, lehnen sie stark an die Rundhohlleiter an, und auch die Indizierung der Wellenformen ist entsprechend. Allerdings unterscheidet man noch cosinuselliptische Wellen mit der Zusatzindizierung „c“, z.B. Hc11 (s.a. Bild III-19a) und sinuselliptische Wellen mit dem Zusatz „s“, z.B. Hs11 (s.a. Bild III-19b). Wegen der großen praktischen Bedeutung der elliptischen Hohlleiter sind auch diese in ihren Daten
a
a)
Bild III-18 Elliptischer Wellrohrhohlleiter
b)
Bild III-19 Wellenformen in elliptischen Hohlleitern (nach W. Krank) a) Hc11 b) Hs11 ⎯⎯ = E-Feldlinien, − − − = H-Feldlinien genormt und mit E-Nummern nach der gleichen Methode wie die Rechteckhohlleiter gekennzeichnet. In der Tabelle III-9 sind auch Daten von einigen elliptischen Hohlleitern unter den Kennbuchstaben Exx mit aufgeführt.
6.3 Streifenleitungen Die Technik der gedruckten Schaltung hat bei hohen Frequenzen zu einem eigenen Leitungstyp, der Streifenleitung, geführt. Darunter ist ein flacher leitender Streifen zu verstehen, der durch ein Dielektrikum von
III Leitungen
967
Tabelle III-9 Daten einiger genormter Rechteck- und elliptischer Hohlleiter Rechteckhohlleiter Typ
Elliptische Hohlleiter
Frequenzbereich GHz
Dämpfung bei
f/GHz
dB/m
R 48
3,94 ... 5,99
4,73
0,0345
R 70 R 100
5,38 ... 8,17 8,20 ... 12,5
6,45 9,84
0,0575 0,110
R 140
11,9 ... 18,0
14,2
0,176
R 220 R 320
17,6 ... 26,7 26,3 ... 40,0
21,1 31,6
0,368 0,583
Typ
Frequenzbereich GHz
Dämpfung bei
f/GHz
dB/100 m
E 60 E 70 E 100 E 130
5,6 ... 6,4 6,4 ... 7,7 8,5 ... 10,0 10,7 ... 13,3
6,4 7,7 10,0 13,3
3,5 4,6 8,4 11,2
E 185 E 220
17,3 ... 19,7 21,2 ... 23,6
19,7 23,6
18,9 28,1
Wegen der in der Praxis unterschiedlichen Nutzungslängen sind die Dämpfungen für die Rechteckhohlleiter in dB/m angegeben, während sie für die elliptischen Hohlleiter in dB/100 m angegeben sind.
einer oder mehreren großflächigen Gegenelektroden getrennt ist. Die wesentlichen Arten sind in Bild III-20 dargestellt.
h a)
W
er e0
h
er e0 W
b)
h
er e0
W
suchung derartiger Systeme neben der relativen Permittivität er des Substrates ganz besonders das Verhältnis w/h, d.h. Streifenbreite zu Substratdicke. Nach Hammerstad ergibt sich der Wellenwiderstand Z von Streifenleitungen mit den Bezeichnungen gemäß Bild III-20a zu: Z = W
c)
Bild III-20 Streifenleitungen a) Microstrip-Leitung b) Triplate-Leitung c) Schlitzleitung
Z = W
H E
für
8⋅ h w ⎞ 60 ⋅ ln ⎛⎜ + ⎟ ⎝ w 4⋅h ⎠ e eff
e eff
für
w <1 h
120 ⋅ p ⎛ w + 1, 393 + 0 , 667 ⋅ ln ⎛ w + 1, 44 ⎞ ⎞ ⎜ ⎟⎟ ⎜ ⎝h ⎠⎠ ⎝h
w >1 h
(III.40b)
eeff ergibt sich aus der relativen Permittivität er des Substrates zu: e eff = 0 , 5 ⋅ ( e r + 1) + 0 , 5 ⋅ ( e r − 1) ⋅ F
H
er
(III.40a)
F=
E
w + 0 , 04 ⋅ ⎛⎜ 1 − ⎞⎟ ⎝ h⎠ h 1 + 12 ⋅ w 1
(III.40c)
2
für
w <1 h
(III.40d) Bild III-21 Feldverlauf bei einer Streifenleitung
F=
1 1 + 12 ⋅
Mikrostreifenleitung, Microstrip- oder Streifenleitung im engeren Sinne ist dabei die Ausführung in Bild III-20a. Die in Bild III-21 dargestellte Feldverteilung an einer derartigen Leitung zeigt einen komplizierten Verlauf, was zu aufwendigen Berechnungen insbesondere des für die Praxis notwendigen Wellenwiderstandes von führt. Da die Feld Streifenleitungen komponenten E und H zwar nicht exakt wie bei TEM-Wellen, aber doch weitgehend senkrecht zur Ausbreitungsrichtung verlaufen, spricht man auch von Quasi-TEM-Wellen. Wichtig ist bei der Unter-
für h w
w >1 h
(III.40e)
Die Arbeit mit diesen Formeln ist recht aufwendig. Für geringere Genauigkeiten reicht das Diagramm in Bild III-22. Genauere Werte für die gängigen Wellenwiderstände von Z = 50, 60 und 75 Ω liefert die Tabelle III-10. Zu den üblichen Substratdicken von 1,5 mm gibt die Tabelle III-10 dann auch sofort die Streifenbreite w. Die Werte um er = 2,3 sind fein unterteilt, da für genauere Arbeiten jeweils die Streuungen der er-Werte des Trägermaterials beachtet werden müssen.
968
Nachrichtentechnik
Tabelle III-10 Verhältnis Streifenbreite zu Substratdicke (w/h) von Streifenleitungen nach Hammerstad für ausgewählte Werte von Z und er = 1 ... 9,9, w = Streifenbreite in mm für eine Substratdicke h = 1,5 mm Z = 50 Ω
Z = 60 Ω
Z = 75 W
er
w/h
w
er
w/h
w
er
w/h
w
1,00 1,50 2,00 2,10 2,20 2,25 2,30 2,35 2,40 2,50 2,60 2,70 2,80 2,90 3,00 3,20 3,40 3,60 3,80 4,00 4,20 4,40 4,50 4,60 4,70 4,80 4,90 5,00 5,20 5,50 6,00 6,50 7,00 7,50 8,00 8,50 9,00 9,10 9,20 9,30 9,40 9,50 9,60 9,70 9,80 9,90
4,91 3,91 3,29 3,19 3,10 3,06 3,01 2,97 2,93 2,86 2,78 2,72 2,65 2,59 2,53 2,42 2,32 2,23 2,14 2,06 1,99 1,92 1,89 1,86 1,83 1,80 1,77 1,74 1,69 1,61 1,50 1,40 1,32 1,24 1,16 1,10 1,04 1,03 1,02 1,01 1,00 0,99 0,98 0,97 0,96 0,95
7,36 5,87 4,94 4,79 4,65 4,59 4,52 4,46 4,40 4,29 4,18 4,08 3,98 3,89 3,80 3,63 3,48 3,34 3,21 3,10 2,99 2,89 2,84 2,79 2,74 2,70 2,65 2,61 2,54 2,42 2,25 2,11 1,98 1,86 1,75 1,65 1,56 1,54 1,52 1,51 1,50 1,49 1,47 1,46 1,45 1,43
1,00 1,50 2,00 2,10 2,20 2,25 2,30 2,35 2,40 2,50 2,60 2,70 2,80 2,90 3,00 3,20 3,40 3,60 3,80 4,00 4,20 4,40 4,50 4,60 4,70 4,80 4,90 5,00 5,20 5,50 6,00 6,50 7,00 7,50 8,00 8,50 9,00 9,10 9,20 9,30 9,40 9,50 9,60 9,70 9,80 9,90
3,78 2,99 2,49 2,41 2,34 2,31 2,27 2,24 2,21 2,14 2,09 2,03 1,98 1,93 1,88 1,79 1,71 1,64 1,57 1,51 1,45 1,39 1,36 1,34 1,32 1,29 1,27 1,25 1,20 1,14 1,05 0,98 0,91 0,85 0,80 0,75 0,70 0,69 0,68 0,68 0,67 0,66 0,65 0,65 0,64 0,63
5,67 4,49 3,74 3,62 3,51 3,46 3,41 3,36 3,31 3,22 3,13 3,05 2,97 2,90 2,83 2,69 2,57 2,46 2,35 2,26 2,17 2,09 2,05 2,01 1,98 1,94 1,90 1,87 1,81 1,72 1,58 1,47 1,37 1,28 1,20 1,12 1,06 1,04 1.03 1,02 1,01 0,99 0,98 0,97 0,96 0,95
1,00 1,50 2,00 2,10 2,20 2,25 2,30 2,35 2,40 2,50 2,60 2,70 2,80 2,90 3,00 3,20 3,40 3,60 3,80 4,00 4,20 4,40 4,50 4,60 4,70 4,80 4,90 5,00 5,20 5,50 6,00 6,50 7,00 7,50 8,00 8,50 9,00 9,10 9,20 9,30 9,40 9,50 9,60 9,70 9,80 9,90
2,68 2,09 1,71 1,65 1,60 1,57 1,55 1,52 1,50 1,45 1,41 1,36 1,32 1,29 1,25 1,18 1,12 1,06 1,01 0,97 0,93 0,89 0,87 0,85 0,83 0,81 0,80 0,78 0,75 0,71 0,64 0,59 0,54 0,50 0,46 0,42 0,39 0,39 0,38 0,38 0,37 0,37 0,36 0,36 0,35 0,35
4,03 3,14 2,57 2,48 2,40 2,36 2,32 2,28 2,25 2,18 2,11 2,05 1,99 1,93 1,88 1,78 1,68 1,60 1,52 1,46 1,39 1,33 1,30 1,28 1,25 1,22 1,20 1,17 1,13 1,06 0,97 0,88 0,81 0,75 0,69 0,64 0,59 0,58 0,57 0,57 0,56 0,55 0,54 0,54 0,53 0,52
III Leitungen
969
Z Ω 200 150
100 90 80 70 60 er =
50
8
9,6
6
4
2,3
1
40 30
20
10 0,2
0,3
0,5
0,8
1
1,2
2
3
4
5
6 7 8 W h
Bild III-22 Wellenwiderstand Z/Ω als Funktion von w/h, d.h. der Streifenbreite zur Substratdicke einer Streifenleitung mit der Permittivität er als Parameter Allgemein gilt, daß niederohmige Leitungen breit und hochohmige Leitungen schmal (dünn) ausfallen. Das Ätzen muß sehr sorgfältig geschehen, damit sowohl die vorgegebenen Streifenbreiten (w) ohne Schwankungen eingehalten werden und auch die Flanken der Streifen senkrecht sind und kein „Bahndammprofil“ aufweisen. Aus Abschnitt 4.4, Gleichung (III.30) folgt für Ze = 0 der Kurzschlußwiderstand Zk bzw. für Ze → ∞ der Leerlaufwiderstand Zl. Mit Z = Z, d.h. reellem Wellenwiderstand, werden:
Z k = j ⋅ Z ⋅ tan b ⋅ l , Z l = − j ⋅ Z ⋅ cot b ⋅ l (III.30a, b) Für Werte von l/l ≤ 0,25 bedeutet dies induktives Verhalten der kurzgeschlossenen Leitung und kapazitives Verhalten bei Leerlauf. Diese Tatsache ist für Streifenleitungen besonders interessant, da somit in einfacher Weise Leitungen durch Stichleitungen für Transformationszwecke induktiv oder kapazitiv belastet werden können. Nachteilig ist u.U. die Länge der Stichleitung. Gegenüber der Wellenlänge kurze (l < 0,1 ⋅ l) Leitungsabschnitte können niederohmig kapazitiv und hochohmig induktiv genutzt werden. Nieder- bzw. hochohmig ist immer in Bezug auf den Wellenwiderstand des restlichen Systems – meist 50 Ω – zu verstehen. Für niederohmige Leitungsabschnitte gilt näherungsweise
w⋅C ≈
1 ⋅ sin b ⋅ l Z
(III.41a)
und für hochohmige Leitungsabschnitte gilt näherungsweise w ⋅ L ≈ Z ⋅ sin b ⋅ l
(III.41b)
b = 2 ⋅ p ⋅ l und l = Leitungslänge. Für den Wellenwiderstand Z ist hier der gewählte hochohmige bzw. niederohmige Wert des geplanten Blindelementes einzusetzen. Dabei ist auf den verfügbaren Platz für breite niederohmige Leitungsabschnitte zu achten. Bei hochohmigen Strecken wird die Leitung u.U. unrealisierbar schmal. In Bild III-23 ist die Realisierung einer Parallelresonanz an einer Streifenleitung durch eine niederohmige (breite) kapazitive und hochohmige (schmale) induktive Stichleitung dargestellt.
Z
C
C Z
Z L
Bild III-23 Parallelresonanz an einer Streifenleitung durch eine niederohmige kapazitive und eine hochohmige induktive Stichleitung
970
Nachrichtentechnik
7 s-Parameter Die Vierpolparameter (Abschnitt II, Vierpole, Zweitore) betrachteten Systeme in der Widerstands-, Leitwert- oder Kettenform. Die Probleme, die sich auf Leitungen durch Reflexionen ergeben, blieben dabei unberücksichtigt. Wie die Leitungsgleichungen (III.9a, b) aber zeigen, sind allgemein eine hin- und eine rücklaufende Welle auf Leitungen wirksam. Dies macht sich besonders bei hohen Frequenzen bemerkbar, was durch eine veränderte Betrachtungsweise mit Hilfe der Scatter-Parameter, auch Streu-Parameter oder kurz s-Parameter, berücksichtigt werden kann. Diese zunächst für Leitungsbetrachtungen entwickelten Systemgrößen haben mit dem Übergang zu höheren Frequenzen erheblich an Bedeutung gewonnen. Ausgang ist nicht mehr eine Spannung oder ein Strom, sondern eine normierte Leistungswelle, was gleichbedeutend mit der Wurzel aus einer Leistung ist. Allgemein: a = U/ R bzw. I ⋅ R . Auf die Gleichung (III.9) angewandt bedeutet dies, daß U = Uh bzw. Ur und R = Z werden. In der Praxis kann dabei stets der reelle Wellenwiderstand Z statt des komplexen Widerstandes Z eingesetzt werden. U(x) Uh Ur (III.42) = + = a x + bx Z Z Z mit hinlaufender Welle a = A ⋅ e–g ⋅ x und rücklaufende Welle b = B ⋅ eg ⋅ x. A und B stellen dann jeweils die normierten Leistungswellen dar. Am Anfang der Leitung, Index 1, gilt dann: U1 (III.43a) = a1 + b1 Z und am Ende der Leitung, Index 2, gilt: U2 Z
= a 2 + b2
U h2/ Z = 0
s11
(III.43b)
D.h., es tritt am Eingang eine rücklaufende Welle b1 auf, die einerseits aus reflektierten Anteilen von a1 am Anfang und andererseits aus Anteilen von a2 am Ende der Leitung besteht. Entsprechend existiert eine zusammengesetzte Welle b2 am Ende des Systems aus direkt am Ende von a2 reflektierten Anteilen und von a1 Anteilen, die vom Anfang der Leitung stammen. Der Zusammenhang zwischen diesen verschiedenen Komponenten wird durch die s-Parameter wie folgt beschrieben:
U = r1 U h1
s11
Eingangsreflexionsfaktor U h1 / Z = 0
s 12 s 12 =
U r1 U h2
Rückübertragungsfaktor U h2/ Z = 0
s 21 s 21 =
Ur2 U h1
Vorwärtsübertragungsfaktor U h1 / Z = 0
s 22 s 22
U = r2 U h2
U h1 Z U r1 Z
Ausgangsreflexionsfaktor
U1 Z
U2 Z
U h2 Z U r2 Z
Bild III-24 Grundgrößen der s-Parameter, dargestellt an einem Transistor Wie aus den Definitionen hervorgeht, können alle s-Parameter, obwohl zu Leistungswellen gehörig, als Spannungsverhältnisse gemessen werden. Das Problem besteht allerdings darin, daß die Wellen flußrichtungsabhängig zu messen sind. Dies ist mit sog. Richtkopplern möglich. Als Reflexionsfaktoren sind die s-Parameter dimensionslos und werden i.a. als komplexe Größen mit Betrag und Phase dargestellt. Zum Beispiel: s 21 = 3, 3 ⋅ e j ⋅ 61
o
Die grafische Darstellung benutzt Polarkoordinaten. Wirkliche Reflexionsfaktoren im klassischen Sinne sind aber nur die Größen s11 und s22, die grafisch meist im Smith- oder Kreis-Diagramm (s.d.) dargestellt werden. Mitunter findet man auch eine Komponentendarstellung nach Real- und Imaginärteil.
b1 = s11 ⋅ a1 + s12 ⋅ a 2
(III.44a)
7.1 Signalflußdiagramme
b 2 = s 21 ⋅ a1 + s 22 ⋅ a 2
(III.44b)
Die praktische Anwendung der s-Parameter führt zu einer veränderten Betrachtung von Schaltungen in Form von Signalflußdiagrammen. Hierzu gehören folgende Regeln:
Diese zunächst für Leitungen entwickelte Betrachtungsweise wird in der Höchstfrequenztechnik praktisch ausschließlich angewandt. Da Transistoren oberhalb von etwa 100 MHz weitgehend durch ihre s-Parameter beschrieben werden, seien an Hand von Bild III-24 die Bedeutungen der verschiedenen s-Parameter näher erläutert.
1. Jede Variable, a1, a2, b1 und b2, wird durch einen Knoten dargestellt. 2. Jeder s-Parameter, s11, s12, s21 und s22, wird durch einen Zweig dargestellt.
III Leitungen
971
3. Die Zweige gehen von den Knoten der unabhängigen Variablen aus und enden bei den Knoten der abhängigen Variablen. 4. In den s-Parameter-Gleichungen sind a1 und a2 die unabhängigen Variablen und b1 und b2 die abhängigen Variablen. 5. „Jeder Knoten ist gleich der Summe der darin endenden Zweige.“ In Bild III-25 ist das Signalflußdiagramm eines einfachen Vierpols gezeigt. In III.25a sind die „reflektierten“ Größen mit ihren Knoten b1 und b2 zunächst zur „Gewöhnung“ getrennt dargestellt. In III.25b sind die Signalflüsse dann zusammengefaßt. Aus den Diagrammen ergibt sich sofort: b1 = s11 ⋅ a1 + s12 ⋅ a 2
(III.44c)
b 2 = s 21 ⋅ a1 + s 22 ⋅ a 2
(III.44d)
Diese Gleichungen sind, wie nicht anders zu erwarten war, mit Gleichung (III.44a und b) voll identisch. a1 s11 a1
s12 b1
s11 a1
b2
s21
a2 s21
a2
bq
b
oder r2
rq aG
a)
rq
b2
r2 a
b)
Bild III-26 Signalflußdiagramm des belasteten Generators a) getrennte Darstellung b) zusammengesetzte Darstellung b: abfließende Welle, a: rückfließende Welle, bq = normierte Leistungswelle der Quelle, rq = Reflexionsfaktor der Quelle und r2 = Reflexionsfaktor der Last dem Signalflußdiagramm des belasteten Generators. Warum die abfließenden Wellen jetzt die Bezeichnung b führen und die rück-(zu-)fließenden Wellen jetzt auf a lauten, wird sofort klar, wenn man noch einmal Bild III-25b ganz rechts mit den gestrichelten Pfeilen betrachtet. bq ist die normierte Leistungswelle des Generators und rq sein Reflexionsfaktor. Aus Bild III-26b kann sofort abgelesen werden: und a = r2 ⋅ b
(III.45a, b)
Wechselweises Einsetzen von a bzw. b liefert:
b2 b1
a2
bG
b = b q + rq ⋅ a
s22 s12
a2
s22 a)
bq
b)
Bild III-25 Signalflußdiagramm eines Vierpols a) getrennte Darstellung b) zusammengefaßte Darstellung a: hineinfließende Wellen, b: rückfließende Wellen, sxx: s-Parameter Am Bild III-25a wird jetzt auch leicht ersichtlich, was zunächst etwas willkürlich erschien, nämlich die Entstehung der abfließenden Größen b1 und b2. a1 ist die dem Eingang des Vierpols als Steuersignal zufließende Leistungswelle. Davon wird wegen fehlerhafter Anpassung ein Bruchteil, nämlich s11 ⋅ a1, reflektiert. Dem Ausgang des Vierpols fließt eine Leistungswelle a2 zu, welche die gleiche (!) Flußrichtung wie b1 hat und durch „Übersprechen“ mit einem Anteil s12 ⋅ a2 an den Eingang gelangt. Die im Ausgang abfließende Leistungswelle b2 ist das dem Verbraucher zufließende Nutzsignal. Es besteht aus dem mit der gleichen Flußrichtung wie b2 behafteten Eingangssignal a1, verstärkt durch s21, also s21 ⋅ a1, und einem am Ausgang reflektierten Anteil s22 ⋅ a2 von einer auf den Ausgang aufgetroffenen Leistungswelle a2, die in irgendeiner Form vom angeschlossenen Verbraucher kommt. Die Zusammenhänge ändern sich, wenn Belastungen wirksam werden. Hierzu zunächst Bild III-26 mit
b=
bq
und a =
1 − rq ⋅ r2
bq 1 − rq ⋅ r2
r2
(III.45c, d)
Die maximal der Quelle entnehmbare Wirkleistung PW max folgt – mit den konjugiert komplexen Größen a* und b* – aus der von der Last aufgenommenen Wirkleistung PW aus zugeführten Leistung a ⋅ a* minus reflektierter Leistung b ⋅ b* zu: 2
(
PW = a ⋅ a * − b ⋅ b * = a ⋅ 1 − r2
2
)
(III.46)
Im optimalen Falle soll die von der Last aufgenommene Leistungswelle a gleich der von der Quelle (Generator) abgegebenen Leistungswelle b nach Gleichung (III.45c) sein. Daraus folgt für die Leistung PW: PW = b q
2
⋅
1 − r2
2
1 − rq ⋅ r2
(III.47)
2
Das Maximum hieraus folgt für das Minimum des Nenners. Die Differentiation der Beträge von Gleichung (III.47) liefert ein Leistungsmaximum für ⎪rq⎪ = ⎪r2⎪, und aus der Phasenbedingung ergibt sich r2 = r*q. Dies ist die allgemeine Anpassung auf einen konjugiert komplexen Abschlußwiderstand für die Entnahme einer maximalen Leistung aus einem Generator mit komplexem Innenwiderstand. Somit wird PW max: PW max = b q
2
⋅
1 1 − rq
2
(III.48)
972
Nachrichtentechnik
Die Zusammenfassung der bisherigen Betrachtungen liefert das Signalflußdiagramm des beschalteten Vierpols (Bild III-27). Die im Ausgang, Index 2, umgesetzte Leistung PW2 ergibt sich entsprechend Gleichung (III.46) zu: PW2 = b 2 ⋅ b 2* − a 2 ⋅ a ∗2 = b 2 a1
bq
s21 s11
rq
2
(
)
2
⋅ 1 − r2
(III.46a)
1 1 − s 22
2
Die maximale Leistungsverstärkung des im Eingang und Ausgang konjugiert komplex angepaßten Vierpols, Gmax, oder MAG = Maximum available gain wird dann:
b2 s22
G 2 max =
MAG = G 1 max ⋅ G 0 ⋅ G 2 max =
r2
(1 − s
s 21 2 11
2
) ⋅ (1 − s
2 22
)
(III.51) s12
b1
a2
Bild III-27 Signalflußdiagramm des beschalteten Vierpols bq = normierte Leistungswelle der Quelle, a: hinlaufende Wellen, b: ablaufende Wellen, sxx = s-Parameter des Vierpols (z.B. Transistor), rq = Reflexionsfaktor der Quelle und r2 = Reflexionsfaktor der Last
7.2 Leistungsverstärkung Mit den Grundgleichungen der s-Parameter und den Signalflüssen der äußeren Reflexionsfaktoren ergibt sich die Wirkleistung PW2 nach einigen Umformungen zu: 2
2
PW2 = b q ⋅
(
s 21 ⋅ 1 − r2
)
2
(1 − s11⋅ rq ) ⋅ (1 − s 22 ⋅ r2 ) − s 21⋅ s12 ⋅ rq ⋅ r2
2
(III.49) Bezogen auf die maximal dem Generator entnehmbare Wirkleistung PW max (Gleichung (III.48)) und mit der Randbedingung s12 → 0 folgt daraus die wichtige Leistungsverstärkung G zu: PW2 PW max
=G=
s 21
2
(
⋅ 1 − r2
2
) ⋅ (1 − r ) 2
q
(1 − s 11 ⋅ rq ) ⋅ (1 − s 22 ⋅ r2 )
(III.50)
2
Diesen Ausdruck kann man in 3 Komponenten aufspalten: G = G1 ⋅ G 0 ⋅ G 2 =
1 − rq
2
1 − s11 ⋅ rq
2
2
⋅ s 21 ⋅
1 − r2
8 Kreisdiagramm Komplexe Widerstände werden i.a. in der komplexen Ebene dargestellt (Bild III-28a). Werden darin Kreise für konstante Anpassungsfaktoren (Stehwellenverhältnisse) m (s.a. Gleichung III.32) und Kurven für konstante l/l-Werte aufgetragen, so gelangt man zum Buschbeck-Diagramm. Wegen der unendlich großen komplexen Ebene ist auch das Diagramm unendlich groß. Da der Reflexionsfaktor r für passive Systeme nur Beträge zwischen Null und Eins annehmen kann, gehört dazu lediglich eine Kreisebene mit dem Radius 1 (Bild III-28b). Die Transformationsgleichung hierzu ist Gleichung (III.15) mit z −1 r= (III.15) z +1 Im
2
1 − s 22 ⋅ r2
Dieser MAG-Wert ist für die Beurteilung von HFTransistoren bedeutsam, da er die (theoretisch) maximal mögliche Leistungsverstärkung des Bauelementes angibt. Wenngleich dieser Wert in der Praxis nicht erreicht werden kann, so sind die Randbedingungen der konjugiert komplexen Anpassung in Schaltungen anzustreben und Sorge zu tragen, daß s12 nicht durch den Schaltungsaufbau vergrößert wird. Weitere Folgerungen hierzu ergeben sich aus dem Arbeiten mit dem Kreisdiagramm.
2
G0 = ⏐s21⏐2 = Wirkleistungsverstärkung des Vierpols (Zweitors) G2 = Wirkleistungsverstärkung am Ausgangstor, maximal für r2 = s*22:
r-Ebene
+1
(III.50a) Diese einzelnen Komponenten haben folgende Bedeutung: G1 = Wirkleistungsverstärkung am Eingangstor, maximal für rq = s*11: 1 G 1 max = 2 1 − s 11
z-Ebene
0
Re
–1
0
+1
–1 a)
b)
Bild III-28 Kreisdiagramm a) komplexe Widerstandsebene mit Kreisen für m = const und Kurven für l/l = const (Buschbeck-Diagramm) b) komplexe Reflexionsfaktorebene mit dem Radius 1 und Kreisen für konstante Wirkanteile und Kurven für konstante Blindanteile
III Leitungen
973
r = komplexer Reflexionsfaktor und z = auf den Wellenwiderstand Z normierter komplexer Widerstand. Das so entstandene Diagramm ist vollständig in Bild III-29 dargestellt (vergrößerte Kopie zweckmäßig). Der äußere Kreis mit der Gradeinteilung ist der Kreis für den Reflexionsfaktor 1 und die verschiedenen Phasenwinkel von 0 ... 180°. Kleinere Reflexionsfaktoren sind dann Kreise mit kleineren Radien. Der Mittelpunkt entspricht dem Reflexionsfaktor 0. Obwohl das Kreisdiagramm eigentlich nur Reflexionsfaktoren darstellt, werden diese konzentrischen Kreise nicht berücksichtigt, da sie jederzeit leicht mit einem Zirkel einzutragen sind. Die dazu notwendige Skala befindet sich i.a. am Rande des Diagramms. Ins Diagramm eingetragen sind normierte Wirk- und Blindwiderstände. Die nach rechts verschobenen Kreise sind Kreise konstanten normierten Realteils (meist auf Wellenwiderstand Z normiert). Die nach oben gerichteten Kurven (Teile von apollonischen Kreisen) entsprechen konstanten normierten positiven Blindwiderständen, und die Kurven in der unteren Halbebene gehören zu konstanten normierten negativen Blindwiderständen. Ein Punkt
0,9
0,6
1,5
1,0
°
6 0,1
4
+6
0°
0,3
7
0,1
3
+5 2
0,5
06 44
0, 0, °
5
+70
0,1 0,3
0,3
0°
40 +1
4 6 +1 50 °
0°
0,0
0,4
0,47
+16
0,48
0,1
Gen erat or 0,03
0,2 10 20
5
3 4
2
1,5
1,0
0,5
0,4
0,3
0,2
–10 –5
–2
0,4 0 0,4 1 0,10 0 , 4 2 –11 0,09 0° 0,4 –1 0,08 3 20 ° 0, –1 07 30 °
–1,0
–0,9
–1,
5
6
–0,8
2
0,35 4 0,3 0,15 3 6 0,3 0,1 –70° 7 0,1 60° –
0,12 0,1 1 0,14 0,13 –90° –100° –80° 0,36
0,37
0,38
0,39
–0,
8 0,1 ° 0 –5
–0,7
0,3
,5
0
–0
0,28
–3
0,02
0,3
0,49
0,26
0,3
0 0,49 0,48 Abschluß 0,47 ngen zum 0,01 0 nlä 6 ,02 0,4 Welle,03 0 0 5 0° 4 0 –16 0,4 0,0 ° 0 5 5 ,0 –1 44 0 , 0 ° 06 0 0,1 0, –14
0,25
0,2 9
0,2 0, 31 0 –4 0,1 0° 9
,4
02 , 1 –3 0°
,3
0,22 –20 °
–0,2
0,27
0,26
0,24
0,24 0,23 –10°
–0,1
–0
0,25 0°
∞
Wirkwiderstand R/ZL
–0
+10°
10
0,23
0,27
zum
0,22
5
0,28 ° +20
0,01
1
9 0,2 0°
0,2
3
+3
Wellenlängen
8
2
0,
5
0,15 0,35
0 0,2 0 19 0,3 31 40° +
0,0
+
0,14
0,
0,4
2 0,4 20° +1
0,13
0,
3 0,4 0° 3 +1
1 0,4
1. Z = (200 + j80) Ω, Normierungswiderstand Z = 100 Ω: z = 2 + j0,8; in Bild III-30 die Serienschaltung einer Induktivität mit einem Widerstand. Die Inversion liefert dazu y = 0,43 – j0,17. (Achtung: Untere Halbebene liefert negative Vorzeichen! 1/jw ⋅ L = –j/w ⋅ L.) Zum Normierungswiderstand
4
0
,07
0,40 ° 110
0,8
8 0,0
9
0,12
Beispiel III.4 (Bild III-30):
0,37 0,3 6 0,39 0,38 +90° +80° +100°
0,7
0,0
0,11
0,10
in dem Diagramm entspricht der Serienschaltung normierter Wirk- und Blindwiderstände. Eine Spiegelung am Mittelpunkt oder eine Drehung um 180°, eine sog. Inversion, wandelt die normierte Serienschaltung in eine normierte Parallelschaltung um. Obwohl das Kreisdiagramm zunächst nur für Widerstände entworfen wurde, ermöglicht die Inversion, d.h. die Drehung um 180°, den Übergang zu Leitwerten. Diese Drehung entspricht einer l/4-Transformation auf einer Leitung. In der Praxis bedeutet dies aber auch, daß ein um 180° gedrehtes Kreisdiagramm ein Leitwertdiagramm darstellt (Bild III-31b). Die obere Halbebene weist jetzt negative normierte Blindleitwerte und die untere Halbebene positive normierte Blindleitwerte aus. In beiden Fällen bedeutet dies aber, daß die obere Halbebene (normierte) Induktivitäten ausweist und die untere Halbebene (normierte) Kapazitäten. Smith-Diagramm
Bild III-29 Kreis- oder Smith-Diagramm
974
Nachrichtentechnik
0,9
1,5
1,0
0,6
2
0,5
06 0,
0 0,2 0 19 0,3 31 40° +
3 0,4 0° 3 +1
0,15 0,1 6 0,35 0,1 0,3 7 +70 4 ° 0,3 0,1 3 +6 8 0° 0,3 +5 2 0°
0,
+1 0, 40 44 °
1 0,4 + ° 0 2 +1
2
0,14
0,
[2]
1
0,3
9 0,2 0°
0,2
3
+3
0,2
5
0,22
[1]
0,27
10 20
5
3 4
2
1,5
1,0
0,5
0,4
0,3
0,2
0,26
–10 –5 –3 –2
,5
5 –1,
–1,0
–0,9
–0,8
0,35 4 0,3 0,15 3 6 0,3 0,1 –70° 7 0,1 60° –
0,12 0,1 1 0,14 0,13 –90° –100° –80° 0,36
0,37
0,38
0,39
–0,7
2
–0, 6
8 0,1 ° 0 –5
–0
0
0, –1 07 30 °
0,40 0,4 1 0,10 0,4 0,0 2 – 1 9 1 0° –12 0,08 0°
0,4
3
Nachdem eine Drehung um 180° im Kreisdiagramm l/4, also der Strecke einer Viertelwellenlänge entspricht, bedeutet eine vollständige Drehung um 360° eine halbe Wellenlänge, d.h. l/2. Womit gemäß Leitungstransformation wieder die Ausgangswerte der Belastung einer Leitung erreicht wären (s.a. Gleichung III.31). komplexe Widerstände In Bild III-31 ist gezeigt, welche Konsequenzen sich bei Bewegungen längs der verschiedenen Kurven für die Bauelemente einer Schaltung ergeben. In Bild III-31a liegt die Widerstandsebene vor. Bewegt man sich von einem Fixpunkt A auf einem Kreis, d.h. bei konstantem Widerstand, nach rechts, so bedeutet dies eine Zunahme der induktiven Serienkomponente. Das würde einer Schaltung mit vergrößerter Serieninduktivität entspre-
0,3
100 Ω gehört der Normierungsleitwert 1/100 Ω = 10 mS. D.h., die Parallelschaltung aus Induktivität und Widerstand hat (4,3 – j1,7) mS, was für den Realteil 233 Ω und für den Blindanteil j588 Ω bedeutet. (Für die Bestimmung der Induktivität wird noch die Frequenz benötigt.) Kreisdiagramm 2. Y = (0,01 + j0,02) S, Normierungsleitwert Y = 10 mS: y = 1 + j2; die Parallelschaltung eines Widerstandes mit einem Kondensator. Die Inversion liefert jetzt z = 0,20 – j0,40 und daraus Z = (40 – j20) Ω. (Genauere Ergebnisse als mit Bild III30 lassen sich mit dem Original-Kreisdiagramm erzielen.)
0,3
,4
0,2 9
0, 0, 2 31 0 –4 0,1 0° 9
–0
0,28
0,22 –20 °
,3
0,2 1 –30 °
0 0,49 0,48 Abschluß 0,47 ngen zum 0,01 0 nlä 6 ,02 0,4 Welle,03 0 0 5 0° 4 0 –16 0,4 0,0 0° 5 5 4 0 1 , – 4 0 , 0 ° 06 0 0,1 0, –14
0,25
0,24 0,23 –10°
0,1
0,24
0,25 0°
–0,2
0,27
0,26 +10°
–0,1
–0
10
∞
Wirkwiderstand R/ZL
0,23
0,28 ° +20
Wellenlängen zu mG enera 0,01 tor 0,02 0,03 0,49 0 ,48 0,0 4 0,47 +16 0,0 0,4 0° 5 6 +1 50° 0,45
0,4
0, 4
0
8
0,8
0,0
0,40 ° 110
0,13
0,12
0,37 0,3 6 0,39 0,38 +90° +80° ° 0 0 1 +
0,7
9 0,0 ,07
0,11
0,10
Bild III-30 Komplexe Widerstände und Leitwerte im Kreisdiagramm
chen. Bewegt man sich auf dem gleichen Kreis vom Fixpunkt A nach links, so entspricht dies der Zunahme einer kapazitiven Serienkomponente. Bewegt man sich vom Punkt A auf einer Kurve für konstante Blindkomponente nach innen, so bedeutet dies die Erhöhung eines reellen Serienwiderstandes, in der umgekehrten Richtung die Verminderung einer Serienwiderstandskomponente. Im Leitwertdiagramm (Bild III-31b) bedeutet eine Rechtsdrehung vom Punkt B eine Zunahme der kapazitiven Parallelkapazität und eine Linksdrehung eine Zunahme einer Parallelinduktivität. Bewegungen bei konstanten Blindanteilen führen zur Vergrößerung des parallelen Wirkleitwertes, wenn sie nach innen gerichtet sind, und zur Verminderung bei einer Bewegungsrichtung nach außen. Leitwerte Derartige Bewegungen oder Transformationen liefern zunächst einmal lediglich veränderte Schaltungen. Im Kreisdiagramm kann man aber sofort noch etwas anderes ablesen. Der Endpunkt einer Bewegung von A oder B hinweg liegt auf einem Kreis mit einem anderen Reflexionsfaktor. Es kann aber noch mehr erreicht werden. Wird in Bild III-31a der Pfeil bei Cs soweit verlängert, daß er die reelle Achse erreicht, so
III Leitungen
975
0,7
0,35 4 0,3 0,15 6 0,1 –70° 7 0,1 60° –
0,12 0,1 1 0,14 0,13 –90° –100° –80°
0,36
0,37
0,38
0,39
0,40 0,4 1 0,10 0,4 2 –110 0,09 ° –12 0,08 0°
1,5
2
5
10 20
3 4
1,5
2
1,0
0,5
∞
0,9
1,0
0,8
0,7
0,6
0,5
–3
2 0,3
0,4 3
0,2
Wellenlängen zum Gen 0 erato 0,01 0,49 0,02 r 0,48 0,03 Abschluß 0,47 ngen zum 0,01 0 0,49 0, 0,0 48 nlä 02 6 4 0,4 0,4 Welle,03 0, nkel des Reflexionsfaktor 0 s +16 7 0,0 ° Wi 0,4 5 60 4 0° ,4 5 –1 6 0 0,0 +1 50° 0,45 0,0 5 50° 4 0,0 –1 6 0,4 +1 0,4 6 0° 40 0,0 –14 ° 4
0,6
0,9
1,0
0,8
3 0,3
0,1
–5 –2
0,3
2 0,3
0,5
1,5
8 0,1 ° 0 –5
–1,5
3
2
0,35 4 0,3 0,15 6 0,1 –70° 7 0,1 60° –
3 0,3
–1,0
L
0,2 9
0,4
0,0 –1 7 30 °
0,28
–0,9
0,1
0,2
8 0,1 ° 0 –5
0,2
–10
0,27
0,23
–0,8
10
–10°
0,12 0,1 1 0,14 0,13 –90° –100° –80°
0,36
0,37
0,38
0,39
0,40 0,4 1 0,10 0,4 2 –110 0,09 ° 0,4 –12 0,08 3 0° 0,0 –1 7 30 °
–0,7
Wirkwiderstand R/ZL
5
0,3
0,3
–0,1
0,4
0,4
–0,2
0,2
0,3
0,5
0,4
1,0
2
1,5
0,26
5
0,24
–0 ,5
,4 –0
+CP
+GP 3 4
0,25
b)
0,26 0,25 0,24 0,27 0,23 0,28 0,22 0,26 0,25 0,24 0, 0,2 23 1 0,27 9 0° 0,22 0,2 –10° +10° 0,28 0,3 –2 ° 0 9 0° ,2 0 +20 0 1 0,2 –30 0° 0,3 ° 0,20 +3 1 /ZL pos. Blindw and – jX iders –4 0,1 tand iderst 0° 9 0,1 n dw +jX Bli /Z
B
+LP
–10
10 20
0,25 0°
–0,6
–GP
0,15 0,1 6 0,35 0,1 0,3 7 +70 4 ° 0 0,1 +6 ,33 8 0° 0,3 +5 2 0°
g. ne
0,26
0,24
+10°
Wellenlängen zum Gen 0 erato 0,01 0,49 0,02 r 0,48 0,03 Abschluß 0,47 ngen zum 0,01 0 0,49 0, 0,0 48 02 nlä 6 4 0,4 0,4 Welle,03 0, nkel des Reflexionsfaktor 0 s +16 7 Wi 0,0 0,4 5 60° 4 0° 0 ,4 5 –1 6 ,0 0 0 +1 50° 0,45 0,0 5 50° 4 0,0 –1 6 0,4 – jX/ZL pos. Blindwide d an +1 0,4 st rstan 6 0° ider 40 4 0,1 d+ 0,0 –14 ° n dw li jX/Z g. B L ne
0,14
0 0,2 0 9 0,3 0,1 1 ° 0,3 +40
0,27
0,23
L
0,3 0 0,2 0,3 0 1 –4 0,1 0° 9
,4 –0
0,2 1 –30 °
,3 –0
0,22 –20°
–0,2
+
–5
∞
Wirkwiderstand R/ZL
0,13
0,12
0,37 0,3 6 0,39 0,38 +90° +80° +100°
–0 ,5
0,22
10
–0,1
a)
0,28 ° +20
+RS
0,11
–0,6
9 0,2 0° +3 5
+CS
–3
1 0,2
3
+LS
3 0,4 0° 3 +1
2 0,4 20° +1
0,40 110°
–0,7
A
1 0,4
–0,8
7 0,0
0 0,2 0 0,3 1 ° 0,3 +40
–RS
0,10
9 0,0
8 0,0
–2
0,15 0,1 6 0,35 0,1 0,3 7 +70 4 ° 0 0,1 +6 ,33 8 0° 0,3 +5 2 0°
,3 –0
0,14
–0,9
+
0,13
–1,0
2 0,4 20° +1
0,12
0,37 0,3 6 0,39 0,38 +90° +80° +100°
9 0,1
3 0,4 0° 3 +1
0,40 110°
1 0,4
–1,5
7 0,0
0,11
0,10
9 0,0
8 0,0
Bild III-31 Widerstands- und Leitwertdiagramme a) Kreisdiagramm für Widerstände b) Kreisdiagramm für Leitwerte (Erläuterungen im Text) hat man einen komplexen Widerstand gemäß Punkt A (Rs + jwLs) durch Zuschalten einer Serienkapazität reell gemacht. Allerdings wurde lediglich die induktive Komponente kompensiert und als Realteil die schon vorhandene Wirkkomponente erhalten. Wenn man allerdings vom Punkt A Parallelkomponenten hinzufügt, könnte man auch andere reelle Werte erreichen. Um das im Kreisdiagramm auszuführen, muß eine Inversion durchgeführt werden, d.h., man muß ins Leitwertdiagramm übergehen. Führt das noch nicht zum gewünschten Erfolg, muß u.U. wieder ins Widerstandsdiagramm rückinvertiert werden: Ein offensichtlich recht mühsames Verfahren.
8.1 Doppel-Kreisdiagramm Diese und viele andere Aufgaben lassen sich mit Hilfe eines Doppel-Kreisdiagrammes lösen. Ein Exemplar ist im Anhang beigefügt, weitere können von H. Götting sen., Celler Str. 5, 31275 Röddensen, bezogen werden. Das zweifarbige Doppel-Kreisdiagramm hat die Inversion direkt eingearbeitet. Eine Serien-ParallelUmwandlung geschieht jetzt so, daß lediglich die einen Koordinaten in das eine Diagramm (z.B. blau) eingetragen werden und danach die Koordinaten der anderen Farbe abgelesen werden. Die oben angeführten Beispiele können mit den Lösungen im Doppeldiagramm direkt abgelesen werden. Eine weitere Transformationsaufgabe ist mit dem Kreisdiagramm elegant zu lösen. In Abschnitt 4.4 folgt aus der Gleichung (III.30) die Veränderung von Za über eine Änderung der Leitunglänge l. Die Lösung dieser Aufgabe ist im Kreisdiagramm leicht zu bewerkstelligen. Es ist lediglich zu berücksichtigen, daß eine Drehung im Uhrzeigersinn in Richtung zum Generator wirkt, eine Drehung gegen den Uhrzeigersinn in Richtung zur Last transformiert. Beispiel III.5 (Bild III-31a): In Bild III-31a ist ein Punkt L
eingetragen, zu dem ein normierter komplexer Widerstand z = 0,35 – j1,0 gehört. Wird diesem Widerstand in Richtung zum
Generator ein dem (Normierungs-)Wellenwiderstand entsprechendes Leitungsstück vorgeschaltet, so ändert sich der am Leitungsanfang auftretende Widerstand mit der Leitungslänge gemäß Gleichung III.30. Im Kreisdiagramm bedeutet dies eine Drehung im Uhrzeigersinn auf einem Kreisbogen mit konstantem Radius, d.h. konstantem Betrag des Reflexionsfaktors. In Bild III-31a ist der Kreisbogen bis zur reellen Achse geführt und trifft dort auf den (normierten) Widerstandswert r = 0,17. Die zugehörige Leitungslänge (am inneren l/l-Kreis abgelesen) beträgt l/l = 0,132. Dies bedeutet, daß eine wellenwiderstandsrichtige Leitung mit der Länge l = 0,132 ⋅ l den komplexen Anfangswiderstand z in einen reellen Widerstand R = 0,17 ⋅ Z W transformiert hat. In der Praxis werden für Transformationen alle Möglichkeiten kombiniert, wobei gerade die Streifenleitungen besonders vielfältige Möglichkeiten bieten. Das Doppel-Kreisdiagramm zeigt vor allem bei zusammengesetzten und mehrgliedrigen Transformationen seine Vorteile. Es ermöglicht sowohl den Schaltungsentwurf als auch seine Dimensionierung. Beispiel III.6 (Bild III-32): Ein Widerstand von 50 Ω soll mit
(verlustfreien) Blindelementen auf einen Wert von 200 Ω transformiert werden. Wie sieht die Schaltung aus und wie ist sie zu dimensionieren? Zunächst ist für den Eintrag ins Diagramm zu normieren. Da keine speziellen Leitungs(wellen)widerstände vorliegen, bieten sich 100 Ω an. Somit r1 = 0,5 und r2 = 2,0. Diese Werte sind bei Punkt A bzw. D im Widerstandsdiagramm zu finden. (Im Leitwertdiagramm sind dort die zugehörigen Leitwerte mit 2,0 und 0,5 abzulesen.) Es ist jetzt ein geschlossener Transformationsweg im Diagramm zu entwickeln! Um eventuellen kapazitiven Komponenten (durch die Schaltung) bei r1 vorzubeugen, soll die Schaltung mit einer Parallel-Kapazität beginnen. Dies bedeutet eine Rechtsdrehung auf einem Kreis mit konstantem Leitwert im Leitwertdiagramm. (Kurvenzug von A nach B in Bild III-32a.) Von Punkt B aus ist jetzt bei konstanter Wirkkomponente im Widerstandsdiagramm soweit nach rechts zu drehen (Punkt C) bis zu einem Kurvenzug für konstanten Wirkleitwert, der bei weiterer Rechtsdrehung zum Punkt D führt. Die Schaltung dieses Kurvenzuges sieht wie in Bild III-32b aus. Die Strecken AB und CD waren Rechtsdrehungen im Leitwertdiagramm, also Parallel-Kapazitäten. Die Strecke BC gehörte zu einer Rechtsdrehung im Widerstandsdiagramm und bedeutet damit eine Serien-Induktivität. Zur Dimensionierung müssen die normierten Werte aus dem Diagramm ermittelt werden. Der Bogen AB verläuft im Leitwertdiagramm von 0 ... 2,0, d.h. b1 = 2,0. Der Bogen BC verläuft im Widerstandsdiagramm von –0,25 (kapazitive Halbebene, daher minus) bis 0,65. Die Länge des Bogens ist dann C minus B, also 0,65 – (– 0,25) = 0,9 = x. Der Bogen CD liegt in der induktiven
976
Nachrichtentechnik
Halbebene des Leitwertdiagramms und beginnt demgemäß bei – 1,3 und reicht bis 0 bei D. Die Bogenlänge ist D minus C, also 0 – (–1,3) = 1,3 = b2. Die Konduktanzen bzw. Reaktanzen der Bauelemente betragen B1 = b1 ⋅ 10 mS = 20 mS, B2 = b2 ⋅ 10 mS = 9 mS und X = x ⋅ 100 Ω = 90 Ω. Um daraus Kondensatoren und Induktivitäten zu ermitteln, muß noch die Frequenz bekannt sein.
Das Beispiel III.6 hat die grundsätzliche Arbeit im Doppel-Kreisdiagramm erläutert. Die benutzten Bögen waren zunächst willkürlich in ihren Längen gewählt. Durch Variation oder Vorgabe bestimmter Elemente läßt sich sehr leicht ein passender geschlossener Transformationsweg finden. Ein Beginn im Punkt A, mit einem Bogen nach links oben, hätte eine Parallel-Induktivität als Eingang zur Folge gehabt, ein Beginn des Transformationsweges nach rechts oben eine Serien-Induktivität und der Beginn nach rechts unten eine Serien-Kapazität. Ändert sich die Frequenz, so ändern sich die Längen der Bögen proportional. Mit steigender Frequenz steigen die Leitwerte, d.h. größere Bogenlängen, und sinken die Widerstände, d.h. kürzere Bogenlängen, der Blindelemente und umgekehrt.
8.2 s-Parameter im Kreisdiagramm Die s11- und s22-Parameter lassen sich als Reflexionsfaktoren sehr gut im Kreisdiagramm darstellen und werden in den Prospekten auch häufig so veröffentlicht. Bei den Überlegungen zum MAG-Wert (Gleichung III.51) war die Notwendigkeit des konjugiert komplexe Reflexionsfaktoren aufgetaucht. Im Kreisdiagramm ist ein solcher Wert leicht darstellbar, da für einen nach Betrag und Phase gegebenen s-Parameter nur das Vorzeichen des Phasenwinkels umzukehren und im Kreisdiagramm einzutragen ist. Die Größen G1 max und G2 max in Gleichung (III.51) verlangten aber diese konjugiert komplexen Reflexionsfaktoren an den Eingangs- bzw. Ausgangsklemmen eines Transistors. Wie gezeigt bietet das Kreisdiagramm die Möglichkeit, Transistorschaltungen fast jeder beliebigen Art zu entwerfen. Es gibt aber noch eine Möglichkeit zu zeigen (nach Unterlagen von HewlettPackard), welche Verstärkungen sich ergeben, wenn die Anpaßbedingungen nicht exakt erfüllt sind. Dies ist in der Praxis besonders für breitbandige Verstärker wichtig, da sowohl die Transistorendaten als auch die Schaltungen i.a. stark frequenzabhängig sind.
1 0,5 2
0,5
C
0,2 5
0,2 5
5 2 0,2 0,5 A 1
∞0
2
0,2 5
0,5 D 2
B
0,2 5
0∞
0,2 5 0,5
2 0,5 a)
2
1 LBC 0,5
CAB
CCD
2,0
b)
Bild III-32 Mehrgliedrige Transformation im Doppel-Kreisdiagramm a) Transformationsweg b) Schaltung (Erläuterung im Text) Die Ortskurven für konstante Werte von G1 und G2 sind Kreise im Kreisdiagramm, deren Mittelpunkte auf einer Geraden vom Zentrum des Diagramms zum Punkt s*11 bzw. s*22, d.h. den konjugiert komplexen s-Parametern, liegen. Mit der normierten Verstärkung g1 g1 =
G1 G1 = G 1 max 1 − s 11
normierte Verstärkung
2
(III.52a) beträgt der Radius RG des Kreises für eine vorgegebene Verstärkung G1: RG =
(
1 − g1 ⋅ 1 − s11
2
1 − ( 1 − g1 ) ⋅ s11
2
)
Kreisradius für konstante Verstärkung
(III.52b)
Tabelle III-11 Werte für Kreise konstanter Verstärkung im Eingang und Ausgang eines Transistors, dargestellt im Kreisdiagramm Eingang
Ausgang
G/dB
DG
RG
G/dB
DG
RG
8,24 6,0 3,0 0 – 3,0 – 6,0
0,992 0,873 0,682 0,498 0,324 0,190
0 (Lage von s11*) 0,145 0,310 0,498 0,674 0,808
3,73 3,0 2,0 1,0 0 – 1,0
0,759 0,705 0,629 0,554 0,482 0,414
0 (Lage von s22*) 0,193 0,299 0,369 0,482 0,559
III Leitungen
977
0,9
0 ,6
1,5
1,0
0,7
°
0,1
0,3
7
4
+6
0°
0,3
2
0°
2
0,5
+5
–3dB
0dB
3dB
6dB
8
0,3
3
0,22
4
0,
0,3
0,2
0,27
10 20
2
3 4
1,5
1,0
0,5
0,4
0,2
5
–10
0,3
0,1
–5
–3
–2
,5
8 0,1 ° 0 –5
–1,
–1,0
–0,9
–0,8
2
0,12 0,1 1 0,14 0,13 –90° –100° –80°
0,36
0,37
0,38
0,39
–0,7
5
6
0,35 4 0,3 0,15 3 6 0,3 0,1 –70° 7 0,1 60° –
0,3
–0,
0
–0
0,26
0,28
0
0,3
0 0,49 0,48 Abschluß 0,47 ngen zum 0,01 0 nlä 6 ,02 0,4 Welle,03 0 0 5 0° 4 0 –16 0,4 0,0 ° 0 5 5 ,0 –1 44 0 , 0 ° 06 0 0,1 0, –14
0,25 0,27
,29
0,2 0, 31 0 –4 0,1 0° 9
s11
,4
–0
0,2 1 –3 0°
,3
–0
0,22 –20 °
–0,2
0,24 0,23 –10°
s22
0,24
3dB
0dB
0,26
0,25 0°
2dB
+10°
–1dB
–0,1
1dB
10
∞
Wirkwiderstand R/ZL
s*22 3,73dB
0,23
0,28 ° +20
5
1
9 0,2 0° +3
0,2
8,24dB s*11
0 0,2
+1
0,1
3
0 0,3
0 40 ,44 °
0, 06
0,1
6
+70
° 31 0, +40
Wellenlängen zum Gene 0,01 rato 0,02 r 0,03 0,49 0 ,48 0,0 4 0,47 +16 0,0 0 ,46 0° 5 +1 50 0,45 °
0,15 0,35
19 0,
0,40 8 1 0,0 0,4 0° 1 + 1 2 7 0,4 20° 0,0 1 + 3 0,4 0° 3 +1
0,14
0,37 0,3 6 0,39 0,38 +90° +80° +100°
0,8
9 0,0
0,13
0,12
0,11
0,10
0, –1 07 30 °
0,40 0,4 1 0,10 0,4 0,0 2 – 1 9 1 0° –12 0,08 0°
3
0,4
Bild III-33 Kreise konstanter Verstärkung im Kreisdiagramm, Lösung zu Beispiel III.7 (Erläuterungen im Text)
Distanz DG des Kreismittelpunktes vom Zentrum des Diagramms in Beträgen des Reflexionsfaktors (gemäß Diagramm-Maßstab): DG =
g1 ⋅ s11 1 − ( 1 − g1 ) ⋅ s11
s11 = 0,922 ∠ − 41o ;
s12 = 0,026 ∠69o ≈ 0 ;
s21 = 3,062 ∠144 ;
s22 = 0,759 ∠ − 11o
o
Damit ergibt sich auf der Eingangsseite
∗ = 0 , 922 ∠ 41 o und s 11
G 1 max = 6 , 67 = 8, 24 dB
2
Mittelpunktabstand für konstante Verstärkung (III.52c) Die für die Eingangsseite mit s11 angeschriebenen Gleichungen gelten sinngemäß mit s22 für die Ausgangsseite eines Transistors. Die Verstärkungen G1 bzw. G1 max sind in Gleichung (III.52a) in absoluten Zahlen einzusetzen, auch wenn sie allgemein in dB angegeben werden. Beispiel III.7 (Bild III-33): Für den Transistor CFY 11 von Sie-
mens gelten bei 2 GHz und Z = 50 Ω folgende s-Parameter:
und für die Ausgangsseite s ∗22 = 0 , 759 ∠11 o und
G 2 max = 2 , 36 = 3, 73 dB
MAG = G1 + G0 + G2 = 8,24 dB + 9,72 dB + 3,73 dB = 21,7 dB
Die Rechenwerte für RG und DG sind in der Tabelle III-11 zusammengestellt, und Bild III-33 zeigt die Auswertung im (Widerstands-)Kreisdiagramm. Ähnlich wie die Verstärkung lassen sich auch die Rauschzahlen als Kreise im Kreisdiagramm oder in der komplexen Ebene darstellen. Diese Angaben werden i.a. von den Transistorherstellern in den Datenblättern gemacht.
978
Nachrichtentechnik
IV Antennen 1 Grundlagen Die theoretischen Grundlagen und Ableitungen zu den Antennen hätten den Rahmen dieses Kapitels gesprengt, deshalb werden die wichtigsten Ergebnisse verwendet und, soweit möglich, anschaulich dargestellt. Für weitergehende Einzelheiten wird auf die Literatur verwiesen (z.B. [IV.1]). Die im folgenden dargestellten Verhältnisse gelten wegen des Reziprozitätssatzes für Sende- und Empfängerantennen gleichermaßen. Obwohl die Antenne im allgemeinen einen komplexen Widerstand darstellt, hat sich die Bezeichnung Widerstand mit dem Formelzeichen Z durchgesetzt und soll auch hier verwendet werden (Ausnahme: Kapitel 4.3).
Antenne als Strahler, Poynting-Vektor, Strahlungsdichte: Antennen sind Strahler, die die über Kabel zugeführte elektrische Energie in Strahlungsenergie umsetzen. Man spricht hier von Strahlung, weil der Generator (Sendeantenne) nicht feststellen kann, in welchem Maße die abgestrahlte Energie durch Gebäude oder Empfangsantennen (Verbraucher) absorbiert wird. Es gibt also keine Rückwirkung vom Verbraucher auf den Generator. Das durch die Antenne erzeugte Feld ist ein elektromagnetisches Feld, d.h. elektrisches Feld und magnetisches Feld treten zusammen auf und stehen senkrecht aufeinander, wenn man sich im Fernfeld (s.u.) der Antenne befindet. Der Energietransport geschieht senkrecht zu der aus den Vektoren E (elektrische Feldstärke) und H (magnetische Feldstärke) aufgespannten Ebene und wird mit dem Poyntingvektor S beschrieben:
Poynting-Vektor, Strahlungsdichte: S = E × H bzw. S = E ⋅ H ⋅ sin a in VA/m 2 (IV.1)
a Winkel zwischen E und H , E × H Vektorprodukt, E elektrische Feldstärke in V/m, H magnetische Feldstärke in A/m
Zwischen der Wellenlänge l und der Frequenz f einer elektromagnetischen Welle besteht die Beziehung: l⋅ f = c
Wellenwiderstand des leeren Raumes: Das Verhältnis der Beträge von elektrischer und magnetischer Feldstärke ergibt unabhängig vom Ort einen konstanten reellen Wert und wird mit Wellenwiderstand des leeren Raumes bezeichnet: Wellenwiderstand des leeren Raumes: E m0 (IV.4) ≈ 377 W = Z0 = e0 H
Dipol: Die Abstrahlung des elektromagnetischen Feldes geschieht über eine Antenne, die man sich als eine am Ende leerlaufende Leitung vorstellen kann, die aufgeklappt wird, Bild IV-1. Antennen dieser Art heißen Dipol, weil sie aus zwei strahlenden Elementen bestehen.
Hertzscher Elementardipol: Die Länge l der Leitung (Bild IV-1) ist viel kleiner als die Wellenlänge l, und es ergibt sich längs der Leitung eine nahezu konstante Stromverteilung.
G
G
l
a)
b)
E
Frequenz, Wellenlänge: Der Energietransport geschieht mit Lichtgeschwindigkeit c, wobei im Vakuum und näherungsweise auch in Luft gilt: ε r = μr = 1
–
Lichtgeschwindigkeit: c =
1 km ª 3 ◊ 105 s ε 0 ◊ μ0 (IV.2)
e0 elektrische Feldkonstante, m0 magnetische Feldkonstante
Bild IV-1 Übergang Doppelleitung zur Dipolantenne a) am Ende offene Leitung b) Dipolantenne
Bild IV-2 zeigt das in der Umgebung der Antenne vorhandene elektromagnetische Feld zu den Zeitpunkten T/4, T/2 und 3T/4 (T Periodendauer, T = 1/f).
Der Poynting-Vektor gibt die Strahlungsdichte in der Einheit Leistung pro Fläche an.
(IV.3)
c Lichtgeschwindigkeit ≈ 300 000 km/s
+ H
t= T 4
E
E
H T 2
3T 4
Bild IV-2 Entstehung des elektromagnetischen Feldes einer Dipolantenne
IV Antennen
Nahfeld – Fernfeld: Der Übergang vom Nah- zum Fernfeld hängt von der Form der Antenne ab und liegt in der Größenordnung l/2. Erst im Fernfeld stehen die Feldvektoren E und H senkrecht aufeinander. Elektrische und magnetische Feldstärke nehmen im Fernfeld gemäß 1/r (r Entfernung zwischen Sendeantenne und dem betrachteten Ort) ab.
Polarisation: Die Lage des elektrischen Feldes gibt die Polarisation an. Allgemein unterscheidet man: – Elliptische bzw. kreisförmige Polarisation: Die Feldvektoren E und H drehen sich ständig in Ellipsen- bzw. Kreisform, letztere nennt man Zirkularpolarisation. Je nach Drehrichtung spricht man von rechts- bzw. linksdrehender Polarisation. – Lineare Polarisation: Die Feldvektoren haben eine festgelegte Richtung. Liegt der elektrische Feldvektor E parallel zur Erdoberfläche, handelt es sich um eine horizontale Polarisation, bei E senkrecht zur Erdoberfläche um eine vertikale Polarisation (Bild IV-2). Beispiele für horizontale Polarisation: UKWRundfunk, Fernsehen im Band III, IV und V. Beispiele für vertikale Polarisation: Lang-, Mittelund Kurzwellenrundfunk, Fernsehen im Band I.
Ausbreitungsrichtung des elektromagnetischen Feldes: Die Ausbreitung des elektromagnetischen Feldes geschieht senkrecht zur Dipolachse in allen Richtungen, nicht aber in Achsrichtung des Dipols. Einseitig geerdete Antenne: In der in Bild IV-1 dargestellten Dipolantenne kann anstelle des unteren Teils des Dipols eine unendlich gut leitende waagerechte Fläche eingesetzt werden. Die Erdoberfläche stellt diese Fläche, wenn auch nicht ideal, so aber doch in ausreichender Näherung, dar. An den Abstrahlverhältnissen ändert sich nichts, wie man mit der Methode der Spiegelung zeigen kann. Für die Praxis hat dieses Modell den Vorteil, daß man den einen Anschluß des Generators erden und eine durchgehende stabförmige Antennenkonstruktion verwenden kann. Diese Antennen heißen Vertikalantennen oder fußpunktgespeiste Antennen. l/4-Antenne bzw. l/2-Dipol: Bei dieser Antenne ist die Länge l nach Bild IV-1 zu l/4 gewählt. Sie hat deshalb besondere Bedeutung, weil nach Kapitel III.4.4 (Leitung als Transformator, Gleichung III.31) eine Leitung dieser Länge einen reellen Eingangswiderstand hat und sich der Innenwiderstand des Generators an den Wellenwiderstand des leeren Raumes anpassen läßt. Damit wird eine optimale Leistungsübertragung vom Generator auf das elektromagnetische Feld möglich.
979 Antennenverlängerung: Vertikalantennen lassen sich bis zu einer Höhe h von etwa 150 m errichten. Das entspricht bei h = l/4 einer Wellenlänge von 600 m und damit einer Frequenz f = 500 kHz. Die Rundfunkübertragung auf Mittelwelle (Hektometerwellen) liegt im Bereich 500 ... 1500 kHz, so daß die erforderlichen Antennenabmessungen realisiert werden können. Für eine Übertragung auf Langwelle (Kilometerwellen) mit einem Frequenzbereich von etwa 80 ... 150 kHz und einer Wellenlänge von 3750 ... 2000 m müßten Antennen mit einer Höhe h von 937,5 ... 500 m errichtet werden, was technisch nicht möglich ist. Man hat deshalb am oberen Ende der Antennen zusätzliche Endkapazitäten Ce nach Bild IV-3a erzeugt, indem man die Antennen entsprechend geformt hat. Bei den in Bild IV-3b, c gezeigten häufig verwendeten Formen spricht man von T- bzw. Schirm-Antennen. Die waagerechten (T-Antenne) bzw. die nach unten geneigten Flächen (Schirm-Antenne) auf der Antennenspitze bilden mit der Erdoberfläche eine zusätzliche Kapazität am Leitungsende. Dadurch erscheint die Antenne verlängert um den Wert
Antennenverlängerung: lv =
l ⋅ arctan ( wC e Z A )
(IV.5)
2p
l Wellenlänge und w Kreisfrequenz der elektromagnetischen Welle in m bzw. 1/s, Ce Endkapazität in F, ZA Antennenwiderstand in Ω
I0 G h a)
G
Ce lv
b)
G
c)
Bild IV-3 Verkürzung von Vertikalantennen a) zusätzliche Endkapazität b) T-Antenne c) Schirm-Antenne Die Antennenhöhe kann damit verkürzt werden: Verkürzte Antennenhöhe: hv = h − l v =
l l l ⋅ arctan ( wC e Z A ) − lv = − 4 4 2p
(IV.6)
h Antennenhöhe für h = l/4
Die Schwierigkeit bei der Auswertung der Gleichungen (IV.5 und IV.6) liegt darin, daß der Antennenwiderstand ZA durch die aufgeklappte Leitung nur näherungsweise bestimmt werden kann und von den geometrischen Abmessungen des Antennenstabes abhängt. Man kann aber erreichen, daß sich eine Antenne für Langwelle mit l/4 = 500 m auf eine Länge von 250 m verkürzen läßt.
980
Nachrichtentechnik
Beispiel IV.1: Eine Antenne hat eine Länge von 200 m und soll
Sr Srmax
für die Frequenz f = 150 kHz als l/4-Antenne eingesetzt werden. Sie hat den Antennenwiderstand ZA = 200 Ω. Es gilt mit Gleichung (IV.3):
l = c/ f = ( 3 ⋅ 10 8 m/s)/(1, 5 ⋅ 10 5 /s ) = 2000 m ⇒ l/4 = 500 m
u f
Gleichung (IV.5) wird nach Ce umgeformt:
Ce =
l ⋅2⋅p 1 ⋅ tan v w⋅ ZA l
=
s⋅A 2 ⋅ p ⋅ 1,5 ⋅ 10 5 ⋅ 2 ⋅ 10 2 V
⋅ tan
3 ⋅ 10 2 m ⋅ 2 ⋅ p 2 ⋅ 10 3 m
= 7 , 3 nF
Aus Gleichung (IV.6) wurde Iv = h – hv = (500 – 200) m = 300 m eingesetzt.
Bild IV-4 Richtdiagramm eines Dipols (Dipol als durchgezogener Stab dargestellt) Richtdiagramm:
2 Kenngrößen Die wesentlichen Eigenschaften von Antennen lassen sich den Kenngrößen entnehmen. Sie werden im folgenden dargestellt, und es werden, sofern möglich, einfache Berechnungsformeln angegeben. Richtdiagramm: Im Fernfeld der Antenne stehen die Feldvektoren E und H senkrecht aufeinander. Der Energiefluß, erfaßt durch den PoyntingVektor (Gleichung IV.1), erfolgt wiederum senkrecht zu der durch die Feldvektoren aufgespannten Ebene. Nach Bild IV-4 ist die Strahlungsdichte S abhängig vom Winkel J und maximal für J = 90°. Vom Winkel j dagegen hängt S wegen der Rota tionssymmetrie nicht ab. Da E und H jeweils mit zunehmender Entfernung r gemäß 1/r abnehmen, folgt: S ∼ 1/r2. Gleichung (IV.7a) gibt die Strahlungsdichte an.
Sr =
Z0 ⋅ I0 4⋅r 2
2
l ⋅ ⎛⎜ ⋅ sin J ⎞⎟ ⎝l ⎠
(IV.8)
Rs ab. Dann ergibt sich in einer Entfernung von r = 10 km parallel zur Dipolachse nach Gleichung (IV.7b) eine Strahlungsdichte W 3 ⋅ 10 3 W Sr = ⋅ sin 2 90 o = 1,2 ⋅ 10 -6 . Mit S = E ⋅ H und 8 ⋅ p ⋅ 10 8 m 2 m2 H = E/Z0 folgt für die Feldstärke: E= =
S⋅ Z0 =
3 ⋅ Ps ⋅ sin 2 J 8⋅ p ⋅ r 2
⋅ Z0
3 ⋅ 10 VA V mV ⋅ 377 = 21, 2 A m 8 ⋅ p ⋅ 10 8 m 2 3
90° 120°
60° 30°
150°
0° 360° 0,7 0,5 1,0 0,8 0,6 0,4 0,2
2
(IV.7a)
Z0 Wellenwiderstand des leeren Raumes in Ω (Gleichung (IV.4)); I0 Strom in der Antenne in A, r Abstand von der Antenne in m, l Länge der Antenne in m (siehe Bild (IV-1), l Wellenlänge in m, J siehe Bild IV-4
180°
330°
Ersetzt man den Strom I0 durch die vom Strahlungswiderstand Rs aufgenommene Leistung Ps gemäß
210°
300°
240° 270°
Ps /Rs nach Gleichung (IV.11), ergibt sich:
Bild IV-5 Richtdiagramm in horizontaler Darstellung
Strahlungsdichte Sr =
Sr = sin 2 J S r max
Beispiel IV.2: Ein Dipol strahlt eine Leistung von Ps = 1 kW an
Strahlungsdichte
I0 =
r
3 ⋅ Ps 8⋅ p ⋅ r 2
⋅ sin 2 J
für l << l
(IV.7b)
Öffnungswinkel: Er ist in Bild IV-5 eingetragen und ergibt sich dadurch, daß innerhalb des Öffnungswinkels die relative Strahlungsdichte nach Gleichung (IV.8) ≥ 0,707 ist.
Antennengewinn, Antennengewinnfaktor, Antennengewinnmaß: Durch geeignete Antennenkonstruktionen kann man die Strahlungsdichte in bestimmten Richtungen im Raum konzentrieren. Ein Maß für die Richtfähigkeit ist, allgemein ausgedrückt, der Antennengewinn. Der Antennengewinnfaktor g wird über einen Kugelstrahler als
r Abstand von der Antenne in m, J siehe Bild IV-4, Ps im Strahlungswiderstand Rs umgesetzte Leistung in W
Hinweis: Die Abhängigkeit des Strahlungswiderstandes Rs vom Verhältnis l/l (Gleichung (IV.11)) führt dazu, daß sich für die Kenngrößen der kurzen linearen Antenne und des l/2-Dipols geringfügig voneinander abweichende Werte ergeben können. Durch Normierung auf den Maximalwert für J = 90° folgt der in Bild IV-4 gezeigte Verlauf.
IV Antennen
981 Ri
Bezugsantenne bestimmt, der in alle Richtungen gleichmäßig mit S ref =
P 4 pr 2
(IV.9)
I0
4pr2 Kugeloberfläche in m2; P: zugeführte Leistung in W
strahlt. Der Antennengewinnfaktor g ist das Verhältnis der Strahlungsdichte Sr der eigentlichen Antenne zur Strahlungsdichte Sref des Kugelstrahlers als Bezugsantenne bei gleicher Entfernung r und gleicher Leistung P. Durch entsprechende Auswertung der Gleichungen (IV.8 und IV.9) erhält man den maximal möglichen Antennengewinnfaktor gmax: Antennengewinnfaktor (allgemein): S g= r (IV.10a) S ref maximaler Antennengewinnfaktor kurze lineare Antenne: gmax = 1,5 maximaler Antennengewinnfaktor l/2-Dipol: (IV.10b) gmax = 1,64 Hinweis: Die Abhängigkeit des Strahlungswiderstandes Rs vom Verhältnis l/l (Gleichung (IV.11)) führt dazu, daß sich für die Kenngrößen der kurzen linearen Antenne und des l/2-Dipols geringfügig voneinander abweichende Werte ergeben. Daraus leitet sich das Antennengewinnmaß G ab: Gewinnmaß G = 10 ⋅ lg(g) in dB (IV.10c)
Eingangswiderstand, Fußpunktwiderstand und Strahlungswiderstand: Allgemein gilt für den Antennenwiderstand Z = U/I. Da sich U und I aber längs der Antenne ändern (gemeint ist nicht die zeitliche, sondern die örtliche Abhängigkeit), ist auch Z ortsabhängig. Man hat deshalb den Eingangswiderstand am Fußpunkt der Antenne definiert. Dieser Fußpunktwiderstand ZFP ergibt sich aus dem Verhältnis von Spannung zu Strom am Fußpunkt: ZFP = UFP/IFP. Bild IV-6 stellt das Ersatzschaltbild einer stromgespeisten Antenne dar. Es bedeuten: Ri Innenwiderstand der Quelle; Rv Verlustwiderstand der Antenne; Rs Strahlungswiderstand der Antenne; X Blindanteil der Antennenimpedanz. Der Eingangswiderstand (Fußpunktwiderstand) der Antenne beträgt Rv + Rs + jwX und ist wichtig für die Anpassung Generator – Leitung – Antenne. Die Anpassung muß mit konjugiert komplexen Impedanzen erfolgen. Die Strahlungsleistung wird in Rs umgesetzt; dieser Widerstand ergibt sich zu: Strahlungswiderstand kurze lineare Antenne 2 l2 (IV.11a) Rs = p ⋅ Z 0 ⋅ 2 ( l << l ) 3 l Strahlungswiderstand l/2-Dipol Rs = 0,194 · Z0 = 73,2 Ω (IV.11b) Z0 Wellenwiderstand des leeren Raumes, Z0 ≈ 377 Ω, l Antennenlänge in m, l Wellenlänge in m
Rv
Rs
G
jX
Antenne
Generator
Bild IV-6 Reihen-Ersatzschaltbild einer Antenne
Wirkfläche: An einer Empfangsantenne steht die Leistung P zur Verfügung, die durch die am Ort der Antenne vorhandene Strahlungsdichte S gebildet wird. P entsteht durch Summation von S über eine Fläche A: P = S ⋅ A. Diese Fläche wird Wirkfläche genannt. Es hat sich gezeigt, daß diese Fläche unabhängig von den Antennenabmessungen ist: 3 Wirkfläche: A = (IV.12) ⋅ l2 8p
l Wellenlänge
Beim Empfang einer Strahlung mit l = 10 m (f = 30 MHz) haben eine kurze lineare Antenne und ein 3 l/2-Dipol die Wirkfläche l2 ⋅ = 11, 9 m 2. Danach 8⋅p würde man die kurze lineare Antenne dem l/2-Dipol wegen der kleineren Abmessungen vorziehen. Macht man allerdings die Abmessungen immer kleiner, nimmt der Strahlungswiderstand ab und damit wird die nutzbare Leistung verringert. Außerdem kann dann der Verlustwiderstand Rv nicht mehr vernachlässigt werden. Schließlich wird die konjugiert komplexe Anpassung nicht mehr möglich, weil der Blindwiderstand mehr als 1000mal so groß ist wie der Strahlungswiderstand. Die kapazitive Antennenkomponente wäre nur durch supraleitende Spulen (große induktive Komponente bei verschwindendem Realteil) kompensierbar.
Übertragungsfaktor, Funkfelddämpfung: Der Übertragungsfaktor ist das Verhältnis von Empfangsantennenleistung Pe zu Sendeantennenleistung Ps und ergibt sich zu: Übertragungsfaktor: 2
PE ⎛ l ⎞ =⎜ ⎟ ⋅ gS ⋅ gE PS ⎝ 4 ⋅ p ⋅ r ⎠
(IV.13)
r Entfernung Sender – Empfänger in m; gS, gE Antennengewinnfaktor nach Gleichung (IV.10); l Wellenlänge in m; Index E: Empfänger; Index S: Sender
Eine für die Praxis nützliche Größe ist die Funkfelddämpfung a in dB: Funkfelddämpfung: P a = 10 ⋅ lg S in dB PE
(IV.14)
Freiraumdämpfung: Dies ist die Dämpfung zwischen Sende- und Empfangsantenne, wenn beide als Kugelstrahler ausgebildet sind, und in Gleichung (IV.13) gilt: gS = gE = 1
982
Nachrichtentechnik
• Freiraumdämpfungsmaß 2
Ê 4 ◊π ◊ r ˆ Ê 4 ◊π ◊ rˆ in dB a0 = 10 ◊ lg Á = 20 ◊ lg Á Ë λ ¯˜ Ë λ ¯˜
a
(IV.15) r Entfernung Sender – Empfänger in m; l Wellenlänge in m
Siehe dazu auch Beispiel X.1 im Kapitel X, Richtfunktechnik. Beispiel IV.3: Bei einer Übertragung mit l/2-Dipolen und dem
maximal möglichen Antennengewinnfaktor gE = gS = 1,64 für Sende- und Empfangsantenne nach Gleichung (IV.10) und einer Frequenz 100 MHz beträgt die Funkfelddämpfung in einem Abstand von 10 km:
a = 10 ⋅ lg
⎡⎛ 4 ⋅ p ⋅ r ⎞ 2 1 ⎤ = 10 ⋅ lg ⎢ ⎜ ⎟ ⋅ ⎥ PE ⎢⎣ ⎝ l ⎠ g S ⋅ g E ⎥⎦ PS
⎡ ⎛ 4 ⋅ p ⋅ 10 4 m ⎞ 2 1 ⎤ = 10 ⋅ lg ⎢ ⎜ ⎥ = 88,1 dB ⎟ ⋅ 3m ⎠ 1, 64 2 ⎥⎦ ⎢⎣ ⎝
3 Ausführungsformen von Antennen Es folgt eine Zusammenstellung von Sende- und Empfangsantennen, wie sie u.a. auch in der Rundfunk- und Fernsehtechnik häufig eingesetzt werden.
3.1 Vertikalantenne In Bild IV-7 ist eine Vertikalantenne dargestellt, die als Sendeantenne für den Lang- und MittelwellenRundfunk eingesetzt wird. Ihre Länge beträgt l/4. Sie ist aus dem l/2-Dipol entstanden, indem die untere Hälfte des Dipols an der Erdoberfläche gespiegelt wird. Damit die Leitfähigkeit der Erdoberfläche erhöht wird, bringt man ein strahlen- oder gitterförmiges Netz von Erdleitern um den Fußpunkt der Antenne herum an. Es ergibt sich ein Strahlungswiderstand RS = 36,6 Ω Der Vorteil dieser Antennenbauform ist, daß ein Anschluß des Generators geerdet werden kann.
a)
a
a b)
c) a®l
Bild IV-8 Rahmenantenne a) rund b) quadratisch c) Feldverteilung Die Rahmenantenne hat die gleiche Wirkfläche 3 ⋅ l2 AR = wie der Hertzsche Dipol (Gleichung 8⋅p IV.12). Weiter gilt: Leerlaufspannung: (IV.16) U 0 R = w ⋅ m0 ⋅ n ⋅ A R ⋅ H ⎛ a2 ⋅p ⎞ bzw. a 2 ⎟ , w Kreisfrequenz n Windungszahl, AR Fläche in m2 ⎜ ⎝ 4 ⎠ in 1/s, m0 magnetische Feldkonstante in Vs/Am, H magnetische Feldstärke in A/m
Demnach müßte eine Rahmenantenne die gleichen Eigenschaften wie der Hertzsche Dipol haben. Da aber der Verlustwiderstand Rv (Bild IV-6) groß ist im Vergleich zum Strahlungswiderstand RS, steht nur ein geringer Teil der induzierten Spannung für den Empfänger zur Verfügung.
3.3 Ferritantenne Sie besteht aus einem möglichst langgestreckten Stab aus Ferritmaterial mit mr >> 1. Die Feldlinien in der Umgebung des Stabes konzentrieren sich damit im Stab, siehe Bild IV-9. Damit erhöht sich die magneti sche Flußdichte B im Stab und in der Spule auf das mr-fache gegenüber der Rahmenantenne ohne Eisen. Damit ist auch die Leerlaufspannung um diesen Faktor größer: Leerlaufspannung: U0
G
Bild IV-7 Vertikalantenne als l/4-Dipol
F
= w ⋅ m0 ⋅ mr ⋅ n ⋅ A R ⋅ H
(IV.17)
⎛ a 2⋅ p ⎞ ⎟ , w Kreisfrequenz in n Windungszahl, AR Fläche in m2 ⎜ A R = ⎜ 4 ⎟⎠ ⎝ 1/s, m0 magnetische Feldkonstante in Vs/Am, H magnetische Feldstärke in A/m
3.2 Rahmenantenne Sie wird überwiegend für den Rundfunk-Empfang im Lang- und Mittelwellenbereich eingesetzt (Bild IV-8a, b) und entspricht dem Hertzschen Dipol bei Sendeantennen. Es gilt: a << l. Die Feldverteilung ist in Bild IV-8c skizziert.
Ferrit mit mr
1
Bild IV-9 Feldlinienverlauf bei der Ferritantenne
IV Antennen Die maximale Empfangsleistung bei Anpassung ist zwar bei Rahmen- und Ferritantenne gleich, aber der Strahlungswiderstand RS (Bild IV-6) erhöht sich ebenfalls um den Faktor mr, so daß er nicht mehr viel kleiner als der Verlustwiderstand Rv ist und damit auch eine höhere induzierte Spannung am Empfängereingang zur Verfügung steht. Der Vorteil der Ferritantenne gegenüber der Rahmenantenne besteht darin, daß die geometrischen Abmessungen bei gleicher Spannung am Empfänger kleiner gewählt werden können. Wichtig ist die Ausrichtung der Ferritantenne in Richtung der magnetischen Feldlinien nach Bild IV-9. In der Rundfunk-Empfangstechnik (Lang-, Mittelwelle) ist die auf dem Ferritstab aufgebrachte Spule gleichzeitig die Induktivität eines Parallelschwingkreises zur Senderselektion.
3.4 l/2-Dipol, l/2-Faltdipol Im Bereich von Ultrakurzwellen (Meterwellen, UKW-Rundfunkempfang mit f ≥ 87 MHz entsprechend l ≤ 3,45 m) werden l/2-Dipole eingesetzt, weil sie handliche Abmessungen besitzen (l/2 ≤ 1,725 m). Der Strahlungswiderstand RS ist ≈ 70 Ω. Da der Dipol häufig in einiger Entfernung (Dach, Hauswand, Boden) vom Empfänger angebracht ist, sollte der Wellenwiderstand des Verbindungskabels Antenne – Empfänger an RS angepaßt werden. Mit Koaxialkabeln kann diese Bedingung erfüllt werden.
Sonderausführung l/2-Faltdipol: Es handelt sich um zwei dicht beieinander angeordnete l/2Dipole, die an den Enden verbunden sind, Bild IV-10.
l 2
Bild IV-10 l/2-Faltdipol
983
Bild IV-11 Breitbanddipol
3.6 Gruppenstrahler Ordnet man nach Bild IV-12a zwei Antennen im Abstand l/4 an und erregt Antenne 1 mit einem Signal, das dem an Antenne 2 um 90º voreilt, ergibt sich längs der positiven x-Achse ein maximaler Feldverlauf, da sich beide Feldvektoren ohne Phasenverschiebung addieren. In Richtung der negativen xAchse heben sich beide Felder auf (Abstand l/4 bei der Feldberechnung vernachlässigt). Bild IV-12b zeigt das Richtdiagramm. Der Gruppenstrahler strahlt also fast ausnahmslos in den rechten Halbraum. z
y
1
2
0
y
x
l/4
x
a)
b)
Bild IV-12 Gruppenstrahler a) Antennenanordnung b) Richtdiagramm
3.7 Yagi-Antenne Bild IV-13 zeigt die prinzipielle Ausführungsform dieses Antennentyps. Ein Faltdipol (S) ist das eigentliche aktive Element, dem zur einen Seite bis zu 25 Direktoren (D) vorgelagert sind. Zur anderen Seite folgen meist 3 Reflektoren (R). Die in der Praxis bewährten Abmessungen und Abstände sind eingetragen. 3×R
Beim Faltdipol sind Gesamt-Strahlungsleistung und Strahlungswiderstand viermal so groß wie beim Dipol. In der Praxis erreicht man RS ≈ 240 Ω. Auch die Blindkomponente ist beim Faltdipol kleiner und stört damit weniger bzw. kann leichter kompensiert werden.
S
3×D 0,45l 3 l 8
3.5 Breitbanddipol Je dicker bzw. großflächiger ein Dipol in seinen mechanischen Abmessungen ist, um so kleiner wird seine geometrische Länge. Danach erreicht man mit einer Antennenform nach Bild IV-11 eine Anpassung des Strahlungswiderstandes an ein Frequenzband, wie es in der Fernseh-Empfangstechnik im VHF- und UHF-Bereich auftritt.
0,55l
Bild IV-13 Yagi-Antenne
Es ergibt sich eine verbesserte Richtcharakteristik in Richtung der Direktoren sowie ein Antennengewinn Antennengewinn: G = 20 ⋅ lg n n Anzahl der Antennenelemente
in dB
(IV.18)
984
Nachrichtentechnik 2r
3.8 Langdrahtantenne Sie besteht aus einem horizontal gespannten Leiter, der mit der als ideal leitend angenommenen Erdoberfläche eine Zweidrahtleitung bildet. Sie ist am Ende reflexionsfrei mit Z abgeschlossen und wird in einer Höhe h ≈ l/2 ... l über dem Erdboden angebracht, Bild IV-14a. Die Länge l wird zu ≥ l/2 gewählt. Auf der Leitung entstehen Wanderwellen. Die Langdrahtantenne hat eine um so größere Richtwirkung, je größer das Verhältnis l/l ist, Bild IV-14b.
Bild IV-15 Rohrschlitzstrahler a) Aufbau b) Richtdiagramme
d 2r
H
l
λ
2r = 0,1λ
E
G
h
Z a)
Feldverlauf
b)
a)
l=
Für den UKW-Rundfunk und den Fernsehfunk werden häufig bis zu 8 dieser Rohrschlitzstrahler übereinander angeordnet. Damit bleibt auch die horizontale Richtcharakteristik erhalten, der vertikale Öffnungswinkel wird dagegen klein, und damit steigt der Antennengewinn auf etwa 20 dB.
l 2
l=l
3.10 Parabolantenne Bild IV-16 stellt den Aufbau einer häufig verwendeten Form dar. Die Funktionsweise ist mit den Gesetzen der Optik erfaßbar. Die Quelle muß im Brennpunkt angeordnet sein und wird Primärstrahler genannt. Sie kann, besonders bei Empfangsantennen, als Breitbanddipol ausgelegt sein.
l = 3l
l = 5l
b)
Kurzschluß am Ausgang
mit Z abgeschlossen
Bild IV-14 Langdrahtantenne a) Anordnung b) Richtcharakteristik für verschiedene Verhältnisse l/l (nach [IV.2])
3.9 Rohrschlitzstrahler Eine in der Fernseh-Sendetechnik häufig verwendete Antennenbauform nach Bild IV-15 besteht aus einem in Längsrichtung geschlitzten Rohr. In der Praxis gilt: d << 2 ⋅ r. Die Speisung geschieht an den Längsseiten in Schlitzmitte. Das elektrische Feld verläuft horizontal (horizontale Polarisation), die Richtung des magnetischen Feldes ist im Bild eingetragen. Die Form des Richtdiagramms hängt vom Verhältnis 2 ⋅ r/l ab und ist in Bild IV-15b für 2 ⋅ r >> l und 2 ⋅ r = 0,1 ⋅ l eingetragen.
Cassegrain-Antenne
Bild IV-16 Parabolantenne (nach [IV.2]) Weitere Einzelheiten sind im Kapitel X, Richtfunktechnik, aufgeführt. Die Cassegrain-Antenne wird im Kapitel XI, Nachrichtenübertragung über Satelliten, behandelt.
4 Wellenausbreitung 4.1 Boden- und Raumwelle Ein Erdboden mit endlicher Leitfähigkeit entzieht dem Strahlungsfeld Energie. Damit nehmen Feldstärke und Strahlungsdichte in Bodennähe mit zunehmender Entfernung von der Sendeantenne stärker ab als in erdferneren Bereichen. Die auf diese Weise
IV Antennen
985
beeinflußte Welle heißt Bodenwelle und ist in Bild IV-17 für unterschiedliche Entfernungen r von der Sendeantenne eingetragen.
tration nimmt ab einer Höhe von etwa 100 km durch die Sonneneinstrahlung zu, weil deren UV- und Gammastrahlung die Luftmoleküle zunehmend ionisiert. Die Schichtung wird mit D, E, F1 und F2 bezeichnet. Nachts verschwinden die Schichten D, E und F1 fast vollständig.
4.3 Wellenausbreitung im Plasma 3
2 1 Bodenwelle Erdoberfläche
Bild IV-17 Richtdiagramm zur Erläuterung von Boden- und Raumwelle: 1 kleine, 2 mittlere, 3 große Entfernung von der Sendeantenne (nach [IV.1]) Ein weiteres Kennzeichen der Bodenwelle ist, daß sie auch durch die Erdkrümmung geschwächt wird. Ihre Reichweite nimmt mit wachsender Wellenlänge zu. Die Welle, die weder durch die Erdkrümmung noch durch die Absorption des Erdbodens beeinflußt wird, heißt Raumwelle.
Plasma ist ein vollständig ionisiertes Gas, das in gleich viele positive und negative Ladungen aufgespalten ist und damit nach außen neutral erscheint. In der Ionosphäre ist wegen der geringen Luftdichte nahezu ein Plasma vorhanden. Trifft eine elektromagnetische Welle mit der Frequenz f auf ein Plasma, breitet sie sich dort mit der Gruppengeschwindigkeit vg aus: Gruppengeschwindigkeit im Plasma:
⎛ fp ⎞ vg = c ⋅ 1− ⎜ ⎟ ⎝ f ⎠
2
(IV.19)
c ≈ 3 ⋅ 108 m/s (Lichtgeschwindigkeit); fp Plasmafrequenz in Hz
mit
Plasmafrequenz:
fp =
4.2 Erdatmosphäre In Bild IV-18 sind Temperatur, Ozonanteil und Elektronendichte der Erdatmosphäre bis zu einer Höhe von 600 km dargestellt. Die Elektronenkonzen-
Höhe über Erdoberfläche
400 km
F2
200
F1 Elektronendichteverlauf
100 D 80 60
Ionospäre
0
E
40 Temperaturverlauf 20 Ozonanteil 10 8 6
Tropospäre
Tropopause
4 2 1
–60 –40 –20
0 20 40 Temperatur
(IV.20)
n Elektronenkonzentration im Plasma in m–3; q Elementarladung des Elektrons 1,602 ⋅ 10–19 As; m Ruhemasse des Elektrons 9,1083 × 10–31 kg; e0 elektrische Feldkonstante
Mit den in Bild IV-18 eingetragenen Elektronenkonzentrationen errechnet sich fp zu:
Elektronendichte 500 1000 m–3
Stratospäre
600
n ◊ q2 m ◊ ε0
1 2π
60 °C
Bild IV-18 Struktur der Erdatmosphäre mit Verlauf von Temperatur, Ozonanteil und Elektronendichte (nach [IV.2])
Schicht
n
fp
E-Schicht
≈ 200 mm–3
≈ 4 MHz
F1-Schicht
–3
≈ 400 mm
≈ 5,6 MHz
F2-Schicht
≈ 900 mm–3
≈ 8,5 MHz
Minimalwert
≈
≈ 0,9 MHz
Maximalwert
≈ 1000 mm
–3
10 mm
–3
≈ 9 MHz
Da die Elektronenkonzentration einen kontinuierlichen Verlauf aufweist, ergibt sich für fp ebenfalls ein Bereich, der angenähert von 1 MHz bis 10 MHz reicht. Die Plasmafrequenz hat Bedeutung für den Wellenwiderstand Zp und für die Reflexionseigenschaften des Plasmas: Wellenwiderstand des Plasmas Zp =
Z0 er
=
Z0 ⎛ fp ⎞ 1− ⎜ ⎟ ⎝ f ⎠
(IV.21) 2
Z0 Wellenwiderstand des leeren Raumes, fp Plasmafrequenz
986
Nachrichtentechnik
a) Für f < fp ist er < 0 und Zp rein imaginär (Z0 ist reell). Die einfallende Welle wird reflektiert, Bild IV-19a. b) Für f > fp ist er > 0 und Zp reell. Die Welle breitet sich im Plasma aus. Eine Reflexion findet nur dann statt, wenn die Welle unter einem Winkel auftrifft, der kleiner ist als ein Grenzwinkel amax, Bild IV-19b. Die Ionisation nimmt von der Randschicht bis zum Maximum kontinuierlich zu, und damit steigt auch die Brechzahl kontinuierlich in Richtung Ionisationsmaximum. Die schräg einfallende Welle wird damit stetig in Richtung des Brechzahlgradienten gebrochen und erreicht schließlich wieder die Erdoberfläche. Wird amax überschritten, findet keine Reflexion statt, so daß eine tote Zone entsteht.
a)
c)
Erdoberfläche f < fp
amax
Luftschichten
Sender
– Elektrische und magnetische Feldstärke nehmen jeweils mit 1/r ab und damit die Strahlungsdichte mit 1/r2. – Bei Brechung bzw. Streuung in der Ionosphäre weitet sich die Welle auf. – Vor allem tagsüber dämpfen die unteren Schichten der Ionosphäre durch Absorption, und zwar um so mehr, je niedriger die Frequenz der Welle ist (unelastische Stöße). Diese Dämpfung ist für den Bereich Langwelle so groß, daß die Raumwelle praktisch verschwindet.
b)
Tote Zone f > fp
Überreichweiten: Sie entstehen durch Inhomogenitäten der Atmosphäre, an denen die Welle diffus gestreut wird (engl.: scatter). Der zur Erde zurückkehrende Teil besitzt nur wenig Energie, deshalb ist einiger Aufwand für die Signalaufbereitung am Empfangsort erforderlich. Die Inhomogenitäten und damit die Überreichweiten sind zeitlich nicht konstant und erschweren die technische Nutzung dieses Effektes. Es ergeben sich folgende maximale Reichweiten:
Frequenzbereich
Streuung an
Reichweite maximal etwa
30 ... 100 MHz
Troposphäre
2500 km
100 MHz ... 1 GHz
Ionosphäre
2000 km
d)
Bild IV-19 Ausbreitung von Wellen a) Reflexion für f < fp b) Brechung für f > fp c) Mehrfachreflexion Erdoberfläche – Ionosphäre d) Mehrfachreflexion innerhalb der Ionosphäre
4.4 Wellenausbreitung im Bereich 30 kHz bis 30 GHz Bild IV-19c, d stellt weitere Möglichkeiten der Wellenausbreitung über größere Entfernungen dar. Entweder wird die Welle mehrfach zwischen der Ionosphäre und der Erdoberfläche reflektiert (Bild IV19c) oder es findet eine Mehrfachreflexion innerhalb der Ionosphäre statt, bevor die Welle endgültig wieder zum Erdboden zurückkehrt, Bild (IV.19d). Auf diese Weise können Wellen sehr große Entfernungen zurücklegen. Allerdings nimmt die Strahlungsleistung mit dem zurückgelegten Weg r aus folgenden Gründen ab:
Ein Beispiel für eine Scatterverbindung ist im Kapitel X, Richtfunktechnik, aufgeführt.
Schwunderscheinungen: Wenn zwei Wellen auf verschieden langen Wegen zum Empfänger gelangen, können sich beide so überlagern, daß sie sich je nach Phasenlage teilweise oder ganz auslöschen. In der Praxis ändern sich die Amplituden und Weglängen der einzelnen Wellen fortwährend durch den stetigen Wechsel der Bedingungen in der Ionosphäre, und damit schwankt auch die Amplitude der resultierenden Welle am Empfangsort. Diese Schwunderscheinung (engl.: fading) versucht man durch eine signalabhängige Verstärkungsregelung im Empfänger auszugleichen. (Siehe AVR im Kapitel VII, Empfängerschaltungstechnik.)
In der folgenden Tabelle IV-1 sind einige Daten über die Wellenausbreitung der technisch genutzten Frequenzbereiche zusammengestellt.
IV Antennen
987
Tabelle IV-1 Wellenausbreitung im Bereich 30 kHz bis 30 GHz (*), **) siehe Text) Bezeichnung*)
Wellenlänge
Frequenz
Übertragung über Bodenwelle
Raumwelle
Reichweite 30 ... 300 kHz
ja; wenig gedämpft; einige 1000 km
nein
Mittelwellen MW; 1 km ... 100 m „Hektometerwellen“
300 kHz ... 3 MHz
tagsüber ja; nachts ja; 100 km
tagsüber nein; nachts ja; 1000 km
Kurzwellen KW; „Dekameterwellen“
100 m ... 10 m
3 MHz ... 30 MHz
stark gedämpft
erdballumspannend durch Mehrfachreflexionen
Ultrakurzwellen z.B. UKWRundfunk, VHF (Fernsehen Band I und III); „Meterwellen“
10 m ... 1 m
30 MHz ... 300 MHz
nein
Optische Sicht (geringe Verluste); schwache Komponenten durch Beugung (Berge); evtl. Überreichweiten**); 100 km; in Ausnahmefällen 150 ... 250 km
Ultra high frequency UHF (z.B. Fernsehen Band IV und V); „Dezimeterwellen“
1 m ... 10 cm
300 MHz ... 3 GHz
nein
Optische Sicht (geringe Verluste); schwache Komponenten durch Beugung (Berge); evtl. Überreichweiten**); 50 km; in Ausnahmefällen 150 ... 200 km
„Zentimeterwellen“; z.B. Rundfunkund Fernsehübertragung über Satellit
10 cm ... 1 cm
3 ... 30 GHz
Längstwellen; Langwellen LW; „Kilometerwellen“
10 ... 1 km
Quasioptische Sicht; Streuung und Brechung in Luft (Regen, Wolken). Reichweite: a) auf Erdoberfläche: 50 km; in Ausnahmefällen bis 150 km; b) Satellitenübertragung: ≥ 36 000 km bei direkter „Sicht“
Anmerkungen: 1) Die in Anführungszeichen gesetzten Bezeichnungen entsprechen DIN 40 015. 2) Noch schwächere Komponenten entstehen durch Streuung bzw. Reflexion in der Ionosphäre, diese führen aber bei Überreichweiten häufig zu Signalbeeinträchtigungen.
988
Nachrichtentechnik
V Modulation analog moduliert
1 Übersicht Bei der Modulation werden Signalparameter eines Trägers in Abhängigkeit von einem modulierenden Signal geändert, mit dem Ziel, den Frequenzbereich des Basisbandes (Frequenzbereich des Nutzsignals, modulierendes Signal) in einen anderen Frequenzbereich zu transformieren. Damit erreicht man eine Anpassung an die Kanaleigenschaften, und es wird die Übertragung mehrerer Signale gleichzeitig über einen Kanal möglich, wobei das gesamte übertragene Signal wieder eindeutig in die einzelnen Signale zerlegt werden kann. Eine Anwendung für die Modulation ist die Übertragung verschiedener Rundfunkund Fernsehprogramme über den Kanal „freier Raum“ mit großer Reichweite, wobei der Empfänger die Auswahl eines bestimmten Programmes ermöglicht. Für den Träger wird bei der Übertragung im freien Raum ein sinusförmiges elektromagnetisches Feld verwendet, da andernfalls die Oberschwingungen andere Träger mit gleicher Frequenz stören würden. Bei einer leitungsgebundenen Übertragung über Koaxialkabel oder Hohlleiter werden auch Pulsträger verwendet. Wichtig ist hier, daß das elektromagnetische Feld nicht vom Leiter in den umgebenden Raum austritt. Zur Modulation wird eine nichtlineare Kennlinie eingesetzt, so daß neue Frequenzen entstehen (beabsichtigte Erzeugung von nichtlinearen Verzerrungen).
Unterschied Mischung – Modulation: Bei der Mischung wird nur eine der entstehenden Frequenzen ausgenutzt, bei der Modulation mehrere. Beispiel für die Mischung: Überlagerungsempfänger, siehe Kapitel VII, Empfängerschaltungstechnik. Vom Gesamtsignal mit den Frequenzen f0, fe, f0 ± fe (f0 > fe), gebildet aus der Eingangsfrequenz fe und der Oszillatorfrequenz f0, wird nur die Differenzfrequenz f0 – fe = fZF (Zwischenfrequenz) weiterverwendet. Beispiel für die Modulation: Amplitudenmodulation (AM) mit Trägerfrequenz und einem oder zwei Seitenbändern. Es werden sowohl die Trägerfrequenz als auch mindestens die Frequenz eines Seitenbandes ausgenutzt. Folgende Bezeichnungen werden verwendet (DIN 5488, 40110):
sM(t) Basisbandsignal, Nutzsignal, modulierendes Signal (z.B. Musik- und Sprachsignal mit dem Frequenzbereich 15 Hz bis 15 kHz bei der UKWRundfunkübertragung),
sT(t) Träger (Frequenz z.B. 91,2 MHz bei der UKW-Rundfunkübertragung).
Im allgemeinen gilt: Die Frequenzen von sM(t) sind viel kleiner als die Frequenzen von sT(t). Bild V-1 gibt einen Überblick über die verwendeten Modulationsverfahren.
Sinusträger
Modulationsverfahren
digital moduliert
uncodiert
AmplitudenAM modulation (Zweiseitenband-AM) Einseitenband -AM, SSB Restseitenband-AM,VSB FrequenzFM modulation PhasenPM modulation Amplitudenumtastung Frequenzumtastung Phasenumtastung
ASK
Pulsamplitudenmodulation Pulsdauermodulation Pulsfrequenzmodulation Pulsphasenmodulation
PAM
Pulsträger codiert
Pulscodemodulation DeltaDifferenz- modulation codierung
FSK PSK
PDM PFM PPM
PCM
Bild V-1 Modulationsverfahren Durch Demodulation gewinnt man aus dem modulierten Signal das Basisbandsignal zurück. Dies geschieht u.a. durch erneute Modulation, wie am Beispiel des Demodulators für amplitudenmodulierte Signale gezeigt wird.
2 Sinusträger – mit Analogsignal moduliert Der sinusförmige Träger (Index T) hat die Darstellung s T ( t ) = s T ⋅ sin ( w T t + j T ) (V.1) Die folgenden Parameter können vom modulierenden Signal geändert werden und geben dem Verfahren den Namen: s T = s T (t) Amplitudenmodulation (AM), mit den Sonderfällen EM, SSB, RM und USB (siehe Kapitel 2.1) wT = wT ( t ) Frequenzmodulation (FM, Kapitel 2.4). jT = jT ( t ) Phasenmodulation (PM, Kapitel 2.4).
Frequenz- und Phasenmodulation werden auch unter dem Oberbegriff Winkelmodulation zusammengefaßt.
V Modulation
989
Mathematisch besteht der Zusammenhang darin, daß man zur Frequenzmodulation (FM) mit dem differenzierten Phasensignal (PM) moduliert. s PM ( t ) = s T ⋅ sin[ w T t + j T ( t ) ] ⎡ ⎤ = s T ⋅ sin ⎢ wT t + K j ⋅ u ( t ) ⎥ ⎢ ⎥ ⎣ differenzieren ⎦
(V.2)
kel jT des Trägers. Wird jetzt die Multiplikation ausgeführt, ergibt sich unter Anwendung eines Additionstheorems: s AM = s T∗ ( t ) ⋅ sin w T t = [ s T + s M sin ( w M t ) ] ⋅ [ sin ( w T t ) ] = s T ⋅ sin w T t + s M 1 2 (V.6)
× [ − cos ( w T + w M ) ⋅ t + cos ( w T − w M ) ⋅ t ] ⋅
mit jT(t) = Kj ⋅ u(t). Durch Differenzieren und entsprechendes Einsetzen erhält man: ⎡ ⎤ ⎢ ⎥ d u ( t ) ⎥⋅t s FM ( t ) = s T ⋅ sin ⎢ wT + K j ⎢ dt ⎥ ⎢ ⎥ wT ( t ) ⎣ ⎦
Der Modulationsgrad wird folgendermaßen definiert: (V.3)
Anschaulich bedeutet dies, daß sich bei einer Änderung der Winkelgeschwindigkeit auch die Frequenz ändert.
2.1 Amplitudenmodulation (AM) Für das Basisband wird eine einzelne Frequenz angenommen: s M ( t ) = s M ⋅ sin ( w M t + j M ) (V.4) Tritt ein nichtsinusförmiges Signal auf, wird es gemäß der Gültigkeit des Überlagerungssatzes in eine Summe aus sinusförmigen Signalen mit den entsprechenden Frequenzen und Phasenwinkeln zerlegt. Damit der Empfänger aus dem modulierten Signal das Basisbandsignal wieder zurückgewinnen kann, sind der Träger mit fT und das obere Seitenband (OS) mit fT + fM oder das untere Seitenband (US) mit fT – fM oder beide erforderlich. Dabei steht fM stellvertretend für ein Frequenzband (z.B. 15 Hz bis 15 kHz bei der UKW-Rundfunkübertragung). 2.1.1 Modulation durch Multiplikation Es werden die zwei Zeitfunktionen nach Gleichung (V.1) und (V.4) multipliziert. Diese Art der Modulation kann schaltungstechnisch durch Multiplizierer in Form integrierter Schaltkreise erfolgen. Ist allerdings die Amplitude s M größer als s T , entsteht zusätzlich zur Amplitudenmodulation noch eine Phasenmodulation: Ein negativer Träger wird durch ein negatives modulierendes Signal positiv, und er erfährt damit einen Phasensprung von p. Um dieses Problem zu erfassen, führt man den Modulationsgrad m ein. Zunächst macht man für die Amplitude des Trägers nach Gleichung (V.1) den Ansatz: s T∗ ( t ) = s T + s M ( t ) = s T + s M ⋅ sin ( w M t ) mit s T ≥ s M (V.5) Der Phasenwinkel jM wurde der Einfachheit halber zu Null gesetzt, da hier die entstehenden Frequenzen von Interesse sind und der Phasenwinkel darauf keinen Einfluß hat. Das gilt auch für den Phasenwin-
Modulationsgrad s +s s m = M = M US M OS sT sT (Siehe Kapitel 2.1.2)
(V.7)
s M US Trägeramplitude des unteren Seitenbandes (US) mit der Fre quenz fT – fM, s M OS Trägeramplitude des oberen Seitenbandes (OS) mit der Frequenz fT + fM, s T Trägeramplitude
Dann folgt für Gleichung (V.6): m s AM = s T ⋅ ⎧⎨ sin wT t + ⋅ [ − cos ( wT + w M ) ⋅ t 2 ⎩ + cos ( w T − w M ) ⋅ t ] ⎫⎬ ⎭ (V.8)
Bei dieser Art der Modulation entstehen nur die drei erforderlichen Kreisfrequenzen wT, wT + wM und wT – wM. Damit ergibt diese Art der Amplitudenmodulation sehr geringe Verzerrungen, weil jede zusätzlich vorhandene Frequenz mit anderen Frequenzen Summen- und Differenzfrequenzen bilden kann, die im Basisband liegen. 2.1.2 Kenngrößen der Amplitudenmodulation Modulationsgrad: Der Modulationsgrad m = s M /s T = ( s M US + s M OS ) / s T nach Gleichung (V.7) wird in der Praxis zu maximal etwa 80% gewählt. Bei m = 100% verschwindet der Träger, wenn sM(t) seinen negativen Extremwert einnimmt. Unteres (US) und oberes (OS) Seitenband tragen gleichviel zu s M bei. Modulationsgrade über 100% sind möglich, haben aber eine zusätzliche Phasenmodulation zur Folge und werden deshalb nur in Ausnahmefällen eingesetzt. Je größer der Modulationsgrad ist, desto größer ist die Signalamplitude im Empfänger nach der Demodulation (größere Lautstärke beim Rundfunkempfang), deshalb unterschreitet man für die lautesten Töne auch nicht die angegebenen 80% (siehe auch Bild V-2a).
Seitenbänder: Aus Gleichung (V.8) ergibt sich, daß durch die Modulation zwei neue Frequenzen entstanden sind: Neben dem bereits vorhandenen Träger mit der Frequenz fT entstehen die Frequen-
990
Nachrichtentechnik
zen fT + fM und fT – fM. Da das modulierende Signal in der Praxis aus einem Frequenzband im Frequenzbereich von f1 bis f2 besteht, werden durch die Modulation zwei Frequenzbänder erzeugt: Oberes Seitenband (OS) mit dem Frequenzbereich (fT + f1) ... (fT + f2) unteres Seitenband (US) mit dem Frequenzbereich (fT – f1) ... (fT – f2) Werden beide Seitenbänder übertragen, spricht man auch von einer Zweiseitenband-Amplitudenmodulation.
Bandbreite: Durch die Modulation hat man, bezogen auf das obere Seitenband, eine Frequenzverschiebung des Basisbandsignals um fT erreicht. Die Übertragung erfordert eine Bandbreite von Bandbreite B = 2 ◊ ( f2 - f1 ) ª 2 ◊ fM max
(V.9)
s^M
sAM(t)
s^T 0
t
a) SAM(f) S T (f)
1 m 2
für Zweiseitenband-Amplitudenmodulation. Für die Näherung in Gleichung (V.9) wurde berücksichtigt, daß die niedrigste modulierende Frequenz f1 meist Null ist oder aber vernachlässigt werden kann (Rundfunkübertragung: f1 = 15 Hz ≈ 0 verglichen mit f2 = 15 kHz). Für f2 wurde der anschauliche Wert fM max für die maximal auftretende modulierende Frequenz eingesetzt.
Information: Die Information sM(t) ist in jedem der zwei Seitenbänder vollständig enthalten, aber nicht im Träger. Trotzdem wird der Träger für die Demodulation unbedingt benötigt. Zur Übertragung sind deshalb ein oder zwei Seitenbänder und der Träger erforderlich, wie sie sich nach Gleichung (V.8) ergeben. Allerdings kann u.U. auf die Übertragung des Trägers verzichtet werden, siehe Kapitel V.2.2.
2.1.3 Modulation an einer quadratischen Kennlinie Nach Bild V-3 liegt in Reihe zu der Summe der Spannungen des Basisbandsignals uM(t) und des Trägersignals uT(t) eine Diode. Die Diodenkennlinie
fT
fT + f M
f
b) Kehrlage
Darstellung im Zeit- und Frequenzbereich: Bild V-2 stellt einen modulierten Träger in der Zeitund in der Frequenzebene dar.
Im oberen Seitenband ist einer höheren Frequenz fM auch eine höhere Frequenz in diesem Seitenband zugeordnet, man spricht deshalb von Normallage. Im unteren Seitenband dagegen gehört zu einer höheren Frequenz fM eine niedrigere Frequenz im Seitenband (fT – fM), was durch den Begriff Kehrlage charakterisiert wird. Um Normal- und Kehrlage auch optisch erkennen zu können, verwendet man nach Bild V-2c die Darstellung mit Dreiecken. Die steigende Seite des Dreiecks steht für steigende Frequenzen fM im Basisband und hat nichts mit den Amplituden der Frequenzen zu tun! Bei fT ± f1 ist die Höhe des Dreiecks Null, bei fT ± f2 maximal.
fT – f M
m 2
fT – f 2
Normallage
fT fT – f 1
c)
fT + f 2
f
fT + f 1
Bild V-2 Modulierter Träger a) Zeitverlauf b) Spektrum c) Normal- und Kehrlage soll durch die Abhängigkeit i = K ⋅ u2 beschrieben werden, was durch U0 > 0,7 V näherungsweise erreicht wird. In den Gleichungen (V.4) und (V.5) werden die Amplituden s durch Spannungen ersetzt, so daß sich ergibt: i ( t ) = K ⋅ [U 0 + u M sin( w M t ) + u T sin( wT t )] 2 . Ausmultipliziert ergeben sich ein Gleichanteil sowie zeitabhängige Terme mit den Kreisfrequenzen wM, 2wM, 2wT, wT, wT + wM, wT – wM. Die ersten drei Anteile müssen durch Filter abgetrennt werden, so daß sich dann die gleichen Frequenzen wie in Gleichung (V.8) ergeben.
u T (t )
G1
i
u M (t )
G2
R
U0
Bild V-3 Modulation an einer quadratischen Kennlinie
V Modulation
991
2.1.4 Modulation an einer nichtlinearen nichtquadratischen Kennlinie
m · s^T
Die zwei oben beschriebenen Verfahren zur Modulation sind ideal, weil entweder nur die benötigten Frequenzen entstehen oder aber die nicht benötigten Frequenzen durch Filter einfach unterdrückt werden können, da sie einen genügend großen Frequenzabstand zu den erforderlichen Frequenzen haben. Im allgemeinen liegt aber eine nichtlineare nichtquadratische Kennlinie vor, die, am Beispiel der Diode gezeigt, durch eine Reihenentwicklung dargestellt werden kann: i = I 0 + K 1 ⋅ u + K 2 ⋅ u 2 + K 3 ⋅ u 3 + ...
m · s^ 2 T
+vT
−vT s^T
vT
t= T 8
t= T 4
s
(V.10)
Setzt man für u den Ausdruck [U0 + u M sin(wMt) + u T sin (wTt)] gemäß Bild V-3 ein, erhält man eine
Vielzahl von neuen Frequenzen bzw. Frequenzbändern, wobei u.a. die zwei Frequenzbänder fT ... fT + fM max und fT ... fT + 2 ⋅ fM max entstehen (Näherung wie in Gleichung (V.9) verwendet). Diese zwei Bänder überlagern sich und können nicht mehr voneinander getrennt werden, so daß auch die Information, die in fM enthalten ist, nicht mehr unverzerrt zurückgewonnen werden kann. Allgemein entstehen an einer Kennlinie i = Kp ⋅ up die Frequenzen f = m ⋅ fT + n ⋅ fM mit m + n = p. Für p = 2 ergeben sich die Frequenzen 2 ⋅ fT, 2 ⋅ fM, fT ± fM. Die unerwünschten Frequenzen 2 ⋅ fT und 2 ⋅ fM lassen sich aber auf einfache Weise durch Filterschaltungen unterdrücken. Ein kubischer Anteil (p = 3) in der Kennlinie erzeugt die Frequenzen 3 ⋅ fT, 3 ⋅ fM, 2 ⋅ fT ± fM, fT ± 2 ⋅ fM und damit den oben erwähnten kritischen Anteil fT ± 2 ⋅ fM. Man versucht deshalb, eine quadratische Kennlinie anzunähern. 2.1.5 Zeigerdiagramm Das Zeigerbild der AM nach Gleichung (V.8) enthält drei Zeiger mit dem gleichen Drehsinn, aber unterschiedlichen Winkelgeschwindigkeiten. Man nimmt nun den Trägerzeiger als feststehend an und läßt die Seitenbandzeiger mit den Winkelgeschwindigkeiten + wM und – wM symmetrisch zum Träger drehen, Bild V-4. Die Summe der Seitenbandzeiger zeigt wegen der Symmetrie stets in Richtung des Trägerzeigers und bewegt sich zwischen den Grenzen s T ( 1 + m ) und s T ( 1 − m ) . Der Vorteil dieser Darstellung liegt darin, daß man die Auswirkungen von Störungen oder anderen Veränderungen einfach erkennen kann. Erreichen beispielsweise die beiden Seitenbänder den Empfänger nicht mit gleicher Amplitude und ändern sich die Amplituden fortlaufend um unterschiedliche Werte, liegt der Summenzeiger nicht mehr in Richtung des Trägers, sondern schwankt um die durch den Träger gegebene mittlere Lage. Das ergibt eine zusätzliche Phasenmodulation.
T T 8 4
T 2
3T 4
T t
Bild V-4 Zeigerbild der AM zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten 2.1.6 Modulationstrapez Zur Kontrolle des Modulationsgrades und der Modulationsverzerrungen verwendet man eine Meßschaltung nach Bild V-5. uAM
l1
a
b
uM
l2
Bild V-5 Modulationstrapez An die Y-Ablenkplatten eines Oszilloskops wird das amplitudenmodulierte Signal uAM angeschlossen, an die X-Ablenkplatten das modulierende Signal uM. Der Schirm stellt das skizzierte Bild dar. Es gibt Auskunft über folgende Größen: b-a Modulationsgrad: m = b+a Modulationsverzerrungen: Der Grad der Verzerrungen läßt sich an den Linien l1 und l2 abschätzen: Sind sie Geraden, gibt es keine Verzerrungen, andernfalls sind sie mit zunehmenden Verzerrungen stärker gekrümmt.
992
Nachrichtentechnik
2.1.7 Demodulation von AM Die Demodulation von amplitudenmodulierten Signalen ist sehr einfach. Bild V-6 zeigt die Schaltung. Sie wird auch als Hüllkurvendemodulation bezeichnet. D uAM(t)
R
uM
C
2.1.8 Leistung von Träger und Seitenbändern u2 Der Träger benötigt die Leistung PT = T , ein Sei2⋅ Z tenband 2 u2 m2 1 ⎛1 m2 ⎞ PSB = = PT ⋅ . ⎜ uT ⋅ m⎟ = T ⋅ ⎠ 2⋅ Z ⎝ 2 2⋅ Z 4 4 Die Gesamtleistung ist:
R1
AVR: automatische Verstärkungsregelung
uAVR
C1
a)
R1 · C1 ≈ 1 s
uM uAM
uM
Pges AM = PT + 2 ⋅ PSB u2 u2 m2 u2 ⎛ m2 ⎞ = T + T ⋅ = T ⋅ ⎜1+ ⎟ ⎝ 2 2 2 2 2 ⎠ ⋅ Z ⋅ Z ⋅ Z
uAM
Träger
Z Lastwiderstand, den die Trägerspannung speist Beispiel V.1:
Durch D unterdrückt
a) Gilt für einen Träger der Modulationsgrad m = 1, entfallen 1 1 2 nach Gleichung (V.12) = = der Gesamtleism 2 1+ 1 3 1+ 2 2 tung auf den Träger und je 1/6 auf jedes Seitenband.
Bild V-6 Demodulation von AM a) Schaltung b) Betrachtung im Zeitbereich Betrachtung im Zeitbereich: Die Diode trennt die negativen Spannungswerte ab. Der Tiefpaß aus R und C ist so bemessen, daß eine Spitzenwertgleichrichtung stattfindet (Hüllkurvendetektor, Einhüllendendemodulation) und die Spannung am Kondensator der Hüllkurve und damit dem Verlauf der modulierenden Spannung uM folgt. Für die Dimensionierung gilt: wM max < 1/RC < wT /10. Betrachtung im Frequenzbereich: Die Trägerfrequenz und die Frequenzen des oberen und unteren Seitenbandes nach Gleichung (V.8) gelangen als Summe auf die Diode mit der „idealen“ Diodenkennlinie (siehe Kapitel I.2.1.3) i = K ⋅ u2: m i = K ⋅ u 2 = K ⋅ ⎧⎨ sin wt + ⋅ [ − cos ( w T + w M 2 ⎩
beide Seitenbänder
(V.12)
t b)
matischen Verstärkungsregelung (AVR) heranziehen, da ihr Wert der Amplitude des Trägers proportional ist. Auf diese Weise lassen sich einigermaßen konstante Trägeramplituden und damit Lautstärken am Empfänger erreichen. Das ist besonders wichtig beim Autoradioempfang mit den ständig schwankenden Trägeramplituden.
)
+ cos ( w T − w M
) ] ⎫⎬
2
⎭ (V.11)
Nach Quadrierung des Klammerausdruckes ergibt sich zum einen die gewünschte Frequenz fM, zum anderen Frequenzen, die im Bereich um fT bzw. 2 ⋅ fT liegen. Der Kondensator unterdrückt die letztgenannten Frequenzen, und es bleibt nur das gewünschte Signal uM übrig. Leitet man uM über einen Tiefpaß mit einer Grenzfrequenz fg = 1/(2pR1C1) << fM min (Bild V-6), kann man die Spannung uAVR zur auto-
b) Für m = 0,8 erhält jedes Seitenband 12,1%, der Träger 75,8% der Gesamtleistung.
2.1.9 Störungen bei amplitudenmodulierten Signalen Hier werden die zwei am häufigsten vorkommenden Störungen betrachtet, d.h. diejenigen, die durch Nachbarträger und Rauschen verursacht werden. 1. Störungen durch sinusförmigen Nachbarträger Der Nachbarträger hat eine Trägerfrequenz fN, die innerhalb des Spektrums des Nutzträgers fT ± fM max, d.h. im Bereich des unteren und oberen Seitenbandes, liegt. (Annahme: Im Empfänger werden Frequenzanteile außerhalb der Seitenbänder unterdrückt.) a) Der Nachbarträger ist nicht moduliert. Dann entsteht nach der Demodulation ein Pfeifton mit der Differenzfrequenz ⎪fN – fT⎪, und es ergibt sich nach dem Demodulator ein niederfrequentes Verhältnis aS, N0 von Nutz- zu Störsignal zu: u a S, N0 = T ⋅ m (V.13) uN u T Amplitude des Nutzsignalträgers in V, u N Amplitude des Nachbarsignal-(Störsignal-)Trägers in V, m Modulationsgrad des Nutzsignalträgers
Der Nachbarsignal-(Störsignal-)Träger kann auch durch Einschaltvorgänge (Fourierzerlegung ein-
V Modulation
993
maliger Vorgänge), Gewitter, atmosphärische Störungen, Harmonische von nichtsinusförmigen Spannungs- und Stromverläufen in Motoren, Frequenzumrichtern und dergleichen entstehen. Deshalb werden Übertragungen im freien Raum häufig gestört. Mit wachsendem Abstand Sender–Empfänger nimmt die Häufigkeit der Störungen und deren Intensität zu, da die Amplitude der Trägerschwingung abnimmt. Deshalb ist bei Amplitudenmodulation ein störungsarmer Empfang nur dann möglich, wenn man sich im Nahbereich eines Senders befindet oder ein entfernter Sender mit entsprechend hoher Leistung und hohem Modulationsgrad arbeitet. Da oberes und unteres Seitenband zu gleichen Teilen zum Basisbandsignal beitragen (Gleichung (V.7)), hat das demodulierte Signal bei Einseitenbandübertragung (siehe Kapitel V.2.2.1) nur die halbe Amplitude und damit auch nur den halben Störabstand gegenüber Zweiseitenbandübertragung. Der Störabstand wird weiterhin verringert, wenn bei der Einseitenbandübertragung mit unterdrücktem Träger der im Empfänger regenerierte Träger eine Phasenverschiebung zu dem ursprünglichen Senderträger aufweist. b) Der Nachbarträger ist mit mN amplitudenmoduliert. Dann tritt neben dem Pfeifton nach Gleichung (V.13) noch die Modulation des Nachbar(Stör-)Trägers als Nebensprechen auf. Für das niederfrequente Verhältnis aS, N1 von Nutz- zu Störsignal ergibt sich: 2 m ⎛u ⎞ a S, N1 = ⎜ T ⎟ ⋅ (V.14) ⎝ uN ⎠ mN u T Amplitude des Nutzsignalträgers in V, u N Amplitude des Nachbarsignal-(Störsignal-)Trägers in V, m Modulationsgrad des Nutzsignalträgers, mN Modulationsgrad des Nachbarsignal(Störsignal-)Trägers
2. Störungen durch Rauschen Nach dem Demodulator erhält man einen NF-SignalRauschabstand S SN = 10 ⋅ lg
m 2 ⋅ PT dB 2 ⋅ f M max ⋅ F ⋅ k ⋅ T
(V.15)
m Modulationsgrad; PT Trägerleistung nach dem Demodulator in W; fM max maximale Basisbandfrequenz in Hz; F Rauschzahl des Empfängers; k Boltzmann-Konstante 1,38 ⋅ 10–23 Ws/K; T absolute (thermodynamische) Temperatur in K
2.1.10 Kreuzmodulation Bei dieser Art der Modulation handelt es sich um einen unerwünschten Modulationseffekt. Liegen eine amplitudenmodulierte Schwingung (wT ± wM) und ein unmodulierter Träger (wT2) an einer Kennlinie mit einem Glied 3. Ordnung (Kapitel 2.1.4, Gleichung (V.10)), entstehen u.a. Kombinationsschwingungen mit wT2 ± wM. Das heißt, daß der ursprünglich unmodulierte Träger (wT2) mit wM kreuzmoduliert worden ist. Natürlich tritt dieser Effekt auch auf, wenn der Träger mit der Kreisfrequenz wT2 amplitudenmoduliert ist.
2.2 Sonderformen der Amplitudenmodulation Grundlage für die dargestellten Sonderformen sind die Gleichungen (V.9) und (V.12). Da wesentlich mehr Sender als Frequenzbänder vorhanden sind, hat man versucht, den pro Sender erforderlichen Bandbreitenbedarf zu reduzieren. Außerdem hat man nach Lösungen gesucht, die im Träger enthaltene Leistung auf die Seitenbänder zu verlagern, da nur die Seitenbänder Information übertragen. Auf diese Weise kann man mit gleicher Leistung höhere Reichweiten erzielen bzw. bei gleicher Entfernung Sender – Empfänger einen störungsfreieren Empfang sicherstellen oder mit geringerer Leistung die gleiche Reichweite wie vorher erreichen. 2.2.1 Einseitenbandmodulation (ESB, SSB) Da ein Seitenband die vollständige Information enthält, wird das andere Seitenband unterdrückt. (ESBÜbertragung: Ein-Seiten-Band-Übertragung; SSB: single-sideband). Damit sinkt die Bandbreite nach Gleichung (V.9) auf die Hälfte: BESB ≈ fM max. Für die Übertragung des Trägers, der nach Gleichung (V.11) für die Demodulation unbedingt benötigt wird, gibt es drei Möglichkeiten: 1. Der Träger wird mit voller Amplitude übertragen. Dann wird lediglich maximal 1/6 der Gesamtleistung eingespart, die das unterdrückte Seitenband bei m = 100% benötigt (siehe Beispiel V.1). 2. Der Träger wird mit einer Restamplitude, z.B. 10%, übertragen: AM mit Restträger. Vorteile: a) Die Leistungseinsparung für den Träger kann in eine größere Leistung für das Seitenband umgesetzt werden. b) Durch den Restträger bleibt eine eventuell erforderliche Phasenbeziehung zwischen Senderträger und einem weiteren Signal erhalten (Beispiel: UKW-Stereo-Rundfunk mit Hilfsträger). Nachteile: a) Wird die sowieso schon geringe Trägeramplitude am Empfangsort durch Schwunderscheinungen zeitweise zu Null, ist wegen des fehlenden Trägers keine Demodulation und damit kein Signalempfang möglich. b) Im Empfänger muß die Amplitude des Restträgers gegenüber dem Seitenband ausreichend verstärkt werden, damit eine verzerrungsarme Demodulation möglich ist (Erklärung siehe folgender Absatz). Das erfordert sehr steilflankige und damit aufwendige Filterschaltungen. 3. Der Träger wird ganz unterdrückt. Vorteil: Die gesamte Senderleistung gelangt in ein Seitenband, und man erreicht entweder eine große Reichweite oder einen störungsärmeren Empfang. Nachteile: a) Der unterdrückte Träger muß im Empfänger wieder zugesetzt werden, da sonst keine Demodulation möglich ist. Die Frequenz dieses im Empfänger erzeugten Hilfsträgers muß zeitlich konstant sein und darf von der im Sender unterdrückten Trägerfrequenz nicht abweichen, andern-
994 falls sind die vom Empfänger demodulierten Frequenzen alle um den Differenzbetrag zwischen Sender- und Empfängerträger verschoben. b) Das im Empfänger demodulierte Signal ist zusätzlich phasenmoduliert, was zu nichtlinearen Verzerrungen führt. Diese Tatsache läßt sich am Bild V-4 ablesen: Wenn einer der Seitenbandzeiger fehlt, zeigt der Summenzeiger aus Träger und einem Seitenband nicht mehr in Richtung des Trägers, was der genannten Phasenmodulation entspricht. Man wählt deshalb die Amplitude des Hilfsträgers ( u T ) groß im Verhältnis zur Amplitude des Sei tenbandes ( u M) und kann dadurch die Verzerrungen klein halten. Einen Anhaltswert für den die Verzerrungen kennzeichnenden Klirrfaktor gibt die folgende Formel. Da die erste Oberschwingung (oder zweite Harmonische) den Klirrfaktor wesentlich bestimmt, wurde nur ihr Einfluß berücksichtigt: u 1 Klirrfaktor k ≈ k 2 = M ⋅ (V.16) 2 4 ⋅ uT
u T Amplitude des Hilfsträgers in V, u M Amplitude des Seitenbandes in V
Wichtig ist, daß das Verhältnis u M /u T nicht mehr durch den Modulationsgrad des Senders, sondern durch die empfängerseitig zugefügte Trägeramplitude u T bestimmt wird. c) Durch die empfänger-
seitige Addition des Trägers geht eine eventuell erforderliche Phasenbeziehung zwischen Träger und Basisband oder einem zweiten Träger verloren (Beispiel: Stereo-Rundfunkübertragung mit zwei Trägern, deren Phasenwinkel zueinander den Stereoeffekt beeinflußt). Bei der einkanaligen Übertragung von Sprache, Musik und Bildern (Mono-Rundfunk, Schwarz-Weiß-Fernsehen) spielt ein Phasenwinkel zwischen senderseitigem Träger und dem im Empfänger zugesetzten Träger aber keine Rolle. d) Zur Verringerung des Störabstandes siehe Kapitel 2.1.9, Störungen bei amplitudenmodulierten Signalen. Zur Einseitenbandmodulation sind spezielle Schaltungen entwickelt worden, weil es nicht ohne weiteres möglich ist, aus einem zweiseitenbandmodulierten Signal mit Träger den Träger und ein Seitenband mit einer Filterschaltung herauszufiltern. Das ist genau dann schwierig, wenn die Frequenz fM min sehr klein ist. Bei der Rundfunkübertragung ist fM min = 15 Hz. Verwendet man fT = 1 MHz, wäre ein Filter erforderlich, daß bis einschließlich 1,000 MHz alle Frequenzen unterdrückt, ab 1,000 015 MHz die entsprechenden Frequenzen durchläßt. Erreicht fM min den Wert Null (Fernsehen: Bild schwarz), können die erforderlichen Filterschaltungen prinzipiell nicht realisiert werden. Bild V-7 zeigt einen Ringmodulator, der als Ausgangssignal nur die zwei Seitenbänder enthält und
Nachrichtentechnik
uM
uAM
Bild V-7 Ringmodulator
uT
den Träger unterdrückt. Ein Seitenband muß noch, sofern das technisch möglich ist, durch geeignete Filterschaltungen abgetrennt werden. Eine Weiterentwicklung ist in Bild V-8 dargestellt. Die beiden Ringmodulatoren liefern die zwei Seitenbänder ohne Träger. Durch die Phasenschieber sind die beiden oberen Seitenbänder der Modulatoren um 180º verschoben und heben sich über die Summenbildung in dem Transformator auf. Die unteren Seitenbänder dagegen sind in Phase und addieren sich.
uM
PS1 0° 90°
RM1
uAM, SSB
uT
PS2 0° 90°
RM2
PS1, 2: Phasenschieber mit 0° und 90° RM1, 2: Ringmodulatoren
Bild V-8 Modulator für Einseitenband-AM
2.2.2 Restseitenbandmodulation (RM, VSB) Die Restseitenbandübertragung (Restseitenbandmodulation, vestigial sideband) wird bei der Fernsehübertragung angewendet. Dort ist fM max ≈ 5,5 MHz, so daß bei Zweiseitenbandübertragung eine Bandbreite von etwa 11 MHz erforderlich gewesen wäre. Damit hätte man zu wenig Sender unterbringen können. Bei der Bildübertragung ist außerdem die Übermittlung eines Gleichwertes erforderlich (z.B. Dunkelsteuern der Bildröhre beim Umschalten im Studio). Senderseitig wären damit bei der Trägerfrequenz fT „unendlich steile“ Filterkurven erforderlich gewesen, um genau ab der Trägerfrequenz das zweite Seitenband vollständig zu unterdrücken. Da dies technisch nicht möglich ist, setzt man die Restseitenbandübertragung nach Bild V-9 ein. Ein Seitenband wird vollständig, das andere nur teilweise übertragen. Das dargestellte Frequenzspektrum läßt sich senderseitig durch geeignete Filterschaltungen realisieren. Wird dieses Signal demoduliert, erhält man die Anteile mit Frequenzen bis fM = 0,75 MHz mit doppelter Amplitude, da beide Seitenbänder gleichgewichtig zum Gesamtsignal beitragen.
V Modulation
995 SAM(f)
5,5 MHz
f
fT 0.5 MHz 0.75 MHz a) 1
fängerseitig frequenzstabil mit 0° bzw. 90° zu (Quarzoszillator mit 90°-Phasenschieber), ist diese Bedingung erfüllt. Weitere Einzelheiten zur Anwendung der Quadraturmodulation in der Farbfernsehtechnik zeigt Kapitel VIII.2.2.
2.3 Technische Ausführung der Amplitudenmodulation Bild V-10 stellt Schaltungen mit Transistoren zur Zweiseitenband-Amplitudenmodulation dar, und zwar mit Modulation an der Basis (additives Verfahren) oder am Kollektor (multiplikatives Verfahren).
2
+UB
uAM
b)
0,75 MHz
Bild V-9 Restseitenbandübertragung (Beispiel Fernsehen) a) Frequenzspektrum des Senders b) Durchlaßkurve des Empfängers Bis 1,25 MHz sinkt die Amplitude kontinuierlich auf den einfachen Wert, der auch für noch höhere Frequenzanteile entsteht. Um diese Signalverzerrungen empfängerseitig auszugleichen, wird eine Durchlaßkurve nach Bild V-9b eingesetzt. Der Verlauf der Nyquistflanke sollte möglichst gerade sein und muß durch geeignete Filterschaltungen realisiert werden. Wichtig ist weiterhin, daß die Flächen 1 und 2 gleich groß sind, denn dann erhält man alle Frequenzanteile mit gleicher Amplitude. Der Vorteil der Restseitenbandübertragung liegt darin, daß, am Beispiel Fernsehen gezeigt, senderseitig nicht mehr 11 MHz, sondern nur noch etwas weniger als 7 MHz Bandbreite benötigt werden. Damit können mehr Sender in Betrieb genommen werden, was wegen der Forderung nach flächendeckender Versorgung der Bevölkerung mit mehreren Fernsehprogrammen erforderlich ist. Die technische Realisierung ist sender- und empfängerseitig mit vertretbarem Aufwand möglich.
uT
uM a) +UB
uAM uT
uM
b)
+UB
2.2.3 Quadraturmodulation
Bild V-10 Schaltungen zur Amplitudenmodulation a) Modulation an der Basis (additiv) b) Modulation am Kollektor (multiplikativ)
Diese auch in der Farbfernsehtechnik angewendete Modulationsart beruht darauf, daß man zwei Träger mit gleicher Frequenz fT, aber mit einem Phasenwinkel von 90° zueinander erzeugt. Dem einen Träger wird ein Signal mit wM1 und dem anderen ein Signal mit wM2 aufmoduliert. Die phasenverschobenen Träger werden unterdrückt, damit sie im Empfänger keine Störungen verursachen. Die Amplituden- und Phasenbeziehung der zwei Signale mit wM1 und wM2 zueinander muß nach der Demodulation erhalten bleiben, weil daraus über eine Summenbildung das Farbsignal gebildet wird. Setzt man den Träger emp-
Bei der Modulation an der Basis wird die nichtlineare nichtquadratische Kennlinie iB = f (uBE) des Transistors ausgenutzt, was nach Kapitel 2.1.4 zu Verzerrungen führt. Deshalb sind Modulationsgrade von maximal 70% zulässig. Es werden Wirkungsgrade von höchstens 50% erreicht. Vorteil dieser Modulationsschaltung ist, daß nur eine geringe Leistung für das modulierende Signal erforderlich ist. Wesentlich verzerrungsärmer ist die Schaltung mit Modulation im Kollektorkreis (Modulation durch Multiplikation nach Kapitel 2.1.1). Allerdings muß die Leistung des modu-
996
Nachrichtentechnik
lierenden Signals in der Größenordnung der an die Antenne abgegebenen Leistung liegen. Es sind Modulationsgrade bis 100% möglich. Der Wirkungsgrad kann bis zu 90% betragen. In Rundfunk- und Fernsehsendern werden anstelle der Transistoren Senderöhren mit Ausgangsleistungen im kW-Bereich eingesetzt. In der Rundfunkübertragungstechnik hat man zunächst die einfach zu handhabende Zweiseitenband-AM eingesetzt. Der Übergang zur Einseitenbandmodulation mit unterdrücktem Träger wurde noch nicht vollzogen, weil der Anwender dann die Trägerfrequenz genau kennen und auch frequenzstabil zur Verfügung haben müßte. Bei der Fernseh-Bildübertragung hat man die Restseitenbandübertragung gewählt, weil die Einseitenbandübertragung technisch nicht realisierbar ist (siehe Kapitel V.2.2.2). Für den Kurzwellenbereich gibt es aber Überlegungen, die besonders dort eingesetzten hohen Senderleistungen bei gleicher Reichweite durch Einseitenbandmodulation zu reduzieren. Um auch die bisher benutzten Empfänger weiterhin verwenden zu können, soll in einem ersten Schritt die Trägeramplitude auf die Hälfte gesenkt werden (Einseitenbandmodulation mit Restträger). Für die Rundfunk- und Fernsehübertragung gelten folgende Daten: 1. Lang-, Mittel- und Kurzwellenrundfunk: Zweiseitenband-AM mit einer höchsten Basisbandfrequenz fM max = 4,5 kHz. Die Senderleistungen betragen maximal etwa 1 MW. Wegen der Vielzahl der unterzubringenden Sender wurde die Bandbreite des Basisbandes auf maximal 4,5 kHz beschränkt. 2. Fernsehfunk: Bildübertragung in Restseitenbandmodulation, Daten siehe Bild V-9. Die Tonübertragung geschieht frequenzmoduliert.
2.4 Winkelmodulation Unter dem Begriff Winkelmodulation werden Frequenz- (FM) und Phasenmodulation (PM) zusammengefaßt. 2.4.1 Grundlagen Es wird wieder ein sinusförmiger Träger nach Gleichung (V.1) verwendet: (V.17) s T ( t ) = s T ⋅ sin ( wT t + jT ) F( t ) Der Winkel F(t) kann auf zwei Arten in Abhängigkeit vom modulierenden Signal geändert werden. 1. Phasenmodulation (PM):
F( t ) = w T t + a P ⋅ s M ( t ) j( t )
(V.18)
2. Frequenzmodulation (FM): F ( t ) = [ wT + a F ⋅ s M ( t ) ] ⋅ t + j T W( t )
(V.19)
aP und aF sind Modulatorkonstanten. Der Zusammenhang zwischen beiden Modulationsarten ist gegeben durch W( t ) =
dF ( t ) DF ( t ) ≈ dt Dt
(V.20)
Die Frequenz ist gleich der Änderungsgeschwindigkeit des Phasenwinkels, geteilt durch 2p (Zusammenhang zwischen Frequenz- und Phasenmodulation siehe auch Kapitel V.4.2, Pulsfrequenz- und Pulsphasenmodulation). Größter Frequenz- und größter Phasenhub treten nicht gleichzeitig auf, da sie über einen Differentialquotienten miteinander verknüpft sind. Eine cosinusförmige modulierende Spannung bei FM hat einen Phasenhub, der sinusförmig ist, also um 90° nacheilt. Setzt man wieder ein sinusförmiges modulierendes Signal nach Gleichung (V.4) voraus und setzt den Winkel jM = 0, so folgt: s M ( t ) = s M ⋅ sin(w M t ). Eingesetzt in die Gleichungen (V.18) und (V.19) ergibt sich für die beiden Modulationsarten: PM:
s PM ( t ) = s T ⋅ sin ( w T t + a P ⋅ s M ⋅ sin w M t )
(V.21)
Phasenhub DF
FM:
s FM ( t ) = s T ⋅ sin [ ( w T + a F ⋅ s M ⋅ sin w M t ) t + j T ] Frequenzhub DW
(V.22) Im Phasenhub a P ⋅ s M ist damit die Information über die Amplitude des modulierenden Signals (Lautstärke bei Tonübertragung) enthalten. Senderseitig wird für die größte zu übertragende Amplitude (größte Laut stärke) ein Wert a P ⋅ s M max vorgegeben. Das gleiche gilt für den (Kreis-)Frequenzhub a F ⋅ s M. Für die größte zu übertragende Amplitude (lautester zu übertragender Ton) ist beim UKW-Rundfunk DW max = 2 p ⋅ f max = 2 p ⋅ 75 kHz festgelegt. Die Information
über die Frequenz des modulierenden Signals ist in der Anzahl der Wechsel zwischen maximaler und minimaler Frequenz pro Sekunde enthalten. Für den UKW-Rundfunk gilt: Bei einer Trägerfrequenz fT = 100 MHz und einer Frequenz des modulierenden Signals von fM = 4 kHz und maximaler Lautstärke ändert sich die Frequenz des Senders 4000mal pro Sekunde zwischen den Werten 100 MHz – 75 kHz und 100 MHz + 75 kHz. Bei einem leiseren Ton gleicher Frequenz und halber Lautstärke ändert sich die Frequenz des Senders wiederum 4000mal pro Sekunde, aber jetzt beispielsweise zwischen den Werten 100 MHz – 30 kHz und 100 MHz + 30 kHz. (Hinweis: Kein linearer Zusammenhang zwischen Frequenzhub und fM, siehe dazu Preemphasis und Deemphasis.)
V Modulation
997
2.4.2 Kenngrößen Mit den Gleichungen (V.18) bis (V.22) ergeben sich folgende Kenngrößen: Phasenhub PM: DF = a P ⋅ s M (Kreis-)Frequenzhub PM: a P ⋅ s M ⋅ w M
(Folgt durch Differenzieren von Gleichung (V.21) gemäß Gleichung (V.20) von a P ⋅ s M ⋅ sin w M ⋅ t .) (Kreis-)Frequenzhub FM: DW = a F ⋅ s M a ⋅s Phasenhub FM: DF = F M wM (Folgt durch Integrieren von a F ⋅ s M ⋅ sin w M ⋅ t .)
Auch bei FM ist der Phasenhub wichtig, weil sich der Einfluß von Störungen und die Bandbreite auf den Phasenhub beziehen. Daher wurde der Modulationsindex als Kenngröße eingeführt:
Modulationsindex h bei FM: DW Df T max DF = = ; wM fM fM DF Spitzenhub h = DF =
(V.23)
Für den UKW-Rundfunk gilt: fM max = 15 kHz; DF = 75 kHz; ⇒ h = hmin = 75/15 = 5. Der Modulationsindex ist abhängig von der Frequenz des modulierenden Signals und wird häufig für fM max angegeben. Er steigt mit sinkender modulierender Frequenz fM und kann sehr groß werden. Damit nimmt auch der Dynamikbereich (Lautstärkebereich) große Werte an. Das gilt ebenso für den Phasenhub, wie aus Bild V-11 zu ersehen ist.
DF , der bei der fT Amplitudenmodulation eine wichtige Kenngröße ist, hat hier keine Bedeutung.
Hinweis: Der Modulationsgrad m =
2.4.3 Zeigerdarstellung Der Zeiger des Trägers dreht sich ohne Modulation mit konstanter Winkelgeschwindigkeit proportional zur Frequenz fT. Er dient als Bezugszeiger. Wird mit einem sinusförmigen Signal nach Bild V-12 moduliert, erhöht sich für positives uM der Phasenwinkel j, und der Trägerzeiger eilt dem Bezugszeiger vor, maximal bis +DF. Das ist gleichbedeutend mit einer Frequenzänderung Df, die der Winkeländerung nach Gleichung (V.20) um 90° voreilt. Bei negativem uM eilt der Trägerzeiger dem Bezugszeiger nach, maximal bis –DF. Wie bei der Zeigerdarstellung der Amplitudenmodulation stellt man sich den Bezugszeiger ruhend vor, so daß der Trägerzeiger im Rhythmus von uM zwischen +DF und –DF hin und her pendelt (Pendelzeiger). 1,5 3 fr +Δo
−Δo
2
4 2
um ~ f(t)
3
uM
5
1 4
t fM klein a)
+Δf
t
uM
Bild V-12 Zeigerdarstellung bei der Winkelmodulation
t fM groß
b)
t
Bild V-11 Zusammenhang zwischen Phasenhub j und Frequenz fM a) fM klein b) fM groß
2.4.4 Spektrum und Bandbreitenbedarf Wird ein Träger mit der Frequenz fT mit einem Signal der Frequenz fM frequenzmoduliert, so entstehen außer fT folgende Frequenzen:
Frequenzspektrum bei FM:
fT ± f M ; fT ± 4 f M ;
fT ± 2 fM ; fT ± 3 f M ; ... ; fT ± nfM ; ...
998
Nachrichtentechnik
Es entstehen unendlich viele Frequenzen im Abstand von ±fM zueinander. Die Amplituden dieser einzelnen Schwingungen lassen sich der Abbildung V-13 entnehmen. Mathematisch handelt es sich um Besselfunktionen 1. Art n-ter Ordnung. Es bedeuten: J0(h) Amplitude der Trägerschwingung mit der quenz fT J1(h) Amplitude der Schwingungen mit den quenzen fT + fM und fT – fM J2(h) Amplitude der Schwingungen mit den quenzen fT + 2fM und fT – 2fM J3(h) Amplitude der Schwingungen mit den quenzen fT + 3fM und fT – 3fM
FreFreFre-
1,0 I0 I1
In 0,6
I2
I4
I5
I6
I7
0 –0,2 0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Bild V-13 Besselfunktionen Jn(h) für n = 1 ... 7 Die Amplituden hängen ab vom Modulationsindex h. Für h = 0, d.h. ohne Modulation, existiert nur die Trägerschwingung, was auch anschaulich einsichtig ist. Für h ≈ 2,4 beispielsweise verschwindet die Trägerschwingung (J0 = 0, gilt auch für h ≈ 5,5 usw.), für h ≈ 3,8 gibt es keine Schwingungen mit den Frequenzen fT + fM und fT – fM (J1 = 0, gilt auch für h ≈ 7 usw.). Negative Werte von Jn bedeuten eine Phasenverschiebung von 180° gegenüber positiven Werten. Da die Amplituden der Besselfunktionen erst für h → ∞ gegen Null gehen, ist theoretisch eine unendlich große Bandbreite erforderlich. In der Praxis kann und muß man die Bandbreite begrenzen. Die dadurch entstehenden nichtlinearen Verzerrungen lassen sich berechnen und dienen als Grundlage für die folgenden Dimensionierungen. Man unterteilt, abhängig von h, in zwei Modulationsarten: 1. Schmalband-Frequenzmodulation: Es gilt: h < 1. Dann ergeben nur J0 und J1, also Trägerfrequenz und die Frequenzen fT + fM und fT – fM, nennenswerte Amplituden. Damit ist das Spektrum aber gleich dem der Amplitudenmodulation, wenn man die übrigen Frequenzanteile vernachlässigt.
Bandbreite bei Schmalband-Frequenzmodulation: B FM ≈ 2 B M ≈ 2 f M
max
BFM ª 2 ( DF + BM ) ª 2 (DF + fM max )
(siehe Gleichung (V.23)). In dieser sog. CarsonFormel wurde berücksichtigt, daß erst die dritte Harmonische der Signalschwingung zum Klirrfaktor beiträgt. Beim UKW-Rundfunk ergibt sich BUKW ≈ 2(DF + fM max) ≈ 2(75 kHz + 15 kHz) = 180 kHz. Bei der Übertragung von Trägerfrequenz-Vielkanal-Fernsprechsignalen durch Frequenzmodulation in der Richtfunktechnik werden teilweise Klirrfaktoren von 0,01% gefordert. Dann ist die Übertragungsbandbreite, verglichen mit der Bandbreite bei 1% Klirrfaktor, um den Faktor 1,5 höher zu wählen.
Die hier behandelten Störungen werden verursacht durch benachbarte Träger und Rauschen. Ihr Einfluß auf frequenzmodulierte Signale wird im Ergebnis angegeben, weitere Einzelheiten sind beispielsweise [V.1] zu entnehmen.
0,2
–0,4
Bandbreite bei Breitband-Frequenzmodulation:
2.4.5 Störungen bei winkelmodulierten Signalen
I3
0,4
Fre-
usw.
0,8
2. Breitband-Frequenzmodulation: Es gilt: h > 1. Dann begrenzt man die Bandbreite bei einem Klirrfaktor k ≈ k3 ≤ 1% bei der Rundfunkübertragung auf:
1. Störungen durch sinusförmige Nachbarträger Nachbarträger sind sinusförmige Stör-Träger mit einer Frequenz, die innerhalb der Bandbreite des Nutzträgers von fT ± BT/2 liegt. Für das niederfrequente Störverhältnis aFM, NF nach dem Demodulator bei Frequenzmodulation ergibt sich:
Niederfrequentes Störverhältnis f − fN u u a FM, NF = N ≈ N ⋅ T u NF u S Df T
(V.24a)
u N Amplitude des Störsignalträgers in V, u NF Amplitude des Nie derfrequenzsignals in V, u S Amplitude des Nutzsignalträgers in V, ⎪fT – fN⎪ Frequenzabstand zwischen Nutz- und Störsignalträger in Hz, DfT Frequenzhub in Hz
Das niederfrequente Störverhältnis nimmt zu durch die folgenden drei Ursachen: a) Steigende Amplitude des Störsignalträgers b) Zunehmender Abstand ⎪fT – fN⎪ zwischen Nutzund Störträger. Dieser Wert ist maximal an der oberen Frequenzgrenze des modulierenden Signals: f u u 1 a FM, NF max ≈ N ⋅ M max = N ⋅ (V.24b) uS DF u S h min Index S: (Nutz-)Signal; Index N: Noise (Störsignal)
Durch Frequenzmodulation erhält man gegenüber Amplitudenmodulation eine Verbesserung des Störabstandes S: u u SAM = S(HF) ; SFM = S(HF) ◊ η uN(HF) uN(HF)
V Modulation
999
nach Gleichung (V.24b) folgt daraus:
2.4.6 Preemphase, Deemphase
SFM =η SAM
Aus Gleichung (V.26) geht hervor, daß der Störabstand um so größer ist, je größer h und damit je kleiner die Basisbandfrequenz fM ist. Deshalb erhöht man senderseitig die Amplituden der höheren Frequenzen, bevor moduliert wird. Dieser als Preemphase bezeichnete Vorgang setzt beispielsweise beim UKWRundfunk ab etwa 3,2 kHz ein und wird schaltungstechnisch über einen Hochpaß realisiert. Er wird im Empfänger durch einen RC-Tiefpaß mit gleicher Grenzfrequenz rückgängig gemacht (Deemphase), um einen linearen Amplitudenfrequenzgang zu erhalten. Bild V-14 zeigt Schaltungen, mit denen die Preemphase (a) bzw. Deemphase (b) erreicht wird.
SFM SAM
bzw.
= ηmin = η
fT max
min
(V.25) Das Verhältnis ist minimal bei maximaler Fre quenz des modulierenden Signals s M . c) Sinkender Frequenzhub, also bei kleineren Am plituden des modulierenden Signals s M . Dieses Ergebnis ist auch anschaulich zu erwarten. 2. Störungen durch Rauschen Die im folgenden dargestellten Ergebnisse sind [V.2] entnommen und ermöglichen den Vergleich des Leistungsverhältnisses von Nutz- (PS) zu Störsignal (PN) auf der Hochfrequenzseite (Index HF) und auf der Niederfrequenzseite (Index NF): a) Schmalband-FM (h < 1): PS PN
≈ NF
PS PN
2 ⋅ 3 h min
≈ NF
PS PN
3 ⋅ 3 h min
≈ NF
PS PN
(V.26)
HF
HF
(siehe Gleichung (V.13)). Damit ermöglicht die Breitband-Frequenzmodulation (hmin > 1) eine störungsfreiere Übertragung als die Amplitudenmodulation (Faktor 3h3min). Breitband-FM ist auch weniger störanfällig als Schmalband-FM (hmin < 1). Beispiel V.2: Die Leistung eines Nutzsignalträgers (PS) und die
eines Störsignalträgers (PN) seien gleich groß. Das Nutzsignal wird zum Vergleich amplituden- und frequenzmoduliert übertragen. a) Bei Amplitudenmodulation ergibt sich:
PS PN
≈ NF
PS PN
= 1 (m = 1) HF
b) Schmalband-Frequenzmodulation mit 0,5 ≤ h ≤ 0.9. Für h = hmin = 0,5 folgt: PS PN
≈ NF
PS PN
2 ⋅ 3 ⋅ h min = 1 ⋅ 3 ⋅ 0 , 5 2 = 0 , 75 HF
c) Breitband-Frequenzmodulation mit 1,2 ≤ h ≤ 5. Für h = hmin = 1,2 folgt: PS PN
≈ NF
PS PN
C1
R2
U2
U1
C2
U2
b)
Bild V-14 Schaltungen zur Preemphase (a) und Deemphase (b)
c) Zum Vergleich: Amplitudenmodulation mit m = 1:
PS PN
U1
R3
a)
HF
b) Breitband-FM (h > 1): PS PN
R1
3 ⋅ 3 ⋅ h min = 1 ⋅ 3 ⋅ 1, 2 3 = 5, 2 HF
Das Verhältnis von Nutz- zu Störsignal ist bei der BreitbandFrequenzmodulation am größten. Schmalband-Frequenzmodulation ergibt gegenüber Amplitudenmodulation u.U. sogar ein ungünstigeres Verhältnis.
2.4.7 Erzeugung von Frequenzund Phasenmodulation Bild V-15a zeigt eine Oszillatorschaltung, in der eines der frequenzbestimmenden Elemente ein Kondensatormikrofon M ist, dessen Kapazität C2 ± DC sich linear mit dem Schalldruck ändert. Damit ändert sich
[
auch die Frequenz f T = 1/ 2 p L1 ( C1 + C 2 ± DC )
]
für C1 + C2 >> DC nahezu linear mit der Amplitude des modulierenden Signals (Sprache, Musik). Dabei wurde von der Beziehung 1/(1 ⫾ Dx) ≈ 1 ⫿ Dx für ⎪Dx⎪ << 1 Gebrauch gemacht. Nach Bild V-15b liegt parallel zum Schwingkreis aus L1 und C1 eine Kapazitätsvariationsdiode D, deren Kapazität sich in erster Näherung linear zur modulierenden Spannung uM ändert. Der Spannungsteiler aus R1, R2 legt den Arbeitspunkt der Diode D in Sperrichtung und damit eine Kapazität CD fest. Mit dem Kondensator C2 wird diese Gleichspannung vom Schwingkreis abgetrennt, und außerdem kann man damit auch den Frequenzhub einstellen. In der Praxis wird man, sofern fT konstant ist (Rundfunksender, Funkfernsteuersender), den frequenzbestimmenden Schwingkreis durch einen Schwingquarz ersetzen, der eine wesentlich höhere Frequenzkonstanz aufweist als der LCSchwingkreis. Zur Erzeugung von Phasenmodulation zeigt Bild V15c ein Verfahren, das seltener angewendet wird, dafür aber das Prinzip deutlich zeigt. Der um 90° verschobene Träger (fT) wird im Ringmodulator mit dem modulierenden Signal (fM) amplitudenmoduliert. Der Träger ist unterdrückt. Dieses Signal wird zum nichtverschobenen nichtmodulierten Träger hinzuaddiert. Trägerspannung uT und die Spannungen der
1000
Nachrichtentechnik
Seitenbänder, uOS, uUS, stehen senkrecht aufeinander. Steigt die Amplitude von uM, steigen proportional die Spannungen uOS, uUS. Damit dreht sich der Zeiger von uPM um den Winkel DF aus der Lage von uT, was der gewünschten Phasenmodulation entspricht: u OS + u US Phasenhub: DF = arctan (V.27) uT Ausnutzbar ist ein Bereich bis DFmax ≈ 0,5. Das ergibt einen Klirrfaktor von 2,5%. Allerdings ist die Amplitude von uPM größer geworden als die von uT, was einer zusätzlichen unerwünschten Amplitudenmodulation entspricht. Diese muß durch eine Begrenzerschaltung unwirksam gemacht werden. Ein häufig angewendetes Schaltungsprinzip zur Phasenmodulation zeigt Bild V-15d. Die modulierende Spannung uM passiert zunächst ein Hochpaßfilter aus R und C, für dessen Grenzfrequenz gilt:
fg = 1/(2pRC) >> fM max. Damit ist die modulierende Spannung uM(f) frequenzabhängig. Nimmt man eine niedrige Frequenz fM für uM an, ergibt sich für uM(f) eine niedrige Amplitude, so daß die Oszillatorfrequenz nur geringfügig im Rhythmus von uM geändert wird. Hat dagegen uM bei gleicher Frequenz eine große Amplitude, ist auch uM(f) entsprechend groß, so daß die Frequenz des Oszillators in einem größeren Bereich geändert wird. Hält man die Amplitude von uM konstant und vergrößert die Frequenz fM, nimmt die Amplitude von uM(f) ebenfalls zu. DF darf sich aber wegen der als konstant angenommenen Amplitude von uM nicht ändern. Da andererseits der Phasenhub nach Bild V-11 mit wachsender Frequenz fM abnimmt, wird diese Abnahme genau durch die über den Hochpaß bewirkte Zunahme der Amplitude von uM(f) kompensiert. Man erkennt hier den engen Zusammenhang zwischen Frequenz- und Phasenmodulation.
+UB
M C2 ± ΔC
L1
C1
+UB
f T ± Δf
+UB f T ± Δf R1
C2 L1
uM
C1 R2
D
RM u M , fM
uOS, uUS
1 PM
G
90°
u M (f ) uM
uOS uUS
PS
uT
uPM
u T, fT c)
CD ± ΔC
b)
a)
0,707
Hochpaß
Δo
0
PS: Phasenschieber RM: Ringmodulator
fM min
fg fM max
fM
Oszillator für fT fT ± ΔF
Bild V-15 Erzeugung von Winkelmodulation a) FM mit Kondensatormikrofon b) FM mit Kapazitätsdiode c) PM durch Überlagerung von zwei um 90° verschobenen Trägern d) PM durch FM und Vorverzerrung des Basisbandes
C
u M (f ) uM
d)
uM fM
R
u M (f )
V Modulation
1001
2.4.8 Demodulation von Frequenzund Phasenmodulation Die nachfolgend dargestellten Demodulatorschaltungen dienen zur Demodulation von frequenzmodulierten Signalen. Sollen phasenmodulierte Signale demoduliert werden, ist nach Bild V-16 dem FMDemodulator eine Integrierstufe nachzuschalten (siehe dazu Gleichung (V.20)). uPM
dt
FM-Demodulator
uM
Bild V-16 Demodulation von PM Da in der Amplitude des frequenzmodulierten Trägers keine Information enthalten ist, andererseits Störungen häufig als Änderungen der Amplitude auftreten, schaltet man dem Demodulator eine Amplitudenbegrenzerschaltung vor. Die Oberschwingungen des jetzt nicht mehr sinusförmigen Trägers unterdrückt man durch Selektionsstufen in Form von Schwingkreisen. Prinzipiell unterscheidet man vier Arten der Demodulation, Bild V-17. FM uFM
AM
AM-Demodul.
uM
a)
uFM
uM f(f)
b)
f0 = 90° FM
uFM
PFM
uM
c)
uFM
VCO; PD
uM
d)
Bild V-17 Verschiedene Prinzipien der FM-Demodulation a) FM-AM-Umsetzung b) FM-PDM-Umsetzung c) FM-PFM-Umsetzung d) Demodulation mit PLL Erläuterungen siehe Text Beim ersten Verfahren (a) verwendet man die frequenzabhängigen Blindwiderstände von Spulen und Kondensatoren oder die frequenzabhängige Impedanz von Schwingkreisen bzw. deren Phasendrehung. Man überführt die Frequenzmodulation in eine Amplitudenmodulation. Zwei Beispiele dazu sind in Bild V-18 dargestellt.
Nach Verfahren zwei (b) gelangt der frequenzmodulierte Träger einmal direkt auf den einen Eingang eines Multiplizierers, zum anderen über ein frequenzabhängiges Phasendrehglied mit j(f) = 90° ± Dj(f) auf den anderen Eingang. Am Ausgang des Multiplizierers steht u.a. auch das modulierende Signal zur Verfügung (Umsetzung der Frequenzmodulation in Pulsdauermodulation PDM). Der Tiefpaß unterdrückt die auch entstehenden höherfrequenten Anteile. Für diese Demodulationsart, auch mit Koinzidenzdemodulator bezeichnet, gibt es Integrierte Schaltungen, die die erforderlichen Baugruppen einschließlich Amplitudenbegrenzerstufe enthalten (z.B. TBA 120). Im dritten Verfahren (c) gibt man sich ein Zeitintervall vor und zählt die darin enthaltenen Nulldurchgänge der frequenzmodulierten Schwingung. Das geschieht auf einfache Weise dadurch, daß man den sinusförmigen Träger in Rechteckimpulse umwandelt und diese dann differenziert. Über eine Kondensator-Umladung mit anschließender Mittelwertbildung läßt sich das modulierende Signal zurückgewinnen (Umsetzung Frequenzmodulation in Pulsfrequenzmodulation). Verfahren vier (d) verwendet einen Phasenregelkreis (PLL, phase-locked loop). Eine sich durch Frequenzmodulation ändernde Trägerfrequenz wird durch den Phasendiskriminator erkannt, der eine entsprechende Spannung zur Nachführung des spannungsgesteuerten Oszillators ausgibt. Diese Spannung ist proportional zur Abweichung der Trägerfrequenz vom Sollwert und damit proportional zur modulierenden Spannung. Die Bilder V-18a und b zeigen zwei Demodulatorschaltungen, die zwar nicht mehr eingesetzt werden, die aber das Prinzip des ersten Verfahrens nach Bild V17a auf einfache Weise darstellen. Für a) muß gelten: wL << R. Daraus folgt für sinusförmiges uFM: uL ≈ uFM ⋅ w ⋅ L/R. uFM ändert nicht die Amplitude, aber die Frequenz: u L ≈ u FM ⋅ ( wT + DwT ) ⋅ L/R . Die Spannung an L ist proportional der modulierenden Spannung. Der Nachteil dieser Schaltung liegt darin, daß uL für wL << R sehr klein und damit schwierig auswertbar ist. Deshalb ist der im Bild eingetragene Verstärker unbedingt erforderlich. In Bild V-18b hat der Schwingkreis aus L1, C1 und R1 die dargestellte Durchlaßkurve. Die Trägerfrequenz fT liegt auf einer Flanke dieser Durchlaßkurve in der Mitte eines möglichst linearen Bereiches. Anschließend wird mit der Diode D demoduliert. Einzelheiten hierzu können dem Kapitel über die Demodulation von AM entnommen werden. Steigt die Frequenz des Trägers, steigt auch die Spannung am Schwingkreis und damit die Amplitude von uM. Bild V-18c stellt die heute in der Rundfunkübertragungstechnik üblicherweise verwendete Schaltung des Ratiodetektors (Prinzip nach Bild V-17a) dar. Die beiden Schwingkreise aus L1, C1 und L2, C2 sind auf die Trägerfrequenz fT abgestimmt. Die Spannungen u1 und u2 stehen für f = fT senkrecht aufeinander. Weicht f von der Resonanzfrequenz ab, ändert sich der Phasenwinkel von u2 gegenüber u1. Es gilt: uD1 = u2/2 + u1; uD2 = – u2/2 + u1; uM = uD1 – uD2
1002
Nachrichtentechnik i
R
uFM
uL
L
eingeführt worden sind, liegt an der großen Bedeutung dieser Signalform vor allem für die Datenfernübertragung. Bild V-19 zeigt die jeweilige Trägerschwingung für die drei Modulationsarten:
uM
a) +UB uFM
R1 C1
L1
Amplitudenumtastung (ASK: amplitude shift keying, entspricht der Amplitudenmodulation), Frequenzumtastung (FSK: frequency shift keying, entspricht der Frequenzmodulation), Phasenumtastung (PSK: phase shift keying, entspricht der Phasenmodulation).
uFM
D
L2 fT C2
R2 u M
f
BFM
uM
0
b) L2 2 R1 C1
L1
D1 u2 uD1 2 u2 R2 C2 uD2 2
u1 L2 2
1 TS
2
3
4
t
uASK C3
R5 R4
C5
uAVD
0
C4
D2 uM
1
2
3
4
t
a) uM
u2 u2 – 2 2 uD1
u1
uD2
f = fT
u2 u 2 – 2 2 uD1
u1
uD2
f > fT
u u2 – 2 2 2 uD1
u1
uD2
t1
f2
b)
3 Sinusträger – mit Digitalsignal moduliert Die im Kapitel V.2 behandelten Modulationsverfahren und die dort dargestellten Eigenschaften sind unabhängig vom zeitlichen Verlauf des modulierenden Signals und deshalb auch hier gültig. Daß trotzdem speziell für Digitalsignale eigene Bezeichnungen
FSK t PSK
f < fT
Nach Spitzengleichrichtung steht die modulierende Spannung wieder zur Verfügung. Der Ratiodetektor hat die besondere Eigenschaft, daß er kurzzeitige Amplitudenänderungen von u1 unterdrückt: Der Kondensator C5 muß auf die neue Amplitude umgeladen werden, was aber wegen seiner Größe (einige mF) nur langsam (0,1 bis 1 s) erfolgen kann. Damit werden Amplitudenstörungen nahezu unwirksam.
t f1
uPSK
c)
Bild V-18 Frequenzdemodulation a) mit frequenzabhängigem Blindwiderstand b) mit Flankendemodulator c) mit Ratiodetektor
t2
uFSK
t
Bild V-19 Modulation eines Sinusträgers mit Digitalsignal a) Amplitudenumtastung (ASK) b) Frequenzumtastung (FSK) und Phasenumtastung (PSK)
3.1 Amplitudenumtastung (ASK) Nach Bild V-19a wird der positiveren Amplitude von uM eine im Prinzip beliebige Trägeramplitude zugeordnet, der negativeren Amplitude von uM eine weitere Trägeramplitude. Zur Demodulation kann eine Schaltung nach Bild V-6 verwendet werden. Man muß aber sicherstellen, daß für beide Amplitudenwerte von uM eine ausreichende Mindest-Trägeramplitude vorhanden ist. Sofern möglich, nimmt man die Amplitudenumschaltung in den Nulldurchgängen der Trägerschwingung vor, weil dann das Einschwingen der Spannung am Ausgang des Demodulators auf den neuen Wert optimal geschieht, d.h. in kürzester Zeit und mit minimalem Überschwingen.
V Modulation
1003
Die erforderliche Bandbreite ist theoretisch zwar unendlich groß, wenn die Signalspannung uM periodisch angenommen und in eine Fourierreihe entwickelt wird, aber in der Praxis kann der rechteckförmige Verlauf durch einen sinusförmigen Verlauf angenähert werden, weil sich daraus die Rechteckform wieder eindeutig zurückgewinnen läßt. Das modulierende Signal ist damit die Grundschwingung der Fourierreihe mit der Frequenz f = 1/TS. Für die erforderliche Bandbreite bei Zweiseitenbandmodulation folgen für den Minimalwert Bmin-ASK und den in der Praxis verwendeten Wert BASK:
Bandbreite
Bmin-ASK = 2 ◊
1 ; TS
Praxis: BASK ª 1,5 ◊ Bmin-ASK = 3 ◊
1 TS
(V.28)
Als Beispiel für einen ASK-modulierten Sender sei der Normalfrequenz- und Zeitzeichensender DCF 77 der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig angeführt. Seine Trägerfrequenz beträgt 77,5 kHz, und die Informationen über Zeit, Datum, Sommer-/Winterzeit und einige andere Größen werden durch Absenken der Trägeramplitude zu Beginn jeder Sekunde (Ausnahme: 59. Sekunde) auf 25% des Nennwertes für 0,1 s (entspricht logisch 0) oder 0,2 s (entspricht logisch 1) übertragen.
ben. Deshalb hat sich u.a. eine Schaltung nach Bild V-20 bewährt. Die modulierte sinusförmige Trägerspannung uFSK wird einmal im Original und einmal um 90° verschoben in ein Rechtecksignal umgewandelt (u1, u2) und differenziert. Von den entstehenden Impulsen wird der Betrag gebildet, so daß sich u3 ergibt. Durch die Addition des um 90° verschobenen Signalanteiles erhält man für u3 die doppelte Anzahl von Impulsen, was zu einem schnelleren Einschwingen des demodulierten Signals auf den neuen Wert führt. Über eine monostabile Kippstufe werden die Nadelimpulse in solche mit konstanter Zeitdauer umgesetzt, so daß sich über einen Tiefpaß mit nachfolgendem Schmitt-Trigger die modulierende Spannung uM zurückgewinnen läßt. Die Verzögerungszeit Tv ist ohne Wirkung auf die enthaltene Information.
u1
uFSK
du dt
u3 1
90° u2
du dt
uM
uFSK
3.2 Frequenzumtastung (FSK) Nach Bild V-19b wird ein Oszillator in Abhängigkeit vom modulierenden Signal uM zwischen zwei Frequenzen (f1, f2) umgeschaltet. Diese Umschaltung sollte ohne Amplitudensprünge geschehen, damit bei der Demodulation ein optimales Einschwingen auf den neuen Amplitudenwert möglich wird. Deshalb ist die Umschaltung zwischen zwei getrennten Oszillatoren problematisch. In der Praxis geschieht sie durch Ändern von L bzw. C des frequenzbestimmenden Oszillatorschwingkreises. Auch hier lassen sich geringe Amplitudensprünge nicht vermeiden, weil es sich bei L und C um Energiespeicher handelt. Quarzoszillatoren mit Kapazitätsvariationsdioden als frequenzänderndem Element ergeben relativ geringe und über die Ansteuerelektronik kalkulierbare Amplitudensprünge. Für die Abschätzung der erforderlichen Bandbreite nimmt man an, daß die zwei Frequenzen f1 und f2 durch Frequenzmodulation einer Mittenfrequenz fM = (f1 + f2)/2 entstehen. Dann lassen sich die Formeln des Kapitels V.2.4 verwenden. Auch hier gilt, daß der rechteckförmige Verlauf von uM durch einen sinusförmigen Verlauf mit gleicher Periodendauer ersetzt werden kann (siehe V.3.1). Zur Demodulation können zwei FM-Demodulatoren nach Kapitel V.2.4.8, abgestimmt auf f1 und f2, verwendet werden. Allerdings kann es Probleme mit dem Einschwingverhalten des jeweiligen Demodulators beim Eintreffen des neuen Frequenzwertes ge-
u1
u2
u3
uM Tv
Bild V-20 Demodulation bei Frequenzumtastung (FSK)
3.3 Phasenumtastung (PSK) Die Modulation durch Phasenumtastung der Trägerschwingung ist sehr unempfindlich gegenüber Störungen. Kennzeichen ist die Zahl der unterschiedlichen Phasenzustände, zwischen denen umgeschaltet werden kann. Bild V-19b zeigt die Verwendung von zwei Phasenzuständen (2-PSK). Daneben werden häufig vier Phasenzustände eingesetzt (4-PSK, QPSK:
1004 quadrature phase shift keying). Als Quadraturmodulation, allerdings für ein analoges modulierendes Signal, findet dieses Verfahren in der Farbfernsehtechnik Anwendung (Kapitel V.2.2.3). Abhängig von der Art der Informationskodierung gibt es zur Demodulation von PSK zwei Verfahren: 1. Jedem der übertragenen Zustände entspricht eine festgelegte Phasenlage. Dann muß entweder der Träger mit der definierten Nullphase mit übertragen werden, oder aber es müssen periodisch wiederkehrende Muster zur Synchronisation des im Empfänger erzeugten Trägers gesendet werden (siehe V.2.2.3). 2. Die Information steckt in der Differenz zweier aufeinanderfolgender Phasenlagen. Hier bietet sich zur Demodulation an, den Träger aus dem übertragenen Signal zurückzugewinnen. Auch wenn dies stets nur fehlerhaft möglich ist, spielt das wegen der Phasendifferenzbildung keine Rolle (Phasendifferenzkodierung, s.u.). 3.3.1 Zweiphasenumtastung (2-PSK) Bild V-21a stellt die modulierende Spannung uM und die daraus gebildete Trägerspannung uT in der Zeitebene dar. Modulation, Einfluß von Störsignalen: Die Modulation des Trägers geschieht in einem Ringmodulator nach Bild V-21b bzw. nach Bild V-7, an dessen Ausgang nur die zwei Seitenbänder vorhanden sind. Die Zuordnung der zwei Phasenzustände ist so gewählt, daß sie sich maximal voneinander unterscheiden, also zu 0° und 180°. Das hat den Vorteil, daß bei einer auftretenden Störspannung uN nach Bild V-21c die „1“ (Ⳏ 0°) theoretisch solange sicher erkannt wird, wie der Summenzeiger ur, gebildet aus uT und uN, rechts von der Ordinate liegt. In der Praxis darf eine Minimalamplitude uT min nicht unterschritten werden, so daß ur rechts von der im Bild dargestellten gestrichelten Senkrechten liegen muß. Das gleiche gilt für die kodierte „0“, so daß jede der beiden Kodierungen am unempfindlichsten gegenüber Störungen ist. Die Amplitude von uN kann theoretisch zwar sehr groß werden, wenn sie in einem Winkelbereich – 90° ... + 90° zu uT liegt, praktisch aber sollte sie den Wert uT – uT min in keiner der möglichen Phasenlagen überschreiten. In Bild V21a findet der Phasenwechsel in den Nulldurchgängen der Trägerschwingung statt. Das ist vorteilhaft, weil es keine Amplitudensprünge gibt und sich die Zeit für die zur Dekodierung notwendige Trägersynchronisierung bzw. Trägerrückgewinnung verringert. Damit können dann u.U. höhere Datenraten übertragen werden. Zur Abschätzung der erforderlichen Bandbreite wird wiederum ein periodisches Rechtecksignal für uM angenommen, das durch die Grundschwingung des nach Fourier dargestellten Signals angenähert wird. Damit kann das Ergebnis von Gleichung (V.28) übernommen werden.
Nachrichtentechnik uM
1
1 0 TS
t
uT
t a)
b)
Ringmodulator nach Bild V.7 |uTmin| uT ur ^ „0“ = 180°
c) u2PSK
u1
uN
u
^ „1“ = 0°
VCO
u2 =1
2f f
uT
uM
d) KS u2DPSK
uM TS/2
e)
Bild V-21 Zweiphasenumtastung (2-PSK), Abkürzungen siehe Text a) Signalverläufe b) Erzeugung c) Einfluß von Störsignalen d) Demodulation e) Demodulation von Phasendifferenzkodierung (2-DPSK)
minimal erforderliche Bandbreite: 1 ; Bmin-2PSK = 2 ⋅ TS Praxis:
B2PSK ª 1,5 ◊ Bmin-2PSK = 3 ◊
1 TS
(V.29)
V Modulation
1005
Für den Rauschabstand folgt mit Gleichung (I.26): PS PN
Rauschabstand a r = 10 ⋅ lg
Demodulation, Trägerrückgewinnung: Die Demodulation eines 2-PSK-Signals geschieht z.B. mit einer Schaltung nach Bild V-21d. Die Spannung u 2PSK = ± u T ⋅ cos( w T ⋅ t + k ⋅ p ) , k = 0 oder 1, wird im Multiplizierer quadriert und ergibt
in dB
Die Dekodierung geschieht nach Bild V-21e: In einer Verzögerungsschaltung wird das Signal u2DPSK um TS/2 verzögert und mit dem unverzögerten Signal multipliziert. Bei gleicher Phase ist das Produkt positiv und wird der „1“ zugeordnet; bei unterschiedlicher Phase ist es negativ und bedeutet „0“.
(V.30)
u 2 u 1 = T ⋅ ( 1 + cos(2 ⋅ w T ⋅ t + 2 ⋅ k ⋅ p ) ) 2
Beispiel V.3: Übertragen werden soll die Bitfolge
(1) 1 1 0 0 1 0 1 1 0 in Phasendifferenzkodierung (Tabelle V-1). Der erste Wert kann nicht wiederhergestellt werden, weil er keinen Vorgänger zur Differenzbildung hat (Startbit).
(V.31)
Nach einem Bandfilter folgt ein spannungsgesteuerter Oszillator (VCO) mit eingebautem Phasenvergleicher und Tiefpaßfilter. Die nach Gleichung (V.31) vorhandene doppelte Trägerfrequenz wird in einem Frequenzteiler auf die Trägerfrequenz fT heruntergeteilt (uT). Durch diese Teilung ergibt sich eine Phasenunsicherheit von k ⋅ (2 ⋅ p)/2 = k ⋅ p. In einem Demodulator wird aus den Seitenbändern (u2PSK) und dem rückgewonnenen Träger (uT) das modulierende Signal uM erzeugt. Da die absolute Phasenlage des Trägers nicht mit übertragen wird, erkennt man nicht, wie den zwei empfangenen Werten senderseitig die „1“ bzw. „0“ zugeordnet wurde (Phasenunsicherheit k ⋅ p). Man erhält für uM also entweder die richtige oder die invertierte Bitfolge. Durch die Übertragung geeigneter Kodewörter läßt sich die korrekte Bitfolge durch Anlegen eines Korrektursignals KS an ein ExklusivOder-Glied einstellen.
3.3.2 Vierphasenumtastung (4-PSK)
Phasendifferenzkodierung (2-DPSK): Man kann auf die Übertragung des Absolutwertes der Trägerphase verzichten, wenn man die Phasendifferenzkodierung anwendet: Für uM = „1“ bleibt die momentan vorhandene Phase bestehen, für uM = „0“ ändert sich die Phase. Daraus kann uM eindeutig gewonnen werden, siehe Beispiel V.3.
Modulation: Man setzt zwei Träger gleicher Frequenz, aber mit 90° Phasenverschiebung ein, siehe uT, uT90 in Bild V-22a. Außerdem kann die Phase beider Träger zwischen 0° und 180° umgeschaltet werden. Bei der Modulation wird der Träger unterdrückt. Der Winkelbereich – 45° bis + 45°, bezogen auf uT, entspricht digital „00“ und wird dadurch erreicht, daß die Amplitude von uT maximal, die von uT90 Null ist. Der Bereich + 45° ... + 135° entspricht digital „01“ und erfordert eine maximale Amplitude von uT90 und die Amplitude Null für uT. Für die restlichen zwei Kodierungen muß der mit maximaler Amplitude gesendete Träger „negativ“ sein, d.h. eine Phasenverschiebung von 180° aufweisen. Für die zu übertragende Bitfolge werden jeweils zwei aufeinanderfolgende Bits zusammengefaßt, und daraus wird nach Bild V-22a die Phasenlage zu uT bestimmt (Tabelle V-2).
Die Erzeugung von 4-PSK geschieht nach Bild V-22b. Nachdem je 2 seriell eintreffende Bits in einem 2-BitSeriell-Parallel-Umsetzer (Schieberegister SRG2) parallel als X1 und X2 anstehen, werden die Trägeramplituden entsprechend Tabelle V-2 eingestellt.
Tabelle V-1 Zu Beispiel V.3 Zu übertragende Bitfolge
(1) Startbit
1
1
0
0
1
0
1
1
0
gewählter Phasenwinkel senderseitig
0°
0°
0°
180°
0°
0°
180°
180°
180°
0°
Phasenwinkel am Empfänger, 1. Möglichkeit
0°
0°
0°
180°
0°
0°
180°
180°
180°
0°
Phasenwinkel am Empfänger, 2. Möglichkeit
180°
180°
180°
0°
180°
180°
0°
0°
0°
180°
Dekodierung am Empfänger
1
1
0
0
1
0
1
1
0
1006
Nachrichtentechnik
Tabelle V-2 Beispiel zur Ansteuerung bei Vierphasenumtastung (4-PSK) zu übertragende Bitfolge
0
0
Phase gegenüber uT X1 (siehe Bild V-22b), steuert uT: a) Amplitude von uT b) Phase von uT X2 (siehe Bild V-22b), steuert uT90: a) Amplitude von uT90 b) Phase von uT90
1
0°
1
0
270°
maximal 0°
1
90°
0 Null
1 maximal 180°
Sektor „01“
[
Null
Sektor „00“ uT Sektor „10“ a)
+ cos(4 ◊ ω T ◊ t + 2 ◊ k ◊ π )]
Sektor „11“
SRG2
(V.32)
Die Komponente mit der doppelten Trägerfrequenz wird über einen Bandpaß ausgefiltert, die Komponente mit der vierfachen Trägerfrequenz durch einen Frequenzteiler 4 : 1 auf die Trägerfrequenz geteilt (uT). Aus dem rückgewonnenen Träger (uT) wird ein zweiter mit 90° Phasenverschiebung erzeugt (uT90). In zwei Multiplizierschaltungen wird das übertragene Signal u4PSK mit uT und uT90 multipliziert. Es ergeben sich insgesamt 4 Möglichkeiten für die Vorzeichenkombinationen, so daß das modulierende Signal zurückgewonnen werden kann. Wegen der Frequenzteilung bleibt eine Phasenunsicherheit von (2 ⋅ k ⋅ p)/4 = k ⋅ (p/2). Da zwei Bits mit nur einem Phasenwinkel kodiert werden, ist die erforderliche Bandbreite nur noch halb so groß wie bei 2-PSK:
0
uT90
2
2 ⎡ ⎤ p u1 = ⎢ ⎛⎜ u T ⋅ cos ⎛⎜ w ⋅ t + k ⋅ ⎞⎟ ⎞⎟ ⎥ , ⎝ ⎝ ⎠ ⎠ 2 ⎣ ⎦ mit k = 0, 1, 2 oder 3 u 4 = T [ 3 + 4 ⋅ cos(2 ⋅ wT ⋅ t + k ⋅ p ) 8
1 maximal 180°
1 maximal 0°
0
1 Null
1
Demodulation, Trägerrückgewinnung: Die Trägerrückgewinnung geschieht nach Bild V-22c durch zweimalige Multiplikation der Spannung u4PSK mit sich selbst:
1 180°
0 Null
maximal 180°
1 270°
1
0 Null
1
X1
uM
u4PSK
X2 Schiebetakt 90°
b)
fT
u4PSK
4f f
uT
X1
minimal erforderliche Bandbreite Bmin-4PSK = 2 ⋅
Praxis:
90°
1 1 ; = 2 ⋅ TS TS
BPSK ≈ 1, 5 ⋅ Bmin-PSK = 1, 5 ⋅
uT90
1 TS
c)
(V.33)
Für den Rauschabstand läßt sich allgemein sagen, daß er in der Praxis bei 4-PSK gegenüber 2-PSK um etwa 3 dB abnimmt, weil bei 4-PSK pro Amplitudenwert zwei Bit übertragen werden gegenüber einem Bit bei 2-PSK. Auch hier kann die Phasenunsicherheit durch Differenzphasenmodulation beseitigt werden.
X2
Bild V-22 Vierphasenumtastung (4-PSK) a) Prinzip b) Erzeugung c) Trägerrückgewinnung und Demodulation 3.3.3 n-Phasen-Umtastung Das Prinzip der Phasenumtastung läßt sich auf n Phasen erweitern, wobei n in der Praxis Werte von 8, 16, 32 oder 64 annimmt. Bei der Auswahl eines geeigne-
V Modulation
1007
ten Verfahrens sind die zwei folgenden Ergebnisse von Bedeutung: 1. Die erforderliche Bandbreite nimmt mit steigendem n gemäß 1/n ab. 2. Der Rauschabstand verringert sich bei gleicher Sender- und Rauschleistung mit zunehmendem n um etwa n ⋅ (3 ... 5) dB. 3. Der Einfluß von Störspannungen nimmt mit wachsendem n zu, weil immer kleinere Segmente pro Kodierung zur Verfügung stehen. In Bild V-21c würde die Spitze des Zeigers ur bei einer 16-Phasen-Umtastung bereits in das benachbarte Segment hineinragen und damit einen Fehler verursachen.
4 Pulsträger uncodiert In Analogie zum Sinusträger gibt es hier die in Bild V-23 dargestellten Verfahren: Pulsamplitudenmodulation (PAM: pulse amplitude modulation), Pulsfrequenzmodulation (PFM: pulse frequency modulation), Pulsphasenmodulation (PPM: pulse phase modulation), Pulsdauermodulation (PDM: pulse duration modulation).
4.1 Pulsamplitudenmodulation (PAM) Sie wird relativ selten eingesetzt, hat aber eine gewisse Bedeutung beim Zeitmultiplexverfahren (siehe Kapitel IX.1). Die Zeit Ta in Bild V-23 ist durch das Abtasttheorem von Shannon vorgegeben, die Zeit DT kann so klein wie möglich gemacht werden. Dann kann man in den Zeitraum Ta – DT weitere Impulse von anderen Signalen einfügen. Bild V-24 zeigt eine von mehreren Möglichkeiten zur Modulation und Demodulation bei PAM. Die Spannung U0 sorgt dafür, daß auch bei der größten negativen Amplitude des modulierenden Signals die Diode noch in Durchlaßrichtung betrieben wird. Der Schalter S1 schließt für die Zeitdauer DT. Der Demodulator besteht aus einer Abtast-Halte-Schaltung, deren Schalter S2 genau dann schließt, wenn das vom geschlossenen Schalter S1 ausgesandte Signal eintrifft. Deshalb ist eine geeignete Synchronisation zwischen beiden Schaltern erforderlich. Diese Art der Modulation heißt unipolar, weil die Amplituden neben dem Wert Null nur eine Polarität, hier die positive, aufweisen. uM
usch1
U0
uPAM
S1
Lediglich das zuletzt genannte Verfahren hat kein direktes Analogon zur Sinusträgermodulation. uSch1,2
uM
ΔT
1 a)
0
Ta
t
t ΔT
S2
PAM Ta
uPAM
usch2
– ∞ + u*M
t b)
PFM t
Bild V-24 Unipolare Pulsamplitudenmodulation a) Modulation b) Demodulation
4.2 Pulsfrequenz- und Pulsphasenmodulation (PFM, PPM) PPM t
PDM t
Bild V-23 Verfahren zur Pulsträgermodulation (Pulse unipolar)
Wie beim Sinusträger stehen auch hier Pulsfrequenzund Pulsphasenmodulation in einem engen Zusammenhang. An Bild V-25 kann man erkennen, daß eine Phasenmodulation (Verschiebung der Impulse) zunächst wie eine Frequenzmodulation (wiederum Verschiebung der Impulse) erscheint. Erst verschieben sich die Impulse, verglichen mit der regelmäßigen Aufeinanderfolge vorher, dann resultiert daraus eine Frequenzänderung. Die größere Bedeutung für die Praxis hat die Pulsphasenmodulation.
1008
Nachrichtentechnik Synchronimpulse für Demodulation
a) uPPM
Compa- Differen- Impulsrator zierer erzeugung u K – ∞ d uD1 1 + dt uSZ
d dt
uM uSZ uPPM
uM uK
Synchronimpulse uDZ
uDR uM
uD1
b)
Modulation
uM
uPPM
Bild V-25 Pulsphasenmodulation (PPM) a) Modulator b) Demodulator c) Wirkungsweise
uM uDR
Demodulation
uD2
c)
Bild V-25 stellt eine von mehreren Möglichkeiten zur Erzeugung von Pulsphasenmodulation sowie eine Schaltung zur Demodulation dar. Zur Demodulation müssen Synchronimpulse entweder getrennt übertragen oder aus dem PPM-Signal z.B. durch PLLSchaltungen (PLL: phase locked loop) empfängerseitig erzeugt werden. Die Spannung uDR hat stets den gleichen zeitlichen Verlauf. Die Information liegt in der zeitlichen Verschiebung der Impulse gegenüber ihrem Auftreten in gleichen Zeitabständen. Demnach 1
3 2
UK
ist das Verfahren gegenüber Störungen, die als Amplitudenänderungen auftreten, unempfindlich. Da allerdings nur eine begrenzte Bandbreite zur Signalübertragung zur Verfügung steht, ergibt sich ein verformter Rechteckimpuls nach Bild V-26. Überlagert sich diesem verformten Impuls eine Störspannung, ergeben sich für den Komparator mit der Vergleichsspannung UK unterschiedliche Schaltzeitpunkte mit der Zeitdifferenz DT, die als zusätzliche Phasenverschiebung ein fehlerhaftes Signal ergeben. Pulsphasenmodulation wird dann vorteilhaft eingesetzt, wenn breitbandige Übertragungskanäle zur Verfügung stehen. Der Gewinn an Signal-Rauschabstand beträgt nach [V.3]: ⎡1 ⎛ B ⎞2 ⎤ a SN = 10 ⋅ lg ⎢ ⋅ ⎜ N ⎟ ⎥ dB ⎢⎣ 8 ⎝ BS ⎠ ⎦⎥
(V.34)
BN Bandbreite des durch Rauschen gestörten Übertragungskanals in Hz, BS Signalbandbreite in Hz
ΔT
Bild V-26 Überlagerte Störspannung bei PPM 1 idealer Rechteckimpuls 2 verformter Rechteckimpuls bei begrenzter Bandbreite 3 wie 2, mit überlagerter Störspannung
Bereits für BN > 2,83 ⋅ BS ergibt sich ein Gewinn an Signal-Rauschabstand gegenüber der Pulsamplitudenmodulation, was auch anschaulich nach Bild V-26 zu erwarten ist: Der übertragene Impuls nähert sich der Rechteckform, so daß DT kaum noch wirksam werden kann.
V Modulation
1009
4.3 Pulsdauermodulation (PDM) Ein Verfahren zur Pulsdauermodulation ist in Bild V-27 dargestellt. Die Demodulation geschieht mit einem Tiefpaß, dessen Grenzfrequenz geringfügig über der höchsten modulierenden Frequenz liegt. Für die Kodierung von Signalen in der Nachrichtentechnik hat diese Modulationsart geringe Bedeutung. + ∞ –
uM
uPDM
uSZ
U0
uM uSZ U0 t uPDM
t
anzunähernden sinusförmigen Spannungsverlaufes, so daß der Verbraucher in der Regel wegen seines Tiefpaßverhaltens (z.B. Motor mit Induktivität) den im Bild eingezeichneten realen Mittel_ wert u(t) bildet, der den idealen Verlauf oft ausreichend genau annähert. Angewendet wird dieses Verfahren beispielsweise bei unterbrechungsfreien Stromversorgungen für Rechner, die das Versorgungsnetz mit sinusförmigem Verlauf und der Spannung 230 V für die Dauer der Unterbrechung mit einem eingebauten Gleichspannungsakkumulator nachbilden. Hier kommt es auf möglichst geringe Verlustleistung an, um mit kleinen handlichen Geräten einen möglichst lang andauernden Notstrombetrieb zu erreichen und um die Probleme mit der Abfuhr der Wärme, verursacht durch die Verlustleistung, gering zu halten. b) Dieses Verfahren wird auch angewendet bei der Amplitudenmodulation im Anodenkreis von Senderöhren (multiplikatives Verfahren mit niedrigem Klirrfaktor nach Bild V-10), weil die Leistung des modulierenden Signals in der Größenordnung der Trägerleistung liegen muß und damit die gleichen Probleme mit der Verlustleistung auftreten wie unter a) beschrieben.
Bild V-27 Erzeugung von Pulsdauermodulation
4.4 Pulscodemodulation (PCM)
Allerdings wird die Pulsdauermodulation auch außerhalb der Signalkodierung angewendet, wie die zwei folgenden Beispiele zeigen:
Dies ist die heute überwiegend eingesetzte Art der Pulsmodulation, so daß prinzipiell Pulsamplituden-, Pulsfrequenz-, Pulsphasen- und Pulsdauermodulation möglich sind. Das zu übertragende Signal wird geeignet kodiert.
a) Das An- und Abschalten von Gleichspannungsquellen an einen Verbraucher mit elektronischen Schaltern (Transistoren) kann sehr verlustleistungsarm geschehen. Soll ein Verbraucher mit einer wenigstens näherungsweise sinusförmigen Spannung aus einer Gleichspannungsquelle versorgt werden, könnte man in Reihe zum Verbraucher einen Transistor schalten, der so angesteuert wird, daß die Spannung am Verbraucher sinusförmigen Verlauf hat. Der Nachteil dieses Konzeptes liegt darin, daß der Transistor mit einer Verlustleistung in der Größenordnung der Verbraucherleistung beaufschlagt wird. U0
4.4.1 Prinzip Das Prinzip zeigt Bild V-29. AbtastA-DTiefpaß Halteglied Umsetzer Modulator uPM G
a)
Demodu- D-AAbtastlator Umsetzer Halteglied Tiefpaß
uPDM u(t) real
/#
uM
uPM
#/
u*M
b) ΔT
u(t) ideal
Bild V-28 Pulsdauermodulation in der Energietechnik Deshalb schaltet man nach Bild V-28 die Gleichspannungsquelle mit der Spannung U0 für unterschiedliche Zeitdauern auf den Verbraucher. Die Zeit DT ist viel kleiner als die Periodendauer des
Bild V-29 Prinzip der Signalübertragung mit Pulscodemodulation a) Sender b) Empfänger Das zu übertragende Signal mit der Spannung uM wird zunächst mit einem Tiefpaß auf die maximale Frequenz fM max begrenzt und dann mit schmalen Impulsen der Dauer ts im Abstand von tab
1010
Nachrichtentechnik
(1/tab > 2fM max, Abtasttheorem von Shannon) abgetastet. Ein Halteglied „friert“ den Abtastwert bis zur Aktualisierung durch den neuen Wert ein, damit der Analog-Digital-Umsetzer einen konstanten und damit eindeutigen Wert zur Umsetzung zur Verfügung hat. Am seinem Ausgang steht ein treppenförmiges wertkontinuierliches Signal, mit dem ein Pulsträger moduliert wird. Zur Rückgewinnung des Signals im Empfänger ist der Bittakt mit der Frequenz fab = 1/tab notwendig, der aber nicht getrennt mit übertragen wird, sondern durch entsprechende senderseitige Kodierung regeneriert werden kann (siehe Kapitel V.4.4.7). Der Ausgangswert des Digital-AnalogUmsetzers wird in einem Abtast-Halte-Glied solange gespeichert, bis er durch einen neuen Wert ersetzt wird. Dieses zeit- und wertdiskrete Signal ist nach dem Tiefpaß in ein zeit- und amplitudenkontinuierliches Signal u*M umgewandelt worden. Bild V-30 stellt das ursprüngliche Signal uM und das empfangene Signal u*M einander gegenüber.
Abtastfrequenz in der Praxis: fab = (2,2 ... 4) ◊ f M max
* uM
t
tab
(V.35)
uM
Bild V-30 Pulscodemodulation: Ausgesendetes und empfangenes Signal
uM
u
Signalfrequenz fM max liegt: fab ≈ 1,1 ⋅ fM max. Bild V29a zeigt das demodulierte Signal u*M für den Grenzfall der doppelten Abtastfrequenz gegenüber der höchsten Signalfrequenz: fab = 2 ⋅ fM max. Auch hier kann es zu Signalverfälschungen kommen, wenn nämlich die Abtastzeitpunkte genau im Nulldurchgang des Signals liegen oder wenn, wie eingezeichnet, das wiederhergestellte Signal nicht ebenfalls auf fM max in seiner Frequenz begrenzt wird. Nur dann bleibt von dem eingezeichneten dreieckförmigen Verlauf die Grundschwingung mit sinusförmigem Verlauf übrig, die mit dem abgetasteten Signal identisch ist. Wichtig ist, daß der theoretische Wert nach Shannon, fab = 2 ⋅ fM max, nicht ausreicht, um die höchste Signalfrequenz (stets sinusförmig wegen der Bandbegrenzung) fehlerfrei wiederherzustellen. Man wählt deshalb in der Praxis:
a) * uM
uM
Die Kurvenform ist nahezu unverändert, die Verzögerungszeit wird wesentlich durch die Abtast-HalteGlieder, die Umsetzzeiten der Umsetzer und die Laufzeit im Kanal bestimmt. Da dieses Verfahren der Codierung auch im Prinzip bei der Speicherung von Musik auf Compact-Disc (CD) verwendet wird, soll dieses Verfahren etwas näher betrachtet werden. 4.4.2 Aliasing-Effekt Zunächst stellt man sich das abzutastende Signal so vor, daß es gemäß Fourieranalyse aus Grund- und Oberschwingungen besteht, die alle sinusförmigen Verlauf haben. Obwohl die Signale der Nachrichtentechnik grundsätzlich nicht periodisch sind, kann man auch für sie die Fourierzerlegung durchführen (Kapitel I.4.9.3). Die höchste noch berücksichtigte sinusförmige Oberschwingung hat im folgenden die Bezeichnung fM max. Wird das abzutastende Signal nicht so frequenzbandbegrenzt, daß die Abtastfrequenz fab mindestens doppelt so groß ist wie die höchste Signalfrequenz fM max, entsteht bei der Demodulation eine Signalverfälschung, wie in Bild V-31b dargestellt. Das nach der Abtastung wiederhergestellte Signal mit der Spannung u*M ist für den Fall eingezeichnet, daß die Abtastfrequenz fab nur geringfügig über der höchsten
* uM b)
Bild V-31 Aliasing-Effekt: uM abgetastetes Basisbandsignal, u*M demoduliertes Signal a) fab = 2 ⋅ fM b) fab ≈ 1,1 ⋅ fM
Anti-Aliasing-Filter: Um die genannten Signalverfälschungen zu vermeiden, wird vor der Abtastung das Basisbandsignal mit einem Tiefpaßfilter frequenzbandbegrenzt, um die Bedingung nach Gleichung (V.35) sicher zu erfüllen. 4.4.3 Abtast-Halte-Glied
Bild V-32a stellt das Ersatzschaltbild eines AbtastHalte-Gliedes dar. Es bedeuten: Ri Innenwiderstand der Signalquelle mit der modulierenden Spannung uM, Rd Widerstand des elektronischen Schalters S im durchgeschalteten Zustand, Rs Widerstand des elektronischen Schalters S im Sperrzustand, Cs Kapazität des elektronischen Schalters S im Sperrzustand,
V Modulation
1011
Rp erfaßt den Verlustwiderstand des Kondensators CH und den Eingangswiderstand des Operationsverstärkers, CH Halte-(Speicher-)Kondensator mit der Spannung uCH, u1 Spannungswert von uM zu einem angenommenen Zeitpunkt, auf den sich der Kondensator CH aufgeladen hat, u2 neuer Spannungswert von uM, auf den sich CH durch Schließen von S aufladen soll, Du2/2 = ⎪± Du2/2⎪ Betrag der maximal möglichen Abweichung zwischen Soll- und Istwert bei der Analog-Digital-Umsetzung, ergibt sich bei einem NBit-Umsetzer zu 1 1 2 2N −1
( u 2 max − u 2 min ) ⋅
(V.36)
ts Zeit, während der der elektronische Schalter S geschlossen ist, tab = 1/fab Abstand der Abtastimpulse.
2. Abweichung am Ende der Haltephase: Bei geöffnetem Schalter S entlädt sich CH über Rp und Rs. Der ungünstigste Fall tritt auf, wenn uCH maximal ist und uM minimal. Dann kann man für den Entladestrom die zwei Widerstände näherungsweise als parallelgeschaltet ansehen, so daß sich die Kondensatorspannung ergibt: ⎛ t ⎞ u CH ( t ) ≈ u CH ( t 0 ) ⋅ exp ⎜ − H ⎟ ⎝ t ent ⎠ ⎛ t ⎞ ≈ u CH ( t 0 ) ⋅ exp ⎜ − ab ⎟ ⎝ t ent ⎠
mit tH ≈ tab (t0 Beginn des Haltezyklus). Die hierdurch verursachte Spannungsänderung liegt wieder in den oben genannten Grenzen: 1 1 1 ⎛ t ⎞ exp ⎜ − H ⎟ ≈ 1 − ⋅ N ≈ 1 − N +1 ⎝ t ent ⎠ 2 2 −1 2
mit N >> 1
tent ≈ CH(Rp⏐⏐Rd) Daraus folgt:
Ri
Rd RS
G uM
uM
– +
S RP
CS
Generator
Schalter
C H ( R p Rd ) ≈ t ab
CH uCH
Speicher mit Verstärker
uCH Δu2 2
u2
0
ts
tab
Bild V-32 Abtast-Halte-Schaltung a) Ersatzschaltung b) Spannungsverlauf am Haltekondensator CH 1. Abweichung am Ende der Abtastphase: Es wird der ungünstigste Fall angenommen: u1 = uM min und u2 = uM max. Dann lädt sich CH gemäß ⎛ −t ⎞ ⎞ ⎛ ( u M max − u M min ) ⋅ ⎜ 1 − exp ⎜ s ⎟ ⎟ ⎝ t auf ⎠ ⎠ ⎝ t auf = C H ( R i + R d )
auf. Soll am Ende der Abtastung die Kondensatorspannung höchstens um Du2/2 vom Sollwert abweichen (sinnvolle Annahme), muß gelten: 1 1 ⎛ t ⎞ 1 exp ⎜ − s ⎟ = ⋅ N ≈ mit N >> 1 ⎝ t auf ⎠ 2 2 − 1 2 N +1 Nach einigen Zwischenrechnungen folgt daraus:
( Ri + R d ) C H ≈
ts ln 2 N+1
1 ⋅ CH 2 N+1
(V.39)
4. Weitere Einflußgrößen: Die Zeit ts muß so klein sein, daß sich uM während dieser Zeit nicht wesentlich ändert. Auch hier kann ein Anhaltswert analog zu den oben genannten Größen ohne Ableitung angeführt werden:
t
tH
mit t H ≈ t ab
(V.38) 3. Einfluß des Kondensators Cs: Bei geöffnetem Schalter bildet Cs mit CH einen Spannungsteiler, wenn sich die Spannung uM ändert. Der Einfluß von Cs ist um so geringer, je kleiner sein Wert im Vergleich zu CH ist. In Analogie zu den Abschätzungen oben kann man ansetzen: Cs <
u1
1 1 ⎛ ln ⎜ 1 − N +1 ⎞⎟ ⎝ ⎠ 2
(V.37)
1 1 Du M ( t s ) < ( u M max − u M min ) ⋅ ⋅ N 2 2 −1
(V.40)
Dabei wurde Gleichung (V.36) verwendet. Beispiel V.4: Die Spannung uM hat die maximale Frequenz
fM max = 15 kHz und wird mit einer Frequenz fab = 1/tab = 45 kHz (tab = 22,2 ms) abgetastet. Der nachgeschaltete Umsetzer hat 12 Bit. Cs liegt bei Feldeffekttransistoren in der Größenordnung 10 pF. Dann muß CH nach Gleichung (V.39) zu mindestens (10 pF) ⋅ 212+1 ≈ 8200 pF gewählt werden. Die Zeit ts ist mit Gleichung (V.40) zu maximal (22,2 ms) ⋅ 1/213 ≈ 2,7 ns festgelegt (Sinusschwingung mit der höchsten Frequenz 15 kHz hat im Nulldurchgang die maximale Steigung mit dem Zahlenwert + 1 bzw. – 1). Mit CH = 10 nF folgt mit (V.37):
( Ri + Rd ) max ≈ ( 2 , 7 ns ) / ( (10 nF ) ⋅ ln 2 13 ) ≈ 0 , 03 W . Für R p R d schließlich ergibt sich mit (V.37):
(R
p
Ê 1 ˆˆ Ê Rd )min ª (22,2 ms) / Á (10 nF ) ◊ ln Á1 - 13 ˜ ˜ ª 18,5 MW Ë 2 ¯¯ Ë
1012
Nachrichtentechnik
1. In der Praxis sind die Anforderungen an das Abtast-HalteGlied nicht so hoch wie hier dargestellt, weil der angenommene Wechsel von uM zwischen Maximal- und Minimalwert innerhalb der Zeit zwischen zwei Abtastungen so gut wie nie auftritt. 2. Zur Vermeidung von Problemen wird man die Abtastfrequenz (hier zu 45 kHz angenommen) in der Praxis nicht unbedingt zu einem ganzzahligen Vielfachen der höchsten Basisbandfrequenz (hier 15 kHz) wählen.
Quantisierungsstufen
Zu diesem Beispiel sind zwei Hinweise erforderlich:
16 14 12 10 8 6 4 2 0
t
4.4.4 Quantisierung Zur Quantisierung wird der gesamte Wertebereich des Basisbandsignals in eine endliche Anzahl von Quantisierungsintervallen eingeteilt. Jedem Wert (hier am Beispiel einer Spannung), der innerhalb eines bestimmten Intervalles liegt, wird ein Kodewort mit N Elementen (Bits je Kodewort) zugeordnet. Die Kodierung geschieht im Dualsystem, und damit ist die Zahl der Quantisierungsintervalle zu 2N – 1; N = 1, 2, 3, ... gegeben. Macht man alle Intervalle gleich groß, hat ein Intervall die Breite 1 Du = u max − u min ⋅ N . Es wurde vorausgesetzt, 2 −1 daß der Wertebereich der Spannung alle möglichen Kodierungen erfordert. Damit ergibt sich ein
maximaler Amplituden- oder Quantisierungsfehler 1 1 F = ± ( u max − u min ) ⋅ ⋅ N 2 2 −1
(V.41)
Dieser Fehler läßt sich nach [V.4] durch den Klirrfaktor ausdrücken:
Klirrfaktor k ≈
1 2N
(V.42)
4.4.5 Quantisierungsgeräusch Bild V-33 stellt zu einem sinusförmigen Signalverlauf das zugehörige quantisierte Signal dar. Da beide Verläufe nicht mehr übereinstimmen, am Empfangsort aber das quantisierte Signal zur Verfügung steht, interpretiert der Empfänger das Signal als Sinussignal mit überlagerter Stör- oder Geräuschspannung uNQ, auch als Quantisierungsrauschen oder Quantisierungsgeräusch bezeichnet. Man kann zeigen, daß sich bei Gleichwahrscheinlichkeit aller Quantisierungsintervalle ein Signal-Quantisierungs-Geräuschabstand ergibt von: Signal-Quantisierungs-Geräuschabstand a SQ = 20 ⋅ lg 2 N dB
Quantisierungsrauschen (uNQ)
Bild V-33 Entstehung des Quantisierungsrauschens (nach [IV.2]) sampling bezeichnet. Einer Verdopplung der Abtastfrequenz entspricht eine Erhöhung des Signal-Quantisierungs-Geräuschabstandes von 10 ⋅ lg 2 = 3 dB. Ebenso verdoppelt sich die Bitrate (Zahl der zu übertragenden Bits pro Zeiteinheit). Erhöht man andererseits die Zahl N der Bits pro Kodewort, erhält man eine Erhöhung des Signal-QuantisierungsGeräuschabstandes um 20 ⋅ lg 2 = 6 dB. Die Bitrate N+1 erhöht sich nur um den Faktor , ist also kleiner N als 2. Danach ist das Prinzip der Überabtastung wenig sinnvoll, trotzdem wird es angewendet, weil es bei der Rückgewinnung des Basisbandsignales keine steilflankigen Tiefpaßfilter erfordert (Bild V-29b). Die störende Abtastfrequenz ist weiter von der Grenzfrequenz des Filters entfernt. Die Maximal- und Minimalwerte der in Bild V-33 eingetragenen Geräuschspannung uNQ nach Gleichung (V.41) sind unabhängig von den Maximal- und Minimalwerten der Spannung uM. Mit sinkendem Scheitelwert von uM nimmt lediglich die Zahl der Maxima und Minima von uNQ ab. Beispiel V.5: Für Sprache ist ein Dynamikbereich (Verhältnis
u M max /u M min ) von 40 dB erforderlich ( u M max /u M min = 100). Damit
das Quantisierungsgeräusch auch bei den kleinsten Amplituden nicht stört, muß gelten: u M min ≥ 20 ⋅ u NQ . Daraus ergibt sich: u M = 100 ⋅ 20 ⋅ u NQ = 2000 ⋅ u NQ . Da der Wertebereich von uM von – u M bis + u M reicht, folgt: 2 ⋅ u M = 2 ⋅ 100 ⋅ 20 ⋅ u NQ = 4000 ⋅ u NQ . Die
Zahl der Quantisierungsintervalle ist demnach zu ≥ 4000 zu wählen, was mit einer Codierung mit 12 Bit je Kodewort erreicht wird.
(V.43)
Die spektrale Verteilung des Quantisierungsgeräusches ist nahezu konstant im Bereich von der kleinsten Basisbandfrequenz bis zur Abtastfrequenz. Die Geräuschleistung, summiert über den gesamten Bereich, ist ein konstanter Wert. Erhöht man demnach die Abtastfrequenz, verringert sich die auf den Basisbandfrequenzbereich entfallende Geräuschleistung. Diese Maßnahme wird als Überabtastung oder over
4.4.6 Kompandierung Die Deutsche Post AG hat einen Signal-Quantisierungs-Geräuschabstand aSQ = 20 ⋅ lg 2N dB = 65 dB (Gleichung (V.43)) festgelegt, was N = 11 erfordert. Damit besteht jedes Kodewort aus 11 Bit, und es sind entsprechend breitbandige Übertragungskanäle erforderlich. Durch Kompandierung kann N auf 7 verringert werden. Dazu werden die kleinen Signal-
V Modulation
1013
amplituden, die besonders durch das Quantisierungsgeräusch gestört werden, zunächst verstärkt und dann erst in einen Digitalwert umgesetzt. Die großen Amplitudenwerte werden komprimiert. Bild V-34 zeigt die Übertragungsstrecke und den prinzipiellen Verlauf der Kompressions- und Expanderkennlinien. Über weitere Einzelheiten zu den Kennlinien informieren die Veröffentlichungen des CCITT. Dieses Verfahren wird wegen der Probleme mit der exakten Abstimmung von Kompressor- und Expanderkennlinie zueinander nicht mehr angewendet, denn je mehr beide voneinander abweichen, desto größer ist der Klirrfaktor. Man setzt das Verfahren der digitalen Kompandierung nach Bild V-34b ein. Das Basisbandsignal wird in einem Analog-Digital-Umsetzer hoher Stufenzahl (z.B. 12 Bit) gleichmäßig kodiert, so daß alle Quantisierungsstufen gleich groß sind. In einem digitalen Kompressor werden den 12-Bitkodierten Werten neue Werte mit z.B. nur 9 Bit zugeordnet, indem man Teilbereiche zusammenfaßt. In Bild 34b ist dieser Vorgang vereinfacht anhand eines 3-Bit-Umsetzers und eines Kompressors auf 2 Bit gezeigt. PCM-Übertragungsstrecke uM
Kompressor uMK
/#
#/
Sender
Exu*MK pander
1. Das Signal soll keinen Gleichanteil enthalten (wichtig für transformatorische Kopplung zur galvanischen Trennung von Signalkreisen), 2. die Übertragungsfrequenz soll so klein wie möglich sein, 3. aus der übertragenen Impulsfolge soll sich die beim Sender benutzte Taktfrequenz zurückgewinnen lassen. Bitzeile
u*M
Empfänger u*M
uM
1 0 1 1 0 0 0 1 1 1
u*MK
a) Strecke /#
Die Kodierung kann nach einer beliebigen Zuordnung zwischen Signalamplitude und Kodewort geschehen. In der Praxis werden häufig Kodierungen nach dem Binärcode, dem BCD-Code (binär codierte Dezimalzahlen) und dem Gray-Code (benachbarte Signalwerte unterscheiden sich im Kodewort nur durch Änderung an einer Stelle) verwendet. Hierfür gibt es industriell gefertigte Analog-Digital-Umsetzer, bei denen teilweise das Abtast-Halte-Glied (Bild V-29, V-32) integriert ist. Lediglich CH ist extern anzuschließen. Entsprechend stehen die zugehörigen Digital-Analog-Umsetzer zur Demodulation zur Verfügung. Bevor der Pulsträger mit dem Digitalsignal moduliert wird, muß es häufig noch aufbereitet werden. Dazu sind folgende Zielsetzungen von Bedeutung:
Bild V-35 listet entsprechende Verfahren auf.
uMK
uM
4.4.7 Kodierung
Kompressor
Expander
#/
u*M
RZ
Return to Zero
NRZ-L
Non Return to Zero-Level
NRZ-M
NRZ-Mark
NRZ-S
NRZ-Space
BIφ-L
Bi-Phase-Level
BIφ-M
Bi-Phase-Mark
BIφ-S
Bi-Phase-Space
Code1
DM-M
Delay-ModulationMark
Sender 111 110 11 101 100 10 000 00 001 010 01 011
Empfänger
DM-S
DM-Space
Clock
Takt
Code1 Code2
Code2 Code1
Code1
Code2
Code2
11
110
10 00 01
100 000 011
Bild V-35 Verwendete Formate bei der Pulscodemodulation (nach [IV.2]) Die Abkürzungen haben folgende Bedeutung:
b)
Bild V-34 Kompandierung a) Prinzip b) digitale Kompandierung
RZ-Verfahren (return to zero): Binär-Null entspricht Signal-Null; Binär-Eins entspricht SignalEins für eine halbe Taktdauer, dann Rückkehr zu Signal-Null. Nachteile: Folgen mehrere BinärEinsen aufeinander, ist die zu übertragende Fre-
1014
Nachrichtentechnik
quenz maximal gleich der Taktfrequenz. Folgen mehrere Binär-Nullen aufeinander, kann der Takt nicht zurückgewonnen werden. Außerdem ist Signal-Null, über längere Zeit übertragen, relativ störanfällig.
nung auf Magnetbandspeichern eingesetzt, weil auch die Speicherung von Gleichgrößen möglich ist. Weiterhin findet es Anwendung bei der TelefonSprachübertragung und der PCM-Telemetrie.
NRZ-Verfahren (not return to zero): Es gibt kein Signal-Null, sondern Signal-Plus-Eins und SignalMinus-Eins, z.B. +5 V und – 5V. NRZ-L (L von level): Binär-Eins als Signal-PlusEins oder Signal-Minus-Eins, Binär-Null entgegengesetzt. NRZ-M (M von mark): Binär-Eins als Signaländerung, Binär-Null als keine Signaländerung. NRZ-S (S von space): Binär-Null als Signaländerung, Binär-Eins als keine Änderung. Nachteile: Keine Taktinformation bei Aufeinanderfolge mehrerer gleicher Bits. Es müssen Gleichspannungen übertragen werden. Vorteil: Die Übertragungsfrequenz ist höchstens halb so groß wie die Taktfrequenz.
4.4.8 Deltamodulation (DM) und DifferenzPulscodemodulation (DPCM)
Bi-Phase-Verfahren: Die Binärzeichen werden mit zwei unterschiedlichen Perioden (Frequenzen) dargestellt, deshalb wird es auch mit Zweifrequenzverfahren oder double frequency method bezeichnet. Bi-Phase-L (BiF-L): Binär-Eins als Wechsel von Signal-Plus-Eins nach Signal-Minus-Eins in Taktmitte. Binär-Null als Wechsel von SignalMinus-Eins nach Signal-Plus-Eins in Taktmitte. Bi-Phase-M (BiF-M): Binär-Null durch Wechsel der Signalpolarität zum Taktende bzw. Taktanfang, Binär-Eins durch zusätzlichen Wechsel in Taktmitte. Bi-Phase-S (BiF-S): Darstellung invers zu BiPhase-M. Nachteil: Die Übertragungsfrequenz ist maximal gleich der Taktfrequenz. Vorteile: Es ist keine Gleichspannung zu übertragen. Der Takt kann einfach zurückgewonnen werden. DM-Verfahren (D von delay, auch Miller-Code): DM-M: Binär-Eins durch Wechsel der Signalpolarität in Taktmitte, Binär-Null nach Binär-Eins kein Polaritätswechsel, Binär-Null nach Binär-Null Polaritätswechsel zum Taktbeginn. DM-S-Verfahren: Binär-Null durch Wechsel der Signalpolarität in Taktmitte, Binär-Eins nach Binär-Null kein Polaritätswechsel, Binär-Eins nach Binär-Eins Polaritätswechsel zum Taktbeginn. Vorteile: Die Übertragungsfrequenz ist maximal gleich der halben Taktfrequenz. Es ist keine Gleichspannung zu übertragen. Der Takt kann einfach zurückgewonnen werden.
Das DM-Verfahren stellt somit eine optimale Lösung dar. Es wird häufig zur Ton- und Meßwertaufzeich-
Das übertragene Signal weist einen beträchtlichen Teil an Redundanz auf, weil sich aufeinanderfolgende Abtastwerte im allgemeinen nur geringfügig voneinander unterscheiden. Es liegt deshalb nahe, nur jeweils deren Differenz, codiert mit wenigen Bit, zu übertragen. Damit kann die Bitrate und die erforderliche Bandbreite des Übertragungskanals verringert werden.
Deltamodulation (DM): Es wird jeweils nur ein Bit übertragen, das das Vorzeichen der Änderung zum vorhergehenden Wert enthält. Unterscheiden sich allerdings zwei benachbarte Werte um mehr als ein Bit, kommt es zu einer Steigungsüberlastung (engl. slope overload). Das codierte Signal kann dem Basisbandsignal nur verzögert folgen, da pro Abtastung immer nur die kleinste Stufenhöhe zur Verfügung steht. Daraus resultiert ein Quantisierungsgeräusch besonderer Art, das Granulargeräusch (engl. granular noise). Man kann diesen Effekt dadurch verringern, daß man die Abtastfrequenz erhöht.
Delta-Sigma-Modulation: Das modulierende Signal wird zunächst einem Integrierglied zugeführt, an dessen Ausgang die steilen Signalanstiege flacher sind. Damit kann der Delta-Modulator den Signalverlauf ohne Steigungsüberlastung darstellen. Im Empfänger wird das demodulierte Signal über ein Differenzierglied geführt, um die im Sender erfolgte lineare Signalverzerrung rückgängig zu machen.
Adaptive Deltamodulationsverfahren: Hier gibt es eine Menge von Verfahren zur Kodierung. So kann man beispielsweise bei einer bestimmten Anzahl aufeinanderfolgender positiver Impulse (z.B. drei) die Quantisierungsstufenhöhe verdoppeln, beim Auftreten einer entsprechenden Anzahl negativer Impulse wieder halbieren. Damit läßt sich bei gleicher Abtastfrequenz die Steigungsüberlastung verringern.
Differenz-Pulscodemodulation (DPCM): Bei diesen vorwiegend zur Fernsehbildübertragung eingesetzten Verfahren werden zwei aufeinanderfolgende Abtastwerte je nach deren Differenz auch mit mehr als einem Bit kodiert. Treten allerdings große Differenzen in der Bildhelligkeit auf, werden ihnen nur wenige Bit zugeordnet, da das Auge für diese Änderungen wenig empfindlich ist.
VI Filter
1015
VI Filter 1 Allgemeines Filter sind Vierpole und werden häufig auch innerhalb dieses Themenkreises behandelt. Sie erhalten hier aber im Hinblick auf die speziellen Anwendungen in der Nachrichtentechnik ein eigenes Kapitel. Filter grenzen ein gegebenes Frequenzspektrum ein. Damit soll eines der folgenden Ziele erreicht werden: – Aus einem Frequenzgemisch mit vielen Signalen wird ein einzelnes Signal ausgefiltert. Beispiel: Senderauswahl beim Rundfunk- und Fernsehempfang. – Ein vorhandenes Signal wird so verändert, daß es weniger Bandbreite im Übertragungskanal benötigt; die damit verbundene Signalverfälschung muß vertretbar sein. Beispiel: Farbfernsehübertragung; hier können nicht alle darstellbaren 13 Millionen Bildpunkte unterschiedliche Farben und unterschiedliche Helligkeiten aufweisen. – Eine oder mehrere Frequenzanteile sollen gezielt aus dem Spektrum entfernt werden. Beispiel: Störsignale mit Netzfrequenz 50 Hz. Um die Eigenschaften eines Filters zu charakterisieren, werden in der Regel das Verhältnis Ausgangszu Eingangsspannung und die Phasenverschiebung dieses Verhältnisses in Abhängigkeit von der Frequenz angegeben. Damit die genannten Größen über mehrere Dekaden dargestellt werden können, verwendet man logarithmische Skalenteilungen. Frequenzgang: Darstellung des Amplitudenverhältnisses von Ausgangs- zu Eingangsspannung in Abhängigkeit von der Frequenz. Amplitudengang: Doppelt-logarithmische Darstellung des Verhältnisses von Ausgangs- zu Eingangsspannung. Für die Ordinatenbeschriftung gilt: 20 ◊ lg ( U aus /U ein
)
Der Übergang vom Sperr- in den Durchlaßbereich und umgekehrt wird in der Praxis durch die Angabe der Grenzfrequenz bzw. der Resonanzfrequenz als scharf begrenzt angenommen, obwohl es sich um einen allmählichen Übergang handelt. Kenngrößen für die praktische Anwendung sind:
in dB
Phasengang: Darstellung des Phasenwinkels von Ausgangs- zu Eingangsspannung in Abhängigkeit von der Frequenz. Die Frequenzachse ist logarithmisch, die Phasenachse ist linear geteilt. Je nachdem, wie die Frequenzanteile des Originalsignals das Filter passieren, spricht man von: Tiefpaßfilter, wenn die im Signal enthaltenen Frequenzanteile von Gleichspannung bis zur Grenzfrequenz durchgelassen werden; Hochpaßfilter, wenn ab der Grenzfrequenz die im Signal enthaltenen Frequenzanteile durchgelassen werden; Bandpaßfilter, wenn nur die im Signal enthaltenen Frequenzanteile eines meist eng begrenzten Frequenzbereiches durchgelassen werden; Bandsperre, wenn alle im Signal enthaltenen Frequenzanteile außer denen in einem meist eng begrenzten Frequenzbereich durchgelassen werden.
Grenzfrequenz fg: Frequenz, bis zu der (Tiefpaß) bzw. ab der (Hochpaß) die im Signal enthaltenen Frequenzanteile durchgelassen werden. Bei den Filtern erster Ordnung gilt: 1. Der Betrag des Verhältnisses Ausgangs- zu Eingangsspannung ist vom Maximalwert auf das 0,707fache des Maximalwertes abgesunken. 2. Der Phasenwinkel zwischen Ein- und Ausgangsspannung beträgt – 45° (Tiefpaß) bzw. +45° (Hochpaß). Durchlaßbereich: Frequenzbereich bis zu fg (Tiefpaß) bzw. ab fg (Hochpaß) bzw. innerhalb der Bandbreite B (Bandpaß). Sperrbereich: Frequenzbereich ab fg (Tiefpaß) bzw. bis zu fg (Hochpaß) bzw. innerhalb der Bandbreite B (Bandsperre). Phasenwinkel jg: Phasenwinkel bei der Grenzfrequenz fg. Grad (Ordnung) n eines Filters: Höchster im Nenner vorkommender Exponent der Kreisfrequenz w für das Verhältnis von Ausgangs- zu Eingangsspannung, wenn der Zähler eine Konstante ist. Er wird vorwiegend für Hoch- und Tiefpaßfilter angegeben. Beispiel: Tiefpaßfilter 3. Grades Uaus/Uein = A0/(–jw3 – Bw2 + Djw + E); A0, B, D, E, Konstante, dimensionslos oder Kombinationen aus R, L und C. Steigung des Amplitudenganges: Sie wird im Sperrbereich angegeben und ist ein Maß für die Fähigkeit, Frequenzanteile außerhalb des Durchlaßbereiches zu unterdrücken. Sie wird bestimmt durch den Grad n des Filters und in dB/Dekade angegeben. Allgemein gilt: Steigung eines Filters n-ten Grades: – n ⋅ 20 db/Dekade für einen Tiefpaß bzw. + n ⋅ 20 db/Dekade für einen Hochpaß. Bandbreite B: Frequenzbereich, der durchgelassen (Bandpaß) bzw. gesperrt (Bandsperre) wird. Sie ist bestimmt durch den Bereich, in dem die Ausgangsgröße beim Bandpaß zwischen Maximalwert und 0,707 ⋅ Maximalwert liegt bzw. bei der Bandsperre zwischen Minimalwert und 1,41 ⋅ Minimalwert liegt. Güte Q: Maß für die Eigenschaften von Bandpaß bzw. Bandsperre im Durchlaß- bzw. Sperrbereich. Siehe dazu auch Bild VI-4. Dämpfungsmaß: d = 1/Q Resonanzfrequenz f0: Frequenz, die ein Bandpaßfilter optimal durchläßt bzw. eine Bandsperre maximal unterdrückt.
1016
Nachrichtentechnik quenz um 180° (Vorzeichen ohne Bedeutung) phasenverschoben sein. Das ist genau dann der Fall, wenn der Imaginärteil des Spannungsverhältnisses U2/U1 Null ist. Aus der Tabelle folgt damit: j(6w0RC – w30R3C3) = jw0RC(6 – w20R2C2) = 0 und daraus w 0 = 6 /RC . Die negative Lösung der quadratischen Gleichung scheidet aus, da es keine negativen Frequenzen gibt. In den verbleibenden Realteil eingesetzt ergibt sich: U2/U1(w0) = – 1/29. Die Amplitude der Ausgangsspannung ist bei w0 auf 1/29 der Amplitude der Eingangsspannung abgesunken, der Phasenwinkel beträgt – 180°. Damit ist ein Verstärker mit der Verstärkung – 29 erforderlich. Allgemein gilt: Der Übergang vom Durchlaß- in den Sperrbereich ist um so schmaler, je höher die Ordnung n des Filters ist.
Für die zuletzt genannten Kenngrößen besteht folgende Beziehung: f0 = B ⋅ Q
(VI.1)
Hinweis: In einer verallgemeinerten Filtertheorie spricht man z.B. auch beim Hoch- und Tiefpaß erster Ordnung von Güte und Resonanzfrequenz. Hier werden dagegen die üblicherweise in der praktischen Nachrichtentechnik verwendeten Bezeichnungen eingesetzt.
2 Passive R-C-Filter
R
Die hier behandelten R-C-Filter lassen sich prinzipiell auch als R-L-Filter aufbauen. In der Praxis werden Induktivitäten selten eingesetzt, weil sie stets nichtideal sind (Reihenschaltung aus der Induktivität L und dem Wicklungswiderstand RL) und bei der Verwendung von Eisen ein nichtlineares Bauteil vorliegt (die Induktivität L ist über mr = f(i) stromabhängig). Außerdem haben Induktivitäten größere Abmessungen und lassen sich in Integrierten Schaltkreisen weniger gut fertigen. Aktive RC-Filter werden hier nicht behandelt. Im folgenden sind die Eigenschaften einiger Filterschaltungen ohne Ableitung aufgelistet. Die Berechnung geschieht entweder mit der komplexen Rechnung oder unter Anwendung der Vierpoltheorie. Es werden sinusförmige Spannungs- und Stromverläufe im gesamten Filter vorausgesetzt.
R
U1
U2 U1
C
R U1
R C
C
1 1 2
n=1 n=3
0
f
Bild VI-1 RC-Tiefpaßfilter a) erster (n = 1) b) zweiter (n = 2) c) dritter Ordnung (n = 3) d) Frequenzgang
Tabelle VI-1 Übertragungsverhalten von Tiefpässen erster bis dritter Ordnung Tiefpaß erster Ordnung (n = 1), Bild VI-1a U2 U1
j
fg
jg
1 1+ jwRC
– arctan wRC
1 2pRC
– 45°
Steigung
Näherung für w << 1/RC ≈0
Näherung für w >> 1/RC ≈
1 jwRC
= – arctan wRC ≈ – 90°
n=2
d)
Sinusoszillatorschaltung eingesetzt werden. Dazu muß die Ausgangsspannung gegenüber der Eingangsspannung bei einer Fre-
≈ 0°
C
U2 U1
Beispiel VI.1: Ein Tiefpaßfilter dritter Ordnung soll in einer
C
R
c)
Passive R-C-Tiefpaßfilter erster, zweiter und dritter Ordnung: Bild VI-1 zeigt die Realisierung sowie das Verhältnis von Ausgangs- zu Eingangsspannung mit linearer Skalenteilung.
≈1
C
b)
a)
2.1 Passive R-C-Tiefpaßfilter
R
≈
−20 dB Dekade
U2
U2
VI Filter
1017
Tiefpaß zweiter Ordnung (n = 2), Bild VI-1b j U2 U1 1 1 + 3 jwRC − w 2 R 2 C 2
− arctan
Steigung
3 wRC 1 ) 1 − w2 R 2 C 2
Näherung für w << 1/RC ≈1
≈ 0°
≈0
Näherung für w >> 1/RC −1 w2 R 2 C 2
≈
≈ – 180° + arctan ≈ – 180°1), 3)
3 1 2 ), ) wRC
Tiefpaß dritter Ordnung (n = 3), Bild VI-1c j U2
≈
−40 dB Dekade
Steigung
U1 1 6 wRC − w 3 R 3 C 3 1 ) − arctan 1 + 6 jwRC − 5 w 2 R 2 C 2 − jw 3 R 3 C 3 1 − 5w 2 R 2 C 2
Näherung für w << 1/RC ≈1
≈ 0°
≈0
Näherung für w >> 1/RC −1 jw 3 R 3 C 3
≈
1
≈ – 180° – arctan
wRC 1 2 ), ) 5
≈
−60 dB Dekade
≈ – 270°1), 3)
) tan (x) = tan(x ± n ⋅ 180°); n = 1, 2, 3, ...; ) Erste Näherung; 3) Zweite, grobe Näherung; häufig zulässig 2
C U1
C U2 U1
R
C R
R
b)
a) C U1
C R
C R
R
c)
0
U2
U2
Passive R-C-Hochpaßfilter erster, zweiter und dritter Ordnung: Bild VI-2 zeigt die Realisierung und den Frequenzgang. Das Hochpaßfilter dritter Ordnung wird ebenfalls für Sinusoszillatorschaltungen eingesetzt und hat gegenüber dem Tiefpaßfilter dritter Ordnung den Vorteil, daß Gleichspannung nicht durchgelassen wird (wichtig in Transistorschaltungen, bei denen man die Eingangsspannung des Filters am Kollektor abgreift und vom Ausgang zur Basis zurückführt).
2.3 Bandpaß aus R-C-Hochund Tiefpaßfilter
U2 U1
1 1 n=3 2
2.2 Passive R-C-Hochpaßfilter
n=2
n=1
f
d)
Bild VI-2 RC-Hochpaßfilter a) erster (n = 1) b) zweiter (n = 2) c) dritter Ordnung (n = 3) d) Frequenzgang
Nach Bild VI-3 kann man Hoch- und Tiefpaßfilter zusammenschalten und erhält drei Filterschaltungen mit identischem Verhalten. U2 jwRC = U 1 1 + 3 jwRC − w 2 R 2 C 2
(VI.2)
Die maximale Ausgangsspannung ergibt sich für w0 = 1/RC. Man erhält folgende Näherungen: w << 1/RC ⇒
U2 20 dB ≈ jwRC , Steigung U1 Dekade
1018
Nachrichtentechnik
Tabelle VI-2 Übertragungsverhalten von Hochpässen erster bis dritter Ordnung Hochpaß erster Ordnung (n = 1), Bild VI-2a U2 U1
j
fg
jg
jwRC 1 + jwRC
90° – arctan wRC
1 2pRC
45°
Steigung
Näherung für w << 1/RC ≈ jwRC
≈ 90°
≈
20 dB Dekade
Näherung für w >> 1/RC ≈1
≈0
= 90° – arctan wRC ≈0
Hochpaß zweiter Ordnung (n = 2), Bild VI-2b U2 U1
j
− w2 R 2 C 2 1 + 3 jwRC − w 2 R 2 C 2
180° − arctan
Steigung 3 wRC 1 ) 1 − w2 R 2 C 2
Näherung für w << 1/RC ≈ – w2R2C2
≈ 180° + arctan 3wRC1), 2) ≈ 180°1), 3)
≈
40 dB Dekade
Näherung für w >> 1/RC ≈1
≈ arctan
3 1 2 ), ) wRC
≈0
≈ 01), 3)
Hochpaß dritter Ordnung (n = 3), Bild VI-2c U2 U1
j
Steigung
− jw 3 R 3 C 3 5 wRC − w 3 R 3 C 3 1 270° − arctan ) 2 2 2 3 3 3 1 + 5 jwRC − 6 w R C − jw R C 1 − 6w2 R 2 C 2
Näherung für w << 1/RC ≈ – jw3R3C3
≈ 270° – arctan 5wRC 1), 2) ≈ 270°1), 3)
≈
60 dB Dekade
Näherung für w >> 1/RC ≈1
≈ 90° – arctan ≈ 01), 3)
) tan (x) = tan(x ± n ⋅ 180°); n = 1, 2, 3, ... ) Erste Näherung 3 ) Zweite, grobe Näherung; häufig zulässig 1 2
wRC 1 2 ), ) 6
≈0
VI Filter
1019 R
C U1
R
R U2 U1
C
C
R C
j ⋅ 1, 01
R
U2
=
1, 01
b)
a) R U1
=
C C
R
1 + 3 ⋅ j ⋅ 1, 01 − 1, 01 2 j 3⋅ j
U2
c) U2 U1
1 Q=3
1, 01
( −0 , 0201) 2 + ( 3 ⋅ 1, 01) 2 ≈ 1 3
1, 01 9,1813 ≈ 3⋅ ≈ 0 , 999 97 1 3, 0301 3
Waren beide Amplituden am Filtereingang gleich groß, hat sich die Amplitude des Nachbarsenders am Filterausgang auf das 0,999 97 fache der Amplitude des empfangenen Senders „verringert“. Die gestellte Forderung ist mit dieser Filterschaltung nicht zu erfüllen. Theoretisch könnte man eine Vielzahl solcher Filterschaltungen hintereinanderschalten (Kettenschaltung, siehe Kapitel II). Das ergäbe dann n = lg (10–1)/lg (0,999 97) ≈ 76 752 Bandpässe. Dieses Konzept ist technisch nicht ausführbar, selbst wenn man von einer konstanten Resonanzfrequenz ausgeht. Die im Beispiel VI.2 gestellte Forderung kann aber mit vergleichsweise geringem Aufwand mit LC-Schwingkreisen erfüllt werden.
2.4 R-L-C-Bandpaß und -Bandsperre 0
1 f0 = 2pRC
d)
f
Bild VI-3 Bandpaß aus Hoch- und Tiefpaß a), b), c) 3 Schaltungen mit identischem Verhalten d) Frequenzgang ω >> 1/RC fi
U2 1 -20 dB ª , Steigung (VI.3) U 1 jω RC Dekade
Wegen der geringen Steigung außerhalb des Durchlaßbereiches wird diese Filterschaltung nur selten eingesetzt. Die Steigung – 20 dB/Dekade bedeutet, daß bei einer Frequenzverzehnfachung die Ausgangsspannung auf 1/10 sinkt. Die Forderungen in der Nachrichtentechnik zur Senderselektion dagegen lauten, daß bei einer Frequenzänderung von ± 1% gegenüber der Resonanzfrequenz f0 = w0/2p die Amplitude der Ausgangsspannung um den Faktor 10–1 ... 10–4 kleiner wird. Beispiel VI.2: Ein Sender mit der Frequenz f0 = 1,000 MHz soll
empfangen werden, ein Nachbarsender mit der Frequenz fN = 1,010 MHz stört den Empfang und soll mit einem Filter unterdrückt werden. Beide Sender haben die gleiche Amplitude. Am Ausgang des Filters soll die Amplitude des Nachbarsenders auf 10–1 derjenigen des zu empfangenen Senders abgesunken sein. Verwendet werden soll ein Bandpaßfilter aus R-C-Hoch- und Tiefpaßfilter. Mit Gleichung (VI.2) ergibt sich für das Verhältnis von Nachbarsignalamplitude zu Empfangssignalamplitude am Ausgang des Filters mit fN = 1,010 MHz = 1,000 MHz ⋅ 1,01 = f0 ⋅ 1,01: U aus U ein U aus U ein
=
fN
f0
j ◊ωN ◊ R ◊ C 1 + 3 ◊ j ◊ ω N ◊ R ◊ C - ω N2 ◊ R 2 ◊ C 2 = j ◊ ω0 ◊ R ◊ C 1 + 3 ◊ j ◊ ω 0 ◊ R ◊ C - ω 02 ◊ R 2 ◊ C 2
j ◊ ω 0 ◊ R ◊ C ◊ 1,01 1 + 3 ◊ j ◊ ω 0 ◊ R ◊ C ◊ 1,01 - (ω 0 ◊ R ◊ C )2 ◊ 1,012 j 1+ 3 j -1 ω 0 = 1/RC
Bandpaß und Bandsperre werden als Reihen- bzw. Parallelschwingkreis realisiert. Setzt man mehrere derartige Filter ein, spricht man von Bandfiltern (siehe unten). Beim Reihenschwingkreis erfaßt der ohmsche Widerstand Rr nach Bild VI-4a den Wicklungswiderstand der Spule und eventuell den zum Kondensator parallel liegenden Isolationswiderstand, der in einen Reihenwiderstand umgerechnet worden I
I0 UR
Rr U0
UL
L
U
IC
IR
C
RP
UC
C
a)
IL
L
b) U
U
1V
1V Q2
0,5
0,6 0,8 c)
Q1
1
Q1 0,5
1,2 1,4 v 0,6 0,8 v0 d)
Q2
1
1,2 1,4 v v0
Bild VI-4 Schwingkreise als Bandfilter a) Reihenschwingkreis b) Parallelschwingkreis c) Spannung am Parallelschwingkreis bei Stromeinprägung bei Q2 = 2Q1 d) wie c), aber auf den Maximalwert normiert
1020
Nachrichtentechnik
Tabelle VI-3 Formeln zum Parallel- und Reihenschwingkreis Reihenschwingkreis Allgemeine Beziehung
U0 1 ⎞ ⎛ Rr + j ⎜ wL − ⎟ ⎝ wC ⎠
I=
Speisung aus einer Spannungsquelle mit der Spannung U0 Resonanz für Imaginärteil von Z = 0: ⇒ w0 =
1 LC
I ( w0 ) =
UL =
1 1 1 ⎞ ⎛ + j ⎜ wC − ⎟ ⎝ Rp wL ⎠
U = I0
Speisung aus einer Stromquelle mit dem Strom I0 U = I 0 ⋅ Rp
U0 Rr
UR = U0; UC
Parallelschwingkreis
I R = I 0 ; I C = I 0 ⋅ R p ⋅ jw0 C ; U0 = ; Rr jw0 C
U0 ⋅ jw0 C Rr
I L = I 0 ⋅ Rp
1 jw0 L
IC = IL
UC = UL
Güte Q
Qr = =
w0 L 1 = Rr Rr w0 C 1 Rr
Dämpfungsmaß d
d = 1/Q
Bandbreite B
B=
f0 Q
Qp =
L C
Rp
= R p w0 C
w0 L
C L
= Rp
d = 1/Q
B=
ist. Beim Parallelschwingkreis rechnet man den zur Spule in Reihe liegenden Wicklungswiderstand in einen Parallelwiderstand um und faßt ihn mit dem Isolationswiderstand des Kondensators zu Rp zusammen (Bild VI-4b). Formeln siehe Tabelle VI-3. In der Nachrichtentechnik werden häufig Parallelschwingkreise eingesetzt, die im Kollektorkreis eines Transistors liegen und deshalb von einer Stromquelle gespeist werden. Es handelt sich damit um einen Bandpaß, der im weiteren betrachtet werden soll. Die Güte beeinflußt sowohl die Höhe der Spannung im Resonanzfall als auch die Bandbreite B. Die Güte wird bestimmt durch den ohmschen Widerstand und das Verhältnis C/L: Je größer Rp und je größer C im Verhältnis zu L ist, um so größer ist die Güte Q. In der Empfängertechnik (z.B. bei Rundfunk- und Fernsehempfängern) werden Schwingkreise als Bandpaß eingesetzt, um aus einer Vielzahl von zur Verfügung stehenden Sendern einen auszuwählen. Je größer die Güte ist, um so wirkungsvoller werden störende benachbarte Sender unterdrückt. Allerdings sinkt auch die Bandbreite, die aber einen bestimmten Wert nicht unterschreiten darf (siehe Modulation). Damit beide Eigenschaften gleichzeitig genutzt werden können, wird ein Weg nach Bild VI-5 gewählt. Man verwendet mehrere Schwingkreise, bei denen die Güte
f0 Q Summendurchlaßkurve (idealisiert) 1 0,707
B
f
a)
fr b)
+UB
c)
Bild VI-5 Durchlaßkurve mit mehreren Bandfiltern a) zwei Bandfilter zur Erhöhung der Bandbreite b) fünf Bandfilter für die Restseitenbandübertragung (Fernsehen) c) Schaltungstechnische Realisierung
VI Filter
1021
möglichst groß und die Bandbreite demzufolge zu klein ist (siehe auch das folgende Kapitel VI.2.5, Bandfilter). Erreicht wird damit eine gute Unterdrückung von Nachbarsendern. Um die geforderte Bandbreite zu realisieren, verwendet man mehrere Filter, deren Resonanzfrequenzen geringfügig gegeneinander verschoben sind. Als resultierende Durchlaßkurve ergeben sich die in Bild VI-5 dargestellten Formen. Auf diese Weise wird auch die in der Fernsehempfangstechnik verwendete Filterkurve für die Restseitenbandübertragung erreicht (Kapitel V, Modulation, Bild V-9). Beispiel VI.3: Es gelten die gleichen Vorgaben wie im Beispiel
VI.2. Als Filter soll ein Parallelschwingkreis verwendet werden, der im Kollektorkreis eines Transistors angeordnet ist und damit für beide Frequenzen von einer Stromquelle angesteuert wird. Mit w 0 = 1 / LC folgt für das Spannungsverhältnis:
einem Bandfilter. Je nach Kopplungsgrad erhält man als resultierende Filterkurve die in Bild VI-6b dargestellten Verläufe. Vom Transformator werden folgende Begriffe übernommen:
Kopplungsfaktor: k =
M
M Gegeninduktivität in H; L1, L2 Induktivität der Primär- bzw. Sekundärwicklung in H
Weiterhin gilt auch:
Kopplungsfaktor: k = 1 − s
U
fN
U
f0
=
(VI.5)
s Streufaktor
Es ergeben sich die unterschiedlichen Resonanzkurven nach Bild VI-6b. +UB
I⋅
(VI.4)
L1 L 2
+UB L1 L2
1 1 1 ⎛ ⎞ + j ⎜ w 0 ⋅ 1, 01 ⋅ C − ⎟ ⎝ w 0 ⋅ 1, 01 ⋅ L ⎠ Rp I⋅
1 1 1 ⎞ ⎛ + j ⎜ w0 ⋅ C − ⎟ ⎝ w0 ⋅ L ⎠ Rp =0
M w0 = 1/ LC
1
=
⎛ ⎞ 1 1 + j ⎜ w 0 ⋅ 1, 01 ⋅ C − ⎟ ⎝ w 0 ⋅ 1, 01 ⋅ L ⎠ Rp 1 1 Rp
a) u
Nach einigen Umformungen und der Bedingung, daß für dieses Verhältnis der Wert 1/10 gelten muß, folgt: U
fN
U
f0
Einzelkreis B
1
=
⎛ 1, 01 2 ⋅ w 02 ⋅ L ⋅ C − 1 ⎞ 1 + R p2 ⎜ ⎟ 1, 01 ⋅ w 0 ⋅ L ⎝ ⎠ = 99
B
2
B B 0
2
=
1 ⎛ 1, 01 2 − 1 ⎞ ⇒ R p2 ⎜ ⎟ = 99 ⎝ 1, 01 ⋅ w 0 ⋅ L ⎠ 10 2
⎛ 1, 01 2 − 1 ⎞ Daraus ergibt sich: R p ⎜ ⎟ = 99 ; und schließlich: ⎝ 1, 01 ⋅ w 0 ⋅ L ⎠ Rp ≈ 500 . Das ist aber nach Tabelle VI-3 die Güte Q des w0 ⋅ L Schwingkreises. Ein Wert in dieser Größenordnung ist in der Praxis kaum erreichbar, kann aber mit zwei hintereinandergeschalteten Schwingkreisen nach Bild VI-5c realisiert werden. Allerdings muß überprüft werden, ob die aus Q = 500 folgende Bandbreite nach Tabelle VI-3 für eine Signalübertragung ausreicht: f 1, 000 MHz B= 0 = = 2 kHz. Ist eine größere Bandbreite geforQ 500 dert, läßt sich ein Bandfilter nach Kapitel VI.2.5 einsetzen.
2.5 Bandfilter Setzt man zwei Filter ein, die magnetisch (gekennzeichnet durch die Gegeninduktivität M in Bild VI-6a) oder kapazitiv gekoppelt sind, spricht man von
k >1 d k =1 d k <1 d
b)
V
Bild VI-6 Bandfilter a) Realisierung mit Transistorschaltung b) Resonanzkurven bei unterschiedlicher Kopplung Man unterscheidet: a) k < d: unterkritische Kopplung; b) k = d: kritische Kopplung; c) k > d: überkritische Kopplung (d siehe Tabelle VI-3). Ist das Dämpfungsmaß d = 1/Q (manchmal auch als Dämpfungsfaktor bezeichnet) beider Schwingkreise unterschiedlich, spricht man anstatt der kritischen Kopplung (k = d) auch von transitionaler Kopplung und definiert den Kopplungsfaktor ktr wie folgt:
transitionaler Kopplungsfaktor k tr =
1 2 ( d 1 + d 22 ) 2
für kritische Kopplung (VI.6)
1022
Nachrichtentechnik
In allen anderen Fällen gilt:
Dämpfungsmaß bei Bandfiltern: d=
d1 d 2
(VI.7)
Normierte Verstimmung W: Bei der Betrachtung von Schwingkreisen wird vorteilhaft die normierte Verstimmung W eingesetzt: Ê f 2 - f02 ˆ Ê f f ˆ Ω = Q◊v = Q◊Á - 0 ˜ = Q◊Á Ë f0 f ¯ Ë f ◊ f0 ˜¯
2 ◊ Df B ª Q ◊ fi Ω = 1 mit Q ◊ B = f0 f0 f0 (VI.8)
Für die Spannung am zweiten Schwingkreis errechnet sich: k I ⋅ Rp ⋅ 2 ⋅ 1 d U= d= ; Q 2 2 2 k ⎞ ⎛ ⎞ 2⎛ k 4 ⎜ 1 + 2 ⎟ − 2 W ⎜ 2 − 1⎟ + W ⎝ ⎝d ⎠ d ⎠ (VI.9) Bild VI-6b stellt die unterschiedlichen Filterkurven einander gegenüber. Ein Einzelkreis hat zwar die höhere Spannung gegenüber einem Bandfilter, aber dessen Bandbreite ist bei unterkritischer Kopplung kleiner. Die Bandbreite nimmt bei überkritischer Kopplung gegenüber dem Einzelkreis zu. Die normierte Verstimmung berechnet sich jeweils dadurch, daß die Spannung in Gleichung (VI.9) auf den Wert 0,707 gegenüber dem Maximalwert abgesunken ist.
Bandbreite bei einem einzelnen Schwingkreis: (VI.10) Wein = 1 ⇒ B = f 0 /Q
Bandbreite bei unterkritischer Kopplung (k/d < 1): Mit Gleichung (VI.9) und einigen Umformungen ergibt sich: Ê k4 ˆ k2 - 1 + 2 Á1 + 4 ˜ ª 0,64 2 d Ë d ¯
k4 << 1 fi Bun ª 0,64 ◊ f0 /Q d4 (VI.11) Die Bandbreite bei unterkritischer Kopplung (Näherungen nach Gleichung (VI.11) müssen erfüllt sein) ist also nur 64% derjenigen eines einzelnen Schwingkreises. mit
k2 << 1 , d2
Bandbreite bei kritischer Kopplung (k/d = 1): Ω kri =
2 ◊ 2 = 1, 41 fi Bkri = 1, 41 ◊ f0 /Q
(VI.14)
Wenn der Sattelpunkt also – 3 dB unter dem Maximalwert liegt, ist die Bandbreite etwa dreimal so groß wie bei einem Einzelkreis (Bild VI-6b).
v Verstimmung, f0 Resonanzfrequenz in Hz
Ω un =
k2 k (VI.13) + 2 −1 d d2 Allerdings darf der Sattelpunkt bei W = 0 nicht unter dem Wert 0,707 ⋅ Maximalwert liegen, weil man sonst nicht mehr von Bandbreite sprechen kann. Das wird erreicht für k/d ≈ 2,4, so daß folgt: Wüb = ±
Wüb max ≈ 3 ⇒ Büb max ≈ 3 ⋅ f 0 /Q
Ê ( f + f0 ) ( f - f0 ) ˆ 2 ◊ f0 ◊ Df ª Q◊Á ª Q◊ 2 ˜ f f02 Ë ¯ f ª f0 0 ª Q◊
Bandbreite bei überkritischer Kopplung (k/d > 1):
(VI.12)
Die Bandbreite ist um den Faktor 1,41 größer als bei einem Einzelkreis.
2.6 Quarzfilter, keramische Filter Quarzfilter und keramische Filter nutzen die Eigenschaften eines Quarzes als Reihen- oder Parallelschwingkreis. Bei keramischen Filtern sind neben den Quarzen noch LC-Schwingkreise vorhanden. Quarze haben zwei Resonanzfrequenzen, eine Reihenresonanzfrequenz f r = 1/2 p LC r (Bild VI-7a) und eine Parallelresonanzfrequenz f p = 1/2 p L ⋅ C r ⋅ C p /( C r + C p ) , die sehr dicht beieinander liegen. Für den Quarz SQ 4815 (Fa. Valvo) gilt für die in Bild VI-7a eingetragenen Größen: L = 100 mH, Cr = 0,015 pF, Cp = 5 pF, R = 100 Ω, fr = 4 MHz. Das ergibt nach Tabelle VI-3 für den Quarz in Reihenresonanz eine Güte Q = (1/R ) L/C r = 26 000 und eine Bandbreite B = 154 Hz. Die hohe Güte von Quarzen bewirkt eine relativ geringe Bandbreite, die häufig zur Signalübertragung nicht ausreicht. In einem Quarzfilter werden in der Regel mehrere Quarz-Schwingkreise nach der Art eines Bandfilters so zusammengeschaltet, daß für eine vorgegebene Frequenz die Impedanz besonders groß ist. Die Resonanzfrequenzen der Einzelquarze werden geringfügig gegeneinander verschoben, um nach Bild VI-5a eine ausreichende Bandbreite zu erhalten. So ergeben sich für das Bandfilter F 480 (Fa. Quarzkeramik) folgende Werte: Resonanzfrequenz 142,5 kHz; Bandbreite 1440 Hz; bei einer Frequenz (142,5 ± 2,5) kHz ist die Ausgangsspannung auf 1/10 000 derjenigen bei der Resonanzfrequenz abgesunken. Für das in Bild VI-7b dargestellte Quarzfilter SFZ 460 A (Fa. Stettner) werden bei einem Koppelkondensator Ck = 56 pF folgende Daten angegeben: Mitten-(Resonanz-)Frequenz 460 kHz, Bandbreite 4,5 kHz, bei einer Eingangsfrequenz von (460 ± 10) kHz sinkt die Ausgangsspannung auf typisch 0,056 des Wertes bei der Mittenfrequenz 460 kHz. Über den Wert des Koppelkondensators kann nach Kapitel VI.2.5 und Bild VI-6 die Bandbreite in gewissen Grenzen eingestellt werden. Dieses Filter ist für den Einsatz in Kurzwellenempfängern bei Amplitudenmodulation (AM) und mit einer Zwischenfrequenz von 460 kHz entwickelt worden.
VI Filter
1023
Cp
mit zugehöriger Peripherie dar. Das zu filternde Signal mit der Spannung ue wird nach dem Durchgang durch ein Antialiasing-Filter zur Frequenzbandbegrenzung mit der Frequenz fab abgetastet und in eine digital kodierte Spannung u1 umgesetzt. Diese gelangt auf das digitale Filter, dessen Prinzip im Bild VI-8b gezeigt ist. Die Ausgangsspannung u2 des Filters wird wieder in einen Analogwert umgesetzt und bei Bedarf von eventuell vorhandenen, durch die Digital-Analog-Umsetzung hervorgerufenen höherfrequenten Signalanteilen, befreit und steht als ua zur Verfügung. Zur Erläuterung der Wirkungsweise des digitalen Filters nach Bild VI-8b soll die Spannung u1 für t < 0 den Wert 0 haben und zum Zeitpunkt t = 0 auf den Wert U0 springen. Sie gelangt auf eine Laufzeitkette mit den Einzelverzögerungszeiten t. Die Ausgangsspannung u2 wird durch Summation der Ausgangsspannungen der Verzögerungsglieder gebildet, nachdem diese noch mit den Faktoren an multipliziert worden sind. Für das Beispiel gilt: k = 0,5; a0 = k = 0,5; a1 = k2 = 0,52 = 0,25; a2 = k3 = 0,53 = 0,125 usw.; u1 = U0 = 10 V. Dann gilt für die Ausgangsspannung u2:
L
R
a)
Cr
Ck = 56 pF SFZ 460A
ue
ua
b) +UB
c) +UE 56 k
3,3 k
ZFEing.
12 k CFT 455
100 n
18 k 1 k
3,9 k
1k
100 n
d)
Bild VI-7 Quarzfilter, keramische Filter a) Ersatzschaltbild eines Quarzes b) Quarzfilter (Fa. Stettner) c) Keramikfilter, Innenaufbau (Fa. Murata) d) Schaltungsauszug mit Filter nach c) Die Bandbreite von 4,5 kHz eignet sich für einseitenbandmodulierte Trägerschwingungen mit einer Nutzsignalbandbreite von 4,5 kHz oder für zweiseitenbandmodulierte Trägerschwingungen mit einer dann für Sprachübertragung ausreichenden Signalbandbreite von 2,25 kHz. Die Bilder VI-7c und d zeigen die Innenschaltung des Keramikfilters vom Typ CFT 455 (Fa. Murata) und dessen Einsatz in einer elektronischen Schaltung. Die Anordnung der Anschlüsse ist in beiden Bildern gleich. Diese Filter sind z.B. mit 15 Resonatoren erhältlich (Typ CFS 455). Die Bandbreite kann ausgewählt werden, sie wird durch einen angehängten Buchstaben gekennzeichnet, z.B. CFT 455 F, F bedeutet 8,4 kHz. Die Zahl der Quarzresonatoren legt die Steilheit der Filterkurve außerhalb der Mittenfrequenz fest, während über die Koppelkondensatoren (Bild VI-7b, c) bzw. die Schwingkreise die Bandbreite eingestellt wird.
2.7 Digitale Filter Die Theorie digitaler Filter würde den Rahmen dieses Buches sprengen, deshalb soll die prinzipielle Wirkungsweise nach Bild VI-8 am Beispiel eines Tiefpaßfilters erläutert werden. Bild VI-8a stellt das Filter
t = 0 ... t : u 2 , 0 = a 0 ⋅ u1 = k ⋅ u1 = 0 , 5 ⋅ u1 = 5 V
t = t ... 2 t : u 2 ,t = a 0 ⋅ u1 + a1⋅ u1 = k ⋅ u1 + k 2 ⋅ u1 = 5 V + 2,5 V = 7,5 V t = 2 t ... 3t : u 2 , 2 t = a 0 ⋅ u1 + a1⋅ u1 + a 2 ⋅ u1 = k ⋅ u1 + k 2 ⋅ u1 + k 3 ⋅ u1 = 8, 75 V t = 3t ... 4 t : u 2 , 3 t = a 0 ⋅ u1 + a1⋅ u1 + a 2 ⋅ u1 + a 3 ⋅ u1 = k ⋅ u1 + k 2 ⋅ u1 + k 3 ⋅ u1 + k 4 ⋅ u 1 = 9, 375 V
In Bild VI-8c ist der Verlauf der Spannung u2 eingetragen. Sind theoretisch unendlich viele Verzögerungsglieder vorhanden, geht die Spannung u2 gegen k ∞ 1 den Wert 10 V, wenn man die Formel ∑ ⎛⎜ ⎞⎟ = 1 k = 1⎝ 2 ⎠ verwendet. Der in Bild VI-8c gezeigte Verlauf der Ausgangsspannung ist der digital kodierte Verlauf der Funktion u2 = 10 V(1 – exp(t/T)). Er entspricht damit der Sprungantwort eines Tiefpaßfilters. Über die Verzögerungszeit t wird die Grenzfrequenz des Filters eingestellt. In der Praxis wird man den idealen Verlauf durch eine endliche Anzahl von Verzögerungsgliedern annähern. Durch entsprechende Wahl der Koeffizienten a0, a1, a2, ... lassen sich verschiedene Filtercharakteristiken einstellen. Hierin liegt auch die große Bedeutung der digitalen Filter. Soll beispielsweise das soeben dargestellte Tiefpaßfilter in ein Hochpaßfilter umprogrammiert werden, sind die Koeffizienten a0, a1, a2, ... folgendermaßen einzustellen, wenn k = 0,5 unverändert übernommen wird: a0 = + k0 = 1; a1 = – k1
1024
Nachrichtentechnik
= – 0,5; a2 = – k2 = – 0,52 = – 0,25; a3 = – k3 = – 0,53 = – 0,125; usw. Damit ergibt sich für u2:
Folgende zwei Arten von Filtern werden unterschieden:
t = 0 ... t : u 2 , 0 = a 0 ⋅ u1 = k ⋅ u1 = 1 ⋅ u1 = 10 V
t = t ... 2 t : u 2 ,t = a 0 ⋅ u1 + a1⋅ u1
= 1⋅ u1 − k ⋅ u1 = 10 V − 5 V = 5 V t = 2 t ... 3t : u 2 , 2 t = a 0 ⋅ u1 + a1⋅ u1 + a 2 ⋅ u1 = 1 ⋅ u1 − k ⋅ u1 − k 2 ⋅ u1 = 10 V − 5 V − 2 , 5 V = 2 , 5 V t = 3t ... 4 t : u 2 , 3 t = a 0 ⋅ u1 + a1⋅ u1 + a 2 ⋅ u1 + a 3 ⋅ u1 = 1 ⋅ u1 − k ⋅ u1 − k 2 ⋅ u1 − k 3 ⋅ u1
Nichtrekursive Filter: Die Ausgangsspannung u2 wird nicht auf das Filter zurückgeführt. Rekursive Filter: Die Ausgangsspannung u2 gelangt auf eine zweite Laufzeitkette, deren Ausgangsspannung auf den Eingangsteil des Filters zurückgeführt wird. Auf diese Weise lassen sich sehr komplexe Filterfunktionen erreichen.
2.8 Filter mit geschalteten Kondensatoren, SC-Filter Das Prinzip dieser Filter (engl. switched capacitor filter) ist in Bild VI-9a dargestellt.
= 1, 25 V
Die Spannung u2 verläuft gemäß der Sprungantwort eines Hochpaßfilters. Die Operationen ,Multiplizieren‘ und ,Summieren‘ der Digitalwerte nach Bild VI-8b geschehen in einem Rechner, bei dem man durch entsprechende Programmierung die Filtercharakteristik wählen bzw. ändern kann. Außerdem sind die Filtereigenschaften nicht von Bauteiletoleranzen bzw. -änderungen abhängig. Für die Nachrichtentechnik sind diese Filter nur begrenzt verwendbar, weil bei hohen Signalfrequenzen die erforderliche Anzahl von Rechenoperationen zeitlich nicht mehr durchführbar ist.
R
i
i
^
u2
u1
=u
u2
1
C
a)
u1
C
u2
C
^ =
b)
/#
ue a)
u1 Digitaler u2 #/ Filter
fab
u1
t
t
a0
a1
t
CR
C
t c)
a2
a3
an-1
a0·u1 a1·u1 a2·u1 a3·u1 =k·u1 =k2·u1 =k3·u1 =k4·u1
an-1· u1=kn · u1
u2 t Verzögerungsglied
Multiplizierer
Addierer
b) u2
9.375 V
8,75 V 10 V 7,5 V 5V
c)
R
ua
t
2t
3t
4t t
Bild VI-8 Prinzip digitaler Filter am Beispiel eines Tiefpasses a) Filter mit Peripherie b) Digitales Tiefpaßfilter, nichtrekursiv c) Verlauf der Ausgangsspannung
Bild VI-9 Filter mit geschalteten Kapazitäten (SC-Filter) a) Darstellung eines Widerstandes R b) Realisierung in CMOS-Technologie c) Tiefpaß erster Ordnung Der Schalter schaltet periodisch zwischen den beiden Stellungen hin- und her mit einer Frequenz f (f = 1/T), die wesentlich größer ist als die höchste Signalfrequenz der Spannung u1. Auf dem Kondensator entstehen Ladungsänderungen DQ = C(u1 – u2), die _ einen mittleren Strom i = DQ/T = C(u1 – u2)/T vom Eingang zum Ausgang zur Folge haben. Dieser Strom entspricht einem Widerstand R der Größe R = _ (u1 – u2)/ i = T/C. Bei einem vorgegebenen Kondensator C kann der Wert von R also über die Periodendauer T eingestellt werden. Schaltungstechnisch realisiert werden diese Filter in Form von Integrierten CMOS-Schaltungen, die aus Schaltertransistoren, Verstärkern und Kapazitäten bestehen (Bild VI-9b). Bild VI-9c zeigt die Realisierung eines Tiefpaßfilters erster Ordnung. Der Widerstand R wird durch den
VII Empfängerschaltungstechnik
1025
Tabelle VI-4 Auswahl industriell gefertigter SC-Filter Typ
Hersteller
Filtertyp
Ordnung
Taktfrequenz
MAX 262 MF 10 CS 7008 XR 1003 MF 6 TSG 8532 MF 8
Maxim National Crystal Exar National Thomson National
2 ⋅ 2ter Ordnung 2 ⋅ 2ter Ordnung 8ter Ordnung 4ter Ordnung 6ter Ordnung 6ter Ordnung 2 ⋅ 4ter Ordnung
40 Hz ... 4 MHz 10 Hz ... 1 MHz max. 1 MHz 100 Hz ... 1 MHz max. 250 kHz 5 kHz ... 1,8 MHz 100 Hz ... 20 kHz
RM 5614 LMF 90
Reticon National
Universalfilter Universalfilter Universalfilter Bessel-Tiefpaß Butterworth-Tiefpaß Tschebyscheff-Hochpaß Tschebyscheff/ButterworthBandpaß Tschebyscheff-Bandpaß Cauer-Bandsperre
6ter Ordnung 4ter Ordnung
60 Hz ... 1 MHz 10 Hz ... 3 MHz
geschalteten Kondensator CR dargestellt. Die Zeitkonstante ergibt sich damit zu: t = C ⋅ R = C ⋅ T/CR. Daraus folgen zwei Vorteile dieser Filter: 1. Die Zeitkonstante hängt vom Kapazitätsverhältnis ab, nicht von den Einzelwerten.
2. Die Zeitkonstante kann über die Periodendauer T des Taktes eingestellt werden. Tabelle VI-4 gibt eine kleine Auswahl von industriell gefertigten Filtertypen. Aus der Taktfrequenz erhält man für Tiefpaßfilter eine Größenordnung für die Grenzfrequenz, wenn man sie durch 100 teilt.
VII Empfängerschaltungstechnik 1 Geradeausempfänger Beim Empfang eines Sendersignals und damit einer bestimmten Information müssen alle anderen Sendersignale wirkungsvoll unterdrückt werden, wobei die Möglichkeit bestehen muß, aus der Vielzahl der angebotenen Informationen (Sender) eine bestimmte auszuwählen. Damit muß aus dem angebotenen Frequenzspektrum ein bestimmtes Frequenzband ausgewählt und der Rest wirkungsvoll unterdrückt werden. Zur Selektion werden mehrere Hochfrequenzstufen (HFStufen) eingesetzt, von denen jede einen Verstärker und einen Schwingkreis verwendet (siehe dazu auch Kapitel VI.2.4 und Beispiel VI.3). Damit entsteht das in Bild VII-1a gezeigte Prinzip eines Geradeausempfängers. Die Resonanzfrequenz aller Schwingkreise ist gleich der gewünschten Senderfrequenz fe. Um verschiedene Sender empfangen zu können, müssen die Resonanzfrequenzen einstellbar und stets genau gleich sein. Diese Schaltungstechnik hat folgende Nachteile: 1. Bei der heutigen Senderdichte sind 5 bis 10 Schwingkreise für einen einigermaßen störungsfreien Empfang erforderlich. Das exakte Einstellen dieser Schwingkreise auf genau die gleiche Resonanzfrequenz, wenn sich diese außerdem noch in einem weiten Bereich ändert (z.B. UKW-Rundfunk: 87 MHz bis 108 MHz), ist nicht mehr möglich.
Antenne 1. HFStufe fe
NF-Vor3. HF- Demodu- und Stufe lator Endstufe
2. HFStufe fe
fe
fe
Senderauswahl
a)
Lautsprecher
Antenne HF-Vor- Mischstufe stufe fe fe fe
ZFStufe
fZF
Demodu- NF-Vorund lator Endstufe fZF
fZF f0 fZF
AVR
Lautsprecher
Oszillator b)
Senderauswahl
Bild VII-1 Schaltungsprinzipien von Empfängern a) Geradeausempfänger b) Überlagerungsempfänger
1026 2. Die resultierende Bandbreite ändert sich mit der Senderfrequenz (B = fe /Qp = fe /(Rp ⋅ 2 ⋅ p ⋅ fe ⋅ C) = f(1/C), Tabelle VI-3). Sie kann deshalb nicht optimal über den gesamten Frequenzbereich eingestellt werden. 3. Beim Fernsehempfang müßten die Schwingkreise in ihrer Resonanzfrequenz außerdem noch so gegeneinander versetzt werden, daß eine Restseitenbandübertragung möglich wird (siehe Bild V-9, Kapitel Modulation). Das ist technisch nicht zu verwirklichen.
Nachrichtentechnik einzustellen: Steigendes uAVR bewirkt sinkende Verstärkung beider Stufen. Damit ist die Amplitude am Eingang des Demodulators und daraus folgend auch die am Lautsprecher trotz schwankender Amplitude des Sendersignals nahezu konstant. Diese Schaltungstechnik wird als automatische Verstärkungsregelung (AVR) bezeichnet. Auch der Demodulator für frequenzmodulierte Signale stellt eine derartige Spannung zur Verfügung, siehe dazu Bild V-18c, uAVD, Kapitel 2.4.8.
4 Weitere Schaltungskonzepte 2 Überlagerungsempfänger Man hat deshalb das Konzept des Überlagerungsempfängers nach Bild VII-1b entwickelt. Empfangen werden soll ein Sender mit der Frequenz fe. Das von der Antenne kommende Signal wird in einer Hochfrequenz-(HF-)Vorstufe verstärkt, deren Schwingkreis auf die Resonanzfrequenz fe eingestellt wird. Zusammen mit dieser Einstellung wird die Frequenz fo eines Oszillators so verändert, daß die in der Mischstufe gebildete Differenzfrequenz fo – fe für alle möglichen Frequenzen fe konstant ist: fo – fe = konst. = fZF. Diese konstante Frequenz heißt Zwischenfrequenz (ZF). Ihr Wert ist ca. 460 kHz beim Empfang auf Lang-, Mittel- und Kurzwelle, 10,7 MHz beim UKW-Rundfunkempfang und 33,4 MHz beim Fernsehempfang. Die Zwischenfrequenz wird in einem ZF-Verstärker, der aus mehreren TransistorVerstärkerstufen und aus mehr als 10 Schwingkreisen bestehen kann, verstärkt. Da es sich um eine konstante Frequenz handelt, werden die Schwingkreise bei der Fertigung auf die erforderliche Zwischenfrequenz abgeglichen. Auch spezielle Filterkurven, wie sie z.B. für die Restseitenbandübertragung erforderlich sind, lassen sich einstellen. Beim Überlagerungsempfänger müssen also nur zwei Schwingkreise aufeinander abgestimmt werden, was technisch möglich und praktisch nur näherungsweise erforderlich ist. Es läßt sich nämlich zeigen, daß die Eigenschaften des Empfängers nicht wesentlich schlechter werden, wenn diese Abstimmung nur angenähert erreicht wird. Beim Empfang von frequenzmodulierten Sendern wird die Verstärkung der ZF-Stufe so groß gewählt, daß eine Amplitudenbegrenzung eintritt und damit eine zusätzliche Störunterdrückung erreicht wird (siehe auch Kapitel V.2.4.5, Winkelmodulation).
3 Automatische Verstärkungsregelung (AVR) Wie in Bild V-6 im Kapitel V.2.1.7, Demodulation von AM, eingetragen, wird am Demodulatorausgang eine Spannung uAVR gewonnen, deren Wert dem Mittelwert der Amplitude des Zwischenfrequenzsignals und damit des Sendersignals proportional ist. Diese Spannung wird auf die ZF- und HF-Vorstufe zurückgeführt, um die Verstärkung dieser Stufen
Moderne Empfänger weisen noch einige der folgenden Schaltungskonzepte auf, deren Realisierung z.B. so aussieht: – Die Abstimmung der Schwingkreise von Vor- und Oszillatorstufe geschieht über Kapazitätsvariationsdioden, deren Kapazität über eine Gleichspannung eingestellt wird. Diese gewinnt man über einen Spannungsteiler von einer temperaturkompensierten Z-Diode als Konstantspannungsquelle. – Für die Speicherung von Sendern zum einfachen Abruf über Tastendruck wird ein zugeordnetes Digitalwort gespeichert, das nach Senderauswahl als Eingangsgröße eines Digital-Analog-Umsetzers dient, dessen Ausgangsspannung über die Kapazitätsdioden den gewünschten Sender einstellt. – Zur Anzeige der Frequenz des empfangenen Senders mißt man die Oszillatorfrequenz und zieht vom erhaltenen Wert die Zwischenfrequenz ab. Die Eingangsfrequenz direkt zu messen ist wegen der kleinen schwankenden Amplituden nicht möglich, und außerdem erhielte man prinzipiell keine Frequenzanzeige, wenn kein Sendersignal vorhanden wäre. – Überwiegend beim UKW- und Fernsehempfang sorgt eine automatische Senderabstimmung (AFC, automatic frequency control) dafür, daß eine ungenaue Abstimmung auf die Senderfrequenz korrigiert wird. – Die Rundfunksender übertragen häufig neben dem eigentlichen Programm noch Zusatzinformationen, wie z.B. Sendername, Art des gerade übertragenen Programms (Nachrichten, E-Musik, U-Musik), Uhrzeit und Signale zur Steuerung des Empfängers für Verkehrsdurchsagen. Besonders die Autoradioempfänger nutzen den Sendernamen und die Kennung für Verkehrsdurchsagen: Der Empfänger sucht selbsttätig aus dem Angebot an Sendern gleichen Namens den am besten zu empfangenden aus, und der ausgeschaltete Empfänger wird speziell für die Verkehrsdurchsagen eingeschaltet oder der eingeschaltete Empfänger auf eine Mindestlautstärke eingestellt. – Bei der Fernsehübertragung werden von etlichen Fernsehanstalten zusätzlich zu Bild und Ton noch weitere Informationen als Videotext übertragen. Es handelt sich dabei um Zusatzinformationen zu den Sendungen, Nachrichten, Berichte usw. Man nutzt dazu vorhandene Lücken bei der Bildübertragung (Kapitel VIII).
VIII Ton- und Bildübertragung
1027
VIII Ton- und Bildübertragung 1 Rundfunk-Stereoübertragung Aus dem Laufzeitunterschied, mit dem ein Schallsignal das linke und das rechte Ohr erreicht, läßt sich die Richtung der Schallquelle erkennen. Bei der Mono-Übertragung wird das gesamte Schallsignal über einen Kanal übertragen, so daß der Mensch als Empfänger zwar die Richtung des Gesamtsignals, d.h. den Ort des Lautsprechers, erkennt, aber nicht erfährt, wo bei der Aufnahme z.B. der Sänger und wo die Musikinstrumente gestanden haben. Da dies der täglichen Praxis des Hörens widerspricht, hat man den räumlichen Eindruck durch Einführung der Stereo-Übertragung wiederhergestellt. Bei der Rundfunkübertragung gilt der Grundsatz der Kompatibilität, d.h. der Höreindruck eines Rundfunkempfängers ohne Stereoempfangseinrichtung darf durch die Aussendung des Stereosignals nicht beeinträchtigt werden. Deshalb war es auch nicht vertretbar, den naheliegenden Weg zu gehen, nämlich für Rundfunkaufnahmen zwei Mikrofone räumlich voneinander getrennt links und rechts im Raum anzuordnen und für die Monowiedergabe beide Signale zu addieren. Es hat sich gezeigt, daß dies zu einer „Verflachung“ des Höreindruckes führt. Für die Aufnahme und Wiedergabe von Musikcassetten und Compact-Discs (CDs) ordnet man die Mikrofone häufig nicht links und rechts im Raum an, sondern direkt neben- oder übereinander, Bild VIII-1a, wobei deren Richtcharakteristik nach links bzw. rechts weist. Diese Aufnahmetechnik wird mit Links-Rechts- oder X-Y-Stereofonie bezeichnet. Bei Rundfunkaufnahmen dagegen setzt man zwei Mikrofone nach Bild VIII-1b ein. Das eine steht in der Mitte und nimmt die Schallsignale aus allen Richtungen gleich gut auf (kreisförmige Richtcharakteristik, siehe Kapitel XIV.2, Schallempfänger), das andere steht ebenfalls in der Mitte und bevorzugt diejenigen Signale, die genau von rechts und genau von links kommen (Richtcharakteristik in Form einer Acht). Bei dieser mit M-S-(Mitte-Seiten-)Stereofonie bezeichneten Aufnahmetechnik wird das Mittensignal für die Monowiedergabe verwendet. Es hat sich gezeigt, daß die X-Y- und die M-S-Signale ineinander überführt werden können: X+YⳎM
M+SⳎX bzw.
X–YⳎS
(VIII.1a) M–SⳎY
Damit genügt eine der beiden Aufnahmetechniken für alle Anwendungsfälle. Die Stereo-Rundfunkübertragung wird im UKWBereich eingesetzt, weil hier durch die verwendete Frequenzmodulation eine hohe Übertragungsqualität erreicht wird. Bild VIII-2a zeigt das Spektrum eines Stereosignals vor der Frequenzmodulation des Trä-
a)
b) Mikrofon 1 Mikrofon 2
Bild VIII-1 Mikrofonanordnungen mit Richtcharakteristik für Stereo-Aufnahmen a) X-Y-Stereofonie (Links-Rechts) b) M-S-Stereofonie (Mitte-Seiten) gers. Für Monoempfang steht das Basissignal M = X + Y zur Verfügung. Ein Hilfsträger mit der Frequenz 38 kHz wird mit dem Signal S = X – Y zweiseitenband-amplitudenmoduliert. Da der Träger bei der anschließenden Frequenzmodulation und Demodulation wegen seiner großen Amplitude unerwünschte Frequenzanteile erzeugen könnte, wird er unterdrückt, was mit geeigneten Modulatorschaltungen möglich ist (siehe Kapitel V.2.2.1, Einseitenbandmodulation, und Bild V-7). Auch eines der beiden Seitenbänder hätte theoretisch noch unterdrückt werden können, ist aber praktisch wegen der erforderlichen steilflankigen Filter nicht möglich: Bei Anstieg der Frequenz von 37,980 kHz auf 38,020 kHz wäre ein Abfall der Ausgangsspannung auf weniger als 1/1000 notwendig gewesen. Da für die Demodulation im Empfänger der Träger frequenzgenau wieder zugesetzt werden muß und außerdem seine Phasenlage zu den Seitenbändern zur Erhaltung des Stereo-Effektes wichtig ist, wird ein Pilotton übertragen. Verglichen mit dem (unterdrückten) Hilfsträger hat er die halbe Frequenz (19 kHz), die gleiche Phasenlage und 1/10 der Amplitude. Bild VIII-2b stellt das Prinzip der Signalaufbereitung bis zur Modulationsstufe dar. Durch das Laufzeitglied gelangen das durch Modulation und Filterung verzögerte Signal S = X – Y und das Signal M = X + Y ohne Phasenverschiebung zueinander auf den Tiefpaß und anschließend zur Modulationsstufe. Ohne dieses Laufzeitglied wäre der Stereoeffekt verfälscht, weil eine Phasenverschiebung zwischen S und M vom Ohr als Laufzeitunterschied zwischen den Schallsignalen aufträte und als falsche Rauminformation interpretiert würde. Der Empfänger nach Bild VIII-2c führt in der Schalterstellung „Mono“ das Signal M = X + Y den beiden Verstärkern parallel zu. Für den Stereoempfang wird die Pilottonfrequenz 19 kHz in einer Frequenzverdopplerschaltung in die Frequenz 38 kHz umgewandelt. Dazu wird häufig der sinusförmige Pilotton brückengleichgerichtet. Es entsteht gemäß Fourierzerlegung u.a. die Frequenz 38 kHz. Die höherfrequenten Anteile sowie der Anteil mit 19 kHz werden durch das Bandpaßfilter unterdrückt. Nach der Demodulation bildet der Dekoder die Signale für den
1028
Nachrichtentechnik
uM
2. Um einzelne Bildpunkte in einer Entfernung von etwa 2 bis 3 Metern nicht auf dem Bildschirm erkennen zu können, sollten 625 waagerechte Linien gezeichnet werden. Bei einem Bild-Seiten-Verhältnis von Breite/Höhe = 4/3 ergibt das bei 25 Bildern pro Sekunde: Bildpunkte pro Sekunde:
Hilfsträger, unterdrückt
Basissignal Pilotton 0 0,02 a)
15 19 23
M=X+Y M
S
S=X–Y
4 1 1 (VIII.2) 625 ⋅ 625 ⋅ ⋅ 25 ⋅ = 13 ⋅ 10 6 ⋅ s s 3 Will man ein theoretisch angenommenes kleinstes Schachbrettmuster schwarz-weiß darstellen, erfordert dies: Höchste Video-Frequenz:
Laufzeitglied Ringmodulator
uM 53kHz 23 ... 53 kHz
38kHz b)
53 kHz f
38
19kHz 15kHz
FM-Demodulator
f max, th =
M=X+Y
23...53kHz 19kHz
Pilotton G 19kHz
Mono
AM-Demodulator
Decoder
X Y
38kHz 19kHz
S=X–Y 38kHz
Mono X
Man beachte, daß ein Hell-Dunkel-Muster mit einer Sinusschwingung (positive und negative Halbwelle) dargestellt werden kann, daher der Faktor 1/2 in obiger Formel. Das Signal, das die Bildröhre ansteuert, wird allgemein als Bild- oder Videosignal bezeichnet. Da der Strahl der Bildröhre vom rechten bzw. unteren Ende des Bildschirmes zum linken bzw. oberen Rand zurücklaufen muß, vergrößert sich die erforderliche Bandbreite durch diese Austastlücken um den Faktor 1,14. Andererseits kann die Bandbreite um den Kellfaktor 0,67 kleiner gewählt werden, weil das Auge nicht mehr in der Lage ist, die technisch gegebene Auflösung auch auszunutzen. In der Praxis erhält man damit: Höchste Video-Frequenz
Y
f max = B = 1,14 ⋅ 0 , 67 ⋅ 6 , 5 MHz = 5 MHz (VIII.4) Mono
c)
Stereo
Bild VIII-2 Stereo-Rundfunkübertragung a) Spektrum des Stereosignals (senderseitig) b) Erzeugung des Stereo-Modulationssignals (senderseitig) c) Stereo-Empfänger (ab Demodulator dargestellt) rechten und linken Kanal durch Anwendung der Gleichung (VIII.1): (X +Y)+(X −Y) = 2X ( X + Y ) − ( X − Y ) = 2Y
1 1 ⋅ 13 ⋅ 10 6 = 6 , 5 MHz (theoretisch) s 2 (VIII.3)
Linker Kanal Rechter Kanal
(VIII.1b)
2 Fernseh-Bildübertragung 2.1 Grundlagen, Schwarz-WeißEmpfänger Bei der Übertragung von bewegten Bildern waren folgende Forderungen zu erfüllen: 1. Es sollen mindestens 25 Bilder pro Sekunde übertragen werden, damit der Eindruck einer kontinuierlichen Bewegung entsteht.
Es muß auch die Frequenz Null übertragen werden, wenn z.B. der Bildschirm für längere Zeit dunkelgesteuert werden soll. Deshalb gilt: fmax = B. Die bisher angenommenen 25 Bilder pro Sekunde führten beim Fernsehempfang zu einem unangenehmen Flimmereffekt. Man hat deshalb im Zeilensprungverfahren einen Weg gefunden, bei gleichem Frequenz- und damit gleichem Bandbreitenbedarf von 5 MHz den Flimmereffekt zu beseitigen. Dazu schreibt der Strahl der Bildröhre zunächst die ungeraden Zeilen 1, 3, 5 bis 625 und dann die geraden Zeilen 2, 4, 6 bis 624, siehe Bild VIII-3b. Mit dem Videosignal wird ein Träger amplitudenmoduliert mit Restseitenbandübertragung, Bild VIII-3a. Somit erfordert ein Fernsehsender: Bandbreite eines Fernsehsenders: Bs = ( 5, 5 + 1, 25 + 0 , 25 ) MHz = 7 MHz
(VIII.5)
Die ersten zwei Summanden lassen sich Bild VIII-3a unmittelbar entnehmen. Der Wert 0,25 MHz dient als Sicherheitsabstand zu den zwei Nachbarsendern.
Intercarrier-Verfahren: Der Ton wird beim Fernsehen über einen separaten Sender in Frequenz-
VIII Ton- und Bildübertragung
1029
Amplitude
0 fTr
–1,25 MHz –0,75 MHz a)
quenzbereich von 0 bis 5 MHz (Gleichung (VIII.4)) und auch die Differenzfrequenz zwischen Bild- und Tonträger mit 5,5 MHz. Dieses Signal ist aber frequenzmoduliert und enthält das Tonsignal. Es wird einem weiteren Zwischenfrequenzverstärker mit der Frequenz 5,5 MHz zugeführt, aufbereitet, demoduliert und gelangt schließlich zum Tonverstärker. Bei Ausfall des Bildsenders kann das Tonsignal wegen des oben gezeigten Prinzips nicht empfangen werden, und deshalb unterschreitet der Bildsender nie die Mindest- oder Restamplitude von 10% des Maximalwertes (Weißpegel). Am Ausgang des Bildsignal-Demodulators sorgt ein Sperrkreis mit der Frequenz 5,5 MHz dafür, daß das Tonsignal von der Bildröhre ferngehalten wird. Ohne Intercarrierverfahren müßte auch für den Tonträger ein Überlagerungsempfänger eingesetzt werden, bei dem es aber nicht mehr möglich wäre, bei den hohen Senderfrequenzen von bis zu 960 MHz eine geeignete Zwischenfrequenz von ca. 10 MHz frequenzstabil zu erzeugen. Die im Empfänger erzeugte Oszillatorfrequenz müßte einstellbar sein und in der Frequenz um die Zwischenfrequenz höher sein als die Senderfrequenz. Aber auch höhere Zwischenfrequenzen sind nicht möglich, weil sich die Eigenschaften des Ratiodetektors als Demodulator für Frequenzmodulation bei Frequenzen oberhalb 15 MHz drastisch verschlechtern.
Δf +5,0 MHz fTon +5,5 MHz + – 50 kHz
Bildträger
Tonträger
Zeile 1 2 3 4
624 625 b) Bildträgeramplitude
100% 75%
vordere Schwarzschulter hintere SynchronSchwarzschulter impulse Zeileninhalt
Bild- oder Videosignal: Der Bildträger wird amplitudenmoduliert mit Restseitenbandübertragung und Negativ-Modulation, d.h. 10% der maximalen Trägeramplitude (Mindest- oder Restamplitude, erforderlich auch wegen des Intercarrierverfahrens) ergeben „Bild weiß“, 75% der maximalen Trägeramplitude „Bild schwarz“, und 100% der maximalen Trägeramplitude dienen zur Übertragung der Synchronimpulse, Bild „ultraschwarz“. Der Vorteil liegt darin, daß Störungen, die meist eine große Amplitude aufweisen, als schwarze Flecken auftreten und auf die Mehrzahl der Fernsehzuschauer weniger störend wirken als weiße. Die Synchronimpulse werden mit maximaler Amplitude übertragen und sind damit wenig störanfällig. Fehler in der Synchronisation sind für den Fernsehzuschauer sehr unangenehm.
Tonsignal: Es wird über einen getrennten Sender übertragen, die Leistung beträgt 20% vom Bildträger. Die Frequenz liegt 5,5 MHz oberhalb des Bildträgers. Weitere Daten: Träger frequenzmoduliert, Hub ± 50 kHz, Bandbreite 250 kHz.
Bildaufbau: 625 Zeilen; 625 ⋅ 4/3 = 833 Bildpunkte pro Zeile (Seitenverhältnis 4 : 3, siehe unten); Bildwechselfrequenz (Zahl der Vollbilder pro Sekunde) 25 Hz; Bildablenkfrequenz 50 Hz; Frequenz des Zeilenablenkgenerators 625 ⋅ 25/s =
Weißwert
10% c)
Schwarzwert
1% 9% ≈ 8% Impulsfolge für einen Bildwechsel 1 2 34 5
1 2 34 5
Vortrabanten 1 2 3 4 5 Nachtrabanten Hauptimpulse Zeilensynchronimpuls d)
Bild VIII-3 Fernsehübertragungstechnik a) Frequenzspektrum des Bild- und Tonsenders b) Zeilensprungverfahren (Zeilen 5 bis 623 nicht eingezeichnet) c) BAS-Signal d) Synchronimpulse im Detail dargestellt modulation übertragen, der genau 5,5 MHz oberhalb der Trägerfrequenz des Bildsenders liegt. Die Bandbreite des Fernsehempfängers ist so ausgelegt, daß in der Vorstufe und im ZF-Verstärker (siehe dazu Kapitel VII, Empfängerschaltungstechnik) der Tonträger stets mitverstärkt wird. Nach der Demodulation des Zwischenfrequenzsignals entsteht das Videosignal mit einem Fre-
1030
Nachrichtentechnik anschließender Gleichrichtung, stehen an dessen Ausgang die Zeilensynchronimpulse mit doppelter Frequenz zur Verfügung, da nur die positiven Flanken der Impulse ausgewertet werden. Führt man die gleiche Impulsfolge auf ein Integrierglied (Tiefpaß), werden die breiten Impulse zu einem Gesamtimpuls aufaddiert, der zur Synchronisation des Bildfrequenzoszillators eingesetzt wird (Bildsynchronimpuls). Bei der 624. bzw. 625. Zeile muß nämlich der Strahl vom unteren Ende der Bildröhre zum oberen Ende springen, was durch den Bildsynchronimpuls bewirkt wird. Während der hinteren Schwarzschulter läuft der Strahl zum Zeilen- bzw. Bildanfang zurück. Durch die Amplitude mit 100% ist er dunkel und damit nicht auf dem Bildschirm sichtbar. Die vordere Schwarzschulter dient dazu, Zeileninhalt und Beginn des Zeilensynchronimpulses voneinander zu trennen und den Strahl sicher dunkel zu steuern.
15 625 Hz; Frequenz des Bildablenkgenerators 50 Hz; Seitenverhältnis des Bildschirmes Breite/ Höhe = 4/3. Dieses Verhältnis wird geändert, siehe HDTV weiter unten. BAS-Signal (Bild-Austast-Synchron-Signal): Zur Modulation des Bildsenders verwendetes Gesamtsignal, bestehend aus dem Bildinhalt und den Synchronimpulsen (Bild VIII-3c). Während der Zeilen 34 bis 614 bzw. 35 bis 615 bestehen die Synchronimpulse nach jedem Zeilenende aus einem Impuls zur Zeilensynchronisation. Mit Beginn der Zeile 615 bzw. 616 (je nach Halbbild) setzt die Bildaustastlücke ein. Es wird kein Zeileninhalt mehr übertragen (75% Amplitude). Auf dem Bildschirm liegt dieser schwarz dargestellte Bereich außerhalb des sichtbaren Bildröhrenteils und stört daher nicht. Es folgen 5 schmale Ausgleichsimpulse, Vortrabanten, von denen jeder zweite zur Zeilensynchronisation dient. Dann folgen 5 doppelt so breite Hauptimpulse als Bildsynchronimpulse. Es schließen sich nochmals 5 schmale Ausgleichsimpulse, Nachtrabanten, an. Legt man die gesamte Impulsfolge (15 Stück) an ein Differenzierglied (Hochpaß) mit
Für die Fernsehübertragung werden unterschiedliche Verfahren eingesetzt. Tabelle VIII-1 listet die wichtigsten auf. In Deutschland wird die CCIR-Norm verwendet (VHF, UHF siehe Tabelle VIII-2).
Tabelle VIII-1 Fernsehnormen Einheit CCIR Europa-Norm
Kanalbandbreite Bild-/Tonträger-Abstand Videobandbreite Restseitenband Verhältnis Breite : Höhe Zeilenzahl pro Bild Zeilenfrequenz Zeilendauer Vertikalfrequenz Bilder pro Sekunde Bildträgermodulation Austastpegel/Schwarzwert Synchronpegel Weißpegel Tonträgermodulation Leistungsverhältnis Bild-/Tonträger Farbnorm Farbhilfsträger
MHz MHz MHz MHz
Hz ms Hz 1/s
% % %
MHz
Französische Norm
Englische Norm
USA
OIRT Osteuropa
8 6,5 6 0,75 4:3 625 15 625 64 50 25 AM negat. 75 100 10
VHF
UHF
VHF
UHF
VHF
UHF
7 5,5 5 0,75 4:3 625 15 625 64 50 25 AM negat. 75 100 10 ... 12,5 FM 5:1
8 5,5 5 0,75 4:3 625 15 625 64 50 25 AM negat. 75 100 10 ... 12,5 FM 5:1
14 ± 11,5 10 2 4,12 : 3 819 20 475 48,84 50 25 AM posit. 25 0 ... 3 100
8 6,5 6 1,25 4:3 625 15 625 64 50 25 AM posit. 25 0 ... 3 100
5 – 3,5 3 0,75 4:3 405 10 125 98,77 50 25 AM posit. 30 0 ... 3 10
AM 4:1
AM 8:1
AM 4:1
8 6 5,5 1,25 4:3 625 15 625 64 50 25 AM negat. 75 100 13,5 ... 15 FM 5:1
6 4,5 4 0,75 4:3 525 15 750 63,49 60 30 AM negat. 75 100 13,5 ... 15 FM 4:1
FM 4:1
PAL 4,43
PAL 4,43
– –
SECAM – 4,43 –
PAL 4,43
NTSC 3,576
– –
VIII Ton- und Bildübertragung
1031
Für die Rundfunk- und Fernsehübertragung wurden folgende Frequenzbänder festgelegt: Tabelle VIII-2 Bänder für Rundfunk- und Fernsehübertragung Band
Frequenzbereich
I
41 ... 68 MHz
II III
87 ... 108 MHz 174 ... 230 MHz
IV
470 ... 605 MHz
V
605 ... 960 MHz
VI 1
Kanäle
Bezeichnung
Fernsehkanäle 2 ... 4 UKW-Rundfunk Fernsehkanäle 5 ... 11 Fernsehkanäle 21 ... 37 Fernsehkanäle 38 ... 60
VHF
7 MHz
VHF VHF
300 kHz1) 7 MHz
UHF
8 MHz
UHF
8 MHz
11,7 ... 12,7 GHz
Kanalabstand
SHF
) Die Senderfrequenzen sind im 100-kHz-Raster gestaffelt.
2.2 Farbfernsehtechnik Bei der Entwicklung des Farbfernsehens galt der Grundsatz der Kompatibilität, d.h. vorhandene Schwarz-Weiß-Empfänger dürfen durch das Farbbild nicht beeinträchtigt werden. In der Videobandbreite von 5 MHz mußte die Farbinformation zusätzlich untergebracht werden. Statistische Untersuchungen ergaben, daß sich benachbarte Zeileninhalte in den meisten Fällen nur geringfügig voneinander unterscheiden. Demnach wird die zur Verfügung stehende Bandbreite selten voll ausgenutzt, so daß man in die „Lücken“ die Farbinformation einfügen kann. Folgende Größen sind zu übertragen: Schwarz-Weiß-Fernsehen
Farbfernsehen
Helligkeit
Helligkeit Farbart Farbsättigung
⇐
Wellenlänge in nm
Helligkeitseindruck, relativ zueinander
rot (R) grün (G) blau (B)
615 532 470
0,30 0,59 0,11 S = 1,00
Farbartsignal oder Chrominanzsignal: a) Farbton: Farbe, z.B. orange, b) Farbsättigung, z.B. Farbe kräftig oder blaß. 100%-Amplitude heißt „kein weiß enthalten“, 50%-Amplitude bedeutet: 50% Farbe, 50% weiß. Die Farbsättigung ist bereits im Y-Signal enthalten. Es werden deshalb übertragen: ( R − Y ) ′ = ( R − Y ) ⋅ 0 , 88 ( B − Y ) ′ = ( B − Y ) ⋅ 0 , 49
Helligkeitssignal oder Leuchtdichtesignal oder Luminanzsignal oder Y-Signal: Dieses Signal entspricht den „Grauwerten“. Entsprechend der spektralen Empfindlichkeit des Auges werden die 3 Farbsignale nach Tabelle VIII-3 gewichtet: Hierfür wird die folgende vereinfachte Schreibweise gewählt: Y = 0 , 30 ⋅ R + 0 , 59 ⋅ G + 0 ,11 ⋅ B
Farbe
Es setzt sich zusammen aus:
Kompatibilität ⇒
Senderseitig werden 3 Bildaufnahmeröhren mit vorgeschalteten Farbfiltern für die Farben Rot, Grün und Blau verwendet. Durch entsprechende Mischung dieser 3 Farben lassen sich alle in der Natur vorkommenden Farben darstellen. Folgende Signale werden gebildet:
Tabelle VIII-3 Wichtung der Farben rot, grün und blau
(VIII.6)
(VIII.7)
Die Faktoren 0,88 und 0,49 enthalten die Farbwichtung und sind außerdem erforderlich, damit die Signale nicht den Schwarzwert von 75% überschreiten (Bild VIII-3b).
Frequenzverkämmung: Bild VIII-4a gibt einen Ausschnitt der Spektralverteilung des Y-Signals wieder, wie sie häufig auftritt. Danach gruppieren sich um die ganzzahligen Vielfachen der Zeilenfrequenz weitere Spektrallinien mit einem Abstand von 25 Hz. Es sind also nicht alle Frequenzen im Bereich 0 ... 5 MHz belegt. In die Lücken wird der Farbhilfsträger mit seinem Spektrum so eingefügt, daß sich beide Spektren nicht oder nur selten überlappen. Der Farbhilfsträger muß eine Frequenz genau zwischen n ⋅ 15 625 Hz haben. Man hat n zu 567 gewählt:
1032
Nachrichtentechnik
Farbhilfsträgerfrequenz
breite beträgt 1,2 ... 1,5 MHz. Hilfsträger 2 wird mit dem Q-Signal [(R – Y)′ ⋅ sin a] + [(B – Y)′ × cos a] moduliert, Bandbreite 0,5 MHz. Der Winkel a ist dem Farbkreis zu entnehmen und ergibt sich beispielsweise für gelb zu 173°. Aus beiden Hilfsträgern wird das Summensignal nach Bild VIII-5 gebildet und damit der Farbhilfsträger moduliert (Quadraturmodulation). Damit gilt folgende Zuordnung: Die Amplitude des Summensignals enthält die Information über die Farbsättigung, die Phase des Summensignals enthält die Information über die Farbart. Wichtig ist, daß im Empfänger der Farbhilfsträger auch phasenrichtig zugesetzt wird, damit aus dem I- und dem Q-Signal der Winkel a im Farbkreis und damit die Farbe fehlerfrei bestimmt werden kann. Dazu wird die Phase des Quarzoszillators durch ein Synchronisationssignal (Burst-Signal, ca. 6 ... 8 Schwingungen), Bild VIII-5b, auf der hinteren Schwarzschulter entsprechend eingestellt.
15 625 Hz = 4,429 687 5 MHz 2 Bild VIII-4b zeigt, daß beide Spektren wie Kämme ineinandergreifen, ohne sich in der Regel zu behindern. Der Farbhilfsträger wird senderseitig unterdrückt, damit weniger Senderleistung erforderlich ist und keine Störungen des SchwarzWeiß-Empfanges auftreten. Er muß empfängerseitig sehr genau durch einen Quarzoszillator wieder zugesetzt werden. fHT = 567 ◊
Uy
a)
Δf
fz
2 fz Δf
Uy
fz 2
Spektrum Y -Signal
b)
f
Spektrum Farbhilfsträger
FBAS-Signal (Farb-Bild-Austast-Synchron-Signal): Gesamtsignal, das nach der Demodulation im Fernsehempfänger zur Verfügung steht. Es enthält: Synchronisiersignale, Burstsignal, Luminanzsignal und Chrominanzsignal mit den Informationen über Farbart und Farbsättigung.
PAL-Verfahren (phase alternation line):
f
fz = 15625 Hz Δf = 25 Hz
Bild VIII-4 Frequenzverkämmung (nicht maßstäblich) a) Spektrum des Y-Signals b) Spektrum von Y-Signal und Farbhilfsträger (nach unten geklappt) Trägt eine Person im Fernsehen ein Kleidungsstück mit einem sehr feinstreifigen oder sehr kleinkarierten Muster, kommt es an diesen Stellen zu einem „Farb-Flimmereffekt“. Das liegt daran, daß man dem theoretischen Schachbrettmuster schon nahe kommt, so daß sich die Spektren von Luminanzsignal und Chrominanzsignal überlappen und sich dadurch gegenseitig beeinflussen (Cross-Effekt).
Farbhilfsträger, I- und Q-Signal: Dem Farbhilfsträger werden die Informationen über die Farbart und die Farbsättigung aufmoduliert. Dazu erzeugt man zwei Trägerschwingungen: 1. Trägerschwingung: f = 4 , 429 687 5 MHz , j = 0°, Hilfsträger 1
2. Trägerschwingung: f = 4 , 429 687 5 MHz , j = 90°, Hilfsträger 2 Hilfsträger 1 wird mit dem I-Signal [(R – Y)′ × cos a] – [(B – Y)′ ⋅ sin a] moduliert, die Band-
Die Erfahrung hat gezeigt, daß folgende Voraussetzungen überwiegend erfüllt sind: 1. Zwei nacheinander geschriebene Zeilen (z.B. 1 und 3, 34 und 36) unterscheiden sich, wenn man die untereinanderliegenden Bildpunkte vergleicht, nur geringfügig in Helligkeit und Farbart voneinander. 2. Auftretende Störungen, die einen Farbartfehler durch Phasenverschiebung des Farbhilfsträgers verursachen, ändern sich während des Schreibens zweier Zeilen nur wenig. Beim PAL-Verfahren wird die Information der Zeile n vom Sender „normal“ übertragen und gleichzeitig auf eine Verzögerungsleitung mit der Verzögerungszeit 64 ms (Dauer einer Zeile, 1/15 625 Hz) gegeben. Für die Information der folgenden Zeile n + 2 wird das Summensignal aus den beiden Hilfsträgern senderseitig so umgepolt, daß sein Winkel negativ ist, Bild VIII-5c. Im Empfänger wird der Winkel des Signals wieder zurückgedreht, zu dem verzögerten Signal von Zeile n addiert und auf dem Bildschirm dargestellt. Das Nutzsignal von Zeile n + 2 wurde 2mal gedreht, hat also wieder die Originalinformation. Die Störungen auf den Zeilen n und n + 2 unterscheiden sich kaum voneinander, die Störung auf Zeile n + 2 hat aber bei der Drehung im Empfänger eine Phasendrehung von 180° erfahren. Bei der anschließenden Summation von Zeile n und
VIII Ton- und Bildübertragung
1033
Summensignal
terdrückt werden kann. Vorteil: Die Signalübertragung mit Frequenzmodulation ist wenig störanfällig. Nachteile: Die Trägeramplitude ist besonders groß bei wenig gesättigten Farben, was zu Störungen beim Schwarz-Weiß-Empfang führt. Die Amplitude wird deshalb senderseitig bei wenig gesättigten Farben abgesenkt. Der relativ kleine Frequenzhub hat kleinere Signalamplituden als beim PAL-Verfahren zur Folge, was zu „Farbrauschen“ bei kleinen Signalamplituden führt. Man wendet deshalb Pre- und Deemphase wie beim UKW-Rundfunk an.
Hilfsträger 2
a) Hilfsträger 1 Zeilensynchronimpuls
Burstsignal Zeileninhalt
Zeileninhalt
b) Hilfsträger 1
Hilfsträg. 2
Hilfsträger 1
Hilfsträger 2
Zeile n
c)
u1
uN1 uS1
Zeile n + 2
uS2
u1
P
u2 uS2 uS1
–u2 u2 –uS2
uN2 ~ uN1 Zeile n
d)
uS1,2 uN1,2 u1,2
Zeile n + 2
addiert
Signalspannung Störspannung übertragener Spannungswert
Bild VIII-5 Farbfernsehübertragung a) Farbhilfsträger, Quadraturmodulation b) Burst-Signal c) PAL-Verfahren d) Störungsunterdrückung beim PAL-Verfahren
n + 2 hebt sich die Störung damit heraus. Bild VIII-5d zeigt, daß man sowohl durch Summation der ungestörten Signale (us1 + us2) als auch durch Summation der gestörten Signale (u1 + u2) zum gleichen ungestörten Punkt P gelangt. Dieses Verfahren wird in der Bundesrepublik und in vielen anderen Ländern angewendet. Eine Weiterentwicklung, PAL-plus, wird weiter unten beschrieben.
SECAM-Verfahren: Die Signale R-Y und B-Y werden nacheinander in den Zeilen n und n + 2 übertragen. Der Farbträger hat die Frequenz 4,250 MHz (R-Y) bzw. 4,406 MHz (B-Y). Er ist frequenzmoduliert, der Frequenzhub ist unsymmetrisch: + 350 kHz ... – 506 kHz (R-Y) bzw. + 506 ... – 350 kHz (B-Y). Das Burstsignal entfällt, da bei Frequenzmodulation der Träger nicht un-
Videotext bzw. allgemein Fernsehtext: In den Zeilen 11, 12, 13, 14, 20 und 21 (erstes Halbbild) sowie 324, 325, 326, 327, 333 und 334 (zweites Halbbild) des aus 625 Zeilen bestehenden Fernsehbildes werden in den zugehörigen vertikalen Austastlücken kodierte Textdateien übertragen, die im Empfänger dekodiert und angezeigt werden können. Diese von ARD und ZDF seit 1980 zunächst versuchsweise und ab 1984 regelmäßig unterhaltene Einrichtung wird mittlerweile von vielen Fernsehanstalten genutzt und überträgt neben aktuellen Informationen zu Programmen auch Nachrichten, Wetterberichte, Sportinformationen usw. Es stehen bei einigen Anstalten mehr als 600 Seiten zur Verfügung, die mittlere Zugriffszeit liegt bei maximal 10 bis 20 Sekunden. Eine Seite besteht aus 24 Zeilen mit je 40 Zeichen. Es werden 8-Bit-Worte übertragen (Datenwort mit 7 Bit, ein Kontrollbit). Eine Videotextseite wird in vier Fernseh-Halbbildern gesendet. Durch das benutzerfreundliche Zugriffsverfahren TOP (tables of pages) können Seiten zu Themengruppen zusammengefaßt werden und ermöglichen ein schnelles Blättern ohne die umständlichere Eingabe von dreistelligen Seitennummern. Der Mehraufwand im Empfänger ist durch das Zusammenfassen aller Funktionen in einem Integrierten Baustein ohne große Bedeutung. HDTV (high definition television system): Entwicklungsziel für ein Fernsehsystem mit erheblich verbesserter Bild- und Tonqualität. Dazu gehören im wesentlichen drei Maßnahmen: 1. Anpassen der Bildschirmabmessungen an den Blickwinkel des Auges, deshalb wird das Seitenverhältnis Breite : Höhe von bisher 4 : 3 abgelöst durch 16 : 9. Für den Vergleich anschaulicher ausgedrückt: 12 : 9 geht über in 16 : 9. 2. Erhöhung der Zeilenzahl, angestrebt wird eine Verdopplung. 3. Verbesserte Tonqualität durch digitale Übertragung und Bereitstellung mehrerer Kanäle für Raumklang oder mehrsprachige Übertragung. Eine europäische Entwicklung in dieser Richtung ist das nachfolgend beschriebene MAC-Verfahren.
1034
Nachrichtentechnik
MAC; D2-MAC (multiplexed analogue components): Neue Entwicklung, bei der z.B. der CrossEffekt (siehe Frequenzverkämmung oben) verhindert wird. Es ist nicht kompatibel mit dem PAL- oder SECAM-Verfahren. MAC-Verfahren: Die Zeilenzahl beträgt weiterhin 625. In jeder Zeile mit der Dauer 64 ms werden in komprimierter analoger Form nacheinander und damit voneinander getrennt übertragen: Luminanz-(Helligkeits-)Signal für ca. 34 ms, Chrominanz-(Farb-)Signal für ca. 17 ms und der Ton für ca. 10 ms. Es gibt verschiedene Varianten des MAC-Systems. Sie wurden alle für die Übertragung über Satellit entwickelt (siehe auch Kapitel XI, Nachrichtenübertragung über Satellit), weil dort wegen der vorhandenen größeren Bandbreite die Frequenzmodulation eingesetzt werden kann. Insgesamt benötigt ein Fernsehkanal je nach Verfahren eine Bandbreite zwischen 10 und 13 MHz. D-MAC und D2-MAC-Verfahren: In der Bundesrepublik wird das System D-MAC erprobt, das eine Bandbreite von etwa 10,1 MHz erfordert. In der Austastlücke, in der bisher der Burst und die Synchronisationsimpulse lagen, ist jetzt ein Datenpaket untergebracht, das die gesamte Toninformation in digital verschlüsselter Form und die Synchron-Datenworte enthält. Geschieht die Kodierung mit einem Binärcode mit drei Signalstufen (Duobinärkodierung), kann die erforderliche Bandbreite auf etwa 8 MHz reduziert werden (D2MAC; D2 steht für duobinäre Kodierung; zum Problem der erforderlichen höheren Bandbreite bei digital kodierten Signalen siehe auch Kapitel IX, Mehrfachübertragung, Gleichungen (IX.2)
und (IX.5)). Für die Tonübertragung erreicht man damit höchste Klangtreue (CD-Qualität), da mit 32 kHz bei 14 bit Quantisierung abgetastet wird.
PAL-plus-Verfahren: 1995 eingeführtes Verfahren, das das Seitenverhältnis 16 : 9 verwendet und kompatibel ist zu dem bisher verwendeten Verhältnis 4 : 3. Empfänger nach alter Norm reduzieren die 576 Zeilen auf (3/4) ⋅ 576 = 432 aktive Zeilen mit schwarzen Bereichen oben und unten, in denen für die Empfänger nach neuer Norm Informationen enthalten sind, die die Darstellung mit 576 Zeilen schirmfüllend sicherstellen. In der ersten Hälfte der 23. Zeile wird ein Signal zur Einstellung des Empfängers auf das aktuelle Wiedergabeformat übertragen (WSS, wide screen signalling). Außerdem wird durch eine verbesserte Farbcodierung das Luminanzsignal mit 5 MHz Bandbreite übertragen.
Mehrkanalton: Zusätzlich zum ersten Tonträger wird im Abstand von 0,242 187 5 MHz ein zweiter übertragen. Über die Fernbedienung des Empfängers kann nach Tabelle VIII-4 gegebenenfalls zwischen mehreren Alternativen gewählt werden.
Kanal 1 überträgt das Mittensignal M und wird von Mono-Empfängern ausgewertet. Bei Stereosendungen können über die Verknüpfungen nach Gleichung VIII.1b die Signale X und Y für den linken und rechten Kanal gewonnen werden. Zweitonübertragung geschieht in Monowiedergabe für jeden Kanal und wird z.B. eingesetzt, um den Ton sowohl in deutscher (Kanal 1) als auch in englischer Sprache (Kanal 2) zur Verfügung zu stellen.
Tabelle VIII-4 Mehrkanalton-Verfahren Betriebsart
Kanal 1
Kanal 2
Pilotton moduliert mit
Mono Stereo Zweiton
Mono (M)*) (X + Y)/2 = M*) Mono 1
Mono (M)*) Y*) Mono 2
0 Hz 117,5 Hz 274,1 Hz
*) siehe Gleichung VIII.1a
IX Mehrfachübertragung – Multiplexverfahren Ziel der Mehrfachübertragung ist es, einen vorhandenen Übertragungskanal optimal zu nutzen. Optimal im strengen Sinn heißt, daß die Bandbreite des Kanals voll ausgenutzt wird und daß es keine Zeiträume gibt, in denen keine Information übertragen wird. In der Praxis versucht man, diesem Ziel so nahe wie möglich zu kommen, weil der Übertragungskanal
einen erheblichen Anteil an den Gesamtkosten der Nachrichtenübertragungsstrecke hat. Der Kanal kann drahtlos oder drahtgebunden sein, und der Begriff „gleichzeitig“ muß beim Zeitmultiplexverfahren durch „quasi gleichzeitig“ ersetzt werden. Für das Verfahren der Mehrfachübertragung müssen die drei folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:
IX Mehrfachübertragung – Multiplexverfahren
1035
1. Das empfangene Gesamtsignal muß sich wieder eindeutig in die Einzelsignale (Basissignale) zerlegen lassen. 2. Die Bandbreite des Übertragungskanals muß größer sein als die Bandbreite eines Basissignals. 3. Die zu übertragenden Signale müssen jedes für sich frequenzbandbegrenzt sein, damit das Shannonsche Abtasttheorem nach Kapitel I.4.10 angewendet werden kann.
Aufeinanderfolge der übertragenenen diskreten Signalamplituden 123456789
uS1
t
0 uS2
1 Zeitmultiplexverfahren Das Frequenzspektrum der in Bild IX-1 dargestellten Signalverläufe uS1, uS2 und uS3 wurde zunächst über ein Tiefpaßfilter auf die höchste Frequenz fg begrenzt und dann mit einer Frequenz fab = 1/DT abgetastet, die von fg und der Anzahl n der Signale (hier 3) abhängt: Abtastfrequenz
f ab ≥ n ⋅ 2 , 2 ⋅ f g
(IX.1)
uS3
a)
n Zahl der zu übertragenden Basissignale, fg höchste in den Signalen enthaltene Frequenz
Dabei wurde das Abtasttheorem nach Kapitel I.4.10, Gleichung (I.18), verwendet. In Gleichung (IX.1) ist berücksichtigt worden, daß, wie in der Praxis üblich, alle Signale mit der gleichen Frequenz abgetastet werden. Diese wiederum wird durch das Signal mit der höchsten zu berücksichtigenden Signalfrequenz vorgegeben. Die zu den diskreten Zeitpunkten abgetasteten Signalamplituden (1, 2, 3, ...) werden über den Schalter S1 nacheinander über den Übertragungskanal übertragen und im Empfänger mit dem Schalter S2 dem entsprechenden Kanal wieder zugeordnet. Man spricht deshalb von „quasi gleichzeitiger“ Übertragung. Um die Zuordnung der Schalterstellungen eindeutig zu machen, ist ein Synchronisationssignal usyn erforderlich, das man entweder über eine zusätzliche Schalterstellung überträgt oder das über Zusatzinformationen zusammen mit den Signalamplituden gewonnen wird. Je nach Anforderung an die Störsicherheit der Übertragung muß entweder jede einzelne Schalterstellung eindeutig kodiert dem Empfänger übermittelt werden, oder aber es genügt eine Kennung zur Weiterschaltung auf die nächste Schalterstellung bei gelegentlicher eindeutiger Synchronisation der Schalterstellungen. Die Übertragung kann in analoger (Bild IX-1) oder digital kodierter Form erfolgen. Bei der digitalen Kodierung bewährt sich ein Verfahren nach Kapitel V.4.4.7 und Bild V-35, das die Gewinnung des im Sender verwendeten Taktes ermöglicht.
1.1 Analoge Signalübertragung Die für den Übertragungskanal erforderliche minimale Bandbreite bei analoger Signalübertragung berechnet sich zu: Minimale erforderliche Bandbreite des Kanals: Ban, min = n ⋅ f g + f syn (IX.2) n Zahl der zu übertragenden Basissignale, fg höchste in den Basissignalen enthaltene Frequenz (Sinusform) in Hz, fsyn Frequenz des Synchronisationssignals in Hz
t
0
0
ΔT
Sender uS1ab uS2ab uS3ab uSyn
tt
ÜbertragungsS1 kanal
Empfänger S2
u*S1ab u*S2ab u*S3ab u*Syn
b) Signalflußrichtung 7 5 8 6 43 1 2 9
c)
ΔT
t
Bild IX-1 Zeitmultiplexverfahren, analoge Übertragung a) Drei Signalverläufe b) Prinzip der Übertragung c) Signalverlauf auf dem Übertragungskanal Die Frequenz fsyn des Synchronisationssignals ergibt sich aus dem verwendeten Übertragungsverfahren. Ein vollständiger Zyklus (Schalterumlauf) ist periodisch mit der Zeit tum: Zykluszeit eines Schalterumlaufes: t um = n ⋅ t + n ⋅ t sch + t syn
(IX.3)
n Zahl der zu übertragenden Basissignale, t Dauer des abgetasteten Signals in s, tsch Zeit zum Weiterschalten auf den nächsten Kanal in s, tsyn Zeit für die Schaltersynchronisation in s
In der Zeit tsch ist neben der reinen Umschaltzeit meist noch ein Sicherheitsabstand enthalten, damit ein ungestörter Übergang auf das nächste Signal sichergestellt ist. Um die Zeit tsch klein zu halten, werden Feldeffekt-Transistor-Schalter mit Schaltzeiten im nsBereich eingesetzt.
1036
Nachrichtentechnik Kanal 1
Die Zahl der zu übertragenden Signale kann bei gegebener Kanalbandbreite auch durch die endliche Dauer t der Abtastimpulse (Bild IX-1a, c) begrenzt werden, denn es muß gelten: t < DT = 1/ f ab
2
(IX.4)
1.2 Digital kodierte Signalübertragung Die in Bild IX-1a dargestellten Amplitudenwerte werden in einem Analog-Digital-Umsetzer in digital kodierte Signale umgesetzt und dann über den Kanal übertragen. Die erforderliche minimale Bandbreite läßt sich bestimmen: Minimale erforderliche Bandbreite des Kanals: Bdi, min = n ⋅ k ⋅ f g + f syn
0,3
3,4 3,85 kHz
a)
(IX.5)
n Zahl der zu übertragenden Basissignale, k Zahl der Bits pro Amplitudenwert (Abtastwert), fg höchste in den Basissignalen enthaltene Frequenz (Sinusform) in Hz, fsyn Zahl der Synchronbits in 1/s
Die Übertragung digital kodierter Amplitudenwerte erfordert nach Gleichung (IX.5) eine höhere Bandbreite als die analoge Übertragung nach Gleichung (IX.2), dafür ist sie aber auch weniger störanfällig. Deshalb findet auch der Digitale Satellitenrundfunk (DSR) im unteren GHz-Bereich statt, weil dort die erforderliche große Bandbreite zur Verfügung steht. Auch bei ausreichender Kanalbandbreite muß die Bedingung DT > k ⋅ Tbit
3
(IX.6)
k Zahl der Bits pro Amplitudenwert; Tbit Zeitdauer für ein Bit in s
eingehalten werden. Die Deutsche Telekom verwendet für den Fernsprechverkehr u.a. auch das Zeitmultiplexverfahren. Aus der Vielzahl der verwendeten Systeme seien zwei aufgeführt: 1. System PCM 30: Es werden 30 Gespräche gleichzeitig übertragen. Ein Pulsrahmen (entspricht einem Schalterumlauf) erzeugt 30 Codewörter zu je 8 Bit, die verschlüsselt die Amplitudeninformationen der 30 Kanäle enthalten. Es werden noch zwei weitere 8-Bit-Codewörter hinzugefügt, die u.a. Informationen über die Kennzeichen der Kanäle und eine Kennung des Rahmens enthalten. Jeder Kanal wird 8000mal pro Sekunde abgetastet, so daß sich ein Informationsfluß von 8000 ⋅ 8 ⋅ 32 bit/s = 2048 kbit/s ergibt. 2. System PCM 30720: Es werden 30720 Gespräche gleichzeitig über eine Glasfaser von ca. 125 mm Dicke über Hunderte von Kilometern übertragen.
2 Frequenzmultiplexverfahren Das Frequenzmultiplexverfahren wird von der Deutschen Telekom in großem Umfang im Fernsprechnetz eingesetzt und soll anhand dieser so bezeichneten TFTechnik (Trägerfrequenz-Technik) erläutert werden. Der Frequenzbereich für die Gesprächsübermittlung (Basisband) beträgt 300 Hz bis 3,4 kHz. Frequenzen unterhalb 300 Hz erschweren die Sprachverständlichkeit, Frequenzen oberhalb 3,4 kHz erhöhen sie nicht weiter. Man kann den Frequenzbereich oberhalb 3,4 kHz deshalb abschneiden und Kanalbandbreite einsparen.
12 12,3
16
20 20,3 23 23,85 kHz
b)
60,15 c)
71.7 72,15
84,15 84 83,7
96,15 108 120 kHz 96 108 95,7
Bild IX-2 Frequenzmultiplexverfahren am Beispiel des Fernsprechnetzes der Deutschen Telekom, unterdrückte Träger gestrichelt dargestellt a) Drei Fernsprechkanäle b) Bildung der Vorgruppe c) Grundprimärgruppe
In Bild IX-2a sind drei Telefonkanäle dargestellt, wobei auch die Verbindung zum hausinternen Telefon einen Kanal darstellt. Zur Übermittlung des Kennzeichens (Rufnummer) wird die Frequenz 3,85 kHz verwendet. Im folgenden wird das mit BW 52 und BW 7 bezeichnete Verfahren erläutert. Kanal 1 wird einer Trägerschwingung mit 12 kHz, Kanal 2 einer mit 16 kHz und Kanal 3 einer mit 20 kHz in Einseitenband-Amplitudenmodulation (ESB-AM) ohne Träger in Normallage aufmoduliert, so daß das in Bild IX-2b eingezeichnete Frequenzspektrum dieser Vorgruppe von 12,3 kHz bis 23,85 kHz entsteht. In einer zweiten Modulationsstufe werden vier Vorgruppen der Frequenzlage von je 12 bis 24 kHz einer Trägerfrequenz 120 bzw. 108 bzw. 96 bzw. 84 kHz in ESB-AM und Kehrlage aufmoduliert und bilden die sogenannte Grundprimärgruppe (Bild IX-2c). Damit können bereits 12 Gespräche gleichzeitig über einen Übertragungskanal mit dem Frequenzbereich 60,15 kHz bis 107,7 kHz übertragen werden. Bei der Deutschen Telekom werden noch weitere Gruppen gebildet (Sekundär-, Tertiär-, Quartärgruppen), so daß für die Übertragung u.a. folgende Systeme zur Verfügung stehen (Tabelle IX-1):
X Richtfunktechnik
1037
Tabelle IX-1 Bei der Deutschen Telekom eingesetzte Frequenzmultiplexverfahren (Auswahl) System
Übertragungs-Frequenzband
Zahl der Gespräche (gleichzeitig)
Kabeltyp, Kabeldurchmesser innen/außen, Abstand der Zwischenverstärker
V300 V960 V2700 V10800
60 bis 1296 kHz 60 bis 4028 kHz 312 bis 12 388 kHz 4,332 bis 59,684 MHz
300 960 2 700 10 800
Koaxialleitung, 1,2/4,4 mm, 4 km Koaxialleitung, 1,2/4,4 mm, 4 km Koaxialleitung, 2,6/9,5 mm, 4,65 km Koaxialleitung, 2,6/9,5mm, 1,55 km
Dabei ist es möglich, den beim Verfahren V10800 nicht benutzten Frequenzbereich bis 4,332 MHz durch ein System V960 zu belegen. Der dann noch verbleibende freie Bereich von 0 bis 60 kHz wird von 6 bis 54 kHz durch eine der Trägerfrequenz 114 kHz aufmodulierte Grundprimärgruppe belegt. Die Bildung von Gruppen und damit die Mehrfachmodulationen (Träger 12, 16, 20 kHz, dann 120, 108, 96, 84 kHz) ist erforderlich, damit einerseits die Fernsprechkanäle dicht beieinander liegen (Abstand 150 Hz bei der Vorgruppe, 450 Hz bei der Grundprimärgruppe) und so möglichst wenig Kanalbandbreite ungenutzt bleibt, andererseits die einzelnen Kanäle wieder eindeutig voneinander getrennt werden können. Außerdem ist die Einseitenbandfilterung in der Grundprimärgruppe erst möglich, weil die Seitenbän-
der 24 kHz auseinanderliegen (deshalb auch die niedrigste Trägerfrequenz 12 kHz in der Vorgruppe und nicht 8 oder 4 kHz). Verallgemeinert gilt für das Frequenzmultiplexverfahren, daß es dann einsetzbar ist, wenn der vorhandene Übertragungskanal (z.B. Koaxialkabel) eine viel größere Bandbreite besitzt als ein Basissignal. Die erforderliche Kanalbandbreite BK ergibt sich aus den hier als gleich angenommenen Bandbreiten BS der Basissignale:
Erforderliche Kanalbandbreite: B K = n ⋅ BS + n ⋅ Df
(IX.7)
BS Signalbandbreite eines Basissignals in Hz; n Zahl der Basissignale; Df Frequenzabstand zwischen zwei Basissignalen nach der Modulation zur Kanaltrennung in Hz
X Richtfunktechnik Die Nachrichtenübertragung über Richtfunkstrecken wird neben der Übertragung über Kabel eingesetzt. Gegenüber der Rundfunk- und Fernsehübertragung weist sie folgende Unterschiede auf: 1. Sender und Empfänger sind ortsfest. Da es nur einen Empfänger gibt, kann die Übertragung mit einem gerichteten elektromagnetischen Feld erfolgen. 2. Der verwendete Frequenzbereich liegt z.Zt. zwischen 300 MHz und 30 GHz. Damit werden Parabolantennen als Richtantennen eingesetzt, weil sie gute Richteigenschaften und handhabbare Abmessungen (Durchmesser < 4,5 m) aufweisen. 3. Die Übertragung geschieht quasioptisch, so daß Entfernungen bis maximal etwa 100 km überbrückbar sind. Bei größeren Entfernungen werden Zwischenstationen eingesetzt. Durch diese Art der Übertragung ergeben sich folgende Vorteile: 1. Die verwendete Frequenz kann mehrfach benutzt werden, sofern die Richtfunkstrecken räumlich voneinander getrennt sind. 2. Die Richtfunkstrecke kann parallel zur Kabelübertragung eingesetzt werden und vermindert damit die Ausfallrate der Übertragungsstrecke.
3. Sie wird dort eingesetzt, wo eine Verlegung von Kabeln aus geografischen oder politischen Gründen nicht möglich ist. So wurde der Telefonverkehr mit Berlin während der Existenz der DDR über Richtfunkstrecken abgewickelt (Torfhaus – Berlin). 4. Richtfunkstrecken erfordern relativ wenig Aufwand und sind deshalb auch für mobile Anlagen geeignet. Häufig kann ein vorhandener hoher Turm für die Antennenmontage mitverwendet werden, so daß dadurch die Reichweite erhöht wird. Der verwendete Frequenzbereich von 300 MHz bis 30 GHz ist aus folgenden Gründen besonders gut geeignet: 1. Durch die quasioptische Ausbreitung und die Bündelung treten wenig Überlagerungen mit anderen Signalen auf. 2. Das kosmische Rauschen ist genau in diesem Bereich besonders gering („Mikrowellenfenster“). 3. Die Dämpfung der Atmosphäre ist gering, und an den Schichten der Ionosphäre finden kaum Reflexionen statt. 4. Die Beugung und Reflexion an Regentropfen ist noch gering (f = 10 GHz Ⳏ l = 3 cm). 5. Die Antennenabmessungen sind handlich.
1038 Ein wesentlicher Nachteil ist die Zusatzdämpfung bei starken Niederschlägen, die ab etwa 10 GHz einsetzt. Zur Erhöhung der Verfügbarkeit einer Übertragungsstrecke, die durch Schwunderscheinungen (Überlagerung von zwei Feldern mit 180° Phasenverschiebung) verringert wird, verwendet man: Frequenzdiversity: Es wird das gleiche Signal über zwei parallele Übertragungskanäle mit unterschiedlichen Frequenzen übertragen. Raumdiversity: Die Übertragung geschieht räumlich auf zwei unterschiedlichen Wegen, wobei auch die Empfänger örtlich voneinander getrennt sind. Einige weitere für die Übertragung wichtige Formeln und Begriffe sind hier aufgelistet. Freiraumdämpfung: Dies ist die Dämpfung zwischen Sende- und Empfangsantenne, wenn beide als Kugelstrahler ausgebildet sind: Freiraumdämpfungsmaß 4 pl in dB (X.1) a 0 = 20 ⋅ lg l l Entfernung in m, l Wellenlänge in m
Schwund: Störungen der Ausbreitungsbedingungen. Interferenzschwund: Überlagerung von direkt empfangener und reflektierter Welle und damit teilweise oder totale Auslöschung. Absorptionsund Streuverluste: Streuung und Dämpfung durch Wassertropfen und Wasserdampf, besonders für Frequenzen ab 10 GHz. Antennen: Es werden hauptsächlich Parabolantennen mit Durchmessern <4,5 m eingesetzt. Unter Halbwertsbreite versteht man den Winkel gegenüber der Hauptstrahlrichtung, bei der der Antennengewinn auf die Hälfte (–3 dB) abgesunken ist. Bei Parabolantennen liegt der Winkel zwischen 0,5° und 4°. Die Halbwertsbreite sinkt mit steigendem Antennendurchmesser, so daß große Antennen eine größere Richtwirkung besitzen als kleine. (Siehe auch Kapitel IV.3.10, Parabolantennen). Antennengewinnmaß: Angegeben wird das logarithmische Maß (siehe auch Kapitel IV, Antennen, Gleichung (IV.10a, b, c)): Antennengewinnmaß 4r 2p 2 q dB (X.2) G = 10 ⋅ lg l2
r Radius der Antenne in m, q Flächenausnutzungsfaktor, q ≈ 0,6, l Wellenlänge in m
Dieses Antennengewinnmaß gilt sowohl für die Sende- als auch für die Empfangsantenne. Gesamt-Systemdämpfung: Das Gesamtdämpfungsmaß ages zwischen Sender und Empfänger läßt sich wie folgt berechnen: Gesamt-Systemdämpfungsmaß: (X.3) a ges = a 0 + a L − ( G S + G E )
a0 Freiraumdämpfungsmaß in dB nach Gleichung (X.1), aL Zuleitungsdämpfungsmaß in dB, GS, GE Antennengewinnmaß der Sendebzw. Empfangsantenne nach Gleichung (X.2)
Nachrichtentechnik Weitere Einzelheiten sind im Beispiel X.1 aufgeführt.
Scatterverbindung: Bei dieser auch als Überreichweitenanlage bezeichneten Richtfunkstrecke besteht zwischen den zwei Richtfunkstellen keine optische Sicht. Der Einsatz von Relaisstationen ist aus geografischen oder politischen Gründen nicht möglich. Dann richtet man beide Antennen nach Bild X-1 auf einen gemeinsamen Punkt in der Troposphäre und nutzt die dort auftretenden Brechwertinhomogenitäten aus, die einen geringen Teil der Energie zur jeweils anderen Antenne reflektieren. Da dieser Anteil sehr klein ist, sind relativ hohe Sendeleistungen erforderlich. Dieses Verfahren wurde im Telefonverkehr zwischen der Bundesrepublik und Westberlin während der Existenz der DDR eingesetzt. Die Entfernung beträgt etwa 200 km. Auf dem Torfhaus (Harz) wurde in 800 m Höhe über NN unter einem Winkel von –0,5° in Richtung Berlin gesendet. Etwa über Magdeburg traten Beugungen in 800 ... 1000 m Höhe auf, so daß ein kleiner Teil des Hauptstrahles auf die Empfangsantenne in Berlin umgelenkt wurde. Das gleiche fand in umgekehrter Richtung statt. Die Sendeleistung, die bei optischer Sicht mit etwa 5 W ausgereicht hätte, mußte auf 1 kW erhöht werden. Sende- und Empfangsantennen hatten bei einer Frequenz im Bereich von 2,1 ... 2,3 GHz einen Durchmesser von 10 m bzw. im Frequenzbereich von 1,7 ... 2,1 GHz einen Durchmesser von 18 m. Es wurde mit Raum-Diversity (s.o.) gearbeitet. –0,5° 1000 m 800 m
800 m Torfhaus (Harz) Magdeburg 85 km
Berlin
115 km
Bild X-1 Scatterverbindung im Telefonverkehr Bundesrepublik – Westberlin Beispiel X.1: Ein Sender hat am Ausgang eine Leistung von 1 W
bei einer Frequenz f = 12 GHz (l = 2,5 cm) und speist über eine Zuleitung der Länge lL = 10 m und dem Dämpfungsmaß a*L = 12 dB/100 m eine Parabolantenne mit einem Durchmesser von 2 m. In einer Entfernung l = 15 km steht die Empfangsantenne mit dem gleichen Durchmesser. Mit q = 0,6 und Gleichung (X.3) folgt:
a ges = 20 ⋅ lg
4r 2 p 2 q 4 pl 12 dB + ⋅ 10 m − 2 ⋅ 10 ⋅ lg 100 m l l2
= 20 ⋅ lg
4 ⋅ p ⋅ 15 ⋅ 10 3 m −2
dB +1,2 dB − 20 ⋅ lg
2,5 ⋅ 10 m = 137,5 dB + 1,2 dB − 91,6 dB = 47,1 dB
4 ⋅ 1m 2 ⋅ p 2 ⋅ 0 , 6 2 , 5 2 ⋅ 10 − 4 m 2
Die Leistung PE an der Empfängerantenne ergibt sich zu:
47,1 dB = 10 ◊ lg
1W 1W fi PE = 4,71 = 19,5 mW . PE 10
XI Nachrichtenübertragung über Satellit Heute werden von der Telekom überwiegend DigitalRichtfunksysteme (DRS) eingesetzt. Ein solches System ist z.B. DRS 34/15000. Es ist ein PCM-System mit Puls-Code-Modulation und einer Übertragungs-
1039 rate von 34 Mbit/s und überträgt im 15-GHz-Bereich. Damit lassen sich etwa 500 Fernsprechkanäle gleichzeitig übertragen.
XI Nachrichtenübertragung über Satellit Satelliten werden in ca. 36 000 km Höhe in eine geostationäre Umlaufbahn um die Erde gebracht, so daß sie die gleiche Umlaufzeit wie die Erde haben. Allerdings ist nur eine der unendlich vielen möglichen Umlaufbahnen optimal, nämlich die, bei der sich der Satellit wie die Erde dreht, von West nach Ost, über dem Äquator positioniert (erd- oder geosynchrone Umlaufbahn). Der Satellit ändert seine Position gegenüber der Erdoberfläche nicht. Die Erde erscheint dem Satelliten unter einem Winkel von 17,15 Grad, und er erfaßt etwa 42% der Erdoberfläche. Allerdings ist seine Nutzung bei flachen Einfallswinkeln kaum möglich. Es werden heute ausschließlich aktive Satelliten eingesetzt, die über eine eigene Empfangs- und Sendeanlage verfügen. Die in der Anfangszeit verwendeten passiven Satelliten hatten nur Reflektoren. Zur Verwaltung der Nachrichtensatelliten wurde die Vertragsgruppe Intelsat (International Telecommunication Satellite Organization) gegründet, der technische Betreiber ist die Comsat (Communication Satellite Corporation). Eine Nachrichtenübertragung über Satellit besteht aus einer oder mehreren Erdefunkstellen und dem Satelliten. Die Erdefunkstelle unterscheidet sich von einer Richtfunkstelle (siehe Kapitel X) durch die folgenden Punkte: – eine nachführbare Antenne mit hohem Gewinn, da der Satellit nicht exakt ortsfest ist und die Entfernung ca. 36 000 km beträgt; – eine hohe Sendeleistung wegen der großen Entfernung; – aufwendige Empfängerschaltung wegen der geringen empfangenen Leistung. Bei der Übertragung gibt es zwei Möglichkeiten:
Punkt-zu-Punkt-Verbindung: Der Satellit wird als Relaisstation benutzt. Beispiel: Verbindung Europa – Amerika.
Vielfachzugang: Mehrere Bodenstationen benutzen die gleiche Trägerfrequenz, aber das Basisband von z.B. 0 ... 500 MHz wird bereichsweise auf die Stationen aufgeteilt. Es wird das Frequenzmultiplexverfahren angewendet und einseitenbandmoduliert mit unterdrücktem Träger.
Für die Übertragung über Satellit ist der Frequenzbereich 300 MHz bis 30 GHz besonders geeignet, siehe Kapitel X, Richtfunktechnik. Dadurch ist eine Signalübertragung trotz hoher Freiraumdämpfung durch die
große Entfernung mit vertretbarem Empfängeraufwand möglich. Beispiel XI.1: Das Freiraumdämpfungsmaß ergibt nach Glei-
chung (X.1) bei einer Frequenz f = 10 GHz (Ⳏ l = 3 cm) und einer Entfernung l = 36 000 km:
a 0 = 20 ⋅ lg
4 pl 4 p ⋅ 3, 6 ⋅ 10 9 cm = 20 ⋅ lg ≈ 203 dB . l 3 cm
Benutzt die Erdefunkstelle eine Antenne mit dem Radius rE = 12,5 m (u.a. in Raisting bei München verwendet) und der Satellit eine mit rS = 1 m, ergeben sich die Antennengewinnmaße nach Gleichung (X.2) mit q = 0,6 zu: 4r 2 p 2 q dB Antennengewinnmaß G = 10 ⋅ lg l2
r Radius der Antenne in m, q Flächenausnutzungsfaktor, q ≈ 0,6, l Wellenlänge in m G E = 10 ⋅ lg G S = 10 ⋅ lg
4 ⋅ 12 , 5 2 m 2 ⋅ p 2 ⋅ 0 , 6 3 2 cm 2 4 ⋅ 1 m 2 ⋅ p 2 ⋅ 0,6 3 2 cm 2
= 66,1 dB
= 44,2 dB
G E + G S = 110 , 3 dB
Resultierend erhält man ein Gesamtdämpfungsmaß von 203 dB – 110,3 dB = 92,7 dB. Wird von einer Antenne die Leistung 1 kW abgegeben, empfängt die andere Antenne bei Vernachlässigung weiterer Dämpfungen die Leistung Pe 92 , 7 dB = 10 ⋅ lg
1 kW ⇒ Pe = 540 nW . Pe
Beispiel XI.1 zeigt, daß in der Erdefunkstelle Antennen mit möglichst großen Durchmessern verwendet werden müssen, und daß trotz hoher Senderleistung des Satelliten an die Empfänger auf der Erde hohe Anforderungen gestellt werden. Intelsat betreibt derzeit mehr als 15 Satelliten, die mit über 800 über die Erdoberfläche verteilten Antennen erreicht werden können. Etwa 2/3 des interkontinentalen Fernsprechverkehrs und alle interkontinentalen Live-Sendungen des Fernsehens benutzen die Satellitenverbindung. Auch regionale und nationale Nachrichtenübertragungen werden zunehmend über Satelliten abgewickelt. Für Fernseh- und Rundfunkprogramme gibt es preiswerte Satellitenempfangsanlagen, die eine Alternative zum Programmempfang über Kabel darstellen und eine Fülle an unterschiedlichen Programmen bieten. Da die Satellitensender für Rundfunkund Fernsehprogramme mit einer mehr als 10fachen Strahlungsleistung gegenüber den übrigen Nachrichtensatelliten senden, ist auf der Erde auch mit geringem Aufwand ein störungsfreier Empfang möglich.
1040
– Fernsprech- und Datenübertragung zwischen der Bundesrepublik und Westberlin: 2 Kanäle mit je 90 MHz Bandbreite auf 14/12 GHz und ein Kanal mit ebenfalls 90 MHz Bandbreite auf 30/20 GHz. – Fernsehübertragung zwischen der Bundesrepublik und Westberlin mit einem Kanal mit 90 MHz Bandbreite auf 14/12 GHz. – Flächendeckende Übertragung von Fernsehprogrammen zur Einspeisung in örtliche Kabelnetze auf 5 Kanälen mit 44 MHz Bandbreite auf 14/12 GHz. – Schnelle Datenübertragung und Videokonferenzübertragung auf 2 Kanälen mit je 44 MHz Bandbreite auf 14/12 GHz.
Transponder: Der interne elektronische Aufbau von Satelliten ist u.a. so ausgelegt, daß er zwischen drei unterschiedlichen Betriebsarten umschalten kann, Bild XI-1.
f3 3 Basisband
f2
f3 G
G
AM3 Demodulator 3 f3 f4
f1 + f2
ZF2 1 2 3
f3
f2
1 f1
2
f1 + f3
Allerdings gibt es auch einige Nachteile: – Das Erreichen der Polgebiete ist wegen des geringen Neigungswinkels nicht möglich. – Die Signallaufzeit zwischen zwei Erdefunkstellen liegt zwischen 240 und 275 ms. Wendet man das Raumdiversity-Verfahren (Kapitel X, Richtfunktechnik) an, kann es zu Synchronisationsproblemen kommen. – Während des Durchlaufes durch den Erdschatten muß die Stromversorgung der Satelliten von Batterien übernommen werden.
SendeWeiche Endstufe
f2 + f3
Geostationäre Satelliten haben einige Vorteile: – Ein erdumspannendes Kommunikationssystem kann mit nur drei Satelliten bei einer gegenseitigen Verschiebung von 120° erreicht werden. – Nachrichtenverbindungen können mit erdfesten und mobilen Stationen aufgebaut werden. – Es können auch größere Regionen flächendeckend erreicht werden.
FMModulator 3
f3 + f4
Durch die Auflösung der DDR hat sich das Konzept in der Zwischenzeit geändert. Der Satellit wird vorwiegend zur Übertragung von Fernsehprogrammen eingesetzt. Aus den Einsatzgebieten für den Satellitenfunk seien einige wenige genannt: Der europäische Wettersatellit Meteosat gehört zu einem erdumspannenden Netz aus Wettersatelliten, deren Informationen allen Ländern zur Verfügung stehen. Die konventionelle Nachrichtenübertragung zwischen Schiffen und Landstationen über Kurzwelle wird durch Satellitenübertragung ersetzt. Zur Funknavigation werden aus einer Anzahl von etwa 20 langsam umlaufenden Satelliten jeweils mindestens 4 gleichzeitig zu empfangen sein, so daß ein Benutzer mit einem geeigneten Empfangsgerät seine augenblickliche Position und seine Geschwindigkeit bestimmen kann. (GPS, siehe unten)
– Hochfrequenzdurchschaltung: Die von der Erdefunkstelle empfangene Frequenz (z.B. 6 GHz) wird in einem Frequenzumsetzer in eine niedrigere Frequenz (z.B. 4 GHz) umgesetzt und zur Erde zurückgesendet. Im Satelliten lassen sich niedrigere Sendefrequenzen mit höherem Wirkungsgrad verarbeiten. Bei niedrigeren Frequenzen nimmt das Freiraumdämpfungsmaß ab, das Antennengewinnmaß ebenso, so daß das Gesamtdämpfungsmaß konstant bleibt (siehe Beispiel XI.1: nur l ändert sich).
1
Antenne
Die Deutsche Bundespost hat 1989 einen nationalen Fernmeldesatelliten DFS-Kopernikus mit folgenden Zielen in Betrieb genommen:
Nachrichtentechnik
f2
SendeEmpfangs- f1 weiche
f1
ZF1
Weiche Verstärker (rauscharm)
HF-Durchschaltung ZF-Durchschaltung Basisband-Durchschaltung
Bild XI-1 Prinzipschaltbild eines Transponders – Zwischenfrequenzdurchschaltung: Das empfangene Signal wird in eine deutlich niedrigere Frequenz, die erste Zwischenfrequenz (ZF1) umgesetzt und verstärkt. Das ist vorteilhaft, weil die niedrigere ZF1 einfacher zu handhaben ist. – Basisband-Durchschaltung: Das Ausgangssignal der 1. ZF-Stufe wird erneut umgesetzt (ZF2), verstärkt und demoduliert, so daß man das Basisbandsignal zur Verfügung hat. Dieses Verfahren ist dann erforderlich, wenn z.B. die Modulationsart geändert werden soll: Empfang eines einseitenbandmodulierten Signals mit unterdrücktem Träger und Aussendung eines frequenzmodulierten Signals. Neuere Satelliten haben mehr als 10 Transponder eingebaut, die die Sendestufe gemeinsam ansteuern.
Antennen: Verwendet werden vorwiegend Cassegrain-Antennen (Doppelreflektorantennen), bei denen das Signal nach Bild XI-2 über einen kleinen Hornstrahler in der Mitte des Hauptreflektors in Richtung auf einen hyperbolischen Hilfsreflektor eingespeist wird, der das Signal zum Hauptreflektor zurückwirft, von wo aus es endgültig die Antenne verläßt. Durch diesen Aufbau werden Antennenwirkungsgrade von über 65% erreicht.
XI Nachrichtenübertragung über Satellit
1041
Hauptreflektor
(PFD), da EIRP und PFD in einem festen Verhältnis zueinander stehen. Dieser ebenfalls logarithmische Wert wird in dB(W/m2) angegeben. Für eine gute Fernsehbildqualität ist ein SignalRausch-Verhältnis S/N ≥ 38 dB erforderlich. Bezieht man den Gewinn durch Frequenzmodulation, GFM, mit ein, folgt für das Träger-Rausch-Verhältnis C/N:
Hilfsreflektor
Hornstrahler
Halterung
C S = − G FM N N
(XI.1)
Setzt man als Näherungswert G FM ≈ 26 dB
(XI.2)
ein, ergibt sich für eine gute Fernsehbildqualität: Bild XI-2 Cassegrain-Antenne
Polarisation: Durch horizontale bzw. vertikale Polarisation lassen sich auf der gleichen Trägerfrequenz zwei getrennte Signale übertragen. Ebenso kann man bei der zirkularen Polarisation zwischen links- und rechtsdrehend unterscheiden. Energieversorgung: Die Energieversorgung geschieht überwiegend mit Solarzellen, wobei Akkumulatoren die Speisung während des Durchlaufes durch den Erdschatten übernehmen. Über die Sonnenstrahlung steht eine Leistung von 25 ... 50 W je m2 Solarzellenfläche zur Verfügung. Die für den Betrieb des Satelliten erforderliche Leistung kann je nach Typ bei maximal 2 ... 5 kW liegen, so daß Flächen von bis zu 80 m2 benötigt werden. Das läßt sich durch ausklappbare Paddel erreichen, die so ausgerichtet werden, daß sie stets optimal zur Sonne stehen. DSR – Digitales Satellitenradio: Übertragung von Hörfunkprogrammen in CD-Qualität durch Übertragung der Information in digital kodierter Form. Daten: Frequenzbereich: 11,7 ... 12,5 GHz; 40 Kanäle mit je 27 MHz Bandbreite; Kanalabstand etwa 19,2 MHz; durch zirkulare kanalweise wechselnde Polarisation keine Störung benachbarter Kanäle; Frequenzmodulation. Footprint eines Satelliten: Darstellung der vom Satelliten auf die einzelnen Punkte der Erdoberfläche abgestrahlten Leistung einschließlich des Antennengewinns. Es werden Linien gleicher Leistung eingetragen. Damit kann die Leistungsabnahme vom Zentrum zu den Außenzonen abgelesen werden. Die Beschriftung dieser Linien kann z.B. in EIRP, equivalent isotropically radiated power, in logarithmischem Maßstab mit der „Einheit“ dBW erfolgen. Für den Satelliten Astra-1D gilt im Zentrum ein Wert von 51 dBW. Daraus läßt sich die Verfügbarkeit eines Programmes bzw. die erforderliche Größe der Empfangsantenne bestimmen. Alternativ dazu kann das Diagramm auch mit der auf der Erdoberfläche herrschenden Leistungsflußdichte beschriftet werden
C ≥ 12 dB . N
(XI.3)
Es gilt: l2 C G = ⋅ P0 ⋅ 4⋅p ⋅k ⋅ B N T
bzw. l2 C ⎧G ⎫ = 10 ⋅ lg ⎨ e ⋅ P0 ⋅ ⎬ in dB p N T k B ⋅ ⋅ ⋅ 4 ⎩ ⎭
(XI.4)
P0 Leistungsflußdichte in W/m2; l Wellenlänge in m; k BoltzmannKonstante in 1,38 ⋅ 10–23 Ws/K; B Bandbreite in Hz (hier meist 27 MHz)
mit der Güte Ge/T der Empfangsanlage in „Gewinn pro Kelvin“: Ge G⋅a = in 1/K T a ⋅ TA + (1 − a ) ⋅ Tu + ( F − 1) ⋅ Tu
(XI.5)
G Antennengewinn; a Wirkungsgrad, a ≈ 0,95 ... 0,97; TA Rauschtemperatur der Antenne in K, TA ≈ 50 K; Tu Umgebungstemperatur in K, Tu ≈ 293 K; F Rauschzahl des Empfängers (LNB); G siehe Gleichung (XI.6)
In den Formeln (XI.4 und 5) sind lediglich die Faktoren G und F beeinflußbar. Danach kann ein niedriges Signal-Rausch-Verhältnis letztlich nur über einen entsprechend großen Antennenradius r und eine niedrige Rauschzahl des Empfängers (mit LNB, low noise block, bezeichnet) erreicht werden (Gleichung X.2): 2⋅p ⋅r ⎞ G = q ⎛⎜ ⎟ ⎝ l ⎠
2
(XI.6)
r Radius der Antenne in m; q Flächenausnutzungsfaktor, q ≈ 0,6; l Wellenlänge in m
GPS: Global Positioning System. Geografisches Positionsbestimmungssystem. Insgesamt etwa 20 Satelliten umkreisen die Erde in ca. 20 000 km Höhe, die Umlaufzeit beträgt etwa 12 Stunden. Damit stehen immer mindestens 4 Satelliten zum Empfang zur Verfügung. Sie senden ihre Position und die genaue Zeit aus, so daß ein Empfänger auf der Erde daraus seine genaue momentane Position bestimmen kann. Dieses System ist zunächst für
1042
Nachrichtentechnik TV-SAT: „Hochleistungssatellit“ (Senderleistung mit 200 ... 300 W um den Faktor 10 ... 15 höher als bei den Fernmeldesatelliten (20 W) der Serie INTELSAT), Gewicht 1160 kg, Solarzellenleistung 3000 W, Frequenzbereich Erde – Satellit 17,3 ... 18,1 GHz, Frequenzbereich Satellit – Erde 11,7 ... 12,5 GHz, Leistung der Senderöhren 200 ... 260 W, Gewinn der Sendeantenne 44 dB, Sendeantenne mit elliptischer Form 2,7 m × 1,4 m, dadurch elliptische Ausleuchtung der Bundesrepublik mit möglichst wenig Überschreitung an der Landesgrenze. ASTRA (1A ... F): „Medium-Power“-Satelliten, da ihre Sendeleistung bei etwa 60 ... 80 W liegt. Die Reduzierung der Leistung war möglich durch die Entwicklung leistungsfähigerer Verstärker in den Antennenanlagen der Fernsehzuschauer (mit LNC für low noise converter bezeichnet, setzt den empfangenen Frequenzbereich (ca. 11 ... 12 GHz) in den Bereich zwischen 0,95 und 1,75 GHz um; auch als LNA, low noise amplifier, bezeichnet). Frequenzbereich Satellit-Erde 11,2 ... 11,45 GHz (ASTRA 1A) bzw. 11,45 ... 11,70 GHz (ASTRA 1B, baugleich mit ASTRA 1A), horizontal und vertikal polarisiert. Über diese Satelliten können die gängigsten Fernsehprogramme sowie Hörfunkprogramme empfangen werden. Weitere Satelliten: ASTRA 1C, 1D, 1E.
militärische Zwecke und Spezialanwendungen entwickelt worden, und die Positionsbestimmung ist mit einem Fehler < 1 m möglich. Für den Privatanwender liegt der Fehler bei etwa (30 ... 100) m, weil die ausgesendeten Signale der Satelliten absichtlich nach statistischen Gesetzen verfälscht werden.
DGPS: Differential Global Positioning System. Um den Fehler des GPS zu verringern, wird an einem ganz genau vermessenen Ort ein GPSEmpfänger aufgestellt. Er vergleicht seinen genau bekannten Standort mit den Satellitendaten und gibt einen Korrekturwert an andere Empfänger weiter, so daß der Fehler der Positionsbestimmung auf wenige Meter sinkt. Einige Rundfunksender der ARD haben auf UKW die Übermittlung dieser DGPS-Daten eingeführt, ebenso Deutschlandradio auf Langwelle. Weitere Anwender testen das System (z.B. Telekom). DGPS läßt sich anwenden zur Positionsbestimmung und zur Verkehrsleitung von Autofahrern bei Fahrten in Städten.
Es folgen einige Daten von Satelliten: INTELSAT VI: Gestartet 1986, Nachrichtensatellit für 30 000 Sprechkreise (Telefon) und 3 Fernsehkanäle.
XII Nachrichtenübertragung über Lichtwellenleiter (LWL) Die optische Nachrichtenübertragung gewinnt an Bedeutung, weil sie nicht durch elektromagnetische Störfelder beeinflußt wird. Sender- und Empfängerkreis sind außerdem galvanisch voneinander getrennt, und es stehen Impulsraten zur Verfügung, die bei Kupferkabeln nur mit wesentlich höheren Kosten erreicht werden können. Zur Übertragung steht theoretisch der Bereich des sichtbaren Lichtes mit dem sich anschließenden nahen Infrarotbereich zur Verfügung. Praktisch aber wird dieser Bereich auf drei Fenster eingeschränkt, siehe Punkt „Dämpfung“.
1 Physikalische Grundlagen
Reflexion und Brechung: Der Lichtwellenleiter besteht nach Bild XII-1 aus dem Kern mit der Brechzahl n1 und dem Mantel mit einer etwas geringeren optischen Dichte und der Brechzahl n2. Das Licht tritt aus dem Medium mit der Brechzahl n0 (z.B. Luft) unter dem Winkel a in den Kern ein. Der Winkel b läßt sich bestimmen nach dem Brechungsgesetz von Snellius: n sin b = 0 ⋅ sin a (XII.1) n1
Tabelle XII-1 Frequenzbereiche für Lichtwellenleiter Farbe
Wellenlänge
Frequenz
Bemerkungen
violett bis Infrarot
0,38 mm bis (0,78 ... 1,6) mm
7,89 ⋅ 10 Hz = 789 THz bis (3,85 ... 1,87) ⋅ 1014 Hz = (385 ... 187) THz
Für Lichtwellenleiter möglicher Bereich
Infrarot Infrarot Infrarot
≈ (0,82 ... 0,85) mm ≈ (1,22 ... 1,33) mm ≈ (1,52 ... 1,57) mm
(3,66 ... 3,53) ⋅ 1014 Hz (2,46 ... 2,26) ⋅ 1014 Hz (1,97 ... 1,91) ⋅ 1014 Hz
Für Lichtwellenleiter ausgenutzte Bereiche
14
XII Nachrichtenübertragung über Lichtwellenleiter (LWL) Lichteintritt in den Lichtleiter n0 (z.B. Luft)
g
n2
1
d 2
a
bgr
Moden: Diejenigen Lichtwellen, die im Lichtleiter ausbreitungsfähig sind. Ihre Zahl hängt ab vom Kerndurchmesser, von der Lichtwellenlänge und der numerischen Apertur. (Siehe auch Beispiel XII.3).
Modendispersion, Impulsverbreiterung: Zeitliche Verbreiterung des Ausgangssignals gegenüber dem Eingangssignal durch die unterschiedlichen Laufzeiten der Lichtwellen bei den möglichen Eintrittswinkeln a in den Lichtleiter (0 ≤ a ≤ aA, Gleichung (XII.2)). Bei impulsförmigem Lichtsignal am Lichtleitereingang spricht man auch von Impulsverbreiterung.
Bandbreite: Die bei Lichtwellenleitern theoretisch zur Verfügung stehende Bandbreite läßt sich aus Tabelle XII-1 bestimmen, indem die jeweilige Kanalbreite errechnet wird:
Mantel
3
b aA
1043
n1
Kern n2
Bild XII-1 Reflexion und Brechung von Licht bei einem Lichtwellenleiter Dieser Strahl trifft auf die Grenzfläche Kern – Mantel und wird wiederum reflektiert. Dabei gibt es drei Möglichkeiten: 1. Der Strahl dringt in den Mantel ein und ist für die Übertragung verloren (Strahl 1, Brechung). 2. Der Strahl wird so reflektiert, daß er genau parallel zur Grenzfläche Kern – Mantel verläuft (Strahl 2). 3. Er wird total reflektiert (Strahl 3, Totalreflexion).
Akzeptanzwinkel, numerische Apertur: Der Grenzfall (Strahl 2), daß das Licht nicht in den Mantel eindringt und damit für die Nachrichtenübertragung zur Verfügung steht, ist erreicht, wenn d = 90° ist: n2 n n ⋅ sin d = 2 ⋅ sin ( 90 ° ) = 2 n1 n1 n1 Der maximal zulässige Winkel aA (Bild XII-1), unter dem das Licht in den Lichtleiter eindringen darf, errechnet sich damit zu: n n n sin a A = 1 ⋅ sin bgr = 1 ⋅ cos g = 1 ⋅ 1 − sin 2 g n0 n0 n0 (sin g ) gr =
=
n1 n0
1−
n 22 = AN n12
(XII.2)
n0, n1, n2 Brechzahlen (siehe Bild XII-1)
aA ist der Akzeptanzwinkel, sin aA = AN die numerische Apertur.
Näherung für die numerische Apertur mit n0 = 1 (Luft) und n1 ≈ n2:
− n 22 2 ⋅ n 12
n 12
= ≈
(2,46 – 2,26) ⋅ 1014 Hz = 0,2 ⋅ 1014 Hz = 20 THz (1,97 – 1,91) ⋅ 1014 Hz = 0,06 ⋅ 1014 Hz = 6 THz Auch wenn die Impulsverbreiterung (siehe unten) diese theoretischen Werte verringert, steht dennoch ein vergleichsweise großer Übertragungsbereich zur Verfügung.
Dämpfung: Im wesentlichen tragen drei Mechanismen zur Dämpfung von Lichtwellen im Lichtwellenleiter bei: – Rayleighstrahlung: Streustrahlung durch mikroskopisch kleine Dichte- und damit Brechzahlschwankungen. – Resonanzabsorption durch Verunreinigungen. – Grunddämpfung durch Verluste bei der Lichtübertragung.
Trägt man die Summe dieser Dämpfungen als Funktion der Frequenz auf, ergibt sich für Quarzglas der in Bild XII-2 gezeigte Verlauf [XII.1]. Für die technische Ausnutzung ergeben sich daraus die in Tabelle XII-1 aufgelisteten drei Fenster zur Signalübertragung, weil dort die Dämpfung relativ niedrig ist. Für die Rayleigh-Streuung gilt: Dämpfung ∼ 1/l4. Dämpfung
( n1 + n 2 ) ⋅ ( n1 − n 2 )
10,0
2 ⋅ n 12
5,0
2 ⋅ n1 ⋅ ( n1 − n 2 ) 2 ⋅ n 12
A N ≈ n1 2 ⋅ D ≈ n1
(3,66 – 3,53) ⋅ 1014 Hz = 0,13 ⋅ 1014 Hz = 13 THz
n − n2 ≈ 1 = D (XII.3) n1
n − n2 2⋅ 1 n1
n1 - n2 , siehe n1 Gleichung (XII.3). Bei Quarzglas-Lichtwellenleitern gilt: n1 ≈ 1,5, D ≈ 0,01.
Relative Brechzahldifferenz: Δ =
Gradientenfaser
dB 2,0 1,0 0,5 0,1
Monomodefaser Rayleigh-Streuung
700 800 900 1000 1100 1200 1300 1400 1500 1600
Wellenlänge [nm]
Bild XII-2 Dämpfung als Funktion der Wellenlänge für Quarzglas [XII.1]
1044
Nachrichtentechnik
2 Grundmodelle von Lichtwellenleitern Für die Abmessungen des Lichtleiters und die Abhängigkeit der Brechzahlen n1, n2 innerhalb des Lichtleiters vom Radius haben sich drei Modelle als brauchbar erwiesen, Bild XII-3. PL ein
Der größtmögliche Laufzeitunterschied DtS eines Lichtleiters der Länge l ergibt sich aus der Differenz zwischen Grundmode und dem Mode höchster Ordnung: I Impulsverbreiterung: Dt S ≈ ⋅ n1 ⋅ D (XII.5) c
Totalreflexion n2 50...200 μm PL ein PL aus t
t
r
n2 50 μm 150 μm
PL ein
n1 Brechzahl des Kerns; c Lichtgeschwindigkeit im Vakuum in m/s; l Lichtleiterlänge in m; D siehe Gleichung (XII.3)
2.2 Mehrmoden-Gradientenindex n
Bild XII-3b stellt das Prinzip dar. Die Brechzahl n im Kern hängt vom Radius r ab: x ⎡ r ⎤ n ( r ) = n M ⎢1 − 2 ⋅ D⎛⎜ ⎞⎟ ⎥ ⎝ R⎠ ⎦ ⎣
stetige Brechung PL aus
1/ 2
,
häufig auch
b)
t
t
r n1
12,5 μm c)
(XII.4)
r0 größter Kernradius in m; l Lichtwellenlänge im Vakuum in m; n1 Brechzahl des Kerns; n2 Brechzahl des Mantels
n1 n
nm
2
⎛ p ⋅ r0 ⎞ M S ≈ 2⎜ ⎟ ( n12 − n 22 ) ⎝ l ⎠
PL aus
r
100...600 μm a)
Verfügung stehende Bandbreite der Lichtleiter durch die Signalverlängerung herabgesetzt. Die Zahl MS der ausbreitungsfähigen Moden kann mit der folgenden Formel abgeschätzt werden: Ausbreitungsfähige Moden:
2 ⎡ ⎛ r⎞ ⎤ n ( r ) = n M ⎢1 − D ⋅ ⎜ ⎟ ⎥ ⎝ r0 ⎠ ⎥⎦ ⎢⎣
(XII.6)
nM Brechzahl in Kernmitte; R Konstante in m; x Konstante; r0 größter Kernradius in m; D siehe Gleichung (XII.3)
n n2 Wellenführung 4...10 μm PL ein PL aus t
Die Zahl MG der ausbreitungsfähigen Moden ist halb so groß wie beim Mehrmoden-Stufenindex: MS Ausbreitungsfähige Moden: M G = (XII.7) 2 t
Bild XII-3 Lichtwellenleitertypen a) Mehrmoden-Stufenindex b) Mehrmoden-Gradientenindex c) Einmoden-Stufenindex
2.1 Mehrmoden-Stufenindex mit Totalreflexion Nach Bild XII-3a geht der Mantel mit der Brechzahl n2 abrupt in den Kern mit der Brechzahl n1 über. Der Lichteintritt ist nach Gleichung (XII.2) so ausgelegt, daß Totalreflexion stattfindet. Diejenigen Lichtstrahlen, die weniger oft reflektiert werden, erreichen eher das Ende des Lichtleiters als die anderen. Deshalb wird die in Bild XII-3 skizzierte Lichtleistung PL ein am Eingang entsprechend als PL aus am Ausgang empfangen. Form und Dauer haben sich geändert. Deshalb werden vorzugsweise digital kodierte Signale übertragen, bei denen begrenzte Kurvenformänderungen zulässig sind. Allerdings wird die zur
MS siehe Gleichung (XII.4)
Man erhält für alle Moden geringere Laufzeitunterschiede, so daß die Modendispersion geringer ist als bei Lichtleitern mit Mehrmoden-Stufenindex: D2 I Impulsverbreiterung: Dt G = ⋅ n 1 ⋅ (XII.8) 2 c n1 Brechzahl Kern; c Lichtgeschwindigkeit im Vakuum in m/s; l Lichtleiterlänge in m; D siehe Gleichung (XII.3)
Damit ist dieser Lichtleiter besonders geeignet für einen hohen Informationsfluß oder große Entfernungen. Nachteilig ist das aufwendige Herstellungsverfahren, da die Brechzahl des Quarzglaskernes durch das Aufbringen einer Vielzahl von Glasschichten übereinander variiert wird.
2.3 Einmoden-Stufenindex Es kann sich nur ein Modus längs der Faserachse ausbreiten, so daß die Dispersion und damit die Impulsverbreiterung theoretisch entfällt (Bild XII-3c). Für
XII Nachrichtenübertragung über Lichtwellenleiter (LWL) den Kernradius r muß dann folgende Forderung erfüllt sein:
l 2 , 405 Kernradius: r ≤ ⋅ 2p n 2 − n 2 1 2
1045 Beispiel XII.1: Gegeben sind die Brechzahlen n1 = 1,51, n2 =
1, 51 − 1, 50 = 0,067. Die Impulsverbreite1, 50 rung für einen Lichtwellenleiter von 1 km Länge errechnet sich zu: 1,50. Dann folgt: D =
(XII.9)
a) Stufenprofilfaser: 1 km I n1⋅ D = 1, 51 ⋅ 0 , 0067 = 34 ns c 3 ⋅ 10 5 km/s
l Lichtwellenlänge im Vakuum in m; n1 Brechzahl des Kerns; n2 Brechzahl des Mantels
Dt S =
Die Impulsverbreiterung DtE ist theoretisch Null, in der Praxis kann man mit folgendem Wert rechnen:
b) Gradientenfaser:
1 km 0 , 0067 2 I 1, 51 ⋅ n 1⋅ D = 2 c 3 ⋅ 10 5 km/s = 0 ,11 ns bei l = 1 km
Dt S =
Impulsverbreiterung (praktisch): Dt E = M l ⋅ Dl ⋅ l
(XII.10)
c) Monomodefaser mit der Dispersion 3 ps/(nm ⋅ km) und einer Laserlichtquelle mit der Linienbreite Dl = 5 nm:
Ml Dispersion in s/(m ⋅ m), hängt von l ab; Dl Linienbreite der Lichtquelle in m; l Lichtleiterlänge in m
Mit diesen Lichtleitern lassen sich sehr große Entfernungen bei sehr großer Signalbandbreite überbrücken. Nachteilig sind der kleine Kerndurchmesser (siehe Beispiel XII.2) sowie die damit verbundenen Probleme beim Aneinanderfügen von zwei Kabeln. Die Stoßstelle muß auf Bruchteile von Mikrometern genau justiert werden. Tabelle XII-2 listet einige typische Eigenschaften von Lichtleitern der drei beschriebenen Leiterarten auf.
bei l = 1 km
DtE = (3 ps/(nm ⋅ km)) ⋅ 5 nm ⋅ 1 km = 15 ps bei l = 1 km
Für die ausnutzbare Bandbreite infolge der Impulsverbreiterung ergeben sich folgende Näherungswerte: Um die theoretisch verfügbare Bandbreite in der Praxis optimal zu nutzen, werden nur geringe Leiterlängen von einigen km verwendet und Zwischenverstärker eingefügt. Bei den Einmoden-Lichtleitern ist die Impulsverbreiterung durch die Linienbreite der Lichtquelle gegeben. Es werden deshalb Laserlichtquellen mit einem entsprechend niedrigen Wert eingesetzt.
Tabelle XII-2 Daten von Lichtwellenleitern
Leiterart
Kerndurchmesser in mm
Manteldurchmesser außen in μm
Dämpfung bei 850 nm in dB/km
Dispersion in ns/km
Bitrate bei 1 km Länge in Mbit/s
Impulsverbreiterung bei 1 km Länge in ns
MehrmodenStufenindex
50 ... 200
100 ... 600
5 ... 30
40 ... 50
≈
60
10 ... 100
MehrmodenGradientenindex
50
150
3 ... 10
1 ... 2
≈ 600
0,1 ... 1
2 ... 5
0,1 ... 0,2
≈ 1000
EinmodenStufenindex
4 ... 10
12,5
< 0,005
Tabelle XII-3 Bandbreite nach Beispiel XII.1 bei 1 km Lichtleiterlänge
Wellenlänge (technisch ausgenutzter Bereich)
Frequenz (technisch ausgenutzter Bereich)
theoretisch verfügbare Bandbreite bei 1 km Länge
Impulsverbreiterung, Beisp. XII.1 bei 1 km Länge
Bandbreite mit Impulsverbreiterung bei 1 km Länge
≈ (0,82 ... 0,85) mm ≈ (1,22 ... 1,33) mm ≈ (1,52 ... 1,57) mm
(3,66 ... 3,53) ⋅ 1014 Hz (2,46 ... 2,26) ⋅ 1014 Hz (1,97 ... 1,91) ⋅ 1014 Hz
13 THz 20 THz 6 THz
34 ns 0,11 ns 15 ps
≈ 14,5 MHz ≈ 4,4 GHz ≈ 33 GHz
1046
Nachrichtentechnik
Beispiel XII.2: Ein Monomode-Lichtleiter soll die Lichtwel-
lenlänge l = 0,85 mm übertragen. Für die Brechzahlen gilt: n1 = 1,51, n2 = 1,50. Nach Gleichung (XII.9) folgt daraus: r≤
0 , 85 mm 2 , 405 ⋅ = 1, 88 mm 2p 1, 51 2 − 1, 50 2
Der Radius kommt in die Größenordnung der Lichtwellenlänge, und bei diesen Lichtleiterabmessungen werden an die Herstellung hohe Anforderungen gestellt. Beispiel XII.3: Für einen Lichtleiter mit Mehrmoden-Stufen-
index sind gegeben: Brechzahlen n1 = 1,51, n2 = 1,50, zu übertragende Wellenlänge l = 0,85 mm, Radius des Lichtleiters r0 = 25 mm. Dann errechnet sich die Zahl der ausbreitungsfähigen Moden nach Gleichung (XII.4) zu:
⎛ p 2 ⋅ 25 2 ⋅ mm 2 ⎞ 2 2 MS ≈ 2⋅⎜ ⎟ ⋅ (1, 51 − 1, 50 ) ≈ 512 ⎝ 0 , 85 2 ⋅ mm 2 ⎠
Für den Mehrmoden-Gradientenindex-Lichtleiter folgt daraus mit Gleichung (XII.7):
MG ≈
MS 2
= 256 .
3 Technische Ausführung von Lichtwellenleitern Lichtwellenleiter werden aus Quarzglas (SiO2) hergestellt. Der Kern wird mit Germaniumdioxid, Fluor oder Bortrioxid dotiert. Auf den Mantel wird eine Kunststoffschutzschicht aufgebracht, die neben einem mechanischen Schutz auch sicherstellt, daß in den Mantel eindringende Lichtstrahlen in diese Schutzschicht übergehen und absorbiert werden. Bei Mehrmoden-Gradientenleitern bringt man etwa 40 bis 50 einzelne Schichten aufeinander, um die Brechzahl in Abhängigkeit vom Kernradius zu ändern. Für einen ausreichenden mechanischen Schutz der Lichtleiterkabel entsprechend dem von Kupferkabeln wird es in eine Aderhülle aus Kunststoff lose eingelegt, und zwar entweder eine einzelne Ader pro Aderhülle („Hohlader“) oder mehrere Lichtleiterkabel in eine Aderhülle („Bündelader“). Zusätzlich wird eine Stützader aus glasfaserverstärktem Kunststoff mitge-
führt, die die geforderte mechanische Zugfestigkeit sicherstellt. Es werden weiterhin Kupferadern integriert, die sowohl zur Fehlerortung als auch zur Stromversorgung von Zwischenverstärkern eingesetzt werden. Die verbleibenden Hohlräume füllt man mit weichem Kunststoff aus, um einen Schutz gegen das Eindringen von Wasser zu erreichen. Lichtleiterkabel mit Mehrmoden-Gradientenindex für Außenverlegung haben genormte Maße: Kerndurchmesser 50 mm, Manteldurchmesser 125 mm. Als Beispiel für eine Übertragung über Lichtwellenleiter wird das Video-System „OPAL-3“ der Fa. Raynet angeführt, das zur Programmversorgung vornehmlich ländlicher Gebiete ausgelegt ist. Es ermöglicht die Übertragung von 36 amplitudenmodulierten Fernsehkanälen und 30 frequenzmodulierten UKW-Rundfunkkanälen. Der Frequenzbereich erstreckt sich von 47 bis 446 MHz, wobei die Kanalrasterung im Fernsehübertragungsbereich eingehalten wird. Der Teilnehmer kann bis zu 25 km von der Einspeisestelle entfernt sein. Die optische Sendeleistung beträgt etwa 7 dBm (≈ 5,6 mW), die Wellenlänge 1310 nm, die empfangene Leistung liegt bei 0,5 mW, die optische Sendequelle ist eine Laserdiode, der Empfänger eine PIN-Fotodiode. Tabelle XII-4 listet einige Eigenschaften von LWLKabeln auf. DIN VDE 0888 und IEC 793 enthalten weitere Daten. In der Typenbezeichnung von LWL-Kabeln sind Angaben über deren Aufbau und Einsatzbereich enthalten. Tabelle XII-5 gibt eine Übersicht. Das bei der Telekom eingesetzte Kabel ADSF(L)(ZN)2Y, 10 × 4 E9/125 ist ein EinmodenStufenindexkabel mit 9/125 mm Feld-/Manteldurchmesser und 10 Bündeln mit je 4 Fasern. Es ist für Außenverlegung vorgesehen und enthält einen Schichtenmantel (Al, PE) und nichtmetallische Zugentlastungselemente. Der Typenbezeichnung können noch weitere Einzelheiten, z.B. über die Füllung, entnommen werden.
Tabelle XII-4 Daten von Lichtwellenleiterkabeln LWL-Typ
Mehrmoden-Gradientenkabel
Kabeltyp
G50/125
G62,5/125
Kerndurchmesser in mm Manteldurchmesser in mm Faserdurchmesser in mm Dämpfung bei 850 nm in dB/km Dispersion in ps/(nm ⋅ km) Zugfestigkeit Biegeradius in mm; Innenraumkabel Außenraumkabel Biegeradius in mm
50 ± 3 125 ± 3 250 ± 3 2,5 ... 3,5
62,5 ± 3 125 ± 3 250 ± 3 3,2
≥ 150 ≥ 400
Einmoden-Stufenindex-Kabel
9 ... 10 ± 1 125 ± 3 250 ± 25 0,33 ... 0,45 bei 1300 nm 3,5 ... 5 bei 1300 nm maximal 2 ... 3 kN
≥ 400
XII Nachrichtenübertragung über Lichtwellenleiter (LWL)
1047
Tabelle XII-5 Kennzeichnung von Lichtwellenleiterkabeln
1
Buchstabenkennung
Bedeutung
Buchstabenkennung
Bedeutung
AIV W H D B
Kabel für außen Kabel für innen Vollader Hohlader, gefüllt Hohlader, ungefüllt Bündelader, gefüllt Bündelader, ungefüllt
2Y Y (L)2Y B E G .../...
S F (ZN)
Metallelement in der Kabelseele Füllung der Verseilhohlräume (Kabelseele) Zugentlastungselemente, nichtmetallisch
...B... ...F... ...H...
PE-Hülle PVC-Hülle Schichtenmantel Bewehrung Einmodenfaser Gradientenfaser Kern-/Manteldurchmesser in mm (Mehrmoden-Grad.kabel); Feld-/Manteldurchmesser in mm (Einmoden-Stufenkabel) für Bereich um 850 nm1) für Bereich um 1300 nm1) für Bereich um 1550 nm1)
) siehe Tabelle XII-1
4 Lichtsender Für Lichtsender werden LEDs (light emitting diode, Leuchtdiode) im Infrarotbereich sowie LASERDioden (light amplification by stimulated emission of radiation) verwendet. Wichtige Kenngrößen sind zum Vergleich in Tabelle XII-6 als typische Größen industriell gefertigter Dioden zusammengestellt. Es ergibt sich eine Impulsverbreiterung durch die Linienbreite (Breite des ausgesendeten Lichtspektrums) des Lichtsenders.
geeignet, da keine Proportionalität zwischen dem Modulationsstrom und der Lichtleistung besteht. Sie werden deshalb vorwiegend mit digital kodierten Signalen moduliert. Für beide Lichtsender sind die Anstiegs- (tr) und die Abfallzeit (tf) wichtige Kenngrößen. Sie liegen bei Leuchtdioden in der Größenordnung 3 ... 15 ns, so daß Informationsflüsse von 30 bis 150 Mbit/s möglich sind, sofern die Impulsverbreiterung diese Werte zuläßt. Laserdioden haben wesentlich kürzere Zeiten von etwa 0,5 ns, und damit sind Werte von 1 bis 2 Gbit/s erreichbar.
Tabelle XII-6 Typische Daten von Lichtsendern Lichtsender
Wellenlänge in nm
Linienbreite in nm
LED
830
45
LASER
880
3 ... 5
Dauerleistung in mW 0,06 10
Die Modulation der Lichtsender geschieht durch Intensitätsmodulation. LEDs können sowohl mit analogen als auch mit digitalen Signalen moduliert werden. Bei Analogmodulation sind die Verfahren – Amplituden-Intensitätsmodulation – Frequenz-Intensitätsmodulation – Phasen-Intensitätsmodulation möglich. Bei digitaler Modulation können die im Kapitel V.4, Modulation, Pulsträger unkodiert, beschriebenen Verfahren eingesetzt werden. LASERDioden sind für die Analogmodulation weniger gut
Impulsverbreiterung in ns/km 5 0,015
5 Lichtempfänger Als Lichtempfänger werden PIN-Fotodioden und Lawinen-(Avalanche-)Fotodioden eingesetzt. Die PIN-Fotodiode hat ihren Namen von der Schichtenfolge: Zwischen P- und N-Schicht ist eine schwach oder undotierte Intrinsic-Schicht eingefügt. Hier werden die Fotonen absorbiert, so daß die Diodenparameter kaum von der angelegten äußeren Spannung abhängen. Für den Einsatz als Lichtempfänger sind die Anstiegs- und Abfallzeiten beider Diodentypen wichtige Kenngrößen. Für PIN-Dioden werden Werte
1048
Nachrichtentechnik andere Möglichkeit besteht darin, die Stirnflächen auf Stoß zu bringen und diese Stoßstelle einem Lichtbogen mit einer Temperatur von 2000 °C auszusetzen. Innerhalb von wenigen Sekunden verschmelzen die beiden Glasfasern. Diese Methode eignet sich besonders für Verbindungen „vor Ort“, da entsprechende Schweißgeräte mit den Justiereinrichtungen in handlicher Form von der Industrie angeboten werden und zu dauerhaften Verbindungen mit nur geringer Dämpfung (< 0,5 dB) führen. Eine besonders große Dämpfung (0,4 ... 0,6 dB) ergibt sich, wenn beide LWL einen Achsenversatz aufweisen oder die Durchmesser beider LWL-Fasern voneinander abweichen. Weniger kritisch ist die Dämpfung, wenn eine Stirnfläche nicht ganz plan ist.
von 1 bis 2 ns erreicht, Lawinendioden erreichen etwa 200 ps. Damit liegen diese Werte in der gleichen Größenordnung wie die der Lichtsender, so daß insgesamt für eine Übertragungsstrecke mit LED und Fotodiode Informationsflüsse von bis zu 150 Mbit/s erreicht werden können, für eine Strecke mit Laserdiode und Lawinendiode bis 1 Gbit/s. Das setzt allerdings voraus, daß die Gesamt-Lichtleiterlänge bei größeren Übertragungsstrecken durch Zwischenverstärker geeignet unterteilt wird, damit die Impulsverbreiterung den Informationsfluß nicht wesentlich verringert.
6 Verbinden von Lichtleitern Lichtleiterkabel werden in Längen bis zu 10 km gefertigt. Um Kabel zu verbinden oder Kabel an Lichtverstärker anzuschließen, benutzt man Spleißund Steckverbindungen.
Spleißverbindung: Durch Ritzen und Brechen der Aderenden mit entsprechenden Werkzeugen sind die Stirnflächen plan und verlaufen rechtwinklig zur Achse. Nachdem ein Kleber aufgebracht worden ist, werden die Enden mit Mikromanipulatoren voreinander justiert und dann verklebt. Eine
Steckverbindung: Die Faser-Stirnflächen werden poliert, in Präzisions-Führungshülsen eingebettet und mit einer Gewindehülle umgeben. Durch Zusammenschrauben werden die Stirnflächen aufeinandergedrückt. Die mechanische Führung muß äußerst präzise (auf einige μm oder weniger) arbeiten, und deshalb bringt man in kritischen Anwendungsfällen an den Steckern zusätzlich Feinjustiereinrichtungen an.
XIII Funkmeßtechnik – Radar 1 Grundlagen, Kenngrößen Ein Hauptgebiet der Funkmeßtechnik ist durch den Begriff RADAR (radio detection and ranging) gekennzeichnet und soll im folgenden behandelt werden. Bei diesem Verfahren werden impulsförmige elektromagnetische Wellen von einer Antenne ausgesendet und an Körpern oder Stoffverteilungen (Wolken) reflektiert. Die Sendeantenne wird auf Empfang umgeschaltet, und anhand des Echos sind Rückschlüsse auf die Lage und die Beschaffenheit der Körper oder der Stoffverteilungen möglich. Angewendet wird die Radartechnik bei der Kontrolle und der Sicherung des Land-, Wasser- und Flugverkehrs, in der Meteorologie zur Wetterprognose, in der Astrologie und im militärischen Bereich. Die Antenne sendet einen scharf gebündelten Strahl aus, dessen Dauer kürzer ist als die Laufzeit zum nächstgelegenen Körper und zurück. Man kann daher aus der Laufzeit auf die Entfernung und aus der Antennenstellung auf die Richtung des Körpers schließen. Überschreitet der Körper eine bestimmte Mindestgröße, können eventuell sogar Aussagen über die Körperform und dessen Beschaffenheit gemacht werden. Wenn ein räumlicher Bereich erfaßt werden soll, dreht sich die Antenne und bildet die Umgebung während einer Umdrehung sektorweise ab. Im fol-
genden Umlauf wird das vorhergehende Bild aktualisiert. Radarquerschnitt (auch Rückstreu- oder Echoquerschnitt): Die am Körper ankommende Strahlungsdichte der vom Sender ausgestrahlten Welle ist Se (siehe auch Kapitel IIII.2, Antennen, Kenngrößen): Se =
g ⋅ PS 4⋅p ⋅r2
in
W m2
(XIII.1)
g Antennengewinn; PS Senderleistung in W; r Abstand Sender – Körper in m
Davon wird ein Teil reflektiert, und es kommt an der Radar-Empfangsantenne die Strahlungsdichte SS an: SS =
Ae ⋅ S e 4⋅p ⋅r 2
in
W m2
(XIII.2)
Se nach Gleichung (XIII.1); r Abstand Sender – Körper in m, Ae Radarquerschnitt in m2
Die Größe Ae ist definiert und heißt Radarquerschnitt. Nimmt man als reflektierenden Körper eine ebene elektrisch gut leitende Platte der Fläche Apl an, deren Abmessungen viel größer sind als die Wellenlänge l des Radarsignales und auf die der Radarstrahl senkrecht auftritt, ergibt sich Ae = 4 ⋅ p ⋅ A2pl/l2. Der Radarquerschnitt ist das Verhältnis von reflektieren-
XIII Funkmeßtechnik – Radar
1049
der Fläche zu der aus der Wellenlänge des Radarstrahles gebildeten Fläche. Die an der Empfängerantenne herrschende Strahlungsdichte ist um so größer, je größer die Fläche des reflektierenden Körpers und je kleiner die Wellenlänge des Radarsignales ist. In der Praxis kann man auch bei beliebig geformten Körpern häufig mit seiner ebenen Fläche rechnen und erhält brauchbare Näherungswerte.
CW-Radar (Continuous Wave-Radar, Dauerstrich-Radar): Radarverfahren, bei dem die Sendeimpulsdauer mehr als 10% der Pausendauer beträgt, d.h. t1 > 0,1 ⋅ t2 in Bild XIII-1. Meist ist die Pausendauer sogar Null. Dann läßt sich z.B. die Geschwindigkeit eines Einzelkörpers wie bei der Verkehrskontrolle nach dem Doppler-Prinzip messen.
Reichweite eines Radargerätes: Der maximale Abstand rmax eines Körpers läßt sich berechnen, das Ergebnis wird hier angegeben.
Entfernungsauflösung: Die Impulsdauer t1 nach Bild XIII-1 bestimmt die Entfernungsauflösung. Bild XIII-2 stellt dar, daß sich der Antennenstrahl trotz Bündelung geringfügig aufweitet. Zuerst trifft das Echo von Strahl 1 am Empfänger ein, da dieser Strahl senkrecht auf die Fläche A1 auftrifft. Der Strahl 2 entsteht durch die nichtideale Bündelung der Antenne. Er hat eine größere Strecke zurückzulegen, da er nicht senkrecht auf A2 auftrifft. Er erreicht den Empfänger mit der Zeitverzögerung 2 ⋅ Dr/c. Damit beide Echos noch voneinander unterschieden werden können, muß gelten: 2 ⋅ Dr/c > t1. Weicht Strahl 2 maximal von Strahl 1 ab, ergibt sich der Grenzfall:
Reichweite rmax = 4
PS Ae A 2 4pl2 kTBFS r
(XIII.3)
PS Senderleistung in W; Ae Radarquerschnitt in m2; A Wirkfläche der Empfangsantenne in m2; l Radar-Wellenlänge in m; k Boltzmann-Konstante; T absolute (thermodynamische) Temperatur in K; B Bandbreite des Radarsignals in Hz; F Rauschzahl des Empfängers; Sr Störabstand
Primärradar: Der Körper reflektiert passiv den Radarstrahl. Das empfangene Echosignal hat eine geringe Amplitude und wird durch Rauschen und Störungen verfälscht. Störungen sind z.B. auch feststehende Gebäude und Berge. Es sind trotzdem sehr genaue Ortungen möglich.
Entfernungsauflösung Dr = A2
Sekundärradar: Ein z.B. im Flugzeug eingebauter Transponder antwortet auf ein Codewort des Senders mit einem eigenen Sender und der Übertragung von Informationen (z.B. Identität, Flughöhe). Dieses Verfahren garantiert eine sehr sichere Signalerkennung, ist aber von der Ortungsgenauigkeit dem Primärradar unterlegen. Tastgrad beim Impulsradar: In der Regel wird die gleiche Antenne für das Senden und das Empfangen des Radarsignales verwendet. Es werden deshalb kurze Impulse hoher Leistung zur Erzielung einer großen Reichweite ausgesendet (Antenne im Sendebetrieb) und anschließend deren Echo empfangen (Antenne im Empfangsbetrieb). Bild XIII-1 zeigt die an der Antenne anstehende Sendeleistung Ps. Für die Impulsdauer t1 muß gelten, daß sie kürzer ist als die Laufzeit der Welle zum nächstgelegenen Körper und zurück, für t2 folgt, daß erst das Echo vom entferntesten Körper die Antenne erreicht haben muß, bevor ein neuer Impuls ausgesendet werden kann.
(XIII.4)
c Lichtgeschwindigkeit 3 ⋅ 108 m/s; t1 in s, siehe Bild XIII-1
2
Δr
1 A1
Beide Verfahren werden oft parallel eingesetzt.
t1 ⋅ c 2
Bild XIII-2 Entfernungsauflösung Demnach muß die Impulszeit so kurz wie möglich gewählt werden, um eine hohe Entfernungsauflösung zu bekommen. Kurze Impulse haben aber eine größere Bandbreite B (siehe Gleichung XIII.3), so daß die Reichweite verkürzt wird.
Minimale Tastpause: Handelt es sich um großflächige Körper der Ausdehnung rK, darf der nächste Radarimpuls erst nach der Zeit t 2 min =
2 ⋅ rk c
(XIII.5)
c Lichtgeschwindigkeit 3 ⋅ 10 m/s 8
folgen.
PS
t1
t2
t
Bild XIII-1 Tastgrad der Senderimpulse
Drehgeschwindigkeit: Soll ein größerer Bereich erfaßt werden, muß die Antenne gedreht werden. Da die von der Antenne empfangenen Signale durch Rauschen und Störungen verfälscht sind, müssen für ein brauchbares Signal mindestens 10 bis 20 Echos empfangen und überlagert werden, siehe dazu auch „Zielextraktor“ weiter unten.
1050
Nachrichtentechnik
Dann gilt: Maximale Drehgeschwindigkeit F Wmax = n ⋅t2
(XIII.6)
F Winkel, um den der Radarstrahl aufgeweitet wird; n Zahl der Echos; t2 Impulspause nach Bild XIII-1 in s
Zielextraktor: Die endliche Strahlbreite der Radarantenne ergibt beim Überstreichen eines reflektierenden Objektes mehrere Echos, die in der Regel gestört sind. Bild XIII-3a stellt vier solcher gestörten Signale dar. Beim ersten Echo (UE) wird im Bereich tx bis tx + Dtx ein erhöhtes Empfangssignal festgestellt und die Schwelle mit der Spannung Us (Erfahrungswert) überschritten. Das gilt auch für den Bereich ty bis ty + Dty. Beim Eintreffen des zweiten Echos wird die Spannung Us wiederum näherungsweise im Bereich tx bis tx + Dtx überschritten, während im Bereich ty bis ty + Dty die Schwellspannung nicht erreicht wird. Auch beim dritten und vierten Echo ist die empfangene Signalspannung wieder näherungsweise
UE US t
ty ty + Δ ty
UE US
im Bereich tx bis tx + Dtx größer als die Spannung Us, während in allen anderen Fällen gilt, daß die Spannung Us nur einmal überschritten wurde. Damit ist das Signal im Bereich tx bis tx + Dtx einem Körper zuzuordnen. Bei den anderen die Schwellspannung überschreitenden Werten handelt es sich um Störungen. Die beschriebene Auswertung erfolgt in einem binären Wanderfensterdetektor nach Bild XIII-3b. Das Echosignal wird laufend digitalisiert (insgesamt k Werte) und digital mit der Schwellspannung Us verglichen. Entsprechend wird 0 oder 1 zugeordnet. Diese Werte werden in ein Schieberegister mit k Stellen eingeschoben und am Ende in k Addierern (für jede der k Stellen ein Addierer) gespeichert. Beim zweiten Echo geschieht das gleiche, wobei am Ende die im Schieberegister enthaltenen Digitalwerte zu denen des ersten Echos hinzuaddiert werden. Nach Eintreffen des vierten Echos und Addition enthalten die Zellen, die den Digitalwerten im Bereich tx bis tx + Dtx zugeordnet sind, die Zahl 4, da für jedes Echo die Schwellspannung überschritten wurde. Alle anderen Zellen enthalten nur eine 1 (Schwellspannung einmal überschritten) oder nur eine 0 (Schwellspannung nie überschritten). Mit der Festlegung Summe ≥ 3 Ⳏ Ziel, Summe < 3 Ⳏ kein Ziel (Bild XIII-3b: i ≥ m ⇒ 1 Ⳏ Ziel, i < m ⇒ 0 Ⳏ kein Ziel) wird die Entscheidung über das Vorhandensein eines Zieles getroffen.
2 Daten von Radaranlagen t
UE US
t
UE US
t
tx tx + Δ tx a) UE < US ⇒ 0 UE > US ⇒ 1 0,1
1 0
Schieberegister k
US UE Addierer
b)
i<m⇒0 i>m⇒1 ^ 0= kein Ziel ^ 1= Ziel
Bild XIII-3 Echosignale vier aufeinanderfolgender Sendersignale a) Signalverläufe b) Wanderfensterdetektor
Die für die Flugüberwachung eingesetzten Radaranlagen haben beispielsweise die folgenden technischen Daten: – Umlaufzeiten zwischen 3 s und 15 s – Hochfrequenz-Spitzenleistung bis 10 MW – Impulsdauer 10 ms – Pausendauer 10 ms – Antenne horizontal scharf gebündelt, vertikal weniger scharf gebündelt – Frequenzen zwischen 400 MHz bis 75 GHz in dafür vorgesehenen Bereichen Für eine Rundsichtanlage (Allzweckgerät, z.B. Radaranlage auf kleineren Schiffen) werden die folgenden typischen Werte angegeben: – Frequenzband: 9,320 ... 9,480 GHz – Impulslänge: Nahbereich 0,1 ms, Fernbereich 0,2 ms – Impulsfolgefrequenz: 1000 Hz – Impulsspitzenleistung: 10 kW – Horizontaler Antennen-Öffnungswinkel: 1,75° – Vertikaler Antennen-Öffnungswinkel: 20° – Nahauflösung: 30 m – Abstandsauflösung: 20 m – Entfernungsbereiche: 0,5 – 1 – 3 – 8 – 15 – 30 Seemeilen – Antennendrehzahl: 24 pro Minute – Leistungsbedarf: 200 W
XIV Elektroakustische Wandler
1051
3 Funkortungssystem OMEGA Unter einer Vielzahl von Funkortungssystemen hat das System OMEGA Bedeutung, weil es erdumspannend ist und voraussichtlich noch einige Zeit bestehen bleiben wird. Es gibt 8 Bodenstationen in Japan, Australien, Norwegen, Trinidad, USA, Argentinien und auf Madagaskar und Hawaii. Jeder Sender sendet 3 Frequenzen im VLF-Bereich aus: f1 = 10,2 kHz (Hauptträger), f2 = 13,60 kHz (1. Hilfsträger) und f3 = 11,33 kHz (2. Hilfsträger). Wegen der großen Reichweite dieser Wellen ist jeder Punkt der Erde von mehreren Sendern erreichbar. Die einzelnen Sender senden die drei Frequenzen synchron mit einer für jeden Sender typischen Zeitdauer aus. Sie können damit identifiziert werden. In den zur Positionsbestimmung eingesetzten Empfängern werden die zwei Differenzfrequenzen f0 = f2 – f1 = 3,40 kHz und f4 = f3 – f1 = 1,13 kHz gebildet, und damit wird eine grobe Ortsbestimmung vorgenommen. Da gilt: 3 ⋅ f0 = f1 und 4 ⋅ f0 = f2, kann aus den Signalen zweier Sender (S1, S2) die Phasendifferenz Dj1 gemessen und daraus eine Linie für Dj1 = konst gezeichnet werden (Bild XIII-4). Diese Linie ist eine Hyperbel, deswegen gehört dieses Verfahren zu den Hyperbelortungsverfahren: 2⋅p Δj1 = (XIII.7) ⋅ 3 ⋅ 4 ⋅ f 0 ⋅ ( PS 1 − PS 2 ) c Das gleiche Verfahren wird mit einem weiteren Sender, S3, durchgeführt. Es ergibt sich eine zweite
Hyperbeln S3 Δf2 = konst.
S1
P S2 Δf1 = konst.
Bild XIII-4 Standortbestimmung mit dem Ortungssystem OMEGA Hyperbel für Dj2 = konst. Der Schnittpunkt beider Hyperbeln ergibt den Standort P.
4 Satellitengestütztes Ortungssystem GPS Das Ortungssystem GPS (global positioning system) gewinnt zunehmend an Bedeutung und wird wegen seines geringen Fehlers, seiner weltweiten Verfügbarkeit und seines relativ geringen Aufwandes für den Empfänger die bisher bestehenden Systeme zunehmend verdrängen. Einzelheiten zu diesem Verfahren sind im Kapitel XI, Nachrichtenübertragung über Satellit, dargestellt.
XIV Elektroakustische Wandler Um Sprache und Musik über größere Entfernungen zu übertragen, wird der Hörschall mit einem Mikrofon in ein proportionales elektrisches Signal umgewandelt und auf drahtlosem Wege (Beispiel Rundfunkübertragung) oder drahtgebunden (Beispiel Telefon, Kabelrundfunk, oft in Kombination mit dem drahtlosen Weg) zum Empfänger übermittelt. Am Empfangsort setzt z.B. ein Lautsprecher das elektrische Signal wieder in ein akustisches Signal um.
1 Definitionen, Kenngrößen Im folgenden sind einige Kenngrößen der Akustik zusammengestellt, weitere können z.B. DIN 1320 entnommen werden. Schall: Mechanische Energie in Form von Schwingungen und Wellen eines elastischen Mediums. Hörschall, Infraschall, Ultraschall: Hörschall: Schall im Frequenzbereich des menschlichen Hörens, ca. 16 Hz bis 16 kHz. Infraschall: Schall unterhalb ca. 16 Hz. Ultraschall: Schall oberhalb ca. 16 kHz.
Geräusch: Schallsignal, das meistens ein nicht zweckbestimmtes Schallereignis charakterisiert (Beispiel Maschinengeräusch). Schallkennimpedanz (kurz Kennimpedanz): Widerstand, den das Medium der Schallwelle entgegensetzt (siehe auch Erläuterung zu Gleichung XIV.3): Schallkennimpedanz: kg (XIV.1) W0 = c ◊ ρ in 2 m ◊s
c Schallgeschwindigkeit im m/s, r Dichte in kg/m3
In Luft bei Normaldruck und 20 °C ist die Kennimpedanz 413 N ⋅ s/m3. Wellenwiderstand: Ist das Medium verlustfrei, wird die Schallkennimpedanz reell und als Wellenwiderstand bezeichnet. Schalldruck: Durch die Schallschwingung hervorgerufener Wechseldruck p in N/m2 (siehe auch Erläuterung zu Gleichung XIV.3). Der Praxis angepaßt gibt man ihn häufig in mbar an: 1 mbar = 10 −1 N/m 2 = 10 −1 Pa
(XIV.2)
1052
Schallschnelle: Geschwindigkeit, mit der sich die Atome bzw. Moleküle durch den Schalldruck um ihre Ruhelage bewegen: p m (XIV.3) v = w⋅ s = in W0 s
w Kreisfrequenz in s–1, s Schwingweg der Schallquelle in m, p Schalldruck in N/m2 bzw. kg/(s2 ⋅ m), W0 Schallkennimpedanz in kg/(s ⋅ m2)
Diese Gleichung legt die Analogie zum elektrischen Feld nahe: Mit den Entsprechungen v ⇔ I, p ⇔ U, W0 ⇔ Z folgt daraus das Ohmsche Gesetz, angewendet auf den Wechselstromkreis. Die äquivalente Definition lautet dann: „Die Stromschnelle ist die Geschwindigkeit, mit der die Elektronen durch die Spannung ihre Lage ändern.“
Sie beträgt in Luft bei 20 °C und Normalluftdruck 340 m/s, in Wasser ca. 1500 m/s und in Stahl 5050 m/s. Dämpfungsmaß: Logarithmisches Verhältnis der Amplituden einer Feldgröße an zwei hintereinanderliegenden Punkten. Schallintensität: Produkt aus Schallschnelle und Schalldruck oder Quotient aus Schalleistung und Fläche: p2 Pa ⋅ m J = v⋅r = in W0 s (XIV.5) N W oder oder m⋅s m2
Elektroakustischer Übertragungsfaktor für Schallsender (Lautsprecher), im folgenden kurz Übertragungsfaktor genannt: p Pa BS = in (XIV.8) V U
p Schalldruck in Pa, U elektrische Spannung in V
Elektroakustischer Übertragungsfaktor für Schallempfänger (Mikrofone), im folgenden kurz Übertragungsfaktor genannt: BE =
U p
Schallpegel: Logarithmisches Verhältnis des tatsächlichen Schalldruckes p1 zu einem BezugsSchalldruck pb. Die Bezugsgröße pb ist anzugeben.
Schalldruckpegel: Logarithmisches Verhältnis des tatsächlichen Schalldruckes p1 zum Schalldruck der Hörschwelle p0 = 2 ⋅ 10–4 mbar (siehe auch „Lautstärkepegel“, Gleichung (XIV.13)): p L p = 20 ⋅ lg 1 in dB (XIV.7) p0
V Pa
(XIV.9)
Absoluter elektroakustischer Übertragungsfaktor: BS 0 = 1 Pa/V
für Schallsender (Lautsprecher) (XIV.10a)
B E 0 = 1 V/Pa
für Schallempfänger (Mikrofone) (XIV.10b)
Elektroakustisches Übertragungsmaß für Schallsender (Lautsprecher): G S = 20 ⋅ lg
BS BS 0
in dB
(XIV.11)
Formelzeichen siehe Gleichungen (XIV.8, 10a)
Elektroakustisches Übertragungsmaß für Schallempfänger (Mikrofone): G E = 20 ⋅ lg
BE BE 0
in dB
(XIV.12)
Formelzeichen siehe Gleichungen (XIV.9, 10b)
Lautstärkepegel: Er ist gleich dem Schalldruckpegel (in dB, siehe oben) des als gleichlaut beurteilten Normschalles (1 kHz):
Formelzeichen siehe Gleichungen (XIV.1, 2, 3 und 4).
Es handelt sich dabei um eine Leistung pro Fläche, wie die letzte Einheitenangabe zeigt. Schalleistung: Produkt aus Schallintensität J und Fläche A: N⋅m (XIV.6) Pak = J ⋅ A in W oder s Hörschwelle: Die Hörschwelle ist der Schalldruck, den das Ohr gerade noch wahrnehmen kann, er beträgt p0 = 2 ⋅ 10–4 mbar = 2 ⋅ 10–5 Pa.
in
p Schalldruck in Pa, U elektrische Spannung in V
Schallgeschwindigkeit: Geschwindigkeit, mit der sich die Schallwelle fortpflanzt. Sie berechnet sich aus den Materialeigenschaften zu: E c= in m/s (XIV.4) r
E Elastizitätsmodul in N/m2, r Dichte in kg/m3
Nachrichtentechnik
L = 20 ⋅ lg
P1 P0
in phon
(XIV.13)
p1 Schalldruck des Normalschalles, p0 = 2 ⋅ 10–4 mbar Schalldruck des Normalschalles an der Hörschwelle
Da Schalldruckpegel und Lautstärkepegel nicht zwingend den gleichen Wert ergeben, wird die Einheit „phon“ verwendet. Bild XIV-1 zeigt den Zusammenhang zwischen dem Schalldruckpegel Lp und der Frequenz f. Aufgetragen sind Kurven gleicher Lautstärkeempfindung. Danach werden Frequenzen im Bereich 2 ... 5 kHz vom Ohr am besten aufgenommen.
Lautheit: Zusammenhang zwischen der tatsächlichen Zunahme des Lautstärkepegels und der menschlichen Empfindung über das Maß dieser Zunahme. Die Abhängigkeit ist experimentell ermittelt worden und ist nichtlinear, siehe Bild XIV2. Gibt man die gleiche Zunahme des Lautstärkepegels bei kleinen und bei großen Lautstärke-
XIV Elektroakustische Wandler
1053
LP 140 dB 120
120 Schmerzgrenze 100
100
80
80
60
60
Lästigkeitsgrenze
20
20 0 0,01 0,02 0,05 0,1 0,2
0 0,5 1
Hörschwelle 2
5 f
10 20 kHz
pegeln vor, wird die Zunahme bei kleinen Pegeln als größer empfunden als bei großen Pegeln. Zur Unterscheidung zum Lautstärkepegel wurde die Einheit „sone“ gewählt. sone 100 20 10 Lautheit 5 2 1 0,1 0,01 0 20 40 60 80 100 phon Lautstärke
Bild XIV-2 Zusammenhang von Lautstärke und Lautheit, nach [XIV.1)
Schmerzschwelle: Sie liegt bei etwa (106 ... 107) p0 = (20 ... 200) N/m2.
Klirrfaktor: Dieser in Kapitel I.4.12.3 behandelte Begriff bekommt hier eine praktische Bedeutung. Durch Messungen mit einer Vielzahl von Versuchspersonen hat man festgestellt, daß das menschliche Ohr Klirrfaktoren > 1% wahrnimmt. Für eine Übertragung muß demnach gelten, daß dieser Wert insgesamt nicht überschritten werden darf, wenn die Wiedergabe unverzerrt klingen soll.
Bild XIV-1 Schalldruckpegel als Funktion der Frequenz (Kurven gleicher Lautstärkeempfindung), nach [XIV.1]
40
40
Schallwerte aus der Praxis: Für den vom Menschen verursachten Schall werden die folgenden drei Werte angegeben: – Direkt am Mund herrscht ein Schalldruck von etwa 0,5 ... 1,5 Pa. – Die Schalleistung der menschlichen Stimme liegt in der Größenordnung 10–5 W. – Die in der Praxis auftretende maximale Schallleistung liegt bei einigen mW.
2 Schallempfänger 2.1 Kenngrößen für Mikrofone Für die als Schallempfänger eingesetzten Mikrofone sind u.a. die folgenden Kenngrößen eingeführt worden: Übertragungsbereich: Das ist der vom Mikrofon gewandelte Frequenzbereich, der im Idealfall den gesamten Hörschall umfaßt. Richtcharakteristik: Richtungsabhängigkeit des Übertragungsfaktors BE (Gleichung (XIV.9)). In der Hauptrichtung (0-Achse) wird BE = 1 gesetzt, und für abweichende Richtungen wird der zugehörige Übertragungsfaktor auf den Wert in der Hauptrichtung bezogen. Die Richtcharakteristik ist von der Frequenz abhängig und wird häufig für eine bestimmte Frequenz angegeben. Bild XIV-3 zeigt die bei Mikrofonen am häufigsten auftretenden Richtcharakteristiken. 0°
a)
0°
180°
b)
0°
180°
0°
d)
180°
c)
180°
0°
e)
180°
Bild XIV-3 Richtcharakteristiken von Mikrofonen mit folgenden Formen: a) Kreis b) Niere oder Cardioide c) Supercardioide d) Hypercardioide e) Acht
1054
Nachrichtentechnik
a)
b)
c)
d)
durch Luftöffnungen auf der Membranrückseite und durch Wölbung der Membran die verschiedenen Cardioide-Charakteristiken erhalten. Durch diese Maßnahmen soll eine Richtcharakteristik erreicht werden, die im wesentlichen nur den Schalldruck von vorn verarbeitet, den von der Rückseite aber nicht. Soll eine extreme Richtwirkung erreicht werden, kann das Mikrofon im Brennpunkt eines Parabolspiegels angeordnet werden. Die Richtcharakteristik wird als ebenes Diagramm dargestellt, weil die Mikrofone in dieser Hinsicht rotationssymmetrisch bezüglich der Längsachse und damit der Hauptachse sind. Bild XIV-4 stellt die Richtdiagramme aus Bild XIV-3 räumlich dar. Elektrische Impedanz, minimale Abschlußimpedanz: Das Mikrofon ist als Spannungsquelle mit Innenwiderstand (Elektrische Impedanz) zu sehen, an die ein ausreichend großer Lastwiderstand (minimale Abschlußimpedanz) angeschlossen werden muß, damit der Spannungsfall am Innenwiderstand des Mikrofons nicht zu groß wird und außerdem die Eigenschaften des Mikrofons nicht durch einen zu kleinen Lastwiderstand nachteilig beeinflußt werden (Klirrfaktor, Amplitudengang).
2.2 Mikrofonsysteme e)
Bild XIV-4 Richtcharakteristiken nach Bild XIV-3, räumlich dargestellt (Unterlagen Fa. Sennheiser) Die Mikrofone mit Kreis- und Achtercharakteristik sind nach Kapitel VIII.1, Rundfunk-Stereoübertragung, für Stereoaufnahmen bestimmt. Allgemein eignet sich das Mikrofon mit Kreischarakteristik für Rundumaufnahmen. Wird ein solches Mikrofon mit Verstärkeranlage und Lautsprecher(n) betrieben (Raum- oder Freiplatzbeschallung), kommt es leicht zum Rückkopplungspfeifen, wenn das verstärkte Schallsignal das Mikrofon mit großer Amplitude erreicht und erneut verstärkt wird. Deshalb konstruiert man Mikrofone, die durch die Form des Gehäuses, durch Schallabschirmung zu bestimmten Seiten,
Die am häufigsten eingesetzten Mikrofonarten lassen sich nach dem Wandlerprinzip einteilen (Tabelle XIV-1). 2.2.1 Kohlemikrofon Bild XIV-5a stellt den Aufbau dar. Durch den Schalldruck bewegt sich die Membran in horizontaler Richtung und drückt die Kohlekörner mehr oder weniger stark zusammen. Dadurch ändert sich der Widerstand. Die Widerstandsänderung, die in etwa dem Schalldruck proportional ist, kann nach Bild XIV-5b in eine proportionale Spannungsänderung u umgewandelt werden. Dabei hat die Lösung mit Übertrager den Vorteil der galvanischen Trennung zwischen Mikrofon- und Signalkreis. Das Kohlemikrofon benötigt eine Spannungsversorgung. Der
Tabelle XIV-1 Wandlerprinzipien für Mikrofone und deren Anwendungen Wandlerprinzip
Name des Mikrofons
Anwendung
Piezo-Prinzip a) piezoresistiv b) piezoelektrisch
Kohlemikrofon Kristallmikrofon
im Telefon älterer Bauart billiges Gebrauchsmikrofon
Elektromagnetisches Prinzip
Magnetisches Mikrofon
u.a. in Hörgeräten
Elektrodynamisches Prinzip
Dynamisches Mikrofon
u.a. als Studiomikrofon
Elektrostatisches Prinzip a) Normalausführung b) Sonderausführung mit Elektret
Kondensatormikrofon Elektret-Kondensatormikrofon
u.a. als Studiomikrofon als Gebrauchsmikrofon
XIV Elektroakustische Wandler
1055
Klirrfaktor kann bis zu 25% betragen, deshalb wurde es für Sprachübertragung im Telefon eingesetzt, wo es auf die Verständlichkeit und nicht die originalgetreue Übertragung ankommt. Es ist das einzige Mikrofon, das, bedingt durch die erforderliche Spannungsversorgung, eine Leistungsverstärkung bewirkt. Nimmt man an, daß die Schalleistung der Sprache bei 10–5 W liegt und daß davon 1/10 vom Mikrofon verarbeitet wird, erhält man am Mikrofonausgang eine elektrische Leistung von etwa 1 mW. Die Leistungsverstärkung ist dann 1 mW/1 mW = 1000. Der Übertragungsfaktor (Gleichung (XIV.9)) beträgt BE ≈ 100 mV/mbar = 1000 mV/Pa = 1 V/Pa. Gummiring Membrankontakt elektrisch leitende Membran Kohlengrieß
Kunststoffolie Berührungsschutz
Gegenkontakt
Sternelektrode
Gegenelektrode
Seidenscheibe Membrankontakt a)
R
Berührungsschutz
Halterung Kristallbiegeschwinger Gehäuse Membran u
Bild XIV-6 Kristallmikrofon 2.2.3 (Elektro-)Magnetisches Mikrofon Nach Bild XIV-7 besteht dieses Mikrofon aus einem feststehenden Dauermagneten, auf dessen Polschuhen eine ebenfalls feststehende Spule sitzt. Als Joch befindet sich vor den Polschuhen die durch den Schalldruck bewegte Membran, die den magnetischen Widerstand des Kreises und damit den magnetischen Fluß ändert. Damit wird in der Spule eine Spannung u induziert. Das Mikrofon ist robust und billig, der Klirrfaktor liegt bei einigen %. Durch das physikalische Prinzip bedingt steigt die Ausgangsspannung mit steigender Schallfrequenz. Diese lineare Verzerrung muß durch einen entsprechend ausgelegten Verstärker beseitigt werden. Berührungsschutz Membran
u
u
Polschuhe Spule
b)
UB
N S
Dauermagnet
UB
Bild XIV-5 Kohlemikrofon a) Aufbau, nach [XIV.1] b) praktische Schaltung mit Lastwiderstand bzw. Übertrager 2.2.2 Kristallmikrofon Es wird der piezoelektrische Effekt ausgenutzt, nach dem bestimmte Materialien (Quarz, Seignettesalz, Piezokeramik) bei Druck eine proportionale Spannung abgeben, Bild XIV-6. Eine Membran aus Metall oder Kunststoff ist mechanisch mit dem Kristall verbunden. Membranbewegungen erzeugen Druckund Zugspannungen im Kristall und können als Spannung u an den Elektroden abgegriffen werden. Da der Effekt durch Ladungsverschiebungen hervorgerufen wird, ist die elektrische Impedanz sehr groß (MΩ-Bereich), so daß zunächst ein Verstärker als Impedanzwandler nachgeschaltet werden muß. Der Klirrfaktor liegt bei einigen %, der Übertragungsfaktor bei etwa 5 mV/Pa.
u
Bild XIV-7 Elektromagnetisches Mikrofon 2.2.4 (Elektro-)Dynamisches Mikrofon als Tauchspul- oder Bändchenmikrofon An der Membran ist eine Spule befestigt, die in das Feld eines feststehenden Dauermagneten eintaucht, Tauchspulmikrofon, Bild XIV-8a. Die Ausgangsspannung steigt mit steigender Schallfrequenz, der Übertragungsfaktor ist in der Größenordnung 1 mV/ Pa. Deshalb ist ein Vorverstärker erforderlich, der die niedrige Ausgangsspannung verstärkt und den Amplitudenfrequenzgang korrigiert. Der Klirrfaktor ist gering (≤ 1%), deshalb wird es auch als Studiomikrofon eingesetzt. Eine Sonderausführung ist das Bändchenmikrofon, Bild XIV-8b, bei dem die Membran als geripptes Bändchen ausgeführt ist, das sich direkt im Feld des Dauermagneten bewegt. Auch hier steigt die Ausgangsspannung mit steigender Schallfrequenz, wobei bei hohen Schallfrequenzen die Ausgangsspannung durch die geringe Masse des
1056
Nachrichtentechnik
Bändchens der Schalländerung praktisch trägheitslos folgt. Der Übertragungsfaktor ist, da es sich um eine Spule mit nur einer Windung handelt, in der Größenordnung 10 ... 100 mV/Pa. Der Klirrfaktor liegt unter 1%. Gehäuse Berührungsschutz S Membran
Dauermagnet
N
Schwingspule (Tauchspule)
S
und Störeinstrahlungen in den hochohmigen Signalkreis zu verringern. Ohne Verstärker erreicht man Übertragungsfaktoren von etwa 1 mV/Pa. Eine weitere Möglichkeit zur Mikrofonspeisung, die Hochfrequenzschaltung, zeigt Bild XIV-9c. Das Mikrofon erhält keine Gleichspannung, sondern liegt als Kondensator in einem Oszillatorkreis, dessen Frequenz sich schallproportional ändert (Frequenzmodulation). In einem Demodulator wird das Signal demoduliert und zusammen mit dem Hochfrequenzsignal über die Leitung übertragen. Die Spule trennt Hochfrequenzund Nutzsignal. Der Vorteil dieser Schaltung ist, daß nur eine einadrige abgeschirmte Leitung erforderlich ist. feste Elektrode
a)
Vorverstärker
Bändchen Magnet
elektrisch leitende Membran
u
Berührungsschutz a)
UB Gehäuse
S
b)
u
N
Bild XIV-8 Elektrodynamisches Mikrofon, nach [XIV.1] a) Tauchspulmikrofon b) Bändchenmikrofon
R
R
b) UB
2.2.5 Kondensatormikrofon Wie in Bild XIV-9a dargestellt, bildet die Membran die eine Platte eines Plattenkondensators, die andere Platte ist eine im Abstand von etwa 10 mm angebrachte feste Elektrode. Ändert sich der Schalldruck, ändert sich der Abstand der Elektroden und damit die Kapazität (C ± DC). Der Kondensator erhält nach Bild XIV-9b über eine Spannungsquelle mit der Spannung UB und zwei hochohmige Widerstände R (10 ... 100 MΩ) eine Ladung Q, die dann konstant ist, wenn die Periodendauer der niedrigsten Schallfrequenz viel kleiner ist als die Zeitkonstante 2RC. Dann gilt: u = U ⋅ ±DC/C. C liegt in der Größenordnung 500 ... 1000 pF, so daß für R bei f = 16 Hz und C = 1 nF gilt: R >> 10 MΩ. Die zwei Leitungen zum Mikrofon führen sowohl die Signalspannung als auch die Spannung zur Ladungserzeugung, und damit ist nur eine zweiadrige abgeschirmte Leitung erforderlich (Tonaderspeisung nach DIN 45 595). Mit dem Übertrager werden Speisespannung und Nutzspannung voneinander getrennt. Der Klirrfaktor ist wesentlich kleiner als 1%, so daß dieses Mikrofon als Studiomikrofon eingesetzt wird. Allerdings empfiehlt es sich, in das Mikrofon einen Vorverstärker mit einem Eingangswiderstand > 1 GΩ zu integrieren, um Leitungskapazitäten nicht wirksam werden zu lassen
u HF-Oszillator
c) Elektret
Halterung
a + Δa u E d)
Halterung leitende Membran
Bild XIV-9 Kondensatormikrofon a) Aufbau, nach [XIV.1] b) Tonaderspeisung (DIN 45 595) c) Hochfrequenzschaltung d) Elektretmikrofon
XIV Elektroakustische Wandler
1057
2.2.6 Elektret-Kondensatormikrofon Eine zunehmend eingesetzte Variante ist das ElektretKondensatormikrofon. Ein Elektret hat auf zwei gegenüberliegenden Stirnflächen ortsfeste elektrische Ladungen, so daß ein elektrisches Feld auch ohne äußeres Anlegen einer Spannung dauerhaft vorhanden ist, Bild XIV-9d. Man beschichtet die Membran eines Kondensatormikrofons mit einem Elektret, und damit bewirkt die als konstant angenommene elektrische Feldstärke E bei einer Lageänderung Da der Membran eine Spannungsänderung Du an den Kon-
densatorplatten: Du = E · Da. Diese Mikrofone werden u.a. in Kassettenrecordern und Anrufbeantwortern eingesetzt, weil sie unempfindlich gegen Körperschall und magnetische Streufelder sind.
2.3 Daten und Eigenschaften verschiedener Mikrofonsysteme Tabelle XIV-2 stellt die Eigenschaften von Mikrofonsystemen qualitativ einander gegenüber. Tabelle XIV-3 listet typische Werte der verschiedenen Mikrofonsysteme auf.
Tabelle XIV-2 Qualitative Eigenschaften von Mikrofonsystemen Empfindlichkeit gegenüber Erschütterungen
Übertragungsfaktor
Klirrfaktor
Verarbeitung tiefer Frequenzen
Verarbeitunghoher Frequenzen
Preis, Schaltungsaufwand
Kohlemikrofon
–
+
––
–
0
+
Kristallmikrofon
0
0
0
+
+
+
magnetisches Mikrofon
+
0
–
–
+
+
dynamisches Mikrofon
+
+
+
+
+
+
Bändchenmikrofon
0
0
+
0
+
+
Kondensatormikrofon
+
+
++
+
+
0
Elektretmikrofon
+
+
0
0
+
+
Eigenschaften: – – schlecht, – weniger gut, 0 mittelmäßig, + gut, + + sehr gut
Tabelle XIV-3 Typische Werte für verschiedene Mikrofonsysteme
#
Übertragungsfaktor in mV/Pa
Elektrische Impedanz in Ω
Klirrfaktor in %
Frequenzbereich in Hz
Dynamik in dB#)
Kohlemikrofon
1000
50 ... 500
25
600 ... 4 000
Kristallmikrofon
5
1 ... 5 MΩ
2
30 ... 10 000
magnetisches Mikrofon
10
2000
10
300 ... 6 000
dynamisches Mikrofon
1
200
1
40 ... 14 000
60
Bändchenmikrofon
0,1
0,1
0,5
40 ... 18 000
50
Kondensatormikrofon
1
100 MΩ
0,1
20 ... 20 000
80
60
) Die Dynamik ist das logarithmische Verhältnis von der größten noch einwandfrei verarbeitbaren Schallamplitude zur kleinstmöglichen verarbeitbaren Schallamplitude (siehe auch DIN 40146).
1058
Nachrichtentechnik
3 Schallsender Unter den Begriff Schallsender fallen Lautsprecher und Hörer. Es wurden bzw. werden die folgenden Systeme verwendet.
3.1 Lautsprecher- und Hörer-Systeme 3.1.1 Elektrodynamisches System Im Luftspalt eines Elektromagneten bewegt sich eine Spule, deren Strom einen angenähert proportionalen Schalldruck erzeugt. Dieses System wurde angewendet, als noch keine leistungsfähigen Dauermagnete zur Verfügung standen.
anregt. Die auf die Spule ausgeübte Kraft berechnet sich nach der Lorentz-Kraft: F ~ B0 ⋅ i (XIV.15) B0 vom Dauermagneten erzeugte Flußdichte im Luftspalt in V ⋅ s/m2, i Signalstrom in A
Man erhält damit theoretisch einen linearen Zusammenhang zwischen der Membranauslenkung und dem Signalstrom. Membran Zentriermembran Membrankorb 3
3.1.2 (Elektro-)Magnetisches System Eine Membran bewegt sich im Luftspalt eines Dauermagneten, Bild XIV-10. Auf dem Dauermagneten bzw. seinen Polschuhen sind zusätzlich zwei in Reihe geschaltete Spulen angebracht, durch die der zum Schalldruck proportionale Wechselfluß erzeugt wird und der sich dem Gleichfluß des Dauermagneten überlagert. Dieses System wird u.a. im Telefon (auch als Mikrofon möglich) und in Kopfhörern eingesetzt. Die auf die Membran ausgeübte Kraft F ist proportional dem Quadrat der Flußdichte B. Ist B0 die vom Dauermagneten erzeugte Flußdichte und nimmt man die Flußdichte des Nutzsignales sinusförmig an, BS = B ⋅ sin wt , folgt für die Kraft: F ~ B 2 = ( B 0 + B ⋅ sin wt ) 2 = B 02 + 2 ⋅ B 0 ⋅ B ⋅ sin wt + B 2 ⋅ sin 2 wt (XIV.14) 2 2 Der Summand B ⋅ sin wt führt zu nichtlinearen Verzerrungen, so daß für die Konstruktion des Sys tems gelten muß: B0 >> B.
N
S
Schutzkappe Membran Spulen Polschuhe Dauermagnet
Spule Dauermagnet
Bild XIV-11 Aufbau eines dynamischen Lautsprechers 3.1.4 Elektrostatisches System Es handelt sich hierbei um die Umkehrung des beim Kondensatormikrofon eingesetzten Prinzips. Nach Bild XIV-12 ist in geringem Abstand zu einer festen Elektrode FE die Membran M als bewegliche Elektrode angebracht. Beide sind elektrisch voneinander isoliert und bilden damit die Platten eines Kondensators. Beim Anlegen einer Spannung an die Elektroden wird die Membran M von FE angezogen, wölbt sich durch und überträgt diese Bewegung an die umgebende Luft. Da die Kraft F proportional zum Quadrat der Spannung ist, muß auch hier durch eine entsprechend große Gleichspannung U0 eine Linearisierung erreicht werden. Es gilt die Ableitung zu Gleichung (XIV.14), wenn man die Flußdichte durch die Spannung ersetzt: F ~ u 2 = ( U 0 + u ⋅ sin wt ) 2 = U 02 + 2 ⋅ U 0 ⋅ u ⋅ sin wt + u 2 ⋅ sin 2 wt (XIV.16) Für eine nahezu lineare Abhängigkeit muß gelten: U 0 >> u . FE
i
Bild XIV-10 (Elektro-)Magnetisches System 3.1.3 Dynamisches System Da keine Verwechslung mehr mit dem elektrodynamischen System (Kapitel XIV.3.1.1) gegeben ist, spricht man vom dynamischen System anstelle vom permanentdynamischen System. Nach Bild XIV-11 bewegt sich eine vom Signalstrom i durchflossene Spule im Feld eines Dauermagneten. Mit der Spule mechanisch verbunden ist eine trichterförmige Membran, die die umgebende Luft zu Schallschwingungen
Polschuhe (1, 2, 3) 1
N i 2 S
Membran M (beweglich)
u U0
Halterung
Bild XIV-12 Prinzip eines elektrostatischen Lautsprechers Durch die geringe Masse der bewegten Teile ergibt sich besonders bei hohen Frequenzen ein geringer Klirrfaktor. Diese Lautsprecher können allerdings nur wenig Leistung abgeben, und die Schallabstrahlung ist stark gerichtet.
XIV Elektroakustische Wandler
1059
3.1.5 Piezoelektrisches System
Demnach ist es nur unvollkommen möglich, mit einem Lautsprecher den gesamten Hörschall zu übertragen. Als Obergrenze zwischen höchster und niedrigster von einem Lautsprecher übertragbarer Frequenz gilt der Wert 100. Man setzt deshalb zwei oder drei Lautsprecher ein und optimiert jeden für einen Teilfrequenzbereich. Bei zwei Lautsprechern wählt man z.B. einen Tieftonlautsprecher für den Frequenzbereich 30 Hz bis 500 Hz und einen Mittel-Hochton-Lautsprecher für den Frequenzbereich 500 Hz bis 15 kHz (Bild XIV-14). Bei drei Lautsprechern kann die Unterteilung so aussehen: 30 Hz bis 500 Hz, 500 Hz bis 4 kHz, 4 kHz bis 20 kHz. Die einzelnen Lautsprecher werden über Frequenzweichen mit dem zugeordneten Frequenzbereich angesteuert.
Es handelt sich um die Umkehrung des beim Kristallmikrofon verwendeten Prinzips. Bild XIV-13 zeigt das Kristallelement, das einseitig fest eingespannt ist und mit dem anderen Ende spannungsproportional schwingt und die Lautsprechermembran bewegt. Es sind zwei Kristallplättchen so aufeinandergeklebt, daß sich die entsprechende Biegung analog zu einem Bimetallsystem ergibt. Die mechanische Auslenkung ist nur bedingt proportional zur angelegten Spannung, so daß diese Lautsprecher einen nicht zu vernachlässigenden Klirrfaktor haben. Sie werden zur Wiedergabe von mittleren und hohen Frequenzen eingesetzt. Lautsprechermembran Kristallelement
vom Verstärker
Mittel-HochtonLautsprecher 500 Hz ... 15 kHz
u feste Einspannung
TieftonLautsprecher 30 ... 500 Hz
Bild XIV-13 Kristall-Lautsprecher
3.2 Kenngrößen, Daten Es folgen noch einige Begriffe im Zusammenhang mit Lautsprechern und Hörern.
Akustischer Kurzschluß: Befindet sich eine Lautsprechermembran frei im Raum, d.h. sowohl Vorder- als auch Rückseite strahlen eine Schallwelle ab, können sich beide Schallwellen im Raum so überlagern, daß sie sich ungünstigenfalls genau auslöschen. Man spricht dann von akustischem Kurzschluß. Das ist besonders kritisch, wenn die Wellenlänge l der Schallschwingung groß ist gegen den Membrandurchmesser. Fügt man dagegen den Lautsprecher in eine passende Öffnung einer starren, sehr großen Wand ein, wird dieser Kurzschluß vermieden. Eine alternative Lösung mit weniger großen Abmessungen sind Lautsprechergehäuse, die allseitig geschlossen sind und nur vorn eine Öffnung in Lautsprechergröße haben. Richtcharakteristik: Kommt die abgestrahlte Schallwellenlänge in die Größenordnung des Membrandurchmessers, setzt eine Richtwirkung ein, die mit weiter sinkender Wellenlänge zunimmt. Es gilt:
Schall. frequenz
10 Hz 100 Hz 1000 Hz
10 kHz 16 kHz
Schallwellenlänge
34 m
3,4 cm
3,4 m
bei 20 °C in Luft und 1000 hPa
34 cm
2,125 cm
Bild XIV-14 Trennung von Tiefton- und Hochtonlautsprechern durch Filter (Frequenzweichen)
Hörer, Kopfhörer: Hörer sind Schallsender, die den Schall direkt am Ohr abstrahlen. Deshalb heißen sie auch Kopfhörer. Prinzipiell sind für Hörer alle genannten Systeme brauchbar, allerdings hat sich für die Wiedergabe hochwertiger Musikaufnahmen der dynamische Hörer durchgesetzt, der seinen Namen vom verwendeten dynamischen System hat. Die bei 1 kHz gemessene Impedanz liegt bei 4, 8 oder 16 Ω zum direkten Anschluß an die Lautsprecherausgänge eines Verstärkers oder bei 200 Ω. Es gibt sie als offene Hörer, bei denen die Membran nach vorn und hinten abstrahlt, und als geschlossene Hörer, bei denen der Hörer nur nach vorn abstrahlt.
Tabelle XIV-4 listet einige Eigenschaften der verschiedenen Systeme auf.
Motional Feedback-System: Vor allem bei Tieftonlautsprechern gibt es durch die relativ große Masse der Membran mit Schwingspule Signalverzerrungen. Man bringt deshalb auf der Membran einen Weg- oder Beschleunigungsaufnehmer an, der den tatsächlichen Weg bzw. die momentane Beschleunigung ermittelt und mit dem Sollwert der ansteuernden elektrischen Größe vergleicht. Weichen beide voneinander ab, wird der Spulenstrom entsprechend eingestellt. Man erreicht auf diese Weise kleinere Klirrfaktoren.
1060
Nachrichtentechnik
Tabelle XIV-4 Typische Kenndaten verschiedener Schallsendersysteme Nennscheinwiderstand bzw. Kapazität
Frequenzbereich
Leistung bis max.
Übertragungs- Verzerrungen Anwendungen faktor
200 ... 2000 Ω
300 Hz ... 5 kHz
3W
5 Pa/V
groß
billige Systeme
magnet. Kopf- 200 ... 2000 Ω hörer
100 Hz ... 6 kHz
50 mW
5 Pa/V
groß
Telefon, Kleinhörer
magnet. Lautsprecher
dynam. Breitband-Lautspr.
3 ... 25 Ω
30 Hz ... 18 kHz
200 W
0,5 Pa/V
klein
universell
dynam. Tiefton-Lautspr.
2 ... 8 Ω
30 ... 500 Hz
500 W
0,7 Pa/V
klein
HiFi-Anlagen
500 Hz ... 20 kHz 80 W
0,2 Pa/V
klein
HiFi-Anlagen
dynam. Hoch- 3 ... 25 Ω ton-Lautspr. dynam. Kopfhörer
4 ... 200 Ω
16 Hz ... 20 kHz
100 mW
0,1 Pa/V
sehr klein
höchste Ansprüche
Piezoel. Lautsprecher
1 ... 5 nF
1 ... 20 kHz
2W
0,5 Pa/V
mittel
allgemeine Anwendung
elektrostatischer Lautspr.
100 ... 500 pF
1 ... 20 kHz
5W
0,1 Pa/V
klein
in kleineren HiFi-Anlagen
XV Vermittlungstechnik 1 Grundbegriffe In einem vorhandenen Nachrichtennetz sorgt die Vermittlungstechnik dafür, daß Informationen zu jeder Zeit von einem beliebigen Zugangspunkt zu einem beliebigen anderen Zugangspunkt übertragen werden können. Der gesamte Vorgang wird mit Vermittlung bezeichnet. Das größte weltweit vorhandene Nachrichtennetz ist das Telefonnetz. Die Zugangspunkte sind die Anschlußpunkte (ortsfeste Anschlußdosen) für die Endgeräte, wie z.B. Telefonapparate, Faxgeräte oder Modems, oder aber ein ortsveränderliches Endgerät wie ein schnurloses Telefon oder ein Funktelefon („Handy“). Die Informationen werden vorwiegend als elektrische Signale übertragen, allerdings gewinnt die optische Signalübertragung an Bedeutung, siehe Kapitel XII. Die Verbindung zweier oder mehrerer Zugangspunkte kann entweder nur für eine bestimmte Zeit (Telefongespräch, Senden eines Faxes) oder dauernd erfolgen („Standleitung“ als Telefon- und/oder Datenleitung zur Verbindung von z.B. Zweigwerken einer Firma). Bisher werden überwiegend geschaltete Kanäle eingesetzt, d.h., beide Endgeräte werden über einen für diese Verbindung reservierten Kanal verbunden: Leitungs- oder Durchschalte-Vermittlung. Im Gegensatz dazu spricht man von virtuellen Kanälen, wenn ein Kanal für mehrere
Verbindungen „gleichzeitig“ eingesetzt wird: Bei Telefongesprächen kann der Kanal in den Sprechpausen anderweitig genutzt werden. Das setzt voraus, daß die Übertragung in zeitlich begrenzten Paketen geschieht: Paketvermittlung. Nach Bild XV-1 besteht die gesamte Nachricht aus einzelnen Nachrichtenblöcken, die sich aus dem Kopf mit den zugehörigen Zuordnungs- und Steuerinformationen und dem Rumpf mit der eigentlichen Information zusammensetzen. Nachrichtenblöcke n
2
Signalflußrichtung
1
... Rumpf
Information
Kopf
Zielrufnummer, Länge, Blocknummer, Steuerinformationen
Bild XV-1 Paketvermittlung Die Paketvermittlung wird im digitalen Datex-P-Netz der Deutschen Telekom angewendet, siehe auch Kapitel XVI.2.2.2.
XV Vermittlungstechnik
2 Vermittlung Der Verlauf einer Vermittlung wird am Beispiel einer Telefonverbindung gezeigt:
1061 Teilnehmer A B
Koppelnetz Bündel Nr. 1
1. Verbindungsaufbau:
2
1.1 Belegung: Wunsch zur Herstellung einer Verbindung durch Abnehmen des Hörers von Teilnehmer A (abgekürzt Tln A). 1.2 Akzeptieren dieses Wunsches durch die Vermittlungseinrichtung, sofern die erforderliche technische Einrichtung momentan zur Verfügung steht, andernfalls Ablehnung. Dem Teilnehmer A wird die Entscheidung mitgeteilt: Besetztzeichen bei Ablehnung, sonst Wählzeichen als Dauerton. 1.3 Bei Bereitschaft der Vermittlungseinrichtung zum Verbindungsaufbau: Teilnehmer A gibt das Verbindungsziel in Form einer mehrstelligen Zahl ein (Telefonnummer). 1.4 Nach erfolgter Zieleingabe sind zwei Fälle möglich: a) Die Verbindung kann nicht hergestellt werden (kein Kanal über die gesamte Strecke verfügbar oder der Zielteilnehmer B telefoniert momentan selbst). Die Rückmeldung zum Teilnehmer A geschieht mit dem Besetztzeichen. b) Es steht ein Kanal zum Teilnehmer B zur Verfügung. Dann erhält B einen Ruf (Telefonklingeln), und Teilnehmer A bekommt die Rückmeldung über den an Teilnehmer B gehenden Ruf ebenfalls als Rufzeichen. 1.5 Teilnehmer B nimmt den Ruf an, indem er den Hörer abhebt. Der Verbindungsaufbau ist beendet. 2. Nachrichtenübertragung: Telefongespräch.
3
N Steuerung Signalisierung
Bild XV-2 Prinzip einer Vermittlungsstelle mit maximal möglicher Zahl von Verbindungen maximal mögliche Anzahl von Gesprächen gleichzeitig geführt werden kann. Das sind bei N Teilnehmern maximal N/2 Verbindungen (Gespräche). Der Nachteil liegt darin, daß die Vermittlungsstelle sehr aufwendig und teuer ist. In der Praxis ist dieser Aufbau aber auch nicht erforderlich, da im Mittel weniger als 10% der maximal möglichen Verbindungen auch tatsächlich belegt sind. Man wählt deshalb einen Aufbau nach Bild XV-3, bei dem das Koppelnetz weniger als die Maximalzahl von Verbindungen bereitstellt. Man nimmt bewußt in Kauf, daß nicht jede Verbindung zu jedem Zeitpunkt hergestellt werden kann, sondern daß Wartezeiten entstehen. Die Aufgabe der Planer besteht darin, die Wartezeiten bei niedrigen Anlagekosten gering zu halten.
3. Verbindungsabbau: Derjenige Teilnehmer, der als erster den Hörer auflegt, leitet den Verbindungsabbau durch Auflegen des Hörers ein. Die endgültige und damit vollständige Freigabe der Vermittlungseinrichtung erfolgt durch das Auflegen des Hörers des rufenden Teilnehmers (hier Teilnehmer A), sofern Teilnehmer B bereits aufgelegt hat. Den prinzipiellen Aufbau einer Vermittlungsstelle zeigt Bild XV-2. Jeder der Teilnehmer A bis N kann mit einem beliebigen anderen Teilnehmer jederzeit verbunden werden, indem im Koppelnetz die entsprechende elektrisch leitende Verbindung hergestellt wird. Die Steuerung sorgt für den erforderlichen Ablauf, und die Signalisierung informiert den Anrufer und den Angerufenen über den momentanen Zustand des Verbindungsaufbaues. Die abgehenden Leitungen sind nach Bündeln geordnet, in denen meist geografisch benachbarte Teilnehmer zusammengefaßt werden. Diese Art des Koppelnetzaufbaues hat den Vorteil, daß eine gewünschte Verbindung jederzeit hergestellt werden kann, weil die
Koppelnetz
Konzentrieren
Koppeln
Expandieren
Bild XV-3 Koppelnetz mit Konzentration und Expansion
3 Verkehrstheorie Betrachtet man die im Mittel auftretende Belegung von Vermittlungseinrichtungen an Werktagen über einen Zeitraum von 24 Stunden, ergeben sich Schwankungen, die u.a. von den Geschäftszeiten, den Mittagspausen, dem Beginn des ermäßigten Tarifs und dem Eintritt der Nachtruhe abhängen. An Sonn-
1062
Nachrichtentechnik
und Feiertagen erhält man eine andere Verteilung, außerdem ist sie unterschiedlich für den Orts- und den Fernverkehr. Um ein Beurteilungskriterium für den Ausbau einer Anlage zu bekommen, ermittelt man eine repräsentative Stunde, die Hauptverkehrsstunde. Die in ihr festgelegte Belegung liegt zwischen dem Mittelwert über 24 Stunden und dem Maximalwert und ergibt sich u.a. aus einer Wirtschaftlichkeitsberechnung. Verkehrsmenge: Y = c ⋅ Tm in Erlangstunden (Erl ⋅ h)
(XV.1)
c Zahl der Belegungen, Tm mittlere Belegungsdauer in s
Verkehrswert: yv = Y/T = c ⋅ Tm/T
in Erlang (Erl)
(XV.2)
T Beobachtungsdauer in s
1 Erl bedeutet, daß die Einrichtung dauernd durch Belegung genutzt wird. Dies ist damit der Höchstwert, der erreicht werden kann. Für den Teilnehmeranschluß an das öffentliche Netz gilt ein Mittelwert von etwa 0,1 Erl.
Angebot: Verkehrswert, der einer Anlage zugeführt wird, unabhängig davon, ob er bearbeitet werden kann oder nicht. Angebot A = Ca ⋅ Tm
(XV.3)
Ca Zahl der Belegungen bzw. Belegungsversuche, Tm mittlere Belegungsdauer in s
Leistung: Maximaler Verkehrswert einer Anlage. Leistung y = Cy ⋅ Tm
(XV.4)
Cy Zahl der maximal möglichen Belegungen, Tm mittlere Belegungsdauer in s
Verlustsystem: Das Angebot übersteigt die Leistung. Dann gilt:
Restverkehr: R = A – y = (Ca – Cy) ⋅ Tm
(XV.5)
und für den Verlust erhält man: Verlust: V = R/y (bezogen auf die Leistung)
(XV.6)
Wartezeitsystem: Eine momentan nicht herstellbare Belegung wird solange in einer Warteschleife gespeichert, bis sie durch eine freiwerdende Einrichtung durchgeführt werden kann. Daraus folgt die mittlere Wartedauer: Tw = Tw ges/Cw (XV.7)
Tw ges Wartezeit aller wartenden Belegungen zusammen, Cw Anzahl der verzögerten Belegungen
4 Ortsvermittlungstechnik 4.1 Endgerät Das am häufigsten eingesetzte Endgerät ist der Fernsprechapparat, abgekürzt FeAp (Telefonapparat). Bild XV-4a zeigt den Innenaufbau einer älteren Ausführung mit mechanischen Kontakten. Dieses
Modell ist heute durch vollelektronische Geräte ersetzt worden, Bild XV-4b, kann aber immer noch im Telefonverkehr eingesetzt werden, sofern die Impulswahl nicht durch Mehrfrequenzwahl ersetzt worden ist (siehe unten). Es werden 2 Leitungen, die a- und die b-Ader, benötigt. Bei aufgelegtem Hörer sind die Kontakte des Gabelumschalters GU geöffnet. Ein eingehender Ruf (Klingelzeichen) wird als 25oder 50-Hz-Wechselspannung eingespeist und gelangt über C1 an den Wecker W. Ist die Wählscheibe in Ruhestellung, sind die Kontakte nsi und nsr geschlossen, nsa ist geöffnet. Beim Abheben des Hörers schließen die Kontakte des GU, und die Sprechwechselspannung des Anrufers gelangt über den Übertrager Ü an den Fernhörer F (Hörkapsel). Die zwei antiparallelen Dioden (GG) begrenzen Störgeräusche mit sehr hohen Amplituden auf ein erträgliches Maß. Spricht der Angerufene in das Mikrofon M, wird die Sprechwechselspannung zum Anrufer übertragen. In der Wicklung w1 des Übertragers Ü fließt der Sprech-Wechselstrom entgegengesetzt zu dem in Wicklung w2, so daß sich die Flüsse auf der Sekundärseite des Übertragers teilweise aufheben. Damit hört der Sprechende seine eigene Sprache nur noch mit geringer Amplitude im Hörer, was als angenehm empfunden wird. Eine vollständige Kompensation ist übrigens nicht erwünscht, weil dann beim Sprechenden der Eindruck eines defekten Telefons entsteht. Die Kombination aus R2 und C2 hat auch die Aufgabe des Leitungsabschlusses. Wird der Hörer abgehoben, fließt über nsi/nsr, GU, w1, w2, R2 und das in der Vermittlungsstelle vorhandene Relais R ein Gleichstrom, so daß das Relais anzieht und den Verbindungswunsch erkennt und weiterleitet. Wird die Wählscheibe aufgezogen, Bild XV-5, schließt der Kontakt nsa, und der Kontakt nsr öffnet. Durch Überbrücken von R2 durch nsa kann in der Vermittlungsstelle ein noch höherer Strom fließen, der für die Steuerung eines Wählers benutzt wird (Änderung des Schleifenstromes). Läßt man die Wählscheibe nach Wahl der Ziffer N ablaufen, öffnet nsi (N + 2)-mal. Die letzten 2 zusätzlichen Öffnungen werden aber durch nsr wieder unterdrückt, so daß die Zahl der Unterbrechungen tatsächlich der gewählten Ziffer entspricht. Bild XV-5 stellt den Ablauf bei Wahl der Ziffer 4 dar. Der Wähler in der Vermittlungsstelle erkennt eine neue gewählte Ziffer daran, daß zwischen zwei Unterbrechungen eine Zeit von mindestens 400 ms vergeht. Mit den zwei zusätzlichen unterdrückten Impulsen läßt sich diese Zeit auch bei sehr schnellem Wählen zweier aufeinanderfolgender Ziffern mit der Wählscheibe erreichen. Bei Telefonapparaten mit Zifferntasten wird die Ziffernfolge bei zu schneller Tastenbetätigung intern zwischengespeichert und dann zur Wähleinrichtung entsprechend den Vorgaben übertragen. Die in Bild XV-4b im Prinzip dargestellte Innenschaltung neuer Telefonapparate setzt einen Mikroprozessor zur Steuerung ein, um den wesentlich er-
XV Vermittlungstechnik
1063 F FeAp GG
nsi
a R – + AB 60 V
Ü
W1 W2 C1 100 Ω nsr R2 1 μF GU R1 nsa M 1 kΩ W
C2 0,1 μF
gungen und der Wählvorgang bedient werden. In einem EEPROM werden das Steuerprogramm und z.B. vom Anwender häufig benutzte Telefonnummern oder Nummern für die Wahlwiederholung abgespeichert. Für die Übermittlung der Ziffern einer Rufnummer gibt es zwei Verfahren:
Impulswahlverfahren: Dieses Verfahren wurde oben beschrieben. Die einzelnen Ziffern werden durch eine entsprechende Anzahl von Änderungen des Schleifenstromes übermittelt. Dieses Wahlverfahren wird in absehbarer Zeit nicht mehr verwendet.
Mehrfrequenzwahlverfahren: Die Ziffern werden durch gleichzeitiges Senden von zwei unterschiedlichen Frequenzen übertragen. Bild XV-6 zeigt die Zuordnung. Die 4 Tasten in der Spalte ganz rechts sind für den Verbindungsaufbau nicht erforderlich und werden, falls vorhanden, für Sonderfunktionen eingesetzt (z.B. Wahlwiederholung der zuletzt gewählten Telefonnummer).
b
Vermitt- Verbindungs- Endgerät für Impulswahl lungsleitung mit mechanischen Kontakten stelle (Wählscheibe) Erläuterungen siehe Text a) GU
Wählen
Schleifenerkennung
Tonruf Sprechschaltung
Gebührenauswertung
Freisprechen
EEPROM Erdtaste
Display Mikroprozessor Tastatur
b)
Bild XV-4 Fernsprechapparate a) Innenschaltung des FeAp 48/61 für Impulswahl (ältere Ausführung) b) Prinzip des Komforttelefons IQ-Tel 2 (92) für Mehrfrequenzwahl (neues Modell)
697 Hz 770 Hz 852 Hz 941 Hz
1 2 3 4 5 6 7 8 9 * 0 #
1209 Hz 1633 Hz 1336 Hz 1477 Hz
Bild XV-6 Zuordnung der Frequenzen zu den Tasten beim Mehrfrequenzwahlverfahren
4.2 Ortsnetz Kontakt geöffnet
geschlossen
Aufziehen Ablaufen nsa nsr
nsi nsi und nsr
100 ms
Bild XV-5 Kontaktplan beim Wählen der Ziffer 4 weiterten Funktionsumfang zu bearbeiten. Dazu gehören die Ansteuerung eines LCD-Displays und die Bereitstellung der Wählfrequenzen. Weiterhin müssen Funktionseinheiten wie die Freisprecheinrichtung, die Gebührenerfassung, besondere Tastenbele-
Das Ortsnetz ist die unterste Ebene in der Vermittlungstechnik (siehe auch Bild XV-9). In ihm sind die Telefonanschlüsse eines Ortes, mehrerer kleiner Orte oder einer Stadt zusammengefaßt. Nach Bild XV-7 führt man in größeren Orten geografisch benachbarte Teilnehmeranschlüsse (Tln) zunächst in einer Ortsvermittlungsstelle OVSt zusammen. Entsprechend sind weitere Ortsvermittlungsstellen eingerichtet, und über Querverbindungen der einzelnen Ortsvermittlungsstellen untereinander wird der Telefonverkehr mit allen anderen Teilnehmern innerhalb des gesamten Ortsnetzes möglich. Will man das Ortsnetz verlassen, sorgt die Endverbindungsstelle EVSt für den Übergang zur Knotenvermittlungsstelle KVSt. EVSt und eine OVSt sind häufig zusammengefaßt. Der Verbindungsaufbau innerhalb eines Ortsnetzes mit 1000 Teilnehmern ist in Bild XV-8 gezeigt. Aus Gründen der Übersichtlichkeit sind die Teilnehmer zweimal dargestellt: Auf der linken Seite als Anrufer und rechts als Angerufener. Jeweils 100 Teilnehmer bilden eine Gruppe, und jeder Gruppe sind 10 Anrufsucher AS und die gleiche Anzahl Gruppenwähler GW zugeordnet. Jede Rufnummer (Teilnehmer) hat eine eigene Teilnehmerschaltung TS (in Bild XV-8
1064
Nachrichtentechnik
Fernnetz Ortsnetz
zur KVSt Tln EVSt OVSt
Tln
Tln
000
10
Tln OVSt Tln
10 100
100 OVSt
10
099
Tln Tln
Teilnehmer-Nr. Teilnehmer-Nr. Teilnehmerschaltung TS Leitungswähler LW Anrufsucher AS Gruppenwähler GW
10
10 100
199 200
Tln
10
10
10
10 100
299
000 001 099 100 101 199 200 201 299
Bild XV-7 Struktur eines Ortsnetzes nur einmal beim Anrufer dargestellt). Sie erkennt beim Abheben des Hörers den Verbindungswunsch (Relais R in Bild XV-4a) und veranlaßt den nächsten freien AS, den Teilnehmeranschluß zu suchen und zu belegen. Der AS ist der Konzentrierer nach Bild XV3. Stellt man 10 AS pro 100 Teilnehmer zur Verfügung, können maximal 10 Gespräche gleichzeitig geführt werden. Das führt zu dem im Zusammenhang mit Gleichung XV.2 genannten Mittelwert von 0,1 Erl. Der AS belegt einen Gruppenwähler GW. Dieser schaltet sich, abhängig von der ersten gewählten Telefonziffer (100er-Stelle), auf die entsprechende freie Leitung auf. Insgesamt sind 10 Leitungen vorhanden: Die erste für die Rufnummern [000 ... 099], die zweite für [100 ... 199], usw. bis [900 ... 999]. An jede dieser 10 Leitungen sind je 10 Leitungswähler LW angeschaltet, von denen jeder wiederum die Verbindung zu 100 Teilnehmern herstellen kann. Hier liegt das eigentliche Koppelnetz (Bild XV-3), in dem die 10×10 Ausgänge der GW mit den 10×10 Eingängen der LW verbunden werden müssen. Die Stellung der LW und damit die Verbindung zu dem gerufenen Teilnehmer wird durch die zweite (10er-Stelle) und dritte (1er-Stelle) Ziffer der gewählten Telefonnummer bestimmt. Die LW nehmen die Expansion nach Bild XV-3 vor. Hat sich ein GW auf die entsprechende 100er-Leitungen aufgeschaltet, belegt er einen der 10 LW, der dann gemäß der 2. und 3. gewählten Ziffer die Verbindung zum gewünschten Teilnehmer durchschaltet. Im unteren Teil von Bild XV-8 ist die Verbindungsstruktur in Kurzform dargestellt.
Direkte Steuerung: Im Ortsnetz können die AS, GW und LW direkt mit den eintreffenden Ziffernimpulsen der Telefonnummer angesteuert werden.
Erzwungene Wahl: Der Ausgang des Wählers wird auf einen durch die Rufnummer bestimmten Ausgang geschaltet. Beispiel: Leitungswähler (LW).
Freie Wahl: Es wird ein beliebiger freier Ausgang innerhalb einer Gruppe gleichwertiger Ausgänge ausgewählt. Beispiel: Gruppenwähler (GW) beim Einstellen auf eine freie Leitung.
900
10
10
10 100
999
012 9
1000 TS 10 DAS Kurzform:
1000
100 GW
900 901 999
10 LW
AS
GW
LW
100
100
100
1000
Bild XV-8 Verbindungsstruktur in einem Ortsnetz mit 1000 Teilnehmern Hat ein Ortsnetz 10 000 Teilnehmer, wird den GW nach Bild XV-8 eine zweite Gruppe von GW nachgeschaltet. Der erste GW (GW 1) wählt die 1000erGruppe gemäß der ersten gewählten Ziffer der Rufnummer, der zweite (GW 2) die 100er-Gruppe entsprechend der zweiten gewählten Ziffer und der LW den Teilnehmer gemäß 10er- und 1er-Stelle der Rufnummer. Die Überwachung und damit auch die Trennung der Verbindung geschieht für den Anrufer im GW (1000 Teilnehmer) bzw. 1. GW (10000 Teilnehmer), die des Angerufenen im LW.
5 Nationales Fernnetz Soll das Ortsnetz verlassen werden, teilt man das der Vermittlungsstelle durch die Verkehrsausscheidungsziffer Inland mit: Es wird die 0 als erste Ziffer gewählt. Das nationale Fernsprechnetz ist hierarchisch nach Bild XV-9 aufgebaut. Die acht Zentralvermittlungsstellen ZVSt werden durch die erste Ziffer der Rufnummer nach der Verkehrsausscheidungsziffer adressiert: 2 Düsseldorf, 3 Berlin, 4 Hamburg, 5 Hannover, 6 Frankfurt/Main, 7 Stuttgart, 8 München, 9 Nürnberg. Jede ZVSt kann in bis zu 10 Hauptvermittlungsstellen HVSt unterteilt werden, gekennzeichnet durch die zweite Ziffer der Rufnummer.
XV Vermittlungstechnik
1065
Entsprechend können, je nach Bedarf, auch die HVSt in bis zu 10 Knotenvermittlungsstellen KVSt (3. Ziffer) und diese wiederum in maximal 10 Endvermittlungsstellen EVSt (4. Ziffer) aufgeweitet werden. Die ZVSt sind untereinander sternförmig verbunden, ebenso eine ZVSt mit den zugehörigen HVSt (5 mit 51, 52, 53 ...), eine HVSt mit den KVSt (57 mit 571, 572, 573 ...) und schließlich eine KVSt mit den EVSt (572 mit 5721, 5722, 5723 ...). Außerdem sind zusätzliche Verbindungen zwischen HVSt und KVSt vorhanden (42 mit 57, 572; 422 mit 57, 572 ..., siehe Bild XV-9). Diese große Anzahl von Querverbindungen ermöglicht einen relativ schnellen Verbindungsaufbau, der im Mittel wenig Verbindungseinrichtungen belegt.
4
Der Verbindungsweg unterteilt sich in aufsteigenden und absteigenden Fernverkehr (Bild XV-9). Im Gegensatz zum Ortswahlnetz ist das Fernwahlnetz 4drähtig, d.h. für die Signalflußrichtungen „Sprechen“ und „Hören“ (aus der Sicht eines Teilnehmers) werden je 2 Leitungen verwendet.
Zentralvermittlungsstelle ZVSt
5
435
4352
Tln
absteigender Fernverkehr
aufsteigender Fernverkehr
43
57
Hauptvermittlungsstelle HVSt
572
Knotenvermittlungsstelle VVSt
Endvermittlungsstelle EVSt
5723
Tln
Bild XV-9 Struktur des nationalen Fernnetzes; Beispiel: Kennzahlweg Die Verbindung von einem Teilnehmer im Ortsnetz mit der Ortsnetzkennzahl (Vorwahl) 4351 (Damp/ Ostsee) zu einem Teilnehmer im Ortsnetz mit der Kennzahl 5723 (Bad Nenndorf) nach Bild XV-9 läuft so ab, daß zunächst eine freie Verbindung zwischen den Knotenvermittlungsstellen mit den Kennziffern 435 (Eckernförde) und 572 (Stadthagen) gesucht wird. Ist keine Verbindung frei, werden die Wege in der Reihenfolge KVSt 435 zur HVSt 57 (Minden) und ZVSt 5 (Hannover) versucht. Ist immer noch keine Verbindung erfolgt, übernimmt die HVSt 43 (Kiel) die Verbindungssuche zur KVSt 572, HVSt 57 und schließlich zur ZVSt 5. Die geschilderte Verbindungssuche übernimmt die in den KVSt und den HVSt untergebrachte Verkehrslenkung mit dem Ziel, so wenig Verbindungseinrichtungen wie möglich zu belegen (indirekte Steuerung). Der letzte mögliche Verbindungsweg ist der in Bild XV-9 skizzierte Kennzahlweg, der über die zugeordneten Zentralvermittlungsstellen verläuft. Dieser Weg wird nur in Zeiten von auftretenden Verkehrsspitzen benutzt.
Indirekte Steuerung: Diese Art der Steuerung wird im Fernverkehr eingesetzt. Dazu muß nach dem oben angeführten Verbindungsaufbau die Rufnummer des Zielteilnehmers zunächst ganz oder teilweise zwischengespeichert werden, bis eine Verbindung hergestellt ist. Hauptaufgaben der Knotenvermittlungsstelle: Vermittlung und Lenkung des aufsteigenden Fernverkehrs (siehe Bild XV-9); Weiterleiten des absteigenden Fernverkehrs zur EVSt; Verwaltung der Zonen und Steuerung des zugeordneten Gebührenzählers in der Ortsvermittlungsstelle. Hauptaufgaben der Hauptvermittlungsstelle: Vermittlung und Lenkung des aufsteigenden Fernverkehrs (siehe Bild XV-9); Weiterleiten des absteigenden Fernverkehrs zur KVSt. Hauptaufgaben der Zentralvermittlungsstelle: Vermittlung des auf- und absteigenden Fernverkehrs im nationalen und internationalen Bereich. Leitweglenkung, Knotenregister, Umwerter: Bestandteil der Verkehrslenkung ist die Leitweglenkung, die die zu benutzenden Zielleitungsbündel und Querleitungen vorgibt. Wesentliche Bestandteile sind das Knotenregister (Krg) und der Umwerter (Umw). Die Ziffern der Ortsnetzkennzahl werden in der eingegebenen Reihenfolge mit Z-, H-, K- und E-Kennziffer bezeichnet. Das Knotenregister speichert die gesamte Rufnummer und leitet die Z-, H- und K-Kennziffern an den Umwerter weiter, der daraus die Daten für den Leitweg, die Zone und Sonderangaben ermittelt. Das Knotenregister stellt die Verbindung gemäß dieser Angaben ein. Der Umwerter errechnet auch die Gebührenimpulse für die bereitgestellte Verbindung und steuert den Zählimpulsgeber zur Gebührenerfassung. Die Zählimpulse werden über die 2Draht-Leitung übertragen und im Gruppenwähler (bzw. 1. Gruppenwähler) der Ortsvermittlungsstelle registriert. Aufbau einer nationalen Rufnummer: Beispiel 057239 ... 9 0 Verkehrsausscheidungsziffer Inland
5723 Ortsnetzkennzahl
9 ... 9 Teilnehmerrufnummer, meist 4- bis 7stellig
6 Internationales Fernnetz Der Wunsch einer Verbindung zu einem Teilnehmer im internationalen Fernnetz wird der Ortsvermittlungsstelle durch Wahl der Zahl 00 als Verkehrsaus-
1066 scheidungsziffer Ausland mitgeteilt. Es folgt die zweistellige Länderkennzahl (Beispiel: 49 für die Bundesrepublik Deutschland), anschließend werden die Ortsnetzkennzahl und die Rufnummer eingegeben. Der internationale Verbindungsweg läuft über fünf interkontinentale Durchgangsvermittlungsstellen, mit CT1-Ebene bezeichnet, die sich in New York, Tokio, Moskau, Sydney und London befinden. Diese 5 Vermittlungsstellen sind durch ein vollständiges Maschennetz über Satelliten und Seekabel miteinander verbunden. Die nächstniedrigere Ebene bildet das kontinentale Fernnetz, das aus den zentralen Auslands-Kopfstellen (Frankfurt/Main für
Nachrichtentechnik Deutschland) besteht (CT2-Vermittlungsstellen). Sie greifen sternförmig auf die CT1-Vermittlungsstellen zu. Die darunterliegende CT3-Ebene ist das nationale Fernnetz mit seinen 8 Zentralvermittlungsstellen, die direkte Verbindungen zu anderen nationalen Fernnetzen haben.
Aufbau einer internationalen Rufnummer: Beispiel 004957239 ... 9. 00
49
5723
Verkehrsausscheidungsziffer Ausland
Länderkennzahl
Ortsnetzkennzahl
9 ... 9 Teilnehmerrufnummer, meist 4- bis 7stellig
XVI Kommunikations- und Datennetze Die zur Zeit vorhandenen Kommunikations- und Datennetze werden ständig weiterentwickelt und dem Stand der Technik angepaßt. Von den momentan zur Verfügung stehenden Netzen sollen einige mit ihren wesentlichen Eigenschaften dargestellt werden. Bei Kommunikations- und Datennetzen unterscheidet man drei Betriebsarten:
Simplex-Betrieb: Die Übertragung von Informationen oder Daten ist nur in einer Richtung möglich. Sender und Empfänger können ihre Funktion nicht tauschen. Beispiel: Cityruf (siehe Kapitel XVI.2.4.1). Halbduplex-Betrieb: Die Übertragung kann zwar in beiden Richtungen erfolgen, aber zur gleichen Zeit kann nur einer senden und der andere empfangen. Bei Bedarf müssen Sender und Empfänger ihre Rollen tauschen. Beispiel: Bündelfunk (siehe Kapitel XVI.2.4.2). Vollduplex-Betrieb: Beide Teilnehmer können gleichzeitig senden und empfangen. Beispiel: Fernsprechverkehr.
1 Lokale Kommunikationsund Datennetze Diese Netze, mit LAN (local area network) bezeichnet, überschreiten streng genommen nicht die Grundstücksgrenzen und werden deshalb vorwiegend zum firmeninternen Informations- und Datenaustausch eingesetzt. Sie verbinden häufig mehrere Rechner, Personal Computer und Workstations miteinander. Bild XVI-1 zeigt verschiedene Möglichkeiten der Vernetzung der einzelnen Stationen. Bei der Sternform sorgt eine Zentraleinheit für einen geordneten und damit sicheren Datenaustausch. Allerdings ist das gesamte System bei Ausfall der Zentraleinheit nicht mehr funktionsfähig. Das Ring-
a)
c)
Zentraleinheit
b)
Bild XVI-1 LAN-Netzstrukturen a) Stern b) Ring c) Bus
system erfordert einen relativ geringen Verdrahtungsaufwand. Bei Ausfall einer Station kann das gesamte System nur eingeschränkt weiter benutzt werden. Der Datentransfer ist problematischer, da er über mehrere Zwischenstationen zur Zielstation (Zielrechner) weitergeleitet wird. Das Senden und Empfangen von Daten wird durch das Token-(Ring-)Verfahren geregelt: Erst wenn eine Station ein bestimmtes Bitmuster, das Token erhält, sendet sie die Daten einschließlich Empfängeradresse. Diejenigen Stationen, die nicht an sie adressierte Daten erhalten, leitet sie an die Folgestation weiter. Wenn die Zielstation den Empfang der Daten quittiert hat, gibt die Sendestation den Token an die Nachbarstation weiter. Die Organisation auf der Busleitung geschieht nach der Ethernet-Spezifikation. Eine Station sendet nur dann, wenn auf dem Bus keine Aktionen stattfinden. Senden mehrere Stationen gleichzeitig, weil sie zum gleichen Zeitpunkt starten, wird der Sendevorgang von den beteiligten Stationen abgebrochen und nach zufallsbestimmten und damit unterschiedlichen Verzögerungszeiten erneut gestartet. Die auf dem Bus
XVI Kommunikations- und Datennetze
1067
Tabelle XVI-1 Eigenschaften von Netzstrukturen Sternstruktur Kennzeichen Vorteile Nachteile Max. Übertragungsrate max. Zahl der Teilnehmer Verbindungskabel Steuerung
Zentralrechner (Server) und Einzelrechner Relativ hohe Übertragungsrate – Keine Systemstörung, wenn Einzelrechner oder Leitung ausfällt – Mit wenig Aufwand um weitere Einzelrechner erweiterbar Bei Ausfall des Zentralrechners fällt gesamte Anlage aus – Der Zentralrechner muß bei großen Netzen sehr leistungsfähig sein 2 ... 100 Mbit/s, auch abhängig vom verwendeten Verbindungskabeltyp >> 100, hängt von der Leistungsfähigkeit des Zentralrechners ab Koaxialkabel; UTP; STP; Lichtwellenleiter1) Zentralrechner
Ringstruktur Kennzeichen Vorteile Nachteile Max. Übertragungsrate max. Zahl der Teilnehmer Verbindungskabel Steuerung
Einzelrechner in geschlossener Ringform miteinander verbunden Kein Zentralrechner erforderlich – Zugriff auf andere Einzelrechner relativ einfach Störung des Betriebes bei Ausfall eines Einzelrechners oder Kabels (läßt sich mit einigem Aufwand minimieren) ca. 16 Mbit/s (theoretisch), 1Mbit/s praktisch (kritisch: Übergang Ring auf Rechner) ca. 100 Koaxialkabel; UTP; STP1) Token-Ring-Struktur
Busstruktur ohne File-Server Kennzeichen Vorteile Nachteile Max. Übertragungsrate max. Zahl der Teilnehmer Verbindungskabel Steuerung
Anschluß der Einzelrechner an einen Systembus, kein Zentralrechner Zusätzliche Einzelrechner leicht einfügbar Zunehmende Zahl von Einzelrechnern verringert die Übertragungsrate – Bei Kabeldefekt fällt gesamte Anlage aus 10 Mbit/s (10 Base T); 100 Mbit/s (100 Base TX) ca. 100 UTP; STP1); Koaxialkabel2) Einzelrechner untereinander. Ethernet-Spezifikation
Busstruktur mit File-Server Kennzeichen Vorteile Nachteile Max. Übertragungsrate max. Zahl der Teilnehmer Verbindungskabel Steuerung 1
Anschluß der Einzelrechner an einen Systembus, mit File-Server (Zentralrechner) Zusätzliche Einzelrechner leicht einfügbar – File-Server stellt häufig benötigte Daten zur Verfügung, d.h. Anlage einfach erweiterbar mit neuen Daten Zunehmende Zahl von Einzelrechnern verringert die Übertragungsrate – Bei Kabel- und Server-Defekt fällt gesamte Anlage aus 10 Mbit/s (10 Base T); 100 Mbit/s (100 Base TX) ca. 100 UTP; STP1); Koaxialkabel2) File-Server und Einzelrechner. Ethernet-Spezifikation
) UTP: Verdrillte Doppelader, nicht abgeschirmt, bis 100 Mbit/s (Kategorie 5); STP: Verdrillte Doppelader, abgeschirmt, bis 100 Mbit/s (Kategorie 5). 2 ) 50-W-Kabel UG-274 (Thinnet-Cable), doppelt abgeschirmt, und RG 58 (Cheapernet Cable), einfach abgeschirmt.
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Nachrichtentechnik
übertragenen Daten sind mit einer Zieladresse versehen und werden auch nur von der adressierten Station aufgenommen und quittiert. Dieses Organisationsform wird mit CSMA/CD-Verfahren bezeichnet (carrier-sense multiple access/collision detection). Tabelle XVI-1 faßt wesentliche Eigenschaften der drei Netzstrukturen zusammen.
Die Nutzung der folgenden Dienste erfordert entweder ein Modem (Datenübertragung mit maximal 56 kbit/s) oder die Bereitstellung des speziell für eine schnellere Datenübertragung entwickelten DSLAnschlusses (wahlweise 760 kbit/s oder 1500 kbit/s).
Homebanking, Zahlungsverkehr übers Netz Homebanking (Telekom) bzw. der Zahlungsverkehr übers Netz (allgemeiner Begriff) gestattet die Verwaltung des eigenen Kontos bei der Bank bzw. Sparkasse von zu Hause aus „rund um die Uhr“: Abfrage des Kontostandes, Tätigen von Überweisungen und Einrichten bzw. Ändern von Daueraufträgen. Das geschieht z.B. nach dem HBCIStandard (Homebanking Computer Interface), der für eine sichere Datenübertragung sorgt. Eine weitere Möglichkeit zur Vorbeugung von Mißbrauch besteht darin, Codewörter und nur einmal benutzbare Kennzahlen zu verwenden.
eMail Der Teilnehmer hat eine persönliche eMailAdresse im Internet, unter der er weltweit erreichbar ist. An diese Adresse können Briefe, die unmittelbar am Bildschirm eingegeben werden, innerhalb kürzester Zeit gesendet werden. Weiterhin lassen sich Texte, Grafiken, Bilder, Dateien und dergleichen direkt vom Rechner des Absenders zum Rechner des Empfängers senden, der die empfangenen Daten weiterverarbeiten kann.
Internet Einzelheiten zu diesem Dienst siehe Kapitel 2.5.
2 Öffentliche Kommunikationsund Datennetze Das größte und bedeutendste nationale Netz wird von der Deutschen Telekom bereitgestellt. Aus dem zunächst nur für den Fernsprechverkehr vorgesehenen Netz ist zwischenzeitlich ein umfassendes Kommunikations- und Datennetz geworden. Bild XVI-2 zeigt Dienste und Netze der Deutschen Telekom. Dienste bzw. Einrichtungen Telex Datex Tele- Tele- Tele- Tele- T-On- Tetex box fon fax line mex Telex Datex L Datex P Fernsprechnetz Integriertes Textund Datennetz IDN Integrated Services Digital Network ISDN Netze
Bild XVI-2 Netze und Dienste bzw. Einrichtungen der Deutschen Telekom Das digitale ISDN-Netz soll die bisherigen Netze zu einem europaweit einheitlichen Netz mit hohem technischem Standard zusammenfassen. Die Deutsche Telekom muss ihr Kommunikationsnetz seit einigen Jahren auch für Fremdanbieter, gegen Entgelt, zur Verfügung stellen, so dass ein vielfältiges Angebot an Leistungen zur Verfügung steht.
2.1 Fernsprechnetz Der Aufbau des Fernsprechnetzes und des Telefons wird im Kapitel XV erläutert. Hier sollen einige der angebotenen Dienste dargestellt werden. 2.1.1 Kommunikationsdienste
Telefon Das ist der klassische Dienst. Er wird weiterhin ausgiebig genutzt.
Fernschreiber Es sind im Prinzip Schreibmaschinen, die über das Telefonnetz miteinander kommunizieren. Innerhalb der Bundesrepublik hat dieser Dienst keine Bedeutung mehr. Lediglich im Auslandsverkehr wird er noch vereinzelt eingesetzt, vor allem mit technisch weniger entwickelten Ländern.
2.1.2 Telefax Dieser auch mit Fernkopieren bezeichnete Dienst hat den Vorteil, daß auch beliebige Grafiken übertragen werden können. Sender und Empfänger sind nicht mehr an einen gemeinsamen Zeichensatz gebunden. Eine DIN-A-4-Seite wird punktweise über Fotodiodenzeilen abgetastet, und die jeweiligen Helligkeitswerte werden mit 9600 bit/s übertragen. Bei „feiner“ Auflösung ergeben sich 7,7 Zeilen pro mm („mittlere“ Auflösung 3,85 Zeilen pro mm, Grad der Auflösung am Fax-Gerät einstellbar) und pro Zeile 1728 Punkte. Das ergibt ca. 3,9 Millionen Bildpunkte und erfordert etwa 400 s Übertragungszeit. Um diese Zeit zu verringern, wählt man folgende Codierung: Haben z.B. 1728 aufeinanderfolgende Bildpunkte den Helligkeitswert „weiß“, was bei Schriftübertragung zwischen den einzelnen Zeilen auftritt, werden nur diese Zahl und der Wert „weiß“, beide entsprechend kodiert, übertragen. Damit kann eine Seite im Mittel in einer Minute gesendet werden. Die genannten Daten beziehen sich auf die heute üblicherweise verwendeten sog. Klasse-3-Geräte. An Kosten fallen die gleichen Gebühren wie für ein Telefongespräch gleicher Dauer zum gleichen Ort an. Indirekt ergeben sich noch zusätzliche Kosten für die Anschaffung des Faxgerätes und das Thermopapier, auf das das Fax beim Empfänger gedruckt wird. Zur Verringerung
XVI Kommunikations- und Datennetze dieser Kosten sind die Thermodrucker durch Tintenstrahldrucker ersetzt worden. 2.1.3 Temex Dieser Dienst (engl. telemetry exchange) dient zum Fernerfassen, Fernmessen und Fernwirken. Es können 1-Bit-Informationen zwischen zwei Stationen in beiden Richtungen übertragen werden, wobei eine Station in der Regel eine Zentrale ist. So lassen sich beispielsweise Gebäude mit Einbruchmeldeanlagen oder Pumpenanlagen überwachen, die der Wach- und Schließgesellschaft oder dem Wasserwerk als Zentrale den kritischen Zustand „Einbruch“ oder „Pumpenausfall“ melden. Ebenso kann man Geräte aus der Ferne ein- und ausschalten oder das Überschreiten eines kritischen Betriebszustandes mitteilen. Die Übertragung ist unabhängig davon, ob telefoniert wird oder der Hörer aufliegt, da das Bit mit einer Frequenz von etwa 40 kHz über eine Weiche auf die Leitung aufgeschaltet und übertragen wird.
1069 telex-fähig sein sollten. Die wesentlichen Unterschiede beider Dienste sind: Telex-Format
Teletex-Format
5 Bit pro Zeichen
8 Bit pro Zeichen
Übertragung mit 50 bit/s
Übertragung mit 2400 bit/s
Internationales Telegraphenalphabet Nr. 2, ca. 64 Zeichen
ca. 310 Zeichen
Im internationalen Verkehr geschieht die Übertragung im Telex-Format. Dieses kann national in das Teletex-Signal umgewandelt werden. Als Endgeräte sind neben dem Fernschreiber auch Schreibmaschinen und Rechner mit Drucker- oder Bildschirmausgabe möglich.
2.1.4 Telebox
2.2.2 Datex
Dieser Dienst hat Ähnlichkeit mit dem elektronischen Briefkasten beim T-Online-Dienst. Der Zugang zur Box geschieht über das Telefonnetz mit Modem, das ISDN oder das Datex-P-Netz. Die Übertragungsgeschwindigkeit liegt bei 300 bit/s oder 1200 bit/s. Die Einkopplung der Daten in das Netz kann auch über Akustikkoppler erfolgen, so daß der Einsatz transportabler Endgeräte möglich ist.
Datex ist der Sammelbegriff für Datennetze im Weitverkehrsbereich. Das häufig eingesetzte Datex-PNetz (Dx-P, datex packet switching network) ist ein öffentliches Datenpaketnetz nach dem Prinzip der Datenpaketvermittlung, das von der Deutschen Telekom betrieben wird. Es hat die folgenden Eigenschaften: Die Datenpaketvermittlung setzt für die Übertragung ein festes Format und eine definierte Länge von 128 Byte voraus. Eine Nachricht wird entsprechend ihrer Länge in mehrere Einzelpakete aufgeteilt. Jedes Paket besteht aus einem Adressteil und einem Datenteil. Die Übertragungsleitungen können durch zeitliche Verschachtelung der Datenpakete (Multiplexverfahren) mehrfach genutzt werden. Es lassen sich zwischen 300 bit/s und 1920 kbit/s übertragen, wobei pro Anschluss bis zu 255 logische Kanäle gebildet werden können. Je nach Anforderung des Anwenders werden unterschiedliche Anschlussmöglichkeiten zur Verfügung gestellt; z.B. Host-Anschluss mit maximal 1920 kbit/s oder User-Anschluss mit 9,6 kbit/s. Der Remote-Anschluss ermöglicht die Einwahl aus dem analogen oder ISDN-Telefonnetz in das DatexNetz.
2.1.5 Modem Ein Modem dient dazu, die digital kodierten Nachrichten und Daten, die einem Gleichspannungssignal entsprechen und die übertragen werden sollen, so aufzubereiten, daß sie über das Fernsprechnetz übertragen werden können, das bekanntlich ein Wechselspannungsnetz ist. Man hat sich weltweit auf einen Übertragungsstandard geeinigt, der in den CCITTEmpfehlungen niedergelegt ist.*) Die Übertragungsgeschwindigkeit stellt sich, abhängig von den aktuellen Leitungseigenschaften, zwischen einigen bit/s und 56 000 bit/s automatisch ein. Auf diese Weise können beliebige Binärdateien zwischen zwei Rechnern ausgetauscht werden. Weiterhin ist der Übergang zu anderen Diensten (z.B. über T-Online) oder Datenbanken möglich. Über Datex-P erhält man Zugriff auf paketvermittelte Dienste im Ausland.
2.2 Integriertes Digitalnetz IDN 2.2.1 Teletex, Telex Der Teletex-Dienst ist eine Weiterentwicklung des Telex-Dienstes (Fernschreib-Dienst). Im internationalen Verkehr ist der Telexdienst weit verbreitet, so daß auch in der Bundesrepublik die Teletex-Geräte *) Zur Zeit sind V.42 bis mit Datenkompression und V92 aktuell.
2.3 ISDN Das ISDN (integrated services digital network, Dienste integrierendes digitales Netz) ist ein Netz, das Nachrichten und Daten jeglicher Art (Sprache, Daten, Bilder, Text usw.) mit 64 kbit/s über das vorhandene Fernsprechnetz überträgt. Die Umsetzung in ein digital kodiertes Signal und zurück in ein Analogsignal geschieht, falls erforderlich (Telefon), in den Endgeräten über A-D- bzw. D-A-Umsetzer. Der Teilnehmer erhält wahlweise einen Basisanschluß oder einen Primärmultiplexanschluß. Der Basisanschluß besteht aus zwei B-Kanälen mit einer Übertra-
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Nachrichtentechnik
gungsrate von je 64 kbit/s für die eigentliche Kommunikation und einem D-Kanal mit 16 kbit/s als Signalisierungskanal. Der Primärmultiplexanschluß stellt dreißig B-Kanäle und einen D-Kanal bereit. Da der D-Kanal nur gering ausgelastet ist, wird er für die Paketvermittlung benutzt (siehe Kapitel XV.1). Jeder Anschluß erhält nur eine Rufnummer, unabhängig von der Art und der Anzahl der angeschlossenen Endgeräte. Es steht eine einheitliche S0-Schnittstelle bei einem Basisanschluß oder eine S2-Schnittstelle bei einem Primärmultiplexanschluß zur Verfügung. Die B-Kanäle und der D-Kanal werden im Zeitmultiplexverfahren an der S0- bzw. S2-Schnittstelle bereitgestellt. Bild XVI-3 zeigt das Prinzip des Überganges vom Netz der Deutschen Telekom zu den Endgeräten am Beispiel eines Basisanschlusses in etwas vereinfachter Form. Der Netzwerkabschluß NT erzeugt den S0-Bus, mit dem sich bis maximal acht unterschiedliche Endgeräte (TE1 ... TE8) ansprechen lassen. Bisher benutzte, nicht ISDN-fähige Endgeräte können über Terminaladapter (TA) weiter benutzt werden. S0-Bus NT
TE1 TA
TE2
TE8 Bereich der Telekom maximal 8 Endgeräte (mit oder ohne TA) NT Network Termination (Netzwerkabschluß) TE Terminal Equipment (Endgerät) TA Terminaladapter
Bild XVI-3 Übergang vom öffentlichen Netz zu den Endgeräten bei einem Basisanschluß Bild XVI-4 stellt den Aufbau einer ISDN-Rufnummer dar. Die ISDN-Rufnummer adressiert einen ISDN-Anschluß, z.B. einen Basisanschluß. Die Subadresse wird übertragen und von der NetzwerkabschlußeinISDN-Rufnummern max. 2 Ziffern max. 15 Ziffern
ISDN-Subadresse
heit NT (Bild XVI-3) auf den S0-Bus gegeben. Über die Subadresse besteht u.a. die Möglichkeit, gezielt bestimmte Endgeräte anzusprechen (Endgeräteauswahlziffer EAZ). Ist z.B. 9020 die ISDN-Rufnummer, kann durch Anhängen der 0 der Ruf an alle Geräte erfolgen, durch die 1 das Faxgerät angesprochen werden, durch die 2 ein bestimmter Apparat angewählt werden u.s.w. Die Zuordnung nimmt der Teilnehmer selbst durch eine entsprechende Programmierung der angeschlossenen Endgeräte vor. Dem Anrufer muß die erforderliche Subadresse bekannt sein, damit er sie der ISDN-Rufnummer anhängt. Es folgen einige im Rahmen von ISDN angebotene Dienste der Deutschen Telekom: – – – – –
Unter EURO-ISDN versteht man die europaweite Standardisierung von Endgeräten. Das nationale ISDN und das EURO-ISDN benutzen unterschiedliche Protokolle für den D-Kanal, deshalb müssen die Endgeräte für den jeweiligen Anschluß ausgelegt sein.
2.4 Mobilfunknetze Den Forderungen der Anwender entsprechend hat man Kommunikationssysteme geschaffen, die es in der höchsten Ausbaustufe ermöglichen, eine Verbindung zwischen zwei an beliebigen Orten innerhalb Europas befindlichen Teilnehmern herzustellen. Einzige Bedingung ist, daß beide über einen betriebsbereiten Sender-Empfänger verfügen. Die folgende Aufstellung zeigt auch die Entwicklung der Mobilfunknetze. 2.4.1 Einweg-Funknetz: Funkrufdienst Von einem Teilnehmer im öffentlichen Fernsprechnetz kann an einen oder mehrere mobile Funkrufteilnehmer ein Ruf einschließlich einer kurzen Nachricht gesendet werden, sofern der mobile Teilnehmer einen entsprechenden betriebsbereiten Funkrufempfänger bei sich trägt. Es gibt unterschiedliche Ausführungsformen:
max. 32 Ziffern
Teilnehmernummer Subadresse Ortsnetzkennzahl Länderkennzahl Verkehrsausscheidungsziffer(n) 0 bzw. 00
Bild XVI-4 Aufbau einer ISDN-Adresse
Automatischer Rückruf, falls Gegenstelle besetzt; Anrufweiterschaltung; Rückfrage; Gebührenanzeige; Rufnummernanzeige des Anrufers beim Angerufenen (abschaltbar).
Eurosignal-System
Dieses europaweit geplante System ist nur in den alten Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland, in Frankreich, in Belgien, in Holland und in der Schweiz eingerichtet und bei uns zwischenzeitlich wieder außer Betrieb genommen worden. Es war bei uns in drei Bereiche eingeteilt: Nord mit der Frequenz 87,365 MHz, Mitte mit 87,340 MHz und Süd ebenfalls mit 87,365 MHz. Die Signale waren amplitudenmoduliert. Neben dem eigentlichen Ruf wurden
XVI Kommunikations- und Datennetze bis zu vier Codenummern übertragen, deren Bedeutung vorher zwischen den Teilnehmern vereinbart werden mußte. Die Signalisierung konnte akustisch oder optisch erfolgen. Es gab Anrufbeantworter, die nach Speicherung eines Gespräches einen Eurosignalruf aussendeten, damit der Empfänger die Nachricht über Telefon abrufen konnte. Cityruf-Inforuf-Euromessage Der Cityruf (e*Cityruf) dient zur Ergänzung des Eurosignal-Systems mit dem Ziel, in Ballungsgebieten mehr als 4 Codenummern zu übertragen. Insgesamt können etwa 2 Millionen Teilnehmer adressiert werden. Es gibt drei Rufklassen mit unterschiedlichen Leistungsmerkmalen, die beim Kauf eines Gerätes festgelegt werden: Rufklasse 0: Es wird nur ein Tonsignal mit bis zu 4 unterschiedlichen Signalformen gesendet. Rufklasse 1: Es können bis zu 15 Ziffern und Sonderzeichen übermittelt und auf dem Display des Empfängers sichtbar gemacht werden. Rufklasse 2: Es lassen sich bis zu 80 ASCII-Zeichen übertragen und auf dem Display des Empfängers ablesen. Die Bundesrepublik ist in etwa 50 Rufgebiete (Zonen) eingeteilt. Es werden Sender im UHF-Bereich um 465 MHz mit einer Leistung von je 100 W eingesetzt. Die digitalen Signale werden dem Träger durch Frequenzumtastung (FSK) aufmoduliert. Der Cityruf ist in größeren Städten bzw. Ballungsgebieten eingerichtet. Innerhalb einer Zone (ca. 70 km im Durchmesser) ist der mobile Teilnehmer erreichbar, eine Weitervermittlung an benachbarte Zonen ist nicht vorgesehen. Neben dem Ruf einer einzelnen Person sind auch Gruppenruf (Rufen aller Empfänger mit gleicher Identifikationsnummer) und Sammelruf (Rufen aller Empfänger, die die Nachricht erhalten sollen) möglich. Der Inforuf ist eine Zusatzleistung, die bestimmte Informationen, z.B. Börsendaten, zur Verfügung stellt. Dazu verwendet der Empfänger einen Speicher für ca. 80 000 Zeichen. Euromessage ist die europäische Vernetzung des City-Rufes. Damit sind die Teilnehmer in den entsprechenden Ländern in allen Rufzonen erreichbar. Es nehmen daran Deutschland, Frankreich, Schweiz, Italien und England teil. ERMES Bei dem „European Radio Message System“ handelt es sich um ein europaweites Rufsystem. Die Bundesrepublik ist in 5 Rufgebiete (Zonen) eingeteilt. Die Sender haben eine Leistung von 100 W und senden auf 16 Frequenzen im 169-MHz-Bereich. Dieses System hat über den Cityruf hinausgehende Leistungsmerkmale, wie z.B.: – automatisches Suchen des mobilen Teilnehmers europaweit, mit „Roaming“ bezeichnet, – Gruppenruf,
1071 – Ruf mit bis zu 16 000 Ziffern bzw. 9000 Zeichen, – Prioritäts-Übertragungszeit (< 1 min, < 2,5 min; d.h. bevorzugte, aber zeitlich begrenzte Sendezeit). Pager-Dienste Pager sind Mobilempfänger, die nur Nachrichten empfangen aber keine aussenden können. Damit gibt es auch keine Rückmeldung, ob die Nachricht den Empfänger erreicht hat. Sie dienen vorzugsweise zur Alarmierung bzw. zur Übersendung zyklisch aktualisierter Daten. Das Netz ist gut ausgebaut; innerhalb von Gebäuden kann die Erreichbarkeit besser sein als mit Mobiltelefonen. Sie arbeiten vorzugsweise mit FSK-Modulation und werden in Funkrufdiensten wie e*cityruf, e*scyper oder Iridium (s.u.) eingesetzt. Durch die fortschreitende Miniaturisierung sind sie inzwischen auch im Armbanduhr-Format oder als Kugelschreiber erhältlich. Pager sind mit einem Diplay und einem akustischen Signalgeber ausgestattet. Es gibt sie für unterschiedliche Dienste und Rufklassen sowie mit Speicherfunktion und Erinnerungsfunktion für ungelesene Nachrichten. Die meisten Pager verwenden den POCSAG-Code. e*skyper: Es werden z.Zt. etwa 80 Programme zu den Themen Börse, Wirtschaft, Politik, Gesellschaft, Sport, Horoskop u.s.w. angeboten. Theoretisch sind bis zu 236 Programme möglich, auch Spezialprogramme sind gegen Aufpreis denkbar. e*cityruf: Diese Pager haben eine eMail-Adresse und sind übers Internet anwählbar. Eine Alarmfunktion wird über das Telefon ausgelöst. Es gibt mehrere Tarife. Nur Ton: Bundesweit erreichbar, Bedeutung der Töne muss zwischen Sender und Empfänger vorher vereinbart werden. Regional: In einem von 16 Ballungsgebieten einsetzbar, auch Textempfang. National: Gesamte Bundesrepublik, auch Textempfang. Iridium: Ein weltweit „flächendeckendes“ Mobiltelefon- und Pager-Netz der amerikanischen Firma Iridium Satellite LLC. 2.4.2 Funktelefonsysteme Beide Teilnehmer können sowohl Informationen oder Daten senden als auch empfangen.
Bündelfunk
Der Bündelfunk wurde für kommerzielle Anwender in einem geografisch begrenzten Bereich von etwa 10 bis 20 km Durchmesser eingerichtet. Er ist vergleichbar mit einer Nebenstelle mit mobilen Teilnehmerapparaten. Einige wichtige Kennzeichen sind: Halb- oder Vollduplexbetrieb; Frequenzbereich (410 ... 430) MHz; Kanalbandbreite 12,5 kHz; Übertragung mit 2400 bit/s, FFSK-moduliert (fast frequency shift keying, schnelle Frequenzumtastung); räumlich begrenzt, deshalb Abbruch der Verbindung, falls dieser Bereich verlassen wird; Gruppenruf; Versenden von SMS; Konferenzschaltung.
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Funktelefonnetze D1, D2, E1, E2
A-Netz; B-Netz; C-Netz: Sie sind historisch die Vorgänger der D- und E-Netze und werden nicht mehr betrieben. Die D- und E-Netze sind digitale Netze, in denen der GSM-Standard verwendet wird. Ein GSM-Netz besteht aus drei Subsystemen: dem Base Station Subsystem, dem Netzwerk-Subsystem oder Switching Subsystem und dem Betriebs- und WartungsSubsystem. Das Base Station Subsystem enthält die funktechnischen Sende-Anlagen, die Mobilstation, den Base Station Controller und die BaseTransceiver-Station. Das Netzwerk-Subsystem übernimmt die vermittlungstechnischen Funktionen und besteht aus den Funktionseinheiten Mobilfunkvermittlungsstelle und Gateway für Fremdnetze mit den zugehörigen Datenbanken für das Standortverzeichnis, dem Besucherverzeichnis, dem Geräteverzeichnis und dem Authentisierungszentrum. Im Betriebs- und Wartungs-Subsystem erfolgt die Steuerung und Überwachung des Systems. GSM verwendet 2 Frequenzbänder. Erstes Band: – 890 MHz bis 915 MHz: Verkehr Endgerät → Basisstation (Uplink) – 935 MHz bis 960 MHz: Verkehr Basisstation → Endgerät (Downlink) – 124 Kanäle, je 200 kHz breit, 8 Zeitschlitze Zweites Band für das E-Netz nach dem DCS-1800Standard: – 1710 MHz bis 1785 MHz: Verkehr Endgerät → Basisstation (Uplink) – 1805 MHz bis 1880 MHz: Verkehr Basisstation → Endgerät (Downlink) – 372 Trägerfrequenzen, je 200 kHz breit, 8 Zeitschlitze (Multiplex) ergibt 2976 Kanäle – maximale Leistung der Basisstationen: 20 W – Zellenradius: einige hundert Meter (Stadt) bis 10 Kilometer (freies Land) Die Netzstruktur ist großflächig angelegt. Die begrenzte Reichweite und die kleinen Leistungen der Sendefrequenzen erfordern Kleinzellen mit hexagonaler Struktur, deren Kern eine Basisstation (Feststation) bildet. Zwischen den Zellen findet ein automatisches Handover statt. Mehrere Basisstationen sind über Standleitungen (2 Mbit/s) mit einer Mobilfunkvermittlungsstelle verbunden, von denen aus der Übergang in das öffentliche Netz möglich ist. Die Vermittlungsstellen sind über Leitungen gemäß SS#7-Netzwerk miteinander verbunden. Die von den Teilnehmern gewählten Verbindungen sind länderübergreifend, so daß internationales Roaming möglich ist: Ein Teilnehmer kann innerhalb Europas einen anderen Teilnehmer erreichen, unabhängig von dessen momentanem Aufenthaltsort. Folgende Dienstemerkmale sind abrufbar: Verschiedene Rufumleitungen, Anrufbeantworter, Anrufsperrung, Anklop-
Nachrichtentechnik fen, Halten, Makeln, Daten- und Faxübertragung mit bis zu 9,6 kbit/s, Kurznachrichtenübermittlung (SMS). Daneben gibt es Mehrwertdienste wie z.B. Wirtschafts- und Verkehrsnachrichten, Auskunftsund Vermittlungsservices. Das GSM-Netz bietet eine relativ hohe Sicherheit gegenüber dem Zugriff durch Unbefugte. Zur Identifikation wird der persönliche Teilnehmerschlüssel im Authentisierungszentrum hinterlegt. Die Schlüsselübergabe findet nur in Form von abgeleiteten Größen statt. Alle Daten werden codiert übertragen. Weitere Sicherheitsmaßnahmen sind das Frequenzsprungverfahren mit zyklischer Änderung der Übertragungsfrequenzen und die Sperrung von Endgeräten. Betreiber: D1: Deutsche Telekom/T-Mobil; D2: Vodafone; E1: E-Plus; E2: Viag-Interkom (O2).
2.5 Internet Das Internet ist ein Daten- und Kommunikationsnetz, das in den letzten Jahren eine großen Anwenderkreis gefunden hat und sich zum größten Datennetz der Welt entwickelt hat. Ursprünglich ist es in den USA aus der Idee entstanden, die unterschiedlich strukturierten lokalen Netze von Universitäten zum Informationsaustausch miteinander zu verbinden. Es wurde das TCP/IP-Protokoll (transmission control protocol/ internet protocol) entwickelt, das die Kommunikation mit den verschiedenen Netzwerkstrukturen ermöglicht. Das Internet ist ein weltweites Netz, das aus vielen kleinen lokalen Netzen zusammengesetzt ist und insgesamt sehr eng vernetzt ist. Jedes dieser kleinen Netze greift über einen lokalen Server (z.B. Deutsche Telekom) auf das Internet zu. Im Internet selbst gibt es weder einen „Zentralcomputer“ noch ein „Hauptkabel“. Alle Server sind gleichwertig und gleichberechtigt. Eine Information wird, in kleine Datenpakete aufgeteilt, mit der Adresse des Empfängers versehen und in das Netz eingespeist. Die einzelnen Datenpakete erreichen in der Regel auf unterschiedlichen Wegen den Empfänger. Die wichtigsten im Internet angebotenen Leistungen sind die folgenden: a) Elektronische Post (electronic mail, oder kurz: eMail): Es kann z.B. beim Server ein persönlicher Briefkasten eingerichtet werden, in dem die für den Empfänger bestimmte Post abgelegt wird. b) Laden von Datenblättern, Programmen und Updates in den eigenen Rechner. c) Datenbanken nach Informationen zu einem bestimmten Begriff durchsuchen. Um die Suche zu erleichtern, hat man dafür spezielle Programme geschaffen: Gopher für Inhaltsverzeichnisse, WWW (world wide web) für die Stichwortsuche einschließlich Querverweisen. d) Antworten auf Fragen, z.B. zu Computerproblemen oder Problemen mit bestimmten Programmen. e) Zeitungsartikel, teilweise schon einen oder zwei Tage vor dem offiziellen Erscheinungstag der Zeitschrift.
XVII Optimierte Nachrichten- und Datenübertragung
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f) Diskussionen mit anderen Personen über beliebige Themen. g) Spiele laden und mit anderen Teilnehmern spielen. h) Ware einkaufen.
An das Internet sind in der Bundesrepublik alle Universitäten und Fachhochschulen angeschlossen, außerdem bedeutende Forschungseinrichtungen. Für Firmen ist der Internetanschluss unumgänglich, zumal ein wesentlicher Teil des Schriftverkehrs über eMail abgewickelt wird. Auch für Privatanwender sind die Kosten für einen Internetanschluß erschwinglich. Mit DSL steht mittlerweile eine Internetanbindung mit 760 kbit/s bzw. 1500 kbit/s (Download) zur Verfügung.
XVII Optimierte Nachrichten- und Datenübertragung Bei der Nachrichten- und Datenübertragung gibt es drei wesentliche Vorgaben: 1. Die Wirtschaftlichkeit des Übertragungskanals; 2. die begrenzte Bandbreite der zur Verfügung stehenden Übertragungskanäle und 3. sehr stark gestörte Übertragungskanäle, bei denen ein Ausweichen auf weniger gestörte Kanäle nicht möglich ist (Bildübertragung aus dem Weltraum). Diesen Vorgaben sind die vom Anwender häufig gestellten Forderungen nach einer möglichst preiswerten, schnellen und fehlerfreien Übertragung anzupassen. Im folgenden werden einige Wege zur Realisierung aufgezeigt. Es wird vorausgesetzt, daß die Informationen in digital kodierter Form vorliegen, was auch in der Technik angestrebt wird.
1 Kodierung Bei der Kodierung der Nachrichten bzw. Daten unterscheidet man zwei Bereiche: Die Quellen- und die Kanalkodierung.
Quellenkodierung: Die Information der Quelle enthält neben der „eigentlichen“ Information noch zwei weitere Anteile:
1.1 Quellenkodierung 1.1.1 Grundlagen Es wird vorausgesetzt, daß die irrelevante Information bereits entfernt worden ist. Außerdem wird von dem praxisnahen Fall ausgegangen, daß die zu kodierenden k Zeichen (Einzelzeichen oder Zeichenfolgen) nicht alle mit gleicher Wahrscheinlichkeit auftreten und daß nicht genau 2n (n = 1, 2, 3, ...) unterschiedliche Zeichen zu kodieren sind, d.h. k ≠ 2n. Die Aufgabe der Kodierung besteht darin, die mittlere Kodewortlänge lm so klein wie möglich zu machen, weil dadurch die Übertragungszeit bzw. die benötigte Kanalbandbreite gering gehalten werden kann (Kapitel I.4.7): Mittlere Kodewortlänge k
l m = ∑ l i ⋅ p ( x i ) in bit
(XVII.1)
i =1
li Kodewortlänge (Anzahl der Binärstellen) des Zeichens bzw. der Zeichenfolge xi in bit, p(xi) Wahrscheinlichkeit für das Auftreten des Zeichens xi
1. Redundanz (siehe auch Kapitel I.4.4); 2. Irrelevante Information. Sie entsteht als Nebenprodukt und hat keinerlei Verknüpfung mit der eigentlichen Information.
Die naheliegende Lösung, nämlich alle Zeichen mit der gleichen Anzahl von Stellen zu kodieren (l1 = l2 = ... = lk), führt zu einer mittleren Kodewortlänge lmg = li, d.h. die mittlere Kodewortlänge ist genau so groß wie die Kodewortlänge der einzelnen Zeichen. Eine Reduzierung der mittleren Kodewortlänge (lm < lmg) läßt sich dadurch erreichen, daß
Aufgabe der Quellenkodierung ist zunächst die Beseitigung der irrelevanten Information. Anschließend wird die vorhandene Redundanz so weit wie möglich reduziert, weil sie in der Regel zur Fehlererkennung und -korrektur nicht optimal geeignet ist.
1. die Zeichen mit den größeren Wahrscheinlichkeiten kürzere Kodewortlängen erhalten als die mit den geringeren (Beispiel XVII.1), und 2. nicht einzelne Zeichen, sondern Zeichengruppen kodiert werden (Beispiel XVII.2).
Kanalkodierung: Ist der Übertragungskanal gestört, wird das von der Quelle gelieferte „quellenkodierte“ Signal so umkodiert und mit neuer Redundanz versehen, daß eine optimale Fehlererkennung und -korrektur möglich wird.
Für die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Zeichengruppe aus zwei Zeichen (x1, x2) gilt die bedingte Wahrscheinlichkeit beider Zeichen, p(x1, x2), d.h. die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten des zweiten Zeichens (x2) unter der Voraussetzung, daß
1074
Nachrichtentechnik
das erste Zeichen (x1) aufgetreten ist. Sie wird berechnet, indem die Wahrscheinlichkeiten der beiden Zeichen miteinander multipliziert werden: Bedingte Wahrscheinlichkeit für zwei Zeichen p(x1, x2) = p(x1) ⋅ p(x2)
(XVII.4)
Beispiel XVII.1: Es sollen die Zeichen x, y und z kodiert werden,
(XVII.2)
die mit den Wahrscheinlichkeiten p(x) = 0,5; p(y) = 0,3 und p(z) = 0,2 auftreten. Tabelle XVII-1 gibt verschiedene Möglichkeiten der Kodierung wieder, wenn die Zeichen einzeln, also noch keine Zeichengruppen, kodiert werden.
Für die Kodierung gelten zwei wichtige Sätze: 1. Eindeutigkeit: Den einzelnen Zeichen oder Zeichengruppen dürfen nur solche Kodierungen zugeordnet werden, die Endpunkte im Kodebaum sind. Andernfalls kann die empfangene Bitfolge nicht eindeutig dekodiert werden (Beispiel XVII.1). 2. Existenz: Ein dekodierbarer Kode existiert genau dann, wenn die Ungleichung von Kraft erfüllt ist: Ungleichung von Kraft
Kodierung 1 als naheliegende Lösung ergibt eine vergleichsweise große mittlere Kodewortlänge und ist deshalb weniger geeignet. Völlig ungeeignet ist Kodierung 2, weil z.B. bei der Übertragung der Bitfolge 010 diese entweder als yx (01-0) oder als xz (0-10) interpretiert werden kann. Im Kodebaum ist die kodierte 0 kein „Endpunkt“, denn es folgt noch die Kodierung 01. Kodierung 3 ist eine optimierte Lösung und wird als Optimalkode bezeichnet. Er ist eindeutig dekodierbar und hat die kleinste Kodewortlänge. Die Kodierung 4 ist ebenfalls eindeutig, hat aber eine größere Kodewortlänge als der Optimalkode. Sie besitzt den Vorteil, daß die 0 das Ende jedes einzelnen Kodewortes angibt und sofort mit der Dekodierung begonnen werden kann. Dieser Kode wird auch als Kommakode bezeichnet: Die Null steht für ein Trennzeichen, so wie das Komma bei Aufzählungen.
k
∑ 2 − l i ≤ 1 für Binärkode
Satz von Shannon H ≤ lm ≤ H + 1 bit
H Entropie nach Gleichung (I.2) in bit, lm mittlere Kodewortlänge nach Gleichung (XVII.1) in bit
(XVII.3)
i =1
li Zahlenwert der Kodewortlänge (Anzahl der Binärstellen) des Zeichens bzw. der Zeichenfolge xi
Beide Sätze sind inhaltlich ähnlich, wobei die Ungleichung von Kraft noch nichts über die Eindeutigkeit der Dekodierung aussagt (Beispiel XVII.1). Shannon hat eine Beziehung für die mittlere Kodewortlänge angegeben:
Tabelle XVII-1 Auswahl von Möglichkeiten zur Kodierung von drei Zeichen (li: Zahlenwert)
Zeichen xi
p(xi)
Kodierung 1 Kodewort
li
Kodierung 2 Kodewort
li
Kodierung 3 Kodewort
li
Kodierung 4 Kodewort
li
x y z
0,5 0,3 0,2
00 01 10
2 2 2
0 01 10
1 2 2
0 10 11
1 2 2
0 10 110
1 2 3
lm = 2 bit
mittlere Länge
k
lm = 1,5 bit
lm = 1,5 bit
k
lm = 1,7 bit
k
k
Ungleichgung von Kraft
∑ 2 −l i = < 1
∑ 2 −l i = 1
∑ 2 −l i = 1
∑ 2 −l i = < 1
Bemerkungen
„Standardkodierung“
nicht eindeutig dekodierbar
Optimalkode nach Huffman/Fano
Kommakode
i =1
3 4
i =1
i =1
7 8
i =1
Tabelle XVII-2 Zu Beispiel XVII.2 xx
xy
xz
yy
yx
yz
zz
zx
zy
Wahrscheinlichkeit )
0,25
0,15
0,1
0,09
0,15
0,06
0,04
0,1
0,06
Optimalkode nach Fano
00
01
101
1101
100
1110
11111
1100
11110
Zeichengruppe 1
k
Ungleichung von Kraft
∑ 2 −li =
i =1
1
16 + 8 + 6 + 2 =1 32
Satz von Shannon
H = 2 , 97 bit ⇒ 2,97 bit ≤ l m ≤ 3, 97 bit
mittlere Kodewortlänge
l m = 3, 05 bit
) mit Gleichung (XVII.2)
XVII Optimierte Nachrichten- und Datenübertragung
1075
Beispiel XVII.2: Zur weiteren Verringerung der mittleren
scheinlichkeiten je Teil etwa 0,5 ist. Die Elemente des einen Listenteils erhalten eine 0 als erstes Bit, die anderen eine 1. 3. Die Elemente des Listenteils mit der 0 werden wiederum durch einen zweiten Teilstrich in zwei Teile geteilt, so daß beide etwa die gleiche Wahrscheinlichkeitssumme erhalten. Der eine Teil erhält als zweite Kodierung eine 0, der andere eine 1. Mit dem Teil, der als erstes Bit eine 1 erhalten hat, wird genauso verfahren. 4. Das Prinzip wird solange fortgesetzt, bis nach einer Teilung nur noch Einzelelemente übrig sind.
Kodewortlänge werden Zeichengruppen aus zwei (oder mehr) aufeinanderfolgenden Zeichen gebildet und kodiert. Tabelle XVII-2 listet die vorkommenden Kombinationen und deren Wahrscheinlichkeiten nach Gleichung (XVII.2) auf. Weiterhin ist der Optimalkode nach Fano gebildet und eingetragen (Tabelle XVII-3). Zu Kontrollzwecken sind die Gleichungen (XVII.1, 3 und 4) ausgewertet und die Zahlenwerte eingefügt. Der Kode ist nahezu optimal, weil lm nur geringfügig größer ist als H.
1.1.2 Optimalkodes Optimalkodes zeichnen sich dadurch aus, daß die mittlere Kodewortlänge lm nur geringfügig über der Entropie H liegt. Dazu werden häufig auftretende Zeichen oder Zeichengruppen mit weniger Bit, selten auftretende entsprechend mit mehr Bit kodiert. Die dazu notwendigen Kodierungsverfahren sind von Huffman und Fano entwickelt worden. Der im folgenden dargestellte Fano-Algorithmus (siehe dazu auch Tabelle XVII-3) wird nach folgenden Regeln gebildet:
Tabelle XVII-3 zeigt das Verfahren mit den Zeichengruppen und Wahrscheinlichkeiten aus Beispiel XVII.2 und Tabelle XVII-2. Man kann durchaus zu unterschiedlichen Lösungen kommen, wenn man z.B. den ersten Teilstrich so setzt, daß links davon die Zeichengruppen xx, xy und yx stehen. Je nach Lage der anderen Teilstriche kann das zu einer in Tabelle XVII-4 dargestellten weiteren Möglichkeit der Kodierung führen.
1. Die Zeichen oder Zeichengruppen werden nach abnehmender Wahrscheinlichkeit sortiert. 2. Die Liste wird durch einen ersten Teilstrich so in zwei Teile zerlegt, daß die Summe der Wahr-
Tabelle XVII-3 Kodierverfahren nach Fano (zu Beispiel XVII.2) Zeichengruppe
xx
xy
yx
xz
zx
yy
yz
zy
zz
Wahrscheinlichkeit, sortiert
0,25
0,15
0,15
0,1
0,1
0,09
0,06
0,06
0,04
1. Teilstrich
∑ p = 0, 4
∑ p = 0,6
1. Bit
0
1
1
1
1
1
1
1
1
1
0
2. u. 3. Teilstrich 2. Bit
0
1
1
∑ p = 0 , 25
∑ p = 0 , 35
0
1
0
4. u. 5. Teilstrich 3. Bit
0
1
1
∑ p = 0 ,19
∑ p = 0 ,16
0
1
0
1
1
∑ p = 0 ,1
6. u. 7. Teilstrich 4. Bit
0
1
0
1
1
0
1 11111
8. Teilstrich 5. Bit Kodierung
00
01
100
101
1100
1101
1110
11110
Tabelle XVII-4 Weitere Kodiermöglichkeit nach Fano (zu Beispiel XVII.2) Zeichengruppe Optimalkode nach Fano k
Daraus folgt: lm = 3,00 bit;
xx
xy
xz
yy
yx
yz
zz
zx
zy
00
010
100
1100
011
1101
1111
101
1110
∑ 2 −l i = 1 i =1
1076
Nachrichtentechnik
Zahl der erkennbaren Fehler (ohne Korrektur): h–1 (XVII.5a) Zahl der selbständig korrigierbaren Fehler:
h −1 für h = 1, 3, 5, ... 2 h (XVII.5b) − 1 für h = 2, 4, 6, ... 2 Bei einem Kode mit h = 3 kann man entweder zwei Fehler erkennen, ohne sie zu korrigieren, oder einen Fehler erkennen und korrigieren (Beispiel XVII.3). Blockkodes: Alle Kodewörter sind gleich lang.
1.1.3 Datenreduktion Die zur Datenreduktion verwendeten Verfahren sind unter Kapitel V.4.4.7 und V.4.4.8 aufgeführt. Angewendet werden sie auch beim „digitalen Fernsehen“, wobei dort der Sonderfall besteht, daß kurzzeitige geringe Signalverfälschungen in Kauf genommen werden, weil das Auge als Empfänger sie nicht wahrnimmt.
1.2 Kanalkodierung Bei der Kanalkodierung wird dem quellenkodierten und damit nahezu redundanzfreien Signal neue Redundanz hinzugefügt mit dem Ziel, Übertragungsfehler so weit wie möglich zu erkennen und zu korrigieren.
Faltungskodes: Die Kontrollbits werden nicht zu jedem einzelnen Kodewort hinzugefügt, sondern während der Übertragung der Daten gebildet und in geeigneter Form eingebaut (siehe Kapitel XVII.1.2.3). Die Eigenschaften dieser Kodes werden in der Regel durch Simulation erfaßt, weil die mathematische Darstellung umfangreich ist.
Systematische Kodes: Die ersten Stellen sind stets die Informationsstellen, die restlichen enthalten die Prüfbits (siehe Kodierung im Beispiel XVII.3). Diese Kodes sind vom Aufbau her übersichtlich.
Zyklische Kodes: Die Kodewörter werden nach Rechenvorschriften mit sogenannten Generatorpolynomen gebildet. Sie sind nicht übersichtlich, haben aber den Vorteil, daß besonders bei langen Kodewörtern die Kodierung und Dekodierung durch die Verwendung mathematischer Algorithmen mit relativ niedrigem Aufwand möglich ist.
1.2.1 Grundlagen Für die Kanalkodierung sind die folgenden Begriffe von Bedeutung:
Hamming-Distanz h: Sie gibt an, in wieviel Stellen sich die einzelnen (gleichlangen) Kodewörter minimal unterscheiden.
Gewicht eines Kodewortes: Anzahl der Einsen im Kodewort.
Gleichgewichtige Kodes: Jedes Kodewort enthält die gleiche Anzahl von Einsen.
Fehlererkennende Kodes: Es wird erkannt, daß ein übertragenes Bitmuster falsch ist, es kann aber nicht ermittelt werden, welches Bit falsch ist. Es muß deshalb eine erneute Übertragung gestartet werden.
Fehlerkorrigierende Kodes: Das falsch übertragene Bitmuster wird als falsch erkannt und korrigiert. Eine erneute Übertragung ist nicht erforderlich. Die Anzahl der erkennbaren bzw. korrigierbaren Fehler ergibt sich aus der Hamming-Distanz h:
Beispiel XVII.3: Übertragen werden sollen 4 Daten, die mit 00,
01, 10 und 11 kodiert werden (x1, x2). Es soll ein Fehler erkannt und selbständig korrigiert werden. Nach Gleichung (XVII.5) ist eine Hamming-Distanz h = 3 erforderlich. Es wird nach Tabelle XVII-5 mit 5 Bit kodiert. a) Es wird angenommen, daß ein Fehler auftritt, d.h. die fehlerhafte Kodierung 01001 übertragen wird. Darin ist die unterstrichene Null für x4 falsch. Die Bedingungen für die Fehlererkennung und -korrektur nach Tabelle XVII-5 liefern:
Tabelle XVII-5 Kodierung zu Beispiel XVII.3. Die Prüfbits ergänzen auf eine gerade Anzahl von Einsen x1
x2
0 0 0 1 1 0 1 1 zu übertragende Daten
Bedingungen 1 ... 5 für die Fehlererkennung und -korrektur:
x3
x4
x5
0 0 1 1 Prüfbit für x1
0 1 0 1 Prüfbit für x2
0 1 1 0 Prüfbit für x1 und x2
1: x1 falsch ⇒ x3 und x5 nicht erfüllt
3: x3 falsch ⇒ x1 nicht erfüllt
2: x2 falsch ⇒ x4 und x5 nicht erfüllt
5: x5 falsch ⇒ x1 und x2 nicht erfüllt
4: x4 falsch ⇒ x2 nicht erfüllt
XVII Optimierte Nachrichten- und Datenübertragung Erste Bedingung erfüllt ⇒ x1, x3, x5 ohne Fehler. Zweite Bedingung nicht erfüllt ⇒ x2, x4, x5 enthalten Fehler. Dritte Bedingung erfüllt ⇒ x1, x3 ohne Fehler. Vierte Bedingung nicht erfüllt ⇒ x2, x4 enthalten Fehler. Die 2. und 5. Bedingung ergeben die eindeutige Aussage, daß x4 falsch ist, so daß die Kodierung richtig lautet: 01011. Wichtig ist die Voraussetzung, daß nur ein Fehler auftritt, der mit h = 3 erkannt und korrigiert werden kann! b) Das übertragene Kodewort 00110 enthält zwei Fehler (x3, x4). Die Auswertung der Bedingungen nach Tabelle XVII-5 ergibt: Erste Bedingung nicht erfüllt ⇒ x1, x3, x5 enthalten Fehler. Zweite Bedingung nicht erfüllt ⇒ x2, x4, x5 enthalten Fehler. Dritte Bedingung nicht erfüllt ⇒ x1, x3 enthalten Fehler. Vierte Bedingung nicht erfüllt ⇒ x2, x4 enthalten Fehler. Fünfte Bedingung erfüllt ⇒ x1, x2 und x5 ohne Fehler. Mit der 5. Bedingung, daß x1, x2, x5 richtig sind, ergibt sich, daß x3, x4 falsch sein müssen, was in diesem Spezialfall eine Fehlerkorrektur ermöglichen könnte. Sind dagegen x2, x5 falsch, erhält man aus den 5 Bedingungen, daß zwei von den Bits x1, x2, x5 falsch sind. Damit sind 2 Fehler erkannt, aber wegen fehlender Eindeutigkeit ist eine Korrektur nicht möglich. Gleichung (XVII.5a) gilt also für den allgemeinen Fall.
1.2.2 Maximum-Likelihood-Verfahren Die Quelle sendet Zeichen xi (i = 1 ... k) aus ihrem Zeichenvorrat aus, die die Senke (Empfänger) einem Zeichen yj (j = 1 ... k) ihres Zeichenvorrates zuordnet. Es wird hier angenommen, daß Quelle und Senke den gleichen Zeichenvorrat besitzen. Diese Zeichen werden bei der Übertragung über einen gestörten Kanal teilweise so verändert, daß man der Senke ein Entscheidungskriterium zur Verfügung stellen muß. Dazu wird die Wahrscheinlichkeit für das Eintreffen eines Zeichens yj am Empfänger verwendet, wenn das Zeichen xi gesendet wurde. Tabelle XVII-6 zeigt zwei Beispiele. Tabelle XVII-6 Wahrscheinlichkeiten für das Auftreten des Zeichens yj, wenn xi gesendet wurde. Erläuterungen siehe Text y2
y3
p(yj⎪xi)
y1
y2
(XVII.6)
Der Empfänger empfängt das Zeichen yi und ordnet ihm das Zeichen xi = xi-opt mit der größten vorhandenen Wahrscheinlichkeit zu. In Tabelle XVII-6a ist die Zuordnung eindeutig, denn bei empfangenem y2 wird das Zeichen x2 zugeordnet, weil es mit der größten Wahrscheinlichkeit auftritt. Ebenso wird y1 zu x1 und y3 zu x3 gehörig erkannt. Die Wahrscheinlichkeiten in Tabelle XVII-6b lassen diese eindeutige Zuordnung nicht mehr für alle Werte zu. Wird z.B. y2 empfangen, kann es x1, x2 oder x3 zugeordnet werden, da alle drei mit gleicher Wahrscheinlichkeit auftreten. Die Auswahl geschieht zufällig, was darauf hindeutet, daß der Kanal nach Tabelle XVII-6b weniger gut zur Datenübertragung geeignet ist. 1.2.3 Faltungskodierer mit Likelihood-Viterbi-Dekodierer Bild XVII-1 zeigt ein einfaches Beispiel für einen Faltungskodierer. Mit jedem Schiebetakt wird ein Datenbit in das 3-Bit-Schieberegister geschoben. Der obere Modulo-2-Addierer erzeugt das erste Bit, der untere das zweite Bit des Kodewortes, wobei der Schalter S als Parallel-Seriell-Umsetzer dient. Das Kodewort wird übertragen und ist eine Kombination aus Daten- und Korrekturbit. Tabelle XVII-7 zeigt das übertragene Kodewort in Abhängigkeit vom Zustand des Schieberegisters und dem eingeschobenen Datenbit. 1. Bit
Daten 1 Bit pro Takt
S
Kodewort 2 Bit
y3
x1
0,71)
0,2 0,1
x1
0,7 0,2 0,1
x2
0,1
0,8 0,1
x2
0,2 0,2 0,6
x3
0,2
0,2 0,6
x3
0,4 0,2 0,4
a)
liche Eigenschaft des gestörten Kanals müssen bekannt sein. Dann lautet die Likelihood-Bedingung: Likelihood-Bedingung p(yj⎪xi-opt) ≥ p(yj⎪xi ≠ i-opt)
Fünfte Bedingung erfüllt ⇒ x1, x2, x5 ohne Fehler.
p(yj⎪xi) y1
1077
2. Bit 3-BitSchieberegister
Bild XVII-1 Faltungskodierer
b)
Der mit 1) gekennzeichnete Wert 0,7 im Tabellenteil XVII-6a ist die Wahrscheinlichkeit dafür, daß der Empfänger das Zeichen y1 dekodiert, wenn x1 gesendet wurde. Die übrigen Tabellenwerte sind entsprechend zu interpretieren. Die Summe der Wahrscheinlichkeiten einer Zeile ergibt 1, weil angenommen wird, daß der Empfänger mit Sicherheit eines seiner drei Zeichen dem empfangenen Zeichen zuordnet. Die aufgelisteten Wahrscheinlichkeiten als wesent-
Zur Erklärung der prinzipiellen Wirkungsweise des Dekodierers wird angenommen, daß der Inhalt des Schieberegisters 000 ist. In der Praxis wird das durch die Übertragung geeigneter Bitmuster erreicht. Es werde die Kodewortfolge 00 11 10 00 01 01 11 00 00 (Kodeworte 1 ... 9) empfangen. Da der Dekodierer das Funktionsprinzip des Faltungskodierers kennt, ermittelt er für jeden empfangenen Kodewortwechsel das zugehörige Datenbit. Tabelle XVII-8 zeigt den Vorgang.
1078
Nachrichtentechnik
Tabelle XVII-7 Kodewort des Faltungskodierers nach Bild XVII-1 Inhalt Schieberegister (von links)
Änderung des Kodewortes
alt
eingeschobenes Datenbit
neu
alt 1. Bit/2. Bit (Bild XVII-1)
neu 1. Bit/2. Bit (Bild XVII-1)
000 000
0 1
000 100
00 00
00 11
001 001
0 1
000 100
11 11
00 11
010 010
0 1
001 101
10 10
11 00
011 011
0 1
010 101
01 01
11 00
100 100
0 1
010 110
11 11
10 01
101 101
0 1
010 110
00 00
10 01
110 110
0 1
011 111
01 01
01 10
111 111
0 1
011 111
10 10
01 10
Tabelle XVII-8 Dekodiervorgang ohne Übertragungsfehler Empfangenes Kodewort alt
00
11
10
00
01
01
11
00
Empfangenes Kodewort neu
11
10
00
01
01
11
00
00
Schieberegister-Inhalt alt
000 100 010 101 110 011 001 000 000
Schieberegister-Inhalt neu
100 010 101 110 011 001 000 000
eingeschobenes Datenbit unterstrichen
Datenbit
1
zunächst zwischengespeichert
0
1
1
0
0
0
0
00
Kodeworte 1 ... 9 Kodeworte 2 ... 9
Ausgegebene Datenbitfolge: 10110000
Der Übergang vom ersten auf das zweite Kodewort in der Kodewortfolge (zweite Spalte Tabelle XVII-8) von 00 auf 11 wurde, sofern die Übertragung fehlerfrei erfolgte, durch Einschieben des Datenbits „1“ in das Schieberegister hervorgerufen, wie sich aus der vierten Zeile der Tabelle XVII-7 ablesen läßt (000 → 100). Der nächste Kodewortübergang von 11 auf 10 ergibt sich, wenn sich das im Schieberegister enthaltene Wort 100 (Tabelle XVII-7, Zeile 11) durch Einschieben einer „0“ in 010 ändert. Das Verfahren wird weiter fortgesetzt, wobei die übertragene Kodewortfolge und die daraus ermittelten Datenbits zu-
nächst bis zur Auswertung des letzten Kodewortes zwischengespeichert werden. Da kein Widerspruch zwischen der Aufeinanderfolge der Schieberegisterinhalte und den Kodewörtern besteht, sind die in der letzten Zeile von Tabelle XVII-8 aufgeführten Datenbits in dieser Reihenfolge auch tatsächlich ausgesendet und fehlerfrei empfangen worden und können vom Dekoder freigegeben werden. Die fehlerfreie Kodewortfolge von oben, 00 11 10 00 01 01 11 00 00, wird jetzt bei der Übertragung verfälscht und als 00 11 10 10 01 01 11 00 00 empfangen. Die unterstrichene „1“ kennzeichnet die fehlerhafte Stelle.
XVII Optimierte Nachrichten- und Datenübertragung
1079
Tabelle XVII-9 Dekodiervorgang mit einem Übertragungsfehler, erster Durchlauf Empfangenes Kodewort alt Empfangenes Kodewort neu
00 11
11 10
Schieberegister-Inhalt alt Schieberegister-Inhalt neu
000 100 111 111 110 011 001 000 000 100 010 111 011 011 001 000 000
hervorgehobene Stellen: Widerspruch
Datenbit
(1)
noch nicht angebbar
(0)
10 10
?
10 01
?
01 01
?
01 11
?
11 00
?
00 00
00
?
fehlerhafte Stelle unterstrichen
unten (Informationsbit 1). Im Kodebaum sind die Kodeworte aufeinanderfolgend eingetragen. Es zeigt sich, daß der Kodebaum innerhalb des Wiederholungsintervalls (Linien I, II) alle möglichen Zustände bzw. Übergänge enthält (Verzweigungspunkte A, B, C, D). Man kann deshalb den unteren Teil mit dem oberen zusammenfassen und alle weiteren, rechts der Linie II auftretenden Kodierungen weglassen. Es ergibt sich das Trellis-Diagramm nach Bild XVII-2b. Bild XVII-2c zeigt vereinfacht den Entscheidungsvorgang, wenn die (fehlerhafte) Kodewortfolge 00 11 11 11 00 empfangen wurde. Nur für den Fall, daß im Entscheidungspunkt E1 das wahrscheinlichere Kodewort 10 eingesetzt wird, gelangt man zur Ebene A (durchgezogene Linie). Die anderen Möglichkeiten (gestrichelte Linien) haben eine größere HammingDistanz zur wahrscheinlichsten Kodewortfolge und scheiden aus. Es wird deshalb die Kodewortfolge 00 11 10 11 00 dekodiert. Wird eine längere Kodewortfolge gesendet, benötigt man letztlich nur den im Bild XVII-2c dargestellten Teil des Diagramms zur Dekodierung, weil sich die Entscheidungsvorgänge durch die Kodewortwechsel in gleicher Art wiederholen (Viterbi-Algorithmus).
Nach Eintreffen des dritten Kodewortes (10) schließt der Empfänger auf den Schieberegisterinhalt 010 (3. Spalte, Tabelle XVII-9, fett gedruckt). Trifft das folgende falsche Kodewort 10 ein, ist das ein Übergang 10 auf 10, was dem „Wechsel“ des Schieberegisterinhaltes von 111 (Spalte 4, Tabelle XVII-9, fett gedruckt) auf 111 gemäß der letzten Zeile in Tabelle XVII-7 entspricht. Spalte 3 bestimmt den Schieberegisterinhalt zu 010, Spalte 4 zu 111. Dieser Widerspruch deutet auf einen Übertragungsfehler hin. Um das Verfahren einfach darstellen zu können, wird der Schieberegisterinhalt 010 nach Eintreffen des dritten Kodewortes (10) als richtig angenommen. Damit kann der nächste Schieberegisterinhalt entweder nur 001 sein, wenn eine 0 eingeschoben wird, oder 101, wenn das Datenbit 1 ist. Im ersten Fall ergibt sich für 010 → 001 das neue Kodewort 11 (7. Zeile Tabelle XVII-7), im zweiten Fall 010 → 101 das neue Kodewort 00. Nach Empfang des letzten Kodewortes wird in einem zweiten Durchlauf das Kodewort, das zum Widerspruch führte, nämlich das vierte (10, hier das fehlerhafte), durch das eben bestimmte Kodewort 11 ersetzt und der Zyklus nach Tabelle XVII-9 bis zum Schluß durchlaufen. Tabelle XVII-10 stellt den Vorgang bis zum erneuten Widerspruch dar.
Tabelle XVII-10 Dekodiervorgang mit einem Übertragungsfehler, zweiter Durchlauf Empfangenes Kodewort alt Empfangenes Kodewort neu
00 11
11 10
Schieberegister-Inhalt alt Schieberegister-Inhalt neu
000 100 010 100 110 011 001 000 000 100 010 001 110 011 001 000 000
Widerspruch fett gekennzeichnet
Datenbit
(1)
noch nicht angebbar
(0)
10 11
(0)
11 01
?
In einem dritten Durchlauf wird das andere Kodewort, 00, eingesetzt. Es folgt der in Tabelle XVII-8 aufgelistete Sachverhalt. Da es keinen Widerspruch gibt, wird die in der letzten Zeile dargestellte Datenbitfolge ausgegeben. Der Vorgang der Dekodierung läßt sich anschaulich im Trellis-Diagramm darstellen. In Bild XVII-2a ist der Kodebaum für den Faltungskodierer nach Bild XVII-1 abgebildet. Der Ausgangszustand des Schieberegisterinhaltes ist 000. Je nachdem, welches Informationsbit eingeschoben wird, verzweigt sich der Kodebaum nach oben (Informationsbit 0) oder
01 01
?
01 11
?
11 00
?
00 00
?
00
eingesetztes Kodewort unterstrichen
In der Praxis werden Schieberegister mit bis zu acht Stellen eingesetzt. Damit können mehrere Fehler erkannt und korrigiert werden. Dieses Verfahren wird u.a. auch bei der Datenübertragung über Satelliten eingesetzt.
2 Optimalfilter Ein Optimalfilter hat die Aufgabe, ein Nutzsignal, dem ein Störsignal überlagert ist, möglichst wenig zu verändern und das Störsignal so weit wie möglich zu unterdrücken. Das Prinzip wird an dem folgenden Modell dargestellt, Bild XVII-3a.
1080
Nachrichtentechnik Filter
uS(t) + uN(t) 00
A 00
11
A 0
00
10
11 B
01
A 11
C 11
1 Informationsbit
10
00
01
01
B D
10
A 00 11 10 B 01 C 11 00 01 D 10 A 00 11 10 B 01 C 11 00 01 D 10
A B C D A B C D A B C D A B C D
a) o(f)
I
oS(f) oN(f)
b)
fg
e2
d2ges
f d2N d2s
fgopt
c) x0,59
Wiederholungsintervall a)
u a (t )
H(f)
f
R C
II
d) 00
11
11
B
00
00 11
11
00
11
A
11
00 10
10
00 10
C 01
10
01
01
D
01
01
10
b) E1
E2
E3
00 empfangene Kodewortfolge 00 dekodierte Kodewortfolge
A B C D
c)
00
11
11
11
00
11
10
11
Bild XVII-3 Optimalfilter a) Prinzip b) Spektrale Leistungsdichte von Nutz- und Störsignal c) Gesamtfehler d) Realisierung des Beispiels
Bild XVII-2 Dekodierung eines Faltungskodes a) Kodebaum für die Kodeworte b) Trellis-Diagramm c) Prinzip der Dekodierung mit Likelihood-ViterbiDekoder Gegeben sind ein ungestörtes Signal uS(t) mit der spektralen Leistungsdichte FS(f) (Kapitel I.4.11.2) und ein Störsignal uN(t) mit der spektralen Leistungsdichte FN(f), die sich additiv überlagern. Dieses Signal wird auf den Eingang eines Filters mit der Übertragungsfunktion H(f) (Kapitel I.4.9.3) gegeben.
Am Ausgang erscheint das Signal ua(t), Bild XVII3a. Für Nutz- und Störsignal werden spektrale Leistungsdichten, wie in Bild XVII-3b eingezeichnet, angenommen, wobei FN(f) „weißem“ Rauschen entspricht (Kapitel I.4.11.1, Rauschen). Die eigentliche Aufgabe besteht darin, eine optimale FilterÜbertragungsfunktion H(f) = Hopt(f) zu finden, die das Signal uS(t) wenig verändert und die Störung ausreichend unterdrückt. Hier wird zunächst angenommen, H(f) = Hopt(f) sei berechnet worden und habe einen „idealen“ Tiefpaß ergeben, dessen Grenzfrequenz fg aber für unser Modell noch einstellbar ist. „Ideal“ heißt hier, daß bis fg alle Frequenzanteile mit unveränderter Amplitude durchgelassen werden und oberhalb fg alle Frequenzanteile vollständig unterdrückt werden. Die Grenzfrequenz fg ist in Bild XVII3b an beliebiger Stelle eingetragen. Es ergeben sich zwei Fehler: 1. dS2 : Durch die Begrenzung der Signalfrequenzen auf den Bereich 0 ... fg wird das ungestörte Signal uS(t) verfälscht, und zwar um so mehr, je kleiner fg gewählt wird. 2. dN2 : Gleichzeitig wird der Bereich der Störfrequenzen auch auf den Bereich 0 ... fg begrenzt. Je kleiner fg gewählt wird, desto geringer sind die Verfälschungen von uS(t) durch das Störsignal.
XVII Optimierte Nachrichten- und Datenübertragung
1081
Es gibt damit eine optimale Grenzfrequenz fg = fg opt, bei der die Signalverfälschungen noch vertretbar und die Störungen ausreichend klein sind. Um das zu zeigen, werden die zwei Fehler berechnet:
Diese Übertragungsfunktion läßt sich so nicht realisieren, weil sie Polstellen in der rechten p-Halbebene hat. Man kann sie aber dadurch annähern, daß die Polstellen in der rechten Halbebene vernachlässigt werden. Zunächst zerlegt man FS(f) + FN(f) in der pEbene sowohl im Zähler als auch im Nenner in ein Produkt aus konjugiert komplexen Null- bzw. Polstellen:
∞
fg
d S2 = 2 ⋅ ∫ F S ( f ) df ;
d N2 = 2 ⋅ ∫ F N ( f ) df
fg
0
(XVII.7) Das Nutzsignal uS(t) habe die spektrale Leistungsdichte 1
FS ( f ) =
1+ 4p 2
1
(XVII.8)
2
f f 02
⇒
und für das Störsignal soll gelten F N ( f ) = 0 , 2 = konst .
abgeleitet vom „weißen“ Rauschen. Setzt man diese Ausdrücke in die Formeln Gleichung (XVII.7) ein, ergeben sich die Fehler in Abhängigkeit von fg wie in Bild XVII-3c dargestellt. Da beide Fehler unkorreliert sind, werden sie für den Gesamt2 addiert. Ziel der Optimierung ist, den Gefehler dges
2∫
fg
=
1 + 4p 2
f0 2
−
2
(XVII.10)
FS ( p ) F− ( p )
f 02
= = =
df + 2 ∫ 0 , 2 df 0
f 02 − p 2
⋅
p − f0 p − 6 ⋅ f0
− f 02
p − f0 ⋅ ( p + f0 )⋅( p − f0 ) p − 6 ⋅ f0 − f 02 ( p + f0 )⋅( p − 6 ⋅ f0 ) f0
f 02
=
⎡ fg ⎤ ⋅ arctan ⎢ 2 p ⎥ + 0 , 2 ⋅ f g = Minimum p ⎣ f0 ⎦
Daraus ergibt sich das Minimum zu fg ≈ 0,47 ⋅ f0. Die bisher als bekannt vorausgesetzte optimale Übertragungsfunktion H(f) = Hopt(f) läßt sich berechnen nach der Beziehung FS ( f ) FS ( f ) + F N ( f )
(XVII.11)
Werden die Ausdrücke aus (XVII.8) und (XVII.9) in (XVII.11) eingesetzt, erhält man: 1 f2 1+ 4p f 02 5 ⋅ f 02 = H opt ( f ) = 2 1 1 6 ⋅ f0 + 4p 2 f 2 + 2 5 f 1 + 4p 2 2 f0 (XVII.12) 2
p ⇔ j 2p ⋅ f
5⋅( p + f0 )⋅( p − f0 )
f0
H opt ( f ) =
5⋅( p + f0 )⋅( p − f0 )
( p + 6 ⋅ f0 ) ( p − 6 ⋅ f0 ) = ⋅ 5⋅( p + f0 ) ( p − f0 ) F+ F−
fg
f
( p + 6 ⋅ f0 )⋅( p − 6 ⋅ f0 )
( p + 6 ⋅ f0 )⋅( p − 6 ⋅ f0 )
Setzt man (XVII.8) und (XVII.9) in die Gleichungen (XVII.7) ein und bildet die Summe nach (XVII.10), so folgt: 1
f 02
Man bildet
samtfehler zu minimieren:
∞
2 2 1 6 ⋅ f 0 + 4p ⋅ f = 5 5( f 02 + 4 p ⋅ f 2 )
Der Ausdruck wird wie folgt zerlegt und bezeichnet: (XVII.9)
2 dges = dS2 + dN2 = Minimum
2
f
1 + 4p 2
+
f0
6 +1 − 6 +1 ( p + f0 ) ( p − 6 ⋅ f0 ) realisierbar
nicht realisierbar
f0 ⇒
FS ( p ) F− ( p )
= real
6 +1 ( p + f0 )
Der vorletzte Ausdruck wurde durch Partialbruchzerlegung in den letzten umgewandelt. Davon nimmt man den ersten Summanden, weil er realisierbar ist, den zweiten läßt man als nicht realisierbar weg. Damit folgt: H real ( p ) =
F ( p) 1 ⋅ S F+ ( p ) F− ( p )
real
5( p + f 0 )
f0 1 = ⋅ ⋅ p + 6 ⋅ f0 ( p + f0 ) 6 +1 =
5 f0 p + 6 ⋅ f0
⋅
1 6 +1
1082
Nachrichtentechnik
H real ( f ) = =
u
5 f0 ( 6 + 1) j 2 pf + ( 6 + 1) 6 ⋅ f 0 0 , 59 j 2 pf 1+ 2 , 45 f 0
t Nutzsignal
Das ist ein Tiefpaßfilter erster Ordnung, das nach Bild XVII-3d mit R ⋅ C = 1/(2,45 ⋅ f0) und einem Abschwächer mit dem Faktor 0,59 realisiert werden kann.
u
3 Anwendung der Korrelation bei gestörten Signalen
t
Den hier betrachteten Nutzsignalen ist ein Störsignal in Form von Rauschen additiv überlagert. Nach Kapitel I.4.11.2 und Beispiel I.8 gilt für die Autokorrelationsfunktion von Rauschen
Rauschen u
T
1 FSS ( N ) ( t ) = lim ∫ u N ( t ) ⋅ u N ( t − t ) dt = 0 T →∞ 2 ⋅ T −T (XVII.13)
n=1 t
uN(t) Rauschspannung in V
Für das Nutzsignal erhält man: u
T
1 ∫ u S ( t ) ⋅ u S ( t − t ) dt T →∞ 2 ⋅ T −T
F SS ( S ) ( t ) = lim
^ ( u S ( t )) 2 =
für t → 0
n=2
(XVII.14) t
uS(t) Nutzsignalspannung in V
Der zu übertragende Datenblock wird inhaltlich nicht verändert und mehrfach übertragen. Der Empfänger addiert die Amplituden der empfangenen Datenblöcke, und zwar so, daß die Bedingung t → 0 nach Gleichung (XVII.14) erfüllt ist. In der Praxis heißt das, daß jeweils nur solche Amplitudenwerte addiert werden, die stets zu den gleichen Zeitpunkten des Nutzsignals gehören. Dazu muß man wiederum den Beginn des im gestörten übertragenen Signal enthaltenen Nutzsignales kennen. Das aber ist in den meisten Anwendungen wenigstens näherungsweise gegeben. Damit geht uN(t) mit wachsender Zahl von Additionen gegen Null, während das Nutzsignal uS(t) unverändert bleibt, weil immer die gleichen Amplitudenwerte addiert werden. Bild XVII-4 zeigt ein Beispiel dazu. n gibt die Anzahl der Überlagerungen an. In dem verwendeten Rechnerprogramm wird n stets um 1 erhöht, wobei zu jedem neuen n ein neues zufälliges Rauschen erzeugt wird. Für n = 1 sind zunächst nur das Nutzsignal und das Rauschen der ersten zwei Diagramme überlagert. Von den 600 ausgegebenen Diagrammen sind einige ausgesucht, die den Rückgang der Amplitude der resultierenden Rauschspannung und damit die zunehmende Erkennbarkeit des Nutzsignals zeigen (im Programm: Addition von n Amplitudenwerten und anschließende Divi-
u n=5 t
u
n = 10 t n = 25
u t
n = 600
u t
Bild XVII-4 Signalformen von korrelierten gestörten Signalen, n: Zahl der Überlagerungen sion durch n). Dem Programm ist in diesem Fall der jeweilige Beginn eines neuen gestörten Signalverlaufes bekannt, so daß die Auswertung mit minimalem Aufwand möglich ist. Sind nach Bild XVII-4 die
XVII Optimierte Nachrichten- und Datenübertragung
1083
Scheitelwerte der Rauschspannungen etwa 10mal so groß wie die des Nutzsignals, muß das gestörte Signal zwischen 10- und 25mal übertragen werden, damit ein digital kodierter 1-0-Wechsel sicher erkannt werden kann. Es zeigt sich weiterhin, dass bei der Übertragung analoger Signale eine sehr große Anzahl von Wiederholungen notwendig ist, um einigermaßen fehlerfreie Werte zu erhalten (n = 600 oder mehr). Angewendet wird dieses Verfahren z.B. bei der Übertragung von Bildern der Oberfläche weit entfernter Planeten.
Meinke-Gundlach: Taschenbuch der Hochfrequenztechnik. Hrsg. L. Lange und K. H. Löcherer. Verlag Springer Berlin, Heidelberg, New York, Tokyo. 1986. Michel, K.-J.: Zweitoranalyse mit Leistungswellen. Verlag B. G. Teubner Stuttgart. 1981. Scheffler, E.: Flexwell-Kabel – Koaxiale Hochfrequenzkabel mit gewelltem Außenleiter. Telefunken-Zeitung. Jahrgang 33, Heft 136. Schumny, H.: Signalübertragung. Verlag Vieweg Braunschweig/Wiesbaden. 2. Auflage 1987. Stadler, E.: Hochfrequenztechnik. Verlag Vogel Würzburg. 1973.
Literaturverzeichnis Literatur allgemein: Herter, E., Lörcher, W.: Nachrichtentechnik. Verlag Hanser München, Wien. 9. Auflage 2003. Kammeyer, K. D.: Nachrichtenübertragung. Verlag Teubner Stuttgart, Leipzig. 4. Auflage 2007. Werner, M.: Nachrichtenübertragungstechnik. Verlag Vieweg Wiesbaden. 2006.
Voges, E.: Hochfrequenztechnik. Band 1, Bauelemente und Schaltungen. Verlag Hüthig Heidelberg. 1986. Literatur zu Kapitel IV: [IV.1] Unger, H.-G.: Hochfrequenztechnik in Funk und Radar. Verlag Teubner Stuttgart. 1972. [IV.2] Schumny, H.: Signalübertragung. Verlag Vieweg Braunschweig/Wiesbaden. 2. Auflage 1987.
Literatur zu Kapitel II:
Literatur zu Kapitel V:
[II.1] Weißgerber, W.: Elektrotechnik für Ingenieure 3. Verlag Vieweg Braunschweig/Wiesbaden. 6. Auflage 2007.
[V.1] Mäusl, R.: Analoge Modulationsverfahren. Verlag Hüthig Heidelberg. 1988.
Literatur zu Kapitel III:
[V.2] Steinbuch, K., Rupprecht, W.: Nachrichtentechnik, Band 2: Nachrichtenübertragung. Verlag Springer Berlin, Heidelberg, New York. 3. Auflage 1982.
[III.1] Küpfmüller, K.: Einführung in die theoretische Elektrotechnik. Verlag Springer Berlin, Heidelberg, New York. 8. Auflage 1965.
[V.3] Hölzer, E., Holzwarth, H.: Pulstechnik, Band 1: Grundlagen. Verlag Springer Berlin, Heidelberg, New York. 1982.
Doebke, W.: Die Berechnung von Leitungsproblemen mit neuen Systemgrößen. AEU, Band 11, 1957, Heft 12. Geschwinde, H.: Kreis- und Leitungs-Diagramme. Verlag Franzis München. 1975. Janssen, W.: Hohlleiter und Streifenleiter. Verlag Hüthig Heidelberg. 1977. Krank, W.: Über die Theorie und Technik des elliptischen Wellrohrleiters. Dissertation D 82 RWTH Aachen.
[V.4] Mäusl, R.: Digitale Modulationsverfahren. Verlag Hüthig Heidelberg. 3. Auflage 1991. Literatur zu den Kapiteln XII, XIV und XVII: [XII.1] Opielka, D.: Optische Nachrichtentechnik. Verlag Vieweg Braunschweig/Wiesbaden. 1995. [XIV.1] siehe [IV.2] [XVII] Mildenberger, O.: Informationstheorie und Codierung. Verlag Vieweg Braunschweig/Wiesbaden. 2. Auflage 1992.
1085
Signal- und Systemtheorie Häufig verwendete Formelzeichen Nähere Erläuterungen dazu finden sich an der angegebenen Stelle im Text a Ck Ck
Es1 F F–1 F(s) F1(s) F2(s) f1(t)
F(jw)
1
H(f)
H(x) H(x)*
H(f)nTab H(s)
H(z)
H ( w )1 H ( jw )1 h(t) h(x)
Verhältnis von Nutz- zu Störsignal allgemein, [Gleichung (X.51)] komplexer Fourierkoeffizient [Gleichungen (III.5) und (III.7)] (komplexes) Amplitudenspektrum [Gleichung (III.8)] Energie des Signals s1 [Gleichung (X.23)] Fouriertransformierte [Kapitel IV.1.1] inverse Fouriertransformierte [Kapitel IV.1.1] Laplacetransformierte allgemein [Kapitel IV.2.1] Frequenzabhängige Eingangsgröße des Systems bei der Laplacetransformation [Bild I-1] Frequenzabhängige Ausgangsgröße des Systems bei der Laplacetransformation [Bild I-1] Zeitabhängige Eingangsgröße des Systems; nur bei der Laplacetransformation wegen Verwechslungsgefahr mit s1(t) verwendet, [Bild I-1] Alternative Schreibweise für S(f) in der Literatur Übertragungsfunktion in Abhängigkeit von der Frequenz bei der Fouriertransformation [Bild I-1] Summenhäufigkeitsfunktion, Summenfunktion [Kapitel X.1] Summenhäufigkeitsfunktion, Summenfunktion, Gaußverteilung mit x im Koordinatenursprung [Gleichung (X.41)] Übertragungsfunktion bei abgetasteten Signalen [Gleichung (IX.6)] Übertragungsfunktion in Abhängigkeit von der Frequenz bei der Laplacetransformation [Bild I-1] Übertragungsfunktion in Abhängigkeit von der Frequenz bei der z-Transformation [Bild I-1] Alternative Schreibweise für H(f) in der Literatur Alternative Schreibweise für H(f) in der Literatur Übertragungsfunktion des Systems in Abhängigkeit von der Zeit [Bild I-1] Wahrscheinlichkeitsdichte(funktion), Häufigkeit [Kapitel X.1]
h(x)*
L L–1
S(f) S(f) S1(f) S1(jw)1 S2(f) S1(z) S2(z) Sss s s1(t)
s2(t)
w(x) x Fss
Fs1s2 FNN d, d(t) s, s(t) s2 1
Wahrscheinlichkeitsdichte(funktion), Häufigkeit, Gaußverteilung mit x im Koordinatenursprung [Gleichung (X.40)] Laplacetransformierte [Kapitel IV.2.1] inverse Laplacetransformierte, [Kapitel IV.2.1] Spektralfunktion, Spektraldichte [Gleichung (II.9)] alternative Schreibweise für S(f) in der Literatur Frequenzabhängige Eingangsgröße des Systems bei der Fouriertransformation [Bild I-1] alternative Schreibweise für S1(f) in der Literatur Frequenzabhängige Ausgangsgröße des Systems bei der Fouriertransformation [Bild I-1] Frequenzabhängige Eingangsgröße des Systems bei der z-Transformation [Bild I-1] Frequenzabhängige Ausgangsgröße des Systems bei der z-Transformation [Bild I-1] Leistungsspektralfunktion [Gleichung (II.10)] Variable bei der Laplacetransformation [Kapitel IV.2.1] Zeitabhängige Eingangsgröße des Systems; bei der Laplacetransformation wegen Verwechslungsgefahr mit f1(t) bezeichnet [Bild I-1] Zeitabhängige Ausgangsgröße des Systems; bei der Laplacetransformation wegen Verwechslungsgefahr mit f2(t) bezeichnet [Bild I-1] Wahrscheinlichkeit für das Eintreffen des Ereignisses x [Gleichung(X.1a)] Mittelwert, [Gleichungen (X.4) und (X.5)] Autokorrelationsfunktion, AKF [Gleichung (X.11)] Kreuzkorrelationsfunktion der zwei Signale s1(t) und s2(t), KKF [Gleichung (X.21)] Kreuzkorrelierte von Rauschen, [Gleichung (X.48 a)] Stoßfunktion, d-Funktion, Dirac-Impuls [Kapitel V.1] Sprungfunktion [Kapitel V.2] Varianz [Gleichung (X.7)]
alternative Schreibweisen in der Literatur, hier nicht verwendet
1086
Signal- und Systemtheorie
I Einführung
Eingangsgröße
Ausgangsgröße System
Zeitebene
s1(t)
h (t )
s2(t)
S (f) H(f) S2(f) Frequenz- Fourier 1 F1(s) H(s) F2(s) Laplace ebene S1(z) H(z) S2(z) z
Rücktransformation
Bild I-1 stellt den Aufgabenbereich der Signal- und Systemtheorie dar. Ein Eingangssignal, das entweder als Funktion der Zeit (s1(t)) oder als Funktion der Frequenz (S1(f), F1(s), S1(z)) gegeben ist, erfährt durch ein System, dessen Eigenschaften durch h(t) bzw. H(f), H(s) oder H(z) gekennzeichnet werden, eine Beeinflussung und erscheint als geändertes Ausgangssignal s2(t) bzw. S2(f), F2(s) oder S2(z). Die Signalund Systemtheorie erfaßt in einem ersten Schritt die Zusammenhänge zwischen den eingezeichneten Größen. Stellt das System z.B. die Übertragungsstrecke für Daten dar, dann sind sehr hohe Anforderungen zu erfüllen: Schnelle und (fast) fehlerfreie Übertragung möglichst vieler unterschiedlicher Daten gleichzeitig, die sich eindeutig wieder trennen lassen müssen, wobei nur eine begrenzte Bandbreite zur Verfügung steht. Deshalb folgt häufig in einem zweiten Schritt die Optimierung aller an der Übertragung beteiligten Größen, d.h., sowohl die Eingangsgrößen als auch die Systemgrößen müssen geeignet gewählt bzw. aneinander angepaßt werden. Für die Darstellung im Frequenzbereich werden drei Verfahren angewendet: Die Fouriertransformation mit den Größen S1(f), H(f), S2(f), die Laplacetransformation mit F1(s), H(s), F2(s) und die z-Transformation mit S1(z), H(z), S2(z). Obwohl die Größen in der Frequenzebene komplexe Größen sein können, müssen sie nicht als solche gekennzeichnet werden, siehe Gleichungen (II.6) und (II.7). Es gelten folgende Bezeichnungen: s1(t), (f1(t)): Zeitabhängige Eingangsgröße des Systems; bei der Laplacetransformation wegen Verwechslungsgefahr mit f1(t) bezeichnet, h(t): Übertragungsfunktion des Systems in Abhängigkeit von der Zeit, s2(t), (f2(t)): Zeitabhängige Ausgangsgröße des Systems; bei der Laplacetransformation wegen Verwechslungsgefahr mit f2(t) bezeichnet, S1(f), S1(f):Frequenzabhängige Eingangsgröße des Systems, Fouriertransformation, H(f), H(f):Übertragungsfunktion in Abhängigkeit von der Frequenz, Fouriertransformation, S2(f), S2(f):Frequenzabhängige Ausgangsgröße des Systems, Fouriertransformation, F1(s): Frequenzabhängige Eingangsgröße des Systems, Laplacetransformation, H(s): Übertragungsfunktion in Abhängigkeit von der Frequenz, Laplacetransformation, F2(s): Frequenzabhängige Ausgangsgröße des Systems, Laplacetransformation, S1(z): Frequenzabhängige Eingangsgröße des Systems, z-Transformation,
H(z): Übertragungsfunktion in Abhängigkeit von der Frequenz, z-Transformation, S2(z): Frequenzabhängige Ausgangsgröße des Systems, z-Transformation.
Transformation
1 Darstellung in der Zeitund in der Frequenzebene
Bild I-1 System mit zugeordneten Größen Nach Bild I-1 können die Signale am Ein- und Ausgang sowie die Systemeigenschaften sowohl als Funktion der Zeit (z.B. Spannungsimpuls der Höhe 2 V und der Dauer 2 ms) als auch der Frequenz (z.B. Tiefpaß mit der Grenzfrequenz fg) dargestellt werden. Während s1(t), h(t) und s2(t) „anschauliche“ Größen sind, werden die Systemeigenschaften häufig in der Frequenzebene dargestellt. Das hat im wesentlichen zwei Gründe: 1. Zwischen den Ein- und Ausgangsgrößen besteht die einfache Beziehung: S2(f) = H(f) · S1(f) bei der Fouriertransformation,
(I.1 a)
F2(s) = H(s) · F1(s) bei der Laplacetransformation,
(I.1 b)
S2(z) = H(z) · S1(z) bei der z-Transformation.
(I.1 c)
Die Größen s1(t), h(t) und s2(t) dagegen sind über die mathematisch aufwendigere Operation der Faltung verknüpft (siehe Kapitel VII): +∞
s 2 ( t ) = h ( t ) * s 1 ( t ) = ∫ h ( t ) ⋅ s 1 ( t − t ) dt . (I.2) −∞
∗ Symbol für „Faltung“
2. Nahezu jedes System enthält, absichtlich eingesetzt oder vom Aufbau gegeben, die Elemente L und C in einer ihm eigenen spezifischen Kombination. Die Beziehung zwischen der Spannung u und dem Strom i beim Kondensator bzw. bei der Spule wird über je einen Differentialquotienten in der Zeitebene erfaßt: uL = L · diL/dt, iC = C · duC/dt. Damit führt die Verknüpfung von s1(t) mit s2(t) auf eine Differentialgleichung. Für die Berechnung ist es aber i.a. günstiger, wenn eine der Gleichungen (I.1 a, b, c) verwendet werden kann, weil dann, unter Anwendung geeigneter Transforma-
I Einführung tionen, keine Differentialgleichung gelöst werden muß und die Signal- und die Systemeigenschaften in getrennten, voneinander unabhängigen Ausdrücken zusammengefaßt sind: S1(f) und H(f) bzw. F1(s) und H(s) oder S1(z) und H(z). Für sinusförmige Größen im eingeschwungenen Zustand kann die Berechnung analog zu Gleichung (I.1 a, b) ohne Lösen einer Differentialgleichung in Form der komplexen Rechnung erfolgen. Das führt zu den Impedanzen ZC = 1/jwC bzw. ZL = jwL, die nicht mehr unmittelbar in ihrer Zeit-, sondern in ihrer Frequenzabhängigkeit gegeben sind. Damit liegen auch die Ergebnisse der Berechnung in Abhängigkeit von der Frequenz vor. Über die Fourier- und die Laplace-Transformation bei zeitkontinuierlichen Signalen bzw. die z-Transformation bei zeitdiskreten Signalen läßt sich eine der komplexen Rechnung analoge Methode auch bei Einschwingvorgängen und nichtsinusförmigen periodischen oder einmaligen Signalverläufen anwenden. Es ergibt sich dann ebenfalls eine Darstellung in Abhängigkeit von der Frequenz. Für die Darstellung der Signal- und Systemtheorie gilt hier die folgende Zielsetzung: Die gegebenen oder geforderten Größen, die in ihrer Zeitabhängigkeit vorliegen, werden in die Frequenzebene transformiert. Für das System müssen die Eigenschaften ebenfalls in der Frequenzebene vorliegen. Dann kann mit Gleichung (I.1 a, b, c) die gesuchte Größe berechnet und anschließend in die Zeitebene zurücktransformiert werden. In der Praxis werden vorwiegend die zeitabhängigen Größen ausgewertet: Bei der Datenübertragung ist entscheidend, in welcher Form die Digitalsignale empfangen werden, denn daraus ergibt sich, ob sie noch fehlerfrei erkannt werden können oder nicht. Auch beim Einsatz von Filtern ist meist nur von Bedeutung, wie sich der zeitliche Signalverlauf ändert. Da sehr umfangreiche Transformationstabellen zur Verfügung stehen, lohnt häufig der „Umweg“ über die Frequenzebene, weil insgesamt die Berechnungen mit weniger Aufwand möglich sind als die direkte Erfassung in der Zeitebene. Da die Leistungsfähigkeit der Rechner stetig zugenommen hat, wurden in den letzten Jahren Programme entwickelt, die die Systemberechnungen direkt in der Zeitebene durchführen, also h(t), s1(t) und s2(t) verwenden.
2 Hinweise zur Anwendung Im folgenden werden Verfahren zur Erfassung von Systemen und Signalen dargestellt. Letztlich bleibt es dem Anwender überlassen, welchen Weg er zur Lösung des gegebenen Problems bevorzugt. Soll eine Transformation verwendet werden, ist diejenige auszuwählen, die prinzipiell geeignet ist und die die geringeren Schwierigkeiten aufweist: Die Fouriertransformation hat eventuell Konvergenzproble-
1087 me, die die Laplacetransformation vermeidet. Für abgetastete Signale bietet sich die z-Transformation an. Mit geeigneten Rechner- bzw. Mathematikprogrammen kann auch die direkte Lösung in der Zeitebene mit dem Faltungsintegral (Gleichung (I.2)) sinnvoll sein. Zum besseren Verständnis seien noch die folgenden Bemerkungen angeführt: 1. Bei dem System kann es sich z.B. handeln um – ein Energieübertragungssystem (Generator– Transformator–Leitung–Transformator– Verbraucher), – ein Nachrichtenübertragungssystem (Fernsehkamera–Sender–Kabel–Empfänger–Bildschirm), – ein Datenübertragungssystem (PC-Modem–Telefonleitung–Modem–Kontoführungseinrichtung des Geldinstitutes), – ein Regelsystem (Konstanthaltung einer vorgegebenen Flughöhe), – einen Gleichstromsteller mit angeschlossenem Motor, – eine Verstärkerschaltung, – eine Filterschaltung (Tiefpaß, Bandpaß zur Signalselektion), – einen Modulator bzw. Demodulator (Rundfunksender, Rundfunkempfänger). 2. Ein System kann eine große Anzahl von Einzelkomponenten enthalten und damit sehr komplex sein, wie in den ersten 3 Beispielen unter Punkt 1, es kann aber auch aus nur wenigen Elementen bestehen und damit überschaubar sein, so wie in den letzten 2 Beispielen unter Punkt 1. Bei komplexen Systemen kann man gegebenenfalls auf Vereinfachungen und Näherungslösungen zurückgreifen, die übersichtlich sind und die die wesentlichen Eigenschaften trotzdem noch erfassen. Die optimale Lösung findet man, falls erforderlich, durch Testreihen mit Parameteränderungen. 3. Bei den im folgenden dargestellten formelmäßigen Zusammenhängen und bei den Transformationsvorschriften stößt man durchaus in mathematische Grenzbereiche vor. Ziel dieses Kapitels ist aber nicht die umfassende theoretische Behandlung der Signal- und Systemtheorie, sondern der Gedanke, das Verständnis für die Zusammenhänge zu fördern und dem Anwender ein Hilfsmittel zur Lösung der ihm gestellten Aufgaben an die Hand zu geben. 4. Die Signal- und Systemtheorie befaßt sich auch mit stochastischen, d.h. mit nicht vorhersagbaren Signalen. Sie tut dies, weil zum einen Störsignale (Rauschen) in dieser Form auftreten, zum anderen eine Nachrichten- bzw. Datenübertragung nur in Form von nicht deterministischen Signalen möglich ist, denn nur sie enthalten Information (siehe Abschnitt „Nachrichtentechnik“, Kapitel I.4). 5. Zur Beurteilung der Eigenschaften des Systems werden spezielle Eingangssignale verwendet. Man kann dann über das gemessene s2(t) die Größe h(t) bzw. H(f) bestimmen. Anschließend läßt sich
1088
Signal- und Systemtheorie
eine Aussage über den Verlauf von s2(t) bei beliebigen Funktionen s1(t) angeben. Zu diesen besonderen Funktionen gehören die Sprungfunktion, der (angenäherte) Dirac-Impuls und (weißes) Rauschen. 6. Der Themenkreis Zweitore (Vierpole) kann sowohl im Kapitel Nachrichtentechnik als auch in
diesem Kapitel behandelt werden. Hier wurde der erste Weg gewählt, weil die Ein- und Ausgangsgrößen sinusförmig sind und nur der eingeschwungene Zustand betrachtet wird. 7. In der Literatur werden unterschiedliche Formelzeichen bzw. Bezeichnungen verwendet, siehe Gleichungen (II.4, 5, 6, 6 a, 7, 8, 9).
II Grundbegriffe Für die Begriffe Systemanalyse und -synthese gilt:
• Systemanalyse: Das Eingangssignal ist gegeben, das Ausgangssignal gesucht.
• Systemsynthese: Das Eingangssignal ist gegeben, das Ausgangssignal muß bestimmte Bedingungen erfüllen. Gesucht ist ein geeignetes System. Für die weiteren Ausführungen wird angenommen, daß das System drei Bedingungen erfüllt:
• 1. Stabilität: Es muß gelten: lim { s 2 ( t ) } = 0
t →∞
für lim { s 1 ( t ) } = 0 . t →∞
(II.1)
Durch den folgenden Ausdruck wird die Frequenzabhängigkeit des Übertragungsfaktors besonders gekennzeichnet. Er heißt dann Übertragungsfunktion und wird häufig bei Zweitoren (Vierpolen) angewendet:
• Übertragungsfunktion, Fouriertransformation: H ( w ) = S 2 ( w ) / S 1 ( w ) = H ( w ) ⋅ e j⋅j ( w )
Alternativ werden in der Literatur auch die Schreibweisen H(jw) = S2(jw)/S1(jw) bzw.
• 2. Linearität: s1 a(t) ⎯ s2 a(t), s1 b(t) ⎯ s2b(t); dann folgt
H(jw) = S2(jw)/S1(jw)
s1 a(t) + s1 b(t) ⎯ s2 a(t) + s2 b(t)
oder
(II.2)
• 3. Zeitinvarianz:
verwendet. Wird die Laplacetransformation eingesetzt, gilt die folgende Schreibweise:
s1(t) ⎯ s2(t); dann gilt auch (II.3)
τ beliebige Zeitverschiebung, ⎯ allgemein für Zuordnung
Die folgenden Begriffe und Beziehungen werden in der Signal- und Systemtheorie häufig verwendet (siehe auch DIN 1311).
• Übertragungsfaktor allgemein: T=
S2 = T ⋅ e j arc T S1
• Übertragungsfunktion, Laplacetransformation: H( s) =
F2 ( s ) F1 ( s )
(II.7)
F2(s) Ausgangsgröße, F1(s) Eingangsgröße, beide in der symbolischen s-Ebene. Um Verwechslungen zu vermeiden, wird die Schreibweise F(s) anstatt S(s) verwendet.
• Übertragungsfunktion, z-Transformation: (II.4)
Die Größen S1 und S2 sind beliebig, d.h., sie können auch unterschiedliche Dimensionen haben. Soll gekennzeichnet werden, daß es sich um komplexe Größen handelt, kann die folgende Schreibweise gewählt werden:
• Übertragungsfaktor, wahlweise für komplexe Größen: S T = 2 = T ⋅ e j arc T S1
(II.6a)
H(f) = S2(f)/S1(f) bzw. H(f) = S2(f)/S1(f) (II.8 b)
⎯ allgemein für Zuordnung
s1(t + t) ⎯ s2(t + t)
(II.6)
H( z) =
S2 ( z )
(II.8)
S1 ( z )
S2(z) Ausgangsgröße, S1(z) Eingangsgröße
• Spektralfunktion, Spektraldichte: +∞
S ( f ) = ∫ s ( t ) ⋅ e − jwt dt
(II.9)
−∞
In der Literatur wird auch F(jw) verwendet.
• Leistungsspektralfunktion: (II.5)
lim
Dt →∞
1 ⋅ S( f ) Dt
2
= S ss ( f )
(II.10)
III Periodische nichtsinusförmige zeitkontinuierliche Signale
1089
III Periodische nichtsinusförmige zeitkontinuierliche Signale 1 Reelle und komplexe Fourierreihe
⇒ a0 = 0, ak = 0 für alle k,
Jeder periodische Signalverlauf s(t) kann nach Fourier dargestellt werden als eine unendliche Summe aus sinus- und cosinusförmigen Signalen, deren Frequenzen ein ganzzahliges Vielfaches der Frequenz des gegebenen Signals sind:
⇒ bk =
T/2
4 ∫ s ( t ) ⋅ sin kwt dt T 0
3. Symmetrie: s(t +T/2) = –s(t), ⇒ a2k = 0, b2k = 0 für alle k, T /2
∞
(III.1)
⇒ a 2 k +1 =
4 ∫ s ( t ) ⋅ { cos ( 2 k + 1) wt } dt , T 0
a0 ist der Gleichanteil (arithmetischer Mittelwert), w die Kreisfrequenz des gegebenen Signalverlaufes. Für k gilt: k = 1, 2, 3, ... ak und bk sind die Scheitelwerte der Signale mit der Kreisfrequenz k · w. Folgende Bezeichnungen werden allgemein verwendet:
⇒ b 2 k +1 =
4 ∫ s ( t ) ⋅ {sin ( 2 k + 1) wt } dt T 0
1. und 3. Symmetrie gleichzeitig: ⇒ bk = 0, a2k = 0 für alle k,
Signal mit der Kreisfrequenz 1 · w: Grundschwingung oder erste Harmonische;
⇒ a 2 k +1 =
s ( t ) = a 0 + ∑ ( a k ⋅ cos kwt + b k ⋅ sin kwt ) k =1
T /4
Signal mit der Kreisfrequenz 2 · w: Erste Oberschwingung oder zweite Harmonische; Signal mit der Kreisfrequenz 3 · w: Zweite Oberschwingung oder dritte Harmonische; usw. Die Größen a0, ak und bk werden nach folgender Vorschrift berechnet: T
a0 =
1 ∫ s ( t ) dt T 0
ak =
2 ∫ s ( t ) ⋅ cos kwt dt T 0
bk =
2 ∫ s ( t ) ⋅ sin kwt dt T 0
(III.2 a)
T
(III.2 b)
T
(III.2 c)
Daneben gibt es noch eine zweite Art der Darstellung für die Fourierreihe: ∞
s ( t ) = ∑ s k ⋅ sin ( kwt + jk )
(III.3)
k =0
Die Darstellungsarten nach Gleichung (III.1) und (III.3) lassen sich ineinander überführen: s k =
a k2 + b k2 ;
j k = arctan
ak bk
(III.4)
• Symmetriebedingungen: Erfüllt der gegebene Signalverlauf s(t) bestimmte Bedingungen, treten nicht alle in Gleichung (III.1) aufgeführten Frequenzen auf: 1. Symmetrie: s(t) = s(–t), gerade Funktion, ⇒ bk = 0 für alle k, T /2
T/2
T /2
2 4 ⇒ a0 = ∫ s ( t ) dt , a k = T ∫ s ( t ) ⋅ cos kwt dt T 0 0
2. Symmetrie: s(t) = –s(–t) ungerade Funktion,
8 ∫ s ( t ) ⋅ {cos ( 2 k + 1) wt } dt T 0
2. und 3. Symmetrie gleichzeitig: ⇒ a0 = 0, ak = 0, b2k = 0 für alle k, T/4
⇒ b 2 k +1 =
8 ∫ s ( t ) ⋅ { sin ( 2 k + 1) wt } dt T 0
Liegen Symmetriebedingungen vor, vereinfacht sich die Berechnung.
• Sprungstellen: Besitzt eine Funktion eine Sprungstelle, konvergiert die Fourierreihe gegen den arithmetischen Mittelwert aus links- und rechtsseitigem Grenzwert an dieser Stelle. Das in Bild III-2 dargestellte Signal hat zwei Sprungstellen, für t = 0 und t = aT. Die Fourierreihe konvergiert für beide Sprungstellen gegen den Wert (0 + U0)/2 = U0/2. • Gibbsches Phänomen: Wird eine Funktion s(t) nach Gleichung (III.1) zusammengesetzt, und enthält die Funktion s(t) Sprungstellen, dann zeigt sich an den Sprungstellen ein geringes Überschwingen, das auch für k → ∞ nicht verschwindet (≈ 9%). In Bild III-4 ist das zu erkennen. Ursache dafür ist u.a., daß die Funktion an den Sprungstellen nicht definiert ist. Funktionsverläufe in der Physik bzw. Elektrotechnik sind im gesamten Zeitbereich eindeutig definiert, so daß keine Sprungstellen auftreten und das Gibbsche Phänomen nicht wirksam wird. Mit den Beziehungen cos a =
e ja + e − ja e ja − e − ja , sin a = 2 2j
läßt sich Gleichung (III.1) wie folgt schreiben: ⎧ a k ⋅ e jkwt + a k ⋅ e − jkwt + b k ⋅ e jkwt ⎫ ⎪⎪ 2 ⎪⎪ 2 2j s( t ) = a0 + ∑ ⎨ ⎬ k =1 ⎪ b k ⎪ − ⋅ e − jkwt ⎪⎩ 2 j ⎪⎭ ∞
1090
Signal- und Systemtheorie
⎧⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎜a ⎟ ⎟ ⎪⎪ ⎜ a b b k k k k jk t w ⎟ ⋅ e − jkwt ⎟⋅e +⎜ − = a 0 + ∑ ⎨⎜ + ⎜ 2 2j⎟ 2j⎟ k =1 ⎪ ⎜ 2 ⎟ ⎟ ⎜ ⎜ ⎝ C −k ⎠ ⎠ Ck ⎩⎪ ⎝ ∞
⎫ ⎪⎪ ⎬ ⎪ ⎪⎭
(III.5) Es läßt sich zeigen, daß C –k durch C k ersetzt werden kann, wenn in der Summe k von –∞ bis +∞ läuft. Dann ergibt sich die Fourierreihe in der komplexen Form: +∞
s ( t ) = ∑ C k ⋅ e jkwt k = −∞
mit 1 ⋅ ∫ s ( t ) ⋅ e − jkwt dt T 0
(III.6)
Formal wurden hier negative Frequenzen eingeführt, die physikalisch aber nicht existieren (siehe dazu Bild III-1). In Gleichung (III.5) kann man schreiben: Ck =
ak bk −j = C k ⋅ e jfk 2 2
(III.7)
Daraus leiten sich, verknüpft mit den Gleichungen (III.3) und (III.4), zwei für die Anwendung praktische Begriffe ab:
• (komplexes) Amplitudenspektrum: Ck
1 2
(III.8)
|Ck|
2 3π 3
fk = arctan
−bk , siehe Gleichung (III.7) ak
Andererseits gilt nach Gleichung (III.4): a jk = arctan k . Damit lassen sich beide ineinbk ander umrechnen: − bk b = − arctan k ak ak b ⎞ a p ⎛p = − ⎜ − arcot k ⎟ = arctan k − ⎝2 ⎠ ak bk 2 oder
2 5π 5 k
a)
1 5π
1 3π
1 π
1 2
–5 –3 –1 0 1
1 π
fk = jk −
p 2
(III.10)
Zu der Darstellung der Spektren (Gleichung III.8 und III.10) gehört deshalb die Angabe, ob sie aus der reellen oder der komplexen Form abgeleitet worden sind.
2 Beispiele und Anwendungen
1 1 = ⋅ a k2 + b k2 = ⋅ s k 2 2
skn 2 π
0 1
• (komplexes) Phasenspektrum:
fk = arctan
T
Ck =
Die Amplitudenwerte nach Gleichung (III.11) (Beispiel III.1) sind durch U0 geteilt. Auf der Abszisse (Bild III-1) kann wahlweise die Frequenz, die Kreisfrequenz oder, wie hier, k aufgetragen werden.
1 3π 3
1 5π 5k
b)
Beispiel III.1: Soll der Effektivwert einer Gleichspannung
verringert werden, wird sie in eine Rechteckspannung mit einstellbarem Tastgrad umgeformt, Bild III-2 (Anwendung: Stromrichter, Gleichstromsteller). Die Gleichspannung wird periodisch ein- und ausgeschaltet. Damit hat dieses Verfahren nur geringe Verluste, weil elektronische Schalter weitgehend ideale Bauelemente sind. Allerdings entstehen gemäß Fourierzerlegung des Signals Wechselspannungen mit Frequenzen nach Gleichung (III.1), die u.U. als Störsignalquelle unangenehm in Erscheinung treten.
u (t ) U0
Bild III-1 Amplitudenspektrum (siehe Beispiel III.1 und Bild III-2 für a = 1/2) in reeller (a) und komplexer Form (b)
0
a·T
T
t
Bild III-2 Rechteckförmiger Spannungsverlauf mit veränderlichem Tastgrad a
Der Effektivwert (Bild III-2) ergibt sich zu:
In Bild III-1 ist das Amplitudenspektrum in der reellen Form (links) und in der komplexen Form (rechts) für das Beispiel III.1 (Bild III-2) mit a = 1/2 dargestellt. Man gelangt von der komplexen Darstellung zur reellen, wenn die Amplituden der negativen Frequenzen zu den Amplituden der entsprechenden positiven Frequenzen addiert werden. Damit gilt für den Zusammenhang zwischen reellen und komplexen Koeffizienten:
( )
( )
a k = 2 ⋅ Re C k ; b k = −2 ⋅ Im C k
(III.9)
T
U=
1 2 ∫ { u ( t ) } dt = T 0
aT
1 2 ∫ U 0 dt = U 0 T 0
a;
0 ≤ a ≤ 1;
Tastgrad: aT/T = a Für den Gleichanteil a0 und die Scheitelwerte ak und bk folgt mit den Gleichungen (III.2 a, b, c): aT
a0 =
1 ∫ U 0 dt = U 0 ⋅ a T 0
ak =
aT 2U 0 T 2 t ∫ U 0 ⋅ cos kwt dt = T k 2 p ⋅ sin k 2 p ⋅ T T 0
aT
0
III Periodische nichtsinusförmige zeitkontinuierliche Signale =
bk =
=
U0 kp
U0 kp
die Signalfrequenz wesentlich geringer als die Grenzfrequenz des Oszilloskopes ist (Erfahrungswert 1/10 ... 1/20), kann der Fehler klein gehalten werden. Ein unbekanntes Signal mit der Frequenz 10 MHz erfordert damit ein Oszilloskop mit der Grenzfrequenz 100 ... 200 MHz, soll der Verlauf mit geringem Fehler erfaßt werden.
⋅ sin k ⋅ 2 ⋅ p ⋅ a
aT 2U 0 − T 2 t ∫ U 0 ⋅ sin kwt dt = T ⋅ k 2 p ⋅ cos k 2 p T T 0
aT
0
⋅ ( 1 − cos k ⋅ 2 ⋅ p ⋅ a )
Die Amplituden der Harmonischen sind abhängig vom Tastgrad. Mit den Gleichungen (III.3) und (III.4) ergibt sich:
s k =
=
a k2 + b k2 =
U0 kp
U0
sin 2 ( k ⋅ 2 ⋅ p ⋅ a ) + 1 − 2 ⋅ cos ( k ⋅ 2 ⋅ p ⋅ a )
kp
+ cos 2 ( k ⋅ 2 ⋅ p ⋅ a )
1091
Bild III-4 stellt entsprechende Schirmbilder dar. Der verwendete ideale Tiefpaß läßt keine Frequenzanteile oberhalb fg durch, während der reale Tiefpaß ab fg die folgenden Frequenzanteile bis zur angegebenen Frequenz mit 20 dB/Dekade absenkt. Das Überschwingen an den Sprungstellen ist in der Praxis geringer, weil die darzustellenden Signalverläufe keine Sprungstellen aufweisen (siehe Gibbsches Phänomen oben). Beispiel III.4: Bei der Stereo-Rundfunkübertragung (siehe Ab-
⋅ 2 (1 − cos k ⋅ 2 ⋅ p ⋅ a )
Der Ausdruck unter der Wurzel ist maximal für cos k · 2 · p · a = –1, d.h. für a = 1/2 und k = 1, 3, 5, ...: 2⋅U 0 s k max = für a = 1/2 und k = 1, 3, 5, ... (III.11) k⋅p Damit sind die Amplituden der Harmonischen für a = 1/2 maximal. Für k = 2, 4, 6, ... ist die Amplitude Null, d.h. es entstehen für den Sonderfall a = 1/2 keine geradzahligen Harmonischen. Beispiel III.2: Um die im vorigen Beispiel angesprochenen
Störungen ausreichend klein zu halten, ist in IEC 555-2 bzw. VDE 0838 Teil 2 festgelegt worden, daß die Amplituden der Oberschwingungen des Stromes inetz im 50-Hz-Stromversorgungsnetz bestimmte Maximalwerte nicht überschreiten dürfen. Bild III-3 stellt den typischen Stromverlauf eines Gerätes mit Zweiweggleichrichter und Ladekondensator dar.
iNetz
schnitt „Nachrichtentechnik“, Kapitel VIII.1) wird ein Hilfsträger mit 19 kHz übertragen, der im Rundfunkempfänger in einen phasenrichtigen Träger mit 38 kHz umgesetzt werden muß. Das geschieht durch Brückengleichrichtung des sinusförmigen 19-kHzTrägers. Im neu entstehenden Signal ist die Frequenz 19 kHz nicht mehr enthalten, dafür die benötigte phasenrichtige Frequenz 38 kHz als neue Grundschwingung. Die Fourierreihe berechnet sich zu: 2 ⋅ u 4 ⋅ u cos kwt − ∑ p p k k2 −1 für k = 2, 4, 6, ... und w = 2p · 19 kHz u (t ) =
Die Fourierreihe ist hier noch auf die ursprüngliche Frequenz 19 kHz bezogen. Mit dieser Schaltungstechnik ist die Gewinnung des phasenrichtigen Signals mit der Frequenz 38 kHz ohne großen Aufwand möglich, und die nicht benötigten Oberschwingungen (k = 4, 6, ...), die u.U. Störungen verursachen könnten, nehmen in ihrer Amplitude durch den Faktor (k2 – 1) im Nenner relativ stark ab und lassen sich deshalb auf einfache Weise unterdrücken. Beispiel III.5: Für den Spannungsverlauf nach Bild III-2 wird die
komplexe Fourierreihe aufgestellt. Nach der Ableitung der reellen Fourierkoeffizienten folgt der Vergleich mit dem Ergebnis aus Beispiel III.1.
t
0
Für a = 1/2 folgt mit Gleichung (III.6):
20 ms Ck =
Bild III-3 Prinzipieller Stromverlauf bei Geräten mit Brückengleichrichter und Ladekondensator
= Mit e
Tabelle III-1 enthält auszugsweise die maximal zulässigen Stromamplituden der Oberschwingungen. Infolge der Symmetriebedingung i(t + T/2) = –i(t) (3. Symmetrie, siehe oben) treten nur ungeradzahlige Harmonische auf. Beispiel III.3: Die Grenzfrequenz von Oszilloskopen bezieht sich
auf einen sinusförmigen Signalverlauf am Eingang. Werden nichtsinusförmige periodische Signale gemessen, was der Regelfall ist, dann verarbeitet das Gerät nur Harmonische bis zur Grenzfrequenz. Dadurch ist der auf dem Schirm dargestellte Signalverlauf nicht mehr mit dem zu messenden identisch. Nur dadurch, daß
T /2 U e − jkwt 1 − jkwt dt = 0 ⋅ ∫ U0 ⋅e T 0 T − jkw
⎛ − jk 2Tp T2 ⎜e
U0T − Tjk 2 p ⎝
–jkp
Ck =
T /2
0
U0 ⎞ − 1⎟ = ( e − jkp − 1) ⎠ − jk 2 p
= (–1)k erhält man die komplexe Fourierreihe:
U0 jkp
für k = 1, 3, 5, ...
+∞
U0
k = −∞
jkp
⇒ s(t ) = ∑
⋅ e jkwt
Mit Gleichung (III.9) lassen sich ak und bk der reellen Fourierreihe bestimmen. ak = 0, da C k imaginär.
Ck =
U0 jkp
=−j
U0 kp
;
⇒
b k = −2 ⋅ Im ( C k ) =
2U 0 kp
für k = 1, 3, 5, ... Das Ergebnis ist in Übereinstimmung mit Gleichung (III.11).
Tabelle III-1 Strom-Maximalwerte der Harmonischen im 50-Hz-Stromversorgungsnetz bei Stromverläufen nach Bild III-3 (Auszug) Nummer der Harmonischen
3
5
7
9
11
13
15
Max. Stromwert in A
2,30
1,14
0,77
0,40
0,30
0,21
0,15
...
25 0,090
...
1092
Signal- und Systemtheorie
a)
b)
c)
d)
Bild III-4 Idealer Rechteckverlauf mit Frequenz f nach Passieren eines idealen (a, b) bzw. realen (c, d) Tiefpasses mit der Grenzfrequenz fg a) fg = 11f ; b) fg = 21f; c) fg = 11f, bis 21f Abfall mit 20 dB/Dekade d) fg = 21f, bis 41fg Abfall mit 20 dB/Dekade Probleme kann es, wie hier, bei der Bestimmung von C0 geben. Es ist sinnvoll, in der Berechnungsformel für C k (Gleichung (III.6)) im Exponenten der e-Funktion k = 0 zu setzen. Dann geht das Integral in die eindeutig lösbare Form nach Gleichung (III.2 a) über, und damit stimmt der Gleichanteil aus der reellen Fourierreihe mit dem aus der komplexen überein.
Beispiel III.6: Um ein Maß für die Signalverzerrungen eines
Verstärkers zu erhalten, ist der Begriff des Klirrfaktors eingeführt worden. Im Abschnitt „Nachrichtentechnik“, Kapitel I.4.12.3, sind dazu weitere Einzelheiten dargestellt. Grundlage für das Meßverfahren ist das Auftreten von Oberschwingungen, wenn ein sinusförmiges Signal verzerrt wird. Die Amplituden der Oberschwingungen nehmen mit zunehmender Abweichung von der Sinusform, d.h. mit zunehmender Verzerrung, zu und sind damit ein Maß für den Grad der Verzerrung.
IV Nichtperiodische zeitkontinuierliche Signale
1093
IV Nichtperiodische zeitkontinuierliche Signale Nichtperiodische Signale haben eine große Bedeutung für die Nachrichten- und Datenübertragung, weil Information nur in nichtdeterministischen Signalen enthalten ist (Abschnitt „Nachrichtentechnik“, Kapitel I.4.1). Aber auch für die Energie- und Regelungstechnik sind sie von Interesse, weil sie entweder Ein- und Ausschaltvorgänge erfassen oder den Übergang von einem momentan stationären Zustand in einen neuen darstellen (Kurzschluß im Energieversorgungsnetz, Auftreten einer Störgröße im Regelsystem). Die Fourier- und die Laplacetransformation können nach den Gleichungen (I.1a) und (I.1b) bei nichtperiodischen zeitkontinuierlichen Signalen eingesetzt werden.
+∞
s ( t ) = ∫ S ( f ) ⋅ e j 2 pft df −∞
bzw. s(t ) =
+∞
1 ∫ F ( jw ) ⋅ e jwt dw 2 p −∞
symbolische Schreibweise: s(t) ⎯ S(f). In der Literatur wird auch S(f) und F(jw) verwendet, siehe Hinweis oben.
Auch folgende Schreibweise ist üblich: S(f) = F{s(t)}; s(t) = F–1{S(f)}. F Fouriertransformierte, F–1 inverse Fouriertransformierte
• Spektrum, Spektraldichte: Die Fouriertransfor-
1 Fouriertransformation 1.1 Transformationsregeln Für den Übergang von den periodischen zu den nichtperiodischen (aperiodischen, einmaligen) Signalen wird in Gleichung (III.6) +∞
mierte S(f) ist eine Funktion der Frequenz und stellt damit das Spektrum (Spektraldichte) der Funktion s(t) dar. Die Fouriertransformierte läßt sich auch folgendermaßen darstellen: e − jwt = cos wt − j ⋅ sin wt ⇒ +∞
s ( t ) = ∑ C k ⋅ e jkwt ,
+∞
S ( f ) = ∫ s ( t ) ⋅ cos wt dt + j ⋅ ( − 1) ∫ s ( t ) ⋅ sin wt dt −∞ −∞
k =−∞
mit
R( f
+ T /2
T
Ck =
1 1 ⋅ ∫ s ( t ) ⋅ e − jkwt dt = ⋅ ∫ s ( t ) ⋅ e − jkwt dt , T 0 T − T /2
der Grenzübergang T → ∞ durchgeführt. Mit T = 2p/w geht w entsprechend gegen Null, d.h., das diskrete Spektrum kw geht in ein kontinuierliches Spektrum w über. Verkürzt dargestellt folgt damit: + T /2
⎧⎪ 1 ⎫⎪ s ( t ) = ∑ ⎨ ⋅ ∫ s ( t ) ⋅ e − jkwt dt ⎬ ⋅ e jkwt T ⎪ − T /2 ⎪⎭ k = −∞ ⎩ +∞
⎫⎪ ⎧⎪ +∞ = ∫ ⎨ ∫ s ( t ) ⋅ e − jwt dt ⎬ ⋅ e jwt df ⎪ −∞ −∞ ⎩ ⎭⎪
)
S ( f ) = R ( f ) + jX ( f ) = S ( f ) ⋅ e
X( f
jj ( f )
)
(IV.3)
R Realteil, X Imaginärteil von S(f)
• Amplitudenspektrum:
S ( f ) nach Gleichung (IV.3)
(IV.4)
• Phasenspektrum:
j(f) nach Gleichung (IV.3) Es gilt:
{ R ( f )} 2 + { X ( f )} 2 ; X( f ) j ( f ) = arctan R( f )
(IV.5)
S( f ) =
+∞
S( f
(IV.2 b)
(IV.1)
)
(IV.6)
R(f) Realteil, X(f) Imaginärteil von S(f)
Die mit S(f) bezeichnete Größe ist die Fouriertransformierte der Zeitfunktion s(t). Sie existiert nur dann, +∞
wenn für das Integral gilt: ∫ s ( t ) dt < ∞ . −∞
Hinweis: In der Literatur wird anstelle von S(f) auch S(f) oder F(jw) verwendet. Wird bei der Rücktransformation F(jw) eingesetzt, ist der Faktor 1/2p vor das Integral zu schreiben gemäß dw = 2p df, siehe Gleichung (IV.2 b).
Damit erhält man die folgenden zwei Formeln für die Transformation bzw. Rücktransformation:
• Fouriertransformation, Rücktransformation: +∞
S ( f ) = ∫ s ( t ) ⋅ e − jwt dt , −∞
symbolische Schreibweise: S(f) ⎯ s(t)
(IV.2a)
1.2 Eigenschaften Es folgen einige wichtige Eigenschaften der Fouriertransformation. 1. Multiplikation mit einer Konstanten k: k · s(t) ⎯ k · S(f)
(IV.7)
2. Addition zweier Funktionen: s1(t) + s2(t) ⎯ S1(f) + S2(f)
(IV.8)
3. Zeitverschiebung: s(t) ⎯ S(f) ⇒ s(t – t0) ⎯ S(f) · e–jwt0 (IV.9) 4. Frequenzverschiebung: S(f) ⎯ s(t) ⇒ S(f – f0) ⎯ s(t) · ejw0t (IV.10)
1094
Signal- und Systemtheorie
Tabelle IV-1 Korrespondenzen zur Fouriertransformation s(t)
S(f)
d(t): Stoßfunktion, d-Funktion, Dirac-Impuls
1
1
d(f) Dirac-Impuls
s(t): Sprungfunktion
1 1 ⋅ d( f ) + 2 j 2p ⋅ f
sin w0t
1 ( d( f − f 0 ) − d ( f + f 0 ) ) 2j
cos w0t
1 ⋅ ( d( f − f 0 ) + d( f + f 0 ) ) 2
s(t) · sin w0t
f0 ⋅ 2π
( 2π ⋅ f0 ) − ( 2π ⋅ f ) 2
+
2
1 ⋅ ( d( f − f 0 ) − d( f + f 0 ) ) 4j jf ⋅ 2π
s ( t ) ⋅ cos w0 t
( 2π ⋅ f0 ) − ( 2π ⋅ f ) 2
+
1 ⋅ ( d( f − f 0 ) + d( f + f 0 ) ) 4
T⋅
s ( t ) ⋅ e − t /T ⋅ sin w 0 t
2
2p ⋅ f0 ⋅ T
( j 2 p ⋅ f ⋅ T + 1) 2 + ( 2 p ⋅ f 0 ⋅ T ) 2
Re (T) > 0*) T⋅
s ( t ) ⋅ e − t /T ⋅ cos w 0 t
j 2p ⋅ f ⋅ T + 1
( j 2 p ⋅ f ⋅ T + 1) 2 + ( 2 p ⋅ f 0 ⋅ T ) 2
Re (T) >0*) s ( t ) = 1 für −T < t < T s ( t ) = 0 für t < −T , t > T s(t ) = 1 − s ( t ) = 0;
t T
; t
Dreieckimpuls
t >T
p ⋅t ⎞ s ( t ) = cos 2 ⎛⎜ ⎟ ; t
Rechteckimpuls
cos2 x-Impuls
Exponentialimpuls
2⋅
sin ( 2 p ⋅ f ⋅ T ) 2p ⋅ f
4 ⎧ sin ( p ⋅ f ⋅ T ) ⎫ ⋅⎨ ⎬ 2p ⋅ f T ⎩ ⎭
2
sin 2π ⋅ f ⋅ T 1 ⋅ 2 2π ⋅ f 1 − (2 ⋅ f ⋅T ) T , 1 + j 2p ⋅ f ⋅ T
Re (T) > 0*)
IV Nichtperiodische zeitkontinuierliche Signale
1095
verlauf enthaltene Energie (Faktor R bzw. 1/R eingesetzt, s.o.). Den gleichen Wert erhält man, wenn man die Leistungsbilanz über die im Signal enthaltenen Frequenzanteile bildet.
5. Faltung im Zeitbereich: S 1 ( f ) ⋅ S 2 ( f ) ⎯ s 1 ( t ) * s2(t) +∞
= ∫ s 1 ( t ) ⋅ s 2 ( t − t ) dt
(IV.11)
−∞
1.3 Korrespondenztabelle
* Zeichen für die Operation „Faltung“
6. Faltung im Frequenzbereich: s 1 ( t ) ⋅ s 2 ( t ) ⎯ ⋅S1 ( f ) * S 2 ( f ) =
+∞
∫ S ( v ) ⋅ S ( f − v ) dv 1
2
(IV.12)
−∞
∗ Zeichen für die Operation „Faltung“
7. Integration im Zeitbereich:
S( f ) (IV.13) j 2p ⋅ f 8. Differentiation im Zeitbereich: ds ( t ) (IV.14) ⎯ ( j 2p ⋅ f ) ⋅ S ( f ) dt In den Gleichungen (IV.13) und (IV.14) wird die Transformierte S(f ) ⎯ s(t) verwendet und die Operation Differenzieren durch Multiplikation mit (j2p · f) und die Operation Integrieren durch Multiplikation mit 1/(j2p · f ) erfaßt. t
∫ s ( t ) dt
−∞
⎯
Tabelle IV-1 listet einige Korrespondenzen zur Fouriertransformation auf. In Tabelle IV-2 sind die Impulsantworten von einem idealen Tiefpaß, einem idealen Hochpaß und einem idealen Bandpaß dargestellt. Für S(f) wird ein linearer Phasenverlauf vorausgesetzt. Die Sprungantworten von Tief-, Hoch- und Bandpaß beginnen bereits bei t → – ∞, obwohl erst bei t = 0 ein Signal am Eingang anliegt. Das System heißt deshalb nichtkausal. Es ist technisch nicht realisierbar, weil es im Widerspruch zur physikalischen Wirklichkeit steht. Trotzdem ermöglicht die Auswertung dieses Verhaltens Rückschlüsse auf die realen Eigenschaften des Systems auch bei anderen Eingangssignalen.
• Unschärferelation: Multipliziert man die Impulsbreite T eines einmaligen Impulses mit dem Frequenzabstand Df zweier benachbarter Nulldurchgänge der Spektralfunktion bei f = 0 (Bild IV-1), so gilt die Unschärferelation:
• Parsevalsche Gleichung: +∞
+∞
2 2 ∫ s ( t ) dt = ∫ S ( f ) d f
−∞
Df ⋅ T ≥
(IV.15)
−∞
Mit s(t) = u(t) bzw. s(t) = i(t) steht unter dem Integral, bis auf einen Proportionalitätsfaktor, der Momentanwert der Leistung. Der Proportionalitätsfaktor ist in diesem Fall der Widerstand R: p = {i(t)}2 · R = {u(t)}2/R. Über den gesamten Zeitbereich integriert ergibt sich die im Signal-
1 2p
(IV.16)
Daraus läßt sich folgendes ableiten: 1. Wird bei unveränderter Impulsform nur die Impulsbreite T verkleinert, rücken die Nulldurchgänge der Spektralfunktion weiter auseinander, und damit nehmen die Amplituden zu. 2. Der optimale Wert ergibt sich zu Df · T = 1/2p, d.h. bei gegebener Impulsbreite sind
Tabelle IV-2 Beispiele zur Fouriertransformation: Impulsantwort von idealem Tiefpaß, Hochpaß und Bandpaß
S(f)
Impulsantwort 2U 0 ⋅ f g ⋅
sin 2 p ⋅ f g ⋅ ( t − t 0 ) 2p ⋅ f g ⋅ ( t − t 0 )
) = 2U 0 ⋅ f g ⋅ si ( 2 p ⋅ f g ⋅ { t − t 0 } )*
d( t − t 0 ) − 2 U 0 ⋅ f g ⋅
sin 2 p ⋅ f g ⋅ ( t − t 0 ) 2p ⋅ f g ⋅ ( t − t 0 )
= d( t − t 0 ) − 2U 0 ⋅ f g ⋅ si ( 2 p ⋅ f g ⋅ ( t − t 0 ) )*)
2U 0 p ⋅(t − t 0 )
⋅ sin { p ⋅ ( f g 2 − f g 1 ) ⋅ ( t − t 0 )}
× [ cos { p ⋅ ( f g 2 + f g 1 ) ⋅ ( t − t 0 )} ] *) In der Literatur häufig benutzte Definition: si (x) = sin (x)/x
S ( f ) = U 0 ⋅ e − j 2 p⋅ f ⋅t 0 ; S ( f ) = 0;
f < fg
f > fg
Idealer Tiefpaß, Grenzfrequenz fg S ( f ) = U 0 ⋅ e − j 2π ⋅ f ⋅t0; S ( f ) = 0;
f > fg
f < fg
Idealer Hochpaß, Grenzfrequenz fg S ( f ) = U 0 ⋅ e − j 2 p⋅ f ⋅t 0 ; f g 1 < f < f g 2
− f g 2 < − f < − f g1
S(f) = 0 im übrigen Bereich Idealer Bandpaß, Grenzfrequenzen fg1, fg2
1096
Signal- und Systemtheorie |S(f)|
die Amplituden des Spektrums am kleinsten. Das wird erreicht mit dem Gaußschen Glockenimpuls: k
s(t ) =
p
⋅ e −k
⋅t
2 2
Bild IV-1 Amplitudenspektrum eines Rechteckimpulses (1) und eines sin2 w · T-Impulses (2)
(IV.17)
In Bild IV-1 ist Df eingezeichnet. Die zugehörige Impulsbreite T kann Bild IV-7 entnommen werden. Siehe dazu auch die beiden folgenden Beispiele IV.1 und IV.2.
1 2
1.4 Beispiele Beispiel IV.1: Berechnet werden soll das Amplitudenspektrum
Δf2
|S(f)| und das Phasenspektrum j(f) für einen Rechteckimpuls mit der Amplitude U und der Dauer T. Mit Gleichung (IV.2 a) folgt: T
S ( f ) = ∫ U ⋅ e − jw ⋅ t d t = 0
=U⋅
=U⋅
(
U ⋅ 1 − e − jw ⋅ T jw
2 Laplacetransformation
jw
2.1 Einführung
j ⋅ [ −1 + cos( w ⋅ T ) ] + sin [ w ⋅ T ] w
U ⇒ S( f ) = ⋅ 2 ⋅ (1 − cos ( w ⋅ T ) ) w ⇒ j( f ) = arc tan
(IV.18)
cos ( w ⋅ T ) − 1
(IV.19)
sin ( w ⋅ T )
Beispiel IV.2: Gesucht ist das Amplitudenspektrum des Im-
pulses U · sin2 (w · T). Mit sin2 (w · T) = 0,5 · (1 – cos (2 · w · T)) folgt: S( f ) = U ⋅
+ T /2
U U e j 2 w⋅t + e − j 2 w ⋅ t − jw ⋅ t = ⋅ ∫ e − jw ⋅ t d t − ⋅ ∫ ⋅e dt 2 −T /2 2 − T /2 2 =
+ T /2
U e j w ⋅ T / 2 − e − jw ⋅ T / 2 U e jw ⋅ t ⋅ − ⋅ ∫ dt 2j w 2 −T /2 2 w⋅T ⎞ sin ⎜⎛ ⎟ ⎝ 2 ⎠
−
+T /2
U e − jw ⋅ 3 ⋅ t ⋅ ∫ dt 2 −T /2 2
⎛ w⋅T ⎞ sin ⎜ ⎟ ⎝ 2 ⎠
−
− j 3 w ⋅ T /2
−e U e ⋅ 2j 6w ⎛ 3w⋅ T ⎞ sin ⎜ ⎟ ⎝ 2 ⎠
=
s(t) ≡ 0 für t ≤ 0–
(IV.21)
0– linksseitiger Grenzwert von s(t), siehe Erläuterung weiter unten
Sie ist damit für die Berechnung der in der Praxis auftretenden Vorgänge besonders geeignet. Variable: s (in der Literatur wird auch p benutzt). Funktion in der Zeitebene: allgemein f(t); speziell u(t), i(t). Transformierte in der s- oder Bildebene: allgemein L{f(t)} = F(s); speziell L{u(t)} = U(s); L{i(t)} = I(s). Symbolische Schreibweise: f(t) ⎯ F(s). Rücktransformation aus der s- in die t-Ebene: L–1{F(s)} = f(t). L Laplacetransformierte, L–1 inverse Laplacetransformierte
U w ⋅ T ⎞ U e jw ⋅ T / 2 − e − jw ⋅ T / 2 ⋅ = ⋅ sin ⎛⎜ ⎟− ⎝ 2 ⎠ 2w w 2j j 3 w ⋅ T /2
Bei der Anwendung der Laplacetransformation treten die bei der Fouriertransformation angesprochenen Probleme mit der Kausalität nicht auf, was im wesentlichen daran liegt, daß gilt:
• Verwendete Bezeichnungen:
+ T /2
1 − jw ⋅ t dt ∫ {1 - cos ( 2 w ⋅ T )} ⋅ e 2 −T /2 +T /2
Δf1
)
1 − cos ( w ⋅ T ) + j ⋅ sin ( w ⋅ T )
f
U ⎧1 w⋅ T ⎞ 1 3w ⋅ T ⎞ ⎫ ⋅ ⎨ ⋅ sin ⎜⎛ ⎟ ⎟ − ⋅ sin ⎜⎛ ⎝ 2 ⎠ ⎬⎭ ⎝ 2 ⎠ 6 w ⎩2
(IV.20)
In Bild IV-1 sind |S(f)| aus Beispiel IV.1 und IV.2 gleichzeitig dargestellt. Die Amplituden des Spektrums eines sin2 w · TImpulses sind deutlich geringer als die eines Rechteckimpulses der Dauer T. Besteht bei der gleichzeitigen Übertragung mehrerer digital kodierter Signale die Gefahr der gegenseitigen Beeinflussung, ist der sin2 w · T-Impuls vorteilhafter. Im Beispiel IV.7, Kapitel 2.6, Beispiele zur Laplacetransformation, wird gezeigt, wie ein Rechteck- und ein sin2 w · T-Impuls durch einen Tiefpaß im zeitlichen Verlauf geändert werden und in wieweit eine fehlerfreie Signalerkennung noch möglich ist.
Hier wird bewußt f(t) anstatt s(t) verwendet, um Verwechslungen mit der Variablen s zu vermeiden. Für die Variable s gilt: s = a + jw; a > 0. Der Realteil wurde eingeführt, um einen endlichen Wert für die Transformationsintegrale zu erhalten (Gleichungen IV.22, 23 a). Damit können für f(t) die in der Praxis vorkommenden Funktionen eingesetzt werden. Auch der Dirac-Impuls d(t) und die Sprungfunktion s(t) besitzen eine Laplacetransformierte und lassen sich, obwohl es sich um physikalisch nicht realisierbare Vorgänge handelt, erfolgreich als Näherungslösungen bei der Systemanalyse oder bei Schaltvorgängen einsetzen. Die Einheit von s ist 1/s.
2.2 Transformation Die Transformation bzw. Rücktransformation erfolgt durch das Lösen der folgenden Integrale:
IV Nichtperiodische zeitkontinuierliche Signale
1097
• Transformation in die Bildebene: ∞
F ( s ) = ∫ f ( t ) ⋅ e − s ⋅ t dt
(IV.22)
0+
Integrationsgrenze 0+ siehe „Linksseitiger und rechtsseitiger Grenzwert“ (weiter unten)
Die Rücktransformation geschieht dann auf einfache Weise mit den Korrespondenzen Nr. 5, 8, 16, 17, 24, 25 und 27 in Tabelle IV-3.
• Linksseitiger (t = 0–) und rechtsseitiger (t = 0+) Grenzwert: Die untere Grenze des Integrals in Gleichung (IV.22) ist mit 0+ bezeichnet und soll darauf hinweisen, daß für die Funktion f(t) der rechtsseitige Grenzwert für t = 0 einzusetzen ist. Für die in Bild III-2 dargestellte Rechteckfunktion gilt: u(t = 0–) = 0, u(t = 0+) = U0. Da laut Voraussetzung f(t < 0) ≡ 0 ist, ergibt sich der linksseitige Grenzwert zu
• Rücktransformation in die Zeitebene: f (t) =
a + j∞
1 ⋅ ∫ F ( s ) ⋅ e s ⋅ t ds 2 jp a− j∞
(IV.23 a)
Die Integrationsgrenze 0+ kennzeichnet den rechtsseitigen Grenzwert der Funktion f(t) für t = 0. Das Integral (IV.23a) wird zweckmäßigerweise über eine Partialbruchzerlegung und die Anwendung des Residuensatzes gelöst. Dazu zerlegt man die Funktion F(s) in eine Summe, wobei der Nenner der einzelnen Summanden die Form sk, (s ± ai)m oder (s2 ± b2r ) p, i, k, m, p, r = 0, 1, 2, ..., hat und 0, ai, br die Nullstellen des Nennerpolynoms sind. Der zum jeweiligen Nennerausdruck gehörende Zählerwert kann mit dem Residuensatz bestimmt werden: Res s= s 0
{ F ( s )} =
1 ⎧ d n−1 ⎨ ( n − 1)! ⎩ ds n−1
[( s − s
für n-fache Polstelle
⎫
0
) n ⋅ F ( s )]⎬ ⎭
s=s 0
(IV.23 b)
Dabei hat F(s) an der Stelle s = s0 eine n-fache Polstelle. Für n = 1 vereinfacht sich Gleichung (IV.23 b) zu:
Res { F ( s )} = ( s − s 0 ) ⋅ F ( s ) s= s 0
für einfache Polstelle
s=s 0
(IV.23 c)
f(t = 0–) ≡ 0
(IV.24)
Tabelle IV-3 enthält häufig benötigte Transformationen und kann sowohl für die Transformation in die sEbene als auch für die Rücktransformation in die Zeitebene benutzt werden. Für die Funktion f(t) gilt: f(t) = f(t ≥ 0+), f(t ≤ 0–) ≡ 0. In der Literatur wird manchmal eine alternative Schreibweise gewählt, indem f(t) mit einer Sprungfunktion s(t) zum Zeitpunkt t = 0 multipliziert wird. Es sei darauf hingewiesen, daß einige Transformationen aufgenommen wurden, deren Darstellung in der Zeitebene nur für einen begrenzten Zeitbereich möglich ist (Transformationen Nr. 4, 5, 12, 14, 17, 25, 27 mit der Eigenschaft: f(t) → ∞ für t → ∞). Als Beispiel dient ein elektronischer Integrierer mit Operationsverstärker, der nur bis zum Erreichen der Betriebsspannung die Übertragungsfunktion 1/s hat. Durch die Anwendung der Laplacetransformation wird eine Differentialgleichung auf eine algebraische Gleichung zurückgeführt.
Tabelle IV-3 Korrespondenzen zur Laplacetransformation
Nr.
f(t ≥ 0+)
F(s)
Hinweis: f(t ≤ 0–) ≡ 0
11
1
d(t): Stoßfunktion, d-Funktion, Dirac-Impuls
12
e–a · s a > 0
d(t – a)
13
1 s
1, d.h. Sprungfunktion s(t)
14
1 s2
t
15
1 s n+1
16
1 s+a
17
1
( s + a)
n = 0, 1, 2, ...
tn n!
e–at
t ⋅ e − at 2
1098
Signal- und Systemtheorie
Tabelle IV-3 Fortsetzung Nr.
f(t ≥ 0+)
F(s)
Hinweis: f(t ≤ 0–) ≡ 0
18
t n − at ⋅e n!
1
(s + a) 19
n+1
1
( s + a) ( s + b) 10
1 ( e −at − e −bt ) b−a
a≠b
1 ( s + a) ( s + b) ( s + c)
a≠b≠c
e − a ⋅t e − b ⋅t + ( b − a) ⋅ ( c − a) ( a − b) ⋅ ( c − b) +
e −c ⋅ t ( a − c) ⋅ ( b − c)
11
1 s (s + a)
1 ⋅ ( 1 − e − at ) a
12
1 s2 ( s + a)
1 ⋅ ( e − a ⋅t + a ⋅ t − 1) a2
13
1 s( s + a)
14
1 − e − at − a ⋅ t ⋅ e − at a2
2
t 2 t ⋅ e − a ⋅t 2 ⋅ e − a ⋅t − 3 + + 2 a a a2 a3
1 s2 (s + a)
15
2
1 s(s + a) (s + b)
1 b ⋅ e − at − a ⋅ e − bt + ab a ⋅ b (a − b)
a≠b
16
1 s2 + a2
sin a ⋅ t a
17
1 s2 − a2
sinh a ⋅ t a
18
1 s ⋅(s + a2 )
1 − cos a ⋅ t a2
1 (s + a) ⋅ ( s 2 + b 2 )
1 ⎡ e − a⋅t + a ⋅ sin b ⋅ t − cos b ⋅ t ⎤ ⎥⎦ 2 ⎢ b a +b ⎣
2
19
20
1
(s2 + a2 ) ⋅(s2 + b2 ) 21
a≠b
( s + a) + b 22
2
1
( s + a) ( s + b) 2 U⋅
e − a⋅s s
1 ⎡ sin a ⋅ t − sin b ⋅ t ⎤ b ⎥⎦ b 2 − a 2 ⎢⎣ a e − a ⋅t ⋅ sin b ⋅ t b
1 2
23
2
a≠b
U Konstante
e − a ⋅t
(a − b) U(t – a)
2
+
( a − b ) ⋅ t − 1 −b ⋅t ⋅e (a − b)2
IV Nichtperiodische zeitkontinuierliche Signale
1099
Tabelle IV-3 Fortsetzung Nr.
f(t ≥ 0+)
F(s)
Hinweis: f(t ≤ 0–) ≡ 0
24
s s + a2
cos a · t
s s2 − a2
cosh a · t
2
25
26
s
27
s
(s 28
29
cos a ⋅ t − cos b ⋅ t b2 − a2
a≠b
(s2 + a2 ) (s2 + b2 ) 2
+a
2
)
t ⋅ sin at 2a
2
s+d s (s + a)
s+d
( s + a) ( s + b) 30
s+d s ⋅ ( s + a) ( s + b)
31
s+d s + a ( ) (s2 + b2 )
d − ( d − a ) ⋅ e − a ⋅t a
( d − a ) ⋅ e − a ⋅t − ( d − b ) ⋅ e − b ⋅t
a≠b
b−a
( a − d ) ⋅ e − a ⋅t ( b − d ) ⋅ e − b ⋅t d + + a⋅b a ⋅ (b − a) b ⋅ (a − b)
a≠b
( d − a) ⋅ e − a⋅t a2 + b2 F = arctan
2.3 Sätze zur Laplacetransformation Für die Anwendung der Laplacetransformation werden notwendige und nützliche Regeln aufgeführt. Wenn nicht besonders darauf hingewiesen wird, gelten die Gleichheits- und Verknüpfungszeichen in beiden Richtungen. 1. Multiplikation mit einer Konstanten K:
K · f(t) ⎯ K · F(s)
(IV.25)
Die Begründung liegt darin, daß in den Transformationsgleichungen (IV.22) und (IV.23 a) die Konstante K vor das Integralzeichen gesetzt werden kann. 2. Addition zweier Zeitfunktionen:
f1(t) + f2(t) ⎯ F1(s) + F2(s) mit
F1(s) = L(f1(t)), F2(s) = L(f2(t))
(IV.26)
In einer Summe können die einzelnen Summanden getrennt transformiert und zur Gesamtsumme
(b 2 + d 2 )
+
⋅ sin ( b ⋅ t + F ) ,
(a 2 ⋅b 2 + b 4 )
a d − arctan b b
vorzeichenrichtig addiert werden. Das gilt für die Bild- und die Zeitebene und folgt aus der Regel:
∫ { f 1 ( t ) + f 2 ( t ) } dt = ∫ f 1 ( t ) dt + ∫ f 2 ( t ) dt 3. Transformierte einer in der Zeitebene abgeleiteten Funktion: L{ f ( t ) } = F ( s )
⎧ df ( t ) ⎫ ⇒ L⎨ ⎬ = s ⋅ L { f ( t )} − f ( 0 + ⎩ dt ⎭ = s ⋅ F(s) − f (0 +
)
) (IV.27)
Es wird die Laplacetransformierte der nicht abgeleiteten Funktion in der Zeitebene gebildet und mit s multipliziert, d.h. die Multiplikation mit s kennzeichnet die Differentiation. Die Konstante f(0+) wurde hier eingeführt, weil es in der Elektrotechnik Funktionsverläufe gibt, die stetig verlaufen müssen. Da die Laplacetransformation aber die Funktionen f(t) für t ≤ 0– zu Null festlegt, muß
1100
Signal- und Systemtheorie
ein von Null abweichender Wert, der sich nur stetig ändern kann, auf diese Weise berücksichtigt werden (Bezugsgröße in Gleichung (IV.27) ist die nicht abgeleitete Funktion F(s)). Diese Konstante hat eine anschauliche Bedeutung, wie noch gezeigt wird (Gleichung IV.37, IV.39). 4. Transformierte der n-ten Ableitung in der Zeitebene: ⎧ d n f (t ) ⎫ n n −1 L⎨ ⎬ = s ⋅ F (s ) − s ⋅ f (0 + ) n ⎩ dt ⎭ df ( t ) df n − 1 − s n− 2 ⋅ − … − n −1 dt 0 + dt 0+ (IV.28) 5. Transformierte des Integrals in der Zeitebene L { f ( t ) } ⎯ F ( s ) ⎧⎪ t ⎫⎪ 1 f (0+ ) ⇒ L ⎨ ∫ f ( t ) dt ⎬ = ⋅ L { f ( t ) } − (IV.29) s ⎪⎩ 0 ⎪⎭ s Die nicht integrierte Zeitfunktion wird transformiert und durch s dividiert. Auch hier muß eine Größe f(0+) aus Kontinuitätsgründen (siehe Erläuterungen zu Gleichung IV.27 oben) eingeführt werden. Für f(0+)/s folgt noch eine anschauliche Interpretation (Gleichungen (IV.37) und (IV.39)). 6. Faltung: F1 ( s ) ⋅ F2 ( s ) = L { f 1 ( t ) * f 2 ( t )} =
⎫ ⎧t L ⎨ ∫ f 1 ( t ) ⋅ f 2 ( t − t ) dt ⎬ 0 ⎩ ⎭
(IV.30)
* Faltung
Diese Regel kann nützlich sein, wenn die Rücktransformation von F(s) schwierig oder aufwendig ist, die Zerlegung in ein Produkt F1(s) · F2(s) aber möglich ist und deren Rücktransformierten f1(t) und f2(t) bekannt sind. 17. Differenzieren in der Bildebene: F ( s ) ⎯ f ( t ) dF ( s ) ⇒ = − L {t ⋅ f ( t )} (IV.31) ds Differenzieren in der s-Ebene entspricht der Multiplikation von f(t) mit dem Faktor –t. 18. Integrieren in der Bildebene: ⎫ ⎧1 F ( s ) ⎯ f ( t ) ⇒ ∫ F ( s ) ds = L ⎨ ⋅ f ( t ) ⎬ ⎭ ⎩t
(IV.32) Integrieren in der s-Ebene ist gleichbedeutend mit der Division von f(t) durch t. 19. Dämpfung in der Zeitebene: L{ f ( t ) } = F ( s )
⇒ L { f ( t ) ⋅ e − a⋅t } = F ( s + a )
10. Zeitliche Verschiebung um T0: L{ f ( t ) } = F ( s )
(IV.33)
⇒ L { f ( t − T0 ) } = e − T 0 ⋅ s ⋅ F ( s )
(IV.34)
Dieser Satz findet Anwendung bei periodischen Funktionen f(t), siehe Beispiel IV.8. 11. Endwert: (IV.35) lim f ( t ) = lim s ⋅ F ( s ) t →∞
s→ 0
Voraussetzung ist, daß s · F(s) keine Polstellen im Bereich Re (s) ≥ 0 besitzt, d.h. F(s) darf bei s = 0 nur eine einfache Polstelle haben. Gilt diese Voraussetzung nicht, ergibt sich bei den aufgeführten Faktoren im Nenner von F(s) für f(t) → ∞ folgendes Verhalten: a) 1/sk, k = 2, 3, ...: ⇒ f(t) → ∞ für t → ∞ (Transformation Nr. 5, Tab. IV-3)). b) (s2 + a2)k, k = 1 ⇒ f(t) endlich, oszillierend, sin- bzw. cos-förmiger Verlauf, (Transformationen Nr. 16 und 24); k ≥ 2 ⇒ f(t) → ∞ für t → ∞. c) (s2 – a2)k, k = 1, 2, ...: ⇒ f(t) → ∞ für t → ∞ (Transformationen Nr. 17 und 25). 12. Anfangswert: lim f ( t ) = lim s ⋅ F ( s ) (IV.36) t →0
s→∞
2.4 Anwendung der Laplacetransformation bei bekanntem H(s) Es wird davon ausgegangen, daß die Ausgangsspannung eines Systems mit der Übertragungsfunktion H(s) bei einer vorgegebenen Eingangsspannung berechnet werden soll. Die Übertragungsfunktion H(s) ist bereits bekannt. Dann wird die Eingangsspannung u1(t) in die s-Ebene transformiert, und zwar entweder durch Lösen des Transformationsintegrals Gleichung (IV.22) oder Auswählen des entsprechenden Ausdruckes aus Tabelle IV-3. Über U2(s) = U1(s) · H(s) und Rücktransformation in die Zeitebene erhält man u2(t). Beispiel IV.5 zeigt diesen Weg.
2.5 Bestimmung von H(s) Das System enthält die Elemente R, L, M und C sowie Spannungs- und Stromquellen. Die Übertragungsfunktion H(s) läßt sich auf zwei Arten bestimmen: 2.5.1 Bestimmung von H(s) mit Differentialgleichung Für das System wird die Differentialgleichung des Verhältnisses (u2/u1) = f(t) in der Zeitebene aufgestellt und mit den Gleichungen (IV.27) und (IV.28) in die s-Ebene transformiert. 2.5.2 Bestimmung von H(s) durch direkte Transformation der Einzelelemente Die im System enthaltenen Komponenten (Ri, Li, Mi, Ci, ui und ii, i = 1, 2, ...) werden direkt in die s-Ebene übertragen und das Verhältnis (U2/U1) = H(s) berechnet. Grundlage dazu sind die Sätze entsprechend den Gleichungen (IV.25) und (IV.26). Daraus folgt, daß
IV Nichtperiodische zeitkontinuierliche Signale ein Widerstand R unverändert in die s-Ebene transformiert wird. Das zeitliche Verhalten eventuell vorhandener Spannungs- und Stromquellen wird über die Transformationsgleichung (IV.22) oder mit Tabelle IV-3 in die s-Ebene übertragen. Es muß noch gezeigt werden, wie eine Spule und ein Kondensator in die Bildebene übertragen werden und wie der Strom durch eine Spule zum Zeitpunkt t = 0 und die Spannung eines zum Zeitpunkt t = 0 aufgeladenen Kondensators erfaßt werden. Für gekoppelte Spulen kann im folgenden L durch M ersetzt werden. du ( t ) Die Beziehung i C ( t ) = C ⋅ C wird transformiert: dt ⎧ du ( t ) ⎫ ⎧ du C ( t ) ⎫ L { i C ( t )} = L ⎨ C ⋅ C ⎬ = C ⋅ L⎨ ⎬ d t ⎭ ⎩ ⎩ dt ⎭ ⇒ I C ( s ) = C ⋅ s ⋅ L { u C } − C ⋅ f ( 0 + ). Dabei wurden
die Bezeichnungen nach Kapitel IV.2.1 und die Gleichungen (IV.25) und (IV.27) verwendet. Die Größe f(0+) gibt die zum Zeitpunkt t = 0 auf dem Kondensator vorhandene Spannung an, die sich nur stetig ändern kann. Damit erhält man die folgende Gleichung: I C ( s ) = s ⋅ C ⋅U C ( s ) − C ⋅ u C ( t = 0)
u C ( t = 0) 1 + s⋅C s
Null. Rechnet man UC (s) nach Gleichung (IV.38) zwischen den Anschlüssen 1 und 2 aus, U C (s) = −
u C ( t = 0) s
(IV.38)
Diese Gleichung ergibt das in Bild IV-2 a dargestellte Ersatzschaltbild eines auf die Spannung uC (t = 0) aufgeladenen Kondensators in der s-Ebene. Die Richtung der Spannung uC (t = 0)/s in der s-Ebene ist gleich der Richtung der Kondensatorspannung uC (t = 0) in der Zeitebene. Wichtig ist, daß für den physikalisch realen Kondensator in der Zeitebene die eingezeichneten Anschlüsse 1 und 2 gültig sind und damit die „Gesamtspannung“ UC(s) ⎯ uC(t) nach Gleichung (IV.38) maßgebend ist. Die Unterteilung 1 von UC(s) in die zwei Summanden I C ( s ) ⋅ s⋅C u (t = 0) und C ergibt sich zunächst rein formal aus s Gleichung (IV.37), erleichtert aber die Berechnung, weil beide Größen eine anschauliche Interpretation zulassen. Wie wichtig es ist, daß der physikalisch reale Kondensator in der Zeitebene die besagten Anschlüsse 1 und 2 hat und die zwei Einzelgrößen nur „formale“ (aber praktische) Größen in der s-Ebene sind, sieht man an folgendem Beispiel: Die Spannung uC (t = 0)/s eines aufgeladenen Kondensators in der s-Ebene bleibt für den Zeitbereich 0+ ≤ t < ∞ unverändert. Wird ein aufgeladener Kondensator über einen Widerstand entladen, geht die Spannung am Kondensator für t → ∞ aber gegen
⋅
u ( t = 0) 1 1 ⋅ + C , s ⋅ C R + 1 /s ⋅ C s
und transformiert in die Zeitebene zurück, erhält man die korrekte Lösung uC (t) = uC (t = 0) · e–t/RC. Anschaulich kann das in der s-Ebene so erklärt werden, daß sich der Kondensator über den externen (Entlade)-Widerstand auf –uC (t = 0) auflädt, so daß die von außen über die Anschlüsse 1 und 2 gemessene Summenspannung am physikalisch realen Kondensator für t → ∞ tatsächlich gegen Null geht. Auch der Strom durch den Widerstand geht rechnerisch für t → ∞ gegen Null, was in der s-Ebene anschaulich daraus folgt, daß die Differenz der zwei Spannungen, die an den Anschlüssen 1 und 2 gemessen wird und die den Strom durch den Widerstand verursacht, ebenfalls für t → ∞ gegen Null geht. Wird Gleichung (IV.37) in folgender Weise umgeformt, UC (s) {1 / s ⋅ C }
= I C ( s) + C ⋅uC (t = 0) ,
(IV.37)
Beide Seiten werden durch s · C geteilt und die Gleichung nach UC (s) aufgelöst: U C ( s) = I C ( s) ⋅
1101
IC(s) · 1 sC uC(t = 0) s
1 sC
IC(s) 1 UC(s)
2
a)
C · uC(t = 0)
1 sC
IC(s) 1
UC(s) 1 sC
UC(s)
2
b) IL(s) · sL
IL(s) 1
sL
UL(s)
L · iL(t = 0)
2
c)
iL(t = 0) s
sL
UL(s) sL
IL(s) 1 UL(s)
2 d)
Bild IV-2 Ersatzschaltbild von Kondensator (a, b) und Spule (c, d) in der s-Ebene mit Spannungsquelle (a, c) oder Stromquelle (b, d)
1102
Signal- und Systemtheorie 2. Die Einheit der „Spannung“ in der s-Ebene ist V · s, die des „Stromes“ A · s. 3. Hat ein zurückzutransformierender Ausdruck in der s-Ebene die Eigenschaft „Zählergrad = Nennergrad“, kann sich in der Zeitebene ein Dirac-Impuls ergeben. Es sollte geklärt werden, inwieweit diese Lösung realistisch ist. Es kann auch sein, daß sich der Ausdruck durch algebraische Umformung in die Form Zählergrad < Nennergrad umwandeln läßt (Hinweis darauf: Minuszeichen bei einem Summanden). 4. Bei der Berechnung einer Schaltung sollte bedacht werden, daß für die Rücktransformation eine Nennerdarstellung der Art 1 s ⋅ s ... ( s + a ) ⋅ ( s + b ) ... ( s 2 + a 2 ) ...
ergibt sich die in Bild IV-2 b gezeigte zweite Möglichkeit für das Ersatzschaltbild eines zum Zeitpunkt t = 0 aufgeladenen Kondensators in der s-Ebene. Für den physikalisch realen Kondensator in der Zeitebene sind wiederum die Anschlüsse 1 und 2 maßgebend, d.h. die zwei Teilströme sind lediglich Hilfsgrößen in der s-Ebene, die aber anschaulich interpretiert werden können (siehe Ausführungen im vorigen Absatz). In gleicher Weise erhält man das Ersatzschaltbild einer Spule in der s-Ebene mit einem zum Zeitpunkt t = 0 fließenden Strom. Die Differentialgleichung für die Spule u L (t ) = L ⋅
di L ( t ) dt
wird transformiert ⎧ di ( t ) ⎫ ⎧ di L ( t ) ⎫ L { u L ( t )} = L ⎨ L ⋅ L ⎬ = L ⋅ L⎨ ⎬ dt ⎭ ⎩ ⎩ dt ⎭
erforderlich ist. Deshalb empfiehlt es sich in der Regel, Klammern nicht auszumultiplizieren.
⇒ U L ( s ) = L ⋅ s ⋅ L{ i L } − L ⋅ f ( 0 + )
U L (s) = L ⋅ s ⋅ I L (s) − L ⋅ f ( 0 +
2.6 Beispiele
)
Der Ausdruck f(0+) stellt den zum Zeitpunkt t = 0 durch die Spule fließenden Strom dar. Auch diese Größe muß bei der Transformation der Differentialgleichung in die s-Ebene berücksichtigt werden, weil der Strom durch eine Spule nur stetig verlaufen kann. Damit ergibt sich: U L ( s ) = L ⋅ s ⋅ I L ( s ) − L ⋅ i L (t = 0)
(IV.39)
Die Auswertung dieser Gleichung führt zum Ersatzschaltbild einer zum Zeitpunkt t = 0 stromdurchflossenen Spule in der s-Ebene nach Bild IV-2 c. Die Polarität der Spannung L · iL (t = 0) in der s-Ebene und die Stromflußrichtung von iL (t = 0) im Zeitbereich sind entgegengesetzt, weil die Spule einen (mathematisch) stetigen Stromfluß erzeugen muß und damit zum Generator wird. Die erforderliche Energie ist im Magnetfeld enthalten. Wird Gleichung (IV.39) umgeformt, erhält man die zweite Möglichkeit eines Ersatzschaltbildes einer zum Zeitpunkt t = 0 stromdurchflossenen Spule, Bild IV-2d. I L ( s) =
U L ( s) s⋅ L
+
i L ( t = 0) s
Um die Anwendung der Laplacetransformation zu zeigen, folgen einige Beispiele. Dabei wird durchgehend der im Kapitel IV.2.5.2 aufgezeigte Lösungsweg verwendet. Bei der Berechnung werden element=0
i
R
L
us(t)
U0
C
uC
uC(t = 0) = 0 i(t = 0) = 0
a) I(s)
R
sL 1 sC
U0 s
UC(s)
b) uC
R2 1 < LC 4L2
(IV.40)
Auch für die Spule gelten die Ausführungen zu den Anschlüssen 1 und 2 des physikalisch realen Kondensators sinngemäß.
R2 1 = LC 4L2
• Hinweise zur Anwendung: Für die Anwendung der Laplacetransformation nach diesem Verfahren sollen noch einige Hinweise gegeben werden. 1. Die Berechnung der Übertragungsfunktion geschieht mit den gleichen Regeln, mit denen Netzwerkberechnungen durchgeführt werden (Ohmsches Gesetz, Kirchhoffsche Regeln 1 und 2, Spannungsteiler, Überlagerungssatz, ...).
1 R2 > LC 4L2
c)
Bild IV-3 Schaltung zu Beispiel IV.3 a) Zeitebene b) s-Ebene c) Kondensatorspannung
t
IV Nichtperiodische zeitkontinuierliche Signale tare Umformungen nicht in Einzelschritten durchgeführt. Für die mathematische Darstellung der gesuchten Größe im Zeitbereich wurde in der Regel berücksichtigt, daß trotz punktweise nicht definierter Eingangssignale die Ausgangsgröße für diese Zeitpunkte eindeutig existiert (Kondensatorspannung bzw. Spulenstrom können sich nur stetig ändern, Bild IV-3). Beispiel IV.3: Anschalten eines Reihenschwingkreises an eine
Gleichspannung, Bild IV-3. Für die Spannung us(t) gilt: us (t < 0) = 0; us (t > 0) = U0, d.h. in der s-Ebene wird sie als Spannung U0/s (Transformation Nr. 3, Tabelle IV-3) eingesetzt. Es wird vorgegeben, daß zum Zeitpunkt t = 0 die Spannung am Kondensator und der Strom durch die Spule Null sind, d.h. die in Bild IV-2 a bzw. IV-2 c eingetragenen Spannungsquellen haben ebenfalls den Wert Null und sind deshalb nicht eingezeichnet. Die Spannung UC(s) berechnet sich nach der Spannungsteilerregel zu: 1 U U 1 sC U C (s) = 0 ⋅ = 0 ⋅ 1 1 ⎫ R s LC + sL + R s ⋅ ⎧⎨ s 2 + s + U2 (s ) ⎬ U 1 ( s ) sC L LC ⎭ ⎩ H(s)
Dabei kann man der Schaltung die Bezeichnungen nach Gleichung (I.1) zuordnen. Um die zugehörige Zeitfunktion zu bekommen, muß der Nenner die Form s(s + c) (s + d) erhalten. Dazu werden die Nullstellen s01, s02 des in der geschweiften Klammer enthaltenen Ausdruckes bestimmt:
s2 +
1 R =0 s+ L LC
⇒ s 01, 02 = −
2
1 R R ± − 2 L 4 LC L2 a
b
⇒ s 01 = − a + b ; s 02 = − a − b Es gilt: s 2 +
U C (s) =
R 1 s+ = ( s − s 01 ) ( s − s 02 ) . Damit folgt: L LC
U0
1
⋅ LC s ( s − { − a + b } ) ( s − { − a − b } ) U0 1 = ⋅ LC ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ + b⎟ s ⎜s + a − b ⎟ ⎜ s + a ⎝ c ⎠ ⎝ d ⎠
=
⎡ ( a + b ) ⋅ e − ( a−b ) t − ( a − b ) ⋅ e − ( a+b ) t ⎤ = U 0 ⎢1 + ⎥ − 2b ⎣ ⎦ bt bt − bt − bt a⋅e + b⋅e − a⋅e + b⋅e ⎤ ⎡ = U 0 ⎢1 + e − at ⋅ ⎥ − 2b ⎣ ⎦
⎡ u C = U 0 ⎢1 − e − at ⎣
⎧ a e bt - e − bt e bt + e − bt ⎫ ⎤ ⋅⎨ ⋅ + ⎬⎥ 2 2 ⎭⎦ ⎩b
(IV.41)
R R2 1 , b= − 2L 4 L2 LC Die Werte von R, L und C legen fest, ob der Ausdruck unter der Wurzel positiv oder negativ ist und damit b reell oder imaginär. R2 1 > ⇒ b reell: Es ergibt sich die Lösung nach Gleia) 4 L 2 LC chung (IV.41). Man kann sie auch mit Hyperbelfunktionen ausdrücken: ⎧ ⎫⎤ ⎡ ⎢ ⎪ a e bt − e − bt e bt + e − bt ⎪ ⎥ u C = U 0 ⎢1 − e − at ⋅ ⎨ ⋅ + ⎬⎥ 2 2 ⎪ ⎥ ⎢ ⎪ b ⎪⎩ ⎪⎭ ⎥⎦ ⎢⎣ sinh b ⋅ t cosh b ⋅ t a = U 0 ⎡⎢1 − e − at ⋅ ⎧⎨ ⋅ sinh bt + cosh bt ⎫⎬ ⎤⎥ ⎣ ⎭⎦ ⎩b mit a =
b)
R2 4 L2 folgt:
<
1 ⇒ b imaginär. In Gleichung (IV.41) eingesetzt, LC
⎡ ⎢ u C = U 0 ⎢1 − e − at ⎢ ⎢⎣ = U 0 ⎡⎢1 − e − at ⎣
⎧ ⎫⎤ ⎪⎪ a e jbt − e − jbt e jbt + e − jbt ⎪⎪ ⎥ ⋅⎨ ⋅ + ⎬⎥ 2j 2 ⎪ b ⎪ ⎥⎥ ⎪⎩ ⎪⎭ ⎦ cos b ⋅ t sin b ⋅ t a ⋅ ⎧⎨ ⋅ sin bt + cos bt ⎫⎬ ⎤⎥ ⎩b ⎭⎦
a, b siehe Gleichung (IV.41). R2 1 = ⇒b=0 2. Fall: 4 L 2 LC Dann erhält man eine doppelte Nullstelle des Nenners bei s01 = s02 = –R/2L. Daraus folgt für UC(s): U 1 R UC ( s ) = 0 ⋅ mit a = LC s ( s + a ) 2 2L Mit der Korrespondenz Nr. 13 aus Tabelle IV-3 und a = R/2L ergibt sich:
U0 1− e −a⋅t − a ⋅t ⋅ e −a⋅t ⋅ LC a2 R R t t − 4L ⎧ R = U 0 ⋅ 2 ⋅ ⎨1 − e 2 L − ⋅ t ⋅ e 2L 2L R C ⎪⎩
uC (t ) =
U0
1 ⋅ ; c≠d LC s ( s + c ) (s + d )
⎫ ⎬ ⎪⎭
Beispiel IV.4: Die Reihenschaltung aus Spule und Widerstand
1. Fall: c ⫽ d, d.h. b ⫽ 0: Mit der Transformation Nr. 15 (Tabelle IV-3) ergibt sich die gesuchte Größe uC(t):
u C (t ) =
1103
U 0 ⎡ 1 d ⋅ e − ct − c ⋅ e − dt ⎤ + ⎥ LC ⎢⎣ cd cd ( c − d ) ⎦
Wird der Ausdruck cd im Nenner ausgeklammert und durch a und b ersetzt, folgt: 1 ⎡ d ⋅ e − ct − c ⋅ e − dt ⎤ 1+ uC ( t ) = ⋅ ⎥ LC a 2 − b 2 ⎢⎣ − 2b ⎦ U0 ⎧ 1 ⎫ = ⋅⎨ 2 2 ⎬ LC ⎩a ⎭ − b U0
u 1 ( t ) = u ⋅ ( sin { w ⋅ t + j 0 } ) = u ⋅ { ( sin j 0 ) ( cos w ⋅ t ) + ( cos j 0 ) ( sin w ⋅ t ) } Dabei wurde ein Additionstheorem verwendet. Mit den Korrespondenzen Nr. 16 und Nr. 24 aus Tabelle IV-3 ergibt sich U1(s): U 1 ( s ) = u ⋅
LC
⎡ ( a + b ) ⋅ e −( a − b ) t − ( a − b ) ⋅ e − ( a + b ) t ⎤ × ⎢1 + ⎥ − 2b ⎢⎣ ⎥⎦ mit
wird zu einem beliebigen Zeitpunkt an eine sinusförmige Spannung u(t) geschaltet, Bild IV-4. Es soll gelten: iL (t = 0) = 0. Der Verlauf des Stromes i(t) ist zu berechnen und daraus abzuleiten, ob es einen günstigen Einschaltzeitpunkt gibt, damit der Momentanwert des Stromes i(t) ab dem Einschaltzeitpunkt so klein wie möglich bleibt. Die Spannung u1(t) wird zum (willkürlich gewählten) Zeitpunkt t = 0 eingeschaltet und hat sinusförmigen Verlauf mit einem beliebigen Anfangsphasenwinkel:
1 = LC a2 − b2
( sin j 0 ) ⋅ s + w ⋅ ( cos j 0 ) s 2 + w2
Für I(s) folgt: I ( s ) =
U 1 (s) R + sL
= u ⋅
.
sin j 0 L
s+ ⋅
w ⋅ ( cos j 0 ) sin j 0
R ⎜⎛ s + ⎞⎟ ( s 2 + w 2 ) ⎝ L⎠
.
1104
Signal- und Systemtheorie t=0
u(t) = u · sin(v t)
i (t )
R
u1(t)
G
R
u1(t)
L
U0
u1(t)
I(s) U1(s)
C
u2(t)
C
t
0
a)
R
R
s·L
U0 T
Dieser Ausdruck läßt sich unmittelbar mit der Korrespondenz Nr. 31 in die Zeitebene zurücktransformieren:
⎡ ⎧ cos j 0 R ⎫ − RtL ⎤ − ⎬⋅e ⎢ ⎨w ⋅ ⎥ L⎭ ⎢ ⎩ sin j 0 ⎥ 2 ⎢ ⎥ R ⎢ ⎥ + w2 2 sin j 0 ⎢ L ⎥ i ( t ) = u ⋅ ⋅⎢ ⎥ 2 L ⎢ ⎥ ⎧ cos j 0 ⎫ 2 w + ⎨w ⋅ ⎬ ⎢ ⎥ sin j ⎩ 0 ⎭ ⎢+ ⋅ sin ( w ⋅ t + F ) ⎥ ⎢ ⎥ R2 2 4 ⋅w + w ⎢ ⎥ ⎣ ⎦ L2 cos j R 0 F = arctan − arctan L⋅w sin j 0 Der Strom ergibt sich als Summe aus einem periodischen Anteil und einem mit der Zeit abnehmenden Anteil. Der Momentanwert von i(t) ist für t ≥ 0 dann so klein wie möglich, wenn der zeitlich abnehmende Anteil (erster Summand in der eckigen Klammer) Null ist: cos j 0 R w⋅ − =0 sin j 0 L w⋅ L w⋅ L ⇒ j 0 = arctan R R Ist R = 0, muß der Schalter bei j0 = ±90°, d.h. bei dem positiven oder negativen Scheitelwert der Generatorspannung, geschlossen werden. Ist andererseits L = 0, ergibt sich der Phasenwinkel zu Null. Für diesen Grenzfall ist es allerdings ohne Bedeutung, wie groß j0 gewählt wird, weil der erste Summand in der eckigen Klammer stets Null ist. Man kann übrigens zeigen, daß der Ausu ⋅ sin w ⋅ t druck oben für L = 0 in die Form i ( t ) = übergeht. Das R erfordert aber einige Umformungen und die Anwendung von Additionstheoremen.
oder, umgeformt: tan j 0 =
Beispiel IV.5: Ein rechteckförmiger Impuls der Dauer T wird
auf einen passiven RC-Tiefpaß zweiter Ordnung gegeben, Bild IV5a. Gesucht ist die Spannung am Ausgang als Funktion der Zeit. Zunächst werden die Elemente direkt in die s-Ebene transformiert, Bild IV-5 b, und dann die Übertragungsfunktion U2(s)/ U1(s) = H(s) entweder über eine Netzwerkberechnung oder mit Hilfe der Vierpoltheorie (Vuf(s) für T-Vierpol mit 1/sC als Lastimpedanz, siehe Abschnitt „Nachrichtentechnik“, Kapitel II, (Vierpole) ermittelt. Sie lautet: 1 H(s) = 2 2 2 R C s + 3 RCs + 1 Für 0 + ≤ t < T liegt die zum Zeitpunkt t = 0+ eingeschaltete Spannung U0 als U0/s am Eingang. Dann ergibt sich: U 1 1 U 2 (s) = U 1 (s)⋅ H(s) = 0 ⋅ 2 2 ⋅ 3 1 s R C 2 s + s+ 2 2 RC R C
R
1 sC
U1(s)
b)
Bild IV-4 Zu Beispiel IV.4 a) Zeitebene b) s-Ebene
R
U1(s)
1 sC
U2(s)
t
–U0
Bild IV-5 Passiver RC-Tiefpaß 2. Ordnung, mit Rechteckimpuls angesteuert a) Darstellung in der Zeitebene b) Darstellung in der Bildebene Die Nullstellen des Nenners erhält man durch Lösen der quadrati3 1 schen Gleichung: s 2 + s+ = 0. RC R2C2 Es ergibt sich: s 01, 02 = −
1 ⎧3 ⎨ ± RC ⎩ 2
5⎫ 2 , 62 0 , 38 , s 02 ≈ − ⎬ ⇒ s 01 ≈ − 4⎭ RC RC
(numerische Näherung, soll die Übersichtlichkeit erhöhen). Die Rücktransformation mit Korrespondenz Nr. 15 (Tabelle IV-3) liefert: u2 (t ) ≈
für
U0 2
R C
2
⋅
1 1 2 2 R C
t t −2 , 62 ⋅ −0 , 38 ⋅ ⎧ RC − 2 , 62 ⋅ e RC ⎪ 0 , 38 ⋅ e ⎨1 + 2 , 24 ⎪ ⎩
⎫ ⎪ ⎬ ⎪ ⎭
0≤t≤T
t t −2 , 62 ⋅ −0 , 38 ⋅ ⎧ RC − 2 , 62 ⋅ e RC ⎪ 0 , 38 ⋅ e u 2 ( t ) ≈ U 0 ⋅ ⎨1 + 2 , 24 ⎪ ⎩ für 0 ≤ t ≤ T
⎫ ⎪ ⎬ ⎪ ⎭
Für t > T bleibt die zum Zeitpunkt t = 0+ eingeschaltete Spannung U0 weiter eingeschaltet, und die Eingangsspannung Null wird für t > T durch Addition der Spannung –U0 zum bestehenden Wert +U0 erzwungen. In der Berechnung ergibt das die Größe − U 0 − Ts ⋅e (Verschiebungssatz). Das hat den Vorteil, daß zu dem s Ergebnis aus der Berechnung u2(t) für 0+ ≤ t ≤ T ein zweiter Term addiert wird, bei dem lediglich t durch t – T ersetzt wird. Dieses Ergebnis ist dann gültig für t ≥ T. U0 1 U 2 (s) = U 1 (s)⋅ H(s) = 1 − e − Ts ) ⋅ s R2C2 1 ; t≥T × 3 1 2 s + s+ 2 2 RC R C
(
Zurücktransformiert erhält man: t t −2 , 62 ⋅ −0 , 38 ⋅ ⎫ ⎧ RC − 2 , 62 ⋅ e RC ⎪ ⎪ 0 , 38 ⋅ e u 2 ( t ) ≈ U 0 ⋅ ⎨1 + ⎬ 2 , 24 ⎪ ⎪ ⎭ ⎩ −t −T t −T − 2 , 62 ⋅ − 0 , 38 ⋅ ⎧ RC − 2 , 62 ⋅ e RC ⎪ 0 , 38 ⋅ e − U 0 ⋅ ⎨1 + 2 , 24 ⎪ ⎩
⎫ ⎪ ⎬, t ≥ T ⎪ ⎭
IV Nichtperiodische zeitkontinuierliche Signale Auch hier wurde der Verschiebungssatz angewendet. Das Ergebnis stellt den tatsächlichen Verlauf der Spannung am Ausgang des Tiefpasses dar, ohne daß Idealisierungen oder Näherungen (numerische Näherung ausgenommen, siehe oben) verwendet wurden. Es treten auch keine Kausalitätsprobleme auf. Beispiel IV.6: Der mit passiven Elementen realisierteTiefpaß aus
Beispiel IV.5 wird durch einen Tiefpaß zweiter Ordnung mit der 1 ersetzt. Eine entsprechende Übertragungsfunktion (1 + sRC ) 2
Schaltung kann z.B. mit Operationsverstärkern aufgebaut werden. Die Eingangsspannung hat wiederum rechteckförmigen Verlauf. Für U2(s) folgt damit:
U 2 (s) = U 1 (s)⋅ H(s) =
U0
1
⋅
1
R2C 2 ⎛ 1 ⎞2 ⎜s+ ⎟ ⎝ RC ⎠ Zurücktransformiert mit der Korrespondenz Nr. 13 ergibt sich für 0 ≤ t ≤ T: t ⋅ e − t / RC 1 − e − t / RC − U0 RC ⋅ u2 (t) = 1 R2C2 s
1105 Zweiter Zeitbereich: Für t ≥ T ergibt sich mit dem Ersatzschaltbild nach Bild IV-2 a und uC (t = T) = U(1 – e–T/RC):
U C (s) = =
s u C (t = T ) s
1 u C (t = T ) 1 u C (t = T ) = − ⋅ sC s sC s ⋅ ( R + 1 / sC ) u C (t = T )
− I(s)⋅ −
s ⋅ (1 + RsC )
{
u 2 ( t ≥ T ) = u C ( t = T ) − u C ( t = T ) 1 − e − ( t − T )/ RC = u C ( t = T ) ⋅ e −( t − T )/ RC
}
Das gleiche Ergebnis erhält man bei der Anwendung des Verschiebungssatzes. b) sin2 (p · t/T)-Impuls: 1. Zeitbereich: 0 ≤ t ≤ T U u 1 ( t ) = U ⋅ sin 2 w ⋅ t = ⋅ (1 − cos 2 w ⋅ t ) 2
⇒ U1 ( s ) =
U ⎧1 s ⎫ ⋅⎨ − ⎬ 2 ⎩ s s 2 + 4w 2 ⎭
1 U ⎧1 s ⎫⋅ 1 ⋅ ⋅⎨ − ⎬ 2 ⎩ s s 2 + 4 w 2 ⎭ RC s + 1 / RC U 1 1 U s 1 1 1 = ⋅ ⋅ ⋅ − ⋅ ⋅ ⋅ 2 RC s s + 1 / RC 2 s 2 + 4 w 2 RC s + 1 / RC
U 2 (s) =
R2C2 t = U 0 ⋅ ⎧⎨1 − e − t / RC − ⋅ e − t / RC ⎫⎬ , t < T RC ⎩ ⎭ Bei dem hier verwendeten Tiefpaß steigt die Ausgangsspannung schneller an als beim Tiefpaß nach Bild IV-5, siehe Bild IV-6.
u C (t = T )
Zurücktransformiert ergibt sich: u2 (t ≤ T ) =
⎧ e − t / RC 1 − t / RC − + U ⎪1 − e 1 + 4w 2 R 2 C 2 1 + 4w 2 R 2 C 2 ⎨ 2⎪ ⎩ × sin ( 2 w ⋅ t + arctan 1 / wRC )
⎫ ⎪ ⎬ ⎪ ⎭
Für t ≥ T kann der zeitliche Verlauf mit Hilfe des Verschiebungssatzes oder des Ersatzschaltbildes nach Bild IV-2 a berechnet werden. Bild IV-7 stellt den Verlauf der Eingangsspannung und die zugehörige Ausgangsspannung für die zwei folgenden Dimensionierungen dar: 1. Die „Frequenz“ f = 1/T des Impulses ist gleich der Grenzfrequenz fg = 1/(2p · RC) des Tiefpasses, d.h. f = fg; 2. f = 2 · fg. Der sin2 (tp/T)-Impuls läßt sich, verglichen mit dem Rechteckimpuls, bei der Dimensionierung f = fg ebenfalls einsetzen, weil die Zustände 1 und 0 im Empfänger ausreichend sicher erkannt werden können. Gilt f = 2 · fg, kann er u.U. auch noch verwendet werden, um die im Beispiel IV.2, Kapitel IV.1.4, aufgeführten Vorteile auszunutzen.
u(t)
1 2
Beispiel IV.8: Auch periodische Funktionsverläufe lassen sich
t
Bild IV-6 Vergleich der Ausgangsspannung von Tiefpässen zweiter Ordnung bei einer Sprungfunktion am Eingang: 1 Tiefpaß mit Operationsverstärker aufgebaut, 2 passiver Tiefpaß nach Bild IV-5 Der Verlauf für t > T kann entsprechend Beispiel IV.5 berechnet werden. Beispiel IV.7: Ein Rechteckimpuls der Dauer T und ein
sin2 (p · t/T)-Impuls mit der Amplitude U werden auf einen passiven RC-Tiefpaß erster Ordnung gegeben. Die Übertragungsfunktion lautet: H ( s ) =
1 1 ⋅ . Die Eingangsspannung für RC s + 1/ RC
den Zeitbereich 0+ ≤ t < T ergibt sich zu: U 1 ( s ) =
U . s
a) Rechteckimpuls: Erster Zeitbereich: 0 ≤ t ≤ T: U 1 1 ⋅ U 2 (s) = ⋅ s RC s + 1 / RC ⇒ u 2 (t ≤ T ) =
U ⋅ RC ⋅ ( 1 − e − t / RC ) = U ⋅ ( 1 − e − t / RC RC
)
mit Hilfe des Verschiebungssatzes einfach berechnen. Bild IV-8 a stellt einen rechteckförmigen Verlauf u(t) dar, der zum Zeitpunkt t = 0 auf einen RC-Tiefpaß erster Ordnung gegeben wird (Bild IV-8 b). Gesucht ist die Spannung uC(t) zu einem beliebigen Zeitpunkt t ≥ 0. Die Übertragung in die s-Ebene geschieht nach Bild IV.8 a und Bild IV.8 c: Für t = 0 wird die Spannung U0 eingeschaltet, für t = aT folgt –U0, für t = T wiederum U0 usw., wobei die einmal eingeschalteten Spannungen dauernd eingeschaltet bleiben. Der Tiefpaß hat die Übertragungsfunktion 1 1 . Für die Funktion U1(s) folgt mit dem H(s) = ⋅ RC s + 1/ RC Verschiebungssatz (Gleichung IV.34): U1 ( s) =
U0 s
(1 − e
− aTs
+ e − Ts − e − ( T + aT ) s + e −2 Ts − + ...
)
Daraus ergibt sich UC(s): U C ( s) = U1 ( s) ⋅ H ( s) =
U 1 1 ⋅ ⋅ 0 RC s + 1 / RC s
( T + aT ) s aTs − Ts − 2 Ts ⎛ 1 − − ...⎞ . e − e − + e +e ⎟ ⎜ 1. Impuls 2. Impuls ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ + e −( n −1 ) Ts − e −{ ( n−1 ) T + aT } s ⎟ ⎜ ⎠ ⎝ n -ter Impuls
Zurücktransformiert in die Zeitebene erhält man mit dem Verschiebungssatz zunächst rein formal:
1106
Signal- und Systemtheorie
u
Bild IV-7 Eingangsspannung u1(t) und Ausgangsspannung u2(t) an einem RC-Tiefpaß erster Ordnung (Schaltung siehe Bild IV-8 b) mit der Grenzfrequenz fg a) Rechteckimpuls der Dauer T: T = 1/fg b) sin2 tπ/T-Impuls der Dauer T: T = 1/fg c) Rechteckimpuls der Dauer T: T = 1/(2fg) d) sin2 tπ/T-Impuls der Dauer T: T = 1/(2fg)
u
u2(t)
u2(t)
u1(t)
u1(t) T
a)
t
t
T
b)
u
u
u2(t) u1(t)
u2(t)
u1(t) c)
T
t
t − aT +t − T +t − − − ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ U 0 ⎜⎜ 1 − e RC ⎟⎟ − U 0 ⎜⎜ 1 − e RC ⎟⎟ + U 0 ⎜⎜ 1 − e RC ⎝ ⎠ ⎝ ⎠ ⎝ u C ( t ) =
⎞ ⎟⎟ ⎠
1. Impuls
t
T
d) u (t ) U0
Impulsnummer 1
n
3
2
−T − aT +t − ⎞ ⎛ − U 0 ⎜⎜ 1 − e RC ⎟⎟ + − ... + ⎠ ⎝ −( n −1 ) T +t −( n −1 ) T − aT + t ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ − − RC RC ⎟ − U0 ⎜1− e ⎟ U0 ⎜1− e ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎝ ⎠ ⎝ ⎠
a·T
n-ter Impuls l
mit der Bedingung, daß der Ausdruck im Exponenten stets < 0 sein muß. Soll der Spannungsverlauf des n-ten Impulses im Bereich (n – 1) T ≤ t ≤ (n – 1) T + aT (Bereich in Bild IV.8a) berechnet werden, läßt man zweckmäßigerweise im Punkt (n – 1) T die neue Zeit t* mit dem Wert 0 beginnen. Dadurch erhält man nach einigen Umformungen: −
t∗
u C ( 0 ≤ t * ≤ aT ) = U 0 + U 0 ⋅ e RC ⎧ ⎡ aT ⎤ ⎪ − 1 + ⎢ e RC − 1⎥ ⎢⎣ ⎥⎦ ⎪⎪ ×⎨ ( n −1 ) T T 2T ⎡ − − − ⎪ RC + e RC + ... + e RC ⎪ × ⎢e ⎪⎩ ⎢⎣
⎫ ⎪ ⎪⎪ ⎬ ⎤⎪ ⎥⎪ ⎥⎦ ⎪⎭
Für den Bereich (n – 1) T + aT ≤ t ≤ nT kann ein ähnlicher Ausdruck abgeleitet werden. Hinweis: Wird in obiger Formel zu Kontrollzwecken a = 0 gesetzt, heißt das, daß die Spannung erst ab (n – 1) T eingeschaltet wird. Damit ergibt sich: u C ( t ) = u C ( t * ) = U 0 (1 − e t
∗
/ RC
). Für a = 1 heben sich alle Aus-
( n −1 ) T + t ⎛ drücke auf bis auf u C ( t ) = U 0 ⎜⎜ 1 − e RC ⎝
⎞ ⎟⎟ , d.h. es wurde ⎠
für t = 0 die Spannung U0 einmalig eingeschaltet. Weitere Spannungen werden nicht zugeschaltet, weil sich je eine positive und eine negative Spannung in den Zeitpunkten T, 2T, 3T ... aufheben.
T 1
U1(s) U0
t (n – 1) · T
0 –U0
a) u (t )
b)
R
R C
uc(t) U1(s)
1 sC
UC(s)
c)
Bild IV-8 Zu Beispiel IV.8: Speisung eines RC-Tiefpasses (b) mit einer bei t = 0 eingeschalteten Rechteckspannung u(t) (a, oberer Teil), Darstellung in der s-Ebene (a, unterer Teil und c)
V Spezielle Signale
1107
V Spezielle Signale In der Signal- und Systemtheorie werden spezielle Signalformen eingesetzt, die die Systemeigenschaften für den praktischen Gebrauch besonders vorteilhaft beschreiben bzw. die theoretische Erfassung und Berechnung erleichtern oder erst ermöglichen. Dazu gehören die im folgenden dargestellten Funktionen.
1 Stoßfunktion, d-Funktion, Dirac-Impuls Eine – ideale – harmonische Schwingung hat ein unendlich schmales Spektrum und eine unendliche Dauer. Ein komplementärer Vorgang weist eine unendlich kurze Dauer und ein unendlich ausgedehntes Spektrum auf. Man kann sich die Entstehung eines solchen Signals so vorstellen, daß z.B. bei einem Gaußschen Glockenimpuls der Grenzwert k −k 2 t 2 gebildet wird. Die gesuchte e s( t ) = p k →∞ Funktion d(t) wird mit Stoßfunktion, d-Funktion oder Dirac-Impuls bezeichnet und soll die zwei folgenden Bedingungen erfüllen: 1. d(t) → ∞ für t = 0
u (t )
1
2
und d(t) = 0 für t ⫽ 0. (V.1 a)
+∞
2.
als Eingangssignal für ein System benutzt, so folgt mit Gleichung (I.1): S2(f) = S1(f) · H(f) ≈ 1 · H(f) bzw. F2(s) = F1(s) · H(s) ≈ 1 · H(s). Man erhält also am Ausgang unmittelbar die Übertragungsfunktion H(f) bzw. H(s) und nicht deren Kombination mit dem Eingangssignal S1(f) bzw. F1(s). Bild V-1 zeigt die Ausgangsspannung u2(t) von Tiefpaßsystemen erster Ordnung, U2/U1 = 1/(s + a), und zweiter Ordnung, U2/U1 = 1/(s + a)2, bei Anregung mit einer d-Funktion.
∫ d ( t ) dt = 1
(V.1 b)
−∞
Aus der zweiten Bedingung folgt, daß die Fläche endlich ist. Mathematisch handelt es sich bei d(t) nicht mehr um eine Funktion, sondern um eine Distribution, weil die oben angesprochenen Grenzwerte nicht existieren. Trotzdem ist die d-Funktion in der Physik bzw. in der Technik eingeführt worden, weil sie die theoretische Behandlung der Systemanalyse und -synthese erleichtert: Sie tritt in der Regel nicht in singulärer Form auf, sondern in Verbindung mit anderen Funktionen, so daß die Grenzwertprobleme dann u.U. nicht zum Tragen kommen. Außerdem genügt es in der Praxis, den idealen Verlauf in physikalisch realisierbarer Form anzunähern, ohne daß sich die Ergebnisse merklich ändern. Im einzelnen liegt die Bedeutung von d(t) in folgendem: 1. In der Beziehung +∞
s ( t ) = ∫ s ( t ) ⋅ d ( t − t ) dt
(V.2)
−∞
kann d(t – t) als Auswahlfunktion verstanden werden, die aus den Werten von s(t) genau diejenigen Werte auswählt, für die das Argument Null ist. Dadurch wird die Signalabtastung auch formelmäßig beschreibbar. 2. Für die ideale d-Funktion haben die Fouriertransformierte (Tabelle IV-1) und die Laplacetransformierte den Wert 1 (Tabelle IV-3). Wird d(t) in Form der physikalisch möglichen Realisierbarkeit
t
Bild V-1 Ausgangsspannung von Tiefpässen (TP) bei Anregung mit einer d-Funktion 1 TP erster Ordnung (1/(s + a)) 2 TP zweiter Ordnung (1/(s + a)2)
2 Sprungfunktion s(t) Für die Sprungfunktion s(t) gilt: s(t) = 0 für t < 0 und s(t) = 1 für t > 0. Die d-Funktion läßt sich als Differentialquotient der Sprungfunktion s(t) schreiben: d( t ) =
ds ( t ) dt
(V.3)
Duhamel hat gezeigt, daß der zeitliche Verlauf s(t) aus unendlich kleinen Sprüngen s(t – t) ds(t) aufgebaut werden kann: t
s(t ) = s( 0) s ( t ) + ∫
ds ( t )
dt Duhamelsches Integral
⋅ s ( t − t ) dt
0
(V.4)
Auch wenn die Sprungfunktion für t = 0 nicht definiert ist, wird sie erfolgreich in der Technik angewendet: 1. Ein- und Ausschaltvorgänge können theoretisch erfaßt und kalkuliert werden, auch wenn in der Praxis der Sprung s(t) nur näherungsweise realisiert werden kann bzw. nur angenähert auftritt. 2. Die Übertragung digital kodierter Signale kann mit Sprungfunktionen simuliert und berechnet werden (siehe Verschiebungssatz Gleichung (IV.34) und Beispiel IV.7). Für den Anwender lassen sich
1108
Signal- und Systemtheorie
diese Ergebnisse auf das technisch ausgeführte System übertragen. 3. In der Schaltungs-, Steuerungs- und Regelungstechnik können Sprungfunktionen zur Untersuchung der Systemreaktion und zur Stabilitätskontrolle eingesetzt werden, weil die Änderung der Signalamplitude pro Zeiteinheit theoretisch unendlich groß und in der Praxis sehr groß ist. Damit wird die für die meisten Systeme kritischste aller auftretenden Signalformen erfaßt.
3 Verknüpfung von s- und d-Funktion Es kann gezeigt werden, daß für die Anwendung in der Elektrotechnik die folgende Beziehung zwischen beiden Signalen gilt: d( t ) =
d{s ( t ) }
t
bzw.
dt
s ( t ) = ∫ d ( t ) dt
(V.5)
−∞
4 Harmonische Schwingungen Die harmonischen Schwingungen s ( t ) = s ⋅ e jnw0 ⋅t = s ⋅ ( cos nw0 ⋅ t + j ⋅ sin nw0 ⋅ t ) ; n = 1, 2, 3, ...
haben mit m = 1, 2, 3, ... und n = 1, 2, 3, ... die Eigenschaft: T
∫ ( cos m ⋅ w 0 ⋅ t ) ⋅ ( cos n ⋅ w 0 ⋅ t ) dt = 0 für m ⫽ n; 0
T
∫ ( sin m ⋅ w0 ⋅ t ) ⋅ ( sin n ⋅ w0 ⋅ t ) dt = 0 für m ⫽ n; 0
T
∫ ( sin m ⋅ w0 ⋅ t ) ⋅ ( cos n ⋅ w0 ⋅ t ) dt = 0 für alle m, n. 0
(V.7)
d(t) Dirac-Impuls, s(t) Sprungfunktion
Mit dem Duhamelschen Integral nach Gleichung (V.4) und dessen Interpretation läßt sich folgende Aussage ableiten: Bekannt ist die Impulsantwort s2(t) = s2(t)d am Ausgang des Systems, verursacht durch einen DiracImpuls d(t) am Eingang. Dann berechnet sich die Sprungantwort s2(t) = s2(t)s am Ausgang durch Integration von s2(t)d. Andererseits folgt aus der bekannten Sprungantwort s2(t)s durch Differenzieren von s2(t)s die entsprechende Impulsantwort s2(t)d: t
ds 2 ( t ) s
−∞
dt
s 2 ( t ) s = ∫ s 2 ( t ) d dt bzw. s 2 ( t ) d =
(V.6)
Beispiel V.1: Ein passiver RC-Hochpaß erster Ordnung hat
folgende Spannungs-Übertragungsfunktion in der Zeitebene:
1 − t /T ⋅e T Sie kann z.B. dadurch ermittelt werden, daß der Dirac-Impuls d(t) als Eingangssignal verwendet wird. Damit gilt auch: 1 s 2 ( t ) d = d( t ) − ⋅ e − t / T T s2(t)d Systemausgangsgröße bei einem Dirac-Impuls am Eingang (Impulsantwort) h ( t ) = d( t ) −
Durch Integration ergibt sich: t
∫ s (τ ) 2
0
δ
t
dτ
t
1 ⎧ ⎫ ⎡ 1 ⎤ = ∫ ⎨δ (τ ) − ⋅ e −τ / T ⎬ dτ = ⎢1 + T ⋅ e −τ /T ⎥ T ⎭ ⎣ T ⎦0 0⎩ = e − t / T = s2 ( t )σ
s2(t)s Systemausgangsgröße bei einem Sprung am Eingang (Sprungantwort) Bei der Berechnung wurde berücksichtigt, daß die Funktionen für t < 0 Null sind und daß das Integral des Dirac-Impulses den Wert 1 ergibt.
Es handelt sich damit um ein orthogonales Funktionensystem. In der Elektrotechnik gibt es noch weitere orthogonale Systeme, z.B. Walsh-Funktionen, bei denen beliebige periodische Signalverläufe durch Rechteckfunktionen geeigneter Dauer und Amplitude dargestellt werden. Daß die harmonischen Schwingungen eine besondere Bedeutung haben, liegt an ihrem Auftreten in der Physik: – Projektion von Drehbewegungen auf eine Gerade und damit zusammenhängend die Form der Spannung im Wechsel- bzw. Drehstrom-Versorgungsnetz; – Spannungs- und Stromverlauf eines verlustfreien elektrischen Schwingkreises aus L und C; – Erfassung von Systemeigenschaften in der Frequenzebene für sinusförmige Spannungen und Ströme im eingeschwungenen Zustand (z.B. Netzwerke oder Vierpole aus den Elementen R, L, C). Ausgehend von diesen Eigenschaften sind gewisse Rückschlüsse auf das Verhalten bei nichtsinusförmigen Signalen und bei Einschwingvorgängen möglich. Die theoretische Behandlung wird erleichtert durch die Anwendung der komplexen Rechnung. Die sinusförmigen Größen gewinnen noch dadurch an Bedeutung, daß periodische nichtsinusförmige Funktionsverläufe durch die Fourierreihe und damit durch Sinusfunktionen dargestellt werden können. Siehe dazu auch Abschnitt „Nachrichtentechnik“, Kapitel II, Vierpole, Zweitore.
VI Leistung
1109
VI Leistung Die Erfassung der am Ausgang eines Systems zur Verfügung stehenden Wirkleistung P ist nicht nur für die Energietechnik von Interesse. Je nach Art der Signalform von Strom und Spannung können verschiedene Berechnungsverfahren eingesetzt werden.
∞
u ( t ) = U 0 + ∑ { u ka ⋅ cos kw ⋅ t + u kb ⋅ sin kw ⋅ t } k =1
∞
k =1
1. Spannung und Strom periodisch, sinusförmig Für die Wirkleistung gilt: P = U · I · cos ϕ
(VI.1)
U, I Effektivwerte von Spannung U und Strom I in V bzw. A, ϕ Phasenwinkel zwischen U und I
Liegen die Systemeigenschaften in Form von Vierpolgrößen vor, können letztere auch zur Bestimmung des Verhältnisses von Ausgangs- zu Eingangsleistung herangezogen werden. Nähere Einzelheiten zu den Vierpolgrößen sind im Abschnitt „Nachrichtentechnik“, Kapitel II, Vierpole, aufgeführt. Das Leistungsverhältnis vP ist folgendermaßen definiert: vP =
Pout Pin
(VI.2)
Pout Leistung am Ausgang, Pin Leistung am Eingang des Systems (Vierpols) in W
Weiterhin gilt: Pin = U 12 ⋅ G in = I 12 ⋅ R in ; Pout = U 22 ⋅ G a = I 22 ⋅ R a
Daraus folgt das Leistungsverhältnis: v P = v uf
2
⋅
Ga = v if G in
2
⋅
Ra R in
(VI.4)
vuf, vif siehe Abschnitt „Nachrichtentechnik“, Kapitel II, Vierpole, Tabellen II-5 und II-6; weitere Formelzeichen siehe Gleichung (VI.3) oben
Sind Zin und Za reell, ergibt sich: v P = v uf ⋅ v if
Stehen die A-Parameter des Systems (Vierpols) zur Verfügung, gilt: vP =
Re
{( A
Ga 21
(
∗
∗
∗
+ A 22 ⋅ Y a ) ⋅ A 11 + A 12 ⋅ Y a
)}
(VI.5)
Formelzeichen siehe Gleichung (VI.3), * konjugiert komplexe Größe, Re {...} Realteil des Klammerausdruckes
2. Spannung und Strom periodisch, nicht sinusförmig Es gibt zwei Möglichkeiten zur Leistungsberechnung. 2.1: Die gegebenen Signalverläufe von Spannung und Strom werden in eine Fourierreihe entwickelt (Gleichung (III.1)):
}
Werden nach der Produktbildung aus beiden Reihen die Werte von u ka , u kb , i ka , i kb bestimmt, ergeben alle diejenigen Integrale den Wert Null, die der Orthogonalitätsbeziehung nach Gleichung (V.7) unterliegen. Damit folgt für jede Harmonische die Leistungsberechnung gemäß Gleichung (VI.1). Für die Gesamtwirkleistung müssen die Einzelleistungen aller Harmonischen einschließlich des Gleichanteiles addiert werden. P = U 0 ⋅ I 0 + U 1 ⋅ I 1 ⋅ cos j1 + U 2 ⋅ I 2 ⋅ cos j2 + ... ∞
= U 0 ⋅ I 0 + ∑ U k ⋅ I k ⋅ cos j k
(VI.6)
k =1
Sind U und I über einen ohmschen Widerstand R verknüpft und haben damit den gleichen Kurvenformverlauf, kann die Beziehung Uk = Ik · R benutzt werden. 2.2: Zur Berechnung wird die folgende Formel verwendet:
(VI.3) U1 Eingangsspannung und U2 Ausgangsspannung des Systems (Vierpols) in V, I1 Eingangsstrom und I2 Ausgangsstrom des Systems (Vierpols) in A, Gin Realteil der Eingangsadmittanz Yin = Gin + jBin des Systems in W, Ga Realteil der Lastadmittanz Ya = Ga + jBa in W, Rin Realteil der Eingangsimpedanz Zin = Rin + jXin des Systems in Ω, Ra Realteil der Lastimpedanz Za = Ra + jXa in W
{
i ( t ) = I 0 + ∑ i ka ⋅ cos kw ⋅ t + i kb ⋅ sin kw ⋅ t
T
P=
1 ⋅ ∫ u ( t ) ⋅ i ( t ) dt T 0
(VI.7)
Praktischer Hinweis zum Einsatz der Formeln (VI.6) und (VI.7): Die Erfahrung zeigt, daß die Anwendung der Formel (VI.6) nur dann zu empfehlen ist, wenn die Fourierreihenentwicklung für den gegebenen Kurvenformverlauf bereits vorliegt und damit die Effektivwerte Uk, Ik bekannt sind und die Fourierreihe nur aus wenigen Summanden besteht. Ein derartiger Verlauf ergibt sich beispielsweise, wenn ein rechteckförmiger Signalverlauf mit der Frequenz f ein ideales Tiefpaßfilter mit der Grenzfrequenz 3f passiert und die Leistung am Ausgang des Filters bestimmt werden soll. Beispiel VI.1: Eine sägezahnförmige Spannung u(t) = U0 · t/T
speist einen Ohmschen Widerstand R, Bild VI-1. Gesucht ist die in R umgesetzte Wirkleistung.
u (t ) U0
0
Bild VI-1 Spannungsverlauf zu Beispiel VI.1 T
Nach dem praktischen Hinweis zu den Gleichungen (VI.6) und (VI.7) empfiehlt es sich, die Formel (VI.7) zu verwenden. Für den Verlauf der Spannung erhält man: u(t) = U0 · t/T. Für i(t) gilt: i(t) = u(t)/R. Damit ergibt sich
1110
Signal- und Systemtheorie T T u(t ) ⎫ 1 ⎧ 1 1 2 ⋅ ∫ ⎨u( t ) ⋅ ⎬ dt = ⋅ ⋅ ∫ [ u ( t ) ] dt T 0⎩ R ⎭ T R 0
P= =
T 2 U 02 t 3 1 t ⋅ U 02 ⋅ ∫ ⎧⎨ ⎫⎬ dt = ⋅ R⋅T R⋅T 3 3 0⎩T ⎭
T
= 0
R jw ⋅ C R 1 jw ⋅ C R 1 ⎫ ⎧ 1 + R1 w 2 C 2 − 1 + + 2⎬ Re ⎨ jw ⋅ C + Ra Ra Ra Ra ⎭ ⎩ 1 / Ra = R 1 + R1 w 2 C 2 + 12 Ra Ra
U 02 3R
Für den arithmetischen Mittelwert (Gleichanteil) folgt: u = U0/2. Es kann also nicht unmittelbar von u auf P geschlossen werden.
=
Beispiel VI.2: Für das in Bild VI-2 dargestellte System (Vierpol)
soll das Leistungsverhältnis vP berechnet werden. Mit Tabelle II-4 b (Abschnitt „Nachrichtentechnik“, Kapitel II, Vierpole) ergeben sich die A-Parameter wie folgt:
A 11 = 1 + jw ⋅ R1 C ;
A 12 = R1 ;
1 / Ra
=
A 21 = jw ⋅ C ; A 22 = 1
Ra R a + R 1 + R a2 R 1 w 2 C 2
R1 U1
Ra
C
U2
Daraus folgt mit Gleichung (VI.5): vP =
=
Re
{( A
Ga 21
(
∗
∗
∗
+ A 22 ⋅ Y a ) ⋅ A 11 + A 12 ⋅ Y a
Bild VI-2 System (Vierpol) zu Beispiel VI.2
)}
1 / Ra
Wird zur Kontrolle C = 0 gesetzt, ergibt sich die auch anschaulich Ra einsichtige Lösung v P = . R a + R1
R1 ⎞ ⎫ 1 ⎞ ⎛ ⎧⎛ Re ⎨ ⎜ jw ⋅ C + ⎟ ⋅ ⎜ 1 − jw ⋅ R 1 C + ⎟⎬ Ra ⎠ ⎝ Ra ⎠ ⎭ ⎩⎝
VII Faltungsintegral Es gelten folgende Bezeichnungen: s1(t), (f1(t)): Zeitabhängige Eingangsgröße des Systems, bei der Laplacetransformation wegen Verwechslungsgefahr mit f1(t) bezeichnet, h(t): Übertragungsfunktion des Systems in Abhängigkeit von der Zeit, s2(t), (f2(t)): Zeitabhängige Ausgangsgröße des Systems, bei der Laplacetransformation wegen Verwechslungsgefahr mit f2(t) bezeichnet, S1(f): Frequenzabhängige Eingangsgröße des Systems, H(f): Übertragungsfunktion in Abhängigkeit von der Frequenz, S2(f): Frequenzabhängige Ausgangsgröße des Systems. Nach Gleichung (I.1) gilt: S2(f) = H(f) · S1(f) . Für die zugeordneten zeitabhängigen Größen folgt die Beziehung t
s 2 ( t ) = ∫ s 1 ( t − t ) ⋅ h ( t ) dt
(VII.1)
Gleichung (VII.1) wird als Faltungsintegral bezeichnet, das Symbol „*“ bedeutet „gefaltet mit“. Das Faltungsintegral hat folgende Eigenschaft: sa(t) * sb(t) = sb(t) * sa(t)
(VII.4 a)
Angewendet auf Gleichung (VII.1) kann man auch schreiben: t
t
−∞
−∞
∫ s 1 ( t − t ) ⋅ h ( t ) dt = ∫ s 1 ( t ) ⋅ h ( t − t ) dt (VII.4 b)
bzw. t
t
−∞
−∞
∫ s 1 ( t − t ) ⋅ h ( t ) dt = ∫ h ( t ) ⋅ s 1 ( t − t ) dt (VII.4 c)
Die untere Integrationsgrenze wird in den Gleichungen (VII.1) und (VII.4 b, c) für kausale Systeme, die für t < 0 Null sind, zu Null gesetzt. Die Faltung kann auch im Frequenzbereich angewendet werden. Es gilt: sa(t) · sb(t) ⎯ Sa(f) * Sb(f) .
(VII.5)
−∞
Das Faltungsintegral wird u.a. in folgenden Fällen eingesetzt:
oder, in Kurzschreibweise, (VII.2) s2(t) = s1(t) * h(t) Der allgemeine Zusammenhang zwischen Zeit- und Frequenzebene ist demnach durch die folgende Beziehung gegeben: sa(t) * sb(t) ⎯ Sa(f) · Sb(f)
(VII.3)
1. Die zeitabhängige Systemeingangsfunktion s1(t) und die zeitabhängige Übertragungsfunktion h(t) sind gegeben. Dann kann die zeitabhängige Ausgangsgröße s2(t) mit Gleichung (VII.1) berechnet werden.
VIII Abtasttheorem
1111
2. Gesucht ist die zeitabhängige Funktion f(t). Die zugehörige Laplacetransformierte F(s) kann in ein Produkt F(s) = F1(s) · F2(s) zerlegt werden, wobei die Rücktransformierten der beiden Faktoren bekannt sind. Mit F(s) ⎯ f(t), F1(s) ⎯ f1(t), F2(s) ⎯ f2(t) ergibt sich:
Beispiel VII.2: Gegeben ist die Laplacetransformierte
F(s) =
1
=
1
⋅
F1 ( s )
mit F(s) ⎯ f(t).
F2 ( s )
Die Rücktransformierten der beiden Faktoren sind bekannt: F1(s) ⎯ e–at, F2(s) ⎯ e–bt
t
Mit Gleichung (VII.6) ergibt sich:
f ( t ) = L−1 { F1 ( s ) ⋅ F2 ( s ) } = ∫ f 1 ( t ) ⋅ f 2 ( t − t ) dt
t
t
0
0
f ( t ) = ∫ f 1 ( t ) ⋅ f 2 ( t − t ) dt = ∫ e − at ⋅ e − b ( t − t ) dt
0
(VII.6)
t
= e − bt ⋅ ∫ e − ( a − b ) t dt
Beispiel VII.1: Ein passiver RC-Hochpaß erster Ordnung hat die
Übertragungsfunktion d( t ) −
1
s+a s+b (s + a)⋅( s + b)
0
1 −t /T ⋅e . T
= e − bt ⋅
An den Eingang wird zum Zeitpunkt t = 0 eine Sprungfunktion mit dem Wert 1 für t > 0 angelegt. Für die Ausgangsgröße folgt dann mit Gleichung (VII.6):
e −( a − b ) t −a+b
t
= e − bt ⋅ 0
e − ( a − b ) t − 1 e − at − e − bt = −a+b b−a
Das Ergebnis ist in Übereinstimmung mit der Transformation Nr. 9 in Tabelle IV-3.
t
1 s 2 ( t ) = ∫ ⎧⎨d( t − t ) − ⋅ e − ( t −t ) /T ⎫⎬ ⋅ 1 dt T ⎭ 0⎩ t
1 = ∫ ⎧⎨d( t ) − ⋅ e −t /T ⎫⎬ ⋅ 1 dt T ⎭ 0⎩ t
t
1 1 = ∫ {d( t ) } dt − ∫ ⎧⎨ ⋅ e −t /T ⎫⎬ dt = 1 + T ⋅ e -t /T − 1 = e −t /T T ⎭ 0 0⎩T Dabei wurde Gleichung (VII.4 b) verwendet und berücksichtigt, daß die zeitabhängigen Funktionen für t < 0 Null sind.
VIII Abtasttheorem Die Übertragungskanäle der Nachrichten- und der Datentechnik sind in ihrer Frequenzbandbreite beschränkt. Häufig besitzen sie Tiefpaßverhalten erster oder höherer Ordnung. Bei der theoretischen Behandlung wird in der Regel ein idealer Tiefpaß angenommen, d.h. bis zur Grenzfrequenz fg bleiben die Amplitudenverhältnisse aller Frequenzanteile untereinander konstant. Oberhalb der Grenzfrequenz werden keine Signalanteile mehr übertragen. Shannon hat gezeigt, daß es genügt, von einem frequenzbandbeschränkten Signal diskrete Probenwerte zu nehmen, weil aus diesen Probenwerten das Originalsignal wiederhergestellt werden kann. Die Ableitung wird hier in verkürzter Form dargestellt. Man macht für das bandbegrenzte Signal den Ansatz +∞
s(t ) = ∑ a n ⋅ x n (t ) n= −∞
und verwendet das orthogonale Funktionensystem x n (t) =
=
+B
⎛
n ⎞
jw ⋅ ⎜ t − ⎟ 1 ⋅ ∫ e ⎝ 2 B ⎠ df 2 B −B n ⎞ sin 2 p ⋅ B ⋅ ⎛⎜ t − ⎟ ⎝ 2B⎠
n ⎞ 2 p ⋅ B ⋅ ⎛⎜ t − ⎟ ⎝ 2B⎠ Darin ist B die Bandbreite, die bei einem Tiefpaßsystem der Grenzfrequenz fg entspricht. Eine Integration liefert:
+∞
+∞
+B
1 ∫ s ( t ) ⋅ x n ( t ) dt = ∫ s ( t ) dt ⋅ 2 B ∫ e −∞ −∞ −B × df =
n ⎞ jw ⋅ ⎛⎜ t − ⎟ ⎝ 2B⎠
an 2B
Die gesuchte Funktion lautet damit +∞ +∞ n ⎞ ⎛ n ⎞ s ( t ) = ∑ s ⎛⎜ ⎟ ⋅ x n (t ) = ∑ s⎜ ⎟ ⎝ ⎠ 2 B n =−∞ n =−∞ ⎝ 2 B ⎠ n ⎞ sin 2 p ⋅ B ⋅ ⎛⎜ t − ⎟ ⎝ 2B⎠ = n ⎞ 2 p ⋅ B ⋅ ⎛⎜ t − ⎟ ⎝ 2B⎠
(VIII.1)
Die frequenzbandbegrenzte Funktion s(t) ist also durch eine diskrete Folge von Abtastwerten eindeutig darstellbar. Man kann nämlich zeigen, daß sich durch die diskreten Abtastwerte nur ein möglicher Kurvenverlauf legen läßt. Nach Gleichung (VIII.1) muß der zeitliche Abstand tab der Abtastwerte – theoretisch – halb so groß sein wie die Periodendauer Tg der höchsten im Signal vorkommenden sinusförmigen Frequenz fg, oder, auf die Frequenzen bezogen, fab = 2 · fg
(theoretisch)
fab ≈ (2,2 ... 4) · fg (praktisch)
(VIII.2)
In der Praxis wird fab > 2 · fg gewählt, um u.a. den mehr oder weniger theoretischen Fall abzudecken, daß das abgetastete Signal sinusförmig mit fg ist und in
1112 den Nulldurchgängen abgetastet wird. In der Praxis genügt erfahrungsgemäß fab ≈ (2,2 ... 3) · fg. Wählt man dennoch fab > 3 · fg, hat das keinen Einfluß auf die originalgetreue Wiederherstellung des abgetasteten Signals, vielmehr spielen u.a. folgende Gesichtspunkte eine Rolle: 1. Verringerung des Quantisierungsgeräusches (Abschnitt „Nachrichtentechnik“, Kapitel V.4.4.5). 2. Die für die Abtastung und damit für die originalgetreue Wiederherstellung des Signals erforderlichen idealen Tiefpaßfilter (Antialiasingfilter) im oben geschilderten Sinne gibt es nicht. Frequenzanteile oberhalb fg führen zum Aliasing-Effekt (Abschnitt „Nachrichtentechnik“, Kapitel V.4.4 und Bild V-31b). Je höher aber die Abtastfrequenz fab im Vergleich zur Grenzfrequenz fg ist, desto geringer sind auch die Amplituden der durch die nichtidealen Filtereigenschaften verursachten störenden Frequenzanteile oberhalb fg. Aus Gleichung (VIII.1) folgt weiterhin, daß der Abtastzeitpunkt keine Rolle spielt, was anschaulich einsichtig ist und die Anwendung der Signalabtastung ganz wesentlich erleichtert. Schließlich ergibt sich aus dem Wertebereich von n in der Summe, daß das frequenzbandbeschränkte Signal zeitlich nicht beschränkt ist. Das Abtasttheorem läßt sich auch auf zeitlich begrenzte Signalverläufe anwenden. Entwickelt man das auf das Zeitintervall –T ... +T beschränkte Signal in eine Fourierreihe, erhält man nach einigen Zwischenschritten:
Signal- und Systemtheorie
+∞
n ⎞ S ( f ) = ∑ S ⎛⎜ ⎟⋅ n= −∞ ⎝ 2 T ⎠
n ⎞ sin 2 p ⋅ T ⋅ ⎛⎜ f − ⎟ ⎝ 2T ⎠ n ⎞ 2 p ⋅ T ⋅ ⎛⎜ f − ⎟ ⎝ 2T ⎠
(VIII.3)
Das Spektrum eines zeitlich beschränkten Signals ist frequenzmäßig nicht beschränkt und durch diskrete Abtastwerte der Spektraldichte im Abstand 1/2T vollständig bestimmt. Die Rückgewinnung des Originalsignals geschieht nach Gleichung (VIII.1) dadurch, daß die Abtastwerte auf ein Tiefpaßfilter mit der Grenzfrequenz fg gegeben werden. Besondere Bedeutung hat das Abtasttheorem in der Form nach Gleichung (VIII.1) für diejenigen Verfahren, bei denen mehrere analoge Signale quasi gleichzeitig über einen Kanal übertragen werden oder ein analoger Signalwert in einen digital kodierten Wert umgesetzt und übertragen oder gespeichert wird. Beispiele dafür sind: – Pulsmodulationsverfahren, siehe Abschnitt „Nachrichtentechnik“, Kapitel V.4. – Speicherung von Sprache und Musik auf Compact-Disks (CDs). Die Abtastfrequenz beträgt 44,1 kHz. – Fernsprechen: fg = 3,4 kHz, fab = 8 kHz, ⇒ fab / fg ≈ 2,35. – Anwendung des Zeitmultiplexverfahrens (Abschnitt „Nachrichtentechnik“, Kapitel IX.1).
IX Nichtkontinuierliche (zeitdiskrete) Signale Zeitdiskrete Signale werden häufig aus zeitkontinuierlichen Signalen durch Abtastung erzeugt. Daß beide Signale gleichwertig sind, zeigt das Abtasttheorem (Kapitel VIII) von Shannon, sofern die Bedingung nach Gleichung (VIII.2), fab ≈ (2,2 ... 4) · fg) eingehalten wird. Bild IX-1 zeigt den prinzipiellen Aufbau einer zeitdiskreten Signalverarbeitung. Der abgetastete Wert kann analog (unterer Signalweg) oder digital kodiert (oberer Signalweg) weiterverarbeitet werden. Der Tiefpaß am Eingang ist ein Antialiasingfilter und sorgt für die Erfüllung von Gleichung (VIII.2), der Tiefpaß am Ausgang wandelt das zeitdiskrete Signal in ein zeitkontinuierliches Signal um. Der Einsatz dieser nichtkontinuierlichen Signale hat zwei Vorteile: 1. Es können Zeitmultiplexverfahren angewendet werden. 2. Liegen die Signale in digital kodierter Form vor, können sie gespeichert werden (z.B. auf CDs) oder mit geringem Fehler
übertragen werden (z.B. Datenfernübertragung). Deshalb hat die digitale Kodierung der abgetasteten Werte die größte praktische Bedeutung. Für diesen Fall können die Signale am Ausgang des Systems (Bild IX-1) auch mit der Laplacetransformation und Sprungfunktionen am Systemeingang erhalten werden.
s1(t)
AbtastHalteGlied
/#
System
#/
digital analog
System
Bild IX-1 Prinzip der zeitdiskreten Signalverarbeitung
s2(t)
IX Nichtkontinuierliche (zeitdiskrete) Signale
1113
1 Diskrete Fouriertransformation (DFT) Es wird vorausgesetzt, daß die Bedingung nach Gleichung (VIII.2), fab ≈ (2,2 ... 4) · fg, erfüllt ist. Die Funktion s(t) wird im Zeitbereich 0 ≤ t < T betrachtet, wobei sie für t > T nicht zwangsweise Null sein muß. Durch N-maliges Abtasten innerhalb des Zeitintervalls T erhält man die diskreten Funktionswerte s(0), s(Tab), s(2Tab), s(3Tab) ..., s({N – 1} Tab) mit Tab = T/N, denen entsprechende Werte des Spektrums zugeordnet werden. Die Transformationsformeln lauten: N −1
⎛ 2p ⋅ m ⎞ −( j 2 p ⋅ m ⋅ n ) / N S⎜ ⎟ = ∑ s ( n ⋅ Tab ) ⋅ e ⎝ NTab ⎠ n=0 mit m = 0, 1, ..., N – 1 s ( nTab ) =
(IX.1)
1 N −1 ⎛ 2 p ⋅ m ⎞ ( j 2 p ⋅ m ⋅ n ) / N ∑S⎜ ⎟ ⋅e N m=0 ⎝ NTab ⎠
mit n = 0, 1, ..., N – 1
(IX.2)
Auch bei der zeitdiskreten Signalverarbeitung haben die Sprungfunktion s(nTab) und der Dirac-Impuls d(nTab) besondere Bedeutung. Impuls- und Sprungantwort am Ausgang des Systems hängen analog zu den Beziehungen bei kontinuierlichen Signalen nach Kapitel V.3, Gleichung (V.5) und (V.6), in folgender Weise zusammen: s 2 ( nTab ) d = s 2 ( nTab ) s − s 2 ( { n − 1} Tab ) s
(IX.3)
n
s 2 ( nTab ) s = ∑ s 2 ( mTab ) d
(IX.4)
m=−∞
Die Indizes s (Sprungfunktion) bzw. d (Dirac-Impuls) weisen auf die Ursache des Ausgangssignals hin.
Ist die Systemantwort auf einen Dirac-Impuls am Eingang bekannt, kann das Ausgangssignal für beliebige Eingangssignale mit der Faltungssumme (entsprechend dem Faltungsintegral nach Gleichung (VII.1) bzw. (VII.4 a, b, c) bei zeitkontinuierlichen Signalen) berechnet werden: +∞
s 2 ( nTab ) = ∑ s 1 ( { n − m} Tab ) ⋅ h ( mTab )
(IX.5)
m=−∞
ab
folgender Beziehung:
ab
1 N −1 ⋅ ∑ sm N m=0
(IX.8 a)
ak =
2 N −1 ⎛ 2 p ⎞⎟ ⋅ ∑ s ⋅ cos ⎜⎝ k ⋅ ⋅ m⎠ N m=0 m N
(IX.8 b)
bk =
2 N −1 ⎛ 2 p ⎞⎟ ⋅ ∑ s ⋅ sin ⎜⎝ k ⋅ ⋅ m⎠ N m=0 m N
(IX.8 c)
Man kann hier die Bedeutung der auftretenden Größen besonders anschaulich darstellen: N ist die Zahl der Abtastwerte im Intervall 0 ... T, der zeitliche Abstand Tab der Abtastwerte ist mit dem Intervall T über N verknüpft: Tab = T/N (wie bei den Gleichungen (IX.1) und (IX.2) oben). Die Zahl der maximal zu berücksichtigenden Fourierkoeffizienten gibt kmax an. Für die höchste im Signal enthaltene Frequenz fmax, die über die Grenzfrequenz fg des Tiefpasses (Antialiasingfilter) festgelegt wird, d.h. fmax = fg, gilt: fmax = kmax/T. Dabei muß zwischen Tab und fmax die Bedingung für die Abtastung nach Gleichung (VIII.2) erfüllt sein: fab ≈ (2,2 ... 4) · fg oder Tab ≈ 1/({2,2 ... 4} · fmax). Die Auswertung der Transformationsgleichungen erfordert wegen des erhöhten Rechenaufwandes den Einsatz von Rechnern. Je nachdem, ob die reelle oder komplexe Darstellung der Fourierreihe verwendet wird und ob das gegebene Signal Symmetriebedingungen erfüllt oder nicht, ergibt sich eine unterschiedliche Anzahl von Multiplikationen. Als Orientierungswert kann dienen, daß bei N Abtastwerten etwa N2 Multiplikationen erforderlich sind. Dabei sind es weniger die Multiplikationen an sich, die zeitaufwendig sind, sondern vielmehr die Berechnungsroutinen zur Bestimmung der sin- und cosWerte. Für die Anwendung der diskreten Fouriertransformation werden die folgenden Formeln häufiger benötigt:
∑ am =
m= 0 k
∑ am =
s 2 ( nTab ) s 1 ( nTab )
a0 =
∞
Die Übertragungsfunktion H ( f ) nT erhält man aus
H ( f ) nT =
Analog zur Fourierreihe aus Kapitel III.1, Gleichungen (III.2 a, b, c), können die Koeffizienten der diskreten Fouriertransformation auch in der reellen Form dargestellt werden, wenn das Integral durch eine Summe ersetzt wird (wegen des Vergleiches mit den Gleichungen (III.2 a, b, c) wurde k beibehalten):
(IX.6)
∞
s1 ( nTab ) = e jnwTab
Ist die Impulsantwort s2(nTab)δ am Systemausgang bekannt, gilt:
∑ am =
m= k
für a < 1
(IX.9)
a k +1 − 1 für a ≠ 1 a −1
(IX.10)
ak 1− a
(IX.11)
für a < 1
Beispiel IX.1: Die Impulsantwort eines Systems ist gegeben zu:
+∞
H ( f ) nT = ∑ s 2 ( nTab ) d ⋅ e − jnwTab ab
m= 0
1 1− a
(IX.7)
n =−∞
Der Index d weist auf den Dirac-Impuls als Eingangssignal hin.
s 2 ( nTab ) d = A ⋅ d( 0 ) + s ( { n − 1} Tab ) ⋅ B ⋅ 0 , 5 ( n −1 ) 1
2
3
4
Erläuterungen siehe Text, Funktionen sind Null für t < 0
(IX.12)
1114
Signal- und Systemtheorie
Erläuterungen zu den Ziffern: 1, 4: Die Konstanten A und B werden allgemein eingeführt, um die Zahlenwerte später geeignet zu wählen. 2: Die Konstante A erscheint zum Zeitpunkt t = 0 als Dirac-Impuls. 3: Die genannte Abhängigkeit tritt mit einer Verzögerung von Tab auf. Die Sprungantwort ergibt sich mit Gleichung (IX.4): n
n −1
m =1
m= 0
s 2 ( nTab ) s = A + B ⋅ ∑ 0 , 5 m−1 = A + B ⋅ ∑ 0 , 5 m
(IX.13)
Die Übertragungsfunktion H ( f ) nT berechnet sich mit Glei-
Cosinusfunktion aus, was besonders effektiv ist, wenn die Anzahl N der Abtastwerte auf einer Potenz der Zahlen 2, 4, 8 usw. basiert: N = 2M (Basis-2-FFT), N = 4M (Basis-4-FFT) usw. In [IX.1] ist ausführlich dargestellt, wie z.B. eine Basis-2-FFT für N = 1024 entwickelt und für die Berechnung mit einem Rechner aufbereitet wird. Beispiel IX.2 zeigt die Symmetrieeigenschaften für N = 24 = 16.
ab
Beispiel IX.2: Um zu zeigen, wie die Symmetrieeigenschaften bei
chung (IX.7): ∞
H ( f ) nT = A + B ⋅ ∑ 0 , 5 n −1 ⋅ e ab
n =1
= A + B⋅e
−jwTab
der FFT ausgenutzt werden, wird N = 24 = 16 gewählt. Dann sind die sin- und cos-Werte von n · 22,5°, n = 0 ... 15, erforderlich. Es genügt aber, zwei sin- und einen cos-Wert zu berechnen (jeweils unterstrichen) und je nach Quadrant das Vorzeichen entsprechend zu setzen, wenn die dargestellten Symmetriebedingungen beachtet werden:
−jwnTab
∞
−jmwTab
⋅ ∑ 0,5 m= 0
= A + B ⋅ e − jwTab ⋅
1
(IX.14)
1 − 0 , 5 − jwTab ∞
Dabei wurde die Beziehung ∑ a m = m= 0
1 , Gleichung (IX.9), 1− a
verwendet. Bestimmt man das Quadrat des Betrages der Übertragungsfunktion, Gleichung (IX.14), erhält man mit 2
H ( f ) nT
ab
= H ( f ) nT ⋅ H * ( f ) nT : ab
⇒ H ( f ) nTab
=
= cos 45 o = − cos 135 o = − cos 225 o = cos 315 o Die Werte für 0°, 90°, 180° und 270° brauchen als „Trivialwerte“ nicht berechnet zu werden.
Die Erstellung eines entsprechenden Rechnerprogrammes ist zwar aufwendig, aber sinnvoll, weil der Anwender bei jedem Programmdurchlauf von der Zeitersparnis profitiert.
A + ( B − 0 , 5 ⋅ A ) ⋅ e − jwTab − jwTab
1 − 0 , 5 ⋅ e H( f
×
) nTab
A + ( B − 0 , 5 ⋅ A ) ⋅ e + jwTab + jwTab ⋅ e 1 − 0 , 5 H∗ ( f
3 z-Transformation
) nTab
{ konjug. kompl. zu H ( f ) } nTab
=
=
{
A 2 + A ⋅ ( B − 0 , 5 ⋅ A ) ⋅ e − jwTab + e +jwTab
{
}
} + ( B − 0,5 ⋅ A )
2
1 + − e − jwTab − e jwTab ⋅ 0 , 5 + 0 , 25 1, 25 ⋅ A + B − AB + ( AB − 0 , 5 ⋅ A 2 ) ⋅ 2 ⋅ cos ( wT ab ) 2
2
1, 25 − cos ( wT ab )
Mit den Konstanten A und B lassen sich die Eigenschaften des Systems einstellen. So sind der Zähler und der Nenner gleich, wenn gewählt wird: A = –0,5, B = 0,75 (Ansatz: 1, 25 ⋅ A 2 + B 2 − AB = 1, 25; ( AB − 0 , 5 ⋅ A 2 ) ⋅ 2 = −1): H ( f ) nT
ab
cos 22,5 o = − cos 157,5 o = − cos 202,5 o = cos 337,5 o = sin 67,5 o = sin 112,5 o = − sin 247,5 o = − sin 292,5 o
sin 45 o = sin 135 o = − sin 225 o = − sin 315 o
ab
B ⎧ ⎫ H ( f ) nT = ⎨ A + e − jwTab ⋅ ⎬ ab 1 − 0 , 5 ⋅ e − jwTab ⎭ ⎩ A − A ⋅ 0 , 5 ⋅ e − jwTab + B ⋅ e − jwTab = 1 − 0 , 5 ⋅ e − jwTab 2
sin 22 , 5 o = sin 157,5 o = − sin 202,5 o = − sin 337,5 o = cos 67,5 o = − cos 112,5 o = − cos 247,5 o = cos 292,5 o
A =−0 , 5 ; B = 0 , 75
= 1≠ f ( f )
Dann hat das System Allpaßverhalten und kann z.B. zur Phaseneinstellung benutzt werden.
Die z-Transformation dient ebenfalls zur Beschreibung von Abtastsystemen. Sie gibt eine geschlossene Darstellung der Folge der Abtastwerte ohne Rückgriff auf die Einhüllende. Die Regelungstechnik wendet sie häufig bei Abtastregelsystemen an, weil die dort auftretenden absichtlich eingefügten oder prinzipiell vorhandenen Zeitverzögerungen nTab einfach erfaßt werden können. Hier sollen nur die Grundlagen dargestellt werden, weitere Einzelheiten sind z.B. in [IX.2] enthalten. Die Transformationsgleichungen sind wie folgt definiert: +∞
S ( z ) = ∑ s ( nTab ) ⋅ z −n n =−∞
zweiseitige z-Transformation
2 Schnelle Fouriertransformation (FFT) Die gesamte Rechenzeit bei der DFT kann nur dadurch wesentlich verringert werden, daß die Anzahl der Berechnungen für die sin- und cos-Werte reduziert wird. Die schnelle Fouriertransformation (Fast Fourier Transform, FFT) nutzt zu diesem Zweck bestimmte Symmetrieeigenschaften der Sinus- und
(IX.15)
oder, in symbolischer Darstellung: S(z) ⎯ s(nTab) +∞
S ( z ) = ∑ s ( nTab ) ⋅ z −n
einseitige z-Transformation,
n=0
d.h. s ( nTab ) ≡ 0 für
n<0
(IX.16)
IX Nichtkontinuierliche (zeitdiskrete) Signale
1115
Tabelle IX-1 Korrespondenzen der z-Transformation Nr.
f(t)
F(s)
F(z)
11
s(t)
1 s
z z −1
12
t
1 s2
T⋅
2 s3
T 2 ⋅ z⋅
1 s−a
z z − e aT
13
t2
14
eat
15
t · eat
1
sin (w0 · t)
w0
18
cos (w0 · t)
s s 2 + w 02
eat · sin (w0 · t)
z⋅
w0
( s − a ) 2 + w02 19
eat · cos (w0 · t)
s−a
(s − a) 10
2
+ w02
e–nTs
d(t – nT)
F(s)
z⋅
z⋅
z
( z − e aT )
2
z 2 − 2 ⋅ z ⋅ cos ( w 0 ⋅ T ) + 1
z − cos ( w 0 ⋅ T )
z − 2 ⋅ z ⋅ cos ( w 0 ⋅ T ) + 1 2
e aT ⋅ sin (ω o ⋅ T )
z 2 − 2 ⋅ z ⋅ e aT ⋅ cos (ω 0 ⋅ T ) + e 2 aT
z-e aT ⋅ cos (ω 0 ⋅ T )
z − 2 ⋅ z ⋅ e aT ⋅ cos (ω 0 ⋅ T ) + e 2 aT 2
z–n
F(z)
b 0 + b1 ⋅ e − Ts + b 2 ⋅ e −2 Ts ... b n ⋅ e − nTs a 0 + a 1 ⋅ e −Ts + a 2 ⋅ e − 2 Ts ... a m ⋅ e − mTs
a 0 + a 1 ⋅ z −1 + a 2 ⋅ z − 2 ... a m ⋅ z − m
f(t)
F(z)
12
s ( n − 1) ⋅ a n−1 1)
1 , z > a z−a
13
⎡ n − 1⎤ s ( n − m ) ⋅ ⎢ m − 1⎥ ⋅ a n− m 1), 2) ⎣ ⎦
11
14
d( n − m )
3)
b 0 + b 1 ⋅ z −1 + b 2 ⋅ z −2 ... b n ⋅ z − n
1
( z − a) m 1 zm
1
z +1
( z − 1) 3
sin ( w 0 ⋅ T )
z⋅
s 2 + w 02
17
( z − 1) 2
T ⋅ e aT ⋅
(s − a) 2 16
z
) s Sprungfunktion, 2) siehe Gleichung (IX.22), 3) d Dirac-Impuls
, z > a
1116
Signal- und Systemtheorie
Die Unterscheidung zwischen ein- und zweiseitiger z-Transformation wurde aus praktischen Erwägungen heraus eingeführt. Die Rücktransformation geschieht nach folgender Beziehung: 1 冖 (IX.17) ⋅ ∫ S ( z ) ⋅ z n−1 dz 2 jp symbolische Darstellung: s(nTab) ⎯ S(z). s ( nTab ) =
Für die Anwendung sind folgende Eigenschaften von Bedeutung: K · s(nTab) ⎯ K · S(z) 2. Addition zweier Zeitfunktionen:
(IX.18)
s1(nTab) + s2(nTab) ⎯ S1(z) + S2(z) 3. Verschiebung:
(IX.19)
(IX.20)
4. Faltung: +∞
n =−∞ ( n= 0 )
(IX.21)
(IX.23)
ab
ab
= b 0 ⋅ e jnwTab + b1 ⋅ e j { n−1} wTab
b 0 + b 1 ⋅ e − jwTab
(IX.26)
1 − a 1 ⋅ e − jwTab
Daraus erhält man die Transformierte H(z) mit e–jwTab = z–1 zu: H(z) =
b 0 + b 1 ⋅ z −1
(IX.27)
1 − a 1 ⋅ z −1
Der gemeinsame Faktor en kürzt sich in Gleichung (IX.26) heraus, was anschaulich auch einsichtig ist, denn H(f)nTab bzw. H(z) dürfen sich nicht in Abhängigkeit von der Zahl der Abtastwerte ändern. M × b0 s1(n · Tab )
M × b1
S
V
S s2(n · Tab )
Tab
× a1
Bild IX-2 Schaltung für eine Differenzengleichung erster Ordnung; M: Multiplizierer, V: Verzögerungsglied, S: Summierer
Durch geeignete Wahl von a1, b0 und b1 kann das Verhalten der Übertragungsfunktion eingestellt werden. Für eine Differenzengleichung zweiten Grades läßt sich in analoger Weise ableiten: a 2 ⋅ s 2 ( nTab ) + a 1 ⋅ s 2 ( { n − 1} Tab )
P( z )
Q( z )
P(z) Zählerpolynom, Q(z) Nennerpolynom
H ( f ) nT ⋅ e jnwTab − H ( f ) nT ⋅ a 1 ⋅ e j { n−1} wTab
M
Ob ein Abtastsystem stabil ist, läßt sich anhand der Übertragungsfunktion H(z) feststellen. Mit H(z) =
Für die Übertragungsfunktion folgt mit Gleichung (IX.7), (IX.23) und (IX.25):
(IX.22)
Da die Koeffizienten a0 ... am, b0 ... bn der Korrespondenz Nr. 11 in Tabelle IX-1 reell sind, ergeben sich reelle oder konjugiert komplexe Pol- und Nullstellen. Für ein System mit der Übertragungsfunktion H(z), der Eingangsgröße S1(z) und der Ausgangsgröße S2(z) gilt analog zur Fourier- und Laplacetransformation: S2(z) = H(z) · S1(z)
(IX.25)
= b 0 ⋅ s 1 ( nTab ) + b 1 ⋅ s 1 ( { n − 1} Tab )
ab
Tabelle IX-1 enthält einige Korrespondenzen zur z-Transformation. Zum Vergleich sind teilweise die zugeordneten Laplacetransformierten mit aufgeführt. Korrespondenz Nr. 11 in Tabelle IX-1 zeigt, analog zur Laplacetransformation, eine allgemeine Lösung zur Rücktransformation. Sind die Null- und Polstellen bestimmt, kann eine Partialbruchzerlegung durchgeführt werden. Anschließend lassen sich die erhaltenen Summanden einzeln nach Tabelle IX-1, Korrespondenzen 12 bis 14, zurücktransformieren. Der in der Transformation Nr. 13 auftretende Binomialkoeffizient wird wie folgt berechnet:
( n − 1)! {( m − 1)!} ⋅ {[ ( n − 1) − ( m − 1) ]!}
s 2 ( nTab ) − a 1 ⋅ s 2 ( { n − 1} Tab )
H ( f ) nT =
× s 2 ( { n − t } Tab )
⎡ n − 1⎤ ⎢ m − 1⎥ = ⎣ ⎦
+ a 1 ⋅ s 2 ( { n − 1} Tab )
Umgeformt ergibt sich:
s 1 ( nTab ) * s 2 ( nTab ) = ∑ s 1 ( tTab )
⎯ S1(z) · S2(z)
s 2 ( nTab ) = b 0 ⋅ s 1 ( nTab ) + b 1 ⋅ s 1 ( { n − 1} Tab )
bzw. umgeformt
1. Multiplikation mit einer Konstanten K:
s(nTab) ⎯ S(z) ; → s({n – m} Tab) ⎯ z–m · S(z)
gilt: Ein System ist stabil, wenn die Nullstellen des Nennerpolynoms innerhalb des Einheitskreises der z-Ebene liegen und der Zählergrad den Nennergrad nicht übersteigt. Mit der z-Transformation lassen sich auch Differenzengleichungen erfassen. Bild IX-2 zeigt eine Schaltung, die eine Differenzengleichung erster Ordnung ergibt. Es gilt für die Ausgangsgröße s2(nTab):
+ a 0 ⋅ s 2 ( { n − 2} Tab ) = b 2 ⋅ s 1 ( nTab )
(IX.24)
+ b 1 ⋅ s 1 ( { n − 1} Tab ) + b 0 ⋅ s 1 ( { n − 2} Tab )
IX Nichtkontinuierliche (zeitdiskrete) Signale
1117
Daraus ergibt sich H(z): H( z) =
b 2 ⋅ z + b1 ⋅ z + b 0 2
a 2 ⋅ z 2 + a1 ⋅ z + a 0
=
b 2 + b1 ⋅ z
−1
+ b0 ⋅ z
−2
a 2 + a 1 ⋅ z −1 + a 0 ⋅ z −2 (IX.28)
Häufig ist b2 = 1 oder a2 = 1, was durch entsprechendes Multiplizieren der gesamten Formel mit 1/b2 bzw. a2 erreicht werden kann
Mit [ 0 , 5 ± j ⋅ 0,5 ]
n
n
m=0
(IX.29)
Gilt 0 < a1 < 1, nähert sich s2(nTab) asymptotisch dem Wert
U⋅
2 b 0 + b1 1 − a1
. Für −1 < a 1 < 0 dagegen ergibt sich für n → ∞
der Endwert U ⋅
2 b 0 + b1
, dem sich s2(nTab) oszillierend nähert.
1 + a1
Die in Bild IX-2 dargestellte Schaltung kann damit wegen der Sprungantwort nach Gleichung (IX.29) als Tiefpaß interpretiert werden. Für die Auswertung wurden die Summenformeln ∞
∑xn =
n= 0
1 1− x
bzw.
∞ 1 n ∑ x n ⋅ ( − 1) =
verwendet. Beispiel IX.4: Gegeben ist die Übertragungsfunktion H(z) eines
Systems: z z H(z) = 2 = z − z + 0,5 ( z − 0,5 − j ⋅ 0,5) ⋅ ( z − 0,5 + j ⋅ 0,5) (IX.30) Gesucht sind die Impulsantwort und eine Schaltung, mit der sich H(z) realisieren läßt, sofern das System stabil ist. Das System ist stabil, weil die Abstände x der zwei konjugiert komplexen Nullstellen des Nenners vom Koordinatenursprung in der z-Ebene kleiner als 1 sind:
x = + 0,5 + 0,5 = + 0,5 < 1 2
2
Außerdem ist der Zählergrad nicht größer als der Nennergrad. Für die Rücktransformation soll die Korrespondenz Nr. 12 aus Tabelle IX-4 benutzt werden. Eine Partialbruchzerlegung liefert: z H(z) = ( z − 0,5 + j ⋅ 0,5) ⋅ ( z − 0,5 − j ⋅ 0,5)
=
0,5 + j ⋅ 0,5
+
0,5 − j ⋅ 0,5
( z − 0,5 + j ⋅ 0,5) ( z − 0,5 − j ⋅ 0,5)
Mit der genannten Korrespondenz folgt: s 2 ( nTab ) =
{ s [ ( n − 1) Tab ]} ⎧⎪[ 0 , 5 + j ⋅ 0,5 ] ⋅ [ 0 , 5 − j ⋅ 0,5 ] n −1 ⎫⎪ × ⎨ ⎬ ⎪⎩ + [ 0 , 5 − j ⋅ 0,5 ] ⋅ [ 0 , 5 + j ⋅ 0,5 ] n −1 ⎪⎭
0 , 5 2 + 0 , 5 2 ⋅ e ± jj
]
n −1
und f = arctan (1)
(
)
(
)
n −1 ⎫ = { s [ ( n − 1) Tab ]} ⋅ ⎧⎨ 0 , 5 ⎬ ⎩ ⎭ j ⋅ ( n −1 ) j − j ⋅ ( n −1 ) j ⎧ 0,5 ⋅ e + 0,5 ⋅ e + ⎪ ×⎨ j ⋅ ( n −1 ) j − j ⋅ ( n −1 ) j , e 0,5 e + − j ⋅ 0 5 ⋅ + j ⋅ ⋅ ⎩⎪
(
(
Am Faktor
{(
)
(
)
= { s [ ( n − 1) Tab ]} ⋅ ⎧⎨ 0 , 5 ⎩ × { cos [ ( n − 1) ⋅ j ] + sin 0,5
)
n−1
)
⎫ ⎪ ⎬ ⎭⎪
n −1
⎫ ⎬ ⎭ n ( [ − 1) ⋅ j ]}
} wird auch anschaulich sichtbar, daß das
System stabil ist. Das Ausgangssignal ist die Summe aus einer Sinus- und einer Cosinusschwingung mit abnehmender Amplitude. Mit den Ausführungen zu Gleichung (IX.28) kann die Differenzengleichung, hier zweiten Grades, aus H(z) nach Gleichung (IX.30) aufgestellt werden. Besonders geeignet ist die Darstellung b + b 1 ⋅ z −1 + b 0 ⋅ z −2 H(z) = 2 , wenn man beachtet, daß ein Faka 2 + a 1 ⋅ z −1 + a 0 ⋅ z − 2 tor z–m eine (m · Tab)-fache Verzögerung gegenüber (n · Tab) bedeutet (siehe Gleichung (IX.20)). Dann folgt: H(z) =
1+ x
n=0
[
n −1 ⎫ s 2 ( nTab ) = { s [ ( n − 1) Tab ]} ⋅ ⎧⎨ 0 , 5 ⎬ ⎩ ⎭ − j ⋅ ( n −1 ) j ⎫⎪ ⎧⎪ ( 0 , 5 + j ⋅ 0,5 ) ⋅ e × ⎨ ⎬ j ⋅ n −1 j ⎪⎩ + ( 0 , 5 − j ⋅ 0,5 ) ⋅ e ( ) ⎪⎭
IX-2. Das System ist stabil, wenn nach Gleichung (IX.24) gilt: |a1| < 1. Anschaulich nimmt s2(nTab) für |a1| > 1 mit jeder Abtastung zu und wächst mit n → ∞ über alle Grenzen. Wird als Eingangsgröße ein Sprung mit der Amplitude U verwendet, und sind alle Größen für n < 0 Null, ergibt sich für die Ausgangsgröße s2(nTab) nach der n-ten Abtastung (Zählbeginn mit n = 0; einige Rechnung erforderlich):
m= 0
=
ergibt sich:
Beispiel IX.3: Ausgangspunkt sind Gleichung (IX.25) und Bild
s 2 ( nTab ) = U ⋅ b 0 ⋅ ∑ c m + U ⋅ ( b 0 + b1 ) ⋅ ∑ c m −1
n −1
z z −2 z −1 ⋅ = z 2 − z + 0 , 5 z − 2 1 − z −1 + 0 , 5 ⋅ z − 2
und daraus s 2 ( nTab ) − s 2 ( { n − 1} Tab ) + 0 , 5 ⋅ s 2 ( { n − 2} Tab ) = s 1 ( { n − 1} Tab )
Bild IX-3 zeigt eine Schaltung, die das berechnete Verhalten aufweist. Bei Bedarf läßt sich die Zahl der Verzögerungsglieder noch minimieren.
s1(n · Tab )
V
S
Tab M
× (–0,5)
s2(n · Tab )
V Tab
2·Tab V
Bild IX-3 Realisierung zu Beispiel IX.4; M: Multiplizierer, V: Verzögerungsglied, S: Summierer
1118
Signal- und Systemtheorie
X Zufällige Signale Die hier betrachteten Signale werden auch als stochastische Signale bezeichnet. Sie sind zufällig, d.h. ihr Augenblickswert ist nicht vorhersagbar. Bild X-1 zeigt eine Unterteilung nach den Signaleigenschaften. Über die nichtstationären Signale läßt sich keinerlei Aussage machen, und sie werden hier deshalb auch nicht weiter betrachtet. Für die stationären Signale gilt, daß ihr Momentanwert zwar auch nicht vorhergesagt werden kann, daß sie aber trotzdem gewisse auswertbare Eigenschaften besitzen, die allerdings statistischer Art sind und deshalb nur mit den Gesetzen der Wahrscheinlichkeitstheorie erfaßt werden können. Zwar sind – theoretisch – für die Anwendung der Wahrscheinlichkeitstheorie unendlich viele Probenwerte zu nehmen, in der Praxis hat sich aber gezeigt, daß man auch mit einer endlichen Anzahl dem gesuchten Wert schon ausreichend nahe kommen kann.
Die Wahrscheinlichkeit dafür, daß die Zufallsgröße x = x0 größer ist als der betrachtete Wert x, errechnet sich zu: N
w( x 0 > N ) = 1 − w( x 0 ≤ N ) = 1 − ∑ h( x ) x =0
bzw. x
w ( x 0 > x ) = 1 − ∫ f ( y ) dy
(X.2)
y =−∞
Die Wahrscheinlichkeit, daß ein Wert zwischen einem unteren Wert xmin und einem oberen Wert xmax liegt, ist: x max
x max
x min
−∞
w ( x min ≤ X ≤ x max ) = ∫ h ( x ) dx = ∫ h ( x ) dx x min
− ∫ h ( x ) dx
(X.3)
−∞
1 Grundbegriffe und Kenngrößen Die nachfolgend dargestellten Grundbegriffe und Kenngrößen werden in den Beispielen X.1 bis X.7 anschaulich erläutert. Weiterhin haben einige der Begriffe eine zentrale Bedeutung in der Meßtechnik und treten deshalb im Abschnitt „Meßtechnik“, Kapitel 1, ebenfalls auf. Es wird unterschieden zwischen einer Verteilung und einer Stichprobe. Die funktionale Abhängigkeit einer Verteilung ist in ihrem Verlauf durch häufiges Erfassen bzw. Messen relativ gesichert und damit auch ihre Kenngrößen, während es sich bei einer Stichprobe um einige wenige Werte handelt, von denen auf gewisse statistische Eigenschaften geschlossen werden soll.
• Wahrscheinlichkeitsdichte(funktion),
Häufigkeit, h(x): Sie gibt die relative Häufigkeit an, mit der der Wert x vorhanden ist. Für einen bestimmten Wert x = x0 ist ihr Wert gleich der Wahrscheinlichkeit w(x = x0), mit der dieser Wert auftritt. Sie kann aus diskreten Werten bestehen oder aus einer stetigen Funktion.
• Summenfunktion, Summenhäufigkeitsfunktion, H(x): Sie ist die Summenfunktion der Wahrscheinlichkeitsdichte h(x). Sie gibt die Wahrscheinlichkeit w(x0 ≤ x) an, daß die Zufallsgröße x = x0 kleiner oder höchstens gleich dem betrachteten Wert x ist: N
w( x 0 ≤ N ) = H ( N ) = ∑ h( x )
(X.1a) x
w ( x 0 ≤ x ) = H ( x ) = ∫ f ( y ) dy y =−∞
für stetiges h(x)
• Linearer Mittelwert oder Erwartungswert x einer Verteilung: x=
1 N ∑ x ⋅ h( x ) N x =0
(X.1 b)
+∞
bzw.
x = ∫ x ⋅ h ( x ) dx (X.4) −∞
• Linearer Mittelwert oder Erwartungswert x einer Stichprobe: Die gemessenen Werte (z.B. Meßwerte, Daten auf einer Datenleitung bei Mehrfachübertragung zur Fehlerreduktion) bilden eine Stichprobe. Wird daraus der Mittelwert gebildet, kann dieser häufig als Schätz- oder Näherungswert eingesetzt werden. In der Meßtechnik wird in der Regel aus mehreren Einzelmessungen durch Mittelwertbildung auf den „wahren“ Wert geschlossen. x=
1 N ∑ xn N n =1
(X.5)
(Siehe dazu auch Abschnitt „Meßtechnik“, Kapitel I.3 und Beispiel I.3.)
• Geometrischer Mittelwert x g : Er ist für diskrete Werte xi, 1 ≤ i ≤ N, definiert: xg =
x =0
für diskretes h(x) bzw.
Die Wahrscheinlichkeitsdichte h(x) einer stetigen Verteilung kann allerdings nicht mehr als die Wahrscheinlichkeit aufgefaßt werden, daß genau der Wert x auftritt. Dieser Wert ergibt mit Gleichung (X.3) Null.
N
x 1 ⋅ x 2 ⋅ ... ⋅ x N
(X.6)
• Median oder Zentralwert x50: Die x-diskretenWerte sind der Größe nach geordnet. Bei einer ungeraden Anzahl ist der in der Mitte liegende Wert der Median, bei einer geraden Anzahl wird aus den beiden mittleren der arithmetische Mittelwert gebildet. Auch dieser Wert wird in der
X Zufällige Signale
1119
Meßtechnik als Annäherung an den „wahren“ Wert genommen, wenn Ausreißer bei den einzelnen Meßwerten eine entsprechend geringe Wertigkeit haben sollen.
• Varianz s2 einer Verteilung: Mit dem linearen
• Autokorrelationsfunktion Fss (AKF): Sie gibt die Ähnlichkeit des Signales mit sich selber in Abhängigkeit von der gegenseitigen Verschiebung t an: F ss ( t ) = lim
T →∞
Mittelwert aus Gleichung (X.4) folgt: N
T
1 ⋅ ∫ s ( t ) ⋅ s ( t + t ) dt 2 T −T
Sind s(t) und s(t + t) orthogonal zueinander, folgt:
s 2 = ∑ ( x − x ) ⋅ h( x )
F ss ( t ) = 0
bzw.
Für t = 0 erhält man:
2
x =0
+∞
s 2 = ∫ ( x − x ) ⋅ h ( x ) dx 2
(X.7)
−∞
• Varianz s2 einer Stichprobe: Sie ist ein Maß für die Streuung der Einzelwerte. s2 =
1 N 2 ∑( xn − x) N − 1 n=1
(X.8)
(Siehe dazu auch Abschnitt „Meßtechnik“, Kapitel I.3 und Beispiel I.4.) Der Faktor N – 1 im Nenner ergibt sich aus wahrscheinlichkeitstheoretischen Überlegungen und läßt sich praktisch so interpretieren, daß es nicht sinnvoll ist, aus einem Meßwert die Varianz, d.h. die Streuung, zu bilden: s2(N = 1) → ∞.
• Standardabweichung s: s = + s2 (X.9) Sie dient in der Meßtechnik dazu, Meßreihen zu beurteilen mit der Tendenz, daß um so eher vom Mittelwert der Stichprobe nach Gleichung (X.5) auf den „wahren“ Wert geschlossen werden kann, je geringer die Standardabweichung ist.
• Stationärer Prozeß: Die Wahrscheinlichkeitsdichte und damit die Bestimmung der Mittelwerte nach den Gleichungen (X.4) bis (X.9) hängt nicht davon ab, zu welchem Zeitpunkt dies geschieht: h( x )
t = t1
= h( x )
t =t 2
t =t1
= x t =t
(X.11 a)
F ss ( t = 0 ) = s 2 = lim
T →∞
+T
1 2 ⋅ ∫ [ s ( t ) ] dt 2 T −T
(X.12)
Das ist das Quadrat des Effektivwertes und gibt die im Signal enthaltene mittlere Gesamtleistung an (P 苲 s 2 ). Es wird vorausgesetzt, daß der Wert des Integrals endlich ist. Das Maximum hat die AKF für t = 0: Fss ( t = 0 ) ≥ Fss ( t ≠ 0 )
(X.13)
Mit t → ∞ folgt für ein beliebiges Signal: lim F ss ( t ) = s 2
t →∞
Quadrat des zeitlichen Mittelwertes
(X.14 a)
Die Autokorrelationsfunktion eines stochastischen Signals mit verschwindendem Mittelwert geht mit zunehmender Verschiebung gegen Null: lim Fss ( t ) = 0
(X.14 b)
t →∞
Mit der Beziehung
• Parsevalsche Gleichung: +•
Ú
-•
s ( t ) dt = 2
+•
Ú S( f )
2
df ,
(X.15)
-•
(siehe auch Erläuterungen zu Gleichung (IV.15)), eingesetzt in Gleichung (X.12), erhält man: +T
s 2 = lim
T Æ•
Daraus folgt z.B. x
(X.11)
2 1 ◊ È S ( f )˘˚ df 2T -ÚT Î
(X.16)
• Spektrale Leistungsdichte, Theorem von Wiener(X.10)
2
• Ergodischer Prozeß: Gegeben sind mehrere gleichzeitig ablaufende gleichartige Prozesse (Schar). Sind die Mittelwerte eines Prozesses, gebildet über die Zeit, gleich den Mittelwerten, gebildet über die Schar zum gleichen Zeitpunkt, ist der Prozeß stationär und ergodisch. Bei Würfeln folgt die gleiche Aussage z.B. über den Mittelwert (Erwartungswert), unabhängig davon, ob mit einem Würfel N-mal gewürfelt wird oder mit N Würfeln einmal. Dazu ist ein Hinweis erforderlich: Es kann sein, daß man im Experiment nur eine endliche Anzahl von Proben durchführen kann und damit zwangsweise nicht genau zum gleichen Mittelwert (Erwartungswert) kommt.
Khintchine: Der Ausdruck lim
T Æ•
2 1 ◊ S ( f ) = Sss ( f ) 2T
(X.17)
aus Gleichung (X.16) wird als spektrale Leistungsdichte bezeichnet. Damit gilt auch: +•
s2 =
Ú S ( f ) df ss
(X.18)
-•
Man kann zeigen, daß die Fouriertransformierte der spektralen Leistungsdichte gleich ist der Autokorrelationsfunktion und umgekehrt (Theorem von WienerKhintchine): F {Sss ( f )} = Φ ss (τ )
1120
Signal- und Systemtheorie
bzw. F −1 {F ss ( t ) } = S ss ( f )
Damit reicht das Vorhandensein der Autokorrelationsfunktion aus, um das spektrale Verhalten eines Vorganges vollständig zu beschreiben. Allerdings enthält die spektrale Leistungsdichte keine Phaseninformation mehr, denn sie ist durch die Betragsbildung verlorengegangen. Damit steht sie auch der Autokorrelationsfunktion nicht zur Verfügung. Das Leistungsdichtespektrum von Signalen, auch stochastischen, ist durch Bandpaßfilter bestimmbar: S ss ( f = f 0 ) =
1 2 ⋅ s0 Df
(X.20)
Aus Gleichung (X.16) folgt, daß es einen Vorgang, der bis zu unendlich hohen Frequenzen eine konstante Leistungsdichte hat, nicht geben kann, weil das Integral dann divergiert. Deshalb ist der Begriff „Weißes Rauschen“ so zu verstehen, daß das Spektrum stets frequenzbegrenzt ist. Stationäre stochastische Signale haben keine Fouriertransformierte. Korrelationsfunktionen gehen aber für größere Verschiebungen gegen Null, so daß sie transformierbar sind. Damit wird die Beziehung nach Gleichung (X.18) möglich. Allgemein gilt, daß Transformationen umkehrbar sind, Mittelungsoperationen dagegen nicht.
• Kreuzkorrelationsfunktion Fs1s2 (KKF): Erfaßt wird die Ähnlichkeit zweier unterschiedlicher Signale in Abhängigkeit von der Verschiebung t: T
1 ⋅ ∫ s 1 ( t ) ⋅ s 2 ( t + t ) dt T →∞ 2 T −T
F s 1 s 2 ( t ) = lim
(X.21)
s1, s2 beliebige zeitkontinuierliche Funktionen
Zwei Signale sind voneinander unabhängig (nicht korreliert), wenn gilt Fs 1 s 2 ( t ) = 0 für alle t
(X.22)
Beispiel X.2 zeigt, daß der Kreuzkorrelationsfunktion eine physikalische Bedeutung gegeben werden kann. Die zwei Signale s1(t) und s2(t) haben die Energie +∞
E s 1 = ∫ { s 1 ( t ) } dt 2
−∞
bzw. +∞
E s 2 = ∫ { s 2 ( t ) } dt
(X.23)
Erfüllen die zwei Funktionen die Bedingung s1(t) ~ s2(t) ,
(X.24)
2
−∞
hat die Kreuzkorrelationsfunktion ihren größten Wert: Φ s1s 2 (0 ) = Es1 ◊ Es 2
stochastische Signale
(X.19)
(X.25)
stationär ergodisch
nicht stationär
nicht ergodisch
Bild X-1 Einteilung stochastischer Signale
Dies gilt für jedes t: +∞
+∞
−∞
−∞
2 2 ∫ { s 1 ( t ) } dt = ∫ { s 1 ( t + t ) } dt
(X.26)
Danach liefert die Kreuzkorrelierte den Maximalwert, wenn für ein bestimmtes t gilt: s1(t) ~ s2 (t + t)
(X.27)
Nach N. Wiener gilt auch: +∞
Fss ( t ) = ∫ S1 ( f ) ⋅ S*1 ( f ) ⋅ e j 2 p⋅ f df
(X.28)
−∞
Verglichen mit +∞
s 2 ( t ) = ∫ S 1 ( f ) ⋅ H ( f ) ⋅ e j 2 p⋅ f df
(X.29)
−∞
folgt daraus: s2 (t = 0) ist maximal, wenn gilt: H ( f ) = k ⋅ S*1 ( f )
(X.30)
Darin ist k eine dimensionsbehaftete Konstante vom Betrag 1. Beispiel X.1: Es wird mit einem oder mehreren Würfeln mit den
Augenzahlen 1 bis 6 gewürfelt. Die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion für das Auftreten der Augenzahlen 1, 2, ..., 6 besteht aus diskreten Werten: w(1) = w(2) = w(3) = w(4) = w(5) = w(6) = 1/6. Wird die Augenzahl 4 betrachtet (x = 4), ist die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten der Augenzahlen x ≤ 4 nach Gleichung (X.2): w(x0 ≤ 4) = w(1) + w(2) + w(3) + w(4) = 2/3. Für das Auftreten der Augenzahlen 5 und 6 gilt: w(5) + w(6) = 1/3, oder, mit Gleichung (X.3): w(x0 > 4) = 1 – w(x0 ≤ 4) = 1 – 2/3 = 1/3. Zählt man die Augenzahlen der einzelnen Würfe zusammen und teilt durch die Anzahl der Würfe, nähert man sich mit zunehmender Zahl der Würfe dem Erwartungswert
1+ 2 + 3 + 4 + 5 + 6 = 3, 5 . Der Median berechnet sich bei gerader 6 Anzahl der Werte zu (3 + 4)/2 = 3,5. Für die Varianz s2 erhält man mit Gleichung (X.8): s2 = 3,5. Weiterhin ist der Erwartungswert unabhängig davon, wie die einzelnen Würfe zeitlich liegen, der Prozeß ist damit stationär. Er ist auch nicht davon abhängig, ob mit einem Würfel N Würfe nacheinander ausgeführt werden oder ob mit N Würfeln gleichzeitig gewürfelt wird: Der Prozeß ist stationär und ergodisch. Hier zeigt sich anschaulich, daß die endliche Anzahl von Proben (Würfen) zu einem geringfügig voneinander abweichenden Erwartungswert für beide Experimente führt. s 1 ( t ) = u ⋅ sin w 0 t ; s 2 ( t ) = i ⋅ sin w 0 t soll die Kreuzkorrelationsfunktion Fs1s2 nach Gleichung (X.21) gebildet werden:
Beispiel X.2: Von den zwei Signalen
Φui (τ ) = lim
T Æ•
1 2T
+T
Ú uˆ ◊ sin ω t ◊ iˆ ◊ sin ω (t + τ ) dt 0
-T
0
X Zufällige Signale
1121
Unter Verwendung eines Additionstheorems und einiger Rechnung folgt mit j = w0 · t:
i u ⋅ i u F ui ( j ) = ⋅ cos j = ⋅ ⋅ cos j 2 2 2 Das ist die Wirkleistung in Abhängigkeit von der Verschiebung t bzw. j. Wird nur s1 verwendet und die Autokorrelationsfunktion nach Gleichung (X.11) gebildet, erhält man: F uu ( t ) = lim
T →∞
+T
Beispiel X.3: Bei der Fertigung von Geräten sind 5% fehlerhaft.
Zur Qualitätskontrolle werden Stichproben durchgeführt, indem ein beliebiges Gerät entnommen, geprüft und wieder zurückgestellt wird. Anschließend wird das nächste Gerät entnommen usw. Das geschieht insgesamt 50mal. Gesucht ist die Wahrscheinlichkeit, unter den 50 untersuchten Teilen genau fünf fehlerhafte zu finden. Mit N = 50, p = 0,05, q = 0,95, x0 = 5 ergibt sich: ⎛ 50 ⎞ w ( x 0 = 5 ) = h ( 5 ) = ⎜ ⎟ ⋅ 0 , 05 5 ⋅ 0 , 95 45 = 0 , 0658 ⎝ 5⎠ Die Wahrscheinlichkeit beträgt 6,58%.
1 2 ∫ u ⋅ sinw 0 t ⋅ sinw 0 ( t + t ) dt 2 T −T
u 2 ⋅ cosj . 2 Die Ähnlichkeit ist maximal, wenn die Zeitverschiebung Null ist. Fuu stellt, bis auf den Maßstabsfaktor 1/R (Ohmscher Widerstand), die Wirkleistung dar. Anschaulich einsichtig ist, daß sie am größten ist, wenn die Ähnlichkeit des Signals mit sich selbst am größten ist. Der für Fuu berechnete Ausdruck ist Null für j = ±90°, und damit sind nach Gleichung (X.11a) die Sinus- und die Cosinusfunktion orthogonale Funktionen.
und daraus F uu ( j ) =
2 Verteilungen Um die in der Praxis gegebenen Abhängigkeiten formelmäßig wiedergeben zu können, sind unterschiedliche Wahrscheinlichkeitsfunktionen entwickelt worden. Hier sollen drei betrachtet werden.
2.2 Poissonverteilung Betrachtet werden Ereignisse, die zu zufälligen Zeitpunkten stattfinden. x ist die Anzahl der Ereignisse in einem vorgegebenen Zeitintervall, die nicht von der Lage des Zeitintervalls abhängt. Für unterschiedliche aber gleichlange Zeitintervalle ergeben sich auch unterschiedliche Werte für x. Mit steigender Zeitintervallänge steigt auch die Anzahl der Ereignisse. Die Wahrscheinlichkeit dafür, daß in einem Zeitintervall genau x0 Ereignisse stattfinden, ist durch folgende Formel gegeben: w( x 0 = x ) = h( x ) =
a x −a ⋅e x!
mit a = x
(X.36)
2.1 Binomialverteilung
Sie erfüllt also die Nebenbedingung, daß der Mittelwert, gebildet nach Gleichung (X.4), den Wert a ergibt. Für die Summenfunktion H(x) gilt:
Das Kennzeichen dieser Verteilung ist, daß nur zwei Ereignisse auftreten können, die sich aber gegenseitig
H( x) = ∑
ausschließen ( E , E ) . Die zugeordneten Wahrscheinlichkeiten w werden mit p und q bezeichnet:
Beispiel X.4: Messungen in einer verkehrsberuhigten Zone haben
w( E ) = p ; w( E ) = 1 − p = q
(X.31)
Das Experiment wird N-mal wiederholt. Es gilt: ⎛ N⎞ w ( x 0 = x ) = h( x ) = ⎜ ⎟ ⋅ p x ⋅ q ( N−x ) ⎝ x⎠
(X.32)
Die Funktion h(x) gibt die Wahrscheinlichkeit an, daß bei N Proben (Versuchen) das Ereignis E mit der Wahrscheinlichkeit w(E) = p genau x-mal eintritt und daraus folgend das Ereignis E mit der Wahrschein-
( )
lichkeit w E = 1 − p = q genau ( N − x ) -mal.
Summenfunktion: N
Mittelwert: N ÊNˆ N -x x = Â x ◊ Á ˜ ◊ p x ◊ q( ) = N ◊ p Ë x¯ x =0
(X.34)
Standardabweichung: s=
N ⋅ p⋅q
m=0
a m −a ⋅e m!
(X.37)
folgendes ergeben: 1. Im Mittel fährt alle 10 Minuten ein Auto. 2. Es gilt die Poissonverteilung. Mit a = 1 können folgende Aussagen gemacht werden: 1. Wahrscheinlichkeit, daß in 10 Minuten kein Auto fährt: w( x 0 = 0) = h( 0) =
1 0 −1 ⋅ e = 0 , 368 0!
2. Wahrscheinlichkeit, daß in 10 Minuten genau zwei Autos fahren: 1 2 −1 ⋅ e = 0 ,184 2! 3. Wahrscheinlichkeit, daß in 10 Minuten höchstens zwei Autos fahren: w( x 0 = 2) = h( 2) =
1 0 −1 11 −1 1 2 −1 ⋅e + ⋅e + ⋅ e = 0 , 925 0! 1! 2! 4. Wahrscheinlichkeit, daß in 10 Minuten weniger als zwei Autos fahren: w ( x 0 < 2 ) = w ( x 0 ≤ 1) = H ( 1) = 0 , 74 w( x 0 ≤ 2) = H ( 2) =
⎛ N⎞ w ( x 0 ≤ x ) = H ( x ) = ∑ ⎜ ⎟ p m ⋅ q ( N − m ) (X.33) m=0 ⎝ m ⎠
x
(X.35)
Mit entsprechenden Programmen oder Tabellen können die Werte für h(x) und H(x) bei gegebenem p und x auf einfache Weise bestimmt werden.
5. Wahrscheinlichkeit, daß in 10 Minuten mindestens drei Autos fahren: w ( x 0 ≥ 3 ) = 1 − w ( x 0 ≤ 2 ) = 1 − H ( 2 ) = 1 − 0 , 925 = 0 , 075 6. Wahrscheinlichkeit, daß in 10 Minuten mehr als drei Autos fahren: w ( x 0 > 3 ) = 1 − w ( x 0 ≤ 3 ) = 1 − H ( 3 ) = 1 − 0 , 98 = 0 , 02
2.3 Normalverteilung, Gaußverteilung Die Normal- oder Gaußverteilung wird sehr häufig eingesetzt. Sie beschreibt statistische Vorgänge immer dann, wenn viele unterschiedliche Einflußgrößen
1122
Signal- und Systemtheorie
wirksam sind und diese sich untereinander nicht beeinflussen (siehe dazu „Zentraler Grenzwertsatz der Statistik“ unten). Dichte- und Summenfunktion sind wie folgt definiert:
technik“, Kapitel 4.11.1, Rauschen, sind die wichtigsten Rauschquellen und deren Rauschspannungen bzw. -ströme dargestellt. Hier sollen weitere Einzelheiten behandelt werden.
2
• Zusammenschalten mehrerer rauschender Ele-
h( x ) =
1
⋅e
s ⋅ 2p
1 x−x⎞ − ⋅⎛⎜ ⎟ 2⎝ s ⎠
(X.38)
w( x 0 ≤ x ) = H ( x ) =
x
1
⋅ ∫ e
s ⋅ 2p
1 y−x⎞ − ⋅⎛⎜ ⎟ 2⎝ s ⎠
2
(X.39) dy
H *( y ) =
1 2p
⋅e
mit
y=
x−x s
(X.40)
y
1 2p
1 − ⋅y 2 2
−v ∫ e
2
/2
dv
uR =
4 kTBR
(X.43)
Rauschstrom im Widerstand
y =−∞
Diese Art der Darstellung wird mit ( x , s)-Normalverteilung bezeichnet. Darin ist x der Erwartungswert und s die Standardabweichung. Die Funktion h(x) hat einen glockenförmigen Verlauf („Gaußsche Glockenkurve“) und ist symmetrisch zum Mittelwert x . Die Wendepunkte liegen bei x1, 2 = x ± s. Durch eine Koordinatentransformation kann der Mittelwert in den Koordinatenursprung gelegt werden: h*( x ) =
mente: Ein Widerstand liefert die folgenden Größen: Rauschspannung am Widerstand
(X.41)
−∞
Sie wird (0, 1)-Normalverteilung genannt, ihre Wendepunkte liegen bei ±y. Folgende Angaben werden häufig benutzt: Im Bereich –1 ≤ y ≤ +1 liegen 68,3% der Werte (s-Grenze), im Bereich –2 ≤ y ≤ +2 liegen 95,5% der Werte (2s-Grenze), im Bereich –3 ≤ y ≤ +3 liegen 99,7% der Werte (3s-Grenze). (X.42) Außerhalb der 3s-Grenze liegen demnach nur noch 0,3% der Zufallsgrößen.
• Zentraler Grenzwertsatz der Statistik: Die Summe aus N voneinander unabhängigen stochastischen Vorgängen mit untereinander gleicher, aber beliebiger Wahrscheinlichkeitsdichte strebt für N → ∞ gegen die Gaußverteilung. Beispiel X.5: Die Lebensdauer von Glühlampen bei Nennspan-
nung beträgt etwa 1200 Stunden und ist normalverteilt. Die Standardabweichung liegt bei etwa 100 Stunden. Die Wahrscheinlichkeit, daß die Glühlampe mindestens 1400 Stunden brennt, berechnet sich zu: w(x0 > 1400) = 1 – w(x0 ≤ 1400) = 1 – H(1400) = 1 – 0,977 = 0,023 = 2,3%. Die Wahrscheinlichkeit für eine mindestens 1000stündige Brenndauer beträgt: w(x0 > 1000) = 1 – w(x0 ≤ 1000) = 1 – 0,023 = 0,977 = 97,7%. Die Wahrscheinlichkeit für eine Brenndauer im Bereich (1000 ... 1400) h liegt bei w(1000 ≤ x0 < 1400) = H(1400) – H(1000) = 0,954 = 95,4%.
3 Rauschen Rauschen ist ein zufälliges Signal, das durch die ungeordnete Wärmebewegung von Ladungsträgern hervorgerufen wird. Im Abschnitt „Nachrichten-
iR =
4 kTB / R
(X.44) –23
k Boltzmann-Konstante 1,38 · 10 Ws/K, T absolute (thermodynamische) Temperatur in K, B Bandbreite (ausgewerteter oder berücksichtigter Frequenzbereich) in Hz, R Widerstand in W
Das Ersatzschaltbild eines rauschenden Widerstandes ist in Bild X.2 dargestellt. Zu dem als rauschfrei angenommenen Widerstand R wird eine Rauschspannungsquelle mit einer Spannung nach Gleichung (X.43) in Reihe geschaltet bzw. eine Stromquelle mit einem Rauschstrom nach Gleichung (X.44) parallelgeschaltet. Da es sich um statistische Größen handelt, wird der Mittelwert eingesetzt. Bei der Reihenschaltung zweier rauschender Widerstände werden die rauschfreien Anteile sowie die Quadrate der Rauschspannungen addiert. Das ist möglich und erforderlich, weil die einzelnen Rauschspannungen nicht korreliert sind (Bild (X-2 b): Rg = R1 + R2 ; 2 uRg = 4kT1 BR1 + 4 kT2 BR2 = 4kB (T1 R1 + T2 R2 )
(X.45 a)
Dabei können die Widerstände unterschiedliche Temperatur haben, die Bandbreite ist in der Regel als ausgewerteter Frequenzbereich für beide Widerstände gleich. Sind die Widerstände parallelgeschaltet, wird das Stromquellenersatzschaltbild eingesetzt, und man erhält nach Bild X-2 b: Rg =
R1 R2 ; R1 + R2
(X.45 b)
2 iRg = 4 kT1 B / R1 + 4kT2 B / R2 = 4 kB(T1 /R1 + T2 / R2 )
Es ist üblich, für die Rauschquellen eine Spannungsbzw. Stromrichtung anzugeben, obwohl das nach den Gleichungen (X.43) und (X.44) nicht sinnvoll ist. Enthält ein Signalkreis z.B. neben einem rauschenden Widerstand eine weitere Rauschquelle, die z.B. das Schrotrauschen erfaßt (Abschnitt „Nachrichtentechnik“, Kapitel 4.11.1): is2 = 2 ◊ qe ◊ I ◊ B qe Elementarladung des Elektrons 1,6 · 10 Halbleiterstrom in A, B Bandbreite in Hz
(X.46) –19
As, I Anoden- bzw.
X Zufällige Signale
uR2
1123 Eine Rauschspannung dieser Größenordnung müßte am Bildschirm sichtbar sein, wenn weitere Rauschquellen vernachlässigt werden und wenn nicht zwei Effekte den Wert verringerten: 1. Am Oszilloskopeingang liegt ein Kondensator von etwa 50 pF parallel zum Widerstand, so daß die höherfrequenten Rauschanteile in ihrer Amplitude abnehmen. 2. Der Innenwiderstand der den Oszilloskopeingang speisenden Quelle hat häufig einen niedrigeren Innenwiderstand als der Eingangswiderstand des Oszilloskopes.
R
R
iR2
a) R1 Rg
R2 2 uR1
4 Signalerkennung bei gestörter Übertragung An dieser Stelle können nur die Grundüberlegungen vorgestellt werden, weitere Einzelheiten sind z.B. in [X.1] enthalten. Einige zusätzliche Informationen können im Abschnitt „Nachrichtentechnik“, Kapitel XVII, nachgesehen werden.
2 uRg
2 uR2
4.1 Erkennen versteckter Periodizitäten
2 iRg
R2
R1
2 iR1
Ein Signal sg(t) besteht aus der Summe von Nutzsignal s(t) und Störsignal n(t): sg(t) = s(t) + n(t). Wird von sg(t) die Autokorrelationsfunktion gebildet, entstehen die folgenden Kombinationen:
2 iR2
F s g s g ( t ) = F ss ( t ) + F nn ( t ) + F sn ( t ) + F ns ( t ) .
Rg
b)
Bild X-2 Widerstände als Rauschquelle a) Ersatzschaltbild b) Zusammenschaltung von rauschenden Widerständen folgt für das Quadrat des Gesamtrauschstromes i g2 : i g2 = i R2 + i s2 = 4 kTB / R + 2 q e IB
(X.47)
Formelzeichen siehe Gleichungen (X.44) und (X.46).
Für die Korrelationsfunktionen gilt: FNN(t) = 0
für t ⫽ 0
(theoretisch)
(X.48 a)
Fs1N = 0
für alle t
(theoretisch)
(X.48 b)
Indizes: N für Rauschen (Noise), s1 beliebiges Signal außer Rauschen
Diese theoretischen Werte werden in der Praxis nur angenähert erreicht.
• Kennzeichnung von stochastischen Signalen: Da die Signale in ihrem Verlauf nicht vorhersagbar sind, können nur statistische Größen zur Kennzeichnung verwendet werden. Ist die Entstehung des stochastischen Signals bekannt, lassen sich Leistungsdichte und relative Häufigkeiten im voraus berechnen. Sie beschreiben dann das Signal. Beispiel X.6: Für den Eingangswiderstand eines Oszilloskopes
gelten folgende Werte: R = 1 MW, Temperatur T = 300 K (Ⳏ≈27 °C), berücksichtigte Bandbreite B = 10 MHz. Dann berechnet sich die Rauschspannung nach Gleichung (X.43) zu:
uR = 4kTBR = 4 ◊ 1,38 ◊ 10 -23
VAs 1 V ◊ 3 ◊ 10 2 K ◊ 107 ◊ 106 = 407 mV . K s A
Darin sind Fss(t) und Fnn(t) Autokorrelationsfunktionen, Fsn(t) und Fns(t) Kreuzkorrelationsfunktionen. Sind Nutz- und Störsignal unkorreliert, was in der Regel der Fall ist, ergeben die zwei Kreuzkorrelationsfunktionen Null. Gilt für das Nutzsignal z.B. s ( t ) = u ⋅ sin ( wt + j ) , berechnet sich Fss mit Gleichung (X.11) zu: u 2 Fss ( t ) = ⋅ cos wt . Der Wert der Autokorrelations2 funktion des Störsignals, das sein Entstehen dem Zufall verdankt, nimmt für wachsendes t stetig ab. Dagegen ist Fss(t) periodisch mit konstantem Scheitelwert, so daß das Verhältnis von Nutz- zu Störsignal mit wachsendem t immer größer wird. In der Praxis können nur endliche Zeiten verwendet werden, und damit sind die „Kurzzeitkorrelierten“ Fnn(t), Fsn(t) und Fns(t) noch nicht Null und erschweren die Signalerkennung.
4.2 Signalerkennung allgemein Die Grundlage bildet Gleichung (X.27). Das Signal s1(t) wird gespeichert und anschließend die Kreuzkorrelierte mit den nachfolgenden Signalen gebildet. Sind für ein bestimmtes t das gespeicherte und das ankommende Signal einander proportional, ergibt sich ein maximaler Wert im Korrelator. Er ist gleich dem Maximalwert der Autokorrelationsfunktion Fss.
4.3 Signalangepaßte Filter (matched filter) Nach Gleichung (X.30) muß für ein optimales Filter gelten: H(f) = k · S* 1 (f). Das setzt voraus, daß das zu empfangende Signal in seinem Verlauf bekannt ist, was aber häufig der Fall ist. Im Abschnitt „Nach-
1124
Signal- und Systemtheorie
richtentechnik“, Kapitel XVII.2, sind weitere Einzelheiten aufgeführt. Es kann noch eine Aussage über den Einfluss eines signalangepaßten Filters auf das Verhältnis von Nutzzu Störsignal gemacht werden. Die Spektraldichte von weißem Rauschen sei N0, dann folgt daraus mit Gleichung (X.12) und Gleichung (X.15): lim
T→∞
1 ⋅ SN ( f ) 2T
2
=
N0 2
(X.49)
SN(f) im Intervall –T ... +T enthaltener Rauschanteil
Die im Signal s1(t) enthaltene Energie ist nach einem entsprechendem Ansatz +∞
2 ∫ S 1 ( f ) df = E S 1
(X.50)
−∞
Das quadratische Verhältnis von Nutz- zu Störsignal beträgt: (2) a SN
Korr
=
2 E S1 N0
(X.51)
Bei einem Bandfilter berechnet sich das entsprechende quadratische Verhältnis (hier ohne Ableitung) zu: (2) a SN
BaFi
=
E S1 N 0 BT
(X.52)
B Bandbreite des Filters in Hz, T Signaldauer in s
Darin ist für das – ideale – Filter angenommen worden: |H(f)| = 1 im Bereich –B ... +B, 0 sonst. Bildet man den Quotienten (2) a SN
Korr
(2) a SN
BaFi
2 E S1 N0 = = 2 BT E S1
(X.53)
N 0 BT
so folgt daraus: Das quadratische Verhältnis von Nutz- zu Störsignal ist bei einem signalangepaßten Filter gegenüber einem – idealen – Bandfilter um so größer, je größer die Bandbreite und die Signaldauer sind.
Beispiel X.7: Die praktische Anwendung von Rauschsignalen
und der Korrelation soll an einigen Beispielen gezeigt werden [X.1]. 1. In der Automobiltechnik werden zum Testen der Federungseinrichtungen stochastische Signale eingesetzt, weil sie alle Möglichkeiten der in der Praxis vorkommenden Belastungsfälle erfassen. 2. Zum Messen der Schalldämmung zwischen nebeneinanderliegenden Räumen werden in einem Raum Rauschsignale über Lautsprecher ausgesendet und im Nachbarraum über Mikrofon empfangen. Dieses Verfahren hat gegenüber der Aussendung von Sinussignalen veränderbarer Frequenz den Vorteil, dass im Senderraum keine stehenden Wellen auftreten und das Ergebnis verfälschen. 3. Zum Testen der Störsicherheit von elektronischen Geräten (z.B. Modems) werden Rauschsignale verwendet, weil bei genügend langer Testzeit so gut wie alle Möglichkeiten der in der Praxis auftretenden Störsignale vorhanden waren. 4. Im Abschnitt „Messtechnik“, Kapitel XI.4.2.3, ist ein Verfahren zur Abstandsmessung unter Verwendung der Korrelation beschrieben.
Literaturverzeichnis Literatur allgemein: Holbrook, J. G.: Laplace-Transformationen. Verlag Vieweg + Sohn Braunschweig. 1970 Weber, H.: Laplace-Transformation. Verlag Teubner Wiesbaden. 8. Auflage 2007 Weißgerber, W.: Elektrotechnik für Ingenieure 3. Verlag Vieweg Wiesbaden. 6. Auflage 2007 Literatur zu Kapitel IX: [IX.1] Lechner, W., Lohl, N.: Analyse digitaler Signale. Verlag Vieweg Braunschweig/Wiesbaden. 1990 [IX.2] Doetsch, G.: Anleitung zum praktischen Gebrauch der Laplace- und der Z-Transformation. Verlag Oldenbourg München Wien. 4. Auflage 1981 Literatur zu Kapitel X: [X.1] Ehrenstrasser, G.: Stochastische Signale und ihre Anwendung. Verlag Hüthig Heidelberg. 1974
1125
Sachwortverzeichnis
8051 8085 80C515 8155 8255
637, 638 625, 647, 651, 655 646 628, 629, 630 621, 622, 623, 624
A AAL-Schicht 687 AB-Betrieb 397 Abbildungsgleichung 204 Abbildungsmaßstab 204 A-Betrieb 397 Abfallzeit 414 abgeleitete Größen 166 Abgleichverfahren 758 abhängige Variablen 971 Abhängigkeitsnotation 507 Abklingzeit 247 Abkühlgeschwindigkeit 241 Ablauf-Funktionsplan 707 Ablaufkette 708 Ablaufsteuerung 707 Ablauftabelle 504 Ableitung einer Funktion 138 Ableitungen einiger algebraischer Funktionen 141 Ableitungen einiger transzendenter Funktionen 142 Ablenkempfindlichkeit 745 ABR 688 Abschirmung 795 Absolutbetrag 18 absolute Dielektrizitätskonstante 246 absoluter Leistungspegel 932 absoluter Spannungspegel 932 absoluter Strompegel 932 Absorptionsgesetz 525 Abstandsmessung 807 Abtastfrequenz 926 Abtast-Halte-Glied 1010, 804 Abtasttheorem 926, 1111 –, im Frequenzbereich 927 –, im Zeitbereich 926 Abtastzeit TA 721, 729 Abweichungsfortpflanzung 738 Abweichungsgrenzen 737, 806 Achsenabschnittsform 109 Achsensymmetrie 65 adaptive Deltamodulationsverfahren 1014
Addierer 408, 542, 543, 544, 545 Additionstheoreme 101 Adressbus 594 Adressdecoder 618, 621 Adressdecodierer 620 Adressen 593 Adressenzwischenspeicher 592 Adressierung 652 Adressierungsarten 652 Adress-Latch 628 Ähnlichkeit 65 Aiken-Code 537, 538 Akkumulator 592, 597 Aktionsblock 709, 710 aktiver Hochpass-Filter 412 Aktuatoren 800 akustischer Kurzschluss 1059 Akzeptanzwinkel 1043 algebraische Gleichungen 30 ALGOL 671 Aliasing 804 Aliasing-Effekt 1010 alternative Energien 857 alternierende Reihen 135 ALU 589, 592, 639 Aluminiumoxid 250 Alternativ-Verzweigung 709 Aminoplaste 250 amorph 220 amorphe Metalle 241 Amplitudenmodulation 989 Amplitudenspektrum 922, 1093 –, komplexes 1090 Amplitudenumtastung (ASK) 1002 Amplitudenverstärkung 409 Analog-Digital-Wandler 419 analoge Spannungsmessgeräte 754 analoge Strommessgeräte 755 Analogverstärker 371 Analyse 529, 531, 222 analytische Geometrie 106 Anfangspermeabilität 237 Anfangsreaktanz der Synchronmaschine 908 Angebot 1062 Anion 218, 224 Ankathete 97 Ankerrückwirkungen 837 Anlagenräume 894 Anlassverfahren 824 Anlaufmoment 839
Anomalie des Wassers 184 anorganische Chemie 222 Anpassung 954 Anpassungsfaktor 959 Anreicherungstyp 358 Anschlusskennzeichnung 502 Anschlussplan 504 Anstiegsgeschwindigkeit 421 Anstiegszeit 414 Antennen 978 Antennengewinn 980 Antennengewinnfaktor 980 Antennengewinnmaß 980, 1038 Antennenverlängerung 979 Antialiasingfilter 1112 Antidiffusionsspannung 321 antiferromagnetisch 235 Antiferromagnetismus 286, 235 antiparallelen Ordnung 235 A-Parameter 938 Application Layer 680 Approximation 805 Äquipotentialflächen 229 Äquipotentiallinien 267 äquivalente Umformungen 25 Arbeit im Wechselstromkreis 310 Arbeit 174, 263 Arbeiten an elektrischen Anlagen 905 Arbeitsgerade 372 Arbeitspunkt 372 Arbeitspunkt-Stabilisierung 377 Arithmetik 1 arithmetische Folgen 131 arithmetische Reihen 134 arithmetisches Mittel 17 Arkusfunktionen 104 Aron 765 Array 563, 576 ASCII-Code 539 ASI 800 AS-i-Bus 713 ASIC 576 Assembler 648, 655, 656, 657, 658, 670 Assoziativgesetz 5, 525 astabile Kippstufen 561 Asymptoten 89 asynchroner Verkehr 675, 676 Asynchronzähler 556, 557 ATM Adaption Layer (AAL) 687 ATM 685, 686
1126 ATM-Layer 687 ATM-Netz 686 ATM-Verbindungsklassen 688 ATM-Zelle 687 Atombindung 220 Atome 217 Atomhüllen 220 Atomionen 218 Atomkern 217 Ätzen 510 Aufenthaltsräume 218 Auflösung 668 Aufruf von Funktionen in AWL 707 Aufruf von Funktionsbausteinen in AWL 706 Aufruf von Funktionsbausteinen in FBS 706 Aufstellen von Transformatoren 817 Auftrieb 182 Auftriebskraft 182 Auge 206 Ausbreitungsgeschwindigkeit 194 Ausbreitungskoeffizient 953, 965 ausfahrbare Schaltgeräte 889 Ausgabeeinheit 640 Ausgabeport 620 Ausgangsreflexionsfaktor 970 Ausgleichsgerade 806 Ausgleichsleitungen 779 Ausgleichsstrom 260, 816 Ausgleichszeit 724 Auslöseregel 878 Ausregelzeit 733 Aussageform 1 Ausschaltzeit 414 Ausschlagverfahren 758 Außenleiterspannungen 867 Außenpolmaschine 830 Außenwinkel 50 1-aus-n-Decoder 548 Austauschkopplungen 235 Austauschkräfte 225, 235 Austrittsarbeit 214 Auswahl von Motoren 847 Autokorrelation 807 Autokorrelationsfunktion 929, 1119 Automatische Verstärkungsregelung 1026 Automatisierung 689 Automatisierung von Messabläufen 807 Autoprotolyse 223 Avogadro-Konstante 185, 223 Azetobutyratfolien 250
Sachwortverzeichnis
B Backoff-Strategie 681 Ba – Co-Ferrite 243 Ba-Ferrit 245 Bahngeschwindigkeit 170 Bahnmoment 234 Bandabstand 227, 231 Bandbreite B 309, 990, 1015 Bändchenmikrofon 1055 Bandfilter 1021 Bandpass 413 – aus R-C-Hochfilter 1017 – aus Tiefpassfilter 1017 Bandpassfilter 1015 Bandpassschaltung 309 Bandschema 226 Bandsperre 1015, 413 Bariumtitanat 250 barometrische Höhenformel 182 Basen 223 BASIC 671 Basis 51 Basisanschluss 684, 1069 Basisband 988 Basisband-Durchschaltung 1040 Basisbandsignal 988 Basiseinheiten 165, 736 Basisgrößen 165 Basisschaltung 375 Basisspannungsteiler 376 Basisvorspannung 376 BAS-Signal 1030 Bauformen 489, 847 Baugrößen 847 B-Betrieb 397 BCD-Code 537, 538 BCD-Zähler 559 Bedienfeld 712 bedingte Wahrscheinlichkeit 1074 Befehle 649, 670 Befehlsaufbau 648 Befehlsdarstellung 648 Befehlssatz 588, 647 Befehlsvorrat 655 Befehlszähler 589, 590 Befehlszeit 653, 654, 655 Befehlszyklus 653, 654, 655 Begrenzungspegel 333 Beharrungszustand 722, 724 belasteter Generator 971 Beleuchtungsanlagen 911 Beleuchtungsstärke 912, 433 Beleuchtungswirkungsgrad 915 Bemaßung 466 Berechnung von Beleuchtungsanlagen 914 Bernoulli-Gleichung 182 Beschleunigung 167
Beschleunigungsarbeit 175 Beschleunigungsaufnehmer 792 beschränkte Funktionen 79 Besetzungswahrscheinlichkeit 218 Besselfunktionen 998 bestimmte Integrale 151 Bestimmungszeichen für Aktionen 711 Betriebsartenteil 711 Betriebsgrößen 374 Betriebsmittel 478, 496 Betriebsmittelkennzeichnung 499 Beugung 196, 209 – am Gitter 209 – am Spalt 209 Beweglichkeit 225 Bezeichnung von Elektroblechen 239 bibliotheksfähige Programme 692 BiCMOS 563, 574 bijektive Funktionen 79 Bildaufbau 1029 Bildaustastlücke 1030 Bildebene 1097 Bildsignal 1029 Bildsynchronimpulse 1030 Binär-Code 537 Binomialkoeffizienten 6 Binomialverteilung 1121 binomische Formeln 6 binomischer Lehrsatz 7 Biomasse 865 Biot-Savartsche Gesetz 277 Bi-Phase-Verfahren 1014 bipolarer Leitungsmechanismus 231 bistabile Kippstufe 550 Bit 521 Bittersche Methode 239 Blechdicke 237, 239, 241 bleibende Regeldifferenz 727 Blindleistung 312, 764 Blindleistungsmessung 767 Bloch-Wände 284 Bloch-Wandverschiebungen 235 Blockierbereich 341 Blockkodes 1076 Blockkondensator 269 Bode-Diagramm 409 Bodenwelle 984 Bogenmaß 64 Bohrsches Magneton 233, 283 Bohrsches Atommodell 217 Boltzmann-Konstante 185, 212 Bottom-Up-Methode 673, 674 Brechung 196, 1042 Brechungsgesetz 202
Sachwortverzeichnis
1127
Brechungsindex 202 Breitbanddipol 983 Breitband-Frequenzmodulation 998 breitbandige Verstärker 977 Breitband-ISDN 685 Brennstoffzellen 865 Brennweite 204 Brewsterscher Winkel 210 Brönsted 223 Bruchgleichungen 34 Bruchrechnung 8 Brückenspannung 262 Brummspannung 334 Btx plus 1068 Bündelfunk 1071 Bündelleiter 871 Bürstenfeuer 838 Buschbeck-Diagramm 972 Bussysteme 797 Bustiming 592, 593 BUS-Treiber 618 Byte 521
–, unbewerteter 537 –, ungewichteter 537 Codetabellen 537 Codewandler 547, 548 Codierer 548 Codierung 537 Compact Disc 664 Compiler 672 Complementary MOS 571 Computer 659 Cooper-Paare 228 cos φ 764 Coulombsches Gesetz 265 C-Parameter 938 CPU 590, 591, 595, 598, 600, 601, 602, 639, 653 Cross-Effekt 1032 CSMA/CD-Verfahren 681, 1068 Curie-Gesetz 283 Curie-Temperatur 230, 235, 241, 244 Curie-Weißsches Gesetz 286 CW-Radar 1049
C
D
C (Programmiersprache) 671 CAD (Computer Aided Design) 514 Candela 213 CAS 615 Cassegrain-Antenne 984 Cavalierisches Prinzip 72 CBR 688 CCIR Europa-Norm 1030 CD-ROM-Laufwerk 659, 664 Cell Switching 685 CELLFLEX-Kabel 963 Central-Process-Unit 588 Chi-Quadrat-Test 740, 805 Chlophene 250 Chrominanzsignal 1031 CISC-Prozessoren 588 Cityruf 1071 CMOS 563, 571, 572 – -Bausteine 573 – -Familie 573 – -Inverter 571 – -NOR 571 – -Schalter 573 – -Technik 431 Code 537 –, alphanumerischer 537 –, bewerteter 537 –, einschrittiger 537 –, gewichteter 537 –, mehrschrittiger 537 –, numerischer 537 –, tetradischer 537
D1-Netz 1072 D2-MAC 1034 D2-Netz 1072 Dahlander 828 Dämpfung 412 Dämpfungsfaktor 931 Dämpfungskoeffizienten 953, 965 Dämpfungsmaß 930, 932, 933, 1015 – bei Bandfiltern 1022 Dämpfungsverzerrungen 930 Data Link Layer 679 Daten 593, 693, 919 Datenbus 588 Datennetze 1066 Datenreduktion 1076 Datenspeicher 643 Datentransport-Befehle 648 Datentyp 693 Datex 1069 Dauerkurzschlussstrom 814 Dauermagnete 239, 243 Dauermagnetwerkstoffe 244 De Morgan 528 De Morgansche Gesetz 525 Decoder 547, 594, 619 Decodierer 620 Decodierung 537, 617 –, unvollständige 617 –, vollständige 617 Deemphase 999 Defektelektronen 227
Defekt(elektronen)leitung 231 Deformationspolarisation 246 Dehnung 181 Dehnungsmessstreifen 783 Deklaration einer Funktion 691 Deklaration eines Funktionsbausteins 692 Delay-Flipflop 552 Delon-Schaltung 338 Deltamodulation (DM) 1014 Delta-Sigma-Modulation 1014 Demand Priority 682 Demodulation von AM 992 Demodulation von Frequenzmodulation 1001 Demodulation von Phasenmodulation 1001 Demultiplexer 548, 550 Determinanten 39 Dezimalsystem 14 Dezimalzahlen 14 d-Flipflop 551 d-Funktion 1107 DGPS: Differential Global Positioning System 1042 Diagramme 495 diamagnetische Materialien 234 Diamagnetismus 283, 234 Diamantgitter (dia) 220 Dielektrika 268 Dielektrikum 246 dielektrische Verlustzahl 248 dielektrischer Verlustfaktor 248 Dielektrizitätszahl 268 –, relative 246 Differentialrechnung 131 Differentialrelais 894 Differentiationsregeln 139 Differentiator 410 Differenz-Pulscodemodulation (DPCM) 1014 Differenzverstärker 402, 748 Differenzverstärkung 403 Diffusion 321 Diffusionsverfahren 328 Digitalbausteine 567 digitale Abtastregelung 729 digitale Filter 1023 digitale Spannungsmessgeräte 754 digitale Strommessgeräte 755 digitaler Schrittregler mit PI-Verhalten 732 Digitalisierung 802 Digitalisierungsfehler 802 Digitalmultimeter 752 Digitalschaltungen 562 Digitaltechnik 521 Digitalvoltmeter 751, 754 Dioptrie 204
1128 Dipol 266, 978 Dirac-Impuls 1107 Disjunktive Normalform 699 Diskette 659, 660 Diskettenlaufwerk 662 Diskriminante 28 Dispersion 202, 954 dissoziierte Moleküle 224 Distanzrelais 894 Distributivgesetz 5, 525 divergente Folgen 133 DMA 596 DM-Verfahren 1014 D-Netz 1072 Dodekaeder 73 Domänen 235 Donator 231 Doppel-Kreisdiagramm 976 Doppelschlussmotor 842 Doppel-T-Filter 948 Dopplereffekt 197 Dot Pitch 668 Dotieren 231 Dotierung 320 – p-Dotierung 231 Drachen 58 Drahtbruchsicherheit 700 Drahtpotentiometer 775 DRAM 615 Dreheisen-Messwerk 742 Drehfeld 820 Drehfrequenz 786 Drehimpuls 178 Drehmomente 177, 783 Drehprozesse 235 Drehspul-Messwerk 741 Drehstromasynchronmaschine 821 Drehstrombrücken 846 Drehstrom-E-Kern 241 Drehstrommaschinen 820 Drehstromnetze 866 Drehstromsynchronmaschinen 830 Drehstrom-Transformatoren 815 Drehung gegen den Uhrzeigersinn 976 Drehung im Uhrzeigersinn 976 Drehzahl 170, 786 Drehzahlsteuerung 826, 839 Dreiecke 50 – gleichschenklige 51 – gleichseitige 51 – rechtwinklige 51 Dreieckschaltung 314 Dreieckswinkel 50 Drei-Finger-Regel 279 Driftgeschwindigkeit 253, 225 Drosselspulen 818 Druck 181
Sachwortverzeichnis Druckentlastungsklappen 891 Drucker 669 Druckwasserreaktor 861 DSR – Digitales Satellitenradio 1041 Dual-Code 537 Dual-Gray-Codierer 530 Dualsysteme 14, 532 Dualzahlen 14, 534, 535 Duhamelsches Integral 1107 Durchflussmessung 787 Durchflusswandler 456 Durchflutung 276 Durchgangswiderstand 247 Durchlassbereich 1015 Durchschlagfestigkeit 248 Durchschnittsbeschleunigung 167 Durchschnittsgeschwindigkeit 166 Duroplaste 250 Dynamik 921 dynamischer Durchlasswiderstand 324 dynamisches System 1058 Dynamoblech 239
E E/A-Bausteine 627, 631 E01-Welle im Rundhohlleiter 965 E11-Welle im Rechteckhohlleiter 965 E1-Netz 1072 Echtzeitübertragung 922 ECL 563, 570 Editor 672 EE-Formen 241 EEPLD 577 EEPROM 611, 612 Effektivwert 295, 929, 739 Eichbehörde 735 Eichen 735 Eigendrehimpuls 218 Eigenleitfähigkeit 231 Eigenleitung 319 Eigenrotation 218 Eindringtiefe 961, 962 Einerkomplement 536, 544 einfaches Polygon 60 Eingabeeinheit 640 Eingabeport 619 Eingangsimpedanz 955 Eingangsreflexionsfaktor 970 Eingangsruheströme 405 Eingangsspannungsteiler 754 Eingangswechselspannung 372 Eingangswiderstand 981 Einheiten 735 Einheitsmatrix 40
Einkristall 220 Einlagerungs-Mischkristalle 222 Einleiterstromwandler 820 Einmoden-Stufenindex 1044 Einphasen-Asynchronmotoren 833 Einphasennetze 866 Einquadrantenantrieb 844 Einrichtungstreiber 618 Einschaltzeit 414 Einseitenbandmodulation (ESB, SSB) 993 Eintakt-Betrieb 397 Einzelelement-Variable 693 Einzelkompensation 909 EIRP, equivalent isotropically radiated power 1041 EI-Schnitte 241 Eisen 239 Eisenfüllfaktor 241 Eisenkerne 809 Eisenverlustleistung 811 Elastischer Stoß 176 Elastizitätsmodul 181 Elektreten 247 Elektret-Kondensatormikrofon 1057 elektrische Energieanlagen 857 elektrische Feldkonstante 265, 246 elektrische Leiter 230 elektrische Nichtleiter 239 elektroakustische Wandler 1051 Elektrobleche 239 –, kornorientiert 239 Elektrochemie 224 elektrochemisches Äquivalent 225 elektrochemische Spannungsreihe 224, 225 Elektrofachkräfte 905 Elektrolyse 224 Elektrolyte 224 elektrolytisch raffiniertes E-Kupfer 230 elektromagnetische Schwingungen 433 elektro-magnetisches System 1058 elektromechanischer Wandler 249 elektronegative Gase 249 Elektronegativität 220 Elektronegativitätsskala 224 Elektronen 217 –, spinkompensierte 228 Elektronengas 220, 225, 226 Elektronenhülle 217 Elektronenpolarisation 246 Elektronenvolt 214, 268, 218 Elektronisches Lastrelais 458 Elektrostatisches System 1058
Sachwortverzeichnis elektrotechnisch unterwiesene Personen 905 elektrotechnische Normung 494 Elementarbereiche 235 Elementarladung 253 Elementarvierpole 937 Elementarwelle 195 Elementarzelle 220 Elemente 217 – galvanische 225 Ellipse 115 elliptischer Wellenrohrhohlleiter 966 eMail 1068 Emitter Coupled Logic 570 Emitterschaltung 374 Empfindlichkeit 735, 777 EMV-Richtlinie 717 Endgerät 1062 Endstufe 392 Endtransistoren 401 Endverbindungsstelle EVSt 1063 Energie 176 – eines Kondensators 271 – in einer Spule 293 Energiebänder 226 Energiebedarf 858 Energiedichte 243 Energieerhaltungssatz 176 Energieniveau 218, 225 Energieprodukt 243 Energieversorgungsunternehmen (EVU) 857 englische Norm 1030 Entfernungsauflösung 1049 Entladen eines Kondensators 273 Entladungslampen 913 Entmagnetisierung 236 Entmagnetisierungskurve 243, 244 Entropie 920 Entschwefelungsanlagen 862 Entstaubungsanlagen 862 E-Nummer 966 Epitaxie-Verfahren 328 Epoxidharze 251 EPROM 609, 610 Erdanziehungskraft 180 Erdatmosphäre 985 Erdschlussgefahr 700 Erdschlussrichtungsrelais 894 Erdungsschalter 893 E-Reihen 486 ergodischer Prozess 1119 ERMES 1071 Ersatzschaltbild der Asynchronmaschine 821 Ersatzschaltbild 812, 506 Ersatzschaltplan 504 Ersatzschaltung von Kabeln 884
1129 Ersatzschaltung von Leitungen 884 Ersatzspannungsquelle 259 Ersatzstromquelle 260 Erwärmung 872 Erwartungswert 737 Erweitern 8 Erzeugung von Frequenzmodulation 999 Erzeugung von Phasenmodulation 999 erzwungene Schwingungen 190 Ethanol 222 Ethernet 680, 681, 682 Ethernet Controller 681 Ethylalkohol 222 ETSI 678 Eulersche Formel 23 EURO-ISDN 1070 Euromessage 1071 Eurosignal-System 1070 Explosionszeichnungen 476 Exponentialfunktionen 95, 143 Exponentialgleichungen 35 – Extremwerte 144 3-Excess-Code 537
F Fadenkonstruktion 120, 122 Fadenpendel 190 Faktorregel 140, 148 Fakultäten 6 Fallgeschwindigkeit 168 Faltungsintegral 1110 Faltungskodes 1076 Faltungskodierer 1077 Fan Out 564 Fano (Kodierverfahren) 1075 Faraday-Konstante 225 Farbartsignal 1031 Farbbildröhre 668 Farbfernsehtechnik 1031 Farbhilfsträger 1031, 1032 Farbmonitor 667 Farbsättigung 1031 Farbton 1031 Fast Packet Switching 685 FAST 566 FBAS-Signal 1032 FDDI 683 FeAlNiCo-Legierungen 244 FeAlNi-Legierungen 244 Federkonstante 171 Federpendel 189 Fehler 736 – eindimensionale 221 – nulldimensionale 220 Fehlererkennende Kodes 1076 Fehlerfortpflanzung 738
Fehlerkorrigierende Kodes 1076 Fehlerstromschutzschalter 898 Feld (Array) 693 Feldbussystem 713 Feld in einer Ringspule 276 Feld um einen Leiter 276 Feldlinien 266 Feldplatten 229, 772 Feldstärke 236 – elektrische 266, 225, 248 Feldverläufe in einem RechteckHohlleiter 964 Feld-Wellenwiderstand 965 FeNiCuCo-Legierungen 244 FeNiCu-Legierungen 244 Fermi-Funktion 226 Fermi-Niveau 226 Fernfeld 979 Fernglas 207 Fernsehtext 1033 Fernsprechapparat 1062 Fernsprechnetz 1068 Ferrimagnetismus 286, 235 Ferritantenne 982 Ferrite 239 –, hartmagnetische 244 –, kubische 239 Ferroelektrika 247 Ferromagnetika 239 Ferromagnetismus 284, 235 fest eingebaute Betriebsmittel 889 feste Lösungen 222 Festigkeit 217 Festplatten 659, 663, 664 Festpunktzahlen 534, 535 Festspannungsregler 454 Festwertspeicher 608 Filter 1015 – digitale 1023, 807 – keramische 1022 – nichtrekursive 1024 – rekursive 1024 – selektive 413 FI-Schutzeinrichtung 904 Flächeninhalt 51 Flächenwiderstand 961 Flagregister 589, 649, 650 Flags 650, 655, 656, 657 Flankenauswertung 701 Flankensteilheit 420 Flash-EPROM 612 FLEXWELL-Kabel 963 Flipflop 550, 551, 552 Floppy-Disk 659 Floppy-Disk-Computer 663 Floppy-Disk-Controler 662 Flügelradzähler 788 Flussdichte 278, 234, 236 – magnetische 771, 772
1130 Flüssigkristalle 438 Flussschläuche 228 Foliendicke 786 –, Messung 786 Footprint 1041 Formatierung 660 Formelsprache 222 Formfaktor 741, 757 FORTRAN 671 Fotodiode 777, 778 Fotoelement 436 Fotovervielfacher 777, 778 Fotowiderstand 776, 778 Fourier 453 Fourierreihe 157, 923 –, komplexe 923, 1089 –, reelle Fourierreihe 1089 Fouriertransformation 923, 807, 1088, 1093 –, diskrete (DFT) 925, 1113 –, schnelle (Fast Fourier Transform, FFT) 925, 1114 Fourierzerlegung 807 FPGA 577 Französische Norm 1030 Freilaufdiode 416 Freileitungen 870 Freiraumdämpfung 981, 1038 Freiraumdämpfungsmaß 982 Fremdatome 220 fremdgeführter Stromrichter 450 Frenkel-Defekt 221 Frequenz 170, 189 –, kritische 965 Frequenzabstand 927 Frequenzdiversity 1038 Frequenzen 753 Frequenzgang 409 Frequenzkompensation 406 Frequenzmessung 789 Frequenzmodulation (FM) 996 Frequenzmultiplexverfahren 1036 Frequenzteiler 555, 556 Frequenzumtastung (FSK) 1003 Frequenzverhältnis 966 Frequenzverkämmung 1031 Führungsgröße 719, 720 Füllstandsmessung 786 Funkelrauschen 928 Funkfelddämpfung 981 Funkmesstechnik 1048 Funktelefonsysteme 1071 Funktionen 76, 691 – ganze rationale 82 – gebrochene rationale 89 – Grenzwerte 136 – injektive 79 – komplexe 80 – konstante 82, 139
Sachwortverzeichnis – Krümmungsverhalten 144 – kubische Funktionen 30, 87 – periodische 79 – reelle Funktionen 80 – surjektive 79 – symmetrische Funktionen 78 – transzendente 95 – trigonometrische 142 – Wendepunkte 145 Funktionenreihen 155 Funktionsbaustein 691 Funktionsgleichung 76 Funktionskleinspannung 902 Fusionsreaktor 866 Fußpunktwiderstand 981
G GAL 577, 581, 582, 583 galvanische Kopplung 392 Gangunterschied 194 Gärtnerkonstruktion 118 gasdicht metallgekapselte Sammelschiene 890 Gaskonzentrationen 781 Gatespannungsteiler 386 Gatter 521 Gatterlaufzeit 565 Gauß-Filter 412 Gaußverteilung 1121 Gebührenzähler 1065 gebundene Ladungen 246 gedämpfte Schwingungen 190 gedruckte Schaltungen 509, 514 Gegeninduktion 292 Gegeninduktivität 292 Gegenkathete 97 Gegenkopplung 377 Gegenstrombremsen 840 Gegenstrombremsung 826, 841 Gegentakt-Betrieb 397 gekapselte Schaltanlage 889 Genauigkeitsklassen 739 geometrische Folgen 132 geometrische Optik 200 geometrische Örter 50 geometrische Reihen 134 geometrischer Mittelwert 1118 geometrisches Mittel 17 geostationäre Umlaufbahn 1039 gerade Kreiszylinder 69 Gerade 46, 108 Geradeausempfänger 1025 Geradengleichungen 108 Geräusch 1051 Geräuschabstand 803 Geräuschmessung 807 Germanium 231 Gesamtrauschzahl 928
geschlossener Transformationsweg 976 Geschwindigkeit 166 Geschwindigkeitssensor 792 Gesetz von Boyle-Mariotte 185 Gesetz von Gay-Lussac 185 Gewicht eines Kodewortes 1076 Gewichtskraft 171 Gewinde 475 Gezeitenkraftwerke 863 Gibbsches Phänomen 1089 Gitterfehler 220 Gitterkonstante 220 Gittermonochromatoren 210 glasfaserverstärkte Kunststoffe 251 Glasieren 250 Glättungsdrosseln 448 Gleichgewichtige Kodes 1076 Gleichstrombremsung 825 Gleichstromgeneratoren 842 Gleichstrommaschinen 836 –, Aufbau 837 Gleichstrom-Messbrücken 758 Gleichstromnetze 866 Gleichstromschalter 459 Gleichstromsteller 447, 458 Gleichstromumrichter 447 Gleichstromvormagnetisierung 238 Gleichtaktunterdrückung 403 Gleichtaktverstärkung 402, 403 Gleichtaktwiderstand 405 Gleichungen 24, 25, 26, 27 – logarithmische 36 – transzendente 35 – trigonometrische 36 Gleitpunktzahlen 534, 536 Glimmer 249 Glitches 565 Global Positioning System 1041 Glühlampen 913 Gosstexturen 241 Grad n eines Filters 1015 GRAFCET 708 Grafikkarten 668 Graph einer Funktion 77 graphische Darstellung 805 Gravitationskonstanten 180 Gravitationskraft 180 Gray-Code 537, 538, 791 Grenzdaten 563 Grenzflächenpolarisation 246 Grenzfrequenz 1015, 355 –, obere 309 –, untere 309 Grenzfrequenz (RC) 307, 308 Grenzfrequenz (RL) 308, 309 Grenzwerte 323 – einseitige 136
Sachwortverzeichnis – im Unendlichen 137 Größengleichungen 735 Größenwert 735 Grundfunktionen 521 Grundgrößen der Lichttechnik 911 Grundlast 858 Grundverknüpfungen 521, 522, 523 Gruppengeschwindigkeit im Plasma 985 Gruppengeschwindigkeit 954, 964 Gruppenkompensation 909 Gruppenstrahler 983 Gruppenwähler 1063 Güte Q 1015 Gütefaktor, Messung von L, C 769
H
H10-Welle im Rechteckhohlleiter 965 H11-Welle im Rundhohlleiter 965 Halbaddierer 542 Halbbrücken 761 Halbduplex-Betrieb 1066 Halbleiter 227, 230 Halbleiterspeicher 604 Halbmetalle 217, 218 Halbwellenbetrieb 344 Halleffekt 228, 281 Hallgenerator 229 Hallkoeffizient 281 Hallsonden 281, 771, 772 Hallspannung 281, 228 Hallwinkel 228 Hammerstad 967 Hamming-Code 541, 542 Hamming-Distanz 1076 Hangabtriebskraft 172 Hardware 588, 514 harmonische Reihen 135 harmonische Schwingungen 1108 harmonisches Mittel 17 Hartmagnetika 239, 243 hartmagnetische Metalloxide 244 Handlungen im Notfall 718 Häufigkeit 1118 Häufigkeitsverteilung 739 Hauptenergieniveau 218 Hauptgruppen 218 Hauptquantenzahlen 218 Hauptverkehrsstunde 1062 HDK-Materialien 248, 249, 250 HDTV 1033 Heizleiter 230 Heliumkühlung 227 Helligkeitssignal 1031 Helmholtzsche Überlagerungsverfahren 261
1131 Hertzscher Elementardipol 978 heteropolare Bindung 220 Hexadezimalsystem 534 Hexadezimalzahlen 534 Hexaeder 73 hexagonal dichteste Packung (hdp) 220 High-Speed-CMOS 574 Histogramm 739 hochdielektrische Keramik 248 Hochfeld-Supraleiter 228 Hochfrequenzdurchschaltung 1040 Hochfrequenzkerne 239 Hochfrequenz-Koaxialkabel 961 Hochfrequenzleitungen 961 Hochfrequenzschaltung 1056 hochohmige Leitungsabschnitte 969 Hochpassfilter 1015 Hochpassschaltung mit RC-Glied 307 Hochpassschaltung RL-Glied 307 Hochspannungskaskadenschaltung 338 Hochspannungsschaltanlagen 889 Hochtemperatur-Supraleiter 233 Höhensatz 54 Höhenschnittpunkt 52 höhere Ableitungen 141 Hohlleiter 963 –, elliptisch 964 –, Querschnittsformen 964 Hohlzylinder 69 Homebanking 1068 homöopolare Bindung 220 Hooksches Gesetz 181 Hörer 1059 Hörer-Systeme 1058 Horizontalfrequenz 667 Horizontalsteuerung 347 Horner-Schema 89 Hörschall 1051 Hörschwelle 1052 H-Parameter 938, 354 Hubarbeit 175 Huffman (Kodierverfahren) 1075 Hüllelektronen 218 huygensches Prinzip 195, 209 Hybrid-Technik 431 Hydroniumionenkonzentration 223 hydrostatischer Druck 181 Hydroxide 223 Hydroxyl-Gruppe 223 Hyperbel 115, 118 Hypotenuse 51, 52, 97 Hysterese 284, 236 Hysteresekurveschleife 236 Hystereseschleife 243, 247, 772 Hysterese-Verlustleistung 237
I I/O-mapped-Adressierung 618 IEC-Bus 798 Ikosaeder 73 Impedanz des Asynchronmotors 908 Impedanzen 762 Impedanzwandler 375 Impuls SI 174 Impulsbetrieb 415 Impulserhaltungssatz 174 Impulsverbreiterung 1043 Impulswahlverfahren 1063 Impulszeitplan 521 Induktion 289 Induktionsflussdichte 282 Induktionsgesetz 291 induktive Aufnehmer 776 induktiver Blindwiderstand 298 Induktivität 292 Induktivitätsmessbrücke 771 Industrial Ethernet-TCP/IP 716 Industrielle Kommunikation 714 induziertes magnetisches Moment 234 inelastischer Stoß 176 Influenz 268 influenzierte Ladungen 246 Information 919 Informationseinheiten 521 Informationsfluss 921 Informationsgehalt 919 – mittlerer 920 Inforuf 1071 Infraschall 1051 Inklination 275 Inkreis 52 inkrementale Wegaufnehmer 791 in-line-Röhre 667 Innenpolmaschine 830 Innenwiderstand 260, 754 innere Reibung 183 innere Magnetisierungskennlinie 238 Installationsplan 505 Instanziierung 691 Instrumentenbeschriftungen 744 Integralrechnung 131, 148 Integrationsdichte 429 Integrationsregeln 148 Integrator 409 integrierte Schaltkreise 562 integrierte Schaltungen 429, 563 integrierte Standardbausteine 523 integriertes Datennetz IDN 1069 integriertes Textnetz 1069 INTERBUS-S 713
1132 Intercarrier-Verfahren 1028 Interface 588, 618 Interfaceschaltungen 441, 575 Interferenz 194, 208 internationales Fernnetz 1065 Internet 1068, 1072 Interpreter 672 Interrupt 595, 596, 597, 598, 642, 651, 652 Interrupteingänge 651 Interrupt-Programm 598 Interruptroutine 596 Intervall 19 Intrinsicdichte 230 Intrinsicleitfähigkeit 231 Intrinsiczahl 231 inverse Spinelltypen 239 Inversion 976 Ionenbindung 220 Ionenimplantation 231 Ionenkonzentrationen 223 Ionenpolarisation 246 Ionenprodukt des Wassers 223 Ionisierungsfeldstärke 249 – irrationale 93 I-Regelfunktion 727 I-Regler 727 I-Strecke 724 Iridium 1071 irreversible Drehungen 235 irreversibler Bereich 243 IR-Strahlung 246 IS-Begrenzer 893 ISDN 675, 684, 685, 686, 1069 ISDN-Basisanschluss 685 isentrope Zustandsänderung 187 Isentropenexponent 188 ISO 678, 679 isobare Zustandsänderungen 187 isochroner Verkehr 675 Isolationsgüte 248 Isolationsüberwachung 904 Isolationswiderstand 247 Isolationszeitkonstante 248 Isolatoren 226, 247 Isolieröle 250 Isolierpapier 250 Isolierstoffklassen 850 Isotherme Zustandsänderungen 187 ITU 678
J Jahreswirkungsgrad 815 JEDEC 579 JEDEC-Datei 580, 581 JK-Flipflop 552 Justieren 735
Sachwortverzeichnis
K Kabel 871 Kabeldämpfung 961 Kalibrieren 735 Kalibrier-Spannungsquelle 748 Kaltleiter 230 Kanalkapazität 921 Kanalkodierung 1076 Kapazität 268, 269, 753 – einer Leitung 269 Kapazitätsbelag 962 Kapazitätsmessbrücke 771 kapazitive Aufnehmer 775 kapazitive Kopplung 392 kapazitiver Blindwiderstand 298 Karbonyl-Eisen(pulver) 239 kartesisches Koordinatensystem 106 Kathete 51 Kathetensatz 53 Kation 218 Kationen 224 katodischer Korrosionsschutz 225 Kegel 71 Kegelschnitt 115, 116 Kegelstumpf 72 Kehrwert 4 Kellfaktor 1028 Kenndaten 563, 324 Kenngrößen 806 Kennimpedanz 1051 Kennlinienfelder 352 Kennwiderstand 754 Keplersche Gesetze 180 keramische Massen 250 keramische Werkstoffe 239 Kernbleche 241 Kernformen 243 Kernkraftwerke 860 Kettenleiter 959 Kettenregel 141, 149 Keyboard 665 K-Faktor 783 kinetische Gastheorie 186 Kippmoment 823 Kippschaltung 417 Kippvorgang 417 Klammerrechnung 5 Klassierung 740, 806 Kleinsignal-Transistoren 351 Kleinsignalverhalten 354 Klirrdämpfung 931 Klirrfaktor 931, 1012 Knickbereich 243 Knoten 970 Knotenflächen 218 Knotenregel 256 Knotenregister 1065
Knotenvermittlungsstelle KVSt 1063 Koaxialkabel 961 –, Feldlinienbild 964 Kodierung 1013, 1073 Koerzitivfeldstärke 284, 236, 247, 773 Kohärenzlänge 208 Kohlemikrofon 1054 Kohlendioxid 249 Kohlestaubbefeuerung 860 Kollektorschaltung 375 Kombikraftwerke 860 Kommunikationsnetze 1066 Kommutativgesetz 5, 525 Kommutierung 450 Kommutierungskurve 236 Kompandierung 1012 Komparatoren 421, 546, 547, 545 Kompensationsanlagen 909 Kompensationsverfahren 751 Kompensationswicklungen 838 Kompensator 755 Komplementärtransistoren 398 Komplementwinkel 48, 98 komplexe Widerstände 975 komplexe Zahlen 3, 19, 20, 21, 296 komplexer Frequenzgang 929 komplexer Reflexionsfaktor 973 komplexes Wellendämpfungsmaß 948 Kompressibilität 181 Kondensatoren 268, 248 Kondensatormikrofon 1056 Kondensatormotor 833 konjugiert komplexe Anpassung 972 konjugiert komplexer Reflexionsfaktor 977 konjugiert komplexer Abschlusswiderstand 971 konstante Anpassungsfaktoren 972 Konstantstromquellen 390, 400 Kontaktplan (KOP) 1063 Kontinuitätsgleichung 182 konventionell richtiger Wert 736 Kopfhörer 1059 Koppelkondensatoren 380 Koppelmatrix 677 Koppelnetz 1061 Kopplungsfaktor 1021 Korn 220 Korngrenzen 221 Korngrenzflächen 221 Kornorientierungen 221 Korpuskel 200
Sachwortverzeichnis Korpuskulartheorie 200 Korrektion 736 Korrelation 1082 Korrosion 225 Korrosionsbeständigkeit 242, 244 Kosinus 97 Kosinusfunktion 99 Kosinuskurve 100 Kosinussatz 102 Kotangens 97 Kotangensfunktion 100 Kotangenskurve 100 kovalente Bindung 220 Kraft 171 Kraftmessdose 783 Kraftmessung 783 Kraftstoß 174 Kreisdiagramm 970, 972, 973, 975, 976 Kreise 61, 111, 115 – konstanter Verstärkung im Kreisdiagramm 978 Kreisfrequenz 170, 189, 295 Kreis-Frequenzhub FM 997 Kreis-Frequenzhub PM 997 Kreisgleichung 111 Kreisgüte 310 Kreiskegelstumpf 72 Kreisprozesse 188 Kreisradius für konstante Verstärkung 977 Kreissegmente 61, 62 Kreissektor 61 Kreisstrom 283 Kreuzkorrelation 807 Kreuzkorrelationsfunktion 929, 1120 Kreuzmodulation 993 Kreuzparitätsprüfung 541 Kreuzschaltung 949 Kreuzsicherungsprüfung 541 Kreuzvierpol 949 Kriechspurbildung 248 Kriechspuren 248 Kriechströme 248 Kriechstromfestigkeit 248 Kristalle 220 Kristallgitter 220 Kristallisationstemperatur 241 Kristallit 220 Kristallmikrofon 1055 kritische Wellenlänge 965 kubisch-flächenzentrierte Gitter (kfz) 220 kubisch-primitive (kp) 220 Kugel 74, 115 Kugelkondensator 269 Kugelschicht 75 Kugelsegment 74
1133 Kugelsektor 75 Kugelwelle 194 Kühlart 850 Kühlkörper 326 Kühlung 810 Kunstharzpapier 250 künstlicher Sternpunkt 765 Kurvendiskussion 146 Kurvenformfaktor 741, 757 Kürzen 8 Kurzname 239 Kurzschlussberechnung 907 Kurzschlussfestigkeit 454, 887 –, mechanische 887 –, thermische 888 Kurzschlussläufer 823 Kurzschlussschutz 879 Kurzschlussstrom 260 – dreipoliger 907 Kurzschlussversuch 813 Kurzschlusswiderstand 969 Kurzunterbrechungsrelais 894 Kurzzeichen 881 – für Kabel 873 KUSA-Schaltung 825 KV-Tabelle 529
L l/2-Dipol 979, 983 l/2-Faltdipol 983 l/4-Transformation 973 Lackieren 250 Lackseide 250 Ladekondensator 334 Laden eines Kondensators 272 Lambda-Sonde 782 Lambertsches Gesetz 211 Lambert-Strahler 211 Lampen 912 LAN (local area network) 677, 1066 Land 664 Langdrahtantenne 984 Längenausdehnung von Stromschienen 886 Längssymmetrische passive Vierpole 947 Längstransistor 453 Laplacetransformation 925, 1088, 1096 Laser-Dioden 438 Laserdrucker 669 Lasteinheit 564 Lastschalter 892 Lasttrennschalter 892 Laufwasserkraftwerke 863 Laugen 223 Lautheit 1052 Lautsprecher-Systeme 1058
Lautstärkepegel 1052 Lawineneffekt 331 Layouts 509, 514 LCD-Bildschirm 669 LC-Filter 337 Least Significant Bit 521 Lebensdauererwartung 248 Leerlauf 810 Leerlaufempfindlichkeit 229 Leerlaufleistung 811 Leerlaufverstärkung 403 Leerlaufversuch 812 Leerlaufwiderstand 969 Legierungen 222, 239 Leichtmetalloxide 223 Leistung 175, 263, 1109 Leistungsanpassung 263, 398 Leistungsaufnahme 604 Leistungschalter 479 Leistungsdämpfungsfaktor 931 Leistungsdämpfungsmaß 932 Leistungsfaktor 312 Leistungsfaktormessung 768 Leistungsfluss 822 Leistungshyperbel 331 Leistungsmessung 764 Leistungsschalter 892, 896 Leistungsspektralfunktion 1088 Leistungsübertrager 242 Leistungsübertragungsfaktor 931 Leistungsübertragungsmaß 932 Leistungsverstärkung 972 Leistungswelle 971 Leiter 1. Ordnung 225 Leiter 2. Ordnung 224 Leiterformen 872 Leiterisolierung 872 Leitermaterialien 230 Leiterplatten 432 Leiterwerkstoffe 871 Leitfähigkeit 254 – elektrische 217, 225, 237 Leitkupfer 230 Leitungen 880 – als Transformator 959 – als Vierpol 956 – im Wechselstromkreis 310 – elektrisch kurze 957, 959 – elektrisch lange 958 – unendlich lange 954 – verlustarme 957 – verlustlose 953, 957 – verzerrungsfreie 956 Leitungsband 226 Leitungsbeläge 950 Leitungselektronen 220 Leitungsgleichungen 950 Leitungsimpedanzen 908 Leitungsmechanismus 225
1134 Leitungsschutzschalter 898 Leitungsvermittlung 676 Leitungswähler 1064 Leitweglenkung 1065 Leitwert 254 Leitwertdiagramm 975, 976 Leitwerte 975 Lenzsche Regel 234, 290 Leuchtdichtesignal 1031 Leuchten 913 Leuchtstofflampen 913 Licht 433 Lichtemission 218 Lichtempfänger 1047 Lichtempfindlichkeit 433 Lichtgeschwindigkeit 200, 964 Lichtleiter 203 Lichtquant 200 Lichtquellen 912 Lichtsender 1047 Lichtstärke 437 Lichtwellenlänge 217 Lichtwellenleiter (LWL) 1042 Lifo-Prinzip 590 Likelihood-Bedingung 1077 Likelihood-Viterbi-Dekodierer 1077 lineare Gleichungssysteme 37 lineare Ungleichungssysteme 26, 44, 45, 82 linearer Ausdehnungskoeffizient 184 Linearfaktoren 29 Linearität 1088 Linearmotor 830 Links-Rechts-Stereofonie 1027 Linsen 203 Lissajous-Figuren 192 Listener 798 Löcher 227 Logarithmenrechnung 16 Logarithmus 15 Logarithmusfunktionen 96, 143 Logik 521 Logikschaltungen 563 logische Grundschaltungen 522 logische Grundverknüpfung 698 logische Verknüpfungen 523 lokale Netze 680 Longitudinalwelle 193 Lorentzkraft 279, 741, 772 Loschmidtzahl 223 Löschvorgang 340 Lösungsdruck 225 Lot 48 Low-Power-Schottky 570 LS-Bausteine 566 Luft 249 Lumen 213
Sachwortverzeichnis Luminanzsignal 1031 Lupe 206
M MAC 1034 Machscher Kegel 198 MAG, Maximum available gain 972 Magnetbandgeräte 664 Magnetfeld der Erde 275 Magnetika 238, 239 magnetisch leichte Richtungen 235 magnetisch schwere Richtungen 235 magnetisches (Dipol-)Moment 234 magnetische Feldkonstante 278 magnetische Feldstärke 771, 772 magnetischer Dipol 234 magnetischer Fluss 771 magnetisches Feld 234 magnetisches Moment 280, 234 Magnetisierung 234, 235 Magnetisierungsschleife 236 Magnetostriktion 286 magnetostriktiver Ultraschallgeber 239 MAG-Wert 977 Maschennetz 869 Maschenregel 256 Maschinencode 647 Maschinenrichtlinie 89/392/EG 717 Maschinensprache 647 Maschinenzyklen 595, 655 Masken-ROM 609 Massenspeicher 659 Massenstrom 182 Master 552, 637 Master-Slave-Flipflop 553 Master-Slave-JK-Flipflop 552 Matrixdrucker 669 Matrizen 39 Maus 666 maximale Kurzschlussdauer 880 maximaler Amplitudenfehler 1012 maximaler Quantisierungsfehler 1012 Maximum-Likelihood-Verfahren 1077 Maxterme 526 Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung 186 MC 8051 637 mechanische Deformation 247 Median 740, 805, 1118 Mehrfachübertragung 1034 Mehrfrequenzwahlverfahren 1063
Mehrkanal-Oszilloskope 747 Mehrkanalton 1034 Mehrmoden-Gradientenindex 1044 Mehrmoden-Stufenindex 1044 Memory-mapped-Adressierung 618 Mengen 1 Messabweichung 736, 754 –, absolute 736 –, relative 736, 737 –, systematische 755 Messaufnehmer 774 Messbereich 735 Messbereichserweiterung 754, 756 Messbus 797 Messdatenaufbereitung 794 Messen 735 Messergebnis 735 Messfehler 736 Messgeräte 735, 741 –, analog anzeigende 739 –, digital anzeigende 739 –, digitale 751 –, Fehlerangaben 739 Messglieder 774 Messgliedkoeffizient 774 Messkette 774 Messkettenkoeffizient 774 Messprinzip 735 Messsignalanalyse 805, 806 Messsysteme, Erdung 795 Messumformer 735 Messumsetzer 735 Messung der Arbeit 768 Messung des Klirrfaktors 807 Messverfahren 735 –, analoge 735 –, digitale 735 –, PC-gestützte 805 Messverstärker 795 Messwandler 735 Messwerke 741 – elektrodynamische 743 Messwert 735 Metallfilmwiderstände 230 Metallgläser 241 metallische Bindung 220 metallische Leiter 227 Metallisieren 250 Metalloxide 239 Microstripleitung 967 Mikanit 249 Mikrocomputer 588 Mikrocontroller 636, 637, 644, 645 Mikrofone 1053 – elektro-dynamische 1055 – elektro-magnetische 1055 Mikroprozessoren 588, 589, 590, 634 Mikroskop 207
Sachwortverzeichnis Mikrostreifenleitung 967 Mikrowellenfenster 1037 Mindestgangbreiten 895 Minterme 526 Minutenreserve 870 Mischferrite 241 Mischkristalle 222 – interstitielle 222 Mischspannung 371 Mischung 988 Mitkopplung 377 Mittellast 858 Mittelpunkt 52, 111 Mittelspannungsanlagen 889 Mittelwerte 17, 928 –, arithmetischer 929, 334, 737, 739, 805 –, quadratische 334, 929 Mitte-Seiten-Stereofonie 1027 mittlere Kodewortlänge 1073 mittlere Wartedauer 1062 Mnemoniks 648 Mn – Zn-Ferrite 242 Mobilfunknetze 1070 Moden 1043, 1069 Modendispersion 1043 Modulation 988 –, additive 995 –, an einer nichtlinearen Kennlinie 991 –, an einer quadratischen Kennlinie 990 –, durch Multiplikation 989 –, multiplikative 995 Modulationsgrad 989 Modulationsindex 997 Modulationstrapez 991 Modulator für EinseitenbandAM 994 Modulo-16-Zähler 558 Mol 223 molare Wärmekapazität 186 Momentanbeschleunigung 167 Momentangeschwindigkeit 166 Monitor 666, 667, 668 monochromes Licht 438 Monoflop 560, 561 monomolekulare Silikonschichten 250 – monotone 77 MOS 563 Most Significant Bit 521 Motional Feedback-System 1059 Motormoment 841 Motorregel 279 Motorschutz 850 M-Schnitt 241 Multielement-Variable 693 Multiplexer 548, 549
1135 Multiplexverfahren 1034 Multiplikation 5 Multiscan-Monitor 668 Mutterarten 491
N Nachricht 919 Nachrichtenquader 921 Nachrichtenübertragungssystem 917 Nachstellzeit 727 Nahfeld 979 NAND-Technik 526, 527 nationales Fernnetz 1064 NDK-Materialien 248, 249, 250 n-Dotierung 231 Nebengruppen 218 Nebenquantenzahlen 218 Nebenschlussgenerator 843 Nebenschlussmotor 838 Nebensprechen 993 Nebenwinkel 48 Néel-Temperatur 235 Nennstromregel 878 Network Interface 687 Network Layer 679 Netzabschluss 684 Netzbelastungskurve 858 Netzimpedanz 907 Netzwerkabschluss 1070 Neukurve 236 Neutralisation 224 Neutralleiterstrom 316 Neutronen 217 Newtonsche Axiome 171 Newtonsches Verfahren 147 NF-Bootstrap-Verstärker 411 Nibble 521 Nichtmetalle 217 NICHT-Verknüpfung 522 Nickel 241 niederdielektrische Keramik 248 niederohmige Leitungsabschnitte 969 Niederspannungsrichtlinie 73/23/EWG 717 Niederspannungsschaltanlagen 895 Niederspannungs-Schaltgeräte 896 Niederspannungs-Schaltgerätekombinationen 896 Ni – Zn-Ferrite 243 n-Leitung 231 Normale 115 Normalform 28, 29, 30 –, disjunktive 525, 526 –, hessesche 110 –, konjunktive 526
Normalkraft 172 Normalparabel 84 –, verschobene 84 Normalspannung 180 Normalverteilung 739, 805, 1121 normierte Serienschaltung 973 normierte Verstärkung 977 normierte Verstimmung 1022 normierte Leistungswelle 970 NOR-Technik 526, 527 n-Phasen-Umtastung 1006 NRZ-Verfahren 1014 – n-ten Grades 33, 88 Nukleonenzahl 218 Nullkippspannung 341 Nullmatrix 40 Nullspannungsschalter 457 Nullstellen 89 Nullstellenbestimmung 147 numerische Aperatur 1043 Nutzsignal 988 NVRAM 614 Nyquistflanke 995
O Oberes Seitenband (OS) 990 Oberflächenwiderstand 247 Oberschwingungen 453 ODER-Verknüpfung 523 offene Anlage 889 Öffnungswinkel 980 Offset-Spannung 405 Ohmsche Aufnehmer 775 ohmscher Wechselstromwiderstand 297 Ohmsches Gesetz 254 Oktaeder 73 Öllackpapiere 250 OLMC 582, 583 Ölpapiere 250 Ölseide 250 OPC-Technologie 715 open-collector-Ausgang 406 Operationscode 595, 655 Operationszyklen 655, 656, 657 Operatoren 297 Operatoren der Anweisungsliste (AWL) 696 Optimalfilter 1079 Optimalkodes 1075 optische Aufnehmer 777 Optokoppler 440 Orbitale 218 Orbitalmodell 217 Ordnungspolarisation 246 Ordnungszahl 218 organische Chemie 222 Orientierungspolarisation 246
1136 Orthozentrum 52 Ortskurven für konstante Werte 977 Ortsnetz 1063 Ortsvermittlungsstelle OVSt 1063 Ortsvermittlungstechnik 1062 Oszilloskop 744 Oszilloskopröhre 744 Ovalradzähler 788 Oversampling 804 Oversamplingrate OSR 804 Oxidation 223, 225 Oxide 223
P Pager-Dienste 1071 Paketvermittlung 676, 1060 PAL 577, 578, 579, 580, 581 PAL-plus-Verfahren 1034 PAL-Verfahren 1032 Papier 250 Parabel 115, 120 Parabolantenne 984 Parabolspiegel 201 Parallele 49 parallele Schnittstelle 798 Parallelepiped 68 Parallelogramme 57 Parallelresonanz an einer Streifenleitung 969 Parallelresonanz 305, 310 Parallelschaltung 257 – normierte Parallelschaltung 973 – von Transformatoren 816 – von Wechselstromwiderständen 303 Parallel-Serienumsetzer 554 Paramagnetismus 283, 234 Parität 540 Paritäts-Bit 539 Paritätsbit 540, 541 Parsevalsche Gleichung 1095, 1119 Partialbruchzerlegung 92, 150 Partialsummen 135 partielle Integration 149 PASCAL 671 Pascalsches Dreieck 6 passive R-C-Filter 1016 passive R-C-Hochpassfilter 1017 Passsysteme 468 Pauli 218 Pauli-Prinzip 225 PC 659 PDU 679 PE = Polyäthylen 962, 963 Peer-to-Peer 797 Pegel 521, 563, 932
Sachwortverzeichnis –, absoluter 932 –, relativer 932 Pegeldiagramm 933 Pegelwerte 563, 564 Pendelzeiger 997 Pentaerythrit-Tetraester 250 Perioden 218 Periodendauer 295 Periodengruppensteuerung 458 Periodensystem der Elemente (PSE) 218 Peripheriebausteine 618 Permeabilität 234, 237, 771, 772 –, absolute 237 –, permanente 238, 244 –, relative 282 –, reversible 238 Permittivität 247, 248 – des Wassers 224 Permittivitätszahl 961, 246, 248 –, der Ferrite 242 –, relative 234 PES = Polyäthylen-Schaum 962 Phasenanschnittsteuerung 344 Phasenanschnittwinkel 449 Phasendifferenzkodierung (2-DPSK) 1005 Phasengeschwindigkeit 194, 954, 964 Phasenhub 1000 Phasenhub FM 997 Phasenhub PM 997 Phasenkoeffizient 953 Phasenmaß 930 Phasenmodulation (PM) 996 Phasenregelkreis 1001 Phasenschieberbetrieb 832 Phasenschieberoszillator 426 Phasenspektrum 1093 –, komplexes 1090 Phasenumtastung (PSK) 1003 Phasenverschiebung 295 Phasenverzerrungen 930 Phenoplaste 250 Philbertschnitte 241 Photoapparat 207 Photoeffekt 213 Photometrie 210 Photonen 213 photovoltaische Kraftwerke 864 pH-Skala 223 pH-Wert 223, 780 Physical Layer 679, 687 Physikalisch-Technische Bundesanstalt 736 PID-Abtastregler 731 PID-Regelfunktion 729 PID-Regler 729 Piezoelektrika 247
piezoelektrische Konstante 778 piezoelektrische Effekte 778 piezoelektrisches System 1059 Pinning-Zentren 228 Pit 664 PI-Regelfunktion 727 PI-Regler 727 PI-Schrittregler 732 Planartechnologie 233 Planarverfahren 328 Plancksche Strahlungsformel 212 Plancksches Wirkungsquant 212 Planimetrie 46 Plasmafrequenz 985 platonische Körper 73 Plattenkondensator 270 PLD 563, 576, 577 pLSI 584 – -Bausteine 584 Poissonsche Gleichungen 187 Poissonverteilung 1121 Poissonzahl 181 Polarisation 210, 979, 1041, 246, 778, 779 –, dielektrische 246 –, elliptische 979 –, Frequenzgang 247 –, kreisförmige 979 –, remanente 247 –, magnetische 234 Polarisationsfilter 210 Polarisationskurve 244 Polarisationsstrom 247 Polarisationswinkel 210 Polarkoordinatensystem 106 Pole 89 Polling 595 Polpaare 820 Polradspannung 831 Polradwinkel 832 polychlorierten Biphenylen (PCB) 250 Polyester(-harze) 250 Polyesterimidlack 251 Polyethylen 251 Polygone 60 – konvexe 60 – reguläres 60 Polykondensationsprodukte 250 Polykristalle 220 Polymerisationsprodukte 251 Polynomdivision 31 Polystyrol 251 Polytetrafluorethylen 251 Polyurethane 251 Polyvinylchlorid 251 Popcorn-Rauschen 928 Portbausteine 618, 620, 629
Sachwortverzeichnis Porzellan 250 Potential 266 Potentialanschlüsse 753, 759 Potenzfunktionen 88 Potenzrechnung 4, 10 Potenzregel 149 Potenzreihen 156 Poynting-Vektor 978 Präzisionsmessgerät 736 Preemphase 999 P-Regelfunktion 726 P-Regler 726 Presentation Layer 680 Primärelemente 225 Primärmultiplexanschluss 684 Primärradar 1049 Primärratenanschluss 1069, 1070 Primär-Schaltnetzteil 456 Primfaktorzerlegung 3 Primzahl 2 Prismen 68, 203 Produktregel 140 PROFIBUS-DP 713 PROFINET 713 PROFINET-Kommunikationskanal 715 Program-Counter 589 Programm – gegliedertes 696 – lineares 696 – parametrierbares 696 Programmiersprachen 670, 695 Programmorganisationseinheit 690 Programmspeicher 643 Programm-Test 674 Programmzähler 653 Projektion 49, 472 PROM 577, 609 Proportionalfunktion 83 Proportionen 26 Protolyse 223 Protonen 217 Protonenfänger 223 Protonenspender 223 Prozessor 591 Prüffristen 905 Pseudotetraden 537 PSRAM 616 P-Strecke 722 PT1-Strecke 724 PT2-Strecke 724 PTC 230 PTFE = Polytetrafluoräthylen 963 Pull-up-Widerstände 620 Pulsamplitudenmodulation (PAM) 1007 Pulscodemodulation (PCM) 1009 Pulsdauermodulation (PDM) 1009
1137 Pulsfrequenzmodulation (PFM) 1007 pulsierende Gleichspannung 334 Pulsphasenmodulation (PFM) 1007 Pumpspeicherkraftwerke 863 Punktdefekte 220 Punktrechnung 4 Punktsteigungsform 109 Punktsymmetrie 64 Punkt-zu-Punkt-Verbindung 1039 Pyramiden 70 Pyramidenstumpf 72 Pyroelektrika 247 pyroelektrische Effekte 247, 779
Q Q-Signal 1032 Quadrate 58 – kongruente 54 – quadratische 84 quadratisches Mittel 18 Quadraturmodulation 995 Quantile 740, 805 Quantisierung 1012 Quantisierungsgeräusch 1012 Quantisierungsrauschen 1012, 803 Quantisierungsrauschspannung 803 Quarz 249 Quarzfilter 1022 Quasi-Komplementär-Endstufe 401 Quasi-TEM-Wellen 967 Quellenkodierung 1073 Quellspannung 260 Querkontraktionszahl 785 Querschnittsverhältnis 233 Querstrom 247 Quersumme 4 Quotientenregel 140
R Radar 1048 Radarquerschnitt 1048 Radikale 223 Rahmenantenne 982 RAM 588 Random-Access-Verfahren 681 RAS 615 Ratiodetektors 1001 Rauheit 470 Raumdiversity 1038 Raumfaktor 914 Raumgitter 220 Raumwelle 984
Raumwinkel 211 raumzentrierte Gitter (krz) 220 Rauschabstand 928 Rauschen 927, 355, 1122 –, atmosphärisches 927 –, kosmisches 927 –, thermisches 927 –, weißes 928 1/f-Rauschen 928 Rauschleistung 927 Rauschmaß 928 Rauschzahl 928 Rayleigh-Streuung 1043 RC-Filter 337 Reaktionsablauf 222 – irreversibler 222 Reaktionsgleichung 222 Rechenverstärker 402 Rechenwerk 589 Rechtecke 58 Rechteckgeneratoren 423, 428 Rechteckhohlleiter 964, 966 Redox-Reaktionen 223 Reduktion 223 Reduktionsformeln 100 Redundanz 540, 920 –, relative 920 reelle Bilder 201 Referenzspannung 407 Reflexion 195, 957, 1042 – des Lichtes 200 Reflexionsfaktoren 954, 970, 973 –, äußere 972 Reflexionsgesetz 202 Regeldifferenz e 720 Regelgröße 720 Regelkreis 720 Regelstrecke 720, 723 Regelstrecke mit Ausgleich 722 Regelstrecke mit Totzeit 722 Regelstrecke ohne Ausgleich 722 Regelung 689, 720 Register 553 Regler – digitaler 721 Reglerausgangssignal yR 720 Regression 740, 806 Regula falsi 147 reguläre n-Ecke 59 Reibungsarbeit 175 Reibungskraft 172 Reichweite eines Radargerätes 1049 Reihenfolgeverriegelung 701 Reihenresonanz 302, 310 Reihenschaltung von Wechselstromwiderständen 299 Reihenschaltung von Widerständen 257
1138 Reihenschlussgenerator 843 Reihenschlussmotor 840 Reinheit 231 relative Brechzahldifferenz 1043 relative Kurzschlussspannung 814 relativer Leistungspegel 932 relativer Spannungspegel 933 relativer Strompegel 933 relatives Leerlaufstromverhältnis 813 Relaxationszeit 247 Remanenz 284 Remanenzflussdichte 236, 244, 245, 773 Remanenzinduktion 236 RESET 640 Resonanz 191 Resonanzfrequenz 310, 1015 Resonanzkurve 191 Resonator 249, 425 Restseitenbandmodulation (RM, VSB) 994 Restseitenbandübertragung 995 Restverkehr 1062 Restwelligkeit 337 reversible Reaktionen 223 reversible Drehungen 235 reversibler Bereich 243 RH Hallkonstante 228 Rhomben 57 Richtcharakteristik 1053 Richtdiagramm 980 Richtfunktechnik 1037 Richtkoppler 970 Ringmodulator 994 Ringnetz 869 Ringschieberegister 554 Ringströme 228, 234 Ringverstärkung 425 RISC-Prozessoren 588 R-L-C-Bandpass 1019 R-L-C-Bandsperre 1019 RM-Kerne 243 R-Nummer 966 Roaming 1072 Rohrschlitzstrahler 984 ROM 588, 608, 609 ROM-lose Versionen 637 ROM-Versionen 637 Rostfeuerung 860 Rotationsenergie 179 RS-Flipflop 551 Rückführgröße r 720 Rückkopplung 377 Rückkopplungsnetzwerk 425 Rückstellkraft 171 Rückübertragungsfaktor 970 Rückwärtszähler 557, 558
Sachwortverzeichnis Rundhohlleiter 964, 966 Rundungsregel 15 Rutil 250 RZ-Verfahren 1013
S Sägezahngeneratoren 341, 428 Salze 224 –, hydrogene 224 –, saure 224 Sammellinsen 204 Sammelschienen 884 Sampling-Oszilloskope 748 Satellit 1039 Sättigung 352 Sättigungsflussdichten 236, 242 Sättigungspolarisation 244 Satz des Pythagoras 53 Satz von Shannon 1074 Satz von Viëta 29, 33 sauerstofffreies SE-Kupfer 230 Sauerstoffkonzentration 781 Säuren 223 –, sauerstofffreie 224 Säurerest 223 Säurewasserstoff 223 Scatter-Parameter 970 Scatterverbindung 986, 1038 SC-Filter 1024 Schadenfrüherkennung 807 Schalen 218 Schalen-Kerne 243 Schall 1051 Schalldruck 1051 Schalldruckpegel 1052 Schalleistung 1052 Schallempfänger 1053 Schallgeschwindigkeit 199, 1052 Schallintensität 1052 Schallkennimpedanz 1051 Schallmauer 198 Schallpegel 1052 Schallschnelle 1052 Schallsender 1058 Schaltalgebra 524, 525 Schaltanlagen 888 – geschottete 889 Schaltfrequenz 456 Schaltgeräte 891 Schaltgruppen 816 Schalthysterese 420, 733 Schaltnetze 542 Schaltungsminimierung 526 Schaltungsunterlagen 495 Schaltwerke 550 Schaltzeichen 479, 496 Scheibenläufermotor 836
Scheinleistung 312, 764 Scheinleistungsmessung 768 Scheitelpunkt 50 Scheitelwert 295 Scheitelwinkel 48 Schellack 250 Schenkelpol 831 Schering-Messbrücke 771 Schichtpotentiometer 775 Schieberegister 553, 554 Schieberegisteranwendung 555 schiefer Wurf 169 Schleifdraht-Messbrücke 759 Schleife 709 Schleifenbildung 531 Schleifringläufer 828 Schlitzleitung 967 Schlupf 821 Schmalband-Frequenzmodulation 998 Schmelzfluss-Elektrolyse 224 Schmerzschwelle 1053 Schmitt-Trigger 419 Schnittbandkern 241 Schnittflächen 473 Schnittstellenbausteine 618 Schraubenversetzung 221 Schraubverbindungen 489 Schreib-Lesespeicher 608, 613 Schritte 708 Schrittmotor 835 Schrotrauschen 928 Schubspannung 180 Schutz durch Abschalten 902 Schutz durch Melden 902 Schutz durch nichtleitende Räume 901 Schutz gegen direktes Berühren 899 Schutz gegen indirektes Berühren 899 Schutzart 847, 478 Schütze 482, 896 Schutzgeräte 894 Schutzisolierung 900 Schutzkleinspannung 901 Schutzmaßnahmen 898 Schutztrennung 900 schwarzer Strahler 212 Schwarzschulter 1030 Schwarz-Weiß-Empfänger 1028 Schwebung 192 Schwefelhexafluorid 249 Schwellenwertschalter 419 Schwellspannung 420 Schweredruck 181 Schwerkraft 171 Schwermetalloxide 223 Schwerpunkt 177 Schwingkreise 309
Sachwortverzeichnis Schwingungstypen 966 Schwingungszeit 189 Schwund 1038 Schwunderscheinungen 986 SECAM-Verfahren 1033 7-Segment-Anzeigen 439 Sehnen 61, 63 Sehnensatz 63 Sehnenvierecke 58 Seitenbänder 989 Seitenhalbierende 53 Sekanten 63, 143 Sekantensatz 64 Sekantentangentensatz 64 Sekundärradar 1049 Sekundär-Schaltnetzteil 456 Sekundenreserve 870 Selbstinduktion 291 Selten-Erd-Magnete 244 Sensor 774 sequentielle Logik 550 serielle Schnittstelle 644, 797 Serienbetrieb 414 Serien-Parallel-Umsetzer 554 Servomotor 835 Session Layer 680 Shannon 1111 Shared-Medium 677 SI-Basiseinheiten 735 Sicherheitsbegriff 717 Sicherheitskategorie 718 Sicherungen 893, 898, 493 Siedewasserreaktor 861 Signal – analoges 697 – binäres 697 – digitales 697 Signalangepasste Filter (matched filter) 1123 Signale 919, 922 –, analoge 441, 919, 922 –, digitale 441, 919, 922 –, diskrete 922 –, kontinuierliche 922 –, modulierendes 988 –, nichtstationäre 1118 –, nichtperiodische zeitkontinuierliche 1093 –, stationäre 1118 –, stochastische 927, 1118 –, –, Kenngrößen 928 –, zufällige 927, 1118 Signalerkennung, bei gestörter Übertragung 1123 Signalflussdiagramme 970, 971 – des beschalteten Vierpols 972 Signalflüsse 971, 972 Signalleistung 371
1139 Signal-Quantisierungs-Geräuschabstand 1012 Signal-Rausch-Verhältnis 803 Silicium 231 Silicone 222, 251 Silikonelastomere 251 Silikonharze 251 Silikonkautschuke 251 Silikonöle 251 Simultan-Verzweigung 709 Simplex-Betrieb 1066 Sinus 97 Sinusfunktion 99 Sinuskurve 100 Sinussatz 102 SI-System 165 Skalare 165 Skalarprodukt 129 Skin-Effekt 962 Slave 552, 637 SMD-Technik 432 Smith-Diagramm 970, 973 Solarkraftwerke 864 Solar-Wasserstoff-Anlage 865 Solarzelle 436 sone (Einheit) 1053 Sonnenwärmekraftwerke 864 Sonnenwind 275 Spaltpolmotor 834 Spannarbeit 175 Spannenwert 806 Spannung 180, 253, 266 – induzierte 290 – magnetische 287 Spannungsdämpfungsfaktor 931 Spannungsdämpfungsmaß 932, 948 Spannungsdurchschlag 248 Spannungserhöhung 910 Spannungsfall auf Kabeln 883 Spannungsfall auf Leitungen 883 Spannungsfestigkeit 961 Spannungskorrosionen 251 Spannungsmesser 754 Spannungspfad 743, 764 Spannungsstabilisierung 339 Spannungsstoß 278 Spannungsteiler, frequenzkompensierter 949 Spannungsübertragungsfaktor 931, 955 Spannungsübertragungsmaß 932 Spannungswandler 819, 768 Spannungszwischenkreisumrichter 826 s-Parameter 970 – im Kreisdiagramm 977 Spartransformatoren 818 Spatprodukt 130
Speicher 604, 605, 606, 607, 609 Speichererweiterung 616 Speicherfunktionen 700 Speicherkapazität 588, 598, 604, 606 Speicherkraftwerke 863 Speichermatrix 605, 614 Speichern mit vorrangigem Rücksetzen 700 Speichern mit vorrangigem Setzen 700 Speicherorganisation 604 Speicheroszilloskope 747 Speicherprogrammierbare Steuerung SPS 689 Speichertechnologie 605 Speichertypen 608 Speicherwerk 589 Speicherzeit 414 Speicherzelle 613 Spektraldichte 1088, 1093 Spektrale Leistungsdichte 929, 1119 Spektralfarben 433 Spektralfunktion 1088 Spektrum 1093 Sperrbereich 1015 Sperrschicht 322 Sperrschichtkapazität 325 Sperrverzögerungszeit 326 spezielle Gaskonstante 185 Spiegelgalvanometer 742 Spin 218 Spinell 239 Spinmoment 234, 235 Spinorientierungen 225 Spitzenlast 858 Spleißverbindung 1048 Splines 740, 806 Sprung 709 Sprungfunktion s(t) 1107 Sprungstellen 1089 Sprungtemperatur 227, 233 SPS-Programmiernorm DIN EN 61131-3 690 SPS-Regelstruktur 732 SRAM 613 Stabankermotoren 836 Stabilität 1088 Stack 597, 650, 651 Stackpointer 589, 651 Standardabweichung 929, 737, 805, 1119 Standardisierungsgremien 678 Stapelspeicher 651 State-Diagramm 586 3-state 569 Start-Funktion 717 stationärer Prozess 1119
1140 statischer Durchlasswiderstand 324 statischer Sperrwiderstand 325 Steckkerne 241 Steckverbindung 1048 Steckvorrichtungen 482 Stefan-Boltzmann-Gesetz 189, 212 Stehwellenverhältnisse 972 Steigung des Amplitudenganges 1015 Steinerscher Satz 180 Steinkohleeinheit 859 Steinmetzschaltung 834 Stellgröße 719, 720 Steradiant 211 Stereometrie 68 Stereoübertragung 1027 Stern-Dreieck Umwandlung 257 Stern-Dreieck-Anlauf 824 Stern-Ring-Verbindung 683 Sternschaltung 313 – Stetigkeit 137 Steuerblindleistung 453 Steuergröße 719 Steuerung 689, 719 Steuerungssicherheit 716 Steuerwerke 589 Steuerwortregister 621 Stichleitungen 969 Stichprobe, Erwartungswert 1118 Stichprobe, linearer Mittelwert 1118 Stickstoff 249 Stickstoffkühlung 227, 233 Stopp-Funktion 717 Störabstand 563, 564, 928 Störeinflüsse 794 Störgröße 719 Störlichtbogenfestigkeit 890 Störsicherheit 564 Störungsbeseitigung 854 Stoßfunktion 1107 Stoßkurzschluss 907 Strahl 47 Strahlcharakteristik 212 Strahldichte 211 Strahlennetz 868 Strahlensätze 65 Strahlstärke 211 Strahlungsdichte 978 Strahlungsleistung 211 Strahlungswiderstand 981 Strangspannungen 867 Streamer 664 Strecke 46 Streckenteilungen 66 Streifenleitungen 966, 967 Streu-Parameter 970
Sachwortverzeichnis Streuung 929 Strichrechnung 4 Stromdämpfungsfaktor 931 Stromdämpfungsmaß 932, 948 Stromdichte 254 – kritische 228 Stromflusswinkel 344 Stromlaufplan 503 Strommesser 756 Strommessung 756 Strompfad 743, 764 Stromstärke 254 Stromtarife 857 Stromtragfähigkeit 233 Stromübertragungsfaktor 931, 955 Stromübertragungsmaß 932 Stromverdrängungsläufer 824 Stromverstärkungen 351, 753 Stromwandler 820, 768 Stromzwischenkreisumrichter 826 Struktur 694 Struktur einer Ablaufsteuerung 711 Stufenversetzung 221 Substitutionsmethode 149 Substitutions-Mischkristall 222 Substrat 233 Subtrahierer 544, 408 Summenfunktion 1118 Summenhäufigkeitsfunktion 1118 Summenregel 140, 149 Supplementwinkel 48, 50 Supraleiter 227, 228, 233 – 2. Art 228 – 3. Art 228 – harte 228 – weiche 228 Supraleitung 227 Suszeptibilität(szahl) 234 – elektrische 246, 247 – magnetische 282, 234 Symbole 506, 744 Symmetrie 64 Symmetriebedingungen 1089 symmetrische Brückenschaltung 844 symmetrische Matrix 40 synchrone Zähler 559 Synthese 530, 532, 533, 222 Systeme 1086 –, binäre 521 Systemanalyse 1088 systematische Abweichungen 736 systematische Kodes 1076 System-Kontrollsignale 594 Systemsynthese 1088
T Taktfrequenz 423 Talker 798 Tangens 97 Tangensfunktion 99 Tangenskurve 100 Tangente 144 Tangentenkonstruktionen 63 Tangentenvierecke 59 Tastatur 665 Tastaturmatrix 666 Tastgrad beim Impulsradar 1049 Tastköpfe 748 Tauchspulmikrofron 1055 Teilchenladung 225 Teilklirrfaktoren 931 Telebox 1069 Telefax 1068 Teletex 1069 Telex 1069 Temex 1069 Temperaturbereich 564 Temperaturen 753 Temperaturkoeffizienten 255, 331 TEM-Typ 950 –, transversal elektromagnetisch 950 TEM-Wellen 967 Tetrade 521 Tetraeder 73 TE-Welle, Transversal-elektrische Wellen 964 Texturen 221 T-Flipflop 553 Thaleskreis 62 Theorem von Wiener-Khintchine 929, 1119 thermische Entmagnetisierung 236 thermischer Auslöser 851 Thermistor-Motorvollschutz 852 Thermoelemente 779 Thermoempfindlichkeit 779, 780 Thermoplaste 251 Thermoumformermesswerke 757 Thomson-Messbrücke 759 Tiefpassfilter 1015 Tiefpassschaltung mit RL-Glied 308 TIMER 625, 641, 423 Timing 590 Tintenstrahldrucker 669 Titanate 250 Titandioxid 250 TM-Welle, Transversalmagnetische-Wellen 964 Toggle-Flipflop 553 Token-Ring 682, 683 Token-Ring-Verfahren 1066
Sachwortverzeichnis Token-Verfahren 797 Toleranzen 468, 486 Tonaderspeisung 1056 T-Online 1068 Tonsignal 1029 Top-Down-Methode 673, 674 Torsionsmoment 785 Totalreflexion 203 Totzeit 724 Trafoimpedanz 907 Trafotypenleistung 453 Träger 988 Trägerfrequenz-Technik 1036 Trägerrückgewinnung 1005 Trägheitsmoment 178 Transceiver 681 Transformationen 975 Transformationsgleichung 972 Transformator 809 Transformatorschutz 817 Transistor-Grundschaltungen 373 Transistorschalter 414 Transitfrequenz 355 transitionaler Kopplungsfaktor 1021 Transitionen 708 Translationsgeschwindigkeit 166 Transponder 1040 transponierte Matrix 40 Transport Layer 680 Transversalwelle 193 Trapeze 57 Treiberstufen 392 Trellis-Diagramm 1079 Trennschalter 891 Triazetatfolien 250 Triggereinheit 746 Trigger-Flipflop 553 Trigonometrie 97 Trinitron-Farbbildröhre 668 Triplate-Leitung 967 Tristate 570 Tristate-Treiber 614 TTL 563, 566 Turboläufer 831 Turn-Around-Time 672 Typenraddrucker 669
U Übergangselemente 217, 218 Überlagerungsempfänger 1026 Überlagerungspermeabilität 238 Überlastrelais 894 Überlastschutz 878 Überlastung von Transformatoren 817 Übernahmeverzerrungen 398
1141 Überprüfung der Schutzmaßnahme 906 Überreichweiten 986 Überschuss-Leitung 231 Überschwingweite 733 Übersetzungsverhältnis 811 Übersichtsschaltplan 502 Übersteuerungsfaktor 414 Überstromrelais 894 Überstromschutz 878, 346 Überstromschutzeinrichtung 903 Überstromzeitrelais 894 Übertragungsbeiwert KPS 722 Übertragungseigenschaften 373 Übertragungsfaktor 931, 954, 981 –, allgemein 1088 –, absoluter elektroakustischer 1052 –, elektroakustischer 1052 –, komplexer 929 Übertragungsfunktion 924, 930, 1086, 1088 Übertragungsmaß 932, 933 – elektroakustisches 1052 – Vierpole 948 – passives längssymmetrisches 948 UBR 688 UI-Schnitte 241 Ultraschall 199, 1051 Ultraschall-Durchflussmessung 788 Umdotierung 233 Umfangsgeschwindigkeit 170 Umkehrfunktionen 79 Umkehrverstärker 406 ummagnetisiert 236 Umwerter 1065 unabhängige Variablen 971 unbestimmte Integrale 148, 150 UND-Verknüpfung 522 ungesättigte Polyesterharze 251 ungesteuerte Gleichrichter 447 Ungleichung von Kraft 1074 Ungleichungen 18 Universalmotor 846 Universalplatinen 509 universelle Gaskonstante 185 unmagnetische Stähle 241 Unschärferelation 1095 Unstetigkeitsstellen 138 unsymmetrische EinphasenBrückenschaltung 844 unsymmetrisches Dreileiternetz 315 Unterbrechungssteuerung 651 Unterenergieniveau 218 unteres Seitenband (US) 990
Unterprogramme 650 untersynchrone Kaskade 829 Ursprung 111 USART 632 UU-Formen 241 UV-Strahlung 246
V Valenzband 226 Valenzelektronen 253, 218 Van der Waals 220 Variable 693 – direkte 694 – globale 695 Varianz einer Stichprobe 1119 Varianz einer Verteilung 1119 VBR 688 Vektoraddition 127 Vektoren 126, 165 – gleiche 126 – Komponentendarstellung 127, 128 Vektorprodukt 129 Vektorsubtraktion 127 Verarmungstyp 358 Verbinden von Lichtleitern 1048 3. Verbindungsabbau 1061 1. Verbindungsaufbau 1061 Verbindungshalbleiter 231, 232 verbotene Zonen 226 Verbundnetz 869 Verbundseile 871 verdrahtete ODER-Schaltung 568 verdrahtete UND-Schaltung 568 Verdrahtungsplan 503 Verdrängungsprinzip 788 Vereinigung 1 Verformbarkeit 217 Vergleichsfunktion 704, 705 Vergleichsstelle 779 Verify Check 611 Verkehrsausscheidungsziffer Ausland 1065 Verkehrsausscheidungsziffer Inland 1064 Verkehrslenkung 1065 Verkehrsmenge 1062 Verkehrstheorie 1061 Verkehrswert 1062 Verkettungsfaktor 867 Verknüpfungssteuerung 698 Verlegung in Erde 874 Verlegung in Luft 874 Verlegung von Kabeln 884 Verlegung von Leitungen 884 Verluste 236, 239, 1062 Verlustfaktor 950, 248 –, Messung von L, C 769
1142 Verlustfläche 236 Verlustkennziffer 237, 239 Verlustleistung 565, 324 Verlustsystem 1062 Verlustziffer 248 Vermaschung 528 Vermittlungseinrichtung 676 Vermittlungsprinzipien 676 Vermittlungstechnik 1060 Verriegeln über die Rücksetzeingänge 701 Verriegeln über die Setzeingänge 701 Versetzungen 221 Verstärkerwirkung 372 Verstärkungsmaß 932 Verteilungen 1121 –, Erwartungswert 1118 –, linearer Mittelwert 1118 Verteilungsgesetz 525 Vertikalantenne 982 Vertrauensbereich 739, 740, 806 Vertrauensgrenzen 740, 805 Vertrauensniveau 740 Verzugszeit 724 Verzerrungen 929 –, lineare 930 –, nichtlineare 930 Verzögerungszeit 414 Videointerface 669 Videosignal 1029 Videotext 1033 Vielfachzugang 1039 Vierecke 56 Vierphasenumtastung (4-PSK) 1005 Vierpole 934 –, aktive 934 –, Betriebskenngrößen 937 –, längssymmetrische 946 –, – passive, Wellenwiderstand 947 –, lineare 934 –, nichtlineare 934 –, passive 934 –, –, Wellenparameter 946 –, rückwirkungsfreie 946 –, übertragungssymmetrische (reziproke) 945 –, widerstandssymmetrische 946 –, Zusammenschaltung 934 Vierpol-Ersatzschaltbild 373 Vierpolgleichungen 934, 373 Vierpolparameter 970 Vierquadrantenbetrieb 845, 846 Viertelbrücke 761 Villard-Schaltung 338 virtuelle Bilder 201 Viskosität 183
Sachwortverzeichnis – dynamische 183 Volladdierer 542, 543 Vollbrücken 761 Vollduplex-Betrieb 1066 Vollgesteuerte Einphasen-Brückenschaltung 845 vollständige Induktion 2 vollständige Messschaltung 765 Volumenausdehnungskoeffizienten 184 Volumenstrom 182 Vorhaltzeit TV 729 Vorstufen 392 Vorwärtsübertragungsfaktor 970 Vorwärtszähler 556, 558 Vorzugsrichtungen 221
W wahrer Wert 736 Wahrheitswert 1 Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion1118 WAN 677 Wanderwellen 957 Wandverschiebungen 235 Wärmebeständigkeitsklassen 248 Wärmedurchschlag 247 Wärmefestigkeit 251 Wärmekapazität 186 –, spezifische 186 Wärmekraftwerke 859 Wärmeleitung 188 Wärmestrahlung 189 Wärmeströmung 189 Wärmewiderstand 326 Wartezeitsystem 1062 Wartung von Maschinen 853 Wasserkraftwerke 863 Wasserstoffkühlung 227 Wechselfeldaussteuerung 238 Wechselfeldpermeabilität 237, 238 Wechselrichter 446 Wechselrichterkippen 451 Wechselspannungen, Messung 756 Wechselspannungsmessgeräte 757 Wechselstrombrücken 844 Wechselströme 294 –, Messung 758 Wechselstromgegenkopplung 380 Wechselstrom-Messbrücken, Impedanzmessung 761 Wechselstromumrichter 447 Wechselwinkel 48 Wegaufnehmer 792 3/2-Wegeventil 701 5/2-Wegeventil 701
5/3-Wegeventil 702 Wegmessung 790 Weicheisen 239 Weichmagnetika 239 weichmagnetische Ferrite 241 Weißsche Bezirke 235, 247, 284 Wellen 193 –, cosinuselliptische 966 –, harmonische 193 –, hinlaufende 970 –, rücklaufende 970 –, sinuselliptische 966 –, stehende 195, 959 Wellenausbreitung 984, 987 – im Plasma 985 Wellenfilter 960 Wellenoptik 208 Wellentheorie 200 – des Lichtes 200 Wellentyp 965 Wellenwiderstand 952, 961, 962 – als Funktion von w/h 969 – des leeren Raumes 978 – des Plasmas 985 – von Streifenleitungen 967 Wellenzahl 194 Wellrohre 963 Weltenergiereserven 859 Wendepole 838 Werkstoff 217 Werkstoffnummer 239 Wertetabelle 521 – einer Funktion 77 Wheatstone-Messbrücke 758 –, Abgleichverfahren 759 Wickelstromwandler 820 Wicklungen 809 Widerstand 254 – magnetfeldabhängiger 229 – magnetischer 287 – spezifischer 254, 961 Widerstandsänderung 776 Widerstandsbremsung 840, 841 Widerstandsmessung 758 Widerstandsrauschen 927 Widerstandsthermometer 774 Wien-Brücke 427 Wien-Robinson-Brücke 427 Wiensches Verschiebungsgesetz 212 Windkraftwerke 864 Winkel 47 – halbgleichliegende 48 Winkelbeschleunigung 170 Winkelgeschwindigkeit 170 Winkelhalbierende 52 Winkelmessung 790 Winkelmodulation 996 Wirbelschichtfeuerung 860
Sachwortverzeichnis Wirbelströme 241 Wirbelstromtheorie 237 Wirbelstromverluste 237 Wired AND 569 Wired OR 569 Wirkfläche 981 Wirkleistung 312, 971, 764 Wirkleistungsmessung 764 Wirkungsgrad 175, 264, 814 Woltmann-Zähler 788 Würfel 68 Wurzelfunktionen 94 Wurzelgleichungen 35 Wurzelrechnung 10, 12
X X-Ablenkung 746 X-Y-Betriebsart 746 X-Y-Schreiber 751 X-Y-Stereofonie 1027
Y Y-Ablenkkoeffizient 746 Yagi-Antenne 983 Y-Parameter 938, 362 Y-Signal 1031 Y-t-Betriebsart 746 Y-t-Schreiber 750
Z Zahlensysteme 532, 533 Zahlenwertgleichungen 735
1143 Zähler in Automatisierungssystemen 703 Zähler 556 Zählerkonstante 769 Zählpfeilsystem 256 Zeichnungsnormen 462 Zeiger 191, 297 Zeigerdiagramm 296, 991 Zeilensprungverfahren 667, 1028 Zeilensynchronimpulse 1030 zeitdiskrete Signalverarbeitung 1112 Zeitgeber 641 Zeitgeberbausteine 625 Zeitglieder nach IEC 61131-3 704 Zeitinvarianz 1088 Zeitkonstante 190, 272, 294 Zeitmessung 789 Zeitmultiplexverfahren 548, 1035 Zeitrelais 482 Zener-Effekt 331 Zentraleinheit 588 zentraler Grenzwertsatz der Statistik 1122 Zentralkompensation 909 Zentralprojektion 50 Zentralspeicher 616, 617 Zentralvermittlungsstellen ZVSt 1064 Zentralwert 805, 1118 Zentrifugalbeschleunigung 173 Zentrifugalkraft 173 Zentripetal-Beschleunigung 173 Zentripetalkraft 173 zentrische Streckung 65
Zerstreuungslinsen 204 Zielextraktor 1050 Z-Parameter 938 z-Transformation 1088, 1114 Zufällige Abweichungen 736 Zugriffszeit 604 Zündimpulse 348 Zündspannung 343 Zündstrom 343 Zündvorgang 340 Zündzeit 344 zusätzlicher Potentialausgleich 904 Zuverlässigkeit 484 Zweierkomplement 534, 536, 544 Zweig 970 Zweikanal-Oszilloskope 747 Zweiphasenumtastung (2-PSK) 1004 Zweipunkteform 109 Zweipunkt-Regelfunktion 732 Zweiquadrantenantrieb 845 Zweiquadrantenbetrieb 846 Zweirichtungstreiber 618, 619 Zweiseitenband-Amplitudenmodulation 990 Zweitore 934 Zwischenfrequenzdurchschaltung 1040 zwischenmolekulare Bindung 220 zyklische Kodes 1076 Zylinder 69 Zylinderkondensator 269 Zylinderspule 274