Körperschall
Michael Möser • Wolfgang Kropp
Körperschall Physikalische Grundlagen und technische Anwendungen Begründet von Lothar Cremer und Manfred Heckl 3., aktualisierte Auflage
1C
Professor Dr.-Ing. Michael Möser TU Berlin Inst. für Strömungsmechanik und Technische Akustik Fachgebiete der Technischen Akustik Einsteinufer 25 10587 Berlin Deutschland
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Professor Dr.-Ing. Wolfgang Kropp Chalmers University of Technology Dept. Applied Acoustics SE-412 96 Göteborg Sweden
[email protected]
ISBN 978-3-540-40336-4 e-ISBN 978-3-540-49048-7 DOI 10.1007/978-3-540-49048-7 Springer Heidelberg Dordrecht London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1967, 1995, 2010 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandentwurf: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)
Vorwort zur dritten Auflage
Die dritte Auflage von ’K¨ orperschall’ besteht in einer behutsamen Erneuerung und Modernisierung der von Manfred Heckl 1995 vollendeten zweiten Auflage. Es war die erkl¨ arte Absicht der neuen Autoren, Geist und Absicht des urspr¨ unglichen Werkes und seiner eigentlich V¨ater, Lothar Cremer und ¨ Manfred Heckl, zu bewahren, ohne dabei auf nun doch erforderliche Anderungen und Anpassungen an den aktuellen Wissenstand zu verzichten. Ein siebtes Kapitel wurde eingef¨ uhrt, um die Betrachtungen zur Messtechnik in einem eigenen Kapitel zu sammeln. Das erste Kapitel ist nun einer allgemeinen Einf¨ uhrung in den K¨ orperschall gewidmet, auch sind dort die physikalische Prinzipien dargestellt, wie sie in den darauf folgenden Kapitel bei zahlreichen Gelegenheiten zur Modellierung benutzt werden. Dank geb¨ uhrt der Zuarbeit durch Dr. Stephan Paul f¨ ur seine große Hilfe beim Erstellen der Texte. Auch dem Verlag sei f¨ ur sorgf¨altige Ausstattung des Buches gedankt. Berlin und G¨oteborg, im Mai 2009
Wolfgang Kropp, Michael M¨oser
Inhaltsverzeichnis
Definitionen und Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 K¨orperschall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Grundlegende Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1 Der Einmassenschwinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2 Die elastische Aufh¨ angung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.3 Das Problem des ruhenden Bezugsk¨orpers“ bzw. des ” starren Abschlusses“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ” 1.2.4 Die Lagrange’schen Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.5 Bewegungen in mehreren Richtungen . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.5.1 Reziprozit¨ at bzw. wechselseitige Leistung . . . . . 1.2.6 Entwicklungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Energiebetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.1 Energieerhaltung und Energiefluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.2 Minimierung der mittleren Energie (Hamilton’sches Prinzip) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.2.1 Der Rayleigh-Quotient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 3 3 9 9 11 13 19 19 20 21 22 24
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 ¨ Ubersicht u ¨ ber die verschiedenen Wellenarten . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Longitudinale Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Die reine Longitudinalwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Die quasi-longitudinalen Wellen in St¨aben und Platten . 2.2 Transversalwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Die ebene Transversalwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Torsionswellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Biegewellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Bewegungsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Energiebeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Die Wellenbewegungen auf St¨ aben endlicher L¨ange . . . . . . . . . . 2.4.1 Longitudinale Eigenschwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29 29 29 34 39 39 43 47 47 55 58 58
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2.4.2 Biege-Eigenschwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 2.5 Die allgemeinen Feldgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 2.6 Das Wellenfeld an einer freien Oberfl¨ache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2.6.1 Reflexion ebener Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2.6.1.1 Spurwellengeschwindigkeit und Winkelbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 2.6.1.2 Reflexion von L-Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 2.6.1.3 Reflexion von T-Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 2.6.1.4 Diskussion der Reflexionsfaktoren und Reflexionsgrade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 2.6.2 Anregung des elastischen Halbraums . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 2.6.3 Die freie Oberfl¨ achenwelle (Rayleighwelle) . . . . . . . . . . . . 89 2.7 Plattenwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 2.7.1 Randbedingungen und L¨ osungsformen . . . . . . . . . . . . . . . 92 2.7.2 Wellen, deren Verschiebungen nur parallel zur Oberfl¨ ache sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 2.7.3 Wellen, deren Verschiebung auch senkrecht zur Oberfl¨ ache sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2.7.4 Ableitung von Bewegungsgleichungen f¨ ur d¨ unne Platten aus den allgemeinen Feldgleichungen . . . . . . . . . . 101 2.7.4.1 Dehnwellen und Schubwellen in ebenen isotropen Platten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2.7.4.2 Biegewellen in ebenen isotropen Platten . . . . . . 105 2.7.4.3 Biegewellen in d¨ unnen, orthotropen Platten . . . 109 2.7.4.4 D¨ unne Platten mit Vorspannung und Bettung . 111 2.8 Ableitung von Bewegungsgleichungen mit Hilfe des Hamilton’schen Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 2.8.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 2.8.2 Ebene Platten mit Schubsteife (korrigierte Biegewelle) . 113 2.8.3 Zylinderschalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 2.8.3.1 Bewegungsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 2.8.3.2 Spezialf¨ alle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 2.8.3.3 Phasengeschwindigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 2.8.3.4 Wellenimpedanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 2.8.4 Resonanzfrequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 2.9 K¨orperschallintensit¨ at . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 2.9.1 Grundgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 2.9.2 Leistungstransport in Platten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 2.9.3 Leistungstransport in d¨ unnen Zylinderschalen . . . . . . . . . 135 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
Inhaltsverzeichnis
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D¨ ampfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 3.1 D¨ampfungsmechanismen und ihre Darstellungsweise . . . . . . . . . 139 3.2 Komplexer Modul und komplexe Wellenzahl . . . . . . . . . . . . . . . . 142 3.3 Resonanzschwingungen von ged¨ ampften St¨aben . . . . . . . . . . . . . 150 3.3.1 Quasilongitudinal- und Torsionswellen . . . . . . . . . . . . . . . 151 3.3.2 Biegewellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 3.4 Messung des komplexen Moduls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 3.4.1 Messung an kleinen Proben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 3.4.1.1 Bestimmung des Spannungs-DehnungsDiagramms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 3.4.1.2 Bestimmung von Transfergr¨oßen beim Tonpilz“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 ” 3.4.1.3 Bestimmung des Ausschwingvorganges . . . . . . . 167 3.4.1.4 Bestimmung der Resonanzfrequenz und der Halbwertsbreite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 3.4.2 Messung an St¨ aben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 3.4.2.1 Bestimmung der Halbwertsbreiten . . . . . . . . . . . 171 3.4.2.2 Bestimmung der Abklingzeiten . . . . . . . . . . . . . . 173 3.4.2.3 Bestimmung der Pegelabnahme . . . . . . . . . . . . . . 174 3.4.2.4 Sonstige Messmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 3.4.3 Messungen an nicht stabf¨ ormigen Proben . . . . . . . . . . . . . 175 3.5 Messergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 3.5.1 Metalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 3.5.2 Kunststoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 3.5.3 Baustoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 3.6 D¨ampfung von geschichteten Platten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 3.6.1 Platten mit einfachen Bel¨ agen, die auf Dehnung beansprucht sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 3.6.2 Platten mit Mehrschichtbel¨ agen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 3.6.2.1 Biegesteife Grundplatte mit d¨ unner Abdeckplatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 3.6.2.2 Dicke Platten mit d¨ unner Zwischenschicht . . . . 191 3.6.3 Bewegungsgleichungen f¨ ur geschichtete Platten . . . . . . . . 194 3.6.3.1 Platten mit einfachen Entdr¨ohnbel¨agen (Doppelbalken) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 3.6.3.2 Verbundplatten (Dreischichtbalken) . . . . . . . . . . 199 3.7 D¨ampfung durch Resonatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 ampfung durch dicke Schichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 3.7.1 D¨ 3.8 D¨ampfung von F¨ ugestellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 3.8.1 F¨ ugestellend¨ ampfung durch Relativbewegung in Normalenrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 3.8.2 F¨ ugestellend¨ ampfung durch Relativbewegung in tangentialer Richtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219
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Impedanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 4.1 Definition von Punktimpedanz, Trennimpedanz und Admittanz221 4.2 Messung mechanischer Punktimpedanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 4.2.1 Bestimmung von Kraft und Schnelle . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 4.2.2 Vergleich mit einem bekannten Widerstand . . . . . . . . . . . 226 4.2.3 Sonstige Messmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 4.3 Eingangsimpedanzen von unendlich ausgedehnten St¨aben und Platten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 4.3.1 Anregung von Quasilongitudinalwellen in St¨aben . . . . . 231 4.3.2 Anregung von Biegewellen auf Balken . . . . . . . . . . . . . . . . 233 4.3.3 Die Biegewelleneingangsimpedanz der homogenen Platte238 4.4 Trennimpedanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 4.4.1 Verfahren zur Berechnung von Trennimpedanzen . . . . . . 244 4.4.2 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 4.4.3 Zusammenhang zwischen Trennimpedanz und Punktimpedanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 4.4.3.1 Platte mit Schubsteife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 4.4.3.2 Der unendliche, isotrope Halbraum . . . . . . . . . . . 251 4.4.3.3 Weitere Beispiele (orthotrope Platte, dicke Platte, Plattenstreifen, Rohr) . . . . . . . . . . . . . . . 253 4.4.4 Momentenimpedanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 4.4.5 Verfahren zur Berechnung von Impulsantworten . . . . . . . 262 4.5 Leistungs¨ ubertragung in unbegrenzte, ebene Strukturen . . . . . . 263 4.5.1 Verfahren zur Berechnung der K¨orperschallleistung . . . . 263 4.5.1.1 Fernfeldmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 4.5.1.2 Fouriertransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 4.5.2 Zusammenhang mit der Punktadmittanz . . . . . . . . . . . . . 267 4.5.2.1 Anwendung auf Platten und dgl. . . . . . . . . . . . . . 267 4.5.2.2 Anwendung auf den elastischen Halbraum . . . . 269 4.5.3 Deutung der Ergebnisse und Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . 269 4.6 Zusammenfassung von Impedanz- und Admittanzgleichungen; N¨aherungsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 4.7 Anregung von endlichen Systemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 4.7.1 Allgemeine Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 4.7.2 Anwendungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 4.7.3 Leistungsbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 4.8 Spezielle Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 4.8.1 Stoßanregung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 4.8.1.1 N¨ aherungsl¨ osung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 4.8.1.2 Exakte Berechnungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . 296 4.8.2 K¨ orperschallanregung durch pl¨otzliche Entlastung . . . . . 302 4.8.3 Raue Oberfl¨ achen als K¨ orperschallquellen . . . . . . . . . . . . 304 4.8.4 Parameteranregung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 4.8.5 Elastische Lagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311
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Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 D¨ ammung von K¨ orperschall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 5.1 Material- und Querschnitt-Wechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 5.1.1 D¨ ammung von Longitudinalwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 5.1.2 D¨ ammung von Biegewellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 5.2 Rechtwinklige Ecken und Verzweigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 5.2.1 Biegewellenanregung einer Ecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 5.2.2 Longitudinalwellenanregung einer Ecke . . . . . . . . . . . . . . . 328 5.2.3 Rechtwinklige Verzweigungen mit Biege- und Longitudinalwellenanregung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 5.3 K¨orperschalld¨ ammung durch elastische Zwischenlagen . . . . . . . . 334 5.3.1 Longitudinalwellend¨ ammung durch elastische Zwischenlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 5.3.2 Biegewellend¨ ammung durch elastische Zwischenlagen . . 338 5.4 K¨orperschalld¨ ammung durch Sperrmassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 5.4.1 Longitudinalwellend¨ ammung durch Sperrmassen . . . . . . 342 5.4.2 Biegewellend¨ ammung durch symmetrische Sperrmassen 343 5.4.3 Exzentrische Sperrmasse (Kopplung von Longitudinalund Biegewellen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 5.5 Kettenleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 5.5.1 Masse-Feder Ketten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 5.5.2 Kettenleiter f¨ ur Longitudinalwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 5.5.3 Biegekettenleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 5.6 Anwendung des Hamilton’schen Prinzips auf K¨orperschall¨ ubertragungsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 5.6.1 Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 5.6.2 Einfaches Anwendungsbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 5.6.3 Biegewellen und Longitudinalwellen bei einer unsymmetrischen Sperrmasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 5.7 Probleme des schr¨ agen Einfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 5.7.1 Allgemeine Betrachtungen zur Bewertung schr¨agen Einfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 5.7.2 Allgemeine Folgerungen aus den Randbedingungen . . . . 379 5.7.2.1 Wellenzahlen bzw. Winkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 5.7.2.2 Amplituden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 5.7.3 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 ubertragung u 5.7.3.1 Biegewellen¨ ¨ber Ecken und Verzweigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 5.7.3.2 Anregung von in-plane Wellen“ an Ecken etc . 386 ” ¨ 5.7.3.3 Ubertragung u ¨ber Versteifungen (Spanten, Rippen und dgl.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 5.7.4 Anmerkungen zur Verwendung des Hamilton’schen Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 5.8 D¨ammung zwischen parallelen Platten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394
XII
Inhaltsverzeichnis
5.8.1 Kontinuierliche Kopplung durch elastische Zwischenschicht (Schwimmender Estrich) . . . . . . . . . . . . . 394 5.8.2 Punktweise Schallbr¨ ucken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 5.9 Statistische Energieanalyse (SEA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 5.9.1 Analogien zur statistischen Raumakustik . . . . . . . . . . . . . 403 5.9.2 Energiefluss in gekoppelten Oszillatoren . . . . . . . . . . . . . . 407 5.9.3 Sch¨ atzung von Kopplungsverlustfaktoren . . . . . . . . . . . . . 410 5.9.3.1 Eindimensionale Anordnungen . . . . . . . . . . . . . . . 411 5.9.3.2 Mehrdimensionale Anordnungen . . . . . . . . . . . . . 415 5.9.4 Anwendungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 Abstrahlung von K¨ orperschall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 6.1 Messung der abgestrahlten Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 6.2 Definition und Messung des Abstrahlgrades . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 6.3 Der Strahlungsverlustfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 6.4 Elementarstrahler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 6.4.1 Ungerichteter Kugelstrahler (Monopol) . . . . . . . . . . . . . . . 432 6.4.2 Dipolstrahler, Abstrahlung von Wechselkr¨aften . . . . . . . . 434 6.4.3 Die unendliche Platte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 6.4.4 Zylinderstrahler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 6.4.5 Impulsschallquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 6.5 Der ebene Strahler in der schallharten Wand . . . . . . . . . . . . . . . . 451 6.5.1 Der ebene Strahler als Summe von Punktquellen . . . . . . 451 6.5.1.1 Kolbenmembran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 6.5.1.2 Gitterf¨ ormige gegenphasige Einzelstrahler . . . . . 456 6.5.1.3 Membranschwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 6.5.2 Der ebene Strahler als Wellensumme . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 6.6 Abstrahlung von Biegewellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 6.6.1 Abstrahlung von einer halbunendlichen Platte. . . . . . . . . 465 6.6.2 Die Grenzfrequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 6.6.3 Abstrahlung von Eigenformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 6.6.4 Abstrahlung von Biegewellen bei gegebener ¨außerer Anregung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 6.6.4.1 Grundgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 6.6.4.2 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 6.6.5 Vergleich mit Messungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 6.7 Weitere Anmerkungen zur Abstrahlung von K¨orperschall . . . . . 485 6.7.1 Zylinderstrahler mit vorgegebener ¨außerer Anregung . . . 485 6.7.2 Ebene Platten mit Versteifungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 6.7.3 Abstrahlung von beliebig geformten K¨orpern mit vorgegebener Schnelleverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 488 6.8 Anregung von Platten durch Schallwellen (Luftschalld¨ammung)492 ammung von Platten und Einfachw¨anden . . . . . . . . . . . 492 6.8.1 D¨
Inhaltsverzeichnis
XIII
6.8.2 Doppelw¨ ande mit Schallbr¨ ucken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 496 6.9 Zusammenhang zwischen Abstrahlung und Anregung . . . . . . . . 499 6.9.1 Das Reziprozit¨ atsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 6.9.2 Anregung und Abstrahlung in einem Hallraum . . . . . . . . 500 6.9.3 Richtcharakteristiken von Anregung und Abstrahlung . . 503 6.9.4 Schalld¨ ammung oberhalb der Grenzfrequenz . . . . . . . . . . 505 6.9.5 Schalld¨ ammung in der N¨ ahe der Grenzfrequenz . . . . . . . 509 6.10 Anwendung der statischen Energieanalyse SEA auf Schalld¨ammprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509 6.10.1 Nebenweg¨ ubertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510 6.10.2 Doppelw¨ ande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512 6.10.3 Mehrfachw¨ ande mit vielen starren Verbindungen . . . . . . 515 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 Messung und messbare Erzeugung von K¨ orperschall . . . . . . . . . . . 521 7.1 K¨orperschall-Aufnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 7.1.1 Steuernde elektrische Aufnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 7.1.2 Optische Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527 7.2 Elektrodynamische Wandler f¨ ur die Erzeugung und Messung von K¨orperschall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529 7.2.1 Elektrodynamische Wandler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529 ¨ 7.2.1.1 Impedanzen und Ubertragungsfaktoren bei unbeweglichen Magneten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531 7.2.1.2 Energiebilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534 ¨ 7.2.1.3 Impedanzen und Ubertragungsfaktoren bei beweglichen Magneten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535 7.2.2 Piezoelektrische Wandler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 7.2.3 Elektrostatische Wandler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546 7.2.4 Elektromagnetische Wandler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551 7.2.5 Magnetostriktive Wandler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 552 7.2.6 Erg¨ anzende Anmerkungen zu den reziproken Wandlern . 553 7.2.6.1 M-Wandler und N-Wandler . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 7.2.6.2 Anwendung von Luftschallwandlern f¨ ur K¨ orperschalluntersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 555 7.2.6.3 Kalibrierung mit Hilfe des Reziprozit¨atsprinzips556 oßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557 7.3 Zusammengesetzte Messgr¨ 7.3.1 R¨ uckwirkung des Messger¨ ats auf die Bewegung des Messobjekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 560 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569 Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571
Benutzte Formelzeichen
A B B C D D D E E(. . .) Ex , Ez Ekin Epot F F0 Fx , Fy , Fz FW F G H (2) Hn (. . .) I I J Jx , Jy , Jz Jn (. . .) K
Hilfsgr¨ oße (Amplitude), Admittanz (1.25), (4.1) Schallabsorptionsfl¨ ache [m2 ] Biegesteife eines Balkens (2.83) [Nm2 ] in Kap.7 magnetische Induktion Biegesteife einer Platte (2.269) [Nm] in Kap.7 Kapazit¨ at eines Kondensators Modul (longitudinale Steife) (2.2) [N/m2 ] Realteil des komplexen Moduls D Imagin¨ arteil des komplexen Moduls D Elastizit¨ atsmodul [N/m2 ] Energie [Ws] in Abschn.4.6 Abk¨ urzung f¨ ur die Funktion exp(. . . ) Elastizit¨ atsmodul in x- und z-Richtung kinetische Energie potentielle Energie Kraft [N] anregende Punktkraft Kraft in x, y, z-Richtung Wandlerkraft Kraft pro L¨ angeneinheit [N] Schubmodul (2.55) [N/m2 ] Hamiltonsche Funktion (1.48) (2.276) (5.173) Hankelfunktion zweiter Ordnung n Fl¨ achentr¨ agheitsmoment eines Balkens (2.83) [m4 ] Impuls h2 /12 Intensit¨ at (2.321) [W/m2 ] Intensit¨ at in x, y, z-Richtung (2.322) Besselfunktion n-ter Ordnung piezoelektrische Wandlerkonstante (7.40)
XVI
Benutzte Formelzeichen
L LW LP LV M N P Pv P Q Qx , Qz R
S T U
UW V W Z ZE Z Zτ Z∞ ZRad
a a11 , A12 , etc. b c c0 cB cg
Kompressionsmodul Pegel [dB] in Kap.7 Induktion einer Spule Schallleistungspegel (6.2) Bezugswert 10−12 W Schalldruckpegel (6.3) Bezugswert 2 · 10−5 N/m2 Schnellepegel (1.12), (6.15), Bezugswert 5 · 10−8 m/s Moment [Nm] ganze Zahl in Kap.4 Anzahl der Moden Leistung [W] mechanische Verlustleistung [W] Leistung pro L¨ angeneinheit [W/m] in Kap.7 elektrische Ladung Querkraft bei Biegung (2.270) in Kap.7 elektrischer (ohmscher) Widerstand in Kap.5 und 6 Schalld¨ ammmaß (5.14) (6.175) Radius, Abstand Fl¨ ache [m2 ] Periodendauer, Nachhallzeit (Tab. 3.2 auf Seite 150) [s] Torsionssteife (2.64) [Nm2 ] elektrische Spannung [V] Str¨ omungsgeschwindigkeit [m/s] Fahrgeschwindigkeit [m/s] Wandlerspannung Volumen [m3 ] Arbeit [Ws] in Kap.4 und 5 Momentenimpedanz (4.116) Impedanz (1.16) (4.1) [Ns/m] in Kap.7 elektrische Impedanz [Ω] Kennimpedanz f¨ ur Longitudinalwellen (2.14) [Ns/m3 ] Wellenimpedanz (Trennimpedanz, Transmissionsimpedanz) (4.2) Impedanz der entsprechenden unendlichen Struktur Strahlungswiderstand (6.131)
Radius eines Zylinders oder einer Kugel Beschleunigung [m/s2 ] Hilfsgr¨ oßen Breite [m] Bandbreite einer Resonanzkurve ( 3.2 auf Seite 150) Wellengeschwindigkeit (Phasengeschwindigkeit) [m/s] Wellengeschwindigkeit im umgebenden Medium, meist Luft Biegewellengeschwindigkeit (2.93) (2.292) Gruppengeschwindigkeit (2.98)
Benutzte Formelzeichen
cL cLI cLII cR cT cμν d e f fn fg g
h i iW j k k k kx , ky , kz k0 kB kL kr kR kT l lL lm m m m n p q r
XVII
Longitudinalwellengeschwindigkeit desgl. in einer Platte (2.40) desgl. in einem Stab (2.38) Rayleighwellengescwindigkeit (2.215) Schubwellengeschwindigkeit (2.54) Kopplungsgr¨ oße bei SEA (5.291) Dicke [m] Basis der nat¨ urlichen Logarithmen Frequenz [Hz] n-te Resonanzfrequenz Grenzfrequenz der Koinzidenz (6.117) Erdbeschleunigung 9,81 m/s2 in Kap.3 Schubparameter (3.101) in Kap.5 Ausbreitungsmaß f¨ ur Kettenleiter (5.124) Plattendicke [m] Geometrieparameter (3.100) elektrischer Strom [A] Wandlerstrom imagin¨ are Einheit ganze Zahl Wellenzahl [1/m] Realteil der komplexen Wellenzahl k Imagin¨ arteil der komplexen Wellenzahl k Wellenzahl in x, y, z -Richtung Wellenzahl im umgebenden Medium, meist Luft Wellenzahl f¨ ur Biegewellen (2.91) (2.291) Wellenzahl f¨ ur Longitudinalwellen (2.18) Wellenzahl in radialer Richtung (6.66) Wellenzahl f¨ ur Rayleighwellen Wellenzahl f¨ ur Schubwellen L¨ ange (normalerweise mit Index im Unterschied zur Zahl 1) [m] Leiterl¨ ange mittlere freie Wegl¨ ange (5.207)(5.208) Masse [kg] ganze Zahl Masse pro L¨ angeneinheit [kg/m] Masse pro Fl¨ acheneinheit [kg/m2 ] in Kap.2 Brechzahl (2.190) ganze Zahl Druck, Kraft pro Fl¨ acheneinheit, Schalldruck [N/m2 ] 3 Volumenfluß [m /s] Reibungswiderstand (1.27) Radius [m] in Kap.5 Reflexionsfaktor
XVIII Benutzte Formelzeichen
rLL , rLT , rT T r0 , rl rj s s s s t tj u v vx , vy , vz vW w
Δ ΔN Θ Θ Λ
(. . .)
Φ Ψ
α
β
γ
δ
δ(. . .) ε
Reflexionsfaktoren f¨ ur Longitudinal- und Transversalwellen Reflexionsfaktoren an Stabenden (3.29) Reflexionsfeld f¨ ur Nahfeld (5.18) Federsteife [N/m] Federsteife pro Fl¨ acheneinheit [N/m3 ] = aϑ Bogenl¨ ange auf dem Umfang Vektor der Verschiebung (2.156) Zeit [s] in Kap.5 Transmissionsfaktor (5.18) Transmissionsfaktor f¨ ur Nahfeld (5.18) in Kap.2 allgemeine Feldgr¨ oße Schnelle (Teilchengeschwindigkeit) [m/s] Schnelle in x, y, z-Richtung Wandlerschnelle Winkelschnelle (Winkelgeschwindigkeit) [1/s]
Laplacescher Operator, Kennzeichnung einer Differenz Anzahl der Moden in einem Frequenzband Tr¨ agheitsmoment (2.67) [kgm2 ] Massentr¨ agheitsmoment pro L¨ange [kgm] logarithmisches Dekrement (3.66) (Tab. 3.2 auf Seite 150) in Kap.4 Norm von Eigenfunktionen (4.167) Ausbreitungsfunktion f¨ ur Biegewellen in Kap.2 skalares Potential in Kap.7 magnetischer Fluss in Kap.2 Vektorpotential
Hilfsgr¨ oße in Kap.7 Wandlerkonstante (5.196) in Kap.6 Abstrahlparameter (6.186) Biegewinkel in Kap.5 Hilfsgr¨ oße (5.36) in Kap.6 Anregeparameter (6.193) Schubwinkel Phasensprung bei der Reflexion Wandlerkonstante (7.71) Variationssymbol Abklingkonstante (1.33) relative Volumen¨ anderung in Kap.3 und 6 akustische Grenzschichtdicke (3.147) (6.39) Diracsche Deltafunktion Dehnung [m/m] in Kap.5 Hilfsgr¨ oße (5.71)
Benutzte Formelzeichen
εx , εy , εz ζ
ω ωn
Dehung in x, y, z-Richtung Bewegung (Ausschlag) in z-Richtung [m] in Kap.6 Strahlungswirkungsgrad (6.17) Bewegung (Ausschlag) in y-Richtung Verlustfaktor (3.9) (3.24) ( 3.2 auf Seite 150) Kopplungsverlustfaktor (5.311) Einfallswinkel in Kap.5 Hilfsgr¨ oße (5.88) in Kap.5 Hilfsgr¨ oße (5.22) Wellenl¨ ange [m] Biegewellenl¨ ange Longitudinalwellenl¨ ange Wellenl¨ ange bei der Grenzfrequenz in Abschnitt 5.6 der Lagrangesche Multiplikator Querkontraktionszahl (Poissonsche Zahl) (2.26) in Kap.5 Hilfsgr¨ oße (5.88) ganze Zahl normierte Frequenz, z.B. ν = ωa/cLI bei Zylindern kinematische Viskosit¨ at in Kap.5 Hilfsgr¨ oße (5.71) Bewegung (Ausschlag) in x-Richtung 3.14159296 Dichte [kg/m3 ] in Kap.5 Reflexionsgrad (5.10) Reflexionsgrade f¨ ur verschiedene Wellentypen Dichte im umgebenden Medium Spannung in Normalenrichtung [N/m2 ] in Kap.6 Abstrahlgrad (6.12) in Kap.5 Dickenverh¨ altnis (5.12) Normalspannung in x, y, z-Richtung Schubspannung [N/m2 ] in Kap.3 Relaxationszeit (3.5) in Kap.5 und 6 Transmissionsgrad (5.8) (6.175) Schubspannungen in den drei Richtungen Phasenwinkel Eigenfunktion Drehwinkel Hilfsgr¨ oße z.B. (5.23) Winkel Kreisfrequenz [rad] Resonanzkreisfrequenz
v2 E
mittleres Schnellequadrat komplxer Elastizit¨ atsmodul
η ηνμ ϑ κ λ λB λL λg λν μ ν
ξ π ρ ρLL , ρLT , ρT T ρ0 σ
σx , σy , σz τ
τxy , τyz , τzx ϕ ϕ(. . .) χ ψ
XIX
XX
Benutzte Formelzeichen
A ξˆ vˇ ξ˘ ξ˙ ξ¨ ξ ξ v p˜ |Z| v∗ Re{. . .} Im{. . .} x, y, z r, ϕ, z R, ϑ, ϕ
Matrix von A Scheitelwert von ξ Fouriertransformation von v Fouriertransformation von ξ Zeitableitung von ξ zweite Zeitableitung von ξ Ortsableitung von ξ zweite Ortsableitung von ξ Vektor von v Effektivwert von p Absolutbetrag von Z konjugiert komplexer Wert von v Realteil Imagin¨ arteil kartesische Koordinaten Zylinderkoordinaten Kugelkoordinaten
Das Zeichen ˜ wird auch manchmal zur Kennzeichnung eines Wechselanteils verwendet, wenn er vom Gleichanteil (Mittelwert) unterschieden werden soll. ¨ Wenn keine Verwechslungen zu bef¨ urchten sind, k¨onnen die Uberund Unterstreichungen, etc. auch weggelassen werden.
1 Definitionen und Grundlagen
1.1 K¨ orperschall Eine sehr große Zahl der Schallereignisse, die unser Ohr erreichen - sei es der Klang einer Geige, das Quietschen einer Bremse oder eine lautstarke Unterhaltung in der nachbarlichen Wohnung - werden durch schwingende Festk¨orper erzeugt oder fortgeleitet. Man bezeichnet das Gebiet der Physik, das sich mit ¨ der Erzeugung, Ubertragung und Abstrahlung von - meist sehr kleinen - zeitlich wechselnden Bewegungen und Kr¨ aften in festen K¨orpern besch¨aftigt als uckt die Bezeichnung Schall“ bereits aus, dass K¨orperschall“ 1 . Dabei dr¨ ” ” das Hauptaugenmerk bei den h¨ orbaren Frequenzen - also etwa im Bereich 16 Hz bis 16000 Hz - liegt. Diese Frequenzen sind jedoch durchaus nicht als starre Grenzen anzusehen, so ist es beispielsweise ohne weiteres m¨oglich, dass die Messmethoden, mit denen die K¨ orperschalleigenschaften von Materialien im h¨orbaren Bereich bestimmt werden, auch im Ultraschallgebiet angewandt werden. Es k¨onnen andererseits auch Verfahren, die f¨ ur tiefe Frequenzen (z.B. in der Seismologie oder in der mechanischen Schwingungslehre) entwickelt wurden, auch f¨ ur K¨ orperschallprobleme benutzt werden. Trotz der Beschr¨ ankung auf h¨ orbare Frequenzen handelt es sich beim K¨orperschall um ein sehr umfangreiches und abwechslungsreiches Gebiet. Das gilt sowohl f¨ ur die auftretenden Ph¨ anomene als auch f¨ ur die Anwendung. Hinsichtlich der Ph¨anomene ist die gr¨ oßere Vielfalt der Erscheinungen dadurch bedingt, dass man es mit vielen verschiedenen Medien zu tun hat. Hinzu kommt, dass in Festk¨orpern zwei Wellentypen und ihre verschiedenen Kombinationen auftreten, w¨ahrend in Gasen oder Fl¨ ussigkeiten nur Kompressionswellen interessieren. 1
Der Ausdruck K¨ orperschall“ wurde bereits 1932 vom Ausschuss f¨ ur Einheiten ” und Gleichunggr¨ oßen eingef¨ uhrt. Eine Verwechslung mit dem Schall, der von Organen des menschlichen K¨ orpers ausgeht, ist im heutigen Sprachgebrauch nicht mehr zu bef¨ urchten.
2
1 Definitionen und Grundlagen
Hinsichtlich der praktischen Anwendung liegt ein wichtiges Interesse bei der L¨armbek¨ampfung also bei der Vermeidung oder Verringerung von K¨orperschall im Bauwesen, im Maschinenbau und im Fahrzeugbau. Daneben inressieren K¨orperschallprobleme auch bei der Materialuntersuchung - speziell bei Hochpolymeren -, bei der Maschinen¨ uberwachung und bei der detaillierten Untersuchung der Vorg¨ ange an vielen Musikinstrumenten. Ferner ist eine Besch¨aftigung mit K¨ orperschallfragen auch notwendig im Zusammenhang mit der Wasserschallabstrahlung von Schiffen und schließlich bei der Behandlung einer gewissen Klasse von Materialerm¨ udungserscheinungen, wie sie insbesondere bei Flugk¨ orpern auftreten. Diese Erscheinungen, bei denen zwar die einzelnen Schwingungsvorg¨ ange, wenn man sie kurzzeitig betrachtet, noch fast linear sind, bei denen jedoch u angere Zeit gesehen wegen der enorm ¨ber l¨ großen Lastwechselzahlen nicht umkehrbare Effekte auftreten, werden zwar noch mit den Methoden des K¨ orperschalls betrachtet, stellen aber bereits den ¨ Ubergang zu dem weiten und ¨ außerst komplizierten Gebiet der nichtlinearen Schwingungen dar. Auch bei Beschr¨ ankung auf lineare Vorg¨ ange ist der Amplitudenbereich des K¨orperschalls sehr groß. Hinsichtlich der Bewegung reicht er von weniger auschen bis einigen 10−3 m bei lauals 10−11 m bei leisen, hochfrequenten Ger¨ ten, tieffrequenten T¨ onen. Der Bereich der K¨ orperschallschnelle (=Schwinggeschwindigkeit) erstreckt sich von etwa 10−7 m/s bis fast 1 m/s und bei den sehr h¨aufig gemessenen Beschleunigungen kann man Werte zwischen 10−3 m/s2 und 104 m/s2 erwarten. In diesem Buch werden fast nur lineare Vorg¨ange behandelt; d.h. solche, bei denen eine Ver¨ anderung der anregenden Wechselkraft um einen bestimmten Faktor eine Ver¨ anderung der Bewegung um denselben Faktor bewirkt. Bei den meisten K¨ orperschallanwendungen ist diese Linearit¨ at vorhanden, falls man in Kauf nimmt, dass die Materialparameter eventuell von der statischen Belastung abh¨ angen. Damit ist auch die G¨ ultigkeit des sog. Superpositionsprinzips gew¨ ahrleistet. Ausnahmen liegen vor, wenn •
die Materialparameter von den Schwingungsamplituden abh¨angen, wie das beispielsweise bei hochbelasteten Gummifederk¨orpern unter Maschinen der Fall sei kann; • die Bewegungsamplituden von ¨ ahnlicher Gr¨oße sind wie die kleinsten Abmessungen eines K¨ orpers; (das ist zum Beispiel m¨oglich, wenn die Amplitude einer Plattenschwingung vergleichbar mit der Plattendicke ist oder wenn wie beim Hertzschen Kontakt - die Gr¨oße einer Kontaktfl¨ache amplitudenabh¨angig ist. Neben den erw¨ahnten Grenzen des uns hier interessierenden Frequenz- und Amplitudenbereichs zeigt die Praxis, das oft auch eine Einschr¨ankung hinsichtlich der Dimension vorgenommen werden kann. Die wichtigsten Bauelemente lassen sich n¨ amlich als eindimensionale St¨abe oder zweidimensionale Platten bzw. Schalen betrachten. Das gilt sowohl f¨ ur die Pfeiler und Mauern im Bauwesen als auch f¨ ur die Tr¨ ager und Bleche, aus denen Fahrzeuge und Maschinen gebaut werden. In all diesen F¨allen ist zumindest eine Di-
1.2 Grundlegende Begriffe
3
mension klein gegen die interessierenden Wellenl¨angen, so dass man, wie in den folgenden Kapiteln gezeigt wird, weit reichende Ann¨aherungen und Vereinfachungen machen kann.Allen Problemstellungen ist gemeinsam, dass sie in drei Teilprobleme zerlegt werden k¨ onnen, n¨amlich Anregung, Ausbreitung und Abstrahlung. Die Anregung f¨ uhrt zur Einleitung von Schwingungsenergie in eine Struktur. Die Eigenschaften der Struktur bestimmen dann die Wellenausbreitung und damit den Transport der Energie von der Anregung zur Umgebung. Die Verteilung von Schwingungsenergie auf einer Struktur wird immer zwangsl¨aufig zur Abstrahlung von Schall in das umgebende Medium (z.B. Luft) f¨ uhren. Die Anregung von Strukturen, die Ausbreitung von Wellen auf Strukturen und die Abstrahlung von schwingenden Strukturen sind auch Bestandteile dieses Buches.
1.2 Grundlegende Begriffe Im folgenden Text wird eine kurze Einf¨ uhrung in die Grundlagen und die Nomenklatur f¨ ur die Beschreibung von Schwingungen und Wellen gegeben. Dar¨ uber hinaus werden einige physikalische Grundprinzipien (z.B. Lagrange’sche Gleichungen und Hamilton’sches Prinzip) dargestellt, die sowohl in der Praxis, aber auch im weiteren Text des Buches (z.B. zur Herleitung von Bewegungsgleichungen) sehr hilfreich sind. 1.2.1 Der Einmassenschwinger Das vom Standpunkt der Anschauung einfachste, schwingungsf¨ahige, mechanische System ist der Einmassenschwinger (Bild 1.1).
Bild 1.1. Masse-Feder System
Die Bewegungsgleichung f¨ ur ein solches System ist d2 ξ dξ + r + sξ = F, 2 dt dt
(1.1)
wobei ξ die Auslenkung aus der Ruhelage und F die anregende Kraft darstellt. Das System besteht aus der Masse m und der Federsteife s, sowie des D¨ampfers
4
1 Definitionen und Grundlagen
r (der sog. Reibungswiderstand). Man kann nun eine station¨are harmonisch Anregung F (t) mit der Form F (t) = Fˆ sin (ωt + ϕ)
(1.2)
annehmen, bei der Fˆ die Amplitude der Kraft, ω die Frequenz, t die Zeit und ϕ die Phasenlage der Schwingung ist. Da jeder Zeitverlauf sich aus solchen sinusf¨ormigen (oder cosinusf¨ormigen) Vorg¨angen zusammensetzen l¨ aßt, und wir im folgenden nur mit linearen Beziehungen zwischen den Feldgr¨ oßen zu tun haben werden, bei denen diese Teilvorg¨ange getrennt betrachtet und zum Schluss u ¨berlagert werden k¨onnen, bedeutet das Zur¨ uckgreifen auf sinusf¨ ormige Vorg¨ange, oder wie man in der Akustik sagt, auf reine T¨ one“, keine Beschr¨ankung, sondern vielmehr eine ” große Vereinfachung der Darstellung. Man kann auch von der Darstellung sinusf¨ormiger Vorg¨ange durch die Projektion rotierender Zeiger auf die reelle Achse Gebrauch machen ξ (t) = Re − ξˆejωt = ξˆ cos ωt + φ (1.3) jωt ˆ ˆ F (t) = Re F = F cos ωt + φ. e − ˆ ) kennzeichnet die L¨ange Der Betrag der komplexen Amplitude (hier − ξˆ und F − des Zeigers, die Phaseninformation φ die Lage des Zeigers f¨ ur den Zeitpunkt t = 0. Die Unterstreichung einer Gr¨ oße zur Kennzeichnung ihres komplexen Charakters wird im folgenden Text oft weggelassen, wenn von vorneherein √ feststeht, welche Gr¨ oße gemeint ist. Hinsichtlich der Bezeichnung von −1 mit j schließen wir uns dem Gebrauch der Elektrotechnik an. Es sei an dieser Stelle auch vermerkt, dass in diesem Buch konsequent mit einer Zeitabh¨angigkeit aufig in der anglos¨achsischen Literatur mit der Form ejωt und nicht wie sehr h¨ e−jωt gerechnet wird. Ein weiterer großer Vorteil des Rechnens mit - und Denkens in - Zeigern besteht darin, dass jede Differentiation nach der Zeit zu einer Multiplikation mit jω und jede zweimalige Differentiation also zu einer Multiplikation mit −ω 2 wird. Die Beschr¨ankung auf station¨ are reine T¨ one“ erlaubt die Differentialglei” chung (1.1) in eine lineare Gleichung umzuformen jωt 2 ˆ = Fˆ ejωt . (1.4) −ω m + jωr + s ξe ¨ Die Ubertragungsfunktion , d.h. die Systemantwort normalisiert auf die anregende Kraft ist somit D (ω) =
1 . −mω 2 + jωr + s
(1.5)
1.2 Grundlegende Begriffe
5
Ohne D¨ampfung h¨ atte dieses System die Eigenkreisfrequenz ω0 = s/m. Mit der hier eingef¨ uhrten viskosen D¨ a mpfung verringert sich die Eigenkreis r . frequenz zu von ω0 zu ω0D = ω02 − δ 2 mit der Abklingkonstanten δ = 2m Damit l¨asst sich Gleichung (1.5) in einer etwas anderen Form schreiben D (ω) =
1 . m [−ω 2 + jω2δ + ω02 ]
(1.6)
¨ Der Verlauf dieser komplexen Ubertragungsfunktion“ ist unter Verwendung ” der in der Akustik u ur verschieden ¨blichen logarithmischen Skalen in Bild 1.2 f¨ Abklingkonstanten wiedergegeben. Er zeigt einen ausgesprochenen Gipfel, der sich mit zunehmender D¨ ampfung verringert und sich ein wenig unter der f¨ ur das unged¨ampfte System geltenden Eigenkreisfrequenz ω0 beschiebt.
¨ Bild 1.2. Betrag der Ubetragungsfunktion f¨ ur einen Einmassenschwinger mit verschiedenen Abklingkonstanten δ
¨ Bild 1.3. Phase der Ubetragungsfunktion f¨ ur einen Einmassenschwinger mit verschiedenen Abklingkonstanten δ
6
1 Definitionen und Grundlagen
Wenn die Abklingkonstante hinreichend klein ist, kann dieser Unterschied bei der Beschreibung der Gipfellage, Gipfelh¨ ohe und Gipfelform vernachl¨assigt 1 = rω1 0 . werden. Es gilt also ω0D ≈ ω0 und Dmax (ω) ≈ 2mδω 0 Betrachtet man das Verh¨ altnis der Schnelle v im Verh¨altnis zu ihrem bei uhrt man die Kreisfrequenzder Resonanz erreichten Maximalwert v max und f¨ abweichung (1.7) Δω = ω − ω0 ein, so erh¨alt man unter Vernachl¨ assigung quadratischer Glieder dieser Gr¨oße v 1 = . v max 1 + jΔω/δ
(1.8)
Man kann diese Abh¨ angigkeit des Verh¨ altnisses einer Feldgr¨oße zu ihrem bei Resonanz erreichten Maximalwert von der Frequenzabweichung geradezu zur Definition einer Resonanzfunktion“ machen. Sie kennzeichnet nicht nur den ” parabolischen Scheitelbereich
2
v
≈ 1 − 1 Δω
, (1.9)
v 2 δ max sondern gilt auch noch unterhalb der Wendepunkte bei hinreichend kleinem δ, beschreibt also den f¨ ur alle Resonanzerscheinungen kennzeichnenden glo” ckenf¨ormigen“ Verlauf der Amplituden, bzw. der Amplitudenquadrate oder deren Logarithmen u ¨ber der Frequenzabweichung. Bei Auftragung des Logarithmus liegt der Wendepunkt dort, wo das Verh¨altnis der Amplitudenquadrate, also die Energien, auf den halben Wert herabgesunken sind. Die dazugeh¨orige Kreisfrequenzabweichung sei daher mit dem Index 1/2 versehen. Sie ergibt aus (1.9) zu Δω1/2 = δ. (1.10) Das Doppelte dieses Abstandes, das als anschauliches Maß f¨ ur die Gipfelbreite anzusehen ist, wird als Halbwertsbreite“ bezeichnet. Sie wird meist nicht als ” Kreisfrequenz¨anderung, also in rad s−1 , sondern als Frequenz¨anderung, also in Hz, angegeben: 2Δf1/2 = δ/π,
oft auch einfach mit Δf bezeichnet.
(1.11)
Sind die Amplituden aufgetragen, so kennzeichnet die Halbwertsbreite die Stellen, wo diese das 0,707-fache der Maximalwerte betragen. Sind die relativen K¨orperschallschnellepegel, also die Gr¨ oßen
vˆ 2
[dB] (1.12) Lv = 10 lg
vˆmax
aufgetragen, so kennzeichnet die Halbwertsbreite den Abfall vom Resonanzgipfel um 3 dB.
1.2 Grundlegende Begriffe
7
¨ Aus der komplexen Ubertragungsfunktion kann der Betrag (Bild 1.2) |D| =
1 2 mω02 δ ω20 + 1 −
ω2 ω02
(1.13)
2 1/2
und die dazugeh¨ orige Phase ⎡
δ ω10
ϕD = arctan ⎣
1−
ω2 ω0
⎤ ⎦ .
(1.14)
¨ der Ubertragungsfunktion berechnet werden (Bild 1.3). In diesem Fall beschreibt die Funktion das Amplituden- und Phasenverh¨altnis zwischen resultierender Auslenkung und anregender Kraft. Oft ist man jedoch eher an der Schnelle interessiert. Unter anderem weil gerade das Produkt aus Schnelle und Kraft die Leistung ergibt, die mit der Welle transportiert wird oder von einer Maschine in ein Fundament eingespeist wird. Gleichung (1.6) ergibt in diesem Fall s (1.15) jωm + r + vˆ = Fˆ . jω Das Verh¨altnis zwischen resultierender Schnelle vˆ und anregender Kraft Fˆ wird durch die u ¨bertragungsfunktion Y (ω) =
1 jωm + r +
(1.16)
s jω
beschrieben. Y (ω) (in den folgenden Kapiteln meistens mit A (ω) bezeichnet) wird als Admittanz (im Englischen als mobility“) bezeichnet. Den Quotien” ten der Zeiger der resultierende Kraft Fˆ und der vorgegeben Schnelle vˆ am Angriffspunkt, wird als mechanische Impedanz“ bezeichnet und durch Z (ω) ” gekennzeichnet. In dem Beispiel des einfachen Einmassenschwingers mit einer Anregung in einem Freiheitsgrad gilt Z (ω) = 1/Y (ω). F¨ ur ein System mit einer Anregung (einer vorgegebenen Schnelle) in mehr als einem Freiheitsgrad gilt jedoch −1 [Z (ω)] = [Y (ω)] wobei [Z (ω)] und [Y (ω)] Matrizen darstellen. Beispielsweise f¨ ur ein Systems mit zwei Massen und zwei Federn (Bild 1.4) kann man die Schnelle wie folgt schreiben: vˆ1 (ω) Y11 (ω) Y12 (ω) Fˆ 1 (ω) . (1.17) = vˆ2 (ω) Y21 (ω) Y22 (ω) Fˆ 2 (ω) Dabei sind die Admittanzen Y11 (ω) =
v ˆ1 (ω) Fˆ 1 (ω)
v ˆ (ω) Fˆ 2 (ω) = 0, sowie Y21 (ω) = Fˆ1 (ω) und Y22 (ω) = 2 Die mechanische Impedanz ist dann
und Y12 (ω) = v ˆ2 (ω) Fˆ 2 (ω)
v ˆ2 (ω) Fˆ 1 (ω)
mit Fˆ 1 (ω) = 0.
mit
8
1 Definitionen und Grundlagen
Z11 (ω) Z12 (ω) [Z (ω)] = Z21 (ω) Z22 (ω) mit
Z11 (ω) =
Fˆ 1 (ω) Y11 (ω) = vˆ1 (ω) Y11 (ω) Y22 (ω) − Y12 (ω) Y21 (ω)
Z12 (ω) =
Fˆ 2 (ω) −Y21 (ω) = vˆ1 (ω) Y11 (ω) Y22 (ω) − Y12 (ω) Y21 (ω)
und
(1.18)
wenn vˆ2 (ω) = 0, sowie Z21 (ω) =
Fˆ 1 (ω) −Y12 (ω) = vˆ2 (ω) Y11 (ω) Y22 (ω) − Y12 (ω) Y21 (ω)
Z22 (ω) =
Y22 (ω) Fˆ 2 (ω) = vˆ2 (ω) Y11 (ω) Y22 (ω) − Y12 (ω) Y21 (ω)
und
mit vˆ1 (ω) = 0.
Bild 1.4. System mit einer Anregung in zwei Freiheitsgraden
W¨ahrend Y11 , Y12 , Y21 und Y22 relativ leicht experimentell bestimmt werden k¨onnen, ist die Messung von Z11 , Z12 , Z21 , und Z22 nicht so einfach. Es w¨ urde bedeuten, dass die Struktur in allen Freiheitsgraden außer am Anregepunkt blockiert werden muss (d.h. die Schnelle null ist). Die Matrix der Impedanzen wird in der Praxis durch die Messung der Admittanzen bestimmt. Gleichung 1.18 zeigt aber auch, dass alle Elemente der Admittanzmatrix (mit ausreichender Pr¨ azision) f¨ ur die Berechnung der Impedanzmatrix ben¨otigt werden.
1.2 Grundlegende Begriffe
9
1.2.2 Die elastische Aufh¨ angung ¨ Eine typische Problemstellung ist die Vermeidung der Ubertragung von Vibrationen von einem Fundament in ein empfindliches Ger¨at mit Hilfe einer elastischen Lagerung. Bild 1.5 zeigt in idealisiertes Modell einer solchen Anordnung. Die Schnelle des Fundaments vˆs ist vorgegeben. Das Instrument ist durch seine Masse m charakterisiert und die elastische Aufh¨angung durch die Steife s und eine viskose D¨ ampfung r. Aufgabe ist es die Schnelle vˆm der Masse m so klein wie m¨ oglich zu halten. Die Kraft (Federkraft und Reibungskraft), die an der Masse angreift ist: s . (1.19) Fˆ = (ˆ v s − vˆm ) r + (ˆ v s − vˆm ) jω Diese Kraft f¨ uhrt zu einer Beschleunigung der Masse Fˆ = jωmˆ vm .
(1.20)
Aus beiden Gleichungen l¨ asst sich das Verh¨ altnis der Schnelle der Masse zur Schnelle des Fundaments berechnen jrω
1+ s vˆm = 2 vˆs 1 − ω sm +
jωr s
=
1−
ω2 ω02
1 +
jω 2δ ω02
,
(1.21)
wobei ω0 wieder die Resonanzfrequenz des Masse-Federsystems (ω0 = s/m ) ist. Von (1.21) sieht man, dass unterhalb ω0 Fundament und Masse die gleiche Schnelle haben. Oberhalb ω0 nimmt die Schnelle der Masse n¨aherungsweise mit 1 ω02 ab. Nur bei der Resonanzfrequenz kann es zu einer h¨oheren Schnelle der Masse im Vergleich zur Schnelle des Fundaments kommen. Hier ist die D¨ampfung entscheidend.
Bild 1.5. Modell einer elastischen Aufh¨ angung
1.2.3 Das Problem des ruhenden Bezugsk¨ orpers“ bzw. des ” starren Abschlusses“ ” Bei zahlreichen optischen und elektrischen K¨ orperschallmessverfahren wird ein ruhender Bezugsk¨ orper“ ben¨ otigt. Es handelt sich dabei um eine Idea” lisierung, die besonders bei Frequenzen u ¨ber einigen Hundert Hz kaum zu
10
1 Definitionen und Grundlagen
realisieren ist, weil ruhend“ bedeutet, dass, bezogen auf ein Inertialsystem, ” die Bewegungen des ruhenden K¨ orpers wenigstens kleiner als 10−6 m, h¨aufig −10 m sein m¨ ussen. sogar kleiner als 10 Ein ¨ahnliches, im Prinzip unl¨ osbares Problem ist der starre Abschluss“, ” der bei einigen K¨ orperschallmessverfahren (z.B. bei der Steifemessung nach Abschnitt 3.4.1.1) erw¨ unscht ist. Auch hier handelt es sich um eine Idealisierung, von der man umso weiter entfernt ist, je h¨oher die Frequenz ist. Einen Ausweg aus dieser Schwierigkeit bietet die Verwendung von Messger¨aten, die nach dem Tonpilzprinzip“ aufgebaut sind oder die auf andere ” Weise eine seismische Masse“ als Bezugsgr¨ oße benutzen. Der Grundgedanke ” besteht offensichtlich darin, den kaum zu realisierenden starren K¨orper durch einen solchen zu ersetzen, dessen Bewegung exakt berechnet und damit auch ber¨ ucksichtigt werden kann. Selbstverst¨ andlich eignen sich hierf¨ ur nicht nur seismische Massen“, sondern auch andere Anordnungen, falls man ihre Ad” mittanz f¨ ur die interessierenden Bewegungsrichtungen berechnen kann. In der Praxis kann es allerdings oft recht schwierig sein eine derartige Berechnung durchzuf¨ uhren. Ein relativ einfaches Beispiel eines Laboraufbaus, bei dem sogar nur eine Bewegungsrichtung ber¨ ucksichtigt wird, zeigt Bild 1.6. Es besteht aus den sechs Massen m1 bis m6 , deren Bewegungen sich aus den zu beiden Seiten angreifenden Kr¨ aften und dem Newton’schen Tr¨agheitsgesetz ergeben. Dabei tritt statt der zweimaligen Zeitableitung der Faktor −ω 2 auf, weil wir der Einfachheit halber mit Zeigern rechnen und den Faktor ejωt weglassen. Die im Schwingungssystem herrschenden Kr¨afte sind entweder von außen vorgegeben (z.B. F0 ) oder k¨ onnen aus der Zusammendr¨ uckung der einzelnen Federn der Steife s1 bis s6 ermittelt werden. Es entstehen so 12 lineare Beziehungen, die in Bild 1.6 angegeben sind. Es stellt keine Schwierigkeit dar, die Kr¨afte zu eliminieren. Wir erhalten so folgende 6 lineare Gleichungen f¨ ur die unbekannten Bewegungen ⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ξ1 F0 a11 −s1 −s3 −s4 0 0 ⎢ −s1 a22 0 0 −s5 −s6 ⎥ ⎢ ξ2 ⎥ ⎢ 0 ⎥ ⎥⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎢ −s3 0 a33 0 0 0 ⎥ ⎢ ξ3 ⎥ ⎢ 0 ⎥ ⎥⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ (1.22) ⎢ −s4 0 0 a44 0 0 ⎥ ⎢ ξ4 ⎥ = ⎢ 0 ⎥ , ⎥⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎣ 0 −s5 0 0 a55 0 ⎦ ⎣ ξ5 ⎦ ⎣ 0 ⎦ 0 −s6 0 0 0 a66 ξ6 0 mit a11 = −ω 2 m1 + s1 + s3 + s4 , a22 = −ω 2 m2 + s1 + s2 + s5 + s6 , a33 = −ω 2 m3 + s3 , a44 = −ω 2 m14 + s4 , a55 = −ω 2 m5 + s5 . und a66 = −ω 2 m6 + s6
(1.23)
Es ist relativ leicht aus (1.22) die Bewegungsamplituden ξ1 bis ξ6 auszurechnen und daraus die interessierende Admittanz zu berechnen. Bild 1.7 zeigt Ergebnisse f¨ ur einen bestimmten Parametersatz. Dabei wurde die D¨ampfung uhrt, wobei durch die Benutzung von komplexen Steifen −s = s (1 + jη) eingef¨ η der Verlustfaktor ist.
1.2 Grundlegende Begriffe
11
Bild 1.6. Idelasierung eines Messaufbaus, der aus mehreren Teilen besteht
Bild 1.7. Admittanz f¨ ur die Anordnung in Bild 1.6. Parameter: m2 /m1 = 1, m3 /m1 = 3, m4 /m1 = 1.8, m5 /m1 = 5, , m6 /m1 = 32 , s2 /s1 = 0.02, s3 /s1 = 0.8, s4 /s1 = 1.1, s5 /s1 = 0.4, s6 /s1 = 0.76
1.2.4 Die Lagrange’schen Gleichungen Die in Kapitel 1.2.3 benutzte Bilanzierung der Kr¨afte l¨asst sich nat¨ urlich auch auf kompliziertere Schwingungssysteme anwenden, aber es ist fraglich, ob das immer die geschickteste Vorgehensweise ist. Es soll daher auch noch ein anderes sehr wichtiges Verfahren zur Herleitung von Bewegungsgleichungen vorgestellt werden. Es handelt sich um die Anwendung der Lagrange’schen Gleichungen zweiter Art [1.1]. Dabei kommt man ganz ohne den Begriff der Kraft
12
1 Definitionen und Grundlagen
aus und hat den zus¨ atzlichen Vorteil, dass haupts¨achlich quadratische Terme auftreten, sodass die Wahrscheinlichkeit, Vorzeichenfehler zu machen, etwas geringer ist. Im n¨ achsten Abschnitt werden wir dann sehen, dass die Lagrange’schen Gleichungen eine Folge eines noch fundamentaleren Gesetzes der Mechanik, des Hamilton’schen Prinzips, sind. Die Methode der Lagrange’schen Gleichungen zweiter Art besteht aus zwei Schritten a) Berechnung der gesamten im Schwingungssystem enthaltenen kinetischen und potentiellen Energien; b) Differentiation der Energien nach den Schnellen und Auslenkungen zur Bestimmung der Bewegungsgleichungen. Um das Verfahren zu verdeutlichen, wenden wir es auf das Schwingungssystem in Kapitel 1.2.3 an. Die kinetische Gesamtenergie ist in diesem Fall 1 mν vν2 . 2 ν 6
Ekin =
(1.24)
Die potentielle Energie ist nur in den Federn enthalten. Man findet sie, indem man annimmt, dass eine Feder in vielen kleinen Stufen jeweils um das St¨ uck Δl zusammengedr¨ uckt wird. Die Zusammendr¨ uckung nach der k − ten Stufe sei lk = kΔlk und am Ende des Vorgangs - also nach k = K Stufen - lK . Die in der k − ten Stufe wirkende Kraft ist nach dem Hooke’schen Gesetz ¨ von der Stufe k nach k + 1 Fk = slk und die Arbeit, die beim Ubergang geleistet werden muss, ist ΔEk = Fk Δlk . Addiert man die bei den einzelnen Stufen geleisteten Arbeiten, dann erh¨ alt man f¨ ur die in der Feder gespeicherte, gesamte, potentielle Energie Epot =
K
ΔEk = s
k=0
K
Δl · lk = s
k=0
K
2
k (Δl) = s (Δl)
k=0
2
K k=0
k (1.25)
1 K (K + 1) 1 2 2 = s (Δl)2 ≈ s (Δl · K) = s (lK ) . 2 2 2 Die in einer Feder gespeicherte, potentielle Energie ist also dem Quadrat der Zusammendr¨ uckung proportional. Wenden wir diese Beziehung auf die Anordnung in Bild 1.6 an, so ergibt sich 1 2 2 2 Epot = s1 (ξ1 − ξ2 ) + s2 ξ22 + s3 (ξ1 − ξ3 ) + s4 (ξ1 − ξ4 ) 2 (1.26) 2
2
s5 (ξ2 − ξ5 ) + s6 (ξ2 − ξ6 ) + s0 (ξ0 − ξ1 )
2
.
Man beachte, dass das Ergebnis unabh¨ angig davon ist, ob man ξ1 − ξ2 oder ξ2 − ξ1 etc. schreibt; man ist also zumindest hier in der Vorzeichenwahl frei. In (1.26) wurde noch ein Term mit den in der Skizze von Bild 1.6 gestrichelt bzw. in Klammern angegebenen Steife s0 und der vorgegebenen Auslenkung uhrt. Wir werden ihn zur Darstellung einer eventuellen ¨außeren Kraft ξ0 eingef¨
1.2 Grundlegende Begriffe
13
ben¨otigen und damit die Einf¨ uhrung einer solchen Kraft umgehen. Wie man in B¨ uchern u ¨ber theoretische Physik nachlesen kann, besteht das Verfahren der Lagrange’schen Gleichungen zweiter Art darin, den Ausdruck d ∂ (Epot − Ekin ) ∂ (Epot − Ekin ) − = 0, mit i = 1, 2, 3, 4, ... dt ∂vi ∂ξi
(1.27)
zu bilden. Dabei sind vi und ξi die unbekannten Schnellen und Auslenkungen - also nicht die vorgegebene und damit bekannte Auslenkung ξ0 . Man beachte, dass in diesen Rechnungen vi und ξi zeitabh¨ angige Gr¨oßen und keine Zeiger sind. F¨ ur alle hier behandelten Beispiele und f¨ ur viele andere Schwingungsprobleme ist es m¨ oglich, die Koordinaten so zu w¨ahlen, dass die kinetische Energie nur von den Schnellen vi und die potentielle Energie nur von den angen. Damit wird aus (1.27) Auslenkungen ξi abh¨ d ∂Ekin ∂Epot + = 0 mit i = 1, 2, 3, 4, ... . dt ∂vi ∂ξi
(1.28)
Setzt man (1.24) und (1.26) in (1.27) ein und f¨ uhrt die entsprechenden Differentiationen durch, so erh¨ alt man sechs lineare Gleichungen. Sie sind mit (1.22) identisch, vorausgesetzt, dass man die Steife der Hilfsfeder s0 so klein macht, dass s0 ξ1 → 0 und ξ0 so groß w¨ ahlt, dass s0 ξ0 = F0 . Zudem ist zu dξi dvi i = bzw. in Zeigerschreibweise = −ω 2 ξi . ber¨ ucksichtigen, dass dv 2 dt dt dt −
1.2.5 Bewegungen in mehreren Richtungen Die großen Vorteile des Lagrangre’schen Verfahrens kommen erst richtig zum Tragen, wenn man das Schwingungsverhalten komplizierter Systeme behandelt. Beispielsweise werden die Schwingungen von Konstruktionen, die aus Tausenden von Teilen bestehen, oder durch sehr viele Einzelelemente modelliert werden k¨onnen, normalerweise mit Methode der finiten Elemente (FEM) und damit in den meisten F¨ allen letztlich nach (1.27) - oder einer Abwandlung davon - berechnet. Wir wollen hier jedoch nicht auf die Einzelheiten der FEM eingehen, weil die damit verbundenen Probleme der Elementwahl, der Dateneingabe, der Handhabung großer Matrizen etc. den Rahmen dieses Buches sprengen w¨ urde. Wir geben lediglich noch ein Beispiel an, das zeigen soll. wie man bei Vorhandensein von verschiedenen Bewegungsrichtungen und von Drehbewegungen vorgeht. In Bild 1.8 handelt es sich um ein Schwingungssystem, bei dem vertikale und horizontale Bewegungen sowie eine Drehbewegungen um eine zur Papierebene senkrechte Achse m¨oglich sind. Es ist also bei der kinetischen Energie die Translation mit den Schwerpunktsschnellen vsx bzw. vsy und die Drehung mit der Winkelschnelle ϕ˙ = dϕ/dt zu ber¨ ucksichtigen. Es gilt Ekin =
1 1 2 2 + Θϕ˙ 2cz , m vcx + vcy 2 2
(1.29)
14
1 Definitionen und Grundlagen
dηs s mit vsx = dξ ˙ = dϕ agheitsdt ; vsy = dt ; ϕ dt . Dabei ist m die Masse und Θ das Tr¨ moment des jeweiligen Schwingers.
Bild 1.8. Starre Masse auf Federn mit Anregung durch die Bewegung ξ0 , η0 bzw. die Kr¨ afte F0x , F0y
F¨ ur die Berechnung der potentiellen Energie m¨ ussen wir etwas weiter ausholen, weil die Bewegungsrichtungen miteinander verkoppelt sind. Nach (1.25) gilt f¨ ur eine Feder der Steife s, die den Punkt (xν , yν ) mit dem Punkt (xμ , yμ ) verbindet s 2 (1.30) Epot = (lB − lR ) 2 ange in der Ruhelage und lB die bei Bewegung der Dabei ist lR die Federl¨ Federenden um (ξν , ην ) bzw. (ξμ , ημ ). Siehe Bild 1.9. Sie ist nach dem Satz von Pythagoras gegeben durch 1 2 2 2 . (1.31) lB = [(xν + ξν ) − (xμ + ξμ )] + [(yν + ην ) − (yμ + ημ )] Die Federl¨ange in Ruhelage ist 12 lR = (xν − xμ )2 + (yν − yμ )2 .
(1.32)
1.2 Grundlegende Begriffe
15
Bild 1.9. Koordinaten einer Feder in Ruhe (L¨ ange lR ) und nach einer Bewegung (L¨ ange lB )
Durch Einsetzen ergibt sich nach kleineren Umformungen s 2 xν − xμ (ξν − ξμ ) Epot = lR 1+2 2 2 lR yν − yμ (ξν − ξμ )2 (ην − ημ )2 +2 (η − η + + ν μ 2 2 2 lR lR lR
12
2 −1
.
ur y und η gilt, Da |xν − xμ | lR und |ξν − ξμ | << lR und entsprechendes f¨ 2 sind die Terme mit lR im Nenner viel kleiner als eins. Man kann also die N¨aherung 1 ε (1 + ε) 2 ≈ 1 + , (1.33) 2 anwenden und erh¨ alt 2 s 2 xν − x y ν − yμ (ξν − ξμ ) + (ην − ημ ) + Rξ + Rμ (1.34) Epot = lR 2 2 2 lR lR Die mit Rξ und Rη bezeichneten Reste sind von zweiter Ordnung in den Bewegungsgr¨oßen. Sie stellen die sog. geometrische Nichtlinearit¨at“ dar. Sie treten ” auch bei vollkommen amplituden-unabh¨ angigem Materialverhalten (konstante Federsteife s) auf. Sie k¨ onnen eine Rolle spielen, wenn |ξν − ξμ | |xν − xμ | oder |ην − ημ | |yν − yμ |, wenn also eine Auslenkung gr¨oßer oder vergleichbar ist mit der kleinsten Dimension der Gesamtanordnung. Bei sehr schr¨ag liegenden Federn und großen Auslenkungen kann die geometrische Nichtlinearit¨at durchaus eine Rolle spielen. Beispielsweise handelt es sich bei einer Plattenbewegung, wenn die Auslenkung von der Gr¨oßenordnung der Plattendicke ist, letztlich um eine geometrische Nichtlinearit¨at [1.2]. Auch die zuerst von H. Hertz beschriebene Amplitudenabh¨angigkeit der Kontaktsteife ist von diesem Typ [1.3].
16
1 Definitionen und Grundlagen
In diesem Buch wollen wir uns jedoch auf lineare Schwingungen konzentrieren, d.h. die nichtlinearen Terme Rξ und Rη vernachl¨assigen. Damit wird die potentielle Energie einer Feder bei zweidimensionaler Beanspruchung Epot =
2 s xν − x μ yν − yμ (ξν − ξμ ) + (ην − ημ ) . 2 lR lR
(1.35)
Als N¨achstes m¨ ussen wir nun noch die Auslenkungen ξ und η an einem beliebig gew¨ahlten Punkt des Schwingers durch die translatorische Bewegung des Schwerpunktes und die Drehbewegung ausdr¨ ucken. Dazu nehmen wir an, dass - bezogen auf einen willk¨ urlich gew¨ ahlten Koordinatenursprung - der Schwerpunkt die Ruhekoordinaten (xS , yS ) habe. Seine Verschiebungen und damit die Translation jedes Punktes des Schwingers seien (ξS , ηS ). Siehe Bild 1.10. Den Drehanteil (ξD , ηD ) an der Verschiebung eines Punktes mit den Ruhekoordinaten (x, y) finden wir aus den Gleichungn f¨ ur die Koordinatentransformation bei Drehung. Falls ϕ der Drehwinkel und der Schwerpunkt der Drehpunkt ist, gilt (siehe auch Bild 1.10) ξD = (x − xS ) cos ϕ − (y − yS ) sin ϕ − (x − xS ) ηD = (x − xS ) sin ϕ + (y − yS ) cos ϕ − (y − yS ) .
(1.36)
Wegen der cos- und sin - Funktionen stellt (1.36) einen nichtlinearen Zusammenhang zwischen Drehwinkel und Auslenkung dar. F¨ ur die hier interessierenden kleinen Schwingungen kann man die N¨ aherung cos ϕ ≈ 1 und sin ϕ ≈ 1 ξD = − (y − yS ) ϕ, ηD = (x − xS ) ϕ.
(1.37)
Es liegt also auch hier eine geometrische Nichtlinearit¨at“ vor, die aller” dings erst bei h¨oheren Amplituden zum Tragen kommt als die in (1.31) enthaltene Nichtlinearit¨ at. Durch Addition der Translations- und der Drehanteile erh¨alt man schließlich die Gesamtverschiebung am Ort (x, y) des K¨orpers ξ = ξS + ξD = ξc − (y − yS ) ϕ η = ηS + ηD = ηc + (x − xS ) ϕ.
(1.38)
Setzt man die so ermittelten Verschiebungen in (1.35) ein und addiert die Anteile der einzelnen Federn, so findet man f¨ ur die in Bild 1.8 skizzierte Anordnung Epot
2 2 2 s1 yA s2 xB − xA yB s3 yB = ηA + ξB + ηB + ηB 2 l1 2 l2 l2 2 l3 (1.39) 2 s4 xA − xB yA s0x s0y 2 2 [ξC − ξ0 ] + [ηC − η0 ] + ξA + ηA + 2 l4 l4 2 2
1.2 Grundlegende Begriffe
17
Bild 1.10. Ruhelage, Drehung und Translation eines starren K¨ orpers
In diesem Ausdruck sind s1 bis s4 die Steifen der einzelnen Federn und l1 bis l4 ihre L¨angen. s0x und s0y sind die Steifen der Hilfsfedern. Die weitere Rechnung ist prinzipiell einfach, aber etwas umst¨andlich. Es empfiehlt sich,
18
1 Definitionen und Grundlagen
sie von einem Gleichungmanipulationsprogramm vornehmen zu lassen. Die einzelnen Schritte sind • • • • •
Einsetzen von (1.38) in (1.39) f¨ ur den Fall x = xA , x = xB , y = yA , y = yB , x = xC , y = yC ; Einsetzen des so erhaltenen Ausdrucks sowie von (1.29) in (1.27 und 1.28); ˙ xS , ηS , ϕ; Durchf¨ uhrung der Differentiation nach vSx , vSy , ϕ, ¨ Ubergang zur Zeigerschreibweise; Annahme, dass die Hilfsfedern s0x → 0 und s0y → 0 , aber gleichzeitig die vorgegebenen Auslenkungen so groß sind, dass F0x = ξ0 s0x sowie F0y = η0 s0y die von außen wirkenden Kr¨ afte sind. Das so erhaltene Gleichungssystem ist von der Form ⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ξS A11 A12 A13 F0x ⎥⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎦, ⎣ A21 A22 A23 ⎦ ⎣ ηS ⎦ = ⎣ F0y A31 A32 A33 ϕ F0x + F0y
(1.40)
wobei Aνμ etwas l¨ angere Ausdr¨ ucke sind, die von der jeweiligen geometrischen Anordnung abh¨angen. In Bild 1.11 sind f¨ ur ein spezielles Beispiel die Impedanzen f¨ ur einige Anregeorte aufgetragen.
Bild 1.11. Impedanz einer starren Masse auf Federn bei Anregung u ¨ber dem Schwerpunkt (Kurve I) und außerhalb des Schwerpunktes (Kurve II). Parameter: s2 = 0s1 ; s3 = s1 ; s4 = 0.2s1 ; rΘ = 0.23l; Θ = mrθ2
1.2 Grundlegende Begriffe
19
Man erkenntdie starke Abh¨ angigkeit vom Anregeort, weil im vorliegenden Fall eine Drehbewegung leicht anzuregen ist. Man erkennt außerdem die beiden Nebenresonanzen“, die neben der Hauptresonanz auftreten. Sie sind be” sonders markant, wenn die Anregestelle weit vom Drehpunkt entfernt ist. Man beachte, dass selbst dann Nebenresonanzen auftreten, wenn die ¨außere Kraft im Schwerpunkt wirkt. Das ist darauf zur¨ uckzuf¨ uhren, dass die Federn nicht symmetrisch angeordnet und nicht gleich sind. Die Kopplung der Bewegungen in den verschiedenen translatorischen und rotatorischen Freiheitsgraden und das dadurch bedingte Auftreten von mehreren Resonanzen (maximal sechs) wird bei Messungen an starren K¨ orpern manchmal u ¨bersehen und kann die Ursache von Messfehlern sein. Das Verfahren der Lagrange’schen Gleichungen ist nicht nur ein sehr brauchbares Hilfsmittel zur Aufstellung von Bewegungsgleichungen, es eignet sich auch zur Herleitung wichtiger, allgemeiner Gesetze f¨ ur lineare Mehrmassenschwinger. Da diese Frage in B¨ uchern u ¨ber mechanische Schwingungslehre ausf¨ uhrlich behandelt wird, soll es hier gen¨ ugen, die wichtigsten Ergebnisse ohne Beweis wiederzugeben. 1.2.5.1 Reziprozit¨ at bzw. wechselseitige Leistung Da es sich bei den uns interessierenden Energieausdr¨ ucken immer um quadratische Formen handelt, ergibt sich stets ein symmetrisches Gleichungssystem. Eine Konsequenz hiervon ist die G¨ ultigkeit des Reziprozit¨atsprinzips. Es stellt eine Beziehung zwischen den Feldgr¨ oßen her, wenn Anrege- und Beobachtungsort vertauscht werden. Es ist dabei Voraussetzung, dass das Produkt aus anregender Gr¨ oße (Kraft, Moment, Volumenfluss etc.) und beobachteter Gr¨oße (Schnelle bzw. Auslenkung, Winkelschnelle, Schalldruck etc.) die Dimension einer Arbeit oder Leistung hat. Eine Verallgemeinerung des Reziprozit¨atsprinzips ist der Satz von der wechselseitigen Energie [1.4]. Die entsprechenden Beziehungen sind in Bild 1.12 angegeben. Sie sind dabei auf Zeiger, also komplexe Amplituden angewandt. Falls ein System auch reziproke Wandler enth¨alt kann das wechselseitige Produkt aus Strom und Spannung in die Reziprozit¨ atsbeziehungen mit einbezogen werden. Der Beweis hierf¨ ur kann mit Hilfe des Hamilton’schen Prinzips erfolgen, wenn man es auch auf elektrische Energiespeicher anwendet. Siehe Gl.(7.63) und (7.64). 1.2.6 Entwicklungssatz Mit Hilfe der Theorie der linearen Gleichungen kann man beweisen, dass Mehrmassenschwinger eine Reihe von Resonanzfrequenzen aufweisen, die sich aus den Singularit¨atsstellen der Koeffizientenmatrix ergeben. Siehe z.B. [1.4]. Zu jeder der Resonanzfrequenzen geh¨ oren eine oder mehrere charakteristische Amplitudenverteilungen, die als Moden bezeichnet werden. Es l¨asst sich zeigen, dass jede Bewegungsverteilung sich als Summe von Moden darstellen l¨asst. Im tieffrequenten Bereich gen¨ ugen meist schon wenige Moden, um die
20
1 Definitionen und Grundlagen
Bild 1.12. Reziprozit¨ at und wechselseitige Energie
Schwingungsverl¨aufe in sehr guter N¨ aherung zu beschreiben. Das hat den Vorteil, dass man bei Kenntnis der Moden (z.B. aus einer FEM-Rechnung oder aus einer experimentellen Modalanalyse) mit relativ geringem Aufwand alle tieffrequenten Bewegungen beschreiben kann [1.5, 1.6].
1.3 Energiebetrachtungen In den letzten Abschnitten wurde die kinetische und die potentielle Energie dazu benutzt Bewegungsgleichungen aufzustellen. In diesem Abschnitt soll
1.3 Energiebetrachtungen
21
gezeigt werden, dass Energiebeziehungen dar¨ uber hinaus ein sehr geeignetes Mittel zur Behandlung von Schwingungsvorg¨ angen sind. 1.3.1 Energieerhaltung und Energiefluss Aussagen u usse erh¨ alt man, indem man die Bewegungsglei¨ber die Energiefl¨ chungen, die stets Kraftgleichgewichte darstellen, mit den Schnellen (Schwinggeschwindigkeiten) multipliziert und so zu den Leistungen (d.h. die Kraft mulitpliziert mit der Schnelle) u ¨bergeht. Am einfachsten sehen wir das beim ged¨ampften Einmassenschwinger nach (1.1). F¨ ugen wir noch eine ¨außere, treibende Kraft hinzu, so finden wir mξ¨ + rξ˙ + sξ = F
(1.41)
Nach Multiplikation mit ξ˙ auf beiden Seiten erhalten wir eine Leistungsbilanz, die folgendermaßen umgeformt werden kann 1 d ˙2 1 d 2 mξ + rξ˙2 + sξ = F ξ˙ (1.42) mξ¨ξ˙ + rξ˙2 + sξ ξ˙ = 2 dt 2 dt oder d dt
1 ˙2 1 2 mξ + sξ 2 2
+ rξ˙2 = F ξ˙ bzw.
d (Ekin + Epot ) + Pv = P (1.43) dt
Dieser Ausdruck besagt, dass die von außen u ¨bertragene Leistung P = F ξ˙ = F v entweder von der D¨ ampfung verbraucht wird (der Anteil P v = rξ˙2 ) oder dazu dient, die aus einem kinetischen und einem potentiellen Anteil bestehende Gesamtenergie zu ver¨ andern. Im eingeschwungenen“ Zustand verschwin” den definitionsgem¨ aß die Anteile mit d/dt; d.h. die eingespeiste und die durch D¨ampfung verbrauchte Leistung sind gleich. In (1.42 und 1.43) haben wir mit den Zeitfunktionen (Momentanwerten) gerechnet. Wenn wir nun zu den Zeigern u ussen wir beachten, dass Leistung und Energie aus Pro¨bergehen, m¨ dukten von Feldgr¨ oßen bestehen. Das hat zur Folge, dass die von additiven Verkn¨ upfungen unbeeinflußten Operationen Re..... und der Faktor ejωt nicht mehr ohne weiteres weggelassen werden k¨ onnen. Wir m¨ ussen also auf die Definitionsgleichung 1.3 zur¨ uckgehen und v ejωt (1.44) ejωt Re − P = F ξ˙ = F v = Re F −
jϕ
schreiben. Mit F = F v = v− ejψ wird daraus (|F | bedeutet der e bzw. − − −
Absolutwert): P = |F ||v|Re ej(ωt+ϕ) Re ej(ωt+ψ) = |F ||v| cos(ωt + ϕ) cos(ωt + ψ) =
1 |F ||v|[cos(2ωt + ϕ + ψ) + cos(ϕ − ψ)] 2 (1.45)
22
1 Definitionen und Grundlagen
Bei harmonischen Vorg¨ angen besteht also die Leistung aus einem Anteil, der die doppelte Frequenz hat und einem Gleichanteil. Bildet man den meist allein interessierenden zeitlichen Mittelwert, dann ergibt sich 1 1 1 P = |F ||v| cos(ϕ − ψ) = |F ||v|Re ej(ϕ−ψ) = Re |F |ejϕ |v|e−jψ 2 2 2 oder
1 Re {F v∗ } . 2 Wenden wir diesen Ausdruck auf (1.42) an, so erhalten wir P =
r 2 1 1 rRe ξ˙ξ˙∗ = |ξ˙ | = Re f v ∗ . 2 2 2
(1.46)
(1.47)
In diesen Ausdr¨ ucken bedeutet ∗, dass der konjugiert komplexe Wert zu nehmen ist. Der Anteil mit d/dt verschwindet f¨ ur rein harmonische Vorg¨ange, weil es sich definitionsgem¨ aß um den eingeschwungenen Zustand handelt. Der ¨ Ubergang zu Mehrmassenschwingern ist einfach, wenn man von (1.28) ausgeht und nach Einsetzen der D¨ ampfungsterme und ¨außeren Kr¨afte die analogen Rechenschritte durchf¨ uhrt. 1.3.2 Minimierung der mittleren Energie (Hamilton’sches Prinzip) Eines der wichtigsten Gesetze der Physik ist das Hamilton’sche Prinzip. Auf mechanische Probleme angewandt, besagt es [1.7], dass sich die Bewegungen der einzelnen Teile eines Systems stets so einstellen, dass im Zeitmittel die Differenz aus kinetischer und potentieller Energie einen Extremwert (in unseren F¨allen immer ein Minimum) annimmt. Es ist erstaunlich, dass die ungeheure Vielfalt der physikalischen Vorg¨ ange durch ein so einfach zu formulierendes Prinzip darstellbar ist. Weiterhin ist erw¨ ahnenswert, dass man - eventuell mit kleinen Kunstgriffen - bei Anwendung des Hamilton’schen Prinzips alle Vorg¨ange ohne den Begriff der Kraft (also ohne Druck und Zwang“) be” schreiben kann. Einzelheiten u ¨ber die mit dem Begriff der Kraft verbundenen Probleme siehe z.B. [1.8]. Als Gleichung geschrieben, lautet das Hamilton’sche Prinzip 1 t2 − t1
t2
(Ekin − Epot ) dt = Extremum(Minimum)
(1.48)
t1
Da ein Minimum (oder Extremum) einer stetigen und glatten Funktion dadurch charakterisiert ist, dass sich in seiner N¨ahe der Funktionswert nicht (oder zumindest weniger als linear) ¨ andert, ist die Aussage (1.48) gleichbedeutend damit, dass die Variation der mittleren Energiedifferenz verschwindet; d.h. t2
δ t1
(Ekin − Epot ) dt = 0
(1.49)
1.3 Energiebetrachtungen
23
Der konstante Faktor t1 − t2 wurde dabei gek¨ urzt. Das Symbol δ bedeutet die Variation. Wie sie in unseren F¨ allen durch Differenzieren gebildet werden kann, soll das n¨achste Beispiel zeigen. Wir betrachten wieder einen Einmassenschwinger, der u ¨ber die Feder s0 von einer vorgegebenen Auslenkung ξ0 angeregt wird. Siehe Bild 1.13. Offensichtlich m¨ ussen wir nun den Ausdruck t2 1 ˙2 1 2 1 δ (1.50) mξ − sξ − s0 (ξ0 − ξ)2 dt = 0 2 2 2 t1 bilden. Siehe auch 1.27.
Bild 1.13. Reziprozit¨ at und wechselseitige Energie
¨ Zur Variation benutzen wir die Tatsache, dass kleine Anderungen (Varia¨ tionen) einer beliebigen Funktion g(x1 , x2 , ....) folgendermaßen aus den Anderungen der Argumente gewonnen werden k¨ onnen: δ {g (x1 , x2 , ....)} =
∂g ∂g δx1 + δx2 + .... ∂x1 ∂x2
(1.51)
Dabei sind δx1 , δx2 die Variationen der Argumente. Angewandt auf (1.50) ergibt sich t2 ˙ ξ˙ − sξδξ + s0 (ξ0 − ξ)δξ dt = 0. mξδ (1.52) t1
Den ersten Term kann man durch partielle Integration noch in die geeignetere Form t2 t2 t2 t2 2 dξ d ξ dξ dξ ˙ ˙ −m δξdt (1.53) m ξδ ξdt = m δ dt = m δξ 2 dt dt dt t1 t1 t1 dt t1 bringen. Der erste Term auf der rechten Seite von(1.53) wird zu Null, wenn man beispielsweise die Integrationsgrenzen so w¨ahlt, dass dort dξ/dt verschwindet. Damit erhalten wir aus (1.52)
24
1 Definitionen und Grundlagen t2 t1
−m
d2 ξ − sξ − s ξ + s ξ δξdt = 0. 0 0 0 dt2
(1.54)
Dieser Ausdruck muss f¨ ur alle denkbaren, auch zeitlich ver¨anderlichen Variationen δξ verschwinden. Das ist nur m¨ oglich, wenn die eckige Klammer identisch mit Null ist. Wir erhalten also d2 ξ + sξ + s0 ξ = s0 ξ0 . (1.55) dt2 Das ist die gesuchte Bewegungsgleichung des in Bild 1.13 skizzierten Systems. Wenn mehrere Massen und Federn beteiligt sind, geht man im Prinzip genauso vor. Auf die entsprechende Rechnung wird hier verzichtet, weil sie identisch ist mit der Ableitung der Lagrange’schen Gleichungen zweiter Art, siehe z.B. (1.27). In den sp¨ ateren Abschnitten werden wir das Hamilton’sche Prinzip noch auf weitere interessantere F¨ alle anwenden. m
1.3.2.1 Der Rayleigh-Quotient Bisher haben wir unter Benutzung von Energiesummen und -differenzen wichtige Beziehungen abgeleitet. In diesem Abschnitt werden wir uns mit einem Verfahren besch¨ aftigen, bei dem eine Energiegleichheit entscheidend ist [1.9][1.10]. Voraussetzung f¨ ur die Anwendung des Rayleigh-Quotienten ist die Annahme, dass bei allen Resonanzen (aber nicht außerhalb von Resonanzen) die Beziehung Epot = Ekin
(bei Resonanz bzw. freien Schwingungen)
(1.56)
¨ gilt, wobei die Uberstreichung die Mittelung u ¨ber eine oder mehrere Schwingungsperioden bedeutet. Nehmen wir beispielsweise an, dass ein Mehrmassenschwinger mit einer seiner Resonanzfrequenzen ωn schwingt, dann haben die Auslenkungen und Schnellen der ν-ten Masse den Zeitverlauf ξν (t) = ξνA cos(ωn t + ϕν ) ; vν (t) = −ωn ξνA sin(ωn t + ϕv ).
(1.57)
Im Mittel u ¨ber eine oder mehrere Perioden wird 1 2 1 2 ξν (t)2 = ξνA ; vν (t)2 = ωn2 ξνA . (1.58) 2 2 Damit ergibt sich f¨ ur einen Mehrmassenschwinger, bei dem die ν-te Masse die Auslenkungsamplitude ξνA hat ωn2 =
1 2
Epot !1 . 2 2 mν ξνA
(1.59)
Wegen der zeitlichen Mittelung treten weder in den Ausdr¨ ucken f¨ ur die kinetische noch f¨ ur die potentielle Energie die Phasen auf, sodass auch Epot nur eine Funktion der Amplituden ξνA ist. Der Vorteil von (1.59) zur Berechnung von Resonsanzfrequenzen und Schwingungsformen liegt darin,
1.3 Energiebetrachtungen
25
•
dass (1.59) erstaunlich gute N¨ aherungswerte f¨ ur die tiefste Resonanzfrequenz liefert, wenn man f¨ ur ξνA einigermaßen sinnvolle Sch¨atzwerte einsetzt; • dass (1.59) eine Minimaleigenschaft hat; d.h. wenn man mit falschen Werur die ten von ξνA arbeitet, findet man zumindest eine obere Grenze f¨ Resonanzfrequenz; man kann diese Eigenschaft auch dazu ausnutzen die richtigen Schwingungsverteilungen ξνA zu finden; man braucht dazu ”nur” so lange zu variieren, bis ωn 2 ein Minimum wird [1.7].
Ein einfaches Beispiel soll dies verdeutlichen. Wir betrachten dazu einen Tonpilz, also zwei Massen, die durch eine Feder verbunden sind. Mit den Bewegungsamplituden ξ1A und ξ2A der Massen findet man Ekin =
1 2 2 2 ω (m1 ξ1A + m2 ξ2A ); 4
Epot =
1 s(ξ1A − ξ2A )2 . 4
(1.60)
Eingesetzt in(1.59) folgt daraus mit α = ξ2A /ξ1A ωn2 = s
(1 − α)2 (ξ1A − ξ2A )2 = s . 2 + m ξ2 ) (m1 ξ1A m1 + m2 α2 2 2A
(1.61)
ussen wir nun α so w¨ ahlen, dass (1.61) ein Minimum wird. Um ωn2 zu finden ,m¨ Wie man durch Nullsetzen der Ableitung nach α leicht zeigen kann gibt es zwei Extremwerte . Sie liegen bei α = 1 d.h. ξ2A = ξ1A und α = −m1 /m2 ⇔ m2 ξ2A = m1 ξ1A .
(1.62)
Die sich daraus ergebenden Resonanzen liegen bei ωn2 = 0
bzw.
ων2 = s
m1 + m2 . m1 m2
Beide Werte stimmen mit den bekannten Gleichungn u ¨berein.
(1.63)
Literatur
1.1. 1.2. 1.3. 1.4. 1.5. 1.6. 1.7. 1.8.
1.9. 1.10.
Sommerfeld, A.: Vorlesungen u ¨ber theoretische Physik, Band 1 (Mechanik) § 34; Akademische Verlagsges. Leipzig (1949) Timoshenko, S.; Woinowsky-Krieger, S.: Theory of plates and shells, Chapt. 13; McGraw Hill (1959) Johnson, K. L.: Contact mechanics, Chapt. 4.7, Cambridge University Press (1985) Heaviside, O.: Electrical papers, Vol. I, p. 520; Vol. II (1892), p.202 Blevins, R. D.: Formulas for natural frequency and mode shape; Van Nostrand (1979) Crandall, S. H.; McCalley, Jr., R. B.: Matrix methods of analysis; Chapt. 28 in Shock and vibration handbook (ed. Harris; Crede); McGraw Hill (1976) Morse, P. M.; Feshbach, H.: Methods of theoretical physics; McGraw Hill, § 3.2 (1953) , p. 281 Hertz, H.: Die Prinzipien der Mechanik in neuem Zusammenhang dargestellt. Drei Arbeiten von Heinrich Hertz mit einem Vorwort von H. v. Helmholtz; Akademische Verlagsanstalt Leipzig (1884) Zurm¨ uhl, R.: Praktische Mathematik, § 31 - 33; Springer (1965) Temple, G.; Bickley, W. G.: Rayleigh´s principle and its applications to engineering, Dover Publication (1956)
2 ¨ Ubersicht u ¨ ber die verschiedenen Wellenarten
2.1 Longitudinale Wellen 2.1.1 Die reine Longitudinalwelle Wie in fl¨ ussigen und gasf¨ ormigen Medien treten auch im festen Material reine Longitudinalwellen auf, also solche Wellen, bei denen Schwingungs- und Ausbreitungs-Richtung zusammenfallen. Man kann sie sich durch Betrachten von zur Ausbreitungsrichtung senkrechten, im Ruhezustand ¨aquidistanten Materialebenen anschaulich machen. Diese Ebenen ¨andern bei der longitudinalen Wellenbewegung vor allem ihren relativen Abstand untereinander. Die in der Ruhelage in x und in x + dx liegenden Ebenen werden um ξ(x) und um ξ(x + dx) = ξ(x) + ∂ξ/∂xdx ausgelenkt (Bild 2.1). Die urspr¨ unglich im Ruhezustand im L¨ angenelement dx eingeschlossene Materie erf¨ahrt also bei Wellenbewegung in x-Richtung die Dehnung x =
ξ+ ξ
x
dx
∂ξ . ∂x
(2.1)
∂ξ dx ∂x
σx
σx+
∂σ x dx ∂x
Bild 2.1. Auschl¨ age, Deformation und Spannungen in einer Longitudinalwelle
Eine solche Dehnung muss mit einer inneren Spannung im Material ver¨ bunden sein; oder genauer gesagt, mit einer Anderung der im Ruhezustand
30
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
herrschenden Spannung. Beim festen K¨ orper braucht allerdings eine solche Vorspannung nicht vorhanden zu sein, weil die Dehnung durch wirkliche Zugkr¨afte ausgel¨ost werden k¨ onnen, ohne dass der materielle Zusammenhang verloren geht. Es ist sogar u ¨blich, die Zugspannungen als positive Normalspannungen einzuf¨ uhren, also als auf den Trennfl¨ achen senkrecht stehende Spannungen. F¨ ur die kleinen Deformationen, die hier interessieren, besteht immer Proportionalit¨at im Sinne des Hooke’schen Gesetzes zwischen Zugspannung σx und Dehnung x (bzw. zwischen Druckspannung −σx und Verk¨ urzung −x ): σx = Dx = D
∂ξ . ∂x
(2.2)
Die Konstante D, die wie σx die Dimension Kraft/Fl¨ache besitzt (z.B. N/m2 ), sei als die longitudinale Steife des Materials bezeichnet. Auf ihre Beziehung zu den sonst u atskonstanten wird unten noch eingegangen. ¨blichen Elastizit¨ Auch die Spannung h¨ angt vom Ort ab. Das hat zur Folge, dass an jedem Massenelement von der urspr¨ unglichen L¨ ange dx und der Dichte ρ eine beschleunigende Spannungsdifferenz wirkt, die wegen des Tr¨agheitsgesetzes zur Bewegung ξ gem¨ aß ∂σx ∂2ξ dx − σx = ρ dx 2 σx + ∂x ∂t f¨ uhrt. Zus¨atzlich zu Gl.(2.2) besteht also auch noch der Zusammenhang ∂2ξ ∂σx =ρ 2 ∂x ∂t
(2.3)
zwischen den Auslenkungen ξ(x) im elastischen Kontinuum und den Zugspannungen σx . Bei der Ableitung wurde die Spannung σx nicht als Funktion des Ortes( x + ξ) gekennzeichnet, an welchem sie tats¨achlich auftritt, sondern durch die Materialfl¨ ache, an der sie angreift, und diese durch den Ort x, welchen sie in der Ruhelage einnimmt. Die hier interessierenden Schallschwingungen machen aber so kleine Ausschl¨ age ξ gemessen an den Entfernungen, die zwischen merklich anderen Feldzust¨ anden liegen, dass dieser Unterschied zwischen der hier benutzten sogenannten substantiellen“ Betrachtungsweise ” und der lokalen“ keine Rolle spielt (aus dem gleichen Grunde kann man bei ” lokaler Betrachtung die vollst¨ andige Differentiation nach der Zeit durch die partielle Ableitung ersetzen). Es ist zweckm¨ aßig, die kinematischen Schallfeldverh¨altnisse nicht durch die Verschiebung ξ, sondern durch die Schnelle (Teilchengeschwindigkeit) vx =
∂ξ ∂t
(2.4)
zu beschreiben. Die Schnelle hat gegen¨ uber der Auslenkung den Vorzug, dass sie unmittelbar in der auf die Raumeinheit bezogenen kinetischen Energie
2.1 Longitudinale Wellen
Ekin =
1 2 ρv 2 x
31
(2.5)
in Erscheinung tritt. Jede mechanische Wellenbewegung enth¨alt dar¨ uber hinaus auch noch potentielle Energie. Im vorliegenden Falle ist sie - wieder bezogen auf die Raumeinheit - gegeben durch x Epot =
σx dx = 0
1 2 1 2 Dx = σ . 2 2D x
(2.6)
Die Gesamtenergiedichte, wie man die auf die Raumeinheit bezogene Energie auch bezeichnet, wird durch die Summe beider Anteile bestimmt: Eges = Ekin + Epot .
(2.7)
Sie ist also erst durch die Kenntnis von vx und x oder von vx und σx gegeben. Man muss nun entscheiden, ob im Folgenden die Dehnung oder die Spannung als zweite kennzeichnende Feldgr¨ oße benutzt werden soll. Hier wird die Spannung bevorzugt und zwar einmal, weil viele physikalische Randbedingungen prim¨ar aus Aussagen u ¨ber die Spannungsverh¨altnisse bestehen, vor allem aber auch, weil das Produkt aus Spannung und Schnelle den Leistungstransport je Fl¨acheneinheit, also die Intensit¨ at des Schwingungsfeldes, kennzeichnet: (2.8) Jx = −σx vx . Das negative Vorzeichen tr¨ agt dem Umstand Rechnung, dass eine positive Zugspannung und eine positive (in +x-Richtung gez¨ahlte) Schnelle einen Leistungstransport in negativer x-Richtung ergeben. Mit Einf¨ uhrung der Schnelle nimmt (2.3) die Form ∂σx ∂vx =ρ (2.9) ∂x ∂t und (2.2) nach Differentiation nach der Zeit die Form D
∂vx ∂σx = ∂x ∂t
(2.10)
an. Die beiden Gr¨ oßen sind also r¨ aumlich und zeitlich so gekoppelt, dass ge¨ genseitig die r¨aumliche Anderung der einen der zeitlichen der anderen proportional ist. Dieser Zyklus, der auch bei den folgenden Wellenarten immer wieder vorkommen wird, f¨ uhrt nach nochmaliger Differentiation nach x bzw. t und Kombination von (2.9) und (2.10) zu der f¨ ur alle Feldgr¨oßen geltenden Wellengleichungen ∂2 ∂2 (2.11) D 2 (σx , vx ) = ρ 2 (σx , vx ) . ∂x ∂t Man kann sich leicht davon u ¨berzeugen, dass sie durch s¨amtliche Funktionen der Form
32
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
F
t±
ρ x D
(2.12)
erf¨ ullt wird. Sie kennzeichnen unverzerrte Wellenausbreitungen, die je nach dem Vorzeichen im Argument in positiver (f¨ ur ’−’) oder negativer (f¨ ur ’+’) xRichtung fortschreiten. Beobachtet man n¨ amlich bei x = 0 einen bestimmten Zeitverlauf, so findet man genau denselben Verlauf an der beliebigen Stelle x ateren (oder fr¨ uheren) Zeit. Die Gr¨oße D/ρ nur nach einer um x ρ/D sp¨ stellt also die konstante Geschwindigkeit dar, mit der sich die St¨orung ausbreitet: cL = D/ρ . (2.13) Der Index L kennzeichnet dabei den longitudinalen Charakter dieser Wellenart. Im Fall einer einzelnen Welle, die z.B. in positiver x-Richtung fortschreitet, stehen Normalspannung σx und Schnelle vx in einem festen, von Ort und Zeit unabh¨angigen Verh¨ altnis. Setzt man n¨ amlich f¨ ur die Verschiebung ξ ξ (t − x/cL ) an, so folgt daraus einerseits f¨ ur die Druckspannung nach (2.2) und andererseits f¨ ur die Schnelle: −σx =
D ξ (t − x/cL ) cL
bzw.
vx = ξ (t − x/cL ) .
In beiden F¨allen bedeutet ξ die Ableitung nach dem Argument. Beide Feldgr¨ oßen besitzen genau die gleiche Abh¨angigkeit von Ort und Zeit; ihr Quotient bildet also an allen Stellen den gleichen konstanten Wert, der eine mechanische Impedanz je Fl¨ ache bedeutet und als longitudinaler Kennwiderstand“ des betreffenden Materials bezeichnet wird: ” −σx D = = ρ cL . (2.14) ZL = vx cL Die Proportionalit¨ at der beiden Feldgr¨ oßen besagt auch, dass in einer solchen fortschreitenden Welle die Schwankungen in der potentiellen und in der kinetischen Energie ¨ ortlich und zeitlich zusammenfallen, und dass diese beiden Anteile gleich groß sind: Epot =
1 2 1 1 2 σ = Ekin = ρvx2 = ρ [ξ (t − x/cL )] . 2D x 2 2
(2.15)
Schließlich ergibt sich zwischen der Intensit¨ at und Gesamtenergiedichte J = −σx vx = ZL [ξ (t − x/cL )]
2
bzw.
2
Eges = ρ [ξ (t − x/cL )]
die Beziehung J = cL Eges .
(2.16)
2.1 Longitudinale Wellen
33
Im Fall einer fortschreitenden Welle wandern Energiedichte und Intensit¨at ebenfalls mit der Geschwindigkeit cL mit der Welle mit“. ” In Bild 2.2 sind die Verh¨ altnisse noch einmal f¨ ur den besonders einfachen Fall einer Sinuswelle zusammengestellt. Der Zeitverlauf ξ(t, 0) = ξˆ sin ωt mit der Kreisfrequenz ω f¨ uhrt zur Orts- und Zeitabh¨angigkeit ξ(t − x/cL ) = ξˆ sin [ω(t − x/cL )] .
(2.17)
Es ist u ¨blich, den Quotienten ω/cL zur sogenannten Wellenzahl kL =
ω cL
(2.18)
zusammenzufassen. Da ω = 2π/T zur Periodendauer T umgekehrt proportional ist h¨angt die Wellenzahl kL in gleicher Weise mit der r¨aumlichen Periode, der Wellenl¨ange λL , durch kL =
2π /T 2π = cL λL
(2.19)
zusammen.
ξ -σ
x
v
x
E
J
Epot EKin
x
x
x
Bild 2.2. Feld- und Energieverteilung in einer sinusf¨ ormigen Longitudinalwelle
In Bild 2.2 ist nun ein solcher Zeitpunkt herausgegriffen, dass f¨ ur die Auslenkung (2.20) ξ = −ξˆ sin kL x
34
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
gilt. Diese Auslenkung ist zun¨ achst oben durch die Verschiebung der urspr¨ unglich ¨aquidistanten Materialebenen gekennzeichnet, darunter ist sie im Diagramm u ¨ber x aufgetragen, darunter die um λL /4 verschobene Verteilung der Druckspannung ˆ L cos kL x = −σˆx cos kL x − σx = ξDk
(2.21)
und darunter die damit gleichphasige Schnelle-Verteilung ˆ cos kL x = vˆx cos kL x . vx = ξω
(2.22)
Unter diesen Feldgr¨ oßen sind die Energieanteile u urmt, und ¨bereinander get¨ zwar mit 1 2 1 2 σ ˆ cos2 kL x = ρˆ v cos2 kL x 2D x 2 x (2.23) so, dass die oberste Kurve zugleich die Gesamtenergiedichte Ekin =
1 2 ρˆ v cos2 kL x 2 x
und Epot =
vx2 cos2 kL x Eges = ρˆ
(2.24)
anzeigt. Auch diese Energieanteile weisen eine gleichphasige Periodizit¨at, aber mit halber Wellenl¨ ange, auf. Schließlich ist noch die Intensit¨at J = cL ρˆ vx2 cos2 kL x
(2.25)
im untersten Diagramm aufgetragen, die mit den erstgenannten Energiegr¨oßen ebenfalls in Phase liegt. 2.1.2 Die quasi-longitudinalen Wellen in St¨ aben und Platten Die im vorigen Abschnitt Abschnitt 2.1.1 behandelten reinen Longitudinalwellen k¨onnen sich nur in allseitig u ¨ber sehr viele Wellenl¨angen ausgedehnten K¨orpern ausbilden. So treten sie z.B. bei den die Erde durchsetzenden seismischen Wellen auf. Die hier interessierenden Baukonstruktionsteile aber sind nie allseitig ausgedehnt. Die gr¨ oßte interessierende Querabmessung wird etwa von einer einsteinstarken Ziegelmauer mit 25 cm Dicke gebildet. Kombiniert man diesen Abstand mit einer longitudinalen Schallgeschwindigkeit von 2500 m/s, wie sie etwa f¨ ur ein solches Mauerwerk in Frage kommt, so w¨ urde bei 10 000 Hz die Wandst¨ arke erst eine Wellenl¨ ange erreichen. In den meisten F¨allen wird man daher viel eher sagen k¨ onnen, dass wenigstens eine Querabmessung (bei den stabf¨ ormigen Gebilden sogar beide) klein zur longitudinalen Wellenl¨ange sind. Wohl sind auch bei einem langen Stab Wechsel- und Wellenbewegungen zu erwarten, die im Wesentlichen l¨angs des Stabes gerichtet sind, wenn der Stab an seinem Ende durch eine entsprechende Wechselkraft angeregt wird. Aber schon der statische Zugversuch lehrt, dass neben der axialen Verl¨angerung auch eine Querverk¨ urzung zu beobachten ist, deren auf
2.1 Longitudinale Wellen
35
die jeweilige Dicke bezogener Wert |y | bzw. |z | in einem durch das Material bestimmten festen Verh¨ altnis zur L¨ angsdehnung x steht y = z = −μx .
(2.26)
Es hat sich eingeb¨ urgert, die Konstante μ als Querkontraktionszahl oder Poissonsche Zahl zu bezeichnen, da Poisson als erster auf Grund theoretischer Betrachtungen einen Wert (n¨ amlich μ = 0,25) daf¨ ur angegeben hat. Dieser Wert liegt auch in der tats¨ achlich beobachteten Gr¨ oßenordnung. Der h¨ochste Wert, den μ u urde besagen, dass bei einem ¨berhaupt annehmen kann, ist 0,5. Er w¨ Stab die beiden Querkontraktionen den aus der reinen L¨angsdehnung sich ergebenden Volumenzuwachs wettmachen, dass also das Gesamtvolumen erhalten bliebe. Es leuchtet ein, dass die wirklichen Querkontraktionen darunter bleiben m¨ ussen. Das Auftreten der Querkontraktion besagt, dass neben den L¨angsverschiebung x der Materialteilchen im Stab auch Querverschiebungen η in y- und ζ in z-Richtung auftreten, dass es also gar nicht zu einer reinen Longitudinalwelle kommen kann; vielmehr sieht die ausgel¨oste Wellenbewegung im Prinzip so aus, wie das in Bild 2.3 wieder f¨ ur eine Sinuswelle gezeigt ist. Um das Wellenbild deutlich zu machen, wurden freilich die Verh¨altnisse u ¨bertrieben, und zwar nicht nur in Bezug auf die absolute Gr¨oßenordnung der Verschiebungen, die um wenigstens 5 Zehnerpotenzen u ¨ber den wirklichen liegen. Auch die gr¨ oßte Querverschiebung ηˆ ist im Verh¨altnis zu der gr¨oßten L¨angsverschiebung ζˆ in dem eben noch vern¨ unftigen H¨ochstmaß gew¨ahlt. Ist d die Dicke des kreisrunden oder quadratischen Stabes und λ die vorhandene Wellenl¨ange, so ergibt sich dieses Verh¨ altnis aus |ˆ y | = zu
2ˆ η 2π = μ|ˆ x | = μ ξˆ d λ ηˆ π μd . = λ ξˆ
(2.27)
(2.28)
Bei den interessierenden Baustoffen ist etwa πμ ≈ 1. Also verh¨alt sich die gr¨oßte Quer-Verschiebung zur gr¨ oßten L¨ angs-Verschiebung wie die Dicke zur Wellenl¨ange. Wie schon festgestellt ist im Bereich der h¨orbaren Frequenzen meist d << λ. N¨ahert sich die Wellenl¨ ange bei den h¨ochsten Frequenzen der Dicke an, so ist die im Folgenden durchgef¨ uhrte Darstellung ohnehin nicht mehr zul¨assig, weil dann die Querverschiebungen nicht mehr innerhalb eines Querschnittes gleichphasig verlaufen und nicht einfach linear gegen den Rand zunehmen (vergleiche Abschnitt 2.7.3). Man hat also die bei dieser Wellenbewegung auftretenden Verschiebungen haupts¨ achlich als l¨angs gerichtet anzusehen. Wegen dieser Kinematik hat es sich eingeb¨ urgert, auch sie als Longitudinalwellen zu bezeichnen. Besser w¨ urde man freilich von quasi-longitudinalen“ ” Wellen sprechen, um die Abweichung gegen¨ uber den reinen Longitudinalwellen anzudeuten. R. Berger [2.1] schlug statt dessen die Bezeichnung Dehnungswellen“ ” vor, w¨ahrend er die reinen Longitudinalwellen Verdichtungswellen“ nannte. ”
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
ηmax
36
ξmax
Bild 2.3. Deformationen bei einer quasi-longitudinalen Welle
Doch spricht gegen diese - wohl ihrer K¨ urze wegen gerne benutzten - Bezeichnungen, dass in beiden F¨ allen Dehnungen und Verdichtungen auftreten. So gering die Querbewegungen auch sein m¨ogen, so ist ihr Vorhandensein doch in zweifacher Hinsicht wesentlich. Einmal leuchtet ein, dass nur diejenigen Bewegungen der Oberfl¨ ache zu einer Schallabstrahlung in ein umgebendes schubspannungsfreies Medium f¨ uhren k¨ onnen, die senkrecht zur Oberfl¨ache gerichtet sind. Die quasilongitudinalen Wellen sind somit auf Grund der Querkontraktion strahlungsf¨ ahig. Zum anderen ist zu beachten, dass die quasi” longitudinalen“ Wellenbewegungen eine geringere Ausbreitungsgeschwindigkeit aufweisen als die reinen longitudinalen. Das kommt daher, dass die Steife des Materials gegen¨ uber Zug- und Druckkr¨ aften geringer ist, wenn es sich seitlich zusammenziehen oder ausweichen kann. Weil das aber die technisch am einfachsten zu untersuchende Anordnung darstellt, wurde der Elastizti¨atsmodul E (auch Youngscher Modul genannt) aus dem hierbei zu beobachtenden Verh¨altnis aus Spannung und Dehnung in Zugrichtung definiert: E=
σx x
f¨ ur σy = σz = 0.
(2.29)
Wird dagegen die seitliche Kontraktion verhindert, so wird dieser einachsige Spannungszustand durch einen dreiachsigen ersetzt, in dem nun auch Normalspannungen σy und σz in den zur Zugrichtung senkrechten Richtungen auftreten. Diese aber verk¨ urzen die Dehnung in x-Richtung, und zwar, wie ¨ sich aus dem Prinzip der ungest¨ orten Uberlagerung ergibt, gerade um die Querkontraktionen, welche sie allein hervorrufen w¨ urden. Gl.(2.29) ist also allgemein zu ersetzen durch die drei Gleichungen Ex = σx − μ(σy + σz ) Ey = σy − μ(σz + σx ) Ez = σz − μ(σx + σy ).
(2.30)
Im Fall der verhinderten Querkontraktion ist y = z = 0 ,
(2.31)
und damit ergibt sich durch Addition der beiden unteren Ausdr¨ ucke in (2.30) σy + σz =
2μ σx , 1−μ
2.1 Longitudinale Wellen
37
und damit nach Einsetzen in die erste Zeile von (2.30) 2μ2 . Ex = σx 1 − 1−μ Die in (2.2) eingef¨ uhrte longitudinale“ Steife D, die f¨ ur die Ausbreitungsge” schwindigkeit der reinen Longitudinalwellen maßgebend war, h¨angt also mit den messbaren Konstanten E und μ zusammen durch D=
E E(1 − μ) = . 1 − 2μ2 /(1 − μ) (1 + μ)(1 − 2μ)
(2.32)
Offenbar ist stets D > E, bei dem mittleren Wert μ = 0, 3 immerhin um den Faktor 1,35. Abgesehen von diesem Ersatz der longitudinalen Steife D durch E bleiben alle in Abschnitt 2.1.1 aufgestellten Beziehungen auch f¨ ur die quasilongitudinalen“ Wellen im Stab g¨ ultig. Dabei ist es zweckm¨aßig, statt ” der Zugspannung −σx die an der ganzen Querschnittsfl¨ache S angreifende L¨angskraft Fx einzuf¨ uhren, und zwar positiv als Druckkraft Fx = −Sσx
(2.33)
so dass die in positiver x-Richtung transportierte Leistung durch das Produkt P = Fx vx
(2.34)
gekennzeichnet ist. Dann nehmen die Kopplungsgleichungen (2.9) und (2.10) die Form ∂vx ∂Fx = ρS (2.35) − ∂x ∂t und ∂vx ∂Fx − ES = (2.36) ∂x ∂t an. Bei Bildung der Wellengleichung fallen die Fl¨ache und der Vorzeichenwechsel wieder heraus und es bleibt nur der Ersatz von D durch E: E
∂2 ∂2 (F , v ) = ρ (Fx , vx ). x x ∂x2 ∂t2
Die Ausbreitungsgeschwindigkeit besitzt also den niedrigeren Wert cLII = E/ρ.
(2.37)
(2.38)
Mit μ = 0, 3 betr¨agt der Unterschied immerhin 16%, und es ist bei Angaben u ¨ber Longitudinalwellen-Geschwindigkeiten darauf zu achten, welcher Wert gemeint ist. Im Folgenden werden jedenfalls dort, wo Verwechselungen zu bef¨ urchten sind, die verschiedenen Longitudinalwellen-Geschwindigkeiten außer durch den gemeinsamen Index L noch durch die (r¨omisch geschriebene)
38
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
Zahl der ungehinderten Querkontraktionen unterschieden; die durch (2.38) definierte Ausbreitungsgeschwindigkeit der quasilongitudinalen Wellen im Stab ur reine ist demgem¨aß zum Unterschied von der Wellen-Geschwindigkeit cL f¨ Longitudinalwellen mit cLII bezeichnet. Angaben u ¨ber gemessene cLII -Werte findet der Leser in den Tabellen 3.2 auf Seite 150 und 3.3 auf Seite 178. Zwischen diesen beiden F¨ allen gibt es noch die quasilongitudinale“ Schal” lausbreitung in der Platte, bei der nur in einer Richtung - es sei dies die z-Richtung - eine Querbewegung stattfinden kann. F¨ ur diesen zweiachsigen Spannungszustand gilt: (2.39) y = 0 : σz = 0. Damit liefert die mittlere Gleichung in (2.30) σy = μσx und das Einsetzen in die oberste Gleichung von (2.30) f¨ uhrt auf: Ex = σx (1 − μ2 ). In diesem Falle ist also ein mittlerer Elastizit¨ atsmodul E/(1−μ2 ) maßgebend, der n¨aher an E als an D liegt. Die zugeh¨ orige Longitudinalwellengeschwindigkeit E cLI = (2.40) ρ(1 − μ2 ) ur μ = 0, 3 sind es unterscheidet sich nur sehr wenig von cLII bei St¨aben (f¨ ¨ 5%). F¨ ur Uberschlagsrechnungen ist es nicht unbedingt n¨otig, den Unterschied zu ber¨ ucksichtigen. ¨ Bei der Ubertragung von (2.9) und (2.10) auf die Platte empfiehlt es sich, anstelle der Zugspannungen σx die auf die Breiteneinheit reduzierten Druckkr¨afte einzuf¨ uhren (2.41) Fx = −σx h, wobei h die Plattendicke bedeutet. Es ist dann P = Fx vx
(2.42)
die je Breiteneinheit weiterwandernde Leistung. Die Kopplungsgleichungen (2.9) und (2.10) nehmen hier die Formen ∂Fx ∂vx = ρh ∂x ∂t
(2.43)
∂Fx Eh ∂vx = 2 1 − μ ∂x ∂t
(2.44)
− und −
an. Die daraus resultierende Wellengleichung besteht in
2.2 Transversalwellen
∂2 Eh ∂ 2 (F , v ) = ρh (F , vx ). x 1 − μ2 ∂x2 x ∂t2 x
39
(2.45)
Der Fall der Platte unterscheidet sich schließlich von dem des Stabes nicht nur dadurch, dass die Querkontraktion nur in einer Richtung erfolgt. Dar¨ uber hinaus ergibt sich auch aus den auf diesen Fall angewandten Gleichungen (2.30), oßer ist als die beiden gleichen dass daf¨ ur diese eine Querkontraktion z gr¨ Querkontraktionen beim Stab, n¨ amlich: z = −
μ x . 1−μ
(2.46)
Das Material macht sozusagen von den einzigen Ausweichm¨oglichkeit st¨arkeren Gebrauch. Bei μ = 0, 3 bedeutet der Unterschied eine prozentuale Erh¨ohung der Querkontraktion um 43%, ¨ andert aber nichts Wesentliches an den oben angestellten kinematischen Absch¨ atzungen. Immerhin verdient der Unterschied Beachtung bei der Berechnung der Abstrahlung, die ja außerdem bei allen plattenartigen K¨ orpern gr¨ oßer ist als bei den stabf¨ormigen, bei denen sich die Bewegungen davor und dahinter im Nahfeld ausgleichen k¨onnen.
2.2 Transversalwellen 2.2.1 Die ebene Transversalwelle ¨ Ein fester K¨orper widersetzt sich bekanntlich nicht nur einer Anderung sei¨ nes Volumens, sondern auch jeder Anderung seiner Form. Er kann das, weil er im Gegensatz zu Fl¨ ussigkeiten und Gasen schon im Ruhezustand in jeder Schnittebene auch tangentiale Spannungen u ¨bertr¨agt, die man auch als Schubspannungen bezeichnet. Diese Schubspannungen machen es erst m¨oglich, dass die feste Materie in der Form von St¨ aben, Platten, Schalen . . . u ¨berhaupt auftreten kann, denn ohne Schubspannungen w¨ urden vorhandene Strukturen bei Ber¨ uhrung sofort zerfallen - wie das in den schubspannungsfreien Fluiden ja auch tats¨achlich der Fall ist. Die Schubspannungen machen es ferner m¨oglich, dass im festen K¨orper auch transversale ebene Wellenbewegungen vorkommen k¨onnen, bei denen die Ausbreitungsrichtung und die Auslenkungen aufeinander senkrecht stehen. Die transversalen Verschiebungen zweier um dx voneinander entfernten Materialebenen unterscheiden sich um ∂η/∂xdx und bewirken so die Verzerrung eines urspr¨ unglich von ihnen eingeschlossenen Rechteckes mit den Seiten dx und dy in ein Parallelogramm, dessen spitzer Winkel um den Gleit- oder Schiebungs-Winkel ∂η γxy = (2.47) ∂x hinter einem rechten Winkel zur¨ uckbleibt (siehe Bild 2.4). Man beachte, dass die Deformation diesmal nicht mit einer Volumen¨anderung verbunden ist.
40
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
dy
τyx
τ xy + τxy τyx
γxy
η
x
dx
η+
∂ τ xy ∂x
dx
∂η dx ∂x x
x+dx
Bild 2.4. Ausschl¨ age, Deformation und Spannungen in einer Transversalwelle
Dagegen findet außer dieser Deformation auch eine Rotation“ des be” trachteten Elementes statt, n¨ amlich um den freilich sehr kleinen Winkel γxy /2. Man bezeichnet daher die Transversalwellen auch als Rotationswellen“. ” Eine solche Deformation verlangt andererseits das Auftreten von Schubspannungen τxy und τyx . Der erste Index kennzeichnet hierbei die Lage der Fl¨ache zum Mittelpunkt des betrachteten Elementes, der zweite die Richtung der Spannung. Das Momentengleichgewicht verlangt nicht nur, dass solche Spannungen an beiden zueinander senkrechten Fl¨achenpaaren auftreten, sondern auch, dass sie gleich groß sind. Andererseits sind auch sie im Sinne des Hooke’schen Gesetzes zu der durch sie bewirkten Deformation γxy proportional τxy = τyx = Gγxy ,
(2.48)
oder nach (2.47) ∂η . (2.49) ∂x Die Proportionalit¨ atskonstante G hat die physikalische Einheit einer mechanischen Spannung, G wird als Schubmodul bezeichnet. Benutzt man wieder statt der Verschiebung in y-Richtung die entsprechende Schnelle ∂η , (2.50) vy = ∂t so ergibt sich aus (2.49) unter Differentiation nach der Zeit τxy = G
G
∂vy ∂τxy = . ∂x ∂t
(2.51)
Gl.(2.51) tritt hier an die Stelle von (2.10), w¨ ahrend die dynamische Grundbeziehung (2.9) durch
2.2 Transversalwellen
41
∂vy ∂τxy =ρ (2.52) ∂x ∂t zu ersetzen ist. Hier f¨ uhrt die ¨ ortliche Differenz der Schubspannungen zwischen den um dx entfernten Angriffsfl¨ achen entsprechend der Wirkungsrichtung der Spannungen zu einer Beschleunigung in y-Richtung. Die Zusammenfassung der Kopplungsgleichungen (2.51) und (2.52) ergibt wieder eine Wellengleichung ∂2 ∂2 G 2 (τxy , vy ) = ρ 2 (τxy , vy ), (2.53) ∂x ∂t aus der diesmal f¨ ur die Ausbreitungsgeschwindigkeit cT = G/ρ (2.54) folgt. Der Index T soll auf den erw¨ ahnten transversalen Charakter dieser Wellenart hinweisen. Angaben u ¨ber gemessene cT -Werte findet man in Tabelle 3.2 auf Seite 150. Man w¨are geneigt anzunehmen, dass G eine weitere Materialkonstante darstellt, die von den fr¨ uheren unabh¨ angig ist. Das ist aber nicht der Fall, weil dort nicht nur Normalspannungen σ und hier nicht nur Schubspannungen τ auftreten. Diese Tatsache spricht eigentlich auch dagegen, die reinen Transversalwellen als Schubwellen zu bezeichnen. Trotzdem wird das in diesem Buch oft getan, weil f¨ ur G die Bezeichnung Schubmodul gebr¨auchlich ist. Schubspannungen treten auch in der Longitudinalwelle auf. Nur wenn man sich auf die Betrachtung der Schnittebenen beschr¨ankt, die zur Ausbreitungsrichtung parallel oder senkrecht sind, tritt jeweils nur die eine oder die andere Spannungsart in Erscheinung. Die an einem Punkt eines festen K¨orpers vorhandenen Spannungen erscheinen aber je nach Lage der in Gedanken gelegten Schnittfl¨ache in verschiedener Weise. Betrachtet man z.B. die in den Diagonalebenen vorhandenen Spannungen eines zun¨ achst nur durch Schubspannung beanspruchten Quadrates, so zeigt das Gleichgewicht der Kr¨afte (siehe Bild 2.5a), dass hier einmal eine Druckspannung und einmal eine Zugspannung auftritt, die beide gleich den urspr¨ unglich betrachteten Schubspannungen sind: 2τ cos 45◦ =
σ ; cos 45◦
τ =σ.
Hierin tritt cos 45◦ links als Komponenten- und rechts als Fl¨achenfaktor auf. Aber auch die Deformation eines Elementarquaders tritt je nach Lage gegen¨ uber den Spannungen verschieden in Erscheinung. Ein zu den genannten Diagonalen paralleles Quadrat erf¨ ahrt bei einem ebenen Spannungszustand gem¨aß (2.30) eine Verl¨ angerung oder Querk¨ urzung um =
σ(1 + μ) . E
Diese Dehnungen aber h¨ angen mit dem Winkel γ, wie Bild 2.5b zeigt, kinematisch zusammen u ¨ber:
42
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
τ
τ
τ
τ σ
σ
1+
a)
ε
σ
σ γ/2 σ 1
σ 1-
ε
b)
Bild 2.5. Zusammenhang zwischen Normal- und Schubspannung (a) und Dehnung und Schiebungswinkel (b)
1 − γ/2 1− = tan(45◦ − γ/2) ≈ ; 1+ 1 + γ/2
also =
γ . 2
Kombiniert man nun diese Gleichungen mit τ = Gγ, so ergibt sich der gesuchte Zusammenhang zwischen G und E zu G=
E . 2(1 + μ)
(2.55)
Der Schubmodul ist also stets wesentlich geringer als der Elastizit¨atsmodul E und somit erst recht geringer als die longitudinale Steife D. Daher ist auch die Ausbreitungsgeschwindigkeit cT der Transversalwellen kleiner als die der quasi-longitudinalen Wellen cT G 1 G(1 − μ2 ) 1−μ cT = , = , (2.56) = = cLII E 2(1 + μ) cLI E 2 und erst recht kleiner als die der reinen longitudinalen Wellen cT G 1 − 2μ = . = cL D 2(1 − μ) Mit μ = 0, 3 verh¨alt sich cT : cLII = 0, 620,
cT : cLI = 0, 592
und cT : cL = 0, 535
(2.57)
2.2 Transversalwellen
43
Ohne es im Einzelnen wieder auszurechnen, sei unter Hinweis auf den gleichen Charakter der Feldgleichungen noch erw¨ahnt, dass die Verteilung der kinetischen und der potentiellen Energie in einer sinusf¨ormigen transversalen Welle die gleiche ist, wie bei der (in Bild 2.2 gezeigten) sinusf¨ormigen longitudinalen Welle. Auch die ebene Transversalwelle bildet sich vorwiegend in allseitig zur Wellenl¨ ange großen K¨ orpern aus. Lediglich eine freie Oberfl¨ache parallel zur Ausbreitungs- und Verschiebungsrichtung, hier also parallel zur x-y-Ebene, bleibt ohne Einfluss auf diese Art der Wellenbewegung. Solche ebenen Transversalwellen sind demnach auch in planparallelen Platten m¨oglich (siehe Abschnitt 2.7.4.1). 2.2.2 Torsionswellen Es gibt aber auch eine Art von Transversalwellen, die in schmalen St¨aben auftreten k¨onnen, n¨ amlich dann, wenn diese durch zeitlich wechselnde Torsionsmomente angeregt werden, also durch Momente, deren Drehachse in die Stabachse f¨allt. Es tritt dann eine Verdrehung der einzelnen Querschnitte um die Stabachse ein, bei welcher alle Punkte eines Querschnittes tangentiale Verschiebungen erleiden, die mit ihrem Abstand von der Drehachse (hier die x-Achse, siehe auch Bild 2.6a) wachsen. In den y- und z-Komponenten dieser Verschiebung ausgedr¨ uckt heißt das: η = −χz
und ζ = χy ,
(2.58)
wobei χ den Verdrehungswinkel im Bogenmaß gegen¨ uber der Ruhelage bedeutet. Handelt es sich u ¨berdies um einen Kreis oder Kreisring-Querschnitt, so folgt weiterhin aus der Rotationssymmetrie, dass alle Punkte einer Querschnittsebenen nicht aus dieser Ebene heraustreten, dass also ξ=0
(2.59)
ist, denn es w¨are nicht einzusehen, warum einzelne unter ihnen eine Richtung bevorzugen sollten. In diesen F¨ allen also sind wie im letzten Abschnitt reine Transversalwellen m¨ oglich, nur dass diesmal die unendliche Ausdehnung der seitlichen Verschiebung durch das Sichschließen im Ring ersetzt wird. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass die zugeh¨orige Wellenausbreitung die schon in (2.54) genannte Geschwindigkeit besitzt, wie das Folgende zeigt. Zur Herleitung bedient man sich wieder wie bei allen seitlich begrenzten Gebilden der Beschreibung durch integrierte Feldgr¨oßen. Anstelle der am Querschnitt tangential angreifenden und radial zum Rande wachsenden Schubspannungen, deren Gr¨ oße sich nach (2.48) und der aus Bild 2.6b folgenden Winkelbeziehung dχ γ=r (2.60) dx zu ∂χ (2.61) τ = Gr ∂x
44
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
z
y
ζ η
a)
χ
dx
z
γ
χ
r
χ+ b)
∂χ dx ∂x
y
x
Bild 2.6. Verdrehung der Querschnitte in einer Torsionswelle (a), Zusammenhang zwischen Verdrehungswinkel und Schiebungswinkel (b)
ergibt, wird das (um die x-Achse drehende) Torsionsmoment ra dχ π Mx = 2π τ r 2 dr = G ra4 − ri4 2 dx ri
(2.62)
eingef¨ uhrt (ri , ra innerer und ¨ außerer Radius). Die darin enthaltene Proportionalit¨atskonstante wird als Torsionssteife π (2.63) T = G ra4 − ri4 2 bezeichnet. Allgemeiner besteht nat¨ urlich nicht nur bei kreisf¨ormigem, sondern auch bei beliebigem Querschnitt Proportionalit¨at zwischen Torsionsmoment und ¨ortlichem Zuwachs des Verdrehungswinkels im Sinne von
2.2 Transversalwellen
Mx = T
dχ , dx
45
(2.64)
wodurch dann die Torsionssteife unmittelbar allgemein definiert wird. F¨ uhrt man ferner noch in Analogie zur Schnelle die zeitliche Ableitung des Verdrehungswinkels χ, also die Winkelgeschwindigkeit (Winkel-Schnelle) um die x-Achse dχ wx = (2.65) dt ein, so gewinnt man durch Differentiation von (2.64) nach der Zeit eine Be¨ ziehung zwischen der ¨ ortlichen Anderung der Winkelgeschwindigkeit und der ¨ zeitlichen Anderung des Torsionsmomentes: ∂wx ∂Mx =T . ∂t ∂x
(2.66)
Diese partielle Differentialgleichung wird wieder erg¨anzt durch den Zusam¨ menhang zwischen ¨ ortlicher Anderung des Torsionsmomentes und zeitlicher ¨ Anderung der Winkelgeschwindigkeit, der aus der Anwendung des Momentensatzes auf ein Stabl¨ angenelement zu ∂Mx ∂wx = Θ ∂x ∂t
(2.67)
folgt. Hierin bedeutet Θ das Massen-Tr¨ agheitsmoment des Stabes je L¨angeneinheit, welches sich bei einem kreissymmetrischen Querschnitt mit dem Innenradius ri und dem Außenradius ra ergibt zu ra π (2.68) Θ = 2π ρ r3 dr = ρ ra4 − ri4 . 2 ri Durch Zusammenfassung von (2.66) und (2.67) folgt die Wellengleichung T
∂2 ∂2 (Mx , wx ) = Θ 2 (Mx , wx ). 2 ∂x ∂t
(2.69)
Die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Torsionswellen ist demnach durch die Wurzel aus dem Quotienten aus Torsionssteife und Tr¨agheitsmoment gegeben. Bei der Quotientenbildung fallen alle geometrischen Daten heraus, und es bleibt nur (2.70) cT = T /Θ = G/ρ u ¨brig. Diese geometrische Entsprechung zwischen T und Θ gilt aber nur f¨ ur rotationssymmetrische Querschnitte. Betrachtet man dagegen statt eines Kreises ein fl¨achengleiches Rechteck, so leuchtet ein, dass seine Torsionssteife um so geringer ausf¨ allt, je schmaler es bei gleicher Gesamtfl¨ache ist, w¨ahrend umgekehrt sein Tr¨ agheitsmoment um so mehr w¨achst. Das Letzte folgt sofort aus der bekannten Gleichung
46
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
ρS 2 bh3 + hb3 = Θ =ρ 12 12
h b + b h
(2.71)
f¨ ur das Tr¨agheitsmoment. Dieser gegen¨ uber H¨ ohe h und Breite b symmetrische Ausdruck ist am kleinsten im Falle des Quadrats h = b, aber auch dann bereits gr¨oßer als f¨ ur einen fl¨ achengleichen Kreis. F¨ ur schmale Rechtecke kann der zweite Summand in der Klammer gegen¨ uber dem ersten vernachl¨assigt werden. F¨ ur die Torsionssteife ergibt dagegen die Statik folgende Werte in Abh¨angigkeit des Quotienten h/b: h b
=1
1,5
2
3
6
10
T = 0, 141 0,196 0,229 0,263 0,298 0,312GS 2 b/h
Mit h/b → ∞ strebt diese Abh¨ angigkeit dem Grenzwert T =
Gb3 h . 3
(2.72)
zu. Setzt man nun die aus (2.71) und (2.72) folgenden Werte f¨ ur Θ und T in (2.70) ein, so ergeben sich f¨ ur rechteckige Querschnitte Ausbreitungsgeschwindigkeiten der Torsionswellen, die mit cT I bezeichnet seien und die umso mehr unter den durch (2.70) gegebenen Werten liegen, je gr¨oßer das H¨ohe-zu-Breite-Verh¨ altnis ist: h b cT I cT
=1
1,5
2
3
6
10
= 0, 92 0,85 0,74 0,56 0,32 0,19
F¨ ur große (h/b)-Werte ergibt sich aus (2.71) und (2.72) die N¨aherung: cT I =
2b cT . h
(2.73)
Wie der Vergleich mit den in der Tabelle angegebenen Daten zeigt, gilt das mit gen¨ ugender Genauigkeit bereits f¨ ur h/b > 6. Was hier f¨ ur den Rechteckquerschnitt quantitativ untersucht wurde, das gilt prinzipiell auch f¨ ur jeden anderen nicht rotationssymmetrischen Querschnitt. Stets ist das Tr¨ agheitsmoment gr¨ oßer, die Torsionssteife kleiner als bei einem Kreisquerschnitt gleichen Fl¨ acheninhalts. Man entnimmt den in (2.73) zusammengestellten speziellen Werten insbesondere das allgemeine Ergebnis, dass die in l¨anglichen Profilen auftretenden Torsionswellen wesentlich kleinere Ausbreitungsgeschwindigkeiten als die Transversalwelle aufweisen. Diese Torsionswellen w¨ urden auch die Bezeichnung Transversalwellen deshalb
2.3 Biegewellen
47
nicht verdienen, weil bei ihnen auch Bewegungen ξ = 0 in Ausbreitungsrichtung auftreten. Eine urspr¨ unglich quer zur Stabachse liegende Ebene verw¨olbt sich. Man kann sich davon leicht anhand eines Radiergummis von rechteckigem Querschnitt u ¨berzeugen, indem man ihn verdreht. Die dabei auftretenden longitudinalen Verschiebungen sind freilich wieder sehr klein gegen¨ uber den transversalen, so dass man kinematisch alle Torsionswellen in nicht rotationssymmetrischen Querschnitten als quasitransversale“ Wellen bezeichnen ” k¨onnte. Es w¨are nun freilich erst n¨ aher zu untersuchen, inwieweit die in der Statik gemachte Annahme, dass sich die n¨ otigen Verschiebungen in L¨angsrichtung ungehindert ausbilden (dass also keine L¨ angsspannungen σx auftreten), aufrecht erhalten werden kann. Hier soll die Feststellung gen¨ ugen, dass bei jeder Wellenbewegung in Abst¨ anden einer halben Wellenl¨ange entgegengesetzte Verh¨altnisse auftreten. Da diese Abst¨ ande aber hier jedenfalls kleiner sind als die entsprechende halbe Wellenl¨ ange einer Longitudinalwelle, die f¨ ur die Frage des Ausgleichs von L¨ angswechselspannungen maßgebend ist, so darf geschlossen werden, dass damit jedenfalls kein Fehler verkn¨ upft ist, der an den ¨ vorangegangenen Uberlegungen etwas Wesentliches ¨andert. Man kann sich andererseits durch eine Absch¨ atzung dar¨ uber vergewissern, dass die Massenkr¨afte, die bei den L¨ angsbewegungen zu u uber den aus ¨berwinden sind, gegen¨ der Deformation sich ergebenden Kr¨ aften kaum ins Gewicht fallen. Schließlich unterscheiden sich die Torsionswellen bei nichtrotationssymmetrischen Querschnitten noch von solchen bei Kreis- und Kreisring-Profilen in einem weiteren Punkt. W¨ ahrend n¨ amlich bei den Letzten die Oberfl¨ache sich nur tangential zu sich selbst bewegt, also gar keine Abstrahlungen zu erwarten sind, weisen die nicht kreiszylindrischen Oberfl¨achen bei ihrer Torsion gewisse zur Oberfl¨ache senkrechte Bewegungskomponenten auf. Da dabei allerdings entgegengesetzte Bewegungen quer zur Stabachse immer dicht nebeneinander liegen, sind nennenswerte Abstrahlungen erst bei h¨oheren Frequenzen zu erwarten, die wiederum niedrig genug sein m¨ ussen, um in den Schwingungen des Querschnitts noch Gleichphasigkeit bzw. Gegenphasigkeit zu ergeben. Sofern es sich bei dem umgebenden Medium um Luft handelt, kann man jedenfalls von allen bisher besprochenen Wellenarten festhalten, dass sie nur verschwindend wenig zur Abstrahlung unmittelbar beitragen. Sie k¨onnen aber als Zwischenstufen f¨ ur St¨ orungen, die schließlich an anderer Stelle an das umgebende Medium abgestrahlt werden, von großer Bedeutung sein.
2.3 Biegewellen 2.3.1 Bewegungsgleichung In Bezug auf die Abstrahlung kommt die weitaus gr¨oßte Bedeutung einer weiteren Wellenart, den Biegewellen, zu. Dass es sich hierbei um eine eigene Wellenart handelt zeigt sich insbesondere darin, dass bei ihr nicht mehr nur
48
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
zwei, sondern vier beschreibende Feldgr¨ oßen vorkommen, die auch f¨ ur die Randbedingungen charakteristisch sind. Man w¨ahlt dazu • die (transversale) Schnelle vy eines Elementes, • seine Winkelgeschwindigkeit (um die zur Stabachse und Auslenkung senkrechte z-Achse) wz , • das am Querschnitt des Stabes angreifende (ebenfalls um die z-Achse) wirkende, verbiegende Moment Mz und schließlich • die durch den Querschnitt u ¨bertragene Querkraft Fy . Die Vorzeichen sind dadurch bestimmt, dass vy in positiver y-Richtung und wz in mathematisch positiver Drehrichtung gez¨ahlt wird (siehe Bild 2.9). Mz wird so festgelegt, dass das Produkt Mz wz = PM
(2.74)
einen Leistungstransport in x-Richtung bedeutet, und schließlich wird Fy so gez¨ahlt, dass das Produkt (2.75) Fy vy = PF den Leistungstransport in x-Richtung beschreibt. Man bemerkt hier bereits, dass auch der Leistungstransport in zwei verschiedenen Formen auftritt, was sich als von großer Bedeutung erweisen wird. ∂β ∂ 2η dx = dx ∂x ∂ x2
β
β = ∂η ∂x
∂ β = β dx ∂x ∂ η + η dx ∂x
η
x dx
Bild 2.7. Ausschl¨ age und Deformation einer Biegewelle
Zwischen diesen vier Feldgr¨ oßen bestehen vier differentielle Beziehungen, welche diese wieder zyklisch miteinander koppeln. Zun¨achst besteht zwischen der seitlichen Verschiebung η und der durch den stets kleinen Winkel β gekennzeichneten Schr¨ aglage eines Querschnittes (siehe Bild 2.7) angen¨ahert die Beziehung
2.3 Biegewellen
∂ 2η dx ∂ x2
49
⎛ ⎞ + w = ∂ ⎜ ∂η ⎟ ∂t ⎝ ∂x ⎠
-εx dx
y
y
-M
-σx
dx a
b
Bild 2.8. Verteilung von Dehnung (a) und Spannung (b) u ¨ber dem Querschnitt
Fy
M
vy
M+
w dx
Fy +
∂M dx ∂x
∂ Fy dx ∂x x
Bild 2.9. Vorzeichenwahl der Feldgr¨ oßen am Stabelement bei einer Biegewelle
∂η . (2.76) ∂x Die zeitliche Differentiation liefert die Verbindung zwischen Schnelle und Winkelgeschwindigkeit ∂vy wz = . (2.77) ∂x ¨ Andererseits ist die ¨ ortliche Anderung der Winkelgeschwindigkeit gleich der ¨ zeitlichen Anderung der Kr¨ ummung. F¨ ur kleine Auslenkungen η kann man in guter N¨aherung ∂ 2 vy ∂wz ∂ ∂ 2η . (2.78) = = ∂x ∂x2 ∂t ∂x2 β=
setzen. Die Kr¨ ummung aber ist, wie in der elementaren Festigkeitslehre gezeigt wird, in der Hauptsache durch das jeweils wirkende Biegemoment bedingt und zu diesem proportional:
50
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
Mz ∂2η . (2.79) =− 2 ∂x B Das negative Vorzeichen ergibt sich daraus, dass Mz im Hinblick auf den Leistungstransport positiv gew¨ ahlt worden ist, wenn es die Leistung in positiver x-Richtung u agt, also an einer linken Schnittfl¨ache mit wz gleichgerich¨bertr¨ tet ist. Dieser Richtungssinn ist aber demjenigen genau entgegengesetzt, der erforderlich ist, um eine positive Kr¨ ummung zu bewirken. Die Proportionalit¨ atskonstante B kann man sinngem¨aß als Biegesteife bezeichnen. Sie ergibt sich aus den durch die Beobachtung gerechtfertigte Annahmen, dass die Querschnitte eben bleiben und sich nur um ∂η/∂x drehen, dass also zwei Nachbarquerschnitte sich um (∂ 2 η/∂x2 )dx gegeneinander verdrehen, und dass diese Verdrehungen nur durch die Dehnungen bzw. Stauchungen in L¨angsrichtung bedingt sind. (Die zus¨atzliche Verformung, die sich aus den durch die Querkr¨ afte hervorgerufenen Schubdeformationen ergibt, ist zu vernachl¨assigen, wenn die Biegewellenl¨ ange groß gegen die Querabmessungen ist, was als kennzeichnend f¨ ur eine reine Biegewelle“ vorausgesetzt sei). ” Die Dehnungen in L¨ angsrichtung x aber wachsen linear mit der Entfernung y von einer neutralen Faser, die bei symmetrischen Profilen in der Mitte liegt (siehe Bild 2.8a): ∂2η (2.80) x = −y 2 . ∂x (Das negative Vorzeichen besagt, dass in Bild 2.8a oberhalb der neutralen Faser, also bei positivem y, Stauchungen auftreten). Das gilt deshalb auch f¨ ur die Zug- oder Druckspannungen: σx = Ex = −Ey
∂2η . ∂x2
(2.81)
Die Biegemomente ergeben sich durch Multiplikation der Spannungen σx mit dem Hebelarm y (siehe Bild 2.8b) und anschließende Summation u ¨ber die Querschnittsfl¨ache zu ∂2η ∂2η σx y dS = −E 2 y 2 dS = −EI 2 . (2.82) Mz = ∂x S ∂x S Darin ist I das um die z-Achse gez¨ ahlte Fl¨ achentr¨agheitsmoment. Wie der Vergleich zwischen (2.79) und (2.82) lehrt besteht also die Biegesteife aus dem Produkt von Elastizit¨ atsmodul und axialem Tr¨agheitsmoment I B = EI = E y 2 dS. (2.83) S
Der E-Modul bildet dabei eine nur das Material, das Tr¨agheitsmoment eine nur die Querschnittsgeometrie kennzeichnende Gr¨oße. Beispielsweise erh¨ alt man aus (2.83) bei einem rechteckigen Profil der H¨ohe h und der Breite b f¨ ur das axiale Tr¨ agheitsmoment
2.3 Biegewellen
51
I = bh3 /12 , bei einem Rohr mit dem Innenradius ri und dem Außenradius ra gilt I=
π 2 ra − ri2 ra2 + ri2 . 4
F¨ ur komplizierter geformte K¨ orper kann das Tr¨agheitsmoment einschl¨agigen Handb¨ uchern (z.B. H¨ utte) entnommen werden. Man kann aber auch eine numerische Rechnung nach (2.83) vornehmen. Dabei ist zu beachten, dass die Nullinie f¨ ur die Integration - die sogenannte neutrale Faser - durch EydS = 0 (2.84) S
bestimmt ist. Man muss also den Nullpunkt der Ortskoordinate y vor Anwendung von (2.83) so w¨ ahlen, dass (2.84) erf¨ ullt ist. Dieses Verfahren ist auch dann anwendbar, wenn - wie bei Mehrschichtbalken - der Elastizit¨atsmodul E = E(y) in einer Ortsfunktion besteht. Differenziert man noch (2.79) nach der Zeit und setzt darin (2.78) ein, so erh¨alt man ∂wz ∂Mz = −B . (2.85) ∂t ∂x Auch die n¨achste Beziehung, welche die Querkraft Fy mit dem Biegemoment Mz verbindet, kann der statischen Biegelehre entnommen werden. Die Gleichung folgt aus dem Momenten-Gleichgewicht am Stabelement der L¨ange dx, das mit positiv eingetragenen Wirkungsrichtungen in Bild 2.9 wiedergegeben ist. Das Momenten-Gleichgewicht ergibt ∂Mz ∂Mz dx − Fy dx = 0 also Fy = − . (2.86) Mz − Mz + ∂x ∂x Grunds¨atzlich m¨ usste eigentlich noch ein Tr¨ agheitsglied in (2.86) auftreten. Wie die noch geschilderten Energiebetrachtungen zeigen, kann man die mit der Rotation verkn¨ upfte kinetische Energie gegen¨ uber der translatorischen Energie vernachl¨assigen, sofern die Biegewellenl¨ ange λB groß ist gegen¨ uber den Querabmessungen. F¨ ur die hier behandelte Art von eindimensionaler Wellenausbreitung muss das aber ohnedies vorausgesetzt werden (siehe auch Abschnitt 2.8.2). Schließlich fehlt nur noch eine Beziehung zwischen der Querkraft und der transversalen Schnelle, um den Kreis zu schließen. Dieser Zusammenhang ergibt sich aus der Anwendung des Tr¨ agheitsgesetzes auf die Transversalbewegung eines Stabelementes (siehe Bild 2.9) zu ∂vy ∂Fy ∂Fy ∂vy dx = m dx also − = m . (2.87) Fy − Fy + ∂x ∂t ∂x ∂t Hierin bedeutet
52
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
m = ρS
(2.88)
die Masse je L¨angeneinheit. Die Zusammenfassung von (2.77), (2.85), (2.86), (2.87) liefert f¨ ur alle Feldgr¨oßen die partielle Differentialgleichung der Biegewelle in ihrer eindimensionalen Form −B
2 ∂4 ∂ (v , w , M , F ) = m (vy , wz , Mz , Fy ) . y z z y ∂x4 ∂t2
(2.89)
Weil die Ableitung nach dem Ort von anderer Ordnung ist als die nach der Zeit, ist bei den Biegewellen keine verzerrungsfreie Wellenausbreitung mehr m¨oglich, die f¨ ur die longitudinalen Wellen kennzeichnend ist (siehe z.B. (2.12)). Auch l¨asst sich die Art der Verzerrung nicht allgemein durch einen ucken. Dagegen ¨ahnlich einfach gebauten funktionellen Zusammenhang ausdr¨ bietet sich nat¨ urlich auch hier die M¨ oglichkeit, jeden beliebigen Zeitverlauf im Sinne der Fourier-Analyse in reine T¨ one zu zerlegen und getrennt zu untersuchen, in welcher Weise sich die sinusf¨ ormigen Zeitabh¨angigkeiten ausbreiten. Zun¨achst l¨asst sich feststellen, dass f¨ ur rein harmonische Zeitverl¨aufe auch die ¨ortliche Abh¨angigkeit sinusf¨ ormig sein kann; es gibt also sinusf¨ormige Biegewellen. Setzt man n¨ amlich den Ansatz vy = vˆy sin(ωt − kx)
(2.90)
in (2.89) ein, so wird diese Differentialgleichung befriedigt, wenn nur zwischen der die zeitliche Periodizit¨ at kennzeichnenden Kreisfrequenz ω und der die at enthaltenden Wellenzahlen k der Zusammenhang ¨ortliche Periodizit¨ B 4 k = ω2 ; m
bzw. k 4 = ω 2 m /B;
oder
k=
ω 2 m /B.
(2.91)
gilt. Auch hier kennzeichnet der Quotient aus Kreisfrequenz und Wellenzahl ω =c k
(2.92)
diejenige Geschwindigkeit, mit der man weiterwandern muss, wenn immer die gleiche Phase der sinusf¨ ormigen Wellenbewegung angetroffen werden soll. Wie sich aber aus (2.91) ergibt, h¨ angt diese Phasen-Geschwindigkeit“ der ” Biegewellen, die mit dem Index B kenntlich gemacht werden soll, von der Kreisfrequenz ω ab: 4 B √ cB = ω (2.93) m Sie hat also in der Tat nur f¨ ur eine unendliche sinusf¨ormige Welle die Bedeutung der Ausbreitungsgeschwindigkeit schlechthin. Wellenformen, die zu einem gegebenen Ort im Sinne der Fourier-Synthese aus verschiedenen zeitlichen Sinus-Bestandteilen zusammengesetzt sind, m¨ ussen sich notwendigerweise beim Wellentransport verzerren, weil sich die hohen Frequenzbestandteile
2.3 Biegewellen
53
mit anderer (in diesem Falle gr¨ oßerer) Phasengeschwindigkeit ausbreiten als die tieffrequenten Bestandteile. In der Optik bezeichnet man den entsprechenden Vorgang als Dispersion. Man hat diese Bezeichnung sinngem¨ aß auf alle Wellensysteme mit frequenzabh¨angiger Phasengeschwindigkeit u ¨bertragen. F¨ ur Balken und Platten der Dicke h vereinfacht sich (2.93) zu 1, 8h cB ≈ 1, 8cLI hf = cLI . (2.94) λLI In Bild 2.10 sind die Biegewellenphasengeschwindigkeiten u ¨ber der mit der Dicke h multiplizierten Frequenz aufgetragen. Die Kurven k¨onnen n¨aherungsweise f¨ ur Balken und Platten angewandt werden, weil der Einfluss der Querkontraktion sehr gering ist. Zur Orientierung sind in Bild 2.10 die Schallausbreitungsgeschwindigkeiten von Luft und Wasser mit eingetragen. Auch die G¨ ultigkeitsgrenze der einfachen Biegewellentheorie ist markiert.
Bild 2.10. Biegewellenphasengeschwindigkeit c1 bis c6 und Wellenl¨ ange λ1 bis λ6 f¨ ur Platten aus verschiedenen Materialien als Funktion des Produkts aus Dicke und Frequenz. (1) Stahl, Aluminium, (2) Glas, (3) Messing, Schwerbeton, (4) Ziegelwand, Sperrholz, (5) Leichtbeton, Plexiglas, Gipsplatten, (6) Blei
54
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
Außer der unendlichen Sinuswelle gibt es noch einen Sonderfall, bei welchem es einen Sinn hat von einer bestimmten Ausbreitungsgeschwindigkeit zu reden, n¨amlich dann, wenn sich der betreffende Vorgang aus mehreren Teilwellen von nur wenig unterschiedlicher Periodizit¨at zusammensetzen l¨asst. Man w¨ are vielleicht geneigt anzunehmen, dass f¨ ur eine solche Synthese aus mehreren Wellen, deren Phasengeschwindigkeiten nur wenig um einen mittleren Wert schwanken, eben dieser mittlere Wert als maßgebend angesehen werden kann. So einfach liegen die Dinge aber nicht, wie bereits der einfachste Fall ¨ der Uberlagerung zweier gleich starker, benachbarter Wellen mit den Kreisfreuhrt quenzen ω1 und ω2 und den Wellenzahlen k1 und k2 lehrt. Bekanntlich f¨ ¨ eine solche Uberlagerung zu einer Schwebung sin(ω1 t − k1 x) + sin(ω2 t − k2 x) = ω1 + ω2 k1 + k2 ω1 − ω2 k1 − k2 t− x) cos( t− x). (2.95) 2 2 2 2 Das Summensignal besteht also aus einer Tr¨ agerwelle“ und einer Einh¨ ullen” ” den“. Dabei besitzt die Tr¨ agerwelle die mittlere Kreisfrequenz (ω1 +ω2 )/2 und ullende moduliert die Amplitude die mittlere Wellenzahl (k1 + k2 )/2. Die Einh¨ der Tr¨agerwelle gem¨ aß der Kosinusfunktion in (2.95) mit der viel niedrigeren Frequenz (ω1 − ω2 )/2 und der viel niedrigeren Wellenzahl (k1 − k2 )/2. Diese H¨ ullfunktion ist aber das, was bei einem derartigen Signal meist interessiert; durch sie wird namentlich auch der mittlere Energietransport gekennzeichnet, sofern das Messger¨ at diese langsamen Schwankungen noch anzeigen kann, dagegen f¨ ur die Tr¨ agerfrequenz zu tr¨ age ist. W¨ahrend sich aber nun die Tr¨agerwellen in der Tat mit der mittleren Phasengeschwindigkeit = 2 sin(
c=
ω 1 + ω2 k1 + k2
(2.96)
ausbreiten, ist f¨ ur die H¨ ullkurven, welche die Wellenberge zu einzelnen Berggruppen zusammenfasst, die Gruppengeschwindigkeit“ ” ω1 − ω2 Δω (2.97) cg = = k1 − k 2 Δk maßgebend. Im Grenzfall, bei dem die Kreisfrequenzen und Wellenzahlen beliebig dicht beieinander liegen, ist cg durch den Differentialquotienten cg =
1 dω = dk dk/dω
(2.98)
gegeben. Die so definierte Gruppengeschwindigkeit cg ist nun nicht nur maßgebend f¨ ur die H¨ ullkurve einer Schwebung nach (2.95), sondern allgemein f¨ ur die H¨ ullkurven aller Vorg¨ ange, die sich aus beliebig vielen benachbarten Wellenz¨ ugen mit beliebigen Amplituden und Phasen-Winkeln zusammensetzen lassen.
2.3 Biegewellen
55
Bei den Biegewellen ergibt sich aus (2.91) die - wieder mit dem Index B gekennzeichnete - Gruppengeschwindigkeit B k = 2cB . (2.99) cgB = 2 m Sie ist also gleich der doppelten Phasengeschwindigkeit. In Bild 2.11a) sind die prinzipiellen Sacherverhalte an einem Beispiel deutlich gemacht. Der obere und der unter Ortsverlauf sind dargestellt f¨ ur zwei um eine halbe Tr¨agerwellenPeriode versetzte Zeitpunkte. Dementsprechend ist die Tr¨agerwelle in der unteren Kurve um ihre halbe Wellenl¨ ange nach rechts ger¨ uckt, die H¨ ullkurve aber um das Doppelte dieses Betrages. In Bild 2.11b) ist unten ein kontinuierliches Spektrum u ¨ber der Wellenzahl dargestellt (es handelt sich hier bei der Einh¨ ullenden um eine Gaußfunktion). Seine wesentlichen Bestandteile nehmen nur einen kleinen Bereich ein. Dar¨ uber ist die Dispersionsfunktion ω(k) aufgezeichnet, darin ist der Unterschied zwischen der Gruppen- und der Phasengeschwindigkeit durch die entsprechenden Winkel deutlich gemacht.
Bild 2.11. Beispiel zur Darlegung des Unterschiedes zwischen Gruppengeschwindigkeit cgB und Phasengeschwindigkeit cB
2.3.2 Energiebeziehungen Die Bedeutung der Gruppengeschwindigkeit wird noch etwas klarer, wenn man den Energietransport der Biegewelle an Hand der reinen Sinuswelle studiert. Da diese auch sonst von den bei den u ¨brigen besprochenen Wellenarten auftretenden Energieverteilungen in bemerkenswerter Weise abweichen, ist in Bild 2.12 eine Bild 2.2 entsprechende Zusammenstellung wiedergegeben. F¨ ur die - diesmal transversale - Auslenkung ist wieder angesetzt:
56
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
η = ηˆ sin(ωt − kx)
(2.100)
Obenan ist die zum Zeitpunkt t = 0 geh¨ orende Biegedeformation gezeichnet. Darunter folgen schrittweise die entsprechenden Ortsabh¨angigkeiten f¨ ur die Schnelle, die Winkelgeschwindigkeit, das Biegemoment und die Querkraft.
Bild 2.12. Verteilung der Feld- und Energiegr¨ oßen in einer sinusf¨ ormigen Biegewelle
Es sind also paarweise Fy und vy sowie Mz und wz in Phase, beide Paare aber gegeneinander um eine Viertelperiode versetzt. Das zieht eine bemerkenswerte Eigenschaft f¨ ur den Leistungstransport nach sich, der sich aus den Anteilen PF = Fy vy = ηˆ2 Bωk3 cos2 kx = Fˆy vˆy cos2 kx (2.101) ˆzw ˆz sin2 kx PM = Mz wz = ηˆ2 Bωk 3 sin2 kx = M zusammensetzt. Die Summe aber ergibt einen konstanten Wert P = PF + PM = ηˆ2 Bωk3 .
(2.102)
In der sinusf¨ormigen Biegewelle schwankt der Leistungstransport also nicht mit der Periode λ/2 zwischen 0 und einem Maximalwert hin und her, sondern er ist an jeder Stelle und zu jeder Zeit konstant. Folglich muss dasselbe auch f¨ ur die Summe aus potentieller und kinetischer Energie gelten. Die letzte ergibt sich (pro L¨ angeneinheit) einfach aus SEkin =
m 2 m 2 2 ρS 2 vy = ω ηˆ cos2 kx = vˆ cos2 kx . 2 2 2 y
(2.103)
2.3 Biegewellen
57
Die kinetische Energie ist praktisch nur durch die Translation bestimmt. Vergleicht man n¨amlich die Rotationsenergie je L¨angeneinheit Sekin =
ρI 2 ρI 2 2 2 w = k vˆy sin kx, 2 z 2
mit ihr, so erkennt man, dass ochstwert im quadratischen Verh¨altnis des ihr H¨ 2π-fachen Tr¨agheitsradius I/S zur Wellenl¨ ange kleiner ist: ekin,max = Ekin,max
2π
2 I/S 1. λ
Da die Energiedichte bei der Rotation zum Rande w¨achst, ist sie als Mittelwert ¨ zu verstehen und deshalb durch Uberstreichen gekennzeichnet. Es geh¨ort aber, wie schon bemerkt, zu den Voraussetzungen der reinen Biegedeformation, dass die Querabmessungen des Stabes klein gegen¨ uber der Wellenl¨ange sind. Deshalb sind auch (2.93) und (2.99) nur in Bereichen g¨ ultig, in welchen die daraus sich errechnenden Geschwindigkeiten noch wesentlich unter der Longitudinalwellen-Geschwindigkeit cL bleiben. Auf der anderen Seite sind ebenso nur die L¨angsspannungen und L¨angsdehnungen f¨ ur den potentiellen Energiegehalt verantwortlich: SE P ot
1 = 2
E σx x dS = 2 S
∂2η ∂x2
2
y 2 dS = S
B 4 2 2 k ηˆ sin kx. 2
(2.104)
Beide Energiearten pendeln zwischen 0 und einem H¨ochstwert mit der Periode λ/2. Dieser H¨ ochstwert ist ferner wieder in beiden F¨allen derselbe, wie man nach Einsetzen von (2.91) in den Ausdruck f¨ ur die potentielle Energie erkennt. Die beiden Energieverl¨ aufe sind um eine Viertelwellenl¨ange gegeneinander verschoben. An den Stellen seiner gr¨ oßten Kr¨ ummung befindet sich der Stab in Umkehr, also momentan in Ruhe. In dem vorletzten Diagramm in Bild 2.12 sind wieder die horizontal schraffierte kinetische Energie und die vertikal schraffierte potentielle Energie u urmt. Die Summe ergibt den ¨bereinander get¨ konstanten Wert ηˆ2 2 B (m ω cos2 kx + Bk4 sin2 kx) = k4 ηˆ2 . 2 2 (2.105) Setzt man nun noch die konstante Energiedichte E ges mit dem konstanten Leistungstransport P in Beziehung, so ergibt sich: SE ges = S(E Kin + E P ot ) =
ω P = 2 SE ges = 2cB SE ges = cgB SE ges . k
(2.106)
Der Leistungstransport ist als wieder durch die Gruppengeschwindigkeit bestimmt.
58
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
2.4 Die Wellenbewegungen auf St¨ aben endlicher L¨ ange Die bisher behandelten, in einer Richtung fortschreitenden Wellen treten auf, solange sich an der Beschaffenheit des Wellenleiters nichts ¨andert. Aber auch jeder homogene Wellenleiter hat seine Begrenzung, seinen Rand. Dort wird die Wellenbewegung zumindest zu einer Richtungs¨anderung, meist auch zu einer ¨ Anderung der Amplitude und Phase, und vielfach sogar zur Umwandlung in eine andere Wellenart gezwungen. In diesem Abschnitt sei nun zun¨ achst der einfachere eindimensionale Fall und zur weiteren Vereinfachung nur die in den vorausgegangen Abschnitten behandelten Wellenausbreitungen in St¨ aben bei u ¨berdies idealen Randbe¨ dingungen betrachtet. Weitergehende Uberlegungen u ¨ber das Verhalten von Strukturen endlicher Gr¨ oße sind in Abschnitt 4.7 enthalten. Die Bewegungen von endlichen St¨ aben unter Ber¨ ucksichtigung von D¨ampfungsmechanismen sind Gegenstand von Abschnitt 3.3. 2.4.1 Longitudinale Eigenschwingungen Es wird also zun¨achst eine auf das bei x = 0 gelegene Stabende auftreffende quasilongitudinale Welle angenommen. Dieses Ende k¨onnte entweder starr, also in einem schweren K¨ orper eingespannt, oder frei sein. Im ersten Fall dort w¨ urde die Schnelle, im zweiten die Kraft verschwinden. W¨ahrend bei der Luftschallausbreitung in Rohren der erste Fall viel leichter herzustellen ist, ist schon beim Fl¨ ussigkeitsschall die zweite Bedingung viel eher zu realisieren; und erst recht gilt das f¨ ur feste K¨ orper. Insbesondere im Hinblick auf die messtechnische Anwendung ist es deshalb sinnvoll, vor allem den am Rande freien Stab zu betrachten, also als Randbedingung F =0
bei x = 0.
(2.107)
anzusetzen. Diese f¨ ur alle Zeiten geltende Bedingung ist mit der gegebenen einlaufenden Welle (Index +, weil in positiver x-Richtung wandernd) allein nicht erf¨ ullbar, vielmehr muss eine in −x-Richtung laufende Welle hinzuf¨ ugt werden. Der Ansatz f¨ ur die Kraft lautet also x x F (x, t) = F+ t − + F− t + . (2.108) c c Die Randbedingung (2.107) verlangt F− (0, t) = −F+ (0, t).
(2.109)
Die Welle kehrt also in Bezug auf die Kraft nur ihr Vorzeichen um, sie wird ideal reflektiert“. ” Wie zun¨achst bei der reinen longitudinalen Welle an Hand von (2.14) gezeigt wurde und wie sich auch aus (2.35) oder (2.36) ableiten l¨asst, hat die Schnelle in der einfallenden Welle den gleichen Verlauf wie die Kraft:
2.4 Die Wellenbewegungen auf St¨ aben endlicher L¨ ange
v+ =
59
1 x . F+ t − ρScL c
Bei der reflektierten Welle tritt dagegen ein Vorzeichenwechsel zwischen v− und F− auf x −1 , v− = F− t + ρScL c weil bei ihr der Leistungstransport in negativer Richtung erfolgt. Deshalb gilt am Rande v− (0, t) = v+ (0, t). (2.110) W¨ahrend also die Kraft in x = 0 verschwindet, nimmt die Schnelle dort den doppelten Wert der einfallenden Welle an: v(0, t) = 2v+ (0, t).
(2.111)
W¨are andererseits die Unterdr¨ uckung jeglicher Bewegung in x = 0 angenommen worden, so w¨ urde daraus an diesem starren Ende eine Kraftverdoppelung folgen. Die in Abschnitt 2.2.2 behandelten Feldgleichungen f¨ ur die Torsionswellen sind denen der quasilongitudinalen Wellen analog. Das gilt auch f¨ ur die Randbedingungen am freien oder starren Ende, nur dass bei den Torsionswellen entweder das Moment M oder die Winkelgeschwindigkeit w verschwindet. Daher kann man, auch ohne die Gleichungen im Einzelnen hinzuschreiben, schließen, dass auch eine Torsionswelle am freien oder starren Stabende eine ideale Reflexion erf¨ ahrt. Ist der Stab beiderseits in gleicher Weise begrenzt, so hat nach zweimaliger Reflexion die Welle nicht nur wieder die gleiche Ausbreitungsrichtung, dar¨ uber hinaus haben beide Feldgr¨ oßen wieder das urspr¨ ungliche Vorzeichen. Das bedeutet aber, dass jede Feldgr¨ oße an jeder Stelle bei den bisher betrachteten Wellen einen periodischen Zeitverlauf mit der Periodendauer T =
2ls . c
(2.112)
aufweist. In dieser Zeit hat die Welle den Weg bis zu einem Rande, von dort zum anderen und von dort zur Anfangsstelle mit der Geschwindigkeit c zur¨ uckgelegt. Da aber jeder mit der Frequenz f1 =
1 2ls = T c
(2.113)
periodische Vorgang in sinusf¨ ormige Teilschwingungen der Frequenzen fn = n
2ls c
(2.114)
60
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
zerlegbar ist, erhebt sich die Frage, wie die zugeh¨origen Teilwellen bzw. die sich aus ihnen unter Ber¨ ucksichtigung der Randbedingungen ergebenden sogenannten Eigenschwingungen aussehen. Im einfachsten Fall, bei einem Pendel oder einer elastisch gelagerten in einer Richtung beweglichen Masse, ist eine Eigenschwingung f¨ ur jede Feldgr¨ oße u (Ausschlag, Schnelle, R¨ uckstellkraft) gegeben durch den Ansatz u=u ˆ cos(ωt + ϕu ).
(2.115)
Bei m Freiheitsgraden ben¨ otigt man m unabh¨angige Koordinaten zur Beschreibung, die alle eine sinusf¨ ormige Bewegung ausf¨ uhren, wobei die Teilamplituden durchaus verschieden sein k¨ onnen. Wird keine Energie verbraucht, handelt es sich also um unged¨ ampfte Schwingungen, so finden die Nulldurchg¨ange sogar zur gleichen Zeit statt. Man kann daher unter Wahl eines Umkehrzeitpunktes f¨ ur t = 0 und Zulassung positiver und negative Werte f¨ ur die Amplituden u ˆ auch ϕn = 0 setzen, es gilt dann f¨ ur jede der m Koordinaten ein Ansatz ˆm cos ωt. um = u
(2.116)
Beim Kontinuum wird die Zahl der Freitheitsgrade unendlich, das bedeutet, dass die diskreten Amplituden in eine kontinuierliche Funktion des Ortes u ¨bergehen: u(x, t) = u ˆ(x) cos ωt. (2.117) Diese - nach D. Bernoulli benannte - Aufspaltung des Feldverlaufes in eine vom Ort und eine von der Zeit abh¨ angige Funktion ist sicher dem Begriff der Eigenschwingungen noch besser angepasst als die in (2.108) angewendete, auf D’Alembert zur¨ uckgehende Zerlegung in fortschreitende Wellen beliebiger Form. Aus der bisher nur abgeleiteten Tatsache, dass jede Feldgr¨oße einen mit 2λ/c periodischen Zeitverlauf aufweist, der sich in Teilt¨one zerlegen l¨asst, kann man vorerst nur schließen, dass f¨ ur diese Teilschwingungen ein Ansatz der Form (2.118) u(x, t) = u ˆ(x) cos(ωt + ϕu (x)) gelten muss. Dabei ist also die M¨ oglichkeit von Phasenverschiebungen offen gehalten worden. Dieser allgemeine Ansatz wird aber auch deshalb diskutiert, weil er nicht nur die hier interessierenden Eigenschwingungen mit umfasst, sondern auch alle sich zeitlich sinusf¨ ormig ¨ andernden Felder, wobei eventuell die Abh¨angigkeit von x durch eine von einem Ortsvektor r zu ersetzen ist. Der Ansatz (2.118) entspricht nun keiner einfachen multiplikativen Aufspaltung mehr, sondern entweder der Summe von zwei solchen zeitlich phasenverschobenen Aufspaltungen u(x, t) = [ˆ u(x) cos ϕu (x)] cos ωt + [−ˆ u(x) sin ϕu (x)] sin ωt
(2.119)
2.4 Die Wellenbewegungen auf St¨ aben endlicher L¨ ange
61
oder dem Realteil eines Produktes aus komplexen, jeweils von Ort und Zeit abh¨angenden Gr¨oßen: ˆ(x)ejωt . (2.120) u(x, t) = Re u ˆ(x)ejϕu (x) ejωt = Re u Diese bereits fr¨ uher eingef¨ uhrte Darstellung ist hier nur auf ortsabh¨angige Zeiger“ u ˆ(x) erweitert. ” Die eindimensionalen Wellengleichungen (2.11), (2.37), (2.53), (2.69) nehmen also f¨ ur diese ortsabh¨ angigen Zeiger die Form der gew¨ohnlichen Schwingungsgleichungen an: ˆ d2 u + k2 u ˆ = 0. (2.121) dx2 Man kn¨ upft an die in (2.108) verwendete Zerlegung in zwei einander entgegenlaufende Wellen an, wenn die L¨ osung der ¨ ortlichen“ Schwingungsgleichung ” (2.121) - speziell f¨ ur die L¨ angskraft im Stab - in der Form Fˆ (x) = Fˆ + e−jkx + Fˆ − ejkx .
(2.122)
notiert wird. Es leuchtet dabei ein, dass bei dem ersten Summanden, der eine in +x-Richtung fortschreitende Welle darstellt, die Phase mit wachsendem x nacheilen muss, weil eine gegebene Phase ja um so sp¨ater einen Ort erreicht, je gr¨oßer x ist. Die erste Randbedingung, das Verschwinden der Kraft bei x = 0, liefert wie in (2.109) f¨ ur die beiden Zeiger Fˆ + und Fˆ − entgegengesetztes Vorzeichen. Da man f¨ ur (2.123) Fˆ − = −Fˆ + auch Fˆ − = Fˆ + ejπ ,
(2.124)
schreiben kann, l¨ asst sich der Vorzeichenwechsel der Kraftwelle auch als ein bei ihrer Reflexion auftretenden Phasensprung“ um γ = −π bezeichnen. ” Jedenfalls ergibt sich aus der ersten Randbedingung, dass die ¨ortliche Kraftverteilung mit einem bei x = 0 einsetzenden Sinusbogen beginnt: Fˆ (x) = Fˆ max sin kx.
(2.125)
Wegen der zweiten Randbedingung, dem Verschwinden der Kraft bei x = l, muss sich dieser Bogen dort wieder auf Null senken. Durch diese Bedingung werden bestimmte k und somit Wellenl¨ angen λ ausgew¨ahlt: kn ls = nπ ;
ls =
nλn . 2
(2.126)
Die zugeh¨origen Frequenzen werden durch (2.114) bereits erwartet, sie heißen Eigenfrequenzen und verhalten sich im vorliegenden Fall wie die ganzen Zahlen. In Bild 2.13 sind links die Kraftverteilungen f¨ ur n = 1, 2, 3 untereinander f¨ ur die Zeitpunkte absoluter Maximalwerte eingezeichnet; rechts sind
62
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
die Schnellen - und somit auch Ausschl¨ age - in gleicher Weise eingetragen, f¨ ur sie gilt: (2.127) vˆn (x) = vˆnmax cos kn x; ξˆn (x) = ξˆnmax cos kn x. Der in (2.126) zum Ausdruck kommende Sachverhalt, dass Hin- und R¨ uckweg 2ls gerade ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenl¨ange ergeben, l¨asst sich auch aus einem f¨ ur alle Eigenschwingungen g¨ ultigen und sehr anschaulichen Prinzip herleiten. Es besagt, dass eine Eigenschwingung dann zu erwarten ist, wenn eine fortschreitende Welle nach Reflexion an den in Frage kommenden R¨andern mit gleicher Gr¨oße und Phase an ihren Ausgangspunkt zur¨ uckkehrt, wenn also diese fortschreitende Welle einen in sich geschlossenen Wellenzug bilden kann. Da im vorliegenden Fall die Reflexionen nichts an den Amplituden ¨andern, kommt es bei diesem Wellenzyklus nur noch auf den gleichphasigen Anschluss der zweimal reflektierten Welle an.
Bild 2.13. Longitudinale Eigenschwingungen eines Stabes, F, v ohne Klammer: bei freien Enden, F, v in Klammern: bei starren Enden (die ausgezogenen und gestrichelten Linien unterscheiden sich um eine halbe Periodendauer)
Die Betrachtungen der Schnelle, die ohne Phasensprung reflektiert wird, liefert dann sofort die Beziehung (2.126). Zur Veranschaulichung ist in Bild 2.14 f¨ ur n = 2 der nach rechts eilende Teil der Welle als ausgezogen, der nach links eilende als gestrichelte Linie eingetragen. Bei Betrachtungen der Kraft ist der Zusammenhang nicht ganz so u ¨bersichtlich, weil Phasenspr¨ unge auftreten und die Bedingung gleichphasigen Anschlusses verlangt, dass die Phasenspr¨ unge γ0 und γl bei x = 0 und x = l mit ber¨ ucksichtigt werden, sie lautet daher allgemein: 2kls − γ0 − γl = 2nπ .
(2.128)
Da aber die Phasenspr¨ unge jedesmal (−π) betragen, unterscheidet sich (2.128) von (2.126) nur dadurch, dass (n − 1) statt n auftritt. Da aber n ohnehin
2.4 Die Wellenbewegungen auf St¨ aben endlicher L¨ ange
63
x=l
x=0
Bild 2.14. Skizze zum Prinzip des gleichphasigen Anschlusses
alle ganzen Zahlen durchlaufen kann, kommt das auf dasselbe hinaus, was andererseits erwartet werden musste, da die Bestimmung der Eigenfrequenzen nicht davon abh¨angig sein darf, an Hand welcher Feldgr¨oßen der gleichphasige Anschluss betrachtet wird. Damit wird auch klar, dass der an beiden Enden starr eingespannte Stab, wo Kraft und Schnelle ihre Rollen bei den Randbedingungen und somit auch bei den Phasenspr¨ ungen vertauschen, die gleichen Eigenfrequenzen aufweist. Das Prinzip vom gleichphasigen Anschluss liefert aber auch sehr anschaulich die Eigenfrequenzen f¨ ur den einseitig eingespannten, einseitig freien Stab, mag es sich um Longitudinal- oder um Torsionswellen handeln. Welche Feldgr¨oße auch betrachtet wird, an einer Seite wird sie ohne Phasensprung, an der anderen mit dem Phasensprung (−π) reflektiert. Man erh¨alt damit 2kls = (2n − 1)π ;
ls =
(2n − 1)λn ; 4
fn =
(2n − 1)c . 4ls
(2.129)
Hier verhalten sich die Eigenfrequenzen also wie die ungeraden Zahlen. 2.4.2 Biege-Eigenschwingungen Auch f¨ ur die freien Biegeschwingungen eines Stabes endlicher L¨ange soll nun versucht werden, hier die Eigenfrequenzen aus dem Prinzip des gleichphasigen Anschlusses herzuleiten. Dazu m¨ ussen zun¨achst wieder die Phasenspr¨ unge festgestellt werden, zu denen die verschiedenen Randbedingungen f¨ uhren. Dabei stellt man fest, dass es nicht einfach die idealen Grenzf¨alle starr“ und ” frei“ gibt, sondern dass hinzugef¨ ugt werden muss, ob diese Bezeichnungen ” jeweils f¨ ur die transversale Verschiebung oder f¨ ur die Neigung gelten. Ein nur aufgest¨ utzter Stab (siehe Bild 2.15 oben links) ist wohl transversal unbeweglich (v = 0), aber beliebig neigbar und daher nicht in der Lage, Momente am Rande aufzunehmen (M = 0). Erst wenn der Stab, wie daneben gezeichnet, eingespannt ist, verschwinden Verschiebung und Neigung, also auch Schnelle und Winkelgeschwindigkeit (v = 0, w = 0). Umgekehrt verschwinden bei dem darunter gezeichneten freien Stab Moment und Querkraft am Ende (M = 0, F = 0). Schließlich ist auch noch eine Lagerung denkbar, wenn auch schwer zu realisieren, bei der der Stab sich wohl seitlich verschieben, aber
64
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten M=0
w=0
v=0
F=0
Bild 2.15. Zusammenstellung m¨ oglicher Randbedingungen f¨ ur Biegewellen auf St¨ aben
nicht neigen kann, was rechts unten durch F¨ uhrungsstifte angezeigt ist, wo also Querkraft und Winkelgeschwindigkeit verschwinden (F = 0, w = 0). In jedem der vier F¨ alle sind also zwei Randbedingungen zu erf¨ ullen, und dazu reicht das Hinzuf¨ ugen einer auch hier nat¨ urlich zu erwartenden reflektierten Welle zur einfallenden Welle nicht aus. Hier zeigt sich nun, wie die Verdoppelung der Randbedingungen zwangsl¨aufig mit der Verdoppelung der Ordnung der im Wellentr¨ager geltenden Differentialgleichung zusammenh¨ angt, zu der eben noch andere L¨osungsbestandteile als nur fortschreitende Wellen geh¨ oren. Zun¨achst nimmt die Biegewellengleichung (2.89) unter Beschr¨ankung auf ˆ und Fˆ sinusf¨ormigen Zeitverlauf also unter Einf¨ uhrung der Zeiger vˆ, w ˆ ,M f¨ ur die Schnelle vˆ die Form d4 vˆ − k 4 vˆ = 0 dx4
(2.130)
an, wobei k wie schon in (2.91) f¨ ur (ω 2 m /B)1/4 gesetzt ist und, wie dort ebenfalls gezeigt ist, die Bedeutung der Wellenzahl f¨ ur eine fortschreitende Biegealt man aus (2.130) vier m¨ogliche welle hat. Mit dem L¨ osungsansatz ejax erh¨ L¨osungen mit α = ±k, α = ±jk. Die Gesamtl¨osung besteht somit aus vier Bestandteilen v = vˆ+ e−jkx + vˆ− ejkx + vˆ+j e−kx + vˆ−j ekx .
(2.131)
Dabei entsprechen die ersten beiden Terme nach rechts bzw. links laufenden Sinuswellen und die beiden letzten Terme nach rechts bzw. links abnehmenden Nahfeldern. Wenn nun eine Welle vˆ+ e−jkx von links (x < 0) auf einen bei x = 0 befindlichen Rand auftrifft, so kann sie dort eine reflektierte Welle vˆ− ejkx
2.4 Die Wellenbewegungen auf St¨ aben endlicher L¨ ange
65
und ein Nahfeld vˆ−j ekx ausl¨ osen, wodurch in jedem Falle die Erf¨ ullung zweier Randbedingungen m¨ oglich wird. Dabei kann es durchaus vorkommen, dass ein Nahfeld gar nicht auftritt. Das ist z.B. beim aufgest¨ utzten Stab der Fall. Die Randbedingungen v = 0;
M = 0,
also
d2 v =0 dx2
(2.132)
f¨ uhren hier auf die beiden Gleichungen vˆ− + vˆ−j = −ˆ v+
und
− vˆ− + vˆ−j = +ˆ v+ .
(2.133)
Die L¨osungen sind vˆ−j = 0
und
− vˆ− = vˆ+ ,
(2.134)
also verschwindet das Nahfeld, und wie bei den Longitudinalwellen auf einem starr abgeschlossenen Stab betr¨ agt der Phasensprung (−π). Die in Bild 2.13 links gezeigten einfachen Feldverteilungen entsprechen also Schnelle und Ausschlag des beiderseits aufgesetzten Stabes. Da aber die Frequenzen wegen der Dispersion der Biegewellen den Quadraten der Wellenzahlen gem¨aß (2.91) proportional sind, verhalten sich die Eigenfrequenzen hier wie die Quadrate der ganzen Zahlen: 1 π B n2 B 2 k = . (2.135) fn = 2π m 2 m ls2 Auch bei dem - prinzipiell m¨ oglichen - gef¨ uhrten“ Stab (in Bild 2.15 rechts ” unten) w¨ urde man die gleichen Eigenfrequenzen erhalten, weil man dort dieselben Gleichungen f¨ ur die Winkelgeschwindigkeit w und das Moment M erh¨alt wie hier f¨ ur v und F . Bei der Reflexion am freien Ende tritt im Gegensatz zu den beiden bisher behandelten F¨allen ein Nahfeld auf. Die Randbedingungen lauten nun M = 0, F = 0;
bzw. M = 0,
dM = 0. dx
(2.136)
Es empfiehlt sich daher, das Feld durch die Zeiger der Momente f¨ ur die an+jkx ˆ e−jkx , die reflektierte Welle M ˆ kommende Welle M e und das Nahfeld + − kx ˆ M −j e zu beschreiben. Die Randbedingungen liefern dann die beiden Gleichungen ˆ +M ˆ ˆ M − −j = − M + ˆ +M ˆ ˆ jM − −j =M + .
(2.137)
mit den L¨osungen ˆ ˆ −j = (−1 + j)M M +
ˆ = −j M ˆ . und M − +
(2.138)
66
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
Es handelt sich also um ein Nahfeld, das in seiner Anfangsamplitude sogar gr¨ oßer ist als die einfallende Welle und um eine r¨ ucklaufende Welle mit einen Phasensprung von γ = −π/2 und gleicher Amplitude, wie man auch aus Energieerhaltungsgr¨ unden erwartet. Nimmt man an, dass die an einem Ende ausgel¨osten Nahfelder am jeweils gegen¨ uberliegenden Ende bereits vernachl¨ assigbar klein sind, was jedenfalls um so besser gilt, je k¨ urzer die Wellenl¨ ange und je h¨oher also die Frequenz ist, dann wird das Prinzip des geschlossenen Wellenzyklus wieder durch die Forderung gleichphasigen Anschlusses der reinen Wellenanteile erf¨ ullt. Daraus erh¨alt man n¨ aherungsweise f¨ ur die Eigenfrequenzen des beidseitig freien Stabes 2kn ls ≈ (2n + 1)π oder 1 fn = 2π
B 2 π kn ≈ m 8
B (2n + 1)2 m ls2
(2.139)
(n=1,2,3, . . . ). Man erh¨ alt also in diesem Falle die gleiche Beziehung zwischen Wellenl¨ange und Stabl¨ ange wie bei den Longitudinalwellen am einseitig eingespannten Stab (siehe 2.129). Dort aber erfolgte der Phasensprung von −π an einem Ende, w¨ahrend er sich bei dem vorliegenden symmetrischen Problem gleichm¨aßig mit je −π/2 auf beide Enden verteilt. Dadurch werden auch die in Bild 2.16 gezeichneten Schnelle- bzw. Bewegungsverteilung symmetrisch. Die dick gezeichneten Linien schließen dabei die Nahfeldanteile ein, die d¨ unn gezeichneten entsprechen den reinen Wellenanteilen. x=0 n=2
x= l
n=3
n=4
Bild 2.16. Biege-Eigenschwingugen eines beiderseits freien Stabes. Dick gezeichnet: mit Nahfeldern, d¨ unn: ohne Nahfelder. (Die ausgezogenenen und gestrichelten Linien unterscheiden sich wieder um eine halbe Periodendauer)
2.4 Die Wellenbewegungen auf St¨ aben endlicher L¨ ange
67
Der in (2.139) nicht auszuschließende Fall n = 1 entf¨allt, weil er entweder eine einseitige Verschiebung des Stabes, also eine Wechselbewegung seines Schwerpunktes bedeuten w¨ urde, wof¨ ur beim freien Stab die ¨außeren Kr¨afte fehlen, oder eine ¨ ortliche gleichsinnige, zeitlich wechselnde Drehung der Stabelemente um den Mittelpunkt, wof¨ ur die ¨ außeren Momente fehlen. Die Eigenfrequenzen des beiderseitig freien Stabes verhalten sich n¨aherungsweise wie 9:25:49:81:. . . , die Obert¨ one sind also nicht mehr harmonisch zum Grundton. Da die Randbedingungen beim beidseitig eingespannten Stab v = 0;
dv =0 dx
lauten, gelangt man zu den gleichen Ausdr¨ ucken, wenn man M durch v ersetzt. Man kann also schließen, dass (2.139) auch den Fall des beiderseitig eingespannten Stabes mit gleicher N¨ aherung erfasst. Dabei d¨ urfte in den meisten F¨ allen die Abweichung von der Randbedingung idealer Einspannung mehr Einfluss auf die Eigenfrequenz haben als die (2.139) zu Grunde liegende Vernachl¨ assigung der Nahfelder. Nur bei der tiefsten Eigenfrequenz des freien Stabes ist es von Interesse, Gleichung (2.139) noch zu verbessern. Es soll dieser Korrektur hier auch noch nachgegangen werden um dem Eindruck zu begegnen, dass das Prinzip des geschlossenen Wellenzyklus nur n¨ aherungsweise gilt. Es ist durchaus geeignet, auch bei den Biegewellenproblemen oder bei anderen eindimensionalen Problemen, bei denen mehrere Wellentypen zu ber¨ ucksichtigen sind, die jeweils strenge L¨osung zu liefern, wenn ber¨ ucksichtigt wird, dass die an einem Ende ausgel¨osten Nahfelder am gegen¨ uberliegenden noch endliche Werte aufweisen, die auf Grund der dortigen Randbedingung wieder eine Welle und ein Nahfeld ausl¨osen. Wie mit Hilfe von (2.137 und 2.138) gezeigt wurde, liefert eine fortlaufende Welle der Amplitude M+ ˆ = jM ˆ =M ˆ e−jπ/2 M − + + √ ˆ ˆ = − 2M ˆ e−jπ/4 . und als Nahfeld: M = −(1 − j) M −j + +
als reflektierte Welle:
(2.140)
Wendet man dieselbe Vorgehensweise auf ein Nahfeld mit der Amplitude M+j an, so ergeben die Randbedingungen (2.136) ˆ +M ˆ =0 ˆ +j + M M −j − ˆ ˆ ˆ −M +j + M −j + j M − = 0. Daraus folgt nach der Reflexion ˆ ˆ jπ/2 ˆ als reflektiertes Nahfeld: M −j = j M +j = M + e (2.141) √ ˆ = −(1 + j)M ˆ ˆ jπ/4 . und als fortlaufende Welle: M − +j = − 2M + e
68
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
Das Prinzip von gleichphasigen Anschluss besagt, dass nach einem Hin- und R¨ ucklauf und nach zweimaliger Reflexion bzw. Umwandlung Fernfeld/Nahfeld bzw. Nahfeld/Fernfeld wieder der Ausgangswert erreicht sein muss. Da f¨ ur das Fernfeld ein einmaliger Durchlauf einer Phasenverschiebung von kls , also einer ur das Nahfeld einer Multiplikation mit e−kls Multiplikation mit e−jkls und f¨ entspricht, wird aus einem Fernfeld der Amplitude M+ nach einem vollen Umlaufzyklus −j2kl s ˆ (−j)2 + e−jkls −kls (1 + j)(1 − j) M + e (2.142) −j2kl s ˆ e j(1 − j) + e−jkls −kls j(1 − j) . −M +
Benutzt man die Abk¨ urzungen F = fortlaufende Welle und N = Nahfeld, so bedeuten die einzelnen Terme in der Gleichung FFF, FNF, FFN, FNN. Dabei kennzeichnet der erste Buchstabe den Ausgangswellentyp und der dritte den nach einem vollen Umlauf resultierenden Wellentyp. Wendet man dieselbe Argumentation auf ein Ausgangsnahfeld mit der Amplitude M+j an, so sind die Kombinationsm¨oglichkeiten NFF, NNF, NFN, NNN. Also erh¨alt man ˆ +j e−jkls −kls j(1 + j) − e−2kls j(1 + j) M (2.143) ˆ +j e−jkls −kls (1 − j)(1 + j) + e−2kls j 2 . −M Das Prinzip vom gleichphasigen Anschluss fordert, dass die Summe der Fernfeldamplituden (erste geschweifte Klammer in den obigen Gleichungen) gleich der Ausgangsamplitude M+ ist und ebenso die Summe der Nahfeldamplituden (zweite geschweifte Klammer) gleich der Amplitude M+j . Man erh¨alt also −jkl s ˆ −e−2jkls + 2e−jkls −kls − 1 + M ˆ M − e−2kls = 0 + +j j(1 + j) e ˆ j(1 − j) e−2jkls − e−jkls −kls + M ˆ +j 2e−jkls −kls − e−2kls − 1 = 0. M + ˆ+ Diese Gleichung besitzt nur dann von Null verschiedene L¨osungen f¨ ur M ˆ , wenn die Determinante verschwindet, wenn also und M +j
1 + e−2kls + e−2jkls + e−2kls −2jkls − 4e−kls −jkls = 0
(2.144)
gilt. Eine kleine Umrechnung zeigt, dass diese Beziehung mit der aus der Literatur (z.B. [2.2]) bekannten Gleichung cos kls =
1 cosh kls
(2.145)
identisch ist. Wie Bild 2.17 zeigt bestehen die L¨osungen dieser Eigenwertgleichung fast genau in cos kls = 0 . Die Abweichung davon interessiert praktisch nur f¨ ur den ersten Schnittpunkt, die strenge L¨osung liefert hierf¨ ur statt kls = 3π /2
2.4 Die Wellenbewegungen auf St¨ aben endlicher L¨ ange
69
k1 ls = 3π /2 + 0, 0176 . Die richtige Wellenzahl ist demnach gegen¨ uber ihrer N¨aherung kls = 3π /2 um 3,7%, die Eigenfrequenz immerhin um rund 7% erh¨oht: B 1 f1 = 3, 8 . (2.146) m ls2
1 0.8 cos(2π ls/λ)
1/cosh(2π ls/λ) 0.6 0.4 0.2 0 −0.2 −0.4 −0.6 − 1/cosh(2π ls/λ) −0.8 −1 0
0.5
1 l /λ
1.5
2
s
Bild 2.17. Graphische L¨ osung der Eigenwertgleichungen (2.145) und (2.147) mit kls = 2πls /λ
Schließlich sei noch auf den einseitig eingespannten und einseitig freien Stab eingegangen, ohne die entsprechende Rechnung in allen Einzelheiten auszuf¨ uhren. Wenn man ¨ ahnlich vorgeht wie beim beidseitig freien Balken findet man als Bedingungsgleichung f¨ ur die Wellenzahlen cos kls =
−1 . cosh kls
(2.147)
Wie man in Bild 2.17 erkennt, sind die h¨ oheren Resonanzfrequenzen praktisch gleich groß wie beim beidseitig freien Fall. F¨ ur diese Resonanzen gilt also unver¨andert etwa π B (2n − 1)2 . (2.148) fn = 8 m ls2
70
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
Es tritt jedoch eine niedrigere Resonanzfrequenz f1 hinzu. Nach Bild 2.17 liegt sie etwa bei ls /λ = 0,3 oder kls = 0,6 π. Die zugeh¨orige Resonanzfrequenz betr¨agt also B 1 . (2.149) f1 = 0, 56 m ls2
2.5 Die allgemeinen Feldgleichungen Bisher sind jedesmal spezielle Deformationen betrachtet worden, dabei sind immer wieder neue Wellentypen aufgetreten. Nat¨ urlich fragt sich daher, ob sich diese Mannigfaltigkeit etwa noch beliebig fortsetzen l¨asst, und ob man nicht vielleicht alle bisher behandelten und noch m¨oglichen Wellentypen aus wenigen allgemeinen Grundtypen zusammensetzen kann. Dazu muss man zun¨ achst untersuchen, welche Wellenvorg¨ange in einem allseitig unbegrenzten festen Medium vorkommen. Danach l¨asst sich dann betrachten, wie diese Vorg¨ ange durch freie Oberfl¨achen beeinflusst werden. In Bild 2.18 ist die allgemeinste Deformation eingezeichnet, die ein Fl¨achenelement dx dy (im Bild der Einfachheit halber mit dx = dy) in der xy-Ebene erfahren kann. Zun¨achst ist es in der x-Richtung um ξ und in der y-Richtung um η verschoben. Wie schon betont sind diese Auslenkungen jedenfalls klein verglichen mit den Wellenl¨ angen. Alle ¨ ortlichen Differentiationen ∂ξ/∂x, ∂ξ/∂y, ∂η/∂x und ∂η/∂y stellen deshalb immer sehr kleine Dehnungen oder Winkel dar. Die in Bild 2.18 eingetragenen Deformationen, die sich aus diesen Differentialquotienten ergeben, sind wieder im Interesse der Deutlichkeit um mehrere Zehnerpotenzen u ¨bertrieben. Bei diesen Deformationen unterscheidet man zweckm¨aßig die drei in Bild 2.18 unten getrennt herausgezeichneten M¨ oglichkeiten: a) Die Dehnungen x = ∂ξ/∂x und y = ∂η/∂y. Ihre Summe bedeutet unter Vernachl¨ assigung des Produktes x y die relative Fl¨achenvergr¨ oßerung. Da sie untereinander nicht gleich groß zu sein brauchen, ja sogar entgegengesetztes Vorzeichen haben k¨onnen, bedeuten sie im allgemeinen zugleich eine gewisse Gestalt¨anderung, also eine ¨ Anderung des L¨ angen-Breiten-Verh¨ altnisses. b) Die Schubdeformationen mit dem Schubwinkel γxy . Sie ¨außern sich in einer weiteren Gestalt¨ anderung, n¨amlich in einer Umformung des urspr¨ unglichen Rechtecks in ein Parallelogramm. In dem zu reinen Transversalwellen geh¨ orenden Bild 2.4 war diese Gestalt¨anderung nur durch η-Verschiebungen entstanden, die gesamte Form¨anderungsarbeit also nur von τxy geleistet worden. Am Zustandekommen dieser Verformung ist aber τyx genauso beteiligt. Als eine reine Schubspannungsverformung ist also nur eine solche anzusehen, bei der der gesamte Schiebungswinkel unglich zueinander senkrechten Angriffsfl¨achen γxy sich auf beide urspr¨
2.5 Die allgemeinen Feldgleichungen
71
Bild 2.18. Ausschl¨ age und Deformation im zweidimensionalen Fall, (a) reine Dehnung in x- und y-Richtung, (b) reine Schubdeformation, (c) reine Drehung um die z-Achse
gleichm¨aßig verteilt, wie es in Bild 2.18b eingezeichnet ist. Im gleichen Sinne h¨atte freilich auch in Bild 2.18a die neue gedehnte Form symmetrisch um die alte ungedehnte Form gezeichnet werden m¨ ussen. In jedem Falle sind aber die Dehnungen gegen¨ uber den Verschiebungen ξ und η so klein, dass man ganz außer Acht lassen kann, dass die Deformation in Bild 2.18a,b aus einer reinen Dehnung um x dx und y dy und einer zus¨atzlichen Verschiebung x dx/2 und y dy/2 besteht. c) Die Drehungen. Anders liegen die Gr¨ oßenverh¨ altnisse, wenn man bei den Winkel¨anderun¨ gen darauf achtet, dass die in Bild 2.4 gezeichnete Verformung einer Uberlagerung der reinen Schubdeformation und einer Drehung χz entsprechen, wie sie in Bild 2.18c allein gezeichnet ist. Diese Drehungen nehmen bei den elastischen Wellen - wie etwa bei den reinen Transversalwellen - nur sehr geringe Werte an. Deshalb kann man den Drehwinkel (um die z-Achse) χz ebenfalls zu den durch ihn hervorgerufenen Anteilen an ∂x/∂y und ∂η/∂x proportional setzen. Wie man aus Bild 2.18 erkennen kann, setzen sich diese Differentialquotienten aus
72
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
1 ∂ξ = γxy − χz ∂y 2
und
1 ∂η = γxy + χz ∂x 2
(2.150)
zusammen. Die Summe der Differentialquotienten bestimmt also den Schubwinkel ∂η ∂ξ + , (2.151) γxy = ∂y ∂x und ihre Differenz den doppelten Drehwinkel 2χz =
∂ξ ∂η − . ∂x ∂y
(2.152)
Es leuchtet ein, dass bei einer Deformation in allen drei Achsenrichtungen noch eine Verschiebungskomponente ζ in z-Richtung, ferner je ein Schubwinkel in der yz-Ebene ∂η ∂ζ γyz = + (2.153) ∂z ∂y und einer in der xz-Ebene γzx =
∂ξ ∂ζ + ∂y ∂z
(2.154)
hinzukommen, und dass ebenso auch Drehungen um die x-und z-Achse 2χx =
∂η ∂ζ − ∂y ∂z
und
2χy =
∂ζ ∂ξ − ∂z ∂x
(2.155)
auftreten. Werden die drei Verschiebungskomponenten im Verschiebungsvektor s = iξ + jη + kζ
(2.156)
vereinigt, so lassen sich auch die drei Gl. (2.152) und (2.155) zusammenfassen. Die Ausdr¨ ucke 2χx , 2χy und 2χz bilden n¨ amlich gerade die Komponenten der Rotation von s iχx + jχy + kχz = 1 rot s (2.157) 2 (i, j, k: Einheitsvektoren). Schließlich ist auch noch eine Dehnung in zRichtung z = ∂ζ/∂z zu erwarten. Zusammen mit x und y bestimmt sie die relative Volumenzunahme eines beliebigen Raumteils, die auch als Dilatation δ bezeichnet wird und die ebenfalls eine bekannte Differentialoperation des Vektors s, n¨amlich seine Divergenz, darstellt: δ = x + y + z = div s.
(2.158)
Nun wird der Zusammenhang zwischen den Deformationen und den Spannungen untersucht. Am einfachsten ergeben sich die Schubspannungspaare aus den zugeordneten Schubwinkeln:
2.5 Die allgemeinen Feldgleichungen
∂η ∂ξ + , ∂y ∂x ∂η ∂ζ + , =G ∂z ∂y ∂ξ ∂ζ + . =G ∂x ∂z
73
τxy = τyx = G τyz = τzy τzx = τxz
(2.159)
Dagegen sind die Normalspannungen, wie bereits in Kapitel 2.1.2 dargelegt, infolge der Querkontraktionen miteinander gekoppelt. Durch Addition der dortigen Gleichungen (2.30) folgt 2G(1 + μ)δ = (1 − 2μ)(σx + σy + σz ), wobei noch E entsprechend (2.55) durch G ausgedr¨ uckt worden ist. Indem so die Summe der Normalspannungen durch die Dilatation ausgedr¨ uckt worden ist, ergibt sich aus (2.30): μ ∂ξ + divs , σx = 2G ∂x 1 − 2μ μ ∂η σy = 2G + divs , (2.160) ∂y 1 − 2μ μ ∂ζ σz = 2G + divs . ∂z 1 − 2μ Zur vollst¨andigen Beschreibung m¨ ussen nun noch die dynamischen Grundgleichungen herangezogen werden, die schon in (2.35) und (2.52) zur Ableitung von Wellengleichungen dienten. Im vorliegenden dreidimensionalen Fall ber¨ ucksichtigen sie alle an einem Volumenelement angreifenden Normal- und Schubspannungen sowie die Tr¨ agheitskr¨ afte pro Volumenelement. Sie lauten ∂σx ∂τxy ∂τxz ∂2ξ + + =ρ 2 , ∂x ∂y ∂z ∂t ∂σy ∂τyx ∂τyz ∂2η + + =ρ 2 , ∂y ∂x ∂z ∂t ∂τzx ∂τzy ∂2ζ ∂σz + + =ρ 2 . ∂z ∂x ∂y ∂t
(2.161)
Setzt man hier (2.159) und (2.160) ein und benutzt (2.156) so ergibt sich mit dem Laplace-Operator Δ ∂ 2s 1 grad divs = ρ 2 . (2.162) G Δs + 1 − 2μ ∂t F¨ ur die Schnelle v gilt genauso 1 ∂ 2v G Δv + grad divv = ρ 2 1 − 2μ ∂t
(2.163)
74
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
oder, mit den Schnellekomponenten v1 = ∂ξ/∂t, v2 = ∂η/∂t und v3 = ∂ζ/∂t ∂ 1 ∂v2 ∂v3 ∂v1 ρ ∂ 2 vi + + ; i = 1, 2, 3 (2.164) Δvi + = 1 − 2μ ∂xi ∂x1 ∂x2 ∂x3 G ∂t2 (x1 = x, x2 = y, x3 = z). Diese zentralen Differentialgleichungen, die alle elastischen Schwingungsbewegungen in festen K¨ orpers erf¨ ullen m¨ ussen, gleichen den in den Abschnitten 2.1 und 2.2 behandelten Wellengleichungen nur insofern, als sie ebenfalls hinsichtlich Raum und Zeit von zweiter Ordnung sind. Aber sie unterscheiden sich einmal durch ihren r¨ aumlichen Charakter, indem das Argument, der Verschiebungsvektor, drei Komponenten umfasst, und indem die Differentiationen entsprechend den Vektor-Operatoren nach allen Raumrichtungen erfolgen. Die letzte Eigenschaft liegt in der Natur aller r¨aumlichen Wellenprobleme. Eine spezielle Eigenart des festen K¨ orpers stellt dagegen das additive Auftreten zweier Operatoren auf der linken Seite dar, und hierin ¨außert sich, dass diese Gleichung zwei Wellengleichungen zugleich umfasst. Nach einem allgemeinen Satz der Vektoranalysis kann man jedes kontinuierliche Vektorfeld in einen wirbelfreien und einen quellenfreien Anteil aufspalten. Sie seien hier mit s1 und s2 bezeichnet. F¨ ur den ersten gilt also rot s1 = 0
(2.165)
div s2 = 0.
(2.166)
und f¨ ur den zweiten Der wirbelfreie Anteil weist somit dieselbe Dilatation auf, wie das ganze Feld: div s1 = divs = δ,
(2.167)
und der quellenfreie Anteil dieselbe Rotation wie das ganze Feld: rot s2 = rots,
(2.168)
oder, nach Einf¨ uhrung des Vektors der Winkelgeschwindigkeit w =
1 1 rot v2 = rot v . 2 2
(2.169)
Indem auf (2.162) nochmals einmal die Operation der Divergenz angewandt und dabei ∂2 ∂2 divΔ = Δdiv und div 2 = 2 div ∂t ∂t beachtet wird, ergibt sich die r¨ aumliche Wellengleichung f¨ ur dieDilatation : G
∂2δ 2(1 − μ) Δδ = ρ 2 . 1 − 2μ ∂t
(2.170)
2.5 Die allgemeinen Feldgleichungen
75
Diese Gleichung umschließt auch die M¨ oglichkeit, dass innerhalb jeder zur x-Achse senkrechten Ebene jeweils gleiche Zust¨ande herrschen. Dann geht Δ in ∂ 2 /∂x2 u ¨ber, und es entsteht die bereits im Abschnitt 2.1.1 als (2.11) abgeleitete eindimensionale Wellengleichung; auch die darin aufgetretene Ausbreitungsgeschwindigkeit war nach (2.57) dieselbe wie hier, n¨amlich diejenige der reinen Longitudinalwellen mit G 2(1 − μ) . (2.171) cL = ρ 1 − 2μ Da auch in Abschnitt 2.1.1 ein allseitig unbegrenztes Medium vorausgesetzt worden ist, muss der dort behandelte Wellentyp in der allgemeinen Darstellungsweise enthalten sein. Man erkennt hier, dass er der ebenen Welle entspricht, mit der sich ein ebener Dilatationszustand im unbegrenzten Medium ausbreiten kann. Die reine Longitudinalwelle“ wird deshalb auch als Dila” ” tationswelle“ bezeichnet. Gegen diese Benennung ist nur einzuwenden, dass in begrenzten Medien auch Ausbreitungen von Zust¨anden mit anderer Geschwindigkeit vorkommen, die nicht frei von Dilatationen sind. Dagegen kann man allgemein die reine Longitudinalwellen“ als die einzige rotationsfreie ” ” Welle“ bezeichnen, die einzige n¨ amlich, in der die Ausdr¨ ucke (2.175) an allen Stellen identisch verschwinden. Weil auch bei der reinen Transversalwelle in Abschnitt 2.2.1 ein allseitig unbegrenztes Medium vorausgesetzt wurde, muss auch sie als L¨osung von (2.162) auftreten. Man gewinnt hier zus¨ atzlich die Erkenntnis, dass es außer diesen beiden schon behandelten Wellentypen keine weitere ebene Welle im unbegrenzten Medium mehr geben kann. Indem die Operation der Rotation auf (2.162) angewandt und dabei die Vertauschungsregeln rotΔ = Δrot
und
rot
∂2 ∂2 = rot, ∂t2 ∂t2
sowie die Identit¨ at rot grad ≡ 0 beachtet wird, ergibt sich f¨ ur rot s die dreidimensionale Wellengleichung: GΔ(rot s) = ρ
∂2 (rots) ∂t2
oder GΔw =ρ
∂2w . 2 ∂t
(2.172)
Diese aber geht bei der Annahme ebener Feldverteilungen u ¨ber in (2.53), weil sie f¨ ur die Ausbreitung aller ebenen Rotationszust¨ande auf die Transversalwellengeschwindigkeit G (2.173) cT = ρ f¨ uhrt. Daher ist es auch u ¨blich, cT als Rotationswellengeschwindigkeit zu bezeichnen. Jedoch muss auch hier darauf aufmerksam gemacht werden, dass
76
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
die bei begrenzten Medien außerdem m¨ oglichen Ausbreitungstypen mit ihren anderen Geschwindigkeiten auch Rotationen enthalten. Dagegen stellen die L¨ osungen von (2.172) die einzigen m¨ oglichen quellenfreien Wellenbewegun” gen“ dar. Zu der am Anfang dieses Paragraphen aufgeworfene Frage, ob sich nicht alle Wellentypen aus wenigen allgemeinen Grundtypen zusammensetzen lassen, kann vorerst nur festgestellt werden, dass im Innern eines festen K¨orpers nur die reine longitudinale und die reine transversale Welle als ebene Wellen auftreten k¨onnen. Dabei sind diese beiden m¨ oglichen Wellenarten v¨ollig unabh¨angig voneinander, k¨onnten also getrennt hergestellt werden. Praktisch wird es sich meist nicht vermeiden lassen, dass beide Wellen zusammen angeregt werden, oder allgemeiner ausgedr¨ uckt, dass ein wirbelfreies und ein quellenfreies Feld erzeugt wird. Da sie sich aber mit sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten ausbreiten, wird bei kurzer Anregezeit sehr bald eine Trennung der Wellen” Impulse“ erfolgen, vorausgesetzt, dass der K¨orper ausgedehnter ist als das Produkt aus der Differenz (cL − cT ) und der Impulsdauer. Solche Verh¨altnisse liegen bei der Ausbreitung von seismischen Wellen in der Erde vor, oder bei der Pr¨ ufung dickwandiger Konstruktionsteile mit Hilfe von Ultraschall, also immer dann, wenn das Innere“ des K¨ orpers allseitig viele Wellenl¨angen ” umfasst. Die normalerweise verwendete Methode zur L¨osung von (2.163) besteht - wie erw¨ahnt - darin, ein skalares Potential Φ und ein Vektorpotential Ψ einzuf¨ uhren, die den folgenden Bedingungen gen¨ ugen: ds1 ds2 . (2.174) = vL = gradΦ; = vT = rotΨ dt dt erf¨ Die Potentiale Φ und Ψ ullen genauso wie δ und w die Wellengleichungen (2.170) und (2.172). Man hat damit das Problem auf die L¨osung von zwei Wellengleichungen zur¨ uckgef¨ uhrt, wof¨ ur es eine Reihe von L¨osungsverfahren gibt. Allerdings muss man beachten, dass eventuelle Randbedingungen durch die Schnellen und Spannungen bestimmt sind. Da diese Gr¨oßen aber Linear sind (wie man aus (2.174) und durch Umrechnung kombinationen von Φ und Ψ von (2.159) und (2.160) sieht), tritt an den R¨andern eines Festk¨orpers eine auf. Diese Uberg¨ ¨ Kopplung von Φ und Ψ ange von Longitudinal- in Transversalwellen werden in den n¨ achsten Abschnitten noch behandelt. Im Rahmen diese Buches soll die Beschr¨ ankung auf ebene Probleme bei elastischen Kontinua gen¨ ugen. Man kann deswegen auf die Darstellung durch Vektorpotentiale verzichten und ebenso wie bei den bisher betrachteten Beispielen die L¨osung der Wellengleichung als ebene Wellen oder als Summe solcher Wellen darstellen. Man macht also den naheliegenden Ansatz v = vL + vT ;
vi = vˆi (kx , ky , kz )e−jkx x e−jky y e−jkz z ;
i = 1, 2, 3.
(2.175)
Unter Beschr¨ankung auf harmonische Vorg¨ ange mit der Kreisfrequenz ω wurde hier gleich auf die Zeigerschreibweise u ¨bergegangen. Der Faktor ejωt und
2.5 Die allgemeinen Feldgleichungen
77
der Zusatz Re {. . .} wurden wie u ¨blich weggelassen. Die Gr¨oßen kx , ky , kz sind die Wellenzahlen. Sie geben Wellenl¨ ange und Richtung der Welle an. Selbstverst¨andlich ist (2.175) keine vollst¨ andige L¨osung der Wellengleichung (2.163). Aber da man durch Summation bzw. Integration von Ausdr¨ ucken der Form (2.175) eine Fourierreihe bzw. ein Fourierintegral erh¨alt, stellt (2.175) eine Fundamentall¨ osung dar, aus der alle anderen L¨osungen zusammengesetzt werden k¨onnen. Setzt man (2.175) in (2.163) ein, so ergibt sich 1 1 1 2 2 2 k vˆ1 − kx ky vˆ2 − kx kz vˆ3 =0 , kT − k − 1 − 2μ x 1 − 2μ 1 − 2μ −1 1 1 ky kx vˆ1 − kT2 − k 2 − k2 vˆ2 − ky kz vˆ3 =0 , (2.176) 1 − 2μ 1 − 2μ y 1 − 2μ 1 1 1 2 2 2 − kz kx vˆ1 − kz ky vˆ2 − kT − k − k vˆ3 =0 , 1 − 2μ 1 − 2μ 1 − 2μ z wobei k2 = kx2 + ky2 + kz2 und kT2 = ω2 /c2T gesetzt worden ist. Dieses homogene, lineare Gleichungssystem ist bekanntlich nur l¨osbar, wenn die Determinante verschwindet. Das f¨ uhrt nach kleineren Zwischenrechnungen auf die Bedingung 2(1 − μ) 2 2 2 2 k = 0. (kT − k ) kT − 1 − 2μ Die m¨oglichen Wellenzahlen sind also kI2 = kx2 + ky2 + kz2 = kT2 und 2 kII = kx2 + ky2 + kz2 = kT2
ω2 1 − 2μ 2 = 2 = kL . 2 − 2μ cL
(2.177)
(2.178)
Wie man sieht, entspricht (2.177) der Ausbreitung von reinen Transversalwellen und (2.178) der Ausbreitung von reinen Longitudinalwellen. Die Aufspaltung in die beiden Wellentypen ergibt sich also auch hier. Aus (2.176) kann man weiterhin entnehmen, dass zwischen den Zeigern ussen, und zwar ergibt sich durch vˆ1 , vˆ2 , vˆ3 bestimmte Relationen gelten m¨ Einsetzen von k2 = kT2 in allen drei Gleichungen von (2.176) kx vˆ1T + ky vˆ2T + kz vˆ3T = 0
(2.179)
und durch Einsetzen von (2.178) vˆ2L =
ky vˆ1L ; kx
vˆ3L =
kz vˆ1L . kx
(2.180)
Die gesamte Fundamentall¨ osung f¨ ur (2.163) in kartesischen Koordinaten lautet somit
78
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
vi = vˆ1L (kx , kyL , kz )e−jkyL y + vˆ1T (kx , kyT , kz )e−jkyT y e−jkx x−jkz z (2.181) f¨ ur i=1,2,3. Die dabei zu beachtenden Zusatzbedingungen sind: 2 = kT2 − kx2 − kz2 ; kyT
2 kyL = kT2
1 − 2μ 2 − kx2 − kz2 = kL − kx2 − kz2 . (2.182) 2 − 2μ
Dass hier der Index y eine gewisse Sonderstellung hat, ist ohne Bedeutung. Man k¨onnte die Ausdr¨ ucke auch anders schreiben. Wichtig ist nur, dass die Wellenzahl in einer Richtung festgelegt ist, damit (2.181) eine L¨osung der Wellengleichung sein kann. (2.181) besagt u ¨brigens nichts anderes als rot vL = 0 und (2.180) ist gleichbedeutend mit div vT = 0. Man kann das leicht nachpr¨ ufen, indem man die Ortsableitungen in den Differentialoperationen durch Multiplikationen mit jkx , jky , bzw. jkz ersetzt.
2.6 Das Wellenfeld an einer freien Oberfl¨ ache 2.6.1 Reflexion ebener Wellen Als erste Anwendung der elastischen Grundgleichungen sei die Reflexion einer ebenen Welle an einer freien Oberfl¨ ache untersucht. Ohne das Problem weiter einzuschr¨anken wird angenommen, dass sich die Wellen in der x, y-Ebene ausbreiten und alle Feldgr¨ oßen damit von der z-Koordinate unabh¨angig sind. Die Koordinaten und Winkel sind aus Bild 2.19 zu ersehen. Es ist dabei zur klaren Trennung der einzelnen Wellenanteile ein St¨ uck endlicher Breite herausgeschnitten, obwohl es sich in der Rechnung um unendlich breite Wellenz¨ uge handeln soll.
Bild 2.19. Skizze zur Reflexion longitudinaler und transversaler Wellen an einer freien Oberfl¨ ache
2.6 Das Wellenfeld an einer freien Ober߬ ache
79
Die Bedingungen, dass alle Feldgr¨ oßen von der z-Koordinate unabh¨angig sein sollen, ist gleichbedeutend mit kz = 0 in (2.181) und (2.182). Ein naheliegender Ansatz f¨ ur ebene Longitudinalwellen (von nun an kurz L-Wellen genannt) besteht daher in v1 = vˆ1L e−jkx x e−jkyL y kyL v2 = vˆ1L e−jkx x e−jkyL y kx 2 − k2 . v3 = 0 mit kyL = kL x
(2.183)
Dabei ist kL = ω/cL die Wellenzahl f¨ ur L-Wellen (siehe (2.178)). Die Beziehung (2.179) wurde in (2.183) bereits ber¨ ucksichtigt. Bei (2.183) handelt es sich um eine unter dem Winkel ϑL fortschreitende Welle, denn die Fl¨ achen gleicher Phasen sind durch Gleichheit der Exponenten, also durch kx kx x + kyL y = kL x + 1 − (kx /kL )2 y kL (2.184) = kL [x sin ϑL + y cos ϑL ] = const. + 2nπ gegeben. Das sind Ebenen, die senkrecht zur Ausbreitungsrichtung stehen. Auch zur Teilchenbewegung (Schnellevektor) stehen die Wellenfronten senkrecht, wovon man sich durch Einsetzen von kx = kL sin ϑL und kyL = kL cos ϑL in (2.183) u ¨berzeugen kann. 2.6.1.1 Spurwellengeschwindigkeit und Winkelbeziehungen F¨ ur das Folgende wird die Spurwellenl¨ ange λx ben¨otigt. Es handelt sich dabei um die Wellenl¨ange, die man in Ebenen y = const. ermitteln w¨ urde. Die Spurwellenl¨ange gibt also die Periodizit¨ at in x-Richtung an. Man erh¨alt sie aus dem Abstand von Wellenfronten, die sich bei y=const. um die Phase 2π unterscheiden. Gl.(2.184) liefert hierf¨ ur kL λx sin ϑL = 2π;
λx =
2π λL = kL sin ϑL sin ϑL
(2.185)
Dabei ist λL = cL /f = 2π/kL die Wellenl¨ ange der L-Welle in Ausbreitungsrichtung. Die im (2.184) benutzte Umformung kx = kL sin ϑL bedeutet, dass kx ≤ kL gelten muss, weil sonst kyL imagin¨ ar w¨ urde. Das w¨ urde keiner fortschreitenden Welle mehr entsprechen, sondern einem exponential abfallenden Nahfeld, das in diesem Zusammenhang als einfallende Welle nicht interessiert. Statt uhrung der kx ≤ kL k¨onnte man auch die Bedingung λx ≥ λL oder unter Einf¨ Spurwellengeschwindigkeit cx = λx f die Bedingungen cx ≥ cL verwenden. Die Verletzung einer dieser Beziehungen bedeutet, dass der entsprechende
80
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
Bewegungsverlauf nur als Nahfeld (das aber eine L¨osung der Wellengleichung (2.162)-(2.164) darstellt) m¨ oglich ist. Beim Auftreffen der einfallenden L-Welle auf die freie Oberfl¨ache wird man eine Reflexion erwarten die so gestaltet sein muss, dass sie zusammen mit der einfallenden Welle die Randbedingungen erf¨ ullt. Nimmt man als Beispiel an, dass die Begrenzung des Festk¨ orpers mit der Ebene y = 0 zusammenf¨allt und dass in dieser Ebene der K¨ orper frei von ¨ außeren Kr¨aften ist (andere F¨alle lassen sich sinngem¨ aß behandeln), dann lauten die Randbedingungen (siehe Bild 2.19) f¨ ur y = 0
und beliebige x :
σy = 0; τyx = 0; τyz = 0.
Ein naheliegender, ziemlich einfacher L¨ osungsansatz f¨ ur das aus einfallender und reflektierter Welle bestehendem Gesamtfeld besteht in ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ v1 = vˆ1L e−jkx x e−jky y + rLL e−j kx x ej kyL y + rLT e−j kx x ej kyT y ˜ ˜ kyL −jkx x −jkyL y kyL kx ˜x x j k ˜yL y ˜x x j k ˜yT y −j k −j k v2 = vˆ1L e e − rLL e e + rLT e e kx kx kyT v3 = 0. (2.186) Es wird also angenommen, dass neben der einfallenden L-Welle eine reflektierte L-Welle und eine zus¨ atzliche von der Oberfl¨ache y = 0 in den Festk¨orper hineinlaufende transversale Welle (im Folgenden T -Welle genannt) existiert. ˜x dieser neuen Wellen sind vorl¨aufig noch unbeDie Wellenzahlen k˜x und k˜ stimmt. F¨ ur die anderen Wellenzahlen gilt, da jeder Summand in (2.186) f¨ ur sich allein genommen eine L¨ osung der jeweiligen Wellengleichung sein muss, 2 2 k˜yL = kL − k˜x2 ;
˜2 ˜ k˜yT = kT2 − k˜x2 .
onnen als Reflexionsfaktoren betrachtet werden, Die Gr¨oßen rLL und rLT k¨ da sie die Amplituden der zur¨ ucklaufenden Wellen im Verh¨altnis zur Amplitude der einfallenden Welle angeben. Bei der Berechnung von v2 wurde die Beziehung (2.179) f¨ ur die L-Welle und (2.180) f¨ ur die T -Welle ausgenutzt. F¨ ur die weitere Rechnung werden die Spannungen ben¨otigt. Sie ergeben ¨ sich nach dem Ubergang von den Bewegungen zu den Schnellen nach (2.159) und (2.160) zu ∂σy ∂v2 ∂v1 μ ∂v2 ∂v3 = 2G + + + ∂t ∂y 1 − 2μ ∂x ∂y ∂z ∂v2 ∂τxy ∂v1 (2.187) =G + ∂t ∂x ∂y ∂v2 ∂v3 ∂τyz =G + . ∂t ∂z ∂y Setzt man hier (2.186) ein, so erh¨ alt man Ausdr¨ ucke der Form
2.6 Das Wellenfeld an einer freien Oberfl¨ ache ˜
˜
˜ ˜
81
˜ ˜
σy = A1 e−jkx x e−jkyL y + A2 e−j kx x ej kyL y + A3 e−j kx x ej kyT y , weil bei der Differentiation die Exponenten und damit die Ortsabh¨angigkeiten unver¨andert bleiben. A1 , A2 und A3 sind ortsunabh¨angige Konstante. Laut Randbedingungen muss an der Oberfl¨ ache y = 0 dieser Ausdruck f¨ ur alle x verschwinden (oder einen bestimmten Wert annehmen). Das ist nur m¨oglich, ˜ wenn kx = k˜x = k˜x und damit k˜yL =
2 − k2 = k ; kL yL x
˜ k˜yT =
kT2 − kx2 = kyT
(2.188)
gilt. Die Tatsache, dass die Randbedingung auf der ganzen Oberfl¨ache gelten muss, f¨ uhrt automatisch zur Gleichheit der Wellenzahlen kx , k˜x und k˜˜x , und damit nat¨ urlich auch zur Gleichheit der betreffenden Spurwellenl¨ange und Spurwellengeschwindigkeit. Man h¨ atte die Gleichheit der Spurgeschwindigkeit (und damit die Gleichheit von kx ) auch aus der Randbedingung direkt ableiten k¨onnen; denn zwei oder mehr Wellen k¨ onnen eine auf einer Ebene als gleich vorgegebene Randbedingung nur dann erf¨ ullen, wenn sie sich in der Ebene mit gleicher Geschwindigkeit fortpflanzen. Durch (2.184) wurde den Wellenzahlen Winkel zugeordnet, und zwar galt f¨ ur die Ortsabh¨angigkeit der einfallenden Welle e−jkx x e−jkyL y = e−jkL (x sin ϑL +y cos ϑL ) . Aus (2.188) folgt f¨ ur die reflektierte Welle e−jkx x e+jkyL y = e−jkL (x sin ϑL −y cos ϑL ) . und f¨ ur die an der Grenzfl¨ ache erzeugte T -Welle e−jkx x e+jkyT y = e−jkT (x sin ϑT −y cos ϑT ) . Diese Gleichungen besagen, dass einfallende und reflektierte L-Welle denselben Winkel zum Lot, aber umgekehrte Richtung haben und dass die T -Welle den Winkel kx kL kx kL sin ϑL ϑT = arcsin = arcsin = arcsin kT kT kL kT besitzt. Diese Beziehung l¨ asst sich auch in der an das Snelliussche Brechungsgesetz erinnernde Form (2.189) sin ϑT = n sin ϑL schreiben, wobei kL cT n= = = kT cL
1 − 2μ 2 − 2μ
(2.190)
die sogenannte Brechzahl ist, die wegen 0 ≤ μ ≤ 0, 5 im Bereich 0, 5 > n2 > 0 liegt.
82
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
2.6.1.2 Reflexion von L-Wellen Eine ebene, auf die freie Oberfl¨ ache y = 0 einfallende L-Welle wird teilweise mit dem Reflexionsfaktor rLL reflektiert und teilweise geht sie in eine T -Welle u agt. Das Schnellefeld ist also durch ¨ber, deren relative Amplitude rLT betr¨ ¨ (2.186) gegeben, wobei nach den Uberlegungen des letzten Abschnitts ˜x = kL sin ϑL ; kx = k˜x = k˜ kyL = k˜yL = kL cos ϑL ˜ k˜yT = kyT = kT cos ϑT ; sin ϑT = n sin ϑL .
(2.191)
gilt. Wegen n2 ≤ 0, 5 existiert stets ein reeller Wert von ϑT . Setzt man die so erhaltenen Ausdr¨ ucke in Gleichungen (2.187) f¨ ur die Spannungen ein, so erh¨ alt man f¨ ur die Ebene y = 0
2 2 kyL kyL ∂σy = 2jGv1L (1 + γ) − rLL + rLT kx + γ(−kx − rLL kx − rLT kx ) e−jkx x ∂t kx kx ∂τxy k2 = 2jGv1L −kyL + rLL kyL − rLT x − kyL + rLL kyL + rLT kyT e−jkx x ∂t kyT
mit γ = μ(1 − 2μ). Setzt man hier unter Benutzung von (2.190) 1−μ 1 μ = = 2 1+ 1 − 2μ 1 − 2μ 2n und macht von (2.188) und (2.191) Gebrauch, so ergibt sich, wenn die Spannungen an der freien Oberfl¨ ache zu Null gesetzt werden, rLL (kT2 − 2kx2 ) − 2rLT kx2 = −(kT2 − 2kx2 ) 2rLL kyL kyT + rLT (kT2 − 2kx2 ) = 2kyL kyT .
(2.192)
Durch Aufl¨osen dieser Gleichung erh¨ alt man rLL =
−(kT2 − 2kx2 )2 + 4kx2 kyT kyL n2 sin 2ϑL sin 2ϑT − cos2 2ϑT = Det(k) Det(ϑ)
(2.193)
4n cos ϑL cos ϑT cos 2ϑT 4kyT kyL (kT2 − 2kx2 ) = . Det(k) Det(ϑ)
(2.194)
und rLT = Dabei ist
Det(k) =4kx2 kyL kyT + (kT2 − 2kx2 )2 , Det(ϑ) =n2 sin 2ϑL sin 2ϑT + cos2 ϑT .
(2.195)
Die zweite Version der Gleichungen erh¨ alt man durch Einsetzen von (2.191) in (2.192).
2.6 Das Wellenfeld an einer freien Ober߬ ache
83
Die Reflexionsfaktoren rLL und rLT geben an, wie groß die Amplituden der reflektierten Wellen im Vergleich zur Amplitude der einfallenden Longitudinalwelle sind. F¨ ur die Praxis sehr wichtig sind aber auch die Reflexionsgrade ρT L und ρLL die angeben, welche Anteile der einfallenden Leistung mit und ohne Typumwandlung reflektiert werden. Dabei ist zu ber¨ ucksichtigen, dass die Intensit¨at nach (2.16) in Richtung der Wellenausbreitung durch 2 1 und JT = Eges cT = 1 ρcT vˆ2 ρcL vˆL T 2 2 2 2 gegeben ist. Dabei ist vˆL bzw. vˆT das Quadrat des Schnellebetrages (Spitzenwert). Der Faktor 1/2 ergibt sich aus der zeitlichen Mittelung. F¨ ur den Leistungstransport ist noch zu ber¨ ucksichtigen, dass die Strahlbreiten f¨ ur Lund T -Wellen verschieden sind, wie Bild 2.19 zeigt. Bezeichnet man die Leistung der einfallenden L-Welle mit PiL , die der reflektierten L-Welle mit PrL und die der von der Oberfl¨ ache ausgehenden T -Welle mit PrT , dann gilt f¨ ur die Reflexionsgrade JL = Eges cL =
ρLL =
2 PrL JrL cos ϑL = = rLL PiL JiL cos ϑL
ρLT =
2 ) cos ϑT ρcL |rLT | (1 + kx2 /kyT PrT JrL cos ϑT = = 2 2 PiL JiL cos ϑL ρcL (1 + kyL /kx ) cos ϑL
2
=
(2.196)
|rLT |2 kx2 cos ϑT sin2 ϑL 2 = |r | n . LT 2 n kyT cos ϑL cos ϑT cos ϑL
Man beachte, dass hier ρ ohne Index die Dichte und ρ mit Index den Reflexionsgrad bedeutet. Setzt man (2.193) und (2.194) in (2.196) ein, so folgt ρLL = ρLT =
(n2 sin 2ϑL sin 2ϑT − cos2 2ϑT )2 2
[Det(ϑ)] 2 4n sin 2ϑL sin 2ϑT cos2 2ϑT [Det(ϑ)]
2
(2.197) .
Man kann sich durch eine kleine Rechnung von ρLL + ρLT = 1 u ¨berzeugen, das Prinzip der Energieerhaltung bleibt also gewahrt. 2.6.1.3 Reflexion von T-Wellen Falls es sich bei der einfallenden Welle um eine T-Welle handelt, ist der zur (2.186) analoge Ansatz zu machen: v1 = vˆ1T e−jkyT y + rT T ejkyT y + rT L ejkyL y e−jkx x , kx kyL kx −jkyT y e + rT T ejkyT y − rT L ejkyL y e−jkx x , (2.198) v2 = vˆ1T − kyT kyT kx −jkyT y −jkx x jkyT y v3 = vˆ3T e + r3 e . e
84
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
Die ersten beiden Terme bedeuten die hinlaufende bzw. reflektierte T Welle; der dritte Term ist die an der Grenzfl¨ache neu entstehende L-Welle. Bei der Berechnung der y-Komponente v2 der Schnelle wurde wieder (2.180) benutzt. Die Amplitude v3T ist ebenso wie v1T durch die einfallende Welle vorgegeben. In v3 tritt keine L-Welle auf. Die Wellenzahlen und die dazugeh¨ origen Winkelbeziehungen ergeben sich ¨ahnlich wie in Abschnitt 2.6.1.1 aus der Gleichheit der Spurgeschwindigkeiten 2 − k 2 . (2.199) kx = kT sin ϑT ; kyT = kT2 − kx2 = kT cos ϑT ; kyL = kL x Hinsichtlich des Brechungsgesetzes sin ϑL =
1 kT sin ϑT = sin ϑT n kL
(2.200)
und der daraus folgenden Gleichung kyL = kL cos ϑL ist allerdings eine Einschr¨ ankung notwendig. Wegen n2 ≤ 0, 5 f¨ uhrt (2.200) nur im Bereich 0 < ϑT < arcsin n zu reellen Werten von ϑL . Beim Grenzwinkel ϑT g = arcsin n
(2.201)
ist ϑL = π/2; die sekund¨ are L-Welle l¨ auft also parallel zur Oberfl¨ache. Der Winkelbereich, in dem sekund¨ are L-Wellen erzeugt werden, ist nicht groß, denn f¨ ur den typischen Wert von μ = 0, 25 ist n = 0, 577 und der Grenzwinkel oßer ist, k¨onnen die Winkelbeziehunnur etwa 35◦ . Falls der Einfallswinkel gr¨ gen nicht mehr angewandt werden. Die Formeln mit den Wellenzahlen sind ur ϑT > ϑT g jedoch weiterhin g¨ ultig. Sie zeigen, dass die Wellenzahl kx f¨ gr¨ oßer als kL ist und kyL daher imagin¨ ar wird; das entspricht einem Nahfeld. Im n¨achsten Abschnitt wird dieser Frage noch etwas n¨aher nachgegangen. Setzt man (2.198) wieder in (2.187) ein, so erh¨alt man an der spannungsfreien Oberfl¨ache y = 0 nach ¨ ahnlichen Rechnungen wie bei der Herleitung von (2.192) 2rT T kx2 − rT L (kT2 − 2kx2 ) = −2kx2 rT T (kT2 − 2kx2 ) + 2rT L kyL kyT = (kT2 − 2kx2 ) r3 = 1.
(2.202)
Daraus folgt rT T =
−4kx2 kyL kyT + (kT2 − 2kx2 )2 = −rLL Det(k)
4n2 sin2 ϑL cos 2ϑT 4kx2 (kT2 − kx2 ) = Det(k) Det(ϑ) r3 = 1.
rT L =
(2.203)
2.6 Das Wellenfeld an einer freien Ober߬ ache
85
Da die z-Komponente der ankommenden T -Welle total reflektiert wird (r3 = ¨ 1), kann ihr Einfluss relativ leicht erfasst werden. Der Ubersichtlichkeit halber werden die Reflexionsgrade hier nur nur f¨ ur den Fall v3 = 0 bestimmt. Nach kleinen Zwischenrechungen erh¨ alt man PrT 2 = |rT T | = ρLL PiT PrL cL cos ϑL cos ϑT 2 = = |rLT | = ρLT . Pi cT sin2 ϑL
ρT T = ρT L
(2.204)
Offensichtlich gen¨ ugen auch hier wieder die Ergebnisse mit ρT T + ρT L = 1 dem Prinzip der Energieerhaltung. 2.6.1.4 Diskussion der Reflexionsfaktoren und Reflexionsgrade Bild 2.20 zeigt die berechneten Reflexionsgrade f¨ ur eine Querkontraktionszahl von μ = 0, 25. Dabei wird von der Energieerhaltung, von ρLL = ρT T und von ρLT = ρT L Gebrauch gemacht. Die letztgenannte Beziehung ist eine Folge des Reziprozit¨atsprinzips, oder anders ausgedr¨ uckt ein Resultat der Tatsache, dass die Energiebeziehungen bei Zeitumkehr (Film l¨auft r¨ uckw¨arts) unver¨andert bleiben.
Bild 2.20. Reflexionsgrade an freier Oberfl¨ ache in Abh¨ angigkeit vom Einfallswinkel, μ = 0, 25. Oben: einer longitudinalen Welle, unten: einer transversalen Welle
86
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
F¨ ur die praktische Rechnung vorteilhaft ist, dass die Formeln f¨ ur die Reflexionsfaktoren und Reflexionsgrade an der freien Oberfl¨ache frequenzunabh¨angig sind und also f¨ ur beliebige Signalformen gelten. F¨ ur eine eventuelle z-Komponente einer T -Welle erfolgt die Reflexion vollst¨andig mit dem Reflexionsfaktor r3 = 1. Dieser Anteil wurde daher in den Leistungsbetrachtungen und bei den Reflexionsgraden nicht ber¨ ucksichtigt. Es bleibt nun noch die Frage nach dem K¨orperschallfeld, wenn eine T Welle flacher als der Grenzwinkel (2.201) einf¨ allt. In diesem Fall ist 2 2 2 2 kyL = kL − kx = −j kx − kL = −jkT sin2 ϑT − n2 . (2.205) Der Wurzelausdruck ist im hier interessierenden Bereich ϑT > ϑT g rein reell. Sein Vorzeichen ergibt sich aus der Forderung, dass die Amplituden f¨ ur negative Werte von y nicht zunehmen d¨ urfen. Damit hat die y-Abh¨angigkeit der Longitudinalbewegung die Form √ 2 2 rT L ejkyT y = rT L e kx −kL y f¨ ur y < 0. (2.206) Dem entspricht ein exponentiell abnehmendes Nahfeld, das bei einer Entfer2 1/2 nung von y = −1/(kx2 − kL ) bereits auf den e-ten Teil abgenommen hat. Man bezeichnet derartige Wellen deshalb auch als Oberfl¨achenwellen“. Sie ” sind u ¨brigens den Schwerewellen auf einer Wasseroberfl¨ache in gewisser Hinsicht ¨ahnlich. Im Gegensatz zu den Oberfl¨ achenwellen nennt man die von der Oberfl¨ache schr¨ag in den Raum abwandernden Wellen Raumwellen“. ” 2 < kx2 ist idenDie Bedingung f¨ ur das Auftreten eines Nahfeldes, also kL tisch mit λL > λT / sin ϑT = λx . Die Tatsache, dass ein exponentiell abnehmendes Nahfeld auftritt, wenn die Spurwellenl¨ange der Anregung kleiner ist als die nat¨ urliche“ Wellenl¨ ange im Medium, kommt bei zahlreichen Luft- und ” K¨orperschallproblemen vor. ur Setzt man den imagin¨ aren Wert von kyL in (2.204) ein, so findet man f¨ rT T einen Ausdruck der Form |(jA + B)/(−jA + B)|2 , der, da A und B reell ur ϑT > ϑT g findet also Totalreflexion der einfallenden sind, rT T = 1 ergibt. F¨ T -Welle statt. Daneben existiert noch das exponentiell abklingende Nahfeld, das den Charakter einer Longitudinalbewegung hat. Die Oberfl¨achenwellen transportieren keine Energie in y-Richtung. Aber bei Wellenz¨ ugen endlicher Breite muss die Oberfl¨ achenwelle erst aufgebaut werden, dadurch kann die Reflexion am linken Rand zun¨ achst nicht vollst¨ andig sein, wie andererseits die reflektierte Welle auch nicht rechts pl¨ otzlich abbrechen kann, weil die Oberfl¨achenwelle erst durch Abstrahlung verzehrt werden muss. Diese Verh¨altnisse sind nicht nur qualitativ, sondern sogar quantitativ analog zu der Erregung eines Schwingers in seiner Resonanzfrequenz durch einen endlichen Tonimpuls. Er muss - dort zeitlich - sich erst auf die Resonanzamplitude aufschaukeln, schwingt daf¨ ur aber nach dem Ende der Erregung noch aus. Bei der Oberfl¨ achenwelle weisen die Komponenten der Schnelle in x- und y-Richtung eine Phasenverschiebung um π/2 auf; denn wegen (2.180) gilt
2.6 Das Wellenfeld an einer freien Ober߬ ache
ky vˆ2L = . vˆ1L kx
87
(2.207)
Dieser Ausdruck wird bei Oberfl¨ achenwellen rein imagin¨ar, weil ky imagin¨ar ist. Das bedeutet, dass v1 und v2 sich nicht zu einer resultierenden Schnelle mit eindeutiger Richtung vereinen, sondern dass die Teilchen elliptische Bahnen beschreiben. 2.6.2 Anregung des elastischen Halbraums Die in den letzten Abschnitten behandelte Reflexion von L- und T -Wellen ist von großer Bedeutung, aber mindestens ebenso wichtig ist die Frage, wie sich ein von außen angeregter, elastischer Halbraum verh¨alt. Es sei also ein isotropes, elastisches Kontinuum betrachtet, das den ganzen Halbraum y < 0 ausf¨ ullt und das von einer Verteilung ¨ außerer Kr¨afte angeregt wird (Bild 2.21).
py (x,z) ; px(x,z)
λx=2π /kx y=0
ρ, cL, cT
y x
Bild 2.21. Anregung eines elastischen Halbraumes durch eine ¨ außere Kraftverteilung in Form einer ebenen Welle
Der Einfachheit halber sei angenommen, dass die ¨außere Kraftverteilung die Form einer ebenen Welle mit der Kreisfrequenz ω, den Wellenzahlen kx , kz und den dazugeh¨ origen (Spur)-Wellenl¨ angen λx , λz hat. Es soll also f¨ ur y = 0 gelten: anregende Normalspannung (Druck) p(x, z) = pˆN e−jkx x e−jkz z anregende Schubspannung x-Richtung
px (x, z) = pˆT x e−jkx x e−jkz z
anregende Schubspannung z-Richtung
pz (x, z) = pˆT z e−jkx x e−jkz z .
Wegen der Gleichheit der Spurwellenl¨ angen und Spurgeschwindigkeiten muss die Schnelleverteilung nicht nur an der Oberfl¨ache des Halbraums, sondern auch f¨ ur jedes y dieselbe Abh¨ angigkeit von x und z haben wie die Anregung. Da sowohl L- als auch T -Wellen m¨ oglich sind wird f¨ ur die Schnelle
88
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
v1 (x, y, z) = vˆ1L ejkyL y + vˆ1T ejkyT y e−jkx x e−jkz z −kyL jkyL y kx kz v2 (x, y, z) = vˆ1L e + vˆ1T + vˆ3T ejkyT y e−jkx x e−jkz z kx kyT kyT kz jkyL y v3 (x, y, z) = vˆ1L e + vˆ3T ejkyT y e−jkx x e−jkz z kx (2.208) angesetzt. Die Beziehungen (2.179) und (2.180) sind hier unter Beachtung der Vorzeichen ausgenutzt. Die Wellenzahlen in y-Richtung sind 2 − k 2 − k2 ; 2 bzw. k = j kx2 + kz2 − kL kyL = kL yL x z (2.209) kyT = kT2 − kx2 − kz2 ; bzw. kyT = j kx2 + kz2 − kT2 . 2 bzw. kT2 ist, was Die zweite Version gilt f¨ ur den Fall, dass kx2 +kz2 gr¨oßer als kL ohne weiteres m¨oglich ist, da die Wellenzahlen kx und kz der Anregung keinen Einschr¨ankungen unterliegen. Es w¨ aren auch Wellen mit dem umgekehrten osungen der Wellengleichung (2.162), da sie Vorzeichen von kyL bzw. kyT L¨ aber zu Wellen geh¨ oren, die aus dem Unendlichen kommen, sind sie in der vorliegenden Rechnung auszuschließen. Die in (2.208) auftretenden drei Unbekannten ergeben sich aus der Bedingung, dass an der Oberfl¨ ache y = 0 die anregenden Normal- und Tangentialspannungen mit denen im elastischen Kontinuum u ussen, ¨bereinstimmen m¨ dass also
σy (x, 0, z) = p(x, z) τxy (x, 0, z) = px (x, z) τyz (x, 0, z) = pz (x, z) gilt. Es ist also notwendig, erst aus (2.187) σy , τxy und τyz zu errechnen. Nach einigen Zwischenrechnungen und unter Benutzung der Tatsache, dass in der Zeigerschreibweise eine Differentiation nach der Zeit einer Multiplikation mit jω entspricht, erh¨ alt man, wenn man den allen Ausdr¨ ucken gemeinsamen urzt: Faktor e−j(kx x+kz z) wegk¨ ωkx pˆN G ωkyT pˆT x vˆ1L 2kyL kyT − vˆ1T (−kT2 + 2kx2 + kz2 ) − vˆ3T kx kz = G kz ωkyT pˆT z . vˆ1L 2kyL kyT − vˆ1T kx kz − vˆ3T (−kT2 + kx2 + 2kz2 ) = kx G vˆ1L (−kt2 + 2kx2 + 2kz2 ) + vˆ1T 2kx2 + vˆ3T 2kx kz =
Die Determinante dieses linearen Gleichungssystems ist 2 2 Det = −2kyT (kT − 2kx2 − 2kz2 )2 + 4kyL kyT (kx2 + kz2 ) .
(2.210)
(2.211)
Aus (2.210) und (2.211) kann man die unbekannten Amplituden vˆ1L , vˆ1T und vˆ3T berechnen und damit nach (2.208) die Schnellen ermitteln. Als Beispiel
2.6 Das Wellenfeld an einer freien Ober߬ ache
89
sei die Normalkomponente der Schnelle f¨ ur den Fall verschwindender Tangentialanregung (also pT x = pT z = 0) angegeben: ω pˆN kyL kT2 (kT2 − 2kx2 − 2kz2 )ejkyL y GDet +2(kx2 + kz2 )ejkyT y e−jkx x e−jkz z .
v2 (x, y, z) = −
(2.212)
Daraus folgt f¨ ur das Verh¨ altnis von Normalspannung zu Normalkomponente der Schnelle, also f¨ ur die Impedanz bei der gew¨ahlten Art der Anregung Zτ =
G (kT2 − 2kx2 − 2kz2 )2 + 4kyL kyT (kx2 + kz2 ) p(x, z) = . v2 (x, 0, z) ω kyL kT2
(2.213)
Nach dem hier benutzten Verfahren l¨ asst sich das K¨orperschallfeld in dem durch ebene Wellen angeregten Halbraum f¨ ur beliebige Kombinationen von pN , pT x , pT z berechnen. Man kann auch andere Probleme behandeln, bei denen teils die Spannungen und teils die Schnellen bei y = 0 vorgegeben sind. W¨ urde beispielsweise verlangt, dass pN einen bestimmten Wert annehmen soll und gleichzeitig die Schubbewegungen bei y = 0 verschwinden sollen, dann best¨ unde das zu l¨ osende lineare Gleichungssystem aus der ersten Zeile von (2.210) und den Bedingungen v1 (x, 0, z) = (ˆ v1L + vˆ1T )e−jkx x e−jkz z = 0; d.h. vˆ1L + vˆ1T = 0; kz v3 (x, 0, z) = ( vˆ1L + vˆ3T )e−jkx x e−jkz z = 0; d.h. kz vˆ1L + kx vˆ3T = 0. kx Auch wenn die Randbedingungen in Form einer Impedanz gegeben ist, l¨asst sich wie eben besprochen vorgehen. Voraussetzung ist aber immer, dass es sich um ebene Wellen handelt, die durch den gleichen Exponentialausdruck f¨ ur x und z beschrieben werden. 2.6.3 Die freie Oberfl¨ achenwelle (Rayleighwelle) Einen Eindruck von den Amplituden, die bei der Anregung des Halbraums erzeugt werden, gewinnt man durch Diskussion der Gr¨oße Zτ , die eine Art Strahlungsimpedanz darstellt. Sie ist in Bild 2.22 f¨ ur den zweidimensionalen Fall dargestellt. Aus Bild 2.22 und den Gleichungen (2.212,2.213) l¨asst sich das Folgende entnehmen: 2 (λx λL ) werden L- und T -Wellen als Raumwellen erzeugt, F¨ ur kx2 kL deren Abstrahlwinkel cos ϑL = kyL /kL bzw. cos ϑT = kyT /kT sind. In grober N¨aherung ist Zτ ≈ ρcL . 2 • F¨ ur kx2 = kL (λx = λL ) ist (abgesehen von μ = 0) Zτ = ∞. F¨ ur diese Anregung erscheint die Oberfl¨ ache starr. 2 < kx2 < kT2 (λL > λx > λT ) gibt es eine T -Welle, die sich als • F¨ ur kL Raumwelle ausbreitet und eine L-Welle, die Nahfeldcharakter besitzt.
•
90
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
F¨ ur kx2 = kT2 (λx = λT ) wird eine T -Welle streifend (ϑT = 90◦ ) erzeugt. Die L-Welle bildet ein Nahfeld. • F¨ ur kT2 > kx2 (λx < λT ) gibt es nur ein Nahfeld, allerdings tritt noch eine Besonderheit auf, weil in der N¨ ahe von kx = kT die Impedanz Zτ durch Null geht. Dieser Fall wird nun noch gesondert diskutiert werden, weil er von großer praktischer Bedeutung f¨ ur Erdbebenwellen ebenso wie f¨ ur Ultraschall-Verz¨ ogerungs-Leitungen ist. •
Bild 2.22. Wellenimpedanzen des elastischen Halbraumes mit schubspannungsfreier Ober߬ ache
Wie bei jedem linearen Gleichungssystem, ist auch bei (2.210) zu u ¨berlegen, ob die Determinante f¨ ur reelle Werte von kx und kz zu Null werden kann.
2.6 Das Wellenfeld an einer freien Ober߬ ache
91
F¨ ur den Bereich der Raumwellenanregung - d.h. kyT oder kyL oder beide reell - ist die Determinante nach (2.211) stets von Null verschieden, denn entweder sind beide Ausdr¨ ucke in der eckigen Klammer positiv oder einer reell und der andere imagin¨ar. Anders ist es wenn kyT und kyL imagin¨ar sind. In diesem Fall ist die Nullstelle durch 2 2 2 2 − k2 2 − k2 ) = 4kR kR kR (kT2 − 2kR T L 2 gegeben, wobei kR = kx2 + kz2 gesetzt ist. Durch Quadrieren sieht man, dass die Bedingungsgleichung f¨ ur die Nullstelle der Determinante 6 2 4 2 2 2 6 16kR (kT2 − kL ) + 8kR (2kL kT − 3kT4 ) + 8kR kT − kT8 = 0
(2.214)
2 kR
hat eine reelle positive L¨osung, lautet. Diese Gleichung dritter Ordnung in die in der N¨ahe von kT liegt. Es gibt also tats¨ achlich eine im Prinzip realisier2 , die zu einem Verschwinden der Determinante bare Anregung mit kx2 +kz2 = kR und damit zu beliebig hohen Amplituden einer Oberfl¨achenwelle f¨ uhrt. Nach ihrem Entdecker werden diese Wellen Rayleigh-Wellen“ genannt. Ihre Wel” lenzahl bzw. Wellengeschwindigkeit cR erh¨ alt man durch L¨osung von (2.214). Man findet dabei: μ= 0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 cR /cT = 0,874 0,887 0,91 0,928 0,943 0,955
N¨aherungsweise gilt also cR ≈ cT
(0, 874 + 1, 12μ) . 1+μ
(2.215)
Die Wellengeschwindigkeit ist also frequenzunabh¨angig und nur wenig klei-
Bild 2.23. Deformationen der Rayleigh-Welle
ner als die Transversalwellengeschwindigkeit. Die Eindringtiefe“ dieser Ober” 2 fl¨achenwellen ergibt sich aus den Wellenzahlen in y-Richtung zu 2π/(kR − 2 1/2 2 2 1/2 bzw. 2π/(kR − kT ) . kL )
92
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
In Bild 2.23 ist gezeigt, wie sich das gestrichelt eingetragene quadratische Netz des ruhenden Mediums bei einer Rayleigh-Welle deformiert. Man sieht, wie in einiger Tiefe nur noch Schubdeformationen das Feldbild beherrschen, w¨ ahrend umgekehrt die Erhaltung der Rechtwinkligkeit an der Oberfl¨ache zeigt, dass dort die Schubspannung verschwindet.
2.7 Plattenwellen 2.7.1 Randbedingungen und L¨ osungsformen Unter einer Platte“ versteht man ein homogenes, isotropes, elastisches Kon” tinuum, das von zwei parallelen, ebenen Oberfl¨achen mit dem Abstand h begrenzt wird. Zur Vereinfachung wird der Koordinaten-Nullpunkt in die Mitte zwischen den beiden Plattenoberfl¨ achen gelegt. Die Plattenmitte besitzt die Koordinate y = 0 und die beiden Oberfl¨ achen y = ±h/2. Weiter sei angenommen, dass nur ebene Wellen mit der Kreisfrequenz ω auftreten und dass alle Vorg¨ange von der z-Richtung unabh¨ angig sind. F¨ ur die entsprechende Wellenzahl soll also kz = 0 gelten. Diese Bedingung bedeutet aber nicht, dass in z-Richtung keine Bewegung erfolgt; denn bei Schubwellen kann das durchaus der Fall sein. Sie besagt nur, dass sich alle Gr¨oßen u ¨ber z nicht ¨andern. Da die hier interessierenden Platten in x- und z-Richtung beliebig groß, aber in y-Richtung begrenzt sind, k¨ onnen Wellen (und Nahfelder) in positiver und negativer y-Richtung verlaufen, so dass der allgemeinste Ansatz f¨ ur die Schnellekomponenten (siehe auch (2.208)) v1 (x, y) = vˆL ejkyL y + vˆT ejkyT y + vˆL+ e−jkyL y + vˆT + e−jkyT y e−jkx x v2 (x, y) = kx kyL kx kyL vˆL ejkyL y + vˆT ejkyT y + vˆL+ e−jkyL y − vˆT + e−jkyT y e−jkx x − kx kyT kx kyT jkyT y v3 (x, y) = vˆ3 e + vˆ3 e−jkyT y e−jkx x (2.216) lautet. Die unbekannten sechs Amplituden vˆ ergeben sich aus den Randbedingungen an den Plattenoberfl¨ achen. Nimmt man an, die Spannungen an den Oberfl¨achen seien vorgegeben, dann gilt f¨ ur die Randbedingungen (siehe auch Bild 2.24) f¨ ur y = h/2 : σ(x, h/2, z) = pˆ+ e−jkx x ; τxy (x, h/2, z) = pˆxy+ e−jkx x ; τyz (x, h/2, z) = pˆyz+ e−jkx x ; f¨ ur y = −h/2 :
σ(x, −h/2, z) = pˆ− e−jkx x ; τxy (x, −h/2, z) = pˆxy− e−jkx x ; τyz (x, −h/2, z) = pˆyz− e−jkx x .
(2.217)
2.7 Plattenwellen
93
Falls andere Gr¨oßen vorgegeben sind, ist der Rechengang ¨ahnlich, er l¨auft immer auf die L¨osung von linearen Gleichungen hinaus, solange die x-Abh¨angigkeit die hier gew¨ ahlte einfache Form hat. y
z x
p+
pxy+
pyz+ y=h/ 2 y=0 y=-h/ 2
pxy-
p-
pyz-
Bild 2.24. Normal- und Tangentialspannungen an den Plattenober߬ achen
In (2.217) erscheint dieselbe x-Abh¨ angigkeit der Randbedingung, denn nur so ist der Ansatz (2.216) sinnvoll. Andere x-Abh¨angigkeiten m¨ ussten durch eine Fourier-Transformation erst auf die hier verwendete Form gebracht werden. Noch schwieriger w¨ are die Ber¨ ucksichtigung von seitlichen R¨andern, die hier wegen der Annahme einer unendlich großen Platte außer Acht gelassen werden kann. Setzt man (2.216) in die fundamentalen Spannungsbeziehungen (2.159, 2.160) ein und macht von den Randbedingungen (2.217) Gebrauch, so ergibt eine zu (2.210) analoge - nur etwas l¨ angere - Rechnung ω pˆ+ kx G ω pˆ− kx G ω pˆxy+ kyT G ω pˆxy− kyT G ω pˆyz+ G ω pˆyz− G
vL+ e−jL + 2kx2 vˆT e−jT = −Aˆ vL ejL + 2kx2 vˆT ejT − Aˆ = −Aˆ vL e−jL + 2kx2 vˆT e−jT − Aˆ vL+ ejL + 2kx2 vˆT ejT = 2kyL kyT vˆL ejL + Aˆ vT ejT − 2kyL kyT vˆL+ e−jL − Aˆ vT + e−jT = 2kyL kyT vˆL e−jL + Aˆ vT e−jT − 2kyL kyT vˆL+ ejL − Aˆ vT + ejT = −kx vˆ3 ejT + vˆ3+ e−jT = −kx vˆ3 e−jT + vˆ3+ ejT . (2.218)
Dabei wurden die Abk¨ urzungen kyL h/2 = L, benutzt.
kyT h/2 = T,
A = kT2 − 2kx2
94
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
2.7.2 Wellen, deren Verschiebungen nur parallel zur Oberfl¨ ache sind Ebenso wie in Abschnitt 2.6 werden die Verh¨altnisse besonders einfach, wenn die Verschiebungen parallel zur Oberfl¨ ache sind, wenn also nur die v3 Komponente vorhanden ist. Durch L¨ osen der beiden letzten Gleichungen in (2.218) und Einsetzen in die letzte Gleichung von (2.217) findet man −1 ω [ˆ pxz+ sin kyT (y + h/2) − pˆxz− sin kyT (y − h/2)] . sin kyT h Gkx (2.219) Sogenannte freie Plattenwellen liegen dann vor, wenn auch bei verschwindender Anregung (solange keine D¨ ampfung vorhanden ist) eine endliche Bewegung m¨oglich ist. Offensichtlich ist die Bedingung hierf¨ ur sin kyT h = 0, d.h. kyT = kT2 − kx2 h = kT h cos ϑT = mπ (2.220) v3 (x, y) =
mit m = 0,2,4... f¨ ur das symmetrische“ Schwingungsbild und m = 1,3,5... ” f¨ ur das antisymmetrische“ Schwingungsbild. ” Der Fall m = 0 bedeutet konstante Schnelle u ¨ber der ganzen Plattenh¨ohe und somit auch konstante Schubspannung, also einen Ausschnitt der H¨ohe h aus einer ebenen Transversalwelle. Ein solcher Ausschnitt ist mit den eingangs erw¨ahnten Randbedingungen vertr¨ aglich, da die hier auftretenden Schubspanachen x = const. und z = const., aber nicht nungen τxz und τzx nur an den Fl¨ an den Fl¨achen y = const. auftreten. Da sich die so geordneten Plattenwellenarten - vom Fall m = 0 abgesehen ¨ als Uberlagerung von zwei sich kreuzenden, die Oberfl¨ache unter ϑT treffenden Transversalwellen darstellen lassen, gilt f¨ ur die Spurgeschwindigkeit cx =
cT cT = . sin ϑT 1 − (mλT /2h)2
(2.221)
Der Grenzfall m = 0 wird dabei mit umfasst. Bild 2.24 zeigt das dazugeh¨ orige Dispersions-Diagramm. Dass die Phasenoßer als cT ist, steht nicht im Widerspruch geschwindigkeit in x-Richtung cx gr¨ zu der physikalischen Erwartung, dass die Energie einer auf reinen Schubdeformationen beruhenden Plattenwelle sich h¨ ochstens mit der Schubwellengeschwindigkeit cT ausbreiten kann, denn f¨ ur die Ausbreitung der Energie ist die Gruppengeschwindigkeit in x-Richtung maßgebend, wie am Ende von 2.3 dargelegt. Sie betr¨ agt −1 dkx dω = . (2.222) cgx = dkx dω Wegen (2.220) gilt kx = (kT2 −(mπ /h)2 )1/2 . Außerdem ist kT = ω/cT . Damit erh¨alt man die Gruppengeschwindigkeit cgx =
cT kx = cT 1 − (mλT /2h)2 = cT sin ϑT , kT
(2.223)
2.7 Plattenwellen
95
Bild 2.25. Dispersions-Diagramm freier Transversalwellen, deren Verschiebungen parallel zur Ober߬ ache sind
die stets kleiner als cT ist. Das erlaubt die von Schoch in [2.4] angegebene einfache geometrische Deutung der Gruppengeschwindigkeit in x-Richtung als der auf die Oberfl¨ ache projizierten Geschwindigkeit eines Energiepaketes, das unter dem Einfallswinkel ϑT im Zick-Zack zwischen den Oberfl¨achen hin- und her geworfen wird, wie eine schr¨ ag zur Bande angestoßene Billardkugel. Diese anschauliche Deutung darf jedoch nicht zu der Auffassung f¨ uhren, dass die strenge wellentheoretische Behandlung nur best¨atigen w¨ urde, was man auch bei einfacher geometrischer Strahlenkonstruktion erhalten h¨atte. Die Strahlenkonstruktion ist an keine bestimmten Winkel gebunden, w¨ahrend bei den Plattenwellen zu gegebener Frequenz immer nur diskrete Richtungen der sich kreuzenden Wellen auftreten. Vor allem aber bilden sie bei ihrem paarweisen Auftreten eine ganz bestimmte sinus- oder cosinusf¨ormige Querverteilung, die dann auch der Verteilung der anregenden Kr¨afte eigen sein m¨ usste, wenn eine bestimmte Plattenwelle allein angeregt werden soll, wor¨ uber die Strahlenbetrachtungen nichts aussagen. Vielmehr aber muss auch hier gelten, dass Strahlenbetrachtungen nur dann zur Beschreibung der Wellenausbreitung geeignet sind, wenn die Wellenl¨ange sehr klein zu allen sonst in Frage kommenden Abmessungen, hier also zur Strahlbreite und Plattenh¨ ohe h ist. 2.7.3 Wellen, deren Verschiebung auch senkrecht zur Oberfl¨ ache sind Es wird nun der Fall betrachtet, bei dem Verschiebungen in y-Richtung auftreten, also senkrecht zur Plattenoberfl¨ ache. Dieser Fall ist f¨ ur die praktische Anwendung viel wichtiger, weil dabei die Platte vom umgebenden Medium angeregt wird und eine Abstrahlung in es erfolgt.
96
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
Die allgemeine Behandlung aller Plattenwellen, die Verschiebungen in der xy-Ebene aufweisen, ist komplizierter, vor allem weil wegen der Erf¨ ullung von zwei Randbedingungen mit zwei Wellenarten, den wirbelfreien und den quellenfreien, gerechnet werden muss. Dar¨ uber hinaus muss auch noch ber¨ ucksichtigt werden, dass diese Wellenarten als Raumwellen oder als Oberfl¨achenwellen auftreten k¨onnen, wie vom letzten Abschnitt her bekannt ist. Im zu entwickelnden Dispersions-Diagramm m¨ ussen drei Gebiete unterschieden werden, die sich in folgendes Schema einteilen lassen: wirbelfreier Anteil L-Welle quellenfreier Anteil T -Welle cx > c L longitudinale Raumwellen 2 kx2 < kL cL > cx > cT Oberfl¨ achenwellen 2 kL < kx2 < kT2 cT > cx Oberfl¨ achenwellen kx2 > kT2
transversale Raumwellen transversale Raumwellen Ober߬ achenwellen
Das Dispersionsproblem ist gel¨ ost, wenn aus den ersten vier Gleichungen von (2.218) vL , vL+ , vT und vT + berechnet werden. Das geht am einfachsten, wenn man erst die Exponentialfunktionen durch trigonometrische Funktionen ersetzt, als n¨ achstes die erste von der zweiten Gleichung subtrahiert und addiert und schließlich die dritte Gleichung von der vierten subtrahiert und addiert. Auf diese Weise erh¨ alt man ωkx (ˆ p+ + pˆ− ) 2G ωkyT (ˆ pxy+ + pˆxy− ) 2kyT kyL (ˆ vL + vˆL+ ) sin L + A(ˆ vT + vˆT + ) sin T = 2jG ωkx (ˆ p+ − pˆ− ) vT − vˆT + ) sin T = −A(ˆ vL − vˆL+ ) sin L + 2kx2 (ˆ 2jG ωkyT vL − vˆL+ ) cos L + A(ˆ vT − vˆT + ) cos T = 2kyT kyL (ˆ (ˆ pxy+ − pˆxy− ) . 2G (2.224) Damit sind die Gleichungen in zwei unabh¨ angige Paare zerfallen, die sich leicht l¨osen lassen. Vor allem interessieren wieder die freien Plattenwellen. Sie sind bestimmt durch diejenigen Wellenzahlen, f¨ ur die (2.224) nichttriviale L¨osungen besitzt. Das ist nach den Regeln der linearen Algebra dann der Fall, wenn die Determinanten der beiden Gleichungspaare, die in (2.224) enthalten sind, verschwinden. Die beiden Determinanten lauten Det 1 = sin L sin T −(kT2 − 2kx2 )2 / tan L − 4kx2 kyL kyT / tan T (2.225a) Det 2 = cos L cos T −(kT2 − 2kx2 )2 tan L − 4kx2 kyL kyT tan T . (2.225b) −A(ˆ vL + vˆL+ ) cos L + 2kx2 (ˆ vT + vˆT + ) cos T =
2.7 Plattenwellen
97
Dabei wurde A = kT2 − 2kx2 eingesetzt, w¨ ahrend die Abk¨ urzungen L = kyL h/2 und T = kyT h/2 weiter verwendet werden. Durch Nullsetzen von Det 1 nach(2.225a) erh¨alt man die erste Bestimmungsgleichung f¨ ur die Wellenzahlen der freien Plattenwellen tan T 4k 2 kyL kyT = − 2x tan L (kT − 2kx2 )2
(2.226)
und durch Nullsetzen von Det 2 nach (2.225b) die zweite Bestimmungsgleichung tan L 4k 2 kyL kyT = − 2x . (2.227) tan T (kT − 2kx2 )2 Die Cosinus- bzw. Sinus-Vorfaktoren von (2.225) f¨ uhren bei ihrem Verschwinden zu keinen Nullstellen der Determinante, wovon man sich durch Ausmultiplizieren leicht u ¨berzeugen kann. Gl.(2.226) und (2.227) geben also die einzigen Nullstellen von Det 1 bzw. Det 2 an. F¨ ur das Auftreten von freien Plattenwellen gen¨ ugt es, wenn eine der beiden Determinanten verschwindet, wenn also entweder (2.226) oder (2.227) erf¨ ullt sind. F¨ ur die L¨osungen von (2.226) beispielsweise hat das erste Gleichungspaar von (2.224) bei verschwindender rechter Seite nicht-triviale L¨ osungen, gleichzeitig kann man f¨ ur das zweite Gleichungspaar die triviale L¨ osung w¨ ahlen. Man w¨ urde so vL = vL+ , vT = vT + erhalten. Bei den freien Plattenwellen, f¨ ur die (2.226) gilt, ist die Bewegung also von der Form vL cos kyL y + vˆT cos kyT y] e−jkx x v1 (x, y) = 2 [ˆ kyL kx v2 (x, y) = 2j vˆL sin kyL y − vˆT sin kyT y e−jkx x . kx kyT
(2.228)
Diese Wellentypen werden als symmetrische Moden bezeichnet. ur die L¨osungen von (2.227) kann man dieselbe Argumentation anwenden F¨ (es sind dann in (2.228) cos und sin vertauscht). In diesem Fall spricht man von antisymmetrischen Moden. Die Bestimmungsgleichungen f¨ ur die Wellenzahlen der freien Plattenwellen - die sogenannten Dispersionsgleichungen also - h¨atte man auch mit Hilfe des Prinzips vom geschlossenen Wellenzyklus erhalten k¨onnen. Man m¨ usste dazu hinlaufende und reflektierte Wellen wie in Abschnitt 2.6.1 ansetzen und nach den Wellenzahlen bzw. Winkeln suchen, f¨ ur die nach Reflexion am oberen und unteren Plattenrand unter Ber¨ ucksichtigung der Phasendrehung durch Reflexion und durch Laufzeiten eine gesamte Phasendrehung um 2νπ erfolgt (ν = 1, 2, 3 . . .). Dieser Weg wurde hier nicht beschritten, weil auch der erzwungenen Fall wenigstens bis zu (2.224) mit erfasst werden sollte. Zur weiteren Auswertung von (2.226 und 2.227) muss man im allgemeinen Fall numerische Verfahren verwenden (siehe Bild 2.25). Lediglich f¨ ur spezielle Werte von kx = ω/cx (cx = Spurwellengeschwindigkeit in x-Richtung) kann man die dazugeh¨ origen Werte von kT = ω/cT angeben. Beispielsweise wird
98
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
Bild 2.26. Dispersions-Diagramme freier Plattenwellen, deren Verschiebungen auch senkrecht zur Oberfl¨ ache sind f¨ ur μ = 0, 47, n = 0, 24, nach [2.7], ausgezogene Linien: symmetrische Moden, gestrichelte Linien: antisymmetrische Moden
f¨ ur kx = 0; d.h. kT y = kT , kLy = kL , die rechte Seite von (2.226,2.227) zu Null. Die Bestimmungsgleichungen f¨ ur die freien Wellen mit kx = 0, lauten also tan T = 0 bzw. tan L = ∞ f¨ ur die symmetrischen Moden und tan L = 0 bzw. tan T = ∞ f¨ ur die antisymmetrischen Moden. Die zu kx = 0 (also zur Spurwellengeschwindigkeit cx = ∞) geh¨ orenden Frequenzen betragen demnach 2πcT kT h = πν; d.h. ω = ν 2 h kL h π πcL = (2ν + 1); d.h. ω = (2ν + 1) 2 2 h (2.229) kL h 2πcL = πν; d.h. ω = ν 2 h kT h π πcT = (2ν + 1); d.h. ω = (2ν + 1) . 2 2 h Eine geschlossene N¨ aherungsl¨ osung ist auch f¨ ur tiefe Frequenzen und d¨ unne Platten m¨oglich. Wenn man die Tangensfunktionen in (2.226) bis zum ersten Glied entwickelt, dann erh¨ alt man 4k2 kyT kyL kyT h = − 2x kyL h (kT − 2kx2 )2 Daraus folgt
bzw.
2 (kT2 − 2kx2 )2 = −4kx2 (kL − kx2 ).
2.7 Plattenwellen
99
cx kT = = 2 1 − n2 = 2/(1 − μ) f¨ ur kT h 1. cT kx (2.230) Man kann sich leicht davon u ¨berzeugen, dass cL > cx > cT und dass cx = cLI gilt (siehe 2.40). Bei d¨ unnen Platten ist die symmetrische Mode also identisch mit der Dehnwelle. Sie besteht (wegen kx > kL bzw. cx < cL ) aus einem wirbelfreien Oberfl¨ achenwellenpaar und (wegen kx < kT bzw. cx > cT ) aus zwei sich kreuzenden Transversalwellen. Ber¨ ucksichtigt man in (2.226) bei der Reihenentwicklung der Tangensfunktionen auch noch die kubischen Terme, dann erh¨alt man 2 1 kT4 h 1 − 2n2 2 kx = bzw. 2 ) 1 + 3 kT 2 4(kT2 − kL 4(1 − n2 ) (2.231) 2 2 h 1 μ . cx = cLI 1 − kL 6 2 1−μ kx2 =
kT4 2) 4(kT2 − kL
bzw.
Mit dem mittleren Wert μ = 0, 3 bedeutet das, dass erst dann eine rund 3% u uber cLI auftritt, wenn λLI < 3h geworden ¨berschreitende Abweichung gegen¨ ist. Um die tieffrequente N¨ aherungsl¨ osung f¨ ur die antisymmetrischen Moden (2.225a) zu finden, muss man bereits f¨ ur die einfachste Approximation die Tangensfunktionen bis zu Gliedern dritter Ordnung n¨ahern, also
2 1 kyL h 1 + 3 2 4kx2 kyL kyT tan L kyL h/2 (2.232) ≈
2 = − 2 tan T kyT h/2 (kT − 2kx2 )2 k h 1 + 13 yT 2 setzen. Daraus folgt kT4 +
h2 2 4 2 2 2 kT ) + 4kx4 (kL − kT2 )] = 0. [k k + kx2 (3kT4 − 4kL 12 L T
Die hier interessierende N¨ aherung liegt im Bereich kx2 kT2 . Deshalb braucht man in der eckigen Klammer nur die h¨ ochste Potenz in kx zu ber¨ ucksichtigen. Damit ist 1 1 k4 kT4 = 3 . kx4 = 3 T2 2 2 2 2 h kT − kL kT h 1 − n2 F¨ ur die Wellengeschwindigkeit folgt daraus unter Ber¨ ucksichtigung von G = E/2(1 + μ) nach (2.55), B = Eh2 /12 und 1/(1 − n2 ) = 2(1 − μ) nach (2.190) c4x =
1 ω 2 h2 E B ω2 1 ω 2 h2 G = = 2 6 ρ(1 − μ) 12 ρ(1 − μ ) m
f¨ ur kT h 1.
(2.233)
Die tieffrequente N¨ aherung ergibt also gerade die Biegewellenausbreitung. Aus (2.232) bis (2.233) l¨ asst sich leicht ablesen, dass bei d¨ unnen Platten kx > kT > kL und damit auch cx < cT < cL gilt. Es k¨onnen demnach
100
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
nur Nahfelder von T - und L-Wellen auftreten, die sich so kombinieren, dass sie eine antisymmetrische Bewegung ergeben, die die Form und auch die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Biegewellen hat. Die N¨aherung gilt nur im durch kx2 > kT2 (also cx < cT ) gegebenen Frequenzbereich. Eine Fehlerabsch¨atzung wird in Abschnitt 2.8.2 vorgenommen. In Bild 2.26 kann man die Biegewellen - mit T0 gekennzeichnet - und die symmetrischen Longitudinalwellen (Dehnwellen) - mit L0 bezeichnet - gut erkennen. Nicht sehen kann man dagegen, dass der T0 -Ast nicht in die Schubwelle cT , sondern in die nur wenige Prozent darunter liegende Rayleighwelle einm¨ undet. Bei den hohen Frequenzen ¨ ahnelt das Dispersions-Diagramm mehr und mehr Bild 2.25. Man w¨ are fast geneigt anzunehmen, dass die T -Typen in unden, w¨ ahrend die L-Wellen in die Linie cx = cL eindie Linie cx = cT m¨ laufen. Das Letztere ist jedoch nicht der Fall. Stattdessen ergibt die numerische Berechnung, dass alle Kurven hoher Ordnungszahlen mit Ann¨aherung ahnlich verweilen, wobei eine Kurve die andean die (cx = cL )-Linie stufen¨ re abl¨ost. Diese Stufen n¨ ahern sich dabei nicht nur dem Grenzwert cx = cL f¨ ur kT h → ∞, sondern sie bilden schon vorher n¨aherungsweise die zu (2.221) analoge Gesetzm¨aßigkeit cL , (2.234) cx = sin ϑL die, wie dort gezeigt, f¨ ur die Bildung schr¨ ag verlaufender Strahlen ben¨otigt wird. Bei den zuerst von G¨ otz [2.8] durch Messung ( f¨ ur n = cT /cL = 0, 53) punktweise graphisch ermittelten Dispersionskurven dieser Art (d.h. T1 , L1 und T2 ) war diese Tendenz noch kaum erkennbar. Sie deutete sich aber schon bei den einige Jahre sp¨ ater von Firestone f¨ ur Eisen (n = 0, 49) mit Hilfe einer Rechenmaschine ermittelten Kurvenscharen (bis T7 und L3 ) an. Am besten aber kommt sie heraus bei den von Naake und Tamm [2.7] ermittelten und in Bild 2.26 wiedergegebenen Dispersionskurven, nicht nur weil sie bis T15 entwickelt sind, sondern weil sie von diesen Autoren f¨ ur den sehr kleinen Wert n = 0, 24; d.h. μ = 0, 47 errechnet wurden. Das gegen¨ uber Bild 2.25 unterschiedliche Verhalten der Dispersionskurven zeigt deutlich, dass das, was zur Abk¨ urzung als T -Typen und L-Typen bezeichnet wurde, eben im Allgemeinen nicht nur aus transversalen oder longitudinalen Wellenfeldern besteht, sondern aus beiden zusammengesetzt ist. Daran a¨ndert auch die Unterschreitung der (cx = cT )-Grenze bei den Biegewellen und Rayleighwellen nichts. Die wirbelfreien Anteile gehen lediglich von Raumwellen zu Oberfl¨ achenwellen u ¨ber. Tamm und Weiss [2.10] haben auch die zu den in Bild 2.26 enthaltenen Plattenwellen geh¨ orenden Gruppengeschwindigkeiten errechnet. Sie sind aus dem Dispersions-Diagramm gem¨ aß (2.222) ermittelbar. In Bild 2.27 sind die zu Bild 2.26 geh¨ orenden Werte eingetragen. Keine Gruppengeschwindigkeit u ¨berschreitet die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Longitudinalwellen cL . Diese tritt wieder nur als gemeinsame Asymptote von
2.7 Plattenwellen
101
stufenweise immer neuen Kurven¨ asten auf, die man hier als Kammlinie bezeichnen k¨onnte, und die etwa durch cx = cL sin ϑL
(2.235)
gegeben sind.
Bild 2.27. 58 Dispersions-Diagramme der zu Bild 2.26 geh¨ orenden Gruppengeschwindigkeiten, nach [2.10]
Dadurch sind bei sehr hohen Frequenzen schr¨ag verlaufende longitudinale Strahlen aus den Plattenwellen herstellbar. Analoges gilt f¨ ur die Ann¨aherung von unten an die als echte Asymptote enthaltene Transversalwellengeschwindigkeit cT , auch wenn die Kurven diese vor¨ ubergehend weit u ¨berschreiten. Dass die quasilongitudinale Welle und die Biegewelle bei der etwas tiefer liegenden Rayleigh-Welle enden, die auch keine Dispersion mehr aufweist, ist bei den sich dicht dr¨angenden Kurven¨ asten nicht mehr zu erkennen. Gl¨ ucklicherweise kann man sich in den meisten F¨allen mit den Grenzf¨allen f¨ ur kleine h/λT begn¨ ugen, also mit der quasilongitudinalen Welle und mit der reinen Biegewelle. 2.7.4 Ableitung von Bewegungsgleichungen f¨ ur d¨ unne Platten aus den allgemeinen Feldgleichungen 2.7.4.1 Dehnwellen und Schubwellen in ebenen isotropen Platten Dieser Abschnitt dient der Herleitung der Bewegungsgleichungen f¨ ur d¨ unne Platten, also f¨ ur Anordnungen, bei denen die Dicke“ als klein verglichen mit ” der Wellenl¨ange angenommen werden kann. Den Ausgangspunkt bilden dabei die Spannungs-Dehnungsbeziehungen (2.159) und (2.160) sowie die dynamischen Beziehungen f¨ ur das Kr¨ aftegleichgewicht (2.161). F¨ ur rein periodische Vorg¨ange mit der Kreisfrequenz ω bestehen die Ausgangsgleichungen also in
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
102
σx 2G σy 2G σz 2G τxy G
∂ξ ∂ζ + αη + α ∂x ∂z ∂ξ ∂ζ =α + (α + 1)η + α ∂x ∂z ∂ξ ∂ζ =α + αη + (α + 1) ∂x ∂z ∂η ∂η τyz =ξ + ; =ζ + ; ∂x G ∂z = (α + 1)
(2.236) τxz G
=
∂ξ ∂ζ + ∂z ∂x
und in
∂σx ∂τxz + τxy + ∂x ∂z ∂τ ∂τ xy yz −ω 2 ρη = + σy + ∂x ∂z ∂τxz ∂σz + −ω 2 ρζ = + τyz . ∂x ∂z Dabei wurde noch die Vereinfachung −ω 2 ρξ =
μ =α 1 − 2μ
(2.237)
(2.238)
eingef¨ uhrt und die Zeigerdarstellung verwendet, bei der eine Ableitung nach der Zeit durch eine Multiplikation mit jω ersetzt wird. Ferner wird die Differentiation nach y, die eine Sonderstellung in den folgenden Rechnungen einnimmt, durch das Hochkomma dargestellt. Die Spannungen an den Fl¨ achen y = ±h/2 der betrachteten Platte (siehe auch Bild 2.24) k¨ onnen durch Taylor-Reihen dargestellt werden: h h2 h3 σy (0) + σy (0) + σy (0) + . . . = p+ 2 8 48 h h2 h3 σy (−h/2) = σy (0) − σy (0) + σy (0) − σy (0) + . . . = p− . 2 8 48 σy (h/2) = σy (0) +
(2.239)
achen y = ±h/2 wirkenden ¨außeren NorDabei sind p+ und p− die an den Fl¨ malkr¨afte. Durch Addition und Subtraktion der beiden letzten Gleichungen gewinnt man σy (0) = −
h2 p+ + p− σ (0) + ; 8 y 2
σy (0) = −
h2 p+ − p− σ (0) + . 24 y h
(2.240)
In gleicher Weise kann man die in den Ebenen y = ±h/2 wirkenden Schubspannungen τyx und τyz darstellen und findet h2 pyx+ + pyx− τ (0) + ; 8 yx 2 2 h pyz+ + pyz− ; (0) + τyz (0) = − τyz 8 2
τyx (0) = −
h2 pyx+ − pyx− τ (0) + 24 yx h h2 pyz+ − pyz− . = − τyz (0) + 24 h (2.241)
τyx =− τyz
2.7 Plattenwellen
103
Benutzt man in (2.239) bis (2.241) die Abk¨ urzungen p+ − p− = pB ;
pyx+ + pyx− = p1
pyz+ + pyz− = p3 ;
pyz+ − pyz− = p4
p+ + p− = pD ; pyx+ − pyx− = p2 ;
(2.242)
(siehe auch Bild 2.24) und setzt die Gleichungen in (2.237) ein, so ergibt sich ∂τxz h2 p2 ∂σx + − τxy + ∂x ∂z 24 h 2 ∂τ 2 2 ∂τ h 1 ∂p1 pB 1 ∂p3 h h yx yz − σy − + + + −ω 2 ρη = − 8 ∂x 24 8 ∂z 2 ∂x h 2 ∂z ∂τxz ∂σz h2 p4 2 −ω ρζ = + − τyz + . ∂x ∂z 24 h −ω 2 ρξ =
(2.243)
Um aus (2.243) ein System von Bewegungsgleichungen zu erhalten ist es zweckm¨aßig, die Normal- und Schubspannungen so umformen, dass im Endergebnis alle Ableitungen nach y eliminiert sind; ferner d¨ urfen nur Bewegungsgr¨oßen und Spannungen (mitsamt ihren x− und z-Ableitungen) in der Ebene y = 0 vorkommen. Das Argument (0), das auf die Stelle y = 0 hinweist, wird im Folgenden weggelassen. Setzt man in die mittlere Gleichung von (2.237) die Beziehung (2.240) ein, so folgt ∂ξ ∂ζ h2 pD σ + =α + (α + 1)η + α − 16G y 4G ∂x ∂z und daraus f¨ ur h → 0 ∂ξ ∂ξ ∂ζ pD −μ ∂ζ 1 1 − 2μ −α η = + + = + + pD . α + 1 ∂x ∂z 4G(α + 1) 1 − μ ∂x ∂z 8G 1 + μ (2.244) Damit kann man η aus den restlichen Gleichungen von (2.236) eliminieren und findet nach einer kleinen Zwischenrechnung ∂ξ 2 ∂ζ μ pD σx = +μ + G 1 − μ ∂x ∂z 1 − μ 2G σz 2 ∂ξ ∂ζ μ pD (2.245) = μ + + G 1−μ ∂x ∂z 1 − μ 2G ∂ξ ∂ζ τxz = + . G ∂z ∂x Die einfachste Form der Bewegungsgleichung f¨ ur eine ebene Platte ergibt sich, indem man (2.245) und (2.243) kombiniert und alle Glieder mit h2 oder eventuell h¨oheren Potenzen von h vernachl¨ assigt. Das Ergebnis ist: ∂2ξ 1 + μ ∂2ζ 2 ∂ 2ξ μ 1 ∂pD p2 ω2 ρ + + ξ= + + 2 2 G 1 − μ ∂x ∂z 1 − μ ∂x∂z 1 − μ 2G ∂x Gh (2.246) ∂2ζ μ 1 ∂pD ω2 ρ 1 + μ ∂ 2ξ 2 ∂2ζ p4 + + − ζ= + + . G 1 − μ ∂x∂z 1 − μ ∂z 2 ∂x2 1 − μ 2G ∂z Gh −
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
104
Etwas umgeschrieben lauten diese Ausdr¨ ucke 2 ∂2 1 + μ ∂ 2ζ μ 1 ∂pD p2 ∂2 2 =− + + 2 + kT ξ + 1 − μ ∂x2 ∂z 1 − μ ∂x∂z G 2(1 − μ) ∂z h 2 2 2 1 2 ∂ μ 1+μ ∂ ξ ∂pD p4 ∂ 2 + + . + 2 + kT ζ = − 1 − μ ∂x∂z 1 − μ ∂z 2 ∂x G 2(1 − μ) ∂z h (2.247) Dabei ist kT die Schubwellenzahl (= Transversalwellenzahl, siehe auch Abschnitt 2.2.1). Dass es sich bei (2.247) um eine Kombination von Schubwellen und Dehnwellen handelt, erkennt man z.B. aus dem von z unabh¨angigen Fall ∂/∂z = 0. Daf¨ ur erh¨ alt man μ 2 ∂2 ∂pD p2 1 2 + + k ξ = − T 1 − μ ∂x2 G 2(1 − μ) ∂x h (2.248) 2 ∂ p4 2 . + k ζ = − T ∂z 2 Gh Die zweite Gleichung ist ganz offensichtlich die Schubwellengleichung mit der Anregung p4 /Gh. Die erste Gleichung geht wegen (siehe (2.55) und (2.40)) kT2
ω2 ρ 1−μ 1 − μ2 ω2 1−μ 2 = ω2 ρ = ω2 ρ = (1 − μ2 ) = 2 = kLI (2.249) 2 2G 2G(1 + μ) E cLI
u ¨ber in
μ(1 + μ) ∂pD ∂ 2ξ 1 − μ2 p2 2 + kLI ξ=− − , (2.250) 2 ∂x 2E ∂x E Gh ur Quasilongitudinalwellen (Dehnwellen) in wobei kLI die Dehnwellenzahl f¨ einer d¨ unnen Platte darstellt. Man erh¨ alt also die eindimensionale Dehnwellengleichung, wobei ein anregender Term von den Normalspannungen herr¨ uhrt und u ¨ber die Querkontraktion zum Tragen kommt, w¨ahrend der andere Term auf die parallel zur Plattenebene wirkenden Kr¨afte zur¨ uckzuf¨ uhren ist (siehe auch (2.45) und (2.46) sowie Bild 2.24). Dass es sich bei (2.246) und (2.247) auch im zweidimensionalen Fall um eine Kombination von Dehnwellen und Schubwellen handelt, erkennt man am einfachsten, indem man nach den L¨osungen sucht, die die Form von freien, ebenen Wellen haben. Man setzt also die Anregung auf der rechten Seite gleich Null und macht den Wellenansatz ξ = ξˆ0 e−jkx x e−jkz z ,
ζ = ζˆ0 e−jkx x e−jkz z .
Durch Einsetzen in (2.247) findet man 1+μ 2 kx2 + kz2 − kT2 ξˆ0 + kx kz ζˆ0 = 0 1−μ 1−μ 1+μ 2 kx kz ξˆ0 + kz2 + kx2 − kT2 ζˆ0 = 0. 1−μ 1−μ
(2.251)
(2.252)
2.7 Plattenwellen
105
Diese beiden Gleichungen sind nur l¨ osbar, wenn die Determinate verschwindet. Die Bestimmungsgleichung f¨ ur kx und kz lautet also 2 1+μ 2 1+μ = 0, kz − kx kz 1−μ 1−μ (2.253) wobei noch die Umformung 2/(1 − μ) = 1 + (1 + μ)/(1 − μ) benutzt worden ist. Dieser Ausdruck ist von der Form (a + b)(a + c) − bc = a(a + b + c) = 0. Gleichung (2.252) ist also nur l¨ osbar, wenn gilt
kx2 + kz2 − kT2 +
a = 0; a + b + c = 0;
1+μ 2 k 1−μ x
kx2 + kz2 − kT2 +
d.h. kx2 + kz2 = kT2 Schubwellen (2.254a) 1+μ 2 2 2 2 2 2 2 2 d.h. kx + kz + 1−μ (kx + kz ) = kT oder 1−μ (kx + kz ) = kT2 d.h. kx2 + kz2 =
1−μ 2 kT 2
Dehnwellen .
(2.254b)
Als Ergebnis der bisherigen Rechnung kann also festgehalten werden, dass die Bewegungen einer d¨ unnen Platte in der Plattenmitte durch (2.247) beschrieben werden und dass zwischen den Kr¨ aften Fx = −σx h in x-Richtung (siehe (2.41)) bzw. Fz = −σz h die Beziehung (2.245) gilt, die erwartungsgem¨aß in (2.44) u ¨bergeht. Diese sogenannten in-plane Wellen“ bestehen aus Schub” und Dehnwellen, deren freie Wellenzahlen und damit auch deren Ausbreitungsgeschwindigkeiten durch (2.254a und 2.254b) gegeben sind. Will man außerdem noch die von der Querkontraktion verursachte Bewegung der Plattenoberfl¨achen y = ±h/2 bestimmen, so findet man aus (2.244) ∂ξ ∂ζ h 1 − 2μ ±μh + + pD . η(±h/2) = − (2.255) 2(1 − μ) ∂x ∂z 8G 1 + μ 2.7.4.2 Biegewellen in ebenen isotropen Platten Zur Berechnung der Biegebewegung einer Platte ist es notwendig, die Auslenkung h der Plattenmitte in y-Richtung zu berechnen. Wie die mittlere Gleichung von (2.243) zeigt ist es dazu notwendig, in den Ausdruck 1 ∂τyz pB h2 ∂τxy 2 + σy + + (2.256) − ω ρh = − 8 ∂x 3 ∂z h die Normal- und Tangentialspannungsableitungen τyx etc. einzusetzen (der Einfachheit halber wurde angenommen, dass an der Plattenoberfl¨ache dem Betrage nach gleiche Normalkr¨ afte p+ = −p− wirken und dass die Schubkr¨afte mit p1 = p2 = p3 = p4 = 0 verschwinden). Gl¨ ucklicherweise bereitet die Bestimmung von τyx etc. keine allzu großen Schwierigkeiten, denn da diese Gr¨ oßen in (2.256) mit dem Faktor h2 versehen sind, gen¨ ugt es, τyx etc. bis auf Gr¨ oßen der Ordnung h0 zu berechnen. F¨ ur die gew¨ unschte Genauigkeit gen¨ ugt es also, bei den folgenden Rechnungen etc. u ¨berall h = 0 zu setzen, d.h. (2.244) bis (2.247) zur Bestimmung von τxy
106
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
zu benutzen. Prinzipiell ließen sich dann die so gewonnenen Ergebnisse wieder dazu verwenden, um N¨ aherungen bis zur Ordnung h4 usw. zu gewinnen, die Formeln werden dann allerdings sehr lang und unhandlich. Die ersten Ableitungen der gesuchten Spannungen in y-Richtung findet man unmittelbar aus (2.238) ∂τxz ∂σx − − ω 2 ρξ ∂x ∂z ∂τyz ∂τxy − − ω 2 ρη σy = − ∂x ∂z ∂τxz ∂σz =− − − ω 2 ρζ . τyz ∂x ∂z
=− τxy
(2.257)
Um die n¨achste Differentiation vornehmen zu k¨onnen, muss man erst ξ , η , ζ, ... bestimmen. Das ist nicht weiter schwierig, denn da in der erforderlichen τxz N¨aherung τyx = τyz = 0 ist, folgt aus den letzten Gleichungen von (2.236) ξ = −
∂η , ∂x
ζ = −
∂η . ∂z
alt man nach (2.244) f¨ ur η F¨ ur p+ = −p− , also pD = 0, erh¨ ∂ξ ∂ζ −μ + . η = 1 − μ ∂x ∂z Ferner folgt aus (2.245) mit pD = 0 unter Benutzung von (2.255) 2 σx ∂ η −2 ∂2η ; = + μ G 1 − μ ∂x2 ∂z 2 2 σz −2 ∂ η ∂2η = μ 2+ 2 ; G 1−μ ∂x ∂z 2 τxy ∂ η = −2 . G ∂x∂z
(2.258)
(2.259)
(2.260)
Eingesetzt in (2.257) ergibt sich zusammen mit (2.258) und (2.259) 2G ∂Δη ∂η + ω 2 ρh 1 − μ ∂x ∂x 2G ∂Δη ∂η = + ω 2 ρh . 1 − μ ∂z ∂z
= τxy τzy
Dabei ist
(2.261)
∂2 ∂2 + ∂x2 ∂z 2 der zweidimensionale Laplace-Operator. Setzt man nun (2.261) in die mittlere Gleichung von (2.257) ein und ber¨ ucksichtigt, dass aus (2.258) und (2.259) der Ausdruck Δ=
η =
−μ 1−μ
2.7 Plattenwellen
∂ξ ∂ζ + ∂x ∂z
=
μ Δη 1−μ
107
(2.262)
folgt, so erh¨alt man σy =
μ −2G ΔΔη − ω 2 ρΔη. 1−μ 1−μ
(2.263)
Die Gleichung f¨ ur die Biegebewegung einer Platte gewinnt man durch Einsetzen von (2.263) und (2.261) in (2.256):
oder
h3 3 − 4μ 2 pB h h3 2G 2 ΔΔη + ω ρΔη − ω 2 ρ η = , 16 1 − μ 3 48 1 − μ 2 2
(2.264)
E h3 h3 3 − 4μ 2 ΔΔη + ω ρΔη − ω 2 ρhη = pB . 1 − μ2 12 24 1 − μ
(2.265)
Dabei ist B = Eh3 /(12(1 − μ2 )) die Biegesteife, m = ρh die Masse pro Fl¨acheneinheit und pB = p+ − p− die auf die Platte wirkende ¨außere Kraft, so dass sich (2.265) auch in der Form p+ − p − pB B ΔΔη − ω 2 η = − Korr. ≈ m m m
(2.266)
schreiben l¨asst. Wie man durch Vergleich mit (2.89) sieht, entsprechen die ersten beiden Terme in (2.266) der u ¨blichen Biegewellengleichung. Die Kor” rektur“ auf der rechten Seite stellt einen Teil des Schubspannungseinflusses dar (siehe auch Abschnitt 2.8.2). Sie spielt dann eine Rolle, wenn die Biegewellenl¨ange kleiner ist als die sechsfache Plattendicke. Im u ¨brigen sieht man durch Vergleich mit (2.89), dass (2.266) die zweidimensionale Version der Biegewellengleichung ist. Sie beschreibt also die Biegebewegung einer d¨ unnen, isotropen Platte. Damit (2.264) auch f¨ ur die L¨ osung von Randwertaufgaben, bei denen auch Kr¨afte und Momente vorgegeben sein k¨onnen, angewandt werden kann, ist es noch notwendig, auch diese Gr¨ oßen durch h auszudr¨ ucken. Wie aus Bild 2.28 hervorgeht, ist der Biegewinkel bei den hier interessierenden kleinen Amplituden (siehe auch 2.76) durch die Ableitungen gegeben. Also gilt ∂η ∂η − βx = ξ = − ; −βz = ζ = − . (2.267) ∂x ∂z Die Momente ergeben sich analog zu (2.82) aus dem Produkt von lokaler Spannung mit dem Abstand y von der neutralen Faser (siehe auch Bild 2.28)
108
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
Mxz =
h/2
σx ydy =
−h/2
−2G 1−μ
∂2η ∂2η +μ 2 2 ∂x ∂z
y 2 dy = −B
−h/2
∂2η ∂2η +μ 2 2 ∂x ∂z
2 h/2 −2G ∂ η ∂2η ∂ η ∂ η 2 σz ydy = y dy = −B μ 2 + 2 Mzx = μ 2+ 2 1−μ ∂x ∂z ∂x ∂z −h/2 −h/2 h/2 h/2 ∂2η ∂2η . τxz ydy = 2G y 2 dy = B (1 − μ) Mxx = −Mzz = ∂x∂z −h/2 ∂x∂z −h/2 (2.268) Dabei wurde σx , σz , τxz aus (2.260) eingesetzt und ber¨ ucksichtigt, dass in y gilt. der hier benutzten N¨ aherung etwa σx = σx y, σz = σz y und τxz = τxz Außerdem wurde die Platten-Biegesteife
h/2
y
y
M'xx
M'zz
v
wx
Qz
z dz
∂ M 'z x M 'z x + dz ∂z M ' xx +
2
Qx
v
wz
Qx +
∂ Qx dx ∂x
h
∂Q Q z + z dz ∂z
2
h/2
M'zx
z M'xz
M 'zz +
∂ M ' xx dx ∂x
dx
M ' xz +
∂ M ' xz dx ∂x
∂ M 'zz dz ∂z
Bild 2.28. Bewegungsgr¨ oßen, Momente und Kr¨ afte bei der Verbiegung von Platten
B =
2G h3 E h3 = 2 1 − μ 12 1 − μ 12
(2.269)
benutzt. Aus den Momenten ergeben sich die Querkr¨afte zu (siehe Bild 2.28) ∂Mxx ∂Mzx ∂Δη − = B . ∂z ∂x ∂z (2.270) Zusammenfassend kann man festhalten, dass die Bewegung einer d¨ unnen, isotropen Platte durch (2.247) und (2.266)-(2.270) gut beschrieben wird, wobei (2.247) die Bewegungen in der Plattenebene und (2.266) die Bewegungen senkrecht zur Plattenebene wiedergibt. Die Gleichungen sind f¨ ur die meisten Anwendungszwecke gen¨ ugend genau, vorausgesetzt, dass die Plattendicke kleiner als ein Viertel der jeweiligen Wellenl¨ ange in Ausbreitungsrichtung ist. Qx = −
∂Mzz ∂Mxz ∂Δη − = B ; ∂x ∂z ∂x
Qz = −
2.7 Plattenwellen
109
2.7.4.3 Biegewellen in d¨ unnen, orthotropen Platten Bei orthotropen Platten h¨ angt die Biegesteife von der Richtung ab. Typische Beispiele daf¨ ur sind Platten aus einem anisotropen Material (z.B. Holz), Platten mit L¨angsrippen oder Wellplatten. Bei gewellten und gerippten Platten gelten die Ausf¨ uhrungen dieses Abschnitts allerdings nur, wenn die Biegewellenl¨ange wesentlich gr¨ oßer ist als der Rippenabstand bzw. die L¨ange der Wellung. Ist diese Voraussetzung nicht erf¨ ullt, wird zumindest f¨ ur Rippenplatten auf Abschnitt 5.5 (periodische Strukturen) verwiesen. Die Bewegungsgleichung f¨ ur Platten aus einem orthotropen Material kann genauso abgeleitet werden wie die f¨ ur eine isotrope Platte, man muss lediglich die SpannungsDehnungsrelationen (2.260) etwas modifizieren Ex ∂ 2 η ∂2η − E σx = σx y = − y μ 1 − μ2 ∂x2 ∂z 2 Ez ∂ 2 η ∂2η (2.271) y σz = σz y = −Eμ 2 − ∂x 1 − μ2 ∂z 2 ∂ 2η y = −2Gy τxz = τxz . ∂x∂z ur die x- bzw. z-Richtung. Sie k¨onnen Dabei sind Ex und Ez die E-Moduln f¨ nach den u ¨blichen Verfahren an Probestreifen, die in verschiedenen Richtungen aus der Platte ausgeschnitten sind, gemessen werden. Der Modul der Querkontraktion Eμ und der Schubmodul G sind schwerer zu ermitteln. Normalerweise wird man sie ann¨ ahern oder aus Eigenschwingungen einer orthotropen Platte bestimmen (d.h. aus Eigenfunktionen von (2.272)). Setzt man (2.271) in die auch bei orthotropen, d¨ unnen Platten g¨ ultigen Beziehungen (2.256, 2.257, 2.261) ein - allerdings ohne die ω 2 ρ Terme - so erh¨alt man die Biegewellengleichung einer orthotropen Platte Bx
∂4η ∂4η ∂4η + 2(Bμ + 2BG ) 2 2 + Bz 4 − ω 2 m η = p(x, z, t). 4 ∂x ∂x ∂z ∂z
(2.272)
Dabei ist Bx die Biegesteife in einer Richtung, Bz die Biegesteife in der dazu senkrechten Richtung, Bμ beinhaltet die Glieder, die von Eμ herr¨ uhren und kommt durch die Ber¨ ucksichtigung der Schubsteife zustande. Im Falle BG einer Platte der Dicke h aus einem anisotropen Material mit den E-Moduln Ex , Ez , Eμ und dem Schubmodul G folgt aus (2.271) Bx =
h3 Ex h3 Ez h3 h3 ; B ; B ; B . = = E = G μ z μ G 1 − μ2 12 1 − μ2 12 12 12
(2.273)
Als Beispiel sei erw¨ ahnt, dass bei dreilagigem hartem Ahornsperrholz etwa mit folgenden Werten gerechnet werden kann Ex = 13 · 1010 ; Ez ≈ 1, 1 · 1010 ; Eμ ≈ 0, 3 · 1010 ; G ≈ 0, 75 · 1010 N/m2 .
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
110
F¨ ur gewellte oder gerippte Platten aus einem homogenen Material mit dem E-Modul E und der Querkontraktionszahl μ findet man in der Literatur die im Folgenden angegebenen Biegesteifen. Gewellte Platten Bx = EI Bz =
l Eh3 1 s 12 1 − μ2 Bμ = 0
2G =
s Eh3 1 l 12 1 + μ
mit s ≈ l[ und I=
π hw 2 ] 2 l
hh2w 0, 81 [1 + ] 2 1 + 2, 5(hw /2l)2
(Bezeichnungen siehe Bild 2.29). h hw
l
Bild 2.29. Gewellte Platte (l soll wesentlich kleiner als die Biegewellenl¨ ange sein)
Gerippte Platten Bx = EI Bz =
Eh3 aa 12 aa − aR (1 − h3 /h3w ) Bμ = 0
G= mit
E (h3 + h3w aR /aa ) 6(1 + μ)
aa 2 aR 2 (s1 − s22 ) + (s + s23 ) 3 3 2 1 aa h2w + (aa − aR )h2 s1 = 2 aa hw + (aa − aR )h
I=
s2 = s1 − h
2.7 Plattenwellen
111
h
hw
aa aR
Bild 2.30. Gerippte Platte (aa muss wesentlich kleiner als die Biegewellenl¨ ange sein)
s3 = h w − s 1 (Bezeichnungen siehe Bild 2.30). Die Terme mit ω 2 ρ in (2.257, 2.261, 2.263) wurden mit Ausnahme von 2 ω ρη in der Rechnung weggelassen, weil die darin zum Ausdruck kommende Schubspannungskorrektur bei Wellplatten und gerippten Platten doch nicht genau w¨are. 2.7.4.4 D¨ unne Platten mit Vorspannung und Bettung Wenn eine d¨ unne Platte mit der Biegesteife B mit einer (positiven) Zugspannung pro L¨angeneinheit T vorgespannt oder mit einer (negativen) Druckspannung T zusammengedr¨ uckt wird, und wenn diese Platte vielleicht auch noch auf einer weichen Schicht (Bettung) mit der Federsteife pro Fl¨acheneinheit s liegt, dann lassen sich nach den in den letzten Abschnitten benutzten Methoden (oder einfacher mit dem im n¨ achsten Abschnitt verwendeten Hamiltonschen Prinzip [2.16]) ebenfalls Bewegungsgleichungen ableiten. Das hier ohne Beweis angegebene Resultat f¨ ur die Bewegung senkrecht zur Plattenebene lautet B ΔΔη − T Δη + s η + m
∂2η = p(x, z, t). ∂t2
(2.274)
Die Einheiten der hier verwendeten Gr¨ oßen bestehen in: B [Nm]; T [N/m]; s [N/m3 ]; m [kg/m2 ]; p [N/m2 ]. Unter p(x, z, t) ist der von außen anregende Druck zu verstehen. Offensichtlich handelt es sich bei (2.274) um die Kombination der Plattengleichung (2.266) mit einer Membrangleichung, bei der s η noch eine zus¨atzliche r¨ uckwirkende Kraft (pro Fl¨ ache) darstellt. Durch Einsetzen des u blichen Wellenansatzes in die homogene Form mit ¨ p(x, z, t) = 0 findet man die Dispersionsgleichung f¨ ur die Wellenzahlen der freien Wellen: B (kx2 + kz2 ) + T (kx2 + kz2 ) − (ω 2 m − s ) = 0. Bei n¨aherer Betrachtung stellt man folgende Eigenschaften fest:
(2.275)
112
•
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
Ausbreitungsf¨ ahige Wellen sind nur f¨ ur ω2 >
•
•
• •
s − T 2 /4B , m
ur also h¨oher m¨oglich. Ohne Vorspannung T =0 muss die Kreisfrequenz daf¨ s /m des aus Platte und elastischer sein als die Resonanzfrequenz Schicht gebildeten Schwingers. Bei tiefen Frequenzen gibt es nur exponentiell abklingende Nahfelder. Eine Konsequenz der eben beschriebenen unteren Grenzfrequenz ist, dass - im Gegensatz zur nicht gebetteten Platte - die Wellengeschwindigkeit auch bei sehr tiefen Frequenzen eine gewisse untere Grenze nicht unterschreitet. Bei Platten ohne Vorspannung (T = 0) liegt sie bei cB min = 2 = 2s /m erreicht. Bei Eisenbahnschie(2s B /m )1/4 und wird bei ωmin nen betr¨agt fmin ≈ 50 bis 100 Hz und cB min liegt bei einigen 100 m/s. Wenn die Platte gespannt wird (T > 0), erscheint sie etwas steifer. Es handelt sich dabei um einen auf tiefe Frequenzen konzentrierten Effekt, weil T > ω(B m )1/2 gelten muss, um einen deutlichen Einfluss der Vorspannung zu bewirken. Wenn die Platte gedr¨ uckt wird (T < 0), erscheint sie etwas weicher. Theoretisch ist auch eine verschwindende Wellenzahl m¨oglich. Allerdings ist dieser Fall unrealistisch, weil die Platte vorher ausknickt. Durch Kombination einer Membrangleichung mit den Spannungen Tx und Tz und der Bewegungsgleichung f¨ ur orthotrope Platten (2.272) ließe sich (2.274) noch verallgemeinern.
2.8 Ableitung von Bewegungsgleichungen mit Hilfe des Hamilton’schen Prinzips 2.8.1 Grundlagen Das Hamilton’schen Prinzip stellt eine der wichtigsten Beziehungen der gesamten Physik dar. Es ist daher auch zu erwarten, dass es bei K¨orperschallfragen angewandt werden kann. Soweit es sich dabei um Fragen handelt, bei denen eine Diskretisierung einer Struktur (Zerlegung in viele kleine Elemente) angebracht ist, hat die Anwendung des Hamilton’schen Prinzips in den letzten Jahren einen sehr großen Aufschwung erfahren, denn die Verwendung der Finite Elemente Methode (FEM) bei Schwingungsfragen kann auch als Anwendung des Hamilton’schen Prinzips verstanden werden. FEM soll jedoch nicht das Thema dieses Buches sein, weil es dar¨ uber bereits sehr viele Ver¨offentlichungen gibt. Stattdessen werden hier Wellengleichungen aus dem Hamilton’schen Prinzip abgeleitet, wobei die schubsteife Platte und die Schale als Beispiel zu sehen sind (siehe auch Abschnitt 3.6.3). Selbstverst¨andlich h¨atte man auch schon die in fr¨ uheren Abschnitten behandelten Wellengleichungen aus dem Hamilton’schen Prinzip herleiten k¨onnen, aber im Rahmen
2.8 Bewegungsgleichungen als Folge des Hamilton’schen Prinzips 113
dieses Buches sollen neben verschiedenen Ergebnissen auch mehrere Methoden vorgestellt werden. Das Hamilton’sche Prinzip in der Mechanik lautet (siehe auch Abschnitt 1.3.2) t2 t2 δ (Ekin − Epot )dt + δW dt = 0. (2.276) t1
t1
Dabei sind Ekin und Epot die gesamte kinetische und potentielle Energie eines Systems und W bezeichnet die von außen zugef¨ uhrte Energie. Der Buchstabe δ bedeutet, dass die Variation zu nehmen ist. (2.276) besagt also, dass sich ein mechanisches System stets so einstellt, dass die Variation von Ekin −Epot bzw. W verschwindet. Wenn insbesondere von außen keine Energie zugef¨ uhrt wird (W = 0), dann besitzt die Differenz Ekin − Epot ein Minimum. Die Aufgabe besteht nun darin, Ekin , Epot und W durch die Feldgr¨oßen (z.B. ξ, η, ζ) auszudr¨ ucken und die Variationsoperation (die eine Art von Differentiation beinhaltet) vorzunehmen. 2.8.2 Ebene Platten mit Schubsteife (korrigierte Biegewelle) Im Zusammenhang mit der Biegewellengleichung (Abschnitt 2.3) wurde bereits erw¨ahnt, dass die einfache Biegetheorie bei hohen Frequenzen ihre G¨ ultigkeit allm¨ahlich verliert, weil die errechnete Wellengeschwindigkeit nach (2.93) u urde. Dieses Problem kann zum Teil behoben ¨ber alle Grenzen ansteigen w¨ werden, indem man das Plattenmaterial in y-Richtung nicht mehr als beliebig schubstarr ansetzt und indem die Rotationstr¨ agheit ber¨ ucksichtigt wird. Das den folgenden Betrachtungen zugrunde liegende Koordinatensystem zeigt Bild 2.31. Es wird jetzt vorausgesetzt, dass die Bewegung η u ¨ber der ganzen Plattendicke konstant ist und dass die Verschiebungen in der Plattenebene aus einer Verschiebung der Mittelebene und einer Drehbewegung um die Winkel ϕx und ϕz besteht. Es gilt also f¨ ur die Verschiebung ξ, η, ζ eines Volumenelements mit den Koordinaten x, y, z ξ = ξM + yϕx ;
η = η;
ζ = ζM + yϕz .
Damit erh¨alt man f¨ ur die kinetische Energie ρ (vx2 + vy2 + vz2 )dxdydz EKin = 2 ρ ˙ = (ξM + y ϕ˙ x )2 + η˙ 2 + (ζ˙M + y ϕ˙ z )2 dxdydz 2 h2 ρh 2 2 + η˙ 2 + ζ˙M + (ϕ˙ 2x + ϕ˙ 2z ) dxdz, ξ˙M = 2 12
(2.277)
(2.278)
wobei zur Vereinfachung die Zeitableitung durch einen Punkt dargestellt worden ist. In der letzten Version von (2.278) wurde die Integration u ¨ber y von −h/2 bis h/2 bereits durchgef¨ uhrt.
114
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten ϕx y=h/2 y . ϕx y=0
y=-h/2
η
ζ ξ
z x
ξM
Bild 2.31. Koordinatensystem f¨ ur die Ableitung der Bewegungsgleichung der kor” rigierten Biegewelle“
F¨ ur die potentielle Energie eines Volumenelements sind die verschiedenen Spannungen σ und τ mit den dazugeh¨ origen Dehnungen und γ zu multiplizieren und zu addieren. Allgemein gilt also 1 Epot = [σx x + σy y +σz z +τxy γxy +τyz γyz +τxz γxz ]dxdydz. (2.279) 2 F¨ ur d¨ unne Platten, deren Oberfl¨ achen spannungsfrei sind, kann man f¨ ur den gesamten Querschnitt σy = 0 setzen. Dann folgt aus (2.161) direkt die Gleichung (2.257). Eingesetzt in (2.160) wird daraus ∂ξ ∂ξ ∂ζ ∂ζ E E σx = μ +μ ; σz = + . (2.280) 1 − μ2 ∂x ∂z 1 − μ2 ∂x ∂z F¨ ur die Schubspannung werden weiterhin die allgemeinen Beziehungen (2.159) benutzt. Die Dehnungen und Schubwinkel, die in (2.279) eingehen, lauten nach Abschnitt 2.7.1 ∂ξM ∂ϕx ∂ζM ∂ϕz ∂ξ ∂ζ = +y ; z = = +y x = ∂x ∂x ∂x ∂z ∂z ∂z ∂ξ ∂η ∂ζ ∂η ∂η ∂η γxy = + = ϕx + ; γyz = + = ϕz + (2.281) ∂y ∂x ∂x ∂y ∂z ∂z ∂ζ ∂ξM ∂ϕx ∂ζM ∂ϕz ∂ξ + = +y + +y . γxz = ∂z ∂x ∂z ∂z ∂x ∂x Setzt man diese Ausdr¨ ucke in (2.279) ein und f¨ uhrt die Integration u ¨ber die Plattendicke - also u ¨ber y - durch, dann verbleibt 1 Eh 2 2 + 2μξM,x ζM,z + ζM,z )dxdz Epot = (ξM,x 2 1 − μ2 Gh + (ξM,z + ζM,x )2 dxdz 2 1−μ h2 Eh 2 2 2 ϕx,x + 2μϕx,x ϕz,z + ϕz,z + (ϕx,z + ϕz,x ) dxdz + 24 1 − μ2 2 Gh + (ϕx + η,x )2 + (ϕz + η,z )2 dxdz. 2 (2.282)
2.8 Bewegungsgleichungen als Folge des Hamilton’schen Prinzips 115
Zur Abk¨ urzung der Gleichung wurde hier ausnahmsweise eine Schreibweise verwendet, bei welcher der Index hinter dem Komma angibt, nach welcher Koordinate abgeleitet wird. In (2.282) bedeutet die erste und die zweite Zeile die in den in-plane“ ” Wellen enthaltene Energie. Die dritte Zeile gibt die potentielle Energie nach der einfachen Biegetheorie (Kirchhoff) an. Die letzte Zeile ist die von der endlichen Schubsteife herr¨ uhrende (Timoshenko-Mindlin) Korrektur [2.17]. F¨ uhrt man die Variation durch, dann kommen beim Einsetzen in (2.276) Ausdr¨ ucke vor, die von folgendem Typ sind und folgendermaßen umgeformt werden k¨onnen: 2 ∂ξM ∂ξM ∂ξM dx dz dt = 2 δ δ dx dz dt ∂x ∂x ∂x 2 ∂ ξM ∂ξM x δξM dx dz dt δξM dz dt|x21 − 2 = 2 ∂x ∂x2 2 ∂ ξM = −2 δξM dx dz dt. ∂x2 Hier wurde erst die Variation nach der Kettenregel gebildet (wie bei einer Differentiation), dann wurde partiell u ¨ber x integriert und schließlich wurde angenommen, dass die Feldgr¨ oßen an den Integrationsgrenzen x1 und x2 bereits verschwunden sind. ¨ Durch die entsprechende Vorgehensweise ( Uberw¨ alzen der Ableitung“) ” erh¨alt man auch 2 2 ∂ ξM ∂ ζM ∂ξM ∂ζM dx dz dt = − δζM dx dz dt − δξM dx dz dt δ ∂x ∂z ∂x∂z ∂x∂z ∂ϕx ∂η ∂η δη dx dz dt − δϕx dx dz dt δ ϕx dx dz dt = − ∂x ∂x ∂x (2.283) und eine Reihe ¨ ahnlicher Ausdr¨ ucke. Bei der letzten Zeile wurde zur Umformung die zeitliche Differentiation und die partielle Integration nach der Zeit vorgenommen. Dabei wurde angenommen, dass bei den zeitlichen Integrationsgrenzen alle Vorg¨ ange noch nicht begonnen haben oder schon wieder abgeklungen sind. Hinsichtlich der ¨ außeren Arbeit W wird angenommen, dass sie nur durch acheneinheit (also Dr¨ ucke) hervorgerufen wird. Weil Ar¨außere Kr¨afte pro Fl¨ beit = Kraft × Weg ist soll also (2.284) W = (pB η + p2 ξM + p4 ζM )dx dz gelten. Dabei ist wie in Bild 2.24 und Gleichung (2.242) pB der resultierende Druck in y-Richtung und p2 bzw. p4 die resultierende Schubspannung in x bzw. z-Richtung. Macht man nun dieselbe Umformung wie in (2.283), dann gilt
116
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
t2
δW dt =
(pB δη + p2 δξM + p4 δζM )dx dz dt.
(2.285)
t1
Da der ¨außere Druck vorgegeben ist, braucht er nicht variiert zu werden. Kombiniert man alle Gleichungen beginnend mit (2.276), dann erh¨alt man einen Ausdruck der Form [A1 ξM +A2 δη+A3 δζM +A4 δϕx +A5 δϕz +pB δη+p2 δξM +p4 δζM ]dx dz dt = 0. Er l¨asst erkennen, aus welchem Grund in (2.283) alle Variationsoperationen auf die Gr¨oßen ξM , η, ζM , ϕx , ϕz u alzt“ wurden. Entscheidend ist ¨bergew¨ ” nun, dass das Hamilton’sche Prinzip f¨ ur jede beliebige Variation der f¨ unf abh¨angigen Variablen gelten muss, also beispielsweise auch f¨ ur die Variation δξM = 0, δη = δζM = δϕx = δϕz = 0. Weil δξM beliebig sein kann folgt daraus A1 + p2 = 0. Dieselbe Argumentation - angewandt auf δη etc. zeigt, dass die Faktoren von δξM , δη etc. unabh¨angig voneinander verschwinucke ein, die sich den m¨ ussen. Setzt man nun noch f¨ ur A1 bis A5 die Ausdr¨ aus (2.276) bis (2.282) ergeben, so erh¨ alt man ∂2 p2 E ∂2 1 + μ ∂ 2 ζM ¨ ξ δξM : ρξM − G = + G − M 2 2 2 1 − μ ∂x ∂z 1 − μ ∂x∂z h 2 2 ∂ E 1 + μ ∂ 2 ξM ∂ p4 G + ρζ¨M − δζM : − + G 2 ζM = 2 2 1 − μ ∂x∂z 1 − μ ∂z ∂x h ∂ϕz ∂ϕx − Gh = pB δη : ρh¨ η − GhΔη − Gh ∂z ∂x ∂2 ∂η ∂2 1 + μ ∂ 2 ϕz + ρI ϕ¨x + G h − I 2 − B 2 ϕx − B =0 δϕx : Gh ∂x ∂z ∂x 2 ∂x∂z ∂2 ∂η 1 + μ ∂ 2 ϕx ∂2 − B + ρI ϕ¨z + G h − I 2 − B 2 ϕz = 0 δϕz : Gh ∂z 2 ∂x∂z ∂x ∂z (2.286) Dabei ist B = EI/(1 − μ2 ) die Biegesteife der Platte und I = h3 /12 das Fl¨achentr¨agheitsmoment. Wie man sieht, sind die beiden ersten Gleichungen vollkommen unabh¨angig von den drei anderen. Da sie außerdem identisch mit den Bewegungsgleichungen f¨ ur die in-plane Wellen“ sind (siehe Gl.(2.247)), brauchen sie hier nicht ” diskutiert zu werden. Die drei restlichen Gleichungen stellen Beziehungen zwischen dem Ausschlag η und den beiden Biegewinkeln ϕx und ϕz dar. Sie beschreiben also die Biegebewegung, wobei neben der Schubspannung (Terme, die den Faktor G enthalten) auch die Rotationstr¨ agheiten (Terme mit ρI) ber¨ ucksichtigt sind. Man k¨onnte die drei Gleichungen in der vorliegenden Form als System von Differentialgleichungen belassen (das h¨ atte sogar den Vorteil, dass man gleich den Zusammenhang mit der Querkraft - das ist die aus δη hervorgerufene Gleichung - und den beiden Biegemomenten - das sind die beiden
2.8 Bewegungsgleichungen als Folge des Hamilton’schen Prinzips 117
unteren Gleichungen - erkennt), es ist aber gebr¨auchlicher, sie in eine Differentialgleichung entsprechend h¨ oherer Ordnung umzuformen. Dazu werden die Ausdr¨ ucke etwas umgestellt ∂ϕx ∂ϕz Gh Δη + + = ρh¨ η − pB ∂x ∂z 2 B ∂ 2 ϕx ∂ ϕz ∂η − Gh ϕ (1 − μ)Δϕx + (1 + μ) + = ρI ϕ¨x + x 2 ∂x∂z ∂x2 ∂x 2 B ∂ 2 ϕz ∂ ϕx ∂η − Gh ϕz + (1 − μ)Δϕz + (1 + μ) + = ρI ϕ¨z 2 ∂x∂z ∂z 2 ∂z (2.287) Dabei wurde GI = B (1 − μ)/2 benutzt. Nun wird die vorletzte Gleichung nach x differenziert und die letzte nach z, dann werden die Ausdr¨ ucke addiert. Dabei kommt immer die Kombination ∂ϕx ∂ϕz + =Ψ ∂x ∂z
(2.288)
vor, so dass sich diese Substitution empfiehlt. Damit wird aus (2.287) Gh(Δη + Ψ ) = ρh¨ η − pB B ΔΨ − Gh(Δη + Ψ ) = ρI Ψ¨
(2.289)
Durch Elimination von Ψ gewinnt man daraus ρ Bρ B ρI + ρI Δ¨ η + ρh¨ η + ρI η¨ ¨ = pB − ΔpB + p¨B . (2.290) B ΔΔη − G G Gh Gh Diese im eindimensionalen Fall auf Timoshenko [2.14] und im zweidimensionalen auf Mindlin [2.17] zur¨ uckgehende Gleichung stellt eine Verbesserung der einfachen Biegewellengleichung (2.89) bzw. (2.266) dar. Sie ber¨ ucksichtigt die Schubsteife (Terme, die G enthalten) und die Drehtr¨agheit (Terme, die I enthalten). Von diesen beiden Effekten ist der letztere, schon viel fr¨ uher von Rayleigh gefundene Effekt weniger wichtig. H¨aufig setzt man in (2.290) statt der Schubsteife G die modifizierte Schubsteife G∗ ein. Damit erreicht man, dass die Biegewellengeschwindigkeit bei hohen Frequenzen in die Rayleighwellengeschwindigkeit einm¨ undet. Um abzusch¨atzen, wie stark sich (2.290) von (2.89) oder von (2.266) unterscheidet, wird der eindimensionale Fall mit dem Ansatz η = η0 ejωt e−jkx x betrachtet. Man findet so die Dispersionsgleichung 1 1 ω4 4 2 2 4 − kB + 2 + 2 2 = 0, kK − ω kx 2 cT cLII cLII cT
(2.291)
118
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
wobei kB die nicht korrigierte Biegewellenzahl nach (2.91) bedeutet. F¨ ur die Biegewellengeschwindigkeit der korrigierten Biegewelle ergibt sich damit 1 1 1 2 cK ≈ cB 1 − cB + 2 (2.292) ≈ cB [1 − 4(h/λB )2 ]. 2 c2T cLII Eine 10%ige Abweichung w¨ urde also erst eintreten, wenn die Biegewellenl¨ange unter λB = 6h sinkt. 2.8.3 Zylinderschalen 2.8.3.1 Bewegungsgleichungen Das den Zylinderschalen angepasste Koordinatensystem r, ϑ, z und die Bewegungsgr¨oßen ξ (tangential), η (radial), ζ (axial) sind in Bild 2.32 und 2.33 dargestellt.
Bild 2.32. (a) Verformung eines Volumenelementes in Zylinderkoordinaten, (b) Normal- und Schubspannungen
Um das Hamilton’sche Prinzip anwenden zu k¨onnen, ben¨otigt man u.a. die potentielle Energie, die sich ihrerseits aus den Spannungen und Dehnungen ergibt. Um diese Gr¨ oßen zu bestimmen, werden zuerst die allgemeinen Spannungs-Dehnungsrelationen in Zylinderkoordinaten abgeleitet. Wie aus
2.8 Bewegungsgleichungen als Folge des Hamilton’schen Prinzips 119
p+
ϑ
p-
r=a+h/2 z
r=a-h/2 r=a
ϕϑ h
η ξM y y=
0
Bild 2.33. Koordinaten der Verschiebungen in einem d¨ unnwandigen Zylinder
¨ Bild 2.32 (Ubergang von dick ausgezogenem zum punktierten Element) hervorgeht, gilt f¨ ur die Dehnung in radialer Richtung ∂η ∂η 1 η+ Δr − η = . (2.293) r = Δr ∂r ∂r Bei der tangentialen Richtung besteht die Dehnung aus zwei Teilen. Der erste Teil tritt bereits auf, wenn nur eine rein radiale Bewegung vorliegt, weil das Element l¨anger wird (punktiert in Bild 2.32): ϑ1 =
1 η [Δϑ(r + η) − rΔϑ] = . rΔϑ r
Der zweite Teil ist auf die Bewegung in tangentialer Richtung zur¨ uckzuf¨ uhren (gestrichelt in Bild 2.32): 1 ∂ξ ∂ξ 1 ξ+ Δϑ − ξ = . ϑ2 = rΔϑ ∂ϑ r ∂ϑ Die gesamte Dehnung ist demnach
120
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
ϑ = ϑ1 + ϑ2 =
η 1 ∂ξ + . r r ∂ϑ
(2.294)
¨ Stellt man ¨ahnliche Uberlegungen f¨ ur die Schubdeformationen an, dann findet man in Analogie zu (2.159) f¨ ur die Spannungs-Dehnungsbeziehungen in Zylinderkoordinaten (siehe z.B. [2.11]) η 1 ∂ξ σϑ ∂η ∂ζ = (α + 1)ϑ + αr + αz = (α + 1) + +α +α 2G r r ∂ϑ ∂r ∂z η 1 ∂ξ σr ∂η ∂ζ = αϑ + (α + 1)r + αz = α + + (α + 1) +α 2G r r ∂ϑ ∂r ∂z η 1 ∂ξ σz ∂η ∂ζ = αϑ + αr + (α + 1)z = α + +α + (α + 1) 2G r r ∂ϑ ∂r ∂z (2.295) ∂ ξ τϑr 1 ∂η ∂ξ ξ 1 ∂η = γϑr = r + = − + G ∂r r r ∂ϑ ∂r r r ∂ϑ ∂ζ τrz ∂η = γrz = + G ∂r ∂z ∂ξ τϑz 1 ∂ζ = γϑz = + ; mit α = μ/(1 − 2μ). G ∂z r ∂ϑ F¨ ur den Rest dieses Abschnitts wird mit d¨ unnen Schalen gerechnet, bei denen die Wandst¨arke h wesentlich kleiner als der Kr¨ ummungsradius und die Wellenl¨ange sein soll. Weil die Schalenoberfl¨ achen spannungsfrei sind kann man in diesem Fall σr = 0 setzen und daraus analog zu (2.280) η 1 ∂ξ ∂ζ E E + + μ σϑ = ( + μ ) = ϑ z 1 − μ2 1 − μ2 r r ∂ϑ ∂z (2.296) η 1 ∂ξ ∂ζ E E μ σz = + μ + (μ + ) = ϑ z 1 − μ2 1 − μ2 r r ∂ϑ ∂z ableiten. Die Ausdr¨ ucke f¨ ur die Schubspannungen τ bleiben unver¨andert. Bei der weiteren Rechnung wird wieder so vorgegangen wie im letzten Abschnitt; d.h. die Radialkomponenten η soll u ¨ber die ganze Wandst¨arke konstant sein, w¨ahrend Tangential- und Axialbewegung aus einem in-plane An” teil“ und einem linear vom Radius abh¨ angenden Biegeanteil“ bestehen sollen ” (siehe Gl.2.277): r ξ = ξM + (r − a)ϕϑ a (2.297) ζ = ζM + (r − a)ϕz . Es treten also wieder f¨ unf unabh¨ angige Variable auf, n¨amlich die Bewegungen der Mittellinien ξM , η, ζM und die Biegewinkel“ ϕϑ und ϕϑ . Der als ” konstant angenommene Zylinderradius (Bild 2.33) ist mit a bezeichnet. Setzt man (2.297) in die Dehnungsbeziehungen (2.293 etc.) ein und macht die f¨ ur kleine Wandst¨arken sicher g¨ ultigen N¨ aherungen
2.8 Bewegungsgleichungen als Folge des Hamilton’schen Prinzips 121
1 y a y r−a y 1 ≈ 1− ; ≈1− ; ≈ , (2.298) r a a r a r a so ergeben sich die Dehnungen und Schubwinkel zu y 1 ∂ξM y ∂ϕϑ ∂ϕz 1 ∂ζM ϑ = 1− η+ + ; z = +y ; a a a ∂ϑ a ∂ϑ ∂z ∂z
y 1 ∂η y ∂η (2.299) γrϑ = 1 − ϕϑ + 1− ; γrz = ϕz + ; a a a ∂ϑ ∂z
y ∂ξM ∂ϕϑ 1 y ∂ζM y ∂ϕz γzϑ = 1 + +y + 1− + . a ∂z ∂z a a ∂ϑ a ∂ϑ assigt. Weil ξM und ζM u Dabei wurden Terme mit y 2 vernachl¨ ¨ber die ganze Wandst¨arke konstant sind, wurden außerdem die radialen Ableitungen dieser beiden Gr¨oßen zu Null gesetzt. Auch ist ∂ξ/∂r = 1 zu ber¨ ucksichtigen. Um das Hamilton’sche Prinzip anwenden zu k¨onnen, braucht man als n¨achstes die Ausdr¨ ucke f¨ ur die Energien. Es gilt 2π h/2 L ρ (ξ˙2 + η˙ 2 + ζ˙ 2 )adϑdydz = Ekin = 2 0 −h/2 −L ρh 2π L ˙2 2 2 = + I ϕ˙ 2ϑ + ϕ˙ 2z + ξ˙M ϕ˙ ϑ adydz ξM + η˙ 2 + ζ˙M 2 0 a −L (2.300) r − α = y;
Epot =
1 2
2π h/2
0
−h/2
L
(σϑ εϑ + σz εz + τrϑ γrϑ + τrz γrz + τzϑ γzϑ )adydz
−L
E 2 2 2 2 2 (ε +ε +2με ε )+G(γ +γ +γ ) ϑ z z rϑ rz zϑ adϑdydz . 2 ϑ 0 −h/2 −L 1 − μ (2.301) Hier wurde I = h2 /12 gesetzt. Setzt man (2.299) in (2.301) ein und f¨ uhrt die Integration u ¨ber y durch, dann erh¨alt man einen l¨ angeren Ausdruck, der ξM , η usw. sowie Ortsableitungen davon enth¨alt. Das weitere Vorgehen ist wie bei (2.278) bis (2.285); d.h. man nimmt die Variation vor und f¨ uhrt eine partielle Integration so durch, dass das Variationssymbol u alzt“ wird. Man macht dabei davon Ge¨bergew¨ ” brauch, dass an den Integrationsgrenzen 0 und 2π wegen der Periodizit¨at alle Funktionswerte gleich sind und dass +L und −L so weit entfernt sind, dass ¨ dort alle Feldgr¨oßen abgeklungen sind. Ahnlich wie bei (2.286) entsteht so ein lineares Differentialgleichungssystem in den unabh¨angigen Variablen ξM , η, ζM , ϕϑ , ϕz . Es lautet =
1 2
2π h/2
L
A11 ξM + A12 ζM + A13 η + A14 ϕϑ + A15 ϕz = 0; A12 ξM + A22 ζM + A23 η + A24 ϕϑ + A25 ϕz = 0; A13 ξM + A23 ζM + A33 η + A34 ϕϑ + A35 ϕz = −pB (1 − μ2 )/Eh; A14 ξM + A24 ζM + A34 η + A44 ϕϑ + A45 ϕz = 0; A15 ξM + A25 ζM + A35 η + A45 ϕϑ + A55 ϕz = 0.
(2.302)
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
122
Dabei ist 2 ∂2 1 + β2 ∂2 ∂2 2 ∂ 2 ; − α (1 + β ) + ; A = (−α − β α ) − 12 + − ∂s2 ∂z 2 c2LI ∂t2 ∂s∂z ∂2 ∂2 1 ∂ 1 ∂2 ; A15 = −β 2 aα− ; A14 = β 2 a −α− 2 + 2 ; =− 2 a ∂s ∂z cLI ∂t ∂s∂z
A11 = − A13
A22 = −
∂2 ∂2 1 ∂2 − α− (1 + β 2 ) 2 + 2 ; 2 ∂z ∂s cLI ∂t2
A23 = −
μ ∂ ; a ∂z
∂2 ∂2 A24 = β 2 aα− ; A25 = β 2 aα− 2 ; ∂s ∂s∂z 2 1 + β2 ∂ ∂2 1 ∂2 2 − α− (1 + β ) 2 + 2 + 2 ; A33 = − a2 ∂s ∂z cLI ∂t2 ∂ ∂ A34 = [α− + β 2 (1 + α− )] ; A35 = (α− + μβ 2 ) ; ∂s ∂z 2 2 I ∂2 ∂2 2 ∂ ∂ ; − α− I + 2 ; A45 = −α+ I A44 = α− (1 + β ) − I 2 2 2 ∂s ∂z cLI ∂t ∂s∂z A55 = α− − I
I ∂2 ∂2 ∂2 − α− I 2 + 2 ; 2 ∂z ∂s cLI ∂t2
Dabei ist α− =
1−μ 1+μ 2 h2 h2 ∂ 1 ∂ ; I = ; α+ = ; β = = β 2 a2 ; = ; s = aϑ. 2 2 2 12a 12 ∂s a ∂ϑ
2.8.3.2 Spezialf¨ alle Das etwas umfangreiche Gleichungssystem (2.302) l¨asst folgende Schlussfolgerungen zu: a) Das System ist wie bei ¨ ahnlichen aus dem Hamilton’schen Prinzip (in nicht str¨omenden oder sonstwie gleichf¨ ormig bewegten Systemen) gewonnenen Wellengleichungen symmetrisch. b) F¨ ur h → 0; d.h. β = 0 und I = 0 wird auch ϕϑ = −∂η/∂s und ϕz = −∂η/∂z, damit geht (2.302) in die sog. Membrangleichung u ¨ber [2.20] 1 ∂η 1 − μ ∂2 1 ∂2 1 + μ ∂ 2 ζM ∂2 − =0 + − − 2− ξ M 2 2 2 ∂s 2 ∂z cLI ∂t 2 ∂s∂z a ∂s 1 + μ ∂ 2 ξM ∂2 1 − μ ∂2 1 ∂2 μ ∂η ζM − − + − 2− =0 + 2 2 2 2 ∂s∂z ∂z 2 ∂s cLI ∂t a ∂z pB (1 − μ2 ) 1 1 ∂ξM μ ∂ζM 1 ∂2 η= + + 2+ 2 . 2 a ∂s a ∂z a cLI ∂t Eh (2.303) Wie noch gezeigt wird, ist diese Gleichung f¨ ur einige Anwendungen ausreichend.
2.8 Bewegungsgleichungen als Folge des Hamilton’schen Prinzips 123
c) Wenn man den Radius sehr groß macht, also 1/a → 0, verschwinden alle Glieder mit 1/a und β. Die verbleibenden Ausdr¨ ucke sind identisch mit den Gleichungen f¨ ur in plane“ Wellen (2.186b) und der Mindlin” Timoshenko Biegewellengleichung (2.284). d) Setzt man in (2.302) h/a ≈ 0, ohne dass η gleich Null wird, so verschwinden alle Terme mit β und I /a (aber nicht die mit I alleine). Vernachl¨assigt man, ¨ ahnlich wie in der einfachen Biegetheorie, die Terme, die die Rotationstr¨ agheit repr¨ asentieren (also (I c2LI )∂ 2 /∂t2 ), so erh¨alt man die Donell-Mushtari Gleichung“[2.21][2.22]. Sie unterscheidet sich ” von (2.303) nur dadurch, dass der η-Term in der letzten Gleichung die Form 2 2 ∂ 1 ∂2 1 ∂2 +I + 2 + 2 η (2.304) a2 ∂s2 ∂z cLI ∂t2 annimmt. Darin wird die Biegung der Zylinderwand ber¨ ucksichtigt. ¨ e) F¨ ur den Ubergang zu einem Ring wird ∂/∂z = 0 gesetzt. Außerdem muss man wegen der Querkontraktion in axialer Richtung cLI durch cLII sowie E/(1 − μ2 ) durch E ersetzen (siehe (2.38) - (2.40)). Es entstehen dadurch zwei voneinander unabh¨ angige Ausdr¨ ucke: Schubbewegung in axialer Richtung 2 ∂ 2 ζM 1 ∂ 2 ζM ∂ 2 ζM ∂ 2 ζM − = − = 0; ∂s2 (1 − μ)c2LI ∂t2 ∂s2 c2T ∂t2
(2.305)
Bewegung in tangentialer und radialer Richtung I ∂2 1 ∂ 1 + β2 ∂2 ∂3 + − 2+ 2 ξM − η=0 ∂s cLII ∂t2 a ∂s ac2LII ∂s∂t2 I 1 ∂ ∂3 + 2 ξM a ∂s acLII ∂s∂t2 2 ∂4 pB 1 ∂2 1 1 ∂2 I 2 η= +a 2 . + 2 +β + 2 − 2 a a ∂s cLII ∂t2 cLII ∂s2 ∂t2 Eh (2.306) Um diese Ausdr¨ ucke zu erhalten, wurden in (2.302) die letzten drei Gleichungen addiert (um die in der Rotation enthaltenen Energien zu ber¨ ucksichtigen) und anschließend die der einfachen Biegetheorie entsprechende N¨aherung ϕϑ = −∂η/∂s gemacht. f) Neben den hier angegebenen Zylindergleichungen (2.302) und ihren vereinfachten Versionen (2.303) bis (2.306) gibt es in der Literatur [2.23] noch eine Reihe anderer Formeln, die sich in den Termen mit β 2 etwas unterscheiden. Solange die Wellenl¨ angen bzw. der Kr¨ ummungsradius gr¨oßer als etwa das Sechsfache der Wandst¨ arke h sind, treten bei der praktischen Anwendung keine nennenswerten Unterschiede auf.
124
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
2.8.3.3 Phasengeschwindigkeiten F¨ ur das bessere Verst¨ andnis der Zylindergleichungen empfiehlt es sich, ihr Verhalten f¨ ur den Spezialfall der umlaufenden, ebenen Wellen zu betrachten. Es sei also angenommen, dass die Feldgr¨ oßen ξ, ζ, η, pB , ϕz und ϕϑ von der Form ˆ ζ, ˆ ηˆ, pˆB , ϕˆz , ϕˆϑ )e−jkz z ejns/a ejωt (ξ, (2.307) sind (der Index M bei ξ und ζ wird zur Vereinfachung weggelassen). Dem entsprechen Wellen, die sich auf einem unendlich langen Zylinder in z-Richtung mit der Geschwindigkeit cz = ω/kz ausbreiten und l¨angs eines Umfanges 2n Knoten aufweisen. Man kann solche Wellen auch als sich schraubenf¨ormig ausbreitende St¨orungen mit einer “Gangh¨ ohe“ von λz = 2π/kz deuten. In der Literatur wird statt ejns/a h¨ aufig die Abh¨ angigkeit cos ns/a bzw. sin ns/a benutzt. Wenn es sich um symmetrische oder anti-symmetrische Probleme handelt, ist diese Schreibweise g¨ unstig; im allgemeinen Fall empfiehlt sich eher der in 2.307 genannte Ansatz. Die Dispersionsdiagramme und Trennimpedanzen sind von der speziellen Wahl des Ansatzes unabh¨angig. Setzt man (2.307) in (2.302) ein und macht außerdem die der einfachen Biegetheorie entsprechenden Annahmen ϕϑ = −∂η/∂s und ϕz = −∂η/∂z, so erh¨alt man nach einigen Zwischenrechnungen (Differentiation der 4. Gleichung nach s, der 5. Gleichung nach z und Addition der so entstandenen letzten drei Gleichungen) ⎛
⎞⎛ ⎞ ⎛ ⎞ a11 −a12 −ja13 ξˆ 0 ⎝−a12 a22 −ja23 ⎠ ⎝ζˆ⎠ = ⎝ ⎠. 0 2 2 p ˆ ja13 ja23 a33 v /ω ρh ηˆ B
(2.308)
Dabei bedeuten a11 = n2 + α− kz2 a2 − v 2 + β 2 (α− kz2 a2 − v 2 ); a13 = n + β 2 n(2α− kz2 a2 − v 2 );
a12 = (α+ + β 2 α− )nkz a;
a22 = kz2 a2 + α− n2 − v 2 + β 2 α− n2 ;
a23 = −μkz a + 2β 2 α− n2 kz a; a33 = 1 − v 2 + β 2 [1 − 2n2 − 2μkz2 a2 + (kz2 a2 + n2 − v 2 )(kz2 a2 + n2 )] ω ωa = = Frequenzparameter; v= cLI ωRing cLI = 2πfRing ; fRing = Ringdehnfrequenz ωRing = a (2.309) Die Determinante von (2.308) betr¨ agt Det = a33 (a11 a22 − a212 ) − 2a12 a13 a23 − a11 a223 − a22 a213 .
(2.310)
Ihr Verschwinden liefert die Wellenzahlen der freien Wellen, womit wieder solche Schwingungen bezeichnet sind, die bei verschwindender D¨ampfung auch
2.8 Bewegungsgleichungen als Folge des Hamilton’schen Prinzips 125
ohne Anregung m¨ oglich sind. Setzt man (2.309) in (2.310) ein, dann entsteht eine Polynom vierter Ordnung in kz2 a2 . Es gibt also f¨ ur jede Frequenz h¨ochstens vier freie Wellentypen. Davon ist immer mindestens eine nicht ausbreitungsf¨ahig; sie besteht in einem exponentiell abklingenden Nahfeld. F¨ ur die verbleibenden drei Wellentypen ist das durch Nullsetzen von (2.310) berechnete Dispersions-Diagramm in Bild 2.35 gezeigt. Das Bild zeigt f¨ ur eine Querkontraktionszahl von μ = 0, 3 nicht die Wellenzahlen in axialer Richtung, sondern die damit eng verwandte auf cLI bezogene Phasengeschwindigkeit in z-Richtung.
Bild 2.34. Bewegungsverlauf der Moden n = 0, 1, 2, 3
Aus den Kurven lassen sich folgende Schlussfolgerungen ziehen: a) In beiden Teilbildern gehen die bei ν 2 = n2 (1−μ)/2 aus dem Unendlichen kommenden, mit T gekennzeichneten Kurven¨aste asymptotisch in cz = cLI ((1−μ)/2)1/2 u ¨ber. Sie entsprechen den reinen Transversalwellen (keine Kompression des Materials, siehe Abschnitt 2.2.1). b) In beiden Teilbildern gehen die bei ν 2 = 1 + n2 aus dem Unendlichen kommenden, mit L gekennzeichneten Kurven¨aste asymtotisch in cz = cLI u ¨ber. Sie entsprechen den Quasilongitudinalwellen (siehe Abschnitt 2.1.2). c) In beiden Teilbildern gilt bei tiefen Frequenzen f¨ ur n = 1 cz ≈ 4 ω 2 a2 /2c2LI .
126
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
Bild 2.35. Nach (2.310) berechnete Phasengeschwindigkeiten a = 15h, μ = 0, 3
Da a2 /2 das Quadrat des Tr¨ agheitsradius eines d¨ unnwandigen Rohres ist, entspricht dieser Ausdruck genau der Biegewellengeschwindigkeit eines rohrf¨ormigen Balkens. d) Eine wichtige Rolle spielt die Stelle ν = 1, also die Ringdehnfrequenz fRing = cLI /2πa, bei der der Rohrumfang gleich einer Longitudinalwellenl¨ange ist. e) F¨ ur n = 0 treten bei tiefen Frequenzen Longitudinalwellen mit der Geschwindigkeit cz = cLI (1 − μ2 )1/2 = (E/ρ)1/2 und Torsionswellen mit cz = cLI ((1 − μ)/2)1/2 = (G/ρ)1/2 auf. Im ersten Fall bewegt sich - abgesehen von der sehr kleinen Querkontraktion - ein Volumenelement der Wandung in radialer Richtung (atmende Bewegung); im zweiten Fall handelt es sich um eine Schubbewegung.
2.8 Bewegungsgleichungen als Folge des Hamilton’schen Prinzips 127
f) Beim Einsetzen von (2.307) in (2.303) ergibt sich eine charakteristische Gleichung zweiter Ordnung in kz2 a2 . Aus diesem Grunde zeigt das daraus abgeleitete Dispersions-Diagramm maximal zwei Werte f¨ ur eine gegebene Frequenz. Wie erw¨ ahnt erh¨ alt man aus (2.308) bis (2.310) pro Frequenz maximal drei reelle Werte von kz a, im entsprechenden Diagramm treten daher mehr Kurven auf. g) Bei den aus (2.308) bis (2.310) berechneten Dispersionskurven gibt es f¨ ur n ≥ 2 drei Gruppen. Die ersten beiden (gestrichelt und punktiert) wurden bereits unter a) und b) besprochen. Die dritte Gruppe (ausgezogene Kurven) ist nur oberhalb der jeweils zugeh¨origen Ringresonanzfrequenz m¨oglich (siehe 2.315b). Alle ausgezogenen Kurven gehen bei hohen Frequenzen in die ebenfalls eingezeichnete Kurve f¨ ur die Biegewellengeschwindigkeit einer Platte mit der Dicke h u ¨ber. Bei der dritten Gruppe bestehen teilweise große Unterschiede zwischen den beiden Teilbildern. h) F¨ ur hohe Frequenzen (ν ≥ 2) sind die Dispersionskurven praktisch identisch mit denen einer ebenen Platte der Dicke h und der Breite πa (Randbedingung wie in Bild 2.16 links oben oder rechts unten). In diesem Frequenzbereich kann man also die Wand eines Rohres fast wie eine ebene Platte behandeln. Messungen an Zylindern best¨atigen die aus (2.308) bis (2.310) gewonnenen Dispersionskurven. 2.8.3.4 Wellenimpedanzen Aus (2.308) kann man auch die sogenannte Wellenimpedanz oder Trennimpedanz berechnen. Man versteht darunter pˆB pˆB , (2.311) Zτ = = vˆr jω ηˆ also das Verh¨altnis von anregender Druckamplitude pˆB zur erzeugten Schnelleamplitude vˆr in radialer Richtung, wenn es sich um ein unendlich langes Rohr handelt. Aus (2.308) erh¨ alt man hierf¨ ur mit den in (2.309) angegebenen Abk¨ urzungen f¨ ur die einzelnen Werte von n ρh 2a12 a13 a23 + a11 a223 + a22 a213 . (2.312) Zτ n = 2 a33 − jv a11 a22 − a212 Eine gute N¨aherung ist [2.21] ωρh n2 (4 − μ) − 2 − μ 2 2 2 2 2 2 Zτ n = −v + β (n + kz a ) − jv 2 2(1 − μ) " 2 2 1−μ 2 2 # 1−μ 2 2 2 2 ωρh (1 − μ ) 2 kz a − v kz a − 2 (kz a + n2 ) − v 2 v 2 1−μ + 2 . jv (kz2 a2 + n2 ) − v 2 [kz2 a2 + n2 − v 2 ] 2 (2.313) Die Funktion Zτ n gibt an, ob ein Zylinder durch Dr¨ ucke der Form (2.307) leicht (kleines Zτ n ) oder schwer (grosses Zτ n ) angeregt wird. Die Stellen Zτ n = 0 ergeben die Wellenzahlen der freien Wellen, aus denen dann die Dispersionskurven f¨ ur die einzelnen Werte von n berechnet werden k¨onnen.
128
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
2.8.4 Resonanzfrequenzen F¨ ur Ringe ergeben sich die Resonanzfrequenzen aus (2.305) und (2.306), indem pB = 0 gesetzt und ein Ansatz wie in (2.307) gemacht wird. Man findet dabei aus (2.305) −n2 ω2 + = 0. a2 c2T F¨ ur die axiale Bewegung ergeben sich die Resonanzfrequenzen also zu 2 = n2 c2T /a2 . ωnIII
(2.314)
F¨ ur die anderen, meist wichtigeren Bewegungsrichtungen erh¨alt man die Dispersionsgleichungen genau so wie in (2.308) bis (2.310). Da keine z-Abh¨angigkeit vorhanden ist, wird lediglich kz = 0 eingesetzt. Daraus erh¨alt man die Bestimmungsgleichung v 4 [1 + β 2 (1 + n2 )] − v 2 [n2 + 1 − 2β(n2 − 1)2 ] + n2 β 2 (1 − n2 )2 = 0. Die N¨aherungsl¨osungen f¨ ur kleine Wandst¨ arken (β 1) sind 2 ωnI a 2 ≈ n2 + 1 c2LI
(2.315a)
2 2 2 2 ωnII 2 2 n (n − 1) . 2 a ≈β 2 cLI n +1
(2.315b)
2 vnI = 2 vnII =
Damit sind die Resonanzfrequenzen bestimmt. Bei der letzten Gruppe in (2.315) f¨ uhrt der Ring Biegebewegungen aus, bei der vorletzten sind es Quasilongitudinalbewegungen. Es sei noch erw¨ ahnt, dass die Nullstellen der Wellenimpedanz nach der N¨aherungsformel (2.313) f¨ ur kz = 0 nicht genau die Ringresonanz liefert. Der Fehler betr¨agt 14% bei n = 2; 4% bei n = 3; 2% bei n = 4 und weniger als 1,5% bei n ≥ 5. Die Berechnung der Resonanzfrequenzen eines Rohres der L¨ange lz ist in einfacher Form nur dann m¨ oglich, wenn die Randbedingungen den Ansatz mπz sin nϑ lz mπz η(ϑ, z) = ηm, n sin cos nϑ lz mπz cos nϑ ζ(ϑ, z) = ξm, n cos lz ξ(ϑ, z) = ξm, n sin
(2.316)
erlauben (oder einen entsprechende Ansatz, bei dem cos mπz/lz und sin mπz/lz vertauscht sind). (2.316) bedeutet, dass an den Enden x = 0 und x = lz die Rohrwandung drehbar gelagert ist (siehe Bild 2.15 links oben) bei gleichzeitig
2.8 Bewegungsgleichungen als Folge des Hamilton’schen Prinzips 129
unbehinderter Bewegung in axialer Richtung. Wenn cos und sin miteinander vertauscht werden bedeutet das, dass die Rohrwandung an den Enden gef¨ uhrt ist (siehe Bild 2.15 rechts unten) und die maximale axiale Bewegung verschwindet, also ζ(ϑ, 0) = ζ(ϑ, lz ) = 0. Setzt man (2.316) in (2.302) ein, so ist dieselbe Rechnung durchzuf¨ uhren wie im letzten Abschnitt; man muss lediglich kz a durch mπa/lz ersetzen. Damit ergeben sich die Resonanzfrequenzen als diejenigen Werte von ν, die die Wellenimpedanz nach (2.312) zum Verschwinden bringen. Das bedeutet in Bild 2.35, dass die Resonanzfrequenzen gegeben sind als Schnittpunkte der Dispersionskurven cz /cLI mit den Kurven νlz /mπa ; denn an diesen Stellen ist ωa lz cz ω = bzw. mπ = lz = kz lz oder mλz = 2lz . cLI cLI mπa cz F¨ ur den besonders interessierenden Fall der Biegebewegungen sind die Resonanzfrequenzen in guter N¨ aherung durch [2.24] 2 vn, m =
2 2 ωn, (mπa/lz )4 ma ≈ 2 2 cLI [(mπa/lz )2 + n2 ] (2.317) n2 (4 − μ) − 2 − μ 2 2 2 2 (mπa/lz ) + n +β − 2(1 − μ)
gegeben. Bei den anderen Wellentypen gilt 1−μ 2 vn, (mπa/lz )2 + n2 m ≈ 2 2 2 2 vn, m ≈1 + (mπa/lz ) + n .
(2.318)
Die Formeln beinhalten f¨ ur n = 0 die sehr wichtige Ringdehnfrequenz ν = 1. Weitere Formeln f¨ ur Resonanzfrequenzen und Vergleiche der verschiedenen Bewegungsgleichungen siehe [2.23]. Beispiele zeigen, dass sich die Resonanzfrequenzen bei langen Rohren (lz > 10a) knapp oberhalb der jeweiligen Ringfrequenzen nach (2.315a) h¨aufen. Außerdem gilt manchmal ωn1, m > ωn2, m sogar f¨ ur n1 < n2 . Es kann also bei gleicher Knotenzahl in axialer Richtung durchaus vorkommen, dass eine Umfangsmode mit kleinem n eine h¨ ohere Resonanzfrequenz hat als eine mit gr¨oßerem n. (2.149) und (2.318) lassen sich auch auf Ausschnitte von Rohren anwenden; denn die zugrunde liegende Differentialgleichung gilt auch f¨ ur Teile einer Zylinderschale. F¨ ur einen Zylinderausschnitt mit den Abmessungen lz und b (Skizze in Bild 2.36) kann man den Ansatz m1 πz m2 πs ξ = ξm1 , m2 sin sin lz b m1 πz m2 πs cos η = ηm1 , m2 sin lz b m1 πz m2 πs ζ = ζm1 , m2 cos (m1 = 1, 2, 3 . . . ; m2 = 1, 2, 3 . . .) sin lz b (2.319)
130
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
Bild 2.36. Benennungen f¨ ur einen Zylinderausschnitt
machen. Dabei werden an den R¨ andern die Randbedingungen ∂ 2ξ ∂2η ∂ζ = 0. = = 0; 2 ∂z ∂z 2 ∂z ∂ 2η ∂ζ ∂ 2ξ = = 0; bei s = 0 und s = b : ξ = η = 0; = 0. 2 2 ∂s ∂s ∂s bei z = 0 und z = lz : ξ = η = 0;
vorausgesetzt (also hinsichtlich radialer und axialer Bewegung momentenfreie Lagerung und hinsichtlich der tangentialen Bewegung Kr¨aftefreiheit). Man kann sich leicht davon u ¨berzeugen, dass die Zylindergleichungen durch (2.319) erf¨ ullt sind und dass sich eine charakteristische Gleichung ergibt, die die selbe Form hat wie beim zylindrischen Rohr. Man kann also f¨ ur die Resonanzfrequenzen eines Zylinderausschnittes weiterhin (2.317) und (2.318) verwenden; man muss nur m durch m1 und n durch m2 πa/b ersetzen. Eine Vereinfachung ergibt sich noch, wenn man den Radius a soweit wie m¨oglich herausk¨ urzt. F¨ ur a → ∞ gehen die oben genannten Ausdr¨ ucke in die Gleichungen f¨ ur die Biegeresonanzen sowie Schubwellen- und Dehnwellenresonanzen einer ebenen Platte u ¨ber. F¨ ur andere Randbedingungen lassen sich keine einfachen Beschreibungen angeben. Es soll daher lediglich erw¨ ahnt werden, dass die Resonanzfrequenzen bei verhinderter Tangential-Bewegung an den R¨andern s = 0 und s = b betr¨achtlich erh¨oht werden k¨ onnen [2.25]. Ohne Beweis sei schließlich noch angegeben [2.26], dass bei einer beidseitig gekr¨ ummten Schale mit rechteckigem Querschnitt und den Kr¨ ummungsradien a1 und a2 die Resonanzfrequenzen der Biegebewegung bei allseitig momentenfreier Lagerung durch
2 ωm ≈ c2LI 1 , m2
⎧
2 ⎪ m1 π ⎪ 1 ⎪ + ⎨ a l 1
⎪ ⎪ ⎪ ⎩
z
m1 π lz
2
+
2.9 K¨ orperschallintensit¨ at 1 a2
m2 π 2
2
b
2
m2 π 2
+
h2 12
b
131
⎫ ⎪ 2⎪ ⎪ 2 m1 π m2 π 2 ⎬ + ⎪ lz b ⎪ ⎪ ⎭
(2.320) gegeben sind.
2.9 Ko at ¨rperschallintensit¨ 2.9.1 Grundgleichungen Der vom Luftschall her bekannte Intensit¨ atsvektor (siehe z.B. [2.29]) − → → J Luft = p− v (pvx , pvy , pvz )
(2.321)
l¨asst sich auf die K¨ orperschallausbreitung erweitern. Man muss dabei allerdings ber¨ ucksichtigen, dass im Festk¨ orper die dynamischen Gr¨oßen nicht durch den skalaren Druck p, sondern durch den Spannungstensor gegeben sind. F¨ ur K¨orperschallprobleme lautet daher in kartesischen Koordinaten die allgemeine Definition der drei Komponenten des Intensit¨ atsvektors Jx = − [σx vx + τxy vy + τxz vz ] Jy = − [τxy vx + σy vy + τyz vz ] Jz = − [τxz vx + τyz vy + σz vz ].
(2.322)
Hier wird nur der zeitliche Mittelwert des Spannungs-Schnelle-Produktes betrachtet und dabei kurz als Intensit¨ at bezeichnet. Momentanwerte der Intensit¨at und sogenannte ’Blindanteile’ (siehe [2.29] und [2.31]) werden nicht ¨ behandelt. Die Uberstreichung zeigt an, dass der zeitliche Mittelwert gemeint ist. Wie man sieht, besteht die Intensit¨ at aus dem Skalarprodukt der auf ein Fl¨achenelement wirkenden Kraft und der herrschenden Schnelle. Das negative Vorzeichen kommt dadurch zustande, dass σ und τ als Zugspannungen definiert sind, die sich von den Druckkr¨ aften durch das Vorzeichen unterscheiden (siehe z.B. 2.33, 2.34, 2.41). Ein Spezialfall von (2.323) wurde bereits in Abschnitt 2.1.1 behandelt. Dort wurde die Intensit¨ at einer reinen Longitudinalwelle angegeben (siehe 2.8), bei der vy = vz = 0 und damit Jx = −σx vx gilt. Es wurde bei der Gelegenheit auch gezeigt, dass die Intensit¨ at gleich der Fl¨achendichte der durch eine Querschnittsfl¨ ache u ¨bertragenen Leistung ist, die Einheit der Intensit¨at besteht also in W/m2 . Diese Bedeutung der Intensit¨at bleibt auch im dreidimensionalen Fall f¨ ur die einzelnen Raumrichtungen erhalten. Dabei muss allerdings der aus Jx , Jy und Jz gebildete Vektor - anders als im Luftschall nicht notwendigerweise senkrecht auf den Wellenfronten stehen.
132
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
2.9.2 Leistungstransport in Platten Da es bisher keine M¨ oglichkeit gibt, die Spannungen und Schnellen im Inneren eines K¨orpers ohne massive St¨ orung des K¨ orperschallfeldes zu messen, werden im Folgenden nur Platten und Schalen behandelt, bei denen K¨orperschallmessungen auf der Oberfl¨ ache problemlos vorgenommen werden k¨onnen. Die Rechnung beschr¨ ankt sich auf die Komponente Jx , da sich Jz daraus bei homogenen Medien durch Vertauschung von x und z ergibt und da Jy = 0 ist. Die benutzten Benennungen sind dieselben wie in Abschnitt 2.8.2. Sie sind im Bild 2.31 und in den Gleichungen (2.277) bis (2.281) zu finden. Durch Einsetzen der dort angegebenen Ausdr¨ ucke in (2.323) erh¨alt man ∂ξM ∂ϕx ∂ζM ∂ϕz E −Jx = +y +μ + μy (ξ˙M + y ϕ˙ x ) 1 − μ2 ∂x ∂x ∂z ∂z ∂η ∂ξM ∂ϕx ∂ζM ∂ϕz η˙ + +y + +y (ζ˙M + y ϕ˙ z ) . + G ϕx + ∂x ∂z ∂z ∂x ∂x (2.323) Dabei wurde die Zeitableitung durch einen Punkt gekennzeichnet, es ist also vx = ξ˙M + y ϕ˙ x , vy = η˙ und vz = ζ˙M + y ϕ˙ z . Der Ausdruck (2.323) liefert die Intensit¨at in jeder Ebene y = const. Von gr¨ oßerem praktischen Interesse ist normalerweise jedoch die u ¨ber die gesamte Plattendicke h pro L¨angeneinheit u ¨bertragene Leistung, also Px
=−
h/2 −h/2
Jx dy.
(2.324)
(Vorzeichen siehe (2.33, 2.34) und Text dazu). Setzt man (2.323) in (2.324) ein, so folgt ∂ξM ∂ξM ∂ζM ˙ ∂ζM ˙ +μ ξM + G + ζM ∂x ∂z ∂z ∂x ∂ϕz ∂ϕz EI ∂η ∂ϕx ∂ϕx +μ ϕ˙ x +G ϕx + η+GI ˙ + ϕ˙ z . + 1 − μ2 ∂x ∂z ∂x ∂z ∂x (2.325) Dabei ist I = h3 /12 wieder das (auf die Breite bezogene) Tr¨agheitsmoment, das bei der Integration u ¨ber die y2 -Glieder entsteht. Alle Anteile, die y linear enthalten, entfallen aus Symmetriegr¨ unden. Der in der ersten Zeile von (2.325) stehende Ausdruck h¨ angt nur von der Bewegung ξM , bzw. ζM in der neutralen Faser (Mitte) ab, er stellt also den Leistungstransport durch die in-plane Welle“ dar (siehe Abschnitt 2.7.4.1). Der Ausdruck in der zweiten ” Zeile h¨angt dagegen nur von der Biegebewegung ab. Allerdings empfiehlt es sich, ihn noch so umzuformen, dass nur die Biegebewegung η vorkommt und uckt wird. Wie ein Zur¨ uckverfolgen dieses G(ϕx + ∂η/∂x)η˙ anders ausgedr¨ Ausdrucks zur Ausgangsgleichung (2.323) zeigt, gilt Px E = h 1 − μ2
2.9 K¨ orperschallintensit¨ at
η˙ 1 ∂η 1 η˙ = τxy dy = − ηQ G ϕx + τxy η˙ dy = − ˙ x ∂x h h h B ∂ ∂2η ∂2η ˙ =− + 2 η. h ∂x ∂x2 ∂z
133
(2.326)
Dabei wurde die Tatsache ausgenutzt, dass das Integral u ¨ber die senkrecht zur Plattenebene wirkende Schubspannung τxy gleich der sogenannten Querkraft Qx ist, die ihrerseits durch (2.270) gegeben ist (siehe auch Bild 2.28). Eine andere M¨oglichkeit, diesen Ausdruck auszurechnen, besteht darin, die in (2.286) mit δϕx bezeichnete Gleichung in ∂η 1 + μ ∂ 2 ϕz ∂2 ∂2 Gh ϕx + = GI 2 + B 2 ϕx + B − ρI ϕ¨z (2.327) ∂x ∂z ∂x 2 ∂x∂z umzurechnen. Mit der u ur d¨ unne Platten g¨ ultigen N¨aherung ϕx = ¨blichen, f¨ −∂η/∂x und ϕz = −∂η/∂z ergibt sich bis auf den unwichtigen, von der Rotationstr¨agheit herr¨ uhrenden Term ρI ϕ¨x wieder (2.326). Mit dieser N¨aherung wird aus (2.325) schließlich [2.25] E ∂ζM ˙ ∂ζM ˙ Px ∂ξM ∂ξM = +μ ξM + G + ζM h 1 − μ2 ∂x ∂z ∂z ∂x ∂2η B ∂ 2 η ∂ η˙ ∂2η ∂ 2 η ∂ η˙ ∂ ∂2η + (1 − μ) − + +μ 2 + 2 η˙ . h ∂x2 ∂z ∂x ∂x∂z ∂z ∂x ∂x2 ∂z (2.328) ¨ F¨ ur den eindimensionalen Fall erh¨ alt man daraus bei reiner Biegung in Ubereinstimmung mit (2.101, 2.102) 2 ∂ η ∂ η˙ ∂ 3η PxB = B − η ˙ . (2.329) ∂x2 ∂x ∂x3 (2.328) zeigt, dass die Messung von K¨ orperschallleistungen selbst bei d¨ unnen Platten nicht einfach ist. Man muss durch Mittelung der Transversalbewegungen ξ und ζ und ihrer Ableitungen auf den Oberfl¨achen y = −h/2 und y = h/2 die Gr¨oßen ξM und ζM bestimmen. Außerdem muss die Normalkomponente η bis zur dritten Ortsableitung genau erfasst werden. Wenn man bei den Leistungsbetrachtungen Biegewellennahfelder außer acht l¨asst, sich also auf Gebiete geschr¨ ankt, die mehr als eine halbe Wellenl¨ange von Diskontinuit¨ atsstellen und Anrege-Orten entfernt sind, dann gilt im eindimensionalen Fall m ∂2η 2 η. (2.330) = −k η = −ω B ∂x2 B Damit wird aus (2.329) PxB = −ω
√
∂η ∂ η˙ − η˙ . η ∂x ∂x
m B
(2.331)
134
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
Zur weiteren Vereinfachung wird die Produktregel ∂ ∂η ∂η ∂η ∂ 2η ∂η ∂ η˙ η = +η = η˙ +η ∂t ∂x ∂x ∂t ∂x∂t ∂x ∂x
(2.332)
benutzt und davon Gebrauch gemacht, dass f¨ ur jede beliebige Zeitfunktion g(t), die um den Nullpunkt schwankt, ∂ 1 g(t) = ∂t T
t2
t1
∂ 1 g(t)dt = [g(t2 ) − g(t1 )] ≈ 0 ∂t T
(2.333)
gilt. Dabei wurde vorausgesetzt, dass die Mittelungszeit T sehr lang ist. Benutzt man diese Beziehung, dann gilt ∂ ∂t
η
∂η ∂x
= 0 = η˙
∂η ∂ η˙ ∂η ∂ η˙ + η , oder η˙ = −η . ∂x ∂x ∂x ∂x
(2.334)
Damit wird aus (2.331) [2.28] f¨ ur das Fernfeld √ √ ∂η ∂ η˙ PxB = 2ω m B η˙ = −2ω m B η. ∂x ∂x
(2.335)
Meist messen die dabei verwendeten Aufnehmer die Beschleunigung. Aus diesem Grund wird (2.335) noch durch die beiden Beschleunugungssignale ausgedr¨ uckt. In guter N¨ aherung gilt t √ 1 η1 + η2 (a2 − a1 )dτ , PxB = −2ω m B Δx 2
(2.336)
−∞
wobei Δx den Abstand der Beschleunigungsaufnehmer darstellt, f¨ ur den Δx < λB /10 gelten muss. Dabei bezeichnen η1 und η2 die gemessenen Bewegungen, die durch zweifache Zeitintegration aus den Beschleunigungen a1 und a2 ermittelt werden m¨ ussen. F¨ ur (2.336) ist der Differentialquotient ∂ η/∂x ˙ durch den Differenzenquotienten (η˙ 2 − η˙ 1 )/Δx ersetzt worden: ∂ η˙ η˙2 − η˙ 1 ≈ , ∂x Δx außerdem wurde noch
t adτ
η˙ = −∞
benutzt. F¨ ur schmalbandige Signale kann man noch von η ≈ −a/ω 2 Gebrauch machen und erh¨alt
2.9 K¨ orperschallintensit¨ at
PxB
√ t m B 1 = (a1 + a2 ) (a2 − a1 )dτ . ω Δx
135
(2.337)
−∞
Bis auf den Vorfaktor ist diese Messvorschrift identisch mit der zur Bestimmung der Luftschallintensit¨ at (siehe z.B. [2.29]), nur dass hier als Messsignale Beschleunigungen statt Schalldr¨ ucke auftreten. Man kann also außerhalb des Biegewellen-Nahfeldes dieselbe Signalverarbeitungsapparatur benutzen wie bei der Messung der Luftschallintensit¨ at. 2.9.3 Leistungstransport in d¨ unnen Zylinderschalen Die allgemeinen Gleichungen f¨ ur den Intensit¨atsvektor lauten in Zylinderkoordinaten analog zu (2.322) Jϑ = − σϑ ξ˙ + τrϑ η˙ + τϑz ζ˙ (2.338) Jr = − τrϑ ξ˙ + σr η˙ + τrz ζ˙ Jz = − τϑz ξ˙ + τrz η˙ + σz ζ˙ . Bei der weiteren Rechnung soll es sich um d¨ unne, an den Oberfl¨achen unbelastete Zylinder handeln. In diesem Fall findet in radialer Richtung kein Leistungstransport statt, es gilt Jr = 0. Außerdem k¨onnen die in (2.295) bis (2.299) verwendeten Ausdr¨ ucke f¨ ur die Spannungen und Dehnungen wegen σr = 0 auch hier benutzt werden. Setzt man sie in (2.338) ein, so erh¨alt man nach einigen Zwischenrechnungen f¨ ur den haupts¨achlich interessierenden Leistungstransport in axialer Richtung (siehe auch 2.325) ∂ξM ∂ζM ˙ ∂ζM ∂ξM ˙ 2 2 +μ ζM + G (1 + β ) + (1 − β ) ξM ∂z ∂s ∂z ∂s EI ∂η ∂ϕz ∂ϕϑ ∂ϕϑ ∂ϕz + + G + ϕ + μ ϕ ˙ η ˙ + GI + ϕ˙ ϑ z z (1 − μ2 ) ∂z ∂s ∂z ∂s ∂z E I μ ˙ + η ξM − η ϕ˙ z (1 − μ2 ) a a ∂ϕϑ ˙ ∂ξM GI ∂ϕz ∂ζM + ξM − − ϕ˙ ϑ . + a ∂s ∂z ∂s ∂z (2.339) In diesem Ausdruck gibt die erste Zeile die Intensit¨at an, wenn die Bewegung des Zylinders keine Radialkomponente aufweist, die zweite Zeile h¨angt mit der Biegung zusammen. Dies zeigt sich am klarsten, wenn man (2.339) und (2.326) vergleicht (man beachte dabei β 2 = h2 /12a2 und I = β 2 a2 ). Die dritte und die vierte Zeile schließlich enthalten die Mischterme, die f¨ ur Pz E = h 1 − μ2
136
¨ 2 Ubersicht u ¨ber die verschiedenen Wellenarten
a → ∞ verschwinden. F¨ ur die weitere Rechnung wird ¨ahnlich wie bei (2.327) der Querkraftterm aus der Bewegungsgleichung des Systems, also in diesem Fall (2.302), entnommen. Berechnet man aus der letzten dort angegebenen Gleichung G(ϕz + ∂η/∂z) und macht anschließend wieder die N¨aherung alt man ϕz = −∂η/∂z bzw. ϕϑ = −∂η/∂s, so erh¨ E Pz ∂ζM ˙ ∂ξM ˙ ∂ξM ˙ ∂ζM ˙ = ζ ζ ξ ξ + G + μ + M M M M h 1 − μ2 ∂z ∂s ∂z ∂s ∂ 2 η ∂ η˙ ∂2η ∂Δη ∂ 2 η ∂ η˙ 1 ∂3 EI η˙ + (1 − μ) +μ 2 − − 2 + (1 − μ2 ) ∂z 2 ∂s ∂z ∂z cLI ∂z∂t2 ∂s∂z ∂s 2 μ E ˙M + I 2η ∂ η˙ + GI ∂ζM ∂ η˙ − ∂ ζM η˙ . + η ζ (1 − μ2 ) a a ∂z a ∂s ∂s ∂s2
(2.340) Die Durchf¨ uhrung von Messungen auf Grundlage der genannten Gleichungen ist ein h¨ ochst kompliziertes und zeitaufw¨andiges Unterfangen. Meist begn¨ ugt man sich daher mit der eindimensionalen Version (2.336) oder (2.337), um einen u agigen Eindruck von Gr¨oße und vor allem Rich¨berschl¨ tung der Intensit¨ at zu bekommen. Im u orperschall wie im Luftschall, dass insbesondere bei ¨brigen gilt im K¨ mehreren monofrequenten und damit koh¨ arenten Quellen die Interpretation der gemessenen Intensit¨ at mit großer Vorsicht vorgenommen werden sollte. Je nach Phasenbeziehung zwischen den Quellen k¨onnen die verschiedensten Richtungen der Intensit¨ aten auftreten.
Literatur
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138 2.28. 2.29. 2.30. 2.31.
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3 D¨ ampfung
3.1 D¨ ampfungsmechanismen und ihre Darstellungsweise Das vorige Kapitel diente der Diskussion der verschiedenen Wellenarten, die im Festk¨orper auftreten k¨ onnen. Dabei wurde stets in irgend einer Form das Hooke’sche Gesetz - also die Proportionalit¨ at von Spannung und Dehnung benutzt. Dieses Gesetz gilt - wie die meisten der Physik - nur f¨ ur Idealf¨alle, die in der Natur nur als Grenzf¨ alle vorkommen. F¨ ur die im letzten Kapitel behandelten, mehr prinzipiellen Betrachtungen spielen die in der Praxis auftretenden Abweichungen vom Hooke’schen Gesetz keine Rolle. Andererseits stehen die im letzten Kapitel abgeleiteten Beziehungen im Widerspruch mit der Erfahrung: W¨ ahrend aus dem t¨ aglichen Leben bekannt ist, dass jede Schwingung zeitlich und r¨ aumlich abklingt“, besagen die bisher abgeleiteten ” Beziehungen (siehe beispielsweise (2.11) und (2.12)), dass eine einmal in Gang gesetzte Bewegung beliebig lange fortdauern k¨onnte. Dieses Abklingen der Vorg¨ ange, das auf eine Umwandlung der in einer bestimmten Schwingung enthaltenen Energie in eine andere Energieform zur¨ uckzuf¨ uhren ist, und das im allgemeinen als D¨ ampfung 1 oder auch Dissipation bezeichnet wird, soll in diesem Kapitel behandelt werden. Dabei werden nur die Vorg¨ange betrachtet, bei denen mechanische Energie in W¨arme umgesetzt wird (Strahlungsd¨ ampfung bleibt also unber¨ ucksichtigt). Zun¨achst wird die D¨ampfung von isotropen K¨ orpern behandelt und anschließend die f¨ ur die L¨armbek¨ampfung sehr wichtigen Mehrschichtsysteme (z.B. Platten mit D¨ampfungsbel¨agen). In der Praxis spielt die mechanische D¨ ampfung nicht nur in der Schwingungsabwehr und Ger¨ auschbek¨ ampfung, sondern auch bei Untersuchungen u ¨ber den Aufbau der Stoffe (insbesondere der Hochpolymere) und bei der Fertigungskontrolle eine Rolle. 1
Zum Unterschied dazu wird in der Akustik die Reflexion mechanischer Schwingungen an Unstetigkeiten etc. (siehe Kapitel 5) als D¨ ammung bezeichnet.
140
3 D¨ ampfung
Die Frage, wie die elastischen Grundgleichungen (im einfachsten Fall (2.2)) modifiziert werden m¨ ussen, um den D¨ ampfungserscheinungen Rechnung zu tragen, besch¨aftigt die Physiker schon sehr lange. Bereits im Jahre 1874 schlug O.E. Meyer [3.1] vor, zus¨ atzlich zu den elastischen Kr¨aften noch eine Reibungskraft anzunehmen, die viskoser Natur, also proportional zur zeitlichen Ableitung der Dehnung ist. Statt (2.2) gilt also f¨ ur diesen sp¨ater als VoigtKelvin-Modell bezeichneten Zusammenhang zwischen Spannung σ und Dehnung (siehe [3.2]) d σ =D +ϑ . (3.1) dt Setzt man darin den haupts¨ achlich interessierenden periodischen Dehnungsverlauf = ˆ cos ωt (3.2) ein, so folgt σ = Dˆ (cos ωt − ωϑ sin ωt) = Dˆ 1 + ω 2 ϑ2 cos(ωt + arctan ωϑ).
(3.3)
Man sieht also, dass bei gegebenem Dehnungsverlauf Spannung und Dehnung gegeneinander phasenverschoben sind. Das beinhaltet dann - wie sp¨ater noch gezeigt wird - auch, dass w¨ ahrend der Schwingungen mechanische Energie verloren geht, also in W¨ arme umgesetzt wird. (3.1) bzw. (3.3) sind etwas unbefriedigend, weil sich in der Praxis die Gr¨oße ϑ als sehr stark frequenzabh¨ angig erweist; außerdem sind viskose Kr¨afte bei Festk¨orpern nur schwer vorstellbar. Aus diesem Grunde wurden sp¨ater andere lineare Materialgesetze vorgeschlagen von denen ein sehr wichtiges auf Boltzmann [3.3] zur¨ uckgeht. Er ging davon aus, dass die Kraft, die aufzuwenden ist, um eine bestimmte Dehnung zu erzeugen, nicht nur von der Dehnung selbst, sondern auch von fr¨ uheren Dehnungen (der Vorgeschichte“) ” abh¨angt. Nimmt man mit Boltzmann an, dass sich die Wirkungen der fr¨ uheren Dehnungen linear superponieren, so l¨ asst sich der Zusammenhang zwischen Spannung σ(t) zur Zeit t und Dehnung (t) zur Zeit t bzw. (t − Δt) zur fr¨ uheren Zeit (t − Δt) wie folgt darstellen: ∞
σ(t) = D1 (t) −
(t − Δt)ϕ(Δt)d(Δt).
(3.4)
0
Dabei ist ϕ(Δt) die sogenannte Nachwirkungsfunktion, von deren Form die jeweilige Spannungs-Dehnungs-Beziehung abh¨ angt. Wie man sieht, ergibt sich f¨ ur ϕ(Δt) = 0 wie zu erwarten wieder das Hooke’sche Gesetz. Von den vielen Nachwirkungsfunktionen, die im Prinzip m¨oglich w¨aren, hat eigentlich nur eine, die sogenannte Relaxationsfunktion, Bedeutung. Man geht dabei davon aus, dass sich bei einer Dehnung gewisse molekulare Vorg¨ange (Platzwechsel, Kristallwandverschiebungen, Ver¨anderung der Molek¨ ulstruktur, Anregung von bestimmten Molek¨ ulschwingungen, etc.) ereignen, die
3.1 D¨ ampfungsmechanismen und ihre Darstellungsweise
141
allm¨ahlich angeregt werden und auch allm¨ ahlich wieder abklingen. Wird beispielsweise durch die Dehnung ein Kettenmolek¨ ul in Schwingungen versetzt, so kann man annehmen, dass diese Schwingungen exponentiell wieder abklingen; die Nachwirkungsfunktion“ wird also die Form ” D2 −Δt/τ (3.5) ϕ(Δt) = e τ haben. Dabei ist D2 eine Konstante und t die sogenannte Relaxationszeit, also im oben genannten Beispiel eine Art Abklingzeit der Molek¨ ulschwingungen. Wie der Spannungsverlauf bei gegebener Dehnung aussieht, kann man in Bild 3.1 f¨ ur zwei Beispiele sehen. Bei dem linken Beispiel handelt es sich um den Kraftverlauf, der notwendig ist, um eine pl¨otzliche Dehnung von 0 auf 0 zu bewirken. Wie man sieht, ist erst eine relativ große Kraft notwendig, die sich nach einiger Zeit, wenn sich der K¨orper an den neuen Zustand gew¨ohnt“ hat, verringert. Das rechte Beispiel zeigt den Spannungsverlauf bei ” einer periodischen Dehnung. Dieser Fall sei auch noch explizit ausgerechnet, da er besonders wichtig ist. Setzt man (3.2) und (3.5) in (3.4) ein, so erh¨alt man ∞ D2 cos ω(t − Δt)e−Δt/τ d(Δt) ˆ σ(t) = D1 ˆ cos ωt − τ 0 (3.6) D2 ωτ = D1 − 2 2 ˆ cos ωt − D2 2 2 ˆ sin ωt. ω τ +1 ω τ +1 Es wird also auch durch Relaxationsvorg¨ ange eine Phasenverschiebung und damit Vernichtung von mechanischer Energie bewirkt. Wieviel mechanische Energie in W¨arme umgewandelt wird, h¨ angt vom zweiten Glied in (3.6) also im Wesentlichen von der Relaxationszeit und der jeweiligen Frequenz ab. Mit (3.4) und (3.5) lassen sich alle beobachteten linearen SpannungsDehnungs-Beziehungen erkl¨ aren. Man muss h¨ochstens noch annehmen, dass gleichzeitig mehrere Relaxationsvorg¨ ange stattfinden, d.h., dass (3.5) durch eine Summe gleichartiger Formeln mit verschiedenen Relaxationszeiten zu ersetzen ist. Aus diesem Grunde ist das Relaxationsmodell der Nachwirkung allgemein als richtig anerkannt. Neben dem Viskosit¨ ats- und dem Relaxationsmodell nach (3.1) bzw. (3.4) gibt es noch eine Reihe von anderen Vorschl¨agen zur mathematischen Beschreibung der D¨ ampfung. Relativ bekannt sind die Modelle von Maxwell [3.4] und von Zener [3.5], f¨ ur die die Spannungs-Dehnungs-Relationen lauten: 1 dσ 1 d = + σ, dt D dt ν dσ d σ + τ1 = D + τ2 . dt dt
Maxwell: Zener:
(3.7)
Dabei sind ν die Z¨ ahigkeit und τ1 bzw. τ2 Relaxationszeiten. Das MaxwellModell wird haupts¨ achlich zur Beschreibung von Fließvorg¨angen benutzt, das Zener-Modell ist eine Kombination von (3.1) und dem Maxwell-Modell.
142
3 D¨ ampfung
Bild 3.1. Dehnungs- und Spannungsverlauf bei einer vorgegebenen pl¨ otzlichen (links) oder periodischen (rechts) Dehnung (angenommene Werte: D1 = 2d2 , ωτ = 0, 2)
3.2 Komplexer Modul und komplexe Wellenzahl Beschr¨ankt man sich auf harmonische Vorg¨ ange (aus denen man beliebige andere Zeitverl¨aufe zusammensetzen kann), dann lassen sich die SpannungsDehnungs-Beziehungen sehr einfach schreiben, wenn man komplexe Zeiger benutzt und einen ebenfalls komplexen Modul einf¨ uhrt. Es gilt dann σ(t) = Re Dˆ ejωt = D ˆ cos ωt − D ˆ sin ωt. (3.8) Dabei ist
D = D + jD = D (1 + jη)
(3.9)
der komplexe Elastizit¨ atsmodul. Die Gr¨ oße η=
D D
bedeutet den sogenannten Verlustfaktor.2 Der Verlustfaktor wird im Folgenden noch oft vorkommen, weil er zu einer großen Vereinfachung der Rechnungen f¨ uhrt. Einem frequenzunabh¨ angigen Verlustfaktor liegt kein physikalisches Modell zugrunde; er stellt aber h¨ aufig eine sehr gute N¨aherung dar, solange man mit einzelnen Frequenzen oder mit Frequenzgemischen rechnet. ¨ Beim Ubergang vom Frequenzbereich zum Zeitbereich k¨onnen sich allerdings Probleme ergeben. 2
In der Physik der Hochpolymere wird der Verlustfaktor h¨ aufig auch mit d bezeichnet.
3.2 Komplexer Modul und komplexe Wellenzahl
143
In Tabelle 3.1 sind f¨ ur die angegebenen Modelle Real- und Imagin¨arteil des Moduls sowie der Verlustfaktor angegeben. Bild 3.2 zeigt den prinzipiellen Frequenzgang; in Bild 3.3 ist die sogenannte Isolierwirkung“ einer stark ” idealisierten elastischen Lagerung aufgetragen, also das Kraftverh¨altnis bei einem Einmassenschwinger, der eine Feder nach einem der Modelle enth¨alt. Das Zener-Modell ist in der Tabelle und in den Abbildungen nicht explizit aufgef¨ uhrt, weil es mit der Substitution D2 /D1 = (τ2 − τ1 )/τ2 in das Boltzmann-Modell u ¨bergeht. Tabelle 3.1. Frequenzgang der Moduln und des Verlustfaktors D
D
η
D
Dωϑ
ωϑ
Maxwell
ω 2 ν 2 /D 2 D 1+ω 2 ν 2 /D 2
ων/D D 1+ω 2 ν 2 D2
D/ων
Boltzmann
D1 −
ωτ D2 1+ω 2τ 2
D2 ωτ D1 −D2 +D1 ω 2 τ 2
η0 D
η0
Typ Voigt-Kelvin
konstanter faktor η0
Verlust-
D2 1+ω 2 τ 2
D
Bild 3.2 zeigt, dass beim Boltzmann-Modell in der N¨ahe von ωt = 1 der Modul um den Faktor (1+ηmax ) ansteigt, und der Verlustfaktor ein Maximum hat. Bild 3.3 zeigt, dass die f¨ ur das Voigt-Kelvin-Modell typische Verringerung der Isolierwirkung“ bei hohen Frequenzen bei den anderen Modellen kaum ” auftritt. Setzt man den soeben definierten Elastizit¨ atsmodul D in die Wellenglei¨ chung ein, so ergibt sich als wesentliche Anderung, dass die Ausbreitungsgeschwindigkeit komplex wird. Statt (2.13) erh¨ alt man also #√ #√ # 2 + D 2 + D2 D D D2 + D2 − D = +j . cL = cL + jcL = ρ 2ρ 2ρ (3.10) (3.10) kann man f¨ ur schwache D¨ ampfung, d.h. D D bzw. η 1 sehr gut ann¨ahern, indem man # η D 1+j (3.11) cL ≈ ρ 2 setzt. Selbst bei η = 0, 5 gibt diese N¨ aherung nur Abweichungen von ca. 4%. Erst bei η > 1 treten Fehler u ur die Wellenzahl erh¨alt man ¨ber 10% auf. F¨ nat¨ urlich auch einen komplexen Wert, und zwar " ρ η ω kL = (3.12) 1 − j = kL − jkL ≈ cL D 2
144
3 D¨ ampfung
Bild 3.2. Frequenzgang des Realteiles des normierten Moduls und des Verlustfaktors (Dv , ηv = Voigt-Kelvin; DB , ηB = Boltzmann; DM , ηm = Maxwell
f¨ ur die Ausbreitung in positiver x-Richtung. ¨ Ahnliche Gleichungen gelten auch f¨ ur Quasilongitudinalwellen in Platten und St¨aben sowie f¨ ur Torsions- und Transversalwellen. Als Vereinfachung kommt dabei noch hinzu, dass bei homogenen isotropen Medien der Verlustfaktor f¨ ur Dehnung und Scherung erfahrungsgem¨aß gleich ist (bei anisotropen K¨orpern ist das durchaus nicht der Fall). Es gilt also auch bei Transversalwellen bei schwacher D¨ ampfung # " G ρ η η cT ≈ 1−j 1+j ; kT ≈ ±ω . (3.13) ρ 2 G 2
3.2 Komplexer Modul und komplexe Wellenzahl
145
Bild 3.3. Isolierwirkung“ eines Masse-Feder-Systems (kV = Voigt-Kelvin; B = ” Boltzmann; M = Maxwell; η0 = konstanter Verlustfaktor)
Bei reinen Biegewellen erh¨ alt man durch Einsetzen des entsprechenden komplexen Moduls in (2.93) " " B m η η 4 4 2 cB ≈ ω 1 + j ; kB ≈ ω ω 2 1−j . (3.14) m 4 B 4 angeneinheit). (m = Masse pro L¨ Die physikalische Bedeutung der komplexen Wellenzahl bzw. Geschwindigkeit erkennt man sofort, wenn man die Gr¨ oße in die entsprechende Zeigergleichung einsetzt. Eine ebene in positiver x-Richtung fortschreitende Welle kann durch
146
3 D¨ ampfung
jωt−jkx = |ˆ u| cos(ωt − kx + ϕ) u(x, t) = Re u ˆe
(3.15)
dargestellt werden. Bei Verwendung einer komplexen Wellenzahl wird daraus u(x, t) = Re u ˆejωt−jk x−k x = |ˆ u| e−k x cos(ωt − k x + ϕ) (3.16) Das Vorhandensein einer komplexen Wellenzahl, und damit eines komplexen Moduls, bedeutet also, dass eine ebene fortschreitende Welle exponentiell abnimmt. Nachdem f¨ ur kleine D¨ ampfung und bei Longitudinal-, Quasilongitudinal-, Transversal- und Torsionswellen k = k η/2 = πη/λ gilt, besagt (3.16), dass bei Ausbreitung in einer Richtung (also ohne reflektierte Wellen) innerhalb einer Wellenl¨ange die Amplitude von eins auf e−πη abnimmt; innerhalb der Strecke Δx erfolgt also eine Pegelabnahme um ΔL =
8, 7πηΔx dB. λ
(3.17)
Bei Biegewellen betr¨ agt die Pegelabnahme wegen kB ≈ πη/2λB
ΔLB =
4, 34πηΔx dB. λB
(3.18)
(3.17) und (3.18) unterscheiden sich um den Faktor 2, weil bei Biegewellen die Gruppengeschwindigkeit - also die f¨ ur die Energieverh¨altnisse und damit auch f¨ ur die D¨ampfung maßgebliche Geschwindigkeit - doppelt so groß ist wie die Phasengeschwindigkeit (siehe (2.99)). F¨ ur die komplizierteren Schwingungsformen, die in Abschnitt 2.7 (siehe insbesondere Bild 2.25) behandelt wurden, kann man Ausbreitungsgeschwindigkeit und D¨ampfung ebenfalls durch Einsetzen von komplexen Moduln erhalten. Die entsprechenden Gleichungen sind jedoch sehr kompliziert. Bisher sind nur die L¨osungen f¨ ur gummielastische Platten (m ≈ 0, 5) mit reinen Schubverlusten bekannt (Tamm, Weis [3.6],[3.7]). Die Rechnungen zeigen, dass die Moden mit den hohen Ausbreitungsgeschwindigkeiten (c cT ) bei hohen Verlusten sehr stark ged¨ ampft sind, so dass - grob gesprochen - nur die Biegewelle bzw. die Rayleigh-Welle, die Transversalwelle und die Quasilongitudinalwelle u ¨brig bleiben. Es ist interessant, neben dem ¨ ortlichen Verlauf einer Schwingung auch den Energieinhalt zu studieren. Dazu wird ein System angenommen, das zu zeitlich periodischen Schwingungen der Kreisfrequenz ω angeregt wird - beispielsweise also einen von einem elektrodynamischen K¨ orperschallsender zu Quasilongitudinalwellen angeregten Stab. Die in einem gegebenen Volumenelement dieses Systems auftretenden Dehnungen k¨ onnen wieder durch jωt (t) = Re ˆe = |ˆ | cos(ωt + ϕ) (3.19) beschrieben werden. F¨ ur die Spannung ergibt sich demnach (siehe 3.3, 3.6, 3.8)
3.2 Komplexer Modul und komplexe Wellenzahl
σ(t) = Re Dˆ ejωt = D |ˆ |
1 − η2 cos(ωt + arctan η + ϕ) .
147
(3.20)
Wie man sieht, ist die Phasenverschiebung zwischen Spannung und Dehnung ein Maß f¨ ur den Verlustfaktor η. Die Dichte der potentiellen Energie ergibt sich nach (2.6) zu ' 2
1 + η2 |ˆ | D ηωt + cos(2ωt + arctan η + 2ϕ) + C . EPot = σd = 2 2 0 (3.21) Dabei ist C eine von den Integrationsgrenzen abh¨angige unwichtige Konstante. Der durch (3.21) ausgedr¨ uckte zeitliche Verlauf der Energiedichte ist in Bild 3.4 graphisch dargestellt. Wie man sieht, w¨achst die mittlere Energiedichte mit der Zeit; da jedoch die Schwingungsamplitude und damit die rein mechanische (reversible) Energie gleich bleibt, muss die zus¨atzlich zugef¨ uhrte Energie (das Glied ηωt in (3.21)) in eine andere Energieform (W¨arme) umgewandelt werden. Durch die vom K¨ orperschallanreger st¨andig zugef¨ uhrte Energie wird das Material also letzten Endes erw¨armt. Man kann sich diesen Sachverhalt auch durch das Spannungs-DehnungsDiagramm verdeutlichen. Durch Einsetzen on (3.19) in (3.20) erh¨alt man | . (σ(t) − (t)D )2 + (t)2 D 2 η 2 = η 2 D 2 |ˆ 2
(3.22)
Diese Gleichung stellt bekanntlich eine Ellipse dar, deren Mittelpunkt im Ursprung liegt. Sie ist in Bild 3.5 in dimensionsloser Form dargestellt. Es sind dabei auch die L¨ angen der beiden Halbachsen angegeben. Sie ergeben als Ellipsenfl¨ache in der dimensionslosen Darstellung: √ η SE = π 2 √ = πη . 2 Nun ist aber die innerhalb einer Schwingung der Dauer T verloren gegangene Energie Ev durch 5 5 σ 2 Ev = σd = D |ˆ | |2 SE = πD |ˆ |2 η, (3.23) d = D |ˆ D |ˆ | |ˆ | also gerade durch die Fl¨ ache der Ellipse gegeben. F¨ ur die innerhalb der Zeit t verloren gegangene Energie folgt also Ev
t ωt ηωt = Ev = |ˆ |2 D ; T 2π 2
das ist genau derselbe Wert, der sich im Zeitmittel aus (3.21) ergibt. Aus den Energiebeziehungen kann man eine sehr anschauliche Definition des Verlustfaktors ableiten. Dividiert man n¨ amlich (3.23) durch die wiedergewinnbare (reversible) mechanische Energie ER =
1 2 |ˆ | D , 2
148
3 D¨ ampfung
Bild 3.4. Zeitlicher Verlauf der inneren Energie in einem periodisch schwingenden Material mit D¨ ampfung, berechnet nach (3.21) f¨ ur η = 0, 2
so erh¨alt man η=
Ev . 2πER
(3.24)
Der Verlustfaktor gibt also an, wie groß die innerhalb einer Schwingungsperiode in W¨arme umgewandelte (verloren gegangene) Energie im Verh¨altnis zur wiedergewinnbaren mechanischen Energie ist. Es ist zu beachten, dass im Nenner von (3.24) die reversible Energie und nicht - wie man es von WirkungsgradDefinitionen her gewohnt ist - die gesamte Energie steht. Lediglich bei kleiner D¨ampfung ist dieser Unterschied belanglos. Wie die reversible Energie zu den
3.2 Komplexer Modul und komplexe Wellenzahl
149
Bild 3.5. Spannungs-Dehnungs-Kurve eines verlustbehafteten Mediums bei periodischer Beanspruchung (η = 0, 2)
Energieschwankungen mit der Zeit in Beziehung steht, ist aus Bild 3.4 ersichtlich. Neben der Energieumwandlung in einem System, dessen Schwingungsamplituden durch eine ¨ außere Anregung konstant gehalten werden, ist f¨ ur die Praxis auch das zeitliche Abklingen von Interesse, wenn keine Energiezufuhr erfolgt. Man macht dabei davon Gebrauch, dass die verloren gegangene Energie Ev nach Mitteilung u ¨ber je eine Schwingungsperiode nach (3.24) oder agt. Der Zeitverlauf des Energieverlusts ist demnach (3.21) Ev = 2πηER betr¨ Ev (t) = Ev
t = ωηER t. T
(3.25)
150
3 D¨ ampfung
Es sei nun mit ER0 die reversible mechanische Energie zur Zeit t = 0 eines mit der Kreisfrequenz ω in Resonanz schwingenden System bezeichnet. Von t = 0 an sei das System sich selbst u ¨berlassen; allm¨ahlich setzt sich also die mechanische Energie in W¨ arme um. Weiter wird angenommen, dass in dem System nur ein Energiereservoir (z.B. ein Einmassenschwinger) vorhanden ¨ ist und dass die Anderung des Spitzenwertes von Periode zu Periode klein ist. Bezeichnet man die bis zur Zeit t in W¨ arme umgewandelte Energie mit Ev (t), so ist wegen des Energieerhaltungssatzes die zur Zeit t noch verf¨ ugbare reversible mechanische Energie ER (t) = ER0 − Ev (t); die im Zeitintervall von ur die gesamte t bis t + dt umgewandelte Energie ist also [ER0 − Ev (t)]ηωdt. F¨ bis zur Zeit t umgewandelte Energie folgt daraus t
[ER0 − Ev (t)]ηωdt .
Ev (t) =
(3.26)
0
Differenziert man (3.26) nach t, so ergibt sich eine einfache Differentialgleichung f¨ ur Ev (t), die erwartungsgem¨ aß eine Exponentialfunktion als L¨osung hat (3.27) Ev (t) = ER0 (1 − e−ηωt ) bzw. ER (t) = ER0 e−ηωt . Die Energie nimmt exponentiell mit der Abklingkonstanten ηω ab.
3.3 Resonanzschwingungen von ged¨ ampften St¨ aben F¨ ur die Messung des Verlustfaktors wird h¨ aufig die Frequenzabh¨angigkeit insbesondere die sogenannte Halbwertsbreite - von Schwingungen bei gegebener Anregung gemessen. Diese Methode ist zwar von der Messung der D¨ampfung bei Schwingungen mit einem Freiheitsgrad her gut bekannt; sie soll jedoch hier noch etwas ausf¨ uhrlicher behandelt werden, weil bei Messungen an St¨aben und anderen festen K¨ orpern einige Gesichtspunkte von Bedeutung sind, die bei Systemen mit einem Freiheitsgrad (z.B. Masse-Federsystemen) nicht auftreten. Hier wird zur Beschreibung der D¨ ampfung fast immer der Verlustfaktor ¨ benutzt. Eine Ubersicht u oßen, die ebenfalls zur Angabe der ¨ber verwandte Gr¨ D¨ampfung benutzt werden k¨ onnen, gibt die folgende Tabelle. Tabelle 3.2. Umrechnungsformeln f¨ ur D¨ ampfungsgr¨ oßen Verlustfaktor η =
η
b/f
2, 2/T f
Λ/π
Bandbreite [Hz] b =
ηf
b
2, 2T
Λf /π
Nachhallzeit [s] T =
2, 2η/f
2, 2/b
T
6, 8/Λf
log. Dekrement Λ =
ηπ
πb/f
6, 8/T f
λ
Phasenwinkel [rad] ϕ = arctan η arctan(b/f ) arctan(2, 2/T f ) arctan(Λ/π) λ=Wellenl¨ ange; c= Phasengeschwindigkeit
3.3 Resonanzschwingungen von ged¨ ampften St¨ aben
151
(1 − jη/2) bei Longitudinalwellen Lehrsches D¨ ampfungsmaß = 2η k L ≈ kL (1 − jη/4) bei Biegewellen k B ≈ kB
Pegelabnahme f¨ ur ebene Biegewellen: 13, 6η/λ [dB/m]
D¨ ampfungsgrad: ϑ = η/2 DB
= Resonanzg¨ ute Q = 1/η
Pegelabnahme f¨ ur Longitudinalwellen: Abklingkonstante: δ = ηπf DL = 27, 2η/λ [dB/m] E = E (1 + jη) komplexer E-Modul
3.3.1 Quasilongitudinal- und Torsionswellen Von den verschiedenen Verfahren, die Schwingungen eines Stabes zu berechnen, soll zuerst eine etwas umst¨ andliche, aber physikalisch sehr durchsichtige Methode benutzt werden, bei der die Schwingungen eines endlichen Stabes aus dem Verhalten eines unendlich langen Stabes ermittelt werden. Man nimmt dazu an, dass ein Stab (Bild 3.6) an einem Ende von der Kraft F = Re Fˆ ejωt angeregt wird. In einem unendlich langen Stab w¨ urde das zu einer Wellenbewegung der Form Fˆ vˆ0 (x) = e−jkx (3.28) Z f¨ uhren. Dabei ist Z der wegen der komplexen Ausbreitungsgeschwindigkeit komplexe Eingangswiderstand (bei Quasilongitudinalwellen und freiem Stabende cLII ρS, siehe Kap.4), k ist die komplexe Wellenzahl.
Bild 3.6. Wellenausbreitung auf einem Stab
Wenn die durch (3.28) gegebene Welle am Ende des Stabes ankommt, hat die Schnelle den Wert Fˆ −jkls e . Z Es folgt nun eine Reflexion, die, wenn der Reflexionsfaktor f¨ ur die Schnelle an ucklauder Stelle x = ls durch r1 (komplex) gekennzeichnet wird, zu einer r¨ fenden Welle der Form
152
3 D¨ ampfung
Fˆ r e−jk(2ls −x) . Z 1 f¨ uhrt. An der Stelle x = 0 wird die Welle erneut reflektiert und besitzt danach (der Reflexionsfaktor an der Stelle x = 0 heißt r0 ) die Amplitude Fˆ r r e−jk(2ls +x) . Z 1 0 Die zweifach reflektierte Welle wird an der Stelle x = ls erneut reflektiert, und so fort. Die Reflexionen wiederholen sich beliebig oft, im station¨aren Zustand, bei dem alle Teilwellen gleichzeitig vorhanden sind, gilt deshalb Fˆ −jkx e + r 1 e−jk(2ls −x) + r 0 r 1 e−jk(2ls +x) + r0 r12 e−jk(4ls −x) . . . . Z (3.29) Wie man sieht, bilden das erste, dritte, f¨ unfte, . . . Glied eine geometrische ur das zweite, Reihe mit dem Multiplikator r0 r1 e−2jkls ; genau dasselbe gilt f¨ vierte, sechste, . . . Glied. Man kann also die Summenformel f¨ ur unendlich lange geometrische Reihen anwenden und erh¨ alt vˆ(x) =
vˆ(x) =
Fˆ e−jkx + r1 e−jk(2ls −x) . Z 1 − r0 r1 e−jk2ls
(3.30)
Aus (3.30) sieht man u ¨brigens noch einmal, wie die Resonanzstellen - also die Nullstellen oder die Minima des Nenners - durch das Prinzip vom geschlossenen Wellenzug gegeben sind (siehe Abschnitt 2.4). Ein geschlossener Wellenzug besteht n¨ amlich gerade aus einer Phasenverschiebung um 2kls und der Reflexion an den beiden Enden des Stabes. Ein geschlossener Wellenzug liegt also vor, wenn r0 r1 e−2jkl dem Wert eins so nahe wie m¨oglich kommt. Zur Illustration der Allgemeing¨ ultigkeit von (3.30) seien noch einige Grenzf¨alle angegeben. Ist der Stab an beiden Enden frei (r0 = r1 = 1) und sehr kurz (kls < 1), dann kann man die Exponentialfunktionen in (3.30) entwickeln und erh¨alt Fˆ 1 . (3.31) vˆ(x) ≈ Z jkls Bei einem zu Quasilongitudinalwellen angeregten Stab, bei dem Zkls = ωρSls gilt, bedeutet das, dass der beiderseits freie, kurze Stab sich erwartungsgem¨aß wie eine Masse verh¨ alt. Ist der Stab auf einer Seite frei und auf der anderen alt man durch Multiplikation von eingespannt (r0 = 1, r1 = −1), dann erh¨ (3.30) mit ejkls Fˆ sin k(ls − x) vˆ(x) = j . (3.32) Z cos k(ls − x) Bei kurzen St¨aben (kls < 1) wird daraus vˆ(x) ≈ j
Fˆ k(ls − x) Z
bzw. vˆ(0) ≈ jkls
Fˆ , Z
(3.33)
3.3 Resonanzschwingungen von ged¨ ampften St¨ aben
153
die Impedanz des Stabes nimmt Federungscharakter an. Bei Quasilongitudinalwellen ergibt sich daraus (wegen Z = S(Eρ)1/2 und k = ω(ρ/E)1/2 : Fˆ vˆ(0) ≈ jωls . (3.34) SE Besonders wichtig f¨ ur die messtechnische Anwendung ist das Verhalten von (3.30) in der N¨ahe der Minima des Nenners. Um diese Minima zu finden, nimmt man an, dass an den beiden Stabenden bei der Reflexion keine Energieverluste (d.h. |r| = 1), sondern h¨ ochstens Phasenspr¨ unge γ0 bzw. γ1 erfolgen (siehe Abschnitt 2.4). F¨ uhrt man nun die komplexe Wellenzahl k = k − jk ein (siehe 3.12), so erh¨ alt man f¨ ur den Nenner von (3.30) 1 − e2k
ls
[cos(2k ls − γ0 − γ1 ) − j sin(2k ls − γ0 − γ1 )].
(3.35)
Bei kleiner D¨ampfung, also bei k ls < 1, wird der Minimalwert dieser Funktion und damit das Maximum der Schnelle f¨ ur 2k ls − γ0 − γ1 = 2nπ erreicht. Wie man durch Vergleich mit (2.160) sieht, sind das genau die Resonanzfrequenzen des unged¨ ampften Stabes. Bei nicht sehr kleiner D¨ampfung muss man die Minima von (3.35) durch Nullsetzen der Ableitung nach k ermitteln. Man erh¨ alt dann Resonanzfrequenzen, die etwas zu tieferen Frequenzen verschoben sind. Ob die Minima des Nenners von (3.30) mit einem Maximum der Schnelle zusammenfallen, das h¨ angt noch vom jeweiligen Beobachtungsort ab. Der Z¨ ahler von (3.30) ist n¨ amlich periodisch in x; es treten also Schwingungsknoten und B¨auche auf. Zur Verdeutlichung sind in Bild 3.7 die Frequenzabh¨angigkeit und die Ortsabh¨angigkeit der Schnelle f¨ ur verschiedene D¨ampfungen aufgetragen. In beiden F¨allen wurde ein beiderseits freier Stab und eine f¨ ur alle Frequenzen gleiche anregende Kraft angenommen. Die Schnelle ist also durch
2
F cosh 2k (ls − x) + cos 2k (ls − x) (3.36) |v(x)|2 =
Z cosh 2k ls − cos 2k ls gegeben. Als Abszisse dient in Bild 3.7 links die mit der L¨ange multiplizierte Wellenzahl k , also eine zur Frequenz proportionale Gr¨oße, w¨ahrend die Abszisse rechts die Entfernung x multipliziert mit der Wellenzahl k bedeutet. Die Ordinate wurde auf den willk¨ urlichen Wert v0 bezogen. Man sieht, dass mit wachsender D¨ ampfung und Frequenz die Kurven immer flacher werden und sich allm¨ahlich wie eine exponentiell abklingende Funktion verhalten. Das Verhalten in der N¨ ahe der Resonanzstellen kann man bei kleiner D¨ampfung noch in eine einfache Form bringen, indem man (3.30) um eine Resonanzstelle entwickelt. Dabei ist allerdings zu beachten, dass sowohl Z¨ahler als auch Nenner von der Frequenz abh¨angen. Am einfachsten nimmt
154
3 D¨ ampfung
Bild 3.7. Links: Frequenzgang eines beiderseits freien, zu Quasilongitudinal- oder Tosionswellen angeregten Stabes. Nach (3.36) an der Stelle x = ls gerechnet. Rechts: ¨ Ortlicher Schwingungsverlauf eines beiderseits freien, zu Longitudinal- oder Torsionswellen angeregten Stabes. Nach (3.36) f¨ ur k ls = 4π berechnet.
man daher an, dass die Schnelle in einem Schwingungsbauch (Maxima in Bild 3.7 rechts) gemessen werde, also an einer Stelle, in der die Kurve der Ortsabh¨angigkeit sehr flach ist. In den Schwingungsknoten gilt die folgende Rechnung nicht, da an diesen Stellen eine kleine Frequenz¨anderung zu ¨ großen Anderungen in Z¨ ahler und Nenner von (3.30) f¨ uhrt. In den Schwingungsb¨auchen erh¨ alt man aus (3.30) vB =
1 − |r0 r 1
v0 l −j(2k l −γ −γ ) . −2k s s 0 1 |e
Wenn die D¨ampfung klein ist und wenn nur das Verhalten in der N¨ahe der Resonanzstellen interessiert, dann kann man die N¨aherungen e−2k ls ≈ 1 − 2k ls = 1 − ηk l und e−j(2k ls −γ0 −γl ) ≈ 1 − 2jΔk ls benutzen und erh¨alt vB ≈
v0 . 1 − r(1 − 2k ls − 2jΔk ls )
Wie zu erwarten hat diese Funktion an der Resonanzstelle (Δk ls = 0) ihr Maximum. Es gilt also
3.3 Resonanzschwingungen von ged¨ ampften St¨ aben
155
vB 1 1 − r(1 − 2k ls ) ≈ ≈ . l s v max 1 − r(1 − 2k ls − 2jΔk ls ) 1 + j kΔk l + 1−r s
Daraus ergibt sich dann
v B 2
≈
v
max
1+
1
2 .
Δk 1 k (k /k )+ 1−r 2rk l
2r
(3.37)
s
in der N¨ahe der Resonanzfrequenz hat der Frequenzgang den bekannten typischen Resonanzcharakter (siehe auch (1.39) und Bild 3.8), wobei die Breite der Resonanzgipfel von den Energieverlusten bei der Reflexion und von der inneren D¨ampfung abh¨ angt.
Bild 3.8. Schwingungsverhalten in der N¨ ahe einer Resonanz bei kleiner D¨ ampfung
Treten keine Energieverluste bei der Reflexion auf (|r0 r l | = 1), dann wird aus (3.37)
v B 2 1
≈ (3.38) Δk 2 .
v
max 1 + k
Geht man hier von der Wellenzahl auf die dazu proportionale Frequenz u ¨ber, dann wird Δk /k = Δf /fn , wobei Δf der Frequenzunterschied zur Gipfelfre-
156
3 D¨ ampfung
quenz fn ist; außerdem kann man k = ηk /2 setzen (siehe (3.12)) und erh¨alt damit
v B 2 1
≈ (3.39) 2.
v
1 + (2Δf /ηfn ) max Die Halbwertsbreite der Resonanzkurve (siehe Bild 3.7) ist also b = ηfn . Wie man sieht, ist die Ermittlung des Resonanzverhaltens ein einfaches Mittel zur Bestimmung der D¨ ampfung vorausgesetzt, dass der Verlustfaktor nicht zu groß ist und dass in einem Schwingungsbauch gemessen wird. In a¨hnlicher Weise kann man auch die Schwingungen in der N¨ahe der Knotenstellen entwickeln und erh¨ alt bei festgehaltener Frequenz ' 4|r1 |e−2k (ls −x) 2 2 2 (kΔx) . |v K | ≈ |v min | 1 + (3.40) (1 − |r 1 |e−2k (ls −x) )2 ur |r1 | ≈ 1) Bei verschwindender D¨ ampfung (k = 0) wird daraus (f¨ ' ' 2 2 2 2kΔx 4π Δx 2 2 2 = |v min | 1 + . |v K | ≈ |v min | 1 + 1 − |r1 | 1 − |r1 | λ (3.41) Bei vollst¨andiger Reflexion am Ende (|r1 | = 1) folgt mit der N¨aherung e−2k (ls −x) = 1 − 2k (ls − x) ' 2 2 k Δx 2 2 |v K | ≈ |v min | 1 + . (3.42) ls − xn k Wie man sieht, besteht eine enge Verwandtschaft zwischen dem Verhalten einer Stabschwingung um eine Resonanzstelle und um einen Knotenpunkt. Der Resonanzstelle fn entspricht dabei der Ort xn des Schwingungsknotens, der Frequenzverschiebung Δf die ¨ ortliche Verschiebung Δx; dass in einem Fall der Ausdruck 1 + . . . im Nenner, im anderen Fall im Z¨ahler auftritt, ist, besonders wenn man die Schnelle in einer logarithmischen Einheit misst, nicht entscheidend. Neben der eben behandelten Methode, die Schwingungen eines Stabes darzustellen, gibt es noch mehrere andere, von denen die wichtigste die sogenannte Vierpoldarstellung ist. Man gewinnt diese Darstellung, wenn man davon ausgeht, dass das Wellenfeld auf einem Stab aus hin- und zur¨ ucklaufenden Wellen besteht. Die Schnelle kann also durch v(x) = v + e−jkx + v − ejkx
(3.43)
dargestellt werden. Dabei sind v+ und v− vorl¨ aufig noch unbestimmte Gr¨oßen. F¨ ur die im Stab wirkende Kraft ergibt sich aus der obigen Gleichung F (x) = Zv + e−jkx − Zv − ejkx .
(3.44)
3.3 Resonanzschwingungen von ged¨ ampften St¨ aben
157
Der hier auftretende Vorzeichenwechsel ist auf die unterschiedliche Richtung der Wellen zur¨ uckzuf¨ uhren. Die obige Darstellung muss in allen Stellen g¨ ultig sein, also auch in der Stelle x = 0. Man erh¨ alt daraus f¨ ur v+ und v− die Bestimmungsgleichungen v0 = v+ + v− ,
F 0 = Z(v + − v − ).
Setzt man die sich dabei ergebenden Werte f¨ ur v+ und v− in (3.43) und (3.44) ein, dann erh¨alt man beispielsweise f¨ ur die Stelle x = ls F0 sin kls Z F 1 = −jZv 0 sin kls + F 0 cos kls . v1 = v 0 cos kls − j
(3.45)
(3.45) stellt eine Vierpolgleichung des Stabes dar. Sie verkn¨ upft Schnelle und Kraft am Stabanfang mit den entsprechenden Gr¨oßen am Ende. Die Umkehrung von (3.45) lautet F1 sin kls Z F 0 = jZv1 sin kls + F 1 cos kls . v0 = v 1 cos kls + j
(3.46)
Selbstverst¨andlich f¨ uhren (3.46) und (3.30) stets zu denselben Ergebnissen. Ob (3.30) oder die Vierpoldarstellung nach (3.46) f¨ ur die Rechnung vorteilhafter ist, h¨angt vom jeweiligen Problem ab. Sind die Reflexionsfaktoren bekannt, dann ist (3.30) die angemessene Beschreibungsart. Handelt es sich dagegen um ¨ die Ubertragung von einem beliebigen System u ¨ber den Stab auf ein anderes System, dann ist die Vierpoldarstellung meist leichter handhabbar. 3.3.2 Biegewellen Wollte man das im letzten Abschnitt benutzte Verfahren auch auf Biegewellen anwenden, dann m¨ usste man statt der einfachen Exponentialfunktionen in (3.28) bis (3.30) die komplizierteren Ausbreitungsfunktionen der Biegewellen, die aus Nah- und Wellenfeldern bestehen, benutzen. Auf diese Weise w¨ urde man jedoch zu relativ langen und umst¨ andlichen Rechnungen kommen3 . Aus diesem Grunde sollen die Biegewellen auf St¨ aben nach einem anderen Verfahren untersucht werden. 3
Wenn der Stab nicht zu kurz ist, stellt u ur Biegewellen ei¨brigens (3.30) auch f¨ ne sehr gute N¨ aherung dar, vorausgesetzt, dass die richtigen Reflexionsfaktoren eingesetzt werden (also beispielsweise r 0 = r1 = −j beim freien Stab). Da die N¨ aherung darin liegt, dass nur die Nahfelder vernachl¨ assigt werden, kann man die im letzten Abschnitt gewonnenen Ergebnisse auch auf Biegewellen anwenden, wenn man ein Gebiet von je einer halben Wellenl¨ ange an beiden Enden des Stabes von der Betrachtung ausschließt.
158
3 D¨ ampfung
Wie (2.131) zeigt, besteht die Biegeschwingung eines Stabes aus vier L¨osungsbestandteilen der Wellengleichung v(x) = v + e−jkx + v − ejkx + v +j e−kx + v −j ekx .
(3.47)
Statt (3.47) kann man auch schreiben v(x) = v 1 cosh kx + v 2 sinh kx + v3 cos kx + v 4 sin kx.
(3.48)
Je nach Problem ist die eine oder andere Methode einfacher in der Handhabung. Die vier Unbekannten v+ , v− , v+j , v−j bzw. v1 , v2 , v3 , v4 ergeben sich aus den vier Randbedingungen. So gilt beispielsweise beim beiderseits freien Stab, der an der Stelle x = 0 von der Kraft F0 angeregt wird (siehe Kapitel 2.4.2) % Bk 2 $ −v + e−jkls − v − ejkls + v +j e−kls + v −j ekls = 0 jω % Bk 3 $ jv + e−jkls − jv − ejkls − v +j e−kls + v −j ekls = 0 F (ls ) ≡ jω % Bk 2 $ M (0) ≡ − −v + − v − + v +j + v −j = 0 jω % Bk 3 $ jv + − jv − − v +j + v −j = F 0 . F (0) ≡ jω
M (ls ) ≡ −
(3.49)
Rechnet man aus (3.49) die verschiedenen Koeffizienten aus, so erh¨alt man nach etwas langwierigen Rechnungen f¨ ur die Schwingungen eines zu Biegeschwingungen angeregten beiderseits freien Stabs folgende Gleichung v(x) =
jωF 0 A+B 3 2(1 − cos kls cosh kls ) Bk (3.50)
mit
A = sinh kls cos k(ls − x) − sin kx − cosh kls sin k(ls − x) B = − sin kls cosh k(ls − x) + sinh kx + cos kls sinh k(ls − x).
An der Stelle x = ls ergibt sich also v(ls ) =
jωF 0 sinh kls − sin kls Bk 3 1 − cos kls cosh kls
(3.51)
ur einen sehr kurzen Stab, kann man durch Entwicklung F¨ ur kls → 0, also f¨ bis zu Gliedern in (kls )4 zeigen, dass v(ls ) ≈
2F 0 jωm ls
(3.52)
3.3 Resonanzschwingungen von ged¨ ampften St¨ aben
159
gilt. Das selbe Ergebnis erh¨ alt man auch, wenn man die (aus einer Rotation und einer Translation bestehende) Bewegung eines einseitig angeregten starren Stabes berechnet. Die aus (3.50) und (3.51) berechnete Frequenzabh¨angigkeit am Stabenangigkeit bei der durch k ls = 9π/2 gegebenen de x = ls sowie die Ortsabh¨ konstanten Frequenz sind in Bild 3.9a) und 3.9b) aufgetragen. Dabei dient als Ordinate wieder der Logarithmus des Betrages der Schnelle, w¨ahrend k ls bzw. k x als Abszisse gew¨ ahlt wurden. Wegen k = ω1/2 (m /B)1/4 , ist in Bild 3.9a) die Abszisse proportional zur Wurzel aus der Frequenz.
Bild 3.9. a) Frequenzgang eines beiderseits freien, zu Biegeschwingungen angereg¨ ten Stabes. Nach (3.51) an der Stelle x = ls gerechnet. b) Ortlicher Schwingungsverlauf eines beiderseits freien, zu Biegeschwingungen angeregten Stabes. Nach (3.51) f¨ ur k ls = 9/2π berechnet.
(3.51) - jedoch nicht (3.50) - h¨ atte man wesentlich schneller mit Hilfe der sogenannten Achtpolgleichungen (Cremer [3.8]) ableiten k¨onnen. Zu dieser Darstellung gelangt man, wenn man die trigonometrischen und hyperbolischen Funktionen in (3.48) durch folgende Funktionen ersetzt
160
3 D¨ ampfung
1 (cosh kx + cos kx) = C(kx), 2 1 (sinh kx + sin kx) = S(kx), 2
1 (cosh kx − cos kx) = c(kx) 2 1 (sinh kx − sin kx) = s(kx). 2
Der Vorteil dieser Funktionen ist, dass sie durch Differentiation ineinander u ¨bergehen und zwar in der Reihenfolge C(kx), s(kx), c(kx), S(kx), C(kx); außerdem gilt C(0) = 1, S(0) = s(0) = c(0) = 0. Schreibt man nun Schnelle und Winkelgeschwindigkeit in der Form v x = αC(kx) + βS(kx) + γc(kx) + δs(kx) wx = k[αs(kx) + βC(kx) + γS(kx) + δc(kx)], dann sieht man sofort, dass die Schnelle v0 am Stabanfang identisch mit α sein muss, w¨ahrend f¨ ur die Winkelgeschwindigkeit am Stabanfang ω0 = kβ gelten muss. F¨ ur Moment und Kraft gelten entsprechende Beziehungen, so dass sich nach einigen Umrechnungen ergibt: 1 1 1 c(kx) + F 0 s(kx) v x = v 0 C(kx) + w0 S(kx) − M 0 k jW jW k 1 1 c(kx) wx = v 0 ks(kx) + w0 C(kx) − M 0 S(kx) + F 0 jW jW k jW 1 M x = −v 0 jW c(kx) − w0 s(kx) + M 0 C(kx) − F 0 S(kx) k k F x = v 0 jW kS(kx) − w0 jW c(kx) − M 0 ks(kx) − F 0 C(kx).
(3.53)
Dabei ist W = Bk 2 /ω = (Bm )1/2 (siehe 5.29). ¨ Ahnlich wie bei den Vierpolgleichungen ist auch hier die Umkehrung also die Darstellung der Gr¨ oßen am Stabanfang durch die am Stabende - sehr leicht vorzunehmen, da die Determinante der Koeffizientenmatrix wegen des Reziprozit¨atsprinzips gerade eins wird. Es zeigt sich dementsprechend, dass die Umkehrung nur zu einem Vorzeichenwechsel der S(kx) und s(kx) Glieder f¨ uhrt. F¨ ur die messtechnische Auswertung sind noch folgende N¨aherungsformeln von Interesse: F¨ ur k ls > π kann der Frequenzgang der Schwingungen am Stabende durch
ωF 0 2 2
|v(ls )|2 ≈
(3.54) Bk 3 cosh 2k ls + cos 2k ls ausgedr¨ uckt werden. F¨ ur die Ortsabh¨ angigkeit ergibt sich im Gebiet π < k x < k ls − π n¨aherungsweise
ωF 0 2 cosh 2k (ls − x) − sin 2k (ls − x)
|v(x)|2 ≈
. (3.55) cosh 2k ls + cos 2k ls Bk 3
Man kann sich leicht davon u ¨berzeugen, dass sich diese Formeln auch ergeben, wenn man in (3.30) r0 = r1 = −j einsetzt. Wie bereits erw¨ahnt kann man also
3.3 Resonanzschwingungen von ged¨ ampften St¨ aben
161
die einfachen Formeln von Abschnitt 3.3.1 auch auf die Biegeschwingungen eines langen Stabes anwenden, wenn man die richtigen Reflexionsfaktoren einsetzt. Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Wellenarten treten erst auf, wenn man von den Wellenzahlen k und k auf die Frequenz und den Verlustfaktor u ¨bergeht. Im Gegensatz zu Longitudinal- und Torsionswellen gilt n¨amlich f¨ ur Biegewellen k /k = η/4 (siehe auch 3.12 bis 3.14). Genauso wie bei Longitudinal- und Torsionswellen kann man auch bei schwach ged¨ampften Biegewellen die D¨ ampfung aus der Halbwertsbreite ermitteln. Ganz die selbe Rechnung wie in Abschnitt 3.3.1 f¨ uhrt auf 1 vB = l . s v max 1 + j Δk k ls F¨ ur die Biegewellen gilt k = 2k Δf /ηfn . Es folgt also
(3.56)
√ ω 4 m /B, deshalb ist Δk ≈ k Δf /2fn =
vB
v
2
1
= .
1 + ( 2Δf )2 max ηfn
(3.57)
Wie man sieht, gilt auch bei Biegewellen f¨ ur die Halbwertsbreite der Resonanzkurve b = ηfn . (3.58) F¨ ur das Schwingungsverhalten in der N¨ ahe eines Schwingungsknotens gelten ebenfalls die in Abschnitt 3.3.1 abgeleiteten Formeln. Man kann also (3.30 3.32) außerhalb der Nahfelder direkt auf Biegewellen anwenden. Der Frequenzgang der Stabschwingungen in der N¨ahe der Resonanzstellen ist nicht nur f¨ ur die messtechnische Anwendung - insbesondere bei der Bestimmung des Verlustfaktors - von Interesse, man kann auch ganz allgemein die Stabschwingungen als eine Summe von Resonanzschwingungen (Eigenschwingungen) darstellen. Diese Frage wird im Kapitel 4.4 ausf¨ uhrlich behandelt. Dort wird gezeigt, dass die Schnelle eines Stabes durch v(x) =
∞
An ϕn (x) 2 (1 − jη) − ω 2 ω n=0 n
(3.59)
dargestellt werden kann. Dabei sind ωn die Eigenkreisfrequenzen des Stabes, An von der Frequenz ziemlich unabh¨ angige Koeffizienten und ϕn (x) die sogenannten Eigenfunktionen. (3.59) gilt sowohl f¨ ur Longitudinal- und Torsionswellen als auch f¨ ur Biegewellen, man muss nur die richtigen Werte f¨ ur ωn , An und ϕn (x) einsetzen. Die Tatsache, dass man die durch (3.50) oder auch (3.30) gegebenen Stabschwingungen auch durch eine Gleichung der Form (3.59) darstellen kann, ist auf den ersten Blick etwas u ¨berraschend, da beide Gleichungen einen ganz verschiedenen Charakter haben. Es ist jedoch durchaus m¨oglich, die beiden
162
3 D¨ ampfung
Darstellungen ineinander zu u uhren. Die tats¨achliche Durchf¨ uhrung die¨berf¨ ser Umformung bereitet zwar keine prinzipielle Schwierigkeit, sie ist jedoch etwas zu langwierig, um hier explizit vorgenommen zu werden. Die f¨ ur die Verlustfaktormessung sehr wichtige Gleichung (3.57) erh¨alt man u ¨brigens auch aus (3.59), indem man nur den gr¨oßten Summanden ber¨ ucksichtigt und sich auf einen Punkt x = x0 beschr¨ankt. Es wird dann v(x0 ) ≈
Aϕn (x0 ) An ϕn (x0 ) = . ωn2 − ω 2 − jωn2 η (ωn + ω)(ωn − ω) − jωn2 η
(3.60)
In der N¨ahe der Resonanzstelle ω = ωn kann man ωn + ω ≈ 2ωn setzen und erh¨alt mit ωn − ω = Δω v(x0 ) ≈
1 Aϕn (x0 ) . −jωn2 η 1 + j 2Δω ηω n
Daraus ergibt sich dann sofort wieder (3.57).
3.4 Messung des komplexen Moduls Der komplexe Elastizit¨ atsmodul ist eine sehr wichtige Gr¨oße zur Beschreibung der mechanischen Eigenschaften eines Materials. Es gibt daher eine ganze Reihe von Messverfahren, von denen einige wichtige hier beschrieben werden sollen. Im Prinzip kann man drei Typen von Messmethoden unterscheiden. Bei tiefen Frequenzen und kleinen Probeabmessungen kann man das zu untersuchende Probest¨ uck als Feder betrachten und die Federkonstanten ermitteln. Bei mittleren und hohen Frequenzen ist dieses Verfahren nicht mehr anwendbar, da das Probest¨ uck nicht mehr als Feder, sondern als Wellenleiter wirkt. Man benutzt daher in diesem Frequenzbereich St¨abe als Probest¨ ucke und bestimmt aus dem Verhalten der Longitudinal-, Torsions- oder Biegewellen die mechanischen Eigenschaften der Probe. Bei sehr hohen Frequenzen, insbesondere im Ultraschallbereich, sind die Wellenl¨ angen meist wesentlich kleiner als alle Stababmessungen. In diesem Gebiet ist es am g¨ unstigsten, die Messungen an Probest¨ ucken vorzunehmen, die bereits als unendlich ausgedehntes ” Kontinuum“ behandelt werden k¨ onnen. Es werden hier nur die beiden ersten Typen behandelt; bez¨ uglich der reinen Ultraschallmessungen wird auf die Literatur verwiesen [3.9]. Es soll auch kein Versuch gemacht werden, die vielen hochinteressanten Zusammenh¨ange zwischen dem Aufbau der Stoffe und ihren mechanischen Eigenschaften zu betrachten. Die Untersuchung dieser Fragen, die in den letzten Jahren eine sehr lebhafte Entwicklung erfuhr und zahlreiche sehr interessante Effekte ergab (z.B. Wechselwirkungen zwischen Schallschwingungen und Bewegungen der Elektronen), geh¨ ort zum gr¨ oßten Teil in das Gebiet der reinen Physik und d¨ urfte wenigstens vorl¨ aufig f¨ ur die Praxis der Ger¨auschbek¨ampfung noch wenig Anwendung haben. Lediglich bei den Hochpolymeren ergaben
3.4 Messung des komplexen Moduls
163
die Konstitutions-Untersuchungen mit Hilfe von K¨orperschallmessungen Ergebnisse, die f¨ ur die Entwicklung von Stoffen zur K¨orperschalld¨ammung unmittelbar von Interesse sind. Dieses Gebiet wird daher etwas ausf¨ uhrlicher behandelt. 3.4.1 Messung an kleinen Proben 3.4.1.1 Bestimmung des Spannungs-Dehnungs-Diagramms Bild 3.10 zeigt das Prinzip eines direkten Verfahrens zur Ermittlung eines komplexen Elastizit¨ atsmoduls. Das Probest¨ uck wird an einem Ende starr befestigt, am anderen Ende wird es von einer periodischen Kraft F angeregt. Die dadurch hervorgerufene Auslenkung ξ wird gemessen. Aus dem Abso-
Bild 3.10. Messung des komplexen Elastizit¨ atsmoduls aus dem SpannungsDehnungs-Diagramm
lutbetrag der Kraft und der Auslenkung ergibt sich der Absolutbetrag des Elastizit¨atsmoduls nach der Gleichung S S |F | 1 + η2 = |E| = E |ξ| lp lp
(3.61)
ange des Probest¨ uckes). Aus dem Phasenwinkel ϕ (S = Querschnitt, lp = L¨ zwischen Kraft und Auslenkung erh¨ alt man den Verlustfaktor mit Hilfe von η = tan ϕ.
(3.62)
Zur Erzeugung der Wechselkraft wird man im allgemeinen ein elektrodynamisches System benutzen, zur Messung der Kraft und der Auslenkung elektromechanische Aufnehmer. Man kann also ohne allzu großen Aufwand die mechanischen Gr¨oßen phasenrichtig in elektrische umwandeln, verst¨arken und
164
3 D¨ ampfung
messen. Zur weiteren Verarbeitung der Signale eignet sich ein ZweikanalEchtzeitanalysator, der gestattet, per Knopfdruck“ sogenannte Transferfunk” tionen zu bestimmen (siehe auch 4.1). Diese Funktionen sind definiert als das Verh¨altnis zweier komplexer Amplituden bei gegebener Frequenz. Wenn ein Signal die Kraft, das zweite den Anschlag repr¨ asentiert, ist die Transferfunktion F /ξ gerade die gesuchte komplexe Steife ES/lp . Weniger aufwendig - aber zeitraubender - ist es, die beiden elektrischen Signale auf die Platten eines Oszillographen zu geben, man erh¨ alt so eine Ellipse, aus deren Abmessungen sich Real- und Imagin¨ arteil des Moduls ergeben (siehe (3.22) und Bild 3.10), außerdem kann man Unregelm¨ aßigkeiten (Nichtlinearit¨aten durch seitliches Ausknicken des Probest¨ uckes, Auftreten von Schwingungen h¨oherer Ordnung, Resonanzen des Halterungssystems) an der Verzerrung der Ellipse sehr leicht erkennen. Man kann das Probest¨ uck auch auf Biegung oder Torsion beanspruchen und aus den Kr¨ aften bzw. Momenten und den Auslenkungen bzw. Verdrehungen die komplexe Biegesteife und den komplexen Schubmodul ermitteln. Außerdem kann man statt einer Kraft eine periodische Auslenkung z.B. durch einen Excenter vorgeben; bei dieser Methode kann man ohne große Schwierigkeiten eine statische Vorspannung einstellen (siehe Bild 3.10 unten). Die Hauptschwierigkeit bei der eben beschriebenen Messmethode besteht in der genauen Messung des Phasenwinkels und in der Herstellung eines star” ren Endes“. Letzteres ist ebenso schwer herstellbar wie beispielsweise ein absolutes Vakuum. Um Verlustfaktoren von η ≈ 10−2 (dieser Wert wird z.B. von Holz erreicht) auf 10% genau zu messen, muss man den Phasenwinkel zwischen Kraft und Auslenkung bis auf etwa 0, 06◦ genau messen. Selbst wenn eine gute elektrische Apparatur das zu leisten imstande ist, so werden doch in der Probenhalterung meistens Verluste auftreten, die zu gr¨oßeren Phasendrehungen f¨ uhren. Aus diesem Grunde ist der praktische Anwendungsbereich der Methode auf relativ weiche Materialien mit nicht zu kleinen Verlusten (z.B. Gummi) beschr¨ ankt [3.10]. Selbstverst¨andlich muss die tiefste Resonanzfrequenz der Messapparatur wesentlich h¨oher sein als die h¨ ochste zu messende Frequenz. Der Befestigung der Probenenden muss ebenfalls Beachtung geschenkt werden. Wird eine Klemmvorrichtung benutzt, so ist zu beachten, dass die L¨ange des Probest¨ uckes nicht genau definiert ist, da ein Teil des eingeklemmten Probestabes noch mit gedehnt wird. Es ist daher g¨ unstig schlanke“ Probest¨ ucke zu ver” wenden, bei denen dieser Einfluss gering ist. Allerdings ist dann auch die Gefahr des seitlichen Ausknickens gr¨ oßer. Auch bei Probest¨ ucken, die stumpf angeklebt werden, k¨ onnen Schwierigkeiten auftreten. Das ist darauf zur¨ uckzuf¨ uhren, dass an der Klebestelle die Querkontraktion verhindert ist, dass also an dieser Stelle der Modul gr¨ oßer ist. Besonders bei Gummi mit einer Querkontraktionszahl μ ≈ 0, 5 ist dieser Einfluss zu beachten. Eine physikalische Grenze f¨ ur die Verwendbarkeit des beschriebenen Messverfahrens ergibt sich aus der L¨ ange der Probe. Wie (3.32) zeigt, ist die Steife einer einseitig eingespannten Probe durch ωZ cot klp gegeben. Wegen
3.4 Messung des komplexen Moduls
165
klp = 2π lp /λ gilt (3.61) nicht mehr, wenn die L¨ange des Probest¨ uckes vergleichbar mit der Longitudinalwellenl¨ ange wird (bei Beanspruchung auf Biegung oder Torsion sind die entsprechenden Wellenl¨angen einzusetzen). Eine Entwicklung von cot klp zeigt, dass der relative Fehler, der durch die endliche L¨ange der Probe verursacht wird, von der Gr¨ oßenordnung k 2 lp2 /3 ist. Bei einer Probe, deren L¨ange ein F¨ unfzigstel der Wellenl¨ange betr¨agt, ist der Fehler ca. 0,6%, bei einem Zehntel der Wellenl¨ ange bereits 13%. Ein großer Vorteil der beschriebenen Methode besteht darin, dass man ¨ die Messfrequenz ohne Anderungen an der Probe beliebig einstellen kann (bei allen Resonanzmethoden ist das nicht der Fall). Man kann also die Frequenzabh¨angigkeit des Moduls und des Verlustfaktors ohne Schwierigkeit u ¨ber den ganzen Messbereich der Apparatur ermitteln. 3.4.1.2 Bestimmung von Transfergr¨ oßen beim Tonpilz“ ” Da die Herstellung von einwandfreien starren Befestigungen große Schwierigkeiten bereitet, versucht man dieses Problem zu umgehen, indem man mit frei beweglichen Messaufbauten arbeitet. Die einfachste Anordnung dieser Art ist der sogenannte Tonpilz, f¨ ur den zwei Beispiele in Bild 3.11 skizziert sind.
Bild 3.11. Anordnung zur Messung von Transfergr¨ oßen a1 /F 0 , a2 /F 0 oder a1 /a2 bei Tonpilzen. sehr weiche Feder zur Entkopplung von der Aufh¨ angung bzw. einer eventuellen Vorlast, Vorlast, Umlenkrolle
Wenn die Massen als starr, die Federelemente als vergleichsweise masselos und die Halterungen bzw. Anordnungen zur Aufbringung von statischen Vorlasten als entkoppelt (also mit extrem weichen Federn versehen) betrachtet
166
3 D¨ ampfung
werden k¨onnen, dann lauten die Bewegungsgleichungen eines solchen Systems (in Analogie zu (7.96) mit S = 0): s (v − v 2 ) = F 0 jωm1 v 1 + jω 1 (3.63) s (v 2 − v 1 ) = 0. jωm2 v 2 + jω Aus (3.63) ergibt sich v1 = F 0
jωm2 + s/jω ; s(m1 + m2 ) − ω 2 m1 m2
v2 = F 0
s/jω . (3.64) s(m1 + m2 ) − ω 2 m1 m2
2 = s/m2 eine Antiresonanz (v1 = 0) und bei Wie man sieht, liegt bei ωA 2 ωR = s(1/m1 +1/m2 ) eine Resonanz vor. Diese beiden Tatsachen k¨onnen auch zur Bestimmung der Steife bei den Frequenzen ωA und ωR verwendet werden. F¨ uhrt man den normalerweise leicht zu messenden Zeiger der Beschleunigung a = jωv ein, dann kann man aus (3.64) folgende drei M¨oglichkeiten zur Bestimmung des Frequenzgangs der gesuchten Federsteife ableiten
1 ; 1 − a1 /a2 1 − m1 a1 /F 0 ; s = ω 2 m2 1 − (m1 + m2 )a1 /F 0 m1 a2 /F 0 . s = −ω 2 m2 1 − (m1 + m2 )a2 /F 0 s = ω 2 m2
(3.65)
Es wird also die Federsteife auf die Messung je einer Transfergr¨oße (a1 /F 0 , a2 /F 0 oder a1 /a2 ) zur¨ uckgef¨ uhrt. Am bequemsten ist nat¨ urlich die erste Form von (3.65), weil sie nur die Messung von Beschleunigungsverh¨altnissen erfordert, also die Kalibration wesentlich erleichtert. Die untere Frequenzgrenze einer Tonpilzanordnung ist durch die Weichheit der Federn zur Entkopplung bestimmt, ein Wert von ca. 1 Hz ist dabei durchaus m¨oglich; die Entkopplungsfedern sollten m¨ oglichst verlustfrei sein (z.B. Luftballone als Luftfedern), damit die D¨ampfungsmessung nicht beeinflusst wird. Die obere Frequenzgrenze ist durch die Eigenresonanzen der Massen (meist Biegeresonanzen) gegeben. Auf einen symmetrischen Aufbau ist Wert zu legen, weil sonst Kippschwingungen auftreten, die die Ergebnisse verf¨ alschen; sicherheitshalber sollte man immer kontrollieren, ob die Bewegungen der einzelnen Massen an jeder Stelle gleich sind oder sogar eine Modalanalyse durchf¨ uhren. Der am Ende des Abschnitts 3.4.1.1 beschriebene Wellenl¨ angeneinfluss ist auch bei Tonpilzen vorhanden; man kann ihn etwas verringern, indem man zu den Massen m1 und m2 anteilig die Masse der Federprobek¨ orper addiert. Welche der drei oben angegebenen Beziehungen sich im Einzelfall am besten eignet, das kann nicht allgemein beantwortet werden. Jedenfalls ergeben sich immer Probleme, wenn a1 ≈ a2 gilt, also keine durch die Feder verursachte Relativbewegung vorliegt, weil dann in den Nennern die Differenzen von fast gleichen Gr¨oßen auftreten.
3.4 Messung des komplexen Moduls
167
Eine spezielle Anordnung zur Messung von Moduln aus Transfergr¨oßen geht auf Fitzgerald [3.11] zur¨ uck. In diesem Fall werden mechanische Verh¨altnisgr¨oßen auf elektrische Widerst¨ ande zur¨ uckgef¨ uhrt, die dann mit Br¨ uckenschaltungen sehr genau bestimmt werden k¨onnen. 3.4.1.3 Bestimmung des Ausschwingvorganges W¨ ahrend bei den bisher behandelten Verfahren zwei Gr¨oßen gemessen werden m¨ ussen, gen¨ ugt bei allen Methoden, die das Resonanzverhalten einer Anordnung ausn¨ utzen, die Bestimmung nur einer Gr¨oße, meist Dehnung, Schnelle oder Beschleunigung. Ein Nachteil besteht darin, dass man nur bei einer Frequenz, n¨amlich in der Resonanzfrequenz, messen kann. Ein sehr bekanntes Verfahren dieser Art ist der Torsionsschwingversuch (Bild 3.12), der besonders f¨ ur Hochpolymere bei tiefen Frequenzen (DIN 53 445) benutzt wird, dabei jedoch nicht auf diese Anwendung beschr¨ ankt ist. Um eine Dehnung der Probe durch das Gewicht der Scheiben zu vermeiden, wird die ganze Anordnung an einem d¨ unnen Faden aufgeh¨ angt.
Bild 3.12. Prinzip eines Torsionspendels
Man benutzt sehr h¨ aufig eine optische Anordnung bestehend aus einer Lichtquelle, einem kleinen Spiegel und einem mit konstanter Geschwindigkeit vorbeilaufenden Registrierpapier (bei h¨ oheren Frequenzen werden elektrische Messverfahren benutzt). Auf diesem Papier werden dann die Schwingungen direkt angezeigt und man kann beispielsweise aus dem Abstand der Maxima und der Registriergeschwindigkeit sofort die Eigenfrequenz f0 ermitteln. F¨ ur die Messung der D¨ ampfung wird meist das sogenannte logarithmische Dekrement Λ benutzt. Es ist definiert aus den Amplitudenabnahmen pro Periode. Ist also An der zu irgendeiner Zeit gemessene Maximalausschlag und An+1 der Maximalausschlag eine Periode sp¨ ater, dann ist Λ = ln(An /An+1 ) . F¨ ur kleine D¨ampfungen ergibt sich daraus nach (3.27) unmittelbar
(3.66)
168
3 D¨ ampfung
η = Λ/π .
(3.67)
F¨ ur hohe D¨ampfung ist noch eine Korrektur notwendig, die auf η=
Λ/π 1 + (Λ/2π)2
(3.68)
f¨ uhrt. Wenn man u ¨ber viele Perioden misst, so l¨asst sich Λ ziemlich genau bestimmen; man verf¨ ugt so also u ¨ber eine einfache und ziemlich exakte Methode zur Bestimmung von η. F¨ ur die zweite interessierende Gr¨ oße - die Torsionssteife T der Probe - gilt Λ2 (3.69) |T | = (2π fn )2 Θ 1 + 2 4π (Θ = Tr¨agheitsmoment der Scheibe). Aus der Torsionssteifigkeit und den Abmessungen der Probe ergibt sich der Absolutbetrag des Schubmoduls. F¨ ur die h¨ aufig verwendeten, b¨andchenf¨ormigen Probek¨orper gilt |G| = G
1 + η 2 = |T |
b3 h(1
3l − 0, 63b/h)
(3.70)
Dabei ist l die L¨ange, h die Breite und b die Dicke der Probe (h > b). Nebenbei sei erw¨ahnt, dass die in DIN 53 445 f¨ ur Hochpolymere empfohlenen Abmes¨ sungen l ≈ 60 mm, η ≈ 10 mm, b ≈ 2 mm betragen. Uber den Zusammenhang zwischen Torsionssteife und Schubmodul siehe auch (2.72). Der Hauptvorteil des Torsionspendels ist die große Einfachheit. Es k¨onnen damit Stoffe in relativ kurzer Zeit bei vielen Temperaturen untersucht werden. Der Nachteil ist, dass man jeweils nur bei einer durch das Tr¨agheitsmoment Θ bestimmten Frequenz messen kann. Die Frequenzabh¨angigkeit eines Moduls ist also mit dem Torsionspendel nur auf relativ umst¨andliche Weise, durch Variation von Θ, l, b und h, zu bestimmen. Nach tiefen Frequenzen ist der Verwendung des Torsionspendels kaum eine Grenze gesetzt; es muss nur sichergestellt sein, dass durch die bei tiefen Frequenzen notwendigen großen Scheiben die Probe nicht unzul¨ assig belastet wird. In der Praxis kommen Frequenzen von 0,1 Hz vor. Nach hohen Frequenzen hin ist der Messbereich durch die Probel¨ange bestimmt; f¨ ur Messungen mit einer Genauigkeit von 1% sollte sie nicht gr¨oßer sein als ein F¨ unfzigstel der Torsionswellenl¨ange. Man wird also nur sehr selten auf Messfrequenzen u ¨ber 500 Hz kommen. 3.4.1.4 Bestimmung der Resonanzfrequenz und der Halbwertsbreite Im Prinzip eng verwandt, jedoch ¨ außerlich sehr verschieden vom Torsionspendel sind die verschiedenen Vibrometer zur Bestimmung der mechanischen
3.4 Messung des komplexen Moduls
169
Steife. Bei diesen Anordnungen, die sehr oft zur Untersuchung von Fasermatten, Schaumstoffen, Kork und ¨ ahnlichen Stoffen verwendet werden, wird das Probest¨ uck ebenfalls als Federelement in einem mechanischen Resonanzkreis benutzt. Im einzelnen wird das Probest¨ uck an einem Ende auf einem starren Fundament oder auf einer großen, sehr weich gelagerten Masse befestigt. Am anderen Ende wird eine bekannte Masse angebracht, die von einer Wechselkraft angeregt und deren Schnelle gemessen wird (Bild 3.13).
Bild 3.13. Messung der dynamischen Steife und des Verlustfaktors aus der Resonanzfrequenz und der Halbwertsbreite
Ver¨andert man die Frequenz der anregenden Kraft, wobei die KraftAmplitude jedoch einigermaßen konstant gehalten wird, dann beobachtet man im allgemeinen eine Resonanzfrequenz fR , deren Halbwertsbreite ohne Schwierigkeit gemessen werden kann. Der Realteil des Elastizit¨atsmoduls ergibt sich aus der Resonanzfrequenz nach der Gleichung E = 4π 2 fR2 m
lp . S
(3.71)
Dabei ist lp die Proben-Dicke und S ihre Fl¨ ache. Bei Befestigung auf einem starren Fundament bedeutet m die obere Masse. Bei einer Tonpilz-Anordnung (siehe Bild 3.11) ist m = m1 m2 /(m1 + m2 ) zu setzen. Falls die Masse mP des Proben-K¨orpers nicht zu vernachl¨ assigen ist, erh¨alt man eine erste Korrektur, indem man bei einer Anordnung nach Bild 3.13 die Masse m + mP /3 in (3.71) einsetzt und beim Tonpilz die Proben-Masse anteilig zu den beiden Massen m1 und m2 addiert. F¨ ur den Verlustfaktor gilt unmittelbar η=
b . fR
(3.72)
Will man die Eigenschaften der Probe bei verschiedenen Frequenzen untersuchen, so muss man die obere Masse variieren, um andere Resonanzen zu erhalten. Dabei gen¨ ugt es h¨ aufig nicht, einfach Zusatzgewichte aufzulegen, vielmehr sollen die Gewichte angeschraubt oder auf andere Weise starr befestigt werden; nur so ist gew¨ ahrleistet, dass die Masse m als Einheit wirkt und nicht ihrerseits Resonanzen aufweist. Manchmal interessiert die Abh¨angigkeit
170
3 D¨ ampfung
von einer statischen Vorlast. Letztere wird meist durch Zusatzgewichte hergestellt, die u ¨ber sehr weiche Federn angekoppelt werden. Wie alle Messmethoden, bei denen der Verlustfaktor aus der Halbwertsbreite bestimmt wird, ist auch das hier beschriebene Verfahren nur f¨ ur kleine Verlustfaktoren geeignet. Ist n¨ amlich der Verlustfaktor zu hoch, dann wird die Resonanzkurve so flach, dass eine Halbwertsbreite nicht mehr zugeordnet werden kann. Wenn man die beiden Frequenzen (oberhalb und unterhalb der Resonanz) bestimmt, bei denen die Amplitude gerade das 0,707fache (-3 dB) der Resonanzamplitude betr¨ agt, und daraus b berechnet, so betr¨agt der relative Fehler etwa η2 /2. Eine weitere physikalische Grenze f¨ ur die Verwendbarkeit derartiger Vibrometer ist durch die Probendicke gegeben, die wieder sehr viel kleiner sein soll als die entsprechende Wellenl¨ ange. Praktische Schwierigkeiten, die beim Betrieb der Apparaturen auftreten, bestehen in Resonanzen der Lagerung und im durch unsymmetrische Anregung bedingten Auftreten von Kippbewegungen der Probe. Beide Effekte f¨ uhren dazu, dass keine eindeutige Resonanz und damit auch keine eindeutige Steife gemessen werden kann. Weiter soll das Anregesystem keine zus¨atzliche D¨ampfung verursachen. Bei Proben, die Luft enthalten (Fasermatten, Schaumstoffe), ist unter Umst¨ anden die Gr¨ oße der Probe von großem Einfluss auf das Messergebnis. Man muss hier zwei F¨alle unterscheiden: Hat die Probe nur offene Poren, so kann man die Steife des Skelettmaterials allein bestimmen, da bei kleinen Proben und tiefen Frequenzen die Luft nur ausund ein“gepumpt“ wird. (F¨ ur Messungen an Fasermatten benutzt man nach DIN 52 214 im allgemeinen Proben von 20 × 20 cm2 und Frequenzen von 20 - 200 Hz). Bei hohen Frequenzen kann die Luft nicht mehr schnell genug hin- und herbewegt werden; sie wird also komprimiert und liefert unter Umst¨anden einen erheblichen Anteil zur Gesamtsteife. Bei Proben mit geschlossenen Poren ist es nicht m¨ oglich, zwischen der Steife des Skeletts und der eingeschlossenen Luft zu unterscheiden. Man kann in diesem Fall nur die Gesamtsteife bestimmen, die - a ¨hnlich wie bei Gummi - sehr stark von der Probenfl¨ache abh¨ angt. Man kann sich leicht vorstellen, dass sich solche Proben beinahe wie Fl¨ ussigkeiten verhalten, also eine Querkontraktionszahl von etwa 1/2 haben. 3.4.2 Messung an St¨ aben Wie im zweiten Kapitel ausf¨ uhrlich dargelegt wurde, treten bei St¨aben Quasilongitudinal-, Torsions- und Biegewellen auf; erst bei relativ hohen Frequenzen kommen noch die Oberfl¨ achenwellen hinzu. Man kann also diese drei Wellenarten zur Untersuchung von St¨ aben benutzen. In der Praxis begn¨ ugt man sich meist damit, mit Biegewellen zu messen, da dieser Wellentyp f¨ ur die Schallabstrahlung am wichtigsten ist. Außerdem lassen sich Biegewellen am leichtesten und saubersten“ anregen, da sie von den drei Wellenarten den kleinsten Ein” gangswiderstand besitzen. Die Biegewellenmethoden wurden haupts¨achlich
3.4 Messung des komplexen Moduls
171
zur Untersuchung von Entdr¨ ohnbel¨ agen entwickelt [3.12],[3.13]. Sie werden im Folgenden etwas ausf¨ uhrlich behandelt, auf die Messmethoden mit Torsionsund Quasilongitudinalwellen wird nur ganz kurz eingegangen. 3.4.2.1 Bestimmung der Halbwertsbreiten Am besten geeignet zur Messung der Biegewellenresonanzen sind frei aufgeh¨angte St¨abe, die an einem Ende angeregt und am anderen abgetastet werden (Prinzip siehe Bild 3.14).
Bild 3.14. Messung der Biegewellenresonanz und ihrer Halbwertsbreite
In diesem Falle ist man sicher, dass sich sowohl Anreger als auch Aufnehmer bei allen Frequenzen in einem Schwingungsbauch befinden; die mit den - frequenzabh¨angigen - stehenden Wellen auf der Probe zusammenh¨angenden Schwierigkeiten treten damit nicht auf. Als Anregesystem eignen sich fast alle lose gekoppelten elektro-mechanischen Systeme (der Elektromagnet eines alten Kopfh¨orers und eine auf die Probe geklebte Rasierklinge ergeben bereits ein brauchbares Anregesystem). Die lose Kopplung ist wichtig, da der Probek¨orper durch die Anregung nicht ged¨ ampft und nicht belastet werden darf. Dasselbe gilt f¨ ur das Abtastsystem. F¨ ur sehr leichte Proben eignen sich kapazitive Sonden oder ein Laser-Doppler-Vibrometer am besten. Ein in 0,5 - 1 mm Abstand vom Stab angebrachtes Mikrophon, das den Luftschall aufnimmt, ist oft ein brauchbarer Notbehelf. Bei gr¨oßeren Proben k¨onnen auch andere Aufnehmer verwendet werden. F¨ ur genaue Messungen empfiehlt es sich, die Masse des Abtastsystems kleiner zu halten als M/30n. Dabei ist M die Gesamtmasse der Probe und n die Anzahl der Schwingungsknoten auf dem Stab bei der h¨ ochsten Messfrequenz. Bei dieser Absch¨atzung wurde davon ausgegangen, dass der Massenwiderstand des Aufnehmers kleiner sein soll als ein Zehntel des Biegewelleneingangswiderstandes eines Stabes (siehe Abschnitt 4.3.2). Ist die genaue Lage der Resonanzfrequenzen h¨oherer Ordnung nicht von großer Bedeutung, dann kann der Aufnehmer auch schwerer sein. Die Aufh¨angung der Proben soll so beschaffen sein, dass keine zus¨atzliche D¨ampfung verursacht wird. Sind die zu messenden Verlustfaktoren gr¨oßer als 10−3 , so wird diese Forderung durch eine einfache Aufh¨angung mit F¨aden verwirklicht. Bei kleineren Verlustfaktoren und leichten Proben muss die Lagerung in den zu erwartenden Schwingungsknoten vorgenommen werden. Auf diese Weise wird dem System am wenigsten Schwingungsenergie entzogen;
172
3 D¨ ampfung
es bedeutet allerdings, dass die Lagerung f¨ ur jede Resonanz ge¨andert werden muss. Eine weitere Quelle unerw¨ unschter D¨ampfung kann (im Gebiet η < 10−4 ) die Abstrahlung von Luftschallenergie sein. Sie l¨asst sich zum Teil durch geeignete Formgebung, sicher jedoch durch Messung im Vakuum ausschalten. Die Messung besteht in der Bestimmung der Resonanzfrequenzen fn und der dazugeh¨origen Halbwertsbreiten b. Einen typischen Frequenzgang zeigt Bild 3.15. Der Realteil der Biegesteife ergibt sich nach (2.139) zu B = m lp4 fn2
64 . π 2 (2n − 1)4
(3.73)
b . fn
(3.74)
F¨ ur den Verlustfaktor gilt η=
In diesen Gleichungen bedeutet m die Masse des Probestabes pro L¨angeneinheit (m lp bezeichnet also die Gesamtmasse), lp die L¨ange und n die Anzahl der Schwingungsknoten, die eventuell durch Abtastung entlang des Stabes gefunden werden muss.
Bild 3.15. Gemessener Frequenzgang eines frei-freien Stabes. Der Stab war mit angig). einem d¨ unnen D¨ ampfungsbelag versehen (η ≈ 2 · 10−2 frequenzabh¨
(3.73) gilt nicht ganz genau, da vernachl¨ assigt wurde, dass die Resonanzfrequenz durch die D¨ ampfung etwas verringert wird. Der dadurch verursachte relative Fehler betr¨ agt maximal η/4 (siehe Bemerkung zu (3.35)). Er hat jedoch stets eine geringe Bedeutung, da mit dem Resonanzverfahren nur Verlustfaktoren bis etwa 0,1 gut gemessen werden k¨onnen. Bei noch gr¨oßerer D¨ampfung bilden sich u ¨berhaupt keine Resonanzen mehr aus. Bild 3.9 zeigt, ¨ ohung bereits bei der dritdass f¨ ur k /k = 0, 1 also η ≈ 0, 4, die Uberh¨ ten Resonanzfrequenz kaum mehr als 3 dB betr¨agt. Eine Ber¨ ucksichtigung h¨oherer Glieder zeigt, dass die Darstellung der Stabschwingungen durch eine
3.4 Messung des komplexen Moduls
173
¨ Resonanzkurve, also der Ubergang von (3.54) auf (3.56), f¨ ur k lp > 1 sehr ungenau wird. Der sich ergebende relative Fehler bei der Bestimmung von η betr¨agt ungef¨ahr n2 η 2 /5 (n = Anzahl der Schwingungsknoten); oder anders ausgedr¨ uckt, wenn der Abstand zwischen den Resonanzen vergleichbar wird mit der Halbwertsbreite, ist keine genaue Messung mehr m¨oglich. 3.4.2.2 Bestimmung der Abklingzeiten Bei sehr kleinen D¨ ampfungen ist es meist genauer, statt der Halbwertsbreiten der Resonanzen deren Abklingzeiten zu ermitteln (f¨ ur f = 100 Hz, und η = 10−3 betr¨agt die Halbwertsbreite nur 0,1 Hz, ist also mit einfachen Mitteln nicht mehr gut zu messen). Man verwendet dazu denselben Aufbau, wie in Abschnitt 3.4.2.1 beschrieben, jedoch wird nicht der Frequenzgang in der N¨ahe der Resonanzen untersucht, sondern es wird das Abklingen der Schwingung beobachtet, wenn die Erregung pl¨ otzlich abgeschaltet wird. Wie (3.27) zeigt, erfolgt der Abklingvorgang f¨ ur die Energie nach der Funktion e−ηωt . Man kann also beispielsweise wie in der Raumakustik die Nachhallzeit T messen, in der die Schwingungsenergie auf ein Millionstel ihres Ausgangswertes absinkt. Es gilt dann nach (3.27) ln 106 2, 2 η= ≈ . (3.75) ωT fT Statt der Nachhallzeit T kann man nat¨ urlich auch jede andere f¨ ur den Abklingvorgang charakteristische Gr¨ oße, z.B. das Dekrement oder die Abklingkonstante, messen und daraus η ausrechnen. Soll nur der Verlustfaktor, nicht aber die Biegesteife gemessen werden, gen¨ ugt die Messung der Nachhallzeit, wenn der Probestab dazu durch Anschlagen (z.B. mit einem Hammer) angeregt wird. Das vom Aufnehmer abgegebene elektrische Signal muss noch gefiltert werden, um auch den Frequenzgang des Verlustfaktors zu erhalten. Die Genauigkeit dieser Messung ist nicht besonders groß, weil m¨ oglicherweise zwei oder mehrere Eigenschwingungen mit verschiedenen Abklingzeiten innerhalb des Filter-Durchlassbandes liegen; man erh¨alt dann gekr¨ ummte“ Nachhallkurven und damit keinen eindeutigen ” Verlustfaktor. Unregelm¨aßigkeiten in den Abklingvorg¨ angen k¨onnen auch bei periodischer Anregung auftreten und zwar dann, wenn Anregefrequenz und Eigenfrequenz nicht genau u ¨bereinstimmen. (3.27) wurde n¨amlich unter der Voraussetzung abgeleitet, dass nur ein Energiereservoir vorhanden ist. Ist das nicht der Fall, treten also zwei Wellentypen oder mehrere Eigenschwingungen gleichzeitig auf (wie bei Anregung außerhalb der Resonanz), dann kann die mechanische Energie nicht nur in W¨ arme umgesetzt werden, sondern auch zwischen den Energiereservoirs hin- und her pendeln und so zu den merkw¨ urdigsten Abklingvorg¨angen Anlass geben. Sicher ist in solchen F¨allen nur, dass zum Schluss nur der Vorgang mit der l¨ angsten Nachhallzeit u ¨brig bleibt.
174
3 D¨ ampfung
Im Prinzip w¨are die Bestimmung der Nachhallzeit eine bis zu relativ großen Werten von η brauchbare Methode. Wegen der Tr¨agheit der dabei meist verwendeten Messger¨ ate wird sie jedoch im allgemeinen nur bei kleinen D¨ampfungen angewandt. 3.4.2.3 Bestimmung der Pegelabnahme Im Grenzfall sehr langer, stark ged¨ ampfter St¨abe erfolgt die Wellenausbreitung genau so wie in einem unendlich langen Stab. Es gilt also f¨ ur die Schnelle (und analog f¨ ur die Beschleunigung) an den Punkten x0 und x1 v 1 = v 0 e−jk(x0 −x1 ) = v 0 e−k
(x0 −x1 ) −jk (x0 −x1 )
e
.
(3.76)
Die Phasenverschiebung zwischen den beiden Punkten ist also ϕ01 = k (x1 − x0 ) =
2π (x1 − x0 ) λ
(λ = Wellenl¨ange), w¨ ahrend f¨ ur die Amplitudenabnahme gilt
v0
|v 2 | ln
N p = 10 log 02 dB = 8, 7k (x1 − x0 ) dB. v1 |v1 |
(3.77)
(3.78)
Man kann also durch Messung der Phasendifferenz und der Amplitudenabnahme den Real- und Imagin¨ arteil der Wellenzahl ermitteln. F¨ ur nicht allzu große D¨ ampfung ergibt sich dann der Realteil der Biegesteife zu 4 1 x 1 − x0 B = ω 2 m 4 = ω 2 m . (3.79) k ϕ01 F¨ ur den Verlustfaktor gilt η=4
k D λ = B . k 13, 6
(3.80)
Dabei ist DB die Pegelabnahme in dB pro L¨ angeneinheit, also (x1 − x0 )D = 2 2 10 lg |v0 |/|v1 | dB. Praktisch geht die Messung so vor sich, dass man den Probestab an einem Ende anregt und mit einem verschiebbaren Aufnehmer die Schwingungen entlang des Stabes misst. Erfolgt die Abtastung mit konstanter Geschwindigkeit, so kann man aus der Neigung des registrierten Pegels direkt D und damit k bestimmen. Die Messung der Phasenverschiebung erfolgt am einfachsten dadurch, dass man die anregende Spannung und das Signal des Aufnehmers auf die Plattenpaare eines Oszillographen gibt und die Punkte auf dem Stab markiert, bei denen die Phasenverschiebung gegen¨ uber der Anregung 180◦ ◦ bzw. 360 betr¨agt. Die Aufh¨angung der Probe und die Befestigung des Anregers ist beim vorliegenden Verfahren ziemlich unkritisch. Dagegen soll der Aufnehmer nicht
3.4 Messung des komplexen Moduls
175
zu schwer sein. Es ist oft g¨ unstig, ein Ende des Stabes in Sand zu betten, um die Reflexion am Stabende zu reduzieren. Ist es nicht m¨ oglich, Reflexionen am Ende und damit stehende Wellen vollkommen zu vermeiden, dann ist die Amplitudenabnahme nicht mehr durch ahlers in (3.55) gegeben. In diee−k x , sondern durch das Verhalten des Z¨ sem Falle liegen die Amplitudenmaxima auf einer durch (cosh 2k (lp − x) + 1)1/2 = 21/2 cosh k (lp − x) gegebenen Kurve, w¨ahrend die Minima durch 21/2 sinh k (lp − x) gegeben sind. Aus diesen beiden Bedingungen l¨asst sich k und damit η ermitteln, wenn man Nahfelder an den Stabenden ausschließen kann. ugend genau Die Messung der Pegelabnahme kann erst f¨ ur ηk lp > 10 gen¨ vorgenommen werden (mit einer guten Sandd¨ ampfung kann diese Grenze noch etwas heruntergesetzt werden). Andererseits eignet sich die Halbwertsbreitenmethode nur bis etwa ηk lp = 2 (siehe auch Bild 3.9a) und 3.9b)). Es wird also im Zwischengebiet notwendig sein, die Probenl¨ange etwas zu variieren, um die eine oder andere Messmethode benutzen zu k¨onnen. 3.4.2.4 Sonstige Messmethoden Neben den bisher beschriebenen Messmethoden zur Bestimmung der elastischen Eigenschaften von St¨ aben, die zu Biegeschwingungen angeregt sind, gibt es auch noch andere Messmethoden. Beispielsweise k¨onnte man den Verlustfaktor aus dem Unterschied der Maxima und Minima des Frequenzganges, aus der Breite der Knoten der stehenden Wellen, oder aus dem mechanischen Eingangswiderstand ermitteln. Alle diese Verfahren haben jedoch gegen¨ uber den oben ausf¨ uhrlich beschriebenen einige Nachteile, so dass sie nur in Ausnahmef¨allen verwendet werden. F¨ ur die bisher kaum erw¨ ahnten Quasilongitudinal- und Torsionswellen k¨onnen die Methoden der Bestimmung der Halbwertsbreite, der Abklingzeit und der Pegelabnahme ebenso wie oben beschrieben angewendet werden (man beachte allerdings, dass (3.80) durch η = D λ/27, 2 ersetzt werden muss). Es gelten auch dieselben Fehlerabsch¨ atzungen. Man muss lediglich daf¨ ur sorgen, dass stets die richtige Wellenart angeregt und gemessen wird. Besonders bei inhomogenen St¨ aben werden trotz guter Symmetrierung leicht gleichzeitig mehrere Wellenarten angeregt. Messungen mit Quasilongitudinal- und Torsionswellen werden - wegen der sehr geringen Strahlungsd¨ampfung - besonders bei sehr schwach ged¨ ampften Medien und - wegen der gr¨oßeren Wellenl¨ange bei hohen Frequenzen verwendet. 3.4.3 Messungen an nicht stabf¨ ormigen Proben Proben, die aus Platten, Ringen, Zylindern oder aus anderen Formen bestehen, k¨onnen, ¨ahnlich wie St¨ abe, durch Messung der Resonanzfrequenz und der Halbwertsbreite oder der Abklingzeit untersucht werden. Allerdings ist die Auswertung der Messergebnisse etwas schwieriger, da nur f¨ ur kreisrunde
176
3 D¨ ampfung
und momentenfrei gelagerte, rechteckige Platten sowie f¨ ur Ringe einfache Beziehungen f¨ ur die Resonanzfrequenzen bekannt sind. In allen anderen F¨allen ist man auf N¨aherungen oder Tabellen zur Berechnung des Elastizit¨atsmoduls aus den Resonanzfrequenzen angewiesen. F¨ ur die Bestimmung des Verlustfaktors aus der Halbwertsbreite (oder der Abklingkonstanten aus der Nachhallzeit) gilt auch bei nicht stabf¨ ormigen K¨ orpern (3.74) und (3.75). Da jedoch bei derartigen Proben die Resonanzfrequenzen dichter liegen als bei St¨aben und oft auch ziemlich unregelm¨ aßig verteilt sind (Zylinder und langgestreckte Platten weisen beispielsweise eine Art Bandstruktur auf mit H¨aufungsstellen der Resonanzfrequenzen), muss man besonders sorgf¨altig darauf achten, dass der Abstand der Resonanzfrequenzen gr¨ oßer ist als die Halbwertsbreite. Auch ist es wegen der komplizierten Verteilung der Knotenlinien oft nicht leicht, geeignete Messpunkte zu finden. Bei gekr¨ ummten Probek¨ orpern kommt noch hinzu, dass bestimmte Schwingungsformen (bei Zylindern sind es Wellen, die sich in axialer Richtung ausbreiten) sehr stark ged¨ ampft sind, w¨ ahrend andere Schwingungsformen eine wesentlich geringere D¨ ampfung haben. Man muss in derartigen F¨allen entweder alle Resonanzfrequenzen m¨ uhsam auswerten und alle Feinheiten im Frequenzgang des Verlustfaktors ermitteln, oder man kann - um einen n¨ahe¨ rungsweisen Uberblick zu gewinnen - den Probek¨orper mit Rauschen von Terzoder Oktavbreite anregen und die Nachhallzeit bestimmen. Dieses letzte Verfahren, das dem Hallraumverfahren in der Raumakustik entspricht, eignet sich besonders bei Proben mit sehr vielen Resonanzen und vor allem auch dann, wenn eine starke Kopplung zwischen den einzelnen Wellentypen stattfindet. Letztere kann beispielsweise durch Inhomogenit¨aten verursacht werden. Eine weitere denkbare M¨ oglichkeit besteht darin, die in eine Probe eingespeiste Leistung und das mittlere Schnellequadrat zu messen. Dazu muss man die anregende Kraft F (t) und die Schnelle v(t) an der Anregestelle phasenrichtig bestimmen. Das Produkt F (t)v(t), das man z.B. u ¨ber die Kreuzleistungsdichte ermitteln kann, stellt die eingespeiste und damit im eingeschwungenen Zustand auch die Verlustenergie Pv dar. Falls die Probe die Gesamtmasse m hat und in einer oder mehreren Resonanzen schwingt, ist der Energieinhalt ampfung ist das in etwa gleich der reversiblen E = mv 2 . Bei nicht zu großer D¨ Energie. Damit kann man (3.24) anwenden und erh¨alt η=
Pv T Pv Ev = = . 2πER 2πmv 2 ωmv 2
(3.81)
Es wurde dabei davon Gebrauch gemacht, dass die pro Schwingungsperiode T verloren gegangene Energie Ev = Pv T = 2πPv /ω betr¨agt.
3.5 Messergebnisse In der Literatur wird die Materiald¨ ampfung durch mehrere verschiedene Kenngr¨oßen charakterisiert. Um dem Leser die Umrechnung zu erleichtern,
3.5 Messergebnisse
177
sind in Tab. 3.2 auf Seite 150 die wichtigsten Kenngr¨oßen zusammen mit den Umrechnungsformeln angegeben. Die meisten Formeln gelten nur f¨ ur η < 1. 3.5.1 Metalle W¨ahrend Dichte, Elastizit¨ atsmodul und Poissonzahl und damit auch die Schallgeschwindigkeit in Metallen relativ unabh¨angig von der Vorgeschichte, der Dauer der Beanspruchung, der Frequenz, etc. sind, ist das beim Verlustfaktor durchaus nicht der Fall. Es wurde durch zahlreiche und umfangreiche Untersuchungen erwiesen, dass die innere D¨ ampfung von Metallen schon durch ¨ relativ kleine Anderungen im Metallgef¨ uge, z.B. durch Kaltwalzen, Tempern, Bestrahlung, etc. beeinflusst werden kann [3.14][3.5]. Man kann daher den Verlustfaktor von Metallen nicht als Materialkonstante betrachten, sondern kann ¨ umgekehrt Verlustfaktormessungen dazu benutzen, kleine Anderungen in Metallen nachzuweisen. Derartige Untersuchungen werden auch h¨aufig durchgef¨ uhrt; sie geben ein Beispiel daf¨ ur, wie Messmethoden der Akustik in der Metallkunde und in der Festk¨ orperphysik von großem Nutzen sein k¨onnen. Wenn trotzdem in Tab. 3.3 auf der n¨ achsten Seite Verlustfaktoren angegeben sind, so geschah das nur, um einen Eindruck von den auftretenden Gr¨oßenordnungen zu vermitteln. Als historische Besonderheit sei noch erw¨ahnt, dass der Einfluss von Erm¨ udungserscheinungen schon vor vielen Jahren [3.15] durch ganz einfache Experimente an Dr¨ ahten, die Torsionsschwingungen ausf¨ uhrten, nachgewiesen wurde. Die physikalischen Vorg¨ ange, die die innere D¨ampfung von Metallen bewirken, sind sehr verwickelt und auch noch nicht ganz erforscht. Hinzu kommt noch, dass es gar nicht leicht ist, die oft sehr geringen Verlustfaktoren zu messen und dass daher manche in der Literatur angegebenen Werte nicht die Verluste im untersuchten Material, sondern in der Messapparatur (Halterung, Anregung etc.) oder durch Schallabstrahlung (speziell bei Biegewellen) wiedergeben. Die Hauptgr¨ unde f¨ ur die innere D¨ ampfung in Metallen sind Versetzungsvorg¨ange im kristallinen Gef¨ uge und W¨ armeleitung zwischen Gebieten verschiedener Dehnung. W¨ ahrend sich die Forschung [3.16]-[3.18] u ¨ber die Versetzungsvorg¨ange noch voll im Fluss befindet, ist die Deutung der W¨armeleitungserscheinungen wesentlich einfacher, weil man dabei auf die klassische W¨armeleitungsgleichung und auf lineare thermo-elastische Beziehungen zur¨ uckgreifen kann. F¨ uhrt man die entsprechenden Rechnungen durch [3.5], so findet man, dass die D¨ ampfung durch W¨ armeleitung den Charakter eines Relaxationsvorgangs hat. Die Relaxationszeit ist dabei bei Dehnwellen τ = (λ/2π)2 CV ρ/Λ, bei Biegewellen
τ = (h/π)2 CV ρ/Λ.
(3.82)
In diesen Gleichungen bedeuten CV = spezifische W¨arme, Λ = W¨armeleitzahl, ρ = Dichte, λ = Dehnwellenl¨ ange, h = Plattendicke. Setzt man hier Zahlenwerte ein (f¨ ur die meisten Metalle ist CV ρ/Λ von der Gr¨oßenordnung 10−3 ),
3 D¨ ampfung 178
Zahl
5200 3100 0,3-10·10−5
m/s m/s
5-30·10−2
7800
28 · 109
210 · 109 77 · 109
200 · 109 77 · 109
0,423
0,31
0,30
3700 2300
2000 1200 ≈ 3 · 10−4
5100 3100 0,2-3·10−4
5050 3100
[3.19][3.20][3.24]
Longitudinal
≈ 10−4
[3.19] chem. rein
[3.23]
Polykristallin
Silber
Nickel
Messing
Magnesium
7130 13, 1 · 109 5 · 109
9800
10500
8500
8500
1740
3, 3 · 109 1, 3 · 109
80 · 109
205 · 109 77 · 109
95 · 109
43 · 109
29 · 109
36 · 109
17 · 109
0,39
0,33
0,38
0,37
0,30
0,33
0,29
780 470
1350 850
580 360
2700 1600 ≈ 4 · 10−4
4800 2900
3200 2100 0,2-1·10−3
5000 3100
≈ 20 · 10−4
≈ 3 · 10−4
≈ 8 · 10−4
< 10−3
< 10−3
< 10−3
≈ 10−4
[3.24]
[3.24]
[3.24]
[3.22][3.23]
[3.24]
[3.19]
[3.24]
≈ 2 · 10−3
2 − 6 · 10−4 [3.19][3.21][3.24]
[3.19] Antimon
≈ 2 · 10−2
Bemerkungen
Tabelle 3.3. Mechanische Daten von Metallen bei Normalbedingungen (ca. 20◦ C). [109 N/m2 =101 0 dyn/cm2 ≈ 104 kp/cm2 ]
N/m2 0,34
1250 730
Verlustfaktor
N/m2 27 · 109 0,43
cT
kg/m3 72 · 109 6 · 109
Dichte E-Modul Schubm. Poisson- cLII
2700 17 · 109
Stoff
Aluminium 11300
Biegung
Blei
Eisen, rein 7800 80 · 109
0,35
1 − 4 · 10−3
Stahl 19300
125 · 109 46 · 109
1-4·10−4
Gold 8900
2·10−4
Kupfer
Wismuth
4, 4 · 109 1, 6 · 109
Einkristall
Zink
7280
2 − 7 · 10−4
Zinn
3.5 Messergebnisse
179
so findet man, dass Biegewellen durch die W¨ armeleitung bei tiefen Frequenzen (etwa bis 200 Hz) und Dehnwellen im Ultraschallbereich etwas ged¨ampft werden. Der Effekt ist allerdings nie groß; beim Relaxationsmaximum ωτ = 1 ist der Verlustfaktor nur von der Gr¨ oßenordnung 10−3 . Eine Deutung des Ph¨ anomens der D¨ ampfung durch W¨armeleitung ist leicht m¨oglich, wenn man bedenkt, dass ein Material durch Dehnung etwas abgek¨ uhlt und durch Kompression etwas erw¨armt wird. Ist nun die Schwingungsdauer zu kurz, um einen vollst¨ andigen Temperaturausgleich zu erm¨oglichen (isothermer Fall) und zu lang um ideale adiabatische Verh¨altnisse zu erm¨oglichen, dann verbleibt bei jeder Schwingungsperiode eine sehr kleine Restenergie, die zur Erw¨ armung des schwingenden K¨orpers f¨ uhrt. Dass in (3.82) einmal die Dehnwellenl¨ ange und einmal die Stab- bzw. Plattendicke erscheinen, folgt daraus, dass bei Dehnwellen gedehnte und gestauchte (also k¨altere und w¨armere) Zonen etwa eine halbe Wellenl¨ange voneinander entfernt sind, w¨ahrend bei den Biegewellen Dehnung und Stauchung an der Ober- bzw. Unterseite einer Platte erfolgen und somit nur eine Plattendicke voneinander entfernt sind. Die D¨ampfung von Biegewellen durch W¨ armeleitung wurde bereits mehrfach experimentell best¨ atigt. Es zeigte sich jedoch, dass nur in der N¨ahe des Relaxationsmaximums die gemessene D¨ ampfung mit den theoretischen Werten u oheren Frequenzen hin u ¨bereinstimmt. Nach h¨ ¨berwiegen sehr bald andere D¨ampfungsmechanismen (W¨ armeleitung zwischen den einzelnen Kristalliten, Versetzungsvorg¨ange etc.). Diese Mechanismen f¨ uhren dann zu den in Tab. 3.3 auf der vorherigen Seite angegebenen Werten unter normalen“ Bedingungen. ” Wie man sieht, ist - abgesehen von Blei, Zinn, Silber, Kupfer - im allgemeinen damit zu rechnen, dass der Verlustfaktor eines Metalls wesentlich kleiner als 10−3 ist. Bei zusammengesetzten Strukturen wie Maschinen oder Fahrzeugen, kommen die großen Unterschiede in der D¨ ampfung nie zum Tragen, da in den meisten F¨allen in der Praxis die tats¨ achlich vorhandene D¨ampfung nicht durch die Verluste in den Metallen, sondern durch Reibung an Verbindungsstellen, Schrauben, etc. (siehe Abschnitt 3.7) gegeben ist. Auf Grund vieler Messungen kann man als Faustregel angeben, dass eine vernietete oder geschraubte Konstruktion aus d¨ unnen Blechen (z.B. Auto) einen Verlustfaktor von etwa 2 · 10−2 hat. Bei geschweißten Konstruktionen aus dickeren Blechen (z.B. Schiff) muss man mit η ≈ 10−3 rechnen. Kleinere Werte werden nur ganz selten beobachtet. Gr¨ oßere Werte als 10−2 erh¨alt man nur, wenn besondere zus¨atzliche D¨ampfungs-Maßnahmen getroffen werden. 3.5.2 Kunststoffe Die Messung der inneren Verluste wird schon seit geraumer Zeit zur Untersuchung von Hochpolymeren benutzt. Außerdem werden derartige Stoffe sehr h¨aufig als D¨ampfungsmaterialien f¨ ur Entdr¨ ohnbel¨age verwendet. Es lohnt sich
180
3 D¨ ampfung
daher, diese Stoffgruppe gesondert zu behandeln. Das wesentliche mechanische Merkmal von amorphen Hochpolymeren ist, dass sie ein sehr breites ¨ Ubergangsgebiet zwischen dem festen und dem fl¨ ussigen Zustand besitzen. In ¨ diesem Ubergangsgebiet, in dem die langen und unter Umst¨anden vernetzten Molek¨ ulketten immer beweglicher werden, treten Relaxationsmechanismen auf, die zu Verlustfaktoren bis zu η = 10 f¨ uhren. Wie zu erwarten, sind der Elastizit¨atsmodul und der Verlustfaktor sehr stark von der Temperatur und der Frequenz abh¨ angig. Man kann also derartige Stoffe nur dadurch eindeutig beschreiben, dass man den Frequenzgang der mechanischen Eigenschaften f¨ ur viele Temperaturen angibt. Ein Beispiel einer derartigen Kurvenschar gibt Bild 3.16, die aus einer Arbeit von Becker und Oberst [3.25] entnommen ist. Bild 3.16 zeigt sehr sch¨ on, dass der Verlustfaktor dort am gr¨oßten ist, wo sich der Elastizit¨ atsmodul am st¨ arksten mit der Frequenz ¨andert. Dieses Verhalten w¨ urde man auch f¨ ur einen Relaxationsvorgang nach (3.4) und (3.5) erwarten (siehe Bild 3.2 und Tabelle 3.1 auf Seite 143). Dass in Wirklichkeit nicht eine Relaxationszeit vorhanden ist, sondern eine beliebige Mannigfaltigkeit von Relaxationsvorg¨ angen auftritt, ist in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung.
Bild 3.16. Verlustfaktor und Elastizit¨ atsmodul von Polyvinylchlorid als Funktion der Frequenz f¨ ur verschiedene Temperaturen
Neben dem Zusammenhang zwischen Verlustfaktor und Frequenzgang des Elastizit¨atsmoduls gibt es noch eine ganze Reihe von Gesetzm¨aßigkeiten, die bei amorphen Hochpolymeren auftreten, deren wichtigste im Folgenden kurz beschrieben sind. Alle Kunststoffe haben eine sogenannte Einfriertemperatur“, unterhalb ” der sie ¨ahnliche Eigenschaften wie Glas haben. Diese Einfriertemperatur (glass-transition temperature) ist nicht genau definiert. Wie Bild 3.16 zeigt w¨achst sie mit steigender Frequenz. Unterhalb der Einfriertemperatur haben
3.5 Messergebnisse
181
fast alle Hochpolymere einen Elastizit¨ atsmodul von ca. 5 · 109 N/m2 . Der Verlustfaktor ist ziemlich klein; er liegt jedenfalls unter 0,1. Unterhalb der Einfriertemperatur sind also Kunststoffe nicht zur D¨ampfung geeignet. Oberhalb der Einfriertemperatur exisitiert ein mehr oder weniger breiter Temperaturbereich, in dem sich Kunststoffe nicht mehr wie richtige Festk¨orper verhalten, aber auch noch nicht das rein plastische Verhalten zeigen. In diesem Bereich sind Kunststoffe am besten als D¨ ampfungsmaterialien geeignet, da ziemlich hohe Verlustfaktoren auftreten (siehe Tab. 3.4). Die Elastizit¨ats¨ moduln - die f¨ ur Entdr¨ ohnbel¨ age von Bedeutung sind - liegen in diesem Ubergangsbereich bei linearen“ Stoffen (also solchen mit Fadenmolek¨ ulen) im Be” reich von 106 - 107 N/m2 , und bei vernetzten Stoffen bei etwa 108 N/m2 . Der Elastizit¨atsmodul kann durch Beimengung von F¨ ullstoffen (z.B. Vermikulite) noch etwas erh¨ oht werden. Auf diese Weise gelingt es, Verlustmoduln 2 mit Werten bis zu E = E η = 109 N/m herzustellen. Tabelle 3.4. Verlustfaktor und Elastizit¨ atsmodul [N/m2 ] beim D¨ ampfungsmaximum einiger Hochpolymere
Polyvinylchlorid (rein) Polystyrol Polyisobutylen Nitrilkautschuk Hartgummi Polyvinylchlorid mit 30% Weichmacher
η
E
1,8 2,0 2,0 0,8 1,0 0,8
3 · 107 30 · 107 0, 6 · 107 33 · 107 20 · 107 2 · 107
bei ϑ [◦ C] f [Hz] 92 140 20 20 60 50
20 2000 3000 1000 40 100
Da man die Temperaturabh¨ angigkeit eines Kunststoffes durch das Hinzuf¨ ugen eines Weichmachers“ noch wesentlich beeinflussen kann, hat man ” also im Prinzip die M¨ oglichkeit durch geeignete Mischung eines vernetzten Kunststoffes mit einem Weichmacher und einem F¨ ullstoff, den f¨ ur den jeweiligen Temperatur- und Anwendungsbereich optimalen“ D¨ampfungsstoff ” herzustellen. Eine Schwierigkeit bei den optimalen“ Mischungen bildet das ” ¨ Temperaturverhalten. Sowohl die Erfahrung als auch theoretische Uberlegungen [3.26], [3.27] zeigen n¨ amlich, dass der Temperaturbereich großer Verlustfaktoren (also die Bandbreite“) um so kleiner ist, je h¨oher der maximale ¨” Verlustfaktor ist. Ahnlich ist das Verhalten hinsichtlich des Frequenzganges. Je h¨oher der Verlustfaktor, desto kleiner die Bandbreite. Der Zusammenhang zwischen Temperatur und Frequenzabh¨angigkeit ist ¨ u (n¨aherungsweise) ¨brigens noch viel weitergehend, weil im Ubergangsbereich einer Temperaturerh¨ ohung (bei gleichbleibender Frequenz) eine Frequenzmultiplikation (bei gleichbleibender Temperatur) entspricht. Man kann also feststellen, dass Temperaturerh¨ ohung, Frequenzverringerung und Addition eines
182
3 D¨ ampfung
Weichmachers qualitativ dieselbe Wirkung haben. Insbesondere wird durch diese Maßnahmen der Elastizit¨ atsmodul verringert; ob der Verlustfaktor steigt oder f¨allt, h¨angt davon ab, auf welcher Seite des Verlustfaktormaximums man sich befindet. Von Interesse ist schließlich noch, dass der Schubmodul in den meisten F¨allen etwa ein Drittel des Elastizit¨ atsmoduls betr¨agt und dass der Verlustfaktor f¨ ur Schubbeanspruchung sich nur unmerklich von dem f¨ ur Dehnbeanspruchung unterscheidet. An den kautschukelastischen Bereich schließt sich der plastische und schließlich der fl¨ ussige Bereich an. In diesem Gebiet erzeugt jede Beanspruchung eine dauernde Verformung. Außerdem ist der Elastizit¨atsmodul so klein, dass die Stoffe in diesem Zustand nicht mehr zur konstruktiven Verwendung und nicht einmal mehr zur optimalen D¨ ampfung geeignet sind. 3.5.3 Baustoffe Auch die mechanischen Eigenschaften von Baustoffen spielen in der Praxis eine große Rolle. In Tab. 3.5 sind deshalb die Elastizit¨atsmoduln und Verlustfaktoren (im h¨ orbaren Frequenzbereich) f¨ ur eine Reihe von Stoffen zusammengestellt. Die angegebenen Zahlen k¨ onnen nur als Richtwerte dienen, denn die mechanischen Eigenschaften von Stoffen wie Beton, Asphalt und Ziegelstein h¨angen sehr stark von der jeweiligen Zusammensetzung und der Herstellungsart ab. Es f¨allt auf, dass der Verlustfaktor sehr h¨aufig in der N¨ahe von 2 · 10−2 liegt. Diese Zahl kann also bei groben Sch¨ atzungen nicht nur bei d¨ unnen Blechkonstruktionen, sondern auch bei Bauwerken benutzt werden.
3.6 D¨ ampfung von geschichteten Platten W¨ ahrend bisher nur von mehr oder weniger homogenen Stoffen die Rede war, sollen im Folgenden auch inhomogene Anordnungen behandelt werden. F¨ ur die Praxis der K¨ orperschalld¨ ampfung sind gerade geschichtete Platten von besonderer Bedeutung. Auf eine Metallplatte werden dabei eine oder mehrere Schichten eines viskoelastischen D¨ ampfungsmaterials (z.B. Hochpolymere) und eventuell noch weitere Metallplatten aufgebracht. Es handelt sich hier sozusagen um Platten mit Arbeitsteilung“; die Metallplatten geben die Fes” tigkeit und das D¨ ampfungsmaterial die g¨ unstigen K¨orperschalleigenschaften. Besonders zu beachten ist, dass der Verlustfaktor von geschichteten Platten f¨ ur verschiedene Beanspruchungsarten sehr unterschiedlich sein kann. Man muss also immer klarstellen, f¨ ur welche Beanspruchungsart der jeweilige Verlustfaktor gilt. Ein Beispiel f¨ ur die Unterschiede des Verlustfaktors bei Anregung von Longitudinal- bzw. Biegewellen gibt bereits die als n¨achstes behandelte Platte mit einem einfachen Belag.
Dichte kg/m3
E-Modul N/m2
cLII m/s
Verlustfaktor axial
Bemerkungen
Asbestzement Asphalt
2000 1800-2300
28 · 109 3, 7 · 103 0, 7 − 2 · 10−2 9 3 7, 7 · 10 1, 9 · 10 0, 38 23◦ C, 10% Weichbit.-Gehalt 12 · 109 2, 4 · 103 0, 21 13◦ C, 11% Weichbit.-Gehalt 9 3 ◦ 21 · 10 3, 2 · 10 0, 055 13 C, 8,5% Hartbit.-Gehalt [3.33] Eichenholz 700-1000 2 − 10 · 109 1, 5 − 3, 5 · 103 ≈ 1 · 10−2 Fasermatten, Gef¨ uge 50-300 1, 4 − 3 · 105 ≈ 0, 1 und Luftsteife Fichtenholz 400-700 1 − 5 · 109 ≈ 2, 5 · 103 ≈ 8 · 10−3 [3.12] 9 Filz 0, 03 · 10 ≈ 6 · 10−2 Gipsplatten 1200 7 · 109 2, 4 · 103 6 · 10−3 [3.32] 9 3 Glas 2500 60 · 10 4, 9 · 10 0, 6 − 2 · 10−3 [3.32] Holzspanplatten 600-700 4, 6 · 109 2, 7 · 103 1 − 3 · 10−3 Kalkputz 1700 4, 4 · 109 1, 6 · 103 1 − 5 · 10−3 Kork 120-250 ≈ 0, 025 · 109 0, 43 · 103 0, 13 − 0, 17 9 Leichtbeton 1300 3, 8 · 10 1, 7 · 103 1, 5 · 10−2 [3.32] 9 3 Plexiglas 1150 5, 6 · 10 2, 2 · 10 2 − 4 · 10−2 Porenbeton 600 2 · 109 1, 7 · 103 1 · 10−2 [3.32] 9 3 Sand, trocken ≈ 1500 ≈ 0, 03 · 10 0, 1 − 0, 17 · 10 0, 06 − 0, 12 [3.31] Schwerbeton 2300 26 · 109 3, 4 · 103 4 − 8 · 10−3 [3.28][3.31] Sperrholz 600 5, 4 · 109 3 · 103 ≈ 1, 3 · 10−2 [3.28][3.21] 9 3 Ziegelstein 1900-2200 ≈ 16 · 10 2, 5 − 3 · 10 1 − 2 · 10−2 [3.28][3.21]
Stoff
Tabelle 3.5. Mechanische Daten von Baustoffen bei Normalbedingungen [109 N/m2 =1010 dyn/cm2 ≈ 104 kp/cm2 ]
3.6 D¨ ampfung von geschichteten Platten 183
184
3 D¨ ampfung
3.6.1 Platten mit einfachen Bel¨ agen, die auf Dehnung beansprucht sind Eine sehr einfache Methode zur Erh¨ ohung der K¨orperschalld¨ampfung von Metallplatten besteht im Aufbringen eines sogenannten Entdr¨ohnbelages. Den auf diese Weise erzeugten Verlustfaktor kann man leicht ausrechnen, wenn man auf die Definitionsgleichung (3.24) zur¨ uckgeht. Betrachtet man zuerst Quasilongitudinalwellen, dann ist offensichtlich, dass sich die wiedergewinnbare mechanische Energie aus der maximalen potentiellen Energie in Grundplatte und Belag zusammensetzt. F¨ ur die gesamte reversible Energie (hier wie im Folgenden wird stets mit Energien pro Oberfl¨acheneinheit gerechnet) gilt also nach (2.6)
2
dξ
1 1 WR = (E1 d1 + E2 d2 )|ε|2 = (E1 d1 + E2 d2 )
. (3.83) 2 2 dx Dabei bedeutet ξ die Maximalauslenkung innerhalb einer Periode, E1 , d1 und E2 , d2 den Realteil des Elastizit¨ atsmoduls und die Dicke der Grundplatte und des Belages. Da der Buchstabe E f¨ ur den Elastizit¨atsmodul gebr¨auchlich ist, wurde f¨ ur die Energie pro Fl¨ acheneinheit hier der Buchstabe W eingef¨ uhrt, um Verwechslungen zu vermeiden. Nimmt man nun an, dass die inneren Verluste in der Grundplatte vernachl¨assigbar sind, dann gilt f¨ ur die gesamte in W¨arme umgewandelte Energie pro Schwingungsperiode (3.23)
2
dξ
(3.84) WV = πη2 E2 d2
. dx Damit wird der Verlustfaktor ηL f¨ ur longitudinale Beanspruchung ηL =
E d2 WV = η2 2 . 2πWR E1 d1 + E2 d2
(3.85)
Der Verlustfaktor ist also proportional zum Verlustmodul η2 E2 . Diese Gr¨oße nimmt bei den besten bisher bekannten Stoffen etwa den Wert 109 N/m2 an; f¨ ur ein Stahlblech (E1 = 2 · 1011 N/m2 ) erh¨alt man also bei d1 = d2 nur ηL ≈ 5 · 10−3 . Quasilongitudinalwellen sind also nur schwer zu d¨ampfen, wenn sie nicht in andere Wellenarten umgeformt werden k¨onnen. Bei den f¨ ur die Schallabstrahlung wesentlich wichtigeren Biegewellen wird der Belag ebenfalls gedehnt (Bild 3.17). Ist ξM die Auslenkung in der Mittellinie des Belages, dann gilt f¨ ur die in W¨ arme umgesetzte Energie pro Fl¨acheneinheit und Schwingungsperiode
2
dξ
(3.86) WV = πη2 E2 d2
. dx Die reversible mechanische Energie bei Verbiegung ist dagegen durch
3.6 D¨ ampfung von geschichteten Platten
185
Bild 3.17. Auf Biegung beanspruchter Stab mit visko-elastischem Belag
WR =
2
2 1
d2 η
1
dβ
B
= 2 dx
2 dx
(3.87)
gegeben. Dabei ist B die Biegesteife des Systems aus Platte und Belag und β der Biegewinkel. Bezeichnet man den Abstand von der neutralen Faser bis zur Mitte des Belages mit a, dann ist offensichtlich ξM = aβ. Damit ergibt sich f¨ ur den Verlustfaktor ηB f¨ ur Biegewellen ηB =
WV E d2 a 2 = η2 2 . 2πWR B
(3.88)
Diese Gleichung enth¨ alt noch die beiden unbestimmten Gr¨oßen a und B. Man kann daf¨ ur relativ gute N¨ aherungen (siehe auch Kurtze [3.34]) und Abschnitt 3.6.2.2) angeben, wenn man annimmt, dass a = (d1 + d2 )/2 gleich dem Abstand von Mitte Grundplatte zur Mitte Belag ist. F¨ ur B kann man B≈
E1 d31 + E2 d2 a2 . 12
(3.89)
setzen, wobei der zweite Term nur bei relativ dicken Bel¨agen (d2 > d1 ) eine Rolle spielt. In Bild 3.18 ist das Verh¨ altnis der Verlustfaktoren ηB /η2 u ¨ber dem Dickenverh¨altnis nach der strengen Rechnung von Oberst [3.12] eingezeichnet. Außerdem sind noch Punkte eingetragen, die nach (3.88) berechnet wurden. Wie man sieht, stellt (3.88) eine sehr gute N¨ aherung dar. Die Verlustfaktoren f¨ ur Biegewellen sind also ebenfalls frequenzunabh¨angig und wesentlich h¨ oher als f¨ ur Longitudinalwellen. W¨ahrend der Verlustfaktor bei Longitudinalwellen f¨ ur E2 η2 = 109 N/m2 , d1 = d2 und E1 = 2 · 1011 N/m2 etwa ηL ≈ 5 · 10−3 betrug, wird bei den gleichen Materialdaten und Dimensionen der Verlustfaktor f¨ ur Biegewellen mit ηB ≈ 5, 5 · 10−2 mehr als zehnmal so hoch.
186
3 D¨ ampfung
Bild 3.18. Verlustfaktor von St¨ aben und Platten mit einfachen visko-elastischen Bel¨ agen nach Oberst nach den N¨ aherungsgleichungen (3.88) und (3.89) erhaltene Werte f¨ ur E2 /E1 = 3 · 10−3
Die Messergebnisse f¨ ur Platten mit Entdr¨ ohnbel¨agen stimmen sehr gut mit Bild 3.18 u ¨berein. Man kann also diese Angaben sehr gut zur Vorausberechnung der D¨ ampfung benutzen. Wie man sieht, wird die Gesamtd¨ampfung um so h¨oher je gr¨ oßer das Produkt E2 η2 und die Dicke d2 wird. Das k¨orperschalld¨ampfende Medium soll also nicht nur dick sein und einen hohen Verlustfaktor haben, es soll auch einen m¨ oglichst hohen Elastizit¨atsmodul aufweisen. Weiche Materialien wie Filz oder Weichgummi sind als Bel¨age zur K¨orperschalld¨ampfung wenig geeignet. Daher werden im allgemeinen Hochpolymere mit F¨ ullstoffen mit einem Elastizit¨ atsmodul von mehr als 109 N/m2 und einem m¨oglichst hohen Verlustaktor als Entdr¨ohnbel¨age“ verwendet. ” Neben den bereits angegebenen Gr¨ oßen spielt noch der Abstand a (siehe Bild 3.17) eine wesentliche Rolle. Offensichtlich soll a m¨oglichst groß sein. Man sollte also die Belagdicke groß machen oder einen Abstandhalter (Bild 3.19) zwischen Belag und Grundplatte einbringen. Die Wirkung des Abstandhalters (spacer) besteht darin, dass die Bewegungen der Grundplatte durch eine
3.6 D¨ ampfung von geschichteten Platten
187
Hebelwirkung u ¨bersetzt werden [3.35]. Im Idealfall besteht der Abstandhalter aus einer Zwischenschicht mit m¨ oglichst hoher Schubsteife. Meist verwendet man dabei eine metallische Honigwabenanordnung als Abstandhalter. Der Abstand a wird so um die Dicke des Abstandhalters vergr¨oßert, das erh¨oht den Verlustfaktor betr¨ achtlich. Bei dem oben genannten Beispiel w¨ urde das Einbringen eines Abstandhalters von der Dicke d1 den Abstand a verdoppeln und den Verlustfaktor damit fast vervierfachen. Hat der Abstandhalter keine sehr hohe Schubsteife, dann ist die Erh¨ ohung des Verlustfaktors allerdings geringer.
Bild 3.19. Abstandshalter zur Vergr¨ oßerung der Wirkung eines einfachen viskoelastischen Belages
3.6.2 Platten mit Mehrschichtbel¨ agen Seit langem werden zur K¨ orperschalld¨ ampfung auch Platten oder anderen Strukturen verwendet, die mit einem Belag aus viskoelastischem Material versehen sind, der seinerseits wieder mit einer zweiten Metallplatte abgedeckt wird. Praktische Konstruktionen dieser Art sind Platten mit einer sogenannten damping tape“ (das ist eine selbstklebende relativ dicke Metallfolie, bei ” der die Klebeschicht aus einem viskoelastischen Material besteht) und Sandwichplatten mit einer Zwischenlage aus einem stark verlustbehafteten Kunststoff. Daneben sind noch viele andere Konfigurationen (siehe Bild 3.20) mit und ohne Abstandhalter denkbar. All diesen Anordnungen ist gemeinsam, dass das viskoelastische Material im Wesentlichen auf Schub beansprucht wird (Bild 3.21). Die Schubbeanspruchung kommt dadurch zustande, dass die obere Metallplatte weniger gedehnt wird als die Oberseite der Grundplatte. Aus diesem L¨angenunterschied ξ2 ergibt sich der Gleitwinkel γ2 = ξ2 /d2 . Damit wird, in Analogie zu (3.23), die innerhalb des viskoelastischen Belags in W¨arme umgesetzte Energie pro Schwingung (wieder pro Oberfl¨acheneinheit gerechnet)
2
ξ2
WV = πη2 G2 d2 |γ2 |2 = πη2 G2 d2
. (3.90) d2 (G2 = Schubmodul der Mittelschicht). Die wiedergewinnbare Form¨ anderungsarbeit betr¨agt genauso wie oben
1
dβ
1 2 2 (3.91) WR = B = Bk |β| . 2 dx 2
188
3 D¨ ampfung
Bild 3.20. Verschiedene Anordnungen, bei denen visko-elastische Materialien auf Schub beansprucht sind
Bild 3.21. Verformung eines zwischen zwei Platten befindlichen visko-elastischen Materiales
Dabei bedeutet B die Biegesteife der gesamten Plattenanordnung. Sie setzt sich, wie unten noch gezeigt wird, aus mehreren Anteilen zusammen. Die in (3.91) auftretende Ableitung nach x konnte leicht durchgef¨ uhrt werden, da man davon ausgehen kann, dass das ganze System nur zu Biegeschwingungen angeregt ist. Es f¨ uhren also sowohl die beiden Platten als auch die Zwischenschicht Schwingungen mit derselben Wellenl¨ange und auch derselben Amplitude senkrecht zur Plattenebene aus. F¨ ur den Fall ebener Wellen aus dem dann durch Superposition jede beliebige Wellenform erhalten werden kann - ist die x-Abh¨ angigkeit aller Bewegungen durch e−jkx gegeben. Dabei 2 1/4 die Biegewellenzahl, die sich aus der Gesamtmasse und ist k = (ω m /B) der gesamten Biegesteife ergibt.
3.6 D¨ ampfung von geschichteten Platten
189
Aus (3.90) und (3.91) folgt unmittelbar f¨ ur den Verlustfaktor einer Plattenkombination, bei der die mechanischen Verluste vorwiegend durch Schubbeanspruchung einer viskoelastischen Schicht entstehen, η = η2
G2 d2 |γ2 |2 . Bk2 |β|2
(3.92)
Diese Gleichung enth¨ alt noch zwei unbekannte Gr¨oßen, die Biegesteife der Gesamtanordnung und das Verh¨ altnis von Schubwinkel zu Biegewinkel. Diese beiden Gr¨oßen werden im Folgenden f¨ ur zwei Spezialf¨alle berechnet. Man sieht aber auch so schon, dass große Verh¨ altnisse γ2 /β f¨ ur eine gute D¨ampfung g¨ unstig sind. 3.6.2.1 Biegesteife Grundplatte mit d¨ unner Abdeckplatte Wird eine Platte mit d¨ unnen Bel¨ agen (z.B. damping tape) versehen, so kann man in erster N¨aherung die Biegesteife der Grundplatte und der Plattenkombination gleichsetzen. Mit dieser N¨ aherung gilt aber auch, dass die Verschiebung der viskoelastischen Schicht aβ betr¨ agt (siehe Bild 3.21). Daraus ergibt ucksich aber noch nicht der Schubwinkel γ2 , vielmehr muss man noch ber¨ sichtigen, dass die Abdeckplatte durch die Schubkr¨afte um einen Betrag ξ3 verl¨angert wird. F¨ ur den Schubwinkel γ2 gilt also d2 γ2 = ξ2 = aβ − ξ3 .
(3.93)
Die Gr¨oße ξ3 ergibt sich aus der auf die Platte 3 wirkenden Kraft G2 γ2 und der R¨ uckstellkraft dieser zu Longitudinalbewegungen angeregten Platte. Unter Benutzung von (2.2) und (2.3) (wobei statt der Tr¨agheitskraft die Schubkraft eingesetzt wird) erh¨ alt man E 3 d3
d2 ξ3 = −G2 γ2 dx2
(3.94)
(E3 = Elastizit¨atsmodul der Abdeckplatte). Da die Ableitung nach x wieder gleichbedeutend ist mit einer Multiplikation mit k, erh¨alt man aus (3.93) und (3.94) 1 γ2 a = . (3.95) G2 β d2 1 + 2 E3 d3 d2 k
Hier tritt der komplexe Modul G2 = G2 (1 + jη2 ) auf. Setzt man (3.95) in (3.92) ein, so ergibt sich f¨ ur den Verlustfaktor η = η2
E3 d3 a2 gd . B|1 + (1 + jη2 )gd |2
(3.96)
Dabei wurde ein sogenannter Schubparameter gd f¨ ur die d¨ unne Abdeckplatte (Index d)
190
3 D¨ ampfung
G2 G2 gd = = 2 E 3 d3 d2 k E 3 d3 d2 ω
"
G2 λ2 B = 2 m 4π E3 d3 d2
(3.97)
eingef¨ uhrt, wobei λ die Biegewellenl¨ ange auf der Platten-Kombination angibt. Der Schubparamter gd und damit auch der Verlustfaktor der Mehrschichtplatte sind frequenzabh¨ angig. Der Frequenzgang des Verlustfaktors ist in Bild 3.22 gezeigt. Wie man sieht, tritt ein D¨ ampfungsmaximum auf, das - wie eine einfache Rechnung zeigt - bei " & 1 G2 1 + η22 B 1 cL1 d1 G2 ≈ 1 + η22 (3.98) fmax = 2π E3 d3 d2 m 22 d2 d3 E3 liegt (cL1 = Longitudinalwellengeschwindigkeit in der Grundplatte). Da bei Metallplatten cL1 ≈ 5 · 105 cm/s ist, muss der Schubmodul sehr viel niedriger sein als der Elastizit¨ atsmodul der Abdeckplatte, um die Frequenz gr¨oßter D¨ampfung in den haupts¨ achlich interessierenden Bereich zwischen 100 und 1000 Hz zu legen. Die Abnahme der D¨ ampfung zu beiden Seiten des Maximums ist relativ langsam. Die Halbwertsbreite“ betr¨ agt etwa 5 Oktaven. ”
Bild 3.22. Frequenzgang des Verlustfaktors einer Mehrschichtplatte
3.6 D¨ ampfung von geschichteten Platten
191
Neben der erw¨ ahnten Frequenzabh¨ angigkeit besteht noch ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen Einschicht- und Mehrschichtbel¨agen. W¨ahrend beim Einschichtbelag das Produkt η2 E2 von ausschlaggebender Bedeutung ist, braucht beim Mehrschichtbelag nicht unbedingt gefordert zu werden, dass das oglichst groß sein soll. (3.96) zeigt n¨amlich, dass der SchubProdukt η2 G2 m¨ modul G2 keinen Einfluss auf die H¨ ohe des Verlustfaktormaximums hat; durch G2 wird nur die Frequenz bestimmt, bei der dieses Maximum auftritt. Man braucht also - wenigstens bis zu einem gewissen Grade - bei der Auswahl eines viskoelastischen Materials nicht allzusehr auf Gr¨oße von G2 zu achten, solanoglichst hoch ist. Es ist demnach durchaus m¨oglich, ge der Verlustfaktor η2 m¨ die relativ weichen Kunststoffe mit η2 > 1 (Tabelle 3.3 auf Seite 178) zu verwenden. Die maximal erreichbare D¨ ampfung bei der optimalen Frequenz betr¨agt ηopt =
3 E 3 d3 E3 d3 a2 η2 η2 ≈ . 2B 2 2 E d 1 1 1+ 1+ 1+η 1 + η2 2
(3.99)
2
Wie man sieht, ist der f¨ ur η2 = 2 (h¨ ohere Werte d¨ urften nur selten auftreten) maximal erreichbare Verlustfaktor etwa 0, 9E3 d3 /E1 d1 . Etwa 80% dieses Wertes sind in einem breiten Frequenzband auch tats¨achlich erreichbar, vorausgesetzt nur, die Materialdicken und der Schubmodul sind entsprechend den angegebenen Gleichungen aufeinander abgestimmt. 3.6.2.2 Dicke Platten mit d¨ unner Zwischenschicht Die im letzten Abschnitt abgeleiteten Beziehungen, die einen zu E3 d3 proportionalen Verlustfaktor ergeben, gelten unter der Voraussetzung, dass die d¨ unne Abdeckplatte keinen merklichen Einfluss auf die Biegesteife der Gesamtanordnung hat. Ist diese Voraussetzung nicht erf¨ ullt, dann m¨ ussen die Gleichungen modifiziert werden. Da die Rechnung im Prinzip sehr ¨ahnlich erfolgt, wird auf die Literatur [3.36] verwiesen. F¨ ur die Darstellung der Ergebnisse empfiehlt es sich, einen Geometriepa” rameter“ 1 1 1 B1 + B 3 + (3.100) = 2 h a E 1 d1 E3 d3 und einen zu (3.97) analogen Schubparameter“ ” 1 G2 1 g= + d2 k 2 E 1 d1 E3 d3
(3.101)
einzuf¨ uhren. Dabei sind B1 und B3 die Biegesteifen der Grundplatte und der Abdeckplatte alleine, a ≈ d2 + (d1 + d3 )/2 bezeichnet den Abstand der neutralen Fasern.
192
3 D¨ ampfung
Mit den genannten Abk¨ urzungen ergibt sich f¨ ur den Verlustfaktor der Gesamtanordnung η = η2
|1 + (1 + jη2
)g|2
hg . + gh[1 + g(1 + η22 )]
(3.102)
Wegen
G2 a2 (3.103) 2 d2 k B1 + B3 ¨ ist die Analogie zu (3.96) offensichtlich. Ahnliches gilt f¨ ur das Verhalten beim D¨ampfungsmaximum, dessen Frequenz durch gh =
1 1 1 + h 1 + η22
(3.104)
hgopt 2(1 + gopt ) + hgopt
(3.105)
gopt = √ und dessen Wert durch ηopt = η2
gegeben ist. Man kann leicht zeigen, dass sich f¨ ur h 1 wieder die Gleichungen des letzten Abschnitts ergeben. Bei der praktischen Anwendung von (3.102) und (3.104) ergibt sich noch die Schwierigkeit, dass die Biegesteife B des Gesamtsystems f¨ ur die Berechnung der Biegewellenzahl k = (ω2 m /B)1/4 eigentlich schon bekannt sein muss. Man kann zwar zeigen, dass f¨ ur die komplexe Biegesteife gh , mit g = g(1 + jη2 ) B = (B1 + B3 ) 1 + (3.106) 1+g gilt, aber damit ist das Problem nicht gel¨ ost, denn zur Berechnung von B br¨auchte man g und damit auch k, das aber seinerseits von B abh¨angt. Man k¨onnte zwar k direkt berechnen (siehe Abschnitt 3.6.3) aber da das auf Polynome h¨oherer Ordnung f¨ uhrt, scheint es einfacher, sich an den richtigen Wert von k 2 heranzuiterieren“ indem man B = B1 + B3 oder die Biegesteife mit ” g = gopt als Startwert benutzt. F¨ ur den Spezialfall eines Verbundbleches aus zwei gleich dicken Platten (E1 = E3 , d1 = d3 d2 ) findet man h ≈ 3 und damit 3 < 0, 75. (3.107) ηopt = η2 5 + 4 1 + η22 Dieses Optimum wird bei einer Frequenz erreicht, die um den Faktor vier h¨oher ist als der nach (3.98) berechnete Wert. Messbeispiele f¨ ur zwei entdr¨ ohnte Bleche zeigt Bild 3.23. Obwohl sich der Verlustfaktor einer Mehrschichtplatte (Verbundplatte) u ¨ber ein sehr breites Frequenzband erstreckt (Bilder 3.22 und 3.23), wird der D¨ampfungsabfall zu tiefen Frequenzen manchmal als Nachteil empfunden. Gl¨ ucklicherweise
3.6 D¨ ampfung von geschichteten Platten
193
ist dieser Nachteil relativ leicht behebbar; es l¨ asst sich n¨amlich zeigen (siehe [3.37],[3.38]), dass aus kurzen St¨ ucken bestehende Abdeckplatten eine h¨ohere Schubbeanspruchung und damit auch eine st¨arkere D¨ampfung bei tiefen Frequenzen aufweisen. Die g¨ unstigste L¨ ange der Teilst¨ ucke der Abdeckplatte betr¨agt lT = 3, 3/α, wobei α in Bild 3.25 definiert ist.
Bild 3.23. Gemessener Verlustfaktor einer Verbundplatte mit d¨ unner Zwischenschicht (d1 = d3 ) und einer Platte mit einfacher Beschichtung (d2 /d1 ≈ 2, 5)
Bild 3.24. Mehrschichtplatte mit segmentierter Abdeckplatte.
Zusammenfassend kann man feststellen, dass Mehrschichtplatten mit einer auf Schub beanspruchten Zwischenschicht sich sehr gut zur K¨orperschalld¨ampfung eignen, wenn man die Dicken und Materialdaten (speziell G2 und h2 ) so aufeinander abstimmt, dass das Verlustfaktormaximum im haupts¨achlich interessierenden Frequenzbereich liegt. Durch Segmentieren kann man die Wirkung bei tiefen Frequenzen sogar noch etwas verbessern. Bei gleicher Masse sind die Verlustfaktoren einer Verbundplatte und einer einfachen Platte mit Entdr¨ ohnbelag etwa gleich, wenn jeweils die besten auf dem Markt befindlichen Materialien verwendet werden. Ein in manchen F¨allen interessanter Vorteil der Verbundplatten besteht darin, dass sie bei tiefen Frequenzen die relativ große Biegesteife (f¨ ur E1 = E3 )
194
3 D¨ ampfung
α lT
Bild 3.25. Beispiel des Verlustfaktors einer Mehrschichtplatte mit segmentierter G2 2 1 1 Abdeckplatte. Parameter: α = d2 E1 d1 + E3 d3
B≈
1 E1 (d1 + d3 )3 12
f¨ ur g 1
(3.108)
aufweisen, w¨ahrend bei hohen Frequenzen nach (3.106) B ≈ B1 + B3 =
1 E1 (d31 + d33 ) 12
f¨ ur g 1
(3.109)
gilt; das bedeutet, dass die f¨ ur die Schalld¨ ammung ung¨ unstige Grenzfrequenz der Spuranpassung (siehe Kap. 6) zu h¨ oheren Frequenzen verschoben wird [3.39]. 3.6.3 Bewegungsgleichungen f¨ ur geschichtete Platten 3.6.3.1 Platten mit einfachen Entdr¨ ohnbel¨ agen (Doppelbalken) F¨ ur manche Anwendungsf¨ alle kann es interessant sein, nicht nur den nach einem im Prinzip rein statischen Verfahren ermittelten Verlustfaktor zu kennen, sondern auch weitere Einzelheiten des Schwingungsverhaltens (z.B. die Kopplung von Biege- und Dehnwellen) im Detail zu verstehen; d.h. die vollen Bewegungsgleichungen zur Verf¨ ugung haben. Um diese Aufgabe zu l¨osen, empfiehlt sich die Verwendung des in Abschnitt 2.2.2 bereits eingef¨ uhrten Hamiltonsche Prinzips. Geht man davon aus, dass die Bewegungen eines Doppelbalkens in der Ebene y = 0 durch eine longitudinale Bewegung ξL , eine Transversalbewegung ξ2 und einen Winkel β beschrieben werden (siehe Bild 3.26), dann gilt f¨ ur die Bewegung ξ1 (in x-Richtung) in jeder beliebigen y-Ebene
3.6 D¨ ampfung von geschichteten Platten
ξ1 = ξL + yβ .
195
(3.110)
Hinsichtlich der Lage der y = 0 Ebene bez¨ uglich der Trennfl¨ache der beiden Schichten wird vorl¨ aufig noch keine Aussage gemacht. Die Wahl der Ebene y = 0 ist willk¨ urlich und braucht nicht mit der neutralen Faser zusammenzufallen. Das bedeutet nat¨ urlich, dass auch ξL von der Wahl der y = 0 Ebene abh¨angt. Darauf wird sp¨ater noch eingegangen.
Bild 3.26. Koordinatensystem bei einem Doppelbalken mit den Dichten ρ1 , ρ2 und den E-Moduln E1 , E2
F¨ ur die Dehnung ergibt sich nach (2.151) bis (2.158) unter Benutzung von (3.110) ∂ξL ∂β ∂ξ1 = +y x = ∂x ∂x ∂x (3.111) ∂ξ2 ∂ξ2 ∂ξ1 γxy = + =β+ ∂y ∂x ∂x Beschr¨ankt man sich auf eine Genauigkeit, die der Bernoullischen Biegetheorie entspricht, dann wird γxy = 0. Deshalb gilt β=−
∂ξ2 = −ξ2 . ∂x
(3.112)
Da in diesem Abschnitt von nun an nur mehr Ortsableitungen nach der xKoordinate vorkommen, werden sie der Einfachheit halber durch einen Strich gekennzeichnet. Zeitableitungen erhalten, wie u ¨blich, einen Punkt. Man h¨atte die N¨ aherung (3.112) f¨ ur die weitere Rechnung auch vermeiden k¨onnen. Das h¨atte bedeutet, dass man ¨ ahnlich h¨atte vorgehen m¨ ussen wie bei der Behandlung des Timoshenko Balkens in Abschnitt 2.8.2. Die entsprechende Rechnung wurde aus Gr¨ unden der Platzersparnis unterlassen, weil sie zu keinen qualitativ neuen Ergebnissen f¨ uhrt. Die f¨ ur die Anwendung des Hamiltonschen Prinzips notwendigen Gleichungen f¨ ur die kinetische und potentielle Energie eines sich in −l ≤ x ≤ l erstreckenden Balkens lauten Ekin =
ρ1 2
l −l
h1 −h3
(ξ˙12 + ξ˙22 )dxdy +
ρ2 2
l −l
h2 h1
(ξ˙12 + ξ˙22 )dxdy
(3.113)
196
3 D¨ ampfung
und Epot = =
l
E1 2 E1 2
h1
−l l
−h3 h1
−l
−h3
ε2x dxdy +
E2 2
l −l
(ξL − yξ2 )2 dxdy +
h2
ε2x dxdy =
h1
E2 2
l −l
h2
(ξL − yξ2 )2 dxdy .
h1
(3.114) F¨ uhrt man die Integration u urzungen ¨ber y durch und benutzt die Abk¨ h1
mE = ρ1 mZ = ρ1 mD = ρ1 =
h2
dy + ρ2
−h3 h1
dy = ρ1 d1 + ρ2 d2 h1 h2
ydy + ρ2
−h3 h1
ydy = h1
y 2 dy + ρ2
−h3
ρ1 ρ2 d1 (h1 − h3 ) + d2 (h1 + h2 ) 2 2
(3.115)
h2
y 2 dy =
h1
ρ1 ρ2 d1 (h21 − h1 h3 + h23 ) + d2 (h21 + h1 h2 + h22 ) 3 3
und entsprechend EE = E1 d1 + E2 d2 E1 E2 d1 (h1 − h3 ) + d2 (h1 + h2 ) EZ = 2 2 E1 E2 d1 (h21 − h1 h3 + h23 ) + d2 (h21 + h1 h2 + h22 ) , ED = 3 3
(3.116)
dann erh¨alt man Ekin = Epot
1 2
1 = 2
l −l l −l
2 (mE ξ˙L − 2mZ ξ˙L ξ˙2 + mD ξ˙22 + mE ξ˙22 )dx
(3.117) 2 (EE ξL
−
2EZ ξL ξ2
+
ED ξ22 )dx
.
Ziel der weiteren Rechnung ist es, die bei der Bildung des Hamilton’schen Integrals t2
δ
(Ekin − Epot )dt
t1
auftretenden Variationsausdr¨ ucke so umzuformen, dass nur mehr δξL oder δξ2 ¨ vorkommen. Das wird wie in Abschnitt 2.8.2 durch Uberw¨ alzen der Ablei” tung“ erreicht. Auf diese Weise entsteht ein linearer Ausdruck in δξL und δξ2 . Er kann nur verschwinden, wenn die jeweiligen Vorfaktoren gleich Null sind. Man erh¨alt so − mE ξ¨L − mZ ξ¨2 + EZ ξ2 = 0 EE ξL mZ ξ¨L − EZ ξL − ED ξ2 − mE ξ¨2 + mD ξ¨2 = 0 = (pA ).
(3.118)
3.6 D¨ ampfung von geschichteten Platten
197
Dies ist das Bewegungsgleichungssystem f¨ ur einen Zweischichtbalken. Der Druck (pA ) wurde noch nachtr¨ aglich eingef¨ ugt, es handelt sich dabei um eine von außen wirkende Kraft pro Fl¨ acheneinheit (bzw. pro L¨angeneinheit), die senkrecht zur Plattenebene wirkt. Wie ein Vergleich mit (2.37) und (2.89) zeigt, handelt es sich bei (3.118) um die Kopplung von Quasilongitudinalwellen und Biegewellen. Dabei ist mE die Masse pro Fl¨acheneinheit bzw. pro L¨ angeneinheit; EE bzw. ED spielen die Rolle der Longitudinalsteife bzw. der Biegesteife. Die Kopplung erfolgt u ¨ber die Gr¨oßen EZ und mZ . Abgesehen vom Spezialfall E1 /ρ1 = E2 /ρ2 kann der Kopplungsterm nicht zum Verschwinden gebracht werden, auch nicht durch geeignete Wahl der Ebene y = 0. Die Biegebewegung ξ2 ist also streng genommen immer mit einer Longitudinalbewegung gekoppelt. Allerdings kann man die Kopplung sehr klein machen, n¨ amlich dann, wenn man die Ebene y = 0 mit der aus der Statik bekannten neutralen Faser der Anordnung, die im vorliegenden Fall durch EZ = 0 gegeben ist, zusammenfallen l¨asst. Nach (3.116) ergibt sich daraus h1 =
E1 d21 − E2 d22 , 2(E1 d1 + E2 d2 )
(3.119)
wegen h3 = d1 − h1 und h2 = d2 + h1 . Die statische Biegesteife ED des Doppelbalkens wird damit nach (3.116) ' 2 d1 + d2 E 2 d2 E1 d31 E2 d32 1 + + ED = B = − d1 d2 . (3.120) 12 12 1 + E2 d2 /E1 d1 2 3 Dieser Ausdruck ist gleich dem von Oberst [3.12] benutzten und fast gleich (3.89). Man kann nun (3.120) dazu benutzen die Biegewellenzahl eines Doppelbalkens und, wenn E2 und/oder E1 komplex sind, den Verlustfaktor zu berechnen. Das Ergebnis ist identisch mit den Resultaten von Abschnitt 3.6.1 (siehe insbesondere Bild 3.18). Dasselbe gilt f¨ ur den Verlustfaktor von Dehnwellen in der neutralen Faser, denn bei Vernachl¨assigung der Kopplung (d.h. f¨ ur ω 2 mZ > 0) ergibt sich diese Wellenzahl zu 2 kL = ω2
ρ1 d1 + ρ2 d2 . E1 d1 + E2 d2
(3.121)
Will man die im Prinzip rein statische Betrachtung (weil ω 2 mZ = 0 gesetzt wird), die (3.120) und (3.121) zugrunde liegt, vermeiden, dann bleibt keine andere Wahl als die komplexe Wellenzahl f¨ ur die freien Wellen von (3.118) zu bestimmen. Dazu macht man den Wellenansatz e−jkx ejωt und erh¨alt (ω2 mE − k 2 EE )ξˆL − jk(ω 2 mZ + k 2 EZ )ξˆ2 = 0 (3.122) −jk(ω 2 mZ + k 2 EZ )ξˆL + (k 4 ED − ω 2 mE − k 2 ω 2 mD )ξˆ2 = 0 = (pA ). Die Determinante dieses linearen Gleichungssystems ist
198
3 D¨ ampfung
Det = k6 (EZ2 − EE ED ) + k4 ω 2 (ED mE − 2EZ mZ + EE mD ) + k2 ω 2 [EE mE + ω 2 (m2Z − mE mD )] − ω 4 mE .
(3.123)
Man kann sich davon u ¨berzeugen, dass die Koeffizienten dieses Polynoms wie man verlangen muss - unabh¨ angig von der Lage der y = 0 Ebene sind, die am Anfang dieses Abschnitts willk¨ urlich an eine beliebige Stelle gelegt wurde. Beschr¨ankt man sich auf die neutrale Faser, d.h. setzt EZ = 0, dann wird (3.123) zwar einfacher, aber sie zerf¨ allt nicht in zwei Gleichungen (dazu m¨ usste man ω2 mZ = 0 setzen, also quasistatisch rechnen). Setzt man (3.123) gleich Null um die freien Wellenzahlen zu erhalten, dann ergeben sich die L¨osungen ur Dehnwellen, f¨ ur Biegewellen ±kL , ±kBF , ±jkBN , also die Wellenzahlen f¨ und f¨ ur Biegewellennahfelder. Die Zahlenwerte, die eine numerische L¨osung von (3.123) liefert, liegen sehr nah an den Ergebnissen der quasistatischen Rechnungen. Aus (3.122) l¨asst sich auch die St¨ arke der Kopplung zwischen der Dehnwellenbewegung der neutralen Faser mit der Amplitude ξLN und der Biegebewegung ξ2 ermitteln. Die obere der Gleichungen (3.122) liefert wegen EZ = 0 ξˆLN jkω 2 mZ jω 2 mZ ρ2 d2 λ(d1 + d2 ) = 2 ≈− ≈ jπ . 2 ω mE − k EE kEE ρ1 d1 λ2L1 ξˆ2
(3.124)
ange im Teilbalken 1 und λ = 2π/k die WelDabei ist λL1 die Dehnwellenl¨ lenl¨ange der interessierenden Bewegung (z.B. Biegung der Gesamtanordnung). Bei der N¨aherung wurde λL1 > l und E1 /ρ1 > E2 /ρ2 vorausgesetzt. Man sieht, dass die Kopplung zwischen ξ2 und ξLN zwar stets vorhanden, aber besonders bei tiefen Frequenzen sehr schwach ist, weil λ < λL1 und erst recht d1 + d2 < λL1 . Die getrennte Behandlung der beiden Bewegungsarten ist also bei den u allen berechtigt. ¨blichen Anwendungsf¨ Aus (3.122) l¨asst sich auch die in Abschnitt 2.2.2 eingef¨ uhrte Trennimpedanz errechnen. Man erh¨ alt mit EZ = 0 pˆA pˆA k 2 mD k 2 ω 2 m2Z k 4 ED Zτ = = = jωmE 1 − 2 + − . vˆA ω mE mE mE (ω 2 mE − k2 EE ) jω ξˆA (3.125) Mit den soeben benutzten N¨ aherungen und mit k2 mD mE (also einer N¨aherung, die auch bei der u ¨blichen Biegetheorie gemacht wird) folgt daraus k 4 ED ω 2 m2Z Zτ = jωmE 1 − 2 + ω m EE mE ' (3.126) 2 4 k ED ρ1 d1 π(d1 + d2 ) ≈ jωmE 1 − 2 . + ω mE ρ2 d2 λL1 Bis auf die geschweifte Klammer ist das die Trennimpedanz eines Balkens. Die Korrektur durch die Kopplung ist wegen d1 + d2 lL1 wieder sehr klein.
3.6 D¨ ampfung von geschichteten Platten
199
3.6.3.2 Verbundplatten (Dreischichtbalken) Beim Dreischichtbalken kann man im Prinzip genauso vorgehen wie beim Doppelbalken. Allerdings spielt nun die Schubsteife eine sehr große Rolle, so dass man nicht mehr von der N¨ aherung (3.112) Gebrauch machen kann. Benutzt man die in Bild 3.27 angegebenen Beziehungen, dann gelten f¨ ur die Bewegungen in x-Richtung in den drei Schichten folgende Beziehungen ξI = ξL + yβI ξIII
ξII = ξL + h1 βI + (y − h1 )βII = ξL + h1 βI + d2 βII + (y − h1 − d2 )βIII .
(3.127)
Dabei ist ξL wieder die Auslenkung in x-Richtung in der Ebene y = 0, die nicht mit der neutralen Faser zusammenzufallen braucht. Die Lage der Ebene urlich. Wie beim Doppelbalken ist y = 0, d.h. der Wert von h1 ist wieder willk¨ ξ2 die Auslenkung in y-Richtung. Sie soll in allen drei Schichten gleich sein.
Bild 3.27. Koordinatensystem bei einem Dreischichtbalken der Dichten ρ1 , ρ2 , ρ3 mit den E-Moduln E1 , E2 , E3 und den Schubmoduln G1 , G2 , G3
Aus (3.127) ergeben sich die Dehnungen zu ∂ξI = ξL + yβI ; analog f¨ ur εII und εIII ∂x ∂ξI ∂ξ2 = ur γII und γIII . + = βI + ξ2 ; analog f¨ ∂y ∂x
εIx = γIxy
(3.128)
F¨ uhrt man nun dieselbe (aber wesentlich l¨ angere) Rechnung durch wie im letzten Abschnitt, dann erh¨ alt man als Bewegungsgleichung des Dreischichtbalkens ein System von Differentialgleichungen zweiter Ordnung f¨ ur die Gr¨oßen ξL , ξ2 , βI , βII , βIII . Macht man nun den Wellenansatz e−jωx ejωt ,
200
3 D¨ ampfung
dann entspricht jede Zeitableitung einer Multiplikation mit jω und jede Ortsableitung einer Multiplikation mit −jk. Damit wird die Gleichung f¨ ur die ur die anregende Kraft (pro Fl¨achenkomplexen Amplituden ξL , ξ2 etc. und f¨ einheit) pA in y-Richtung ⎤⎡ ˆ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ξL 0 α11 0 α13 α14 α15 ⎥ ⎢ ⎥ ⎥⎢ ⎢ ˆ ⎥ ⎢ ⎢ 0 α22 α23 α24 α25 ⎥ ⎢ ξ2 ⎥ ⎢pA ⎥ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢α13 α23 α33 α34 α35 ⎥ ⎢ 0⎥ (3.129) βˆI ⎥ = ⎢ ⎥⎢ ⎢ ⎥ ⎥ ⎢ ⎢ ⎥⎢ ⎢ ⎥ ˆ ⎥ ⎣α14 α24 α34 α44 α45 ⎦ ⎢ ⎣ βII ⎦ ⎣ 0 ⎦ 0 α15 α25 α35 α45 α55 βˆIII Dabei ist 1 1 α11 = k2 EE − ω 2 mE ; α13 = EE h1 − E1 d21 k 2 − mE h1 − ρ1 d21 ω 2 ; 2 2 1 1 E2 d22 + E3 d2 d3 k 2 − ρ2 d22 + ρ3 d2 d3 ω 2 ; α14 = 2 2 1 1 α15 = E3 d23 k 2 − ρ3 d23 ω 2 ; α22 = −G2 k 2 + ω 2 mE ; 2 2 α23 = −jkG1 d1 ; α24 = −jkG2 d2 ; α25 = −jkG3 d3 ; α34 = α14 h1 ; α35 = α15 h1 ; α33 = [EE h21 − E1 d21 (h1 − d1 /3)]k 2 − [mE h21 − ρ1 d21 (h1 − d1 /3)]ω2 + G1 d1 ; 1 1 α44 = E2 d32 + E3 d22 d3 k 2 − ρ2 d32 + ρ3 d22 d3 ω 2 + G2 d2 ; 3 3 1 1 α45 = α15 d2 ; α55 = E3 d33 k 2 − ρ3 d33 ω 2 + G3 d3 ; 3 3 EE = E1 d1 + E2 D2 + E3 d3 ; mE = ρ1 d1 + ρ2 d2 + ρ3 d3 ; GE = G1 d1 + G2 d2 + G3 d3 . Aus (3.129) kann man durch Nullsetzen der Determinante die freien Wellenzahlen und, wenn E bzw. G komplex ist, die Verlustfaktoren bestimmen. Da ur jede die Determinante ein Polynom f¨ unfter Ordnung in k 2 ist, findet man f¨ Frequenz f¨ unf L¨ osungen, von denen aber nur zwei, n¨amlich eine Art Quasilongitudinalwelle und eine Art Biegewelle, ausbreitungsf¨ahig sind. Die u ¨brigen freien Wellenzahlen geh¨ oren zu exponentiell abklingenden Nahfeldern. Man kann auch analog zu (3.125) die Trennimpedanz berechnen. Es zeigt sich dabei, dass sowohl die freien Wellenzahlen als auch die Trennimpedanz f¨ ur Anregung und Bewegung in y-Richtung von der willk¨ urlichen Wahl von h1 unabh¨angig sind. Eine wesentliche Vereinfachung von (3.129) ergibt sich, wenn man, wie es bei der unkorrigierten Biegewelle u ¨blich ist, in den Schichten I und III die Schubdehnungen εI 12 bzw. εIII 13 zu Null setzt, also den Ansatz
3.6 D¨ ampfung von geschichteten Platten
βIII = βI = −ξ2
bzw.
201
βˆII = βˆI = jk ξˆ2
macht. F¨ ur die weitere Rechnung empfiehlt es sich, die dritte und f¨ unfte Zeile im linearen Gleichungssystem (3.129) mit jk zu multiplizieren und zur zweiten Zeile zu addieren (das Gleichungssystem bleibt dann symmetrisch). Man erh¨alt so nach einigen Zwischenrechnungen ⎡ ⎤ α2 α14 γ23 α11 − α14 +jk α + α − 13 15 α44 44 ⎣ ⎦ (3.130) 2 γ23 2 γ23 γ +jk α13 + α15 − α14 + k 22 α44 α44 Dabei ist γ22 = − k2 G2 d2 + ω 2 mE − k 4 [B1 + B3 + E1 d1 h211 + E3 d3 h213 + E2 d2 h21 ]
γ23
+ ω 2 k 2 [M1 + M3 + ρ1 d1 h211 + ρ3 d3 h213 + ρ2 h2 h21 ]; 1 1 = − G2 d2 + k 2 E3 d2 d3 h13 + E2 d22 h1 − ω 2 ρ3 d2 d3 h13 + ρ2 d22 h1 2 2
h11 =h1 − d1 /2,
h13 = h1 + d3 /2.
Die hier noch vorkommenden Gr¨ oßen B1 , B3 , M1 , M3 sind die Biegesteifen bzw. Tr¨agheitsmomente der Schichten I und III, wenn die Zwischenschicht beliebig weich w¨ are; B1 =
1 E1 d31 ; 12
B3 =
1 E3 d23 ; 12
M1 =
1 ρ1 d31 ; 12
M3 =
1 ρ3 d33 . 12
Berechnet man die Determinante von (3.130), so erh¨alt man ein Polynom vierter Ordnung in k 2 . Die vier L¨ osungen, die beim Nullsetzen gewonnen werden, entsprechen den ausbreitungsf¨ ahigen Quasilongitudinalwellen, den ausbreitungsf¨ahigen Biegewellen, dem Biegewellennahfeld und einem Schubwellennahfeld. ¨ Ahnlich wie bei (3.118) bzw. (3.122) kann man nun fragen, ob es durch oglich ist, die beiden Gleichungen in (3.129) zu entgeeignete Wahl von h1 m¨ koppeln. Das ist ohne Vernachl¨ assigung nicht der Fall; es sei denn man l¨asst angt. zu, dass h1 von der Frequenz abh¨ Eine f¨ ur nicht zu hohe Frequenzen sehr brauchbare N¨aherung ergibt sich durch Nullsetzen von E2 (d.h. die Zwischenschicht wird als sehr weich angenommen) und durch Vernachl¨ assigung der Tr¨ agheitsterme mit Ausnahme von ω 2 mE (d.h. man setzt M1 = M3 = 0 und ρ2 = ρ3 = 0). Man kann nun die beiden Gleichungen in (3.130) entkoppeln, indem man h1 so w¨ahlt, dass α13 + α15 −
α14 γ23 =0 α44
gilt. Es l¨asst sich zeigen, dass diese Bedingung erf¨ ullt ist, wenn h1 =
E1 d21 (1 + g3 ) − E3 d23 g3 (d3 + 2d2 ) 2[E1 d1 (1 + g3 ) + E3 d3 g3 ]
(3.131)
202
3 D¨ ampfung
mit
G2 E3 d2 d3 k 2 ist. (3.131) stellt offensichtlich die Gleichung f¨ ur die Lage der neutralen Faser eines Dreischichtbalkens dar. Unter Benutzung der obigen N¨aherungen wird aus (3.130) E3 d3 k 2 ˆ ξLN F = 0 k 2 EE − ω 2 mE − 1 + g3 , ' 2 E1 d1 E3 d3 d1 d3 2 4 ω mE − k B1 + B3 + g3 ξˆ2 = pˆA . + + d2 E1 d1 (1 + g3 ) + E3 d3 g3 2 2 (3.132) g3 =
Die erste dieser Gleichungen beschreibt die Quasilongitudinalwellen in der neutralen Faser eines Dreischichtbalkens. Die zweite Gleichung bezeichnet offensichtlich Biegewellen, wobei der in eckigen Klammern stehende Ausdruck der Biegesteife nach (3.106) entspricht. Mit den eben durchgef¨ uhrten N¨aherungen erh¨alt man also wieder die einfachen Beziehungen des Abschnitts 3.6.2. Es sei noch erw¨ ahnt, dass (3.132) die L¨ osung einer Gleichung zweiter bzw. dritter Ordnung in k 2 erfordert, weil k 2 auch in der Hilfsgr¨oße g3 enthalten ist. Meist geht man aber so vor, dass man in g3 einen N¨aherungswert von k2 einsetzt und dann einige Iterationsschnitte durchf¨ uhrt.
3.7 D¨ ampfung durch Resonatoren Bei den bisher behandelten Plattenkombinationen ergab sich stets eine breitbandige Wirkung, die in der Praxis bei ebenfalls breitbandiger Anregung durch Ger¨ausche ja meist auch erw¨ unscht ist. Es gibt aber auch F¨alle, bei denen nur ein sehr schmales Frequenzband angeregt wird (z.B. bei Transformatoren oder beim Kurven-Quietschen). Hier lohnt es sich unter Umst¨anden auch, die D¨ampfungs-Maßnahme auf ein schmales Frequenzgebiet abzustimmen, um auf Kosten der Bandbreite eine große D¨ampfung in einem kleinen Frequenz-Gebiet zu erzielen. Den einfachsten Fall derartiger d¨ ampfender Resonatoren (manchmal drastisch als akustische Blutegel bezeichnet) bilden unabh¨angige Feder-MasseSysteme, die auf die zu d¨ ampfende Fl¨ ache aufgebracht werden. Als erstes sei ein zu Quasilongitudinalwellen angeregter Stab betrachtet, der mit vielen unabh¨ angigen Federn und Massen versehen ist (Bild 3.28). F¨ ur jede einzelne dieser Federn ergibt sich die Verschiebung aus F = s (ξs − ξM ).
(3.133)
Dabei ist F die antreibende Kraft, ξs und ξM die Auslenkungen zu beiden Seiten der Feder und s die komplexe Steife pro L¨angeneinheit einer Feder. Da alle Federn im vorliegenden Fall auf Schub beansprucht werden, ist
3.7 D¨ ampfung durch Resonatoren
s = G F
b b = GF (1 + jηF ) . lF lF
203
(3.134)
(GF = Schubmodul, ηF = Verlustfaktor des Federmaterials, lF = Abstand zwischen Stab und Masse, b = Breite).
Bild 3.28. Stab mit zus¨ atzlichen ged¨ ampften Feder-Masse-Systemen
F¨ ur die Bewegung der Masse pro L¨ angeneinheit m folgt aus dem Tr¨agheitsgesetz (3.135) Fˆ = −ω 2 m ξˆM . F¨ uhrt man nun noch die Schnelle vS = jωs ξs ein, dann erh¨alt man jωm vˆS Fˆ = , 1 − ω 2 /ω02 wobei ω 20 =
s G b = F (1 + jηF ) = ω 2 (1 + jηF ) m lF m
(3.136)
(3.137)
das Quadrat der komplexen Eigenfrequenz des Feder-Masse Systems ist. Zur Berechnung der Schwingungen ben¨ otigt man nun nur noch das Gleichungspaar (2.35) und (2.36), das um die durch (3.136) gegebene Kraft erweitert wird. Man erh¨ alt so f¨ ur die Longitudinalbewegung des mit Federn und Massen belasteten Stabes dFˆ jωm vˆS = jωρSˆ vS + dx 1 − ω 2 /ω 20 dˆ vS = jω Fˆ . −ES dx
−
(3.138)
Durch Differentiation nach x kann man Fˆ eliminieren, man erh¨alt dann d2 vˆS m ω02 (1 + jηF ) 2 ρ + ω (3.139) 1 − vˆS = 0. dx2 E ρS ω 2 − ω02 (1 + jηF ) Der Einfluss der zus¨ atzlich angebrachten Federn und Massen besteht darin, die 2 beim unbehandelten Stab durch kL0 = ω 2 /c20 = ω 2 ρ/E gegebene Wellenzahl in m ν2 m 1 − ν 2 + ηF2 2 1+ (3.140) − jη k2 = kL0 F ρS (1 − ν 2 )2 + ηF2 ρS (1 − ν 2 )2 + ηF2
204
3 D¨ ampfung
umzuwandeln (ν = ω/ω0 ). ¨ Die Anderung der Wellenzahl, die in (3.140) zum Ausdruck kommt, bezieht sich sowohl auf den Real- als auch den Imagin¨arteil, durch die aufgesetzten Federn und Massen werden also Ausbreitungsgeschwindigkeit und D¨ampfung des urspr¨ unglichen Systems ge¨ andert. F¨ ur Zusatzmassen, die insgesamt 10% der Stabmasse haben, ist in Bild 3.29 die Ausbreitungsgeschwindigkeit und die D¨ ampfung eingezeichnet. Wie man ¨ sieht, wird eine kleine Anderung der Ausbreitungsgeschwindigkeit und - nahe der Resonanzstelle - eine betr¨ achtliche D¨ ampfung bewirkt. Die D¨ampfung wird sogar so hoch, dass die Voraussetzung der Rechnung (η < 1) nicht mehr erf¨ ullt ist.
Bild 3.29. D¨ ampfung und Ausbreitungsgeschwindigkeit f¨ ur einen Stab mit zus¨ atzlichem Feder-Masse-System M /ρS = 0, 1
(3.133) bis (3.140) kann man ohne Schwierigkeiten auf andere voneinander unabh¨angige Zusatzsysteme erweitern. Benutzt man n¨amlich statt (3.136) den Eingangswiderstand
3.7 D¨ ampfung durch Resonatoren
205
Fˆ vˆS eines Zusatzsystems (pro L¨ ange gerechnet), dann erh¨alt man statt (3.139) Z d2 vˆS 2 ρ 1 − j vˆS = 0. + ω (3.141) dx2 E ωρS Z =
Der Realteil des Eingangswiderstandes gibt also an, wie groß die D¨ampfung ist. Besonders hohe D¨ ampfungen erh¨ alt man f¨ ur rein reelle Widerst¨ande. Ein Beispiel eines derartigen reellen Widerstandes ist der Eingangswiderstand einer Platte (4.59). Man kann also durch Anbringen von d¨ unnen, ged¨ampften Platten, die senkrecht zur Stabachse stehen, ganz beachtliche D¨ampfungen von Quasilongitudinalwellen erzielen (Verlustfaktoren von 0,3 sind f¨ ur derartige Kombinationen nicht ausgeschlossen). Die durch (3.140) gegebene D¨ ampfung h¨ atte man nat¨ urlich auch mit Hilfe der Energiemethoden herleiten k¨ onnen, die in Abschnitt 3.6 benutzt worden sind. Wenn die Belastung durch die zus¨ atzlich angebrachten Federn und Massen nicht allzu groß ist, dann betr¨ agt die reversible mechanische Energie in einem Stab der L¨ ange ls 1 WR = ρSls |ˆ vS |2 . 2 F¨ ur die pro Zeiteinheit - f¨ ur den Stab - verlorengegangene Energie gilt n 1 nRe vˆS Fˆ ∗ = |ˆ vS |2 Re {Z E } . 2 2 Dabei ist n die Anzahl der Zusatzelemente und Z E der Eingangswiderstand eines Elementes. Die pro Schwingungsperiode T verlorengegangene Energie betr¨agt entsprechend WV =
n nπ |ˆ vS |2 T Re {Z E } = |ˆ vS |2 Re {Z E } . 2 ω
Nach der Definitionsgleichung (3.24) ergibt sich also f¨ ur den Verlustfaktor der gesamten Anordnung n Re {Z E } η= . (3.142) ls ωρS Da nZ E /ls der Eingangswiderstand pro L¨ angeneinheit ist, ergeben (3.140) und (3.142) beinahe dasselbe Ergebnis (der noch bestehende kleine Unterschied ist darauf zur¨ uckzuf¨ uhren, dass die in den Zusatzelementen enthaltene reversible Energie vernachl¨ assigt wurde). Die gleiche Rechnung wie bei Quasilongitudinalwellen kann man auch bei Torsions- und Biegewellen durchf¨ uhren. Man braucht auch hier lediglich zu den Tr¨agheitskr¨aften die von außen angreifenden Kr¨afte zu addieren. F¨ ur Biegewellen erh¨alt man auf diese Weise statt (2.130) Z d4 vˆ 4 vˆ = 0. (3.143) − kB0 1 − j dx4 ωρS
206
3 D¨ ampfung
Dabei ist Z der Eingangswiderstand pro L¨ angeneinheit der Zusatzanordnung, ρS die Masse des Stabes pro L¨ angeneinheit und kB0 die Biegewellenzahl des unbehandelten Stabes. Offensichtlich ist auch hier die D¨ampfung wieder durch den Realteil des Widerstandes gegeben. Sie hat also bei einfachen Feder-Masse Systemen wieder ein ausgepr¨ agtes Maximum; auch bei den u ¨brigen Frequenzen entspricht die Wirkung den in Bild 3.29 angegebenen Kurven. Ein Messbeispiel [3.41] eines Stabes, bei dem die D¨ampfung durch Einzelelemente erfolgte, zeigt Bild 3.30. Es handelt sich hier um einen auf Biegung beanspruchten Stab, an den viele kleine, verschieden abgestimmte Blechstreifen angebracht waren. Die Blechstreifen waren schwach ged¨ampft.
Bild 3.30. Gemessene und (nach Gl.(3.142)) gerechnete Verlustfaktoren eines Stabes mit seitlich angebrachten Blechstreifen als Resonatoren
Wie man sieht, erh¨ alt man auf diese Weise immerhin Verlustfaktoren von 0,01 - 0,02. Dieser Wert ist zwar nicht besonders hoch: Das Gewicht der Blechstreifen betr¨agt etwa 9% des Stabgewichtes; bei demselben Gewichtsverh¨altnis k¨onnte man durch einen einfachen viskoelastischen Belag den 3- bis 4-fachen
3.7 D¨ ampfung durch Resonatoren
207
Verlustfaktor erzielen. Andererseits kann man einen beinahe beliebigen Frequenzgang einstellen, und das mag ¨ ahnliche Anordnungen in Spezialf¨allen interessant erscheinen lassen. Ein weiteres System, bei dem die D¨ ampfung Resonanzcharakter hat, besteht aus zwei Platten, die miteinander durch federnde Elemente verbunden sind. Es handelt sich also um ein gekoppeltes System, das man durch zwei gekoppelte Biegewellengleichungen beschreiben kann (siehe Abschnitt 5.7.1). Es l¨asst sich zeigen, dass die gr¨ oßte D¨ ampfung f¨ ur # s (m1 + m2 ) (3.144) ω = ω0 = m1 m2 eintritt. Da s die Federsteife der Zwischenschicht je Fl¨ache und m1 bzw. m2 die Masse je Fl¨ache der beiden Platten sind, stellt ω0 gerade die Tonpilzfrequenz des Systems dar. Oberhalb und unterhalb von ω0 ist die D¨ampfung ziemlich klein. Diese Tatsache ist f¨ ur Mehrschichtplatten mit sehr weichen oder dicken Zwischenschichten manchmal von Bedeutung. Die in Abschnitt 3.6.2 berechneten relativ hohen Verlustfaktoren werden n¨amlich oberhalb von ω0 meist nicht mehr erreicht. Man sollte also immer darauf achten, dass die Zwischenschichten von Mehrschichtplatten nicht zu weich sind. 3.7.1 D¨ ampfung durch dicke Schichten Bei dicken Schichten entsteht die D¨ ampfung durch Abstrahlung von in Form von mechanischen Wellen vorhandener K¨ orperschallenergie in ein stark d¨ampfendes Material hinein. Es besteht also eine gewisse Verwandtschaft zu der in Kapitel 6 behandelten Luftschallabstrahlung. Wie dort erkl¨art wird, findet eine Schallabstrahlung in die dicke Schicht nur dann statt, wenn die Wellenl¨ange λp der schwingenden Struktur gr¨ oßer ist als die Wellenl¨ange cM /f der d¨ampfenden Schicht. Weil nur dieser Fall praktisch interessiert, wird hier ur den in Kapitel 6 definierten f¨ ur das Folgende λp > cM /f vorausgesetzt. F¨ Abstrahlgrad gilt also σ ≈ 1. Die genannte Voraussetzung erlaubt die Behandlung der Schicht als eindimensionalen Wellenleiter mit der Dichte ρM und der komplexen Ausbreitungsgeschwindigkeit cM . Wenn dieser Wellenleiter an seinem Ende frei ist und die L¨ange d (= Dicke der Schicht) besitzt, dann betr¨agt seine Eingangsimpedanz pro Fl¨acheneinheit Z = jρM cM tan (ωd/cM ) (3.145) mit
cM = cM
1 + jηM .
Darin bedeutet ηM den Verlustfaktor des Schichtmaterials. Falls die urspr¨ ungliche Anordnung Biegewellen ausf¨ uhrt, wird f¨ ur cM die Longitudinalwellengeschwindigkeit eingesetzt. Falls Dehnwellen ged¨ampft werden sollen, wird die Schubwellengeschwindigkeit benutzt.
208
3 D¨ ampfung
Setzt man (3.145) in (3.141) oder in (3.142) ein, so kann man den Verlustfaktor der Gesamtanordnung n¨ aherungsweise bestimmen. Ein Beispiel, bei dem Dehnwellen auf einem 10 mm dicken Aluminiumstab ged¨ampft wurden, zeigt Bild 3.31. Zur D¨ ampfung wurde eine weiche Gummischicht mit cM ≈ 100 m/s und ηM ≈ 0,9 verwendet. Die erste Dickenresonanz ωd/cM = π/2 liegt bei etwa 2000 Hz. Unterhalb der Resonanzfrequenz nimmt der Verlustfaktor rasch ab, weil nur noch wenig Energie in die Schicht u ¨bertragen wird. H¨ohere Dickenresonanzen oberhalb der tiefsten Resonanzfrequenz sind nur noch andeutungsweise vorhanden, weil der Verlustfaktor hier sehr hoch ist. In diesem Frequenzbereich gilt n¨ aherungsweise Re{Z } ≈ ρM cM .
Bild 3.31. D¨ ampfung durch K¨ orperschallabstrahlung in eine dicke Schicht (Sch¨ uttung) aus weichem Material (λP > cM /f )
Vergleicht man die von einer dicken Schicht verursachten Gesamtverlustfaktoren mit denen einer entdr¨ ohnten Platte bei gleichem Gewicht der D¨ampfungsschicht, so erh¨ alt man oberhalb der ersten Dicken-Resonanz fast gleiche Werte. Weiche, stark d¨ ampfende Schichten eignen sich also auch zur K¨orperschalld¨ampfung vorausgesetzt, dass sie gen¨ ugend dick sind. Ihr besonderer Vorteil ist, dass sie Dehnwellen fast so stark d¨ampfen wie Biegewellen. Sie
3.8 D¨ ampfung von F¨ ugestellen
209
haben zwar einen hohen Platzbedarf, k¨ onnen aber eventuell zur Luftschallschluckung mit ausgenutzt werden. In [3.42] wurden auch diejenigen Verlustfaktoren berechnet, die man unter Ber¨ ucksichtigung der seitlichen Kopplung im D¨ampfungsmaterial erhalten w¨ urde. Bei der entsprechenden Rechnung wurde von der elastischen Grundgleichung ausgegangen, d.h. es wurde Longitudinal- und Transversalbewegung in der Schicht erfasst. Vergleicht man die so erhaltenen Werte mit denen, die sich mit Z nach (3.145) aus (3.141) und aus (3.143) ergeben, so findet man fast keine Unterschiede. Es l¨ asst sich zeigen, dass das immer dann gilt, wenn cM kleiner ist als die Wellengeschwindigkeit in der Ausgangskonstruktion, also beispielsweise die Biegewellengeschwindigkeit. ¨ Die f¨ ur dicke Schichten geltenden Uberlegungen lassen sich auch auf eine in der Praxis beliebte - weil billige und temperaturunempfindliche - D¨ampfungsmethode, n¨amlich die Aufbringung von Sandsch¨ uttungen, anwenden. Auch in diesem Fall tritt eine deutliche Wirkung erst in der N¨ahe und oberhalb der ersten Dickenresonanz ein und der Mittelwert der D¨ampfung ist durch Re Z ≈ ρM cM bestimmt. Dabei bedeuten ρM die Sanddichte und cM die Schallausbreitungsgeschwindigkeit im Sand, die nur schwer angebbar ist. Zwar weiß man, dass bei d¨ unnen, trockenen, lockeren Sandschichten [3.43] etwa cL = 150 m/s,
cT = 100 m/s,
η ≈ 0, 1
gilt. Die genannten Zahlen stellen jedoch die g¨ unstigsten Werte dar; denn meist ist Sand etwas feucht, außerdem wird er durch sein Eigengewicht und durch st¨andiges Sch¨ utteln etwas verdichtet. Beide Effekte f¨ uhren zu einer h¨oheren Schallgeschwindigkeit und somit zu kleinerer D¨ampfung im tieffrequenten und mittelfrequenten Bereich. Trotzdem ist handels¨ ublicher, trockener Sand im mittleren und hohen Frequenzbereich, in dem cL gr¨oßer ist als die Biegewellengeschwindigkeit der Ausgangskonstruktion, ein gutes und preiswertes Entdr¨ ohnmaterial.
3.8 D¨ ampfung von Fu ¨ gestellen Es ist eine bekannte Tatsache, dass Maschinen und Ger¨ate, die aus mehreren Bauteilen zusammengesetzt sind, wesentlich h¨ohere Verlustfaktoren aufweisen als die Materialien, aus denen sie bestehen. Beispielsweise kann man f¨ ur Geb¨aude fast immer mit einem Verlustfaktor von 2 · 10−2 rechnen, w¨ahrend f¨ ur Konstruktionen aus Stahl oder Aluminium (Materialverlustfaktor < 10−3 ) in grober N¨aherung gilt: a) Konstruktionen aus wenigen dicken Bauteilen (z.B. Schiffsaußenhaut) η ≈ 5 · 10−3 −3
η ≈ 2 · 10
f¨ ur f < 500 Hz f¨ ur f > 1000 Hz.
210
3 D¨ ampfung
b) Konstruktionen aus vielen dicken oder weniger d¨ unnen Bauteilen (z.B. Motor, Fahrzeugkarosserie) η ≈ 10−2 . c) Konstruktionen aus vielen d¨ unnen Teilen η ≈ 5 · 10−2 −2
η ≈ 1 · 10
f¨ ur f < 500 Hz f¨ ur f > 1000 Hz.
Diese Verlustfaktoren, die man umsonst“ bekommt, sind die Ursache daf¨ ur, ” dass die Resonanz¨ uberh¨ ohungen in praktischen Konstruktionen meist nicht so extrem hoch sind, wie man aufgrund der Materialverluste bef¨ urchten m¨ usste; sie sind aber auch die Ursache daf¨ ur, dass zus¨ atzliche D¨ampfungs-Maßnahmen (z.B. Entdr¨ohnung) nur dann zu h¨ orbaren Verbesserungen f¨ uhren, wenn sie den Verlustfaktor der Gesamtanordnung auf mehr als 10−2 erh¨ohen. Die zus¨atzliche D¨ ampfung von zusammengesetzten Konstruktionen ist auf die kleinen Relativbewegungen - typischerweise weniger als 10−6 m bei mittleren und hohen Frequenzen - an den Verbindungsstellen (Verschraubung, Nietung, Passsitz etc.) zur¨ uckzuf¨ uhren. Dabei wirken d¨ unne Zwischenschich¨ Staub etc.) oder die sich ber¨ ten (Luft, Ol, uhrenden Rauhigkeitsspitzen in der Kontaktfl¨ache als eine Art ged¨ ampfter Miniaturfedern und -d¨ampfer. Sie werden auf Druck bzw. Zug beansprucht, wenn die Relativbewegung der benachbarten Bauteile eine Komponente in Normalenrichtung zur Kontaktfl¨ache hat und auf Schub, wenn die Relativbewegung eine tangentiale Komponente besitzt. 3.8.1 F¨ ugestellend¨ ampfung durch Relativbewegung in Normalenrichtung Einigermaßen gr¨ undlich untersucht wurde die D¨ampfung, wenn die Relativbewegung in der Kontaktfl¨ ache in Normalenrichtung erfolgt und wenn sich in der Zwischenschicht ein gasf¨ ormiges oder fl¨ ussiges Medium befindet (gas pumping [3.44][3.45]). Den dabei wesentlichen Energieverlustmechanismus kann man im Prinzip bereits verstehen, wenn man die D¨ampfung einer mit gegebener Schnelle schwingenden Platte, die sich in einem viskosen Medium befindet, berechnet. Als Ausgangspunkt dienen dabei die linearisierten Navier-Stokes Gleichungen f¨ ur ein kompressibles Medium mit der Dichte ρ0 , der Schallgeur Luft ν ≈ 16 · 10−6 schwindigkeit c0 und der kinematischen Viskosit¨at ν (f¨ 2 −6 2 m /s, f¨ ur Wasser ν ≈ 10 m /s): 2 ∂ vx ∂ 2 vx ∂vx ∂p + =0 + − ρ0 ν ρ0 ∂t ∂x ∂x2 ∂y 2 2 ∂ vy ∂ 2 vy ∂vy ∂p (3.146) + + − ρ0 ν =0 ρ0 ∂t ∂y ∂x2 ∂y 2 ∂vx ∂vy 1 ∂p + ρ0 − =0 ρ0 ∂x ∂y c0 ∂t
3.8 D¨ ampfung von F¨ ugestellen
211
(Benennungen siehe Bild 3.32).
Bild 3.32. Teilchenbewegung in einem viskosen Medium in der Umgebung einer schwingenden Platte
Beschr¨ankt man sich auf Vorg¨ ange, bei denen alle Feldgr¨oßen wellenf¨ormige Verteilungen der Form ejωt e−jkx x e−jky y aufweisen, dann entsteht aus (3.146) ein homogenes, lineares Gleichungssystem, das nur dann l¨ osbar ist, wenn die Determinante verschwindet, wenn also ω2 ω2 1 2 2 2 2 − kx ≈ 2 − kx c0 1 + jων/c0 c0 2 1−j jω −jω 2 − kx ≈ ≈ =− ν ν δ
2 = ky1 2 ky2
(3.147)
gilt. Die hier benutzten N¨ aherungen beruhen darauf, dass ν sehr klein ist und dass die daraus gebildete akustische Grenzschichtdicke δ = (2ν/ω)1/2 normalerweise von der Gr¨ oßenordnung 10−4 m ist, w¨ahrend die Wellenl¨angen um einige Zehnerpotenzen gr¨ oßer sind. Die allgemeine L¨osung von (3.146) f¨ ur wellenf¨ormige Vorg¨ ange ist demnach vˆx = A1 e−jky1 y + A2 e−jky2 y e−jkx x (3.148) vˆy = A3 e−jky1 y + A4 e−jky2 y e−jkx x −jk x −jky1 y −jky2 y x e pˆ = A5 e + A6 e . Setzt man (3.148) in (3.146) ein, so ergeben sich, da die Gleichungen f¨ ur jedes x und y erf¨ ullt sein m¨ ussen, noch folgende Beziehungen zwischen den vorl¨aufig unbekannten Gr¨oßen A1 bis A6 . A3 ky1 = ; A1 kx
A4 −kx = ; A2 ky2
1 A5 ωρ0 = ; A1 kx 1 + jωνc20
A6 = 0.
Die noch verbleibenden Unbekannten A1 und A2 gewinnt man aus den Randbedingungen in der Ebene y = 0. An diesen Stellen muss die Normalkomponente der Fl¨ ussigkeitsschnelle gleich der Plattenschnelle sein und die Tangentialkomponente muss - da es sich um ein viskoses Medium handelt - verschwinden. Es gilt also
212
3 D¨ ampfung
vˆy (x, 0) = vˆP e−jkP x ;
vˆx (x, 0) = 0.
(3.149)
Hierbei ist kP = 2π/λP die Wellenzahl der Plattenschnelle und vˆP ihre Amplitude. Setzt man die entsprechenden Gleichungen ein, so folgt wegen kx = kP
vˆP
vy (x, y) =
ky1 ky2 e−jky1 y − kP2 e−jky2 y e−jkp x
ky1 ky2 − vˆP ky2 pˆ(x, y) = e−jky1 y e−jkp x . 2 1 + jων/c0 ky1 ky2 − kP2 kP2
(3.150)
Wie man sieht, besteht das Schallfeld vor der schwingenden Platte aus einem Anteil mit der Wellenzahl ky1 , die eine ¨ ahnliche Gr¨oßenordnung hat wie die vorgegebene Wellenzahl kP der Platte. Dieser Anteil repr¨asentiert entweder ein hydrodynamisches Nahfeld oder den ins Fernfeld abgestrahlten Schall (siehe auch Kap. 6). Der zweite Anteil besitzt die sehr große Wellenzahl ky2 . Er ist auf die sehr d¨ unne Z¨ ahigkeitsgrenzschicht zur¨ uckzuf¨ uhren. Normalerweise wird diese Grenzschicht mit einer Dicke von weniger als 10−3 m vernachl¨assigt. Im vorliegenden Fall muss sie jedoch ber¨ ucksichtigt werden, weil die in ihr vorhandenen kleinen Wirbel aufgrund der Viskosit¨at Schwingungsenergie in W¨arme umsetzen und so f¨ ur die Platte als Energieentzug und damit als D¨ampfung wirken. Um die D¨ampfung zu berechnen, ist es notwendig, die von der schwingenden Platte in das umgebende Medium u ¨bertragene Leistung zu ermitteln. Allgemein gilt hierf¨ ur , lp lp 1 Re {p(x, 0, t)} Re {vy (0, x, t)}dx = Re pˆ(x, 0)ˆ v ∗y (x, 0)dx . P = 2 0 0 ¨ Dabei ist lP die - sehr große - Plattenabmessung. Die Uberstreichung bedeutet, dass u ¨ber die Zeit gemittelt wird. Setzt man hier (3.150) ein, so folgt, wenn man die sehr kleinen Terme mit ν 2 ω 2 /c40 vernachl¨assigt, ⎡ ⎤ ω2 2 ν 2 ν 2 c20 + kP ωρ0 lP |ˆ vP |2 ⎣ Re {ky1 } − kP Im {ky2 } − kP ω2 Im {ky1 }⎦ . P = 2 ω ω − kP2 2 ω2 − k 2 c2 c0
P
0
(3.151) Da die Plattenwellenl¨ ange λP in allen praktisch interessierenden F¨allen wesentlich gr¨oßer ist als die Grenzschichtdicke δ, gilt Re {ky1 } Im {ky2 }. Das bedeutet, dass der erste Term in (3.151) die als Schall abgestrahlte Energie darstellt und der zweite Term die in der Z¨ ahigkeitsgrenzschicht in W¨arme umgewandelte Energie. Der dritte Term ist unbedeutend. Den Verlustfaktor erh¨ alt man durch Einsetzen von (3.151) in die Definitionsgleichung (3.24), wobei zu ber¨ ucksichtigen ist, dass die pro Schwingungsperiode der Dauer T verlorengegangene Energie durch Ev = P · T = 2πP/ω gegeben ist. Ber¨ ucksichtigt man außerdem, dass die reversible Energie etwa
3.8 D¨ ampfung von F¨ ugestellen
ER =
213
1 ρh|ˆ vP2 |lP 2
betr¨agt, dann folgt η=
2P . ωρh|ˆ vP2 |lP
(3.152)
Dabei ist ρ die Materialdichte der schwingenden Platte und h ihre Dicke. Bei 2 d¨ unnen Blechen ist in den meisten F¨ allen |ky2 | kP2 ω 2 /c2 . Damit wird Re {ky1 } = 0 und es verbleibt P ≈
vP2 |lP ωρ0 h|ˆ 4
bzw.
η≈
ρ0 δ . 2ρh
(3.153)
Da - wie erw¨ahnt - die Grenzschichtdicke δ sehr klein ist und mit der Wurzel der Frequenz auch noch abnimmt, ist der Verlustfaktor einer Anordnung nach Bild 3.32 sehr gering und spielt h¨ ochstens bei d¨ unnen Folien eine Rolle. Entsprechende Messungen zeigen auch, dass (3.153) in solchen F¨allen gut mit Messergebnissen u ¨bereinstimmt. Anders liegen die Verh¨ altnisse, wenn es sich um Doppelplatten handelt, wie sie in Bild 3.33 skizziert sind. In solchen F¨allen kann man die Rechnung genauso durchf¨ uhren wie in (3.147-3.153). Man muss lediglich ber¨ ucksichtigen, dass nun auch Wellen in negativer y-Richtung vorkommen, dass also in (3.148) Terme mit ejky1 y und ejky2 y einzusetzen sind. Da nun auch mehr Randbedingungen zu ber¨ ucksichtigen sind, n¨amlich vP 1 e−jkP 1 x ; vˆy (x, 0) =ˆ vˆx (x, 0) =0;
vˆy (x, d) =ˆ vP 2 e−jkP 2 x vˆx (x, d) =0
erh¨alt man wieder ein l¨ osbares lineares Gleichungssystem. Die entsprechende Rechnung soll hier nicht durchgef¨ uhrt werden, weil man das dabei erhaltene Ergebnis leicht aus (3.153) verst¨ andlich machen kann. Wie die vorangegangene Rechnung zeigt, ist die D¨ampfung auf die viskosen Verluste zur¨ uckzuf¨ uhren, die bei einer Fl¨ ussigkeits- bzw. Gasstr¨omung in tangentialer Richtung auftreten. Derselbe Mechanismus ist auch bei Doppelplatten nach Bild 3.33 f¨ ur die D¨ ampfung verantwortlich, der einzige Unterschied ist, dass die Schnelle in tangentialer Richtung wesentlich gr¨oßer ist. Der Grund hierf¨ ur liegt darin, dass das Medium, das der Plattenbewegung ausweichen muss, nur den engen Kanal der H¨ ohe d zur Verf¨ ugung hat und sich deswegen in tangentialer Richtung wesentlich schneller bewegt als in Normalenrichtung. Man kann sich leicht u ¨berlegen, dass die Wechselstr¨omungsgeschwindigkeit vy in tangentialer Richtung um einen Faktor von der Gr¨oßenordnung λP /d gr¨oßer ist als die Schnelle in der Normalenrichtung. Da die Verlustenergie, die f¨ ur die Bestimmung von η maßgebend ist, vom Quadrat der Geschwindigkeit abh¨angt, wird man erwarten, dass bei der Doppelplatte der Verlustfaktor um
214
3 D¨ ampfung
Bild 3.33. Bewegungsverlauf zu den Zeiten t1 und t2 in der Zwischenschicht einer Doppelplatte mit Bewegungsdifferenz in Normalenrichtung
einen dem Ausdruck (λP /d)2 proportionalen Faktor gr¨oßer ist als der Wert nach (3.153). Das ist auch der Fall, denn die ausf¨ uhrliche Rechnung liefert f¨ ur den Verlustfaktor einer Doppelplatte, bei der gas pumping“ der entscheiden” de Verlustmechanismus ist, f¨ ur den Verlustfaktor η≈
ρ0 δ ρh
λP 2πd
2 .
(3.154)
Bild 3.34 zeigt einige Messbeispiele [3.45], wobei zur Vereinfachung eine Platte fast starr war. Man erkennt den mit der 1,5-fachen Potenz der Frequenz abnehmenden (weil sowohl δ als auch λP mit ω −1/2 kleiner werden) Verlustfaktor, der gut mit den Rechenwerten u ¨bereinstimmt. Bild 3.34 enth¨alt auch zwei Vergleichsmessungen. Sie zeigen, dass die Luft in der Zwischenschicht haupts¨achlich f¨ ur die D¨ ampfung verantwortlich ist. Gas pumping“ ” ist zwar nicht der einzige, aber der wichtigste D¨ampfungsmechanismus von d¨ unnen Doppelplatten, die sich in Normalenrichtung relativ zueinander bewegen k¨onnen. Die neben dem gas pumping“ noch vorhandenen Verluste kann ” man erfassen, indem man eine Doppelplatte als eine Anordnung betrachtet, die durch viele kleine ged¨ ampfte Kontaktfedern verbunden ist und f¨ ur die das bei (3.144) gesagte gilt. 3.8.2 F¨ ugestellend¨ ampfung durch Relativbewegung in tangentialer Richtung Bei Konstruktionen, die aus relativ dicken Bauteilen bestehen - z.B. Motoren oder Werkzeugmaschinen -, ist die Bewegung senkrecht zur F¨ ugestellenfl¨ache meist sehr klein und kann damit auch keine D¨ampfung bewirken. In solchen F¨allen ist die tangentiale Relativbewegung entscheidend.
3.8 D¨ ampfung von F¨ ugestellen
215
Bild 3.34. Gemessene und nach (3.154) berechnete D¨ ampfung einer 1 mm AluPlatte bed¨ ampft durch eine Luftschicht
¨ Falls die F¨ ugestelle mit einer d¨ unnen viskosen Schicht versehen ist (Ol, Schmutz, etc.), liegt im Prinzip dasselbe Verhalten vor wie bei den in Abschnitt 3.6.2 behandelten Platten mit Mehrschichtbel¨agen: die verlustbehaftete Zwischenschicht wird auf Schub beansprucht und wandelt so einen Teil der K¨ orperschallenergie in W¨ arme um. Eine rechnerische Bestimmung des Verlustfaktors ist f¨ ur harmonische Bewegungen im Prinzip m¨oglich, indem man die Viskosit¨at durch eine komplexe Schubsteife ber¨ ucksichtigt. Man macht dabei von den Definitionsgleichungen f¨ ur die Viskosit¨at ν und dem Schubmodul G Gebrauch und ber¨ ucksichtigt, dass bei rein sinusf¨ormiger Bewegung vˆ = jω ξˆ gilt. Außerdem macht man von den Definitionen Schubspannung τ τˆ τˆ = = = Schnelle v vˆ jω ξˆ τ τˆ Schubspannung = = G= Auslenkung ξ ξˆ ν=
(3.155)
Gebrauch. Die letzten Ausdr¨ ucke in den beiden Zeilen gelten f¨ ur Zeiger, also f¨ ur sinusf¨ormige Bewegung. Die Kombination der Zeiger ergibt G = jων.
(3.156)
Wendet man diesen Ausdruck auf die Formeln in Abschnitt 3.6.2 an, so muss man ber¨ ucksichtigen, dass die Schubsteife bei viskosen Materialien imagin¨ar
216
3 D¨ ampfung
ist. Man muss also zur Berechnung der D¨ ampfung durch eine d¨ unne, auf Schub beanspruchte Schicht folgende Umbenennung in (3.96)-(3.106)) vornehmen: G2 = η2 G2 = ων2 ων2 ων2 1 1 η2 gd = bzw. + E3 d3 d2 k 2 d2 k 2 E1 d1 E3 d3 G2 = jων2 ;
(3.157)
Setzt man Zahlenwerte ein, so findet man Verlustfaktoren, die umso gr¨oßer sind, je kleiner die Zwischenschichtdicke d2 ist. Relativ verwickelt liegen die Verh¨ altnisse, wenn in der F¨ ugestelle trockene Reibung vorliegt. Nach dem derzeitigen Stand der Kenntnisse muss man in solchen F¨allen zwei Mechanismen unterscheiden. a) Wenn die Amplituden der tangentialen Relativbewegung nicht allzu klein sind (gr¨oßer als einige μm), also vor allem bei tiefen Frequenzen, kann man mit dem statischen (Coulombschen) Reibungsgesetz rechnen. Das bedeutet allerdings, dass die Vorg¨ ange nichtlinear sind, weil f¨ ur Haftreibung und Gleitreibung unterschiedliche Gesetze gelten. Entsprechende Rechnungen wurden durchgef¨ uhrt [3.46]-[3.48] und ergeben die erwarteten, mit wachsender Amplitude zunehmenden Verlustfaktoren. Es w¨ urde den Rahmen dieses Buches sprengen die dazugeh¨ origen, ziemlich komplizierten Rechnungen hier wiederzugeben. b) Wenn die Bewegungsamplituden klein sind, wenn es sich also um mittelund hochfrequente Schwingungen handelt, zeigen die Messungen fast kei-
Bild 3.35. Verhalten von trockenen F¨ ugestellen bei tangentialer Beanspruchung. a Idealisierte Darstellung und mechanisches Ersatzschaltbild, b Messwerte als Funktion des Anpressdruckes
ne Amplitudenabh¨ angigkeit des Verlustfaktors. Es scheint in diesem Fall m¨oglich zu sein, die F¨ ugestelle als eine Kombination von vielen kleinen, verlustbehafteten, auf Schub beanspruchten Federn zu betrachten. F¨ ur genau gefr¨aste Stahloberfl¨ achen, die (fast) vollfl¨achig aufliegen, kann man
3.8 D¨ ampfung von F¨ ugestellen
217
etwa damit rechnen, dass die bei Mehrschichtplatten entscheidende Gr¨oße G2 /d2 (siehe (3.96)-(3.106)) etwa durch G2 = 800(pAD )2/3 d2 gegeben ist, wobei pAD den Anpressdruck in N/mm2 bedeutet und G2 /d2 in N/mm3 angegeben wird. In Bild 3.35 sind einige Messwerte wiedergegeben. Erwartungsgem¨ aß nimmt die Zwischenschichtsteife mit wachsendem Anpressdruck zu. Der Verlustfaktor liegt zwischen 10−2 und 10−1 . Er verringert sich mit wachsendem Anpressdruck. Innerhalb des im Maschinenbau u ¨blichen Bereiches von Rauhigkeiten sind die Zwischenschichtsteifen und die Verlustfaktoren von trockenen F¨ ugestellen aus Metall bemerkenswert ¨ahnlich. Bei Messungen nahm die F¨ ugestellensteife und der Verlust¨ faktor bei einer Anderung der (mittleren) Rauhigkeitstiefe von 5 μm auf 40 μm kaum merklich ab.
Literatur
3.1. 3.2. 3.3. 3.4. 3.5. 3.6. 3.7. 3.8. 3.9. 3.10. 3.11. 3.12. 3.13. 3.14. 3.15. 3.16. 3.17. 3.18. 3.19. 3.20. 3.21. 3.22. 3.23. 3.24. 3.25. 3.26.
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220 3.27. 3.28. 3.29. 3.30. 3.31. 3.32.
3.33. 3.34. 3.35. 3.36. 3.37. 3.38. 3.39. 3.40. 3.41. 3.42. 3.43. 3.44. 3.45. 3.46. 3.47. 3.48. 3.49.
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4 Impedanzen
4.1 Definition von Punktimpedanz, Trennimpedanz und Admittanz In den beiden letzten Kapiteln wurde die K¨ orperschallausbreitung in Form von Wellen mit und ohne D¨ ampfung untersucht. In diesem Kapitel soll nun der Prozess, der der Ausbreitung vorangeht, - also die Anregung von K¨orperschall - behandelt werden. In der Praxis geschieht die K¨ orperschallanregung durch Maschinen, die mit Fundamenten, Bauwerken, Schiffen, Fahrzeugen etc. verbunden sind, durch Gehen, Klopfen, durch magnetische Kr¨ afte in elektrischen Maschinen, durch Unwuchten, durch Luftschall, durch Fl¨ ussigkeitsschall in Rohren etc. etc.. All diesen Anregungsarten ist gemeinsam, dass eine bestimmte Kraft ausge¨ ubt wird und dass dadurch - wenn man von extrem hohen Belastungen absieht - der Kraft proportionale Bewegungen hervorgerufen werden. Betrachten wir nur periodische Vorg¨ ange mit einer Frequenz - alle u ¨brigen Zeitverl¨aufe k¨onnen mit Hilfe einer Spektralanalyse auf periodische Vorg¨ange zur¨ uckgef¨ uhrt werden - dann hat es einen Sinn, ¨ ahnlich wie in anderen Gebieten der Physik, eine Eingangsimpedanz oder Admittanz zu definieren. Die allgemeine Definitionsgleichung f¨ ur die mechanische Impedanz Z bzw. Admittanz A (mobility) lautet Z=
Fˆ ; vˆ
A=
vˆ . Fˆ
(4.1)
Dabei ist Fˆ der Scheitelwertzeiger der Kraft und vˆ der Scheitelwertzeiger der Schnelle am Ort der Anregung“. Bez¨ uglich der Abh¨angkeit zwischen ” Impedanz und Admittanz wird auf Kapitel 1.2 ((1.17) - (1.18)) verwiesen. Geschieht die Anregung nur in einem Freiheitsgrad gilt jedoch der einfache Zusammnhang Z (ω) = 1/A (ω).
222
4 Impedanzen
Die Eingangsimpedanz wird im Allgemeinen eine komplexe Funktion der Frequenz sein, da sich der Quotient aus Kraft und Schnelle mit der Frequenz ¨andert. Die durch (4.1) definierte Impedanz ist, im Gegensatz zur Impedanz in der Punktmechanik noch nicht eindeutig, da der Ort der Anregung“ un” ter Umst¨anden ein gr¨ oßeres Gebiet ist, innerhalb dessen die Schnelle vˆ nicht konstant zu sein braucht. Außerdem enth¨ alt die Definitionsgleichung keine Angabe u oße der angeregten Fl¨ ache. Beispielsweise kann es einen ¨ber die Gr¨ großen Unterschied machen, ob eine d¨ unne Platte mit einer auf einen Punkt konzentrierten Kraft angeregt wird oder ob dieselbe Kraft auf eine Ringfl¨ache oder dgl. verteilt ist. Um diese Mehrdeutigkeit zu beseitigen, muss man noch genaue Festlegungen u ¨ber die Kraftverteilung und u ¨ber den Ort der Anre” gung“ treffen. Offensichtlich ist diese Festlegung am einfachsten, wenn die anregende Kraft auf einen Punkt“ konzentriert ist. In diesem Falle bestimmt sich die Im” pedanz aus der Kraft und Schnelle am Anregepunkt; man bezeichnet die entsprechende Gr¨oße daher auch als Punktimpedanz. Wir werden im Folgenden haupts¨achlich Punktimpedanzen behandeln, da sie f¨ ur die praktischen Probleme am wichtigsten sind. Allerdings ist eine Angabe dar¨ uber notwendig, was unter einer Punktanregung“ zu verstehen ist. Hinsichtlich der Obergrenze ist ” das einfach: eine Punktanregung liegt dann vor, wenn die Abmessungen des unmittelbar angeregten Gebiets wesentlich kleiner sind (etwa ein Zehntel) als die Wellenl¨ange. Hinsichtlich der Untergrenze liegen die Dinge etwas schwieriger, denn wegen der endlichen Schubsteife jedes Materials f¨ uhrt eine auf einen mathematischen Punkt konzentrierte Kraft zu beliebig hohen Dr¨ ucken und damit auch beliebig hohen - auf ein sehr kleines Gebiet beschr¨ankten - Bewegungen. (Eine hyperfeine Nadel sticht ein Loch in jedes Material). Um dieses Problem zu umgehen, muss man entweder die anregende Fl¨ache zusammen mit den Punktimpedanzen angeben oder wenn man - wie bei der einfachen Biegetheorie - die Annahme der unendlich hohen Schubsteife macht, muss man sich u ¨ber diese Annahme im Klaren sein. Hinsichtlich des Vergleichs mit Messungen bedeutet dies, dass die theoretischen Punktimpedanzen nur dann erreicht werden, wenn die Abmessungen der Anregung nicht allzu klein sind; normalerweise nicht kleiner als eine halbe Platten- oder Balkendicke. Auf diesen Punkt wird in Abschn. 4.4.3 noch eingegangen. Neben der Punktimpedanz ist als weiterer Spezialfall noch die sog. Trennimpedanz von Bedeutung. Diese Gr¨ oße wurde urspr¨ unglich bei der Behandlung von Schalld¨ ammproblemen eingef¨ uhrt. Der Grundgedanke dabei ist, dass bei Strukturen ohne Diskontinuit¨ aten eine anregende Druckverteilung p(x, z) = p0 g(x, z) eine Schnelleverteilung hervorruft, die dieselbe ¨ortliche Verteilung aufweist, also v(x, z) = v0 g(x, z). Damit ist es m¨oglich als Quotienten, die Trennimpedanz, Zr =
Fˆ ;; vˆ
Ar =
vˆ 1 = ˆ Z F r
(4.2)
4.2 Messung mechanischer Punktimpedanzen
223
zu bilden. Offensichtlich hat die Trennimpedanz eine andere Dimension als die Punktimpedanz. Bei ebenen Problemen hat die Funktion g(x, y) die Form g(x, y) = e−jkx x e−jky z ,
(4.3)
d.h. die Trennimpedanz gibt an, wie groß die Amplitude einer Struktur ist, wenn sie durch eine ebene Welle mit den Spurwellenzahlen kx , kz bzw. den Spurwellenl¨angen in den beiden Richtungen λx = 2π/kx , λz = 2π/kz angeregt wird, wobei vorausgesetzt wird, dass anregende Kraft und erzeugte Schwingung dieselbe ¨ortliche Verteilung aufweisen. W¨ahrend es also bei der Punktimpedanz notwendig ist, dass Anregung und Systemantwort dieselbe Frequenz haben, wird bei der Trennimpedanz zus¨ atzlich gefordert, dass die ¨ortliche Verteilung von Anregung und Systemantwort gleich ist. Das durch (4.3) gegebene Beispiel stellt die bei weitem wichtigste Art der idealisierten Anregung dar; eine gewisse Bedeutung haben lediglich noch die ¨ortlichen Verteilungen, die zur Beschreibung von Problemen in Zylinder- oder Kugelkoordinaten geeignet sind. Die Punktimpedanz und in weit st¨ arkerem Maße die Trennimpedanz stellen Idealisierungen dar, deren Bedeutung darin liegt, dass man kompliziert geformte Quellen entweder als Summe von Punktquellen oder als eine Kombination von vielen ebenen Wellen auffassen kann und somit die idealisierten Impedanzen als Ausgangspunkt zur Berechnung komplizierter Probleme benutzen kann (siehe Abschn. 4.4). Ein wesentlicher Vorteil der Impedanzen ist noch, dass man damit eine Methode hat, relativ komplizierte Gebilde als Elemente in einem mechanischen Schaltbild zu betrachten. Derartige Schaltbilder sind oft sehr bequem, da es ¨ mit einiger Ubung - m¨ oglich ist, die wesentlichen Eigenschaften eines Systems auf den ersten Blick zu erkennen. Es sei allerdings davor gewarnt mechanische Schaltbilder allzu unbedenklich zu benutzen, da sie manchmal - z.B. bei Biegewellen, bei denen neben den Kr¨ aften und Schnellen auch die Momente und Winkelgeschwindigkeiten von Bedeutung sind - bei oberfl¨achlicher Betrachtung zu falschen Schl¨ ussen f¨ uhren k¨ onnen.
4.2 Messung mechanischer Punktimpedanzen 4.2.1 Bestimmung von Kraft und Schnelle Die nach (4.1) nahe liegende Methode zur Impedanzmessung ist die Bestimmung von Kraft und Schnelle. F¨ ur derartige Messungen benutzt man meist elektrodynamische K¨ orperschallsender, die mit einem sog. Impedanzkopf versehen sind. Dieser Impedanzkopf enth¨ alt meist zwei piezoelektrische Aufnehmer, die zur Messung der Kraft bzw. der Schnelle oder der Beschleunigung dienen. Bei geeichten K¨ orperschallsendern, die eine dem elektrischen Strom
224
4 Impedanzen
proportionale Kraft abgeben, ist nur die Verwendung eines Schnelle- oder Beschleunigungsmessers notwendig. Ein Beispiel eines Impedanzmesskopfes zeigt Bild 4.1. Zur Bestimmung der komplexen mechanischen Impedanz werden die beiden der Kraft und Schnelle proportionalen elektrischen Spannungen nach Betrag und Phase bestimmt. Diese Gr¨ oßen braucht man nur mehr mit einer Apparatekonstante zu multiplizieren, die ihrerseits durch Eichmessungen an bekannten Widerst¨ anden - am einfachsten Massenwiderst¨anden - ermittelt wird.
Bild 4.1. Prinzip eines Impedanzmesskopfes
Das Hauptproblem bei allen Messungen mit Impedanzk¨opfen bildet die Beeinflussung des Messergebnisses durch die Messapparatur. Da der Impedanzkopf mit dem Messobjekt starr verbunden ist, stellt er einen Teil desselben unschten Impedanz dar. Die gemessene Impedanz Z 1 besteht also aus der gew¨ Z 0 des Messobjektes und der Impedanz des Messkopfes. In den weitaus meisten F¨allen kann man sich den Impedanzkopf durch einen Massenwiderstand ersetzt denken. Es gilt also, wenn m die Masse des Kopfes ist: Z 1 = Z 0 + jωm.
(4.4)
Um das gew¨ unschte Messergebnis zu erhalten, muss man von der gemessenen Impedanz den Massenwiderstand jωm abziehen. Diese Subtraktion ist nicht nur umst¨andlich, sie verringert auch die Genauigkeit der Messung. Man versucht daher, Impedanzk¨ opfe so leicht zu bauen, dass diese Korrektur nicht n¨otig ist. Leider ist das nur bei tiefen Frequenzen m¨oglich; bei hohen Frequenzen (¨ uber 2000 Hz) muss man fast immer den Massenwiderstand ber¨ ucksichtigen. Als Beispiel sei eine 5 mm dicke Aluminiumplatte erw¨ahnt, deren Eingangsimpedanz ca. 6 · 102 kg/s ist. Dieser Wert entspricht bei 5000 Hz dem Widerstand einer 20 g schweren Masse. Also selbst bei einem nur 20 g schweren Impedanzkopf m¨ usste man in diesem Fall schon weit unter 5000 Hz den Massenwiderstand ber¨ ucksichtigen. Ein weiteres wichtiges Problem bei Impedanzmessungen ist die Verbindung zwischen Messobjekt und Impedanzkopf. Man muss hier sehr darauf achten,
4.2 Messung mechanischer Punktimpedanzen
225
dass eine wirklich starre Verbindung besteht und dass nur die gew¨ unschte Bewegungskomponente angeregt wird. Werden Impedanzmessungen mit einem Zweikanal FFT-Analysator vorgenommen, dann kann die Messung auch mit Impulsen (Impedanzhammer), Rauschen oder anderen Signalen (z.B. sweeps) vorgenommen werden; denn der Analysator nimmt die Zerlegung des Signals in reine Sinust¨one und die Division der komplexen Amplituden vor, so dass man in einer Messung ein breites Frequenzgebiet gleichzeitig erfasst. Wichtig bei solchen Messungen ist, dass die Dynamik der Ger¨ate gen¨ ugend groß ist und dass man die L¨ ange des Zeitfensters l¨ anger w¨ahlt als die Nachhallzeit der angeregten Struktur. Ob diese beiden Bedingungen erf¨ ullt sind, sollte immer durch eine Koh¨ arenzmessung (Koh¨ arenzgrad gr¨oßer als 0,95) u uft ¨berpr¨ werden. F¨ ur u agige Messungen des Absolutbetrages einer Impedanz kann ¨berschl¨ man manchmal auch ein einfaches mechanisches Hammerwerk benutzen. Voraussetzung ist dabei, dass sowohl die einzelnen H¨ammer als auch die Oberfl¨ache des Pr¨ ufobjektes sehr hart sind, so dass man den Aufprall der H¨ammer beinahe als einen idealen Stoßvorgang betrachten kann. Hat das benutzte Hammerwerk die Schlagfrequenz fs , dann besteht der zeitliche Verlauf der Kraft aus einer Reihe von sehr hohen Spitzen, deren gegenseitiger Abstand T = 1/fs betr¨agt (s. Bild 4.2). Legt man nun den Zeitpunkt t = 0 so, dass dort gerade ein Stoß erfolgt, dann kann man die Kraft durch die Fourierreihe ,∞ ∞ (4.5) fn cos nωS t = Re Fn ejnωS t F (t) = n=1
n=1
ausdr¨ ucken. Dabei sind ωS = 2ifS und Fn die Fourierkoeffizienten, die sich f¨ ur n ≥ 1 bekanntlich aus Fn =
2 T
T
F (t) cos nωS tdt
(4.6)
0
ergeben. Sind die zu den Zeiten t = 0, T, 2T, 3T . . . erfolgenden St¨oße so kurz, dass selbst f¨ ur hohe Werte von n der Kraftstoß schon abgeklungen ist, bevor sich cos nωS t wesentlich von +1 unterscheidet, dann ist Fn ≈
2 T
T
F (t)dt = 0
2 I. T
(4.7)
Dabei bedeutet I den Impuls, der sich aus der Masse m des Hammers und der Summe der Absolutbetr¨ age der Geschwindigkeiten vor und nach dem Aufprall ergibt. Wenn v0 die Aufprallgeschwindigkeit ist gilt also je nach Art des Stoßes mv0 ≤ I ≤ 2mv0 , wobei die untere Grenze f¨ ur plastische St¨oße, die obere Grenze f¨ ur elastische erreicht wird. Das Hammerwerk f¨ uhrt also etwa bis zur Frequenz 1/TS (TS = Zeitdauer eines Stoßvorgangs) zu einem Spektrum von gleich hohen Linien im Abstand fS . Die Stoßdauer TS kann wenige Mikrosekunden (Stahl auf Stahl oder Stein) oder einige Millisekunden (Holz oder Gummi) betragen.
226
4 Impedanzen
Bild 4.2. Zeitverlauf und Spektrum eines mechanischen Hammerwerkes
Zur Berechnung der von einem Hammerwerk erzeugten Schnelle muss man die Fourierkoeffizienten Fn durch die Eingangsimpedanz bei der jeweiligen Frequenz dividieren und die so entstandenen Fourierkoeffizienten addieren. Man erh¨alt somit ,∞ 2IfS (4.8) v(t) = Re ejnωS t . Z n=1 Bei der Messung wird nun die durch (4.8) gegebene Schnelle mit Hilfe eines K¨orperschallabtasters in ein elektrisches Signal umgewandelt. Dieses elektrische Signal kann man durch ein Filter der Bandbreite Δf geben und elektrisch gleichrichten. Man erh¨ alt dann den Effektivwert der Schnelle, f¨ ur den aus (4.8) folgt 2N (IfS )2 . (4.9) v˜2 = |Z|2 Dabei ist N die Anzahl der Spektrallinien im Bereich Δf , also N = Δf /fS . Aus (4.9) ergibt sich schließlich v˜ 1 √ . = |Z| IfS 2N
(4.10)
Dabei ist IfS (2N )1/2 eine Apparatekonstante, die man aus den Daten des Hammerwerks oder aus Vergleichsmessungen mit einem bekannten Widerstand erhalten kann. Wie man sieht, ist die Durchf¨ uhrung der Messung, die nur eine Schnellemessung erfordert, sehr einfach; allerdings ist die Genauigkeit nicht sehr hoch. 4.2.2 Vergleich mit einem bekannten Widerstand ¨ Ahnlich wie in der Elektrotechnik, kann man auch in der Mechanik die Gr¨oße eines Widerstandes dadurch ermitteln, dass man ihn mit einem bekannten
4.2 Messung mechanischer Punktimpedanzen
227
Widerstand vergleicht. Man benutzt im allgemeinen dazu mehr oder weniger große Massen, mit denen sich ohne weiteres eine sehr genaue Vergleichsimpedanz herstellen l¨asst [4.1]. Die einzige Voraussetzung dabei ist, dass die Massen wirklich starr sind, also u ¨berall dieselbe Schnelle haben. Bei Systemen, die zu Biegewellen angeregt werden, ist zus¨atzlich noch zu ber¨ ucksichtigen, dass neben den Transversalauch Drehbewegungen auftreten, die evtl. zu Messfehlern f¨ uhren k¨onnen. Eine einfache Methode, eine Impedanz mit einem bekannten Massenwiderstand zu vergleichen, ist in Bild 4.3 dargestellt.
Bild 4.3. Messung des mechanischen Widerstandes durch Vergleich mit einem Massenwiderstand
Es handelt sich hier um einen sehr weich gelagerten K¨orperschallsender, der zur Anregung des Testobjektes dient. Der Sender besteht aus einem m¨ oglichst kompakten Magneten der Masse mM in dessen Ringspalt eine Spule angebracht ist, die mit dem Testobjekt starr verbunden ist. Wird die Spule vom Strom durchflossen, so wirkt eine Kraft F auf das Testobjekt und wegen der Gleichheit von Kraft und Gegenkraft eine gleich große Kraft auf den Magneten. Falls das Ganze sehr weich gelagert ist und der Magnet als reine Masse betrachtet werden kann, gilt folgender Zusammenhang zwischen Kraft und Schnelle des Magneten: Fˆ = jωmM v M .
(4.11)
Die Schnelle v0 des Testobjekts ist dagegen vˆ0 =
Fˆ , Z1
(4.12)
wobei Zˆ 1 die - eventuell um die Spulenmasse vergr¨oßerte - Eingangsimpedanz ist. Aus (4.11) und (4.12) folgt unmittelbar
228
4 Impedanzen
Z1 =
jωmM vˆM . vˆ0
(4.13)
Die Impedanzmessung ist also, wegen des direkten Vergleichs mit dem Massenwiderstand jωmM , auf die Relativmessung zweier Schnellen oder auch Beschleunigungen zur¨ uckgef¨ uhrt. Wichtig ist dabei nur, dass der Magnet als reine Masse betrachtet werden kann. Je nach Konstruktion ist das bis zu Frequenzen von einigen Kilohertz m¨ oglich. Eine andere M¨ oglichkeit durch Vergleichsmessungen einen unbekannten Widerstand zu ermitteln, besteht darin, die bei Belastung mit einer bekann¨ ten Masse hervorgerufene Anderung der Schnelle eines Systems zur Impedanzmessung heranzuziehen. Wie aus (4.2) hervorgeht, ist bei Belastung mit einer Masse m1 die Impedanz Z 11 =
Fˆ = Zˆ + jωm1 . vˆ1
Diese Gleichung gilt nicht nur f¨ ur die Anregestelle sondern auch f¨ ur jeden beliebigen Messpunkt. F ist dann nicht die anregende Kraft sondern diejenige, die man am Beobachtungsort messen w¨ urde. Nimmt man nun eine zweite Messung vor, bei der die Masse m1 durch eine Masse m2 ersetzt wird und h¨alt man die anregende Kraft konstant, so gilt Z 12 =
Fˆ = Zˆ + jωm2 . vˆ2
Bildet man den Quotienten aus beiden Gleichungen, so ergibt sich Z + jωm1 vˆ2 = vˆ1 Z + jωm2
oder Z = jω
v ˆ2 v ˆ1 m2
1−
− m1 v ˆ2 v ˆ1
.
Man kann also aus einer Relativmessung der beiden Schnellen v1 und v2 die gesuchte Impedanz Z errechnen (siehe Bild 4.4). Offensichtlich wird die Messung oßer m2 ist. Diese Art der Messung um so genauer, je kleiner m1 und je gr¨ eignet sich also besonders dann, wenn der zu messende Widerstand relativ klein ist. Beispiele von gemessenen Widerst¨ anden zeigt Bild 4.5. 4.2.3 Sonstige Messmethoden Benutzt man einen der u ¨blichen elektrodynamischen K¨orperschallsender, so setzt sich dessen elektrischer Widerstand ZE aus dem Innenwiderstand ZE0 bei festgehaltener Spule und aus dem von der Wandlerspannung Uw hervorgerufenen Anteil zusammen (s. Kap. 7.3). Es gilt also ZE = ZE0 −
Uw , i
(4.14)
4.2 Messung mechanischer Punktimpedanzen
229
Bild 4.4. Messung des mechanischen Widerstandes aus der Schnelleabnahme bei Belastung
Bild 4.5. Einige Beispiele von gemessenen Impedanzen, a 12 cm Ziegelmauer [4.2]; b Außenhaut eines Unterseebootes [4.3]; c Stahlplatten (Nachhallplatte nach Kuhl [4.4] mit zus¨ atzlicher Masse von 7 g an der Anregestelle; d Cello (am linken Stehfuss angeregt [4.5])
wobei Uw die induzierte Gegenspannung und i der durch die Spule fließende Strom sind. Nun sind aber (s. (7.8) und (7.9)) Uw und i durch die elektromechanischen Kopplungsgleichungen
230
4 Impedanzen
Uw = −BlL v;
F = blL i
(4.15)
mit der erzeugten Kraft und Schnelle der Spule verkn¨ upft. (Da es sich bei einem elektrodynamischen Sender um einen passiven Wandler handelt, ist die durch die St¨arke des Magnetfeldes und die Leiterl¨ange auf der Spule gegebenen Kopplungskonstante in beiden obigen Gleichungen gleich). Durch Einsetzen von (4.15) in (4.14) erh¨ alt man Z E = Z E0 +
(BlL )2 . Z
(4.16)
Die mechanische Impedanz eines elektrodynamischen K¨orperschallsenders ist also durch den elektrischen Widerstand ZE0 bei festgehaltener Spule (d.h. durch die Kupferverluste und die Selbstinduktion) und durch die mechanische ugend klein ist, durch eiImpedanz Z gegeben. Man kann also wenn ZE0 gen¨ ne rein elektrische Widerstandsmessung die mechanische Impedanz ermitteln. Offensichtlich eignet sich dieses Verfahren besonders f¨ ur kleine Widerst¨ande bei denen das zweite Glied in (4.16) relativ groß ist. Ein gewisser Vorteil dieses Verfahrens ist, dass man u.U. - insbesondere, wenn die Kupferverluste sehr klein sind - aus einer elektrischen Leistungsmessung die u ¨bertragene mechanische Leistung bei gegebener Kraft ermitteln kann. Eine andere indirekte Methode zur Bestimmung mechanischer Widerst¨ande ¨ erh¨alt man durch eine Ubertragung des aus dem Gebiet des Luftschalls bekannten Verfahrens der Impedanzrohrmessungen. Bekanntlich misst man akustische Widerst¨ ande meist dadurch, dass man die zu untersuchende Probe an den Abschluss eines Rohrs bringt und die stehenden Luftschallwellen im Rohr abtastet. Aus dem Unterschied des Schalldrucks in den Druckknoten und -b¨auchen und aus der Lage des ersten Druckknotens kann man dann die ¨ Impedanz der Probe ermitteln. Bei einer Ubertragung dieses Verfahrens auf das Gebiet des K¨ orperschalls ist das luftgef¨ ullte Rohr durch einen zu Longitudinalwellen angeregten Stab und das Messmikrophon durch einen K¨orperschallabtaster zu ersetzen. Es gelten dann dieselben Gesichtspunkte und Gleichungen wie bei den Impedanzmessungen f¨ ur Luftschall. Man muss nur den Kennwiderstand der Luft durch den Kennwiderstand ρcL S ersetzen. Dabei ist ρ die Dichte, cL die Longitudinalwellengeschwindigkeit und S der Querschnitt des Stabes. So elegant diese Impedanzmessung auf den ersten Blick erscheint - es sind nur Relativmessungen von Schnellen notwendig und Phasenmessungen werden durch L¨angenmessungen ersetzt - ihre praktische Durchf¨ uhrung f¨ uhrt zu erheblichen Schwierigkeiten. Bekanntlich muss ein Impedanzrohr etwa so lang sein, wie eine halbe Wellenl¨ ange bei der tiefsten Messfrequenz. Auf das vorliegende Problem angewandt bedeutet das, dass ein Stahl oder Aluminiumstab ca. 12,5 m lang sein m¨ usste, um Messungen von 200 Hz an zu erm¨oglichen. Eine weitere Schwierigkeit ist, dass es durchaus nicht leicht ist, reine Longitudinalwellen auf einem langen Stab zu erzeugen. Meistens werden auch bei
4.3 Eingangsimpedanzen von unendlich ausgedehnten St¨ aben und Platten
231
vollkommen symmetrischer Anregung an irgendwelchen St¨orstellen Biegewellen mitangeregt. Statt eines zu Longitudinalwellen angeregten Stabes kann man auch einen zu Biegewellen angeregten Stab als akustische Messleitung benutzen. Das f¨ uhrt jedoch, da am Stabende auch Biegewellennahfelder auftreten, zu komplizierten und zeitraubenden Messungen und Auswertungen. Von praktischem Interesse ist diese Messmethode dann, wenn der Absorptionsgrad, also das Verh¨altnis von der am Ende u ¨bertragenen mechanischen Leistung zur auffallenden, bestimmt werden soll [4.6]. Die bei Impedanzmessungen mit eindimensionalen Wellenleitern fr¨ uher notwendige Verschiebung des Aufnehmers in die Schwingungsknoten und b¨ auche kann entfallen, wenn man ¨ ahnlich wie bei Luftschallmessungen [4.7] mit zwei exakt gleichen Aufnehmern arbeitet, die Schnellen v1 an der Stelle x1 und v2 an der Stelle x2 erfassen. Befindet man sich außerhalb der Nahfelder, dann gilt nach (3.43) bzw. (3.47) v1 = v+ e−jkx1 + v− ejkx1 (4.17) v2 = v+ e−jkx2 + v− ejkx2 . Damit hat man zwei Gleichungen f¨ ur die Unbekannten v+ und v− , aus denen sich dann wie beim entsprechenden Luftschallproblem Reflexions- und Absorptionsgrade ausrechnen lassen, vorausgesetzt, dass |x1 − x2 | kleiner als eine halbe Wellenl¨ ange ist [4.8]. Beispielsweise ergibt sich f¨ ur den Reflexionsfaktor v− v1 /v2 e−jk(x1 −x2 ) − 1 r= = −e−jk(x1 +x2 ) . (4.18) − v+ v1 /v2 − e−jk(x1 −x2 )
4.3 Eingangsimpedanzen von unendlich ausgedehnten St¨ aben und Platten 4.3.1 Anregung von Quasilongitudinalwellen in St¨ aben F¨ ur reine Longitudinalwellen in einem unendlich ausgebreiteten Kontinuum wurde der Wellenwiderstand bereits im zweiten Kapitel (2.14) angegeben. Eine vollkommen analoge Rechnung auf Quasilongitudinalwellen angewandt, ergibt folgenden Ausdruck f¨ ur den Eingangswiderstand eines an einem Ende angeregten unendlich langen Stabes: ZLII = m cLII = S Eρ. (4.19) Dabei ist m = ρS die Masse pro L¨ angeneinheit, cLII die Longitudinalwellengeschwindigkeit im Stab (s. (2.38)) und E der Elastizit¨atsmodul des Stabmaterials. Mit Hilfe des durch (4.19) definierten Widerstandes kann man sofort die Bewegung eines Stabes berechnen, wenn er von einer Masse m angeschlagen
232
4 Impedanzen
wird. Wir nehmen dazu an, dass die Masse m zur Zeit t = 0 mit der Geschwindigkeit v0 auf die Stirnfl¨ ache des Stabes antrifft. Es wirkt also vom Moment des Aufpralls an eine Tr¨ agheitskraft mdv/dt auf die Masse und eine gleich große Kraft F = S Eρv0 auf den Stab. Es gilt also dv ur t ≥ 0. + S Eρv = 0 f¨ dt Daraus ergibt sich f¨ ur die Schnelle an der Aufprallstelle , √ f¨ ur t ≥ 0 v0 e−S( Eρ/m)t ; v= 0 f¨ ur t < 0 m
(4.20)
(4.21)
Man erh¨alt also einen exponentiell abnehmenden Bewegungsverlauf, der um so langsamer mit der Zeit abklingt (d.h. um so dumpfer klingt), je gr¨oßer die Stoßmasse ist. Selbstverst¨andlich gelten (4.20) und (4.21) nur, wenn keine plastische Deformation des Stabes und keine elastische oder plastische Deformation der Stoßmasse auftreten. Ist das nicht der Fall, dann ist der Stoßvorgang wei” cher“ als nach (4.21) anzunehmen w¨ are. Die Fortpflanzung des Stoßvorganges im Stab erfolgt vollkommen unverzerrt mit der Ausbreitungsgeschwindigkeit f¨ ur Longitudinalwellen. Die Schnelle an einer beliebigen Stelle des Stabes ist also nach (2.12) durch , √ v0 e−S( Eρ/m)(t−x/c) f¨ ur x ≤ ct v= . (4.22) 0 f¨ ur x > ct gegeben. Aus (4.22) kann man auch ablesen unter welchen Voraussetzungen die beim Stoß auf einen unendlich langen Stab gewonnenen Ergebnisse auf St¨abe endlicher L¨ ange u onnen. Man kann n¨amlich den ¨bertragen werden k¨ Stoßvorgang als im Wesentlichen abgeschlossen betrachten, wenn der Exponent in (4.21) den Wert -2 erreicht hat. Das ist aber gerade dann der Fall, wenn die erste Stoßfront an der Stelle xi = 2m/Sρ angelangt ist; eine an dieser Stelle - oder erst recht sp¨ ater - erfolgte Reflexion kommt erst zu einer Zeit an die Aufprallstelle x = 0 an zu der der Klopfvorgang abgeschlossen ist. Da uckes ist, bedeutet das, dass bei Sρxi , die Masse des entsprechenden Stabst¨ einem Stab endlicher L¨ ange der Stoßvorgang praktisch genau so erfolgt, wie bei einem Stab unendlicher L¨ ange, vorausgesetzt, dass die gesamte Masse des Stabs mindestens zweimal so groß ist, wie die Masse des klopfenden K¨orpers. Man h¨atte den Schnelleverlauf des impulsf¨ormig zu Dehnwellen angeregten Stabes auch dadurch berechnen k¨ onnen, dass man von der anregenden Kraft eine spektrale Zerlegung im Frequenzbereich vornimmt (Fourierzerlegung) und das so erhaltene Spektrum durch die an der Anregestelle wirk√ same Gesamtimpedanz jωm + S Eρ dividiert. Man erh¨alt so das Frequenzspektrum der Schnelle, das nach der R¨ ucktransformation in den Zeitbereich
4.3 Eingangsimpedanzen von unendlich ausgedehnten St¨ aben und Platten
233
wieder (4.21) ergibt. Von dieser Vorgehensweise wird im n¨achsten Abschnitt Gebrauch gemacht. 4.3.2 Anregung von Biegewellen auf Balken Die Berechnung der Eingangsimpedanzen von Balken, die auf Biegung beansprucht sind, ist etwas umst¨ andlicher, da die Ausbreitungsgeschwindigkeit frequenzabh¨angig ist und neben den fortschreitenden Wellen auch die exponentiell abklingenden Nahfelder auftreten. Am einfachsten wird die Rechnung, wenn man von den Gleichungen f¨ ur die Schnelle v, die Winkelgeschwindigkeit w, das Biegemoment Mz und die Querkraft Fy ausgeht und aus den jeweiligen Randbedingungen die unbekannten Gr¨ oßen ermittelt. Nach (2.77, 2.85, 2.86) sind die allgemeinen Gleichungen f¨ ur v, w, Mz , Fy , wenn man die Differentiation nach der Zeit durch Multiplikation mit jω ersetzt (also zur Zeigerschreibweise u ¨bergeht) w ˆ=
∂ˆ v ; ∂x
ˆ ˆ = − B ∂w M ; z jω ∂x
ˆz ∂M Fˆ y = − ; ∂x
jωm vˆ = −
∂ Fˆ y . ∂x
(4.23)
Dabei ist B die Biegesteife und m die Masse per L¨angeneinheit des Balkens. Außer (4.23) brauchen wir noch die allgemeine L¨osung der Biegewellengleichung f¨ ur Vorg¨ange mit der Kreisfrequenz ω. Nach (2.131) gilt vˆ = vˆ+ e−jkB x + vˆ− ejkB x + vˆ+j e−kB x + vˆ−j ekB x .
(4.24)
Dabei ist kB = (ω 2 m /B)1/4 die Biegewellenzahl. Betrachten wir nun als erstes den Fall eines halbunendlichen“ Balkens, ” d.h. eines Balkens der sich von x = 0 bis x = ∞ erstreckt und an der Stelle x = 0 von einer senkrecht auf den Stab wirkenden Kraft F angeregt wird. (Ein Moment darf nicht gleichzeitig u ¨bertragen werden). Da alle Wellen von der Anregestelle weglaufen, verschwinden die Terme mit +jkB x und +kB x. Es bleibt also (4.25) vˆ = vˆ+ e−jkB x + vˆ+j e−kB x . Die beiden vorl¨aufig noch unbekannten Gr¨ oßen ergeben sich aus den Randbedingungen an der Anregestelle; es muss n¨ amlich dort das Biegemoment Mz verschwinden und die anregende Kraft F gleich der Querkraft Fy sein. Da
und
ˆ = − B k2 −ˆ M v + e−jkB x + vˆ+j e−kB x B z jω
(4.26)
B 3 k jˆ Fˆ y = v + e−jkB x − vˆ+j e−kB x jω B
(4.27)
ergibt sich an der Stelle x = 0
234
4 Impedanzen
− vˆ+ + vˆ+j = 0;
−ˆ v +j =
Damit wird vˆ =
j ˆ 3 F; BkB
ω 3 (1 BkB
+ j)
bzw. vˆ+ = vˆ+j =
ω ˆ 3 (1 + j) F . BkB (4.28)
Fˆ e−jkB x + e−kB x .
(4.29)
Der Eingangswiderstand des halbunendlichen Balkens ist also Z=
3 Fˆ 1+j BkB = (1 + j) = m cB . vˆ(0) 2ω 2
(4.30)
ur Biegewellen). (cB = ω/k = Phasengeschwindigkeit f¨ Wie man aus (4.30) sieht, ist die Impedanz komplex und außerdem steigt sie wegen der Frequenzabh¨ angigkeit der Phasengeschwindigkeit mit der Wurzel der Frequenz an. Dieser Anstieg erfolgt nicht u ¨ber alle Grenzen, denn von einer bestimmten Frequenz an wird der G¨ ultigkeitsbereich (s. Kap. 2.3) der einfachen Biegewellentheorie verlassen und damit wird auch (4.30) ung¨ ultig. F¨ ur den zweiten Fall des von x = −∞ bis x = +∞ sich erstreckenden Balkens der an der Stelle x = 0 angeregt wird, k¨onnen wir die oben gemachten Rechnungen nicht ohne weiteres u ¨bernehmen. Denkt man sich n¨amlich den Balken an der Stelle x = 0 aufgeschnitten, dann entstehen zwar zwei halbunendliche Balken, die von je der H¨ alfte der wirkenden Kraft angeregt werden. Das bedeutet aber noch nicht, dass der gesuchte Eingangswiderstand das Doppelte des durch (4.30) gegebenen Wertes ist. Der Grund daf¨ ur ist, dass die Randbedingungen an der Anregestelle anders sind. W¨ahrend im Fall des halbunendlichen Balkens angenommen wurde, dass am Balkenanfang kein Moment wirkt, ist das im vorliegenden Beispiel nicht der Fall, denn es kann durchaus m¨oglich sein, dass in der Schnittfl¨ ache“ x = 0 Momente u ¨bertragen ” werden. Dagegen ist schon aus Symmetriegr¨ unden klar, dass bei dem von −∞ bis +∞ sich erstreckenden Balken an der Anregestelle die Winkelgeschwindigkeit verschwinden muss. Das Problem lautet also, eine L¨osung f¨ ur (4.25) zu finden, die den Randbedingungen v + − vˆ+j ) = 0; w ˆ = kB (−jˆ
3 Fˆ BkB = (jˆ v + − vˆ+j ) 2 jω
(4.31)
gen¨ ugt. Daraus ergibt sich vˆ = jˆ v +j und damit vˆ =
ω Fˆ 3 4BkB
ω Fˆ −jkB |x| −kB |x| − je e . 3 4BkB
(4.32)
Der zu diesen Funktionen geh¨ orende Zeitverlauf der Bewegung ist aus Bild 4.6 ersichtlich. F¨ ur die Eingangsimpedanz erh¨ alt man aus (4.32)
4.3 Eingangsimpedanzen von unendlich ausgedehnten St¨ aben und Platten
Z=
3 2BkB (1 + j) = 2m cB (1 + j). ω
235
(4.33)
Die Eingangsimpedanz hat also dieselbe allgemeine Form wie beim halbunendlichen Balken, er ist jedoch viermal so groß.
Bild 4.6. Bewegungsverlauf eines punktf¨ ormig zu Biegewellen angeregten Balkens (T = Periodendauer), gestrichelte Linie ohne Nahfelder gerechnet
Mit Hilfe der soeben abgeleiteten Gleichung f¨ ur die Eingangsimpedanz kann man auch die von einer Punktkraft u bertragenen Leistung ermitteln, ¨ die bekanntlich gleich dem Produkt aus Kraft und Schnelle ist. Der zweite Leistungsanteil in (2.101), das Produkt aus Moment und Winkelgeschwindigkeit, braucht hier nicht ber¨ ucksichtigt zu werden, da kein anregendes Moment vorhanden ist. Bei der Berechnung des Kraft-Schnelle-Produkts ist jedoch nun zu beachten, dass in diesem Abschnitt immer mit Zeigern gerechnet wurde, die Leistung aber eine rein reelle Gr¨ oße ist. Man muss also die u ¨bertragenen Leistungen durch die Gleichung 1 P = Re Fˆ ejωt Re {ˆ v ejωt } = Re Fˆ vˆ∗ 2
(4.34)
¨ ausdr¨ ucken. Dabei bedeutet die Uberstreichung eine Mittelung u ¨ber mehrere Schwingungsperioden. F¨ uhrt man die Eingangsimpedanz ein, dann ergibt sich
236
4 Impedanzen
1 P = |Fˆ |2 Re 2
1 Z∗
1 = |Fˆ |2 Re 2
1 . Z
(4.35)
Mit der Eingangsimpedanz eines unendlich langen Balkens (s. (4.33)) erhalten wir also f¨ ur die von einer Punktkraft erzeugte Leistung P =
|Fˆ |2 ω Fˆ |2 . 3 = 8BkB 8m cB
(4.36)
Da wir in den Rechnungen die D¨ ampfung w¨ ahrend der Ausbreitung nicht ber¨ ucksichtigen, muss im station¨ aren Zustand die an der Anregestelle eingespeiste Leistung gleich der nach beiden Seiten abgewanderten Leistung sein. Nach (2.101) ist die von einer fortschreitenden Biegewelle transportierte Leis3 tung η2 ωBkB . Dabei ist η der Scheitelwert der Auslenkung. Geht man nun von der Auslenkung zur Schnelle u ucksichtigt, dass nur ¨ber (v = jωη) und ber¨ der v+ Anteil in (4.25) zu einer fortschreitenden Welle geh¨ort, so ergibt sich die nach beiden Seiten abgewanderte Leistung zu P =
3 2|ˆ v + |2 BkB |Fˆ |2 1 |Fˆ |2 ω . = 3 = ω 8 BkB 8m cB
(4.37)
Man erh¨alt also nach beiden Methoden dieselben Gleichungen. Schließlich sei die Eingangsimpedanz noch dazu benutzt das Schwingungsverhalten eines idealen“ Balkens zu berechnen, der von einer senkrecht zur ” Achse auftreffenden Masse m angeregt wird. Da dieses Problem nicht direkt im Zeitbereich gel¨ost werden kann, muss man zu den Frequenzspektren u ¨bergehen; d.h. den Stoßvorgang als eine Summe (Integral) von reinen T¨ onen behandeln und f¨ ur jeden Teilton so vorgehen, wie das bisher in diesem Abschnitt geschah. Es m¨ ussen nun die Fouriertransformationen von Kraft und Schnelle eingef¨ uhrt werden, d.h. es werden die Gleichungspaare 1 2 1 v(t) = 2
∞
F (t) =
−∞ ∞
F˘ (ω)ejωt dω; v˘(ω)ejωt dω;
F˘ (ω) =
∞
F (t)e−jωt dt
(4.38)
v(t)e−jωt dt
(4.39)
−∞ ∞
v˘(ω) =
−∞
−∞
benutzt. Physikalisch besagt die erste Gleichung in (4.38), dass der Zeitverlauf der Kraft aus einer Summe von reinen T¨onen der Amplitude F˘ (ω) und der Frequenz ω besteht. Das Amplitudenspektrum der Kraft erh¨alt man bei bekanntem Zeitverlauf der Kraft aus der zweiten Gleichung in (4.38). Da f¨ ur jeden Teilton die Impedanzbeziehung benutzt werden kann, gilt f¨ ur die Schnelle an der Anregestelle x = 0 v˘ =
F˘ (ω) . jωm + Z
(4.40)
4.3 Eingangsimpedanzen von unendlich ausgedehnten St¨ aben und Platten
237
Im Nenner dieses Ausdrucks steht die Summe aus Massenimpedanz jωm und Balkenimpedanz Z, denn gegen diese beiden Widerst¨ande muss die Kraft arbeiten. Ganz analog zu (4.32) kann man auch das Schnellespektrum an einer beliebigen Stelle x ≥ 0 angeben. Es gilt f¨ ur den beidseitig unendlichen Balken v˘(x, ω) =
F˘ (ω) 1 + j −jkB |x| −kB |x| . e − je jωm + 2m cB (1 + j) 2
(4.41)
Setzt man (4.40) bzw. (4.41) in die erste Gleichung (4.39), dann erh¨alt man den gesuchten Zeitverlauf der Schnelle an der Anregestelle v(t) bzw. irgendwo im Balken v(x, t). Die bisher angegebenen Gleichungen gelten f¨ ur beliebige Zeitverl¨aufe der anregenden Kraft. Beschr¨ ankt man sich auf den Spezialfall des idealen Stoßes zur Zeit t = 0, dann ist F (t) = Iδ(t) und damit F˘ (ω) = I
∞
δ(t)e−jωt dt = I.
(4.42)
−∞
Dabei ist δ(t) die Dirac’sche Deltafunktion und I der beim Stoß u ¨bertragene Impuls, der bekanntlich gleich dem Zeitintegral der Kraft ist (s. auch (4.7)). Kombiniert man (4.42), (4.40), (4.39) und (4.33), so findet man f¨ ur die Anregestelle v(t) =
1 2π
∞ −∞
I ejωt dω. jωm + 2m cB (1 + j)
(4.43)
Benutzt man die Abk¨ urzung m2 ϑ= √ 8 Bm3 und macht davon Gebrauch, dass 1 + j = (2j)1/2 ist, dann erh¨alt man v(t) =
I 2πm
∞ −∞
ejωt dω. jω + jω/ϑ
Dieses Integral kann in Tabellen gefunden werden. Das Ergebnis ist √ ' t/ϑ 2 I t/ϑ −ζ 2 1− √ v(t) = e e dζ . m π 0
(4.44)
(4.45)
Dabei ist der zweite Term in der Klammer das bekannte Gauß’sche Fehlerintegral. F¨ ur u agige Rechnungen gen¨ ugt es das Integral anzun¨ahern; ¨berschl¨ man erh¨alt dann
238
4 Impedanzen
' " t 1t I t/ϑ 1−2 1− + ... v(t) ≈ e m πϑ 3ϑ " ' 2 ϑ I 1t 3 ϑ v(t) ≈ 1− + − ... m πt 2ϑ 4 t
f¨ ur
t < 0, 5 ϑ
f¨ ur
t > 2. ϑ
In Bild 4.9 ist der Zeitverlauf der Schnelle am Anregeort f¨ ur einen Stab aufgetragen, der durch einen idealen Stoß mit der Masse m zu Longitudinal- bzw. Biegewellen angeregt wird. Es wurde dabei angenommen, dass die anregende Masse achtmal so groß ist wie ein Stabst¨ uck, das gerade einen Tr¨agheitsradius lang ist. (Also bei einem Rechteckstab der Dichte ρ, der Breite b und √ der H¨ohe h ist m = 8ρh2 b 12). Wie man sieht, nimmt die Bewegung beim longitudinalen Stoß sehr viel schneller ab, als im anderen Fall; das heißt der longitudinale Stoß klingt im allgemeinen heller als der transversale.
Bild 4.7. Zeitverlauf der Bewegung an der Anregestelle eines durch Anschlag mit einer Masse zu Longitudinal- bzw. Biegewellen angeregten Stabes
4.3.3 Die Biegewelleneingangsimpedanz der homogenen Platte In Abschnitt 2.7.4.2 wurde die Bewegungsgleichung f¨ ur Biegewellen auf Platten abgeleitet. Dabei blieben die endliche Schubsteife des Materials und die Drehtr¨agheit unber¨ ucksichtigt, was dazu f¨ uhrt, dass der entscheidende Ausdruck (2.266) nur bis zu einer bestimmten Frequenzgrenze g¨ ultig ist und dass ein anregender Punkt“ nicht zu klein sein darf (s. Abschn. 4.4.3). Geht man ” zu Zeigern u ¨ber, d.h. ersetzt man die Zeitableitungen durch Multiplikationen mit jω , dann erh¨ alt man f¨ ur die außerhalb der eigentlichen Anregestelle g¨ ultige homogene Gleichung 4 ηˆ = 0. ΔΔˆ η − kB
(4.46)
Eine Methode die Punktimpedanz zu finden besteht darin, diese Gleichung unter folgenden Randbedingungen zu l¨ osen:
4.3 Eingangsimpedanzen von unendlich ausgedehnten St¨ aben und Platten
239
(1) die L¨osung ist rotationssymmetrisch, (2) an der Anregestelle treten keine Drehbewegungen auf, d.h. die erste Ableitung verschwindet an dieser Stelle (das bedeutet gleichzeitig, dass die Amplitude endlich bleibt), (3) an der Anregestelle stimmt die Summe der Querkr¨afte mit der anregenden Kraft u ¨berein, (4) die L¨osung gen¨ ugt der Sommerfeld’schen Ausstrahlungsbedingung“, d.h. ” sie verh¨alt sich in großen Entfernungen wie eine abnehmende Welle. Um eine derartige L¨ osung zu erhalten, schreiben wir (4.46) in der Operatorenform [4.9] 4 2 ηˆ = (Δ + kB )ˆ η = 0. ΔΔˆ η − kB Wir ersetzen also (4.46) durch die beiden Differentialgleichungen zweiter Ordnung 4 Δˆ η 1 + kB ηˆ1 = 0
Δˆ η2 +
4 kB ηˆ2
(4.47a)
= 0.
(4.47b)
Die erste der beiden Gleichungen ist nun aber nichts anderes als die u ¨bliche Wellenausgleichung f¨ ur dispersionsfreie Medien (z.B. Schallwellen in Luft), deren rotationssymmetrische L¨ osung in zwei Dimensionen bekanntlich durch Zylinderfunktionen nullter Ordnung gegeben ist. Ber¨ ucksichtigt man nun noch die Randbedingung (4), so ergibt sich als einzige L¨osung die HANKELFunktion zweiter Art. Es ist also (2)
ηˆ1 = C1 H0 (kB r)
(4.48)
(r = Abstand von der Anregestelle). Eine genaue Kenntnis der HANKEL-Funktion ist f¨ ur das weitere nicht notwendig. Wir werden lediglich von den beiden folgenden asymptotischen Entwicklungen Gebrauch machen x −2j (2) ln( + γ) H0 (x) ≈ 1 + π 2 " 2 −j(x−π/4) (2) H0 (x) ≈ e πx
f¨ ur |x| 1
(4.49)
f¨ ur |x| 1
(4.50)
mit γ = 0.5772... Die L¨ osung von (4.47b), die den oben genannten Randbedingungen gen¨ ugt, erh¨ alt man einfach dadurch, dass man kB r durch −jkB r ersetzt, d.h. (2) ηˆ2 = C1 H0 (−jkB r). (4.51) Macht man hier die eben angegebene Entwicklung f¨ ur große Werte von kB r, so ergibt sich
240
4 Impedanzen
" H02 (−jkB r)
≈
2 ejπ/4 e−kB r = j −jπkB r
"
2 −kB r e πkB r
(4.51) repr¨asentiert also ein exponentiell abnehmendes Nahfeld, wie es auch bei Biegewellen auf Balken auftrat. Die Gesamtl¨osung ist (2)
(2)
ηˆ = C1 H0 (kB r) + C2 H0 (−jkB r).
(4.52)
Benutzen wir nun die Randbedingung (2), die besagt, dass ∂ ηˆ 2 2 = C1 kB −j + α(kB r)n + . . . − jC2 kB + β(kB r)n + . . . ∂r πKB r πkB r 2j = (−C1 − C2 ) πr (4.53) an der Anregestelle verschwinden muss, so erhalten wir, da die Glieder mit kB r und h¨oheren Potenzen Null werden, C1 = −C2 und damit
(2) (2) ηˆ = C1 H0 (kB r) − H0 (−jkB r) .
(4.54)
Der Wert von (4.54) an der Stelle r = 0 ergibt sich wieder aus der asymptotischen Entwicklung der HANKEL-Funktionen. Es gilt n¨amlich 2j kB r 2j kB r ηˆ(0) = ηˆ0 = C1 − ln + ... + ln + ln(−j) + . . . π 2 π 2 2j 2j = C1 ln(−j) = C1 ln(e−jπ/2 ) = C1 . π π Der Wert der Konstanten C1 ist also gleich der Auslenkung am Anregeort, so dass wir erhalten 6 (2) (2) ηˆ = ηˆ0 H0 (kB r) − H0 (−jkB r) = ηˆ (kB r). (4.55) Dabei ist gleichzeitig die durch die Differenz zweier HANKEL-Funktionen uhrt. In Bild 4.8 sind die zu definierte Ausbreitungsfunktion (kB r) eingef¨ (4.55) geh¨orenden Wellenbilder f¨ ur verschiedene Zeiten aufgetragen. Die Amplitudenabnahme mit der Entfernung von der Anregestelle, also der Verlauf von |(kB r)|2 ist aus Bild 4.9 ersichtlich. In dieser Abbildung ist auch der Verlauf nach der asymptotischen Entwicklung f¨ ur große kB r angegeben, die von aherung darstellt. kB r = 4 ab eine sehr gute N¨ Die noch verbleibende Unbekannte ηˆ0 kann man unter Benutzung der Randbedingung (3) aus der anregenden Kraft ermitteln. Zu diesem Zweck denken wir uns um den Nullpunkt einen kleinen Kreis mit dem Radius r0 gelegt, auf dessen Fl¨ ache die von außen anregende Kraft F 0 wirkt. Die u ¨ber
4.3 Eingangsimpedanzen von unendlich ausgedehnten St¨ aben und Platten
241
Bild 4.8. Von einer punktf¨ ormigen Quelle erzeugte Biegewellen auf einer Platte (T = Periodendauer).
den Umfang des Kreises in der Platte wirkenden Querkr¨afte je Breiteneinheit seien Qr . Sie ergeben sich auch in Zylinderkoordinaten aus (2.270), denn auf den x- und z-Achsen stimmt die Achsrichtung mit der radialen u ¨berein. Wir erhalten also ∂Δη . (4.56) Qr = B ∂r Setzt man hier (4.55) ein, so ergibt sich wegen (2)
(2)
(2)
(2)
2 2 ΔH0 (kB r) = −kB H0 (kB r) und ΔH0 (−jkB r) = kB H0 (−jkB r) : ' (2) (2) ∂H0 (kB r) ∂H0 (−jkB r) 3 + . ηˆ0 Qr = B kB ∂kB r ∂kB r
F¨ uhrt man hier wieder die Entwicklung der HANKEL-Funktionen nach kleinen Argumenten durch, so erh¨ alt man f¨ ur die l¨angs des Umfanges wirkende Querkraft 2 ˆ = 4jB kB ηˆ . Q (4.57) r0 0 πr0 Multipliziert man (4.57) mit dem Umfang des kleinen Kreises, dann erh¨alt man die gesamten Querkr¨ afte, die nach Randbedingung (3) gleich der anre-
242
4 Impedanzen
Bild 4.9. Amplitudenabnahme der von einer Punktquelle erzeugten Biegewelle
genden Kraft sein sollen, d.h. 2 ˆ = 8jB kB ηˆ0 . Fˆ 0 = 2πr0 Q r0
(4.58)
Eine sich hierbei ergebende Schwierigkeit besteht darin, dass mit verschwindendem Radius die Schubspannungen beliebig groß werden (s. Abschn. 4.4.3.1). F¨ ur die folgende Rechnung muss also vorausgesetzt werden, dass die anregende Kraft u ache angreift, deren Dimensionen sehr klein sind verglichen ¨ber eine Fl¨ mit der Biegewellenl¨ ange, aber nicht so klein, dass Schubdeformationen am Anregeort auftreten. In der Praxis sind diese Voraussetzungen sehr h¨aufig erf¨ ullt. F¨ uhrt man nun statt des Ausschlages die Schnelle an der Anregestelle ein, so erh¨alt man f¨ ur den Eingangswiderstand der punktf¨ormig angeregten Platte die Gleichung Z0 =
2 √ Fˆ 0 Fˆ 0 8B kB ωm = 8 B m = 8 2 . = = vˆ0 jω ηˆ0 ω kB
(4.59)
Die Schnelleverteilung auf einer mit einer Punktkraft angeregten Platte ist somit vˆ(x, z) =
Fˆ 6 Fˆ 0 ω (2) (2) (k r) − H (−jk r) = 0 H (kB r). B B 0 0 2 8B kB Z0
(4.60)
Dieses erstaunlich einfache Ergebnis, das durch Messungen gut best¨atigt wurde (s. Bild 4.10), ist etwas u ¨berraschend, weil sich der Eingangswiderstand
4.3 Eingangsimpedanzen von unendlich ausgedehnten St¨ aben und Platten
243
Bild 4.10. Gemessener Real- und Imagin¨ arteil einer 3 mm dicken Aluminiumplatte. Rechnung nach 4.59. Um die Verh¨ altnisse auf einer unendlichen Platte anzun¨ ahern, wurden die R¨ ander in Sand gebettet (nach [4.2]) .
der Platte als reell und frequenzunabh¨ angig erweist, also weniger kompliziert ist als der Eingangswiderstand des Balkens. Man kann sich dieses Ergebnis noch etwas veranschaulichen, wenn man eine Leistungsbilanz durchf¨ uhrt. Nach (4.35) ist die von einer Punktkraft u ¨bertragene Leistung 1 1 1 1 v |2 Re {Z0 } . (4.61) P = Re Fˆ 0 vˆ∗0 = |Fˆ |2 Re = |ˆ 2 2 Z0 2 0 Andererseits ist in einem großen Abstand R von der Anregestelle, wenn sich die Zylinderwelle schon wie eine abnehmende, ebene Welle verh¨alt, die durch den Kreisumfang 2πR wandernde Leistung nach (2.106) P = cgB SEkin = 2cB 2πRρh|ˆ v |2 .
(4.62)
Dabei ist cB die Phasengeschwindigkeit f¨ ur Biegewellen in der Platte und v die Schnelle im Abstand R von der Anregestelle. Ist R gen¨ ugend groß, dann kann man wieder die asymptotische Entwicklung der HANKEL-Funktion f¨ ur große Argumente benutzen und schreiben
244
4 Impedanzen
vˆ = vˆ0
"
2 e−j(kB R−π/4) πkB R
bzw.
vˆ
= 2 .
vˆ0 πkB R
(4.63)
Setzt man nun (4.61) und (4.62) unter Benutzung von (4.63) gleich, so erh¨alt man 8cB ρh 8ωm Re {Z0 } = = 2 , kB kB also ein mit (4.59) u ¨bereinstimmendes Ergebnis.
4.4 Trennimpedanz 4.4.1 Verfahren zur Berechnung von Trennimpedanzen Die Trennimpedanz wurde durch (4.2) als das Verh¨altnis von anregendem Druck (bzw. Druckdifferenz) zu Schnelle der angeregten Struktur definiert, vorausgesetzt, dass beide Gr¨ oßen neben der gleichen Frequenz auch die gleiche ¨ortliche Verteilung aufweisen. Wenn die Bewegungsgleichung eine einfache Form hat, ist die Trennimpedanz leicht zu berechnen, weil dann alle Ableitungen nach den Ortskoordinaten in Multiplikationen mit den entsprechenden Wellenzahlen u ¨bergehen. Beispielsweise ist die Bewegungsgleichung einer d¨ unnen Platte, wenn die Anregung durch eine Druckverteilung p(x, z, t) erfolgt nach (2.266)
∂2 ∂2 + ∂x2 ∂z 2
2 η(x, z, t) +
m ∂ 2 1 η(x, z, t) = p(x, z, t). 2 B ∂t B
(4.64)
Geht man zu den Schnellezeigern u ur den anregen¨ber (v = jωη) und macht f¨ den Druck (Druckdifferenz) den Ansatz p(x, z) = p˘(kx , kz )e−jkx x e−jkz z , 4 = ω2m /B aus (4.64) dann wird mit kB 2 ∂ ∂2 jω 4 + v(x, z) = p˘(kx , kz )e−jkx x e−jkz z . v(x, z) − kB ∂x2 ∂z 2 B
(4.65)
(4.66)
Wenn die Platte unendlich ausgedehnt ist und wenn keine Diskontinuit¨aten und Inhomogenit¨ aten vorliegen, dann (und nur dann) sind die ¨ortliche Verteilung der Plattenschnelle und des anregenden Drucks gleich. Man kann also den Ansatz (4.67) v(x, z) = v˘(kx , kz )e−jkx x e−jkz z machen und findet $
% jω 4 (kx2 + kz2 )2 − kB v˘(kx , kz ) = p˘(kx , kz ). B
(4.68)
4.4 Trennimpedanz
245
Die Trennimpedanz der d¨ unnen Platte ohne Ber¨ ucksichtigung der Schubsteife und Drehtr¨agheit ergibt sich damit zu % (k 2 + k 2 )2 B $ 2 p˘(kx , kz ) 4 . (4.69) = (kx + kz2 )2 − kB Zτ = = jωm 1 − x 4 z v˘(kx , kz ) jω kB 4.4.2 Beispiele Ganz analog findet man aus (2.272) f¨ ur die orthotrope Platte Bμ + 2BG B Bz 4 2 2 . Zτ = jωm 1 − 2 x kx4 − 2 k k − k x z ω m ω 2 m ω 2 m z
(4.70)
Zur Vereinfachung kann f¨ ur die eckige Klammer h¨aufig in guter N¨aherung 2 Bx kx2 + Bz kz2 1− ω 2 m gesetzt werden. F¨ ur die dicke Platte, bei der Schubsteife und Drehtr¨agheit ber¨ ucksichtigt sind, ergibt sich aus (2.290)
Zτ = jωm
1−
2 (kx −kz2 )2 4 kB
1+
+ h2 12
h2 12
(kx2 − kz2 ) 1 − c2
(kx2 − kz2 ) c2L − T
ω2 c2T
c2L c2T
−
ω2 c2T
.
(4.71)
Dabei sind c2L = E/ρ und c2T = G/ρ die Ausbreitungsgeschwindigkeiten f¨ ur Dehnwellen und Schubwellen. Die Gleichungen f¨ ur die entsprechenden eindimensionalen Probleme erh¨alt man, wenn man kz = 0 setzt und die wegen der Querkontraktion etwas anderen Werte f¨ ur die Biegesteife einsetzt. F¨ ur die Zweischichtplatte bei Anregung in Richtung senkrecht zur Plattenoberfl¨ache wurde die Gleichung f¨ ur die Trennimpedanz (3.125) bereits angegeben; f¨ ur die Dreischichtplatte kann sie ohne Schwierigkeit aus (3.132) berechnet werden. Eine weitere Trennimpedanzgleichung ist f¨ ur den Kreiszylinder durch (2.313) gegeben. Bei den bisherigen Ausdr¨ ucken f¨ ur die Trennimpedanz war stets vorausgesetzt, dass die Anregung senkrecht zur Oberfl¨ ache der Struktur erfolgt. Dies ist zwar der f¨ ur die Praxis wichtigste Anwendungsfall, aber es sind auch andere Druck-Schnelleverh¨ altnisse denkbar. Beispielsweise k¨onnen die sog. in-plane ” Wellen“ in Platten, deren Bewegungsgleichung durch (2.247) gegeben sind, auch durch Schubkr¨ afte, also solche die parallel zur Plattenoberfl¨ache wirken, angeregt werden. Um f¨ ur diesen Fall die Trennimpedanz auszurechnen, wird nur eine in x-Richtung wirkende Kraft pro Fl¨ acheneinheit p2 ∼ e−jkx x e−jkz z
246
4 Impedanzen
angesetzt und die beiden anderen ¨ außeren Kr¨afte pD und p4 werden zu Null gesetzt. (Nat¨ urlich h¨ atte man f¨ ur eine andere Art der Anregung auch p2 = onnen). Zur Durchf¨ uhrung der Rechnung werden p4 = 0; pD = 0 annehmen k¨ in (2.247) zuerst alle Ableitungen nach x bzw. z durch Multiplikationen mit jkx bzw. jkz ersetzt und aus dem so entstandenen linearen Gleichungssystem wird ζ bzw. ξ eliminiert. Man erh¨ alt dann 2 2 kx +kz2 kx +kz2 1 − 1 − 2 2 p˘2 kT kLI Zτ ξ = = jωρh 2 1 − kx2 /kT2 − kz2 /kLI jω ξ˘ (4.72) kx2 + kz2 1 − μ kT2 kx2 + kz2 p˘2 1− = jωρh 1 − Zτ ζ = . 2 kT2 kLI 1 + μ kx kz jω ζ˘ Schliesslich ergibt sich f¨ ur die Platte mit Vorspannung und Bettung aus (2.274) mit den dort benutzten Benennungen T s B 2 2 2 2 2 (4.73) Zτ = jωm 1 − 2 (kx + kz ) + 2 (kx + kz ) − 2 . ω m ω m ω m Bei den bisher im Zusammenhang mit der Trennimpedanz behandelten Beispielen handelt es sich um zweidimensionale Strukturen, bei denen in einer Richtung (Wandst¨ arke h) die Feldgr¨ oßen sich nicht ¨andern. Man kann nat¨ urlich den Begriff der Trennimpedanz auch auf dreidimensionale Gebilde anwenden, vorausgesetzt, dass die anregende Kraft und die erzeugte Bewegung dieselbe ¨ortliche Verteilung auf der Grenzfl¨ache aufweisen. Am wichtigsten ist in dieser Hinsicht der halbunendliche Raum, der auf seiner Oberfl¨ache angeregt wird. Auch in diesem Fall empfiehlt es sich zwischen Anregung in Normalenrichtung mit einer Kraft ˘ e−jkx x e−jkz z p(x, z) = σy (x, z) = σ und Anregung in tangentialer Richtung mit einer Schubspannung p(x, z) = τxy = τ˘e−jkx x e−jkz z zu unterscheiden. Ausgehend von (2.210) erh¨ alt man dann f¨ ur die Normalenrichtung mit σ = 0 und τ = 0 die Beziehung (2.213), die hier wiederholt wird
Zτ ση
$ %2 G kT2 − 2(kx2 + kz2 ) + 4(kx2 + kz2 )kyT kyL σ ˘ = = jω η˘ ω kT2 kyL
(4.74)
und f¨ ur eine tangentiale Richtung mit σ = 0 und τ = 0 Zτ τ ξ =
τ˘ jω ξ˘
=
%2 $ G kT2 − 2(kx2 + kz2 ) + 4(kx2 + kz2 )kyT kyL ω kT2 kyT
(4.75)
4.4 Trennimpedanz
247
(Benennungen siehe (2.208 - 2.213) Mit derselben Vorgehensweise k¨onnte man auch andere Druck/Schnelleverh¨ altnisse bilden; z.B. σ/ξ wenn τ = 0, oder σ/η wenn ξ = 0 etc.. Der Grenzfall einer - vollkommen schubspannungsfreien - halbunendlichen Fl¨ ussigkeit ist in (4.74 bzw. 4.75) enthalten. Man muss dazu lediglich G → 0, also kT → ∞ setzen, aber ber¨ ucksichtigen, dass GkT2 = ω 2 ist. Man findet so f¨ ur die Fl¨ ussigkeit ωρ . (4.76) Zτ = kyL Falls es sich um eine viskose Fl¨ ussigkeit handelt, gilt ebenfalls (4.74 bzw. 4.75) man muss nur G durch jωV und kT2 durch −jωνV ersetzen, wobei νV die Viskosit¨at des Materials ist. 4.4.3 Zusammenhang zwischen Trennimpedanz und Punktimpedanz ¨ Die als Beispiele angebenen Gleichungen und allgemeine Uberlegungen zeigen, dass die Trennimpedanz sich als Quotient von Polynomen in den Wellenzahlen darstellen l¨asst. Bei Strukturen, die in allen Raumrichtungen eine Wellenausbreitung zulassen, k¨ onnen auch noch gebrochen rationale Ausdr¨ ucke (z.B. kyL und kyT in (4.74 bzw. 4.75)) auftreten. Bei den weiteren Diskussionen werden die Nullstellen der Trennimpedanzgleichung noch eine große Rolle spielen, denn wenn Zτ = 0 ist (oder bei verlustbehafteten Materialien ein ausgepr¨ agtes Minimum hat), gen¨ ugt bereits ein verschwindend kleiner anregender Druck, um die entsprechende Welle anzuregen. Wellen der Form (4.65) bzw. (4.67) bei denen kx und kz gerade solche Werte aufweisen, dass die Trennimpedanz verschwindet, heißen freie Wellen“. ” Es kann sich dabei um ausbreitungsf¨ ahige Wellen (kx und kz reell, bestenfalls mit einem d¨ampfungsbedingten kleinen Imagin¨arteil) oder um exponentiell abnehmende Nahfelder (kx oder kz sind imagin¨ar) handeln. Die Trennimpedanz liefert somit eine einfache M¨ oglichkeit die freien Wellenzahlen zu finden; das gilt auch f¨ ur weniger offensichtliche Beispiele, wie die Rayleigh-Wellen an der Oberfl¨ache eines elastischen Hallraums, die sich durch Nullsetzen von (4.74) ergeben. Man kann die Trennimpedanz sehr gut zur Berechnung von K¨orperschallvorg¨angen benutzen, wenn die interessierenden Strukturen so beschaffen sind, dass Randeinfl¨ usse und Diskontinuit¨ atsstellen außer acht gelassen werden k¨onnen oder wenn Gr¨ oßen berechnet werden, die zumindest im Frequenzmittel nicht stark von Randeinfl¨ ussen abh¨ angen (z.B. Leistungsgr¨oßen, siehe Abschnitt 4.5 und 4.7). In all diesen F¨ allen ist die Annahme einer unendlich ausgedehnten Struktur berechtigt. Liegt beispielsweise eine r¨ aumlich verteilte Anregung der Form p(x, z) = p˘n, m e−jnkx0 x e−jnkz0 z (4.77) n, m
248
4 Impedanzen
vor, dann hat man eine Summe von Gliedern der Form (4.65). Auf jeden einzelnen Summanden kann man die Trennimpedanzgleichung anwenden und erh¨alt p˘n, m . v˘n, m = Zτ (nkx0 mkz0 ) Daraus folgt f¨ ur die r¨ aumliche Verteilung der Schnelle v(x, z) =
p˘n, m e−jnkx0 x e−jmkz0 z . Zτ (nkx0 mkz0 ) n, m
(4.78)
Da (4.77) eine doppelte Fourierreihe darstellt, also einer r¨aumlich sich wiederholenden Anregung mit den Perioden λx0 = 2π/kx0 und λz0 = 2π/kz0 entspricht, kann man die Rechenregeln f¨ ur Fourierreihen anwenden und findet als R¨ ucktransformation von (4.77) p˘n, m =
1 4π 2
λx0
λz0
p(x, z)ejnkx0 x ejmkz0 z dxdz. 0
(4.79)
0
Damit ist das Problem der r¨ aumlich periodischen Anregung gel¨ost, denn aus der vorgegebenen Funktion p(x, z) kann man nach (4.79) die Teilwellenamplituden pn, m finden und daraus nach (4.78) die Bewegungsverteilung. Bei einer nicht periodischen Anregung geht man genauso vor, man muss lediglich die Fourierreihe durch ein Fourierintegral ersetzen. Physikalisch bedeutet das, dass man eine vorgegebene Anregungsverteilung p(x, z) durch eine Summe (Integral) von vielen ebenen Wellen ersetzt, deren Amplituden so gew¨ahlt sind, dass sie - wenn sie alle addiert werden - wieder p(x, z) ergeben. Mit den Amplituden der einzelnen Wellen wird dann so verfahren, wie im letzten Abschnitt beschrieben. Ist also eine verteilte Anregung der Form p(x, z) gegeben, dann kann man unter Ausnutzung des Fourierintegrals auch schreiben p(x, z) =
∞
1 4π 2
−∞
p˘(kx , kz )e−jkx x e−jkz z dkx dkz .
(4.80)
Die hier auftretende Amplitudenverteilung der Teilwellen - auch Wellenzahlspektrum genannt - ist durch ∞
p˘(kx , kz ) =
p(x, z)ejkx x ejkz z dxdz.
(4.81)
−∞
bestimmt. Da f¨ ur jede Teilwelle die Impedanzgleichung gilt, erh¨alt man f¨ ur das Wellenzahlspektrum der erzeugten Bewegung v˘(kx , kz ) =
p˘(kx , kz ) Zτ (kx , kz )
und f¨ ur die r¨aumliche Schnelleverteilung
(4.82)
4.4 Trennimpedanz
v(x, z) =
1 4π 2
∞ −∞
p˘(kx , kz ) −jkx x −jkz z e e dkx dkz . Zτ (kx , kz )
249
(4.83)
Sehr einfach wird die Berechnung des Wellenzahlspektrums, wenn die Anregung durch eine auf ein ganz kleines Gebiet konzentrierte Kraft (Punktkraft) der Amplitude F0 erfolgt. Bei einer solchen Anregung, die unter Benutzung der Delta-Funktion durch p(x, z) = F0 δ(x, z)
(4.84)
repr¨asentiert wird, sind innerhalb des sehr kleinen Gebiets, in dem die Anregung von Null verschieden ist, alle Gr¨ oßen konstant, so dass ∞
p˘(kx , kz ) = F0
−∞
δ(x, z)ejkx x ejkz z dxdz = F0
(4.85)
gilt. Damit wird nach (4.83) die Schnelle einer derartig angeregten Struktur v(x, z) =
F0 4π 2
∞ −∞
1 −jkx x −jkz z e e dkx dkz . Zτ
(4.86)
Die Punktimpedanz F0 /v(0, 0) kann man aus (4.86) errechnen, indem man x = z = 0 setzt. 4.4.3.1 Platte mit Schubsteife Um das Integral in (4.86) ausrechnen zu k¨ onnen, empfiehlt es sich den Ausdruck f¨ ur die Trennimpedanz in Partialbr¨ uche zu zerlegen und dann den Residuensatz zu verwenden. Am Beispiel der Platte mit Schubsteife sei diese Vorgehensweise exemplarisch vorgestellt. Aus (4.71) erh¨alt man nach einigen Umformungen 4 kB α + kT2 (kx2 + kz2 ) 1 −1 = 2 ) − k4 α . Zτ jωm (kx2 + kz2 )2 − (kx2 + kz2 )(kT2 + kL B
(4.87)
Dabei ist α = 1 − kT2 h2 /12. F¨ ur die Nullstellen des Nenners findet man # 2 2 2 2 2 kT + kL + k k L 4 + kI2 = (kx2 + kz2 )I = T + αkB 2 2 # 2 2 2 2 2 kT + kL k + k 2 2 2 T L 4. + αkB − kII = (kx + kz )II = 2 2
(4.88a)
(4.88b)
Da die Wurzel in diesen Ausdr¨ ucken stets positiv ist, wird kI stets reell; d.h. bei den zu kI geh¨ orenden Bewegungsformen handelt es sich um fortlaufende Wellen. Die Wellenzahl kII ist bei tiefen und mittleren Frequenzen imagin¨ar; die dazugeh¨ orende Bewegungsform entspricht einem exponentiell abnehmenden Nahfeld. Bei hohen Frequenzen; d.h. wenn α < 0, also
250
4 Impedanzen
2π/kT = λT < 1, 6h, wird auch kII reell. Das bedeutet, dass bei hohen Frequenzen die Mindlinsche Plattentheorie zwei ausbreitungsf¨ahige Wellenorende Bewegung bei α = 0 eine unendtypen ergibt, wobei die zu kII geh¨ lich große Phasengeschwindigkeit aufweist, die dann mit wachsender Frequenz auf die Schubwellengeschwindigkeit abnimmt. Bei tiefen Frequenzen ergeben (4.88a, 4.88b) die aus der einfachen Biegetheorie bekannten Werte kI ≈ kB ; uhrt auf kII ≈ jkB . Eine Partialbruchzerlegung von (4.87) f¨ 4 1 1 kT2 (kx2 + kz2 ) + αkB 1 1 = − 2 . 2 2 Zτ jωm (kI2 − kII ) (kx2 + kz2 ) − kI2 (kx + kz2 ) − kII Setzt man diesen Ausdruck in (4.86) ein, dann kann man mit Hilfe des Residuensatzes u ¨ber kz integrieren. Es entstehen dabei Terme, die sich folgendermaßen umformen lassen √ 2 2 1 ∞ 1 − kx −kI z −jkx x e e dkx . (4.89) j −∞ kx2 − kI2 Macht man von diesen Ausdr¨ ucken Gebrauch, erh¨alt man schließlich f¨ ur den Schwingungsverlauf einer punktf¨ ormig“ angeregten, dicken Platte ” 2 2 4 2 4 kT2 kII F0 kT kI + αkB + αkB (2) (2) H (k r) − H (k r) . (4.90) v(x, z) = I II 0 0 2 2 ωm kI2 − kII kI2 − kII Dabei ist r=
x2 + z 2
Die Punktadmittanz“ ergibt sich aus (4.90), indem man den Grenz¨ ubergang ” x = z → 0 vornimmt. Benutzt man die N¨ aherung (4.49) so folgt nach einigen Zwischenrechnungen 4 kB v(r → 0) (AR + jAI ). = 2 )] F0 8ωm [kI2 − 12 (kT2 − kL
(4.91)
Dabei ist 2 4 AR = α + kT2 (2kI2 − kL − kT2 )/kB
AR =
kT2 (2kI2
AI = −
−
2 α ln π
2 kL
−
wenn α > 0
4 kT2 )/kB
2 kB |α| kI2
+
(4.92)
wenn α < 0 kT2 4 kB
2 kI2 ln(kI r) − kII ln(kII r)
(4.93)
.
(4.94)
2 2 ; α = 1; kI2 = −kII , kT2 ≈ 0. Damit wird Bei tiefen Frequenzen ist kI2 = kB AR = 1 und AI = 0, so dass sich das bekannte Ergebnis (4.59) ergibt. Falls man die - eigentlich unrealistische - Annahme G → ∞, kT → 0, die der einfachen Bernoulli’schen Biegetheorie zugrunde liegt, nicht macht, dann ist zwar der Realteil von (4.91) noch durchaus verst¨andlich, aber der
4.4 Trennimpedanz
251
Imagin¨arteil ist etwas u ur r = 0 eine logarithmische Sin¨berraschend, weil er f¨ gularit¨at aufweist. Es handelt sich hier nicht um eine Schwachstelle der Theorie, sondern um die verst¨ andliche Tatsache, dass eine durch eine δ-Funktion repr¨asentierte Druckverteilung lokal zu extrem hohen Dr¨ ucken f¨ uhrt, die in jedem Material mit endlicher Schubsteife eine Singularit¨at (Loch) ergeben. H¨atte man von Anfang an mit einer Druckverteilung auf eine kleine Fl¨ache gerechnet, h¨atte man die Singularit¨ at nicht erhalten; daf¨ ur allerdings einen von der Gr¨oße der Anregefl¨ ache abh¨ angigen Imagin¨arteil der Admittanz. F¨ ur die praktische Messung bedeutet das, dass man Realteile von Admittanzen (und damit die f¨ ur den Leistungstransport maßgebliche Gr¨oße) relativ problemlos messen kann, dass aber der Imagin¨ arteil durchaus von der Gr¨oße der anregenden Fl¨ache abh¨ angt. Allerdings ist die in diesem Abschnitt benutzte Theorie der Platte mit Schubsteife wenig geeignet, die lokale Deformation in der N¨ahe einer kleinen Anregestelle quantitativ zu beschreiben. Dieser Punkt wird im n¨achsten Abschnitt noch einmal aufgenommen. 4.4.3.2 Der unendliche, isotrope Halbraum Durch Kombinationen von (4.83), (4.74) erh¨ alt man f¨ ur die Bewegung eines unendlichen, isotropen Halbraums, auf dessen Oberfl¨ache in Normalenrichtung der Druck p(x, z) der keine Spannung in Tangentialrichtung wirkt v(x, z) =
1 4π 2 G
∞ −∞
ωkT2 kyL p˘(kx , kz )e−jkx x e−jkz z dkx dkz . (kT2 − 2kr2 )2 + 4kr2 kyL kyT
(4.95)
Dabei ist 2 2 2 kx2 + kz2 = kr2 , kL − kr2 = kyL , kT2 − kr2 = kyT .
Eine geschlossene Integration von (4.95) scheint nicht m¨oglich zu sein, weil kx und kz u.a. in Wurzelausdr¨ ucken vorkommen und somit die Residuenmethode nicht die Gesamtl¨ osung liefert. Falls man (4.95) f¨ ur eine auf eine kleine Fl¨ache konzentrierte Kraft n¨ aherungsweise [4.10] oder numerisch auswertet, so findet man, dass sich Schubwellen und Kompressionswellen als Raumwellen und Rayleighwellen als Oberfl¨ achenwellen ausbreiten, siehe auch Bild 4.11. Die freie Wellenzahl der Rayleighwellenzahl ist dabei durch die reelle Nullstelle des Nenners in (4.95) gegeben. Eine N¨ aherungsgleichung hierf¨ ur ist cR ≈ cT
(0, 874 + 1, 12μ) 1+μ
F¨ ur die Admittanz des unendlichen Halbraums bei Anregung in Normalenrechnung kann man aus zahlreichen numerischen Rechnungen folgende N¨aherungsgleichungen ableiten [4.11]. a) Anregung mit einer Kraft F , die u ¨ber eine kleine Kreisfl¨ache mit dem Radius a gleichm¨ aßig verteilt ist: A=
vˆ ωkT (1 − μ)[0, 19 + j0, 3/(kT a)]; ≈ ˆ G F
(4.96)
252
4 Impedanzen
Bild 4.11. Oberfl¨ achenwelle (Rayleighwelle) und Raumwellen (Longitudinal- und Schubwellen) in halbunendlichen, homogenen Medium. Die Entfernungsabh¨ angigkeiten gelten im Fernfeld.
b) Anregung mit einer Linienkraft, die gleichm¨aßig u ¨ber einen Streifen der Breite b verteilt ist $ $ % % ω AL ≈ (1 − μ) 0, 463 + j1, 5 ln 1, 9 − 15(μ0, 25)2 /(kT b) . (4.97) G In beiden Gleichungen ist der Realteil unabh¨angig von der Gr¨oße der anregenden Fl¨ache, solange ihre Abmessungen wesentlich kleiner sind als die Schubwellenl¨ange. Beim Imagin¨ arteil ist das nicht der Fall, weil dieser - wie sich schon bei der Platte mit Schubspannung zeigte - ein Maß f¨ ur die lokale Deformation des Materials an der Anregestelle ist. Erwartungsgem¨ aß ist der Imagin¨ arteil, d.h. die lokale Deformation in (4.96) umso gr¨oßer, je kleiner die Anregefl¨ ache und je kleiner der Schubmodul ist. Wenn man den Imagin¨ arteil in (4.97) als Federungsadmittanz einer Feder der Steife s deutet, dann findet man dass Im {A} ≈
ω(1 − μ) 0, 3 = ω/s Ga
gilt, dass also die lokale Elastizit¨ at des Materials wie eine Feder der Steife s≈
3, 3Ga 1−μ
(4.98)
betrachtet werden kann. Dieses Ergebnis stimmt relativ gut mit Berechnungen der statischen Verformung eines unendlichen Halbraumes u ¨berein [4.12]-[4.14]. Rechnet man die entsprechenden Gleichungen in Federsteifen der ¨ortlichen Elastizit¨at um, so ergibt sich s=
Ga Fˆ ≈π ; bzw. s = ˆ 1 −μ ξ0
Ga Fˆ ≈5 ; bzw. s = ˆ 1 −μ ξa
Ga Fˆ ≈4 . ˆ 1 −μ ξ0
(4.99)
Die erste Gleichung erh¨ alt man, wenn man die gleichm¨aßig u ¨ber die kleine Anregefl¨ache verteilte Kraft durch die Bewegung in der Mitte der Anregefl¨ache teilt. Bei der zweiten Gleichung wurde ebenfalls von einer gleichf¨ormigen Kraftverteilung ausgegangen, aber ξa bedeutet die Bewegung am Rand
4.4 Trennimpedanz
253
der Anregefl¨ache. Die dritte Gleichung gilt, wenn die anregende Kraft nicht gleichverteilt ist, sondern dem Gesetz (a2 − r 2 )1/2 folgt; diese Verteilung ist dadurch ausgezeichnet, dass sie unterhalb der anregenden Fl¨ache zu einer ortsunabh¨angigen Deformation f¨ uhrt. Wie man sieht, h¨ angt - im Gegensatz zu dem f¨ ur den Leistungstransport maßgeblichen Realteil der Admittanz - der Imagin¨arteil, also die lokale Steife (Kontaktsteife) von den Details der Anregung ab. Insbesondere sind Gr¨oße und Druckverteilung in der anregenden Fl¨ ache, genaue Lage des Messortes und Randbedingung hinsichtlich der Tangentialbewegung bzw. Tangentialkraft wichtige Parameter. In der Kontaktmechanik (z.B. [4.14]) und damit auch in der Theorie des Rollkontakts spielt die Ber¨ ucksichtigung dieser Effekte eine große Rolle. F¨ ur die Rechnung sehr erschwerend kommt dabei noch hinzu, dass die Normalspannung σ an der Oberfl¨ ache meist bekannt ist, die Tangentialspannung τ dagegen in komplizierter Weise von den Reibungskr¨aften abh¨angt, die bei der Materialdeformation in tangentialer Richtung auftreten. 4.4.3.3 Weitere Beispiele (orthotrope Platte, dicke Platte, Plattenstreifen, Rohr) Wendet man das beschriebene Verfahren auf orthotrope Platten an, so findet man durch Einsetzen von (4.70) in (4.86) [4.15] Z=
π 1 Fˆ = 8 4 m2 Bx Bz ≈ 8 4 m2 Bx Bz vˆ(r = 0) 2 K(β)
und v(x, z) =
(4.100)
Fˆ (2) (2) H0 (γ) − H0 (−jγ) Z
mit 1 β= 2
Bμ + 2BG 1− Bx Bz
'√ ;
γ=
ω 2 m 4 Bx Bz
#
Bz 2 x + Bx
#
Bx 2 z Bz
1/2 .
Bei der Funktion K handelt es sich um das vollst¨andige elliptische Integral erster Gattung, dessen Werte f¨ ur die hier interessierenden Parameter zwischen π/2 und 1, 85 liegen. Wendet man das Verfahren zur Punktimpedanzberechnung auf homogene Platten an, deren Dicke vergleichbar oder gr¨ oßer als die Schubwellenl¨ange ist, dann erh¨alt man f¨ ur die Admittanz der dicken Platte n¨aherungsweise (s. auch [4.11], [4.16]) folgendes •
bei Anregung mit einer Linienkraft F , die gleichm¨aßig u ¨ber einen kleinen Streifen der Breite b verteilt ist
254
4 Impedanzen
v(x = 0) F ⎧ ⎫ ⎪ ⎪ (4.101) ⎨ 1 −1 ω λT ⎬ . ≈ + j + 0, 16 ln 2 G⎪ 8H 1,5 b ⎪ H ⎩ 8H 1,5 + 0, 31 ⎭ H+1,6
AS =
•
bei Anregung mit einer Kraft F , die gleichm¨aßig u ¨ber einen kleinen Kreis mit dem Durchmesser D verteilt ist v(r = 0) F, 2 0, 001 λT ωkT 0, 063 1 H + +j + 0, 06 ≈ . G H2 8 H + 1, 6 H 1,3 D (4.102)
AP =
Dabei ist G = Schubmodul, kT = Schubwellenzahl, λT = 2π/kT , H = kT h/2, h = Plattendicke. Es wurde bei diesen aus zahlreichen numerischen Rechnungen abgeleiteten N¨ aherungsgleichungen angenommen, dass die Querkontraktionszahl μ ≈ 0, 3 betr¨ agt. Bei dem als n¨ achstes Beispiel untersuchten Plattenstreifen (Bild 4.12) handelt es sich um eine Mischform, weil die Abmessungen in einer Richtung endlich und in der anderen unendlich sind. Trotzdem lassen sich die bisher angewandten Rechenmethoden zumindest f¨ ur einfache Randbedingungen anwenden. In Analogie zu (4.65) und (4.67) machen wir den Produktansatz p(x, z) = p˘n (kz )ϕn (x)e−ikz z v(x, z) = v˘n (kz )ϕn (x)e−ikz z .
(4.103)
Die Funktion ϕn (x) h¨ angt von den Randbedingungen ab. Liegt die in Bild 4.12 dargestellte Bedingung vor, bei der der Rand gef¨ uhrt wird, also f¨ ur x = 0, x = ls : gilt, dann ist ϕn (x) = cos
∂ 3v ∂v = 0; F ∼ =0 ∂x ∂x3
nπ x f¨ ur n = 0, 1, 2, 3 . . . ls
(4.104)
Im Falle der momentenfreien Lagerung ist wegen v = 0; M ∼
∂v 2 = 0; ∂x2
ϕn (x) = sin
f¨ ur x = 0, x = ls ;
nπ x f¨ ur N = 1, 2, 3, . . . ls
(4.105)
In beiden F¨allen ergibt sich nach Einsetzen in (4.64) in Analogie zu (4.68), weil Druck und Schnelle dieselbe ¨ ortliche Verteilung haben,
4.4 Trennimpedanz
255
Bild 4.12. Normierte Punktadmittanzen eines Plattenstreifens der Dicke h und der √ Breite ls . hπ/(ls 12) = 0, 018. Realteil eines Balkens der Breite ls , Realteil der Admittanz einer Platte der Dicke h, Realteil nach (4.110), Absolutbetrag des Imagin¨ arteils nach (4.110)
⎧' ⎫ 2 2 ⎨ ⎬ jω nπ 4 − kz2 − kB − v˘n (kz ) = p˘n (kz ). ⎩ ⎭ ls B Die reziproke Trennimpedanz wird damit ⎡ 1 iω ⎢ v˘n (kz ) = ⎣ = Zτ n p˘n (kz ) B
kz2 −
1 nπ ls
2
−
⎤ −
2 kB
kz2 −
1 nπ ls
2 +
2 kB
⎥ ⎦.
(4.106)
Falls die anregende Druckverteilung beliebig ist, kann man sie als Summe von Termen der Form (4.103) darstellen. Man kann also analog zu (4.81) p(x, z) =
∞ 1 2π n=0
∞ −∞
p˘n (kz )ϕn (x)e−jkz z dkz
(4.107)
256
4 Impedanzen
schreiben. Die R¨ ucktransformation dazu ist wegen der Orthogonalit¨at der vorkommenden Funktion wie bei einer Kombination von Fourierreihe und Fourierintegral p˘n (kz ) =
2 ls εn
ls 0
∞ −∞
p(x, z)ϕn (x)e−jkz z dxdz
(4.108)
ur n > 0). (ε0 = 2; εn = 1 f¨ Da (4.107) eine Summe von Termen der Form (4.103) ist, besteht die Schnelle ebenfalls aus Summen. Die Schnelle eines Plattenstreifens, der durch eine beliebige Druckverteilung p(x, z) angeregt wird, ist also v(x, z) =
∞ 1 2π n=0
∞ −∞
p˘n (kz ) ϕn (x)e−jkz z dkz . Zτ n
(4.109)
Dabei ist pn (kz ) durch (4.108) gegeben. F¨ ur den Spezialfall einer an der Stelle z = 0, x = x0 wirkenden Punktkraft F ist 2F ϕn (x0 ). p˘n (kz ) = ls ε n Setzt man diesen Ausdruck und (4.106) in (4.109) ein, dann kann man nach uhren und erh¨alt der Residuenmethode die Integration u ¨ber kz durchf¨ v(x0 , 0) F '
∞ 1 1−j 1 j = ϕ2n (x0 ) . α+ − 2 2 2ρhls cB 2 1 − κ 1 + κ n n n=1
A=
(4.110)
Dabei ist κn = nπ/kB ls ; α = ϕ0 (x0 ). Betrachtet man die einzelnen Summanden in (4.110), so stellt man fest, dass die Stellen kB ls = nπ, also die Frequenzen ωn = (nπ/ls )2 (B /ρh)1/2 , wichtige Grenzen darstellen. F¨ ur ω > ωn , d.h. kB l > nπ, ist der erste Term in der Summe stets reell; d.h. die dazugeh¨orige Schwingungsmode ist ausbreitungsf¨ ahig und es wird Biegewellenenergie nach z = ±∞ transportiert. F¨ ur ω < ωn , d.h. kB ls < nπ, sind beide Terme rein imagin¨ar. Das bedeutet, dass f¨ ur ω < ωn die n-te Mode ein Nahfeld erzeugt, das nur eine Ausdehnung von der Gr¨ oßenordnung ls /n hat. F¨ ur ω = ωn geht die Schnelle an der Anregestelle gegen Unendlich und die Punktimpedanz verschwindet. Allerdings handelt es sich dabei um eine ziemlich ungef¨ahrliche“ ” Unendlichkeitsstelle; denn wenn man (4.110) u ¨ber die Frequenz integriert, findet man einen Ausdruck, der bei Oktav- oder Terzmittelung sich nur um maximal einige dB pro Frequenzband ¨ andert. Wie man aus (4.106) ersehen kann, geht bei den Frequenzen ω = ωn also an den Stellen nπ/ls = kB die Trennimpedanz gegen Null, falls kz = 0 ist. Das bedeutet, dass die Bewegung konphas f¨ ur alle Werte von z w¨ are, oder anders ausgedr¨ uckt, dass ¨ahnlich wie bei einem luftgef¨ ullten Kanal die Phasengeschwindigkeit in z-Richtung beliebig groß w¨ urde.
4.4 Trennimpedanz
257
Interessant ist noch der Frequenzmittelwert des Realteils von (4.110). Um ihn zu erhalten, braucht man die Summe nur u ¨ber n kB ls /π zu errechnen und findet - wenn man die Summe durch eine Integration ann¨ahert - als Punktimpedanz genau den Wert, der bereits f¨ ur eine nach allen Seiten beliebig ausgedehnte Platte abgeleitet wurde (4.59). Zur Illustration sind in Bild 4.12 einige Ergebnisse aufgetragen. Es handelt sich dabei um den normierten Realund Imagin¨arteil der Admittanz sowie als Vergleichskurven die Admittanz eines Balkens und einer Platte. Man sieht deutlich, dass sich der Plattenstreifen bei tiefen Frequenzen wie ein Balken und bei hohen Frequenzen wie eine Platte verh¨alt; h¨atte man statt des Frequenzverlaufs der Admittanz die Frequenzmittelwerte aufgetragen, w¨ are die Angleichung an Balken bzw. Platte noch deutlicher. Nach der ausf¨ uhrlichen Diskussion des Plattenstreifens kann die Admittanz des Rohres sehr kurz behandelt werden; denn die Vorgehensweise ist fast identisch. Ersetzt man n¨ amlich in (4.103) die Funktion ϕn (x) durch exp (jns/a) oder durch cos nϕ dann erh¨ alt man Funktionen, die mit (2.307) identisch sind. Dabei ist a der Radius des Zylinders und s der Umfangswinkel bei dem die anregende Kraft wirkt. Man kann wieder v˘n (kz ) = p˘n (kz )/Zτ n (n, kz )
(4.111)
setzen. Der einzige Unterschied ist, dass man statt (4.106) den Ausdruck f¨ ur die Trennimpedanz eines Rohres, also (2.313) einzusetzen hat und dass man alt man f¨ ur die Punktanregung F/ls durch F/2πa ersetzen muss. Damit erh¨ v(0, 0) =
∞ F 1 2π 2 a n=0 εn
∞ −∞
dkz . Zτ n (n, kz )
(4.112)
Als Anregestelle wurde dabei ϕ0 = s/a = 0, z0 = 0 angenommen. Die Integration in (4.112) w¨ are zwar auch mit der Residuenmethode durchf¨ uhrbar, aber da dabei eine Gleichung vierter Ordnung in kz2 zu l¨osen w¨are, ist die Rechnung sehr umfangreich. Einfacher ist es, eine kleine Materiald¨ampfung einzuf¨ uhren (damit (4.112) keine Polstellen auf der reellen Achse hat) und die Integration sowie die Summation numerisch vorzunehmen. Ergebnisse, die so erhalten wurden, zeigt Bild 4.13. Man kann aus diesem Bild und einigen N¨ aherungsbetrachtungen folgendes entnehmen [4.18]: a) Die Admittanz eines Rohres hat im Prinzip einen ¨ahnlichen Verlauf wie die eines Plattenstreifens. Er ist dadurch gekennzeichnet, dass bei den Querresonanzen“ sehr hohe Werte auftreten (vgl. Bild 4.13) und dass bei ” hohen Frequenzen der Mittelwert durch die Biegewellenimpedanz einer unendlichen Platte gegeben ist; d.h. Re {A} ≈ (2, 3cLI ρh2 )−1
f¨ ur ν =
ωa > 2. cLI
(4.113)
258
4 Impedanzen
Bild 4.13. Realteil der Admittanz eine Rohres mit dem Radius a und der Wandst¨ arke h. Numerische Berechnung nach (4.112) mit /eqrefeq:2.209b, Admittanz einer Platte der Dicke h, Realteil √ der Biegewellenadmittanz eines Stabes mit Rohrquerschnitt (Tr¨ agheitsradius a/ 2), N¨ aherungsbeziehung f¨ ur die mittlere Admittanz im Bereich f2 < f< πa/cLI , f1 , f2 , f3 = Ringresonanzen nach 2.315a.
b) Bei den durch (2.315a) gegebenen Ringresonanzfrequenzen ist die Admittanz eines Rohres sehr hoch. Besonders ausgepr¨agt sind die Spitzen in den Admittanzkurven bei den unteren auf die Biegung zur¨ uckzuf¨ uhrenden Resonanzen. Von den Resonanzen, die durch νn = (n2 + 1)1/2 nach (2.315a) gegeben sind, die also zu einer Dehnbewegung im Zylindermantel geh¨oren, ist die sog. Ringdehnfrequenz bei ν = 1 sehr ausgepr¨agt, die u acher. ¨brigen Resonanzen sind wesentlich schw¨ ¨ c) Ahnlich wie beim Plattenstreifen sind auch beim Rohr die Maxima der Admittanzen durch die Unendlichkeitsstellen in den Dispersionskurven gegeben. Allerdings kommen, abgesehen von der Ringdehnung bei ν = 1
4.4 Trennimpedanz
259
die zu den Plattenlongitudinalwellen geh¨ orenden Maxima nur wenig zum Ausdruck und die zu Schubwellen geh¨ orenden Unendlichkeitsstellen der Dispersionskurven sind im Frequenzgang der Admittanz u ¨berhaupt nicht zu finden. Sehr u ¨berraschend ist dieses Verhalten nicht, denn bei einer Anregung in radialer Richtung ist die Entstehung einer reinen Schubbewegung nur schwer vorstellbar. d) Bei tiefen Frequenzen (f¨ ur ν < 0, 77h/a) ist die Admittanz eines Rohres fast der eines Stabes mit gleicher Biegesteife identisch, also & √ −1 A ≈ (1 − j) 2πaρh ωcLI a/ 2 f¨ ur ν < 0, 77h/a. (4.114) e) Bei den Maxima der Admittanzen handelt es sich um ¨ahnlich u ¨ngef¨ahrliche Polstellen wie bei den Plattenstreifen. F¨ ur das Frequenzmittel liefern sie daher keinen entscheidenden Beitrag. F¨ ur viele Zwecke ist es ausreichend, die mittlere Rohradmittanz durch den Ausdruck " ωa 0, 66 f¨ ur 0, 77h/a < ν < 0, 6 (4.115) Re {A} ≈ 2, 3cLI ρh2 cLI anzun¨ahern. Mit (4.113, 4.114, 4.115) hat man N¨aherungsbeziehungen, die fast den gesamten Frequenzbereich u ¨berdecken. 4.4.4 Momentenimpedanzen Bei Biegewellenproblemen ist die Anregung manchmal in Form eines Moments gegeben. F¨ ur solche F¨ alle liegt es nahe, den Quotienten gebildet aus den Zeigern des anregenden Moments M und der am Anregeort erzeugten Winkelgeschwindigkeit w als Momentenimpedanz W zu definieren ˆ /w. ˆ W =M
(4.116)
Die Dimension dieser Gr¨ oße ist kg m2 /s. Sie unterscheidet sich also um das Quadrat einer L¨ange von der Kraftimpedanz nach (4.1). Von praktischem Interesse ist die Kenntnis der Momentenimpedanz bei¨ spielsweise bei der Berechnung der Ubertragung von einem zu Biegewellen angeregten Bauteil auf ein anderes (Kap. 5). Da in der Kraft- und Momentenimpedanz alle vier f¨ ur Biegewellen wichtigen Gr¨oßen vorkommen, k¨ onnte man geneigt sein anzunehmen, dass durch die Angabe dieser beiden Gr¨ oßen das Verhalten eines Systems bei Anregung durch eine beliebige Kombination von anregenden Kr¨aften und Momenten vollkommen bestimmt sei. Insbesondere k¨ onnte man vermuten, dass die mit Hilfe der beiden Admittanzen ermittelten Leistungen bei Kraft- bzw. Momentenanregung sich zur gesamten u ¨bertragenen Leistung addieren. Das ist jedoch nicht immer der Fall; bereits beim halbunendlichen Stab, der an einem Ende angeregt wird, kann man n¨ amlich durch eine angreifende Kraft auch eine Winkelgeschwindigkeit und durch ein Moment eine Schnelle erzeugen.
260
4 Impedanzen
Man kann sogar durch geeignete Kombination einer Kraft und eines Moments die fortlaufende Biegewelle vollst¨ andig unterdr¨ ucken, so dass nur das exponentiell abnehmende Nahfeld u ¨brig bleibt und dementsprechend keine mechanische Leistung u ¨bertragen wird. Wie man aus (4.25, 4.26) ersehen ur kann, tritt dieser interessante Spezialfall bei dem v+ = 0 wird, gerade f¨ F = M k ein. Ohne Beweis sei noch angegeben, dass nach [4.17] f¨ ur dasselbe ¨ Verh¨altnis von Kraft und Moment die Ubertragung von Biegewellenenergie in eine Platte verringert werden kann, wenn die Anregung an einer Kante erfolgt. Wie man sieht, besteht bei punktf¨ ormig angeregten St¨aben und Platten die interessante M¨ oglichkeit, durch das zus¨ atzliche Anbringen eines geeigneten Moments bzw. einer geeigneten Kraft (beispielsweise mit Hilfe eines elektrischen K¨orperschallsenders) die u ¨bertragene Biegewellenenergie zu reduzieren. Die Wichtigkeit dieses Zusammenwirkens wird uns noch bei den D¨ammproblemen in Kap. 5.3 und 5.4 begegnen. Wollte man die Biegewellenanregung durch das gleichzeitige Wirken von Kr¨aften und Momenten ganz allgemein betrachten, dann m¨ usste man die Admittanzmatrix (mobility matrix) einf¨ uhren und schreiben ˆ vˆ = AF v Fˆ + AM v M ˆ. w ˆ = AF w Fˆ + AM w M
(4.117)
Es treten also neben den Kraft- und Momentenadmittanz AF v und AM w auch zwei Kopplungsglieder auf, die jedoch reziprok sind. Im Fall des halbunendlichen Stabes ist diese Gr¨ oße AF w = AM v = −Bk2 /ω. Wir wollen uns jedoch hier nicht weiter mit Fragen der Admittanzmatrix besch¨aftigen (siehe auch 1.2.1), sondern uns im Folgenden auf die Berechnung von Momentenimpedanzen beschr¨ anken. Das oben Gesagte sollte nur ein Hinweis darauf sein, dass Kraft- und Momentenimpedanz das Anregeproblem nicht vollst¨ andig beschreiben. Man muss sich also in jedem Einzelfall davon u ¨berzeugen, dass nur eine Kraft oder nur ein Moment vorhanden ist, bzw. dass keine Kopplung zwischen anregender Kraft und erzeugter Winkelgeschwindigkeit oder anregendem Moment und Schnelle erfolgt. Die letztere M¨oglichkeit, bei der die Admittanzmatrix nur aus Diagonalelementen besteht, tritt dann ein, wenn ein unendlich großes System in der Mitte“ angeregt wird. ” Sehr einfach wird die Berechnung der Momentenimpedanz beim unendlich langen Balken. Man kann in diesem Fall n¨amlich die Rechnung genauso vornehmen wie in Abschnitt 4.3.2. Man muss lediglich ber¨ ucksichtigen, dass die Randbedingung beim beidseitig unendlich langen Balken v(0) = 0 lautet, und dass die der zweiten Ableitung proportionale Summe der Biegemomente gleich dem angreifenden Moment sein muss. Man erh¨alt so W =
ˆ (0) 2BkB 2m cB M (1 − j). = (1 − j) = 2 w(0) ˆ ω kB
Die u ¨bertragene Leistung ist damit
(4.118)
4.4 Trennimpedanz
P =
1 ˆ ∗ 1 ˆ 2 Re M w ˆ = |M | Re 2 2
1 W
=
1 ω ˆ 2 |M | . 8 BkB
261
(4.119)
Vergleicht man (4.119) mit (4.37), so sieht man, dass bei einem frequenzkonstantem Moment die u ¨bertragene Leistung mit der Wurzel der Frequenz zunimmt. Die Anregung durch Momente spielt also haupts¨achlich bei h¨oheren Frequenzen eine Rolle. Erw¨ ahnenswert ist noch, dass der Imagin¨arteil der Momentenimpedanz bei einem Balken Federungscharakter hat. F¨ ur weitere Beispiele von Momentenimpedanzen empfiehlt es sich wie in Abschn. 4.4.3 vorzugehen. Als anregende Druckverteilung wird die in Bild 4.14 skizzierte Anordnung gew¨ ahlt, bei der ein Kr¨ aftepaar F = M/2a im kleinen Abstand 2a wirkt, also ein Moment M bildet. Es gilt dann statt (4.84) p(x, z) =
ˆ M [δ(x + a, z) − δ(x − a, z)] . 2a
Eingesetzt in (4.82) ergibt sich f¨ ur einen sehr kleinen Wert von a, also f¨ ur ein lokalisiertes Moment p˘(kx , kz ) =
ˆ M ˆ kx . (ejkx a − e−jkx a ) ≈ j M 2a
(4.120)
Bild 4.14. Drei Beispiele von Momentenanregungen
Als N¨achstes berechnet man aus (4.83) durch Differentiation nach x die Winkelschnelle in x-Richtung w = ∂v/∂x. Damit ergibt sich als allgemeiner Ausdruck f¨ ur die Momentenimpedanz W 0) 1 w(0, ˆ 1 = = ˆ W 4π 2 M
kx2 Zτ (kx , kz )dkx dkz .
(4.121)
F¨ uhrt man entsprechende Rechnungen durch, so findet man, dass stets
262
4 Impedanzen
Re
1 W
=
αkf2 Re
1 Z
(4.122)
gilt, wobei Z die Kraftimpedanz des jeweiligen Problems, kf die freie Wellenzahl (s. Nullstellen der Trennimpedanz in Abschn. 4.4.1, 4.4.2) und α eine ¨ Zahl zwischen 0,5 und 1 ist. Uber den Imagin¨arteil kann keine allgemeine Aussage gemacht werden. Er wird meistens unendlich; d.h. die Idealisierung des Punktmoments mit a → 0 ist nicht zul¨ assig. Falls der Imagin¨arteil der Momentenimpedanz interessiert, darf man in (4.120) die N¨aherung nicht vornehmen, sondern muss den l¨ angeren, von a abh¨angenden Ausdruck in (4.83) einsetzen. F¨ ur den Realteil spielt die Gr¨ osse von a fast keine Rolle solange kf a 1. Beispielsweise findet man so f¨ ur die d¨ unne Platte 4 1 γkB a ω 1 − j ln = (4.123) W 16B π 2 mit γ = 1, 781. Falls das Moment nicht durch zwei Punktkr¨ afte, sondern durch eine andere Druckverteilung gebildet worden w¨ are, w¨ urde (4.123) eine etwas andere Form haben. Der Imagin¨ arteil der Momentenimpedanz ist also normalerweise auch eine Funktion der Form der Anregefl¨ ache. Wenn das Moment u ber eine Fl¨ a che verteilt ist, deren Abmessungen klei¨ ner sind als die Dicke, muss analog zu (4.102) vorgegangen werden. Es zeigt sich dabei, dass der Imagin¨ arteil der Momentenadmittanz eines elastischen Halbraums eine erstaunlich gute N¨ aherung darstellt. Eine Rechnung analog zu (4.95 bis 4.99) liefert hierf¨ ur bei Anregung auf einer Kreisfl¨ache mit dem Radius a [4.11] 3 ω 1 ≈ (1 − μ) . (4.124) Im W 8 Ga3 4.4.5 Verfahren zur Berechnung von Impulsantworten Wenn die Anregung einer Struktur nicht durch eine zeitlich sinusf¨ormige Druckverteilung erfolgt, sondern ein anderer Zeitverlauf vorliegt, kann man den Bewegungsverlauf dadurch berechnen, dass man eine weitere Fouriertransformation u ¨ber die Zeit vornimmt. Das bedeutet, dass (4.81) und (4.83) durch folgende Ausdr¨ ucke zu ersetzen sind ∞
p˘(ω, kx , kz ) =
−∞
1 8π 3
p(t, x, z)e−jωt ejkx x ejkz z dtdxdz, ∞
p˘(ω, kx , kz ) −jωt −jkx x −jkz z e e dωdkx dkz . e Z −∞ τ (ω, kx , kz ) (4.125) Dabei ist p(t, x, z) der zeitliche und ¨ ortliche Verlauf der anregenden Druckverteilung. v˘(ω, x, z) =
4.5 Leistungs¨ ubertragung in unbegrenzte, ebene Strukturen
263
Normalerweise f¨ uhren die Ausdr¨ ucke in (4.125) zu Gleichungen in denen bestenfalls noch eine Integration analytisch vorgenommen werden kann. F¨ ur das weitere ist man auf numerische Verfahren angewiesen. Es k¨onnen dabei unter Umst¨anden unangenehme Probleme bei den Nullstellen der Trennimpedanz auftreten, die es erforderlich machen, in den Bewegungsgleichungen D¨ ampfungsglieder (also erste Zeitableitungen) zus¨atzlich zu ber¨ ucksichtigen. Ein Beispiel das geschlossen auswertbar ist, liegt bei der d¨ unnen Platte vor, die durch einen Impuls I an der Stelle x = z = 0 angeregt wird, bei der also p˘(ω, kx , kz ) = I ist. Setzt man dies und die Trennimpedanz nach (4.69) in (4.125) ein, dann ergibt sich mit r = (x2 + z 2 )1/2 nach einigen Zwischenrechnungen unter Ausnutzung tabellierter Integrale
" r2 m I sin vG (t, r) = √ . (4.126) 4t B 4π B m t Dies ist die Green’sche Funktion der Biegewellengleichung von Platten. Aus ihr k¨onnte man den Schnelleverlauf bei einer beliebigen Anregung einer unendlich großen Platte ausrechnen, indem man sich die Quelle als eine Folge von vielen kleinen Impulsen vorstellt, die an den Quellorten xq , zq zu den Quellzeiten tq wirken und alle Wirkungen addiert. Mathematisch bedeutet das eine Faltung; d.h. man h¨atte folgende Gleichung zu verwenden v(t, x, z) =
p(tq , xq , zq )vG (t − tq , x − xq , z − zq )dtq dqz dzq . (4.127)
uhrt Den Zeitpunkt t = tq muss man bei der Integration aussparen, denn er f¨ wie (4.126) zeigt zu extrem hohen, stark schwankenden Werten (die sich aber im Mittel aufheben); letztlich ist dieses merkw¨ urdige Verhalten eine Folge der Biegewellengleichung zugrunde liegenden N¨aherungen, die f¨ ur sehr hohe Frequenzen, also auch f¨ ur sehr kurze Zeiten, zu Schwierigkeiten f¨ uhren. Selbstverst¨andlich kann die Identit¨ at von (4.125) und (4.127) bewiesen werden.
4.5 Leistungsu ¨ bertragung in unbegrenzte, ebene Strukturen 4.5.1 Verfahren zur Berechnung der K¨ orperschallleistung 4.5.1.1 Fernfeldmethode Eine nahe liegende Methode zur K¨ orperschalleistungsbestimmung in unbegrenzten Strukturen besteht darin - ¨ ahnlich wie bei der Luftschalleistungsbestimmung im Freien - das Schallfeld in einem sehr großen Abstand zu berechnen und dann unter der Annahme, dass es sich fast um ebene Wellen handelt die Leistung zu ermitteln.
264
4 Impedanzen
Angewandt an eine d¨ unne zu Biegewellen angeregten Platte, wird man bei diesem Verfahren von (4.60) ausgehen und statt F0 den Ausdruck p(xq , zq )dxq dzq verwenden und dann u ache integrieren. Dabei ist p der am ¨ber die Anregefl¨ Quellort xq , zq wirkende Druck und dxq dzq das dazugeh¨orige Fl¨achenelement. Wegen der Superponierbarkeit der Feldgr¨ oßen kann man in (4.60) u ¨ber alle vorhandenen Quellpunkte summieren und erh¨alt so bei beliebiger Druckverteilung (s. Bild 4.15) v(x, z) =
1 Z0
p(xq , zq )Π(kB rAq )dxq dzq .
(4.128)
Dabei ist Z0 = 8(B m )1/2 , Π(...) die in (4.60) definierte Ausbreitungsfunktion und rAq = [(x − xq )2 + (z − zq )2 ]1/2 der Abstand zwischen dem jeweiligen Quellpunkt und dem interessierenden Aufpunkt. Wie man sieht, stellt (4.128) ein Faltungsintegral dar, das sich mit den Regeln f¨ ur die Fouriertransformation f¨ ur Produkte in (4.83) u berf¨ u hren l¨ a sst. ¨ Im Fernfeld, also wenn rAq sehr groß ist verglichen mit der Wellenl¨ange und den Dimensionen des Quellgebiets, kann man die Ausbreitungsfunktion Π(...) nach (4.49) ann¨ ahern und findet # 2 1 p(xq , zq ) v(x, z) = e−j(kB rAq −π/4) dxq dzq Z0 πkB rAq (4.129) # 1 2j ≈ p(xq , zq )e−j(kB rAq ) dxq dzq . Z0 πkB RAq Dabei ist RAq = (x2 + z 2 )1/2 der (große) Abstand von der Mitte“ des Quell” gebiets zum Aufpunkt. ¨ Die formale Ahnlichkeit mit dem Rayleighschen Strahlungsintegral [4.19] f¨ ur eine in einer unendlichen Wand schwingenden, ebenen Schallquelle ist in (4.129) deutlich zu sehen. Sie kann u.U. zur Vereinfachung von Rechnungen ausgenutzt werden. Ohne Einschr¨ ankung der Allgemeinheit kann man den Koordinatenursprung in die Mitte“ des Quellgebiets legen. Damit gilt, wie ” Bild 4.15 zeigt, %1/2 $ 2 %1/2 $ rAq = (x − xq )2 − (x − xq )2 = x + z 2 − 2xxq − 2zzq + x2q + zq2 ' 1/2 x2q + zq2 2xxq 2zzq = RAq 1 − 2 − 2 + ≈ RAq − xq cos γ − zq sin γ. 2 RAq RAq RAq (4.130) Damit wird (4.129)
4.5 Leistungs¨ ubertragung in unbegrenzte, ebene Strukturen
v(RAq , γ) =
1 Z0
#
265
2j e−jkB RAq πkB RAq ·
p(xq , xz )ejkB cos γxq ejkB sin γzq dxq dzq . (4.131)
Bild 4.15. Benennungen f¨ ur (4.128)
Vergleicht man diesen Ausdruck mit (4.82), so sieht man, dass das Integral gleich der Fouriertransformation an der Stelle kx = kB cos γ , kz = kB sin γ ist. Aus (4.131) wird somit (im Fernfeld) # 1 2j v(RAq , γ) = e−jkB RAq p˘(kB cos γ, kB sin γ). (4.132) Z0 πkB RAq Die Fouriertransformation des anregenden Drucks h¨angt also sehr eng mit der Richtungsverteilung der K¨ orperschallschnelle zusammen. Aus der K¨orperschallschnelle im Fernfeld kann man, da die Wellen als eben angenommen werden k¨onnen, die Biegewellenleistung f¨ ur jedes Teilst¨ uck RAq dγ (s. Bild 4.15) nach (2.106) errechnen. Man erh¨ alt so f¨ ur die gesamte nach außen abwandernde Leistung 2π
|v|2 RAq dγ.
P = cB ρh
(4.133)
0
Setzt man (4.132) ein, so ergibt sich nach kleinen Umformungen P =
1 1 2Z0 2π
2π
|˘ p(kB cos γ, kB sin γ)|2 dγ.
(4.134)
0
Die u angt also nur von der Eingangsimpedanz f¨ ur ¨bertragene Schalleistung h¨ eine Punktkraft und von dem Wellenzahlspektrum bei den freien Wellenzahlen ab.
266
4 Impedanzen
Man kann sich leicht davon u ¨berzeugen, dass bei einer Punktkraft wegen (4.85) Gl. (4.133) in (4.61) u ¨bergeht. 4.5.1.2 Fouriertransformation Das im letzten Abschnitt benutzte Verfahren zur Leistungsberechnung ließe sich auch auf andere F¨ alle anwenden. Da es aber die Kenntnis der Fernfeldschnelle erfordert, bereitet es h¨ aufig Schwierigkeiten. Es wird daher eine andere Methode benutzt, bei der die Leistung direkt aus dem Wellenzahlspektrum p(kx , kz ) ermittelt werden kann. Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass die durch eine Fl¨ache S u ¨bertragene Leistung durch 1 T 1 P = p(x, z, t)v(x, z, t)dxdzdt = Re p(x, z)v ∗ (x, z)dxdz . T 0 S 2 S (4.135) gegeben ist. Dabei ist T die Mittelungszeit, p der auf die Fl¨ache wirkende Druck, v die Schnelle in Richtung senkrecht zur Oberfl¨ache. Die erste Form von (4.135) ist die allgemeine Gleichung; die zweite Form gilt, wenn man sich auf rein harmonische Vorg¨ ange beschr¨ ankt und die Zeigerschreibweise benutzt. Bei der von einer ¨ außeren Druckverteilung u ¨bertragenen Leistung ist p(x, z) der anregende Druck und v(x, z) die davon erzeugte Oberfl¨achenschnelle. Da außerhalb der Anregefl¨ ache der anregende Druck verschwindet, kann man die Integration auch u ache erstrecken. Setzt man (4.81) und ¨ber eine unendliche Fl¨ die entsprechende Gleichung f¨ ur die Schnelle in (4.135) ein, so ergibt sich (alle Integrale erstrecken sich von −∞ bis +∞) 1 Re p˘ (kx , kz ) E (kx , kz ) dkx dkz P = 32π 4 ∗ ∗ v˘ (kx , kz ) E (kx , kz ) dkx dkz dxdz 1 ∗ = Re p˘(kx , kz ) v˘ (kx , kz ) E(kx− kx , kz − k ) dxdzdkx dkz dkx dkz 32π 4 1 ∗ = 2 Re p˘ (kx , kz ) v˘ (kx , kz ) dkx dkz 8π (4.136) Dabei ist E(α, β) = ejαx ejβz . Es wurde hier mehrfach von der Orthogonalit¨atsrelation“, der Exponen” tialfunktion Gebrauch gemacht, die sich mit Hilfe der Deltafunktion folgendermaßen schreiben l¨ asst
ej(k−k )xdx =
E(k − k )dx = 2πδ(k − k ).
(4.137)
Setzt man (4.83) in (4.136) ein, so erh¨ alt man die allgemeine Gleichung f¨ ur die Leistungs¨ ubertragung in eine ebene Struktur mit der Trennimpedanz Zτ
4.5 Leistungs¨ ubertragung in unbegrenzte, ebene Strukturen
P =
1 Re 8π 2
267
|˘ p(kx , kz )|2
1 dkx dkz . Zτ∗
(4.138)
Auf den ersten Blick scheint (4.138) bei platten¨ahnlichen Strukturen zu einem unrealistischen Ergebnis zu f¨ uhren; denn nach (4.69)-(4.72) sind bei verlustlosen Medien die Trennimpedanzen rein imagin¨ar. Damit w¨are das ganze Integral rein imagin¨ ar und die Leistung w¨ urde sich zu Null ergeben. Diese Schlussfolgerung ist allerdings nicht zul¨ assig, denn wenn keine D¨ampfung vorhanden ist, ist Z zwar rein imagin¨ ar, aber es gibt eine Nullstelle von Zτ f¨ ur reelle Werte von kx , kz und damit einen Pol in (4.138). Wendet man darauf in der u ¨blichen Weise die Residuenmethode an, so ergibt sich doch ein von Null verschiedener Wert des Integrals. Wir wollen im n¨ achsten Abschnitt aber diese etwas unphysikalisch wirkende Berechnungsmethode nicht anwenden sondern ein anderes Verfahren benutzen. 4.5.2 Zusammenhang mit der Punktadmittanz 4.5.2.1 Anwendung auf Platten und dgl. Die Trennimpedanzen von Platten, Balken, Membranen k¨onnen wie (4.69)(4.72) zeigen in der Form jQ(kx2 , kz2 ) (4.139) Zτ = R(kx2 , kz2 ) geschrieben werden. Dabei sind Q(. . .) und R(. . .) rein reelle Polynome. Wenn man in den Bewegungsgleichungen eine kleine Materiald¨ampfung, repr¨asentiert durch einen Verlustfaktor η, einf¨ uhrt, dann wird die Biegesteife B , bzw. die Schub- und Longitudinalwellengeschwindigkeit cT , cL komplex und Zτ nimmt die Form Q(kx2 , kz2 ) (4.140) Zτ = j + ηA(kx2 , kz2 ) R(kx2 , kz2 ) an. A(. . .) ist dabei ebenfalls ein reelles Polynom. Eingesetzt in (4.138) ergibt sich P =
1 8π 2
∞
2π 0
0
|˘ p(k cos γ, k sin γ)|2
ηAR2 kdkdγ. Q2 + η 2 A 2 R 2
(4.141)
Die Argumente wurden bei den Polynomen A, Q, R weggelassen; außerdem wurde die Substitution kx = k cos γ , kz = k sin γ und damit dkx dkz = kdkdγ vorgenommen. Der Wert des Integrals ist f¨ ur kleine Verlustfaktoren durch das Verhalten des Integranden in der N¨ ahe der Stelle Q = 0 bestimmt, denn es gilt , ηAR2 /Q2 f¨ ur Q = 0 ηAR2 = (4.142) 2 2 2 2 Q +η A R 1/ηA f¨ ur Q = 0.
268
4 Impedanzen
Wie man sieht, wird mit kleiner werdenden Verlustfaktor das Gebiet mit Q = 0 immer unwichtiger und das Gebiet um Q = 0 immer bedeutender. Im Grenzfall eines fast verschwindenden Verlustfaktors kann man sich also auf ein ganz kleines Integrationsgebiet um die Stelle Q = 0 beschr¨anken (man kann auch zeigen, dass (4.142) im Grenzfall zu einer Deltafunktion wird) und ¨ alles Ubrige, da es mit η gegen Null geht, vernachl¨assigen. Nun ist aber die Stelle Q = 0, wie (4.139) zeigt, identisch mit der Nullstelle der Trennimpedanz der unged¨ampften Struktur. Andererseits ist (siehe Abschnitt 4.4.3) die Nullstelle der Trennimpedanz die Bestimmungsgleichung f¨ ur die freien Wellen. Man kann also schließen, dass (4.141) nur in der N¨ahe der freien Wellenzahlen, die wieder mit kf bezeichnet werden, von Bedeutung ist. Damit ergibt sich P =
1 8π 2
∞
2π
|˘ p(kf cos γ, kf sin γ)|2 dγ 0
0
Q2
ηAR2 kdk. + η 2 A2 R2
(4.143)
Es wurde hier bereits davon Gebrauch gemacht, dass bei isotropen Strukturen Zτ stets von kx2 + kz2 = k2 , also nicht von γ abh¨angt. Die weitere Auswertung ist einfach, denn f¨ ur eine Punktkraft der Amplitude F0 gilt (4.85 und 4.86). Also wird aus (4.143) P =
∞
1 |F0 |2 4π
0
ηAR2 kdk. Q2 + η 2 A 2 R 2
Andererseits ist aber nach der Definition der Punktimpedanz 1 1 |F0 |2 2 AR . = PF = |F0 | Re 2 Z0 2
(4.144)
(4.145)
Dabei ist AR der Realteil der Punkteingangsadmittanz. Durch Gleichsetzen von (4.144 und 4.145) erh¨alt man einen Ausdruck f¨ ur das Integral, der in (4.143) eingesetzt PF =
AR 4π
2π
|˘ p(kf cos γ, kf sin γ)|2 dγ
(4.146)
0
ergibt. Um die u orperschalleistung bei platten¨ahnlichen Struk¨bertragene K¨ turen zu finden, braucht man also nur den Realteil der Eingangsadmittanz (siehe Abschnitt 4.6) und das nach (4.81) bestimmte Wellenzahlspektrum bei unnen Platte sind erwartungsder freien Wellenzahl kf zu kennen. Bei einer d¨ gem¨aß (4.134) und (4.146) identisch. Bei einer orthotropen Platte kann man (hier ohne Beweis) eine ¨ahnliche Rechnung durchf¨ uhren und findet nach Durchf¨ uhrung der u ¨blichen Koordinatentransformation (siehe 4.70) Porth ≈
1 1 4π 8 4 m2 Bx Bz
2π
|˘ p(kf x cos γ, kf y sin γ)|2 dγ. 0
Dabei ist kf x = (ω 2 m Bx )1/4 ; kf z = (ω 2 m Bz )1/4 .
(4.147)
4.5 Leistungs¨ ubertragung in unbegrenzte, ebene Strukturen
269
4.5.2.2 Anwendung auf den elastischen Halbraum Beim elastischen Halbraum, aber auch bei Platten, die mit einer dicken Fl¨ ussigkeitsschicht verbunden sind (Platte auf Wasseroberfl¨ache) ist die im letzten Abschnitt benutzte Argumentation nicht anwendbar, weil (4.139) nicht zutrifft. Vielmehr hat die Trennimpedanz auch im verlustlosen Material einen Realteil, der ein Ausdruck f¨ ur die ins Unendliche abwandernde Leistung ist und der durch die Wurzelausdr¨ ucke kyL bzw. kyT repr¨asentiert wird (s. 4.95). Man muss also die Leistungsberechnung nach (4.138) durchf¨ uhren. Es empfiehlt sich bei dieser Integration den Integrationsbereich aufzuteilen. Der erste Bereich umfasst das Gebiet in dem Zτ einen reellen Anteil hat. Wie (4.74) zeigt, ist das dann der Fall, wenn kyT reell, also kx2 + kz2 < kT2 ist. Der zweite Bereich ist das kleine Gebiet um die Polstelle bei der Zτ = 0 wird. Wie in Abschnitt 2.6.3 und auch durch (4.95) gezeigt wurde, ist das dann der Fall, wenn die Wellenzahl gleich der Rayleighwellenzahl ist. Man kann f¨ ur diesen Teil des Integrals wieder genauso vorgehen, wie im letzten Abschnitt und findet schließlich mit kx2 + kz2 = k 2 PHalb ≈
1 8π 2
ARR + 4π
kT
0
2π
|˘ p(k cos γ, k sin γ)|2 dγRe 0
2π
1 ZT∗
kdk (4.148)
|˘ p(kR cos γ, kR sin γ)| dγ. 2
0
Dabei ist kR die Rayleighwellenzahl, die man aus (4.96) berechnen kann und ARR der Realteil der Eingangsadmittanz f¨ ur Rayleighwellen. Man findet hierf¨ ur nach einigen Zwischenrechnungen und N¨aherungen, falls die Querkontraktionszahl kleiner 0,4 ist ARR = 0, 1
ωkT (1 − μ). G
(4.149)
Diese Gleichung ist nicht sehr genau, aber sie eignet sich wegen ihrer Einfachheit gut f¨ ur Absch¨ atzungen. 4.5.3 Deutung der Ergebnisse und Beispiele Das wesentliche Ergebnis der Abschnitte 4.5.2.1 und 4.5.2.2 besteht darin, dass ein enger Zusammenhang zwischen Leistungs¨ ubertragung und dem Wellenzahlspektrum bei den freien Wellen besteht. Man kann sich dieses Ergebnis gut veranschaulichen, wenn man ber¨ ucksichtigt, dass die Fouriertransformation, also die Rechnung mit den Wellenzahlspektren, der Darstellung eines Ortsverlaufs durch eine Summe von ebenen Wellen entspricht. Die mathematischen Operationen, die zu (4.81), (4.82) und (4.146) sowie (4.148) f¨ uhren, entsprechen dabei den in Bild 4.16 dargestellten Schritten f¨ ur den eindimensionalen bzw. rotationssymetrischen Fall.
270
4 Impedanzen
Bild 4.16. Ortsverlauf und Wellenzahlspektrum (WZS) a Ortsverlauf des anregenden Druckes, b Summe von ebenen Wllen mit den Amplituden pˇ(kx ), c WZS des anregenden Druckes, d, e, f WZS der Wellenimpedanz, der erzeugten Schnelle v und der Leistung P , g Ortsverlauf der erzeugten Schnelle
•
Der Ortsverlauf des anregenden Drucks wird als Summe von ebenen, endlich ausgedehnten Wellen dargestellt (4.16 Teilbild b und c); • die einzelnen Amplituden des Wellenzahlspektrums werden durch die Trennimpedanz dividiert; dadurch entsteht das Wellenzahlspektrum der K¨orperschallschnelle; entscheidend dabei ist, dass die Wellenzahlen (Wellenl¨angen) unver¨ andert bleiben, was nur in einem homogenen Medium ohne St¨ork¨orper m¨ oglich ist (4.16 Teilbild e); • aus den vielen ebenen Wellen, die die Schnelle repr¨asentiert, wird wieder der Ortsverlauf zusammengesetzt (4.16 Teilbild g);
4.5 Leistungs¨ ubertragung in unbegrenzte, ebene Strukturen
271
•
weit außerhalb des Anregebiets sind nur freie Wellen m¨oglich, nur sie k¨onnen Leistung transportieren; da es im homogenen Medium keinen Mechanismus zur Wellenzahlumwandlung gibt ist die Leistung bereits durch das Wellenzahlspektrum des Drucks bei den freien Wellen bestimmt; • bei platten¨ahnlichen Gebilden gibt es nur eine (oder wenige) freie Wellenzahlen; im elastischen Halbraum sind Wellen, die auf der Oberfl¨ache eine ugt als Raumwellen ausWellenzahl haben die der Bedingung k 2 ≤ kT2 gen¨ breitungsf¨ahig; daneben gibt es noch die Oberfl¨achenwellen (Rayleighwellen), die nur bei einer einzigen Wellenzahl ausbreitungsf¨ahig sind. In Bild 4.17 sind einige Beispiele von Ortsverl¨aufen und Wellenzahlspektren dargestellt. Im oberen Teil handelt es sich um Beispiele bei denen der u ¨ber die Fl¨ache summierte Druck, also die gesamte wirkende Kraft gleich ist. Da f¨ ur die Leistungs¨ ubertragung nur der Teil wichtig ist, bei dem |kx | ≤ kf ist, zeigt sich, dass die ¨ ortliche Verteilung des Drucks keinen Einfluß auf die Leistungs¨ ubertragung hat, wenn kf lq < 1, wenn also die angeregte Fl¨ache Dimensionen hat, die kleiner sind als ein Drittel der freien Wellenl¨ange. Wenn jedoch kf lq 1, kann es von großer Bedeutung sein wie der Druck verteilt ist; erwartungsgem¨ aß zeigt sich, dass eine Druckverteilung, die m¨oglichst gleichm¨aßig ansteigt und abf¨ allt im Bereich kf lq > 6 zu einer relativ geringen Leistungs¨ ubertragung f¨ uhrt. Am ung¨ unstigsten ist die Konzentration auf eine ganz kleine Fl¨ ache (Punktkraft). Die letzte Aussage gilt jedoch nur bei Kraft- bzw. Druckanregung. Falls die Anregung mit einer vorgegebenen Schnelle erfolgt, kann es wegen der lokalen Elastizit¨at (siehe Gl. (4.101), (4.102)) durchaus vorteilhaft sein, die anregende Fl¨ache m¨oglichst klein zu halten. Bei der Anregung eines elastischen Halbraums nach (4.148) sind die Raumwellen durch den Wellenzahlbereich kx < kT und die Rayleighwellen ¨ der Druckverteilung wird sich also durch kx = kR bestimmt. Eine Anderung auf die Anregung von Raumwellen wesentlich weniger auswirken als auf die Anregung von Rayleighwellen; tendenziell wird das Verh¨altnis Rayleighwellenleistung zu Raumwellenleistung umso kleiner je gr¨oßer die Anregefl¨ache und je gleichm¨aßiger die o ¨rtliche Verteilung des Drucks ist. Im mittleren Teil von Bild 4.17 sind die Wellenzahlspektren dargestellt, wenn das anregende Gesamtmoment lq
Mg =
p(x)xdx
(4.150)
−lq
gleich, aber die ¨ ortliche Verteilung verschieden ist. Auch hier l¨asst sich die u ¨bertragene Leistung verkleinern, wenn man die Anregung m¨oglichst kontinuierlich verteilt. Im unteren Teil von Bild 4.17 sind Druckverteilungen dargestellt, wie sie beispielsweise bei der Anregung durch Luftschallwellen auf einem begrenzten Gebiet auftreten k¨ onnen. Wesentlich hierbei ist, dass wenig Leistung u ¨bertragen wird, wenn die anregende Wellenl¨ ange kleiner als die freie Wellenl¨ange
272
4 Impedanzen
¨ Bild 4.17. Ortliche Veteilung und Wellenzahlspektrum verschiedener Anregungen
ist. Maximale Leistungs¨ ubertragung liegt vor, wenn freie Wellenl¨ange und anregende Wellenl¨ange gleich sind. Auf weitere Einzelheiten zu diesem Problem wird bei der Behandlung des reziproken Problems, n¨amlich der Luftschallabstrahlung im Kap. 6.9 hingewiesen. Bei den Leistungsberechnungen wurde stetes vorausgesetzt, dass es sich um ¨ die Ubertragung in eine unendlich große Struktur ohne St¨orstelle und Diskontinuit¨aten handelt. Es wird in Abschnitt 4.7.3 gezeigt, dass diese Voraussetzung wesentlich weniger einschneidend ist als es scheint. Man kann n¨amlich beweisen, dass im Frequenzmittel die Leistungs¨ ubertragung in eine nicht zu kleine (Dimensionen mindestens gleich der Wellenl¨ange) Struktur ebenso groß ist wie in die entsprechende unendliche Struktur. Auf Luftschallprobleme an-
4.6 Zusammenfassung von Impedanz- und Admittanzgleichungen
273
gewandt heißt das: man macht die Annahme, dass die Leistung, die eine Quelle in einen Hallraum abstrahlt im Frequenzmittel ebenso groß ist wie die, die sie im Freien oder in einem schalltoten Raum abstrahlen w¨ urde.
4.6 Zusammenfassung von Impedanz- und Admittanzgleichungen; N¨ aherungsbeziehungen Um das Auffinden von Impedanzgleichungen zu erleichtern ist in Tabelle 4.1 ¨ ein kleiner Uberblick u ¨ber die Gleichungen bzw. die dazugeh¨origen Gleichungsnummern gegeben. Dabei ist auch eine Spalte Quellvolumen“ enthalten. Ausgangspunkt ” daf¨ ur ist, dass sich bei punktf¨ ormiger Anregung der Realteil der Eingangsadmittanz stets in der Form 1 vˆ(0, 0) = (4.151) Re {A} = Re ˆ ωρVq F0 schreiben l¨asst. Entsprechend gilt bei einer Anregung durch eine Linienkraft, die die Dimension Newton/Meter hat, vˆ(0) 1 . (4.152) Re {AL } = Re = ˆ ωρS q F0 Dabei ist Vq eine Gr¨ oße, die die Dimension eines Volumens hat und daher Quellvolumen“ genannt wird. Sq ist die entsprechende Gr¨oße in zwei Dimen” sionen, sie hat die Dimension einer Fl¨ ache. In sehr grober N¨ aherung erh¨ alt man Vq und Sq aus den Beziehungen λx λy λz Min ly , Min lz , Vq =Min lx , π π π (4.153) λx λz Sq =Min lx , Min lz , . π π Dabei sind lx , ly , lz die Dimensionen der interessierenden Struktur in den drei Raumrichtungen. lx , ly , lz sind die Wellenl¨angen der freien Wellen in den drei Raumrichtungen, die bei einen isotropen K¨orper gleich sind, bei orthotropen K¨orpern oder bei Vorhandensein von Versteifungen aber verschieden sein k¨onnen. In Tab. 4.1 sind einige F¨ alle angegeben, die im bisherigen Text nicht erw¨ahnt wurden. Es handelt sich dabei um folgende - ohne Beweis - aus der Literatur entnommene Gleichung a) Balken mit Ber¨ ucksichtigung der Schubsteife (Timoshenko-Balken) in der Mitte angeregt 1 kT2 + kI kII A= (4.154) 2ωm kI + kII kI und kII siehe (4.88a, 4.88b);
274
4 Impedanzen
Tabelle 4.1. Zusammenfassung von Impedanz- und Admittanzgleichungen bei Punktanregung
Stab
Z
Re{A}
Im{A}
Vq
ρcL S
1 ρcL S
0
1 SλL 2π
−1 4m cB −1 m cB
4 SλB 2π 1 SλB 2π
Balken, d¨ unn
2m cB (1 + j)
Balken, d¨ unn
m cB (1 + j) 2
1 4m cB 1 m cB
(4.154)
(4.154)
(4.154)
-
(4.157) f¨ ur B → 0
1 ω 4 T 1 √ 8 B m
∞
1 hλ2 π2 2 hλ2 π2 B
Balken (Timoshenko) Membran Platte, d¨ unn
√ 8 B m
0
√ 3.5 B m
1 √ 3.5 B m
0
0.9 2 hλ π2 B
(4.91)
(4.91)
(4.91)
-
-
≈ 2ω/Eh
-
1 hλ2 3π 2 T
Platte, orthotrop
(4.100)
(4.100)
0
-
Platte auf Bettung
(4.155)
(4.155)
(4.155)
-
Plattenstreifen
(4.110)
(4.110)
(4.110)
-
-
(4.113)-(4.115)
-
-
elastischer Halbraum
(4.96)
(4.96)
(4.97),(4.99)
Fl¨ ussigkeit
-
(4.156)
∞
Platte, dick
(4.101), (4.102)
Platte, d¨ unn Platte, schubsteif Platte, tang.
Zylinder
(4.101), (4.102) (4.101), (4.102)
≈
λ3T π3
3 3 λ 4π 2 F -
b) d¨ unne Platte auf elastischer Bettung (Winkler-Bettung); die Federsteife pro Fl¨acheneinheit sei s , die Abstimmfrequenz ω02 = s /m ; die 2 Rechnung ist wie bei Balken oder Platten, es wird lediglich kB durch
4.7 Anregung von endlichen Systemen 2 kB (1 − ω02 /ω 2 )1/2 ersetzt; es gilt dann , 1 − ω02 /ω 2 1 A= √ ω02 /ω 2 − 1 8 B m
f¨ ur ω0 < ω f¨ ur ω0 > ω
;
275
(4.155)
c) Fl¨ ussigkeit der Dichte ρF und Schallgeschwindigkeit cF ; Anregung auf einer freien Oberfl¨ ache ω2 Re ; (4.156) 6πρF c3F d) isotrope, d¨ unne Platte mit der Biegesteife B und der Membranspannung T (T kann auch negativ sein, aber nur bis zur Knick- bzw. Beulgrenze) '
1 1 1 + β2 + β j A= √ 1 + ln (4.157) π 8 B m 1 + β 2 1 + β2 − β mit β=
T √ ; 2ω B m
e) d¨ unne Platte, wenn die gesamte wirkende Kraft F0 gleichm¨aßig auf eine Kreisfl¨ache mit dem Radius a verteilt ist 2 |Fˆ0 |2 2J1 (z) 1 √ P = . (4.158) 2 8 B m z J1 (. . .) = Besselfunktion erster Ordnung, z = kB a; dasselbe, wenn auf der Kreisfl¨ache die gleiche Schnelle v0 vorgegeben ist und wenn a > λB /2 ist gilt |ˆ v0 |2 (4.159) P ≈ ωm aλB . 4
4.7 Anregung von endlichen Systemen Die Schwingungen von Systemen endlicher Ausdehnung stellen ein Gebiet dar, das in fr¨ uheren Jahrhunderten immer wieder das Interesse der gr¨oßten Geister der Physik anzog und das befruchtend auf viele Zweige der Physik wirkte. Es sei hier nur daran erinnert, dass die Theorie der mechanischen Wellen, wie sie von Bernoulli, D’Alambert, Lagrange, Chladni, Rayleigh, Ritz und anderen entwickelt wurde, entscheidend zur F¨orderung des Verst¨andnisses der elektromagnetischen Wellen beitrug und auch bei der Entwicklung der Wellenmechanik Hilfestellung leistete. Als Beispiel sei erw¨ahnt, dass die elektrischen Wellen in Hohlleitern eng verwandt sind mit den mechanischen Wellen in St¨aben, und dass selbst die Klein-Gordonsche Gleichung, die gewisse Eigenschaften der Mesonen beschreibt, in ihrer einfachsten Form fast
276
4 Impedanzen
identisch ist mit der Bewegungsgleichung einer Saite, die in ein elastisches Medium eingebettet ist. In den letzten Jahrzehnten hat zwar gleichzeitig mit dem rapiden Ausbau der u ¨brigen Gebiete der Physik das Interesse an mechanischen Schwingungen und Wellen nachgelassen - w¨ ahrend man fr¨ uher elektrische Vorg¨ange durch mechanische Analoga anschaulich machte, werden heute manchmal umgekehrt, mechanische Vorg¨ ange durch elektrische Schaltbilder, etc. beschrieben -, aber es ist trotzdem immer noch so, dass an Hand der mechanischen Wellen Begriffe wie Eigenwerte, Orthogonalit¨ at, etc. am leichtesten erkl¨art und verstanden werden k¨ onnen. Davon wollen wir im folgenden Gebrauch machen und zuerst die allgemeinen Eigenschaften schwingender Systeme darlegen und dann auf einige f¨ ur die Praxis interessante Energiebetrachtungen u ¨bergehen. Wir werden dabei nicht streng mathematisch vorgehen, sondern ¨ auf Grund von einfachen physikalischen Uberlegungen die einzelnen Ergebnissen darlegen. Insbesondere den Satz von der Darstellbarkeit der Schwin” gungen als Summe von Eigenfunktionen“ werden wir nicht als Problem aus der Theorie der Integralgleichungen oder der selbstadjungierten Differentialgleichungen oder der Variationsrechnung beweisen, sondern ihn aus einfachen Energiebetrachtungen plausibel machen. Leser, die an exakten mathematischen Darstellungen interessiert sind, werden auf die entsprechende Literatur [4.20]-[4.22] verwiesen. 4.7.1 Allgemeine Eigenschaften Bereits bei der Untersuchung der Wellenausbreitung auf St¨aben und Balken endlicher L¨ange (Kap. 2.4) stellten wir fest, dass bei jedem Stab gewisse diskrete Frequenzen, die so genannten Eigenfrequenzen, bevorzugt sind. Praktisch ¨außert sich das in zwei wohlbekannten Ph¨anomenen. Wird ein Stab (z.B. Stimmgabel) kurzzeitig angeregt und dann sich selbst u ¨berlassen, dann schwingt er mit einem f¨ ur ihn typischen Klang aus, der aus einer oder mehreren Eigenfrequenzen besteht. Wird dagegen der Stab durch einen K¨orperschallsender oder dgl. angeregt, dann ergeben sich Amplituden, die sehr stark von der anregenden Frequenz abh¨ angen. Die h¨ochsten Amplituden werden erreicht, wenn die anregende Frequenz mit einer Eigenfrequenz (daher auch h¨aufig Resonanzfrequenz genannt) u ¨bereinstimmt (s. Bild 3.7 und 3.9). Die Lage der einzelnen Eigenfrequenzen richtet sich nach der Art des verwendeten Materials, den Stababmessungen, insbesondere der L¨ange und - wie die Beispiele des freien und des drehbar gelagerten Balkens zeigen - den Randbedingungen. Außerdem zeigte sich, dass die Eigenfrequenzen eine nach oben unbegrenzte Folge bilden, die des ¨ ofteren - aber durchaus nicht immer - aus ganzzahligen Vielfachen einer Grundfrequenz besteht. Gehen wir nun zu komplizierteren K¨ orpern, also etwa Platten, Ringen, Schalen etc. u ¨ber, so brauchen wir nur an Glocken, Gongs oder auch die kreischenden R¨ader einer Straßenbahn in manchen Kurven zu denken, um uns klarzumachen, dass auch bei beliebig geformten K¨orpern Eigenfrequenzen
4.7 Anregung von endlichen Systemen
277
auftreten. Wie stark sich diese Eigenfrequenzen bemerkbar machen, h¨angt nat¨ urlich von der jeweiligen D¨ ampfung und auch von der Art der Anregung ab, aber an ihrer Existenz ist nicht zu zweifeln. Wir k¨onnen also festhalten, dass auch beliebig geformte K¨orper Eigenfrequenzen aufweisen und dass diese - genauso wie bei St¨aben - vom Material, von den Abmessungen und von den Randbedingungen abh¨angen. Allerdings bilden die Eigenfrequenzen nicht - wie bei St¨ aben - einfache Reihen, die mit n oder n2 (s. Kap. 2.4) ansteigen, sie sind stattdessen wesentlich unregelm¨aßiger verteilt. Eine weitere sehr wesentliche Eigenschaft von endlichen Platten, Schalen etc. ist - genauso wie bei St¨ aben - das Auftreten der zu den Eigenfrequenzen geh¨orenden Eigenschwingungsformen (Moden), in der Mathematik oft Eigenfunktionen genannt. Wie bereits die klassischen Untersuchungen von Chladni zeigten, k¨onnen diese Eigenschwingungsformen sehr kompliziert sein und zu Bildern von geradezu faszinierender Sch¨ onheit f¨ uhren. Die geschlossene mathematische Darstellung von Eigenschwingungsformen und die Bestimmung der dazugeh¨ origen Frequenzen ist nur in Ausnahmef¨allen (Rechteckplatte, Kreisplatte, Zylinder mit einfachen Randbedingungen, etc.) mit Hilfe von analytischen Funktionen m¨ oglich. Man verwendet daher zu ihrer Berechnung numerische Verfahren (z.B. Finite Elemente Methode), die zwar mit einem hohen Rechenaufwand verbunden sind, aber heute Stand der Technik darstellen. Wir werden hier diesen Weg nicht beschreiten, sondern lediglich die Tatsache benutzen, dass zu jeder Eigenfrequenz mindestens eine Eigenfunktion geh¨ ort und dass die Eigenfunktion gewisse allgemeine Eigenschaften haben. Die als dimensionslos angenommenen Eigenfunktionen wollen wir im Folorigen Schnelleamplituden mit genden mit ϕn (x, z) bezeichnen, die dazugeh¨ vn und die Eigenfrequenzen mit ωn . Die wichtigsten Eigenschaft der Eigenfunktionen ist die Orthogonalit¨at. Darunter versteht man folgendes: Wenn ϕn (x, z) und ϕm (x, z) zwei Eigenfunktionen des gleichen Systems angige Massenbelag, dann gilt sind und m der eventuell vom Ort abh¨ m ϕn (x, z)ϕm (x, z)dxdz = 0 f¨ ur m = n,
(4.160)
S
wobei die Integration u ache S der interessierenden Platte, ¨ber die gesamte Fl¨ Schale etc. erstreckt wird. Um diese sehr weit reichende Behauptung physikalisch zu begr¨ unden, denken wir uns ein System so angeregt, dass es gerade in der n-ten Eigenschwingung schwingt. Die gesamte kinetische Energie ist also Ekin =
1 2
vn2 m ϕ2n (x, z)dxdz.
(4.161)
S
Analog erhalten wir die kinetische Energie bei der m-ten Eigenschwingung zu
278
4 Impedanzen
Ekin =
1 2
2 vm m ϕ2m (x, z)dxdz.
(4.162)
S
Nehmen wir nun an, dass beide Eigenschwingungen gleichzeitig angeregt werden und dass die Anregung genauso erfolgt wie bei der Einzelanregung, dann muss - falls die beiden Eigenschwingungen voneinander unabh¨angig sind - die Gesamtenergie gleich der Summe der Einzelenergien sein; andernfalls w¨are ja Energie verloren gegangen oder aus dem Nichts hinzugewonnen worden. Es muss also gelten 1 2
m vn2 ϕ2n (x, z)dxdz + S
=
1 2
1 2
2 2 m vm ϕm (x, z)dxdz S
m [vn ϕn (x, z) + vm ϕm (x, z)] dxdz. 2
S
Offensichtlich kann diese Gleichung nur erf¨ ullt sein, wenn Gleichung 4.160 erf¨ ullt ist. In sehr vielen F¨ allen, bei denen der Massenbelag m ortsunabh¨angig ist, bei denen also Dichte und Dicke u ¨ber die ganze Fl¨ache konstant sind, vereinfacht sich (4.160) zu ϕn (x, z)ϕm (x, z)dxdz = 0 f¨ ur m = n.
(4.163)
S
Eine wichtige Tatsache, die man aus der obigen Darstellung ableiten kann, ist die, dass die Orthogonalit¨ atsrelation nicht mehr erf¨ ullt zu sein braucht, wenn das betrachtete System nicht abgeschlossen“ ist. Sobald n¨amlich Ener” gie nach außen abwandern kann, gilt die oben benutzte Energierelation nicht mehr und meistens ist dann auch die Orthogonalit¨at verletzt. Man muss bei der Benutzung der Orthogonalit¨ at sich also immer vergewissern, ob ein System auch wirklich abgeschlossen ist. Abgeschlossenheit liegt sicher vor, wenn die R¨ander vollkommen frei oder starr eingespannt sind; auch bei Belastung mit Massen oder anderen reinen Blindwiderst¨ anden“ wird keine Energie entzo” gen. Nicht abgeschlossen ist ein System sicher dann, wenn es mit einem anderen verbunden ist; beispielsweise bildet eine Stahlplatte kein abgeschlossenes System mehr, wenn sie an einem Teil ihres Randes in Sand oder dergleichen gebettet ist. Um die bisher gewonnenen Ergebnisse auch anwenden zu k¨onnen, gehen wir zun¨achst von einer ganz allgemeinen, zweidimensionalen Bewegungsgleichung der Form L [v(x, z)] − m ω 2 v(x, z) = jωp(x, z)
(4.164)
aus. Dabei ist L[. . .] ein Differentialoperator - im Fall der homogenen, d¨ unnen Platte also der doppelte Laplace-Operator -, ω die Kreisfrequenz, m der Massenbelag, v(x, z) der Zeiger der Schnelle und p(x, z) der Zeiger des anregenden Drucks. (Wie verzichten im Folgenden darauf, den Zeigercharakter durch Unterstreichung besonders zu kennzeichnen).
4.7 Anregung von endlichen Systemen
279
Die Tatsache, dass es Eigenfrequenzen und Eigenschwingungen gibt, bedeutet, dass auch nach dem Aufh¨ oren einer Anregung, also f¨ ur p(x, z) = 0, die obige Gleichung noch L¨ osungen hat; allerdings hat sie das nur f¨ ur gewisse diskrete Werte von und nur f¨ ur gewisse Funktionen. Die Eigenfrequenzen ωn und die Eigenfunktionen ϕn sind also definiert durch L [ϕn (x, z)] − m ωn2 ϕn (x, z) = 0
(4.165)
zusammen mit den jeweiligen Randbedingungen. Falls dar¨ uber hinaus die Randbedingungen noch derart sind, dass keine Energie abgeleitet werden kann, dann gilt zus¨ atzlich noch die Orthogonalit¨atsrelation (4.160). Aus dem bisher gesagten kann man einen sehr wichtigen Satz u ¨ber die Schwingungen endlicher Systeme bei beliebiger Anregung ableiten. Ersetzt man n¨amlich eine beliebige L¨ osung v(x, z) der inhomogenen Gleichung (4.164) durch eine Summe von Eigenfunktionen, schreibt man also v(x, z) =
∞
vn ϕn (x, z)
(4.166)
n=1
dann ergibt sich durch Einsetzen in (4.164) ∞
vn L [ϕn (x, z)] − vn m ω 2 ϕn (x, z) = jωp(x, z).
n=1
Subtrahiert man hiervon (4.165), so folgt ∞
vn m (ωn2 − ω 2 )ϕn (x, z) = jωp(x, z).
n=1
Multipliziert man diese Gleichung mit ϕm (x, z) und integriert u ¨ber den ganzen Bereich, so verschwinden auf der linken Seite wegen der Orthogonalit¨atsrelation alle Glieder mit Ausnahme desjenigen, f¨ ur das n = m ist. Wir erhalten also m ϕ2n (x, z)dxdz = jω
vn (ωn2 − ω 2 ) S
p(x, z)ϕn (x, z)dxdz. S
F¨ uhrt man hier die so genannte Norm m ϕ2n (x, z)dxdz
Λn =
(4.167)
S
ein, dann ergibt sich schließlich aus (4.166) v(x, z) =
∞
ϕn (x, z) Λ (ωn2 − ω 2 ) n=1 n
jωp(x, z)ϕn (x, z)dxdz.
(4.168)
280
4 Impedanzen
(4.168) ist der ber¨ uhmte Entwicklungssatz, der besagt, dass man mit Hilfe der Eigenfunktionen und Eigenfrequenzen f¨ ur jede beliebige Anregung die Bewegung berechnen kann. Bevor wir jedoch diesen Satz anwenden, sollen die Voraussetzungen, die (4.166) zugrunde liegen, kurz diskutiert werden. Die erste Voraussetzung ist, dass es u ¨berhaupt unendlich viele Eigenschwingungen gibt, um die unendliche Summe bilden zu k¨ onnen. Das ist nicht in Widerspruch mit der Erfahrung; denn alle Experimente zeigen, dass es keine obere Grenze f¨ ur die Eigenfrequenzen gibt und es ist auch kein Grund hierf¨ ur denkbar. Wesentlich weniger einleuchtend ist, dass durch eine Summe der Form (4.166) jede beliebige Schwingungsform dargestellt werden kann. Zur Beantwortung dieser nicht sehr einfachen Frage wird auf die einschl¨agige mathematische Literatur [4.20]-[4.22] verwiesen. Es wird dort gezeigt, dass die Eigenfunktionen ein vollst¨andiges“ Orthogonalsystem bilden und dass demzufolge jede beliebige ” Funktion - auch wenn sie nicht denselben Randbedingungen gen¨ ugt wie die Eigenfunktionen - als Summe von Eigenfunktionen dargestellt werden kann. Es kann dabei allerdings vorkommen, dass an einigen Punkten, insbesondere an den R¨andern, die unendliche Summe und die Ausgangsfunktion nicht u ¨bereinstimmen, das mittlere Fehlerquadrat - und nur darauf kommt es bei physikalischen Problemen an - ist jedoch beliebig klein. Die Erweiterung der bisher erhaltenen Ergebnisse auf mehr als zwei Dimensionen, sowie auf Bewegungen mit mehreren Komponenten bereitet keine Schwierigkeiten mehr. Im Rahmen dieses Buches ist jedoch diese Verallgemeinerung nicht notwendig. 4.7.2 Anwendungsbeispiele Das einfachste Beispiel f¨ ur die Anwendung der oben erhaltenen Ergebnisse stellen die Schwingungen einer d¨ unnen rechteckigen Platte dar, die an den R¨ andern aufgest¨ utzt ist (s. Bild 2.19). Die Lineardimensionen der Platte seien l1 und l2 ; die R¨ander sind also durch x = 0, x = l1 , z = 0, z = l2 gegeben. Entlang dieser Geraden soll genauso wie im eindimensionalen Fall (2.170) die Schnelle und ihre zweite Ableitung verschwinden. Die Eigenfunktionen m¨ ussen also diese Randbedingungen erf¨ ullen und außerdem der homogenen Biegewellengleichung B ΔΔϕn (x, z) − ωn2 m ϕn (x, z) = 0
(4.169)
gen¨ ugen. Man kann sich leicht davon u ¨berzeugen, dass die Funktionen ϕn (x, z) = sin
n1 πx n2 πz sin l1 l2
(4.170)
die geforderten Eigenschaften haben, und dass die Eigenfrequenzen durch
4.7 Anregung von endlichen Systemen
" ωn =
B m
'
n1 π l1
2
+
n2 π l2
281
2 (4.171)
gegeben sind. Dabei steht der Index n f¨ ur den Doppelindex n1 , n2 . Mit Hilfe dieser Eigenfunktionen k¨ onnen wir nun die allgemeine L¨osung der inhomogenen Biegewellengleichung (2.266) B ΔΔv(x, z) − m ω 2 v(x, z) = jωp(x, z) f¨ ur die obigen Randbedingungen finden. Aus dem Entwicklungssatz (4.168) ergibt sich n¨amlich n1 πx ∞ sin n2l2πz 4jω sin l1 v(x, z) = m l1 l2 n=1 ωn2 − ω 2 (4.172) n2 πz n1 πx sin dxdz. · p(x, z) sin l1 l2 S Dabei wurde bereits f¨ ur die Norm der sich aus (4.167) ergebende Wert Λn = l1 l2 m /4 eingesetzt. F¨ ur den uns hier haupts¨ achlich interessierenden Spezialfall der punktf¨ormigen Anregung mit der Kraft F0 an der Stelle x0 , z0 wird der Integrationsbereich in (4.172) so klein, dass man die Sinusfunktionen vor das Integral ziehen kann. Die Schnelle an der Anregestelle einer punktf¨ ormig angeregten, rechteckigen, aufgest¨ utzten Platte ist also ∞ sin2 n1 πx0 sin2 n2 πz0 l1 l2 4jωF0 v(x0 , z0 ) = . (4.173) m l1 l2 n=1 ωn2 − ω 2 F¨ ur eine Platte mit (B /m )1/2 π/l12 = 6 und dem L¨angenverh¨altnis l1 : l2 = (3)1/2 : 1 ist diese Funktion f¨ ur zwei verschiedene Anregeorte in Bild 4.18, 4.19 eingezeichnet. Man sieht, dass v(x0 , z0 ) und damit auch die Eingangsimpedanz sehr viel kompliziertere Funktionen der Frequenz und des Anregeorts sind, als im Fall unendlicher Platten. Aus diesem Grunde liefern auch Messung des Eingangswiderstandes an endlichen Systemen meistens sehr un¨ ubersichtliche und mit der Frequenz und dem Anregeort stark schwankende Ergebnisse. Wir werden aber sp¨ ater noch zeigen, dass trotzdem der Eingangswiderstand f¨ ur unendliche Platten die f¨ ur die Leistungs¨ ubertragung und damit die mittlere Schnelle entscheidende Gr¨ oße ist. Die gr¨oßten Amplituden treten in Bild 4.18 und 4.19 - wie nicht anders zu erwarten - bei den Eigenfrequenzen auf. Allerdings zeigt der Vergleich der beiden Kurven auch, dass manche Eigenfrequenzen an einem Ort angeregt werden und am anderen nicht. Die Erkl¨ arung hierf¨ ur ist, dass eine Eigenschwingung sicher nicht angeregt werden kann, wenn die anregende Kraft in einem Schwingungsknoten angreift. Dieser Effekt tritt - wie das ausgerechnete Beispiel zeigt - besonders h¨ aufig bei Anregung in der Mitte auf.
282
4 Impedanzen
Bild 4.18. Frequenzgang der Schnelle einer drehbar gelagerten Platte & mit dem √ B Seitenverh¨ altnis von 3 : 1 bei punktf¨ ormiger Anregung in der Mitte lπ2 m = 6 1
Es kann u ¨brigens nicht nur vorkommen, dass einige Eigenfrequenzen nicht angeregt werden, es k¨ onnen auch mehrere verschiedene Eigenfunktionen die gleiche Eigenfrequenz haben. Man sieht dies, wenn man nach (4.171) die Eigenfrequenzen des vorliegenden Beispiels ausrechnet. Es ergeben sich dabei folgende Werte: Tabelle 4.2. Eigenfrequenzen des Beispieles n1 1
2
3
4
5
6
7
8
9
1 12 21 36 57 84 117 156 201 252 Hz 2 39 48 63 84 111 144 183 228 279 Hz n2 3 84 93 108 129 156 189 228 273 Hz 4 147 156 171 192 219 252 291
Hz
5 228 237 252 273 300
Hz
4.7 Anregung von endlichen Systemen
283
Bild 4.19. Wie Bild 4.18, jedoch bei außermittiger Anregung
Es geh¨oren also zur Eigenfrequenz 84 Hz, die Eigenschwingungen 5πx πz 4πx 2πz πx 3πz sin sin , sin sin und sin sin . l1 l2 l1 l2 l1 l2 Bei den Frequenzen 156 Hz, 228 Hz ist es ¨ ahnlich. Das Zusammentreffen von mehreren Eigenfrequenzen, das bei St¨aben prinzipiell nicht vorkommen kann, wird als Entartung“ bezeichnet. Es tritt in ” besonderem Maße bei quadratischen Platten auf, ist aber, wie unser Beispiel zeigt, auch bei Platten mit irrationalem Seitenverh¨altnis nicht unm¨oglich. Erst wenn das Quadrat des Seitenverh¨ altnisses irrational ist, sind theoretisch alle Eigenfrequenzen verschieden. Das Zusammentreffen der Eigenfrequenzen und die verschwindende Anregung an den Knotenlinien spielt in der Praxis eine Rolle, wenn man versucht, durch Ausz¨ahlen der Spitzen in einem Spektrum die Anzahl der Eigenschwingungen zu erhalten. Offensichtlich findet man bei dieser Methode prinzipiell eine zu kleine Zahl. Bei unserem Beispiel ist das ganz deutlich; denn es treten nur 11 Spitzen in Bild 4.19 auf, w¨ ahrend die Tabelle 20 Eigenschwingungen unter 160 Hz ergibt. Man muss also mit Schlussfolgerungen aus derartigen Messungen selbst bei tiefen Frequenzen sehr vorsichtig sein; bei hohen
284
4 Impedanzen
Frequenzen kommt noch hinzu, dass eventuell sehr nahe aneinander liegende Eigenfrequenzen nicht mehr als getrennte Spitzen wahrgenommen werden k¨onnen. Das ist besonders dann der Fall, wenn das Messobjekt innere D¨ampfung aufweist. Damit sind wir bei einer Frage angelangt, die wir bisher noch nicht erw¨ahnten. Es handelt sich um den Einfluss der inneren D¨ampfung. Zur Charakterisierung wollen wir genau wie in Kap. 3 den Verlustfaktor η benutzen. Damit wird (4.169) B (1 + jη)ΔΔϕn (x, z) − m ω 2n ϕn (x, z) = 0.
(4.174)
(Entsprechendes gilt f¨ ur die Differentialgleichungen anderer Systeme). (4.174) kann nur erf¨ ullt sein, wenn dem Imagin¨arteil im ersten Term ein entsprechender Imagin¨ arteil im zweiten Term gegen¨ ubersteht; d.h. ω 2n muss komplex sein. Die innere D¨ ampfung f¨ uhrt also zu komplexen Eigenfrequenzen der Form ω n = ωn (1 + jη)1/2 ≈ ωn (1 + jη/2); dabei ist ωn die Eigenfrequenz ohne D¨ampfung. Im u ¨brigen ist der Gang der Rechnung vollkommen gleich; insbesondere auf den Entwicklungssatz hat es keinen Einfluss, ob ω n reell oder komplex ist. Statt (4.168) erh¨ alt man v(x, z) =
∞
[ωn2 (1 n=1
ϕn (x, z) + jη) − ω 2 ] Λn
jωp(x, z)ϕn (x, z)dxdz.
(4.175)
(4.175) besagt, dass die Plattenbewegungen durch eine Summe von ged¨ampften Schwingungen dargestellt werden k¨ onnen, w¨ahrend die einzelnen Summanden in (4.168) unged¨ ampften Schwingungen entsprechen. Demzufolge stellen sich auch die unendlich hohen Werte an den Resonanzstellen nicht mehr ein, vielmehr ergeben sich von der D¨ ampfung abh¨ angige Maxima. Ein anderes Beispiel f¨ ur Eigenfrequenzen und Eigenfunktionen ist in Abschnitt 2.8.3.4 enthalten. Es handelt sich dabei um runde Schalen mit bestimmten, sehr einfachen Randbedingungen. Die Vorgehensweise ist dieselbe wie bei der Platte, obwohl die Bewegungsgleichungen wesentlich komplizierter sind. 4.7.3 Leistungsbetrachtungen In den beiden vorhergehenden Abschnitten wurde gezeigt, wie die Schwingungen von Platten, Schalen und a ¨hnlichen Gebilden allgemein behandelt werden k¨onnen. Allerdings ist es nur selten m¨ oglich, die erhaltenen Gleichungen in der oben angegebenen Form auf K¨ orperschallprobleme anzuwenden, da nur in einigen wenigen F¨ allen die Eigenfrequenz und Eigenfunktionen durch einfache Funktionen dargestellt werden k¨ onnen. Man kann zwar mit Hilfe von N¨aherungsmethoden (FEM) die Eigenfrequenzen und Eigenfunktionen f¨ ur beliebige Randbedingungen mit ziemlich guter Genauigkeit erhalten, aber der damit verbundene Rechenaufwand ist so groß, dass man von diesem Verfahren nur
4.7 Anregung von endlichen Systemen
285
bei den unteren Eigenfrequenzen Gebrauch macht. Bei den h¨oheren Frequenzen, wie wir sie hier betrachten, lohnt der mit den N¨aherungsmethoden verbundene Rechenaufwand im Allgemeinen nicht, besonders wenn breitbandige Frequenzgemische (z.B. Oktavrauschen) interessieren. Man verzichtet daher im Rahmen des K¨ orperschalls meist darauf, die Schwingungen eines Systems in allen Details insbesondere bez¨ uglich ihrer genauen ¨ortlichen Verteilung, zu kennen und begn¨ ugt sich damit, geeignete Mittelwerte - also das ungef¨ahre Verhalten - zu bestimmen. Dieser Verzicht f¨ allt umso leichter, als sehr h¨aufig die Art der Randeinspannung eines Systems gar nicht genau genug bekannt ist, um eine exakte Berechnung der Eigenschwingungsformen vorzunehmen. Wir werden auf diese Frage in Kap. 5.9 bei der Behandlung der statistischen Energieanalyse (SEA) noch zur¨ uckkommen. Der physikalisch wichtigste Mittelwert ist nat¨ urlich das ¨ortliche Mittel des Schnellequadrats. Diese Gr¨ oße, die mit v2 bezeichnet sei, erh¨alt man, indem man den gesamten Energieinhalt durch die gesamte Masse Sm des Systems dividiert. Unter Benutzung von (4.166) kann man also schreiben: Ekin 1 = m |v(x, z)|2 dxdz Sm Sm ∞ ∞ 1 1 = |vn vm | m ϕn (x, z)ϕm (x, z)dxdz = |vn |2 Λn . Sm n, m Sm n (4.176) Die dabei auftretende Doppelsumme, die u ¨ber alle Kombinationen von m und n zu erstrecken ist, geht wegen der Orthogonalit¨at wieder in eine Einfachsumme u ¨ber; es setzt sich also das mittlere Schnellequadrat additiv aus den Schnellequadraten der einzelnen Eigenschwingungen zusammen. Dieses Ergebnis ist nicht gerade u ¨berraschend, denn die Unabh¨angigkeit der Eigenschwingungen wurde in Abschn. 4.7.1 dazu benutzt, die Orthogonalit¨at zu beweisen. F¨ ur die weitere Rechnung ben¨ otigten wir die Gr¨oßen vn , die nach (4.175) bei Vorhandensein einer inneren D¨ ampfung durch v2 =
vn =
jω [ωn2 (1 + jη) − ω 2 ] Λn
p(x, z)ϕn (x, z)dxdz
(4.177)
gegeben sind. F¨ ur den uns hier haupts¨ achlich interessierenden Fall, bei dem eine Punkt” kraft“ F0 an der Stelle x0 , z0 auf eine infinitesimal kleine Fl¨ache wirkt, so dass p(x0 , z0 )dx0 dz0 = F0 ist, kann man - genau so wie bei (4.172) - ϕn (x, z) innerhalb des Integrationsbereiches als konstant ansehen und erh¨alt vn = Damit wird (4.176)
jωF0 ϕn (x0 , z0 ) . [ωn2 (1 + jη) − ω 2 ] Λn
(4.178)
286
4 Impedanzen
v2 =
∞ |F0 |2 ω 2 ϕ2n (x0 , z0 ) . 2 Sm n=1 [(ωn − ω 2 )2 + η2 ωn4 ] Λn
(4.179)
F¨ ur Platten konstanter Dicke und dgl., bei denen der Massenbelag m unabh¨angig vom Ort ist, kann man (4.179) noch vereinfachen, wenn man nicht einen bestimmten Anregeort x0 z0 betrachtet, sondern u ¨ber alle m¨oglichen Anregeorte mittelt. Diese zweite Mittelwertsbildung, die durch eine zweite ¨ Uberstreichung angedeutet sei, f¨ uhrt auf die Gleichung v2
1 = S
v 2 dxdz
2 ∞ |F0 |2 ω 2 1 = 2 . 2 − ω 2 )2 + η 2 ω 4 (ω S m n n n=1
(4.180)
Man sieht also, dass bei punktf¨ ormiger Anregung das mittlere Schnellequadrat nur eine Funktion der anregenden Kraft, der gesamten Masse, der D¨ampfung und der jeweiligen Lage der anregenden Frequenz im Vergleich zu den einzelnen Eigenfrequenzen ist. Die Ortsabh¨ angigkeit der Eigenfunktionen ist dagegen belanglos. Man kann also die einzelnen Eigenschwingungen als unabh¨angige Energiespeicher betrachten, die im Mittel alle gleichm¨aßig, d.h. mit gleicher Leistung, angeregt werden. Je nach Lage der anregenden Frequenz im Verh¨altnis zu den Eigenfrequenzen ergibt sich dann eine mehr oder weniger große Schnelle. Es sei allerdings darauf hingewiesen, dass nur bei punktf¨ormig wirkenden Kr¨aften alle Eigenschwingungen gleichm¨aßig angeregt werden. In anderen F¨allen, beispielsweise wenn die Anregung einer Platte durch Schallwellen erfolgt, ist die in die einzelnen Eigenschwingungen u ¨bertragene Leistung sehr unterschiedlich und es spielt auch die Ortsabh¨angigkeit der Eigenfunktion eine wesentliche Rolle. In der Praxis erfolgt die Anregung meist durch Kr¨afte, die nicht auf eine einzige Frequenz beschr¨ ankt, sondern auf ein mehr oder weniger breites Frequenzband verteilt sind. In derartigen F¨ allen ist dann nicht nur die ge2 samte wirkende Kraft sondern auch das Kraftquadrat FΔ innerhalb eines Frequenzbandes der Breite Δω gegeben. Man kann also auch nach (4.180) 2 innerhalb des Frequenzbereiches Δω erhalten, indem das Schnellequadrat vΔ man die entsprechende Mittelwertbildung vornimmt. Dabei wird nur vorausgesetzt, dass der von ω1 bis ω2 sich erstreckende Bereich so groß ist, dass er wenigstens f¨ unf Eigenfrquenzen enth¨ alt. Es gilt also f¨ ur das Schnellequadrat innerhalb des Frequenzbandes ω1 − ω2 = Δω 2 vΔ
1 = Δω
ω2
v 2 dω ω1
∞ 2 1 FΔ = 2 2 S m n=1 Δω
ω2
ω2 2
ω1
(ωn2 − ω 2 ) + η2 ωn4
dω.
(4.181)
Betrachtet man eines der Integrale in (4.181), so sieht man, dass es sehr davon abh¨angt, ob die jeweilige Eigenfrequenz ωn innerhalb oder außerhalb des Integrationsbereiches liegt. Ist ωn < ω1 oder ωn > ω2 , dann nimmt das Integral einen sehr kleinen, von der D¨ ampfung unabh¨angigen Wert an. Ist dagegen ω1 < ωn < ω2 , dann kann man bei kleiner D¨ampfung die N¨aherung ωn2 − ω 2 = (ωn + ω)(ωn − ω) ≈ 2ω(ωn − ω) benutzen und erh¨alt
4.7 Anregung von endlichen Systemen ω2 ω1
=
ω2
(ωn2
dω 2 + η2ω2 4(ω − ω) n ω1 n 2(ω1 − ωn ) 2(ω2 − ωn ) − arctan arctan . ηωn ηωn
−
1 2ηωn
ω 2 )2
+ η2 ωn4
dω ≈
287
ω2
(4.182)
Dr¨ uckt man hier η durch die Halbwertsbreite der jeweiligen Resonanz aus (s. Tab. 3.2 auf Seite 150), so sieht man, dass die beiden arctan-Funktionen dem Wert +π/2 bzw. −π/2 bis auf wenigstens 10% nahe kommen, wenn die Resonanzfrequenz ωn wenigstens drei Halbwertsbreiten von der n¨achstgelegenen Integrationsgrenze entfernt ist. Man macht sicher keinen allzu großen Fehler, wenn man bei Vorhandensein mehrerer Eigenfrequenzen im Bereich ω1 bis ω2 den Ausdruck (4.182) durch (π/2)ηωn ann¨ ahert und statt (4.181) schreibt 2 vΔ =
2 FΔ
N2
2 S 2 m Δω
n=N1
π + Rest. 2ηωn
(4.183)
Dabei ist N1 die Ordnungszahl der tiefsten und N2 der h¨ochsten Eigenfrequenz im Integrationsbereich. N2 −N1 = N ist also die Anzahl der Resonanzfrequenzen im Bereich Δω. Vernachl¨assigt man nun noch den kleinen Rest und ersetzt die Eigenfrequenzen ωn durch die Mittenfrequenz ω des interessierenden Bandes, erh¨alt man schließlich 2 FΔ π ΔN 2 ≈ vΔ . (4.184) 2 S 2 m 2ηω Δω F¨ ur den Spezialfall der homogenen Platte wird daraus unter Benutzung der in Tab. 4.7.3 angegebenen Gleichung f¨ ur ΔN/Δω 2 ≈ vΔ
2 2 kB FΔ 2
8ω 2 m Sη
.
(4.185)
Wie man sieht, enth¨ alt (4.184) weder die Eigenfunktionen noch die Eigenfrequenzen; die mittlere Schnelle bei Breitbandanregung ist also unabh¨angig von den Randbedingungen, sie ist nur mehr eine Funktion der gesamten Masse Sm , des Verlustfaktors η, der Frequenz und der Anzahl der Resonanzfrequenzen. Dieses Ergebnis kann man noch etwas veranschaulichen, wenn man zum Vergleich ein einfaches Masse-Federsystem mit der Masse m, der Resonanzampfung η betrachtet. Die Bewegungsgleichung ist in frequenz ω0 und der D¨ diesem Fall jωF . −ω 2 v + ω02 (1 + jη)v = m Denkt man sich ein derartiges System mit einem breitbandigen Ger¨ausch angeregt, dann ergibt dieselbe Integration wie oben 2 vΔ ≈
1 Δω
ω2 ω1
v 2 dω ≈
2 π FΔ . 2 m Δω 2ηω0
288
4 Impedanzen Tabelle 4.3. Anzahl der Eigenschwingungen
Stab longitudinal
N = kL ls /π
ΔN/Δω = ls /(cL π)
= ωls /(cL π) Stab, Biegung
Platte, Biegung
N = kB ls /π √ √ = ωls /(1, 7 cL h) 2 N = kB S/4π
= ωS/(3, 6cL h) Raum, Luftschall
N = k03 V /6π 2 = ω3 V /(6π 2 c30 )
ΔN/Δω = kB ls /(2πω) √ = ls /(3, 4 cL hω) 2 ΔN/Δω = kB S/(4πω)
= S/(3, 6cL h) ΔN/Δω = k02 V /(2π 2 c0 ) = ω2 V /(2π 2 c30 )
Ring, radial angeregt
N = 2kB a √ √ = 3, 7 ωa/( cL h
ΔN/Δω = kB a/ω √ = 1, 9a/ cL hω
d¨ unnwandiges Rohr f¨ ur v<1
√ N ≈ 3 3ls v 3/2 /(2πh)
√ 3/2 ΔN/Δω ≈ 2 ωa3/2 ls /(1, 6hcL )
d¨ unnwandiges Rohr f¨ ur v>1
N≈
√
3ls aω/(cL h)
ΔN/Δω ≈
√
3ls a/(cL h)
Vergleicht man diesen Ausdruck mit (4.184), so sieht man, dass das mittlere Schnellequadrat eines einfachen Schwingers mit der Masse Sm , multipliziert mit der Anzahl der Eigenfrequenzen ΔN gerade (4.184) ergibt. Man kann sich also die einzelnen Eigenschwingungen als unabh¨angige Energiespeicher vorstellen, die bei punktf¨ ormiger Anregung im Mittel denselben Energieinhalt haben. F¨ ur die Gesamtenergie in einem Frequenzband ist dann nur noch die Anzahl der Resonanzfrequenzen entscheidend. Neben dem mittleren Schnellequadrat stellt die Leistung eine f¨ ur die Praxis sehr wichtige Gr¨ oße dar. Ganz allgemein erh¨alt man die Leistung, die in ein System u ¨bertragen wird, aus dem Realteil des Produktes der Druckund konjugiert komplexen Schnellezeiger, also bei Darstellung der Schnelle als Summe von Eigenfunktionen nach der Gleichung 1 ∗ p(x, z)v (x, z)dxdz P = Re 2 S ,∞ (4.186) 1 ∗ vn p(x, z)ϕn (x, z)dxdz . = Re 2 S n=1
4.7 Anregung von endlichen Systemen
289
Geht man hier wieder zu einer Punktkraft F0 an der Stelle x0 , z0 u ¨ber, dann ist der Wert des Integrals F0 ϕn (x0 , z0 ). Setzt man hier vn nach (4.178) ein, so ergibt sich ∞ 2 ηω ωn2 ϕ2n (x0 , z0 ) FΔ . (4.187) P = 2 n=1 [(ωn2 − ω 2 )2 + η 2 ωn4 ] Λn Wie man sieht, hat diese Summe dieselbe Form wie in (4.179); es ist lediglich ω 2 durch ωn2 ersetzt. Dieser Unterschied spielt jedoch keine Rolle, wenn es sich um ein schwach ged¨ ampftes System handelt und wenn die Anregung sich u ¨ber ein Frequenzband erstreckt, das mehrere Eigenfrequenzen umfasst. Dieselbe Integration u ¨ber die Frequenz und u ¨ber alle Anregeorte ergibt dann P =
2 FΔ π ΔN 2 2Sm Δω
(4.188)
(P ist die Leistung, die auf ein gegebenes Frequenzband entf¨allt, beispielsweise Leistung pro Hertz oder pro Oktave, je nachdem wie FΔ gegeben ist). Dieses Ergebnis ist in dreifacher Hinsicht interessant. Erstens zeigt sich auch hier wieder, dass die Eigenschwingungen wie eine Reihe von unabh¨angigen einfachen Masse-Feder Systemen betrachtet werden k¨onnen. Die durch (4.188) gegebene Leistung ist n¨ amlich gleich der Leistung, die von einem einfachen Schwinger der Masse Sm aufgenommen wird, multipliziert mit der Anzahl der angeregten Eigenschwingungen. Als zweites erh¨alt man durch Kombination von (4.188) mit (4.184) P =
1 2 Sm ωηvΔ , 2
(4.189)
also einen sehr einfachen Zusammenhang zwischen eingespeister Leistung und erzeugter mittlerer Schnelle. Als drittes kann man schließlich aus (4.188) auch den Realteil der mittleren“ Eingangsadmittanz A berechnen. Benutzt man ” n¨amlich die bekannte Gleichung (4.35) 1 1 1 2 = |F |2 Re {A} , P = |F | Re 2 Z 2 dann folgt f¨ ur die Admittanz, d.h. den reziproken Eingangswiderstand 1 π ΔN Re {A} = Re = . (4.190) Z 2Sm Δω Dieser Ausdruck ist von besonderem Interesse, da er gestattet, eine Beziehung mit den in Abschn. 4.4 berechneten Impedanzgleichungen herzustellen. Man kann n¨amlich davon ausgehen, dass bei sehr großen Platten, St¨aben, etc. bei denen die Begrenzungen sehr weit vom Anregeort entfernt sind, die Leistungs¨ ubertragung fast genauso erfolgt wie beim entsprechenden unendlich großen System; im Grenzfall ist also der in (4.190) vorkommende Eingangswiderstand Z identisch mit dem eines unendlichen Systems. Man kann also den
290
4 Impedanzen
Realteil der Eingangsadmittanz aus dem Grenzwert von ΔN/Δω und umge¨ kehrt bestimmen, wobei sich auf Grund der gemachten physikalischen Uberlegungen von selbst ergibt, dass ΔN/Δω proportional der Fl¨ache (bzw. L¨ange oder Volumen bei ein- oder dreidimensionalen Gebilden) und unabh¨angig von den Randbedingungen sein muss [4.20]. Beispiele von N und ΔN /Δω enth¨alt Tabelle 4.7.3. An einem einfachen Beispiel wollen wir die Anwendung von (4.190) veranschaulichen. F¨ ur eine homogene, d¨ unne Platte ist nach (4.59) der Eingangswiderstand Z = 8(B m )1/2 , daraus ergibt sich " S m Sm ΔN √ = . = Δω 4π B 4π B m Im Grenzfall ist also die Anzahl der Eigenschwingungen innerhalb eines Frequenzbereichs bei Platten konstant. Die Gesamtzahl bis zu einer Frequenz ω1 ist demnach " ω1 ΔN Sω1 m dω = . N= Δω 4π B 0 Von der Richtigkeit dieser Gleichung kann man sich bei Platten mit un¨ terst¨ utzten R¨andern anhand einer einfachen geometrischen Uberlegung u ¨berzeugen. Dazu benutzen wir das so genannte Eigentonnetz“, das in Bild 4.20 ” dargestellt ist. Es besteht aus Maschen der Breite π/l1 (B /m )1/4 und der 1/4 L¨ange π/l2 (B /m ) . Das Abstandsquadrat von einem Maschenpunkt zum Ursprung ist also 2 " 2 " B B n1 π n2 π + . l1 m l2 m
Bild 4.20. Das Eigentonnetz einer Platte
4.7 Anregung von endlichen Systemen
291
Wie ein Vergleich mit (4.171) zeigt, ist dieses Abstandsquadrat gleich dem Wert der zu n1 , n2 geh¨ origen Eigenfrequenz. Daraus ergibt sich, dass die unter einer gewissen Grenze ω1 liegenden Eigenfrequenzen innerhalb eines Viertelkreises mit dem Radius (ω1 )1/2 liegen m¨ ussen. Da zu jedem Maschenpunkt ein Fl¨achenst¨ uck der Gr¨ oße π 2 (B /m )1/2 /(l1 l2 ) geh¨ort, ist - wenn man die Randpunkte vernachl¨ assigt - die Gesamtzahl der unter ω1 liegenden Eigenfrequenzen durch " " Sω1 m π l1 l2 m = N = ω1 2 4 π B 4π B gegeben. Dabei werden Eigenfrequenzen, die mehrfach auftreten, auch mehrfach gez¨ahlt. Es handelt sich hier also um die Anzahl der verschiedenen Eigenfunktionen (s. Abschn. 4.7.2). Wie man sieht, stimmen die auf zwei ganz verschiedenen Wegen gefundenen Gleichungen f¨ ur N u ¨berein. Als letztes wollen wir in diesem Abschnitt noch den Zusammenhang zwischen Leistung und Schnellequadrat, also (4.189), auf einem anderen Wege und unter allgemeineren Voraussetzungen ableiten. Wir gehen dabei davon aus, dass der Verlustfaktor durch η = Ev /(2piER ), also durch das Verh¨altnis der innerhalb einer Schwingung verloren gegangenen Energie zur wiedergewinnbaren Energie gegeben ist (s. (3.24)). Bei kleinen D¨ampfungen kann man die wiedergewinnbare Energie durch die kinetische Energie ersetzen, f¨ ur die man in einem Fl¨ achenelement dxdz n¨ aherungsweise m (v2 /2)dxdz erh¨alt. Die innerhalb einer Schwingungsperiode in W¨arme umgesetzte Energie ist demnach m (v 2 /2)2πηdxdz. Aus diesem Ausdruck ergibt sich durch Division mit der Periodendauer T = 1/f , wobei f die Frequenz in Hertz ist, die innerhalb einer Zeiteinheit (Sekunde) umgewandelte Energie m (v 2 /2)ωηdxdz. Daraus folgt f¨ ur die auf der gesamten Fl¨ache S in W¨arme umgesetzte Energie pro Zeiteinheit, d.h. Leistung Pv =
1 ωη 2
m v 2 dxdz = S
1 2 ωηm Sv 2 = ωηm Svef f. 2
(4.191)
Dabei ist v 2 das mittlere Schnellequadrat, von dem vorausgesetzt ist, dass es sinnvoll definiert und gemessen werden kann. (Beispielsweise w¨are das nicht der Fall, wenn eine Platte so groß und ged¨ ampft ist, dass sich die Schnellen an verschiedenen Stellen um mehr als eine Gr¨oßenordnung unterscheiden). Im station¨aren Zustand muss die in W¨ arme umgewandelte Leistung Pv genau so groß sein, wie die an der Anregung zugef¨ uhrte. Daraus folgt, dass (4.189) und (4.191) identisch sind. (4.191) wurde jedoch ohne die einschr¨ankende Voraussetzung abgeleitet, dass die Anregung durch eine Punktkraft erfolgt; sie stellt also eine Verallgemeinerung f¨ ur beliebige Anregungsarten dar. Das bedeutet, dass die in Abschnitt 4.5 abgeleiteten Gleichungen f¨ ur die Leistungs¨ ubertragung in ein unbegrenztes System auch auf Systeme endlicher Gr¨oße angewandt werden k¨ onnen, vorausgesetzt, dass man sich auf die Angabe von Frequenzmittelwerten und von ¨ ortlichen Mittelwerten beschr¨ankt.
292
4 Impedanzen
4.8 Spezielle Probleme 4.8.1 Stoßanregung In den Abschn. 4.3.1 und 4.3.2 (Bild 4.7) wurde bereits der Bewegungsverlauf eines halbunendlichen Balkens berechnet, wenn er durch eine auftreffende Masse zu Longitudinal- bzw. Biegewellen angeregt wird. Ein weiterer Fall einer Stoßanregung ist in Abschn. 4.4.5 behandelt. Es wurde dort gezeigt, wie aus dem Frequenzgang der Punktadmittanz die Impulsantwort f¨ ur den idealen Stoß (Green’sche Funktion) ermittelt werden kann. F¨ ur d¨ unne Platten, die im interessierenden Frequenzbereich der einfachen Eulerschen Biegetheorie gehorchen, war es m¨oglich die entsprechende Gleichung 4.126 explizit anzugeben. In diesem Abschnitt wollen wir die Stoßanregung durch eine starre Masse etwas allgemeiner untersuchen und dabei sowohl das u ¨bliche N¨aherungsverfahren als auch die exakte L¨ osung - unter Ber¨ ucksichtigung des R¨ uckpralls behandeln. 4.8.1.1 N¨ aherungsl¨ osung In Abschn. 4.3.1 und 4.3.2 haben wir das in Bild 4.21b skizzierte Problem behandelt. Das heißt wir haben den Stoß durch eine Masse m, die mit der Geschwindigkeit v0 auf die interessierende Struktur auftrifft, dadurch ersetzt, dass wir die Struktur und Masse als Einheit betrachteten und darauf den ¨ Impuls I wirken liessen. Bei den folgenden Uberlegungen wollen wir zwischen Masse und Struktur noch ein elastisches, masseloses Element der Steife s einbringen, s. Bild 4.21a. Dadurch haben wir zwei Vorteile: • •
Die in Wirklichkeit immer vorhandene - wenn auch oft sehr kleine - Nachgiebigkeit der Kontaktstelle, die z.B. auf die lokale Elastizit¨at (s. (4.99)) oder auf Staubschichten zur¨ uckzuf¨ uhren ist, wird ber¨ ucksichtigt. Wir umgehen die numerischen Probleme, die eventuell bei der Behandlung des absolut starren Stoßes auftreten.
Die haups¨achliche Vereinfachung bei dem Modell nach Bild 4.21b liegt darin, dass wir uns um den R¨ uckprall der Masse nicht k¨ ummern. Wir wissen uckprall) und also nur, dass der anregende Impuls I zwischen mv0 (kein R¨ uckprall mit der Geschwindigkeit −v ) liegt. Der Ein2mv0 (vollst¨andiger R¨ 0 √ fachheit halber werden wir im Folgenden I ≈ 2mv0 ansetzen und damit einen Fehler in Kauf nehmen der schlimmstenfalls 3 dB betr¨agt. Ein zweites Problem, dass wir bei der N¨ aherung nach Bild 4.21b annehmen, dass die Masse m w¨ahrend des ganzen Schwingungsverlaufes die Struktur belastet, obwohl sie nach einer kurzen Kontaktzeit, die auch nicht bekannt ist, eventuell wieder zur¨ uckgeprallt ist. Die Berechnung mit Hilfe der N¨ aherungsmethode nach Bild 4.21b ist einfach; denn wir k¨onnen genauso vorgehen wie in Abschn. 4.2.1 bei der Behandlung des mechanischen Hammerwerkes. Es ist lediglich statt der Fourierreihe
4.8 Spezielle Probleme
293
Bild 4.21. Vereinfachung des Stoßproblems. a Masse trifft mit der Geschwindigkeit v0 auf eine Struktur mit der Impedanz ZS und der Admittanz AS auf. Das elastische Element (Kontaktsteife) ist fest mit der Struktur verbunden. b Ein Impuls I ∼ mv0 regt die u ¨ber die Federsteife s fest mit der Struktur verbundene Masse an.
das Fourierintegral zu verwenden und die Steife s zu ber¨ ucksichtigen. Wir ersetzen also wieder den Impuls durch die Kraft F (t), die so gew¨ahlt ist, dass sich +∞
I=
F (t)dt
(4.192)
−∞
ergibt. Der Verlauf von F (t) ist unbekannt (und wird auch sp¨ater nicht gebraucht); wir wissen nur, dass es sich um einen einmaligen, kurzzeitigen Vorgang handelt und dass (4.192) erf¨ ullt ist. Bilden wir nun das Spektrum von F (t), also +∞
F (ω) =
F (t)e−jωt dt
(4.193)
−∞
dann k¨onnen wir die folgenden Beziehungen ausn¨ utzen F (ω) − FF (ω) = −ω 2 mξF (ω); FF (ω) = FS (ω);
ξF (ω) − ξS (ω) = FF (ω)/s; jωξS (ω)ZS = FS (ω).
(4.194)
Nach kleinen Zwischenrechnungen folgt daraus jω m −1 vF (ω) = jωξF (ω) = F (ω) 1 + ZS jωm + ZS 1 − ω 2 s s (4.195) = F (ω)AI (ω). uhrt. Sie ist die AdmitWir haben hier als Abk¨ urzung die Gr¨ oße AI (ω) eingef¨ tanz der aus der Masse, Feder und Struktur bestehenden Anordnung. Falls Bedarf besteht, kann man die u ¨brigen Spektralgr¨oßen nach dem gleichen Schema errechnen. F¨ ur s → ∞, also f¨ ur eine sehr steife Feder, folgt aus (4.195), dass wie zu erwarten die Massenimpedanz jωm und die Strukturimpedanz ZS einfach zu addieren sind. Aus (4.195) kann man durch die entsprechende R¨ ucktransformation in den Zeitbereich den Zeitverlauf der interessierenden Gr¨oßen erhalten. Hier sind wir jedoch mehr an den mittleren Gr¨ oßen interessiert und berechnen daher die beim Stoß u ¨bertragene Energie. Sie ist
294
4 Impedanzen
E= = =
F (t)vF (t)dt 1 2π 1 Re 4π 2
+∞
F (ω)e −∞
jωt
dω · Re
1 2π
+∞ jωt
vF (ω)e dω dt j(ω+ω )t F (ω )vF (ω)e dtdωdω .
(4.196)
−∞
Hier haben wir die Tatsache ausgenutzt, dass F (t) sicher eine reelle Funktion ist. Das Zeitintegral liefert 2πδ(ω + ω ) (analog zu (4.137)), so dass sich nach einsetzen von (4.195) +∞ 1 ∗ Re F (−ω) F (ω)AI (ω)dω E= 2π −∞ (4.197) 1 ∞ 2 = |F (ω)| Re{AI (ω)}dω π 0 ergibt. Wir haben hier ausgenutzt, dass - weil F (t) reell ist - die Beziehung F (ω) = F (−ω)∗ gilt. Die Ausdr¨ ucke (4.193)-(4.197) gelten f¨ ur Kr¨afte mit beliebigem Zeitverlauf. Zur Spezialisierung auf kurze Impulse entwickeln wir die Exponentialfunktion in (4.193) in eine Taylor-Reihe. Das ergibt 1 2 2 E = F (t) 1 − jωt − ω t . . . dt 2 2 t t 1 (4.198) dt = F (t)dt − jωtI F (t) dt − ω 2 t2I f (t) tI 2 tI 1 ur ωtI < 1. = F (t)dt − jωtI G1 − ω 2 t2I G2 ≈ I f¨ 2 Wir haben dabei die Impulsdauer tI eingef¨ uhrt und die Tatsache ausgenutzt, ucke und alle h¨oheren Terme dass die mit G1 und G2 bezeichneten Ausdr¨ kleiner als I sind. damit wir die Behandlung von sehr kurzzeitigen Impulsanregungen sehr einfach; denn wir k¨ onnen - falls die Impulsdauer tI im Bereich von Zehntel Millisekunden oder darunter liegt - im haupts¨achlich interessierenden Frequenzbereich, d.h. f¨ ur ω < 1/TI in (4.195)-(4.197) einfach F (ω) √ durch I ≈ 2mv0 ersetzen. Ein Anwendungsbeispiel der obigen Gleichungen stellt das aus der Bauakustik bekannte Trittschallproblem dar. Bei dem dabei verwendeten Trittschallhammerwerk treffen im freien Fall H¨ ammer mit der Masse m = 0, 5 kg aus einer H¨ohe von 0,04 m mit einer Schlagfrequenz von fS = 10 s−1 auf das Pr¨ ufobjekt. Ein einzelner Schlag u agt also - wenn man annimmt, dass der ¨bertr¨ Hammer weder liegen bleibt noch mit gleicher Geschwindigkeit zur¨ uckprallt n¨aherungsweise den Impuls √ IH ≈ 2m 2gh = 0, 626kgm/s.
4.8 Spezielle Probleme
295
Dabei ist g die Endbeschleunigung und der Wurzelausdruck die bekannte Glg. f¨ ur den freien Fall. Die pro Schlag u ¨bertragene Energie ist nach (4.197) EH =
2 IH π
∞
Re{AI (ω)}dω.
(4.199)
0
Betrachten wir - was jedoch bei tiefen Frequenzen nur n¨aherungsweise gilt die einzelnen Schl¨ age als unkorreliert, dann k¨ onnen wir die Energien addieren und erhalten f¨ ur die Energie pro Sekunde, also die Leistung P = EH fS =
2 IH fS π
∞
Re{AI }dω
(4.200)
0
(fS = Anzahl der Schl¨ age pro Sekunde). Mit (4.200) haben wir gleichzeitig die spektrale Dichte der Leistung bei einer Schlagfolge erhalten; wir brauchen nur ¨ die Integration u interessiert man sich f¨ ur die ¨ber ω wegzulassen. Ublicherweise Leistung PΔf in einem Frequenzband Δf . Dazu ersetzen wir den Integranden ¨ durch seinen Mittelwert (gekennzeichnet durch Uberstreichen) und erhalten 2 IH (4.201) fS 2πΔf Re{AI (ω)}. π Die u ander sind Oktaven mit Δf = 0, 707f und Terzen mit ¨blichen Frequenzb¨ Δ = 0, 23f . Dabei ist f die Mittenfrequenz. (4.201) gilt nat¨ urlich nicht nur f¨ ur Trittschall, sondern auch f¨ ur andere Anregungen durch sehr kurzzeitige Impulse, falls die Anzahl der Ereignisse fS und er mittleren u ¨bertragene Impuls IH bekannt sind, (z.B. das rainon ” the roof“ Problem). Aus der u alt man durch Umstellen von (4.191) ¨bertragenen Leistung erh¨ das mittlere Schnellequadrat einer Platte
PΔf =
2 = vΔf
4I 2 fS Δf 2PΔf 2 . = H Re{AI (ω)} = 2vef f ωηm S ωηm S
(4.202)
(4.202) zeigt, dass der Trittschallpegel durch Erh¨ohung der Plattenmasse m , des Verlustfaktors η und der Impedanz ZI = 1/AI verringert werden kann. Bei d¨ unnen Platten (Asphaltestrich, Holzfussboden) ist ferner zu beachten, dass eine Erh¨ohung der Fallmasse die Pegel bei hohen Frequenzen reduziert (Schl¨age mit großen Massen klingen dumpfer) [4.23]. Nat¨ urlich wirkt es sich auch pegelmindernd aus, wenn die Steife der Zwischenlage (weicher Gehbelag, Teppich, etc.) so niedrig gemacht wird, dass s ω 2 m. Bild 4.22 zeigt die Ergebnisse von zwei Beispielrechnungen. F¨ ur die Impedanz der Struktur wurde dabei f¨ ur die unendlich große Platten g¨ ultige Gleichung (4.59) verwendet. Im unteren Teil sind auch noch Messergebnisse aufgetragen, aus denen der Einfluss einer weichen Zwischenschicht hervorgeht. Es ist zu beachten, dass die verbessernde Wirkung in diesem Fall sehr stark von der Fallmasse abh¨ angt. Bei kleineren Fallmassen als den hier benutzten 0,5 kg ist die verbessernde Wirkung weniger ausgepr¨agt. Bei gr¨oßerer Fallmasse w¨are sie h¨oher.
296
4 Impedanzen
Bild 4.22. Oben: Mittleres Schnellequadrat pro Oktave einer 12 cm dicken Betondecke (η ∼ = 0, 02) und eines 2,1 cm dicken Asphaltestrichs (η ∼ = 0, 15) bei Anregung mit dem genormten Trittschallhammerwerk. Unten: Mittleres Schnellequadrat pro Oktave einer 12 cm dicken Betondecke mit verschiedenen Auflagen bei Anregung mit dem genormten Hammerwerk. p0 = 2 · 10−5 Pa, v0 = 5 · 10−8 m/s
4.8.1.2 Exakte Berechnungsmethode Die L¨osung des Stoßproblems einschließlich des R¨ uckpralls ist etwas komplizierter, weil die Bewegungsgleichung der stoßenden Masse und die der gestoßenen Struktur kombiniert werden m¨ ussen und weil sich die Randbedingungen sprunghaft ¨andern, je nachdem, ob Konatkt vorliegt oder nicht. Die Bewegung der stoßenden Masse m ist durch die auf sie wirkenden Kr¨afte, also die Schwerkraft mg und die von der Strukur w¨ahrend des Kontaktes entgegenwirkende Kraft FF (t) bestimmt. Der jeweilige Ort ξm (t) der Masse ist also durch (s.a. Bild 4.21) m
d2 ξm (t) = −mg + FF (t) dt2
(4.203)
bestimmt. Falls es sich um einen schr¨ agen Stoß handelt, ist lediglich g durch g sin ϑ zu ersetzen. Die u ¨brige Rechnung bleibt gleich. (4.203) kann man auch in der Form
4.8 Spezielle Probleme
1 t [FF (tq ) − mg] (t − tq )dtq m 0 1 t t2 = ξm0 + v0 t − g + (t − tq )FF (tq )dtq 2 m 0
297
ξm (t) = ξm0 + v0 t +
(4.204)
schreiben. Dabei sind ξm0 und v0 der Ort bzw. die Geschwindigkeit zum Zeitpunkt t = 0. (4.204) erh¨ alt man durch doppelte Integration von (4.203) und der Anwendung der Cauchy’schen Integrationsgleichung (s. z.B. (4.33)). Zur Beschreibung der Bewegung ξF (t) an der als sehr klein angenommenen Anregestelle w¨ahlen wir auch eine Integraldarstellung. Hierf”ur bietet sich die Gleichung t
ξF (t) = −
FF (tq )ξF g (t − tq )dtq
(4.205)
0
an. Sie besagt, dass wir die Bewegung zum Zeitpunkt t dadurch erhalten, dass wir uns die zu fr¨ uheren Zeiten tq wirkenden Kr¨afte als eine Folge von kleinen Impulsen der St¨arke FF (tq )dtq vostellen und die so verursachten Bewegungen addieren. Das Vorzeichen in (4.205) ist negativ, weil eine positive Kraft die Masse nach oben und die elastische Zwischenlage zusammen mit der Struktur nach unten treibt. In (4.205) (die eine Faltung darstellt) bedeutet ξF g (t − tq ) die f¨ ur jede Struktur berechenbare, also im Prinzip bekannte Impulsantwort (Green’sche Funktion). Sie ist die Bewegung, die ein Einheitsimpuls, der zur Zeit tq wirkte, zum Zeitpunkt t erzeugt. Die dritte Beziehung, die man zur Berechnung der unbekannten Gr¨oßen ξm (t), ξF (t), FF (t) braucht, ist etwas komplizierter. Es ist die Kontaktbedingung, die wir in der Form ξm (t) = ξF (t) FF (t) = 0
w¨ ahrend der Kontaktzeit ausserhalb
(4.206)
schreiben. Die Impulsantwort ξF g , die in den obigen Gleichungen auftritt, erhalten wir aus dem Spektrum der Bewegung ξF , also aus (4.195). Wir m¨ ussen dazu, da es sich nun um einen idealen Impuls handelt, m = 0 setzen und vom Spektrum zum Zeitverlauf u ¨bergehen. Dabei ist nach (4.198) F (ω) = I zu setzen. Wir erhalten also aus (4.195) mit AS = 1/ZS ∞ 1 I 1 AS jωt ξF (t) = ξF (ω)dω = + e dω 2π 2π −∞ s jω (4.207) ∞ 1 AS jωt 1 δ(t) =I δ(t) + e dω = I + ξsg (t) . s 2π −∞ jω s Die interessierende Impulsantwort f¨ ur den Einheitsimpuls I = 1 ist also durch die Federsteife s, die Deltafunktion δ(t) und die Impulsantwort der Struktur ohne die Feder, also durch ξsg (t) =
1 2π
∞ −∞
AS jωt e dω jω
(4.208)
298
4 Impedanzen
gegeben. Dabei ist AS der Frequenzgang der Eingangsadmittanz. F¨ ur unendlich ausgedehnte Strukturen l¨ asst sie sich nach den in Abschnitt 4.3 und 4.4 dargestellten Verfahren - mehr oder weniger m¨ uhsam berechnen. F¨ ur resonanzf¨ahige Strukturen endlicher Ausdehnung empfiehlt es sich dagegen, auf die Methode der Eigenfunktionen zur¨ uckzugreifen. Nach (4.168) gilt f¨ ur eine rein harmonische Punktkraft p = F0 (ω)δ(x−x0 )δ(z−z0 ), die mit der Frequenz ω an der Stelle xo , z0 angreift v(x, z) = jωF0 (ω)
∞ ϕκ (x, z)ϕκ (x0 , z0 ) = F0 (ω)AS . Λκ ωκ2 − ω 2 κ=1
(4.209)
Die n¨achsten Schritte sind ¨ • Ubergang zu den Bewegungsgr¨ oßen, d.h. ξ = v/jω • Gleichsetzen von Aufpunkt und Anregepunkt, d.h. x = x0 , z = z0 • explizite ber¨ ucksichtigung des bei rein harmonischen Vorg¨angen normalerweise weggelassenen Zeitfaktors. Damit ergebt sich f¨ ur die Bewegung der Struktur bei rein harmonischer Anregung mit der Kreisfrequenz ω , ejωt ξS (x0 , z0 , ω) = Re F0 (ω) Gκ 2 (4.210) ωκ − ω2 κ=1 mit Gκ = ϕ2κ (x0 , z0 )/Λκ . Es wurden hier auch wieder zur Ber¨ ucksichtigung der D¨ampfung die Eigenfrequenzen ω κ als komplex angenommen. Zur Berechnung der Impulsantwort m¨ ussen wir noch eine Fouriertransformation durchf¨ uhren. Dazu setzen wir f¨ ur den Zeitverlauf der anregenden Kraft den idealen Impuls Iδ(t) ein. Das sich daraus ergebende Spektrum ist F0 (ω) = I, also konstant u ¨ber alle Frequenzen. Damit k¨onnen wir (4.210) in den Zeitbereich zur¨ ucktransformieren und erhalten mit I = 1 die gesuchte Impulsantwort (Green’sche Funktion) der Struktur ohne die Feder s. Sie ist 1 2π
∞
1 ξS (x0 , z0 , ω)ejωt dω −∞ I ∞ ejωt 1 = Re Gκ 2 dω 2π ωκ − ω2 −∞ Gκ e−ηκ ωκ t/2 sin ωκ t f¨ ur t > 0. = ω κ κ=1
ξsg =
(4.211)
Die gesuchte Impulsantwort f¨ ur die Struktur mit der Feder ist bei I = 1 nach (4.207) δ(t) Gκ −ηκ ωκ t/2 ξF g (t) = + e sin ωκ t. (4.212) s ωκ
4.8 Spezielle Probleme
299
Nun sind die zur L¨ osung des Ausgangsproblems notwendigen Beziehungen vorhanden. Mit (4.212) k¨ onnen wir f¨ ur die drei das Stoßproblem beschreibenden Gleichungen schreiben 1 t t2 + (t − tq )FF (tq )dtq 2 m 0 w¨ ahrend des Kontaktes
ξm (t) = ξm0 + v0 t − g
ξF (t) = ξm (t) FF (t) = 0 außerhalb des Kontaktes
(4.213)
t
ξF (t) = −
FF (tq )ξF g (t − tq )dtq . 0
Um (4.213) numerisch l¨ osen zu k¨ onnen, ersetzen wir die Integrale durch Summen. Dabei geht Zeitinkrement dtq gegen Δ, so dass t → nΔ, tq → νΔ gilt. Außerdem ist n = 1, 2, 3, . . .; ν = 1, 2, 3, . . . Schreibt man die Terme zur Zeit nΔ separat, dann erh¨ alt man ξm (nΔ) = An + H1 (nΔ)FF (nΔ) +
n−1
H2 (νΔ)FF (νΔ)
ν=1 n−1 1 ξF (nΔ) = − FF (nΔ) − H3 (nΔ)FF (nΔ) − H4 (νΔ)FF (νΔ). s ν=1
(4.214)
Dabei bedeuten g An = ξm0 + ν0 nΔ − (nΔ)2 , 2 n−ν 2 Δ , H2 (νΔ) = m H4 (vΔ) =
1 2 Δ , 2m Δ Gκ −ηκ ωκ nΔ/2 H3 (nΔ) = e sin ωκ nΔ, 2 κ=1 ωκ
H1 (nΔ) =
Gκ Δ2 e−ηκ ωκ (n−ν)Δ/2 sin[ωκ (n − ν)Δ]. ωκ κ=1
Wie man sieht, erstrecken sich nun die Zeitsummen nur bis ν = n − 1. Sie sind also beim n-ten Iterationschritt bekannt. Das Zeitinkrement Δ muss nat¨ urlich sehr klein sein, es muss gelten: Δ2 m/s und ωκ Δ 1. Um die Kontaktbedingung (Ungleichung in der Mitte von (4.213)) zu erfassen, errechnen wir bei jedem Iterationsschritt erst eine fiktive Kraft FF ikt , die notwendig w¨ are, um die Masse m und die Feder s in Kontakt zu zwingen. Wenn diese Kraft gr¨ oßer als Null ist, handelt es sich um die tats¨achliche Kraft. Wenn sich jedoch FF ikt < 0 ergibt, w¨ urde das bedeuten, dass man eine otigen w¨ urde, um Masse und Feder in Kontakt zu bringen. ¨aussere Kraft ben¨ Da eine solche ¨außere Kraft (wenn keine Adh¨asion vorliegt) nicht vorhanden ist, lautet die Kontaktbedingung , FF ikt , wenn FF ikt > 0 (4.215) FF (nΔ) = 0, wenn FF ikt < 0.
300
4 Impedanzen
Die Gr¨oße der fiktiven Kraft erhalten wir, indem wir in (4.214) den Ansatz ξm (nΔ) = ξF (nΔ) machen. Das f¨ uhrt auf An + =
n−1 1 H2 (νΔ)FF (νΔ) FF ikt Δ2 + 2m ν=1 n−1 Gκ −FF ikt Δ −ηκ ωκ Δ/2 − Ff ikt e sin ωκ Δ − H4 (νΔ)FF (νΔ). s 2 ω κ=1 κ ν=1
(4.216) Wir k¨onnen also jeden Iterationschritt FF ikt ausrechnen und folglich auch aus (4.215) die tats¨achliche Kraft FF (nΔ) ermitteln. Die Rechnung muss man - nat¨ urlich von n = 1 beginnend - fortlaufend f¨ ur n = 2, 3 . . . durchf¨ uhren, weil man bei jedem neuen Zeitschritt die fr¨ uheren Kr¨afte kennen muss. ur 1 ≤ ν ≤ n bekannt sind, kann aus (4.214) die Wenn die Kr¨ afte FF f¨ Bewegung von Masse und Feder berechnet werden. Die Bewegung der Struktur am Anregeort x0 , z0 ergibt sich aus (4.207) zu ξS (x0 , z0 , t) = −
n
ΔH4 (νΔ)FF (νΔ).
(4.217)
ν=1
Wenn man auf 4.209 zur¨ uckgeht, erh¨ alt man f¨ ur einen beliebigen Ort x, z ξS (x, z, t) = −
n ν=1
ΔFF (νΔ)
ϕκ (x0 , z0 ) ϕκ (x, z)
κ −ηκ ωκ (n−ν)Δ/2
·e
ωκ
(4.218)
sin ωκ (n − ν) Δ.
Da wir durch die Wahl des Zeitinkrementes Δ im Prinzip eine obere Frequenzgrenze festgelegt haben, ist es sinnvoll, die Summation u ¨ber κ nur bis zu einem ωκ max vorzunehmen, das durch ωκ max ≈
2π = π/Δ 2Δ
(4.219)
bestimmt ist. Die Bilder 4.23 und 4.24 zeigen einige Ergebnisse, die mit Hilfe von (4.214)(4.218) erhalten wurden. Aus diesen Bildern kann man folgendes ersehen: •
Die auftreffende Masse erzeugt einen kurzen Kraftstoß, fliegt zur¨ uck, kommt im freien Fall wieder, gibt einen neuen Impuls etc. Die Kraftst¨osse sind nicht regelm¨ aßig verteilt, weil sie sowohl von der Fallzeit als auch von der Periodendauer der Schwingungen abh¨ angen. • Im Laufe der Zeit werden die Zeiten zwischen den Aufprallen k¨ urzer (die Ursache des Klapperns“), noch sp¨ ater (hier nicht angezeigt) bleibt die ” Masse auf der Struktur liegen und schwingt mit ihr.
4.8 Spezielle Probleme
301
Bild 4.23. Impulsantwort ξSg , Zeitverlauf der Feldgr¨ oßen FF , ξm , ξF an der Kontaktstelle und Ortsverlauf der Bewegung beim Impuls einer Masse auf einer rechteckigen Membran. ωF = s/m = 100 [rad]; Kreisfrequenz der Membrangrundgeschwindigkeit 15 [rad].
•
Bei der Membran l¨ auft die St¨ orung mit einer konstanten Geschwindigkeit (gestrichelte Linien im Bild 4.23) von der Kontaktstelle weg und wird wegen der Verteilung auf immer gr¨ oßere Gebiete allm¨ahlich kleiner. Bei der Platte f¨ uhrt die Dispersion der Biegewellengeschwindigkeit zu einem allm¨ahlichen Verlaufen“ des Signals. ” • Die Impulsantwort der Membran weist eine hohe Anfangsspitze auf, weil die Punktadmittanz einer Membran einen sehr großen Imagin¨aranteil hat.
¨ Das hier benutzte numerische Verfahren kann ohne große Anderungen auch auf den Punktstoß zweier beliebiger K¨ orper (falls ihre Impulsantworten bekannt ” ” sind) und auf den Fall einer nichtlinearen (z.B. Hertzschen) Feder erweitert werden. Auch die pl¨ otzliche Entlastung einer vorgespannten Struktur l¨asst sich auf ¨ahnliche Weise behandeln.
302
4 Impedanzen
Bild 4.24. Impulsantwort ξSg , Zeitverlauf der Feldgr¨ oßen FF , ξm , ξF an der Kontaktstelle und Ortsverlauf der Bewegung beim Impuls einer Masse auf einer rechts/m = 1723 [rad]; Kreisfrequenz der Membrangrundgeeckigen Platte. ωF = schwindigkeit 15 [rad].
4.8.2 K¨ orperschallanregung durch pl¨ otzliche Entlastung In Abschnitt 4.8.1.1 wurde berechnet, wie eine Struktur zu K¨orperschall angeregt wird, wenn sie von einer Kraft F (t) u ¨ber eine Masse m und eine (eventuell beliebig steife) Feder s angeregt wird. Die dort im Frequenzbereich abgeleiteten Beziehungen (4.195) und (4.197) gelten nicht f¨ ur St¨oße, sondern auch f¨ ur beliebige Kraftverl¨ aufe, vorausgesetzt, dass man nach (4.193) das Kraftspektrum berechnet hat. Ein neben dem Stoß in der Praxis sehr wichtiger Zeitverlauf ist die pl¨otzliche Entlastung, bei der eine urspr¨ unglich vorhandene statische Kraft FS innerhalb einer kurzen Zeit verschwindet. Beispiele f¨ ur derartige Kraftverl¨aufe und ihre Spektren zeigt Bild 4.25; der Vollst¨ andigkeit halber sind dabei auch einige F¨alle von St¨ oßen angegeben.
4.8 Spezielle Probleme
303
Bild 4.25. Spektren idealisierter Kraftverl¨ aufe
Man erkennt aus den dort angegebenen Gleichungen und Skizzen auch, dass f¨ ur den gleichen Gesamtimpuls bei hohen Frequenzen die Amplituden
304
4 Impedanzen
viel kleiner sind (daf¨ ur im mittleren Frequenzbereich ein klein wenig h¨oher), wenn der Zeitverlauf weniger Spr¨ unge und Knicke aufweist. Die daraus abgeleitete Schlussfolgerung ist, dass man zur Reduzierung der subjektiv besonders st¨ orenden hohen Frequenzen versuchen sollte, Kraft- und Bewegungsverl¨aufe (durch entsprechende Formgebung, durch weiche Zwischenlagen, durch Anschr¨agen, etc.) m¨oglichst gleichm¨ aßig und langsam ver¨anderlich zu machen. Die pl¨otzliche Entlastung spielt in der Maschinenakustik eine Rolle •
beim Stanzen, weil sich nach dem Durchstechen des Werkst¨ uckes die Stanzkraft pl¨otzlich verschwindet und damit das unter mechanischer Spannung stehende Stanzengestell pl¨ otzlich entlastet wird und ausschwingt, • beim Drehen, Fr¨ asen, Bohren etc., weil das Material nicht vollkommen homogen ist, so dass das Werkzeug in sehr schnellem Wechsel etwas gespannt, dann wieder pl¨ otzlich teilweise entspannt wird (Schnittkraftrauschen [4.25]) • beim Reißen und Brechen, wo die vor dem Riss bzw. Bruch gespeicherte potentielle Energie pl¨ otzlich frei wird und die beteiligten mechanischen Bauteile zu Schwingungen anregt. Wenn sich die beteiligten K¨ orper nach der Entlastung nicht trennen, besteht (analog zum Problem des R¨ uckpralls) wieder eine Ungenauigkeit, die in der Gr¨oßenordnung von 3 dB liegt. 4.8.3 Raue Oberfl¨ achen als K¨ orperschallquellen Die K¨orpelschallanregung beim Rollen (Eisenbahn, Autoreifen, Kugellager) und Rutschen ist von großer praktischer Bedeutung. Man k¨onnte sogar die Rollger¨ausche als die wichtigsten Schallquellen bezeichnen, weil sie bei den h¨oheren Geschwindigkeiten f¨ ur den gr¨ oßten Teil des Verkehrsl¨arms verantwortlich sind, der seinerseits laut Umfragen als die am meisten st¨orende Schallquelle gilt. Im einzelnen k¨ onnen beim Rollen und Rutschen folgende Teilmechanismen von Bedeutung sein:
• Abspielen“ der Oberfl¨ achenrauigkeiten (dieser Abschnitt); ” • Parametererregung, falls sich die Imepdanz der Rollbahn ¨ortlich - und damit bei einer fortschreitenden Bewegung auch zeitlich - ¨andert, s.a. Abschnitt 4.8.4, • Spuranpassungsanregung“, falls die Bewegungsgeschwindigkeit mit einer ” Wellenausbreitungsgeschwindigkeit in einer Struktur u ¨bereinstimmt, s.a Abschn. 4.8.4 • Haft-Gleitvorg¨ ange (stick-slip), die auf den Unterschied zwischen der kleineren Gleitreibung und der gr¨ oßeren Haftreibung zur¨ uckzuf¨ uhren sind und zu den bekannten Quietschger¨ auschen (aber auch zum Geigenklang) f¨ uhren [4.26][4.27]
4.8 Spezielle Probleme
305
F¨ ur das Abspielen“ von Oberfl¨ achenrauigkeiten kann man unter folgen” den, stark vereinfachten Bedingungen ein brauchbares Modell aufstellen [4.28]: •
Die Kontaktzone kann als Punkt“ betrachtet werden, d.h. der innerhalb ” einer Schwingungsperiode T = 1/f zur¨ uckgelegte Weg Δ = T U ist gr¨oßer als die L¨ange lK der Kontaktzone, also T U lK
• • • •
oder f U/lK .
(4.220)
U ist die Fahrgeschwindigkeit. Die Fahrgeschwindigkeit U ist wesentlich kleiner als alle Wellengeschwindigkeiten in den beteiligten Strukturen. Es wirken nur Kr¨ afte senkrecht zur Radachse. Die Rollbahn hat eine fast ortsunabh¨ angige Imepdanz, insbesondere keine Diskontunuit¨ aten. Die Kontaktsteife kann durch eine lineare Feder angen¨ahert werden.
F¨ ur die Eisenbahn mit einer Fahrgeschwindigkeit U = 160 km/h = 44, 4 m/s und einer Kontaktl¨ ange von lK = 12 − 18 mm besagt (4.220), dass man bis ca. 1000 Hz mit dem vereinfachten Rollmodell rechnen kann. Es wurde dabei von einer statischen Last von ca. 105 N und einem Radradius von 0,47 m ausgegangen. Dies sind typische Werte. Unter den genannten Voraussetzungen kann man sich vorstellen, dass der Rollvorgang dieselbe K¨ orperschallanregung erzeugt wie das in Bild 4.26 (Mitte) skizzierte Modell, bei dem ein raues Band“ mit der Geschwindigkeit U ” zwischen Rand und Fahrbahn gezogen wird. Die Dicke des Bandes ist ein Abbild der Rauigkeit von Rad bzw. Fahrbahn. Repr¨asentiert man nun noch das Rad durch seine Impedanz ZR , die Fahrbahn durch ZF und die Kontaktsteifen durch Federn sc1 und sc2 , dann entsteht das in Bild 4.26 unten stehende Modell. Rechnet man hier mit den spektralen Gr¨ oßen (Zeigern), dann kann man folgende Bewegungsgleichungen aufstellen: obere Kontaktfederkraft: FˆR = sc2 ξˆr2 − ξˆR untere Kontaktfederkraft: FˆF = sc1 ξˆr1 − ξˆS Kr¨aftegleichheit an der Feder: Dicke des Rauigkeitsbandes: Radimpedanz: Fahrbahnimpedanz:
FˆF = FˆR ξˆrau = ξˆr1 + ξˆr2 FˆR = ZR vˆR = jωZR ξˆR FˆF = ZF vˆF = jωZF ξˆF .
Durch Elimination von ξˆr1 , ξˆr2 , FˆF , FˆR gewinnt man daraus
(4.221)
306
4 Impedanzen
¨ Bild 4.26. Ubergang von Rollvorgang zur idealisierten Rauigkeitsanregung
ξˆrau
ξˆF = 1+
ZF ZR
+ jωZS
ξˆrau ξˆR = F 1+ Z ZR +
jωZR sc
.
1 sc1
+
1 sc2
=
ˆ
1+
ξrau ZF F + jωZ ZR sc
(4.222)
4.8 Spezielle Probleme
307
Dabei ist sc = (1/sc1 + 1/sc2 )−1 die gesamte Kontaktsteife. Die Gesamtrauigkeit ξrau , die hier erscheint, bestimmt man durch Messung der Rad- und Fahrbahnrauigkeiten, indem man mit einem Abtaster mit der konstanten Geschwindigkeit UM u ¨ber die interessierende Fl¨ache f¨ahrt und das so erhaltene Zeitsignal in seine Spektralanteile zerlegt. Die bei der Fahrgeschwindigkeit U f¨ ur die Frequenz f relevante Amplitude ist dann der Spektralanteil im Rauigkeitssignal, den man bei der Frequenz f UM /U gemessen hat. Einige Schlussfolgerungen, die sich aus (4.222) ergeben, sind: •
Die K¨orperschallamplituden und damit auch der abgestrahlte Luftschall sind den Rauigkeitsamplituden proportional. Daraus folgt, dass bei periodischen Oberfl¨ achenrauigkeiten (Riffeln) mit der Rauigkeitswellenl¨ange λR der entstehende Ton die Frequenz U/λR hat. • Das jenige Bauteil, welches die kleinere Impedanz hat, wird am st¨arksten angeregt; bei den Radresonanzen sind die Radimpedanzen sehr klein, also schwingt das Rad bei den entsprechenden Frequenzen sehr stark. • Erh¨oht man die Fahrbahnimpedanz, dann bewegt sich das Rad mehr. Erh¨oht man die Radimpedanz, so steigt die Bewegung der Fahrbahn. Ob dabei mehr Luftschall erzeugt wird, h¨ angt vom Abstrahlverhalten ab. • Wenn es gelingt die Kontaktsteife kleiner zu machen (weichere Materialien, andere Profile), wird weniger Schall erzeugt, weil der Teil der Ausgangsrauigkeit , den die Kontaktsteife abfedert“ weder Rad noch Fahrbahn ” anregt.
Das hier skizzierte Radmodell hat sich f¨ ur die Berechnung von Eisenbahnger¨auschen bew¨ahrt [4.28]-[4.30]. Falls die Fahrbahngeschwindigkeiten so klein sind, dass (4.220) nicht erf¨ ullt ist, wird noch ein mehr oder weniger empirischer Kontaktfilter“ in die Rechnung mit einbezogen, um bei hohen Frequenzen ” bessere Ergebnisse zu erhalten. 4.8.4 Parameteranregung Als Beispiel einer Parameteranregung betrachten wir eine Balken auf einer ungleichm¨aßigen elastischen Bettung, der durch eine bewegte, konstante Punktkraft F0 angeregt wird, s. Bild 4.27.
Bild 4.27. Anregung eines Balkens. auf einer ungleichm¨ aßigen Bettung, durch eine bewegte Punktlast, starre Unterlage
308
4 Impedanzen
Die Bewegungsgleichung f¨ ur dieses System lautet (s.a. Abschnitt 2.7.4.4) ∂2ξ ∂4ξ + m 2 + s(x)ξ = F0 δ(x − U t). (4.223) 4 ∂x ∂t Dabei wird die bewegte Last durch eine Deltafunktion dargestellt. Die ungleichm¨aßige Bettung kommt in der Ortsunabh¨angigkeit der Bettunssteife s(x) zum Ausdruck. Wir stellen nun alle Feldgr¨ oßen im Frequenzbereich dar, d.h. B
1 2π 1 δ(x − U t) = 2π ξ(x, t) =
ˆ ω)ejωt dω, ξ(x, ω
ej U (U t−x) d
ω U
=
1 2πU
ω
(4.224)
ej U x ejωt dω.
Eingesetzt in (4.223) ergibt das f¨ ur die Spektralgr¨oßen, also ohne ejωt und die ω-Integration B
% $ ∂4 ˘ ˘ ω) = F0 e−j Uω x . ξ(x, ω) − ω 2 m − s(x) ξ(x, 4 ∂x U
(4.225)
Es handelt sich hierbei um eine lineare Differentialgleichung mit nicht konstanten Koeffizienten. F¨ ur eine allgemeine L¨osung ist man auf numerische Verfahren oder auf N¨ aherungen angewiesen. Hier benutzen wir ein iteratives Verfahren (das allerdings nicht f¨ ur alle Parameterkombinationen anwendbar ist), das davon ausgeht, dass die Bettungssteife aus einem Gleichanteil s und einem Wechselanteil ε(x)s besteht. Damit wird (4.225) ∂4 ˘ ˘ ω) = F0 e−j Uω x − sε(x)ξ(x, ˘ ω). (4.226) ξ(x, ω) − ω 2 m − s ξ(x, 4 ∂x U Als erste N¨aherung vernachl¨ assigen wir den zweiten Term auf der rechten Seite. Die L¨osung der verbleibenden Gleichung ist B
F0 ejωx/U ξ˘0 (x, ω) = . U B(ω/U )4 − (ω 2 m − s)
(4.227)
An der Nullstelle ist diese L¨ osung als erster Iterationsschritt zwar bedenklich, aber man kann erwarten, dass an der entsprechenden Stelle, also bei 4 ω coinc 2 = ωcoinc m − s; B U d.h. m ± m2 − 4sB/U 4 2 ωcoinc = (4.228) 2B/U 4 hohe Pegel auftreten. Es handelt sich dabei um ein Koinzidenzph¨anomen ( r¨aumliche Resonanz“) weil die anregende Geschwindigkeit und Wellenge” schwindigkeit gleich sind. Da die Wurzel reell sein muss, kann es nicht f¨ ur alle Werte von U auftreten, sondern nur dann wenn
4.8 Spezielle Probleme
U4 > 4
s B m m
oder U >
√ & 2 4 ωS2 B/m .
309
(4.229)
Dabei ist ωS = (s/m )1/2 die Resonanzfrequenz des aus Balkenmasse und Bettungsfeder gebildeten Systems und die vierte Wurzel ist die Biegewellengeschwindigkeit bei dieser Frequenz. Setzt man in (4.229) Zahlenwerte ein, so stellt man fest, dass bei gut verlegten Eisenbahnschienen die Bedingung (4.229) nicht erf¨ ullt ist. Die Z¨ uge w¨ urden n¨amlich sonst entgleisen. Bei schlecht aufgepumpten Autoreifen kann es dagegen vorkommen, dass eine sehr hohe Fahrgeschwindigkeit etwa gleich der Geschwindigkeit ist, mir der K¨ orperschallwellen um den Reifen herumlaufen. Ein gef¨ahrliches Flattern ist die Folge. Abgesehen von der Luftschalld¨ ammung (s. Abschnitt 6.8) ist ein weiterer Fall, bei der Konzidenz eine Rolle spielt, die sog. Grenzschichtger¨ausche (boundig layer noise). Beispiele findet man bei Flugzeugen oder bei Rohren, in denen eine Fl¨ ussigkeit oder ein Gas str¨ omt. Die Grenzschichtger¨ausche entstehen, wenn eine turbulente Str¨ omung mit der Geschwindigkeit U an einer Wand entlangstr¨omt. Da man sich die kleinen Turbulenzballen als einzelne, mit der Geschwindigkeit U bewegte Kr¨ afte bzw. Kr¨ aftepaare vorstellen kann, liegt Koinzidenz vor, wenn U gleich der Biegewellengeschwindigkeit der Wand ist. Da Str¨omungsgeschwindigkeiten ziemlich hoch und umstr¨omte W¨ande d¨ unn sind (kleine Biegewellengeschwindigkeit), kann diese Art der Koinzidenz durchaus im mittleren und hohen Frequenzbereich auftreten. Allerdings wird in der Praxis kein tonales Signal erzeugt, wie (4.227) erwarten ließe, weil noch andere Ph¨anomene eine Rolle spielen. Insbesondere ist zu bedenken, dass eine Koinzidenz (¨ahnlich wie eine Resonanz) eine gewisse Einlaufl¨ange“ ben¨otigt, ” also eine gewisse L¨ ange, u ¨ber die die Kraft konstant ist. Das ist bei Grenzschichtger¨auschen nur sehr bedingt der Fall, weil die Turbulenzballen st¨andig neu entstehen und zerfallen. Wenden wir uns nun wieder der Parameteranregung zu, dann empfiehlt es sich in (4.226) die Substitution ˘ ω) = ξ˘0 (x, ω) + ξ˘1 (x, ω) ξ(x,
(4.230)
zu machen. Da ξ˘0 (x, ω) f¨ ur die Gleichung zum Teil erf¨ ullt, verbleibt noch folgende Bestimmungsgleichung f¨ ur ξ˘1 (x, ω) B
d4 ξ˘1 (x, ω) −(ω 2 m −s)ξ˘1 (x, ω) = −sε(x)ξ˘= (x, ω)−sε(x)ξ˘1 (x, ω). (4.231) dx4
Vernachl¨assigt man hier den zweiten Term auf der rechten Seite, dann hat (4.231) wieder die Form einer Balkengleichung auf einer konstanten Bettung, die von von einer Druckverteiling der Form sε(x)ξ˘0 (x, ω) angeregt wird. Es werden also um so gr¨ oßere Wechselbewegungen erzeugt, je gr¨oßer die Schwankungen der Steife sind und je mehr die homogene Anordnung durch die bewegte Kraft angeregt wird.
310
4 Impedanzen
Eine allgemeine L¨ osung von (4.231) ohne den letzten Term ist mit Hilfe der r¨aumlichen Fouriertransformation m¨ oglich (s.a. Abschn. 4.4.3). Wir wollen uns jedoch hier auf den einfachen Fall der rein sinusf¨ormigen Schwankung beschr¨anken und ε0 +j2πx/λR − e−j2πx/λR ε(x) = ε0 sin(2πx/lR ) = (4.232) e 2j aumliche Periodizit¨at der Schwankung. Setzt anzusetzen. Dabei ist λR die r¨ man dies und (4.227) in (4.231), so liefert die gleiche Rechnung, die zu (4.227) f¨ uhrte e−jk1+ x ε0 e−jk1− x F0 s ˘ ξ1 (x, ω) = − 4 −(ω 2 m −s) − Bk 4 −(ω 2 m − s) . 2jU Bk04 −(ω 2 m −s) Bk1+ 1− (4.233) Dabei ist 2π 2π ω ω ω − + k0 = ; k1+ = ; k1− = . (4.234) U U λR U λR Wie man sieht, k¨ onnen nun bei drei Frequenzen die Nenner verschwinden, und damit sehr hohe K¨ orperschallamplituden auftreten. Im Frequenzbereich ω > (s/m )1/2 (das ist der haupts¨achlich interessierende Bereich) liegen sie bei " 2 ω ω0 ω0 4 ω m oder U = cB (4.235a) ≈ oder = U B U cB 1 ω 2π ω 2πU − ≈ oder ω1+ ≈ (4.235b) U λR cB λR 1 − U/cB ω 2πU 1 ω 2π =− oder ω1− ≈ − . (4.235c) + U λR cB λR 1 + U/cB F¨ ur den h¨aufiger Fall, dass cB U gilt, f¨ uhren die beiden letzten Ausdr¨ ucke zu 2π U bzw. f ≈ U/λR . (4.236) ω1 ≈ λR Es wird also erwartungsgem¨ aß haupts¨ achlich die Frequenz (auch Stolperfrequenz genannt) erregt, deren Periodendauer der Fahrzeit von einer Steifeerh¨ohung zur n¨ achsten entspricht. Das Iterationsverfahren k¨ onnte man noch weiter treiben und mit Hilfe von aherung finden, aber der damit verbundene Informationsξ˘1 eine verbesserte N¨ gewinn ist gering, zumal die der Iteration zugrundeliegende Annahme, dass ullt ist. ξ˘1 < ξ˘0 an den interessanten Nullstellen des Nenners nicht erf¨ In diesem Abschnitt wurde zwar nur der Fall des Balkens betrachtet, aber die dabei gewonnenen qualitativen Ergebnisse lassen sich auch auf andere Strukturen u ormige Lasten angeregt werden: ¨bertragen, die durch gleichf¨ a) Wenn Bewegungsgeschwindigkeit und Wellengeschwindigkeit gleich sind, gibt es starke Koinzidenzanregung.
4.8 Spezielle Probleme
311
b) In erster N¨aherung entspricht die Parameteranregung einer Druckverteilung der Form sε(x)ξ0 (x, ω) oder Z(x)˘ v0 (x, ω) (4.237) die auf eine homogene Struktur wirkt. Dabei bedeuten ξ˘0 (x, ω) bzw. v˘0 (x, ω) die Spektren der Ortsverteilung der Bewegung bzw. der Schnelle, die die mit der Geschwindigkeit U bewegte Last F0 auf den entsprechenden homogenen Struktur erzeugt. Z(x) ist die (ortsabh¨angige) Impedanz, auf der sich die homogene Struktur abst¨ utzt. c) Wenn ein Parameter sich mit r¨ aumlichen Perioden λR wiederholt (z.B. Spantenabstand oder Schwellenabstand), dann wird besonders der Frequenzbereich in der N¨ ahe von U/λR angeregt. Das hier beschriebene Iterationsverfahren eignet sich zwar f¨ ur die Herleitung qualitativer Ergebnisse, f¨ ur die Berechnung von konkreten F¨allen ist es - wegen der s¨akularen L¨ osung - wenig geeignet. Es empfiehlt sich stattdessen Verfahren zu verwenden, bei denen die Inhomogenit¨aten durch Zusatzkr¨afte ersetzt werden. Die Berechnung dieser Zusatzkr¨afte erfordert dann die L¨osung mehr oder weniger großer linearer Gleichungssysteme. 4.8.5 Elastische Lagerung Die in der Praxis am meisten verwendete Methode die K¨orperschalleinleitung zu verringern, ist die elastische Lagerung. Dabei kann die Quelle (z.B. eine Maschine) konzentriert sein und durch die elastische Lagerung ein großes Gebiet gesch¨ utzt werden. Es ist aber auch m¨ oglich, dass ein ganzes Geb¨aude oder dgl. vibriert und einzelne Bereiche (Aufenthaltsr¨ aume, empfindliche Messger¨ate und dgl.) gesch¨ utzt werden sollen. Manchmal werden auch ganze Geb¨aude elastisch gelagert, um sie vor Ersch¨ utterungen aus der Umgebung zu sch¨ utzen. In diesem Text wird nur der (h¨ aufigere) Fall behandelt, f¨ ur den zweiten ist die Rechnung sehr ¨ ahnlich. Eine elastische Lagerung besteht aus einem oder mehreren federnden Elementen, die zwischen die K¨ orperschallquelle und die zu sch¨ utzende Struktur eingebaut sind. Wir wollen uns hier auf ein federndes Element und eine Schwingungsrichtung beschr¨ anken, obwohl das eine sehr starke Idealisierung ist. Sie liefert aber trotzdem brauchbare Ergebnisse, vorausgesetzt, dass die wichtigste“ Bewegungsrichtung bekannt ist. und die elastische Lagerung nicht ” durch K¨orperschallbr¨ ucken (z.B. zus¨ atzliche Rohrleitungen, Antriebswellen, eventuell auch Luftschall) kurzgeschlossen“ ist. ” Das in diesem Text untersuchte Modell ist in Bild 4.28 skizziert. Im Gegensatz zur u ¨blichen Betrachtung der elastischen Lagerung wird das Fundament nicht als sehr starr angenommen, und es wird die Wellenausbreitung (und damit das Auftreten von inneren Resonanzen) in der Feder zugelassen. Da wir nur eine Bewegungsrichtung betrachten, lauten die die verschiedenen Feldgr¨oßen beschreibenden Gleichungen:
312
4 Impedanzen
Bild 4.28. Idealisierte elastische Lagerung. K¨ orperschallquelle der Masse m, Federndes Element (Wellenleiter), eventuelle Zusatzmasse (mit fest verbunden), zu sch¨ utzende Struktur
Kr¨afte an der Masse m: Bewegunsglg. Wellenleiter, s. (3.45)
F0 − F1 = jωmv1 F2 = F1 cos kw lw − jZw v1 sin kw lw v2 = (−j/Zw )F1 sin kw lw + v1 cos kw lw
Kr¨afte an Zusatzmasse F2 − F3 = jωmz v2 Kr¨afte auf der Struktur F3 = ZS v2 (4.238) Wenn mehrere Bewegungsgleichungen und komplizierte Anordnungen interessieren, k¨onnen die in Abschnitt 1.2.3 benutzten Lagrangeschen Gleichungen oder das Hamiltonsche Prinzip verwendet werden. Vereinfachungen ergeben sich dabei, wenn man die Teilsysteme durch eine dynamische Masse“ charak” terisiert. Diese Gr¨ oße ist durch ZS /jω gegeben, wobei ZS die Eingangsimpedanz der interessierenden Struktur ist. Hinweise u ¨ber die Gr¨oße von ZS kann man aus der Tabelle 4.1 auf Seite 274 oder aus (4.151) und (4.153) erhalten. Abgesehen von den aus Bild 4.28 ersichtlichen Gr¨oßen, bedeuten in den obigen Gleichungen Zw = Wellenwiderstand des Wellenleiters, kw = (komplexe) Wellenzahl des Wellenleiters, ZS = 1/AS = Eingangsimpedanz der Struktur. Man kann sich leicht davon u ur sehr kurze federnde Ele¨berzeugen, dass f¨ mente die Cosinus- und Sinusterme entwickelt werden k¨onnen wegen kw lw Zw = ωmw
bzw.
kw lw /Zw = ω/sw
(4.239)
zu den bekannten Gleichungen f¨ ur einfache Federn f¨ uhren. mw bzw. sw sind die gesamte Masse bzw. die gesamte tieffrequente Federsteife des Wellenleiters. Aus den f¨ unf Beziehungen (4.238) kann man die verschiedenen Gr¨oßen ausrechnen, die zur Charakterisierung elastischer Lagerungen verwendet werden.
4.8 Spezielle Probleme
•
Isolationsgrad ΔLF = 10 lg
= 10 lg •
|F0 |2 |F3 |2
z w cl + j Z
1 + jω m+m ZS ZS −
1+
jωmz ZS
2
sl
(4.240) ;
Schnelle-Pegeldifferenz j Zw (ZS
2
+ jωmz )sl
|cl2 + sl2 |2
(4.241)
¨ Ubertragene Leistung PK
•
ωm ZS
|cl2 + sl2 |2
cl + |v1 |2 ΔLv = 10 lg = 10 lg |v2 |2 •
313
2 1 1 1
F3
∗ 2 ; = Re{F3 v2 } = |F0 |Re 2 2 F0 ZS
(4.242)
F3 /F0 siehe (4.240) Einf¨ ugungsd¨ammung PK, starr |F3, starr |2 = 10 lg PK, elast |F3 |2
2
Zw ωm z − (1 + jωm /Z ) sl
cl + j
1 + jω m+m z S ZS ZS Zw = 10 lg .
2
z
2 + sl2 |2 |cl
1 + jω m+m
ZS (4.243)
ΔLI = 10 lg
Dabei bedeuten cl = cos kw lw und sl = sin kw lw . Man beachte, dass im allgemeinen kw komplex ist. Man darf also Sinusund Cosinusquadrate nicht zu eins addieren. PK, elast bzw. PK, starr sind die mit bzw. ohne elastische Lagerung (d.h. f¨ ur kw lw = 0) u ¨bertragenen Leistungen. F3, starr ist die auf das Fundament wirkende Kraft, wenn die Feder durch ein starres Zwischenst¨ uck ersetzt wird. Die Einf¨ ugungsd¨ammung gibt ¨ an, wie stark die Ubertragung durch den Einbau der Feder verringert wird. Die Schnellepegeldifferenz ist die im eingebauten Zustand am leichtesten zu messende - aber h¨ aufig nicht sehr aussagekr¨ aftige - Gr¨oße. F¨ uhrt man Beispielrechnungen durch, so erh¨ alt man Ergebnisse, die zum Teil sehr stark frequenz abh¨angig sind, weil sich neben der normalen Abstimmfrequenz ω0 = sw /m auch die inneren Federresonanzen, die etwa bei kw lw = nπ liegen, und die Resonanzen der Fundamentstruktur auf den Frequenzgang auswirken. Weitere allgemein g¨ ultige Schlußfolgerungen sind: •
F¨ ur einen gegebenen Fall k¨ onnen Isolationsgrad, Pegeldifferenz der Schnelle und Einf¨ ugungsd¨ ammung zahlenm¨ aßig sehr verschieden sein.
314
•
4 Impedanzen
Um eine gute Isolation zu erzielen, muss die Federimpedanz wesentlich kleiner sein als die aller angeschlossenen Bauteile; gleichbedeutend damit ist die Aussage, dass die Feder wesentlich weicher sein muss als sowohl die Struktur der Maschine als auch das Fundament innerhalb der jeweiligen Strukturwellenl¨ ange. • Ist die Impedanz des Fundamentes wesentlich gr¨oßer als die des Bauteils u uged¨ ammung sehr klein sein, obwohl ¨ber der Feder, dann kann die Einf¨ die Schnellepegeldifferenz hohe Werte annimmt. Der Grund daf¨ ur ist, dass bei der starren Befestigung ein Festhalteeffekt“ eintritt, w¨ahrend bei der ” elastischen Lagerung die Schnelle v1 wesentlich h¨ohere Werte annehmen kann. • Die inneren Federresonanzen haben bei hohen Frequenzen einen starken Einfluss auf die Isolierwirkung; g¨ unstig sind leichte Federn (Luftfedern statt Stahlfedern) und solche mit hoher innerer D¨ampfung.
Literatur
4.1. 4.2. 4.3.
4.4. 4.5. 4.6. 4.7. 4.8. 4.9. 4.10. 4.11. 4.12. 4.13. 4.14. 4.15. 4.16. 4.17. 4.18. 4.19. 4.20. 4.21. 4.22. 4.23.
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5 D¨ ammung von K¨ orperschall
5.1 Material- und Querschnitt-Wechsel Nachdem wir im letzten Kapitel die wichtigsten Anregungsf¨alle von K¨orperschall kennengelernt haben, gehen wir nun dazu u ¨ber, die Ausbreitung von K¨orperschall in komplexen Strukturen zu untersuchen. Nach der Anregung treffen die Wellen bald auf Stellen, wo sich entweder das Material oder die Bauart oder gar beides ¨ andern. Jede solche Unstetigkeit aber f¨ uhrt zu einer Reflexion. Dadurch wird die u ¨ber sie hinwegtretende Energie kleiner als die aufgefallene. Die Unstetigkeit bildet somit einen gewissen Damm. Die Kenntnis solcher D¨ammwirkungen, und zwar sowohl solcher, die jede Konstruktion von vornherein aufweist, als auch solcher, die man evtl. zu diesem Zweck eigens einf¨ uhrt, bildet einen praktisch wichtigen Teil der Lehre vom K¨orperschall, dem wir uns in diesem Kapitel zuwenden. Es ist kaum m¨ oglich, alle Variationen praktisch vorkommender Randbedingungen zu erfassen. Wir werden uns damit begn¨ ugen, die grundlegendsten und typischsten F¨ alle herauszugreifen. Leider kann aus ihnen nicht ohne weiteres auf anscheinend a alle geschlossen werden, denn es ¨hnlich gelagerte F¨ wird sich zeigen, dass oft kleine Variationen in den Randbedingungen große ¨ Anderungen in den D¨ ammwirkungen hervorrufen k¨onnen. Immerhin d¨ urften ¨ die in diesem Kapitel zusammengestellten Berechnungen einen Uberblick geben, der zeigt, wie auch darin nicht behandelte F¨alle in Angriff zu nehmen sind. Im Prinzip verlaufen alle Rechnungen zur Ermittlung von D¨ammwerten nach demselben - auch bei der Berechnung von Streuproblemen angewandten - Schema ab. a) Es wird eine einfallende Welle mit vorgegebener Amplitude angesetzt. b) Es wird ein allgemeiner Ansatz mit unbestimmten Koeffizienten (Amplituden) f¨ ur die reflektierten und durchgelassenen Wellen gemacht. Dabei wird meistens (aber nicht in Abschnitt 5.5, 5.6 und 5.9) angenommen, dass sich die durchgelassenen Wellen nur von der Diskontinuit¨atsstelle entfer-
318
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
nen und nicht an einer weiteren Reflexionsstelle wieder zur¨ uckgeworfen werden. c) Die Randbedingungen werden ber¨ ucksichtigt; d.h. es wird ein Satz von Gleichungen f¨ ur die Bewegungen (Schnellen), Kr¨afte (Spannungen) und Momente an der Diskontinuit¨ atsstelle aufgestellt. Die Anzahl der Gleichungen muss dabei gleich der Anzahl der unbekannten Amplituden sein. d) Aus dem unter c) aufgestellten Gleichungssystem werden die unbekannten Koeffizienten der reflektierten und durchgelassenen Wellen bestimmt. Wegen der linearen Superponierbarkeit der Feldgr¨oßen ist das gleichbedeutend mit der L¨ osung eines linearen Gleichungssystems. Die Superponierbarkeit ist bei den meisten praktischen Problemen gegeben. Eine Ausnahme bilden die Biegeschwingungen d¨ unner Platten bei tiefen Frequenzen, wenn die Bewegungsamplitude gr¨ oßer als die Plattendicke ist. e) Aus den nach d) berechneten Amplituden werden Energiegr¨oßen, wie z.B. Reflexions- und Transmissionsgrad, bestimmt. Da die D¨ammung von K¨ orperschall h¨ aufig frequenzabh¨angig ist, wird im Folgenden stets mit Wellen einer Frequenz gerechnet. In den dabei auftretenden Gleichungen wird der Zusatz Re ...ejωt der Einfachheit halber weggelassen. Auch auf die besondere Kennzeichnung komplexer Gr¨oßen durch Unterstreichung wird im Normalfall verzichtet. 5.1.1 D¨ ammung von Longitudinalwellen Die folgenden Rechnungen, die f¨ ur St¨ abe durchgef¨ uhrt werden, Gelten - wie in Kap. 2 bereits erw¨ ahnt wurde - auch f¨ ur Platten bei senkrechtem Schalleinfall, wenn man den Elastizit¨ atsmodul E durch E/(1 − μ2 ) ersetzt. Da 1 − μ2 etwa 0,9 betr¨agt, wirkt sich diese Differenz bei der Berechnung von D¨ammungen, wo Unterschiede von weniger als 1 dB kaum interessieren, fast nicht aus. Bei den hier zuerst interessierenden Longitudinalwellen mit Mediumwechsel und/oder Querschnittswechsel verl¨ auft die Rechnung fast genauso wie bei der dazu analogen Luftschallausbreitung in Rohren. Dementsprechend ist der Ansatz f¨ ur die Schnelle der Longitudinalwellen zu beiden Seiten einer Diskontinuit¨atsstelle (siehe Bild 5.1) v1 = v1+ e−jk1 x + v1− ejk1 x −jk2 x
v2 = v2+ e
f¨ urx < 0 f¨ urx > 0.
Nach (2.36) errechnen sich daraus die L¨ angskr¨ afte zu f¨ urx < 0 F1 = Z1 v1+ e−jk1 x − v1− ejk1 x F2 = Z2 v2+ e−jk2 x
f¨ urx > 0.
(5.1)
(5.2)
Dabei sind Z1 = ρ1 S1 cL1
bzw.
Z2 = ρ2 S2 cL2
(5.3)
5.1 Material- und Querschnitt-Wechsel
319
Bild 5.1. Skizze zu den Randbedingungen f¨ ur die Longitudinalwellen¨ ubertragung am Querschnittssprung des Balkens
die Wellenwiderst¨ ande zu beiden Seiten der Diskontinuit¨atsstelle und S1 , S2 die beiden Querschnittsfl¨ achen. Da die Verbindung an der Diskontinuit¨ atsstelle x = 0 starr sein soll, ist die erste Randbedingung v1 (x = 0) = v2 (x = 0).
(5.4)
Wohl w¨ urde in der Trennfl¨ ache auch die Gleichheit der Spannungen gelten, aber dieselben verteilen sich in dem gr¨ oßeren Querschnitt in einer geringen Entfernung bereits auf dem ganzen Querschnitt und sinken dadurch ab. Dagegen bleibt die gesamte u ¨bertragene Druckkraft erhalten. die zweite Randbedingung lautet somit F1 (x = 0) = F2 (x = 0)
oder
− S1 σ1 (x = 0) = −S2 σ2 (x = 0).
(5.5)
Setzt man (5.1) und (5.2) in (5.4) und (5.5) ein, so erhalten wir f¨ ur die durchgelassene Welle 2Z1 . (5.6) v2+ = v1+ Z1 + Z2 Bedenkt man noch, dass einfallende und durchgelassene Leistung gegeben sind durch: 2 2 , P2+ = Z2 v˜2+ (5.7) P1+ = Z1 v˜1+ so folgt f¨ ur das Verh¨ altnis der Leistungen, das als Transmissionsgrad τ bezeichnet wird: 2 P2+ Z2 4 2Z1 τ= = = (5.8) 2 . P1+ Z1 Z1 + Z2 Z1 /Z2 + Z2 /Z1 Man kann u ¨brigens die letzten Gleichungen auch dadurch ableiten, dass man v2+ eliminiert und das Verh¨ altnis v1− /v1+ bildet das hier wie in Kap. 2.6 und Kap. 3.3 als Reflexionsfaktor r eingef¨ uhrt sei. (Beim Luftschall ist es gebr¨auchlich, das entsprechende Schalldruckverh¨ altnis p1− /p1+ als Reflektionsfaktor einzuf¨ uhren, welches sich von der hier gew¨ ahlten, bei K¨orperschallproblemen besser angepassten Definition durch das Vorzeichen unterscheidet.
320
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
F¨ ur den so definierten Reflexionsfaktor ergibt sich: r=
Z1 − Z2 . Z1 + Z2
(5.9)
Das Quadrat dieses Ausdrucks stellt den Quotienten aus reflektierter Energie zur auffallenden dar, der, wie bereits in Kap. 2.6 erw¨ahnt, als Reflexionsgrad ρ bezeichnet wird: ρ = |r|2 . (5.10) Da aber bei den vorliegenden Problemen die nichtreflektierte Energie zugleich die durchgelassene sein muss, l¨ asst sich der Transmissionsgrad hier auch errechnen aus: (5.11) τ = 1 − ρ = 1 − |r|2 , was ebenso auf (5.8) f¨ uhrt. Die Beziehung gilt aber keineswegs bei allen D¨ammproblemen, n¨amlich dann nicht, wenn es sich um Zwischenst¨ ucke handelt mit inneren Verlusten. Dann ist die nichtreflektierte oder absorbierte“ Energie aufzuteilen in die ” durchgelassene und in eine im Innern des Zwischenst¨ ucks in W¨arme umgesetzte. Man hat daher auch noch die Begriffe Absorptionsgrad α“ und Dissipati” ” onsgrad δ“ gepr¨agt, die jeweils die Quotienten der absorbierten (im Sinne von nichtreflektierten) und der in W¨ arme umgesetzten Energie zur aufgefallenen bezeichnen. Wir wollen uns noch klarmachen, wie wenig ein einfacher Querschnittswechsel in der Lage ist, zu einer nennenswerten D¨ammung zu f¨ uhren. F¨ uhren wir f¨ ur das Querschnittsverh¨ altnis den Parameter σ = S1 /S2
f¨ ur Balken, bzw. σ = h1 /h2
f¨ ur Platten
(5.12)
ein, und setzen wir im u ¨brigen Gleichheit des Materials voraus, so vereinfacht sich (5.8) zu: 4 (5.13) τ = −1/2 (σ + σ 1/2 )2 bzw. f¨ ur das durch
1 R = 10 lg( ) dB τ definierte Schalld¨ammmaß ergibt sich: 1 R = 20 lg (σ −1/2 + σ 1/2 ) dB. 2
(5.14)
(5.15)
Hiernach bringt ein Querschnittsverh¨ altnis von 1:2 die kaum merkliche D¨ammung von 0,5 dB. Diese Absch¨ atzung l¨ asst bereits erkennen, wie wenig wir damit rechnen d¨ urfen, dass selbst konstruktiv beachtliche Querschnittswechsel zu einer erheblichen D¨ ammung f¨ uhren. Von der Frage des Energie¨ ubertritts ist der Wechsel der beobachtbaren Feldgr¨oßen zu unterscheiden, z.B. von Schnelle und Spannung. Diese sinken
5.1 Material- und Querschnitt-Wechsel
321
nach (5.6) z.B. bei einem Querschnittswechsel wesentlich st¨arker. Man darf aber nicht u ¨bersehen, dass dies auch damit zusammenh¨angt, dass sich die Energie auf einen breiteren Querschnitt verteilt. Wenn dieser an sp¨aterer Stelle sich wieder verschm¨ alert, k¨ onnen auch die Feldgr¨oßen wieder ansteigen, wobei dann die geringe energetische D¨ ammung deutlich zutage tritt. 5.1.2 D¨ ammung von Biegewellen ¨ Wir wollen nun die entsprechenden Uberg¨ ange f¨ ur Biegewellen betrachten. Hier k¨onnen wir uns nicht auf analoge Beziehungen aus dem Luftschall st¨ utzen. Dies zeigt sich schon in den anzusetzenden Randbedingungen, deren Zahl, wie wir schon in Kap. 2.4 dargelegt haben, von 2 auf 4 gestiegen ist. Nicht nur m¨ ussen (s. Bild 5.2) die diesmal transversal gerichteten Schnellen und Kr¨afte rechts und links der Sprungstelle gleich sein: vy1 = vy2 ,
Fy1 = Fy2
(5.16)
sondern auch die Winkelgeschwindigkeiten und die Momente: wz1 = wz2 ,
Mz1 = Mz2 .
(5.17)
Bild 5.2. Skizze zu den Randbedingugen f¨ ur die Biegewellen¨ ubertragung am Querschnittssprung eines Balkens
Um diese 4 Randbedingungen zu erf¨ ullen, muss daher unser L¨osungsansatz vier noch zu bestimmende Gr¨ oßen enthalten. Nun hatten wir bereits in Kap. 2.4.2 bei der Frage der vollst¨ andigen Reflexion von Biegewellen dargelegt, dass außer abgehenden Wellen auch quasistation¨ ar mitschwingende Nahfelder als L¨osungsform in Erscheinung treten. Entsprechend haben wir hier folgenden Ansatz f¨ ur die Schnelle zu machen $ % urx < 0 vy1 = v1+ e−jk1 x + rejk1 x + rj ek1 x f¨ (5.18) $ −jk2 x % −k2 x vy2 = v1+ te + tj e f¨ urx > 0.
322
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
Die erste Randbedingung in (5.16) liefert daher f¨ ur x = 0 vy : r + rj − t − tj = −1.
(5.19)
Der n¨achste Schritt der Rechnung besteht darin, die Winkelgeschwindigkeit wZ , das Biegemoment MZ und die Querkraft Fy zu berechnen. Wie in Kap. 2.3.1 gezeigt wird, h¨ angen diese Gr¨ oßen mit der Schnelle durch Differentiationen zusammen. Die entsprechenden Beziehungen lauten wz =
∂vy ; ∂x
Mz = −
B ∂ 2 vy ; jω ∂x2
Fy =
B ∂ 3 vy . jω ∂x3
(5.20)
Setzt man hier (5.18) ein, dann ergibt sich an der Stelle x = 0 unter Ber¨ ucksichtigung der Randbedingungen (5.16) und (5.17)
Fy :
wz : jk1 r + k1 rj + jk2 t + k2 tj = jk1 2 Mz : B1 k1 r − B1 k12 rj − B2 k22 t + B2 k22 tj = −B1 k12 −jB1 k13 r + B1 k13 rj − jB2 k23 t + B2 k23 tj = −jB1 k13 .
(5.21a) (5.21b) (5.21c)
W¨ahrend beim Longitudinalwellenproblem der Energie¨ ubertritt nur durch eine Konstante, n¨amlich den Quotienten der mechanischen Wellenwiderst¨ande Z2 /Z1 gekennzeichnet ist, treten beim Biegewellenproblem stets zwei charakteristische Verh¨ altniszahlen auf, z.B. in der obigen Gleichungsgruppe die Quotienten # λ1 k2 m B1 = 4 2 = . (5.22) κ= k1 m 1 B2 λ2 und davon getrennt B2 /B1 . Statt des Quotienten aus den Biegesteifen wollen wir im Folgenden den Ausdruck # k22 B2 m2 B2 = =ψ (5.23) 2 k1 B1 m1 B1 einf¨ uhren. Die hier im Z¨ ahler und Nenner auftretenden Gr¨oßen (m B)1/2 besitzen f¨ ur die Biegewellen eine kennzeichnende Bedeutung. = m1 B1 , WB2 = m2 B2 (5.24) WB1 Die Analogie zur Longitudinalwelle trifft nur insofern nicht zu, als diese Biegewellen-Impedanzen nicht den Quotienten aus Querkraft und Schnelle ein in positiver x-Richtung fortschreitenden Welle darstellen. Die Ausdr¨ ucke (5.19) bis (5.21c) stellen ein lineares Gleichungssystem dar. Hieraus lassen sich durch Bildung der entsprechenden Z¨ahler- und NennerDeterminanten in bekannter Weise die gesuchten 4 Konstanten ermitteln. Z.B. ergibt sich r zu:
5.1 Material- und Querschnitt-Wechsel
r=
2ψ(1 − κ2 ) − jκ(1 − ψ)2 . κ(1 + ψ)2 + 2ψ(1 + κ2 )
323
(5.25)
Ebenso erh¨alt man f¨ ur den die Schnelle-Amplitude der quasistation¨aren Bewegung vor der Sprungstelle kennzeichnenden Faktor rj : rj =
κ(1 − ψ 2 ) − jκ(1 − ψ)2 , κ(1 + ψ)2 + 2ψ(1 + κ2 )
(5.26)
ferner f¨ ur den Transmissionsfaktor t=
2(1 + κ)(1 + ψ) κ(1 + ψ)2 + 2ψ(1 + κ2 )
(5.27)
und schließlich f¨ ur den die quasistation¨ are Bewegung hinter der Sprungstelle kennzeichnenden Faktor tj =
2(1 − ψ) − j2κ(1 − ψ) . κ(1 + ψ)2 + 2ψ(1 + κ2 )
(5.28)
Uns interessiert wieder vor allem der Transmissionsgrad. Hierzu haben wir entweder 1 − |r|2 zu bilden, oder t2 mit dem Quotienten m2 c2 κψ m1 c1 zu multiplizieren, denn die Produkte m c bestimmen nach (2.106) bei gegebener Schnelle-Amplitude die Leistung. Auf beiden Wegen ergibt sich: √ 2 2 κψ(1 + κ)(1 + ψ) . t= κ(1 + ψ)2 + 2ψ(1 + κ2 )
(5.29)
Wir wollen uns hier damit begn¨ ugen, diese Gleichung f¨ ur den Fall gleicher Materialien, aber f¨ ur einen Sprung in der Querschnitts- bzw. Plattendicke zu diskutieren. Dann ist mit Einf¨ uhrung des Parameters σ nach (5.12) κ durch σ−1/2 und ψ durch σ 2 zu ersetzen. F¨ uhrt man dies in (5.29) ein, so ergibt sich wieder ein Ausdruck von reziprok-symmetrischer Form, n¨amlich: τ=
σ −5/4 + σ −3/4 + σ 3/4 + σ 5/4 0, 5σ −2 + σ −1/2 + 1 + σ 1/2 + 0, 5σ 2
2 .
(5.30)
In Bild 5.3 ist das zu diesem Ausdruck geh¨ orige Schalld¨amm-Mass und das nach (5.15) bei Longitudinalwellen sich ergebende Schalld¨amm-Mass eingetra¨ gen. W¨ahrend bei geringen Dickenunterschieden der Ubertritt der Biegewellen noch ungehindert sich vollzieht, werden sie bei den gr¨oßeren Unterschieden doch etwas st¨arker ged¨ ammt. So ergibt sich f¨ ur σ = 100 (vorausgesetzt, dass ¨ hier nicht bereits Ubergangskorrekturen“ wesentlich werden) immerhin ein ” Wert von 23 dB. Derartige starke Dickenunterschiede treten aber praktisch
324
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
Bild 5.3. Schalld¨ ammmaß am Querschnittssprung in Abh¨ angigkeit des Dickenverh¨ altnisses
kaum auf. Bei gleichen Baustoffen d¨ urften kaum gr¨oßere Werte als σ = 5 bzw. als 0,2 vorkommen. In diesem Bereich aber bedeutet der Querschnittssprung h¨ochstens eine D¨ammung von 3 dB. ¨ Uber Messungen an hinreichend langen St¨aben oder Platten, die die Gleichung (5.30) best¨ atigen, wird in [5.1] berichtet. Auch hat sie sich f¨ ur Absch¨atzungen so genannter Nebenwege auf bauakustischen Pr¨ ufst¨anden, bei ¨ denen die Pr¨ ufwand in die Offnung einer dickeren Trennwand eingesetzt wird, bew¨ahrt [5.2].
5.2 Rechtwinklige Ecken und Verzweigungen 5.2.1 Biegewellenanregung einer Ecke Praktisch noch wichtiger als die bisher behandelten Spr¨ unge im Material und ¨ Querschnitt sind die Uberg¨ ange zwischen Konstruktionsteilen, die rechtwinklig aneinandergrenzen, wie dies von den Nachbarw¨anden eines Zimmers oder von den auf den St¨ utzmauern ruhenden Decken, aber auch von den meisten aus Profilstahl zusammengesetzten Rahmenkonstruktionen gilt. Um einen Einblick in die dabei auftretenden Erscheinungen zu gewinnen, wollen wir eine einfache Ecke (s. Bild 5.4) bestehend aus zwei Balken (oder Platten) von evtl. sogar verschiedenem Material und verschiedener Dicke betrachten, die so aneinander befestigt sein m¨ ogen, dass sie ein Biegemoment von 1 auf 2 u ¨bertragen k¨onnen; d.h. dass (5.31) M1 = M2 gilt und dass beiderseits die gleichen Winkelgeschwindigkeiten herrschen: w1 = w2 .
(5.32)
5.2 Rechtwinklige Ecken und Verzweigungen
325
Bild 5.4. Skizze zu den Randbedingugen an der biegesteifen Ecke
Kurzum, wir k¨onnen zwei Randbedingungen des letzten Abschnitts beibehalten. Hinsichtlich der anderen Randbedingungen ist zu beachten, dass nicht nur Bewegungen und Kr¨ afte senkrecht zur jeweiligen neutralen Faser auftreten (Biegung) sondern auch Bewegungen und Kr¨afte in dieser Richtung. Es handelt sich dabei um Longitudinalbewegungen wie sie in Abschnitt 5.1.1 untersucht wurden. Der allgemeine, beide Wellentypen enthaltende Ansatz lautet daher mit den in Bild 5.4 angegebenen Bezeichnungen: Schenkel 1: vB1 (x) = vB1+ e−jk1 x + rejk1 x + rj ek1 x vL1 (x) = vB1+ rBL ejk1L x Schenkel 2: vB2 (x) = vB1+ te−jk2 y + tj e−k2 y
(5.33)
vL2 (x) = vB1+ tBL e−jk2L y . Es wurde hierbei bereits ber¨ ucksichtigt, dass die Anregung nur durch eine von links eintreffende Biegewelle mit der Amplitude vB1 + rBL bzw. vB1 + tBL nur von der Ecke ausgehen. Neben den bereits angegebenen Randbedingungen (5.31, 5.32) gelten an der Ecke noch folgende Beziehungen FL1 = −FB2 , vL1 = −vB2 ,
FB1 = FL2 vB1 = vL2 .
(5.34) (5.35)
Die Vorzeichenwechsel, die hier auftreten, folgen aus der Wahl der Kraft bzw. Schnellrichtungen. Sie sind so gew¨ ahlt, dass die Gr¨oßen des zweiten Balkens einfach dadurch entstehen, dass man den ersten Balken um 90◦ gegen den Uhrzeigersinn dreht.
326
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
Zur Berechnung der unbekannten Reflexions- und Transmissionsfaktoren setzt man (5.33) in (5.20) bzw. beiden Longitudinalwellen in (2.36) (siehe auch (5.2)) ein und benutzt dann die Randbedingungen (5.31), (5.32) und (5.34), (5.35)). Man erh¨ alt so das lineare Gleichungssystem a: b: c: d: e: f:
B1 k12 (1 − r + rj ) = −t + tj B2 k22 k1 (−j + jr + rj ) = −jt − tj k2 −E1 S1 kL1 −B2 k23 rBL = (jt − tj ) ω jω −E2 S2 kL2 B1 k13 (j − jr + rj ) = tBL jω ω rBL = −(t + tj ) 1 + r + rj = tBL .
F¨ uhrt man hier die Abk¨ urzungen (siehe auch (5.22), (5.23)) B2 k22 k2 ; κ= 2 B1 k1 k1 E1 S1 kL1 m1 cL1 1 = = 3 B2 k2 m2 cB2 β1 E2 S2 kL2 m2 cL2 1 = = B2 k23 m1 cB1 β2
ψ=
(5.36)
ein, so wird daraus, wenn man gleichzeitig rBL und tBL eliminiert, 1 (−1 − r + rj ) = −t + tj ; ψ −1 (t + tj ) = t + jtj ; β1
1 (−j + jr + rj ) = −jt − tj ; κ 1 1 − r − jrj = (1 + r + rj ). β2
(5.37) (5.38)
Nach einigen Zwischenrechnungen folgt aus diesem linearen Gleichungssystem: β1 + β2 − j(1 − β1 β2 ) N ψ(1 − 2β2 − β1 β2 ) + κ(1 + 2β1 − β1 β2 ) r= N ψ(1 + β1 − β1 β2 ) − κ(1 − β2 − β1 β2 ) +j N −1 + β2 − r(1 + β2 ) rj = 1 + jβ2 −1 − β1 tj = t. 1 + jβ1 t =2
(5.39a)
5.2 Rechtwinklige Ecken und Verzweigungen
327
Dabei wurde die Abk¨ urzung N = −ψ(1 + β1 + 2β2 + β1 β2 ) − κ(1 + 2β1 + β2 + β1 β2 ) + j(ψ + κ)(1 − β1 β2 ) benutzt. Ber¨ ucksichtigt man nun, dass f¨ ur die Biegewellenleistungen PB und die Longitudinalwellenleistungen PL die Beziehungen 2 PB = 2m cB vB
2 und PL = m cL vL
(5.40)
gelten, dann erh¨alt man f¨ ur die Leistungsverh¨ altnisse, also f¨ ur die Reflexionsgrade ρ und Transmissionsgrade τ : PB1− PB1+ PL1 = PB1+ PB2 = PB1+ PL2 = PB1+
ρBB =
= |r 2 |
ρBL
=
τBB τBL
m1 cL1 2 cL1 |r | = |t + tj |2 2m1 cB1 BL 2cB1 2m2 cB2 2 = |t | = κψ|t2 | 2m1 cB1 m2 cL2 2 1 = |tBL | = |1 + r + rj |2 . 2m1 cB1 2β2
(5.41)
Wie aus Energieerhaltungsgr¨ unden zu erwarten ist und wie eine kleine Nachrechnung zeigt, gilt (5.42) ρBB + τBB + ρBL + τBL = 1. Als Beispiele f¨ ur die Auswertung der obige Gleichungen sind in Bild 5.5 das Schalld¨ammmaß R und die Pegeldifferenz ΔL aufgetragen. Diese beiden Gr¨oßen sind folgendermaßen definiert: PB1+ 1 R = 10 lg = 10 lg PB2 τBB (5.43) 2 |vB1+ | 1 + ρBB ΔL = 10 lg = 10 lg . |vB2 |2 |t|2 Man beachte dabei, dass es sich bei der ersten Gr¨oße um ein Leistungsverh¨altnis handelt und bei der zweiten um das Verh¨ altnis mittlerer Schnellequadrate. ΔL entspricht auch der leicht messbaren K¨ orperschallpegeldifferenz wenn beide Schenkel mehrere Wellenl¨ angen lang sind und der zweite m¨aßig ged¨ampft ist. In Bild 5.6 sind f¨ ur eine aus gleichen Balken bestehende Ecke die verschiedenen Reflexions- und Transmissionsgrade als Funktion der normierten Frequenz aufgetragen. Man sieht dabei, dass f¨ ur tiefe Frequenzen die Kopplung Biegewellen/Longitudinalwellen, also ρBL und τBL , ziemlich klein sind. Es seien daher auch noch die entsprechenden Grenzf¨alle von ρBB und τBB angegeben. F¨ ur β1 < 0, 05 und β2 < 0, 05: τBB ≈
2κψ , (ψ + κ)2
ρBB ≈
ψ 2 + κ2 . (ψ + κ)2
(5.44)
328
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
Bild 5.5. Pegeldifferenz und Schalld¨ amm-Maße f¨ ur eine Ecke aus gleichem Mate rial. Anregung mit Biegewellen · · · 1, 8h1 f /cL = 0, 003 − − − 1, 8h1 f /cL = 1, 8h1 f /cL = 0, 3 0, 03;
Bild 5.6. Energieverteilung beim Auftreffen einer Biegewelle auf eine Ecke aus gleichen Balken (h1 = h2 )
5.2.2 Longitudinalwellenanregung einer Ecke Im letzten Abschnitt wurde die K¨ orperschall¨ ubertragung u ¨ber eine Ecke untersucht, wenn die Anregung durch eine von links einfallende Biegewelle der Amplitude vy1+ erfolgt. Da sich dabei zeigte, dass besonders bei hohen Frequenzen auch Longitudinalwellen angeregt werden, interessiert auch die Frage, wie Longitudinalwellen, die vielleicht an einer Ecke entstanden sind, beim
5.2 Rechtwinklige Ecken und Verzweigungen
329
Auftreffen auf eine weitere Ecke u ¨bertragen werden. Um diese Frage in idealisierter Form zu behandeln, wird wieder eine aus zwei sehr langen Schenkeln gebildete Ecke betrachtet, allerdings mit dem Unterschied, dass die Anregung durch eine von links einfallende Longitudinalwelle erfolgt. Die Rechnung hierzu ist fast identisch mit der im letzten Abschnitt durchgef¨ uhrten - insbesondere gelten weiterhin die Randbedingungen (5.31) -(5.35). Der einzige Unterschied ist, dass (5.33) durch vB1 (x) = vL1+ (rejk1 x + rj ejk1 x ) vL1 (x) = vL1+ (e−jk1L x + rLL ejk1L x ) vB2 (y) = vL1+ (te−jk2 y + tj e−k2 y )
(5.45)
vL2 (y) = vL1+ tLL e−jk2L y zu ersetzen ist. F¨ ur den besonders interessanten Fall einer aus gleichen Balken bestehenden Ecke, bei der ψ = κ = 1 und β1 = β2 = β liefert die Rechnung folgende Ergebnisse. ¨ Ubertragene Biegewellenleistung: τLB =
PB2 5β + 8β 2 = = τBL PL1+ 2 + 6β + 9β 2
Reflektierte Biegewellenleistung: ρLB =
PB1 β = = ρBL PL1+ 2 + 6β + 9β 2
¨ Ubertragene Longitudinalwellenleistung: τLL =
PL2 β2 = τBL PL1+ 2 + 6β + 9β 2
Reflektierte Longitudinalwellenleistung: ρLL =
PL1− 2 = τBL PL1+ 2 + 6β + 9β 2
Die Beziehungen τLB = τBL und ρLB = ρBL ergeben sich aus einem Vergleich mit (5.41) oder k¨ onnen als Konsequenz des Reziprozit¨atsprinzips betrachtet werden. Gerechnete Beispiele von τLB , ρLB und τLL enth¨alt Bild 5.7. 5.2.3 Rechtwinklige Verzweigungen mit Biege- und Longitudinalwellenanregung Da die prinzipielle Vorgehensweise bei der Berechnung der K¨orperschalld¨ammung von Diskontinuit¨ aten aus den Beispielen der letzten Abschnitte gen¨ ugend klar
330
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
Bild 5.7. Wie Bild 5.6, aber beim Auftreffen einer Longitudinalwelle
geworden sein d¨ urfte, werden T-Verbindungen und Kreuzungen gleichzeitig behandelt. Eine T-Verbindung ist dabei einfach eine Kreuzung, bei der ein Balken fehlt. Mit den in Bild 5.8 skizzierten Bezeichnungen lauten die Ans¨atze f¨ ur die einzelnen Balken: vB1 (x) =vB1+ AB e−jk1 x + rejk1 x + rj ek1 x vL1 (x) =vB1+ AL e−jkL1 x + rBL ejkL1 x (5.46) vL2 (y) = vB1+ t2BL e−jkL2 y vB2 (y) =vB1+ t2 e−jk2 y + t2j e−k2 y −jk x vL3 (x) = vB1+ t3BL e−jkL3 x vB3 (x) =vB1+ t3 e 3 + t3j e−k3 x −jk4 y vB4 (y) =vB1+ t4 e + t4j e−k4 y vL4 (y) = vB1+ t4BL e−jkL4 y . In diesen Gleichungen ist die Anregung durch von x = −∞ einfallende Biegewellen der Amplitude AB und Longitudinalwellen der Amplitude AL enthalten. Ist nur eine der beiden Wellenarten vorhanden, so ist entweder AL oder unden mit angegebene Gr¨oße, AB gleich Null. vB1+ ist eine aus Dimensionsgr¨ die sich bei den Randbedingungen wieder herausk¨ urzt. Die Randbedingungen in der Ecke lauten analog zu (5.31)-(5.35) M1 = M2 + M3 + M4 FL1 = −FB2 + FL3 − FB4 ; w1 = w2 ; w1 = w 3 ; vL1 = −vB2 ; vB1 = vL2 ;
vL1 = vL3 ; vB1 = vB3 ;
FB1 = FL2 + FB3 + FL4 w1 = w4
(5.47)
vL1 − vB4 vB1 vL4 .
Insgesamt handelt es sich hier um 12 Beziehungen f¨ ur die in (5.46) vorkommenden 12 Unbekannten. Nach einigen offensichtlichen Vereinfachungen erh¨alt man daraus das lineare Gleichungssystem AT = B.
(5.48)
5.2 Rechtwinklige Ecken und Verzweigungen
331
Bild 5.8. Skizze zu den Randbedingungen an der biegesteifen Kreuzung
Dabei ist A eine 6 × 6 Matrix mit den Koeffizienten: a11 = −1 − ψ3 ; a12 − 1 − ψ3 ; a13 = 2ψ2 ; a14 = 2ψ3 ; a15 = 2ψ4 ; a16 ψ2 + ψ4 ; a21 = j; a22 = 1; a23 = (−1 + j)κ2 ; a26 = −κ2 a31 = j + κ3 ; a32 = 1 + κ3 ; a34 = κ3 (−1 + j) a41 = j; a42 = 1; a45 = κ4 (1 − j); a46 = −κ4 a51 = −1 − B2 − jB3 − B4 ; a52 = −j − B2 − jB3 − B4 ; a54 = B3 (−1 + j) a63 = L2 (−1 + j); a65 = −L4 (1 − j); a66 = jL2 + L3 + jL4 + 1 T ist eine Zeilenmatrix mit den Elementen T = (r, rj , t2 , t3 , t4 , rBL ). B ist eine Spaltenmatrix mit den Elementen: ⎞ ⎛ AB (1 + ψ3 ) − AL (ψ2 + ψ4 ) ⎟ ⎜ jAB + AL κ2 ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ AB (j − κ3 ) ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ jAB − ALκ4 ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎝ AB (−1 + B2 + jB3 + B4 ) ⎠ AL (1 − jL2 − L3 − jL4 ) Die hier benutzen Abk¨ urzungen sind:
332
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
B2 k22 ; B1 k12 k2 κ2 = ; k1 m cB2 L2 = 2 ; m1 cL1 m cl2 B2 = 2 ; m1 cB1 ψ2 =
B3 k32 ; B1 k12 k3 κ3 = ; k1 m cL3 L3 = 3 ; m1 cL1 m cB3 L3 = 3 ; m1 cB1 ψ3 =
B4 k42 B1 k12 k4 κ4 = k1 m cB4 L4 = 4 m1 cL1 m cL4 L4 = 4 m1 cB1 ψ4 =
(5.49)
Außerdem gilt: t2BL = t4BL = AB + r + rj ; t3BL = AL + rBL . Die Bilder 5.9 und 5.10 zeigen einige gerechnete Ergebnisse in logarithmischer Darstellung. Es wurde dabei der sehr h¨aufige Spezialfall untersucht, bei dem die Balken 1 und 3 sowie die Balken 2 und 4 (soweit vorhanden) gleich sind. In dem Bild sind auch N¨ aherungsgleichungen angegeben, die dann gelten wenn nur Biegewellen eine Rolle spielen; d.h. wenn AL = 0 und 1, 8h1 f /cL < 0, 01 ist.
Bild 5.9. Schalld¨ amm-Maße f¨ ur Wandkreuze (oben) aus Verzweigungen aus dem selben Material. Anregung mit Biegewellen (A 1, 8h L = 0) · · · · · · 1 f /cL = 0, 003; 1, 8h1 f /cL = 0, 3 − − − 1, 8h1 f /cL = 0, 03;
In Bild 5.11 sind zus¨ atzlich noch einige Messergebnisse [5.3], die an St¨aben aus Plexiglas erhalten wurden, aufgetragen. Zur Vermeidung von Reflexionen in den St¨aben 2, 3, 4 wurden die Enden dieser St¨abe auf eine L¨ange
5.2 Rechtwinklige Ecken und Verzweigungen
333
Bild 5.10. Frequenzabh¨ angigkeit der Energieverteilung beim Auftreffen einer Biegewelle auf ein Wandkreuz aus gleichen Materialien. Anregung durch Biegewellen. aherungsgleiOben: h2 /h1 = 0, 316; unten: h2 /h1 = 1(τBL13 ≈ 0; τBL11 ≈ 0) N¨ chungen f¨ ur Wandkreuz:
Verzweigung:
τBB12 = 0, 5(κ2 /ψ2 + 2 + ψ2 /2κ2 )−1 τBB13 = 0, 5(1 + 2ψ2 /κ2 + ψ22 /κ22 )−1 −1 τBB12 = 2κ2 /ψ2 + ψ2 /2κ2 −1 τBB13 = 2 + 2ψ2 /κ2 + 0, 5(ψ2 /κ2 )2
von 2,5 m in ein Sand-S¨ agemehlgemisch gebettet. Bild 5.12 zeigt schließlich Ergebnisse von Messungen der sog. Verzweigungsd¨ammung, wie man sie bei der Nebenweg¨ ubertragung in Geb¨ auden erh¨alt. Die gleichzeitig angegebenen theoretischen Werte gelten f¨ ur Ziegelstein mit ρ = 1800 kg/m3 und cL = 3000 m/s. (F¨ ur Beton h¨ atte man theoretisch sehr ¨ahnliche Stoßstellend¨ammungen). Beim Vergleich von Theorie und Experiment ist zu Bedenken, dass bei den Messungen Biegewellen in verschiedenen Richtungen auf die Ecke treffen - was im Vergleich zu dem in der Theorie behandelten rein senkrechten Einfall zu h¨ oheren D¨ ammungen f¨ uhrt - und dass nach der Diskontinuit¨atsstelle in Geb¨ auden die Wellen an den folgenden Ecken und Verzweigungen teilweise wieder reflektiert werden - was im Vergleich zur Theorie zu kleineren D¨ammwerten f¨ uhrt.
334
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
Bild 5.11. Vergleich der berechneten Transmissions- und Reflexionsgrade (ausgezogene Linie) mit gemessenen Werten (Kreise)
Bild 5.12. Verzweigungsd¨ amm-Maße in Geb¨ auden nach [5.2] m1 , m2 =Masse pro fl¨ acheneinheit
5.3 Ko ammung durch elastische ¨rperschalld¨ Zwischenlagen Die beiden letzten Abschnitte zeigten, dass ein Wechsel von Material, Dicke und Richtung von Konstruktionsteilen kein großes Hindernis f¨ ur die K¨orperschallausbreitung darstellen, solange sich die Dicken nicht extrem stark ¨andern. Dies entspricht auch der Erfahrung namentlich in Betonbauten. Will man gr¨oßere D¨ammungen erzielen, so muss man zu besonderen Maßnahmen greifen. Die praktisch am meisten angewandte besteht in der Einschaltung elastischer Zwischenschichten. Ihr liegt der bereits aus (5.9) sich ergebende Gedanke zugrunde, dass zu einer wirkungsvollen Reflexion ein m¨oglichst krasser Wechsel in den Schallwiderst¨ anden auftreten muss. Da die prim¨aren
5.3 K¨ orperschalld¨ ammung durch elastische Zwischenlagen
335
Medien, Mauerwerk, Stahltr¨ ager usw., bereits sehr schallhart“ sind, kommen ” als D¨ammstoffe hier sehr schallweiche“ in Frage. Die beste Trennung zweier ” fester K¨orper best¨ unde daher in der Zwischenschaltung eines Vakuums. Da das unrealistisch ist, k¨ ame als n¨ achstes - wenn keine statischen Lasten u ¨bertragen werden m¨ ussen - ein Luftraum in Frage. Allerdings darf man auch hier die dynamische Elastizit¨ at nicht untersch¨ atzen. Wenn vom statischen Standpunkt aus ein Luftzwischenraum praktisch einem Vakuum gleichzusetzen ist, so liegt das daran, dass die Luft stets Gelegenheit hat, bei einer Verschiebung seitlich oder durch Poren zu entweichen. Bei den schnellen Richtungswechseln des Schallfeldes entfallen diese M¨ oglichkeiten, und die Steife der Luft nimmt die Gr¨oßenordnung an, wie sie etwa hinter einem in einem Zylinder eingeschliffenen Kolben auftritt. Diese aber ist sehr groß; jedenfalls groß genug, um zu erheblichen Schall¨ ubertragungen zu f¨ uhren. ¨ F¨ ur die Ubernahme von Lasten, z.B. im aufgehenden Mauerwerk, muss man zu schallweichen festen Stoffen greifen. 5.3.1 Longitudinalwellend¨ ammung durch elastische Zwischenlagen Von den verschiedenen Methoden zur Berechnung des Schalldurchgangs durch ebene Schichten soll hier diejenige gew¨ ahlt werden, die auf Abschnitt 5.1.1 aufbaut, die aber hinsichtlich des Rechenaufwandes nicht die eleganteste ist. Sie besteht darin, dass man die Schicht als zwei Materialwechsel betrachtet und die Mehrfachreflexionen in der Schicht ber¨ ucksichtigt. Siehe Bild 5.13. Nach (5.6) erzeugt eine einfallende Longitudinalwelle der Amplitude v1+ in der Zwischenschicht eine Welle v2∞ =
2Z1 v1+ . Z1 + Z2
(5.50)
Der Index ∞ soll andeuten, dass diese Gleichung aus Abschnitt 5.1.1 nur f¨ ur unendliche Ausdehnung des zweiten Mediums gilt. F¨allt diese prim¨are Welle auf das Ende der Zwischenschicht, so l¨ ost sie dort in gleicher Weise eine sie verlassende Welle aus, wobei Z1 und Z2 ihre Rollen vertauschen: v3∞ =
2Z2 4Z1 Z2 v2∞ = v1+ . Z1 + Z2 (Z1 + Z2 )2
(5.51)
Der zugeh¨orige Transmissionsgrad f¨ ur diesen prim¨aren Durchtritt w¨are, entsprechend der Hintereinanderschaltung zweier gleichartiger Sprungstellen, das Quadrat des f¨ ur eine geltenden (s. (5.8)). Es w¨ are aber sicher verfehlt, mit diesem zu rechnen, was schon daraus hervorgeht, dass die L¨ange l der elastischen Schicht gar nicht eingeht. Man muss vielmehr ber¨ ucksichtigen, dass die prim¨ar in die Schicht eingedrungene Welle, entsprechend dem Reflexionsfaktor r=
Z2 − Z 1 , Z1 + Z2
(5.52)
336
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
sowohl am Ende wie am Anfang immer wieder unter Verlusten reflektiert wird, so dass die schließlich sich aufbauende in positiver x-Richtung fortschreitende Welle aus einer unendlichen Reihe von Teilwellen zusammengesetzt ist, deren gegenseitige Phasenlage sich aus dem mit der Geschwindigkeit c2 durchlaufenden Hin- und R¨ uckweg und eventuellen Phasenspr¨ ungen bei den Reflexionen ergibt: (5.53) v2+ = v2∞ 1 + r2 e−2jk2 l + r4 e−4jk2 l + r 6 e−6jk2 l . . . . Dies ist eine geometrische Reihe, f¨ ur die man f¨ ur [r] 1 v2+ =
v2∞ 1 − r 2 e−2jk2 l
(5.54)
erh¨alt. Erst auf diese resultierende, auf das Ende der Zwischenschicht auffallende Welle k¨onnen wir die fr¨ uhere Gleichung (5.6) unter sinngem¨aßer Vertauschung ur die hinter der Zwivon Z2 mit Z1 erneut anwenden, und wir erhalten so f¨ schenschicht weiterlaufende Welle: v3+ = v2+ e−jk2 l
2Z2 . Z1 + Z2
(5.55)
Die Kombination von (5.50), (5.52)-5.55) liefert f¨ ur den gesuchten Transmissionsgrad:
2
v3+ 2
4z1 Z2 e−jk2 l
=
τ =
v1+
(Z1 + Z2 )2 − (Z2 − Z1 )2 e−2jk2 l
(5.56) 1 = . 2 1 2 cos2 k2 l + 14 Z +Z sin2 k2 l Z2 Z1 Diese auf beliebige Zwischenschichten anwendbare Gleichung lehrt uns, dass es nicht nur im Falle v¨ olliger Anpassung, also bei Z1 = Z2 , eine totale Transmission (τ = 1) gibt, sondern dass dies auch bei beliebiger Fehlanpassung m¨oglich ist, n¨amlich an den Nullstellen des Sinus k2 l = nπ, die zugleich die freien Schwingungen des Zwischenst¨ ucks kennzeichnen (s. Abschnitt 2.6). Wegen der inneren D¨ ampfung, die gerade den elastischen Baustoffen wie Kork oder gar Gummi eigen ist, ¨ außern sich die Dickenresonanzen einer ” ” Schicht nie in einem Totaldurchgang. Vielmehr gilt, wenn man den in Kap. 3 eingef¨ uhrten Verlustfaktor η und die komplexe Wellenzahl k 2 ≈ k2 (1 − η/2) einsetzt, f¨ ur den Minimalwert bei der ersten Dickenresonanz n¨aherungsweise πηZ1 (5.57) Rmin ≈ 20 lg 1 + 4Z2 Dabei ist nat¨ urlich vorausgesetzt, aber nicht immer zutreffend, dass die Materialdaten frequenzunabh¨ angig sind. Im allgemeinen sind Zwischenschichten so d¨ unn, dass man cos k2 l ≈ 1 und sin k2 l ≈ k2 l setzen kann. Damit nimmt (5.56) die Form
5.3 K¨ orperschalld¨ ammung durch elastische Zwischenlagen
τ= 1+
1 4
1 Z1 Z2
+
Z2 Z1
337
(5.58)
(k2 l)2
an. Hier f¨allt der Transmissionsgrad, wie zu erwarten, mit wachsender Schichtdicke l, und da jede L¨ ange im Wellenfeld im Verh¨altnis zur interessierenden Wellenl¨ange zu bewerten ist und diese beim Longitudinalwellenproblem der Frequenz umgekehrt proportional ist, ist die Abh¨angigkeit von der Dicke die gleiche wie die von der Frequenz. Dabei spielt es zun¨achst keine Rolle, ob Z2 gr¨oßer oder kleiner als Z1 ist, also bei Materialgleichheit nicht, ob der Querschnitt des Zwischenst¨ ucks gr¨ oßer oder kleiner ist. Im Falle der elastischen Schicht - oder einer Querschnittsverkleinerung ist, wenn sie u ammwirkung besitzt, Z2 so klein ¨berhaupt eine nennenswerte D¨ gegen Z1 , dass (5.57) sich weiter vereinfacht zu: ' τ = 1+
Z 1 k2 l 2Z2
2 −1
'
= 1+
ωZ1 l 2E2 S2
'
2 −1
= 1+
ωZ1 2s2
2 −1 . (5.59)
Hieraus sieht man, dass es nur auf die Steife s2 =
E2 S2 l
(5.60)
der Zwischenschicht ankommt. Man h¨atte diese Gleichung auch einfacher ableiten k¨onnen, indem man a priori nur die Haupteigenschaften der Zwischenschicht, n¨amlich die, als Federung zu wirken, in Betracht gezogen h¨ atte. In diesem Falle gilt zun¨achst auf beiden Seiten Gleichheit der Kr¨ afte F1 = F1+ + F1− = F3 .
(5.61)
Diese Kraft bedingt eine Zusammendr¨ uckung der Schicht, die durch die Steife s2 der Schicht bestimmt wird: 1 ν1 − ν3 = F3 . jω s2
(5.62)
Bedenken wir, dass wieder v1 = v1+ + v1− =
1 (F1+ − F1− ) Z1
und v3 =
F3 Z1
(5.63)
ist, so erh¨alt man nach kleinen Zwischenrechnungen wieder (5.59). Es wurde erw¨ ahnt, dass die Wellensummation nach (5.53) nicht das eleganteste Rechenverfahren darstellt. Eine Alternative besteht darin, den Ansatz v2 = Ae−jk2 x + Bejk2 x F2 = Z2 Ae−jk2 x + Bejk2 x
(5.64)
338
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
zu machen, f¨ ur die Longitudinalwellen vor und hinter der Schicht die (5.1)(5.3) entsprechenden Ausdr¨ ucke zu verwenden und die dabei auftretenden vier unbekannten Faktoren aus den vier Randbedingungen (Gleichheit von Schnelle und Kraft) an den beiden Seiten der Schicht zu ermitteln. Statt (5.64) h¨atte man auch (siehe (3.45)) v2 (x) = v2 cos k2 x − jF2 (0)Z2−1 sin k2 x F2 (x) = −jZ2 v2 (0) sin k2 x + F2 (0) cos k2 x
(5.65)
schreiben k¨onnen. Dabei sind v2 (0) und F2 (0) Schnelle und Kraft an der Vorderseite der elastischen Schicht. Die sog. Vierpoldarstellung nach (5.65) f¨ uhrt zu Rechenerleichterungen, wenn mehrere Stabst¨ ucke und elastische Schichten vorhanden sind. Im analogen Fall der Rohrschalld¨ampfer wurde diese Theorie der akustischen Filter“ schon weit ausgebaut[5.4, 5.6]. ” 5.3.2 Biegewellend¨ ammung durch elastische Zwischenlagen Vom Longitudinalwellenproblem kann die Erkenntnis u ¨bernommen werden, dass eine d¨ unne elastische Schicht bei nicht zu hohen Frequenzen - und nur f¨ ur solche gilt die reine Biegewellendarstellung- als zwischengeschaltete Feder aufzufassen ist. Dieser Fall soll daher im Folgenden untersucht werden. Es sei aber daneben noch erw¨ ahnt, dass man f¨ ur Zwischenst¨ ucke, die l¨anger sind als die sechsfache Balkendicke, ¨ ahnlich vorgehen kann wie bei (5.64) und (5.65); d.h. man macht f¨ ur die Balkenst¨ ucke vor und hinter der elastischen Zwischenschicht den zu (5.18) analogen Ansatz und beschreibt die Bewegungen der Zwischenschicht durch (3.47), (3.49) oder (3.53); die Gleichheit der Feldgr¨oßen an beiden Enden der elastischen Schicht liefert dann die notwendigen Gleichungen f¨ ur die unbekannten Faktoren. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass der Grenz¨ ubergang zu kurzen Schichten nicht ganz die richtigen Ergebnisse liefert, weil in der einfachen Biegetheorie die Schubsteife und die Drehtr¨ agheit vernachl¨ assigt werden. (Man m¨ usste daher mit der Timoshenko’schen Biegetheorie arbeiten). Da eine masselose elastische Schicht Kr¨ afte und Momente unver¨andert u ¨bertr¨agt, lauten die ersten beiden Randbedingungen wie beim Querschnittssprung - siehe (5.16), (5.17): Fy1 = Fy2 ,
Mz1 = Mz2 .
(5.66)
Die kinematischen Gr¨ oßen zu beiden Seiten der elastischen Trennschicht unterscheiden sich dagegen um deren Deformationen, die ihrerseits den Kr¨aften und Momenten proportional sind. Es gilt also unterschiedlich von der jeweils ersten Gleichung (5.16, (5.17) vy1 − vy2 = jωFy2 /K,
wz1 − wz2 = jωMz2 /C.
(5.67)
5.3 K¨ orperschalld¨ ammung durch elastische Zwischenlagen
339
Die hier eingef¨ uhrte Schubfedersteife K und Drehfedersteife C sind bei einer homogenen elastischen Zwischenschicht mit dem E-Modul E, dem Schubmoache S mit dem Fl¨achentr¨agheitsdul G, der Poissonzahl μ der L¨ ange lz , der Fl¨ moment I durch folgende aus (2.48), (2.82), (2.81) abgeleitete Beziehungen gegeben: Fy2 = K
vy1 −vy2 jω
=
Δlz Mzz
=
9
= γlz =
wz1 −wz2 jω
σydS =
1 K
9
σlz E
=
τ dS = also
wz1 −wz2 E jω lz
9
1 K
σ=
9
GγdS =
GγS K
wz1 −wz2 E y lz jω
y 2 dS =
wz1 −wz2 EI . jω lz
(5.68a) (5.68b) (5.68c)
Dabei ist γ der Schiebungswinkel, τ die Schubspannung, Δlz die L¨angen¨anderung der Zwischenschicht in der y-Faser und σ die Spannung f¨ ur dieses y. Durch Division von (5.68a) durch (5.68b) und durch Vergleich von (5.68c) mit (5.68b) findet man GS ESh2 E EI S K= = ; C= = . (5.69) lz 2(1 + μ)lz lz lz 12lz Die letzte Version von (5.69) gilt f¨ ur Rechteckquerschnitte. Der weitere Gang der Rechnung ist wie in Abschnitt 5.1.2; d.h. (5.18) wird in (5.66 und (5.67) eingesetzt und aus dem so entstandenen linearen Gleichungssystem werden die unbekannten Reflexions- und Transmissionskoeffizienten bestimmt. Das Ergebnis f¨ ur die beiden wichtigsten Gr¨oßen ist r = (−ν + ε2 ν 3 + ε2 ν 4 /2)/N t = −j(4 + ν − ε2 ν 3 )/N
(5.70)
mit N = (ν + ε ν ) − j(4 + ν − ε ν − ε ν /2). 2 3
2 3
2 4
Dabei wurden die Abk¨ urzungen k1 B1 k1 lz E1 ν= = = C E
k1 h 2
,
C ε= B1
"
C E h = K E1 2lz
(5.71)
eingef¨ uhrt. Die in Klammern angegebenen Werte gelten, wenn die Zwischenschicht die Poissonzahl 0,5 ( also gummi¨ ahnlich ist) rechteckig ist und dieselbe Querschnittsfl¨ache hat wie die Balken. Durch einige Umrechnungen kann man zeigen, dass die Ausdr¨ ucke (5.70) folgende Eigenschaften besitzen) vorausgesetzt, dass die Zwischenschicht keine merklichen Verluste aufweist a) Energieerhaltungssatz, also E und G real sind: |r|2 + |t|2 = 1;
(5.72)
340
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
b) Orthogonalit¨ at |r + t| = 1;
(5.73)
was zusammen mit (5.72) bedeutet, dass die Zeiger von r und t senkrecht aufeinander stehen c) verschwindende D¨ ammung bei tiefen √ Frequenzen oder steifen Schichten; denn f¨ ur ν ∼ k1 lz → 0 und damit ωlz → 0 gilt t → 1 − jν/4. d) mit
√
(5.74)
ω ansteigende D¨ ammung f¨ ur sehr hohe Frequenzen, weil f¨ ur ν → ∞ √ (5.75) t → 2/ν ∼ 1/k1 lz ∼ 1/ ω.
Dieser Wert wird aber in der Praxis kaum erreicht, weil f¨ ur derart hohe Frequenzen die einfache Biegetheorie nicht mehr g¨ ultig ist; e) Existenz eines Totaldurchgangs, weil f¨ ur − ν + ε2 ν 3 + ε2 ν 4 /2 = 0
bzw. ν 3 + 2ν 2 = 2/2
(5.76)
der Reflexionsfaktor verschwindet; da wegen E E1 (im allgemeinen ε 1), ist (5.77) νdurch ≈ 3 2/ε2 eine gute N¨aherungsl¨ osung von (5.76) ist; f) Existenz einer Totalsperrung, weil f¨ ur 4 + ν − ε2 ν 3 = 0
(5.78)
der Durchlassfaktor verschwindet; eine gute N¨aherung (oder gute erste Iteration) f¨ ur (5.78) ist (5.79) νsperr ≈ 1/ε aus (5.71) ergibt sich, dass die dazugeh¨ orige Biegewellenl¨ange durch λ1 sperr ≈ πh
(5.80)
gegeben ist; dieser Wert liegt immer außerhalb des G¨ ultigkeitsbereichs der einfachen Biegetheorie. Die Existenz einer Totalsperrung bzw. eines Totaldurchgangs bedeutet u ¨brigens nicht, dass bei diesen Frequenzen an der Diskontinuit¨atsstelle keine Bewegung bzw. genau die Bewegung der einfallenden Welle erfolgt. Es bedeutet vielmehr, dass sich die Wellenfelder und Nahfelder so kombinieren, dass zwar eine Bewegung an der Diskontinuit¨ atsstelle vorhanden ist, aber keine Energie weitertransportiert bzw. reflektiert wird. Falls auf einem sehr langen Biegebalken zwei gleiche elastische Zwischenlagen - mit gleichen Sperrfrequenzen - vorhanden sind, und falls ihre Entfernung so groß ist, dass die Nahfelder abgeklungen sind (das ist nicht schwierig, weil bei einer Entfernung von zwei Wellenl¨ angen die Nahfeldabnahme ca. 100 dB
5.3 K¨ orperschalld¨ ammung durch elastische Zwischenlagen
341
betr¨agt) kann man sog. trapped modes“ erzeugen. Das sind Bewegungen, bei ” denen die Energie vollst¨ andig auf das Gebiet zwischen den Diskontinuit¨aten erhalten bleibt. Bei Longitudinalwellen auf eindimensionalen Wellenleitern gibt es keine Nahfelder, keine Sperrfrequenzen und damit auch keine trapped ” modes“. Bild 5.13 zeigt f¨ ur einige Beispiele die Schalld¨amm-Maße f¨ ur Biegewellen. Dabei ist angenommen, dass es sich um einen Rechteckquerschnitt handelt. Man erkennt deutlich die Durchlassfrequenz, w¨ ahrend die Sperrfrequenz stets
Bild 5.13. Schalld¨ amm-Maße einer elastischen Schicht bei Anregung durch Biegewellen · · · ε = 10−4 ; − − − ε = 10−3 ; −−−−− ε = 10−2 ; ◦◦◦◦◦ Messwerte nach [5.5]
außerhalb des durch hf /cL < 0, 05 gegebenen G¨ ultigkeitsbereiches liegt. Die Geradenst¨ ucke der Kurven sind ziemlich gut durch RB ≈ [16 + 20 lg(1/ε) + 30 lg(hf /cL )] dB
(5.81)
gegeben. Einige ebenfalls aufgetragene Messwerte nach [5.5] stimmen gut mit der Theorie u ¨berein. Im Vergleich dazu ist die D¨ ammung von Longitudinalwellen - wie aus (5.58) leicht auszurechnen ist - im Bereich RL > 6 durch RL = 10 lg(1/τL ) ≈ [10 + 20 lg(1/ε) + 20 lg(hf /cL )] dB
(5.82)
gegeben. Da stets f h/cL 1, liefert (5.82) kleinere Werte als (5.81). Durch elastische Zwischenschichten sind also Longitudinalwellen leichter zu d¨ammen als Biegewellen.
342
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
5.4 K¨ orperschalld¨ ammung durch Sperrmassen So wirkungsvoll die Einschaltung elastischer Zwischenlagen zur K¨orperschalld¨ammung auch sein kann, so bringt sie doch auch einen schweren Nachteil mit sich: sie gef¨ahrdet die statische Stabilit¨ at. Die elastischen Schichten sind notwendigerweise nachgiebiger gegen¨ uber allen Kr¨aften als die u ¨brigen Konstruktionsteile; so fallen z.B. elastisch gelagerte Deckenbalken f¨ ur die Versteifung eines Geb¨audes aus. Sobald man aber parallel zur elastischen Schicht irgend eine starre Verbindung, und sei es nur einen Nagel oder eine Schraube, anbringt, ist wiederum die d¨ ammende Wirkung gr¨oßtenteils aufgegeben. Noch bedenklicher w¨ are das Mittel der elastischen Schicht bei den Wandungen von Schiffen, die ja abgesehen von der statischen Festigkeit auch noch wasserdicht sein m¨ ussen. Hier wird ein ununterbrochener Stahlk¨orper verlangt. Nun ist bekannt, dass z.B. Rohrleitungen eine sehr gute K¨orperschall¨ Ubertragung ergeben, was u.a. auf die geringe innere D¨ampfung im Eisen zur¨ uckzuf¨ uhren ist. Man w¨ are daher geneigt anzunehmen, dass zwischen Bug und Heck eines Schiffes eine sehr gute K¨ orperschall-Verbindung besteht. Erstaunlicherweise zeigten nun die Beobachtungen, dass das, jedenfalls bei den h¨oheren Frequenzen, nicht der Fall ist. Die immer wiederkehrenden Unterbrechungen der Schiffshaut durch die Spanten ergeben offenbar immer wieder Reflexionsstellen, so dass teilweise sehr beachtliche D¨ammungen zustande kommen. Diese Spanten bedeuten f¨ ur alle Schallwellen, die senkrecht auf dieselben auffallen, zwischengeschaltete Massen, die wir, da sie gewisse Sperrwirkungen auf die Schallwellen auszu¨ uben imstande sind, allgemein als Sperrmassen bezeichnen wollen. 5.4.1 Longitudinalwellend¨ ammung durch Sperrmassen Die Wirkungen von Sperrmassen gegen¨ uber Longitudinalwellen lassen sich an Hand der f¨ ur beliebige Material- und Querschnittswechsel geltenden Gleichungen (5.57) schnell u ¨bersehen. Wir haben lediglich Z2 als groß gegen Z1 anzusehen, wodurch (5.57) u ¨bergeht in −1 ' 2 −1 ωm Z2 k2 lz = 1+ . (5.83) τ = 1+ 2Z1 2Z1 Dabei ist die Masse des Zwischenst¨ ucks, eben die Sperrmasse“: ” Z2 lz m= = ρSlz . c2
(5.84)
(5.83) h¨atte man auch ableiten k¨ onnen indem man von (5.2) ausgeht und f¨ ur x = 0 die Randbedingungen v1 = v2 ,
F1 − F2 = jωmv
(5.85)
5.4 K¨ orperschalld¨ ammung durch Sperrmassen
343
benutzt. Der weitere Gang der Rechnung ist dann wieder nur die L¨osung eines linearen Gleichungssystems. Die Transmissionsgrade, die man nach (5.83 erh¨alt, sind immer nahe eins (also die Schalld¨ammaße bei R ≈ 0 dB), selbst wenn man schwere Massen einbaut, die wesentlich dicker sind als die Balken (siehe auch (5.99)). 5.4.2 Biegewellend¨ ammung durch symmetrische Sperrmassen Dieses ung¨ unstige Bild ¨ andert sich, wenn wir die D¨ammung der Biegewelle betrachten. Hierbei kann eine einzelne Sperrmasse bereits eine sehr erhebliche D¨ammwirkung im H¨ orfrequenzbereich ergeben. Dies beruht wieder auf der den Biegewellen eigent¨ umlichen, im letzten Paragraphen als Sperreffekt“ ” bezeichneten M¨oglichkeit, dass die Anregung einer Welle jenseits des Hindernisses v¨ollig unterbunden sein kann, obschon an demselben endliche Bewegung oder Kr¨afte auftreten. Aber auch das umgekehrte, die Unterdr¨ uckung einer reflektierten Welle, der sog. Durchlasseffekt“, tritt bei tieferen Frequenzen ” auf, so dass die einzelne Sperrmasse den Charakter eines sog. Tiefpasses hat. Die Berechnung der D¨ ammung von Sperrmassen mit der tr¨agen Masse m und dem Massentr¨ agheitsmoment Θ erfolgt analog zu Abschnitt 5.3.2. Man muss lediglich die durch (5.66, (5.67) gegebenen Randbedingungen an der Stelle x = 0 durch vy1 = vy2 wz1 = wz2
Mz1 − Mz2 = jωΘwz2 Fy1 − Fy2 = jωmvy2
(5.86)
ersetzen; d.h. die Bewegungsgr¨ oßen v und w sind zu beiden Seiten der starren Masse gleich, w¨ahrend sich die Momente bzw. Kr¨afte um die Drehtr¨agheit bzw. translatorische Tr¨ agheit unterscheiden. F¨ ur die weitere Rechnung kann man genauso vorgehen wie im Abschnitt 5.3.2 und aus der L¨osung eines linearen Gleichungssystems, das man unter Benutzung von (5.18) und (5.20) erh¨alt, die Reflexions- und Transmissionsfaktoren ausrechnen. Man kann aber auch davon Gebrauch machen, dass (5.86) in (5.66 und 5.67)¨ ubergeht, wenn man die Vertauschungen Θ → 1/K; m → 1/C; m = ρS → 1/B; vy → −jMz ; wZ = jFy vornimmt und die Ergebnisse von Abschnitt 5.3.2 u ¨bernimmt. Bei beiden Vorgehensweisen ist das Resultat: 1 (−μ + ϑ2 μ3 + 0, 5ϑ2 μ4 ) N % 1 $ (−ϑ2 μ3 − 0, 5ϑ2 μ4 ) + j(μ − 0, 5ϑ2 μ4 ) rj = N −j (4 + μ − ϑ2 μ3 ) t= N 1 tj = (ϑ2 μ3 + jμ). N r=
(5.87)
344
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
Dabei wurden die Abk¨ urzungen (vgl. auch (5.70, (5.71)) " m Θ m μ = k1 ; ϑ = ; N = (μ + ϑ2 μ3 ) − j(4 + μ − ϑ2 μ3 − 0, 5ϑ2 μ4 ) (5.88) m m m benutzt. Durch einige Umrechnungen kann man zeigen, dass die haupts¨achlich interessierenden Gr¨ oßen r und t folgende Eigenschaften besitzen (siehe auch (5.72)-(5.80)): a) Energieerhaltungssatz |r|2 + |t|2 = 1.
(5.89)
|r + t| = 1 und r ⊥ t.
(5.90)
b) Orthogonalit¨at c) Verschwindende D¨ ammung bei tiefen Frequenzen und kleinen Massen, wobei - wie das normalerweise der Fall ist - gleichzeitig das Quadrat des Tr¨agheitsradiuses, also Θ/m nicht zu groß werden darf; f¨ ur μ ∼ k1 m/m → √ 0 und damit ω → 0 gilt √
t → 1 − jμ/4.
(5.91)
d) Mit ω ansteigende D¨ ammung f¨ ur sehr hohe Frequenzen, weil f¨ ur große Werte von die N¨ aherung √ t → 2/μ ∼ 1/ ω (5.92) gilt. e) Existenz eines Totaldurchgangs, weil f¨ ur μ3 + 2μ2 = 2/ϑ2
(5.93)
der Reflexionsfaktor r verschwindet. f) Existenz einer Totalsperrung, weil f¨ ur 4 + μ − ϑ2 μ3 = 0
(5.94)
g) der Durchlassfaktor t verschwindet. Eine N¨aherung - oder zumindest ein guter Startwert f¨ ur eine Iteration - f¨ ur die Nullstellen von (5.94) ist μsperr ≈ 1/ϑ oder etwas besser μsperr = 1/ϑ + 2.
(5.95)
Setzt man hier μ und ϑ ein, so findet man bei der Frequenz der Totalsperrung (5.96) k1S = m/Θ, bzw. λ1S = 2π Θ/m h) Wenn der Balken an einer Stelle festgehalten ist aber sich frei drehen kann, entspricht das dem Fall ϑ → 0 und μ → ∞. Wegen ϑ = 0, μ → ∞ f¨ uhrt das auf t = −j/(1 − j) (5.97) d.h. zu einem Schalld¨ ammass von 3 dB.
5.4 K¨ orperschalld¨ ammung durch Sperrmassen
345
Ebenso wie bei der elastischen Schicht bedeutet die Existenz einer Durchlassfrequenz und einer stets h¨ oheren Sperrfrequenz, dass sich an der Diskontinuit¨atsstelle eine ganz spezielle Kombination von Nahfeldern und Wellenfeldern einstellt. Es k¨ onnen auch wieder trapped modes“ auftreten. ” Bild 5.14 zeigt f¨ ur einige Beispiele die Schalld¨ammmaße von Biegewellen an einer symmetrischen Sperrmasse. Es wurde dabei angenommen, dass es sich um rechteckige Massen handelt, die aus demselben Material bestehen wie der Balken.
Bild 5.14. Biegewellend¨ ampfung durch symmetrische Sperrmasse rechteckig aus h/b = 2; · · · · · · h/b = dem gleichen Material wie der Balken. −−−− h/b = 1; 4; h/b = 16; h/b = 8; Longitudinalwellend¨ ammung
Wie man sieht, treten bei den Beispielen die Sperrfrequenz deutlich in Erscheinung. Die Durchlassfrequenzen sind in Bild 5.14 nicht zu erkennen, weil unterhalb von ihnen die D¨ ammung meist weniger als 0,5 dB betr¨agt. Etwa zwei Oktaven oberhalb der Sperrfrequenz werden die Werte ziemlich gut durch die aus (5.92) sich ergebende Gleichung 2 m μ h1 f = 7, 5 + 20 lg R ≈ 10 lg + 10 lg (5.98) 4 ρ1 h21 cL wiedergegeben. Im Gegensatz dazu ergibt sich aus (5.83) f¨ ur die Schalld¨ammmaße von Longitudinalwellen
346
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
'
RLong
h1 f m = −10 lg 1 + π cL ρ1 h21
2 .
(5.99)
Die Sperrmasse ist hier auf die Breiteneinheit bezogen. Erw¨ahnenswert im Zusammenhang mit Sperrmassen ist noch, dass die D¨ammung sehr stark verringert wird, wenn die Sperrmasse nicht absolut starr auf dem Balken befestigt ist oder wenn sie in sich weich ist, so dass sie die Drehbewegung nicht vollst¨ andig mitmacht. Die Wirkung der Sperrmasse beruht schließlich darauf, dass der Balken an einer Stelle fast festgehalten“ ” wird. Das ist nur m¨ oglich, wenn Balken und Masse eine Einheit bilden. Das Festhalten“ bezieht sich nat¨ urlich sowohl auf die translatorische Bewegung ” als auf die Drehbewegung. Es reicht nicht aus, dass z.B. nur die translatorische Bewegung verschwindet, aber eine endliche Drehsteife zwischen Balken und Masse vorhanden ist. Man sieht dies am Grenzfall der gelenkig gelagerten Sperrmasse, bei der Θ ≈ 0 und damit ϑ ≈ 0. In diesem Fall liefert (5.87) t ≈ −j
1 4+μ , bzw. |t|2 = τ = > 0, 5. μ − j(4 + μ) 1 + μ2 /(4 + μ)
Das dazugeh¨orige Schalld¨ ammmaß ist also - u ¨brigens ¨ahnlich wie bei der Kreuzung eines biegesteifen und eines sehr biegeweichen Balkens (siehe Bild 5.9, ahr 3 dB. Kurven f¨ ur RBB13 ) - nur ungef¨ Bild 5.15 zeigt zwei weitere Messbeispiele. Es war dabei eine Sperrmasse so starr wie m¨oglich befestigt, w¨ ahrend bei der anderen wegen der endlichen Steife der Anpreßchrauben eine gewisse Drehbewegung, also eine Winkelgeschwindigkeitsdifferenz, zwischen Masse und Balken m¨oglich war. Der Einfluss der endlichen Befestigungssteife kann rechnerisch leicht erfasst werden, in dem man die Randbedingungen (5.88) etwas verallgemeinert. Falls es m¨oglich ist die Eigenschaften des aufgesetzten Sperrelements durch eine Kraftimpedanz ZF und eine Momentenimpedanz W (siehe Abschnitt 4.4) zu kennzeichnen, dann sind die beiden letzten Gleichungen von (5.87) durch Mz1 − Mz2 = W wz2 Fy1 − Fy2 = Zvy2
(5.100)
¨ zu ersetzen. Diese Anderung hat keinen Einfluss auf die Endgleichungen (5.87), vorausgesetzt, dass man " W ZF m k1 ZF = −j , ϑ = jω (5.101) μ = −j ωm m cB1 ZF ZF setzt. Im Falle einer u ¨ber die Drehsteife sD befestigten Masse mit dem Tr¨agheitsmoment Θ ist die Momentenimpedanz diejenige der starr befestigten Masse, modifiziert um den sog. Resonanznenner“. Es gilt also ” 1 M = jωΘ , (5.102) W = w 1 − (ω/ω0 )2
5.4 K¨ orperschalld¨ ammung durch Sperrmassen
347
Bild 5.15. Gemessene und berechnete Schalld¨ ammmaß an symmetrischen Sperrmassen. Starre Befestigung ◦ ◦ ◦ ◦ ◦, Befestigung mit endlicher Drehsteife × × ××; bei starrer Befestigung w¨ are in diesem Fall die D¨ ammung noch etwas h¨ oher als in der anderen Messanordnung
wobei ω02 = sD /Θ das Quadrat der Resonanzfrequenz ist. Setzt man diesen Ausdruck in (5.101) und dann in (5.87) ein so erh¨alt man mit ω0 = 2π500 die in Bild 5.15 mit eingezeichnete theoretische Kurve. Es f¨allt auf, dass die Sperrfrequenz in der N¨ ahe der Resonanzfrequenz liegt. Man hat also im Prinzip die M¨oglichkeit, durch Wahl einer geeigneten Drehfedersteife die Lage der Sperrfrequenz sehr weit in Richtung tiefer Frequenzen zu verschieben. Diese Verschiebung geschieht allerdings auf Kosten der Bandbreite und der hochfrequenten D¨ammwirkung. 5.4.3 Exzentrische Sperrmasse (Kopplung von Longitudinal- und Biegewellen) Die exzentrische Sperrmasse (siehe Bild 5.16) unterscheidet sich in einem Punkte wesentlich von einer, deren Schwerpunkt in der Symmetrieachse des Biegewellentr¨agers liegt. Bei exzentrischem Schwerpunkt f¨ uhrt jede durch die Biegewellen erzwungene Drehbeschleunigung der Sperrmasse zu axial gerichteten TranslationsBeschleunigungen, diese zu axialen St¨ utzkr¨ aften und diese zu sekund¨aren Longitudinalwellen. Dieser Effekt wurde experimentell untersucht (s. [5.8] und Bild 5.17), und zwar an Hand des reziproken Vorganges, der Ausl¨osung sekund¨arer Biegewellen bei ankommender Longitudinalwelle, der zudem experimentell leichter bestimmbar ist. Da n¨ amlich bei prim¨arer Biegewelle zu setzen ist 2 cL v2L+ , (5.103) τBL = 2 2cB v1B+
348
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
Bild 5.16. Bewegungen bei einem zu Longitudinalwellen angeregten Stab mit unsymmetrsicher Sperrmasse
Bild 5.17. Messtechnischer Nachweis der Wellentypenumwandlung an exzentrischer Einzelsperrmasse, nach [5.8]
dagegen f¨ ur den gleich großen Transmissionsgrad bei prim¨arer Longitudinalwelle 2 cL v2L+ , (5.104) τBL = 2 2cB v1B+ folgt, dass die gemessenen Differenzen der zugeh¨origen Schnellepegel im ersten Falle mit [ΔLv+ ]BL = 20 lg
v1B+ cL dB = RBL + 10 lg dB v2L+ 2cB
(5.105)
viel gr¨oßer sind als im zweiten Falle, wo gilt: [ΔLv+ ]LB = 20 lg
v1L+ cL dB = RLB − 10 lg dB, v2B+ 2cB
(5.106)
1 1 dB = RLB = 10 lg dB τBL τLB
(5.107)
wobei RBL = 10 lg
5.4 K¨ orperschalld¨ ammung durch Sperrmassen
349
ist. Im zweiten Falle erreichen prim¨ are longitudinale Schnelle v1L+ und sekund¨are Biegeschnelle v2B+ sogar die gleiche Gr¨oßenordnung, w¨ahrend im ersten Falle die sekund¨ are longitudinale Schnelle im St¨orpegel untergehen kann. Dieses Beispiel zeigt - wie viele andere - den großen Nutzen des Reziprozit¨atsgesetzes f¨ ur die Messtechnik. Aber auch f¨ ur die Rechnung erweist sich das zweite Problem als u ¨bersichtlicher. Zun¨achst gilt f¨ ur die Longitudinalbewegung im Fußpunkt v1 = v1+ + v1− = v2+ = v2 .
(5.108)
Wegen der Unsymmetrie tritt auch eine Drehbewegung um den Fußpunkt auf. Sie habe die Winkelschnelle w. Wenn rs der Abstand zwischen Drehpunkt (Stabmitte) und Schwerpunkt ist, f¨ uhrt sie auf die Schwerpunktsschnelle vs = v1 − rs w.
(5.109)
Als n¨achstes ist zu ber¨ ucksichtigen, dass ¨ ahnlich wie bei (5.85) die Kraftdifferenz zwischen den beiden Stabteilen gleich der am Schwerpunkt angreifenden Tr¨agheitskraft ist; d.h. F1 − F2 = F1+ + F1− − F2 = jmvs
(5.110)
und dass longitudinale Kr¨ afte und Schnellen u ¨ber den Wellenwiderstand upft sind. Setzt man die entsprechenden BeZ1 = ρ1 c1 S1 miteinander verkn¨ ziehungen (5.111) F1+ = v1+ Z1 ; F1− = −v1− Z1 ; F2 = v2 Z1 (man beachte, dass wegen der entgegengesetzten Richtung bei F1− das Vorzeichen wechselt) in (5.110) ein und eliminiert mit Hilfe von (5.108), (5.109) alt man die Gr¨oßen v1− und vs , so erh¨ jωm jωm 2v1+ = 2 + rs w. (5.112) v2 − Z1 Z1 Die noch notwendige Beziehung zwischen v2 und w ergibt sich aus dem Momentensatz. Er besagt, dass das Moment M im Fußpunkt M = jωmrs v 2
(5.113)
gleich dem Produkt aus Momentenimpedanz W und Winkelschnelle w sein muss. Es gilt also (5.114) jωmrs v 2 = W w. Die Momentenimpedanz ihrerseits setzt sich aus dem der Drehtr¨agheit entsprechenden Anteil jωΘ und der Momentenimpedanz f¨ ur Biegewellen bei einem sehr langen Stab zusammen. Da diese Gr¨ oße nach Abschnitt 4.4.4 bekannt ist, erh¨alt man insgesamt W = jωΘ +
2B (1 − j) cB
(5.115)
350
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
Man kann nun v2 in (5.112) eliminieren und findet jωm v1+ jωm W = 1+ − rs . w 2Z1 jωmrs 2Z1
(5.116)
Man beachte hier, dass Θ das Tr¨ agheitsmoment um den Fußpunkt (Drehpunkt) ist und nicht das auf den Schwerpunkt bezogene. Es gilt also h2
Θ=
y 2 dm.
(5.117)
h1
wobei der Ursprung des Koordinatensystems in der Stabmitte liegt. Bei einer rechteckigen Masse f¨ uhrt das mit den in Bild 5.16 benutzten Bezeichnungen auf Θ = m(h22 − h1 h2 + h21 )/3 und rs = (h1 − h2 )/2. (5.118) Um von (5.116) auf die Transmissionsgrade zu kommen muss man noch ber¨ ucksichtigen, dass die in positive Richtung u ¨bertragene Biegewellenleistung (also die H¨alfte der Gesamtleistung) bei Anregung mit einer Winkelschnelle w durch 1 1 (5.119) P2B+ = PB = Re {W } |w2 | 2 4 gegeben ist, w¨ahrend f¨ ur die ankommende Longitudinalwellenleistung P1L+ =
1 Z1 |v1+ |2 2
gilt. Man erh¨alt so schließlich f¨ ur den Transmissionsgrad −2 jωm W W
1 jωmrs
1 + τLB = Re −
. 2 Z1
2Z1 jωmrs 2Z1
(5.120)
(5.121)
5.5 Kettenleiter Die Spanten von Schiffs- und Flugzeugstrukturen, deren D¨ammwirkung Veranlassung f¨ ur die Untersuchung der Sperrmassen war, kehren periodisch wieder. Auch im Hochbau trifft man solche periodischen Strukturen vielfach an, z.B. bei den Rippendecken. Es interessiert also die Frage, inwieweit die wiederholte Anbringung von Sperrmassen die D¨ ammwirkung verbessert oder evtl. durch Resonanzen der Zwischenst¨ ucke verschlechtert. Die rechnerische Erfassung solcher periodischer Strukturen ist der Nachrichtentechnik und in der Festk¨ orperphysik seit langem gel¨aufig. Da es dabei ¨ darum geht, inwieweit solche kettenartigen Ubertragungssysteme Wellenbe¨ wegungen weiterleiten, hat sich dort der auch f¨ ur die Uberschrift dieses Abschnitts gew¨ahlte Ausdruck Kettenleiter“ eingeb¨ urgert. ”
5.5 Kettenleiter
351
5.5.1 Masse-Feder Ketten Als bekanntestes Beispiel eines longitudinalen Masse-Feder Kettenleiter“ ist ” in Bild 5.18 ein Stab mit periodischen Querschnitts¨anderungen gezeigt. So lange die Wellenl¨ ange λL groß gegen die Teill¨angen lm und ls ist, wirken die Teile mit den gr¨ oßeren Querschnitten als Massen, die mit den kleineren als Federn. Der Kettenleiter kann somit auch unter Verwendung der im ersten Kapitel eingef¨ uhrten mechanischen Schaltelemente durch eine Kette aus in Reihe geschalteten Federn und Massen dargestellt werden.
Bild 5.18. Benennungen f¨ ur Masse-Feder-Kette
W¨ahrend die Behandlung eines solchen Kettenleiters mit einer endlichen Zahl wom¨oglich ungleicher Glieder auf ebenso viele dynamische und kinematische Beziehungen f¨ uhrt, wie unabh¨ angige Feldgr¨oßen auftreten, und damit zu umfangreichen Rechnungen, l¨ asst sich das Problem der Ausbreitung u ¨ber eine unendliche Kette aus gleichen Gliedern verh¨altnism¨aßig einfach behandeln. Man kann dabei unmittelbar an die Feldgleichungen kontinuierlicher Systeme, wie wir sie in Kap. 2 kennen gelernt haben, ankn¨ upfen, nur erh¨alt man statt der Differentialgleichungen Differenzengleichungen. Im vorliegenden Falle ist die dynamische Beziehung f¨ ur die Masse m: Fn − Fn+1 = jωmvn
(5.122)
und die gemischte kinematisch-dynamische Beziehung f¨ ur die Feder mit der Steife s: jω Fn . vn−1 − vn = (5.123) s Wie bei den analogen Wellenproblemen benutzen wir zur L¨osung einen Exponentialansatz, der in diesem Falle bedeutet, dass das Verh¨altnis gleicher Feldgr¨oßen an Ein- und Ausgang jedes Gliedes stets dasselbe bleibt: Fn+1 = Fn eg ;
vn−1 = vn e−g .
(5.124)
Damit k¨onnen (5.122) und (5.123) in zwei lineare Gleichungen zwischen Fn und vn verwandelt werden:
352
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
(1 − eg )Fn − jωmvn jω − Fn + (e−g − 1)vn = 0, s
(5.125)
die nur dann miteinander vertr¨ aglich sind, wenn die Determinante verschwindet, also ω2 m =0 Δ = eg + e−g − 2 + s ist. Diese Bedingung f¨ ur das im allgemeinen komplexe Ausbreitungsmaß g kann man auch in der Form cosh g = 1 − 2ω 2 /ωg2 (5.126) schreiben, wobei die Grenzfrequenz“ ”
ωg = 2πfg = 2
s/m
(5.127)
eingef¨ uhrt wurde. Die Bedeutung von ωg wird klar, wenn man das eine exponentielle Amplitudenabnahme charakterisierende sog. D¨ ampfungsmaß“ a und das Phasen” maß b einf¨ uhrt, also g in Real- und Imagin¨ arteil aufspaltet. Es gilt dann g = a + jb
(5.128)
und damit cosh g = cosh a cos b + j sinh a sin b = 1 − 2ω 2 /ωg2 .
(5.129)
Da die rechte Seite keinen imagin¨ aren Anteil enth¨alt, muss auch der imagin¨are Anteil der linken verschwinden, also entweder das sog. D¨ampfungsmaß“ ” a=0
(5.130)
sein oder das so genannte Phasenmaß“ ” b = nπ;
n = 0, 1, 2, . . .
(5.131)
Das erste ist aber nur unterhalb, das zweite nur oberhalb der Grenzfrequenz m¨oglich. Im ersten Bereich, der auch als Durchlassbereich“ bezeichnet wird, ¨andert ” sich nur die Phase zwischen aufeinander folgenden Gliedern und zwar, wie das Einsetzen von (5.130) in (5.129) ergibt, gem¨ aß: 2ω2 ω b = arccos 1 − 2 = 2 arcsin . (5.132) ωg ωg Diese Beziehung geht hinreichend weit unterhalb der Grenzfrequenz in die lineare Beziehung:
5.5 Kettenleiter
b=
2ω =ω ωg
"
m s
353
(5.133)
u ¨ber. Ein mit der Frequenz wachsendes Phasenmaß bedeutet aber nichts anderes als eine konstante Phasen- und somit Ausbreitungs-Geschwindigkeit: " ω lm + ls s = (lm + ls ). (5.134) c = (lm + ls ) = ωg b 2 m Gegen die Grenzfrequenz hin wird das Anwachsen st¨arker und erreicht bei der Grenzfrequenz den Wert den es dann im anschließenden Bereich beibeh¨alt; d.h., von da ab sind die Feldgr¨ oßen benachbarter Glieder stets in Gegenphase (s. Bild 5.17). Daf¨ ur w¨ achst in diesem Sperrbereich“ das D¨ampfungsmaß a ”
Bild 5.19. Phasen- und D¨ ampfungsmaß eines Tiefpasses
steil an, und zwar, wie das Einsetzen von (5.131) und (5.129) zeigt, mit: 2 2ω ω a = arccosh − 1 = 2 arcsinh . (5.135) 2 ωg ωg Wegen dieser hohen D¨ ammung oberhalb der Grenzfrequenz und des ungehinderten Energiedurchtritts unterhalb derselben wird ein System nach Bild 5.18, wie vor allem auch sein elektrisches Analogon, als Tiefpass“ bezeichnet. ” Im Interesse der D¨ ammung ist es gut, wenn die Grenzfrequenz m¨oglichst tief gelegt werden kann. Dies ist bei gleichem und vorgegebenem Material f¨ ur Massen und Federn nur durch große Querschnittsspr¨ unge und große Teill¨angen erreichbar. Mit m = ρSm lm
354
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
und s = ESs /ls nimmt (5.127) die Form an: " ωg = 2cL
Ss 1 √ , Sm lm ls
(5.136)
die im Falle zylindrischer St¨ ucke mit den Durchmessern D und d u ¨bergeht in ωg = 2cL
d 1 √ . D lm ls
(5.137)
Wie man sieht, kann man durch entsprechende Dimensionierung einer MasseFeder Kette die Grenzfrequenz und damit die Ausbreitungsgeschwindigkeit in weiten Bereichen variieren. Allerdings gibt es auch Einschr¨ankungen, denn f¨ ur die G¨ ultigkeit der Rechnung wurde vorausgesetzt, dass sowohl lm als auch ls wesentlich kleiner sind als eine halbe Longitudinalwellenl¨ange; außerdem kann Sm bzw. D nicht beliebig groß werden, weil es sich sonst nicht mehr um Massen handelt f¨ ur die (5.122) gilt sondern um schwingungsf¨ahige Gebilde mit komplizierteren Bewegungsgesetzen. Trotzdem gelingt es mit Kettenleitern sehr niedrige Phasengeschwindigkeiten zu erzielen. Als Beispiel sei eine aus einem d¨ unnen Stahldraht und relativ großen Scheiben bestehende Torsionswellenkette nach [5.9] erw¨ahnt, bei der die Ausbreitungsgeschwindigkeit nur 20 m/s, die Grenzfrequenz jedoch 11 kHz betrug. Auch solche Ketten sind mit dem hier vorgestellten Formalismus zu behandeln. Man muss nur L¨ angskraft F durch Drehmoment M , Schnelle v durch Winkelschnelle w, Masse m durch Tr¨agheitsmoment Θ (hier πρD4 lm /32) und Steife s durch Torsionssteife T (hier πGd4 /32ls ) ersetzen. G ist der Schubmodul des Materials. Damit ergibt sich " " 2 T 1 T d √ ωg = 2 = 2cT (lm + ls ). und c = (5.138) Θ D Θ lm ls 5.5.2 Kettenleiter f¨ ur Longitudinalwellen Beim einfachsten, aus kontinuierlichen, periodischen Elementen bestehenden Kettenleiter treten nur Longitudinalwellen auf (oder wenn es sich um Drehbewegungen handelt nur Torsionswellen). Das Wellenfeld in jedem Teilst¨ uck muss also aus je einer nach rechts laufenden Welle mit der Wellenzahl k = ω/cL und einer nach links laufenden Welle mit −k = −ω/cL bestehen. Es gibt verschiedene Methoden das Ausbreitungsmaß einer solchen Anordnung, wie sie in Bild 5.20 skizziert ist, zu berechnen. Wir benutzen zuerst eine Methode, bei der das Ausbreitungsmaß als Funktion die in Abschnitt 5.3.1 und 5.4.1 definierten Transmissionsfaktoren t dargestellt wird. Wir gehen davon
5.5 Kettenleiter
355
Bild 5.20. Benennungen f¨ ur Longitudinalwellenkettenleiter
aus, dass die nach rechts laufende Welle ihren Ursprung am linken Ende hat und dort die Amplitude v+n bzw. v+n−1 besitzt. Bei den nach links laufenden Wellen soll der Ausgangsort am jeweils rechten Ende und die Amplitude v−n bzw. v−n−1 sein. Es gilt also vn (x) = v+n e−jk(x−lnL ) + v−n ejk(x−lnR ) vn−1 (x) = v+n e−g e−jk(x−ln−1L ) + v−n e−g ejk(x−ln−1R ) .
(5.139)
Es wurde hier wieder die Periodizit¨ atsbeziehung (5.124) benutzt. Da sich die v+n Amplitude aus der vom Element n − 1 u ¨bertragenen Welle mit der Amplitude tv+n−1 = tv+n e−g und der reflektierten Welle mit der Amplitude rv−n zusammensetzt, kann man auch schreiben: v+n = v+n e−g te−jk(lnL −ln−1L ) + v−n rejk(lnL −lnR ) .
(5.140)
Entsprechend ist f¨ ur die reflektierte Welle im Element n − 1: v−n−1 = v+n e−g re−jk(lnL −ln−1L ) + v−n tejk(lnL −lnR ) .
(5.141)
Ber¨ ucksichtigt man, dass lnL − ln−1L = lp , lnL − lnR = −lp , dann ergibt sich v+n = v+n e−g te−jklp + v−n re−jklp v+n e−g = v+n e−g re−jklp + v−n te−jklp .
(5.142)
Dieses homogene lineare Gleichungssystem hat nur dann eine nicht-triviale L¨osung, wenn die Determinante verschwindet. Das ist gleichbedeutend mit cosh g =
1 ejklp + (t2 − r 2 )e−jklp 2 t
(5.143)
Wenn an den Diskontinuit¨ atsstellen keine Energieverluste auftreten, kann man (5.143) durch Anwendung des Energieerhaltungssatzes noch etwas vereinfachen. Wenn n¨amlich auf eine Diskontinuit¨ atsstelle eine Welle der Amplitude A eintrifft, dann gilt wie in den Abschnitten 5.2 bis 5.4 mehrfach gezeigt wurde |A|2 = |Ar|2 + |At|2 .
(5.144)
356
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
Wenn gleichzeitig eine Welle der Amplitude B von der anderen Seite eintrifft, dann haben die von der Diskontinuit¨ atsstelle ausgehenden Wellen bei dem vorliegenden symmetrischen Problem die Amplituden Ar + Bt bzw. At + Br. Wegen des Energiesatzes muss in diesem Fall |A|2 + |B|2 = |Ar + Bt|2 + |At + Br|2
(5.145)
gelten. (5.144) und der entsprechende Ausdruck f¨ ur die B-Welle ist mit (5.145) nur vertr¨aglich wenn |Ar|2 + |At|2 + |Br|2 + |Bt|2 = |Ar + Bt|2 + |At + Br|2 .
(5.146)
Spaltet man die im allgemeinen komplexen Reflexionsfaktoren und Transmissionsfaktoren in Real- und Imagin¨ arteil in der Art r = r + jr , t = t + jt auf, so folgt aus (5.146) r t + r t = 0. (5.147) In der komplexen Ebene stehen also die Vektoren r und t aufeinander senkrecht, s. a. (5.73, 5.90). Man kann demnach auch t = |t|ejϕ ; r = |r|ejϕ+jπ/2 ; t2 − r2 = |t|2 e2jϕ + |r|2 e2jϕ = e2jϕ
(5.148)
schreiben. Eingesetzt in (5.143) folgt daraus 1 ejklp + e2jϕ e−jklp 1 jklp 1 ejklp e−jklp cosh g = = Re . = e + 2 t 2 |t|ejϕ |t|e−jϕ t (5.149) Es wurde hier davon Gebrauch gemacht, dass eine komplexe Zahl zusammen mit ihrem konjugiert komplexen Wert den doppelten Realteil ergibt. Als Beispiel f¨ ur die Anwendung von (5.149) zeigt Bild 5.21 f¨ ur einen speziellen Fall cosh g sowie die Ausbreitungsmaße a und b; außerdem enth¨alt das Bild die Kurve cosh g = |1/t| die erwartungsgem¨aß die obere Grenze der Pegelabnahme bestimmt. Aus (5.149) und Bild 5.21 sowie einigen Beispielrechnungen kann man folgende Schlussfolgerungen f¨ ur das Verhalten von Kettenleitern f¨ ur Longitudinal- oder Torsionswellen ziehen: a) Im Gegensatz zum Kettenleiter aus diskreten Elementen tritt eine Folge von Durchlass- und Sperrbereichen auf. b) In den Sperrbereichen ist die Phase konstant, in den Durchlassbereichen w¨achst sie mit der Frequenz. c) In den Sperrbereichen ist das maximale Amplitudenverh¨altnis von benachbarten Elementen durch cosh g ≈ |1/t| gegeben; d) Im Mittel ist der Frequenzabstand zwischen den Anf¨angen der Sperrbereiche durch Δklp = Δω/clp = π gegeben. Dies ist auf die Periodizit¨at der Exponentialfunktion in (5.149) zur¨ uckzuf¨ uhren. Eine alternative Methode zur Berechnung des Ausbreitungsmaßes besteht darin, f¨ ur zwei benachbarte Elemente einen Wellenansatz f¨ ur Schnelle und Kraft
5.5 Kettenleiter
357
Bild 5.21. D¨ ampfungsmaß f¨ ur longitudinale Ausbreitung auf einem Stab mit periodisch aufgesetzten Sperrmassen
zu machen und die Randbedingungen auszunutzen. Aus (5.139) folgt f¨ ur die Kraft Fn (x) = ρcS v+n e−jk(x−lnL ) − v−n ejk(x−lnR ) (5.150) Fn−1 (x) = ρcS v+n e−g e−jk(x−ln−1L ) − v−n e−g ejk(x−ln−1R ) . ¨ Die Randbedingungen an der Ubergangsstelle x = lnL = ln−1R = 0 liefern dann die notwendigen Beziehungen um ein lineares Gleichungssystem zu erhalten. Beispielsweise f¨ uhren bei einer Belastung durch eine Sperrmasse m die Stetigkeit der Bewegung und das Kr¨ aftegleichgewicht auf vn (0) = vn−1 (0) Fn−1 (0) − Fn (0) = jωmvn (0).
(5.151)
358
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
Da bei dem gew¨ahlten Koordinatenursprung ln−1L = −lp , lnR = lp ist, lautet das zu l¨osende Gleichungssystem, wenn man (5.139) und (5.150) in (5.151) einsetzt v+n + v−n e−jklp = v+n e−g e−jklp + v−n e−g jωm (v+n + v−n e−jklp ). v+n e−g e−jklp − v−n e−g − v+n + v−n e−jklp = 2ρcS (5.152) Dieses Gleichungssystem ist wieder nur l¨ osbar, wenn die Determinante verschwindet. Dies f¨ uhrt auf ωm sin klp . cosh g = cos klp − (5.153) 2ρcS Durch Einsetzen des f¨ ur dieses Problem zutreffenden Transmissionsfaktors −1 jωm t= 1+ 2ρcS in (5.149) kann man sich u ¨berzeugen, dass (5.153) und (5.149) identisch sind. Als weitere Methode zur Behandlung von Kettenleitern sei noch das Verfahren der Vierpolgleichungen kurz skizziert. Dazu ben¨otigt man die Vierpoldarstellung der beiden Bauteile, die ein Kettenelement bilden - beispielsweise ein Stabst¨ uck der L¨ ange lp und eine aufgesetzte Masse. Im folgenden Beispiel wollen wir jedoch das Problem noch etwas verallgemeinern und zulassen, dass beide Teile des Kettenelements durch beliebige Vierpole charakterisiert sind. Benutzt man die in Bild 5.22 angegebenen Bezeichnungen, dann gilt f¨ ur die Schnellen und Kr¨afte am Anfang und am Ende des jeweiligen Teilelements α11 α12 vB vB β11 β12 vC vA = ; = . (5.154) FA α21 α22 FB FB β21 β22 FC Die Werte f¨ ur die Matrixelemente kann man aus (3.45) entnehmen. Sie sind α11 = α22 = cos kA lA ; α12 = j sin kA lA /ρA cA SA ; α21 = −jρA cA SA sin kA lA ; β11 = β22 = cos kB lB ; β12 = j sin kB lB /ρB cB SB ; β12 = −jρB cB SB sin kB lB . Um von (5.154) auf charakteristische Gleichung des Kettenleiters zu kommen, muss man lediglich die beiden Ausdr¨ ucke in (5.154) multiplizieren und die Periodizit¨atsbezeichnung vA = eg vc , FA = eg Fc benutzen. Man erh¨alt so g e vC α11 α12 β11 β12 vC = . (5.155) eg FC α21 α22 β21 β22 FC Das Verschwinden der Determinante dieses homogenen linearen Gleichungssystems liefert wieder den gesuchten Ausdruck f¨ ur g. Welches der angegebenen Verfahren in einem speziellen Anwendungsfall das G¨ unstigste ist, h¨ angt von der Fragestellung und der vorhandenen Vorinformation ab. Am computerfreundlichsten“ d¨ urfte das Vierpolverfahren sein, ” weil es keine analytische Rechnung erfordert und sehr leicht zu programmieren ist.
5.5 Kettenleiter
359
Bild 5.22. Benennungen f¨ ur den Longitudinalwellenleiter in Vierpoldarstellung, Gl. (5.154)
5.5.3 Biegekettenleiter Bei Biegekettenleitern treten neben Kraft und Schnelle noch Moment und Winkelgeschwindigkeit als Feldgr¨ oßen auf. Dadurch werden die Rechnungen zwar komplizierter, aber die im letzten Abschnitt beschriebenen Rechenverfahren sind weiterhin im Prinzip anwendbar. F¨ ur Kettenelemente, die so lang sind, dass die Nahfelder innerhalb einer Elementl¨ange praktisch abklingen (d.h. halbe Biegewellenl¨ ange gr¨ oßer als Elementl¨ange) kann man sogar (5.149) direkt u bernehmen (nat¨ u rlich mit der Wellenzahl und dem Transmissionsfak¨ tor f¨ ur Biegewellen, siehe z.B. (5.70, 5.87)), weil die Energieverh¨altnisse durch (5.149) richtig erfasst sind. F¨ ur exakte Berechnungen kann die Erweiterung des Vierpolverfahrens das Achtpolverfahren - benutzt werden, weil die daf¨ ur ben¨otigten Ausdr¨ ucke in Kap. 3 bereits angegeben wurden, s. a. [5.10]. Nach (3.53) gilt f¨ ur einen Biegestab der L¨ange lA mit den in Bild 5.23 benutzten Bezeichnungen (man muss in (3.53) x durch −lA ersetzen) ⎛ ⎞⎛ ⎞⎛ ⎞ vA CA vB −SA /k cA /jW −sA /jW k ⎜ wA ⎟ ⎜ −ksA ⎜ ⎟ CA ksA /jW ca /jW ⎟ ⎜ ⎟⎜ ⎟ ⎜ wB ⎟ . (5.156) ⎝MA ⎠ ⎝ −jW cA jW sA /k ⎠ ⎝ CA SA /k MB ⎠ FA ksA CA FB −jW kSA jW cA Hierbei bedeuten 1 [cosh klA + cos klA ]; 2 1 SA = [sinh klA + sin klA ]; 2 √ W = Bm; CA =
1 [cosh klA − cos klA ] 2 1 sA = [sinh klA − sin klA ] 2 k = Biegewellenzahl. cA =
Falls es sich beim zweiten Teilst¨ uck ebenfalls um einen Balken, allerdings aus anderem Material oder mit anderem Querschnitt handelt, sieht die zweite Achtpolgleichung genauso aus wie (5.156), es m¨ ussen nur andere Materialdaten und Dimensionen eingesetzt werden.
360
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
Bild 5.23. Prinzipbild eines Biegewellenkettenleiters. Oben: ein Element besteht aus zwei verschiedennen Balkenst¨ ucken, unten: ein Element besteht aus einem Balkenst¨ uck und einer Sperrmasse
Ein anderer praktisch wichtiger Fall ist der Kettenleiter, der aus Balken mit aufgesetzten Massen besteht. In diesem Fall gelten zu beiden Seiten einer Masse die Beziehungen (5.86), die in Achtpolschreibweise folgendermaßen aussehen: ⎛ ⎞ ⎛ ⎞⎛ ⎞ vB 1 0 00 vC ⎜ wB ⎟ ⎜ 0 ⎟ ⎜ 1 0 0⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ wC ⎟ (5.157) ⎝MB ⎠ = ⎝ 0 jωΘ 1 0⎠ ⎝MC ⎠ . FB FC jωm 0 0 1 Dabei ist m die Masse und Θ das Tr¨ agheitsmoment. Ersetzt man zur Abk¨ urzung die Spaltenmatrizen durch v A , v B , v C und die quadratischen Matrizen durch M A , M B , dann erh¨ alt man analog zu (5.154) als charakteristische Gleichung f¨ ur das Ausbreitungsmaß eg v C = M A M C v C
(5.158)
Bild 5.24 zeigt die Ergebnisse von zwei Rechenbeispielen. Einige allgemeine Erkenntnisse, die man aus diesen und weiteren Beispielrechnungen und aus der Struktur von (5.158) ziehen kann, sind: •
Bei Biegekettenleitern gibt es zwei Ausbreitungsmaße, von denen jedoch eines zu einer so hohen Amplitudenabnahme f¨ uhrt, dass es praktisch uninteressant ist. ¨ • Ahnlich wie beim Kettenleiter f¨ ur Longitudinalwellen wechseln sich Durchlassbereiche und Sperrbereiche ab. • Mit den entsprechenden Daten f¨ ur Biegewellen stellt (5.149) eine gute N¨aherung dar. Man braucht also die ausf¨ uhrliche Rechnung nach (5.158) nur f¨ ur den untersten Sperr- und Durchlassbereich durchzuf¨ uhren. • Wenn in periodischen Abst¨ anden ein Balken festgehalten aber in seiner Drehbewegung unbehindert ist (d.h. in (5.157) m → ∞, Θ → 0), liegt
5.5 Kettenleiter
361
bis klA = π ein Sperrbereich vor. Bei den h¨ oherfrequenten Sperrbereichen ist, wegen√t = −j(1 − j), nach (5.97) das maximale D¨ampfungsmaß durch agt daher 0,88 Neper = 7,66 dB. Siehe Bild cosh b = 2 gegeben. Rd betr¨ 5.24 oben.
Bild 5.24. Berechnete Pegelabnahmen pro Element bei Biegekettenleitern a Drehbare, momentenfreie Lagerung, b Sperrmassen von je 0,6 kg auf einem Stahlstab. Theorie: Gl. 5.149
Messergebnisse an Balken stimmen mit Rechenergebnissen hinsichtlich der Lage der Durchlass- und Sperrbereiche u ¨berein [5.8]. Die Pegelabnahme in den Sperrbereichen, die theoretisch innerhalb weniger Perioden oft Werte von 100 dB und mehr erreichen m¨ usste, tritt in der Praxis nicht auf, weil durch Unsymmetrien andere Wellentypen (Longitudinalwellen etc.) angeregt werden, die fast ungehindert u ¨bertragen werden und an jeder weiteren Unsymmetrie wieder Biegewellen erzeugen, s. Abschn. 5.6.3 und Bild 5.30. Wie erw¨ahnt, stellt (5.149) eine gute hochfrequente N¨aherung dar, wenn die Nahfelder zwischen zwei Diskontinuit¨ atsstellen abgeklungen sind. Eine tieffrequente N¨aherung f¨ ur einen Biegekettenleiter erh¨alt man, indem man die Wirkung der periodischen Diskontinuit¨ aten verschmiert. Ausgangspunkt f¨ ur die entsprechende Rechnung sind die Grundbeziehungen ((2.77), (2.85)-(2.87))
362
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
f¨ ur die einfache Biegewelle, also ∂vy ; ∂x ∂Mz ; Fy = − ∂x wz =
∂Mz ∂w =− ∂t ∂x ∂Fy ∂vy =m . ∂x ∂t
(5.159a) (5.159b)
Um den Einfluss von Diskontinuit¨ aten zu erfassen, addieren wir zu den beiden dynamischen Beziehungen (5.159b) noch die verschmierten“ Momente ” MD /lA und Kr¨afte FD /lA , die von den Diskontinuit¨aten ausgehen. Wir haben dabei nat¨ urlich die eher punktf¨ ormig wirkenden Momente und Kr¨afte auf ur Kr¨afte die Periodenl¨ange lA bezogen; denn auch (5.159b) sind Beziehungen f¨ und Momente pro L¨ angeneinheit. Geht man nun noch zu Zeigern - also e(jωt) -u uckt die Momente durch die Momentenimpedanz ZM und die ¨ber und dr¨ Kr¨afte durch die Kraftimpedanz Z aus, so gilt −
∂Mz MD ZM = Fy + = Fy + wz ; ∂x lA lA
−
∂Fy ZF = jωm vy + vy . (5.160) ∂x lA
Kombination von (5.159a) und (5.160) liefert als Bewegungsgleichung f¨ ur den verschmierten“ Biegekettenleiter (siehe auch Abschnitt 3.7) ” B
ZM ∂ 2 v y ZF ∂ 4 vy 2 − ω m v − jω + jω vy = 0. y ∂x4 lA ∂x2 lA
(5.161)
Mit dem u ¨blichen Wellenansatz folgt daraus die Dispersionsgleichung ZM ZF 4 2 2 + k (5.162) vy = 0. Bk − ω m 1 + jωm lA jωm lA Daraus kann man die Biegewellenzahl k und damit die im allgemeinen komplexe Ausbreitungskonstante jg = klA des Biegekettenleiters f¨ ur tiefe Frequenzen (d.h. Im {klA } < 1) ausrechnen. In den meisten F¨allen ist ZM k 2 < ZF , so dass sich ZF ω 2 m 4 1+ k ≈ B jωm lA ergibt. F¨ ur Diskontinuit¨ aten, die aus Federn bestehen, ist ZF = s/jω. Das bedeutet, dass f¨ ur ω 2 < s/m l die Wellenzahl k immer imagin¨are Anteile hat, also keine Wellenausbreitung erfolgt. Siehe auch 2.7.4.4 (Platte auf elastischer Bettung). Auf die Frage der lokalisierten Anregung von Kettenleitern wird hier nicht eingegangen, weil die entsprechenden Rechnungen wegen der aufgrund der Anregestelle gest¨ orten Periodizit¨ at etwas umfangreich sind. Es besteht aber ¨ immer die M¨oglichkeit durch Multiplikation einer gr¨oßeren Anzahl von Ubertragungsmatrizen, analog zu (5.154) bis (5.158) die entsprechenden Rechnungen vorzunehmen; allerdings kann es dabei insbesondere im h¨oheren Frequenzbereich vorkommen, dass die Multiplikation der eventuell sehr großen
5.5 Kettenleiter
363
Terme mit cosh klA zu numerischen Problemen f¨ uhrt. F¨ ur solche F¨alle empfiehlt sich die unten skizzierte Vorgehensweise, bei der nicht viele Matrizen multipliziert, sondern eine große Matrix aufgestellt wird. Zu diesem Zweck ersetzt man die Diskontinuit¨atsstellen durch die Kr¨afte und Momente, die sie auf den ungest¨ orten Balken aus¨ uben. Dann berechnet man den Schwingungsverlauf des homogenen Balkens, der durch die urspr¨ ungliche Wechselkraft F0 und die noch unbekannten Kr¨afte Fν und Momente Mν angeregt wird. Da f¨ ur eine an der Stelle xν wirkende Einzelkraft nach (4.32) die Schnelle durch ωFν ωFν −jk|x−xν | −k|x−xν | e = − je GF (x, xν ) (5.163) vνF = 3 4Bk 4Bk 3 gegeben ist und analog f¨ ur ein Einzelmoment vνM =
ωMν GM ν (x, xν ) 4Bk2
(5.164)
gilt, erh¨alt man f¨ ur den gesamten Verlauf von Schnelle und Winkelschnelle ' N N ω F0 GF (x, x00 ) − Fν GF (x, xν ) − kMν GM ν (x, xν ) , v(x) = 4Bk 3 ν=1 ν=1 w(x) =
∂v(x) ∂x
' N N −ω = Fν GM ν (x, xν ) − kMν GM (x, xν ) . F0 GM ν (x, x00 ) − 4Bk 2 ν=1 ν=1 (5.165) Dabei sind GF (x, xν ) = e−jk|x−xν | − je−k|x−xν | GM (x, xν ) = e−jk|x−xν | + je−k|x−xν | GM ν (x, xν ) = j e−jk|x−xν | − e−k|x−xν | sgn(x − xν ) , −1 f¨ ur x < xν sgn(x − xν ) = +1 f¨ ur x > xν
(5.166)
die Green’schen Funktionen des punktf¨ ormig angeregten, unendlich langen, homogenen Balkens. sgn(. . . ) ist die bei der Differentiation des Absolutbetrags entstehende Signum-Funktion“. ” Wenn ZF μ bzw. ZM μ die nicht notwendigerweise gleichen Kraft- bzw. Momentenimpedanzen der einzelnen Sperrmassen oder dgl. sind, dann m¨ ussen an den Diskontinuit¨ atsstellen folgende Randbedingungen erf¨ ullt sein: Fμ = v(xμ )ZF μ ,
Mμ = w(xμ )ZM μ
f¨ ur 1 ≤ μ ≤ N.
(5.167)
Setzt man hier (5.163) ein, so ergibt sich folgendes lineare Gleichungssystem f¨ ur die Bestimmung der bisher noch Unbekannten Gr¨oßen Fv und Mv
364
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
'N N Fμ ω + Fν GF (xμ , xν ) + kMν GM ν (x, xν ) ZF μ 4Bk3 ν=1 ν=1 ω GF (xμ , x00 ) =F0 4Bk 3 'N N ω Mμ − Fν GM ν (xμ , xν ) + kMν GM (x, xν ) ZM μ 4Bk2 ν=1 ν=1 =F0
(5.168)
−ω GM ν (xμ , x00 ). 4Bk 2
Der Index μ l¨auft von 1 bis N . Mit Hilfe dieser 2 × N Gleichungen k¨onnen Fv und Mv bestimmt und anschließend in (5.165) eingesetzt werden. In Bild 5.25 ist das Ergebnis einer derartigen Rechnung wiedergegeben. Es wurden dabei die Daten eines normalen Eisenbahngleises benutzt, das u ¨ber eine Feder (Schienenunterlage) an einer Masse (Schwelle) und diese wieder u ¨ber eine Feder an einem starren Grund befestigt war. Die Federn waren der Praxis entsprechend verlustbehaftet, so dass auch in den Durchlassb¨andern eine Pegelabnahme erfolgt. Man sieht in dem Beispiel, dass erwartungsgem¨aß wegen der Befestigung der Diskontinuit¨ atsstellen auf dem starren Untergrund (siehe auch Bild 5.24 oben) - bei den tiefen Frequenzen die Pegelabnahme ziemlich stark ist, dass also ein Sperrbereich vorliegt. Im Bereich um 200 Hz nehmen die Pegel nur wenig ab, um 500 Hz dagegen wieder sehr viel mehr (fast 40 dB innerhalb von 15 Periodenabst¨ anden). Bei etwa 1400 Hz kann man stehende Wellen erkennen, weil der Periodenabstand etwa eine halbe Wellenl¨ange betr¨agt. Mit dem skizzierten Verfahren kann man auch die Punkteingangsadmittanz ermitteln. Man findet • dass sie zwischen zwei Diskontinuit¨ atsstellen vom Ort abh¨angt, • dass sie in den Sperrbereichen imagin¨ ar ist, • und dass sie sich in den Durchlassbereichen nur wenig von der eines homogenen Balkens unterscheidet.
5.6 Anwendung des Hamilton’schen Prinzips auf K¨ orperschallu ¨ bertragungsprobleme 5.6.1 Vorgehensweise Wenn man K¨orperschall¨ ubertragungsprobleme mit dem Hamilton’schen Prinzip behandeln will, muss man zus¨ atzlich zu den in Abschnitt 1.3.2 oder 2.8.1 verwendeten Methoden auch noch ber¨ ucksichtigen, dass an den Diskontinuit¨atsstellen gewisse Randbedingungen zu erf¨ ullen sind. Im Sinne der Variationsrechnung handelt es sich also darum, das Minimum der Hamilton’schen Funktion unter bestimmten Nebenbedingungen (d.h. den Randbedingungen) zu finden. Das dazu geeignete Instrument ist derLagrangesche Multiplikator,
s Prinzip fu 5.6 Hamilton’sche . orperschall¨ ubertragung ¨r die K¨
365
Bild 5.25. Pegelabnahme der Schnelle bei einem Kettenleiter mit punktf¨ ormiger Anregung (ohne Longitudinalwellenanregung). Berechnet nach (5.165-5.168). Peri√ odenl¨ ange 0,6 m. Biegewellenl¨ ange des homogenen Balkens λ = 45/ f [m]
(s z.B. [5.11]). Wenn also die ν-te Randbedingung in der Form gν = 0 gegeben ist, dann ist folgende Gleichung zu l¨ osen 1 T
T
(Ekin − Epot )dt +
(λ∗ν gν + λν gν∗ ) = Min.
(5.169)
0
Dabei sind Ekin und Epot die kinetischen und potentiellen Energien der an der Bewegung beteiligten Massen, Federn, Stab- und Balkenst¨ ucke. T ist die Integrationszeit und λν der Lagrangesche Multiplikator. Er erscheint hier als eine reine Rechengr¨oße bzw. nach [5.11] als eine besonders elegante Umgehung der ” l¨astigen, zur Unsymmetrie zwingenden Forderung, mit Hilfe der Nebenbedingungen“ einen Teil der Variablen aus der Hamilton Funktion zu eliminieren. Wir werden sehen, dass es sich bei λν um physikalisch sinnvolle Gr¨oßen handelt, n¨amlich - bis auf einen Faktor - um eine Kraft, ein Moment oder dgl. In (5.169) erscheint neben λν gν∗ auch λ∗ν gν damit sichergestellt ist, dass alle Gr¨oßen reell sind und damit auch die Bildung eines Minimums sinnvoll ist.
366
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
Im Folgenden rechnen wir stets mit rein harmonischen Vorg¨angen der Kreisfrequenz ω. Das bedeutet, dass wir bei Benutzung der u ¨blichen Zeigerschreibweise die Realteile zu nehmen haben. Das ist einfach, wenn wir die folgenden Rechenregeln beachten. Aus 1$ % ξ(x, t) = Re ξ(x)ejωt = ξ(x)ejωt + ξ ∗ e−jωt 2 (5.170) 1$ % jωt ζ(x, t) = Re ζ(x)e ζ(x)ejωt + ζ ∗ e−jωt = 2 folgt T
1 T
ξ(x, t)2 dt = 0
T
1 T
ω2 ξ(x)ξ ∗ (x) 2 % 1$ ζ(x)ξ ∗ (x) + ζ ∗ (x)ξ(x) . ζ(x, t)ξ(x, t)dt = 4
0 T
1 T
2
1 ∗ ξ (x) 2
0
∂ξ(x, t) ∂t
dt =
(5.171)
Die Integrationszeit muss dabei eine ganze Anzahl von Schwingungsperioden umfassen. F¨ ur Stabst¨ ucke, die zu freien Longitudinalwellen angeregt sind, ist bei der Kreisfrequenz ω die Bewegung durch (5.172) ξ(x, t) = Re AL e−jkL x + BL ejkL x ejωt gegeben. Die u ¨ber die Zeit gemittelte Hamilton’sche Funktion ist demnach bei einem sich von x = lu bis x = lo erstreckenden Stabst¨ ucke (lu < lo ) HL =
1 T
1 = T
T
[Ekin − Epot ]dt 0 ' T 0
lo lu
ρS 2
∂ξ(x, t) ∂t
2 dx −
lo lu
ES 2
∂ξ(x, t) ∂x
2 dx dt.
(5.173)
Durch Einsetzen von (5.172) folgt daraus unter Benutzung von (5.170) und 2 (5.171) wegen E = ρω 2 kL HL =αL AL BL∗ e−jk(lu +lo ) + A∗L BL ejk(lu +lo ) (5.174) 1 mit αL = ρSωcL sin kL (lo − lu ). 2 F¨ ur Balkenst¨ ucke, die zu freien Biegewellen angeregt sind, ist bei der Kreisfrequenz ω die Bewegung durch ξ(x, t) = Re AB e−jkB x + BB ejkB x + CB e−kB (x−lu ) + DC ekB (x−lo ) ejωt (5.175)
5.6 Hamilton’sche . s Prinzip fu orperschall¨ ubertragung ¨r die K¨
367
gegeben. Die u ¨ber die Zeit gemittelte Hamilton’sche Funktion ist bei einem sich von x = lu bis x = lo erstreckenden (Euler)Balken 1 T
HB =
1 = T
T 0 T 0
[Ekin − Epot ]dt ' 2 lo ρS ∂ζ(x, t) dx − 2 ∂t lu
lo lu
B 2
∂ζ(x, t) ∂x
2
dx dt. (5.176)
Nach einigen Zwischenrechnungen ergibt sich daraus HB =
ω 2 ρS ∗ ∗ ∗ [(A∗B CB + BB CB )IC∗ + (A∗B DB + BB DB )ID 2kB ∗ ∗ ∗ ∗ + (AB CB + BB CB )IC + (AB DB + BB DB )ID ] .
(5.177)
Dabei sind IC = −
EBo N − EBu ; 1+j
EBo = e−jkB lo ;
ID = −
EBu = e−jkB lu ;
EBo N − EBu ; 1−j
(5.178)
N = e−kB (lo −lu ) ;
Wir haben hier die Terme mit CB und DB so geschrieben, dass die Exponentialfunktion im Bereich lu < x < l0 nicht gr¨ oßer als eins werden kann. Dadurch werden die hier großen Werte von kB l0 eventuell auftretenden numerischen Probleme (overflow) umgangen. 5.6.2 Einfaches Anwendungsbeispiel Als Erstes betrachten wir der Einfachheit halber einen Longitudinalanregungen ausf¨ uhrenden Stab mit Querschnittsprung, siehe Bild 5.26. Um die Rechnungen auf verschiedene F¨ alle anwenden zu k¨onnen, nehmen wir an, dass das linke Stabst¨ uck mit der vorgegebenen Wechselbewegung ξE1 u uck geschieht das mit ¨ber die Feder s1 angeregt wird. Beim rechten Stabst¨ ξE2 u uck die Bewegung (siehe 5.172) ¨ber die Feder s2 . Da im linken Stabst¨ durch (5.179) ξ1 (x, t) = Re AL1 e−jkL x + BL1 ejkL x ejωt gegeben ist, gilt f¨ ur die potentielle Energie und die Hamilton’sche Funktion der Feder 1 T 1 T −s1 |ξ − ξ 1 (lu1 )|2 Epot dt = − [ξE1 − ξ1 (lu1 , t)]2 dt = T 0 T 0 4 E1 jkL1 lu1 −s1 (c.c.) ξ E1 − AL1 e−jkL1 lu1 −BL1 e = 4 (5.180) Analog ist bei der Feder s2 an der Stelle x = l02 Hs1 = −
368
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
−s2 ξ E2 − AL2 e−jkL2 l02 − BL2 ejkL2 l02 (c.c.). 4 Die Randbedingung an der Verbindungsstelle x1 = x2 = 0 ist Hs2 =
ξ 1 (0) = ξ 2 (0);
d.h. AL1 + BL1 − AL2 − BL2 = 0.
(5.181)
(5.182)
Damit sind alle Bestandteile der zu minimierenden Funktion bekannt. Es gilt also nach (5.169) und (5.182) HL1 + HL2 + Hs1 + Hs2 + λ∗ (AL1 + BL1 − AL2 − BL2 ) + (c.c.) = Min. (5.183) Unter Benutzung von (5.174), (5.180, 5.181) wird daraus 2
∗ −jkLν (luν +loν ) αLν ALν BLν e + (c.c.)
ν=1
s1 ξ E1 − AL1 e−jkL1 lu1 − BL1 ejkL1 lu1 (c.c.) 4 s2 − ξ E2 − AL2 e−jkL2 lu2 − BL2 ejkL2 lu2 (c.c.) 4 ∗ λ (AL1 + BL1 − AL2 − BL2 ) + (c.c.) = Min. −
(5.184)
In diesen Ausdr¨ ucken bedeutet (c.c.) jeweils den konjugiert komplexen Wert
Bild 5.26. Benennungen f¨ ur Gl. (5.179-5.186)
des davorstehenden Ausdrucks. Das zeigt deutlich, dass der Gesamtausdruck rein reell ist. Um das Minimum zu erhalten, wird (5.184) nach der Unbekannten abgeleitet und die Ableitung Null gesetzt. Dabei ist zu ber¨ ucksichtigen, dass die Unbekannten komplex sind, dass also gilt A = A + jA ; A∗ = A − jA ; B = B + jB ; B ∗ = B − jB ; λ = λ + jλ ; λ∗ = λ − jλ . Dabei sind A , A etc rein reell. Soll eine Funktion f (A, A∗ , B, B ∗ , λ, λ∗ . . .) minimiert werden, dann ist zu bilden ∂f ∂A ∂f ∂A∗ ∂f ∂f ∂f = + = 0= + ∂A ∂A ∂A ∂A∗ ∂A ∂A ∂A∗ (5.185) ∂f ∂f ∂f ∂f ∂A ∂f ∂A∗ − . 0= = + =j ∂A ∂A ∂A ∂A∗ ∂A ∂A ∂A∗
s Prinzip fu 5.6 Hamilton’sche . orperschall¨ ubertragung ¨r die K¨
369
F¨ ur die Ableitungen nach B , B , λ , λ entstehen entsprechende Gleichungspaare. Dividiert man die untere Gleichung von (5.185) durch j und subtrahiert sie von der oberen, dann entsteht 0=
∂f . ∂A∗
Dadurch werden die rein reellen bzw. rein imagin¨aren Ausdr¨ ucke in (5.185) zu einer komplexen Gleichung zusammengefasst. Die Arbeitserleichterung besteht darin, dass man nur noch A∗ bzw. B ∗ , λ∗ abzuleiten braucht. Die Minimumsbildung durch Ableitung f¨ uhrt also zu folgendem Gleichungssystem. ∂ : αL1 BL1 ejkL1 (lu1 +lo1 ) ∂A∗L1 s1 + ejkL1 lu1 ξ E1 − AL1 e−jkL1 lu1 − BL1 e−jkL1 lu1 + λ = 0 4 ∂ : αL1 AL1 e−jkL1 (lu1 +lo1 ) ∗ ∂BL1 s1 + e−jkL1 lu1 ξ E1 − AL1 e−jkL1 lu1 − BL1 e−jkL1 lu1 + λ = 0 4 ∂ : αL2 BL2 ejkL2 (lu2 +lo2 ) ∂A∗L2 s2 + ejkL2 lu2 ξ E2 − AL2 e−jkL2 lu2 − BL2 e−jkL2 lu2 + λ = 0 4 ∂ : αL2 AL2 e−jkL2 (lu2 +lo2 ) ∗ ∂BL2 s2 + e−jkL2 lu2 ξ E2 − AL2 e−jkL2 lu2 − BL2 e−jkL2 lu2 + λ = 0 4 ∂ : AL1 + BL1 − AL2 − BL2 = 0. ∂λ∗ (5.186) Mit diesen f¨ unf Gleichungen f¨ ur die f¨ unf Unbekannten AL1 , BL1 , AL2 , BL2 , λ kann man die interessierenden Gr¨ oßen ausrechnen. Eine rechentechnische ur das EndergebErleichterung ergibt sich, wenn die Federsteifen s1 und s2 f¨ nis unwichtig sind. Man kann sie dann so klein (und ξE1 bzw. ξE2 so groß) w¨ahlen, dass Produkte der Form s1 AL1 , s1 BL1 , s2 AL2 , s2 BL2 vernachl¨assigt werden k¨onnen, aber s1 ξE1 und s2 ξE2 endlich bleiben Im Grunde handelt es sich hier um einen kleinen Trick um eine ¨ außere Anregung in der Rechnung zu erfassen ohne die Hamilton’sche Funktion erweitern zu m¨ ussen und ohne Kr¨afte in das Problem einzuf¨ uhren. Es ist damit auch m¨oglich unendlich lange Stabst¨ ucke zu simulieren. Beispielsweise kann man verlangen, dass im zweiten St¨ uck keine r¨ ucklaufende Welle vorhanden ist, dass also BL2 = 0 wird. Das l¨asst sich erreichen, indem man - wie das auf dem Gebiet des Antischalles auch praktisch gemacht wird - ξE2 so w¨ ahlt, dass die entsprechende Welle entnommen“ wird. Die unbekannten Gr¨ oßen sind also f¨ ur diesen (BL2 = 0) ” Fall: AL1 , BL1 , AL2 , ξE2 , λ. Praktisch bedeutet diese Operation nur, dass die
370
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
ξE2 Spalte in der Matrix an die Stelle der BL2 Spalte gesetzt wird. Auch daf¨ ur ist (5.186) l¨osbar und liefert u.a. den Reflexionsfaktor r = BL1 /AL1 und den Transmissionsfaktor AL2 /AL1 . Die Ergebnisse sind identisch mit (5.9)-(5.15). Interessant ist auch die Berechnung des Lagrangeschen Multiplikators λ. Es zeigt sich, dass er - bis auf den von der Zeitmittelung herr¨ uhrende Faktor 1/4 - identisch ist mit der an der Stelle x1 = x2 = 0 wirkenden Kraft. Das ist nicht allzu u ¨berraschend, denn (5.184) hat die Dimension einer Arbeit; also muss auch λ∗ AL1 etc. eine Arbeit sein. Da AL1 die Dimension einer Bewegung hat, muss λ die Dimension einer Kraft haben. Dass sich der urspr¨ unglich als reine Rechengr¨oße eingef¨ uhrte Lagrangesche Multiplikator als eine einer Kraft verwandte Gr¨oße erweist, ist nicht neu. Siehe z.B. Der Druck als Lagrange” scher Multiplikator“ in [5.12]. Es sei an dieser Stelle auch vermerkt, dass man alle K¨orperschallprobleme bei Anwendung des Hamilton’schen Prinzips nur mit Hilfe von Bewegungsgr¨oßen, also ohne explizite Anwendung von Kr¨aften, Momenten etc. formulieren kann. Es kann dabei allerdings notwendig sein, dass man die Anregung, so wie wir es in diesem Abschnitt taten, in etwas k¨ unstlicher Weise in (5.180), (5.181) u ¨ber Federn mit gegebener Auslenkung darstellen muss. Selbstverst¨andlich h¨ atte man auch, wie in 2.276, die ¨aussere Anregung durch die geleistete Arbeit in the Hamilton Formalismus einf¨ uhren k¨onnen. 5.6.3 Biegewellen und Longitudinalwellen bei einer unsymmetrischen Sperrmasse Das interessierende System ist in Bild 5.27 dargestellt. Es besteht aus den beiden Stabst¨ ucken, die die mit ξ bezeichneten Longitudinalbewegungen (AL , uhren. BL ) und die mit bezeichneten Biegebewegungen (AB , BB , CB , DB ) ausf¨ Der zweite Index gibt an um welches Stabst¨ uck es sich handelt. Die Anregung (oder auch die Entnahme“ durch Gegenquellen) erfolgt u ¨ber die Federn sL1 , ” sB1 , sL2 , sB2 . F¨ ur die weitere Rechnung brauchen wir noch die kinetische
Bild 5.27. Benennungen f¨ ur Gl. (5.187-5.193)
Energie der Sperrmasse. Sie setzt sich aus der Longitudinalbewegung ξ0 , der
s Prinzip fu 5.6 Hamilton’sche . orperschall¨ ubertragung ¨r die K¨
Biegebewegung ζ0 und der Drehung β0 zusammen. Es gilt ' 2 2 h2 h2 ρbd ∂ζ0 ∂ξ0 ∂β0 dy + dy . EM kin = +y 2 ∂t ∂t ∂t −h3 −h3
371
(5.187)
F¨ uhrt man die Integration u ¨ber y durch, wendet die Zeigerschreibweise an und benutzt die Rechenregeln (5.170) und (5.171), so ergibt sich 1 t EM kin dt T 0 M ω2 h2 − h3 1 ζ 0 ζ ∗0 + ξ 0 ξ ∗0 + (ξ 0 β ∗0 + ξ ∗0 ζ 0 ) + (h22 − h2 h3 + h23 )β 0 β ∗0 . = 4 4 3 (5.188) M = ρbd(h2 + h3 ) ist die Gesamtmasse der Sperrmasse. Schließlich brauchen wir noch die Randbedingungen am Ort der Sperrmasse in der neutralen Faser, also dort wo ζ0 , ξ0 , β0 zu nehmen sind. Sie sind durch die Gleichheit der Longitudinal-, Biege- und Drehbewegungen gegeben. Mit den u atzen (5.173), (5.176) lauten sie wegen x1 = x2 = 0. ¨blichen Wellenans¨ HM =
ξ01 − ξ02 = 0;
d.h. g1 = AL1 + BL1 − AL2 + BL2 ;
ζ01 − ζ02 = 0;
d.h. g2 = AB1 + BB1 + CB1 ekB1 lu1 + DB1
− AB2 − BB2 − CB2 − DB2 e−kB2 lo2 ; $ % β01 − β02 = 0; d.h. g3 = kB1 −jAB1 + jBB1 − CB1 ekB1 lu1 + DB1 $ % − kB2 −jAB2 + jBB2 − CB2 + DB2 e−kB2 lo2 . (5.189) Es bereitet keine besonderen Schwierigkeiten die Rechnung auf Balken zu erweitern, die einen Winkel ϑ zueinander haben. In diesem Fall m¨ ussen die Komponenten der Bewegungen in den beiden Koordinatenrichtungen u ¨bereinstimmen. Aus (5.175), (5.178), (5.181), (5.188) und (5.189) kann man nun die zu minimierende Funktion zusammensetzen. HB1 + HB2 + HL1 + HL2 + HsL1 + HsL2 + HsB1 + HsB2 + HM +
2
(λ∗ν gν + λν gν∗ ) = Min.
ν=1
Etwas ausf¨ uhrlicher geschrieben lautet dieser Ausdruck
(5.190)
372
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
2 ν=1
−
2
βν (hBν + h∗Bν ) +
αLν (hLν + h∗Lν )
ν=1
2 sLν ν=1
4
hLsν h∗Lsν −
2 sBν ν=1
4
hBsν h∗Bsν +
3
(λ∗ν gν + λν gν∗ )
ν=1
h2 − h h + h2 h2 − h3 2 3 3 ∗ + γ1 ζ 0 ζ ∗0 + ξ 0 ξ ∗0 + ζ 0 β ∗0 + ζ ∗0 β 0 + 2 β 0 β 0 = Min. 4 3 (5.191) Dabei Bedeuten ω 2 ρν Sν ω2 ρν Sν M ω2 ; ; αν = sin [kLν (loν − luν )] ; γ1 = 2kBν 2kLν 4 ∗ ∗ ∗ ∗ hBν = (A∗Bν CBν + BBν CBν ) ICν + (A∗Bν DBν + BBν DBν ) IDν ; Nν − EBuν − EBuν Nν E E ; IDν = Boν ICν = Boν 1+j 1−j EBoν = e−jkBν loν ; EBuν = e−jkBν luν ; βν =
∗ ELν ; ELν = e−jkLν (loν −luν ) ; Nν = e−kBν (loν −luν ) ; hLν = ALν BLν
ζ 0 = AB1 + BB1 + CB1 ekB1 lu1 + DB1 ; ξ 0 = AL1 + BL1 ; β 0 = kB1 −jAB1 + jBB1 − CB1 ekB1 lu1 + DB1 ; hBs1 = ζE1 − AB1 e−jkB1 lu1 − BB1 ejkB1 lu1 − CB1 − DB1 ekB1 (lu1 −lo1 ) ; hBs2 = ζE2 − AB2 e−jkB2 lo2 − BB2 ejkB2 lo2 − CB2 ekB2 (lu2 −lo2 ) − DB2 ; hLs1 = ξE1 − AL1 e−jkL1 lu1 − BL1 ejkL1 lu1 ; hLs2 = ξE2 − AL2 e−jkL2 lo2 − BL2 ejkL2 lo2 . (5.192) Die Formeln sind so geschrieben, dass die Erweiterung auf mehrere Balkenst¨ ucke keine Schwierigkeiten bereiten d¨ urften. Zur Bestimmung des Minimums werden die Ableitungen von (5.191) nach ∗ ∗ den Unbekannten A∗B1 , BB1 . . . DB2 , λ∗1 , λ∗2 gebildet und Null gesetzt. Bei diesem Rechenschritt, den man am besten von einem Gleichungsmanipulationsprogramm ausf¨ uhren l¨ asst, entstehen 2 × 6 + 3 = 15 lineare Gleichungen mit einem symmetrischen Koeffizientenschema. Die L¨osung kann mit u ¨blichen Programmen erfolgen. Wie zu erwarten ergeben sich numerische Schwierigkeiten bei den Singularit¨atsstellen der Matrix; d.h. bei den Resonanzen des Systems. Man kann sie umgehen, indem man eine D¨ ampfung einf¨ uhrt, also kL und kB komplex ansetzt oder indem man mindestens eine der ¨ außeren Quellen zu einer absorbierenden Gegenquelle macht. Bei den Daten, die im Folgenden gezeigt werden, wurden zum Beispiel die im zweiten Balken r¨ ucklaufenden Wellen dadurch ahlt wurden, dass BB2 = BL2 = 0. Revermieden, dass ζE2 und ξE2 so gew¨ chentechnisch bedeutet das, dass die Amplituden ζE2 und ξE2 die Rolle von
s Prinzip fu 5.6 Hamilton’sche . orperschall¨ ubertragung ¨r die K¨
373
Unbekannten u ¨bernehmen, was auf eine einfache Spaltenvertauschung in der ¨ aus (5.191) gebildeten Matrix hinausl¨ auft. Ahnlich kann man ξE1 bzw. ζE1 so bestimmen, dass es im linken Balken nur Biegewellen bzw. Longitudinalwellen gibt, die zur Diskontinuit¨ atsstelle laufen. Damit hat man dieselben Verh¨altnisse wie bei den in den Abschnitten 5.1 bis 5.4 untersuchten Beispielen. Eine gute Kontrolle der Rechnungen ist der Energieerhaltungssatz, der besagt, dass die Summe der auf die Diskontinuit¨atsstelle auftreffenden Leistungen gleich der Summe der durchgelassenen bzw. reflektierten Leistungen sein muss; d.h. 2|AB1 |2 β1 + 2|BB2 |2 β2 + |AL1 |2 α1 + |BL2 |2 α2 = 2|BB1 |2 β1 + 2|AB2 |2 β2 + |BL1 |2 α1 + |AL2 |2 α2 ;
(5.193)
mit αν = ω 2 ρ2ν Sν /2kLν . Bei den Biegewellenleistungen erscheint der Faktor 2, weil die Leistung mit der Gruppengeschwindigkeit 2ω/kB transportiert wird. Eine weitere Kontrollm¨oglichkeit bietet das Reziprozit¨ atsprinzip, von dessen Einhaltung man sich durch einige Rechnungen u ¨berzeugen kann. Die Bilder 5.28 und 5.29 zeigen einige Ergebnisse die nach dem beschriebenen Verfahren erhalten wurden. Sie geben einen gewissen Eindruck vom Einfluss der Unsymmetrie der Sperrmassen und des Winkels zwischen den beiden Balken. Man erkennt, dass bei gegebener Gesamtmasse mit wachsender Unsymmetrie - wegen des gr¨ oßeren Tr¨ agheitsradius - die Sperrfrequenz tiefer wird, die hochfrequente D¨ ammung jedoch gleich bleibt. Die Umwandlung von Biegewellen in Longitudinalwellen ist bei deiner Sperrmasse nicht sehr ausgepr¨agt. Wenn bereits eine deutliche Unsymmetrie vorhanden ist, hat eine weitere Erh¨ohung nur einen geringen Einfluss auf die Wellentypumwandlung. Bei dem Beispiel mit Balken, die unter verschiedenen Winkeln verbunden sind, zeigt sich deutlich der mit dem Winkel ansteigende Einfluss der Longitudinalwellen, w¨ahrend die Biegewellen¨ ubertragung bei allen Winkeln fast ungehindert erfolgt. Bild 5.30 zeigt weitere Beispiele. In diesen F¨allen wurde das Rechenverfahren auf mehr als zwei Balkenst¨ ucke erweitert. Die grunds¨atzliche Vorgehensweise ist dabei dieselbe; die Anzahl der Unbekannten und damit der Rechenaufwand (6 + 9 × (n − 1) bei n Balkenst¨ ucken) wird nat¨ urlich gr¨oßer. In dem Bild wurden die Parameter so gew¨ ahlt, dass bei nur einer Sperrmasse die Pegelabnahme bei den hohen Frequenzen den - bereits sehr hohen Wert von 15 - 20 dB annehmen w¨ urde. Wie man sieht, addieren sich bei der symmetrischen Anordnung die Pegelabnahmen pro Element und f¨ uhren in den Sperrbereichen zu vollkommen unrealistischen Werten. Bei der gleich schweren unsymmetrischen Anordnung wird dagegen nach etwa zwei Kettengliedern eine Grenzd¨ammung erreicht. dass die Ursache hierf¨ ur die Longitudinalwellenanregung ist, geht nicht nur aus Messungen [5.8] hervor, sondern auch aus den Rechnungen, die deutlich zeigen, dass nach etwa drei Kettengliedern die
374
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
Bild 5.28. Biegewellend¨ ammung und Biegewellenumwandlung durch unsymmetrsiche Sperrmassen. b = 2h1 1)h2 = h3 = 15h1 , 2)h2 = 20h1 ; h3 = 10h1 3)h2 = 25h1 ; h3 = 5h1 , 4)h2 = 30h1 ; h3 = 0, 5)h2 = 35h1 ; h2 = −5h1 , 6) Assymptote nach (5.92)
in den Longitudinalwellen enthaltene Leistung wesentlich gr¨oßer ist als die in den Biegewellen enthaltene.
5.7 Probleme des schr¨ agen Einfalls 5.7.1 Allgemeine Betrachtungen zur Bewertung schr¨ agen Einfalls Wir wollen nun dazu u ¨bergehen, die Biegewellen in Platten schr¨ag auf die Trenngeraden einfallen zu lassen. Diese Erweiterung ist f¨ ur die praktische Anwendung der Berechnung sicher sehr wichtig, weil bei allen fl¨achenartigen Gebilden der senkrechte Einfall nur einen seltenen Spezialfall darstellt. Findet beispielsweise eine punktf¨ ormige Erregung einer Platte statt, so geht von der Erregungsstelle in jeder Fl¨ achenrichtung die gleiche Energie aus. Eine recht-
5.7 Probleme des schr¨ agen Einfalls
375
Bild 5.29. Biegewellen- und Longitudinalwellend¨ ammung sowie Wellenumwandlung durch Winkelverbindungen
eckige Begrenzung wird also - teilweise nach mehrfachen Reflexionen - unter allen Einfallswinkeln getroffen. Im Gegensatz zu dem von der statistischen Raumakustik bekannten r¨aumlichen Verteilungsproblem ist bei der fl¨ achenhaften Verteilung der streifende Einfall nicht h¨aufiger als jede andere Richtung, also auch nicht h¨aufiger als der senkrechte. Dagegen bleibt erhalten, dass ein gewisses Element der Trenngeraden, dessen Ausdehnung durch die Teill¨ ange lT gekennzeichnet ist, nur die Projektion lT cos ϑ aus der einfallenden Welle herausschneidet (s. Bild 5.31). Aus diesem Grunde kommt hier dem senkrechten Einfall die gr¨oßte Bedeutung zu. Ist das betreffende Element f¨ ur den betreffenden Einfallswinkel durch einen Transmissiongrad τ gekennzeichnet und w¨are die Energie je Fl¨acheneinheit W (J/m2 ) auf alle Richtungen gleichm¨ aßig verteilt, k¨ame also auf den Winkelbereich dϑ der Anteil dϑ/2π, so ergibt sich f¨ ur den durch das Element der L¨ange lT durchgelassenen Leistungsanteil:
376
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
Bild 5.30. Biegewellenausbreitung auf einem Balken mit periodischen Sperrmassen. l = 0, 3 m; h = 0, 01 m. a Symmetrsiche Sperrmassen h2 = h3 = 0, 1 m; b unsymmetrsiche Sperrmassen h2 = 0, 1 m; h3 = 0 m; b = 0, 02 m
P =
cg W lT 2π
π/2
τ (ϑ) cos ϑdϑ = −π/2
cg W lT 2π
1
τ (sin ϑ)d(sin ϑ),
(5.194)
−1
wobei cg die Gruppengeschwindigkeit darstellt. Die letzte Umformung weist darauf hin, dass es sich empfiehlt, den Transmissiongrad in Abh¨angigkeit von sin ϑ auszudr¨ ucken und aufzutragen, damit der Fl¨achenmittelwert unter der betreffenden Kurve zugleich ein Maß f¨ ur den mittleren“ Transmissionsgrad ” ist: 91 1 τ d(sin ϑ) = τm = 09 1 τ d(sin ϑ) (5.195) d sin ϑ 0 0
5.7 Probleme des schr¨ agen Einfalls
377
Bild 5.31. Skizze zur Gewichtbildung bei der Mittelung u ¨ber verschiedene Einfallswinkel
Ganz entsprechend vollzieht sich die Mittelwertbildung hinsichtlich des Absorptionsgrades α: 1
αm =
α(ϑ)d(sin ϑ).
(5.196)
0
Man kann sich dabei auch, wie in der statistischen Raumakustik, die Frage vorlegen, welche Energie je Fl¨ ache W in einer Decke oder Wand von der Fl¨ache S bei st¨ andiger Zuf¨ uhrung einer Leistung P0 erzeugt wird. Vernachl¨assigen wir einmal die Verluste w¨ ahrend der Ausbreitung, so muss diese Leistung gleich der Summe der an der Umrandung mit den Teill¨angen lk und den Absorptionsgraden αmk verloren gehenden Leistungen sein. Sie ergeben sich aus (5.194), wobei statt des Transmissionsgrades der Absorptionsgrad einzusetzen ist, bzw. dessen Mittelwert u ¨ber alle Einfallswinkel nach (5.196). Diese Leistungsbilanz ergibt dann: P0 =
cg W lk αmk , π
(5.197)
d.h. die station¨are Energie je Fl¨ ache ergibt sich hier aus zugef¨ uhrter Leistung und den Eigenschaften des Randes zu: W =
cg
πP ! 0 . lk αmk
(5.198)
Ebenso kann man auch das An- und Abschwellen der Energie je Fl¨ache erfassen, welches auftritt in den Zeitmomenten, in denen die Energie je Fl¨ache nicht den durch (5.197) gegebenen Wert hat, sondern in welchem eine Differenz zwischen der linken und der rechten Seite dieser Gleichung auftritt. Diese Differenz f¨ uhrt dann zu einem entsprechenden Anwachsen oder Abnehmen der Gesamtenergie W S in der Platte: P0 −
cg W dW lk αmk = S . π dt
(5.199)
Insbesondere ergibt sich f¨ ur den schon in 3.4.1.3 benutzten Nachhallvorgang, der sich an eine pl¨ otzliche Abschaltung der Leistungszufuhr (P0 = 0) anschließt:
378
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
W = W0 e−δt
mit δ = cg
lk αmk (πS)−1 .
Die durch einen Abfall um 60 dB gekennzeichnete Nachhallzeit πS πS ! ! ln(10) = 13, 8 T =6 cg lk αmk cg lk αmk w¨are also der Fl¨ache proportional und der Summe lk αmk = a
(5.200)
(5.201)
(5.202)
umgekehrt proportional, die wir ihrer Dimension nach als ¨aquivalente Ab” sorptionsl¨ange“ a definieren k¨ onnen. F¨ uhrt man noch eine ¨ortliche Mittelwertbildung des Absorptionsgrades ein: ! lk αmk α ¯m = ! (5.203) lk sowie den Umfang des Randes mit
lk = lges ,
(5.204)
so kann man Gl. (5.201) auch umformen in T =
13, 8 πS 1 . cg lges α ¯m
(5.205)
Vergleicht man diese Gleichung mit der bekannten Gleichung f¨ ur die Nachhallzeit in einem Raume vom Volumen V und der Oberfl¨ache S: T =
13, 8 4V 1 , c S α ¯m
(5.206)
so wird deutlich, dass hier nicht nur an die Stelle des Raumvolumens sinngem¨aß die Plattenfl¨ ache, an die Stelle der Oberfl¨ache des Raumes eben¨ so der Plattenumfang getreten ist, sondern dass auch bei diesem Ubergang vom dreidimensionalen zum zweidimensionalen Problem der Zahlenfaktor sich ge¨andert hat. W¨ ahrend bei den R¨ aumen die mittlere freie Wegl¨ange durch lm =
4V S
(5.207)
gekennzeichnet ist, betr¨ agt sie bei den Fl¨ achenkosten lm =
πS . lges
(5.208)
Wir werden diese Gleichung in Abschnitt 5.9 bei der statistischen Energieanalyse noch ben¨ otigen.
5.7 Probleme des schr¨ agen Einfalls
379
5.7.2 Allgemeine Folgerungen aus den Randbedingungen 5.7.2.1 Wellenzahlen bzw. Winkel Wir betrachten zwei halbunendliche Platten, die entlang der Achse x = 0 verbunden seien, s. Bild 5.32. Da die Platten homogen sind, k¨onnen wir, wenn wir uns auf eine Einfallsrichtung ϑ1 beschr¨ anken, zwischen der einfallenden Welle (5.209) AB1 e−jkx1 x e−jkz z = AB1 e−jkx1 x Ez der reflektierten Welle BB1 ejkx1 x Ez = rAB1 ejkx1 x Ez
(5.210)
der durchgelassenen Welle AB2 e−jkx2 x Ez = tAB1 e−jkx2 x Ez
(5.211)
und den von x = 0 nach beiden Seiten ausgehenden Nahfeldern DB1 ekN 1 x Ez = rj AB1 ekN 1 x Ez
CB2 e−kN 2 x Ez = tAB1 e−kN 2 x Ez (5.212)
unterscheiden. Die u angigkeit der Wellen wurde mit Ez ¨berall gleiche z-Abh¨ abgek¨ urzt. Die Amplitude der einfallenden Welle AB1 und ihre Wellenzahl in x-Richtung kx1 , die wir auch durch den Einfallswinkel ϑ1 als kx1 = kB1 cos ϑ1
(5.213)
ausdr¨ ucken k¨onnen, sind durch die Art der Anregung vorgegeben. Die u ¨brigen Amplituden bzw. die Reflexionsfaktoren r, rj und die Transmissionsfaktoren t, tj m¨ ussen aus den Randbedingungen ermittelt werden. Die dabei zu erf¨ ullenden Forderungen sind: •
die Ausdr¨ ucke (5.209 bis (5.212) m¨ ussen der Gleichung f¨ ur freie Biegewellen, also (2.266) f¨ ur verschwindende rechte Seite gen¨ ugen, woraus sich die noch unbekannten Wellenzahlen kz , kx2 , kN 1 , kN 2 ergeben; • an der Verbindungslinie x = 0 sind die Bewegungen, Momente und Kr¨afte durch Stetigkeitsbedingungen (keine Spr¨ unge) miteinander verkn¨ upft, woraus sich Bestimmungsgleichungen f¨ ur r, t, rj , tj ergeben.
Ein wichtiger Tatbestand ist, dass die durch kz = ω/cz beschriebene tangentiale Periodizit¨at l¨ angs der Trenngeraden allen Wellen gemeinsam ist, weil nur so die Gleichheit der Bewegung entlang der Verbindungslinie x = 0 gew¨ahrleistet ist. Man kann auch sagen, dass sich alle Wellen mit der gleichen Spur” geschwindigkeit“ cz in z-Richtung ausbreiten. Diese Bedingung steht und f¨allt mit der Homogenit¨ at der Platten und der Gleichheit der Randbedingungen entlang x = 0. Ist eine dieser Voraussetzungen nicht erf¨ ullt, handelt es sich nicht mehr um ein Reflexions- und D¨ ammproblem f¨ ur ebene Wellen, sondern
380
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
Bild 5.32. Benennungen zu Gl. 5.209 - 5.213
um ein wesentlich komplizierteres Streuproblem, bei dem neue Wellen mit neuen Wellenzahlen ber¨ ucksichtigt werden m¨ ussen. Setzt man (5.209) in (2.266) mit verschwindender rechten Seite ein, so findet man, dass & 2 4 2 − k2 = k (−kx1 − kz2 )2 − kB1 = 0 d.h. kz = kB1 (5.214) B1 sin ϑ1 x1 gelten muss. Dabei ist kB1 die Biegewellenzahl der Platte auf der Seite x < 0. Siehe (2.91). Analog erhalten wir # & k2 2 2 2 2 2 2 2 (−kx2 − kz ) − kB2 = 0; kx2 = kB2 − kz = kB2 1− B1 (5.215) 2 sin ϑ1 , kB2 & 2 kB1 + kz2 = kB1 1 + sin2 ϑ1 , (5.216) # & 2 kB1 2 2 − k2 = k = kB2 1 + B2 z 2 sin ϑ1 . (5.217) kB2
2 2 2 2 (kN 1 − kz ) − kB1 = 0; kN 1 =
2 2 2 2 (kN 2 − kz ) − kB2 = 0; kN 2
&
Drei Ph¨anomene sind im Zusammenhang mit (5.214)-(5.217) bemerkenswert: •
Da allen Ausdr¨ ucken in (5.209) bis (5.213) der Faktor e(−jkz z) gemeinsam ist, hat man es im Prinzip mit einem eindimensionalen Problem zu tun. • Im Gegensatz zu der bisher behandelten eindimensionalen Wellenausbreitung auf Balken sind die Wellenzahlen f¨ ur Nahfeld und Fernfeld dem Betragen nach nicht gleich. ¨ • Ahnlich wie bei anderen Wellenph¨ anomenen kann Totalreflexion auftreten; d.h. auf dem nicht direkt angeregten Plattenteil k¨onnen nur Nahfelder existieren. Die Bedingung hierf¨ ur ist, dass (5.215) einen imagin¨aren Wert ergibt, dass also
5.7 Probleme des schr¨ agen Einfalls
# kB2 cB1 d.h. sin ϑ1 > = = kB1 cB2
h1 m2 B1 = m1 B2 h2
381
"
cL1 cL2 (5.218) gilt. Es handelt sich hier um dasselbe Ph¨ anomen wie bei der Brechung von elektromagnetischen Wellen (Snelliussches Brechungsgesetz). Bei Platten aus gleichem Material sind die Grenzwinkel der Totalreflexion kB1 sin ϑ1 > kB2
4
h1 /h2 = 1,1:1 1,2:1 1,5:1 2:1 3:1 5:1 ϑgrenz = 72◦ 66◦ 55◦ 45◦ 35◦ 26◦ 5.7.2.2 Amplituden Die Gleichungen (5.209) bis (5.213) enthalten vier unbekannte Amplituden, es hat jedoch den Anschein als ob sechs Gr¨ oßen (und damit sechs Randbedingungen) n¨amlich die Schnelle v, die Winkelschnellen in den beiden Richtungen, ullen w¨aren. die Momente Mxx und Mxz sowie die Querkraft Fx zu erf¨ Es handelt sich hier jedoch um ein Scheinproblem, weil angegebene Gr¨oßen teilweise voneinander abh¨ angig sind. F¨ ur die Winkelgeschwindigkeit um die z-Achse gilt ∂v = −jkz v, ∂z sie ist also keine unabh¨ angige Gr¨ oße, weil sie durch den Verlauf der Schnelle ¨ v und den u andig bestimmt ist. Ahnlich gilt ¨berall gleichen Wert von kz vollst¨ f¨ ur das Torsionsmoment je Breiteneinheit nach (2.268) Mxx =
B (1 − μ) ∂ 2 v B (1 − μ) ∂v B (1 − μ) = kz =− kz w; jω ∂x∂z ω ∂x ω
(5.219)
d.h. auch diese Gr¨ oße ist nicht unabh¨ angig. Bei den Randbedingungen sind also nur die Schnelle v, die Winkelschnelle w um die x-Achse, das Moment B ∂ 2v ∂2v B ∂2v 2 +μ 2 =− − μkz v (5.220) Mxz = − jω ∂x2 ∂z jω ∂x2 und die Querkraft Qx =
B jω
∂3v ∂3 + 3 ∂x ∂x∂z 2
=
B jω
∂ ∂ 3v − kz2 3 ∂x ∂x
(5.221)
zu ber¨ ucksichtigen. Siehe (2.268), (2.269). Dies besagt nun andererseits, dass wir am Rande einer Platte gar nicht die drei dynamischen Gr¨ oßen Mxx , Mxz und Qz unabh¨angig voneinander in beliebiger Weise einwirken lassen k¨ onnen. Beispielsweise w¨ urde man zun¨achst erwarten, dass sie alle drei am freien Rande verschwinden. Dieses Dilemma findet darin seine L¨osung, dass die von den vertikalen Schubspannungen herr¨ uhrende Querkraft Qx und das von den u ¨ber und unter der Plattenmitte entgegengesetzten horizontalen Schubspannungen herr¨ uhrende Torsionsmoment Mxx zu
382
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
einer resultierenden Wirkung zusammenzufassen sind. Dies entspricht dem auch sonst von uns bei der Aufstellung der Randbedingung befolgten Prinzip von St. Venant, welches besagt, dass sich erst in einer Entfernung von einigen Plattendicken vom Rande die Spannungsverteilungen so einstellen, wie wir sie der einfachen Biegelehre zugrunde legen, dass es aber andererseits in diesen entfernteren Bereichen gleichg¨ ultig ist, wie die Spannungsverteilung am Rande u ¨ber dem Plattenquerschnitt im einzelnen aussieht. Von diesem Prinzip mach¨ ten wir bereits Gebrauch, als wir bei sprungweiser Anderung der Querschnitte nur die Gleichheit der Biegemomente ins Auge fassten, ohne uns dar¨ uber Gedanken zu machen, dass in unmittelbarer N¨ ahe der Sprungstelle - jedenfalls im gr¨ oßeren Querschnitt - noch nicht eine von der neutralen Faser aus anwachsende lineare Spannungsverteilung vorliegen kann. In einer mit der Plattenst¨arke vergleichbaren Entfernung w¨ urde sie sich dagegen einstellen. Daher hat auch die ganze vorliegende Darstellung der Randbedingungen nur Sinn, solange die Wellenl¨angen groß zur Plattenst¨ arke sind. Dies gilt andererseits aber auch f¨ ur die zugrunde gelegte Biegewellengleichung. Im Rahmen der vorliegenden Darstellung sind daher die durch horizontale Spannungen erzeugten Torsionsmomente, wie sie in Bild 5.33 oben eingezeichnet sind, gleichwertig solchen, die durch entsprechende vertikale Spannungen hervorgerufen werden, wie sie in der Mitte eingetragen sind. Dabei heben sich aber die einander entgegengesetzten benachbarten Spannungen auf bis auf ihre differentiellen Unterschiede, d.h. aber, die Torsionsmomente k¨onnen hervorgerufen und ausgeglichen werden durch zus¨ atzliche Vertikalkr¨afte je L¨angeneinheit und durch an den seitlichen Randpunkten u ¨brig bleibende Einzelkr¨afte, die aber im vorliegenden Falle keine Rolle spielen, da wir ja seitlich mit beliebig großer Ausdehnung rechnen. F¨ ur alle a ¨ußeren Kr¨afte, und somit auch
Bild 5.33. Zusammensetzung der St¨ utzkr¨ afte (unten) aus Torsionsmomenten (oben) und Querkr¨ aften (Mitte)
f¨ ur die in den Randbedingungen auftretenden, ist daher auch nicht die Querkraft, sondern die (z.B. bei einer aufgest¨ utzten Platte auftretende) St¨ utzkraft je Breiteneinheit maßgebend:
5.7 Probleme des schr¨ agen Einfalls
Fx = Qx −
B ∂Mxx = ∂x jω
∂3v ∂v − (2 − μ)kz2 3 ∂x ∂x
383
.
(5.222)
5.7.3 Beispiele 5.7.3.1 Biegewellen¨ ubertragung u ¨ ber Ecken und Verzweigungen ¨ Ahnlich wie bei dem entsprechenden Balkenproblem sind die Randbedingungen entlang der Verbindungslinie x = 0: a) verschwindende Schnelle; d.h. v1 (0, z) = 0, v2 (0, z) = 0, b) Gleichheit der Winkelschnellen; d.h. w1 (0, z) = w2 (0, z),
(5.223)
c) Gleichheit der Momente; d.h. Mxz1 (0, z) = Mxz2 (0, z). Mit 5.209 - 5.213 f¨ uhrt das auf folgende Beziehungen (siehe (5.220)) v1 : 1 + r + rj = 0 v2 : t + tj = 0 % −B2 $ 2 % B $ 2 2 2 2 −kx2 t + kN M : − 1 −kx1 (1 + r) + kN 1 rj − μkz 0 = 2 tj − 0 . jω jω (5.224) Daraus ergibt sich nach einigen Umformungen unter Benutzung der aus 2 2 2 2 2 2 (5.214) bis (5.217) folgenden Beziehungen kN 1 +kx1 = kB1 +k2Z +kB1 −k2Z = 2 2kB1 und entsprechend f¨ ur die zweite Platte t=
2jkx1 kN 2 + ψkn1 − j(kx2 + ψkx1 )
2j cos ϑ1 = κ2 + sin2 ϑ1 + ψ 1 + sin2 ϑ1 − j κ2 − sin2 ϑ1 + ψ cos ϑ1 (5.225) und
κ2 − sin2 ϑ1 − ψ cos ϑ1 − κ2 + sin2 ϑ1 − ψ 1 + sin2 ϑ1 + j . r = κ2 + sin2 ϑ1 + ψ 1 + sin2 ϑ1 − j κ2 − sin2 ϑ1 + ψ cos ϑ1 (5.226) Dabei wurden wieder die Abk¨ urzungen (siehe 5.22), (5.23) # kB2 cB1 m2 B2 B2 kB2 = (5.227) ψ= = und κ = B1 kB1 m 1 B1 kB1 cB2 benutzt. Der f¨ ur den Leistungstransport wichtige Transmissionsgrad τ kann wieder aus 1 − |r|2 oder aus ψ κ2 − sin2 ϑ1 2 cos ϑ1 2 |t | = |t | (5.228) τ = κψ cos ϑ2 cos ϑ1
384
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
gewonnen werden, wobei hier noch, wie in Bild 5.31, ber¨ ucksichtigt werden muss, dass eine Breiteneinheit der Trenngeraden andere Projektionsl¨angen aus einfallender und durchgelassener Welle ausschneidet. Auf beiden Wegen ergibt sich: 2ψ κ2 − sin2 ϑ1 cos ϑ1 & τ= 2 2 2 2 2 2 ψ + (κ + sin ϑ1 )(1 + sin ϑ1 ) + κ − sin ϑ1 cos ϑ1 + κ2 (5.229) ¨ was auch, wenn wir die Abh¨ angigkeit vom Einfallswinkel gem¨aß den Uberucken und daf¨ ur kurz s setzen, legungen zu (5.195) nur durch sin ϑ1 ausdr¨ geschrieben werden kann: √ √ 2ψ κ2 − s2 1 − s2 τ= . (5.230) ψ2 + ψ (κ2 + s2 )(1 + s2 ) + κ2 − s2 )(1 − s2 ) + κ2 Wir u achst, dass diese Gleichung mit ¨berzeugen uns zun¨ sin ϑ1 = s = 0 in (5.44) u ¨bergeht. Außerdem ergibt sich ein sehr einfaches Ergebnis in dem Falle, dass zwei gleichartige Platten aneinandergrenzen. Wegen ψ=κ=1
(5.231)
ist n¨amlich:
1 cos2 ϑ1 = τ (0) cos2 ϑ1 . (5.232) 2 (Siehe Kurve a) in Bild 5.34). Diese einfache Winkelabh¨angigkeit ergibt sich u ¨brigens bereits, wenn nur κ=1 (5.233) τ=
gilt. Wir erhalten dann immer: τ=
2ψ cos2 ϑ1 = τ (0) cos2 ϑ1 (ψ + 1)2
(5.234)
Damit sind zugleich die F¨ alle erfasst, in denen es sich um eine Wandabzweigung oder ein Wandkreuz mit gleicher Beschaffenheit aller Teilw¨ande handelt. Im ersten Falle ist die Momentenbeziehung von (5.223) zu ¨andern in Mxz1 = Myz2 + Mxz3 = 2Myz2 ,
(5.235)
Mxz1 = Myz2 + Mxz3 + Myz4 = 3Myz2 ,
(5.236)
im zweiten Falle in
5.7 Probleme des schr¨ agen Einfalls
385
Bild 5.34. Biegewellentransmissiongrad in Abh¨ angigkeit vom Einfallswinkel bei schr¨ agem Einfall auf eine Rechtecke. a H2 = h1 ; b h2 0h1 /2; c h2 = 2h1
was aber nur darauf hinausl¨ auft, dass wir in (5.225-5.227) bzw. (5.228-5.232) ψ = 2, bzw. ψ = 3 zu setzen haben. Schon dieses erste Beispiel zeigt, dass der beim Luftschall meist geltende Anstieg des Absorptions- bzw. Transmissionsgrades mit wachsendem Einfallswinkel, wie er f¨ ur eine Gleichverteilung auf alle Richtungen g¨ unstig w¨are, hier nicht vorliegt. Der mittlere Transmissionsgrad ist nach (5.195) kleiner als der f¨ ur senkrechten Einfall geltende, n¨ amlich 1
cos2 ϑd(sin ϑ) =
τm = τ (0) 0
2 τ (0) 3
(5.237)
das zuzuordnende mittlere D¨ ammmaß also etwas gr¨oßer: Rm = R0 + 1, 8 dB.
(5.238)
Sobald wir die durch (5.233) gegebene Vereinfachung fallen lassen, wird die Winkelabh¨angigkeit nicht nur komplizierter, es entf¨allt vor allem die bei senkrechtem Einfall m¨ ogliche Einparameter-Darstellung. ψ und 1/κ haben hier v¨ollig verschiedene Einfl¨ usse auf die Winkelabh¨angigkeit. Auch ist es nicht gleichg¨ ultig, ob h1 : h2 oder h2 : h1 einen bestimmten Wert annimmt. Dies zeigen die in Bild 5.34 als Kurven b und c eingezeichneten Transmissionsgrade f¨ ur h2 /h1 = 1/2 und h2 /h1 = 2. Sie beginnen bei senkrechtem Einfall mit dem gleichen Wert. Im zweiten Falle aber ist die√Biegewellengeschwindigkeit im zweiten Schenkel gr¨ √oßer, und zwar um das 2-fache, als im ersten. Daerreicht. her wird bei arcsin(1/ 2) = 45◦ der Grenzwinkel der Totalreflexion 2 2 2 Jenseits dieses Winkels ist in (5.226) j(κ − sin ϑ1 ) durch ± sin ϑ1 − κ2 zu ersetzen; damit aber wird |r| = 1, d.h. die Totalreflexion bleibt f¨ ur alle gr¨ oßeren Winkel erhalten.
386
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
Hinsichtlich des Ph¨ anomens der Totalreflexion muss noch darauf aufmerksam gemacht werden, dass die obigen Gleichungen - genau wie die bekannten Fresnel’schen Gleichungen der Optik - unter der Annahme unendlich breiter Wellenfronten und unendlich breiter Trenngeraden abgeleitet sind. Bei endlicher Breite - oder beim Auftreffen von Zylinderwellen - entstehen an den R¨andern Strahlverbreiterungen, die beim Grenzwinkel der Totalreflexion sehr erheblich sein k¨onnen. Das kann sich darin ¨ außern, dass ein Energieanteil, der unter dem Grenzwinkel auf die Trenngerade aufl¨auft, an ihr entlang l¨auft und dabei st¨andig in Richtung des Ausfallswinkels abstrahlt. Ein Spezialfall der Wandverzweigungen sei noch erw¨ahnt, da er auch nur eine kleine Ab¨anderung der Randbedingungen bedeutet, n¨amlich der, dass die erste Platte an eine zweite st¨ oßt, die nach beiden Seiten gleichartig abzweigt. Auch hierbei ist (5.223) durch (5.235) zu ersetzen, aber ohne dass deshalb Beschr¨ankungen hinsichtlich ψ und κ auferlegt sind. Wir haben in den Endgleichungen nur ψ durch 2ψ zu ersetzen, erhalten also: √ √ 4ψ κ2 − s2 1 − s2 . (5.239) τ= 4ψ 2 + 2ψ (κ2 + s2 )(1 + s2 ) + (κ2 − s2 )(1 − s2 ) + κ2 Wenn wir hierin wieder sin1 = s = 0 setzen, werden wir auf die Gleichungen f¨ ur den senkrechten Einfall gef¨ uhrt. 5.7.3.2 Anregung von in-plane Wellen“ an Ecken etc ” Wie beim Balkenproblem (siehe Abschnitt 5.2.3) werden im allgemeinen auch bei halbunendlichen Platten an den Verbindungslinien neue Wellentypen erzeugt. Bei Platten k¨ onnen dabei wegen der zwei Bewegungsrichtungen auch zwei neue Wellentypen, n¨ amlich Longitudinal- und Schubwellen angeregt werden. In Abschnitt 2.7.4.1 wurden diese Wellen behandelt und als in-plane ” Wellen“ in (2.247) zusammengefasst. Beschr¨ ankt man sich auf freie ebene Wellen, die in z-Richtung die Wellenzahl kz haben, dann kann man sich durch Einsetzen davon u ¨berzeugen, dass (2.247) bei verschwindender Anregung (d.h. rechte Seite gleich Null) folgende Ausdr¨ ucke f¨ ur die Schnelle in den beiden Richtungen liefert: kz jωξ = vI (x, z) = AL EL+ + BL EL− − (AT ET + − BT ET − ) Ez kT x kz jωζ = vII (x, z) = (AL EL+ − BL EL− ) + AT ET + + BT ET − Ez . kLx (5.240) Dabei bedeuten AL bzw. BL die Amplituden der in positiver bzw. negativer Richtung sich ausbreitenden Longitudinalwellen; AT , BT sind die Amplituden der Schubwellen. Die Wellenzahlen in x-Richtung sind f¨ ur die beiden Wellentypen nach (2.254a), (2.254b) durch
5.7 Probleme des schr¨ agen Einfalls
kLx =
& 2 − k2 = kL1 z
"
1−μ 2 kT − kz2 und kT x = 2
&
kT2 − kz2
387
(5.241)
gegeben. Außerdem wurden die Abk¨ urzungen EL+ =
1 = e−jkLx x , EL−
ET + =
1 ET −
= e−jkT x x ,
Ez = e−jkz z
(5.242)
genutzt. (In Abschnitt 2.7.4.1 wird k3 und x3 statt kz und z benutzt). F¨ ur das hier behandelte D¨ ammproblem, bei dem nur eine ¨außere Biegewellenanregung vorliegt, k¨ onnen nur solche in-plane Wellen auftreten, die von der Trennlinie x = 0 ausgehen. Das bedeutet, dass die in-plane Schnellen auf den beiden Platten durch kz Ez ; vI 1 (x, z) = BL1 EL1− + BT 1 ET 1− kT 1x kz Ez ; vI 2 (u, z) = AL2 EL2+ − AT 2 ET 2+ kT 2y (5.243) −kz BL1 EL1− + BT 1 ET 1− Ez ; vII 1 (x, z) = kL1x kz vII 2 (y, z) = AL2 EL2+ + AT 2 ET 2+ Ez kL2y gegeben sind. Aus (5.240)-(5.243) kann man bereits ablesen, dass die Longitudinalwellen nur dann ausbreitungsf¨ ahig sind wenn kLx reell ist. Ebenso gibt es fortschreitende Schubwellen nur dann, wenn kT x reell ist. Da nach (5.214) die allen Bewegungen gemeinsame Wellenzahl kz durch den Einfallwinkel der anregenden Biegewellen bestimmt ist, muss f¨ ur ausbreitungsf¨ahige Wellen auf beiden Plattenteilen cB1 2 2 kLI − kB1 sin2 ϑ1 > 0 d.h. sin ϑ1 < bzw. cLI (5.244) cB1 2 sin2 ϑ1 > 0 d.h. sin ϑ1 < kT2 − kB1 cT gelten. Dabei sind cB1 , cLI und cT die Ausbreitungsgeschwindigkeiten f¨ ur Biege-, Longitudinal- und Schubwellen. Die Bedingung (5.244) l¨asst sich leicht verstehen, wenn man wieder die Spurgeschwindigkeit“ der Anregung, also die ” Phasengeschwindigkeit in z-Richtung einf¨ uhrt. cz =
ω ω cB1 = = . kz kB1 sin ϑ1 sin ϑ1
(5.245)
Es leuchtet ein, dass ein Wellentyp nur dann ausbreitungsf¨ahig ist, wenn seine Ausbreitungsgeschwindigkeit kleiner als die Spurgeschwindigkeit ist; andernfalls liegen Zonen mit positiver und negativer Phase weniger als eine halbe Wellenl¨ange auseinander und kompensieren sich u ¨ber Nahfelder, geben aber
388
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
kein Fernfeld. Siehe auch den sog. hydrodynamischen Kurzschluss“ in Ab” schnitt 6.4.3. Da bei gleichen Materialien grunds¨ atzlich cB < cT < cLI gilt, existiert immer ein Grenzwinkel. Betrachtet man das Verhalten f¨ ur die einzelnen Einfallswinkel, so erkennt man, dass nur f¨ ur fast senkrechten Einfall, n¨ amlich f¨ ur 0 < ϑ1 < ϑL = arcsin(cB1 /cLI ) = arcsin(λB1 /λLI ) < 20◦ alle Wellentypen ausbreitungsf¨ ahig sind. Im Bereich ϑL < ϑ1 < ϑT = arcsin(cB1 /cT ) = arcsin(λB1 /λT ) < 35◦ f¨ uhren nur Schubwellen und Biegewellen zu Fernfeldern. F¨ ur ϑ > ϑT sind nur Biegewellen ausbreitungsf¨ ahig. Ob sie in eine angeschlossene Platte u ¨bertragen werden k¨onnen, h¨ angt noch von dem durch (5.218) gegebenen Grenzwinkel ab. Die Zahlenangaben in den obigen Beziehungen stellen praktische Grenzen dar, die sich daraus ergeben, dass die einfache Biegetheorie nur etwa bis λB < λL /3 g¨ ultig ist. Bei d¨ unnen Platten und nicht zu hohen Frequenzen werden sie nicht erreicht. Das bedeutet, dass die in-plane Wellenanregung auf einen sehr schmalen Winkelbereich begrenzt ist. Um die acht unbekannten Amplituden, n¨ amlich BB1 , DB1 , AB2 , CB2 aus (5.210)-(5.212) und BL1 , BT 1 , AL2 , AT 2 aus (5.243) - bzw. die Reflexions- und Transmissionfaktoren ausrechnen zu k¨ onnen, m¨ ussen wir die verschiedenen Randbedingungen an der Linie x = 0 ausn¨ utzen. In Erg¨anzung zu (5.223) handelt es sich um Gleichheit der Schnellen in allen Richtungen vB1 = vI2 ; vI1 = vB2 ; vII 1 = vII 2 Gleichheit der Winkelschnelle w1 = w2 Gleichheit des Moments
(5.246)
Mxz1 = Myz2 Gleichheit der Kr¨ afte in allen Richtungen FB1 = FI2 ; FI1 = FB2 ; FII 1 = FII 2 . Die Kr¨afte f¨ ur die in-plane“ Wellen erh¨ alt man, indem man in (2.245) die ” Spannungen mit der Plattendicke multipliziert. Da die Durchf¨ uhrung der Rechnung ziemlich langwierig ist, wird sie hier nicht wiedergegeben; sie kann jedoch in [5.7] nachgelesen werden. Ein von dort entnommenes Rechenbeispiel zeigt Bild 5.35. Um die Effekte zu verdeutlichen wurde mit einer so hohen Frequenz gerechnet, dass λB = 6h, dass ¨ also die Grenze der einfachen Biegewellentheorie erreicht war. Ahnlich wie bei Bild 5.6 sind die einzelnen Refelxions- und Transmissionsgrade u ¨bereinander ”
5.7 Probleme des schr¨ agen Einfalls
389
get¨ urmt“. Wie man sieht, sind in dem Beispiel ab 19, 5◦ keine Longitudinalwellen (τBL = ρBL = 0) und ab 33◦ auch keine Schubwellen (τBT = ρBT = 0) am Leistungstransport beteiligt. F¨ ur senkrechten Einfall stimmen die Werte mit denen von Bild 5.6 f¨ ur β 2 = 1 32 = 0, 11 (das ist der λB = 6h entsprechende Wert) u ¨berein.
Bild 5.35. Winkelabh¨ angigkeit der Transmissions-und Reflexionsgrade unter Ber¨ ucksichtigung sekund¨ arer Longitudinal- und Transversalwellen
¨ 5.7.3.3 Ubertragung u ¨ ber Versteifungen (Spanten, Rippen und dgl.) Als weiteres Beispiel betrachten wir eine Kombination einer Platte mit einem Balken. In der Form von Platten, die durch Versteifungen (Spanten, Rippen, Tr¨ager etc) ausgesteift sind, ist das eine in der Praxis sehr h¨aufig vorkommende Anordnung. Wir beschr¨ anken uns auf zwei (halb-)unendliche, gleiche Platten, die durch eine unter dem Winkel ϑ(ϑ = ϑ1 = ϑ2 ) einfallende Biegewellen angeregt werden. Eine weitere sehr starke Vereinfachung besteht darin, dass wir die Versteifung - wie in Bild 5.36 skizziert - als sepumetrisch annehmen. ¨ Dadurch wird die Anregung von in-plane“ Wellen ausgeschaltet. Ahnlich wie ” beim Sperrmassenproblem soll die Breite b sehr klein und die Verbindung zwischen Balken und Platte absolut starr sein. Wie in Abschnitt 5.7.2.1 sind die Wellenfelder auf den beiden Platten durch $ % vB1 (x, z) = AB1 e−jkx x + rejkx x + rj ekN x x Ez (5.247) $ % vB1 (x, z) = AB1 te−jkx x + tj e−kN x x Ez gegeben. Dabei gilt
390
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
Bild 5.36. Transmission von Biegewellen u ¨ber eine symmetrsiche Versteifung. A nur senkrechter Einfall, B gemittelt u aherung τ = t2 ≈ ¨ber alle Einfallswinkel, C N¨ (2m /m kB )2
kx = kB cos ϑ,
kz = kB sin ϑ,
kN = kB
1 + sin2 ϑ
(5.248)
Auf die Indices 1 und 2 k¨ onnen wir bei den Wellenzahlen verzichten, weil die beiden Plattenh¨ alften gleich und die Versteifung homogen ist, so dass keine neuen (gestreuten) Wellen auftreten. F¨ ur die Berechnung der unbekann-
5.7 Probleme des schr¨ agen Einfalls
391
ten Amplituden brauchen wir wieder zwei kinematische und zwei dynamische Randbedingungen. Die kinematischen Randbedingungen sind: •
Gleichheit der Schnellen vB1 (0, z) = vB2 (0, z); d.h. 1 + r + rj − t − tj = 0
(5.249)
• Gleichheit der Winkelschnellen ∂vB1 ∂vB2 = f¨ ur x = 0 d.h. − jkx + jrkx + rj kN + jtkx + tj kN = 0. ∂x ∂x (5.250) Bei der die Querkraft betreffenden dynamischen Randbedingungen m¨ ussen wir ber¨ ucksichtigen, dass die Kraftdifferenz zu beiden Seiten eine (treibende) anregende Kraft f¨ ur die Versteifung bildet. Es gilt also nach (5.222) B ∂ 3 (vB1 − vB2 ) 2 ∂(vB1 − vB2 ) AB1 . − (2 − μ)kz pB = Fx1 − Fx2 = jω ∂x3 ∂x (5.251) Setzt man hier (5.247) ein so folgt B jω B = jω B = jω
pB =
3 3 jkx3 (1 − r) + kN rj − jkx3 t + kN tj − (2 − μ)kz2 [0] Ez AB1 2 2 − kz2 )(1 − r + t) + kN (kB + kz2 )(rj + tj ) Ez AB1 (5.252) jkx (kB
2 (jkx − jkx r − jkx t + kN rj + kN tj ) + kz2 [0] Ez AB1 kB
Dabei wurden (5.248) und (5.250) (eckige Klammern) benutzt. Die Kraft pro L¨ angeneinheit pB wirkt in normaler Richtung auf die Versteifung. Da wir diese als Balken betrachten k¨ onnen, liefert die Biegewellengleichung (2.89) die entsprechenden Zusammenh¨ ange. Wir schreiben dazu (2.89) in der f¨ ur reine T¨ one (Zeigerschreibweise) g¨ ultigen Form und f¨ ugen (¨ahnlich wie bei der Plattengleichung in (2.266) auf der rechten Seite die anregende Kraft hinzu. Damit erhalten wir B ∂ 4 vBV + jωm vBV = pB . jω ∂z 4
(5.253)
Unter Benutzung des Exponentialansatzes in z-Richtung und der in Abschnitt 4.4.1 eingef¨ uhrten Trennimpedanz Zτ B wird daraus B 4 k4 Zτ B vBV = pB mit Zτ B = jωm + . (5.254) kz = jωm 1 − 4z jω kBV Dabei ist kBV = (ω2m /B)1/4 die Biegewellenzahl des Balkens. vBV ist die Schnelle des Balkens. Wegen der starren Verbindung von Balken und Platte
392
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
gilt vB1 (0) = vBV = vB2 (0). Aus (5.252), (5.254) folgt schließlich wegen (5.249) 2 B kB (jkx − jkx r − jkx t + kN rj + kN tj ) = Zτ B (1 + tj ). jω
(5.255)
F¨ ur die die Momente betreffende Randbedingung gehen wir a¨hnlich vor. Das treibende Moment f¨ ur die Drehbewegung der Versteifung ist nach (5.220) −B ∂ 2 (vB1 − vB2 ) 2 − μkz [0] Ez . (5.256) ΔMV = Mxz1 − Mxz2 = jω ∂x2 Einen Zusammenhang zwischen dem treibenden Moment und der Winkelschnelle wxV der Versteifung erhalten wir aus der zeitharmonischen inhomogenen Form der Torsionswellengleichung (2.69) T
∂ 2 wxV + ω 2 Θ wxV = −jωΔMV . ∂z 2
Mit dem u ¨blichen Exponentialansatz gewinnt man daraus eine Art Torsions” wellenimpedanz“ ΔMV T kz2 kz2 = Zτ M = jωΘ 1 − 2 = jωΘ 1 − 2 . (5.257) wxV Θω kT V Dabei bedeutet kT V = (ω2 T /Θ )1/2 die Torsionswellenzahl der Versteifung, wenn sie eine Torsionssteife T und ein Tr¨ agheitsmoment (pro L¨angeneinheit) Θ hat. Die Kombination von (5.256) und (5.257) liefert wegen (5.249) und (5.250) −B kz2 (−1 − r + t + rj − tj ) = Zτ M (−jkx t − kN tj ). jω
(5.258)
(5.249), (5.250), (5.255) und (5.258) stellen die vier linearen Gleichungen f¨ ur die Bestimmung von t, r, rj , tj dar. Die entsprechende Rechnung liefert jα[4 + γ − β] jα[4 + γ − β − βγ/2] − [γ + α2 β − 0, 25βγ(1 − α2 )] γ − α2 β − 0, 25βγ(1 − α2 ) . r= jα[4 + γ − β − βγ/2] − [γ + α2 β − 0, 25βγ(1 − α2 )] t=
(5.259)
Dabei bedeuten 3 2 sin2 ϑ Θ kB kB 2 1 + sin ϑ 1 − m kT2 V 4 m kB sin4 ϑ kB 2 γ= . 1 + sin ϑ 1 − 2 m kBV
β=
(5.260)
5.7 Probleme des schr¨ agen Einfalls
393
Die einzelnen Gr¨oßen sind: m : Masse pro L¨angeneinheit, Θ : Tr¨ agheitsmoment, kBV : Biegewellenzahl und kT V : Torsionswellenzahl der Versteifung m : Masse pro Fl¨ acheneinheit, kB : Biegewellenzahl und ϑ : Einfallswinkel der Platte. Bild 5.36 zeigt gerechnete Transmissionsgrade. Aus diesen und ¨ahnlichen Beispielen und aus der Struktur von (5.259) kann man noch folgendes ablesen. •
Das Ph¨anomen der Totalsperrung ist bei den gemittelten Werten nicht zu erkennen, weil Totalsperrung nur in einem sehr engen Winkelbereich stattfindet,; also sich herausmittelt. • Bei streifendem Einfall (ϑ = 90◦ ) wird wegen α = 0 nichts u ¨bertragen. • Es gibt zwei Spuranpassungen. Dabei stimmt die Spurgeschwindigkeit der Biegewellen in der Platte cz = cB / sin ϑ entweder mit der Biegewellengeschwindigkeit oder mit der Torsionswellengeschwindigkeit der Versteifung u ¨berein. In diesem Fall ist β = 0 bzw. γ = 0. In der N¨ahe dieser Stellen findet bei hohen Frequenzen Totaldurchgang statt. • Die Totaldurchg¨ ange f¨ uhren dazu, dass in einem weiten Frequenzbereich die u ammung kleiner ist, als die f¨ ur senkrech¨ber die Winkel gemittelte D¨ ten Einfall. Dies und die Anregung neuer Wellentypen bei unsymmetrischen Spanten, Rippen etc ist der Grund warum die mittlere K¨orperschallpegelabnahme bei Rippendecken im Bauwesen und bei Platten-Spanten Systemen im Fahrzeugbau nicht viel gr¨ oßer ist als bei homogenen Strukturen [5.8]. 5.7.4 Anmerkungen zur Verwendung des Hamilton’schen Prinzips Die in Abschnitt 5.6 beschriebenen Methoden zur Behandlung von K¨orperschallproblemen lassen sich auch auf schr¨ agen Schalleinfall anwenden. Die Vorgehensweise ist dabei a) Es werden Wellenans¨ atze f¨ ur den Bewegungsverlauf in den drei Koordinatenrichtungen gemacht. So ist beispielsweise f¨ ur die Biegebewegung statt (5.175) der Ansatz $ η (x, z, t) = Re AB e−jkB x + BB ejkB x (5.261) +CB e−kN (x−lu ) + DB ekN (x−lo ) EZ ejωt zu machen. F¨ ur die in-plane“ Wellen ist (5.240) der geeignete Ausdruck, ” wenn man noch durch jω dividiert um zu den Bewegungen zu gelanugt und den Realteil nimmt. F¨ ur eventuell an gen, den Zeitfaktor ejωt anf¨ der Bewegung beteiligten Versteifungen (auf Biegung und Torsion beanspruchte Balken) werden die Wellen durch ηV (x = 0, z, t) = Re ABV Ez ejωt ; wV (x = 0, z, t) = Re AT V Ez ejωt (5.262)
394
b)
c)
d)
e)
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
beschrieben. Man beachte, dass die Wellenzahl kz u ¨berall gleich ist, weil es sich um ebene Wellen handelt und keine Streuung stattfindet. Zur Berechnung der Hamilton’schen Funktion werden die Ausdr¨ ucke f¨ ur die Bewegung der Plattenteile in (2.278) bzw. (2.282) eingesetzt. Dabei k¨onnen, wenn man sich auf die Genauigkeit der Kirchhoff’schen Biegetheorie beschr¨ ankt, in (2.278) die Terme mit ϕx , ϕz (Rotationsenergie) und die letzte Zeile (Timoshenko - Korrektur) unber¨ ucksichtigt bleiben; außerdem werden die Biegewinkel durch die jeweiligen Ortsableitungen von η ersetzt. Die Hamilton’sche Funktion f¨ ur eventuelle Versteifungen findet man aus (5.176) f¨ ur Biegewellen und aus (5.173) f¨ ur Torsionswellen, indem man das Tr¨ agheitsmoment statt der Massenbelegung ρS, den Torsionsmodul statt ES und den Drehwinkel statt der Auslenkung einsetzt. Die Randbedingungen f¨ ur die Bewegungsgr¨oßen, also Auslenkungen und Winkel, werden mit Hilfe des Lagrangeschen Multiplikators ber¨ ucksichtigt (siehe z.B. (5.190-(5.192). Die Randbedingungen f¨ ur Momente und Kr¨afte werden - das ist ein Vorteil der Methode - nicht ben¨otigt. Die ¨außere Anregung und eventuell auch eine Wellenausl¨oschung durch Gegenquellen werden entweder durch Auslenkungen, die u ¨ber Federn wirken, oder u ¨ber die auch in (2.276), (2.284) benutzte Erg¨anzung der Hamilton’schen Gleichungen ber¨ ucksichtigt. Durch Differentiation der aus den einzelnen Energieanteilen und deden Nebenbedingungen bestehenden Funktion nach den unbekannten Amplituden und den Lagrange-Multiplikatoren wird das Minimum bestimmt. Das so entstehende lineare Gleichungssystem wird nach der u ¨blichen Methode gel¨ost.
Das Hamilton-Verfahren f¨ uhrt meist zu etwas mehr Gleichungen als die in Abschnitt 5.7.3.3 benutzte Methode. Dieser bei der unvermeidlichen Verwendung von Rechnern nicht in Gewicht fallende Nachteil wird dadurch mehr als aufgehoben, dass das Hamiltonverfahren - zumindest nach Meinung des Verfassers - computerfreundlicher“ und in der Herleitung weniger fehleranf¨allig ” ist.
5.8 D¨ ammung zwischen parallelen Platten 5.8.1 Kontinuierliche Kopplung durch elastische Zwischenschicht (Schwimmender Estrich) Bei allen doppelschaligen Wand- und Deckenkonstruktionen, bei allen zweischaligen Ummantelungen von Maschinen treten Platten auf, deren Mittelebenen einander parallel sind. Dabei ist es meist unvermeidbar, dass die eine konstruktiv mit der anderen durch Stege, gemeinsame Rahmen oder dgl. verbunden ist. Aber auch wenn die eine durch eine hochelastische Zwischenschicht von der anderen getrennt ist, besteht eine Kopplung (siehe Bild 5.37). Selbst,
5.8 D¨ ammung zwischen parallelen Platten
395
wenn der Zwischenraum nur Luft enth¨ alt, ist diese Kopplung zu ber¨ ucksichtigen, ja, sie ist, wie wir noch feststellen werden, dabei sogar st¨arker, als wenn der Luftraum eine Matte enth¨ alt. Im letzten Falle k¨onnen wir uns die
Bild 5.37. Einfaches Schema einer Rohdecke mit schwimmendem Estrich
Matte immer durch viele nebeneinander liegende, unabh¨angig voneinander zusammendr¨ uckbare Federn ersetzt denken (s. Bild 5.37, unten), vorausgesetzt nat¨ urlich, dass die Schichtdicke klein ist. Hinsichtlich der lockeren Struktur der Matte leuchtet das sofort ein. Die Steife je Fl¨ache s der Zwischenschicht setzt sich aber aus zwei Teilen zusammen, der Steife des Skeletts“ der Matte ” ss und der in ihren Poren eingeschlossenen Luft sL s = ss + sL .
(5.263)
Die letzte errechnet sich aus
K (5.264) σd wobei K den Volumenkompressionsmodul der Luft, σ die meist nur wenig von 1 verschiedene Porosit¨ at s2 =
σ=
Porenvolumen Gesamtvolumen
(5.265)
und d die Dicke der Schicht bedeuten. Wenn die Verdichtung isotherm erfolgt, was bei den haupts¨ achlich interessierenden tiefen Frequenzen wegen der W¨armeleitung und W¨ armekapazit¨ at der Fasern auch angenommen werden kann, ist K gleich dem statischen Druck der Luft, also etwa gleich 105 Pa. Bei hohen Frequenzen erfolgt die Verdichtung adiabatisch, was eine Erh¨ohung von K um den Faktor 1,4 bedeutet, ein Unterschied, der f¨ ur unsere nachfolgenden Betrachtungen keine wesentliche Rolle spielt. Dass auch die Kompression der Luft bei Anwesenheit der Matte ohne seitliche Kopplung erfolgt, liegt daran, dass jede Str¨omung durch die Matte durch deren Str¨ omungswiderstand behindert ist. Es gen¨ ugen dabei bereits
396
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
Str¨omungswiderst¨ ande von mehr als 10 kNs m−4 (= 10 Rayl/cm). Solche Werte werden von den u ¨blichen Fasermatten leicht erreicht. Zur Berechnung der Bewegung von zwei unendlich großen Platten, die u ¨ber eine elastische Zwischenschicht (ohne seitliche Kopplung) verbunden sind, gehen wir von den Plattengleichungen ((2.266) oder (4.64) bzw. (4.66)) aus. Wir haben dabei jedoch zu ber¨ ucksichtigen, dass in unserem Beispiel auf die obere Platte die anregende Kraft pro Fl¨ ache pB und die der Bewegungsdifferenz proportionale Federkraft s (ξ1 − ξ2 ) wirken. Auf die untere Platte (Strahlungsbelastung wird vernachl¨ assigt) wirkt nur die Federkraft, allerdings mit umgekehrten Vorzeichen. Damit lautet das zu l¨osende Gleichungssystem f¨ ur rein harmonische Vorg¨ ange B1 ΔΔξ1 − ω 2 m1 ξ1 =p − s (ξ1 − ξ2 )
(5.266)
B2 ΔΔξ2 − ω 2 m2 ξ2 =s (ξ1 − ξ2 ).
Wir gehen nun genauso vor, wie bei der Anregung einer einzelnen Platte in Abschnitt 4.4, d.h. wir machen sowohl f¨ ur die anregende Kraft als auch f¨ ur die erzeugte Bewegung den Wellenansatz nach (4.65), (4.67). Wenn wir dabei gleichzeitig von den Bewegungen ξ zu den Schnellen v1, 2 = jωξ1, 2 u ¨bergehen, finden wir (die Argumente kx und kz in v und p werden weggelassen) % s jω 4 v1 − v2 = p (−kx2 − kz2 )2 − kBB1 B1 B1 % $ s 4 v1 − v1 = 0. (−kx2 − kz2 )2 − kBB2 B2 $
Dabei sind 4 kBB1
ω 2 m1 = B1
ω2 1 − 12 ω
,
4 kBB2
ω 2 m2 = B2
ω2 1 − 22 ω
(5.267)
(5.268)
die freien Biegewellenzahlen der jeweiligen Platte, wenn sie u ¨ber die elastische Schicht s auf einem starren Untergrund gebettet“ w¨are. Siehe auch ” Abschnitt 2.7.4.4. Die Ausdr¨ ucke & & ω1 = s1 /m1 und ω2 = s2 /m2 (5.269) bedeuten in diesem Fall die Eigenfrequenzen f¨ ur konphase Bewegung (d.h. die Platten bewegen sich als starre Massen). Wie man sieht nimmt kBB nur dann rein reelle Werte (Fernfeld) an, wenn ω > ω1 bzw. ω > ω2 . Analog zu (4.69) folgt aus (5.268) und (5.269) f¨ ur die Trennimpedanzen % $ % $ 2 4 p B1 (kx + kz2 )2 − kI4 (kx2 + kz2 )2 − kII = Zτ 1 = 4 v1 jω (kx2 + kz2 )2 − kBB2 (5.270) $ %$ 2 % p −B1 B2 2 2 2 4 2 2 4 Zτ 2 = = (kx + kz ) − kI (kx + kz ) − kII . v2 jωs
5.8 D¨ ammung zwischen parallelen Platten
397
2 Dabei sind kI4 und kII die Nullstellen der Determinante von (5.267) also " 1 4 1 4 4 4 4 (k kI, II = (kBB1 +kBB2 )± − kBB2 )2 + ω12 ω22 m1 m2 /B1 B2 . (5.271) 2 4 BB1
Wenn beide Platten gleich sind f¨ uhrt das mit B1 = B2 = B, m1 − m2 = m auf die einfachen Beziehungen ω 2 m ω2 m ω12 4 ; k = 1 − 2 (5.272) kI4 = II B B ω2 Wir stoßen also bei dem Problem der gekoppelten Wellen auf gleichgebaute Gleichungen, wie sie bei der Kopplung zweier einfacher Schwingungssysteme, z.B. zweier elastisch gekoppelter Pendel, auftreten. Genau wie es dort zwei Eigenfrequenzen gibt, die sich bei loser Kopplung nur wenig von denen unterscheiden, die den ungekoppelten Schwingungssystemen zukommen, genau so ergeben sich hier zwei Wellenzahlen, die mit verschwindender Federsteife, d.h. aber mit ω1 = ω2 = 0 in die Wellenzahlen k1 und k2 der ungekoppelten Platten u ¨bergehen. Da aber ω1 und ω2 immer nur im Verh¨altnis zu ω auftreten, ¨ wird derselbe Ubergang auch mit wachsender Frequenz erreicht. Mit Hilfe der Trennimpedanz kann man nun analog zu (4.83) den Schnelleverlauf bei beliebiger Anregung durch Summation (bzw. Integration) der einzelnen Teilwellen erhalten. Beispielsweise gilt bei Anregung der oberen Platte mit einer Punktkraft F0 ¨ ahnlich wie bei (4.86) f¨ ur v1 : v1 (x, z) =
4 k 4 − kBB2 jkx x jkz z e dkx dkz . 4 e (k 4 − kI4 )(k 4 − kII )
F0 jω 4π 2 B1
(5.273)
Dabei wurde die Abk¨ urzung k2 = kx2 + kz2 benutzt. F¨ ur die weitere Rechnung empfiehlt es sich den Bruch im Integranden folgendermaßen umzuformen 4 k 4 − kBB2 1 = 4 4 4 (k 4 − kI4 )(k 4 − kII ) kI − kII
=
4 4 4 4 k 4 − kBB2 k 4 − kBB2 − kI4 + kI4 − kII + kII − 4 k4 − kI4 k4 − kII
4 4 kI4 − kBB2 k4 − kBB2 1 1 − II4 . 4 4 4 4 4 kI − kII k − kI kI − kII k 4 − kI4
Abgesehen von Vorfaktoren, die k nicht enthalten, verbleiben also noch Integrale der Form F0 jω 4π 2 B1
k4
F0 ω 6 1 ejkx x ejkz z dkx dkz = 2 (kI r). 4 − kI 8kI B1
Wir konnten hier gleich das Ergebnis anschreiben, denn das Integral entsteht, wenn man die hier benutzte Wellenzahl-Summations-Methode auf eine homogene Platte anwendet. Diesen Fall haben wir aber in Abschnitt 4.4.3 bereits behandelt und (4.60) als Ergebnis erhalten.
398
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
Mit Hilfe dieser Vorgehensweise erhalten wir nach einigen Zwischenrechnungen folgendes Endresultat: 4 4 4 4 6 6 kI − kBB2 F0 ω kII − kBB2 (kI r) − (kII r) v1 (r) = 4 ) 2 8B1 (kI4 − kII kI2 kII s 1 6 −F0 ω 1 6 (k (k v2 (r) = r) − r) . I II 4 ) B 2 2 8B1 (kI4 − kII kII 2 kI (5.274) 2 2 1/2 Dabei ist r = (x + z ) der Abstand zwischen Anregeort und Messort und (. . .) die in (4.60) definierte Ausbreitungsfunktion. F¨ ur die Praxis interessiert haupts¨ achlich der Fall der schwachen Kopplung; d.h. der guten D¨ammung. Er ist dann gegeben, wenn ω > ω1 und ω > ω2 . Das f¨ uhrt, wenn k1 = k2 auf F0 ω 6 v1 (r) ≈ (kI r) 8B1 k12 6 (5.275) 1 −F0 ωs 1 6 (k (k r) − r) . v2 (r) ≈ I 2 8B1 B2 (k14 − k24 ) k12 k22 Dabei ist k14 = 2m1 /B1 und k24 = ω 2 m2 /B2 . Wie man sieht, ist das Schnellefeld in der oberen Platte identisch mit dem der freien Platte; d.h. die angekoppelte untere Platte zeigt keinen Einfluss. Anders ist es bei der unteren Platte, wo das Wellenfeld aus zwei von der Anregestelle ausgehenden Wellen mit den Wellenzahlen der oberen (k1 ) bzw. der unteren (k2 ) Platte besteht. Es handelt sich dabei um eine erzwungene und um eine freie Welle. In der Praxis, z.B. bei schwimmenden Estrichen, interessiert man sich normalerweise f¨ ur die Verbesserung, die durch das Anbringen der weichen Zwischenschicht und der oberen Platte erzielt wurde. Da das bei direkter Anregung der unteren Platte erzeugte Schnellefeld durch F0 ω 1 6 v20 (r) = (k2 r) 8B2 k22 gegeben ist, folgt f¨ ur die Verbesserung 1/2 −1 ' v2 (r) (k1 r) m2 B1 m2 B1 s 1− = 2 1 − . (k2 r) v20 (r) ω m1 m1 B2 m1 B2
(5.276)
F¨ ur den in der Praxis sehr h¨ aufigen Fall, dass die meist zus¨atzlich angebrachte obere Platte wesentlich weicher ist als die untere (B1 B2 ) geht (5.276) in die u ¨berraschend einfache Form ω2 v2 (r) s ≈ 12 = 2 v20 (r) ω ω m1
(5.277)
u ¨ber. Bemerkenswert ist dabei auch, dass die Verbesserung unabh¨angig von der unteren Platte, also von m2 und B2 ist. Das erm¨oglicht es eine nur von der
5.8 D¨ ammung zwischen parallelen Platten
399
elastischen Zwischenschicht und der oberen Platte abh¨angende Verbesserung zu definieren (und zu messen) und dieses Ergebnis auf andere F¨alle zu u ¨bertragen. In der Bauakustik macht man davon bei schwimmenden Estrichen sehr h¨aufig Gebrauch [5.16],[5.17] . ¨ (5.277) und die Ubertragbarkeit der Verbesserung stimmt bei Platten mit einer deutlichen inneren D¨ ampfung gut mit Messergebnissen u ¨berein, wie Bild 5.38 unten zeigt. Es sei davor gewarnt aus der Tatsache, dass (5.277) mit
Bild 5.38. Verbesserung des Trittschallschutzes durch schwimmende Estriche. Oben: 3,5 cm Zementestrich u ¨ber Glasfaserplatte (1kg/m2 ) u ¨ber 13 cm Stahlbetondecke, Unten: 2,5 cm Asphaltestrich u ¨ber 20 cm ¨ber Glasfaserplatte (1kg/m2 ) u Hohlk¨ orperdecke mit 5 cm Aufbeton
der entsprechenden Formel f¨ ur den Zweimassenschwinger, bestehend aus einer kleinen und einer großen Masse den Schluss zu ziehen, dass die elastische Kopplung von zwei Platten dasselbe ist wie die Kopplung von zwei starren Massen. Die Unterschiede liegen in folgendem • auf der unteren Platte herrscht eine aus zwei Wellen (mit k1 und k2 ) bestehende Bewegungsverteilung; lediglich im Spezialfall m2 B2 m1 B2 kann der von der oberen Platte erzwungene Wellentyp mit der Wellenzahl k1 vernachl¨assigt werden;
400
•
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
eine kleine von (5.274) ausgehende Rechnung f¨ ur den Fall gleicher Plat2 ten, bei denen kI2 − kII = 2ω 2 m1 /B1 gilt, zeigt, dass bei gleichen Platten die mittlere D¨ ammung gering ist. Das ist ein fundamental anderes Verhalten als beim Zweimassenschwinger. Es ist darauf zur¨ uckzuf¨ uhren, dass w¨ahrend der Wellenausbreitung st¨ andig eine Wechselwirkung zwischen den beiden Platten besteht.
Bild 5.38 oben zeigt eines der vielen Messbeispiele, bei denen sich (5.277) nur - in dem meist wichtigeren - unteren Frequenzbereich als richtig erweist. Die hier beobachteten Abweichungen sind haupts¨ achlich auf die endliche Gr¨oße der Platten zur¨ uckzuf¨ uhren. Der dabei auftretende wichtigste Effekt ist das Auftreten von hin- und herlaufenden Wellen mit der Wellenzahl k1 , die ein starkes stehendes Wellenfeld ergeben, das sich zus¨atzlich zu den bei den unendlichen Platten vorhandenen Mechanismen auf die untere Platte u ¨bertr¨agt und besonders oberhalb der Grenzfrequenz der oberen Platte zur Schallabstrahlung beitr¨agt [5.17],[5.18]. Ein zweiter Grund f¨ ur die Abweichungen kann darin liegen, dass die bei unseren Rechnungen vernachl¨ assigte zeitliche Kopplung sich wie eine Erh¨ohung der effektiven Federsteife s auswirkt und damit zu einer kleineren D¨ammung f¨ uhrt [5.18]. 5.8.2 Punktweise Schallbr¨ ucken Doppelschalige Konstruktionen, wie wir sie hier betrachten, weisen oft mehr oder weniger starre Verbindungen auf. Solche sog. Schallbr¨ ucken k¨onnen statisch bedingt sein oder von Unachtsamkeiten bei der Herstellung herr¨ uhren. In jedem Fall haben sie besonders bei den hohen Frequenzen einen ung¨ unstigen Einfluss auf die Schalld¨ ammung, weil sie die elastische Zwischenschicht kurzschließen“. Als idealisiertes Modell einer doppelschaligen Anordnung mit ” Schallbr¨ ucken betrachten wir zwei unendlich große Platten, die u ¨ber eine elastische Schicht und u ormige Schallbr¨ ucke verbunden sind. ¨ber eine punktf¨ Es handelt sich also um eine Anordnung wie in Bild 5.37, wobei zus¨atzlich noch eine Verbindung vorhanden ist, die als eventuell sehr kurzer zu Longitudinalwellen angeregter Stab betrachtet wird. Siehe Bild 5.39. Falls die Verbindung (Br¨ ucke) den E-Modul EV und die Dichte ρV aufweist sowie homogen und mit beiden Platten fest verbunden ist, sind die Kr¨afte und Schnellen am oberen und unteren Ende durch die Vierpolgleichung (3.45) miteinander verkn¨ upft. Es gilt also F2V = F1V cos kV d − jZV v1V sin kV d = [F1V − jωmV v1V ] −jω −jF1 v sin kV d + v1V cos kV d = F1V + v1V . v2V = ZV sV Dabei ist kV = ω
ρV /EV ;
ZV = SV
ρV EV .
(5.278)
5.8 D¨ ammung zwischen parallelen Platten
401
Bild 5.39. Idealisierung einer doppelschaligen Konstruktion mit punktf¨ ormiger Schallbr¨ ucke
Die in eckigen Klammern angeschriebene Form von (5.278) gilt f¨ ur die praktisch sehr wichtigen kurzen Br¨ ucken, bei denen kV d 1 gilt und mV = ρV SV d die Gesamtmasse sowie sV = SV EV /d die Gesamtsteife ist. F¨ ur die weitere Rechnung k¨ onnen wir ausn¨ utzen, dass wir die Bewegung einer punktf¨ormig angeregten verbundenen Doppelplatte in (5.274) bereits berechnet haben. Wir k¨ onnen also das Wellenfeld, das die auf die obere Platte wirkenden Punktkr¨ afte F0 und F1V sowie die auf die untere Platte wirkende Punktkraft F2V erzeugen, folgendermaßen darstellen v1 (r) = F0 G11 (r0 ) − F1V G11 (rV ) + F2V G21 (rV ) v2 (r) = F0 G12 (r0 ) − F1V G12 (rV ) + F2V G22 (rV ).
(5.279)
Dabei geben die (Green’schen) Funktionen (hier mit G bezeichnet) die Schnelle im Aufpunkt r an, wenn die Anregung durch eine Einheitskraft im Abstand |r − rV | wirkt. Der erste Index gibt an in welcher Platte die Anregung erfolgt, der zweite in welcher der Aufpunkt liegt. G11 und G12 sind identisch mit (5.274), wenn man F0 = 1 setzt. G22 und G21 erh¨alt man daraus durch Vertauschen der Indizes. Da f¨ ur r = rV die Plattenschnelle gleich der Br¨ uckenschnelle sein muss, k¨onnen wir in (5.279) r = rV setzen und v1 (rV ) = v1V sowie v2 (rV ) = v2V in (5.278) einsetzen. Die L¨ osung der beiden Gleichungen liefert die unbekannten Kr¨afte F1V und F2V , aus denen dann alle weiteren Gr¨oßen nach (5.279) errechnet werden k¨ onnen. Wir interessieren uns hier speziell f¨ ur die u ucke u ¨ber die Br¨ ¨bertragene Leistung 1 ∗ PV = Re{F2V v2V } (5.280) 2
402
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
und nehmen der Einfachheit halber an, dass die Kopplung u ¨ber die elastische Schicht schwach ist. Das bedeutet, dass G21 = G12 = 0 gesetzt werden kann und außerdem 1 6 1 (k1 rV ); G11 (0) = G11 (|rV |) = ; Z1 Z1 (5.281) 1 G22 (0) = Z2 gilt. Dabei sind Z1 = 8B1 k12 /ω = 8 B1 m1 und Z2 = 8B2 m2 die Biegewelleneingangswiderst¨ ande und (. . .) die Ausbreitungsfunktion nach Abschnitt 4.4.3. Die weitere Rechnung ergibt | cos2 kV d + sin2 kV d|| (k1 rv )|2 F02 PV = . (5.282) Z2 |(1 + Z1 /Z2 ) cos kV d + j(Z1 /ZV + ZV /Z2 ) sin kV d|2 (5.282) gilt auch noch, wenn in der Br¨ ucke Verluste auftreten, also kV und ZV komplex sind. Macht man den Grenz¨ ubergang kV d 1, betrachtet also der Praxis entsprechend kurze Br¨ ucken, dann wird aus (5.282) | (k1 rv )|2 F2 PV = 0 . (5.283) Z2 (1 + Z1 /Z2 )2 + (ωZ1 /sV + ωmV /Z2 )2 ucke. Wie (5.283) Dabei sind mV bzw. sV die gesamte Masse bzw. Steife der Br¨ ¨ zeigt, gibt es folgende M¨ oglichkeiten, um die Ubertragung von K¨orperschallleistung u ucke und damit die d¨ ammungsverschlechternde Wirkung ¨ber die Br¨ klein zu halten: a) Die Ausbreitungsfunktion Π(. . .) soll m¨ oglichst klein sein. Da bei Ber¨ ucksichtigung der inneren D¨ ampfung in der oberen Platte |
6
(ki rV )|2 ≈
2 e−0,5η1 k1 rV πk1 rV
f¨ ur k1 rV > 1
(5.284)
gilt, erreicht man das durch große Entfernungen zwischen Anregeort und Br¨ uckenort und durch Wahl eines Plattenmaterials (bei schwimmenden Estrichen w¨are das z.B. Asphalt) mit einem großen Verlustfaktor η1 [5.22]. b) Die Br¨ ucke muss so weich sein, dass [5.23] ωZ1 Z1
1+ ; sV Z2
(5.285)
d.h. sV < Z1 /ω , wenn Z1 < Z2 , bzw. sV < Z2 /ω wenn Z1 < Z2 . Mit anderen Worten, die Federimpedanz sV /ω der Br¨ ucke muss kleiner sein als die Impedanz jeder der beiden angeschlossenen Platten. c) Die Br¨ ucke muss so schwer sein, dass Z1 ωmV
1+ ; Z2 Z2
(5.286)
5.9 Statistische Energieanalyse (SEA)
403
d.h. mV > Z2 /ω, wenn Z1 < Z2 , bzw. mV > Z1 /ω, wenn Z1 > Z2 . Das bedeutet, dass die Massenimpedanz ωmV der Br¨ ucke gr¨oßer sein muss als die Impedanz jeder der angeschlossenen Platten. Es kann also bei d¨ unnen Platten, die durch Br¨ ucken verbunden sein m¨ ussen, durchaus empfehlenswert sein, die verbindenden Elemente m¨oglichst schwer und steif zu machen, also als Zusatzmassen“ oder Sperrmassen auszubilden. ” Die genannten Schlussfolgerungen sind ein weiteres Beispiel f¨ ur die G¨ ultigkeit der Grundregel der Schalld¨ ammung: Ein schalld¨ammendes Element muss ” in seinen schalltechnischen Eigenschaften (Impedanz) m¨oglichst von denen aller angeschlossenen Bauteile verschieden sein“. Auf diese Weise wird der ankommende Schall u ¨berrascht und kehrt lieber um (wird reflektiert) als dass er sich auf ein ihm sehr ungewohntes Gebiet wagt. Man wird also zwei dicke Platten mit m¨ oglichst weichen Br¨ ucken und zwei sehr d¨ unne Platten mit schweren Br¨ ucken verbinden. Probleme k¨onnen sich nat¨ urlich ergeben, wenn eine d¨ unne und eine dicke Platte kombiniert sind, weil f¨ ur eine gute Isolation zwischen den beiden eine eventuelle Br¨ ucke weicher sein muss (d.h. eine kleinere Impedanz) als die d¨ unne Platte oder schwerer (d.h. eine h¨ohere Impedanz) als die dicke Platte.
5.9 Statistische Energieanalyse (SEA) 5.9.1 Analogien zur statistischen Raumakustik In der statistischen Raumakustik, also beispielsweise bei der Bestimmung der Schalleistung in Hallr¨ aumen, bei der Behandlung gekoppelter R¨aume etc. geht man davon aus, dass komplizierte Wellenfelder, die aus vielen hin- und herlaufenden Wellen bestehen, sehr gut mit Hilfe von Energie- und Leistungsgr¨oßen beschrieben werden k¨ onnen. Man setzt dabei voraus, dass im Frequenzmittel alle Ausbreitungsrichtungen gleich wahrscheinlich sind, bzw. dass alle resonanzf¨ahigen Moden im Mittel gleich stark angeregt sind. Ein Beispiel f¨ ur die Anwendung der statistischen Raumakustik (siehe auch Abschnitt 6.1 ist die Messung der von einer Quelle abgestrahlten Schalleistung P . Man benutzt dazu die Gleichung [5.24] P =
ρ2 c2 v2 56V 13, 8 p2 A = = ρv 2 V = mv 2 ωη = Eg ωη ρc 4 ρc 4cT T
(5.287)
Dabei ist p2 das mittlere Schalldruckquadrat und v 2 = p2 /ρ2 c2 das mittlere Schallschnellequadrat im Raum (zeitlich und r¨aumlich gemittelt). A ist die sog. Schluckfl¨ache, die sich aus dem Raumvolumen V und der Nachhallzeit T ergibt. ρ ist die Dichte des Mediums und c die Schallgeschwindigkeit (in Luft ist im MKS-System 56/c = 0,16). Eg ist die gesamte akustische Energie im Raum, m die gesamte Masse und η der Verlustfaktor, der u ¨ber η = 2, 2/f T mit der Nachhallzeit zusammenh¨ angt. Siehe auch Tab. 3.2. Wesentlich f¨ ur unser
404
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
Problem in diesem Abschnitt ist, dass (5.287) gute Ergebnisse liefert, wenn es sich um Frequenzgemische handelt, wenn f¨ ur das Raumvolumen V > λ3 gilt und wenn die Verluste so klein sind, dass Wellen oft reflektiert werden bevor sie abgeklungen sind. Außerdem wird in der statistischen Raumakustik (zu Recht) fast selbstverst¨ andlich angenommen, dass eine Schallquelle in jeden Hallraum dieselbe Leistung abstrahlt wie in ein unbegrenztes Kontinuum (bei gleichem Medium also gleichem Luftdruck und gleicher Temperatur). Die entstehende Leistung ist also unabh¨ angig vom Raum, wenn eine ge¨ wisse Mindestgr¨oße u agt man diesen Sachverhalt auf ¨berschritten wird. Ubertr¨ K¨orperschall, so kann man - da f¨ ur die G¨ ultigkeit von (5.287) die Art des schallf¨ uhrenden Mediums nicht wichtig ist - schließen, dass die Beziehung P = mv 2 ωη
(5.288)
im Frequenzmittel auch f¨ ur K¨ orperschall gilt, vorausgesetzt, dass die Abmessungen der interessierenden Struktur gr¨ oßer als eine Wellenl¨ange sind. Wendet man (5.291) auf Strukturen an, die von einer breitbandigen Punktkraft Fef f (zeitlicher Effektivwert) angeregt werden, dann gilt f¨ ur die eingeleitete K¨orperschalleistung 2 2 2 P = Fef f Re{1/Z∞ } = Fef f AR = mωv η.
(5.289)
Dabei ist Z∞ die Punktimpedanz der entsprechenden unbegrenzten Struktur und AR der sich daraus ergebende Realteil der Punktadmittanz. Siehe auch Abschnitt 4.7.3 Gl.(4.188)-(4.191). (5.289) besagt, dass wir wie in der statistischen Raumakustik annehmen, dass f¨ ur die Leistungs¨ ubertragung im Frequenzmittel (und im eingeschwungenen Zustand) die Art der Struktur, in die der K¨orperschall u angig von ihrer Gr¨oße und Form ¨bertragen wird, unabh¨ ist, vorausgesetzt, dass eine gewisse Mindestgr¨oße u ¨berschritten wird. Wir k¨ onnen also f¨ ur die Leistungs¨ ubertragung auch mit einer unendlich großen Struktur rechnen. Gehen wir nun zu zwei gekoppelten Systemen u ¨ber (siehe Bild 5.40 oberer Teil), dann k¨onnen wir - da es f¨ ur (5.288) gleichg¨ ultig ist ob eine Leistung von einer ¨außeren Quelle oder aus einem Nachbarsystem u ¨bertragen wird folgende Leistungsbilanzen im eingeschwungenen Zustand aufstellen System 1: P1 + P21 = Pd1 + P12 oder F12ef f AR1 + P21 = m1 ωη1 v12 + P12 System 2: P12 = Pd2 + P21 oder P12 = m2 ωη2 v22 + P21 . (5.290) Dabei sind P12 bzw. P21 die von 1 nach 2 bzw. von 2 nach 1 u ¨bertragenen Leistungen. Pd1 bzw. Pd2 sind die in den beiden Systemen u ¨ber die inneren Verarme umgewandelten (dissipierten) Leistungen. lustfaktoren η1 bzw. η2 in W¨ Da (5.290) nichts anderes besagt, als dass die in ein System eingespeiste Leistungen (rechte Seiten in (5.290)) entweder in W¨arme umgewandelt werden oder in ein Nachbarsystem u ¨bertragen werden, erh¨alt man durch Addition der beiden Gleichungen erwartungsgem¨ aß P1 = Pd1 + Pd2 . Falls sich die beiden
5.9 Statistische Energieanalyse (SEA)
405
Bild 5.40. Anwendung des Reziprozit¨ atsprinzipes auf gekoppelte Systeme mit vielen schwach ged¨ ampften Eigenmoden
Systeme linear verhalten, sind die transportierten Leistungen proportional den Energien und damit den mittleren Schnellequadraten der jeweils sendenden ” Struktur“. Es gilt also P12 = c12 v12 ,
P21 = c21 v22 .
(5.291)
Damit folgt aus (5.290) F12ef f v22
=
m1 ωm2 ωη1 η2 + c12 m2 ωη2 + c21 m1 ωη1 c12 AR1
(5.292)
Nimmt man nun in einem Gedankenexperiment an, dass die zweite Struktur mit einer Punktkraft F2R angeregt wird (Bild 5.40 unten), dann liefert eine analoge Rechnung F22ef f v12
=
m1 ωm2 ωη1 η2 + c12 m2 ωη2 + c21 m1 ωη1 c21 AR2
(5.293)
Nach dem Reziprozit¨ atsgesetz muss bei Vertauschung von Angriffsort einer Punktkraft und Messort der Schnelle dasselbe Verh¨altnis F/v liefern. Da dies f¨ ur jedes beliebige Punktepaar gilt, gilt es auch f¨ ur den Mittelwert. Das bedeutet, dass wir (5.292) und (5.293) gleichsetzen k¨onnen. Das f¨ uhrt auf die wichtige Reziprozit¨ atsbeziehung c21 AR2 = c12 AR1 bzw.
c21 ΔN1 m2 = . c12 m1 ΔN2
(5.294)
In der zweiten Version dieser Gleichung wurde (4.190) benutzt. Dabei sind ΔN1 bzw. ΔN2 die Zahl der Schwingungsmoden in einem vorgegebenen Frequenzband. Wenn wir nun den Nettoleistungstransport W12 , also die Differenz
406
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
der von 1 nach 2 und von 2 nach 1 u uhren, finden ¨bertragenen Leistungen, einf¨ wir
m2 v22 ef f ΔN1 m1 v12 ef f 2 2 W12 = P21 − P12 = c12 v1 ef f − c21 v2 ef f = c12 − . m1 ΔN1 ΔN2 (5.295) Es wurde hier bewusst der Index ef f angeschrieben, weil es sich hier um Effektivwerte handelt, w¨ ahrend im n¨ achsten Abschnitt die um den Faktor √ 2 gr¨oßeren Amplitudenquadrate verwendet werden. Da die in den beiden Systemen enthaltenen Energien durch E1 = m1 v12 ef f bzw. E2 = m2 v22 ef f
(5.296)
gegeben sind, folgt W12
ΔN1 = c12 m1
E2 E1 − ΔN1 ΔN2
.
(5.297)
Der Nettoenergietransport ist also unter den gemachten statistischen“ Vor” aussetzungen proportional der Energie pro Mode. Setzt man (5.292) in die untere Gleichung von (5.290) ein, so erh¨alt man f¨ ur das Verh¨altnis der Schnellequadrate, wenn System 1 angeregt wird 1 1 v2 2 AR1 ≈ = 2 1 + m2 ωη2 /c21 1 + Pd2 /P21 v1 AR2 v2 2 1 ΔN2 m1 oder = . 2 ΔN1 m2 1 + m2 ωη2 /c21 v1
(5.298a) (5.298b)
Zwei Grenzf¨alle von (5.298) sind von besonderem Interesse. •
Wenn System 2 schwach ged¨ ampft ist - d.h. wenn Pd2 < P21 , also wenn im System 2 weniger Leistung verbraucht wird als nach System 1 zur¨ uck¨ ubertragen wird - dann liegt der Fall der starken Kopplung vor, f¨ ur den AR2 ΔN2 m1 v2 2 ≈ ≈ AR1 ΔN1 m2 v1 2
(5.299)
gilt. Bei starker Kopplung ist das Schnelleverh¨altnis also nicht durch Ein¨ zelheiten des Ubertragungsmechanismus bestimmt. Vielmehr verteilt sich die Energie etwa gleichm¨ aßig auf die vorhandenen Moden, gleichg¨ ultig ob sie mehr dem System 1 oder 2 zuzuordnen sind. Da bei K¨orperschallproblemen oft starke Kopplung vorliegt, ergibt (5.299) oft auf ganz einfache Weise brauchbare Ergebnisse, oder liefert zumindest eine obere Grenze f¨ ur v22 . • Wenn System 2 stark ged¨ ampft ist - also Pd2 > P21 - dann empfiehlt es sich, die N¨aherung
5.9 Statistische Energieanalyse (SEA)
AR2 c21 c12 v2 2 AR1 P21 = = 2 A AR1 m2 ωη2 m2 ωη2 v1 R2 P12
407
(5.300)
vorzunehmen. Erwartungsgem¨ aß ist in diesem Fall das Schnelleverh¨altnis durch die Art der Kopplung bestimmt. Wenn man in (5.298) die uckt, kann man Kopplungsgr¨oße c12 durch den Transmissionsgrad ausdr¨ (5.300) auch als Messvorschrift zur Bestimmung von Transmissionsgraden betrachten. ¨ Die den Glg. (5.290)-(5.300) zugrunde liegenden allgemeinen Uberlegungen kann man auch auf mehrere gekoppelte Systeme (siehe Bild 5.42) ausdehnen. Sind also beispielsweise n Systeme miteinander gekoppelt, dann liefert die Bilanzierung der in jedes System eingespeiste, verbrauchte und an die Nachbarschaft u ¨bertragenen Leistungen Pμ + bzw.Pμ +
n ν=1 n ν=1
Pμν = Pdμ +
n
Pνμ f¨ ur μ = 1, . . . n
ν=1
cμν vν2
=
mν ωημ vμ2
+
n
(5.301) cνμ vμ2 .
ν=1
Dabei ist der Fall μ = ν bei den Summen auszuschließen oder Pνν = 0 bzw. cνν = 0 zu setzen. Es gilt auch hier - wenn statistische Verh¨altnisse“ vorliegen ” - die Reziprozit¨atsbeziehung cμν ARμ = cνμ ARν . (5.301) stellt ein lineares Gleichungssystem dar. Falls die verschiedenen Kopplungsgr¨oßen cμν bekannt sind, oder mit unabh¨ angigen Methoden (z.B. (5.300) gemessen werden k¨onnen und falls außerdem die eingeleiteten Leistungen Pμ bekannt (z.B. nach dem ersten Teil von (5.289) oder einer Messung zug¨anglich sind, kann man mit (5.301) die mittlere Schnelleverteilung und die Energiefl¨ usse in komplizierten Systemen berechnen. Man kann (5.301) aber auch umgekehrt“ benutzen; d.h. bei einer aus ” mehreren Teilsystemen bestehenden Anordnung nacheinander die einzelnen Teilsysteme anregen und alle so erzeugten Schnellen messen. Man erh¨alt so ein (eventuell ziemlich großes) Gleichungssystem aus dem man die Kopplungsgr¨oßen cμν im Prinzip errechnen kann. Die Genauigkeit bei der L¨osung solcher inverser Probleme ist allerdings nicht groß. Man sollte daher zumindest immer auch die Konditionszahl mitbestimmen um einen Eindruck von der Zuverl¨assigkeit der Ergebnisse zu bekommen [5.25]. 5.9.2 Energiefluss in gekoppelten Oszillatoren Bereits in Abschnitt 4.7.3 wurde gezeigt, dass bei einer Struktur die Mittelung u ¨ber viele Eigenmoden (Oszillatoren) im Mittel zu denselben Ergebnissen f¨ uhrt wie die Energiebeziehungen, die ein statistisches“ Schallfeld gezeigt ” werden. In Abschnitt Gl.(4.188)-(4.191) wurde sogar gezeigt, dass sich unter gewissen Voraussetzungen die Energien pro Mode im Mittel additiv verhalten.
408
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
Man kann sich nun die Frage stellen ob man nicht auch dadurch Einsichten in die Schall¨ ubertragung gewinnt, dass man den den statistischen Schallfeldern entgegengesetzten Grenzfall betrachtet. Wir wollen uns daher in diesem Abschnitt mit den Energieverh¨ altnissen bei der Kopplung von zwei Oszillatoren besch¨aftigen. Dabei wollen wir auch versuchen, einige Hinweise u ¨ber die G¨ ultigkeitsgrenzen der statistischen Betrachtungsweise zu erhalten [5.26]. Zuerst betrachten wir zwei Masse-Feder-D¨ampfer Systeme (Bild 5.41), die durch eine Feder der Steife s12 gekoppelt sind. Durch Bilanzierung der
Bild 5.41. Gekoppelter Zweimassenschwinger
an den Massen angreifen Kr¨ afte oder durch Anwendung des Hamilton’schen Prinzips bzw. der Lagrangeschen Gleichungen zweiter Art (mit nachtr¨aglicher Einf¨ ugung einer den Federn parallelen D¨ ampfung) erhalten wir m1 ξ¨1 + r1 ξ˙1 + (s1 + s12 )ξ1 − s12 ξ2 F1 m2 ξ¨2 + r2 ξ˙2 + (s2 + s12 )ξ2 − s12 ξ1 F2 .
(5.302)
Macht man den u ur die Ampli¨blichen ejωt Ansatz, dann ergibt (5.302) f¨ tudenzeiger $ % −jω m2 (ω 2 − 2jωδ2 − ω22 )F1 + s12 F2 m1 m2 Det $ % −jω s12 F1 + m1 (ω 2 − 2jωδ1 − ω12 )F2 v2 = m1 m2 Det Det = ω 4 − 2jω3 (δ1 + δ2 ) − ω 2 (ω12 + ω22 + 4δ1 δ2 ) v1 =
(5.303)
+ 2jω(δ1 ω22 + δ2 ω12 ) + ω12 ω22 − s212 /m1 m2 . Dabei sind " ω1 =
s1 + s12 , ω2 = m1
"
r1 r2 s2 + s12 , δ1 = , δ2 = m2 2m1 2m2
die Resonanzkreisfrequenzen bzw. die Abklingkonstanten der Oszillatoren, wenn der jeweils andere festgehalten (blockiert) wird. F¨ ur das Weitere interessiert uns die von 1 nach 2 bzw. in umgekehrter Richtung u ¨bertragene Nettoleistung W12 . Wir bezeichnen sie mit W , weil es sich im Gegensatz zu den Leistungen Pμν in (5.290-5.301) um die Differenz
5.9 Statistische Energieanalyse (SEA)
409
der von links nach rechts abz¨ uglich der von rechts nach links transportierten Leistung handelt. Es gilt v1 − v2 ∗ 1 1 ∗ W12 = Re{F12 v2 } = Re −s12 v2 2 2 jω (5.304) 1 1 1 −s12 −s12 −s12 = Re v1 v2∗ + Re |v2 |2 = v1 v2∗ . 2 jω 2 jω 2 jω Wir haben dabei vorausgesetzt, dass s12 rein reell ist, dass also im Kopplungselement keine K¨orperschallenergie durch D¨ ampfung verloren geht. Setzt man (5.303) in (5.304) ein, so ergibt sich W12 =
ω 2 s212 2 2 m1 m2 |Det|2
% m2 δ2 |F12 | − m1 δ1 |F22 | +Re{AF1∗ F2 +BF1 F2 ∗}. (5.305)
$
Dabei sind A und B von δ, ω, etc. abh¨ angende Gr¨oßen. Wir nehmen nun an, dass die beiden Kr¨ afte F1 und F2 voneinander unabh¨angig sind, so dass die Mischprodukte F1∗ F2 und F1 F2∗ im Mittel verschwinden. Außerdem soll es sich um Kr¨ afte handeln, die den Charakter von breitbandigem Rauschen haben. Die im Frequenzbereich Δω u ¨bertragene Leistung erh¨alt man also durch Integration von (5.305) u ¨ber ω. Das dabei und bei den folgenden Rechnungen interessierende Integral ist von der Form ∞
b0 ω 6 + b1 ω 4 + b2 ω 2 + b3 dω + ja1 ω 3 + a2 ω 2 + ja3 ω + a4 |2 −∞ |a0 b0 (−a1 a4 + a2 a3 ) + a0 (a1 b2 − a3 b1 ) + a0 b3 (a0 a3 − a1 a2 )/a4 = πj a0 (a0 a23 + a21 a4 − a1 a2 a3 ) (5.306) damit ergibt sich, wenn das Frequenzband Δω mindestens eine Oktave u ¨ber die beiden Resonanzfrequenzen hinausgeht 2 2 (δ1 + δ2 )s212 F1Δ π F2Δ , (5.307) W12 = − 2Δω m1 δ1 m2 δ2 m1 m2 Q ω4
s2
mit Q = (ω12 − ω22 )2 + 4(δ1 + δ2 )(δ1 ω22 + δ2 ω12 ) + 2(δ1 + δ2 ) m112 m2 . 2 2 und F2Δ sind die mittleren Leistungsdichten der Kr¨afte. F1Δ Als n¨achsten Schritt bestimmen wir die mittleren Energien in den beiden Oszillatoren 1 1 E1 = m1 v12 , E2 = m2 v22 . (5.308) 2 2 Nach Einsetzen von (5.303) und Durchf¨ uhrung der Integration nach (5.306) erhalten wir nach diversen Zwischenrechnungen 2 2 F1Δ 0, 5(ω12 − ω22 )2 + (δ1 + δ2 )(δ1 ω22 + δ2 ω12 ) π F2Δ . E1 − E2 = − 2Δω m1 δ1 m2 δ2 Q
410
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
Wir k¨onnen also (5.307) auch in der Form W12 = β(E1 − E2 ) = −W21
(5.309)
schreiben. Dabei ist β=
(δ1 + δ2 )s212 2 . m1 m2 (ω12 − ω22 )2 + 4(δ1 + δ2 )(δ1 ω22 + δ2 ω12 )
(5.310)
Das wesentliche Ergebnis aus (5.307)-(5.310) ist, dass die zwischen zwei gekoppelten Oszillatoren u ¨bertragene Leistung im Frequenzmittel proportional der mittleren Energiedifferenz ist. Dieses allgemeine Ergebnis w¨ urde auch noch zutreffen, wenn wir f¨ ur die Kopplung noch weitere, lineare Elemente benutzt h¨atten. So h¨atten wir beispielsweise auch noch einen Gyrator“ bei der Kopp” lung ber¨ ucksichtigen k¨ onnen. Das h¨ atte bedeutet, dass in der oberen Gleichung ugen w¨are. Da(5.302) noch ein Term B ξ˙2 und in der unteren −B ξ˙1 hinzuzuf¨ durch wird die Rechnung zwar l¨ anger, aber (5.309) bleibt erhalten. Wie ein Vergleich zeigt, stellt (5.309) einen Spezialfall von (5.297) dar, denn bei den hier untersuchten gekoppelten Oszillatoren gibt es jeweils nur eine Mode, also ist ΔN1 = ΔN2 = 1. Allerdings zeigt ein Vergleich von β und c12 ΔN1 /m1 auch, dass im allgemeinen Fall c12 eine ziemlich komplizierte Funktion sein wird. Vor allem ist sie nicht nur eine Funktion des Kopplungselements (im vorliegenden Fall der ampfungsgr¨oßen und vor allem des Kopplungsfeder s12 ) sondern auch der D¨ ussen uns also noch der Abstandes der Eigenfrequenzen (also ω12 − ω22 ). Wir m¨ Frage zuwenden wie man die Kopplungsgr¨ oßen ohne allzu großen Aufwand absch¨atzen kann und welche Voraussetzungen dabei erf¨ ullt sein m¨ ussen. Es handelt sich hier um die schwierigste Frage der SEA. 5.9.3 Sch¨ atzung von Kopplungsverlustfaktoren Da in diesem Buch fast immer die Leistungs¨ ubertragung bei unbegrenzten K¨orpern untersucht wurde, stellen wir uns die Aufgabe, einen Zusammenhang zwischen den Kopplungsgr¨ ossen cμν und den in anderen Abschnitten berechneten Transmissionsgraden τ zu finden. Diese Fragestellung empfiehlt sich auch deshalb, weil (5.291) die unausgesprochene Voraussetzung enth¨alt, dass bei Vorliegen statistischer Verh¨ altnisse“ der Leistungstransport u ¨ber ” ein Kopplungselement aus der Nachbarschaft ¨ahnlich wie die Leistungs¨ ubertragung von einer ¨ außeren Quelle unabh¨ angig von der Art der angeschlossenen R¨aume, Platten etc ist, dass man also auch mit einem unbegrenzten Kontinuum rechnen kann, vorausgesetzt es hat dieselben Materialdaten und Dicken. Wir werden bei dieser Gelegenheit auch von den Kopplungsgr¨oßen cνμ zu den in der Literatur gebr¨ auchlicheren Kopplungsverlustfaktoren ηνμ u ¨bergeben. Der Zusammenhang wird durch mν ωηνμ = cνμ
(5.311)
5.9 Statistische Energieanalyse (SEA)
411
hergestellt. Die Reziprozit¨ atsbeziehung (5.294) geht damit in ηνμ /ημν = ΔNμ /ΔNν
(5.312)
u ¨ber. 5.9.3.1 Eindimensionale Anordnungen Nachdem wir im letzten Abschnitt den Energießuss in zwei gekoppelten Oszillatoren behandelt haben, gehen wir nun zur Kopplung bei den einfachsten kontinuierlichen Systemen (mit im Prinzip unendlich vielen Resonanzen), n¨amlich bei St¨aben, Balken oder gas- bzw. fl¨ ussigkeitsgef¨ ullten Rohren u ¨ber. Zur exakten Beschreibung der Kr¨ afte und Schnellen k¨onnen wir wieder die Vierpolgleichungen (3.45) anwenden. Betrachtet man beispielsweise das in Bild 5.42 dargestellte System, dann gilt f¨ ur die Longitudinalwellen¨ ubertragung u ¨ber eine Sperrmasse m F1 (l1 ) =F0 c1 − jZ1 v0 s1 ; F2 (0) = F1 (l1 ) − jωmv1 (l1 ); v2 (0) = v1 (l1 ) v1 (l1) =jF0 s1 /Z1 + v0 c1 ; F2 (l2 )/v2 (l2 ) = ZA F2 (l2 ) =F2 (0)c2 − jZ2 v2 (0)s2 ;
(5.313)
v2 (l2 ) = − jF2 (0)s2 /Z2 + jv2 (0)c2 . Dabei bedeuten c1 = cos k1 l1 , c2 = cos k2 l2 , s1 = sin k1 l1 , s2 = sin k2 l2 , Z1 = ρ1 c1 S1 , Z2 = ρ2 c2 S2 . S1 bzw. S2 sind die Querschnitte der einzelnen St¨abe, ZA ist die komplexe Abschlussimpedanz. Die Wellenzahlen k1 und k2 sind komplex um die innere D¨ ampfung zu ber¨ ucksichtigen. Es bereitet keine besonderen Schwierigkeiten (5.313) so umzuformen, dass man v1 , v2 und F2 (0) als Funktion der anregenden Kraft F0 erh¨alt. Damit lassen sich die u ¨ber Ort und Frequenzband (z.B. Terz) gemittelten Schnellequadrate und daraus
v12 1 sowie (W12 )Sim = Re{F2 (0)v2∗ (0)} (5.314) 2 2 v2 Sim
bilden. Nach der Definitionsgleichung f¨ ur die Kopplungsgr¨oße c12 bzw. den Kopplungsverlustfaktor (5.298) bzw. (5.309) erh¨alt man c12Sim = m1 ωη12Sim =
2 v12
−
v22 [m2 ΔN1 /(m1 ΔN2 )]
W12Sim .
(5.315)
Dabei bedeutet der Index Sim“, dass es sich um die Ergebnisse einer (exak” ten) Simulationsrechnung handelt. Man kann nun die durch die Rechnung erhaltenen Werte mit den Ergebnissen vergleichen, die die statistischen Methoden in Abschnitt 5.9.1 liefern. Dazu m¨ ussen wir nur noch die Kopplungsgr¨ oßen cνμ durch die Transmissionsucken. grade τνμ der entsprechenden unendlich ausgedehnten Strukturen ausdr¨
412
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
Teilbild I II III
η1 0,003 0,003 0,001
f2 s.Bild 26 26
m 500 s.Bild 500
η2 0,003 0,003 s.Bild
Bild 5.42. Fehler bei der Anwendung von (5.318) und (5.295). Bei allen Beispielen war ρ1 = ρ2 = 8000 kg/m3 , c1 = c2 = 5000 m/s, S1 = S2 = 0, 01 m2 , l1 = 20 m, ZA = 0. Variation der Paramter f¨ ur die Teilbilder siehe Tabelle
5.9 Statistische Energieanalyse (SEA)
413
Zu diesem Zweck gehen wir von der Definitionsgleichung von τ aus und ihrer speziellen Form f¨ ur eindimensionale Systeme also τνμ =
Pt Pνμ Pνμ = = . 2 Pi Pν+ ρν cgν Sν vν+
Pt bzw. Pνμ sind die u ¨bertragenen Leistungen und Pi bzw. Pν+ die einfallenden Leistungen, die sich durch Dichte ρν , Querschnittsfl¨ache Sν , Grup2 (der auf der Sendeseite pengeschwindigkeit cgν und Amplitudenquadrat vν+ zur Diskontinuit¨ at hinlaufenden Welle) darstellen lassen. Da sich die gesamte Schnelle aus hinlaufenden und r¨ ucklaufenden Wellen zusammensetzt, gilt aus Energieerhaltungsgr¨ unden 2 ν+ =
v22 v2 ≈ 2. 2 − τνμ 2
(5.316)
uhrt die N¨aherung in (5.316) zu einem F¨ ur τνμ < 0, 7 (was meist der Fall ist) f¨ Fehler von weniger als 1 dB; im Rahmen der SEA ist das im allgemeinen zul¨assig. Aus (5.315), (5.316) und dem Vergleich mit der Definitionsgleichung (5.291) folgt Pνμ ρν Sν cgν τνμ = . (5.317) cνμ Stat = 2 2 − τνμ vν Nach (5.311) folgt daraus f¨ ur den Kopplungsverlustfaktor bei eindimensionalen Anordnungen ηνμ Stat =
ρν Sν cgν τνμ cgν τνμ cgν = ≈ τνμ . ρν Sν lν ω 2 − τνμ lν ω 2 − τνμ 2ωlν
(5.318)
Der Index Stat“ soll besagen, dass es sich um das Resultat einer statistischen ” Betrachtung handelt. Durch Anwendung von (5.312) kann man sich u ¨brigens davon u ¨berzeugen, dass sich wegen ΔNν = Δωlν /(πcgν ), die bei eindimensionalen Betrachtungen (im Allgemeinen auch nur bei diesen) g¨ ultige Beziehung uheren Gelegenheiten benutzτνμ = τμν ergibt, die wir schon mehrfach bei fr¨ ten. In Bild 5.44 werden (links) die sich aus der Simulationsrechnung (5.315) und aus der statistischen Methode (5.317), (5.318) ergebenden Kopplungsgr¨ ossen verglichen. Die dabei aufgetragene Gr¨oße ist der Fehler“ ” LF W = 10 lg(η12 Stat /η12 Sim )
(5.319)
In Bild 5.43 ist außerdem (rechts) der Fehler“ in den Schnelleverh¨altnissen ” − 10 lg v12 /v22 (5.320) LF ν = 10 lg v12 /v22 Stat
Sim
angegeben. Der statistische Wert wurde dabei nach (5.295) unter Benutzung von c12 Stat nach (5.317) ermittelt. In den angegebenen Diagrammen wurde
414
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
jeweils u ¨ber eine Terz gemittelt. Als Abzisse ist nicht nur die Frequenz sondern auch die Anzahl der Moden pro Terz im zweiten Stab angegeben. Bei den hier wiedergegebenen Kurven war stets ZA = 0 (also freies Ende). Es wurden aber auch andere komplexe Abschlusswiderst¨ ande und zahlreiche andere Dichten, Wellengeschwindigkeiten und Querschnitte untersucht. Bei den meisten - hier gr¨ oßtenteils nicht gezeigten Beispielrechnungen stimmten die nach der statistischen N¨ aherung und die mit Hilfe der Simulationsrechnung erhaltenen Ergebnisse innerhalb von wenigen dB u ¨berein, vorausgesetzt, dass sich mehr als drei Resonanzen im jeweiligen Frequenzband (Terz) befanden. Es gibt aber, wie Bild 5.42 zeigt, auch Ausnahmen. Sie sind folgendermaßen zu erkl¨ aren. •
Wenn beide Systeme gleich groß sind und dieselben Randbedingungen aufweisen, haben sie - bis auf die kleine Frequenzverschiebung durch die Kopplung - dieselben Resonanzfrequenzen. Da das von außen angeregte System als eine Art Filter f¨ ur die breitbandige Anregung wirkt und somit besonders bei seinen Resonanzfrequenzen stark schwingt, bedeutet das, dass das zweite System nicht breitbandig, sondern gerade in seinen Resonan¨ zen angeregt wird. Es ist einleuchtend, dass in diesem Fall die Ubertragung 2 2 st¨arker ist. (η12Sim > η12Stat bzw. v2Sim > v2Stat ). Wenn sehr viele Moden vorhanden sind, so dass der mittlere Abstand zwischen zwei Resonanzfrequenzen kleiner ist als das Vierfache der Halbwertsbreiten einer Mode, ist auch bei gleich großen Teilsystemen die Abweichung noch ertr¨aglich. Trotzdem sollte man die SEA nicht bei exakt gleich großen Teilsystemen anwenden. Normalerweise reicht ein Unterschied von 30%, oft auch weniger [5.27], in den Dimensionen aus um die Resonanzen gen¨ ugend weit gegeneinander zu verschieben. • Wenn die Kopplung sehr stark ist, d.h. wenn der Kopplungsverlustfaktor η21 gr¨oßer ist als etwa das Dreifache des Verlustfaktors η2 , liefert die statistische Methode Kopplungsverlustfaktoren die zu hoch sind. (Kurven f¨ ur m < 10 und η2 = 10−5 , 10−4 in Bild 5.43). Die Schnelleverh¨altnisse sind dagegen einigermaßen richtig, weil sich ungeachtet des Leistungstransports eine Gleichverteilung auf alle Moden nach (5.299) einstellt. Dieses Ergebnis leuchtet ein, denn bei starker Kopplung ist der Nettoenergietransport nach (5.298) praktisch Null, so dass auch ein falscher Wert von c12 die richtigen Schnelleverh¨altnisse liefert. Es sei noch angemerkt, dass der Verlustfaktor ampfung als auch die Energie¨ ubertragung nach η2 sowohl die Materiald¨ außen (z.B. Strahlungsd¨ ampfung, D¨ ampfung in Halterungen) nicht jedoch die Leistungs¨ ubertragung in Nachbarsysteme enth¨alt. • Wenn die D¨ampfung sehr groß ist (etwa f¨ ur η2 k2 l2 > 2), kann man eigentlich nicht mehr mit resonanzf¨ ahigen Systemen rechnen, weil eine Welle w¨ahrend eines Umlaufs (d.h. doppelte L¨ ange) um mehr als 5 dB abgeklungen ist und somit keine Resonanz¨ uberh¨ohung mehr zustande kommt. Eine Folge davon ist, dass das u ¨ber die Balkenl¨ange gemittelte Schnelleverh¨altnis durch die statistische Methode nicht mehr richtig wiedergege-
5.9 Statistische Energieanalyse (SEA)
415
ben wird. Dieser Fall liegt in Bild 5.43 rechts bei η2 = 0, 1 und η2 = 0, 01 vor. Es ist interessant, dass bei großer D¨ ampfung der Kopplungsverlustfaktor (linke Seite in Bild 5.42) selbst bei nur einer Mode pro Frequenzband durch die statistische Methode gut beschrieben wird. Das ist darauf zur¨ uckzuf¨ uhren, dass η12 von den gemittelten Schnellen und damit von der Ausbreitungsd¨ ampfung weitgehend unabh¨ angig ist. • Der Vollst¨andigkeit halber wird auch noch darauf hingewiesen, dass SEABetrachtungen problematisch sein k¨ onnen, wenn die Anregung nicht punktf¨ormig sondern durch ausgedehnte Quellen in einem schmalen Wellenzahlbereich (z.B. Luftschallanregung) erfolgt. 5.9.3.2 Mehrdimensionale Anordnungen Auch bei mehrdimensionalen Anordnungen kann man im Rahmen der statistischen N¨aherung eine Beziehung zwischen dem Kopplungsverlustfaktor und dem Transmissionsgrad der entsprechenden unbegrenzten Anordnung herstellen. Analog zu (5.316) geht man dazu von der Definitionsgleichung f¨ ur den u ¨ber alle Richtungen gemittelten Transmissionsgrad τνμ =
Pνμ Pν+
(5.321)
aus. Durch Kombination von (5.291) und (5.311) ergibt sich ημν =
τνμ Pν+ . ω mν vν2
Die Endergebnisse sind cgv ω cgv τνμ ω
im zweidimensionalen Fall:
ηνμ = τνμ
im dreidimensionalen Fall:
ηνμ =
lk πSν Sk . 4Vν
(5.322a) (5.322b)
Dabei sind cgν , Sν , Vν die Gruppengeschwindigkeit, Gesamtfl¨ache bzw. Gesamtvolumen der Struktur von der aus die Leistung u ¨bertragen wird (Senange bzw. die Fl¨ache der gemeinsamen Koppder), lk bzw. Sk sind die L¨ lung. Siehe Bild 5.43. Bei den separat geschriebenen Ausdr¨ ucken lk /πSν bzw. Sk /4Vν handelt es sich um die mittleren freien Wegl¨angen (im eindimensionalen Fall (5.318) war das folgerichtig 2lν ; d.h. den Entfernungen, die eine Welle (Schallstrahl) zur¨ ucklegt, bevor er wieder auf die Kopplungsl¨ange lk bzw. die Kopplungsfl¨ache Sk trifft. (5.322a) ,(5.322b) liefern die M¨oglichkeit bei Kenntnis des Transmissionsgrades der entsprechenden unbegrenzten Strukturen (in Bild 5.44 bedeutet das, dass die mit a bezeichneten Begrenzungen nicht reflektierend sind, die mit r bezeichneten dagegen voll reflektierend) die Kopplungsverlustfaktoren n¨ aherungsweise zu bestimmen. F¨ ur die G¨ ultigkeit bzw. Genauigkeit von (5.322a), (5.322b) gelten dieselben ¨ Uberlegungen wie im eindimensionalen Fall (s. Ende von Abschnitt 5.9.3.1).
416
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
¨ Bild 5.43. Geometrische Gr¨ oßen beim Ubergang von mittleren Transmissionsgraden zu Kopplungsverlustfaktoren
Es muss in diesem Zusammenhang noch darauf hingewiesen werden, dass die im Anschluss an (5.314) erw¨ ahnte Gleichheit der Transmissionsgrade bei Umkehrung der Richtung meist nicht auf (5.322a), (5.322b) angewandt werden kann, weil die Mittelwertbildung dazu f¨ uhrt, dass in vielen F¨allen τνμ = τμν ist. Das stellt keine Verletzung des Reziprozit¨atsprinzips dar. Vielmehr kann man durch Vertauschung einer Kraftquelle und eines Schnellemesspunktes (oder dgl.) zeigen, dass sich bei richtiger Anwendung des Reziprozit¨atsprinzips τνμ = τμν ergibt. Ein einfaches diesbez¨ ugliches Beispiel ist die Kopplung eines mit Luft gef¨ ullten Raumes (Index 1) mit einem luftgef¨ ullten Rohr (Index 2). Berechnet man f¨ ur diesen Fall mit Hilfe der u ¨blichen statistischen Methoden die von einer kleinen Volumenquelle erzeugten Schalldr¨ ucke und wendet das Reziprozit¨atsprinzip an, so findet man τ12 = 8πτ21 (k12 S2 )−1 . Man muss also in (5.322a), (5.322b) τνμ stets f¨ ur die richtige Richtung“ ein” setzen. Lediglich wenn beide Teilsysteme dieselben Materialdaten und dieselbe Dimensionszahl haben sind die mittleren Transmissionsgrade in den beiden Richtungen gleich. 5.9.4 Anwendungsbeispiele Die f¨ ur die Anwendungen wichtigsten SEA-Gleichungen sind (5.295) f¨ ur zwei Systeme bzw. (5.301) f¨ ur mehr Systeme. Die Gr¨oßen, die man zur Bestimmung von Schnelleverh¨altnissen kennen muss, sind demnach
5.9 Statistische Energieanalyse (SEA)
417
• die Massen m der Teilsysteme • die Verlustfaktoren ην • die Anzahl ΔNν der Moden im jeweiligen Frequenzband • die Kopplungsgr¨ oßen cνμ oder die Kopplungsverlustfaktoren ηνμ . Die Bestimmung der Massen mν und Verlustfaktoren ην ist im Allgemeinen nicht allzu problematisch. Die Modenzahl ΔNν kann man in den meisten F¨allen aus Tab. 4.7.3 auf Seite 288 entnehmen. Die experimentelle Bestimmung von ΔNν durch Messung der Frequenzg¨ange bei Anregung mit reinen T¨onen kann problematisch sein, weil die Identifikation aller Resonanzen nicht einfach ist. Die Sch¨ atzung von cνμ und ημν wurde im letzten Abschnitt besprochen. Die SEA-Gleichungen werden besonders einfach, wenn die in einem Teilsystem durch D¨ampfung verlorene Leistung Pdν kleiner ist, als die in ein Nachbarsystem r¨ uck¨ ubertragene Leistung Pνμ ; d.h. Pdν < Pνμ bzw. ην < ηνμ . Dieser Fall wird als starke Kopplung bezeichnet. Er liefert nach (5.295) das sehr einfache Ergebnis vν2 ΔNμ mν ≈ . (5.323) 2 ΔN vμ ν mμ Man kann also, wenn gesichert ist, dass ην < ηνμ , oder wenn man sich nur f¨ ur eine obere Grenze von vν2 /vμ2 interessiert, ohne Kenntnis der Kopplungsgr¨ossen sinnvolle Aussagen machen. Dabei kann es durchaus vorkommen, dass das Schnellequadrat vν2 des nicht von außen angeregten Teilsystems gr¨oßer ist als das des angeregten. Bild 5.44 zeigt zwei Beispiele f¨ ur die Anwendung von (5.323). Bei der Kopplung von K¨ orperschall mit K¨orperschall oder K¨orperschall mit Wasserschall sind die Kopplungsverlustfaktoren oft ziemlich groß, so dass sich (5.323) f¨ ur erste Sch¨ atzungen gut eignet. Bei der Kopplung von K¨orperschall mit Luftschall liefert (5.323) meist viel zu hohe Werte. Als Bei¨ spiel f¨ ur eine schwache Kopplung betrachten wir die Ubertragung von einem mit einem Gas oder einer fl¨ ussigkeit gef¨ ullten Volumen VL in eine ebene Platte der Fl¨ache SP . Dichte bzw. Schallgeschwindigkeit im Volumen seien ρL bzw. cL . Die Dichte, Dicke, Biegewellenzahl der Platte seien ρP , hP , kP . Wir nehmen an, dass die Platte nur auf einer Seite mit dem Volumen in Kontakt ist (ansonsten m¨ ussten wir SP durch 2SP ersetzen). Das Problem ist im Prinzip gel¨ost, wenn der in (6.12) definierte Abstrahlgrad σ bekannt ist, denn dann k¨onnen wir schreiben Pνμ = PP L = ρL cL SP vP2 σ.
(5.324)
Daraus folgt f¨ ur den Kopplungsverlustfaktor ηνμ = ηP L =
PP L mP ωvP2
=
ρL cL SP σ . mP ω
(5.325)
Interessiert man sich f¨ ur das mittlere Schnellequadrat, das ein Schalldruckquadrat p2L auf der Platte erzeugt, dann k¨ onnen wir wieder (5.295) anwenden (Index 2 → P , Index 1 → L) und erhalten
418
5 D¨ ammung von K¨ orperschall
Bild 5.44. Schnelleverh¨ altnisse bei einer Stab/Platte-Kombination und einer Hohlk¨ orperdecke. Vergleich zwischen Messung und Rechnung nach 5.323
vP2 2 vL
=
vP2 ρ2L c2L p2L
=
ΔNp mL ΔNp mL ηP L 1 ≈ . ΔNL mp 1 + ηP /ηP L ΔNL mP ηP
(5.326)
Dabei haben wir die bei Luftschallproblemen normalerweise zutreffende Annahme ηP > ηP L gemacht. Setzt man nun noch (5.325) ein, so folgt schließlich vP2 ρ2L
=
π 2
1 ωρP hP
2
fg f
σ . ηP
(5.327)
Dieser Gleichung werden wir bei der Behandlung der Luftschalld¨ammung noch begegnen (6.10).
5.9 Statistische Energieanalyse (SEA)
419
(5.327) bew¨ahrt sich besonders dann, wenn σ ≈ 1 ist, also wenn die interessierenden Frequenzen u ¨ber der Grenzfrequenz (6.118) liegen. Bei kleinen, schwach ged¨ampften Teilfl¨ achen - die aber noch gen¨ ugend Moden aufweisen m¨ ussen - gilt (5.327) auch unterhalb der Grenzfrequenz noch gute Ergebnisse. Probleme k¨onnen sich bei großen Platten unterhalb der Grenzfrequenz ergeben, weil eventuell die Anregung durch Luft- bzw. Fl¨ ussigkeitsschall nicht zu einer Gleichverteilung der Energie auf alle resonanzf¨ahigen Moden f¨ uhrt und somit eine der Voraussetzungen der SEA nicht erf¨ ullt ist. Ausgesprochen falsche Ergebnisse kann die Anwendung der SEA liefern, wenn man sie auf das Schalld¨ammproblem unterhalb der Grenzfrequenz anwendet, also aus vP2 nach (5.327) die auf die andere Seite“ abgestrahlte Luftschallleistung ” ausrechnen wollte. Man vernachl¨ assigt dabei die nicht in Resonanz befindlichen (sog. erzwungenen) Bewegungen, die letztlich f¨ ur das sog. Massengesetz (6.177) verantwortlich sind.
Literatur
5.1. 5.2. 5.3. 5.4. 5.5. 5.6. 5.7. 5.8. 5.9. 5.10. 5.11. 5.12. 5.13. 5.14. 5.15. 5.16. 5.17. 5.18.
5.19. 5.20. 5.21. 5.22. 5.23. 5.24. 5.25.
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422 5.26. 5.27.
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6 Abstrahlung von K¨ orperschall
Die Behandlung von K¨ orperschallproblemen w¨are ohne eine ausf¨ uhrliche Untersuchung der Schallabstrahlung unvollst¨ andig; denn bei sehr vielen Fragen der Praxis interessiert nicht so sehr, wie groß die Schwingungen eines K¨orpers sind, wie sie u ¨bertragen werden und wie sie verteilt sind, sondern wie laut das Ger¨ausch ist, das in die Umgebung abgestrahlt wird. Die Antwort auf diese Frage ist jedoch nur m¨ oglich, wenn man neben den Schwingungsamplituden ¨ als Funktion der Frequenz und der ¨ ortlichen Verteilung auch den Ubertragungsmechanismus von den Schwingungen auf die Schalldr¨ ucke im umgebenden Medium kennt. Bei der Abstrahlung in ein relativ dichtes Medium wie z.B. Wasser spielt dabei auch noch die Belastung des schwingenden K¨orpers durch das umgebende Medium eine nicht zu untersch¨atzende Rolle. Man muss also relativ viele Details - von der Art wie sie in den fr¨ uheren Kapiteln behandelt wurden - kennen, um die Abstrahlung von K¨orperschall bestimmen zu k¨onnen. Nach einigen allgemeinen Bemerkungen werden zun¨achst die einfachsten Konfigurationen (Kugelstrahler, unendlich große Platte) und danach die Abstrahlung von etwas komplizierteren K¨ orpern (endliche Platten, etc.) ohne Ber¨ ucksichtigung der Strahlungsbelastung untersucht. Anschließend wird dann auch der Einfluss der Strahlungsd¨ ampfung kurz behandelt. Dabei steht, im Einklang mit den Bed¨ urfnissen der Praxis der Ger¨auschbek¨ampfung, vor allem die Berechnung der abgestrahlten Leistung im Vordergrund der Betrachtungen, Fragen der Richtungsverteilung des abgestrahlten Schalls werden mehr am Rande erw¨ ahnt.
6.1 Messung der abgestrahlten Leistung Die von einem K¨orper abgestrahlte Schallleistung kann am einfachsten nach dem Hallraumverfahren ermittelt werden. Zu diesem Zweck bringt man das Messobjekt, dessen Abstrahlung bestimmt werden soll, in einen Raum, dessen Volumen V und Nachhallzeit T bekannt sind. F¨ ur die meisten F¨alle gen¨ ugt
424
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
ein Raumvolumen von etwas mehr als 100 m3 . Lediglich wenn Frequenzen unter 180 Hz interessieren, muss der Raum gr¨ oßer sein; in derartigen F¨allen ist meist aber auch das Messobjekt f¨ ur einen 100 m3 großen Raum zu groß. F¨ ur die Messgenauigkeit ist es am g¨ unstigsten, einen Raum mit schr¨agen W¨anden oder eingeh¨ angten Streuk¨ orpern zu benutzen und eine Nachhallzeit von mindestens 2 s anzustreben. Die abgestrahlte Luftschallleistung P erh¨ alt man aus dem an 5 bis 10 Punkten gemessenen Mittelwert des Schalldruckquadrats p˜2 (Effektivwert) nach der Gleichung V p˜2 . (6.1) P = 13, 8 ρ0 c20 T Dabei sind ρ0 und c0 die Dichte und die Schallgeschwindigkeit in dem Medium, in das die Abstrahlung erfolgt. Setzt man hier den Schalldruck in Newton/m2 (N/m2 ), das Volumen in 3 m , die Nachhallzeit in s, die Dichte in kg/m3 und die Schallgeschwindigkeit in m/s ein, so ergibt sich P in Watt. F¨ ur die Anwendung wesentlich bequemer als die Angabe in Watt ist die Angabe eines sogenannten Leistungspegels. Diese Gr¨oße ist definiert als LW = 10 lg
P , P0
(6.2)
wobei man zweckm¨ aßigerweise f¨ ur den Bezugswert P0 = 10−12 Watt w¨ahlt. Der Vorteil des durch (6.2) definierten Leistungspegels zeigt sich, wenn wie das allgemein u ¨blich ist - der durch Lp = 10 lg
p˜2 p˜20
(6.3)
definierte Schalldruckpegel gemessen wird. Dabei ist nach internationaler Vereinbarung der Bezugswert f¨ ur Luftschall p0 = 2 · 10−5 N/m2 . Eine Beziehung zwischen den Bezugswerten f¨ ur Leistung und Druck ergibt sich, wenn man die von einer ebenen Luftschallwelle durch eine senkrecht zur Wellenausbreitung stehende Fl¨ ache S u ¨bertragene Leistung betrachtet. Bekanntlich gilt hierf¨ ur p˜2 S . (6.4) P = ρ0 c 0 Setzt man darin den Bezugswert f¨ ur den Druck, die Fl¨ache S = S0 = 1 m2 , so3 ◦ wie den f¨ ur Luft bei ca. 15 g¨ ultigen Wert von ρ0 c0 = 400 Ns/m ein, so ergibt −12 Watt. Wenn die von einer Schallquelle mit dem Leistungspegel LW sich 10 ausgehende akustische Leistung durch eine Fl¨ ache von 1 m2 u ¨bertragen wird, dann sind Leistungspegel und Schalldruckpegel also zahlenm¨aßig gleich. Wird die Leistung durch eine Fl¨ ache von S[m2 ] u ¨bertragen, dann gilt entsprechend S . (6.5) Lp = LW − 10 lg m2
6.1 Messung der abgestrahlten Leistung
425
Diese Gleichung bew¨ ahrt sich insbesondere, wenn eine Schallquelle im Freien auf schallhartem Boden aufgestellt ist. In diesem Fall ist - allseitig gleichm¨aßige Schallausbreitung oder Mittelung der Schalldruckquadrate u ull¨ber die H¨ fl¨ache vorausgesetzt - der Schalldruckpegel im - nicht zu kleinen - Abstand R durch 2πR2 (6.6) Lp = LW − 10 lg m2 gegeben, wobei 2πR2 die Oberfl¨ ache der Halbkugel ist, durch die der Schall in der Entfernung R u ¨bertragen wird. Auch bei der Berechnung des Schalldruckes in halligen R¨aumen f¨ uhrt der oben definierte Leistungspegel zu zahlenm¨ aßig einfachen Ausdr¨ ucken. Schreibt man n¨amlich (6.1) in der Form LW = 10 lg
P 13, 8V p˜2 S0 p˜2 = 10 lg + 10 lg 0 + 10 lg 2 , P0 c0 T S0 ρ0 c0 P0 p˜0
so bedeutet der dritte Term gerade den Schalldruckpegel, w¨ahrend der zweite Term gleich Null ist, wenn man S0 = 1m2 setzt. Der im ersten Term auftretende Quotient 13, 8V /c0 T , der die Dimension einer Fl¨ache hat, ist - wie aus der Raumakustik bekannt - ein Viertel der sogenannten ¨aquivalenten Absorptionsfl¨ache A (siehe z.B. Kapitel 7 in [6.36]). Setzt man also A in die letzte Gleichung ein, so gilt A . (6.7) LW = Lp + 10 lg 4m2 Man kann also auch in halligen R¨ aumen Schalldruck- und Schallleistungspegel sehr leicht ineinander u uhren, wenn die Schluckfl¨ache bekannt ist. Es ¨berf¨ sei jedoch darauf hingewiesen, dass die Ausdr¨ ucke (6.6) bis (6.7) nur f¨ ur Luft bei ’normaler’ Temperatur und f¨ ur die getroffene Wahl der Bezugswerte gelten. Beim Wasserschall ergeben sich beispielsweise ganz andere Bezugswerte; außerdem m¨ usste in Wasser wegen der gr¨ oßeren Wellenl¨ange auch das Hallraumvolumen wesentlich h¨ oher sein. Die Genauigkeit, mit der nach der eben beschriebenen Methode Schallleistungen bestimmt werden k¨ onnen, h¨ angt ab vom Volumen, der Form und der Nachhallzeit des Hallraumes, der Anzahl der Messpunkte und insbesondere von der Art des Ger¨ ausches. Handelt es sich um ein gleichm¨aßiges, breitbandiges Ger¨ausch, das in Terz- oder Oktavschritten gemessen wird, dann kann man die Leistung auf etwa ±20% genau, den Leistungspegel auf etwa ±1 dB genau messen. Handelt es sich dagegen um ein schwankendes Ger¨ausch oder um ein Ger¨ausch, in dem einige Frequenzen (beispielsweise die Umdrehungszahl einer Maschine oder Harmonische davon) besonders stark vertreten sind, dann k¨onnen die Messfehler um ein mehrfaches gr¨oßer sein. Einzelheiten sind genannt in der Norm EN ISO 3741 (1999): Bestimmung der Schallleistungspegel von Ger¨auschquellen aus Schalldruckmessungen - Hallraumverfahren der Genauigkeitsklasse 1.
426
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
Eine zweite Methode zur Bestimmung der von einem K¨orper abgestrahlten Schallleistung beruht auf einer kleinen Modifikation von (6.6). Man muss dazu das Messobjekt im Freien oder in einem reflexionsarmen Raum aufstellen und den Schalldruck p˜2n an vielen Stellen in einem Abstand R messen. Dieser Abstand muss wesentlich gr¨ oßer sein als die Abmessungen des Pr¨ ufobjekts. Die abgestrahlte Leistung wird dann aus P =
1 2 p˜n Sn . ρ0 c0
(6.8)
ache, die zu dem am n-ten Messpunkt erhalbestimmt. Dabei ist Sn die Teilfl¨ ort. Die Summe aller Teilfl¨achen muss die Oberfl¨ache tenen Schalldruck p˜2n geh¨ einer Halbkugel oder einer Kugel mit dem Radius R ergeben, je nachdem, ob das Messobjekt auf einer schallharten Fl¨ ache steht oder nicht. Sind also beispielsweise alle N Messpunkte gleichm¨ aßig auf einer Halbkugel verteilt, dann gilt N 2πR2 1 2 2πR2 2 P = p˜n = p . (6.9) ρ0 c0 N n=1 ρ0 c0 wobei p2 das mittlere Schalldruckquadrat ist, das man eventuell auch durch Mittelwertbildung bei einem gleichm¨ aßig umlaufenden Mikrophon erhalten kann. Wie man sieht, ist die Leistungsbestimmung im Freifeld oder im schalltoten Raum etwas umst¨ andlicher als die Hallraummessung, insbesondere wenn es sich um eine Messung an einem K¨ orper handelt, bei dem der Schall sehr unregelm¨aßig nach den verschiedenen Richtungen abgestrahlt wird und bei dem man demzufolge viele Messpunkte ben¨ otigt; außerdem steht sehr oft kein reflexionsarmer Raum zur Verf¨ ugung und die Freifeldmessung hat wegen der Witterungsabh¨angigkeit Nachteile. Interessiert man sich jedoch f¨ ur die Richtungsverteilung des abgestrahlten Schalls, dann stellt eine Messung im Freien oder im schalltoten Raum die einzig brauchbare Messmethode dar. Man benutzt zur Aufzeichnung der Richtcharakteristik entweder schwenkbare Mikrophone oder man montiert das Messobjekt auf einen Drehtisch und l¨ asst das Richtdiagramm direkt auf einen geeignet angekoppelten Pegelschreiber registrieren. Seit einiger Zeit gibt es Luftschallaufnehmer, die aus zwei (gleichen) Mikrophonen - zur Messung des der Schnelle proportionalen Schalldruckgradienten - und einer Signalverarbeitungseinheit bestehen. Sie machen es m¨oglich, den Schallintensit¨ atsvektor und damit die Schallleistung direkt zu messen. Ausgangspunkt ist die Definitionsgleichung f¨ ur den Schallintensit¨atsvektor in einem schubspannungsfreien Medium (Gas, Fl¨ ussigkeit) J = p v
(6.10)
(vergleiche auch Abschnitt 7.3 und 2.9.1). Aus (6.10) ergibt sich die Schallleistung zu
6.2 Definition und Messung des Abstrahlgrades
P =
≈ J dS
Jn ΔSn .
427
(6.11)
¨ Dabei ist v der Vektor der Schallschnelle. Die Uberstreichung kennzeichnet die zeitliche Mittelwertbildung. S ist die Fl¨ ache, durch die der Leistungstransport interessiert und dS ist der Vektor eines Fl¨ achenelements. Meistens wird die Intensit¨ at in einer Richtung gemessen, die senkrecht zu der interessierenden Fl¨ ache steht; in diesem Fall tritt in (6.11) einfach das Produkt aus gemessener Intensit¨ at und dazugeh¨origer Fl¨ache auf. Die Intensit¨atsmessger¨ ate erm¨ oglichen es - im Prinzip - Schallleistungen und Richtcharakteristiken auch bei Anwesenheit von benachbarten St¨orquellen und in beliebiger Messumgebung (auch im Nahfeld) zu ermitteln, so dass weder Hallfeld- noch Freifeldbedingungen erforderlich sind. Es ist allerdings zu beachten, dass diese Aussage nur im Prinzip“ gilt, denn bei Anwesenheit von ” St¨orquellen, bei ausgepr¨ agten Reflexionen und bei starken Nahfeldern wird die Messgenauigkeit eventuell so stark verringert, dass die Messergebnisse nicht mehr zuverl¨assig sind. Einzelheiten sind in [6.1] und [6.2] geschildert. Ein oft nicht beachtetes Problem bei der Bestimmung der Schallleistung von Teilschallquellen besteht in der Anwesenheit benachbarter Teilschallquellen. Es l¨asst sich n¨ amlich leicht zeigen (siehe z.B. [6.3]), dass die Schallleistung, die nach (6.11) auf einer die interessierende Teilquelle umgebenden H¨ ullfl¨ache gemessen wird, durch koh¨ arente, andere Schallquellen fast beliebig ver¨andert werden kann.
6.2 Definition und Messung des Abstrahlgrades Mit der Kenntnis der abgestrahlten Leistung ist im allgemeinen das Interesse an der K¨orperschallabstrahlung noch nicht ersch¨opft. Sehr h¨aufig m¨ochte man auch noch den Zusammenhang zwischen den K¨orperschallschwingungen und der abgestrahlten Schallleistung kennen. Ein in sehr vielen F¨allen geeignetes Maß hierf¨ ur ist der sogenannte Abstrahlgrad, der meist mit σ bezeichnet wird. Die Definitionsgleichung des Abstrahlgrades lautet nach [6.4] σ=
P ρ0 c0 Sv 2
.
(6.12)
Dabei ist P die von einem K¨ orper mit der Oberfl¨ache S abgestrahlte Schallortliche Mittel des Schnelle-Effektivwert-Quadrates leistung und v 2 gibt das ¨ der strahlenden Fl¨ ache an. Eine sehr einfache Form nimmt der Abstrahlgrad an, wenn es sich um die Strahlung von einer konphas schwingenden ebenen Fl¨ache (Kolbenmembran) handelt, deren Abmessungen wesentlich gr¨oßer sind als die Wellenl¨ange im umgebenden Medium. In diesem Falle ist ein seitliches Ausweichen der Luft nicht m¨oglich; die Schallschnelle der Luft ist also auch außerhalb der unmittelbaren Nachbarschaft der strahlenden Fl¨ ache identisch mit der Schnelle
428
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
der Fl¨ache. Da außerdem die Abstrahlung in Richtung der Fl¨achennormalen erfolgt, ist der erzeugte Luftschalldruck durch p = ρ0 c0 v
(6.13)
gegeben. Die abgestrahlte Schallleistung ist also P = Sp v = Sρ0 c0 v 2 . Im Fall der konphas schwingenden großen Fl¨ache gilt also σ = 1. Man kann demnach auch sagen, dass der Abstrahlgrad angibt, um wieviel weniger Leistung (in Ausnahmef¨ allen auch mehr) ein gegebener K¨orper abstrahlt, als eine große konphas schwingende Fl¨ ache gleicher Gr¨oße und gleicher mittlerer Schnelle. Geht man in (6.12) zu logarithmischen Gr¨ oßen u ¨ber, dann erh¨alt man das sogenannte Abstrahlmaß, f¨ ur das 10 lg σ = 10 lg
P P0 S v˜2 + 10 lg − 10 lg − 10 lg P0 ρ0 c0 S0 v˜02 S0 v˜02
(6.14)
gilt. Diese Gleichung wird sehr einfach, weil das erste Glied gerade dem oben definierten Leistungspegel und das letzte Glied dem durch (1.12) gegebenen Schnellepegel entspricht. Das zweite Glied in (6.14) verschwindet, da bei einer Bezugsfl¨ache von S0 = 1 m2 , einer Bezugsschnelle von v0 = 5 · 10−8 m/s und einer Bezugsleistung von P0 = 10−12 Watt Z¨ ahler und Nenner gleich sind. Es gilt also S 10 lg σ = LW − Lv − 10 lg . (6.15) m2 Das Abstrahlmaß gibt also den Unterschied zwischen Leistungs- und SchnellePegel an, wenn die strahlende Fl¨ ache gerade 1 m2 betr¨agt. Wie man sieht, erh¨alt man mit Hilfe der Pegel von Leistung, Schalldruck und Schallschnelle sehr einfache und f¨ ur praktische Messungen sehr gut geeignete Gleichungen. So ergibt sich beispielsweise durch Kombination von (6.7) und (6.15) A . (6.16) 10 lg σ = Lp − Lv + 10 lg 4S Man braucht also nur den mittleren Schalldruckpegel in einem Hallraum, den Schnellepegel der strahlenden Fl¨ ache und die Absorptionsfl¨ache (bzw. die Nachhallzeit) zu messen, um den Abstrahlgrad zu erhalten. Man muss jedoch beachten, dass die angegebenen Pegelgleichungen nur f¨ ur die Bezugswerte P0 = 10−12 Watt, p0 = 2·10−5 N/m2 , v0 = 5·10−8 m/s und bei Angabe der Fl¨achen in m2 g¨ ultig sind. Außerdem k¨ onnen sie nur beim Luftschall und bei normalen Temperaturen angewandt werden. Einige Beispiele von gemessenen Abstrahlgraden sind in Bild 6.1 aufgetragen. Es handelt sich hier um Platten, die in einen Mauerausschnitt eingebaut waren, sowie um ein frei im Raum stehendes Stahlrohr. Die Anregung erfolgte durch einen oder mehrere K¨ orperschallsender. Bei der Messung an Dieselmotoren wurden die Schnellepegel an verschiedenen Stellen der elastisch aufgestellten Motoren gemessen und die abgestrahlte Leistung bestimmt. Luftansaugung und Auspuff geschah u ¨ber isolierte Rohre in einem anderen Raum,
6.2 Definition und Messung des Abstrahlgrades
429
da sonst das Messergebnis, das ja nur die Abstrahlung vom Motorenblock erfassen sollte, verf¨ alscht worden w¨ are [6.5]. Die Genauigkeit, mit der Abstrahl-
Bild 6.1. Beispiele von gemessenen Abstrahlgraden. a 14 cm Betondecke; b Motorenblock verschiedener Dieselmotoren; c 13 mm Gipskartonplatte auf Lattenrost; d Stahlrohr von 72 cm Durchmesser und 1,3 mm Wandst¨ arke
grade gemessen werden k¨ onnen, betr¨ agt unter g¨ unstigen Umst¨anden etwa 0,5 dB. Sie h¨angt haupts¨ achlich davon ab, wie genau das mittlere Schnellequadrat bestimmt werden kann. Bei homogenen, schwach ged¨ampften Platten, etc. ist das meist sehr gut m¨ oglich. Man sollte dabei darauf achten, dass der oder die K¨orperschallaufnehmer nicht durch Luftschall angeregt werden. Nach M¨oglichkeit sollten K¨ orperschallaufnehmer auf der leisen Seite“ ange” bracht werden. Bei inhomogenen oder stark ged¨ampften Konstruktionen ergeben sich oft Schwierigkeiten, da die Schnelle von Ort zu Ort eventuell sehr stark schwankt, so dass keine genaue Mittelwertbildung m¨oglich ist. Bei sehr starker D¨ampfung und punktf¨ ormiger Anregung kann das sogar soweit gehen, dass eine sinnvolle Mittelung und damit die Bestimmung des Abstrahlgrades nicht mehr m¨oglich ist. Man sollte daher den Abstrahlgrad nur dann messen, wenn die strahlende Fl¨ ache eine einigermaßen gleichm¨aßige Schnelleverteilung besitzt. Der Abstrahlgrad beschreibt nicht eine Eigenschaft der untersuchten Struktur selbst, sondern das von der Strukturschwingung hervorgerufene Schall¨ feld. Andert sich die Schwingungsform der sonst gleichgebliebenen Struktur, dann ¨andert sich auch der Abstrahlgrad. Z.B. kann der Abstrahlgrad deshalb besonders bei d¨ unnen Strukturen sehr stark von der Art der Anregung (punktf¨ormig, fl¨achenf¨ ormig) und von den Einspannbedingungen abh¨angen, wie im Abschnitt 6.6.3 noch ausf¨ uhrlich gezeigt wird.
430
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
6.3 Der Strahlungsverlustfaktor Zur Charakterisierung der Abstrahleigenschaften k¨onnen neben dem Abstrahlgrad auch andere Gr¨ oßen verwendet werden. So ist es beispielsweise m¨ oglich, das Verh¨ altnis von abgestrahlter Luft- oder Wasserschallleistung PS zu eingespeister K¨ orperschallleistung PK als Strahlungswirkungsgrad ζ=
PS PK
(6.17)
zu bezeichnen. Leider bereitet die Messung dieser sehr anschaulichen Gr¨oße, die naturgem¨aß immer kleiner als eins sein muss, einige Schwierigkeiten, da die Bestimmung der K¨ orperschallleistung meistens nicht einfach ist. Dieser Wirkungsgrad wird deshalb nur im Zusammenhang mit der punktf¨ormig angeregten, unendlich großen Platte bestimmt werden. Eine weitere interessante Gr¨ oße ist der Strahlungsverlustfaktor ηs , der ein Maß daf¨ ur ist, wie weit die Schwingungen eines Systems durch die Leistungsabgabe in Form von Strahlung ged¨ ampft werden. Der Strahlungsverlustfaktor ist vollkommen analog zum u ¨blichen Verlustfaktor (siehe (3.24)) durch η=
WS 2πWK
(6.18)
definiert. Dabei ist WS die pro Schwingungsperiode abgestrahlte, also f¨ ur den K¨orperschall verlorengegangene Energie und WK die reversible K¨orperschallenergie. Zu einer etwas anderen Form von (6.18) kommt man, wenn man ber¨ ucksichtigt, dass WS gleich ist der abgestrahlten Schallleistung PS multipliziert mit der Periodendauer T = 1/f (f = Frequenz). Es gilt also ηS =
PS PS = . 2πf WK ωWK
(6.19)
F¨ ur die hier haupts¨ achlich interessierenden Platten, St¨abe und Schalen, die v 2 . Wenn ein Abstrahlgrad sinnBiegeschwingungen ausf¨ uhren, ist WK = m S˜ voll bestimmt werden kann, dann erh¨ alt man zusammen mit (6.12) ηS =
v2 σ ρ0 c0 S˜ ρ0 c0 σ = . ωm S˜ v2 ωm
(6.20)
Zu beachten ist, dass (6.20) f¨ ur den Fall gerechnet wurde, dass die Abstrahlung nur nach einer Seite erfolgt. Das w¨ are beispielsweise dann der Fall, wenn sich auf der Vorderseite einer Platte Luft, auf der R¨ uckseite Vakuum bef¨ande. F¨ ur Systeme, die vollkommen von Luft oder Wasser umgeben sind, w¨are (6.20) noch mit dem Faktor 2 zu multiplizieren. F¨ ur die Messung des Strahlungsverlustfaktors eignen sich die im dritten Kapitel beschriebenen Verfahren, insbesondere die Messung der Abklingzeit.
6.3 Der Strahlungsverlustfaktor
431
Der Vorteil der Messmethode ist, dass eine Bestimmung des mittleren Schnellequadrats nicht notwendig ist und dass daher die Messung auch bei ungleichm¨aßiger Schnelleverteilung - etwa durch Inhomogenit¨aten - noch sinnvoll ist. Eine wesentliche Voraussetzung bei der Messung des Strahlungsverlustfaktors ist nat¨ urlich, dass die Verluste durch innere Reibung sehr gering sind. Falls die Abstrahlung in Luft erfolgt, ist das meistens nicht der Fall, so dass allen m¨oglich ist. Anders ist es bei die Messung von ηs nur in Ausnahmef¨ der Abstrahlung in Wasser. Wegen des weit gr¨oßeren Wellenwiderstandes von Wasser ist der Strahlungsverlustfaktor wesentlich h¨oher als in Luft (die Wellenwiderst¨ande von Luft und Wasser verhalten sich etwa wie 1:3500). Zwei Beispiele von Strahlungsverlustfaktoren sind in Bild 6.2 eingezeichnet. In einem Fall handelt es sich um die Wasserschallabstrahlung von einer 10 mm dicken, mit Spanten versehenen Stahlplatte, im zweiten Fall um die Luftschallabstrahlung von einer 4 mm dicken Stahlplatte mit Versteifungen. Wie man sieht, kann die Wasserschallabstrahlung auch bei relativ dicken Platten zu einer deutlich merkbaren D¨ ampfung f¨ uhren. Mit Hilfe des Strah-
Bild 6.2. Beispiele von gemessenen Strahlungsverlustfaktoren. a 10 mm Stahlplatte (mit Versteifungen) in Wasser gemessen; b 4 mm Stahlplatte (mit Versteifungen) in Luft gemessen
lungsverlustfaktors kann man auch den durch (6.17) definierten Wirkungsgrad ausdr¨ ucken. Die gesamte eingespeiste K¨ orperschallleistung muss n¨amlich identisch sein mit der Summe aus abgestrahlter Leistung PS und in W¨arme umgewandelter Leistung PW . Ist η der Verlustfaktor, der angibt welcher Anteil der Energie in W¨ arme umgewandelt wird, dann erh¨alt man wegen (4.191) ζ=
PS 1 1 = = . PS + PW 1 + ωηWK /PS 1 + η/ηS
(6.21)
Der Wirkungsgrad der Schallabstrahlung ist also durch das Verh¨altnis der Verlustfaktoren bestimmt. Wie zu erwarten, nimmt (6.21) f¨ ur η ηs , also f¨ ur im Vergleich zur Strahlungsd¨ ampfung sehr kleine innere D¨ampfung, den Wert 1 an; die gesamte eingespeiste Leistung wird dann als Schall abgestrahlt.
432
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
Bei der Luftschallabstrahlung tritt dieser Fall - vom Standpunkt der L¨armbek¨ampfung aus gl¨ ucklicherweise - nie ein. Bei der Wasserschallabstrahlung ist es dagegen durchaus m¨ oglich, dass die gesamte K¨orperschallenergie abgestrahlt wird.
6.4 Elementarstrahler 6.4.1 Ungerichteter Kugelstrahler (Monopol) Die Berechnung der Schallabstrahlung in ein ungest¨ortes, homogenes Medium gestaltet sich am einfachsten f¨ ur eine Kugel, deren Volumen sich zeitlich andert. Diese auch als Strahler nullter Ordnung, Monopolstrahler oder als ¨ atmende Kugel bezeichnete Schallquelle ist eine Idealisierung von kleinen, durch zeitliche Volumen¨ anderungen charakterisierte Schallquellen (Auspuff, Sprache, Blasinstrumente). Sie interessiert aber auch von einem theoretischen Standpunkt aus, weil man sich h¨ aufig komplizierte Schallquellen aus einer großen Anzahl von Kugel- (bzw. Halbkugel-)Strahlern aufgebaut denken kann. Der zeitliche Verlauf des Radius einer periodisch mit der Kreisfrequenz ω atmenden Kugel ist durch a + Re{ξˆ1 ejωt } gegeben (siehe Bild 6.3). Die Schnelle der Kugeloberfl¨ache betr¨agt also v1 ejωt } . v1 (t) = Re{jω ζˆ1 ejωt } = Re{ˆ
(6.22)
(Auch in diesem Kapitel wird im Folgenden auf die besondere Kennzeichnung ¨ der Zeiger durch Uberdachung und Unterstreichung verzichtet). Diese Schnelle
r a ξ
1
Bild 6.3. Abstrahlung von einem Kugelstrahler
6.4 Elementarstrahler
433
muss nat¨ urlich identisch sein mit der Schnelle des umgebenden Mediums an der Grenzfl¨ache r = a. Zur Berechnung des Schallfeldes soll nun also eine L¨ osung der im Folgenden genannten Schallwellengleichung gefunden werden, • •
die in einer von der Quelle weg sich nach außen ausbreitenden Welle besteht (Ausstrahlungsbedingung) und bei der die Normalkomponente der Schallschnelle an der Kugeloberfl¨ache r = a gleich der Kugelschnelle ist.
Bei Vernachl¨ assigung der Viskosit¨ at lautet die Wellengleichung f¨ ur reine T¨one mit der Kreisfrequenz ω Δp + k02 p = 0 .
(6.23)
In Kugelkoordinaten mit dem Radius r und den Winkeln ϑ und ϕ wird daraus [6.6] 1 ∂ ∂p 1 1 ∂ ∂2p 2 ∂p r + sin ϑ + + k02 p = 0. (6.24) r2 ∂r ∂r r2 sin ϑ ∂ϑ ∂ϑ r 2 sin2 ϑ ∂ϕ2 Dabei ist k0 = ω/c0 = 2π/λ0 die Schallwellenzahl und p der Schalldruck ur den Zusammen(λ0 =Wellenl¨ange). Nach dem Impulserhaltungssatz gilt f¨ hang zwischen Schalldruck und Schallschnellevektor v allgemein v =
j gradp ωρ0
(6.25)
und speziell f¨ ur die Radialkomponente vr =
j ∂p . ωρ0 ∂r
(6.26)
Bei dem hier interessierenden Problem liegt Radialgeometrie vor; das Problem ist unabh¨angig von ϑ und ϕ, die entsprechenden Ableitungen in (6.24) verschwinden. Damit ist offensichtlich, dass man f¨ ur den ¨ortlichen Verlauf des Schalldruckes den Ansatz C (6.27) p(r) = e−jk0 r r machen kann. Dieser Ansatz erf¨ ullt die Wellengleichung (6.24) und besteht aus einer fortschreitenden Welle, die sich in Richtung wachsender r ausbreitet. Die Konstante C ist vorl¨ aufig noch unbekannt. Man kann sie bestimmen, wenn aus (6.27) die Radialkomponente der Schnelle (nach (6.26)) −jC 1 jk0 vr = e−jk0 r + (6.28) ωρ0 r 2 r berechnet und die erl¨ auterte Randbedingung an der Stelle r = a benutzt wird. Damit ergibt sich
434
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
va =
C(1 + jk0 a) −jk0 a e jωρ0 a2
bzw.
C=
jωρ0 a2 va ejk0 a . 1 + jk0 a
(6.29)
F¨ ur die ¨ortliche Verteilung der Schnelle und des Schalldrucks gilt also a2 1 + jk0 r −jk0 (r−a) e 1 + jk0 a r2 jωρ0 a2 1 −jk0 (r−a) pr = va . e 1 + jk0 a r vr = va
Daraus ergibt sich die abgestrahlte Leistung zu
k02 a2 1 ∗ P = Re pvr dS = 2πa2 va2 ρ0 c0 . 2 1 + k02 a2 S
(6.30)
(6.31)
Die hier notwendige Integration ist u ¨ber eine Kugeloberfl¨ache im beliebigen Abstand r zu erstrecken; da die Abstrahlung radialsymmetrisch erfolgt, kann die Integration durch Multiplikation mit 4πr2 ersetzt werden. Den Abstrahlgrad f¨ ur die atmende Kugel kann man nun sofort aus (6.12) und (6.31) ermitteln. Wenn man dabei ber¨ ucksichtigt, dass in (6.12) der Effektivwert der Schnelle einzusetzen ist, so folgt σ=
k02 a2 . 1 + k02 a2
(6.32)
Der Abstrahlgrad von Kugeln steigt also f¨ ur k0 a 1, d.h. bei tiefen Frequenzen und kleinen Kugeln, mit dem Quadrat der Frequenz an und m¨ undet dann in den Wert σ = 1 ein. F¨ ur das Folgende ist noch der Spezialfall der sehr kleinen Kugel, bei der k0 a 1 ist, von großer Bedeutung. Nach (6.30) gilt f¨ ur diese als Punktstrahler bezeichnete Schallquelle p = jωρ0
va 4πa2 −jk0 r q0 −jk0 r e e = jωρ0 4πr 4πr
f¨ ur k0 a 1.
(6.33)
Dabei bedeutet q0 den sogenannten Schallfluss oder Volumenfluss, also das Produkt aus Schnelle und Oberfl¨ ache des Strahlers. Die Einf¨ uhrung des Schallflusses hat den Vorteil, dass man nun das Ergebnis auf Punktstrahler beliebiger Form anwenden kann. F¨ ur die Schallabstrahlung ist es n¨amlich bei kleinen Quellen gleichg¨ ultig, ob sie die Form einer Kugel, einer Ellipse oder irgendeine andere haben; entscheidend ist, welches Volumen verdr¨angt wird, also wie groß q0 ist. Die u usse spie¨brigen Formeinfl¨ len nur in einer kleinen Umgebung der wiederum sehr kleinen Quelle eine Rolle; sie k¨onnen daher ohne Bedenken vernachl¨assigt werden. 6.4.2 Dipolstrahler, Abstrahlung von Wechselkr¨ aften Eine vom prinzipiellen Standpunkt aus sehr wichtige Schallquelle ist eine direkt auf ein homogenes, unbegrenztes Medium wirkende Wechselkraft. Man
6.4 Elementarstrahler
435
braucht solche Schallquellen bei der allgemeinen Behandlung von Abstrahlund Streuproblemen und bei vielen Fragen der Str¨omungsakustik. Als Idealisierung eines solchen sogenannten Dipolstrahlers betrachtet man eine Kugel, die ohne Verformung als Ganzes mit der Kreisfrequenz ω hin- und herschwingt (siehe Bild 6.4). Der Ort der Kugeloberfl¨ ache und der Zeiger der Radialkom-
ξ1
p
ϑ a sin ϑ
dS= a sin ϑ ad ϑ 2a
Bild 6.4. Abstrahlung von einer als Ganzes hin- und herbewegten, starren Kugel
ponente ihrer Schnelle sind also durch a + Re ξˆ1 cos ϑ ejωt bzw.
v1 (ϑ) = va cos ϑ
(6.34)
gegeben. Es erscheint hier nur der Winkel ϑ, weil f¨ ur alle Winkel ϕ die Bewegung und der Schalldruck gleich sind. Die weitere Vorgehensweise ist genauso wie im letzten Abschnitt. Eine von ϕ unabh¨angige L¨ osung der Wellengleichung (6.24), die die richtige ϑAbh¨angigkeit hat und zu nach außen fortschreitenden Wellen f¨ uhrt, besteht in 1 jk0 cos ϑ e−jk0 r , p(r, ϑ) = C + (6.35) r2 r wie man sich durch Einsetzen in (6.24) u ¨berzeugen kann. Berechnet man daraus nach (6.26) die Radialkomponente der Schnelle und w¨ahlt C so, dass an der Kugeloberfl¨ache diese Schnelle mit der Schnelle v1 (ϑ) der Kugeloberfl¨ache u ¨bereinstimmt, dann findet man 1 jk0 cos ϑ e−jk0 (r−a) + p(r, ϑ) = Ca r2 r (6.36) Ca cos ϑ 2 2jk0 k02 −jk0 (r−a) e v(r, ϑ) = + 2 − , jωρ0 r3 r r mit Ca =
jωρ0 va a3 . 2 + 2jk0 a − k02 a2
(6.37)
436
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
Die sich daraus ergebende abgestrahlte Leistung betr¨agt ρ0 c0 4πa2 k04 a4 1 Re{p(r, ϑ)vr∗ (r, ϑ)}dS = |v 2 | . P = 2 2 3 4 + k04 a4 a
(6.38)
S
Das f¨ ur die Integration erforderliche Oberfl¨achenelement dS ist in Bild 6.4 angegeben. Die Integration erstreckt sich u ¨ber die ganze Kugeloberfl¨ache S. 2 Man beachte, dass hier va ein Zeiger ist, dass also |va2 | = 2vef f gilt. Bei der Ableitung von (6.36) wurde keine Aussage u ¨ber die Tangentialkomponente der Schnelle gemacht; d.h. in tangentialer Richtung k¨onnen die Schnelle des Mediums und die der Kugeloberfl¨ache verschieden sein. Das widerspricht zwar der Erfahrung, hat aber fast keinen Einfluss auf die Schallabstrahlung. Die in der Praxis beobachtete Gleichheit der Tangentialkomponenten (die sogenannte no-slip condition) ist n¨amlich auf die Wirkung von Z¨ahigkeitskr¨aften zur¨ uckzuf¨ uhren, die in der hier benutzten Grundgleichung (6.23) nicht ber¨ ucksichtigt sind. Man k¨ onnte zwar u ¨ber den Materialparameter Viskosit¨at die Z¨ ahigkeit mit erfassen, aber es lohnt sich kaum die entsprechende, ziemlich langwierige Rechnung durchzuf¨ uhren. Es zeigt sich n¨amlich, dass - abgesehen von der sehr kleinen dissipativen Entfernungsabnahme - die Wirkung der viskosen Kr¨ afte auf eine sehr d¨ unne akustische Grenzschicht“ ” unmittelbar u ache des Strahlers begrenzt ist. Diese Grenzschicht ¨ber der Oberfl¨ (acoustic boundary layer, oder stokes layer) hat die Dicke
δ = 2ν/ω (6.39) (siehe [6.7]), wobei ν die kinematische Z¨ ahigkeit ist. Bei Luft ist ν ≈ 16 · 10−6 2 −6 2 m /s, bei Wasser 10 m /s; d.h. δ ist im allgemeinen kleiner als ein Zehntel Millimeter und f¨ ur das Abstrahlproblem bedeutungslos. Es sei nun nach der Kraft gefragt die notwendig ist, um die schallerzeugende, oszillierende Kugel zu bewegen. In einem Gedankenexperiment stelle man sich dazu vor, dass durch eine kleine, extrem leichte Hohlkugel das unbegrenzte Medium in das Kugelinnere und in den Außenraum geteilt wird. Die Hohlkugel soll wesentlich leichter sein als das Medium, das sie umschließt, und außerdem soll sie sich bei der Bewegung nicht verformen. In Luft ist eine solche Hohlkugel praktisch vermutlich nicht herstellbar (auch eine leichte Christbaumkugel ist noch schwerer als die Luft, die sie umschließt) aber f¨ ur das wesentlich schwerere Wasser ist eine solche Anordnung durchaus machbar. Auf die Kugel soll nun eine ¨ außere Kraft F0 mit der Kreisfrequenz ω wirken und eine oszillierende Bewegung erzeugen. Um die Gr¨oße dieser Bewegung zu bestimmen, muss man ber¨ ucksichtigen, dass die Kraft F0 aus zwei Summanden Fi und Fa besteht. Die Kraft Fi dient dazu, die Tr¨agheit der Masse im Kugelinneren zu u uckwirkung des ¨berwinden. Die Kraft Fa muss gegen die R¨ Mediums im Außenraum, also gegen den Schalldruck auf der Kugeloberfl¨ache arbeiten. Die Masse der schweren Hohlkugel und damit die zu ihrer Bewegung ben¨otigte Kraft wird im Gedankenexperiment als vernachl¨assigbar klein angenommen. F¨ ur die Kr¨ aftebilanz gilt damit zu jedem Zeitpunkt
6.4 Elementarstrahler
F0 = Fi + Fa = mi ba +
p(a, ϑ) cos ϑ dS.
437
(6.40)
S
Dabei ist mi = ρ0 4πa3 /3 die Fluid-Masse im Inneren der Hohlkugel mit dem Radius a; ba bedeutet deren Beschleunigung. Der Schalldruck p(a, ϑ) auf der Kugeloberfl¨ache erzeugt auf dem Fl¨ achenelement dS eine Kraftkomponente p(a, ϑ) cos ϑdS in Richtung der Kugelbewegung (siehe auch Bild 6.4). Die gesamte Kraft erh¨ alt man durch Integration dieser Kraftkomponente u ¨ber die Kugeloberfl¨ache S. Ber¨ ucksichtigt man nun, dass in Zeigerschreibweise ba = jωva gilt und setzt (6.35) in (6.40) ein, so erh¨alt man f¨ ur kleine Kugeln π 4πa3 jωρ0 va a3 1 + cos2 ϑ 2πa2 sin ϑ dϑ F0 = jωρ0 va 3 2 a2 0 4πa3 2πa3 = jωρ0 va + = jωρ0 va a3 2π = jωva (mi + ma ). 3 3
(6.41)
Hier wurde k0 a 1 angenommen; d.h. alle Glieder mit k0 in (6.36) sind vernachl¨assigt. Das bedeutet, dass f¨ ur die G¨ ultigkeit von (6.41) der Kugelradius kleiner als ein Sechstel der Schallwellenl¨ ange sein muss. Wie (6.41) zeigt, wirkt sich die R¨ uckwirkung des Schalldrucks - also das Integral in (6.41) - so aus wie eine zus¨ atzliche, von der ¨außeren Kraft zu bewegende Masse der Gr¨ oße ma . Im vorliegenden Fall der Kugel ist diese sogenannte hydrodynamische Masse (oder mitbewegte Masse, englisch added mass oder entrained mass) gerade halb so groß wie die von der Hohlkugel umschlossene Mediummasse. F¨ ur eine kleine Scheibe mit der Dicke h und mit dem Radius a betr¨ agt sie 8 h . (6.42) ma = ρ0 a3 1 − (4 − π) 3 8a Aus (6.41) folgt jωρ0 va a3 = F0 /2π. Setzt man das in (6.36) ein, so erh¨alt man f¨ ur k0 a 1 jk0 F0 1 cos ϑ e−jk0 (r−a) + p(r, ϑ) = 4π r 2 r (6.43) F0 cos ϑ 2 2jk0 k02 −jk0 (r−a) e v(r, ϑ) = + − . 4π jωρ0 r 3 r2 r Gl.(6.43) bildet einen von der Kugelgeometrie unabh¨angigen Zusammenhang zwischen der in einem kleinen Gebiet unmittelbar auf das unbegrenzte Mediur um wirkenden Kraftamplitude F0 und dem davon erzeugten Schallfeld. F¨ die abgestrahlte Schallleistung gilt noch P =
ω 2 F02 . 24πρ0 c30
(6.44)
438
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
6.4.3 Die unendliche Platte ¨ Ahnlich wie die eben behandelten Kugelstrahler stellt auch die zu Transversalschwingungen angeregte unendlich große Platte einen Idealfall dar, der es gestattet, durch geeignete Summation bzw. Integration die Abstrahlung von komplizierteren Systemen zu berechnen. Betrachtet wird zun¨ achst der einfachste Fall. Er besteht aus der in Bild 6.5 skizzierten unendlich ausgedehnten Platte, deren Schnelle u ¨berall durch v(x) = v0 e−jkB x
(6.45)
gegeben sei. Dabei ist kB = 2π/λB die Wellenzahl der Plattenschwingungen ange. und λB ihre Wellenl¨ Es liegt nahe, f¨ ur den Schalldruck vor der Platte den Ansatz p(x, y) = p0 e−jkB x e−jky y
(6.46)
zu machen. Vom Ansatz f¨ ur den Schalldruck muss wie oben verlangt werden,
Bild 6.5. Abstrahlung von einer unendlich großen Platte
dass er eine L¨osung der Wellengleichung (6.23) darstellt und dass die aus (6.46) berechnete Normalkomponente der Schallschnelle an der Grenzfl¨ache y = 0 mit der Plattenschnelle u ¨bereinstimmt. Durch Einsetzen des Ansaztes (6.46) in die Wellengleichung (6.23) (in kartesischen Koordinaten) erh¨alt man 2 − ky2 )e−jkB x e−jky y + p0 k02 e−jkB x e−jky y = 0. p0 (−kB
Die erstgenannte Bedingung ist also erf¨ ullt, wenn 2 ky2 = k02 − kB
(6.47)
gilt, wobei k0 wieder die Wellenzahl im umgebenden Medium bedeutet. Die zweite Bedingung f¨ uhrt auf vy=0 = Daraus ergibt sich
p0 ky −jkB x j ∂p e . |y=0 = ωρ0 ∂y ωρ0
(6.48)
6.4 Elementarstrahler
p0 =
ωρ0 v0 ρ0 c0 v0 k0 = . ky ky
Der Schalldruck im Halbraum vor der Platte ist also durch √ ρ0 c0 v0 2 y −jkB x −j k02 −kB e e p(x, y) = 2 2 1 − kB /k0
439
(6.49)
(6.50)
gegeben. Man kann (6.50) noch etwas anschaulicher machen, indem man den Winkel ϑ einf¨ uhrt, unter dem der Schall abgestrahlt wird. Dieser Winkel muss so beschaffen sein, dass Plattenschwingung und Schallwelle dieselbe x-Abh¨angigkeit haben; es muss also die Spur“, die die Schallwelle hinterl¨asst, die Wellenl¨ange ” der Platte haben. Wie man aus Bild 6.5 sieht, liegt diese Spurgleichheit gerade dann vor, wenn λ0 /λB = sin ϑ, also kB /k0 = sin ϑ ist. Mit ky = k0 cos ϑ nach (6.47) gilt also p(x, y) =
ρ0 c0 v0 −jkB x −jk0 y cos ϑ e e cos ϑ
f¨ ur λB > λ0 .
(6.51)
Diese Schreibweise hat jedoch nur dann Sinn, wenn die Schallwellenl¨ange λ0 kleiner ist als die Wellenl¨ ange λB der Wandschwingung. Ist das nicht der Fall, dann erfolgt keine ’echte’ Abstrahlung. Stattdessen ergibt sich ein mit wachsender Entfernung von der Wand exponentiell abnehmender Schalldruck, f¨ ur den nach (6.50) gilt jρ0 c0 v0 −jkB x −√kB 2 −k2 y 0 e e f¨ ur λB < λ0 (6.52) p(x, y) = 2 kB − 1 k2 0
Es sind also bei der Abstrahlung von der unendlich großen Platte zwei voneinander grunds¨atzlich verschiedene Ph¨ anomene zu unterscheiden: •
Ist die Wellenl¨ ange der Wandschwingung gr¨oßer als die Wellenl¨ange im umgebenden Medium, dann wird eine ebene Schallwelle abgestrahlt, deren Richtung durch das Verh¨ altnis der Wellenl¨angen gegeben ist. Plattenschnelle und Schalldruck in unmittelbarer Umgebung sind in Phase. Wie eine einfache Rechnung zeigt betr¨ agt der Abstrahlgrad σ=
•
k0 1 = 2 2 cos ϑ k0 − kB
f¨ ur kB < k0
d.h. λB > λ0 .
(6.53)
Ist die Wellenl¨ ange der Wandschwingungen dagegen kleiner als die Wellenl¨ange im umgebenden Medium, dann bildet sich ein Nahfeld aus, das um so schneller abklingt, je gr¨ oßer der Unterschied der beiden Wellenl¨angen ist. Plattenschnelle und Schalldruck sind um 90◦ phasenverschoben, es wird also keine Schallleistung abgestrahlt. Der Abstrahlgrad ist Null (siehe Bild 6.6). Die Abnahme des Schalldrucks im Nahfeld erfolgt sehr rasch. Beispielsweise ist f¨ ur λB = 0, 7λ0 der Schalldruck bereits auf 20% des Ausgangswertes (d.h. um 14 dB) abgesunken, wenn die Entfernung von der
440
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
strahlenden Wand die H¨ alfte der Plattenwellenl¨ange betr¨agt. Da die praktisch interessierenden Biegewellenl¨ angen in der Gr¨oßenordnung von etwa einem Meter oder darunter liegen, bedeutet das, dass man das Nahfeld der Abstrahlung auch dann vernachl¨ assigen kann, wenn man sich nicht f¨ ur die Schallleistung, sondern f¨ ur den Schalldruck interessiert.
5 4.5 4
Abstrahlgrad σ
3.5 3 2.5 2 1.5 1 0.5 0 0
1
2 3 k0/kB = λB/λ0
4
5
Bild 6.6. Abstrahlgrad einer unendlich großen Platte
¨ Ahnlich wie bei der oszillierenden Kugel ist auch hier die tangentiale Bewegung - die auf der Platte und unmittelbar davor eventuell verschieden ist - unber¨ ucksichtigt geblieben. Auch hier machen sich n¨amlich die f¨ ur die tangentialen Kr¨afte in der Grenzschicht wirksamen Z¨ahigkeitseffekte nur in einer sehr d¨ unnen Schicht bemerkbar (siehe (6.39)). Von der bisher ausgeschlossenen Stelle kB = k0 , an der die beiden Wellenl¨angen u urde nach der Theorie der Abstrahlwinkel ¨bereinstimmen, w¨ ϑ = 90◦ und damit der Schalldruck beliebig groß. In der Praxis bleibt der Schalldruck nat¨ urlich endlich, da auch die Fl¨ache endlich ist und da zudem an dieser Stelle die Belastung der schwingenden Fl¨ache so groß ist, dass es gar nicht m¨oglich w¨ are, die notwendige Schwingungsform herzustellen [6.8]. Es bleibt jedoch die Tatsache bestehen, dass die Abstrahlung groß wird. Von diesem Effekt wird bei manchen Wasserschallstrahlern Gebrauch gemacht. Derartige Strahler, bei denen der erforderliche Schnelleverlauf der strahlenden Fl¨ache durch entsprechende Wandler erzeugt wird, strahlen eine sehr hohe Schallenergie ab, die stark geb¨ undelt, fast streifend austritt.
6.4 Elementarstrahler
441
Interessant ist auch der Unterschied der Bewegung der Luftteilchen bei Nahfeld- und Fernfeldabstrahlung. W¨ ahrend die Luftteilchen f¨ ur λB > λ0 entlang einer Geraden hin- und herschwingen, deren Richtung mit der Schallaustrittsrichtung zusammenf¨ allt, sind f¨ ur λB < λ0 die x- und y-Komponente der Schnelle, die sich aus (6.52) zu √ 2 2 jkB v0 −jkB x − kB −k0 y vx = 2 e e kB − k02 √ 2 2 vy = v0 e−jkB x e− kB −k0 y
und zu
(6.54)
◦
ergeben, um 90 phasenverschoben. Die Bewegungen der Luftteilchen bilden also im allgemeinen Ellipsen, wie sie in Bild 6.7 skizziert sind. Diese Ellipsenbewegung l¨asst sich auch so deuten, dass die Luftteilchen einer Kompression - wie sie zur Entstehung einer Schallwelle notwendig ist - dadurch entgehen, dass sie seitlich ausweichen, so dass nur eine Luftverschiebung von Wellenberg zu Wellental u ¨brig bleibt (hydrodynamischer Kurzschluss).
Bild 6.7. Teilchenbewegung bei Fernfeld-und bei Nahfeldabstrahlung
6.4.4 Zylinderstrahler F¨ ur die Bestimmung der Abstrahlung von schwingenden Rohren oder ¨ahnlichen Gebilden ist es hilfreich, die Abstrahleigenschaften von Zylindern zu kennen. Dazu wird als einfache Idealisierung ein unendlich langer Zylinder
442
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
betrachtet, der auf seiner ganzen L¨ ange konphase Schwingungen der Kreisfrequenz ω und der ¨ ortlichen Verteilung v(ϕ) = vn cos nϕ
(6.55)
ausf¨ uhrt (siehe auch Bilder 6.11 bis 6.14). Die zu l¨osende Aufgabe besteht also wieder darin eine Funktion zu finden, •
•
die der Wellengleichung in Zylinderkoordinaten, also ∂p 1 ∂2p 1 ∂ r + 2 + k02 p = 0 r ∂r ∂r r ∂ϕ2
(6.56)
gen¨ ugt, die zu Wellen f¨ uhrt, die f¨ ur große Abst¨ ande die Form 1 p ∼ √ e−jk0 r r
f¨ ur r → ∞
(6.57)
haben, also zu nach außen wandernden Zylinderwellen f¨ uhren (analog zu (6.27)) und • die an der Zylinderoberfl¨ ache r = a die Randbedingung v(ϕ) =
j ∂p | ωρ0 ∂r r=a
(6.58)
erf¨ ullen (analog zu (6.26)). Wie man entsprechenden Lehrb¨ uchern entnehmen kann (siehe z.B. [6.6]), werden die drei Forderungen durch p(r, ϕ) = −vn
jρ0 c0 (2) Hn (k0 a)
mit v(r, ϕ) = vn
cos nϕHn(2) (k0 r)
cos nϕ (2) Hn (k0 a)
Hn(2) (k0 r)
(6.59)
(2)
erf¨ ullt. Dabei ist Hn (k0 r) die Hankelfunktion zweiter Art und n-ter Ordnung. (2) Hn (k0 a) bildet die Ableitung dieser Funktion nach dem Argument k0 r. Die Hankelfunktionen sind komplexwertige Funktionen, die wie folgt durch Realund Imagin¨arteile ausgedr¨ uckt werden k¨ onnen: Hn(2) (x) = Jn (x) − jNn (x) .
(6.60)
Dabei bezeichnen die Funktionen Jn (x und Nn (x) die Besselfunktionen und Neumannfunktionen jeweils der Ordnung n. Sie sind in den Bildern 6.8 und 6.9 gezeigt. F¨ ur viele Anwendungen gen¨ ugt es, die beiden folgenden N¨aherungen f¨ ur die Grenzf¨alle kleiner oder großer Argumente der Hankelfunktionen zu benutzen:
6.4 Elementarstrahler
443
1
n=0
1 2
3
4
5
6
Jn(x)
0.5
0
−0.5 0
2
4
6
8
10
x
Bild 6.8. Besselfunktionen der Ordnungen 0 bis 6. 0.6
n=0
1
2
0.4
3
4
5
6
0.2
n
N (x)
0 −0.2 −0.4 −0.6 −0.8 −1 −1.2 0
2
4
6
8
10
x
Bild 6.9. Neumannfunktionen der Ordnungen 0 bis 6.
•
•
F¨ ur kleine Argumente k0 r n + 1 gilt ⎧ ⎨1 − j π2 ln(0, 89k0 r) (2) n Hn (k0 r) = n ⎩ k0 r + j (n−1)! 2 2 π k0 r F¨ ur große Argumente k0 r n + 1 gilt
f¨ ur n = 0 (6.61) f¨ ur n = 1, 2, 3, . . . .
444
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
Hn(2n) (k0 r) ≈
π 2 ej 2 (n+0,5) e−jk0 r . πk0 r
(6.62)
Wie man an der N¨ aherung (6.62) erkennt (siehe auch die grafischen Darstellungen), beschreiben die Hankelfunktionen im Prinzip radial √ nach außen laufende Wellen, deren Amplituden umgekehrt proportional zu r abnehmen. Sie besitzen außerdem einen Pol in r=0, dessen Ordnung mit der Ordnung der Hankelfunktion u ¨bereinstimmt. Die Hankelfunktion der Ordnung n = 0 (mit einem logarithmischen Pol) wurde schon in Abschnitt 4.3.3 benutzt. Die abgestrahlte Leistung kann man z.B. aus dem Schalldruck im Fernfeld (also aus (6.59) mit der N¨ aherung (6.62)) nach der Gleichung P =
1 1 2 ρ0 c0
2π 0
|p(r, ϕ)|2 rdϕ =
ρ0 c0 |vn |2 2 (2) εn k0 Hn (k0 a)
(6.63)
bestimmen. Dabei ist ε0 = 0, 5 und ε1 = ε2 = ε3 = . . . = 1. Der in (6.12) definierte Abstrahlgrad f¨ ur die Zylinderschwingung mit 2n Knoten entlang eines Umfangs betr¨ agt also σn =
2 1 1 . 2 π (2) k a Hn (k0 a) 0
(6.64)
Eine vollkommen analoge Rechnung kann vorgenommen werden, wenn sich die Schwingungsform periodisch - mit einer Wellenl¨ange λz - in axialer Richtung ¨andert. In diesem Fall ist der Schnelleverlauf (mit kZ = 2π/λz ) auf der Zylinderoberfl¨ache durch v(ϕ, z) = vn cos nϕ e−jkz z
(6.65)
gegeben. Der sich ergebende Abstrahlgrad ist identisch mit (6.64), wenn man k0 durch die radiale Wellenzahl (6.66) kr = k02 − kz2 ersetzt, falls kr reell, also k0 > kz ist. Falls kr imagin¨ar, also k0 < kz , gilt σn = 0. In Bild 6.10 ist der Frequenzverlauf des Abstrahlgrades f¨ ur die Schwingungsmoden eines sehr langen Zylinders aufgetragen. Untersucht man die Kurven in Bild 6.10 und die ihnen zugrunde liegenden Formeln etwas genauer, dann stellt man folgende Eigenschaften und Tendenzen fest: •
ange der Zylinderschwingung in axiaWenn λz < λ0 , wenn also die Wellenl¨ ler Richtung kleiner ist als die Wellenl¨ ange λ0 im umgebenden Medium, dann ist σ = 0. Es liegt also ¨ ahnlich wie bei der Platte (siehe Bild 6.6 und 6.7) ein hydrodynamischer Kurzschluss“ mit einem Nahfeld ohne ” Leistungsabgabe vor.
6.4 Elementarstrahler
445
10
n
Abstrahlmaß 10 lg(σ )
5 0
n=0
−5
1
2
3
−10
4
5
6 7
−15
8 9
−20
10
−25
11
12
13
14
−30 −35 −40 0
2
4
6
8
10
k a r
Bild 6.10. Abstrahlmaß f¨ ur Zylinderstrahler der Ordnungen 0 bis 14
•
Wenn λ0 < 2πa/n und λ0 < λz (d.h. kr a > n), wenn also sowohl die axiale Wellenl¨ ange λz als auch die Umfangswellenl¨ange“ 2πa/n gr¨oßer ” ist als die Wellenl¨ ange im umgebenden Medium, dann liegt eine relativ starke Abstrahlung mit σ = 1 vor. Der H¨ ochstwert wird bei kr a ≈ n mit √ σmax ≈ n erreicht. • Wenn λ0 > 2πa/n und λ0 < λz (d.h. kr a < n), wenn also die Umfangs” wellenl¨ange“ 2πa/n kleiner ist als λ0 , dann gibt es auch in Umfangsrichtung einen hydrodynamischen Kurzschluss. Dieser Kurzschluss“ ist aber ” wegen der gekr¨ ummten Zylinderoberfl¨ ache nicht vollst¨andig (wie das bei einer ebenen Platte der Fall ist). Es verbleibt ein kleiner Abstrahlgrad f¨ ur den n¨aherungsweise ⎧π ⎪ f¨ ur n = 0 und kr a < 0, 5 ⎨ 2 kr a (6.67) σn = k0 4π kr a 2n+1 ⎪ ⎩ f¨ u r n = 1, 2, 3, . . . und k a < n/2. r kr (n!)2 2 gilt. Je gr¨oßer n, desto schneller nimmt also der Abstrahlgrad mit sinkender Frequenz ab. Die Bilder 6.11 bis 6.14 geben einen Eindruck vom Schallfeldverlauf in der N¨ ahe eines Zylinders. Die f¨ ur eine Knotenzahl 2n und eine axiale Wellenzahl geltenden Formeln (6.55)-(6.67) lassen sich auf beliebige Schnelleverteilungen auf der Zylinderoberfl¨ache erweitern, weil die beiden Ortsfunktionen cos nϕ
und e−jkz z
sowohl die Oberfl¨ achenschnelle als auch den Schalldruck in einem beliebigen Abstand beschreiben. Das bedeutet, dass man die pro Mode (also f¨ ur gegebene
446
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
Bild 6.11. Schallfeld in der N¨ ahe eines Zylinderstrahlers mit a/λ0 = 1. Anregung durch cosinusf¨ ormige Schwingungsverteilung der Ordnungen n = 0 (links) und n = 1 (rechts).
Bild 6.12. Schallfeld in der N¨ ahe eines Zylinderstrahlers mit a/λ0 = 1. Anregung durch cosinusf¨ ormige Schwingungsverteilung der Ordnungen n = 2 (links) und n = 3 (rechts).
Werte von n und kz ) abgestrahlten Leistungen addieren kann. Hat also die Schnelleverteilung auf einer Zylinderoberfl¨ ache die Form [vcn (kzm ) cos nϕ + vsn (kzm ) sin nϕ]e−jkzm z , (6.68) v(ϕ, z) = n, m
dann ist die davon abgestrahlte Leistung ρ0 c0 P = S |vcn (kzm )|2 + |vsn (kzm )|2 σ(kzm ) . 2 n, m
(6.69)
S ist hier die (sehr große) Zylinderoberfl¨ ache. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass die Ermittlung der modalen Amplituden vcn und vsn - etwa mit Hilfe einer Modalanalyse - besonders
6.4 Elementarstrahler
447
Bild 6.13. Schallfeld in der N¨ ahe eines Zylinderstrahlers mit a/λ0 = 1. Anregung durch cosinusf¨ ormige Schwingungsverteilung der Ordnungen n = 4 (links) und n = 5 (rechts).
Bild 6.14. Schallfeld in der N¨ ahe eines Zylinderstrahlers mit a/λ0 = 1. Anregung durch cosinusf¨ ormige Schwingungsverteilung der Ordnungen n = 6 (links) und n = 7 (rechts).
f¨ ur die kleinen Werte von n sehr genau erfolgen muss, weil es vorkommen kann, dass hinsichtlich der Schallabstrahlung eine sehr stark schwingende Mode mit großen n und sehr kleinem Abstrahlgrad σn von einer nur schwach angeregten Mode mit kleinem n und σn ≈ 1 vollkommen verdeckt wird. 6.4.5 Impulsschallquellen Bei den bisherigen Rechnungen zur Schallabstrahlung wurde immer von rein harmonischen Vorg¨ angen mit der Kreisfrequenz ω ausgegangen. Mit Hilfe der Fouriertransformation lassen sich auf ¨ ahnliche Weise auch beliebige Zeitverl¨aufe behandeln. Liegt beispielsweise ein Volumenfluss mit beliebigem Zeitverlauf q0 (t) vor, dann gilt f¨ ur das Spektrum und dessen R¨ ucktransformation
448
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
∞ Q0 (ω) =
q0 (t)e
−jωt
dt,
−∞
1 q0 (t) = 2π
∞ Q0 (ω)ejωt dω.
(6.70)
−∞
Falls es sich um eine kompakte Quelle handelt, bei der im ganzen interessierenden Bereich k0 1 gilt, dann ergibt sich das Spektrum p(ω) des abgestrahlten Schalldrucks nach (6.33) zu p(ω) =
ρ0 jωQ0 (ω)e−jk0 r . 4πr
(6.71)
F¨ ur die R¨ ucktransformation muss man ber¨ ucksichtigen, dass die Differentiation von (6.70) nach der Zeit den Ausdruck 1 dq0 (t) = dt 2π
∞ jωQ0 (ω)ejωt dω −∞
ergibt. Man kann also f¨ ur den Zeitverlauf des Schalldrucks im Abstand r schreiben 1 p(r, t) = 2π =
∞ jωt
p(ω)e −∞
ρ0 1 dω = 4πr 2π
∞
jωQ0 (ω)ejω(t−r/c0 ) dω
−∞
(6.72)
ρ0 dq0 (t − r/c0 ) . 4πr dt
Dabei wurde noch ωt − k0 r = ω(t − r/c0 ) benutzt. Ganz analog liefert (6.42) f¨ ur das Spektrum des von einer kleinen Kraftquelle abgestrahlten Schalldrucks cos ϑ 1 jω p(r, ϑ, ω) = F0 (ω) e−jk0 r . + (6.73) 4πr r c0 Daraus wird nach R¨ ucktransformation, weil die Multiplikation mit jω wieder einer Ableitung nach der Zeit entspricht, 1 d cos ϑ 1 (6.74) F0 (t − r/c0 ) + F0 (t − r/c0 ) . p(r, ϑ, t) = 4πr r c0 dt F¨ ur die von einer kleinen (kompakten) Volumenquelle oder einer Kraftquelle abgestrahlte Leistung folgt aus (6.72) oder (6.74) nach Integration u ¨ber eine große H¨ ullfl¨ache 2 1 ρ0 dq0 (t) Volumenquelle: Pq = 4π c0 dt 2 1 1 dF0 (t) Kraftquelle: PF = . 12π ρ0 c30 dt
(6.75)
6.4 Elementarstrahler
449
Aus (6.72), (6.74) und (6.75) kann man die f¨ ur die Ger¨auschbek¨ampfungspraxis sehr wichtige allgemeine Schlussfolgerung ziehen, dass f¨ ur die Erzeugung von Schall nicht so sehr die Menge des bewegten Volumens oder die Gr¨oße der anregenden Kraft von Bedeutung ist, sondern deren zeitliche Ableitung. Es kommt also haupts¨ achlich auf die Pl¨otzlichkeit an, mit der sich Volumenfluss und Kraft ¨ andern. Man sollte daher stets bestrebt sein, durch entsprechende Formgebung oder durch Einbau von nachgiebigen Schichten die Volumen- bzw. Kraft¨ anderung um die wenigen Millisekunden zu verl¨angern, die notwendig sind, um speziell die meist besonders st¨orenden hochfrequenten Ger¨auschanteile zu verringern. Ein interessanter impulsartiger Schallentstehungsmechanismus ist das sogenannte Beschleunigungsger¨ ausch. Man versteht darunter das Schallsignal das entsteht, wenn ein K¨ orper - ohne deformiert zu werden - pl¨otzlich von einer gegebenen Geschwindigkeit abgebremst wird oder auf diese Geschwindigkeit beschleunigt wird. Als Repr¨ asentanten einer solchen Schallquelle sei eine starre Kugel betrachtet, die innerhalb der kurzen Zeit Δt von der Geschwindigkeit U0 zur Ruhe gebracht wird. Der entsprechende Zeitverlauf und die Formel f¨ ur das dazugeh¨ orige Spektrum sind in Bild 4.25 enthalten. Man muss lediglich FS durch U0 ersetzen. Setzt man die angegebene Formel f¨ ur das Geschwindigkeitsspektrum in (6.36) ein, so erh¨ alt man im Fernfeld (also f¨ ur 1/r 2 k0 /r) das Spektrum des Schalldrucks a k02 a2 cos ϑ e−jk0 (r−a) p(r, ϑ, ω) = −ρ0 c0 va r 2 + 2jk0 a − k02 a2 U0 sin(ωΔt/2) |va | = . ω ωΔt/2
mit
(6.76)
Weil die Angabe einer Leistung f¨ ur einen einmaligen Vorgang wenig Sinn macht, sei die bei dem Abbremsvorgang erzeugte Schallenergie berechnet. Dabei geht man genau so vor wie in (4.196) bei der Berechnung der von einem Schlag verursachten K¨ orperschallenergie. Man muss lediglich die Kraft durch das Oberfl¨achenintegral des Drucks ersetzen. Man erh¨alt so f¨ ur die Gr¨oße der beim pl¨otzlichen Abbremsen erzeugten Schallenergie ∞ EB = S −∞
1 p(r, ϑ, t)vr (r, ϑ, t)dtdS = 2π
∞
|p(r, ϑ, ω)|2
S −∞
1 dωdS . ρ0 c0
(6.77) Setzt man hier (6.76) ein, so ergibt sich nach Integration u ¨ber die Fl¨achenelemente dS = 2π r sin ϑ r dϑ f¨ ur die spektrale Dichte der Schallenergie dEB =
4 sin2 (ωΔt/2) (ωa/c0 )2 a dω. ρ0 a3 U02 3 (ωΔt/2)2 4 + (ωa/c0 )4 c0
(6.78)
450
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
Dabei wurde bereits ber¨ ucksichtigt, dass positive und negative Frequenzen gleich große Anteile zum Spektrum liefern. In (6.78) umfasst dω nur positive Frequenzen. Wenn die Abbremszeit Δt so kurz ist, dass c0 Δt < 2a gilt wenn also der Laufweg des Schalls w¨ ahrend der Abbremszeit k¨ urzer ist als der Kugeldurchmesser - dann kann man die Integration u ¨ber die Frequenzen in (6.77) mit Hilfe der Residuenmethode leicht durchf¨ uhren (die Pole liegen alt in ωa/c0 = 1 ± j) und erh¨ EB =
π 1 2πa3 2 1 ρ0 a3 U02 = ρ0 U0 = ma U02 . 3 2 3 2
(6.79)
Dabei ist ma die in (6.41) definierte mitbewegte (hydrodynamische) Masse.
Bild 6.15. Beschleunigungsger¨ ausch f¨ ur eine Kugel mit dem Radius a und der Beschleunigungszeit Δ. Spektrale Energieverteilung LE (ω) = 10 log dEωB ca0 (a),
Gl.(6.79) liefert also das bemerkenswert einfache Ergebnis, dass die abgestrahlte Schallenergie bei einem extrem kurzen Beschleunigungs- oder Abbremsvorgang gleich der kinetischen Energie der mitbewegten Masse ist. Falls die mitbewegte Masse bekannt ist, l¨ asst sich (6.79) auf nicht kugelf¨ormige
6.5 Der ebene Strahler in der schallharten Wand
451
K¨orper erweitern. F¨ ur eine d¨ unnen Scheibe mit dem Radius a und der Dicke h beispielsweise kann man n¨ aherungsweise die f¨ ur die Anwendung von (6.79) erforderliche Masse nach (6.42) absch¨ atzen. Setzt man in (6.79) die ungef¨ ahren Daten eines Schmiedehammers ein, also V ≈ 2 · 10−2 m3 , ρ0 = 1, 2kg/m3 , ma = 0, 024 kg, U0 = 14 m/s, so findet man EB = 2, 4Ws pro Schlag. Bei zwei Schl¨ agen pro Sekunde entspricht das einem gemittelten Leistungspegel von 127 dB. Das ist zwar wesentlich weniger als der Leistungspegel der durch den Schlag zu Schwingungen angeregten Schmiedehammerbauteile, aber es ist doch nicht so wenig, wie man gef¨ uhlsm¨ aßig erwarten w¨ urde. Relativ hohe Werte nimmt das Beschleunigungsger¨ ausch auch beim T¨ urenschlagen an. Aber auch da d¨ urfte es noch weit unter der Abstrahlung von Schwingungen des T¨ urblatts und des T¨ urstocks liegen.
6.5 Der ebene Strahler in der schallharten Wand W¨ ahrend die L¨osung des Abstrahlproblems bei einem beliebig geformten K¨ orper ziemlich kompliziert sein kann, l¨ asst sich bei einem ebenen Strahler in einer schallharten Wand eine geschlossene L¨osung relativ leicht finden. Es ist dabei wichtig, dass sich die Schallquelle in einer großen, schallharten Wand befindet, denn damit ist die Schnelle in einer unendlich großen Ebene bekannt; in der Strahlerfl¨ ache ist v = v(x, z), und auf dem Rest der Ebene gilt v = 0. Diese Voraussetzung erlaubt es, • •
entweder das Spiegelungsprinzip anzuwenden und so eine geschlossene L¨osung durch gedankliche Zerlegung des Strahlers in viele, sehr kleine Volumenquellen anzugeben, oder die Schnelleverteilung auf der ganzen Ebene als eine Summe von ebenen Wellen darzustellen.
Beide F¨alle sind in den Abschnitten 6.4.1 und 6.4.3 f¨ ur das jeweilige Einzelelement bereits behandelt worden. Man ben¨ otigt also nur die dort geschilderten Ergebnisse als L¨ osungsbausteine“ und erh¨ alt die Gesamtl¨osung durch Sum” mation oder Integration. 6.5.1 Der ebene Strahler als Summe von Punktquellen Zun¨achst wird eine sehr kleine Volumenquelle in einer großen Wand betrachtet. Der von ihr erzeugte Schalldruck im Abstand r vor der Wand betr¨agt nach (6.33) q0 −jk0 r . (6.80) p = jωρ0 e 2πr Dabei ist die Totalreflexion an der Wandfl¨ ache ber¨ ucksichtigt worden; diese bewirkt eine Verdopplung des Druckes. Es ist hier wieder unerheblich, ob es
452
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
Bild 6.16. Summation von Punktschallquellen
sich um eine halbkugelf¨ ormige Quelle oder um eine andere sehr kleine Quelle der Fl¨ache S handelt. Entscheidend ist der Volumenfluss q0 = Sv0 . Hat man nun nicht nur eine sondern mehrere Punktschallquellen - ein Fall der bei Lautsprecherzeilen oder bei Strahlergruppen von Sonarger¨aten auftritt -, dann braucht man nur die von den einzelnen Quellen erzeugten Schalldr¨ ucke zu addieren, um den Gesamtschalldruck zu erhalten. Es gilt also nach Bild 6.16 jωρ0 qn −jk0 rn jωρ0 q1 −jk0 r1 q2 −jk0 r2 e + e + ... = e . (6.81) p= 2π r1 r2 2π rn Es ist nun nur mehr ein kleiner Schritt zur Berechnung der Abstrahlung von einer ebenen Fl¨ache mit kontinuierlicher Schnelleverteilung. Jedes Fl¨achenelement dS mit der Schnelle v(S) kann n¨ amlich als eine Punktschallquelle mit dem Volumenfluss dq(S) = v(S)dS betrachtet werden. Durch ’Summation’ u ¨ber alle Fl¨achenelemente der strahlenden Gesamtfl¨ache S aus (6.81) erh¨alt man v(S) −jk0 r jωρ0 dS (6.82) p= e 2π S r (wobei nat¨ urlich die Summation durch die Integration u ¨ber die Strahlerfl¨ache S zu ersetzen war). Gl.(6.82) gibt das ber¨ uhmte Strahlungsintegral von Lord Rayleigh wieder. Will man mit Hilfe von (6.82) die Richtungsverteilung im Fernfeld berechnen, dann empfiehlt es sich, wie in Bild 6.16 die Koordinaten des Aufpunktes x, y, z in Kugelkoordinaten mit dem Ursprung m¨oglichst in der Mitte“ des ” Strahlers anzusetzen. Es gilt dann
6.5 Der ebene Strahler in der schallharten Wand
x = R sin ϑ sin ϕ;
y = R cos ϑ;
z = R sin ϑ cos ϕ.
453
(6.83)
Die y-Achse steht senkrecht auf der Strahlerebene y=0 (Bild 6.16). Mit ϑ ist der Winkel zwischen der y-Achse und der Verbindungslinie zwischen dem Koordinatenursprung und dem Aufpunkt bezeichnet. Der Winkel ϕ liegt in der Ebene y = 0, er z¨ ahlt relativ zur positiven z-Achse. Bezeichnet man nun einen beliebigen Quellpunkt mit den Koordinaten (xq ,zq ), dann gilt f¨ ur den Abstand zwischen Quellpunkt und Aufpunkt 1/2 r = (x − xq )2 + y 2 + (z − zq )2 1/2 x2q + zq2 xq zq (6.84) = R 1 − 2 sin ϑ sin ϕ − 2 sin ϑ cos ϕ + R R R2 ≈ R − xq sin ϑ sin ϕ − zq sin ϑ cos ϕ + (x2q + zq2 )/2R. Im letzten Schritt ist die N¨ aherung (1 − 2ε)1/2 ≈ 1 − ε benutzt worden, die f¨ ur ε 1 gilt. Es ist also xq R und zq R vorausgesetzt worden. Setzt man (6.84) in (6.82) ein und nimmt wieder an, dass R groß ist, dann erh¨alt man k0 2 2 jωρ0 −jk0 R e p= v(xq , zq )ejk0 sin ϑ(xq sin ϕ+zq cos ϕ) e−j 2R (xq +zq ) dxq dzq . 2πR S
(6.85) Wenn man schließlich noch f¨ ur den ganzen Integrationsbereich x2q + zq2 k0 2 (xq + zq2 ) = π1 2R Rλ0
(6.86)
voraussetzt, dann lautet die sogenannte Fernfeldn¨aherung jωρ0 −jk0 R v(xq , zq )ejk0 sin ϑ(xq sin ϕ+zq cos ϕ) dxq dzq . (6.87) p(R, ϑ, ϕ) = e 2πR S
Sie setzt voraus, dass die drei Bedingungen (Lmax = gr¨oßte Strahlerabmessung) (6.88) R >> Lmax , R >> λ0 und
(6.89)
Lmax R >> (6.90) Lmax λ0 alle gleichzeitig erf¨ ullt sein m¨ ussen. Die erste Bedingung ist dabei rein geometrischer Natur. Wenn man von einem festen Mittelpunktsabstand R (z.B. bei Fernfeldmessungen) ausgeht, dann wird Gl.(6.89) bei fallender Frequenzen ab einer gewissen Grenze verletzt. Gl.(6.90) dagegen wird bei steigender
454
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
Frequenz nicht mehr erf¨ ullt. Insgesamt sind also die Fernfeldbedingungen bei festem Abstand R nur innerhalb eines gewissen Frequenzbandes erf¨ ullt. Bei Schallquellen, die viele Wellenl¨ angen groß sind, wird man eventuell zu großen Werten von R gehen m¨ ussen um in das Fernfeld bez¨ uglich der Richtcharakte” ristik“ zu kommen. Wie man zeigen kann (siehe [6.35], Kapitel 3), ist die Richtcharakteristik eines Strahlers nur im Fernfeld vom Abstand R unabh¨angig; sie kann bei kleineren Abst¨ anden ihren Verlauf u ¨ber dem Umfangswinkel ¨andern. Man beachte auch, dass im normalen Sprachgebrauch das Wort Fernfeld in zwei unterschiedlichen Bedeutungen benutzt wird. Entweder wird darunter das Gebiet außerhalb des hydrodynamischen Nahfeldes (siehe Abschnitt 6.4.3) oder das durch (6.86) definierte Gebiet verstanden. Unter den in (6.88) bis (6.90) genannten Einschr¨ankungen erlaubt Gl.(6.87) die relativ einfache Berechnung der Richtungsverteilung des abgestrahlten Schalls in großen Entfernungen. Einige Ergebnisse, die man aus (6.87) erhalten kann, sind im Folgenden genannt. 6.5.1.1 Kolbenmembran Bei einem rechteckigen, konphas schwingenden Kolben mit den Seitenl¨angen a und b mit v(xq , zq ) = v0 ergibt sich aus (6.85) nach der Integration folgender Ausdruck f¨ ur den Fernfeldschalldruck: ωρ0 v0 sin(πu1 ) sin(πu2 ) |p(x, ϑ, ϕ)| = (6.91) 2πR πu1 πu2 mit u1 = und u2 =
a sin ϑ sin ϕ λ0 b sin ϑ cos ϕ . λ0
Die Richtcharakteristik ergibt sich also durch das Produkt von Ausschnitten aus der sogenannten ’Spaltfunktion’ sin πu/πu, wobei die Ausschnitte die Intervalle |u1 | ≤ a/λ0 und |u2 | ≤ b/λ0 umfassen. Die Spaltfunktion ist in Bild 6.17 angegeben, eine daraus resultierende Richtcharakteristik zeigt Bild 6.18. Die Abstrahlung erfolgt im Wesentlichen in Richtung der Mittelsenkrechten. Sie ist umso st¨ arker geb¨ undelt, je gr¨ oßer die Verh¨altnisse aus Strahlerabmessungen und der Wellenl¨ ange, a/λ0 und b/λ0 , sind. Wenn es sogenannte Seitenkeulen in der Richtcharakteristik gibt, liegen ihre Nullstellen bei ganzzahligen Werten von u1 =1,2,3,... u2 =1,2,3,... . Falls die Seitenkeulen weniger ausgepr¨agt sein sollen, muss die Strahlerschnelle von der Mitte zu den R¨andern hin allm¨ahlich abnehmen (siehe dazu z.B. auch [6.35], Kapitel 3).
6.5 Der ebene Strahler in der schallharten Wand 0 −5
10 lg (sin(πu)/πu)
2
−10 −15 −20 −25 −30 −35 −40 −45 −50 −5
−4
−3
−2
−1
0
1
2
3
4
5
u
Bild 6.17. Spaltfunktion, Darstellung durch Pegel
90° 0 dB
−10
45°
−20 ϑ
−30 −40 −50
0°
−40 −30 −20 −10
−45°
0 −90° Bild 6.18. Richtcharakteristik in der Ebene ϕ=0, f¨ ur b/λ0 =2,5 gerechnet.
455
456
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
6.5.1.2 Gitterf¨ ormige gegenphasige Einzelstrahler Gitterf¨ormige, abwechselnd gegenphasige Einzelstrahler (die man auch als N¨aherung f¨ ur ein stehendes Schnellefeld betrachten kann) nach Bild 6.19 ergeben den Schalldruck −1 N −1 jk a sin ϑ sin ϕ jπ n M jk b sin ϑ cos ϕ jπ ν jωρ0 q0 e−jk0 R e 0 e 0 e e 2πR n=0 ν=0 (6.92) (N=Anzahl der Punktstrahler in x-Richtung, M=Anzahl der Punktstrahler in z-Richtung). Der Abstand R besteht dabei in der Entfernung des im Fernfeld liegenden Aufpunktes zum Strahler mit der Nummerierung n = ν = 0. Mit Hilfe der Summenformel f¨ ur die enthaltenen geometrischen Reihen findet man f¨ ur den Betrag des Schalldruckes ωρ0 sin N πα sin M πβ |p(x, y, z)| = q0 (6.93) 2πR sin πα sin πβ
p(x, y, z) =
mit den Abk¨ urzungen α= und β=
1 a sin ϑ sin ϕ + λ0 2 1 b sin ϑ cos ϕ + . λ0 2
Bild 6.19. Ersatz eines stehenden Schwingungsfeldes durch periodische Anordnung von gegenphasigen Punktquellen
F¨ ur eng benachbarte Quellen mit a/λ0 1 und b/λ0 1 wird sin πα = sin πβ = 1. Eine enge Gitteranordnung liefert also wegen des hydrodynamischen Kurzschlusses den Schalldruck ωρ0 q0 ωρ0 q0 |p(x, y, z)| = | sin N πα|| sin M πβ| ≤ , (6.94) 2πR 2πR
6.5 Der ebene Strahler in der schallharten Wand
457
der nicht mehr als der Druck einer einzelne Teilquelle betr¨agt. Falls jedoch die Abst¨ande zwischen zwei Quellen gr¨ oßer als eine halbe Wellenl¨ange sind, addieren sich die von den einzelnen Teilquellen erzeugten Schalldr¨ ucke eventuell zu betr¨achtlichen Werten. Der Maximalwert ωρ0 q0 NM; 2πR
|p|max =
(6.95)
tritt f¨ ur α = β = 0 auf. Er entspricht also der gleichphasigen Summe der von den Einzelstrahlern erzeugten Schalldr¨ ucke. Der zu (6.95) geh¨ orige Abstrahlwinkel ergibt sich einfach daraus, dass die am Aufpunkt ankommenden Schallwellen gerade einen Phasenunterschied von 360◦ (180◦ durch die Gegenphasigkeit der Quellen und 180◦ durch die Laufzeitdifferenz) haben und sich deswegen konstruktiv u ¨berlagern. Die Bilder 6.20 bis 6.22 zeigen einige Beispiele von gerechneten Richtcharakteristiken. Dargestellt ist die Richtungsfunktion sin(N πα)/(N sin πα) f¨ ur ϕ=90◦ .
90°
90°
0 dB
0
−10
45°
dB
−20
−10
ϑ
−30 −40
ϑ
−30 −40
−50
0°
−50
−40
−40
−30
−30
−20
−20
−10
45°
−20
−45°
0
−10
0°
−45°
0 −90°
−90°
Bild 6.20. Richtcharakteristiken von gegenphasigen Punktstrahlern in einer Reihe. a/λ0 = 0, 25, N=2 (Dipol) links, N=4 (lateraler Quadrupol) rechts
6.5.1.3 Membranschwingungen Bei einer Kreismembran mit dem Radius a kann man eine rotationssymmetrische Schwingungsverteilung durch eine Summe von Funktionen der Form v(rM ) = v0 J0 (kM rM )
(6.96)
458
6 Abstrahlung von K¨ orperschall 90°
90°
0 dB
0
−10
45°
dB
−20
−10
45°
−20 ϑ
−30
ϑ
−30
−40
−40
−50
0°
−50
−40
−40
−30
−30
−20
0°
−20 −45°
−10
−45°
−10
0
0 −90°
−90°
Bild 6.21. Richtcharakteristiken von gegenphasigen Punktstrahlern in einer Reihe. a/λ0 = 0, 75, N=2 links, N=4 rechts 90°
90°
0 dB
0
−10
45°
dB
−20
−10
ϑ
−30 −40
0°
−50
−40
−40
−30
−30
−20
0
ϑ
−30 −40
−50
−10
45°
−20
0°
−20 −45°
−10
−45°
0 −90°
−90°
Bild 6.22. Richtcharakteristiken von gegenphasigen Punktstrahlern in einer Reihe. a/λ0 = 0, 75, N=8 links, N=16 rechts
ausdr¨ ucken. Dabei ist v0 die Amplitude in der Mitte (rM = 0) und J0 die Besselfunktion nullter Ordnung (siehe auch Bild 6.8), rM der Abstand eines
6.5 Der ebene Strahler in der schallharten Wand
459
Fl¨achenelements im Abstand rM von der Mitte und kM = 2π/λM die von den Membraneigenschaften und eventuell der Art der Anregung abh¨angende Membranwellenzahl; λM beschreibt die dazugeh¨orige Wellenl¨ange. Setzt man (6.96) in (6.85), dann w¨ ahlt man das Fl¨ achenelement zweckm¨aßigerweise in ugt wegen der RoZylinderkoordinaten dxq dzq = rM drM dϕM . Außerdem gen¨ tationssymmetrie die Betrachtung der Richtung ϕ = 0. Mit zq = rM cos ϕM im benutzten zylindrischen System wird das Fernfeldintegral (6.85) damit zu jωρ0 v0 −jk0 R p(R, ϑ, ϕ) = e 2πR
2π a 0
J0 (kM rM )ejk0 rM sin ϑ
cos ϕM
rM drM dϕM .
0
(6.97) Die enthaltenen Integrale k¨ onnen einer Integraltafel entnommen werden (z.B. aus Gradshteyn,I.S.; Ryzhik,I.M.: Table of Integrals, Series and Products. Academic Press, New York 1965, S. 634, Nr. 5.54.1 und S. 952 Nr. 8.411.1 oder Nr. 8.411.4). Man erh¨ alt so schließlich p(R, ϑ) =
jωρ0 a2 v0 −jk0 R a a e Γ ( sin ϑ, ) R λ0 λM
(6.98)
mit der darin enthaltenen Richtungsfunktion Γ(
a γM J0 (γ0 )J1 (γM ) − γ0 J0 (γM )J1 (γ0 ) a sin ϑ, )= . 2 λ0 λM γM − γ02
(6.99)
Sie gibt u oße und Umfangsverteilung des Schalldrucks Auskunft. Zur ¨ber Gr¨ Abk¨ urzung ist noch a γ0 = k0 a sin ϑ = 2π sin ϑ λ0 und a γM = kM a = 2π λM benutzt worden. Zur Veranschaulichung des sich aus (6.98) ergebenden Schalldrucks sind in den Bildern 6.23 und 6.24 die Richtcharakteristiken f¨ ur vier F¨alle aufgetragen. ¨ Ahnlich wie bei der unendlichen Platte und bei der Gitteranordnung ist die Abstrahlung f¨ ur Luftschallwellenl¨ angen λ0 , die kleiner sind als die Membranwellenl¨ange λM , ziemlich hoch und stark geb¨ undelt. Die Richtung der Hauptabstrahlung liegt ganz in der N¨ ahe der Stelle, an der der Nenner in (6.99) verschwindet, also bei sin ϑ ≈ λ0 /λM . Interessant ist noch, dass der abgestrahlte Schalldruck f¨ ur λM /λ0 >1 (Bild 6.23) relativ unabh¨angig davon ist, ob die Schnelle der Membran einen Knoten oder einen Bauch am Rande aufweist. Es werden zwar die einzelnen Nebenmaxima der Richtcharakteristik etwas verschoben, aber sonst sind die beiden Diagramme in Bild 6.23 sehr ¨ahnlich. Ganz anders ist das bei den beiden unteren Bildern, die f¨ ur λM /λ0 = 0, 5 gerechnet wurden, also f¨ ur eine Luftschallwellenl¨ange, die gr¨oßer ist als die
460
6 Abstrahlung von K¨ orperschall 90°
90°
−40 dB
−40
−50
45°
dB
−60
−50
45°
−60 ϑ
−70
ϑ
−70
−80
−80
−90
0°
−90
−80
−80
−70
−70
−60
0°
−60 −45°
−50
−45°
−50
−40 −90°
−40 −90°
Bild 6.23. Richtcharakteristiken 10lgΓ 2 von runden Membranen, links mit Schwingungsknoten am Membranrand rM = a (γM =33,7), rechts mit Schwingungsbauch am Membranrand rM = a (γM =32,2). Gerechnet f¨ ur λM /λ0 =2. 90°
90°
−40 dB
−50
−40 45°
dB
−60
−50
ϑ
−70 −80
0°
−90
−80
−80
−70
−70
−60
−40 −90°
ϑ
−70 −80
−90
−50
45°
−60
0°
−60 −45°
−50
−45°
−40 −90°
Bild 6.24. Richtcharakteristiken 10lgΓ 2 von runden Membranen, links mit Schwingungsknoten am Membranrand rM = a (γM =33,7), rechts mit Schwingungsbauch ur λM /λ0 =0,5. am Membranrand rM = a (γM =32,2). Gerechnet f¨
6.5 Der ebene Strahler in der schallharten Wand
461
Membranwellenl¨ange. Die beiden Kurven unterscheiden sich im Mittel um etwa 15 dB, obwohl die Schnelle der Membran im Inneren fast dieselbe ist und sich nur in der Randzone etwas unterscheidet. Aus (6.99) ergibt sich der durch die Randbedingungen verursachte Unterschied f¨ ur kM > k0 , wenn man im Nenner γ0 vernachl¨ assigt und entweder J0 (γM ) = 0 (Schwingungsknoten am Rande) oder J1 (γM ) = 0 (Schwingungsbauch am Rande) setzt. Diese Ergebnisse decken sich mit den Schlussfolgerungen, die bereits aus der Abstrahlung von Gittern gezogen worden sind. Es macht sich also auch bei der kontinuierlichen Schnelleverteilung wieder der hydrodynamische Kurzschluss bemerkbar, der zu einer Kompensation der Bewegung im Platteninneren f¨ uhrt. Es verbleibt wieder nur die Abstrahlung vom Rande; als zus¨atzliches Ergebnis zeigt aber das Beispiel der Membran noch, dass die Randabstrahlung sehr von den Details der Schwingung in Randn¨ahe abh¨angt. Man kann also ur kM /k0 < 1 die Abstrahlung f¨ ur kM /k0 = λ0 /λM > 1 - nicht dagegen f¨ ¨ durch relativ kleine Anderungen der Schwingungsform erheblich beeinflussen. 6.5.2 Der ebene Strahler als Wellensumme In Abschnitt 6.4.3 wurde der ebene Strahler, der in Form einer ebenen Welle schwingt, behandelt. Die dort angegebenen Gleichungen (6.45) bis (6.50) lassen sich leicht wie folgt auf den zweidimensionalen Strahler erweitern: a) Strahlerschnelle: vB (x, z) = v˘(kx , kz )e−jkx x e−jkz z
(6.100)
b) aus den Randbedingungen (6.48) sich ergebender Schalldruck im Gebiet y > 0: ρ0 c0 k0 v˘(kx , kz ) −jkx x −jkz z −jky y e e e , ky ky = k02 − kx2 − kz2 ;
pB (x, y, z) = mit
(6.101)
c) Schallschnelle in y-Richtung vyB (x, y, z) = v˘(kx , kz )e−jkx x e−jkz z e−jky y .
(6.102)
Um die Abstrahlung von einem ebenen Strahler mit der beliebigen Schnelleverteilung vs (x, y) zu erhalten, werden (6.100) bis (6.102) wieder als L¨osungsbausteine betrachtet, aus denen man die gesuchten Ergebnisse durch Integration erh¨alt. F¨ ur alle realisierbaren Schwingungsverteilungen l¨asst sich die Strahlerschnelle in Form eines Fourierintegrals 1 vs (x, z) = 4π 2
+∞ +∞ v˘(kx , kz )e−jkx x e−jkz z dkx dkz . −∞ −∞
(6.103)
462
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
angeben. Das hier enthaltene Wellenzahlspektrum v˘(kx , kz ) erh¨alt man umgekehrt aus der gegebenen Strahlerschnelle durch +∞ ∞
vs (x, y)ejkx x ejkz z dxdz.
v˘(kx , kz ) =
(6.104)
−∞ −∞
Die Integration wird u ¨ber die ganze Ebene y = 0 erstreckt, da außerhalb der ugt es aber, u Strahlerfl¨ache vs (x, y) = 0 ist, gen¨ ¨ber diese Fl¨ache zu integrieren. Da (6.100) und (6.101) f¨ ur jeden Wert von kx , kz gilt und da man wegen des Superpositionsprinzips Einzell¨ osungen summieren bzw. integrieren kann, ergibt sich f¨ ur den Schalldruck ρ0 c0 k0 p(x, y, z) = 4π 2
+∞ +∞
−∞ −∞
v˘(kx , kz ) −jkx x −jkz z −jky y e e e dkx dkz . ky
(6.105)
Dieser Ausdruck kann zur Bestimmung der Abstrahlung von beliebigen ebenen Strahlern (in einer starren Wand) benutzt werden. Er stellt somit eine Alternative zu (6.82) bzw. (6.85) dar. Man kann die Identit¨at der beiden Formeln - mit einigem mathematischen Aufwand - auch beweisen. Es soll hier aber gen¨ ugen zu zeigen, dass sie dieselbe Intensit¨atsverteilung im Fernfeld liefern. Zu diesem Zweck berechnet man die Leistung, die durch die Ebene y = yP u ¨bertragen wird. Das Ergebnis ist ⎧ +∞ ∞ ⎫ ⎬ 1 ⎨ ∗ P = Re p(x, yP , z)vx (x, yP , z)dxdz ⎭ 2 ⎩ −∞ −∞ ⎧⎡ +∞ ∞ ⎤⎡ +∞ +∞ ⎤⎫ ⎨ ⎬ v˘(k , k )E ρ0 c0 k0
x z Re ⎣ dkx dkz ⎦⎣ v˘∗ (kx , kz )E ∗ dkx dkz ⎦ . = 4 2 ⎩ ⎭ 32π k0 − kx2 − kz2 −∞ −∞
−∞ −∞
(6.106) Dabei ist E die Abk¨ urzung f¨ ur die Exponentialfunktion in (6.105) und E ∗ ihr konjugiert komplexer Wert. Wie in Abschnitt 4.5.1.2 wird das Produkt der Integrale durch ein Mehrfachintegral ersetzt. Die Integrationen u ¨ber x und z lassen sich durchf¨ uhren, weil die Fouriertransformation der Deltafunktion (siehe Gl.(4.137)) auftritt, was die Durchf¨ uhrung von zwei weiteren Integrationen erm¨oglicht. Das Resultat besteht in ⎧ +∞ ∞ ⎫ ⎨ v˘(k , k )˘ ⎬ ∗ v (k , k ) ρ0 c0 k0 x z x z
Re dk dk P = x z ⎩ ⎭ 8π 2 k02 − kx2 − kz2 −∞ −∞ (6.107) ρ0 c0 k0 |˘ v (kx , kz )|2
= dkx dkz . 8π 2 k02 − kx2 − kz2
6.5 Der ebene Strahler in der schallharten Wand
463
Im letzten Integral wird u ¨ber den Bereich integriert, in dem die Wurzel reell ist. In diesem Intervall kann man die Substitution kx = k0 sin ϑ sin ϕ,
kz = k0 sin ϑ cos ϕ,
benutzen. Mit ihrer Hilfe ergibt sich nach Einsetzen der Funktionaldeterminante k02 sin ϑ cos ϑdϑdϕ dkx dkz
= k0 sin ϑdϑdϕ. = k0 cos ϑ k02 − kx2 − kz2 Damit wird aus (6.107) ρ0 c0 k02 P = 8π 2
π/2 2π 0
|˘ v (k0 sin ϑ sin ϕ, k0 sin ϑ sin ϕ)|2 sin ϑdϑdϕ.
(6.108)
0
Dieser Ausdruck wird nun mit der Leistung PP verglichen, die sich im Fernfeld aus (6.87) ergibt. In Polarkoordinaten gilt nach Einsetzen von (6.87) 1 PP = 2ρ0 c0 2
=
ω ρ0 8π 2 c0
π/2 2π 0
|p(R, ϑ, ϕ)|2 R2 sin ϑdϑdϕ
0
π/2 2π 0
(6.109) |vI (ϑ, ϕ)|2 sin ϑdϑdϕ.
0
Dabei wurde die Abk¨ urzung +∞ +∞ vs (xq , zq )ejk0 sin ϑ sin ϕxq ejk0 sin ϑ cos ϕxq dxq dzq vI (ϑ, ϕ) =
(6.110)
−∞ −∞
benutzt. Vergleicht man (6.110) mit (6.104), so sieht man, dass vI (ϑ, ϕ) gerade die Fouriertransformierte der Strahlerschnelle f¨ ur kx = k0 sin ϑ sin ϕ, kz = k0 sin ϑ cos ϕ ist. Damit ist bewiesen, dass (6.108) und (6.109) identisch sind. Da sich diese Identit¨ at nicht nur auf den integralen Wert P = PP bezieht, sondern f¨ ur jeden Wert von ϑ und ϕ gilt, wurde gleichzeitig gezeigt, dass das Wellenzahlspektrum der Strahlerschnelle unmittelbar proportional zur Richtcharakteristik ist. Mit dem Wellenzahlspektrum der Strahlerschnelle nach (6.104) verf¨ ugt man gleichzeitig u ¨ber die Richtcharakteristik des abgestrahlten Schalls. Man braucht dabei nicht einmal das ganze Wellenzahlspektrum, weil nur Wellenzahlen mit kx2 + kz2 < k02 zur Fernfeldabstrahlung beitragen. Aus der Tatsache, dass Wellenzahlspektrum und Richtcharakteristik so eng miteinander zusammenh¨ angen, kann man noch weitere Schlussfolgerungen ziehen.
464
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
•
Um einen Strahler mit vorgegebener Richtcharakteristik zu erzeugen, muss man ein Wellenzahlspektrum der Strahlerschnelle bilden, das im Bereich kx2 + kz2 < k02 vorgegeben ist und im Bereich großer Wellenzahlen kx2 + kz2 > k02 (also kleiner Strahlerwellenl¨angen) beliebig sein kann. Die zu vorgegebenen Richtcharakteristiken geh¨orenden Schnelleverteilungen k¨onnen also auf vielf¨ altige Weise erzeugt werden. So ist es z.B. im Prinzip m¨oglich, mit einem sehr kleinen Strahler (kleiner als die Wellenl¨ange im umgebenden Medium) eine beliebig scharfe B¨ undelung zu erreichen; allerdings h¨atte ein solcher Strahler einen sehr kleinen Wirkungsgrad und ein extrem starkes Nahfeld, das bei Vorhandensein einer kleinen Inhomogenit¨at die Richtwirkung total ver¨ andern w¨ urde. Weitere Einzelheiten u ¨ber den Entwurf von Strahlern mit gegebener Richtcharakteristik sind in [6.11] genannt. • Aus der Umkehrung des eben Gesagten folgt, dass man aus Fernfeldmessungen den Schnelleverlauf eines Strahlers nicht vollst¨andig rekonstruieren kann, weil man zu dem aus dem Fernfeld erhaltenen - langwelligen - Wellenzahlspektrum ein beliebiges kurzwelliges addieren kann. • Nach Anwendung der Parsevalschen Gleichung 1 1 2v 2 S = 2 4π 2 ef f 4π
−∞ −∞ −∞ −∞ |vs (x, z)|2 dxdz = |˘ v (kx , kz )|2 dkx dkz −∞ −∞
−∞ −∞
l¨asst sich der in (6.12) definierte Abstrahlgrad auch als $ $ |˘v(kx , kz )|2 √ 2 2 2 dkx dkz k0 k0 −kx −kz σ = −∞ ∞ $ $ |˘ v (kx , kz )|2 dkx dkz
(6.111)
−∞ −∞
schreiben (im Integral im Z¨ ahler wird wieder der Bereich mit reellwertiger Wurzel u ur den Imagin¨arteil des Strahlungswi¨berdeckt). Ein Maß f¨ derstandes (und damit ein Maß f¨ ur die mitbewegte Masse) k¨onnte man erhalten, indem man eine ¨ ahnlich aussehend Gleichung verwendet, bei der sich lediglich im Z¨ a hler die Integration u ¨ber den Bereich −k0 = −|kg | <
kx2 + kz2 < k0 = |kg | erstreckt. • In zur Strahlerfl¨ ache senkrechten Richtung ϑ = 0 ist der Schalldruck durch den Netto-Volumenfluss des Strahlers (und damit durch den Mittelwert der Strahlerschnelle) gegeben (siehe Gl.(6.87)). • F¨ ur kleine Quellen (Abmessungen kleiner als Wellenl¨ange im umgebenden Medium) kann man die Exponentialfunkton in (6.104) in eine Potenzreihe entwickeln und erh¨ alt so −∞ −∞ k2 k2 v˘(kx , kz ) = vs (x, z)dxdz−jkx Dx −jkz Dz − x Dxx −kx kz Dxz − z Dzz . . . 2 2 −∞ −∞
(6.112)
6.6 Abstrahlung von Biegewellen
465
Dabei sind −∞ −∞ xvs (x, z)dxdz, Dx =
Dxx
−∞ −∞
−∞ −∞ = xxvs (x, z)dxdz −∞ −∞
(sinngem¨aß Dz , Qxz , Qzz ) die Dipol- bzw. Quadrupolmomente des Strahlers. • Wenn vs (x, y) aus stehenden Schwingungsformen besteht, ist v(kx , kz ) eine symmetrische Funktion in kx und kz . Folglich ist auch die Richtcharakteristik symmetrisch. Will man unsymmetrische Richtcharakteristiken erzeugen, muss man daf¨ ur sorgen, dass vs (xq , zq ) zumindest einen Anteil von laufenden Wellen hat.
6.6 Abstrahlung von Biegewellen Die Schallabstrahlung von ebenen Platten in einer starren Wand, deren Schwingungsverteilung vs (x, z) bekannt ist, kann durch (6.82), (6.85) oder (6.105), (6.107) und (6.109) f¨ ur alle denkbaren F¨alle berechnet werden. Biegewellen auf Platten werden nun noch gesondert betrachtet, weil diese Art der Schallabstrahlung f¨ ur die Ger¨ auschbek¨ ampfung besonders wichtig ist und weil die Biegewellen-Abstrahlung einige interessante Eigenschaften aufweist. 6.6.1 Abstrahlung von einer halbunendlichen Platte In vielen F¨allen l¨ asst sich die Schwingung einer eindimensionalen Platte als eine Summe von hin- und r¨ ucklaufenden Wellen und von Nahfeldern darstellen. Es sei zuerst eine Idealisierung betrachtet, n¨amlich die halbunendliche Platte, weil sich daran die physikalisch interessanten Effekte am einfachsten darstellen lassen. Die betrachtete Anordnung ist in Bild 6.25 skizziert. F¨ ur alle Werte von z ist die Schnelle durch % A e−jkB x + rejkB x + rj ekB x f¨ ur x < 0 vs (x) = (6.113) 0 f¨ ur x > 0 gegeben (siehe auch Abschnitt 5.1.2). Die bekannte Biegewellenzahl ist mit kB bezeichnet, r und rj sind die relativen Amplituden der bei x = 0 reflektierten Welle und des dort ausgel¨ osten Nahfeldes. Setzt man (6.113) in (6.104) ein, so errechnet sich das Wellenzahlenspektrum der Strahlerschnelle zu j r rj . (6.114) −j + v˘(kx ) = A kB + kx kB − kx kB − jkx
466
6 Abstrahlung von K¨ orperschall y
λ B =2 π /k B
a)
x=0
b)
c)
Bild 6.25. Biegewellenabstrahlung von einer halbunendlichen Platte. a Schwingungsverlauf, b Abstrahlung von langen Biegewellen, c Abstrahlung von kurzen Biegewellen
Eingesetzt in (6.107) ergibt sich ρ0 c0 k0 2 |A | P = 4π
mit
k0 −k0
I 2 dkx
k02 − kx2
(6.115)
2 kB (j − jr + rj ) − kB kx (j − 1 + r + jr) + kx2 (−1 − r − rj ) . I= (k 2 − k 2 )(kB − jkx ) B
x
Im Nenner tritt hier statt des Faktors 8π 2 nur 4π auf, weil die Anzahl der Dimensionen um eine reduziert ist. Dementsprechend handelt es sich bei P um eine Leistung pro Breiteneinheit. Der Wert des Integrals in (6.115) h¨ angt entscheidend davon ab, ob die Nullstellen des Nenners - also kx = ±kB - im Integrationsbereich liegen. Falls es sich um langwellige Biegewellen handelt, bei denen kB < 0, 9k0 ist, wird der Wert des Integrals praktisch ausschließlich durch das Verhalten in der Umgebung von kx = ±k0 bestimmt. Die weitere Rechnung liefert dann zwar eine unendliche Leistung - weil die strahlende Fl¨ache unendlich groß ist - aber es macht Sinn, den Abstrahlgrad nach (6.110) zu berechnen. Dazu setzt man einfach 2, k02 − kx2 ≈ k02 − kB zieht diesen Faktor vor das Integral und verlegt die Grenzen ins Unendliche. Man erh¨alt so k0 σ= 2 f¨ ur kB < 0, 9k0 . (6.116) 2 k0 − kB
6.6 Abstrahlung von Biegewellen
467
Falls es sich um kurzwellige Biegewellen handelt (Bild 6.25c), bei denen kB > k0 gilt, gibt es in (6.115) keine Polstelle. Das Integral nimmt einen endlichen Wert an, obwohl eine unendlich große Fl¨ ache schwingt. Einige Resultate, die sich aus (6.115) ergeben, zeigt Bild 6.26. Folgendes f¨allt dabei auf:
3
1
10lg(W E / W BE )
5
2
4
WE
WB E =
Ar A
ρ 0 l0
4π k 0
A
f/ fc
Bild 6.26. Einfluss der Randbedingungen auf die Biegewellenabstrahlung unterhalb der Grenzfrequenz
• • •
•
•
Unterhalb der Grenzfrequenz h¨ angt die Abstrahlung sehr stark von der Randbedingung an der Stelle x = 0 ab (siehe auch Bild 6.27). 2 im Z¨ ahler von (6.115) ungleich Null ist, erh¨alt Wenn der Faktor von kB man eine Art Monopolabstrahlung (Kurve 1 und Kurve 3). 2 zum Wenn man durch geeignete Wahl von r und rj den Faktor von kB Verschwinden bringt, erh¨ alt man eine Art Dipolstrahler, oder eine Art Quadrupolstrahlung, wenn auch der Faktor von kB kx verschwindet (Kurven 2 und 4). Wenn an der Stelle x = 0 f¨ ur die Schnelle vs (0) = 0 gilt, dann kann man durch geeignete Wahl des Reflexionsfaktors rj f¨ ur das Nahfeld eine Dipolabstrahlung (Kurve 5) erzeugen; dadurch wird also weniger Schall abgestrahlt als bei der unterst¨ utzten oder starr befestigten Platte. Aus der Tatsache, dass die abgestrahlte Schallleistung bei sonst gleichen ¨ Verh¨altnissen durch eine Anderung des Nahfeldes (also durch Wahl von rj ) beeinflusst wird, kann man bereits folgern, dass der Ursprung des abgestrahlten Schalls in der N¨ ahe der Diskontinuit¨atsstelle x = 0 liegt. Das
468
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
zeigt auch das in Bild 6.27 wiedergegebene Schallfeld f¨ ur einen endlich langen Strahler mit Schwingungsbauch und Schwingungsknoten an je einem Ende. • Die Tatsache, dass man durch reflektierte Biegewellen und durch Nahfelder die Schallabstrahlung im Bereich f < fg verringern kann, er¨offnet die M¨oglichkeit, die Schallabstrahlung durch an der Stelle x = 0 angebrachte Kr¨afte und Momente (’Antischallsender’) zu verringern. • Der bereits in Abschnitt 6.4.3 (6.54) erw¨ ahnte hydrodynamische Kurzschluss f¨ uhrt dazu, dass die große Plattenfl¨ ache im Frequenzbereich f < fg nicht abstrahlt. Am Plattenrand bei x = 0 ist der hydrodynamische Kurzschluss nicht vollst¨ andig und f¨ uhrt daher zu einer Abstrahlung. Die St¨arke der Abstrahlung h¨ angt von der Vollst¨ andigkeit des Kurzschlusses und damit von Details der Randbedingungen ab.
Bild 6.27. Schallfeld eines kurzwelligen Strahlers mit Schwingungsknoten am oberen, Schwingungsbauch am unteren Ende. Der Schwingungsknoten am oberen Ende bildet eine Volumenquelle, um die herum sich eine Schallausbreitung mit kreisf¨ ormigen Wellenfronten ergibt. Der Bauch am unteren Ende strahlt dagegen fast nicht.
6.6.2 Die Grenzfrequenz Ebenso wie bei der unendlichen Platte in Abschnitt 6.4.3 zeigt auch der letzte Abschnitt, dass die Abstrahlung von einer Platte ganz wesentlich davon abh¨angt, wie groß die Wellenl¨ ange der Schwingungen des Strahlers im Vergleich zur Schallwellenl¨ ange im umgebenden Medium ist. Bei großen Wel-
6.6 Abstrahlung von Biegewellen
469
lenl¨angen λB > λ0 (kB < k0 ) ist die Abstrahlung groß, bei kleinen Wellenl¨angen λB < λ0 (kB > k0 ) ist sie gering. Die durch die Gleichheit der Wellenl¨angen oder Wellengeschwindigkeiten definierte, sogenannte Grenzfreur die Abstrahlung von Biegewellen sehr wichtig. Da bei quenz fg ist also f¨ einer homogenen Platte die Biegewellenl¨ ange durch
λB = 2π 4 B /ω 2 m gegeben ist, erh¨alt man f¨ ur die Grenzfrequenz kB = k0 oder λB = λ0 = c0 fg d.h.
c20 m 2 ωg = c0 m /B oder fg = . (6.117) 2π B F¨ uhrt man in (6.117) statt des Verh¨ altnisses B /m die Longitudinalwellengeschwindigkeit cL im Plattenmaterial und die Plattendicke h ein, dann erh¨alt man f¨ ur homogene Platten c20 fg = (6.118) 1, 8cL h Eine einfache Methode zur Messung der Grenzfrequenz besteht darin, das Verh¨altnis von Masse zu Biegesteife aus einem statischen Versuch zu bestimmen. Bekanntlich ist die durch das Eigengewicht verursachte Durchbiegung ζ in der Mitte eines beiderseits aufgest¨ utzten Stabs der L¨ange l durch ur die ζ = 5m gl4 /384B gegeben (g = Erdbeschleunigung). Daraus folgt f¨ Grenzfrequenz &
ζ/mm c20 384ζ (6.119) fg = = 1600 2 2 Hz 2 2πl 5g l /m Die statische Durchbiegung eines horizontal gelagerten, einen Meter langen Stabes muss also etwa einen Zentimeter betragen, um zu einer Grenzfrequenz f¨ ur Luftschallabstrahlung von etwa 5000 Hz zu f¨ uhren. In der Praxis treten derartig hohe Grenzfrequenzen nicht allzu h¨ aufig auf, da eine Durchbiegung von einem Zentimeter bei nur einem Meter freier L¨ange bei tragenden Konstruktionen aus Festigkeitsgr¨ unden wohl kaum zugelassen werden kann. Trotzdem wird man sich immer bem¨ uhen, im Rahmen der Ger¨auschbek¨ampfung die Grenzfrequenz m¨ oglichst hoch zu legen, um u ¨ber einen m¨oglichst großen Frequenzbereich in den Genuss der verringerten Abstrahlung zu kommen. Das gilt insbesondere f¨ ur Verkleidungen, Vorsatzw¨ande und dergleichen, bei denen die statischen Erfordernisse nicht ausschlaggebend sind. In diesen F¨allen lassen sich ohne weiteres Grenzfrequenzen von 3000 Hz und mehr erreichen. F¨ ur einige Plattenmaterialien sind die Grenzfrequenzen bei Abstrahlung in Luft in Bild 6.28 aufgetragen. Die Grenzfrequenzen f¨ ur Abstrahlung in Wasser sind etwa zwanzigmal so hoch. Eine genaue Berechnung ist jedoch in diesem Fall mit Hilfe von (6.117) nicht mehr m¨ oglich, da sich insbesondere bei d¨ unnen Platten die Belastung durch das Wasser, die sich in einem frequenzabh¨angigen Zusatz zum Massenbelag m ¨ außert, bemerkbar macht und zu einer weiteren Erh¨ohung der Grenzfrequenzen f¨ uhrt. Außerdem liegt die Grenzfrequenz meist
470
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
Bild 6.28. Grenzfrequenzen f¨ ur Abstrahlung in Luft
so hoch, dass man nicht mehr mit der einfachen Biegetheorie rechnen kann, sondern die Wellenzahlen mit Hilfe von (2.291) bestimmen muss. Wenn man einmal von den beiden Geraden f¨ ur Blei und Asphalt in Bild 6.28 absieht, dann sind die Unterschiede in den Grenzfrequenzen der verschiedenen, im Bau h¨ aufig verwendeten Materialien vergleichsweise gering. Bei gleicher Plattendicke ¨ andert sich die Grenzfrequenz von Material zu Material nur etwa innerhalb einer Oktave. Dagegen ist das praktisch interessierende Dickenintervall viel breiter; es reicht von 0,5 mm Stahl (Autoblech) bis zu Betonw¨anden von 350 mm Dicke. Neben den bisher behandelten homogenen Platten spielen in der Praxis auch Biegewellen auf Mehrschichtplatten, wie sie im Abschnitt 3.6 behandelt wurden, sowie auf anisotropen, also beispielsweise gerippten, gerillten oder gewellten Platten, eine Rolle. F¨ ur die Mehrschichtplatten, also etwa f¨ ur die sogenannten Sound-shear oder Sandwich-Platten kann man die Grenzfrequenz nach (6.117) (nicht jedoch nach (6.118 und (6.119)) bestimmen; man hat jedoch zu beachten, dass die Biegesteife sich mit der Frequenz ¨andert, siehe (3.106). Man kann nat¨ urlich die aus komplizierten Dispersionsgleichungen (z.B. (3.120)) erhaltenen Wellenzahlen gleich der Luftschallwellenzahl setzen, um eine Grenzfrequenz zu erhalten. Bei richtiger Dimensionierung liegt die Grenzfrequenz einer Mehrschichtplatte mindestens doppelt so hoch wie
6.6 Abstrahlung von Biegewellen
471
die einer vergleichbaren, statisch gleich steifen, homogenen Platte. Derartige Platten haben nicht nur die Eigenschaft, den Schall schlecht abzustrahlen, sie besitzen außerdem noch eine relativ gute Schalld¨ammung, weil eine Platte um so schlechter durch Luftschall angeregt wird, je weniger sie abstrahlt - wie der Abschnitt 6.9.2 bei der Behandlung der Reziprozit¨at zeigen wird. Richtig dimensionierte Mehrschichtplatten eignen sich daher sehr gut f¨ ur W¨ande und Verkleidungen, bei denen es auf geringe Schall¨ ubertragung ankommt (bei den im Flugzeugbau u ¨blichen Sandwichkonstruktionen mit relativ steifer Kernschicht ist das allerdings nicht der Fall). Bei kreuzweise gerillten oder gerippten Platten kann man die Grenzfrequenz nach (6.117) ermitteln, vorausgesetzt, dass der gegenseitige Abstand der Rillen, Rippen oder Schlitze kleiner ist als eine halbe Biegewellenl¨ange bei der Grenzfrequenz; außerdem muss die Biegesteife f¨ ur alle Richtungen etwa gleich sein. Da man durch das Eins¨ agen von Rillen oder umgekehrt durch das Aufsetzen von kleinen Massen das Verh¨ altnis von Masse zu Biegesteife einer Platte und damit die Grenzfrequenz einer Platte vergr¨oßern kann, dient diese Maßnahme zur Verringerung der Schallabstrahlung und damit auch zur Erh¨ohung der Schalld¨ ammung von Vorsatzw¨ anden und ¨ahnlichen Konstruktionen. Komplizierter liegen die Verh¨ altnisse bei gewellten Platten oder solchen mit Rippen und Rillen, die nur in einer Richtung verlaufen. Wie in Abschnitt 2.7.4.3 im Zusammenhang mit den sogenannten orthotropen Platten gezeigt wurde, h¨angt die Biegewellenzahl und damit auch die Biegewellenl¨ange in diesem Fall von der Ausbreitungsrichtung ab. In Richtung der gr¨oßten Steife, also beispielsweise in Richtung der Rippen, ist die Wellenl¨ange durch
λBx = 2π 4 Bx /m ω 2 gegeben. Die dazugeh¨ orige Grenzfrequenz liegt demnach bei & c20 m fgx = . 2π Bx
(6.120)
Da Bx der Maximalwert der Biegesteife ist, stellt fgx eine untere Grenze dar; f¨ ur Wellen in allen anderen Richtungen ist die Grenzfrequenz h¨oher. In Richtung der kleinsten Steife, also etwa quer zu den Rippen, ist die Grenzfrequenz durch & c20 m fgz = (6.121) 2π Bz gegeben. Oberhalb dieser Frequenz sind die Biegewellen in allen Richtungen l¨anger als die Wellenl¨ ange im umgebenden Medium. Man erwartet also eine Abstrahlung, die der von homogenen Platten oberhalb der Grenzfrequenz entspricht. Auf die etwas komplizierteren Verh¨ altnisse zwischen den beiden Grenzfreaher eingegangen; es sei nur darauf hinquenzen fgx und fgz sei hier nicht n¨ gewiesen, dass bereits oberhalb von fgx die Abstrahlung fast so stark ist wie
472
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
oberhalb von fgz . Gewellte Platten sind also relativ starke Schallstrahler und eignen sich dementsprechend nicht besonders gut als schalld¨ammende W¨ande. Außerdem folgt aus den genannten Tatsachen, dass das Eins¨agen von Rillen nur dann zu einer Verbesserung der Schalld¨ ammung f¨ uhrt, wenn es in zwei senkrechten Richtungen erfolgt; durch Schlitze in einer Richtung werden zwar die statischen Eigenschaften einer Platte verschlechtert, die Schalld¨ammung aber kaum beeinflusst. 6.6.3 Abstrahlung von Eigenformen In einigen F¨allen ist die Schnelle eines Strahlers als Summe von Eigenfunktionen (Moden) gegeben (siehe Abschnitt 4.7.1): (6.122) v(x, z) = vn ϕn (x, z) . Zur Berechnung der Abstrahlung wird man (6.82) oder (6.105) auf die einzelnen Moden anwenden. Durch Summation erh¨ alt man daraus den Schalldruck an den interessierenden Stellen. Will man die gesamte abgestrahlte Leistung berechnen, darf man allerdings im allgemeinen nicht die von den einzelnen Moden abgestrahlten Leistungen addieren, weil die Superponierbarkeit nur f¨ ur die Schalldr¨ ucke und nicht f¨ ur die Schallleistungen gilt. Es gibt jedoch auch zahlreiche Beispiele, bei denen man keinen großen Fehler macht, wenn man die von den einzelnen Moden abgestrahlten Leistungen addiert. Um das zu verdeutlichen wird eine in z-Richtung unendliche Platte betrachtet, die bei x = 0 und x = l unterst¨ utzt ist und in zwei Moden mit den komplexen Amplituden v 1 und v 2 schwingt. Die Schnelle ist also durch ⎧ ⎨v sin n1 πx + v sin n2 πx f¨ ur 0 < x < lx 1 2 lx lx v(x) = ⎩0 f¨ ur − ∞ < x < 0, l < x < ∞ x
(6.123) gegeben. Dabei soll eine Phasenverschiebung zwischen den modalen Amplituden ber¨ ucksichtigt werden, es ist also ur ν = 1, 2. vν = |vν |ejϕν f¨ Bildet man das Wellenzahlspektrum der Schwingungsform (6.123) nach (6.104) und berechnet analog zu (6.115) die pro Breiteneinheit abgestrahlte Leistung, so findet man k0 ρ0 c0 k0
P = |v A1 E1 + v 2 A2 E2 |2 dkx . (6.124) 2 4π −k0 k0 − kx2 1 Dabei bedeuten Aν = 2j
nν πlx kx lx − n ν π sin , 2 2 − nν π 2
kx2 lx2
ur ν = 1, 2. Eν = e−0,5j(kx lx −nν π) f¨
6.6 Abstrahlung von Biegewellen
473
Nach Zwischenrechnungen ergibt sich ρ0 c0 2 k0 ρ0 c0 2 k0 k0 A21 k A2
0 2 dkx |v 1 | |v dk + | P = x 2 4π 4π k02 − kx2 k02 − kx2 −k0 −k0 (6.125) k0 ρ0 c0 n1 − n2 k0 A1 A2
|v v | cos ϕ1 − ϕ2 + π + dkx . 2π 1 2 2 k02 − kx2 −k0 Das kann man auch durch P = P1 + P2 + P12
(6.126)
zusammenfassen. In diesem Ausdruck sind P1 und P2 die abgestrahlten Leis tungen, wenn die Plattenschwingung nur aus jeweils einer Mode best¨ unde. P12 bildet den Kombinationsterm. Seine Gr¨ oße und sein Vorzeichen kann durch Wahl des Phasenwinkels ϕ1 − ϕ2 zwischen den beiden modalen Amplituden variiert werden.
Integrationsbereich für k l > n π 0
IAνI
2
0x
Integrationsbereich für k l < n π 0x
k = −n π l x
ν
0
0 kx
k =n πl x
ν
Bild 6.29. Schematischer Verlauf von |Aν |2
Der prinzipielle Verlauf von A2ν ist in Bild 6.29 dargestellt. Aus ihm ergeben sich folgende Effekte f¨ ur die von einer Mode abgestrahlten Leistung: a) Wenn k0 lx nν π, also wenn die Knotenabst¨ande der Plattenschwingung klein sind, dann ist die Integration u ¨ber einen Bereich zu erstrecken, der die Maxima von A2ν nicht enth¨ alt. Es ergibt sich so eine kleine abgestrahlte Leistung und ein kleiner Abstrahlgrad (siehe Bild 6.30 a und b).
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
10lg(W \ 1/ W \ B)
10lg(W \ 1/ W\ B)
474
k0 l x
Bild 6.30. Abstrahlung von einer Platte mit einer durch Gl. (6.123) gegebenen Schwingungsverteilung. a und b: Abstrahlung wenn nur eine Mode vorhanden ist. PB = ρ0 c0 l|vν |2 /4; c: Einfluss der Phase der zweiten gleich starken Mode auf die Gesamtabstrahlung f¨ ur n1 = 5, n2 = 7; d: Verminderung der Abstrahlung durch eine gegenphasige zweite Mode ΔL = 10 lg(P /(P1 + P2 )) (Die Abszisse ist ko lx )
b) Wenn k0 lx nν π, also wenn die Knotenabst¨ande der Plattenschwingung groß sind, dann umfasst die Integration praktisch den gesamten Bereich, in dem A2ν gr¨oßere Werte annimmt. Man erh¨alt so n¨aherungsweise Pν ≈
ρ0 c0 lx 2 |vν | 4
und σν ≈ 1.
(6.127)
c) F¨ ur k0 lx ≈ nν π ist die Integration etwas schwieriger. Brauchbare N¨aherungen sind durch 2√ ρ 0 c 0 l x k0 l x 2 2 k0 lx |vν | und σν ≈ ≈ nν (6.128) Pν ≈ 6 π 3 π 3 gegeben.
6.6 Abstrahlung von Biegewellen
475
F¨ ur die Berechnung des Kombinationsterms P12 ist die Angabe von N¨aherungen etwas schwierig, weil im Integranden zwei Sinusfunktionen mit verschiedenem Argument auftreten. Es werden daher in Bild 6.30 c und d einige Beispielrechnungen angegeben. Dabei wird die von zwei Moden abgestrahlte Leistung P mit der Summe der Leistungen P1 + P2 verglichen, die man erhalten w¨ urde, wenn jeweils nur eine Mode vorhanden w¨are. In Bild 6.30 ist angenommen, dass die Amplituden der beiden Moden gleich sind. Bild 6.30 c zeigt den Einfluss der Phasenverschiebung zwischen den beiden Moden und Bild 6.30 d die Abstrahl¨ anderung, wenn die beiden Moden gegenphasig sind. Die Grenzfrequenz liegt bei den in Bild 6.30 aufgetragenen Kurven bei nπ = k0 lx . Das interessanteste aus Bild 6.30 folgende Ergebnis ist, dass man zumindest unterhalb der Grenzfrequenz die Schallabstrahlung von der Mode n durch eine zweite Mode n + 2, n + 4 etc. reduzieren kann. Es besteht also zumindest im Prinzip die M¨ oglichkeit, durch geeignete k¨ unstliche Anti-Anregung“ ” einer weiteren Mode die Schallabstrahlung zu verringern, obwohl die mittlere Schnelle der Platte erh¨ oht wird. Vermutlich kann man die Schallabstrahlung durch geeignete Anregung weiterer Moden auch unter die in Bild 6.30 d angegeben Werte bringen. Ob man auch oberhalb der Grenzfrequenz die Schallabstrahlung durch Anregung von weiteren Antischall-Moden“ reduzieren kann, ” das bleibt fraglich.
6.6.4 Abstrahlung von Biegewellen bei gegebener ¨ außerer Anregung 6.6.4.1 Grundgleichungen Die bisher betrachteten Beispiele zeigen, dass die Abstrahlung von Biegewellen unterhalb der Grenzfrequenz von den Randbedingungen und von Details der Schwingungsverteilung abh¨ angen. Man muss also die Schnelle einer Platte sehr genau kennen, wenn die Abstrahlung bestimmt werden soll. Diese genaue Kenntnis ist oft nur schwer zu erreichen. Man kann sich deshalb fragen, ob es nicht oft leichter ist, von der in ihrer geometrischen Verteilung meist einfacheren a¨ußeren Kraftverteilung, die auf eine Platte wirkt, unmittelbar auf den abgestrahlten Schall zu schließen, ohne die Schnelleverteilung explizit zu berechnen. Besonders einfach wird diese Art der Berechnung bei einer unendlich großen Platte. Daher wird erst dieser Fall betrachtet und dabei gleichzeitig die R¨ uckwirkung des umgebenden Mediums auf die Plattenbewegung mit erfasst, weil dieser Effekt fast keine Erschwerung der Rechnung bedeutet. In Abschnitt 4.4.1 und 4.4.2 wurde bereits die f¨ ur diesen Zweck besonders geeignete Trennimpedanz f¨ ur Platten und ¨ ahnliche Konstruktionen angegeben (siehe Gl.(4.68)): v˘(kx , kz ) =
p˘(kx , kz ) jω p˘(kx , kz ) . 4 = B (kx2 + kz2 )2 − kB Zτ
(6.129)
476
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
Das Wellenzahlspektrum des auf die Platte wirkenden Drucks ist durch (4.82) gegeben. Er besteht aus dem von außen wirkenden Druck pA (x, z) und dem entgegengesetzten Druck ps (x, z), der durch die R¨ uckwirkung des umgebenden Mediums auf die Platte hervorgerufen wird. Man kann also (4.82) in der Form −∞ −∞ −∞ −∞ jkx x jkz z pA (x, z)e e dxdz − ps (x, z)ejkx x ejkz z dxdz
p˘(kx , kz ) =
−∞ −∞
−∞ −∞
= p˘A (kx , kz ) − p˘s (kx , kz ) (6.130) schreiben. Das Wellenzahlspektrum von ps ist in Abschnitt 6.5.2 im Prinzip bereits bestimmt worden. Setzt man n¨ amlich in (6.105) y = 0, dann erh¨alt man unmittelbar den vom Medium r¨ uckwirkenden Druck auf einer Seite der Platte. Wie groß das Wellenzahlspektrum ist, das sieht man aus (6.105) sofort. Man kann aber auch p(x, 0, z) = ps (x, z) in (6.130) einsetzen und die Orthogonalit¨atsrelation der Exponentialfunktionen benutzen. In beiden F¨allen lautet das Ergebnis p˘(kx , kz ) =
ρ0 c0 k0 k02
− kx2 − kz2
v˘(kx , kz ) = ZRad v˘(kx , kz ).
(6.131)
In (6.105) wurde die Abstrahlung in ein Medium mit den Daten ρ0 , c0 auf einer Seite des Strahlers behandelt. Sollte die Strahlungsr¨ uckwirkung von beiden Seiten von Bedeutung sein, dann ist f¨ ur die in (6.131) eingef¨ uhrte Strahlungsimpedanz ZRad einfach die Summe der entsprechenden Werte auf beiden Seiten einzusetzen. Hier wird nur der einfachere Fall der Abstrahlung und R¨ uckwirkung von einer Seite betrachtet. Kombiniert man (6.129) bis (6.131) so findet man v˘(kx , kz ) =
p˘A (kx , kz ) . Zτ + ZRad
(6.132)
Nach Einsetzen in (6.105), (6.107) und (6.109) erh¨alt man daraus f¨ ur den abgestrahlten Schalldruck 1 p(x, y, z) = 4π (mit ky =
−∞ ∞
−∞ −∞
ZRad p˘(kx , kz )e−jkx x e−jkz z e−jky y dkx dkz Zτ + ZRad (6.133)
k02 − kx2 − kz2 ), f¨ ur die Schallleistung 1 P = 2 8π
−∞ −∞ p˘A (kx , kz ) 2 dkx dkz Re{ZRad } Zτ + ZRad
−∞ −∞
und f¨ ur die Richtcharakteristik im Fernfeld
(6.134)
6.6 Abstrahlung von Biegewellen
ω 2 ρ20 |p(R, ϑ, ϕ)| ≈ 4π 2 R2 2
p˘A (k0 sin ϑ sin ϕ, k0 sin ϑ cos ϕ) 2 . Zτ,ϑ,ϕ + ZRad, ϑ,ϕ
477
(6.135)
Die Indizes bei den Impedanzen bedeuten, dass sie auch f¨ ur kx = k0 sin ϑ sin ϕ und kz = k0 sin ϑ cos ϕ zu nehmen sind. Die Formeln sind von bemerkenswerter Einfachheit, denn sie stellen einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der anregenden ¨außeren Druckverteilung und dem abgestrahlten Schall her, ohne dass man die Strahlerschnelle berechnen muss. Dar¨ uber hinaus zeigen sie, dass man aus dem Wellenzahlspektrum der Anregung (das man außerdem nur im Bereich kx2 + kz2 < k02 zu kennen braucht) durch einfache Division mit den Impedanzen ohne eine Integration die Richtcharakteristik des abgestrahlten Schall gewinnen kann - noch dazu unter Ber¨ ucksichtigung der Strahlungsbelastung. Die Gleichungen (6.133) bis (6.135) sind so geschrieben, dass sie auch f¨ ur orthotrope Platten, Platten mit Vorspannung, Platten auf weichen Schichtungen und den elastischen Halbraum anwendbar sind. Die entsprechenden Trennimpedanzen findet man in Abschnitt 4.4.2 sowie in den Gleichungen (2.213) und (3.126). 6.6.4.2 Beispiele Am einfachsten kann man die Schallabstrahlung von einer unendlichen Platte berechnen, die von einer Punktkraft F0 an der Stelle x = z = 0 angeregt wird. Nach (4.85) ist dann (6.136) p˘A (kx , kz ) = F0 . F¨ ur die nach einer Seite abgestrahlte Leistung ergibt sich aus (4.69), (6.131), (6.134) mit der Substitution kx = kr sin ψ, kz = kr cos ψ, dkx dkz = kr dkr dψ |F 2 |ρ0 c0 k02 P = 0 4π
k0
kr dkr
. 4 )2 + ρ2 c2 k 2 /(k 2 − k 2 )] − kr4 /kB r 0 0 0 0 (6.137) Die Integration u ¨ber ϕ, die einen Faktor 2π bewirkt, ist dabei bereits ausgef¨ uhrt. 2 Im Frequenzbereich unterhalb der Grenzfrequenz (also f¨ ur kB k02 ) kann 4 4 man im Integrationsbereich kr /kB ≈ 0 setzen und erh¨alt ωm ρ0 c0 |F02 | ρ0 c0 k02 arctan (6.138) 1− f¨ ur f fg . P = 4π ω 2 m2 ωm ρ0 c0 0
k02
−
kr2 [ω 2 m2 (1
Bei Luftschallproblemen kann man meist von ωm ρ0 c0 ausgehen. Bei vernachl¨assigbarer Strahlungsbelastung gilt deshalb f¨ ur eine punktf¨ormig angeregte, unendlich große Platte unterhalb der Grenzfrequenz P ρ0 ≈ . |F02 | 4πm2 c0
(6.139)
478
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
¨ Man erh¨alt also eine frequenzunabh¨ angige Ubertragungsfunktion und - wie man aus (6.135) errechnen kann - eine ungerichtete Abstrahlung. Der Wirkungsgrad eines solchen Strahlers ist sehr klein. Er betr¨agt nach (6.17), (4.146) und Tabelle 4.1 nur 2ρ0 c0 2P = 2 . (6.140) ζ= 2 |F0 |AR π m fg Falls man die abgestrahlte Leistung bei verschwindender Strahlungsbelastung nicht auf die Kraft F0 , sondern auf die von ihr am Anregepunkt erzeugte Schnelle v0 nach (4.59) bezieht, so findet man P =
16ρ0 c0 k02 2 4 |v0 | = 3 ρ0 c0 |v02 |λ2g . 4 πkB π
(6.141)
ange bei der Grenzfrequenz. Dabei ist λg = c0 /fg die Wellenl¨ In die Abstrahlformel (6.138) geht die Biegewellenl¨ange, also die f¨ ur die Schnelleverteilung auf dem gr¨ oßten Teil der Plattenfl¨ache entscheidende Gr¨oße, nicht ein. Daraus und aus weiteren Rechnungen kann man schließen, dass der schon mehrfach erw¨ ahnte hydrodynamische Kurzschluss die Abstrahlung vom gr¨oßten Teil der Plattenfl¨ ache verhindert. Es bleibt nur der nicht vollst¨andige Kurzschluss in der Umgebung der Anregestelle, der eine abgestrahlte Leistung bewirkt. Man k¨onnte nun versucht sein, das exponentiell abnehmende Biegewellennahfeld f¨ ur die Schallabstrahlung verantwortlich zu machen. Das ist aber nicht die ganze Wahrheit. Auch bei von Wechselkr¨aften angeregten Membranen, bei denen es kein exponentiell abklingendes Nahfeld gibt, wird nur von der Umgebung der Anregestelle abgestrahlt (kurze Membranwellenl¨angen vorausgesetzt). Es ist interessant, (6.141) mit der Abstrahlung von einer Punktquelle in einer Wand, also mit (6.31) f¨ ur k0 a 1, zu vergleichen. Ein derartiger Vergleich zeigt, dass der gest¨ orte hydrodynamische Kurzschluss in der Umgebung der Anregestelle ebenso viel Schall abstrahlt, wie eine Punktquelle mit dem 2 Schallfluss q0 = 8v0 /kB . Wegen kB = 2π/λB entspricht dem eine Kolbenmembran mit der Schnelle v0 und einem Radius von λB 2/π 3 , also etwa einer Viertel-Biegewellenl¨ ange. Man kann dieses erstaunlich einfache Ergebnis dazu benutzen, die Abstrahlung abzusch¨atzen, wenn die Anregung nicht mehr punktf¨ormig ist, sondern sich auf einen - kleinen - Kreis mit dem Radius a erstreckt. Man wird erwarten, dass in diesem Falle die Abstrahlung wie von einer Kolbenmembran mit dem Radius a + λB /4 erfolgt und damit eine abgestrahlte Leistung der Form 4 ρ0 c0 2 2 λB k0 π|v0 | a + P ≈ (6.142) 4 4 ergibt. Aus (6.138) kann man auch eine einfache Formel f¨ ur große Strahlungsbelastung - also etwa eine d¨ unne Platte auf einer Wasseroberfl¨ache - ableiten.
6.6 Abstrahlung von Biegewellen
479
Mit der Entwicklung arctan x ≈ x − x3 /3 erh¨ alt man P ≈
|F02 | ω 2 . 12π ρ0 c30
(6.143)
In dieser Gleichung erscheint weder die Biegesteife noch die Masse der Platte; außerdem ist sie bis auf einen Faktor 2 identisch mit (6.42), also der von einer Punktkraft unmittelbar erzeugten Leistung. H¨atte man in (6.138) statt ur beiderseitige Benetzung g¨ ultigen doppelten Wert eingesetzt, ρ0 c0 /ωm den f¨ so h¨atte man die H¨ alfte von (6.42) erhalten, weil (6.138) nur die Abstrahlung nach einer Seite erfasst. Dass es sich bei der Abstrahlung von einer Platte mit starker Strahlungsbelastung im Bereich f fg um einen Dipol handelt, sieht man auch aus (6.135), denn mit der hier zul¨assigen N¨aherung Zτ,ϑ,ϕ ZRad,ϑ,ϕ folgt k2 (6.144) |p(R, ϑ, ϕ)|2 ≈ |F02 | 20 2 cos2 ϑ. 4π R ¨ Ahnlich wie f¨ ur eine Punktkraft kann man auch f¨ ur eine linienf¨ormige Kraft die Abstrahlung vom Gebiet der Anregestelle ermitteln. Das Ergebnis ist P =
2 |F0E |ρ0 c0 k0 (
4 (ω 2 m2 + ρ20 c20 ) + ρ0 c0 ω 2 m2 + ρ20 c20
'
f¨ ur f fg .
(6.145)
angeneinheit wirkende Kraft. Auch hier ergibt sich bei Dabei ist F0E die pro L¨ sehr schwacher Strahlungsbelastung eine ungerichtete (Monopol-)Strahlung und bei sehr starker Strahlungsbelastung eine dipolartige Richtcharakteristik. Als weiteres Beispiel sei noch die Anregung durch ein gegenphasiges Kr¨aftepaar (Momentenanregung) behandelt. Wenn auf eine Platte an der Stelle x = −a, z = 0 die Kraft F0 /2 und an der Stelle x = +a, z = 0 die Kraft −F0 /2 wirkt, dann ist p˘A (kx , kz ) = jF0 sin kx a. Eingesetzt in (6.134) wird daraus 2 1 |F02 |ρ0 c0 k04 a2 2 − . P = 2(1 + ε ) 1 − ε arctan 16πω 2 m2 ε 3
(6.146)
Dabei ist ε = ρ0 c0 /ωm . Die N¨aherungsformeln f¨ ur kleine (ε → 0) und große (ε → ∞) Strahlungsbelastung sind, wenn man die arctan-Funktion bis zur f¨ unften Ordnung entwickelt ⎧ |F02 |ρ0 k02 a2 ⎪ ⎪ f¨ ur ωm ρ0 c0 ⎨ 2 c 0 3 P ≈ 4πm (6.147) |F02 |ω 2 k02 a2 ⎪ ⎪ f¨ u r ωm ρ c . ⎩ 0 0 12πρ0 c30 5
480
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
Ein Vergleich mit (6.139) bzw. (6.143) oder die Berechnung der Richtcharakteristik zeigen, dass es sich bei den beiden Grenzf¨allen um die Abstrahlung von einem Dipol (ωm ρ0 c0 ) oder einen longitudinalen Quadrupol (ωm ρ0 c0 ) handelt. Die Behandlung der Abstrahlung im Bereich f < fg hat in diesem Abschnitt einen relativ breiten Raum eingenommen, weil dabei einige interessante Ph¨anomene auftreten. Im Vergleich dazu ist die Abstrahlung im Frequenzbereich f > fg leichter zu verstehen. Die Argumentation dabei ist folgendermaßen: • f¨ ur f > fg ist nach (6.117) kB < k0 , 2 im Integrationsbereich von (6.133)• damit liegt die Stelle kx2 + kz2 = kB (6.135), 2 ist, gilt Zτ = 0, denn das Verschwinden der Trans• wenn kx2 + kz2 = kB missionsimpedanz ergibt ganz allgemein die Bestimmungsgleichung f¨ ur die freien Wellenzahlen; das gilt nicht nur f¨ ur Platten sondern auch f¨ ur andere Konstruktionen; uhrt • wenn die Stelle Zτ = 0 im Integrationsbereich enthalten ist, dann f¨ sie (wenn ZRad nicht extrem groß ist) zu den gr¨oßten Integranden und bestimmt somit den Wert des Integrals, • daraus folgt, dass die Abstrahlung haupts¨ achlich in die durch 2 = kx2 + kz2 = k02 sin2 (sin2 ϕ + cos2 ϕ) = k02 sin2 ϑ kB
(6.148)
gegebene Richtung erfolgt. Die Berechnung der abgestrahlten Leistung nach (6.134) ist nicht notwendig, denn erwartungsgem¨ aß findet man, dass bei den hier behandelten unendlich großen Platten ohne Materiald¨ ampfung die gesamte eingespeiste K¨orperschallleistung in die Umgebung abgestrahlt wird. Um nun noch den f¨ ur manche Anwendungsf¨alle wichtigen Strahlungsverlustfaktor f¨ ur Biegewellen auf Platten zu erhalten, wird in (6.132) Zτ und ZRad explizit eingesetzt. Unter Benutzung von (6.129) und (6.131) erh¨alt man 1 p˘(kx , kz ) ρ0 (kx2 + kz2 )2 = jωm 1 − − j 2 . (6.149) 4 v˘(kx , kz ) kB m k0 − kx2 − kz2 Vergleicht man diesen Ausdruck mit der Trennimpedanz einer Platte ohne umgebendes Medium aber mit dem fiktiven Verlustfaktor ZRad , also mit p˘(kx , kz ) (kx2 + kz2 )2 (1 + jηRad ) , (6.150) = jωm 1 − 4 v˘(kx , kz ) kB so sieht man durch Gleichsetzen der Imagin¨ arteile in den eckigen Klammern von (6.149) und (6.150), dass im Bereich f > fg , in dem das Gebiet kx2 + kz2 = 2 kB entscheidend ist, der sogenannte Strahlungsverlustfaktor durch
6.6 Abstrahlung von Biegewellen
ηRad =
1 1 ρ0 ρ0
≈ 2 2 m k02 − kx2 − kz2 m k0 − kB
f¨ ur f > fg
481
(6.151)
gegeben ist. F¨ ur leichte Medien wie Luft nimmt ηRad meist sehr kleine Werte an. Das bedeutet, dass die Biegewellen oberhalb der Grenzfrequenz fast nur der geometrischen Abnahme (v(r)2 ∼ 1/r) unterliegen. Dementsprechend groß ist auch die Fl¨ ache, die zur Abstrahlung beitr¨agt. Außerdem ist die Abundelt. Bei schweren strahlung sehr scharf auf den Winkel sin ϑ = kB /k0 geb¨ Medien wie Wasser liefert (6.151) ziemlich große Verlustfaktoren, das bedeutet, dass die Biegewellenamplituden exponentiell mit der Entfernung von der Anregestelle abnehmen und dass die Abstrahlung nicht sehr stark geb¨ undelt ist. Allerdings ist zu bedenken, dass man bei Wasser zu sehr hohen Frequenzen und damit schon an die Grenze des G¨ ultigkeitsbereiches der einfachen Biegetheorie gehen muss, um u ¨ber die Grenzfrequenz zu kommen. 6.6.5 Vergleich mit Messungen In Bild 6.31 sind drei Beispiele von gemessenen Abstrahlmaßen aufgetragen. Es handelt sich dabei um schwach ged¨ ampfte, punktf¨ormig angeregte Platten, so dass die Abstrahlung von den R¨ andern maßgebend waren. Im dritten Beispiel wurde zus¨ atzlich die d¨ unne Platte durch einen Lattenrost unterteilt. Jede der dabei entstandenen Teilfl¨ achen wurde durch einen K¨orperschallsender angeregt, so dass man es im Prinzip mit der Summe der Abstrahlung von 5 Einzelfl¨achen zu tun hatte. Zum Vergleich mit der Rechnung wurden oberhalb und bei der Grenzfrequenz die Gleichungen (6.127) und (6.128) herangezogen. Wesentlich schwieriger ist es, den Abstrahlgrad unterhalb der Grenzfrequenz anzugeben, denn dazu m¨ ussten eigentlich die Randbedingungen oder die Form, Amplitude und Phase der einzelnen angeregten Eigenformen bekannt sein (siehe die Abschnitte 6.6.1 und 6.6.3). Diese Daten sind aber nur mit großem Aufwand zu gewinnen und liegen im Normalfall, wenn nur das mittlere Schnellequadrat bestimmt wird, nicht vor. Man muss also mehr oder weniger zutreffende Annahmen machen. Im vorliegenden Fall wurde eine ziemlich langwierige Rechnung von Maidanik [6.13] benutzt, bei der folgendes vorausgesetzt wurde: •
bei der hier vorliegenden punktf¨ ormigen Anregung tragen nur die Moden zur Abstrahlung bei, deren Resonanzfrequenz im angeregten Frequenzbereich liegen; • die Amplituden der in Resonanz befindlichen Moden sind im Mittel gleich, ihre Phasen sind zuf¨ allig verteilt; • die Platte ist in eine starre Wand eingebaut und ist am Rande drehbar gelagert. Es ergaben sich dabei folgende N¨ aherungen:
482
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
fc
fc
fc
Bild 6.31. Abstrahlmaße von punktf¨ ormig angeregten, schwach ged¨ ampften Platten (gestrichelte Werte nach G. (6.152) gerechnet). Oben: 24 cm Ziegelwand von 12 ache; Mitte: 7 cm Leichtbetonwand von 4 m2 Fl¨ ache; Unten: 13 mm Gipskarm2 Fl¨ tonwand auf Lattenrost mit Feldern von 0,8 m2
⎧ ⎪ ⎪ σ = ⎪ ⎨ 1
λ2g S
2g1 +
U λg g2
σ = σ2 = lb /λg + b/λg ⎪ ⎪ ⎪ ⎩σ = 1/ 1 − f /f falls σ < σ 3 g 3 2
f¨ ur f < fg f¨ ur f ≈ fg
(6.152)
f¨ ur f > fg .
Dabei bedeuten lb und b die L¨ ange und Breite der strahlenden Fl¨ache oder Teilfl¨ache. S = lb b und U = 2(lb + b) geben Fl¨ache und Umfang an. Die Hilfsfunktionen g1 und g2 sind durch % 4 2 √1 f¨ ur f < 0, 5fg 4 (1 − 2α ) α 1−α2 g1 = π 0 0, 5fg < f < fg 1+α 2 1 (1 − α ) ln 1−α + 2α g2 = ; α = f /fg 4π 4 (1 − α2 )3/2
6.6 Abstrahlung von Biegewellen
483
W
c
definiert. Die Gleichungen sind g¨ ultig, falls die Abmessungen des Strahlers gr¨oßer sind als etwa eine Viertel-Wellenl¨ ange des Schalls im umgebenden Medium. ¨ Die Ubereinstimmung von gerechneten und gemessenen Werten ist im Beur f < fg ist sie trotz der zahlreichen reich f > fg ziemlich gut. Auch f¨ Annahmen noch befriedigend. Gleichwohl ist der Hinweis angebracht, dass der Abstrahlgrad unterhalb der Grenzfrequenz eine gef¨ahrliche“ Gr¨oße ist. ” Seine Definition und die u ¨bliche Messpraxis vermitteln den Eindruck, dass es sich um eine nur von der Frequenz, den Strahlerabmessungen und seinen mechanischen Daten (insbesondere von der Biegewellenl¨ange) abh¨angende Gr¨oße handelt. Das ist aber nicht richtig, denn wie gezeigt wurde spielen auch die Randbedingungen und die Verteilung der Schwingungsenergie auf die einzelnen Moden (und damit die Art der Anregung) eine große Rolle. Die dadurch verursachten Unterschiede k¨ onnen betr¨ achtlich sein. Beispielsweise erh¨alt man bei punktf¨ormiger Anregung von d¨ unnen Platten f¨ ur f fg oft Abstrahlgrade von 10−3 bis 10−2 . Wenn dieselbe Platte durch Luftschallwellen auf einer großen Fl¨ache angeregt wird, gilt dagegen f¨ ur den Abstrahlgrad bei gleichen Frequenzen σ ≈ 1. Der Fall der linienf¨ ormigen konphasen Anregung liegt irgendwo dazwischen. Als praktische Schlussfolgerung ergibt sich aus den bisherigen theoretischen und experimentellen Ergebnissen, dass man zur Erzielung einer m¨oglichst geringen Abstrahlung nicht nur ein Material mit m¨oglichst hoher Grenzfrequenz w¨ahlen soll; es ist auch erforderlich, Rippen, Streben etc. m¨oglichst zu vermeiden, da derartige Versteifungen den wirksamen Umfang“ vergr¨oßern ” und damit zu einer st¨ arkeren Abstrahlung f¨ uhren. Diese Frage ist besonders f¨ ur die durch Spanten und Rippen versteiften Flugzeug- und Schiffsw¨ande von Bedeutung. Ein Messbeispiel f¨ ur die Abstrahlung aus dem Gebiet um die Anregestelle einer sehr großen Platte zeigt Bild 6.32. Es handelt sich hier ebenfalls um eine
fc
Bild 6.32. Biegewellenabstrahlung von einer großen punktf¨ ormig angeregten 10 mm dicken Gipskartonplatte von 1, 7 × 3 m2 Fl¨ ache (gestrichelte Werte nach (6.141) gerechnet, v0 =Schnelle am Anregeort)
484
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
Gipskartonplatte von etwa 10 mm Dicke und einer Fl¨ache von 5,1 m2 ohne Versteifungen durch Latten. Diese Platte wurde an einer Stelle durch einen K¨orperschallsender mit Terzrauschen angeregt. Das dabei erzeugte Schnellefeld nimmt mit wachsender Entfernung von der Anregestelle ab, so dass es schon aus diesem Grunde wenig sinnvoll gewesen w¨are, ein mittleres Schnellequadrat und einen Abstrahlgrad nach (6.12) zu ermitteln. In Bild 6.32 ist an der Ordinate die Frequenz, an der Abszisse der zehnfache Logarithmus des Verh¨ altnisses P/ρ0 c0 v02 λ2g aufgetragen, wobei v0 den Effektivwert der Schnelle am Anregeort bezeichnet. Unterhalb der Grenzfrequenz, die hier 3200 Hz betr¨ agt, liegen die gemessenen und nach (6.141) gerechneten Werte sehr nahe beisammen. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Frage, in wieweit die Abstrahlung durch zus¨ atzliche D¨ ampfung beeinflusst werden kann. F¨ ur Frequenzen oberhalb der Grenzfrequenz ist diese Frage leicht zu beantworten, weil der Abstrahlgrad in diesem Gebiet unabh¨angig vom Verlustfaktor η ist. Deshalb wird die abgestrahlte Leistung in demselben Maße reduziert wie das mittlere Schnellequadrat. Die abgestrahlte Leistung wird also im allgemeinen mit 1/η abnehmen. Das gilt im Prinzip auch in der N¨ahe der Grenzfrequenz, nur ist zu beachten, dass die Biegesteife durch einen zus¨atzlichen D¨ampfungsbelag etwas erh¨oht und damit die Grenzfrequenz etwas erniedrigt wird. (In der Praxis ergeben sich jedoch ganz selten Verschiebungen der Grenzfrequenz um mehr als 10%). Unterhalb der Grenzfrequenz liegen die Dinge auch hier wieder etwas komplizierter, weil sich das Schallfeld aus der Abstrahlung von Biegewellennahfeld und von den Platten-R¨ andern zusammensetzt. Wenn man diese beiden Anteile addiert (siehe (6.139) und (6.12)), so erh¨alt man P =
ρ0 c0 k02 ˜ 2 v 2 σ. F + ρ0 c0 S˜ 2πω2 m2
(6.153)
Dabei wurden der Messpraxis entsprechend die Effektivwerte der Kraft und der mittleren Schnelle eingesetzt. Benutzt man nun noch den Zusammenhang zwischen anregender Punktkraft und mittlerem Schnellequadrat nach (4.185) so findet man ρ0 c0 k02 ˜ 2 π fg σ F 1+ P = . (6.154) 2πω 2 m2 4 f η Da nur das zweite Glied in diesem Ausdruck vom Verlustfaktor abh¨angt, kann man folgern, dass die abgestrahlte Leistung nur dann durch zus¨atzliche D¨ampfung reduziert wird, wenn fg σ/(f η) > 1 ist. Da Platten im eingebauten Zustand (d.h. mit Energieableitung an den R¨andern) h¨aufig Verlustfaktoren im Bereich von 10−2 haben, macht man in der Praxis manchmal die Erfahrung, dass eine zus¨atzliche D¨ampfung - etwa durch einen besonderen Belag - zwar die Schnelle einer Platte reduziert, aber die Abstrahlung nicht verringert. Aus diesem Messresultat wird manchmal der Schluss gezogen, dass D¨ ampfung abstrahlf¨ordernd“ sei. Wie (6.154) zeigt, ” ist dieser Schluss nicht richtig; vielmehr ist unterhalb der Grenzfrequenz bei
6.7 Weitere Anmerkungen zur Abstrahlung von K¨ orperschall
485
vorgegebener anregender Kraft die D¨ ampfung bestenfalls ohne Einfluss auf die abgestrahlte Leistung.
6.7 Weitere Anmerkungen zur Abstrahlung von K¨ orperschall 6.7.1 Zylinderstrahler mit vorgegebener ¨ außerer Anregung F¨ ur die Berechnung des Zusammenhangs zwischen anregender ¨außerer Kraft und Schallabstrahlung eines unendlich langen Zylinders kann man genauso vorgehen wie in Abschnitt 6.6.4 bei der Platte. Mit der in Abschnitt 2.8.3.4 eingef¨ uhrten Trennimpedanz f¨ ur Zylinder l¨ asst sich n¨amlich die Radialkomponente der Zylinderschnelle bei Anregung mit einer Welle mit 2n Knoten in Umfangsrichtung und der Wellenzahl kz in axialer Richtung in der Form v˘n (kz ) = p˘n (kz )/Zτ n
(6.155)
darstellen. Dabei ist Zτ n die durch (2.311) bzw. (2.312) gegebene Trennimpedanz und p˘n (kz ) die Amplitude des wirkenden Drucks. Er setzt sich aus dem von außen anregenden Druck p˘nA (kz ) und den Schalldr¨ ucken p˘nsi (kz ) bzw. uckt p˘nsa (kz ) auf der Innen- bzw. Außenseite des Zylinders zusammen. Dr¨ man diese Schalldr¨ ucke durch die Zylinderschnelle und den entsprechenden Strahlungswiderstand aus, dann ergibt sich p˘n (kz ) = p˘nA (kz ) − v˘n (kz )(ZnRad i + ZnRad a ).
(6.156)
Dabei sind die Strahlungsimpedanzen durch (2)
ZnRad a = ZnRad i
p˘nsa (kz ) jωρ0 Hn (kr a) =− v˘n (kz ) kr Hn(2) (kr a)
(6.157)
p˘nsi (kz ) jωρ0 Jn (kr a) = =− v˘n (kz ) kr Jn (kr a)
gegeben. Die obere Gleichung folgt aus (6.59), die radiale Wellenzahl kr ist in (6.66) definiert. Die untere Gleichung ergibt sich, wenn man f¨ ur den Schalldruck im Rohrinneren den Ansatz pn (r) = pn Jn (kr r) macht und ansonsten genauso vorgeht wie in Abschnitt 6.4.4. Wie in Abschnitt 6.4.4 bezeichnet (2) Jn die Besselfunktion und Hn die Hankelfunktion zweiter Art, jeweils der Ordnung n. Aus (6.155) und (6.156) kann man das Wellenzahlspektrum der Zylinderschnelle als Funktion der ¨ außeren Anregung bestimmen. Daraus ergibt sich dann mit Hilfe von (6.63), (6.64) und (6.65)-(6.67) in Analogie zu (6.133)(6.135) f¨ ur die nach außen abgestrahlte Schallleistung
486
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
k0 ∞ p˘nA (kz ) 2 ρ0 c0 P = εn Z) σn (kz )dkz . 4π 2 a n=0
(6.158)
−k0
Dabei bedeuten Z) = Zτ n + ZnRad i + ZnRad a und
2π ∞ pA (ϕ, z) cos nϕ ejkz z adϕdz.
p˘nA (kz ) =
(6.159)
0 −∞
Der Abstrahlgrad σn ist in (6.64) angegeben, wobei man k0 durch kr ersetzt. Mit pA (ϕ, z) ist die Ortsverteilung des anregenden Drucks bezeichnet. Die Fernfeldrichtcharakteristik f¨ ur die einzelnen Moden ist p˘ (k ) cos ϕ ρ0 c0 εn nA z |pn (R, ϑ, ϕ)| ≈ . (6.160) 2π 2 aR Hn(2) (k0 a sin ϑ) Z) ϑ Der Index am Ende der Gleichung besagt, dass das Wellenzahlspektrum und die Impedanzen bei kz = k0 cos ϑ zu nehmen sind. R bezeichnet die L¨ange der Geraden zwischen der Mitte“ des angeregten Gebietes und dem Messpunkt. ” Der Winkel zwischen der Senkrechten auf die Zylinderachse und der genannten Geraden ist mit ϑ bezeichnet worden. Es ist also von Zylinderkoordinaten zu Kugelkoordinaten mit r = R cos ϑ und z = R sin ϑ u ¨bergegangen worden. Es ist also wieder mit Hilfe der Wellenzahlspektren m¨oglich, einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der anregenden Druckverteilung und der Richtcharakteristik herzustellen. Am einfachsten wird dieser Zusammenhang bei Anregung durch eine Punktkraft F0 , weil dann p˘nA (kz ) = F0 gilt. 6.7.2 Ebene Platten mit Versteifungen Die in Abschnitt 6.6.4.1 abgeleiteten Beziehungen gelten f¨ ur ebene, unbegrenzte, homogene Platten. Man kann das Verfahren - allerdings mit betr¨achtlichem Rechenaufwand - auf Platten mit einzelnen Versteifungen oder anderen Diskontinuit¨atsstellen erweitern, indem man letztere durch ¨aquivalente Zusatzkr¨afte und Kr¨aftepaare (Momente) ersetzt und so das Problem der Platte mit Versteifungen auf das mit vielen ¨ außeren“ Kr¨aften zur¨ uckf¨ uhrt. In Bild 6.33 ” ist diese Vorgehensweise skizziert. Die einzelnen Rechenschritte sind • •
Im Gedankenexperiment werden alle Versteifungen, R¨ander und Diskontinuit¨aten entfernt, so dass eine unendlich große homogene Platte entsteht. Die homogene, unendliche Platte wird durch die von außen wirkende aquivalenten Kr¨afte und Momente Fn , FR und Druckverteilung pA und die ¨ Mn angeregt. Es handelt sich dabei um Punktkr¨afte und -momente, von denen zwar die Anregeorte, nicht aber die Amplituden bekannt sind. Sollten die Versteifungen und die R¨ ander linienf¨ormig sein, so werden entlang
6.7 Weitere Anmerkungen zur Abstrahlung von K¨ orperschall
487
Bild 6.33. Ersatz von Versteifungen etc. durch ¨ aquivalente Kr¨ afte und Momente
einer solchen Linie im Abstand von einem Sechstel (bei h¨oherer Genauigkeit einem Zehntel) der Biegewellenl¨ ange ¨ aquivalente Kr¨afte und Momente angebracht. • Aus der Ortsverteilung des anregenden Drucks pA wird dessen Wellenzahlspektrum gebildet. Addiert man dazu die von den a¨quivalenten Kr¨aften und Momenten verursachten Wellenzahlen, so erh¨alt man p˘eq = p˘A (kz ) + (F1 + jkx M1 )ejkx x1 + (F2 + jkx M2 )ejkx x2 + . . . (6.161) Gleichung (6.161) wurde nur f¨ ur eine Dimension notiert. Es ist offensicht¨ lich, wie der Ubergang zu zwei Dimensionen zu vollziehen ist. • Wie in (6.132) ist das Wellenzahlspektrum der Plattenschnelle v˘(kx ) =
p˘eq (kx ) . Zτ + ZRad
(6.162)
Damit ergibt sich f¨ ur die Ortsverteilung der Schnelle 1 v(x) = 2π
∞ −∞
p˘A (kx ) −jkx x e dkx + F1 a1 (x) + M1 b1 (x) + F2 a2 (x) . . . . Zτ + ZRad (6.163)
Die Abk¨ urzungen bedeuten
488
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
1 a1 (x) = 2π
∞ −∞
ejkx x1 e−jkx x dkx ; Zτ + ZRad
j b1 (x) = 2π
∞ −∞
kx ejkx x1 e−jkx x dkx , Zτ + ZRad
(6.164) und so fort. • Aus (6.163) werden nach (2.268) und (2.269) die in der Platte wirkenden Momente und Querkr¨ afte berechnet. Setzt man nun in diese Gleichungen f¨ ur x nacheinander x1 , x2 , ... , xn , xR ein, so erh¨alt man eine Reihe von linearen Ausdr¨ ucken, die u ¨ber die Bedingungen (z.B. Impedanzen) an den Diskontinuit¨atsstellen miteinander verkn¨ upft sind. Es entsteht so ein System das ebensoviele lineare Gleichungen enth¨alt, wie unbekannte Kr¨afte F1 , F2 , ... und Momente M1 , M2 , ... gesucht sind. • Nach L¨osung des - eventuell ziemlich großen - linearen Gleichungssystems sind die Amplituden der a afte und Momente bekannt. Da¨quivalenten Kr¨ mit enthalten auch (6.161) und (6.162) keine Unbekannten mehr und man kann mit dem Wellenzahlspektrum der Schnelle weiterrechnen wie in Abschnitt 6.6.4.1. Die Durchf¨ uhrung der eben skizzierten Berechnungsmethode ist mit einigen numerischen Problemen verbunden, weil sich alle Integrale von −∞ bis +∞ erstrecken und man daher genau u ¨berlegen muss, wo man abschneidet“; au” ßerdem ist Zτ eine Funktion mit einem sehr schmalen Maximum, so dass man - insbesondere bei kleiner D¨ ampfung - sehr viele Integrationsschritte braucht. Es empfiehlt sich, die Wellenzahlen wie bei ¨ ahnlichen Rechnungen durch Winkel zu substituieren, weil man damit die Polstelle von ZRad vermeiden kann. Schließlich kann es auch sein, dass die zu l¨ osenden Gleichungssysteme sehr groß sind. Das ist besonders dann der Fall, wenn eine linienf¨ormige Versteifung oder ein Rand durch eine Reihe von a ¨quivalenten Punktkr¨aften und -momenten ersetzt wird. Das Verfahren l¨ asst sich auch auf Zylinder mit Diskontinuit¨atsstellen erweitern. Die numerischen Rechnungen werden aber noch etwas komplizierter. Das eben beschriebene, ziemlich komplexe Verfahren ist nicht notwendig, wenn eine Platte oder ein Zylinder durch Versteifungen in mehrere voneinander fast unabh¨ angige Felder eingeteilt wird und die Schnelle der Teilfelder bekannt ist. Man kann dann n¨ aherungsweise die Felder wie kleinere ebene Strahler in einer starren Wand betrachten und die von ihnen abgestrahlten Felder addieren. 6.7.3 Abstrahlung von beliebig geformten K¨ orpern mit vorgegebener Schnelleverteilung Die exakte L¨osung des Abstrahlproblems bei einem Strahler ist nur mit Hilfe von Integralgleichungen m¨ oglich. Man ist also auf N¨aherungen angewiesen. Sie sollen hier nur in ihren Grundgedanken besprochen werden. In Bild 6.34a ist das zu l¨ osende Problem skizziert. Es soll die Abstrahlung von einem K¨ orper mit gegebener Ruhekontur berechnet werden, wenn
6.7 Weitere Anmerkungen zur Abstrahlung von K¨ orperschall
489
die oberfl¨achennormale Schnelle vn bekannt ist. Die Tangentialkomponente der Schnelle bleibt wieder unber¨ ucksichtigt, weil eine verschwindende Viskosit¨at des umgebenden Mediums angenommen wird. Bei dem manchmal als v2
v1
v3
v4
a)
Equilibrium
vn q1 q2 q 3 q4
ΔS
p(x, y, z)
r1 r4
ΔS
rn
b)
ΔS qn F F q1 1q2 2q F3 F 4 3 q 4
c)
q F4 n vn
d)
qE1
qE2 qE3
Bild 6.34. M¨ oglichkeiten zur Berechnung der Schallabstrahlung von einem beliebig geformten K¨ orper mit wandnormaler Schnelle vn . a Ausgangssituation, b Rayleigh” Methode“, c Randelementmethode, d Methode der ¨ aquivalenten Quellen
Rayleigh-Methode“ bezeichneten Verfahren (siehe Bild 6.34b) teilt man die ” schwingende Oberfl¨ ache in kleine Teilfl¨ achen ΔS auf und bestimmt den Volumenfluss qn = vn ΔS (6.165)
490
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
dieser Teilfl¨achen. Dann denkt man sich den schwingenden K¨orper aus dem Medium entfernt und berechnet die Schallabstrahlung von den kleinen Volumenquellen (Monopolstrahler). Diese Quellen werden als punktf¨ormig angenommen, so dass sie selbst nicht als Streuk¨orper wirken und somit das Schallfeld, das die anderen Quellen erzeugen, nicht beeinflussen. Man k¨onnte also einfach analog zu (6.81) schreiben p(x, y, z) =
N jωρ0 vn −jk0 rn e ΔS. (4)πrn n=1
(6.166)
Unter rn ist der Abstand von der jeweiligen Monopolquelle zum Aufpunkt zu verstehen. In diesem Ausdruck wird nicht ber¨ ucksichtigt, dass der schwingende K¨orper nicht nur einen Schallstrahler, sondern auch noch einen Streuk¨orper f¨ ur den entstandenen Schall darstellt. W¨ are beispielsweise die Schnelleverteilung so, dass nur q1 = 0, aber alle anderen Volumenquellen einen verschwindenden Einfluss haben, dann w¨ urde man sicher eine falsche Richtcharakteristik erhalten, weil die Tatsache, dass der K¨ orper einen Schallschatten bewirkt, prinzipiell unber¨ ucksichtigt bleibt. Man sollte also nicht versuchen, mit der Rayleigh” Methode“ Richtcharakteristiken zu berechnen. Bei der Berechnung der gesamten abgestrahlten Leistung kann dagegen die Rayleigh-Methode ziemlich schnell einigermaßen brauchbare Ergebnisse liefern, vorausgesetzt der K¨ orper ist nicht flach“. Bei einem flachen K¨orper ” - etwa einer Platte endlicher Fl¨ ache - k¨ onnen sich n¨amlich in der N¨aherung eventuell Quellen gegenseitig kompensieren, die sich in Wirklichkeit wegen der Anwesenheit des K¨ orpers nicht ausgleichen. Bei der Anwendung der Rayleigh-Methode ist es ebenso wie bei der Randwertmethode und der Methode der ¨ aquivalenten Quellen notwendig, den Abstand der Volumenquellen gen¨ ugend klein zu machen. Eine Faustregel besagt, dass die Abmessungen von ΔS kleiner sein sollen als ein Drittel des Abstandes von Gebieten gegenseitiger Schwingungsphase und auch kleiner als ein Sechstel der abgestrahlten Schallwellenl¨ ange. Außerdem empfiehlt es sich bei großen Schallstrahlern, den in (6.166) in Klammern gesetzten Faktor 4 durch 2 zu ersetzen, um so die Spiegelung analog zu (6.81) zu ber¨ ucksichtigen. Die Tatsache, dass der Schallstrahler nicht nur Quelle, sondern auch Streuk¨orper ist, kann man (siehe Bild 6.34c) dadurch erfassen, dass man entlang der urspr¨ unglichen Strahlerkontur neben den Monopolquellen qn noch Dipolquellen Fn mit Fn = pn ΔS (6.167) einf¨ uhrt. Dabei bedeutet pn den mittleren Schalldruck in dem (kleinen) Fl¨achenelement ΔS. Auch bei diesem Gedankenexperiment befindet sich der materielle K¨orper nicht im Medium. Man hat also ein unbegrenztes homogenes Medium (z.B. Luft) und eine gedachte Kontrollfl¨ache, die mit der Außenkontur des urspr¨ unglichen Strahlers u ¨bereinstimmt. Auf dieser Kontrollfl¨ache
6.7 Weitere Anmerkungen zur Abstrahlung von K¨ orperschall
491
befinden sich die zahlreichen Monopol- und Dipolquellen, die einen endlichen uben, aber so klein sind, Volumenfluss qn haben und eine endliche Kraft Fn aus¨ dass sie keine Streuk¨ orper darstellen. Nach (6.33) und (6.42) ist also der von der in Bild 6.34c skizzierten Strahleranordnung erzeugte Schalldruck durch N N jωρ0 cos ϑ 1 −jk0 rn p(x, y, z) = vn ΔSe + + jk0 pn ΔSe−jk0 rn 4πr 4πr r n n n n=1 n=1 (6.168) gegeben. Dabei ist ϑn der Winkel zwischen dem jeweiligen Quellpunkt und dem Aufpunkt x, y, z. Im Grenzfall infinitesimal kleiner Fl¨ achen geht (6.168) in die KirchhoffHelmholtzsche-Integralgleichung u ¨ber, die ihrerseits eine vollst¨andige Darstellung eines Schallfeldes bei vorgegebenen Randbedingungen bietet. Gl. (6.168) stellt also die diskretisierte Form der strengen L¨osung des Abstrahlproblems dar. Allerdings enth¨ alt (6.168) eine Schwierigkeit. Sie besteht darin, dass der Schalldruck pn auf der Strahleroberfl¨ ache nicht von vornherein bekannt ist. Man kann jedoch (6.168) in einer etwas abgewandelten Form auch auf die Mittelpunkte“ der einzelnen Teilfl¨ achen anwenden und so N lineare Glei” chungen (mit p1 , p2 , p3 . . . auf der linken Seite) f¨ ur die N unbekannten Werte osung dieses Gleichungssystems ist (wegen der Stellen von pn aufstellen. Die L¨ rn ≈ 0 und wegen der Singularit¨ at der Koeffizientenmatrix bei gewissen Frequenzen) nicht gerade einfach, aber mit Hilfe der im Zusammenhang mit der Randelementmethode (boundary element method BEM) entwickelten Verfahren ist sie m¨oglich. Der numerische Rechenaufwand kann dabei - besonders wenn viele Frequenzen interessieren - betr¨ achtlich sein. F¨ ur solche Berechnungen stehen heute kommerziell verf¨ ugbare Programmpakte zur Verf¨ ugung. In Bild 6.34d ist noch ein weiteres N¨ aherungsverfahren skizziert, das z.B. in [6.36] und in [6.37] n¨ aher betrachtet wird. Auch dabei befindet sich kein k¨ orperhafter Schallstrahler im Medium. Man geht wieder von einem allseitig unbegrenzten Medium aus, in dem sich eine gewisse Anzahl von Schallquellen befinden. Diese Ersatzschallquellen k¨ onnen aus Monopolen, Dipolen, Quadrupolen, . . . und Kombinationen daraus bestehen. Die Amplituden und Phasen m¨ ussen nun so bestimmt werden, dass das von ihnen erzeugte Schallfeld außerhalb der Kontur des urspr¨ unglichen Strahlers dem Schallfeld der interessierenden Quelle m¨ oglichst gleich (¨ aquivalent) ist. Die zwei prinzipiellen Verfahren gehen entweder von Quellen vieler verschiedener Ordnungen an ein und dem selben Ort aus, oder es werden ¨ ortlich verteilte Ersatzquellen angenommen. Beide Methoden f¨ uhren auf ein System von linearen Gleichungen, das numerisch gel¨ ost wird.
492
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
6.8 Anregung von Platten durch Schallwellen (Luftschalld¨ ammung) Es mag etwas ungew¨ ohnlich erscheinen, dass im Kapitel u ¨ber die Schallabstrahlung auch die Frage der Anregung von Strukturen durch Schallwellen behandelt wird. Wenn man jedoch bedenkt (siehe Abschnitt 6.9), dass Abstrahlung und Anregung u ¨ber das Reziprozit¨atsprinzip eng miteinander zusammenh¨angen, so stellt sich diese Vorgehensweise sogar als naheliegend heraus. 6.8.1 D¨ ammung von Platten und Einfachw¨ anden Das betrachtete idealisierte Modell, bei dem eine ebene Schallwelle unter dem Winkel ϑ auf eine ebene, unbegrenzte Wand auff¨allt, ist in Bild 6.30 skizziert. Die Wand befindet sich in der Ebene y = 0. Da die einfallende Schallwelle von
Bild 6.35. Anregung von Einfachw¨ anden durch ebenen Schallwellen
der Trennwand teilweise reflektiert und teilweise durchgelassen wird, sind die Schalldr¨ ucke und die y-Komponenten der Schallschnelle durch % [pi e−jk0 y cos ϑ + pr ejk0 y cos ϑ ]e−jk0 x sin ϑ f¨ ur y < 0 p(x, y) = pt e−jk0 y cos ϑ e−jk0 x sin ϑ f¨ ur y > 0 % cos ϑ [p e−jk0 y cos ϑ − pr ejk0 y cos ϑ ]e−jk0 x sin ϑ f¨ ur y < 0 ρ0 c0 i vy (x, y) = cos ϑ −jk0 y cos ϑ −jk0 x sin ϑ e f¨ ur y > 0 ρ0 c0 pt e (6.169) gegeben. Der Zusammenhang zwischen vy und p ergibt sich aus dem Impulssatz (siehe z.B. (6.48). Die Winkelfunktionen treten auf, damit p und vy L¨osungen der homogenen Schallfeldgleichung sind, siehe auch Abschnitt 6.4.3. Die Gr¨oßen pi , pr und pt bezeichnen die Schalldruck-Amplituden von auftreffender, reflektierter und durchgelassener Welle.
6.8 Anregung von Platten durch Schallwellen (Luftschalld¨ ammung)
493
Wenn sich zu beiden Seiten der Wand nicht das gleiche Medium befindet, verl¨auft die folgende Rechnung fast genauso. Mann muss lediglich im obigen Ansatz f¨ ur die Teilschallfelder f¨ ur y < 0 und f¨ ur y > 0 verschiedene Wellenwiderst¨ande und verschiedene - aus dem Snellius’schen Brechungsgesetz folgende - Einfalls- und Ausfallswinkel einsetzen. Der die in der Ebene y = 0 befindlichen Wand anregende Druck setzt sich aus der einfallenden, reflektierten und durchgelassenen Schallwelle zusammen. Es gilt also (6.170) p(x, 0) = (pi + pr − pt )e−jk0 x sin ϑ . Da diese Druckverteilung die Form einer fortschreitenden Welle hat, kann man unmittelbar die in Abschnitt 4.4.1 und 4.4.2 f¨ ur mehrere F¨alle angegebene Trennimpedanz benutzen und erh¨ alt f¨ ur die Schnelleverteilung der Wand vw (x) =
pi + pr − pt −jk0 x sin ϑ e . Zτ ϑ
(6.171)
Dabei ist Zτ ϑ die Trennimpedanz f¨ ur kx = k0 sin ϑ, weil die Anregung nach (6.169) auf der ganzen Platte mit dieser Wellenzahl erfolgt. Die Wellenzahl kz kann bei den hier behandelten Problemen, bei denen keine Richtungsabh¨angigkeit in der Plattenebene besteht, zu Null gesetzt werden (lediglich bei orthotropen Platten w¨ are diese Vorgehensweise nicht zul¨assig). Benutzt man nun noch als Randbedingung, dass zu beiden Seiten der Wand die Normalkomponente der Mediumschnelle gleich der Wandschnelle sein muss, dann erh¨alt man f¨ ur y = 0 cos ϑ pi + pr − pt (pi − pr ) = ; ρ0 c0 Zτ ϑ
cos ϑ pi + pr − pt pt = . ρ0 c0 Zτ ϑ
(6.172)
Daraus folgt f¨ ur die Plattenschnelle und f¨ ur die Amplitude des durchgelassenen Schalldrucks −1 2pi Zτ ϑ cos ϑ pt = 1+ . (6.173) ; vw = Zτ ϑ + 2ρ0 c0 / cos ϑ pi 2ρ0 c0 Aus (6.173) kann man nun auch den sogenannten Transmissionsgrad τ , also das Verh¨altnis von durchgelassener Schallleistung Pt zu einfallender Schallammmaß R ermitteln. Es ist leistung Pi und das Luftschalld¨ 2 −2 pt Zτ ϑ cos ϑ Pt = = 1 + (6.174) τ= Pi pi 2ρ0 c0 und R = 10 lg
1 Zτ ϑ cos ϑ . = 20 lg 1 + τ 2ρ0 c0
(6.175)
Wie man sieht bildet die Trennimpedanz Zτ ϑ die entscheidende Gr¨oße f¨ ur die d¨ammende Wirkung der Wand. Insbesondere ist wichtig, ob sie bei der interessierenden Frequenz und im betrachteten Winkelbereich verschwinden kann,
494
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
denn jede Nullstelle von Zτ ϑ bedeutet einen Totaldurchgang (τ = 1, R = 0) des ankommenden Schalls. Die Gleichungen (6.174) und (6.175) k¨ onnen f¨ ur alle unendlich ausgedehnten Strukturen benutzt werden, deren Trennimpedanz bekannt ist; also f¨ ur Platten mit Schubsteife, orthotrope Platten (4.70), Platten mit Vorspannung (4.73) und Membrane. Auch f¨ ur Doppelplatten mit einer auf Schub beanspruchten Zwischenschicht (3.126) oder mit einer federnden Schicht ohne seitliche Kopplung (Zτ ϑ nach (5.270)) k¨ onnen (6.174) und (6.175) verwendet werden, wenn die Luftschalld¨ ammung interessiert. Im Folgenden wird hier nur die d¨ unne Platte diskutiert, f¨ ur die nach (4.69) bei Anregung mit kx = k0 sin ϑ (6.176) Zτ ϑ = jωm 1 − (k0 /kB )4 sin4 ϑ gilt. Im Bereich k0 kB , also weit unterhalb der Grenzfrequenz, (Abschnitt 6.6.2), kann man den zweiten Term in der eckigen Klammer unber¨ ucksichtigt lassen und erh¨alt das sogenannte Massengesetz der Luftschalld¨ammung. ω 2 m2 cos2 ϑ f¨ ur f fg . R = 10 lg 1 + (6.177) 4ρ20 c20 Die Schalld¨ammung von Platten unterhalb der Grenzfrequenz ist also um so gr¨oßer, je gr¨oßer der Massenwiderstand im Vergleich zum Wellenwiderstand ist. Nach Gl.(6.177) verschwindet die Schalld¨ammung f¨ ur streifenden Schalur besteht jedoch lediglich in der Tatsache, leinfall (ϑ = 90◦ ). Die Ursache daf¨ dass sowohl die auf die Wand auftreffende Leistung als auch die durchgelassene Leistung beide in diesem Grenzfall (ϑ = 90◦ ) so zu Null werden, dass ihr Quotient gleich 1 ist. F¨ ur den streifenden Einfall findet also in Wahrheit gar keine Schall¨ ubertragung auf die ’Empfangsseite’ y > 0 statt, obwohl f¨ ur den Grenzwert τ (ϑ = 90◦ ) = 1 gilt. Aus diesem Grund kann man den streifenden Einfall unber¨ ucksichtigt lassen und bei Schallwellen, die von allen Richtungen gleichm¨ aßig einfallen, in (6.177) n¨aherungsweise mit cos2 ϑ = 1/2 rechnen. Weil f¨ ur die praktisch interessierenden Platten und W¨ande - von den allertiefsten Frequenzen und den allerleichtesten Bauteilen abgesehen - stets ωm >> 2ρ0 c0 gilt (beispielsweise ist f¨ ur nur 100 Hz und m = 10 kg/m2 in aherungsweise f¨ ur das D¨ammmaß Luft ωm = 15ρ0 c0 ), gilt n¨ ωm R = 20 lg (6.178) − 3 f¨ ur f fg 2ρ0 c0 Im Frequenzbereich unterhalb der Grenzfrequenz steigt demnach das D¨ammmaß einer Wand mit 6 dB pro Massenverdopplung und mit ebenfalls 6 dB pro Oktav an. Bild 6.36 gibt ein Beispiel f¨ ur den Vergleich zwischen Rechnung nach Gl.(6.178) und Messung. Wie man an diesem Beispiel (und an anderen) sieht, lassen sich die rechnerischen Werte in der Praxis relativ gut realisieren, vorausgesetzt, dass die Grenzfrequenz nicht u ¨berschritten wird. Im allgemeinen
6.8 Anregung von Platten durch Schallwellen (Luftschalld¨ ammung)
495
50
Schalldämmmaß R in dB
40
30
20
10
0 125
250
500
1000
2000
4000
8000
f/Hz
Bild 6.36. Gemessenes Luftschalld¨ ammmaß einer Fensterscheibe von 3 mm Dicke (Kurve mit Symbolen). Gerade: Rechenwerte f¨ ur m” = 7,5 kg/m2 . Die Grenzfrequenz betr¨ agt offensichtlich etwa 2500 Hz.
lassen sich auf Grund der Massend¨ ammung unterhalb der Grenzfrequenz keine Schalld¨ammmaße von mehr als 45 dB erzielen. Eine Ausnahme hiervon bilden nur sehr schwere und biegeweiche Materialien, wie Blei, Gummi oder dergleichen. Bei Frequenzen oberhalb der Grenzfrequenz gibt es, wie (6.176) zeigt, einen durch sin ϑ = kB /k0 gegebenen Winkel, bei dem Zτ ϑ verschwindet. Bei diesem Winkel setzt die Platte dem Schall also keinen Widerstand entgegen, so ¨ dass eine ungehinderte Ubertragung erfolgt. Dieser Effekt tritt auf, wenn die (freie) Biegewellenl¨ ange λB mit der Spurwellenl¨ange der anregenden Schallwelle λ0 / sin ϑ u ¨bereinstimmt und wird daher als ’Spuranpassung’ bezeichnet. Es zeigt sich also die sehr wichtige Tatsache, dass die Richtungen maximaler Anregung und maximaler Abstrahlung (siehe Abschnitt 6.4.3) identisch sind. Dass die hierin enthaltene Reziprozit¨ at noch viel weitgehender ist, wird der n¨achste Abschnitt zeigen. Da man den Spuranpassungswinkel bei homogenen Platten auch durch kB = fg /f (6.179) sin ϑ = k0 ausdr¨ ucken kann, n¨ ahert sich der Spuranpassungswinkel mit wachsender Frequenz immer mehr dem senkrechten Schalleinfall. F¨ ur Winkel, die kleiner sind als die durch (6.179) gegebene Grenze, wird die Trennimpedanz wieder zu einem Massenwiderstand, w¨ ahrend man f¨ ur gr¨ oßere Winkel die N¨aherung
496
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
Zτ ϑ =
B k04 sin4 ϑ ω 3 B sin4 ϑ = jω jc40
machen kann; die Trennimpedanz wird zu einem richtungsabh¨angigen Steifigkeitswiderstand, der mit der dritten Potenz der Frequenz ansteigt. Schalld¨ammung und Wandschnelle sind bei gleichm¨aßigem Schalleinfall aus allen Richtungen nat¨ urlich im Wesentlichen durch das Verhalten in der N¨ahe von sin ϑ = fg /f bestimmt. Die Berechnung des Schalld¨ammmaßes oberhalb der Grenzfrequenz wird hier nicht geschildert, weil dasselbe Problem in Abschnitt 6.9 nochmals aus einer ganz anderen Richtung aufgegriffen wird. 6.8.2 Doppelw¨ ande mit Schallbr¨ ucken Neben den homogenen Einfachw¨ anden, deren prinzipielles Verhalten im vorigen Abschnitt besprochen wurde, sind in der Praxis auch Doppelw¨ande von großer Bedeutung. Im Idealfall der unendlichen Doppelplatte ohne Schallbr¨ ucken erh¨alt man das Schalld¨ammmaß, indem man Zτ 2 aus (5.270) in (6.175) einsetzt. Beschr¨ankt man sich nun auf Frequenzen unterhalb der Grenzfrequenzen der beiden Platten, dann kann man dieselbe N¨ aherung wie zwischen (6.176) und (6.177) machen und erh¨ alt 2 2 ω 2 m2 ω2 1 cos ϑ . (6.180) 1− 2 Rid = 10 lg 1 + 4ρ20 c20 ω1 + ω22 Die hier auftretenden Abstimmfrequenzen sind durch (5.268) gegeben. Von gr¨oßerer praktischer Bedeutung als dieser Idealfall ist jedoch die biegesteife Wand, deren Schalld¨ ammung durch eine vorgesetzte, d¨ unne, biegeweiche Platte verbessert werden soll (siehe Bild 6.37). Von der biegesteifen Wand wird gefordert, dass ihre Grenzfrequenz unterhalb des interessierenden Frequenzbereichs liegt, so dass der Abstrahlgrad - unabh¨agig davon, ob es sich um Luftschall- oder K¨ orperschallanregung handelt - n¨aherungsweise gleich eins gesetzt werden kann. Die Schalld¨ ammung der biegesteifen Wand altnis der einfallenden Schallleistung Pi sei R1 ; sie ergibt sich aus dem Verh¨ zur durchgelassenen Leistung Pt1 (siehe auch (6.175)). Da wegen σ = 1 die durchgelassene, von der Wand also abgestrahlte Leistung auch durch den Efache S und den Strahlungswiderstand ρ0 c0 fektivwert der Schnelle v1 , die Fl¨ ausgedr¨ uckt werden kann, l¨ asst sich das Schalld¨ammmaß auch in der Form R1 = 10 lg
Pi Pi dB = 10 lg 2 Pt1 v˜1 ρ0 c0 S
(6.181)
schreiben. ¨ Es wird nun angenommen, dass die Ubertragung von der biegesteifen Wand auf die biegeweiche Vorsatzschale nur u ucken ¨ber punktf¨ormige Schallbr¨
6.8 Anregung von Platten durch Schallwellen (Luftschalld¨ ammung)
497
Bild 6.37. Verbesserung der Schalld¨ ammung durch biegeweiche Vorsatzschale bestehend aus 10 mm Gipskartonplatten. a punktf¨ ormige Befestigung (N¨ agel), b linienf¨ ormige Befestigung
geschieht und dass die Vorsatzschale so groß und ged¨ampft ist, dass die Biegewellennahfeldabstrahlung u ¨berwiegt. Dann ist nach (6.141) die hiervon abgestrahlte Leistung durch Pt2 =
8 2 v˜ ρ0 c0 nλ2g π3 2
(6.182)
uckenorten ist; n gegeben, wobei v˜2 der Effektivwert der Schnelle an den Br¨ bedeutet die Anzahl der Schallbr¨ ucken und λg die Wellenl¨ange bei der Grenzfrequenz. Der Unterschied um den Faktor 2 zwischen (6.141) und (6.182) ist darauf zur¨ uckzuf¨ uhren, dass hier mit Effektivwerten gerechnet wird. Mit Hilfe von (6.182) ergibt sich die Schalld¨ammung der Gesamtkonstruktion zu R = 10 lg
Pi Pt1 v˜2 Sπ 3 Pi = 10 lg + 10 lg = R1 + 10 lg 12 2 Pt2 Pt1 Pt2 8˜ v2 nλg
(6.183)
498
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
Das zweite Glied dieser Gleichung ist offensichtlich die durch die Vorsatzschale bewirkte Verbesserung des Schalld¨ ammmaßes. Sie ist umso gr¨oßer, je nachgiev22 ), je weniger Br¨ ucken vorhanden biger die Br¨ ucken sind (d.h. je gr¨ oßer v˜12 /˜ sind und je h¨oher die Grenzfrequenz ist. Ein Beispiel f¨ ur die gemessene und gerechnete Verbesserung der Schalld¨ammung durch eine punktf¨ ormig befestigte, biegeweiche Vorsatzschale ist in Bild 6.37 (oben) aufgetragen. Es handelt sich um eine Befestigung mit starren Br¨ ucken (˜ v2 ≈ v˜1 ) und um eine Vorsatzschale mit der Grenzfrequenz ¨ von 2800 Hz. Wie man sieht, ist die Ubereinstimmung bei den mittleren und hohen Frequenzen relativ gut. ¨ Bei tiefen Frequenzen macht sich zus¨ atzlich zur Ubertragung u ¨ber die ¨ Br¨ ucken auch noch die Ubertragung u ¨ber die eingeschlossene Luft- oder Faserschicht bemerkbar, die genauso wie beim schwimmenden Estrich zu einer uhrt (siehe auch (6.180) f¨ ur durch 40 lg f /f2 beschreibbaren Verbesserung f¨ ω1 ω2 und ω2 > ω). Dabei ist f2 die Resonanzfrequenz des Systems bestehend aus der Federsteife der eingeschlossenen Schicht und der Masse der Vorsatzschale. Insgesamt ist also die Verbesserung ΔR des Schalld¨ammmaßes durch eine punktf¨ ormig befestigte, biegeweiche Vorsatzschale durch ΔR = 40 lg(f /f2 ) oder ΔR = 10 lg
v˜12 Sπ 3 8˜ v22 nλ2g
(6.184)
gegeben, wobei stets der kleinere der von den beiden Gleichungen gegebenen Werte zu nehmen ist. Eine ganz analoge Rechnung kann man auch f¨ ur linienf¨ormig (also beispielsweise durch Latten) befestigte, biegeweiche Vorsatzschalen durchf¨ uhren. In diesem Fall ist - wie man aus (6.145) f¨ ur ωm ρ0 c0 und der Balkenimpedanz nach (4.30) ausrechnen kann - die Abstrahlung des Biegewellennahfeldes durch 2 Pt2 = v˜22 ρ0 c0 nlB λg π gegeben, wobei wieder v2 die Schnelle an den Befestigungspunkten, n die Anzahl der Br¨ ucken und lB die L¨ ange einer Br¨ ucke bezeichnet. F¨ ur die Verbesserung des Schalld¨ ammmaßes bei linienf¨ ormiger Befestigung ergibt sich damit ΔR = 40 lg(f /f1 ) oder (6.185) v˜12 Sπ v˜12 bπ ΔR = 10 lg 2 = 10 lg 2 . 2˜ v2 nlB λg 2˜ v2 λg Dabei bedeutet b den Abstand zwischen zwei Linienbr¨ ucken. Ein Beispiel f¨ ur die Verbesserung durch starr befestigte Linienbr¨ ucken ist aus Bild 6.37 (unten) zu ersehen. Man erkennt, dass sich auch hier wieder bei h¨oheren Frequenzen eine konstante Verbesserung ergibt, die allerdings niedriger ist als bei Punktbr¨ ucken. Die mit starren Linienbr¨ ucken erreichbaren
6.9 Zusammenhang zwischen Abstrahlung und Anregung
499
Verbesserungen liegen bei einigermaßen biegeweichen Vorsatzschalen im Bereich von 5 - 10 dB. Bei biegesteifen Vorsatzschalen sind die Verbesserungen geringer. Es kann sogar - bei Vorhandensein vieler Br¨ ucken und bei Verwendung von Materialien mit geringer innerer D¨ ampfung - vorkommen, dass die Schalld¨ammung durch eine Vorsatzschale etwas verschlechtert wird. Ein Beispiel daf¨ ur findet man in Bild 5.44. Probleme treten in der Praxis bei den biegesteifen Vorsatzschalen leider nur zu h¨ aufig auf, wenn sie an vielen Stellen (z.B. durch M¨ortel) angeklebt sind.
6.9 Zusammenhang zwischen Abstrahlung und Anregung 6.9.1 Das Reziprozit¨ atsprinzip Im Zusammenhang mit der Anregung von Platten wurde bereits darauf hingewiesen, dass bei der Berechnung der u ¨bertragenen K¨orperschallleistung fast dieselben Ausdr¨ ucke auftreten, wie bei der Bestimmung der Abstrahlung. Außerdem zeigte sich auch im vorigen Abschnitt, dass die Richtungen maximaler Anregung und Abstrahlung identisch sind. Diese Analogien sind nicht zuf¨allig. Sie sind vielmehr Ausdruck des in der ganzen Physik immer wieder vorkommenden Reziprozit¨ atsprinzips, von dem auch in den anderen Kapiteln schon mehrfach Gebrauch gemacht wurde. Dieses Prinzip kann im Falle der Akustik folgendermaßen formuliert werden: Wenn eine am Ort P1 angreifende Kraft F1 am Ort P2 die Schnelle v12 erzeugt, dann erzeugt eine Kraft gleicher Gr¨ oße F2 = F1 , wenn sie am Ort P2 angreift, an der Stelle P1 ebenfalls die Schnelle v21 = v12 . Werden also Anregeort und Empfangsort vertauscht, dann bleibt das Verh¨altnis von anregender Kraft zu gemessener Schnelle gleich; dabei ist nur noch zu beachten, dass die Richtungen u ¨bereinstimmen, in denen in einem Fall die Kraft wirkt und im anderen Fall die Schnelle gemessen wird. Das Reziprozit¨ atsprinzip kann man nicht nur auf das Feldgr¨oßenpaar Kraft/Schnelle (bei gleicher Richtung) sondern auch auf andere Feldgr¨oßenpaare, deren Produkt eine Energie oder Leistung ergeben, anwenden. Beispiele sind die Paare Druck/Volumenfluss oder Moment/Winkelgeschwindigkeit. Da im Folgenden aus dem Reziprozit¨ atsprinzip noch weitreichende Schlussfolgerungen gezogen werden, erscheinen einige zus¨atzliche Bemerkungen angebracht. Hinsichtlich der theoretischen Begr¨ undung kann auf Lord Rayleigh verwiesen werden, der zeigen konnte, dass das Reziprozit¨atsprinzip stets dann g¨ ultig ist, wenn die Energie des betrachteten Systems - mit endlich vielen Freiheitsgraden - durch eine symmetrische quadratische Form beschrieben werden kann. Neuere Untersuchungen an gekoppelten kontinuierlichen Systemen mit unendlich vielen Freiheitsgraden geben im Prinzip dasselbe Ergebnis und zwar zeigen die Rechnungen, dass das Reziprozit¨ atsprinzip sicher angewandt werden kann, wenn die Differentialgleichungen der Bewegung in den Ortsvariablen
500
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
symmetrisch sind. Nun sind aber, solange die Vorg¨ange linear sind und solange keine Str¨omungsvorg¨ ange zu beachten sind, die im Rahmen der Akustik vorkommenden Differentialgleichungen symmetrisch. Es gibt allerdings in der Literatur auch unsymmetrische Differentialgleichungen; z.B. f¨ ur die Bewegungen von Zylinderschalen oder f¨ ur die Schallausbreitung in por¨osen Stoffen. Es handelt sich dabei jedoch immer um N¨ aherungsgleichungen, bei denen die Unsymmetrie durch kleine Vernachl¨ assigungen entstand. Man kann also das Reziprozit¨ atsgesetz bei allen u ¨blicherweise vorkommenden akustischen Problemen anwenden. Hinsichtlich der praktischen Verwendung des Reziprozit¨ atsprinzips ergeben sich manchmal Schwierigkeiten, die jedoch immer darauf zur¨ uckzuf¨ uhren sind, dass die Voraussetzungen f¨ ur die G¨ ultigkeit nicht exakt erf¨ ullt sind. So kann man zum Beispiel bei Luftschallmessungen Sende- und Empfangsort nur dann vertauschen, wenn sowohl Sender als auch Empf¨ anger die gleiche Richtcharakteristik, z.B. eine Kugelcharakteristik, besitzen. Analog dazu muss man bei K¨orperschallproblemen stets beachten, dass Reziprozit¨ at nur f¨ ur Punktkr¨ afte (oder wenn man Winkelgeschwindigkeiten misst, nur f¨ ur Momente) gilt und dass man die Richtungen von Kraft und Schnelle zu beachten hat. Zur Vermeidung von Unklarheiten wird das Reziprozit¨ atsprinzip im Folgenden nur in der oben angegebenen einfachen Fassung benutzt. Es sei noch erw¨ ahnt, dass man das Reziprozit¨atsprinzip auch auf mehrere Quellen und Empf¨ anger erweitern kann. Man kommt so zu dem Heaviside’schen Gesetz der wechselseitigen Energie. Dieses Gesetz ist bei vielen messtechnischen Problemen sehr hilfreich. Es wird jedoch in diesem Buch nicht ben¨otigt. 6.9.2 Anregung und Abstrahlung in einem Hallraum Einen allgemein g¨ ultigen Zusammenhang zwischen Anregung und Abstrahlung in einem Hallraum kann man mit Hilfe der folgenden Gedankenexperimente A und B finden. Die interessierende Konstruktion, im Folgenden auch als ’Untersuchungsobjekt’ bezeichnet (beispielsweise eine gekr¨ ummte oder gestreckte Platte), sei in einem Hallraum (gef¨ ullt mit Luft oder einem anderen gasf¨ormigen oder fl¨ ussigen Medium) eingebaut (Bild 6.38) und werde durch eine Punktkraft mit dem Effektivwert F˜ angeregt (Gedankenexperiment A). Es ergibt sich also irgendeine Schnelleverteilung, die zu einer entsprechenden Schallabstrahlung f¨ uhrt. Die in den Hallraum abgestrahlte Schallleistung P ist, solange es sich um lineare Bewegungen handelt, proportional zum Schnellequadrat und damit auch proportional zum Quadrat der anregenden Kraft. Es muss also P = αF˜ 2 ,
(6.186)
gelten, wobei α eine f¨ ur das Abstrahlverhalten charakteristische Gr¨oße ist. Nach (6.1) erzeugt die Leistung P in einem Raum mit dem Volumen V und der Nachhallzeit T ein mittleres Schalldruckquadrat der Gr¨oße
6.9 Zusammenhang zwischen Abstrahlung und Anregung
501
Bild 6.38. Skizze zur Ableitung von (6.195)
p˜2 =
ρ0 c20 T P. 13, 8V
(6.187)
Das Schalldruckquadrat an den Raumbegrenzungsfl¨achen ist, falls diese gen¨ ugend schwer sind, wegen der Reflexion im Mittel doppelt so hoch als der durch (6.187) gegebene Wert. Es sei nun in einer Hallraumwand eine bewegliche Scheibe der Masse m und der Oberfl¨ ache S eingesetzt. Auch an der Oberfl¨ache dieser Scheibe betr¨ agt das Schalldruckquadrat 2˜ p2 , falls sie nur gen¨ ugend schwer ist. Nimmt man weiter an, dass die Abmessungen der Scheibe f¨ ur alle vorkommenden Frequenzen wesentlich kleiner sind als die Wellenl¨ange im umgebenden Medium,
dann kann man die Scheibe als eine Masse betrachten, auf die die Kraft 2˜ p2 S wirkt. F¨ ur das Quadrat der Scheiben-Schnelle gilt demzufolge 2˜ p2 S 2 (6.188) v˜S2 = 2 2 . ω m Durch Kombination von (6.186) bis (6.188) ergibt sich ρ0 c20 T S 2 v˜S2 =α . 6, 9V ω 2 m2 F˜ 2
(6.189)
Im umgekehrten Gedankenexperiment regt man die bewegliche Scheibe mit der Punktkraft F an (Gedankenexperiment B), dann gilt
502
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
v˜S2 =
F˜ 2 . ω 2 m2
(6.190)
Das Quadrat des erzeugten Schallflusses ist also q˜2 = S 2 v˜S2 . Da es sich nach Voraussetzung um eine Quelle kleiner Abmessung handelt, ist die abgestrahlte Leistung durch (6.31) (mit k0 a 1) gegeben. Es ist nur zu beachten, dass hier mit Effektivwerten gerechnet wird. Die von der kleinen Scheibe abgestrahlten Leistung betr¨agt also ρ0 c0 2 2 2 k S v˜S , P1 = (6.191) 2π 0 wobei k0 die Wellenzahl im umgebenden Medium ist. Das mittlere Schalldruckquadrat ergibt sich wie oben zu p˜2 =
ρ0 c20 T P1 . 13, 8V
(6.192)
Dieser so erzeugte Schalldruck regt nun die Ausgangskonstruktion zu Schwingungen an, die wegen der Linearit¨ at proportional zum anregenden Druck sind. Man kann also eine die Anregung charakterisierende Gr¨oße β einf¨ uhren, die den Zusammenhang zwischen Schallschnelle v des Untersuchungsobjektes und Schalldruck p im Raum beschreibt: v˜2 = β p˜2 .
(6.193)
Kombiniert man nun (6.190) bis (6.193), so folgt β ρ20 c30 T k02 S 2 v˜2 = . 2π 13, 8V ω 2 m2 F˜ 2
(6.194)
Auf (6.189) und (6.194) kann man nun das Reziprozit¨atsgesetz anwenden, denn bei dem Gedankenexperiment wurden Punktkr¨afte verwendet und es wurde Anregeort und Beobachtungsort vertauscht. Damit folgt als Endergebnis α k2 ρ0 c0 = 0 . (6.195) β 4π Diese Gleichung besagt, dass man die Schnelle einer Platte oder einer anderen, a¨hnlichen Konstruktion, die durch ein statistisch verteiltes Schallfeld angeregt wird, sofort angeben kann, wenn man die Leistung kennt, die dieselbe Konstruktion abstrahlt, wenn eine Punktkraft auf sie wirkt. Man kann also Anregung und Abstrahlung ineinander u uhren, vorausgesetzt, dass ¨berf¨ es sich um ein statistisch (d.h. u ber alle Einfallsrichtungen gleichm¨aßig) ver¨ teiltes Schallfeld und um eine Punktkraft handelt. Es muss noch betont werden, dass die Gr¨ oßen α und β im allgemeinen Fall ortsabh¨angig sind. Beispielsweise ist bei einer mit Rippen versehenen Platte die Gr¨oße α, d.h. die abgestrahlte Leistung, sehr verschieden, je nachdem, ob die anregende Kraft auf eine der Rippen oder auf ein dazwischen liegendes
6.9 Zusammenhang zwischen Abstrahlung und Anregung
503
Plattenst¨ uck wirkt. Analog dazu ist β, d.h. die Schnelle bei Schallfeldanregung, sehr unterschiedlich, je nachdem, ob auf einer Rippe oder dazwischen gemessen wird. Man muss also bei inhomogenen Konstruktionen immer darauf achten, dass die Hilfsgr¨ oßen α und β f¨ ur denselben Punkt gemessen werden. Bei homogenen Konstruktionen liegen die Verh¨altnisse etwas einfacher, denn in diesem Fall ist - wenn man von einem kleinen Gebiet in der N¨ahe der R¨ander absieht - die von einer Punktkraft erzeugte Schallleistung im Frequenzmittel ziemlich unabh¨ angig vom Anregeort. Demzufolge kann man dann auch (6.195) auf das r¨ aumliche Mittel des Schnellequadrats anwenden (¨ahnlich wie auch die Verwendung von (6.187) und (6.192) im Grunde genommen eine Mittelung u ¨ber viele verschiedene Raumformen darstellt). Die Tatsache, dass (6.195) f¨ ur jeden Punkt auf der Begrenzungsfl¨ache eines Hallraums gilt, kann man auch dazu benutzen, diejenigen Stellen eines Raumes zu finden, die am unempfindlichsten“ gegen¨ uber Punktkr¨ aften sind. Man regt dazu den fragli” chen Raum durch Luftschall an und kann dann durch K¨orperschallmessungen den Punkt finden, in dem die Schnelle - und damit auch β - am kleinsten ist. Am selben Punkt ist wegen (6.195) auch α und damit die von einer Punktkraft abgestrahlte Leistung am geringsten. Der gefundene Punkt eignet sich also als Befestigungsort f¨ ur k¨ orperschallerzeugende Maschinen und dergleichen. Dieses Verfahren empfiehlt sich nat¨ urlich besonders dann, wenn die W¨ande (wie z.B. in einem Schiff) nicht homogen sind. 6.9.3 Richtcharakteristiken von Anregung und Abstrahlung F¨ ur die Anwendung des Reziprozit¨ atsprinzips auf den Zusammenhang von Anregung und Abstrahlung ist der im letzten Abschnitt benutzte Hallraum nicht essentiell. Man k¨ onnte beispielsweise auch die in Bild 6.39 skizzierten Gedankenexperimente machen. Es wird eine Struktur in einem unendlich ausgedehnten Medium betrachtet. Im Teil A des Gedankenexperiments wird die Struktur an einer Stelle mit der Punktkraft FA angeregt. Im Fernfeld nimmt der Schalldruck mit wachsendem Abstand R ab; außerdem ist er proportional zur anregenden Kraft. Es gilt also |pA |2 = γ|FA |2 /R2 .
(6.196)
Dabei ist γ eine Proportionalit¨ atskonstante, die von den Materialdaten und Abmessungen der Struktur, den Kenndaten des umgebenden Mediums und vom Winkel ϑ abh¨ angt. Die Schallschnelle, die auf diese Weise im Fernfeld in Richtung der Verbindungslinie R erzeugt wird, betr¨agt vA =
pA . ρ0 c0
(6.197)
Beim Teil B des Gedankenexperiments wirkt die Kraft FB unmittelbar auf das Medium. Der Schalldruck, den diese Kraft im Fernfeld entlang der Verbindungslinie R erzeugt, ist nach (6.42)
504
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
Bild 6.39. Skizze zur Ableitung von (6.200)
|p2B | =
FB2 k02 . 16π 2 R2
(6.198)
Darin ist pB der Schalldruck der einfallenden Welle, die die Struktur zu Schwingungen anregt. Wegen der Linearit¨ at der Vorg¨ange sind einfallender Druck und erzeugte Schnelle an jedem Punkt zueinander proportional; es gilt also 2 | = ε|p2B |. (6.199) |vB Die meist von Ort zu Ort variierende Gr¨ oße ε h¨angt von den Eigenschaften der Struktur sowie des Mediums und vom Winkel ab. Kombiniert man (6.196) bis (6.199) so erh¨ alt man nach Anwendung des Reziprozit¨atsprinzips (d.h. FA /vA = FB /vB ) γ ρ2 c2 k 2 (6.200) = 0 0 20 . ε 16π Wie man sieht, h¨ angen also der bei Anregung mit einer Punktkraft ins Fernfeld abgestrahlte Schall (beschrieben durch γ) und die Empfindlichkeit der Struktur bei Anregung durch ebene Wellen (beschrieben durch ε) aufs Engste miteinander zusammen. Wendet man (6.200) auf unendlich ausgedehnte Strukturen mit der Trennimpedanz Zτ ϑ bei Schalleinfall aus der Richtung ϑ an, dann ist nach (6.173) ε=
2 | 4 |vw = . |p2i | |Zτ ϑ + 2ρ0 c0 / cos ϑ|2
(6.201)
6.9 Zusammenhang zwischen Abstrahlung und Anregung
505
Wendet man hierauf (6.200) an, dann erh¨ alt man den Zusammenhang zwischen einer Punktkraft und dem Fernfeldschalldruck. Man kann sich leicht davon u ¨berzeugen, dass die Kombination von (6.200) und (6.201) gerade (6.135) ergibt. Man h¨atte also beispielsweise (6.138) durch Integration von (6.173) u onnen, indem man Zτ = jωm und ρ0 c0 statt ¨ber alle Winkel ϑ erhalten k¨ 2ρ0 c0 eingesetzt h¨ atte (weil sich das schallf¨ uhrende Medium in (6.138) nur auf einer Seite befindet). 6.9.4 Schalld¨ ammung oberhalb der Grenzfrequenz Bei der Schalld¨ammung handelt es sich im Prinzip um zwei Probleme: um die Anregung einer Trennwand durch die einfallenden Schallwellen und um die Abstrahlung der Wandschwingungen. Man kann also auch hierauf (6.195) anwenden, denn die Anregung“ wird gerade durch die Gr¨oße β charakterisiert. ” Dieser Tatbestand l¨ asst sich in Formeln ausdr¨ ucken, wenn man ber¨ ucksichtigt, dass in einem Hallraum mit dem mittleren Schalldruckquadrat p˜2 die auf eine Wand der Fl¨ache S auffallende Leistung durch Pi = p˜2 S/4ρ0 c0 gegeben ist, w¨ahrend man die von der Wand mit der Schnelle v auf der anderen Seite wieucken kann. Man findet der abgestrahlte Leistung durch Pt = v˜2 ρ0 c0 Sσ ausdr¨ also 1 p˜2 Pi (6.202) = 10 lg 2 2 2 = 10 lg 2 2 . R = 10 lg Pt 4˜ v ρ0 c0 σ 4ρ0 c0 σβ Dabei ist σ diejenige Gr¨ oße, u ¨ber die im allgemeinen am wenigsten bekannt ist; denn der Abstrahlgrad h¨ angt - wie bereits mehrfach erw¨ahnt - von der Art der Anregung ab. Man kann daher nicht ohne weiteres die f¨ ur Punktkr¨afte gefundenen Gleichungen auf das vorliegende Luftschallproblem anwenden. Lediglich oberhalb der Grenzfrequenz betr¨ agt der Abstrahlgrad sowohl f¨ ur die Anregung durch eine Punktkraft als auch durch Schallwellen σ ≈ 1. Man erh¨alt also zusammen mit (6.195) R = 10 lg
1 4ρ20 c20 β
= 10 lg
k02 f¨ ur f > fg . 16πρ0 c0 α
(6.203)
Die Schalld¨ammung von homogenen Einfachw¨anden l¨asst sich demnach sofort angeben, wenn die Abstrahlung bei punktf¨ ormiger Anregung bekannt ist. Nun ist aber nach (4.185) die mittlere Plattenschnelle bei Einwirkung einer Punktkraft 2 F˜ 2 kB v˜2 = , 2 2 8ω m ηS wobei η den Verlustfaktor bezeichnet. Die abgestrahlte Leistung oberhalb der Grenzfrequenz betr¨ agt wegen σ = 1 also 2 ρ0 c0 kB F˜ 2 . P = αF˜ 2 = v˜2 ρ0 c0 S = 8ω 2 m2 η
(6.204)
506
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
Setzt man das so erhaltene α in (6.203) ein, so folgt die auf einem ganz anderen Wege urspr¨ unglich u ¨ber eine andere Ableitung von Cremer gefundene Formel R = 10 lg
f ω2 m2 k02 η ω 2 m2 2η + 10 lg = 10 lg + 10 lg f¨ ur f > fg . (6.205) 2 2 2 2πρ0 c0 kB 4ρ20 c20 π fg
Dr¨ uckt man hier den Verlustfaktor durch die - im eingebauten Zustand gemessene - K¨orperschallnachhallzeit TK aus (siehe Tabelle 3.2 auf Seite 150), so kann man auch schreiben R = 20 lg
ωm − 10 lg fg TK + 1, 5 f¨ ur f > fg . 2ρ0 c0
(6.206)
Einen Vergleich dieser Gleichung mit Messwerten liefert Bild 6.40, das auf Untersuchungen von Josse und Lamure [6.26] zur¨ uckgeht. Bei der Messung
Bild 6.40. Schalld6amm-Maß einer 22 cm Ziegelwand (m = 450 kg/m2 , fg = 170 Hz). a Messwerte; b gerechnete Werte nach (6.206) unter Ber¨ ucksichtigung der im eingebauten Zustand gemessenen K¨ orperschall-Nachhallzeiten TK
erzeugt man im halligen Senderaum durch einen oder mehrere Lautsprecher einen Schalldruck p. Dieser Schalldruck, der im allgemeinen an 5 bis 10 Stellen oder mit einem bewegten Mikrophon gemessen wird, ist ein Maß f¨ ur die einfallende Schallleistung Pi . Die in den Empfangsraum abgestrahlte Leistung erh¨alt man aus der Messung des Schalldruckes pE und der Nachhallzeit T im Empfangsraum. Auch diese Messung wird an mehreren Stellen vorgenommen. Man ben¨otigt nun nur noch das Volumen V des Empfangsraumes und
6.9 Zusammenhang zwischen Abstrahlung und Anregung
507
die Pr¨ uffl¨ache S, um das Schalld¨ ammmaß aus den Messdaten zu ermitteln. Nach Gl.(6.1) gilt R = 10 lg
ρ0 c20 T Pi p˜2 S = 10 lg , Pt 4ρ0 c0 13, 8V p˜E 2
(6.207)
oder, wenn man zu Schalldruckpegeln u ¨bergeht, R = LS − LE + 10 lg
T Sc0 . 55V
(6.208)
¨ Uber die an die Raumgr¨ oße und die Raumform zu stellenden Anforderungen gilt dasselbe wie bei der Bestimmung der Schallleistung (siehe auch [6.27]). Interessant f¨ ur die Praxis ist, dass die Schalld¨ammung auch oberhalb der Grenzfrequenz mit der Wandmasse zunimmt; daneben spielt aber auch noch die Lage der Grenzfrequenz und der Frequenzgang der D¨ampfung eine Rolle. Dieser letztere Einfluss ist es, der es sehr schwierig macht, die Schalld¨ammung oberhalb der Grenzfrequenz vorherzuberechnen, denn die D¨ampfung h¨angt nicht nur vom Material, sondern auch von der Art der Randbefestigung ab. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass bei extrem verschiedenen Befestigungsarten trotz gleicher W¨ ande bis zu 6 dB verschiedene Schalld¨ammmaße gemessen wurden [6.18]. Manchmal verwendet man zum Vergleich mit Messungen die eindimensionale Version von (6.205). Man erh¨ alt sie nach demselben Verfahren, indem man von den Formeln f¨ ur eine Linienanregung und einer etwas modifizierten Form von (6.195) ausgeht. Das Ergebnis ist RE = 20 lg
m ω f + 10 lg(2η) + 5 lg . 2ρ0 c0 fg
(6.209)
(die entsprechende Rechnung ist z.B. in [6.35], Kapitel 8 wiedergegeben). Wie man sieht unterscheidet sich das D¨ ammmaß f¨ ur die u ¨blichen W¨ande nur wenig ¨ von (6.205). Uberraschenderweise stimmt (6.209) oft sogar besser mit Messergebnissen u ¨berein; es ist dabei allerdings nicht auszuschließen, dass (6.209) gerade den Fehler kompensiert den man oft dadurch macht, dass der Verlustfaktor η als frequenzunabh¨ angig angenommen wird. Hinsichtlich der Lage der Grenzfrequenz kann man aus (6.205) folgern, dass sie m¨oglichst weit unterhalb des interessierenden Frequenzbereiches liegen soll, um eine m¨ oglichst hohe Schalld¨ ammung zu erzielen. Wenn man also nicht erreichen kann, dass die Grenzfrequenz u ¨ber dem interessierenden Frequenzgebiet liegt, wenn man also nicht in den Genuss der Massend¨ammung kommen kann, dann soll man eine Wand so steif machen, dass die Grenzfrequenz m¨oglichst unter dem interessierenden Frequenzbereich liegt und außerdem versuchen, den Verlustfaktor m¨ oglichst hoch zu machen. Ganz ung¨ unstig ist es, wenn die Grenzfrequenz gerade mitten in dem f¨ ur den jeweiligen Zweck wichtigen Frequenzgebiet liegt. In diesem Fall hat man n¨amlich nicht nur eine gute Abstrahlung, sondern wegen der Reziprozit¨at auch eine gute
508
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
Anregung. Die Schalld¨ ammung wird also durch zwei Effekte gleichzeitig reduziert. In Wohnungen, in denen man sich auf die Betrachtung der Frequenzen zwischen 100 und 3200 Hz beschr¨ ankt, sollte man also keine homogenen Trennw¨ande mit Dicken zwischen 2 und 10 cm benutzen; denn wie Bild 6.28 zeigt, liegen die dazugeh¨ origen Grenzfrequenzen bei den u ¨blichen Materialien zwischen 150 und 1500 Hz. Es bleibt also nur die M¨oglichkeit, die erforderliche Schalld¨ammung durch relativ dicke, homogene Einfachw¨ande oder durch inhomogene W¨ande (mit speziellen Maßnahmen zur Erh¨ohung der Grenzfrequenz) oder durch Doppelw¨ ande zu erzielen. In der Praxis ergeben sich oft Probleme daraus, dass f¨ ur eine hohen Luftschalld¨ammung schwere, biegeweiche Platten, sogenannte ’schlappe’ Massen, erforderlich sind, w¨ ahrend aus statischen Gr¨ unden leichte, steife W¨ande erw¨ unscht sind. Es fragt sich deshalb, ob eine Parameterwahl m¨oglich ist, bei der (6.205) h¨ohere Werte ergibt als das Massengesetz. Da der erste Term in (6.205) gerade das Massengesetz darstellt, w¨ are die Frage zu bejahen, falls es gel¨ange die Bedingung 2η f >1 π fg zu erf¨ ullen. Leider scheint das in der Praxis nicht m¨oglich zu sein. Die Gr¨ unde sind: •
Falls man fg sehr niedrig legt, muss man sehr steife Konstruktionen verwenden. Gleichzeitig m¨ usste der Verlustfaktor mindestens etwa η = 0, 1 betragen oder noch gr¨ oßer sein. Es sind leider keine Materialien bekannt, die sowohl die erforderliche hohe Steife als auch den notwendigen großen Verlustfaktor aufweisen. • Einige Oktaven oberhalb der Grenzfrequenz kommt man in einen Frequenzbereich, in dem die u ultig ¨bliche einfache Biegetheorie nicht mehr g¨ ist. Man muss also die Trennimpedanz der dicken Platte (TimoshenkoMindlin-Theorie) in (6.175) und ¨ ahnliche Formeln einsetzen. Die entsprechende Rechnung zeigt, dass dadurch die Schalld¨ammmaße gegen¨ uber (6.205) etwas verringert werden, so dass es eher schwerer wird, das Massengesetz zu u ¨berbieten. • Man k¨onnte schließlich noch versuchen, die Grenzfrequenz durch eine große Vorspannung (Trennimpedanz nach (4.73)) deutlich zu verringern. Setzt man jedoch Zahlenwerte ein, so sieht man, dass Vorspannungen, die innerhalb der Grenzen der Materialbelastbarkeit liegen, die Grenzfrequenz nur geringf¨ ugig verschieben. Wenig erfolgversprechend ist u ¨brigens auch der Versuch, die Grenzfrequenz durch eine negative Vorspannung (Zusammendr¨ ucken der Struktur) zu erh¨ ohen. Bevor man einen f¨ ur die Schalld¨ammung auch merkbaren Effekt erzielt, wird die Beulgrenze des Trennelements erreicht.
6.10 Anwendung der SEA auf Schalld¨ ammprobleme
509
6.9.5 Schalld¨ ammung in der N¨ ahe der Grenzfrequenz Wenn Frequenzen in der N¨ ahe oder unterhalb der Grenzfrequenz interessieren, ist die Ermittlung des Schalld¨ ammmaßes mit Hilfe des Reziprozit¨atsprinzips etwas problematisch. Man kann zwar aus (6.154) und (6.195) sofort entnehmen, dass die Plattenschnelle durch v˜p2 π fg σ 2 (6.210) = β = 2 2 1 + p˜2 ω m 4 f η gegeben ist, aber daraus folgt nicht unmittelbar eine Beziehung f¨ ur das Schalld¨ammmaß. Der Grund daf¨ ur besteht darin, dass zu den beiden Termen in der Klammer von (6.210) verschiedene Schwingungsformen und damit auch verschiedene Abstrahlgrade geh¨ oren. Der erste Term repr¨asentiert die sogenannten erzwungenen Wellen, die als Wellenl¨ ange die Spurwellenl¨ange λ0 / sin ϑ des einfallenden Schalls besitzen, w¨ ahrend es sich bei dem zweiten Term um Biegewellen handelt. Bei den erzwungenen Wellen weiß man, dass ihr Abstrahlgrad σE > 1 ist. F¨ ur die freien Wellen gilt dagegen unterhalb der Grenzfrequenz σF < 1. Setzt man nun die mit den Abstrahlgraden σE und σF modifizierte Formel (6.210) in (6.202) ein, so folgt π fg σσF ω 2 m2 (6.211) − 3 − 10 lg σ + R = 10 lg E 4ρ20 c20 4 f η Erwartungsgem¨aß geht dieser Ausdruck f¨ ur σ = σF = 1 und f¨ ur fg /f 1 in (6.205) u ¨ber. ur σ die N¨aheWenn man in (6.211) σE ≈ 1 sowie σ = σF setzt und f¨ rungswerte nach (6.152) annimmt, dann erh¨ alt man eine Absch¨atzung f¨ ur das Schalld¨ammmaß, die in den Bereichen unsicher ist, in denen keine zuverl¨assigen Werte f¨ ur die Abstrahlgrade bekannt sind. Wenn man die Daten normaler W¨ande in (6.211) und (6.152) benutzt, so zeigen sich folgende Tendenzen: •
Weit unterhalb der Grenzfrequenz ist - besonders bei W¨anden mit etwas D¨ampfung - der Term mit σσF vernachl¨ assigbar, so dass man wieder das Massengesetz erh¨ alt. • In der N¨ahe der Grenzfrequenz hat der Frequenzverlauf der Schalld¨ammuckzuf¨ uhren kurve ein Minimum (Koinzidenzloch), das auf σ = σF > 1 zur¨ ist. Wie (6.152) zeigt ist dieses Minimum umso tiefer, je gr¨oßer die Wandabmessungen in Wellenl¨ angen bei der Grenzfrequenz sind.
6.10 Anwendung der statischen Energieanalyse SEA auf Schalld¨ ammprobleme Einen Teil der Rechnungen des letzten Abschnitts h¨atte man auch mit Hilfe der Statistischen Energieanalyse machen k¨ onnen, denn dort wurde bereits
510
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
unter Benutzung des Reziprozit¨ atsprinzips ein allgemeiner Zusammenhang (siehe (5.294) und (5.312)) zwischen den Kopplungsgr¨oßen f¨ ur die Energieu ¨bertragung in entgegengesetzten Richtungen hergeleitet. Allerdings ist die Methode der SEA auf Systeme beschr¨ ankt, bei denen das mittlere Schnellequadrat durch die Amplituden der in Resonanz befindlichen Eigenmoden bestimmt ist. Es werden also bei der SEA nur die sogenannten freien Schwingungen, nicht aber die erzwungenen Schwingungen - die auch bei einem unendlich ausgedehnten System auftreten - ber¨ ucksichtigt. Im Gegensatz dazu werden bei den fundamentalen Gleichungen (6.195) und (6.200) sowohl freie und erzwungene Wellen erfasst. Das bedeutet, dass man zwar (6.205), nicht aber die den σE -Term enthaltende Gl.(6.211) mit Hilfe der SEA ableiten kann. Wenn in diesem Abschnitt die SEA auf Schalld¨ammprobleme angewandt wird, so bedeutet das stets die Beschr¨ ankung auf Frequenzen oberhalb der Grenzfrequenz, wo die freien Wellen u ¨berwiegen. 6.10.1 Nebenweg¨ ubertragung In Geb¨auden, Schiffen und anderen komplexen, hochgradig aus vielen Teilen zusammengesetzten Strukturen wird Luftschall nicht nur u ¨ber die eigentliche Trennwand sondern auch u ¨ber die flankierenden Seitenw¨ande und Decken u ubertragung ¨bertragen (siehe auch Bild 6.41). Diese sogenannte Nebenweg¨ (oder Flanken¨ ubertragung) ist bei homogenen Einfachw¨anden oft fast eben ¨ so groß wie die Ubertragung auf dem direkten Weg. Fast immer muss man sogar mit einer u berwiegenden Nebenweg¨ ubertragung rechnen, wenn als Trenn¨ element eine gute Doppelwand eingebaut ist, die flankierenden W¨ande und Decken jedoch nur aus einschaligen Platten bestehen. Zur Berechnung der Schall¨ ubertragung u ¨ber die verschiedenen Nebenwege oberhalb der Grenzfrequenz eignet sich die SEA. Da ein Geb¨aude oder Schiff aus vielen R¨ aumen, W¨ anden und Decken besteht, wird ein vollst¨andiges SEA-Gleichungssystem meist sehr groß. Man begn¨ ugt sich daher oft mit der Betrachtung einen Ausschnitts (Bild 6.41 unten). Geht man von (5.301) aus und setzt entsprechend (5.311) cvμ = mν ωηvμ , so erh¨alt man m1 v12 ωη1 =Pi1 /ω η2ν =
m2 v22 ω η2 +
ν=3,5,6,8
m5 v52 ω
η5 +
mν ωvν2 ην2
ν=1,3,5,6,8
.. .
η5ν =
ν=2,4,6
.. .
(6.212) mν ωvν2 ην5
ν=1,2,4,6
.. . m9 v92 ωη9 =
.. . ν=2,6,7,8
mν ωvν2 ην9 .
6.10 Anwendung der SEA auf Schalld¨ ammprobleme
511
Die Faktoren η1 , η2 , . . . η9 erfassen die Verluste durch Umwandlung von )
)
)
q
l
)
)
.
k
,
)
n
m
)
o )
)
q
l j
p
k
n
p
o
)
o
j
m
o
Bild 6.41. Nebenweg¨ ubertragung. a Anordnung der W¨ ande und der R¨ aume ¨ ¨ D: direkte Ubertragung, F: Flanken¨ ubertragung, A: Ubertragung in angeschlossene Bauteile ; b SEA-Schema
K¨orperschallenergie in W¨ arme und durch Ableitung in benachbarte Bauteile, die nicht in den SEA-Gleichungen explizit ber¨ ucksichtigt sind. Mit ηvμ sind die Kopplungsverlustfaktoren bezeichnet, die man nach (5.322a) aus den Transmissionskoeffizienten n¨ aherungsweise berechnen kann, falls keine Erfahrungswerte vorliegen. In (6.212) wurde angenommen, dass die Abstrahlung von Luftschall keinen nennenswerten Beitrag zur D¨ampfung der W¨ande und Decken liefert. Falls man alle Bauteile als gleich annimmt, kann man – mit einiger M¨ uhe – (6.212) analytisch l¨ osen. Man findet dabei: •
f¨ ur die von einem Hallfeld mit dem Schalldruckquadrat p21 in eine Wand u orperschallleistung ¨bertragene K¨ P12 =
•
π fg2 p21 S2 . 2 f ωρ2 h2
(6.213)
f¨ ur die Schnelleverh¨ altnisse v22 ≈ v32 ≈ v52 ;
v62 ≈ v82 ≈ v22 /4.
(6.214)
512
•
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
f¨ ur die Schnelle der Trennwand v22 p21
=
π 2
1 ωρ2 h2
2
fg2 1 . f η2
(6.215)
Nach (6.214) strahlt jede flankierende Wand ein Viertel der Luftschallleistung in dem Empfangsraum ab, die von der Trennwand direkt u ¨bertragen wird. Da aber alle flankierenden W¨ ande zusammen eine wesentlich gr¨oßere Fl¨ache ¨ bilden als die Trennwand gilt als Faustregel, dass die direkte Ubertragung und die gesamte Nebenweg¨ ubertragung bei identischen W¨anden etwa gleich groß sind. Wenn die einzelnen Bauteile nicht gleich sind, dann empfiehlt sich die numerische L¨osung von (6.212). Die dabei erhaltenen Ergebnisse stimmen mit den entsprechenden Messdaten im Frequenzmittel gut u ¨berein (siehe [6.32]). 6.10.2 Doppelw¨ ande Wendet man die Grundgleichungen der SEA (5.301) auf die in Bild 6.42 skizzierte Doppelwand ohne Schallbr¨ ucken und ohne Nebenwege an, dann erh¨alt man nach (5.301) m2 v22 ω(η2 + η23 ) = P12 + m3 v32 ωη32 m3 v32 ω(η3 + η32 ) = m2 v22 ωη23 .
(6.216)
Wie in (6.212) wurde die Strahlungsd¨ ampfung vernachl¨assigt. Elimination
k
d
l
W21
j p12
Wt
m2
m3
v22
v32 pz2
Bild 6.42. Prinzip einer Doppelwand Senderaum, Teile der Doppelwand
von v2 liefert
m3 v32 ω(η2 η3 + η2 η32 + η3 η23 ) = P12 η23 .
(6.217)
Die inneren Verluste und die K¨ orperschallableitung in die Umgebung sind durch η2 und η3 repr¨ asentiert, η23 und η32 stellen die Kopplungsverlustfaktoren dar. F¨ ur die weitere Rechnung empfiehlt es sich, die durch (6.175) defiuhren, die die nierten Transmissionsgrade τ2 und τ3 der beiden W¨ande einzuf¨
6.10 Anwendung der SEA auf Schalld¨ ammprobleme
513
beiden W¨ande jeweils als Einfachwand besitzen. Wegen R = 10 lg(1/τ ) erh¨alt man aus (6.205) 2πρ2 c2 1 fgν f¨ ur ν = 2, 3. (6.218) τν = 2 020 ω mν ην f acheneinheit, es ist also mν = Smν . Die Dabei bedeutet mν die Masse pro Fl¨ Leistung P12 wurde in (6.213) bereits angegeben. Sie l¨asst sich mit Hilfe von (6.218) f¨ ur ν = 2 in der Form P12 = τ2
m2 S2 ωη2 2 p1 4ρ20 c20
(6.219)
angeben. F¨ ur die Ermittlung von η23 wird die Leistung P23 abgesch¨atzt, die von Wand 2 nach Wand 3 u ¨bertragen wird. Dazu kann man wieder (6.213) benutzen. Dabei muss aber ber¨ ucksichtigt werden, dass das Schalldruckquadrat p2z vor einer Wand wegen der Reflexion an ihr doppelt so hoch ist wie das in (6.213) eingehende, u ¨ber den ganzen Senderaum gemittelte Schalldruckquadrat p21 . In Analogie zu (6.219) gilt also P23 = m2 S2 ωη23 v22 = τ3
m3 S3 ωη3 p2z . 4ρ20 c20 2
(6.220)
Setzt man (6.218) und (6.219) in (6.217) ein, so ergibt sich 4ρ2 c2 4ρ2 c2 2v 2 = 0 0 0 0 2 τ2 τ3 p2z v32 p21
und
v32 v22
=
η23 η23 + 1+ η3 η2
(6.221)
τ3 p2z 1 . 4ρ20 c20 2v22 1 + η32 /η3
(6.222)
Analog zu (6.202) folgt daraus f¨ ur das Schalld¨ammmaß der Doppelwand RD = R2 + R3 + 10 lg
4ρ20 c20 2v22 p2z
η32 η23 + 10 lg 1 + + . η3 η2
(6.223)
Unter Benutzung von (6.222) kann man daf¨ ur auch schreiben RD = R2 + 10 lg
v22 v32
+ 10 lg
1 + η32 /η3 + η23 /η2 1 + η32 /η3
.
(6.224)
Dabei wurden die Transmissionsgrade wieder durch die Schalld¨ammmaße ersetzt. F¨ ur die weitere Diskussion empfiehlt sich die Unterscheidung von zwei uhrt. Weit unFrequenzgebieten. Dazu wird eine Abstimmfrequenz fA eingef¨ terhalb dieser Frequenz, also etwa f¨ ur f < 0, 7fA , sind die beiden Teilw¨ande
514
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
stark gekoppelt, sie verhalten sich demnach wie eine Einfachwand gleicher Gesamtmasse. Etwa kann das D¨ ammmaß dann nach Gl.(6.205) bestimmt werden, unstigeren Werte - also meist die der wobei f¨ ur η und fg zur Sicherheit die ung¨ dickeren Wand - benutzt werden sollten. Oberhalb der Abstimmfrequenze, also f¨ ur f > 1, 4fA , besteht eine nur schwache Kopplung zwischen den Teilw¨ anden. Hier entfaltet quasi die ’Doppelschaligkeit’ erst ihre Wirkung. Man kann dann jedenfalls f¨ ur die Luftschalld¨ammung voraussetzen, dass die von einer Teilwand in die andere u ¨bertragene Leistung wesentlich keiner ist als die in den W¨anden selbst verlorengegangene Leistung, es gilt also η23 << η2 und η32 << η3 . F¨ ur Gl.(6.223) gen¨ ugt es dann, das Verh¨ altnis v22 /p2z zu bestimmen. Dazu sei zun¨ achst eine Zwischenschicht aus einem d¨ unnen, lokal wirkenden elastischen Material oder eine d¨ unne Luftschicht betrachtet, die zumindest teilweise mit Schallschluckstoff (Fasermaterial) gef¨ ullt ist. In diesem Fall kann man die mechanischen Eigenschaften der Zwischenschicht durch eine Federsteife pro Fl¨ acheneinheit s beschreiben. Sie ergibt sich aus dem Kompressionsmodul K und der Schichtdicke d zu s = K/d .
(6.225)
Bei d¨ unnen Luftschichten gilt K = ρ0 c20 . Dabei ist ρ0 die Dichte der Luft und c0 die Schallausbreitungsgeschwindigkeit, die wegen der W¨armeableitung an das Fasermaterial (isotherme statt adiabatischer Kompression) nur bei den tiefsten Frequenzen (unter etwa 200 Hz) um h¨ochstens 20% niedriger ist als die ’normale’ (adiabatische) Schallausbreitungsgeschwindigkeit. Gl.(6.226) gilt f¨ ur eine d¨ unne Zwischenschicht, deren Schichtdicke d kleiner sein soll als ein Sechstel der Wellenl¨ ange im Zwischenschichtmaterial. Bei der hier angenommenen schwachen Kopplung der beiden W¨ande mit v32 v22 kann man annehmen, dass der Druck pz alleine durch die Steife s und die Bewegung v2 /ω der Wand 2 bestimmt ist. Es gilt also p2z
=
s ω
2
v22 .
(6.226)
Damit wird aus (6.223) RD = R2 + R3 + 20 lg
2ρ0 c0 ω s
+3
f¨ ur f > 1, 4fA .
(6.227)
Setzt man hier den Steifewert s = ρ0 c20 /d f¨ ur eine Luftschicht ein, so erur die hier kennt man, dass der Ausdruck 20 lg (2ρ0 c0 ω/s ) = 20 lg (2ωd/c0 ) f¨ vorausgesetzten d¨ unnen Zwischenschichten d < c0 /ω stets negativ ist. Bis auf den Summand 3 dB wurde (6.228) von G¨ osele [6.34] auf einem anderen Wege abgeleitet. Er konnte auch zeigen, dass die von ihm berechneten Werte gut mit Messdaten u ¨bereinstimmen. Auch die Rechenwerte nach (6.228) unterscheiden sich nicht stark von den Messdaten.
6.10 Anwendung der SEA auf Schalld¨ ammprobleme
515
Wenn die Zwischenschicht aus Luft besteht und ihre Dicke gr¨oßer ist als eine halbe Luftschallwellenl¨ ange, dann kann man den Zwischenraum in grober N¨aherung als einen Hallraum betrachten. Oberhalb der Grenzfrequenz wird in ihn die Leistung (6.228) Pz = ρ0 c0 Sz v22 eingestrahlt. Der davon erzeugte Schalldruck betr¨agt dann n¨aherungsweise c0 2 p2z = ρ20 c20 v f¨ ur d > c0 /2f . (6.229) ωdηz 2 Darin gibt ηz den Verlustfaktor des Zwischenraumes an, der z.B. durch Nachhallzeitmessungen bestimmt werden k¨ onnte. Die noch nicht n¨ aher bestimmte Abstimmfrequenz fA l¨asst sich am einfachsten dadurch absch¨ atzen, dass die nach Gl.(6.229) berechnete Doppelammung der gleich schweren Einfachwandd¨ammung f¨ ur f = fA gleich der D¨ wand sein soll. Allerdings handelt es sich bei der so definierten Abstimmfrequenz um eine reine Rechengr¨ oße, denn in ihrer Umgebung stimmt weder Gl.(6.229) noch die Einfachwand-Gleichung. Vielmehr ist die D¨ammung der Doppelwand wegen einer globalen Resonanz in f = fA schlechter als die der gleich schweren Einfachwand. 6.10.3 Mehrfachw¨ ande mit vielen starren Verbindungen Es ist bekannt, dass eine Wand, die aus mehreren, starr miteinander gekoppelten Schichten besteht (siehe Bild 6.43), in breiten Frequenzbereichen eine geringere Schalld¨ ammung aufweist als eine gleichschwere Einfachwand aus demselben Material. F¨ ur eine prinzipielle Erkl¨arung dieses Ph¨anomens, das
Bild 6.43. Prinzip einer Mehrschichtwand mit vielen Schallbr¨ ucken
besonders bei schwach ged¨ ampften Materialien auftritt, kann wieder die SEA herangezogen werden. Mit den in Bild 6.43 angegebenen Benennungen lauten die SEA-Gleichungen
516
6 Abstrahlung von K¨ orperschall
m2 v22 ω(η2 + η23 ) = P12 + m3 v32 ωη32 m3 v32 ω(η3 + η32 + η34 ) = m2 v22 ωη23 + m4 v42 ωη43 m4 v42 ω(η4 + η43 + η45 ) = m3 v32 ωη34 + m5 v52 ωη54
(6.230)
m5 v52 ω(η5 + η54 ) = m4 v42 ωη45 . F¨ ur Gl.(6.230) ist implizit angenommen worden, dass die Abst¨ande zwischen den Schallbr¨ ucken gr¨ oßer sind als wenigstens eine halbe Biegewellenl¨ange, denn nur dann handelt es sich bei den Teilfl¨ achen zwischen den Schalldr¨ ucken um einzelne resonanzf¨ ahige Systeme, die f¨ ur die SEA vorausgesetzt werden m¨ ussen. Man m¨ usste nun eigentlich aus den Formeln in Abschnitt 5.8.2 einen Ausdruck f¨ ur den Kopplungsverlustfaktor durch eine starre Schallbr¨ ucke ausrechnen, dies in (6.230) einsetzen und dann das lineare Gleichungssystem l¨osen. Es soll hier jedoch nur das prinzipielle Verhalten untersucht und angenommen werden, dass die sogenannte starke Kopplung im Sinne der SEA vorliegt. Diese Annahme ist in der Praxis oft erf¨ ullt. Bei starker Kopplung sind die Eigenverlustfaktoren η1 , η2 , . . . kleiner als die Kopplungsverlustfaktoren η23 , η32 , . . .. Nach (5.323) lassen sich dann die Schnelleverh¨altnisse durch vν2 vμ2
=
ΔNμ mν ΔNν mμ
(6.231)
ausdr¨ ucken. Addiert man alle Gleichungen in (6.230) so kompensieren sich die Terme mit den Kopplungsverlustfaktoren. Nimmt man der Einfachheit halber außerdem noch an, dass alle Teilschichten gleich sind (m2 = m3 . . ., η2 = η3 . . ., alt man f¨ ur die Vierschichtwand nach Bild 6.43 ΔN2 = ΔN3 . . .), so erh¨ N m5 v52 ωη5 =
π fg2 p21 . S2 2 f ωρ2 h2
(6.232)
Dabei wurde wieder (6.213) benutzt. N gibt die Anzahl der Schichten an, hier ist also N = 4. Mit der schon im letzten Abschnitt benutzten Vorgehensweise erh¨alt man f¨ ur das Schalld¨ ammmaß der Mehrschichtwand RV S = 10 lg
p21 4ρ20 c20 v52
= 10 lg
ω 2 ρ22 h22 η2 f + 10 lg N 2πρ20 c20 fg2
(6.233)
= R2 + 10 lg N. Dabei wurde, wie bereits erw¨ ahnt, ρ2 h2 = ρ5 h5 , η2 = η5 angenommen. R2 bedeutet das Schalld¨ ammmaß der Schicht 2 mit der Dicke h2 , wenn sie alleine vorhanden w¨are. Nach (6.233) ist RV S um 10 lg N kleiner ist als die theoretische D¨ammung RE = R2 + 20 lg N der gleich schweren Einfachwand mit der Dicke N h2 .
6.10 Anwendung der SEA auf Schalld¨ ammprobleme
517
Dabei ist ber¨ ucksichtigt, dass bei der Schalld¨ammung oberhalb der Grenzfrequenz die gr¨oßere Dicke zu einer gr¨ oßeren Masse und zu einer niedrigeuhrt. Diese einfache Absch¨atzung macht es ren Grenzfrequenz (fg2 ∼ 1/h2 ) f¨ verst¨andlich, warum Trennelemente, die große innere Hohlr¨aume aufweisen (z.B. Hohlk¨orperdecken) und bei denen die einzelnen resonanzf¨ahigen Teilsysteme starr verbunden sind, eine geringere Schalld¨ammung aufweisen als gleich schwere Einfachw¨ ande. Offensichtlich ist es f¨ ur die Luftschalld¨ammung g¨ unstig, die Gesamtmasse auf m¨ oglichst wenig Schichten zu verteilen.
Literatur
6.1. 6.2. 6.3. 6.4. 6.5. 6.6. 6.7. 6.8. 6.9. 6.10. 6.11. 6.12. 6.13. 6.14. 6.15. 6.16. 6.17. 6.18. 6.19. 6.20. 6.21. 6.22. 6.23.
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7 Messung und messbare Erzeugung von K¨ orperschall
Genau wie beim Luftschall stehen auch beim K¨orperschall kinematische und dynamische Feldgr¨ oßen zur Verf¨ ugung. Ein wesentlicher Unterschied besteht jedoch darin, dass beim Luftschall in den allermeisten F¨allen eine dynamische Feldgr¨oße, der Schalldruck, gemessen wird und nur selten eine kinematische Gr¨oße, etwa die Schallschnelle. Beim K¨ orperschall ist es genau umgekehrt. Die Mehrzahl aller K¨ orperschall- Aufnehmer“ nimmt kinematische Gr¨oßen ” wie Ausschlag, Schnelle oder Beschleunigung auf. Dynamische Gr¨oßen wie Spannungen und Kr¨ afte werden - wenn u ¨berhaupt- aus den Ableitungen von kinematischen Gr¨ oßen und Materialparametern ermittelt. Der Grund liegt zum Teil darin, dass der Druck ein Skalar und damit eine einfache“ Gr¨oße ” ist, w¨ahrend beim K¨ orperschall die Vektoren Ausschlag, Schnelle, Beschleunigung trotz ihrer Richtungsabh¨ angigkeit einfacher zu messen sind als die nur in Tensoren zusammenfassbaren Spannungen. Ein anderer, wesentlicher Unterschied zwischen Luft- und K¨orperschall besteht darin, dass man leicht und ohne allzu große Messfehler im Innern eines Volumens den Luftschall messen kann. Beim K¨orperschall kann man dagegen fast nur außen messen; denn es bedeutet einen starken, das K¨orperschallfeld wesentlich beeinflussenden Eingriff, wenn man einen Aufnehmer - etwa mit Hilfe einer kleinen Bohrung - im Innern platzieren will.
7.1 K¨ orperschall-Aufnehmer Bei allen Messungen, vorzugsweise solchen schwingender Gr¨oßen, ist man daran interessiert, die Messgr¨ oße in eine Strom- oder Spannungs¨anderung zu verwandeln, weil man dann auf die vielf¨ altigen M¨oglichkeiten zur Umformung und Verarbeitung zur¨ uckgreifen kann, die die Elektronik in reichstem Maße liefert. Man kann die gemessenen Werte, bzw. ihren Zeitverlauf verst¨arken, filtern und auch sichtbar machen. Man kann sie auch speichern, in Rechner eingeben und schließlich jede so erhaltene Sekund¨argr¨oße wieder auf das Messobjekt zur¨ uckwirken lassen (z.B. als Gegenschall“). ”
522
7 Messung und messbare Erzeugung von K¨ orperschall
Unter den K¨orperschall-Aufnehmern sind zwei Gruppen zu unterscheiden. Bei der ersten, mit der sich dieser Abschnitt besch¨aftigt, wird eine elektrische oder optische Energiequelle bzw. ein ihm angeschlossenes System von der mechanischen Bewegung gesteuert, ohne dass eine R¨ uckwirkung (abgesehen von so kleinen Effekten wie dem Strahlungsdruck oder der lokalen minimalen Temperaturerh¨ ohung) erfolgt. Die dieser Steuerung zugrunde liegenden Prinzipien k¨onnen daher auch nicht zur Umwandlung elektrischer bzw. optischer Feldgr¨ oßen in mechanische, also als K¨orperschallsender verwendet werden. Dagegen sind die Umwandlungsprinzipien der zweiten Gruppe, der sog. elektromechanischen Wandler (vom Phasenwinkel abgesehen), reziprok. Sie k¨onnen f¨ ur K¨ orperschallaufnehmer und K¨ orperschallsender herangezogen werden. Es tritt daher bei den Aufnehmern auch immer eine R¨ uckwirkung von der elektrischen Seite auf, mag sie auch im Einzelfall vernachl¨assigbar klein sein. 7.1.1 Steuernde elektrische Aufnehmer ¨ Bei allen steuernden elektrischen Aufnehmern wird die Anderung im elektrischen Kreis durch eine relative Verschiebung Δξ bewirkt, und zwar - im Prinzip - unabh¨angig von der Frequenz, den Grenzfall einer statischen Verschiebung eingeschlossen. Die meist angewendeten Methoden beruhen darauf, dass eines der drei elektrischen Zweipolelemente, ein Widerstand, eine Induktivit¨at oder eine Kapazit¨at, ver¨andert werden. Die Ausnutzung einer Widerstands¨anderung durch Verschiebung einer Membran gegen ein festes Geh¨ause ist von dem fr¨ uher in jedem Fernsprecher eingebauten Kohlemikrofon bekannt. Durch st¨arkeres Gegeneinanderpressen der zwischen Membran und Geh¨ause liegenden Kohlek¨orner werden deren gegenseitige Ber¨ uhrungsfl¨achen vergr¨oßert und der Widerstand erniedrigt. Das Anlegen an eine Batteriespannung von wenigen Volt gen¨ ugt, um die Δξ-Werte in unmittelbar anzeigbare Strom¨anderungen Δi umzusetzen. Der großen Empfindlichkeit, die im allgemeinen das Nachschalten einer Verst¨arkerstufe entbehrlich macht, steht die mangelnde Konstanz und das hohe Eigenrauschen gegen¨ uber, so dass diese Form in der K¨orperschallmesstechnik nicht verwendet wird. Dagegen finden gepresste Schichten aus Kohle oder Graphit gelegentlich Verwendung. Da sie relativ steif sind, eignen sie sich entweder f¨ ur hochabgestimmte Beschleunigungsaufnehmer oder sie gestatten sogar den direkten Einbau in ein kraft¨ ubertragendes Element, k¨ onnen also bei bekanntem Elastizit¨ atsmodul zur Kraftmessung herangezogen werden. Ein grunds¨atzlicher Nachteil dieser Anordnungen liegt darin, dass der elektrische Widerstand lw (7.1) R = ρE S (ρE spezifischer Widerstand) und die reziproke Steife, die auch als Nachgiebigkeit bezeichnet wird,
7.1 K¨ orperschall-Aufnehmer
523
lw 1 R= s ES in gleicher Weise von den konstruktiven Abmessungen, der L¨ange lw und dem Querschnitt S, abh¨ angen. Man w¨ urde aber bei einer Kraftmessdose gern die Nachgiebigkeit klein und den Widerstand groß haben. Es ist daher g¨ unstiger, den Widerstand von dem die Dehnung bestimmenden festen K¨orper zu trennen und ihm durch Verwendung sehr d¨ unner Dr¨ahte eine kleine Querschnittsfl¨ache S und durch mehrfaches Hin- und Herziehen in Dehnungsrichtung eine große L¨ange zu geben. Die dabei zun¨ achst vorhandene Schwierigkeit der Befestigung des Drahtes bei jeder Umbiegung wird heute umgangen, indem die ganze als Dehnungsmessstreifen“ bekannte Anordnung, von der Bild 7.1 ein ” Beispiel mit Anschlußb¨ andern zeigt, aufgeklebt werden kann.
Bild 7.1. Beispiel eines Dehnungsmessstreifens.
Bei den im Bild 7.1 gezeigten neun Hin- und Herwegen wird die in (7.1) einzusetzende L¨ange lw = 19l1 . Die L¨ angen lw bzw. l1 fallen im u ¨brigen heraus, wenn uns nicht die absolute L¨ angen¨ anderung, sondern die Dehnung Δl Δξ = = l1 lw interessiert. Die als relative Widerstands¨ anderung je Dehnung definierte Empfindlichkeit des Dehnungsmessstreifens setzt sich aus drei Anteilen zusammen, die sich aus (7.1) ergeben zu k=
1 ∂lw 1 ∂S 1 ∂ρE 1 dR = − + . R d lw ∂ S ∂ ρE ∂
(7.2)
Dabei ist der erste Summand definitionsgem¨ aß gleich 1, der zweite ergibt sich auf Grund der Querkontraktion mit der Poissonschen Zahl (siehe Kap. 2) zu 2μ:
524
7 Messung und messbare Erzeugung von K¨ orperschall
k = 1 + 2μ +
1 ∂ρE . ρE ∂
(7.3)
Typische Werte von k liegen zwischen 1, 6 und 5. Das Hauptanwendungsgebiet der Dehnungsmessstreifen liegt in der unmittelbaren Abtastung von Dehnungen am Messobjekt. Die zu ihrer Dehnung ben¨otigten zus¨atzlichen Kr¨ afte sind meist vernachl¨assigbar, ebenso muß man auch nur bei der Durchbiegung sehr d¨ unner Platten evtl. darauf achten, dass sie etwas weiter von der neutralen Phase entfernt sind als die interessierende Oberfl¨ache. Es ist allgemein u ¨blich, den Widerstand des Messstreifens in einen Zweig einer abgeglichenen Wheatstone’schen Br¨ ucke zu legen und somit den Br¨ uckenstrom als Maß der Dehnung abzulesen (siehe Bild 7.2). Dabei kann man durch geschickte Kombination mehrerer Messstreifen und Br¨ uckenzweige verschiedene Deformationsarten trennen. So zeigen die in Bild 7.2b) oben und unten auf einen Stab bzw. eine Platte aufgeklebten Streifen I und II eine L¨angsdehnung an, wenn sie in diagonalen Br¨ uckenzweigen (z. B. A und D) eingesetzt werden, dagegen eine Verbiegung, wenn sie benachbarten Br¨ uckengliedern zugeordnet werden (z. B. A und B).
!
"
#
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a)
I
b) II
Bild 7.2. Anordnung von zwei Dehnungsmessstreifen. a in der Br¨ uckenschaltung. b an einer Platte.
In den letzten Jahren konnte die Empfindlichkeit der Dehnungsmessstreifen durch Verwendung von Halbleitern wesentlich erh¨oht werden, wobei allerdings, wie immer bei Halbleitern, eine noch gr¨oßere Temperaturempfindlichkeit in Kauf genommen werden muss, als sie auch bereits gew¨ohnlichen Widerst¨anden und Dehnungsmessstreifen eigen ist.
7.1 K¨ orperschall-Aufnehmer
525
Zur Ver¨anderung von Induktivit¨ aten geh¨ oren etwas schwerere Elemente und sei es, dass nur zwei Spulen gegeneinander verschoben werden. Viel wir¨ kungsvollere Anderungen erh¨ alt man nat¨ urlich unter Verwendung von Eisenteilen. Man muss dann allerdings auch alle Nichtlinearit¨aten und Verluste in Kauf nehmen, die sich aus den Hysterese-Erscheinungen ergeben. Ist das Messobjekt aus Eisen, so kann es selbst als beweglicher, den magnetischen Widerstand ver¨ andernder Anker dienen, worauf wir in Abschnitt 7.2.4 bei der Erw¨ ahnung des sogenannten elektromagnetischen Wandlers noch zur¨ uckkommen werden. In diesem Falle spielt aber der Abstand zu den Polschuhen, die entweder auf einem ruhenden Bezugsk¨orper angebracht sind oder zu einer elastisch angekoppelten, tief abgestimmten Masse geh¨oren, eine sehr große Rolle. Zuverl¨assiger und ohne weiteres bedienbar sind Anordnungen, bei denen ein Stift unter leichter Federvorspannung an das Messobjekt gedr¨ uckt wird, wobei der eisenhaltige Teil des Stiftes im Ruhezustand etwa zur H¨alfte in zwei Spulen taucht, die zwei benachbarten Zweigen einer Br¨ ucke angeh¨oren (s. den Tauchanker in Bild 7.3). Wird der Stift um ξ verschoben, wird die Induktivit¨at der einen erh¨oht, die der anderen verringert, der Br¨ uckenstrom ist wieder dem Ausschlag ξ bzw. dem praktisch gleich großen Differenzausschlag eines tief abgestimmten Systems ξΔ bei nicht zu großen Ausschl¨agen proportional.
Bild 7.3. Konstruktions- und Schaltschema eines Aufnehmers mit ver¨ anderlicher Induktivit¨ at.
¨ Da es sich um die Anderung von Reaktanzen handelt, muss die Br¨ ucke mit einer Wechselspannung erregt werden, deren Frequenz man als Tr¨agerfrequenz bezeichnet. Der Ausschlag ξ erscheint somit als Amplitudenschwankung eines Wechselstromes. Dieses Tr¨ agerfrequenzverfahren“ bietet so große Vorteile, ” dass man es u ¨brigens auch bei den Dehnungsmessstreifen anwendet. Durch die
526
7 Messung und messbare Erzeugung von K¨ orperschall
Einschaltung entsprechender Frequenzband-Filter kann man die Einwirkung von St¨orspannungen anderer Frequenzen weitgehend ausschalten. Man muss dabei allerdings beachten, dass der modulierte“ Tr¨agerstrom entsprechend ” der Umformung a (A + cos ωt) cos Ωt = A cos ωt + [cos(Ω − ω)t + cos(Ω + ω)t] 2
(7.4)
in drei Teilfrequenzen zerf¨ allt, die verlangen, dass der Frequenzbereich von (Ω − ω)/2π bis (Ω + ω)/2π durch das Bandfilter durchgelassen wird. Aber auch aus anderen Gr¨ unden muß die Tr¨ agerfrequenz immer hoch u ¨ber der h¨ochsten Messfrequenz liegen. Betr¨ agt sie beispielsweise nur 4000 Hz, so gibt die Anordnung nur Vorg¨ ange bis etwa 1000 Hz verzerrungsfrei wieder. Statt die variable Induktivit¨ at als Element in einer Schaltung zu verwenden, die an eine mit fester Frequenz schwingende Spannung angeschlossen ist, kann sie auch als Element eines elektrischen Schwingkreises, dessen Eigenfrequenz durch die Induktivit¨ at L und die Kapazit¨at C gegeben ist ω0 = √
1 LC
(7.5)
und der durch Verwendung einer r¨ uckgekoppelten Verst¨arkerstufe zum Schwingen gebracht wird, die entstehende Schwingung selbst steuern. Wegen der durch die Hysterese gegebenen nichtlinearen Zusammenh¨ange wird hiervon bei der variablen Induktivit¨ at weniger Gebrauch gemacht, wohl aber bei der variablen Kapazit¨ at (s. Bild 7.4).
Bild 7.4. Aufnehmer mit ver¨ anderlicher Kapazit¨ at, die einen Hochfrequenzsender verstimmt.
Diese besteht im einfachsten Fall aus zwei einander gegen¨ uberliegenden metallischen Fl¨achen S, von denen die eine dem Messobjekt unmittelbar angeh¨oren kann, oder auch nur einer auf dieses aufgeklebten leitenden Folie. Die
7.1 K¨ orperschall-Aufnehmer
527
¨ Anderungen der Kapazit¨ at k¨ onnen f¨ ur kleine Ausschl¨age ξ nahezu als linear angesehen werden: d C=C ≈ C(1 + ξ/d) (7.6) d−ξ (C bedeutet dabei den Gleichwert“ der Kapazit¨at.) ” Schwankungen von ξ ¨ andern somit die Kapazit¨at und f¨ uhren zu einer Frequenzmodulation, die dann mit den Verfahren der Nachrichtentechnik weiter verarbeitet wird. Dieses urspr¨ unglich f¨ ur Mikrofone, d. h. Luftschallaufnehmer von entwickelte Verfahren erlaubt, Bewegungen von 10−8 m und weniger zu messen. Bei K¨orperschallproblemen findet es allerdings fast nur in Laboruntersuchungen Anwendung, weil der Gleichabstand d stark eingeht und entweder nachgestellt oder kompensiert werden muß. Außerdem ist die Kapazit¨at des Aufnehmers meist so klein, dass unvermeidliche Kapazit¨ ats¨ anderungen in Zuleitungen etc. zu ¨ahnlichen Frequenzmodulationen f¨ uhren. ¨ Uberhaupt muss man bei allen hier systematisch f¨ ur Aufnehmer ausgenutzten Effekten sich dar¨ uber klar sein, dass sie auch als unerw¨ unschte St¨orungen einer Messung auftreten k¨ onnen. So gesehen ist das Kohlemikrofon nichts als eine statistische Anh¨ aufung von Wackelkontakten. 7.1.2 Optische Verfahren Besonders f¨ ur Eichzwecke kann man interferommetrische Anordnungen benutzen. Dabei wird ein von einem festen Spiegel reflektierter Strahl und ein von einer bewegten Fl¨ ache reflektierter Strahl zu Interferenz gebracht. Es entstehen dabei Streifenbilder, deren Ausz¨ ahlung bei Kenntnis der Lichtwellenl¨ange die Bestimmung der Amplitude erm¨ oglicht. Seit dem Einzug der Laser und Lichtwellenleiter werden auch diese Bauelemente in zunehmendem Maße f¨ ur K¨ orperschallmessungen verwendet. Sehr beliebt und mittlerweile als robuste Ger¨ate auf dem Markt erh¨altlich sind die sog. Laser-Doppler-Vibrometer (LDV). Dabei wird ausgenutzt, dass ein bewegter Reflektor wegen des Dopplereffektes zu einer Frequenzverschiebung f¨ uhrt. Wenn fLi die Frequenz des einfallenden Lichts, fLr die des reflektierten Lichts, v die K¨ orperschallschnelle des Reflektors und cLicht die Lichtgeschwindigkeit ist, dann gilt bekanntlich v . (7.7) fLr = fLi 1 ± cLicht Da v in der Gr¨oßenordnung von 10−3 m/s und darunter, die Lichtgeschwindigkeit jedoch bei 3 · 108 m/s liegt, ist der Frequenzunterschied extrem klein. Die modernen Methoden der Opto-Elektronik reichen aber aus, derart kleine Unterschiede zu messen und in elektrische Signale umzuwandeln, die genauso verst¨arkt, gefiltert, registriert, etc. werden k¨ onnen wie die von elektromechanischen Wandlern erzeugten Signale [7.4].
528
7 Messung und messbare Erzeugung von K¨ orperschall
Bild 7.5 zeigt den Prinzipaufbau eines LDV. Die ganze Optik ist dabei in einem handlichen Messkopf untergebracht, den man ber¨ uhrungslos und r¨ uckkopplungsfrei in der N¨ ahe einer schwingenden Oberfl¨ache anbringen kann. Zu beachten ist nat¨ urlich auch hier wieder, dass die Schnelledifferenz zwischen Aufnahmekopf und Messobjekt gemessen wird. Es muss also ¨ahnlich wie bei anderen K¨orperschallmeßger¨ aten ein ruhender Bezugspunkt“ oder eine seis” ” mische Masse“ zur Verf¨ ugung stehen.
Bild 7.5. Prinzipaufbau eines Laser-Doppler-Vibrometers.
In Bild 7.6 ist noch ein weiteres modernes, optisches K¨orperschallmessprinzip skizziert. Dabei wird an einer schwingenden Oberfl¨ache ein extrem feiner Lichtstrahl abgelenkt und erzeugt so eine Modulation der auf einen zweiten Lichtleiter einfallenden Lichtenergie. Im Zusammenhang mit optischen Methoden der K¨orperschallmesstechnik m¨ ussen auch noch die Schwingungshologramme erw¨ahnt werden. Sie werden entweder als Zeitmittel- oder als Doppelpulshologramm hergestellt und liefern mehr oder weniger anschauliche Bilder der Schwingungsverteilung. W¨ahrend alle anderen Messmethoden als Ergebnis nur die K¨orperschallbewegungen an einer Messstelle (bei gr¨ oßerem Aufwand auch bei einigen Messstellen) zu bestimmen gestatten, liefern Schwingungshologramme auf einen ” Schlag“ die Schwingungsverteilung auf einer Fl¨ache. Jedoch k¨onnen Hologramme nur schwer weiterverarbeitet werden. Zudem hat man heute die M¨oglichkeit, durch Abtasten (scanning) von schwingenden Fl¨achen - z. B. mit einem Laser-Dopplervibrometer - und anschließender Signalverarbeitung sehr gute Darstellungen von Schwingungsverl¨ aufen zu erhalten.
7.2 Elektrodynamische Wandler f¨ ur K¨ orperschall
529
Bild 7.6. Amplitudenmodulation eines sehr feinen Lichtstrahles durch eine schwingende, reflektierende Fl¨ ache.
7.2 Elektrodynamische Wandler fu ¨ r die Erzeugung und Messung von Ko ¨rperschall F¨ ur die meisten K¨ orperschallmessungen in der Praxis werden reziproke, elektromechanische Wandler benutzt. Sie beruhen auf dem elektrodynamischen, dem piezoelektrischen, dem elektrostatischen oder dem magnetostriktiven Prinzip. Ihr Verhalten wird haupts¨ achlich von den jeweiligen elektromechanischen Wandlerkonstanten bestimmt; daneben spielen aber auch die unvermeidlichen inneren mechanischen und elektrischen Impedanzen und die Eigenschaften der angeschlossenen Bauteile bzw. Schaltelemente eine wichtige Rolle [7.5]-[7.7]. 7.2.1 Elektrodynamische Wandler Ein Grundgesetz der Elektrotechnik (auf dem u. a. der Dynamo beruht) besagt, dass ein verlustloser Leiter der L¨ ange lL der senkrecht in einem Magnetfeld der Induktion B verl¨ auft und sich mit der Geschwindigkeit (Schnelle) vw senkrecht zu B und lL bewegt, eine Wandlerspannung“ der Gr¨oße ” Uw = −BlL vw
(7.8)
erzeugt. Die Schnelle vw ist dabei die Relativgeschwindigkeit zwischen Leiter und Magnetfeld (siehe Bild 7.7). Alle Gr¨oßen sind hier im SI-System (m, kg, s, A) angegeben. Die Wandlerkonstante BlL hat also die Dimension Vs/m = Ws/Am. Bei K¨orperschallsendern und -empf¨ angern ist BlL = 10 Vs/m ein typischer Wert. Die Vorzeichenwahl ist im Prinzip willk¨ urlich. In diesem Text wird sie so gew¨ahlt, dass sowohl elektrische als auch mechanische Leistungen zum Wandler fließen. Ein anderes Grundgesetz der Elektrotechnik (auf dem u. a. der Elektromotor beruht) besagt, ein vom Strom iw durchflossener, bewegungsloser Leiter
530
7 Messung und messbare Erzeugung von K¨ orperschall
Bild 7.7. Elektrische und mechanische Impedanzen bei einem elektrodynamischen Wandler. a Prinzipskizze. b verallgemeinerte Darstellung als Vierpolkette.
der L¨ange lL der senkrecht in einem Magnetfeld der Induktion B steht, eine zu B und i senkrecht stehende Wandlerkraft“ der Gr¨oße ” Fw = −BlL iw
(7.9)
erzeugt. Selbst wenn es im Moment noch etwas umst¨andlich erscheint, so schreiben wir doch (7.8 und 7.9) in Matrizenform als Vierpolgleichungen. Indem wir gleichzeitig von den Momentanwerten zu den Zeigern u ¨bergehen, erhalten wir BlL iW 0 FW = . (7.10) 0 −1/BlL vW UW Mit diesem Ausdruck ist allerdings der reale Wandler noch nicht ausreichend charakterisiert; denn der verlustlose“ und der bewegungslose“ Leiter sind ” ” Idealisierungen. Wir m¨ ussen also noch den Einfluß der unvermeidlichen elektrischen und mechanischen Impedanzen ber¨ ucksichtigen. F¨ ur den elektrischen Teil ist das relativ einfach, denn beim elektrodynamischen Wandler liegt die aus einer Selbstinduktion Li und einem Ohmschen Widerstand Ri bestehende innere elektrische Impedanz ZEi = jωLi + Ri
7.2 Elektrodynamische Wandler f¨ ur K¨ orperschall
531
in Reihe mit dem Wandler. Zwischen den idealen Wandlergr¨oßen iw bzw. Uw und den von außen tats¨ achlich messbaren Spannungen und Str¨omen besteht also nach Bild 7.7 die Beziehung i 1 0 iW = . (7.11) UW U −ZEi 1 Diese Beziehung besagt, dass der Spulenstrom unver¨andert bleibt, dass sich aber die Wandlerspannung von der von außen feststellbaren Spannung U um den Spannungsabfall am Innenwiderstand unterscheidet. Normalerweise ist noch ein weiterer ¨ außerer Widerstand (z. B. Widerstand des Messger¨ates) zu ber¨ ucksichtigen. Mit der im Bild 7.7 gezeichneten Anordnung gilt dann iK 1 0 i = . (7.12) U UK −ZEK 1 F¨ ur den mechanischen Teil ist der Einfluß des mechanischen Innenwiderstandes etwas schwieriger zu erfassen. Wir wollen daher erst den einfacheren Fall, bei dem der Magnet starr befestigt ist (vM = 0), untersuchen und uns dann mit dem etwas komplizierteren Problem besch¨ aftigen. ¨ 7.2.1.1 Impedanzen und Ubertragungsfaktoren bei unbeweglichen Magneten Bei Anregung von leichten Strukturen kann man davon ausgehen, dass der Magnet (siehe Bild 7.7) so schwer ist oder so an einem starren“ K¨orper ” ur befestigt ist, dass vM = 0 gesetzt werden kann. Das gilt insbesondere f¨ Lautsprecher, die nichts anderes sind als K¨ orperschallsender, die eine leichte Membran und die davor befindliche Luft in Bewegung versetzen. Macht man die Voraussetzung, dass die mechanischen Bauteile, n¨amlich der Spulenk¨orper (Schwingkopf) mit der Impedanz ZM i und das angeschlossene Messobjekt mit der Impedanz ZM k starr miteinander verbunden sind, dann gilt f¨ ur die in Bild 7.7 dargestellte Anordnung F K − F = ZM K v K ;
F − F W = ZM i v W ;
Das l¨aßt sich auch in der Form F 1 ZM K FK = ; vK 0 1 v
v = vK = vW .
FW F 1 ZM i = . v 0 1 vW
(7.13)
(7.14)
schreiben. Dabei ist ZM i ein untrennbarer Bestandteil des Wandlers. Er ist durch die endliche Masse mi des Spulenk¨ orpers und die (verlustbehaftete) Federung si der Halterung bestimmt; also meist ZM i = jωmi + si /jω.
(7.15)
532
7 Messung und messbare Erzeugung von K¨ orperschall
Durch Kombination von (7.11, 7.12, 7.14) erhalten wir 2 [(BlL iK FK ) + ZM S ZES ]/BlL −ZM S /BlL = . vK ZES /BlL −1/BlL UK
(7.16)
Dabei bedeuten ZM S = ZM i + ZM K , ZES = ZEi + ZEK die Summen der inneren und a¨ußeren mechanischen bzw. elektrischen Impedanzen. Da die obigen Gleichungen in Form von miteinander verbundenen Vierpolen geschrieben sind, die durch Matrizenmultiplikation miteinander verkn¨ upft werden, lassen sich die Formeln leicht verallgemeinern und in folgender Form schreiben: K11 K12 F K11 K12 I11 I12 FW FK = = vK K21 K22 v K21 K22 I21 I22 vW K11 K12 I11 I12 W11 W12 11 12 κ11 κ12 iK = . K21 K22 I21 I22 W21 W22 21 22 κ21 κ22 UK (7.17) Dabei verkn¨ upfen die einzelnen Teilmatrizen die Eingangsgr¨oßen und die Ausgangsgr¨oßen der einzelnen Bauteile. Es kann sich dabei um die Repr¨asentation von Masse-Feder-Elementen, von Wellenleitern oder um elektrische Schaltkreise handeln. Aus (7.16) bzw. (7.17) kann man nun alle interessierenden Impedanzen ¨ und Ubertragungsfaktoren ausrechnen. So ergibt sich beispielsweise f¨ ur die mechanische Impedanz eines elektrodynamischen K¨orperschallaufnehmers mit unbeweglichen Magneten im Kurzschlußbetrieb
2 2 (BlL (BlL F K
) + ZM S ZES ) = = ZM S + . (7.18)
v K U =0 ZES ZES K
Die mechanische Impedanz besteht also aus einem rein mechanischen Teil ZM S = ZM i + ZM K und der elektrischen R¨ uckwirkung, die umso deutlicher ist, je gr¨oßer die Kopplung BlL und je kleiner der Lastwiderstand ist. Nimmt man an, dass f¨ ur einen typischen Fall BlL = 10 Vs/m betr¨agt und bei Kurzschlußbetrieb ZES ≈ ZEi = 1 Ω = 1V2 /W ist (Innenwiderstand der Spule), dann w¨are der elektrische Anteil“ an der gemessenen mechanischen Impedanz ” 10 [Vs/m]2 [V2/W]−1 =10 kg/s. Zum Vergleich sei angegeben, dass eine 16 g schwere Masse bei 100 Hz auch eine Impedanz von 6, 28×100×0, 016 ≈ 10 kg/s hat. Daraus darf man allerdings nicht schließen, dass die elektrische R¨ uckwirkung nur bei sehr leichten Strukturen eine Rolle spielt. Es kann auch sein, dass bei großen, sehr schwach ged¨ ampften Strukturen die Impedanz in der Resonanz so klein wird, dass der elektrische Anteil deutlich merkbar ist und eine Zusatzd¨ampfung vort¨ auscht. F¨ ur die elektrische Impedanz eines K¨ orperschallsenders, bei dem keine weiteren ¨außeren Kr¨ afte wirken, also FK = 0 ist, erhalten wie aus dem oberen Teil von (7.16)
7.2 Elektrodynamische Wandler f¨ ur K¨ orperschall
vK UK
=
F K =0
(BlL
−BlL . + ZM S ZES
)2
533
(7.19)
Dieser Ausdruck setzt sich aus einem rein elektrischen Anteil und einer mechanischen R¨ uckwirkung zusammen. Damit ist es prinzipiell m¨oglich, die Messung mechanischer Impedanzen auf die Bestimmung von elektrischen Spannungen und Str¨omen zur¨ uckzuf¨ uhren. ¨ F¨ ur den Ubertragungsfaktor bei Sendebetrieb, bei dem wieder F k = 0 gilt, erhalten wir nach kleinen Umrechnungen von (7.16)
−BlL v K
= . (7.20)
2 U K F =0 (BlL ) + ZM S ZES K
Nach (7.13) gilt f¨ ur F K = 0 die Beziehung −F K = ZM K v K . Die von der Schwingspule auf eine Struktur mit der Impedanz ZM K u ¨bertragene Kraft ist also
BlL ZM K v K
= . (7.21) U K F =0 (BlL )2 + ZM S ZES K
F¨ ur Lautsprecher und f¨ ur K¨ orperschallsender, die auf sehr leichte Strukturen wirken (ZM S ≈ ZM i ), interessiert haupts¨achlich die erzeugte Schnelle. Sie ist nach (7.20) gegeben. F¨ ur einen weich gelagerten Spulenk¨orper mit der 2 /ω 2 ) und dem durch (7.21) gegebenen elektriImpedanz ZM S = jωm(1 − ωR schen Widerstand f¨ uhrt sie auf den in Bild 1.29 oben eingezeichneten prinzipiellen Frequenzgang. ωR ist dabei die Resonanzfrequenz, die sich aus der 2 Spulenk¨orpermasse mi und der Steife der Halterung si = ωR mi ergibt. Die ¨ in Bild 7.8 aufgetragene Funktion ist das sog. Ubertragungsmass. Das ist der ¨ zwanzigfache Logarithmus des Absolutbetrages des Ubertragungsfaktors. F¨ ur K¨orperschallsender, die auf schwere Strukturen wirken, ist (7.21) geuhrt sie auf den in eigneter. F¨ ur ZM K = jωmK ZM i und ZES = R + jωL f¨ Bild 7.8 Mitte eingezeichneten prinzipiellen Frequenzverlauf. ¨ Bei Betrieb als Aufnehmer kann man die Ubertragungsfaktoren ebenfalls aus (7.16) errechnen. Man muß lediglich UK = 0 setzen. Wir finden so:
BlL iK
= . (7.22) F K U =0 (BlL )2 + ZM S ZES K
Wegen der Reziprozit¨ at ist die rechte Seite bis auf das Vorzeichen identisch mit (7.20). Allerdings sind aus konstruktiven Gr¨ unden die entscheidenden Frequenzen verschieden. Bei K¨ orperschallsendern kann man mit gr¨oßeren Massen arbeiten und damit ωR (das ist die Stelle ZM K → 0) sehr tief legen; bei den sehr leicht gebauten Empf¨ angern ist das nicht m¨oglich. In diesem Fall legt man ωR in die Mitte des interessierenden Frequenzbereiches und macht die mechanische und elektrische D¨ ampfung so hoch, dass der in Bild 7.8 unten skizzierte Frequenzverlauf entsteht. Das wichtigste Beispiel hierf¨ ur ist das bekannte Tauchspulenmikrofon, bei dem die anregende Kraft durch den Luftdruck gegeben ist und wegen der geringen Belastung durch die umgebende Luft ZM S sehr klein gemacht werden kann.
534
7 Messung und messbare Erzeugung von K¨ orperschall
¨ Bild 7.8. Frequenzgang des Ubertragungsmaßes von elektrodynamischen Wandlern. a Sender (F K = 0) mit sehr geringer mechanischer Belastung. b Sender (F K = 0) mit hoher mechanischer Belastung. c Empf¨ anger (U K = 0) mit geringer mechanischer Belastung. Bei hoher Belastung ist der Frequenzgang sehr gleichm¨ aßig, s. Glg. (7.23).
Bei K¨orperschallaufnehmern, die die Schnelle von schweren Strukturen messen sollen, ergibt sich aus (7.16)
BlL U
BlL ZEK iK
= ; = . (7.23)
v K U =0 ZES v K U =0 ZES K
K
Bis auf den Abfall oberhalb von ω = R/L kann man hier einen ebenen Frequenzgang erreichen. 7.2.1.2 Energiebilanz In diesem Abschnitt wollen wir beweisen, dass die Gleichheit der Kopplungsfaktoren in (7.8) und (7.9) eine Folge des Energieerhaltungsprinzips ist. Dazu
7.2 Elektrodynamische Wandler f¨ ur K¨ orperschall
535
setzen wir allgemein F W = αiW
und U W = βv W .
(7.24)
Zusammen mit (7.11) und (7.13) ergibt sich daraus f¨ ur die real messbaren Gr¨oßen F = F W + ZM i v = α + ZM i v U = U W − Z Ei i = −ZEi iβv.
(7.25)
Nach (1.46) ist die transportierte mechanische Leistung PM =
1 1 Re {F v ∗ } = Re αiv ∗ + ZM i |v|2 . 2 2
(7.26)
¨ Ahnlich gilt f¨ ur die elektrische Leistung PE =
1 1 Re {iU ∗ } = Re −ZEi |i|2 + β ∗ iv∗ . 2 2
(7.27)
In diesen Ausdr¨ ucken sind 1 Re {ZM i } |v|2 2
bzw.
1 Re {Z−Ei } |i|2 2
die vom mechanischen bzw. elektrischen Innenwiderstand verbrauchten Leistungen. Die beiden verbleibenden Terme m¨ ussen sich bei unserer Vorzeichenwahl zu Null summieren, weil im idealen Wandler keine Leistung entsteht oder verloren geht. Wir erhalten also 0=
1 1 Re {αiv ∗ } + Re {βiv ∗ } 2 2
bzw.
− α = β∗.
(7.28)
¨ Wenn α = BlL und damit reell ist, folgt also zwangsl¨aufig und in Ubereinstimmung mit (7.8) β = −BlL . ¨ 7.2.1.3 Impedanzen und Ubertragungsfaktoren bei beweglichen Magneten Wer einmal versucht hat, mit einem mehrere Kilogramm schweren K¨orperschallsender bei tiefen Frequenzen im Handbetrieb“ eine Decke oder ein ” schweres Maschinengeh¨ ause anzuregen, hat gesp¨ urt, dass die im letzten Abschnitt gemachte Annahme vM = 0, d. h. vW = v (siehe Bild 7.7) nicht der Wirklichkeit entspricht. Wir m¨ ussen also diesen, bei der Anregung schwerer ¨ Strukturen wichtigen Effekt in unsere Uberlegungen mit einbeziehen. Da alle u ¨brigen Bauteile und Schaltelemente gleich bleiben, bedeutet das, dass wir in der Kette von Matrizen (7.17) nur neue Koeffizienten Iij finden m¨ ussen, die upfen. FW , vW mit F und v verkn¨
536
7 Messung und messbare Erzeugung von K¨ orperschall
Bild 7.9. Schnellen und Kr¨ afte bei einem elektrodynamischen Wandler mit beweglichen Massen.
In Bild 7.9 ist f¨ ur diesen Zweck noch einmal der interessierende Wandlerteil zusammen mit den Kr¨ aften und Schnellen dargestellt. Wir haben dabei auch noch eine Feder der Steife s eingef¨ uhrt, die sich aus der Halterungsfeder s1 f¨ ur den Schwingkopf und der Lagerungsfeder s2 f¨ ur den gesamten Magneten zusammensetzt. Offensichtlich gilt nun s (v − v M ) jω s (v − v M ) + jω vW = v = vM .
F − F W = ZM i v + F W − F M = ZM M v M
(7.29)
Dabei ist FW wieder die Wandlerkraft und vW die Schnelledifferenz von Spule und Magneten. ZM M ist die Impedanz des Magneten. Im weiteren nehmen wir an, dass FM = 0 ist. Das bedeutet keine Einschr¨ankung, denn wenn der Magnet sich noch auf eine andere Struktur abst¨ utzt, m¨ ussen wir nur ZM M entsprechend erh¨ ohen (und evtl. st¨ orende Halterungsresonanzen in Kauf nehmen). Eliminiert man in (7.29) vM und formt die Gleichungen so um, dass links nur F und v und rechts nur FW und vW auftreten, dann hat man die gew¨ unschte Vierpolform
7.2 Elektrodynamische Wandler f¨ ur K¨ orperschall
ZM i +ZM M s ZM i +ZM M F FW ZM M jω ZM M +ZM i = . v vW 1/ZM M 1 + s/jωZM M
537
(7.30)
Diesen Ausdruck m¨ ussen wir nun in die Matrixkette (7.17) f¨ ur Iij einsetzen und dann die Multiplikation mit den anderen bereits bekannten Matrizen vornehmen. Das Ergebnis hat wieder die Form A11 A12 iK FK = . (7.31) vK A21 A22 UK Von den etwas langen Ausdr¨ ucken f¨ ur Aij brauchen wir zur Berechnung der ¨ Ubertragungsfaktoren nur A11 und A21 . Sie ergeben sich nach einigen Rechnungen zu 1 ZM S + ZM M s ZM S + ZM M A11 = + ZES ZM S 1 + (Bl)2 BlL ZM M jω ZM S ZM M ZES s BlL 1 . A21 = 1+ + BlL jω ZM M ZM M (7.32) Dabei ist wieder ZM S = ZM i + ZM K und ZES = ZEi + ZEK (siehe Bild 1.28). Nimmt man an, dass ZM S und ZM M durch Massenimpedanzen angen¨ahert werden k¨onnen, dann gilt 2 ωM 1 2 ms + mM S A11 = (Bl) . (7.33) + ZES jωmM S 1 − 2 BlL mM ω Die hier auftretende Resonanzfrequenz ωM S ist die Tonpilzresonanz, die sich aus der Masse mS von Struktur und Schwingkopf, der Steife der Feder s und der Masse mM des Magneten ergibt 1 1 2 ωres =s + . (7.34) m1 m2 ¨ F¨ ur die Ubertragungsfaktoren folgt aus (7.31) bei Betrieb als Sender:
−A12 + A21 A11 A22 − A12 A21 −1 v K
= + A22 = =
U K F =0 A11 A11 A11
K (7.35)
ZM K F
= U K F =0 A11 K
bei Betrieb als Empf¨ anger
iK
1 = F K U =0 A11
K iK
1 = ;
v K U =0 A21 K
U
v K U
K =0
ZEK = . A21
(7.36)
538
7 Messung und messbare Erzeugung von K¨ orperschall
In der ersten dieser Gleichungen haben wir davon Gebrauch gemacht, dass die Determinante der Wandlermatrix (7.17) den Wert -1 hat. Die u ¨brigen Matrizen und auch (7.35) haben den Wert +1. Damit ist die Determinante der ganzen Matrixkette A11 A22 −A12 A21 = (+1)·(+1)·(−1)·(+1)·(+1) = −1. Aus den Gleichungen kann man folgende allgemeine Schlußfolgerungen ziehen: •
Wenn die Feder sehr steif ist, dann liegt ωM S relativ hoch; im Bereich ω < ωM S bewegt sich fast nichts, und es wird auch kaum eine auf das Pr¨ ufobjekt wirkende Kraft erzeugt. ugend tief liegt, dann gehen f¨ ur • Wenn (was meist der Fall ist) ωM S gen¨ ¨ in die entsprechenden Ausdr¨ ucke ZM M > ZM S die Ubertragungsfaktoren in (7.20 bis 7.23) u ¨ber. • Bei K¨orperschallsendern f¨ uhrt die Bewegung des Magneten dazu, dass die untere Grenzfrequenz (siehe Bild 7.8 Mitte), die sonst bei |ZM S | = (BlL )2 /|ZES | liegt, um den Faktor |1 + ZM S /ZM M | erh¨oht wird. Das bedeutet, dass nach tiefen Frequenzen hin die u ¨bertragende Kraft immer kleiner wird. Das ist darauf zur¨ uckzuf¨ uhren, dass die durch die Bewegung des Magneten induzierte Gegenspannung nach tiefen Frequenzen hin immer gr¨oßer wird, aber - was denselben Tatbestand ausdr¨ uckt - dass der wirksame elektrische Widerstand mit gr¨ oßer werdender Bewegung des Magneten wegen der R¨ uckwirkung nach (7.18) ansteigt. Im u ¨brigen Bereich hat die Anordnung einen Frequenzverlauf wie er in Bild 7.8 Mitte skizziert ist. • Bei K¨orperschallaufnehmern, die dem Funktionsprinzip eines Geophones folgen, gilt dasselbe wie bei den Sendern. Es muss versucht werden, durch weiche Federn die Tonpilzfrequenz m¨ oglichst tief zu legen. Ein Wert von 5 Hz und darunter ist durchaus realistisch. Aus den Formeln und ihrer Diskussion folgt, dass elektrodynamische Wandler einen großen Wert von BlL und eine m¨oglichst niedrige Tonpilzresonanz besitzen sollen. Vom konstruktiven Standpunkt aus sind dies etwas widerspr¨ uchliche Forderungen, denn eine niedrige Tonpilzfrequenz verlangt eine sehr weiche Federung und ein großes BlL verlangt einen sehr engen Luftspalt im Magneten, bei dem Ber¨ uhren und Schleifen der Schwingspule nur dann verhindert wird, wenn die Spulenhalterung eine gewisse Steife besitzt. Man l¨ost dieses Problem meist durch Mehrfachlagerung (z. B. mit Tellerfedern), die in Bewegungsrichtung sehr weich ist, aber gleichzeitig seitliche Bewegung oder Kippen des Spulenk¨ orpers weitgehend vermeidet. F¨ ur derzeit gebr¨ auchliche elektrodynamische K¨orperschallsender (shaker) kann man etwa damit rechnen, dass die im Dauerbetrieb maximal erreichbare Kraft bei 5 - 10 Newton pro Kilogramm Shakergewicht liegt. Prinzipiell k¨onnte man durch h¨ ohere Str¨ ome gr¨ oßere Kr¨ afte erzeugen, aber dann wird die W¨armeentwicklung im Spulenk¨ orper zu groß; es sei denn, man sieht eine zus¨atzliche K¨ uhlung vor.
7.2 Elektrodynamische Wandler f¨ ur K¨ orperschall
539
F¨ ur manche Anwendungen ist es interessant, den Zusammenhang zwischen Wandlerkraft FW und Schnelle vM des Magneten zu kennen. Wir nehmen dazu an, dass es sich um Senderbetrieb handelt, so dass (7.29) die Form s (v − v M ) jω s (v − v M ) − 0 =ZM M v M − jω
−ZM K v − F W =ZM i v + FW
(7.37)
annimmt. Durch Elimination von v folgt daraus vM = F W
ZM S ZM M
ZM S FW = s + jω (ZM S + ZM M ) ZM M 1 +
1 s
jω
. (7.38)
ZM S +ZM M ZM S ZM M
2 2 Der zweite Nenner kann wieder in der Form 1 − ωM S /ω geschrieben werden. (7.38) besagt also, dass man oberhalb der Tonpilzfrequenz die Wandlerkraft FW einfach dadurch bestimmen kann, dass man die leicht meßbare Magnetschnelle vM bestimmt und mit ZM M multipliziert (siehe Abschnitt 4). Bei den Rechnungen dieses Abschnitts wurde nicht ber¨ ucksichtigt, dass ein K¨orperschallwandler auch eine Belastung f¨ ur das Messobjekt darstellt. Da dieses Problem in Abschnitt 7.3.1, insbesondere Gl. (7.99) behandelt wird, werden wir hier nicht weiter darauf einzugehen.
Es gen¨ ugt anzumerken, dass die Aufnehmerimpedanz Za , die in diesem Zusammenhang ben¨ otigt wird, aus der Matrixkette als Za = F /v erhalten werden kann und, wie z. B. (7.18) zeigt, aus einem mechanischen und einem elektrischen Anteil besteht. Wie bei vielen anderen Gelegenheiten zeigt sich auch hier, dass die Aufteilung eines komplexen Problems in unabh¨angige ” Teilprobleme“ (hier mechanischer und elektrischer Teil) zwar der menschlichen Denkweise entgegenkommt und h¨ aufig sehr erfolgreich ist, dass aber letztlich alles miteinander verkoppelt ist und Trennungen“ immer nur als ” sehr schwache Kopplungen gesehen werden sollen. 7.2.2 Piezoelektrische Wandler F¨ ur die Messung von K¨ orperschall werden wegen ihrer problemlosen Handhabung fast ausschließlich piezoelektrische Aufnehmer verwendet. Der prinzipielle konstruktive Aufbau der wichtigsten Typen ist in Bild 7.10 skizziert. Es handelt sich dabei um Beschleunigungsaufnehmer, die bis in die N¨ahe ihrer Resonanzfrequenz einen fast konstanten Frequenzverlauf haben und die sehr klein (bis zu Zehntel Gramm) und robust gebaut werden k¨onnen. Als Faustwert kann man damit rechnen, dass derzeit gebr¨auchliche Aufnehmer eine Empfindlichkeit von (0,1 bis 1) mg [V/(m/s2 )] und eine Resonanzfrequenz von (100 bis 600)/mg [kHz] haben. Dabei ist mg die Masse des gesamten Aufnehmers in Gramm.
540
7 Messung und messbare Erzeugung von K¨ orperschall
Bild 7.10. Beispiele piezoelektrischer Wandler. a Dickenschwinger. b Scherschwinger. c Biegeschwinger.d Longitudinalschwinger auf Piezofolienbasis. e Biegenwandler auf piezofolienbasis.
Als K¨orperschallsender sind piezoelektrische Wandler nur dann gut geeignet, wenn kleine Bewegungen und große Kr¨ afte erforderlich sind. Es m¨ ussen in diesem Fall beide Seiten des piezoelektrischen Materials mit großen mechanischen Impedanzen verbunden sein. Zur Anregung werden hohe elektrische Spannungen ben¨otigt. Neuerdings werden auch d¨ unne Piezofolien aus geeigneten Kunststoffen (PVDF-Folien) verwendet. Diese Folien werden auf das Pr¨ ufobjekt geklebt und k¨onnen sowohl als Sender als auch als Empf¨anger betrieben werden. Wie Bild 7.10 zeigt, k¨ onnen sie, wenn sie gen¨ ugend gut angeklebt sind, Longitudinal- und Biegebewegungen erzeugen. Der Vorteil dabei ist, dass keine großen Massen oder steifen Halterungen ben¨otigt werden, gegen die sich der Sender abst¨ utzt [7.8]. Piezofolien werden in verschiedenen Dicken hergestellt. Man kann mit ihnen fast belastungsfreie Wandler herstellen. Allerdings ist die Reproduzierbarkeit z. Z. noch nicht ideal. Zur Entstehung des piezoelektrischen Effekts kann man sich vorstellen, dass sich - wie in Bild 7.11 skizziert - verschiedene positive und negative Ladungstr¨ager im Material verschieben und so eine Ladung erzeugen. Im undefinierten Zustand sind die inneren Ladungen in einem elektrischen Gleichgewicht, so dass auf den außen an den Kristall geklebten Elektroden keine Ladungen erscheinen. Dieses Gleichgewicht wird gest¨ort, wenn das Gitter in der gezeichneten Lage zusammengedr¨ uckt oder auseinandergezogen wird. Dadurch sammeln sich auf den Elektroden Ladungen an, ohne dass es irgend einer
7.2 Elektrodynamische Wandler f¨ ur K¨ orperschall
541
¨außeren Ladungszufuhr bedarf. Wegen der Querkontraktionen kann auch eine zur x-Richtung senkrechte Verschiebung h eine solche Ladungs¨anderung hervorrufen. Es kann also angesetzt werden [7.1]: QW = −Kxx ξ
oder
QW = −Kxx η.
(7.39)
Dabei ist QW die enstehende Wandlerladung“. ξ und h sind die Zusam” mendr¨ uckungen. Kxx , Kxy sind Wandlerkonstanten, die vom Material, der Gr¨oße, Form und eventuell von der Ausrichtung zu den Kristallachsen abh¨angen.
Bild 7.11. Prinzipskizze zur Wirkung eines piezoelektrischen Materials, nach [7.5]. a Undeformierter Zustand. b Verformung in Richtung des elektr. Stromes. c Verformung senkrecht zur Richtung des elektr. Stromes.
Im folgenden wollen wir uns mit einer Bewegungsrichtung begn¨ ugen. Wir k¨onnen uns also auf eine Wandlerkonstante K beschr¨anken; außerdem wollen ¨ wir ber¨ ucksichtigen, dass elektronische Str¨ ome den zeitlichen Anderungen der ¨ Ladungen und mechanische Schnellen den zeitlichen Anderungen der Bewegungen entsprechen: dQ dξ i= , v= . dt dt Wenn wir nun noch zu Zeigern u ¨bergehen, erhalten wir die erste grundlegende Beziehung f¨ ur den piezoelektrischen Wandler: iW = −Kvw.
(7.40)
Der umgekehrte piezoelektrische Effekt besteht darin, dass eine angelegte elektrische Spannung eine dazu proportionale Auslenkung des Materials und damit eine mechanische Wandlerkraft“ FW hervorruft. Es gilt also ” F W = −KU W
(7.41)
dass sowohl in (7.40) als auch in (7.41) die gleiche Konstante K auftaucht, ist wieder eine Folge der Energieerhaltung. Der Beweis daf¨ ur verl¨auft genauso wie beim elektrodynaischen Wandler. Siehe (7.26 bis 7.28). Durch Kombination von (7.40 und 7.41) erhalten wir die Vierpolform: FW 0 K iW = . (7.42) −1/K 0 vW UW
542
7 Messung und messbare Erzeugung von K¨ orperschall
Da beim Piezowandler die Schnelle dem Strom und die Kraft der Spannung proportional ist, w¨ ahrend es beim elektrodynamischen Wandler umgekehrt war, spricht man hier von einem N -Wandler, w¨ahrend es sich im elektrodynamischen Fall um einem M -Wandler handelte. Ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Wandler-Typen besteht bei der Rolle des Innenwiderstandes. In Bild 7.7 oben liegt der Innenwiderstand in Reihe mit dem Wandler und f¨ uhrt zu einem unvermeidlichen Spannungsabfall, beim Piezowandler ist dagegen die Kapazit¨at des Wandlers parallel zur Quelle des Stromes iW und f¨ uhrt daher zu einem Stromabfall. Damit ergibt sich insgesamt das in Bild 7.12 skizzierte Schaltbild. Die dazugeh¨origen elektrischen Beziehungen sind bei der hier benutzten Vorzeichenwahl (siehe auch (7.11)) iW = i − U W /ZEi bzw. 1 −1/ZEi iW i = . UW 0 1 U
U = UW ,
(7.43)
Dabei ist ZEi im wesentlichen der (ziemlich große) elektrische Widerstand, der von der Kapazit¨ at C des Wandlers hervorgerufen wird: ZEi = 1/jωC.
(7.44)
Bild 7.12. Piezoelektrischer Wandler. a Prinzipskizze, b Vierpoldarstellung.
Damit sind die einzelnen Matrizen f¨ ur die Vierpolkette in Bild 7.12 bekannt, denn f¨ ur den mechanischen Teil und den elektrischen Lastwiderstand
7.2 Elektrodynamische Wandler f¨ ur K¨ orperschall
543
k¨onnen wir wieder (7.14) bzw. (7.30) und 7.12) verwenden. F¨ uhrt man die entsprechenden Multiplikationen durch, so findet man: •
•
f¨ ur den mechanischen Teil ZM S +ZM M FK ZM M = vK 1/ZM M
s ZM S +ZM M jω ZM M
+ ZM S
FW vW
1 + s/jωZM M
f¨ ur den elektrischen Teil −KZ EK FW = −1 vW 1 + ZZEK K Ei
K 1 KZEi
iK UK
(7.45)
.
(7.46)
Dabei ist ZM S = ZM i + ZM K die Summe aus mechanischer Aufnehmerimpedanz (im wesentlichen durch die Geh¨ ausemasse gegeben) und Impedanz der uher die des Magneten). Messprobe. ZM M ist die Impedanz der Gegenmasse (fr¨ Vergleicht man Bild 7.9 und 7.12, so erkennt man folgende Entsprechungen: elektrodynamische Wandler (M-Wandler) Spannungsquelle in Reihe geschalteter Innenwiderstand
Piezowandler (N-Wandler) Stromquelle parallel geschalteter Innenwiderstand Gegenmasse (seismische Masse) der Impedanz ZM M
Magnet der Impedanz ZM M
ZM M ≈ jωmM Steife s der Befestigung (klein) Schwingspule der Impedanz ZM i
(7.47)
Steife s des Piezomaterials (groß) Geh¨ause der Impedanz ZM i
ZM i ≈ jωmi .
(7.48)
Durch Multiplikation von (7.45 und 7.46) erh¨alt man die Gesamtmatrix, die wieder von der Form (7.31) ist. Auch dabei sind wieder alle Einzeldeterminanten +1 oder -1. Analog zu (7.36) ergibt eine kleine Rechnung f¨ ur die Empfindlichkeit als Empf¨ anger
U
ZEK −K = = . (7.49) 1 1 s K2 v K U =0 A21 1 + + K ZEK ZEi jωZM M + ZM M F¨ ur die weitere Diskussion empfiehlt es sich, entsprechend den u ¨blichen Begebenheiten bei piezoelektrischen K¨ orperschallaufnehmern ZM M = jωmM , ZEi = 1/jωC, ZEK = R zu setzen und von der Schnelle zur Beschleunigung aK = jωvK u ¨berzugehen. Damit wird aus (7.49):
544
7 Messung und messbare Erzeugung von K¨ orperschall
U
aK U
= K =0
mM K sC 1+
1 jωCR
−1
1−
ω 2 mM s
+
K2 sC
.
(7.50)
Der zweite Term im Nenner ist sehr klein und spielt nur bei ω 2 = s/mM , also bei der Resonanzfrequenz ein Rolle. (7.50) f¨ uhrt zu den im Bild 7.13 oben eingezeichneten Frequenzverlauf. Er ist in einem weiten Bereich konstant, weil mit modernen Ladungsverst¨ arkern R extrem groß gemacht werden kann und weil bei kleinen Beschleunigungsaufnehmern s/m hohe Werte annimmt. Piezoelektische Materialien werden sehr h¨aufig auch zur Messung von Wechselkr¨aften eingesetzt. Ein prinzipieller Messaufbau ist im Bild 7.13 Mitte ¨ eingezeichnet. F¨ ur den Ubertragungsfaktor erh¨alt man aus (7.44 und 7.45)
−1 1 U
−1 ≈ = . 1 1 s ZM M +ZM S F K U =0 K ZM M +ZM S + 1 K ZM S + jω ZM M K ZM M K2 ZEi + ZEK (7.51)
Bild 7.13. Frequenzgang piezoelektrischer Wandler. a Beschleunigunsaufnehmer nach Bild 7.12.b Kraftaufnehmer nach Bild 7.14. c K¨ orperschallsender.
7.2 Elektrodynamische Wandler f¨ ur K¨ orperschall
545
Bild 7.14. Beispiele piezoelektrischen Kraftmessers.
Die sehr einfache N¨ aherung in (7.51) kann aus folgenden Gr¨ unden gemacht werden: •
Bei Kraftmessern ist man bem¨ uht, die Bauteile (Geh¨ause) zwischen der zu messenden Kraft und dem eigentlichen Wandler m¨oglichst klein und steif zu halten. Es ist also ZM S = ZM K + ZM i ZM M . Dabei ist ZM M die Impedanz der Struktur, auf die die Kraft wirkt. • Die Wandlerkonstante K ebenso wie die elektrischen Widerst¨ande ZEi und ZEK sind zahlenm¨ aßig sehr groß.
Piezoelektrische Materialien kann man auch zur Erzeugung von K¨orper¨ schall benutzen. Der Ubertragungsfaktor ergibt sich aus (7.45 und 7.46) zu
−K F
ZM K = . (7.52) K 2 ZEK s U K F =0 ZM S 1 + ZEK 1 + + K ZEi jωZT ZT Dabei ist ZT = (ZM K + ZM i + ZM M )/ZM M (ZM i + ZM K ) und ZM S = ZM i + ZM K ≈ ZM K . Durch Einsetzen von typischen Werten kann man sich davon u ¨berzeugen, dass sich bei tiefen Frequenzen mit piezoelektrischen Wandlern keine großen Kr¨afte erzeugen lassen. Liegt die Frequenz allerdings u ¨ber der Tonpilzresonanz, bei der das Piezomaterial das federnde Element ist, dann geht (7.52) in einem großen Frequenzbereich in den Wert −K u ¨ber. Die Wahl geeigneter Piezomaterialien sowie elektrischer und mechanischer Widerst¨ande ist ein sehr wichtiger Aspekt bei der Dimensionierung von piezoelektrischen Wandlern. Daneben sind auch noch eine Reihe anderer Gesichtspunkte zu beachten. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang die Empfindlichkeit gegen¨ uber elektrischen und magnetischen St¨orfeldern, kleinen Temperatur¨anderungen (pyro-elektrischer Effekt), minimalen Verformungen des Aufnehmergeh¨auses, usw. sowie die Richtungsempfindlichkeit.
546
7 Messung und messbare Erzeugung von K¨ orperschall
7.2.3 Elektrostatische Wandler Elektrostatische Wandler - auch dielektrische Wandler genannt - bestehen aus zwei meist plattenf¨ ormigen Elektroden, an die eine Gleichspannung angelegt ist. Eine der beiden Elektroden ist sehr d¨ unn. Sie wird fest auf dem Pr¨ ufobjekt befestigt (geklebt). Entsprechend den praktischen Begebenheiten betrachten wir in diesem Abschnitt nur den Fall der starren Gegenelektroden. (Bild 7.15). Bewegliche Gegenelektroden k¨onnen entsprechend Abschnitt 7.2.1.3 behandelt werden.
Bild 7.15. Prinzip des elektrostatischen Wandlers.
Das Kondensatormikrofon f¨ ur Luftschall ist u ¨brigens auch ein elektrostatischer Wandler. Es besteht aus einer d¨ unnen, straff gespannten Membran, die eine Elektrode darstellt. Die Gegenelektrode ist das starre Mikrofongeh¨ause. Die Membran wird vom einfallenden Schalldruck zu Schwingungen (K¨orperschall) angeregt, deren Amplituden vom Wandler in elektrische Signale umgewandelt werden [7.9]. Der elektro-mechanische Zusammenhang ist bei diesem Wandlertyp durch das Coulomb´sche Gesetz der elektrostatischen Anziehung gegeben. Angewandt auf zwei Platten, die sich im Abstand d befinden und im Ruhezustand die Kapazit¨at C haben, ergibt sich die Anziehungskraft F =
QU CU 2 C ˜ )2 ≈ C U 2 + C U U ˜. = = (U + U 2d 2d 2d 2d d
(7.53)
˜ Dabei ist Q die Ladung auf dem Kondensator, U die Gleichspannung und U die Wechselspannung. Im Rahmen der Akustik ist die N¨ aherung in (7.53), die einer Linearisierung entspricht, zul¨ assig, weil die u ¨blicherweise verwendeten Gleichspannungen (Vorspannung) in der Gr¨ oßenordnung von 100 bis 1000 V liegen, w¨ahrend
7.2 Elektrodynamische Wandler f¨ ur K¨ orperschall
547
die Wechselspannungen mehr als hundertmal kleiner sind. Das gilt auch f¨ ur die - z. B. bei sehr vielen Luftschallmikrofonen verwendeten - sog. ElektretWandler, bei denen die Gleichspannung nicht von einer ¨außeren Quelle erzeugt wird, sondern in geeigneten Materialien als Polarisationsspannung besteht und somit eine eingefrorene“ Gleichspannung von beispielsweise 200 V darstellt. ” F¨ ur unser Problem interessiert nur der Wechselanteil der Kr¨afte und Spannungen. Wenn wir zu den Zeigern u ur die Wandler¨bergehen, erhalten wir so f¨ ” kraft“, also die Kraft, die bei festgehaltenen Platten und damit bei konstanter Kapazit¨at C entsteht. CU (7.54) UW. d F¨ ur den umgekehrten Fall, bei dem der Wandler als Empf¨anger dient, der von einer Schnelle vW angeregt wird, ergibt sich f¨ ur den Wandlerstrom FW =
CU (7.55) v . d W Dabei haben wir wieder von der in (7.24-7.57) bewiesenen Gleichheit (bis auf das Vorzeichen) der Wandlerkonstanten Gebrauch gemacht. In Vierpoldarstellung lautet die Gleichung f¨ ur den idealen elektrostatischen Wandler 0 FW C U /d iW = . (7.56) vW UW −C U /d 0 iW = −
Abgesehen von den Buchstaben ist (7.56) identisch mit der entsprechenden Beziehung (7.42) f¨ ur den piezoelektrischen Wandler. Die enge Verwandtschaft zwischen diesen beiden Wandlertypen gilt auch f¨ ur den Einfluß des elektrischen Innenwiderstandes, denn auch beim elektrostatischen Wandler wird ein Teil des entstandenen Stromes durch den parallel liegenden Innenwiderstand ZEI abgeleitet, siehe Bild 7.15. Beim Innenwiderstand handelt es sich im wesentlichen um den Einfluß der Kapazit¨ at, so dass (7.43) und (7.48) unmittelbar u onnen. ¨bernommen werden k¨ Hinsichtlich des mechanischen Innenwiderstandes besteht allerdings ein kleiner Unterschied. Im Gegensatz zum elektrodynamischen und piezoelektrischen Wandler liegt n¨ amlich beim elektrostatischen Wandler eine Vorspannung an, die zu einer Anziehungskraft nach (7.53) f¨ uhrt. Bei Betrieb des Wandlers ¨andert sich diese Anziehungskraft. Man kann diesen Tatbestand auch durch eine zus¨ atzliche, elektrisch bedingte Federsteife sE ausdr¨ ucken. Ihre Gr¨oße ergibt sich nach (7.53) zu 2
sE =
1 dQU dD Q dU Q d dF U dC = = = + dξ 2d dξ 2d dξ 2d C U dξ 2d dξ 2
2
1 dF U C d(1 − ξ/d) U C 1 dF + = − 2 dξ 2d dξ 2 dξ 2d2 2 2 U C UC 1 . oder sE = 2 = − d d C =
(7.57)
548
7 Messung und messbare Erzeugung von K¨ orperschall
¨ Dabei haben wir davon Gebrauch gemacht, dass x die Anderung des Plattenabstandes ist, dass mit (7.54) eine Spannungs¨ anderung durch eine Kraft¨anderung ausgedr¨ uckt werden kann und dass die variable Kapazit¨at durch C=
C ≈ C(1 − ξ/d) 1 + ξ/d
(7.58)
gegeben ist. Wie zu erwarten, ist sE negativ, weil umgekehrt wie bei einer normalen Feder eine Abstandsverkleinerung zu einer st¨arkeren Anziehung f¨ uhrt. Die mechanische Zusatzimpedanz, die auf diese Weise entsteht, ist 1 sE UC = . (7.59) ZM E = jω d jωC Wie man sieht, tritt hier das Quadrat der Wandlerkonstante U C/d auf. Das ist typisch f¨ ur die mechanische Auswirkung eines elektrischen Schaltelements, wie wir bereits bei (7.18) gesehen haben. F¨ ur das weitere Vorgehen k¨ onnen wir alle f¨ ur den piezoelektrischen Wandler abgeleiteten Beziehungen u ussen lediglich die innere ¨bernehmen. Wir m¨ mechanische Impedanz ZM i durch 1 UC = Z − ZM (7.60) Mi i d jωC ersetzen. Damit erhalten wir beispielsweise bei starrer Gegenelektrode 1 ZM F 0 α 1 −1/ZEi i i = v 0 1 −1/α 0 0 1 u (7.61) ZM i /α α + ZM i /αZEi i = . −1/α 1/αZEi u F¨ ur den Empf¨anger¨ ubertragungsfaktor ergibt sich aus (7.49) f¨ ur eine starre Gegenelektrode, also f¨ ur ZM M = 8
U
−U −C U ZEi → . (7.62) =
v K U =0 d(1 + ZEi /ZEK ) jωd(1 + 1/jωCR) K
Dabei wurde entsprechend den u ¨blichen praktischen Begebenheiten ZEi = 1/jω und ZEK = R gesetzt. Multipliziert man beide Seiten von (7.62) mit jω, so steht links das Verh¨ altnis von elektrischer Spannung zu mechanischer Bewegung ξ = v/jω. Das bedeutet, dass f¨ ur ω > 1/RC, also f¨ ur sehr hochohmigen Abschluß, ein elektrostatischer Wandler ein Ger¨at zur Messung von Bewegungen darstellt. Die in diesem Abschnitt hergeleiteten Wandlerbeziehungen kann man auch mit Hilfe des Hamilton´schen Prinzips ableiten und somit dessen große Allgemeing¨ ultigkeit erneut unter Beweis stellen. Wie man dabei vorzugehen hat,
7.2 Elektrodynamische Wandler f¨ ur K¨ orperschall
549
wollen wir beim elektrostatischen Wandler zeigen. Wir ben¨otigen dazu den Energieinhalt EKond eines mit der Ladung Q aufgeladenen Kondensators der Kapazit¨at C, n¨amlich 1 Q2 (7.63) EKond = 2 C und den Energieinhalt ESpule einer vom Strom i durchflossenen Spule der Selbstinduktion L, n¨ amlich ESpule =
1 2 1 Li = LQ˙ 2 . 2 2
(7.64)
Diese Grundbeziehungen sind in den einschl¨ agigen Lehrb¨ uchern u ¨ber Physik zu finden. In (7.64) haben wir noch davon Gebrauch gemacht, dass der elektrische Strom i gleich der zeitlichen Ableitung der Ladung Q ist. Betrachten wir die in Bild 7.16 skizzierte Anordnung, bei der die Bewegung ξK vorgegeben sein soll, dann sind die zu ber¨ ucksichtigenden kinetischen Energien 1 ˙2 1 mK ξ˙2 und LQ 2 2 und die potentiellen Energien 1 2 sξ , 2
1 sK (ξ − ξK )2 2
und
˜ 2 1 (Q + Q) . 2 C + C˜
(7.65)
Bild 7.16. Bennenungen zu Gl. (7.53) bis (7.69). Die Gegenelektrode (1) und die Masse (2) bilden einen Kondensator.
Die zu minimierende Hamilton’sche Funktion ist ' ˜ 2 1 (Q + Q) ˙ ˜ 2 − sξ 2 − sK (ξ − ξK )2 − mK ξ˙2 + LQ (1 − ξ/d) . 2 C
(7.66)
550
7 Messung und messbare Erzeugung von K¨ orperschall
Dabei haben wir sowohl die Ladung als auch die Kapazit¨at in einen Gleichanteil und einen Wechselanteil aufgespalten und ber¨ ucksichtigt, dass die Zeitableitung von Q verschwindet; außerdem wurde der von der Bewegung verursachte Wechselanteil der Kapazit¨ at entsprechend (7.56) angen¨ahert. Setzt man (7.66) in die Hamilton´sche Formel (1.49) ein und nimmt die ˜ vor, dann erh¨alt man Variation nach den unbestimmten Koordinaten ξ und Q nach einer Rechnung, die (1.50) bis (1.54) entspricht, ˜ 2 (Q + Q) =0 mK ξ¨ + sξ + s(ξ − ξK ) − 2Cd ¨ ˜ + 1 (Q + Q)(1 ˜ LQ − ξ/d) = 0. C
(7.67)
Die weiteren Rechenschritte sind: ˜˙ • Vernachl¨assigung von Termen zweiter Ordnung; z. B. ξ Q; ˜˙ dabei entfallen alle ¨ • Ubergang zu den Schnellen v = ξ˙ und Str¨ omen i = Q; Gleichanteile; ¨˜ → jωi • Benutzung der Zeigerschreibweise; d. h. ξ¨ → jωv, Q • Ersatz der Spulenimpedanz jωL durch ZEK und der Impedanz von Masse und Feder durch ZM i ; damit werden die Ergebnisse gleichzeitig verallgemeinert und Verluste zugelassen. Das Ergebnis nach Durchf¨ uhrung dieser Operationen ist sK sK v − βi = v jω jω K βv = (ZEK + 1/jωC)i = 0. ZM i v +
(7.68)
Es wurde die Abk¨ urzung β = Q/jωdC = U /jωd benutzt. Offensichtlich hat die obere Gleichung (7.68) die Dimension einer Kraft und die untere die einer Spannung. Damit ist es m¨oglich, (7.68) mit (7.61) zu vergleichen. Wir m¨ ussen nur ber¨ ucksichtigen, dass die Kraft F = sK (vk − v)/jω und die Spannung U = ZEK i sind. Damit wird aus (7.68) F = ZM i V − βi U = βv + i/ωC.
(7.69)
Es ist zwar etwas umst¨ andlich, (7.69) in die Form (7.61) zu bringen, weil man den Unterschied zwischen ZM i und ZM I zu beachten hat. Wenn man die entsprechende Rechnung jedoch durchf¨ uhrt, sieht man, dass bis auf das Vorzeichen von i (das nur auf eine Konvention zur¨ uckzuf¨ uhren ist) beide Methoden zum gleichen Ergebnis f¨ uhren. Vergleicht man die beiden Vorgehensweisen, so stellt man fest, dass das Hamilton´sche Prinzip wenig anschaulich ist und dass in der von uns benutzten Fassung die mechanischen und elektrischen Verluste erst nachtr¨aglich eingef¨ ugt werden k¨onnen. Andererseits hat es aber den Vorteil, dass es von sehr
7.2 Elektrodynamische Wandler f¨ ur K¨ orperschall
551
allgemeinen Grundbeziehungen ausgeht und dass die Gleichheit der Wandlerkonstanten, der Einfluss der inneren Impedanzen, die Bedeutung der elektrisch bedingten Zusatzsteife sE von selbst“ erfasst werden. ” 7.2.4 Elektromagnetische Wandler Beim elektromagnetischen Wandler befindet sich ein Weicheisenk¨orper in einem Magnetfeld mit einem hohen magnetischen Fluß Φ, siehe Bild 7.17. Die Kraft, die zwischen Magneten und Anker wirkt, ist proportional dem Quadrat des magnetischen Flusses: ˜ 2. F ∼ Φ2 ∼ (Φ + Φ)
(7.70)
Bild 7.17. Prinzip eines elektromagnetischen Wandlers, (1) Weicheisenk¨ orper, (2) Permanentmagnet.
Damit ein linearer Zusammenhang zwischen den elektrischen und mechanischen Wechselgr¨ oßen zustande kommt, brauchen wir wieder einen großen Gleichanteil Φ. Er kann von einem Permanentmagneten erzeugt sein oder von einer mit Gleichstrom durchstr¨ omten Spule. Dem Gleichanteil u ¨berlagert ist ein Wechselanteil. Bei Sendebetrieb wird er vom Wechselstrom der Spule, ¨ beim Empfangsbetrieb von der mit der Anderung des Abstandes d verbundenen Schwankung des magnetischen Widerstandes und damit des Flusses Φ verursacht. Da der Wandler wieder reversibel ist, erhalten wir also f¨ ur die idealen Wandlergr¨ oßen F W = γiW ; also
FW vW
=
U = −γv W
γ 0 0 −1/γ
iW UW
.
(7.71)
Dabei ist γ die Wandlerkonstante, die vom Abstand d, der magnetischen Feldst¨arke und der Geometrie abh¨ angt.
552
7 Messung und messbare Erzeugung von K¨ orperschall
Ein Vergleich mit (7.10) zeigt, dass bis auf die zahlenm¨aßige Gr¨oße der Wandlerkonstanten die Gleichungen f¨ ur den idealen elektrodynamischen und den idealen elektromagnetischen Wandler gleich sind. Auch die Rolle des elektrischen Innenwiderstandes ist dieselbe, weil er zu einem Spannungsabfall f¨ uhrt. In beiden F¨ allen besteht der Innenwiderstand aus einer Selbstinduktion Li und einem Ohmschen Widerstand. Hinsichtlich des mechanischen Innenwiderstandes existiert ein kleiner Unterschied. Er kommt dadurch zustande, dass ¨ahnlich wie beim elektrostatischen Wandler eine konstante Anziehungskraft vorhanden ist, deren St¨ arke vom Abstand zwischen Magnet und Anker ¨ und daher von der Relativbewegung der beiden abh¨angt. Ahnlich wie beim letzten Abschnitt f¨ uhrt das zu einer negativen Federsteife. Siehe (7.57). Das bedeutet, dass wir auch (7.14) u onnen, wobei wir allerdings ZM i ¨bernehmen k¨ durch sE γ2 (7.72) ZM = ZM i − i = ZM i − jω jωLi ersetzen. Wie man sieht, ist wie stets bei der R¨ uckwirkung eines elektrischen Schaltelementes auf die mechanische Impedanz das Quadrat der Wandlerkonstanten eine entscheidende Gr¨ oße. Siehe auch (7.18). Multipliziert man die Vierpole (7.14), (7.71) und (7.11), so erh¨alt man f¨ ur den realen elektromagnetischen Wandler mit ruhendem Magneten die Beziehungen 2 i F [γ + ZM ZEi ]/γ −ZM /γ i i = . (7.73) v −1/γ U ZEi /γ Daraus kann man alle weiteren interessierenden Gr¨oßen ableiten. Falls die Bewegung des Magneten noch mit ber¨ ucksichtigt werden soll, muss man wie in Abschnitt 7.2.1.2 vorgehen. Elektromagnetische Wandler werden ¨ ahnlich wie die elektrostatischen bei K¨orperschallmessungen fast nur f¨ ur Laborversuche verwendet. Sie haben den Vorteil, dass sie nur schwach mit dem Meßobjekt gekoppelt sind und kaum eine Zusatzbelastung darstellen, sodass sie auch zur Untersuchung sehr leichter Systeme eingesetzt werden k¨ onnen. 7.2.5 Magnetostriktive Wandler Ein magnetostriktiver Wandler besteht meist aus einem zu einem Stab geformten magnetostriktiven Material, das von einer Spule umwickelt ist (Bild 7.18). Als Materialien kommen Nickel, einige Ferrite und neuerdings spezielle Legierungen, die sog. giant alloys“ in Frage [7.10]. ” Falls die Spule von einem Strom i durchflossen wird, f¨ uhren in magnetostriktiven Materialien die magnetischen Kr¨afte zu einer Verk¨ urzung des Stabes. Falls die Verk¨ urzung verhindert wird, weil die Stabenden starr eingespannt sind, entsteht eine (relativ große) Kraft. Sie ist proportional dem Quadrat des magnetischen Flusses. Um eine dem Wechselstrom proportionale
7.2 Elektrodynamische Wandler f¨ ur K¨ orperschall
553
Bild 7.18. Prinzip des magnetostriktiven Wandlers, (1) magnetostriktiver K¨ orper, (2) von Gleich- und Wechselstrom durchflossene Spule.
Kraft zu erzeugen, braucht man also wieder einen Gleichanteil, sodass sich folgende Beziehung f¨ ur die Gesamtkraft F und f¨ ur den Wechselanteil der idealen - d. h. bei starren Enden - Wandlerkraft FW ergeben: F ∼ Φ2 =
1 1 1 2 γS i2 = γS (i + ˜i)2 ≈ γS i + γS i ˜i 2 2 2 F W = γS i ˜i.
(7.74)
ur die zus¨atzliDa es sich f¨ ur i ˜i um einen reziproken Wandler handelt, gilt f¨ che Wandlerwechselspannung, die entsteht, wenn der magnetostriktive Wandler mit der Schnelle vW zusammengedr¨ uckt wird, U W = −γS iv W .
(7.75)
Bis auf die anderen Buchstaben sind das dieselben Beziehungen wie beim elektromagnetischen Wandler. Da sich außerdem die elektrischen und mechanischen Innenwiderst¨ ande gleich auswirken, k¨onnen wir die Formeln des letzten Abschnitts u ¨bernehmen. Magnetostriktive Wandler werden haupts¨ achlich als Wasserschallwandler eingesetzt. Die mit ihnen erreichbaren Bewegungsamplituden sind sehr klein. Bei Nickel ist die maximale relative L¨ angen¨ anderung etwa 10−6 bei den giant ” −4 −3 alloys“ liegt sie bei 10 bis 10 . Bei K¨orperschallproblemen werden sie trotz ihres sehr einfachen Aufbaus nur in Ausnahmef¨ allen eingesetzt, wenn große Kr¨afte und kleine Bewegungen (d. h. hohe Frequenzen) erw¨ unscht sind; außerdem haben sie den Nachteil, uhrt. dass stets ein Gleichstrom i fließen muss und zu Ohm´schen Verlusten f¨ 7.2.6 Erg¨ anzende Anmerkungen zu den reziproken Wandlern 7.2.6.1 M-Wandler und N-Wandler Fasst man die Wandlergleichungen f¨ ur unbewegliche Magneten bzw. unbewegliche Gegenelektroden zusammen, so findet man f¨ ur die von Magnetfeldern abh¨angigen Typen aus (7.16) und (7.72)
554
7 Messung und messbare Erzeugung von K¨ orperschall
elektrodynamisch 2 F [(BlL ) + ZM i ZEi ]/BlL −ZM i /BlL i = v ZEi /BlL −1/BlL U elektromagnetisch bzw. magnetostriktiv 2 [γ + ZM F i i ZEi ]/γ −ZM i /γ = . ZEi /γ v −1/γ U
(7.76)
Wenn alle Bewegungen unterbunden sind, ist bei diesen Wandlern die Wechselkraft proportional dem Wechselstrom. F¨ ur die auf elektrostatischen Kr¨ aften beruhenden Wandler sind (7.42), (7.43), (7.11) und (7.61) maßgeblich. Es gilt piezoelektrisch Mi 1 ZM i /K [K 2 + Z ] i F Z K EI = v U −1/K 1/KZEi elektrostatisch ZM 2 F i −ZM i /α α − ZEii α1 = . v U −1/α 1/αZEi
(7.77)
Bei diesen Wandlern ist bei verschwindender Bewegung die Wechselkraft proportional der Wechselspannung. Zwei der Formeln in (7.76) und (7.77) haben noch den Sch¨onheitsfehler, dass im mechanischen Innenwiderstand ZM I der von der negativen Federsteife verursachte elektrische Einfluß zu ber¨ ucksichtigen ist. Setzt man (7.58) bzw. (7.72) in (7.77) bzw. (7.76), so ergibt sich im elektrostatischen Fall % $ i F (αZEi )2 − ZM i ZEi /αZEi ZM i /αZEI = . (7.78) v U −ZM i /αZEi 1/αZEi ¨ Macht man den Ubergang BlL → αZEi , dann ist (7.78) bis auf das Vorzeichen identisch mit der Formel f¨ ur den elektrodynamischen Wandler. Man bezeichnet daher den elektrostatischen und den elektrodynamischen Wandler als M-Wandler. Die Form (7.78) h¨ atte sich u ¨brigens auch unmittelbar aus der mit Hilfe des Hamilton´schen Prinzips abgeleiteten Formel (7.69) ergeben. In ¨ahnlicher Weise erhalten wir aus (7.76) mit (7.72) f¨ ur den elektromagnetischen bzw. magnetostriktiven Wandler mit der Abk¨ urzung γ1 = γ/ZEi ZM i /γ1 [γ 2 − ZM i /ZEI ] γ11 F i = . (7.79) v U 1/γ1 −1/γ1 ZEi Mit Ausnahme der Vorzeichen entspricht das dem Piezowandler. Man bezeichnet daher die piezoelektrischen, die elektromagnetischen und die magnetostriktiven Wandler als N-Wandler. Die Einteilung in M- und N-Wandler ist jedoch eher formaler Natur.
7.2 Elektrodynamische Wandler f¨ ur K¨ orperschall
555
7.2.6.2 Anwendung von Luftschallwandlern f¨ ur K¨ orperschalluntersuchungen In manchen Untersuchungen kann es notwendig sein, einen gebr¨auchlichen Luftschallwandler f¨ ur K¨ orperschallmeßzwecke einzusetzen. Es kann sich dabei um ein Mikrofon zur Messung oder einen Lautsprecher zur Erzeugung von K¨orperschall handeln. Da die gebr¨ auchlichen Luftschallwandler reziproke elektromechanische Vierpole sind, kann der hier entwickelte Formalismus verwendet werden. Man muss lediglich ber¨ ucksichtigen, dass sich zwischen Wandler und Struktur ein Luftpolster befindet, dessen Einfluss durch einen weiteren Vierpol in (7.17) ber¨ ucksichtigt werden kann [7.11]. Bild 7.19 zeigt drei Beispiele. Im Fall a.) wird die Luft in einer kleinen, dichten Druckkammer zusammengedr¨ uckt und so ein der Bewegung ξ proportionaler Schalldruck erzeugt (ρ0 = Dichte der Luft, c0 = Luftschallgeschwindigkeit). Im Fall b.) ist ein definierter Str¨ omungswiderstand r vorhanden, der dazu f¨ uhrt, dass in einem großen Frequenzbereich K¨orperschallschnelle v und Schalldruck in der kleinen Kammer proportional sind. Im Fall c.) schließlich wird eine (leichte) Struktur durch einen Lautsprecher u ¨ber ein Luftpolster angeregt.
Bild 7.19. Luftschallwandler f¨ ur K¨ orperschalluntersuchungen. a Bewegungsmessung. b Schnellemessung. c Anregung durch Lautsprecher. (1) Struktur, (2) Taststift, (3) Dichtung, (4) Volumen, (5) Mikrofonmembran, (6) Gegenelektrode, (7) definierter Str¨ omungswiderstand, (8) Lautsprecher.
F¨ ur eine exakte Behandlung dieser Wandler m¨ ußte man noch zahlreiche Nebeneinfl¨ usse, wie das Verh¨ altnis von Abmessungen zu den Wellenl¨angen,
556
7 Messung und messbare Erzeugung von K¨ orperschall
die Rolle von Undichtigkeiten, etc. ber¨ ucksichtigen. Da diese Wandler aber ¨ bestenfalls f¨ ur schnelle Ubersichtsmessungen angewandt werden, lohnt es sich nicht, die entsprechenden Rechnungen durchzuf¨ uhren. 7.2.6.3 Kalibrierung mit Hilfe des Reziprozit¨ atsprinzips Die Reziprozit¨at reversibler Wandler kann auch dazu benutzt werden, elektromechanische Wandler ohne Absolutmessung von mechanischen Wechselgr¨oßen zu kalibrieren. Man geht dabei nach den beiden in Bild 7.20 skizzierten Schritten vor [7.12].
Bild 7.20. Prinzip der Kalibrierung nach dem Reziprozit¨ atsverfahren, (1) Hilfssender, (2) zu kalibrierender Wandler, (3) reziproker Wandler, (4) bekannte mech. Impedanz, z.B. Masse.
Beim ersten Schritt wird mit einem Hilfssender eine Schnelle v1 einer Masse erzeugt. Statt einer Masse kann auch ein anderes mechanisches System benutzt werden, vorausgesetzt, dass seine mechanische Impedanz Z genau bekannt ist (was fast nur bei Massen der Fall ist). Es wird die der Schnelle v1 proportionale Spannung des zu kalibrierenden Wandlers W und des reziproken Wandlers R gemessen. Es gilt also U W 1 = αW v 1 ;
U R1 = αR v1 .
(7.80)
7.3 Zusammengesetzte Messgr¨ oßen
557
Beim zweiten Schritt wird der Hilfssender abgeschaltet und die Masse durch den reziproken Wandler in Bewegung versetzt. Die vom Strom iR2 dabei erzeugte Kraft F 2 und Schnelle v 2 sind |v 2 | = |F 2 /Z| = |αR iR2 /Z|.
(7.81)
Es wurde hierbei davon Gebrauch gemacht, dass bei reziproken Wandlern das Reziprozit¨atsprinzip bzw. der Satz von der wechselseitigen Energie gilt: |
U R1 F | = | 2 |; v1 iR2
bzw. U R1 iR2 = F 2 v 2 .
(7.82)
Da der zu kalibrierende Wandler W linear arbeiten soll, erzeugt er nun die Spannung (7.83) U W 2 = αW v 2 . Durch Einsetzten von (1.84b) und (1.84a) kann man v2, aR und v1 eliminieren und erh¨alt U U 2 | = | W 2 W 1 Z|. (7.84) |αW U R1 iR2 ¨ Damit ist die Bestimmung des gesuchten Ubertragungsfaktors αW auf die Messung elektrischer Spannungen und Str¨ ome und auf die Kenntnis einer mechanischen Impedanz Z zur¨ uckgef¨ uhrt. Die genaue Strom- und Spannungsmessung ist normalerweise unproblematisch, solange der reziproke Wandler gen¨ ugend stark ist, um im Sendebetrieb ein ausreichendes Signal zu erzeugen. Die Kenntnis der mechanischen Impedanz kann manchmal Schwierigkeiten bereiten, weil selbst bei kompakten Massen die Annahme Z = jωm wegen des Einflusses von Halterungen eventuell nicht zul¨ assig ist. Auch ist bei kleinen Massen zu beachten, dass die Gesamtimpedanz durch die angeschlossenen elektrischen Schaltelemente merkbar beeinflußt sein kann.
7.3 Zusammengesetzte Messgr¨ oßen Mit den bisher beschriebenen Messumformern kann die Bewegung, die Schnelle, die Beschleunigung oder die Dehnung (Dehnungsmessstreifen) direkt gemessen werden. Neben diesen wichtigsten Messgr¨oßen braucht man des ¨ofteren einige weitere, die aus den genannten abgeleitet werden k¨onnen. Bei Biegebewegungen kann z. B. die erste und zweite Ortsableitung der Bewegung, also der Biegewinkel oder die Kr¨ ummung interessieren. Man gewinnt sie, indem man zwei oder drei identische (bzw. entsprechend korrigierte) Bewegungs(Schnelle- oder Beschleunigungs-)aufnehmer verwendet und die Signale entsprechend Bild 7.21 subtrahiert. Wichtig dabei ist, dass einerseits der Abstand Δx nicht zu klein ist, weil sonst fast gleich große Signale subtrahiert werden und entsprechende Fehler auftreten, und andererseits Δx nicht zu groß ist,
558
7 Messung und messbare Erzeugung von K¨ orperschall
weil sonst der Differenzenquotient keine gute N¨aherung f¨ ur den Differentialquotienten darstellt. Ein guter Kompromiss ist, Δx so groß zu machen wie ein Zwanzigstel bis ein Zehntel der Wellenl¨ ange.
Biegewinkel: β = Kr¨ ummung:
∂η η2 − η1 ≈ ∂x Δx
∂2η η3 − 2η2 + η1 1 = ≈ rK ∂x2 Δx2
Bild 7.21. Messung zusammengesetzter Gr¨ oßen bei der Biegung.
Wenn man keine Dehnungsmessstreifen verwendet, kann man Dehnungen ebenfalls mit zwei benachbarten Aufnehmern bestimmen und die Ortsableitung (siehe z. B. (2.1)) durch einen Differenzenquotienten ersetzen. Ein großes Problem bei der gesamten K¨ orperschallmesstechnik besteht darin, dass man - abgesehen von Methoden der Spannungsoptik in durchsichtigen K¨orpern - keine M¨ oglichkeit hat, im Inneren eines K¨orpers ohne betr¨achtliche St¨orung des K¨ orperschallfeldes Messungen vorzunehmen. Man muß also von Resultaten, die man auf der Oberfl¨ache eines K¨orpers erh¨alt, auf die Bewegungen im Inneren (z. B. in der neutralen Faser) schließen. Solange ein K¨orper d¨ unn ist (Dicke kleiner als etwa ein Sechstel der interessierenden Wellenl¨ange), ist das im Prinzip m¨ oglich, weil man annehmen kann, dass alle Gr¨oßen linear voneinander abh¨ angen. Trotzdem kann eine derartige Messung ziemlich aufwendig sein, wenn verschiedene Wellentypen zu unterscheiden sind. Als Beispiel zeigt Bild 7.22, wie man aus der Messung von acht Bewegungsgr¨oßen auf den beiden Seiten einer d¨ unnen Struktur auf die Bewegungen, Winkel und Dehnungen in der Mitte sowie auf die Querkontraktionen schließen kann. Gl¨ ucklicherweise sind derartig aufwendige (und fehleranf¨allige) Messungen nur in seltenen Ausnahmef¨ allen notwendig, weil meist erkennbar ist, welcher
7.3 Zusammengesetzte Messgr¨ oßen
559
Biegebewegung und Biegwinkel in der neutralen Faser η=
(ηu + ηo 2
;
β=
(ηu2 − ηo2 ) − (ξu1 − ξo1 ) ∂η ≈ ∂x 2Δx
Bewegung in x-Richtung (in-plane) in der neutralen Faser ξ=
(ξu + ξo 2
Dehnung in x-Richtung in der neutralen Faser (ξu2 + ξo2 ) − (ξu1 + ξo1 ) ∂ξ ≈ ∂x 2Δx Querkontraktion auf der Oberfl¨ ache (siehe 2.255) Bild 7.22. Ermittlung verschiedener Bewegungsgr¨ oßen aus Messungen an den Oberfl¨ achen einer Platte oder Schale.
Bewegungstyp dominant ist und welche Richtcharakteristik der Aufnehmer haben sollte. Bei der Messung der K¨ orperschallintensit¨at ist - wie die Gleichungen im Abschnitt 2.4 zeigen - die Messung von Schnellen und Spannungen erforderlich. Die Schnellemessung bereitet dabei keine grunds¨atzlichen Probleme; jedenfalls solange man aus Untersuchungen an der Oberfl¨ache eines K¨ orpers auf die notwendigen Gr¨ oßen im Inneren schließen kann. Die Bestimmung der Spannungen ist dagegen aus zwei Gr¨ unden schwieriger [7.13][7.14]: • Die Spannungsdehnungsbeziehungen beinhalten im allgemeinen Fall (siehe 2.159, 2.160 oder auch 2.236) mehrere Dehnungen; es m¨ ussten also eine ganze Reihe von Differenzenquotienten gebildet werden. Da die entsprechenden Operatoren meist langwierig und fehleranf¨allig sind, begn¨ ugt man sich fast immer mit einfachen Bewegungsformen, bei denen einfache Spannungsdehnungsbeziehungen bestehen, z. B. (2.2), (2.48, (2.39), (2.61), (2.81), (2.335). • Die Spannungen k¨ onnen nur dann aus den Dehnungen berechnet werden, wenn einige Materialdaten (Elastizit¨ atsmodul, Schubmodul) am Ort der Messung bekannt sind. Man muss also ein gewisses Vorwissen“ besitzen. ” Zur Zeit sind Messungen der K¨ orperschallintensit¨at an d¨ unnen St¨aben, Bohlen, Platten, Schalen (siehe Abschnitt 2.9) im Labor durchzuf¨ uhren. Der Einsatz dieser Messtechnik in der rauhen Praxis“ d¨ urfte noch etwas auf sich ”
560
7 Messung und messbare Erzeugung von K¨ orperschall
warten lassen, obwohl die Kenntnis von Intensit¨aten und damit des Leistungstransports bei vielen praktischen Problemen sehr hilfreich w¨are. 7.3.1 R¨ uckwirkung des Messger¨ ats auf die Bewegung des Messobjekts Jede Messung bedeutet bekanntlich einen - hoffentlich vernachl¨assigbar kleinen - Eingriff in das Messobjekt. Da dieses allgemeine Gesetz nat¨ urlich auch f¨ ur K¨orperschallmessungen gilt und da die R¨ uckwirkung nicht immer offensichtlich ist, wollen wir diese Frage in diesem Abschnitt an einfachen Beispielen diskutieren. Zuerst betrachten wir die in Bild 7.23 dargestellte Anordnung. Sie besteht aus einer dicken Platte oder dgl. mit der vorgegebenen Schnelle v. Darauf steht, u ¨ber Federn mit der Gesamtsteife sg die Masse mM mit der Schnelle v M . Diese Schnelle soll mit einem mechanischen Ger¨at gemessen werden. Man kann diese Anordnung als Idealisierung einer Lagerung sehen, bei der ein empfindliches Ger¨ at der Masse mM von den Fundamentschwingungen v gesch¨ utzt werden soll. Der Erfolg der Maßnahme soll mit Hilfe eines Aufnehmers der Masse m und der Steife s gemessen werden. Die Rechnungen k¨onnen ¨ mit kleinen Anderungen auch auf eine - stark idealisierte - Lagerung angewandt werden, bei der die Masse mM durch eine Kraft F 0 angeregt wird und die K¨orperschalleinleitung in das Fundament verringert werden soll.
Bild 7.23. Ein Anzeigesystem aufgesetzt auf einen einfachen Schwinger. a konstruktive Anordnung. b Schaltschema.
Beschr¨ankt man sich auf reine T¨ one der Kreisfrequenz ω, dann sind die auf die Federn wirkenden Kr¨ afte: untere Feder obere Feder
sg (ξ − ξ M ) =
sg (v − v M ) = Fsg jω
s (v − v m ) = F s . jω M
(7.85)
Dabei sind ξ die Zeiger der Auslenkung und v die der Schnelle. Die Massenkr¨afte ergeben sich aus den den Beschleunigungen jωvM bzw. jωvm zu
7.3 Zusammengesetzte Messgr¨ oßen
untere Masse
jωmM v M = F M
obere Masse
jωmm v m = F m .
561
Das Gleichgewicht der Kr¨ afte erfordert sg s (v − v M ) − (v − v m ) = jωmM v M jω jω M s (v − v m ) = jωmv m . d.h. jω M
F sg − F s = F M d.h. Fs − Fm
(7.86)
Eine kleine Umformung liefert das lineare Gleichungssystem (−ω 2 mM + sg + s)v M − sV m = sg v
(7.87)
−sv M + (−ω 2 m + s)v = 0.
W¨ urde man das Problem der mit der Kraft F 0 angeregten Maschine auf diese Art behandeln, dann w¨ are v = 0 zu setzen und jωmM v M durch (jωmM v M − F 0 ) zu substituieren. Das f¨ uhrt dann dazu, dass der anregende Term“ auf ” der rechten Seite jωF 0 wird. Aus (7.87) folgt unmittelbar vM = v 1+ vM = v 1+
s sg
s sg
1 − ω 2 /ω02 2 − ωω2 1− M
−
ω2 2 ωM
1
1−
ω2 2 ωm ω2 2 ωm
−
−
(7.88a)
s sg
s sg
.
(7.88b)
Dabei sind 2 = s/m ωm
2 und ωM = sg /mM
die Bestimmungsgleichungen der Eigenkreisfrequenzen der einzelnen MasseFeder-Systeme. Gl. (7.88a) zeigt, dass durch das Vorhandensein der kleinen Masse mdie Bewegung von mM stellenweise betr¨achtlich beeinflusst wird •
Bei den Nullstellen des Nenners, also bei den oberhalb von ωm bzw. unterhalb von ωM liegenden Frequenzen (vorausgesetzt ωM < ωm ) ⎤ ⎡ # 2 1 s s 2 2 2 2 + ω2 + 2 ω2 ⎦ = ⎣ωm + ωM + ± − 4ωm ωI,II ωm M M 2 mM mM
(7.89) treten Resonanz¨ uberh¨ ohungen auf, die bei Abwesenheit von m nicht vorhanden w¨aren; (7.89) ist u ur die Reso¨brigens identisch mit der Formel f¨ nanzfrequenz einer doppelt elastischen Lagerung. • bei der Frequenz ω = ωm wird v M = 0; d.h. die Masse mM wird vollst¨andig abgebremst (Antiresonanz); falls - was bei sg /mM = s/m durchaus m¨oglich ist −ωm = ωM wird, liegt an dieser Stelle sogar die gr¨oßtm¨ogli¨ ¨ che Anderung, n¨ amlich der Ubergang von einer unendlich großen Schnelle (weil bei Abwesenheit von m die Resonanz bei ωM = ωm l¨age) zu einer verschwindenden Schnelle vor.
562
7 Messung und messbare Erzeugung von K¨ orperschall
Bei Ber¨ ucksichtigung der D¨ ampfung treten diese Effekte nicht mehr so ausgepr¨agt auf, aber sie sind noch vorhanden. Um die entsprechende Rechnung f¨ ur das in Bild 7.23 skizzierte System durchf¨ uhren zu k¨onnen, braucht man lediglich in (7.86) auf der rechten Seite zu den Tr¨agheitstermen die Reibungskr¨ afte rv m bzw. rv M zu addieren. Es ist dabei angenommen, dass die beiden D¨ampfungst¨opfe“ an einem ruhenden Bezugsk¨orper befestigt sind. Das w¨ urde ” in etwa der Wirklichkeit entsprechen, wenn es sich um Reibung am umgebenden Medium (z.B. Luft) handeln w¨ urde. F¨ ur den Fall, dass die D¨ampfung auf die inneren Verluste im Material der Federn zur¨ uckzuf¨ uhren ist, w¨ urde man in erster N¨aherung die D¨ ampfungst¨ opfe“ parallel zu den Federn anordnen. In ” (7.86) bedeutet das, dass s/jω durch rm + s/jω und sg /jω durch rM + sg /jω zu ersetzen w¨are. Bild 7.24 zeigt den Frequenzgang von v M /v einmal ohne (gestrichelt) und einmal mit (ausgezogen) dem aus s und m bestehenden Messsystem. In dem Beispiel wurde gleiche Abstimmung angenommen, also s/m = sg /mM und ur den D¨ampr/m = rg /mM ; außerdem wurde mit m = 0, 1mM gerechnet. F¨ fungsgrad wurde mit r/2sm = 0, 1 gerechnet; der Verlustfaktor w¨are also η = 0, 2. Man erkennt deutlich die starke R¨ uckwirkung in der N¨ahe der Resonanzfrequenz und die bei kleinem m/mM Verh¨altnis geringe Wirkung außerhalb der Resonanz.
¨ Bild 7.24. Frequenzgang des Ubertragungsmaßes des Messobjektes, gestrichelt ohne, ausgezogen mit aufgesetztem, gleich abgestimmtem Anzeigesystem (ωm = ωM ).
Man k¨onnte alle mit den Resonanzerscheinungen verbundenen Nachteile eines abgestimmten Aufnehmers mildern, indem man den D¨ampfungsgrad so groß macht, dass keine oder nur sehr schwache Resonanz¨ uberh¨ohungen auftreten, oder gar ein u ¨ber große Frequenzgebiete nur schwach sich ¨andernder ¨ Ubertragungsfaktor entsteht. Bei Tauchspulenmikrofonen f¨ ur Luftschall erreicht man dies, indem man die Membran m¨ oglichst breitbandig belastet. Bei
7.3 Zusammengesetzte Messgr¨ oßen
563
K¨orperschallaufnehmern bereitet das Schwierigkeiten, so dass diese nur entweder sehr hoch oder sehr tief abgestimmt sind. Das in Bild 7.23 skizzierte mechanische System hat u ur ¨brigens nicht nur f¨ die K¨orperschallmesstechnik eine große Bedeutung. Es beschreibt auch die Wirkung der sog. Schwingungstilger“; d.h. kleiner Masse-Feder-Systeme, die ” auf eine große in Resonanz schwingende Masse mM aufgesetzt werden. Wie man sieht, kann man bei dem gew¨ ahlten Beispiel mit einem relativ kleinen Tilger“, bestehend aus s, rm , m die Resonanzamplitude um 11 dB reduzieren. ” Als weiteres Beispiel zeigt Bild 7.25 die Idealisierung eines sehr gebr¨auchlichen K¨orperschallwandlers (siehe Abschnitt 7.2.1). Er besteht aus der kleinen Schwingspule m1 , die u ¨ber eine steife Feder s1 (z.B. eine Klebestelle) am Messobjekt befestigt ist. Die Schwingspule ist außerdem - zur Zentrierung - u ¨ber die weiche Feder s2 mit der großen Masse m2 des Topfmagneten verbunden, der seinerseits u ¨ber die weichen Federn s0 auf dem Messobjekt ruht.
Bild 7.25. Mechanische Eigenschaften eines elektrodynamischen Wandlers. a prinzipieller Aufbau. a Idealisierung.
L¨asst man vorl¨ aufig die elektrodynamische R¨ uckwirkung außer acht, dann ergibt sich analog zu (7.86) aus dem Gleichgewicht der Kr¨afte s0 (v − v 2 ) + s2 (v1 − v 2 ) = −ω 2 m2 v 2 s1 (v − v 1 ) + s2 (v1 − v 2 ) = −ω 2 m1 v 1 .
(7.90)
Es handelt sich hier wie bei (7.86) um zwei Gleichungen mit zwei Unbekannten. Eine Aufl¨osung nach v1 bzw. v2 bereitet keine Schwierigkeiten. Nach einigen Zwischenrechnungen findet man beispielsweise f¨ ur den Unterschied zwischen den Schnellen am Messobjekt und denen der Schwingspule v − v1 ν 2 (ν 2 μ − μ − σ2 ) = 4 . v ν μ − ν 2 (μ + σ1 + σ2 ) + σ1 + σ2 − σ22
(7.91)
Vom Standpunkt der R¨ uckwirkung ist es jedoch interessanter, die mechanisch Impedanz zu ermitteln, die das Messsystem hat, wenn es vom Messobjekt aus gesehen wird. Hierf¨ ur gilt
564
7 Messung und messbare Erzeugung von K¨ orperschall
Za =
F F + F2 = 1 . v v
(7.92)
Dabei bedeutet F die gesamte wirkende Kraft, die sich aus den beiden Federkr¨aften s1 s0 (v − v 1 ) bzw. F 2 = (v − v 2 ) F1 = jω jω zusammensetzt. F¨ uhrt man die einfachen, aber etwas langwierigen Rechnungen durch, so ergibt sich Za −ν 2 (1 + σ1 − σ2 ) + (1 + μ)(σ1 + σ2 − σ22 ) =j . ωm2 ν 4 μ − ν 2 (μ + σ1 + σ2 ) + σ1 + σ2 − σ22
(7.93)
Es wurden hier dieselben Abk¨ urzungen benutzt wie in (7.91), n¨amlich μ=
m1 ; m2
σ1 =
s1 ; s0 + s2
σ2 =
s2 ; s0 + s2
ν2 =
ω2 ω 2 m2 = . 2 ω2 s0 + s2
F¨ ur ein spezielles Beispiel ist |Za /ωm2 | in Bild 7.26 aufgetragen. Es wurde dabei,um Unendlichkeitsstellen zu vermeiden, eine kleine D¨ampfung ber¨ ucksichtigt.
Bild 7.26. Frequenzgang der Impedanz eines K¨ orperschallmessger¨ ates nach Bild 7.25. Nach (7.91) f¨ ur μ = m1 /m2 = 0, 003; σ1 = s1 /(s0 + s2 ) = 10000; σ2 + s2 /(s0 = s2 ) = 0, 95 gerechnet.
Erwartungsgem¨ aß ist unterhalb der Abstimmfrequenz des Magneten (d.h. ν < 1) |Za | = ωm2 . In einem breiten Zwischengebiet gilt |Za | = ωm2 μ = ωm1 , um dann schließlich mit der Frequenz abzunehmen. Allerdings ist der letztgenannte Bereich f¨ ur die Messtechnik wenig interessant, weil m1 entkoppelt“ ” ist, also wesentlich kleinere Amplituden macht als das Messobjekt.
7.3 Zusammengesetzte Messgr¨ oßen
565
Der idealisierte Aufbau eines anderen K¨ orperschallwandlers, der große, praktische Bedeutung hat, ist in Bild 7.27 skizziert. Es handelt sich um die mechanische Schaltung eines piezoelektrischen Wandlers, bei dem die Feder s aus piezoelektrischem Material besteht. Da die erzeugten elektrischen Ladungen proportional der wirkenden Kraft s (v − v 2 ) F1 = jω sind muss man in diesem Fall die Schnelle der seismischen“ Masse m2 und ” des Geh¨auses m1 kennen.
Bild 7.27. K¨ orperschallwandler in Geh¨ ausen (m2 =“seismische Masse“). a Piezoelektrischer Wandler. b Geophon. c mechanisches Ersatzschaltbild.
Bei den sog. Geophonen“ (Bild 7.27 b)) ist m2 die Masse eines Magneten, ” in dessen Spalt sich eine Spule befindet. Die Spule ist starr mit dem Geh¨ause verbunden. Der Magnet h¨ angt“ an den weichen Federn s. Da die induzierte ” Spannung proportional der Geschwindigkeitsdifferenz v − v 2 ist, muss auch hier diese Gr¨oße bestimmt werden. Die Ausgangsgleichung f¨ ur die weitere Rechnung ist auch hier eine Kraftbilanz. Sie lautet s (v − v 2 ) = jωm2 v2 . jω Damit kann man sofort v2 /v und auch die Schnelledifferenz (im Magnetfeld) (v − v 2 ) = v
1 1 − ω22 /ω 2
(7.94)
¨ ermitteln. Ahnlich gilt f¨ ur die an der (piezoelektrischen) Feder wirkenden Kraft 1 . (7.95) F 1 = jωm2 v 1 − ω 2 /ω22 Dabei ist ω22 = s/m2 . Wie man sieht, ist die vom Wandler gemessene Schnelledifferenz v − v 2 im
566
7 Messung und messbare Erzeugung von K¨ orperschall
Frequenzbereich ω ω2 gleich der Schnelle v des Messobjekts. Um eine der Schnelle proportionale elektrische Spannung zu erhalten, wird man also Geophone m¨oglichst tief abstimmen, d.h. die Feder s sehr weich und - soweit es die Gesamtimpedanz erlaubt - die Masse m2 groß machen. Umgekehrt ist es bei der Kraft F 1 . Sie erweist sich im Bereich ω ω2 als proportional der Beschleunigung jωv des Messobjekts. Bei piezoelektrischen Aufnehmern wird man also eine hohe Abstimmung w¨ ahlen, zumal f¨ ur ω ω2 die Kraft F 1 und damit das Messsignal abnimmt. Schließlich interessiert noch die Gesamtimpedanz der Anordnung. Sie errechnet sich aus der Massenimpedanz jωm2 und dem Kraft/Schnellekoeffizienten an der Feder s. Es gilt also Za =
F F 1 = jωm1 + 1 = jωm1 + jωm2 . v v 1 − ω 2 /ω22
(7.96)
Etwas umgeschrieben ergibt sich daraus die Impedanz eines sog. Tonpilzes Za = jωm1
1+
m2 m1
1−
ω 2 m2 s ω 2 m2 s
−
.
(7.97)
(7.97) zeigt, dass f¨ ur s/m2 = ω 2 eine Unendlichkeitsstelle (Antiresonanz) vorliegt und bei der Tonpilzresonanz 1 1 ω12 2 = s (7.98) + m1 m2 eine Nullstelle (Resonanz). Mit Hilfe der Impedanz Za des Messaufnehmers k¨onnen Probleme der R¨ uckwirkung auch allgemein behandelt werden. Dazu betrachten wir die in Bild 7.28 skizzierte Situation, bei der das Messobjekt ohne Belastung durch das Messger¨at an der Messstelle die Schnelle v 0 und die Impedanz Z 0 aufweist. Bei Verbindung mit dem Messger¨ at ¨ andert sich die Schnelle von v0 auf v m , at auf das Messobjekt zur¨ uckwirkt. Es weil die Kraft F = v m Za vom Messger¨ gilt also vm = v0 −
F Za = v0 − v Z0 Z0 m
oder
vm = v0
1 . 1 + Za /Z0
(7.99)
Wie man sieht, ist f¨ ur eine m¨ oglichst r¨ uckwirkungsfreie Messung die Bedinullen. K¨ orperschallmessger¨ate sollen daher m¨oglichst gung |Za | |Z0 | zu erf¨ klein und leicht sein oder m¨ oglichst schwach an das Messobjekt angekoppelt werden. Auch Resonanzerscheinungen sollten vermieden werden, da sie u. U. bei einigen Frequenzen zu hohen, schwer vorhersehbaren Werten von Za f¨ uhren. Falls R¨ uckwirkungen unvermeidlich sind, f¨ uhren sie meist zu Verringerungen der Schnelle. F¨ ur |Za | ≈ |Z0 | ist es aber - weil Za und Z0 verschiedene Vorzeichen haben k¨ onnen - auch m¨ oglich dass die R¨ uckwirkung die Schnelle des Messobjekts erh¨ oht.
7.3 Zusammengesetzte Messgr¨ oßen
567
Bild 7.28. Beeinflussung der Bewegung eines Messobjektes durch Impedanz des Messger¨ ates. Es wird nur eine Bewegungsrichtung ber¨ ucksichtigt.
Man beachte, dass normalerweise die in (7.99) auftretenden Gr¨oßen komplex sind. (7.99) liefert also auch die durch die R¨ uckwirkung verursachte Phasen¨anderung (Phasenfehler). Soll der Phasenfehler klein gehalten werden (z.B. bei Intensit¨atsmessungen), so ist die Bedingung |Za | |Z0 | wesentlich strenger einzuhalten als bei alleiniger Betrachtung der Betragsfehler.
Literatur
7.1.
7.2. 7.3. 7.4. 7.5. 7.6. 7.7. 7.8. 7.9. 7.10. 7.11. 7.12. 7.13. 7.14.
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Index
¨ Ubertragungsfaktor Mehrmassenschwinger, 560 ¨ Ubertragungsmaß, 562 Abdeckplatte segmentierte, 194 abgeschlossen, 278 Abklingkonstante, 151 Abklingzeiten, 173 Abschluss Problem des starren, 9 Absorptionsfl¨ ache, 425 Absorptionsl¨ ange aquivalente, 378 ¨ Abstandshalter, 188 Abstrahlgrad Abh¨ angigkeit, 505 Beispiele, 429, 482 Definition, 427 ebener Strahler, 417, 464 Kugelstrahler, 434 Messung, 428 punktf¨ ormig angeregte Platte, 481 und Luftschalld¨ ammung, 509 unendliche Platte, 440 Zylinder, 444 Abstrahlmaß, 428 Abstrahlung, 423ff. bei Kraftanregung, 475 bei Momentenanregung, 479 Biegewellennahfeld, 478, 484, 497 Dipolstrahler, 434, 467, 479 ebener Strahler, 451ff.
Eigenformen, 472 Ersatzquellenmethode, 491 halbunendliche Platte, 465 Impulsschallquellen, 447 Kolben, konphas, 454 Kugelstrahler, 432 Membran, 457 Messung der, 423 mit Strahlungsbelastung, 475ff. Monopolstrahler, 432, 467 Platte mit Strahlungsbelastung, 475ff. Quadrupolstrahler, 467, 480 Randelementmethode (BEM), 489, 491 Strahlungsverlustfaktor, 430 und Kopplungsverlustfaktor, 416 unendliche Platte, 438 von beliebig geformten K¨ orpern, 488ff. Zusammenhang mit Anregung, 499ff. Zylinderstrahler, 441 Achtpolgleichung, 159, 359 acoustic boundary layer, 436 added mass, 437 Admittanz Definition, 221 eines Rohres, 258 Admittanz s.a. Impedanz, 221, 273 Admittanzmatrix, 260 Anti-Anregung, 475 Antiresonanz, 166, 565 atmende Kugel, 432
572
Index
Ausbreitungsfunktion, 240, 263, 398, 401 Ausbreitungsmaß, 351 Ausstrahlungsbedingung, 238 Baustoffe, 183 beidseitig gekr¨ ummte Schale, 130 Beschleunigungsger¨ ausch, 449 Bettung, 111 Bettungssteife, 307 Bewegungsgleichung Balken mit Parameteranregung, 307 Balken mit Zusatzsystemen, 204 Biegewellen in Balken, 52, 391 Biegewellen, Platte Kirchhoff, 107, 238 mit Bettung, 111 mit Vorspannung, 111 orthotrop, 109 Timoshenko, 117 Dreischichtbalken, 203 elastisches Kontinuum, 74 gekoppelte Oszillatoren, 408 gekoppelte Platten, 395 geschichtete Platte, 195 in-plane Wellen, 103 Kreisring, 123 Longitudinalwellen, 31, 74 Mehrmassenschwinger, 11ff. Schallfeldgleichung in Gasen und Fl¨ ussigkeiten, 433 in Kugelkoordinaten, 433 in Zylinderkoordinaten, 433 Stab endlicher L¨ ange, 157 Stab endlicher L¨ ange, 152 Torsionswellen, 45, 392 Transversalwellen, 41, 75 Zweimassenschwinger, 560 Zweischichtbalken, 197 Zylinderschale, 121ff. Bezugsk¨ orper Problem des ruhenden, 9 Bezugswert, 424, 428 Biege-Eigenschwingungen, 63 Biegekettenleiter, 358ff. Biegemomente, 50 Biegesteife, 50, 107, 172, 173 Biegewelle, 105 korrigierte, 113
reine, 50 Biegewellen, 47, 100 Biegewellengleichung, 64, 107, 280 orthotrope Platte, 109 Biegewellenphasengeschwindigkeit, 53 Biegewellenzahl, 64, 233 korrigierte, 118 Biegewinkel, 120 Bigesteife komplexe, 193 Blutegel akustischer, 203 Boltzmann-Modell, 143 boundary element method BEM, 491 boundig layer noise, 308 Brechzahl, 81 D¨ ampfung von Quasilongitudinalwellen, 185 D¨ ampfung von Biegewellen, 157 D¨ ampfungsgrad, 151, 561 D¨ ampfungsmaß, 352, 353 damping tape, 188 Dehnung, 29, 42 Dehnungswellen, 35, 99 Dekrement logarithmisches, 150, 167 Deltafunktion, 237, 266, 307 Fouriertransformation, 462 Dilatation, 72, 74 Dipol, 490 Dipolstrahler, 434, 467 Dirac’sche Deltafunktion, 237 Dispersions-Diagramm, 94, 98 Dispersionsgleichung, 97, 111, 117, 362 Dissipation, 139 Divergenz, 72, 74 Donell-Mushtari Gleichung, 123 Doppelw¨ ande, 512 mit Schallbr¨ ucken, 496ff. Drehfedersteife, 338 Dreischichtbalken, 200 Durchlassbereich, 352, 357 Durchlasseffekt, 343 Durchlassfaktor, 344 Durchlassfrequenz, 340, 344 dynamische Masse, 311 E-Modul, 37, 50, 179, 184
Index komplexer, 142 Ecke, 324ff., 328ff. Eigenform, 472 Eigenfrequenz, 276, 278f., 281 Eigenfrequenzen, 284 Anzahl der, 287, 288 Balken (Biegung), 66ff. Eigenfunktionen, 276–278, 284, 297 Summe von, 275 Eigenkreisfrequenz Zweimassenschwinger, 560 Eigenschwingungen, 161, 287, 289 Anzahl der, 288 longitudinale, 58 Eigenschwingungsformen, 276 Eigentonnetz, 290 Eindringtiefe der Oberfl¨ achenwellen, 91 Einfachw¨ ande, 492 Einfall schr¨ ager, 376 Einfriertemperatur, 181 Eingangswiderstand an endlichen Systemen, 281 d¨ unne Platte, 289 des halbunendlichen Balkens, 231, 233 im Grenzfall, 289 punktf¨ ormig angeregte Platte, 241 Einmassenschwinger Kraftverh¨ altnis, 143 Eisenbahngleis, 363 Eisenbahnschienen, 112 elastische Lagerung, 310ff. Elastizit¨ atsmodul, 37, 38, 50, 169, 179, 184 komplexer, 142 Elementarstrahler, 432 Energie beim Beschleunigungsger¨ ausch, 451 beim Stoß, 293 kinetische der Biegewelle, 113 der Biegewelle (einfach), 57 der Longitudinalwelle, 30, 34 des Mehrmassenschwingers, 12 des Zylinder, 121 reversible, 147, 148 Energieanalyse
573
statistische, 403 Entartung, 282 Entdr¨ ohnbelag, 185, 187 Entlastung pl¨ otzliche, 301 entrained mass, 437 Entwicklungssatz, 279, 280 Ersatzschallquellen, 491 Estrich schwimmender, 395, 398, 399 F¨ ugestellen, 210ff. Fahrbahnimpedanz, 306 Faltungsintegral, 263 Federresonanzen, 313 Fehlerintegral Gaußsches, 237 FEM, 13, 112 Fernfeld bez¨ uglich der Richtcharakteristik, 454 Fernfeldrichtcharakteristik, 486 Festhalteeffekt, 313 Filter akustischer, 337 Finite Elemente Methode, 13, 112 Fl¨ achentr¨ agheitsmoment, 50 Fl¨ ussigkeit, 246 Fourierintegral, 255 Fourierreihe, 225, 247, 255 Fouriertransfomation der Deltafunktion, 462 Fouriertransformation, 236, 247, 262, 265, 269, 298, 447 r¨ aumliche, 247 Fourierzerlegung, 232 freie Wellen, 247, 269 gas pumping, 211, 215 Geophon, 564 geschlossener Wellenzug, 62 glass-transition temperature, 181 Green’sche Funktion, 262, 291, 297 Balken, 363 der Biegewellengleichung, 262 Grenzfrequenz, 112, 351, 467, 468ff., 505 Luftschallabstrahlung eines Stabes, 469 Messung, 469
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Index
Grenzschicht akustische, 436 Grenzschichtdicke akustische, 212 Grenzschichtger¨ ausche, 308 Grenzwinkel, 84 Gruppengeschwindigkeit, 54, 55, 57, 94, 101, 376 geometrische Deutung, 95 Gruppengschwindigkeit und Leistungstransport, 373 H¨ ullfl¨ ache, 425 Haft-Gleitvorg¨ ange, 304 Halbraum, 250, 268 elastischer, 90, 268, 270, 271 Anregung, 87ff. Halbwertsbreite, 6, 150, 156, 161, 168, 286 Hamiltonsches Integral, 197 Hamiltonsches Prinzip, 22ff., 112, 121, 196, 365ff., 393 Hammerwerk, 225, 226 Hankelfunktion, 239, 240, 442 Hochpolymere, 163, 180 Hohlk¨ orperdecke, 418 hydrodynamische Masse, 437, 450 Impedanz Biegewellenimpedanz der homogenen Platte, 238 Definition, 221 eines elektrodynamischen Wandlers, 230 eines K¨ orperschallmessger¨ ates, 564 Eingangsimpedanz, 231 Messkopf, 223 Messung, 223 Momentenimpedanz, 259 Punktimpedanz, 222 Rohrmessung, 230 Strahlungsimpedanz, 477, 485 Torsionswellenimpedanz, 392 Trennimpedanz, 222 Impedanz (s.a. Wellenimpedanz, Punktimpedanz), 221 Impuls, 225 Impulsantwort, 297, 298, 301, 302 Berechnung, 262
Impulsschallquellen, 447 in-plane Anteil, 120 in-plane Wellen, 105, 115, 116, 132, 245, 386, 393 in-plane Wellenanregung, 388 Intensit¨ at, 31, 83 d¨ unne Platten, 132 Definition, 131 ebene Wellen, 83 Longitudinalwellen, 32 Zylinder, 135 Isolationsgrad, 312 Isolierwirkung, 143, 145 Iterationschritt, 299 Iterationsschritt, 299 K¨ orperschall, 1 K¨ orperschalld¨ ammung, 317ff., 318 bei schr¨ agem Einfall, 376ff. Ecken, 324ff., 384 elastische Zwischenlage, 312, 333ff. gekoppelte Platten, 398 Kettenleiter, .ff.350 Masse-Feder-Anordnung, 145 Querschnittswechsel, 319, 322ff. Rippen, 390 schwimmender Estrich, 398 Spanten, 390 Sperrmassen, 341ff. symmetrisch, 342ff. ungleichm¨ aßig verteilte, 363ff. unsymmetrisch, 370ff. Verzweigung, 329ff. Verzweigungen, 382 Winkelverbindungen, 374 ampfung K¨ orperschalld¨ durch gas pumping, 211ff. durch Reibung, 180 durch trockene Reibung, 217 durch W¨ armeleitung, 178, 180 K¨ orperschalld¨ ampfung (s.a. Verlustfaktor), 139ff. K¨ orperschallintensit¨ at, 131ff. K¨ orperschallleistung bei elastischer Lagerung, 312 bei gekoppelten Oszillatoren, 408 bei Momentenanregung, 260 bei Schallbr¨ ucken, 402 bei schr¨ agem Einfall, 376
Index bei SEA, 509ff. bei Stoßvorg¨ angen, 294 endlicher Systeme, 288ff., 372ff. in Balken, 56, 235, 264 in Platten, 132ff., 242, 264 in Zylindern, 135 K¨ orperschallnachhallzeit, 506 Kˇsrperschallaufnehmer, s.a. Wandler Kennwiderstand, 32 Kettenleiter, 350, 354ff. Klappern, 300 Koinzidenzanregung, 310 Koinzidenzph¨ anomen, 308 Kolben konphas schwingend, 454 komplexe Biegesteife, 193 Kompressionsmodul, 514 konphas schwingende Kolbenmembran, 427 konphas schwingender Kolben, 454 Kontaktsteife, 252, 292, 304, 305 Kontaktzeit, 297 Kopplung elastische von zwei Platten, 399 schwache, 398, 514 starke, 406, 410ff., 516 Kopplungsgleichungen, 228 Kopplungsgr¨ oße, 406, 410 Kopplungsverlustfaktor, 410, 413, 416, 417, 516 Kr¨ afte aquivalente, 486 ¨ Kr¨ ummung, 49 Kreismembran, 457 Kreuzung, 329 Kugel atmende, 432 Kugelkoordinaten, 433, 486 Kugelstrahler, 432 Kunststoffe, 180ff. Kurzschluss hydrodynamischer, 387, 441, 444, 456, 461 nicht vollst¨ andiger, 445 L-Welle, 79 Lagerung elastische, 143, 310ff. Lagrangesche Gleichungen, 11
575
Lagrangesche Multiplikator, 365 Laplace-Operator, 106 Laser-Doppler-Vibrometer, 171 Lautsprecherzeilen, 452 Lehrsches D¨ ampfungsmaß, 151 Leistung wechselseitige, 18 Leistungspegel, 424 Linienbr¨ ucken, 498 logarithmisches Dekrement, 150, 167 Longitudinalwelle, 29ff. Luftschalld¨ ammung, 492ff. Doppelwand, 512ff. Einfachwand, 492ff. in der N¨ ahe der Grenzfrequenz, 509 Luftschalld¨ ammmaß, 493ff. Mehrfachw¨ ande mit starren Verbindungen, 515 Nebenweg¨ ubertragung, 510ff. oberhalb der Grenzfrequenz, 505 unterhalb der Grenzfrequenz, 509 Luftschallleistung, 403, 424ff., 434, 436, 444, 449, 462, 477ff. Masse dynamische, 311 hydrodynamische, 437, 450 seismische, 564 Masse-Feder-Ketten, 350 Massen-Tr¨ agheitsmoment, 45 Maxwell-Modell, 141 Mediumwechsel, 318 Mehrfachw¨ ande, 515 Mehrmassenschwinger Bewegungsgleichungen (Lagrangesche), 11 Mehrschichtbel¨ age, 188 Mehrschichtplatte, 191 Membrangleichung, 111, 122 Metalle, 178 Methode der finiten Elemente, 13 Mindlin, 117 Mindlin-Timoshenko Biegewellengleichung, 123 mobility, 221 Moden, 276 Modul komplexer, 142 Moment, 48
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Index
Momentenanregung, 479 Momentenimpedanz, 259, 347, 349 Monopol, 467, 490 Monopolstrahler, 432 Nachhallzeit, 150, 173, 377, 378, 403, 500 Nachwirkungsfunktion, 140, 141 Nahfeld, 64, 84, 86, 125, 379 Nahfeldamplituden, 68 Navier-Stokes Gleichungen, 211 Nebenbedingung, 365 Nebenweg¨ ubertragung, 510 Nettoenergietransport, 406 Norm, 279 Normalspannungen, 73 Oberfl¨ ache freie, 78 Oberfl¨ achenrauigkeiten, 304 Oberfl¨ achenwellen, 86, 96, 251 Eindringtiefe, 91 Orthogonalit¨ at, 277, 285, 339 von Eigenfunktionen, 277 Orthogonalit¨ atsrelation, 266, 277, 278 Oszillatoren gekoppelte, 407 Parameteranregung (s.a. Parametererregung), 307 Parametererregung, 304, 307 Parsevalsche Gleichung, 464 Pegelabnahme, 146, 175 f¨ ur ebene Biegewellen, 151 f¨ ur Longitudinalwellen, 151 Pegeldifferenz, 327 Periodendauer, 59 Phasenmaß, 352 Phasensprung, 61, 65, 153 Phasenverschiebung, 141 Phasenwinkel, 150, 163 Pl¨ otzlichkeit, 449 Platte, 92 gerippte, 109 geschichtete, 183 Bewegungsgleichung, 195 halbunendliche, 465 mit Schubsteife, 113, 249
orthotrope, 109, 244, 253, 268, 471, 477, 493 Plattenstreifen, 253 Plattenwellen freie, 94 Wellenzahlen, 97 Poissonsche Zahl, 35, 178, 179 Polystyrol, 182 Polyvinylchlorid, 181, 182 Porosit¨ at, 395 Potential skalares, 76 Prinzip vom geschlossenen Wellenzug, 152 vom gleichphasigen Anschluss, 68 Produktregel, 134 Punktimpedanz Biegewellen auf Balken, 234 Biegewellen auf Platten, 241 dicke Platte, 253 isotroper, unendlicher Halbraum, 251 Messbeispiele, 229 N¨ aherungsbeziehungen, 272ff. orthotrope Platte, 253 Platte mit Schubsteife, 250 Plattenstreifen, 255 Rohr, 257–259 und Anzahl der Moden, 289 und Leistung, 235, 241, 267ff., 404ff. Zusammenhang mit Wellenimpedanz, 249, 266 Zusammenstellung, 273 Zylinder, 257–259 Quadrupol, 467, 480 longitudinaler, 480 Quadrupolstrahlung, 467 quasilongitudinale Schallausbreitung, 38 Quasilongitudinalwellen, 104 Ausbreitungsgeschwindigkeit im Stab, 38 Quellen aquivalente, 489, 490 ¨ Quellvolumen, 272 Querkontraktion, 36, 39 Querkontraktionszahl, 35, 170 Querkraft, 48, 51, 56, 108
Index Querschnittswechsel, 318, 319, 323, 324, 367 R¨ uckprall, 291, 292, 295 R¨ uckwirkung, 559 Raleighsches Strahlungsintegral, 264 Randelementmethode, 489 Rauigkeit, 305 Raumwellen, 86, 96, 251 Rayleigh-Methode, 489, 490 Rayleigh-Quotient, 24 Rayleighwelle, 89, 91, 100 Rayleighwellengeschwindigkeit, 117 Rayleighwellenzahl, 269 Reflexionsfaktor, 80, 151, 319 Reflexionsgrad, 83, 85, 231, 318, 320, 327 Reibung trockene, 217 Reihe geometrische, 152, 335 Relaxation, 141 Relaxationsfunktion, 140 Relaxationsmaximum, 180 Relaxationsmodell, 141 Relaxationsvorg¨ ange, 141 Relaxationsvorgang, 178 Relaxationszeit, 141, 178 Relaxtionsmodell der Nachwirkung, 141 Residuensatz, 249, 256 Resonanzfrequenz einer Vorsatzschale, 498 Platten, 280 Biegung, 280 Ringe, 128 Rohr, 128 Schalen, 130 St¨ abe, longitudinal, 59ff. Zweimassenschwinger, 560 Zylinder, 128 Resonanzfrequenzen Anzahl der, 287, 288 Balken (Biegung), 66ff. Resonanzfunktion, 6 Resonanzg¨ ute, 151 Reziprozit¨ atsprinzip, 373, 405, 407, 410, 499, 509
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Richtcharakteristik, 454, 457, 463, 476, 486, 490, 503 Fernfeld (Zylinder), 486 im Fernfeld (Biegewellen), 476 Ring, 123, 128 Ringdehnfrequenz, 126, 129, 257 Ringresonanzfrequenz, 257 Ringresonanzfrequenzen, 128 Rippe, 389, 390 Rollvorgang, 304, 305 Rotationswellengeschwindigkeit, 75 Sandsch¨ uttungen, 210 Schale beidseitig gekr¨ ummt, 129 Schallausbreitung quasilongitudinale, 38 Schallbr¨ ucken, 400, 496, 497 Doppelw¨ ande mit, 496 Schalld¨ ammmaß bei Biegewellen am Querschnittswechsel, 324 an Ecken, 327 an Kreuzungen, 332ff. bei Longitudinalwellen, 320 bei Plattenverzweigungen, 385 bei Spanten, 389 durch Sperrmassen, 344, 348, 373ff., 373–375 durch weiche Schichten, 336, 340 f¨ ur Luftschall, 493ff. Vorsatzschale, 498 Schalld¨ ammung in der N¨ ahe der Grenzfrequenz, 509 oberhalb der Grenzfrequenz, 505, 517 Schalldruckpegel, 424 Schallfluss, 434 Schallintensit¨ atsvektor, 426 schalltoter Raum, 426 Schiebungs-Winkel, 39 Schnelle, 30 Schnelle-Pegeldifferenz, 312 Schnellepegel, 428 Schnellequadrat mittleres, 285, 291, 403 Schubfedersteife, 338 Schubmodul, 40, 164, 179, 183, 192 Schubparameter, 190, 192 Schubspannung, 41, 72
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Index
Schubwellenzahl, 104 Schubwinkel, 70 schwache Kopplung, 514 Schwellenabstand, 310 Schwingungsbauch, 154 Schwingungsgleichung, 61 Schwingungsknoten, 154, 161 Schwingungsmoden Zahl der, 405 Schwingungstilger, 561 SEA-Gleichungen, 515 Signum-Funktion, 363 Snelliussches Brechungsgesetz, 81 Spannung, 29 Spannungs-Dehnungs-Relation, 147, 163 Spannungs-Dehnungsrelation, 101, 118 Spant, 389 Spantenabstand, 310 Sperrbereich, 352, 357, 360 Sperrfrequenz, 340, 344 Sperrmasse, 341ff., 342, 344, 345, 356 exzentrische, 347 periodische, 375 unsymmetrische, 370, 373, 375 Spuranpassung, 393 Spuranpassungsanregung, 304 Spuranpassungswinkel, 495 Spurgeschwindigkeit, 79, 84, 87, 94, 387 Spurwellengeschwindigkeit, 79, 84 statistische Energieanalyse, 403ff., 509ff. stick-slip, 304 Stoßvorgang, 225, 232, 236, 292, 295 stokes layer, 436 Stolperfrequenz, 310 Strahler nullter Ordnung, 432 Strahlergruppe, 452 Strahlungsimpedanz, 476, 485 Strahlungsintegral von Lord Rayleigh, 452 Strahlungsr¨ uckwirkung, 476 Strahlungsverlustfaktor, 430, 431, 480 Strahlungswirkungsgrad, 430 T-Verbindung, 329 T-Welle, 83 Tiefpass, 343, 353 Tilger, 561, 562 Timoshenko, 115, 117, 123
Tonpilz, 10, 165, 565 Tonpilzprinzip, 10 Torsionsmoment, 43 Torsionspendel, 167, 168 Torsionssteife, 44, 168 Torsionswelle, 43 Totaldurchgang, 340, 344, 393, 494 Totalreflexion, 380, 385 Grenzwinkel der, 380, 385 Totalsperrung, 340, 344 Transferfunktionen, 164 Transmissiongrad, s.a. Schalld¨ ammmaß, 327 Transmissionsgrad, 319, 320, 323, 336, 350, 376, 383, 415 bei schr¨ agem Einfall, 384 f¨ ur Luftschall, 493 in der SEA, 411 mittlerer, 376 Transmissionsimpedanz, s.a. Wellenimpedanz trapped modes, 340 Trennimpedanz, s.a. Wellenimpedanz Berechnungsmethode, 243 Definition, 222 Gase und Fl¨ ussigkeiten, 246 gekoppelte Platten, 396 Platte Biegung, 244 in-plane Wellen, 245 mit Strahlungsbelastung, 480 mit Vorspannung und Bettung, 245 orthotrope, 244 Timoshenko-Midlin, 245 Plattenstreifen, 255 Rayleighwellen, 89, 246 und Luftschalld¨ ammung, 493ff. Zweischichtplatten, 199 Zylinder mit Strahlungsbelastung, 485 Zylinderschalen, 128 Trittschall, 294, 399 Variation, 113 Vektorpotential, 76 Verbundplatten, 194, 200 Verdrehungswinkel, 43 Verlustenergie, 177 Verlustfaktor, 142ff., 404ff., 506ff., 508
Index Boltzmann-Modell, 143 Definition, 142, 148 durch gas pumping, 214 durch Abstrahlung, 430, 480 durch Resonatoren, 203, 561 durch Schwingungstilger, 205, 561 durch trockene Reibung, 215 Einfluss auf Wellengeschwindigkeit, 143 Einfluss auf Wellenzahl, 143 Maxwell-Moden, 145 Messung, 162ff., 177 und Schalld¨ ammung, 507, 508 und SEA, 404ff. Voigt-Kelvin-Modell, 143 von Baustoffen, 184 von Doppelplatten mit Gaszwischenschicht, 214 von Entdr¨ ohnbel¨ agen, 185, 186 von F¨ ugestellen, 210 von Kunststoffen, 181, 182 von Mehrschichtplatten, 190ff. Zener-Modell, 143 Verlustmodul, 185 Versetzungsvorg¨ ange, 178 Versteifung, 486 Verzweigung, 324, 329, 382 Verzweigungsd¨ ammung, 334 Vibrometer, 168, 170 Vierpolgleichung Kettenleiter, 358 Schallbr¨ ucken, 400 St¨ abe, 157, 337 Viskosit¨ at, 211, 213, 216 Voigt-Kelvin-Modell, 140 Volumenfluss, 434 Volumenquelle, 448 Vorsatzschale, 496–498 biegeweiche, 497 Vorspannung, 111, 508 W¨ armeleitung, 178 Wand schallharte, 451 Wandkreuz, 385 Wandler elektrodynamisch, 228 R¨ uckwirkung des, 559 Wandlerspannung, 228
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Wegl¨ ange mittlere freie, 378, 415 Wellengeschwindigkeit Biegewellen Platte, 100 Rotationswellen, 75 Wellengeschwindigkeiten Biegewellen Platte, 99 Timoshenko-Mindlin, 118 Biegewellen in Balken, 53, 54 im Kettenleiter, 352 in-plane Wellen, 105 komplex (mit D¨ ampfung), 143 korrigierte Biegewellen, 118 Longitudinalwellen, 32, 75 in St¨ aben und Platten, 37, 38 Materialwerte, 179, 184 Plattenwellen, allgemein, 94, 97 Rayleighwellen, 91 Torsionswellen, 45, 46 Transversalwellen, 41, 75 Zylinder, 125, 126 Wellenimpedanz, s.a. Trennimpedanz Berechnungsmethode, 243 Definition, 222 Gase und Fl¨ ussigkeiten, 246 gekoppelte Platten, 396 Platte Biegung, 244 in-plane Wellen, 245 mit Strahlungsbelastung, 480 mit Vorspannung und Bettung, 245 orthotrope, 244 Timoshenko-Midlin, 245 Plattenstreifen, 255 Rayleighwellen, 89, 246 und Luftschalld¨ ammung, 493ff. und Richtcharakteristik, 463, 476, 486 Zweischichtplatten, 199 Zylinder mit Strahlungsbelastung, 485 Zylinderschalen, 128 Wellenl¨ ange, 61 Wellenleiter, 231, 311 Wellentypumwandlung, 82, 198, 331, 348, 371, 374, 386
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Index
Wellenzahl, s.a. Wellengeschwindigkeiten, 52 komplexe, 146 Wellenzahlspektrum, s.a. Wellenimpedanz, 248, 269, 270, 272, 461, 476 Wellenzug geschlossener, 62 Wellplatten, 109–111 Winkelverbindung, 374 Winkler-Bettung, 274 Wirkungsgrad, 478
Youngscher Modul, 36 Z¨ ahigkeitsgrenzschicht, 213 Zener-Modell, 143 Zusatzmassen, 402 Zwischenlagen elastische, 333 Zylinderausschnitt, 129, 130 Zylinderkoordinaten, 118, 120, 442, 486 Zylinderschalen, 118 Zylinderstrahler, 441, 485